1 * DER Fe un 9 2 2 FORTE FREE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY of THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY r Fra 15 Een TER i * a . ’ * aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von M. J. Schleiden, der Rechte, der Mediein und der Philoſophie Doctor, des Königl. Niederländiſchen und Großherzogl. Luremburgifihen Ordens der Eichenkrone Ritter, * * Ordentlichem Honorarprofeſſor zu-Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newyork, der Kalſerl. Leopoldino-Caroliniſchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Geſellſchaft der Arzte in Wien, der Societas physico-medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Geſellſchaft, des norddeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vexeins des Harzes, des Hamburgiſchen 3 5 naturwiſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, correſpondirendem und Ehrenmitglieve . und Dr. Vobert Froriep, des rothen Adler⸗Ordens vierter Claſſe Ritter, 15 er rer Königl. Preuß. Geh. Medleinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, 8 Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie e Wiſſenſchaften n Erfurt, der Academie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mevicinifch = chlrurgiſchen Geſelſchaft „des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur⸗ und Heilkunde de Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunve zu Berlin, der Svenska n zu Stockholm, der Societas n u Moſkwa, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des a en Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Scienees zu Neu⸗ Orleans und des Deutſchen Vereins für Hellwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Sropperangt. Baädlſcher Medleinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats-Arzneikunde, des Apotheker⸗Verelns im nördlichen Deutſchland und des natur⸗ x N wiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes. 3 v Dritter Reihe fünfter Band. Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie-Comptoirs. | 184 8. * 8 Be 8 Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von 3.0 cl 3-4 a M. J. Schleiden, der Rechte, der Mediein und der Philoſophie Doctor, des Königl. Nieverländiſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newyork, der Kaiferl. Leopoldino - Garolinifchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Gesel ſchaft der Arzte in Wien, der Societas physico-medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Ge ell⸗ haft, des nordveutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgiſchen nakurthlſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, . correſpondirendem und Ghrenmitglieve und Dr. Robert Froriep, des rothen Adler-Ordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Mievicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie royale de Medecine zu Paris, der Hufelandiſchen 1 Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde iu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Moſkwa, der K, K. Geſellſchaft der Arzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehrenmitgliede des Vereins . 8 Mepieinalbeamten für die Beförderung der Staatsarzneikunde, des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Sen a 5-4 \ Dritter Reihe fünfter Band. Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 18 4 8. 00 STIER: = 11 1 > 4 x * * ai U Mi. 1 eee 7 y IHDTEINTARUIAUR Win it N 5 - — u 0 93 2 It * MHM et ur N ii „ ee eee ene * i een rc 1 N e 11 NN Wee U n ee ee 4 EUR ad ru; 732 41 f ut f 1 . 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Cephalopoden. — Heilkunde. Schwefeläther-Einathmung durch einen Schwamm. — Bibliographie. Simpſon, Schwefeläther übertroffen durch Chloroform. — Miſecelle. Tracy, Naturkunde. J. über die niedere Entwickelung der Cireulations⸗ organe bei den Patellen und Haliotiden. Von Milne Edwards. (Hierzu die Abbild. Fig. 1—4 der mit dieſer Nr. ausgegeb. Tafel.) Schon mehrfach ſuchte der Verf. nachzuweiſen, wie die Reihenfolge des Entſtehens der weſentlichen Apparate nach den verſchiedenen Thiertypen verſchieden ſei, und wie innig das Zuerſterſcheinen eines Theiles im werdenden Organis— mus mit ſeiner Wichtigkeit für den zoologiſchen Charakter zuſammenhänge. b So fand der Verf. während ſeiner an den Küſten Si— eiliens unternommenen Unterſuchungen über Seethiere bei den Molluſken eine verſpätete Bildung des Herzens, wornach ſich annehmen läßt, daß bei dieſer Thierabtheilung der Cir— culationsapparat von geringerer Wichtigkeit als bei den Wirbelthieren iſt, wo das Herz ſchon in dem früheſten Embryozuſtande feine Functionen ausübt. Sobald aber ein Organ oder ein Apparat feine phyſiologiſche Wichtigkeit verliert, verläßt ihn mit ihr zugleich das conſtante ſeines Baues, das für alle weſentlichen Theile gilt; und er beginnt nunmehr Spuren eines ſtufenweiſen anatomiſchen Zurück— bleibens zu zeigen. Es folgt daraus, daß in der Abtheilung der Weich— thiere die zur Verbreitung der ernährenden Flüſſigkeit die— nenden Organe keinen ſo conſtanten Bau beſitzen müſſen, wie wir ihn bei höheren Thieren antreffen, daß vielmehr bei einigen Arten eine höhere Entwickelung, bei andern da— gegen ein Zurückbleiben desſelben vorkommen kann, ohne deßhalb eine weſentliche Veränderung in der allgemeinen Organiſation der Thiere zu bedingen. Dieſe Folgerungen ſtimmen jedoch ſchlecht mit der über die Bluteireulation der Weichthiere herrſchenden Anſicht, nach welcher man für alle dieſe Thiere einen vollſtändigen, un— No. 2069. — 969. — 89. unterbrochenen Kreislauf von Arterien und Venen, die nur unweſentliche Modificationen zeigen, annimmt. Schon vor 7 Jahren zeigte der Verf. dagegen, daß bei den Aſeidien nur in den Bedeckungen des Körpers und den Branchien Gefäße vorhanden ſind, wogegen das Blut in der Unterleibsgegend durch die von verſchiedenen Organen frei gelaſſenen Raume fließt. Etwas ſpäter wies er ein ähn— liches Zurückbleiben des Gefäßapparates bei den Biporen nach, und neuerdings hat Quatrefages dasſelbe bei den Aolidien beobachtet. Dieſe Beobachtungen wurden jedoch wenig beachtet, und noch im vorigen Jahre fühlte ſich ein junger Zoologe (Souleyet) berufen, der Theorie nach die Unmöglichkeit des ſowohl gänzlichen als theilweiſen Ver— ſchwindens der Circulationsorgane bei irgend einer Gaſtero— pode zu verfechten. Neuere Unterſuchungen des Verf., der Aka— demie im J. 1845 mitgetheilt, ſowie ſpätere gemeinſchaftlich mit Valenciennes unternommene Beobachtungen, in gleicher Weiſe von Nordmann über die Tergipeden, von Owen über die Terebratula-Arten, ſowie don Cuvier, Gaſpard, van Beneden und andern mitgetheilte Beobachtungen ſetzen das Factum jedoch außer Zweifel und zeigten zugleich, daß dieſe niedrigere Entwickelung des Gefäßſyſtemes der ganzen Abtheilung der Weichtheile eigen iſt, indem, ſo viel jetzt bekannt, bei allen dieſen Thieren die Blutgefäße an ge— wiſſen Stellen fehlen und durch einfach entſtandene Lücken vertreten werden. Mit jeder Claſſe dieſer Thierabtheilung nimmt der Gefäßapparat ſtufenweiſe ab, und ſind in dieſer Beziehung bedeutende Verſchiedenheiten bei ſonſt in ihrer Organiſation ſich gleichenden Thieren mit Sicherheit bekannt. So beträchtliche Verſchiedenheiten hier aber auch vorkommen, beſchränkten ſie ſich doch, ſo viel bekannt, nur auf das ve— nöſe Blutſyſtem, während das arterielle Syſtem bei allen eigentlichen Molluſken vollſtändig entwickelt war. 1 3 89. Wenn die Theorie der Entſtehung der Blutgefäße aus Räumen, deren Wandungen ſich reguliren und durch den Einfluß derſich in ihnen bewegenden Flüſſigkeit mit einer eigenen Haut bekleiden, richtig iſt, Jo müſſen ſich die Arterien wirk— lich vor den Venen bilden und ſomit nach dem eben auf— geſtellten Geſetze in ihrer anatomiſchen Anordnung auch viel conſtanter ſein. Bei den Gaſteropoden dagegen, wo ſich der ganze Körper eher entwickelt, als das Herz ſeine Ver— richtungen verſieht, können die Arterien bei wahrſcheinlich gleichfalls verſpäteter Bildung nur eine ſehr untergeordnete Rolle im Lebenshaushalte ſpielen, wonach man bei dieſer Gruppe ſowohl im Baue der Venen als der Arterien mehr— fache Abweichungen ohne eine nothwendige Veränderung der ſonſtigen Organifation erwarten kann. Von dieſer theoretiſchen Anſicht geleitet, ſchien dem Verf. eine möglichſt große Anzahl von Unterſuchungen ſo— wohl über die Anordnung des arteriellen als die Abnahme des venöſen Syſtems ſehr nützlich zu ſein. Bei der Mehr— zahl der Gaſteropoden fand er indeß keine eee Mo⸗ dificationen des arteriellen Syſtems, die Lage der großen Aſte war vielmehr immer ſo, wie ſie Cuvier in ſeiner Anatomie der Molluſken angegeben; in den meiſten Fällen konnte der Verf. die arteriellen Verzweigungen durch keine Injectionen bis in die Subſtanz aller Organe verfolgen; alle dieſe Gefäße waren deutlich umgrenzt und zeigten alle Charaktere häutiger Röhren. Bei der Haliotis verhielt es ſich jedoch ganz anders. Wenn der Verf. das Herz dieſes Weichthieres mit einer gefärbten Flüſſigkeit injieirte, ſo füllte ſich jedes Mal die aorta oder die Kopfarterie und gleichfalls die von ihr zur Leber, zum Magen, zum Darme und den benachbarten Theilen führenden, ſich über dieſe Organe nach allen Seiten hin verbreitenden äußerſt zarten Verzweigungen, deren Ca— pillaren nur mit der Loupe ſichtbar waren (Figur 1); dagegen ergoß ſich die Injectionsfluͤſſigteit am Kopfe in eine große Höhle, in welcher das Gehirn, die Speicheldrü— ſen, der Schlund und die Muskeln des Mundes befindlich waren. Der Verf. ſchrieb dieſen Erguß anfangs einer Zer— reißung des Gefäßes zu; er wiederholte deßhalb ſeine Ver— ſuche, ſich bei der Injection eines minder ſtarken Druckes bedienend, und nach einander fo eben geſtorbene, ganz leben— dige, ſowie dem Tode nahe, ſchlaffe und unbewegliche Thiere verwendend, der Erfolg blieb ſich jedoch in allen Fallen gleich. Wie der Verf. nunmehr bei einer genauen Section den Verlauf der aorta bis zum Kopfe verfolgte, war es ihm von dem Punkte an, wo der Erguß ſich zeigte, nicht mög— lich, eine weitere Spur von ihr zu finden; hier verſchwan— den die Wandungen dieſer großen Arterie oder gingen viel— mehr in die Membranen, welche den Unterleib von der Kopfhöhle trennen, uͤber; und es war mithin durchaus kein Zuſammenhang zwiſchen dem Gefäße, das in dieſe Höhle ging und den Arterien, die ſich aus derſelben in den Fuß begeben und dort, wie die Injection nachweiſ't, verzweigen, aufzufinden. Nachdem der Verf. dieſe Verſuche mehr als zwanzig Mal mit gleichem Erfolge wiederholt hatte und ſomit nicht NR Ale 4 zufälliges Zerreißen des Gefäßes denken konnte, Injection in umgekehrter Weiſe vor, indem er Herz in das arterielle Syſtem nunmehr in die Höhle ſelbſt zwiſchen den Muskeln und Nerven des Schlund— knotens injicirte. Auch hier blieb der Erfolg ſich gleich; die Flüſſigkeit trat in die aorta, durch ſie ins Herz, und erfüllte in ſehr vielen Fällen das ganze Arterienſyſtem mit gleicher Vollkommenheit, wie bei den früheren Verſuchen. Nunmehr ſchien dem Verf. für die Haliotis eine freie und normale Verbindung zwiſchen der großen Arterie des Körpers und der Kopfhöhle, in welcher die Hauptmittel— punkte der Nerven und der vordere Theil des Verdauungs— apparates befindlich, erwieſen; er vermuthete zugleich, daß dieſe Höhle beim lebenden Thiere arterielles Blut enthält und zur Vermittlung der aorta mit den Arterien des Fußes dient, mithin die Organifation der Haliotis der des Calmars und des Tintenfiſches entſpricht, wo die zwiſchen den Kopf— decken, den Schlundmuskeln und dem obern Ende der Speiſe— röhre gelegene große Sohle gleichfalls zum Circulationsapparate, doch mit dem Unterſchiede gehört, daß ſie bei der Haliotis dem arteriellen Syſteme, bei den Cephalopoden dagegen dem venöſen Syſteme zukommt. Eine dem Verf. mitgetheilte intereſſante Beobachtung des Hrn. Quatrefages beſtärkte denſelben in dieſer An— ſicht. Der letztere ſtudirte unterm Mikroſkope den Kreislauf einiger ſehr kleiner Aolidien, deren Körper ſehr durchſichtig iſt, und fand hier eine Species, über deren Bau er hof— fentlich das nähere baldigſt mittheilen wird, bei der er die arteria aorta, wie gewöhnlich aus dem Herzen hervorgehen, aber alsbald verſchwinden ſah, indem ſich das Blut in die Räume des Vorderkörpers ergoß, ohne daß hier die leiſeſte Spur einer Gefäßwandung zu erkennen war, wonach er für dieſe Gaſteropode ein unentwickeltes arterielles Syſtem annahm, deſſen fehlende Theile hier, wie anderswo die feh— lenden Venen, durch einfache Höhlen erſetzt werden. Die erwähnten Verſuche über die Haliotis wurden vom Verf. im Jahre 1844 auf einer Reiſe durch Sicilien ange— ſtellt; die ſo unerwarteten Reſultate ſchienen ihm jedoch für eine wiſſenſchaftliche Mittheilung nicht hinreichend geſichert, weßhalb er fie für ſich behielt, um feine Arbeit ſpäter durch neue Beobachtungen zu vervollſtändigen. In dieſem Sommer ward ihm während eines mehrwöchentlichen Aufenthalts an den Ufern des Canals Gelegenheit, ſeine Unterſuchung fort— zuſetzen, deren Ergebniß er nunmehr einer Mittheilung werth achtet. Bei der Haliotis ergießt ſich die arteria aorta an der Stelle, wo der Verdauungscanal umbiegt, um von der obe— ren Fläche des Schlundknotens in die Bauchhöhle hinabzu— ſteigen, direet in eine große Höhle, deren Wandungen zum Theil durch die gemeinſamen Bedeckungen des Kopfes, zum Theil aber durch die Muskeln und Häute des Schlundes mit einigen Bindgewebſchichten, die ſich der Quere nach vor der Bauchhöhle ausbreiten, gebildet werden. Im Innern dieſer Höhle liegen, wie ſchon erwähnt, die fleiſchigen Maſſen des Mundes, die Speicheldrüſen, die Hauptganglien des Nervenſyſtemes und eine große Menge von Muskel- und mehr an ein nahm er die ſtatt durchs 5 89. V. 1. 