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Neues Archiv

für

Sächsische Geschichte

und

Altertumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Ermisch,

K. Archivrat.

Sechzehnter Band.

Dresden 1895. Wilhelm Baensch, Verlagsbuchhandlung.

Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte und Alter- tumskunde, welches im Auftrage der Königlichen Staats- regierung und des Königlichen Altertumsvereins heraus- gegeben wird, erscheint in halbjährlichen Doppelheften, von denen je zwei einen Band von ungefähr 22 Bogen bilden.

THE

1 IQUADV

Inhalt,

Seite

I. Eine mailändisch-thüringische Heiratsgeschichte aus der Zeit König; Wenzels. Von Professor

Dr. Karl Wenck in Marburg a./L 1

II. Leipzig und Wittenberg. Ein Beitrag zur säch- sischen Reformationsgeschichte. Von Professor Dr. Felician Gefs in Dresden 43

III. Geschichte der Burg Rechenberg. Von Bürger- schullehrer Dr. Georg Pilk in Dresden ... 94

IV. Die älteste venetianische Bergordnung und das sächsische Bergrecht. Von Privatdozent Dr. Otto Opet in Bern 109

V. Stadtmarken der Zinngiefser von Dresden, Leipzig und Chemnitz. Von Direktorialassistent Dr. K. Beding in Dresden 123

VI. Kleinere Mitteilungen 129

1. Zur Geschichte der Dresdner Tbietmarhand- schrift. Von Dr. Ludwig Schmidt, Gustos au der k. öffentl. Bibliothek in Dresden. S. 129. 2. Der Begräbnistag des Markgrafen Georg von Meifsen. Von Archivar Dr. P. Mitzschke in Weimar. S. 131. 3. Zu Mardochais , Rabbis de Nelle , angeblicher Prophezeiung an Kurfürst August zu Sachsen (1575). Von Archivrat Dr. Theodor Distel in Dresden. S. 132. 4. Zum Nossener Kirchenbaue. Von demselben. S. 134. 5. Eine Flugschrift über das Anrecht König Friedrichs IL von Preufsen auf Böhmen. Von Dr. Walther Schultze in Halle a./S. S. 134. 6. Der älteste kursächsische Bibliotheks- katalog aus dem Jahre 1437. Von Staatsarchivar Dr. Woldemar Lippert in Dresden. S. 135. 7. Brief- beförderung des Kurfürsten von Sachsen 1449. Von demselben. S. 139.

Litteratur 141

VII. Konrad Rott und die Thüringische Gesell- schaft. Von Dr. Konrad Haebler, Custos an

der k. öffentl. Bibliothek in Dresden .... 177

IV Inhalt.

Seite

VIII. Arnold von Westfalen und die Rochlitzer Kuni- gundenkirche. Von Oberlehrer Dr. W. C. Pfau in ßochlitz 219

IX. Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums.

Von Prof. Dr. Eduard Heydenreich in Marbnrg 229

X. Vertriebene und bedrängte Protestanten in Leipzig unter dem Schutze Johann Georg- I. Nach urkundlichen Quellen bearbeitet von Oberlehrer Dr. Richard Schmertosch in Pirna 269

XI. Dr. med. Heinrich Erndel, Stadtphysikus zu

Dresden. Von Dr. med. Engen Sachs in Dresden 292

XII. Kleine Mitteilungen 307

1. Nachträge zum Urkunden buch des Klosters Nimbschen. Von Dr. Ludwig Schmidt, Custos an der k. öffentl. Bibliothek in Dresden. S. 307. 2. Zu Hortleders Geschichtswerk. Von Privatdozent Dr. Anton Chroust in München. S. 310. 3. Die Grands Mousquetaires. Aus dem Nachlasse des Oberhof- meisters a. D. A. von Minckwitz. S. 315.

Litteratur 324

Register 348

Besprochene Schriften.

Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte Bd. II (Ermisch) . . 147 Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte VIII (G. Müller) . 164 XI s. Müller.

Bergmann, Geschichte von Löbau (Knothe) 337

v. Bojanowski, Karl August als Chef des 6. Preufsischen Küras- sier-Regiments (Exner) 159

Brandenburg, Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von Braun- schweig (G. Wolf) 329

Cod. diplom. Sax. reg. s. Forstemann.

Exner, Die Anteilnahme der Königlich Sächsischen Armee am

Feldzuge 1809 (v. Schimpff) ' 160

Förstemann, Ürkundenbuch der Stadt Leipzig Bd. III (L. Schmidt) 324 Geffcken, Zur ältesten Geschichte und ehegerichtlichen Praxis

des Leipziger Konsistoriums (G. Müller) 165

I taldberg, Das Landschulwesen auf den Zittauer Dörfern (Heyden) 163 Held, Das Kreuzkantorat zu Dresden (Heydenreich) .... 162 Hey, Die slaviscbcn Siedelungen in Sachsen (Mucke) .... 141 Hübner, Zur Geschichte der kursächsischen Politik beim Aus- bruche des österreichischen Erbfolgestreites (Lippert) . . 157

Inner, Hans Georg von Arnim (Krebs) . 150

Köstlin, Friedrich der Weise und die Schloßkirche zu Witten- berg (G. Müller) 148

Inhalt. V

Scüte

Landsberg, Zur Biographie von Christian Thomasius (Distel) . 336 Läppert, Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im

XIV. Jahrhundert (Knothe) 145

Müller, Gr., Verfassung^- und Verwaltungsgeschichte der säch- sischen Landeskirche (Knothe) 326

( >pel, Der niedersächsisch-diinische Krieg Bd. III (Krebs) . . 155 l't'jiu, Das gotische Steinmetzzeichen (Gurlitt) ... ... 338

Reichardt, Versuch einer Geschichte der Meifsnischen Lande in

den ältesten Zeiten (Lippert) 328

Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation

und des dreißigjährigen Krieges Bd. II (G. Wolf) . . . 331 Untersuchungen , Historische , Ernst Förstemann gewidmet

(Heydenreich) . . 160

Weber, E., Virorum clarorum s. XVI et XVII epist, selectae

(Heydenreich) 150

Eine mailändisck-tliüringisclie Heirats- geschickte aus der Zeit König Wenzels.

Von

Karl Wenck.

Eheberedungen zwischen fürstlichen Häusern sind im 14. Jahrhundert die fast regelmässige Würze politischer Verbindungen. Der Staat und seine Beziehungen waren Familiensache. Die Partei, welche den Gatten stellte, konnte im Augenblick der Verheiratung das Staatsgebiet durch die besprochene Mitgift um einige Teilstücke, in Zukunft vielleicht- durch Erbschaftsansprüche ansehnlich vergrößern , dem andern Teile fiel neben der Ehre die lockende Aussicht zu, dals die verheiratete Prinzessin gewissermaßen die Bolle eines ständigen Vertreters seiner Interessen in ihrer neuen Heimat übernehmen werde. Aber wie wenige von den unzähligen fürstlichen Ver- löbnissen jener Zeit kamen wirklich zur Vollziehung! Es gewinnt durchaus in vielen Fällen den Anschein, als ob nicht die Heirat selbst, sondern schon das Eheprojekt, das dem eben zu begründenden Freundschaftsverhältnis einen greifbaren Ausdruck gab, Zweck der gepflogenen Verhandlung sei. Aber auch wenn die Heirat vollzogen ist, macht die gesunde Kraft der natürlichen Macht- interessen sich siegreich geltend über persönliche dynastische Verbindungen, die dann entweder verspätet zur Lösung kommen oder ihr politisches Schwergewicht wieder ver- lieren.

Unter diesem Gesichtspunkt wird man nicht in Ver- suchung kommen, die politische Bedeutung der fürstlichen

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 1

2 Karl Wenck:

Ehen jener Zeil zu überschätzen. Aber wenn ihr Ein- tinis auf die Politik für die Dauer im Wesentlichen von ätifseren Momenten abhängig' ist, so bleibt ihnen doch, wo wir nur über die Einzelheiten gut unterrichtet sind, neben dem Interesse jener politischen Wandlungen, durch die sie aufgelöst oder inhaltsleer gemacht werden, ein romantischer Heiz, der um so gröfser sein wird, je mehr die Politik zu den angeknüpften zarten Beziehungen in Gegensatz tritt. Vielleicht gilt das Eine und das Andere in ungewöhnlich hohem Grade von dem, Avas die folgen- den Blätter berichten sollen.

Ich will erzählen von einer Mailändischen Prinzessin des 14. Jahrhunderts, die einem Landgrafen von Thüringen durch rechtsgiltige Eheschließung verbunden, in dem Stammbaum des wettinischen Fürstenhauses doch bisher keinenPlatz gefunden hat, während dieGenealogen desHauses Visconti den Namen ihres Gemahls verzeichnet haben. Beide Gatten haben ihre Verehelichung um Jahrzehnte über- lebt, aber sie haben einander nie gesehen. Nicht die Liebe, sondern die Berechnung hat das Band geknüpft, und doch begegnen wir in den Urkunden, welche die Quelle dieser wundersamen Heirat sgeschichte bilden, in seltener Weise dem Ausdruck weiblicher Herzensempfin- dungen. Diese Urkunden sind widerspruchsvoll: wenn die eine Gruppe die lautere Wahrheit enthält, so muis die andere in voller Absichtlichkeit die Thatsachen ent- stellen.

Der vorliegende Aufsatz ist veranlagt durch eine 1891 erschienene Abhandlung des italienischen Gelehrten G. Romano, Professors zu Pavia: „Eine Heirat am Hofe der Vicontis"1). Romano hat einen Teil jener Urkunden zuerst veröffentlicht und eine feine anziehende Darstellung darauf gegründet. Seine Abhandlung wird in Deutsch- land, weil das „Lombardische historische Archiv" bei uns wenig Verbreitung hat, nicht den Leserkreis finden, den sie verdient. Als ich es unternahm, den Gegenstand für deutsche Leser zu behandeln, hoffte ich noch aus säch- sischen Archivalien das Material ergänzen zu können.

'i Un matrimonio alla corte de' Visconti: Archivio storico Lom- bardo X.Y111 (lsiii). hol Mir Liegt ein Sonderabzug vor. über den ich Bist. Ztschr. LXXIV, lll fgg. kurz berichtet habe, doch unter- scheidet sich mein dort ausgesprochenes Urteil noch in wesentlichen Punkten von der Auffassuug, die sich mir im Gegensatz zu Romano bei der Abfassung des vorliegenden Aufsalzes gebildet hat.

Eine mailändisch - thüringische Heirat. 3

Arcliivrat Ermisch, mit Sammlung des Materials beschäf- tigt für die neue mit 1381 einsetzende Folge des die Ur- kunden der Markgrafen von Meiisen und Landgrafen von Thüringen enthaltenden ersten Hauptteils des Codex diplomaticus Saxoniae regiae, hat sich lebhaft dafür in- teressiert, aber einen Erfolg haben seine Nachforschungen bisher nicht gehabt, und auch aus den vollständigen Ab- schriften sämtlicher in Mailand bisher aufgefundener Ur- kunden, die er auf meine Bitte schon jetzt für das Ur- kundenbuch der Mark- und Landgrafen beschaffte und mir gütigst zur Benutzung überliefs, liefs sich wenig mehr gewinnen, da Romano alles Wichtige vollständig mit- geteilt hatte.

Aber auch ohne neues Material glaube ich in der Beurteilung der Handlungsweise beider Parteien wesent- lich von Romano abweichen zu müssen. Er steht den überaus verwickelten deutschen Parteiverhältnissen jener Zeit verhältnismälsig fremd gegenüber. So wird die politische Lage, aus der das Heiratsprojekt hervorging, nicht in das rechte Licht gestellt. Damit hängt dann ein eigentümliches Mißverständnis der wichtigsten Ur- kunde zusammen, und auch sonst lieis sich ja noch manches ergänzen und berichtigen .# Aber ich habe bei dieser Nachlese immer den Gedank'en gehabt, wenn uns doch mehr gleich tüchtige eindringende Forschungen italienischer Gelehrter, hervorgegangen aus ebenso um- fassender Benutzung deutscher Litteratur, für die Ge- schichte der deutsch -italienischen Beziehungen vorlägen! In der Form und der phantasievollen Erfassung des wunderbaren Stoffes, der wie für einen historischen Roman geschaffen ist, ist der italienische Forscher dem deutschen natürlich weit voraus.

1.

Lucia Visconti, deren Name auf den folgenden Blättern so häufig erscheinen wird, war eine Tochter Bernabös von Mailand, des grausamen, prunksüchtigen Tyrannen, der nach der Mitte des 14. Jahrhunderts ein Menschen- alter lang seinem Volke, dem Papste, dem Kaiser und den andern italienischen Mächten gleich furchtbar er- schienen ist. So tief hatte sich der Hals gegen sein brutales Willkürregiment eingegraben, dals eines Tages (6. Mai 1385) sein Neffe Gian Galeazzo III. es wagen konnte, Bernabö mittelst eines meisterhaften Handstreichs

l :

4 Karl Wenck:

in seine Gewalt zu bringen und aus der Welt verschwin- den zu lassen, ohne anderes als Dank von dem armen gepeinigten Volke zu ernten.

Schon mit dieser Tragödie Bernabös ist, wie uns Romano zuletzt gezeigt hat2), der Name Lucias verknüpft ; auch sie berührt sich mit ihren Herzensangelegenheiten, wenn man dieses Wort von den Verhandlungen über die Verlobung und Vermählung eines etwa sechsjährigen Kindes gebrauchen darf.

Alle von der Gunst des Glückes emporgehobenen illegitimen Herrscher haben das Bestreben, durch eheliche Verbindungen mit älteren Dynastien ihrem Hause Glanz und politischen Rückhalt zu verschaffen. Niemand viel- leicht ist auf solchen Wegen dynastischer Politik eifriger und erfolgreicher gewesen, als Bernabö und seine Nach- folger. Die zahlreichen Prinzessinnen des Hauses Visconti, die damals an deutsche Fürstensöhne verheiratet wurden, haben für die Verpflanzung italienischer Kulturelemente nach Deutschland, für die Vorgeschichte des deutschen Humanismus und der deutschen Renaissance sicherlich eine noch nicht genug gewürdigte Rolle gespielt! Da- gegen standen an politischer Bedeutung höher die Heirats- verbindungen mit dem französischen Königshaus, das seit den Tagen Karls von Anjou so wesentlichen Einfluls auf die Geschicke der Halbinsel gewonnen hatte.

Dieser Einfluls mufste sehr geschwächt werden, wenn nach dem Tode Johannas L, der Enkelin des dritten Angiovinen auf dem Königsthron von Neapel, eine unga- rische Seitenlinie, das Haus Durazzo, zur Herrschaft ge- langte. Da schien durch das Ungeschick Urbans VI., das nicht nur ein vierzigjähriges Schisma über die Kirche brachte, sondern auch im Königreich Neapel langandauern- den Thronstreit entzündete, die Möglichkeit geboten, das Königreich enger als vorher mit Frankreich zu verknüpfen. Die französische Staatsgewalt stand den bezüglichen Plänen gegenüber in zweiter Linie, obwohl sie und der Gegenpapst zu Avignon das Unternehmen dann keines- wegs nur mit guten Wünschen unterstützte. Konnte es

2) II primo matrimonio di Lucia Visconti e..la rovina di Ber- nabö: Arch. stör. Lombardo XX (1893), 585. Über eine voraus- gegangene gröfsere Abhandlung desselben Verfassers „Gian Galeazzo Visconti e gli eredi di Bernabö", die in derselben Zeitschrift 1891 gedruckt ist, habe ich Hist. Ztschr. LXXIV, 137 fgg. ausführlich berichtet.

Eine mailändiseh -thüringische Heirat. 5

doch im Falle des Siegs auch den Gönner, Karls von I )urazzo Urban VI. zu Fall bringen und das Übergewicht Frankreichs üi Europa zur Wirklichkeit machen! Die eigentliche Triebfeder war der Ehrgeiz eines französischen Prinzen, des Hauptes einer jüngeren Linie Anjou, Lud- wigs L, der als Adoptivsohn der Königin Johanna das Abenteuer Karls von Anjou wiederholen wollte. Für seinen Erfolg war begreiflicher Weise die Haltung des Tyrannen von Mailand von grölster Wichtigkeit. Ludwig von Anjou suchte daher Bernabö nicht nur zum Bundes- genossen , sondern zum dauernden Gönner der neuen Dynastie zu machen , indem er ihn zum Schwiegervater seines Sohnes und Nachfolgers erkor3). Gleich bei den ersten Verhandlungen über ein Schutz- und Trutzbündnis wider Karl von Durazzo im Februar 1382 warb Ludwig um die Hand einer Tochter Bernabös für seinen fünf- jährigen Sohn Ludwig, und Bernabo erklärte sich bereit, die jüngste4) seiner heiratsfähigen Töchter, Lucia, jenem zur Ehe zu versprechen. Lucia mochte einige Jahre jünger sein als der ihr bestimmte Prinz, jedenfalls hatte man bei dem kindlichen Alter des künftigen Paares um so weniger Eile, die Eheberedung zum Abschlufs zu bringen, als man über ein gemeinsames politisches und kriegerisches Handeln völlig einverstanden war. Bernabö unterstützte mit ganzem Herzen und offenem Beutel die Unternehmung des französischen Prinzen. Er versprach sich von der Einsetzung Ludwigs in Neapel nicht nur eine bedeutsame Steigerung des Mailändischen Einflusses über ganz Italien, sondern er zählte wohl auch auf diesen Bundesgenossen für eine bevorstehende persönliche Ab- rechnung, die ihm sehr am Herzen liegen mochte.

Im Jahre 1354, bei dem Tode des früheren Gewalt- habers, seines Oheims, hatte Bernabö die Herrschaft mit zwei Brüdern zu teilen gehabt; der eine, Matteo, war schon im nächsten Jahre gestorben, man sagte, durch Gift, das ihm seine Brüder beigebracht hätten, den anderen Teilhaber aber wurde Bernabö nicht los, denn als sein Bruder Galeazzo 1378 gestorben war, folgte ihm dessen

3) Romano, Arch. stör. Loinh. XX, 586.

4) Ebenda 587, Anm. 3. Auf diese Anm. 2 genannte Abhand- lung stütze ich mich auch im Folgenden für alle Einzelheiten, die mit diesem Heiratsprojekt zusammenhängen. Ein Aufsatz von N Valois, Expedition et mort de Louis I. duc d' Anjou en Italie, in Revue des quest. histor. 1894 Janv. ist mir nicht zugänglich.

i; Karl Wenck:

Sohn Grian Galeazzo ITI., ein junger Mann \ron fünfund- zwanzig Jahren, der ohne kriegerische Tüchtigkeit, aber sonst mit ausgezeichneten Geistesgaben ausgestattet war. Nun alter hatte 'Bernabö nach dem Tode seines Erst- geborenen im Jahre 1382 noch vier Söhne. 80 weit auch die Herrschaft der Viscontis sich in Überitalien eistreckte, der Anwärter waren zu viele, wenn der junge Galeazzo die Hälfte des Gebiets für sich beanspruchen konnte. Galeazzo erkannte früh die Gefahr, die aus der Für- sorge Bernabös für seinen Nachwuchs ihm erstehen mufste, und heiratete, um sich zu decken, ein jugendlicher Witwer, 1380 eine Tochter Bernabös. Katharina Visconti nahm den Platz ein, der durch den Tod seiner ersten Gemahlin Isabella, einer französischen Königstochter, verwaist war. Diese frühere Verbindung Galeazzos mit einer Dame aus so erlauchtem Geschlecht hatte einst mit Recht als ein unvergleichlicher diplomatischer Erfolg seines Vaters ge- golten, und auch nachdem Isabella 1372 gestorben war, mochte Galeazzo als ein Schützling des Hauses Valois gelten. Aber dieser Vorteil wurde in das Gegenteil ver- kehrt, wenn jetzt Bernabö seine Tochter Lucia einem Vetter des regierenden französischen Königs, Ludwig II. von Anjou, zur Ehe gab. Die Verbindung unter den Lebenden, von hervorragender Bedeutung durch die grofse gemeinsame Aktion wider Neapel, mufste Galeazzo ganz in Schatten stellen. Und nur noch wichtiger mufste diese Verbindung werden, als Ludwig I. inmitten der Kämpfe um das beanspruchte Königreich am 20. September 1384 durch einen plötzlichen Tod hinweggerafft wurde, denn seine heroische Witwe Königin Maria und die französische Partei in Neapel traten für die Rechte des jungen Ludwig ein. Kurz vorher, am 2. August, war die Verlobung der beiden Kinder vollzogen worden, nach Ludwigs Tode wurde Bernabö durch politische Berechnung und die natürliche Eitelkeit des Vaters bewogen, unter den ver- änderten Verhältnissen sich erst recht für die Ansprüche des Hauses Anjou einzusetzen. Seiner Unterstützung gpwifs, vermochte Königin Maria auch in Paris und Avignon Bereitwilligkeit zur Portsetzung des Unter- nehmens zu wecken. Eine Tagebuchnotiz des Angio- vinischen Kanzlers Le Fevre aus Avignon, wo sich die Königin und ihr Sohn aufhielt, veranschaulicht packend den Zusammenhang der Dinge: „Am 29. April 1385", so heilst es da, wurde in Gegenwart des Papstes be-

Eine mailändisch- thüringische Beirat. 7

schlössen, die Tochter Bemabös (zur Vermählung, welcher der Ehevollzug- später gefolgt wäre) holen zu lassen und 60000 Gulden für das Kriegsvolk im Königreich Sicilien abzusenden." Also damals stand der Abschlufs des engsten Bündnisses zwischen Bernabö, den Anjous und Frank- reich und die Wiederaufnahme des Krieges gegen Karl von Durazzo unmittelbar vor der Thür. Da erfolgte ein jäher Umschwung! Gerade eine Woche nach jener Be- ratung, am 6. Mai 1385. wurden Bernabo und zwei seiner Söhne von Galeazzo zu Gefangenen gemacht, und weiter- hin wurde das noch schwerere Schicksal, welches Bernabü vermutlich dem Neffen zugedacht hatte, ihm selbst be- reitet.

Galeazzo, zu Pavia scheinbar ganz in friedliche Be- schäftigungen versenkt, hatte seinen Oheim in gering- schätzige Sorglosigkeit zu versetzen gewußt. Dann hatte der scheinheilige Neffe vorgegeben, gelegentlich einer Pilgerfahrt nach Varese dem Oheim auf der Landstrafse begegnen zu wollen, weil er sich unüberwindlich fürchte, Mailand zu betreten. Bernabo war in die Falle gegangen, er war und blieb dann gefangen, niemand rührte die Hand für ihn. Nie hat sich ein Staatsstreich glatter vollzogen! Die Unterthanen des Gestürzten, der mit siebenmonat- licher Haft und am Ende eines Prozesses mit dem Tode durch Gift die Schandthaten seines Regimentes büfste, begrüfsten den Wechsel mit Jubel. In kürzester Frist war Galeazzo Herr des ganzen grofsen und reichen Terri- toriums der Viscontis, das damals zweiundzwanzig Städte umfafste, und fast gleichzeitig hatte er auch die öffent- liche Meinung völlig für sich gewonnen. Weitsichtig genug, um zu erkennen, dafs die Dauer seiner Herrschaft am sichersten verbürgt werde durch die Zufriedenheit seiner Unterthanen, mit feineren Nerven ausgestattet als der Nimrod und Kriegsmann Bernabö, hielt er sich fern von dem brutalen und gehässigen Wesen seines tyran- nischen Vorgängers, vielmehr wufste er durch eine vor- zügliche Verwaltung und eine weise, humane Gesetz- gebung5) eine verhältnismäfsig glückliche Zeit für die Lombardei heraufzuführen. So würde trotz des blutigen Anfangs und trotz des harten Steuerdrucks, welchen seine

5) Formentini, II ducato di Milano (1877) p. 44, findet eine Ähnlichkeit zwischen Galeazzo und Napoleon I. im Schnitt des Ge- sichts, in der Begabung und Großartigkeit der Ideen.

g Karl Wenck:

vielen Kriege mit sich brachten, sein Regiment in ehren- vollem Andenken stehen, auch wenn nicht die herrlichsten Kunstdenkmäler, der Mailänder Dom und in zweiter Linie die Certosa Pavia, für den hohen und feinen Sinn ihres Erbauers Zeugnis ablegten.

Wie die Unterthanen, so haben aber auch die frem- den Mächte nichts gegen die Umwälzung einzuwenden gehabt, und der Friede wäre wohl nicht gestört worden, wenn nicht Galeazzo bald auf Eroberungen ausgegangen wäre. Zunächst machte er, um sich von der Blutschuld zu reinigen, mittels eines Rundschreibens die Anklagen bekannt, die er gegen den gefangenen Oheim erhoben hatte. Wie sein' war man geneigt, ihm izu verzeihen, was er vielleicht zur Selbsterhaltung hatte thun müssen! Zwei Monate nach der Gefangennehmung Bernabös ist im Rate der Königin Maria zu Avignon die Verbindung ihres Sohnes Ludwigs IL von Anjou mit einer Tochter Galeazzos erwogen worden. Also statt Bernabös sollte jetzt sein Nachfolger Schwiegervater und Protektor des jungen Prätendenten werden! Würde er dazu geneigt gewesen sein? In späterer Zeit hat er sich entschieden gegen jedes Hereinziehen der Fremden, der Deutschen oder Franzosen, erklärt, und nichts spricht dafür, dafs er je dem nationalen Gedanken ganz untreu geworden wäre, wrenn er auch bisweilen eine gefährliche Gemein- schaft mit Frankreich einzugehen schien. Jener Plan wurde wohl nicht weiter verfolgt, thatsächlich unterblieb Jahre lang eine Fortführung des Kampfes um Neapel, lins interessiert in erster Linie, dafs mit dem Sturze Bernabös die Heiratsaussichten Lucias in nichts zer- flossen sind. Hätte Bernabö die geplante Verbindung verwirklicht, so hätte er dann vielleicht gewagt, Galeazzo zu Gunsten seiner Söhne aus dem Wege zu räumen. Es ist überaus wahrscheinlich, dafs Galeazzo die Nachricht von dem bevorstehenden Abschluls des Bündnisses, das seines Oheims Machtstellung wesentlich befestigen mufste, als eine Mahnung ansah, zu handeln, ehe es zu spät

war11)

Die Nächstbeteiligte Lucia wird die erfolgte Wendung, den gleichzeitigen Verlust des Bräutigams und Vaters, als Kind mit Gleichmut ertragen haben. Schwerer

°) Das hat Romano in dem mehrfach erwähnten Aufsatz nach-

zuweisen gesucht,

Eine mailändisch - thüringische Beirat. 9

vermögen wir uns die Empfindungen von Galeazzos Ge- malilin Katharina, ebenfalls einer Tochter des Getödteten, vorzustellen. Ein enges Verhältnis kindlicher Liebe zu diesem Vater, der sein Herz zwischen zahllose eheliche und uneheliche Kinder zu teilen hatte, ist wohl nicht anzunehmen. Die Chroniken und Urkunden schweigen darüber. Siebzehn Jahre später, nach dem Tode ihres Gatten, zeigt sich Katharina den schweren an sie heran- tretenden Aufgaben nicht gewachsen. Während seiner Regierung tritt sie kaum hervor. In den Beratungen und Verhandlungen, die durch die Werbung des Wettiners um die Hand Lucias herbeigeführt werden, erscheint sie nur als das Werkzeug ihres Mannes. Und das dürfte uns nur verwundern, wenn wir uns darüber täuschen könnten, dafs dieser Mann nie ein Glied seines Hauses ohne ganz bestimmte politische Absichten verheiratet hat, dafs er vor dem Widerstand eines Frauenherzens die Politik gewils nicht kapitulieren liefs und dafs, wenn zu seiner Zeit eine Eheberedung nicht zur Heirat führte, sicher viel mehr politische als andere Gründe maisgebend waren.

Galeazzo war ein Diplomat ersten Ranges. Es würde über den Rahmen dieser Abhandlung weit hinaus gehen, wenn dies hier auch nur in den Hauptzügen seiner Politik gezeigt werden sollte. Es mufs genügen, auf die nach einigen Jahren von ihm erzielten Erfolge hinzuweisen, sie wurden die Grundlage seiner herzoglichen Würde, weiterhin aber die erste Ursache für jenen Angriff König Ruprechts und eines Reichsheeres, den Galeazzo durch die im Folgenden zu erzählende Familienverbindung mit den Wettinern vergeblich zu verhindern suchte.

Mit heuchlerischem Vorgeben hat Galeazzo zunächst die Scaliger ins Unrecht zu setzen gewußt und sie dann aus dem Besitz von Verona und Vicenza verdrängt, und da der Herr von Padua, Franz von Carrara, sein un- kluger Bundesgenosse, ihm den alleinigen Besitz der Beute streitig machen wollte, wurde ihm alsbald das gleiche Schicksal bereitet. So verschwanden in den Jahren 1387 und 1388 zwei der bedeutendsten oberitalienischen Staaten in dem viscontischen Herrschaftsgebiet. Nun aber loderte die Eifersucht von Florenz, das sich zur Wahrung des Gleichgewichts in Italien berufen fühlte,

s

10 Karl Wenck:

.. empor, und nach altem Berkommeii suchten die Floren- tiner Anschluls und Rückhalt bei Frankreich.

Da war es von gröfster Bedeutung, dals Gian Galeazzo, noch ehe er den Weg- der Eroberung betreten hatte, die engste Fühlung mit Frankreich gewonnen hatte7) durch die Verheiratung seiner Tochter Valentina mit Ludwig von Orleans, dem t hat kräftigen Bruder des seit, 1392 immer wieder von zeitweiliger Geisteskrankheit erfafsten französischen Königs. Valentina übernahm die schwierige Aufgabe, an dem von widerstrebenden Einflüssen erfüllten französischen Hofe die Interessen ihres Vaters zu ver- treten wider eine starke intrigante Gegnerin, die Königin Isabella aus bairischem Stamm, eine Enkelin Bernabös. Dals eine zielbewulste einheitliche Führung der italie- nischen Politik in Paris zu vermissen war, lieferte für Galeazzo am Ende das günstige Ergebnis, dals Florenz lange vergeblich ein Bündnis mit Frankreich gegen ihn zu erlangen suchte und, als es ein solches 139G durch- setzte, es für die Republik doch ohne Nutzen blieb, daß alter auch der Vorstols nach Italien , welchen Ludwig von Orleans im Einverständnis und zum Vorteil des Avignonesers Clemens VII., also im Gegensatz zu Florenz, zu verschiedenen Zeiten in Absicht hatte, nicht zur Aus- führung gelangte. Bei diesem Projekte war es durchaus auf ein Zusammenwirken mit Mailand abgesehen, Galeazzo sollte seinem Schwiegersohn beistehen zur Aufrichtung eines päpstlichen Vasallenstaates auf dem Boden des Kirchenstaates, Florenz wäre in der Mitte erdrückt worden, aber der kluge Mailänder Gewalthaber verzichtete wohl nicht ungern auf die Verwirklichung dieses Planes, für den er eingetreten war, um nicht seinerseits zwischen Prankreich und Florenz in die Enge getrieben zu werden. Er konnte es unzweifelhaft zufrieden sein, wenn die französische Politik unter den Einflufs einer andern Hof- partei aus der bisher befolgten Bahn abschwenkte und auf die gewaltsame Beilegung des kirchlichen Schisma, die via facti, auf die französische Invasion in Italien verzichtete. Galeazzo wird während dieser Verhand- lungen zu der Erkenntnis gekommen sein, wie wünschens- wert es für ihn sei. seine Herrschaft so sicher zu stellen, dais er eines unbedingten Rückhalts an Frankreich ent-

7) Jarry, La „voie de fait" et l'alliance Franco-MUanaise (13B6 bis 1395): Bibliotheque de T ecole des chartes Uli (1892), 2V6 et 505.

Eine mailändisch- thüringische Heirat II

«

behren könnte, denn dieses Frankreich konnte sich als Bundesgenosse zum unbequemen Herrn entwickeln, es verlangte auf das Lebhafteste nach dem Besitze Genuas, das der Visconti nicht minder gern für sich gehabt hätte und schliefelich 139G doch Frankreich überlassen mufete. Galeazzo konnte aber das thatenlose, durch die Krank- heit des königlichen Herrn gelähmte Frankreich entbehren, wenn er die erworbene weitausgreifende Machtstellung durch das überhaupt des Reichs König Wenzel mit dem Schutzmantel der Rechtmäfsigkeit umkleiden liefs und dadurch entgegengesetzten feindseligen Machinationen den Boden entzog.

In solcher Erwägung hat er den Antrieb gefunden, in den Jahren 1395 und 139G mit grofsem Geldaufwand von König Wenzel die Diplome zu erkaufen, die ihn aus einem Reichsvikar zu einem Reichsfürsten und Herzog machten, die Mailand und sein ganzes Besitztum in ein Herzogtum verwandelten. Freilich enthüllte er damit nur noch mehr den hohen Flug seines Ehrgeizes. Längst wurde er von den Dichtern als der einzige Mann ge- feiert, der die zerstreuten Glieder Italiens zur Einheit zusammenschliefsen könne, die Florentiner hatten mit dem Scharfblick des Hasses schon 1390 erkannt, er erstrebe zweifellos die Herrschaft über ganz Italiens). Gab er nun nicht den Hoffnungen der Ghibellinen, den Befürch- tungen der Florentiner selbst Recht, indem er sich mit dem Herzogslmte schmückte. Endlich haben die Floren- tiner einsehen lernen, dafs sie von Frankreich nichts zu erwarten hatten, und zugleich hat sich im Kriege des Jahres 1397 ihnen und ihren Verbündeten die Überlegen- heit des neuen Herzogs erwiesen. Von nun an trachteten sie aus Deutschland, dessen König durch seine Diplome die Stellung Galeazzos befestigt hatte, Hilfe zu bekommen, denn jenseits der Alpen kündigte sich durch die tief- gehende Unzufriedenheit mächtiger Fürsten eine Umwäl- zung, eine Auflehnung wider eben jenen König Wenzel an. Italienische Diplomaten, Florentiner und Paduaner sind bemüht gewesen, den Rifs zwischen Wenzel und den Kurfürsten zu erweitern, ihm aus der eigenmächtigen Rangerhöhung des Visconti einen Strick zu drehen und die Politik der deutschen Centralgewalt , die zunächst

8) So schreiben sie am 25. Mai 1390 nach Wien. Th. Lindner. Gesch. des Deutschen Reiches unter König Wenzel II, 315.

12 Karl Wenck:

von den Kurfürsten, später durch einen neuen König nach ihrem Sinne, zu vertreten war, festzulegen im aus- gesprochenen Gegensatz wider den Mailänder, und das ist. ihnen , die aus der Heimat der Goldgulden kamen, nicht allzuschwer gefallen9).

König Wenzel hatte, wie er selbst unstäl und .schwankend war, keine zuverlässigen Freunde unter den deutschen Fürsten. Gemeinsinn besafsen die Glieder des Reichs so wenig in dieser an Idealen armen Zeit, wie das Oberhaupt. So hätte Wenzel das Interesse der- jenigen, welche ihm in besonderer Weise nutzen konnten, dauernd mit dem seinigen verbinden müssen. Von hervor- ragender Bedeutung wäre es für ihn gewesen, wenn er die benachbarten Wettiner zu treuem Zusammenstehen gewonnen hätte. Sie verfügten im Besitze reicher und weit ausgedehnter Territorien in bedeutsamer Lage über eine um so gröfsere Macht, als die verschiedenen Linien des Hauses nach aufsen auf das Einträchtigste zusammen- hielten. Zu ihrem Glück liefsen sie sich leiten von der überragenden Klugheit Markgraf Wilhelms I. von Meilsen, eines Fürsten aus Karl IV. Schule, der ebenso umsichtig, energisch und erfolgreich, ebenso sehr von dynastischem Ehrgeiz erfüllt war, als sein verstorbener Meister10). Jahre lang hat er die verhängnisvolle Uneinigkeit zwischen den Fürsten des Luxemburgischen Hauses im Gegensatz zu Wenzel auszubeuten gewufst. Seit 139G aber trat er in ein näheres Verhältnis zum König, nicht am wenigsten bestimmt durch die Rücksichten, welche ihm eine schwere langwierige Fehde mit der mächtigen Stadt Erfurt auf- erlegte. Auch diese Verbindung sollte durch ein Heirats- bündnis verstärkt werden, und es ist dieses Verlöbnisses hier zu gedenken , weil der Bräutigam derselbe junge Fürst war, der nachmals Gatte von Lucia Visconti wurde, Friedrich, Sohn Landgraf Balthasars von Thüringen. Markgraf Wilhelm, selbst kinderlos, mochte gern für eine vorteilhafte Verbindung seines Neffen sorgen, der sich dereinst mit den drei Söhnen Friedrichs des Strengen, seines andern längst verstorbenen Bruders, in seine meifs- nischen Lande zu teilen hatte. Die Luxemburger, deren Stamm schon keine frischen Zweige mehr trieb, hatten

") A. Winkel manu, Der Romzug- Ruprechts von der Pfalz (1892) S. (iflg.

"') K. Wenck, Die Wettiner im 14. .Jahrhundert inshes. Mark- graf Wilhelm und König Wenzel (1877) S. 38, 54.

Eine mailändisch- thüringische Heirat. 13

damals nur ein heiratsfähiges Glied zu vergeben, eine Nichte Wenzels, Elisabeth von Görlitz. Im Augenblick, Anfang des Jahres 1397, war sie freilich eben erst sechs Jahr alt 1J), aber ihr Gemahl durfte sich Hoffnung machen, dereinst mit ihr das grofse Erbe des Hauses Luxemburg anzutreten, und wenn sich das auch zerschlagen sollte, so war ihm doch als Mitgift, und auch wenn die Ehe- besprechung vom König nicht erfüllt werden sollte, ein grofser Teil der Oberlausitz zugesagt12). Diese Aus- sichten waren so glänzend, dafs Landgraf Balthasar nicht zögerte, eine 1392 geschlossene Verlobung seines Sohnes mit Margarete von Hessen wieder aufzulösen, und Papst Bonifaz IX., der erst so gefällig gewesen war, wegen zu naher Verwandtschaft der Häuser Thüringen und Hessen Dispens zu erteilen, war jetzt so gefällig, nachträglich ein früher ungeahntes Hindernis zu finden und den Dispens zu kassieren13). Aber die Strafe für das leicht- fertige Verfahren des Landgrafen blieb nicht aus. Wie die Wettiner 1397 beschlossen hatten, dafs der elfjährige Bräutigam seine hessische Braut im Stich lassen sollte, so wurde ihm 1398 seine neue Braut durch König Wenzel entzogen, weil das Reichsoberhaupt eines Bündnisses mit Frankreich zu bedürfen glaubte, und dieses Bündnis durch die Eheberedung des jungen Ludwig von Orleans, Galeazzos Enkel, mit der hoffnungsvollen Luxemburgischen Erbtochter verankert werden sollte14). Auch dieses Ver- löbnis hat dann freilich zu nichts geführt und das Bündnis mit Frankreich vom März 1398 brachte dem König keines- wegs die gehoffte Verbesserung seiner Stellung im Reich. Sein Verhältnis zu den Wettinern insbesondere wurde um so mehr getrübt durch die Lösung des Eheversprechens, als Wenzel nicht einmal in der Lage war, jene Städte der Oberlausitz, auf welche die Wettiner auch in diesem Falle Anspruch haben sollten, auszuliefern. Er hatte sie längst an seinen Vetter Jobst übergeben, war aber dann mit ihm darüber in Fehde geraten 15J. Was Wunder, wenn Markgraf Wilhelm anfing, sich von dem König zurück-

n) R. Gelbe, Herzog Johann von Görlitz: Neues Lausitz. Magazin LIX (1883), 27.

12) T h. S c h e 1 1 z , Gesammtgesch. der Ober- u. Niederlaiisitz II, 42 (Neues Lausitz. Magazin LVI1).

13) Wenck S. 113.

14) Th. Lindner a. a. O. II, 391.

15) Ebenda 400 flg.

14 Karl Wenck:

zuziehen! Nach einem vielversprechenden Anlauf, den Wenzel 1397 genommen, indem er sich wieder einmal persönlich mit Eifer den Angelegenheiten des Reichs gewidmet hatte, war er rasch wieder erlahmt, Markgraf Wilhelm hatte ihm während dieser Epoche besonders nützliche Dienste geleistet, Jetzt, im April 1398, wurde er durch Vermittehing des Erzbischofs Johann von Mainz von seinen Händeln mit Erfurt in vorteilhafter Weise befreit, Dem Stillstand folgte ein Jahr später der Friede. Mit diesem Ausgleiche wurde durch den klugen Mainzer Kurfürsten, das Haupt der rheinischen Oppositionspartei, den Wettinern die Brücke gebaut zum Übergang in das k ünigsfeindliche Lager.

Indessen ohne Zweifel hat es Wenzel nicht an Be- mühungen fehlen lassen, die Wettiner an sich zu ketten. Bei den nahen Beziehungen Wilhelm I. zu den Vettern des Königs, Jobst und Procop, hätten ihn die Wettiner vielleicht vor der Schmach bewahren können, dals seine eigenen Verwandten ihn befehdeten, eben da ihm die deutsche Krone durch den Wittelsbacher streitig gemacht wurde. Wenn wir nun finden, dass im Winter 1398 99 über ein Ehebündnis zwischen Anglesia Visconti und dem jungen Markgrafen Friedrich dem Streitbaren oder einem seiner Brüder, im nächsten Frühjahr, als jene Verhandlung gescheitert, über eine Verbindung zwischen Lucia Visconti und Friedrich dem Friedfertigen, Balthasars Sohn, verhandelt wird, so liegt die Vermutung ungemein nahe, König Wenzel sei der Urheber des so hartnäckig betriebenen Gedankens einer Verbindung zwischen den Häusern Visconti und Wettin gewesen l6).

So vielfältige Vorteile mufste ihm seine Verwirklichung bringen! Der Herzog von Mailand konnte seinen Töchtern und Nichten Ausstattungen geben, dals daneben die Erinnerung an die Mitgift, für welche Wenzel jene ober- lausitzischen Städte hatte verpfänden wollen, verblassen mochte. Weit wichtiger war, dals die Wettiner durch die Verbindung mit dem Mailänder bei der bevorstehenden Scheidung der Parteien auf die Seite Wenzels gezwungen wurden. Sie konnten unmöglich, so schien es, einen Gegenkönig wählen mit dem imperativen Mandat, diesen Herzog von Mailand zu stürzen, mit dem sie eine auch finanziell bedeutsame Verbindung eingegangen waren.

" ' Sil nimmt schon Lindner 11, 401 Anm. 5 an.

Eine mailändisch- thüringische Heirat. |,~>

Ähnliche Gedanken mochten Galeazzo erfüllen. Ihm mufste alles daran liegen , dals König Wenzel unter den deutschen Fürsten sich einen Anhang erhielt, der stark genug war, den wohl unvermeidlichen Gegenkönig in Deutschland festzuhalten. Diesen Dienst mochten ihm die Wettiner und ihre Freunde leisten!

Von welcher Seite nun die Verhandlungen zuerst unternommen wurden, ist unbekannt, wir wissen nur, dals am 2. November 1398 Anglesia Visconti an Paganino de Biassono Vollmacht erteilte 17) zur Verhandlung eines Ehevertrags mit Friedrich, dem Sohn des Markgrafen Friedrich (des Strengen) von Meifsen, oder einem seiner Brüder AVilhelm und Georg. Anglesia, auch eine Tochter Bernabös , älter als Lucia, war schon 1377 als Kind dem jungen Hohenzoller Friedrich VI., Burggrafen von Nürnberg, der nachmals als der Erste seines Stammes Markgraf und Kurfürst von Brandenburg wurde, zur Ehe versprochen worden18). Als die beiden Verlobten herangewachsen waren, im Jahre 1393, ist aufs Neue über diese Ver- bindung verhandelt worden, jedoch ohne Ergebnis10). Der junge Burggraf nahm dann acht Jahre später statt einer Tochter eine Enkelin Bernabös, „die schöne Else" von Baiern, zur Gemahlin. Auch im Winter 1398—99 führten die Verhandlungen über eine Verheiratung Anglesias zu keinem Ergebnis, wir wissen nicht, warum? Nach drei Monaten, am 6. Februar 1399, zog sie ihre Vollmacht zurück-"). Wohl nicht erst infolge dieses Miislingens wurde bald darauf seitens eines, andern wettinischen Fürsten eine Brautwerbung in Mailand unternommen. Der junge Landgraf Friedrich, Balthasars Sohn, der trotz seiner Jugend schon zweimal verlobt gewesen war, erteilte Vollmacht zur Verhandlung eines Ehevertrags mit Lucia Visconti. Seine Boten und Unterhändler

17j So ergielit sieh aus dem späteren Widerruf dieser Vollmacht. Romano, Un matrimonio ecc: Arch. stur. Lomb. XVIII. 617. Ich citiere diese Abhandlung von hier ab nur mit dem Namen des Ver- fassers.

18) Monumenta Zollerana IV, 399 u. 4'):;.

'") Romano, Gian Galeazzo Visconti 1891 (Sonderabdr. aus d. Arch. stör. Lomb. XV111) p. f>6. Die Verhandlungen müssen dem Abschlui's sehr nahe gewesen sein, Anglesia hatte bereits auf ihre von Bernabö ererbten Rechte urkundlich verzichtet. Imhof, Hist. Italiae et. Hisp. genealogica (Norimb. 1701) p. 182.

-°) Davon wird später im dritten Teile dieser Abhaudlung noch zu sprechen sein.

16 Karl Wenck:

waren-1) ein Erfurter Geistlicher, der Dekan des Severus- stiftes, Dietrich von Arnstadt, der Ritter Friedrich von Witzleben und Johann von Allenblumen, der Kammer- meister seines Vaters. Friedrich von Witzleben bekam noch aulserdem den Auftrag, die Ehe mit Lucia an Stelle des Landgrafen als sein Prokurator rechtsgiltig zu vollziehen22). Am 4. April wurden diese Vollmachten dem Herzog von Mailand übergeben, die Verhandlungen begannen.

Erst nach mehreren Wochen fühlte sich Galeazzo bewogen, von Lucia zu erforschen, wie sie sich zu der Werbung des deutschen Fürsten stelle''13). Er allein ohne Zuziehung der Herzogin, Lucias Schwester, trat ihr entgegen, aber er war, wenn der urkundliche Bericht über diese Unterredung die volle Wahrheit sagt, sichtlich aufs Höchste bemüht, den herrschsüchtigen Tyrannen zu verbergen. Wenn er nicht die Absicht hatte, die Ent- scheidung dem Gutdünken seiner Base und Schwägerin zu überlassen, so suchte er wenigstens, indem er ihr zugleich versprach, ihr in jedem Falle einen Gatten zu verschaffen, den Schein solcher Gelassenheit zu erwecken. Zu diesem Zwecke erinnerte er sie an allerlei andere Heiratsaussichten und setzte am Schlüsse, gleichsam warnend, weil doch (was er nicht aussprach) der Sperling in der Hand Lucia natürlich lieber sein werde , als die Taube auf dem Dache, hinzu, sie möge das alles wohl in Überlegung ziehen, bevor man mit den Gesandten der erlauchten Markgrafen von Meifsen, die zum Abschloß eines Ehebündnisses zwischen ihr und Landgraf Friedrich gekommen seien, weiter verhandle, damit diesen Gesandten die richtige Antwort erteilt werden könne. So hat

2I) Heiratsvertrag- vom 25. Juni 1 :>!>!) Romano 8. HÖH. Er- gänzende Mitteilungen verdanke ich der Güte des Herrn Archivrat Ermisch.

2-) Heiratsurkunde vom 28 Juni 1399 Giulini, Memorie di Milano, Continuazione 111, 594. Nuova edizione VII, 2H7. Mir lieg! die alte Ausgabe des vorigen Jahrhunderts vor.

'-'') Alles Folgende beruht zunächst auf der Urkunde vom 11. Mai 1399 Giulini 1. c. 591. Nuov. ed. VII, 2HH Romano. p. nur. , hat den schwer begreiflichen Irrtum begangen, anzunehmen, dal's auch die eiste Befragung Lucias durch die Herzogin geschah, er sagt: un primo colloquio ebbe luogo tra le due donne . . . Da- gegen heilst es in der Urkunde: Caterina Ducissa . . . proposuit domine Lutie . . quod . . dominus Iha Mediolani . . a paucis diebus citra diaät et proposuit ipsi domine Lutie ut infra, videlicet folgt die Erinnerung an Heinrich von Derby etc.

Eine mailändisch - thüringische Heirat 17

Galeazzo seine Ansprache an Lucia, auf deren Einzel- heiten gleich noch näher einzugehen ist, dargestellt wissen wollen, und wirklich mag er gerade so vorgegangen sein, weil er durch kühle Zurückhaltung, durch seine Mahnung zu allseitiger Erwägung aller Zukunftsaussichten dem Widerspruch gegen die "Werbung des unbekannten Wettiners, der sich bei Lucia ebenso regen werde, wie er sich vielleicht bei Anglesia geregt hatte, einen Teil seines Reizes zu benehmen hoffte. Auch so mochte Lucia recht wohl wissen, was in Galeazzos Wunsch und Willen lag. Ohne erkennbaren Zwang mochte sie scheinbar aus eigner Einsicht zu der bejahenden Entschlieisung gelangen, die der politischen Lage des Herzogs so sehr entsprach. Und hatte sie nicht in der That allen Grund, die Hand des Wettiners anzunehmen, wenn sie nicht einsam durch die Welt gehen wollte?

Wie stand es doch mit jenen anderen Aussichten? Der Herzog sprach davon, dafs Graf Heinrich von Derby, der Vetter König Richards von England, um ihre Hand geworben habe. Die Verhandlungen müssen im Sommer und Herbst 1398 gespielt haben. Galeazzo würde gern eingewilligt haben, er hatte nur zwei Bedingungen gestellt: vorher müsse König Richard den Grafen, den er im September 1398 auf zehn Jahre ausser Landes verwiesen hatte, wieder in Gnaden zurückberufen haben. Galeazzo fürchtete gewifs, wenn er anders handle, die Gunst des englischen Königs zu verscherzen. Die andere Bedingung war, dais Graf Heinrich, ein junger Witwer von einunddreiisig Jahren24), eine seiner zwei Töchter einem Sohne Galeazzos zur Ehe gebe. Das hatte schon Heinrichs Vater, der alte Herzog Johann von Ghent, der inzwischen (3. Februar 1399) gestorben war, zugesagt, wie aber mochte sich jene erste Bedingung erfüllen? Galeazzo und Lucia konnten nicht ahnen, dais fünf Monate nach ihrer Unterredung derselbe Heinrich von Derby nicht nur längst (Anfang Juli) nach England zurückgekehrt war, sondern als Heinrich IV. die Königskrone von England erhalten haben würde an Stelle des eigenwilligen Tyrannen Richards IL, der ihn gerade ein Jahr vorher, im Oktober 1398, landflüchtig gemacht hatte. Die Werbung Heinrichs um Lucia

2*) Heinrich von Derby war geboren am 3. April 1367. Wylie, History of England under Henry the fourth I (1884X 4.

Neues Archiv I. S. U. u. A. XVI. 1. 2. 2

18 Karl Wenck:

Visconti ist den englischen Historikern alter und neuer Zeit unbekannt geblieben, sie ist nur bezeugt durch die merkwürdige mailändische Urkunde, der alles Vorstehende und Folgende über die Verhandlungen des Herzogs und der Herzogin mit Lucia entnommen ist. Aber dieses Schweigen der Quellen ist nicht zu verwundern und darf keinerlei Zweifel erregen. Freundschaftliche Beziehungen Heinrichs zu Galeazzo Visconti lassen sich eben im Sommer 1398 auch anderweitig nachweisen. Die Ver- anlassung zu Heinrichs Verbannung gab ein Streit mit dem Herzog von Norfolk-'"'). Beide waren durch eine dem König hinterbrachte Unterredung verdächtig ge- worden und jeder suchte, ohne es mit der Wahrheit allzu genau zu nehmen, alle Schuld auf den anderen zu wälzen. Um die Österzeit war man übereingekommen, dafs ein Zweikampf am Ki. September entscheiden solle, wer die Wahrheit gesprochen. Auf diesen Kampf rüsteten sich beide Gegner mit grofsem Aufwand. Der Herzog von Norfolk wandte sich an seine Freunde in Deutschland, Heinrich von Derby aber schickte eine stattliche Gesandt- schaft, so erzählt Froissart-'1), zum Herzog Galeazzo. um durch ihn eine Rüstung nach seinem Geschmack zu bekommen, und Galeazzo kam ihm bereitwilligst entgegen. Er liels nicht nur einen von Heinrich gesandten Kit t er Franz unter allen seinen Rüstungen wählen, sondern er schickte zum Überfluls vier der besten Waffenschmiede der Lombardei nach England, um den Grafen nach seinem Gefallen zu bewaffnen. Dals der unritterliche Herzog von Mailand in dieser Sache von Heinrich angegangen wurde, mochte seinen Grund darin haben, dals Mailami im Mittelalter grofse Waffenfabriken hatte um! die Waffenschmiede von Pavia besonders geschätzt waren, es liegt aber nahe, anzunehmen, dals mit der Bitte um die Ausrüstung für «Ion Zweikampf auch die Werbung Heinrichs um die Hand Lucias nach Mailand erging, und sicherlich wurde die Phantasie der mailändischen Prinzessin durch die Gefahr, welcher Heinrich entgegen- ging, auf das Lebhafteste angeregt, sicher erfahr sie es mit geteilten Empfindungen, daß König Richard am Ende sich dem Zweikampf entgegenstellte und beide Wider-

») R. Pauli, Gesch. von England IV, Hl 3. -''') Oeuvres de Froissart publ. par Korvyii de Lettenhove. Chroniques XVI (1872), 95.

Eine mailändisch- thüringische Heirat. 19

sacher aus dem Lande verwies. So war es also Heinrich nicht verstattet gewesen, seine Ehre gegen den Ver- leumder zu behaupten, der ritterliche Fürst, dem die Gunst seines Volkes in so reichem Malse zu Teil wurde, dals vierzig Tausend Männer und Frauen bei seinem Auszug aus London ihm Abschiedsgrüise zuriefen-7), mulste als Verbannter sfiin Vaterland verlassen! Als ob sein Leben nicht schon vorher sich romantisch genug gestaltet hätte! Was hatte dieser Mann doch schon alles gesehen und erlebt2S). In dem einen Jahre 1390 hatte er auf den Ruf des Dogen von Genua mitgewirkt bei der Einnahme von Tunis und hatte deutsche Ordens- ritter auf einer Heerfahrt wider die Lithauer begleitet, 1392 war er auf einer eigens für ihn von der Republik Venedig ausgerüsteten Galeere nach Jerusalem gefahren, ohne das ersehnte Ziel ganz zu erreichen, 1396 hatte er die furchtbare Niederlage bei Nikopolis mit erlebt und war vor der Wut der Türken mit König Sigismund von Ungarn an Bord eines venetianischen Schiffes glücklich an die Donaumündungen gelangt! Sicherlich war er auf diesen Fahrten ein oder das andere Mal nach Mailand gekommen, und Lucia hatte von dem reichen, that- kräftigen und klugen Fürsten, dem überall die Herzen entgegenschlugen, der seine erste Gattin 1394 mit 28 Jahren hatte ins Grab sinken sehen, gewifs den tiefsten Eindruck erhalten. Aber nun stand der Erfüllung ihrer Hoffnungen nicht blols die doppelte Bedingung des Herzogs entgegen, wer mochte Lucia bürgen, dals Heinrich von Derby, Herzog von Hereford, nach dem Tode des Vaters auch Herzog von Lancaster und Besitzer vieler anderer Herrschaften, in Frankreich, wohin er geflüchtet war, nicht eine andere Gattin fand? In der That war man um Weihnachten 1398 -9) am Pariser Hofe gesonnen, ihm Maria, die Tochter des Herzogs von Berry, des ein- llufsreichen Oheims Karls VI., als Gattin zuzuführen, und wohl nur die gehässige Warnung König Richards vor der Verbindung mit einem Verräter, die ein Graf von Salisbury über den Kanal brachte, stellte sich dieser Absicht entgegen.

Wer möchte es nun sagen, ob von dieser Intrigue

27) Froissart S. 111. Froissart rühmt dann auch seine grofse Beliebtheit in Frankreich.

2») Wvlie I, 5. Pauli V, 65- 20) Pauli IV, 624.

o*

2Q Karl Wenck:

des Königs, die in London neuen Groll wider ihn hervor- rief, von den vereitelten Heiratsabsichten Heinrichs, etwa durch lombardische Kaufleute Kunde nach Mailand gekommen war! Galeazzo behandelte es als eine offene Frage, ob Lucia nach Jahren sich werde mit Heinrich von Derby verbinden können. Wenn sie wrarten wolle und Graf Heinrich nach zwei bis drei Jahren noch immer nicht begnadigt sei, so solle sie dann dafür, dals sie um einer schließlich getäuschten Hoffnung willen auch den wettinischen Antrag abgelehnt habe, Ersatz finden in einer Ehe mit Gabriel Visconti, einem natürlichen Sohne des Herzogs, den König Wenzel legitimiert hatte. Galeazzo würde dafür sorgen, dals Gabriel sie zu seiner Gattin mache, wenn sie nur wolle. Und wenn es ihr nicht beliebe, so werde er für einen andern Mann Sorge tragen. Wenn sie aber auch keinen andern Gatten haben wolle, sondern nur immer auf Heinrich von Derby warten wolle, so sei er's zufrieden und werde am Ende ihm gern Lucia zur Gattin geben, nachdem jene beiden Bedingungen erfüllt seien. Zum Schluis sprach er dann die schon oben erwähnte Mahnung aus, Lucia solle das alles recht erwägen, ehe man in den Unterhandlungen mit den Gesandten des Landgrafen weiter vorgehe. Und was antwortete Lucia? „Wenn ich", sagte sie, „sicher wäre, dals ich den Grafen von Derby zum Gemahl haben könnte, so wollte ich warten, so lange ich könnte, auch bis an mein Lebensende, auch wenn ich sicher wäre, drei Tage nach meiner Vermählung zu sterben. Ich bedenke aber, dafs ich diese Gewißheit nicht haben kann, ich bedenke auch, dals mein Vetter Gabriel, wenn ich erst einige Jahre in jener Erwartung habe vergehen lassen, mich für zu alt' befinden wird und ich so weder den einen noch den andern bekommen werde. Und deshalb", so schlofs sie, „bin ich's zufrieden, in Gottes Namen ver- handle man mit jenen Gesandten, um mich ehelich mit dem Landgrafen zu verbinden ohne Rücksicht auf andere Bewerber." Einige Tage nach dieser Unterredung mit dem Herzog unter vier Augen wurde Lucia von der Herzogin aufs Neue befragt, aber keineswegs sprach die Schwester zur Schwester in traulicher Beratung, sondern Lucia mußte der Herzogin Rede stehen in Gegenwart des Bischofs von Novara, des Markgrafen von Montferrat und vier anderer hoher Zeugen. Zwei Notare waren bereit, Rede und Gegenrede aufzuzeichnen und zu beglaubigen. Die

Eine mailändisch- thüringische Heirat. 21

Herzogin wiederholte zunächst alles, was ihr Gatte bei der früheren Unterredung Lucia vorgeschlagen und zur Wahl gestellt hatte, so wie wir es eben nach ihrer zu- sammenfassenden Wiedergabe mitgeteilt haben, dann ebenso die Antwort, welche Lucia gegeben haben sollte, und schließlich fragte sie, ob das ihre Meinung war und sei, oder ob sie sich anders entschlossen habe? Lucia bestätigte in Gegenwart der Zeugen ihre frühere Willens- erklärung, sie sei es zufrieden, ohne auf einen andern zu warten, in Gottes Namen solle man zum Abschlufs des Ehe Vertrags mit dem Landgrafen verschreiten.

Darüber wurde dann die merkwürdige Urkunde aus- gestellt, die bei aller scheinbaren Klarheit doch so rätsel- haft ist. Romano hat den Worten der Urkunde Glauben schenkend angenommen, dafs Lucia völlig frei sich ent- schlossen habe, dafs sie in nüchterner Erwägung der dürftigen Aussichten auf eine Wiederkehr Heinrichs von Derby, der zu großen Jugend ihres erst dreizehn- jährigen:,u) Vetters Gabriel und ihrer eigenen entfliehen- den Jugend in die Heirat mit dem Landgrafen gewilligt habe, natürlich ohne Liebe, aber auch ohne Bitterkeit oder Zwang.

Werden wir ihm zustimmen können? Warum, fragen wir, der grofse feierliche Apparat des Notariatsaktes unter Herbeiziehung hoher Zeugen für eine Zusage, die aus freier, ruhiger Überzeugung hervorgegangen war? Sicherlich ist dieser Aufwand zur Beglaubigung einer Willenserklärung, die sich sonst gern in den Schatten eines unbeobachteten Zwiegesprächs verbirgt und auf den Tag der Verlobung oder Vermählung wartet, um sich öffentlich zu erklären, sehr befremdend. Sollte Lucias Zusage festgelegt werden als eine zu wiederholten Malen freiwillig gegebene, während sie in Wahrheit erpreist war, damit Lucia später nicht wage, sich anders zu er- klären? Man wird vielleicht zugeben, dafs solche An- nahme nicht unwahrscheinlich ist. Die Urkunde vom 11. Mai giebt uns aber noch andere Handhaben, Kritik an ihrer Wahrhaftigkeit zu üben. Ist es denn möglich, dafs eine kühle Verständigkeit solcher Art, wie sie Lucia entfaltet haben soll, einem Mädchen eigen war, das seiner

30) Gabriel Visconti war, als er 1408 in Genua auf Befehl des französischen Marschalls Boucicaut schuldlos enthauptet wurde, erst zweiundzwanzig Jahr alt. Muratori, Annali d'Italia s. a. 1408.

■)) Karl Wenck:

Liebe zu jenem englischen Prinzen selbst einem Galeazzo gegenüber einen so leidenschaftlichen Ausdruck gab? Für drei Tage der Vereinigung mit dem Geliebten wollte sie alle die Jahre vorher vertrauern und dann in den Tod gehen! Wenn sie trotzdem einwilligte, einen gänzlich unbekannten deutschen Kleinfürst en zu heiraten, der mit seinen fünfzehn Jahren ebenso wie Gabriel Visconti für sie viel zu jung war, von dem sie, falls die thüringischen Boten nur aufrichtig waren, wenig hören mochte, was ihn einem Heinrich von Derby an die Seite stellen konnte, so wird man sicher nicht sagen dürfen, dafs sie aus freier Entschließung gehandelt hat. Wohl wird man noch daran denken dürfen, dafs Lucia ihre Zustimmung gab unter dem Eindruck leidenschaftlicher Trauer über den Verlust Heinrichs von Derby, über den sie sich keiner Täuschung mehr hingeben konnte, dafs sie also handelte in einem Zustande seelischer Gleichgültigkeit gegen alles, was ihr das Leben noch weiterbringen mochte, aber wie lange hätte diese nervöse Erregung anhalten mögen? Am nächsten liegt es wohl, anzunehmen, dafs Lucia sich einem Drucke und Zwange fügte, den urkundlich zu bezeugen Galeazzo natürlich keinerlei Veranlassung hatte, den zu üben seine politische Lage ihm dringend empfehlen konnte. Setzen wir die Entscheidung aus, bis wir gefördert durch die Kenntnis von dem Fortgang der Ereignisse vielleicht zu greiserer Klarheit über dieses psychologische Problem durchzudringen vermögen!

Fast sechs Wochen sind nach jener feierlichen, am 11. Mai erfolgten Befragung Lucias durch die Herzogin vergangen, ehe die Heiratsangelegenheit entschieden in Fluis kam. Dann vollzog sich alles in wenigen Tagen: am 21! Juni der Verzicht Lucias auf alle vom Vater ererbten Rechte, am 25. der Abschluis des Heirats- vertrags, am 28. die Vermählung, bei welcher Friedrich von Witzleben an Stelle des Landgrafen den Hing gab und empfing. Die erfolgte Eheschließung wurde urkund- lich bekräftigt.

In dem Heiratsvertrag1'1) wurde die Mitgift auf 75000 Goldgulden festgesetzt, auf dieselbe Summe, die einige Jahre früher einer nach Baiern verheirateten Schwester Lucias zugesagt worden war32). Im nächsten

31) Romano S. 606.

:i-) Romano, Gian Galeazzo Visconti p. 62. Die letzten 25000 Gulden blieben Galeazzo und seine Nachfolger den Witteisbachern

Eine mailändisch -thüringische Heirat. 23

Frühjahr sollten die Gesandten der Landgrafen Balthasar und Friedrich Lucia über die Berge holen , Galeazzo wollte sie ihren Bevollmächtigten so frühzeitig in Trient übergeben lassen, dals sie bis zu Ostern in die Heimat ihres Gatten gelangen könne, und mit ihr wollte er als Anzahlung auf die Mitgift 30000 Goldgulden schicken, während der Rest innerhalb dreier Jahre nach dem Weg- gang Lucias gezahlt weiden sollte. Die Gesandten der Landgrafen versprachen ihrerseits eine entsprechende Gegengabe des Landgrafen an Lucia in liegenden Gründen, aus denen sie ein regelmässiges Jahreseinkommen zu freier Verfügung beziehen sollte.

Politische Bedeutung hatte wohl die eigentümliche Bestimmung, wonach Landgraf Balthasar und sein Sohn dem Herzog urkundlich bezeugen sollten, dals Lucia ihnen zur Ehe übergeben sei und übergeben werden würde von Herzog Galeazzo und von niemand anderem, und dals die Landgrafen, ihre Kinder und Nachfolger immer an- erkennen würden , wie diese eheliche Verbindung von diesem Herzog und niemand anderem ausgegangen sei. Galeazzo hatte viele Jahre lang Söhne Bernabös in den Reihen seiner Feinde zu bekämpfen gehabt; Herzog Stephan von Baiern war als Schwiegersohn Bernabös von dessen Söhnen und den Florentinern gegen Galeazzo aufgerufen worden, wir können nicht zweifeln, dafs Galeazzo die Möglichkeit ins Auge faiste, der künftige Gatte Lucias möchte bewogen werden, für die Rechte seiner Schwäger gegen ihn einzutreten. Um solcher Gefahr für alle Zu- kunft vorzubeugen, wünschte er selbst als der Begründer dieses Heiratsbundes, d. h. als der einzige rechtmäßige Gewalthaber des Herzogtums Mailand anerkannt zu werden. Und auch für den Fall, dafs das künftige Reichs- oberhaupt gegen ihn vorgehen wollte, mochte ihm eine solche Urkunde von Nutzen sein können. Dafs die Heirat eine politische Solidarität zwischen den Häusern Wettin

schuldig-. Dem Burggrafen von Nürnberg waren 1393 nur 50000 Gulden als Mitgift zugedacht. Giulini S. 27. Die Mitgift der 1387 an Ludwig von Orleans verheirateten Tochter Galeazzos, Valentina, betrag aul'ser der Grafschaft Asti 450000 Goldgulden, aber die ganze Schuld Galeazzos an Ludwig belief sich mit Zinsen und anderem auf 688000 Gulden und diese war 1403 bis auf den Rest von 88000 Dukaten bezahlt. M. Faucon, Le mariage de Louis d'Orleans et de Valentine Visconti: Extrait des Archives des missions scientiliques et litteraires 3. serie VIII, 15.

■> | Karl AVenck:

und Visconti begründen sollte, wurde sodann ganz all- gemein ausgesprochen. Die Landgrafen und ihre Nach- folger werden nichts gegen den Herzog und seine Nach- folger unternehmen , sie werden vielmehr wirken für die Erhaltung des Herzogs und seiner Nachkommen und werden für sie thun, was guten und treuen Freunden zu thun zukommt. Das Gleiche versprach ihnen der Herzog.

So waren die Verhandlungen, wenn nur die erbetene Ratifikation seitens der Landgrafen erfolgte, an das Ziel gelangt, das dem deutschen und böhmischen König einer- seits, dem mailändischen Herzog andererseits so erstrebens- wert erschienen war.

Aber waren denn die Wettiner auch wirklich ge- sonnen, sich für die Interessen der Häuser Luxemburg und Visconti in die Bresche zu werfen?

Es ist ein eigentümliches Zusammentreffen, dafs in der ersten Hälfte des Mai 1399, fast genau in denselben Tagen, in denen Lucia in Mailand ihre Zustimmung zu den Heiratsverhandlungen gegeben hat, Markgraf Wilhelm von Meilsen und Landgraf Balthasar zu Forchheim mit der rheinischen Kurfürstenpartei in enge, freundschaft- liche Beziehungen traten :5:5). Noch hatten die Kurfürsten von der Pfalz, Mainz und Köln den Gedanken der Ab- setzung Wenzels nicht offen ausgesprochen, aber schließ- lich lag er im Verfolg der Bestrebungen, über die sie sich kurz vorher (April 1399) in Boppard verständigt hatten: den König ihrem Willen, die Leitung der Reichsangelegen- heiten ihrem Gutdünken zu unterwerfen, und insbesondere waren die Kurfürsten einig gewiesen, die Bewilligungen König Wenzels an den Mailänder Gewalthaber nicht zu bestätigen.

Es wurde oben schon der Thätigkeit Erwähnung ge- than, welche Diplomaten von Florenz und Padua in Deutschland übten, um die Widersacher König Wenzels aufzureizen und vorwärts zu drängen. In den ersten Monaten des Jahres 1399 trat die Sucht des Mailänders nach Erweiterung seiner Herrschaft den Florentinern in besonders bedrohlicher Gestalt vor Augen34), Galeazzo' machte sich im Februar dieses Jahres zum Herren Pisas

33) Lindner II, 407. Wenck S. 68. -4) Leo, Gesch. der ital. Staaten III, 338.

Eine mailändisch- thüringische Heirat. 25

und vermochte fortan den Florentinern den Zugang zum Meere zu sperren; im September kam auch Siena unter seine Gewalt, Florenz war nun auch im Süden umzingelt, im nächsten Jahre folgten Perugia, Assisi, Spoleto und Nocera nach.

Das neue Band, das Galeazzo mit dem Hause Wettin zu knüpfen gesucht hatte, hätte sehr stark sein müssen, wenn die Land- und Markgrafen trotz dieser Eroberungs- politik des Mailänders hätten geneigt sein sollen, die Ver- tretung seiner Rechte und Interessen gegenüber den zur Absetzung Wenzels entschlossenen Fürsten auf sich zu nehmen. Ein solches Verhalten hätte nicht ohne Beispiel dagestanden, die Habsburger hielten sich seitab von der Fürstenrevolution, Herzog Wilhelm von Osterreich schlofs sogar im Frühjahr 1400 zugleich im Namen seiner Brüder ein Bündnis mit dem Mailänder auf fünf Jahre, das diesen gegen einen Angriff von Deutschland her durch die Länder des Hauses Österreich sicher zu stellen schien"5). Aber da für die Wettiner allein die deutschen Interessen mafsgebend waren, während die Habsburger schon damals ihre Hand nach Teilen von Oberitalien ausstreckten, so wäre die Voraussetzung einer Mailand-freundlichen Politik das engste Einvernehmen mit den Luxemburgern, nament- lich mit König Wenzel, gewesen, und eben daran fehlte es doch nach dem Vorausgegangenen durchaus. Die Heiratsverbindung mit dem Hause Visconti hätte der Ausdruck solcher Intimität sein können, sie mufste zu- sammenbrechen, wenn es keine andere Stütze dieser Freundschaft gab. Im September 1399 finden wir die verschiedenen Land- und Markgrafen mit den vier rhei- nischen Kurfürsten und anderen Fürsten zu einein Bunde geeinigt, der die Aufstellung eines anderen Reichsober- hauptes nun offen und urkundlich sich zum Ziele setzte, und ebenso haben sie an den anderen Fürstenversamm- lungen teilgenommen, die der Absetzung Wenzels voraus- gingen. Dem neuen König, Ruprecht von der Pfalz, wurde auferlegt, die Erhebung Galeazzos zum Herzog zu widerrufen und die von ihm dem Reiche entfrem- deten Lande wieder an das Reich zu bringen. Wie aber stellten sich dann die Wettiner zu dem neuen König?

Es widerspricht durchaus den Thatsachen , sie als

ar>) Lind ii er II, 521. Hub er, Gesch. Österreichs II, 389.

•>i; Karl Wenck:

warme und treue Freunde Ruprechts zu bezeichnen0'1). Mit einiger Übertreibung , aber im Grunde doch richtig hat der boshafte Erzbischof Johann von Mainz ihre Haltung gekennzeichnet37), wenn er den Bürgern von Frankfurt schrieb, mau solle die Markgrafen, die sich rühmten, sich wohl gegen den römischen König gehalten zu haben, fragen, welchen König sie meinten, ob Ruprecht oder einen andern ? Es gelte bei ihnen, heute hierher, morgen daher, dafs niemand wissen möge, wen sie für einen römischen König halten ? Und die Thatsachen: Markgraf Wilhelm, das Haupt der Familie, lieferte, kurze Zeit vor Ruprechts Wahl an Wenzels Vetter, Jobst, die Papiere der Fürst enverschwörung aus; nach der Wahl winden die Markgrafen von Jobst und Wenzel mehrfach ver- geblich in Böhmen erwartet, sie ließen sich nicht von WCnzel gewinnen38), sie lielsen sich aber auch viele Jahre lang immer wieder vergeblich auffordern, ihre Fürst en- 1 inner von Ruprecht zu Lehen zu nehmen*'), sie zogen allerdings im Sommer 1401 im Einverständnis mit König Ruprecht zu Felde gegen Prag, aber obwohl der Witteis- bacher aus ihrem Auftreten bei einiger Entschlossenheit hätte für sich Nutzen ziehen können, waren es doch zu- nächst eigene Interessen und Ansprüche, die sie gegen Wenzel verfochten, und als Ruprecht dann die Bekämpfung Wenzels gleichgiltig abbrach, ehe er sie noch selbst be- gonnen40), haben die Wettiner sich ebenso wenig um seine Heerfahrt nach Italien gekümmert. Ihre Namen finden sich wohl in der Liste der zum Romzug aufgeforderten Reichsstände, aber keiner von ihnen ist Ruprecht über die Alpen gefolgt41). Also nicht die Schärfe des poli- tischen Gegensatzes war es, die sich der thatsächlichen

30) Das thut Romano S. 26, aber die von ihm angeführten Stellen der Reiclista^'sakten beweisen «las keineswegs, sie beziehen sich größtenteils auf die Zeit vor der Wahl, die anderen «Micken Wünsche König Ruprechts aus, die unerfüllt blieben.

i In dem höchst merkwürdigen Briefwechsel, bei welchem der Frankfurter Rat die wenig angenehme Rolle dos Briefträgers zwischen dem Erzbischof und den Wettinern spielte, «edr. inFichards Wette- ravia (1828) S. 158—210, bes S. 201 ti. 207.

^) Wenck S. 72.

3") Deutsche lleicbstagsakten lX,219flg. V, 415. Fichard, Wetteravia S. 180 u. 206.

"') Eöfler, RuprecW von der Pfalz (1861) S. 207 u. 214.

") Heimelt, König Ruprechts Zag nach Italien (Leipz. Diss. 189:ij S. 58.

Eine mailändisch'-thüringische Eeirat. 27

Vollziehung der rechtsgiltig geschlosseneu Ehe zwischen dem jungen Friedrich und Lucia Visconti entgegenstellte, sondern vielmehr die G-leichgiltigkeit gegen eine solche Verbindung, die aus politischen Motiven ihnen entgegen- gebracht, für die Wettiner nur dann einen Reiz haben konnte, wenn sie sich durchaus auf Seiten des Hauses Luxemburg stellen wollten. Landgraf Balthasar hatte einen Fehler begangen, dafs er, ohne sich ganz darüber klar zu sein, welche Stellung er in der bevorstehenden Thronfrage einnehmen werde, obwohl der Gegensatz der fürstlichen Oppositionspartei wider Mailand schon im Mai 1397 hervorgetreten war42), die Verbindung mit Mailand angeknüpft hatte. Gegenüber Galeazzos Namen hatten sich inzwischen mehr und mehr die rheinische und die luxemburgische Partei geschieden. Sollte Balthasar nun einen zweiten Fehler hinzufügen, sollte er nach der Bopparder Erklärung vom April 1399 die geschlossene Familienverbindung offenkundig verwirklichen und dadurch den Hais seiner Fürstengenossen auf sich ziehen ? Würde (ialeazzo nicht, wenn der Landgraf vertragsmäßig im Frühjahr 1400 seine Gesandten schickte, Lucia und die versprochene Mitgift über die Alpen zu holen, ein offenes Auftreten Balthasars gefordert haben wider den Gegen- könig, der, wenn er nur erst gewählt war, in der Kürze einen Angriff gegen Mailand unternehmen mufste? Dem Italiener, für den Wollen und Vollbringen zusammenfloß, konnte kein Zweifel obwalten, dais die Wettiner ihm Freund oder Feind sein müßten. Dem deutschen Fürsten, der aus eigener Erfahrung wuiste, wie sehr zwischen den Vorsätzen und den Thaten eines deutschen Königs zu unterscheiden sei43), mag es auch nach dem Tage von Forchheim nicht dringlich erschienen sein, die eingeleiteten Beziehungen mit dem Mailänder Herzog abzubrechen, sonst würde er in der sechswöchentlichen Zwischenzeit den Abschluls der Vermählung leichtlich haben hindern können. Hier handelte es sich um eine einfache Unterlassungs- sünde. Schärfer aber wurde Balthasar zu einer klaren Stellungnahme herausgefordert, als die Frage der Rati- fikation des Vertrags vom 25. Juni 1399, der ja ein Ein- stehen für die Interessen des Visconti von den Land-

42) A.Winke Im min, Der Romzug; Ruprechts v.d. Pfalz (1892) S. 6.

43) Ohne die Werbungen und die Geldmittel der Florentiner und anderer Italiener würde Ruprechts Hee rl'ahrt sicherlich unterblieben sein.

28 Karl Wenck:

grafen forderte, an ihn herantrat. Er wird sie verneinend beantwortet haben.

Wäre nun in diesem Verhalten des Wettiners ein gewisses Spielen mit Heiratsverhandlungen, die plötzlich sehr ernst und bindend werden konnten, zu vermerken, so möchte ihm vielleicht einigermafsen zur Entlastung dienen, dals gerade Galeazzo in ungewöhnlich hohem Grade verstanden hat, Heiratsverbindungen seines Hauses zur Förderung politischer Absichten zu knüpfen, um sie dann Jahre lang einem ungewissen Schicksal zu über- lassen und endlich bei gelegener Zeit zu thatsächlichem Vollzug zu bringen. Er liebt es, so dürfen wir feststellen, zunächst den rechtlichen Abschlufs der Verbindung zu einem politischen Ereignis zu machen , das ihm Vorteil brachte, und er begnügte sich dabei nicht mit dem lockeren Bande der Verlobung, sondern, wie Lucia, wurde auch Galeazzos Tochter Valentina 1387 mit Ludwig von Orleans, im Dezember 1393 Elisabeth, Lucias Schwester, mit Ernst von Baiern mittels Stellvertretung verheiratet, noch aber behielt Galeazzo das Pfand der Freundschaft in der Hand , um es bei gelegener Zeit auszuspielen , und die Überführung der jungen Ehegattin diente dann wieder einem politischen Zwecke44), sie folgte in beiden Fällen der Verheiratung erst nach einer Frist von mehr als zwei Jahren, obwohl in Elisabeths Falle, ebenso wie bei Lucia. ursprünglich eine viel kürzere Frist in Aussicht genommen war. Wenn es Valentina und Elisabeth Visconti nicht am Ende ebenso erging wie Lucia, so erklärt sich das leicht aus der engeren Berührung der Interessensphäre Mailands mit Frankreich und Baiern. Mit diesen Mächten mufste sich bald eine neue Gelegenheit zur Bezeugung freundschaftlichen Einverständnisses ergeben, die An- knüpfung mit den Wettinern dagegen ragte über den Kreis der verwandtschaftlichen und politischen Beziehungen, die das Haus Visconti mit den Dynastien von Frankreich, Württemberg, Baiern, Osterreich bisher geknüpft hatte,

41) Darüber hier alle Einzelheiten mitzuteilen, würde zu weit führen, es genügt, auf die zwei Untersuchungen hinzuweisen, die in dem einen und in dem anderen Falle festgestellt haben, dafs, wie der Abschluß der Heiratsverbindung durch politische Beweggründe her- beigeführt war, so der thatsächliche Vollzug erst dann stattfand, nach- dem ein politisches Moment den Anstofs gegeben hatte Faucon, Le mariage de Louis d'Orleans p. 7 nt. (den genauen Titel der Abhand- lung s. oben Anm. Ü2). Romano, Grian Galeazzo p. 5(5—63.

Eiue mailändisch- thüringische Heirat. 29

räumlich weit hinaus, sie entsprang einer eigentüm- lichen Zuspitzung der Verhältnisse, dafür schien sie einen Augenblick von grofser Bedeutung, aber auch, wenn die Wettiner sich nun zu Wenzel gehalten hätten, würde bei der Thatenlosigkeit dieses Königs Galeazzo doch kaum die erhofften Früchte geerntet haben.

Indessen das liefs sich kaum voraussehen, und keines- wegs war Galeazzo sicher, das Reichsheer des kommen- den Gegenkönigs mit eigener Kraft zurückweisen zu können. Um so größer war der Ruhm, den er dann über König Ruprecht im Herbst 1401 davontrug. Die Romfahrt Ruprechts zeigte offenkundigst die Ohnmacht dieses deutschen Herrschers. Als Söldner der Republik Florenz gekommen, hat er gegen Galeazzo nur Nieder- lagen davongetragen, und als er die Kaiserkrone begehrte, erhielt er vom Inhaber des Stuhles Petri eine abschlägige Antwort, weil sein Widersacher Galeazzo dem Papste viel gefährlicher erschien als er. Dem Glänze des Sieges über den deutschen König fügte der Visconti noch die Eroberung Bolognas hinzu, das Königreich Italien schien seiner Verwirklichung immer mehr entgegenzugehen, da hat Galeazzos plötzlicher Tod am 3. September 1402 die Hoffnungen und Befürchtungen, die sich an seinen Namen knüpften, mit einem Schlage vernichtet. Seine Söhne waren keineswegs im Stande, das Erbe des Vaters zusammenzuhalten, es erfolgte eine starke Gegenströmung wider die mailändische Eroberungspolitik.

Was aber wurde aus Lucia? Wir würden den Faden der Erzählung nicht so weit zu spinnen gehabt haben, wenn nicht der Schluisakt ihres traurigen Heiratsbundes erst nach dem Tode Galeazzos stattgefunden hätte, und, wie die Dinge lagen, wohl erst dann stattfinden konnte. Mit welchen Gefühlen mochte Lucia kurze Zeit nach dem verhängnisvollen 28. Juni 1399, der sie rechtlich an einen nie gesehenen ungeliebten Mann band, die aufserordent- lichen Ereignisse verfolgen, die Heinrich von Derby, den .Mann, der ihr Herz erfüllte, auf den Thron von England führten. Vielleicht spiegelte sie sich vor, da(s er nun gewifs seine frühere Werbung erneuert haben würde, wenn er nicht von ihrer Verheiratung mit dem Wettiner gehört hätte. Dann aber hat auch er sich anderweit gebunden. Am 7. Februar 1403, einige Monate nach dem Tode Galeazzos, vollzog Heinrich IV. seine Vermählung mit der Herzogin-Witwe Johanna von Bretagne, die ihm

30 Karl Wenck:

seit dem Frühjahr 1402 durch Stellvertretung angetraut war15). Seine beiden Töchter aus erster Ehe, die ja auch bei den früheren Heiratsverhandlungen eine liolle gespielt haben, wurden im Sommer 1402 verheiratet, beziehungs- weise verlobt, die eine an den Sohn König Ruprechts, die andere an König Erich von Dänemark40)- So war auch auf dieser Seite schon zu Galeazzos Zeiten jede Aussicht auf Erfüllung der einst gehegten Hoffnungen geschwunden !

Aber trotzdem hat Lucia natürlich den lebhaften Wunsch gehegt, aus ihrem eigentümlichen Strohwitwen- lum befreit zu werden. Ein glücklicher Bibliotheksfund G. Romanos hat uns gelehrt, welche Wege sie dazu ein- schlug. Um es mit einem Worte zu sagen und zugleich zu verraten, welches tiefere Interesse die bezüglichen Urkunden für das Verständnis der ganzen Heiratsangelegen- heit haben: Lucias eigene Aussage und die bestätigen- den Aussagen verschiedener Zeugen47) sollten erweisen, dals Lucia nur unter dem Zwange Galeazzos diese Ehe eingegangen sei, die daraufhin natürlich für rechtlich un- giltig erklärt werden sollte. Lucia gab am 24. Februar 1403 in feierlicher Form, indem sie beschwörend die Hand auf die heilige Schrift legte, vor der Herzogin -Witwe sechs Zeugen und einem Notar kund, dals, bevor sie die Worte gesprochen, die ihre Zusage zum Abschluis der Ehe mit dem Landgrafen zu enthalten schienen, sie wieder und wieder erklärt habe, sie thue es aus Furcht und auf Befehl des Herzogs Galeazzo, dem sie nicht zu wider- sprechen wagte, durchaus nicht in der Absicht, den Land- grafen Friedrich als ihren Gemahl anzuerkennen. Sie habe in dem Augenblick, als sie jene Worte sprach, heftig geweint und sofort, als sie den Ort der Handlung verliels, in Gegenwart vieler erklärt, dals sie nicht verheiratet sei und was sie gethan, nur aus Furcht und auf Befehl -et hau habe. Kurze Zeit nachher legte sie den Trau-

lv) Auch diese Verbindung hat ihre Romantik. Johannas erst er Gatte war alt genug-, um ihr Grofevater zu sein. Er hatte Heinrich von Derby im Sommer 1399, die dieser nach England zog. auf das Beste aufgenommen und war dann im November 1399 gestorben. Mit seiner Witwe blieb Heinrich fortdauernd in Beziehungen, bis er sie heiratete. Wylie, Histury of England ander Henry IV. I, '160.

'") Wylie I, ü5!, :i">K.

IT) Aus einer Händschrift der Bibliotheca Trivulziana in Mai- land mitgeteilt Romano p. 610—1 1.

Eine mailänttisch- thüringische Heirat. 31

ring ab und wollte ihn nie mehr tragen, zum Zeichen, dals sie sich nicht für verheiratet erachte. Die gleiche Erklärung habe sie nach dem Tode des Herzogs vor vielen Zeugen beschworen und angegeben, dals sie ebenso vor der Herzogin und dem gesamten Staatsrat sich aus- gesprochen habe. Jetzt hiefs sie den Notar darüber eine Urkunde aufnehmen. Aus den Aussagen der fünf Zeugen oder Zeugengruppen, die nach der Prinzessin das Wort nahmen, darf hier bei Seite bleiben, was den Charakter einer mehr oder minder wörtlichen Bestätigung ihrer Er- klärung trägt, es bleiben dann zwei Aussagen übrig, die schon nach der Persönlichkeit der Zeugen ein besonderes Gewicht haben. Uberto Visconti, ein Mailänder Bürger, der dem Vermählungsakt vom 28. Juni 1399 beigewohnt hatte, gab an, dals er zur Zeit, wo die entscheidenden Worte von Lucia gesprochen wurden, nahe hinter ihr ge- standen und gehört habe, wie Herzog Galeazzo, als sie gefragt wurde, ob sie den Landgrafen Friedrich zu ihrem Gemahl annehmen wolle, zu ihr sagte „Sprich ja", darauf sagte Lucia nach dem Befehl des Herzogs „Ja", aber sie wäre, so glaubt er, zur Erde gefallen, wenn er sie nicht gehalten hätte. Und dann, als sie sogleich hinweggeführt war. fragte Uberto sie: „was hattet Ihr, Herrin, fühlet Ihr einen Schmerz?" da fing Lucia heftig an zu weinen und da erkannte er, dals sie ungern und wider ihren Willen gcthan habe, was sie gethan. Das hat er dann, wie die andern Zeugen, oftmals von ihr gehört. Das andere her- vorragende Zeugnis legten drei Hofdamen Lucias ab. Sie sagten aus , dals Lucia vor dem entscheidenden Jawort immer und immer wieder gesagt habe, sie werde niemals in die Ehe mit Friedrich willigen. An dem Tage, wo sie vermählt werden sollte, wollte sie sich nicht mit anderen Kleidern schmücken lassen, indem sie sagte, daß

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sie niemals den Herrn Friedrich zum Manne nehmen werde. Da sagten ihre Hofdamen und andere gute Frauen zu ihr: „Wenn Ihr nicht thut, was dem Herrn (dem Her- zog) gefällt, so wird er Euch und die Einigen zu Grunde richten." Und darauf that die Prinzessin weinend und aus Furcht vor dem Herzog, was sie that, und so hat sie nach jenen Worten oftmals in Gegenwart ihrer Hof- damen und vieler anderer erklärt.

Nicht ohne Scheu unternehme iclvs. den Eindruck dieser „menschlichen Zeugnisse", dem sich niemand wird entziehen können, mit einigen kühlen Erörterungen zu be-

32 Karl Wenck:

gleiten. Und doch darf ich nicht davon absehen, schon weil ihnen meines Erachtens von Romano nicht das Gewicht bei- gelegt worden ist, das sie verdienen. Er stellt sich auf die Seite des Notariatsaktes vom 11. Mai 1399 und nimmt an , was die Erklärungen vom 24. Februar 1403 enthalten, sei zwar bis zu gewissem Grade wahr, aber für den bestimmten Zweck sehr übertrieben, Lucia habe völlig frei ihr Jawort gegeben und nur nachher Reue gefühlt, als man Ehren halber die zu weit gediehenen Verhandlungen nicht habe abbrechen können. Seiner Beurteilung meinen wir gewissermaßen den Boden ent- zogen zu haben durch den Nachweis, dais Galeazzo den Nutzen einer Unterstützung König Wenzels, gegenüber der noch unabmeisbaren Gefahr eines Gegenkönigtums, recht hoch einschätzen mochte. In dieser Ansicht muiste uns bestärken, dais nicht die Herzogin, wie Romano in schwer begreiflichem Irrtum annahm, Lucia zuerst um ihre Ansicht über die thüringische Werbung befragt hat, sondern der Herzog selbst, dais Lucias Entscheidung zum Gegenstand eines feierlichen Notariatsaktes vor hohen Zeugen gemacht wurde. Die Herzogin gab also vor dieser feierlichen Versammlung nicht ein Gespräch , an dem sie selbst teilgenommen hatte, wieder, sondern un- kluger Gatte hatte ihr einen Bericht in den Mund ge- legt, der seinem Zwecke entsprach, es ist daher keines- wegs hyperkritisch an der Echtheit und Aufrichtigkeit des uns vorliegenden Gesprächs zu zweifeln, und wenn in der kurzen Zusammenfassung von Rede und Gegen- rede, welche die Herzogin vortrug, auch die Leidenschaft Lucias für Heinrich von Derby Erwähnung fand, so hat dies nur dazu dienen sollen, den Eindruck der schließlich gegebenen Einwilligung zu verstärken. Diese sollte durch- aus erscheinen als das Ergebnis nüchterner praktischer Erwägung, mit dieser Behauptung mochte der Herzog gegenüber denen , die es besser wußten, noch am ersten durchdringen zu können hotten. Sollte aber nicht, wer die Worte schwärmerischer Liebe Lucias für Heinrich von Derby auch nur in der Wiedergabe der Herzogin damals gehört, wer sie heute unbefangen gelesen, sich versucht fühlen zu vermuten, dafs die nachfolgende Ent- schließung des kalten Verstandes nicht von der leiden- schaftlich empfindenden Lucia selbst erzeugt, sondern ihr von außen entgegengebracht und aufgezwungen sei? Romano ist an diesem Gegensatze vorübergegangen.

Eine mailändisch- thüringische Heirat. 33

Romano hat sich nun ferner darauf berufen, dafs Lucias Schwester Anglesia völlig freie Entschließung gegenüber den an sie herantretenden Werbungen gehabt habe und man daher das Gleiche für Lucia werde annehmen müssen. Anglesia habe Vollmacht zu Heirats- verhandlungen mit einem der drei wettinischen Brüder gegeben und widerrufen, nicht blois ein Mal im Winter 1398/99, sondern, wie hier noch nicht erwähnt wurde, nochmals durch drei Vollmachten vom 22. Juli 1399 und den Widerruf vom 5. August 1399 4S). Aber können denn diese urkundlichen Thatsachen beweisen , dafs Anglesia dabei eigener Eingebung folgte? Das Motiv des Widerrufs wird, was Romano nicht beachtet hat, beide Mal mit genau denselben Worten angegeben: „Anglesia hat gegen ihren Bevollmächtigten Paganino de Biassono Verdacht gefalst und deshalb an seiner Treue nicht mit Unrecht zu zweifeln begonnen und deshalb zieht sie aus# den gerechtesten Gründen die Vollmacht zurück." Die Über- einstimmung der beiden Widerrufe in diesem Punkte bewirkt, dafs der angegebene Beweggrund auch für das erste Mal nicht ohne Weiteres glaublich erscheint, er kann dort ebenso aus einer bereit liegenden Formel ent- nommen sein, wie das zweite Mal wohl aus dem Wider- ruf vom 6. Februar. Die wiederholte Bestellung desselben, angeblich verdächtigen, Bevollmächtigten49) würde dadurch ihr Auffälliges verlieren. Es kann sein, dafs Galeazzo selbst im Februar 1399 Bedenken gegen die Verbindung Anglesias mit, einem der Landgrafen bekommen hat und erst durch das Erscheinen der thüringischen Gesandten zu Anfang April in seinem Verlangen nach einer Ver- bindung mit dem Hause Wettin gefestigt worden ist, aber auch eine andere Möglichkeit liegt nicht zu fern: Anglesia durfte im Februar ihre Bereitwilligkeit zu einer Verbindung mit einem der drei wettinischen Fürsten widerrufen, weil mit dem Zurücktreten Heinrichs von Derby Lucia für eine politische Heirat mit diesem Fürstenhause frei wurde, während im vorausgegangenen Herbste, als Anglesia ihre erste Vollmacht ausstellte, gerade über die Hand Lucias mit Heinrich von Derby

^) Sie lagen mir, ebenso wie der Widerruf vom 6. Februar, iu den für den Cod. dipl. Sax. gefertigten Abschriften vor. Romano S. 618.

49) Er diente auch am 28. Juni bei Lucias Vermählung als Dolmetscher.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. »' 3

34 Karl Wenck:

verhandelt worden war. Die neue Bevollmächtigung im Juli 1399 ist jedenfalls, wenn wir mit Romano den Zeugenaussagen vom 24. Februar 1403 auch nur ein klein wenig Glauben schenken dürfen, ganz gewiis nicht aus Anglesias freiem Willen hervorgegangen. Der heftige, gerade auch nach der Verheiratung bezeugte Widerwille Lucias konnte ihre Schwester unmöglich dazu ermuntern, aber wohl ist es denkbar, dais unter Galeazzos Ein- wirkung Anglesia noch einmal auf seine Wünsche ein- ging. Liegt es doch nahe zu vermuten, dals Anglesias zweite Verhandlung die Freundschaft der Wettiner, die durch Lucias hartnäckige Verweigerung der Anerkennung ihrer Ehe gesprengt zu werden drohte, festhalten sollte. Wenn aber Galeazzos herrischer Wille die neue Voll- macht diktiert hat, so ist ihr Widerruf sicher durch neue Botschaft aus Deutschland veranlafst worden. .Galeazzo ist darüber unterrichtet worden, dals Dank des Übertritts der Wettiner in das Lager der fürstlichen Revolution der ganze Gedanke einer verwandtschaftlichen Verbindung mit den Wettinern unfruchtbar geworden war.

Also auch in dem Dunkel, das über den wider- spruchsvollen Eheverhandlungen Anglesias liegt, ist es viel wahrscheinlicher, dals der ausschlaggebende Fak- tor die Politik Galeazzos gewesen ist und nicht die Neigungen seiner Schwägerin. Romanos gegenteilige Be- hauptung wird als verfehlt bezeichnet werden müssen. Ein ganz freies Gewährenlassen, wie er es annimmt, würde übrigens nicht nur dem Charakter Galeazzos zu- wider sein, es würde auch der Gewohnheit der Zeit wenig entsprechen. Romano trägt entschieden die Farben zu stark auf, wenn er sagt, dals die Aussagen von 1403 „dem Bilde eines Tyrannen ohne Glauben und ohne Herz entsprechen, das manche sich von Galeazzo zu machen lieben".

Und nun die Folgerung: Lucia hat der Verbindung mit Landgraf Friedrich schon im Mai 1399 nicht aus nüchterner Überlegung zugestimmt, auch nicht aus momentaner Apathie, die durch nichts belegt werden könnte, sondern unter dem Drucke des Zwanges, den der Herzog gleich zu Anfang geübt hatte, sei es mit drohenden Worten, sei es, was wahrscheinlicher ist, durch den Schrecken seines Namens. Die Tochter Bernabös mufste wissen, dals Galeazzo kein Hindernis kannte, und zum Überfiuls mögen ihr ihre Vertrauten zugerufen haben:

Eine mailändisch- thüringische Heirat. 35

„Er wird Dich und die Deinen verderben, wenn Du nicht seinen Willen thust".

Dais die Aussagen vom 24. Februar 1403 zu einem bestimmten Zwecke aufgenommen wurden, darf uns nicht irre machen. Wohl aber darf man darauf hinweisen, dals Lucia und sämtliche Zeugen ihre Aussagen auf ihren Eid genommen haben und jetzt der Mund verstummt war, der Lucia einst zur Lüge gezwungen hatte. Romano kam bei seiner Auffassung in die Lage, Lucia zu beloben wegen des reifen Urteils und des praktischen Sinnes, den sie anfangs bethätigte, sie zu tadeln wegen des Mangels an Energie, den sie später bekundete, als es noch Zeit zum Widerspruch war. Uns erscheint ihr Handeln ein- heitlicher und auch wohl unseres Mitgefühls würdiger. Sie war ein heißblütiges und, wir haben wohl Grund so zu denken, ein schönes Mädchen. Als Tochter Bernabos mag sie schwer ihren Willen einem andern untergeordnet haben, aber sie war für den Kampf mit einem Galeazzo nicht stark genug. Durch eine glückliche Fügung der Umstände blieb sie wenigstens davor bewahrt, eine Ehe führen zu müssen mit einem Manne, den sie halste, weil er ihr aufgedrungen war, den sie verachtet haben würde, wenn sie hätte an seiner Seite leben müssen! Landgraf Friedrich, Balthasars Sohn, wird von den sächsischen Geschichtsschreibern bekanntlich nicht nur der Fried- fertige genannt, er hat auch den Beinamen des „Ein- fältigen" erhalten, wobei ihm die Abwandlung des diesem Worte eigentümlichen Sinnes von „schlicht" zu „thöricht" zum Nachteil gereicht hat50). Gerade seine ehelichen Verhältnisse haben zu dieser niedrigen Schätzung Anlais gegeben. Die gleichzeitigen thüringischen Chronisten51) können nicht genug erzählen, in welche Abhängigkeit Friedrich, als er 1407 Anna von Schwarzburg geheiratet hatte, ihr und seinem Schwiegervater gegenüber geriet, und die Streitigkeiten, die er infolge der durchaus

^°) Beide Beinamen werden zurückgehen auf die Chronik des Ursinus, welche, 1547 vollendet, die Chronik Johann Rothes mit Zu- sätzen wiedergab, Mencke SS. III, 1325: der was gar ein gott- licher einfeltiger Herr und nicht sehr gestrenge und hielte guten frieden mit allen Fürsten umb sich gesessen, wo Ehr beste mochte. Ursinus' Zeitgenosse Fabricius spricht von Friedrichs bonitas et simplicitas. Hörn, Friedrich der Streitb. S. 224.

51) Histor. Eccardiana S. 466 ss. (J. Eccard, Histor. geneal. princip. Sax. sup. 1722). Histor. Pistoriana B. 1361 ss. (Pistorius- Struve, Scriptores rer. Grenn. III, 1726).

3*

36 Kari Wenck:

schwarzburgiscken , dem Gesamthause Wettin höchst nachteiligen, Politik mit seinen Vettern auszufechten hatte, reden ja eine deutliche Sprache. Ein sächsischer Geschichtsschreiber des vorigen Jahrhunderts sagt nicht übel: „Friedrich wurde je länger je mehr ein freiwilliger Staatsgefangener seines Schwiegervaters" 5-). Als Friedrich 1399 um Lucias Hand werben liels, war er noch nicht fünfzehn Jahr alt™), für sie, die 1382 schon hatte ver- lobt werden sollen und vielleicht zwanzig Jahre zählen mochte, zu jung. Dazu kam dann wohl der Gedanke, dals Thüringen weit hinter jener Welt liege, in der bisher mailändische Prinzessinnen gesehen worden waren, wer möchte alle Beweggründe dieses weiblichen Herzens erforschen ?

Die seltsame Ehe, in welcher Lucia beim Tode Galeazzos schon mehr als drei Jahre lebte, war nach kanonischem Rechte giltig51), aber es fehlte die Vollziehung durch die Ehegatten. In späterer Zeit hat man auch sie mittelst Stellvertretung angedeutet, der Bevollmäch- tigte hatte das festlich geschmückte Hochzeitslager der Angetrauten zu besteigen. So that 1491 der Marschall Wolfgang von Polheim an Stelle seines Herrn, König Maximilians I., bei dem „Fräulein von Bretagne". Trotz- dem wurde bekanntlich Anna durch einen päpstlichen Dispens in den Stand gesetzt, bald darauf Karl VIII. von Frankreich zu heiraten55). Lucia konnte, um die Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe zu erwirken, sich darauf berufen, dals ihr Jawort erzwungen sei. Die Aussagen vom 24. Februar 1403 werden als vollgültiger Beweis angesehen worden sein. Da Auflösung einer nicht kon- summierten Ehe wegen Zwanges, Betrugs oder ähnlicher Ehehindernisse durch päpstliche Dispensation uns erst von Martin V. ab bekannt ist56), so wird der Spruch

52) F. v. Braun, Monatl. Auszug dersächs. Gesch. III (1780), 574.

",:ij Ermisch hat in dieser Zeitschrift XV, 323 urkundlich nach- gewiesen, dafs Friedrich nicht erst 1385, wie Bist. Pistor. 1354 an- giebt, sondern schon vor dem 30. November 1384 geboren sein müsse. Die Bistor. Eccard. S. 464 erzählt s. a. 1398 von einem Kriegszug des jungen Landgrafen gegen fränkische Kaulilmrgen, der nach urkundlichen Angaben (Mon. Zoller. VI, 29 u. 33) in den September 1398 fällt (Hist. Pistor. 1358 fälschlich zu 13! »7). Friedrich befand sich aber damals unter guter Obhut seines Vaters und des Burggrafen von Nürnberg.

r'') Kichter-Dove, Lehrbuch des Kirchenrechts $ 282 am Ende.

v') Ulmann, Kaiser Maximilian I. I, 121 u. 141.

™) Kichter-Dove § 286 Anm. 16 und § 270 zu Anfang.

Eine mailändisch - thüringische Heirat 37

von einem geistlichen Gerichtshof Thüringens gefällt worden sein, wie Romano annimmt, und zwar muis dies bald geschehen sein, da bereits am 14 Juli 1403 Lncia an Curello di Biassono Vollmacht zu Verhandlungen über ein neues Ehebündnis gab57). Wir wissen nicht, mit wem sie gepflogen wurden, nur dafs sie erfolglos waren. Das nächste Jahr brachte einen neuen Bewerber. Es ist fast komisch, dafs König Ruprecht damals trotz der schmählichen Niederlage, die er von Galeazzo erlitten hatte, gleichzeitig mit der Bitte um ein Darlehen, um die Hand Lucias für seinen 1385 geborenen Sohn Stephan werben lief's 5S), aber seine Gesandten kamen nicht zur guten Stunde, einen Tag nach dem Tode der Herzogin Katharina (f 17. Oktober 1404), durch den die eingerissene Zersetzung des Herzogtums noch sehr vermehrt wurde. Romano schildert die traurige Lage der vom Unglück verfolgten, jetzt fast ganz vereinsamten Prinzessin in ergreifender Weise; endlich zu Anfang des Jahres 140G wurde sie daraus erlöst durch die Werbung eines eng- lischen Grafen Edmund von Kent.

Graf Edmund, ein jüngerer Sohn seines Hauses, das unter König Richard IL, Edmunds Stiefoheim, dem Throne sehr nahe gestanden hatte, war durch den frühen Tod seines Bruders Thomas, der als Verschwörer für Richard IL im Januar 1400 sein Leben verlor, früh in die reichen Familienbesitzungen eingetreten59). Er beteiligte sich nicht an den immer wieder hervorbrechenden Verschwö- rungen gegen Heinrich IV., vielmehr stellte er seine grofse persönliche Tapferkeit, durch die er sich in jugendlichem Alter als ein gefestigter Kämpfer erwies, in den Dienst des Königs und des Vaterlandes. So nahm er 1405 mit grofser Auszeichnung teil an einer Unternehmung der englischen Flotte gegen die Citadelle des Herzogs von Burgund zu Shrvs in Flandern und trug dabei zwei so schwere Verwundungen auf der Brust davon60), dafs die

B7) Nur der Titel der Urkunde ist registriert, Romano S. 625.

B8) Deutsche Reichstagsakten V, 551. Romano S. 625. Colin, Stammtafeln z. Gesch. der europ. Staaten I, Tafel 50.

B9) Die genealogischen Angahen beruhen auf Dugdale, The baronage of England (London 1676) II. 77. Das dort meist ohne Quellenangabe verzeichnete Material liefs sich durch Nachforschung in den Quellen vielfach ergänzen.

m) Tunc pugna succrevit acerrima, donec supervenit comes Cauciae cum rate sua. Qui licet non annos excessisset adolescentiae, constantis tarnen militis implevit vices, periculis se ingerens et hostes

38 Karl Wenck:

Franzosen ihn getutet zu haben glaubten61). Vielleicht hat König Heinrich ihn zur Werbung um die mailändische Prinzessin veranlafst. Am £4. Januar 140G erfolgte Ed- munds Vermählung mit Lucia Visconti. Wir erfahren, dals die Hochzeit mit grolsen Festlichkeiten und Ehren in Southwark bei London gefeiert wurde, der König war selbst zugegen und geleitete die junge Frau aus der Messe nach dem Hause des Bischofs von Winchester, wo jedermann wer wollte an der Hochzeitsfreude teilnehmen konnte62). Aber Edmund und Lucia war nur ein kurzes Eheglück beschieden. Der tapfere Kriegsheld, den König Heinrich 1408 zum Admiral erhob63), wurde am 15. Sep- tember desselben Jahres bei Belagerung einer Burg an der Bret agneschen Küste von dem Wurfgeschoß einer Schleudermaschine tätlich am Kopf verwundet. Noch nahm er die Burg ein und zerstörte sie völlig, dann aber starb er an den Folgen seiner Verletzung04). Aufs neue bewährte sich nun das Wohlwollen des Königs an Lucia. Heinrich IV. gab am 1. Dezember 1408 seine Geneh-

aniniose satis invadens. Et licet balistarum spiculis in pectore duobus Iuris esset terebratus, non expalluit, sed constanter hisisteris, non destitit suos animare, donec nostris cessit victoria etc. Annales Heinrici quarti regis Angliae ed. Riley. (Rer. Brit. Scriptores 1866) 1». 401.

01) Wylie, History of England under Henry IV. II, 103 nach französischen Quellen.

°2) An english chronicle of the reigns of Richard 1 1 , Henry 1 V VI. ed. by Davies (Camden Society 1856) p. 34 und die dort p. 179 mit- geteilten reicheren Angaben einer handschriftlichen Quelle. Die Chronicle berichtet p. 30 zu den Jahren 1404 und 1405 erfolgreiche Thaten Edmunds zur See und einen ehrenvollen Zweikampf. Das Tagesdatum der Vermählung giebt Davies nach Robert Fabyans Chronik, die mir in keiner Ausgabe zugänglich ist. Das Jahr 1406 gieht auch (Th. Walsinghams ?) Ypodigma Neustriae ed. Riley (Rer. Brit. SS. 1876) p. 419.' Danach ist wohl Dugdale's für mich 1111- kontrolierbare Angabe: a. 8. H. IV, die Romano auf 1407 geführt hat, zu berichtigen.

,;:;) An english chronicle p. 34. In einer Urkunde Köniu Beinrichs [V. vom 11. Juli 1408 erscheint unter seinen Bevollmäch- tigten für einen Waffenstillstand mit dem Herzog von Bretagne: aostre treschier Cousin Esmon Conte de Kent nostre Admiral. Rymer, Foedera ed. 3. IV, 1, 137.

04 ) „Putrefacto cerebro" Ypodigma Neustriae p. 425. Dort heilst die Burg: Briaunt, in der English ChronicleTp. 34: Briac, Davies nimmt es p. 181 für die Stadt St. Brieux, Romano S. 627 denkt an die lusel Brehat, die auch wohl Dugdale gemeint hat. Dieser giebt das Tagesdatum.

Eine mailändiach- thüringische Heirat. 39

migung65) dazu, dafs Lucia die reichen ihr als Wittum angewiesenen Besitzungen übernehme, wogegen sie das übliche Versprechen gab, nicht ohne des Königs Zu- stimmung zu heiraten. Lucia ist Witwe geblieben, sie hat noch über fünfzehn Jahre in England gelebt, aber sie war doch noch nicht fünfzig Jahr alt, als sie am 4. April 1424 ihrem Gemahl ins Grab folgte. In ihrem Testamente150) ernannte sie einen Bruder Galeazzo zum Erben, da sie wahrscheinlich in ihrer kurzen Ehe keine Kinder bekommen hatte. Die vielen Seelenmessen, die sie errichtete, waren nicht nur der Fürbitte für ihr und ihres Gatten Seelenheil gewidmet, König Heinrich IV., dem sie einst so nahe gestanden hatte, und sein Nachfolger sollten in dieselben Gebete eingeschlossen werden. Be- sonders bedeutungsvoll sind uns zwei Legate für zwei Mailänder Kirchen. Ihre Namen lassen uns ahnen, dafs in Lucias Herzen auch das Andenken an ihre Mutter lebte, die sie kaum gekannt hatte, nach der sie in den vielfältigen Stürmen ihres Lebens oftmals eine tiefe Sehn- sucht empfunden haben mochte.

Noch heute bezeugen uns Briefe Bernabos und seiner Gemahlin aus den Jahren 1382— 83 67), mit welcher Freude und innerer Anteilnahme beide Eltern den Gedanken ver- folgt haben, dafs Lucia, ihre jüngste Tochter, dereinst auf italienischem Boden eine Königskrone tragen werde. Wenn nun sonst von Bernabös Gemahlin in unmittelbarer Be- ziehung auf Lucia nichts zu berichten ist, so wird am Schlufs dieser Blätter doch noch der Versuch gestattet sein, in kurzen Zügen ein Bild von Lucias Mutter zu entwerfen. Vielleicht kann es uns die dem Bilde der Tochter fehlenden Linien widerspiegeln, vielleicht darf die Phantasie, die das blasse Bild der Quellen von Lucias Persönlichkeit ergänzen möchte, Ausschau halten nach der reicheren, schärfer umrissenen Charakteristik, die sich von ihrer Mutter geben lälst. Vielleicht ist es nur Zufall, dafs Lucia uns mehr leidend, als handelnd erscheint. Heinrich von Lancaster und Edmund von Kent, denen sie ihr Herz

m) Rymer, Foedera IV, 1, 144. Schon bei Lebzeiten ihres Gratten am 4. Mai 1408 hatte Heinrich IV. ihr gestattet, dafs sie trotz ihrer fremden Herkunft wie eine englische Vasallin Besitz jeder Art übernehmen dürfe. Ebenda 131.

66) Auszug bei Dugdale II, 77.

c7) Osio, Documenti diplomatici tratti dagli archivi Milauesi I, 228 u. 240.

In Karl Wenck:

widmete, waren kraftvolle Persönlichkeiten. Eine solche, eine in jeder Hinsicht hervorragende Frau war auch Lucias Mutter.

Wohl schon in den Jahren ihrer Kindheit hat Beatrice08), die Tochter Mastinos II. della Scala, Sig- noren von Verona, den Beinamen "Regina erhalten, den sie in ihrer Mailänder Zeit allein geführt hat, und wohl mögen die späteren Geschichtsschreiber Recht haben, wenn sie berichten, dafs das würdevolle Auftreten des jugendlichen Wesens dazu Veranlassung bot.

Noch sehr jung trat sie im Herbst 1350 in die Ehe mit Bernabo Visconti. Das Gedicht*59), in welchem ein Augenzeuge, vielleicht Petrarka70), der grofse Genius des Zeitalters, die glänzende Feier ihres Abschiedes von der Heimat verherrlicht, schildert die Reize Beatricens, den süisen Glanz ihrer Augen, den Goldschimmer ihres Haares, die rosigen Farben ihres Antlitzes in beredten Worten, es feiert nicht minder die Anmut ihrer Sitten. Reginas Grabschrift71) und einige karge chronikalische Notizen

6S) Gegen die Zweifel der mailändischen Historiker Giulini, Cöntinuaz. II, 365 und 0 s i o , Documenta p. 217 an dein Namen Beatrice verweise ick auf vier Veroneser Zeitgenossen, die Chroniken bei Muratori VIII, 653B, bei Orti Manara (Verona 1842) p. 16 u. 42, auf das merkwürdige um 1410 verfaßte Buch Marzagaias de modernis gestis (Antiche Cronache Veronesi I, 35, 3«, 45), ferner auf das gleich zu erwähnende zur Zeit ihrer Vermählung (1350) verfafste Gedicht (Petrarkas ?) , das Hortis herausgegeben hat, Vergleiche auch Cipollas nur zu ängstliche Erörterungen in den Anmerkungen zu den Antiche Cronache Veronesi I, 35, 270 u. 4«].

8°) Attilio Hortis, Scritti inediti di Francesco Petrarca (Trieste 1874) p. 57-59.

™) Hortis S. 55 verwirft diese Annahme von Melius, die wohl darauf ruht, dafs das Gedicht in einem Codex überliefert ist, der nur Autographen Petrarkas und ihn und seine nächsten Freunde betreffende Schriften enthält Hier ist nicht der Ort, die Frage zum Austrag zu bringen, nur sei gesagt, dafs Hortis sicher mit Unrecht das Ge- dicht mit der Mailänder Vermählungsfeier zusammenbringt, es bezieht sieh, verglichen mit Chron. Estense (Muratori XV, 461 D), zweifellos auf die Veroneser Abschiedsfeierlichkeiten Ende September 1350, dient aussehliefslich zur Verherrlichung Beatrices und ihres Hauses und spricht von ihrem Weggang nach Mailand als etwas Künftigem. Damit verschwindet der wesentlichste von Hortis vorgebrachte Gegen- »rund gegen Petrarkas Autorschaft, dafs nämlich Petrarka noch 1351 von Hafs gegen Erzbischof Johann Visconti erfüllt war.

7I) Annal. Mediolan. Muratori XVI, 778. Der gleichzeitige Petrus Azarius (ebenda 324E) nennt Regina nur valde juvenem, ihre Schwägerin Bianca von Savoyen im nächsten Satze pulcherrimam juvenem. Den Worten des Azarius setzte der im letzten Jahrzehnt

Eine mailändisch - thüringische Heirat. 11

bestätigen das Bild. Ihr schönster Ruhm aber ist ihr Verhältnis zn ihrem Gatten Bernabo. Dem jähzornigen Beherrscher Mailands wagte in seiner Leidenschaft nie- mand entgegenzutreten, „als seine edle und überaus weise Gemahlin Regina, die ihn zu besänftigen versteht und ihn von seinem Zorne abzieht" 7'2).

Wenn Azarius, der gleichzeitige Mailänder, diesen seinen Worten, um den Grund von Reginens Einfluis anzugeben, ohne Schönfärberei hinzufügt, „weil Bernabo sie unter den übrigen (Geliebten) liebt", so erinnert er uns, welcher Selbstbeherrschung, Milde und Klugheit Regina bedurft haben wird, um einem so brutalen und unsittlichen Gatten doch immer wieder Achtung und Liebe abzugewinnen. Dies ist ihr, der Mutter von fünf Söhnen und zehn Töchtern, in einer vierunddreifsigj ährigen Ehe bis zuletzt immer wieder gelungen. Wohl mochte sie, des gewalttätigen Wesens der Viscontis kundig, in Furcht sein vor Galeazzo, dem Neffen ihres Gemahls: sie sah im Traum das Bild dessen, der ihren Gatten und ihre Söhne um Reich und Leben bringen werde, und teilte ihre Besorgnisse Bernabö mit73). Dafs sie aber durch Zauberkünste Galeazzos Gemahlin, ihre Tochter Katharina, unfruchtbar gemacht habe, ist sicher nur eine böswillige Erfindung der Prozefsschrift Galeazzos74) gegen Bernabö. Mit rührenden, gewifs von Herzen kommenden Worten hat Bernabö, als ihm 1384 der Tod die vielgeliebte Gattin entrifs, die Unterthanen aufgefordert7"'), ein Jahr lang um sie zu trauern. Er hatte der Sterbenden versprechen müssen, die Kirche S. Maria della Scala, die sie errichtet hatte, auszubauen Tü). Diese Kirche und ein prächtiges Schlots hatte sie aufgeführt aus den Geldern, die sie 1379 von den neuen illegitimen Signoren Veronas zur Abfindung für ihre Erbschaftsrechte erstritten hatte. Dabei war sie selbst mit Bernabö zu Felde gezogen77).

des 15. Jahrhunderts schreibende Verfasser der Annal. Mediol. (721 B) hinzu: et formosam.

72) Azarius,Chronicon 397 Cu. E. Annal. Mediol. 777 D: domina mirahilis et sapientissinia. Marzagaia, De modern, gestis S. 36: consors et consiliorum utilis et furentis medela suavis.

73) Marzagaia S. 36.

74) Muratori XVI, 798.

75) Ebenda S. 777. Wegen des Todesjahres 1384 vergl. Osio, Documenta p. 240.

76) Nach Urkunden Giulini, Continuaz. II, 366.

77) Giulini S. 342 u. 312. Chrom Est. (Muratori XV) 503 D.

|o Kail Wenck: Eine mailänd.-thüring. Beirat.

Am liebenswürdigsten erscheint sie als Briefschreiberin

in der Fürsorge für ihre nach Mantua verheiratete Toch- ter78), in der gottergebenen Trauer um eine geliebte Sclnvcstcr7'1), in der anmutigen Art, wie sie eine Bitte ihrer Mantuanischen Verwandten um Erhaltung ihres Wohlwollens als unnötige Höflichkeit zurückweist80). Nach allem mag ein Veroneser Historiker des sechzehnten Jahrhunderts81) Recht haben, wenn er sagt, dafs die Gemahlin Bemabös alle Vorzüge besessen habe, die der Himmel einer Frau gewähren könne: Schönheit, Weis- heit, männlichen Mut und Hoheit. Sie ruht an der Seite ihres Gatten, der ihr nach einundeinhalb Jahren ins Grab folgte, zu S. Giovanni in Conca. Dieser Kirche und der andern eben erwähnten S. Maria della Scala war jene Schenkung Lucias gewidmet.

Die Jahrzehnte, die Lucia als einsame Witwe auf englischem Boden verbrachte, haben ihre Erinnerung an die Heimat und an das Elternhaus nicht ausgelöscht. Die Warmherzigkeit der Mutter war auf sie überge- gangen. Ob sie auch dasselbe starke und feste Herz wie jene gehabt hat, wer möchte das bejahen oder verneinen, der die Verschiedenheit ihres Lebensganges erwägt? Regina war die gleichberechtigte82) Genossin ihres Gatten, wie eine solche die vorausgegangenen Jahr- hunderte kaum gekannt haben. Auch Lucia hat das Recht der geistigen Individualität, das erst die Renaissance den Frauen brachte, hochgehalten, indem sie sich hartnäckig weigerte, einem ungeliebten Manne anzugehören.

7S) Osio S. 213, 217. 222, 227. Da erweist sich auch Bernabö als zärtlich fürsorglicher Vater S. 238 u. 239.

w) Osio S. 221.

«>) Osio S. 234.

S1) Torelh» Saraina, Le historie e iatti de' Veronesi. (Nuov. ediz. Verona 1649) p. 46.

82) Dafür ist sehr charakteristisch, dafs der Annalist von Reggio (Muratori XVIII, 77), indem er von einem Besuche Bernabös und seiner Gemahlin in der durch Feinde arg- verwüsteten Stadt berichtet, nicht unterläfst, der warmen Teilnahme der Fürstin besonders zu gedenken : sed cum per civitatem equitavit valde condoluit de domorum vastatione et magis ejus uxor.

IL

Leipzig und Wittenberg.

Ein Beitrag zur sächsischen Reformationsgeschichte.

Von

Felician Geis.

Ein geheimnisvolles Dunkel liegt über der Geburts- stunde der Universität Wittenberg. Welchem Kopfe ist der Plan zu ihrer Gründung entsprungen? ob dem des Kurfürsten Friedrich selbst, dessen Initiative und Mäce- natentum mau doch wohl oft zu überschätzen geneigt ist? und unter wessen Beihilfe hat der Plan bestimmtere Gestalt gewonnen? Welche Erwägungen sind voraus- gegangen? und wie weit reichte der Einflufs von Dr. Stau- pitz und Dr. Melierstadt, die man als erste Berater des Stifters zu nennen weifs? Auf solche Fragen erhalten wir keine oder ungenügende Antwort; plötzlich und fast unvermittelt kommt uns die Kunde von der Eröffnung der Universität im Oktober des Jahres 1502.

Deutlich aber tritt sofort die Mifsstimmung zu Tage, die auf diese Kunde hin in Leipzig um sich griff. Schon die Wohlfeilheit in dem noch halb dorfartigen Wittenberg erregte lebhafte Besorgnis: es war „leichte Zehrung allda", während man in Leipzig zu klagen hatte, das Brot sei zu klein, das Bier zu teuer, die Preise beim Schneider und Schuster doppelt so hoch als ehemals. Durfte man ferner dem allgemeinen Gerede glauben, so waren es „exquisite Legenten", die Kurfürst Friedrich nach Wittenberg gerufen hatte. Tüchtige Lehrkräfte aber neben billigen Preisen in solcher Nähe welch

44 Peliciau Gefs:

starke Anziehungskraft für die Leipziger Studenten, die ohnehin, wie man zu bemerken glaubte, seit einigen Jahren nicht mehr recht sefshaft hatten werden wollen. Ein- sichtige Beurteiler behaupteten, bereits sei Leipzig in Ab- nahme begriffen und habe sein altes Ansehen eingebüfst.

Wo lag die Schuld und wie war abzuhelfen und wie der drohenden Konkurrenz zu begegnen? Zunächst galt es für Herzog Georg, der zwei Jahre zuvor die Regierung im albertinischen Sachsen übernommen hatte, genauen Einblick in die Zustände an seiner Universität zu ge- winnen; er beschied daher noch in den Oktobertagen den Rektor und sämtliche Dozenten zu sich und verlangte von jedem ein schriftliches Gutachten über alle Mißstände und Vorschläge zu ihrer Beseitigung1).

Da kamen nun sehr häfsliche Dinge ans Licht; vor allem schädlicher Unfriede und bitterer Zwist unter den Lehrern. Die Glieder der einen Fakultät schalten über die der anderen, die Glieder der einen Nation über die der andern. Denn in dieser doppelten Weise war ja die Universität eingeteilt: als politische Körperschaft gliederte sie sich in die vier Nationen, die bairische, meiisnische, polnische und sächsische Nation, als lehrende Körperschaft in die vier Fakultäten, die theologische, juristische, medi- zinische und philosophische oder Artistenfakultät. Mangel an Pflichtgefühl und Fleifs, Mangel an sittlicher Haltung und ernster Lebensführung trat bei allen vier Fakultäten in gleich erschreckendem Mafse hervor, und es waren oft gerade die älteren, durch Rang und Einkommen bevor- zugten Glieder der Lehrerschaft, die das schlechteste Beispiel gaben. Der Herzog sah sich veranlaßt , den Kollegiaten, die meist der theologischen Fakultät an- gehörten, in Erinnerung zu bringen, dafs sie ihre Stellung nicht als Sinekure auffassen und der Hochschule nach Belieben für ganze Jahre fern bleiben dürften; er muiste den Juristen und Medizinern einschärfen, dals ihre Lehr- thätigkeit aller anderen Beschäftigung vorgehe; ermufste die Cölibatäre der Artistenfakultät vor anstößigem Wandel verwarnen'2).

1) Über den Inhalt der Gutachten s. nieinen Aufsatz „Die Leip- ziger Universität im Jahre 1502": Festschrift zum Historikertage in Leipzig 1894 S. 177.

2) S tu bei, Urkundeuhuch der Universität Leipzig von 1409 bis 1555 - Cod. dipl. Sax. reg. H, 11 (Leipzig 1879) No. 225. - Die in den folgenden Anmerkungen zitierten Nummern sind Nummern von Ur-

Leipzig und Wittenberg. 45

Soweit es in seiner Macht stand, suchte er auch einer ganzen Reihe von Wünschen gerecht zu werden. Der juristischen Fakultät wurde ein eigenes Heim versprochen, wo künftig Lehrer und Schüler Wohn- und Unterrichts- räume finden sollten. Die medizinische erhielt ein weit- gehendes Aufsichtsrecht über alle Personen, die sich als Heilkundige im Lande ausgaben, ohne doch akademische Bildung nachweisen zu können8). Den jüngeren Magistern der Artistenfakultät, den Nichtfakultisten, wurde der Eintritt in den Kreis der Fakultisten, der berechtigten und besoldeten Fakultätsmitglieder, um ein weniges er- leichtert; auch wurde ihnen die tröstliche Aussicht er- öffnet, dais man allein an sie und nicht an Schüler fremder Hochschulen denken werde, wenn es sich um Besetzung etwa einer Schulmeisterstelle in einer Stadt des Herzog- tums handele, wie auch die jüngeren Leipziger Juristen bei Besetzung von Stadtschreiberstellen nicht vergessen werden sollten4).

Schließlich galt es auch den Studenten entgegen- zukommen. Zwei pekuniäre Erleichterungen wurden ihnen

künden dieses Buches; über ihre Datierung und ihren Text vergl. die Beilage zu diesem Aufsatz.

3) So lange freilich die herzogliche Familie selbst sich von sehr zweifelhaften Persönlichkeiten behandeln liefs, war an eine wirksame Beschränkung des Pfuschertums nicht zu denken. Herzogin Zdena schreibt einmal an ihren Sohn Georg: „Mich hat meyn arzt, der munich, gebeten, dir zu schreyben und bitten, das du yin eyn gleitz- briff geben wuldest ; denn so er ufttmals ym land auf und nider, hyn und wider reyten mufs, foricht er sych vor etlicher böser bursch, dy

mit iren anhang mochten etwas an ym üben er hat mir von

den gnaden gotes das beyn seuberlich geheylt und wurd bald ganz gut werden; aber als ich yn merck, so ist er eyn selzamer und ein wuster obenteurer, doch so schauet (scheuet) er sych fast vor mir" (Loc. 8498 Chur- und fürstl. sächs. Handschreiben S. 187). Das Verlangen der Mediziner nach einer Anatomie blieb unerfüllt ; es wurde 1518/19 aufs neue laut, aber wieder vergeblich. Vergl. No. 261 S. 339, 1 und dazu meine Beilage unter No. 261.