6 Faſerbändern (Figur 1, o). Die ſich trichterförmig erwei— ternde aorta ſchließt nach vorn zu dieſe Kopfhöhle, von der nach jeder Seite eine kleine arteria ophthalmica ent⸗ ſpringt, an der unteren und hinteren Seite dagegen die Arterien des Fußes, die ſich in die unten gelegenen Muskeln ausbreiten, abgehen; wobei der Verf. nochmals ausdrücklich bemerkt, daß kein direeter Zuſammenhang zwiſchen der aorta und den Arterien des Fußes Statt findet, und das Blut nur durch Vermittlung der Kopfhöhle dorthin gelangen kann. Letztere den Schlund umgebende, den ganzen vorderen Theil des Kopfes einnehmende Höhle dient ſomit zum Erſatze des Kopftheiles der aorta. Das ſich in dieſelbe ergießende arterielle Blut umſpült unmittelbar das Gehirn, ſowie die Muskeln der Trompete und den ganzen vorderen Theil der Verdauungscanäle, und gelangt dann erſt zu den Muskeln des Fußes und in die Anhängſel des Kopfes. Eine andere Erſcheinung ſcheint faſt noch eigenthüm— licher: während nämlich ein Theil der oft genannten Höhle den Gefäßapparat vervollſtändigt, verſieht die arteria aorta wiederum der Bauchhöhle zukommende Verrichtungen, indem ſie einen Theil des Verdauungsapparates in ihrem Innern beherbergt. Bei einem Längsſchnitte durch das Gefäß, wel— ches die Stärke einer Federſpule beſitzt, ſieht man den großen etwas cylindriſchen Anhang, welcher der Zunge zur Baſis dient und am hinteren Rande der Schlundmaſſe entſpringt, ganz von dem Gefäße umſchloſſen. (Figur 2.) Dies Or— gan ſetzt ſich ſogar noch weit ins Innere der Arterien— röhre fort, und gerade aus dem Theile der aorta, welcher dem Zungenapparat als Scheide dient, entſpringen mehrere Arterien, deren Zweige das Blut in den Darm, und die Wandungen des Unterleibes vertheilen, und deren Offnungen man nach Entfernung der Zunge deutlich erkennen kann. Die niedere Entwickelung des Circulationsapparates der Haliotis zeigte ſich ferner noch in dem Theile des Man— tels, der um die ſeitlichen und hinteren Theile des Körpers eine Art Verbrämung bildet; hier ſchienen die arteriellen Gefäße gänzlich zu fehlen und die Circulation nur durch ſolche Gefäße, welche das in die Bauchhöhle ergoſſene ve— nöſe Blut aufnahmen, und es zum Theil wieder dahin zurückführten, zum Theil aber auch nahe dem Herzen in die arteria branchio - cardiaca leiteten, bewerkſtelligt zu werden. Die faferige Zwiſchenwand, in deren Dicke dieſe Gefäße eingeſchloſſen ſind, ſcheint keinesweges zu den Ver— richtungen eines acceſſoriſchen Reſpirationsorganes geeignet, und ſomit kann nicht die ganze Menge des zum Herzen ſtrömenden Blutes mit der Luft in Berührung kommen; es iſt vielmehr eine Miſchung venöſen und arteriellen Blutes, das ſich in dieſem Organe bewegt, um ſich in die verſchie— denen Theile des Körpers zu verbreiten. In der Kopfgegend, wo die Organe vom arteriellen Blute umſpült werden, konnte der Verf. weder eine Spur der eigentlichen Venen noch der Höhlen finden, welche das in ſie ergoſſene Blut den Reſpirationsorganen zuführten, während in den anderen Theilen des Körpers höchſt merk— würdig angeordnete venöſe Gefäße vorkamen, die ſämmtlich underwachſen mit der Bauchhöhle communicirten, in der Leber, den Geſchlechtsdrüſen und namentlich im Harnapparate aber ächte Gefäße mit zahlreichen Verzweigungen bildeten. Die Haliotis iſt jedoch nicht die einzige Molluſke mit niedrig entwickeltem arteriellem Syſteme; die an Frankreichs Küſten ſo häufige Patelle zeigt vielmehr eine faſt noch merk— würdigere Anordnung der Aortahöhlen. Wenn man den Körper der Patelle von unten öffnet und den fleiſchigen Ring des Fußes wegnimmt, ſo daß alle Eingeweide frei liegen, ſo bemerkt man unter anderen Or— ganen eine große häutige Taſche, die an der Seite zurück— gebogen, nach hinten als Sack (blind) endigend, ſich nach vorn erweitert, um in die Wandungen des Kopfes überzu— gehen (Figur 4, h). Vor dieſer Taſche befindet ſich die Kopfkammer, die wie bei der Haliotis die Muskeln der Trompete, die Schlundmaſſe (masse buccale) und den Nerven- ring umſchließt, während in der Taſche ſelbſt die lange cylindriſche Zunge, deren Bau ſchon Cuvier beſchrieben, aufgerollt liegt. Hier iſt demnach die Zunge nicht wie bei der Haliotis von der aorta umgeben, ſondern beſitzt ihre eigene häutige Scheide, die ihrerſeits zu einer arteriellen Höhle wird. Die ſehr kurze aorta ergießt ſich unmittelbar in dieſelbe, unfern der Stelle, wo ihre Höhle ſich erweitert, um den Schlund— knoten zu umgeben und ſich mit der Kopfhöhle zu vereinigen, und ſo gelangt das arterielle Blut durch ihre Vermittlung faſt in alle Theile des Körpers, während die aorta ſelbſt nur wenig Aſte ausſchickt. Von dieſer Zungenſcheide ent— ſpringen nunmehr nach einander die große vordere Arterie des Fußes, die für die Eingeweide beſtimmte Arterie, von der mehrere Zweige zur Leber abgehen und endlich noch die hintere Arterie des Fußes. Von dieſer großen häutigen Scheide aus gelingt die Injection des ganzen arteriellen Apparates ſehr leicht, da— gegen hat die Injection durch die Aortenkammer wegen der zarten Wandungen des Herzens und der Art, wie das Or— gan den Darm umgiebt, einige Schwierigkeit; verſucht man aber durch den canalis branchio-cardiacus zu injieiren, fo dehnt ſich meiſtens die Vorkammer und hernach die Kammer aus und man gelangt nur ſelten zur aorta, ohne das Herz zu zerreißen. Das arterielle Blut erfüllt nicht nur das Gehäuſe der Zunge, ſondern auch die Kopfhöhle, wo es wie bei der Haliotis Muskeln und Nerven umſpült; letztere iſt bei der Patelle noch um vieles größer und nimmt mehr Blut in ſich auf als das ganze übrige arterielle Syſtem beſitzt. Im Grunde it die Anordnung der Theile bei der Haliotis und Patelle dieſelbe; immer iſt es der vordere Theil des freien Raumes, der den Verdauungsapparat umgiebt und von der Bauchhöhle getrennt iſt, der einen Theil des arteriellen Syſtems vertritt, wogegen der Reſt der Eingeweidehöhle die Verrich— tungen eines venöſen Behälters übernimmt. Das arterielle Circulationsſyſtem iſt jedoch in gewiſſer Beziehung bei der Patelle noch niedriger als bei der Haliotis entwickelt. Bemerkenswerth iſt noch die Ahnlichkeit dieſes arteriel— len Syſtems der Gaſteropoden mit dem venöſen Syſteme der Cephalopoden, wo der Circulationsapparat in feinem Gan— 17 7 SD. 8 zen eine viel größere Vollkommenheit wie bei allen übrigen Weichthieren beſitzt. Der venöſe sinus im Kopfe des Calmars erinnert genau an die Kopfhöhle der Haliotis, die dem ar— teriellen Blute zum Behälter dient und gleichzeitig den ganzen vorderen Theil des Verdauungsapparates aufnimmt. Bei der Pulpe iſt die Anordnung desſelben sinus, der ſich in Form eines großen Sackes bis zum hinteren Theile des Unterleibes verlängert, dem Höhlenſyſteme der Patelle, welches die aorta mit den Hauptorganen verbindet, durchaus analog. Dies iſt wie der Verf. meint, ein neues Beiſpiel für das all— gemeine Streben der Natur in ihren Erzeugniſſen zu variiren und dennoch die Mittel, durch welche ſie wirkt, zu ſparen, indem fie ſich ähnlicher Proceſſe zur Erreichung correſpon— dirender Modificationen in der Anordnung verſchiedener Theile bedient. Diejenigen Phyſiologen, welche den Circulationsapparat nothwendig aus Gefäßen, die urſprünglich in ein beſonderes Gewebe gebettet ſein ſollen, zuſammengeſetzt, oder durch Ver— wachſen und Anaſtomoſiren einer Reihe von Schläuchen ent— ſtanden, annehmen, werden zwar, wie der Verf. glaubt, nur mit Mühe begreifen, wie die aorta bei der Haliotis faſt den ganzen Zungenapparat in ihre Höhle aufzunehmen vermag, oder wie ſich die Höhle des ganzen Kopfes nach hinten als aorta fortſetzen und als arterielle Leitung dienen kann; wenn man dagegen die vom Verf. oben erörterte und in ſeinen Schrif— ten näher entwickelte Anſicht annimmt, ſo verſchwinden alle dieſe Schwierigkeiten. Wenn nämlich die ernährende Flüſ— ſigkeit urſprünglich in einfachen Höhlen oder Intercellular— gängen ohne eigene Wandungen enthalten iſt, ſich dieſe Höhlen erſt unter dem Einfluſſe der ſich in ihnen be— wegenden Flüſſigkeit gehörig anordnen, ſich mit einer Haut auskleiden und ſo zu Röhren werden, wie es in röhren— förmigen, hohlen Gängen durch Eiter und andere thieriſche Flüſſigkeiten im menſchlichen Körper wirklich geſchieht, ſo muß ſich ebenſowohl die Höhle allmälig in eine Taſche oder eine Röhre verwandeln, als auch fremde Organe in ihrem Innern beherbergen können, ohne dadurch den Durchgang der ernährenden Flüſſigkeit zu behindern. Der eigenthümliche Bau des Herzens, durch deſſen Höhle bei der Haliotis, bei der Patelle und der Mehrzahl der ace- phalen Weichthiere das rectum geht, ſcheint dem Verf. ein Analogon zu der Umwandlung der aorta in eine Zungen— ſcheide, ſowie der Kopfhöhle in einen Theil des arte— riellen Syſtems (der Function nach) zu ſein; ſie laſſen ſich in gleicher Weiſe erklären; das Herz iſt nämlich nichts an— deres als ein erweitertes von beſondern Muskelfaſern, die ſein abwechſelndes Zuſammenziehen und Wiederausdehnen vermitteln, umkleidetes Gefäß, bildet ſich folglich in derſelben Weiſe, wie die gewöhnlichen Arterien und Venen entſtehen, wonach denn auch dieſe bis auf den heutigen Tag für eine unerklärliche Anomalie gehaltene Anordnung ihre Löſung fände. Die ſtufenweiſe Entwickelungsabnahme des arteriellen Syſtems, die der Verf. an der Patelle und Haliotis wahr⸗ nahm, ſowie der von Quatrefages bei einigen Aolidien beobachtete Rudimentärzuſtand der aorta wirft ſomit ein neues Licht auf die Deutung anderer bereits bekannter, aber unvollkommen begriffener Erſcheinungen und harmonirt zu— gleich in allen Punkten mit den Reſultaten, welche uns die Theorie erſchließen läßt. Der Verf. will dieſe theoretiſche Anſicht jedoch keines— weges als ein Geſetz des Organismus aufſtellen, auch eben ſo wenig über die von der Natur zur Bildung und Ver— vollkommnung eines Circulationsapparates bei verſchiedenen Thieren verwandten Mittel im voraus entſcheiden, indem dafür noch poſitive Mittel fehlen, glaubt ſich jedoch mehr und mehr zu der Erklärung berechtigt, daß alle bis jetzt durch Beobachtung bekannten Reſultate der Entwickelungs— geſchichte nach den in der Hypotheſe angenommenen Grund— ſätzen erfolgen. Dieſe Theorie verknüpft überdies eine Menge ſonſt vereinzelt daſtehender Thatſachen und kann ſomit der Unterſuchung als nützliche Führerin dienen, weßhalb der Verf. ſo lange ſie ſich als richtig erweiſ't, bei ihr beharren wird. Erklärung der auf beiliegender Tafel befind- lichen Abbildungen. Figur lu. 2. Circulationsapparat der Haliotis. Figur 1. Die von den Branchien ausgehenden Ge— fäße, das Herz und die Arterien ſind mit einem hellen Farbſtoffe injieirt, wogegen die Unterleibshöhle und folglich alle mit derſelben in Verbindung ſtehenden das venöſe Sy— ſtem vorſtellenden Gefäße mit einem ſchwarzen Mittel erfüllt ſind. Es iſt die Rückſeite des Thieres nach Entfernung der Schale angeſtellt; die äußere Bedeckung iſt durchſchnitten und zurückgeſchlagen, um das Innere der Reſpirationskammer zu zeigen; die Bauchhöhle iſt geöffnet und ein Theil des Ma— gens entfernt, um die große unter ihm gelegene Arterie frei zu legen. A der Kopf. — BB der Fuß. — CC die beiden Lappen des Mantels. — D das ſchleimabſondernde Organ. — E E die beiden Branchien. — F der After; unter dem ſich hier endigenden rectum ſieht man die Mündung des Harn⸗ apparates; etwas weiter nach hinten liegt über demſelben Darme die Offnung des Geſchlechtsapparates. Im Grunde der Reſpirationshöhle ſind ſomit 3 Offnungen vorhanden, an welchen ihrer natürlichen Lage nach die der Harnröhre rechts, die des Eileiters oder Samenſtranges ſich links befindet. — 6 die in einer beſondern Abtheilung der Bauchhöhle, die durch eine faſerige Scheidewand von der Magenhöhle ge— trennt iſt, liegende Darmſchlinge. Am vorderen Ende dieſer Höhle findet ſich die Offnung des Gefäßes, das in die Muſchelſcheidewand (2) verläuft. Wenn man in dieſen Theil der Bauchhöhle injicirt, jo gelangt man bald zu dieſem Gefäße, während man von der rechten Seite injieirend das entſprechende Gefäß der entgegengeſetzten Seite anfüllt. Das letztere () ift häufig um ein bedeutendes größer. — H der Magen, deſſen vorderer Theil entfernt iſt. — I die ges öffnete Schlundhöhle. — der Unterleib. a. Die Kammer der aorta, das rectum umfaſſend. b. Die linke Vorkammer, in welche das von der linken Branchie kommende Gefäß, das, als helles Gefäß, theilweiſe N 4 X "PERL SP TON Hofen. 9 89. V. 7. 10 bei E zu ſehen iſt, endigt. Unterhalb der Kammer ſieht man die rechte Vorkammer und die entſprechende Branchie, die fo gelegt iſt, daß fie die vena branchialis oder den von dort ausgehenden den Rand der Branchie einnehmenden Canal, der das arterielle Blut dieſes Organes zum Herzen führt, ſeiner ganzen Länge nach ſehen läßt. c. Die große arteria aorta, die am hinteren Ende der Herzkammer entſpringt, nach vorn zwiſchen Magen und Darm verläuft, um ſich in die Kopfhöhle zu verlieren. d. Die Unterleibs- oder hintere aorta, die neben der wahren aorta entipringt und den Windungen des Darmes folgt, ihn wie die Leber mit ihren Zweigen verſehend. Dieſe Arterie ſchickt mehrere Aſte aus, die ſich zum Theil über die Wandung des Magens (H— c), zum Theil über den Darm ausbreiten; einer der letzteren etwas größer wie die Übrigen, geht unter der Darmſchlinge weg und ver— theilt ſich über den rechts gelegenen Theil derſelben. e. Die arterielle Höhle, in die ſich die aorta ergießt. Sie liegt im Kopfe, iſt nach unten durch den pharynx, nach vorn durch die äußeren Hüllen und die Kopfmuskeln und nach hinten durch Faſerzellenbänder begrenzt. Beim Injici— ren durch dieſe Kopfhöhle füllt ſich das ganze arterielle Syſtem. f. Die große Arterie des Fußes, aus der Kopfhöhle entſpringend; ſie theilt ſich in 4 Aſte, deren Endigungen man an der hinteren Seite des Fußes wahrnimmt. g. Ein Seitenzweig dieſer Arterien. h. Ein zur linken Branchie führendes Gefäß. Etwas vor dem Herzen ſieht man den quer verlaufenden Canal oder das gemeinfchaftliche venöſe Reſervoir, das beide Branchien mit einander in Verbindung ſetzt und die Venen des rectum unmittelbar aufnimmt. ii. Die Venen der beiden Lappen des Mantels, ver— bunden mit einem Netze von Capillargefäßen, die ſich der Länge nach am Grunde der Branchie ausbreiten und mit dem vas bronchio-cardiacum anaſtomoſiren. k. Die von der Harndrüſe kommenden, ſich in das gemeinſchaftliche venöſe Reſervoir der Branchien ergießenden Venen. J. Der venöſe Canal der Muſchelhaut oder Scheidewand, der ſich von den Wandungen des Unterleibes bis zum Rande der Muſchelſchale erſtreckt (2). m. Die Venen der Leber, ſich unmittelbar in den freien Raum, der den Darm umgiebt und ſich mit dem Überreſte der Bauchhöhle vereinigt, ergießend. An der hinteren Seite des Fußes bemerkt man Venen, die in ein Spſtem von kleinen über der Mittellinie gelegenen mit der Bauchhöhle in Verbindung ſtehenden Lücken oder Höhlen führen. Figur 2. Die Haliotis liegt auf dem Rücken; die Hälfte des Fußes, ein Theil der unteren Bauchwandung und des Magens ſind entfernt; die Kopfhöhle und der vor— dere Theil der aorta find geöffnet, um die Lage der Zungen— wurzel innerhalb dieſer Arterie zu zeigen. A. Der Kopf. — B. Der Fuß. — CC. Die Lappen des Mantels. a. Das Herz in feinen Herzbeutel eingeſchloſſen. b. Vas branchio-cardiacum, oder linke Branchienvene. c. Die vordere aorta. d. Die Unterleibsarterie oder hintere aorta. e. Arteriae gastricae. f. Die arterielle Höhle des Kopfes. g. Ein mittlerer Zweig der großen aus der Kopfhöhle entſpringenden Arterie des Fußes. h. Die Anhängſel am Grunde der Zunge, zum Theil aus der aorta gezogen, um die Mündungen mehrerer kleiner Eingeweidearterien zu zeigen, die hier, wo die aorta die Functionen einer Zungenſcheide übernimmt, entſpringen. i. Der venöſe Canal des Mantels. Figur 3 u. 4. Cireulationsapparat der Patelle. Figur 3. Die Schale des Thieres ward entfernt, das ve— nöſe Syitem durch die Unterleibshöhle ſchwarz injieirt, das arterielle Syſtem dagegen durch die Branchie mit Roth aus— gefüllt, (hell und punctirt dargeſtellt). Man ſieht das Thier in dieſer Figur von oben, der Herzbeutel iſt geöffnet und ein Theil der oberen Wandung der Bauchhöhle nach der Seite geſchlagen. A. Der gefranzte Rand des Mantels. — B. Ein Theil der unter dem Mantel gelegenen Branchie. — C. Der auf die Seite gelegte Theil der Bauchwandung. a. Aus der Branchie kommende, roth injicirte, durch— ſcheinende Gefäße. b. Vas branchio-cardiacum. Das Venennetz des Man— tels (2) ergießt ſich zum Theil in dies Gefäß; es läßt ſich, wenn man die Flüſſigkeit von der Branchie dem Herzen zutreibt, injiciren, woraus folgt, daß hier wie bei der Ha- liotis, nicht die ganze Menge des Blutes vor ſeiner Rück— kehr zum Herzen durch die Branchie geht und der Mantel die Verrichtungen eines acceſſoriſchen Reſpirationsorganes vertritt. c. Die Vorkammer des Herzens. d. Die Kammer desſelben. ! e. Die Randhöhle des Unterleibes, in der ſich das venöſe Blut anſammelt, um in die Branchie zu gehen. f. Ein Netz von venöſen Höhlen, das zwiſchen der oberen Wandung des Unterleibes und den Eingeweiden liegt. g. Das zur Branchie gehende, ſich durch linienförmige zwiſchen den zum Fuße des Thieres verlaufenden Muskel- bündeln liegende Höhlen mit der Bauchhöhle verbindende Gefäß. h. Die Vene der Leber, die ſich in ein mit der Bauch— höhle verbundenes und mit dem muthmaßlichen Harnorgane communicirendes Höhlenſyſtem ergießt. i. Das Capillarnetz der Wölbung der Reſpirations— kammer. Dies mehr aus Höhlen als eigentlichen Gefäßen gebildete Netzwerk füllt ſich durch die Bauchhöhle und ſteht mit dem vorderen Theile des zur Branchie (J) gehenden Ge: fäßes in freier Verbindung. Figur 4. Das venöſe Syſtem wiederum durch die Bauchhöhle, das arterielle aber durchs Herz injieirt; das Thier von unten geſehen; der Fuß, von dem ein Theil hin— weggenommen iſt, auf die Seite gebogen. 11 89. V. 1. 12 A. Der Kopf. — B. Der Fuß. — B’ Schnitt durch den Kreismuskel der Muſchel. — C. Der Mantel. — C- Wölbung der Bedeckungskammer. — D. Die Branchie. — E. Der Darm. — F. Die Leber. — 6. Der Eierſtock. — H. Mündungen des Harnapparates, des Darmes und des Eileiters. a, a. Ein Theil des großen venöſen durch die Höhlen des Unterleibes gebildeten Reſervoirs. b. Das Höhlennetz der Kammer der Deckenwölbung oder das Lungennetz. o. Das zuführende, die Verrichtung einer Branchien— arterie vertretende Gefäß. d. Das von der Branchie kommende Gefäß, oder vena branchialis, die das arterielle Blut zum Herzen führt. e. Vas branchio-cardiacum. f. Die von dem rechten Ende des Herzens zur Kopf— höhle verlaufende und ſich in dieſe ergießende aorta. g. Vorderer Theil der großen arteriellen Höhle, welche die fleiſchige Maſſe des pharynx und die Nervenmittelpunkte umſchließt. h. Hinterer Fortſatz derſelben arteriellen Höhle, welche den Zungenapparat aufnimmt. i. Die vordere aus der Kopfhöhle entſpringende Fuß— arterie. J. Die Arterie des Unterleibes aus der Zungenſcheide entſpringend. . k. Die aus der Mitte der genannten Scheide hervor— gehende hintere Fußarterie. (Annales des sciences naturel- les, Juillet 1847.) 1. Über die Foraminiferen oder ſogenannten mikro⸗ ſkopiſchen Cephalopoden giebt Paul Gervais einige No- tizen. Die Miliolen gebären lebendige Junge; jedes Mutterindivi⸗ duum bringt etwa 100 kleine Thiere auf ein Mal zur Welt, welche fadenförmige Fühlfaden (Dujardin's fleiſchige Ausbreitungen) hervorſtrecken, welche den Fühlfaden der erwachſenen Miliolen und Criſtellarien zwar gleichen, aber in geringerer Zahl vorhanden waren. Die jungen Triloculinen haben wie die Gromien und Dif— flugien nur eine eiförmige Höhle, gleichen überhaupt ſo ſehr den Gromien, daß der Verf. keinen andern Unterſchied als die gerin⸗ gere Breite der Miliolen aufzufinden vermochte; er glaubt deßhalb, daß, wenn die Gromie auch nicht der jüngere Znſtand der im Alter vielfächrigen Miliole ſei, beide doch keinenfalls in verſchiedene Ord— nungen der Foraminiferen zu verweiſen wären. Über den Bau der Zeugungsorgane hofft der Verf. ſich durch fernere Unterſuchungen Licht zu verſchaffen; vorläufig nimmt er getrennte Geſchlechter bei den Miliolen an, da er meiſtens einige Zeit vor dem Gebären 2 Individuen zuſammen fand und bei jedem Paare einen Unterſchied in Größe und Geſtalt des Gehäuſes zu bemerken glaubte. Ahn⸗ liche mikroſkopiſche Beobachtungen an vielen niederen Thieren geben dieſer Vermuthung überdies einige Wahrſcheinlichkeit. Die Milio— len ſind keinesweges ſo einfach organiſirte Thiere, auch eben ſo weit von den cephalopoden Weichthieren als den behäuſ'ten Bryozooen, an welche man fie anzureihen verſuchte, verſchieden. Die übrigen Beobachtungen des Verf. beſtätigen die ſchon früher von Dujar⸗ din, ſowohl über die wurzelfüßigen (rhizopodes ?) Fühlfaden und die Art der Fortbewegung, als über das fleiſchige Anſehen und das bisweilen vorkommende Zuſammenfließen ihrer innern Maſſe mit⸗ getheilten Angaben. (L’Institut 1847, No. 717.) Heilkunde. (J.) Schwefeläther übertroffen durch Chloroform. Wir entlehnen nachſtehenden intereſſanten Bericht nach dem Edinburgh Mercury aus Galignani's Messenger. Das Einathmen von Schwefelätherdämpfen, welches für die Chirurgie ſo außerordentlich wichtig zu werden beſtimmt ſchien, iſt noch kein Jahr lang in Anwendung gebracht, als Prof. Simpſon bereits ein das Gefühlsvermögen in noch weit wirkſamerer Weiſe aufhebendes Mittel entdeckt, welches in der Anwendung von Chloroform!) oder For— myl⸗Superchlorid beſteht. Die chemiſche Zuſammenſetzung des von Liebig entdeckten Chloroforms wurde zuerſt im J. 1835 von dem franzöſiſchen Chemiker Dumas vollſtändig ermittelt, obwohl ſich Soubeiran und Liebig ſchon vor— her nicht ohne Erfolg mit dieſem Gegenſtande beſchäftigt hatten. Dieſe Forſchungen waren jedoch ihrem Zwecke nach lediglich auf Förderung der wiſſenſchaftlichen Chemie ge— richtet; denn daß die erwähnte Subſtanz eine nützliche Anwendung finden könne, davon hatte man damals keine Ahnung. Dem Prof. Simpſon gebührt daher die Ehre, deren Eigenſchaft, das Gefühlsvermögen aufzuheben, entdeckt zu haben, ganz allein. Die Vorzüge, die ſie in dieſer Beziehung vor dem Schwefeläther beſitzt, ſind ſo man— *) Siehe hinter dieſem Aufſatz das Weitere über dieſen Körper. nigfaltig und einleuchtend, daß der letztere bereits für beſei— tigt gelten kann. Das Chloroform iſt eine dichte, waſſerhelle farbloſe Flüſſigkeit, die leicht verdampft und einen angenehm duftenden obſtartigen Geruch, ſowie ſüßen Geſchmack beſitzt. In Bezug auf das Einathmen bietet ſie, mit dem Schwefel— äther verglichen, folgende Vorzüge dar: 1) Eine viel geringere Quantität bringt die nämliche Wirkung hervor. 2) Die Wirkung tritt ſchneller, vollſtändiger wöhnlich andauernder ein, und es findet vorher ſtarke Aufregung und geſchwätzige Heiterkeit Statt. „ 3) Das Einathmen iſt weit angenehmer als beim Ather. 4) Da man weniger von dieſer Fluͤſſigkeit braucht, fo ſind die Koſten geringer, was, wenn das Mittel in allge— meinen Gebrauch kommt, kein unwichtiger Umſtand iſt. 5) Der Geruch dieſer Flüſſigkeit iſt einestheils angenehm und verſchwindet auf der andern Seite ſehr bald wieder. 6) Es bedarf zum Einathmen der Chloroformdämpfe keines beſondern Apparats *), indem man bloß ein wenig davon auf einen Schwamm oder ſelbſt ein Schnupftuch zu tröpfeln und den Träger der Flüſſigkeit über den Mund und ge⸗ keine ſo „) Dieſer iſt nach Hrn. Tracy 's neueſten Erfahrungen (ſiehe unten), auch beim Schwefeläther vollig entbehrlich, indem man mit einem Schwamme ausreicht. D. Überſ. 13 SYS e 14 und die Naſenlöcher zu halten braucht, ſo daß die Dämpfe reichlich eingeathmet werden. Prof. Simpſon hat dies Mittel bereits häufig bei Entbindungen mit vollſtändigem Erfolge angewandt; aber erſt vorige Woche ward es vom Prof. Miller und Dr. Duncan behufs chirurgiſcher, Operationen benutzt. Eine zahlreiche Verſammlung von Arzten und Studenten war bei dieſen Verſuchen in dem Royal Infirmary gegenwärtig, und auch Prof. Dumas von Paris wohnte denſelben bei. Die erlangten Reſultate ſind nicht nur für die Heilwiſſenſchaft, ſondern für die Menſchheit überhaupt ſo wichtig, daß wir ausführlich über dieſelben berichten werden. Die beiden erſten Operationen wurden vom Prof. Miller, die dritte von Hrn. Duncan ausgeführt. Erſter Fall. — Ein 4—5jähriger Knabe war mit Nekroſe eines Knochens des Vorarms behaftet. Er ſprach nur gaeliſch, und man konnte ihm folglich nicht begreiflich machen, wie er ſich zu verhalten habe. Als man ihm ein mit Chloroform benetztes Tuch vor das Geſicht halten wollte, ſträubte er ſich und wollte fort. Man hielt ihn indeß mit aller Schonung feſt, und Dr. Simpſon zwang ihn, die Dämpfe einzuathmen. Nach wenigen Inſpirationen hörte er auf zu ſchreien und zu zappeln und verfiel in einen ſo feſten Schlaf, daß er laut ſchnarchte. Nun ſchnitt man tief bis auf den kranken Knochen ein und zog mit der Zange faſt den gan— zen mortificirten radius heraus. Während der Operation und nach⸗ folgenden Unterſuchung mit dem Finger gab der Kranke nicht das mindeſte Zeichen von Schmerz von ſich. Er ſchlief feſt fort und wurde in dieſem Zuſtande in den Krankenſaal getragen und ins Bett gelegt. Eine halbe Stunde darauf erwachte er wie aus einem geſunden Schlummer mit einem muntern und vergnügten Ausdruck im Auge und Geſichte, während nach dem Atheriſiren das Erwachen weit weniger günſtige Erſcheinungen darbietet. Von einem gaeli— ſchen Dolmetſcher befragt, gab er an, er habe keine Schmerzen empfunden und fühle auch jetzt keine. Zweiter Fall. — Zunächſt ließ man einen Soldaten, welcher in Folge der Erfoliation des Kieferknochens ein offenes Geſchwür an der Wange hatte, Chloroformdämpfe einathmen. Bald ſchlief und ſchnarchte er. Dann ward ein langer Einſchnitt in den Unterkiefer gemacht und die dichten Integumente von dem Knochen rings um die kranke Stelle abgetrennt, ſo daß die weichen Theile der Wange in die Höhe gebracht werden konnten. Man machte dann die Ränder des Geſchwüres blutend und nähte den Einſchnitt zuſammen. Es waren an dieſem Patienten ſchon zwei ähnliche, aber weniger durchgreifende Operationen vorgenommen, welche aber mißlungen waren, und er hatte ſich dabei äußerſt ungeber— dig angeſtellt und über unerträgliche Schmerzen geklagt. Bei dieſer Gelegenheit entfuhr ihm auch nicht der geringſte Seufzer, er machte keine Bewegung, und als er wieder zur Beſinnung gekommen war, erklärte er, er habe nichts gefühlt. Dieſer Fall war auch inſofern intereſſant, als ſich die Krankheit ſo nahe am Munde befand, daß man, wenigſtens mit einem der gewöhnlichen Apparate, keinen Schwefeläther hätte einathmen laſſen können. Dritter Fall. — Ein junger Mann von etwa 22 Jahren war mit Nekroſe an der erſten Phalange der großen Zehe, ſowie Ulceration der Hautbedeckungen in Folge einer äußern Verletzung behaftet. Die ſchwärende Oberfläche war gegen Berührung außer: ordentlich empfindlich, ſo daß der Patient jedes Mal, wenn man fie noch fo leiſe befühlte, zuſammenfuhr, und beim gelindeſten Drucke laut aufſchrie. Nachdem der Verband abgenommen worden war, begann das Einathmen; der Patient wurde ſchon nach einer halben Minute gefühllos, und während die krankhaften Theile durch Amputation der Zehe bei der Mitte der zweiten Phalange be— ſeitigt wurden, lag er vollkommen ſtill. Bald darauf erwachte er und erklärte, er habe während der Operation nicht den geringſten Schmerz empfunden. Bei dieſen drei Operationen wurde im ganzen nicht mehr als ½ Unze Chloroform gebraucht, und Prof. Mil- ler machte den anweſenden Studenten bemerklich, daß man vom Schwefeläther zur Hervorbringung derſelben Wirkung mehrere Unzen hätte verwenden müſſen (2). In ſeiner Privatpraxis iſt dem Prof. Miller dieſer Tage noch folgender Fall vorgekommen, über den wir in ſeinen eignen Worten berichten. Vierter Fall. — Eine junge Dame wünſchte ſich eine unter dem Winkel des Unterkiefers ſitzende Balggeſchwulſt ausſchnei⸗ den zu laſſen. Man bediente ſich einer ſehr geringen Quantität Chloroforms, mit welchem ein gewöhnlicher Operationsſchwamm beſprengt ward. Vor Ablauf einer Minute verſank ſie in einen feſten Schlaf, indem ſie mit geſchloſſenen Augen und ihrem gewöhn⸗ lichen Geſichtsausdrucke auf dem Lehnſtuhle ſaß. Die Geſchwulſt ward erſtirpirt und die Wunde zugenäht, ohne daß die Patientin ein Zeichen von Schmerz hätte blicken laſſen, und ſie erklärte auch nachher, daß fie keinen gefühlt habe., In keinem dieſer Fälle trat Übelkeit, Erbrechen, Kopf— weh, Speichelfluß, Bruſtbeklemmung oder überhaupt irgend ein ungünſtiges Symptom ein. Die erſten Inſpirationen erregten nur hin und wieder ein Kitzeln und Huſten. (Ga- lignani’s Messenger, 22. Nov. 1847.) Das Chloroform. Da den meiſten unſerer Leſer die vorgenannte Verbindung eben fo unbekannt fein möchte, als fie mir ſelbſt war, fo iſt wohl das Zweckmäßigſte, daß die Stelle aus Berzelius' Chemie, Bd. 8, S. 340, an welcher in dem Capitel über die „Zerſetzung des Alko— hols und Athers durch Salzbilder und Producte davon“ gehandelt wird, hier abgedruckt werde. Es heißt dort (S. 333): „Wird waſſerfreier Alkohol einem Strom von Chlorgas aus— geſetzt, ſo lange ſich noch Salzſäuregas bildet, wozu gegen das Ende der Operation eine ſteigende Erhitzung nöthig iſt, jo bildet ſich, neben einigen andern Producten, hauptſächlich eine ölartige, flüchtige Flüſſigkeit, die von Liebig entdeckt und von ihm Ch lo— ral, von Chlor und Alkohol, genannt worden if. Dieſe Flüſſig— keit iſt eine Verbindung von Chlorkohlenoryd mit dem Chlorid des Radicals der Ameiſenſäure. Ihr wiſſenſchaftlicher Name wäre alſo, wenn das Radical der Ameiſenſäure, in Übereinſtimmung mit dem der Eſſigſäure, den Namen Formyl bekommt, Formylchlorid-Koh⸗ lenorydchlorid; aber der empiriſche Name Chloral iſt bequemer.