4) Copial 108 fol. 207b, 20.J März 1503; dem Rat zu Grofsen- hain wird geschrieben: „das mein g\ h. bey ime begossen, das nu liinfur kein prediger nach Schulmeister in seiner Gnaden Steten aufgenommen sal werden, er sey danu zu Leipzk Magister wurden, und jne eynen angezeigt, Magister Johannes Pistoris von Buchheim mit Beger, denselben aufzunehmen zu Schulmeister." Vergl. die Bitte der Juristenfakultät vom Jahre 1511, No. 250 S. 30H, 3 (s. meine Beilage unter No. 250!): „Das auch e. f. g. dieselben baccalarien und die magistros die scholares iuris seyn, bey e. g. steten zu stat- schreybern und andern ampten, auch pfarren und beneficien, als e. f. g. inn vorhin gnedig liehe vortrostuuge gegeben, fordern wolte."

46 Felician Gels:

geschaffen. Einmal hatte hinfort jedes Kollegium und jede Burse einen Mittagstisch herzurichten, an dem der Wenigbemittelte seine Beköstigung um geringeres Geld, als am Privatmittagstisch eines Magisters oder Bürgers finden konnte. Dann aber kam, was viel wesentlicher war, das vom Studenten bisher zu zahlende Kolleggeld in Wegfall. Wenigstens in der Artistenfakultät, die bei weitem die meisten Studenten zählte, wurden fortan alle Hauptvorlesungen unentgeltlich gelesen. Doch blieb es daneben jedem Magister unbenommen, wenigstens zu ge- wissen Stunden des Tages denn es herrschte eine unverbrüchliche Tagesordnung und ein fester Stundenplan - Privatvorlesuugen oder Repetitionskurse zu halten, für die er sich bezahlen lassen durfte.

Fielen aber die Kolleggelder fort, so muiste man an ander weite Beschaffung der Honorare für die Dozenten der Philosophie denken. Ein gutes Teil übernahm die Kasse der Fakultät selbst, der ja immer allerlei Examens- sporteln und Strafgelder zuflössen; 'dazu traten die reich- lichen Zinsen einer hochherzigen Stiftung, auf die wir später noch zurückkommen, und zuletzt hatte der Herzog gemeint, die Stadt, die doch einen ganz bedeutenden Vorteil von der Hochschule habe, könne wohl auch einen Griff' in ihren Säckel thun. Vielleicht hieis das doch etwas zu viel verlangen; denn bereits hatte sich der Rat dazu verstehen müssen, auf seine Kosten den Philosophen ein neues Haus zu bauen, damit ihr jetziges in die ge- plante Juristenschule umgewandelt werden könnte. Jedoch er ging auch auf diese weitere Forderung ein und sicherte für jedes Jahr einen ansehnlichen Beitrag zu6).

Man sieht, die Zahl der Neuerungen war keineswegs gering; man suchte auf alle Weise zu bessern, Professoren und Studenten zu fesseln und Leipzig vor der von Witten- berg drohenden Gefahr zu schützen.

Übrigens stellte sich diese Gefahr in den nächsten Jahren noch nicht als gar so schlimm heraus. Zwar

5) Dreifsig Gulden jährlich unter der Bedingung: „so ein ma- gister allhie in diefser Stadt, eins bürgerte Son .Solcher Lection, einer ader mehr, mit konst und lere vor zustehen und zu lefsen ge- schickt befunden und vorhanden sein wurde", er einem andern gleich- tüchtigen Magister fremder Herkunft, vorgezogen werde. Urkunde vom 25. Januar 1504 (Leipz. Ratsarchiv 4, 9), die in das Urkunden- buch hätte aufgenommen werden müssen; sie ist es, auf die der Anonymus No. 252 (1511) S. 310, 34 anspielt.

Leipzig und Wittenberg. 47

hatte das erste Semester der neuen Hochschule eine überraschend grolse Zahl von Studenten zugeführt, aber in der Folgezeit liefs der Zuzug doch oft in bedenklicher Weise nach0). Mancher Ankömmling sah sich doch bitter enttäuscht; denn mit der Verwandelung des abgelegenen Winkelnestes in eine Marmorstadt, die der großspreche- rische Jurist Dr. Scheurl kurz vor seinem Abgange von Bologna nach Wittenberg ganz kühn als bereits vollzogen verkündete, hatte es noch gute Wege, und die Worte, die er gleich darauf als Rektor im Sommersemester 1507 zur Herbeilockung der studierenden Jugend in die Welt hinausposaunte: „Glaubt mir, der ich in Italien studiert und es fast ganz durchwandert habe, so viele und all- seitig gebildete Männer besitzt weder Padua noch die Mutter der Studien, Bologna", diese Worte wollten auch nicht auf die Wagschale gelegt werden. Mit starker Einschränkung und mit Hinweis nicht auf die italienischen, sondern die deutschen Bildungsanstalten durften sie allen- falls von den Mitgliedern seiner eigenen, der juristischen Fakultät gelten. Sie war es auch, die anfänglich in Leipzig am meisten gefürchtet, deren Vorhandensein am empfindlichsten gespürt wurde.

Jedoch der einen Rivalin Wittenberg gesellte sich schon im Jahre 1506 eine zweite hinzu, Frankfurt an der Oder, und dafs wie dort so auch hier gerade ein ehe- malige]- Leipziger Dozent als erster die Würde des Rek- torates bekleidete dort Melierstadt und hier der Theo- loge Wimpina , das hat wohl in Leipzig nicht wenig gekränkt. Aber in einem solch feindlichen Gegensatz, wie von vornherein zu Wittenberg, fühlte man sich zu dem entlegeneren Frankfurt nicht, gewärtigte auch, und nicht mit Unrecht, von diesem einen weit geringeren Schaden. Dafs man freilich mit dem fürstlichen Beschützer Frank- furts einen schwereren Stand als mit dem verträglichen Kurfürsten Friedrich habe, darüber belehrte ein charak- teristischer Vorfall gleich in der nächsten Zeit. In Leipzig

6) Es wurden immatrikuliert ao. 1502: 41 K, ao. 1503: 890, ao. 1504: 158, ao. 1505: 168, ao. 1506: 188, ao. 1507: 167, ao. 1508: 179, ao. 1509: 193, ao. 1510: 228, ao 1511: 247, ao. 1512: 209, ao. 1518: 151, ao. 1514: 213, ao. 1515: 218, ao. 1518: 162, ao. 1517: 242, ao. 1518: 273. Über die Frequenz in den ersten Jahren vergl. Scheurl an Tucher, 3. Mai 1507 (Scheurls Briefbuch 44): „Speramus hunc annum allaturum nobis magnuin scholasticorum proventum, sicut et ante pestem ad (luingentos affuisse perhibentur".

48 Felician Gefs:

befand sich ein Konvikt für Mönche aus den Cisterzienser- klöstern Mittel- und Ostdeutschlands, die akademischen Studien obliegen wollten, das Bernhardinerkollegium. Ein Provisor oder Studienleiter stand an seiner Spitze, der Abt von Altzelle hatte die Oberaufsicht; je nach Ver- mögen steuerten die beteiligten Klöster zur Unter- haltung des Gebäudes bei. Als nun in Frankfurt an Errichtung einer ähnlichen Anstalt gedacht und vom Abte von Zinna ein Beitrag in Aussicht gestellt wurde, be- schwerte sich Herzog Georg beim Magdeburger Erz- bischof, zu dessen Bereich Zinna gehörte, und verlangte, Beiträge und Studierende sollten von den Cisterziensern wie bisher nach Leipzig geschickt werden7). Auf det- ail deren Seite trat Kurfürst Joachim von Brandenburg mit grofser Entschiedenheit für sein Frankfurt ein; ich weifs nicht, ob schon bei dieser Gelegenheit, jedenfalls aber drei Jahre später, als im Winter 1511 die Kosten eines gröfseren Neubaues in Leipzig dem Herkommen gemäfs auch auf die märkischen Klöster umgelegt wurden. „Wir haben eine Universität in unserer Stadt Frankfurt," schrieb er an einen seiner Äbte, „da habt ihr Raum genug zu bauen; demnach befehlen wir euch, nichts zu solchen ausländischen Gebäuden zu geben und euere Brüder nach Frankfurt zum Studieren zu schicken."

Gerade um diese Zeit hat Georg aufs neue seine ganze Aufmerksamkeit der Universität zugewandt, Fast ein Jahrzehnt war seit seinen Reformversuchen vorüber- gegangen, ein Jahrzehnt, das ihn über tausend Sorgen um seinen friesischen Besitz nur nebenbei zum Verfolgen heimischer Vorgänge hatte kommen lassen, und so mag er nicht wenig überrascht gewesen sein, als er aus den neuerdings von den Fakultäten und von einzelnen Per- sonen eingeforderten Berichten ersehen niufste, welch unerquickliches Bild nach wie vor die Leipziger Zustände boten. Er fand die alten Mängel wieder und neue, die sich hinzugesellt hatten; viele der damals erlassenen Ver- fügungen waren unbeachtet geblieben, andere hatten sich als unzweckmäßig, einige als geradezu verderblich heraus- gestellt. Kein Rektor hatte daran gedacht, gegen die ärgerniserregende Konkubinenwirtschaft einzelner Magister

7) Loc. 10532 „Leipziger Universitäts-, Rats- und andere Händel" 1367—1537, fol. 340, 9. Januar 1508. Zum Folgenden vergi. Loc. 8942 „Herzog Georgens Beschwerden".

Leipzig und Wittenberg. 49

mit scharfer Strafe, wie der Herzog es geboten hatte, einzuschreiten, denn es wollte eben keiner „der katzen dye schellen anhengen"s). Es war keine Rede davon, dals die Rückberufung der abwesenden Kollegiaten von Erfolg gewesen, oder der Ausbleibende mit Entziehung seiner Kollegiatur bestraft worden wäre; mancher hatte seit sechzehn Jahren Leipzig nicht wieder gesehen und doch seine Stelle noch inne; seine Mitkollegiaten behielten seine Einnahmen in Leipzig zurück, liefsen" sie in die eigene Tasche fließen und hatten daher das lebhafteste Interesse an dauernder Abwesenheit einzelner Genossen. So kam es auch selten zur Erledigung einer Kollegiatur. Für solchen Fall hatte die Reform des Jahres 1502 vor- geschrieben, die wählenden Kollegiaten sollten ausschliefs- lich Männer berücksichtigen, die sich um die Hochschule verdient gemacht und etwas geleistet hätten. Wir haben damals neue Hoffnung gefaist, versicherten jetzt die Ma- gister der Artistenfakultät dem Herzog, haben auf Vor- lesungen und Übungen gröfseren Fleifs verwandt, um doch einmal zu dem ersehnten Ziele einer Kollegiatur und damit einer gesicherten Existenz zu kommen aber es ist alles umsonst gewesen. Gunst und Freundschaft, Be- stechung und Schmeichelei geben wie früher bei der Wahl den Ausschlag, und wer in Leipzig heraufgedient und einen akademischen Grad um den andern unter Opferung beträchtlicher Summen erworben hat, mufs hinter Leuten zurückstehen, die aus der Ferne herzu- gelaufen sind und hier ihre Vettern haben. So bleibt den Leipziger Magistern bald nichts anderes mehr übrig, als auszuwandern, die neuen Universitäten aufzusuchen, wo man sie besser zu schätzen weils, und von wo aus manchem bereits Einladungen zugekommen sind9).

Ohne Wirkung schien die herzogliche Mahnung an

s; Anonymus No. 252 (1511), 312, 35.

°) No. 226 (bereits 1502 1505) S. 269, 6 und 271, 1. Vergl. dazu meine Beilage. No. 231 (1511) S. 278, 37: „Auch magistri, dye ezwas mergklichs und nuzbarlichs zu gedey e. f. g. universitet ge- thau, gar seiden abyr nymer mit collegiaturen abyr sosten einolimentis, dovon sy sich in yren alten ihareu enthalden muchten, werden be- gabit und begnadit, alleyne dye heuchler und die sich rucken können, werden gefordt, kaynes fleifs nach muhe und arbayt geachtet." No. 252 (1511) S. 313, 21 : „dye meisten, dye do sint elegirt vor und nach •User reformation, sonderlich in etzlichen zelten, haben am wenigsten in universitate gethan, ist sich zu vormuten, sie seint per dativum darzu kommen."

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 4

50 FeTician Gefs:

die medizinischen und juristischen Professoren geblieben zu sein; wenigstens wurden beide, diese noch mehr als jene, beschuldigt, sie vernachlässigten ihre Vorlesungen in sträflicher Weise, verliefsen Leipzig oft für Wochen und Monate, um auswärtiger Praxis nachzugehen, und veranlafsten so ihre Schüler, der hiesigen Hochschule den Rücken zu kehren und die Wittenberger oder eine andere aufzusuchen, wo sie pflichteifrigere Lehrer und ungestör- teren Unterricht fänden10).

Mit aller Entschiedenheit replizierten nun zwar die Angeklagten. Sie behaupteten, sehr fleifsig zu sein, sie wiesen auf ihr knappes Dozenteneinkommen hin, das sie geradezu zwinge, Nebenverdienste aufzusuchen, auch auf die in ihren Fächern liegende Notwendigkeit, ab und zu, anscheinend auf Kosten, in Wahrheit zu Gunsten des Kollegs, praktisch sich zu bethätigen, der Arzt am Krankenbett, der Rechtsgelehrte im Prozesse ; sei es doch „nodt und gut, nicht alleyne die kunst, sundern auch übunge zu erlangen". Übrigens , so durften die Juristen hinzusetzen, schicke sie ja sehr oft der Herzog selbst auf Reisen und bestimme sie zu aufserakademischer Thätigkeit11).

Ganz mit Unrecht halte man ihnen vor, sie seien durch die Wittenberger juristische Fakultät überflügelt, und Wittenberg nehme hauptsächlich wegen dieser Fa- kultät mehr und mehr zu. Allerdings habe der vor kurzem von Erfurt dorthin berufene Jurist Hennig Göde eine Anzahl alter Schüler nach sich gezogen: voll werde sein Saal aber erst durch ein gut Teil Nichtjuristen, Angehörige der theologischen und philosophischen Fakultät. Mit Wissenschaft und Lehre des Göde wollten sie es

10) 1511 Fakultisten No. 231 S. 279, 21 (vergl. meine Beilage): ,.E. f. g. universitet nymet mercklich abe; die scholares juriura Avenden sich kegen Wittenbergk und nit ane ursack, wan doctores gedachter facultet leisen unvleyssieklick, als genielte scholares sagen und clagen und sagen werden, wo sye befraget." 1511 Hat der Stadt Leipzig No. 276 S. 364, 7: „Item fso werden die lectiones in den beiden faculteten als der iuristen und ertzt lel'slich gehalten , kumpt davon, das die lectores viel und oft reyfsen und aufszihen, dardurch auch die scholares vordrofsen und unwillig werden, das ire alhir zu vor- zeren, werden dardurch vorursacht, sich in andere universiteten zu begeben, als dann kurtzlich geschehen ist."

n) 1511 Juristen No. 250 S. 306, 13 1511 Ordinarius der Juristenfakultät No. 287 S. 393, 16 und 394, 33. Dekan der medi- zinischen Fakultät, März bis Oktober 1511, No. 339.

Leipzig' und Wittenberg. 51

wahrhaftig noch aufnehmen, sie Wülsten, was er in Erfurt geleistet habe, und Georg möge sich darauf verlassen, er habe „allewege alhir zwene geschickte und gelarte doctores iuris, dagegen zu Wittenberg kaum eyner ist"12).

Die Leipziger Juristen sahen den Grund des Wachs- tums von Wittenberg vielmehr in der Tüchtigkeit der dortigen Artisten oder in den niedern Lebensmittelpreisen ; den Grund, warum nicht wenige juristische Studenten in letzter Zeit Leipzig mit Wittenberg vertauscht hatten, in der schroffen und rücksichtslosen Art, wie ihnen von Seiten des Rektors begegnet wurde. Da die Fakultät noch immer nicht das Pädagogium von den Artisten hatte übernehmen können es geschah erst 1515 , weil das für diese bestimmte Haus noch im Bau begriffen war, hatte sie auch kein Konvikt für ihre Schüler. Nun ver- langte der Rektor, die jungen Leute sollten, wie andere Studenten, in den Kollegien und Bursen wohnen; sie aber dünkten sich, zumal da manche vom Adel unter ihnen waren, etwas besseres als ihre Kommilitonen und wollten schlechterdings davon nichts wissen; sie schlugen ihr Quartier bei den Bürgern auf. Der Rektor wieder be- rief sich auf die Statuten und nahm die Widerspenstigen in Geldstrafe, erwirkte auch beim Rat der Stadt, dafs den Bürgern die Behausung von Studenten untersagt wurde. Da entschlofs sich denn der eine und andere der Musensöhne, zum Wanderstabe zu greifen und nach Wittenberg überzusiedeln, wo die Bürger die Studenten bei sich aufnehmen durften13).

Auch mag wohl mancher Nichtjurist dem Beispiel gefolgt sein, denn ich möchte es nicht unbedingt als un- glaubwürdig bezeichnen, was die Juristen 1511 dem Herzog berichten: „der Studenten ist unsers vorsehens bynnen anderthalben iaren über 500 weniger wurden"14). So viel geht jedenfalls aus allem mit Sicherheit hervor: die sämtlichen vier Fakultäten in Leipzig zitterten vor einer Auswanderung in Masse. Es wurde zur allgemeinen Parole : nur keine zu weit gehenden Anforderungen im Examen!

12> 1511 Juristen No. 250 S. 306, 19 ff. Der Wittenberger Jurist Scheurl berichtet am 3. Mai 1507 (Scheurls Brief buch 44) über seine Zuhörer: „nee aliquid est nuod nie voluptate afficiat, nisi dis- cipuli, qui ad triginta et ex his viginti presbyteri et septem artiun. liberalium magistri docentis verba diligenter excipiunt".

i3) Vergl. No. 250 und 287, beide vom Jahre 1511.

l4) No. 250 S. 306, 24.

4*

52 Felician Geis:

lieber ein Auge zudrücken, lieber noch ein paar Gulden mehr vom Examinanden sich geben lassen, nur niemanden abweisen, denn sonst laufen uns die jungen Leute nach Wittenberg oder Frankfurt15). Die Theologen nahmen es nicht mehr gar so genau mit den Vorschriften über die Baccalaureatsprüfung; die Juristen promovierten manchen Dorfpfarrer und Of'iizial, der nur wenige Vorlesungen besucht hatte, ja manchen, der nicht zu sagen wuiste, wo die Juristenschule stand; die Mediziner schlugen allem Herkommen ins Gesicht und machten Leute zu Licen- ziaten, die noch gar nicht den Magistergrad erworben hatten; die Artisten endlich trieben es am schlimmsten und erlagen als die am schlechtesten besoldeten nur gar zu leicht der Zauberkraft des Sanctus Denarius.

Freilich wurde das von den schuldigen Fakultisten denn nur sie bildeten die Examenskommissionen nach Möglichkeit zu beschönigen gesucht. Sie behaupteten, bei der heute herrschenden Verwilderung genüge nun einmal nur ein geringer Bruchteil der Studenten in Be- tragen und Leistungen den von Alters üblichen An- sprüchen ; sei es da nicht besser und auch von erziehlicher Wirkung, wenn man die gröisere Hälfte, statt sie zurück- zuweisen, durch Abgabe eines Strafgeldes für die man- gelnde Keife hülsen lasse? Übrigens seien die Examina- toren manches Mal willens, einen unwürdigen Kandidaten durchfallen zu lassen, sogleich aber werde dann von den jungen Magistern, den Nichtfakultisten die zwar nicht

1S) Anonymus 1511 No. 252 S. 315, 15: „man wil difs stuck gemeyner ununderscheydlicher Zulassung fast in allen faculteten da- mit beschonlich vorglympffen: wu sie zu Leyptzk nicht promovirt weiden, laufen sie in dye neuen universiteten Wittenberg oder Franck- furt; ist nicht gnugsam ursach darumb untüchtige zuzulassen. Auch sagt man , das sie in denselben neuen universiteten fast mit allen graden sunderlich in artibns mehir ernst, scherffe und nffsehen haben, widder zu Leyptzk, dann in neuster fasten seyn sieben zu Witten- berg pro baccalariatu reycirt ; promovirte man geleite und reycirte ungelerte , lirecht der universitet grossen ruf, wurd auch mehir zu nutz, wenn zu schaden gedeyen." Über die Theologen speziell S. 307, 36, über die Juristen S. 309, l.über die Mediziner«. 309, 14 Herzogliche Aufforderung an die Examinatoren der Artistenfakultät (1511 No. 256 S. 325, 10), fortan keine Unfähigen mehr durchs Examen zu lassen und „sich des, das dieselben ungeschigkten gegen Wittenbergk oder Franckfurdt laufen möchten , nicht bekomme™ lassen, denn dieselben ungelerten und ungeschickten der universitet nichts mehr dann schimpft', als im widerfall die geleiten gut gerucht bringen."

Leipzig und Wittenberg1. 53

examinierten, aber auch zum Examen vorbereiteten , eine Entrüstungsscene gemacht und von Tyrannei und Ungerechtigkeit gesprochen16). Lieh aber der Herzog der hier bezichtigten jüngeren Generation der Lehrerschaft sein Ohr, so wurden ihm die Dinge wesentlich anders geschildert: sie beklagte sich, dals der ihr zugethane Student einen schwereren Stand im Examen habe, als ein Schüler der Fakultisten, dals er nicht selten unter der Abneigung des Examinators gegen seinen jungen Lehrer leiden müsse17); sie redete auch bald abfällig von den Prüfungsgegenständen und nannte die Prüfenden nicht nur bestechlich, sondern auch Männer „nach der alten Welt", altmodische Leute, die keine Fühlung mit der heutigen Jugend, kein Verständnis für ihre geistigen Bedürfnisse hätten, ohne doch hinzuzusetzen, welcher Art denn die neue Welt und diese Bedürfnisse seien. Aber das war auch nicht notwendig; sie wufste, dals sie vom Herzog verstanden würde. Hatte er selbst doch gerade das Er- wachen dieses Neuen im letzten Jahrzehnte an seinem Teil gefördert, hatte er doch zum grofsen Verdrufs der Fakultäten die „fremden Poeten" unterstützt und zu Vor- lesungen ermächtigt, diese Männer, die in gar keinem oder nur dem losesten Verhältnis zur Universität standen, die gar nicht einmal alle die Magisterwürde besafsen und sich herausnahmen, Lektüre und Interpretation römi- scher Dichter und Redner über die althergebrachten philosophischen Vorlesungen zu stellen18). Seit ihrem

lü) No. 231 (1511) S. 279, 9 und 38; No. 252 (1511) S. 314, 19.

17) Leipziger Rat No. 276 (1509-1511) S. 364, 34: „so auch zu zeiten ein examinator eines gesellen raagister, der sich under das examen begibt, ein Widerwillen traget, so mufs oft derselbige arm geselle defselbigen Unwillens entgelden, werden zu zeiten yer- hönet und andere, so fast weniger und geringer an der lare sind, zugelafsen ... so es auch fast am ende des examinis ist, vormandt der techant und examinatores die gesellen, das sie sollen vor sich bitten lafsen, geschiet darumb, das man inen corrupciones geben sali, und welcher das nicht thuet, ader auch das sein magister ader ander nicht vleissigk vor ine bitten, ob er gleich sunst an der lere genugksam, so mufs er doch ader mannicher oft ein schimpf un- schuldiglichen gedulden". Nichtfakultisten No. 232 (1516—1518) S. 281, 32: es kommen immer weniger Examinanden wohl deshalb, weil die Examina „noch alder weiis aus vorworffen und ycz zur zeit ungeachten autoribus geschehn, die examinatores zum teyl geringschetzig und noch der alden weldt, derhalben sich vil und forderlich aufs dem adel, welch etwan auch in artibus promovirt, yren examinibus zu undergeben vorachten" etc.

18) Klagen über die fremden Poeten und ihre Nachahmung

,-.j Felician Gels:

provozierenden Auftreten, zumal seit der bis ins Jahr 1511 reichenden Thätigkeit des kecksten unter allen, des von der alten Generation bitter gehalsten und -schließlich verjagten Ästikampian , den wir einige Jahre später in Wittenberg wiederfinden, war die immer vorhandene Kluft innerhalb der Artistenfakultät zwischen alten und jungen Magistern noch bedeutend erweitert, denn ein gutes Teil von diesen jungen hatte in die Bahn der Poeten ein- gelenkt, las nun vor vollen Bänken über die Klassiker und impfte der Jugend die Liebe zum ciceronianischen Ausdruck und die Verachtung des mittelalterlichen Lateins der Philosophen ein. Vergeblich eiferten die alten Ma- gister dagegen und behaupteten, das sei gar keine Wissen- schaft mehr, denn „scientiae sunt de rebus unde nicht de vocabulis. Wer vocabula weis, der ist eyn gram- maticus, er ist derhalben aber nicht gelart, ader ein Philosoph, doruff die universitet gefundirt, dann vocabula zu wissen, gehöret knaben zu"; vergeblich wiesen sie auf den die Sittlichkeit gefährdenden Inhalt mancher römischen Dichtungen hin, aus denen die ohnehin schon lüsternen jungen Leute lernten „streiten, schlaen unde hauen, auch amasien lernen erkennen unde Unzucht, welchs sie aus juuglicher hitze unde Zuneigung dorrioch üben unde vorbrengen" 19). Georg war der richtigen Ansicht, dafs sich diese Gefahren durch passende Auswahl der Lektüre vermeiden liefsen, und blieb den humanistischen Studien nach wie vor gewogen20). Nachdem schon Ästi- kampian aufser einer Reihe von Prosaikern den Vergil, Horaz und Plautus behandelt hatte, kam jetzt auch Terenz hinzu, und bald wurden Stücke der beiden Lustspiel- dichter von Studenten unter Leitung des jungen Magister Lemberger an Fastnacht auf dem Rathause gespielt-1).

durch die jungen Magister: No. 226 (1502-1505) S. 272, 9; No 235 (1511) S. 290, 14; No. 252 (1511) S. 310, 38. - Georg schreibt am 7. November 1512 an die Universität und wünscht, dafs Johannes lluttichius nicht länger am Lesen gehindert- werde: „Uns heduncket, gut zu sein, das ymandes sey, der lecciones halte, die den schulern furtreglichen , und alletzeit nicht solle geachtet werden, ap der in eynem grade sey ader nicht" (Copial 106 fol. 273h). Über Huttich vergl. Bursian, Gesch. der klass. Philologie in Deutschland S. 165.

191 No. 235 (1511) S. 290, 14 ff.

20) No. 254 (1511) S. 321, 32.

-■) Leipziger Ratsarchiv, Stadtkassenrechming für 1514/15 : „als magister Lemberger und andere magistri und Studenten Comediam terencij, eunuchen genant, uf dein rathaufs uf allerman vafsnacht

Leipzig und Wittenberg. 55

Aber zunächst waren es nur die römischen Klassiker, mit denen sich die jüngere Generation so eifrig beschäf- tigte. An die der Griechen ging sie erst im Jahre 1515.

Ab und zu hatte sich zwar schon in dem voraus- gehenden Jahrzehnt dem Leipziger Studenten Gelegenheit geboten, das Griechische oder wenigstens die Anfangs- gründe des Griechischen zu erlernen. Mancher der fremden Poeten hatte sich mit mehr oder weniger Recht seiner Kenntnis in dieser Sprache gerühmt und sich be- reit erklärt, sie andern zu übermitteln. Von dem leicht- fertigen Wandervogel Hermann von dem Busche und von dem nachmals als Geschichtsschreiber geschätzten Caspar Ursinus Velius, die beide um das Jahr 1504 in Leipzig verweilten, wird es ausdrücklich berichtet. Fünf Jahre später taucht ein freilich nur halbgebildeter Grieche aus Kreta in Leipzig auf, bei dem sich immerhin auch etwas profitieren liefs; doch scheint er nur kurze Zeit geblieben zu sein--). Mit Astikampians Griechisch war es nicht weit her: er hat sich, in Leipzig wenigstens, auf die Sprache und Litteratur der Römer beschränkt. Nun kam aber zu Beginn des Jahres 1515 2:!) in dem Engländer Richard Orocus ein für die damalige Zeit ausgezeichneter Gräcist, der klug genug war, durch bescheidenes und vorsichtiges

gespilt, und so dan vormals keyne alhir gespilt wurden, ist ime ge- geben zu vererung iij ß, xxx gr.". Stadtkassenrechnung für 1516/17: „magister Lemberger hat «dicz jhar ein Comediam plauti uf dem Ratbaus im abschide des Rats agirt" etc. Späterhin wurden der- artige Aufführungen nicht mehr gestattet; warum'? weifs ich nicht anzugeben; vergl. den Ratsbeschlufs vom 1. März 1519 (Leipziger Ratsarchiv I, 25 b fol. 22 b), wonach dem Magister Reusch nicht gestattet wird, „seine Commedien uf dem Rathause zu agiren, weyl es andern magistern zuvor vorsaget". Doch ist gerade in diesen Märztagen schiiefslich doch in Anwesenheit Georgs und des Hofes eine Komödie Reuchlins gespielt worden. Vergl. Seidemann in der Zeitschr. für bist. Theologie 1849 S. 176 Anm.

2a) Mutian an den in Leipzig studierenden Urban (Krause, Briefwechsel des Mutianus Rufus S. 136) Ostern 1509: Lob des Griechischen; „Persevera, mi Urbane, aemulare Catonem illum Cen- sorium sub magistro Cretense, qui etsi parum docte graecas literas iuventutem docet, jacit tarnen fundamenta et in auditores arcanam quandain pronunciandi vim depluit".

2a) Erasmus an Linacer (op. Erasini III, 136) : „Crocus regnat in Academia Lipsiensi publicitus Graecas docens litteras": angeblich vom 5. Juni 1514, thatsächlich , wie der übrige Inhalt des Briefes ergiebt, vom 5. Juni 1516. Schmidt, Petrus Mosellanus (Leipzig 1867) S. 20 hat sich durch das falsche Datum verführen und des Crocus Thätigkeit in L. schon 1514 beginnen lassen.

gg Pelician Gefs:

Auftreten das Mißtrauen der älteren Generation zu ent- waffnen und so dem Lose der früheren Poeten zu ent- gehen-4). Die Zuneiguno- der jüngeren Generation hat er sich im Fluge erobert und eine ganze Schar von Magistern und Studenten ist zu ihm in die Schule ge- gangen: der Magister Veit Werler, der sich bereits als Kenner und Herausgeber Plautinischer Komödien einen Ruf erworben hatte, der feingebildete Magister Coelius Aubanus, der Magister Helt von Forchheim, den der berühmte Camerarius von allen seinen Lehrern am höchsten stellte, und unter den Studenten Camerarius selbst und der Leipziger Bürgerssohn Caspar Creutziger, der spätere Wittenberger Schlofsprediger und Universitätslehrer. Auch einige junge Leute von hohem Adel schlössen sich ihm an. Und als er im zweiten Jahre seines Aufenthaltes ein lockendes Anerbieten aus Böhmen erhielt, spendete der Herzog die ansehnliche Summe von fünfzig Gulden, um ihn seiner Universität wenigstens noch ein Jahr zu erhalten, und auf des Herzogs Anregung legte der Rat der Stadt zwanzig und die Artistenfakultät zehn Gulden bei'25). Mit achtzig Gulden war gut auskommen2"). Wie kärglich mufste sich Mosellanus Peter Schade aus Bruttig an der Mosel durchschlagen, der bald nach

24) Vergl. seine überschwängliehe Lobrede auf die Leipziger Universität. (bei Böhme, De litteratura Lipsiensi p. 191), das Gegen- stück zn Ästikampians Spottrede. Seinen Gedankenaustausch mit Ulrich von Hütten wird er den Leipzigern sorgfältig verheimlicht haben. Leider fehlen uns seine Antworten auf Huttens Briefe aus Bologna vom 9. August 1516 („Narrantur mihi epistolae obseurorum virorum tota Germania divulgari et apud vos quoque haberi in mani- bus gaudeo absens, non nescius interea quam isthic vos triumphetis praesentes bis, quibus monumentum hoc fit insultando. Age igitur, nihil intermitte, quod quidem divexandis pessimis hominibus usur- pare possis: barbare ridentur barbari") und 22. August 1516 („Accepi Obscuros viros: dii boni quam non illiberales iocos ! Verum ipsum me autorem non iam suspicantur sophistae, sed ut audio palam praedicant. Oppono illis te . . nee me istis sordibus pollui sine. De eadem ipsa quoque re copiose perscribas cura; attenduntur raro Lipsienses; cottidie aliquid audis ; quid moliantur fac sciam").

25) Vergl. Urkundenb. No. 298 und meine Bemerkungen zu dieser Nummer in der Beilage.

20) Angaben über Honorare der Juristen in Wittenberg bei Muther. Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben S. 423 ff. Dazu: Seheurl an Sixt Tucher 3. Mai 1507 (Scheurls Briefbuch S. 44): „Serenissimus prineeps raeus . . . deputavit ad lecturam sexti, et cum praedecessores mei vix 60 aureos habuerint, intuitu cognationis meae cotoginta mihi constituit".

Leipzig und Wittenberg. 57

( 'locus in Leipzig anlangte und neben ihm, aber ihm zu- getlian in treuer Freundschaft vom gemeinsamen Auf- enthalte in Köln her, als zweiter Lektor des Griechischen sein Glück versuchte! Für zwei Lektoren schien doch nicht Platz genug; die Aussicht, an Crocus Stelle in Böhmen Unterkunft zu finden, zerschlug sich, und wie gerne ihn der am kurfürstlichen Hofe in Weimar so ein- flufsreiche Spalatin in Wittenberg, wie gerne ilin Mutian, der allzeit hilfsbereite Gönner aller Gelehrten, in Erfurt an der Universität untergebracht hätte es wurde beide male nichts daraus. Doch unverdrossen arbeitete der jugendeifrige Mosellan weiter; auch er wufste sich einen Kreis zu schaffen, und als der glücklichere Rivale im Frühjahr 1517 in das Vaterland heimkehrte, erlebte er die Genugthuung, vom Herzog zum Nachfolger ausersehen und damit der äufseren Sorgen überhoben zu werden"7). Und doch wollte es ihm auch jetzt noch nicht in Leipzig wohl werden; er klopfte nach Jahresfrist noch einmal in Wittenberg an2s).

Es war kein Geheimnis geblieben , dals auch dort neuerdings die Berufung eines Griechen ernstlich in Frage stand-9), deren Notwendigkeit vor allen andern der immer

27) Mosellan an Mutian (Krause S. 606) 25. Mai 1516: „Verum quod attinet ad ea, de quibus ante memini tibi scribere, Spalatinus noster ita nobis respondet, ut neque plane iubeat oijwtofeir, neque etiam spem magnam faciant, quae scribit. Neque vero haec ita accipias, quasi ad triarios res mea redierit. Iino fortuna meis meritis major arridet, verum lianc ipsam et multis et laboriosis praelectioni'bus coemimus, adeo ut nihil sit otii super, quo ingenii nervös transponendis graeeis intendere liceat. Augetur ac crescit quotidie libraria nostra suppellex, adeo ut si nihil aliud hoc tarnen solatii in nostris aerumnis habeamus." Mutian an Petrejus in Erfurt (Krause S. 609, mit dem falschen Datum 5. Juni) 13. Juni 1516: „De Petro feci Phaednun. Haec Attica Musa belle graecissat, Docet plurimos. Vellem isthic (Erfurt) ageret. Nam Lipsi Crocus graece profitetur Britannus. Hie Mosellanus est adhuc admodum adolescens, homo, ut faciam summariam indicaturam, pius, disertulus, latinus atque ita graecus, ut admirari possis. Legit apte, cantat Homerum, Hesiodtim, Theocritum. Etiam si Romae esset, laudem inveniret. Scribe, amabo, ad Phaedrum et invita sub hac lege, ut si locum mutare velit, ad vos devolet. Amisit Boemum. Princeps elector tenacior est quam fuit. Negat stipendia non paucis suo con- sulens fisco, etsi omuium maecenas dici iure debeat." Mosellan an Julius Pflug 23. August 1517 bei Müller, Epp. Mosellani etc. ad Pflugium p. 1.

2S) Luther an Spalatin 4. Juni 1518, Enders I, 205.

29) Verfrühte Meldung Huttens an Nuenaar vom 3. April 1518 (Böcking I, 168): „Lipsiae quamquam pertinaciter adhuc reluc-

58 Felicia» Gefs:

mehr hervortretende Theologe Martin Luther mit Eifer betonte, für die Spalatin nach wie vor80) wann eintrat, und dais sich der Kurfürst endlich schlüssig gemacht und an den berühmten Reuchlin um Bezeichnung einer passen- den Persönlichkeit gewandt hatte. Man hoffte auf Keuch- lins Grolsneffen Philipp Melanchthon in Tübingen. Aber ob der Oheim ihn aus seiner Nähe lassen werde, ob Melanchthon selber geneigt sei, blieb Wochen hindurch fraglich; erst im Hochsommer hatte man sein Jawort. Damit war für Mosellan die Aussicht abgeschnitten. Aber das hat nicht gehindert, dafs Melanchthon sogleich in ein herzliches Verhältnis zu ihm trat, als er auf seiner Reise nach dem Norden im August 1518 in Leipzig einen kurzen Aufenthalt machte.

Die Briefe von Luther aus den letzten August- und ersten Septembertagen:!1), die man immer wieder mit Genufs lesen wird, sind voll des Lobes und der Be- geisterung über diesen äufserlich freilich noch so knaben- haften Mann der Wissenschaft, über den Eindruck, den seine Antrittsrede am 29. August hervorgerufen, über die beispiellose Anziehungskraft, die gleich sein erstes Kolleg gehabt hatte, voll der Sorge, dafs die Leipziger Melanch- thon noch abspenstig machen könnten, zumal wenn ihm das rauhere Wittenberger Klima nicht bekomme, wenn sich die kurfürstliche Regierung nach ihrer Übeln Ge- wohnheit gar so knapp und sparsam zeige. „Bald haben wir von seiner Statur und Person abgesehen und nur die Sache in ihm bewundert und beglückwünscht. Er ist ein Mann, jeder Ehre wert". „Wir treiben alle Griechisch um des Verständnisses der Bibel willen". - „Er hat sein Auditorium voll von Zuhörern, und zumal die Theologen vom ersten bis zum letzten erfüllt er mit allem Eifer für die griechische Sprache". „Er ist der grölste Ge- lehrte, der feinste Grieche." So schrieb Luther an Spa- latin, an Staupitz, an Lang.

tentur sophistae, erigunt so tarnen litterae et augentur rccta studia. Et Wittenbergam a Fridericho Principe accersuntur qui Graece et Hebraice doceant."

s0) Spalatin hätte schon Crocus gern nach Wittenberg gerufen, s. seinen Brief an Lang vom 2. März 1515 bei Krafft, Briefe und Dokumente S. 135. Luther an Spalatin 18. Mai 1518, Enders I, 193.

;il) An Spalatin 31. August, an Staupitz 1. September, an Spa- latin 2. September, an Lang 16. September, Enders I, 221, 224, 227 und 237.

Leipzig und Wittenberg. 59

Diese Briefst eilen führen uns zugleich auf den wesent- lichen Unterschied zwischen dem Betriebe des Griechischen in Wittenberg und in Leipzig. In Wittenberg war der Betrieb des Griechischen in erster Linie Mittel zu einem höheren Zweck: graecissamus omnes propter intellectum bibliae; in Leipzig war er in erster Linie Selbstzweck und herrschte entschieden das philologische Interesse vor32). In Wittenberg waren es die Theologen, oder war es der alle anderen überragende und führende Theologe, der unermüdlich auf die Berufung eines Griechen ge- drungen hatte, der den Berufenen auf alle Weise zu halten, zu fördern, zu unterstützen suchte, der ihm mit seinen Kollegen und Studenten den Hörsaal füllte; nun hat zwar auch in Leipzig einer der Theologen, der Doktor Dungersheim von Ochsenfart, die Vorlesungen des Crocus besucht, ja Crocus spricht in der Lobrede, die er vor den Leipzigern auf Leipzig hielt und die er mit Über- treibungen und Superlativen stark spickte, von Theologen im Plural; er nennt nur leider keine Namen, und ver- geblich sehen wir uns nach irgendwelchem Zeugnisse dafür um, dais die griechischen Studien von der theo- logischen Fakultät eine Förderung oder auch nur eine Empfehlung erfahren hätten. Soviel ist gewifs, Mosellan erfuhr alle denkbare Hinderung und Gehässigkeit von dieser Fakultät und der ihr gesinnungsverwandten Schar der älteren Artisten. Man mufs seinen erregten Brief an Erasmus vom Januar 1519 lesen, worin er sein Herz ausschüttet über all die Kniffe und Chikanen dieser „Sophisten" und „Schwätzer": das Griechische auszu- rotten, vermögen sie nicht mehr, dazu hat es schon zu tiefe Wurzeln geschlagen, so haben sie denn ihre Taktik gewechselt und richten ihre Angriffe nicht mehr auf die Sprache, sondern auf den Lehrer der Sprache und reden den Studenten vor, gewifs thue man gut, auch Griechisch zu treiben, aber nur nicht bei einem Lehrer deutscher oder halbfranzösischer Abkunft, wie Mosellan es sei, viel- mehr bei einem geborenen Griechen oder einem Italiener; Mosellans Kenntnisse müfsten recht mittelmäfsig sein,

3i) Dafs es nicht alleinherrschend war, beweisen die Worte in der Eingabe der 15 Magister an den Herzog vom 12. März 1516 (No. 298 S. 407, 6; vergl. m. Beilage): „Quantopere enim ad christianara religionem grece littere faciant, abunde docet divus Augustinus, qui in secundo de doctrina ehristiana libro iubet nos ad grecuni codicem recurrere, si quid in sacra novi instrumenti scriptura titubaverit."

6Q Felician Oefs:

andernfalls hätte ihn längst der grofse Erasmus seines Wohlwollens und brieflichen Verkehrs gewürdigt88).

Trotz alledem, wie verschlagen auch diese würdige Gesellschaft dagegen eifern mochte die Sprache des neuen Testamentes war für Leipzig erobert, um ihm nie wieder entrissen zu werden. Und so eben ging man daran, auch die sieben Siegel zu lösen, mit denen bisher die des alten Testamentes verschlossen lag. Hier hatte nun das umgekehrte Verhältnis statt, wie beim Griechi- schen : hier war Wittenberg um einen kleinen Schritt der älteren Universität voraus. Zwar hatte es Crocus schon

33) Opera Erasmi (Leyden) 111 , 403 , Mosellan an Erasmus, 6. Januar 1519: „Est hie sophistarum et ut tu recte pariter ac l'acete vocas uaxuioXoyuiv ingens turba, cum quibus mihi ac paucis quibus- (lam aliis pro litterarum publico houore stantibus assidua est pugna. Seil in hoc certamine, qui majorem iuventutis partem in suam per- traxerint faetionem, abeunt victores. Laboratur utrinque vehementer, hinc viribus, illinc insidiis ac technis . . . Jactant nebulones isti cum omnium honestarum litterarum, tum vero praeeipue Graecarum hostes apud rüde iuveuum vulgus, ut maxime sint discenda Graeca, id quod tot donflictibus vix tan dem obtinuimus, ea tarnen a nie homine Ger- mano aut (sie Treviros agnoseunt) semi-Gallo tradi non posse. Quando- quidem , inquiunt, si quid in ea lingua prae vulgo posses, iam pri- dem cum Erasmo (huius, ut ipsi iudicant , TtoXvngttyfAoavytjg apud Germanos parente) aliqua tibi intercederet familiaritas, ut minimum mutuo literarum officio contraeta. Deinde si quis omnino et temptis et sumptus prodigere velit, Graecae litteraturae cognitionem ab Italis ac Graecis petendam. Sic enim homines arguti xQ<o£ovreg iuventntem ab audiendis Graecis absterrere moliuntur . . . Neque vero multos adeo nobis abduceret haec cavillatio. nisi per naturam uiaunovoi essemus omnes et persuasio haec de Italorum eruditione non tantum Germaniae pestilens niteretur eorum suffragiis, quos pro soeiis hostes experimur, band scio an non ipsis crassis barbaris multo peiores. Hi sunt, qui tribus quatuorve latinis figuris instrueti alii poetas oratores alii se ostentant et inveniunt homines fortunati se dignos auditores, apud quos Graecanica studia, si diis placet, ad rem Latinam aut nihil aut parum admodum facere magna temeritate declamant, cuius farinae impium quendam nebulonera nescio quis aquilo in baue scholam nobis ex ipsa usque Dalmatia invexit. Quid multis? rem feceris tum mihi gratissimam tum nostrarum litterarum studiosis hie agentibus iueun- dissimam, si vel unis litteris tuum in nos animum fueris testatus" . . Erasmus erfüllte den Wunsch und schrieb einen Brief, den Mosellan mit Stolz vorweisen konnte. Der impius nebulo ist Parthenius, von dem wir aus denselben Tagen Leipzig 3. Januar 1519 einen Brief an Pirkheimer besitzen, bei Heumann S. 321; die aus seinen Sätzen „Erro proeul . . . propediem absolvam" sprechende Selbst- überschätzung weist auch das Bild auf, das wir uns nach dem merk- würdigen Briefe des Erasmus an Parthenius (Opera Erasmi III, 464, Löwen 28. Juni 1519) von diesem machen müssen. Mosellan ist ihn bald in Leipzig los geworden.

Leipzig und Wittenberg. 61

1516 seinen heiisen Wunsch genannt, auch des Hebräischen mächtig zu werden, doch blieb es, wenigstens in seiner Leipziger Zeit, beim Wunsche ; zwar hatte sich Mosellan, vielleicht schon 1518, wenn auch unter Seufzen über den barbarischen Charakter der Sprache, in ihre Elemente hineingearbeitet, wohl unter Anleitung seines Hausgenossen und Dieners, des getauften Juden Bernhard34) , aber an einen Dozenten des Hebräischen . dachte Leipzig noch nicht, als Luther gleichzeitig mit einem Griechen und nicht weniger dringend einen Hebräer für Wittenberg verlangte. Erst einige Monate nach Melanchthon, Anfang November 1518, langte der ungeduldig Erwartete an und begann seine Lehrthätigkeit. Doch enttäuschte dieser Johann Böschenstein die Hoffnungen etwa in dem gleichen Maise, wie Melanchthon sie übertroffen hatte: ein hart- köpfiger, eigenwilliger Schwabe, der seine philologischen Liebhabereien und Feinheiten zum besten geben und nicht begreifen wollte, dais es den Hörern einzig und allein auf gründliche Kenntnis des wichtigsten grammatischen Stoffes ankam. Schon nach zwei Monaten war mit ihm nicht mehr auszukommen, und an seiner Stejle übernahm der unermüdliche Melanchthon aushilfsweise auch die hebräische Professur35). Luther aber that sich im Früh- jahr 1519 aufs neue nach einem Hebräer um. Er fafste einen Schüler Reuchlins, den Johann Cellarius aus Kunstadt ins Auge, der bisher in Heidelberg gelehrt und sich soeben

**) Mutian an Reuchlin, 13. September 151«? (Gillert, Brief- wechsel des C. Mutianus S. 229:) „Nuper Crocus Britannus cum apud rae quiesceret et Grocinum et Aleandrum et nescio quos magistros laudaret, deesse sibi dixit hebraicam scientiam, quam omni vi pro- sequi vellet. In eodem sunt hie proposito Phaedrns (damit ist Mosellan gemeint) hie, cuius epistolam exhibeo et multi discretissimi iuvenes'. Mosellan an Lang, Leipzig, Mai 1519 (Krause, Epistol. aliquot sei. Progr. Zerbst 1883): „Hebraicae linguae barbaries ipsa utilitate sui taedium levat discenti mihi". Über Bernhard vergl. Enders IV, 97.

») Luther an Spalatin 12. November 1518 (Enders I, 278): „Studium nostrum prospere et feliciter agit, praesertim Graecitatis; Hebraeus tan tum professor, suo more, caput habet et id ponderat, quod pondere caret. Nam ea quae nos maximi faeimus, facile et libenter tradit; ea quae nos paene contemnimus velut denegaturus magnifacit. id est, vim litterarum et verborum nos curamus, prosodiam vero minus quaerimus, faaud sperantes, futuros nos oratores apud Ju- daeos. Inservimus tarnen homiiii, ne quid querelae (ad quam unus omnium promptissimus est) jactet". 24. Januar 1519 (Enders I, 372): „Hebraicas literas Philippus noster traetat, ut maiore fide ita et maiore iruetu quam Johannes ille 6 unomürrig, id est, discessor."

ß2 Felician (iefs:

durch Heiausgabe einer kleinen hebräischen Grammatik empfohlen hatte. Der Kandidat stellte sich in Wittenberg persönlich vor und wartete dann in Leipzig den Entscheid des Kurfürsten ab. Warum dieser sich verzögerte, ob er ablehnend ausfiel, ob er ganz ausblieb, ist für uns nicht mehr erkennbar; genug, das Interimistikum in Wittenberg dauerte weiter, Herzog Georg aber nahm, wie es scheint, auf Mosellans Betreiben, die Gelegenheit wahr und be- hielt den Cellarius als Lehrer des Hebräischen in Leipzig. Schon im Sommersemester hat dieser dort unterrichtet88).

So waren also für Leipzig mit dem Jahre 1519 die Vorbedingungen eines fruchtbaren theologischen Studiums erfüllt, ohne Zuthun, ja wider Willen der Theologen.

Wie öde und marklos war bisher ihr Unterricht! Sie lasen fast ausschliefslich über den Thomas von Aquino und seinen Haupterklärer den Johannes Capreolus, über diesen neun Jahre oder gar noch länger und über jenen bruchstücksweise, so dais eine seiner Schriften unter Ver- nachlässigung der übrigen immer wieder, Semester auf Semester, traktiert wurde. Die biblischen Bücher blieben so gut wie ganz, die der Kirchenväter blieben völlig un- berücksichtigt. Mit andern Worten: was die verdrossene und immer lichter werdende Schar der Schüler von den Lehrern empfing, das machte ihr keinen Mut und gab ihr keinen Stoff und keine Anleitung zu späterer Predigt- thätigkeit; sie hörte so gut wie keine Exegese, sondern dogmatische Spitzfindigkeiten, sie trieb keine biblischen, sondern scholastische Studien, sie stieg nicht hinab zu den wahren Quellen, oder doch wenigstens zu den Autori- täten der ersten Jahrhunderte, sondern wühlte unbefriedigt herum in der seelenlosen Koinmentarenlitteratur des Mittel- alters37).

;!") Luther an Spalatin, 22. Mai L519 (Enders II, 57): „..aute- quam nbeas, quaeso, exploratam nobis relinque meutern 111. Principis de Hebraico professore. Fuit nobiscum rediturus propediem Johannes Cellarius Gnostipolitanus ....hie. omnia nobis promisit, quae possit, fideliter traditurum sese (modo Lipsiae agit nostras liferas expectans), si honesto salario a nostro Principe III. providendum se inteÜexerit." Leipziger Katsarchiv, Stadtkassenrechnung', Sommer 1519: „dem magistro im hebreischen den Sommer alhir gelesen" etc. gegeben I Schock 15 («röschen; der gleiche Betrag wird ihm in den nächsten drei Semestern seitens der Stadt gezahlt. Cellarius ist nach mancherlei Irrfahrten 1542 als Superintendent in Dresden gestorben.

:,?) Klagen der Niditfakultisten 151:; 1 ö 1 s Nö. 232 S. 282, 31; der polnischen Nation 1515 1518 No. 234, S. 288, 36; des Anonymus

Leipzig und Wittenberg. 63

Und dies in denselben Jahren 1512 1518, als der Wittenberger Theologe Martin Luther, anfangs nicht ohne Widerspruch seiner scholastischen Kollegen, bald aber von ihnen unterstützt und begleitet, den ganz ent- gegengesetzten Weg einschlug, keine anderen, als exe- getische Vorlesungen hielt wenn auch unter Zugrunde- legung der Vulgata , die Psalmen und nacheinander die wichtigsten neutestamentlichen Briefe erklärte, den Thomas bei Seite schob und mit Nachdruck immer wieder auf Augustin verwies. „Unsere Theologie und St. Augustin", so konnte er bereits im Mai 1517 an seinen Freund Lang in Erfurt schreiben, „machen tüchtige Fortschritte und herrschen mit Gottes Hilfe auf unserer Universität. Aristoteles steigt alimählich herab und neigt sich zum Falle, wohl zum Falle für immer. Man ist der Vor- lesungen über die Sentenzen stark überdrüssig, und wer auf Zuhörer rechnen will, der mufs über diese Theologie, cl. h. die Bibel oder St. Augustin oder einen andern Lehrer kirchlicher Autorität, vortragen." Und bald blickte er nicht ohne frohes Selbstgefühl und herzliches Mitleid nach Leipzig hinüber, unter dessen Theologen er keinem einzigen das richtige Verständnis auch nur eines Kapitels in der Bibel, ja auch nur eines Kapitels in ihrem hoch- geschätzten Aristoteles zugestand: „Fände ich Gelegen- heit, einen von ihnen auf die Probe zu stellen, ich wollte den schlagenden Beweis dafür erbringen"38).

Luther ahnte damals nicht, dais seine Geringschätzung der theologischen Fakultät Leipzigs von Mitgliedern der anderen dortigen Fakultäten geteilt wurde. Hätte er sich darnach umgethan, so würde er manche Stimmen ver- nommen haben, die den herrschenden Betrieb der theo- logischen Studien herb tadelten, die zwar nicht wie er die völlige Beseitigung jener scholastischen Vorlesungen, wohl aber ihre starke Beschränkung und die Berück- sichtigung der prophetischen Bücher, der paulinischen Briefe, der Schriften eines Augustin, Hieronymus, Am- brosius und Gregor dringend verlangten. Und hätte er sich einen der jüngeren Artisten einmal vorgenommen, etwa den Magister Veit Werler oder Coelius Aubanus wir haben sie vorhin als eifrige Verehrer des Crocus

1516-1518 No. 278, S. 368, 1, und der beiden Studenten Law 1516 No. 314, S. 428.

;;s) Enders I, 100, 173, 350.

64 Felician Gefs:

kennen gelernt , so würde er bei ihnen ohne Zweifel auf entschiedenen Widerspruch gestolsen sein mit seiner Verurteilung des Aristoteles in Bausch und Bogen, auf lebhafteste Zustimmung aber mit seinem Worte, die Leip- ziger Theologen verständen kein einziges Kapitel im ganzen Aristoteles. Er würde bittere Klagen von beiden darüber gehört haben, wie hartnäckig die Theologen und ihr An- hang unter den älteren Magistern der philosophischen Fakultät daran festhielten, dals in den Vorlesungen nur die „unförmliche alte Translation" des Aristoteles zu- grunde gelegt würde, jene lateinische Übersetzung nach- klassischer und mittel alterlicher Gelehrten, in der ein wiederauferstandener Aristoteles nur mit Mühe, mitunter überhaupt nicht, seine Gedanken wiedererkannt hätte; wie zäh sie der Einführung der neuen, in klarem und gewandtem Latein geschriebenen Übertragung, mit der Gelehrte griechischer Abkunft im vergangenen Jahr- hundert das humanistische Italien beschenkt hatten, trotz aller Einrede widerstrebten ; wie eben wegen dieses Fest- hältens an der barbarischen Translation neuerdings leider auch der Leipziger Student von Philosophie und Aristoteles nichts mehr wissen wollte39).

3fi) Eine Zusammenstellung der Stimmen für und wider die neue Translation ist nicht ohne Interesse: 1511 herzogliche Reform. No. 253 S. 319, 13 (vergl. No. 256 S. 326, 16): „es sal denselbigen lectoribus die naue oder alte tranfslation Aristotelis zu lefsen zu- gelassen sein". 1515—1519 Polnische Nation (der um diese Zeit zum mindesten zwei Theologen, Lic. -Matthias Frauendienst und Lic. Martinus Meendorn, angehört haben) No. 234 S. 288, 8: Das Gedeihen der Universität „fleust irstlich von Got, dornach unssirs bedencken aufs der alden translation, die in diesser universitet vleyssig gehalden, gelessen und interpretirt wird,doraufs auch diesse universitet weyt nich- tig ist und famirt, wiewol etliche magistri, villeicht nicht aufs bosser meynung, die nawe translation begerin zu lessen, das uff keynen weg zu raten ist, wir wolden denn gar vil nidersteygen, denn wir in kortz , sundirlich sieder nesten pest uffgestigen seyn. Man mag abir wol die aide translation durch die naue eieren und interpretiren". 1516—1519 Juristenfakultät No. 259 S. 333, 1 : wünscht, „das man antiquas und novas translaciones liest". 1516 1519 Sechs Nicht- fakultisten (darunter Werler und Koel) No. 232 S. 282, 14: „Das Studium Philosophie izt zur zeit von den studentibus so sehr voracht und undergedruckt wird, kumpt unsers bedunckens daraufs, das (lic alt translacion Aristotelis, bisher gelesen, den schillern umb ires ungeschiniKkt.n latein gantz unlustig und zu hörn verdrislich." 1516—1518 Anonymus No. 279 S. 373, 29: „So der lector, nachgelasen des text (aller opinion und disputation grundt) verclerung, solde alleine beati Thome und etzlicher ander, die den Aristotelem nie gentzlich verstanden haben und allein aus gebrechen der schweren

Leipzig uiid Wittenberg:. 65

Aber was ging denn die Theologen die Physik und Metaphysik des Aristoteles an? Vorlesungen über diese und andere Schriften des Stagiriten müssen doch Sache der Philosophen und nicht der Theologen gewesen sein? Warum liefsen sich denn jene von diesen darein schwatzen, wenn es sich darum handelte, welche Übersetzung zu Grunde zu legen sei?

Allerdings, die fertigen Theologen, die auf Licentiatur und Doktorat zurückblicken konnten, haben diese Vor- lesungen über aristotelische Philosophie nicht gehalten, wohl aber hatten sie ein Verfügungsrecht, oder hatten sie sich ein solches angemafst, über sechs von diesen Vorlesungen. Als im Jahre 1503 der Bischof von Brixen, ein Herr von Meckau, eine stattliche Summe gestiftet hatte, aus deren Zinsen die Dozentenhonorare aufser für theologische auch für sechs philosophische Vorlesungen gezahlt werden sollten dies ist die Stiftung, die wir im Eingang erwähnten , da hatte ein Leipziger Theologe die Verhandlungen mit dem Stifter geführt, und er und seine Kollegen behaupteten nun, es sei der Wille des Stifters, dals sie, die Theologen, die Dozenten für jene sechs Vorlesungen jedes Semester aus der Schar der Magister der Artistenfakultät auswählten. Vergeblich protestierten dagegen die Artisten, Juristen und Medi-

unformlichen translation gebrauehent werden, opinionibus sich solde befteyssen, so wurde der text, aller derselbigen opinion ein ursprungk und befestigung, hinderstelligk beleyben und nichts gewisse gelernet werden. Über das alles solde billich e. f. g. behertzigen , wer des text des Aristotelis gruntlichen verstandt liatt, der ist all denselbigen opinionibus in aller disputation überlegen . . . Auch soll sich e. f. g. durch keynerley persuasion lafsen von der clerlichen, förmlichen und warhafftigen neu translation abwenden von den, die der rechten la- teynischen sprach gefar sein aber hessigk, dieweyle durch derselbigen gebrauchung die weyssheyt mitsampt der wolberedung mit eynen vleyfs und muhe weit (= beid) zugleych gelernet, auch er eyner die alte translation construirt gelernt hat, so hat er die ander gruntlich verstanden und begriffen, und aus der neuen ein iar meer dan zwey in der alten gelernen mage . . . Auch hat man in der alden trans- lacion eyne zeit lang keyne exemplaria gehabt, will sie auch nimantz drucken beyn unfs." 8. April 1519, Georg an die Artistenfakultät, Locat 10532 Leipziger Universitäts- und andere Händel 1367 bis 153 7 fol. 454: Befehl, dafs bei der neuen Bestellung der Lektionen darauf geachtet werde , „das vor allen dingen«1 die naue Traufslacio nuhe hinfur gebraucht". Das ist dann auch in dem Lehrplan vom .lahre 1519 (bei Zarncke, Statutenbücher S. 34) geschehen; hier kommen Bessarion Argyropulos, Theodorus Gaza und andere zu ihrem Recht. Vergl. Paulsen, Geschichte des gel. Unterrichts S. 68.

Neues Archiv f. S. (i. u. A. XVI. 1. 2. 5

QQ Felician Gefs:

zilier; denn auch die beiden letzteren waren bei der Sache wesentlich interessiert, insofern ja ihre Hörer, wie die der Theologen, zu einem guten Teil aus Magistern der Artistenfakultät bestanden, vielfach kam es vor, dals ein Magister in der philosophischen Fakultät lehrte und gleich- zeitig in einer der drei oberen oder „groisen" Fakultäten hörte, um späterhin nach bestandenem Licentiatenexamen ganz in sie überzutreten. Man warf den Theologen aller- seits vor, sie übten ihr erschlichenes Wahlrecht in ganz parteiischer Weise, übergingen die Hörer der Juristen und Mediziner, berücksichtigten allein ihre eigenen, wählten aus ihnen nur solche, von denen ihnen geschmeichelt und der Hof gemacht werde, und kümmerten sich gar nichts um die wissenschaftliche und sittliche Befähigung der Auserlesenen40).

40) Vergl. No. 227 S. 278,8 (und dazu meine Beilage No. 227!). 1511 Fakultisten No. 231 S. 279, 1: „Es ist auch ayn ander ge- brech, das dye geschickten magistri und abeln (— habiles), welche auch die supposita in yren resumpcionibus gerne hören, zu lefsen und resumiren nit werden deputirt und vorordnet, alleyene dyeihenige, welche vorbet und gunst haben." 1511 Juristen No. 250 S. 305, 10: es unterstehen sich „die theologi und facultisten alle lection ander den magistris irer facultet aufszuteylen, lectores und resumptores ires gefallens zu setzen und dringen dorniitte den andern faculteten, als den iuristen und medicis die magistros abe. Darumb were es nodt, das etzliche doctores von den iuristen und medicis bey sulcher aufs- teylunge der lection auch seyn mochten und macht betten, die mit zu vorordnen". 1511 Anonymus No. 252 S. 308, 8: „Zum andern haben ynen dye theologi sechs lectiones in artibus von des cardinals begabung zu bestellen vorbehalten, dyeselbigen mit tüchtigen magistris zu vorsehen, werden aber alleyn magistri, sehuler der theologen, aufs gunst darzu bestelt, und das do erger ist, müssen dye doctores darumb gegrast werden, und welcher sie nicht bitt, darf sich nicht vormuten, das er zu eynicher lection erweit wirt, wenn sie achtens vor eyn vorsmahung", ... so dulden sie. das eyn magister, von ynen erweit, eynem andern nicht geweiten seyne lection nach seynem ge- fallen resignirt und ubirgibt, dye dan der, dem dye resignation gescheen, ane ymands inrede also beheldt, list und vorfolgt. Mag wol der erste geweite tüchtig zur lection gewest sein, darzu yilleicht der ander, dem sie aufs gunst vorlassen, gar nicht tüchtig ist." 1511 herzogl. Reform No. 254 S. 319, 3: Der Herzog will die Wähler „bey iren eyden verbunden haben, das sie keinen, der umb solche lection bittet, darzu sollen gebrauchen, sundern allein magistri, die darzu tuglichen, sie studiren, in welcher facultet es inen ebent adder geliebt, und darumb nicht gebeten, sollen ufgenommen werden, welche lectiones sie selbst vorsehen und nymands resigniren sollen". 1515—151!) Juristen No. 259 S. 333, 3 wünschen, dafs „allein dye facultet arcium dye lectores zu ordiniren und dye herren theologi nichts dormitte zu thuen haben, sunst werden die magistri, dye Juristen sein, aufsgedrungeu und vorstossen". 1516—1518 Ano-

Leipzig und Wittenberg. 67

Bei so vielen seit Jahr und Jahrzehnt ergehenden Klagen über ihre schwachen Leistungen in der eigenen Wissenschaft, über ihr störendes Eingreifen in den Be- trieb der philosophischen Studien, über ihr hochfahrendes Wesen, das sie immer und überall, auch wenn es sich um feierliche Akte der drei andern Fakultäten handelte, den Vortritt begehren liefs41) wie hätte der Herzog eine sonderliche Achtung vor seinen Leipziger Theologen gewinnen sollen? Jedoch er fand zu seiner schmerz- lichen Überraschung kurz vor Ablauf des Jahres 1518, dais er sie immer noch überschätzt habe. Damals suchte der Ingolstadter Professor Eck darum nach, mit seinem Gegner, dem Wittenberger Professor Carlstadt, vor den Leipziger Gelehrten über einige Punkte disputieren zu dürfen, die in nahem Zusammenhange mit Luthers vor- jährigen 95 Thesen standen. Die theologische Fakultät wies das Gesuch zurück und zwar, wie sie dem Herzog- entwickelte, aus folgenden drei Gründen: einmal be- fürchte sie ein Zusammenströmen vieler auswärtiger Studenten und Laien, das leicht zu Aufruhr und Tumult führen dürfte, ferner glaube sie mit Rücksicht auf Kur- fürst Friedrich davon absehen zu sollen, dessen Mifsfallen sie andernfalls wohl sich zuziehen würde stillschweigend wurde hier die Niederlage des Wittenbergers voraus- gesetzt — und schließlich entbehre sie ja der obrigkeit-

nymus No. 278 S. 370, 35 schlägt vor, es „solden die lection Philo- sophie moralis der iuristenfacultet glidmafs zugeteylt, der philosophie rationalis lection der heyligen schrift't facultet rnagistris, der philosophie naturalis lectiones den rnagistris der artzney wurden zugeschafft*. Wintersemester 1522/23. Eingabe von 29 Magistern, worunter Andreas Franck, derzeitiger Rektor, Caspar Borner, Philippus Novenianus, Christoph Hegendort' (ein sehr interessantes Schriftstück, das un- bedingt in das Urkundenbuch hätte aufgenommen werden sollen). Loc. 9884 Leipzigische Händel 1519 1526 fol. 125: „Quod Philosophia negligitur, non tarn est in causa ordinacio aute quadriennium facta (die von 1519), quam collatores praeleccionum theologi, a quibus pro favore iis committuntur , qui vel Seniores sint , vel pigriores , quam ut laborem in tradenda philosophia cum fructu ferant; quare collacio ad magistros omnes, quibus debetur, revocanda est, a quibus per artem deducta est, uti possumus probare nonnullis testibus , qui negocio adfueruut."

") No. 259 S. 333, 10 Juristenfakultät (1515—1519): Immer wollen die Theologen vorgehen, „man promovire iuristen, medicos ader artisten, ader laufen darvon; sulchs macht vil unordenuDge, dann man solte eyner itzlichen facultet ire ere und standt lassen in iren actibus und promocionibus."

68 Felician Gels:

liehen Gewalt, den Streit der Disputanten zu schlichten und beizulegen.

Georg sah die Sache mit ganz anderen Augen an: er erkannte eine Ehre für seine Universität darin, dais sie als Walstatt auserkoren sei, nachdem Eck vorher an die weltberühmten Plätze Rom, Paris und Köln gedacht hatte. Die Gründe der Fakultät wollten ihm gar nicht einleuchten; den zweiten liels er in seiner Erwiderung t2) ganz unbeachtet, den ersten und dritten erkannte er nicht als stichhaltig an: der gefürchtete Tumult lasse sich leicht verhüten und eine Verpflichtung, den Richter der Disputanten zu spielen, liege für die Fakultät nicht vor. Er verlange deshalb, dais den beiden Gegnern die Dis- putation gestattet werde.

Jedoch die Theologen beruhigten sich dabei nicht; sie erörterten noch einmal mündlich und ausführlich in Dresden ihre Einwände, sie steckten sich gleichzeitig hinter den Bischof von Merseburg, und dieser warnte die Universität als Diözesan in ernsten Worten vor Zu- lassung der Disputation, die durchaus wider Wunsch und Willen des Papstes sei.

Nun aber brauste Georg gewaltig auf. Er schrieb dem Bischof, in Leipzig habe man in früherer Zeit mehr- fach über Fragen des christlichen Glaubens disputiert, so über die Dreieinigkeit und das Sakrament des Abend- mahls, und keinem Menschen sei es eingefallen, dagegen Einspruch zu erheben; warum denn nun nicht über die Frage disputieren, „ab eyn sele kegen hinimel füre, wenn der pfennig im begken klingt" ? warum nicht Klarheit in der Abiaisfrage schaffen, „damit der arme leyhe umb das sein nicht unwissent btrogen word"? und wie sollte es wider Wunsch und Willen des Papstes sein, „das wir armen leyhen underweist werden, woran wir recht thun, und ab wir ye durch dy falschen ausleger btrogen seint, das das an tag komm"? Übrigens sei ihm der wahre Grund, warum sieh die Leipziger Theologen so heftig

42) De VVette-Seidemann VI, 658 Aum. (3<>. Dezember 1518); liier auch ein Brief Georgs an Eck (31. Dezember 1518). Alle übrigen Schriftstücke, die die Disputation betreffen . bei Seidemann, Die Leipziger Disputation (1843) in den Beilagen ( vergl. dazu neuerdings Enders V No. 818u 8]8P). Es ist ganz unbegreiflich, dafs nicht ein einziges der vielen Stücke in das Urkundenbuch Aufnahme ge- funden hat; das Urkundenbuch weife von keiner Disputation, sodafs ein Rezensent auf den naiven Gedanken verfallen konnte, es hätten sich wohl keine Papiere aus jener Zeit erhalten.

Leipzig und Wittenberg. 69

sträubten, sehr wohl bekannt, habe er sie doch „alweg vor müssig und unzeitige leut hören rumen"; ja, brächte ihnen die Disputation ein schmackhaftes Festessen und einen netten Geldgewinn, sie schlügen sofort ein, aber sie besorgten von ihr eine leidige Störung ihres Behagens, sie fürchteten, ihre ganze Urteilsunfähigkeit möchte bei diesem Anlafs kläglich zu Tage treten: deshalb die Weigerung. Da seien ihm unmündige Kinder lieber als solche Theologen, und alte Weiber ihm mehr nütze, „dy sungen uns und spönnen uns umbs Ion". Um der Ehre seiner Universität willen bestehe er auf der Disputation und bitte, ihm keine weiteren Schwierigkeiten zu machen 4:i). Schwierigkeiten hat nun freilich der Bischof noch mancherlei gemacht ; aber der Herzog setzte seinen Willen durch, die Disputation fand statt und zwar nicht nur zwischen den beiden anfangs angemeldeten Streitern, sondern auch zwischen Eck und Luther, auf den der Ingolstadter Gelehrte von Anfang an recht eigentlich ge- zielt hatte. Der merkwürdige Vorgang auf der Pleissen- burg in den letzten Tagen des Juni und den ersten des Juli 1519 ist in allen seinen Einzelheiten bekannt. Was

43) Bemerkenswert ist die Nachschrift des Herzogs ; der Bischof hatte seinem Schreilien (vom 11. Januar 1519) hinzugesetzt: „Euer lieb wollen auch der Sachen allenthalben zu gute, wie letzt zu leipzik darvon uuderredt, bey den Buchdruckern doselbst ernstlich vorschaffen und gebieten, nichts zudrücken anzunehmen, es sey dann zuvor durch Euer lieb vorordente doctores mit vleyse übirsehen und zudrücken zugelassen"; der Herzog antwortete (17. Januar 1519): „Dy weil wir aber unsser doctores der mofs bfunden, das ine kein arbait nicbt bequemen wil , so dengken wir sy dysser und anderer muhe zuuor- tragen und woln uff dye gdengken, dy in sulchen hendeln mehr nutzs zuschalten wessen, denn wir sy bfunden." Bereits die herzog- liche Keform vom Jahre 1511 (No. 254 S. 323, 18) hatte vorgeschrieben: „So doctores ader magistri ichtes neues machen wurden, sollen sie bey eyner straff nicht ausgehen lassen, es sey dann zuvor von eyner itzlichen facultet neben den executoribus übersehen. Es sali auch dergleichen den druckern, es sey dann zuvor durch die obgeschriebene zugelassen, zu drucken verboten werden." Aber diese Bestimmung scheint ganz aufser Acht geblieben zu sein; die Polnische Nation sagt 1515-1519 (No. 234 S. 289, 6), „das ifs sere gut sey, das keyn magister adir doctor, zo her wes nawis gemacht hat, dasselbige edirn, lessen adir scolaribus communicirn sali , ifs sey denn von derselben facultet dorinne her schreibet, wol übirlessen zugelassen und approbiret, wenn dodurch kommet diese adir andir universitet leychtlich in eynen schimpf, schaden und bösse nachsagen, wie itzunt vorhanden, das got von uns gnediglichen abewende" (offenbar eine Anspielung auf die epistolae obscurorum virorum) vergl. auch No. 232 (1516—1518) S. 282, 26.

70 Felician Geis:

uns hier interessiert, sind seine Folgen für das Verhältnis der beiden Universitäten zu einander. War es denn von vornherein ausgeschlossen, dafs hei persönlichem Verkehr zwischen beiden akademischen Körperschaften die Wittenberger Disputanten waren von vielen Kollegen begleitet , dals bei mündlicher Auseinandersetzung über die theologischen Fragen, von denen die jüngere Uni- versität in allen ihren Gliedern bereits so mächtig bewegt wurde, ein Verhältnis wechselseitiger Achtung und An- erkennung sich entwickele? Luther hatte die Möglichkeit einer so wünschenswerten Wendung anfänglich nicht ge- leugnet; aber gleich die ersten Leipziger Tage belehrten ihn eines anderen. Er war bitter enttäuscht durch den Empfang und die Aufnahme; er sah sich nicht begrüfst, sah sich von der theologischen Fakultät geradezu ge- mieden, während sein Gegner mit Ehren und Beifall überhäuft wurde, er fand ihre Glieder ohne Ausnahme auf Seiten Ecks und fühlte ihre Schadenfreude, sobald Eck ihm seine Nadelstiche versetzte und das Gespenst der böhmischen Ketzerei heraufbeschwor44).

Auch was einige Wochen hernach von Berichten über die Disputation aus Leipziger Federn im Druck erschien, zeigte Voreingenommenheit und Abneigung, ein Machwerk in deutschen Versen geradezu Gehässigkeit gegen Luther. Wohl hielt es dann der damalige Rektor in Leipzig, Wüstenfelder, für angezeigt, einen Entschuldigungsbrief deshalb aufzusetzen, aber er schlug einen so hochfahrenden Ton an, dafs sich die Wittenberger Universität noch mehr verletzt fühlte und im ersten Augenblick an ein energisches Protestschreiben dachte 45 ).

In den übrigen drei Fakultäten Leipzigs sah es nun aber doch etwas anders aus; bei ihrem Gegensatz zur theologischen war es nicht möglich, dals sie ohne weiteres in das Geschrei mit eingestimmt hätten. Bei dem Or- dinarius der Juristenfakultät und spätem herzoglichen Kanzler Simon Pistoris und bei dem feingebildeten Medi-

»') Luther an Spalatin 20. Juli 1519 (Enders II, 81). Hier der Satz: „cum speranda fuisset concordia inter Wittenbergenses et jjpsenses. hac invidia fecerunt, timeo, ut discordia et displieentia primum videatur nata."

*B) Zahlreiche briefliche Äußerungen Luthers aus dem bep- tember und Oktober; an Spalatin 15. Oktober 1519 (Enders II, 201): ,.Mitto epistolam superbam rectoris Lipsensis heri acceptam, in qua omnia ea committit insipiens caput, quae excusat vel deprecatur. Adeo acriti sunt homines."

Leipzig und Wittenberg, 71

ziner Auerbach war Luther zu Tisch gebeten worden, auch finden wir ihn in der nächsten Zeit mit diesem in Briefverkehr. Ein anderer juristischer Professor Georg von Breitenbach suchte ihn im November in Wittenberg auf und bewies ihm durch das hingeworfene AVort, einen Leipziger Theologen sehen, das heifse so viel, wie die sieben Todsünden sehen, dafs man von den Schwächen der geistlichen Kollegen ein sehr deutliches Bewulstsein hatte4"). Schließlich fehlte es schon vor der Disputation zwischen einigen der jüngeren Magister und dem Kreise Luthers und Melanciithons nicht an freundschaftlichen Beziehungen, und ihre Zahl hat sich nachher noch ver- mehrt.

Vor allen anderen war es Mosellan, der aus seinen Sympathien für Wittenbergs Studieneinrichtung und aus seinem Anteil an Wittenbergs Aufblühen kein Geheimnis machte. Und er beliefs es nicht bei Worten; er trat recht eigentlich in die Fufsstapfen Melanciithons. Wie dieser Nichttheologe sein Wissen und Können ganz in den Dienst der Theologie stellte, so griff auch Mosellan jetzt zur patristischen Litteratur und bald, auch zum neuen Testament, Er machte sich an eine Übersetzung des Gregor von Nazianz: dessen Theologie anstatt der Sentenzen des Petrus Lombardus als Lehrbuch in die Hände der heranwachsenden Theologen zu bringen, war sein heifser Wunsch; er las im Sommersemester 1520 über Augustin und zwar mit einem ganz unerhörten Er- folge, denn er zählte mehr als 200 Hörer, darunter sogar ein Dutzend Mönche und einige zwanzig Magister und Baccalaureen der Theologie. Dafs die Jugend ihm zu- gethan sei, lag damit klar zu Tage; dafs die Mehrheit der Universitätslehrer ihn zu schätzen wisse, ging schon daraus hervor, dafs sie ihn zu Beginn jenes Semesters zum Rektor erkor, ihn, den fünfundzwanzigjährigen, der gerade erst vor einem Vierteljahr den von ihm selbst verspotteten Magistertitel erworben hatte47). Gleich-

40) Luther an Spalatin 20. November 1519 (Enders II, 263): „Doetor Preyttenbac.h et D. Henricus Schleynitz meo convivio suo honoraverunt , multam suam erga nie hnmanitatem ostendentes ; non noveram antea homin.es. Nihil egimua nisi de Lipsensibus Theo- logis, qnibus ille non multum tribuere videbatur. Unum didici apophtegina: si quis (inquit) theologum eius generis videt, septem deccata mortalia videt."

47) Mosellan an Lang 26. Dezember 1519 (Krause, Epistolae aliquot selectae Progr. Zerbst 1883) : „De rerum mearum statu deque

72 Feliciän Geis:

zeitig- bewies aber auch der Eerzog, dafs er an seinem günstigen Urteil über Mosellan testhalte, und das durfte ihm als ein Zeichen von Unbefangenheit und weitem Blick hoch angerechnet werden. Denn an Angebereien und Verleumdungen hatte es die bitterfeindliche theologische Fakultät nicht fehlen lassen; wuiste sie doch, wie gering dieser junge Mensch von ihr dachte, war ihr doch jener Brief an Erasmus zu Gesicht gekommen, worin er ihr so übel mitgespielt hatte: nun nannte sie ihn bei Hofe einen Mit verschworenen der Wittenberger, der durch Wort und That auf Leipzigs Verderben hinarbeite, und wies darauf hin, wie geflissentlich er immer Lob und Preis des Kur- fürsten im Munde führe. Es mufste ihr ganz unbegreiflich sein, dafs Georg trotzdem fest darauf bestand, Mosellan solle als Kollegiat ins groise Kollegium aufgenommen werden. Freilich ging diesem auch die Verwarnung zu, Zunge und Feder künftig besser im Zaume zu halten und zu schweigen, wenn er über Leipzig und seine Männer nichts Rühmliches zu berichten wisse48).

iniquissimorum sophistarum elaneulariis contra me insidiis deque meis consiliis ad Jonam nostrum scripsi copiosius. (Der Brief ist nicht mehr vorhanden.) Theologiam Nazianzeni latino sermone donare coepi . . . Spero fore ut haec tov Seoloyelv ratio Petri Lombardi sententias sit explosura . . . Wittenbergensium res florent , ntinam diutissime." Johannes Keusch an Pirckheimer , Leipzig 15. März 1520 (Heumann S. 230): Leipzig blüht auf. „Fiun tenim praelectiones in omni disciplinarum genere, maxime in iis, quae a iunioribus ma- yistris praeleguntur. Petrus Mosellanus, qui nostrae Academiae non parvum splendoris attulit in diesque magis ac magis affert, graece latineque docet quam accuratissime. Taceo de philosophis, qui iam saepius commonefacti iam tandem resipiscunt. De theologis vero non est, quod scribam .... Haerent enim nostrates in eo quo diu haesitarunt luto. Nam tametsi quibusdam ad optima praelegenda non desit opera, non possunt tarnen laborando tantum assequi, ut lolio et avena cum tribulis extirpatis novus sit locus plantationi. Kit enim ut qui linguam absynthio habent infectam, iis quicquid deinde biberint aut ederint, absynthium sapiat." Mosellan an Agricola 31. Mai 1520 (Wilisch. Arcana Bibliothecae Anna- bergensis 173) : ,,Praelectio Augustini miro successu a nie suscepta enecat istos, qui nolint svnceriorem theologiam reflorescere." Hedio an Zwingli, 10. Juni" 1520 (Schul er und Schultheis VII, 136): „Petrus Mosellanus expulsus aliquamdiu a sophistis iam agit rectorem studii Lipsensis, ubi quatuor sunt, qui publice profitentur graecas litte ras." Diese Nachricht ist in ihrem ersten Teile falsch, in ihrem zweiten doch wohl übertrieben. 48) Mosellan an Julius Pflug l.März 1520 (Schilter, De libertate ecclesiar. Germaniae S. 852) : ... Et alioqui satis negotii exhibent hie xuy.otteoloyoi , qui me plane exercitium suum habent. Itaque liorum crabronum opera persuasum erat illustrissimo prineipi Georgio

Leipzig und Wittenberg. 73

Mosellan hat sich das gesagt sein lassen, und Ulrich von Hütten wandte sich an die falsche Adresse, wenn er ihn gefade jetzt in stürmischen Worten zur An- t'euerung Luthers aufrief49). Für Mosellan, als den Rektor der Leipziger Universität, galt es vielmehr, Luther ab- zukühlen und zu besänftigen, einen gewaltsamen Losbruch von lang angesammeltem Zorn und Hohn und Spott um jeden Preis zu verhüten.

Luther hatte die ganze Zeit Leipzig scharf im Auge behalten. Er war genau unterrichtet über dortige Vor- gänge, über die erschreckende Abnahme der Frequenz, über die steigende Erbitterung gegen die glücklichere Rivalin, über die Schmähungen auf seine Person. Als das gehässige Gerücht aufkam, er sei böhmischer Her- kunft, meinte er sogleich in dem Leipziger Theologen Ochsenfart seinen Urheber zu erkennen ; als das thürichte Gerede umlief, der berühmte Erasmus werde demnächst in Leipzig seinen Wohnsitz nehmen, zuckte er die Achseln über den plumpen Kniff, mit dem man die Studenten zu

Mosellanum hunc cum Friderico Principe et Wittenbergensibus certo foedere coniurasse non tantum in huius seholae perniciem, seit et principis nostri infamiam . . . Sola invidia malignandi oceasionem malis praebuit. Nam cum vicinorum res ita ttoreant, ut biis vel Ita- licae seholae invidere possint, alienam hanc felicitatem tarn iniquo animo ferunt, ut meo favore haue eis eontigisse calumnientur apud prineipem . . . Tarn quod Wittenbergenses creseunt, concordiae est, Neque enim minus alius alium invicem amant, quam si omnes essent fratres germani. Quod nostrae res Mandrobuli more procedunt non tarn fatis quam fatuis nobis imputandum puto, qui perpetuo factio- nibus studemus et mutuis odiis intestina geriinus bella". Herzog Georg an Cäsar Piiug in Leipzig 28. Mai 1520 (Copial 130 fol. 122): Trotz der Einwände der Kollegiaten besteht er darauf, dafs Mosel- lan ins grofse Kolleg aufgenommen werde. ,,Ir wollet auch mit Moselano vorfügen, das er sich zu ine ins collegium begebe und sich als ein ander collegiat bei ine bilde und in Sunderheit wollet jme von unsertwegen vorhalten, das wir dannoch betinden, das er sich in etlichen Episteln und bevorn in eyner, welche er Erasmo roterodamo zugeschrieben, mit Worten Vorgriffen und zu viel gethan und das er sich solchs thuns hinfur wolle enthalden, und wo er von den in unserer universitet nicht rumlichs schreiben wolle , das er sich vorletzlicher wort auch kegen ine enthalde und dasjenige, so unserer universitet zu Nutz, Erhebung und gedeyen kommen magk, sich treuelich be- vleyssige."

49) Hütten an Mosellan 4. Juni 1520 (Böcking IV. 689; vergl. die Berichtigungen in Briegers Zeitschr. XIII, 162): „Luthero scripsi, sed pro opportunitate breviter. Excitate hominem, si languet. Iu- vate , si laborat, Cireumsistite , si nutat. Fulcite, si labat. Conso- lamini, si moeret. Praesidium est illi in Francisco (Sickingen), si non satis confidit istis defensoribus (den sächs. Fürsten)."

74 Felician Gefs:

halten denke50). Glaubhaft aber schien ihm die andere Nachricht, die neidischen und schadenfrohen Leipziger mochten gar zu gern den in Wittenberg bereits in Aus- sicht genommenen neuen Lehrer des Hebräischen weg- schnappen, und so trieb er bei Spalatin, dafs die Ver- handlungen mit ihm zum Abschlufs kämen51). Und als eben jetzt in den Sommermonaten des Jahres 1520 der

r"') Luther an Spalatin 18. Dezember 1519 (Enders IT, 282): „Lottherus Lipsensis apiul nos erigit chalcographiam triplicis linguae. Fervet Studium praesertim Theologiae. Lipsia lipsiscit, sicut mos eius est." 25. Dezember 1519 (Enders II, 285): „Hac hora mihi Philippus refert, sacerdotes Misnenses adeo cum Emsero in nie in- sanire, ut sine peccato esse eum censeant qui rae interfecerit, qnod Boemos audiant de me gloriari tanquam sno patrono". 10. und 14. Januar 1520 (Enders TI, 290 und 293). 31. Mai 1520 (Enders II, 406): „Lipsenses auxii pro retinendis scholaribus jactant Erasmum ad sese venturum. Quam negotiosa et infelix tarnen est invidia. Ante annum, cum nobis insultarent quasi victis, non pro- videbant haue sibi crucem impendere." Einser hatte drei Jahre zuvor Erasmus nacli Leipzig eingeladen; er schrieb ihm am 15 März 1517 (Opera Erasmi ITT, 1592): „Richardus Crocus . . . corara referet conditionem huc ad nos veniendi, quod illnstrissimus prineeps noster et universus ordo nobilium dudum vehementer desiderarunt. Tu qua re vehementer oro ad me scribas sententiam tuam Lipsiam et quanani peeunia id a te impetrari valeat; quo cognito omnem movebo lapidem, donec te noster hie aquilo suseipiat eo quo dignus honore es". Erasmus hat nie daran gedacht, darauf einzugehen. Völlig verfehlt sind die Ausführungen und Behauptungen von Lehmann. Herzog Georg im Briefwechsel mit Erasmus (Leipziger Dissertation 1889), S. 7: Der von ihm vermifste Brief des Erasmus ist vorhanden (Opera Er. S.268), der des Pirckheimer gehört wie jener dem Jahre 1517 an. Vergl. auch Prachtbeck an Pirckheimer 5. August 1518 (Heu- m an n 8. 233): „Erasmus quod ad te venturus est (aus der oft beabsich- tigten Reise des Erasmus nach Nürnberg wurde nie etwas) gratulor utrisque, si habituri laetum estis Convention. Lipsicam tarnen acade- miam an petat an non, nee consulo nee dissuadeo, cum ibi suae dis- ciplinae pauci sint theologi suam foventes partem" etc. Lic. Paul Prachtbeck, von Georg mit politischen Missionen betraut. 1501 nach Nürnberg, 1510/11 nach Polen (Copial 106 fol. 166 und Loc. 9913 Schriften bei. den tötlicben Abgang), lebte später in Dresden in wissenschaftlicher Mufse. Er verdeutschte Ciceros Schrift de offieiis und widmete das Buch dem Leipziger Rat (Stadtkassenrechnung 1525/26). Er starb vor Beginn des .lahres 1527 (Copial 14 fol. 38).

r") Luther an Spalatin 16. April 1520 (Enders II, 382): „Cum Adriano convenimus, ut differat paululum. Octo dies promisit in Berlin se niansuruin et litteras expeetaturum a nobis . . . Nostrorum plurimi fortiter apnd nie sollicitarnnt, ut Matthaeus (Adrianus) le- tineretur saltem ad annum, etiam ad infamiam, uti putant, antever- tendani propter eclipsin ( Lipsim, Lipsiam) illain, quae illum forte in odinin nostri suseipiet, ut fama est . . . Suspicor, eum vel Eraucofordiae vel Lipsiae professionem Hebraeani secum statuisse, si apud nos non licuerit. Responde cito."

Leipzig und Wittenberg. 75

Lektor des Leipziger Franziskanerklosters Alvekl zuerst in lateinischer und dann in deutscher Sprache eine zwar sachlich recht schwache, dafür aber in der Form mehr als grobe Streitschrift gegen ihn herausgab, als der Rat der Stadt die deutsche Ausgabe sich dedizieren liefs, glaubte Luther die Leipziger insgesamt dafür verant- wortlich machen zu dürfen. Er liefs den Einwand Mosel- lans nicht gelten, dafs die Universität keine Macht habe, dem Mönch, der nicht zu ihr gehöre, sein Schimpfen zu verbieten; er rechnete Mosellan nachdrücklich vor, was man sich sonst nicht nur gegen seine Person, sondern auch gegen die Wittenberger Hochschule herausgenommen habe, er erinnerte an den Brief Wüstenfelders, der ohne seine Einsprache zum feindseligen Zusammenstofs beider Universitäten geführt hätte. Trotz alledem wolle man nicht Böses mit Bösem vergelten und Wittenberg werde auch fernerhin in abwartender Stellung verharren und nicht zum Angriffe übergehen"2).

Mosellan wird aufgeatmet haben, dafs der befürchtete Sturm unterblieb. Ein Zusammenstofs beider Universi- täten hätte ja besonders ihn, als den beargwöhnten Ge- sinnungsgenossen Wittenbergs, in eine schiefe Lage ge- bracht, hätte zweifellos seine auf Reform des theologischen Studiums abzielenden Bestrebungen unendlich erschwert. Mufste er doch ohnehin der feindlichen Fakultät Schritt für Schritt den Boden abkämpfen. Wieder nur auf ent- schiedenes Eintreten des Herzogs hin hatten soeben er und der ihm befreundete Schulmeister zu St. Thomas Johann Poliander den Grad eines Baccalaureus der Theo- logie und damit die Berechtigung zu Vorlesungen über die heilige Schrift zu erwerben vermocht, Anfangs hatte sie die Fakultät abgewiesen und bei beiden Mifsaehtung der Autorität des Constanzer Konzils und hussitische Neigungen entdecken wollen, also die gleiche Ketzerei, wie sie Luther in Leipzig von Eck vorgeworfen worden war; jedoch sie war damit bei Georg nicht angekommen, er hatte ihr mit sehr deutlichen Worten gesagt, dats sie

M) Luther an Mosellan, Juli oder August 1520 (Enders II, 452): .,Lipsiae semper ego timui, ne Academiae istae duae ex odio antiqno tandem in arma ruerent: quod, nisi ego obstitissem, effecisset vel sola epistola Arnoldi (Wüstenfelder) tni praedecessoris Rectoris, omniuin, quas vidi, procacissirna et praefractisshna . . . Fama, res, vita, anima mea qnaeritur per vestros et miraculum censetur, si quid vel mutiam."

76 Felician Gefs:

den Beweis dafür eist zu erbringen habe und dafs nach seiner Meinung einzig und allein ihre Angst vor der Konkurrenz den beliebten jungen Lehrern den Weg ver- sperren möchte. Früher hätte sie ihm geklagt, dafs niemand Theologie studieren und theologische Grade er- werben wolle, jetzt, wo sich Kandidaten einstellten, sei ihr das wiederum nicht recht. Er verlange die Zulassung beider, dulde keinen Widerspruch von ihr, habe den Streich noch in gutem Gedächtnis , den sie ihm bei der Disputation gespielt, und werde sich nötigen Falls ge- zwungen sehen, „ander leute an eure Stadt zu holen, die unls umb ire besoldunge nicht vorachten, unsrer uni- versitet Nutz, Ehre und gedeyen, darumb wir euch auch aldo haben, suchten und sich in billichen Sachen weysen lissen"53). Daraufhin hatte sich dann die Fakultät wohl oder übel gefügt.

So konnte denn Mosellan im Wintersemester 1520/21 die Paulinischen Briefe vornehmen. Sein Erfolg war diesmal noch gröfser als im Sommer. „Die ganze Jugend", rief er Mutian zu54), „wirft sich voll Eifer auf das Studium der heiligen Schrift. Ich bin gewiis nicht der beste Lehrer und doch hören meine Auslegung der Paulinischen Briefe gegen 300 Studenten. Wie hat sich die Zeit ge- wandelt; früher kümmerte sich niemand um diese angeblich unfruchtbaren Studien, jetzt will man nur von ihnen und keinen andern etwas wissen!"

In der That, es war ein gewaltiger Umschwung, der sich im Laufe weniger Semester auch in Leipzig genau so wie in Wittenberg wenigstens bis zu einer gewissen

r,s) 18. August 1520 Copial 130 fol. 136b: „.. dann ir unfs vormals mit der disputaeion auch eyn stngke gethan, defs wir noch nicht vergeben." Auf dies scharfe Schreiben hin erfolgte bereits am 20. August die Aufnahme beider.

"'') Gillert 8. 271 (11. November 1520): „Novarum rerum heic nihil habemus, neque etiam novum est bellum, quod infestis utrinque armis cum sophistis gerimus. Circumspicimus heic viam per quam Fabritium Capitonem huc queamus adducere. Tota Juventus in sacra- rum litterarum studia prona fertur" etc. Bereits im Sommer hatte Mosellan dem Herzog vorgeschlagen, den in Erfurt dozierenden Theologen Lic. Jodocus (Meder) von Windsheim (vergl. über ihn Muther S. 470; Erfurter Universitätsmatrikel Michaelis 1502) nach Leipzig zu berufen. Georg hatte geantwortet, Mosellan solle ihn auf- fordern „das er sich kegen Leyptzk begebe und in der Universitet doselbst sich mit lesen und predigen boren Hesse" (Copial 130 fol. 128b, 28. Juli 1520), doch verlautet späterhin garnicnts mehr davon.

Leipzig und Wittenberg. 77

Grenze vollzog: die freilich niemals vollen Bänke, vor denen die alten Doktoren die thomistische Weisheit vortrugen , verödeten völlig , die aristotelischen Schriften fanden selbst in der neuen Übersetzung immer weniger Liebe, die eben noch so stark bevorzugten römischen und griechischen Klassiker hülsten ihren ersten Platz ein und traten hinter biblische und patristische Lektüre zurück, und immer weitere Kreise der Studentenschaft wurden von einer bisher unbekannten Gleichmütigkeit gegenüber den akademischen Titulaturen erfafst55): wenn im Jahre 1517 noch 128, so erwarben sich im Jahre 1522 nur 48 den Grad eines Baccalaureus der freien Künste, zwei Jahre später gar nur 14! Denn wer mochte fernerhin mit Geld- und Zeitverlust die alte Stufenleiter empor- klimmen, da man die gefeiertsten Lehrer, die besten wissenschaftlichen Kräfte mit ihren untersten Sprossen sich begnügen sah, die Mosellan und Keusch, Poliander und Franck, und wie die jungen Männer sonst hieisen, die sich immer fester zusammenschlössen und immer ent- schiedener gegen die Vertreter des Alten, gegen die theologischen Doktoren und die Fakultisten Front machten. Der gebildete Bürger stand auf ihrer Seite, der Rat der Stadt unterstützte ihre Sache bei Hofe, als im Frühjahr 1521, während Georg auf dem Worraser Reichstage ver- weilte, Mosellan mit 17 gleichgesinnten jungen Magistern gegen die fortdauernden Behinderungen vorstellig wurde56), die Lehrer und Schüler der neuen Richtung seitens der alten Theologen erfuhren, „welche nicht gestehen (= zu-

55) Sehr charakteristische Äufserungen in einem Schreiben der Artistenfakultät an den Herzog vom 28. August 1522 Loc. 9884 Leipzigische Händel 1519 26 fol. 132 : . . . und wiewol itzundt zur zeidt der promovenden weniger ist, macht nicht beschwerung der promotion sunder etzlich secte, die alle gradus, promotiones, stende, auch alle artes und philosophiam mit wort und schritten vor- sprechen und nydertzuschlaen gedencken und die jhenigen , so pro- motiones zu nehmen willens, abziehen, doraufs kommet, das die loblichen artes, und das sie sunsten schwer syut, itzundt eine zeit von vylen vorechtiglich gehalden und eyn ydermann, auch dortzu nichts oder wenig geschicket, noch der secten angebung und aufs- legung theologiam heren wollen uude in der Stadt sein und widder die statnt extra collegia leben, welchs in kurtz, wie zu hoffen, sich vnrandern wirt, wie vorhyn gescheen, dau gemeiner Student vorhyu artes hochlich geübt, dornoch poetas und ora- thores, itzundt ewangelistas, also das seiden ein lector stets vyle auditores behalden . . ."

5») No. 321, 322, 323 (vergl. die Beilage).

78 Felician Gefs:

>^

geben) wollen, das etzliche namhafte und in theologia gelerte hinge magistri forder lesen mochten, ungeachtet das sie in yren lectionibus yre lectoria vleissiger auditores vol haben und yrenthalben dieihenigen so in theologia studiren sich fast hie erhalten".

Die angegriffene Partei hielt dann auch mit ihren Gegenvorwürfen57) nicht zurück, leugnete ihre feindseligen Eingriffe rund ab, nannte es ihre Pflicht und einzige Sorge, darüber zu wachen, „uff das nicht konftig, so iedermann ane underschidt lesen wolde nach gefallen, keyne nauickeydt ader ander unfuglichkeydt der läre mit der Zeidt mochte eingefurdt werden", und wandte sich heftig gegen Moselian als Anstifter aller Irrungen, dem sie seinen Brief an Erasmus, seine Schmähworte, „welche nun in alle weit durch den drugk aulsgebreitet" seien, noch immer nicht vergessen konnte. Aber sie hatte auch diesmal wenig Glück; der Herzog beschied nach seiner Rückkehr Moselian und Franck vor sich und sah sich nach der Aussprache mit ihnen nicht veranlagt, der theologischen Fakultät irgendwelchen Schritt zu Gefallen zu thun58).

Trotzdem wurde die Lage der Beschützten mit jedem Monat unbehaglicher. War es denn möglich, bei neu- testamentlicher Exegese jeder Auseinandersetzung mit den neuesten Schriften Luthers auszuweichen, seine Bibel- übersetzung, mit der er im Herbst des folgenden Jahres die Welt überraschte, mit Stillschweigen zu übergehen, als Theologe farblos zu bleiben, wo bis in weite Laien- kreise jedermann mit Lebhaftigkeit für oder wider Partei ergriff? Entschiedener aber noch als die meisten anderen deutschen Fürsten hatte sich der sächsische Herzog seit dem Wormser Reichstag gegen den vom Papst und vom Kaiser verurteilten Wittenberger erklärt; er verbot im Frühjahr 1522 seinen Landeskindern den Besuch der ketzerischen Hochschule, er verlangte im November die Auslieferung aller lutherischen Bibeln von ihnen, ja er erbat sich von der Leipziger theologischen Fakultät ein Gutachten über diese Übersetzung, von derselben Fakul- tät, deren wissenschaftliche und moralische Fähigkeiten

r>7) An die Söhne des Herzogs, 3. Juni 1521, Loc. 9884 Leipzi- gische Händel 1519—26 fol. 19, an den Herzug 1«. und 30. Juni 1521 No. 325 und 326.

58) An die theologische Fakultät 13. Juli 1521 Copial 136 fol. 67 a.

Leipzig und Wittenberg-. 79

er selbst so niedrig anschlug, deren größerer Hälfte der griechische Urtext, auf den Luther zurückgegriffen hatte, noch immer ein dunkles Rätsel war5"). Unter solchen Umständen gehörte ein selbstverleugnender Mut dazu, ein Mut, der die sichere Gefahr der Ausschliefsung vom Lehramt nicht scheute, um sich warm und entschieden zu lutherischen Gedanken zu bekennen. Schon allein ihre ruhige rein sachliche Erörterung und Prüfung war so gut wie ausgeschlossen ; man wufste sich beobachtet und belauscht von einer Partei, die sich aus Verdrehungen und Entstellungen kein Gewissen machte. Der Bischof von Merseburg hatte im Dezember 1522 die Universität visitiert, jeden einzelnen Dozenten besonders vorgenommen und keinen gefunden, den er als „den verdampten Opi- nionibus Martini Luthers" anhängig hätte bezeichnen können; aber wenige Wochen später meldete sich die theologische Fakultät mit neuen Verdächtigungen bei Hofe an und weigerte sich in die Promotion einiger junger Magister zu willigen wieder war Mosellan darunter, der sich den Bang eines Sententiarius erwerben wollte . in deren Vorlesungen lutherische Irrtümer vorgekommen seien. Auch dafs sie früher des Erasmus lateinische Über- setzung des Neuen Testamentes der Vulgata vorgezogen, dafs sie vor Jahren mit ihren Schülern Komödien des Terenz aufgeführt hätten, sollte jetzt Grund für ihre Zurückweisung sein00).

50) Seidemann, Erläuterungen S. 54.

"") Bischof von Merseburg an Georg 29. Dezember 1522, Loc. 9884 Leipzigische Händel 1519 26 fol. 140 : ,, . . Als wir uns nechst durch Ewer Lieb Kadt und zuthun der visitacion der Uni- versitet zu leypzck underwunden, haben wir dorob eyn Carta, wie es hinfur in gemelter uuiversitet mit etlichen bucheru soll gehabten werden, . . . begreyfen lassen. Weyl wir aber mit Ewer lieb hievor eynig wurden , ane derselbigen E. L. wissen und nachlassunge solch unser Cartha uit aufszugehn lasseu, derhalb übirsehicken wir Ewer lieb solch gegenwertig'1. Leider fehlt die ,, Carta''. Georg an die theologische Fakultät 14. Februar 1523 Copial 139 fol. 9a. . .Was aber belanget dye lectiones, fso eczliche fsollen nach form der vor- dechtigen Lere gethan haben, hat uniser frundt und oheym der Byschoff zcu Merfsburg, wye yr wyst, derhalben bey eyuem yczlichen in sumlerhayt Inquisitionen) gehalten, dar aufs wyr noch nicht vor- stendigt, das ymandts in unser uuiversitet den vordampten Opinioui- bus Martini lutters anhenig.'' Georg an Kentmeister und Ordinarius in Leipzig 15. März 1523, Loc. 9884 Leipzigische Händel 1519 2ti fol. 134. Die Adressaten sollen der theologischen Fakultät des Her- zogs Befremden ausdrücken über die neuen Schwierigkeiter., die sie Mosellan in den Weg legt' „das sie aber Mosselanus derhalben, das

30 Felician Gefs:

„Das ganze Aussehen der Zeit ist mir zuwider", hatte Mosellan schon im Sommer 1521 einem Freunde geschrieben ; im folgenden Jahre dachte er an eine Reise nach Italien, um all' die Ärgernisse los zu werden; er wollte auf dem Wege Erasmus in Basel aufsuchen, den er bisher noch nicht von Angesicht kannte. Es kam nicht dazu. Er blieb, aber nur um immer trüber und freudloser der Entwickelung der Dinge zuzuschauen. Wohl wies der Fürst auch jene neuen Verdächtigungen und Ein- wände der theologischen Fakultät zurück, und Mosellan erreichte noch einmal durch seine Mithilfe das vorgesteckte Ziel. Aber wenn Georg auf ihr Gutachten über Luthers Bibelübersetzung Wert legte, wer bürgte dafür, dafs er in Zukunft nicht auch ihren Einflüsterungen sein Ohr lieh und das Studium des Griechischen und Hebräischen, als angebliche Mutter alles ketzerischen Irrtums, kurzer Hand strich? Die bange Sorge vor einer solchen Wendung, die alle Errungenschaften des letzten Jahrzehntes ver- nichtet und Leipzig noch weiter hinter Wittenberg zurück- gedrängt hätte, verdüsterte Mosellans letzte Wochen und Tage im Frühjahr 152461).

er uinb zuforderung vorgenominer promotion uus angelangt, in straffe neraen wolten , ist uns in keynen weg zuleyden, wolt uns auch an unser Fürstlichen Oberkeit ahbruchlich sein . . . darumb dis alles zu hinderung der promovenden unnotturfftig wirdt vorgewandt, und sollten die Zeit, do die jhenigen, so itzt sollicitiren Translacionem Erasmi gelesen, es gewert haben, nicht aber derbalben sye itzt in irem vornemen hindern und auff halten, So wir jn auch nicht billichen, etzliche darumb zu tadeln, das sie zu Übung jrer discipel Comedias Therentionas agiert."

«') Erasmus an Mosellan 8. August 1522 (Weiler, Altes aus allen Teilen der Geschichte I, 17); dazu Erasmus an Auerbach 5. Dezember 1523 (Opera Erasmi S. 737). „Anno Domini 1523 Nona novembris assumpti sunt ad legendas Sentencias venerabiles magistri Petrus mosellanus" etc. Brieger S. 33. Sturio an Pirckheimcr 20. März 1524 (Heumann S.220): „Scripsit ad me Mosellanus non mul- tis elapsis diebus principem suum Georgium stipendia et graecnm et bebraicum abrogasse, persuasum a nostris magistris tali argumenta: ex linguanim cognitionc errorem omnem in mundum irrepsisse professi; prob Juppiter quanta dementia a Deo principes percussi adeo ut etiam abiectissimorum hominnm servi facti; heu vero in id diahoh opus nemo tidelium teudit oculos, nititur enim linguarum Cognitionen! oppri- mere, quo liberius in nos saeuiret, haud nescit, quantum obstet regno suo linguarum cognitio. Oramus nos deum , ne tale auferat a nobis donum." Melanchthon an Hefs, Leipzig 19. April 1524 (Corpus Eteformatorum 1, B54): „Mosellanum heri (18. April) amisiinus; magnam eius morte iaetnram res litteraria fecit. Fuerunt enim in illo dotes

Leipzig und Wittenberg. 81

Man darf wohl sagen, dais sein Tod Epoche ge- macht hat in der Geschichte der Leipziger Universität. Nach seinem Hingange verloren die Genossen den Mut und legten das griechische Testament bei Seite, dieser wandte sich juristischen und jener medizinischen Stu- dien zu"'2); die Doktoren der Theologie hatten weiterhin keine lästigen Konkurrenten. Aber ihre Bänke füllten sich deshalb nicht, und der theologische Nachwuchs Leipzigs 1)1 ieb bis zum Tode Georgs verschwindend gering. Zwar ist Mosellans Befürchtung nicht eingetroffen, der Unter- richt im Griechischen hat seinen Platz behauptet, der im Hebräischen unterblieb nur wenige Jahre63) jedoch davon war keine Rede mehr, dais man sich auf diesen Gebieten mit Wittenberg hätte messen dürfen. Nach Mosellan fand sich kein Mann mehr, der einem Melanch- thon hätte die Wage halten können, und selbst Leipziger Bürger scheuten in den dreifsiger Jahren die höheren Kosten nicht, sondern nahmen ihre Söhne von der hei- mischen Hochschule fort und schickten sie trotz des herzoglichen Verbotes zu dem Präceptor Germaniae in die Lehre H4j. Erst unter Georgs Nachfolgern hat Camerarius eine zweite Blüteperiode klassischer Studien heraufgeführt,

plane eximiae." Über Mosellans Verhältnis zu Luther vergl. dessen Brief an Borner, 28. Mai 1522 (Enders III, 375.)

6a) Vergl. den Bericht des Bischofs von Merseburg au Georg Über seine zweite Visitation der Universität, wobei er hauptsächlich den Magister Hegendorf (Brieger S. 33) lutherisch gesinnt fand, 13. Mai 1524, bei Seidemann, Disputation S. 139.

fi3) Über den ersten Nachfolger Mosellans Ceratinus vergl. aufser zahlreichen Stellen in den Briefen des Erasnius, der ihn em- pfohlen hatte, Auerbach an Pirckheimer 31. Mai und 12. Oktober 1525 (Heumann S. 213, 214). Das Hebräische betreffend vergl. Leip- ziger Ratsarchiv Stadtkassenrechnuiig 1525/26. „Magistro Andree delitzsch vor den ersten halben Jars solt, so zuvorn eynem Magistro von der hebreischen lection gegeben und yme nu uff befehel unsers g. H. zugestellt, thut 1 Schock 15 gr." 1531/32: „Anthouio Marga- rite Hebreo zu besserung seyns soldes von der hebreischen lection aufs Beschliefs der Rethe uff difs Jhar gegeben 7 Schock"; ebenso 1532/33. In dem Dresdner Aktenstücke Loc. 9698 Zween ermordete Juden, so im Hölzlein deutschen Luppe angebunden todt befunden 1531, linden sich etwa 20 hebräische Briefe und daneben die auf Be- fehl des Herzogs durch den Lektor des Hebräischen gelieferten Übersetzungen. Über den griechischen und hebräischen Unterricht im Jahre 1535 vergl. den interessanten Brief der Universität an Georg, 15. Juni 1535, Seidemann, Disputation S. 158, der unbedingt in das Urkundenbuch hätte aufgenommen werden müssen.

64) Gefs, Klostervisitationen S. 35.

Neues Archiv t S. G. u. A. XVI. 1. 2. 6

82 Felician Gefs:

erst unter ihnen und nach dem Einzüge der Reformation hat sich Leipzig allmählich wieder gehoben, wenn es auch bis weit über die Mitte des Jahrhunderts hinaus hinter der jüngeren Schwester zurückstehen mnfste.

Beilage.

Eine Anzahl von mir benutzter Schriftstücke niufste zuvor genauer datiert werden, als das im Urknndenbuche geschehen ist. So lange man nur weifs, dafs ein Stück in die Jahre 1502— 1587 gehört, weifs man so gut wie gar nichts und kann man an keine Darstellung auf Grund dieses Stückes denken. Noch eine andere, unerquicklichere und recht zeitraubende Vorarbeit machte sich not- wendig: der Text der Schriftstücke bedurfte einer genauen Ver- gleichung mit der handschriftlichen Vorlage. Ich habe mich natürlich auf Berichtigung der Fehler beschränkt, durch die der Sinn ver- dunkelt oder entstellt ist.

Urkuiidenlmch No. 226.

Fehler: S. 269, 16 statt „steder" lies „sieder" (= seit); 271, 10 „nicht geneigt" „mehr geneigt" ; 271 , 32 „nicht augesehen" „mehr angesehen".

No. 227.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502 -1537. Der Endtermin ist jedenfalls 1527, da der S. 273, 7 genannte Dr. Joh. Hennigk 1527 gestorben ist (Locat 10532 Leipzigische Händel 1525—1531 fol. 27), der Anfangstermin 1503, da die S. 273, 6 erwähnte „iungste con- firmation" diesem Jahre angehört (vergl. No. 237 und 238). Das Stück darf seinem Inhalte nach bald nach 1503 angesetzt werden. Man vergl. ihn mit den Stellen, die in der An m. 40 dieses Aufsatzes abgedruckt sind.

Fehler: S.273, 9 „ingegebin" „in(= ihnen) gegebin" ; 273, 16 „vorschlimmerung" - - „vorschimperung" {— Beschimpfung).

No. 228.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502—1537. Die Vermutung, dafs sich die Worte 274, 32 „e. f. g. reformation für sechzehen iaren ge- schehen" auf No. 225 vom 8. November 1502 beziehen, No. 228 mit- bin ins Jahr 1518/19 zu setzen sei, wird zur Gewifsheit bei einem Vergleich von No. 228 mit No. 278 (siehe deren Zeitbestimmung weiter unten!)-, jene ist lediglich ein Nachtrag zu dieser. Man vergl. S. 371, 6 „von wegen kurtz der zeyt .... protestation" etc. mit S.274, 21 ff, unter Berücksichtigung der hier folgenden Textbesserung. Kin Blick auf die Vorlagen ergiebt, dafs beide Stücke, No. 228 und 278, von der gleichen Hand geschrieben sind.

Fehler: 274, 26 „wegen den" „wesenden" (= augenblick- lich amtierenden). 274, 33 „fruchtickliclr „fursichticklich".

Leipzig und Wittenberg. RH

No. 229.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502—1537. Beide Termine, sowie die Charakteristik des Stückes als eines Memorials der Artisten- fakultät" sind falsch. Es ist vielmehr eine Eingabe von Kollegiaten, die im consilium facultatis artium sind und diesen Platz durch „kegen- wertige Reformation" (S. 275, 9) zu verlieren fürchten. Vergleicht man die unterschriebenen Namen mit den Kollegiatenverzeichnissen (Zarncke, Quellen), so ergeben sich, da Cubito von 1518 ab, Greve bis 1521 Kollegiat war, die Termine 1518 und 1521; mit Rücksicht auf die Worte „kegenwertige Reformation", worunter nur die von 1519 gemeint sein kann, ist der Endtermin ins Jahr 1519 hinaufzu- rücken, das Stück also in die Jahre 1518/19 zu setzen.

Fehler: Der Sinn ist durch falsche Interpunktion S. 275, 21 und 22 völlig verdunkelt ; das Semikolon gehört hinter „wurden" und mufs gestrichen werden hinter „geboret".

No. 230.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502 1537. Der Endtermin ist um 12 Jahre hinaufzurücken , da das Konzept von der Hand des Cäsar Pflug ist, der 1525 starb.

Fehler: 276, 16 „die wir bitten" „das (Bedenken) wir bitten"; 276, 24 „wie" „wu" (—wo); 276, 30 „meher schaden dan ere dadurch gewertig were" „meher schaden und schimps, dan ere und notz gewertig were"; 276, 36 „Wie aber sulchs von euch übergangen, wil seiner ff. g. euch rectori und andern regirern" „Wu aber sulchs von Euch übergangen und sulche conspiracion und uffrur meher machen und uffruhren wurdet, wil sein ff. g. Euch Er (= Herr) rectori und andern regenten" ; 277, 8 „zu erkennen" znuorkommen" ; 277, 9 „dem bisher" „bas, den bisher".

No. 23t.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502 1537. Ich nehme die erste Hälfte des Jahres 1511 als Abfassungszeit an und verweise auf die Ausführungen zu No. 252, bei deren Abfassung No. 231 zu Rate gezogen worden ist.

Fehler: 277, 34 „iusth" „nestk"; 278, 20 „gern" „geen" ; 279, 21 „die scholares* „die scholares jurium".

Bemerkung: Das Schriftstück ist kein „Bericht der Mitglieder der Artistenfakultät" wie No. 226 („alle magistri in und aufserhalb des raths der facultedt" 272, 37), sondern ein Bericht der Fakultisten („magistri des ratis der facultet" 280,14), ein Unterschied, der nicht übersehen werden darf, will man überhaupt Verständnis für die Universitätszustäiide gewinnen.

No. 232.

Zeitbestimmung: Urkb 1502 1537. Beide Termine sind hinfällig, da der mitunterschriebene Magister Koel Aubanus erst 1513 Magister geworden und schon 1517, spätestens 1518 gestorben ist (Günther, Plautuserneuerungen Leipzig 1886 S. 72 und die dort zitierte „Declamatio in laudem Gregorii Coelii Aubani habita a Philippo Noveniano", herausgegeben von Köhler, Leipzig 1812). Das Stück würde danach 1513—1518 fallen. Doch spricht für weitere

6*

84 Felician Gefs:

Einabrückung des Anfangstermins auf die zweite Hälfte des Jahres 151 6 die Erwähnung' (281, 3) des „vorgangnen uifrurs" und die Bemerkung (281, 11), es gäbe „den studentibus, das sye sich yn buntlmufs, uffrur und unfug voreynigen (! so ist zu leseu statt „ver- gnügen") und wegk zu wenden vorneinen, gros urSach der-

halben die Studenten in argkwon kummen, als sohl man sye alleyn streifen wollen und yn yren Privilegien aber gereehtikeiten nichts handhaben." Man veVgl. damit den Brief des Herzogs an den Leip- ziger Amtmann Cäsar Pflug vom 27. Juli 151B (Copial 125 fol. 86), worin eines Studentenaufruhrs vom 20. Juli 1516 gedacht und hin- zugefügt wird, dafs nach dem Aufruhr „etliche Studenten eyn vor- sammlunge gemacht und mit grosser ungestumigkeyt vor den hern rector und die von der universitet kommen, auch under andern er- zelet, wo man ine ire privüegia und compactata nicht wejsen und sy bey denselbigen nicht schützen oder hanthabeu werde, alfsdann so heften irer ijc ader melier zusamp gesworn, alzo das sie under eyner fahne und in eynem häufen von dann ziehen wolten." Unsere Urkunde hat ohne Zweifel diesen Fall im Auge; ich setze sie daher 1516—1518.

Fehler: 280, 27 „ergehende" „reychende"; 280, 33 „und schon" „und scheu"; 281, 12 „vergnügen" „voreynigen"; 281, 22 „zuvor hören" „zuvor hüten"; 281, 23 „die studentenbueben den magistris" „die Studenten bneben (= neben) den magistris" ; 282, 18 „vorandern" „vorenden" (= beenden); 282, 21 „welchen auch" „vorlihen, auch"; 283, 3 „und gleichmessige" „und doch gleich- messige" ; 283, 28 „besatzung" „besahung".

No. 233.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502—1537. Ein Vergleich mit No. 333, 334, 335, 336 und 337, die vom 29. August (s. No. 333) und 2. Dezember 1522 datieren, ergiebt mit Gewifsheit, dafs der Endtermin ins Jahr 1522 hinaufzurücken, mit grofser Wahrscheinlich- keit, dafs das Stück ins Jahr 1522 zu setzen ist.

No. 284.

Zeitbestimmung: Urkb. 1502— 1537. Schon Friedberg (Colleg. Juridic. S. 23, 1) machte darauf aufmerksam, die Juristen würden hier als Hausbesitzer vorausgesetzt (vergl. 286, 17), das Stück müsse daher nach 1515 fallen. Aber auch der Endtermin ist unmöglich; denn wenn es 287, 33 heilst, der Ordinarius sei einer der drei Bürger- meister, so ist darunter Johann Lindemann zu verstehen, der bis L519 Ordinarius war. Somit fällt das Schriftstück 1515—1519.

Fehler: 285,33 „liberlich" ist zu streichen; 286,8 „vorsthinnes"

„vorschinnes" ; 286, 10 „efliciuntur" -- „efficiantur"; 286,36 „cum latinitate. So durch" „cum latinitate, do durch" ; 286, 38 „mores" gehört vor „vorandirt" ; 286, 41 „On" - - „die"; 287, 6 „So von" „do von"; 287, 7 „zuuor das" - - „zuuor so er das"; 287, 11, „darff, iss" -- „darff iss"; 287, 25 „vrawlafsen" „trawlafsen" (= treulosen); 288, 11 „villeicht aufs bofser meynung" „villeicht nicht aufs bosser meynung"; 288, 13 „sunderlich lieber, pest" „sundirlich sieder (= seit der) nesten pest" ; 289, 4 „welche stad pranget mit den walen"

„welche stad grantzet mit den Avalen" (gemeint ist Hall bei Innsbruck).

Leipzig1 lind Wittenberg. 85

No. 235.

Zeitbestimmung. Urkb. 1502 1537. Aus 290, 34 „die nawen Universitäten", womit neben Wittenberg- das 1506 gegründete Frankfurt gemeint ist, ergiebt sieb 1506 als Anfangstermin; aus einem Vergleich von 290, 37 ff. mit 325, 22, dafs es vor die in die zweite Hälfte des Jahres 1511 gehörige No. 256 (s. d.) zu setzen ist. Somit fällt das Stück 1506—1511; vermutlich 1511.

Fehler: 290, 21 „sie kommen" „sie können (—können); 290, 27 „swnng" „smug" (= Schmuck); 291, 3 „wydderfal"

„mdderfal"; 291, 8 „übet" „über"; 291, 16 „ausgeschlossen" „auffgeslossen" ; 292, 6 „dan nntugi icher" „dan je untuglicher";

292, 7 „erinern" „erneren"; 292, 25 ..gewennen schade" „quemen (— käme) schade"; 292, 34 „fruchtlich" - „friichtbarlich";

292, 38 „Statut vorfechten" „Statut unde Zcinse vorfechten";

293, 12 „eine zeeit an wenig gelde" „eine zeeit stro (! strof, Strafe) an wenig gelde".

No. 250.

Zeitbestimmung: Urkb. 1504 1509. Anfangs- und End- termin sind hinfällig; denn der 306, 30 erwähnte Dr. Henning Göde begann seine Vorlesungen in Wittenberg erst am 8. Oktober 1510 (vergl. Scheurl an Dinstedt 27. Juni 1510: „nos praepositum nomina- mus Hennigum, quem tarnen andivimus aegre habere, sed expeetamus adventum propediem"; 8. Oktober 1510: „venit et praepositus noster et hodie coepit legere ordinarie". (Scheurls BriefDiich 1867 S. 61 und 62). Ein Vergleich mit No. 254 (s. d.!), z. B. von S. 304, 32 mit 323, 29, ergiebt, dafs No. 250 bei Abfassung von No. 254 vor- gelegen hat. No. 250 dürfte gleichzeitig mit No. 287 (s. d.) ein- gereicht worden sein. Ich setze No. 250 daher in die zweite Hälfte des Jahres 1511.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Wenn es 309, 20 vom Dekan der medizinischen Fakultät heifst, er sei „im ratb, scheppen- stuhl, leybartzt des churfursten , collegiat", so ist damit Dr. Simon Pistoris, der Ältere, gemeint, der 1509 Dekan wurde. Also ist 1509 der Anfangstermin. Als Endtermin ergiebt sich aus 308, 35 und 317, 5 das Jahr 1515, da nach diesen Stellen die Juristen noch nicht Hausbesitzer sind Bis ins Jahr 1511 aber wird man den Endtermin zu rücken haben, wenn man 309. 14 „ist gescheen difs jar .... irye vormals gescheen" mit der Notiz bei Zarncke, Quellen S. 882, vergleicht. Zu noch genauerer Datierung führt ein Vergleich von No. 231, 252, 253, 254, 255, 256. Es ergiebt sich dabei, dafs No. 231 bei Abfassung von No. 252 vorgelegen, No. 252 wieder bei Abfassung von No. 253. 254, 255, 256 vorgelegen hat; da nun diese vier letzten, wie wir unter No. 254 sehen werden, kurz vor den 14. Oktober 1511 fallen, gehört No. 252 spätestens in das zweite Drittel des Jahres 1511; alles aber spricht dafür, dafs dies Stück und ebenso die ihm kurz vorausgehende No. 231 nicht in ein früheres Jahr (1509, 1510 wären nur möglich) als 1511 fällt.

(No. 231) 278, 7 = (No. 252) 313, 41

278, 14 = 310, 1

278, 18 -- 312, 8

278, 23 = 317, 3

St; Felician Gefs:

(No. 231) 278, 31 = - (No. 252) 317, 11

278, 37 = 313, 19

279. 1 308, 8 279, 5 ., 313, 6

279, 14 = 317, 19

279, 21 = .. 309, 1

279, 26 311, 20

(No. 252) 307, 24 = - (No. 253) 318, 28

307, 32 - ,. 318, 34

307, 36 = .. 319, 1

308, 8 319, 3

309, 6 - (No. 255) 324, 10

309, 14 .. 324, 23

310. 22 = (No. 256) 325, 14

311, 20 = .. 325, 22

312 8 -f 326' 2>'

01 ^ 8 _\(No. 254) 322. 32

312. 16 - (No.256) 325, 26

312, 39 = 325, 28

313, 25 == (No. 254) 322, 16

315' 5H}= (No> 256) 325'

314, 321 qor 21

315, llj- d~b' 4l

315, 15 = 325, 6

316, 1 326, 5

316, 39 ={(No#254) 322! 12

Fehler: 308, 4 „baccalarios gebort"— „baccalarios sententiarios gehört"; 308, 11 „enger" ..erger"; 310, 17 „geben" - - „gaben"; 311, 1 ..scheint" „sehent" < sehen): 313, 13 „consilium der busen" „asilum der bufen" (= Buben); 314, 10 „ungelectisten"

„ungelertisten" ; 317. 25 „sie scheinen sich" „sie Schemen sieb".

No. '253, '254, '255, 256.

Zeitbestimmung: ürkb. 1 506— 1 537. Dafs diese vier Stücke zusammengehören, wird auf den ersten Blick klar und bedarf keines Beweises. Nun findet sich zu No. 254, oder wenigstens zur ersten, grösseren Hälfte dieses Stückes ein Konzept von Georgs Hand (Loe. 10532 Leipziger Universitäts- , Rats- und andere Händel 13(17-1537 fol. 265 und 236). das nicht nur für die Frage nach dem persönlichen Anteil des Herzogs an den Universitätsangelegenheiten, sondern auch für die nach der Datierung dieses Stückes von Be- deutung ist. Man vergl. die Stelle S. 321, 32—38 mit folgenden Sätzen des Konzeptes: „dy weil nu oratoria und poetica orsprung sein eloquencie, so haben wir vorordent, das esticampianus sal ein stund haben in lectorio iuristarum umh zwölf ader umb iiij noch mittag, do sal her lessen in poetica ader oratoria und in dem selben colegio ein habitacio haben, do her poeticam und oratoriam resumirn möge; welche och sust in oratoria oder poetica vorsolte lecciones haben, dy soln im lectorio pedigoij lesen, welcher och wil das selbe resumirn, der sal es im pedigoijö thun . . . doch so soln dy selben ire resumptiones und lecciones dem ordinario ansagen, wes sy lessen ader ressumirn wolu, der sal dor ein seen, das nicht unzuchtiges,

Leipzig und Wittenberg. 87

ader das, so nur zu sunden und lossen sitten reicht , glessen ader gresumirl werd, den gutter lare."

Ästikampian, den No. 254 auffallender Weise fortläfst, ist nach einem Beschlüsse der Universität vom i. Oktober 1511 relegiert worden; der gerade in Leipzig anwesende Herzog hat sich für ihn verwendet, die Universität aber ist am 5. Oktober 1511 auf ihrem Be- schlüsse geblieben und der Herzog hat ihr nicht weiter dareingeredet. Demnach nmfs das Konzept jedenfalls vor den 5. Oktober 1511 fallen.

Nun reden aber die Protokolle der Universitätsversammlungen in diesen Oktobertagen (Leipziger Universitätsarchiv ConclusaA) aufser von Ästikampians Sache auch von einer Reformation, die der Herzog sucben vorgelegt habe. So heifst es p. 149b: Dienstag, 14. Oktober 1511 „congregatio totras universitatis ad andiendum legi puneta re- formationis novissime illustrissimi prineipis". In dieser Versammlung läl'st sich die Polnische Nation hören, die einzelnen Punkte der Re- formation seien zu wichtig, als dafs man sofort eine Antwort geben könne ; ,,duo tarnen puneta videntur maxime statutis et universitati et auetoritati universitatis contraire, quorum primum est de supe- rioritate ordinarii et seeundum est de collegiaturis in collegio prin- eipis solis iurisperitis dandis'-. Die hier gerügten Punkte sind die Hauptpunkte von No. 254. Somit ist No. 254 (und mit ihr 253, 255, 256) am 14. Oktober 1511 der Universität vorgelegt worden.

Fehler: 319, 38 „nach amt der Statut" „nach laut der Statut"; 322, 14 „ann iure" „ann ime"; 323, 31 „anfehrt" „anfehet".

No. 257.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück ist bald nach dem 14. Oktober 1511 anzusetzen, da es No. 254 und No. 256 beantwortet oder begutachtet, wie bei Vergleich folgender Stellen ersichtlich wird :

(No. 257) 326, 31 (No. 256) 325, 14

326, 35 = 325, 22

327, 11 = 325, 36 327, 15 = 326, 5 327, 18 = 326, 16 327, 27 = = (No. 254) 322, 8 327, 31 = 322, 16 327, 35 = 322, 37

Fehler: 327, 2 „prolirn" „probirn" ; 327, 17 „wure" „wurde".

No. 258.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506 1537. Das Stück ist bald nach dem 14. Oktober 1511 anzusetzen, da es No. 254 beantwortet oder begutachtet. Vergl. folgende Stellen:

{31Q 95 322 37

330, 25 =

v>

321, 32

330, 32 =

H

327, 37

331, 1 =

J)

319, 26

331, 26 =

M

321, 24

332, 7 =

J1

321, 39

332, 13 -

320, 38

332, 16 =

»

322, 16

ss Felician Gefs:

No. 259.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück gehört in die Jahre 1515—1519; denn aus 333, 40 geht hervor, dafs die Juristen Hausbesitzer sind, aus 333, 1, wo die Hoffnung ausgesprochen wird, dafs man antiquas und novas translationes lesen werde, dafs die re- formierte Lektionsordnung von 1519 noch nicht erschienen ist Vergl. Anm. 39.

Fehler: 334, 8 „baccalauri ender do arguirt" „baccalaurien, der do arguirt".

No. 260.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506 1537. Dafs das Stück vor 1515 zu setzen sei, geht aus 336, 32 „also sali auch gescheen, wenn das pedagoge dene iuristen übergeantwort", dafs es vor oder spätestens 1513 zu setzen sei, geht aus der Erwähnung Kocheis 337, 5 hervor, der 1513 sein Lehramt aufgab, um herzoglicher Kanzler zu werden. Wahrscheinlich lag es bei Abfassung von No. 254 vor und dürfte in das Jahr 1511 gehören.

No. 261.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück gehört ans Ende des Jahres 1518 oder an den Anfang des Jahres 1519, da fol- gendes Schreiben des Herzogs vom 8. April 1519 an die medizinische Fakultät offenbar die Antwort darauf ist (Loc. 10532 Leipzig, Uni- versitäts-, Rats- und andere Händel 1367—1537 fol. 452b, Konzept von Kocheis Hand): Ihr Lektionsverzeichnis hat den Beifall des Herzogs; er verspricht denen, die fleifsig lesen, die Besoldung zu bessern; „und nachdem unfs ander unser obligenden gescheut halben itzo kegen Euch kegen Leypzigk zu kommen, ganz ungelegen, und d;is ander euer gesinnen, also was das lectorium, die liberey, ana- thomia und anders betreffende ane unser beywesen nicht wol fugklich magk vorordent werden, wollet mit denselbigen kurze Zeyt gedult tragen, denn so balde wir kegen leypzigk kommen", soll Rat in diesen Dingen geschaffen werden.

-<

No. 262.

Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück fällt gleich nach dem 14. Oktober 1511. Man beachte 340, 22 (vergl. No. 254, S. 321, 24), 341, 4 (vergl. No. 255 S. 324, 26) und 339, 16; „Uff be- hendete e. f. g. ordenungk und artickel der facultet medicine . . haben wir . . underhandelt" etc.

No. 275.

Zeitbestimmung: Urkb. 1509-1514. Das Stück fällt in die Woche vom 15. bis 21. Oktober 1511, wie aus einem Vergleich her- vorgeht von 360, 33 ff („Als e. f. g. itzt hingst gnedigiieh vor- genomen . . . Information und ordenunge zu geben, so hat man am liebsten dinstag etzliche artickel derselbigen ordenunge in eyner ge- meynen vorsamltmge gelesen" etc.) mit dem Protokoll der Universitäts- versammlung vom Dienstag, 14. Oktober 1511 (Universitäts- Archiv Conclusa A 149b), das gegen die Superiorität des Ordinarius, die Verleihung der Kollegiaturen im Fürstenkolleg an die Juristen, die Wahl der Exekutoren aus den vier Fakultäten Einsprach erhebt.

Leipzig und Wittenberg. 89

Der mitunterzeichnete Dr. Heisenberg war übrigens schon am 4. Sep- tember 1512 nicht mehr am Leben (an diesem Tage beriet die Universitätsversammlung über die Besetzung des durch seinen Tod erledigten Eanonikates zu Naumburg, Universitätsarchiv Conclusa A 156), so dafs schon aus diesem Grande die Zeitbestimmung des Urkb. hinfällig ist.

Fehler: 362, 38 „Schrintbergk" „Schmitbergk".

No. 276.

Zeitbestimmung: Urkb. 1509 1519. Der Endtermin ist vielmehr 1511, da das Stück vor No. 254 und 256 gehört, wie schon ein Vergleich von 364. 17 mit 322, 10 und von 365, 16 mit 325, 21 ergiebt.

Fehler: Das Komma 364, 34 hinter „gesellen" ist zu streichen; es verdunkelt den Sinn des ohnehin schwerfälligen Satzes völlig. Der Schreiber will sagen: hat ein Examinator einen Widerwillen gegen einen Magister, so läfst er es einen Gesellen dieses Magisteis im Examen entgeltem

"Ov

No. 278 (vergl. No. 228).

Zeitbestimmung: Urkb. 1509 1537. Der 370, 5 erwähnte Dr. Noricus wurde 4. November 1511 Doktor (Za rucke, Quellen S.882) und starb 8 Juli 1530 (Universitätsarehiv Conclusa A 154b: „obiit vir ille non incelebris incestatus anno 1530 ipso die Kiliani"; vergl. Urkb. No. 362 vom 24. Mai 1531, wo von ihm als einem Verstorbenen geredet wird): so werden die Grenzen 1511 und 1530. Mit Rücksicht auf die weitere Notiz bei Zarncke (a. a. ().) über herzogliche Un- gnade und Ausschliefsung aus der Fakultät ist der Anfangstermin auf 1516 herab, der Endtermin aber ist auf 1518 oder Anfang 1519 hinaufzurücken in Hinsicht auf folgenden Brief des Leipziger Amt- manns Cäsar Pflug an Georg vom 14. Februar 1519 (Loa 10532 Leipziger Universitäts- , Rats- und andere Händel 1367 1537 fol. 461): „Ich vormercke, das der rector und die gantze Universitet auserhalb der facultet medicorum E. ff. g. befel nach Noricum seiuen Stand widergegeben haben" . . Georg solle doch „den medicis sulche restitucionem anderweit bei einer grosen pen gebiten". Zu noch ge- nauerer Bestimmung dient der in No. 228 die lediglich ein An- hang zu No. 278 ist S. 274, 32 gebrauchte Ausdruck „e. f. g. re- formation für sechzehen iaren geschehen". Darnach wird No. 278 228 mit Sicherheit in das Jahr 1518 oder zu Anfang des Jahres 1519 gesetzt werden dürfen.

No. 279.

Zeitbestimmung: Urkb. 1509—1537. Ohne Begründung wird das Stück in dieser Zeitschrift, Bd. XIV S. 11, „um das Jahr 1509" ge- setzt. Dafs es ein Jahrzehnt später gehört, geht schon aus der durch- gängigen Empfehlung der neuen Translation hervor und aus 372, 12 „grammatica greca Theodori sampt eym greckisch poeten". Das Stück ist. wie Paulsen (Geschichte des gelehrten Unterrichts 67, 2) ganz richtig bemerkt, ein Konzept zur reformierten Lektionsordnung von 1519, die sich bei Zarncke, Statutenbücher 34 42, findet. Paulsen setzt hinzu: „Es ist nicht unglaublich, dafs Hieronymus Einser, Kaplan und Sekretär des Herzogs, der Verfasser des Kon-

90 Felician Gefs:

zepts ist and dann vermutlich auch des namenlosen Berichts No. 252: manche kleinen Züge scheinen auf die Identität des Verfassers beider Stücke zu führen." Hiergegen bemerke ich wenigstens soviel, dafs No. 252 und No. 279 von verschiedener Hand geschrieben sind, keine von beiden von der Hand Emsers, die sich Luc. 10 299 Dr. Martin Luthers etc. 1517—1543 fol. 73 findet.

No. "2S(».

Zeitbestimmung: Urkb. 1509—1537. Das Stück fällt jeden- falls nicht vor 1517b (= Wintersemester 1517/18) und nicht nach April 1523, denn 15171» wird Magister Wendelinus Rau (nicht Ran!) eist Magister und im April 1523 erlangt der 375, 22 als Magister bezeich- nete Konitz die Licentiatenwürde. Folgende Semester dieses Zeit- raumes, vi na Herbst 1517 bis April 1523 (oder 1522b), kommen nicht in Frage, weil in ihnen einer der in unserem Stück mit Namen ge- nannten Magister Dekan war (während es 375, 18 blofs heilst D. Decanus fac. artium): 1517b, 1518b. 1519b, 1520a, 1522a. Von den übrig- bleibenden Semestern glaube ich 1518 a für unser Stück in Anspruch nehmen zu dürfen mit Rücksicht auf das „nondum eoruin biennium compleverunt" (375, 22), das sich neben Wendelinus Rau auch auf Sebastian Steinte bezieht, der schon 1516b Magister wurde. Übrigens ist dieser ohne Zweifel identisch mit dem späteren Prediger zu Joachims- thal (Luthers Brief an ihn vom 24. August 1541 De Wette V, 391) und Naumburg (Briegers Zeitschrift für Kirchengeschichte II, 172).

No. 283.

Zeitbestimmung: Urkb. 1510—1537. Das Stück fällt vor 1515, denn die Juristen sind noch nicht Hausbesitzer, vergl. 383, 39 und 384, 27; es fällt nach dem 14. Oktober 1511. da bei seiner Ab- fassung' No. 254 vorgelegen hat (vergl. 380, 20 mit 321. 24). Man wird es mit Sicherheit ans Ende des Jahres 1511 setzen dürfen.

No. 2S7.

Zeitbestimmung: Urkb. 1511—1514. Der Endtermin ist hinfällig, da Kochel (392, 38 und 394, 9 und 15) 1513 Leipzig ver- liefs und Kanzler wurde. Für die genauere Bestimmung kommen zwei Stellen in Betracht: 392, 29 lectio quinti, „die doctor Cristoff seliger gehabt und sich nu vorlediget". Gemeint ist Dr. Christoph Kuppener, der in der ersten Hälfte des Jahres 1511 starb. (Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben S. 170.) 393, 23 sagt der Schreiber es ist der Ordinarius Lindemann : „aber got weyfs, das ich in meynen ader andern Sachen die zwey iar nicht X1III tage von dannen gewest bin". Er spricht offenbar von der Zeit seines Ordinariates, diese aber begann im April 1509 (vergl. Copial 110 fol. 114, Mitteilung an die Juristenfakultät, dafs der Herzog Lindemann zum Ordinarius ernannt habe, vom 12. April 1509). Ich setze das Schrift- stück in die zweite Hälfte des Jahres 1511, aber vor den 14. Oktober 1511, da es offenbar, wie No. 250 (vergl. diese!), bei Abfassung von 254 vorgelegen hat,

No. 295.

Fehler: 404, 9 „yin" „eyrn" (= einem)-, 404,34 „beruem" „bewern" (— bewähren); 405, 8 „neuen collegiaten" „neun collegiaten" ; 405, 22 „welchs man vorgeldunge" „welchs man in vorgeldunge".

Leipzig und Wittenberg. 91

No. '297.

Zeitbestimmung: Urkb. 1514 1537. Der Endtermin ist 1519, denn in diesem Jahre wurde Pistoris Ordinarius, das Stück aber führt eine andere, nicht näher bezeichnete Person (es ist Linde- mann) als Ordinarius an.

No. 298.

Z eitbes tim in u n g : Urkb. 1 515—1 5 1 7. 1 )ie Eingabe, die übrigens keineswegs von der Artistenfakultät, sondern lediglich von 15 Magistern, nieist Nichtfakultisten, stammt und von Helt von Forchheim aufgesetzt ist trägt das Datum XTI martii. Dem März 1517 kann sie nicht angehören, denn damals verliefe Crocus Leipzig, aber nicht um nach Böhmen, sondern um nach England überzusiedeln (vergl. die Briefe von Emser, Ocbsenfart und Mosellan an Erasmus vom 15., 18. und 24. März 1517, die Crocus überbrachte, Erasmi opera III, 1592 und 1596); dem März 1515 kann sie schwerlich angehören, da sie erkennen läfst, dais Crocus, der 1515 erst nach Leipzig kam, dort bereits eine fruchtbare Lehrthätigkeit entfaltet hatte. Für den 12. März 1516 aber sprechen folgende Angaben: 1. Leipziger Ratsarchiv, Stadtkassen- rechnungen für 1516: da Herzog Georg dem Crocus 80 Gulden für dies Jahr zugesagt habe, das Geld aber allein nicht zahlen, sondern von Universität und Stadt unterstützt sein wolle, so habe diese 20 Gulden gegeben. 2. Beschlufs der Artistenfakultät vom 16. April 1516 (nicht 1515, wie Böhme, der den Beschlufs S. 187 abdruckt, S. 175 annimmt), dem Crocus auf Wunsch des Herzogs 10 Gulden fürs Jahr zu geben. 3. Brief Mosellans an Mutian, Leipzig, 25. Mai 1516 (K r au s e S. 606) : „Tu nostris hiis nundinis vemis heros quidam Boemns itop nofa'XpriuaTioy per suos legatos nie ad se vocavit, proposito etiam centum aureorum salario, et cum tempus iam statutum appe- teret, quo mittendus erat, qui nie aveheret currus, ecce ad me adierunt, qui et heroa e vivis excessisse nunciabant et universam Boemiam se- ditionum procellis fluctuare. Qnare consilium non esse, me eo ut conferrem." Man wird in der Annahme nicht fehl gehen, dafs Mo- sellan als Ersatzmann für Crocus von dem böhmischen Herren aus- ersehen worden war.

Fehler: 407, 2 „avelli praesentem quam absenti" „avelli praesentem dux magnificentissimus', quam absenti"; 407, 16 „Lau- banus" — „Aubanus"; 407, 19 „Vurilius ("■?)" „Vuerlerus".

No. 29».

Fehler: 408, 26 „der lange Sachssbider weyfs yre namen. Solchs" „der lange Sachsse, der weyfs yre namen und kennet yr werk. Solchs".

No. 302.

Fehler: 415, 19 „punctation" „permutation" ; 415, 25 „die mit iren artihus institutis" „die mit iren actibus in Servitute".

No. 306.

Fehler: 419, 25 „gebieten" „gelieten" ; 419, 29 „streb- same" — „erbsame" (= ehrsame;.

92 Felician Gefs:

No. 311.

Fehler: 424. 37 „galante" „gelarte"; 425, 27 „zustchach" „zuschaden".

No. 314.

Fehler: 429, 14 „tzwe" „tzw" (= zu); 429, 15 „in irem besten" „in irem lesen"; 429, 17 „gradus" - - „gradui".

No. 31«.

Zeitbestimmung: Urkb. 1519 1526. Das Stück gehört in den August (nach dem 17.) 1521, wie aus dem Beschlüsse des Leip- ziger Rates (Leipziger Katsarchiv I, 25 b) vom Sonnabend nach Assumtionis Maria (— 17. August) 1521 hervorgeht, in der Sache Veit Wiedemanns und des Studenten, .,so yme in seynem hause ge- stolen und in des Bischoffs zu Merfsburg gefengkuis sitzt", dem Herzog Georg zu beliebten.

Fehler: 430, 33 „befordern" „erfordern"; 431, 18 „bat" „bitt"; 431, 26 „angelaste" „angelassen"; 432, 35 „keynen"

- „eynen"

No. 321.

Fehler: 439, 9 „Pachewel" „Pachelbel" ; 439, 11 „Heyen- dorffinus" „Heoendorffinus".

■'S'

No. 328.

An Stelle dieses Stückes, das lediglich von der erfolgten Über- sendung eines dem Inhalt nach nicht einmal charakterisierten Berichtes an den Herzog berichtet, wäre doch zweckmäi'siger dieser Bericht selbst zum Abdruck gebracht worden. Er findet sich zwei Seiten vorher im selben Aktenstück (Loc. 9884 „Leipziyische Händel" 1519 bis 1526) und ist vom 31. Oktober 1521.

No. 333.

Zeitbestimmung: Urkb. 1522. Folgende nähere Zeitangabe ist am Schlufs des Stückes von der Hand des Kanzlers Kochel quer geschrieben : „Doctores facultatis iuridice. Vnderricht der promocion halben, meyn gn. hern Herzogk Georgen von allen faculteten zn Leipzigk Überantwort freitagk nach augustini anno xxij" 29. August 1522. Warum das Urkb. nur diesen Bericht der Juristen und nicht auch den der Artisten (28. August 1522) und den der Theologen über die Promotion bringt, ist nicht einzusehen; beide finden sich im gleichen Aktenstück, wie der der Juristen, fol. 132 und 124, und spielen in sehr bemerkenswerter Weise auf die religiöse Bewegung an.

Fehler: 447, 25 „annehmen .... zugehen" „annehmen, Spröde (= spröde) zugehen".

No. 33!).

Zeitbestimmung: Urkb. 1523 1542. Beide Termine sind unmöglich, da der Adressat des Briefes schon seit 1539, der Schreiber gar seit 1523 nicht mehr lebt. Das Stück mufs nicht nur vor 1523, sondern auch vor die zweite Hälfte des Jahres 1515 fallen, denn späterhin ist der Adressat nicht mehr „in Frifsland erblicher Guber-

Leipzig und Wittenberg. 98

nator des reychs"; es mufs sogar vor den 4. November 1511 fallen, denn an diesem Tage wurde Auerbach, von dem es 45K, 35 heilst „iczunder licenciat wurden", Dr. med. (Zarncke, Quellen S. 882); es kann in kein früheres, als in das Jahr 150!» fallen, denn in diesem wurde der Schreiber Dekan und als solchen giebt er sich 45(j, 7 und 457, 3. Darnach werden die Grenzen 1509 und 4. November 1511. Eine genauere Bestimmung ergiebt sich bei Vergleich von 455, 41 mit folgendem Beschlufs des Leipziger Rates (Leipziger Ratsarchiv I, 25a, fol. 73b) vom 4. April 1511: „Doctor Conradus hat iijc fl uffs Rathhaus geleget uff leipzins und von stunt vorstorben und kein tzins gehaben, darumb wil der Rath seiner seien und allen glaubigen seien zu trost ein spende geben und in des raths todtbuch schreiben und mit andern rathhern vor sein sele bitten." Man darf annehmen, dafs dieser Beschlufs sehr bald nach dem Tode des Doktors erfolgt, unser Stück also in die Zeit vom März_bis Oktober 1511 zu setzen ist.

No. 398.

Fehler: 520, 27 „auch von nothen seyn, wye in" ,,auch von nothen seyn wyl in"; 521, 8 „weys" „weyb" ; 522, 22 „gytribe (?)" „gynhe" (= gienge).

No. 504.

Dieses Testament ist nicht vom 21. Mai 1554, sondern vom 3. Juni 1504: actum feria secunda post trinitatis anno domini mille- simo quingentesimo quarto". Seelmessen in Leipzig zur Zeit des Kurfürsten August das heifst doch der Leichtgläubigkeit der Re- formationshistoriker zu viel zumuten!

III. Geschichte der Burg Recheiiberg.

Von Georg Pilk.

Im obersten, tief eingeschnittenen und engen Thale der Freiberger Mulde liegt der Flecken Rechenberg. Über seinen zu beiden Seiten des Baches erbauten Wohn- häusern thront ein senkrecht aufragender und gleich einem Vorgebirge ins Thal herausspringender Felsen. Derselbe trug ehemals eine vielgenannte Burg. Lange schon ist der kühne Bau zerfallen, sein Mauerwerk fast spurlos hinweggetilgt und auch sein Andenken in der Erinnerung der umwohnenden Bevölkerung beinahe verweht.

Die Burg Rechen b er g wurde wahrscheinlich gegen Ende des 13. oder zu Anfang des 14. Jahrhunderts er- baut. Zweck ihrer Anlage war der Schutz jener im späteren Mittelalter stark begangenen Freiberg -Duxer Strafse, welche daselbst vorüberführte und anfänglich unterhalb der Riesenburg, später aber bei Klostergrab in das Ossegger Thal mündete1). Die hier errichtete Feste war sehr klein. Sie bestand nur aus einem einzigen starken Turme mit jedenfalls sehr geringen Anhängseln, so dals der Verfasser einer späteren Urkunde fast im Zweifel war, ob dem kleinen Felsenneste der Name einer

') Drei Urkunden des königl. Hauptstaatsarchivs gedenken der- selben: Orig. No. 289.'5 d. d. 25. August 1341: „Nos Johannes ßoemie rex ßorsoni de Risenburch et heredibus suis indul- genius , quod ipsi stratam de Mysna versus Boeniiain ante castrum Ossec vulgariter dictum Risenburch tendentem trans villam dictam Grab transtulerunt" ... Orig. No. 4242 und 4241 d. d. 12./13. Juli 1378: „. . . . die strazze, die gen Rechenberg geet"

Geschichte der Burg Recheiiberg'. 95

Burg- oder einer blolsen Befestigung zukäme2). Als un- mittelbare oder mittelbare Urheber des Schlosses Rechen- berg dürfen die böhmischen Magnaten von Riesenburg, zu deren ausgedehnten Besitzungen jener Punkt zählte, angenommen werden. Das schon im 13. Jahrhunderte vor- kommende und noch gegenwärtig blühende Geschlecht derer von Rechenberg steht mit diesem Orte in keinem Zusammenhange, da dessen Herkunft von einem gleich- namigen schlesischen Dorfe im Goldberg-Hainauer Kreise abzuleiten ist.

Durch die gesamte ältere Geschichte der sächsisch- böhmischen Grenzländereien zieht sich wie ein leitender Faden das Bestreben der Meilsner Markgrafen nach Ausdehnung und Vergrößerung ihres Besitzstandes nach Böhmen hinein. So auch hier. Schon Markgraf Friedrich der Ernsthafte (1324—49) suchte das wichtige Strafsen- Sperrfort Rechenberg unter seine Botmäisigkeit zu bringen. Damit er oder seine Nachfolger später gerechtfertigtere Ansprüche darauf erheben könnten, bot er Bor so II. von Riesenburg die Summe von 50 Schock Groschen, falls dieser das zu Böhmen gehörige Schlols aus des Markgrafen Händen sich zu Lehen reichen Heise. Wenn der Inhaber dieser Besitzung auf solche Weise die meiis- nischen Fürsten in Bezug auf Rechenberg als seine Lehns- herren und sich selber als deren Vasallen anerkannte, niulste es den Markgrafen später leichter fallen, Rechen- berg als Zubehör ihres Landes in Anspruch zu nehmen. Borso IL scheint auch darauf eingegangen zu sein.

Von denen von Riesenburg gelangte Rechenberg, vielleicht durch Heirat, auf kürzere Zeit an den Burg- grafen Mein her IV. von Meifsen. Diesen belehnte damit im Jahre 1340 ebenfalls das markgräflich meils- nische Haus, wobei sich letzteres das sogenannte Öffnungs- recht an dem Schlosse vorbehielt3).

Nicht lange darnach gehörte Rechenberg wieder zur Herrschaft Riesenburg, welche mittlerweile an Borso's IL Söhne namens Slauko und Borso HL übergegangen war. Genannte beiden Brüder wurden von seifen Mark- graf Friedrichs des Strengen wiederum bewogen, Rechen- berg von der meilsnischen Lehnskurie in Empfang zu

") Cod. Sax. II. 3, 1H1 : super allodio tum ceterisque bonis

castri sive fortalitii Rechenberg-" ....

3) Hauptstaatsaivhiv Wittenberger Inventarium Bl. 64

Qfi Georg Pilk:

nehmen. Sie willigten darein, vielleicht in Befürchtung- gewisser Nachteile im Weigerungsfalle, obgleich sie wußten, daß ihrem verstorbenen Vater die für das gleiche Ent- gegenkommen seiner Zeit in Aussicht gestellte Belohnung vorenthalten worden war. In einem Revers vom 28. Februar 1350 erklärten sie, dals ihnen Rechenberg vom Mark- grafen Friedrich geliehen worden sei, und versprachen, die Burg bei einer etwaigen Veräufserung zuvörderst ihm oder seinen Nachfolgern zur Erwerbung anzubieten, und, wofern das markgräfliche Haus von dem Vorkaufsrechte keinen Gebrauch mache, dieselbe alsdann nur an meils- nische ünterthanen zu überlassen. Zugleich verzichteten die Gebrüder von Riesenburg auf ihre Ansprüche an die ihrem seligen Vater einst verheifsenen, jedoch noch nicht zur Auszahlung gelangten 50 Schock Groschen4). An ebendemselben Tage verlieh der Markgraf der Gemahlin Borso's II. von Riesenburg, Sofia, Rechenberg als Leib- gedinge, in dessen Niefsbrauch sie nach dem Tode ihres Gatten gelangen sollte5).

Die bisher geschilderten Bemühungen der Wettiner, Rechenberg als einen von ihnen lehnsabhängigen Ort zu kennzeichnen, hatten deshalb keinen Erfolg, und die Markgrafen konnten vorläufig ihre Prätension nicht aus- nützen, weil man in Böhmen sich wohl bewufst war, dals die Burg ein Zubehör der böhmischen Krone bildete. Diese Ansicht gelangte zum Ausdruck in der am 25. No- vember 1372 zwischen Kaiser Karl IV. und König Wenzel einerseits mit den Markgrafen Friedrich, Balthasar und Wilhelm von Meifsen andererseits geschlossenen Erb- einigung, deren Wortlaut Rechenberg als böhmisches Lehen bezeichnet6).

Festere Rechtsunterlagen für die Lehnshoheit über Rechenberg erwarb Markgraf Wilhelm erst am 4. Februar 1398, als er die gesamte Herrschaft Riesenburg, mit der- selben also auch Rechenberg, für 40000 Mark lötigen Silbers von Borso III. von Riesenburg wiederkäuflich an sich brachte7). Unter der „ehrbaren Mannschaft", die der Verkäufer dem Markgrafen überwies, befand sich auch S ebnitz Kundige auf Rechenbergs). Dieser Burg-

') Märcker, Burggraftum Meifseu S. 479 fg.

5) Ebendas. S. 75 Anmerk. J 9.

•) Hauptstaatsarchiv Orig. No. 4036.

7) Ehendas. Cop. 30 Bl. 119b fg., desgl. Cop. 1316 Bl. 78.

8) Ebenda«. Cop. 1316 Bl. 140 b: „Dis ist die erbar mauscbaft,

Geschichte der Burg- Rechenberg. 07

herr, der Rechenberg demnach als Aftervasall des Herrn von Riesenburg inne gehabt hatte, entstammte einer meißnischen Adelsfamilie, welche in Dresden und dessen Umgegend begütert war9). Sebnitz Kundige verkaufte Rechenberg im Jahre 1400 an den Burggrafen M ein- her VI. von Meifsen. Markgraf Wilhelm der Einäugige belehnte den letzteren laut eines Reverses vom 27. Juli 1400 im nämlichen Jahre damit unter dem Vorbehalte, die Burg im Kriegsfalle militärisch besetzen zu dürfen10) oder, wie ein Kopialvermerk etwas abweichend besagt, dals der Burggraf dem Fürsten treulich in allen Streitigkeiten und Nöten mit dem Schlosse Rechenberg dienen sollte, dals endlich auch des Burggrafen Besitznachfolger Rechen- berg von dem Markgrafen oder dessen Erben zu Lehen nehmen und in gleicher Weise damit dienstpflichtig sein sollten11).

Zur Zeit Friedrichs des Streitbaren (f 1428) hausten auf Rechenberg die von Schön berg und nach denselben die von Gorenzk. Friedrich der Sanftmütige sagt näm- lich in einer Urkunde von 1449, dafs letztere Familie den Rechenberg schon von seinen Voreltern zu Lehen innegehabt hätte, und einer von Gorenzk bezeichnet in einem später zu besprechenden Schriftstücke wiederum die Schönberge als Besitzvorgänger seines Geschlechts12).

die er Borsse von Resinburg an myn heren Wilhelm marcgraffen zu

Missen gewiest hat: Item Zebenicz Kundige hat zu lehene

Rechenberg das huß mit aller zugehorunge"

9) Richter, Verfassungs- und Verwaltung^ - Geschichte von Dresden 1, 18, 413. II, 221. III, 39. Über Berg und Thal, Jahrg. 1891, S. 199 fg. „Sebenitz Kundige" wird nochmals als Gewährsbürge erwähnt am 2. Februar 1406. Grund mann, Cod. diplom. episcop. Misn. (Mscpt.) V, 1259.

10) Märcker a. a. 0. S. 519.

") Hauptstaatsarchiv Cop. 30 Bl. 139 : „Rechenberg. Dominus con- tulit nohili domiuo Meynhero burcgravio Missnensi et suis heredibus feodalibus castrum dictum Rechenberg emptum a Sebenicze Kuudigen cum omnibus suis iuribus aquis silvis neinoribus et pertinenciis, sicud idem Sebenicz hucusque possedit, pfeodi (sie!) titulo possidendum, sie quod idem buregravius et sui heredes domino fideliter in omnibus suis litigiis et necessitatibus serviant contra quoseunque neminem exceptum et quod dominus ad dictum castrum inteimittatur; eciam si buregravius vel sui heredes predicti castrum predictum vendere voluerint, tunc is, qui dictum castrum emeret, deberet castrum pre- dictum a domino et suis heredibus reeipere in feodum et domino et suis heredibus de ipso castro et talia facere servicia, sicud idem buregravius fecit et consuevit facere. Datum Grymme anno domini m^ cccc^.tt

12) Ebeudas. Cop. 43 Bl. 191b fg. W. A. Örter: Rechenberg Bl. 1.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1.2. 7

08 Georg Pilk :

Während der unter ersterem Fürsten ausgebrochenen Hussitenkriege spielte die Burg liechenberg eine nicht unwichtige Rolle. Die sächsischen Herrscher konnten, ungehindert und gedeckt durch die Feste, ihre Truppen über den dort vorüberlaufenden Pals nach Böhmen führen, so u. a. im Winter 1423 eine Abteilung Dresdner Schützen nach Dux1:3). Auch das grolse Meilsner Heer, das die Kurfürstin Katharina 1426 bei Freiberg sammelte und nach Böhmen entsendete, dürfte hier das Gebirge über- schritten haben. Ob dann im weiteren Verlaufe jenes Krieges liechenberg in die Hände einer Hussitenschar tiel und diese von Dresdner Kriegern darin belagert wurde, oder ob die Burg unbezwungen blieb und nur mit frischen Streitkräften seitens der Stadt Dresden ver- sehen wurde, bleibt ungewifs. Möglicherweise konnte auch der Schloisherr durch feindseliges Verhalten Anlaß zum Einschreiten gegen ihn gegeben haben. Sicher ist, dais Dresden im Jahre 1431 eine Heerfahrt nach liechen- berg unternahm. Die Kosten für dieselbe verzeichnen die dasigen Ratsrechnungen11).

Schon vor 1440 war ein Michel von Goren zk Besitzer des Schlosses Rechenberg. Er wurde samt seinen Brüdern Wolf und Tietze von Gorenzk am 19. August 1440 von Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen und Herzog Wilhelm III. damit neubelehnt15). „Michele von Gorenczk zcum Rechenberge gesessen" lieh seinen Landesherren am 19. August 1440 vierhundert rhein. Gulden auf zwei Jahre gegen eine jährliche Verzinsung von 40 Gulden, was dem damals üblichen zehnprozentigen Zinsfulse ent- sprach. Für die Rückerstattung des Kapitals nach aus- bedungener halbjähriger Kündigung leistete die Stadt

1!J) Ratsarchiv Dresden. A. XVb 3. Bl. 24b: „Item v. gr. vor eynen slitten, den di gesellen zcu liechenberg kouften, do se keyn Toczczaw czogen." (Vergl. Neubert, Dresdner Sehnt zengesell- schaften S. 6.)

") Bbendas. Bl. 256h: „Distributa in die herfard keyn Etechen- berge. Primo Ofenbruche vj gr. /cu zcernnge; item Pesschil x gr. Furluthen: Mertin, der im stalle was, x gr., Math, von Strenlin x gr., Schotheis x gr., Gobi! x gr.; item eyme, der mittefur, ij gr. zcu sclmii; item ij gr. vor strenge, item Könige ij gülden vor dorre vissche, item A.pnewicz wybe vj gr.; item \m selbir, alze her weder qwam, j gülden*, item xxx gr. vor eyne halbe tonne kese; item Clemens, der mitte was, vj gr.'; item demselben dornach v gr. von geheise; item vmhe eynen scneffil salcz xij gr."

,6) Hauptstaatsarchiv Cop. 40 Bl. 120. Seidemann, Über- lieferungen etc. S. 15.

Geschichte der Burg- Rechenberg. 90

Dresden mittelst Anhängung ihres Siegels an den Schuld- brief Bürgschaft1''). Drei Jahre später, am 25. August 1443, wurden Veronika, der Gemahlin Wolfs von Gorenzk, 200 Schock Groschen „uf dem Rechenberge" und anderen Gütern verschrieben. Die betreffende, ihr für den Todes- fall ihres „ehelichen Wirtes" zugesicherte Summe bildete das Kapital einer Leibrente, vor dessen Erlegung sie die Nutznießung der Güter nicht abzutreten hatte. Zu Vor- mündern, welche, wie üblich, die Witwe in ihren E echten schützen sollten, wurden ihr Friedrich von der Öls- nitz, Hans von Karas zu Eeinhardsgrimma und Hans von Staupitz beigegeben17). Wolf von Gorenzk hinterließ bei seinem um 1449 erfolgten Ableben einen unmündigen Sohn namens Hans. Zu des letzteren Gunsten beschlossen die herzoglichen Eäte Hans von Maltitz und Heinrich von Bünau, sein väterliches Erbe Rechenberg von seiner Mutter ablösen zu lassen. Tietzke von Gorenzk, der Oheim des jungen Mündels, erklärte sich bereit zur Zahlung von 160 Schock Groschen an seine Schwägerin Veronika für deren Eücktritt. Dafür wollte er die Burg selber in Lehen nehmen und seinem Neffen das Eecht der gesamten Hand daran bewilligen. Die Witwe war damit einverstanden. In Gegenwart ihrer Vormünder leistete sie „mit lachendem Munde", wie die alte Rechts- formel besagt, Verzicht auf ihre Ansprüche und lieferte ihren Leibgedingebrief aus. So erhielt nunmehr Tietze von Gorenzk die Burg Eechenberg samt dem „Städtlein darunter und dem Dorie Nassaw" vom Kurfürsten Fried- rich 1449 verliehen. Dem jungen Hans von Gorenzk wurde dabei noch das Recht zugebilligt, dals er nach erlangter Volljährigkeit das Schlots Rechenberg für die gleiche Summe von 160 Schock Groschen von seinem Oheim zurückkaufen dürfte, welcher es ihm dann unver- züglich einräumen und nur die Gesamtlehen daran be- halten sollte1*). Diese Urkunde ist die älteste derjenigen, die den Flecken Rechenberg als ein „Städtlein" bezeichnen. Noch 1451 war Tietze (Dietrich) von Gorenzk zu Rechen- berg gesessen. Am 15. Oktober dieses Jahres liefs der- selbe seiner Gattin Agnes die Summe von 200 Schock Groschen versichern. Solche sollte ihr „zeu einer abe-

lfi) Hauptstaatsarchiv Cop. 12 Bl. ß. 17) Ebeudas. Cop. 42 Bl. 225 b. 1S) Ebendas. Cop. 43. Bl. 191 b fg.

100 Georg Pilk:

legung", falls er vor ihr und ohne Leibeslehnserben sterben würde, von dem nachmaligen Inhaber der Burg Rechen- berg auf einem Zahlungstermine in Dresden ausgehändigt werden. Bei Hinterlassung von Kindern sollte die Witwe die 200 Schock nicht verlangen, so lange sie bei denselben im Schlosse wohnen bliebe; falls sie aber von ihnen ziehen und „ihren Witwenstuhl verrücken" (d. h. sich wieder verheiraten) würde, sollten die Kinder ihr jene Summe zahlen19).

In der Mitte des 15. Jahrhunderts bildete Rechen - berg einen Gegenstand der Streitigkeiten zwischen Sachsen und Böhmen. Georg Podiebrad hatte die alten Ansprüche der böhmischen Krone auf die jetzt in Sachsens Händen befindliche Burg hervorgesucht und geltend gemacht. Gegenüber seiner Forderung, diesen und andere „ent- fremdete" Orte an Böhmen zurückzugeben, drangen die sächsischen Diplomaten mit Darlegung ihrer Rechtstitel20) nicht durch. Der den langdauernden Zerwürfnissen ein Ende machende Vertrag zu Eger vom 25. April 1459 be- liels Rechenberg bei Sachsen, jedoch in der Eigenschaft eines böhmischen Lehens. Als solches wurde es allen folgenden Beherrschern dieses Gebietes von den Königen von Böhmen gereicht und in jedem Lehnbriefe derselben speziell mit aufgeführt, bis das im Jahre 1806 zum König- reiche erhobene Sachsen der böhmischen Lehnsunterthänig- keit entbunden ward.

Tietze von Gorenzk besals, wie es scheint, keine männliche Nachkommenschaft, denn der sogenannte An- fall an seiner Burg war dem Burggrafen Hart mann von Kirchberg zugestanden worden. Von letzterem erkaufte dieses Recht Hans We ig hart, der darauf samt seinen Söhnen Franz. Heinrich, Krieg und Hans die Eventualbelehnung erhielt21). Tietze von Gorenzk erachtete es für angezeigt, noch vor seinem Ableben das Schlots Rechenberg zu veräußern. Von ihm erstand es der genannte Hans Weighart am 2. Oktober 1463 fin- den Breis von 400 Schock G röschen. Die Kaufsverhand- luugen zwischen beiden Kontrahenten hatten Nickel von Schönberg, Hofmeister der Herzogin, Nickel von Pflugk

,n) Haupt Staatsarchiv Cop. 14 J',1. 214

20) Bachmann, Briefe und Akten (Fontes rerum Austriacarum II, 44) S. 2 f.

-') Hauptstaatsarchiv Cop. 45 BL 166b.

Geschichte der Burg Rechenherg. 101

zu Knauthain und Bernhard von Schönberg auf Purschen- stein geführt, Hans Weighart, welchem unter Mitbelehn- schaft seiner bereits namhaft gemachten Söhne das Schlofs Rechenberg mit dem Städtchen und den Dörfern „Nassaw" und „Nyder-Rechenbergk, an dem böhmischen Walde ge- legen", vom Kurfürsten Friedrich am 22. Mai 14G4 ver- liehen wurde, war einer begüterten Bürgerfamilie ent- sprossen, der schon 1349 der sogenannte Turmhof vor Freiberg gehörte. Daselbst war auch Hans Weighart, ehe er Rechenberg erwarb, seishaft. Er und seine Söhne pflogen gern ritterlicher Beschäftigungen. So befand sich Hans Weighart (unbestimmt, ob Vater oder Sohn) im Jahre 1464 mit Wolf von Theler auf einem Zuge von Freiberg nach Rostock, wohin er dem Könige Christian I. von Dänemark zu dessen Kriege gegen Schweden 300 Tra- banten und 10 Reisige als Hilfstruppen zuführte, welche der dänische Kanzler und Gesandte Daniel Kepke in Sachsen angeworben hatte--).

Die Urkunde2") über den Besitz Wechsel der Burg Rechenberg ist deshalb interessant, weil sie die Einkünfte des Schlotsherrn aus Zöllen und Erbzinsen seiner Unter- sassen verzeichnet und daraus sämtliche Pertinenzen für jenen Zeitpunkt erkennen läfst. Unter denen von Gorenzk mufste jeder am Rechenberge vorübergehende Fußgänger einen Heller, jeder Reiter zwei Heller und jeder Wagen vier Heller Strafsenzoll dem Burgherrn entrichten. Die Erbzinsen der Unterthanen bestanden u. a. in Forellen, von denen jährlich 17 Schock eingesalzene und darüber zwischen Pfingsten und Michaelis alle Freitage 10 Stück grüne als Fastenspeise auf die Burg abgeliefert wurden, ferner in 110 Stück Eichhörnchen, die einen Leckerbissen der ritterlichen Tafel bildeten, und in 12 Stein Pech. (Dieser Forellenzins aus dem Gebiete der Weifseritz und Mulde gehörte noch 1398 zur Riesenburg, wohin ihn damals ein Fischer aus Klostergrab abzuführen hatte24].) Die Art dieser Erbzinsen erscheint dem rauhen Gebirgs- klima, das nur spärliches Getreide zur Reife kommen läfst, recht wohl angepafst. Obedienzdörfer von Rechen-

22) Hauptstaatsarchiv Orig. No. 7814 a.

-3) Ebendas. W. A. Örter, Rechenherg, Bl. 1.

24) Ebendas. Cop. 1316 Bl. 141 f. : „Item der fischer in dem Grabe gibt zu czinse xv schock faren von der Wistricz vnd der Moldaw obenthalben Rechenherg; derselb gibt alle fritage von sent Jörgen tage biß uf Michael xij faren."

102 Georg Pilk:

berg waren Clausnitz, Kämmerswalde und Nassau. Die Bewohner <Uis Städtchens Rechenberg waren frei- angesessen und ihrem Herrn nur zur Leistung einiger

Erntedienste -■"') sowie zur Abgabe eines Scheffels von jedem Fuder Salz verpflichtet, das bei ihm zum Klein- verschleils gelangte. Der Wochenmarkt, welcher seit der von Schönberg Zeiten und länger allsonntäglich in Rechen- berg abgehalten wurde, trug dem Schlofsherrn nichts ein, da derselbe ein sogenannter freier Markt war, die dort- hin geführten Waren mithin keinen Zoll- und Geleits- gebühren unterlagen. Der Bing Rechenberg standen weiter zu die Einnahmen von einem Wegezoll im Dorfe Nassau, welcher dort erhoben wurde, wenn dies nicht bereits in Rechenberg geschehen war. Erwähntes Dorf war übrigens mit dem Privileg begnadet, dafs sich in demselben Handwerker verschiedener Art freizügig nieder- lassen durften'-0). Einige Sägewerke („brethmöl") an den benachbarten Gewässern zinsten ebenfalls aufs Schlots Rechenberg. Wenn der Erbherr deren Gefälle nicht annehmen wollte, so konnte er den Schneidemüllern Holz dafür ablassen'27).

Die mit solchen Einkünften und Gerechtigkeiten aus- gestattete kleine Herrschaft hatte Hans Weighart er- worben. Er war dabei aber wohl ein wenig über seine Kaufkraft hinausgegangen, da er überdies den Freiberger Turmhof und das Gut Lichtenberg im Besitz behielt. So kam es denn, dals er bald Anleihen aufnehmen mulste. Mit Bewilligung der Herzöge verkaufte er am 11. Sep- tember 1464 dem Meifsner Domkapitel G Schock Groschen Zins auf Lichtenberg und im nämlichen Jahre an das- selbe geistliche Stift weitere 12 Schock Groschen auf das Schlots Rechenberg28). Infolge letzterer Zinsver- pfändung wurde die Burg mit einer Schuld in Höhe von ;il(i Schock Groschen belastet.

Als Besitzer von Rechenberg war Hans Weighart in ein Dienstverhältnis zum herzoglichen Hofe getreten. Die Landesherren selber bezeichnen ihn demgemäß als ihren „Hofdiener" in einem Schreiben s. d. an Johann von

""') daz sy kraut stoßen vml hacken vnde flachs geten

viiil daz hew yn dy schober aufrechen" . . .

-") n . . . daz dorynne wonen mögen sneider, becker, schuster" etc.

27) „.... ab eynner dy zeinae nicht haben wil von en, so mag her en klotczerbawme vorkauffen."

28) Cod. Sax. II. 3, 157. 161.

Geschichte der Burg Rechenberg. 103

Wrsessewitz Ileburczki, Hauptmann zu Teplitz, welchem empfohlen wurde, für Weigharts Sicherheit bei einer bevorstehenden Reise desselben nach Teplitz Sorge zu tragen-11).

Der Inhaber einer so nahe der Grenze Böhmens ge- legenen Burg wie Rechenberg mufste selbstverständlich in mancherlei Beziehungen zu seinen jenseitigen Nachbarn tre- ten. Diese konnten nicht immer freundschaftlicher Art sein. Folgenschwer gestaltete sich ein Zwist der Rechenberger Weigharte mit dem Freiherrn Heinrich von Raben- stein auf Riesenburg. Mit letzterem „Sachsenhasser", an dessen Behausung selten ein Begüterter unberaubt vorüberziehen konnte, lebte Hans Weighart bis zum Jahre 1473 in Frieden. Noch vor Johannis genannten Jahres besuchte er den von Rabenstein und verabschiedete sich von ihm freundschaftlich. Nicht lange darnach aber erregte ein Streich des gewaltthätigen Nachbars seinen Zorn. Man erwartete auf dem Rechenberge einen Ver- wandten, Hans Weigharts Vetter, der im Dienste des deutschen Ritterordens in Preufsen stand. Diesen hatte Weighart zu sich gebeten. (Die Worte „um meines Soldes halben" lassen vermuten, dafs Weighart selber einst in Preufsen gedient und von dort noch Sold zu fordern hatte.) Dem Herannahenden lauerten Riesen- burger Knechte auf sächsischem Gebiete an der zum Rechenberge gehörigen Strafse auf und raubten ihn aus. Der alte Weighart war an jenem Tage gerade abwesend. Als nun etliche Befreundete30) zu seinem Sohne kamen und das Vorgefallene anzeigten, liefs der letztere die Straßen- räuber ungesäumt verfolgen. Man ereilte sie und griff sie an. In dem Kampfe wurde der Vetter aus Preufsen erschossen und etliche Rechenberger, darunter Weigharts eigener Diener, schwer verwundet, jedoch auch zwei der Landplacker als Gefangene eingebracht. Nach seiner Rückkehr richtete nun Hans Weighart eine schriftliche Anfrage31) an den von Rabenstein, warum er dies, ent-

29) Hauptstaatsarchiv W. A. Böhm. Sach. Befehdungen Bl. 312.

a0) Als solche nennt ein Schreiben Kaspars von Schönberg d. d. Frauenstein d. 24. Juni (1473) ,, Petter Lisnick, Jorge Tawer und Frederich Czeren". Ebendas. W. A. Befehdungen I. Bl. 220.

3I) als . synt yn dy awern vorgeczogen vnd den weit

vorhawen vnd yn berobet vnd daz seyne genommen uff meyner strofsen

vnd yn meyner gnedigen hern lande " Hauptstaatsarchiv W. A.

Böhm. Sach. Grafen- und Herren-Sachen Bl. 146.

10| Georo- Pilk:

gegen dem bisherigen freundnachbarlichen Verhältnisse

heider, habe geschehen lassen. Dals er der Anstifter des Überfalls gewesen sei. hätten seine eigenen in Gefangen- schaft geratenen Knechte ausgesagt. Hierauf entschul- digte sich Rabenstein am 2G. Juni 1473 damit, dals ihm Weigharts Vetter als ein anderer bezeignet worden sei. Wäre ihm dessen Verwandtschaft mit Weighart bekannt gewesen oder hätte sich der Beraubte darauf berufen, so würde ihm Geleit gegeben worden sein. Wie die Sachen aber nunmehr lägen, seien sie ihm leid, und er bitte in Rücksicht auf seine gute Nachbarschaft, welche er beteuerte, um Freilassung seiner beiden Angehörigen"-). Diesem Verlangen entsprach der Burgherr von Rechen- berg vorläufig nicht, sondern meldete das Ereignis seinen Fürsten. An letztere wendete sich auch Heinrich von Rabenstein schon am 30. Juni desselben Jahres. Er recht- fertigte seine That mit dem Vorgeben, der Verwandte Weigharts sei ihm als Ausländer und „Abgönner" (Feind) namens Meifsner genannt worden. Zugleich erbot er sich, Genugthimng zu leisten sowie einem nach Rechen- berg anzuberaumenden Verhandlungstage persönlich an- wohnen zu wollen88). Als auch letzterer Wunsch keine Berücksichtigung fand, fühlte der Herr von der Riesen- burg den Boden unter seinen Fülsen heifs werden. Hatte er doch durch zahlreiche Feindseligkeilen und Übelthaten den Zorn der Sachsenherzöge bereits auf sich geladen, so dafs ein geringfügigerer Anlafs eine für ihn verhängnis- volle Katastrophe herbeiführen konnte. Die Thatsachen lagen auch wirklich so. Die sächsische Regierung plante eine exemplarische Bestrafung des raublustigen Ritters. Da suchte Rabenstein zunächst den Rechenberger Weighart als Fürsprecher zu gewinnen. In einem freundlichen Schreiben bat er diesen um Verwendung bei den Her- zögen und erinnerte ihn daran, dals er seiner Zeit doch gern bereit zur Schadenersatzleistung gewesen sei, als Rechenbergische Unterthanen bei einem Getreidetransport aus Böhmen von seinen Leuten angefallen und beraubt worden waren. Einen letzten Begütigungsversuch machte Heinrich von Rabenstein, indem er den Abt des Klosters Ossegg in Begleitung eines von Küchenmeister per- sönlich zu Weighart auf den Reehenberg sandte. Der

32) Hauptstaatsarchiv El. L48.

33) Ebemlas. Bl. 149 und 267.

Geschichte der Burg Rechenberg 105

geistliche Herr erhielt dort den Bescheid, dafs die Her- zöge die fernere gefängliche Verwahrung der beiden Riesenburger befohlen hätten, eine Losgabe derselben also nicht erfolgen könne. Bei diesen Worten, aus denen die Ungnade der Fürsten unschwer erkennbar war, zeigte der Abt eine sichtliche Bestürzung; „wen her gar ser erschrockenn ist awer gnoden abegunst vnd ist gancz fege vor awer gnodenn", berichtete Weighart nach Dres- den154). Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht erklärten dem von Rabenstein am 1. Oktober 1473 die Fehde, welche für den Ritter mit dem Verluste seiner Herrschaft Riesenburg endigte.

In ebendemselben Jahre beherbergte das Burgverliefs des Rechenbergs einen hohen Gefangenen. Hans Weighart nahm bei Gelegenheit eines Fehdezuges, den Burggraf Heinrich II. von Meifsen gegen Sachsen ausführte, den letzteren, wie es scheint durch Verrat, gefangen und führte ihn zunächst nach der Feste Schellenberg. Von da wurde „der Alte von Plauen" nach Rechenberg gebracht. Dieser Fang kam den sächsischen Fürsten sehr gelegen; war doch der Burggraf ihr unversöhnlichster Feind. Es scheint sogar, als ob die Herzöge mit im Einverständnisse gewesen seien, obgleich der Anschein gewahrt blieb, dafs Weighart nur in einer Privatfehde gehandelt habe. Im Turme der Burg Rechenberg sals nun der stolze Dynast, „des heiligen römischen Reichs Fürst und Burggraf zu Meiisen", als armer Gefangener eines wehrhaften Bürgerlichen, und seinem Sohne sollen bei der Nachricht von des greisen Vaters Schicksal die Augen übergegangen sein. Durch des letzteren Drohung, der Kurfürst möge sich vorsehen, er werde seinen Vater nicht im Stiche lassen, wurde das Handeln Weigharts und des sächsischen Hofes nicht beeinflußt. Drei Jahre mulste Burggraf Heinrich unfreiwillig ausharren. Ver- geblich bemühte sich die gramgebeugte Gemahlin um seine Freilassung. Die Burggräfin Anna gewann u. a. den Markgrafen von Brandenburg, die Herzöge von Baiern und den Bischof von Eichstädt zu Fürsprechern beim Kurfürsten Ernst, jedoch nichts wollte fruchten. Zahlreiche bittere Vorwürfe über seine That trafen Hans Weighart von Fürsten und Städten wie von den Burg- gräflichen, welche ihn beschuldigten, dafs er mit dem

üi

) Hauptstaatsarchiv Bl. 159.

106 Georg Pilk:

Alten an einem Tische gegessen und ihn dann unrecht- licher Weise gefangen habe, obwohl er nicht sein Feind war. Den Fürsten und Städten gegenüber wollte sich Weighart rechtfertigen. Er erbat sich vom Hofmarschall Hugold von Schleinitz den Wortlaut eines dahingehenden Verantwortungsschreibens. Am 15. Februar 1476 nahmen die Herzöge den Gefangenen in eignen Gewahrsani und gaben ihn fünf Tage später gegen außerordentlich harte Bedingungen frei. Das wortbrüchige Verhalten des Alten von Plauen nach Erledigung von seiner Haft gehört nicht mehr # in den Rahmen unserer Darstellung1"').

Über die Familie der Weigharts haben wir hier auch nur insoweit zu berichten, als sie mit der Geschichte von Rechenberg im Zusammenhange stand. 1481 war Hans Weighart der Ältere schon gestorben und der Rechenberg im Besitze seiner Söhne Heinrich und Hans Weighart. Über dieselben führte 1481 der böhmische Ritter Benisch von der Weitmühl Klage, dafs sie einen Knecht des „Stras- guten" aus seinem Amte Kuttenberg gefangen und dem- selben Rots und Barschaft abgenommen hätten. Der Knecht war angeblich wegen eines Diebes, der ihn be- stohlen, nach Rechenberg getrabt. Die Verwendungen des von der Weitmühl bei den Rechenberger Herren blieben erfolglos. Die Weigharts lehnten die Freigabe des Gefangenen unter Berufung auf einen Befehl ihrer Landesherren ab, und Benisch von der Weitmühl be- schwerte sich nun über sie und ihren „Eigenwillen, den sie fort und fort brauchen", beim sächsischen Hofe. Da er aber inzwischen bereits eigenmächtig Repressalien an den Untersassen der Burg Rechenberg angewendet hatte, schrieben ihm die Herzöge am 23. März 1481 in aus- nehmend kaltem Tone, dals ihm ihre Meinung in dieser Sache, „dorumbe ir den gemelten Weichharte armen luthe habt kommern lassen", durch ihre Räte auf einem Tage zu Brüx solle mitgeteilt werden36).

Bei der Länderteilung vom 2G. August 1485 kamen die Gebrüder Hans und Heinrich Weighart mit ihrer Burg Rechenberg unter die alleinige Landeshoheit Herzog Albrechts. Sie waren beide ohne männliche Nachkominen-

;;v) Märcker, Burygraftum Meifsen S. 'Mut'. Schmidt, Burg- graf Heinrich [V. von Meilen S. 27.

''■i Bauptstaatsarehiv WA. Böhm. Sach. Graten- und Herren Sachen Bl. 267, 268.

G-eschichte der Burg' Rechenberg. 107

schaft. Ihre Lehen nmlsten deshalb nach ihrem Tode voraussichtlich dem Fürsten anheimfallen. Dieser ver- schrieb am 29. April 1488 den künftigen Besitz Rechen- bergs sowie des Turmhofes zu Freiberg vermittelst einer Anfallsbelehimng seinem Rate Kaspar von Schönberg auf Purschenstein, wofür letzterer ein Jahr nach er- folgter Übernahme dieser Güter 1000 rhein. Gulden an die herzogliche Kammer zahlen sollte:!T). Im Jahre 1500 schwebten zwischen den beiden Brüdern Weighart ge- wisse Streitigkeiten , mit deren Schlichtung Heinrich von Eiusiedel und Siegmund von Maltitz seitens des Herzogs beauftragt wurden. Hans Weighart der Jüngere wird von da ab nicht mehr erwähnt; Heinrich aber war 1501 ohne Leibeslehnserben verstorben. Seine Witwe, der kein Leibgedinge ausgesetzt worden war, schied mit leeren Händen von den Gütern ihres Gatten, welche nunmehr Kaspar von Schönberg eigentümlich übernahm. Letzterer erhielt am 26. Februar 1501 neben seinen anderen Be- sitzungen auch das Schlots Rechenberg vom Herzoge Georg zu Lehn gereicht38).

Nach diesem Wechsel der Inhaber blieb die Burg Rechenberg nahezu l1/.2 Jahrhunderte in den Händen der Schönberge/59).

Unter Heinrich von Schönberg zerstörte am 2. Dezember 1586 eine Feuersbrunst, verursacht durch das unvorsichtige Gebaren einer Magd mit einem Leucht- span, die Burg. Wiederhergestellt gelangte Rechenberg 1647 als ein Zubehör der Herrschaft Frauenstein von den in Konkurs geratenen Schönbergen durch Kauf an Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, der hier 1656 eine grofse Hofjagd abhielt und bei dieser Gelegen- heit den Ortsbewohnern einen Jahrmarkt bewilligte40).

Das Schlots des nunmehr in ein Kammergut ver- wandelten Ortes fiel bald darauf der Verödung anheim. Den Zeitpunkt, da Rechenberg zur Ruine wurde, ver- mögen wir nur annähernd zu bestimmen. Der Topograph Schiffner behauptet, dats die Burg noch 1763 Dach und Fach gehabt hätte, während Leonhardi 1790 nur noch einen verfallenen Turm wahrnimmt. Gegenüber einer

37) Ebenda». Orig. No. 8735b; vergl. Bahn, Frauenstein S. 38 fg.

38) Hauptstaatsarchiv Cop. 106, Bl. 151, 275b, :^44. Orig. No. 9403b.

39) Fraustadt, Geschichte der Herren von Schönberg Ib.

40) Bahn, Frauenstein S. 39-44, 161, 173.

los Georg Pilk: Geschichte der Burg Rechenherg.

weiteren Notiz Schiffners, nach welcher man die letzten Reste erst 1840 geflissentlich beseitigt habe, sagt Schu- mann, dals das Mauerwerk bereits 1821 vollständig ver- sehwunden gewesen sei. Eine im Königl. Kupferstich- kabinett zu Dresden aufbewahrte, von Wizani dem -lungeren gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufgenommene und gestochene Ansicht von Rechenberg zeigt die Bing schon vom Dache entblöfst und überhaupt in vorge- schrittenem Verfall, lälst jedoch noch einige lose auf- liegende, hervorstehende Teile der obersten Bodenbalken- lage des Turmes erkennen. Nach dem Gesträuch zu urteilen, welches damals bereits aus dem Gemäuer, selbst auf der höchsten Stelle des Turmes, heraus wucherte, muiste der Bau schon längere Zeit verlassen gestanden haben.

Aus der Tradition ist für die Geschichte Rechenbergs nichts Brauchbares zu schöpfen. Die noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts im Volksmunde lebende Über- lieferung, dals Rechenberg seinen Namen erhalten habe von einer Gesellschaft von Landplackern , die daselbst die Beute geteilt und mit einander abgerechnet, wäh- rend sie auf dem Frauenstein ihre Frauen, auf dem Purschenstein ihre Burschen oder Knechte und zu Pfaff- roda ihre Pfaffen untergebracht hätten, ist eine jener naiven Spielereien der Volksetymologie, die in Sachsen (vergl. „O-Schatz", „Budy-ßyn", „Irr-Gersdorf") mehrfach vorkommen.

IV.

Die älteste venetianische Bergordnung und das sächsische Bergrecht.

Von

Otto Opet.

Der moderne Bergbau ist zum grofsen Teil deutscher Kulturarbeit zu verdaukeil. Allerdings hatte schon das Altertum auf diesem Gebiet bedeutende Leistungen auf- zuweisen, wie die athenischen Goldbergwerke in Laurion, der phönizische Silberbergbau in Spanien und die Kupfer- gewinnung in Italien darthun, und es hatte sich, wie wir aus den leider nur spärlich erhaltenen Bruchstücken römischer Berggesetzgebung schliefsen dürfen, auch ein fein durchdachtes System eines eigenen Bergrechts zu bilden begonnen1). Gerade hier scheint aber die Völker- wanderung ihre zerstörendsten Wirkungen ausgeübt zu haben; in dem neu gestalteten Europa, dessen politische Herren jetzt überall germanische Völkerschaften waren, zeigt, sich keine Erinnerung an die frühere Bergtechnik, das frühere Bergrecht. Das erste Jahrtausend christlicher Zeitrechnung weiis überhaupt nichts mehr von den Stätten, an denen einst ein blühender Bergbau betrieben wurde; neue Gebiete treten dafür ein, der Mönch Otfried von Weifsenburg besingt die Goldgewinnung der Mainlande2), der Betrieb der Goldwäscherei am Rhein erscheint be- deutend genug, um darauf gewagte Spekulationsgeschäfte

') Wilma uns in der Zeitschrift für Bergrecht XIX. -) Evangelienharmonie 1, 1, 137—144.

1 |() Otto Opet:

zu gründen8), sagenhaft taucht bereits unter den Ottonen die Nachricht vom Erzreicht um des Harzgebirges auf). Jahrhunderte später erwacht auch in den alten Kultur- stätten von neuem der Betrieb des Bergbaues; im 13. Jahr- hundert wird diese Industrie wieder lebhaft in Oberitalien gepflegt, wo Trient und Massa zu Zentren für Silber- und Kupfergewinnung erwachsen5). Hier bietet sich aber das auffallende Schauspiel, dals der Bergbau ausschließlich in Händen von Deutschen ruht, dals die verachteten Bar- baren sich zu Lehrmeistern für die einheimische Bevölkerung aufgeschwungen haben. Ein Blick in jene alten Berg- ordnungen überzeugt uns, dals in ihnen deutsches Leben pulsiert. Allerdings ist die Sprache die lateinische, aber durchsetzt von Worten deutschen Ursprungs und von Aus- drücken, die sich offensichtlich als wörtliche Übersetzungen deutscher Redewendungen erweisen6). Inhaltlich haben wir es aber mit rein deutschen Rechtsanschauungen zu thun, die in nur wenig Punkten vom römischen Einfluß betroffen sind.

Die Thätigkeit des deutschen Bergmanns beschränkte sich aber nicht darauf, seine Kunst in Gegenden, in denen sie früher heimisch gewesen, auszuüben; er erschloß auch im entlegenen Ungarn, in den rohen Slavenländern neue Kunde. Namentlich zwei deutsche Stämme, Franken und Sachsen, beteiligten sich an dieser Kulturarbeit, letztere mit solcher Ausdauer, dals die Stammesbezeichnung „Sachsen" in Ungarn mit dem Begriff' „Bergmann" zu- sammenschmolz7).

Während in den letztgenannten Ländern allmählich auch die einheimische Bevölkerung sich mit der Bergbau- kunst vertraut machte, blieb in Italien die Präponderanz der Deutschen auf diesem Gebiet völlig unverändert. Noch

*tn

am Ausgang des 15. Jahrhunderts erscheinen sie als die

3) Responsum des Elieser b. Natan, Eben Baeser S. 53 c, No. 290, das in der demnächst erscheinendes Responsensammlung der II ist. Komm. f. Gesch. d. Juden in Deutschland veröffentlicht werden wird.

l) F. J.F.Meyer, Versuch einer Geschichte der Bergwerks- verfassung und der Bergrechte des Harzes im Mittelalter (ISIH

■'•) v. Speltes, Tyroliselie r.eiiiwerksyeschichte (1765) S. 260. Bonaini, Ajchivio Storico [taliano Appendix VI11, 634.

'■) Opet, Das Gewerkschaftsrecht nach den deutschen Berg- rechtsquellen des Mittelalters: in der Zeitsehritt für Bergrecht XXXIV. 228.

7) Ermisch, Das sächsische Bergrecht des Mittelalters (1*87) S. XV, Ami). I.

Die älteste venetianische Bergordnung'. 11]

ausschliefslich zur Erzgewinnung befähigten Personen8).

Aber die Deutschen hatten sich nicht nur die Technik zu bewahren gewufst; merkwürdig ist, dais auch die recht- liche Seite des Bergbaus, dais auch das Bergrecht selbst am Ende des Mittelalters seinen deutschen Charakter bei- behielt, dais selbst damals kein Versuch gemacht wurde, die Normen des römischen Rechts, das sonst alle Rechts- beziehungen seinem Geist unterzuordnen suchte, auch für das Bergrecht anwendbar zu machen.

Den überzeugendsten Beweis von der urwüchsigen Kraft deutscher Rechtsideen, denen zur freien Selbst- entfaltung Raum gelassen war, ohne sie, wie leider in zahl- reichen Rechtsmaterien geschehen, gewaltsam in fremde Denkformen zu pressen, bietet die venetianische Berg- gesetzgebung, die bis zum Untergang der alten Republik deutsche Bergrechtsnormen adoptiert hatte, die am 13. Mai 1488") als „Capitoli ed ordini minerarii stabilito dal Con- siglio dei Dieci" mit Gesetzeskraft bekleidet wurden. Die Veranlassung zu dieser Rezeption von deutschem Recht bildete ein dem Rat der Zehn von dem egregius miles Antonio di Cavalli überreichtes Memoire, in welchem er der Republik die Einführung des in Deutschland herrschenden Berg- rechts empfahl, da sie erst dann zu einer wirklichen Nutz- ziehung der in der terra ferma gelegenen Bergwerke gelangen werde1"). Als Anlage war dem Memoire ein Entwurf aus 40 Kapiteln beigefügt, die trotz der lateinischen Überschrift „Ordines minerarum in Germania" in italie- nischer Sprache abgefaßt sind11).

Das mir hier zu Gebote stehende Material läist mich keine Feststellung nach der Richtung hin treffen, ob die von den Zehn erlassenen Capitoli sich überall wörtlich mit dem Entwurf des Cavalli decken. Für das deutsche Bergrecht ist dies jedoch auch nur von sekundärem Inter- esse; volle Aufmerksamkeit verdient dagegen ein anderer Punkt, ob nämlich Cavallis Angabe, dais sein Entwurf deutsches Bergrecht enthalte, auf Wahrheit beruht und, falls dies zutrifft, aus welchen Quellen er seine Zusammen- stellung angefertigt hat.

Cavalli versichert nicht nur in dem Memoire, dais

8) La prima legge sulle miniere emanata dalla repubblica di Ycnezia (S. A. ans der ßivista dei Comnni ltaliani 1SH4) S. 5f.

°) Die Angabe „1498" in meinem Gewerkschaftsreebt S. 232 beruht auf einem Druckfehler.

w) Rivista S. 8 f. J1) Ebenda S. 11 f.

112 Otto Opet:

er die Normen aus der deutschen in „latinische Sprache" übersetzt habe (facti tradur de todesco in lengua latina); ihr Eingang selbst belehrt uns, dafs sie aufgestellt seien, „per obviar a molti inconvenienti et scandali che ogni zorno occorreva per le buxe et minere de Alemagna tra coloro che cava et lavora dicte buxe et minere". Cp. 9 spricht von dem in Deutschland Kreuzer genannten Geld (in Alemagna se page per ogni investitura tre craici); als deutsche Sitte führt Cp. 39 die Gewohnheit an, nach Aus- beutung einer Metallader den daran beteiligten Arbeitern eine Mahlzeit zu geben. (Et quando se parte la vena l'e usanza in Alemagna de dar uno pasto a tutti i lavorenti che hanno lavorado et cavado dicta vena de la buxa), das letzte Cp. betont noch einmal, dafs die vorhergehen- den Bestimmungen die wichtigsten in Deutschland geltenden Bergrechtsnormen enthielten. (Molti altri capituli sono stä, de tempo in tempo, facti in Alemagna, da circa anni octanta in qua che in quel paexe simel cosse sono stä prencipiade; ma el summario de la conclusion de quelli se contien ne li soprascripti Capitoli). Machen schon diese wiederholten Erwähnungen Deutschlands die Angabe des Cavalli höchst wahrscheinlich, so fehlt es nicht an weiteren Umständen, die den deutschen Charakter des Entwurfs auiser allen Zweifel stellen.

Die Befugnis zum Betrieb des Bergbaus wird nach Cp. 3 in der echt germanischen Form der Belehnung er- teilt. Der Zusatz von einem Tage zu den sonst giltigen Auflässigkeitsfristen in Cp. 8 erinnert an die im deutschen Recht ebenfalls dem einen Tag, der an die sonst fest- stehenden Fristen angeschlossen wird, beigelegte Be- deutung12). Der erste Finder erscheint mit Vorrechten ausgestattet, die wiederum in den deutschen Bergrechten ihr Analogen besitzen 1S). Die Ausmessung des Gruben- feldes, die zwischen den einzelnen Gruben notwendigen Zwischenräume, die Ausdehnung bis in die ewige Teufe (usque ad intinitum) entsprechen den bekannten Regeln heimischer Bergordnungen1*). Mit der Sorgfalt, mit der die Staatsbehörden in deutschen Ländern über die Sicher- heit der beim Bergbau beschäftigten Arbeiter zu wachen pflegten, stimmen diejenigen Kapitel überein, die ins einzelne gehende Anordnungen über die Ausstattung der Berg-

") Mein Gewerkschaftsrecht S. 366. 13j Cp. 10. ") Cp. 21.

Die älteste venetianische .Bergordnung. 113

werke enthalten1"') oder dem Arbeiter eine Garantie für richtigen Empfang des verdienten Lohnes gewähren16). Zu dieser Klasse von Anordnungen gehört auch das strenge Verbot des Trucksystems17), leider aufs neue die traurige Wahrheit bestätigend, dais gewilse Mißbrauche selbst durch Jahrhunderte lange Aufstellung entgegengesetzter Gesetzgebungen nicht aus der Welt zu schaffen sind.

Die erste Frage können wir hiernach zweifellos be- jahend beantworten: Cavallis Entwurf ruht auf deutscher Grundlage und kann unbedenklich als Quelle des deutschen Bergrechts benutzt werden. Nicht so einfach wird sich jedoch die zweite Frage lösen, durch die wir über Cavallis Quellen Aufschlufs zu gewinnen versuchen wollen. Lassen wir auch hier dem Autor zunächst selbst das Wort. Nach der Einleitung könnte man beinah vermuten, dafs der Entwurf Übersetzung einer ganz bestimmten Bergordnung sei; denn um Zwistigkeiten vorzubeugen, „fu posto li ordeni, in li infrascripti capituli contegnudi". Die Fortsetzung be- hauptet dann, diese bestimmten Vorschriften seien darauf von allen Herren, in deren Gebiet Bergwerke betrieben würden, angenommen worden. (I quali per esser stä da tutti i signori laudati et approvadi, sono stä universalmente da tutti, et in cadauno luogo, che se lavora minere, ob- servadi, et per i quali ognuno stä contento et vive in paxe, et redunda in grandissima utilitä de tutti Signori in el dominio di quali se lavorano tal cosse.) Hier befindet sich Cavalli jedoch zweifellos im Unrecht. So wenig wie heut, hat es während des Mittelalters jemals eine ganz Deutsch- land umfassende Bergordnuug gegeben. Allerdings hat mitunter eine Übertragung von Bergrechtsnormen statt- gefunden, wie auch Stadtrechte durch Bewidmung eine ihr ursprüngliches Gebiet überragende Geltung erhielten. Aber niemals hat sich daraus ein einheitliches deutsches Weichbild- oder Bergrecht gebildet, Cavalli widerlegt seine Behauptung übrigens gleich im ersten Kapitel aufs entschiedenste. Als Minimalzahl für die Mitglieder einer Gewerkschaft giebt er hier drei an (che una compagnia non possi esser meno de tre persone), während keine andere deutsche Bergordnung eine Bestimmung enthält, eine wie groise Mitgliederzahl Voraussetzung für die

») Cp. 31. 16) Cp. 34.

17 ) Cp. 39. Vergl. Sc km oller im Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im deutschen Reich XV, 1013.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2 8

114 ( m" 0Pet:

Existenz einer Gewerkschaft bilde ls). Offenbar hat Cavalli sich hier durch die bekannte Segel des römischen Rechts zur Aufstellung eines Satzes verleiten lassen, den er mit Unrecht als einen gemeindeutschen bezeichnet. Seiner eingangs gemachten Angabe, dals sein Entwurf Über- setzung einer bestimmten Bergordnung sei, tritt Cavalli im letzten Kapitel selbst entgegen, indem er seine Zu- sammenstellung nur als Zusammenfassung der wichtigsten ungefähr seit 80 Jahren in Deutschland erlassenen Berg- rechtsnormen bezeichnet.

Diese Notiz giebt uns einen Fingerzeig, welche Quellen wir für unsere Untersuchung heranzuziehen halten. Es scheiden nämlich von der Vergleichung alle vor dem 15. Jahrhundert zurückliegenden Bergordnungen aus, also nicht nur die fragmentarischen Trienter und Steier- märkischen Quellen, sundein auch die älteren Freiberger Ordnungen, vor allem aber die grofsen Massanischen und böhmischen Gesetzgebungen. Es dürfte kein Zufall sein7 dals Cavalli seinen Entwurf nur aus Quellen der vorauf- gehenden 80 Jahre zusammenstellte; genau 80 Jahre vorher, 1408, war in Baiern der Schladminger Bergbrief erlassen worden, ein Werk des Bergrichters Ecklzain, dem sich mit geringen Änderungen beinah sämtliche späteren süddeutschen Bergordnungen anschlössen1''). Dem großen Gebiet dieses Schladminger Bergbriefs trat erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine andere Gruppe von Bergordnungen gegenüber, den sächsischen Landen angehörig und ihre Entstehung dem neuen Auf- schwung des Bergbaus in Freiberg i. S., Schneeberg u. s. w. verdankend. Die wesentlichste Verschiedenheit beider Gruppen hatte sich darin ausgeprägt, dals die sächsischen Bergordnungen, allerdings mit einigem Schwanken, stark das Direktionsprinzip betonten, d. h. den Abbau nur auf Grund obrigkeitlicher von Fall zu Fall erlassenen An- weisungen gestatteten, während die süddeutschen Beeilte die Einmischung der Staatsgewalt in den Betrieb des Bergbaus auf ein äufserst enges Gebiet beschränkten'20). Gerade über diesen Punkt ist aber der Entwurf ziem- lich schweigsam. Er giebt zwar einige allgemeine Vor- schriften über den Abbau21), paralysiert aber jeden Schluß,

1 i Mein Gewerksckaftsrechl S. 317.

'») Bischoff in der Zeitschrift für Bergrecht XXXIII, 207 f. >) Mein Gewerkschaftsrecht S. 341. 21) Cp. 1, 5.

20

Die älteste venetianische Bergordnuiig. 115

der etwa schon hieraus auf eine strenge obrigkeitliche Mitwirkung gezogen werden könnte, durch eine andere Satzung, die den Gewerkschaften das beliebige Betreten ihrer Gruben gestattet22).

Größeren Aufschluß! gewährt dagegen Cavallis Zu- sammenstellung über das Gewerkschaftsrecht. Allerdings unterscheiden sich die -beiden Gruppen deutscher Berg- ordnungen in dessen Auffassung nicht nach so prinzipiellen Gesichtspunkten; es fehlt aber nicht an Einzelheiten, die nur der einen oder der andern Gruppe eigentümlich, und aus deren Vorhandensein oder Mangeln bei Cavalli sich dennoch ergeben würde, aus welchem Material er seine angeblich allgemein giltigen Bergrechtsnormen geschupft hat. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck, eine systematische Darstellung des Gewerkschaftsrechts nach den Grund- sätzen des italienischen Entwurfs zu geben, unter steter Berücksichtigung, ob sich für die einzelnen Sätze in den beiden deutschen Rechtsgebieten Parallelen finden. Um damit gleichzeitig die Lücke auszufüllen, die ich in einer früheren Arbeit über das Gewerkschaftsrecht durch Nichtverwertung dieser venetiauischen Bergordnung lassen mußte23), werde ich mich der dort angewendeten Dar- stellungsweise anschließen.

Über die Begründung der Gewerkschaft enthält Cavallis Entwurf keine Angaben; augenscheinlich er- blickte er in ihr eine nur in wenigen besonders hervor- zuhebenden Punkten von der römischen Sozietätsform ab- weichende Vereinigung, für deren Existentwerden der blolse Konsens der Mitglieder ausreichte. Als Bezeich- nung der Gewerkschaft kennt Cavalli nur das farblose compagnia21), in seiner deutschen Form „Gesellschaft" in beiden Bergrechtsgebieten nachweisbar25). Für den Gewerken finden sich die beiden Ausdrücke compagno26) und patron27), letzteres meist, um den Gewerken als Arbeit- geber zu bezeichnen und m. W. ohne Analogem in deutschen Quellen. Dagegen kehrt compagno in der genau ent-

--) Cp. 22.

2a) Es handelt sich um den Aiitn. 6 zitierten Aufsatz. - - Die Anra. 8 erwähnte Schrift verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Professors Dr. A. Teichmann in Basel.

«) Cp. 1 f. 25) Mein Gewerkschaftsrecht S. 240.

») Cp. 6.

■») Cp. 3, 14, 17.

8*

11t] Otto Opet:

sprechenden Übersetzung „Geselle" in sämtlichen Berg- rechten wieder28).

Süddeutsche und sächsische Bergordnungen lassen die Gewerken in zwei Klassen zerfallen, danach geschieden, ob ihr Anteilsrecht in der Gewerkschaft ipso iure oder durch besonderen Rechtsakt erworben wird29); dem italienischen Entwurf scheint dieser Gegensatz unbekannt, wie sein völliges Schweigen über diese Verhältnisse be- weist. Einen Fall des gesetzlichen Mitbaurechts lehnt er sogar ausdrücklich ab. Während die süddeutsche Gruppe den Gewerken eines schon bestehenden Bergwerks an dem von seinem Arbeiter gemachten Fund ein Mitbaurecht einräumt/10), lälst Cavalli die Anrechte aus dem Fund in toto entweder auf den Gewerken übergehen oder, wenn es sich um Erschließung eines Bergwerks an einem arbeits- freien Tag handelt, allein für den Finder entstehen 81).

Unbekannt sind auch dem Entwurf die Schranken, welche deutsche Beiordnungen gegen den Eintritt ge- wisser Personenklassen in die Gewerkschaft aufrichteten32). Ob der Hüttenbetrieb davon ausschloß, ist für das ältere sächsische Recht nicht ganz zweifellos83). Aus Cavallis Angaben, der das Waldwerk ebenfalls erwähnt34), ist jedenfalls nichts zugunsten dieser Ansicht zu entnehmen.

Keine Notiz bringt der Entwurf über den Eintritt in die Gewerkschaft, wohl aus dem schon betonten Grund, dafs Cavalli eben die gewöhnlichen Regeln des römischen Sozietätsrechts hierfür als malsgebend ansah. Ebenso mangelt jede Bestimmung über die rechtliche Natur der dem Gewerken an seinem Bergteil zustehenden Befugnis.

Ausführlicher sind die Bestimmungen über .die mit dem Bergteil vornehmbaren Rechtsgeschäfte. Überein- stimmend mit den deutschen Bergrechten erscheint die Veräußerung des Teils durch jede Art von Rechts- geschäft zulässig35). Als unumgängliche Voraussetzung wird aber dabei Wissen und Willen sämtlicher Gewerken

2S) Mein Gewerkschaftsrecht S. 241. 2n) Ebenda.

*>) Ebenda S. 245.

31) Cp. 17: Se algun veramente mercenario de alguna coinpaguia volendo experimentar la fortuna, sia cernidor, lavorador, o l'araeio, troverä alguna rainera, ovver vena, tutto quelle, i troverä sia di patroni suo, nun intendando questo i di de festa, in li quali li mercenarij sono in sua libertä, perche i non livra soldo.

82) Mein Gewerkschaftsrecht S. 2471'.

33) Ebenda S. 251. »*) Cp. 32.

35) Cp. 30: Se alguno vorrä vender, o per altro modo alienar.

Die älteste venetianische Bergordnnng. 117

erfordert86), eine Bestimmung, durch die sich der Entwurf mit allen deutschen Beiordnungen in Widerspruch setzt, in denen die Teil Veräußerung niemals von Zustimmung der Gewerkschaft abhängig gemacht wird37). Ein gleicher Widerspruch begegnete uns bereits im ersten Kapitel des Entwurfs, worin gleichfalls ein undeutsches Erfordernis, die Minimalzahl von Mitgliedern für den Gewerkschafts- begriff, aufgestellt ist. Wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir auch diese neue Abweichung aus einer Reminis- cenz an das römische Recht erklären, das sich gegen die Aufnahme neuer Genossen in die Sozietät ohne die Zu- stimmung sämtlicher übrigen Mitglieder ausspricht38).

Die Rechtsgeschäfte über Bergteile muteten öffentlich in Gegenwart des Bergrichters (zudexe) vor sich gehen, der durch seinen geschworenen Schreiber eine Urkunde über sie aufnehmen liefs3!>). Ob diese, wie in deutschen Bergordnungen40), dem Erwerber übergeben wurde, ist aus dem Wortlaut des Entwurfs nicht ersichtlich. Viel- leicht wurde sie in das Bergbuch geheftet, dessen Einsicht- nahme dem Anteilsbesitzer und dem eventuellen Erwerber offen stand41). Der Zusammenhang ergiebt, dafs andere Personen von der Kenntnisnahme ausgeschlossen waren, ein die Publizität äufserst beschränkender Standpunkt, den auch die Gruppe der süddeutschen Rechte teilt. Freieren Grundsätzen huldigte dagegen das sächsische Recht, allerdings auch erst nach einigem Schwanken42).

Prozesse um Bergteile werden in Cp. 29 als durchaus üblich vorausgesetzt, das für die in einem solchen Fall mögliche Appellation vom Bergrichter an den Bergherrn

86) Cp. 7: Che uno, senza consentimento di compagni, non possa commetter ad altri la Separation, zoe la purgation de le vene, ne la parte de la buxa possi consignar ad altri extranei senza licentia et saputa de tutti i compagni.

37) Mein Uewerkschaftsrecht S. 246, 308.

3S) L. 19-23 D pro socio 17,2

39) Cp. 30: Se algnno vorrä vender, o per altro modo alienar, la parte ch' el havesse in nna o piu buxe, sia tegnudo el comprador et el vendedor farlo in presentia del Zndexe, el qnal debia far notar tal vendeda, overo alienation, al sno scrivan zurado, distincta et ordi- natamente, per seder Ute ed ad perpetuam rei memoriam.

40) Mein Gewerkschaftsrecht S. 304.

41) Cp. 35: Se algnno se vorrä iuformar dal zudexe, per el libro de la investixon, per conseiarse, s' el die comprar le raxon d'altri o non, ch' el Zudexe sia tenuto mostrarge le raxon de colui che vol vender: azö el comprador possi, cum sincero animo comprar.

42) Vergl. Anm. 40.

I |s Otto Opet:

(Signor) eine ausführliche Instruktion enthält. Die Be- stimmung des Cp. 3G, das die hierbei ergangenen Urteile in einem besonderen Buch zu sammeln heilst l:!), um Präjudikate für die Zukunft zu besitzen, ist allerdings in deutschen Bergordnungen nicht nachweisbar. Dafs jedoch thatsächlich der gleiche Brauch herrschte, beweisen die umfangreichen Freiberger und Iglauer Bergurteilsbücher.

Der Standpunkt des älteren Bergrechts, das den Gewerken mit dem Arbeiter identifiziert hatte"), ist bei Cavalli bereits völlig überwunden, die Gewerk- schaft ausschließlich zur Unternehmergenossenschafl ge- worden, deren Mitglieder nur zur Zubufsleistung, die sich wesentlich als Lohnzahlung an die Arbeiter46) und Honorierung der Bergbeamten46) dokumentiert, verpflichtet sind. Die Feststellung des Zubufsbetrages erfolgt all- monatlich17), eine Frist, die vereinzelt in der süddeutschen Gruppe vorkommt, während das sächsische Recht dieser Periode nach mannigfachen Zwischenstufen zu einem vierteljährlichen Turnus gelangt war48). Die Höhe des den einzelnen Gewerken treffenden Beitrages zu den Kosten des Bergbaus setzt im (Javalli'sehen Entwurf der Herglicht er gemeinsam mit den Geschworenen fest, also, wie im späteren sächsischen Recht, ein obrigkeitlicher Beamter. Ob ihm auch die Einziehung oblag oder hier- für besondere Beamte bestellt waren, muls beim Schweigen des Entwurfs unentschieden bleiben.

Als Verlustgründe des Gewerkenrechts kennt der Entwurf nur Weigerung der Lohnzahlung an einen Ar- beiter und Betrug gegen einen Mitgewerken. Im ersten Fall geht der Gewerkenteil auf den nicht entlohnten Arbeiter über40), eine Norm, die auch in zahlreichen süd-

is) Totti acti che poträ occorrer per differentie de qneste minere sia tegnudi in nno libro particiliar, et cusi le difnnition et summe de cssa differentie, et questo perche, in ogni evento, Le differentie et lite imssano esser dih'nide de similibus ad similia.

"I Mein ttewerksrhaftsrechl S. 312. IB) Cp. 34

"•» Rivista S. 29.

,7) Cp. 33: Item ch' et zndexe cum i sno deputadi, una volta al mexe; sia tegnudo, sotto debito de sagramento, de far cum i suo zuradi !•• raxon de le bnxe a cadauno, si che ognuno sappia la portion sua de la spexa li haverä toccado in dicto mexe, de le qua! tutte cosse se debia tenir diligente scriptura.

ta) Mein Gewerkschaftsrecht S. 318.

u') Cp. 3: Item che uno non possi tegnir le fadighe de ano altro piü de zomi 15, i qnali passati, nonpagando la sua mer- cede, el mercenario possi domandar le raxon al patron in quella bnxa,

Die älteste venetianisclie Bergordnung. 119

deutschen Bergordnungen aufgestellt ist5"). Im säch- sischen Rechtsgebiet galt sie thatsächlich ebenfalls, hat aber in den Bergrechten selbst keine Aufnahme gefunden51). Lälst sich der Gewerke dagegen gegen seine Genossen einen Betrug zu Schulden kommen, so verliert er seinen Anteil an diese5-). Dieser zweite Verlustgrund wieder- holt sich nur m süddeutschen Quellen, wo er ausnahmslos auf den Einfluß des Schladminger Bergbriefs zurückgeht53). Unerwähnt läfst der Entwurf das Retardatsyerfahren wegen versessener Zubufse, ein auffälliges Übersehen einer gerade damals zur vollen Entwicklung gelangten Institution.

In der Gewerkschaftsversammlung entschied die ab- solute, nach Bergteilen, nicht nach Köpfen berechnete Mehrheit51). Der vom Entwurf vertretene Abstimmungs- modus entspricht dem im 15. Jahrhundert in beiden Berg- rechtsgebieten üblichen, neben dem sich freilich für gewisse Fälle abweichende, eine qualifizierte Mehrheit verlangende Gestaltungen erhalten hatten55).

Inwieweit die Gewerkschaft in der Direktion des Bergbaus obrigkeitlichen Schranken unterlag, lälst sich, wie bereits erwähnt, aus dem Inhalt des Entwurfs ohne weiteres nicht mit Sicherheit feststellen. Dafs sie dem Bergrichter von Unglücksfällen, die eine zeitweise Unter- brechung des Betriebs herbeiführten, Nachricht geben sollte56), ist für diese Frage unerheblich, da jene Meldung keinen Eingriff der Behörde veranlassen, sondern nur die Folgen einer etwaigen Auflässigkeit verhindern sollte.

Gewerkschaftliche Beamte werden im Entwurf nirgends erwähnt; überall erscheint vielmehr der obrig-

mediante la justicia, la quäl se la domanderä al zudexe el sia obb- ligado esso zudexe nou solum investirlo roa etiam defenderlo; et cadauna buxa per zorui, 15. possi da la raxou esser defexa.

r,°) Mein Gewerkschaftsrecht S. 328. 5l) Ebenda S. 329.

■"'-) Cp. 6 : Se alguno ingannerä algun suo compagno owero torrä piu utilitä de quello i tocherä per la portion et caratada sua, le raxon sue vegni ne i suo compagni, sei serä provado esser cusi la veritä.

B3) Mein Gewerkschaftsrecht S. 331.

54) Cp. 14: Item s' el nascerä alguna differentia tra la com- pagnia, ovver patroni de uua buxa ch' el se debia star a quello dirä et delibererä la mazor parte de essi patroni circa el seguir de lavorar o non lavorar (dechiai-ando , che la mazor parte se intenda non per el numero di homeni de essa compagnia, ma per el numero dele portion).

M) Mein Gewerkschaftsrecht S. 338.

56) Cp. 18.

120 Otto Opel

keitliche Bergrichter im ausschließlichen Besitz aller Funktionen, die in den süddeutschen Quellen den gewerk- schaftlichen Beamten allein oder gemeinsam mit denen des Leiheherrn obliegen. Untergeordnet sind ihm die Ge- schworenen, die, obwohl es nicht ausdrücklich gesagl ist, gleichfalls obrigkeitlichen Charakter tragen, da sie die Belehnung gemeinsam mit dem Bergrichter zu erteilen haben r>7). Die gleiche Eigenschaft wohnt auch dem Grubenschreiber bei 5S), dessen Stellung als leiheherrlicher Beamter sich aus seinem obrigkeitlichen Gehaltsbezug ergiebt51'). Dafs dies Honorar schließlich von der Gewerk- schaft bei der Zubuise an den Staat zurückerstattet werden muls, ist für das öffentlich-rechtliche Verhältnis der Bergbeamten ohne Bedeutung; denn nach den klaren Worten der dem ersten zudexe erteilten Instruktion ist der Anspruch auf Gehalt ein den Bergbeamten unmittel- bar gegen den Staat zustehender.

Das Fehlen rein gewerkschaftlicher Beamter entspricht dem Bild, das wir uns von dem auf sächsischen Gruben gegen Ausgang des Mittelalters betriebenen Bergbau zu machen haben. Als Gewerkschaftsvorstand erscheint hier der Schichtmeister, mit wenigen Ausnahmen ein Beamter von regalem Charakter00); zur gleichen Klasse sind Gruben- schreiber(il) und Steiger02) zu zählen; höchstens die Wahl der Hutleute, denen die Aufsicht des über Tag befind- lichen Grubenmaterials oblag, war dem Belieben der Gewerkschaft überlassen. Der Entwurf, der mehrfach Bestimmungen über das Grubenmaterial enthält0"), be- schäftigt sich mit dieser untergeordneten Beamtenart überhaupt nicht.

Erlöschen der an die Gewerkschaft verliehenen Bau- befugnis wird durch Nicht -Bauhafthaltung der Grube veranlaßt04). Wie in den übrigen deutschen Bergrechten ist die zur Konstatierung erforderliche Frist mit dem Zusatz eines Tages kombiniert. Eine nur dem säch- sischen Recht eigene Bestimmung, die denjenigen Ge- werken, die mit ihrem Widerspruch gegen Einstellung des Betriebes in der Gewerkschaftsversammlung unterlegen waren, die Berechtigung einräumt, an einer auf demselben Territorium neugegründeten Gewerkschaft sich ohne

ß7) Cp. 9. ß8) Cp. 30.

r'9) Rivista S. 29. '") Mein Gewerkschaftsrecht S. 3<>o.

"') Ebenda S. 362. 02) Ebenda S. 364

63) Cp. 8, 19, 31. °4) Cp. 8.

Die älteste venetianische Bergordnung. 121

weiteres zu beteiligen, kehrt Cp. 14 des Entwurfs wieder05), so dais sich danach meine frühere Annahme66), es handle sich hier um einen ganz singulären Rechtssatz, korrigiert. Ebenso hat der Entwurf die in der sächsischen Praxis häufig den durch höhere Gewalt am Betrieb behinderten Gewerkschaften gewährte Nachfristerteilung67) als ge- setzliche Regel aufgenommen68).

Für das Gewerkschaftsrecht gleichgültig, m. W. auch ohne Analoga in deutschen Rechtsquellen sind noch einige äußerst grausame Strafbestimmungen, die sich gegen Ver- kauf nicht verzehnteten Erzes, Aufserachtlassung der für Feuerarbeiten erforderlichen Sorgfalt, Verheimlichung von Neufunden und Störung des Bergbaus wenden69). Auch hier kommt jedoch ein starker Einfluis der Regierung auf den Bergbau darin zum Ausdruck, dafs selbst in dem zu- letzt genannten Fall, der an sich doch nur das Interesse der in ihrer Thätigkeit gehinderten Gewerkschaft berühren würde, ein obrigkeitliches Einschreiten von Amtswegen angedroht wird.

Suchen wir nunmehr unsere zweite Frage zu er- ledigen, für deren Beantwortung jetzt genügendes Material zu Gebote stehen dürfte. Cavallis Quellen sind danach nicht einheitlicher Natur gewesen. Sehen wir von den sporadischen Spuren römischrechtlicher Beeinflussung ab und lassen wir auch die ihrem Ursprung nach dunklen Strafbestimmungen bei Seite, so bleibt noch ein Bestand von Rechtssätzen übrig, die teilweise in beiden deutschen Bergrechtsgebieten übereinstimmend nachweisbar sind, teilweise jedoch nur in der süddeutschen bezw. der säch- sischen Gruppe vorkommen, so jedoch, dafs der sächsische Anteil überwiegt. Während Cavalli dem süddeutschen Recht nur zwei Spezialbestimmungen des Gewerkschafts- rechts entnommen hat, finden wir bei ihm, was von prinzipieller Wichtigkeit, das System des sächsischen regalistischen Beamtentums wieder, damit aber auch, wie

65) (Fortsetzung von Anm. 54) ... et se quelli o quello de la menor parte volesse ch' el se lavorasse, in questo caxo vada a noti- licarlo al zudexe deputado et fazane far nota ne li libri antentici, come per lui el vuol lavorar : et cascadi i sopra dicti de le suo raxon per noii haver voluto lavorar come sarä investida alguna altra persona, questo tal, che averä facto far nota de voler lavorar, se intenda restar su le sue raxon.

«) Mein Gewerkschaftsrecht S. 367, Anm. 10.

«7) Ebenda S. 368. •*) Cp. 18, 23.

69) Cp. 11, 15, 28, 27.

[22 Otto Opet: Die älteste venetianiscbe Bergordnung.

wir unbedenklich hieraus zu folgern befugt sind, auch das sächsische Direktionssystem. Denn dafs gegenüber einem ausschliefslich staatlichen Beamtentum von einem will- kürlichen Alibau durch die Gewerkschaften keine Rede sein kann, bedarf wohl, obgleich der Entwurf über die Betriebsweise keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält, keiner besonderen Begründung.

Cavallis Entwurf besitzt also keinen einheitlichen Charakter; er ist ein Kompromifs zwischen beiden Berg- rechtsgruppen, das jedoch seine wesentlichsten Züge der am Ausgang des Mittelalters neu erstarkenden und für die Fortentwicklung- des Bergrechts am bedeutungsvollsten gewordenen sächsischen Gesetzgebung entlehnt,

Spätere Jahrhunderte haben freilich die in letzterer durchgeführte Bevormundung des Bergbaus durch den Staat als lästige Fessel empfunden, deren allmähliche Abstreifung den Inhalt der jüngsten Vergangenheit in der Bergrechtsgeschichte bildet. Für die hier fragliche Periode traf diese Erwägung jedoch nicht zu. Wer die Berichte des Freiberger ürkundenbuchs über den Stand des Bergbaus um die glitte des 15. Jahrhunderts einsieht, der wird leicht die Überzeugung gewinnen, dafs einem Mangel an Thatkraft. einer Unordentlichkeit des Betriebes, wie sie sich damals im Kreis der Gewerkschaften und Einzelabbauer zeigten, nur durch energisches Einschreiten des Staats, vor allem durch Einsetzung eines staatlichen Beamtentums abgeholfen werden konnte. Mit richtigem Blick hat Cavalli sich bei Abfassung seines Entwurfs diesen Grundsätzen des sächsischen Bergrechts an- geschlossen.

V.

Stadtmarken der Zinngiefser von Dresden, Leipzig und Chemnitz.

Von

K. Berliner.

In einer kleinen Abhandlung über sächsische Zinn- marken1) habe ich das Entstehen der Zinnmarken und zwar des Dreimarkensystems im ehemaligen Kurfürstentum Sachsen nachzuweisen versucht. Ich hatte, dabei ge- funden, dais das Bedürfnis, bei einer minder feinhaltigen Zinn wäre, jederzeit den Verfertiger feststellen und zur Verantwortung ziehen zu können, zuerst zu der Be- stimmung geführt hatte, dais jede Arbeit mit dem Zeichen des Verfertigers, mit der Meistermarke versehen sein müsse. Diese einfache Markierung mochte genügen, so lange es sich um die Erzeugnisse einer Stadt oder eines kleinen Kreises handelte. Als aber allmählich mit dem wachsenden Handelsverkehr das Überführen der Zinn- waren nach anderen Landesteilen häufiger wurde, scheinen recht viele Unzuträglichkeiten dadurch entstanden zu sein, dafs man wegen der häufigen Wiederholung gleicher oder ähnlicher Meistermarken den Verfertiger nicht aus- findig zu machen vermochte. Diese Schwierigkeit wurde nun an der am 2. August 1614 vom Kurfürsten Johann Georg I. bestätigten Innungsordnung durch die Bestim- mung, von nun an neben dem Meister- auch das Stadt- zeichen in die Ware einzuschlagen, beseitigt.

Diese Innungsordnung, welche laut landesherrlicher

') Kmistgewerbeblatt A. F. III. 133 ff.

]■> | K. Beding:

Verfügung- für das ganze Kurfürstentum Sachsen Gültig- keil erhielt, war besonders auf das Betreiben der Leipziger Zinngiefser erlassen worden, die in einer Eingabe vom Juni desselben Jahres den Kurfürsten gebeten hatten, dafs in der „Zinn Proba eine allgemeyne durchgehende gleichheitt im Churfürstenthumb erhaltenn, die einge- schlichen mifsbreuche abgeschafft, der Störerey dadurch allerhandt betrugk bifshero geursachet wordenn gewehret" werden möchte.

Es ist nun sehr wahrscheinlich, wenn es auch nicht ausdrücklich betont wird, dafs von Leipzig aus gleich- zeitig vorgeschlagen wurde, dafs, um Betrügereien mög- lichst vorzubeugen, neben der Meister- auch die Stadt- marke angewandt werden sollte. Dies scheint um so eher möglich, als diese Art der Markierung in Leipzig- schön lange bekannt war. Laut einer vom 23. November 1446 datierten städtischen Verfügung für die Zinngiefser Leipzigs findet sich folgende Bestimmung: . . . „vnd waz sie (die Zinngiefser) von den alden kannen, schusseln, tellern adir andern czenwerck eynen machen, daz sullen sie mit der stad Schilde addir czeichen alleyne mercken vnde czeichen ; was sie abir von nuwens vnd czum eilfften eynem addir uff den kouff machen wurden, daz sullen sie mit irem vnd der stad czeichen mercken2)".

Aus dieser Bestimmung geht also hervor, dafs der Leipziger Zinngiefser schon von 144G an jede neue Ware, mochte er sie nun auf Bestellung oder auf Vorrat an- fertigen, „czum eilfften" machen (d. h. wohl soviel wie: in 11 Teilen dieser Waren müssen 10 Teile Zinn und 1 Teil Blei enthalten sein) und mit der Stadt- und Meistermarke stempeln mufste, während er bei derjenigen Ware, die man ihm zum Umschmelzen gegeben hatte, die Stadtmarke allein anwenden sollte.

Zu der Stadtmarke ist nun für gewöhnlich das Wappen der Stadt, in welcher die Ware gefertigt wurde, genommen worden, freilich in einigen Fällen das verkürzte Stadtwappen, wie es die winzigen Gröfsenverhältnisse der Zinnmarken bedingten. Diese Verkürzungen, sowie sonstige aus irgendwelchen Gründen unternommenen Ver- änderungen der Stadtwappen bieten heutzutage bei der

2) Urkundenl) lieh dir Stadt Leipzig I (('od. dipl. Sax. res'. H, 8), No. 244. Auf diese Notiz hat mich Dr. Kroker, Leipzig, aufmerk- sam gemacht.

Stadtmarken der ZinugieJser.

125

Bestimmung- von Zinnarbeiten häutig genug Schwierig- keiten. So habe ich mich bereits vor J ahren im Vereine mit dem bekannten Leipziger Zinnsammler Dr. Demiani bemüht, den Entstehungsort einer in mehreren Exem- plaren vorkommenden zinnernen Prunkschale zu ergrün- den. Die darauf befindliche Stadtmarke konnte nicht ge- deutet werden, ja Heraldiker vom Fach behaupteten, dai's die hier im Schildeshaupt vorkommende Figur un- heraldisch sei.

Als nun vor einiger Zeit vom Kunstgewerbemuseum zu Dresden ein vorzüglich erhaltenes Exemplar dieser Schale erworben wurde, kam bei mir die Frage nach dem Entstehungsorte wieder in Fluis. Da die Untersuchung diesmal - wenigstens meiner Meinung nach zum Ab- schluß gelangte, so möchte ich das Resultat derselben in Folgendem mitteilen. Fig. 1. Fig. 2.

Die Prunkschale, die in der Gewerbehalle 1887 Taf. 37 und Kunstgewerbeblatt (N. F. I, S. 30) abgebildet ist, stammt aus der z weiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, sie ist 26 cm im Durchmesser grols, aus einer Messingform gegossen und zeigt im leicht aufgetrie- benen Mittel in rundem, von einem Lorbeerkranze verziertem Medaillon das kleine kursächsische Wappen. Der breite, auf die napfförmige Vertiefung wagerecht gestellte Rand ist mit einem kräftigen Ornamente von vortrefflicher Zeichnung verziert, das wohl deutschen Ursprungs ist, aber doch den Einflute französischer Kunst zur Zeit Ludwig XIV. deutlich erkennen läfst. Dasselbe setzt sich zusammen aus 4 langovalen Kartuschen, in welchen sich die allegorischen Gestalten der Gerechtigkeit und des Glückes, ferner der doppelköpfige gekrönte Reichs- adler und ein Greif befinden, und weist im übrigen reiches Ranken- und Volutenwerk mit dazwischen gestellten kleinen Vögeln und Hirschen auf.

Alle mir bekannten Exemplare haben die gleiche oben Fig. 1 abgebildete Stadtmarke, während als Meistermarken drei verschiedene auftreten. Fig. 2 findet sich auf den Exemplaren des Kunstgewerbemuseums zu Dresden, des Museums schlesischer Altertümer zu Breslau und der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig. Dagegen zeigen die Exemplare in den Kunstgewerbemuseen zu Berlin und

[26 K. Beding:

zu Leipzig und in der Sammlung des Dr. Demiani einen nach rückwärts blickenden Hirsch und die Aufschrift H G K 92. Endlich hat das Exemplar in der Sammlung Zöllner zu Leipzig das Zeichen Fig. 2, doch mit dem Unterschiede, dals sich hier die Zahlen 92 statt 08 vorfinden.

Das Dreimarkensystem im Vereine mit dem kur- sächsischen Wappen weist auf sächsischen Ursprung. Die erste Meistermarke steht hiermit auch vollkommen im Einklänge. 08 bedeutet 1708 und zwar das Jahr, in dem zum dritten Male die kursächsische Zinngiefser- ordnung geändert worden ist. 92 läist sich nun aber auf ein solches Jahr nicht zurückführen, da die beiden anderen Veränderungen 161)3 bez. 1614 und 1674 statt- fanden. Ich weils mir hier nur damit zu helfen, dals ich 1692 als das Jahr einer lokalen städtischen Be- stimmung annehme. Für die Zusammengehörigkeit scheint auch der Umstand zu sprechen, dals die erste Marke mit beiden Jahreszahlen vorkommt.

Die auf allen Exemplaren gleiche Stadtmarke läist sich nun nicht ohne weiteres mit dem Wappen irgend einer sächsischen Stadt in Verbindung bringen. Drei dieser Schalen befinden sich seit wenn ich recht be- richtet bin erdenklich langer Zeit in Leipzig, und auch das Dresdner Exemplar ist von einem Leipziger Händler gekauft worden, aber deshalb diese Marke mit dem Leipziger Stadtwappen in Verbindung zu bringen, schien mir zu gewagt, bis ich durch Zufall bei einem hiesigen Händler einen einfachen flachen Zinnteller fand. der neben der fraglichen Stadtmarke den voll aus- geschriebenen Namen Leipzig eingestempelt zeigte. Es ist dies eine Art der Markierung, die Mitte unseres Jahrhunderts aufkam und häutig neben der alten gehand- habt wurde. Nun war es mir aber zur Grewifsheil ge- worden, Leipzig und kein»' andere Stadt sei der Ent- stehungsort der fraglichen Prunkschale gewesen.

Bestärkt wurde ich in dieser Ansicht noch dadurch. dals C. G-urtitt in dem vor kurzem erschienenen Hefte XVI des [nventarisationswerkes des Königreichs Sachsens von den in der Amtshauptmannschafl Leipzig Land vor- kommenden Zinnarbeiten nicht weniger als 20 und zwar bei weitem die überwiegende Anzahl mit der bewulsten Stadtmarke anführt. Denn dankenswerter Weise sind hier zum erstenmale im sächsischen Inven-

Stadtmarken der Zinngiefser. 127

tarisationswerke die Zinnmarken mit abgebildet. Es lälst sich wohl ohne weiteres annehmen, dals die in der Um- gegend von Leipzig liegenden Dörfer auch vorzugsweise von Leipzigs Zinngiefsern versorgt worden sind. Hierzu kommt noch, dafs in dem Zinnkruge der Kirche zu Sehlis, in dem Taufbecken der Kirche zu Rebbach und in einer Flasche der Kirche zu preiskau die Meistermarke Fig. 2 ohne 08 und endlich auf einer Kanne in der Kirche zu Hirschfeld die Zahl 92 auf der Meistermarke vorkommt, eine Zahl, die ich somit als (1692) Jahr einer lokalen Leipziger Verordnung deute.

Wie nun aber Leipzig zu dieser vom Stadtwappen abweichenden Stadtmarke gekommen ist, darüber möchte ich folgende Vermutung aufstellen.

Im Jahre 1614 entstand an Stelle der bis dahin be- stehenden einzelnen lokalen Zinngielserordnungen eine solche, die für das ganze Kurfürstentum Sachsen Gültig- keit erhielt, Es hatte sich mithin das Bedürfnis heraus- gestellt, nicht mehr allein innerhalb der einzelnen Ort- schaften, sondern im ganzen Lande die nötige Kontrolle über die Zinngiefser ausüben zu können. Ich habe oben angedeutet, dals sich allmählich bei den vielen gleichen und ähnlichen Meistermarken neben derselben die An- bringung der Stadtmarke nötig machte. Durch die Stadt- marke konnte man den Verfertiger auf einen Ort zurück- führen und hier nun leicht aus der verhältnismäßig geringen Anzahl der Meister herausfinden. Denn das ganze Kurfürstentum war 1614 in 5 Kreise eingeteilt worden, deren Centren, die Kreisstädte, Dresden, Leipzig, Wittenberg, Schneeberg und Langensalza, auf einer Zinn- tafel die sämtlichen Meisterstempel ihres Bezirkes ein- geprägt besalsen. Schwierigkeiten entstanden aber auch hier wieder bei den wachsenden Handelsbeziehungen, wenn die Stadtmarken sich derartig ähnlich sahen, dals sie nicht auseinanderzuhalten waren. Dies war aber der Fall bei den beiden bedeutendsten Kreisstädten, bei den beiden seit alters her mit einander rivalisierenden Schwesterstädten, Dresden und Leipzig. Beiden Stadt- wappen liegt der alte Schild der Wettiner zu Grunde. Derselbe ist längsgeteilt und zeigt den schwarzen Löwen auf goldenem Grunde (Meiisen) und die beiden Lands- bergerpfähle im goldenen Felde blau. Dies Wappen wird, richtig in den Farben, von Leipzig geführt, während das Dresdner Wappen statt der blauen schwarze Pfähle zeigt.

{28 k Helling: Stadtmarken der Zinngiefser.

Ein ganz ähnliches Stadtwappen wie Leipzig hat Chemnitz, nur ist hier rechts und links gegeneinander vertauscht. Wenn man sich nun aber diese äufserst ähnlichen Wappen in die winzigen Zinnmarken, bei denen von einem Tingieren nie die Hede gewesen ist, übersetzt, so wird man wohl eine häufige Verwechselung und daraus entstehende Streitigkeiten begreiflich finden. Um diesen Übelstand zu beseitigen, ist man nun meiner Meinung nach darauf gekommen, den Zinngielsern von Dresden, der kurfürstlichen Residenz, das mit dem Herrscherhause eng zusammenhängende Stadtwappen zu lassen, die beiden andern Stadtmarken aber zu ändern.

Was nun Chemnitz anlangt, so ist man durch die noch heute im Besitze der Dresdner Zinngiefserinnung befindliche Markentafel, welche im Jahre 1708 angelegt zu sein scheint, vollkommen unterrichtet3). Als Stadt- marke für Chemnitz findet sich auf dieser Tafel nur der Löwe angegeben. Man würde es hier also einfach mit einem verkürzten Stadtwappen zu thun haben, ein Vor- gang, den man auch an andern Orten verfolgen kann.

Die Leipziger Zinngielser haben aber ihre Zinnmarke in folgender Weise abgeändert. Sie teilen den Schild durch eine im oberen Drittel befindliche Linie, behalten im unteren Felde die landsberger Pfähle, während sie in das Schildeshaupt die heraldisch nicht zu deutende Figur setzen.

:!) Diese Tafel wird in dem nächstens erscheinenden Werke über Zinnarlieiten von Dr. Demiani abgebildet werden.

VI.

Kleinere Mitteilungen.

1. Zur Geschichte der Dresdner Thietmarhandschrift.

Von Ludwig Schmidt.

Die Königl. öffentliche Bibliothek zu Dresden be- wahrt bekanntlich unter der Signatur R. 147 den eigen- händigen Codex der Chronik Thietmars von Merseburg, über dessen Schicksale nur wenig bekannt ist. Es dürfte daher die Mitteilung des nachstehenden Reskriptes Kur- fürst Augusts von Sachsen vom 17. April 1563, welches auch sonst für die sächsische Gelehrtengeschichte von Interesse ist, nicht unwillkommen sein. Es befindet sich im Hauptstaatsarchiv zu Dresden Cop. 321 fol. 70 f.

Ann die Merseburgisch regiruug.

Wir geben euch gnedigster meinung zu erkennen, das wir vor- ordent haben, das buch, so etwo D. Georgius Agricola seliger von der itzigen hertzogen zu Saxen ankunfft unnd allderselben vorfaren loblichen thaten auff unsers geliebten hern brudern churfurst Moritz seliger gedechtnus anschaffen zu schreiben angefangenn, durch ma- gistnun Georgium Fabritium rectorn unser furstenschulen zu Meissen vollent zu continuiren, darzu er dann etzlicher alten glaubwürdigen croniken und historienschreiber , sonderlich cronicam Ditmari wohl bedurffte. Xu seind wir berichtet, das berurte chronica etwo in der liberei zu Merseburg gewesen; derhalben begeren wir gnedig, ir wollet euch bei dem thumbcappittel daselbst erkundigen unnd, wo die noch vorhanden, alsdan sie von unserntwegen gnedigst ersuchen, das sie uns dieselbig ein zeit lang wolten volgenn lassen, damitt sich gedachter Fabritius der notturfft nach darinnen zu ersehen, und auff den fall wollet die cronica der stad sindico zu Merseburg Ernst Brotauff zustellen, der hat von uns befelch, die furder Fabritio zu- zuschickenn. Do aber die cronica in der liberei nicht fanden wurde, alsdan wollet das cappittel von unserntwegen vermögen, das sie ann den rath zu Aldenburg schreiben oder, do sie sich des waigern. solchs für euch aus unseriu befelch thun, das sie bei her Georgen

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 9

130 Kleinere Mitteilungen.

Spalatini seligen erben erkundigen, ob solche cronica nicht nach seinem absterben bei iine fanden; dan wir seint berichtet, das das eappittd zu Merseburg ime dieselbige geliehen, als er eine cronica wider hertzog Heinrichen zu Braunseliwig geschrieben: wo nun die cronica muh daselbst were, die widerumb abfordern und euch ob- berurter massen damit vorhaltenn. Neben dem begeren wir auch unnd befehlen euch hirmit , ir wollet alle bucher, so noch in dem closter sancti Petri für Merseburg vorhanden, inventiren unnd die bucher uffs schloß bringen und in einem gemach vorwahren. Das inventarium wollet Brodauff lassen ersehen unnd, do er befinden wir.let, das etzliche bucher zu obgedachtem werck dinstlich, ime die uii: eii einer recognition guthwillig lassen volgen, das er die furder Fabritio zufertige. Wan dan solch werck volendet, wollen wir doran sein, das die bucher wider an gehörende orth sollen geschafft werden. Datum Dresden den 17. april [1563].

Was wir hiernach und nach anderen Quellen über die Geschichte der Handschrift wissen, ist folgendes:

Dieselbe war von Bischof Wernher von Merseburg (1061 1091) dem Kloster St. Peter zu Merseburg ge- schenkt worden1). Von diesem wurde sie um 1539 für die Bearbeitung der Streitschrift gegen Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunschweig2) an Spalatin geschickt, der sie wiederum Melanchthon in Wittenberg mitteilte"). Dais sie von Spalatin wieder zurückgegeben worden war, ersehen wir aus Brotuffs „Chronica aller Bischoffe zu Marsburg", Buch II c. 7, welcher in der vom 21. Oktober 1556 datierten Ausgabe bemerkt: „Das rechte Original vnd exemplar hat das Closter Sanct Petri vor Marsburg", während die Ausgabe vom 1 3. Juni 1557 hierzu die Worte hinzufügt: „Dem Herrn Sigismundo Dechande zu Mars- burg geliehen". Der Codex war also in der dazwischen liegenden Zeit vom Kloster wieder ausgeliehen worden und zwar nicht, wie Lappenberg4) und Kurze a. a. O. meinen, an den 1544 verstorbenen Merseburger Bischof

t) Vergl. Thietm. ed. Kurze p. XIII.

-) Chronica vnd Herkomen der Churfürst ... zu Sachssen jegen Hertzog Heinrichs zu Braunschweig . . . Herkomen etc. (Wittenberg 1541).

3) Dafs dies der Sachverhalt und dafs Spalatin die Handschrift nicht durch die Bemühungen Melanchthons erhielt, wie Seelheim, (jfeorg Spalatin, als sächsischer Historiograph S. 37, angiebt, zeigt der ßrief Melanchthons an Spalatin d. d. 1539 Dez. 2, Corpus reform. III, 844 No. 1883 : Quod inspiciendum mihi dedisti Historicum Mersliurgeiisem gratiam tibi habeo. Main humanitate tua delector etc. (vergl. See 1 heim a. a. 0., der diesen Brief als von Spalatin an Melanchthon geschrieben bezeichnet). Eram tibi codicem nuper hie redditurus ac niane iusseram, ut tibi portaretur. Sed tu iam abieras.

') Mon. Germ. SS. III, 729.

Kleinere Mitteilungen. 131

Sigismund von Lindenau, sondern an den gleichnamigen Dechanten, der 1545 von Luther in Merseburg getraut wurde5). Hieraufhat denselben Fabricius erhalten; dafs dies wirklich der Fall, ersehen wir aus öfteren An- führungen der Chronik in seinen Schriften zur sächsischen Geschichte. Wahrscheinlich ist dann die Handschrift an Kur- fürst August abgegeben worden, der sie an Petrus Albinus nach Wittenberg schickte und diesem auftrug6), in Ge- meinschaft mit Reiner Reineccius eine Ausgabe zu ver- anstalten7). Diese Arbeit übernahm aber Reineccius allein und vollendete sie am 18. Dezember 1574 zu Witten- berg, wie er selbst am Schlüsse der Handschrift be- merkte8). Die Ausgabe selbst erschien 1580 in Frank- furt a. M., als Reineccius bereits Wittenberg verlassen hatte und Professor in Frankfurt a. 0. geworden war. Offenbar hing dieser Auftrag des Kurfürsten mit der 1574 erfolgten Ernennung des Reineccius zum sächsischen Histoiiographen in Wittenberg zusammen. Nach der Rückgabe wird der Codex in Dresden geblieben und ins geheime* Archiv ge- langt sein"), wenigstens war er zu Anfang des 17. Jahr- hunderts bestimmt dort10). Vom Archiv wurde er dann im Jahre 1832 neben anderen Handschriften der Königl. öffentlichen Bibliothek überwiesen.

2. Der Begräbnistag des Markgrafen Georg von

Meifsen.

Von P. Mitzschke.

Im XV. Bande dieser Zeitschrift S. 324 f. werden die Gründe angeführt, die gegen das angenommene Todes- jahr 1402 des Markgrafen Georg sprechen und vielmehr

B) Vergl. Fraustadt, Die Einführung der Reformation im Hochstift Merseburg S. 182, 235.

c) Von der Hand des Petrus Albinus rührt die Bemerkung über die Eigenhändigkeit der Handschrift auf dem Schmutzblatt her, vergl. Lappenberg a. a. 0.

7) Vergl. Ditinari chron. ed. Reineccius, prooemium (p. 2).

s) Fol. 193: 18. Decemb. 1574 Viteb. (wohl zweifellos Autograph des Reineccius). Vergl. auch Ursinus in der Einleitung zu seiner Übersetzung der Chronik, S. XVI.

9) Die kurfürstliche Bibliothek wurde erst 1586 vom Schlofs Annaburg nach Dresden gebracht. In älteren Bibliothekskatalogen ist die Handschrift nicht verzeichnet.

10) Vergl. Mader in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Dit- mar (Helmstädt 1667) S. 5.

9*

132 Kleinere Mitteilungen.

1401 dafür setzen. Ein urkundlicher Beleg für den Be- gräbnistag des Markgrafen findet sich im S.-Ernesti- nischen Gesamtarchiv zu Weimar. Das Kopialbuch B. 2 dieses Archivs, enthaltend Aufzeichnungen und Auszüge über Handlungen der askanischen Kurfürsten von Sachsen aus den Jahren 1388 bis zum Aussterben des Hauses, 1 uingt auf Fol. 43a folgenden gleichzeitigen Eintrag:

Anno domini etc. quadringentesimo secundo, des nian- tags uach sand Anthonii tage hat grave Heinrich von Swarcz- burg von uns Rudolfen etc. emphangen lechstete mit allen zuge- horungen, und ist gesehen zur Pforten, als man niarkgrave Georgen den jungen hern begink.

Eine andere unmittelbar folgende Aufzeichnung in dem Buche wiederholt diese Datierung in der abgekürzten Form: „In demselben jare, tage und stete, als oben ge- schoben steet."

Hiernach ist nicht zu zweifeln, dafs Georg am 23. Januar 1402 in Pforte beigesetzt worden ist. Die unbestimmtere Angabe in Sixtus Brauns Naumburger Annalen „nach Antonii" erklärt sich dadurch, dafs die Quelle des Annalisten, nämlich die alten Xauinburger Stadtrechnungen, in der Bezeichnung der Wochentage häufig sehr unleserlich gehalten ist; daher finden sich in dem Buche zahlreiche Fälle ähnlicher unbestimmter Tages- bezeichnungen. Die Angabe des Johannes Tylich, dals die Leichenfeier am Mittwoch nach Luciä 1401, also am 14. Dezember stattgefunden habe, ist damit allerdings nicht zu vereinigen. Vielleicht hat der Chronist das Datum der vorläufigen Totenfeier in Koburg mit dem der wirk- lichen Beisetzung in Pforte verwechselt.

3. Zu Mardochais, Rabbis de Nelle, angeblicher Prophe- zeiung an Kurfürst August zu Sachsen (1575).

Mitgeteilt von Theodor Distel.

In von Webers Archive für die Sächsische Ge- schichte Band VII (1809), 225 flg., handelt der Heraus- geber jener Zeitschrift über „einige, Sachsen betreffende Prophezeiungen", unter denen er auch die angeblich von Mardochaj, Rabbi de Nelle1) herrührende, in verschiedenen,

') Mau vergl. die Beilädt' zu „Magica" 146, 100 der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, wonach er auch den Namen „Simson" führt, und von Weber a. a. U. S. 243 ltg.

Kleinere Mitteilungen. 133

mehr oder weniger von einander abweichenden Abschriften verbreitete Prophezeiung' mitteilt und bespricht (S. 232 flg.). Auf der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden fand ich nun kürzlich einen Druck aus der Zeit um die Wende des vorigen und dieses Jahrhunderts (Ephem. hist. 278 No. 1), über den ein Wort gerade hier am Platze sein dürfte. Derselbe scheint mit den „cabbalistischen Betrachtungen von Mardochai, Rabbi de Nelle, vom Jahre 1575", welche wir in dem Buche: Gallerie alter und neuer Propheten und ihrer Ausleger bis auf die Superintendenten Ziehe und Typke (1800) S. 104 ab- gedruckt finden, im unmittelbaren Zusammenhange zu stehen. Er trägt den Titel: Sachsens goldenes Zeit- alter, nach einer Prophezeiung des Jahres 1575 vorher verkündet, umtatst zwei Quartblätter und trägt weder Jahr noch den Namen des Herausgebers, bez. Druckers.

Zu Anfange der Schrift heifst es: „Diese gegen- wärtige Prophezeiung ist von dem Verfasser Mardochäus Rabbi de Nelle in ein Buch geschrieben worden, welches sich dermalen in der Bibliothek zu Nöhdnitz befindet. Die Anmerkungen sind von des Kurfürsten Augusti eigener Hand an den Rand geschrieben."

Demnach wäre Nöthnitz bei Dresden, d. i. die seit 1754 an Kursachsen verkaufte Gräflich-Bünausche Biblio- thek der bisher sonst noch nicht genannte Aufbewahrungs- ort des Originalschriftstückes gewesen. Auf der könig- lichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden befindet sich freilich das Schriftstück nicht, auch nicht etwa noch, wie mir Herr Rudolf Carl Freiherr von Finck, der gegen- wärtige Besitzer des Rittergutes Nöthnitz, gütigst mit- geteilt hat, am früheren Platze.

Das hier in Betracht kommende Exemplar der Prophe- zeiung trägt am Ende ein genaues Datum ihres an- geblichen Entstehens: Geschrieben am Tage der Be- kehrung Pauli (25. Januar) anno 1575. Der Inhalt der „Prophezeiung" zeigt übrigens deutlich, dafs die That- sachen zu ihr längst vorlagen, als sie eine fälschende Hand (in der zweiten Hälfte)2) des vorigen Jahrhunderts niederschrieb.

2) Nach Absterben des Königs August II.; man vergl. Katalog der Handschriften der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden II (1883), 36 bez. 1764-1777; von Weber a. a. 0. S. 248 a. E.

[3 | Kleinere Mitteilungen.

4. Zum Nossener Kirchenbaue.

Mitgeteilt von Theodor Distel.

Am 27. Oktober 1719 brannte bei einer größeren Feuersbrunst, welche den Ort heimsuchte, auch die Stadt- kirche zu Nossen, ein Werk des Freiberger Steinmetzen Andreas Lorenz aus dem Jahre 1565, ab1). Als dieselbe wieder aufgebaut wurde, erging unterm .'}. November 1728 ein Reskript betreffs der Amts-Emporkirche des Inhalts, dafs die kostbare, auf 136 Thaler veranschlagte Her- stellung bedenklich falle.

Kein Geringerer, als der kurfürstlich sächsische Ober- landbaumeister Matth. Dan. Pöppelmann fertigte Anfang 1734 einen billigeren Rifs an; der betreffende Bauanschlag der Werkleute lautete nur auf 53 Thaler Gr. 4 Pfg. und 2 Brettbäume.

Als Tischler fungiert dabei August Schneider, der Rifs liegt bei dem Anschlage2). In einem die Approbation des beiliegenden Planes nachsuchenden Schreiben heisst es, dafs der Nossener Pastor :!), der gern die dem Amte vorbehaltenen Stände gleich anderen verbaut und gleich sähe, dagegen sein werde.

5. Eine Flugschrift über das Anrecht König Fried- richs II. von Preui'sen auf Böhmen.

Von Walther Schultz e.

In Bd. XIV S. 342 weist Th. Distel auf folgende Flug- schrift aus dem siebenjährigen Kriege hin: „Kurzer doch1

Gründlicher Beweis , || dals König!. Majest, in Preussen !

_ das Königreich Böhmen Sr.

zustehe". Die v. Ponickau'sche Bibliothek in Halle a. d. S. besitzt von diesem Druck drei Exemplare, und auf einem derselben befindet sich auch von alter Hand folgende Notiz, die über den Verfasser Aus-

') Man vergl. meine Mitteilungen in der Zeitschrift für Museo- logie und Antiquitätenkunde u. s. w. V (1882), 164. Die Steine dazu lieferten die Ruinen des Klosters Altenzelle. Eine eiserne Thüre für die Sakristei und eine Glocke kam ebendaher 1568: K. S. Hauptstaatsarchiv, Kopial 848 Bl. 339; über Holz zu den Kirchen- thüren ebendort Bl. 339 b.

2) K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc. 34 978* No. 91.

:!) Nach Kreyfsigs Album der evangelisch-lutherischen Geist- lichen im Königreiche Sachsen u. s w. (1888) S. 364 hatte damals Karl Christoph Zandt diese Stelle innc.

Kleinere Mitteilungen. 135

kunft giebt: „Von Prof. Carach jun. zu Halle, und wurde den 16. Januar 1757 auf öffentlichen Markt zu Drefsden auf K. Preufs. Befehl durch den Scharff-Richter verbrant." Gemeint ist damit Johann Philipp von Carrach, der 1730 geboren, 1752 außer- ordentlicher Professor des Rechts in Halle wurde; 1758 wurde er zum ordentlichen Professor in Duisburg ernannt, konnte aber diese Stellung des Krieges wegen erst 1764 antreten ; bis dahin lebte er in Breslau. Von Friedrich II. wurde er geadelt. 1768 wurde er als Professor nach Kiel berufen, doch schon 1769 entlassen; er ging nach Wien, trat nun zum Katholizismus über und war publi- zistisch gegen den Berliner Hof thätig. Im Anfang des siebenjährigen Krieges hatte er umgekehrt in Friedrichs Diensten die Feder geführt, insbesondere mehrere Schriften in der bekannten Polemik wegen der Verhängung der Reichsacht über Friedrich verfafst. Der „Kurze doch gründliche Beweis" wird nirgends unter seinen Werken aufgeführt, trotzdem liegt meines Erachtens kein Grund vor, an der Richtigkeit der handschriftlichen Eintragung auf unserem Exemplar zu zweifeln: einmal pafst die Broschüre trefflich zu dem, was wir sonst von diesem charakterlosen Publizisten wissen, sodann bemerkt Weid- lich, Biographische Nachrichten von den jetzt lebenden Rechts- Gelehrten in Teutschland, Bd. I S. 112, ausdrück- lich, dafs er aufser den von ihm genannten Arbeiten noch „mehrere Schriften ohne Namen, besonders im siebenjähri- gen Kriege, verfertiget haben solle". Übrigens dürfte der „Kurze doch gründliche Beweis" nicht gar so selten sein, wie a. a. 0. angenommen wird; abgesehen von den drei Exemplaren der v. Ponickau'schen Bibliothek, besitzt auch die königliche Bibliothek zu Berlin zwei verschiedene Ausgaben, da Baumgart, Die Literatur des In- und Aus- landes über Friedrich den Grofsen, dessen Angaben aus- schliefslich auf dem Bestand dieser Bibliothek beruhen, auf S. 148 irrtümlich zum Jahre 1758 dieselben verzeichnet.