“ — Nun wird das Chloral und (S. 337) deſſen Verbindungen mit Waſſer (S. 339) die Verbindung des Chlorals mit Kalihydrat ab— gehandelt. Über letztere nun heißt es wortlich (S. 339 — 342): „Chloral mit Kalihydrat. Löſ't man Chloral in Waſ— fer, vermiſcht die Löfung mit dem Hydrat von Kali, oder Natron, Kalkerde, Baryterde u. ſ. w., und unterwirft das Gemenge der Deſtillation, fo geht mit dem Waſſer ein ölartiges liquidum über, und das Alkali in der Retorte iſt mit Ameiſenſäure verbunden. Dabei wird nichts anderes als Ameiſenſäure und dieſes blartige liquidum gebildet. Der Verlauf von dieſer Veränderung iſt ſehr einfach. Der Körper E verbindet ſich mit dem Kalihydrat, und das Formyl behält den ganzen Chlorgehalt. Verbindet ſich Cs 02 mit H= 0, welches Waſſer im Hydrat war, fo entſteht C= He 0°, welches Ameiſenſäure iſt, die ſich mit der Baſe verbindet. Das Formylchlorid = C-H?+ El verbindet ſich noch mit 2 Doppelatomen Chlor, und daraus entſteht C- H’+3€1= 2F El’, welches wir Formylſuperchlorid nennen können, und welches, wenn darin das Chlor gegen eine gleiche Anzahl von Sauerſtoff-Aquivalenten vertauſcht wird, Ameiſenſäure wäre. Wird Chlorkohlenoryd allein mit Kalihydrat behandelt, fo ent— ſteht aus dem Körper € keine Ameiſenſäure, aus dem Grunde, weil das Chlor, welches keinen Körper trifft, womit es ſich direct ver— binden könnte, das Kali zerſetzt, deſſen Sauerſtoff mit dem Kohlen: oryd genau Kohlenſäure bildet Ohne Zweifel giebt es aber meh— 15 E 16 rere Verbindungen von Chlorkohlenoryd mit anderen niedern Ver⸗ bindungsgraden des Chlors mit Radicalen, die Superchloride her⸗ vorbringen können, woraus dann immer die Bildung der Ameiſen⸗ füure aus dem Körper € erfolgen müßte. Formylſuperchlorid, F Els; es wurde von Liebig entdeckt, der es anfänglich für eine Verbindung von 2 Atomen Kohlenſtoff mit 5 Atomen Chlor hielt; ſeine wahre Zuſammen— ſetzung wurde von Dumas nachgewieſen, der es Chloroform nannte, unter welcher Benennung es nachher von den Chemikern abgehandelt worden iſt. Ich glaubte dieſen empiriſchen Namen gegen den rationellen vertauſchen zu müſſen *). Nach Soubeiran kann es auch erhalten werden, wenn 1 Li⸗ ter unterchlorigſaurer Kalkerde mit 3 Liter Waſſer ausgelaugt wird, und man dieſe Löſung hierauf mit 2 bis 3 Unzen Alkohol vermiſcht und in einem geräumigen Gefäße deſtillirt; denn die Maſſe ſchäumt ſtark auf. Das Formhlſuperchlorid folgt dann dem Waſſer in Ge— ſtalt eines flüchtigen Ols. Eine dritte Bereitungsweiſe beſteht darin, daß man ſchweren Salzäther in Alkohol auflöſ't, der Löſung Kalihydrat zuſetzt, und ſie nach einigen Stunden mit Waſſer fällt. Das Formylſuperchlorid fällt dann nieder, iſt aber mit eſſigſaurem Athyloryd vermiſcht, welches man dadurch zerſtören kann, daß man es mit dem 7 bis Sfachen Volum concentrirter Schwefelſäure miſcht und davon abdeſtillirt. Es bildet eine farbenloſe, ölartige Flüſſigkeit von eigenthüm— lichem, ätherartigem Geſchmack und Geruch. Sein ſpeeif. Gewicht it = 1,480 bei + 18. Sein Kochpunkt = + 60,8, aber unter Waſſer kocht es bei + 57%3. Sein ſpecif. Gewicht in Gasform iſt nach Dumas = 4,199. Es läßt ſich nicht entzünden. Löſ't man es in Alkohol auf und miſcht Kalihydrat hinzu, ſo wird es zerſetzt, wobei es ameiſenſaures Kali und Chlorkalium liefert. Nach Du— mas's Analyſe beſteht es aus: Gefunden. Atome. Berechnet. Kohlenſtoff 10,29 210 2 Waſſerſtoff 0,97 2 0,830 Chlor 88,74 6 88,927 In Gasform beſteht es aus: 1 Volum Formy! = 0,9116 3 Volumen Chlor . „ „ e = ee Verdichtet zu 2 Volumen Formylſuperchlorid — 8,2331 woraus alſo folgt, das 1 Volum . — 4,1165 wiegt, was nahe mit dem Verſuche übereinſtimmt. Sein Atomgewicht iſt — 1493,309, und es beſteht in 100 Theilen aus 11,073 Formyl und 88,927 Chlor. 8 Wir glauben nun drei Verbindungsgrade des Chlors mit For—⸗ myl zu kennen. Das Chloral enthält den erſten, verbunden mit Chlorkohlenoryd. Der zweite, das Formylſuperchlorid, entſteht, wenn das Claylchlorid mit Chlorgas zerſetzt wird (S. 305), und der dritte, das Formylſuperchlorid, iſt der ſo eben beſchriebene. Der Verlauf der Einwirkung des Chlors auf Alkohol zur Herz vorbringung dieſer Körper iſt ganz einfach. -) Mitſcherlich nennt es Chlorätherld. Wenn die Chemiker in dieſem Theile der organiſchen Chemie, welcher den Übergang von der organiſchen zu der unorganiſchen ausmacht, anfangen, ihre Benennungen ohne Rückſicht auf eine das Ganze durchgreifende theoretiſche Anſicht zu machen, ſo bekommen wir bald eine Synonhmie, vie eben fo beſchwerlich iſt, wie die in der Zoolo— gie und Botanik. Von 8 Atomen Chlor und 4 At. Alkohol =8C+WUH + 40 +8C1 entſtehen 1 At. eſſigſau⸗ res Athyloryd =8C+ 16H +40 8 At. Chlor: waſſerſtofffäure = SH +5C1 =SC+24H +40 +80l Aus dem fo gebildeten eſſigſauren Athyloryd werden mit 24 neuen Atomen Chlor 2 Atome Chloral und 24 Atome Chlorwaſſer— ſtoffſäure gebildet, denn: 2 Atome Chlo ral... = 8C+ AH 40 +12C1 24 Atome Chlorwaſſerſtoffſäure — 12H. + 12C1 = 86 + 16H +40 + 24C1 Nachdem ſich durch die erſte Einwirkung des Chlors auf den Alkohol eine Portion eſſigſaures Athyloryd gebildet hat, wird die— ſes gleichzeitig mit dem noch nicht veränderten Theil von Alkohol zerſetzt, und die Flüſſigkeit enthält alſo zu gleicher Zeit eſſigſaures Athyloryd und Chloral. Da fie aber auch Salzſäure zurückhält, ſo übt dieſe auf einen andern Theil des Alkohols einen katalyti⸗ ſchen Einfluß aus und es entſteht Athylchlorür, von dem viel mit dem Salzſäuregas, welches die Flüſſigkeit nicht zurückhalten kann, weggeht, aber viel bleibt in der ſpirituöbſen Flüſſigkeit aufgelöft. Wird dieſe mit Waſſer verdünnt, bevor die Reaction des Chlors beendigt iſt, fo fällt ein Gemiſch von dieſen drei ätherartigen Flüſ⸗ ſigkeiten in Geſtalt von ſchwerem Salzäther nieder. Nach ungleich lange fortgeſchrittener Zerſetzung und nach ungleicher, zur Fällung angewandter Menge Waſſers, welches um ſo mehr Chloral auszieht, je mehr davon hinzukommt, muß der ſchwere Salzäther ſtets im ſpecif. Gewicht, Kochpunkt und in feinen übrigen Eigenſchaften ungleich ausfallen, wie wir oben ſahen, daß es wirklich der Fall iſt. Aber ich mache hierbei wieder darauf aufmerkſam, daß in dem ſchweren Salzäther noch Etwas enthalten iſt, was feinen Kochpunkt höher macht, als dieſe als ſeine Beſtandtheile angeführten Körper. Das Endreſultat von der Zerſetzung des Alkohols durch Chlor iſt, daß aus 2 Atomen Alkohol und 16 Atomen Chlor = C* H 02 + 1601, 1 Atom Chloral und 10 Atome Chlorwaſſerſtoffſäure — (4C 2H 20+6C1) + 10H Cl, entſtehen.“ Miſeceelle. (1) Den Schwefeläther hat Hr. S. J. Tracy in ſechs Fällen im St. Bartholomew's Hoſpital zu London mittels eines einfach vor den Mund gelegten und mit Ather geſättigten Schwammes mit durchaus eben ſo gutem Er⸗ folge einathmen laſſen, als bei Anwendung der beſten bekannten Apparate. Die Operationen, wegen deren das Einathmen Statt fand, und die ſämmtlich ſchmerzlos vollzogen wurden, waren eine Amputation des Armes über dem Elnbogen, der Blaſen— ſchnitt, die Amputation eines Schenkels und drei Zahnoperationen. Hr. Tracy, der ſelbſt einen Atheriſirungsapparat erfunden hat, erklärt in der London medical Gazette Aug. 1847, daß er künfti alle Apparate der Art bei Seite legen werde, da er in den 1500 Fällen, in welchen er dieſelben angewandt, durchaus keine be— friedigenderen Reſultate mittels derſelben erlangt habe, als in obigen ſechs Fällen mittels des einfachen Schwammes. Bibliographiſche Neuigkeiten. Chimie élémentaire avec ses principales applications aux arts et ä l’industrie. Redigee, d’apres les derniers programmes officiels, par A. Bouchardat. Troisieme edition, corrigee, augmentee et ornee de 64 figures intercalées dans le texte. In 12% de 25 feuilles ½. Paris 1847. Wagner, R., über den feineren Bau des elektrischen Organs im Zitterrochen. Aus d. Ahhandl. d. k. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen. gr. 40 Geh. * 4, Thlr. Dietrichsche Buchh. in Göttingen 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Des glaciers et des climats, ou des causes atmospheriques en geologie. Recherches sur les forces diluviennes, indépendankes de la chaleur cen- trale, sur les phenomönes glaciere et erratique; par Henri Lecog. In 8° de 35 feuilles %,. Strasbourg et Paris 1847. Traite sur la maladie de sang des betes bovines, suivi de l’etude comparee de cette affection avec l’enterite suraigu& et la fievre charbonneuse; par O. Delafond. In 8° de 20 feuilles. Paris 1847. (Hierzu 1 Tafel Abbildungen in J.) Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 90. (Nr. 2. des v. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Mayer, Achſenchlinder des Nerven. — Bericht über zwei Abhandlungen Bourſters in Bezug auf nicht befruchtete und doch fruchtbare Gier des Bombyx Mori. — Brown⸗Séquard, über die verſchiedene Einwirkung des Lichtes auf die iris bei den verſchiedenen Claſſen der Wirbel⸗ thiere. — Miſcellen. Bocconia frutescens. Paraſitismus der Euphrasia, Pedicularis und Drosera. — Heilkunde. Segond, üb. die Verknöcherung =: l LEHE — Miſcellen. Behandlung der erſten Symptome der aſiatiſchen Cholera. Atzammonlakflüſſigkeit äußerlich gegen grauen taar.— tographie. Natur kunde. II. Achſeneylinder des Nerven. Von Prof. Mayer in Bonn. Der mittlere helle Streifen in dem Nervenſtrange, wel— chen zuerſt Fontana bemerkte und als einen von einer beſondern Haut gebildeten Cylinder anſah, wurde in neueſter Zeit der Gegenſtand ſorgfältiger Unterſuchungen von Seiten Remak's und Purkinje's. Fontana ſchreibt dieſem Achſenſtrange eine homogene, durchſichtige Membran zu, welche von einer etwas conſiſten— ten, gelatinöſen, im Waſſer unauflöslichen Feuchtigkeit er— füllt ſei. Remak hält denſelben für ein (primitives) Band, für eine blaſſe Centralfaſer oder ein centrales Faſerbündel, welches am Durchſchnittsende in punctförmige Maſſe zerfalle. Purkinje iſt geneigt, ihn als einen neuen Canal anzu— ſehen. Henle und Kölliker treten Remak bei und nennen dieſen Strang der Mittellinie des Nerven Ach ſenbündel. Wie laſſen ſich nun dieſe jo differenten und von ein— ander abweichenden Angaben über dieſen Mittelſtrang des Nerven mit einander vereinigen, und wie läßt ſich aus den— ſelben irgend eine Idee über die Natur und Weſenheit dieſes ſogenannten Stranges coneipiren? Wie iſt es möglich, daß er aus einer gerinnbaren Subſtanz beſtehe (Fontana) und doch zugleich aus einer bandartigen, faſerigen Subſtanz (Rem ak), oder gar aus einem leeren Raume (Canal) (Purkinje)? Es läßt ſich dieſer Widerſpruch in den Angaben der Phy— ſiologen über dieſe Organiſation nur daraus erklären, daß dieſer Mittelſtreifen der Nerven wirklich unter verſchiedenen Umſtänden das genannte verſchiedene Anſehen annimmt. Als mir zuerſt die Paciniſchen oder Vaterſchen Nerven⸗ knötchen vorlagen, glaubte ich in der Mittellinie dieſer peripheriſchen Nervenknäulchen eine grümliche, dem geron— nenen Eiweiß ähnliche, ja drüſenähnliche Maſſe mit einem No., 2070 — 970. — 90. klaren Ausführungsgange nach oben wahrzunehmen (Anſicht des Achſeneylinders von Fontana und Purkinje), über: zeugte mich aber bald, daß außer den feinen Nervenfibrillen nur eine eiweißähnliche Maſſe in dem Mittelſtrange ſich vorfinde. Nachdem ich aber nunmehr die Natur des Achſeneylinders der Nerven in ſeiner Weſenheit erkannt habe, glaube ich im Stande zu ſein, auch aus dieſer Natur die Differenzen der Angaben der Phyſtologen über deſſen Anſehen zu erklären und aufzulöſen. x Es iſt der Achſeneylinder der Nerven nämlich nichts anderes als der von Faſerplasma des Nerven allein noch gebildete Mittelſtreifen, welcher ſelbſt mehr oder minder aus einander weicht und einen linearen freien Raum oder eine Spalte bildet. Er iſt die Theilung des Nerven in zwei Stränge oder die dichotomiſche Spaltung der Nervenfaſer, die ſelbſt der feinſten Nervenfibrille noch inwohnende Ten— denz zur Trennung in der Mittellinie. Es iſt derſelbe nichts anderes als der Primitioftreifen, wie derſelbe beim Embryo zuerſt in der Mittellinie des Rückenmarkes auftritt, ſich fort: ſetzend oder übergetragen auf jeden einzelnen Nerven. Dieſe dichotomiſche Tendenz ſpricht ſich ſodann mehr oder minder deutlich an verſchiedenen Nerven oder in verſchiedenem Grade aus. — Im erften oder leiſeſten Grade erſcheint der Achſen— cylinder als mittleres, helleres und aus mehr geſchlängelten Fibern als der Rindentheil des Nerven beſtehendes Band (blaſſe Centralfaſer, primitives Band: Remah), wie ſelben dieſer Phyſiolog (in Müller's Archiv 1844 Taf. XII. Fig. 8) abgebildet hat. Die ſtärkere Schlängelung dieſes Centralbündels rührt von der großen Zartheit feiner Fibril— len und deren Leere an Nervenkörnchen her. Es weichen hierbei die beiden Ströme der Nervenmarkkügelchen oder Körnchen zu beiden Seiten aus einander, ſo daß in der Mitte nur das Plasmafaſergewebe des Nerven übrig bleibt. 2 19 90. V. 2. 