6. Der älteste kursächsische Bifoliothekskatalog aus

dem Jahre 1437.

Von Woldemar Lippert.

Die älteste Archivregistrande, die über die Bestände des alten kurfürstlich sächsischen Archivs Aufschlufs

]36 Kleinere Mitteilungen.

giebt . ist ein in Schweinsleder gebundener Papierkodex von 114 Blatt in Folio, betitelt auf der Vorderschale „Registratura etlicher brive, so etwan zu Meyssen im gewelbe gelegen und darnach gein Leiptzk gefurt. Re- gistrata per M. Rotleben, Cnntz Rumpf anno 1508", auf der Rückschale „Ordu litterarum" ; derselbe liegt im Locat 23 (XVI- Abteil. No. 122). Auf den Innenseiten der Deckelschalen sind einige chronikalische Notizen ein- getragen, die ich in dieser Zeitschrift XV, 318 flg. ver- öffentlicht habe. Der Band selbst enthält Inventare aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts über die in Meifsen befindlichen, die aus Weida gebrachten Urkunden etc. Bl. 59 beginnt das Inventar der Wittenberger Archivalien; am Kopfe jeder Seite von 59-72 ist ausdrücklich „Wittin- berg" beigeschrieben. Dieses Inventar stammt aus dem Jahre 1437, wie eine gleichzeitige Notiz fol. 59 angiebt: „1437 feria quarta post Simonis et Jude (30. Oktober) visa et in hunc ordinem reducta etc." Am Schlufs dieser Listen von Urkunden folgt fol. 70b 72 der im Folgenden abgedruckte Katalog der kurfürstlichen Bibliothek in Wittenberg von derselben Hand, wie die übrigen Auf- zeichnungen.

Ohne hier in Spezialuntersuchungen eintreten zu wollen, die bibliothekarischen Fachleuten überlassen blei- ben mögen, sei nur kurz auf den reichhaltigen, inter- essanten Inhalt hingewiesen.

Von historischen Schriften sind zu nennen eine Sachsenchronik No. 6, eine Papstchronik 28, zwei andere Chroniken 8 und IG, eine Geschichte der Eroberung des heiligen Landes durch den Sultan von Ägypten 25.

Rechtsgeschichl liehen Charakt eis: ein Sachsen- spiegel 17.

Geographischen Charakters: eine Reisebeschrei- bung oder ein Abenteuerbuch des Otto von Dyme- ringen 7.

Hagiograpliisclien Charakters: ein Leben des heiligen Wenzel 20, ein Heiligenpassional 14, eincJMartyrer- legende 31.

Theologischen Charakters: eine deutsche Bibel 18, ein deutscher Psalter 5; ferner wohl noch 1, 2, 10, 13.

Germanistischen Charakters: eine deutsche historia Trojana (liet von Troye?) 15, Alexanderbuch 19, Rosengarten 26, Wigalois 27 (ob ein Tristan 11?), ein Lebensspiegel mit höfischen Lehren 30, wohl auch 9.

o

Kleinere Mitteilungen. 137

Von Autoren sind zwei mit Namen als Verfasser von glossierten1) „dictamina" genannt: Hermann von derDahme 3 (vergl. auch 4) und Rudolf Brinkind 12. Bei verschiedenen läfst sich erkennen, dais sie in Versen geschrieben waren, so 3, 9, 11, 12, 14, 22, 24, 26, 27.

["'her das Äuisere der Bücher erfahren wir wenig; manche sind nur als .über, manche als Bücher grolsen Formats (über magnus), manche kleinen Formats (libellus) bezeichnet; nur bei einem, 30, ist ein silberner, d. h. wohl silberbeschlagener Einband erwähnt,

Als Aufbewahrungsort dienten nicht Bücherschränke mit Fächern oder Repositurgestelle, sondern zwei Kästen, wie solche in gleicher Weise zur Aufbewahrung der Ur- kunden und Kopialbücher Verwendung fanden, denn auch bei diesen finden wir mehrfach Kästen, Laden erwähnt, die verschliefsbar waren und ein besonderes Zeichen auf- gemalt trugen, so fol. 40 „una parva scatula", fol. 42 „due eiste .. . recluse", fol. 45 „im grofsen kästen an der wand", fol. 52b, 101, 104 „in scatula", fol. 105b „in eyner swartzen laden mit eym sulchen zeeichen . . ."; vereinzelt kommt vor fol. 54b „in eym cleynen liderinn sacke", fol. 58 „in eym langen lynen sacke".

Libroruni ordo in Witteinberg- etc.

In cista, sieud intratur cappella ad manum dexteram,

infrascripti continentur libri.

1. Primo mangnus (!) über, qui ineipit „Ich sage dir lob Jbesu Crist" etc., et ünitur „Dy nymant ane dich und ane got zeu gebin bat", cum notis.

>. Item über mangnus, qui ineipit „Alpha et Ü. Got reyne" etc., et finitur „Und weren synes trostes gerende" etc., cum notis.

3. Item alius über, qui ineipit „Ir Cnsten alle schreyet" etc., et finitur „Wann du verloren were" etc., et est dietamen Hermann von der Dhame, cum notis.

4. Item alius über mangnus, qui ineipit „Do ere ires hoves erst be- gan" etc.. et finitur „Sus leret Herman von der Dhame", cum notis.

5. Item alius über mangnus, qui ineipit „Saüch man" etc., et est psalterium vulgare, et finitur „Wir biten dich mildeclichen mere" etc.

6. Item alius über mangnus, qui ineipit „Wir wollen nu schriben von den Sachsen" etc., et finitur „Von gots burt ubir MOC und XXIX2) yare"8).

2) Auch sonst sind mehrfach „uotae", also wohl Glossen, er- wähnt, so 1, 2, 10.

") Erst war „XXX" geschrieben.

3) Diese Handschrift war eine Hs. der Sächsischen Weltchronik, die mit dem Anhang I von der Sachsen Herkunft begann (vergl.

138 Kleinere Mitteilungen.

7. Item alius liber ritter Johann des grosen lantferers, qui incipit „Ich Otte von Dymeringen" etc. et finitor „Do habe ich von ge- schriben. do ich von Hispanien lande sprach".

8. Item alius liber, qui incipit „In den gecziten Karls des koniges" etc., et finitor „Do gebot Gerhard den dryen" etc.

9. Item alius liber, qui incipit „Is ist ein dingk, das wol geczympt" etc., et finitor „Ein wunder wirdt in allen lande" etc., et vocatur „Disses buch heiset Truwere".

10. Item alius liber, qui incipit „Dyne wesinde gotheit so stad" etc., et finitur „Wann der Jude beiden keczczer ist" etc., cum notis.

1 1. Item alius liber, qui incipit „Vernemit alle, ich wil uch sagen" etc., et finitor „Dem waren wigand", et est dictamen Tristran.

12. Item alius liber, qui incipit „Ein man sal sunder lagen" etc., et finitor „Myn dangken hat er auch verschult" etc , et est dictamen Rudolf ii Brinkind.

13. Item alius liber, qui incipit „Dat dy hemelische vater" etc., et finitur „Das ist stete an alle missewant."

Socunda cista.

Item in alia cista ex oposito (!) hostii (!) infrascripti

continentur libri.

14. Primo liber mangnus, qui incipit „0 starcker got Adonay" etc., et finitur „Do wolde ich wesin in dir lesin", et est passionale sanctorum.

15. Item alius liber mangnus, qui incipit „Do Troya dy mere" etc., et finitur „Das were ein teil zu frue", et est historia Troyana.

16. Item alius liber, qui incipit „Nu vernemit alle gemeyne" etc., et finitur „Disser hern orloug und ere" etc., et est Cronica4).

17. Item alius liber mangnus. qui incipit „Hir begynnet der hern geburt von dem lande" etc., et finitur „Wer zcu allen dingen gerne sprichet recht" etc., et est speculum Saxonicum.

18. Item alius liber, qui incipit „Richer got, herre, voit hymmelischer herschaft" etc., et finitur „In Jherusalem nach wünsche gar" et est biblia in vulgari

19. Item alius liber, qui incipit „Über alle dinck hastu gewalt" etc., et finitur „Als mich got gelart", et est liber regis Allexandri.

Mon. Germ. Deutsche Chroniken II, I. Sachs. Weltchronik, her. von Ludw. Weiland S. 259: „We willet nu scriven von den Sassen, we se here to lande komen sin") und mit der Zeittafel beim Jahre 1229 aufhörte (vergl. a. a. 0. S. 279 „von goddes bord over 1200 onde 29 jar ward Jerusalem dem keiser Vrederike weder geven"). Viel- leicht ist es die von Weiland Vorwort S. 7 als No. 24 bezeichnete Hs. der herzoglichen Bibliothek zu Gotha aus dem 13. Jahrhundert, denn diese beginnt und endet thatsächlich mit den bezeichneten Stücken, und die alte Wittenberger Bibliothek ist wohl mit den Ernestinern nach Thüringen gekommen. In der That ist diese Hand- schrift, die als Buch grofsen Formats (liber magnus) bezeichnet ist, ein Foliant.

4) Von anderer Hand des 15. Jahrhunderts ist dazugeschrieben „Kristanus Kune dixit hone librum quondam domine ducisse obtulisse, dumodo fuit schosserus in Wittinberg", und an den Rand ist zum besonderen Hinweis eine Hand gezeichnet.

Kleinere Mitteilungen. 139

20. Item alius liber, qui incipit „Was der synne kan ingegissen" etc., et finitnr „Kind tustu das, dir mag misselingen" etc., et est vita sancti Wenczeslai.

81. Item alius liber, qui incipit „Dy bete mynnen ys benan" etc., et finitur „Hetten es nit gut seilen jegiu wind" etc.

22. Item alius liber. qui incipit „Ein gülden vaß gecziret", et iinitur „Mit unser sele müsse riehen" etc.

23. Item alius liber, qui incipit ..In nomine patris et filii et Spiritus sancti amen. Wir sollen disses buches begynne" etc., et finitur „Das er das wider thun wolle, so sal er" etc.

24. Item alius liber, qui incipit „Nu vernemit mir alle bisundern" etc., et finitur „Synnet was er wunders begynnet" etc.

25. Item alius liber, qui incipit „Auwe, der leiden mere" etc., et finitur „Regni autem nostri nono deeimo", et est historia Soldani de straffe commissa in Anackers5) in Christianos.

26. Item alius liber, qui incipit „Also der summer grünet" etc., et finitur „Zcu dem fronen hymmelrich" et intitulatur „der Rosen- garte".

27. Item alius libellus, qui incipit „Also ichs nu vernomen ban", et finitur „Du vil reyne magetu", et intitulatur „Wygoleis".

28. Item alius libellus, qui incipit „Fugetus (!) der ander was ge- born" etc., et finitur „Clemens der fünfte was geborn" etc.

29. Item alius libellus, qui incipit „Mit angist und mit jamer" etc , et finitur „Des abindes nach" etc.

30. Item alius libellus, qui incipit „Diß buch ist von hübschen synnen" etc., et finitur „Sy komen auch wol an dy wibe", et habet cooper- turam aureain.

31. Item alius libellus, qui incipit „Wann ys sich wol fuget und nuteze ist" etc., et finitur „Verretheniß irslagen und tat auch vil zeeichen" etc.

7. Briefbeförderimg des Kurfürsten von Sachsen 1449.

Von Woldemar Lippert.

Schon im Mittelalter war bei der kurfürstlich säch- sischen Post das Verfahren üblich, dafs die der Beför- derung von staatlichen Schreiben dienenden Gegenstände das landesherrliche Wappen trugen, um sie nebst ihrem Inhalt dadurch vor etwaigen Angriffen zu sichern. Wir erfahren dies aus einer Stelle eines Schreibens von 1449 an den Kurfürsten Friedrich II. (den Sanftmütigen) von Sachsen. Er war wegen des von beiden Seiten erstreb- ten Besitzes der Niederlausitz mit Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg verfeindet1) und hatte im Jahre 1449

5) Anackers ist Accon, gemeint ist also wohl die Eroberung durch den Sultan Kilawun von Ägypten 1291.

') Näheres über diese niederlausitzer Verhältnisse s. Lippert, Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im 14. Jahr- hundert S. 178 fg.

]40 Kleinere Mitteilungen.

zur Vertretung seiner Interessen den Reinprecht. von Ebers- dorf nach Brandenburg' und in die Lausitz geschickt. Da aber die Stimmung teilweise Sachsen ungünstig war und der Gesandte deshalb Sorge trug, dafs die mit seinem Kurfürsten gewechselten Briefschaften in fremde Hände fielen oder der Bote selbst gefährdet sei, wenn er offen als kursächsischer Briefbote kenntlich wäre, liefs Ebers- dorf wegen des sächsischen Wappens, das aulsen auf der zur Aufbewahrung der Briefe dienenden Büchse angebracht war, diese Büchse beiseite legen und den Boten als seinen eigenen gehen.

Das Schreiben ist der Korrespondenz zwischen Ebers- dorf und dem Kurfürsten im Kgl. S. Haupt Staatsarchiv, Wittenberger Archiv, Niederlausitzer Sachen entnommen, \vn es fol. 88 unter der Aufschrift „Er Reinprecht an unsern hern von Sachsen" eingetragen ist.

[Luckau] !>. Februar H49.

Hochgeborner forste .... Als mir uwer gnade geschriben hat, hau ich will vernomen und thu uwer gnaden wissen, das mich der böte nicht zeu Berlin ankörnen ist . sunder hie zeu Luckaw, dorumh ich faste mit dem rate umli ein gleite ern Nickeln von Polenczk ge- worben und uff das höchste versucht, sie wollen sein geinwiß ge- leiten noch ufnemen in ire stad. So habe ich das den probst von Wittemberg zeu ym geschickt, an ym zeu verholende, was sein gud- diincken ist, mich das durch yn berichten, [ch habe auch den herren prelaten mannen und steten geschriben, sie uff das fließigeste er- manet und gebeten, uf mitwoche zeu abinde noch den sontag Exurge sich wollen zeu mir fugen, myner gnedigen herren meynunge schrifft- lich und muntlich an sie zeu Illingen und habe dem meisten teil den trefflichsten mit uwer gnade boten gesand die brüte. Auch gnediger Lber herre, als uwer gnade berurt uwer rethe so na bestellen nach mynera gutduncken, mein ich, ab ich irer uffsulch tau bedurffen wurde. das will ich uwern gnaden underdes noch wo! zen verstehn geben. Audi habe ich uwer gnade boten geheischen, er solle dy buchse uwer gnade wapen in der bothschaffl abelegen, sunder sich uff mich zeihen solle. Was ich uwern gnaden in den und andern saehen dinen sal, thu ich gerne und bitte uwer [gnade] uff myn neste schriffl und gutduncken und was ich uffs leezte hesliß für mich ueme, das verdyue ich aber gerne. Geben am sontag Circumdederunl under mynem secret am WAX jare.

ßeinprechl von Ebirstorff uwer gnaden williger.

Litteratur.

Die slavischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung ihrer Namen. Von Gustav Hey. Dresden, W. Baensch. 1893. V, 335 SS. 8°.

Über die slavischen Ortsnamen des Königreichs Sachsen ist schon öfters geschrieben worden, doch erstreckten sich die dies- bezüglichen Arbeiten bisher immer nur auf einzelne Teile des Landes, wie z. B. die Festschrift von J. E. Schmaler (1867) auf die Ober- lausitz und die Programme von R. Immisch (1866. 1874) auf das Erzgebirge und die südliche Oberlausitz. Das vorliegende Buch bietet die erste zusammenfassende Bearbeitung des umfänglichen Stoffes. Zur Lösung einer so schwierigen Aufgabe war wohl nie- mand besser befähigt als der Verfasser, der schon seit Jahrzehnten unermüdlich auf diesem Gebiete gearbeitet hat; davon zeugen neben Aufsätzen in den „Mittheilungen des Vereins für Geschichte Meifsens" 1884 und im „Neuen Archiv für sächsische Geschichte" Bd. XI seine Schriften: „Die Ortsnamen der Döbeluer Gegend" 1875 „Die slavischen Ortsnamen des Königreichs Sachsen" 1883 „Die slavischen Ortsnamen von Lauenburg'. In den «Slavischen Siedelungen im Königreich Sachsen" bietet uns Prof. Hey nunmehr ein auf gründlichen Studien füfsendes, einheitliches Werk, das nicht allein von seinem unermüdlichen Fleifs und unablässigen Forschungs- trieb , sondern auch von seinem feinsinnigen Verständnis für die mannigfaltigen Kulturverhältnisse der alten sorbischen Bewohner unseres sächsischen Vaterlandes rühmlichst Zeugnis giebt. Das Werk zerfällt in zwei Teile. Der kürzere allgemeine Teil enthält nach einem Vorwort über Entstehung und Zweck des Buches eine geschichtliche Einleitung, eine Aufzählung der Quellen und Hülfs- mittel, sprachliche Vorbemerkungen, die Grundsätze des Verfassers für die Namendeutuug und eine Übersicht über die Bildung der slavischen O.-N. Der besondere Teil umfafst die Deutung I. der Ortsnamen aus Personennamen und II. der Ortsnamen aus Appellativen. Anhangsweise werden einige uichtslavische, doch fremdklingende O.-N. besprochen und den Schlufs bildet ein alphabetisches Namenverzeichnis aller im Buche erklärten sächsischen Orts-, Flur-, Flufs- und Bergnamen. Dr. Hey hat sich nämlich, was wir gleich hier anerkennend hervorheben möchten, nicht auf die Erklärung der slavischen Benennungen der gegenwärtigen Ortschaften beschränkt, sondern die zahlreichen Namen der wüsten Marken, der Flur- und Waldstücke, sowie der Gewässer und Berge in den Bereich seiner Untersuchung mit hineingezogen.

]42 Litteratur.

Die höchst interessante geschichtliche Einleitung ist mit großer Sachkenntnis und gewissenhafter Benutzung der einschlägigen Quellen- schriften geschrieben und bildet mit ihrer besonnenen und anschau- lichen Darstellung der Kulturverhältnisse der alten Sorben unstreitig die Glanzpartie des ganzen Buches. In den sprachlichen Vor- bemerkungen werden die kennzeichnenden Merkmale der altwendischen (besser altsorbischen) Sprache richtig dargelegt. Nur ist zu be- merken, dafs die Nasalvokale a, und e bereits im Altsorbischen durch- weg in n und ja (e) sich aufgelöst hatten und dafs also die wenigen O.-N. mit scheinbar erhaltenem Nasalvokal (Borenthin, Borintizi, Prossentin, Willintin, Tallintitz, Scuntiza*)) anders zu erklären sind; ferner ist dem Altsorbischen, wenigstens bis Anfang des 14. Jahrhunderts, das prothetische w bez. h bei den vokalisch an- lautenden Worten2) und der Wandel der Tennis t in die Spirans c noch fremd, worauf natürlich bei der Deutung der O.-N. Rücksicht zu nehmen ist. Zu diesen Untersuchungen bedarf es also notwendig einer ins Einzelne gehenden Lautlehre des Altsorbischen und wo- möglich zugleich einer Feststellung der Zeit des Wandels der ein- zelnen sorbischen Laute an der Hand der Urkunden. Die Hey- schen Grundsätze für die Namendeutung wird jeder Ortsnamen- forscher durchaus billigen, und die sehr zahlreichen Suffixa, mit denen im Slavischen die O.-N. gebildet werden, sind recht übersichtlich zu- sammengestellt, so dafs auch Fernerstehenden ein genügender Einblick in dieses interessante Gebiet der Namenbildung gewährt wird. Nur hätte noch die Bemerkung hinzugefügt werden können, dafs nicht selten im Laufe der Zeit ein Wechsel einzelner Suffixe (besonders von -ici, -ov, -in mit -ica, -ova (-ava), -ina und umgekehrt) ein- getreten ist.

Wenden wir uns nun zu den Deutungen der Ortsnamen selbst. Das Hauptverdienst liegt hier jedenfalls in der sorgfältigen und möglichst vollständigen Sammlung der urkundlichen Formen. Von den sorbischen O.-N. selber sind dem Verfasser doch noch einige wenige entgangen, wie z. B. Burgk bei Dresden (sorb. B6rk = altsl. borlkü, cf. S. 222) und Ober- und Nieder- Kaina bei Bautzen (sorb. Kina == Kyjina, cf. S. 256). Hinsichtlich der Erklärungen wird wohl kein nur einigermaßen billig denkender Beurteiler verlangen, dafs bei der nach Tausenden zählenden Masse der O.-N. alle richtig erklärt sein müfsten; das ist bei einem so schwierigen und spröden Stoffe geradezu ein Ding der Unmöglichkeit, Doch muß man dem Verfasser die richtige Befolgung des Miklosich'schen Prinzips, sowie die gröfste Umsicht bei seinen Deutungen unumwunden znge- gestehen. Hinter den Hunderten der Erklärungen birgt sich ein redlich Teil Geistesarbeit. Auch geht Verfasser klugerweise nicht darauf aus, überall eine bestimmte Deutung zu statuieren, sondern in vielen Fällen, namentlich wenn die urkundlichen Belege mangeln, spricht er vorsichtig nur Vermutungen aus und regt so zu weiteren Forschungen an. Wenig glücklich jedoch möchten wir den Gedanken nennen, dafs alle die von ihm aus den O.-N. erschlossenen P.-N. schon dem sorbischen Kinde beigelegt sein mußten. Dabei hat er

') Bei allen finden sich und zwar häufiger Formen ohne den Nasal in den Urkunden.

2) Vergl. S. 141 ff. Wadewitz, Wagelwitz, Wachtnitz, Wanscha S. 197 f. Wanden, Wntzsckwitz, Wunschwitz.

Litteratur. 143

manchen recht wenig wahrscheinlichen , ja komischen und un- ästhetischen P.-N. entdeckt, den die alten Sorben ihren Kindern sicher im Ernste nicht fürs Lehen mitgegeben haben dürften. So konstruiert er z. B. zum O.-N. Zochau (S. 57) den P.-N. Cach, Coch (Kotwater, Drecktreter) statt Codi, Czoch (Czeche, Böhme); zu Zescha (S. 63) Czec (infans mingens!) st. See (Schnitter); zu Grödel (S. 84) Gredel (Haspel --= sehr lebhaftes Kind) st. yrodilo (Städtchen, Bürgel); zu Kuppritz (S. 104) Koprc (Burzier: Kind, das gern sich überburzelt) st. Kopirica (Dill); zu Podehritz und Pödehcitz (S. 147) Podel (Kind, das sich oft verunreinigt) st, podol (Thal); zu Zschirla (S. 166) Srla (qui cacat), statt an einen mit ser bez. sir (v. Miklosiek, Bildung der Ortsnamen aus Personennamen S. 58; 64) gebildeten P.-N. und O.-N. zu denken. Die von mohru (nass) gebildeten O.-N. (S. 133) stammen sicher nicht von dem „bettnässenden" Gründer, sondern jedenfalls von dem nassen Grunde, auf dem die Orte erbaut sind. Komische und unästhetische Ortsbenennungen, wie z. B. Zasrjew (deutsch hingegen: Rosendorf) bei Senfteuberg und Njeradk (deutsch hingegen: Neu-Oppitz) bei Bautzen sind recht wohl als Spott- und Schimpfnamen, keineswegs aber als Ruf- und Personen- namen denkbar. Von sonstigen mifsglückten Erklärungen möchte ich hier noch einige besonders bemerkenswerte hervorheben, von denen die meisten auf Unkenntnis der Lage oder anderer Verhältnisse der betreffenden Orte beruhen. Bukecy , deutsch Hochkirch (S. 56) geht nicht auf altsl. buka (Lärm), sondern auf buk (Buche) zurück, mag es nun ursprünglich Bukovici (die Familie des Buk) oder viel- mehr Bukovica (Buchenhain) gelautet haben. Putzkau (S. 59), wendisiert Pöckoioy ist als notorisch deutsche Kolonie als die Aue (das Dorf) des Buzeco (Buzico) zu erklären; die beiden wendischen Dörfchen am Fusse des Valtenberges, die mit der Zeit von Putzkau absorbiert wurden, hiefsen Wehritz (P.-N. Wera, cf. S. 202) und Anerwitz (P.-N. Ur, cf. S. 198). Bochlitz (S. 84) kann von yrochadlenc (leiriges, ningelndes Kind) schon wegen des in den Urkunden fehlenden y des Anlauts nicht abgeleitet werden, sondern ist auf asorb. roclüy = obsorb. rycbJy (schnell, flink) v. Wurzel ruch (bewegen) zurückzuführen. Dieser bekannte Burgwartssitz an der Zwickauer Mulde bekam seinen Namen von dein Flusse, der ur- sprünglich bei den Sorben Rochüca bez. Bychlica (schnellfliefsendes Wasser) hiefs, im Gegensatz zur Freiberger Mulde = altsorb. Modln bez. per metathesin Molda (das tote, d. h. langsam strömende Wasser); später ging der Name Mulde auch auf die erstere über infolge der nach ihrer Vereinigung von Anfang an gebrauchten Benennung Modla (Mulde). Krönen (S. 104) geht nicht auf Krönica (Kronen- kind), sondern auf altsorb. Krynica (Quelle, Quellgebiet) zurück, worauf schon die deutsche Form des O.-N. Krünitz, Krinitz hin- weist. — Die S. 116 zu Wurzel lek (erschrecken) gestellten O.-N. sind gleich dem sorb. P.-N. Loch (Lochecy) alle von dem Volksnamen Lechii = sorb. Ljach, Lech, Lioch (der Leche d. i. Pole) abzuleiten; vergl. Czech, Czoch, Coch (Czeche, Böhme). Löbschütz, urk. Lubiziz, Lubueschewitz etc. (S. 122) gehört nicht zu czech. lup (Klaps), sondern zu luby (lieb, wert). Loßnitz bei Freiberg (S. 122) kommt nicht von los (Elentier), sondern erwiesenermafsen von dem Bache (Münz- bach), an dem es liegt und der ursprünglich laut Urkunden Lößnitz, Leßnitz = altsorb. lesnica (Waldbach) hiefs. Loßnitz wird nur aus rein administrativen Gründen von dem damit zusammenhängenden Lößnitz (cf. S. 260) formell so geschieden, weil sich der Ursprung-

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lieh eine Ort später in zwei besondere Gemeinden trennte. Bei Salya, obsorb. Zathow (S. 128) kann ich weder Scbmalers (vom P.-N. Zaioh, Grund) noch Heys (von Zaleg, Lügner) Erklärung billigen; schon die Lage des Ortes weist aui' asorb. Zal(u)gov(a) obsorb. Zaf(u)how (das Dorf hinter dem tug, d. i. Wiesenbruch, Grassumpf) bin. Schmölln (S. 170) bei Bischofswerda geht wie alle die zahl- reichen Schmölln, Schmälen, Schmollen, Smolin etc. auf Smolnja bez. Smolno (Pechhütte, Teerbude) zurück; die heutige obsorb. Form Smjelna bez. Smilnja ist eine falsche Uninennung nach dem vulgärdeutschen Schmeln; die Dorfbach von Schmölln heilst noch heute bei den dortigen Wenden Stnolica (cf. Czasopis Macicy Serbskeje, Jahrg. 1887, S.19) d. i. Pechhüttenbach, Teerbach. Tolkewitz (S. 190) bei Dresden sl ammt nicht von altwend. Tolk (Bälger), sondern von doik = dolüku (kleines Thal); das Dorf liegt nämlich nach Mitteilung von A Jentsch in Dresden an einem toten Eibbette, das noch heute „das Grandel" genannt und von einem Bächlein, dem Poppen (d. h. Pfaffen)-graben durchzogen wird; also ist Tolkewitz entweder == Dolkovici (die Anwohner am Gründel) oder = Dolkovica (= Bach im (iiiindel bez. Ansiedlung am Gründelbach). Die beiden Nöthnitz iS 195) >in<l mit Nucknitz (S. 271) zusammenzunehmen und als Nutnica (Viehhof) zu erklären. Lastau (S. 206) bei Colditz (urkundlich Löstatauua, Zlostatawa,s\i&teT Lostawe) wird schwerlich auf asl. vlasti (asorb. vlosti) Vaterland zurückzuführen sein, da sich doch wohl sonst in einer der sehr alten Urkunden das spirantische v vorbilden würde. Ich möchte es als Lososi-stav, gen. Lososi-stava „Dorf über dem Lachswehr :t erklären und ableiten von tososi (Lachs) und stavu (Damm, Wehr). Die Mulde war erwiesenermaßen in alter Zeit sehr lachsreich. - Wurschen (S. 209) bei Bautzen (stirb. Worcyn) und Würzen a. d. Mulde sind jedenfalls nicht zu trennen und beide zum Stamm asorb. rort asl. mit (drehen, wenden) zu stellen. Oybin bez. Oyivin (S. 285) ist sicherlich nicht mit asl. golqbi = asorb. golubi stammverwandt, weil dann die Urkunden schlechterdings eine Form wie Golubin, Golbcn bieten müfsteu; cf. Golben bei Zeitz (mkmvM. Golob'niti)um\<hi!ben bei Cottbus; es hängt mit on (= ovi-ca, Schaf), Adj. oivni zusammen; also Ovinja (sc. gora) = Schafberg. - Lissahora (S. 237) bei Königswartha (obsorb. Lisa hora) ist nicht als „Fuchsberg" (= USca hora), sondern als „Kahlenberg" (v. lichü, lisi, kahl) zu deuten. Gröditz bei Großenhain (S. 239) ist ebenso wie Gröditz bei Weifsenberg mit asorb. grodiste (obsorb. hrodzisco) = grofse Burg zu erklären. Meißen, wend. Mimo statt Mizno (S. 267) von mjeza (Grenze: also Grenzheim) abzuleiten, ist verfehlt; Thietniar von Merseburg hat jedenfalls recht , wenn er den Namen auf das Flüfschen Meiße (asorb. Miza = Sprudel- bez. Quell-bach; cf. Miklosich, Btym. Wörterb. d. slav. Sprachen p. 209 Wz. miz) zurück- führt. Man darf solche bestimmte Angaben der Chronisten nicht ohne Grund über Bord werfen. Der Name der Milzener (S. 267), obsorb. Milcan, plur. MilZenjo), hat mit poln. miel (sandiger Ort) nichts zu schaffen und ein obsorb. mjel giebt es überhaupl nicht. Das alte Milzenerland ist nämlich gar nicht sandig, sondern ein fruchtbares Ackerland, das kaum der gesegneten Lommatzscher Pflege nachsteht. [ch leite es mn Milk, der Koseform zu Miliduch (bekannter sorbischer Fürst gerade jener Gegend) her; also sind Milcane die Ihiterthauen des Miliduch und Milska, asorb. Miftciskn (sc. zemja) ist das Land des Miliduch. - Sebnitz (S. 309) stellt der Verfasser mit Miklosich,

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Slavische Ortsnamen ans Appellativen II, \22 zu zaba (Frosch): beide aus Unbekanntschaft mit der Örtlichkeit. Der Ortsname stammt zwar vom Flufsnamen, aber dieser lautet asorb. zebnica, d. i. Finken- bach von zeba (obsorb. zyba) Finke; vergl. die „Finkengüter" daselbst; Finken giebt es um Sebnitz noch heute auffallend viel. Otterschütz (S. 316) heifst im Wendischen noch heute Otruzica (Kratz- beerenort) von ostruga (rubus fruticosus) ; also nicht „Otternwinkel".

Abgesehen von diesen und anderen mifslungenen Deutungen bildet das Heysche Werk unstreitig einen wertvollen Beitrag einer- seits zur Kulturgeschichte unseres sächsischen Vaterlandes und anderseits zur slavischen Ortsnamenforschung. Augenscheinlich ist der Verfasser aufs gewissenhafteste bestrebt, die Wahrheit zu er- gründen und das Dunkel, das insbesondere noch über der Sorbenzeit unserer Heimat lagert, nach Möglichkeit aufzuhellen. So durfte er mit Recht (S. 31) von sich sagen, dafs seine Arbeit dasselbe schöne Ziel verfolge, das mit der Ergründung der reinen Wahrheit und Thatsächlichkeit die GeschichtsAvissenschaft überhaupt sich gestellt hat. Und so möge es denn allen Freunden vaterländischer Geschichte und Altertumsforschung hiermit aufs Wärmste empfohlen sein.

Freiberg i. S. Ernst Mucke.

Wettiner und Wittelsbacker sowie die Mederlausitz im XIV. Jahr- hundert. Ein Beitrag zur deutschen Reichs- und Territorial- geschichte von Dr. Woldemar Lippert, königl. Staatsarchivar, Dresden. Wilhelm Baensch. 1894. XVI, 314 SS. 8°.

Über die Geschichte der Niederlausitz, dieses von den Wettinern frühzeitig besessenen, mehrmals wieder erlangten und immer aufs neue verlorenen Landes, giebt es noch kein zusammenfassendes, den wissenschaftlichen Anforderungen der Gegenwart entsprechendes Werk. Ganz besonders verwickelt ist die Geschichte der Nieder- lausitz im 14. Jahrhundert, wo sie fast ununterbrochen das vielbe- gehrte Streitobjekt der Nachbarstaaten und deren Dynastien bildete. Noch waren bisher die politischen Beziehungen dieser Staaten unter einander und zur Niederlausitz keineswegs vollständig bekannt. Der Verfasser des vorliegenden Buches hat sich daher ein entschiedenes Verdienst erworben, indem er diese Beziehungen auf Grnnd um- fassender archivalischer Studien imd gewissenhafter Benutzung der gesamten einschlagenden Litteratur zum ersten Mal klargelegt und festgestellt hat.

Wir würden den uus hier gestatteten Raum weit überschreiten müssen, wollten wir über alle die verschiedenen Besitzwechsel, welche das Land von 1301—1368 erfuhr, und über die Ursachen und Modali- täten derselben ausführlich berichten. Wir beschränken uns darauf, wenigstens diejenigen politischen Verhältnisse hervorzuheben, durch welche die Wettinischen Fürsten während dieser Zeit mehrmals in den Besitz desselben gelangten.

Bis Anfang des 14. Jahrhunderts gehörte die Niederlausitz den Wettinern als eins ihrer ältesten Erblande. Da veranlafsten die tramigen Zerwürfnisse zwischen Landgraf Albrecht von Thüringen und seinen Söhnen, den Markgrafen Friedrich dem Freidigen und Diezmann von Meifsen, die letzteren, an dem Erzbistum Magdeburg einen Rückhalt gegen ihren Vater zu suchen. Sie trugen daher 1301 demselben ihr Erbland Niederlausitz gegen eine Summe von 6000 Mark Silber zu Lehn auf, um es sofort als Lehn wieder zurückzuerhalten.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 10

146 Litteratur.

Schon L304 aber verkaufte Die/mann dieses sein Land an die Mark- grafen Otto und Hermann von Brandenbarg aus dem Hause Askanien. Als um 1319 mit dem Tode Waidemars des Grofsen der mächtige Staat Brandenburg plötzlich auseinander fiel, setzte sich Herzog Rudolf von Sachsen- Wittenberg in den Besitz nicht nur von Branden- burg, sondern auch von dem größten Teile der Niederlausitz, während der östliche Teil (Sorau etc.) dem Herzog Heinrich von .lauer hul- digte. Da änderte der Sieg Ludwigs des Baiern bei Mühldorf (1322) über seinen Gegenkönig Friedrich von Österreich plötzlich die poli- tische Lage von ganz Deutschland. Ludwig-, jetzt alleiniger König, belehnte (1323) seinen eigenen, erst achtjährigen Sohn Ludwig mit den Marken Brandenburg und Niederlausitz, verlobte seine Tochter mit dem jungen Markgrafen Friedrich dem Ernsten von Meifsen und übertrug diesem seinem Schwiegersohne den Schutz der Niederlausitz, sowie zur Sicherstellung für alle ihm hieraus erwachsenden Kosten die Pfandschaft über dieses Land. Allein als er sich bald darauf mit Herzog Rudolf von Sachsen aussöhnte, sah er sich (um 1328) genötigt, die Niederlausitz diesem für eine ihm schuldige Summe von 16000 Mark Silber anderweit zu verpfänden; Markgraf Ludwig löste sie 1339 wieder ein. Der Tod König Ludwigs des Baiern (1347) gestaltete die politischen Verhältnisse von ganz Deutschland aber- mals um. Jetzt war der junge König Karl IV. von Böhmen alleiniger König in Deutschland. Früher treue Bundesgenossen der Witteis- bacher, waren die Luxemburger in Böhmen inzwischen mit denselben zerfallen, und so benutzte Karl IV. das Wiedererscheinen des sogen, falschen Waklemar (1348), um diesen aufs neue mit Brandenburg zu belehnen, die Niederlausitz aber sich von ihm erblich abtreten zu lassen. Die von .den Witteisbachern zu Stande gebrachte Wahl Günthers von Schwarzburg' zum Gegenkönige schuf ihm aber neue Sorgen und liefs ihn einen Ausgleich mit den Gegnern herbeiwünschen. Dieser erfolgte auf einem Fürstentage zu Bautzen (1350), wo ein Fürstengericht Waldemar jetzt für unecht erklärte und dem Könige anempfahl, Markgraf Ludwig den älteren abermals mit Brandenburg und der Niederlausitz zu beiebnen, was auch sofort geschah. Infolge der bisherigen Kriege war Markgraf Ludwig tief in Schulden ge- rathen und sah sich deshalb veranlagst, die Niederlausitz (1353) an seinen Neffen Friedrich den Strengen von Meifsen um 21000 Mark Silber wiederkäuflich zu verkaufen. Wohl durften jetzt die Wettiner hoffen, dies alte Stammland ihrer Familie auf die Dauer zu behalten. Allein Karl IV. suchte die politische Lage zur Ausbreitung seines böhmischen Reiches auszunutzen. Er liefs sich (1363) von den Brüdern des kinderlos verstorbenen Markgrafen Ludwig des älteren. nämlich Ludwig dem Römer und Otto, die Berechtigung erteilen, an ihrer Stelle die Niederlausitz von den Meiisner Markgrafen wieder einzulösen, was auch (13(i4) durch Baarzahlung von 21000 Mark Silber und L0OO0 Schuck breiter Groschen erfolgte. Seit der eben- falls kinderlos gebliebene Otto von Brandenburg (1367) die Nieder- lausitz an Böhmen verkaufen mufste, blieb sie fortan in böhmischem Besitze.

Selbst aus vorstehendem, absichtlich möglichst kurz gehaltenem Re- ferate wird man ermessen können, welche Schwierigkeiten dem Verfasser die endgütige Feststellung all dieser verwickelten Verhältnisse be- reiten mufste. - Ausführliche Anmerkungen erläutern die im Texte nur kurz dargelegten Thatsacben. Ein Exkurs über die Landvögte der Niederlausitz eröffnet Einblicke auch in die Verwaltung des

Litteratur. 147

Landes, und ein Urkundenbuch von 143 meist bisher noch nicht ver- öffentlichten Urkunden, bez. Regesten giebt die urkundlichen Belege für die gewonnenen historischen Resultate. Die Ausstattung des Buches entspricht der gewohnten Eleganz und Sorgfalt der Hof- verlagsbuchhandlung von Wilhelm Baensch.

Dresden. Hermann K not he.

Deutsche Reicbsgescliiclite im Zeitalter Friedrich III. und Max I.

Mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Staaten- geschichte. Von Dr. Adolf Backmann, Professor der österreichischen Geschichte an der deutschen Universität zu Prag. Zweiter Band. Leipzig, Veit & Comp. 1894. XII, 768 SS. 8°.

Für die Geschichte Sachsens während der gemeinsamen Regierung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht, also in den letzten Jahrzehnten vor der verhängnisvollen Landesteilung von 1485, ist seit dem für seine Zeit sehr verdienstvollen, aber gegemvärtig nicht mehr genügenden Werke v. Laugenns über Albrecht aufserordentlich wenig gethan worden, obwohl das aus dem alten Wittenberger Archiv stammende, jetzt in den Archiven zu Weimar und Dresden befindliche Quellenmaterial, namentlich der Briefwechsel der genannten Fürsten unter einander und mit ibrein Oheim Herzog Wilhelm, überaus reich- haltig ist. Eine volle Klarheit über die sächsische Politik jener interessanten Zeit, in der die Ideen des Mittelalters und der Neuzeit mit einander rangen, wird sich wohl erst dann gewinnen lassen, wenn die I. Abteilung des Codex diplomaticus Saxoniae regiae jene Quellen gesammelt und allgemein zugänglich gemacht hat. Nun ist zwar, wie den Lesern dieser Zeitschrift teilweise bekannt sein wird, in den letzten Jahren mit der Bearbeitung der Urkunden und Akten für die politische Geschichte Sachsens im letzten Jahrhundert des Mittelalters (1381—1485) der Anfang gemacht worden und die ersten Bände werden in nicht ferner Zeit erscheinen; aber bei der Fülle des Materials und der Schwierigkeit, dasselbe im Rahmen eines Urkuudenbuches zu publizieren, wird es wohl noch eine geraume Weile dauern, bis das Werk zu den Zeiten Ernsts und Albrechts vorgerückt sein wird. So müssen wir einstweilen jeden Beitrag zur Aufhellung dieser Zeit mit lebhaftem Dank begrüfsen.

Aus diesem Grunde haben wir seiner Zeit (V, 155) auf den ersten Band von Bachmanns grofsem Werke hingewiesen. Nach zehn Jahren ist ihm ein zweiter gefolgt, der die Jahre 1467 bis 1486 umfafst; auch er gewährt manche Ausbeute für die sächsische Ge- schichte dieser Zeit.

Allerdings spielte die Politik der Wettiner auch in diesem Jahr- zehnte eine im ganzen recht bescheidene Rolle. Neben Kaiser Fried- rich III., der in der Darstellung unserem Verfasser in einem weit günstigeren Lichte erscheint als in den bisherigen landläufigen Dar- stellungen, sind im Osten König Matthias von Ungarn, im Westen Herzog Karl von Burguud die Persönlichkeiten, welche vor allem die Aufmerk- samkeit auf sich ziehen. Die Wettiner interessierte vorzugsweise der östliche Schauplatz, der Kampf um die Krone Böhmens, der die letzten Jahre Georg Podiebrads ausfüllte und nach seinem Tode noch lange fortdauerte. In den ersten beiden Bänden dieser Zeit- schrift haben wir die Beziehungen der sächsischen Fürsten zu König Georg einer eingehenden Darstellung unterzogen; sie ergab, dafs

10*

148 Litteratur.

Ernst und Albrecht vou allen deutschen Fürsten diejenigen sind, die am längsten an dem mit Kirche und Kaiser zerfallenen Könige fest- gehalten halien, dal's aber freilich die Möglichkeit, anders als ver- mittelnd für ihn aufzutreten, mit jedem Jahre geringer wurde. Bachmann kommt in seiner Darstellung, die auf dem nämlichen Material fufst, in der Hauptsache zu denselben Ergehnissen. In die tieferen politischen Absichten, die diesem lavierenden Verhalten der sächsischen Herzöge zu Grunde liegt, läfst die interessante Episode einen Einblick thun, die sich an den Tod Georgs (22. März 1471) anschlofs: die Bewerbung Herzog Albrechts um die böhmische Königs- kronc und sein Zug nach Prag (Ende April bis Ende Juni 1471). Indes der kühne Versuch, sich zwischen den angarischen und den böhmischen Prätendenten hineinzuschieben und durch die Erwerbung der Wenzelskrone der Geschichte Sachsens eine neue Wendung zu geben, die von den größten Folgen hätte sein können, mifslang sehr schnell, da weder die katholischen noch die utraquistischen Elemente des Landes dem Fürsten, den seine vermittelnde Richtung eigentlich beiden hätte empfehlen müssen, rechtes Vertrauen entgegenbrachten; mit der Wahl Wladislaws am 27. Mai 1471 waren Albrechts Hoff- nungen vernichtet. Was Bachmann über diese Verhältnisse mitteilt, ist wohl für uns das Wichtigste in seinem Buche. Zwar erfahren wir noch mancherlei über die spätere Politik der sächsischen Herzöge den uugarischen und polnischen Herrschern gegenüber, allein nur beiläufig; die Versuche der Wettiuer in Schlesien festen Fufs zu fassen (Erwerbung von Sagan 1472) werden nur flüchtig berührt. Ebenso werden zwar manche schätzenswerte Einzelheiten über die Reichspolitik der sächsischen Fürsten, über ihre Beziehungen zu den Nachbarn, insbesondere zu Brandenburg, über ihre Differenzen mit dem Oheim Wilhelm mitgeteilt; aber auf Grund derselben eine klare Gesamtanschauung der wettinischen Politik damaliger Zeit zu ge- winnen, ist. sehr schwer, und jedenfalls würde der Versuch, einen derartigen Überblick an dieser Stelle zu geben, weit über deu Rahmen einer Besprechung hinausgehen müssen. Persönlich tritt eigentlich nur einmal noch einer unserer Fürsten hervor: ich meine die Anteil- nahme des Herzogs Albrecht an dem Reichskriege gegen Karl von Burgund und an dem Entsatz von Neufs (1474/75); wesentlich Neues war darüber jedoch nicht zu berichten.

Wenn somit die Ausbeute, die Bachmanns Werke speziell für die sächsische Geschichte bietet, nicht allzu ergiebig ist, so ist dem Verfasser daraus natürlich kein Vorwurf zu machen. Seine Aufgabe war eiue Darstellung der Reichsgeschichte, und diese Aufgabe, für die ihm nur wenig Vorarbeiten vorlagen, hat er trotz der entgegen- stehenden Schwierigkeiten auf Grund sorgsamster Quellenforschung, für die seine auch an dieser Stelle (I, 203. VIII, 154. XIV, 346) besprochenen archivalischen Publikationen das beste Zeugnis ablegen, in vortrefflicher Weise gelöst.

Dresden. Er misch.

Friedrich der Weise und die Schlol'skirche zu Wittenberg. Fest- schrift zur Einweihung der Wittenberger Schlofskircbe am Tage des Reformationsfestes den 31. Oktober 1892 von D. Julius Köstlin. Wittenberg, R. Herroses Verlag. 1892. 111 SS. 4°. Vorliegende Schrift wurde den geladenen Gästen als Festgrufs

bei der Einweihung der Wittenberger Schlofskircbe überreicht. Sie

Litteratur. 149

hat neben dieser zeitgeschichtlichen eine l)leiliende wissenschaftliche Bedeutung, indem sie die Geschichte des altehrwürdigen, jetzt in neuem Glänze erstandenen Gotteshauses im Zusammenhange mit der Entwickelung der Kirche des ausgehenden Mittelalters und der Re- formation zur Darstellung bringt. Wie Friedrich der Weise ein echtes Bild deutscher mittelalterlicher Frömmigkeit war, so wurde durch ihn das von ihm neu erbaute und reich bedachte Gotteshaus mit seiner Fülle von Reliquien ein charakteristisches Muster für den Heiligenkultus jener Zeit. Besonders wichtig aber sind die Aus- führungen über die Reformationszeit. Hervorgehoben sei die Be- deutung der Schlofskirche für die Entwickelung des protestantischen Gottesdienstes, sowie die Bemerkungen über die Kirchenpolitik des Kurfürsten Friedrich des Weisen. In einer Selbstanzeige in den „Theologischen .Studien und Kritiken" (1893, S. 603-614) hat der Verfasser einzelne Punkte wissenschaftlich begründet und auf un- gelöste Probleme hingewiesen, z. B. in Betreff der Erwerbung des heiligen Dorns. Ich mache hierzu auf eine Überlieferung aus dem Ende des 15. Jahrhunderts aufmerksam, die in dem sogenannten „Sächsischen Stammbuche" enthalten ist, Dort steht unter dem Bilde des Herzogs Rudolf II. der Vers : „Den ich gen Wittenberg da bracht Mit anderm Heilthumb gar viel mehr In Gotts und aller Heilgen Ehr Den Stifft ich davon erst fundirt Friedrich der drit ihn hat complirt." Vergl. W. Lippert in dieser Zeitschrift XII (1891), 75. Schliesslich sei noch folgendes Schreiben des Kurfürsten Friedrich an Herzog Georg beigefügt, das sich im hiesigen König- lichen Hauptstaatsarchive (Loc. 8980. Den Bau der Stiffts - Kirche zu Wittenberg bei. 1513) befindet:

Unnser freundlich dinst, und was wir liebs und guts vermögen allezceit zuvor, Hochgebornner fürst, lieber vetter. Nachdem sich Euer lieb jungst, aus aigner bewegnus gegen unns erboten, das sie in irem ambt Rochlitz verfügen wollte, dormit unns noch etlich fuder Pflastersteine, der wir in unnsre Stiftskirchen, aller gots heiligen zu Wittenberg bedurfftig, daselbs von Rochlitz, bis gein Eylenburg durch ire ambtsverwante gefurt wurden, als sein wir der freuntlichen Zuversicht, Ewer lieb werde, irem erbieten nach, die verfugung ge- tan und solchs zu besehe rn verordent haben. Wo es aber bisher verhüben, bitten wir freuntlich, Euer lieb wollen solchs, nach irem gefallen, und sovil ir in dem leidelich, nochmals verordnen, unnd die belonung durch vorhittnng aller lieben heiligen, dagegen, von got dem almechtigen nemen. So wollen wirs umb Euer lieb freuntlich zu- vordinen geneigt erfunden werden. Datum zu Weymar am freitag nach Sand Veitstag. Anno domini etc. xiij.

Von gots gnaden Fridrich, Hertzog zu Sachßen, des heiligen Ro. Reichs Ertzmarschall und Churfurst, Landgraf in Doringen und Marggraf zu Meyssenn.

Anerkennung verdient die vornehme Ausstattung dieser Fest- schrift, die aus der Offizin von W. Drugulin in Leipzig hervor- gegangen ist. Von den prächtigen Abbildungen seien erwähnt Friedrich der Weise nach Dürers Kupferstich vom Jahre 1524 und Martin Luther im Jahre 1525 nach dem Gemälde Kranachs in der Lutherhalle zu Wittenberg.

Dresden. Georg Müller.

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Viiorum clarornm saecull XVI et XVII epistolae seleetae. E co-

dicibus mannscriptis Gottingensibus edidit et adnotationibua instruxit Ernestus Weber. Lipsiae, B. G. Teubuer. 1894. X, 195 SS. 8°.

Diese der „bibliotheca scriptorum latinorum recentioris aetatis Teubneriana" angehörende Sammlung von Briefen berühmter Männer des 16. und L7. Jahrhunderts enthält unter anderem auch 1*3 an Wolf Meurer gerichtete Briefe, der, 1513 zu Altenberg geboren, als Rektor der Nikolaischule (1535—1540) und später als Lehrer und Rektor il">n tsj au der Universität zu Leipzig bekannl geworden ist. Acht dieser Briefe hat Georg Agricola zu Chemnitz, der bekannte Miheralog, vier Georg Fabricius, vier Esrom Rüdiuger und einen Adam Siber geschrieben Den Inhalt dieser Briete bilden die wissenschaftlichen Studien dieser .Männer, ihre Sorge um ihre Schüler und die Ereig- nisse ihrer Umgebung, wie wenn Fabricius am 27. Februar 1553 mit- teilt, dafs 2000 Mensehen in Meifsen an der Pesl gestorben sind, „offenbar eine grofse Menge im kleinen Städtchen1*, oder wie wenn er unter dem 30. April 1553 schreibt, dafs einer seiner Kollegen 100 Thaler von seinem Fürsten erhalten habe.

So interessant diese Lebensäufserungen berühmter Männer auch sind, so würde es doch nicht unbedenklich sein, wenn in der Ver- öffentlichung auch so unbedeutender Sachen, wie die Nummern 3, 8, 17 sind, fortgefahren würde. Die Briefsammlungen unserer Humanisten würden dann zwar vollständiger, aber auch auf Kosten viel wichtigerer Dinge zu teuer.

Ausführliche Anmerkungen und ein Verzeichnis der in den Briefen berührten Eigennamen erleichtern die Benutzung. Die Nachweise über die erwähnten Personen und Sachen werden vielen sehr will- kommen sein. Matth Marcus Dabercusius (vergl. S. 147) war 1540 Ins 1543 Rektor des Schneeberger Lyceums, worüber auf meinen „Gang durch die Geschichte des Schneeberger Lyceums" (Festschrift zur Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes, Schneeberg 1*!»] , S. I V i Bezug genommen werden konnte. Über Adam Siber war S. 148 vor allem auf Kirchners Biographie zu verweisen.

Schneeberg. Eduard Heydenreich.

Hans Georg von Arnim. Lebensbild eines protestantischen Feld- herrn und Staatsmannes aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Von Dr. Georg Inner. Mit einem Bildnis Hans Georgs von Arnim. Leipzig, S. Hirzel. 1894. XII, 397 SS. 8°.

Zur Abfassung einer Arnim - Biographie erschien niemand be- rufener als Tmier, der durch den ganzen Verlauf seiner Studien auf diesen protestantischen Feldherrn und Staatsmann hingewiesen worden war. Man durfte dem Erscheinen seiner neuen Veröffentlichung mit Spannung entgegensehen, weil er sich mit dem in seinen „Verhand- lungen" abgedruckten Materiale nicht begnügt, sondern neuerdings Forschungen in verschiedenen deutschen und fremden Archiven an- gestellt hatte und weil besonders in dem 3. Bande seiner „Verhand- lungen" gegen früher eine günstige Wandelung in dem Erfassen und Verarbeiten des Stoffes, sachlicheres Urteil, gerechtere Würdigung der in Betracht kommenden Persönlichkeiten zu bemerken war. Ein Teil dieser Erwartungen hat sich erfüllt. Es linden sich in seinem „Arnim" einzelne gut durchgeführte Abschnitte, z. B. die Verhand- lungen über die Heirat Gustav Adolfs, neue Mitteilungen über die

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Belagerung- Stralsunds, die Schilderang der Raudnitzer Zusammen- kunft, die Kapitel: Arnim und das Ende Waldsteins, Arnim und Baner in Schlesien u. a. Für die Gesamtheit des Buches läfst sich indes dieses günstige Urteil aus zwei Gründen nicht festhalten; es wimmelt von Flüchtigkeiten und Irrtümern, und sein Verfasser wirft sich zu einem so unbedingten Lobredner seines Helden auf, dafs er seihst die gewaltsamsten Verdrehungen der Thatsachen nicht scheut. Zur Begründung dieses Ausspruchs wird hier (abgesehen von Druck- fehlern Und ungenauen Bücherzitaten in den Noten) nur folgendes angeführt.

Die Berechnung von Arnims Gehurtsjahr (2) führt nicht auf 1583, wie Inner will, sondern auf das Jahr vorher; die Angabe Thurns darüber (365) ist zu allgemein und heweist nichts. Nicht nach zehn (42), sondern nach zwölf Jahren kehrte Arnim 1637 nach Schweden zurück. Die Liebenwalder Schanze wurde nicht am 1. August 16<!7, sondern am 29. Juli von Arnim erohert (v. Webers Arch. f. d. Sachs. Gesch. VIII, 392). Schiammersdorf verläfst die Insel Poel nicht vier (67), sondern sechs Wochen nach dem 20. Oktober. Mitzlaff biegt nach seiner Flucht aus Kosel zunächst nach Süden, nicht nach Norden (62) ab, das dänische Heer wird weit von Friedeberg, bei Granow, nicht zwischen Friedeberg und Landsberg von Pechmann zersprengt. Von den „aus der Neumark verzweiflungsvoll nach- drängenden Dänen" zu sprechen (63), ist arge Übertreibung. Ein- mal wehrten dem die Kaiserlichen, dann eilten die Dänen nach Nord- westen, nach Pommern zu; auch Markgraf Sigismund ist der Meinung, dafs dem linken Üderufer keine Gefahr von ihnen drohe (Opel III, 243). Statt: Zur selben Zeit, als Schlick die dänische Hauptarmee in Jütland schlug, mufs es (Schlick berichtet vom 4. Oktober) heifsen „in Holstein", denn Schlicks Sieg bei Aalborg fand um den 20. Oktober statt. Der erste Angriff der Kaiserlichen vor Breitenfeld „scheint" nicht durch Pappenheim erfolgt zu sein (141), sondern erfolgte wirk- lich durch diesen General. Fürstenbergs Vorgehen gegen die Sachsen begann zwischen 2 und 3 Uhr, nicht um 12; die Behauptung „in diesem kritischen Augenblicke warf sich Hörn auf die Fürsten- bergschen Regimenter" vermag man nicht eher zu glauben, als bis Inner nachgewiesen haben wird, was aus den dazwischen steheuden 13 Infanterieregimentern Tillys geworden ist. Nicht Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg (210), sondern dessen Bruder Julius Heinrich wurde Arnims Nachfolger in Polen, wie 115 richtig steht. Wie kommt der Verfasser zu dem unerwiesenen Ausspruche (188), Branden- burg habe 1632 „nicht mit Unrecht" Annexionsgelüste Sachsens auf Schlesien befürchtet? Aus der unbestimmten Aufserung Waldsteins zu Bubna, Sachsen müsse Geld schwitzen und heimgesucht werden, zieht Inner (226) viel zu weit gehende Schlüsse; auch ist gegen seine wiederholt auftauchende Ansicht zu betonen, dafs Oxenstierna diese Aufserung nicht provoziert, sondern nur entgegengenommen hat. „Der wilde Tschernembl" und das Wort: Fernandole, willst Du unterschreiben? (228) sind ganz und gar unhistorisch (Gindely, 30 jähriger Krieg II, 77). Arnims Brief vom 19. Oktober 1633 wurde nicht an Bernhard (253), sondern an Wilhelm von Weimar gerichtet. Ganz verunglückt ist die Beschreibung der Schlacht bei Lindenbusch (287V Die erste Entscheidung fiel nicht auf dem linken, sondern auf dem rechten Flügel der Kaiserlichen. Das Ausschlag- gebende, dafs Arnim einige Regimenter von seinem rechten Flügel an der Infanterie seines Centrums vorbei an den linken zog und dafs

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der rechte kaiserliche Flügel nach der Flucht seiner Reiter im zweiten Treffen dieser Übermacht nicht widerstehen konnte, hat Trmer nicht erkannt. „Ein letzter kühner Reiterangriff auf den rechten kaiser- lichen Flügel" (288) hat überhaupt nicht stattgefunden. Inner ttber- schätzl die Bedeutung von Arnims Sieg, wenn er ihn über den Gustav Adolfs bei Lützen stellt (vergl. dazu Schles. Zeitschr. XXIIT, ."{15 flg.; sehen Liegnitz mufste von Arnim umgangen werden, und Glogau geriet, während er auf Breslau zog, wieder in den Besitz des Feindes.) Von geringem militärischen Verständnis zeugt die Versicherung, dafs die Kaiserlichen bei Lindenbusch 4000, die Sachsen 400 Tote verloren haben sollen. Der „Feldmarschall Colloredo" (300) ist nicht Hieronymus, sondern sein Bruder Rudolf. Wenn Ferdinand IL im Juni 1635 Arnims Entlassung ans sächsischen Diensten fordert, ja sich seiner Person bemächtigen will (316), kann er nicht gleich- zeitig den Wunsch aussprechen, Arnim noch ferner an der Spitze der sächsischen Armee zu sehen (322). Herzog Franz Albrecht war bekanntlich sehr reich, schreibt Inner .564. Dann mufs er es erst später geworden sein. In den mehr als 100 ungedruckten Briefen von ihm, die ich aus den Jahren 1625—1629 aufgefunden habe, er- scheint er in ewiger Geldverlegenheit. Görzenich wurde nicht 1628, sondern am 12. Oktober 1627 .„geköpft". Dieser Ausdruck erinnert an andere, vielleicht mit der Übernahme seines neuen Amtes zu ent- schuldigende stilistische Flüchtigkeiten und sonderbare Äufserungen des Verfassers. Arnim wird (2) als der 5. Sohn von 13 Geschwistern des Landvogts Bernd (nämlich des Vaters) geboren; über Gustav Adolfs Reise nach Berlin (26) ist man „selten gut unterrichtet". Seite 30 steht: Am folgenden Tage, am Montag am 29. Juni. 34: Fürschrift (analog wie Fürsprache), 52: unter den Fufs gegeben. Der kurze Feldzug Waldsteins in < »berschlesien erscheint dem Ver- lasser „denkwürdig" (49), Thurn soll 1633 „eine grofse Vergangen- heit gehabt haben" (252), der Krieg bis 1635 „um grofse ideale Ziele" geführt worden sein (324).

Indes, viel mehr als diese Versehen fällt die Grundanschauung Irmers, sein Bestreben alles und jedes aus Arnims heben zu be- schönigen und das nicht zu billigende Verfahren auf, das er dabei anwendet. Wer nicht mit ihm übereinstimmt, ist vorschnell und parteiisch in seinem Urteile (Vorwort), kritiklos (182), ein gewissen- loser Agitator, der bei der urteilslosen Menge Glauben findet (251), ein lokalpatriotischer, ungerechter und vorurteilsvoller Beurteiler, wie Kuck (68); Grünhagen wird zwar noch ein verdienstvoller Fers, her genannt, bekommt aber auch seinen Teil ab (291). Nach Inner (62) wurden die protestantischen Obersten unter Waldstein, ohne dafs sie eine Ahnung davon hatten, zu Werkzeugen, um die Gegen- reformation in Deutschland durchzuführen. Darunter befand sich derselbe kluge Arnim, der sich 1631 vor seinem Einmärsche nach Böhmen eine ihn entlastende Urkunde seines Kurfürsten ausstellen litis (145), den die Herzogin von Pommern 1632 einen witzigen und listigen Kopf nannte (165), der hei seinem geheimen Briefwechsel mit Sparre die Vorsicht selber war (168), der sich vor seinen letzten Verhandlungen mit AValdstein abermals eine sächsische Versicherung ausbedang, weil ihm „bei dieser Sache nicht ganz wohl war". Nur Gt wissensbedeuken wegen des Restitutionsediktes (116) leiteten ihn bei seinem Austritte aus dem kaiserlichen Dienste; von Arnims Be- fürchtungen wegen der Boitzenburger Klostergüter (Ranke, Wallen- stein 171) weifs Inner nichts. Wie er in dem die kaiserlich ge-

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sinnten Stralsunder verdächtigenden Schreiben Sattlers (91) eine Rechtfertigung des Mißtrauens herausfinden kann, das Arnim gegen die Stadt hegte, ist unerfindlich. Nichl der Herzog- von Pommern bat sich nach dem Verfasser (72) zn beklagen, dafs sogleich gegen den Wortlaut der von Arnim zustande gebrachten Franzburger Kon- vention von den Kaiserlichen im Lande geplündert und Rügen be- setzl wird, sondern Arnim, nach dessen Ausdruck das, was die Soldaten rauhten, höchstens alter Plunder war. An der Falschheit, mit der Arnim als Vertreter Waldsteins in Mecklenburg verfährt, mit der er anfangs September 1628 den pommerschen Gesandten Ab- führung der kaiserlichen Truppen in Aussicht stellt (97). nimmt der Verfasser keinen Anstofs. Den Diplomatenklatsch, dafs Herzog Franz Albrecht das sächsische Heer an Frankreich habe ausliefern und sein bares Vermögen von einer Million Reichsthalern (!) eben- dabin habe flüchten wollen, glaubt Inner und nennt ihn einen „teuf- lischen" Plan (226) trotz des Herzogs eigner überzeugender Gegen- versicherung (über seinen Charakter Ranke, W. 385) und obwohl Kurfürst Johann Georg dies Gerücht als ein aus persönlichen Zwistig- keiten hervorgegangenes Geschwätz bezeichnet hat; das aber läfst er weg, was Ruppa über Arnim bemerkt, es sei dessen Brauch gern zu leugnen, was er vorher gesagt oder gethan habe. Von einem fin- den September 1633 geplanten Zurückziehen beider Armeen bis an die seh lesische Grenze (245) steht in der ihrer ganzen Be- schaffenheit nach glaubhaften Aussage Franz Albrechts kein Wort, hals der Plan sonst nicht erwähnt wird, macht diese Aussage allein nicht unglaubwürdig: auch hätten die Schlesier dabei durchaus nicht geopfert werden müssen. Durch seinen Abzug aus Schlesien anfangs Oktober 1633 hat Arnim gewifs einen strategischen Fehler begangen (derselben Ansicht ist Wittich, Hist, Zeitschr. 72, 389); Thurn war sicher nicht „der einzige Schuldige" (252). Er hatte zwar Arnim zugestimmt, aber wie durfte dieser Schlesien verlassen, wenn er Thurn nicht streng befehlen konnte, was zu thuu war, wie durfte er Franz Albrecht gleichzeitig Urlaub erteilen? Tägliehsbeck hat an Arnims Strategie allerdings nichts auszusetzen (253), aber nur negativ: er schweigt sich völlig aus, ja die Note auf S. 29 mit dem Hinweise auf Arnims Gefügigkeit klingt doch wie ein leiser Tadel. Grünhagen hat mit seinen Vorwürfen ganz recht, denn Arnim ist es gewesen, der, obwohl er wissen mufste, dafs auf seinen Kurfürsten in diesem Punkte kein rechter Verlafs war, die Schlesier durch sein heftiges Zureden ins Elend gestürzt hat (Arnim gesteht es S. 318 selbst zu). Wer den Wert von Irmers Phrase (289): Die Schlesier begrüßten Arnim zum zweiten Male als ihren Erretter, bis auf den Grund er- fassen will, mag Bogen L bis P der sehr wertvollen gleichzeitigen schlesischen Flugschrift „Loci communes" nachlesen. Seite 378 be- hauptet Inner, Arnims politisches Ideal sei eiu deutsches protestan- tisches Kaisertum (daran hat er gewifs nicht ein einziges Mal in seinem Lehen gedacht!) auf den Trümmern des alteu heiligen römischen Reichs deutscher Nation gewesen; im blanken Gegensatz dazu läfst er im April 1632 seinen Helden schreiben (171), er halte die bis- herige Reichsverfassung für so kräftig, so weise und so reiflich er- wogen, dafs menschlicher Verstand nichts Besseres erfinden würde. Wo es nur angeht, bürdet Irmer Fehler, die Arnims Ruhm irgeudwie verkleinem könnten, schleunigst einem anderen auf; be- sonders schlecht kommt der Kurfürst von Sachsen dabei fort. Er wirft ihm Vergeben und Unterlassungssünden vor (159, 301), die

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bei anderen Fürsten der Zeit ebenso üblicb waren, oder er macht ihn für Beschuldigungen verantwortlich (215), die unsicher sind und von unfreundlich gesinnter Seite stammen. Was ein gewissenhafter Forscher (Opel) in dieser Zeitschrift VIII, 28 zugunsten Johann Georgs mitgeteilt hat, ist ihm entgangen. Arnim führt zumeist die Verhandlungen mit Sparre, und dem Kurfürsten wird von Inner die Schuld heigemessen (209 >. Inner gesteht zu (210), dafs Franz Albrechts Ernennung zum sächsischen Feldmarschall auf Arnims Empfehlung zurückzuführen war. nennt das aber nicht einen Fehler Arnims, sondern der Bächsischen Politik. Er verschweigt (213), dafs Arnim gegen Hoe schliefslich seine Zufriedenheit auch mit Thurns Ernennung aussprach (Inner. Verh. II, 86). Hei Breitenfeld, wo es beinahe übel ablief, hat natürlich nicht Arnim, sondern der Kurfürst den Oberbefehl über die Sachsen geführt (141 ). Sich selbst korrigiert der Verfasser ungern. Nach 233 gab Arnim die erste Anregung zu den neuen Verhandlungen im .luli 1633. nach „Verhandl." 11. LV aber Waldstein ; ebenda I , XXXIX und öfters spricht sich Inner noch tadelnd über Arnim aus, in seiner neuen Arbeit so gut wie niemals, macht jedoch nicht auf diesen Widerspruch aufmerksam. Täglichsbeck soll die Gehässigkeit der Droysenschen Darstellung gegen Arnim hervorgehoben haben (189); ich fand trotz alles Suchens nichts darüber. Oxenstierna soll 1633 in Berlin Arnim das Zeugnis eines klugen und ehrlichen Mannes gegeben haben (183); schlägt man die Citate dafür nach (Inner, Verhandl. II, 40 und 322), so steht davon nicht nur nichts, sondern genau das Gegenteil darin ; der schwedische Kanzler aufseile, Arnim sei so gar tectus und irresolut, das gröfste Unglück sei, dafs der Kurfürst von Sachsen an den von Arnim geraten wäre! Ein anderes Mal (45) verschwelet [rmer aus den von ihm benutzten dänischen Protokollen (Beweis Opel III, 241) die Nachricht, dafs Arnim im Januar 1627 Christian IV. seine Dienste angeboten hat, und wieder steht bei ihm oben im Texte bei- nahe das Gegenteil von dem, was die Belagstelle enthält. Opel nennt 1. c. Arnim völlig charakterlos; dieser märkische Patriot habe seine durch die Unterhandlungen mit den dänischen Politiken] ge- wonnene Kenntnis von der sehr mitslichen Lage Christians IV. schleunigst Aidlingen zukommen lassen. Und wen nennt er als Quelle V G. Inner, Hans Georg von Arnim als kaiserlicher Oberst, 1877, Diss. S. 5!

Jedem anderen möchte es nicht leicht geworden sein, immer Worte der Entschuldigung für Arnims Thun und Lassen zu ünden, denn dieser sehr begabte Mann war zugleich überaus eitel und empfindlich. Wiederholt und selbst in kritischen Momenten, wo Aus- harren und Treue geboten war (191). forderte er seinen Abschied; manchmal blieb er auch, wenn ihm Beförderungen in Aussicht ge- stellt wurden (72, 196). Er war von einer Unbeständigkeit ohne gleichen. Im August 1628 bittet er Oxenstierna um vertrauliche Be- sprechungen, und zwei Monate darauf erklärt er sich bereit, den Oberbefehl über die kaiserlichen liilfstruppen inPolen gegen Schweden zu übernehmen (104). Bis tief in den Mai 1631 hinein eifert er gegen eine Verbindung Sachsens mit Schweden und ist dann im Handumdrehen dafür (127). Vierzehn Tage nach Gustav Adolfs Siege bei Breitenfeld steht er mit Dänemark (144) und gleichzeitig mit Waldstein (148) in Verbindung und unterhandelt ein Vierteljahr danach zum Nachteile Schwedens mit dein Friedländer (157). Im Juni 1635 will er nicht mit dem Kaiser, dem Verfolger der Christ-

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liehen Kirche, fechten (316), ein Jahr später nicht zn Oxenstierna reisen, weil er die Empfindlichkeit Ferdinands II. fürchtet (335). Sein eigner Landesherr tränt ibm Pläne auf die Überrumpelung Königsbergs zn (108), seine Gefangennahme wird als eine zwischen ihm und Schweden abgekartete Sache hingestellt (345). Zuletzt ist er gleichzeitig mit den Höfen von Wien , Berlin und Dresden zer- fallen (328) und sinkt zu einem von allen Parteien mit Mifstrauen betrachteten Projektenmacher herab. Seine ruhelose Vielgeschäftig- keit, sein unbezähmbarer Vermittlungsdrang verliert sich am Ende in ein wirres Getriebe politischer Pläne und militärischer Anschläge (362). Es ist wahrlich „tragisch und ein eigentümliches Verhängnis", dafs Arnim Mitte Januar fb37 Berlin nicht zn verlassen Avagt, weil er weder schwedischen , noch kaiserlichen Soldaten in die Hände fallen will, dafs sich nach seiner Gefangennahme kaum eine Hand für ihn rührt, mit Ausnahme der des Herzogs Franz Albrecht, den er nicht immer freundlich behandelt hatte. Was aber andere mit Unzuverlässigkeit und Achselträgerei bezeichnen würden, heifst bei Inner „furchtlose Charakterfestigkeit" (373). Er nennt seinen proteus- artigen, in den Farben aller Parteien schillernden Helden „eine schlichte Persönlichkeit" (Vorwort). Mit unglaublicher Leichtigkeit gleitet er meist über die Widersprüche und sprunghaften Wandlungen in Arnims politischem Verhalten hinweg und sucht sie mit vielen Worten immer von Fall zu Fall in ein günstiges Licht zu stellen. Inner erfafst die Verhältnisse zu wenig im ganzen, er bleibt zu sehr auf der Oberfläche. So gelangt er z. B. nicht zu der Erkenntnis, dafs zwischen Arnim und Gustav Adolf ein tiefer, bei jeder Bewegung beider Männer sich erneuernder (10, 34, 42) innerlicher Gegensatz besteht, und weist, obwohl er Hunderte von Briefen Arnims gelesen hat, nicht einmal auf dessen Gewandtheit im Gebrauche der Mutter- sprache hin, die der vielgerühmten stilistischen Fertigkeit Aldringens weit überlegen war. Aus dieser Unlust in die Tiefe zu gehen, er- klärt sich wohl auch, warum er so häufig Spezialuntersuchungen (z. B. auch über die Schlacht bei Lindenbusch) wünscht, statt solche selber zu liefern. Alles in allem beweist Irmers Buch, wohin ein begabter Historiker gerät, wenn er nicht auch im Kleinen gewissen- haft arbeitet und wenn er seine Arbeit lediglich der Verherrlichung gleichviel welcher Persönlichkeit widmet.

Breslau. J. Krebs.

Der niedersächsisch-dänische Krieg von Julius Otto Opel. 3. Band Der dänische Krieg von 1627 bis zum Frieden von Lübeck (1629). Magdeburg, Fabersche Buchdruckerei (A. und R. Faber). 1894. 4 Bll., 749 SS 8°.

Mit dem vorliegenden Bande erreicht das umfassend angelegte, ein schönes Zeugnis deutschen Gelehrte nfleifses bildende Werk nach langer Pause seinen Ahschlufs. Der Grund für die Unterbrechung in seinem Erscheinen liegt offenbar mit darin, dafs die inner- und aufserdeutschen Archive, vornehmlich die dänischen Akten, von dem Verfasser wiederholt gründlich durchforscht worden sind. Durch diese erweiterte Quellenheranziehung' und das Auffinden von seltenen gleichzeitigen Druckschriften ist es ihm gelungen, trotz des von seiten der dänischen Historiker in den letzten Jahren über die Regierung Christians TV. zum Druck beförderten umfangreichen

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Aktenmaterials eine Fülle neuer und wichtiger Mitteilungen zu ver- öffentlichen. Wie leider für sehr viele Jahre des 30jährigen Krieges, mangelte es an genügenden Vorarbeiten über den verlauf der mili- tärischen Ereignisse auch für die Zeit von 1627 bis 1629", < »pel sah sich deshalb genötigt, der Landesgeschichte einen gröfseren Raum zu widmen und den (lang des Krieges vielfach seihst zuerst nach den Akten zu schildern. In welchem Mafse seine, namentlich auch nach der kritischen Seite hin, wertvollen und musterhaften Forschungen unser Wissen bereichert haben, kann hier, wo Referent sich auf Sachsens Politik beschränken mufs, nicht erschöpfend dar- gelegt werden. Am Anfange des .Jahres Wil'i nahm Kursachsen noch eine achtunggebietende Stellung ehr, der Kaiser verschonte es um diese Zeit „aus einer gewissen furchtsamen Zurückhaltung" mit Einquartierung (15). In den Herbstmonaten von 1626 rufen die Herzöge von Braunschweig, Holstein und Lüneburg, sowie der Dänenkönig seine Verwendung an (70), später verwahrt sich Johann Georg mit kräftigen Worten gegen die Überschwemmung der kleinen mitteldeutschen Staaten mit kaiserlicher Soldateska, weil es dabei „den Anschein gewinne, als wolle man die Stände unter eine immer- währende Kontribution bringen" (670). Die brandenburgischen Staats- männer sehen manchmal mit Mifstrauen auf den sächsischen Nachbar 1 1 und stehen andererseits in starkem Abhängigkeitsverhältnis zn ihm (243). Von besonderer Bedeutung für die Geschichte Sachsens und zum ersten Male genau und ausführlich nach den sächsischen Quellen erzählt, ist das Verhalten Johann Georgs bei der Berufung und dem Verlaufe des Mühlhausener Kurfürstentages von 1627 (374 f.). Wie richtig der Dresdener Hof die einflufsreiche Stellung Waldsteins erkannt und wie wenig Treu und Glauben er dem ver- schlagenen Manne zugetraut hat, beweist die Vorstellung des Kur- fürsten an seinen Agenten Lebzelter, dafs der General die von ihm ausgestofsenen Schmähungen der Bürger von Halle einfach ableugnen könne (13). Das Auftreten des Herzogs von Friedland gegen Sachsen war höhnend und rücksichtslos. Tm November 1627 liefs er Truppen in den obersächsischen Kreis (442), im Februar des nächsten Jahres vier Regimenter in die an Sachsen verpfändete Lausitz einrücken (459), und der Kaiser billigte diese Anordnung trotz aller Proteste Johann Georgs (591), so dafs sich der Kurfürsl energisch weigerte, an einem zur Ordnung der Nachfolge im Reiche geplanten Kollegialtage teilzunehmen (665). Es war ihm bei seiner schwieriger gewordenen Stellung zu Ferdinand IT. ganz lieb, dafs dieser, im Gegensatz zu den übertriebenen Hoffnungen Christians IV., seine Vermittelung bei den Lübecker Verhandlungen nicht anrief, und vielleicht lehnte er es auch aus diesem Grunde direkt ab, für seinen künftigen Schwiegersohn, den Herzog von Holstein, Ver- wendung heim Kaiser einzulegen (697). In den ersten Friedens- bedingungen der katholischen Feldherren für den dänischen König wurde diesem zugemutet, Jütland dem Kurfürsten, 'der dafür die Lausitzen herausgeben sollte, einzuräumen; Sachsen sollte Jütland so lange behalten, bis sein Anspruch an den Kaiser aus den Ein- künften dieses Landes befriedigt oder bis ihm von Dänemark ander- weitige Genugthuung zu teil geworden sei (718). Schliefslich mögen hier noch zwei Ergänzungen Platz finden. Aus der von Opel nicht angeführten, im 39. Bande der Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien publizierten Abhandlung Gindelys über die maritimen Pläne der Habsburger erfahren wir, dafs der im April 1628

Litteratur. 157

geschlossene Hansatag das im Juni ablaufende Bündnis mit den Holländern nicht wieder zu erneuern und dem Kaiser, falls dieser den Krieg gegen Christian IV. zur See fortsetzen werde, mit „100 oder 10 Schiffen" beizustehen versprach, weil die Hansa doch mit den Dänen brechen müfste. Der diese Worte enthaltende Brief Schwarzenbergs an Khevenhiller läfst Opels 498 Note 1 geäufserten Zweifel an dieser Thatsache nicht mehr berechtigt erscheinen. Zu der 336 ausgesprochenen Vermutung, Schlick habe mit den bei Aalborg entwaffneten dänischen Reitern nichts zu schaffen haben und sie nicht unter seine Truppen aufnehmen wollen, ist zu be- merken, dafs sowohl die bei Oldenburg wie die bei Aalborg ge- fangenen Dänen sofort und in erheblicher Zahl unter die Kaiserlichen eingereiht wurden. Die Kompagnie des Oberstlieutenants Melchior von Hatzfeldt war mit 72 Mann über Schlesiens Grenze geritten, in Holstein und Jutland erhielt sie einen Zuwachs von 42 dänischen Heitern; ähnlich ging es bei den übrigen Kompagnien des alt- sächsischen Kürassierregiments zu. Ein Register wäre für die drei stattlichen Bände sehr erwünscht gewesen.

Breslau. Julius Krebs.

Zur Geschichte der kursächsischeu Politik heim Ausbruche des österreichischen Erbfolgestreites. Von Carl Hübner. (Leipziger lnaugural-Dissertation.) Leipzig-Reudnitz, Oswald Schmidt. 1892. 114 SS. 8°.

In der Einleitung zeigt Hübner, wie Sachsen trotz wieder- holter Anerkennung der pragmatischen Sanktion (1719 anläfslich der Vermählung des Kurprinzen Friedrich August mit der Erzherzogin Maria Josepha, 1733 beim Vertrag mit Karl VI. zur Erlangung von Hilfe für die polnische Thronbewerbung) stets den Hinter- gedanken bewahrte, gegebenenfalls sich an die Verzichtleistung der Kurprinzessin nicht gebunden zu erachten , sondern auf Grund der Erbfolgeordnung von 1703 die ihr als der ältesten Tochter Josephs I. zugedachten Rechte geltend zu machen. Infolge der militärischen Schwäche und finanziellen Schwierigkeiten vermochte Sachsen aber nicht selbständig aufzutreten, und das Schaukelspiel von Verhand- lungen auf mehreren Seiten zugleich trug keineswegs dazu bei, die Stellung Sachsens, das sich so für alle Eventualitäten einen Auswreg offen halten wollte, zu bessern. Praktisch unhaltbar von vornherein war der mehrfach betonte Standpunkt, gegen Österreich auftreten und doch gleichzeitig die pragmatische Sanktion aufrecht erhalten zu wollen, um nicht durch Zerstückelung der Erbschaft die etwaigen Rechte der eigenen Königin zu schädigen. Wir sehen, wie im November 1740 Geneigtheit besteht, es mit Osterreich zu halten, falls sich von ihm Vorteile erlangen liefsen; da aber Maria Theresia dazu nicht zu bewegen war, auch Sachsens begründeter Einspruch gegen die Ernennung des Groi'sherzogs von Toskana zum Mitregenten und Führer der böhmischen Kurstimme uubeachtet blieb, trat bald eine Spannung ein, die auch durch den im Dezember 1740 von der Kaiserinwitwe Amalie geförderten, erfolglosen Heiratsplan zwischen dem Kurprinzen Friedrich Christian und Maria Theresias Schwester Maria Anna nicht behoben wurde Im Dezember näherte man sich Preufsen und die Verhandlungen schienen den besten Verlauf nehmen zu wollen, nur verlangte Friedrich IL, Sachsen solle entschieden

I :>s Litteratur.

Farbe bekennen, wogegen er sicli ebenso bestimmt zur Mitverfechtung der sächsischen Ansprüche verpflichten wollte. Khevenhüllers Sendung nach Dresden Ende Dezember und besonders der Einflufs der Königin Maria Josepha und des königlichen Beichtvaters Guarini bewogen jedoch Brühl im Januar 1741 zu einer Schwenkung, und als er bei abermaligem Mangel genügenden Entgegenkommens österreichischer- seits wiederum nach Preufsen hin zu lavieren gedachte, fand er bei Friedrich keine Geneigtheit, sich mit dem unzuverlässigen Nachbar einzulassen. Besonders schädlich wurde den sächsischen Inter- essen die Unentschlossenheit gegenüber Frankreich; denn während Frankreich, trotz mancher Neigung zur Unterstützung Baierns, an- fangs zwischen Sachsen und Baiern schwankte und Kardinal Fleury den sächsischen Gesandten Poniatowski und Fritsch mit Wohlwollen begegnete, trug gerade deren fortgesetztes, peinliches Verbleiben ohne Instruktion und das unwürdige Hinhalten dazu bei, Frankreichs Entscheidung trotz aller Bemühungen des eifrigen Vertreters , den Sachsens Interessen heim Hofe zu Versailles am Marschall Moritz besafsen, und trotz der Unterstützung Spaniens, zu Gunsten der bairischen Bestrebungen um die Kaiserkrone ausfallen zu lassen. - Dasselbe unerfreuliche Bild bieten die Verhandlungen im Januar mit Baiern. Dies zeigte grofses Entgegenkommen und bei dem Einver- ständnis mit Frankreich, dem eine Einigung zwischen beiden und gemeinsames Vorgehen mit ihnen besonders erwünscht gewesen wäre, bei der gleichen Haltung Spaniens und der Wahrscheinlichkeit, auch die von Baiern bereits angestrebte Verbindung mit Preufsen zu be- werkstelligen, bot dieses Vorgehen die denkbar geringsten Gefahren bei Verhältnis mäfsig ansehnlichen Vorteilen; doch Brühl kam nicht zum nötigen Entschlüsse, weil er Baiern den Mitvorteil mißgönnte. Den unerquicklichsten Eindruck gewähren die Verhandlungen mit Rufsland, auf dessen Hilfe Sachsens Haupthoflhung beruhte, die mir Biroris Sturz zusammenbrach, so sehr sich auch Sachsen be- mühte, von der neuen Regentschaft die Fortführung des bisherigen Verhältnisses und Anerkennung des geheimen Vertrages von 17:59 zu erwirken. Den Schlufs bildet die Darstellung der englischen Beziehungen, und hier traf man bei der gleichen Situation Hannovers gegenüber Preufsen und Georgs IL dadurch bedingter Abneigung gegen seinen Neffen Friedrich II. auf Gesinnungsverwandtschaft und trat in nähere Verhandlungen zur Erzielung des von Georg ge- planten grofsen Konzerts, das auf Zerstückelung Preufsens hinstrebte und Sachsen die ersehnte Vergrößerung bringen sollte. Da die Arbeit im Beginn dieses Getriebes bei der Sendung des englischen Gesandten Villers nach Dresden abbricht, vermifst man einen eigentlichen Ahschlufs. Hübner hat sich bemüht, besonders aus Dresdner archivalischem Material unter fleifsiger Beiziehung der Litteratur ein Bild der ver- schlungenen Beziehungen zu entwerten: durch die Menge neuer Aufschlüsse, die, ohne die bisherige Auffassung im wesentlichen zu beeinflussen, die Kenntnis dieser Vorgänge doch in manchen Punkten berichtigen und in vieler Hinsicht ergänzen und ihr schärfere Be- leuchtung zuführen, hat die Arbeit ihren Wert. Anzuerkennen ist auch tlie Unbefangenheit, mit der der Verfasser seinem mehrfach heiklen Gegenstand gerecht geworden ist; denn das Bild, das hier im Einzelnen von Brühls Politik entworfen wird, ist trotz (oder richtiger, gerade weil) es vorwiegend aus sächsischem Material selbst aufgebaut ist, wenig erfreulich. Brühl vergafs die alte Spruch- weisheit, dals der Sperling in der Hand besser ist, als die Taube

Litteratur. 159

auf dein Dache. Während ihm ein entsprechender Machtzuwachs, •i. B. durch angrenzende Teile Böhmens von den meisten in Frage kommenden Mächten (Prenfsen, Baiern, Frankreich,, Spanien) bereit- willig' zugestanden worden wäre und damit von Österreich zu er- zwingen war, ging man nicht darauf ein, weil man die Ansprüche auf die ganze Erbschaft nicht einengen wollte, andererseits auch einen Landerwerb nach anderer Richtung hin (in Schlesien zur Ver- bindung mit Polen oder auf Kosten Preufsens in der Lausitz, Magde- burg) vorzog; doch es bewahrheitete sich auch hier: „Qui trop ein- brasse, mal etreint".

Dresden. Lippert.

Karl August als Chef des 6. Preufslschen Kürassier -Regiments 1787 1794. Von P. von Bojanoivski. Mit einer Silhouette des Herzogs. Weimar, Hermann Böhlau. 1894. VII, 147 SS. 8°.

Die kleine Schrift bildet einen interessanten Beitrag zur Ge- schichte eines iu vielen Beziehungen hochbedeutenden Fürsten, des auf dem Titelblatt des Buches nur mit seinen Vornamen bezeichneten, nachmaligen Grofsherzogs von Sachsen -Weimar, Karl August, des genialen Freundes von Goethe.

Schon früh die Notwendigkeit einer Beform der Reichsverfassung erkennend, trat er 1787 in den preufsischen Heeresdienst. Friedrich Wilhelm II. ernannte ihn zum Generalmajor und Chef des in Aschers- leben garnisonierenden 6. Kürassier -Regiments; 1790 wurde er In- spekteur der Magdeburgischen Kavallerie -Inspektion und 1792/93 nahm er mit seinem Regiment an dem Feldzug am Rhein teil, wie auch weiteren Kreisen aus Goethes Schilderungen der Ereignisse jener Zeit bekannt ist. Karl August ist später noch zweimal mit in den Krieg gezogen: 1806 konnte er mit der in anderer Richtung in Marsch gesetzten und von ihm befehligten Avantgarde nicht rechtzeitig bei Auerstädt eintreffen, 1814 führte er als russischer General ein Armeekorps in den Niederlanden; dem preufsischen Heere hat er bis zu seinem Tode als Chef des 8. Kürassier- Regiments angehört.

Die Beziehungen, welche sich 1787 bis 1794 zwischen Karl August und seinem Regiment entwickelt hatten, waren die denkbar günstigsten. Göthe gedenkt der Trennung derselben mit den Worten: „Das Wehklagen des Regiments war grofs durch alle Stufen, sie verloren Anführer, Fürsten, Ratgeber, Wohlthäter und Vater zugleich." Die Art, in welcher 1793 der Krieg am Rhein geführt wurde, ver- bunden mit dem Gefühl der Verpflichtungen, die er seinem Lande gegenüber zu erfüllen hatte, verleideten dem Herzog die erst gehabte Absicht, auch am Feldzuge 1794 teilzunehmen. Er hat sich aber bei jeder Gelegenheit als tüchtiger und tapferer Soldat und treu Mirgender Vorgesetzter bewiesen. Aufser den Mitteilungen über des Herzogs persönliche Erlebnisse bringt das Buch in dem Anhange mancherlei, was besondere Beachtung verdienen dürfte die ab- fällige Beurteilung einer Kabinetsordre Friedrich Wilhelms III. vom 7. März 1803, betreffend die Beförderung der Offiziere mit übler Führung, die der Handschriftensammlung der grofsherzoglichen Biblio- thek zu Weimar entnommenen Entwürfe eines ausgewiesenen fran- zösischen Offiziers für den Einmarsch in Frankreich und den Abdruck einer handschriftlichen Rangliste von 1788 „derer Offiziere des k. preufsischen herzogl. Weimarischen Kürassier-Regiments".

Dresden. Exner.

IGO Litteratuf.

üie Anteilnahme der Königlich Sächsischen Armee am Feld- zuge gegen Österreich und die kriegerischen Ereignisse in Sachsen im Jahre 1S01). Nach amtlichen Unterlagen bearbeitet von Moritz Exner, Oberstleutnant z. D. nnd Vorstand des König- lich Sächsischen Kriegs- Archivs. Dresden, Wilhelm Baensch, 1894. 135 SS. 8°. 6 Pläne.

Die nationale Einigung Deutschlands hat unter anderem den Vorteil gebracht, dafs man die hinter uns liegenden Zeiten, in denen das Vaterland noch gespalten war, Deutsche noch gegen Deutsche das Schwert zogen, unbefangen und freimütig schildern kann. Wenn jetzt der preufsische grofse Generalstab die Geschichte der schlesi- sischen Kriege schreibt und Roon sich in seinen Denkwürdigkeiten schinft' über das kaiserliche Heer äufsert, wird dies sicher nichts an der gegenseitigen Zuneigung der Völker Deutschlands und Öster- reichs ändern. Die Darstellung jener Zeiten hat aber den hohen Wert , dafs sie uns schwierige Lagen , politische Krisen und eigen- ii t ige Verhältnisse vor Augen führt und dabei namentlich der Armee klar macht, dafs sie stets ihrem Eide und ihren Pflichten treu bleiben mul's und nur dem Gebote ihres Kriegsherrn, was dieser auch an- befiehlt, zu folgen hat. Treues Festhalten in unglücklichen Stunden ist oft ruhmreicher gewesen als siegreicher Erfolg.

Da einerseits sich nicht selten das geflügelte Wort „L'histoire est une fable convemie" bewahrheitet, andererseits die Geschichte in jedem Geiste sich anders wiederspiegelt, ist eine geschichtliche Dar- stellung nur dann von Wert, wenn sie aus den ursprünglichen Quellen schöpft. Dies ist bei dem uns vorliegenden Werke in hohem Grade der Fall. Nach den besten amtlichen Unterlagen beider Parteien schildert der Verfasser klar und fesselnd die Anteilnahme des sächsischen Armeekorps am Feldzug von 1809 gegen Österreich und die kriegeri- schen Ereignisse in Sachsen im Jahre 1809.

Im ersten Abschnitt folgt einer Charakteristik der sächsischen Armee die Darstellung der Mobilmachung, der Versammlung und des Marsches derselben an die Donau. Die besprochene kriegerische Thätigkeit nmfafst die Gefechte an der oberen Donau, den Marsch nach Wien, die entscheidende Schlacht bei Wagram und die Ver- folgungsgefechte. Den Abschlufs der Ereignisse bildet der Rück- marsch nach Sachsen. Der zweite Abschnitt beschreibt die Organi- sation der sächsischen Landesverteidigung während der Aliwesenheit der mobilen Armee, den Einfall des Herzogs von Braunschweig und seiner Mannen, sowie des österreichischen Korps des Generals am Ende in Sachsen und die Operationen gegen diese Abteilungen seitens sächsischer Truppen und des heranrückenden Königs von Westfalen. Anlagen mit vielfachen interessanten Einzelheiten und Kartenskizzen vervollständigen das vorzüglich ausgestattete Werk. Die Ansicht des nach der Natur gezeichneten Dorfeingangs von Wagram ver- anschaulicht eine Stätte, wo viel sächsisches Blut geflossen ist. I >as Buch sei jedem Sachsen, sei jedem Soldaten warm empfohlen.

Dresden. von Schimpff.

Historische Untersuchungen. Ernst Förstemann zum fünfzig- jährigen Doktorjubiläum gewidmet von der historischen Gesell- schaft zu Dresden. Leipzig, Teubner. 1894. VI, 142 SS. 8°.

Die historische Gesellschaft zu Dresden, von Ernst Förste- mann L870 gegründet und lange Jahre hindurch geleitet, welche

Litteratur. 161

in der Zahl ihrer Mitglieder Spezialkenner und -forscher aus den verschiedensten Gebieten der Geschichtswissenschaft vereinigt, hat ihrem als idealstem Hüter und Verwalter öffentlicher Bücherschätze und als ausgezeichneten, liebenswürdigen Gelehrten in den weitesten Kreisen hochverehrten Gründer zu seinem fünfzigjährigen Doktor- jubiläum einen bunten Straufs von kleinen historischen Untersuchungen dargebracht, auch dabei über die eigene Vereinsthätigkeit in Gestalt eines von Gustav Diestel zusammengestellten Jahrbuches berichtet. Hier kann nur der Inhalt der auf sächsische Geschichte bezüglichen Arbeiten kurz angedeutet werden.

Die Abhandlung von Woldemar Lippert „Über das Geschütz- wesen der Wettiner im 14. Jahrhundert" (8.80 93) giebt in ihrem ersten Abschnitt „Aus der Zeit der Bailisten" den Wortlaut der im Dresdner Hauptstaatsarchiv enthaltenen ältesten landesherrlichen Büchsenmeisterbestallungen, denen noch Regesten einiger anderer angeschlossen sind. Die Einnahmen und Pflichten des Schützen- meisters werden erörtert; wir sehen, dafs von einer einheitlichen Organisation des Geschützwesens, wie in Frankreich, wo demselben ein Oberschützenmeister, grand maitre des arbaletriers, schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts vorstand, in unseren Landen noch nicht die Rede ist. In einem zweiten Abschnitt handelt Lippert von der Einführung der Feuerwaffen und speziell von Johann Schuftel, „dem ersten Artilleristen oder besser Artillerieoffizier in wettinischen Diensten". Am Schlufs werden aus dem Hauptstaatsarchiv zu Dresden einige Bestallungen von Büchsenmeistern und die älteste Original- bestallung eines Geschützgiefsers vom 11. Dezember 1449 mit- geteilt r).

Unter Benutzung ungedruckter Akten des Hauptstaatsarchives in Dresden entrollt Georg Müller S. 105-117 ein Lebensbild von „Johann Erhard Kapp als Professor an der Universität Leipzig". Im Besitze ausgedehnter Sprachkenntnisse war dieser ein fruchtbarer Schriftsteller, insbesondere auf dem Gebiete derüniversitäts-, Gelehrten- und Kirchengeschichte. Bei der studierenden Jugend aller Fakultäten wollte er Begeisterung wecken für die Wissenschaften, und mit der schöngeistigen Bildung sollte die Charaktererziehung Hand in Hand gehen. Aus seinen eigenen beweglichen Worten lernen wir seine bedrängte finanzielle Lage kennen. Nicht weniger als sechsmal war er Rektor der Universität, so auch 1746, wo er Lessing immatriku- lierte. S. 111 ff. ist als Beilage ein von ihm 1728 verfafster Bericht abgedruckt, in welchem er nicht nur ein Bild seiner Wirksamkeit entwirft, sondern auch seine Grundsätze über Unterricht und Erziehung auf der Universität entwickelt.

S. 118 127 handelt Paul Rachel über die Belagerung von Danzig 1807 nach Aufzeichnungen eines sächsischen Reiters. Unter den Truppen, die damals Danzig belagert haben, erscheinen auch zum ersten Male Sachsen auf französischer Seite, eine Folge davon, dafs das Königreich Sachsen zum Rheinbund getreten war. Über die Erlebnisse dieser sächsischen Truppe berichtete Rachels Grofsvater mütterlicherseits, Karl Gottfried Grohmann, der damals Fourier bei den Chevauxlegers vom Regiment Johann war und 1853 als Hof-

]) Weitere Urkunden, dai unter eine Bestallung des Büchsen- giefsers Mertiu zu Gotha vom 15. Juni 1388, giebt Lippert in der Zeitschrift des Vereins f. thüring. Geschichte XVII (N. F. IX), 365-370.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 11

162 Litteratur.

sekretäv des Königs Friedrich Allgast II. gestorben ist. Dieses Kriegsjournal zeichnet mit grofser Genauigkeit alles Wichtige auf. was der niederschreibende Fourier erlebte oder erfahren konnte. Einige wenige kleine Züge sind wohl eine Bereicherung für die Einzelgeschichte jener Zeit, in der Deutsche unter französischer Führung gegen Deutsche stritten.

Schneeberg. Eduard Heydenreich.

Das Kreuzkantorat zu Dresden. Nach archivalischen Quellen be- arbeitet von Dr. Karl Held. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1894. 172 SS. 8°. (Sonderabdruck aus der Vierteljahrsschrift für Musik- wissenschaft 1894, Heft 3.)

Das Dresdner Kreuzkantorat ist eine Institution, die nicht nur für Kirche und Schule, sondern auch lür die Entwiekelung des ge- samten musikalischen Lebens Sachsens und seiner Residenz von grofser Bedeutung ist. Dennoch war bisher nur wenig über die Ge- schichte dieses Kantorates bekannt; auch die alten Programme der Kreuzschule enthalten nur einige dürre und zum Teil falsche Angaben. Daher hat sich Held ein entschiedenes Verdienst erworben, indem er mit einem wahren Bienenfleifs allerhand zerstreute Nachrichten, namentlich aus den Akten des Dresdner Ratsarchives und des Königl. Sachs. Hauptstaatsarchives zusammenbrachte und unter umfassender Benutzung der vorhandenen Litteratur über die Geschichte Dresdens und seiner Musik zu einem hochinteressanten und durchaus zuver- lässigen Gesamtbilde vereinigte.

Zwar blieb die Versorgung des Gottesdienstes Jahrhunderte lang bis zur Reformation der eigentliche Zweck der Kreuzschule, und es mufste für eine solche Anstalt das Amt eines Kantors, der unter anderem den Gesangsunterricht und den gesanglichen Teil des Gottesdienstes zu leiten hatte, von besonderer Wichtigkeit sein. Dennoch reden die Akten erst seit 1542 von einem „Kantor" in solchem Sinne. Dieser hatte von vornherein die dritte Stelle im Lehrerkollegium inne und behauptete sie fast durchgängig bis zum Jahre 1H25, wo das Kantorat auf Ratsbeschlufs um eine Stelle herabgesetzt wurde. Drei Kantoren wirkten so als Quarti, bis .1. Z. Grundig im Jahre 1715 als ordentlicher Kantor Collega quintus wurde, nachdem er vorher viele Jahre Sextus und. .als solcher seit 1713 Substitut des Kantors Petritz gewesen war. Über ein Jahrhundert, bis 1822, blieb das Kantorat auf dieser Stufe. Dann aber sank es wieder um eine solche. Beim Abgang von Julius Otto wurde es aufserhalb des Kollegiums gestellt.

Die finanzielle Lage des Kantors war keineswegs glänzend. Wiederholt blieben die Kantoren nur kurze Zeit in diesem Amte und gingen bald in lohnendere Stellen über; so wurde Andreas Petermann Präceptor der Knaben bei der kurfürstlichen Kapelle, Johannes Seiner dagegen Pfarrer von Leubnitz, der schwer verschuldete Sebaldus liaumann aber „Gastwirt zum Güldenen Löwen". Trotz aller Not jedoch und Sorge um das tägliche Brot hat eine ganze Reihe hoch- hedeutender Musiker den Kreuzchor zu grofsen Ehren gebracht, Über sie alle gielt Held sehr ausführliche Nachrichten, sucht auch ihre musikalischen Kompositionen zu charakterisieren und so voll- ständig als möglich aufzuzählen. So ist Job. Zach. Grundigs Kantorat (1713—1720) unter anderem deshalb bemerkenswert ge- worden, weil im Jahre 1717 die grofse italienische Oper in Dresden

Litteratur. 163

gegründet und die Ausführung der Chöre in derselben den Alumnen der Kreuzschule übertragen wurde. Ein Jahrhundert lang lag ihnen diese Verpflichtung ob, bis endlich Carl Maria von Weber im Jahre 1817 einen eigenen Theaterchor bildete. Aus der ehrwürdigen Genossen- schaft der Dresdner Kreuzkantoren seien hier nur noch hervorgehoben Gottfried August Hoinilius (1755—1785), dessen Kompositionen noch heutzutage bei den Aufführungen des Kreuzchores in den Sonnabend- Vespern eine bevorzugte Stellung einnehmen, ferner Christian Theodor Weinlig (1814—1817), dessen Kompositionen noch in den letzten Jahren vom Leipziger Thomanerchor öfter mit Erfolg aufgeführt wurden und zu dessen dankbaren Schülern kein geringerer als Richard Wagner gehörte, und Ernst Julius Otto (1828 1875), einer der besten und fruchtbarsten Komponisten des deutschen Männergesanges, der durch seine patriotischen Gesänge, wie z. B. durch das allbeliebte „Das treue deutsche Herz", nicht wenig zur Hebung des deutschen National- bewufstseins beigetragen bat.

Die städtischen Archive bergen über die Geschichte der Kan- torate und musikalischen Ämter im Lande einen reichen, zumeist noch ungehobenen Stoff. Die Verlagsbuchhandlung, die Hehls Arbeit, ihrem gediegenen Werte entsprechend, vorzüglich ausgestattet hat, würde ihren vielfachen Verdiensten um die Musikgeschichte ein weiteres hinzufügen, wenn sie Arbeiten, welche diese ungehobenen Schätze verwerten und denen Helds Kreuzkantorat als Muster dienen kann, veranlassen und unterstützen wollte.

Schneeberg. Eduard Heydenreich.

Das Landschulweseii auf den Zittauer Dörfern bis zur Eröffnung des Zittauer Seminars im Jahre 1811. Von Dr. Paul Goldberg, Lehrer am Wettiner Gymnasium zu Dresden. Leipzig, Gustav Fock (Komin.). 1894. 122 SS. 8°.

Mit Freuden haben wir diesen ersten Beitrag zur Geschichte des oberlausitziscben Landschulwesens zu begrüfsen, der uns viele inter- essante Blicke in die Zustände der alten Dorfschule des Zittauer Gebietes thun läfst. Ein glücklicher Zufall hat es übrigens gewollt, dafs zu gleicher Zeit ganz derselbe Gegenstand von Prof. Dr. Knothe, dem erfahrensten Kenner der oberlausitzischen Geschichte, behandelt worden ist (Neues Lausitz. Mag. LXX, 1894), eine Arbeit, die schon wegen der überall das Wichtige scharf hervorhebenden Kürze meines Erachtens vor der Abhandlung Goldbergs den Vorzug verdient. Dieser hat ja sehr fleifsig den Stoff aus allen möglichen Dorfakten, Schulordnungen und anderen Quellen zusammengetragen, aber gegenüber der grofsen Menge desselben, namentlich für die Zeit des 18. Jahrhunderts, nicht die nötige Entsagung zu üben gewufst. Auch die Partien, die die ältesten Zeiten behandeln, befriedigen nicht recht. Zuzugeben ist ja, dafs die lausitzische Schulgeschichte, je weiter man zurückgeht, desto mehr Rätsel zu lösen aufgiebt. Um so gröfsere Vorsicht ist geboten, um so mehr mufs man, um Dunkles zu erklären, auf die ganzen gleich- zeitigen Verhältnisse Rücksicht nehmen. Goldberg wirft z. B. der katholischen Kirche vor, sie habe vor der Reformation die „grofse Masse des Volkes in unerhörter Weise in Unwissenheit gelassen und vernachlässigt". Dies klingt sehr hart, ist aber nicht einmal richtig, denn erstens sagt Goldberg kurz vorher selbst, dafs .ein geregelter Volksunterricht schon deshalb unmöglich war, weil das Volk weder ge- druckte Bücher noch Schreibmaterial hatte", und zweitens bedenkt

11*

164 Litteratur.

er nicht, dafs im Mittelalter der Bildungsdrang auf dem Lande noch viel geringer war als in der Stadt. Mit dem Mafsstabe von heute darf man eben nicht messen, wie das Goldberg oft thut. Eine andere Frage ist es. ob Groldberg und auch Knothe recht haben mit der Behauptung, die Volksschule sei ganz ausschließlich ein Kind der Reformation. Man kann sehr wohl die Verdienste der Refor- matoren anerkennen, braucht aber dabei doch nicht zu leugnen, dafs die Keime in der vorreformatorischen Zeit liegen. Goldberg giebl die Existenz der mittelalterlichen Pfarrschulen zu, kommt auch bei der Betrachtung des Unterrichts in den Schulen vor und nach der Reformation (16. Jahrhundert) zu dem Ergebnisse, dafs er in der Hauptsache gleich war, zieht nun aber nicht den nötigen Schluß daraus, sondern bemüht sich vergebens darzulegen, dafs jene zwar der Konfession nach verschiedenen, in den Unterrichtsgegenständeu aber übereinstimmenden Schulen weit von einander verschieden gewesen seien. Dafs übrigens kein geringerer als Karl der Urofse mit der Er- richtung der von Goldberg so verachteten Pfarrschulen (in der Stadt und auf dem Lande) schliefslich dasselbe erstrebte, was seit der Re- formation und der Erfindung der Buchdruckerkunst die Volksschule erreicht hat, dürfte bekannt sein, ebenso bekannt auch, dafs man in den folgenden Jahrhunderten des grofsen Kaisers Verordnungen immer wieder einschärfte. Meines Erachtens wäre es dann auch richtiger gewesen, wenn Goldberg die Pfarrschule in Stadt und Dorf auf eine Stufe gesetzt (wie es um die oberlausitzischeu Stadtschulen jener Zeit bestellt war, habe ich in den N. Jahrb. f. Ph. u. P. 1891 ge- zeigt) und von dieser Grundlage aus dargethan hätte, dafs die alte Pfarrschule in der Stadt zum Gymnasium wurde, während die auf dem Lande sich bei anderen Bedingungen auch in anderer Richtung zur Dorf- oder Volksschule entwickelte. Soll übrigens der Satz S. 20: „ausgeprägte Volksschulen, wo alle Kinder regelmäfsigen Unterricht erhalten hätten" eine Definition des Begriffes Volksschule sein? - Trotz der Ausstellungen, die ich hier und da noch vermehren könnte, möchte ich nicht schliefsen, ohne dem Verfasser für seine Bemühungen zu danken und den Wunsch auszusprechen, dafs er sich mehr und mehr in die Geschichte des oberlausitzischen Schulwesens einarbeiten und uns noch mit mancher Abhandlung darüber beschenken möge.

Dresden. Hey den.

Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im Auftrage der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte von Franz Dibelius und Theodor Brieger. Achtes Heft. Leipzig, A. Barth. 1893. 348 SS. 8°.

In dem vorliegenden stattlichen Hefte giebt der Mitherausgeber, D. Franz Dibelius, eine Zusammenstellung von Bemerkungen, d.h. Verbesserungen zum Verzeichnis der Liederdichter im sächsischen Landesgesangbuche. Von den 11 Nummern sei erwähnt das Lied „Das alte Jahr vergangen ist", das nicht Johann Steuerlein zuzu- schreiben ist. Er war eher der Komponist, als der Dichter irgend welcher Verse des Liedes, das im Dresdner Gesangbuch von 1589 mit sechs Zeilen auftritt, in der Ausgabe von 1656 zu sechs Versen angewachsen ist. Franz Blanckmeister bietet „Aus dem Leben D. Valentin Ernst Löschers" eine Reihe charakteristischer Züge, die die vielseitige Wirksamkeit des gefeierten Theologen in Dresden darstellen. Die Mitteilungen beruhen auf Studien im hiesigen

Litteratur. 165

Königlichen Hauptstaatsarchive. Aus diesem stammt z. B Löschers Bericht über die Ermordung des Diakonus an der Kreuzkirche, Mag. Hermann Joachim Hahn, die in Dresden eine mächtige Volks- bewegung hervorrief. Den Hauptteil des Heftes (S. 1—329) bildet eine Arbeit von Beinhold Hofmann, „Die Reformationsgeschichte der Stadt Birna", die auch als Sonderabdruck erschienen ist. Wenn man die Schriften der Reformatoren liest, tritt auf Schritt und Tritt die Bedeutung Pirnas entgegen. Es kommt dies daher, dafs die Stadt auch in der landesherrlichen Verwaltung eine grofse Rolle spielte und dafs der erste Superintendent, Mag. Anton Lauter- bach, ein tüchtiger Theologe und Verwaltungsmann, mit den Witten- bergern freundschaftliche Beziehungen unterhielt Seine Bedeutung tritt auch in dem von ihm verfafsten Codex Lauterbach hervor, der, modern ausgedrückt, eine Art Verwaltungsbericht enthält. Verfasser hat dieses wertvolle, früher im Pirnaer Ratsarchiv befindliche, dann von Professor Dr. Freiherr von der Ropp bei einem hiesigen Antiquar gefundene Aktenstück trefflich ausgenutzt. Aufserdem fafste er in dem Buche die Ergebnisse langjähriger, sorgfältiger Studien im hiesigen Hauptstaatsarchive, sowie in den Urkundensammlungen des Pirnaer Rats, Amtsgerichts und der Kirche zusammen. Von den 19 Abschnitten behandeln neun die Ein- und Durchführung der Re- formation unter steter Berücksichtigung des mittelalterlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrundes. Aufserdem werden die ver- schiedenen Seiten des kirchlichen Lebens, Gottesdienst, Kirchenbau, geistliches Vermögen, Gemeindezustände eingehend besprochen. Aber die Arbeit fuhrt auch weiter. Über die Verfassung und Ver- waltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche finden sieb zahl- reiche Nachrichten. Von benachbarten Städten wird naturgemäfs Dresden eingehend berücksichtigt. Zahlreiche Mitteilungen im Texte und in den Anmerkungen beziehen sich auf den herzoglichen und kurfürstlichen Hof, den Superintendenten Daniel Greyser, die krypto- kalvinistische Bewegung, die musikalischen Verhältnisse (kurfürst- liche Kapelle und Kantorei) u. a. m. Ich füge hinzu, dafs ein Bautzner Rechnungsbündel in eine Urkunde eingeheftet ist, in welcher „Dominus Michael Risch, ingenuarum artium magister et sacre theologie licentiatus, possessor perpetui benefitii ad altare sanete trinitatis in ecclesia saneti Nicolai extra muros" erwähnt wird. Auch nennt sie „dominos Fabianum Borchardi, Nicolaum Rosick, in supradicto opido Pirnis vicarios perpetuos et Bartolomeum Lauterbach, ingenuarum artium baccalaureum , consulatus ejusdem opidi scribam" und einen verstorbenen Simon Kranach. Aus Lauter- bachs Bücherei befindet sich in der Jenaer Universitätsbibliothek 0. Peucers „Commonefactio de Periculis horum temporum, proposita scholasticis Academiae Vuitebergensis" (Wittenb. 1565) mit des Ver- fassers Widmung „Reverendo Viro D.Magistro Antonio Lauterbach". In demselben Bande widmet V. Strigel „Dauielis Prophetae scriptum" (Lips. 1565) „D. Johanni Schulteto senatori Pirnensi".

Dresden. Georg Müller.

Zur ältesten Geschichte und ehegerichtlichen Praxis des Leipziger Konsistoriums. VonDr.jur. etphil. H. Oeffcken. Separat-Abdruck aus der Deutschen Zeitschrift für Kirchenrecht. IV (1894) S. 7—67.

Mit Recht hebt der Verfasser hervor, dafs, während das Witten- berger Konsistorium sich neuerdings mehrfach eingehender Behand-

166 Litteratur.

lung zu erfreuen hatte, äie Geschichte des leipziger Konsistoriums bisher sehr vernachlässigt und die vorhandene Litteratur zum grofsen Teil in Anmerkungen und Parenthesen niedergelegt sei. Auch in dem Urteile ist dem Verfasser beizupflichten, das er über die Dis- crepanz der entgegenstehenden Anschauungen fällt: „Dieselbe gieht sich jedoch nicht etwa in einer Kontroverse mit (.1 runden und Gegen- gründen kund, vielmehr entscheidet sich jeder Autor, je nach der Quelle, welcher er folgt, für die eine oder andere Ansicht, augen- scheinlich ohne von den abweichenden Meinungen überhaupt Kenntnis zu haben." Dafs aber das Leipziger Konsistorium in hohem Grade Beachtung verdient, ergieht sich aus der geschichtlichen Darstellung, wie den rechtlichen Ausführungen des Verfassers. Stand doch die Leipziger Praxis eine Zeit lang selbständig da im Gegensatze zu der der beiden anderen Konsistorien. Sie wurde sogar auch aufser- halb Sachsens malsgebend; so in der Goslarer Kirchenordnung von 1555 und in der Mecklenburger vom Jahre 1570. Die Arbeit zerfällt in zwei Teile: im ersten giebt der Verfasser einen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Leipziger Konsistoriums. Hier ist auf S. 18 als Gründungstag der 9. November 1550 nachzutragen Der Befehl des Kurfürsten Moritz ist abgedruckt in meiner „Ver- fassungs- und Verwaltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche" in den Beiträgen zur Sächsischen Kirchengeschichte IX (1894), S. 1 18, Anm. 51. Ebenda findet sich auch S. 116, Anm. 48 ein herzog- licher Befehl vom Jahre 1543, durch welchen ein eherechtlicher Fall „den Vorordenten des Newen Oonsistorii zu Leipzick" überwiesen wurde. Den Hauptteil der Studie bilden die auf reichem gedruckten und animalischen Materiale beruhenden kirchenrechtlichen Ans führungen über die Handhabung der Eheordnung in Leipzig im Unterschiede zu Wittenberg betreffs der Gradverbote, der Sponsalien und der Ehescheidung. Auch auf diesem Gebiet tritt (z. B. S. 25) der noch wenig ermittelte Anteil der Stände hervor, die übrigens bereits 1579 auf dem Landtage zu Torgau die Forderung stellten. die .Juristen der drei Konsistorien sollten eine einheitliche Ehe- ordnung schaffen. Loc. 9357. Der Erforderten von der Landschaft su wohl Bl. 13.

Dresden. Georg Müller.

Übersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur sächsischen Geschichte und Altertumskunde1).

Albert i, lt. Was bedeuten die sogenannten Schwedensteine? Unser

Vogtland. Bd. 1 (1894). S. 268—272. Ashi'vazy, Simon. Die letzte polnische Königswahl. Inaugural-

Dissertation. Göttingen, Dietrichsche Verlagsbuchhandlung. L894.

2 Bll., 158 SS. 8°.

') Vergl. auch 0. Dobenecker, Übersicht der neuerdings er- schienenen Litteratur zur thüring. Geschichte und Altertumskunde, in: Zeitschrift des Vereins für Thüring. Geschichte und Altertums- kunde, lid. WT1 (N. F. B. IX). S. 389— 402. Ferner über die

Litteratur. 1 (37

Bär, Anton. Der alte Wiesenburger Wald in seinen Beziehungen zur Stadt Kirchberg: Glückauf! Organ des Erzgebirgs Vereins. Jahrg. XIV (1894). S. 2-8. 13 f.

Bergmann, Alwin. Wo lag Wernten? Über Berg und Thal. Jahrg. XVIII (1895). No. 204. S. 121 f.

Kurfürst August und Kurfürstin Anna in ihren Beziehungen zur prähistorischen Forschung: Gebirgsfreund. Jahrg. VI (1894). S. 97-99.

Geschichte der Oberlausitzer Sechsstadt Löbau bis zur Teilung Sachsens 1815. Bischofswerda (Löbau, E. Oliva Komm.). 1895. 3 Bll., 199 SS. 8°.

Berlit, Georg. Rudolf Hildebrand, ein Erinnerungsbild : Neue Jahr- bücher f. klass. Philol. u. Pädagogik. Jahrg. 1894. Heft XII. S. 545 585.

Berns, J. L. Verslag aangaande een onderzoek naar archiefstukken, belangrijk voor de geschiedenis van Friesland, uit het tijdperk der saksische hertogen. Op last der regeering ingesteld. 's-Graven- hage, Nijhoff. 1891. 71 SS. 8°.

Beyer, C. Erfurt im Kampfe um seine Selbständigkeit gegen die Wettiner 1370 1382: Jahrbücher der kgl. Akademie gemein- nütziger Wissenschaften zu Erfurt. Neue Folge. Heft XX (1894). S. 229-268.

Blanckmeister, F. Studien zur sächsischen Kirchengeschichte. 1. Zur Geschichte der kirchl. Presse in Sachsen. 2. Ein Blick in das Pfarrhaus des evangelischen Sachsenlandes. 3. Weihnachten in Sachsen: Neues Sachs. Kirchenblatt. Jahrg. I (1894). Sp. 25—28, 171-174, 229-236, 249—254.

Böhmert, Victor. Eine deutsche Stadt (die sächsische Fabrikstadt Rofswein) in ihrer wirthschaftlichen und sozialen Entwicklung von 1834 bis 1894. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte. (Separat- abdruck aus der Zeitschrift des Kgl. Sachs. Statist. Bureaus. Jahrg. XL. 1894. Heft I u. IL) Dresden, v. Zahn & Jaensch. 1895. 80 SS. 4°.

v. Boetticher, W. Die wendischen Obedienzdörfer unter bischöflich meifsnischer und churfürstl. sächsischer Herrschaft : Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXX (1894). S. 172—187.

Brande7iburg , Erich. Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund (1545). Habili- tationsschrift. Leipzig, Fock. 1894. 74 SS. 8°.

Braß, P. Geschichte der Kirchgemeinde Leipzig -Thonberg-Neu- reudnitz. Beim 25jähr. Kirch weihfest, den 7. Okt. 1894, am Familienabend im Gasthof vorgetragen. Auf Verlangen in Druck gegeben. Leipzig 1894. 24 SS. 8°.

Buchwald, Georg. Wittenberger Ordinieitenbuch 1537 1560. Leipzig, Wigand. 1894. 3 Bll, 141 SS. 8°.

Litteratur zur Geschichte der Lausitz B. Jecht in: Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXX (1894). S. 281—287. An die Herren Verfasser, Verleger und Redakteure richten wir die Bitte, durch Zusendung der neu erschienenen Publikationen auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte, besonders kleinerer, die leicht der Beachtung entgehen, wie Dissertationen, Programme, Aufsätze in Zeitungen und Zeit- schriften und dergleichen, zur Vollständigkeit der bibliographischen Übersichten beitragen zu wollen.

168 Litteratur.

Buchwald, Georg. Die von D. Martin Luther ordinierten sächs. Geistlichen: Neues Sächsisches Kirchenblatt. .Jahrg. 1 (1K94).

Sp. nif.

Buddcus, Karl Leipziger Ranchwarenhandel nnd -Industrie. Inaug.- Dissertation. Leipzig-Keudnitz. 1891. 74 SS. 8°.

Burkhardt. Die Brüdergemeine. Erster Theil. Entstehung and ge- sell ichtl. Entwicklung der Brüdergemeine. Gnadau, Unitäts- Buchhandlung. 1893. 216 SS. 8°.

Distd. TU. War Christian Renters Graf Ehrenfried wirklich Graf? Berichte der K. S. Gesellsch. d. Wissensch. 1895. S. 203 f.

Sechs Leipziger Schöppennrtel in einer Ehebruchssache nach Freiberg 1608/9: Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft. XV (1895). S. 562—568.

Oeffentliche Degradation eines K. S. Geistlichen: Deutsche Zeit- schrift f. Kirchenrecht III (1895). S. 325—328.

Harte Strafe für eine Unterlassungssünde des Leipziger Geist- lichen Aug. Peter Hesse 1589: ebenda S. 331 f.

Zur Geschichte des Pennalismus auf St. Afra, eine Episode aus dem Leben Ernst Robert Osterlohs: Leipz. Tagebl 1894. No. 461. S. 6511 f. (vergl. No. 476 S. 6731 und No. 485 S. 6846).

1841 gerichtlich abgegebene Zeugenaussagen über Schiller in Gohlis (1785): ebenda No. 482 S. 6809 und Neueste Leipz. Nachr. 1894. No 313 Beibl. 2 S. 1.

Jagdarie f. Knrf. Friedrich August I. zu Sachsen (1718): Dresdn. Anz. 1894. No. 350. S. 56.

Dobenecker, Otto. Regesta diplomatica neenon epistolaria historiae Tburingiae. Erster Halbband (c. 500—1120). Namens des Ver- eins für thüringische Geschichte und Altertumskunde bearbeitet und herausgegeben. Jena, G. Fischer. 1895. 240 SS. I".

Der Sturz des Markgrafen Poppo von der Sorbenmark: Zeitschr. des Vereins für Thüring. Geschichte und Altertumskunde. Bd. XVII - N. F. Bd. IX (1894). S. 370-374. 389.

Doehler, G. Unser Riedel: Vogtland. Jahrg. I. Heft 9 (1894). S. 353—363.

(Dost, G.) Dem Andenken weiland Sr. Durchlaucht des Fürsten Otto Friedrich von Schönburg- Waidenburg gewidmet. (Waiden- burg, E. Kästner. 1894.) 23 SS. 8°.

E. Ein Urteil über Bautzen vor 50 Jahren (1847): Wöchentl. Bei- lage zu den Bautzner Nachrichten. 1894. No 23.

Eitner. Adolf Traugott v. Gersdorff: Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXX (1894). S. 164.

Enkel, Herrn. Geschichte des unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Königin Carola stehenden Sächsischen Pestalozzi -Vereins. Festschrift zur Erinnerung an das 50jährige Bestehen des Ver- eins. Im Auftrage des Vorstandes bearbeitet. Leipzig, Klinkhardt. 1894. 140 SS. 8°.

Fabian, Ernst. Die Anfänge des Zwickauer Volksschulwesens: Festschrift für die Teilnehmer an der X. Generalversammlung des Allgem. Sächs. Lehrervereins, herausycyvhen von dem pädagog. Vereine (Bezirks -Lehrerverein) zu Zwickau (1894). S. 81 108.

Feyerabend , L. Beziehungen der Oberlausitz zum Süden in vor- geschichtlicher Zeit : Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Heft III (1893). S. 179-185.

Königswartha subterranea: ebenda S. 186—189. Heft IV (1894). S. 239—258.

Litteratnr. 1 BO

Fischer, Emil. Lebensbild eines Vogtländers (Hofrat Prüf. Dr. Liebe): Unser Vogtland. Jahrg. I (1894). S 93-102.

Die beiden letzten Besuche bei K. Th. Liehe: ebenda S. 165—168.

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Sammlung Otto Merseburger, umfassend Münzen und Medaillen von Sachsen. Albertinische und Ernestinische Linie. Zu den bei- gesetzten Preisen zu beziehen von Zschiesche & Köder, Leipzig, Münzenhandlung. Mit zwei Tafeln. Leipzig, Zschiesche & Köder. 1894. VIII, 198 SS. 8°.

Unsere Matthäikirche in 4 Jahrhunderten. 1494—1894. Ein Denk- und Jubelbüchlein zur Feier ihres 400jährigen Jubiläums (18. Nov. 1894). Leipzig, A. Deichert Nachf. 1894. 44 SS. 8°.

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Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im Auftrage der Gesellschaft für sächs. Kirchengeschichte von Franz Dibelius und Theodor Brieger. Neuntes Heft. Leipzig, Barth. 1894. 272 SS. 8°.

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen, Des 3. Bandes 4. Heft ^Schluß). Meißen, Louis Mosche (Komm.). 1894. S. 333-470. XXXVIII SS. 8°.

Inhalt: Paul Markus, Meifsen wählend der Napoleonischen Kriege (Forts.). W. L oose, Die älteren Meißner Zunftordnungen. 2. Die Schneider. H. Nitzsche, Geschichte des Volksschul- wesens der Stadt Meißen. W. Loose, Afranisches. Lehensläufe verdienter Meißner: Markus, Superintendent Christoph Haymann. Leicht, Der Stadtschreiber Georg Gotthelf Welck und Freiherr Carl Wolfgang Maximilian von Welck, Kreisamtmann zu Meißen.

Mitteilungen vom Freiherger Altertumsverein mit Bildern aus Frei- bergs Vergangenheit. Herausgegeben von Heinr. Gerlach. 30. Hefl 1893. Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdruckerei. 1894. 118 SS. 8°. Inhalt: Reinhard Kade, Geschichte des Freibeiger Buch- drucks. R. Rauschenbach, Die Jungfrauenschule zu Freiberg. Th. Distel, Zur Geschichte des Moritzmonuments und seiner Instandhaltung 1571. Ders., Bericht des Freiberger Rats an die Landesregierung über die Opfer der Pest 1572. Ders., Tu- mult in Freiberg den 25. Jan. 1664. Ders , Tröstung einer Mörderin wegen einer 1710 zuerkannten „nicht unerträglichen" Strafe. Ders., Schreiben des Freiberger Geliert v. J. 1747. Ders., Tragikomisches Bittgesuch eines Freibergers vom Jahre 1789. Reinh. Kade, Die Orgel der Frauenkirche zu Dresden. Max Richter, Persönliche Beziehungen zwischen den Nachbar- städten Frankenherg und Freiberg. E. Heydenreich, Eine verschollene Schrift des Freiberger Konrektors Moritz Döring, des Dichters des Bergmannsgrußes. Blitzschlag in das Erbische Thor.

Schönburgische Geschichtsblätter. Vierteljahrsschrift zur Erforschung und Pflege der Geschichte im Gebiete der Schönburgischen Receß- und Lehnsherrschaften. Heft I, IL Waidenburg, E. Kästner. 1894/1895. S. 1-120. 8°.

Inhalt: Ein Wohlthäter der Schönburgischen Lande [Otto Victor Fürst von Schönburg -Waldenburg]. R, R., Zur Geschichte der Meeraner Industrie. R. Needon, Die Isenburg, ein noch ungelöstes Räthsel. Turnvater Jahn in Waidenburg; nach Aufzeichnungen eines Zeitgenossen. H. Colditz, Die Gründung der Stadt Lichtenstein. Reinh. Hof mann, Stadt und Herrschaft Glauchau um das Jahr 1663 und die Türkengefahr. Aus unserer Zeit. Bienengräber, Im September 1830. Ein Bild aus der Meeraner Vergangenheit R. Hofmann, Zur Geschichte der Töpferei in Alt Stadt -Waidenburg. H. Colditz, Kriegsereignisse in und um Lichtenstein. R. Hofmann, Innungsbrief des Schuhmacher zu Waidenburg vom Jahre 1549. Eine Lehrerstelle vor 200 Jahren. Th. Schön, Fürsorge der Herren von Schönburg für ihre durch Einquartierung fremder Truppen schwer geplagten Unterthanen. Ders., Eine durch einen Herrn von Schönburg vermittelte Heirat eines Vorfahren des deutschen Kaisers. Th. Distel, Allerlei Findlinge. Aus unserer Zeit.

Inhalt.

.Seite

I. Eine mailändisch- thüringische Heiratsgeschichte aus der Zeit König Wenzels. Von Professor

Dr. Karl Wenck in Marburg a./L 1

II. Leipzig und Wittenberg. Ein Beitrag zur säch- sischen Reformationsgeschichte. Von Professor Dr. Felician Gels in Dresden .43

III. Geschichte der Burg Rechenberg. Von Bürger- schullehrer Dr. Georg Pilk in Dresden. . . . i)4

IV. Die älteste venetianische Bergordnung und das sächsische Bergrecht. Von Privatdozent Dr. Otto Opet in Bern 109

V. Stadtmarken der Zinngielser von Dresden, Leipzig und Chemnitz. Von Direktorialassistent Dr. K. Berling in Dresden 123

VI. Kleinere Mitteilungen 129

1. Zur Geschichte der Dresdner Thietmarhand- schrift. Von J)r. Ludwig .Schmidt, Custos an der k. öffentl. Bibliothek in Dresden. S. 129. 2, Der Begräbnistag des Markgrafen Georg von Meißen. Von Archivar Dr. P. Mitzschke in Weimar. S. 131. 3. Zu Mardochais, Rabbis de Nelle, angeblicher Prophezeiung an Kurfürst August zu Sachsen (1575). Von Archivrat Dr. Theodor Distel in Dresden. S. 132. 4. Zum Nossener Kirchenbaue. Von demselben. S. 134. 5. Eine Flugschrift über das Anrecht König Friedrichs II. vonPreufsen auf Böhmen. Von Dr. Walther Schultze in Halle a./S. S. 134. 6. Der älteste kursächsische Bibliotheks- katalog aus dem Jahre 1437. Von Staatsarchivar Dr. Woldemar Lippert in Dresden. S. 135. 7. Brief- beförderung des Kurfürsten von Sachsen 1449. Von demselben. S. 139.

Litterat ur 141

Redakteur: Dr. Hubert Brmiseb. Bucbdruckerei der Verlagshandlang.

Neues Archiv

für

Sächsische Geschichte

und

Altertumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Ermisch,

K Archivrat.

Sechzehnter Band. Drittes und viertes Heft.

Dresden 1895. Wilhelm Baensch, Verlagsbuchhandlung.

Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde,

welches im Auftrage der Königlichen Staatsregierung und des Königlichen Altertumsvereins herausgegeben wird, er- scheint in halbjährlichen Doppelheften, von denen je zwei einen Band von ungefähr 22 Bogen bilden. Der Preis des Jahrganges zu welchen auch die früheren Bände durch jede Buchhandlung zu beziehen sind beträgt 6 Mark. Einzelne Hefte werden nicht abgegeben.

Manuskripte die deutlich geschrieben und mit breitem Rande versehen sein müssen werden mit 50 Mark für den gedruckten Bogen honoriert.

Alle Zusendungen sind dem Herausgeber Dresden, Königliches Hauptstaatsarchiv direkt oder durch die Verlagsbuchhandlung zu übermitteln.

VII.

Koiirad Rott und die Thüringische Gesell- schaft.

Von

Konrad Haebler.

Bei den Akten des Königl. Sachs. Hauptstaatsarchives, welche von den geschäftlichen Unternehmungen des Kur- fürsten August handeln, befindet sich der folgende an seinen Kammersekretär Hans Jenitz gerichtete, höchst charakteristische Brief:

„Lieber getreuer. Deine erinnerung des Pipers vnd Canöls halben habe Ich nichts anders dan treulich vnd wol gemeint verstanden. Souil nun dieselbige handlung anlanget, were Ich gerne langst dauon gewesenn, dieweil Ich sehe, das Ich zum Pfeffersack nicht geboren, Vnnd vom anfangk bifs Itzo kein glück darbey gespuert, habe mich auch kegen Bernstein seinen selbst Vorschlag nach dahin erkleret, das Ich jedes Pfundt Gerbulirtten Piper vmb 12 gr. vnnd jdes Pfd. vngerbulirtten vmb 11 gr., den Canöl aber vmb 24 gr. hinlassen wollte. Do Ich aber eine entliche vnd schlifsliche antwortt gewarttet, Ist es auf eine sundere handelungk verschoben wordenn, vnnd stehet jtzo nach meiner erklerung gleich so weitleufftig als für; Wie lustig mich das machet, das man mir nun viel Märckte hero allemal darfur, vnd jm anfange der- selbigen gute hofnung gemacht, vnd meine erklerung ge- meiniglich duppelt gefordertt, vnd mich allein aulsgehört, auf ein anders gefraget, vnd vf ein anders geschlossen, das kanstu leichtlich ahn fingern abrechnen. Weil Ich mich dan nuhmer altt, verdrossen vnd faul mache, vnd

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 1^

I 7 8 Konrad Haebler :

die zeit, so mir Gott ferner zuleben vergönnet, gerne mit ruhe zubringen wollte, 80 habe Ich ernstlich bei mir be- schlossen, mich aller hendel abzuthun, vnd zu eussern, Es geschehe nun solches mit meinem Nutz oder schaden, das stelle Ich eben dahin, vnnd will die vbrige zeit meines lebens mit solcherm verdriislich hendeln nicht zubringen, Sondern Gott vnnd meinen frommen Vnderthanen dienen vnd fürstehen, So lange mir Gott genade vnd sterck darzu verleihet, Amen. Vnd habe Dir auf Deine Treu- herzige erinnerungk mein gemüet Deine Sachen Deiner gelegenheit auch zurichtten, nicht bergen wollen. Was Ich fortthin beim Specerej vnd kupffer handel zu thun gedencke, vnd gelten mir Acher, Braunschweiger, Nürm- berger vnd Auglsburger, darmit zuhandeln, gleich, denn Ich habe den köpf gestreckt, vnd wil der falschen hendel lois sein. Datum Annenburgk den 14. Octobris ao. 1580.

Augustus Churfürst &c."

Mit diesem Schreiben fand eine kurze, aber höchst bedeutungsvolle Episode seiner Regierung ihren Abschluß, die dem Kurfürsten während einer Reihe von Jahren grofse Hoffnungen erweckt, und schwere Enttäuschungen eingetragen hatte1).

Es war im Jahre 1576 gewesen, dals der Kurfürst und in seinem Namen Hans Harrer, sein außerordentlich rühriger und selbst in allerlei Handelsgeschäften thä- tiger Kammermeister'2), den Hieronymus Kramer nach Lissabon abgeordnet hatten, um dort allerlei geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen. Man hoffte dort Absatz- gebiete sich zu eröffnen für die von der Meifsner Gesell- schaft hergestellten Kupfer, für die neuen auf dem Werke am Schneeberg hergestellten Saffalor-Farben , vor allem aber sollte Kramer darnach streben, dem Kurfürsten die Möglichkeit des direkten Bezuges von Droguen und

l) Der Pfefferhandel des Kurfürsten August ist zweimal von Joh. Falcke (in einem Aufsatz in Webers Archiv für sächs. Ge- schichte Bd. V und in seiner Geschichte des Kurfürsten August) behandelt worden; allein da er lediglich die sächsischen Akten ge- kannt und auch diese nicht in vollem Umfange zu Rate gezogen hat, ist ihm der eigentliche Charakter der Kottschen Beziehungen zur Thüringischen Gesellschaft gar nicht zum Bewufstsein gekommen. Die Thatsachen, soweit dieselben von Falcke eingehend und richtig dargestellt sind, habe ich nur so weit wiederholt, als zum Verständnis des Aufsatzes unerläfslich schien.

a) Vergl. Georg Müller in dieser Zeitschrift XV, 63 ff.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft, 179

Spezereien zu verschaffen, sei es von Lissabon aus, sei es dais man sie selbst aus dem fernen Indien holen sollte. Mehr noch als zu Anfang des 16. Jahrhunderts befand sich dieser einträgliche Zweig des Welthandels fast aus- schließlich in den Händen der deutschen Grolskaufherren, die dabei allerdings zu Zeiten den wildesten Spekulationen sich hingaben, gemeiniglich aber noch immer Gewinne von 100% und mehr erzielten. Bis dahin hatte das Kurfürstentum Sachsen seinen Bedarf an diesen Artikeln vorwiegend von Nürnberg und Frankfurt aus gedeckt; der Kurfürst, der den wirtschaftlichen Angelegenheiten ein lebhaftes Interesse und weitgehendes Verständnis entgegenbrachte, wollte nunmehr zunächst probeweise seinen eigenen Bedarf durch direkten Einkauf decken, dann aber auch Erkundigungen einziehen, ob und wie weit sich auf diesem Gebiete ein gewinnbringender Handel würde eröffnen lassen. Zu diesem Zwecke war Hieronymus Kramer über Hamburg und Antwerpen nach Lissabon abgeordnet worden und dort im Juni 1576 ein- getroffen.

Es konnte Kramer nicht schwer fallen, zu ermitteln, wer unter den zur Zeit in Lissabon vertretenen deutschen Kaufherren am meisten seine Zwecke zu fördern im- stande war, und so bat er schon in den Briefen, die seine glückliche Ankunft in Lissabon anzeigten, um Empfehlungs- schreiben an Herrn Nathanael Jung, den Vorsteher der portugiesischen Niederlage des Herrn Konrad Rott, Rats- herrn und Grofskaufmanns zu Augsburg. Das Haus des Konrad Rott stand damals auf seinem Höhepunkte. Rott selbst war ein Mann in seinen besten Jahren. Er wird um 1530 als Sohn des Hans Konrad Rott und der Helena Baumgartnerin geboren sein und war fast mit allen Gröfsen des Augsburger Handels, besonders aber mit dem Hause der Welser mehrfach verschwägert. Schon von seiner Jugend au war er vorwiegend in Spanien und Portugal erst für das väterliche, dann für das eigene Geschäft thätig gewesen; in Lissabon begegnen wir ihm 1559, dann 1563 einmal in Rom, darnach aber wieder auf der iberischen Halbinsel, wo er sich besonders be- strebte, Lieferungen von deutschen, nord- und ostländischen Waren für die Könige von Spanien und Portugal zu er- langen. Vor wenigen Monaten war ihm nun in dieser Beziehung eine Spekulation geglückt, die durch ihre Großartigkeit Aufsehen erregt und seinen Namen zu

12*

180 Konrad Haebler:

einem der bekanntesten unter den Handelsherren der portugiesischen Hauptstadt gemacht hatte.

Das hauptsächlichste Erträgnis des weiten portu- giesischen Kolonialreiches in Indien bildeten die kost- baren Gewürze, vor allem der Pfeffer, welchen die all- jährlich im März von Lissabon auslautenden königlichen Schiffe im August des folgenden Jahres aus G-oa, Cochin, Cananor und anderen indischen Märkten zurückzubringen pflegten. Dieser Handel war ein ausschließliches Vor- recht der Krone, nur die königlichen Beamten besorgten in Indien den Einkauf, der gesamte Ertrag wanderte in das Stapelhaus zu Lissabon, und nur der König konnte zu den von ihm selbst festgesetzten Preisen die kostbaren Waren weiter verkaufen. Zu verschiedenen Zeiten war dies auf verschiedene Weise geschehen; um 1575 aber war es üblich, dals eine Anzahl der reichsten Handels- herren des In- und Auslandes sich zusammenthaten zu zwei Gesellschaften, deren eine von dem König das Recht erwarb, den Einkauf des Pfeffers in Indien und seine Verfrachtung nach Lissabon zu besorgen, wofür die Hälfte des Pfeffers ihr Eigentum wurde, die andere Hälfte aber dem Könige zufiel, während die andere Gesellschaft den ganzen Pfeffer zu bestimmtem Preise dem Könige, meist natürlich gegen Vorausbezahlung des grölsten Teiles seines Wertes, wieder abnahm und dafür das ausschließliche Recht erlangte, denselben in alle Welt hinaus weiter zu verkaufen. Die beiden Kontrakte, durch welche der König von Portugal die Geschäfte den beiden Gesell- schaften überliels, nannte man den Kontrakt von Indien und den Kontrakt von Europa, und diesen letzteren hatte zu nicht geringem Erstaunen der gesamten Handelswelt Konrad Rott in den letzten Monaten des Vorjahres von dem Könige Sebastian von Portugal auf die nächsten fünf Jahre gepachtet. Wohl kannte man Konrad Rott als einen Kaufmann von kühnem Unternehmungsgeiste und außerordentlicher Geschäftserfahrung, allein dieser Spekulation hielt ihn niemand für gewachsen. Sonst hatten immer mindestens zwei bis drei große Handelsfirmen sich zu dem Kontrakte zusammengethan, Firmen, wie die Welser und Imhof hatten es nicht gewagt, den Kontrakt zu übernehmen; kein Geringerer als König Philipp H. von Spanien hatte sich bei seinem königlichen Neffen um diesen Kontrakt beworben, einen Kontrakt, der in den 5 Jahren mehr als 3 Millionen Dukaten erforderte, und

Conrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 181

diesen Kontrakt hatte Konrad Rott für sich allein, ohne einen Gesellschafter, in seine Gewalt gebracht. Als das Gerücht zuerst an den Börsen sich verbreitete, wollte niemand recht daran glauben. Bald hiefs es, er solle die Welser, bald die Fugger oder Imhof, bald den Johann von Pelcken hinter sich haben, einen reichen Österling von Danzig und alten Portugeser (d. h. lange schon in Lissabon Ansässigen), aber alle lehnten sie jede Be- teiligung ab, und es blieb dabei, dafö Rott und nur Rott den Kontrakt gemacht hatte ::). Freilich waren die Be- dingungen derart, dafs er schon reich dabei werden konnte, vorausgesetzt, dais er es aushielt.

Rott verpflichtete sich im ersten Jahre 12000 und in jedem folgenden 20000 Zentner (quintal) Pfeffer zum Preise von 34 Dukaten für den Zentner dem Könige abzukaufen. Von der Kaufsumme mufste er allerdings ein paarmal hunderttausend Dukaten zu mäfsigem Zinse vorausbezahlen, die ihm erst im letzten Jahre des Kon- trakts wieder gutgethan wurden ; er durfte aber auch ein volles Fünftel des Kaufpreises dem Könige in alten portu- giesischen Schuldbriefen erlegen, die zur Zeit von ihren Besitzern zu weniger als dem halben Werte zu haben waren, auch sollte er einen Teil der Zahlung in Theer, Tauwerk und anderen zum Schiffsbau nötigen Artikeln liefern, die man in Lissabon aus Ostland zu beziehen pflegte. Die grofsen Handelsherren meinten, der Kontrakt sei gar nicht so übel, wenn er nur erst das erste Jahr überwunden habe, welches die bedeutendsten Zahlungen erforderte und doch nur die geringsten Erträge gewährte.

Rott selbst war zunächst voller Zuversicht. Un- mittelbar nach dem Abschlufs in Lissabon kam er nach Madrid angeblich um mit den Fugger wegen der Überlassung ihrer portugiesischen Schuldtitel zu unter- handeln, thatsächlich aber weit mehr, um sich durch einen Wechselvertrag mit dem Könige von Spanien, der sich damals infolge der gewaltsamen Abrechnung mit seinen Gläubigern in arger Verlegenheit wegen der Rimessen nach den Niederlanden befand, die ersten 100000 Dukaten für seine Anzahlungen zu sichern und trat dort auf, als ob er Herr auf allen Plätzen der Christenheit sei.

:i) Vergl. darüber die Korrespondenz des Fuggerischen Agenten Thomas Müller. Fürstl. & Gräfl. Fuggersches Archiv (in Augs- burg) 2, 5, 13.

182 Konrad Haebler:

Allein diese zuversichtliche Stimmuno- konnte nicht lange vorhalten. Die Räte Philipps II., von den Fuggerschen Agenten beraten, trauten dem großsprecherischen und leichtfertigen Auftreten Rotts nicht und machten ihre Geschäfte lieber mit den Fugger selbst. Auch diese zeigten sich gegen Rott äufserst zurückhaltend, obwohl sie ihm ein nicht unbeträchtliches Konto eröffneten. Seine Gegner und Neider aber ergriffen die Gelegenheit und streuten in Lissabon aus, Rott werde nicht einmal die erste Zahlung zu leisten imstande sein, so dafs die portu- giesischen Beamten Sorge trugen, ihm -die bedungenen Lieferungen von Pfeffer und Gewürzen anzuvertrauen. So mufste sich Rott schon im März 1576 entschließen, auf den Alleinbesitz des Kontraktes zu verzichten. Er hatte sich die gröfste Mühe gegeben, Deutsche als Partner zu erlangen. König Sebastian hatte wiederholt erklärt, dafs er am liebsten nur Deutschen, wegen ihrer Zuver- lässigkeit, Teil an dem Kontrakte gewähren wolle, und Rott hatte es sich angelegen sein lassen, das unter seinen Landsleuten zu verbreiten ; aber bei diesen stand er selbst zu wenig in dem Ruf dieser auszeichnenden Eigenschaften, um die Teilhaberschaft an seinen Unternehmungen be- sonders verlockend erscheinen zu lassen. So mufste er, nachdem er eine Zeit lang durch Schleuderverkäufe ver- geblich versucht hatte, über die ersten Geldverlegenheiten hinauszukommen, sich doch entschließen, die Unterstützung- fremden Kapitales iu Anspruch zu nehmen, und so trat er im April 1 576 dem Giacomo dei Bardi und seinen Mitver- wandten drei Achtel seines Kontraktes ab. Nach aufsen hin wurde das mit der Begründung bemäntelt, es sei ihm nur darum zu thun gewesen, „die heillosen Juden" - - nämlich seine Neider zur Ruhe zu bringen; in Wirklichkeit gewann erst durch diesen Rückhalt sein Unternehmen einen festen Grund und diejenige Stetigkeit, welche die Voraussetzung einer gewinnbringenden Thätigkeit waren. So weit waren die Verhältnisse gediehen, als Hierony- mus Kramer in Lissabon anlangte und die Unterstützung des Rottschen Hauses bei dessen Vorsteher, dem Herrn Nathanael Jung, nachsuchte. Sie wurde ihm selbstver- ständlich auf das Bereitwilligste gewährt. Kramer scheint sich anfänglich mit grofsen Plänen getragen zu haben; es ist wiederholt davon die Rede, dals er selbst oder weiterhin ein anderer an seiner Stelle eine Reise nach Ostindien im Auftrage des Kurfürsten und seines Kammer-

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft, 183

ineisters machen sollte. Allein von solchen Gedanken scheint er, an Ort und Stelle, bald zurückgekommen zu sein. Während er mit Eifer und Gewissenhaftigkeit die direkten Aufträge seines Herrn nicht nur in Lissabon, sondern auch in Sevilla ausführte, die erworbenen Gegen- stände, von eingehenden Informationen begleitet, nach Hamburg an Johann Wichmann, den Agenten des Kammer- meisters, abgehen liels, machte er allerlei Bedenken gegen die Reise nach Indien geltend. Vor allem ist es sein protestantisches Bekenntnis, durch welches er Schwierig- keiten befürchtet, und bei der strengen Kontrole, welcher die Passagiere der Indienflotten unterworfen wurden, konnte er thatsächlich eines Verbotes seiner Reise ge- wärtig sein. Auch die Rottischen werden ihn kaum dazu ermutigt haben. Es ist zwar nicht nachzuweisen, dals dieselben schon damals sich mit dem Gedanken getragen hätten, den kurfürstlichen Unternehmungsgeist sich zu nutze zu machen, sicherlich aber konnten sie kein Inter- esse daran haben, sich in einer so mächtigen und einflufs- reichen Persönlichkeit einen Geschäftskonkurrenten er- wachsen zu sehen. So erwiesen sie sich denn auf das höchste entgegenkommend in allem, was sie für Kramer und dessen Auftraggeber thun konnten sie übernahmen z. B. die Übermittelung des Geldes zu dessen Besorgungen von Sachsen nach Lissabon, ohne die mindeste Provision zu beanspruchen , aber für eine Reise nach Indien scheinen sie ihm keinerlei Förderung in Aussicht gestellt zu haben.

Hieronymus Kramer blieb noch bis in den Juni des folgenden Jahres in Lissabon. Neben Gewürzen sind es vor allem Perlen und Edelsteine, die er im Auftrage mehr noch der Kurfürstin als des Kurfürsten dort erwirbt. Einmal verrechnet er die beträchtliche Summe von 2272 Dukaten, die er zum Ankauf von Smaragden, Rubinen, Diamanten und anderem edlen Gestein ver- wendet hat4); ein anderes Mal wird eines Wechsels über 3583 V2 fl. gedacht, die er ebenfalls in der Hauptsache für Besorgungen aufgewendet hatte5). Zu der indischen Reise aber verrieten seine Briefe eine unverkennbare Unlust, und so wurde er denn im Sommer 1577 zur Rück-

4) Loc. 7410. Schriften betr. die Meifsn. und Thür. Gesell- schaft Bl. 3.

5) Cop. 37« B Bl. 66 v.

184 Konracl Haebler:

kehr ermächtigt, Die unerledigten Aufträge durfte er in den Händen der Rottischen zurücklassen, die dadurch in fortdauernden Beziehungen zu dem Kurfürsten und seinem Kammermeister blieben.

Die nächsten Jahre waren für Rott außerordentlich günstig. Zwar wenn wir den Fuggerischen Agenten Glauben schenken dürfen, so war der Rottsche Geschäfts- betrieb auch damals ein sehr „seltsamer". Wir sehen, wie die Fuggerischen, auf Befehl, den sie aus Augsburg bekommen, den Rottischen nur mit äufserster Vorsicht in ihren Wechselgeschäften dienen, uud sie erklären mehr als einmal, dals es gut sei, so wenig wie möglich mit Rott und seinen Leuten zu thun zu haben. Allein da spielt wohl eine gewisse persönliche Abneigung hinein, die schliefslich in beiden Handelskontoren unverkennbar ist. In Portugal und bei den dort verkehrenden fremden Kaufleuten genofs Konrad Rott jedenfalls ein grofses Ansehen und aufserordentliches Vertrauen, welches von Jahr zu Jahr anwuchs. Eine besonders günstige Kon- junktur bot sich ihm durch die kriegerischen Pläne des jungen Königs Sebastian. Schon ein Paragraph seines Vertrages verpflichtete ihn ja zu jährlichen nicht unbe- trächtlichen Lieferungen an Schiffs- und Kriegsbedarf; aber während der Vorbereitungen zu dem afrikanischen Feldzuge, der bei Mazar-el-Kebir ein so trauriges Ende nahm , reichten diese Vorräte bei weitem nicht aus , und Rott genofs in so hohem Grade das Vertrauen des Königs, dals ihm vor allen anderen der Löwenanteil an den Auf- trägen der Regierung zufiel6). Der Gebrauch, den er davon machte, ist einer der besten Züge, den wir von Rott zu berichten haben. Er beruft sich bei einer späteren Gelegenheit darauf, dafs er diese ganzen Aufträge zum besten seines Vaterlandes und für dessen Industrie ver- wendet habe. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, schreibt er, den bedeutenden Bedarf an blanken und an Feuer- waffen, an Zelten und an anderer Kriegsrüstung im Aus- lande aufzukaufen; ja es seien zum Teil diese Artikel der Regierung etwas theuerer zu stehen gekommen durch ihn, aber er habe es eben durchgesetzt, dals er alles aus

6) Vergl. Rotte Angaben darüber in : Gespräch so der Pasquinus mit dem Marpborio auf dem Kapitol zu Rom . . . gehabt (o. O. 1580). Forderungen Rotts aus diesen Geschäften werden noch nach dem Bankerott erwähnt. Acta priora Fugger contra Rotten curatores. Fugger-Archiv 2, 5, 1.

Koiirad Rott und die Thttringische Gesellschaft. 185

Deutschland beziehen und seinen Landsleuten diesen Ge- winn zu anderen verschaffen durfte. Allerdings griff der König bei der schnell anwachsenden Geldnot in den Pfefferkontrakt ein und warf eine Anzahl Tausend Zentner zu Schleuderpreisen auf den Markt; aber Rott wurde 'dafür natürlich durch Gewährung anderer Vor- teile entschädigt, die nach seinen eigenen späteren Äuße- rungen den Verlust vollkommen aufwogen. Noch glänzen- der aber gestalteten sich Rotts Verhältnisse nach König Sebastians Tode, als König Heinrich die Regierung über- nahm.

Nach einer alten Unsitte verloren mit dem Tode des Königs auch alle in seinem Namen geschlossenen Ab- machungen ihre Giltigkeit. So wurde denn auch Rotts Kontrakt hinfällig, bevor die bedungene Frist abgelaufen war. Dies scheinbare Unglück sollte aber durchaus nicht zu seinen Ungunsten enden. Rott mufs sich doch in den Beziehungen zur portugiesischen Regierung geschickt und gewissenhaft benommen haben, denn König Heinrich be- rief ihn unmittelbar nach der Thronbesteigung zu sich und bestätigte ihm nicht nur seinen früheren Vertrag, sondern trug ihm sogar zwei neue an: der eine übertrug ihm den Vertrieb des Pfeffers in Europa auf weitere drei Jahre nach dem Ablauf seines bisherigen Kontraktes, der andere brachte auch den Gewürzeinkauf in Indien in seine Hände, so dafs Rott für die nächsten fünf Jahre alleiniger und fast unbeschränkter Herr des ganzen Ge- würzmarktes der AVeit wurde. So wenigstens erfaßte er selbst die Sache; denn während bisher die contractadores de India sich nur zum Aufkauf von 20000 Zentner Pfeffer verpflichtet hatten und die Mehrproduktion immer wieder auf dem alten Handelswege über Alexandria nach Venedig abgeflossen war, übernahm es Rott, jährlich 30000 Zentner aufzukaufen, eine Summe, die kaum jemals wirklich in einem Jahre zu Markt gekommen war, ausdrücklich in der Absicht, dadurch den arabisch- venetianischen Handel vollständig abzusperren. Gleichzeitig erhielt er vertrags- weise das Recht zur Einführung von jährlich 1000 Zentner Canel und als Gnadenbeweis die Erlaubnis zur freien Einfuhr von 300 Zentner Gewürznelken. Die Haupt- gefahr dieses Vertrages lag in seiner Großartigkeit, denn er erforderte, ganz abgesehen von den Geldgeschäften mit der portugiesischen Regierung, die Auslage von zwei vollen Jahresquoten in Indien, ehe der erste Sack Pfeffer

18f5 Conrad Eaebler:

in Lissabon auf den Markt gebracht werden konnte Darüber, dafs er dies Geschäft allein nicht durchzuführen imstande sei, täuschte sich auch Rott, trotz seines an Leichtsinn streifenden Sanguinismus, nicht, vielmehr suchte er von vornherein fremdes Kapital in das Unternehmen hineinzuziehen, aber in einer solchen Weise, dafs ihm selbst möglichst ungehindert die Leitung des Ganzen blieb. Die portugiesische Regierung unterstützte ihn in letzterer Richtung dadurch, dafs sie erklärte, die Verträge würden ausschließlich mit Konrad Rott beschlossen und auf seinen und seiner Söhne Namen in die königlichen Bücher eingetragen. Auch sollte Rott allein in Lissabon das gesamte Unternehmen vertreten und seine Teilhaber darauf angewiesen sein, nur mit ihm und niemals direkt mit der Regierung zu verhandeln. Um aber auch den anderen Zweck, den Zufluls fremden Kapitals, zu erlangen, hatte Rott den gesamten Geldwert, den seine Verträge repräsentierten, in dreifsig Teile geteilt. Von diesen be- hielt er zwölf ein halb Teil für sich selbst, um sich die ausschlaggebende Stimme zu sichern. Von dem Reste aber trat er zehn Teile an die Portugiesen und sieben ein halb Teil an die Italiener ab7) und räumte ihnen neben den entsprechenden Anteilen am Gewinn auch noch die Rechte ein, dafs in der Niederlassung, die Rott zum Gewürzeinkauf in Cochin errichtete, neben einem deutschen Leiter als erster wurde Hans Hartmann Hyrus er- nannt, der vorher in dem Comptoir zu Lissabon beschäftigt, aber schon in Rotts Diensten nach Indien gegangen war ein Portugiese als Kassierer und ein Italiener als Buch- halter angestellt werden sollten.

Allein auch so noch ging das Unternehmen weit über Rotts Kräfte. Man bewunderte wohl seine Kühnheit, man beneidete ihn um die augenblicklichen Erfolge, allein man traute ihm keineswegs zu, dais er die Sache zu einem glücklichen Ende führen werde, vor allem deshalb, weil er zwar grofs war im Organisieren auch der gewaltigsten Unternehmungen, aber unsicher und schwach, wo es galt in ruhiger, ausdauernder Energie die grofsen Unter- nehmungen im einzelnen auszubauen. Trotz der blenden- den Resultate hielten besonders seine deutschen Lands-

") Nachträglich fand eine Ausgleichung des italienischen und portugiesischen Anteils statt, so dafs jede Nation gleichen Anteil erhielt. Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 354 ff.

Konrad Rott and die Thüringische Gesellschaft. 187

lente noch immer mit ihrem Gelde zurück und gewährten ihm nur geringfügigen Kredit. Aus dieser zweifelhaften Lage rettete sich Rott mit einem Schlage durch einen Zug, der seinem kühnen Unternehmungsgeist alle Ehre machte.

Seit Hieronymus Krämer nach Deutschland zurück- gekehrt war, hatte Rott wiederholt Veranlassung gehabt, dem Kurfürsten August und der Kurfürstin Anna durch Ausführung ihrer Besorgungen auf den spanischen und portugiesischen Märkten gefällig zu sein, und dadurch war er mit dem Hofe und auch mit dem kurfürstlichen Kammermeister Harrer, der übrigens mit einem von Rotts Vettern, dem Georg Rott, verschwägert war, in fort- dauernden Beziehungen geblieben. Diese benutzte er jetzt, um zunächst dem Kammermeister Harrer einen Anteil an dem Pfefferhandel anzubieten. Seine Vorschläge, von denen gleich weiter die Rede sein wird, waren auch diesmal wieder von phänomenaler Kühnheit; sie sollten nichts geringeres als eine vollkommene Umgestaltung des mitteldeutschen Handels herbeiführen und natürlich Schätze an Gewinn abwerfen. Harrer erklärte zwar schon nach den ersten Eröffnungen, dafs die Sache für ihn zu grofs- artig sei; er that aber einen, vielleicht von Anfang an verabredeten folgenschweren weiteren Schritt in der An- gelegenheit: er unterbreitete sie seinem kurfürstlichen Herrn, der gerade damals in vielfache Handelssachen verwickelt war, und suchte dessen Interesse für das Unternehmen zu gewinnen. In seiner ursprünglichen Ge- stalt ging Rotts Plan nur dahin, in sächsischen Landen einen neuen Markt für die Gewürze für Mitteldeutsch- land zu schaffen, den er ausschliefslich mit den Erträg- nissen seines indischen Kontraktes versorgen wollte. Seine sächsischen Partner sollten sich nur verpflichten, eine bestimmte gröisere Masse von Gewürzen zu festbestimmten Preisen gegen sofortige Baarzahlung zu übernehmen, den weiteren Vertrieb wollte er ihnen vollständig überlassen, auch sich verpflichten, auf keinem deutschen Markte weiter Gewürze zum Verkauf zu bringen. Das sollte seine Rache sein an den grofsen Nürnberger, Augsburger und Frankfurter Handelshäusern, die ihm fortdauernd jede Unterstützung verweigert hatten. Als Stapelplatz hatte er Torgau ins Auge gefalst, vor allem aus dem Grunde, damit die kostbare Ladung ausschliefslich auf dem Wasser- wege befördert werden könne, der billiger und weniger

188 Konrad Haebler:

durch Zollschranken belästigt seis). Das Projekt war in dieser Form allerdings noch ziemlich vage, trotzdem liels sich nicht verkennen, dals hier zu bedeutenden Geschäften Gelegenheit geboten war. Für Kurfürst August fiel neben der Aussicht auf den beträchtlichen Handelsgewinn vor allem noch der Umstand schwer in die Wagschale, dals das Unternehmen, wenn es gelang, die Vorherrschaft der süddeutschen Handelsstädte durchbrechen und damit dem eigenen Lande erhöhtes Ansehen und groise Vorteile verschaffen mutete. Er scheint denn auch mit seiner Entscheidung nicht lange gezögert zu haben. Auf Rotts Vorschläge, die an Harrer in einem Briefe vom 14. Januar 1579 übermittelt wurden, erfolgte am 15. Februar die Antwort, die Rott zu persönlichen Verhandlungen nach Torgau berief.

Am 11. März traten in Torgau zusammen: von Bern- stein, Hans Jenitz und Hans Harrer als Abgeordnete des Kurfürsten, eine Abordnung der Kaufmannschaft von Leipzig und Konrad Rott, der schon zuvor mit Harrer allein verhandelt zu haben scheint. Rott trat zuerst wieder mit seinem obenerwähnten Projekte hervor: er wollte 8000 Zentner Pfeffer zu 4128Ö0 Gulden, 800 Zentner Negel zu 149 0G6 Gulden, 600 Zentner Canel zu 103200 Gulden, 500 Zentner Nuls zu 78833 Gulden, 200 Zentner Macis zu 51600 Gulden und 800 Zentner Ingwer für 28666 Gulden, also insgesamt Gewürze im Werte von 947790 Gulden von Lissabon oder mit 15"/,, Vergütung für Fracht und Versicherung bis Hamburg liefern, wenn man ihm für die sogenannten kleinen Ge- würze (alles mit Ausnahme des Pfeffers) die halbe Ein- kaufssumme vorschieisen, den Pfeffer aber nach Ankunft in Hamburg baar bezahlen wollte. Er war bereit, sich an dem Verkaufsgeschäfte zur Hälfte zu beteiligen, aber nur, wenn man ihm für die gelieferten Gewürze den Taxpreis vorschußweise auch für seinen Halbteil bezahlen würde. Er berechnete, dals auf diese Weise ein voraus- zuzahlendes Betriebskapital von 236535 Gulden von seiten seiner Partner aufzubringen sein würde, während er, auiser dem gleichen Kapital auch noch den Pfeffer bis Hamburg lieferte, ehe er ihm bezahlt wurde. In einem zweiten Vorschlage, der aber ganz auf derselben Basis be-

s) Loc. 7411. Port, Handlungen Bl. -1 ff. u. ih. Handlung u. Kon- trakt Bl. ff.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 189

ruht, reduzierte er das Gesamtkapital auf 857131 Gulden, indem er einen Teil der Gewürze zu billigeren Preisen zu liefern versprach. Aber auch so fanden seine Vor- schläge keine Annahme. Vor allem waren es die Ver- treter der Leipziger Handelsschaft, welche weitläufige Be- denken erhoben und damit die Verhandlungen aufhielten ; doch waren auch die kurfürstlichen Abgeordneten wenig geneigt, die Vorschläge in ihrem ganzen Umfange zu acceptieren. Dagegen scheinen sie allerdings von vorn- herein entschlossen gewesen zu sein, den Teil, der sich auf das Pfeffergeschäft bezog, anzunehmen.

Das war denn auch endlich das einzige Resultat. Die Beteiligung der Leipziger scheiterte vorläufig daran, dafs Rott seine Gewürzlieferungen nicht durch Safran vervollständigen konnte; wenn aber dieses zu jener Zeit außerordentlich stark verwendete Gewürz nach wie vor in Nürnberg gekauft werden müsse, argumentierten die Leipziger, so würden auch die anderen Gewürze, da man kein Monopol dafür besäfse, nach wie vor dort ihren Absatz behalten. Da sie nur ganz allgemein gehaltene Vollmachten besafsen, demnach auf Einzelheiten sich ein- zulassen nicht ermächtigt waren, scheinen sie am 15. März von den Verhandlungen zurückgetreten zu sein , mit der Voraussetzung jedoch, dafs dieselben später in Leipzig wieder aufgenommen werden sollten. Das Pfeffergeschäft aber wollten die kurfürstlichen Räte sich jedenfalls nicht entgehen lassen und setzten deshalb die Verhandlungen auch nach der Abreise der Leipziger fort. Über die wesentlichen Punkte wurde man ziemlich schnell einig, nur der Preis, zu welchem Rott den Pfeffer liefern sollte, machte einige Schwierigkeiten. Im ersten Entwurf hatte er 36 Dukaten für den Zentner begehrt, im zweiten war er auf 32 Dukaten heruntergegangen, aber auch das erschien den Kurfürstlichen noch zu hoch. Rott behauptete dagegen unter diesen Preis nicht herabgehen zu können ; ja er erbot sich, das ganze Geschäft lieber allein zu machen und aufser 5°/0 Zinsen jährlich noch 60000 Gulden an den Kurfürsten zu zahlen, wenn dieser ihm nur für jeden Zentner Pfeffer, den er nach Leipzig lieferte, 36 Dukaten vorschieben würde. Obgleich dabei der wunde Punkt in der Rottischen Unternehmung, der Mangel des unbedingt nötigen Betriebskapitales, sehr deutlich durch- schimmerte, verfehlte dieses Anerbieten doch nicht, Ein- druck auf die Unterhändler zu machen, und als Rott

[90 Konrad Haeliler:

ziemlich überzeugend nachwies, dafs man mit diesen Preisen noch immer ohne Schwierigkeiten einen Gewinn von 30°/0 werde erzielen können, so erfolgte denn auch darüber eine Verständigung.

Am 17. März war man so weit gediehen, dafs es sich nur noch darum handelte, die Formen für das ge- schäftliche Unternehmen zu finden. Kurfürst August war bereit, den Geschäftsvertrag mit Rott abzuschließen, ja er hätte es wohl auch unbedenklich mit offener Nennung seines Namens gethan, wenn nicht seine Berater bei der monopolistischen Tendenz des Unternehmens Unzuträg- lichkeiten davon befürchtet hätten. Er erklärte sich deshalb denn auch einverstanden, dafs man den Schein einer kaufmännischen Handelsgesellschaft vorschützen sollte, nur als seine Räte vorschlugen, dieselbe die „Dres- dener" Gesellschaft zu nennen, fand er diesen Namen unzweckmässig, da Dresden als Handelsplatz zu geringen Ruf besäfse, um ein Welthandels-Unternehmen mit seinem Namen einzuführen; lieber möge man, da eine Leipziger Gesellschaft noch immer für den Handel mit den anderen Gewürzen erhofft wurde, die Pfeffer -Handelsgesellschaft die Erfürtische oder Thüringische nennen. Für letzteren Namen entschieden sich die Unterhändler und Kurfürst August gab dazu am 25. März 1579 seine Zustimmung9). Schon am 18. hatte er erneut die drei Unterhändler Bernstein, Jenitz und Harrer nicht nur zum Abschluß des Vertrages in seinem Namen bevollmächtigt, sondern ihnen auch dauernd die Leitung aller aus diesem Ver- trage entstehenden Geschäfte übertragen und gewährte ihnen in Anerkennung der guten Dienste, die er von ihnen erwartete, r4 des aus allen diesen Geschäften zu erzielenden Gewinnes. Dagegen stellten am selben Tage die drei Unterhändler einen Revers aus, worin sie er- klären, dafs alles, was sie mit Konrad Rott abmachen, durchaus nur im Namen und Auftrage ihres kurfürst- lichen Herrn geschehe und dafs ihnen daran kein weiteres Recht zustehe, als was er ihnen gnädig daran einzuräumen für gut befinde.

Nunmehr erhielten die Abmachungen die vertrags- mäfsige Form und wurden am 21. März von beiden Teilen unterzeichnet. Darin verpflichtet sich Rott jährlich 8000 Zentner Pfeffer zu liefern, und zwar nicht nach

'->) Hauptstaatsarchiv Cop. 448 Bl. 94.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 191

Torgau oder einem andern am Wasser gelegenen Platze, wie er anfangs begehrte, sondern nach Leipzig; darauf bestand der Kurfürst mit der ausgesprochenen Absicht, dem seit einiger Zeit darniederliegenden Leipziger Handel dadurch zu Hilfe zu kommen. Man erhoffte mit Recht einen grofsen Aufschwung der Geschäfte, denn Rott sollte nicht nur in Deutschland, sondern auch in Antwerpen seine bisherigen Niederlagen aufheben und allen Pfeffer, der ihm aus seinen portugiesischen Verträgen zustand, nach Leipzig wenden, sobald der Absatz eines solchen Quantums sich als möglich herausstellte. Sollte dies nicht der Fall sein, dann sollte er allerdings das Lager in Leipzig nicht mit mehr als den bedungenen 8000 Zentnern belasten, durfte aber den Überschuß nur in Lissabon, und zu höheren Preisen, als die der Thüringischen Ge- sellschaft bestellten, losschlagen. Auch übernahm er für sich und seine Teilhaber au den portugiesischen Verträgen die Verbindlichkeit, die Absatzgebiete der Parteien so zu begrenzen, dafs den Portugiesen Spanien, Portugal, Frankreich und England, den Italienern Italien mit allen seinen Inseln, ihm selbst und der Thüringischen Gesellschaft aber Deutschland, die Niederlande, Ostland und Polen zur Ausbeute überlassen wurden. Und zwar sollte jede Partei für jeden Zentner, den sie außerhalb ihrer Handelssphäre verkaufte, der geschädigten Partei 10 Dukaten Strafe zahlen. Der Pfefferhandel in Leipzig war in folgender Weise gedacht: Rott lieferte die rohe Ware, wie sie aus dem Indienhause zu Lissabon kam, auf seine ausschließliche Gefahr bis in die zu errichtenden Handelsgewölbe der Gesellschaft in Leipzig und trug alle bis dahin erwachsenden Kosten an Fracht, Zoll und Versicherung allein. Erst in Leipzig übernahmen Harrer und Genossen die Hälfte des Pfeffers die andere Hälfte blieb als Geschäftseinlage Rotts Eigentum zum Preise von 50 Gulden Rheinischer Währung für den Zentner. Der Preis setzt sich zusammen aus 45 Gulden 18 Groschen 2 Pfennige für den Pfeffer und 4 Gulden 2 Groschen 10 Pfennige an Unkosten, die getrennt zu buchen sind, da Rott für seine Einlage die Unkosten selbst trägt und dieselbe zum Nettopreise der Gesell- schaft überlässt. Von dem Erlös werden zunächst 5°/0 Verzinsung des im Lager steckenden Kapitals jedem zur Hälfte zugesprochen, dann die Auslagen der Gesell- schaft gedeckt und der verbleibende Gewinn geteilt.

192 Konrad Haebler:

Die Thüringische Gesellschaft verpflichtet sich aber für allen den Pfeffer, der bis zu einer der Leipziger Messen eingeliefert ist, dem Rott den Nettopreis vorzu- schieben; sollten weitere Pfeffersendungen von Lissabon unterwegs sein, ohne zur Messe zurecht zu kommen, so sollte er auch darauf 30 Gulden pro Zentner zuvor er- halten, das Kapital aber, bis zum Verkauf, mit 5% ver- zinsen, auch sollten erst diese Verläge vom Erlös zurück- gezahlt werden, ehe Rott seine Zinsen und Gewinnanteile ausgezahlt erhielt. Um das Geschäft zu beginnen, wird er bis zu Ablauf der Ostermesse 1400 Zentner Pfeffer liefern, für deren vorläufige Unterbringung die Thürin- gische Gesellschaft Sorge trägt.

Diese letzte Bestimmung war in dem ganzen Ver- trage der springende Punkt. Denn während die kur- fürstlichen Räte in dem Glauben, ein glänzendes Ge- schäft eingeleitet zu haben, den Vertragsschluss durch ein großartiges Gelage feierten, waren sie im Grunde genommen gewaltig von Rott düpiert worden. Der Welt- markt war durch gute Ernten und durch gewaltsame Ver- käufe, die König Sebastian in seiner Geldnot abgeschlossen, so mit Pfeffer überschwemmt, dafs Rott für seinen An- teil einen baldigen Absatz nicht mehr finden konnte. Diesen bedurfte er aber, um für die Fortsetzung des Handels seinen Anteil der Einlage zu beschaffen. Die Thüringische Gesellschaft nahm ihm nun sein Pfefferlager ab gegen baar, und zwar zahlten sie ihm in der nächsten Messe allein 67105 Gulden, eine Summe, die. seinem mäfsigen Kredite bedeutend zu Hilfe kam. Überdies wufste er es den Teilhabern einleuchtend machen, dafs man, um weiteres Sinken der Pfefferpreise zu hindern und da seine Ernten erst allmählich eintreffen konnten, auf andern Plätzen den Pfeffer aufkaufen müsse, um den Kaufmann zu zwingen, seinen Bedarf in Leipzig zu decken, ein Vorgehen, dessen Vorteile wiederum unmittelbar nur Rott, dem Hauptverkäufer des Pfeffers, zu Gute kamen. In vollem Umfange konnte freilich damals noch niemand die Absichten Rotts erkennen, vielleicht täuschte er sich sogar damals selbst noch einigermaßen über seine Aus- sichten; denn wenn es gelang dem Unternehmen die ge- plante Ausdehnung und feste Gestalt zu geben, so konnte es allerdings ein zwar mit allen Merkmalen der verpönten Monopole belastetes, aber doch sehr einträgliches Ge- schäft werden. Es fragte sich nur, ob Rott die Macht,

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 193

ja ob er auch nur den guten Willen besais, neben den unmittelbaren eigenen Vorteilen auch die entfernteren seiner Teilhaber wahrzunehmen.

In Sachsen wiegte man sich wenigstens vorläufig in den rosigsten Täuschungen, und die Wirkungen des Ver- trags nach aulsen hin waren ganz dazu angethan, die- selben zu befördern. Der Vertrag mit dem Kurfürsten

denn dafs dieser hinter der Thüringischen Gesellschaft steckte, wird Rott gewils selbst mit Geschick zu ver- breiten gewufst haben befestigte unmittelbar Rotts bereits sehr schwankenden Kredit, ja, mehr als das: die Nürnberger, die bereits auf den Zusammenbruch von Rotts portugiesischer Pfefferpacht gerechnet hatten, ge- rieten in helle Wut, als diese nun nicht nur befestigt, sondern der ganze Pfefferhandel von ihrer Stadt unwieder- bringlich abgelenkt erschien. Wenn auch einzelne Firmen sich den Anschein gaben, die veränderten Verhältnisse anzuerkennen und ihre Konjunkturen darnach einzurichten

durch Sixt Adelgais erboten sich Nürnberger Kauf- herren, von der Thüringischen Gesellschaft die Versor- gung der Rhein- und Donauländer zu pachten10) , so war dies doch wohl nur ein Vorwand, um die Gefühle des Neides und der Feindseligkeit zu verdecken, mit denen Rotts Erfolg sie erfüllte. Nur einer gönnte ihm dieselben in vollem Umfange und wufste sich auch selbst noch einen Anteil daran zu sichern, das war Hans Harrer.

Während die Thüringische Gesellschaft alle Ge- schäfte mit Rott gegen bares Geld abschlofs, verschaffte Harrer sich durch persönliche Abmachungen mit Rott einen Absatz für seinen Handel mit allerlei Waren. Er hatte einen Anteil an der Ausbeute der Mansfelder Kupferbergwerke in seine Hände gebracht, und dazu auch andere darunter auch die Grünthaler Kupfer aufgekauft; dafür sollte ihm nun Rott einen Absatz im Süden eröffnen, denn dort wurde Kupfer seit langer Zeit aus dem Norden bezogen, und Rott selbst hatte solches schon nach Spanien wie nach Portugal verhandelt. Als Zahlung für das Kupfer sollte Rott wiederum von Lissa- bon brasilischen Zucker zurückschicken, und damit wollte Harrer den schon einmal mißglückten Versuch des Betriebs einer Zuckersiederei in Sachsen erneuern. Auch hierin durfte er von Rott sachverständigen Rat

I0) Loc. 7411. Port. Handlungen. Bl. 304 f.

Neues Archiv f. Ö. G. u. A. XVI. 3. 4. 13

1 ! 1 1 Konrad Haebler :

erwarten, hatten doch die Rottischen im Jahre 1563 in Augsburg die erste Zuckersiederei auf deutschem Boden angelegt, und Konrad Rott selbst hatte damals den Ein- kauf des Zuckerrohrs und Saftes unter sich gehabt. Schon im April gingen die ersten, allerdings noch gering- fügigen Kupfersendungen die Elbe hinunter und über Hamburg nach Lissabon, während Rott im Juni sich rühmt, seine Leute mit dem Ankauf von Brasilzucker im Werte von 8000 Gulden beauftragt zu haben. Ob er freilich hierin aufrichtig war, ist sehr zu bezweifeln, denn Harrer hat niemals von dem Zucker etwas zu sehen bekommen11).

Mit den Pfefferlieferungen aber machte Rott Ernst. Schon am 4. April kamen die ersten Säcke davon in Leipzig an und wurden bis zur Fertigstellung der im Gewandhause vorgesehenen Geschäftsräume in den Ge- wölben der Pleiisenburg aufgespeichert. Bis zum 16. Mai waren 897 12 Zentner Pfeffer und 507 72 Zentner Canel dortselbst angelangt12). Daneben aber war Rott eifrigst bemüht, die bei der Thüringischen Gesellschaft errun- genen Erfolge weiter auszubauen. Schon in Torgau hatte er zwei weitere Projekte vorgebracht, in denen er unter dem Deckmantel der Förderung allgemeiner Interessen seine eigenen Vorteile geschickt zu fördern verstand. Das eine betraf die Errichtung einer Wechselbank in Leipzig, um durch dieselbe der internationalen Gestal- tung des Gewürzhandels zu Hilfe zu kommen. Er schlug vor, Harrer oder der Kurfürst sollten 50000 Gulden zu diesem Zwecke dort deponieren, er selbst wolle gegen 2% Provision die Versicherung übernehmen, wenn man nicht vorzöge, das Geschäft ebenfalls gemeinsam zu machen. Jedenfalls aber wolle er die Verwechselung nach Spanien und Italien besorgen. Vorwiegend war es ihm dabei gewiis darum zu thun, die 50000 Gulden in seine Hände zu bekommen, was ihm aber nicht gelungen ist. Nicht minder geschickt war das andere Projekt ersonnen. Man weife, wie unzufrieden Kurfürst August mit den da- maligen Einrichtungen der Post war, eine Unzufrieden- heit, die allerdings von der Gesamtheit der Handelswelt geteilt wurde. Rott erbot sich nun, auf seine Kosten

") Hauptstaatsarchiv Loc. 7411. Port. Handlungen, Bl. 64, 86, 135 ff., 348. Fugger- Archiv 2, 5, 13. Müller an Fugger 15. Juli 1575. 12) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 42 ff.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 195

eine neue Post zwischen den sächsischen und oberdeut- schen Städten und von da nach Italien und Spanien einzurichten, wenn ihm nur der Kurfürst die kaiserliche Genehmigung- erwirken wolle. Er ist wirklich in dieser Angelegenheit im April am kaiserlichen Hofe in Prag gewesen und hat mindestens zum Scheine die Verhand- lungen darüber noch lange fortgesetzt. Im Oktober be- hauptet er, es sei nur noch eine einzige Stimme im kaiser- lichen Rate dagegen und er habe die bestimmte Zusicherung der baldigen Genehmigung erhalten. Einen Erfolg haben auch hierin weder seine Bemühungen noch die wieder- holten kurfürstlichen Empfehlungsschreiben erzielt13).

Womit aber Rott nach dem Torgauer Vertrage zu- nächst vor allem seine Teilhaber in Atem erhielt, das war die Angelegenheit der kleinen Gewürze. Schon auf der Rückreise von Torgau hatte er in Leipzig noch ein- mal Halt gemacht und in erneuten Verhandlungen sich bemüht, die dortige Kaufmannschaft für das Projekt einer Handelsgesellschaft zum Vertriebe der Droguen und kleinen Gewürze zu gewinnen. Er stiefs damit keineswegs auf einen geschlossenen Widerspruch, allein ebensowenig wollte es ihm gelingen, die vielen verschiedenen Ansichten, die dort laut wurden, unter einen Hut zu bringen. Er er- klärte deshalb bald darauf an Harrer und die Thüringische Gesellschaft, dafs er mit den Leipzigern nicht weiter zu unterhandeln imstande sei, und forderte sie auf, ihrerseits die Sache in die Hand zu nehmen und eventuell mit den Leipziger Geschäftsleuten über deren Beteiligung sich zu einigen. Er konnte aber selbst auch damals noch keines- wegs einen bestimmten überzeugenden Plan vorlegen, sondern er machte nur eine Reihe unterschiedlicher, ziem- lich vager Vorschläge, an denen nur das eine bezeichnende Merkmal mit groiser Beständigkeit wiederkehrte: die Forderung, ihm eine beträchtliche Summe zur Einleitung des Geschäftes anzuvertrauen. Damit wollte er dann entweder vom Könige von Portugal den Droguenvertrieb für Europa für ein paar Jahre pachten und die Sache ähnlich wie den Pfefferhandel einrichten, oder aber er wrollte auch hier den Einkauf in Indien in seine Gewalt bringen und damit für seine Teilhaber ein Weltmonopol der Gewürze schaffen14).

13) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 56, 304 und ebd. Hand- lung und Kontrakt Bl. 98.

u) Loc. 7411. Port. Handlungen BL 85 ff., 118 ff.

13*

19G Konrad HaetnVr

Die Denkschrift, mit welcher das Projekt dem Kur- fürsten von den Herren der Thüringer Gesellschaft unter- breitet wurde, läfst nicht verkennen, daß sie dem Grund- gedanken, der Ablenkung des Gewürzhandels nach Leipzig, sehr wohlwollend gegenüberstanden ; sie konnten aber doch nicht umhin, den hochfliegenden Plänen Rotts ein wenig die Flügel zu beschneiden. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte mit Preisschwankungen von 400 °/0 in wenigen Wochen hatte gezeigt, wie außerordentlich der Handel mit Droguen von der Spekulation abhängig war; auf so unsicherem Gebiete große Kapitalanlagen auf Jahre vor- aus zu bewilligen, erschien ihnen mit Recht bedenklich. Sie schlugen allerdings direkt nur ein Geschäft nach Art des Pfeft'ervertrages vor, worin Rott Auslagen und Risiko bis zur Lieferung nach Leipzig tragen sollte, allein sie ließen nicht undeutlich durchblicken, daß man sich auch zu einer Beteiligung an der Kapitalisierung des Unternehmens schließlich wohl werde bereit finden lassen, und diesen Punkt ergriff Rott natürlich mit be- sonderem Eifer.

Über diesen Verhandlungen gingen die Monate April und Mai 1579 dahin; daneben kaufte Rott in Nürnberg, in Frankfurt, in Venedig größere Quantitäten von Pfeffer auf, dirigierte ihn an die Gesellschaft nach Leipzig, ver- fehlte aber natürlich auch nicht, die Wechsel über die Kaufsummen der Thüringischen Gesellschaft zur Be- zahlung einzusenden. Obwohl er so an 80000 Gulden noch auf der Ostermesse erhob, fand doch niemand etwas Arges dabei; der Pfeffer der nach Leipzig gelangte, bildete ja ein wertvolles Faustpfand: so öffnete denn Kurfürst August seinen Schatz und zahlte. Die ersten Mißhelligkeiten stellten sich darüber ein, dafs die Ver- träge, die Rott mit seinen Teilhabern in Lissabon be- schlossen hatte und die er auf das Drängen der Thürin- gischen Gesellschaft endlich vorlegte, in ihrem Inhalte durchaus unvereinbar waren mit dem in Torgau ge- schlossenen Vertrage. Dazu kam, dais der Abschluß mit der Thüringischen Gesellschaft zwar auf allen Messen lautes Geschrei hervorrief und heftiger Anfeindung be- gegnete, der Pfeffer aber nach wie vor zu abnorm billigen Preisen und in großen Massen gehandelt wurde. Wenn man sich auch über die letzteren Umstände leichtlich durch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft hinweg- setzte, so bedurften doch die Widersprüche in den Ver-

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft, 107

trägen einer gründlichen Aufklärung-. Rott war auch sofort bereit, dieselbe in einer neuen persönlichen Zu- sammenkunft zu geben, gewiis nicht zum mindesten in der Hoffnung, seine weiteren Projekte dabei zu fördern. Am 29. Juni traf er wieder in Dresden ein und scheint denn auch ohne sonderliche Mühe die Zweifel seiner Partner beseitigt zu haben, indem er erklärte, die Ver- träge in Portugal seien gleichzeitig mit den Torgauer Abmachungen beschlossen, es sei daher nicht möglich gewesen, sich wegen vollkommener Übereinstimmung zu verständigen; er werde aber die Durchführung im Sinne des Torgauer Gesellschaftsvertrages sofort in Angriff nehmen. Weit mehr Zeit verwendete Rott darauf, den Herren der Thüringischen Gesellschaft den Droguen - Handelsplan mundgerecht zu machen. In dem Berichte, der über die Verhandlungen an den Kurfürsten erstattet wurde, ist nur im Eingange flüchtig von der Ratifikation des alten Vertrages die Rede, dann aber wird weitläufig über die Aussichten des anderen Handelsgeschäftes berichtet. Rott zeigte sich sehr unterrichtet über die Heimatsländer jeder Art von Spezerei, er zählte die portugiesischen Handels- faktoreien in Indien auf und verfehlte natürlich dabei nicht in sehr ruhmrediger Weise seiner eigenen Niederlassung in Goa zu gedenken15). Dann empfahl er unbedingt, das ganze Gewürzgeschäft in Indien und in Europa in eigenen Händen zu monopolisieren; seine Partner im Pfefferhandel würden sich zuversichtlich gern in dem- selben Verhältnisse am Gewürzgeschäft beteiligen und der König von Portugal werde mit einer stattlichen Ver- ehrung zu einem so vorteilhaften Vertrage jedenfalls nicht kargen. Auch die Finanzfrage stellte er in der verlockendsten Weise dar: die 12/o0 seines Anteils würden allerdings etwa 400000 Thaler jährlich kosten, allein man werde vom König von Portugal leicht die günstigsten Zahlungs-, und durch seine Leute in Indien zweifellos die billigsten Einkaufsbedingungen erlangen. Einen Effekt könne das Geschäft allerdings erst binnen zwei Jahren erzielen, da die nächsten Schiffe nach Indien erst im März 1580 abgehen, im September nach Indien gelangen, dort im Frühjahr abfahren und im August 1581 zurück- kehren; bis dahin könne man aber durch Aufkäufe den Handel in Aufschwung bringen und in die neuen Bahnen

15) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 47 f.

108 Konrad HaeMer:

lenken. Er begehrte auch vorläufig- gar keine Kapital- beteiligung, vielmehr möge die Thüringische Gesellschaft erst ein halbes Jahr nach Lieferung der Gewürze zahlen; nur als Darlehn möge ihm der Kurfürst in Anbetracht der grofsen Auslagen, die das Geschäft ihm verursachte, 150 000 Thaler zu mälsigem Zinse vorstrecken lassen16). Kaum hörte er im Laufe der Unterhandlungen, dais der Kurfürst im Begriff stehe, eine Zusammenkunft mit seinem Schwager, dem Könige von Dänemark, abzuhalten, so war er auch schon mit einem neuen Projekte bei der Hand, um auch diesen in den Kreis seiner Unterneh- mungen hineinzuziehen. Der Pfeffer- und Gewürzhandel, so erklärte er, würde ihn im Laufe der nächsten Jahre nötigen, sehr bedeutende Quantitäten und Werte über See zu führen, denn er beabsichtige, alles von Lissabon zu Schiff nach Hamburg zu transportieren. Zu diesem Zwecke bat er, möge der Kurfürst dem Könige von Dänemark den Vorschlag unterbreiten, diesen Seetransport zu über- nehmen. Dänemark sei reich an Schiffen und tüchtigen Seeleuten, und diesen wolle er einen gesicherten und lohnenden Verdienst verschaffen. Er schätzte den Import nach Hamburg auf jährlich 800 000 Thaler; wenn nun der König Fracht und Versicherung für 5 °/0 übernehme, so würden damit jährlich 40 000 Thaler zu verdienen sein, und es stünde ganz in der Macht des Königs, ob er dazu drei grofse oder eine gröfsere Anzahl kleinere Schiffe be- schäftigen wolle, je nach der Gefahr, die er mit dem einzelnen Schiffe zu übernehmen sich getraue. Übrigens sei er, Rott, auch bereit, die Schifte gegen die feste Summe von 40000 Thaler zu mieten, wenn nur der König eine billige Entschädigung für etwaige Verluste nach den Frachtbriefen versprechen wolle. Die Schiffe könnten dann, mit Artikeln des Nordens und Ostens befrachtet, im August von Hamburg abgehen, im Dezember in Lissa- bon sein; dort wolle er gern den Vertrieb der Waren in Kommission nehmen ; Mitte Februar könne dann der Rück- weg angetreten werden, und im April würden die Schiffe noch zeitig genug zurückkehren, um in der nordischen Sommerschifffahrt einen zweiten Verdienst zu erwerben17). Die Angelegenheit wurde gleich noch in die Form eines Vertrages gebracht und Kurfürst August hat diesen

I6) Loc. 7111. Pmt. Ilandlnmri'ii Bl. 98—101. ") Ib. Bl. 107 ff.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 199

wirklich dem König von Dänemark übermittelt. Das Interessanteste daran ist jedenfalls der klare Blick, mit dem Rott die notwendige Entwickelung voraussah, zu welcher der deutsch-spanische Seehandel durch den Gang der Ereignisse gedrängt wurde. Ganz wie er es hier entwickelt, hat sich Hamburg in den nächsten Jahrzehnten fast ausschlieislich des spanischen Handels bemächtigt, der in Antwerpen nicht mehr einen festen Stützpunkt finden konnte ; vorübergehend hat sogar Dänemark durch Errichtung eines hispanischen Convois sich zum Herrn und Beschützer dieses Handels aufgeworfen.

In seinem eigenen Geschäfte freilich mufs Rott diesen weiten Blick weniger bethätigt haben oder doch nicht imstande gewesen sein, seinen umfassenden Entwürfen Ge- stalt und Leben einzuhauchen. Eine traurige Illustration zu seinen kühnen Plänen bildet die damalige Lage seines Geschäftes, die wir aus anderen Quellen kennen lernen. In eben diesen Tagen schrieb ihm der Vorsteher seines Hauptkontors in Augsburg, Ulrich Hörwart, dafs ein Wechsel aus Madrid eingegangen sei, den er nicht be- zahlen und für den er auch keine Deckung finden könne. Bereits seit Monaten, ich glaube schon vor Abschlufs des Torgauer Vertrages, kämpfte Rott gegen die Not- wendigkeit, seinen Bankerott zu erklären, und zwar nicht als ein redlicher Mann durch gewissenhafte Geschäfts- abwickelung, sondern wie ein leichtfertiger Spieler durch die schwindelhaftesten Geschäfte, die, wenn sie ihm in einem Augenblicke über den Berg halfen, ihn rettungslos im nächsten in den Abgrund ziehen mufsten. In welchem geringen Ansehen sein portugiesisches Geschäft bei den deutschen Häusern auf der Pyrenäenhalbinsel stand, habe ich schon oben erwähnt. Schmutziger Geiz, unordentliche Wirtschaft und eine geradezu gemeine Gesinnung wird ihm von den verschiedensten Seiten vorgeworfen. Die Fugger hatten ihm 60 000 Gulden geborgt und waren nie zu bewegen, ihm einen gröfseren Kredit einzuräumen; welche Bewandtnis es damit hat, dals Rott sich, eben in dieser Zeit, erbot, mit der Handschrift der Fugger dem Gerüchte entgegenzutreten, dafs er ihnen Geld schulde, vermag ich nicht zu ergründen. In ihrer Unwahrheit spricht die Behauptung durchaus nicht zu Rotts Gunsten. Nicht minder tief steckte er bei den Imhofs in der Schuld, und nur indem er ihnen alle erdenklichen Sicherheiten aushändigte und alle ihre Forderungen gewährte, konnte

200 Konrad Haebler:

er von ihnen immer von neuem Verlängerung und Aus- dehnung seiner Verbindlichkeiten erlangen. Er hat sich später bitter beklagt, dafs die Imhofs als Halsabschneider an ihm gehandelt hätten, und es läfst sich nicht leugnen, dafs sie ihm außerordentlich drückende Bedingungen auf- erlegt haben. Sie hatten aber doch dafür wohl eine ge- wisse Entschuldigung, da niemand so gut wissen konnte, als sie, auf welcher wankenden Grundlage das ganze Gebäude der Rottischen Handlung stand. Auch sonst war er vielen Gläubigern stattliche Summen schuldig, vor allem ein wenig ehrenhafter Zug - - hatte er alle Mitglieder seiner Familie unter schwindelhaften An- erbietungen vermocht, ihm ihr Geld anzuvertrauen, das so gut wie alles übrige in dem Danaidenfässe seiner Handlung zerrann. Unter diesen Umständen hält es schwer, in den Vorschlägen und Plänen, die Rott zu machen nicht müde wurde, etwas anderes zu erblicken, als den Versuch, auf eine oder die andere Weise sich immer noch einmal ein Darlelm, und damit einen Aufschub für den unvermeidlichen Zusammenbruch zu verschaffen ls). Zu einem unmittelbaren Resultate führten auch die Verhandlungen im Juli nicht, obwohl sie sich über mehrere Wochen ausdehnten. Dennoch kam Rott seinem Ziele um einen guten Schritt näher. Im Prinzip erklärte sich die Thüringer Gesellschaft auch mit dem Projekte des Droguenhandels einverstanden; nur über die Modalitäten gelangte man noch nicht zum Entschlufs. Wiederum waren Vertreter des Leipziger Handelsstandes berufen; und wenn der Stand als solcher auch bei seiner Ablehnung beharrte, so erklärten sich doch einzelne Kaufherren in solchem Umfange zu einer Beteiligung bereit, dafs ein Zustandekommen des Unternehmens in der Form zu hoffen war, dafs, wenn Rott die Hälfte des Geschäfts übernahm, wie im Pfefferhandel, die Thüringische Ge- sellschaft ein weiteres Viertel und die Leipziger den Rest einsehiefsen sollten. Unter solcher Beteiligung wollte man zunächst einen Versuch mit dem Handel bis zur Höhe von 120000 Thalern machen, nach dessen Ausfall würde sich dann die Entscheidung über die Bildung einer neuen Gesellschaft richten. Rott wäre wohl auch darauf eingegangen, wenn er nur möglichst bald das zum Ankauf

ie) Vergl. die Aktori über Rotts Bankerott im Stadtarchiv zu Augsburg, ad a. 1580.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 201

bestimmte Geld in seine Hände bekommen hätte ; er erbot sich, dasselbe gegen 8% Spesen nach Lissabon zu ver- wechseln und zu versichern, und forderte seine Partner auf, so bald als möglich im Namen der neuen Gesellschaft zwei Mann abzuordnen, die ihm dort bei Einkauf und Verfrachtung der Spezereien behilflich sein und das Interesse der Gesellschaft wahrnehmen sollten. Aui'ser- dem aber sandte er wiederholt brieflich und durch eigene Boten dringende Bitten um das beantragte Darlehn von 150 000 Thalern. Ja, als es ihm Harrer im Namen der Thüringischen Gesellschaft endgültig hatte abschlagen müssen, wandte er sich mit der gleichen Bitte direkt an den Kurfürsten. Allein, obwohl dieser anfänglich nicht ganz abgeneigt war, seine Bitte zu bewilligen, erfolgte doch auch von dieser Seite ein abschlägiger Bescheid, als Kurfürst August erfuhr, in welchem Sinne die Thüringische Gesellschaft geantwortet hatte.

Über diese wiederholten Abweisungen verlor endlich auch Rott sein zuversichtliches und stets gleichmütiges Auftreten. Hatten schon seine ewigen dringlichen Bitten um Geld die Teilhaber der Thüringischen Gesellschaft stutzig gemacht, so drohte jetzt ein offener Konflikt aus- zubrechen, als Rott sich erlaubte, am 29. August einen sehr rücksichtslosen Brief an Harrer und die Thüringische Gesellschaft zu schreiben1"). Er erklärte darin, dafs er nunmehr überhaupt nichts mehr mit dem Droguenhandel zu thun haben möge. Während er bisher stets in Aus- sicht gestellt hatte, demnächst selbst in dieser Angelegen- heit nach Lissabon zu reisen, meinte er jetzt, die Einlage, welche die Gesellschaft leisten wolle, sei so geringfügig, dais sie die weite Reise nicht lohne; sie möchten nur ihre Abgeordneten ruhig daheim lassen und das bischen Spezerei direkt von ihm oder durch ihn kaufen. Kurz, er liefs seinem Unmute in solcher Weise die Zügel schiefsen, dafs die Herren der Thüringischen Gesellschaft nahe daran waren, ihm jede Erweiterung ihrer geschäft- lichen Beziehungen abzuschlagen. Rotts Rücksichtslosig- keit war um so unkluger, als gerade in diesen Tagen die Thüringische Gesellschaft den endgiltigen Entschlufs ge- faist hatte, an dem Spezereihandel auch ohne alle Bei- hilfe von anderer Seite sich zu beteiligen. Der Brief, welcher Rott benachrichtigte, dafs ihm zu diesem Zwecke

10) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 247.

202 Konrad Haebler:

60 000 Gulden auf die Frankfurter Herbstmesse ange- wiesen seien und dals Harrers Schwager, Dr. Michael Funk, Mitte September in Augsburg eintreffen werde, um Rott zur Einleitung des neuen Geschäftes nach Lissa- bon zu begleiten, kreuzte sich gerade mit jener wenig verbindlichen Absage Rotts. Er beeilte sich denn nun auch aufserordentlich , den peinlichen Eindruck dieses Briefes zu verwischen. Unmittelbar nach Empfang von Harrers Ankündigung ist er sofort wieder zu dem Ge- schäfte bereit. Seinen unfreundlichen Brief entschuldigt er damit, dafs er geglaubt habe, man wollte von ihm eine Geschäftseinlage, wie sie die Thüringische Gesellschaft gab, hier in barem Gelde beanspruchen, und dazu sei er im Augenblick wirklich nicht imstande gewesen. In Lissabon aber könne er bereitwilligst seinen Anteil an Gewürzen der Unternehmung zur Verfügung stellen, um so mehr, als ihm eben die Nachricht zugegangen sei von der glücklichen Ankunft dreier reich mit Gewürzen be- ladener Schiffe in Lissabon, von deren Ladung er die ihm zustellenden 5000 Zentner Pfeffer unmittelbar nach Leipzig überzuführen beabsichtige.

Es scheint ihm gelungen zu sein, damit noch einmal die Bedenken der Thüringischen Gesellschaft zu zerstreuen. Nicht nur 60 000 Gulden im Namen der Thüringischen Gesellschaft wurden ihm auf der Frankfurter Herbst- messe ausgezahlt, sondern Harrer gab ihm auf vielfaches Drängen noch persönlich einen Wechsel auf die Leipziger Fastenmesse von 40000 Gulden mit der Erlaubnis, ihn in Frankfurt weiter zu begeben. Und wenn wir uns die Instruktion näher ansehen, mit welcher Dr. Funk um die Mitte September nach Augsburg abgefertigt wurde, so kann man nicht daran zweifeln, dals die Thüringische Gesellschaft noch ganz im Fahrwasser der Rottischen Projekte dahinfuhr. Allerdings wurde betont, dals Funk vorläufig zu keinerlei Abschlüssen im Namen der Gesell- schaft ermächtigt sei: er sollte nur sich informieren, bei allen Handlungen als Zeuge zugegen sein, sich mit den Ge- schäften vertraut machen. Dennoch nahm die Thüringische Gesellschaft die unmittelbare Verwirklichung der Rott- schen Pläne über den Spezereihandel als so selbstver- ständlich an, dals sie Funk beauftragte, bei den bezüg- lichen Verhandlungen zwischen Rott und dem Könige als Zeuge zu fungieren und Abschriften der alten und neuen Verträge für die Gesellschaft sich zu verschaffen.

Konrad Rott uud die Tliünni>isclic; Gesellschaft. 203

Dr. Funk brach am 2. September von Dresden auf. Ihn begleitete ein Sohn des Kammermeisters Harrer, der sich schon bei Gelegenheit der früheren Verhandlungen auf drei Jahre zu dem Geschäfte Rotts in Lissabon als Handlungsdiener verschrieben hatte und nunmehr mit Funk gemeinsam die Reise dahin unternehmen wollte. Als sie aber am 22. September in Augsburg ankamen, fanden sie zur Weiterreise noch nichts vorbereitet. Rott wollte nicht eher nach Portugal aufbrechen, als bis er mit dem Generalvertreter seiner italienischen Teilhaber, dem Giovambattista Rovelasca, eine Zusammenkunft ge- halten habe, von der in seinen Briefen schon seit Wochen die Rede war, ohne dafs ein Termin dafür bestimmt worden wäre. Unterdessen unterhielt er Harrer durch Auseinandersetzungen darüber, wie er dessen Sohn nicht nur zu einem tüchtigen Geschäftsmann, sondern gleich- zeitig zu einem feinen Herrn machen wollte. Den jungen Harrer brachte er in die Gesellschaft der ziemlich gleich- alterigen Söhne seiner Vettern Georg und Erasmus, und den Dr. Funk überliefs er den Angestellten seines Ge- schäfts, besonders dem mit den letzten Schiffen aus Indien zurückgekehrten Hans Hartmann Hyrus, den er, wenn es zweckmäßig befunden wurde, auch an die Thüringische Gesellschaft zu weiterer Auskunft abordnen wollte. Rott ahnte wohl kaum, welchen scharfen Beobachter, welch strengen Beurteiler er an seiner Seite hatte.

Für Dr. Funk bedurfte es nur weniger Tage, um sich ein annähernd richtiges Urteil nicht nur über Rott und das Personal seiner Handlung, sondern beinah über die ganze Lage seines Geschäftes zu bilden. Obwohl Rotts Leute, offenbar auf höhere Anweisung, ihm nur sehr all- gemein gehaltene Auskunft und auch diese nur in den rosigsten Färbungen erteilten, so erhaschte er doch oft genug Worte und Sätze, die ihm mehr verrieten, als man ihm mitzuteilen für gut befand. Schon in seinen ersten Briefen schreibt er, in dem Kontor sei nur ein einziger zuverlässiger Beamter, das sei der Leiter des Ganzen. Ulrich Hörwart; die anderen seien grofssprecherische und leichtsinnige junge Leute, nicht zum mindesten jener Hyrus, der einen durchaus nicht Vertrauen erweckenden Eindruck mache. Das Ansehen des Rottischen Hauses sei keineswegs ein bedeutendes; die Geschäfte mit der Thüringischen Gesellschaft hätten allerdings erheblich dazu beigetragen, es zu kräftigen, aber Rott selbst

2(H Konrad Haebler:

stehe durchaus nicht in dem Rufe eines gewissenhaften Geschäftsmannes. Bald hatte er Gelegenheit, sich per- sönlich davon zu überzeugen, inwiefern das Renommee Rotts begründet war. Er entdeckte nämlich durch die Fahrlässigkeit von Rotts Leuten, dafs dieser mehrfach in direktem Widerspruche zu den Bestimmungen des Torgauer Vertrages Handelsgeschäfte gemacht hatte. So verkaufte Rott in Antwerpen, wo er doch vertragsmäfsig keine Geschäfte mehr machen durfte, 120 Sack, in Köln 115 Sack Pfeffer auf eigene Faust, statt sie nach Leipzig zu senden, und überdies an oberdeutsche Handelsherren, mit denen er doch auch nur durch die Thüringische Ge- sellschaft hätte handeln dürfen. Außerdem kam Funk dahinter, dafs Rott auf Kredit von seinen auswärtigen Partnern von deren Pfefferquoten aufkaufte und nach Leipzig sandte, nur weil er allein von der Thüringischen Gesellschaft für jedes Quantum sofort bare Zahlung er- hielt. Ja, er glaubte, dem Rott direkte und absichtliche Täuschung seiner Thüringischen Gesellschafter nachweisen zu können, denn während er diese durch die Nachricht, dafs Pfeffer auf dem Weltmarkte knapp zu werden beginne, zum Zurückhalten mit ihren Vorräten und zu weiteren Auf- käufen ermunterte, fand Funk aus Rotts eigener Ge- schäftskorrespondenz die Nachricht von Venedig heraus, dafs dort zwei Schiffe von Alexandria mit 20000 Zentnern Pfeffer erwartet würden, eine Nachricht, die Rott auf Harrers besorgte Anfrage unbedingt in Abrede stellte-0). Dabei liefen von den Messen des Herbstes recht be- unruhigende Gerüchte ein. Die Einteilung der Provinzen für den Gewürzhandel, eine der wesentlichsten Voraus- setzungen für das Aufblühen des Leipziger Handels- geschäftes, wurde nicht nur von den neidischen Frank- furtern und Nürnbergern, sondern von Rotts eigenen Geschäftsfreunden aus Italien und Portugal für undurch- führbar erklärt; Rott selbst mufste eingestehen, dais dieser Paragraph zwischen seinen auswärtigen Teilhabern und ihm noch nicht definitiv geregelt war; er vertröstete dafür wieder auf die Ankunft Rovelascas, aber Woche auf Woche verging, ohne dafs dieser sich blicken liefs. Zu alledem gingen böse Gerüchte um von bedeutenden Verbindlichkeiten, die Rott eingegangen sei, ohne sie halten zu können, Gerüchte, die diesem selbst so be-

w) Loc. 741 J. Port, Handlungen ßl. 296ff., 37^ ff.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 205

denklich erschienen, dals er sich erbot, in persönlichen Verhandlungen mit der Thüringischen Gesellschaft Wider- legung und Beruhigung zu schaffen. Funk fand alles in der Rottschen Handlung so wenig aussichtsvoll, dals er schon von Augsburg aus sich erbot, lieber für die Thüringische Gesellschaft direkt nach Indien zu gehen und dort Verbindungen anzuknüpfen. Das Bedenken, Rott werde einen solchen Schritt als ein Zeichen des Mißtrauens übel vermerken, widerlegte er damit, dals er durchaus nicht beabsichtige, mit Rotts Hilfe über Lissa- bon dorthin zu gelangen; dies würde ihm allerdings wohl nicht gelingen, denn die Rottischen seien solch „wider- liches Gesindel", dals sie ihn wohl selbst bei der In- cmisition verraten würden ; er habe aber durch eingezogene Erkundigungen einen anderen kürzeren und sicheren Weg- erfahren, auf dem er zum besten der Thüringischen Gesellschaft die Reise zu wagen bereit sei. Kurfürst August, dem fortdauernd über alle Wendungen des Ge- schäfts Mitteilung gemacht wurde, hat einmal seine Ein- willigung gegeben, dafs die Thüringische Gesellschaft die Hälfte der Kosten von Dr. Funks Indienreise übernehmen solle, bald darauf aber wurde Dr. Funk angewiesen, vor- läufig die Reise nach Lissabon auszuführen und von dort zunächst wieder nach Leipzig zurückzukehren.

Immer scheint aber auch Dr. Funk die geschäftlichen Aussichten nicht so schwarz aufgeiäfst zu haben. Ulrich Kraft nämlich erzählt uns in seinen so interessanten Denkwürdigkeiten21), dafs ihm von dem Kammermeister des Kurfürsten August, als dieser mit seinem Sohne auf der Reise nach Lissabon eine Zeit lang zu Augsburg im Rottischen Hause verweilte, der Antrag gemacht worden sei, sich für den zwischen Rott und dem Kur- fürsten schwebenden Gewürzhandel in Lissabon gebrauchen zu lassen, einen Antrag, den er nur mit Rücksicht auf seine schwankende Gesundheit ablehnte. Hier haben wir es offenbar mit einer Verwechselung zu thun, denn alle Einzelheiten passen so genau zu Dr. Funks Aufent- halt bei Rott, dafs wohl dieser, der ja in Harrers Namen die Anträge an Kraft gestellt haben wird, unter dem dort erwähnten Kammermeister zu verstehen ist.

Schließlich merkte wohl auch Rott, dafs Funks An- wesenheit in Augsburg seinen Beziehungen zur Thürin-

-1) Bibliothek des lit. Vereins LXI, 368 f.

206 Konrad Eaebler:

gischen Gesellschaft nicht eben förderlich war, und suchte sich seiner zu entledigen. Wenn er auch für seine Per- son noch immer die Abreise nach Lissabon von Rovelascas Ankunft abhängig machte, so gab er sich doch den An- schein, als wenn dieselbe so unmittelbar bevorstünde, <lals Funk mit dem jungen Harrer in Begleitung des Hans Hartmann Hyrus immer vorausreisen und nach einem Abstecher über Paris in Südfrankreich mit ihm zusammentreffen sollte. Am 23. November meldete er nach Dresden, dafs am vorhergehenden Nachmittage die drei ihre Reise angetreten hätten. Wir erfahren über dieselbe fast gar nichts weiter. Die Reisenden scheinen glücklich nach Paris gelangt, und nach einiger Zeit weiter- gereist zu sein. Nach Lissabon kam aber nur Hyrus. Funk und Harrer sollen bei einer Vergnügungsfahrt auf dem Meere, die sie von Bayonne oder S. Sebastian aus unternahmen, ertrunken sein.

Unterdes war der Pfefferhandel in der Art fort- gegangen, dafs Rott Ware nach Leipzig geliefert und das Geld empfangen, dagegen von der Eröffnung des Verkaufes in Anbetracht der niedrigen Preise noch immer abgeraten hatte. Schon im Juni war Melchior Männlich als Vorstand der Leipziger Niederlage von Rott und der Thüringischen Gesellschaft angestellt worden ; ersterer versprach ihm weiterhin noch einen Buchhalter, Adam Hartlieb, und als Kassierer Paul Grofs zuzugesellen, während die Thüringische Gesellschaft den Jörg Schöller in gleicher Eigenschaft in Pflicht nahm. Die Umbauten im Gewandhause waren im Oktober zu Ende geführt, und die Thüringische Gesellschaft, die ungeduldig darauf wartete, das Geschäft zu eröffnen, um endlich wieder zu ihren Auslagen zu gelangen, erliels dringende Schreiben an Rott, er solle einen Bevollmächtigten senden, damit der vorläufig ohne Kontrole in der Pleifsenburg auf- gestapelte Pfeffer nunmehr der Gesellschaft unter ge- nauer Nachwägung übergeben und in deren Haus über- führt werden könne. Aber auch dazu fand Rott lange keine Zeit, dagegen suchte er seine Partner bei guter Stimmung zu erhalten, indem er immer neue Geschäfte mit ihnen anknüpfte. König Heinrich von Portugal hatte im Laufe des Sommers sowohl eine Anzahl Büchsenläufe, als auch gröfsere Quantitäten an Getreide, Roggen und Weizen, bei Rott bestellt und diese Aufträge suchte er mit Hilfe der Thüringischen Gesellschaft oder durch Ver-

Eonrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 20'

mittelung des Kurfürsten August zur Ausführung zu bringen, gewifs hauptsächlich damit er nicht zu sofortiger Baarzahlung genötigt werde. Kurfürst August über- liefs ihm denn auch 6000 Büchsenrohre, die er nach der ersten Abmachung durch ebensoviel neue wieder ersetzen sollte; später wurde der Kaufpreis auf den Pfefferhandel überwiesen. Auch einen Teil des Getreides gestattete der Kurfürst in Sachsen aufzukaufen, bewilligte für solches aus Böhmen freies Geleit und verwendete sich für die Ergänzung des Auftrages beim Könige von Dänemark. Der Winter scheint aber hereingebrochen zu sein, ehe die Ladung in Emden auf die Schiffe gelangte.

Die Pause, welche die Jahreszeit der Schifffahrt auf- erlegte, brachte dann auch in die Beziehungen Rotts zur Thüringischen Gesellschaft größere Ruhe. Vor dem Schlüsse des Jahres konnte noch der Pfeffer der Gesellschaft in Leipzig übergeben werden, aber Rott, der in der ersten Zeit so schnell bereit gewesen war, nach Dresden oder Leipzig zu kommen, hielt sich jetzt ferne und gab auch brieflich kaum Antwort auf die Klagen seiner Gesell- schafter. Rovelasca, dessen Ankunft so oft als bevor- stehend angezeigt war, wollte nämlich noch immer nicht erscheinen, und unter diesem Vorwande verzögerte Rott von Woche zu Woche seine Abreise. Aber nicht nur das, auch die definitive Regelung des Pfeffer Welthandels, die Einteilung der Handelsprovinzen harrte aus demselben Grunde zum grofsen Verdrufs der Thüringischen Gesell- schaft noch immer ihrer Erledigung. Auch sonst erfüllte Rott den Vertrag nicht pünktlich; trotz der mehrfach bewirkten Aufkäufe erreichte der Pfeffervorrat nicht die vertragsmäßige Menge von 1400 Zentnern, und über die Frage des Geschäftsbetriebs hatte Rott sich ebenso wenig bestimmt erklärt. Kurz die Thüringische Gesellschaft sah mit sehr gemischten Empfindungen der Entwickelung der Dinge entgegen, und hatte schon einen guten Teil des anfänglich fast unbegrenzten Vertrauens zu Rott ver- loren. Aus diesem Grunde wurden jetzt, freilich etwas spät, an auswärtigen Handelsplätzen Erkundigungen über Rott eingezogen. Das erfahren wir durch einen Brief des bekannten Humanisten Hubertus Languetus, der am 26. Februar 1580 aus Antwerpen nicht eben viel Tröst- liches zu berichten wufste22). Er legte zunächst in

92) Loc. 7411. Handlung- und Kontrakt Bl. 126.

208 Konvart Haebler:

vollem Umfange die Schwierigkeiten dar, die Rott ans der Übernahme der portugiesischen Kontrakte erwachsen mufsten, besonders auch deshalb, weil er unbedachtsam abgeschlossen und seinen Vorteil nicht genügend wahr- genommen hätte. Die Vergesellschaftung des Handels mit Italienern und Portugiesen wurde seinem Berichte nach dem Rott vom Könige auferlegt, da es sich für Rott sehr bald als unmöglich herausstellte, allein die Verträge zu erfüllen. Seine Lissaboner Gesellschafter aber wären mit ihm nicht weniger unzufrieden als die Thüringische Gesellschaft, denn auch dort befände sich Rott in be- ständiger Geldnot und schädige durch Anleihen zu un- verhältnismälsig hohen Zinsen das Ansehen des ganzen Unternehmens.

Unter solchen Umständen fand sich die Thüringische Gesellschaft selbstverständlich zur äufsersten Vorsicht veranlaßt. Das Herannahen der Leipziger Ostermesse nötigte im März zu den ersten Entschlielsungen. Rott hatte wiederum geraten, von der Eröffnung des Handels noch abzusehen, und wenn auch Kurfürst August nicht umhin konnte, seinem Unmute darüber Luft zu machen, dafs das Unternehmen beständig Geld verschlinge und noch immer keine Aussicht auf Gewinn eröffne, so wies er doch seine Bevollmächtigten an, dem Rate Rotts zu folgen. Anders stellte er sich aber zu der Frage neuer Zahlungen. Harrer eröffnete dem Kurfürsten, dafs, wenn Rott den Ver- trag 1580 erfülle, man 400000 Thaler im Laufe des Jahres brauchen werde, die vom Kupferhandel oder anderen Geschäften nicht verfügbar und nur durch Kündigung bei den „der Landschaft verordneten Obereinnehmern" flüssig zu machen sein würden. Davon aber wollte nun der sparsame Kurfürst nicht gerne etwas wissen. Aller- dings fand er, trotz mehrfacher Vertragsverletzungen von Seiten Rotts, zu einer Aufkündigung des Vertrages keine rechte Veranlassung, denn Rott hatte sich noch stets mit scheinbar triftigen Gründen zu entschuldigen gewufst und Abhülfe für die Zukunft in Aussicht gestellt. Allein ihm weitere Summen anzuvertrauen, trug er lebhafte Be- denken. Auf jeden Fall müsse Konrad Rott auf die Leipziger Messe zu einer persönlichen Zusammenkunft mit der Thüringischen Gesellschaft vorgeladen werden. Bei der Gelegenheit möge er sich dann über die Ent- schädigung wegen der bisherigen Benachteiligungen er- klären, und vor allem müsse er dort unbedingte Sicherheit

Conrad Rott und rtio Thüringische Gesellschaft. 209

für die Einhaltung- der Provinzeneinteilung gewähren, ehe man ihm neue Vorschüsse, sei es in Geld, sei es in Ge- treide oder anderen Waren bewilligen könne. Noch immer war man weit entfernt, einen jähen Zusammenbrach zu er- warten. Auf der Frankfurter Fastenmesse erhielten Rotts Leute nicht nur 40000 . Gulden für gelieferten Pfeifer, sondern als Hieronymus Frasi, Rotts dortiger Vertreter, einen ungedeckten Vorschuls von 5500 Gulden erbat, um den durch allerlei Gerüchte erschütterten Kredit auf- recht zu erhalten, wurden ihm auch diese bis zur Oster- messe in Leipzig dargeliehen. Man war so wenig auf die wirkliche Lage der Dinge vorbereitet, dafs selbst die Nachricht von Rotts plötzlicher Abreise nach Portugal bei der Thüringischen Gesellschaft Glauben fand.

Die erste Kunde davon hatte ein Brief des Hierony- mus Frasi gebracht, der von den Geschäften auf der Frankfurter Fastenmesse handelte, eine Bilanz der Ge- sellschafter gegen Rott erbat und beiläufig erwähnte, Rott sei am 28. März abgereist, um erst einen seiner Schwäger in der Schweiz zu besuchen und dann nach Lissabon weiterzureisen. Ähnlich meldete Hans Wolf Rotteubeck aus Nürnberg, dafs Rott verreist und die Leitung des Geschäftes seinem Vetter Erasmus Rott und dem Ulrich Hör wart übertragen habe. Selbst Rotts Sohn wufste nichts weiter als die Abreise seines Vaters in Geschäften zu vermelden. So traf am 18. April die Nachricht von Rotts angeblichem Tode die Thüringische Gesellschaft noch ohne alles Arg. Die Anordnung des Augsburger Rates, der einen Arzt und einen reitenden Boten nach der Schweiz schickte, wurde so erklärt, als ob man fürchte, Rott sei vergiftet worden. Selbst die Nachricht von der eigentümlichen Art seiner Abreise Rott sollte den ganzen Tag wortlos umher gelaufen sein und seine Absicht zu verreisen nur dadurch bekannt gegeben haben, dafs er sie auf sein Pult schrieb er- weckte kaum ernstere Befürchtungen. Allerdings suchte Harrer die Thüringische Gesellschaft zu decken, indem er einen Boten nach Hamburg, Bremen und Emden, und einen anderen nach Köln, Antwerpen und Seeland ab- fertigte, um dort Arrest auf Rotts Eigentum zu legen; allein er dachte so wenig an einen Zusammenbruch, dafs er an Rotts Sohn das Ansuchen richtete, den Vertrag mit der Thüringischen Gesellschaft zu halten und fort- zusetzen.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4 14

OJO Konrad Haebler:

In Augsburg wufste man freilich weit besser, was man von Rotts Verschwinden zu halten hatte. Am Morgen nach Rotts Abreise hatte Ulrich Hörwart den folgenden Zettel auf seinem Pulte gefunden: „Wollet zu beden Herrn Stadtpflegern ghen vnd Ir Gr. u. Hm. anzaigen, wahin Ich verrukht seye Hab es von wegen der weiber nit dürften offenbar lassen werden. Bit Sy gantz fraint- lich sy wollen mir's zue vnglimpfen nit vftnemen, will mich auch bald fürdern vnd widerstöllen. Ebenmässiger gestalt den Herrn Gehaimen jedem insonderhait vnd meine schlissel last mihr mein blieben dem Hu. Hans Welser bringen, darmit sy die einemen In Ir Verwarung behalten" -:!). Von diesem Augenblicke an übernahmen die Stadtpfleger die Verwaltung der Rottschen Masse und Hörwart wurde von ihnen in Pflicht genommen. Das war schon geschehen, als von Frasi die Abrechnung über die letzten von der Thüringischen Gesellschaft ge- leisteten Unterstützungen anlangten, die die Lage der Masse ja wesentlich verbesserten, dagegen allerdings eine Einmischung des Kurfürsten in die Abwickelung des Bankerotts erwarten lieisen. Hier fand natürlich auch die Nachricht von Rotts Ende eine wesentlich andere Beurteilung, besonders auch infolge der absonderlichen Art, wie sie dem Rate zuging.

Am Ostertage lieferte ein Bote ein Schreiben ab mit folgender Überschrift: „Laus deo adj den Donners- tag in der nacht vor dem heil. Fest Ostern Im Dorf so genant wird zum Polnstein nit weit von Chur. Marx Wolfmüller des Herrn Conrat Roten seligen Contor Jung an Anthon Christian Rehlinger und Marx Fugger Statt- pfleger. Citissime, citissime, citissime". Dies Schreiben enthielt die Mitteilung, dafs Rott am Montag vor Ostern mit dem Burschen aufgebrochen, und was die Pferde laufen konnten in der Richtung auf Mailand davon ge- ritten sei, um über Genua nach Spanien und Portugal zu reisen. Am Gründonnerstag aber sei er hier ernstlich erkrankt, und nachdem er dem Burschen seinen letzten Willen diktiert, um Mitternacht verschieden. In dieser letztwilligen Verfügung-') giebt Rott, nachdem er die Fürsorge für Weib und Kind dem Ulrich Hörwart, Hans Jakob Rembold, Mathäus Welser und Hans Lukas Welser übertragen, zunächst einen Überblick über den Stand

28) Stadtarchiv Augsburg. ") Ebenda.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 211

seines Geschäftes. Er betont, dais eine endgiltige Rege- lung- nicht möglich sein werde, bevor die Indienschiffe im August nach Lissabon zurückkehren würden, und auch dann würde die Regelung sprach- und geschäftserfahrener Dolmetscher bedürfen , wozu er in erster Linie den Hieronymus Rem vorschlägt. Seine Aktiva schätzte Rott, ohne die Grundstücke in und bei Augsburg, auf ca. 650000 Gulden; diese setzten sich aber fast durch- weg aus unsicheren Posten zusammen. Seinen Anteil an der kommenden Flotte stellt er mit 214000 Gulden ein, weitere 100000 sind Aufsenstände in Lissabon, fast ebensoviel rechnet er für zwei grofse Diamanten, die aber an Imhof verpfändet waren. Seinen einzigen freien Besitz bildeten 3000 Zentner Pfeffer, die noch für ihn in Lissabon lagern sollten und die er sehr hoch, mit 150000 Gulden, einschätzt. Nach seiner Darstellung betrugen die Passiva nur etwa 325000 Gulden; aber es lohnt wohl, sich dieselben etwas näher anzusehen. Sein Hauptgläubiger war Karl Imhof, resp. die Firma Hierony- mus Imhofs sei. Erben, denen er zugiebt 144000 Gulden schuldig zu sein, wofür er ihnen aber nicht nur die beiden grofsen Diamanten, sondern überdies noch 2000 Zentner von dem im August erwarteten Pfeffer als Sicherheit verschrieben hatte. Über seine Beziehungen zu Karl Imhof sagt Rott in den Erläuterungen zu seiner Bilanz:

„Dargegen aber kann ich nit verhalten die grofse jämerliche schniderei, dergleichen zuvor nie erhört worden, so er mit mir geüeht, die Ich nit allein passieren hah müssen, sonder mich genöt ver- schreibung zuverfertigen vmb Sachen, die Ich nie endtpfangen noch gesehen ; wie dann seine 2 Brüder dessen werden zeugnus wissen zu geben, dafs er mir nit allein verdorben Canel, so er an verlegner hailosen waren angestochen, vnder den guten verrechnet, vnd von stund an den Canelkauf, so bis in 100000 fl. belaufen thut, vbersetzt, vnnd von stund an 10% aufs gelt geschlagen, sondern auch alle 2—3 monat aberait, Interesse auf Interesse cargiert; vber das hat er in verkauffang des pippers in "Venedig mich vmb 27% vernachteilt, wie es denn dem Raimund Imhof, so zur selben zeit in Venedig ge- west, wol bewufst; zu dem hab ich müssen passieren 20 000 fl. das er allein sich gegen den Herrn Fugger neben mir vmb diesen Spanischen Wechsel verschreiben. In Summa Ich hab jm gutgehaissen alles, dann ich nie im sinn gehabt etwas zu halten, defswegen mein will vnd mainung ist, man Jme für solliches sein jemerliche wucher- liche conträct laut seiner Contj hieneben 60 000 fl. abzuziehen, darmit er des parfufs geen nach dem hailigen berg vberhebt sey vnd mag wol leiden, ob er selber will, das man jme von anfang von jeder post 10 % des Jars contiren vnd des wechslen sambt den nebenconträcten vnd vbersetzung aufslafs; wirt man finden, das er mich mit dem Canel den er merteils vmb 24 einthon vnd mir vmb 31 verrechnet,

II*

)]o Conrad Haebler:

meiner jmmer zwej vnd ain halbes Jar genossen 90 000 h. vnd beger änderst nit, wie gemelt als seine selb bruder zu Richter."

Diese Auslassungen sind bezeichnend für den Cha- rakter des ganzen sogenannten Testamentes des Konrad Rott; sie werden noch bezeichnender, wenn man sie mit den bei den Akten befindlichen Rechnungen Imhofs ver- gleicht. Nach diesen nämlich betrug Rotts Schuld nicht 144000 Gulden, sondern über 275 000 Gulden, und zwar seit dem August 1579, ohne dafs Rott weder Zinsen noch die versprochenen Abzahlungen geleistet hätte. Rotts Behauptung über wucherische Behandlung findet allerdings auch in diesen Rechnungen ihre Bestätigung, was das vierteljährliche Abrechnen und Zins auf Zins schlagen anlangt ; es findet sich sogar eine Notiz von Marx Fugger bei den Akten, aus der hervorgeht, dafs die Verwalter der Masse Rotts Vorschlag über die mit Imhof vorzu- nehmende Abrechnung in Betracht gezogen haben. Aber auch so bleibt Rotts gewissenlose Handlungsweise unver- kennbar. Die frivole Bemerkung, dais er nie beabsichtigt habe, seinen Verpflichtungen nachzukommen, findet sich noch einmal in dem Abschnitt über die Schuld an seinen Vetter Erasmus Rott. Dieser, sowie sein Bruder Nicolaus scheinen sich allerdings Rotts Leichtsinn zu Nutze ge- macht zu halten; Nicolaus hätte nach Konrad Rotts An- gaben allein in Geschenken 17 000 Gulden erpreist; Eras- mus hätte sich einen Schuldschein über 60000 Gulden ausstellen lassen, während Rott meint, ihm bei genauer Abrechnung nur etwa 18000 Gulden schuldig zu sein. Dagegen hatte sich Erasmus sowohl gegen die Fugger, wie gegen Imhof mit für seinen Vetter verbürgt und lief nunmehr Gefahr, durch dessen Bankerott alles zu ver- lieren. Er gehörte deshalb auch zu denen, die am lautesten gegen Rott schrieen, den er, wie er sagte, wegen seiner unwürdigen Handlungsweise nicht mehr Vetter nennen könne. Im Grunde aber scheint Erasmus Rott, der in allen Unternehmungen seines Vetters mit beteiligt war, eine sehr ähnliche Natur gewesen zu sein, wie Konrad Rott. Sein erster Gedanke bei der Nachricht von Rotts Tode war der, so schnell als möglich sich nach Lissabon zu verfügen , um dort an des Verstorbenen Stelle in den Pfefferkontrakt einzutreten. Daran wurde er allerdings durch die anderen Gläubiger verhindert. Imhof erwirkte, auf Grund der Mitverschreibung des Erasmus auf Konrad Rotts Wechseln einen Haftbefehl gegen ihn, der erst nach

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 213

der Regelung der Masse aufgehoben wurde, nachdem der Pfefferkontrakt in feste Hände gelangt war. Trotzdem hat Erasmus 1582 noch eine Klage gegen Imhof des- wegen in Lissabon anhängig gemacht, wie es scheint aber ohne Erfolg25).

Auch der Thüringischen Gesellschaft gedenkt Rott in seinem Testamente, doch zählt er sie nicht unter seinen Gläubigern auf, sondern meint, mit ihr glatt zu stehen: auch ein Beweis seiner Leichtfertigkeit, denn er schuldete ihr nach Abschätzung von sächsischer Seite nicht weniger als 120 000 Gulden! Dagegen empfiehlt er seinen Testa- mentsvollstreckern, den Pfefferkontrakt, dessen Verfall ihm offenbar Sorge machte, der Thüringischen Gesellschaft anzubieten. Er konnte freilich nicht wissen, welchen verhängnisvollen Einflufs sein Verschwinden dort ausgeübt hatte. Der Kammermeister Harrer, der der eifrigste Fürsprecher des Pfeffergeschäftes mit Rott gewesen war, der ihm persönlich nicht nur seinen Sohn, sondern auch den gröfsten Teil seines Vermögens anvertraut hatte, über- lebte den Zusammenbruch nicht. Obwohl sonst ein Lebe- mann, der sich die Sorgen nicht über den Kopf wachsen liefs, war er doch nicht gewissenlos genug, dem Beispiele dessen zu folgen, den er in seinen geschäftlichen Unter- nehmungen sich allerdings zum Vorbilde erwählt zu haben schien. Während Rott durch das ausgesprengte Gerücht von seinem Tode nur den Schimpf seines Bankerotts zu verdecken suchte, glaubte Harrer, sein geschäftliches Unglück, das aber noch nicht einmal seinen Bankerott herbeiführte, nicht überleben zu können und gab sich freiwillig selbst den Tod. Damit aber fiel die treibende Kraft hinweg in den Unternehmungen der Thüringischen Gesellschaft, und an eine Übernahme des ganzen Pfeffer- handels durch dieselbe war nicht mehr zu denken.

Die Kunde von Konrad Rotts Ende stiefs in Augs- burg sehr bald auf begründete Zweifel. Es stellte sich nämlich heraus, dafs manche Angaben des angeblichen Testamentes über die Vorgänge bei und nach Rotts Tode erlogen waren und weitere Nachforschungen an Ort und Stelle ergaben, dafs Rott sicher nicht in der Nacht zum Charfreitag gestorben war, denn er hatte am Ostertage in Gesellschaft seines Gastwirtes Jost Fritsche, Wirt zur Glocke in Walenstadt, die dortige Kirche besucht und war

m) Akten im Stadt-Archiv Augsburg ad a. 1592.

:^14 Konrad Haebler:

am nächsten Tage mit seinem Burschen gesund und munter weitergereist. Eine gleiche Kunde lief aus Baltzers, drei Meilen von Chur, ein, so dafs auch Rotts Angehörige an seinen Tod nicht länger glauben konnten und die Trauer- kleider wieder ablegten. Dadurch entstand nun eine rechtliche Schwierigkeit. War Rott gestorben, so hatten für seine unmündigen Kinder die von ihm letztwillig er- nannten Beschützer in den Angelegenheiten der Geschäfts- regelung ein gewichtiges Wort mitzusprechen, während, wenn er nur als Bankerottem1 flüchtig war, die Ordnung der Geschäfte weiter den Ratspflegern und den durch diese ernannten Massenverwaltern zustand. Solange man Sicheres nicht wufste, half sich der Rat zu Augsburg damit, dals er die von Rott ernannten Vormünder zwar anerkannte, gleichwohl aber die Ratspfleger beauftragte, die Liquidation der Masse in der begonnenen Weise fort- zusetzen. Wenn die Thüringische Gesellschaft gehofft hatte, die Geschäfte mit Rotts Söhnen weiter zu führen, so wurde sie jedenfalls bald enttäuscht. Harrers in diesem Sinne an den jungen Rott gerichteter Brief wurde von Hörwart den Vormündern übergeben, von diesen aber bei Seite gelegt, bis man über Rotts Schicksal sichere Kunde haben werde. Dagegen gelang es der Thüringischen Ge- sellschaft, auch aufser dem in Leipzig lagernden Pfeffer, Pfänder für ihre Forderungen an Rott zu schaffen. So- wohl in Antwerpen wie in Rouen war Pfeffer, welcher dem Konrad Rott zustand, für die Thüringische Gesell- schaft mit Arrest belegt worden, sodafs es die Verwalter der Masse in ihrem eigenen Interesse nicht mehr umgehen konnten, die Ansprüche der Thüringischen Gesellschaft mit in Betracht zu ziehen. Das wurde um so bedeutungs- voller, als nach nicht gar langer Zeit Rott neue Lebens- zeichen von sich gab und damit die Legende von seinem Tode selbst aus der Welt schaffte.

Das erste war eine kleine Flugschrift, die ohne An- gabe des Druckortes um die Mitte des Jahres erschien unter dem Titel: „Gesprech, so Pasquinus mit dem Marphorio zu Rom vff primo July defs 1580. Jars gehabt vber der handlung vom Herrn Conrad Rothen aufs dem Italienischen ins hohe Deutsch mit fleifs tranfsferirt." In diesem Libell wird mit grofsem Geschick und mit einer so eingehenden Kenntnis der gesamten Lage die Ver- teidigung des Konrad Rott unternommen, dafs man ihn als Verfasser vermuten müfste, auch wenn er sich nicht

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 215

durch seine bekannte Ruhmredigkeit und durch die wieder- holten Anklänge an sein sogenanntes Testament als solcher verriete. Hier schiebt er die Schuld an dem Bankerott auf die politischen Verhältnisse in Portugal, wo im Februar 1580 König Heinrich gestorben war und der Ausbruch eines Successionskrieges bevorstand. Schon seit dem Ab- schluß des Vertrages mit der Thüringischen Gesellschaft bildete die Entwickelung, welche die portugiesische Thron- folgesache nehmen würde, den Gegenstand lebhafter Be- sorgnis, der aber Rott stets mit den sanguinischsten Auf- fassungen entgegentrat. Um so befremdender mufs es wirken, wenn er jetzt sich den Anschein giebt, als habe er sich deswegen tot sagen lassen, damit er dem Dilemma entgehe, der revolutionären Regierung in Lissabon Waffen gegen Philipp II. liefern zu müssen, was er persönlich den Regenten kaum hätte abschlagen können, während seine Erben nicht dieselben Verpflichtungen der portugiesischen Regierung gegenüber hätten. Diese Auffassung wird Rott wahrscheinlich mit Erfolg vor Philipp II. zur Geltung ge- bracht haben, denn dieser hat ihn unmittelbar nach dem Bankerott als obersten Fischmeister in seine Dienste ge- nommen und ihm weiterhin das Konsulat für die Deutschen in Lissabon übertragen, welches Rott bis zu seinem im Jahr 1605 erfolgten Tode ausgeübt hat26). Nach dieser captatio benevolentiae nach der Seite des Königs von Spanien fährt dann Rott in seiner Flugschrift fort, sich seiner Verdienste um die kommerziellen und kommunalen Angelegenheiten seiner Vaterstadt zu berühmen. Dafs er dabei seinen Plan, den Gewürzhandel den Süddeutschen zu entziehen und in Leipzig zu monopolisieren, nicht er- wähnen konnte, ist einleuchtend. Der Thüringischen Ge- sellschaft gedenkt er wieder nur flüchtig, um zu erklären, dafs er auch diesen Vertrag nur deshalb nicht habe er- füllen können, weil er die Person, die ihn daran ver- hinderte, nur vor dem König von Portugal hätte belangen können. Hier giebt er wenigstens zu, dals er, wenn auch nicht der Thüringischen Gesellschaft, so doch dem Kammer- meister Harrer persönlich noch „eine Summe Geldes pro rest" schuldig bleibe. Im Übrigen aber widmet er sich und seiner Handlung die unbegrenzteste Anerkennung,

26) Ein Vergleich der Unterschrift des Konsuls Corrado Rott (Stadtarchiv Danzig) mit den eigenhändigen Briefen Rotts im K. S. Hauptstaatsarchiv beseitigt jeden Zweifel, dafs der Konsul mit dem Kaufmann identisch ist.

216 Konrad Haebler:

stellt auch hier die finanzielle Lage als durchaus günstig dar, und gipfelt schließlich in der Behauptung: „vnd seines gleichen ist nie gewesen, der in grossen, wichtigen sachen so grols hertz gehapt, als eben er."

Auf die Herren Eatspfleger zu Augsburg verfehlte diese Broschüre vollkommen ihren Eindruck; sie liefsen sich in ihrer wesentlich abweichenden Beurteilung Rotts und seines Handels durchaus nicht irre machen, und als er sich im August erbot, sich persönlich in Augsburg zu stellen, wenn man ihm sicheres Geleit versprechen wolle, wurde dieses Anerbieten einfach von der Hand gewiesen. Darauf mag Rott wohl dann nach Spanien gegangen und in König Philipps Dienste getreten sein.

Unterdessen hatte der Rat zu Augsburg den Konrad Maier-7), Raimund Imhof und den Schwager Rotts, Hans Lukas Welser mit der Verwaltung der Rottschen Kon- kursmasse beauftragt und ihnen auf die Reklamation der Thüringischen Gesellschaft den Hieronymus Rem und Hans Hörwart als Vertreter der Ansprüche der letzteren beigeordnet. Allein es stellte sich bald heraus, dnls die Anordnung der Sache wenig förderlich war. Unter den Augsburger Handelsherren fanden sich nämlich sehr bald einige, die geneigt waren, von den Rottschen Kontrakten in Portugal zu retten, was irgend möglich war; dagegen hatte begreiflicher Weise niemand unter ihnen Lust. den Thüringischen Gesellschaftsvertrag wieder aufleben zu lassen, dessen Spitze ja gerade gegen die oberdeutschen Handelsherren gerichtet war. So erklärten denn schon am 19. Juli die Vertreter der sächsischen Partei, dafs es unmöglich sei, eine Vereinigung der Ansprüche aller Gläubiger herbeizuführen, und baten, da die anderen Verwalter der Masse mit ihnen nicht verhandeln zu können erklärten, um Enthebung von ihrem undankbaren Auftrag28). So blieb der Thüringischen Gesellschaft, in welcher nach Harrers Tode Georg Hermann an dessen Stelle ernannt worden war, nichts weiter übrig, als ihre Ansprüche an die Masse, für welche sie übrigens durch Pfänder ausreichend gesichert war, selbständig zu ver- fechten. Kurfürst August scheint es zunächst damit weiter nicht eilig gehabt zu haben. Auf die Frankfurter

27) Später tritt an dessen Stelle "Melchior Hainhofer. Loa 7411. Handlung fol. L83.

2S) Stadtarchiv Augsburg.

Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 21?

Herbstmesse des Jahres 1580 wurde im Auftrage der Gesellschaft Melchior Männlich abgeordnet, und der konnte sehr bald die Nachricht an seinen Auftraggeber gelangen lassen, dals ihm von verschiedenen Seiten An- gebote auf die zu Leipzig lagernden Gewürze gemacht worden seien. Allerdings waren die Preise, soweit ihm überhaupt solche gestellt wurden, so niedrig, dafs die Gesellschaft für ihre an Rott gezahlten Auslagen noch nicht einmal voll entschädigt worden wäre. Deshalb be- fahl ihm auch der Kurfürst auf Bernsteins Rat, sich nach keiner Richtung zu binden, sondern die Fortsetzung der Verhandlungen auf die Leipziger Michaelismesse zu vertagen. Allein auch auf dieser kam man nicht viel weiter, da die fremden Händler meinten, die Thüringische Gesellschaft werde ihr Lager um jeden Preis räumen müssen , und in Folge davon keine anständigen Preise bezahlen wollten. Dieses fortwährenden Feilschens und Marktens wurde endlich der Kurfürst überdrüssig. Schon am 14. Oktober erklärte er deshalb in dem als Einlei- tung angefühlten Schreiben, dals er mit den Handels- angelegenheiten nichts weiter zu thun haben wolle, und am 15. Januar 1581 wies er den aus den Vorräten der Thüringischen Gesellschaft zu erzielenden Erlös zum Besten der Hospitäler des Kurfürstentums an, um damit demonstrativ jedes eigene Interesse an der ferneren Ent- wickelung der Angelegenheit abzulehnen. Die Regelung derselben liefs denn nun auch nicht mehr lange auf sich warten. Sie wurde wesentlich erleichtert dadurch, dafs mittlerweile aus Rotts Gläubigern eine neue Gesellschaft zur Fortführung des Pfefferhandels sich gebildet hatte. In Lissabon hatten sich die königlichen Beamten die gröfste Mühe gegeben, eine solche Lösung herbeizuführen, ja man behauptete, wenn Rott, statt sich tot zu melden, selbst nach Lissabon gegangen wäre, so würde man ihm, trotz des schlechten Rufes, den er um seines Geizes und seiner beständigen Geldnot willen genofs, doch alle denkbaren Erleichterungen bewilligt haben, um nur den Fortbestand des Kontraktes zu sichern. Aus diesem Grunde konnte ja auch Erasmus Rott gegen die Imhof klagbar werden, dafs nur deren Haftbefehl gegen ihn den Verfall des Kontraktes bewirkt habe. So war also der Boden vorzüglich vorbereitet, um einer neuen Pfeffer- gesellschaft die Anfänge zu erleichtern. Giovanni Battista Rovelasca, der Leiter der Geschäfte des Mailänder

218 Konr. Haebler: Konr. Rott u. d. Thür. Gesellschaft.

Hauses der Litta, war ja schon an dem Rottschen Handel hervorragend beteiligt gewesen; er scheint die Seele des neuen Unternehmens geworden zu sein, zu welchem er sich die Beihülfe der bedeutensten Geldmacht der da- maligen Zeit, der Fugger, zu sichern wufste2"). Rovelasca erwarb zum Preise von 130000 Dukaten von den Kura- toren der Rottschen Masse alle dessen Anrechte an den Pfeiferhandel, den er mit Fugger zusammen, aber mit keinem sonderlichen Erfolge bis zum Jahre 1591 fort- gesetzt hat. Im Interesse dieser Gesellschaft lag es nun natürlich auch, die noch vorhandenen Gewürzvorräte nicht in die .Hände mifsgünstiger Konkurrenten gelangen zu lassen. Überdies waren wohl auch die geldmächtigen Fugger unter allen Handelsherren diejenigen, welche der Thüringischen Gesellschaft die günstigsten Bedingungen bieten konnten. Sie scheinen sehr bald mit derselben einig geworden zu sein und haben für 194611 Gulden, zahlbar in vier vierteljährlichen Terminen, die in Leipzig lagernden Vorräte gekauft.

So endeten die Unternehmungen der Thüringischen Gesellschaft; ihr Mifserfolg war allerdings zum Teil wohl in der ungenügenden Vorbereitung des ganzen Geschäftes begründet, das von Rott wahrscheinlich von vornherein nicht ernst und gewissenhaft in Angriff genommen wurde; dennoch hätte dasselbe grofse Wandlungen im Gange des Welthandels herbeiführen, den sächsischen Landen und besonders den Leipziger Messen außerordentliche Vorteile bringen können, hätte Rott nicht ebenso leicht- fertig, wie er es begonnen, das Unternehmen wieder im Stich gelassen. Rott fesselt unser Interesse durch die Grofsartigkeit seiner Pläne, durch die außerordentliche Kühnheit, mit der er fort und fort neue Aufgaben erfafst und in den Bereich seiner Unternehmungen hineinzieht; allein er ist dennoch nicht eigentlich ein großartiger Kauf- herr, sondern mehr nur ein Beispiel der wilden Spekulation, zu welcher die Handelswelt des 16. Jahrhunderts durch die aller Orten bestehenden Monopole verführt wurde, gegen die Kaiser und Reich seit Jahrzehnten ankämpften, ohne ihnen doch ernstlich beikommen zu können.

:') VefgL F. Dobel, Über einen Pfefferhandel der Fugger und Welser 1586—1591. In: Zeitschrift des bist. Ver. f. Schwaben und Neuburg XIII, 125 ff.

VIII.

Arnold von Westfalen und die Rocklitzer Kunigundenkirche.

Von W. C. Pfau.

Steche, der verdienstvolle Forscher auf dem Gebiet der sächsischen Baukunst, behandelt im 14. Heft des um- fassenden Werkes „Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen" die Amtshauptmannschaft Rochlitz. Leider gehört gerade die Untersuchung über dieses baugeschichtlich so wichtige Gebiet unter die letzten Forschungen des gründlichen Gelehrten. Als er in der ßochlitzer Gegend thätig war, kämpfte er schon mit jener tückischen Krankheit, die seine letzten Lebensjahre so sehr verbitterte und ihn schliefslich viel zu früh seinem Wirkungskreise entrifs. Dieses lange Leiden ist wohl der Grund, dafs Steche in dem genannten 14. Heft nicht immer seine sonstige gründ- liche Genauigkeit beibehalten hat. Es finden sich hier ziemlich viel thatsächlich falsche Angaben; gar manches ist unberücksichtigt und unerwähnt geblieben, was einer Buchung durchaus bedurft hätte, und mehrfach erscheinen Urteile als übereilt, zum mindestens als recht schwach begründet. Als ein solches Urteil müssen wir das hin- stellen, welches Steche über die Rochlitzer Kunigunden- kirche gefällt hat. Nach seiner Untersuchung soll die Kunigundenkirche in ihrem gotischen Bestand ein einheit- licher Bau sein, der von einem Werkmeister Arnold von Westfalen geschaffen und 1476 beendet worden wäre.

220 W. C Pfau:

Diese Ansicht kann unsers Erachtens nach unmöglich

richtig sein. Vielmehr sind Schiff und Chor zwei ganz verschiedene Bauten, die unmöglich zu gleicher Zeit nach dem Entwurf eines und desselben Meisters entstanden sein können.

Ein altes verlorenes Rochlitzer Stadtbuch, auf welches die Chronisten zurückgehen, berichtet, der Chor wäre 1417 erbaut. Das Schiff trägt auf einem Schlufsstein die Jahreszahl 1476. Diese beiden Angaben kennt Steche auch; jedoch sagt er, die Architektur des Chores wider- spräche der Angabe jenes Buches. Der Chor w7äre 1417 vielleicht gegründet, aber erst 1471 seiner Architektur nach erbaut worden. Da es sich hier in Bezug auf den Chorbau um Widerlegung einer urkundlichen Zeit- angabe handelt, so wäre es doch sehr wünschenswert gewesen, dals Steche genau dargelegt hätte, inwiefern die Architektur nicht der Zeit um 1417 entspricht, um so mehr, da zwischen 1417 und 1471 nur wenige Jahr- zehnte liegen, die für die Entwicklung der Gotik nicht einmal besonders auffällige Neuerscheinungen bringen. Eine solche Erörterung hat Steche vollständig unterlassen.

Unserer Ansicht nach mufs der Chor offenbar älter sein als das Schiff, denn der erstere ist viel edler ge- halten als das letztere, welches den Verfall der Kunst z. T. ziemlich auffällig zeigt, Überdies ist am Schiff das Hauptmotiv der wichtigsten Verzierungen der Eselsrücken, dieses Kennzeichen der Spätgotik; am Chor hingegen treffen wir denselben kein einziges Mal an. Die Bogen über der Sakristei und dem Sakramentshäuschen, die beide an der Chorwand angebracht sind, können in ihrer merkwürdig geknickten Form nicht als wirkliche Esels- rücken gelten. (Abbildung: Steche S. 69.)

Dafs Chor und Schiff nicht gleichzeitig von denselben Bauleuten geschaffen sind, beweisen recht deutlich die Steinmetzzeichen. Diesen Punkt hat Steche offenbar ganz unberücksichtigt gelassen. Das Schiff ist reich an Zeichen, der Chor aber auffällig arm. Viele Zeichen des Schiffes wiederholen sich an allen seinen Teilen. Wir haben aber nicht ein einziges im Chor angetroffen, welches sich auch im Schiff belegen Heise. Also mufs der Chor andere Erbauer als das Schiff gehabt haben. Die Zeichen des Schiffes kommen zum guten Teil auch am Chor der Müttweidaer Kirche vor, der nach Steche auch von Arnold von Westfalen erbaut worden sein soll. Wie Steche

Arnold von Westfalen u. die Rochlitzer Kunigundenkirche. 221

nicht näher angiebt, inwiefern die Architektur des Chors nicht der Zeit um 1417 entspricht, so erläutert er auch nicht, inwiefern Schiff und Chor durchaus als ein einheitlicher Bau zu gelten haben. Wenn beide Teile im Inneren gleiche Höhe, im Äufseren dasselbe Sockel-, Fenster- und Dachgesims haben, so können wir doch noch lange nicht von einer Gleichheit reden. Wenn ein Baumeister an einen vorhandenen gotischen Chor, der erst kurz zuvor entstanden ist, ein Schiff anbauen soll, so ist es doch recht naheliegend, dafs er die vorhandenen Gesimse weiter führt und den Neubau in Bezug auf die Höhe dem vorgefundenen Bestand anpalst, da sonst eine vollständige Disharmonie eintreten würde. Im Übrigen zeigt der Chor eine ganz andere Architektur als das Schiff, sowohl im Inneren als im Äufseren.

Das Innere. Dasselbe ist schmucklich einfacher gehalten, als das Äufsere; deshalb tritt hier auch die Verschiedenheit der Bauteile weniger stark hervor. Die Hippen des Chorgewölbes zeigen in der Profilierung Birnstab, Kehle, Platte. Das Schiff behält zwar dieses Motiv auch bei, behandelt es aber anders, indem es das Hauptgewicht auf die Kehle legt, während im Chor mehr der Birnstab hervortritt, Deshalb wirken die Rippen im Schiff magerer, die im Chor voller, runder. Wenn beide Gewölbe gleiche Schöpfer hätten, könnte man die verschiedene Behandlung schwer begreifen. Der Gesamteindruck des Chorgewölbes ist ein schön harmo- nischer; beim Schiff (Steche S. 60) macht sich besonders im westlichen Teil eine recht häfsliche Verzerrung merk- lich. Ganz auffallend ist die Verteilung der Schlußsteine: das Schiff zeigt einen ausgesprochenen Reichtum der- selben, der Chor besitzt gar keinen. (Bei der Mittweidaer Kirche haben wir auch Schlußsteine im Chor.) Dem Erbauer des Rochlitzer Chores war die Verwendung der Schlufssteine auch geläufig; er brachte sie aber nur in dem seitlichen Anbau, der Sakristei, an. Doch unter- scheiden sich diese Schlufssteine wieder wesentlich von denen des Schiffes. In der Sakristei haben alle acht reich mit edler Bildhauerarbeit geschmückten Steine eine kreisrunde Grundform ; die Schlulssteine des Schiffes haben alle möglichen Grundformen (Tartschen, Pässe und ähn- liche Motive) kein einziger ist aber kreisrund. Über- dies entbehren diese alle eines wirklich künstlerischen Schmuckes, viele siud ganz leer. Das Chorgewölbe be-

222 W.C.Pfau:

sitzt eine kreisförmige Öffnung, einen Schlufsring, das Schiff' nicht. Der Schluisring fehlt in Steches Grundrils, S. 60, während er ihn bei der Rochlitzer Petrikirche, S. 59, angiebt. Überhaupt hat dieser Grundrils der Kunigundenkirche mehrere bedauerliche Irrtümer. Die Schlulssteine macht Steche in falscher Anordnung nam- haft und erklärt sie teilweise nicht richtig.

Im Chor setzen sich die Gewölbrippen alle als Dienste bis zum Fenstergesims fort; diese Dienste zeigen deshalb dasselbe Hauptmotiv wie die zugehörigen Hippen, den Birnstab. Ganz anders verhält sich in dieser Beziehung das Schiff. Hier setzt sich keine einzige Rippe fort; sie laufen sich alle tot, sei es beim Berühren der Wandfläche oder beim Ansatz am Pfeilerkopf. Es erweckt eine ganz falsche Vorstellung, wenn Steche, S. 68, sagt: „Die Rippen der Gewölbe des Schiffes setzen sich als drei- seitige Dienstbündel auf den Fufsboden." Die berührten Bündel kommen weder bei allen Schiffsrippen vor, noch sind sie wirkliche „Dienstbündel"; die Rippen finden an ihnen keinen wirklichen Untersatz. An ihrem Kopf zwischen den Gliedern laufen sich die Rippen einfach tot, so dais diese Bündel mehr als Wandpfeiler funk- tionieren, die teilweise ausgeprägten Sockel haben. Sie bestehen in der Hauptsache aus einem dreifachen Rund- stab, weisen aber nie den Birnstab der Rippen wie die Chordienste stets auf.

Nach Steches Grundrifs sieht die Kirche einheitlicher aus, weil er alle Hauptfenster als dreipfostig aufzeichnet. Das ist ein recht bedauerliches Versehen: Alle Fenster des Chores sind nur zweipfostig, während die fünf Haupt- fenster des Schiffes dreipfostig sind und alte und junge Pfosten unterscheiden. Dais die Chorfenster nur zwei- pfostig sind, geht schon aus Steches Abbildungen, S. 66, 67, hervor. Das östliche seitliche Schifffenster giebt Steche als pfostenlos an; in Natur zeigt es zwei Pfosten. Am Mittweidaer Chor kommen auch dreipfostige Fenster vor.

Der Kunigundenchor hat im Innern ein mit Bild- hauerarbeit reich geschmücktes Fenstergesims, welches das Schiff aber nicht weiter führt. Deshalb können sich im letzteren auch die Pfeilerbündel ungehindert vom Fufs- boden bis zum Gewölbe erstrecken.

Das Aufs er e. Sämtliche Fenster des Schiffes sind durch einen mit Krabben besetzten Eselsrücken bekrönt, von welchem Schmuck die Chorfenster keine Spur zeigen.

Arnold von Westfalen u. die Rochlitzer Kimignndenkirche. 223

Die äufsere Laibung der Schiifsfenster ist reicher ge- gliedert, als die der Chorfenster, besonders fehlt letzteren der kräftige Birnstab.

Am stärksten tritt der Unterschied zwischen Chor und Schiff bei einer Vergleichung der Strebepfeiler her- vor. Sämtliche Chorpfeiler sind unter sich vollständig gleichmäßig, gleich künstlerisch gebildet. Die Strebe- pfeiler am Schiff zeigen unter einander in künstlerischer Beziehung einen gewissen Unterschied. In ihrem Auf- bau bilden die Chorpfeiler eine selbständige Gruppe, die sich scharf von sämtlichen Schiffspfeilern abliebt. Wenn- gleich die nördlichen Schiffspfeiler im Aufbau eine ge- wisse Ähnlichkeit mit den Chorpfeilern haben, so unter- scheiden sie sich doch wieder ganz wesentlich in der Giebelbildung, im Hauptschmuckmotiv, in der Höhe. Am stärksten weichen die südlichen Schiffspfeiler von den Chorpfeilern ab. Die Mittweidaer Chorpfeiler sind hin- gegen den Rochlitzer Schiffspfeilern ganz ähnlich, be- sonders in den Eselsrückenverzierungen.

An der Kunigundenkirche sind sämtliche Strebe- pfeiler des Chores niedriger, als die des Schiffs; denn letztere erreichen mit der Schräge das Dachgesims des Gebäudes, was bei den Chorpfeilern nie der Fall ist.