20 Wenn dieſes mittlere Plasmafaſergewebe ein Contentum von geronnenem Eiweiß aufnimmt, wie dieſes bei großen Nerven des Rückenmarkes der Fall iſt, und auch im Innern der Vaterſchen Knötchen vorkommt, ſo entſteht jenes von Fon— tana beſchriebene Anſehen eines mit conjtftenter Flüſſigkeit gefüllten Cylinders. Wird aber die dichotomiſche Tendenz im Nerven überwiegend, ſo entſteht nicht nur eine Ausein— anderweichung der Nervenkörnerſtröme, ſondern auch des Plasmafaſertheiles des Nerven und eine wirkliche Spaltung oder ein eigentlicher Canal, der nur noch durch eine gela— tinöſe, graue, eine oder mehrere Ganglienkugeln enthaltende Subſtanz ausgefüllt iſt. Am deutlichſten kann man ſich von der Richtigkeit die— fer Anſicht des Achſencylinders der Nerven überzeugen, wenn man die aus einem Ganglienknoten des Nervenſyſtems des Blutegels austretenden Nerven unterſucht, wo derſelbe Mittel- ſtreifen einer Seits bis. in das ganglion ſelbſt verfolgt wer⸗ den kann, nach der Peripherie hin aber allmälig in die Spaltung des Nerven übergeht. Bei den niederen Thieren, den Molluſken, Inſecten (Raupen), dem Blutigel u. ſ. f. ſieht man deutlich, daß der ziemlich breite äußere Streifen des Nevrilems ganz in ſeiner Structur identiſch iſt mit dem mittleren hellen Streifen oder dem ſogenannten Achſencylinder. Es liegt aber nun überhaupt dieſen Erörterungen die Anſicht zu Grunde, daß die Maſſe des Nerven oder die Qualität ſeiner Subſtanz aus zwei Elementen beſtehe, aus der Plasmafaſer und den Nervenmarkkörnchen. Jene bildet helle Cylinder, in welchen die Nervenkörnchen, die größern und kleinern, infiltrirt ſind. Es können aber jene in feinere und feinſte Faſern und Faden ſich auflöſen. Beide gehen aus demſelben Elemente der Kernblaſe des Nerven aus, wo— von die Hülle als Plasmacylinder, der Kern als Markkörner erſcheinen. Beide ſind unendlicher Theilung und Auflöſung fähig. — Die Blaſenhüllen verſchmelzen zum Plasmacylin— der, und der Kern löſ't ſich in ihm als ſein Inhalt bis zum Nervenſtaube auf. Beide find aber organiſch mit einander verbunden, und ſo beſteht jede Nerpenfaſer, wie wir dieſes ſchon früher ausgeſprochen haben, aus einer Kette oder Reihe von ovalen Markbläschen oder von Quadraten, in welche der Nervenftaub und die größern Körner eingetaucht find und frei aus- und einſtrömen. — (Siehe Mayer Elemen— tarorganiſation des Nervenſyſtems.) Daß der primiti⸗ ven Muskelfaſer eine ähnliche Structur zu Grunde liege (nach dem Geſetze der urſprünglichen Homogeneität der Ele— mentarorgane), oder daß fie aus Plasmafaſereylindern und darin ſchwebenden rothen Blutkernen beſtehe, und daß die— ſelbe als eine Reihe von viereckigen, mit einem rothen Kerne verſehenen Plättchen erſcheine, habe ich öfters unter dem Mi— kroſkope bei einer Vergrößerung von 300 beobachtet. Es iſt aus dieſer Darſtellung wohl erſichtlich, daß die paſſende Bezeichnung für dieſen ſogenannten Achſencylinder die von Mittelſtreifen, stria mediana, ſein möchte. Wenn alſo der ſogenannte Achſencylinder der Nerven nichts anderes iſt als die, vermöge der dem animaliſchen Nervenſyſteme inwohnenden dichotomiſchen Tendenz, in den größeren ſowohl als auch noch in den feinſten Nervenftäm- men zu Tage tretende Spaltung, wobei die Spalte bald mit Ganglienkugeln, bald mit mehr geronnener, eiweißähn— licher Subſtanz gefüllt erſcheint, ſo ſehen wir dieſe Mittel⸗ ſpalte wiederkehren in den größeren Nervengebilden, in der retina als foramen centrale, im Rückenmarke als ventri- culus med. spinalis, ventriculus rhomboideus der Vögel, und in dem Gehirne in ihrer größten Entfaltung als Gehirn— ventrikel erſcheinend, die beiden Hälften des Gehirns aus einander haltend, nur bloß von einem ſeröſen Dunſte angefüllt. III. Bericht über zwei Abhandlungen Bourſiers in Bezug auf nicht befruchtete und doch fruchtbare Eier des Bombyx Mori. Dem in No. 12 der Comptes rendus vom 20. Sept. mitgetheilten Gutachten der Pariſer Akademie entnehmen wir folgenden Auszug. Der Verf. bemerkte zu verſchiedenen Malen, wie zur Aufbewahrung aufgeſpießte weibliche Schmetterlinge und namentlich die Nachtſchmetterlinge vor ihrem Sterben eiligit Eier legten, aus welchen bisweilen junge Raupen hervor⸗ gingen, was gleichfalls ſchon von anderen Entomologen beobachtet ward, aber natürlich eine Begattung des Weib— chens mit einem Männchen ihrer Art vor der Gefangen— nehmung vermuthen läßt. Dagegen ließ er ein eben der Puppe entſchlüpftes Weib- chen vom Seidenſchmetterlinge, das ſomit ſicher mit keinem Männchen zuſammengekommen war, am Vorhange eines den Sonnenſtrahlen ausgeſetzten Fenſters umherkriechen; das Haus lag ſüd-ſüdöſtlich, die Scheiben des Fenſters waren etwas verdunkelt, um die dem Thiere ſchädlichen, unmittel- baren Sonnenſtrahlen zu mildern. Dasſelbe blieb etwa 2 Stunden unter ihrem Einfluſſe (das Thermometer zeigte 26 bis 270 R.); ſobald der Schmetterling in den Schatten ge— ſetzt ward, legte er an dieſem und dem folgenden Tage einige 40 Eier, die der Verf. ſorgſam für ſich bewahrte. Dasſelbe Weibchen blieb dann noch 2 Tage der Sonne ausgeſetzt und ward darauf wieder an einen ſchattigen, ru— higen Ort gebracht, wo es wiederum Eier legte, die jedoch nicht für ſich bewahrt wurden. Als der Verf. nun ſpäter die Entwicklung der vorhin genannten Eier verfolgte, nahm er in ihrem Inneren Ver— änderungen wahr, die den vollkommenen Zuſtand des Eies bewieſen, ſie verhielten ſich auch ganz wie die Eier der be— gatteten Weibchen; die Raupen, welche ihnen entkrochen, lebten und fraßen. Auf dieſe Beobachtung ſtützt nun Bourſter feine Anſicht von der Befruchtung durch das Sonnenlicht und die Sonnenwärme. Die Commiſſion konnte ihm hierin keines- weges beipflichten, fand aber die Sache ſelbſt in phyſtolo— giſcher Beziehung intereſſant genug, um ihre eigenen und anderer Beobachtungen damit zu vergleichen. Die Mitglieder der Commiſſion hatten zu verſchiedenen Malen weibliche Inſecten verſchiedener Art, beſonders aber 21 90. V. 2. 22 Nacht» und Abendſchmetterlinge, aus ihrer Puppe kriechen und bald darauf ohne vorhergegangene Begattung fruchtbare Eier legen ſehen. Auch andere Schriftſteller erwähnen ähn⸗ liche Fälle. Die Commiſſion ſieht in dieſen vereinzelten Ausnahmen eine Beſtimmung zur Erhaltung gewiſſer Thier- und Pflan— zenarten, die ſonſt durch unvorhergeſehene Ereigniſſe leicht ausſterben könnten, und gedenkt hier der Puppen des Sei— denſchmetterlings und verſchiedener anderer Inſecten, welche 2 bis 3 Jahre lang in dieſem Larvenzuſtande verblieben, ſich dann aber langſam entwickelten, um ihre Art fortzu— pflanzen. Andere Individuen verſchiedenen Geſchlechts zeigen dagegen entſchiedene Merkmale eines wahren Zwitterthums, indem ſie an der einen Seite männlich, an der andern weib— lich ſind; was ſich an der Geſtalt und den Verhältniſſen ihrer Antennen, an der Färbung ihrer Flügel, die oft bei den Geſchlechtern ſehr verſchieden iſt, erkennen läßt. Min⸗ deſtens 60 ſolcher Fälle ſind erwähnt und theils beſchrieben. Die Anatomie der innern Geſchlechtstheile hätte vielleicht den Zweck dieſer Monſtroſität nachweiſen können. Dies ſind, wie ſich die Commiſſion ausdrückt, die augen— ſcheinlichen, man möchte ſagen, nicht zu vernichtenden Hülfs— quellen, welche ſonſt ausſterbende Raſſen erhalten und ſelbſt bei eigener Abweichung von der Art dennoch eine Nach— kommenſchaft, welche den Urtypus der Art im voraus ſchon im Weibchen empfangen zu haben ſcheint, hervorbringen. Auch bei den zweihäuſigen Pflanzen, deren ſogenannte weibliche Blüthen bisweilen unmöglich den befruchtenden Pollen der auf einem andern Stamme befindlichen ſogenannten männ— lichen Blüthe empfangen konnten, hat die Natur dafür geſorgt, daß dennoch fruchtbare Samen entſtehen können (22); wie es Spallanzani und andere vom Hanf, Spinat und Bingel— kraut angeben. Auch von den weiblichen Blüthen von Lychnis dioica und einer Pimpinella mit getrennten Geſchlech— tern, ſowie von Cucumis eitrullus wird dasſelbe behauptet. Die letztere Pflanze ward in einem wohl verfchloffenen Glas— kaſten gezogen, ſie blühte im Winter und brachte eine reife Frucht mit keimfähigen Samen. Bei einigen Thierarten, z. B. den Blattläuſen, iſt ſo— gar eine Fortpflanzung ohne Begattung, durch Individuen, die lebendige Junge gebären, conſtant, worauf Leeuwen— hoeck zuerſt aufmerkſam machte. Die im Sommer an den Pflanzen vorkommenden Blattläuſe dieſer Art find ſämmtlich befruchtete Weibchen, nur im Herbſt finden ſich Männchen unter ihnen, die nach der Begattung ſterben. Die Weibchen legen nun Eier, aus welchen im Frühjahr lauter weibliche Thiere hervorgehen, die zur Zeugung keiner Befruchtung be— dürfen, ſondern ſchon befruchtet geboren werden und ſo wie— der durch mehrere häufig bis 10 Generationen ſich zu ent— wickeln fortfahren. Ein Gleiches hat Jurine bei den Daphnien unter den Entomoſtraceen bemerkt: eine Begat— tung genügte zur Befruchtung von 6 einander folgenden Generationen, und dasſelbe hat Carus in der Claſſe der Molluſken für die Paludinen angegeben. Schon Albrecht ſah im Jahre 1705 aus Eiern einer nicht befruchteten Phaläne Raupen hervorgehen, Blancardi aber eine Spinne 4 Jahre hindurch fruchtbare Eier legen, ohne mit einem Männchen zuſammengekommen zu ſein, wel— chen Verſuch Liſter wiederholt haben will. Lacordaire macht in ſeiner Entomologie noch mehre ſolcher Fälle bekannt. Die Commiſſion erinnert zuletzt nochmals daran, daß in den Fällen, wo die Mehrzahl gewiſſer weiblicher Infecten eine freiwillige Zeugung beſaß, dieſe Mehrzahl ſelbſt Jahre hindurch im Larvenzuſtande verblieb. Ihr ſo verlängertes Daſein, ſowie ihr Auskriechen zu einer Zeit, wo es keine Männchen giebt, ſcheint folglich die Erhaltung der Raſſe, die ſonſt durch zufällige Ereigniſſe leicht vernichtet werden konnte, zum Zwecke zu haben. IV. Über die verſchiedene Einwirkung des Lichtes auf die iris bei den verſchiedenen Claſſen der Wirbelthiere. Von Brown-Sequard. Die Reſultate der Verſuche, im Institut No. 719 von 1847 mitgetheilt, ſind folgende. Bei den Batrachiern und Fiſchen wirkt das Licht di— rect auf die Nerven- und Muskelfaſern der iris ein. Das aus der Augenhöhle genommene und völlig frei gelegte Auge eines Aales oder braunen Froſches zeigt, dem Lichte ausgeſetzt, ein baldiges Zuſammenziehen ſeiner Pupille, die, an einen dunkeln Ort gebracht, ſich alsbald wieder erweitert. Die— ſelbe Pupille kann ſich ſo in einer Stunde 50 bis 100 Mal zuſammenziehen und wieder ausdehnen. Dieſe Ver— ſuche, deren Priorität man fälſchlich Fontana zuſchreibt, gaben bei genannten Thieren ganz andere Reſultate, als wenn ſie bei warmblütigen Thieren oder Menſchen angeſtellt wurden, wo das Auge nicht aus ſeiner Höhle genommen wurde. Wenn das Licht nur auf die retina einwirkte, blieb die iris unbeweglich; fie bewegte ſich dagegen dann, wenn das Licht nur auf ſie einwirkte. Beim unverletzten Auge lebender Batrachier bewegt ſich die iris gleichzeitig durch den Einfluß des Lichtes auf ihr eigenes Gewebe und durch die Folge ſeiner Einwirkung auf die retina und die Nerven— mittelpunkte. Die Theorie der Irisbewegungen, wie fie aus den Verſuchen von Fontana, Flourens, Herbert, Majo und anderer hervorgeht, ſcheint demnach für die warmblütigen Thiere und die Reptilien zu gelten. Von den verſchiedenen Lichtſtrahlen ſcheinen die hellſten am hef— tigſten auf die iris des frei gelegten Batrachier- oder Fiſch— auges einzuwirken. Wenn aber bei einigen Thieren die iris unmittelbar durch das Licht erregt wird, was bei an— deren wiederum nicht Statt findet, jo ſcheint das verſchie— dene Verhalten auch auf eine innere Verſchiedenheit dieſer Membran ſelbſt, vorzüglich aber der vorderen Pigmentſchicht und der Gefäße zu deuten. Indem das Licht die zu einer dünnen Membran (der iris und der retina) ausgebreiteten Nerven und Muskelfaſern in Thätigkeit ſetzt, ohne zugleich die andern Muskeln und Nerven der thieriſchen Okonomie zu afficiren, läßt ſich nämlich vermuthen, daß gerade die Anordnung dieſes Gewebes zu einer dünnen Membran für 2 * 23 90. V. 2. 24 dieſe Thätigkeit von weſentlichem Einfluſſe iſt. — Die Pupille eines aus der orbita genommenen Säugethier- oder Vogelauges erweitert oder verengert ſich mehr oder weniger durch Temperaturveränderungen, je nachdem ſie vor dem Verſuche weiter oder enger war; dasſelbe Auge kann in einer Stunde bis 20 ſolcher Erweiterungen und Zuſammen— ziehungen zeigen. Es iſt demnach nicht nöthig, neben der Zuſammenziehung der Kreisfaſern der iris noch ein Anſchwel— len der Gefäße zur Erklärung der beträchtlichen Verengerun— gen der Pupille anzunehmen, da dieſelben Verengerungen noch im gleichen Maße, wie im lebenden Zuſtande, bei dem aus der orbita genommenen Auge, ſowohl der warmblütigen Thiere als der Reptilien, Amphibien und Fiſche Statt findet. Der Verf. erwähnt darauf noch folgender Beobachtungen: 1) Wenn man die Pupille und gleichzeitig zwei Dritts theile der iris bedeckt und nun die Lichtſtrahlen auf das eine frei gebliebene Dritttheil der iris fallen läßt, ſo findet den— noch eine Verengerung der Pupille Statt; es iſt demnach die Erregung der Muskelfaſer an irgend einem Orte zu ihrem Zuſammenziehen hinreichend. f 2) Die eigenthümliche Augenhaut (2) ſchützt das Auge der Batrachier nur wenig vor dem Einfluſſe des Lichtes; das— ſelbe wirkt vielmehr, ſelbſt wenn ſie die ganze Corneafläche überzieht, noch kräftig auf die iris ein. 3) Bei durch Strychnin, Schwefeläther, Opium oder Belladonna getödteten Fröſchen behält die iris nur zum Theil ihre Contractilität. 4) Zu den Fiſchen, bei welchen man bisher eine ge— ringe Beweglichkeit der iris wahrgenommen, ſind noch der Cardon (2) und die Aalraupe hinzuzuzählen. Mi ſeellen. 2. Die Bocconia frutescens iſt ein kleiner etwa 12 Fuß hoher Strauch, der auf Jamaica, Nevis und St. Kitts, wo man ihn Celandine oder Parrot-weed nennt, nicht ſelten iſt. Stamm und Zweige enthalten ein ähnliches Mark, wie unſer Sambucus niger; ſeine zwar kleineren Blätter gleichen der Form nach denen des Brotbaumes (Artocarpus incisa) und find von gelbgrüner Farbe. Die kleinen Blüthen erſcheinen auf einer endſtändigen Traube; die Frucht iſt eine zweiklappige Capſel mit einem in Fruchtmark gebetteten Samen. Die Pflanze wächſ't an ſchattigen Waldbuchen. Schon [Hernandez, einer der erſten 1 Geſchichtſchreiber über America, gedenkt ihrer unter dem Namen Guauchilli ; [damals ward fie von den americaniſchen Häuptlingen, wahrſcheinlich mehr als ier wie als Arzneipflanze in ihren Gärten gezogen. Dr. Hamilton glaubt, daß ſe das ganze Jahr hindurch blüͤhe, von Mai bis October ſah er fie wenigſtens immer in Blüthe. Die Bocconia iſt reich an einem gelben ſcharfen Milchſafte, deſſen intenſiver Farbſtoff ſicher mit Nutzen techniſch zu verwenden wäre; der Milchſaft iſt hin und wieder als Reinigungs- und Atzmittel bei Wunden benutzt und namentlich von Lunan beim grauen Staar (2) und ſchwammigen Auswüchſen empfohlen worden. Dr. Barham gebraucht ihn bei herpetiſchen Ausſchlägen und zur Ver— tilgung der Warzen. Der aus der verwundeten Rinde oder den Blättern der Pflanze hervorquellende Saft iſt dem der Cambogia durchaus ähnlich; auch er möchte vielleicht, jedoch mit großer Vor⸗ ſicht, innerlich bei Waſſerſucht Anwendung finden. (The Gardner's Chronicle 1847. No. 39.) 