Die Giebel der Chorpfeiler haben alle gleiches An- sehen, welchem wir am Schiff nicht wieder begegnen. Die Kreuzblumen auf den Chorpfeilern sind kompakter und nicht so weit aufgeblüht, wie diejenigen des Schiffes, welche sich stark in die Breite geben. Ebenso ist der Stiel bei ersteren mehr rundlich, während derselbe bei jenen von mit Krabben besetzten Fialen gebildet wird. Überhaupt verwendet das Chor die Kriechblumen viel sparsamer, als das Schiff. Die Chorpfeiler weisen nur den Spitzbogen auf, an den Schiffspfeilern herrscht durchaus der Eselsrücken vor. Die Chorpfeiler haben im obersten Absatz gar keine Mafswerksverzierung, welche die sämt- lichen Schiffspfeiler an dieser Stelle zeigen. Sämtliche Chorpfeiler besitzen im Mafswerk ein sehr edles Lilien- motiv, welches an keinem Schiffspfeiler wiederkehrt. Jeder Chorpfeiler hat am Fenstergesims prächtigen phantasti- schen Figurenschmuck und im mittleren Absatz eine schöne wasserspeierartige Verzierung, Meisterwerke, die an den Schiffspfeilern vollständig fehlen. Die Chorpfeiler wirken schlanker, als die z. T. sogar ziemlich massigen Strebepfeiler des Schiffes. Das Mafswerk der Chorpfeiler

■!>\ W.C.Pf an:

ist edler und kunstreicher, als am Schilt', ein Umstand, den auch Steche erwähnt. Sämtliche Bildhauerarbeiten am Chor sind ausgezeichnet gearbeitet, während am Schiff sogar plumpe Formen mit unterlaufen.

Steche legt besonders auf das Lilienmotiv groisen Wert, welches er für Arnolds Bauten geradezu als charakteristisch anzusehen scheint. Das Kumgunden- schiff aber, welches doch für Arnold hauptsächlich in Frage käme, ist gerade an dieser Zier auffallend arm, während das Chor dafür eine ganz ausgesprochene Vor- liebe zeigt. Am Schiff finden wir das Motiv verwendet an einem Fries über dem Südportal, vergl. Steche, Bei- lage VII. Die ganze Manier des Frieses sieht aus, als wenn er gar nicht recht an das Schiff gehörte oder als wenn er der eigenen Erfindungsgabe des Meisters vom Schiff gar nicht entsprungen wäre. Steche sagt selbst S. 64, dafs dieses Fries „seltsam in Widerspruch" stünde mit anderer Architektur des Schiffes. Diese auffällige Merkwürdigkeit hat wTohl ihren Grund darin, dafs der spätere Meister des Schiffes in diesem Fries edle Motive des älteren Chores einmal nachzubilden suchte. Ganz ist ihm dies freilich nicht gelungen, denn die Lilien über dem Portal sind denen der Chorpfeiler künstlerisch nicht gleichwertig. Die letzteren sind etwas langgestreckter; ihre Blätter alle sind gleichmäßig edel durchgebildet. Bei den Schiffslilien sehen die Seitenblätter etwas mager, dürftig, mehr hakenförmig aus, während das Mittelblatt auffallend kräftig gebildet ist. Selbst dieses Fries zeigt, dafs der Schöpfer desselben nicht denselben feinen Formen- sinn hatte, wie der Meister des Chores, welch letzterer bei all seiner Einfachheit edler und ruhiger wirkt, als das reich geschmückte Schiff.

Auf Grund der ausgeführten Erörterungen kann man unmöglich Steches Urteil beistimmen. Der gotische Be- stand der Kunigundenkirche ist nicht einheitlich: Chor und Schiff sind zu verschiedenen Zeiten entstanden; die urkundliche Angabe, dais das Chor 1417 erbaut wurde, ist nicht zu bezweifeln. Es käme also Arnold von West- falen nur für das Sqhiff in Betracht. Welche Gewähr haben wir aber dafür, dafs dieser gewaltige Werkmeister wirklick an der Kunigundenkirche überhaupt thätig war? Im Grunde genommen so gut wie gar keine!

Zweifellos waren die meisten der Arbeiter, die das Rochlitzer Schiff bauten, auch am Chor der Mittweidaer

Arnold von Westfalen u. die Rochlitzer Kunigundenkirche. 225

Kirche thätig; das ergiebt die Architektur und die Be- trachtung der Steinmetzzeichen. Steche schreibt den Chor Arnold von Westfalen zu und also auch die Roch- litzer Kunigundenkirche; es könnte aber überhaupt nur das Kunigundenschiff für den namhaften Meister in Frage kommen. Das Mittweidaer Chor wurde nach einem Stadt- buch 1473 erbaut. 147i empfahl Hugold von Schleinitz auf Kriebstein seinen Werkmeister Ornald dem Mitt- weidaer Rat für die beabsichtigte Wölbung der Pfarr- kirche. Steche sagt nun ohne weitere Begründung S. 22: „Unter Ornald ist zweifellos Arnold von Westfalen zu verstehen." Wir hätten allerdings für eine so wichtige Behauptung gern einen einleuchtenden Grund gehört! Es läfst sich aber auch gar nicht beweisen, dafs der Mittweidaische Rat den „Arnold" (Ornald) wirklich an- gestellt hat; das wäre doch die Hauptsache. Steche fährt zwar fort, dafs „der Chorbau" von Arnold herrühre, bestätige „dessen Durchführung". Also müfste doch der gesamte „Chorbau" von Arnold herrühren; das oben erwähnte Empfehlungsschreiben spricht aber doch nur vom „Wölben" des Chores. (Vergl. S. 22.) Die Um- fassung des Chores müfste also, ehe Arnold überhaupt empfohlen wurde, schon fertig sein. Übrigens sagt Steche selbst, dafs die Errichtung des Chores bereits im Jahre 1443 begonnen worden sei. Das ist doch ein vollständiger Widerspruch. Wie soll man so an eine „Durchführung" des Chorbaues in Arnoldscher Manier glauben können?

„Meister Arnolt" war auch in Rochsburg thätig. Ist das denn aber wirklich Arnold von Westfalen? Der Name an und für sich beweist doch nichts, da er ziem- lich häufig vorkommt; die Hauptsache ist und bleibt die charakteristische Herkunftsbezeichnung. Auch bei Be- schreibung des Rochsburger Schlosses vergifst Steche wieder einen Grund anzugeben, weshalb er diesen „Arnolt" mit „Arnold von Westfalen" identifiziert.

Arnold von Westfalen ist der nachgewiesene Erbauer der Albrechtsburg in Meiisen. Selbst wenn wir ihn auch für die Schlösser Kriebstein und Rochsburg gelten lassen, so gewinnen wir schwerlich einen sicheren Anhaltspunkt für die Meisterfrage des Rochlitzer Schiffes und des Mittweidaischen Chors. Die erwähnten Burgen sind nüch- tern, so gut wie ganz frei von bildhauerischer Zierde. Da die betreffenden Kirchen gerade ihren Haupt wert in ihrem bildhauerischen Schmuck haben, so müfste doch

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3 4. 15

226 W.C.Pfau:

erst nachgewiesen werden, ob diese Verzierungen im Arnoldschen Stil gehalten sind, ob sie seiner Erfindung entsprungen sind. Das können wir aber nicht, Überdies stimmen die Steinmetzzeichen in Rochsburg und Krieb- stein durchaus nicht zu Rochlitz und Mittweida. Wir unsererseits können deshalb nur sagen, dafs Arnold von Westfalens Thätigkeit an der Rochlitzer Kunigunden- kirche und der Mittweidaischen Kirche durchaus noch nicht überzeugend nachgewiesen ist. Wir können nur behaupten, dals am Mittweidaer Chor und am Rochlitzer Kunigundenschiff dieselben dem Namen nach leider un- bekannten Meister wirkten. Wir haben sogar einen ge- wissen Zweifel, ob wir für diese Bauten einen Werk- meister überhaupt annehmen dürfen. In Mittweida finden sich mehrere plastische Meisterschilde ; also waren mehrere Meister thätig. Da diese Schilde durch ihre Form und durch ihre Lage keinen Hinweis geben, dals von diesen Meistern einer eine hervorragende Stellung als Werk- meister eingenommen hätte, so scheinen diese Meister alle gleichberechtigt gewesen zu sein. Dann wäre die Kirche in ihrem Chorbau einheitlich von mehreren Meistern ohne Werkmeister geschaffen worden. Dann können wir aber auch besser verstehen, dals das Stadtbuch in Mitt- weida nur das Erbauungsjahr 1473 bucht, ohne den Er- bauer namhaft zu machen. Wenn es blols ein Meistor gewesen wäre, dürften wir dessen Namen eher erwarten, als wenn es eine Gemeinschaft mehrerer Meister gewesen wäre.

Am Kunigundenschiff finden sich keine plastischen Meisterzeichen. Allein dafs verschiedene Meister thätig waren , ergiebt die verschiedene Behandlung der Schiffs- verzierungen. Das giebt auch Steche an. An diesem Schiff vermiist man sogar die beaufsichtigende Oberleitung eines Werkmeisters, besonders wenn man den östlichen Strebepfeiler neben dem Südportal bedenkt, abgebildet S. 63. Im Vergleich mit den übrigen Pfeilern besitzt dieser geradezu häusliche, kürbisartige Krabben, und das Halsglied der Kreuzblumen im zweiten Absatz ist so unschön und alle Harmonie störend, dals ein Werkmeister solche Arbeit wohl schwerlich zugelassen haben würde.

Es ist demnach gar nicht unmöglich, dals das Kuni- gundenschiff überhaupt keinen leitenden Werkmeister ge- habt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs mehrere Meister zusammen einen Bauplan, eine Visierung, ent-

Arnold von Westfalen u. die Roclilitzer Kunigundenkirche. 227

worfen haben, nach denen sie dann gemeinschaftlich, jeder nach seinem Können, arbeiteten.

Wir hätten schließlich noch zu fragen, ob eine der- artige Ballführung in der Gotik überhaupt möglich war; wir finden Aufschlafs darüber in den Hüttenordnungen.

Die Strafsburger Haupthüttenordnung vom Jahre 1459 sagt Art. 9: „Es sollent auch nit zwey Meister ein werk oder einen gebeue gemein mit einander haben; es wer den, dafs es ein kleiner gebeue were, der in jorsfryst ein ende näme ungeverlich; den mag man wol gemeyn haben mit dem, der ein mytbruder ist". Also bei kleineren Bauten war ein gemeinschaftliches Arbeiten mehrerer Meister, von denen keiner als Werkmeister, als vorgesetzter Obermeister, galt, wohl gestattet. Da das Gebot in die Ordnung aufgenommen ist, mag wohl eine solche Meistergemeinschaft auch bei grofsen Bauten vor- gekommen sein. Überdies sagt der Artikel nicht einmal, dafs im Übertretungsfalle die Meister zu bestrafen wären, wie das bei andern Artikeln oft der Fall ist; man scheint es also mit dem Gebot nicht sehr streng genommen zu haben. Das liegt in der Natur der Sache. Wer wollte denn dafür bürgen, dafs ein Bau, der ursprünglich nur für ein Jahr berechnet sein sollte, nach dieser Frist wirklich fertig war! Witterungsverhältnisse , Arbeiter- mangel, neue Wünsche der Bauherren konnten sehr leicht eine Bauverschleppung herbeiführen. Wenn der Bau nach einem Jahr nicht fertig war, so konnten die ihn aus- führenden Meister leicht Entschuldigungsgründe finden. Die angegebene Baufrist des Artikels soll wohl nur einen Anhalt bieten, was unter einem kleinen Bau zu verstehen war. Freilich ist diese Zeitdauer ein recht fragwürdiger Mafsstab; besser wäre die Angabe einer ungefähren Arbeiterzahl gewesen. Ob dieser Artikel überhaupt be- achtet worden ist, bleibt fraglich; denn die Ordnung stellt in der Einleitung die Befolgung aller Artikel im Grunde genommen frei, da sie erlaubt, alle Artikel zu ändern: „wer es, dafs ettelicher artikel in dieser ordnunge zu schwer und zu herte, oder ettelicher zu lychte und zu mylte werent; do mögent die, die in dieser ordenung sint, mit dem merenteyl soliche Artikel myltern, mynren oder meren, je noch der zitt und des lands notdurflft und nach den laiffen." Uns genügt das Ergebnis, dafs überhaupt Bauten gemeinschaftlich von Meistern, von denen keiner eine hervorragende Rolle spielte, ausgeführt

15*

228 W.C.Pfau: Arnold von Westf. u. d. Rochlitzer Kunigundenkirche.

wurden. Die im Artikel enthaltene Beschränkung scheint für Sachsen nicht gegolten zu haben; denn dieses Land besais seit 1462 die Rochlitzer Ordnung als Sondergesetz, welches einen solchen Artikel wie den angeführten über- haupt nicht kennt. Da übrigens weder das Kunigunden- schiff noch der Mittweidaer Chor grofse Bauten sind, so erscheint die Vermutung, dals diese Werke vielleicht gar keinen leitenden Werkmeister gehabt haben, auf Grund unserer mehrfachen Ausführungen gar nicht unwahr- scheinlich.

IX.

Aus der Geschichte des Schneeberger

Lyceums.

Von

Eduard Heydenreich.

Das Lyceum der Stadt Schneeberg, welches „als Pflegstätte humanistischer Gelehrsamkeit im westlichen Obererzgebirge mehrfach Zeiten grofser Blüte gehabt, immer aber redlich zu dem kulturellen Aufschwung unseres Vaterlandes beigetragen hat"1), gehört zu den bedeut- samsten Lehranstalten des Landes. Im 15. Jahrhundert gegründet, ist es erst 1835 der grofsen finanziellen Be- drängnis der Stadt Schneeberg zum Opfer gefallen, die durch wiederholte gewaltige Feuersbrünste und Kriegs- unfälle schwer geschädigt war und ihre mit rührender Liebe gepflegte lateinische Schule den gesteigerten An- forderungen der Staatsregierung gegenüber nicht länger halten konnte. Schon Albinus rühmte das Schneeberger Lyceum mit den Worten: „die Schule allhier ist wohl bestellet gewesen und in derselben die Fundamente der christlichen Religion und freien Künste sammt den Sprachen, mit denen man sich zu den höheren Studiis der Schulen vorbereiten mufs, fleifsig und treulich getrieben, die Schüler in guter Disciplin gehalten und daher auch für- nehme und gelehrte Leute gezogen worden". Und noch kurze Zeit vor seiner Einziehung schrieb sein Lokal-

!) Worte des Herrn Bürgermeisters Dr. von Woydt zu Schnee- berg bei der Eröffnung des dortigen Königl. Gymnasiums, welches das Erbe des Lyceums 1888 übernahm. Vergl B e r nh ar di im Jahres- bericht des Gymnasiums zu Schneeberg 1889, S. 6.

230 Eduard Beydenreich :

inspektor Oberpfarrer Wahl am 6. November 1816: „Wenn sich bey allen Stürmen der Zeit und bey den traurigen Veränderungen, welche so manche ähnliche Anstalt im Laufe der Zeit erfahren hat, die hiesige lateinische Schule noch immer in einem vorzüglich guten Ruf und Flor er- halten hat, so verdankt sie dies nächst Gott unter andern auch dem Umstände, dafs, wie gering dotiert auch die Lehrerstellen sind, doch diese noch immer mit gelehrten und tüchtigen Männern besetzt waren"-). So mag es denn dem Verfasser dieser Mitteilungen vergönnt sein, einiges von dem, was seines kulturgeschichtlichen Inhaltes wegen auf allgemeineres Interesse Anspruch zu erheben geeignet erscheint, aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums zusammenzustellen").

Die Abhängigkeit des Lyceums von der Kirche zeigt sich zunächst in den Pflichten, weiche die einzelnen Lehrer in der Kirche zu erfüllen haben. Aus dem Rechen- schaftsbericht über die Leitung der Schule zu Schneeberg, welchen der Rektor Paul Obermeier (1555—1575) 1564 dem Pfarrer Job. Schleifer erstattete4), erfahren wir, wie die Schule dafür sorgte, dafs die Schüler am Sonn- tage den Predigten und gottesdienstlichen Handlungen überhaupt beiwohnten. Von den älteren Schülern wurde

2) Schneeberger Ratsarchiv G III 13.

3) Die hauptsächlichsten Quellen für die Geschichte des Schnee- berger Lyceums sind das Schneeberger Ratsarchiv, das Schneeberger Ephoralarchiv und das Pfarrarchiv daselbst, welche zu benutzen dem Verfasser durch die Güte der Herren Bürgermeister Dr. von Woydt und Superintendent Lic. theol. Noth vergönnt war. Dazu kommen die Programme des Schneeberger Lyceums , die jetzt im Königl. Gymnasium aufgestellt sind, sowie die Chronisten A 1 b i n u s , M e 1 z e r und Lehmann. Einzelne Teile der Schulgeschichte sind an folgenden ( hten behandelt: Gdfr. Ludovici, Historia gymnasiorum celebriorum V (1718), 93ff; M. C H. Tromler, Analecta quaedam litteraria historiae Lycei Nivemontani inservientia (1786); Theod. Stade, Ge- schichte des Lyceums zu Schneeberg I (1877); Blanckmeister, Sh-zgebirgischer' Volksfreund 1888, S. 107 ff. ; Wind haus, Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte I, 3 (1891) und meine Mitteilungen in der Festschrift des Königl. Gym- nasiums mit Realklassen zu Schneeberg 1891, S. [II ff. 40 ff., sowie in dieser Zeitschrift XIII (1892), 91 ff. Die Fortsetzung von Trom- ler's Analecta, welche nach Irmisch, In memoriam Carol. Henr. Tromleri, Scbneeberg 1791, pag. VIII und Stade a. a. Ü. S. 3 i. J. 1787 erschien, ist dem Verfasser trotz mehrjährigen Snchens un- erreichbar geblieben.

*) Ratio administrationis scholae Snebergensis exhibita D. Pastori .lobanni Sleiffer. Anno 1564 Mensc Septembri. Vergl. Wind- li aus a. a. ( ).

Aus der Geschichte <les Sc.lniiM'beryvr Lyceums. 231

sogar verlangt, dals sie auch die Predigten hörten, die an den Wochentagen gehalten wurden. Dem Abend- gottesdienst an Wochentagen und ebenso dem Frühgottes- dienst am Sonntag wohnten die Sekundaner, Tertianer und Quartaner bei, aber in zwei Chöre geteilt, von denen die ersten in der einen Woche der Kantor, den zweiten in der anderen Woche Schulkollege ßeutner leitete. Zum Abendgottesdienst am Samstag und Sonntag mufste da- gegen der ganze Schülercötus unter Aufsicht eines Lehrers erscheinen. Der Vormittagspredigt am Sonntag und den ihr voraufgehenden wie nachfolgenden Gesängen wohnten alle Lehrer bei. Wenn im Winter von den Schülern die ganz kleinen und wegen nicht genügend warmer Kleidung auch andere vor der Predigt die noch heute eisige Kirche verliefsen, begleiteten sie abwechselnd ihre Lehrer in die Schule und lielsen sie das Evangelium in der deutschen Übersetzung von Luther oder Matthesius lesen. Beim Nachmittagsgottesdienst am Sonntag, in welchem den Knaben der Katechismus ausgelegt wurde, war der Rektor zugegen; im Falle seiner Verhinderung liefs er sich durch einen seiner Amtsgenossen vertreten. Dem Gottesdienst am Mittwoch wohnte der Rektor und der Kantor bei, dem Gottesdienst am Freitag der Rektor und ßeutner. Doch ging der letztere manchmal nach Schluls der Gesänge weg, um seinen Unterricht in der Schule zu erteilen.

„Von denen anständigen Sitten in der Kirchen" handelten die Schulgesetze des 18. Jahrhunderts in 10 Paragraphen ausführlich5): 1. Wenn man aus der Schule in die Kirche gehen mufs, so sollen alle und jede Schüler zu rechter Zeit in der Schule sich einfinden und hernach paarweise auf Befehl ihres praeceptoris bescheidentlich, still und ohne Tumult in die Kirche gehen. 3. Unter dem Singen sollen sie ... dem, so anfängt zu singen, zwar mit völliger und allgemeiner Stimme mitsingen helfen, ihm aber weder vor- noch nachsingen. 6. Bei Nennung des Namens Jesu Christi und wenn vor dem Altar das Gloria gesungen wird, oder auch bei Konsekrirung des heiligen Abendmahles des hochtheuren Blutes Jesu Christi Meldung geschieht, sollen sie, wenn sie stehen, ihre Kniee beugen, wenn sie aber sitzen, ihr Haupt entblöfsen (sie trugen Baretts). 7. In den Kirchen geziemet ihnen nicht zu

5) Blauckmeister a. a. 0. S. 289.

232 Eduard Heydenreieli:

schlafen noch weltliche Bücher zu lesen. 9. In den Kirchen sollen sie nichts zerbrechen oder zerreißen, auch nirgends wo etw7as anschreiben, anmalen, noch anheften. Leider wurden die „anständigen Sitten in der Kirchen" nicht immer innegehalten. Besonders den Organisten Lunke ärgerten die Lyceisten gewaltig, wie denn dieser in einer entrüstungsreichen Eingabe an den Oberpfarrer Grundig im Jahre 1751 sich beschwerte, „dais die hiesigen Schüler bey der lateinischen Schule fast allermeist Grofs und Klein keine Zucht, Pietät und Mores besitzen, vielmehr aber anstatt dessen Brutalität, Frechheit, Frevel, Kühn- heit, Grobheit und Unvorstand, ja unverschämte Leicht- fertigkeiten, schändliches Pofsentreiben mit lautem Reden, tückischen Gelächter und Vettiren, garstigen unanständigen Geberden, prostitutiones ausüben, Ärgernis geben vnd die Andacht stöhren". „Man bedencke nur", heilst es u. a. in der langatmigen Anklageschrift"), „die Bofsheit, die der Schüler der lange Schmidt seinen Muthwillen, seine Courage andern Zur Lust, zum Zusammenlaufen , Zum Gelächter und mir zur Prostitution, am Kirmfsfest 1750 ausübte, mir zur linken Hand an das Orgelwerck mit garstigen Minen und sauerstellenden Geberden das Licht vertrat und auch in meinem officio hinderte, auch zu mehreren Gelächter zu denen andern sagte: er möchte stehen wo er wolle, nachhero aber nebst denen andern sich aus der Predigt machte, und in das Branntwein-Haufs begeben haben soll". Die weiter gerügten Unflätereien sind derart, dals wir sie an dieser Stelle nicht wieder- geben können.

Wie sehr die Kirchenbehörde darauf hielt, dals der Kirchenbesuch regelmäßig erfolgte, ersieht man aus einer Beschwerdeschrift des Oberpfarrers und Schulinspektors Joh. Joach. Thönicker vom 15. April 1711: Nachdem dieser nach seinem „Ambte und Gewilsen bey Visitirung der lateinischen Schulen allhier dann und wann, ein und anders wohlmeinend erinnert", stellt er an die Spitze einer Reihe von „Gravamina etlicher Herren Schul Collegen" 7) folgende No. 1 : „Hat sich H. M. Doppert Rektor zwar anno 1704 eigenhändig erkläret, dafs er sich von der deduction der Jugend aufs der Schule in die Kirche zum Mittwochs Examine nicht gänzlich ausschliesen, viel

ß) Alis einem Aktenstück auf der Superintemlentur in Schneeberg. 7) Schneeberger Ratsarchiv G III a 3.

Aus der Geschichte dos Sclmeeberger Lyceums. 233

weniger aber das sogenannte onus statt seiner aufzunehmen, die anderen HH. Schul Collegen bemühen wollen, sondtern die Jugend wo nicht eigener Person oder durch einen Schüler oder primaner begleiten lassen wollen. Es ge- schieht aber keines von beyden, sondern die Knaben gehen alleine, und treiben auf der Kirche undt auf der Gassen allen Muthwillen". Noch im 19. Jahrhundert war die Meinung der Inspektion: „Kein Schüler, der sich in der Stadt befindet, darf die Kirche versäumen, und von den Lehrern läfst sich wohl, ohne dringende Abhaltung zu haben, das Nämliche erwarten"8).

Bei der Stellung der Schule zur Kirche ist es ferner charakteristisch, dafs jene verbunden ist, dieser einen guten Sängerchor zur Verfügung zu stellen. Es war ganz der Wirklichkeit entsprechend, was am 29. Mai 1651 der Konrektor List, der Kantor Ziegler und der Baccal. Eckstein an den Rat zu Schneeberg berichteten, „dafs die Cantorey vnndt der Chorus Musicus meistenteils durch die Alumnos auf der Schuel bestellet worden, wie auch nothwendig vnndt bey Verlust ihres Beneficii demselben habe bey wohnen müssen". Bei allen Causalien mufste der Chor zur Hand sein, was vielfache Störungen im Unterrichte zur notwendigen Folge hatte. Dabei bestanden alte Sitten, auf deren Beibehaltung der Überpfarrer hielt. So war es „ein altes Herkommen, wenn ein ganz funus, dals solches bevor geläutet wird, Pastori vom Tertio Scholae durch einen Schüler gemeldet werde, wo die Schule mit dem Creuz wartten wolle und ob etwa vorhero eine Tauffe sey"0). Zu den alten Sitten, die der Chor zu leisten hatte, gehörte auch das Schulsingen auf der Strafse, oder, wie es in der erwähnten Eingabe vom 29. Mai 1651 heilst, „die gewöhnlich Music vor der löblichen Bürgerschaft bewohnung". Diese Sitte war in diesem Jahre nicht befolgt worden und die genannten Schul- männer liefsen es sich angelegen sein, den Schein der Pflichtversäumnis zu entfernen. Nicht aus Fahrlässigkeit sei es geschehen, sondern aus Mangel an Sängern. Denn 1. hätten sich die Sclmeeberger Bürgerssöhne „des wöchent- lichen Umbsingens gänzlichen entschlagen, vorwendent, es were ihnen, weil hierdurch sie an ihren Studieren Ver- säumung litten, von ihren Eltern anbefohlen". Hierdurch sei die Zahl der Tenoristen und Altisten ziemlich ge-

8) Schneeberger Ratsarchiv ü III 15. °j Ebeudas. G III 1.

234 Eduard Heydenreich:

schwäch! worden. Ferner seien 2. „zwar etzliche Knaben, so den Bals vnndt Tenor bey wohnen kirnten, anhero ge- langet, vnndt mit Hospitiis versehen worden, nachdem sie aber allen mnthwillen vndt Bofsheit bey Tag vndt Nacht vorübet, vnndt derentwegen Ambts und Gewilsen halber von uns ernstlich sowohl verbauter als realiter abgestraffet worden, sindt sie als böfse Buben und die keiner Zucht untergeben sein wollen, ohne gebührenten Abschied mit bölsem Nachklangk wiedemmb darvon gelaufen". Dazu seien noch Zöglinge mit guten Stimmen nach der Uni- versität abgegangen und ferner hätten „Scabies vnndt andere Leibesbeschwerungen" unter den Knaben gewütet. Aufserdem forderten fremde Eltern während der Feier- tage ihre Kinder meist nach Hause „und viel mahl 3, 4 und mehr Wochen bey sich behalten, dadurch denn umb diese Zeit die Anzahl der Knaben in der Schuel u. Cantorey sehr verringert werden mufs". Die Schulkollegen mochten nicht nur der nächsten vorgesetzten Behörde wegen jeden Verdacht einer Vernachlässigung von sich abweisen, sondern auch den musikalischen Kreisen der Stadt gegenüber. War doch 1626 eine Cantorey-Gesell- schaft von Schneeberg gegründet worden10) „zu keinem anderen Ende, denn Gott dem Allmächtigen zu Ehren und zu Beförderung und zu Erhaltung des Chori Musici und christlicher Kirche Ceremonien mit Figuralgesang und damit junge Bürger und Gesellen desto mehr Lust und Gefallen zur Musica haben, dieselbe lernen und lieben mögen"; sie hatte sich grofsen Zudranges aus den besten Kreisen der Stadt zu erfreuen gehabt; und wenn sie da- mals auch, schwer geschädigt durch den 30jährigen Krieg und durch Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern, dar- niederlag, so hat es doch offenbar damals, als jene Gesell- schaft noch bestand11), ein lebhaftes Interesse für Musik in Schneeberg gegeben, und man hielt also darauf, dals das herkömmliche Umsingen der Schüler ordentlich von statten gehe.

Ein grofser Streit erhob sich im 18. Jahrhundert über die Reihenfolge dieser Einrichtung auf den Strafsen. Der Oberpfarrer Thönicker verlangte, der Anfang solle vor der Pfarre geschehen. Dem aber wurde entgegen- gehalten, dem Herkommen entspräche es, von der alten

l0) Aus einem Aktenstück des Schneeberger Katsarchivs. ") Jacobi, Her.. Schneeberg. Ein Gedenkblatt zur 400jähr. Jubelfeier (Schneeberg 1881), S. 99.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. ;i:;.")

Schule anzufangen. „Es haben aber die Schul-Collegen und Chorus Musici, von bisheriger Observanz ihres dar- unter verlierenden Intereise halber, indem diese Neuerung andere vor eine Beschimpfung- annehmen, und das biisher gegebene accidens wo nicht gar einsiechen doch mercklich verringern dürften, nicht abweichen, sondern dabey ge- schützet seyn wollen1'2)."

Die Choristen durften sich nicht auf Schneeberg be- schränken, sondern mulsten auch im benachbarten Schlema ihren Umzug halten. Mit Recht fragte Rektor Voigtländer (1820—1828) in einer Reihe eingehender Reformvorschläge: „Wie ist dem grofsen Übelstande abzuhelfen, dals unsere Choristen des Winters Mittwoch um 10 Uhr genötigt sind zu singen und deshalb die Schule zu versäumen, und eine Abteilung derselben das ganze Jahr hindurch Sonn- abends wegen des Schlemsingens nicht in die Schule kommt? Ist es recht zu dulden, dafs den Schülern so viel Zeit durch das Chor geraubt wird? Wäre dem Übel nicht dadurch etwas abzuhelfen, dafs die Schüler nur abwechselnd die eine Woche vor allen ihren bisherigen Häusern singen, dann aber wieder die andere Woche (etwa Mittwochs am Nachmittage) ganz langsam durch die Strafsen singend zögen (etwa mit einem Chorale)? Würde dies nicht ebenso grofsen Eindruck machen? Es thut ja dies auch das Thomanerchor in Leipzig." Treffend bemerkte Oberpfarrer Wahl in seinem „Gutachten über die Vorschläge des Herrn Rektors M. Voigtländers zum Besten des Lycei" hierüber: „dals diese Idee ausgeführt werden möge, ist allerdings gar sehr zu wünschen, und würde der Stadt Ehre und den Schülern Nutzen und Segen bringen" 18).

Der Stellung des Lyceums zur Kirche und der herr- schenden Stellung, welche die Theologie in den Wissen- schaften der früheren Jahrhunderte einnahm, entsprach es, dafs dem Religionsunterricht ein sehr breiter Raum verstattet war. Denn erstens war, wie Obermeier a. a. 0. berichtet, der Beschäftigung mit der Religion in allen Klassen der ganze Samstagvormittag gewidmet, an dem teils der Katechismus geübt, teils die Evangelien durch- genommen wurden. Die untersten Klassen lasen den deutschen, die Quartaner den lateinischen Katechismus

12) Schneeberger Ratsarchiv G 111 a 3.

13) Ebendas. G III 15.

236 Eduard Heydenreich:

Luthers, die Tertianer und Sekundaner die Katechesis des Chytraeus. Die Evangelien wurden den untersten in deutscher, den Quartanern in lateinischer, den oberen in griechischer Sprache vorgelegt. Zweitens verwandten die Schüler von Quarta an abwärts auch den Mittwoch auf das Lesen des deutschen Katechismus. Während dessen wurden in den oberen Klassen schwierige schriftliche Ar- beiten korrigiert. Drittens wurden die beiden untersten Klassen, „die sechste und siebente, noch durch eine be- sondere Übung an jedem Tage zur Erlernung des Katechis- mus angeleitet. In der letzen Stunde nämlich, nachdem sie zwei lateinische Wörter mit der deutschen Bedeutung gelernt hatten, prägte der Lehrer dieser Klassen den ganz Kleinen, für welche ein fortwährendes Hersagen des ganzen Katechismus wenig Nutzen bot, nur einen kleinen Teil dieser Unterweisung ein, den er ihnen so lange vor- sprach, bis sie ihn im Gedächtnis behalten und allein, ohne dafs ihnen die Worte vorgesprochen wurden, aufsagen konnten, ungefähr in der Art, wie in der Nachbarschaft allgemein fromme Pfarrer in der Kirche den Knaben und Mädchen die einzelnen Hauptstücke des Katechismus vor- sprechen liefsen.

Die Schule stand, den Anschauungen jener Tage ent- sprechend, in allen Instanzen unter theologischer Oberleitung. Die nächst vorgesetzte Inspektion bestand aus dem Oberpfarrer und zwei Ratsmitgliedern. Die An- stellung der Lehrer hing von einer Prüfung bei dem Konsistorium in Leipzig ab, die vermittelnde Instanz zwischen der Schneeberger Inspektion und dem Leipziger Konsistorium bildete die Superintendentur zu Zwickau. Zeitweilig erfolgte auch eine Visitation von auswärts. So war 1781, 29. Oktober bis 2. November der Ephorus M. Schlesier aus Zwickau in Schneeberg „nebst dem Kreifsamte Sehwarzenberg als commissarii den dermaligen statum piarum causarum zu untersuchen". Der Ephorus besuchte in diesen Tagen die Schule zwei Mal. Die Scholaren brachten ihm abends darauf eine Nachtmusik. Die visitierenden Herren unterliefsen nicht „sowohl den Docenten als Discenten gute und heilsame Erinnerungen zu geben, die, weil sie mit einer liebreichen Herablassung geschehen und aus wahrer Liebe für das Beste unserer Schule, mit Vergnügen aufgenommen wurden"14). Man

") Pfarrarchiv Sclmeeberg Lit. S. No. 10.

Aus der Geschichte <les Sclmeeberger Lyceums. 237

mufs es einzelnen Pfarrern zu Schneeberg nachrühmen, dals sie nicht nur mit wirklichem Interesse und ein- gehendem Verständnis ihre Inspektion übten, sondern auch durch eigene Beteiligung am Unterricht und durch hilfs- bereites Eingehen auf berechtigte Wünsche von Lehrern und Schülern sich ein vollverdientes Ehrengedächtnis ge- stiftet haben. In dieser Beziehung sind besonders die Oberpfarrer Hahn, Wahl, welcher vom Archidiakonus Voigtländer unterstützt wurde, und Hey mann rühmend zu erwähnen. Ihre zahlreichen schriftlichen Gutachten und Berichte, die noch heute bei den Akten der Schnee- berger Archive liegen, erweisen, dals hier die rechten Männer an der rechten Stelle waren. Rektor Voigtländer fühlte sich gedrungen, 1821 öffentlich im Osterprogramme des Lyceums „zwei verehrten und verdienten Männern, dem Herrn Oberpfarrer Wahl und Archidiakonus Voigt- länder unseren wärmsten Dank abzustatten für die edle und ganz uneigennützige Bereitwilligkeit, vermöge welcher sie den eignen, schon genug gehäuften Amtsgeschäften auch noch thätiges Mitwirken für das Wohl unserer Schule hinzu gesetzt haben, indem sie, wie bisher, einige Gegen- stände des Unterrichts, die ihren Händen gewifs am besten anvertraut werden konnten, zu übernehmen die Güte haben werden". 1834 aber rief Rektor Raschig in dem letzten Programm, welches das Lyceum überhaupt veröffentlicht hat, dem Oberpfarrer Heymann, der als erster Prediger an die Frauenkirche zu Dresden berufen wurde, öffentlich den herzlichsten Dank der Schule nach „sowohl für den Eifer, mit welchem er im Allgemeinen stets auf das Wohl und glückliche Gedeihen unseres Ly- ceums bedacht war, als für die besondere Unterstützung, die er uns während der ganzen 10 Jahre seines Hierseins zu Teil werden liels, indem er über einen der wichtigsten Gegenstände des öffentlichen Unterrichtes wöchentliche Vorträge übernommen hatte". Auch in diesem Jahre unterstützte Archidiakonus M. Voigtländer das Lyceum, indem er wöchentliche Lektionen in den oberen Klassen hielt. Es war dies eine um so gröfsere Aufopferung von seiner Seite, als er durch die Vakanz der Oberpfarrer- Stelle schon einen bedeutenden Zuwachs von Geschäften erhalten hatte.

Nicht immer war das Verhältnis zwischen Schule und Inspektion ein so gutes. Es kam vor, dals nament- lich wegen Auszahlung der Gelder aus dem Gotteskasten

238 Eduard Heydenreich :

zwischen dem Pfarrer, der zugleich Kastenvorstelier war, und den Schulkollegen „allerhand Irrungen, Mißverstände und weit ausstehende Inconvenientien sich haben ereignen und erhalten wollen, welche dann, wie in einer jeden Republica an ihrem Selbsten hochschädlich, alfs auch in dieser hierarchia bey Gemeiner Stadt und Bürgerschafft ziemlich ergerlich und dem gemeinen wesen, wie auch zu- förderst dem Gotteskasten schädlich, auch dahero dessen vor äugen schwebender Ruin zu besorgen gewesen". Bei der scMiefslichen Beilegung eines derartigen Mißverhält- nisses mufsten 1641 Kirchen- und Schuldiener feierlich versprechen, „dafs sie soviel möglich sich alles affectuosen Invectirens auf der Kanzel gänzlich enthalten, ihre Straff- Predigten mit gebührend theologischer Sanfftmut tem- periren" etc.15).

Weniger glücklich war in seinem Inspektionsamte Ober- pfarrer Thönicker. Es mochte allerdings wohl nicht alles ganz richtig im Lyceum zugehen. Denn schwerlich würde sonst Thönicker z. B. Klage führen, dafs mehrere Lehrer die Stunden nicht voll hielten, auch „Zeitungen in der Lection" lasen, auf die Jugend fluchten und mit dem Buche „öffters unbarmherziger Weise vor die Köpffe schlugen, so ich H. Schreiber erinnert, der aber vorgeben, es schade nichts"16); und der Bericht, den Thönicker 3. Dezember 1725 abfafste, läfst allerdings auf „Hochmut, Ungehorsam und Rohheit der Schüler" schliefsen17). Doch mochte die Art, wie Thönicker in Äußerlichkeiten einem so ausgezeichneten Rektor wie Doppert gegenüber verfuhr, auch der Besserung bedürfen. So eiferte Thönicker gegen die Haarbeutel der Schüler: „die Zöpffe vnd Säcke wären eine verpönte Sache", worüber „Herrn M. Jo. Dopperto weitberühmten Polyhistori und wohl -meritirten Rectori in Schneeberg" dessen „ergebenster Diener Hippius" aus Annaberg am 3. Oktober 1725 schreibt: „Es wundert den Herrn Oberhoff Prediger gar sehr, dals eine Sache, die nicht sowohl zur Hoffarth als vielmehr zur Reinlichkeit und die Haare desto besser in Zaum oder in Ordnung zu halten, wil improbiret werden. Haar Beutel tragen ist jetzo consuetudo omnis hominum generis. Es tragen solche studiosi theologiae, Schüler, ja andre honnette Leute, die

1B) Schneeberger Ratsarchiv G IIT 1.

,y) Ebendas. G III a 3.

n) Pfarrarehiv Schneeberg Lit. S. No. 3.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 239

groise Augen würden anffthun, wenn man ihnen defswegen levitatem animi beymessen wolle. Es würde deiswegen der Herr Pastor befser thun, wenn er statt der Haar Beutel eine andere feine theologische materie aufführte n. wülste nicht, Avie er sich verantworten wollte, wenn er deswegen Rechenschaft geben solte". Jedenfalls lag ein Zwiespalt zwischen den Schulkollegen und dem Oberpfarrer vor. „Die weil aber", schreibt dieser, „in- sonderheit der Rector H. M. Doppert, der Tertius H. M. Trommler und der Quartus H. Schreiber dadurch auf mir erzürnet worden sind, dals sie mir auf allerley Arth tort zu thun und mich in meinem Ambte zu kräncken suchen, wie anders zu geschweigen beyliegende Schimpffzuschrift beweiset, woraus denn lauter Unordnung und endlich Verachtung meines Ambts bey der Jugend entsteht" 18). Insbesondere erregten die Kleidungsvorschriften der Geist- lichen Mifshelligkeiten. Thünicker hatte auf Anordnung der Zwickauer Superintendentur 1705 „denen sämbtl. H. Schul Collegen schrifftl. notifiziert unndt angedeutet, sich gleich ihrer Vorfahren der Überschläge undt Mäntel in der Schule undt auff der Gassen zu gebrauchen, nicht aber in Roben und Degen auff die Gasse und in die Lectiones zu gehen, weil sie, wie Dns. Ephorus schreibet, nicht ad militiam sed clericorum ordinem gehören. Allein dessen ungeachtet, gehet H. M. Trommler u. H. Schreiber nicht nur bey öffentl. lectionen in der Schule ohne Mantel herumb, sondern dieser kömbt gar in Robe in die Schule ohne Krauise undt Überschlag, ja aufser der Schule wird man sie niemahls anders alfs in Roben gehen sehen". Der Rektor ging in der Opposition gegen die Mantel- vorschriften seinen Kollegen voran. Er hatte zwar 1709 versprochen bei einem „Actus solennis" in der Schule wolle er im Mantel erscheinen, doch that er es „weder beim examine publico noch peroriren". Die Ansichten über das Manteltragen waren allerdings damals in den maisgebenden Kreisen Schneebergs wunderlich19). „AVeil von geraumer Zeit her", so kündete die „Mantel Verordnung", „einige Schüler sich herausgenommen haben, ohne Mantel zu gehen, als wäre der Mantel eine Schande, so sollt ihr wissen, dafs von den urältesten Zeiten her bei denen ge- sitteten Völkern der Mantel das Unterscheidungszeichen

18) Schneeherger Ratsarchiv <IA III a 'A. w) Blanckmeister S. 320.

i40 Eduard Heydenreich:

gewesen, woran man Leute von guter Herkunft und Auf- führung erkennen und sie von den schlechten und geringen unterscheiden konnte. Ja er war sogar in denen alten Zeiten sowie auch noch heutzutage ein Stück von der königlichen Pracht und Ehren. Die Philosophen trugen ihn, dais sie gleich von denen konnten erkannt werden, die die Wissenschaft liebten. Knechte durften ihn nicht tragen. Auch zu unseren Zeiten ist der Mantel nicht allein erlaubt, sondern nur Personen von vorzüglicher Würde, als auf Universitäten den Doctoribus theologiae und in Kirchen und Schulen denen öffentlichen Lehrern. An dieser vorzüglichen Ehre sollten nach dem Willen unserer Vorfahren auch die Schüler theil haben, damit sie unterschieden wären von denen Schustern, Schneidern, Kaufmanns- und anderen Hand werks- jungen, deren Schurzfell oder Schürze, darinnen sie gehen, von einer weit geringeren Lebensart zeiget. So soll denn dem, der den Mantel umzuthun unterläßt, von Stund an zur Strafe und Beschimpfung der Mantel auf eine Zeit lang untersagt sein, sodafs er in der Kirche unter seinen Mitschülern ohne Mantel sitzen soll wie ein Quartaner, damit jedermann sehen soll, das sei ein solcher, der der Ehre nicht würdig sein wolle, welche die Vorfahren denen Schülern eingeräumt." Die so eifrig aufgedrungenen Mäntel waren nicht einmal kleid- sam. „Wie unsere Schüler jetzt im Chor und bei der Leiche gehen", bemerkt Rektor Voigtländer in seinen Reformvorschlägen, „giebt die Procefsion ein häusliches, anstößiges Ansehen" ; und die Oberbehörde bemerkte hierzu: „Die Mäntel sind nicht nöthig, die dem Schüler einen Aufwand verursachen und, wenn sie alt werden, keine Zierden mehr sind!"

Bei der untergeordneten Stellung des Schulmannes war es kein Wunder, dafs die Rektoren auch des Schnee- berger Lyceums wiederholt in das geistliche Amt über- gingen : M. Rudel aus Zwickau, der um 1 500 Rektor des Lyceums war, starb um 1550 als Pfarrer in Schwarzen- berg. Sein Nachfolger Wolfg. Fufs, Augenzeuge der großen Wasserflut von 1511, ging 1523 als Pfarrer nach Borna, 1526 nach Coltlitz, 1529 nach Leisnig, 1539 nach Chemnitz, wo er als Superintendent 1551 starb. Hiero- nymus Weller (Rektor um 1526), der Freund und lang- jährige Hausgenosse Luthers, starb als erster und einziger Professor der Theologie in Freiberg 1572, Hieronymus

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 241

Noppius (Nobbe, Rektor um 1540) als Superintendent in Regensburg, Joh. Förster (Rektor 1601 1603) alsGeneral- superintendent in Eisleben 1613, Joh. Fuchs (Rektor 1655—1677) als Pfarrer von Oberschleraa 1679, Michael Hertz (Rektor 1678—1685) als Pastor zu Bockau 1703, Joh. Bonitz (Rektor 1693—1698) als Pastor in Auerbach 1718, Urban Gttfr. Sieber (Rektor 1698—1703) als Pfarrer zu St. Thomä in Leipzig 1741.

Übrigens achteten nicht nur die Theologen, sondern auch die der Inspektion angehörigen Ratsmitglieder gar sehr darauf, dals ihnen von den Schullehrern jederzeit mit der gebührenden Hochachtung begegnet wurde, Dies zeigte sich z. B. recht deutlich, nachdem der Rat zur Ab- stellung von allerhand Unfug beim Gregoriusfest den Tertius Stumpf angewiesen hatte, die kleinen, nicht zum Chor gehörigen Schüler paarweise zu führen. Darüber dafs solches ihm „angesonnen" werde, richtete der genannte Schulmann am 11. April 1789 ein Schreiben an den Pastor Primarius Trommler, in welchem er nicht nur darauf hin- wies, dafs die verlangte Dienstleistung seit mehr als 20 Jahren nicht mehr verlangt worden sei, sondern auch durchblicken liefs, dals es Sache der städtischen Polizei gewesen wäre, die allerdings eingerissenen Ungehörigkeiten auf der Stralse abzustellen. „Es ist leider", schreibt Stumpf, „in der Schule schon das Verderben der guten Sitten unter der Jugend so weit gekommen, dafs weder Vermahnen noch Strafen mehr fruchten will. Was solte ich alter Mann denn an dem Tage thun können, der so- zusagen recht geflissentlich zum Tage einer allgemeinen Ausgelassenheit bestimmt zu seyn scheint? Wenn eine Policey Aufsicht hierinnen nichts anders verfügen kan, oder mag, so wird das Herumführen die vermeyntliche Sittlichkeit jetzo so wenig bewürcken, als es vor langen Jahren schon nicht mehr möglich gewesen. Und über dieses scheint man auf mein hohes Alter keine Rücksicht zu nehmen, sondern es mehr durch neue Lasten gänzlich entkräften zu wollen. Ich will aber hierüber weiter nichts sagen als nur soviel, dals zu einem äußerst er- mattenden Herumziehen durch die Gassen der Stadt, um ein paar Groschen zu gewinnen, die laut der Vocation Pars Salarii heifsen, meine Kräffte nicht mehr hinreichend sind". Aber dieses Schreiben wurde ihm vom Rat sehr übel genommen und trug ihm eine tüchtige Nase ein. Der Rat stellte sich ganz richtig auf den Standpunkt,

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 16

242 Eduard Heydenreich :

dafs es Sache der Schule sei, eingerissene Ungehörigkeiten der Schüler auf den Straisen abzustellen, „dahero es ge- dachten Herrn Stumpfen wohl nicht geziemet, in anzüg- lichen Ausfällen wider die uns, dem Rathe, obliegende Policey-Verwaltung hervorzutreten, wir vielmehr ihm als einem alten Schulmanne so viele Mäisigung und Billigkeit Beherzigung zugetrauet hätten, bey dieser Sache nicht unbemerckt zu lassen, dafs wenigstens unsre Intention, dergleichen Unfug, soviel sich nur immer thun lassen will, abzustellen, den Beyfall wohldenckender Personen ver- diene." Der Rat schärfte die verlangte Dienstleistung aufs Neue ein und drohte für den Fall der Weigerung mit einem Bericht an das Konsistorium, „wie ohnehin wegen des grölstentheiligen Inhaltes seines Schreibens nicht unterlassen werden kan." Auch nahm es der Rat sehr übel, dafs Stumpf sein Schreiben lediglich an den Oberpfarrer und nicht auch an die zur Inspektion ge- hörenden Ratsmitglieder gerichtet hatte, und schrieb daher dem Oberpfarrer 16. April 1789: „Da die an den Herrn Tertius Jon. Christ. Stumpfen unterm 8. huius ergangene Intimation von Eu. HochErwürden und uns zugleich als Inspectoribus scholae vollzogen gewesen; so ist es aller- dings eine Hintansetzung unsrer, dafs er sein Schreiben, so sehr auch dessen Inhalt auf spöttlichen Ausdrücken wider eine an sich löbliche Anordnung und wider obrig- keitliche Policey Verwaltung abgezweckt ist, an uns mit zu richten für unnötig angesehen, und dargegen erst Eu. Hochwürden die Mühwaltung angemuthet, uns solches Schreiben zu communiciren. Es ist dieses allerdings eine Benehmung, die deutlich zu erkennen giebt, dafs sich der Herr Tertius Stumpf über die Verbindlichkeit erhaben zu seyn dünckt, uns die schuldige Achtung zu beweisen, weshalb wir uns das gebührende weiter vorzukehren vor- behalten20)."

Im Mittelpunkte des Unterrichtes stand während der ganzen langen Zeit, in der das Lyceum existierte, die Erlernung der lateinischen Sprache mit dem Ziele, dafs dieselbe mündlich und schriftlich gut gehandhabt würde. Wie wir aus dem mehrfach erwähnten Berichte des Rektors Obermeier ersehen, machte es die Anstalt allen Schülern der oberen Klassen zur strengsten Pflicht, mit ihren Mitgliedern nur lateinisch zu reden. Wer

20) Schnecheryer Ratsarchiv G I i I a '■>.

Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. 243

wegen Deutschsprechens zur Anzeige kam, erhielt zur Zeit, wo die Schülervergehen bestraft wurden, Schläge auf die Hände und, falls er nicht selbst andere zur An- zeige brachte, Rutenstreiche23). Alle Wochen wurde ein Diktat zu schriftlichen lateinischen Übersetzungen gegeben. Den Quartanern wurden hauptsächlich die grammatischen Fehler, Barbarismen und Solöcismen angestrichen, den Tertianern auch die Redewendungen, die ungewöhnlich oder nicht gut lateinisch waren; bei den Sekundanern wurden aufserdem auch harte Wortstellungen, unklare und gesuchte Ausdrücke und Ähnliches gerügt, wovon bei schwächeren Schülern keine Notiz genommen wurde. Wie verschieden war doch das damalige Schulleben von dem eines modernen Gymnasiums. Gegenwärtig eine neun- klassige Anstalt, in deren unterste Klasse die Schüler nach erworbener Lese- und Schreibefertigkeit aufgenommen werden; damals eine siebenklassige Schule, in deren untersten Klassen erst Lesen und Schreiben gelernt werden mufste. Gegenwärtig eine Fülle realer Fächer und ein Lehrerkollegium von etwa 20 Personen; damals ein wissenschaftlicher Unterricht, der sich fast nur auf Latein, Griechisch und Religion beschränkte und von vier Personen bewältigt wurde. Gegenwärtig ein altsprach- licher Unterricht mit weit ausgedehnter Lektüre und hauptsächlicher Betonung der inhaltlichen Seite der Lit- teratur, aber unter wesentlicher Kürzung der Sprach- und Schreibübungen; damals ein beschränkter Kreis von Schulschriftstellern, aber dafür ein Überwiegen aller solcher Übungen, welche auf die praktische Anwendung der la- teinischen Sprache in Rede und Schrift berechnet sind. Dafs die Anstalt bis in die letzten Zeiten ihres Be- stehens ihren humanistischen Grundcharakter wahrte, ob- wohl man seit Rektor Schaarschmidt (1797—1813) der deutschen Sprache und den Realien Verständnis entgegen- brachte und Raum im Stundenpläne anwies, erhellt aufser aus anderen auch aus den Bestimmungen der Maturitäts- prüfung. Diese wurde auf Anregung des Rektor Frotscher (1819—1820) eingeführt. Zur unbedingten Reife für die Universitätsstudien wurde in erster Linie für erforderlich

21) Mandamus sedulo omnibus qui in superioribus ordinibus versantur, ut cum discipulis loquantur latine. Qui vero gerinanici sermonis notati sunt, suo tempore, cum delicta scholastica cognoscuntur, piagas in manibus accipiunt et nisi ipsi alios notaverint, virgis cae- duntur.

16*

044 Eduard Heydenreich:

gehalten: in der lateinischen Sprache den Cicero, Livius, Virgil, Horaz im Ganzen mit Leichtigkeit zu verstehen (wozu die Sicherheit der Quantität und der Metra mit- gerechnet wurde); den eignen lateinischen Ausdruck ohne grammatische Fehler und grobe Germanismen in seiner Gewalt zu haben, nicht allein schriftlich, sondern auch über angemessene Gegenstände mündlich. Aufser gewissen Leistungen im Deutschen und Hebräischen wurden in jener Prüfungsordnung nur noch griechische Kenntnisse erfordert: der Examinand mufste die attische Prosa, auch den leichteren Dialog des Sophokles und Euripides nebst dem Homer verstehen und eine Übersetzung aus dem Deutschen ins Griechische ohne grammatische Verstölse abzufassen im stände sein. Von einer Prüfung in den Realfächern sah man völlig ab. Wie wenig auf Mathe- matik, dieses gefürchtetste Fach des gegenwärtigen Ab- iturientenexamens, Wert gelegt wurde, erhellt aus dem Gutachten des Oberpfarrers Wahl vom 12. März 1822. Rektor Voigtländer hatte in seinen Reformvorschlägen auch angefragt, ob künftighin eine Prüfung über mathematische Gegenstände zur Abgangsprüfung hinzukommen sollte, „wenn die Mathematik öffentlich gelehrt wird". Darauf antwortete Wahl : „Mathematik kann, wenn sie getrieben worden, wohl mit als Gegenstand des Abiturientenexamens angesehen werden. Doch als entscheidend für oder gegen die akademische Reife würde ich sie nicht ansehen."

Unter den Rektoren und Lehrern der Anstalt be- gegnen wir eine stattliche Reihe hochberühmter Namen. „Gleichwie aber die Rectores angemerckter malsen die Schulen mit berühmt machen; also müssen denn auch zu- förderst die hiesigen Rectores und, wie sie anfänglich geheissen, die moderatores der Schulen billig gerühmet, und nahmentlich zum Gedächtnils das in Segen bleibet, genennet werden-2)." Von den oben bereits angeführten, die ins geistliche Amt übergingen, möchte Verfasser hier absehen, ebenso von denen, welche etwas Hervorragendes, soweit wir wissen, nicht geleistet haben.

Thomas Poepel, ein Schneeberger Stadtkind, geb. 1497, war der Sohn eines der ersten Bergleute auf St. Georg. Er wird als ein guter Komponist gerühmt und schrieb auch eine Abhandlung „Von den vornehmsten

22) Melzer, Erneuerte Stadt u. Berg Chronica der Freven Berg- Stadt Schneeberg (1716), S. 340.

Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. 245

Artikeln der christlichen Lehre", die jedoch nie im Druck erschien. Das Schulmeisteramt verwaltete er etwa 1520 bis 1525. „Seine Religiosität und Gottesfurcht", erzählt Melzer, „erscheinet daher, dafs er mit Hintansetzung der päbstischen Satzungen am ersten an einem Freytag Fleisch gegessen hat: Und obwohl dieselbe durch die Carolstadische Lehre gekräncket worden, dafs er A. 1522 in Thal sich begeben und den Haspel gezogen, so ist er doch bald wiederkommen." Nach seiner Rückkehr von Joachims- thal machte er sich um seine Vaterstadt dadurch verdient, dafs er zu öffentlichen Ämtern herangezogen beim Bau der Mühlen, der Kirche und des Flofsgrabens mit Rat und That half. Alle ehrenvollen Anerbietungen, die ihm von anderen Städten gemacht wurden (er sollte u. a. Bergschreiber in Joachimsthal werden), wies er aus Liebe zu seiner Vaterstadt zurück. Er starb 1573.

Ambrosius Franz aus Großenhain, anfangs Bac- calaureus, dann 1533 1535 Rektor. Georg Fabricius berichtet in den Annalen der Stadt Meilsen, dafs ihn der Dekan Joh. Heinig auf seine Kosten in Leipzig habe studieren lassen. Er verliefs das Schulamt, bekleidete mehrmals die Stelle eines Bergschreibers und viermal das Richteramt. Er verfafste Schneeberger Annalen, die Albinus fleifsig benutzte, unter dem Titel: „Anfang des weitberühmten Bergwercks Schneeberg, Wesens und Re- giments, Nahmen der Regenten, beyde in Gerichten und Bergwercken, und was sich ungefehrlich bey ihnen bifs zur Zeit verloffen und zugetragen, soviel aus Bericht und gutem Gedächtniis ehrlicher alter Leut und aus beglaubten alten Schriften hat können zusammengeklaubt werden durch Ambrosium Frantz".

Johannes Rivius, Rektor 1535 1537, ein Westfale aus der niederländischen Humanistenschule, förderte in hohem Mafse die innere Reorganisation des Lyceums, wie er überhaupt einer der tüchtigsten Schulmänner Sachsens war23). Unter ihm legte Caspar Eberhard, welcher später als Baccalaureus an der Schule wirkte (gestorben als Doktor der Theologie, Professor und Pastor zu Wittenberg), den Grund für seine umfassende Kenntnis der griechischen

23) Vita Joannis Rivii descripta a Geo. Fabricio im Meifsner Progr. v. 1843. Ludovici V, 124ff. Jahn, Versuch einer Lebens- beschreibung des Johann Rivius (Baireuth 1792). Herzog, Ge- schichte des Zwickauer Gymnasiums S. 86 f. G. Müller, Allg. Deutsche Biographie XXVIII, 709 ff.

•>.|i; Eduard Heydenreich:

Sprache, welche es ihm ermöglichte, mit seinen Schulen] in Joachimsthal und Gottesgab den Ajax des Sophokles und die Nubes des Aristophanes in der Ursprache aufzuführen 24).

Mathias Marcus Dabercusius (Rektor 1540 bis 1543), ein Rheinländer; „der war", erzählt Heizer, „zu St. Annaberg und anderen Orthen vorgedachten Rivii Collega gewesen, da er als ein Extraordinarius die grie- chische Sprache gelehret, kam aber mit Rath desselben A. 1540 hieher auffn Schneeberg". Er war einer der Wiederhersteller der Wissenschaften in Sachsen und ein ausgezeichneter Philolog. Albinus rechnet ihn unter die gelehrtesten und namhaftesten Männer, die der Jugend löblich gedient und trefflichen Nutzen gestiftet haben25).

Christoph Baldauff (Rektor 1543 1554). Er ging von Schneeberg als Rektor nach Schulpforta. 1557 übernahm er das Rektorat in Zwickau, rnufste jedoch auf kurfürstlichen Befehl im nächsten Jahre wieder in seine Stellung nach Schulpforta zurückkehren, wo er 1579 emeritiert wurde. Er starb zu Naumburg an einem Tage mit seiner Frau 1580, „nachdem", wie Melzer26) sagt, „von ihm eingetroffen Andreae Catonis Distichon:

Gymnasii Rector sit semper fortis ut Hector Sicut Hiob patiens, utque Sibylla sciens."

1554 führte Baldauff in Schneeberg die „Promotion" ein, „dazu die fürnehmen Leuthe alhie geladen werden, da der Schulmeister oder ein ander erstlich eine Oration helt, hernach denjenigen Knaben, so dasselbe Ihar aber wolstudiret vnnd fortgesetzt worden, schöne Kreuze aus- geteilet vnnd zugleichen vmb mehrer fleis angereizet und durch den Pfarherr und Schulmeister vermahnet werden." Paul Obermeier, ein geborener Schneeberger, war als Baccalaureus an der Schule zu Annaberg thätig und

-') Dan. Traug. Müller, De vita Casp. Eberhardii commentatio VII (Progr. Schneeberg 1754) p. 539. Casp. Eberhard schenkte später der Schneeberger Schulbibliothek ein Buch, in welches er unter anderen folgende Distichen eingetragen hatte:

Ambrosius ludi curam Franciscus agebat, Quem veneror digno gratus amore l'atrem. Pectus et excoluit sacra mihi Bivius arte, < 'uius ut a rivo fluxit ab ore sonus.

M) Ludovici V, 142ff. Müller, Geschichte der Landesschule zu Meifsen (Leipzig 1789) II, 174 ff. Fromm, Allg. Deutsche Bio- graphie IV, (iR.'i.

26) Melzer, Erneuerte Chronik von Schneeberg S. 345.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 247

wurde im Jahre 1555 zur Leitung des Lyceums seiner Vaterstadt berufen. Im Jahre 1560 vertauschte er diese Stelle mit der eines Rektors der Schule zu Marienberg, aber schon im folgenden Jahre kehrte er in seine Vater- stadt zurück, um die Leitung der Schneeberger Schule von neuem zu übernehmen. 1575 wurde er Rektor in Zwickau, wo er 1598 starb. Er wird gerühmt als ein Mann von seltener Gelehrsamkeit, als ein gründlicher Kenner sowohl der lateinischen wie der griechischen Sprache und Litteratur, als ein erfahrener und erfolg- reich wirkender Pädagoge und tüchtiger Leiter der Schule, der sich bis in sein hohes Alter die körperliche und geistige Frische bewahrt habe. Der Schülercötus des Schneeberger Lyceums belief sich unter seinem Rektorat auf 330 Köpfe. Über dem Eingang zur Schule stand folgendes Epigramm von Obermeier:

Saxoniae dux Augustus Septemvir in Aula

Hospitium Musas jussit babere suas. Huc ades ingeniöse pner, studioque fideli

Discite literulas cum pietate bonas. Hoc deus, hoc genitor tuus, hoc Respublica suadet

Augusti pietas postulat ipsa Ducis27).

Abraham Schade, geb. zu Senftenberg, ging 1564 nach Leipzig, wurde 1573 Konrektor an der Thomas- schule daselbst, 1588 Tertius an der Fürstenschule zu Meifsen. Wegen Verbreitung calvinischer Grundsätze wurde er 1592 seines Amtes entsetzt. Später wurde er jedoch Rektor an der dortigen Stadtschule, seit 8. November 1598 bis Anfang 1601 in Schneeberg. Von hier kam er in gleicher Eigenschaft nach Eger, wurde dann Tertius in Bautzen, hierauf Rektor in Speyer. Von dort berief man ihn 1615 wieder als Rektor nach Bautzen. 1617 legte er sein Amt nieder28).

Johannes Zechendorff, 1580 zu Löfsnitz geboren, erst Konrektor und von 1617 an Rektor in Schneeberg, „ein hochgelehrter Fortpflanzer der orientalischen Sprachen, ein weitberühmter Philologus und Polyhistor, wie auch ein wohlverdienter Mann umb die Jugend"29); er ver- schaffte neben dem Unterrichte im Hebräischen auch dem in der syrischen, chaldäischen und arabischen Sprache

") Windhaus a. a. O. S. 197 f. Stade a. a. 0. S. 9. 2S) Stade a. a. 0. S. 15. Ludovici V, 154 f. Müller, Gesch. der Landesschule zu Meifsen II, 220 ff. -9) Melzer a. a. 0. S. 349.

248 Eduard Heydenreich:

Eingang. Auch legte er die Matrikel des Schneeberger Lyceums an30). Auf Empfehlung der kurfürstlichen Visi- tatoren wurde er in das Rektorat zu Zwickau berufen, das er 44 Jahre hindurch verwaltete. Gleichwie ehemals dem Melanchthon zu Ehren „Parentalia anniversaria" gehalten wurden, so wurde auch nach seinem Tode all- jährlich sein Gedächtnis „mit einem Carmine celebriret" (Melzer a. a. S. 449).

Jon. Doppert war zu Frankfurt a. M. 1674 geboren und hatte in Leipzig und Wittenberg studiert. Auf Schurz- fleisch' Empfehlung erhielt er eine Hauslehrerstelle in Dresden und hatte in den vornehmen Kreisen der Residenz Gelegenheit, weltmännische Manieren sich anzueignen. 1703 wurde ihm das Schneeberger Rektorat übertragen, das er bis 1735, d. h. länger als irgend ein anderer Leiter des Lyceums, verwaltet hat. Er hatte in dieser Zeit wiederholt mit äulserer Not zu kämpfen. Am 5. Juni 1708 sah er sich genötigt, beim Rat um Zulage einzu- kommen; „die elenden Zeiten", heilst es in dem Be- werbungsschreiben, „die Versteigerung binnen einiger Jahre der nothürfftigen Victualien als auch die berüchtigten Sumptus zu den studiis elegantioribus , die nach fa^on des jetzigen saeculi mit einem geringen apparatu nicht können noch mögen fourniret werden, veranlassen mich zu diesem honesto petito"31). Das Gesuch wurde be- willigt. 1719 am 10. Sonntag nach Trinitatis wurde das Schulhaus bei dem grofsen Stadtbrand mit dem gröfsten Teil der Stadt eingeäschert; 1719—23 mulste Doppert zur Miete wohnen. Erst 1723, 19. Januar, konnte der Einzug, zu dem Doppert ein 16 Quartseiten langes ge- lehrtes Programm schrieb32), in das neue Schulgebäude stattfinden. Es mag kulturhistorisch nicht uninteressant sein, den Verlauf eines solchen Festes des vorigen Jahr- hunderts kennen zu lernen. Wie das vom Stadtschreiber Schnorr ausgefertigte Protokoll33) angiebt, „sind die Schüler und H. Praeceptores aus dem bisher zur Schule gebrauchten Bürger Haufse Vormittags umb 9 Uhr Paar

30) Ludovi ci V, 66 ff., bes. 167, 92.

81) Schneeberger Ratsarchiv (i J I J 8.

**) Memoriam lycei quod Sneebergae floret saecularem et sinml solemnia ob novum scholae aedificium per flaminam devastatnm . . loco consueto celebranda proponit et ad sacra haec praesentia sua collu- stranda . . invitat M. Joannes Doppertus, rector Ivcei Sneeb. Litteris Puldianis. 1723. 4°.

88) Schneeberger Ratsarchiv (J III 10.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 249

und Paar in das neue Schul Hauis eingezogen. 2) haben die Inspectores Scholae, auch andere Auditores vom Rathe, Litterati und sonst viel Leute sich allda einge- funden, da 3) der Anfang mit singen und zwar von den Choralist en figuraliter iedoch ohne Instrumental- Music, das Veni Sancte Spiritus mit dazwischen von denen Discantisten intonirten Choral: Komm Heil. Geist Herr Gott etc. gesungen, 4) von einem Schul -Knaben das ordentliche und gewöhnl. Schul-Gebeth von dem Catheder Knieend gebethet, darauff 5) Von dem Oberpfarrer tit. H. K. Thönnicker der Vortrag latinis und Delitzsch mit Danken, guten Wünschen und Vermalmen ad docentes et discentes gethan, und dem Herrn Rectori der Schlüfsel zur Haufsthüre der Schule extradiret, 6) Von H. Stadt- richter L. Bormann als Mit-Inspectore Scholae eine schöne lateinische Rede ufn Catheder gehalten, hernach 7) der III. Psalm Lateinisch musiciret, ferner 8) H. Conrectore Hoffmann eine lateinische Oration ufn Catheder memoriter gehalten, nach dieser 9) der 101. Ps. lateinisch musiciret und in Auditorio Primario mit dem Dankliede Nun danket alle Gott beschlofsen. Übrigen aber auch endlich 10) auft' der Gasse vor der Thüre des Schul Haufses auff Ver- ordnung das Lied: Nun lob meine Seele den Herrn pp. von den Choralisten choraliter gesungen."

Von Dopperts Thätigkeit kann man sich einen Begriff' machen, wenn man erwägt, dafs von ihm noch drei starke Bände Schulschriften sich erhalten haben. Allerhand philologische und theologische Gegenstände werden hier abgehandelt. Nicht nur bei den Schulprüflingen, sondern überhaupt bei den mannigfachsten Anlässen sehen wir den federgewandten Rektor eine Druckschrift veröffent- lichen: wenn die Schule irgend eine Feier veranstaltet34), wenn Kollegen oder Geistliche an einen anderen Ort übersiedeln, wenn Männern, die irgend ein Verdienst um das Lyceum sich erworben haben, irgend ein freudiges

M) So erschien 1709 ein gelehrtes Programm von 8 Folioseiten unter dem Titel „Christi <r«r»7poj theophaniam IV scholae nostrae alumni . . celebrabunt quorum nomine solemnitatem venerandi lycei ephoris . . indicit M. Joannes Doppertus . . Praelio Henrici Fuldae", als die Erscheinung Christi durch eine lateinische und zwei grie- chische Schülerdeklamationen gefeiert und zugleich das Gedächtnis „Burchardi Praetoris quondam nostri et Evergetae Musarum nostrarum singularis" begangen werden sollte. Vergl. Pfarrarchiv Schneeberg „Acta, das Burckhardsche Stipendium und andere Stipendien u. dergl. betr." Ergangen 1651 sq. Lit. S. No. 1.

2öO Eduard Heydonreich:

oder trauriges Ereignis begegnet 8d), wenn dem Rektor in einer benachbarten Stadt etwas Neues zustöist, bei Ver- lobungen, Hochzeiten und Todesfällen36).

Als Jo. Geo. von Ponickau in Schneeberg erschien, begrüfste ihn Doppert 1718 im Namen des „ordo sacer et musarum chorus" und beglückwünschte ihn durch eine andere Gratulationsschrift, als derselbe das Amt eines Vorstehers des erzgebirgischen Bergbaues 1721 über- tragen erhielt. Das Erscheinen Friedrich Augusts II. 1708 in Schneeberg bot erst recht Anlals, eine Be- grülsungsschrift abzufassen, die auch huldreich ange- nommen wurde, und die als ein echtes Beispiel jener panegyristischen Begrüisungslitteratur bezeichnet werden kann. Als nach dem grolsen Stadtbrand von 1719 der Rat der Stadt Frankfurt a. M. Geld zum Wiederaufbau der Schule gespendet hatte, dankte ihm Doppert in einem solennen Dank, der bei Christ. Kanngiefser gedruckt wurde37). Die Jubelfeier der Eeformation 1717 veran- lagte ihn zu einem „Monumentum sacris Lutheranae ecclesiae saecularibus dicatum a schola Sneebergensi".

35) So beglückwünschte er Christian Melzer in Wolkenstein zu seiner Schneeberger Chronik 1716 mit den Worten: „Venerandi Melzeri calainus depangit novara montium soliolem et ex ipso obli- vionis antro nobilem suisque argenti venis turgidum extrahit locuni, urbem iam ultra duo saecula principihus Vittikindeis caram ac ob salutaria instituta cum in curia tum in Sacris inter Saxonas passim celebratam aperit Melzeriana industria" u. s. f. Als Beispiele für solche Aufmerksamkeiten, die Doppert bei traurigen Anlässen er- zeigte, können dienen die Druckschriften: Monumentum piis manibus nobilis pudicissimaeque feminae Susannae ortu Schreiberiae coniugis carissimae nobilissimi domini Christiani Friderici Coithii incluti domini ofrlcinae rei ferrariae et vitrioli in Breitenhof et senatoris civitatis Sneeb. prudentissimi evergetae scholae nostrae singularis . . (■rectum a M. Jo. Dopperto . . Schneebergae Litteris Fuldianis (1734) und die aus derselben Druckerei 1730 hervorgegangene: Inter exe- quiarum solemnia matronae nobilissimae ac exempli rarissimi Kuni- gundae Sophiae ex prisca Mathaeorum stirpe ortae coniugis perdilectae viri maxime reverendi dn. Joan. Joach. Thoennikeri, s. theol. lic, . . scholaeque nostrae ephori praecipui . . offert hoc pietatis in defunctam monumentum manibusque consecrat beatis M. J. Doppertus, rector schob Sneeb. Diese und die im Folgenden angeführten Programme und kleinen Schriften .sämtlich in der Schneeberger Gymnasialbibliothek.

30) Ihres biographischen Inhaltes wegen seien hervorgehoben die Gedächtnisschriften auf die Schneeberger Bürgermeister Salomon Friedrich Fischer 1718 und Jo. Hnr. von Ryssel 1726.

37) Solemnis eaque devota gratiarum actio perillustri eminenti ac splendidissimo Lnclyti senatus liberae et perantiquae reipublicae Francofurdiensis ad Moenum collegio . . persoluta . . a. . . Joa. Dopperto . . (1720).

Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. .'.'il

Insbesondere pflegte Doppert jedem einzelnen der zur Universität abgehenden Schüler eine besonders für ihn verfalste, gedruckte Glückwunschschrift, die zugleich als Empfehlungsschreiben dienen konnte, einzuhändigen ; diese Art von Dopperts Schriftstellern verdient ebenso durch die elegante Abwechselung des sprachlichen Ausdruckes unsere Bewunderung, als sie durch eingestreute Mit- teilungen über den Studiengang der Abiturienten unser Interesse erweckt:'sj. Mit derselben Eleganz widmete er denjenigen seiner Schüler, welche die philosophische Magisterwürde erworben, Glückwunschschreiben und liefe diese drucken89). Es kam auch vor, dafs der Rektor sich mit seinen Kollegen oder mit Freunden des jungen Magisters zu einem gemeinsamen Glückwunsch verband: In dem Glückwunsch für Chr. Fr. Fischer40), der vier Folioseiten füllte, kommt erst eine „allocutio M. Joannis Dopperti, Rect. Scholae Sneeb.", die auch über die Uni- versität sstudien Fischers Mitteilungen enthält, und dann folgen lateinische Verse dreier Schulkollegen und eines Schneeberger Arztes. Auch Ausgaben von Schriftsteller-

3S) Vergl. z. B. aus dem Jahre 1722: Abitum ad musas Lip- sienses felicein prosperumque Christ. Frid. Klopffero Sneebergensi hucusque auditori suo perindustrio precatus M. Jo. Doppertus, rector scholae Sneeb. Sneebergae, litteris Christian! Henr. Kanugiesseri. - Discessum ad Parnassum Sateae vicinum faustum fortunatumque Gottualdo Bauero, Zschorlav. ad Sneebergam auditori suo hucusque multis noniinibus approbato ex intimo mentis recessu vovet M. Joannes Doppertus etc. Hoc propter commendandi munus viatico iter ad Misniae Athenas Lipsiam Jo. Friderici Steinbach, Aurobaeensis inter Variscos. . . singulari inductus amore remuneratur M. Joa. Doppertus, rector schob Sneeb. Impressit Henricus Fulda.

39) Z. B. Hoc voto nova honoris ornameuta a patribus acade- miae Lipsiensis in .. dominum Christianum Nathanaelem Hoch- muthium Zschorlaviensem ad Sneebergam quondam auditorem suum iucundum die XI. Febr. a. Dionys. 1723 collata mactat M. Jo. Dop- pertus, rector lycei Sneeb. Sneebergae Litteris Chr. Hnr. Kanngiesseri. Summos in philosophia honores ab amplissimo sapientum' ordine in inclyta Lipsiensium academia die XL Febr. a. Dionys. 1723 in . . dorn. Joa. Beni. Seydelium Hobensteina Schoenburg. quondam auditorem suuin perdüectum publica auctoritate collatos faustos pro- sperosque esse iubet u. s. w. Supremos in philosophia honores \ itembergae Saxonum XVI. Kai. Nov. anni Dionysiani 1724 in . . Jo. Frider. Steinbachium Aurob. Variscum auditorem antea suum perindustrium casumque solemni patrum suffragatione collatos faustos felicesque proclamat . . Impressit Henr. Fulda.

40) Ad nobilem omnique doctrinarum apparatu effulgentem dominum Christ. Frid. Fischerum Sneeberga Misnicum die XII. Febr. a, Dion. 1722 in solenni panegyri magistrum artium Lipsiae renuu- ciatum praeceptores et amici. Sneebergae. Litteris Fuldianis.

252 Eduard Heydenreich:

texten schrieb Doppert für den Gebrauch an seiner Schule, so edierte er eine Rede des Aurelius Brandolinus über die Tugenden Jesu Christi und eine Rede des Jo. Chrysostomus zum Lobe des Apostels Paulus.

Bei den grofsen Verdiensten Dopperts wird man sich nicht wundern, dals er auch dem Schneeberger Rat gegenüber gelegentlich sehr energisch auftrat. Als ohne sein Mitwissen vom Rat ein Heizer für die Schule be- stellt worden war, erachtete er dies für „einen nicht geringen despect" seiner eignen Person, wies darauf hin, dals er „ohne Vorwifsen vndt Consens eines HochEdl. Consistorii in Leipzigk den gemachten Rathschluls nicht sollen vndt dörffen annehmen", und schickte dem Rat nicht weniger als 13 gravamina in dieser Sache: den Verdacht, als sei mit dem Holz nicht genug gespart worden, weise er entschieden von sich ab; „werde", schreibt er unter No. 6, „in Ansehung meiner privatoeconomie nimmermehr frembden Leuthen die Schlüfsel Zum Haufs gestatten, Zumahle solchen Personen, die mir von gar vielen Leuthen gar übel recommendiret werden." „Weiln frembde Leuthe nach dem Einheizen davon gehen und also Niemandt sich ferner des Feuers annimmt, ja wohl gar durch eine heim- liche picanderie der Magd sich köndte was anders er- eignen, und sowohl mir alfs der gantzen Stadt hierdurch ein grofses Unglück zuwachsen" u. s. w. Schliefslich thut er das Stärkste, was er überhaupt thun konnte, indem er das Schreiben mit folgender No. 13 schliefst: „Be- schwerr mich hiermit solenniter über H. Heinrich von Ryfsel, dafs er wieder alle vorher gegangene protestationes sowohl an seine Hochehrwürden Hn. Superintendenten in Zwickau alis auch an HochEdl. Consistorium in Leipzig sich zu zweyen mahlen verweigentlich unterstanden mir den neuen Thürmer über den Halls zu schicken undt mich also hierdurch noch veranlafset mit hintansezung aller hohen H. Interessenten immediate an Se. Majestät den König Selbsten zu appelliren"41).

Als Doppert sein Ende nahen fühlte, vermachte ei- serne ganze Habe, insbesondere seine Bibliothek, auf deren Vermehrung er beständig bedacht gewesen war, seiner geliebten Schule. Hatten sich doch seine Anverwandten in der langen Zeit seiner Schneeberger Wirksamkeit gar nicht um ihn gekümmert. In seinem Testamente be-

4I) Schneeberger Ratsarehiv G III lJ.

Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. 253

stimmte er, dafs seine Bibliothek „ins Geld versetzet u. verkaufet" werde; es solle das hieraus gewonnene Kapital sicher ausgeliehen werden, „damit auch zuförderst denen Herren Schul Collegen iedesmahl vor andern iedoch gegen genügsame Sicherheit gedienet, die darvon gefallende Zinlsen alljährl. zu Johannis als an meinen Nahmens Tage u. zwart drey Viertheil dem wohlbesagten hielsigen Schul- Collegio nach Anzahl derer jedesmahligen Herren Collegen keinen ausgeschlofsen, sondern soviel als den anderen ge- rechnet, das übrige vierte Theil aber zur Chor Buchfsen gegeben u. bey der nachfolgenden Distribution unter die armen Choralisten nach eingeführter Proportion mit ver- theilet u. von allerseits meiner als Fundatoris u. eines Schulfreundes in Guten gedacht werden solle" 42). Dopperts Bibliothek wurde an die Fürstenschule Grimma für 500 Thaler verkauft. Der Gesamterlös der Hinterlassen- schaft berechnete sich auf 1128 Thaler. Die Doppertsche Stiftung bestand bis zur Auflösung des Lyceums.

Als Doppert „praecipua cum laude" 32 Jahre lang das Lyceum geleitet hatte, starb er. „Als der Wohlseelige", be- zeugt ihm sein Beichtvater Archidiakonus Schindler, „zwei Tage vor seinem Ende das heil. Abendmahl empfangen hatte, so sagte er: der ihm hierbey erteilte Trost sey ihm recht ins meditullium animae hineingedrungen"43). Von der Hochachtung, die er durch sein langes, treues Wirken sich erworben, zeugen die Trauergedichte43), welche die Kollegen und vorgesetzten Behörden anläfslich seines Todes drucken liefsen. Der Konrektor Hoffmann charakterisierte seinen verstorbenen Rektor also:

Theologus cecidit, cecidit celehris Polyhistor,

Musarum cecidit non leve delicium. Is vir qui propter divinas pectore dotes

Perpetuo Lachesis stamine dignus erat. In quo vis erat ingenii, rarissima mentis

Ac acies magni judiciique vigor: Dexteritas verum tradendi, lactea fandi

Ubertas, in quo lectio grandis erat. Antiquae virtutis honos, Meique corona,

Justitiae cultor, fraudis & ultor erat Officiis verae fidei pietatis & almae

In quo foecundis fructibus arsit amor.

Et sie Doppertus decus artis grande scholaeque Nostrae dulcis amor mortuus ante diem.

") Ebendas. G II 38.

43) Schneebeiger Gyranasialbibliothek Gesch. 387 c, No. 58, 59.

254 Eduard Heydenreich:

Der letzte Schneeberger Rektor, der ganz in der alten, humanistisch -theologischen Weise ohne Eingehen auf die realen Fächer die Schule leitete, war, soweit wir sehen, M. Joh. Gottfr. Reusmann. Liels er doch einmal einen Abiturienten beim Validiktionsaktus „über den eitlen Versuch derjenigen" sprechen, „welche die humanistischen Studien schwächen und neue einführen wollen." Er war 1730 in Schleiz geboren, wo sein Vater „ansehnl. Bürger und Buchbinder" war. Auf der Stadtschule seiner Vater- stadt vorgebildet, wurde er auf der Thomasschule und der Universität Leipzig ein Schüler Ernestis. 1767 hei- ratete er eine Tochter des churf. sächs. Kornschreibers Spangenberg, aus welcher Ehe 3 Söhne hervorgingen44). Über seine Wahl zum Schneeberger Rektorat sind wir durch einen sehr ausführlichen Bericht45) des Schnee- berger Oberpfarrers Halm unterrichtet. Es hat ein all- gemeines Interesse aus diesem Berichte zu ersehen, in welcher Weise im vorigen Jahrhundert ein Rektor- wechsel von statten ging. Deshalb soll hier ein Auszug aus den Aufzeichnungen Hahns gegeben werden.

Der „zeitherige fast in die 25 Jahr bestverdiente Rector unserer lateinischen Stadtschule, Herr Daniel Traugott Müller" hatte einen Ruf in das Rektorat der Kreuzschule erhalten und angenommen46). In dem bei Gelegenheit seines letzten Schneeberger Schulexamens geschriebenen letzten Programm, dem 17. über die Lyceums- bibliothek47), hat er „sein zeitheriges Amt behörig re- signiret" und ist darauf „vermittelst einer am 1. Tage des Examinis bey dessen Eröfnung gehaltenen lateinischen Rede de rectore orthodoxo" und durch eine vom Ober- pfarrer Hahn „nach beendigten examine gehaltenen teut- schen Rede über die Worte des Psalmisten: Thue ein Zeichen an mir, dafs es mir wohlgehe, in dem Auditorio Cl. I in Beyseyn deren Hh. Inspectorum Auditorum u.

4l) Pfarrarchiv Schneeberg R 2, Blatt 451..

4r') Ephoral-Archiv Schneeberg Loa I. Schneeberg. No. 11.

40) Urbach, Chronik der Kreuzschule, S. 7.

47) Schwenke, Adrefsbuch der deutschen Bibliotheken 18(13, S. 321. Darnach ist die Festschrift des Königl. Gymnasiums in Schneeberg 1891, S. VII zu verbessern. Zu der bei Schwenke an- geführten Litteratur über die Schneeberger Lyceumsbibliothek kommt noch hinzu: Wahl, Neueste Nachrichten von dem Zustande der Schulbibliothek zu Schneeberg. Einladungsschrift zur Einweisung des Herrn M. F. A. Bornemann in das Rectorat zu Schneeberg 1815 16 SS. 8°.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lycemns. 255

Schulen aller Classen honorifice und beweglich dimittiret worden". Von einer Ratsdeputation wurde „besagten bestverdienten Hn. Rectori das Abschieds - Compliment gemacht", von dem Sängerchor der Schule am Abend eine Cantate, am andern Tag aber 10 Uhr Vorm. „bey Ver- sammlung der gantzen Schule vor der Schul Wohnung einige Lieder und Arien" gesungen. Die Schüler der oberen Klassen gaben zu Pferde ihrem scheidenden Rektor das Geleite. Während die Kollegen sich in die Vikarierung der von Müller gegebenen Unterrichtsstunden teilten, zog man Erkundigungen betreffs der Neuwahl ein. Für wie hochwichtig Rat und Bürgerschaft eine solche Wahl hielten, erhellt aus dem Kirchengebet, welches von der Kanzel verlesen wurde: „Herr, der du Weifsheit und Er- kenntnis und selbst den allerbesten Rath giebst, zeige du denen um das Heil und Wohl unserer lieben Schule redlichst und eyfrigst besorgten Vätern u. Herren Patronen u. Herren Vorstehern selber durch deinen Trieb und Zeitung einen würdigen Mann an, welcher mit Gaben des Geistes und besonders mit der Furcht des Herrn, mit nöthigen und gründlich erlernten, aber auch nutz- barlich hinwiderum vorzutragenden Schulwissenschafften ausgerüstet, welcher mit der ädlen Gemüts Art eine gegen seine Mitarbeiter an der Schule sowohl als auch gegen die zahlreichen Kinder, die ihm anvertraut werden, mit Friedfertigkeit und Leutseligkeit gewürzte Ernsthaftig- keit zu haben ausgezeichnet ist und welcher ein Fürbild und Exempel der Fremden und Lernenden werden mag." In einem ausführlichen schriftlichen votum informativum charakterisierte nunmehr Oberpfarrer Hahn die 7 Be- werber. Hierbei fiel für Reusmann besonders ins Gewicht, dafs ihn Professor Ernesti in Leipzig auch „wegen der Gemüts- und Lebens-Art, auf welche bey einem Schul- lehrer so viel ankommt", empfohlen hatte. Vor der eigentlichen Wahl auf dem Rathaus hielt der Oberpfarrer eine feierliche Ansprache über Jes. 49, 23. Reusmann wurde einstimmig gewählt. Nachdem er von den Pri- manern zu Pferde eingeholt und bei seiner Ankunft in Schneeberg laut Ratsbeschlusses mit Suppe, Braten und kleinen Fischen (Forellen) bewirtet war, wurde er vor- läufig an 3. Juli 1765 vom Oberpfarrer in Gegenwart der Spitzen der Stadt dem Schülercötus vorgestellt. Nach dem gewöhnlichen Morgengebet hielt Hahn eine deutsche An- sprache über Ps. 122, 9 und der primus scholae Schnorr eine

256 Eduard Heydonreich:

kleine lateinische Rede, in der er den Rektor bewillkomm- nete und ihm im Namen der Mitschüler Gehorsam gelobte, worauf Reusmann lateinisch antwortete und sogleich die „erste theologische Lektion anfing". Zur „solennen Ein- weisung" am 13. September wurden durch kirchliche Ab- kündigung Rat, Ministerium, literati und Eltern „mit Hochachtung und Liebe eingeladen". Der feierliche Akt fand im Auditorium der 1. Klasse statt und begann unter Beteiligung zahlreicher Gäste mit dem Gesang Veni sancte Spiritus und darauf folgendem deutschen Gesang der beiden letzten Verse dieses Liedes , „wobey die In- strumente miteinfielen"; darauf führte Kantor Hoffmann eine Musik auf. Hierauf folgte die Einweisungsrede des Oberpfarrers und die Antrittsrede Reusmanns, der sich darüber verbreitete vitam scholasticam non esse miserri- mam, sed felicissimam vitae conditionem. Zwischen den nun folgenden zwei Schüleransprachen führten „die Herren Musici eine kurze Instrumental -Musik" auf. Das Lied „Ach bleib mit deiner Gnade" bildete den Schluts des feierlichen Actus. Die Schüler brachten dem Rektor abends eine Musikaufführung dar.

Der neue Rektor war ein auf philologischem und theologischem Gebiet sehr bewanderter Gelehrter. Noch sind 44 lateinische Abhandlungen von ihm erhalten, in denen sprachliche, exegetische, dogmatische und geschicht- liche Gegenstände erörtert werden. Die Schule war gut besucht: 1787 safsen in Prima 35, in Sekunda 28 Schüler. Über das Schulleben unter Reusmanns Leitung sind wir besonders gut unterrichtet. 1769 wurden die Schulgesetze lateinisch und deutsch (typis Fuldianis) gedruckt unter dem Titel: „Disciplina scholae Schneebergensis, legibus descripta ac typis repetita" 4S). „Diejenigen, die in diese Schule des Lernens wegen geschickt werden", heifst es hier (S. 3), „die sollen wohl bedencken, dafs sie nicht etwa in einem gemeinen Haulse sich befinden, darinnen sie ihre wilde Ungezogenheit, Frevel und Ruchlosigkeit ungestrafft auslassen können, sondern sollen es halten für ein der Ehre Gottes gewidmetes Heiligthum, von welchen alle garstige und lasterhafte Menschen entfernt seyn und nicht zugelassen werden sollen "... „Dahero (S. 5) ist die erste und führnehmste Pflicht eines Schülers, die er

48) Ein Exemplar hat sich erhalten im Pfarrarchiv Schneeberg Lit. S. Xo. 7.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 25?

genau beobachten soll, diese, dals er zu gesetzter Zeit, und mit aller Anständigkeit da sey, und mit einem reinen und heiligen Hertze das Gebet abwarte. Wird er dar- wider handeln, so soll er das erstemal eine Stunde lang knien, und eine Abbitte thun. Geschähe es noch einmal, so soll er zwar seine Strafe noch einmahl bekommen, zugleich aber auch noch an Gelde gestrafft werden. Geschieht es zum drittenmahl, so soll er, und zwar ein Primaner, ins Carcer gesteckt, ein jeder anderer aber mit einem Strohcrantz öffentlich zur Schande ausgestellt werden." „Derjenige (S. 15), der sich auf dem Marckte, oder in einer andern Gasse ungezogen aufführet, sodafs er die Vorübergehenden schabernackt, mit Steinen oder Schnee wirfft, oder sich gar mit einen herumschlägt, den soll der Stadt Knecht wegnehmen und ihn zur Abstrafung an gehörigen Ort führen" u. s. w. Eine Neubearbeitung der Schulgesetze, zu der Reusmann ein ausführliches Gut- achten eingab, erfolgte unter Leitung des Oberpfarrers Hahn. Die sehr umständlichen Vorbereitungen gelangten am 13. Juli 1774 zum Ziel. An diesem Tage wurde die neue Ordnung in der Schule vorgelesen und ein „Extract daraus an einer Tafel affigiret." Was heutzutage in Gesetzen und Verordnungen verfügt wird, war in reicher Fülle in dieser höchst umfangreichen Schulordnung ver- einigt, die nicht nur die Pflichten der Schüler, sondern auch die des Rektors und der Lehrer erörtert und die für die Geschichte der pädagogischen Methoden sehr lehrreich ist. Hier können nur wenige Proben Platz finden: „Die Schüler sollen nicht auf die Dörffer laufen oder zu Bier gehen." „Die Schüler Schmause wie auch alle nächtliche Zusammenkünfte sollen gänzlich abge- schaffet werden." „Wenn die anbefohlenen Schulpredigten gehalten werden, werden die Herren Praeceptores sich gefallen lafsen mit ihren Schüler processionaliter unter dem Liede Komm heiliger Geist Herre pp. aus der la- teinischen Schule in die Kirche zu gehen." „Die Extranei haben sich vor denen Choralisten nicht die geringste Freyheit, wie bisanhero von einigen geschehen, heraus- zunehmen49)."

Es war damals eine grofse Klage unter den Schul- kollegen, clafs die Winkelschulen gar zu sehr eingerissen, „wie auch die Haufs Informatores mit ihren Scholis

i9) Pfarrarchiv Schneeberg- Lit. S. No. 6.

.Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 17

o,-)N Eduard Heydenreich:

collectis geduldet und gesteuert werden." „So lange Schneeberg existiret, ist dergl. Elend bey hiesiger Schule an Numero jeder Classe und die dargegen eingewurzelte Unordnung mit Winckel-Schulen und deren elenden Schul- hältern gar nicht erhöret worden." Eine Konsistorial- verordnung vom 9. Juli 1773 verbot daher das Winkel- schulwesen und gab auf: „Ihr wollet diejenigen, so ihre Kinder in dergl. verbotene Schulen geschickt, zur Ver- gütung des vermeldeten Schul Collegen zur Ungebühr ent- zogenen Schul Geldes behörig anhalten50)."

Das jährliche Gregoriusfest, das anderwärts um diese Zeit bereits vielfach abgeschafft war51), artete auch in Schneeberg aus. Schon 1783 sah sich der Oberpfarrer Tromler veranlagt, die Schüler zu ermahnen, „dafs sie bey dem nach Ostern gefälligen Gregoriusfeste, so leider ein nothwendiges Übel sey, alle schändliche Verkleidungen, und unanständiges Betragen vermeiden möchten52)." Das Übel wurde immer schlimmer. Es kamen bei den dra- matisch-musikalischen Aufführungen dieses Festes „viele besonders für anwesende Fremde ärgerliche, ja sogar obscene Begünstigungen und Ungebührniise" vor. Deshalb wurden Inspektionswegen die Schüler 1789 „ernstlich an- gewiesen und bedeutet: 1) sich auf keine lüderliche, schändliche und irgends eine Person vorstellende Weise zu verkleiden, 2) keine Larven noch Mascken an sich zu nehmen, 3) keine Hanswurste, Efsenkehrer, sogenannte verwirrte Studenten, oder Schulmeister . . vorzustellen, vielmehr sich anständig, sauber und erbar zu bekleiden, 4) keine Trommeln zu führen, noch weniger dergleichen zu schlagen, 5) sich der Pferde und des Reitens gänzlich zu enthalten, 6) keinen Comoedien ähnlichen Auffzug auf dem Marckte noch sonst an einem Orte der Stadt vorzu- nehmen, 7) keine Schrancken irgendswo hierzu zu schlagen, 8) alles öffentlichen Gelages sich zu enthalten, 9) die Schul Tafeln und Bäncke aus der Schule nicht zu schleppen, 10) die mitunter vorgekommenen schändlichen Betteleyen in Häuisern zu unterlassen, 11) schlechterdings keine Pritsche zu führen, noch zu klazschen, auch 12) des so äuserst widerlichen und milstönigen Blasens sich gänzlich

60) Ebenda No. 7.

M) Eckstein, Die Feier des Gregoriusfest.es am Gymnasium zu Zittau. (Progr. Zittau 1888.) S. 18.

''2) Pfarrarchiv Schneeberg Lit. S. No. 10.

Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 259

zu enthalten und überhaupt sich dabey so zu betragen, wie es einer wohl gesitteten Schul Jugend wohl anstehet und gebühret." Im Falle einzelne Schüler diese Vor- schriften übertreten würden, werde man genötigt sein, „von Seiten der Stadt -Obrigkeitlichen Policey andere Maalsregeln zu ergreifen." Die Aufsicht über die kleinen nicht zum Chor gehörenden Schüler wurde dem Tertius Stumpf übertragen (s. o.)58).

Die finanzielle Lage des Lehrerkollegiums in jener Zeit war eine bedrängte. Schon während des siebenjährigen Krieges mufste es die Besoldung in schlechter Münze an- nehmen. Schließlich blieb der Gehalt Wochen lang ganz aus. Auch kein Holz wurde mehr geliefert. So gerieten die Lehrer „in die elendsten Umstände54)." Die Lage wurde immer bedenklicher, da zwei Einnahmequellen, die Schülerzahl und das Brauwesen, zurückgingen. Zwar rühmt Christ. Lehmann55): „Das Schneebergische Bier kühlet, laxiret und kan sich mit einem guten starcken Wein eher als das Annabergische comportiren." Dennoch klagte Reusmann und Kollegen 1766, 4. Februar dem Rat: „Nun kömmt die Zeit immer näher herbey, da auch das bifsgen Brauwesen vollends aufhören wird, wie soll uns alfsdann geholfen werden, wenn auch diese kleine Revenue wider wegfällt?"56) Hatte doch allein der Kantor 104 Thlr. 9 Gr. 6 Pf. rückständigen Gehalts zu fordern, eine für damalige Verhältnisse erschreckend hohe Summe. Der Oberpfarrer sah sich denn schliefslich gezwungen, den Vätern der Stadt „mit einer Beschwehrden an einen höheren Orte" zu drohen.

Die Liebe, welche Reusmann bei seinen Schülern erntete, überdauerte seinen 1796 erfolgten Tod lange. 1823 wurden bei der Säkularfeier des Lyceums „dem Andenken unsrer vollendeten beiden Jugendlehrer Reus- mann und Haas" folgende Verse gewidmet:

Ehre den Toden ! Sie führten uns ein in die Hallen der Weisheit, tränkten den dürstenden Geist aus dem geheiligten Quell.

Selbst verschieden im Sinn und Weg, doch Beide durchdrungen von der Grösse des Ziels, welchen sie einst sich geweiht,

Suchten sie für dies grosse Ziel auch uns zu gewinnen, leiteten würdig und ernst uns auf der herrlichen Bahn.

53) Schneeberger Katsarchiv G III a 5. M) Ebenda G II 64.

w) Lehmann, Chr., Historischer Schauplatz derer Merkwürdig- keiten in dem Meifsnischen Ober-Erzgebirge (1699) II, 2r>4. 5e) Schneeberger Ratsarchiv G II 64.

17*

oßo Eduard Eeydenreich :

Theure Lehrer! es schallt an diesem seltenen Feste

Euch noch der innigste Dank aus der begeisterten Brust.

Heimgegangen schon längst seid ihr zu höheren Welten, doch in Eurer Saat lebt noch lange Ihr fort57).

Unter den „gelehrten und würdigen Subjecten", deren Berufung sich die Oberbehörden auch nach dem Tode des wackeren Johann Friedrich Schaarschmidtr,s) (179? bis 1813) „bei Besetzung vacanter Stellen bei der hiesigen lateinischen Stadtschule immer haben angelegen sein lassen", verdient den Ehrenplatz Mag. Johann Gottlob August Voigtländer (1820—1828). Als der Sohn des Schneeberger Diakonus und nachherigen Archidiakonus M. Joh. Hnr. G. Voigtländer hatte er im Elternhause und auf der Schule seiner Heimat eine so vortreffliche Er- ziehung genossen, dals er in dem jugendlichen Alter von 20 Jahren zum Rektor des Lyceums gewählt wurde. Mit der Kraft und Geschicklichkeit eines im Alter ergrauten Meisters stand er der Anstalt vor und wulste sie zu hoher Blüte zu bringen. Seine Lehrgabe und seine ganze Persönlichkeit muls eine ausgezeichnete gewesen sein. .Der später als Rektor hochberühmt geAvordene Friedrich Kraner, welcher seine gymnasiale Ausbildung dem Schnee- berger Lyceum verdankte, hob die „scholastica gravitas et severitas" hervor, welche diesen „trefflichen Lehrer" ausgezeichnet und ihm die Achtung und Liebe der ihm anvertrauten Jugend erworben habe59). Noch heute

B7) Voigtländer, Aug., Beschreibung des am 23. Juli 1823 in Schneeberg gefeierten Schuljubelfestes S. 41.

os) Über diesen genüge es auf die Festschrift des Kgl. Gym- nasiums zu Schneeberg 1891 S. VII zu verweisen. Zu der dort ge- gebenen Darlegung mögen hier nur die deutsch geschriebenen Programme nachgetragen werden, durch die er weite Kreise für l>:'i'l;igogische Fragen zu interessieren suchte und die sämtlich in der Schneeberger Gymnasialbibliothek vorhanden sind: „Was mufs die öffentliche Schule zu Schneeherg seyn und. .leisten, um ihre Bestim- mung zu erfüllen?" (1797.) „Was haben Altern zu thun, wenn ihre Kinder die Schule mit erwünschtem Nutzen besuchen sollen?" (1799.)

„Ist die jetzt herrschende Abneigung der Jugend vor dem Studiren ein Zeichen besserer Zeiten ?" (1801.) „Kann eine Anstalt zur Bildung der Jugend und besonders eine gelehrte Schule eine zweck- mäßige Bibliothek ohne Nachtheil entbehren?" (1803.) „Versuch einer kurzen Geschichte der mit den gelehrten Schulen des evange- lischen Deutschlands gewöhnlich verbundenen Singechören. " (1807.)

„Bedarf Deutschland noch lateinischer Schulen?" (1809.) „Soll die Jugend der Gelehrtenschulen noch zur Kirche angehalten werden? Und Avie?" (1811.)

s») Palm, Friedrich Kraner S. 5.

Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceuins. 2Q]

sprechen seine Schüler mit der denkbar höchsten An- erkennung' von ihrem Schneeberger Rektor. Außerdem stand Voigtländer, unter welchem übrigens eine bauliche Erneuerung des Lyceums vorgenommen wurde00), auch im Rufe tiefer Gelehrsamkeit. Neben einer wertvollen Ausgabe der Totengespräche des Lucian lieferte er eine neue Bearbeitung des grofsen lateinischen Lexikons von Forcellini. Von seinem Organisationstalent und seiner Opferfreudigkeit zeugen seine Reformvorschläge, auf die Verfasser oben bereits wiederholt hingewiesen hat. Voigt- länder schlug u. a. vor, die Prima in eine Oberprima („Selekta") und Unterprima (Prima) zu teilen, wie es jetzt in Sachsen allgemein gesetzlich eingeführt ist. Es war ganz richtig, was er bemerkt: „der Rektor macht sich durch diese neue Einrichtung nicht etwa sein Amt leichter, sondern schwerer wegen der vielen Correkturen wöchentlich; er thut dies aber gern, denn er weifs, dafs es dadurch auch fruchtbarer wird." Ferner schlug er vor, die Abiturientenprüfungen weiter auszudehnen, wo- durch er ebenfalls mehr Arbeit erhalten mufste. „Es muis Zeit genug daseyn zu einer kleinen lateinischen Anrede des Rectors und namentlich zu einer lateinischen Disputation. Nichts wünschen wir mehr, als dafs die Behörden der Schule dem dieser Anstrengung sich gern unterziehenden Rector nicht nur diese Zeitfrist ergönnen, sondern auch die den Schülern vorzüglich feierlichen Stunden durch Frequenz noch feierlicher machen möchten." Auch das Wohl seiner Lehrer lag ihm am Herzen. Vor Verleumdung unverständiger Eltern suchte er sie dadurch zu schützen, dals er die Inspektion ersuchte, derartige Klagen nicht eher anzuhören, bevor nicht der Rektor in Kenntnis gesetzt wäre, „der doch erst den Weg der Güte versuchen, freilich aber bei wirklichen Vergehungen seiner Collegen auch den Rechtsgang nicht hemmen würde." Zumeist würde dadurch die Ungerechtigkeit der Klage an den Tag kommen und den Lehrern allerhand Unan- nehmlichkeiten erspart werden. „Dagegen unterwirft sich der Rector gern gleich dem unparteiischen Ausspruch der nächsten Behörde, der Local-Inspection oder auch der

m) Das bezeugt die im Erdgeschofs desjenigen Teiles des jetzigen Bürgerschulgebäudes, in den 1746 das Lyceum einzog, angebrachte Gedenktafel. Auf dieser steht in Uncialschrift folgendes: Aedes Lycei Schneebergensis beneficio alumnorum liberalitate fautorum restauratae exornatae MDCCCXXIIL

262 Eduard Heydenreich:

höheren, wenn er nur auf der anderen Seite seine Herren Collegen wenigem Verdrießlichkeiten ausgesetzt sieht01)." Der „große und sehr achtungswerte Eifer" seines „für sein Fach glühenden Herzens" wurde auch vom Schnee- berger Ratdankbar anerkannt0-). Erstarb am 14. Dezember 1828, kaum 29 Jahre alt. Die Liebe seiner Schüler, die der treffliche Mann im reichsten Mafse sich erworben, gab sich noch 1885 öffentlich kund, als auf Anregung der Herren Oberkonsistorialrat Dr. Franz in Dresden und Bürgermeister Clauls in Freiberg sich eine Anzahl Schüler des vor 50 Jahren eingezogenen Lyceums zu einer sinnigen Erinnerungsfeier versammelten. Damals gingen dieselben auch auf den Friedhof. Hier ver- sammelten sie sich um das Grab des Rektors Voigt- länder. „Es war ein ergreifender Anblick, die ergrauten Männer an dem blumengeschmückten Hügel ihres ehe- maligen geliebten Lehrers stehen und den gemütreichen, pietätvollen Worten lauschen zu sehen, mit welchen wiederum Herr Dr. Franz das Andenken des längst Ent- schlafenen feierte 68). "

Eine ungewöhnlich grolse Zahl schwerer äulserer Bedrängnisse hat im Laufe der Jahrhunderte das Lyceum zu bestehen gehabt. Sechsmal mufste das alte Lyceumsgebäude neu aufgeführt werden, dreimal wurde Haus und Gerät Lehrern und Schülern durch Feuer ver- wüstet; drei gewaltige langandauernde Kriege, unter denen die durch keine Befestigungsmauern geschützte Stadt schwer litt, hat die Schule erlebt. Die traurigste Periode, welche über das Lyceum hereinbrach, war die Zeit von 1620—1650. Am 10. Juli 1623 hat das Schul- haus, welches ehemals von den Fundgrübnern an Kurfürst Johann Friedrich verkauft und auf dessen Befehl um- gebaut, dann aber der Stadt geschenkt worden war, „der Allerhöchste und Gerechte Gott vormittels eines vom Himmel herab erfolgten Donnerschlags und Wetterstrahls angezündet und in die Asche gelegt", „also dafs dem Rektor so seine Wohnung uf dieser Schuel gehabt, aller sein Vorrath an Kleidern und einer ansehnlichen Liberey, inmatsen der armen frömbden Schulknaben so uf der Schule gewohnet, ihre Kleiderlein und Bücherlein in

"') Sebneebergcr Ratsarchiv G III 15.

fl2) Ebenda G FIT 1 1. Bl. 63.

6S) Erzgebirgischer Volksfreund 1888, S. 367.

Aus der Geschichte des Srlmeeberger Lyceums. 263

Feuer aufgeflogen"04). Man hat zwar darauf „unter- schiedene mahl deliberation gehalten", auf welche Weise man das abgebrannte „Fürstenhaus", wie man jenes Schulhaus nannte, wieder aufbauen könnte; doch haben es die „darauff erfolgte böse elende verderbliche Zeiten, feindliche Einfälle und Kriegsbeschwerungen nicht zu- lassen wollen". Fünfzig Jahre lag das Schulgebäude seit jenem Schreckenstag in Schutt und Asche. Erst 1673 wurde der Platz bebaut und daselbst ein Brau- haus errichtet. Auch in dem Funk'schen Hause, das der Rat für 2000 fl. zu kaufen sich entschloß, wollten sich keine glücklichen Verhältnisse entwickeln. Die kriegerischen Einfälle der kaiserlichen Generale Holke 1632 und Hatzfeld 1633, sowie der des schwedischen Generals Königsmark 1640 und die um dieselbe Zeit wütende Pest brachten unsägliches Elend über Schnee- berg. Diese tieftraurigen Zeiten, welche die Ziffer der Bevölkerung von 3500 auf 2000, die der bewohnten Häuser von 600 auf 100 verminderten, richteten die Schule so arg zu, dafs, wie der Rat dem Superintendenten Stepner in Zwickau am 29. Mai 1651 schrieb65), „niemand bifshero darinnen sich aufhalten können." Die Furcht vor dem Hungertod veranlafste „die Einmischung der Schulbedienten in die bürgerliche Nahrung durch Brauen, Schenken und Gästesetzen." Die Schule wurde in einem Schreiben des Rates an das Konsistorium zu Leipzig als „gänzlich ruinirt" bezeichnet. Besonders schwer hatte der Rektor Kerl zu leiden. „In was Noth und Elend", schreibt er am 21. April 164266), „ich armer Mann biels anhero gestecket, das weils niemand besser als ich: in was Armut ich durch den Abbrand unserer Schuelen ge- rathen, & hat zwar der H. Gevatter auch gesehen und ist Einem Ehrenrechten Wohlweifsen Rath wohl bewufst, welcher dem H. Doctor Wolfrum und mir in toto con- sessu senatorio 100 R zu einem anfang einer neien Bibliotheca sancte promittiret und zugesaget, aber itzo gantz in Vorgefsenheit will gestellet werden. Wie ich armer man von den feinden aufsgeblindert worden, dafs muls vnfser Sacristei bezeigen: Ja wie kümmerlich und elend ich mich itzo mitt den meinen in diefser geschwin-

fil) Schneeberger Ratsarchiv G III 5, Bl. 10 and G III l, Hl. 12. m) Ebenda G III 3. m) Ebenda G III 1.

264 Eduard Heydenreich:

den Zeit, da alles auf das Höchste gestiegen, und fast umb den dritten Pfennig muis erkauftet werden, behelffen mufs, das erfahr ich armer Mann teglich." Auch in den folgenden Zeiten brachen allerhand Unglücksfälle über Schneeberg herein. Es seien hier nur die entsetzliche Hungersnot von 177267) und der grolse Stadtbrand vom 13. August 1719 erwähnt. Die Vernichtung der „vielen theils kostbaren geistlichen und Communalgebäude, die ehedessen von hiesigen ungemein reichen Bergsegen etabliret worden", darunter auch des Schulgebäudes, war um so verhängnisvoller, als der Bergsegen immer mehr versiegte. Die Zahl der vom Brandunglück direkt Be- troffenen dürfte rund 2500 betragen haben68), und diese hatten meist nur das nackte Leben retten können. Der Rat mufste dem Kurfürsten Friedrich August I. schreiben, dais, „wenn der ärgste barbarische Feind darin gesenget, gebrennet, ausgeplündert hätte, er es nicht ärger machen noch alles totaliter ruiniren können, als die Stadt durch sothane ungewöhnlich wüthende und rasende Feuerflamme zugerichtet worden69)."

Durch all dies Unglück auf das allerschwerste ge- schädigt, vermochte der Rat beim besten Willen nicht, den sich immer mehr steigernden Anforderungen des höheren Schulwesens gerecht zu werden. So waren keine Mittel vorhanden, den im 19. Jahrhundert immer breiteren Raum im Unterrichtsplan beanspruchenden Realfächern Sammlungen an naturwissenschaftlichen, geographischen und geschichtlichen Gegenständen und Abbildungen zur Verfügung stellen zu können. Zwar suchte hier der Idealismus von Privatpersonen helfend einzugreifen. Auf Anregung des Diakonus M. Hahn (seit 1800 in Schnee- berg) wurde 1802 die „Anlegung eines öffentlichen, allen Einwohnern der Stadt zugänglichen Museums" ins Auge gefafst, dieses sollte alles enthalten, „was zur Anschaulich- keit des Unterrichtes, namentlich in der Naturlehre und Naturgeschichte und den damit verbundenen Wissen- schaften nöthig ist." Es bildete sich eine „Pädagogische Gesellschaft" aus dem grölsten Teil des Magistrates, des

67) Vergl. den anschaulichen Bericht eines Augenzeugen in: Lehmann, Chronik der freien Bergstadt Schneeberg III, 95.

68) Buch he im im Erzgebirgischen Volksfreund 1895, No. 25. m) Vergl. den Bericht des Rates unterm 22. August an den

König und Kurfürsten Friedrich August I. im Kgl. Sachs. Haupt- staatsarchiv zu Dresden 9909 s. t. „Brand von Schneeberg 1719."

A.us der Geschichte dos Nclinorbergor Lyceums. :2(>r>

Offizierskorps, Bergamtes, der Lehrerschaft und des Kauf- mannsstandes; eine „"Weibliche Bildungsgesellschaft" schlofs sich an. Das Unternehmen schien sich glücklich entwickeln zu können, als Hahn, der 1804 nach Gera als Superintendent und Konsistorialrat berufen worden war, in Begleitung des Grafen Heinrich XLVIII. von Reuls zum Stiftungsfest 1. August 1805 in Schneeberg er- schien und dem Museum ein Geschenk des Erzherzogs Karl von Österreich überbrachte. Aber die Napoleonischen Kriege erstickten das Unternehmen70). Aus der finan- ziellen Notlage der Stadt ergab sich auch, dals sie ge- zwungen war, „das so ganz mit den erforderlichen vielen Kenntnissen und Bemühungen in gar keinem Verhältnisse stehende geringe Einkommen der Lehrer", wie es die Vertreter der Stadt durch den Mund des Landtags- deputierten Job. Leb. Schnorr 11. März 1824 selbst nannten, in seiner Geringfügigkeit zu belassen und höchstens vom Staat eine Unterstützung zur Aufbesserung zu erhoffen, wodurch freilich „der Verlust mehrerer ihrer guten und achtungswerthen Lehrer" die Folge war, „welche bisher immer wegen des kärglichen Dienstgehaltes in anderen Orten bessere und einträglichere Stellen zu suchen und anzunehmen genöthigt worden sind71)." Nur nach langem Zögern und oft höchst unerquicklichen Verhand- lungen konnte sich der Rat zur Anstellung neuer Hilfs- kräfte entschließen , als deren letzte „dem verehrungs- würdigen Senior unseres Collegiums, dem Cantor L. G. Thomas in der Person des Herrn M. K. F. G. Meutzner ein Hülfslehrer adjungirt" wurde72); Meutzner verdankte diese seine Berufung dem Zeugnisse des hochberühmten Leipziger Philologen Gottfried Hermann, welches noch heute bei den Ratsakten liegt73). Aus alledem aber ergab sich eine grofse Anzahl höchst beklagenswerter Mißstände, die notwendiger Weise zu unliebsamen Vor- stellungen der vorgesetzten Behörden führen mußten74). Diese Zustände waren auf die Dauer um so unhaltbarer, als auch das Bürgerschulwesen Schneebergs unter den

70) Näheres üher diese kulturhistorisch interessante Museums- angelegenheit bei Jacobi, Schneeberg, Ein Gedenkblatt zur 400jäh- rigen Jubelfeier , S. 39 ff.

71) Schneeberger Ratsarchiv G III 14.

72) Raschig im Schneeberger Programm von 1833, 8. 16.

73) Schneeberger Ratsarchiv G III 16. Bl. 155. T4) Ebenda G III 16.

266 Eduard Heydenreich:

finanziellen Bedrängnissen der Stadt damals tief dar- niederlag und einer gründlichen Reform dringend be- durfte; wurde doch der Elementarunterricht für 1163 Schulkinder nur von 4 Lehrern versorgt und jeder von ihnen arbeitete nicht nur räumlich, sondern auch hin- sichtlich des Lehrplanes in völliger Vereinzelung. Als daher die Regierung dem Gedanken näher trat, einige Lyceen des Erzgebirges als entbehrlich einzuziehen, dafür aber die übrigen Gelehrtenschulen des Landes um so nachdrücklicher zu unterstützen75), scheiterten die wieder- holten Gesuche des Rates an das Kultusministerium, dasselbe wolle die projektierte „Kreisschule" nach Schnee- berg verlegen, wofür der Rat auf sein Kollaturrecht ver- zichten zu wollen erklärte, an dem Mangel einer gut geordneten Bürgerschule. Die Reform des Elementar- unterrichtes war unab weislich. Da aber Fonds nicht vorhanden waren und Mittel zur Erhaltung des Lyceums durch Anlagen hätten aufgebracht werden müssen, so er- klärte nach einer einsichts- und wehmutsvollen Darlegung des Bürgermeisters Schill der grofse Bürgerausschuls am 30. Dezember 1834 es für unmöglich, die nötigen finanziellen Opfer für das Lyceum zu bringen76). So wurde es 1835 aufgelöst und in eine den Bedürfnissen Schneebergs entsprechende Bürgerschule mit einem (1870 wieder eingezogenen) Progymnasium umgewandelt. Der Elementarunterricht hob sich rasch unter dieser segens- reichen Neugestaltung und ist gegenwärtig zu hoher Blüte gelangt77). Als aber die Zeit der schweren finan- ziellen Bedrängnisse von der Stadt überwunden war. zeitigte die Liebe zu den humanistischen Studien, wie sie im Lyceum so lange treu gepflegt worden waren, hoch- achtbare Ergebnisse. Die Stadt Schneeberg, von dem Wunsche nach Errichtung eines königlichen Gymnasiums beseelt, verpflichtete sich, zum Baue eines Gymnasial- gebäudes den Bauplatz, 60000 Mark aus städtischen Mitteln und aulserdem die von einem angesehenen Bürger

76) Vergl. Raschig-, Die Nothwendigkeit einer Radicalreform dn- Ki/.gehirgischeu Lyceen. Schneeberg 1831. Scholze, Hu- manismus und Realismus im höheren Schulwesen Sachsens während der Jahre 1831—1851. Progr. Plauen 1894.

76) Schneeherger Ratsarchiv S. VII 11.

77) Müller, E. M., Kurzer geschichtlicher Überblick über das Schulwesen der Stadt Sclineeberg in den Jahren 1838—45. Progr. der Bürgerschule Schneeberg 1845. Bang, Bericht über die Bürger- und Fortbildungsschule zu Schneeberg 1893.

Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. H\",

schon vor Jahren in hochherziger Liberalität für diesen Zweck angebotene Summe von 100 000 Mark beizutragen, sodann städtische Stipendienfonds im Gesamtbetrage von rund 25 000 Mark dem Gymnasium zuzuwenden und dem- selben sämtliche Lehrmittelsammlungen der Realschule, darunter die äußerst wertvolle naturwissenschaftliche Sammlung, sowie die stattliche Bibliothek des alten Lyceums zu überlassen. Daraufhin wurde das Schnee- berger Gymnasium, dessen Zöglinge zunächst in den Räumen der Realschule Unterkunft fanden, gegründet; und so konnte 1891 die achte Stätte humanistischer Stu- dien in Schneeberg, das neue Gymnasialgebäude, wo auch die wertvollsten Handschriften und Bücher des alten Lyceums Aufstellung gefunden haben, durch Se. Excellenz Staatsmimster Dr. von Gerber feierlich eröffnet werden78). Trotz aller schweren Bedrängnisse, von denen das Lyceum heimgesucht wurde, waren die vorgesetzten Be- hörden, Rektoren und Lehrer um das Wohl der Anstalt treulich besorgt. Sie wollten „auf die Schuel als ein Seminarium Ecclesiae et Reipublicae ein wachen tes aug haben, dieselbe bauen vnndt pflantzen, damit reiche fruchte Gott zu Ehren, der christlichen Kirchen oder dem ge- meinen Regiment zu nutz einmahl mögen gesamlet wer- den79)." So stand denn auch Schneeberg in dem Rufe, „dafs daselbsten gute disciplina und Justitia administriret . . und vornehme gelehrte Leute daselbsten erzogen worden80)." Zu den Schülern des Lyceums, „die wegen ihres Verstandes und anderer guter Qvalitäten sich im Ruhm und Ehre gesetzet81)/' gehörten außer den bereits ge- nannten in der früheren Periode Ambrosius Lobwasser, Prof. jur. und herzoglicher Rat zu Königsberg, der Psalmen- Übersetzer der deutsch -reformierten Gemeinde, sowie Andreas Mensel, Oberpfarrer und Prof. theol. in Frank- furt a. 0., Mitverfasser der Konkordienformel; ferner in neuerer Zeit Dr. Bonitz, Superintendent in Langensalza; M. Oesfeld, Pastor in Altstadt- Waidenburg; C. F. Schaar- schmidt, Sohn des erwähnten Schneeberger Rektors, ein

7S) Vergl. die Berichte der Rektoren Bernhardi und Gilbert des Schneeberger Gymnasiums in den Osterprogrammen der Anstalt und den letzteren in der Festschrift zur Einweihung des neuen Schulgebäudes S. IX f.

79) Schneeberger Ratsarchiv G III 1.

s") Melzer, Erneuerte Chronik von Schneebertr S. 589 f.

81) Melzer ao. S. 588.

268 K<1. llcvdenreich: Aus der Geschichte des Schueeherger Lyceums.

Lyceist, der 16' 2 jährig eine lateinische Abhandlung- über den Nutzen einer gut eingerichteten Herodotlektüre in Druck gab und später Geheimer Rat im Königlichen Mini- sterium des Innern wurde ; und Bezirksschulinspektor Schul- rat Müller von Schvvarzenberg, welcher bei der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes in Schneeberg des alten Lyceums in Liebe und Treue gedachte. Eine lange Reihe dankbarer Schüler war es, welche 1823 zur Säkularfeier von fern und nah zusammenkamen und ein freudig dank- bares Wiedersehen feierten, gedenkend der artes, die da molliunt animum et mores:

Has Lyceum aluit

niveo quod monte, iam per secla floruit

ex perenni fönte, fovit semper juvenes reddidit incolumes

tanquam alma mater82).

82) Aus einem Pestgedicht des Archidiakonus Voigtländer bei Rektor Voigtländer, Beschreibung des Schuljubelfestes 8. 42.

X.

Vertriebene und bedrängte Protestanten in Leipzig unter dem Schutze Johann Georg I.

Nach urkundlichen Quellen bearbeitet

von Richard Schmertosch.

Schon mehrfach ist darauf hingewiesen worden, dafs zur Zeit des dreilsigj ährigen Krieges die erschreckende Abnahme der Bevölkerung in Kursachsen sich einiger- mafsen ergänzte durch die Aufnahme vertriebener Pro- testanten aus den österreichischen Erblanden, die um ihres Glaubens willen Haus und Hof verlassen mufsten. Vor allem ergofs sich aus Böhmen ein starker Auswanderungs- strom in die Eibstädte und in die Grenzgebiete der Lausitz und des Erzgebirges1). Konnte in jener Zeit nicht auch die starkbefestigte und auf alten Handels wegen leicht erreichbare Universitäts- und Handelsstadt Leipzig vielen Flüchtlingen einen anziehenden Zufluchtsort gewähren? Zumal für Böhmen lag dieser Gedanke wegen der engen Handelsverbindung dieses Landes mit Leipzig nahe genug. Daher hegte auch 1620 nach Niederwerfung des böhmischen Aufstandes der Kaiser Ferdinand IL den Argwohn, dals seine Unterthanen in Böhmen „ihre

') Chr. A. Pescheck, Die böhmischen Exulanten in Sachsen (1857). Bernh. Wolf, Einwanderung böhmischer Protestanten in das obere Erzgebirge, in den Mitt. d. Ver. f. Gesch. v. Annaberg 1891 bis 1892. Gr. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit III, 240.

270 Richard Schmertosch:

Guter und Fahrnisse in die kurfürstliche Gewerb- und Handels Stadt Leipzig geflüchtet und in Verwahrung gebracht" hätten2).

In der That läist sich eine Einwanderung vertriebener Protestanten in jener Zeit auch in Leipzig nachweisen1''). Neben einigen Akten des Dresdner Hauptstaatsarchivs geben hierüber besonders die Stadtbücher, die Bürger- und Sterbelisten im Leipziger Ratsarchive sowie einige ab- schriftlich erhaltene Kirchenbücher auf der dortigen Stadt- bibliothek näheren Aufschlufs.

Aus Steiermark, wo schon um die Wende des sech- zehnten Jahrhunderts sogar hervorragende Gelehrte, wie der später so berühmte Astronom Johann Kepler, aus- wandern muisten, weil sie sich nicht gutwillig einem harten Glaubenszwange fügen wollten, sind auch nach Leipzig- einige Familien gewandert. Wenigstens erlangten hier in den Jahren 1619 Johann Jakob Reuter, Medicinae Doctor aus Graz, und 1622 Johann Schelf ler, „I. Utr. Doctor Steuermerker", und Johann Rupert Sulzberger, Medicinae Doctor aus Graz, das Bürgerrecht4). Bei allen dreien ist ausdrücklich bemerkt, dafs sie wegen der in ihrer „Patria verenderten Religion und eingesalzten Papistischen Übrigkeit" ihre Geburtsbriefe bei Ablegung des Bürger- eides nicht hätten vorlegen können. Sulzberger kaufte 1621 auf der Katharinenstralse ein Haus. Bereits 1620 war er Licenciat der medizinischen Fakultät geworden, wirkte segensreich als akademischer Lehrer und starb als „kurfürstlich sächsischer Oberlandesmedicus5)." Sein Bruder, der ebenfalls in Graz geborene Notar Sigismund Friedrich Sulzberger wurde erst 1638 Bürger, als er Leipziger Ratsmitglied wurde. Früher war er Syndikus der Stiftsregierung zu Merseburg, dann Schösser im Frei- burger Kreise und im Amte Rochlitz gewesen. Er starb 1650 im Alter von 53 Jahren als kurfürstlich sächsischer

s

-) Schreiben des Kaisers an den Kurfürsten Johann Geor HStA. (Dresdner Hauptstaatsarchiv) Loc. 10331. 1. Beb. Kiimehmmig dererienigen n. s. w. Bl. 1. Allerdings waren die Nachforschungen des Leipziger Rates ergebnislos: ebenda Bl. 22.

8) Die Angaben Peschecks S. 60 sind ganz im vollständig.

4) LRA. (Leipziger Katsarchiv) XXXI V, 5 ( Bürge rrechts- protocoll zu Leipzig de Anno 1612 1666) Bl. 59, 76, 77.

5) LRA. Bartheis Häuserchronik II, 238b. L. Rb. (Leipz. Ratsbuch) 1629 Bl. 228 L. R.-Bibl. Traub. b. d. Kirche zu St. Nie. 1641. Vogel, Leipz. Annal. S. 375.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 271

Protonotarius am Oberhofgerichte und Baumeister in Leipzig6).

Als der Kaiser Ferdinand II. nach Niederwerfung seiner Gegner in Böhmen die katholische Reaktion, die er in Steiermark mit so gutem Erfolge durchgeführt hatte, auch auf die habsburgischen Lande übertrug, da wendeten sich wiederum zahlreiche Flüchtlinge nach Leipzig.

Aus Niederösterreich kam ein auch politisch hervor- ragender Mann, der Freiherr Andreas Thanrädl7). Er war der entschiedenste Vertreter der protestantischen Stände seiner Heimat gewesen und mufste unter den ersten beim Beginne der Gegenreformation das Land ver- lassen. Im Dresdner Hauptstaatsarchive ist sein damals an den sächsischen Kurfürsten gerichtetes Gesuch um Aufnahme in Sachsen erhalten und giebt so recht ein Bild von der Art jener Religionsverfolgung, durch die viele Tausende von ihrem Besitz in das bittere Elend getrieben wurden. Er schreibt unter dem 20. März 1623 s) von Leipzig aus:

Durchlauchtigster Churfürst ....

Der liebliche Geruch des Churfürstlichen Sächsischen Evan- gelischen Rautenstockes reitzet vnd beweget viel bedrengte vnd not- leidende Personen, dafs zu E. Churf. Durchl. Sie ihre Vnterthänigste Zuflucht nehmen: Vnd bin daher auch Ich verursacht worden bey E. Churf. Durchl. mich gehorsambist vnd vnterthänigst anzumelden, derselben darbey zu klagen, dafs ich zwar in Osterreich eine geraume Zeit dreyen Römischen Keysern, als ein Vnwürdiger Rath gedienet, auch sonsten in allen occasionen meiner Obrigkeit mit schuldigsten respect dermafsen begegnet , dafs Ich mit reinem Gewissen bezeugen kan, mir niemals einiger böser Gedanken wider dieselbe eingekommen, Viel weniger ichtwas nachtheiliges Wider Sie von mir furgenommen sey9). Ich habe aber auch nichts desto weniger bey meinem Gott, vnd der Evangelischen Lutherischen Lehr standhafft zu verbleiben, vnd die Ehre Gottes allem andern weit für zu ziehen, mich schuldig erachtet: Vnd weil daher die Jesuiten vnd ihr Anhang einen grausamen

6) LRA. Bürgerlisten v. J. 1638. Sterbelisten v. J. 1650. Stepner, Inscriptiones Lipsienses n. 177.

7) Gindely, Der dreifsigjähr. Krieg I, 1, 427-, I, 2, 76 u. 195; I, 3, 79 u. 190, nennt ihn Thonradl, J. T. J. v. Könneritz in v. Webers Archiv f. sächs. Gesch. V, 195, Thonradl oder Tanradel, und Kneschke, Deutsches Adelslexikon 9, 181. Thanraedl.

8) HStA. a. a. 0. Bl. 19i.

°) Bekanntlich existierte später das Gerücht, dafs Thanrädl 1619, als Tburn vor Wien stand, den König Ferdinand an den Knöpfen seines Wamses gefafst und zur Nachgiebigkeit gegen die Forderungen der Protestanten habe zwingen wollen. Die Worte dieses Schrift- stückes sprechen deutlich genug dagegen. Auch Gindely erklärt es als eine „unbegründete Sage", a. a. O. I, 2, 76.

272 Richard Schmertosch:

Hais auff mich geworfen, haben sie mir vber alle salva guardia, vber alle Afsecurationes der Keyserl. Majt. vnd Ertzhertzogs Leopoldi HochfürstL Durchl. ohn einige meine Schuld (da Ich die Zeit meines Lebens nie des geringsten bin beklaget, weniger vberfuhret, am aller- wenigsten zu einiger Straft' verurtheilt worden) durch den Übristen Palvi ein Bad bestellt, dafs er vnter dem Schein, als ob er meine II lirschaft auff Keyserlichen Befehlich schützen solle, dieselbe gantz vnd gantz mit allen dem, was von ansehnlichen mobilien vorhanden gewesen, geplündert, vnd mich in solche armuth gestürtzet, dafs Ich fast von der löblichen Evangelischen Landschafft provision allein habe mich ein Zeitlang behelft'en müssen. Ja endlichen weil es ausbrach, dafs die Jesuitisch Practic von meiner Bestendigkeit in der Evan- gelischen Religion herrüren thete, gezwungen worden, mich mit meiner Gemahlin vnd vuerzogenen Kindern, gar hinweg zu machen, vnd mit der Flucht zu salviren: Hab Ich änderst nicht erwarten wollen, dafs man mir selber Gewalt anthue, oder meine Kinder mir nehme, vnd, wie itzo brauchlich ist, dem Bapatumb in Rachen stecken thete. Wann dann Gott der Herr in E. Churf. Durchl. Landen das Licht seines heiligen Evangelii hell scheinen vnd brennen lefst, Ich auch nichts mehr hab auff Erden, sondern billich meine gantze Frewd Gottes wort seyn lasse , So bitte E. Churf. durchl. Ich hiemit vnter- thänigst, Sie geruhen gnedigst mir zu vergönnen, dafs vnter dero Churfürstlichen gnedigsten Protection, Ich mit meiner Gemahlin vnd Kindern entweder zu Wittenberg (alda wir Vns sonsten itz befinden) zu Torgaw oder Leipzig aufhalten mögen : Sind wir erbötig, Vns still vnd gehorsambist zu bezeigen, Vnsers Gottesdienstes zu warten für E. Churf. Durchl. vnd dero gantzen hochlöbichsten Haufses Wolffärt Tag vnd Nacht den Allerhöchsten anzuruffen, vnd Vnsers itzigen Elends aufsschlag von dem gnedigen Gott mit Gedult zu erwarten. Euer Churf. Durchl. zu gnedigster resolution Mich vuterthänigst empfelend. Datum Leipzig, den 20. Martii 1623. Ewer Churf. Durchl. vnterthänigster gehorsamster Knecht Andr. Thanrädl freiherr zu Dernberg vndt Rechberg.

Der Kurfürst gestattete ihm denn auch sich mit den Seinigen, jedoch eingezogen und mit wenig Leuten, eine Zeit lang in Leipzig aufzuhalten10). Doch sollte Thanrädls Leipziger Aufenthalt nicht von langer Dauer sein. Am 16. Februar 1625 wurde, wie die Sterbelisten berichten, „der wohlgeborne und edle Herr Andreas Dohnradell Freiherr auf Ternbergk und Richbergk, Herr zu Ober- Gassing, Römischer Kaiserlicher Majestät hiebevor gewe- sener Rat und Beisitzer des Niederösterreichischen Landrats", aus einem Hause in der Grimmischen Gasse, das damals dem Stadtrichter M. Johann Seidel gehörte11), zur letzten Ruhestätte geleitet.

I0) HStA. a. a. 0. Bl. 193. Johann Georg schrieb damals aus- drücklich an den Leipziger Rat, dafs er „dergleichen Personen, welche der Religion halben an andern Orten nicht geduldet werden wollen, mit der Einnehmung gnedigst zu erscheinen geneigt" sei.

n) Es war dies das Haus an der südwestlichen Ecke der Ritter- strasse. LRA. Bartheis Häuserchronik T, 192.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 273

Auch sonst linden sich Spuren vertriebener Öster- reicher in Leipzig. Ein aus Ketz vertriebener Pfarrer Johann Edeler wurde 1 634 hier in der Nikolaikirche mit einer Leipziger Bürgerswitwe getraut; ein in den Sterbe- listen als Exulant verzeichneter Student Michael Mark aus Österreich starb im Pestjahre 1632 12).

Weit zahlreicher aber kamen Flüchtlinge aus dem Kursachsen so benachbarten Böhmen; stand doch Leipzig seit alters her durch seine Universität und seinen Handel in engster Verbindung mit diesem Lande. Geistliche, Lehrer und Ärzte, die ihre akademische Ausbildung wohl meist in Leipzig erhalten hatten, fanden in Böhmen, als hier das Luthertum noch an Boden gewann, Anstellung und Beschäftigung13); aber auch das vor dem Kriege in Handel und Gewerbthätigkeit frisch aufstrebende Bürger- tum Böhmens stand in nicht unbedeutender Verbindung mit der wichtigsten Handelsstadt des protestantischen Nachbarlandes; deshalb ist es ganz natürlich, dals viele um ihres lutherischen Glaubens willen aus Böhmen Ver- triebene hier zunächst Schutz und Unterkunft suchten. Wie 1625 die beiden aus Prag vertriebenen Pfarrer Siegmund Schererz und Fabian Natus hier Schutz gesucht und gefunden hatten, so mögen noch viele andere hierher geflüchtet sein14). Besonders stark ist die Zahl derer,

12) In den Bürgerlisten finden sich noch folgende Namen: Sixt, Stillingk, Thammüller, Pauchmann, Penigker, Teuffenwieser.

13) 1611 waren nach Pescheck (Geschichte der Gegenref. in Böhmen I, 227 ff.) acht Lehrer an das neugegründete lutherische Gymnasium der Altstadt Prag aus Leipzig berufen worden. Als 1622 der in der Geschichte Sachsens so übel berüchtigte Hofprediger Hoe von Hoenegg sich bitter bei der böhmischen Statthalterschaft über die Sperrung der lutherischen Kirchen in Prag beklagte, er- wähnte er ausdrücklich, dafs dort Kirchen „und Schuldienste mit solchen Personen bestellet worden, die entweder in Ihrer Kurfürst- lichen Gnaden Landen gedient haben oder doch darinn geboren und erzogen worden". Londorp I, 1052.

n) Pescheck, Die böhm. Exul. S. 60. Im Tranbuche der Leipziger Nikolaikirche wird 1629 ein M. Michael Alexander aus Graupnitz in Böhmen als Exulant erwähnt. Über den Aufenthalt eines aus Rakonitz vertriebenen Bektors vergl. Beck, Tobias Hauschkon, in den Beitr. z. sächs. Kirchengesch. Heft 7. 1638 starb in Leipzig Engelhard von Steinbach , ein Angehöriger einer böhmischen Adelsfamilie, die sich nach Annaberg geflüchtet hatte (B.Wolf, Einwanderung S. 29 ff.). Laut Leipziger Batsbucli vom Jahre 1639 lieh in diesem Jahre Günther von Bünau aus dem Hause Tetschen zweitausend Reichsthaler auf ein Leipziger Haus (L. Rh. 1639 Bl. 96) und 1642 gab Christoph Schultz Wosetzky, da er in

Neues Archiv f. S. G. n. A. XVI. 3. 4. 18

2?4 Richard Schmertosch:

die sich 1627 aus Böhmens Hauptstadt Prag nach Leipzig- wendeten. Als in diesem Jahre durch das Edikt Kaiser Ferdinands, gegeben in Wien „am Sanibstag der Ge- dächtnuis des Heiligen Ignatii", die vollständige Aus- rottung des Luthertums in Böhmen angeordnet worden war, bat in Leipzig ein Wundarzt Andreas Stegmann, der, wegen seines Glaubens aus seiner Stellung als „Chirurgus des Königreichs Böheimb" entlassen, aus Prag und aus Böhmen hatte weichen müssen, den Kurfürsten um Auf- nahme in sächsische Dienste, in denen er schon früher gestanden hatte. Seine Bitte wurde ihm gewärht und er liels sich in Dresden nieder10). Ebenfalls von Leipzig aus schickte damals ein reicher Handelsherr und vornehmer Bürger der Altstadt Prag, Martin Schmertosch von Riesenthal, ein Gesuch an den Kurfürsten, in dem er bat, ihm nebst seiner Mutter, Geschwistern und Kindern in Kursachsen „eine Zeit lang, bis Gott der Allmächtige Änderung oder Linderung schaifen möchte", eine Zufluchts- stätte zu eröffnen, da er „mit anderen ehrlichen Leuten, so der wahren lutherischen Religion zugethan und ver- wandt seien, seinen Stab weiter zu setzen, das Königreich Böhmen zu meiden und Schutz und Zuflucht bei ihren Religions-Verwandten, sonderlichen aber Ihrer Ohurfürstl. Durchl. als treuen Beschützern derselben zu suchen ge- nothdränget worden1")." Martin Schmertosch wendete

Böhmen „itzo nicht seyn könte vnd sich in der Churfürstlichen Handels Stadt Leiptzig wesentlich enthalte", einem katholischen Böhmen den Auftrag, für ihn eine Schuldsumme, die auf „den Tirtzschkischen Gütern" stand, einzuziehen (L. Eb. J6-l^ Bl. 23).

16) HStA. Loc. L0331, Ander Buch Bl. 27, 32.

1(J) Ebenda Bl. 6. Auf dies Gesuch wurde der Verfasser durch Herrn Oberlehrer Dr. Wolf in Annaberg aufmerksam gemacht. l!ci seinen vertriebenen Landsleuten stand Martin Schmertosch in grofsem Ansehen. In ein um 1630 in Pirna angelegtes Wappenbuch der böhmischen Exulanten, das sich gegenwärtig im Kirchenarchiv zu Striesen befindet, hat auch er, wie viel vornehme Exulanten aus Böhmen, zugleich mit einer Geldspende seinen Namen eingezeichnet. 1633 stellte ihm in Liegnitz als seinem „besonders Lieben" der durch den böhmischen Aufstand so bekannte Graf Heinrich Matthias von Tburn als „Commandant General" in Schlesien einen Pafs aus, der „allen Königl. Schwed. hohen und niederen Kriegsofhciren , auch dem Sodatesca zu Rofs und Fufs unter seinem Commando in Schlesien" anbefahl, sowie „die Chursächsischen, und Churbranden- burg., ingleichen alle andern Königl. Schwed. Officirer und Soldaten, wie auch alle Beamte in Städten, Märkten und Flecken und sonst iedermänniglich" dienstfreundlich ersuchte, Martin Schmertosch von Kiesenthal „sammt bei sich habenden Kindern und Gesinde, Pferden,

Vertriebene Protestanten in Leipzig- unter Johann Georg- I. 275

sich zunächst nach Torgau, kehrte aber nach der Schlacht bei Breitenfeld unter dem Schutze der sächsischen Waffen auf kurze Zeit in die Heimat zurück. Da er hierbei von seinem zurückgelassenen Vermögen und seinen Häusern in Prag Besitz ergriffen hatte, wurde er 1634 durch die friedländische Konfiskation seines Vermögens für ver- lustig erklärt17). Seinen Aufenthalt nahm er seit jener Zeit wesentlich in Leipzig, wo er sich des besonderen Schutzes der kurfürstlichen Regierung erfreute. Als 1635 seine jüngste Tochter Ludomilla, die mit freiem Geleit, das man ihr ausdrücklich bei den Landoffizieren und dem Statthalter der Krone Böhmen ausgewirkt hatte, nach dem Tode ihrer Großeltern an der Rückkehr von Prag nach Leipzig gehindert wurde , fürchtete der Vater wohl mit Recht, daß seine Tochter „zum Abfall und Heiratung einer der Pabstischen Religion zugethanen Person ge- nötigt werden" solle; er wendete sich deshalb an den Kurfürsten mit der Bitte um seine Fürsprache bei der böhmischen Statthalterschaft18). In der That wurde Ludomilla von der Gewissensbedrängnis und der ver- halsten Heirat befreit. Sie starb 1661 in Leipzig unver- mählt10). Zweimal verwendete sich auch der Kurfürst für Rückgabe des der Familie entrissenen Vermögens. Das erste Mal 1638 berief er sich auf die Artikel des Prager Friedensschlusses und bat die Statthalter in Böhmen, demgemäß Martin Schmertosch mit der unver- schuldeten Konfiskation zu verschonen. Das zweite Mal

Wüsten und allen Sachen" überall ungehindert passieren zu lassen. Interesse bietet dieser Pafs auch deshalb, weil darin der Graf Thurn Freiherr zu Yalsassina und Creuz, Herr auf Welisch, Winteritz, Göttnig und Lofsdorf genannt wird, also Herr auf Besitzungen, nach denen Gindely (I, 1, 91) vergebens forschte (HStA. a. a. 0. Bl. 15). Erhalten ist auch in einem Striesener Kirchenbuche vom Jahre 1650 ein Dankschreiben in böhmischer Sprache an den „wohlgebornen Herrn Martin Schmertosch von Riesenthal." In demselben dankt ihm die damals neubegründete böhmische Gemeinde in Dresden für Übersendung eines von einem schwedischen Oberst gestifteten Altar- kelchs und bittet ihn, in Leipzig der armen Landsleute nicht zu ver- gessen (Striesener Kirchenb. 1650 Bl. 23).

17) Th. v. Bilek, Dejiny Konfiskaci v Cechach pro R. 1618. II, 820, 984 fr.

18) HStA. Loc. 10332, Beb. 4, Bl. 11.

1!)) Unter den wenigen Familienerbstücken, die sie in den letzten Jahren ihres Lebens sorgsam gehütet hatte, befanden sich neben den Bildern ihrer Grofseltern und ihres Vaters auch „ein Bild in Wachs der König in Schweden" und „ein gestücktes Bild neulichst ver- storbene Churfürstin in Sachsen". LRA. Tit. LIX, 401 , Bl. 47 ff.

18*

276 Richard Schmertosch:

1650 empfahl er seinen Schützling direkt der kaiserlichen Gnade und bat, demselben, da er ,,sich sonsten die ganze Zeit seiner Aufenthaltung in Leipzig inhalts Ratszeugnis aller unverweislichen Gebühr bezeiget, zu seiner recht- mäßigen Befugnis ohne Weitläufigkeit zu verhelfen"20). Beide Schreiben, sowie auch die späteren Gesuche der Familie blieben ohne Erfolg'21). Schmertosch wurde

1651 „auf Churfürstl. Durchl. zu Sachs, gnädigste Per- mission" Bürger in Leipzig und kaufte mit dem geringen Überreste seines Vermögens ein Haus in der Katharinen- straise2'2).

Schon Pescheck erwähnt als Exulanten in Leipzig den kaiserlichen Hofapotheker Martin Schörckel, der die Salomoapotheke erwarb23) und die Brüder David und Daniel Lehmann, die in der Hallischen Gasse und im Brühl sich ankauften24). Auch sie, sowie ein Schuh- macher, Georg Heydorn, kamen aus Prag, wurden aber schon 1628 Leipziger Bürger.

Nächst der Landeshauptstadt Böhmens war schon früh Stadt und Kreis Eger durch Handelsstraßen mit Leipzig verbunden. Ja, Leipzig hatte, seitdem 1564 in Eger die augsburgische Konfession durch den sächsischen Kurfürsten August eingeführt war25), durch seine Uni- versität nicht unbedeutenden Einflufs in jenen Gegenden

20) HStA. Genealogica „Riesenthal" Loc. 11351.

21) In seinem 1649 verfafsten Testamente, das sich im Leipziger Ratsarchive befindet (Test. v. J. 1654, V, 77), hofft M. Seh. noch, dafs, „was anbelanget liegende bewegliche vnd imbewegliche Gründe so- wohl an Schulden und Erbschaften im Königreich Beheim, Ihre Rom. Kai: Maje. gegen seine armen Unterthanen Ihr Herz wenden" werde. Diese Hoffnung blieb unerfüllt. Als 1661 der Vormund zweier unmündiger Söhne des Vertriebenen bei der Leipziger Universität anfragte, ob es rätlich sei, in betreff der Erbschaften in Böhmen einen Prozefs anzustrengen, riet man ihm ab, weil die Schulden, Güter und Immobilien von der kaiserlichen Majestät eingezogen seien und trotz Aufwendung grofser Unkosten bis dato nirgends etwas hinzuzubringen gewesen sei (LRA. Tit. LIX, 401, Bl. 75 ff).

22) LRA. Bürgerreehtsprot. 1639-1682, Bl. 69. Barthel H, 161.

23) Vergl. über ihn des Verfassers Artikel : Ein böhm. Exul. in Leipzig z. Z. d. dreifsigj. Krieges in der Wissensch. Beil. d. Leipz. Zeitung 1894, No. 102.

24) LRA. Barthel II, 128b, 130, 108.

BB) Er hatte zur ersten evangelischen Predigt einen lutherischen Prediger „auf etlich Monat hergeliehen", HStA. Loc. 8752, Intercess. 1635 und 1636, Bl. 55. Es war dies Augusts Stipendiar, der Magister Hieronymus Thilesius. Vergl. H. Gradl in den Jahrb. d. Ges. f. d. Gesch. d. Prot, in Österreich XI, 188 ff.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 21 ?

erlangt. War doch die Besetzung der lutherischen Pfarr- stellen wohl meist von Leipzig aus erfolgt! Noch nach dem westfälischen Friedensschlüsse beschwerte sich das Leipziger Konsistorium bei seinem Kurfürsten über die Katholisierung der über 100 Jahre lang zu Kursachsen eingepfarrten böhmischen Grenzdörfer Ottengrün, Förders- reuth und Fleifsen, sowie des Grenzstädtchens Asch, das „mit seinen zugehörigen dreien Pfarrern alhie bei Ihrer Churf. Durchl. Consistorio die Ordination und Confirmation bis- hero gesuchet und recht empfangen" habe26). Schon 1635 finden wir die egerischen Exulanten in Leipzig ver- treten27). Ihr früherer Diakonus M. Ägidius Brandner, der kursächsischer Feldprediger geworden war, über- reichte nämlich hier dem Kurfürsten ein Bittschreiben, in dem die Exulanten denselben um seine Verwendung für Wiedererlangung der ihnen 1629 entrissenen Religions- freiheit und Aufhebung der vom Kaiser über sie ver- hängten Güterkoniiskationen baten. In diesem Gesuche erinnern sie an die alte Reichsunmittelbarkeit der Stadt Eger'2S), an die Zusicherung freier Religionsübung durch Kaiser Maximilian IL und endlich an die Versprechungen, die ihnen der Kurfürst Johann Georg selbst nach ihrer freiwilligen Unterwerfung 1620 und 1621 als kaiserlicher Kiiegskommissar gemacht habe. Zwar wären sie 1631 mit den kursächsischen Truppen in die Heimat zurück- gekehrt, hätten aber nicht Besitz von ihren Gütern er- griffen, sondern hätten nach kurzem Aufenthalte die Stadt wieder verlassen. Hierauf antwortete der Kurfürst aus- weichend, er glaube nicht, dafs das erbetene Intercessions- schreiben beim Kaiser den gewünschten Erfolg haben würde; er wolle aber mit dem noch in Leipzig zu er- wartenden kaiserlichen Gesandten, mit welchem „man noch wegen etlicher sonderlichen Ort, quoad Religionis exercitium, zu tractirn hätte", auch über die Stadt Eger

26) HStA. Loc. 10332. 5. Bch. Bl. 108 ff. Für Asch und Fleifsen war in der That die kurfürstliche Verwendung von Erfolg. Beide Orte sind die einzigen evangelischen Kirchengemeinden im Westen der österreichischen Lande, in denen sich die evangelische Lehre im 17. Jahrhundert forterhielt. Vergl. Gradl a a. 0. S. 165.

27) Sie selbst hatten sich meist nach Wunsiedel unter den Schutz des Markgrafen Christian von Brandenburg geflüchtet. Ihre Zahl wird auf 600 angegeben. HStA. Loc. 8752 a. a. 0.

28) 1315 war Eger von Ludwig dem Baiern für 20000 Mark Silber mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Wiedereinlösung an die Krone Böhmen verpfändet worden. (HStA. a. a. 0.)

278 Richard Schmertosch :

und deren Exulanten verhandeln. Da aber die kurfürst- liche Verwendung erfolglos blieb, oder wenigstens auf sich warten liefs, reiste 1636 ein vornehmer Mann aus ihrer Mitte, Wolf Adam Pachelbl, selbst nach Leipzig. Dieser war vor 1629 Ratsmitglied in Eger und bei dem Einfalle der Sachsen in Böhmen im Jahre 1631 kur- sächsischer Kriegskommissar im Egerer und Ellbogener Kreise gewesen'29). Doch fand er in Leipzig den Kur- fürsten, der damals Vorbereitungen zum Kampfe gegen die Schweden traf, nicht mehr vor. Er gab deshalb im Januar 1636 einem Advokaten, Dr. Meyer, den Auftrag, den kursächsischen Geheimrat Dr. Johann Timäus in Wittenberg zur Abfassung des gewünschten Intercessions- schreibens an den Kaiser zu veranlassen und es dem Kurfürsten zur Unterschrift zu unterbreiten. Die kur- fürstliche Intercession erfolgte denn auch wirklich am 16. Mai von Grofsen-Saaz aus. Doch fruchtete sie nichts bei der Unduldsamkeit des bigotten kaiserlichen Hofes; ebensowenig halfen den aus Eger Vertriebenen die zu Gunsten des Kaisers so dehnbaren Amnestiebestimmungen des Prager Friedens80).

Vergeblich blieben auch alle Bemühungen der egerischen Exulanten, durch den westfälischen Friedensschluß das Verlorene wiederzuerlangen81). Wieder ist es Leipzig, wo ein als Nürnberger Handelsmann reich gewordener Exulant aus Eger, Johann Riedel, der später in Leipzig starb32), keine Mühen und Kosten scheute, um bei den Friedensunterhandlungen seiner Vaterstadt die Religions- freiheit wieder zu verschaffen. Hatte er doch sogar bei der 1647 erfolgten Besetzung Egers durch die Schweden, die von diesen eingesetzten protestantischen Geistlichen aus eigenen Mitteln besoldet88)!

29) Über ihn vergl. Th. Bilek in den Mitt. d. Ver. f. Gesell, d. Deutschen in Böhmen XXIII, 392, 395 f.

*) HStA. a. a. 0. Londorp IV, 470, 568.

31) Ein kurfürstl. Intercessionsschreihen für Eger vom Jahre 1649 findet sich HStA. Loc. 8750, Intercessionales de annis L638 usque 1651, Bl. 108.

32) Stepner n. 139.

:1;) Sachs. Curiositäten-Cabinet vom Jahre 1762. S. 57ff. Pescheok a.a.O. L640 wurde der .luwelicr (Jeorg Opitz aus Ky-cr Leipziger Bürger. Er vermittelte 1650 die Übersendung von lOOThalern, die der Administrator von Magdeburg, Prinz August von Sachsen, der Exulantengemeinde in Dresden spendete. (Striesener Kirchen- archiv N 12 A 2a Bl. 27 f.) Pe sc heck (S. 26 Anm.) las Opinger für

Vertriebene Protestanten in Leipzig- unter Johann Georg I. 279

Aber nicht nur die österreichischen Erzherzogtümer und das Königreich Böhmen, auch die übrigen Besitzungen des Hauses Habsburg entsandten glaubenstreue Pro- testanten nach Leipzig. In den Bürgerlisten lassen sich noch Mähren, Tirol, die Landgrafschaft Vorarlberg und vor allem die schlesischen Herzogtümer als Heimat neu- aufgenommener Bürger . erweisen. Gerade Schlesien hatte trotz des Dresdner Vertrages vom Jahre 16^1, der dem Lande freie Religionsübung zusicherte, entsetzlich unter der Gegenreformation leiden müssen. Bitter beschwerten sich in Osnabrück 1646 die evangelischen Stände Schlesiens, die fürchten mufsten, durch den Friedensschluß auch noch den letzten Eest von Religionsfreiheit zu verlieren, über die ihnen angethane Vergewaltigung. Auf ganz unerhörte Weise habe man mit Hilfe des Lichtensteiner Regiments, das sie selber hätten besolden müssen, die Reformation in den Fürstentümern Grofs-Glogau, Schweidnitz, Jauer und Münsterberg begonnen und sie teils durch grolse Marter, Qual und Peinigung, teils durch Furcht, Angst und Schrecken, teils auch wegen des Unverstandes und der Unwissenheit der Leute durchgeführt. Trotzdem hätten viele ihren erzwungenen Übertritt bereut und seien schließlich lieber ins Exil gewandert. Nur kurze Hilfe habe die sächsische Armee gebracht; nach dem Prager Frieden, der auf des Kurfürsten Vermittelung nur einigen Teilen Schlesiens Glaubensfreiheit zusicherte, habe der Gewissenszwang von neuem begonnen. Die einzige ihnen gegönnte Wohlthat, die der Auswanderung, habe man ihnen durch harte Bedingungen, wie Erlegung von hohem Abfahrtsgeld, Zurücklassung aller unmündigen Kinder, Erlegung von Auferziehungsgeld für diese und anderes mehr beinah unannehmbar gemacht34).

Opitz. Aufser den bereits Genannten linden sich in den Leipziger Bürgerlisten noch folgende Namen von Leuten, die aus Böhmen stammten: Schmidt, Saudisch, Rudell, Schultze, Schepke, Rost, Jäckell, Betzold, Teigler, Hütter, Petrens, Härtung, Vater, Hertel, Wildtmeister, Fischer, Kleinau, Steiniger, Ilke und Teubner.

u) Londorp VI, 61 ff. Aus Schlesien stammten in den Jahren 1627—1657 nach den Bürgerlisten folgende Leipziger Bürger: Arnold, Buhl, Trapus, Stenzel, Schmidt, Nitzschke, Leupold, Conrad, Schneider, Fülleborn, Philippi, Klein, Schüpel, Heinicke, Blümich, Teubell, Seyfert, Treibisius, Heinz, Heinze, Liebichen, Bühlmann, Prietz. Davon stammt allerdings ein nicht unbedeutender Teil aus Breslau, das nicht so sehr von der Gegenreformation zu leiden hatte. Aus Mähren kamen nach Leipzig und wurden Bürger: Linerdt, Gschiepler, Gabriel; aus Tirol Höltzel; aus Vorarlberg Dollinger.

280 Richard Schmertosch:

Doch waren es die Besitzungen des Hauses Habs- burg nicht allein, in denen damals die Gegenreformation wütete, auch auf anderen deutschen Gegenden lastete ein harter Glaubensdruck86). Schwer zu hülsen hatten die Länder des unglücklichen Friedrich von der Pfalz für den Ehrgeiz ihres Fürsten. In der Rheinpfalz wurden schon zu Anfang des Krieges die protestantischen Geist- lichen vertrieben und die Unterthanen zum Katholicismus gezwungen36). Auch in der Oberpfalz betrieb 1(>28 der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, der bereits in seinen neugewonnenen Ländern Jülich und Berg die Gegenreformation durchgeführt hatte"7), die Ausrottung des Luthertums mit vieler Gewalt. Die Kirchen- und Schuldiener wurden vertrieben und die Protestanten durch Einquartierung von Soldaten zum Übertritt oder zur Aus- wanderung gezwungen88). Ähnlich hausten im folgenden Jahre ligistische Reiter in dem Gebiete der freien Reichs- stadt Nürnberg39). Am schlimmsten aber ging es den süddeutschen Protestanten nach der Schlacht bei Nörd- lingen. Schutzlos war vor allem Pranken, wo sich der jugendlich kühne Vorkämpfer des Protestantismus Bern- hard von Weimar ein eigenes Herzogtum erobert hatte, der katholischen Reaktion preisgegeben. In jener Zeit erfolgte ein ganz bedeutender Zuzug aus jenen Gegenden nach Leipzig. Ganz auffällig wächst in den Totenlisten die Zahl der Gestorbenen aus der Oberpfalz, dem nürn- berger Gebiet, Ansbach-Baireuth und dem übrigen Franken. Meist Frauen und Kinder waren es, die den Mühsalen der Flucht im Lazarett erlagen. Auch sonst noch läfst

35) 1634 konnte sich der Klipper Joseph Sallmever aus München wegen der Gefahr für seine evangelische .Religion hei Erlangung des Bürgerrechts keinen Geburtsschein aus seiner Heimat verschaffen. Ähnliches wird in demselben Jahre von dem Gürtler Veit Hopff aus dem Erzbistum Salzburg in den Bürgerlisten berichtet.

36J Vergl. das Intercessionsschreiben König Jakobs von England für die Stadt Frankenthal. Londorp I, 1121.

37) Wahrscheinlich hatten sich infolgedessen aus .Jülich der Kaufmann Heinrich Blot, der Weinschenk Hans Rothrumpf und der Handelsmann Thomas Braunigk nach Leipzig gewendet. Der erste starb hier 1621, die beiden andern wurden 16:22 Bürger. Aus der herrischen Hauptstadt Lennep stammte der reiche Tnchhändler Johann von der Burgk, der 1668 als Leipziger Ratsmitglied und Besitzer des Rittergutes Stötteritz starb (Stepner n. 1495).

38) Londorp VI, 471, 474. Walch, Geschichte d. luth. Relig. S. 522.

39) K. v. Murr, Nürnberger Amialen S. 31. Londorp VI, 454

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 281

sich seit 1634 der Aufenthalt geflüchteter Familien, die nicht zum wenigsten aus Nürnberg kamen, in Leipzig nachweisen40) . Wie die Stadt Nürnberg, der starke Ringmauern allein Schutz gegen die Übermacht der Katholiken boten, so kamen auch die übrigen süddeutschen Reichsstädte in die Gefahr, die ihnen im Augsburger Religionsfrieden so hochbeteuerte Religionsfreiheit zu verlieren. Seit 1628 drohte diese Gefahr der freien Reichsstadt Lindau am Bodensee. Eine Bewegung in der Bürgerschaft zu Gunsten eines protestantischen Predigers hatte der kaiserlichen Regierung einen erwünschten Anlafs gegeben, in die Stadt eine österreichische Besatzung zu legen, die darin bis zum Friedensschlüsse verblieb. Durch die kaiserlichen Bevollmächtigten, den Bischof von Constanz und den Grafen von Montfort, wurde die Bürgerschaft entwaffnet und die reichsstädtische Verwaltung übernommen. Zu gleicher Zeit wurde der Stadt ihr Gebiet abgesprochen, dasselbe gewaltsam reformiert und der Stadt selbst die Aufnahme Katholischer zu Bürgern anbefohlen41). Kräftig unterstützt wurde diese Reaktion durch die in Lindau selbst sefshafte Fürstäbtissin des freiweltlichen Damen- stiftes Lindau. Sie selbst brachte zwei Jesuiten in die Stadt; auch die Kapuziner, die früher ausgewandert waren, wurden zurückgerufen42). In dieser bedrängnis- vollen Zeit wanderten protestantische Familien aus. . In Leipzig finden wir den reichen Lindauer Handelsherrn Andreas Egger, der mit der angesehenen Leipziger Fa- milie Scherl verschwägert war. Seit 1639 wurde er wiederholt vom Rate „zum Bürgerrecht erfordert", weigerte sich aber beständig es anzunehmen, weil er gesonnen sei „sich wiederumb in sein Vaterland zu begeben." Erst 1653, nachdem er schon in Leipzig Grundbesitz erworben hatte, wurde er Bürger43). Ein anderer Lindauer, der

40) Vergl. die Kirchenbücher der Thomas- nnd Nikolaikirche auf der Leipz. Ratsbibliothek 1635—1636.

4|) G. Reinwald, Die Reichsstadt Lindau und ihre Nachbarn. HStA.Loc.9215 Die kaiserliche Einquartierung in Bregenz und Lindau.

42) Ebenda Loc. 7394 Churfürstentag zu Nürnberg 1640 B1.318 ff. und Loc. 10156 Die Restitution, so vermöge des allgemeinen Reichs- friedens 1651—1657.

43) L. Rb. 1641 Bl. 93 u. öfter. Barth el II, 158, 216. Stepner n. 1140. In Lindau mufste 1628 auf kaiserlichen Befehl eines „ge- wesenen Bürgers Andreae Eggers Behausung und Gut daselbst in der Insel gelegen" den Kapuzinern zur Erbauung eines Klosters käuflich überlassen werden. HStA. Loc. 7394 a. a. 0. Bl. 406 f.

232 Richard Schmertosch:

Kramer Hans Jacob Jäger, nahm ebenfalls nach längerem Weigern erst 1645 das Leipziger Bürgerrecht an und kaufte bald darauf zwei Häuser in der Grimmischen Gasse44). Gar erst 1648 erlegte der Handelsmann Emanuel Eekold aus vornehmem Lindauer Geschlecht10) „für bisher vertagtes Schutzgeld und das Bürgerrecht " 60 Reichsthaler und ersuchte den Rat ihn mit Vormund- schaften und Einquartierungen zu verschonen, weil er viel Kinder hätte und ein alter Mann wäre. Auch er war vermögend und erwarb Haus und Hof in derKatha- rinenstralse. Zugleich kaufte er einen Schwibbogen als Erbbegräbnis auf dem Leipziger Friedhofe, wo er zwei Jahre darauf fern von der Heimat beerdigt wurde. Seinen Grabstein zierte der Bibelspruch: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein46)?

Kamen so schon aus Lindau Flüchtlinge nach Leipzig, wie grofs mufste erst die Zahl derer sein, die aus Augs- burg sich hierhin wendeten, das doch von allen süd- deutschen Reichsstädten am meisten durch die Gegen- reformation zu leiden hatte? Als unter dem nichtigen Vorwande, Augsburg habe bei der Errichtung des Re- ligionsfriedens unter der Gerichtsbarkeit des Bischofs von Augsburg gestanden, die Stadt zur Nachtzeit besetzt worden war und die Evangelischen auf alle Weise be- drängt wurden47), begann auch hier trotz aller Er-

") Barthel I, 176 f.

'"') Ein Aniadeus Eggolt war 1649 Bürgermeister von Lindau. Londorp VI, 531. Unter seiner Regierung wurden dieser Reichs- stadt die vom Haus Österreich ihr entrissenen Rechte zurückgegeben. Ebenda 454, 525 ff.

16) LRA. XXXIV, 5. li. Rh. 1652 El. 54 u. 243. Barthel II, L67. Stepner n. 1008.

41) Über diese Besetzung berichtet ein Schreiben aus Augsburg an den sächsischen Kurfürsten vom 10. August 1629 folgendes: „Nachdem das Bischof liehe Volck bey Nachts Zeitten (wie mau dar- tiir helt nahmt bey 1000 Mann) inn die Stadt gelafsen, die Thor. Thüren vnd fürnembsten gaJaen damit besetzt, vnd vier vnd zwantzig Gralgen hin vnd her inn der Stadt aufgerichtet worden, hatt man nochmahls ernstlich befohlen, sieh allen Zusammenkunnften Bey Leib vnd Lebensstraf gentzlichen zu enthalten. Wie dann die ga&en bey Tau' vnd Nacht stank beritten, vnd da mau nur zwey oder drey Personen bey sammen findet, dieselbenn von einander geiagt vnd inn die 1 1 au fser geschafft worden. Es seind albereit viel Ehrliche Leuthe im/, vnvcrsehuldter weise, vnd nur aufs bloisem Argwohn gefäng- lich eingezogen, ihnen wie den gröfsten Vbelthätern die Hände ge- bunden vnd in die Elisen geschlagen wordenn." Dann heilst es weiter: ..Sollten wir aber Ja wider alles verhoffen die Emigration

Vertriebene Protestanten in Leipzig anter Johann Georg- I. :>s';}

schwerungen durch kaiserliche Edikte die Auswanderung der Protestanten. Wohl nicht zufällig- erwarben 1629 zwei Handelsleute aus Augsburg, Johann und Baptista Garben, ein Haus in Leipzig18). 1631 richtete der Augs- burger Exulant David Grüner ein Schreiben folgenden Inhalts an den sächsischen Kurfürsten: Er habe als ein sechzigjähriger Mann um Gottes Wortes und der Augs- burger Konfession willen mit Weib und Kind seine Heimatsstadt verlassen, habe seine geringe Hab und Güter allda mit grolsem Verluste veräufsern müssen und sich nach Leipzig einen so weiten Weg mit Aufwendung grofsen Fuhrlohns und Zehrungsunkosten begeben. Trotz- dem wolle man ihn hier, obgleich er nur durch W echsel- schliefsen an den Messen sich etwas zu verdienen suche, zur Annahme des Bürgerrechts oder zur Erlegung von Schutzgeld zwingen. Er bittet ihn mit beiden zu ver- schonen, da er „schlechtes Vermögens" sei und bisher alle ihm auferlegten Lasten willig getragen habe49). In demselben Jahre erschien auf dem Leipziger Fürstentage als Vertreter der Protestanten in Augsburg Dr. Johann Ulrich Kechlinger. Er stammte aus einer hochangesehenen evangelischen Patrizierfamilie Augsburgs und war als Anwalt aufs eifrigste für seine in seiner Vaterstadt unter- drückten Glaubensgenossen thätig50). Schon 1629 hatte er mit anderen Abgeordneten der evangelischen Rats- verwandten den Kurfürsten in Dresden um seine Für- sprache beim Kaiser gebeten, im März des nächsten Jahres war er im Auftrage der evangelischen Bürger- schaft Augsburgs an den kaiserlichen Hof geschickt

ann die Hand nehmen müfsen, vnd vnser liebes Vaterland verlafsen, So wifsen wir vns auch im gantzen .Römischen Reich vnter keine andere protection als vnter Ihr. Churf. Durchl. zu begeben, vnd hoffen es werde vnter dem Hochlobl. Rauttenkrantz das liebe Wortt Gottes ferner grünen vnd blühen." HStA. Loc. 10150 Erstes Buch, Refor- mation in der Stadt Augsburg.

4S) Bart hei I, 159.

40) HStA. Loc. 10331. 3. Bch. Bl. 455.

50) Vogel, Annal. S. 416 nennt ihn Rehlinger. Rechlinger unterschreibt er sich selbst in den Akten des Dresdner Staatsarchivs. Ein Bürgermeister Wolf Rehlinger hatte 1534 die Reformation in Augsburg durchgeführt. (Ranke, Deutsche Geschichte III, 487.) 1629 wird ein Bernhard Rehlinger als Stadtpfieger, ein Karl Reh- linger als unterer Schulherr und ein Sebastian Christoph Rehlinger als Bürgermeister von Augsburg erwähnt. HStA. Loc. 10 150 a. a. 0. 1650 wird die Familie ausdrücklich unter den zu restituierenden Evan- gelischen in den Reichstagsakten genannt. Londorp VI, 588.

■>s\ Richard Schmertosch:

worden, und am Ende dieses Jahres weilte er schon wieder in Sachsen. Hier erhielt er zu Annaburg vom Kurfürsten die Zusage, dafs er keine Gelegenheit vorüber- gehen lassen werde, wo er „zu Verhütung der Evan- gelischen Stände äußersten Ruin, unverletzten Gewissens, Ehre und Namens ichtwas werde cooperiren und ver- richten können", allerdings mit dem wenig ermutigenden Zusätze: „so gegen Gott, der werthen Posterität, aller- höchstgedachter Ihrer Kai. Mt. als dem Oberhaupt und sonst nach Ausweisung des heiligen Reichs Constitutionen und Satzungen zu verantworten sein wird51)." Wohl auf Rechlingers Bemühungen hin wird in der Protestations- schrift der in Leipzig versammelten evangelischen Reich s- stände der evangelischen Bürgerschaft zu Augsburg aus- drücklich gedacht und vom Kaiser neben der Zurücknahme des Restitutionsediktes auch die Wiedereinsetzung der- selben in Kirchen, Schulen und alles andere, so ihr ent- zogen sei, verlangt52). Doch blieb auch dies Schreiben, wie drei von Johann Georg schon vorher für Augsburg eingeschickte Intercessionen, ganz ohne Erfolg, ja Fer- dinand II., der noch auf der Höhe seiner Macht stand, dekretierte wie zum Hohn für die in Leipzig protestie- renden Reichsstände gerade jetzt die Absetzung der unkatholischen Ratsmitglieder der freien. Reichsstadt Augsburg515). Erst das Erscheinen des thatkräftigen Schwedenkönigs Gustav Adolf in Süddeutschland sollte den Protestanten Augsburgs die heifsersehnte Hilfe bringen.

Um so schlimmer wurde ihre Lage im Jahre 1(535, als die Kaiserlichen nach längerer Belagerung, während Hunger und Pest schrecklich in der Stadt wüteten, sie von neuem besetzten. Wieder wurden die Kirchen und Schulen der Evangelischen sowie die Hospital-, Blattern-, Siech-, Findel- und Waisenhäuser, die meist durch pro- testantische Stiftungen gegründet waren, den Katholiken übergeben, der protestantische Rat wurde ganz, die evangelischen Prediger bis auf zwei abgeschafft, die nun den Gottesdienst unter freiem Himmel halten muteten. Die protestantische Bürgerschaft aber wurde durch Kon- tributionen und Einquartierung so arg gequält, dals ganze

51) HStA. Loc. 10151 Ander Buch Augspurgischer Sachen. r>2) London» IV. 137. 5S) Ebenda 219.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 285

Haushaltungen verlassen wurden. Rechlinger ist wiederum der Abgesandte, der am Dresdner Hofe die traurige Lage seiner Glaubensgenossen in düstern Farben schildert 54). Obwohl man, wahrscheinlich wegen der beträchtlichen Abnahme der Bevölkerung55), diesmal den Abzug der Evangelischen zu hindern suchte, scheinen doch wieder einige nach Leipzig geflüchtet zu sein. Als hier in den vierziger Jahren der Augsburger Johann Philipp Schöller, der sich schon 1636 in Leipzig vermählt hatte, ver- schiedene Male vom Leipziger Rate zur Annahme des Bürgerrechtes aufgefordert wurde, entschuldigte er sich, dafs er sich nur als Exulant in dem lutherischen Sachsen aufhalte und noch auf Rückkehr in die Heimat hoffe56). Noch 1648 bat er wenigstens um Frist bis nach dem Friedensschlüsse. Erst als ihm hierauf der Rat ernstlich mit Ausweisung aus der Stadt drohte, wenn er binnen sechs Wochen nicht Bürger geworden sei, leistete er am 20. Mai den Bürgereid. So wurde er an Leipzig ge- fesselt, während bald darauf in Augsburg trotz der ent- schiedenen Weigerung des katholischen Rates die Evan- gelischen dem westfälischen Friedensschlüsse gemäfs in ihre Rechte wiedereingesetzt wurden57). Ein Jahr vorher war in Leipzig der Spielmann Georg Pötz Bürger ge- worden. Vor dem Rate hatte er hierbei ausgesagt, sein Geburtsbrief liege in Augsburg in der Kirche, er könne ihn nicht eher erlangen, es werde denn der Rat daselbst wieder halb lutherisch. Gestorben sind in Leipzig 1631—37 vierzehn Augsburger beiderlei Geschlechts.

War nicht so Leipzig in der That „des Landes bestes Asylum und armer Verjagter, Dürftiger und Kranker Apothek und Brotkammer''58)? Gewifs war die Zahl derer, die während des Krieges in Leipzig Schutz suchten

w) HStA. Loc. 10151 Augspurgische Confessions Verwandte Bürger zu Augspurg ao. 1635—41. Ein Schreiben an den Kurfürsten schliefst mit den verzweiflungsvollen Worten: „Gott komme uns zu Hülfe entweder mit einem selig Abstündlein oder mit dem lieben jüngsten Tag."

55) Am 23. September 1635 schreibt der kurfürstliche Agent am Wiener Hofe Friedrich Lebzelter seinem Kurfürsten: man habe ihm mitgeteilt, dafs von 90000 Seelen, die vor wenig Jahren und, ehe der Krieg nach Augsburg gekommen, dort vorhanden gewesen, nicht 18000 mehr da seien. HStA. Loc. 8239 Friedrich Lebzelters Berichte von Wien 1626-1636 Bl. 177 ff.

56) LRA. Bürgerrechtsprot. 1639—1682 Bl. 7 ff.

57) Londorp VI, 378, 450, 478 ff.

58) Grofse, Geschichte Leipzigs II, 256.

286 Richard Schmertosch:

und fanden, nicht unbedeutend, und nicht unwahrscheinlich ist die Angabe des Leipziger Chronisten Vogel, dals am 13. Juni 1637 allein 831 Personen, welche von Haus und Hof vertrieben waren, darunter 300 Kranke, auf dem Leipziger Friedhofe unter dem Schwibbogen sich auf- hielten. Sicher stammten sie nicht blofs aus der Land- bevölkerung der Leipziger Umgegend. Trotz alledem ist die Zahl der vertriebenen Protestanten, die nach Leipzig kamen und dort ansässig wurden, gering im Vergleich mit der grofsen Menge von Exulanten, die zu derselben Zeit andere sächsische Städte zum teil für immer auf- nahmen59). Der Grund hierzu ist, abgesehen davon, dals die zahlreichen böhmischen Exulanten sich am liebsten in der Nähe der Grenzen ihrer Heimat aufhielten, haupt- sächlich in den unheilvollen Kriegsstürmen zu suchen, die besonders seit 1631 über das weite Völkerschlachtfeld bei Leipzig und über die Stadt selbst dahinbrausten. Fünf Belagerungen durch die Kaiserlichen und die Schweden, die den Handel störten und den Meisverkehr hemmten60), Teuerung und die Pest61), die entsetzlichste Begleiterin des Krieges, machten Leipzig zu keinem anziehenden Aufenthaltsort. Dazu kamen schwerlastende Einquartie- rungen und harte Kontributionen, die unter den verschie- densten Namen von der Bürgerschaft erpreist wurden62). Ja, die Kriegsnot zwang sogar dazu, die Bürger zur Verteidigung der Stadt in Fähnlein einzureihen63). Kein Wunder, wenn infolge dieser Kriegsdrangsale 1632 nur 12, 1637 nur 21, 1643 nur 19 Bürger wurden und 1644

59) 1629 befanden sich in Dresden 58 Exulanten, in Freiberg 518 und in Pirna 2123! 1636 waren 642 fremde Leute aus Böhmen, Mähren und Osterreich in Dresden, davon waren 1637 allein 90 Bürger geworden. Vergl. die Exulantenlisten HStA. Loc. 10 331, 2. u. 3. Beb.., Loc. 10 332, 4 Beb.

00) Hasse, Geschichte der Leipziger Messen S. 109 ff.

01) Nach Vogel starben 1634 1390, 163*3 innerhalb dreier Monate 2500 Personen. Vergl. auch K napp , Ältere Nachrichten über Leipzigs Bevölkerung 1595— 1849 in: Mitt, d. Statist. Bureau d. Stadt Leipzig VI, 1872.

02) „Courtesie-, Disactions- oder Contributionsgelder" mnfsten 1632 und 1633 an die kaiserlichen Generäle Wallenstein und Holcke (L. Rb. 1637 Bl. 3), Rantion, Contribution, Servisgelder, Schanz- und Baukosten 1643 an Torstenson gezahlt werden. Vom 5. Dezember L642 bis Ende des Jahres 1643 hatten die Schweden allein 211719 Thlr. er- preßt. HStA. Loc. 9261. Differentien zw. dem Bat und der Bürger schafi zu Leipzig Bl. 154.

,,:;) L. St. Bill. Leichenpredigt-Saml. H. Sax. 350e. 1195.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 287

überhaupt niemand mehr das Bürgerrecht annehmen wollte! Sicher hat dies alles viel Fremde von Leipzig ferngehalten oder gar bald wieder aus der Stadt ver- scheucht. Im März 1635 schrieb der Prager Exulant Martin Schmertosch nach Dresden an den ihm persönlich bekannten früheren Agenten des Kurfürsten in Prag- Friedrich Lebzelter, dafs man trotz eines kurfürstlichen Befehls an den Rat, sich „gegen ihn der Gebühr zu be- zeigen", ihn mit schweren Kontributionen ärger als die Bürgerschaft plage; so habe er jetzt aufs neue innerhalb 14 Tagen über 40 "Reichsthaler erlegen müssen ohne alle Ursache, nur blofs dafs er sein Feuer halte. Ja, man habe ihm sogar auf dem Rathause angedroht, falls er es nicht erlege, ihn zu arretieren und in seine Stube Tri- buliersoldaten zu legen. Schon beinah 500 Reichsthaler habe die Not von ihm ausgepreist. Nur an den Messen wolle er Handel treiben64), sonst aber von seinem Gelde zehren. Die Leipziger wülsten auch sehr wohl, dafs zwischen den Märkten gar nichts zu thun sei; es wäre nur Hals und Neid, dafs sie ihn gern aus der Stadt haben und treiben wollten. Lebzelter möge ihm sicher glauben, wenn er nicht seine alte Mutter bei sich hätte, die er wegen ihrer grofsen Schwachheit nicht fortbringen könne, würde er, ohne den Kurfürsten weiter zu belästigen, sich von selbst bei Sonnenschein anderswohin begeben65).

Dem Rate der Stadt lag selbstverständlich viel daran, die gewerbfleifsigen und teilweise auch wohlhabenden Exulanten ganz an Leipzig zu fesseln, zumal da der Krieg und die Seuchen die Stadtbevölkerung gewaltig lichteten. Er berief sich hierbei auf eine Bestimmung des Kurfürsten Moritz, dafs „diejenigen, so sich beweiben, mieten und Hantierung treiben, das Bürgerrecht gewinnen" sollten. Auch hatte man sich bereits 1630 vom Kurfürsten Johann Georg das Recht bestätigen lassen, denjenigen, die ihre Habe nach Leipzig geflüchtet und sich in Bürgershäusern eingemietet hätten, während des Krieges gleiche Bürden und Lasten, wie den Bürgern, auferlegen zu können66).

c4) In der Leipziger Kramerordnung war Fremden der Handel aufserhalb der Märkte streng verboten. Vergl. Biedermann, Gesch. d. Leipz. Krameriunung S. 18.

°5) Die Kramerinnung hatte sich wiederholt über ihn beschwert. LEA. Rh. v. J. 1633 Bl. 29, H.StA. Loc. 10332. 4 Bch. Bl. 8, 13 f.

ß6) LRA. Bürgerrechtsprot. 1639— 1R82. Bl. 15. HStA. a. a. 0. Bl. 8.

•jsx Richard Schmertosch:

Leicht gelang es deshalb Handwerker, die in der alten Hei- mat nichts mehr zu erhoffen hatten und in Leipzig neue Er- werbsquellen fanden, zum Bürgerrecht heranzuziehen. So wurde die Kürschnerzunft nicht unwesentlich durch Böhmen, Mährer und Schlesier verstärkt. Zu den Hauptvertretern des Kürschnerhandwerks in Leipzig zählt in jener Zeit das Prager Brüderpaar Lehmann ; David Lehmann starb 1649 als des Kürschnerhandwerks Obermeister. Daneben lassen sich aber auch Schuhmacher, Sattler, Orgel- und Instrumentenmacher, Bäcker, Schlosser, Schmiede, Rot- gieiser, Hufschmiede, Büchsenmacher, Schneider, Sporer, Zuckerbäcker, Barbiere, Schleifer, Seiler, Weilskittel und Hutmacher anführen, die aus katholischen Gegenden da- mals nach Leipzig wanderten.

Schwerer wurde es dem Rate vertriebene Handels- leute, die Leipzig hauptsächlich seiner Messen wegen als Zufluchtsort gewählt hatten, zur Annahme des Bürger- rechts zu bewegen. Wohl mancher von ihnen nährte die Hoffnung auf Rückkehr in die alte Heimat und auf Wiedereinsetzung in den verlassenen Besitz. Zwar wurden sie wohl auf kurfürstlichen Befehl zunächst mit dem Bürgerrechte verschont, doch mufsten sie ein Schutz- geld erlegen. 1639 erklärte der Rat, alle Fremden, „so nicht passieren und keine erhebliche Ursach anführen, sollen leiden, dafs ihnen Feuer und Rauch aufgeloset werde." Außerdem wurde bei denen, die, ohne Bürger zu werden , sich längere Zeit schon in Leipzig aufgehalten hatten, streng auf Entrichtung von Schutzgeld gesehen. 1640 mulste ein Sohn Martin Schmertoschs für seinen Vater 200 Reichsthaler, der Augsburger Schöller für jedes der drei Jahre, in denen er verheiratet gewesen sei, 80 Thaler und für das Jahr 1640 100 Thaler er- legen, hingegen bezahlte Georg Opitz aus Eger für vier Jahre nur 120 Thaler. Doch wurde er in demselben Jahre Bürger, jene blieben in ihrer Stellung als Schutz- verwandte des Rates07). Da drängte 1642 der Kurfürst, der selbst seit dem Prager Friedensschlüsse die Exulanten in seine Unterthanenpflicht zu ziehen suchte68), den Rat zu energischerem Vorgehen durch folgendes Mandat:

67) LRA. Biirgerrechtsprot. 1(339-108^ Bl. 5 ff .

ö8) Vergl. seine Erlasse an die Ilätc von Pirna, Freiberg, Anna- berg, Marienberg, Dresden und an den Schösser von Wolkenstein aus dem Jahre 1637: HStA. Loc in.i.ii l Hch. Bl. 95 ff.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 289

Lieben getreue, Wir seind berichtet als solten bey euch sich viel enthalten vnd niederthun auch zum theil Weiber nehmen, vnd ihre Nahrung in vnserer Stadt Leipzig treiben, die doch noch zur Zeit weder Vns noch euch verwandt seyn oder einige Pflicht abgeleget, Wenn wir dann bey diesen gefehrlichen vnd besorglichen Leuffen solchem nachzusehen erheblich bedenken tragen, Als begehren Wir hiemit befehlende ihr wollet darauff gut achtung geben vnd euere Bürgers Söhne vnd andere,, die selbst Haufs halten, Häufser haben oder sich beweiben vnd sonderlich die ihre Handtierung vnd Gewerb bey euch treiben, förderlichst vnd do es nöthig durch gebürende Zwangsmittel zum Bürgerrecht fordern vnd sie die gewöhnliche Pflicht ablegen lafsen. Doran geschieht vnsere meinung, Datum Drefsden den 6. Marty Anno 1642 Johann Jorge Ohurfürst60).

Bekannt gegeben wurde es der Bürgerschaft am 29. März. Doch hatte es zunächst wenig Erfolg; denn noch in demselben Jahre drängte die Belagerung und Eroberung Leipzigs durch Torstenson diese Angelegenheit völlig in den Hintergrund und gab nun sogar Leipziger Bürgerssöhnen Anlafs, wegen der feindlichen Besatzung in der Stadt Gewissens halber und als zu gefährlich den Eid zu verweigern, der sie verpflichtete „des Kurfürsten, des Rats und der Stadt Leipzig Gefahr, Schaden und Nachteil nach bestem Vermögen zu warnen, zu melden und zu offenbaren70)." Erst spät gelang es, jene wohl- habenden Kauf leute aus Augsburg, Lindau und Prag zur Annahme des Bürgerrechts zu bewegen.

Immerhin ist in dem Vorgehen des Rates gegen diese um ihres Glaubens willen heimatlosen Leute eine gewisse Milde und Nachsicht nicht zu verkennen, die sicher nicht allein durch eigenes christliches Mitleid veranlagst wurde ; die Stellungnahme der kursächsischen Regierung zu der katholischen Reaktion ist es, die hier maisgebend hervor- tritt. Hatte doch der Kurfürst selbst, entschieden gegen seinen Willen, durch seine habsburgische Politik im Anfang des Krieges die Verfolgung seiner eigenen Glaubens- genossen mit heraufbeschworen. Als er sich dadurch in seinem Gewissen bedrückt fühlte, war es bereits zu spät. Alle seine Vorstellungen, selbst die Erinnerung an die Thatkraft seines grolsen Vorfahren Moritz verhallten ein- druckslos am kaiserlichen Hofe71). Vergebens hatte er

69) LRÄ. In dem Bürgerrechtsprotokoll 1639—1682 eingeheftet zwischen Bl. 78 und 79.

70) LRA. a. a. 0. Bl. 27.

71) Am 24. Dezember 1630 schreibt er an den Kaiser über Augsburg: Es ist „beredt vnd offenbahr, das, als die Evangelischen Prediger aufs der Stadt Augspurg vertrieben worden, Mein in Gott ruhender Anherr, weilandt Churfürst Moritz zu Sachsen löblichen

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 19

•>«)() Richard Schmertosch:

1631 die böhmischen Exulanten augsburgischer Konfession in Leipzig vertröstet, „sie sollten ihre Sachen dem lieben Gott und der Zeit befehlen, wenn der Allmächtige andern des heiligen Römischen Reichs evangelischen Bedrängten verhelfen würde, solle auch ihnen geholfen sein"72); ver- gebens hatte er bei den Prager Friedensverhandlungen dringend verlangt, dais in den kaiserlichen Ländern freie Ausübung der ungeänderten augsburgischen Konfession in gleicher Gestalt wie im Jahre 1612 künftig frei und un- gehindert zugelassen werde; vergebens hatten sich die kur- sächsischen Gesandten wiederholt bei den Verhandlungen zu Osnabrück für die Evangelischen dieser Länder ver- wendet. Der Kurfürst war eben nicht der Mann danach, der seinen Vorstellungen den nötigen Nachdruck verleihen konnte. Er sollte die Gegenreformation in den österreichischen Landen, die das Glaubensband, das diese Länder mit dem lutherischen Sachsen verknüpfte, grausam zerrifs, nicht rückgängig machen. Kaum haben seine und der Krone Schweden energischeren Bemühungen es ver- mocht, in Schlesien wenigstens den Herzogtümern Brieg, Liegnitz, Münsterberg und Oels, sowie der Stadt Breslau freie Religionsübung zu verschaffen78). Günstiger ge- stalteten sich die Verhältnisse für die süddeutschen Reichs- städte. Wurden doch durch den westfälischen Frieden die evangelischen Gemeinden zu Dinkelsbühl, Augsburg, Kauf heuern, Biberach, Lindau und Ravensburg in ihre vollen Rechte wieder eingesetzt71). Nicht zum wenigsten verdanken sie dies dem sächsischen Kurfürsten, der in ihren Augen die ererbte Stellung eines Beschützers des Protestantismus auch ferner noch behielt. So bedankte sich 1654 das evangelische Ministerium zu Augsburg bei ihm, dafs er bei den Verhandlungen zu Osnabrück die Sache der Augsburger Konfessions -Verwandten für seine selbsteigene Sache erklärt und durch seinen Abgesandten Dr. Johann Leuber energisch habe vertreten lassen 7r').

Andenckens, solche Ao. 1552 völlig wiederum!) restituirt vnd ein- gesetzet das Interim gantzlich alda abgeschafft vnd fürdan darauff vnii solcher Zeit das Exercitium Augustanae Confessionis in angeregter Stadt frey vnd öffentlich geübt, gebraucht vnd getrieben worden". HStA. Loc. 10151, Ander Buch Augsp. Sach.

72) HStA. Loc. 10332, 4. Beb. Bl. 316.

™) Londorp IV, 461. VI, 49 ff., 391, 410.

74) Ebenda 154. 486 ff.

76) HStA. Loc. 10151 der Evang. Rath zu Augspurg contra ihre Cathol. Collegeu 1654-1656.

Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 291

Doch beruht das Hauptverdienst Johann Georgs um den evangelischen Glauben zweifellos darin, dafs er den Märtyrern des Augsburger Glaubensbekenntnisses eine sichere Freistätte in seinem Lande eröffnete und ihnen hier wenigstens in vollem Mafse seinen Schutz angedeihen liefs. Auch Leipzig hat sich damals den Euhm erworben, zu den Orten zu gehören, die, nach einem Ausspruche Dresdner Oberkonsistoriums, durch göttlichen Ratschlufs verordnet waren, um den bedrängten Evangelischen, die sonder allen Zweifel aus rein inbrünstiger Liebe zu Gott und seinem allein seligmachenden Wort den Verlust ihrer zeitlichen Leibesgüter mit ewiger Seelenwohlfahrt ersetzen wollten, Schirm und Schutz zu bieten70).

7(i) HStA. Loc. 10331, Ander Buch, Bl. 13ff.: Schreiben des Oberkonsistoriums vom 1. September 1627 an den Kurfürsten.

19*

XI.

Dr. med. Heinrich Erndel,

Stadtphysikus zu Dresden.

Von

Eugen Sachs.

Am Ende des 17. Jahrhunderts, in dem auch Deutsch- land viel von der Pest heimgesucht wurde, waren alle Arzte so fest im Bann der Humoralpathologie, d.i. der Lehre der Erkrankung durch schlechte Säfte, dais es zu verwundern ist, wenn der Begriff der Ansteckungs- krankheiten dennoch aufrecht erhalten wurde. Ereilich sprachen die Thatsachen so deutlich für die Ansteckung, dafs selbst jeder Laie den Verkehr mit Kranken und Krankenpflegern ängstlich mied. Die Ärzte nun erklärten sich die Ansteckung dadurch, dais sie Giftstoffe in der Luft annahmen, die von den Kranken ausgeströmt seien. Diese würden vom gesunden Körper eingeathmet und wirkten dann zerstörend auf die Säfte. Aus der That- sache, dais Leute, die um Pestkranke gewesen, nicht mehr erkrankten, sobald sie sechs Wochen abgesperrt und gesund geblieben waren, folgerte man allgemein, dais für Menschen ein Absperren und für Waren ein Lüften von sechs Wochen völlig genüge, um alle vorhandenen Keime zum Ausbruch zu bringen oder zu vernichten. Infolge- dessen ordneten die Eegierungen damals sechswöchent- liche Quarantäne an der Grenze an. Allüberall begnügten sich die Ärzte der Verwaltung dieses Vorgehen als den sichersten und völlig ausreichenden Weg gegen die Pest- Einschleppung zu empfehlen. Nur einen Mann fand ich in jener Zeit, der viel genauere Vorschriften über die

Dr. med. Heinrich Erndel. 993

Desinfektion gab und dessen Ansichten über die Gefahr und die Möglichkeit der Ansteckung ganz von denen seiner Zeitgenossen abwichen, das war Dr. Heinrich Erndel, Physikus der Residenzstadt Dresden. Bei Bearbeitung der Akten über die Pest im Jahre 1680, die ich im Königl. Sächsischen Hauptstaatsarchiv durchsehen durfte, fiel er mir als kenntnisreicher und besonnener Sachver- ständiger so sehr auf, dafs ich mich veranlaßt sah, so viel als möglich über den Mann und sein Wirken zu sammeln. Freilich ist trotz fleißigen Aktenstudiums manche Lücke in seinem Leben noch vorhanden, die dazwischen- liegende Zeit von über 200 Jahren mufs sie entschuldigen ; aber es ist doch so mancherlei von ihm und über ihn ge- funden worden, dafs sich immerhin ein Lebensbild gestalten läßt, das auch allgemeines Interesse erwecken dürfte. Heinrich Erndel wurde als zweiter und jüngster Sohn des Leibmedikus Dr. H. Erndel am 17. Juni 1638 in Dresden geboren. Er besuchte mit seinem Bruder Christian, der Jurist war, Ostern 1654 die Universität Leipzig und von Michaelis 1657 ab die Akademie Altorf. Dort wurde er am 28. Juni 1659 zum Doktor der Medizin promoviert. Er praktizierte als Stadtarzt, bis er am 16. September 1666 zum Stadtphysikus ernannt wurde. Die Urkunde, durch welche dieses geschah, befindet sich im städtischen Archiv und ist gleichlautend mit den Anstellungsdekreten seiner Vorgänger und Nachfolger im ganzen 17. Jahr- hundert. Da dieselbe recht instruktiv für die ganze Stellung des Physikus ist, habe ich sie im Anhang voll- ständig mitgeteilt. Aus ihr ergiebt sich auch, dafs dem Rate der Stadt als Hauptsache bei der Anstellung die Fähigkeit Kranke zu behandeln galt, alle amtliche Thätig- keit war mehr oder weniger Nebensache. Doch Dr. Erndel machte aus seinem Amte etwas. Neben seiner Thätigkeit als Arzt am Lazarett oder Stadtkrankenhaus, an den Armenhospitälern, dem Waisen- und Findelhaus, der Kreuzschule und den Gefängnissen revidierte er jährlich zweimal die Apotheken, prüfte die sich zur Praxis..mel- denden, auf auswärtigen Akademien promovierten Ärzte ebenso wie die Hebammen und wachte darüber, daß die Wundärzte und Kurpfuscher keine inneren Krankheiten behandelten. Er führte Aufsicht darüber, dafs in der ärztlichen Zunft keine Vergehen vorkamen , und gab Gutachten ab, wenn vom Rate irgend etwas getadelt wurde. Aber die Büttelstellung paßte dem zweifellos

204 Eugen Sachs:

hochbegabten und fleiisigen Manne nicht. Schon 1672, als an eine Pest noch nicht gedacht wurde, beklagte er die schlechten Brunnenverhältnisse der Stadt und wies in seiner Eingabe auf die Gefahr hin, die die Einwohner liefen, wenn eine Belagerung oder gar eine Seuche die Stadt treffen sollte. Der Rat ordnete eine Brunnen- zählung an und Dr. Erndel untersuchte das Wasser. Das Ergebnis war so ungünstig, dafs über 70 Brunnen ge- schlossen werden muisten und auf der Festung neue Brunnen zu graben waren, sonst wäre die Besatzung eines Tages ohne Wasser gewesen. Eine derartige Thätig- keit eines Bezirksarztes wird vor 1672 nirgends in den Akten verzeichnet oder erwähnt.

Einzig aber war seine Thätigkeit in den Jahren 1679 und 1680. als in Ungarn während des Feldzuges die Bubonenpest wütete. Der ausgezeichnete Nachrichten- dienst, den die sächsische Regierung damals unterhielt, setzte sie in den Stand, sehr genaue Nachrichten über Entstehen, Verbreiten und Aufhören der Erkrankungen zu erhalten. Aber die Kundschafter waren keine Sach- verständigen, die alles das, was Dr. Erndel wissen wollte, klar hätten darlegen können. Auf sein in diesem Sinne gestelltes Ansuchen wurden von der Stadt die Mittel bereit gestellt, um nach dem benachbarten, bereits infi- zierten Prag einen Licentiaten der Medizin, Namens Laurentius Theil, als sachverständigen Kundschafter zu senden. Die von Dr. Erndel ihm gegebenen Instruktionen, die äulserst knapp und verständig sind, lauten: 1. Ob einige an der Pest zu Prag gestorben und wie viele? 2. Ob dergleichen Personen noch vorhanden, die an der Pest krank wären? 3. In den Lazaretten und Hospi- tälern deswegen Nachricht einzuziehen ; desgleichen in den Apotheken nachzusehen, ob Antiloimica (Mittel gegen die Pest) verschrieben oder gebraucht würden? 4. Sich mit den medicis practicis bekannt zu machen und wegen der grassierenden Krankheiten nachzufragen. 5. Was eigent- lich das genus morbi und dessen Ausgang sei? 6. Was vor remedia darwider gebraucht würden? 7. Ob einige Pestordnung in Prag gemacht?

So kurz und klar, wie die Fragen, sind die Ant- worten nicht ausgefallen. Das Wichtigste davon ist, dais auch in Prag Antiloimica den Ärzten nicht bekannt sind. Die Bubonen werden operiert, und ehe es so weit ist, nmls der Patient viel schwitzen und laxieren. Was die

Dr. med. Heinrich Erndel. 295

Pestordnung betrifft, so ist die unterdessen von Dr. Ernde] verfafste wesentlich klarer und verständnisvoller als die von Prag gesandte, die der schon ein Jahr älteren Wiener Pestordnung fast wörtlich nachgebildet ist.

Unterdessen war nämlich das Gesuch des Dr. Erndel, der den langen Instanzenweg bei etwa eingeschleppter Pest durch die gewöhnlichen Verwaltungsorgane für ge- fährlich hielt und für die Augenblicksgefahr eine besondere, mit grosser Macht ausgestattete Kommission sachver- ständiger Beamter und Ärzte als geeignet vorschlug, von der kurfürstlichen Regierung erwogen und angenommen worden. Es wurde eine Sanitätskommission ernannt, deren Zusammensetzung nicht ganz nach dem Sinn des Anregers war. Aufser dem Vorsitzenden, der ein Mit- glied des Ministeriums sein mufste, waren noch vier Hof- räte und Überamtsleute, drei Militärs zur Kommission zugezogen neben einem Abgesandten des Rates der Stadt Dresden und drei Ärzten. Der Vorsitzende, der Vize- kanzler von Üppel, bekam für seine neue Thätigkeit monatlich 20 Thaler extra. Die Mitglieder erhielten 13 Thaler monat- lich besondere Vergütung. Die militärischen Beisitzer waren der Festungskommandant von Schönberg, der Kommandant von Alt- Dresden von Volkersam und ein Artillerieoberst von Kiengel, die ärztlichen Beisitzer waren die beiden Leibmedici Dr. Birnbaum und Dr. Borzo und der Vater der ganzen Kommission, unser Dr. Erndel selbst. Er er- hielt auch sofort den Auftrag das erste Arbeitsprogramm der Sanitätskommission zu entwerfen. Er stellte folgende 23 einzelne Punkte auf: 1. Wie die churfürstlichen Lande und Residenz vor dem Contagio zu bewahren? 2. Ob alle und jede Lande und Städte, so mit der Pest inficiert und gleich wohl noch reine Luft haben, zu bannisieren? 3. Ob ein Unterschied unter reisenden Personen zu halten, und wie weit deren Pässen zu trauen ? 4. Ob aller Handel und Wandel mit den Benachbarten zu sperren? 5. Ob ein Unterschied unter den Waaren zu halten: dafs die notwendigen admittieret, die unnöthigen aber abgewiesen werden? 6. Rohe Leder, Unschlitt, Federn, Betten, Haare und Perücken, auch Hanf und dergleichen neben allerhand Kleidung zu verbieten. 7. Deswegen an den Grenzen gewisse Inspectores zu bestellen, die ankommenden Waaren zu visitieren. 8. Auf was Wege die Ohurfürstliche Re- sidenz mit genugsam Proviant und anderen Notwendig- keiten zu versorgen? 9. Die Lazarethe mit genügsamen

29ß Engen Sachs:

Seelensorgern, Medicis, Chirurgis, Krankenwärtern und Lebensmitteln zu versehen. 10. Ob bei entstehender Pest nicht rathsam sei, dais in den Vorstädten ein corpus pharm aceuticum aufgerichtet, aus welchem sich nicht allein das Lazareth, sondern auch andere Kranke des Nachts mit Bedürfendem versorgen könnten? Und wie solches Werk einzurichten, dais es den Stadt apotheken und deren Privilegiis nicht nachtheilig sein könnte? 11. Ob nicht auf dergleichen Fall ein medicus und chirurgus dahin zu ordnen? 12. Ob nicht ein sonderlicher Pestilenzpfarrer zu bestellen? 13. Ob bei Pestilenzzeiten Trödelmarkt, gemeine Badestube, Trinkhäuser, Branntweinladen und dergleichen unnütze Zusammenkünfte geduldet? 14. Ein allgemein Pestregiment aufzusetzen, danach sich Kranke und Gesunde zu achten. 15. Ob ein Hauswirth seine inficierten Miethleute und Gesinde mit gutem Gewissen aus dem Hause schaffen könnte? 16. Wie dergleichen Leute zu versorgen und wohin sie zu verweisen? 17. Wie allerhand öffentlicher Kaub und Bestellung der inficierten Häuser zu verhüten? 18. Einen Modum zu finden, wie unmündige Kinder und Waisen bei ihrer an der Pest verstorbenen Eltern Verlassenschaft bleiben könnten. 19. Ob es rathsam sei, Häuser und Gassen, darinnen die Contagion eingerissen, gänzlich zu verschliefsen ? 20. Wie die Einwohner derselben mit Victualien zu versorgen seien? 21. Ob in diesem Falle zwischen den peste infectis und den febri petechiali laborantibus ein Unterschied zu machen sei? 22. Ob die umwohnenden Personen aus und an andere Orte zu weisen? 23. Wie es mit verstorbenen Personen, Betten, Kleidung und Geräthen zu halten?

In diesen 23 Fragen und Bemerkungen ist ziemlich alles enthalten, was zum Arbeitsgebiet einer solchen Sanitätskommission gehört. Die Kommission wurde noch vor der ersten ordentlichen Sitzung durch zwei Theologen verstärkt und dadurch das ersprießliche Arbeiten Dr. Erndels gelähmt. Schon in der ersten Sitzung entstand zwischen ihm und den Theologen ein Streit über die Be- handlung der Pestleichen. Er verlangte Vergraben der- selben außerhalb der Stadt sechs Fufs tief eingebettet in einer Schicht ungelöschten Kalks; die Herren Theo- logen aber beriefen sich auf irgend ein gelehrtes Wort, wonach Leichen, seien sie gestorben an was es wolle, niemandem schädlich seien. Durch die Hofräte wurde Erndel überstimmt, nur die Militärs standen auf seiner

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Seite. Dieses Erlebnis entmutigte ihn nicht. Noch an demselben Tage gab er ein umfängliches Gutachten über die Vorkehrungen gegen die Pest an den Rat der Stadt ab. Darin verlangte er die Anstellung eines besonderen Pestarztes, weil er mit der Fürsorge für die Gesamtheit der Bürger beschäftigt nicht jedem Kranken sofort zu Dienste sein könne.

Es wurde auch sofort ein Pestarzt mit 50 Thaler monatlichem Gehalt und freier Wohnung angestellt und zwar Dr. Troppaninger, der schon in der Stadt praktizierte.

Erndels hochinteressantes Gutachten selbst bestand aus 12 Punkten und lautete:

1. Weil vermittelst der Luft alles und jedes Contagium fort- gebracht wird, so ist nöthig selbige rein zu halten und von allen faulen Dämpfen zu befreien, weswegen nicht allein allerhand Äser, Misthaufen und dergleichen Unreinigkeiten von den Gassen zu schaffen, sondern auch die Schleusen und Wassergänge zu räumen, um den davon entstehenden Gestank zu verhindern. Dabei vornehmlich allen Hauswirthen zukäme, ihre in Häusern habende Mistgruben zum öfteren ausführen zu lassen. Und ist absonderlich zu erinnern, dafs bei dieser Eesidenz eine höchst schädliche Sache eingerissen, indem nehmlich bei hellem Tage und warmem Wetter die Latrinen geräumt werden, welches zu öfteren wohl bis an den dritten Tag liegen bleibt und nicht geringe Ursache zu allerhand Infection geben kann.

2. So ferner, Avelches Gott in Gnaden verhüte, die Pest auch diese und benachbarte Städte betreffen sollte, so wären vor allen Dingen die überflüfsigen Pferde, Rindviehe und Schweine (davon viel Mist und Gestank verursacht wird) bei Zeiten aus der Stadt zu schaffen.

3. Nachdem vom Kornbranntweinbrennen, ingleichen vom Stärke- machen viel Gestank entsteht, als wäre solches entweder gar abzu- schaffen oder behutsam damit zu verfahren, welches auch bei Seifen- siedern, Lichtziehern und Ledergerbern zu beobachten ist.

4. Weil die Pest nicht allein in der Luft und deren Vergiftung beruht, sondern auch meistenteils per contagium verursacht wird, so wäre wohl dahin zu sehen, dafs allerhand herrenlos Gesinde und Bettler, welche ohne Consideration hin- und herlaufen und ansteckende Krankheiten forttragen können, aus der Stadt, jedoch mit Bescheiden- heit und Beobachtung der christlichen Liebe, zu weisen und allda zu versorgen.

5. Es ist auch durch Gottes Gnade diese Residenz sammt derer Vorstädte sehr volkreich, dafs solcher Gestalt einig Contagium um so viel desto mehr wüthen könnte, wäre derohalben zu bedenken, ob S. Churf. Durch, hohe Ministri dahin zu disponieren wären, dafs die- jenigen Diener, welche keine notwendige Verrichtungen haben, aus den Häusern geschafft würden.

6. Tngleichen wäre allen denjenigen, welche Landgüter und Weinbergshäuser hahen, zu rathen, bei Zeiten ihre Familien dahin zu senden, damit die Stadt von überflüssigen Leuten befreit und also das Contagium verhütet werde.

208 Eugen Sachs:

, Weil zur Zeit der Int'eetioii die Zuführe der Victualien und Brennholzes von allem und jedem Orte ohne unterschied anzunehmen bedenklich ist, auch zu befürchten, dais solche Zuführe des Proviants, wie alle andere Handlung, in Stocken gerathen möchten, als wäre zu bedenken, auf was "Weise beiden zu helfen.

8 Nachdem die Inwohner dieser Churf. Residenz füglich in 3 Classes als Hofleute, Soldaten und Bürgerschaft abgeteilt werden kann, diese •'! (Masses aber von einem einzigen Medico jetziger Zeit nicht versorg! werden könnten: als wäre die Frage, ob die ersten zwei Classes an ihre allhereits bestellten .Medieos zu weisen, oder aber dem Stadt- Physico etliche Assistenten zugeordnet würden, damit in diesem Fall kein Mangel zur Zeit der Noth vorfallen möchte.

9. Desgleichen auch bei dem Pestilenzbarbier zu beobachten. zumahl da der jetzige Alters halber und anderer Beschwerung wegen keine grofsen Dienste thün könnte.

10. Wären die Herren Apotheker an ihre Pflicht zu erinnern und zu vermahnen die Officinen mit tüchtigen und genügsamen Ge- sellen zu vereiden, welche letzteren billich vereidet werden sollten, damit im Nothfall nicht allerhand Unordnung erfolge und quid pro quo gegeben würde.

11. Sollte das Lazareth und andere Hospitäler solcher gestalt versorgt werden, dafs die armen Kranken keinen Abgang an not- wendiger Wartung und Unterhalt leiden müfsten, absonderlieh wäre ein unter Vorrath Brennholz dahin zu schaffen, nicht allein die Zimmer damit zu beizen, sondern auch stets gute Feuer auf den öffentlichen Plätzen zu halten: teils die Luft rein zu halten, teils allerhand Geräthe, Kleidungsstücke und Bettstroh der Verstorbenen zu ver- brennen.

L2. Wäre auf genügsame Leute zu denken, welche nicht allein im Lazarett sondern auch in Privathäusern den Inficierten und Kranken beispringen und Wartung leisten könnten. Damit auch diese desto fleißiger ihrem Amte nachkämen, könnte man gewissen- hafte und beherzte Bürger verordnen, auf solche Krankenwärter Achtung zu gehen und sie zur Gebühr anzuhalten.

Dies ist für jetzt zu erinnern gewesen, der Allerhöchste gebe Gnade, dafs es genauerer und mehrer Verfassung nicht bedürfe.

Dresden, am 10. September 1679. Heinrich Erndel

Dr. und Pbysicus Ordinarius allhier.

Diese herrlichen Vorschläge hat der Mann allein ausgearbeitet zu einer Zeit, als über die Pest nur ver- worrene Nachrichten, namentlich in ärztlicher Beziehung, zu erlangen waren. Auf die Anfrage des Rats zu Dresden gab er alle möglichen brauchbaren Mittel nebst Gebrauchs- anweisungen an, die in dem von ihm vorgeschlagenen corpus pharmaceuticum untergebracht werden sollten. Auf die Einzelheiten einzugehen, würde zu weit führen, in den Hauptsachen waren es vier verschiedene Gruppen und zwar: I. abführende, II. schweifstreibende Mittel, III. Zugpflaster und IV. Räucherpulver und Raucher-

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essig. Die Droguen selbst kommen meist heute noch, wenn auch in etwas geänderter Form, zur Anwendung. Auf Katzenaugen, Schlangenköpfe, Biberfett und ähnliche Dinge, die in der damaligen Zeit so vielerlei heilen soll- ten, nimmt er keinerlei Beziehung, welcher Umstand sehr zu gunsten seines therapeutischen Scharfsinnes spricht. Nach diesen umfassenden Arbeiten entwirft er ohne Ver- zug eine Pestordnung, die in dem Sanitätskollegium be- raten und ohne sonderliche Änderung angenommen wird. Die kurfürstliche Regierung läfst dieselbe sofort drucken und veröffentlicht sie dadurch, dafs sie sie an allen geeigneten Stellen des Landes von amts wegen anschlagen läfst und an sämtliche Nachbarregierungen versendet. Die Pestordnung, die die bereits früher ausgesprochenen Ansichten Dr. Erndels in sehr knapper Form wiedergiebt, bestand aus 14 Punkten, die den Verkehr der Personen aas Kontagionsgegenden betreffen, aus 15 Punkten, die die bei Pest im Lande zu treffenden Maisnahmen enthalten, aus weiteren 22 Punkten, die die an infizierten Orten zu beobachtenden Vorschriften behandeln, und schliefslich aus 12 Punkten, die die Desinfektion nach Ablauf der Pest genau bis ins Einzelne vorschreiben. Nachdem er sowohl bei der Regierung, als auch bei der Bevölkerung für völlige Aufklärung gesorgt hat, übt er seine ihm unter- stellten Leute ein und wartet ab in der Hoffnung, die Stadt werde von der Pest verschont bleiben.

Da starb plötzlich im Januar 1680 ein Schneider mit roten Flecken am ganzen Körper. Dr. Erndel sezierte ihn selbst, fand aber keine Pest, sondern nur Zeichen, die für Scharlach sprachen. Der Rat fragte nun an, was er mit den Stoffen gemacht habe, die der Schneider zu- letzt in Arbeit gehabt habe. Er antwortete, die seien selbstverständlich ebenso wie das gesamte Bettzeug so- fort verbrannt worden, da ein Abwaschen mit Lauge nicht angebracht wäre, vielmehr nur bei Geräten aus- geführt werden könnte. So weitausschauend war der damalige Sachverständige der Dresdner Gesundheitspolizei. Am 19. März starb plötzlich ein Landkutscher, namens Leschkin. Die Umwohnenden fragten sofort bei der Re- gierung an, ob Pest die Todesursache war. Das Sanitäts- kollegium riet der Regierung, ganz entgegen der Meinung des Dr. Erndel, der durchaus für Veröffentlichung der vollen Wahrheit eintrat, alles zu leugnen. Es erschien deshalb folgender Erlais:

300 Eugen Sachs:

„Liebe Getreuen. Demnach wir anter andern aus eurem wegen des vorm Pimischen Thore allhier verstorbenen Landkutschers Michael Leschkens vom 19. dieses eingesandten gehorsamsten Bericht wahr- genommen, was mafsen der gedachte Patient von einem unerfahrenen Practico und ungeschickten Chirurgo curiret worden, welche Unserer Leib- und I [off- Medicorum darüber erforderten Gutachten nach des Kranken Zustandt zuvor nicht genugsam exploriret und in der Cur allenthalben gröblich verstofsen haben, alfs begehren wir hiermit. Ihr wollet diesem und dergleichen hierzu untüchtigen Leuten alles Curirens (mafsen sicli in wohlhestelten Policeyen ohne dis gebührt) gänzlich müfsig zu gehen bey nahmhaffter straffe aufferlegen, hingegen aber mit Zuziehung des Physici ordinarii einen oder mehr geschickte Medicos und Chirurgos pestilentiales bestellen und eure untergebene Bürger an dieselbe verweisen."

Dieser Erlafs kam den 22. März an den Rat zu Dresden. Dr. Erndel hatte aber schon das Haus schliefen und die Angehörigen des Leschkin ins Lazarett schaffen lassen. Schritte gegen den Kollegen und den Chirurgen, die ganz sachgemäß verfahren, liefs er gar nicht einleiten. Aber unter den Bericht des angestellten Pestbarbiers, den dieser an die Regierung über den kurz darauf er- folgten Tod der Frau des Leschkin einsandte, schrieb er folgendes:

„Obzwar bei der verstorbenen Leschkin keine Flecke oder Beulen von dem Lazarethbarbier befunden worden, so ist doch kein Zweifel, es sei bei ihr gleich ihrem Manne einige malignitas pestilentialis gewesen, welches theils aus dem jehlig erfolgten Tode, theils aus des Kindes Krankheit, dem in der Schofs eine hitzige Beule ungefähren sein soll, zu schliefsen ist."

Hierauf erfolgte von der Regierung keine Bekannt- machung, sondern vielmehr das Ersuchen, nichts hiervon in die Öffentlichkeit zu bringen. Der Besuch des Pest- lazaretts wird allen nicht Beteiligten, auch dem Physikus, untersagt. Er verlangte deshalb täglichen schriftlichen Bericht über den Gesundheitszustand der etwa 20 Per- sonen, die dort untergebracht waren. Acht Tage lang wurde täglich berichtet, dafs alles im Lazarett wohlauf sei. Diesem immerwährenden guten Bericht traute er aber nicht, sondern nach acht Tagen entschloß er sich trotz des Verbots zur Revision und fand, dats über die Hälfte der Untergebrachten bereits an der Pest gestorben waren. Trotzdem der Pestbarbier stets an den Sekretär des Lazaretts die richtige Meldung abgegeben, hatte dieser aus Faulheit dieselbe einfach nicht weiter befördert. Dr. Erndel eilte zum Kurfürsten. Dieser schickte den Fälscher sofort, ins Gefängnis und verordnete seine Ab- urtheilung beim Schöppenstuhl zu Leipzig, aber dem

Dr. med. Heinrich Erndel. 301

Dr. Erndel verbot er jede Mitteilung darüber an Rat und Bürgerschaft. Er muiste gegen seinen Willen ge- horchen, da ihm sonst Gefängnis drohte. Am 20. April ging der Maurer Reichel krank von der Arbeit und starb noch selbigen Tages. Als dies Dr. Erndel gemeldet wurde, wollte er sofort die Leiche sehen, doch diese war bereits mit allen kirchlichen Ceremonien begraben worden. Den nächsten Tag starben zwei Kinder des Reichel, bei denen der Pestbarbier Bubonen konstatierte. Sofort wurde die bereits erkrankte Frau nebst dem letzten Kinde ins Hospital geschafft. Das Kind starb bereits auf dem Wege dorthin. Auch alle Anverwandten, die um die Kranken und Toten gewesen waren, mufsten auf Befehl des Physikus ins Lazarett und sämtliche Häuser wurden geschlossen und der Verstorbenen Betten verbrannt. Nun endlich drang Dr. Erndels Meinung auch bei der Regierung durch, clafs es besser sei, nichts zu verheimlichen, denn das Ge- rücht mache jede Kleinigkeit gleich riesengrofs. Der Rat zu Dresden erliels auf Erndels Drängen ein Markt- verbot folgenden Inhalts:

„Inmafsen dann unter andern auch wir heutiges Tages den sämmt- lichen Trödelweibern, so auf dem hiesigen Neumarkte zu gewissen Tagen bishero wöchentlich öffentlichen Markt zu halten gewohnt gewesen, ernstlich und bei Strafe unfehlbarlicher Abnahme gebiethen lafsen, dergleichen Feilhabens an Kleidern, Geräthe, Bettzeuges und anderer solcher Mobilien sich hinfüro gänzlich zu enthalten; selbigen auch vor jetzo bis auf fernere Verordnung ein mehreres nichts als Bücher und Eisenwerk verstattet und nachgelassen."

Auch liefs Erndel vom Rate den Bürgern durch Anschlag empfehlen, am nächsten Bufstag zu Hause Bulse zu thun und nicht in die Kirche zu laufen, um so die Gefahr, die mit einer grofsen Menschenansammlung ver- knüpft ist, zu beseitigen. Darüber entbrannte der Zorn der Geistlichen. Von der Kanzel herab schimpften diese auf die Ärzte, die den Menschen aus unnötiger Angst vor der Pest alle Freuden verleiden, und behaupteten, es gäbe überhaupt keine Pest, die Ärzte gäben harmlose Fieber nur dafür aus, um ihr Ansehen zu heben und Geld zu verdienen.

Erndel liefs sich aber dadurch in seiner für das Allgemeinwohl so nützlichen Arbeit nicht beirren. Da das Lazarett als Krankenhaus und Beobachtungshaus zugleich viel zu klein war, auch eine Trennung der Kranken von den nur Verdächtigen notwendig erschien,

302 Eugen Sachs:

veranlagte Erndel den Rat, das Döringsche Schänkhaus vor Lobt au zu kaufen und als Beobachtungsstation oder Probierhaus zu benutzen. Er richtete tägliche Pestilenz- konferenzen mit den Ärzten und Ratsbeamten auf dem Rathause ein. Er arbeitete fast übermenschlich. Auf sein Betreiben bat der Rat zu Dresden, der Kurfürst möge verordnen, date Leute überall angestellt würden, die alles das, was die Pestkranken unter sich und neben sich gehabt haben, sogleich verbrennen muteten; die Bitte wurde sofort erfüllt. Im Laufe der Epidemie kam Dr. Erndel dann in betreff der Betten vom Verbrennen ab, weil die Federn nur angekohlt in die Luft flögen und deshalb sehr schaden könnten; er liete sie im heifsen Wasser sieden und waschen, dann verwandte er sie im Lazarett bei Pestkranken, um dieselben leichter in Sehweite zu bringen. Nach dem Erlöschen der Epidemie sollten sie schließlich tief in die Erde vergraben werden.

Von den noch nicht 40000 Einwohnern der Residenz starben bis zum 9. November 1680 vom März ab etwa 8000 Personen, das ist der fünfte Teil. Es ist das Jahr 1680 das grötete relative Sterbejahr für Dresden über- haupt.

Nachdem vier Wochen kein Todesfall an Pest und keine neue Erkrankung mehr vorgekommen, erhielt Erndel endlich im Dezember Urlaub. Da sein Assistent, der früher schon erwähnte Licentiat Laurentius Theil, an der Pest selbst gestorben war, übergab er die Aufsicht über die Desinfektion der immer auf sechs Wochen geschlos- senen von der Infektion heimgesuchten Häuser dem Pest- arzt Dr. Troppaninger und reiste zu seiner Schwester nach Dippoldiswalde. Am Sonntag vor der Kirche wurde er von den am Kirchplatz plaudernden Honoratioren des Städtchens über die Pest gefragt. Wenn auch jetzt die Residenz pestfrei sei, antwortete er, so können doch im Sommer, wo die Natur mehr Kraft besäfte, die in Kleidern und Betten sitzenden Gifte von neuem zur Gefahr werden. Ein Freiberger Bürger hatte diese Worte mit angehört und sie sofort nach seiner Heimats- stadt berichtet. Die nächste Folge war die, dals die Stadt Freiberg wieder sämtlichen Handel und Wandel mit der Residenz sperrte. Als nun Dr. Erndel zurück- kehren wollte, mutete er auf Rat seiner Freunde in der Lötenitz halt machen, denn der Dresdner Pöbel harrte

Dr. med. Heinrich Einfiel. 303

seiner am Thor, um ihm einen Empfang- mit Steinen und ähnlichen Begrüfsungsobjekten zu bereiten. Er bat den Kurfürsten um Hilfe, indem er versicherte, stets nur die volle Wahrheit gesagt zu haben. Der Kurfürst sandte ihm ein Fähnlein Reiter, unter deren Schutz er seine Wohnung glücklich erreichte. Die darauffolgende Unter- suchung ergab, wie es auch heute noch oft bei Volks- aufläufen zu geschehen pflegt, dals niemand gehetzt haben wollte und die Viertelsmeister und anderen Skandal- macher überhaupt nichts gethan hatten.

Diese häfslichen Beschimpfungen, die er nach nun- mehr behobener Gefahr des öfteren infolge des Unver- standes der Bevölkerung dulden mußte, mögen ihn ver- anlaßt haben, die Physikusstelle zu kündigen. Er blieb in der Stadt als praktischer Arzt und unterstüzte seinen Amtsnachfolger bei der im Frühjahr 1681 wiederkehren- den kleinen Epidemie von 400 Fällen eifrigst. Sein Nachfolger wurde der Meißner Physikus Dr. Pollmar, nachdem die Ärzte Dresdens B. Wiegner, Chrahmer, Schumann, Dornblüth, Göppert abgelehnt hatten, wahr- scheinlich abgeschreckt durch die ihnen bekannte über- menschliche Arbeitslast. 1684 wurde er nach dem Tode des Dr. Borzo Leibarzt des Kurfürsten, zusammen mit Dr. Birnbaum und Dr. Morgenstern. Als Leibarzt machte er viele Reisen, so mit dem Kronprinzen 1685 nach Frankreich, 1686 nach Spanien, England, Holstein, mit Johann Georg III. 1687 nach Holland. Er begleitete ihn 1689 in den Feldzug und zur Belagerung von Mainz. 1691 wurde er an sein Sterbelager nach Tübingen be- rufen. Die letzte Zeit litt er an Podagra, Chiragra und Ischias, was teils ererbt, teils durch die vielen Reisen erworben war. 1691 wurde er wiederum vom neuen Kurfürsten als Leibarzt bestätigt. 1693 prüfte er mit seinem Amtsgenossen Martinus Schurig den in Dresden Einlals begehrenden Okulisten und Steinschneider Andreas Eisenbarth. Das Ergebnis der Prüfung ist bereits abgedruckt in Otto Richters trefflicher Verwaltungs- geschichte der Stadt Dresden (I, 168); die von Eisen- barth eingereichten Zeugnisse befinden sich im städtischen Archiv unter F XVII 5.

Erndel starb am 13. September 1693 und hinterließ zwei Söhne und fünf Töchter, tief betrauert von seinen Mitbürgern, ohne aber in einem gröfseren Werke seine Kenntnisse niedergelegt zu haben. Nur in der Praxis

30 I Eugen Sachs:

hat er gewirkt, und nur seine der Regierung und dem Stadtrat gemachten Eingaben geben Auskunft über seinen wissenschaftlichen Weitblick und die ganze Summe seines theoretischen Wissens, durch das er allen seinen Zeit- genossen weit überlegen war.

Anhang.

Bestallungsurkunde des Dr. H. Erndel als Stadtphysikus d. d. 28. Sept. 1666.

(Archiv der Stadt Dresden F XVI, 1, Bl. 199 ff-)

Wir Bürgermeister und Rath der Stadt Dresden hiemit uhr- kunden und bekennen, demnach wir erwogen, dafs zu einer wohl- gefaßeten Polizei neben andern zu erhaltung guter gesundtheit und Verhütung allerhand Krankheiten nechst Gott auch gelehrter und getreuer Medicorum guter Rath und Fleifs erfordert wird, Inmafsen dann bei dieser Churf. Sächfs: Residenz und Haupt- Vestung von alters hero in und alle Zeit dergleichen Hochgelarte Medici in Bestellung gehalten und besoldet worden, dafs mit gnädigstem Vorwifsen des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn .Jobami Georg des Andern, Herzogens zu Sachsen .... Wir den Edlen, Grofsacht- baren und Hochgelarten Herrn Heinrich Eradln, der Medicin Doctorn, zu Onserm Stadt Medice» und Physico ordinario heute acto angenommen and Unfs mit Ihme nachfolgender Bestallung verglichen haben, dafs derselbe in allerley vorfallenden Kranckheiten bei allen und Jeden dieser Stadt Innwohnern, wie auch bey Unfs, Unsern angehörigen, sowohl bey denen im Lazarethe als hin: und wieder in den Hospitälern Im tindtlichen Persohnen, Ingleichen Unsern bestalten Dienern, so Ihn darumb ersuchen und anlangen weiden, sich willig und gerne, auch ohne allen Verzugk gebrauchen lafsen, denenselben mit Rath und That, und zwart denen Vermögenden umb billiche danckbahre Ver- gleichung, denen unvermögenden aber aus Christlicher Liehe und Barmherzigkeit ohne entgeldt und umbsonst beywohnen und Ihnen solchen mittheilen, darneben auch die Apotheken, so offfc es nöthig, visit ii tu. dafs mit den Recepten recht umhgegangen, auch ein hillicher Tax gehalten werde, beobachten. Ingleichen denen Besichtigungen und Sectionibus der entleibten Cörper als bestalter Phvsicus mit heywohnen, und in allen fällen als einem Üeifsigen, getreuen, sorg- fältigen und vorsichtigen JMedico gebühret, und wo zu Ihme seine zur Zeit seiner promotion geleistete Eydespflicht verbindet, bey dieser Vestungsstadt und gemeine sich erzeigen und vorhalten solle und wolle, Über dieses und hiernebenst ist mehrgemeltcm Herrn Doctori auch frey gelafsen, zu gesunden Zeiten allhier in: und uinb die Vestung, so wohl zu Alten Drefsden seine praxin medicam nicht alleine zu exerciren, sondern auch, wann keine contagiosi morbi bey dieser Stadt und Vestung im schwänge gehen und es derer patienten

Dr. med. Heinrich Erndel. 805

halber, die Er in oder bey der Stadt, so wohl auch sonsten zu Alten Drefsden in der Cura hat, füglich und ohne nachtheil geschehen kau, seine Praxin auch aufm Lande zu treiben und zu üben, zu welchem Ende Ihme denn nach gelegenheit auf zwey, drey oder zum meisten vier tage, iedoch mit vorbewust des iedesmahls regierenden Herrn Bürger- meisters auszureisen erlaubet und vergönnet werden solle , Insonder- heit aber hat mehrgedachter Herr Doctor Erndtl krafft dieses ver- williget und zugesaget, in Sterbensgefahr, und wenn Pestilenzialische Fieber oder andere dergleichen anfällige Krankheiten in: und umb die Stadt und Vestung so wohl auch in dem Lazarethe, als andern obgedachten örthern einschleichen und grafsiren solten oder möchten | : welches doch der barmherzige Gott gnädiglich verhüten wolle : j von einem Medicum ordinarium sich gleichfalls auch bei armen und reichen gebrauchen zu lassen und nach gelegenheit der gefährlichen Kranckkeiten seinem besten Vermögen und Verstände nach, und do es die nothurff erfordern solte, mit Rath der Churf: Sächfs: und anderer Herrn Medicorum dienliche Arzneyen, Regiment und Ordt- nungen, wie man sich in gemein beedes zur Verwahrung oder prae- servation, sowohl auch im fall der noth zur Cur gebrauchen, und in den Apotheken alliier umb billiche gleichmefsige Bezahlung erlangen möge, Den Einwohnern, gemeinem Manne, und sonderlich denen, so sich Unvermögens halber bey denen Herren Medicis nicht alle Wege Ratlis zu erholen, zu nuze und tröste zu machen und anzuordnen, auch zur selben Zeit des ausreisens sich gänzlich zu enthalten und sonsten allen müglichen Fleifs, wie einem getreuen Medico gebühret, anzuwenden, Jedoch soll ermelter Herr Doctor nicht verbunden noch schuldig sein, wann entweder Pestis oder eine andere dergleichen gefährliche Kranckheit regieret, zu denen Patienten selbsten in die Häuser, so albereit inficiret, und man defsen gewifs< versichert , in eigener Persohn zu gehen, sondern es sollen dazu ein sonderlicher Barbierer und andere Persohnen, die sich bei Ihme Raths erholen können, verordnet werden. Wann nun itztgedachter Barbier und andere dazu geordnete von den Inficirten Patienten zum Herrn Doctori vor seine Wohnung kommen oder schicken würden, Soll Er dieselben williglich und nothdürfftiglich hören, sich des Patienten Zustandt eigentlich und umbständlich mit fleifs erkundigen, Ihme auch durch füglichste angeordnete mittel seinen treuen Rath und verstendiges gutachten zu ertheilem schuldigk sein. Hergegen haben mit Höchst- gedachtes Unsers gnädigsten Churfürsten und Herrn aus dem Laza- reth Kasten gnädigst bewilligter Hülffe wir mehrerwehnten Herrn Doct: Erndtl vom Tage Michaelis des itztlaufenden 1666 sten Jahres an zu rechnen Jährlichen Achtzigk Gulden am golde, so Ihme quartaliter aus der Lazareth Cafsa gegeben werden sollen, zur Be- soldung versprochen und verwilliget, wollen Ihm darneben auch mit der gewöhnlichen freyhen Wohnung, so zu seiner Bestallung geordnet und Ihme nach seinem nuzen zu gebrauchen frey stehet, versorgen, so wohl zwölff thaler zu Holze aus Unser Cammer Jährlichen reichen lafsen. Wann sich's aber Göttlicher Verhängnus nach begeben sollte, dafs Sterbensgefahr einfallen und andere Leuthe sein des Herrn Doctoris Cur sich zu gebrauchen abscheu oder bedencken tragen möchten, und Er also seine andere Praxin eine Zeit lang nicht exerciren könte , auf denselben fall soll Ihme wöchentlich zweene Tbl. über seine ordinarbesoldung zu Zulage, halb aufsm Lazareth Kasten und die andere helfte von uns, dem Rathe, gegeben werden. Wie denn auch in keinen Zweifel gestellet wird, dafs vielbesagter Herr

Neues Archiv f. S. G. II. A. XVI. 3. 4. 20

306 Eugen Sachs: Dr. mcil Beinrieb Erndel.

Doctor derer Leuthe, so bey gefährlichen Zeiten einen Scheu für llinif baben möchten und Ihn sonderlich nicht hegehren oder er- fordern laisen, sich eine Zeit lang- zu eusern und zu enthalten, auch sonsten gute bescheidenheit, so wohl gegen Unis, dem Käthe, und männiglich zu gebrauchen wifsen wenle. Do auch oft envehnter Herr Doctor bey solcher Bestallung länger zu verbleiben nicht gesinnet, Soll Er schuldig sein, Unfs die Aufkündigung Ein halbes Jahr zu- vor zu thun, damit man sich bey Zeiten in andere Wege versehen könne, welches wir Unfs gleichsfalls vorbehalten haben wollen, Alles trewlich und sonder gefehrde, Zu Uhrkund haben wir diese Be- stallung gezwiefacht zu pappier bringen lafsen, Solche auch mit ge- meiner Stadt Innsiegel und der Herr Doctor mit seinem gewöhn- lichen Pezschafft wifsendtlich beeräfftiget , auch mit eigner Handt unterzeichnet. So geschehen in Drefsden am 28 Septembris 1666.

Heinrich Erndl medicinae Doctor. Burgemeister undt llath der Stadt Drefsden.

XII.

Kleinere Mitteilungen.

1. Nachträge zum Urkundenlmch des Klosters

Nimbschen1).

Von Ludw. Schmidt.

Die beiden im Nachstehenden abgedruckten Urkunden sind nur in dem in der K. K. Hofbibliothek zu Wien befindlichen, aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts stammenden Formelbuch Cod. Pal. 636 (fol. 16b fg.), aus welchem die Urkunde No. 12 a (S. 380) bereits mitgeteilt worden ist, erhalten und von mir anfänglich übersehen worden, so dafs eine Berücksichtigung derselben auch in den Nachträgen nicht mehr stattfinden konnte. Wenn dieselben auch allerdings an ziemlich verborgener Stelle (Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg 12 [1877], S. 17 fg.) und nicht ganz korrekt - schon ver- öffentlicht sind, so erscheint doch ein wiederholter Ab- druck der Vollständigkeit halber in dieser Zeitschrift, welche sich in dankenswerter Weise zur Ergänzung des grofsen sächsischen Urkundenwerkes zur Verfügung ge- stellt hat, wünschenswert. Die angegebene Datierung von No. 1 ergiebt sich daraus, dafs Friedrich I. von 1265 Dezember 12 bis ca. 1283 Bischof von Merseburg war. Zu No. 2 ist zu bemerken, dafs die Markgräfin Helene (Elena), Gemahlin Dietrichs von Landsberg (f 8. Februar 1285), mit diesem seit 1268 vermählt war. Der hier er- wähnte Scholastikus von Zeitz ist wohl identisch mit dem 1296 urkundlich vorkommenden Zeitzer Domherrn Johannes

') Codex diplom. Saxon. reg. IT, 15, 173 ff.

20'

308 Kleinere Mitteilungen.

de Jhericho (Berth. Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von Weida 1, No. 312).

No. 1.

Bischof Friedrich I von Merseburg bedroht einen mit der Ent- richtung des dem Nonnenkloster in Grimma zustehenden Zinses säumigen Pfarrer mit Amtsentsetzxing. [Zicischen 1265 Dez, 12

und ca. 1283. /

FrpdericuaJ dei gracia Meraeburgenaia episcopus diacreto viro n et üii ecclosie in tali loco salutem cum aftectu. Quia prepositi do- minarum in Grimmia frequenter pulsamur querimoniia pro eo, quod iriisuin ipsis dominabus debitum non solvitis temporibus constitutis, sie duximua providendum, quod quandoeunque post atatutum vobis terminum predictum censnm non solveritis. extunc ab ingreaau ecclesie et ab exaeeucione officii vos auapendimus in biis scripös.

No. 2.

Die Markgräfin Helene von Landsberg beauftragt den genannten

Scholastikus zu Zeitz, das Kloster rar den I Vergriffen eines Klerikers

zu schützen. {Zwischen 1268 und 1285 Februar 8.J

Eflena] dei gracia marchionissa de Landesberch yiro preclaro donis gratuitis eloquencie insignito domino scolastico in Cice dicto de Jercbov .salutem cum bone voluntatis affectiv Cum apea bominem in se confidentem quasi quodam nutrimento refieere videatur , hanc in pressuris angustie nunquam deseruit, licet voltum quendam pre- tendat fallacem, amicabiliter pusillanimes consolatur. Summam hnius proverbii non ab re vobis proposuimns, quod E. clericus Nuenbur- genaia dyocesis nititur armari allegacionis garrula pugionc contra dominas \\eo et nobis dileetas sanctimoniales in Grimmia, surripere grangias earum cum ceteris bonis, quas longo tempore, sicut domino raarchioni constat seniori et nobis simul cum aliis. quas nominale tedioaum est, possederunt titulo libertatis, et licet crebris infesta- cionibua eaa infeatare non cea8et, tarnen sole spei noa ona cum eia innitimur, sperantes divino auxilio vestroque consilio evadere minas et iniuriaa, quas contra eas pretendit et quod perfrui debeant pristina übertäte. Cum ergo lepor veatre faeundie et miri ut intelleximus adinvencio consilii noverit non aolum cauaaa intricatas evolvere, verum eciam evolutaa quasi aub tumulo sepelire, ideirco yeatram prudenciam nee non morum honeatatein, de qua multum audivimus et confidimuael preaumimua confidenter, habere cupimua exoratam, quatinua dei amore et noatri cauaa propiciua iudex sitis in cauai8, quaa E. clericua contra dietas dominas ventilal iam predictua et nullam in- iuriam aeu gravamen fieri permittatia viamque nuncio noatro detis, qualiter agat seu reapondeat, ut ab ineuraibua predicti clerici se de- fendat, et boc scitote, si feceritis, gratum habebimu8 et perpetuo penea voa studebimus promereri. Neu enim permittemua, quod E. predictua sive aliquia deatruat locum a domini noatri marchionia predeceaaoribua et aliorum elemosinis solleinpniter preconatruetum.

Wichtig ist, dals hier (No. 1) eines prepositus Er- wähnung geschieht, der unter dieser Bezeichnung urkundlich nicht weiter vorkommt. Wirkliche Pröpste mit den ihnen

Kleinere Mitteilungen. 309

zustehenden weitgehenden Kompetenzen wie in anderen Nonnenklöstern, z. B. in Meilsen und Mühlberg (vergl. Seeliger in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meifsen II, 44 ff.), hat es in Nimbschen nie gegeben; als Verwalter der äufseren Geschäfte finden wir hier seit dem 15. Jahrhundert Vorsteher, die wahr- scheinlich mit den seit 1322 urkundlich vorkommenden Hofmeistern oder magistri curie (Hans von Nabeticz heilst No. 415 Vorsteher, No. 416 Hofmeister) identisch sind, aber schon nach der Art, wie in den Urkunden ihre Stellung gegenüber Äbtissin und Konvent gekennzeichnet ist (vergl. z. B. No. 413, 415, 416), niemals die Rolle der Pröpste gespielt haben können. Einige derselben waren wohl Laienbrüder, andere geistlichen Standes, dagegen werden Hans von Nabeticz (Nabilticz) und Hans Alffelt in No. 41 3 unter den weltlichen Personen aufgeführt, wie denn auch die Nachfolger des Albrecht Schober zu diesen zu zählen sind, während Pröpste sonst nur Kleriker sein konnten. Die Bezeichnung Probst (neben Vorsteher) führt zuerst der dem geistlichen Stande angehörende A. Schober, aber wohl nur infolge seiner früheren Stellung; unpassend wird der ehemalige Schösser Johann Gora als Vorsteher in No. 480 und 485 Anm. (was noch im Register nachzutragen) ebenfalls Propst genannt. Hiernach ist die Anmerkung zu No. 428 zu ergänzen bez. zu berichtigen. Auiserdem mögen hier noch einige kleinere Nach- träge und Verbesserungen Platz finden. Vorsteher (Hof- meister) im Kloster war 1467 Albrecht Gernhardt, wie wir aus der Aufzeichnung über die Klage desselben gegen den Rat zu Oschatz wegen Vorenthaltung von Zinsen, die der Klosterjungfrau Ilise von Gera (vergl. No. 413) zu entrichten waren, ersehen (Oschatzer Stadt- buch von 1466 1500 Dep. Hauptstaatsarchiv Dresden fol. lb). Die 1479 zum letzten Male als solche er- wähnte Äbtissin Dorothea Beherfs erscheint in der Spezial- rechnung der Äbtissin Ursula von Lausigk auf 1484/85 (vergl. No. 409 Anm.) als „aide frauwe"; sie bezog hier- nach an Leibzinsen zu Walpurgis und Johannis zusammen 4 ß. 20 gr., zu Michaelis und Weihnachten 3 ß. Eben- daselbst werden aufgeführt Ursula Hertewygils (1 ß. 20 gr. Leibzinsen Walp.), Barbara Kanytz (21 gr. Walp.), Anna Hochenist (3 ß. Mich.), Anna und Katherina2) Kanytz

2) Koramt sonst urkundlich nicht vor.

310 Kleinere Mitteilungen.

(zusammen 1 ß. 34 gr. Mich.). Der in No. 41 3 unter den Zeugen genannte Nicolaus schriber zcu Grymme war ohne Zweifel Mühlschreiber des Klosters Altzelle in Grimma (vergl. auch Beyer, Altzelle 702 No. 773) und ist dem- gemäß im Register s. v. Grimma, Mühlen (Ober- und Niedermühle) einzustellen. Die in No. 455 an 39. Stelle erwähnte Margaretha Grolsin ist, wie schon im Register richtig gestellt, nicht irrtümlich ein zweites Mal genannt, sondern verschieden von der an 9. Stelle genannten Klosterjungfrau gleichen Namens; jene hatte sich noch zwischen 1536 und 1539 verheiratet und wird 1544 als Tochter Hanns Groises bezeichnet (Lorenz, Grimma 1117), während letztere bereits 1470 von ihrem Vater Friedrich Große ausgesteuert wurde (No. 421).

•2. Zu Hortleders Geschichtswerk.

Von Anton Chroust.

Das im folgenden mitgeteilte Schreiben F. Hortleders, des Verfassers der „Handlungen und Ausschreiben . . . von den Ursachen des Deutschen Kriegs Kaiser Karls V. etc.", entstammt dem gräflich Dohna'schen Archiv zu Schlobitten in Ostpreußen, über das ich an anderer Stelle berichten werde. Offenbar gehört das Schreiben einem umfang- reicheren Briefwechsel an, den der gelehrte Geschichts- schreiber am Weimarschen Hofe mit Christoph Freiherrn und Burggrafen zu Donna (1583-1637), dem Neffen des berühmten Fabian des Älteren von Dohna, geführt hat; leider habe ich von diesem Briefwechsel bisher keine weitere Spur finden können, auch das von mir mitgeteilte Schreiben ist nur in Abschrift erhalten.

Über Hortleder brauche ich nichts weiteres zu sagen ; über den Empfänger des Briefes möge die Bemerkung genügen, dals Christoph von Dohna im Jahre 1615 als pfälzischer und anhaltischer Eat an den Höfen des Kur- fürsten Friedrich V. von der Pfalz und des Fürsten Christian von Anhalt, der damals als kurpfälzischer Statt- halter zu Amberg residierte, eine Vertrauensstellung ein- nahm, vor allem aber zu letzterem in freundschaftlichen Beziehungen gestanden hat.

Christoph von Donnas Interessen gingen jedoch über die eines Diplomaten und Staatsmannes weit hinaus. Die Teilnahme an den religiösen Fragen war bei ihm, der

Kleinere Mitteilungen. 311

gleich seinem Oheim und seinen Brüdern sich früh schon dem reformierten Bekenntnisse angeschlossen hatte, nicht geringer als die an wissenschaftlichen Dingen, vor allen an den Werken der Geschichtschreibung. Christoph selbst war Schriftsteller und hatte 1614 einen verdeutschten Caesar anonym erscheinen lassen; als Geschichtsschreiber be- währte er sich selbst in seiner Autobiographie, von der J. Voigt einen Auszug geliefert, auf den ich wegen der sonstigen Lebensumstände Christophs verweise1).

Die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Häusern Anhalt und Weimar werden den fürstlichen Rat und den herzoglichen Präzeptor wohl zuerst zusammen- geführt haben, gemeinsame Neigung für geschichtliche Stu- dien und Gemeinsamkeit der politischen Anschauungen haben mit der Zeit die Bekanntschaft vertieft. Christoph von Dohna steuerte, wie dies auch Ludwig Camerarius that, Mitteilungen aus Akten oder Abschriften von solchen, wahrscheinlich aus dem Archiv der Amberger Regierung, zu Hortleders Geschichtswerk bei, ganz so, wie er und seine Brüder auch den Präsidenten de Thou in seinen Arbeiten unterstützten.

Für die Geschichte des Hortleder'schen Werkes, des „Urkundenbuchs zu Sleidan", ist der folgende Brief nicht ohne Interesse. Hortleder geht, nachdem der grössere Teil seines Werkes oder besser gesagt des ersten Bandes fertig ist, auf die Suche nach einem Verleger. Goldast hat für ihn mit den Frankfurter Verlegern verhandelt und sogar das Honorar schon ausbedungen, aber diese sind infolge der jüngsten Frankfurter Ereignisse vor- sichtig geworden und fordern die Ausbringung eines kaiser- lichen oder mindestens eines kursächsischen Privilegs für das Buch. Hortleder macht sich keine Hoffnung, diese Bedingung erfüllen zu können und sucht nun mit Hilfe Christophs von Dohna in der Oberen oder in der Kur- pfalz einen Verleger zu finden, für den er mit Hilfe Christians von Anhalt ein kurpfälzisches Privileg zu er- wirken hofft. Hortleder oder vielmehr der Frankfurter Verleger hat sich aber später doch eines anderen be- sonnen, beide Bände seines Werkes sind dann doch bei Ruland in Frankfurt a. M. erschienen, ohne dais irgend ein Privileg ausgewirkt worden wäre.

') Historisches Taschenbuch, 111. Folge, IV (1853), 1 ff.

312 Kleinere Mitteilungen.

Dürfte es schon nicht ohne Interesse sein zu sehen, wie sich vor drei Jahrhunderten die Verhandlungen zwischen Verfasser und Verleger gestalteten, so ist noch bemerkens- werter, was Hortleder von der aktuellen Bedeutung seines Werkes und von dem Nutzen, den die protestantische Union davon haben werde, für eine Meinung hatte und wie grofs das Interesse der Unionsfürsten, die in dem schmal- kaldischen Bund ihr Vorbild sahen, an dessen Geschichte war. Was Hortleder in seinem Briefe über die von ihm vorgenommene Unterdrückung von „Famosschriften" mit Rücksicht auf Kursachsen, Hessen-Kassel und Braun- schweig sagt, hat er in der Vorrede des ersten Bandes mit weiterer Ausführung wiederholt. Er scheint aber mit dieser Redigierung seines Stoffes, die er unbefangen eingestellt, doch nicht weit genug gegangen zu sein, denn gleich nach Erscheinen des ersten Bandes hat Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig beim Rat der Stadt Frankfurt wie bei Herzog Johann Ernst von Sachsen- Weimar die Konfiskation des Buches begehrt, das alte geschlichtete Händel zwischen fürstlichen Häusern wieder hervorzerre (vergl. Electa iuris publici VI, 46); dem Be- gehren wurde übrigens nicht willfahrt.

Das andere Buch „De secretiore causa belli Ger- mania etc.", dessen Hortleder in seinem Briefe gedenkt, ist wohl der zweite Band seines grolsen Werkes, der dann 1618 mit dem Titel „Von Rechtmäßigkeit, Anfang, Fort- und endlichen Aufsgang des teutschen Kriegs etc." wieder bei Ruland erschienen ist.

F. Hortleder an Christoph von Dohna.

Salntem et officia.

Binae Tuae literae mihi recte traditae sunt suo quoque tempore, I In istophore lectissime atque amicissime, Ex utrisque vero praestitam mihi fidem et in indagandis rebus Palatinos adhibitam summam in- dustriam cum singulari prudentia conhmctam abunde perspexi. Ac enitar non modo pro me .sedulo, ut quovis studiorum genere Tuam li;inc ynavam operam compensare possim, sed etiam ill.mae meae eandem praedicabo spei bonae plenus, si quando Celsdo ipsius Tibi ornamento ac emolumento <sse poterit, eam utilitatibus Tuis non defuturam. \ir vero ist, ut in hac re ullam amplius operam adhibeas; sunt enim res quam plurimae, quae privata diligentia, quanta quanta illa sit, erui mm poasunt, cui et haue nostram lubens aceenseo. Et erit consultius, aliqnando huius rei gratia ipsum metropolis electoralis praesidem ac vicarium summum Christianum Anhalt inum recta via

Kleinere Mitteihmgen. 313

adire missis ambasibus. Domino domino Casparo2) fratri meam etiam vicissim operam et omnia amicitiae ofh'cia delata cupio.

Verum audi, amicissime Christophore , quid Te rursus velim: Nobilissimam partem inei operis, quae est „de causis belli Germanici", iam ante tempus satis spatiosum penitus äbsolvi eamque per Goldastum hibliopolis Francfurtensibus Petro Kopfio, qui per annos aliquot id opus anibierat, Rulando, Aubriis et aliis obtuli, traditionell! bis prae- teritis nundinis promisi. Quid vero illi? Opus ipsum minime quidem sibi displicere.inquiunt, autori mihi bonorarium sat amphmi offerunt et (si Goldasto rides adbibenda est) pro singulis foliis dimidium Rbenanum aut eo amplius non renuunt, sed conditiones adiiciunt mihi penitus impossibiles et intolerabiles, unam ut ipsis Privilegium caesarenm impetrem, alteram, aut si id iieri non possit, saltem electorale Saxonieum, tertiana ut omnia mea ipsis pignori opponam, si ob hoc opus editum aliquid damni a Caesare vel ullo principe patiantur, a Moguntino praesertim, in cuius manu ac potestate nunc sint res Francfurtanae publicae ac privatae. Jam etsi ipsis sanctissime affirmaverim atque etiam multis clarissime demonstraverim, in hoc opere ne verbulum quidem aut literam ullam reperiri, quae Caesarem aut ullum principem offendere possit aut, si reperiatur ulla, quam ego non paratus sim e medio tollere, nihil tarnen proficio.

Laterem lavo, stat Ulis pro ratione voluntas. Quapropter dis- trahere cum illis, non contrahere negotium omnino constitui et cum in Palatinatu Ambergae, Heidelbergae, Neostadii chartam non minus nitidam et typum nihilo deteriorem reperiri sciam, cum aliquo pala- tinorum bibliopolaruin contractum inire eique opus impensis suis excudendum committere.

Ad quod me hae quoque rationes invitant: 1. Quia si ullum nspiam opus est, quod bodiernae unionis principibus ac statibus magnopere sit profuturum, id hoc certe opus est. 2. Quia a miütis magnisque de unione principibus hactenus a me non semel desideratum ; iam enim ante multos annos Christianus Anhaltinus ad ill.mam nostram, sororem suam, scripsit, delineationem quandam et summam operis sibi mitti petiit, deinde institutum clementissime collaudavit datis- que ad me literis opem suam obtulit, postea cum ante annum huc transiret, denuo sermonem meum contulit, ut editionem maturarem, clementissime monuit; idem Augustus Anhaltinus semel iterumque fecit aut, si protrahenda longius esset editio, in usum suum totum librum 5. 7. et 8. describi postulavit; idem quoque per cancellarium Fabrum Wirtembergicus, idem per consiliarium praecipuum et intimum Lüschwitium marggravius8) fecit. 3. Quia serenissimo electori palatino ipsi per Goldastum est iamdudum commendatum. 4. Quia a consi- liario interiore Heidelbergensi Ludovico Camerario aliquot scriptis liberaliter auctura et ornatum.

Age ergo, ornatissime Christophore, vel Ambergae vel Heidel- bergae vel Neostadii vel etiam Noribergae mihi virum aliquem honestum bibliopolam quaere, qui suis impensis opus meum edi curare velit. Is, si ab electore palatino Privilegium sibi impetrari postulabit, plane nullus dubito, quin facillimo negotio per Christianum Anhal- tinum id impetraturus sim; atque honorarium quod attinet, bis con- ditionibus cum eo transacturum me promitto: 1. Si mihi itidem,

2) Soll wohl heifsen „Achatio", wenigstens kann nur Achaz von Dohna gemeint sein.

3) Gemeint ist Markgraf Joachim Ernst von Ansbach.

,;i | Kleinere Mitteilungen.

pro foliis singulis dimidium Rhenanura, spondeat, quod Francofurtenses min detrectavere , et Goldastus a Rulando accepit pro I'olitieis suis imperialibus , latinis et germanicis; 2. aut si id spondere nolit. m nun Item dimidium thalernm, utque explicatius dicam, duodenoa dumtaxat grossos solvat in folia singula; '6. ut, cum opus exenden- dum traditur, thaleros centenos annumeret, reliquum intra annum solvat. Ego vicissim promitto quiequid exemplarium ill.»,is meis aliisque prineipibus, patronis et amicis a me exhibeudum erit, id ab eo me sumturum ea lege, ut de summa mihi debita eorum pretium dece[d]at et is mihi exemplaria eodem pretio vendat, quo venditurus est bibliopolis uostris aliquid ab eo mutuo sumeutibus. Quis operi titulus praefigendus sit, qualis index praemittendus, iuneta his litteris descriptio [fehlt] docebit, cuius copiam omnibus, quicumque eam desideraturi sunt, maxime vero bibliopolis in Vestris uris facere poteris. Quod si quem vero in descriptione ea scripta adversaria Saxonis, landgravii ac Brunsvicensis oi'fensura sunt, veluti replicae, duplicae, triplicae, quadruplicae, quae ut famosa omnes historiae damnant, is sciat, me id omne, quiequid in istis scriptis famosi et iniuriosi fuit, sustulisse et scripta ea omnia de novo describi fecisse non sine ingenti labore meo et sumtibus nostrae ill.,,iaf>, sie ut nihil nisi res ipsa et quiequid publice privatimque profuturum est, sine ulla verborum contumelia bodie in iis appareat.

Praeter hoc opus autem et ea omnia, quae nominatim expri- muntur in supradicto et his literis adiuneto indice, adhuc aliud opus habeo, quod et ipsum non minus ac prius illud magnitudine sua Goldasti „Imperialia politica latina" exaequabit, inseriptum: „De secretiore causa belli Gennanici et ipsius etiam belli initio, progressu, exitu." Id quoque intra annum habiturum enm conditioni- bus tolerabilibus spondeo, quieunque illud exeudendum suseipiet; ac titulos formavi sine ulla adiectione notarum tomi L. tomi II. hoc consilio, ut separatim vendi possint, cum id contento facillime patiantur ac ne emtores absterreat magnitudo pretii, si non ven- derentur singuli et saltem coniuneti. In bac re si quid, ami- cissime Christophore , per te aliosve effeceris, non sinam abire offi- cium Tuum irremuneratum, sed de primitiis statim honorarii mei ita me erga Te exhibebo gratum, ut sentire possis, Tua opera mihi nihil gratius aeeeptiusve aeeidere potuisse. Nunc ad alia.

Omnes illae disputationes , quae a Te desideratae ac huic ta- bellario afferendae mandatae sunt, cum aliis id genus non paucis prodibunt in unum volumen redactum, quod collectorem habet Aru- maeum,typographumRauchmauliividuam ac heredes. Igitur operae pre- tium mm duxi eas sigillatim colligere sed ad viduam praedietam misi, an fere absolutum volumen illud esse rogavi; respondit illa ad proximum iliem Veneris hac ipsa septimana absolutum iri. Quem diem an tabellarius Tuns exspeetaturus esset, cum rogarem, ille negavit. Uxori tarnen meae, cum heri sera huc rediiem, mandavi, ut si prnetei- opinionem suam tabellarius Tuns rediret serius, exemplar aliquod iura mitteret; si vero citius quam in typographia volumen absolutum esset, de rei statu eum commonefaceret, ut responsum certum ad Te adferre posset; cui voluntati meae eam morem gesturam non dubito. Huswedelium uostrum, amicum raeum veterem virumque sane quam doctissimum, ex foro et aula rediisse in academiam, mihi quidem lectu et auditu novuin fuit. Precor tarnen, ut quam felicissime ei cedat hoc consilium ac si qua in re unquam commodis ipsius inser- vire potero, Studium promitto.

Kleinere Mitteilungen. 315

Te vero, mi iucundissirae Ohristophore , diutissime valere ;ic reipublicae perennare, a meis vero omnibus, praesertim Friderico Bomano filio salvere iubeo. Scribebam Vimariae septembris die 18. a. 1615.

Tui amantissimus

F. Hortlederus ')•

3. Die Grands Mousquetaires.

Aus dem Nachlasse von A. v. Minckwitz.

Kurfürst Johann Georg IV. gab am 22. Oktober

1691 dem Geheimen Kriegsratskollegium zu erkennen: „Wir sind entschlossen zu Unserer Leib -Garde und zur Aufnahme des Adels hiesiger Lande eine Compagnie zu Pferde, unter dem Namen einer Compagnie Grands Mousque- taires, aus jungen Leuten zu errichten, welche in aller- hand Kriegs -Exercitiis unterrichtet werden sollen und haben Wir den Freiherrn Johann Georg von Meuisbach beauftragt, solche Compagnie zu richten."