3. Der Paraſitismus der Euphrasia, Pedicula- ris und Drosera, den Decaisne angegeben, wird von George Lawſon (Gardner's Chronicle, No. 36) bezweifelt; er konnte keine Schmarotzerwurzeln finden, wohl aber ſah er Euphrasia- und Drosera- Pflanzen fern von aller übrigen Vegetation, die letzteren ſogar im Topfe gedeihen. — J. S. Henslow beſtätigt dagegen Decaisne's Angabe; bei einem ſorgſamen Aufnehmen der Eu- phrasia officinalis und odontites mit der Erde und einem behut⸗ ſamen Abſpülen der letzteren, überzeugte er ſich mit Leichtigkeit von dem Haften der Euphrasia- Wurzeln auf Graswurzeln. Unterm Mikroſkop ſah er die letzteren, undurchſichtigen, von durchſichtigen Wurzelfaſern des Schmarotzers umſchlungen, was auch ſchon mit unbewaffnetem Auge zu erkennen war. Übrigens ſah Hens low in Übereinſtimmung mit Lawſon die Euphrasia officinalis hie und da fern von andern Pflanzen gedeihen, vermuthet indeß, daß der Paraſit in dieſem Falle ſchon die ihn nährenden Pflanzen zerſtört habe und nun von dem ihnen entnommenen Nahrungsſafte zehre. Gardner's Chronicle 1847, No. 37.) — Was endlich die Drosera etrifft, fo hat Decaisne ſelbſt ſich ſpäter von dem Daſein der Markſtrahlen, auf deren Fehlen er das Schmarotzerleben dieſer Pflanzen gründete, bei mehreren Arten überzeugt und ſomit ſelbſt 1 Hi aufgegeben. (The Gardner's Chronicle 1847, 0. . Heilkunde. (Il.) über die Verknöcherung der Knorpel des Kehlkopfes. Von Dr. L. A. Segond ). Allgemeine Bemerkungen. Schon Columbus (de re anat. I. I, e. 13) und deſſen Nachſolger waren der Anſicht, daß eine der Urſachen der Verknöcherung im hohen Alter zu ſuchen ſei; allein die Beziehung zwiſchen der Ent— wickelung dieſer Verknöcherung und einer beſtimmten Lebens— periode iſt ſo veränderlich, daß ſich nicht verkennen läßt, wie auch andere Urſachen dieſe Veränderung veranlaſſen können. Vom 60ſten Jahre an trifft man in der Regel an gewiſſen Punkten der Knorpel einen Anfang von Ver— knöcherung; allein während im Alter von 70 Jahren z. B. „) Der Parifer Akademie der Wiſſenſchaften mitgetheilt am 28. Juni 1847. die Umbildung manch Mal vollſtändig iſt, findet man da— gegen am Cadaver von Leuten, welche über 80 Jahre alt geworden ſind, eine ſehr unvollſtändige und nur auf gewiſſe Stellen der Knorpel beſchränkte Verknöcherung. Es unter⸗ liegt keinem Zweifel, daß individuelle Anlage und gewiſſe krankhafte Zuſtände auf dieſe Umbildung einen eigenthüm⸗ lichen Einfluß äußern. Es wäre der Mühe werth zu unterſuchen, ob die andauernde Anſtrengung des Kehlkopfes, z. B. bei den Sängern, die Verknöcherung dieſes Organes verzögert oder beſchleunigt. Bekanntlich verlieren die meiſten Sänger ziem— lich früh, d. h. vom 50ſten Jahre an, die Fähigkeit, die hohen Töne der Bruſtſtimme zu erzeugen. Wir werden ſehen, daß ſich dieſe Schwierigkeit in manchen Fällen durch die Verknöcherung erklären läßt; allein dieſe muß einen gewiſſen Grad erreicht haben, um eine ſolche Wirkung her— 25 vorzubringen. Die vollſtändige Verknöcherung der Knorpel kommt aber erſt im hohen Alter, z. B. nach dem 80ſten Lebensjahre, vor. Ein einziges Mal habe ich fie an einem nur 71 Jahre alten Subjecte wahrgenommen, und die Theile waren in dieſem Falle ſo hart, daß ſich annehmen ließ, jene Veränderung habe ſchon mehrere Jahre beſtanden. Dieſer larynx ſtammte aber von einem Blinden, welcher in ſeinem Leben ſehr viel geſungen hatte. Allerdings will ich mich nicht auf dieſe eine Beobachtung berufen, um zu behaupten, daß die Anſtrengung des Kehlkopfes deſſen Verknöcherung beſchleunige; allein man hat allgemein eine Beobachtung gemacht, welche jene Meinung zu unterſtützen ſcheint; von dem Augenblicke an, wo die Ablagerung der Knochenſub— ftanz beginnt, wirft ſie ſich beſonders auf gewiſſe Punkte, und dies ſind gerade diejenigen, welche der Anfügung der Muskeln entſprechen. Wenn aber die Thätigkeit der Muskeln zur Verknöcherung das Geringſte beiträgt, ſo liegt es auf der Hand, daß bei Sängern, wo dieſe Thätigkeit ſo vielfach in Anſpruch genommen wird, deren Einfluß auf jene Um: wandlung auch vorzüglich ſtark ſein muß. Sobald die Verknöcherung beginnt, zeigt ſie ſich in Geſtalt kleiner, röthlicher Kerne, in denen ſich eine ſchwam— mige Subſtanz entwickelt. Wenn man den Knorpel an dieſen Stellen comprimirt, fo ſchwitzt eine ähnliche ölige Subſtanz heraus, wie die, welche ſich in den Enden der langen Knochen findet. Der ſchwammige Zuſtand dauert in den ſtärkſten Theilen der Knorpel an, und die ſchwächern verwandeln ſich in ein compactes Gewebe. s Die Verknöcherung tritt nicht in allen Knorpeln des Kehlkopfes gleichzeitig auf. Man trifft in der cart. cri- coidea ſchon verknöcherte Stellen, wenn die e. thyreoidea noch unverſehrt iſt. Ferner können die e. cricoidea und thyreoidea ſchon vollſtändig in Knochen verwandelt fein, wenn die cartt. arytaenoideae noch knorpelige Stellen enthalten. Wir haben hier auf die Nützlichkeit einer vollſtändigen Atiologie der Oſſification der Knorpel des Kehlkopfes hin— gedeutet; allein welches Intereſſe auch das Studium dieſer Vorfrage haben mag, ſo liegt doch auf der Hand, daß die poſitiven Fragen ihre Erledigung vornehmlich in dem Stu— dium dieſer Verknöcherung ſelbſt, ſowie in der Beobachtung der davon abhängigen anatomiſchen Veränderungen finden müſſen. Die Reſultate, zu denen ich gelangt bin, werden hoffentlich zur Beſtätigung dieſer Anſicht dienen. 1) Cartilago cricoidea. An dieſem Knorpel beginnt gewöhnlich die Verknöcherung, und die vollſtändige Umbil— dung habe ich an demſelben ſtets früher beobachtet, als an der c. thyreoidea. Der erſte Punkt, welcher ergriffen wird, Cartilago cricoidea. 45 J. 35 J. 62 J. Höhe des hinteren Theils bei der Mitte 19 17 18,5 Höhe des hinteren Theils neben der Mitte 235 19,9, 20 Höhe des vorderen Theils bei der Mitte 6,5 4,5 5 Stärke bei der Höhe des ſeitlichen en 5 5 5,5 Stärke vorn auf der Medianlinie > 2 2 2,5 Stärke hinten auf der Medianlinie 4 4 4,5 Länge des oberen Gelenkhöckers . 6 6,4 5 Breite dieſes Gelenkhöckers 3 3 2,8 Durchmeſſer von vorn nach hinten 16 17 16 90. V. Frauen im Alter von 2. 26 entſpricht der Hauptanfügungsſtelle des m. crico-thyreoideus; die Umbildung beginnt an dieſer Stelle am oberen Rande der c. cricoidea und dringt dann halbmondförmig in die tiefere Subſtanz des Knorpels ein. Faſt gleichzeitig fängt die Verknöcherung mitten in den ſeitlichen Vertiefungen der hintern Fläche des Knorpels an, da wo der m. crico- arytaenoideus angefügt iſt. Bald werden die den Gelenk— flächen entſprechenden Stellen affieirt, und wenn die Entar— tung weiter fortgeſchritten iſt, findet man knorpeliges Ge— webe nur noch an dem vorderen Theile des Ringes, in dem ganzen untern Rande und in der Mitte, ſowie an der Baſis des hintern Theiles. Bei einer 45jährigen Frau, bei welcher die c. thyreoi- dea noch vollkommen knorpelig war, habe ich an den ſeit— lichen Theilen (der ericoidea ?) eine ſchon ziemlich weit vor— geſchrittene Verknöcherung gefunden. Dieſe war unterwärts durch die untern Gelenkflächen begrenzt. Bei einer Söjähri- gen Frau war der obere Rand in einer Ausdehnung von 23 Millim. ergriffen; es zeigten ſich auf jeder Seite vorn nur 5 und hinten nur 2 Millim. noch knorpelig. Bei einer 71jährigen Frau fand ich dieſen Knorpel durchaus verknöchert, während bei einem andern, 88jährigen Indiovi— duum nur der obere Rand in einer Ausdehnung von 12 Millim. ergriffen war. Die merkwürdigſte Folge der Verwandlung der cart. ericoidea in Knochen iſt die allgemeine Veränderung, welche die Maße des Knorpels dadurch erleiden. Wenn er ein Mal verknöchert iſt, ſo erſtreckt ſich häufig deſſen Vordertheil nicht mehr unter die e. thyreoidea, wie es bei den noch knorpeligen Kehlköpfen der Fall iſt; und hierin liegt ein materieller Grund, weßhalb Leute von gewiſſen Jahren die Töne der Bruſtſtimme nur mit Schwierigkeit erzeugen kön— nen. Indem der m. erico-thyreoideus die c. cricoidea der c. thyreoidea nähert, werden die Stimmſaiten ſtraff gezogen. Da nun aber, wenn die c. cricoidea verknöchert iſt, dieſer Knorpel ſich nicht mehr gegen die c. thyreoidea ſtützt, fo können die Stimmſaiten den höchſten Grad von Spannung nicht mehr erlangen. Unterſuchen wir aber die c. thyreoidea, ſo werden wir finden, daß die Verknöcherung ihres untern Ran— des ebenfalls dazu beiträgt, die Hebelbewegung zu beſchränken. Bei den verſchiedenen Kehlköpfen, welche ich beſichtigt habe, fand ich häufig die c. cricoidea mit dem erſten Ringe der Luftröhre, entweder am Vordertheile, oder an den Seiten, verwachſen. Die Verknöcherung dieſes erſten Ringes erfolgt gewöhnlich auf die der c. cricoidea. Maße der e. cricoidea bei verknöcherten oder in der Verknöcherung begriffenen Kehlköpfen. Männer im Alter von — — F = ee Bee Tzalanı AUS; DES. 7707218379, Millimeter. Millimeter. 19,5 10 19 20 21 22,5 22 21 21 13 23.9. 2 25 25 26 24 6 5,5 6,5 3,1 7 7 8 6,5 4 6 5 6 6,5 8 8 6,5 2 2 2 2 4 3 3 3 4,5 4,5 4 5 5 6 6 4 6,5 6 6 5,5 6,5 7 8 6,5 3 8990 3,5 32 4 4,5 4 3,2 16 17,5 15,5 17, 15,5 20 26 17 27 2) Cartilago thyreoidea. Die Verknöcherung dieſes Knorpels beginnt in der Regel im Innern des hintern Randes der ſeitlichen Leiſten, zwiſchen den obern und untern Hörnern und erſtreckt ſich von da aus in die Hörner ſelbſt; allein die Verknöcherung des untern Hornes tritt gewöhnlich früher ein, als die des obern. Zwei andere Theile werden faft zu derſelben Zeit ergriffen, nämlich der dem Höcker am untern Rande entſprechende Punkt und der dreieckige Vor— ſprung, der ſich an der Baſis des obern Hornes befindet. Von dieſem letztern Theile aus verbreitet ſich die Verknöche— rung um das Loch her, durch welches Gefäße und ein Zweig des äußern Aſtes des n. laryngeus superior ſtreichen. Durch die Ablagerung von Knochenſubſtanz wird dieſes Loch zuletzt vollſtändig geſchloſſen, und hieraus erklärt ſich der Umſtand, daß viele Anatomen desſelben gar nicht gedacht haben. Vom untern Höcker erſtreckt ſich die Verknöcherung nach vorn und oben, ſo daß ſich nach und nach mitten zwiſchen den ſeitlichen Leiſten ein ſenkrecht aufſteigender Knochenſtreifen zeigt. Bei dieſem Grade der Verknöcherung ſind nur noch zwei Theile knorpelig; eine kleine, zwiſchen dem Loche und dem eben erwähnten Knochenſtreifen liegende Portion und das vordere Viertel der Leiſte, welches zuletzt verknöchert. Die Obliteration des Loches iſt nicht die einzige Form— veränderung, welche durch die Verknöcherung veranlaßt wird. Noch über einen andern Punkt ſind gleich ausgezeichnete Anatomen keineswegs einerlei Meinung; derſelbe wird aber durch die Unterſuchung von Kehlköpfen verſchiedenen Alters vollkommen erledigt. Viele Anatomen haben bei der Be— ſchreibung der c. thyreoidea von einer ſchrägen Linie geredet, Cartilago thyreoidea. 90. V. 2. Frauen im Alter von 28 die von dem an der Baſis des obern Hornes ſitzenden dreieckigen Höcker ausgehe, von hinten nach vorn bis zum untern Rande herabſteige und ſo das hintere Sechstel von jeder Lage der fünf vordern Sechstel trenne. Neuere Be— obachter haben die Richtigkeit dieſer Beſchreibung in Abrede geſtellt; Hr. Cruveilhier z. B. ſagt, die beiden Höcker ſeien durch einen aponeurotiſchen Bogen mit einander ver— bunden; es ſei aber keine ſchräge Scheidelinie vorhanden, wie man gewöhnlich behaupte *). Hr. Malgaigne läugnet zwar die Eriſtenz dieſer Linie nicht, allein er wundert ſich darüber, daß die Anato— men eine angebliche crista, welche fie linea obliqua externa nennen, für conſtant ausgeben. Er bemerkt übrigens, gleich Hrn. Cruveilhier, daß die zwiſchen den beiden Höckern ausgeſpannte ſehnige Schnur die Stelle dieſer Linie einnehme, die er ſelbſt nie geſehen habe **). Dieſe Linie iſt allerdings bei den noch knorpeligen cartt. thyreoideae nicht vorhanden, aber an den verknöcherten ziemlich häufig wahrzunehmen *). Die Verdickung des Knorpels iſt häufig eine Folge der Verknöcherung; fie tritt aber nicht in einer regelmäßigen Weiſe ein und kann verſchiedene Portionen treffen. Wenn ſie am untern Rande Statt findet, ſo kann ſie der Hebel— bewegung Eintrag thun, welche die c. cricoidea auf der c. thyreoidea ausführt, und fo zur Erſchwerung der Erzeu- gung der Töne der Bruſtſtimme beitragen. Übrigens bieten die Maße der e. thyreoidea viel Ver ſchiedenheit dar, wovon man ſich durch die in nachſtehender Tabelle befindlichen Zahlen überzeugen kann. Männer im Alter von z — — —ů 45% J 35 J. 62 J. 70 J. 7 „ 85 J. 9 , 6 STE SEE: Millimeter. Millimeter Höhe auf der Median linie 14 15 12 E e TR 13 16 19 21 18 Tiefe der Kerbe oder des Ausſchnittes 8,3 6,8 6,5 10 8 10 10 14 14 12 13 Höhe der ſeitlichen Leiſten beim Niveau des untern Höckers „ e ee eee 2 21 1775 2 21 2375 21,8 27 31 30 26 Ausdehnung der Leiften von vorn nach hinten 30 31 26,5 30 28 2983 3255 40 42, 37 37 Länge des oberen Hornes . e 10 12 1 12 13 12,5 16 16 22 18 ee e,, e 2,5 3 2 9 2 3 3 4 3 2,5 Länge des unteren Hornes eee 5 8 7,5 85,5 6 8 12 775 7 8 Steimten Desfelbenun f en 375 3 3 3,1 3,5 3 3,1 4 5 4,5 3,5 Aus dieſer Tabelle erſieht man alſo, daß die Maße bei verſchiedenen Individuen ſehr abweichend ſind. Dieſe Verſchiedenheiten hängen nicht vom Alter ab, obwohl eine, nämlich die in der Länge der obern Hörner, allerdings von der Verknöcherung herrühren kann. In den oben ange— gebenen Fällen ſchwankt dieſe Länge zwiſchen 10 und 16 Mil— limeter bei den Frauen, ſowie zwiſchen 13 und 22 Millim. bei den Männern. Dieſe Abweichungen erklären ſich auf eine ſehr einfache Weiſe. Die corpuscula triticea verknö— chern ziemlich gleichzeitig mit der Spitze der großen Hörner der e. thyreoidea. Nun kommt aber ſehr häufig der Fall’ vor, daß dieſe Knörpelchen beim Verknöchern mit der Spitze der großen Hörner verwachſen; deßhalb macht es einen gro— ßen Unterſchied, ob man vor oder nach dieſer Verwachſung mißt, da im letztern Falle die Länge der Hörner um die der corpuscula vermehrt worden iſt. Was die untern Hörner anbetrifft, ſo muß ich hier in Bezug auf die in obiger Tabelle enthaltenen Zahlen eben— falls eine Bemerkung machen. Hinſichtlich der e. cricoidea habe ich der Hebelbewegung gedacht, welche dieſelbe auf der ) Anat. descript., T. III, p. 487. *) Archives gener. de Med., T. XXV, p. 204, Ire serie. *) Ich beſitze mehrere Exemplare, an denen fich dieſelbe darſtellt. Das eine ift vie c. thyreoidea einer 7öfährigen Frau. Die ſchräge Linie zeigt ſich an dem Knorpel in Geſtalt einer vorſpringenden erista, wie fie von vielen Ang⸗ tomen bejchrieben wird. Gewöhnlich iſt jevoch dieſe Laͤngsleſſte, wenn ſie überhaupt exiſtirt, weich und abgerundet. 