Der Erlais dieses Befehls fällt in die Zeit, wo der Kurfürst auch eine Kompagnie Cadets zu errichten be- absichtigte. Während letztere bestimmt war, der Aus- bildung von Infanterieoffizieren zu dienen, sollten in der Kompagnie der Grands Mousquetaires die jungen Edel- leute zum Eintritt in die Kavallerieregimenter vor- bereitet werden. In der Proposition an die Stände im Jahre 1692 findet sich die Anforderung von 50000 Gulden zu Errichtung der Kompagnie Grands Mousquetaires und der Kompagnie Cadets gleichzeitig gestellt. Trotzdem dafs die Stände nur die Hälfte dieser Summe bewilligten, nahm die Errichtung der beiden Kompagnien ihren Fort- gang, jedoch verzögerte sie sich, was die Grands Mousque- taires anbetrifft, bis zum Frühjahr, und erst am 9. März

1692 erhielt dieselbe die Stadt Eilenburg zum Sammel- platz angewiesen.

Die Kompagnie marschierte im Juni 1692 nach Dresden, wo der Magistrat Befehl erhielt, die Grands Mousque- taires, welche Logiamenter und Stallung selbst zu be- zahlen hatten, in Alt-Dresden, der jetzigen Neustadt, in einer Gasse oder doch so nahe beisammen als möglich unterzubringen.

4) Schlob. Archiv, fasc. 23/3. Cop.

316 Kleinere Mitteilungen

Die erste Musterung fand in Gegenwart des Kur- fürsten am 8. August 1692 auf der Östrawiese statt; hier schworen die Grands Mousquetaires zum Fähndel.

Bei dieser Gelegenheit war der Etat der Kompagnie:

s tab :

L50 Thlr. Obrist Johann Georg Freiherr von Meuszbach,

100 Major Johann Wilhelm Graf Ronow,

20 L Quartiermeister,

L5 .. 1 Peldscheer,

(>(i ii Eautbois,

32 4 Tambours,

LO .. I Fahnenschmied,

H) 1 Fahnensattler.

Prima plana:

70 .. Kapitän Christian Ernst Trützschler,

70 Georg Friedrich von Hopfgarten,

.">() ., Lieutenant Georg Christoph von üeitzenstein,

50 Bodo Dietrich von Alvcnsleben,

10 Fähnrich Adolf Wilh. Freiherr von Stubenliri-.

.'."> Wachtmeister Hans Heinrich von der Mosel,

25 .. Georg Wilhelm Trützschler,

10« 6 Korporale (ELölbel von Geilsing, Raab, Neerhoff, Kötteritz, Arnstadt, Langenhagen),

1200 .. Kid Grands Mousquetaires.

2035 Thlr. monatlich.

Hierüber: 33 Thlr. 8 Groschen ein Fechtmeister, 20 ,, ein üprachmeister. 35 ein Tanzmeister.

Die Mousquetaires waren sämtlich junge Edelleute. Vertreten waren unter anderen die Namen: Miltitz, Carlowitz, Schönfeld, Schönfels, Metzradt, Köckritz, Zedt- witz, Bünau, Boxberg, Zezschwitz, Ponickau, Beulwitz, Polenz, Watzdorf, Uechtritz, Brandenstein, Ende, Seebach, Helldortf, Dallwitz, Gersdorff, Haugwitz, Kospoth etc.

Einige Tage nach der Musterung liefe der Kurfürst die Grands Mousquetaires, und denselben Tag auch die Kadettenkompagnie auf der Alt-Dresdner Wiese vor sich exerzieren.

Die vorhandenen Nachrichten geben keine Auskunft darüber, ob die bei Errichtung des Korps getroifene Be- st immung, dais die Offiziere der Kavallerie aus den Grands Mousquetaires hervorgehen sollten, überhaupt in Kraft getreten ist. Jedenfalls hat dieselbe nicht lange Geltung behalten, und höchst wahrscheinlich war diese Absicht

Kleinere Mitteilungen. 817

schon aufgegeben, als der Kurfürst im Frühjahr 1693 anbefahl, die Grands Mousquetaires in eine Kompagnie Dragons de Garde du Corps umzuwandeln, welche am 1. November 1693 in die Grenadiers ä cheval umformiert und im Oktober 1694 wieder aufgelöst wurden.

Mit dem Wirklichen Geheimen Rat, Generallieutenant bei der Kavallerie und Obristen über ein Regiment Küras- siere, Karl Gustav Lewenhaupt, Grafen von .Falkenstein, wurde am 22. März 1699 eine Kapitulation zu Errichtung eines Korps von Grands Mousquetaires abgeschlossen.

Von dieser Kapitulation übersendete der König von Warschau aus dem Statthalter Fürsten Fürstenberg Ab- schrift, unter dem Hinzufügen: „Fürst Fürstenberg hat von dem Vorhaben dem Grafen Friesen Nachricht zu ertheilen, damit Unfs zu sonderbarem Gefallen er dem Grafen Lewenhaupt nach Vermögen an Hand stehen und behilflich sein möge zur Beibringung braver tüchtiger Offiziere und Leute."

In näherer Ausführung der in der Kapitulation ge- troffenen Bestimmungen erhielten die Grands Mousque- taires an Gewehr und Equipage : die Flinte, die Pistolen, den Degen, das Degengehenk, die Echabraque nebst Kappen, den Rock, das Kamisol, die Hosen, den Mantel, den Hut nebst Hutschnur und einer weifsen Feder, die Handschuhe, die Strümpfe ; zu bezahlen hatten die Grands Mousquetaires in den ihnen gemachten Abrechnungen: das Pferd, den Sattel nebst Pistolenhalftern, die Steig- bügel, die Steigriemen, den Flintenriemen und den Flinten- schuh, das teutsche Reitzeug mit Stangen, die Trense mit Gebits, die Pferdedecke, die Stiefeletten, das Zelt.

Über die Farbe der Montur, welche die Grands Mousquetaires trugen, ist keine andere Nachricht auf- behalten, als dafs dieselben gelegentlich des Königs graue Musketierer genannt werden.

Die Grands Mousquetaires garnisonierten in Warschau und im 'Monat August 1699 erhielt der General Graf Lewenhaupt Auftrag, das Haus in der Krakauer Vor- stadt, das zuvor dem Herrn Podstolli gehört, umbauen und zum Hotel der Grands Mousquetaires einrichten zu lassen.

Das Hotel war im April 1701 der Schauplatz einer Meuterei gegen den General Grafen Lewenhaupt, wobei als Rädelsführer der Sous- Brigadier Mr. de Rochefort

318 Kleinere Mitteilungen.

auftrat. Eines Morgens erschien nämlich der General im Hotel, um den Grands Mousquetaires in einer Anrede das Mißvergnügen des Königs über die mit Gewehr und Equipage geschehene Desertion von zehn der Ihrigen auszudrücken. Im Weggehen befahl der General, sämt- liches Gewehr im großen Saal des Hotels zusammenzu- bringen und daselbst aufzubewahren. Die Grands Mousque- taires sahen dies jedoch als eine Entwaffnung an, und beim Ablösen der Wache verweigerten die aufziehenden Grands Mousquetaires das Gewehr zu ergreifen, bis vom Könige, in dessen Auftrage ihnen das Gewehr durch den General genommen worden, der Befehl erginge, es wieder aufzunehmen. Am folgenden Tage standen jedoch die Grands Mousquetaires nach einem durch den General Lewenhaupt im Namen des Königs dreimal erfolgten An- ruf von ihrer Auflehnung ab, der Sous-Brigadier Mr. de Kochefort bat um Pardon, und man erfährt nicht, welche weitere Folgen der Vorfall nach sich gezogen hat.

Nach einer Ordre vom 18. Mai 1700 sollten wie bei der Garde zu Pferd so auch bei den Grands Mousque- taires die Offiziere den Rang haben: der Oberst als Generalmajor, der Obristlieutenant und der Major als Obrist, der Rittmeister als Obristlieutenant, der Lieutenant als Major, der Kornet als Kapitän.

Im Frühjahr 1700 war der Etat des Korps der Grands Mousquetaires:

Stab:

Colonel: Le General Comte Lewenhaupt,

Lieut.-Colonels: Le Comte Bethune, Maurice Comte Lewenhaupt,

Major: Otto Wrangel. Cornet: Mr. de Lütticau.

Adjutant: Mr. Surlande.

1 Qnartier-Maitre, 1 Auditeur, 1 Chirurgien, 1 Chapellain, 1 Tim- ballier, (i Hautbois (2 Bassons, 3 Hautbois, 1 Lattallie). 1 Sellier, 1 Marechal, 1 Profous.

Drei Kompagnien:

Capitaines: Mr. Lubienski, Mr. de Malerarques, Mr. Walmotte de

Baudwen. Lieutenants: Mr. de la Costi, Mr. de Fierville, Mr. de Foyssar. Marechaux des logis: Mr. Dademas Bousquet, Mr. de Janus,

Mr. Bonafons. Brigadiers: Mr. de la Haie, Mr. Marats, Mr. la Fernere, Nous- Brigadiers, 6 Tambours, 150 Grands Mousquetaires.

Unter den Grands Mousquetaires erscheinen aufser den Deutschen (Schleinitz, Seidlitz, Wessenberg, Man-

Kleinere Mitteihmgen. 319

teuffei, Tiesenhausen , Uexkül, Korff, Medem, Brunnow, Kettler etc.) vorzugsweise Franzosen (Calverac, Les- pinasse, Lavalette, Chambon, La Bravere, Dampierre, Bariset, Layard etc.) und einige Polen (Dombrowski, Litiski, Binienski, Zapandowski etc.).

Selten übrigens erreichte das Korps den Sollbestand, im Juni 1701 waren nur 80 Mousquetaires vorhanden, worauf der König diese Garde unter Beibehält des Stabes auf eine Kompagnie reduzieren liefe. Diese in drei Bri- gaden eingeteilte Kompagnie sollte der Baron Malerarques befehligen, allein bereits im August wurden die Grands Mousquetaires, gleich den Grenadiers ä cheval und den Carabiniers der Garde du Corps einverleibt.

Zu den Vorbereitungen, welche der König für das im Frühjahr 1730 bei Zeithain abzuhaltende Campement traf, gehörte auch die Errichtung eines Korps von Grands Mousquetaires unter Kommando des Generalmajors der Kavallerie bei der sächsischen Armee Jacob Alexander Fürst Lubomirski Graf von Wisnitz und Jaroslaw, der Krone Polen Schwertträger, auch Generalmajor bei der königlich polnischen Kronarmee und Obrist über ein Regiment Dragoner, Ritter des Weifsen Adlerordens.

Das Korps bestand nach dem am 20. Januar 1730 vom König unterzeichneten Etat aufser dem Stabe aus einer Kompagnie polnischer junger Edelleute und einer Sachsen -Weimarschen Kadettenkompagnie und hatte folgenden Etat:

Stab: 150 Thlr. Gr.1) der Kommandant Generalmajor Fürst Lubomirski

40

«

der Adjutant, Christoph Heinrich Titzthum von Eckstädt, Major,

30

«

der Oberquartiermeister Eschenbach,

12

fl

der Auditeur Leiteritz,

5

12

w

1 Fourier,

5 .

12

1)

1 Feldscheer,

7

*1

1 Pauker,

48

«

8 Hautbois ä 6 Thlr.,

20

n

4 Tambours ä 5 Thlr.,

5

j)

1 Schmied,

5

j)

1 Sattler,

5

«

1 Profos.

333 Thlr

.

Gr.

22 Köpfe.

a) Diese und die folgenden Zahlen beziehen sich auf den monat- lichen Sold.

•]2() Kleinere Mitteilungen.

Die erste Kompagnie:

90 Tlilr. Kapitän Wocislaus Potocki, Obrist,

60 .. Lieutenant Caspar Franz von Pirch, Obristlieutenant,

45 . Souslieutenant Tobias Adrian von Rotenberg, Major,

:so Fähnrich Otto Christoph von Sacken, Kapitän,

60 i Sergeanten, Goluchowski und Jackowski, als Kapitäns,

30 ,, 1 Fahnenjanker, von Budberg, als Kapitän.

60 I Korporale, Tempski, Kowalski, Siemanowski, Zbyewski,

als Lieutenants, iso 60 Grands Mousquetaires.

S5Ö Thlr771 Köpfe!

Die zweite Kompagnie:

90 Thlr. Kapitän von Buttler, Obrist.

60 Lieutenant von Comanstein, Obristlieuteuant,

45 Souslieutenant von Aschersleben, Major,

30 Fähnrich von Wuthenan, Kapitän,

60 2 Sergeanten, von Passer, von Göchhausen, als Kapitäns.

30 1 Fahnenjunker, von Franquinet, als Kapitän,

60 4 Korporale, von Seebach, von Feilitzsch, von Wallenfels,

von Boxberg, als Lieutenants, 480 60 Grands Mousquetaires.

856 Thlr. 71 Köpfe"

Also erforderte der Unterhalt des Korps monatlich im Ganzen 2043 Thaler.

Hierüber wurde auf je zwei Grands Mousquetaires ein Sattelknecht zur Wartung der Pferde unterhalten, der Betrag für diesen Aufwand jedoch vom Traktament der Grands Mousquetaires abgezogen2).

Die polnische Kompagnie kam im Januar aus Warschau nach Dresden und wurde in der Ritterakademie einquar- tiert, während die Sachsen -Weimarsche Kompagnie erst kurz vor dem Zeithainer Campement eintraf.

Was die Montur betrifft, so trugen die Grands Mous- quetaires paille Westen und rote Röcke oder en parade statt der letzteren rote Superwesten, in welchen auf Brust und Rücken das Motto: Jehovah (vexillum meum) in hebräischen Buchstaben mit Silber eingestickt war8).

Ebenso zeigte die rotseidene Estandarte das in Silber eingestickte Jehovah.

Montur und Wehrgehenke waren reich mit Silber bordiert.

-) Wenn das Korps marschierte, formierten die rot mit gelb montierten Sattelknechte eine geschlossene Abteilung.

8) Ähnliche Superwesten trug die Chevaliersgarde, doch waren dieselben blau, mit dem in Gold eingestickten Jehovah.

Kleinere Mitteilungen. H2\

Die Grands Mousquetaires rückten am 15. Mai in das Zeithainer Campement, nach dessen Beendigung die Sachsen -Weimarsche Kompagnie nach Weimar zurück- kehrte, wodurch deren Beziehungen zu dem Korps der Grands Mousquetaires sich vollständig lösten.

Die polnische Kompagnie, welche unter Erhöhung des Etats der Kompagnie auf 80 Grands Mousquetaires das Korps nun allein darstellte, traf am 9. Juli aus dem Campement wieder in Dresden ein und bezog in der Neustadt an der Elbe anderweit ein Campement, in welchem dieselbe mehrere Wochen stehen blieb.

Am 4. August liefs der König die Grands Mous- quetaires auf der grofsen Wiese bei Friedrichstadt die Revue passieren, wobei dieselben, wie ein Augenzeuge versichert, auf ihren munteren Pferden treffliche Parade machten.

Am folgenden Tage marschierte sodann das Korps nach Warschau ab und wurde hier erst seiner eigent- lichen Bestimmung, der Ausbildung der jungen Leute für den Offiziersstand, zugeführt4).

In dem königlichen Lustschlosse Marieville bei Warschau, welches man zu ihrer Aufnahme hergerichtet hatte, wohnten die Grands Mousquetaires beisammen unter der Aufsicht ihrer Offiziere.

Täglich fanden des Morgens und des Nachmittags Paraden statt, nach deren Beendigung die jungen Leute sich zu ihren Unterrichtsstunden in der Geschichte, der Moral, der fremden Sprachen und anderen Wissen- schaften, sowie zu den Übungen in den ritterlichen Exerzitien, des Tanzens, Fechtens und Reitens zu be- geben hatten5).

4) Um die Mittel zum Unterhalt des Korps der Grand Mous- quetaires aufzubringen, geschah der seltsame Vorschlag: in Polen, Litthauen und Kurland den Protestanten, den griechischen und russischen Beligionsvervvandten, auch den Manisten, freie Religions- ühung zu verstatten, unter der Bedingung, dafs ein jeder, sowohl der Edelmann, wie der Bürger und Bauer, von 1000 Gulden Ver- mögen jährlich 1 Gulden zur Kasse der Grands Mousquetaires ein- zahle. Dagegen sollte auch Mchtkatholiken der Eintritt in das Korps gestattet sein, jedoch nur zum vierten Teil.

5) In dem Projet concernant l'instraction de Messieurs les Grands Mousquetaires du Roi war den Lehrern grofse Umsicht im Verkehr mit den jungen Leuten zur Pflicht gemacht. Unter anderem ist gesagt: ils prendront garde de ne point sortir de la gravi te, qui leur convient dans les entretiens familiers et les liaisons d'amitie,

Neues Archiv* f. S. (J. u. A. XVI. 3. 4. ~1

',)•>■> kleinere Mitteilungen.

Abends nach dem Zapfenstreich, im Winter um 8 Uhr, im Sommer um 10 Uhr, muiste jeder Grand Mousquetaire sich auf seinem Zimmer befinden und war es streng verpönt, Tabak zu rauchen, um Geld zu spielen, sich zu streiten und zu schlagen, oder anderen Unfug zu treiben.

Ein Korporal und 5 Grands Mousquetaires bezogen täglich die Estandarten- und Paukenwacht beim Kom- mandanten des Korps. Das Exerzieren wurde fleiisig geübt, und bei besonderen Gelegenheiten rückten die Grands Mousquetaires nebst anderen Truppenteilen mit aus, wie unter anderem bei der Feier des Erohnleich- namsfestes zu Warschau im Jahre 1732. Auch nahmen im Monat August die Grands Mousquetaires Teil an dem Campement der polnischen Armee am Kaninchenberge bei Czernichow0).

Wenige Monate nach diesem Campement verschied zu Warschau König August IL, und die politischen Wirren, welche infolge der neuen Königswahl eintraten, führten allmählich zur Auflösung des Korps der Grands Mousquetaires.

Nachdem ein grofser Teil derselben seine Entlassung genommen hatte, liefs der am 5. Oktober als August III. zum König von Polen erwählte Kurfürst Friedrich August die wenigen übrig bleibenden Grands Mousquetaires nach Dresden kommen; dieselben traten in die Verpflegung aus der sächsischen Kriegskasse.

qu'ils pourraient conti acter avec eux. Und an anderer Stelle: les Maitres auront soin de ne leur rien enseigner, qui ne tende ä les editier et ä les instruire. Les grands exemples, les traits choisis de l'histoire, les reflexions morales et autres belles maximes, qu'ils leur citeront, concluront toujours ä leur reraettre devant les yeux, ce qu'ils sont nes et consequeraent, ce qu'ils doivent au Roi, ä la Patrie et ä eux memes. Widerspenstigkeit der jungen Leute sollten die Lehrer mit aller erdenklichen Geduld ertragen, ehe sie zu dem Äußersten schritten, Klage bei den Vorgesetzten zu führen.

Die Grands Mousquetaires ihrerseits waren bei Strafe der Cassation angewiesen, sich in den Stunden fleifsig und sittsam zu erweisen und die Lehrer nicht zu beleidigen.

'') Zu diesem Campement, welches für die polnische Armee das Pendant zu dem Zeiiliainer Campement bildete, waren die polnischen Magnaten in grol'ser Anzahl als Gäste des Königs geladen.

Besonderes Interesse gewährten unter den vorgenommenen Übungen die von neun polnischen Ulanenkompagnien ausgeführten Exercices lanciers, nach deren Beendigung der König einen Offizier und einen Reiter im Kürafs nach seinem Pavillon kommen liefs, um dieselben den Anwesenden zu zeigen.

Kleinere Mitteilungen. 323

Nach dem Etat aus dem Anfange des Jahres 1734 gehörten damals zum Korps der Grands Mousquetaires:

der Kommandant: Generalmajor Fürst Lubomirski,

der Lieutenant: Obristlieutenant von Pirch, welcher im Februar

als Obristlieutenant zum Dragoner-Regiment Chevalier

de Saxe versetzt wurde, der Adjutant: Obristlieutenant Vitzthum von Eckstädt, welcher

sodann zu den neu errichteten Chevauxlegers kam, der Fähnrich: Major von Sacken,

2 Sergeanten: die Kapitäne Goluchowski und von Budberg, 1 Fahnenjunker: Kapitän Siemanowski, 4 Korporale; die Lieutenants Zbyewski, von Powisch, von

Buttler und Krzypanowski, 15 Grands Mousquetaires: fast durchgehends Deutsche und Kur-

länder (Medem, Korff, Sacken, Brincken, Vietinghoff etc.).

Binnen kurzer Frist rückten jedoch nach und nach die noch vorhandenen Unteroffiziere und Grands Mous- quetaires als Offiziere bei den Regimentern ein und in einer Verordnung an das Geheime Kriegsrats-Kollegium vom 24. Dezember 1735 ist von den Grands Mousquetaires nur noch als von einem nicht mehr bestehenden Korps die Rede, indem es daselbst heifst: dem Generalmajor Fürsten Lubomirski sind diejenigen 150 Thaler monatlich, ingleichen dem Major von Sacken diejenigen 40 Thaler monatlich, welche sie bisher, wegen ihrer, bei dem ehe- maligen Korps der Grands Mousquetaires gehabten Plätze aus der General-Kriegskasse extraordinarie zu geniefsen gehabt, fortzureichen und im Verpflegungs-Reglement des Militäretats mit anzusetzen.

21*

Litteratur.

Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der Königl. Sachs. Staatsregierung herausgegeben von Otto Posse und Hubert Ermisch. Zweiter Haupttheil. X. Band. Urkundenbach der Stadt Leipzig. III. Band. Herausgegeben von Joseph Forste- mann. Leipzig, Giesecke & Devrient. 1894. XII und 422 SS. 4°.

Den beiden ersten von dem im Jahre 1875 verstorbenen Archi- var von Posern-Klett bearbeiteten, 1868 und 1870 erschienenen Bänden des Leipziger Urkundenbuches, welche die Urkunden zur Geschichte der Stadt und des Augustiner -Chorherrenstifts zu St. Thomas ent- hielten, ist nunmehr nach 25 Jahren der sehnlichst erwartete ab- schließende dritte Band gefolgt. Derselbe bringt die Urkunden der drei noch ausstellenden Klöster, der Benediktiner-Nonnen zu St. Georg, der Dominikaner zu St, Pauli und der Franziskaner (Barfüfser), Nachträge zu allen drei Bänden sowie ein ausführliches Gesamt- register zu denselben, und reiht sich seinen Vorläufern würdig an. Der Herausgeber war durch seine amtliche Thätigkeit an der Uni- versitätsbibliothek Jahre lang so in Anspruch genommen, dafs er wenig Mufsestunden zur Ausführung dieser Arbeit fand; es kamen aber auch noch andere Umstände hinzu, welche die Vollendung der- selben verzögerten. Obwohl bereits Vorarbeiten für diesen Band von der Hand des früheren Bearbeiters vorlagen, so stellte sich doch, da inzwischen für den Codex dipl. Sax. neue (übrigens sehr nötige) Editionsprinzipien aufgestellt worden wraren, die Notwendigkeit heraus, die bereits vorhandenen Urkundenabschriften einer nochmaligen Ver- gleichung mit den Originalen und Durcharbeitung zu unterziehen, was sich bei dem damaligen verwahrlosten Zustande des Leipziger Katsarchivs, aus dem das Meiste entnommen war, als höchst zeit- raubend erwies. Einer weiteren langwierigen Arbeit unterzog sich Förstemann , indem er die Einbanddeckel sämtlicher Handschriften und zahlreicher alter Drucke der Universitätsbibliothek auf eingeklebte Urkunden hin untersuchte, eine Mühe, die in der That durch manchen wichtigen Fund belohnt wurde. Ganz besonders schwierig und mühe- voll aber war die Anfertigung des Registers über alle drei Bände, wodurch überhaupt das ganze Leipziger Urkundenbuch erst wirklich nutzbar gemacht wird. Dasselbe umfafst nicht weniger als 100 eng- gedruckte Quartseiten und ist mit einer erstaunlichen Sorgfalt und bis ins Einzelnste gehenden Genauigkeit gemacht, so dafs wir es getrost als Muster für alle später erscheinenden Bände des Codex dipl. Sax. hinstellen können. Nur derjenige, welcher selbst in der Lage war, einer ähnlichen Arbeit sich unterziehen zu müssen, ver-

Litteratnr. 325

mag die Bedeutung einer solchen Leistung mit dem richtigen Mafs- stabe zu messen.

Von den im vorliegenden Bande mitgeteilten 400 Urkunden war bisher nur etwa der zehnte Teil gedruckt; es ist also ein statt- licher Prozentsatz völlig neuen Materiales geboten. Von weiter- gehendem Interesse sind namentlich die hier abgedruckten Urkunden zur Geschichte der Auflösung der drei Klöster nach der Einführung der Reformation; auch über Tetzel und die Stellung des Herzogs Georg ihm gegenüber finden sich bisher unbekannte Nachrichten (No. 289 291). Dazu enthalten die Anmerkungen eine staunens- werte Fülle von erläuternden und der Ergänzung dienenden Notizen aus den Stadtrechnungen, der Universitätsmatrikel und anderen Quellen, deren Beschaffung einen gewaltigen Aufwand von Fleifs zur Voraus- setzung hat. Dafs No. 34 bereits in den Geschichtsblättern für Stadt und Land Magdeburg (12, 31 f.) gedruckt ist, hat Förstemann über- sehen; die Abschrift gehört auch nicht, wie angegeben, dem sech- zehnten, sondern dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts an. Manche Mitteilungen hätten wohl ohne Schaden und zum Nutzen der Über- sichtlichkeit wesentlich kürzer gefafst werden können ; so hätte es z. B. völlig genügt, wenn die Urkunden No. 209 211, deren Abdruck 2Va Seiten in Anspruch nimmt, in kurzen Regesten in der An- merkung zu No. 205 aufgeführt wurden. Ebenso wäre manche nichts- sagende, hier vollständig abgedruckte Formel besser ganz ausgelassen worden. Im Regest zu No. 2 und 4 ist das urkundliche apnd Ra- vennam und apud Veronam durch „bei Ravenna" und ,,bei Verona" wiedergegeben worden, was leicht zu Mifsverständnissen führen kann und mir nicht empfehlenswert erscheint. Der Gebrauch von apud in der Datierungsformel ist sehr schwankend. Es ist nicht zu be- streiten, dafs durch diese dem Ausstellungsort vorangesetzte Prä- position vielfach ausdrücklich ein Schlofs oder Burg neben demselben bezeichnet werden soll; so sind die apud Grimme datierten mark- gräflichen Urkunden ohne Zweifel auf dem an die Stadt anstofsenden Schlosse ausgestellt1). Doch wird oft, auch wo unzweifelhaft nur das Schlofs in Frage kommt, der einfache Ortsname gesetzt, wie dies ja auch heutiger Anschauung entspricht. Dafs apud indessen auch vielfach nichts anderes als „in", „zu" bedeutet, dafür lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, unter denen wir ein besonders lehr- reiches hervorheben wollen. Zahlreiche Urkunden Heinrichs des Erlauchten sind ausgestellt apud Tarantum (abwechselnd mit Tarant ohne Beisatz), worunter nur das Schlofs verstanden werden kann (vergl. auch Cod. dipl. Sax. II, 12 No. 31: Datum apud castriun nostrum Tharant), da es damals einen Ort Tharandt überhaupt noch nicht gab. Vergl. im Übrigen auch Brinckmeier, Glossar, dipl. s. v. apud. Unter den Nachträgen zum ersten Bande wären auch Mit- teilungen aus den älteren Stadtrechnungen, namentlich den Wachs- tafeln erwünscht gewesen. Es bleibt also in dieser Hinsicht für einen zweiten Band der von G. Wustmann herausgegebenen Quellen zur Geschichte Leipzigs noch reicher Stoff übrig. Die unter No. 396 abgedruckte Willkür über die Gerade läfst sich noch genauer „vor 1395" datieren, da dieselbe in der Grimmaischen Willkür von 1395'

') Die Lage des innerhalb der Ringmauern befindlichen, aber abseits von den übrigen Häusern der Stadt gelegenen Nonnen- klosters wird bezeichnet apud civitatem Grimme, mehrfach sogar prope Grimme.

326 Litteratur.

Februar 16 (jetzt neu gedruckt Cod. dipl. Sax. 11, 15 No. 60) an- gezogen ist. Im Vor hc rieht durfte bei der Anführung der be- nutzten Ratsbücher ein Hinweis auf die ausführliche Beschreibung derselben, welche Ermisch in dieser Zeitschrift X, 177 ff. gegeben hat, nicht fehlen. Sehr zu bedauern ist. dafs dem Baude keine Tafeln mit Abbildungen der Siegel der Konvente und Vorsteher der drei Klöster beigegeben sind; auch Beschreibungen derselben fehlen ganz. Bei dieser Gelegenheit hätte auch das im ersten Bande nicht abgebildete kleine Stadtsiegel, welches sieb an einer Urkunde von l:;."v4 (Orig. Hauptstaatsarchiv Dresden No. 335»), jetzt gedruckt Cod. dipl. Sax. II, 15 No. 339) befindet, reproduziert werden müssen.

Zum Schlufs nun noch eine Bemerkung allgemeiner Natur. Der vorliegende Band kostet im Buchhandel 20 Mark, die bisher er- schienenen Bände des Codex dipl. Sax. reg., zusammen 416, 20 Mark. Dies ist ein so hoher Preis, dafs nur grölsere Bibliotheken die An- schaffung sich gestatten können. "Wenn ich seiner Zeit (Wissen- schaftliche Beilage zur Leipziger Zeitung 1893 No. 10) den Mangel an Interesse für sächsische Geschichte in unserem engeren Vater- lande beklagt habe, so ist nicht zum geringsten Teile der Umstand schuld, dafs dieses Werk wohl meist in den Schul- und Vereins- bibliotheken fehlt, der Privatmann aber in der Regel nicht in der Lage sich befindet, ein Kapital für eine Urkundensammlung auszu- geben. Die scharfen, aber treffenden Bemerkungen Heinrich Wuttkes über diesen Mifsstand (Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 1 [1872], 104) haben noch heute volle Giltigkeit.

Dresden. Ludw. Schmidt.

Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der sächsischen Landes- kirche. Neun Vorträge in der Gehestiftung zu Dresden im Herbste 1893 gehalten von Prof. Dr. Georg Müller, Oberlehrer am Wet- tiner Gymnasium zu Dresden. Mit Anmerkungen und Beilagen. Erster Teil. (A. u. d. T. : Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte, herausgegeben von Dibelius und Brieger. Neuntes Heft.) Leipzig, Barth. 1894. 2 Bll. 272 SS. 8°.

Der Verfasser, der sich schon seit Jahren, wie auch diese Blätter mehrfach bezeugen, mit sächsischer Kirchengeschichte beschäftigt bat. war einer Aufforderung, in der zu Dresden bestehenden „Gehe- stiftung" einen Cyklus von Vorträgen über „Verfassungs- und Ver- waltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche" zu halten, um so lieber nachgekommen, als er, und zwar mit Recht, hoffen durfte, denjenigen seiner Zuhörer, welche irgend an der Verwaltung der Kirche beteiligt seien, durch Darlegung von dem Entwicklungsgange des gesamten sächsischen Kirchenwesens bis auf die Gegenwart praktisch nützlich zu werden, in allen Zuhörern aber das kirchliche Interesse anzuregen und zu fördern. Diese Vorträge, jedenfalls noch erweitert und mit litterarischem Nachweis reich ausgestattet, werden jetzt durch Abdruck in den „Beiträgen zur sächsischen Kirchen- geschichte" auch noch einem grösseren Publikum zugänglich gemacht, und zwar enthält das vorliegende Heft die ersten fünf jener neun Vorträge.

In Vortrag II behandelt der Verfasser die Entstehung und all- mähliche Entwicklung des „landesherrlichen Kirchenregi-

Litteratur. 327

ments" in Sachsen, welche vorbildlich geworden ist für die ge- samte evangelische Kirche Deutschlands, da Sachsen ja die Wiege der Reformation war. Anknüpfend an die schon im späteren Mittel- alter sich geltend machenden Anschauungen, dafs die Landesherren als „Notbischöfe" und als „die vornehmsten Glieder der Kirche" zu betrachten seien, welche, als solche „das weltliche Schwert" zu führen haben, hielten sich die Wettiner Fürsten, von den Reforma- toren selbst dazu angefeuert, für verpflichtet, ihr Schutzrecht über die Kirche in ihren Ländern dadurch zu üben, dafs sie bei der ab- soluten Unthätigkeit der Bischöfe und des gesamten Klerus die bessernde Hand selbst anlegten an die Schäden, an denen allgemein zugestandener Weise die Kirche allenthalben litt. Die rechtliche Begründung dieses landesherrlichen Einschreitens übernahmen die theologisierenden Juristen und erörterten nun weitläufig die Vorzüge des sogenannten „Episkopal-" oder „Territorial- und Kollegialsystems", desgleichen das Recht der Fürsten circa Sacra oder auch in Sacra. Jn Kursachsen ging die landesherrliche Kirchengewalt nach dem Übertritt Augusts des Starken zum Katholizismus über auf „die in evangelicis beauftragten Minister" und wurde je länger je mehr be- einflufst auch durch die Landstände, welche für die finanziellen Be- dürfnisse der Kirche mit aufzukommen hatten. Auch in Betreff der die Kirche verwaltenden „Behörden" (Vortrag III) knüpfte man überall an die bestehenden Verhältnisse an, behielt fast überall die bisherigen Parochien, ja sogar die ehemaligen erzpriesterlichen Sprengel (sedes) bei, nur dafs in den letzteren die Aufsicht über den Klerus und das kirchliche Wesen jetzt „Superintendenten" übertragen wurde, die ihren Amtssitz an denjenigen Orten angewiesen erhielten, wo sich auch die weltliche Verwaltung des „Amtmanns" befand. Von dem Versuche, auch „Generalsuperintendenten" einzusetzen, sah man alsbald wieder ab und schuf in den einzelnen Landesteilen „Konsistorien", über welche später noch ein „Oberkonsistorium" ge- stellt wurde. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts ging die Entschei- dung wichtiger kirchlicher Angelegenheiten an die schon erwähnten „in evangelicis beauftragten Minister", seit 1873 aber an „das evan- gelische Landeskonsistorium" über. Der uns zugemessene Raum verhindert uns, auch auf die höchst interessanten Ausführungen des IV. und V. Vortrags über die „Kirchenvisitationen und Kirchenordnungen" und über alle die Veranstaltungen, welche die Erhaltung des „unverfälschten Luthertums" zum Zwecke hatten (Konkordienformel , Religionseid, Zensur), ausführlich ein- zugehen.

Obgleich dem Verfasser für seine Darstellungen eine fast über- reiche Litteratur zu Gebote stand, die er gewissenhaft benutzt hat, so begnügte er sich doch keineswegs mit derselben, sondern bringt, zumal aus den zahlreichen Aktenbänden des Dresdner Hauptstaats- archivs, unendlich viel neues Material bei, durch welches bisher schon Bekanntes vervollständigt und die einzelnen Mafsnahmen der Re- gierung veranschaulicht, erläutert, gerechtfertigt werden. Hierbei übt er die oft recht schwere Selbstbeschränkung, selbst von den mühsam aufgefundenen neuen Thatsachen nur soviel mitzuteilen, als zur Aufhellung bisher minder klarer Verhältnisse nötig ist. Wir freuen uns, seiner Zeit auch über die noch übrigen vier Vorträge be- richten zu können.

Dresden. Hermann Knothe.

,ijs Litteratur.

Versuch einer Geschichte «1er Meil'snischen Lande in den ältesten Zeiten. Von P. Frdr. Karl Reichardt. Beilage zum 52. Bericht über das Kgl. Realgymnasium nebst Progymnasium zu Annaberg.

1895. 28 SS. 4°.

Reichardt hat sich die Aufgabe gestellt, über obigen hoch- wichtigen Stoff die bisherigen zahlreichen Spezialforschungen kritisch zusammenzufassen. Mit anerkennenswerter Vorsicht verneint er die Frage nach keltischer und finnischer Urbevölkerung, wofür weder ernste sprachliche Gründe, noch genügend erkennbare Sagenbeziehungen vor- handen sind, und entscheidet sich (S. 4) nach den frühsten Gräber- funden für Germanen. Es waren Hermunduren-, dafs sie aber an- fangs östlich der Elbe aufgetreten wären, ist mir unsicher. Um dies zu beweisen genügt nicht Reichardts Bemerkung, dafs, falls die Elbe zwichen Semnonen (rechts) und Hermunduren (links) fliefse, Velleius Paterculus „wahrscheinlich interfluit [statt praeterfluit: Albis Semnonum Hermundurorumque fines praeterfluit] geschrieben haben würde", weil das bei Tacitus so vorkomme (S. 5); sondern Keiehardt hätte den negativen Beweis erbringen müssen, dafs „praeterfluere", und zwar gerade in augusteischer Zeit, niemals „vorüberfliefsen" im Sinne von „dazwischenhinfliefsen" bedeuten könne. Andernfalls wird man die Annahme vorziehen müssen, dafs die Hermunduren auch schon zu Augustus und Tiberius Zeit links der Elbe safsen, wo wir sie in sonstigen Quellen linden; auch müfstc jene Westwärtsbewegung, wenn sie durch den Cimbernvorstofs verursacht sein soll, wenigstens im 1. .Jahrhundert vor Chr. erfolgt sein und wir würden nicht V, Jahr- hunderte später, zu Velleius Zeiten, wie Reichardt meint, die Her- munduren noch östlich der Elbe finden. Zu Kirchhofs Behauptung über die völlige Identität der Hermunduren und Thüringer vergl Zeitschr. d. Ver. f. Thüiing. Gesch. XII (1H841, 97 f., betreffs der Vor- gänge im thüringischen Königshause vor dem Untergange des Reiches ebenda XI (1883), 275 f., 286 f., und betreffs der Vernichtungsschlacht bei Runibergun XV (1891), 337 f., bes. 379, 383 f. Reichardt handelt dann über die Besitznahme und Besiedlung durch die Sorben, wobei er sich gegen Schurz' Behauptungen und kühne Konstruktionen von einer dichteren Besiedlung des Erzgebirges und Bergbaubetrieb durch die Slaven erklärt (S. 16), da nach Heys Forschungen das Erzgebirge nur dünne slavische Bevölkerung besafs. In gleicher Weise tritt er auch der besonders von Platner vertretenen Ansicht entgegen (8. 20), dafs unter den Slaven nicht unbeträchtliche Reste von Germanen weiter bestanden; die aus wenigen geographischen Namen (Nimbschen, Nehmitz s. v. a. -Siedlung der Deutschen, Hwerenofelda oder Guerena- veldo, Miriquidui) beigebrachten Gründe gedingt es ihm auch mit grofser Wahrscheinlichkeit zu widerlegen. In der Ansetzung des Hwerena- felds (vergl. dazu auch noch Gröfsler, N. Mitth. aus dem Gebiete hist.-antiquar. Forschungen XVI, 409) nicht auf das östliche Saale- ufer, sondern auf das linke westliche (S. 2.'5), kann ich ihm nicht bei- stimmen. Ob in dem Chron. Moissiacense („ipse [Karolus] movit exercitum suum ultra Sala super Hwerenaveldo") das „super" be- deutet „nach dem Hwer.. gegen das Hwer.", oder „über das Hwer. hinaus", ist für die Lage gleich; jedenfalls kam in der Marsch- richtung erst die Saale, dann Hwerenaveldo. Man darf also nicht -- die Stellung, wie Reichardt, umdrehend übersetzen: „er führte sein Heer über Hwer. hinaus und über die Saale", sondern „Über die Saale nach Hwer." (bez. über Hwer. hinaus). Angenehm

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berühit es, dafs Reichardt, der fast durchweg mit vielumstrittenen Fragen zu tliuu hat, in dem oft schroff sich widerstreitenden An- sichtengewirr sich bestrebt hat, unbefangen prüfend sich ein Urteil zu bilden und es auch in sachlicher, von Polemik möglichst freige- haltener Weise zum Ausdruck zu bringen. Die Schrift kann also ihre Bestimmung, einen zusammenfassenden Überblick zu geben, trotz einiger in Einzelheiten zu machenden Ausstellungen recht wohl erfüllen.

Dresden. W. Lippert.

Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von Brnunsehweig durch den schmalkaldischen Bund (1575). Von Dr. Erich Brandenburg.

Leipzig, Eock. 1894. 74 SS. 8°.

Verfasser, der an einer ausführlichen Biographie des Kurfürsten Moritz arbeitet, hat sich gerade den braunschweigischen Feldzug offenbar deshalb zur Vorstudie gewählt, weil derselbe sowohl für den politischen Entwickelungsgang des Albertiners als auch für den Verlauf des schmalkaldischen Krieges mafsgebende Bedeutung er- langt hat. Der Sachverhalt ist ein ziemlich verwickelter und es ist mir fraglich, ob das Dunkel überhaupt völlig aufgeklärt werden kann, da es sich gröfstenteils um mündliche Verhandlungen, die erst später und in verschiedenen stark von einander abweichenden Dar- stellungen schriftlich fixiert wurden, und um eine so schwer erkenn- bare Persönlichkeit wie Moritz handelt. Doch möchte ich mit dieser mir durch die Beschaffenheit des Quellenmaterials aufgezwungenen Reserve eher für Brandenburg als für die von ihm bekämpften Aus- führungen Ifsleibs mich aussprechen. Aber bei aller Anerkennung der klaren Darstellung und der logischen und vorsichtigen Scblufs- folgerungen Brandenburgs halte ich sein herbes Urteil über Ifsleib für ungerechtfertigt. Wenn letzterer sich zur Aufgabe macht, die fast unübersehbaren Akten des Dresdner Archivs durchzuarbeiten und die Gelehrten mit ihrem Inhalt vertraut zu machen, so finde ich es ganz natürlich, dafs derartige Skizzen schwerfälliger und weit- läufiger ausfallen als kritische Untersuchungen einzelner interessanter Episoden. Aber damit ist noch lange nicht gesagt, dafs solche Studien „nur eine Aneinanderreihung von Exzerpten, aber keine Untersuchung" sind, dafs sie „eine eingehende kritische Durch- arbeitung ganz vermissen lassen/' Wenn ifsleibs Arbeiten wirklich so vollkommen dieser letzteren Eigenschaft entbehrten, so würden sie nicht für den Geschichtsforscher jener Periode die wertvolle ur- kundliche Grundlage bilden, als welche sie wohl allgemein anerkannt werden; denn dann würde es bei der grofsen Masse der handschrift- lichen Schätze nicht möglich gewesen sein, derartig wesentliches von unwesentlichem zu scheiden.

Der Hauptunterschied zwischen Ifsleib und Brandenburg ist folgender: Nach ersterem erscheint Moritz als das willenlose Werk- zeug Philipps von Hessen, welcher den Herzog von Braunschweig während des noch unentschiedenen Kampfes in sein Lager gelockt und dort gefangen genommen hat. Diese Annahme stützt sich auf einen offiziellen sächsischen Bericht, in welchem Moritz den Land- grafen von Hessen zur Freilassung Heinrichs auffordert, weil er in den der Gefangennahme vorausgehenden Verhandlungen dem Braun-

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Schweiger mit Philipps Ermächtigung ein besseres Schicksal in Aus- sicht gestellt, habe. Demgegenüber weist Brandenhurg darauf hin, dafs die betreffende Stelle dieses Aktenstücks erst nachträglich hinein- korrigiert und absichtlich unklar gehalten ist, und dais der ganze Bericht nicht so grofse Glaubwürdigkeit verdient, wie zwei parallele hessische 1 »arstellungen.

Der Sachverhalt stellt sich nach Brandenburgs Ausführungen, die sich auf eine kritische Erörterung aller vorliegenden (Quellen aufbauen, folgendermaßen: Nach dem Rücktritt des älteren Karlowitz batte die Politik des jungen Sachsenherzogs einen schwankenden Charakter angenommen. In der Meinung, dafs Herzog Heinrich den Krieg in Feindesland tragen und nach Hessen einfallen würde, ver- sprach Moritz seinem Schwiegervater Beistand gegen etwaige An- griffe und zog anfang Oktober mit einem Heerhaufen nach Thüringen. Wider Erwarten der Gegner hatte jedoch Heinrich sich auf die Wiedereinnahme seines Stammlandes beschränkt, so dafs Moritz sich vor die Alternative gestellt sah, entweder umzukehren oder als Alliierter des schmalkaldischen Bundes gegen den Braunschweiger, mit dem er bisher nicht die mindeste Differenz gehabt, zu fechten. In dieser unangenehmen Lage verfiel er auf die Idee, zwischen den streitenden Parteien eine Vermittelung zu versuchen. Heinrich, sich seiner schwierigen militärischen und finanziellen Lage bewufst, war zum Vergleich bereit, Philipp, der überdies vom schmalkaldischen Bunde hierzu nicht ermächtigt war, prinzipiell zum Kampfe ent- schlossen, jedoch mit Rücksicht auf Moritz geneigt, statt eine An- näherung abzulehnen, dem Braunschweiger unannehmbare Offerten zu machen; besonders verlangte der Landgraf, dafs sich Heinrich seinem Schwiegersohn als Gefangener stellen sollte. Obgleich Moritz die Ansieht Philipps kannte, täuschte er Heinrieh über die wahre Sachlage hinweg; er schwächte die gestellten Friedensbedingungen zum Teil ab und schilderte Philipp als zur Verständigung geneigt. Anfänglich erhielt Moritz dadurch etwas Luft, dafs Heinrich auch diese modifizierten Forderungen ablehnte. Als dessen Obersten aber auf der Annahme der Bedingungen bestanden, berichtete Moritz im persönlichen Gespräche dem Braunschweiger, dafs jetzt Philipp nicht mehr bei seinen früheren Wünschen stehen bleibe, sondern Heinrichs Ergebung verlange. Als er ihm Philipps Forderung als harmlos hinstellte und seine Verwendung für Heinrich versprach, lief« sich der Braunschweiger überreden, in das Bundeslager mit Moritz hinüber- zureiten.

I >as ist ungefähr der Inhalt der Ausführungen Brandenburgs. Hiernach wäre Moritz nicht der Betrogene, sondern der Betrüger gewesen; seine Haltung wäre seiner unsicheren Lage entsprungen und diese wieder hätte in der Halbheit und Unsicherheit seines Standpunktes sowie in der noch mangelnden politischen Reife ihre Ursache gehabt. Diese Charakterisierung des Herzogs Moritz ist keineswegs einwandfrei. Zunächst ist das unbestimmte, schwankende, nach beiden Seiten spähende Wesen ein Zug, der durchaus nicht bloß in der Jugend des Herzogs, sondern in hohem Mafse auch in seiner späteren Laufbahn hervortritt, und gerade diese Eigenschaft macht sowohl in den letzten Jahren als auch in der vorliegenden Frage die Erörterung der letzten Ziele des Albertiners so schwierig. Dann aber scheint mir die Situation, in welche sieh Moritz durch seinen Zu:;' nach Thüringen begeben hatte, durchaus nicht so prekär gewesen zu sein, dafs er nur mit Hilfe solcher Kunstgriffe sich

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herauszuwinden genötigt war; wenn er fest entschlossen gewesen wäre, sich auf die Verteidigung hessischen Gebiets zu beschränken, so wäre es auch einem minder geschickten Diplomaten gelungen, sich in der öffentlichen Meinung reinzuwaschen. Viel natürlicher ist die Annahme, dafs Moritz durch seine anfängliche Beteiligung und dann durch seine Vermittelungsversuche das Spiel in die Hand bekommen und sich beide Parteien verpflichten wollte, um je nach der Ent- wicklung der Dinge sich auf diese oder jene Seite zu schlagen. Dabei deuten einige Anzeichen darauf hin, dafs Moritz gehofft hat, bei dieser Gelegenheit den Landgrafen von Hessen mit dem schnial- kaldischen Bunde, besonders dem Kurfürsten Johann Friedrich, zu entzweien. Durch ein solches Motiv würde sich wenigstens die sub- tile Unterscheidung zwischen Philipp, dem Mitglied der Erbeinung, und Philipp dem Bundesfeldherrn viel besser erklären lassen, als durch die von Brandenburg angenommene politische Naive- tät des Sachsenherzogs, welche, man mag über Moritz' Begabung urteilen wie man will, sonst nicht gerade als eiue Eigenschaft dieses Mannes zu bezeichnen ist.

Freiburg i. B. Gustav Wolf.

Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des dreißigjährigen Krieges (1555—1648). Von Moriz Ritter.

2. Band: 1586— 1618. Stuttgart, Cotta, 1895. X und 482 SS. 8".

Mit dem zweiten Teile seiner Deutschen Geschichte ist Ritter an die Schwelle des grofsen Krieges gelangt, und so haben wir zum ersten Male aus der Feder eines unserer tüchtigsten Reformations- historiker in zwei mäfsig starken Bänden eine knappe zusammen- fassende Darstellung eines bisher äufserst stiefmütterlich behandelten Zeitraums erhalten. Und doch ist es nicht die glückliche Kodifikation des in zahlreichen Monographieen verstreuten Stoffes, was die Hauptbedeutung des Werkes ausmacht; vielmehr wünschen und hoffen wir, dafs Ritters Deutsche Geschichte eine vielseitigere und vertieftere Auffassung der damaligen Persönlichkeiten und Verhältnisse zur Folge haben wird.

Die Entwicklung, welche die Geschichtsschreibung der deutschen Gegenreformation in den letzten 60 Jahren genommen hat, ist einer gerechten Verteilung von Licht und Schatten, einer genügenden gleichmäfsigen Würdigung aller in Betracht kommender Faktoren ungünstig gewesen. Als Ranke seine Abhandlung „Zur Deutschen Geschichte" schrieb, teilte er die Zeit zwischen dem Augsburger Religionsfrieden und dem dreifsigj ährigen Kriege in zwei nur lose zusammenhängende Abschnitte „Über die Zeiten Ferdinands 1. und Maximilians IL" und „Von der Wahl Rudolfs IL bis zur Wahl Ferdinands IL"; in jenem legte er das Hauptgewicht auf die nach dem Augsburger Religionsfrieden eingetretene Beruhigung Deutsch- lands, schilderte die persönlichen Beziehungen der Fürsten, insbesondere Ferdinands, und hob hervor, wie die Österreicher Katholiken und Protestanten zur Erfüllung gemeinschaftlicher Aufgaben zu einen suchten; im zweiten Teile dagegen zeigte Ranke an der Hand der einzelnen Reichstage die erneute Zuspitzung der konfessionellen Gegensätze und zuletzt die Vorbereitung des grofsen Entscheidungs- kampfes. Man hätte erwarten dürfen, dafs die späteren Historiker

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auf Grund der deutschen Archive Rankes Ansichten weiter ausgebaut, dafs sie die irenischen Tendenzen der Habsburger und der konser- vativen Elemente weiter verfolgt, dafs sie ihre Hindernisse und ihre erst wachsenden und dann immer unbefriedigenderen Resultate in den Kreis ihrer Forschungen gezogen hätten. Aber leider haben sie einen anderen Weg eingeschlagen und teils infolge ihres persönlichen Stand- punktes, teils wegen ihrer archivalischen Unterlagen vielfach Leute und Dinge in den Vordergrund gerückt, die hinter den wirklich maisgebenden an praktischer Bedeutung weit zurückstanden, ob- gleich sie vielleicht menschlich ein gröfseres Interesse einzuflößen vermochten.

Wie einseitig die handschriftlichen Quellen benutzt worden sind, lehrt ein flüchtiger Überblick über die Verwertung der wichtigsten Archive. Der Vatikan ist erst seit kurzer Zeit zugänglich und kommt für uns nicht in Betracht. Das Wiener Archiv ist von Bucholtz für die Zeit Ferdinands I. nur sehr unvollkommen, für die spätere Zeit in umfassenderen Werken fast noch gar nicht ausgebeutet; dabei ist bisher so gut wie unberücksichtigt geblieben, dafs auch andere öster- reichische Archive, wie Graz, Innsbruck etc., noch wertvolles Material bergen dürften... Erst mit Matthias setzen dann wieder Gindelys Arbeiten ein. Über das Schicksal der Akten der geistlichen Kur- fürsten wissen wir noch zu wenig, als dafs ich sie hier genauer in Betracht ziehen dürfte; jedenfalls sind sie auch da, wo sie gut er- halten sind, fast gar nicht benutzt. Ebenso mangelt es an einer auch nur einigermafsen intensiven Verarbeitung der anderen geist- lichen Archivalien, obgleich einige Bischofskanzleien, wie die von \Yiirzburg, Bamberg etc., gut erhalten sein dürften. Was die welt- lichen katholischen Fürsten betrifft, so klafft uns in der Ausnutzung der bairischen Akten eine grofse Lücke entgegen; Druffel schliefst mit 1555 und Stieves Arbeiten setzen erst mit dem letzten Dezennium des Jahrhunderts ein. Auch die Korrespondenz des bekannten Herzogs Heinrich von Braunschweig liegt noch brach. Von den Akten der weltlichen Kurfürsten sind bisher nur die pfälzischen systematisch verwertet; in Dresden und Berlin liegen eine unübersehbare Masse sächsischer und brandenburgischer Briefe, aber ihre bisherige Ver- wertung ist gleich Null. Aus der Reihe der vielen protestantischen Fürstentümer haben nur zwei eine eingehendere Berücksichtigung erfahren: das Stuttgarter Archiv ist überdies höchst mangelhaft von Kugler in seiner Biographie Herzog Christofs und das Mar- burger gleichfalls nur oberflächlich von Neudecker und Heppe heran- gezogen worden. Bndlich die reichsstädtischen Schätze, unter denen namentlich die Frankfurter, Strafeburger, Nürnberger und Augs- liurgcr reiche Aufschlüsse geben könnten, sind bisher fast ganz vernachlässigt.

Aus dieser kurzen Übersicht geht hervor, dafs unsere heutigen Anschauungen hauptsächlich auf den kurpfälzischen, hessischen und württembergischen Akten beruhen, während für den gröfsten Teil der Gegenreformation bis vor ganz kurzer Zeit sowohl die katholischen als auch die Korrespondenzen der kursächsischen Partei nur in klei- neren Monographieen und ergänzungsweise, niemals aber systematisch in gröfeeren Werken verwendet worden sind. Diese Thatsache hat für die Beurteilung der ganzen Periode zwei wichtige Folgen gehabt. Erstens hal man sich, da in den pfälzischen und hessischen Briefen immer die Furcht vor katholischen Angriffen und die Notwendigkeit

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einer geschlossenen protestantischen Unionspolitik geäussert wird, mehr und mehr daran gewöhnt, die Gegenreformation als einen ein- heitlichen Abschnitt, als die Vorbereitung des dreißigjährigen Krieges aufzufassen. Zweitens aber wird gegenwärtig die pfälzische Politik ganz allgemein zu günstig beurteilt, während die brandenburgisch- sächsische, deren positive Ziele infolge der mangelhaften Benutzung der betreffenden Quellen nicht genügend gewürdigt werden, deren negative Abneigung gegen eine umfassende protestantische Aktion aber aus den pfälzisch -hessischen Briefen auf Schritt und Tritt hervorgeht, für eine schwächliche, engherzige, den allgemein evange- lischen Interessen nicht entsprechende gilt.

Niemand wird erwarten, dafs dieser Zustand durch Ritters Werk mit einem Schlage geändert worden ist weder nach der Seite der Quellenbenutzung, noch nach der einer veränderten Auffassung, welche sich erst aus einem intensiveren Studium der sächsischen, branden- burgischen u. a. Akten ergeben müfste; insbesondere hält Ritter, wie namentlich aus den ersten Zeilen des zweiten Bandes hervorgeht, an der Einheitlichkeit der Gegenreformation fest. Aber er hat doch nach beiden erwähnten Richtungen eine Umkehr angebahnt, welche, wenn der neue Weg weiter verfolgt wird, allmählich zu einem Wechsel der Ansichten und zu der von uns oben vermifsten Weiterverfolgung der Rankeschen Gesichtspunkte führen dürfte.

Zunächst hat Ritter, obgleich er die weit verzweigte gedruckte Litteratur wie kaum ein anderer beherrscht und in ausgedehntem Mafse heranzog, es doch für nötig gehalten, archivalische Forschungen anzustellen. Selbstverständlich konnten dieselben bei einem zusammen- fassenden Werke nicht den Umfang annehmen, wie bei Monographieen oder Publikationen, aber sie gewähren doch künftigen Forschern manche wertvolle Hinweise und sie kommen namentlich jener bisher arg vernachlässigten sächsisch - brandenburgischen Gruppe zu gute. Ferner aber, was das Hauptverdienst des Werkes ist, bemüht sich Ritter unbefangener als sein Vorgänger die verschiedenen Parteien und Verhältnisse zu würdigen, sie mehr wie früher aus sich selbst heraus zu erklären und nicht nach später eingetretenen, damals jedoch nicht vorauszusehenden Ereignissen zu beurteilen.

Das Bild, welches sich aus Ritters Deutscher Geschichte nun- mehr ergiebt, ist dieses : Die frühere Auffassung, dafs vom Abschlufs des Religionsfriedens an bis zum Kriegsausbruch die Gegensätze sich immer mehr zugespitzt hätten, dafs also die historische Entwicklung der Verhältnisse eine einheitliche gewesen sei, mufs aufgegeben werden. Wenn Ritter aus seinen neuen Forschungen eine derartige Konsequenz noch nicht zieht, so drängt sie sich doch jedem unbe- fangenen Leser seines Werkes von selbst auf. Diese Sachlage tritt bereits in den Persönlichkeiten und Richtungen zu Tage, welche sich in der für die Reichspolitik mafsgebenden Stellung ablösen. In den ersten Jahrzehnten nach 1555 steht Kurfürst August von Sachsen im Vordergrunde der deutschen Fürsten. Wie er seine Autorität geltend machte, habe ich bereits bei der Besprechung des ersten Bandes von Ritters Geschichte hervorgehoben-, sein Ziel war: den Gang der komplizierten Reichsmaschine vor jeden Störungen zu sichern, die konfessionellen Konflikte zu vermeiden, ein Zusammen- gehen von Katholiken und Protestanten in politischen Dingen zu ermöglichen. Aus Ritters Darstellung ersieht man, wie grofse Er- folge diese Anschauungsweise, welcher sich die Kaiser Ferdinand und Maximilian, Kurfürst Daniel von Mainz und so viele andere

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angesehene Männer anschlössen, erzielt hat. Bis zum Jahre 1576 wurde die Behandlung der weltlichen Fragen immer sachlicher, mehr und mehr traten auf den Reichstagen die erregten religiösen Dehatten zurück. War es nach der Entwicklung dieser zwanzig Jahre nicht möglich, dafs die religiösen Gegensätze noch weiter abgeschwächt wurden, dafs auch die strittigen Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens bei dem starken Übergewicht der ruhebedürftigen konservativen Elemente erledigt wurden je nach Sachlage der ein- zelnen konkreten Fälle? Jedenfalls fehlte es damals nicht an Staats- männern, welche einen derartigen Verlauf erwarteten und gerade diese Perspektive hat die Abneigung der kursächsischen Partei gegen die pfälzisch-hessische Unionspolitik beeinflufst.

Da, mit dem Ende Maximilians IL tritt ein plötzlicher Um- schwung ein; an die Stelle der bisher wahrnehmbaren Einschläferung der kirchlichen Gegensätze tritt eine erneute Verschärfung. Von jetzt ab treibt die Entwicklung unaufhörlich der Auflösung der Reichs- verfassung und einer kriegerischen Auseinandersetzung der wider- sprechenden Ansichten und Bedürfnisse zu. War früher Kursachsen das Zünglein an der Waage gewesen, so sehen wir jetzt die fried- liche Mittelpartei immer schwächer und ohnmächtiger werden; die Unionspolitik der Pfälzer macht auch in den Reihen derer Propaganda, denen unmittelbar nach dem Religionsfrieden Neigung und Interessen ihre Stellung im kursächsischen Lager angewiesen hätten; unter Krells Leitung lenkte sogar der Kurstaat selbst vorübergehend in das Fahrwasser der Entschiedenen ein. Die Beschwichtigungsver- suche des Kurfürsten Scbweikhard von Mainz und des Bischofs Klesl erscheinen als vergebliche Anstrengungen, gegen den Strom zu schwimmen. An die Stelle der Dresdner Politiker treten jetzt andere Protagonisten, die Pfälzer und ihre Gesinnungsgenossen einerseits, Ferdinand IL und Maximilian von Baiern andererseits, die durch die wachsende Spannung immer mehr erforderten Männer der That.

Konnte früher die Antipathie der Dresdner Politiker gegen eine entschiedene protestantische Aktion ihre Rechtfertigung im allgemeinen Ruhebedürfnis, im gesättigten und gesicherten Zustande des Kur- staates und in der fortdauernden Abnahme der konfessionellen Span- nung finden, so wurde die der Bequemlichkeit, Ängstlichkeit und Tradition entspringende Fortsetzung dieses Verhaltens den ver- änderten Umständen wenig gerecht. Es war für den deutschen Protestantismus verhängnisvoll, dafs gerade gleichzeitig mit denselben der Sturz Crackows erfolgte und die neuen Minister schon infolge ihres Gegensatzes zu den Kryptokalvinisten und den reformierten l'lilzern nmsomehr an der Freundschaft mit dem Kaiserhofe und den angesehenen katholischen Reichsfürsten festhalten mufsten. Diese Rücksicht verschuldete in der Magdeburger, Kölner, Strafsburger und anderen Fragen Niederlagen des Protestantismus, welche in Sachsen aus politischen Gründen, zumal aus Eifersucht gegen das Branden- burgisehe Kurhaus, nicht als solche empfunden wurden, infolge der gesteigerten Gefahr einer katholischen Reaktion jedoch auch für die AI bertiner durchaus nicht gleichgiltig waren; denn auch für diese drohten hinsichtlich der Stifter Naumburg, Merseburg und MeiJsen bei etwaigen Fortschritten der Katholiken territoriale Einbufsen.

lütter scheut vor einer scharfen Kritik der späteren kursäch- sischen Staatsmänner nicht zurück; den Administrator Friedrich Wilhelm nennt er „unselbständig", den Systemwechsel gegenüber der

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vorausgehenden Aera Krell einen „brutalen", der neuen Regierung spricht er die Kraft ab, „in den grofsen Konflikten der Zeit die eigenen Interessen zu fördern und gelegentlich die streitenden Par- teien von Extremen zurückzuhalten." Christian IL bezeichnet er als „einen Landesherrn, der in den Geschäften noch um einen Grad un- selbständiger war als sein Vater", dessen Theologen und Staats- männern die Feindschaft gegen den Kalvinismus gemeinsam war; Johann Georg wird als seinem Bruder geistesverwandt geschildert. In der That der Mangel an Initiative und die Unselbständigkeit ist ein den späteren sächsischen Kegenten und Staatsmännern anhaftender Charakterzug. Kurfürst August hatte es nicht nur verstanden, sein Land zu reorganisieren und die Finanzen zu ordnen, sondern auch in der Reichspolitik bis an sein Ende das Gewicht seiner Persönlich- keit in die "Wagschale zu werfen; wie hatte er 1575 durch sein Auf- treten die Wahl Rudolfs IL gesichert, 1576 stürmischen Szenen auf dem Reichstage vorgebeugt, 1582 gelegentlich des Magdeburger Sessionsstreits eine ausschlaggebende Rolle gespielt! Gewifs, die Verschärfung der konfessionellen Gegensätze, das immer radikalere Hervorkehren der beiderseitigen Extreme hätte auch bei einem längeren Leben Augusts die Bedeutung seines Vermittleramts und damit das kursächsische Ansehen gemindert. Aber das bezeichnende für die Nachfolger war, dafs sie nicht einmal den Versuch machten, ernstlich in die Fufstapfen Augusts zu treten. Und doch hätten sie, wenn sie nicht den veränderten Zeitinteressen Rechnung tragen und Arm in Arm mit den Pfälzern den Anhängern der alten Lehre rücksichtslos entgegentreten wollten, desto energischer für einen friedlichen Ausgleich sich bemühen müssen ! Doch von einem solchen eigenen Bestreben, der Verschärfung der Konflikte vorzubeugen, war nicht die Rede; man liefs sich bald nach der einen, bald nach der anderen Seite ziehen und verdarb auf diese Weise einmal die Erfolge, welche ein geschlossenes Auftreten der Protestanten hätte erzielen können, das andere Mal die vonFremden ausgehenden Beschwichtigungs- versuche. Durch die Schuld Friedrich Wilhelms trennten sich 1594 die Protestanten offen in zwei Parteien und untergruben damit ihre bei den Gegnern gewahrte Autorität; als dagegen 1601 die pfälzische Partei dem Deputationstage nicht mehr beiwohnen wollte und damit ein letztes Mittel der "Wiederherstellung des gestörten Reichsprozefs- rechts von der Hand wies, mufsten die Katholiken in die Sprengung der ganzen Institution willigen, weil sie nicht einmal von Kursachsen eine Weiterführung der Geschäfte erwarten durften. Noch eklatanter trat die Halbheit und Unsicherheit der Kursachsen auf dem Reichs- tage von 1608 hervor; erst schlössen sie sich der Weigerung der Pfälzer, an weiteren Verhandlungen teilzunehmen, nicht an und dann wollten sie doch nicht mit den Katholiken allein die Beratungen fortsetzen, als die Pfälzer bei ihrer Abstinenz beharrten. Demselben Schwanken begegnen wir im Jülicher Erbfolgestreit und bei der Wahl Ferdinands IL, gegen welche Johann Georg, sei es, dafs er sich von rein protestantischen Gesichtspunkten, sei es, dafs er vom Wunsche nach möglichster Erhaltung des Friedens leiten liefs, sehr entschieden hätte Stellung nehmen müssen.

Das Schlufsurteil über die Politik Friedrich Wilhelms, Christians IL und Johann Georgs I. kann kein anderes sein, als dafs sie durch ihr Verhalten den Ausbruch des dreifsigj ährigen Krieges beschleunigt haben. Einerseits haben sie durch ihren schroffen Gegensatz zu den Pfälzern die Kluft innerhalb des deutschen Protestantismus erweitert

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und dadurch die Anhänger der alten Lehre zu immer kühneren An- sprüchen und bestimmterem Auftreten ermuntert. Andererseits haben sie es an jener positiven Bethätigung ihrer auf Ausgleich und Ver- mittelnng gerichteten Wünsche fehlen lassen und durch diesen Mangel die wachsende Verschärfung der Gegensätze verschuldet.

Freiburg i. Br. Gustav Wolf.

Zur Biographie von Christian Thomasius, Festschrift zur zweiten Säkularfeier dei-Friedrichs-Universität zu Halle. Von Prof. Dr. Ernst Landsberg. Bonn, Friedrich Cohen. 1894. 36 SS. 4°.

Der eigentliche Gründer der Halle'schen Universität, Christian Thomasius, hat in der vorliegenden Schrift endlich aus dem K. S. Hauptstaatsarchive die Würdigung gefunden, die ihm schon in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft X (1890), 440 f. gewünscht worden war. Der Verfasser rühmt zunächst, dafs ihn eine „sorgfältig zusammengestellte Katalognotiz, welche alle auf Thomasius bezüglichen Akten nach Standort und Folio angab, gefördert" hat. „Es blieb mir'', fügt er hinzu, ..nur übrig, aufzu- schlagen tind auszubeuten." Mit Thomasius' Flucht aus Leipzig (LS. März 1690) zog „die geistige wie gleichzeitig die politische Suprematie über Norddeutschland von Kursachsen nach Kurbranden- burg". Dieses gewichtige Wort eröffnet die Abhandlung. Ihr Ver- fasser, Rechtsprofessor in Bonn, ist schon durch die Fortsetzung der von Stintzing'schen Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft vorteilhaft bekannt. Die vorliegende Schrift zerfällt in folgende Abschnitte: 1. Erste Anstellungsversuche im Leipziger ßchöppenstuhl, >. Verfahren gegen Thomasius bis zum 10. März lti90, 3. der Haft- befehl (der schwerlich ergangen ist; Thomasius sogenannte Flucht war vielmehr nur ein allerdings wohl aufgenötigter Wegzug), 4. die Aufnahme in Brandenburg, 5. weitere Verfolgung in Kursachsen, (i. der Umschwung, Berufungen nach Leipzig (hier wären die in der Zeitschrift für Geschichte und Politik V [1888], 642f. über die Cossell gemachten Mitteilungen zu berühren gewesen) und 7. Briefwechsel mit dem Herzoge zu Zeitz.

Ein Anhang giebt schließlich die „Tabelle der Briefe zwischen Herzog Moritz Wilhelm und Thomasius".

Nach einem neuen Funde (K. S. I lauptstaatsarehiv Loc. 800) Ge- dichte etc. nenne ich dem verdienstvollen Verfasser noch ein Kuriosum, das meines Erachtens von Thomasius' Hand herrührt: „Compromiss und darauf eingeholtes Urtel in puncto einer streitigen Schmiedeesse, über der Tafel bei der Schmied- Augspurgischen Brautsuppe in Weifsen- fels, den 10. September 1679 eröffnet." Wie ich aus dem Kirchenbuche zu Weilsenfeis erfahren habe, wurde tags zuvor Philipp Adolf Schmidt, fürstl. sächs.-magdeb. Amtsvogt, mit Jungfrau Euphrosyne Elisabeth, weil. Angspurgers gewesenen fürstl. sächs.-magdeb. Amtsvogts hinter- lassenen Tochter, getraut. Neuerdings sind mir ferner noch Schreiben von Thomasius aus dem Jahre 1709, betreffend das Hans seiner Frau am Markte in Leipzig (ebendaselbst Loc. 2264 Peter Eohmanns Haus- bau betr.) vorgekommen.

Dresden. Theodor Distel.

Litteratur. 337

Geschichte der Obcrlausitzer Sechsstadt Löbau bis zur Teilung

Sachsens 1815. Von Alwin Bergmann. Bischofswerda. (In Kom- mission von E. Oliva in Löbau.) 1895. 3 Ell. 199 SS. 8°.

Während es über die Geschichte der übrigen Sechsstädte der Oberlausitz längst schon gedruckte Werke, freilich von mehr oder minder wissenschaftlichem Werte, giebt, hatte Löbau eine eigene Stadtgeschichte noch nicht aufzuweisen. Diesem für die Freunde Oberlausitzer Geschichtswissenschaft oftmals fühlbaren Mangel wird durch das vorliegende Buch in durchaus gründlicher und den An- forderungen der Gegenwart entsprechender Weise abgeholfen. Mancher- lei Vorarbeiten, wie das „Urkundenbuch der Stadt Löbau", „Die Dörfer des Weichbilds Löbau", „Das Franziskanerkloster zu Löbau", und der Umstand, dafs sich gegenwärtig das gesamte Stadtarchiv von Löbau als Depositum im Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindet, haben dem in Dresden lebenden Verfasser seine Arbeit vielfach er- leichtert. Aber auch aus weiteren ungedruckten Quellen, dem Gerichts- archive, den Ratsrechnungen und Bügebüchern, auch Chroniken und Annalen von Löbau hat derselbe, zumal für die inneren Verhältnisse der Stadt, viel neues Material beigebracht, sowie die Litteratur über die Geschichte der Oberlausitz gewissenhaft benutzt. Wir hätten gewünscht, dafs er sich über all diese Verhältnisse in dem überdies nur ganz kurzen „Vorwort" im Zusammenhang verbreitet hätte. Er behandelt den reichhaltigen Stoff in XI Abschnitten, nämlich die Aussetzung der Stadt, die Verfassung und Verwaltung derselben nebst ihren verschiedenen Privilegien und Willküren, Beamten und Handwerken, ferner die Rechtspflege in der Stadt und auf den zahlreichen Weichbildsdörfern, die Drangsale in den Hussiten- kriegen, das Kircheiiwesen in der Stadt selbst und auf deren Filialen nebst den einzelnen Geistlichen, das Franziskanerkloster, den Pönfall, soweit Löbau von ihm betroffen ward, das Schulwesen, sowohl zur Zeit der früheren Stadtschule als des späteren Lyceums, das gewerbliche Leben, endlich die Schicksale im 30jährigen und in den späteren Kriegen bis 1815. Den Schlufs bilden neun, wenn auch zum Teil schon bekannte, doch noch nicht gedruckte Ur- kunden. — Wir freuen uns der Schrift als einer fleifsigen und den Stoff erschöpfenden Arbeit.

Wir tragen den darin aufgeführten Geistlichen aus vor- reformatorischer Zeit noch einige nach. 1407 den 6. Juli erhielt Magister Johannes Naz, utriusque juris doctor, olim plebanus ecclesiae in Lubawia Misnensis diocesis, der mit einem gewissen Petrus aus Görlitz seine Stelle vertauscht hatte, von der erzbischöf- lichen Behörde zu Prag das Anstelluugsdekret zu dem Altare der Apostel Petrus und Paulus in der neuen Kirche des Leichnams Christi und der heil. Barbara in Montibus Chutni, d. h. zu Kuttenberg (Emier, Lib. confirm. Prag. VI, 225). 1512 wird Georg Lob be als „Altarist an der Kapelle der heil. Jungfrau aufserhalb der Stadtmauern" von Löbau erwähnt (Giesing, Gesch. der Stadtbibliothek zu Löbau, Pro- gramm vom Jahre 1893. Auch Dietmann, Oberlaus. Priesterschaft, S. 739, kennt denselben). 1541 klagte Jakob Runge, Kaplan zu Löbau („Liebaw"), dem Rate zu Görlitz, dafs er durch eine Feuers- brunst all seine Kleider verloren habe (Laus. Monatsschrift 1802, I. 177). Die einstige Orgel in der Klosterkirche war dieselbe, welche früher die Cölestiner auf dem Königstein besessen und

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 22

338 Litteratnr.

welche, nachdem das dortige Kloster eingegangen war, die Franzis- kaner zu Löban sich von Herzog Georg von Sachsen (1518) er- beten hatten (Oberlaus. Kirchengalerie S. 147. Laus. Magazin 1843, S. 171).

Dresden. Hermann Knothe.

Das gotische Steinmetzzeichen. Von W. Clemens Pfau. Mit

zwei Tafeln. (A. u. d. T.: Beiträge zur Kunstgeschichte. Neue Folge XXII.) Leipzig, E. A. Seemann. 1895. 76 SS. 8".

Pfau stellte sich die Aufgabe, die Steinmetzordnungen des Mittelalters kritisch zu behandeln und durch philologische Erklärung der Wortbedeutung, sowie genaues Erläutern den Inhalt jeder einzelnen Bestimmung, sowie durch Vergleich dieser unter einander die bis- herige Auffassung des Ordnungswesens richtig zu stellen.

Leider ist ihm dabei ein Teil der Litteratnr entgangen: namentlich Neuwirths für die Feststellung des Wortlautes der Ordnungen so wichtigen Satzungen des Regensburger Steinmetzentages im Jahre 1459 (Wien 1888). Neuwirth bietet uns in Klagenfurt ge- fundene Steinmetzordnungen von 1628, 1(547 und 1739, meines Er- messens nachträgliche Redaktionen der Regensburger von 1459, die sich namentlich durch übersichtlichere Anordnung des Stoffes aus- zeichnen. Ferner wäre wohl gut gewesen, die im Repertorium für Kunstwissenschaft veröffentlichten Erfurter Ordnungen von 1423, um 1500, 1547 und 1588 heranzuziehen, endlich die Trierische von 1397, welche A. Reichensberger in seinen „Vermischten Schriften"

herausgab.

Zunächst beweist Pfau, dafs die Lehrlinge vom Meister, nicht aber, wie man bisher allgemein glaubte, vom Bandwerk aufgenommen worden seien. Dies ist zutreffend für die von ihm benutzten Urkunden, aber nicht ganz richtig für die zünftische Regelung des Lehrwesens in Erfurt, wo es schon 1423 heifst: „wann man cynen (Diener oder Lehrknecht) uff nempt czu leinen adir ledigk saget, wann er us ge- lerned had, das sal allis gescheen mit e.yns hantwerges willen und wissen, das man weifs, wer eyn diener adir eyn leerknecbt were adir us gelernt bette." Auch der zweiten Darlegung Pfaus, wonach die Lossprechung und Aufnahme des Gesellen lediglich durch die Meister geschehen sei, widerspricht die Erfurter Ordnung vom Anfange des 16. Jahrhunderts : „Auch sal er (derjenige der in die Zunft und das Handwerk will) bewiefsen, wy und wo er sein hantwerg erlernt habe auch syne lernejare und zciet ufsgestanden, sich auch sampt synem Ehwiebe, ab er das bette, fromelich, getruwelich, erbarlich gehalten.1' Wenn also Pfau sagt: „Der Ausgelernt» beweist seine Gesellenschaft bei einer fremden Hütte nicht durch Papiere, sondern durch seine Kenntnisse," so ist auch dies für die Erfurter Zunft nur bedingungs- weise richtig. Wenn ferner Pfau erklärt: „Bei der ausgeprägten Freizügigkeit dieser Bauleute sind feste Körperschaften (Zünfte) unmöglich", so ist seine Ansicht durch das thatsäehliche Bestehen einer solchen Zunft, eben in Erfurt, widerlegt.

Sind somit eine Reihe von Vorbedingungen der Pfau sehen Schrift wenigstens hinsichtlich ihrer Allgemeingültigkeit anfechtbar, so ist doch das Ganze eine sehr beachtenswerte. Arbeit. Plan stöfst vielleicht nach dem, was in den letzten Jahren über das Hüttenwesen

Litteratm-. 339

geschrieben wurde, gelegentlich offene Thüren ein. Aber man mufs anerkennen, dafs er das, was er zu beweisen trachtet, selbständig und zwar auf Grund einer sehr scharfen Denkarbeit fand. Nament- lich ist seine Abfertigung der phantastischen Zeichentheorie Rzihas so gründlich, dafs diese wohl endgültig zu den Akten gelegt werden wird.

Die Hauptleistung Pfaus scheint mir die Erklärung der in der Rochlitzer Ordnung vorkommenden innungs-technischen Ausdrücke und Gebräuche. Dafs das „Schenken" des Zeichens an den Lehrling ein von diesem vorzugsweise für die Gesellen der Hütte zu gebendes Gastmahl sei, von welchem auch die Erfurter Ordnung von 1423 spricht, dafs der Meister dem Lehrlinge das Zeichen gab und es ein- behalten konnte, bis dieser den Verpflichtungen gegen ihn völlig nach- gekommen sei, dafs das Zeichen nicht verkauft werden darf, dafs es demnach ein Ehrenzeichen war, durch welches der Meister dem Lehrling das Zeugnis als einem in der Kunst Erfahrenen gab , dafs aber nicht nur der Lehrling vom Meister ein Zeichen erhielt, sondern andere Meister und Gesellen ein solches gegen bestimmte Leistungen erhalten konnten, dafs es also auch Meister und Gesellen gab, die kein Zeichen hatten, dafs endlich die Zeichen auch nicht „Garantie- marken" für gute Arbeit, sondern vom Gesellen als Künstlermarke vor der Abnahme des Steines durch den Polier, also vor der Prüfung eingemeifselt wurden all dies sind neue, aber sicher erwiesene Thatsachen. Das Zeichen ist nach Pfaus klarer Darlegung eine Art Wappen und demnach im heraldischen Sinne zu verstehen. Pfau stimmt daher auch Klemms Theorie von den „Zeichensippen" willig zu, dafs nämlich der Meister seinen Schülern in der Regel ein dem seinigen verwandtes und daher diesen als seinen künstlerischen Nach- kommen kennzeichnendes gab, mithin aus der Ähnlichkeit der Zeichen auf eine künstlerische Gemeinschaft ihrer Besitzer geschlossen werden könne.

Mit den Ergebnissen seiner Arbeit fällt viel, ja fast alles zu- sammen, was bisher mit mehr Begeisterung als Scharfsinn von der Herrlichkeit mittelalterlichen Steinmetzenwesens gesagt wurde. Meine schon öfter ausgesprochene Ansicht, dafs die „Ordnungen" kein Beweis von Ordnung, sondern von Unordnung seien, meist ver- fehlte Versuche, das zerfahrene Hüttenwesen in bessere Gleise zu bringen, findet eine neue Bestätigung.

Pfau weist sehr richtig darauf hin, dafs nur die von ihm be- handelte sogenannte Rochlitzer Ordnung ausführlich das Zeichen- wesen behandle. Wie die Frage in anderen Ländern und zu anderen Zeiten behandelt wurde, darüber giebt sie freilich keinen sicheren Aufschlufs. Die Vergleichung mit der Erfurter Ordnung beweist, wie heikel jedes Generalisieren in Fragen mittelalterlichen Gewerbewesens ist.

Pfaus Art der Beweisführung ist aufserordentlich übersichtlich, das ganze Buch in seiner Art ein kleines Meisterstück. Denn seine Schwächen beruhen nicht auf Fehlern des Autors, sondern auf den Verhältnissen, in welchen dieser, fern von litterarischen Hilfsmitteln, seine Arbeit abschlofs.

Dresden. Cornelius Gurlitt.

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340 Litteratur.

Übersicht

über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur

sächsischen Geschichte und Altertumskunde l).

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Baumgärtel. Beiträge zur Geschichte des Bautzner Gewerbslebens: ebenda. No. 20-27.

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Collmann, K. Die Teilnahme der Herren Beufs am Schmalkaldischen Kriege, ihre Ächtung und Wiedereinsetzung: Unser Vogtland. Bd. II (1895). S. 11-23, 61-69.

D., K. Peter Apianus. Ein Gedenkblatt zur ersten Säcularfeier seiner Geburt: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1895. No. 47. S. 185-188.

]) Vergl. auch O. Do beneck er, Übersicht der neuerdings er- schienenen Litteratur zur thüring. Geschichte und Altertumskunde, in: Zeitschrift des Vereins für Thüring. Geschichte und Altertums- kunde XVII (N. F. Bd. IX), S. 740 752. Wir wiederholen unsere Bitte an die Herren Verfasser, Verleger und Redakteure, durch Zusendung der neu erscheinenden Arbeiten auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte, insbesondere kleinerer (Dissertationen, Pro- gramme, .Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften), zur Vollständigkeit unserer Übersichten beitragen zu wollen.

Litteratur. 341

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Aus dem Niedersteinbacher lTarrarchiv I: Rochhtzcr Diöcesan-Bote. .Jiihrg. IV (1895). No. 2. S. 6 f.

Der zweite Schlesische Krieg 1744 1715. Herausgegeben vom Großen | teneralstabe, Abteil, für Kriegsgeschichte. Bd. I : Böhmen I", ll. Mit 19 Karten, Plänen und Skizzen. Bd. II: Hohenfriede- berg. Mit 14 Plänen und Skizzen. (A. n. d. T.: Die Krieg«- Friedrichs des Grofsen. Zweiter Teil.) I'.etlin, Mittler und Sohn. 1895. X, 272 und 151; VIII, 244 u. 29 SS. 8°.

Aus dem Zioönitzthale. (Herausgegeben von Löscher.) Beiträge zur

Geschichte von Zwönitz und Umgegend. Herausgegeben vom Erzgebirg- Zweigverein Zwönitz. Zwönitz, Druck von Bernhard Ott. No. 1. Februar 1895. 20 SS. 8°.

Inhalt: Die Urkunden unseres Kirchturmknopfes. Der grofse Brand von 1687 und der Neubau der Kirche nach dem gleich- zeitigen Bericht des Diakonus Groschupff. Die Hungersnot in dm Jahren 1771 und 1772. Dresdner GescMchtsOlättcr. Herausgegeben vom Verein für Ge- schichte Dresdens. Jahrg. IV (1895). No. 2, 3. Dresden, W. Baensch.

Inhalt: Oberbürgermeister Dr. Stübel f. Georg Muller, Ein Brief D. Peter Eyssenbergs an den Bischof Johann NIM. von Meifsen. W. v. Se'idlitz, Die Schicksale der Dresdner Ge- mäldegalerie während des siebenjährigen Krieges. W. Frhr. von Biedermann, Eine Dresdner Liebhaberbühne vor hundert Jahren. Aus Julius Schnorrs Tagebüchern II. Georg Müller, Zur Geschichte der Dresdner Kirchenbücher. Mitteihuiqcn des Vereins für Chemnitzer Geschichte. VT1I. Jahr- buch für 1891—94. Chemnitz, 0. Mays Buchhandlung (Komm.). 1895 15s SS. 8W.

Inhalt: Kirchner, Zwei Chemnitzer Schulordnungen. A. Lauckner, Zur Erinnerung an das Kriegsjahr 1644. Uhle, Chemnitz im Freiheitskrieg 1813. Nekrologe. Quellen zur Geschichte Leipzigs. Veröffentlichungen aus dem Archiv und der Bibliothek der Stadt Leipzig. Eerausgegeben von Gustav Wustmann. Bd. II. Mit 7 Abbildungen. Gedruckt aut Kosten der Stiftung für die Stadt Leipzig. Leipzig, Duncker & Humldot. IS!).",. V, 5 IS SS. 8°.

Inhalt: G. Wust mann , Das älteste Leipziger Urtchdenbuch 1390—1480. Derselbe, Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Leipziger Rats (Anhang: Der Bürgermeister Romanus). E. Kroker, Heinrich Gramer von Claufsbruch, ein Leipziger Handelsherr des 16. Jahrhunderts. Derselbe, Leipzig im sieben- jährigen Kriege. G. Wustmann, Kleine Mitteilungen. (Luthers Becher. Lotter und Pfeffinger. Ein Procefs Octavio Piccolomims. Der Stifter der Fraternität. Apels. Garten. Zur Geschichte der Leipziger Schauspielhäuser. Herzog Carl von Würtemberg in Leipzig. Das Denkmal des Bürgermeisters Müller. Ein Künstler-

Litteratar. 347

streit. Das Schillerhaus in Gohlis. Fürst Bismarcks Leipziger Vorfahren. Der Tauchische Jahrmarkt). Schönburgische Geschichtsblätter. Vierteljahrsschrift zur Erforschung und Pflege der Geschichte im Gebiete der Schönburgischen Recefs- und Lehnsherrschaften. Jahrg. I. Heft 3, 4. Waidenburg, E. Kästner. 1895. S. 121—256. 8°.

Inhalt: Fr. Kittel, Dr. Rudelbach. C. H. Kannegiefser, Der Übergang der Grafschaft Hartenstein an das Haus Schön- burg. R. Hofmann, Zur Geschichte der Töpferei in Altstadt- Waidenburg (II). G.Dost, Zwei alte Heilquellen im sächsischen Erzgebirge. Th. Schön, Kriegsthaten eines Herrn von Schön- burg im 15. Jahrhundert. Ein Bild aus dunkler Zeit. Distel, Allerlei Findlinge. Aus unserer Zeit. G. Dost, Die wüsten Marken im Schönburgischen. Thomas, Waidenburg im sieben- jährigen Kriege. Fr. Kittel, Das Leuschnerhaus in Glauchau. R.Hof mann, Zur Geschichte der Töpferei in Altstadt-Waiden- burg (III). Th. Schön, Die Theilnahme der Herren von Schön- burg am Hussitenkriege. Derselbe, Leistung von Türkenhilfe seitens des Hauses Schönburg. Glauchau der Geburtsort von Samuel Pufendorfs Vorfahren. Aus unserer Zeit.

Kegister.

Agricola, Georg 129.

Alltinus, Peter 131.

Albrecht (d. Beherzte), Hz. v. Sachsen 102 ff.

Alffelt, Hans, Vorsteher des Kl. Nimbschen 309.

v. Allenbluraen, Joh., Kanimer- meister 16.

Altenberg 129.

Altzelle, Kloster 48. 134. 310.

Alveld, Lector des Franzisk.-Kl. Leipzig 75.

v. Alveusleben, BodoDietr., Lieute- nant 316.

Amberg 313.

Anhalt s. Christian.

Anna, Kurfürstin v. Sachsen 183. 187.

Gen. Landgraf Friedr. d. Friedf. v. Thüringen 35.

Gem. Heinrichs IL Burggrafen v. Meifsen 105.

Ansbach-Baireuth 280.

Aristoteles 63 ff.

v. Arnstadt, Dietr., Dekan des

Severistifts z. Erfurt 16. v. Arnstadt, Korporal 316. Arumaeus 314. Asch 277.

v. Aschersleben, Major 320. Asticampian 54 ff. 86 f. Aubanus, Coelius, Hag. 56. 83. Auerbach, Prof. d. Medizin in

Leipzig 71. 93. Augsburg 179. 194. 202 ff. 282 ff.

29«. August, Kurfürst v.Sachsen 129 ff.

133. 177. ff. 276.

Prinz v. Sachsen, Administrat. v. Magdeburg 278.

August IL u. III., Könige v. Polen, s. Friedrich August.

Baiern s. Ernst, Stephan.

Baldauff, Chrph., Rektor in Schnee- berg 246.

Balthasar, Lgf. v. Thüringen 12 f. 23 f. 27. 96.

de Bardi, Giacomo 182.

Beherfs, Dorothea, Äbtissin zu Nimbschen 309.

Berg 280.

v. Bernstein 177. 188. 190. 217.

Bethune, Graf, Obristlieut. 318

Beutner, Lehrer in Schneeb. 231.

de Biassono, Curello 37.

Paganino 15. 33. Birnbaum, Dr., Leibmedicus 295.

303.

Böhmen 269 ff. s. a. Georg.

Bonafous, Marechal de logis 318.

Bonifaz IX., Papst 13.

Bonitz, Job., Bektor in Schnee- berg 241.

Superintendent in Langen- salza 267.

Boppard 24.

Borzo, Dr., Leibmedicus 295.

Böschenstein,.Joh , Prof. in Witten- berg 61.

Bousquet, Dademas, Marechal de logis 318.

v. Boxberg, Lieutenant 320.

Brandenburgs. Christian, Joachim, Joachim., Ernst.

Brandner, Ägidius, Feldprediger 277.

Braunschweig s. Friedr. Ulrich.

v. Breitenbach, Georg, Prof. juris in Leipzig 71.

Register.

349

v. Budberg, Kapitän 320. 323. v. Bünau , Günther , a. d. Hause Tetschen 273.

Heinrich 99.

von dem Busche, Hermann 55. v. Buttler, Oberst 320.

Lieutenant 323.

Camerarius, Joachim 56. 81.

Ludw. 311. 313. Carlstadt, Prof in Wittenberg 67. Oarrara s. Franz.

di Cavalli, Antonio 111 ff. Cellarius, Joh., Prof. in Leipzig

61 f. Ceratinus, Prof. in Leipzig 81. Chemnitz, Wappen 128. Christian, Fürst v. Anhalt 310 ff.

Markgraf v. Brandenburg 277.

1 , König v. Dänemark 101. Clausnitz bei Freiberg 102 Clemens VII., Papst 4. 10.

v. Comanstein, Obristlieut. 320. de la Costi, Lieutenant 318. Creutziger, Caspar 56. Crocus, Rieh. 55. 57ff. 74. 91. Czernichow 322.

Dabercusius , Mathias Marcus, Rektor in Schneeberg 246.

Dänemark 198 f. 207. s. Christian, Erich.

Delitzsch, Andr., Prof. i. Leipz. 81.

v. Dohna, Achaz, Frhr. u. Burg- graf 313.

Christof, Frhr. u. Burggf. 310 ff.

Fabian, Frhr. u. Burggraf 310. Doppert, H. M , Rektor in Schnee- berg 232. 238 f. 248 ff.

Dreiskau bei Ölzschau 127. Dresden 98 f. 127 f. 190. 286. 292 ff.

315. 321 f. Dungersheim v. Ochsenfart, Dr.

59. 73. Dux 98.

Eck, Prof. in Ingolstadt 67 ff'. Eckold, Emanuel, in Leipzig 282. Eckstein, Baccalaur. in Schneeberg

233. Edeler,' Joh., Pfarrer 273. Edmund, Graf v. Kent 37 f. Eger 276 ff.

Vertrag (1459) 100. Egger, Andr., in Leipzig 281.

Eilenburg 315. v. Einsiedel, Heinrich 107. Eisenbarth, Andr., Okulist U.Stein- schneider 303. Elisabeth, Herzogin v. Görlitz 13.

Burggräfin v. Nürnberg 15. Emser, Hieron. 74. 89 f. England s. Heinrich, Johanna,

Richard. Erasmus 55. 59 f. 72 ff. Erfurt 12. 14. 50 f. Erich, König v. Dänemark 30. Erndel, Heinr., Dr. med., Stadt-

physikus zu Dresden 292 ff. Ernst, Kurf. v. Sachsen 102 ff.

Herzog v. Baiern 28. Eschenbach , Oberquartiermeister

319.

Faber, Kanzler 313.

v. Feilitzsch, Lieutenant 320.

Ferdinand IL, Kaiser 269 ff.

la Ferriere, Brigadier 308.

de Fierville, Lieutenant 318.

Fischer, Salomon Friedr., Bürger- meister in Schneeberg 250.

Fleifsen i. Böhmen 277.

Florenz 9 ff. 24 f. 29.

Forchheim 24.

Förderreuth i. Böhmen 277.

Förster, Joh., Rektor in Schnee- berg 241.

de Foyssac, Lieutenant 318.

Franck 77 f.

Frankfurt a. M. 178. 250. 311 ff.

Frankfurt a.O., Univers. 47f. 52. 85.

Frankreich 4 ff. s. a. Isabella, Karl.

v. Franquinet, Kapitän 320.

Franz v. Carrara, Herr v. Padua 9.

Franz, Dr., Oberkonsistoriair. 262.

Ambrosius, Rektor in Schnee- berg 245.

Frasi, Hieron., in Frankfurt a. M. 209.

Freiberg 98. 101. 114. 286. 302.

Friedrich (d. Friedfertige), Land- graf v. Thüringen 12f. Uff. 95.

(d. Strenge), Mkgf. v. Meifsen 12. 95 f.

(d. Streitbare), Mkgf. v. Meifsen 14 f. 96 ff.

(d . Sanftmütige), Kurf.v. Sachs. 97 f. 101.

(d. Weise), Kurf. v. Sachsen 43. 47. 58. 67. 72 f.

:;;,(>

Register.

Friedrich VI., Burggf. v. Nürn- berg L5. 23.

[., Bisch, v. Merseburg 30"; f Friedrich August I.,Kurf v.Sachs.

(August 11., König v. Polen) 264. 317ff.

II., Kurf. v.Sachsen (Aug. III., König v. Polen) 250. 322ff.

Friedrich Ulrich, Hz. v. Braun- schweig ;U:i. Friesen, Graf 517. Frotscher, Rektor in Schneeb. 243. Fuchs, Joh , RektinSchneeb. 241. Fugger I81ff. 199. 212. 218.

Marx 210. 212. Funk, Michael, Dr. 202ff. Fürstenberg, Fürst 317.

Fuis, Wolfg., Rekt. in Schneeberg, dann Superint. in Chemnitz 240.

Garben, Joh. u.Bapt.,i.Leipzig283. ( renua 1 1.

Georg, Markgraf v Meifsen 15. Hz. v. Sachsen 44f. 48ff. 107.

(Podiebrad), Kg.v. Böhmen 100. v. Gera, Ilse, Klostorjungfrau in

Nimbschen :>o9. Gernhardt, Albr., Vorsteher des

Klosters in Nimbschen .'»09. v. Göchhausen, Kapitän 320. ( rode, 1 leimig, Prof. in Wittenberg

50. 85. Goldast 311. 313. Goluchowski, Kapitän 320. 323. (iura, Joh., Propst des Klosters

Nimbschen 309. v. Gorenczk, die 97. 101.

Agnes 99.

Hans 99.

Michel 98.

- Tietze 98 ff.

Veronika 99.

Wolf !>s f. Görlitz s. Elisabeth.

Griiner. David, in Leipzig 283.

Grimma 253. 308. 310.

i Irofeenhain l">.

Grossin, Mari;-. 310.

Grundig, Oberpf. in Schneeberg

232. Giünthaler Kupferbergwerke 193. Gustav Adolf, Kg.v. Schweden 284.

Hahn, Oberpfarrer in Schnceberg 237. 254ff.

Hahn, Diakonus, später Superint.

in Gera 264f. de la Haie, Brigadier 318. Hamburg 198 f. Harrer, Hans, Kammermeister

178 ff. 213. Hatzfeld, kais. General 263. Heidelberg 313. Heinrich, Graf v. Derby (Heinr.IV.

Kg.v. Engl.) 17 ff. 29 f. 32 f. 37 ff.

II. (v. Plauen), Burggraf v. Meifscn 105.

Kg. v. Portugal 185. 206.215. Helene, Markgrätin v. Landsberg

307 f. Heltv. Forchheim, Magister 56. ül Hennigk, Job., Dr. 82. Hermann, Georg 216.

Gottfried 265. Hertewvgil's, Ursula, Äbtissin zu

Nimbschen 309.

Hertz, Mich., Rektor in Schnee- berg 241.

Hessen s. Margarete.

Heymann, Oberpfarrer in Schnee- berg 237.

Hirschfeld bei Leipzig 127. _

Hochenist, Anna, Äbtissin z.Nimb- schen 309.

Hoc v. Hoenegg 273.

Hoffmann, Konrektor in Schnee- berg 253.

Holke, kais. General 263. 286.

v. Hopfgarten, Georg Frdr., Ka- pitän :>!<>.

Eortleder, F. 310ff.

Hinwart. Hans 21(3.

Ulrich 199. 203. 209f. 214. v. Hütten, Ulrich 56f. 73. Buttich 54.

llvrus, Hans Hart mann 186. 203. ' 206

Jackowski, Kapitän 320. Jäger, HansJacob, in Leipzig 282. de Janus, Marechal de logis 318. Jenitz, Hans, Kammersekretär

177. ISS. 190. de Jericho, Joh., Domherr zu Zeitz

307 f. Imhof 180. L99£ 217.

Karl 2 IL ff.

Raimund 216.

Joachim [., K ml. v. Branden- burg 17 f.

Register.

351

Joachim Ernst, Markgraf von

Brandenburg-Ansbach 313. Jobst, Markgraf v.Mähren 13 f. 26. Johann, Herzog von Ghent 17.

Erzbisch, v. Mainz 14. 26. Johann Ernst, Herz. v. Sachsen- Weimar 312.

Johann Friedrich, Kurfürst v.

Sachsen 262. Johann Georg L, Kurf. v. Sachsen

107. 123. 269 ff.

IL, Kurf. v. Sachsen 304.

III , Kurf. v. Sachsen 303.

IV., Kurf. v. Sachsen 315.

Johanna, Gem. K. Heinrichs IV.

v. England 29 f.

I., Königin v. Neapel 4 f. Isahella, Königin v. Frankreich 10. Jülich 280.

Jung, Nathanael 179. 182.

Kämmerswalde ..bei Freiherr 102. Kanytz, Anna, Äbtissin v. Nimb- schen 309.

Barbara, dgl. 309.

Katharina, dgl. 309.

v. Karas, Hans, zu Reinhardts-

grimma 99. Karl IV., Kaiser 96.

v. Durazzo 4 ff.

VI, Kg. v. Frankreich 10 f.

Erzhzg. v. Österreich 265. Katharina, Gem. Kurf. Friedr. d.

Streitb. v. Sachsen 98.

Kent s. Edmund, Thomas.

Kepke, Daniel, dän. Kanzler 101.

Kerl, Rektor in Schneeberg 263.

v. Kirchberg, Hartmann, Burg- graf 100.

v. Klengel, Obrist 295.

Klostergrab 94. 101.

Kochel, Kanzler 90. 92.

Kölbel v. Geifsing, Korporal 316.

Königsmark, schwed. General 263.

Konitz, Mag. 90.

Kopf, Petr., Buchhändler in Frank- furt a. M. 313.

v. Kötteritz, Korporal 316.

Kowalski, Lieutenant 320.

Kraft, Ulrich 205.

Kramer, Hieron. 178 f. 182 f.

Kraner, Friedr., Rektor 260.

Kriebstein 225 f.

Krzypanowski, Lieutenant 323.

v. Küchenmeister 101.

Kundige, Sebnitz 96 f. Kuppener, Christof, Dr. 90.

Landsberg s. Helene. Langenhagen, Korporal 316. Languetus, Hubertus .207. v. Lausigk, Ursula, Äbtissin zu

Nimbschen 309. Lebzelter, Friedr., Agent des

Kurf. Joh. Georg 285. 287. Le Fevre, angiovin. Kanzler in

Avignon <>. Lehmann, David u. Daniel, in

Leipzig 276. 288. Leipzig 124 ff. 188 ff. 2<i9ff.

Konsistorium 236.

Universität 43 ff. Leiteritz, Auditeur 319. Lemberger, Magister 54 f. Leuber, Joh., sächs. Abgesandter

in Osnabrück 290. Lewenhaupt, Karl Gustav, Graf v. Falkenstein, Wirkl. Geh. Ratu. Generallieutenant 317 f.

Moritz, Obristlieutenant 318. Lichtenberg bei Freiberg 102. Lindau am Bodensee 281 f. 290. Lindemann, Joh., Ordinär, der

Jur.-Fakult. u. Bürgermeister

in Leipzig 84. 90 f. Lissabon 178 ff.

List, Konrektorin Schneeberg 233. Lobwasser, Ainbros., Professor in

Königsberg 267. Lubienski, Kapitän 318. Lubomirski, Fürst Jakob Alexand.,

Graf von Wisnitz u. Jaroslaw,

Generalmajor etc. 319. 323. Ludwig I. v. Anjou 5 f.

- IL sein Sohn 5 f. 8.

- v. Orleans 10. 13. 23. 28. Lüschwitz, Geh. Rat 313. Luther, Martin, 58 f. 61 ff. 69 ff. v. Lüttichau, Cornet 318.

Magdeburg, Erzbiscb. 48. Mähren 279. s. a. Jobst. Maier, Konrad 216. Mailand s. Visconti. Mainz, Erzbisch. 313. de Malerarques, Kapitän 318f. v. Maltitz, Hans 99.

Sigmund 107. Männlich, Melchior 206. 217. Mansfelder Kupferbergwerke 193.

:;:,•>

Register.

Marats, Brigadier .'518.

M argarete, Prinzessin v.Hessen 13.

Margarita, Ant., Lehrer des He- bräischen in Leipzig 81.

Maria, Gem. Ludwigs 1. v. Neapel 6. 8.

Maria, Tochter des Herzogs v. Berry 19.

Mark, Michael 273.

Maximilian 1L} Kaiser 277.

v. Meckau, Bisch, v. Brixen 65.

Meder, Jodocus, v. Windheim, Lieutenant 76.

MeinhcrIV.,Burggf.v.Mcifsen 95.

VI., Burggf. v. Meifsen 97. Meisenberg, Dr. 89.

Meifsen, Markgrafen s. Friedrich, (Jeorg, Wilhelm.

Burggrafen s. Anna, Heinrich, Meinher.

- Domkapitel 102. Melanchthon, Phil. 58. 61. Melierstadt, Dr. 43. 47. Melzer, Christian 250. Merseburg, Bischof 68 f. 79. 81.

s. a. Friedrich. Mensel, Andr., Oberpfarrer in

Frankfurt a. 0. 267. v. Meufshach, Jon. Georg, Frhr.,

Oberst 315f. Meutzner, K. F. G., Hilfslehrer in

Schneeberg 265. Mittweida 220 ff.

Morgenstern, Dr., Leibmedic. 303. Moritz, Kurf. v. Sachsen 287. 289. v. d. Mosel, Hans Heinr., Wacht- meister 316. Mosellanus (Schadig), Petr. 56 ff.

71 ff. 91. Müller, Bezirksschulinspekteur n.

Schulrat in Scbwarzenberg 268.

- Dan.Traug., Rektor in Schnee- l)erg 254 f.

Mutianus 55. 57. 76.

v. Nabeticz, Hans, Vorsteher des

Kl. Nimhschen 309. Nassau bei Dippoldiswalde 99.

mif. Natus, Fabian, Pfarrer 273. Neapel I s. Johanna, Maria. v. Neerhoff, Korporal 316. Neustadt a. H. 313. Niederösterreicli 271. Nimbschcn, Kloster 307ff.

Nobbe (Noppius), Hieron., Rektor

in Schneeberg 241. v. Norfolk, Herzog 18. Noricus, Dr. 89. Nürnberg 178 ff. 280f. 313. s. a.

Elisabeth, Friedrich.

Oberlausitz I3f.

Oberineier, Paul, Rektor i. Schnee- berg 23o. 235. 246f.

Ochsenfart s. Dungersheim.

v. d. Ölsnitz, Fr. 99.

( rpitz, Georg, aus Eger 278. 288.

v. Oppel, Vizekanzler 295.

Oschatz 309.

Ösfeld, Pastor in Altstadt -Wai- denburg 267.

Ossegg, Kl. 94. 104 f.

Österreich s. Karl, Wilhelm.

Ottengrün 277.

Pachelbl,WolfAdam, aus Eger 278.

Parthenius 60.

v. Passer, Kapitän 320.

v. Pelcken, .loh. 181.

Petrarka 40.

Pfalz 280. s. a. Stephan, Wolf-

gang Wilhelm. Pflug, ( 'aesar, A mtinann in Leipzig

83 f. 89.

Nickel, zu Knauthain 100. Philipp IL, Kg. v. Span. I80f. 215f. v. Pirch. Casp. Franz, Oberstlieut.

320. '323. Pirna 286. Pistoris, Job.,.. Mag. 45.

Siniiin (1. Ä., Prof. d. Med. in Leipzig 85.

Ordinär, d. Juristen -Fakult.

in Leipzig 70. 91.

Polen s. Friedrich August.

Poliander, Job.. Schulmeister zu St. Thomas in Leipzig 75. 77.

Polhnar, Dr., Stadtphysikus zu Dresden 303.

v. Ponickau, Jon. Georg 250.

Poepel, Thomas, Rektor in Schnee- berg 244.

Portugal I78ff. s. a. Heinrich,

Sebastian.

Potocki, Wocislaw, Obrist 320. Pötz, Georg, in Leipzig 285. v. Powisch, Lieutenant 323. Prachtbeck, Paul, Licentia 74.

Register.

353

Prag 274 ff. 294.

Procop, Markgraf v. Mähren 14.

v. Raab, Korporal 316.

v. Rabenstein, Heinr. Frhr., auf Riesenberg 103 ff.

Rasebig, Rektori. Schneeberg 237.

Ran, Wendelinus, Mag. 90.

Rauchmaul, Wwe., Verlagsbuch- handlung 314.

Rechenberg 94 ff.

Rehbacb bei Knautbain 127.

Rehlinger (Rechlinger) , Anton Christian, in Augsburg 210.

Joh.Ulr., Dr., i. Augsburg 283 ff. v. Reitzenstein, Georg Christoph,

Lieutenant 316.

Rem, Hieronymus 211. 216.

Rembold, Hans Jakob, in Augs- burg 210.

ReuchÜn 55. 58.

Reusch, Magister 55. 77.

Reusmann, .Toh. Gottfr., Rektor in Schneeberg 254ff.

Reuter, Job. Jakob, Dr. med. 270.

Richard IL, Kg. v.England 17ff. 37.

Riedel, Johann 279.

Riesenburg, Schlofs u. Herrschaft 94ff. 101.

v. Riesenburg, Borso II. u. III. 94 ff.

Slauko 95 f.

Sofia 96.

Rivius, Job., Rektor in Schnee- berg 245.

de Rochefort, Sous-Brigadier 317 f.

Rochlitz, Kunigundenkirche 219 ff.

Rochsburg 225 f.

Ronow.Graf , Job. Willi., Major 316.

Rostock 101.

v. Rotenberg, Tobias Adrian,

Oberstlieutenant 320. Rott, Erasmus 203. 209. 21 2 f. 217.

Georg 203.

Konrad 177 ff.

Nicolaus 212. Rottenbeck, Hans Wolf, in Nürn- berg 209.

Rovelasca, Giovambattista 203 ff. 217.

Rudel, Rektor in Schneeberg u. Pfarrer in Schwarzenberg 240.

Riüand, Buchhändler in Frank- furt a. M. 311 ff.

Ruprecht (v. d. Pfalz), König 9. 14. 25 f. 29. 37.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4.

v. Ryssel, Job. Heinr., Bürger- meister in Schneeberg 250. 252.

Sachsen s. Albrecht, Anna, August, Ernst, Friedrich, Friedr. Aug., Georg, Job. Friedr., Joh. Georg, Katharina, Moritz, Wilhelm, Zdena.

Sachsen -Weimar s. Johann Ernst.

v. Sacken, Otto Chrph. , Major 320. 323.

Scaliger 9.

Schaarschmidt, C. F., Geh. Rat 267 f.

Joh. Frdr., Rektor in Schnee- berg 243. 260.

Schade, Abrah., Rektor in Schnee- berg 247.

Scheffler, Job., Dr. jur. 270.

Schellenberg 105.

Scbererz, Sigm., Pfarrer 273.

Scheurl, Prof. in Wittenberg 47. 51.

Schindler, Archidiak. in Schnee- berg 253.

Schladminger Bergbrief 114.

Schleiffer, Joh., Pfarrer in Schnee- berg 230.

v. Schleinitz, Heinrich, Dr. 71.

Hugold 106. 225. Schlema 235. Schlesien 279. 290. Schlesier,Ephorus in Zwickau 236. Schmertosch, Martin, von Riesen- thal 274 ff. 287 f.

Schneeberg 114. 178. 229 ff. Schober, Albr , Propst des Kl.

Nimbschen 309. Schöller, Phil., in Leipzig 285. 288. v. Schönberg, die 97. 102.

Andreas, Kommandant von Dresden 295.

Bernhard, a. Purschenstein 101.

Heinrich 107.

Kaspar, auf Purschenstein 107.

Nickel, Hofmeister der Her- zogin 100.

Schörckel, Martin, Hofapotheker

276. Schreiber, Quartus in Schneeberg

238 f. Schurig, Martin, Leibmedicus 303. Schweden, s. Gustav Adolf. Sebastian, Kg. v. Portugal 180 ff. v. Seebach, Lieutenant 320. Sehlis bei Leipzig 127.

23

:;:,!

Register.

Sieber, l Irban ( lottfr., Rektor in

Schneeberg 241. Siemanowski, Lieutenant 320. 323. Spalatin, Georg, 57 f. Spanien s. Philipp, v. Staupitz, Haus 99.

.lob., Dr. 43.

Stegmann, Audi'. , Wundarzt in

Leipzig 274. Steiermark 270f. Steinbach, Engelhard 273. Stephan, Hz. v. Baiern 23.

Pfalzgraf 37.

Stepner, Superintendenti.Zwickau 263.

Steude, Seb., Mag. 90.

v. Stubenberg, Adolf Willi., Fähn- rich 316.

Stumpf, Tertins in Schneeberg 241 f.

Sulzherger, Job. Rupert, Dr. med. 270.

Sigism. Friedr., Protonotar am Oberhofgericht 270.

Surlande, Adjutant 318.

Tempski, Lieutenant 320.

Thanrädl, Andreas, Freiherr 271 f.

Theil, Laur., Lic. med. 302.

v. Theler, Wolf 101.

Thomas, Graf v. Kent 37.

Thomas, L. Gr., Kantor in Schnee- berg 265.

Tliönicker, Joh.Joach., Oberpfarrer in Schneeberg 232. 234. 238 f. 242. 249 f.

Thüringen s. Anna, Balthasar, Friedrich.

Thüringische Gesellschaft 177 ff.

v. Thurn, Graf Heinr. Matthias 274 f.

Timäus, Job., Geh. Rat 279.

Tirol 279.

Torgau 187 f. 191.

Torstenson 286. 289.

Trommler, Oberpfarrer in Schnee- berg 241 f. 258.

Tertius in Schneeberg 239. Troppaninger, Dr., Arzt in Drcs-

den 297. 302. Trützschler, Christian Ernst, Ka- pitän 316.

Georg Wilh., Wachtmstr. 316.

Urhan IV., Papst 4f.

Velius, Caspar ürsinus 55.

Venedig I09ff.

Visconti, Anglesia 1 l ff. 33f.

Bernabö, Hz. v. .Mailand 3ff. 39ff.

Elisabeth 28.

Gabriel 20f.

Galeazzo 5.

Gian Galeazzo III.. Hz. v. Mailand 3ff.

Katharina, Gem. d. Galeazzo 6. 9. 20. 30ft. 37. -11.

Lucia 3 ff.

Matteo 5.

Regina (Beatrice), Gem. d. Bernabö 40ff.

Uberto, Bürger zu Mailand 31.

Valentina 10. 23. 28. Vitzthum v. Ecksriidt, Chrph.

Heinr., Major 319. 323. Voigtländer, Job. Gottl. Aug., Rektor in Schneeberg 235. 237. 240. 244. 260 ff.

Job. Heinr. G., Archidiakonus in Schneeberg 237. 260.

v. Volkersam, Kommandant v.

Alten-Dresden 295. Vorarlberg 279.

Wahl, Oberpfarrer in Schneeberg

230. 235. 237. 244. 254. v. Wallenfels, Lieutenant 320. Wallenstein 286.

Walmotte deBaudwen, Kapit. 318. Warschau 317. 320ff. Weighart, Franz 100.

Hans d. Ä. 100 ff.

Hans d. J. 100. 106f.

Heinrich 100. 106 f.

Krieg 100.

v. d. Weitmüh], Benisch 106. Weller, Hieron. 240. Welser 179ff.

Hans 210.

Hans Lucas 210. 216.

Mathäus 210.

Wenzel Konigllff.24f.29.32.96. Werler, Veit, Mag. 56. v. Westfalen, Arnold 219ff. Wichmann, Job., in Hamburg 183. Wilhelm L, Mkgr. v. Meifsen 1 2 ff. 24. 26. 96 f.

II., Mkgr. v. Meifsen 15.

III., Hzg. v. Sachsen 98.

Hz. v. Österreich 25.

Register.

355

Wlmpina, Theologe 17. Wittenberg', Universität -43 ff. v. Witzleben, Friedrich 16. 22. Wizani d. J., Kupferstecher 108. Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf

v. Neuburg 280. Wrangel, Otto, Major 318. v. Wrsessewitz, Joh., Hauptin.

z. Teplitz 103. Wüstenfelder, Rektor d. Univ.

Leipzig 70 75. v. Wuthenau, Kapitän 320.

Zbyewski, Lieutenant 320. 323. Zdena, Herzogin v. Sachsen 45. Zecheudorff, Joh., Rektor in

Schneeberg 247. Zeithain, Campement 319 ff. Ziegler, Kantor in Schneeberg

233. Zinna, Kloster 48. Zwickau, Superintendentur 23(3.

239.

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Saxonica

der

Verlagsbuchhandlung von Wilhelm Baensch

in Dresden.

September 1895.

Die mit f bezeichneten Werke sind in Fraktur-, alle anderen

in Antiquaschrift gedruckt; die mit ' angeführten werden

in kurzer Zeit erscheinen.

Beschorner, Rechtsanwalt und Hofrat (f). Aus meiner Anwalts- Praxis. M. 1,—.

fliock von Wülflngen, Major z. 1). Die geschmähten Kadetten- Korps. M. -,75.

t von Itroizeni, Oberst und Chef des K. S. Generalstabes. Die Schlacht der Zukunft. M. ,75.

t Chronik des Sächsischen Königshauses und seiner Residenz« Stadt. M. 150,—.

Drechsler, Adolph, Dr., k. sächs. Hofrat, Ergebnisse von fünfzig- jährigen Beobachtungen der Witterung- zu Dresden 1828 bis 1878. M. 10,—.

Witterungsverlauf zu Dresden 1870 bis 1885. M. 5,—.

beide Abteilungen 18^8 bis 1885 in einem Bande M. 15,—. Ermisch, H., Dr.phil., k. sächs. Archivrat. Das alte Archivgebäude

am Tasehenlierg in Dresden, ein Erinnerungsblatt mit fünf Ab- bildungen auf vier Blatl Lichtdruck. Geb. M.3,— ., brosch. M. 2, .

Die sächsische Geschichtsforschung in den letzten dreifsig Jahren. M. 1,—.

Studien zur Geschichte der sächsisch-böhmischen Beziehungen in dm Jahren 1464 bis 1471. M. 3,—.

"J'Exner, k. .sächs. Oberstlieutenant und Vorstand des k. sächs. Kriegs-Archivs. Die Anteilnahme der Königlich Sächsischen Armee am Feldzuge gegen Österreich und die kriegerischen Ereignisse in Sachsen im Jahre 1809; mit achl Karten und einer Skizze. Geh. M. 5,—, brosch. M. 4,—.

t von Falkenstein, Freiherr Dr. Paul (f), Je. sächs. Staatsminister a. D. und Minister des Königlichen Hauses. König- Johann von Sachsen, ein Charakterbild mit drei Kupferstichen von Pro- fessor Bürckner und acht Beilagen. Geb. M. 10,—, brosch. M. 8,50, Volksausgabe M. 1,50.

Fernspreckeinricbtung in Dresden. Aufgestellt von der Kaiser- lichen Ober-1'ost-Direction Dresden. M. —,75.

f von Friesen, Richard (f), Freiherr, k. sächs. Staats- und Finanz- minister. Erinnerungen aus meinem Leben. II. Auflage, zwei Bände. Geb. M. 18—, brosch. M. 15,—.

t Gebauer, Heinrick, Oberlehrer an der öffentlichen Handelslehr- anstalt der Kaufmannschaft zu Dresden. Die Volkswirtschaft im Königreiche Sachsen. Historisch, geographisch und statistisch dargestellt. Drei Bände. Geb. M. 36,—, brosch. M. 30,—.

f Gcschicbtsblätter, Dresdner, herausgeg. im Auftrag des Vereins für Geschichte Dresdens durch Dr. O. Richter, Ratsarchivar. Jahrgang I bis III je M. 3,—, Mappe M. 1,50.

Enthält folgende gröfsere Aufsätze. Beutel, Georg, Dr., Archiv-Assistent. Merkwürdige Häuser.

III. Kreuzstrasse Nr. 10. II, 4. von Biedermann, Freiherr, W., Göthe in Dresden. I, 3. Blanckmeister, Fr., Pastor. Die Dresdner Kirchenbücher. II, 2.

Zinzendorf in Dresden. I, 2.

Ermisch, Tl., Dr. phil., k. sächs. Archivrat am k. Hauptstaats- archiv Dresden. Das älteste Dresdner Stadtbuch. I, 4.

von Friesen, Freiherr, Generalmajor. Die Friesen als Haus- besitzer in Dresden. III, 2.

Zu dem Briefe des Generals von Thielmann an den Hofrat Böttiger 1811. II, 3.

von Göphardt, A. L., Oberjustizrat. Die letzte des altsächsi- schen Geschlechtes von der Sahla. II, 3.

Kade, R., Dr. phil., Gymnasial - Oberlehrer. Kurfürst Moritz und die Musik. I, 3.

Kurfürst Moritz in der Kunst. II, 1.

Lippert, Woldemar, Dr., Staatsarchivar am k. Hauptstaatsarchiv

Dresden. Historische Ausflüge in Dresdens Umgebung.

I. Die Zschoner Mühle. II. Die Meixmühle. I, 4. Meltzer, 0., Rektor, Dr. Gereimte Selbstbiographie des

Diakonus M. Christian Richter 1645-1725. III, 1. Müller, Georg, Professor Dr. Der Ponickausche Garten im

Jahre 1574. II, 3.

Andreas Morgenroth, kurfürstl. Buchdrucker 1578— 1586. 111,2.

Die Einrichtung einer Eilpostverbindung Berlin - Dresden- Prag - Regensburg 1653. II, 3.

Müller, Georg, Professor Dr. Bans Jenitz, Geheim- Sekretär des Kurfürsten Augast. II. I.

Schnelligkeit der sächsischen Eilpost 1571. II. I. Rachel, Paul, Dr., Oberlehrer. Ein Brief des Generals von

Thielmann an Eofrat Böttiger 1811. II, 2.

Das Dresdner Landwehr-Bataillon L813/14. I, 2. Richter, 0., Dr., Ratsarchivar. Aufzeichnungen über die Ein- führung der Reformation in Dresden. I, 3.

Pas Wassertrinken. II, 1.

Der Abschiedsbrief des letzten mittelalterlichen Pfarrers von Dresden. I, 1.

Der erste Dresdner Buchhändler. I, 3.

Der Frauenkirchhof. Dresdens älteste Begräbnisstätte. 111,2.

Der hölzerne Esel. II, 1.

Die ältesten Innungsordnungen der Dresdner Schuhmacher und Schneider. 11, 2.

Die ersten Anzeichen der lutherischen Bewegung in Dresden. II, 3.

Die Stadtgrenze bei Räcknitz. I, 2.

Dresdens Strafsen und Plätze. I, 1.

Ein Mahnbrief des Rates zu Dresden an Herzog Heinrich 151 7. II, 1.

Ein Priestermord 1513. II, 2.

Ein Vierteljahrhundert unseres Vereinslebens. III, 2.

Elisa von der Recke im Wonnemonat des Jahres 1790. III, l.

Gräber in der Sophienkirche. II, 4.

Merkwürdige Häuser. I. Altmarkt Nr. 15 (Goldner Ring). I, I.

Merkwürdige Häuser. II. Altmarkt Nr. 10 (Marienapotheke).

Sammlungen für Abgebrannte. II, 4.

Tierhetze auf dein Altmarkt. H, 2.

Über die altniederländischenBilderteppiche in der k. Gemälde- galerie. II, 1.

Urbach, 'Theodor, Dr., Professor am Gymnasium zum heiligen Kreuz. Das geistige Leben Dresdens am Ausgange des 18. Jahrhunderts. II, 1. Wuttke, K. Ein Standrecht in Dresden während des dreifsig- j ährigen Krieges. III, 1. t Haan, Dr. theol., k. sächs. Kirchenrat, Superintendent emer. Die Episkopal-, Konsistorial- und Diözesan-Verfassung im ehe- maligen Kurfürstentum und jetzigen Königreiche Sachsen, kirchenstatistisch dargestellt. M. :!,— . fHaebler, Konrad, Dr. phil. Maria Josepha Amalia, Eerzogin zu Sachsen, Königin von Spanien. Ein Lebensbild mil Porträt und facsimilierter Unterschrift. Geb. M. 5,25, brosch. 31. 4,—.

f Hassel, Dr.phil., Geheimer Regierungsrat, Direktor des k. sächs. Hauptstaatsarchivs und Graf Yitztlmm von Eckstädt, Major im K. 8. Generalstab. Zur Geschichte des Türkenkrieges im Jahre 1683. Die Beteiligung der kursächsischen Truppen an demselben. M. 4, .

Heller, F. H., Dr. Die Handelswege Inner -Deutschlands im 15., 16. und 17. Jahrhundert und ihre Beziehungen zu Leipzig-. Mit einer Karte. M. 2,—.

fHey, Gustav, Dr., Professor am Realgymnasium zu Döbeln. Die slavischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung ihrer Namen. Geb. M. 7.50, brosch. M. 6,—.

f Invaliditäts - und Altersversicherung. Amtsblatt der Ver- sicherungsanstalt für das Königreich Sachsen. Jahrgang I IV. I— III ä M. 3 ,— , IV M. 1.50.

fKlenck, von, Major a.D. Kriegs-Tagebuch 1870/71 der 1. Es- kadron des Königlich Sächsischen Garde -Reiter -Regiments. Geb. M. 5,—. brosch. M 4,—.

t von Larisch, Je. sächs. Hofrat. Oberst von Larisch, ein Zeit- und Lebensbild aus den Freiheitskriegen. Mit einem Porträt. Gel). M. 5,50, brosch. M. 4,50.

Lippert, Woldemar, Dr., k. sächs. Staatsarchivar. Die Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im 14. Jahrhundert. M. 6,—.

t Loinmatzsch, Hauptmann ä la suite des 2. Grenadier-Regiments Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preussen", Kompagnie- führer an der Unteroffiziervorschule. Leitfaden der sächsischen Geschichte, bestimmt zum Unterricht an der Königlichen Unter- oftizierschule und Unteroffiziervorschule zu Marienberg. Geb. M. 1,50, brosch. M. 1, , oder in vier Lieferungen zu je M. —,80.

Georg, Dr. Die Bewegung des Bevölkerungsstandes im König- reiche Sachsen, während der Jahre 1871—1890 und deren haupt- sächlichste Ursachen. Nebst 4 Karten M. 4,— .

f von Minckwitz, A., Oberhofmeister a. D., k. sächs. Wirklicher Geheimer Bat (f). Geschichte von Pillnitz vom Jahre 1403 an- Aus den hinterlassenen Papieren bearbeitet durch von Baensch. Nebst sechs Abbildungen und einem grofsen Blatt in Licht- druck. Geb. M. 5,— , brosch. M. 4,— .

Die ersten kurfürstlich sächsischen Leibwachen zu Rofs und zu Fufs. Aus den hinterlassenen Papieren bearbeitet durch von Schimpff, k. sächs. Oberst z. D. Geb. M. 5, , brosch. M. 4, .

f Mitteilungen des Königlich Sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer. Heft 1 bis 30. Voll- ständig M. 60,—. Einzelne Hefte soweit noch vorrätig ä M. 2, .

f Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Befl l

bis II je M. 1,— .

ETefl I: Dresdner Chronik vom 1. Juli bis 31. Dezember 1&69.

Heft II: Hantzsch, A. , Geschichte der Neustädter Realschule.

Il.n Hl: Hantzsch, A., Geschichte des Dorfes Plauen bei I Dresden.

Heft IV: Richter, 0., Der Bufsprediger Johannes von Capi- strano in Dresden und diu Nachbarstädten 1452. - Derselbe, Kin Brief Melanchthons. Derselbe, Dresdner Strafienszenen vom Jahre 1552.— Widemann, F., Alt-Dresden und dessen Brand 1685. Gurlitt, C, Eine Quelle zur Baugeschichte Dresdens. Hantzsch, A., Die Spiegelschleife bei Dresden.

Mcltzer, ()., Eine Ordnung für das Alumnat der Kreuz- schule aus der /.weiten Hälfte des Ki. Jahrhunderts. Derselbe, Über dramatische Aufführungen au der Kreuz- schule.

Heft V und VT: Heinze, A., Dresden im siebenjährigen

Kriege.

Heft YID Meltzcr, O., Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung der Reformation (1539).

Heft VIII: Neidhardt, A., Der Nachlaß des kursächsischen Premierministers Reichsgrafen Eeinrich von Brühl. Hantzsch, A., Geschichte des Dresdner Christmarktes. Derselbe, Der Ileisewitziscbe Garten in Plauen bei Dresden.

Richter, O., „Verehrungen" des Rates zu Dresden an hohe Beamte 1680-1718. Müller, G., Die Geistlichkeit der Superintendentur Dresden im Jahre 1578.

Heft IX: Nenbert, H. M., Zur Entstehung der Dresdner Vor- städte. — Pietsch, K. H., Beiträge zur Dresdner Häuser- geschichte: A. Das Burglehn; B. Der Tasebenberg. Knothe, H., Das Augustinerkloster zu Alt -Dresden und seine Besitzungen in der Oberlausitz. Kaue, R., Eine Dresdner Familienchronik 1542—1597. Müller, G., Eine Instruktion für die Verwaltung des „Gemeinen Kastens" in Alt - Dresden.

Heft X: Buchivald, G., Dresdner Briefe 1625 bis 1670. Ein Bild aus dem Dresdner Leben im 17. Jahrhundert. Beutel, G., Aus den Reisetagebüchern almosensammelnder Dresdner Bürger nach dem Brande von Alten-Dresden im .Jahre 1685

llett XT: von Friesen, E. G. M., Freiherr, Dresden im Kriegsjahr 1809.

Fortsetzung folgt.

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