29 90. V. 2. 30 c. thyreoidea ausführt. Bekanntlich articulirt das untere Horn an der innern Fläche ſeiner Spitze mit einer an der Seite der c. ericoidea befindlichen kleinen Gelenkfläche. Denkt man ſich durch die beiden Articulationen eine Linie gezogen, fo ſtellt dieſe die Achſe dar, auf welcher die e. cricoidea ihre Hebelbewegung ausführt. Das Niederſteigen der vor— dern Hälfte dieſes Knorpels wird durch die membrana crico- thyreoidea, ſowie das Aufſteigen desſelben durch die cart. thyreoidea beſchränkt. Bekanntlich findet ferner bei erwachſenen Perſonen ein theilweiſes Eingreifen der c. cricoidea in den Winkel der c. thyreoidea Statt, während bei ſehr alten Perſonen dieſes Einſetzen in Folge der Verknöcherung nicht mehr möglich iſt. Der Umſtand, auf den ich hier äufmerkſam machen will, wird auf die Stimme einen ähnlichen Einfluß äußern, wie die Verdickung des untern Randes der c. thyreoidea oder des vordern Theils der c. cricoidea. Je größer in der That vorn der Raum zwiſchen dieſen Knorpeln iſt, in deſto verſchiedenerem Grade müſſen die Stimmſaiten ange— ſpannt werden können; allein die Weite dieſes Raumes richtet ſich nach der Länge der untern Hörner der e. thy- reoidea, und die geringſte Verſchiedenheit in dieſer Länge bewirkt daher einen Unterſchied in der Ausdehnung jenes Zwiſchenraumes. Betrachtet man die Tabelle, in welcher wir die Maße der c. thyreoidea zuſammengeſtellt haben, ſo wird man in der Länge der untern Hörner ſehr bedeutende Abweichungen wahrnehmen, die von den allgemeinen Dimen— fionen des Knorpels völlig unabhängig find. Vergleicht man unter den Kehlköpfen der Frauen den der 45jährigen mit dem der 75jährigen, ſo wird man finden, daß die Hauptdimenſionen bei dem erſtern größer, die Länge des untern Hornes aber geringer iſt, als bei dem letztern; beim erſtern hat das untere Horn eine Länge von 6,5 Milli— meter, und beim letztern eine ſolche von 8,5 Millim. Hier— aus erklärt ſich ohne weiteres, wie bei zwei Perſonen, welche vollkommen gleichartige Stimmritzen beſitzen, der Umfang der Stimme ein ſehr verſchiedener ſein kann; ferner warum bei Stimmritzen von ungleichen Dimenſionen diejenige, mit— tels deren ſich die tiefſten Töne erzeugen laſſen, auch zur Hervorbringung der höchſten Töne der andern geeignet ſein kann. Die Erklärung der phyſiologiſchen Erſcheinungen der Stimme gründet ſich heut zu Tage noch auf ſo viele un— ſichere Data, daß die poſitiven Thatſachen, die einer leichten und einfachen Nutzanwendung fähig ſind, gewiß recht ſehr hervorgehoben zu werden verdienen. Ich habe nun nur noch eine allgemeine Bemerkung in Betreff der Stellung der c. thyreoidea mitzutheilen. Sehr häufig findet man an den beiden Hälften dieſes Knorpels, ſowie überhaupt des ganzen Kehlkopfes, einen Mangel an Symmetrie, und dieſe Unregelmäßigkeit läßt ſich theilweiſe ſchon an lebenden Perſonen erkennen. Wenn man den Ausſchnitt der c. thyreoidea mit dem Finger befühlt, fo findet man häufig, daß die beiden rundlichen Winkel des— ſelben nicht gleich hoch liegen. Die Stimmritze kann ebenfalls bedeutend von der nor— malen Lage abweichen; die zwiſchen den beiden untern Lefzen befindliche, von hinten nach vorn gerichtete Spalte kann ſchräg links oder rechts ſtreichen. Ich bezweifle nicht, daß in vielen Fällen die Fehlerhaftigkeit der Stimme mit einer Deformität dieſer Art zuſammenhänge. Hieraus würde ſich die ſonderbare Erſcheinung des Mangels an Übereinſtimmung des Gehöres mit dem larynx erklären. So kann z. B. Jemand, der den Ton der Note A mit dem Ohre vollkom— men richtig auffaßt, wenn er denſelben mittels des Kehl— kopfes nachzubilden ſucht, vielleicht ein e oder e erzeugen. Hr. Hubert, Director des Orpheon, theilte mir une längſt eine Beobachtung dieſer Art mit. Einer ſeiner Schüler kann die Noten ſehr fertig ableſen und eine Melodie nach dem Gehöre richtig nachſchreiben; allein wenn er dieſelbe zu fingen verfucht, kommt etwas ganz Verkehrtes heraus. Wenn die Perception rein und der Wille gut iſt, ſo kann offenbar das Inſtrument nicht richtig ſein. 3) Cartilagines arytaenoideae. Die Verknöcherung der c. crieoidea und c. thyreoidea iſt bereits ſehr weit fort— geſchritten, wenn die der cartilagines arytaenoideae beginnt, und eben ſo wird ſie auch in jenen beiden Knorpeln viel eher vollendet. Die erſte Ablagerung der Knochenſubſtanz findet in der Mitte der Baſis Statt und erſtreckt ſich dann nach der apo- physis externa, an welche die mm. crico -arytaenoidei po- steriores und crico-arytaenoidei laterales angefügt ſind. Während die Verknöcherung in der Baſis fortſchreitet, ent— wickelt ſich ein anderer Verknöcherungspunkt nach der Spitze zu, und die zwiſchen beiden Punkten liegenden Theile ver— knöchern dann ebenfalls bald. Nach der vollſtändigen Ver— knöcherung der c. thyreoidea findet man nicht ſelten einen bedeutenden Theil der e. arytaenoideae ebenfalls in Knochen verwandelt; aber zwei Stellen widerſtehen dieſer Umbildung ſehr lange, nämlich der Gipfel und die apophysis interna. Bei manchen Kehlköpfen, deren cartt. exicoidea und thyreoi- dea ſchon lange verknöchert zu ſein ſchienen, habe ich dieſe beiden Stellen noch knorpelig gefunden. Die Fortdauer die— ſes Zuſtandes, die mehr gelbe Farbe und größere Elaftieität dieſer beiden Stellen hatten mich anfangs auf die Idee ge— bracht, daß fie faſerig-knorpelig ſeien; allein durch die mi⸗ kroſkopiſche Unterſuchung habe ich mich vom Gegentheile überzeugt, und ich habe in einem Falle am Gipfel einen Anfang von Verknöcherung beobachtet, welcher mit unbewaffne— tem Auge nicht wahrzunehmen war. Wie dem auch ſei, ſo habe ich doch ſelbſt bei 90jäh— rigen Subjecten nie die vollſtändige Verknöcherung dieſer Theile beobachtet. Die Umbildung des Gipfels muß aber derjenigen der apophysis interna vorhergehen; denn mittels des Mikroſkops gewahrt man in dem erſtern ſchon eine Ab— lagerung von Knochenſubſtanz, während ſich an der letztern noch nicht die geringſte Veränderung erkennen läßt. Schließlich will ich noch die Maße einiger cartt. ary- taenoideae mittheilen. Einzeln betrachtet, haben dieſe Maße allerdings wenig Werth; allein bei dem vergleichenden Stus dium der Kehlköpfe von Kindern und alten Perſonen können ſie eine bedeutende Wichtigkeit erlangen. 31 Cartilagines arytaenoideae. 455; 55 62 Höhe am äußeren Rande 14 13 13 Höhe am inneren Randeeeeeeee 9 11 11 Abſtand des äußern Winkels vom innern Winkel 11 8,5 9 Breite der hinteren Fläche bei deren Mitte 6,5 6,5 6 Breite der inneren Fläche an der Baſis .. 6, 5 6 Allgemeiner Rückblick. Das Studium der Ver— knöcherung der Knorpel des Kehlkopfs kann mehrere Punkte der Anatomie und Phyſiologie des Stimmorganes erläutern. 1) Obwohl das Alter eine der Urſachen der Verknö— cherung der Knorpel iſt, ſo tritt dieſe Umbildung doch in ſehr verſchiedenen Lebensaltern ein. 2) Die Verknöcherung beginnt jedes Mal an beſtimm— ten Punkten der Knorpel und zwar gemeiniglich an den Stellen, welche der Anfügung der Muskeln entſprechen. 3) Der erſte Knorpel, welcher verknöchert, iſt die cart. ericoidea, und die letzten find die cartt. arytaenoideae. A) Wenn die c. cricoidea völlig verknöchert iſt, fo können deren allgemeine Dimenſionen in der Weiſe verändert ſein, daß der vordere Theil des Knorpels nicht mehr unter der c. khyreoidea einſetzt, und daher rührt die Schwierig— keit, die hohen Töne der Bruſtſtimme zu erzeugen. 5) Die c. thyreoidea erleidet in Folge ihrer Verknö— cherung bedeutende Veränderungen. Das Loch, welches man gewöhnlich vor der obern Tuberkel wahrnimmt, obliterirt; die von mehreren Anatomen beſchriebene ſchräge Linie, welche von andern weggeläugnet wird, kann in Form einer ſcharfen erista oder einer abgerundeten Leiſte erſchienen. Der untere Rand des Knorpels verdickt ſich, und dadurch wird das Einſetzen der c. ericoidea erſchwert. 6) Ein von der Verknöcherung unabhängiger Umftand kann auf den Umfang der Hebelbewegung der e. cricoidea einen bedeutenden Einfluß äußern, nämlich die Länge der untern Hörner der c. thyreoidea. Dieſe Länge iſt ſehr ver— ſchieden und nicht von den allgemeinen Dimenſionen des Knorpels abhängig. 7) Zwei Stellen der cartt. arytaenoideae widerſtehen der Verknöcherung ſehr lange; dieſe ſind die apophyses superiores und apophyses internae. 90. V. 2. Frauen im Alter von 32 Männer im Alter von — — — J. 70 J. 75 85 J. 92 J. 68 J. 1 OSB: Millimeter. Millimeter. 14 8„5 14,5 15 10 12,5, 2513 11 13 7 12 10,8 8 (Isar 9 10 9,5 11 9,8 1141 13 14 14 6 6 6,5 6,5 8 85 9 7 5,5 6 6 5 5 5 9 6 8) Zu den Knorpeln des Kehlkopfes ſind auch die corpuscula triticea zu rechnen, welche beim Verknöchern mehrentheils mit dem großen Horne der e. thyreoidea ver⸗ wachſen. (Archives générales de Médecine, Nov. 1847.) Miſecellen. (2) Zur Behandlung der erſten Symptome der aſiatiſchen Cholera, auf die es bei dieſer traurigen Krank⸗ heit ohne Zweifel ſehr und hauptſächlich ankömmt, empfehlen jetzt wieder die ruſſiſchen Arzte, mit Anführung großer Zahlen von be⸗ ſtätigenden Fällen, beim Eintritt der erſten Symptome, wie Schwin⸗ del, Übelkeit, Proſtration, Auftreibung des Unterleibes, Borborygmen und Wadenkrämpfe, eine allgemeine Erſchütterung des Körpers und ſtarke Erregung von Transſpiration; ſpeciell alſo eine ſtarke Doſis Brechwurzel (36), ſodann ſüßen Thee mit Rum, und ruſſiſche Bä⸗ der, wenn dieſe zu haben ſind, in denen dann der Körper ſtark ge⸗ rieben und geknetet werden ſoll. Sind ruſſiſche Dampfbäder nicht zu haben, ſo iſt das zweckmäßigſte ein warmes Waſſerbad und nach⸗ heriges Einwickeln in heiße Decken; oder auch ein Surrogat des ruſſiſchen Bades, welches dadurch bereitet wird, daß man eine große hölzerne Badewanne mit Tüchern luftdicht bedeckt, eine Kaſſerole mit brennendem Spiritus ans Fußende hineinſetzt, während in das andere Ende der Kranke in mehrfache Tücher eingewickelt ſo hineingeſetzt wird, daß nur der Kopf über die Decktücher herausſieht; in dieſem trocken heißen Bade bleibt der Kranke 20 Minuten, kommt dann in ein erwärmtes Bett, wird eingewickelt und bekommt Thee mit Rum. Dies wird öfters wiederholt. Erbrechen und Schwitzen ſind auch nach den neueren Erfahrungen die Hauptſache. Iſt man auf Waſſer⸗ bäder beſchränkt, fo ſetzt man denſelben 10 — 12 Loth Pottaſche zu und läßt ſie zu 30—31 R. nehmen, während auf den Kopf etwas kaltes Waſſer gegoſſen wird. (L'abeille du Nord.) (3) Atzammoniakflüſſigkeit äußerlich angewen⸗ det gegen grauen Staar wird nach den Annali de la Chir. 1847 (Schmidts Jahrb. 1847 S. 78) von Pugliatti zu Meſ⸗ fina als hülfreich gerühmt. Compreſſen, damit befeuchtet, ſollen auf der Schläfe mit einem Uhrglaſe bedeckt werden; es entſtehen Ve⸗ ſikeln und ein Schorf, dies wird 2—3 Monate lang nach Abfallen des Schorfes immer wiederholt, bis die verdunkelte Linſe wieder durchſichtig iſt (). Dabei innerlich Jodkalium. (Credat .. . !) Bibliographiſche Neuigkeiten. Büttner, Ch., die Entstehung des Erdballs, Mondes u. anderer grossen Welt- 1 gr. 8°. Geh. * 7, Thlr. Ferd. Enke’s Verlagsbuchh. iu Erlangen Hausmann, J. F. B., Handbuch der Mineralogie. 2. Thl. Syſtem und Geſchichte der Mineralkörper. 4. (letzte) Abth. 2. umgearb. Ausg. gr. 80. Geh. 2 Thlr. Vandenhöck u. Ruprecht in Göttingen 1847. Iconographie ornithologique. Nouveau recueil general de planches peintes d’oiseaux, pour servir de suite et de complement aux planches enluminees de Buffon etc. Publie par O. Desmurs. Dixieme livraison. In-folio de 8 fenilles. — Idem. In- de 4 feuilles. Paris 1847. Philippi, R. A., Abbildungen und Beschreibungen neuer Conchylien. 3. Bd. 1. Lig. gr. 40. color. * 2 Thlr. Fischer in Cassel 1847. Völker, A., chemische Untersuchung des Schildplatts. Inaugur.-Dissertation. gr. 8°. Geh. *12!/ Sgr. Schmerbersche Buchh. in Frankfurt a./M. 1847. Bidder, F. H., zur Lehre von dem Verhältniss der Gan; lienkörper zu den 7 gr. 40. Geh. 1½ Thlr. Breitkopf und H ärtel in Leipzig Mayer, E., Compendium der nal Medicin für angehende Aerzte u. Wund- ärzte. gr. 8%. Geh. * 2½ Thlr. Braumüller u. Seidel in Wien 1847. Dieffenbach, J. F., die operative Chirurgie. 10. Hft. od. II. Bd. 4. Hit. ie ST 1 8 8 i ain In Leipzig 1847. ndler, E. L. W., die officinellen Giftpflanzen. gr. 80, Geh. 2 lr. Edlerſche Buchh. in Hanau 1847. plan 5 Im-Thurn , E., besondere Arzneimittellehre für Thierärzte. Geh. 1½ Thlr. Jent u. Gassmann in Solothurn 1847. Feyerabend, E., neueſte Methode, das Stotterübel gründlich und nachhal⸗ da zu x. gr. 8, Geh. *8 Sgr. Baumann in Mariewerder. In omm. & gr. 80. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 91. (Nr. 3. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Schnetzler, anatomiſche und phyſtologiſche Beobachtungen über die Familie der Naiden. — d'O malius d' Halloy, Bemerkungen zu Gunſten der Hypotheſe der centralen Erdwärme. — Miſcellen. Coccionellen. — Heilkunde. einer stranguria durch secale cornutum. — Bibliographie. Hooker, über die Diatomaceen des antarctiſchen Oceans. Pemberton, Heilung eines Falles von Waſſerſcheu nach dem aile eines tollen Hundes. — Fall von Heilung eines Bruches des Schenkelbeinhalſes. — Spitzer, Ranula, nach ver Dieffenbachi 1 Schwärme von Adams, merkwürdiger Miſcelle. chen Methode geheilt. — Roß, Heilung Naturkunde. V. Anatomiſche und phyſiologiſche Beobachtungen über die Familie der Naiden. Von J. B. Schnetzler. Schon mehrfach zogen die kleinen, ſich im Frühjahre um Waſſerpflanzen ſchlängelnden, zur Familie der Naiden gehörenden Würmer die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher auf ſich: Trembley und Charles Bonnet machten zuerſt auf das Reproductionsvermögen bei gewaltſamer Theilung, ſowie auf ihre freiwillige Selbſttheilung aufmerkſam; O. F. Müller gab darauf eine vortreffliche Beſchreibung der Nais serpentina Lam., und kürzlich erſt hat Schmidt in Müller's Archiv die Organe dieſes Thieres ausführlich beſchrieben, die Fortpflanzung jedoch nicht berückſichtigt. Der Verf. hält nunmehr, da er faſt in allen Punkten Schmidt's Beobachtungen beſtätigen konnte, eine Wiederholung der— ſelben für unnöthig. Der Verf. fand die Nais serpentina im Mai an Waſſer⸗ linſen, deren Wurzeln ſie umſchlängelte; ſeine Aufmerkſamkeit richtete ſich zunächſt auf das Circulationsſyſtem; ein langes, am Rücken gelegenes, aus einer Reihe contractiler Falten beſtehendes Gefäß wird durch einander folgende vom hintern Schwanzende bis zum vordern Theile des Kopfes gehende Pulſationen bewegt. Das Blut des Rückengefäßes geht durch eine Art Schlundring, aus zwei ſtarken Gefäßäſten gebildet, in die Bauchvene. Sehr contractile, ſich zwiſchen der Rückenarterie und Bauchvene befindende Knötchen er— ſetzen die fehlende Pulſation der letzteren. Zahlreiche, na— mentlich in der Speiſeröhrengegend vorherrſchende Anaſto— moſen vereinigen dieſe beiden großen Cireulationsſyſteme. Bei der viel größeren Nais linearis läßt ſich die Circulation noch leichter beobachten. Die vena abdominalis ſchickt jeit- lich Verzweigungen in die Haut, die namentlich im Schwanze No. 2071. — 971. — 91. ſehr zahlreich ſind und durch aufſteigende Aſte mit dem Rückengefäße communieiren; am After gelegene Anaſtomoſen führen endlich das venöſe Blut in die Rückenarterie zurück und vervollſtändigen jo das Cireulationsſyſtem. Die Verdauung geht in einem langen Darmeanale, der in ſeinem Verlaufe zahlreiche Falten bildet, vor ſich. Der Mund liegt in beiden erwähnten Naisarten nach unten, ihm folgt eine ſehr weite, von einem weißlichen, drüſigen Stoffe umgebene Speiſeröhre. Der eigentliche Darmeanal zeigt keinen beſtimmt angeordneten Magen und iſt ſeiner größten Ausdehnung nach wie der größte Theil des Rückengefäßes von einer bräunlich gefärbten Drüſenſchicht umgeben. Dieſe Drüſen dienen wahrſcheinlich zur Umwandlung des in dem Darme bereiteten Nahrungsſaftes, ſowie zur Abſorption und Überführung desſelben in die Leibeshöhle, wo er eine klare, durchſichtige, körnige Kügelchen enthaltende Flüſſigkeit dar— ſtellt. Auch dieſer chylus zeigt eine Art Circulation, die durch die Pulſation des Rückengefäßes, die Contractionen des Darmcanales und der Bauchmuskeln veranlaßt wird; er umſpült die weſentlichſten Theile des Gefäßſyſtemes, wird von demſelben abſorbirt und nimmt alsdann an ſeinem regelmäßigen Kreislaufe Theil. Bei der Nais serpentina erkennt man an der ganzen innern Fläche des Darmcanales eine ſehr lebhafte Flimmerbewegung, die von der Willkür, ja ſelbſt vom Leben des Thieres unabhängig iſt und noch längere Zeit an kleinen, von dem Thiere getrennten Läpp— chen des Canales fortdauert. Das Nervenſyſtem zeigt ſich bei den Najaden in Form eines Bandes, von deſſen gezähn— tem Rande die Nervenfaſern ausgehen; es nimmt die ganze Länge der Bauchſeite ein und bildet einen Ring um die Speiſeröhre. Der Muskelapparat iſt ſehr entwickelt, die Wandungen des Körpers find mit ſtarken, contractilen Längs— muskeln verſehen, zwei ſolcher Bündel verlaufen ſeitlich über 3 39 91. V. 3. 40 weiter nachzuweiſen, wie alles, was uns das Studium der Erde zeigt, bei dieſer Annahme genugſam zu erklären iſt, ſich auch ſehr wohl auf Naturgeſetze, „die noch jetzt thätig ſind,“ berufen könnte. Der Verf. wendet hier ein Gleichniß an: Geſetzt in einem Lande wäre die Kunſt des Erzſchmelzens unbekannt, aber heimlich von menſchlichen Wohnungen entfernt arbei— tende Schmelzer würden das Opfer einer in ſolchen Offieinen bisweilen vorkommenden Exploſion. Die Bewohner des Landes entdeckten den Schauplatz der Verwüſtung, unter ihnen entſpann ſich ein Streit, einige ſchloſſen nach dem zertrümmerten Ofen und dem Zuſtande der Leichen, daß eine Erploſton ſie getödtet habe, andere nahmen dagegen lieber an, daß ſie erſtickt oder durch ſchädliche Dünſte vergiftet wären, als daß ſie ſich zu einer unbekannten Urſache ent— ſchließen konnten, für die ſie in den Schmieden kein Bei— ſpiel hatten. Der Streit im Gleichniſſe zeigt nach dem Verf. das genaue Verhältniß des Streites der Anhänger der centralen Erdwärme mit dem der Anhänger der noch thä— tigen Kräfte. Wieder auf die Hypotheſe des Sinkens der großen Con— tinente zurückkommend, will der Verf. nur bemerken, daß dieſe Anſicht noch lange nicht ſo außer Zweifel iſt, als manche Geologen ſie ſich denken z wenn wir nämlich den Boden unſeres Feſtlandes unterſuchen, werden wir mehr oder weniger be— trächtliche Theile finden, die zur Primärperiode nicht von den ſpäteren Niederſchlägen der Meere bedeckt waren, und daß zugleich in den Theilen, wo ſecundäre und tertiäre Meerniederſchläge vorhanden ſind, ſie Überreſte organiſirter Körper enthalten, die an derſelben Stelle, wo ſie gefunden werden, gelebt zu haben ſcheinen. Da es aber ſcheint, als wenn organifche Weſen nicht in ſehr großer Tiefe leben können und es annehmbar iſt, daß der eine oder andere Theil der Erde, der keine ſecundären oder tertiären Meeres— niederſchläge zeigt, ſchon vor dieſer Zeit aus dem Waſſer hervortauchte, ſo muß man darnach ſchließen, daß ſchon in der älteſten Zeit einige Theile des Landes über dem Meere, die anderen nur wenig unter ſeinem Spiegel lagen. Wenn wir andererſeits die großen Meere betrachten, finden wir die ungeheuerſten Tiefen und nichts, was die Überreſte eines alten Feſtlandes anzeigt; in den polyneſiſchen Inſeln hat man zwar das letztere zu finden geglaubt, dieſe Inſeln find aber faſt ausſchließlich vuleaniſchen Urſprungs und überdies noch durch eine uralte Korallenbildung entſtanden, fo daß ſchon die ungeheure Tiefe des Meeres in ihrer Nach— barſchaft dieſer Anſicht nicht ſehr günſtig iſt. Übrigens iſt der Verf., wenngleich er Zweifel gegen die Verrückung der Continente erhebt, doch weit entfernt, beſtreiten zu wollen, daß die noch fortdauernden Hebungen und Senkungen in den Theilen der Erde, wo ſich unſer Feſtland mit ſeinen Inſelgruppen findet, eine Reihe von Hervortauchungen und Überſchwemmungen bewirkt und ſo die Geſtalt der gehobenen Länder ſehr verändert habe. Des Verf. Anſicht iſt vielmehr, daß der Theil, wo ſich unſere jetzigen Länder finden, ſchon in der älteſten Zeit von beträchtlicher Höhe geweſen, und daß die Fortdauer geologiſcher Erſcheinungen nur ſeine Aus— dehnung vermehrt habe. Dieſe Anſicht iſt mit Elie de Beaumont, nach dem die höchſten Gebirge am ſpäteſten gehoben ſind, durchaus übereinſtimmend, da man weiß, daß zu der Zeit, wo die Erdoberfläche weniger Unebenheiten zeigte, d. h. als die ſich über das Meer erhebenden Maſſen noch weniger feſte Stoffe enthielten, die dom Waſſer be— deckte Erdoberfläche viel ausgedehnter als gegenwärtig war, weßhalb auch in den primären Schichten Überreſte von Land— und Süßwaſſerthieren ſo ſelten ſind. Auch mit der Anſicht, die den Urſprung der Landeserhebungen in den Verſchie— bungen der den flüſſigen Erdkern umgebenden Kruſte erblickt, iſt des Verf. Annahme in Einklang, da man leicht begreift, daß die Theile, die in der erſten Zeit am meiſten verſcho— ben und gehoben wurden, auch fernerhin diejenigen waren, die dem ſich mit Gewalt nach außen drängenden flüſſigen Inhalt den geringſten Widerſtand entgegenſetzten. (Bulletin de la société geologique 1847 p. 531.) Mifcellen 4. Über die Diatomaceen des antaretiſchen Oceans von F. D. Hooker. Das Waſſer, insbefondere aber das neu entftandene Eis des antarctiſchen Meeres vom 60. bis zum 80° ſüdlicher Breite wimmelt von dieſen zweifelhaften Organismen, die der Verf. auf die Beobachtung Thwaites, die wir bereits un⸗ ſern Leſern mittheilten, geſtützt, als Pflanzen betrachtet, und die in ſolcher Menge vorhanden ſind, daß ſie, ſo weit das Auge reicht, der Meeresfläche eine hellbraune Farbe ertheilen. Der Verf. glaubt, daß ſie im ganzen Ocean vorkommen, ihrer Kleinheit wegen aber nur da ſichtbar werden, wo ſie in Maſſe zuſammengetrieben, mit undurchſichtigen Gegenſtänden contraſtiren. Man fand ſie nämlich im Magen der Salpa und anderer Seethiere in allen Breiten, ſo— wohl unter dem Wendekreiſe als im höchſten Norden. Nach Ehren— berg's und des Verf. eigenen Beobachtungen kommt letzterer zu folgenden bemerkenswerthen Reſultaten. 1) Die Gewäſſer der Polar: kreiſe wimmeln von einer ganz anderen Vegetation, wie man ſie bisher für dieſe Gegenden vermuthete; die Artenzahl der Diatoma— ceen vermehrt ſich, je näher man dem Pole kommt. 2) Sämmtliche Thiere dieſes Gewäſſers ſcheinen einzig und allein von dieſer Ve— getation zu leben; fie erhält das Gleichgewicht zwiſchen Thier⸗ und Pflanzenreich, und den Wechſel der Atmoſphäre, wie es in gemäßigteren Gegenden durch hoͤhere Pflanzen geſchieht. 3) Nicht alle Gattungen und Arten der im Polarmeere gefundenen Diatoma⸗ ceen find nur dieſen Breiten angehörig; einige find auch zwifchen Spitzbergen und Victoria-Land zu Hauſe, andere waren nach Ehren- berg ſchon früher als in Nord- und Südamerica, im ſüdlichen Europa und im Norden von Africa einheimiſch, ſogar foſſil in Funchal, in vulcaniſchen Aſchen u. ſ. w. vorkommend, bekannt, Noch andere hier gefundene Arten wurden früher von Darwin weſtlich vom Vorgebirge der grünen Inſeln geſammelt, wo ſie mit einem undurchdringlichen Nebel auf das Schiff herabfielen. 4) Dieſe Organismen bilden nach ihrem Abſterben durch ihre Kieſelſchalen ungeheure Bänke, die ſich vom 76. bis 78. Grade ſüdlicher Breite und vom 165. Grade öſtlicher bis zum 160. Grade weſtlicher Länge, alſo über eine Längenausdehnung von 400 und einen Breitenraum von 120 Meilen erſtrecken. Das Senkblei ſinkt bisweilen 2 Fuß tief in dieſe Ablagerungen ein und bringt hier überall die Über: reſte dieſer noch an der Oberfläche des Meeres lebenden Weſen mit Sand und andern Stoffen vermiſcht, zu Tage. 5) Kann man wohl annehmen, daß dieſe Ablagerungen auf dem Ufer des Victoria— Landes und der Bank (2) gleichen Namens ruhen und von hier aus die unter dem Meere gelegenen Wände des Erebus, eines 12,000 hohen noch thätigen Vulcanes bilden: und fo iſt es, da Bimsſtein 41 91. V.IS. 42 ſowie vulcaniſche Aſchen häufig aus Diatomaceenreſten beſtehen, nicht unmöglich, daß hier eine directe Verbindung zwiſchen der noch unter dem Meere gelegenen Feuereſſe dieſes Vuleanes und dem Diatomeen⸗ lager Statt findet. 6) Dieſes Diatomeen-Bette zieht ſich längs der ganzen Victoriabank, eines 400 Meilen langen Eisberges, der meerwärts in die See hineinragt und landwärts in einem un⸗ unterbrochenen Zuge vom Krater des Erebus und anderer Berge des Victoria⸗Landes bis zur See verläuft, hinab. Durch den ſich mehrenden Niederſchlag mußte auch dieſer Gletſcher immer tiefer in die See vorrücken, da, ſowie ſich von unten neue Ablagerungs⸗ ſchichten aus dem Meere erhoben, ſie von oben mit Schnee und Eis bedeckt wurden. (Gardner's Chronicle 1847, No. 38.) 5. Ungeheure Schwärme von Coccionellen (lady- birds) wurden in diefem Sommer an mehreren Orten Englands beobachtet. In der Umgegend des Romney-Moores ſah W. Allen mehrere Meilen weit die Landſtraße mit ungeheuren Mengen dieſer kleinen Käfer, die vorzüglich hervorragende Gegenſtände, als Chauſſee-Pfähle und Umzäunungen bedeckten, überſäet. Die Thiere waren beſonders in der vor dem Winde geſchützten Seite in größter Menge vorhanden; der Wind war anhaltend öſtlich oder nordöſtlich geweſen. — Nach den Times ſah man Donnerstag Abend (das Datum fehlt) zwiſchen 5 und 6 Uhr von der Höhe von Ramsgate und Margate eine lange, mehrere Meilen ſeewärts ſich ausbreitende Wolke, die aus der Richtung von Calais und Oſtende nach der ſüdlichen Küſte Englands ſteuerte und der langen Rauchſäule eines Dampfſchiffes bei ruhigem Wetter glich. Um 10 Uhr Abends war zum allgemeinen Staunen der Spaziergänger alles mit Sonnenkäfern bedeckt, und ſie ſelbſt zum Theil ſo von ihnen überſchüttet, daß ihre Kleider rothen Panzerhemden glichen. Die ganze Küſte war am andern Morgen mit ihnen überſäet; vom Hafendamme zu Margate fegte man nicht weniger als 5 Scheffel zufammen: woher fie gekommen, blieb unbekannt. — Zu Brighton erſchienen ſie am Sonnabend und Sonntag und wurden zu Tauſenden auf der großen Parade und den benachbarten Straßen zertreten, die Häuſer wie die Kleider der Fußgänger waren über und über mit ihnen bedeckt; ein ähnlicher Schwarm beſuchte die Stadt vor 7 Jahren, und 3 Jahr früher in geringerem Grade. — Zu South⸗ end erſchien ein ſolcher, mindeſtens aus 5 Arten des Sonnenkäfers beſtehender Schwarm am Freitage; meilenweit ſchien die Küſte wie von ſchwärmenden Bienen beſucht. Tauſende wurden vom Meere verſchlungen, und dennoch waren alle vor dem Winde geſchützten Gegenſtände von ihnen farbig überzogen. Die Thiere waren wäh- rend der Nacht bei Oſtwind gekommen, und wurden von den Land⸗ leuten, welche in ihnen die Vertilger der Aphisarten, der ſchädlichſten Inſecten für die Vegetation erblickten, freudig begrüßt. (The Zoo- logist 1847, No. 58.) Heilkunde. (III.) Waſſerſcheu nach dem Biſſe eines tollen Hundes, glücklich geheilt. Von J. O. Pemberton. Am 16. Februar 1842 bat mich eine Frau, Namens Bradley, ihre 14jährige Tochter zu beſuchen, welche ſehr krank und von Sinnen ſei. Die Geſchichte, welche ſie mir mittheilte, war, daß ihre Tochter vor vierzehn Tagen verdroſſen und ſtumpfſinnig ge— worden ſei, die Einſamkeit geſucht habe und beſtändig in ſich hineingemurmelt habe; dabei ſei ſie ſehr eigenſinnig und reizbar geworden, ſo daß ſie nicht den geringſten Wider— ſpruch geduldet und alles gethan habe, was ihr gerade in den Sinn gekommen, obwohl fie früher gehorſam geweſen ſei; wenn man einem ihrer Geſchwiſter die ge— ringſte Aufmerkſamkeit erwieſen habe, ſo ſei ſie eiferſüchtig geworden; ſie habe den Appetit verloren und außer einigen kalten Kartoffeln, die ſie, nachdem die Familie abgegeſſen, ver— ſtohlenerweiſe zu ſich genommen, habe ſie nichts genoſſen. So ſei es täglich ſchlimmer mit ihr geworden, indem ſie laut mit ſelbſt geſprochen, brünſtig gebetet und dann plötzlich alles, was ihr vorgekommen, ihren Geſchwiſtern an den Kopf ge— worfen, zuletzt auch geflucht und gottesläſterliche Reden ge— führt habe. Endlich ſei eine wahre Raſerei ausgebrochen, und ſie ſei andern Perſonen ſo gefährlich geworden, daß man ſie habe binden müſſen. Einer ihrer Verwandten, ein junger, ſtarker Mann, vor dem fie Reſpeet gehabt, ſei Tag und Nacht bei ihr geblieben, um ſie zu bewachen und nö— thigenfalls zu binden. Ihr Gedächtniß habe nicht gelitten, da fie alle Nachbarn, die fie beſuchten, erkenne. In dieſem Zus ſtande befand ſich das Mädchen, als ich zu Hülfe gerufen wurde. Ich fand ſie ſehr abgemagert, mit blutrünſtigen Augen und einem eigenthümlich wilden Ausdrucke derſelben. Ihr Mund war mit einem dicken, klebrigen Geifer gefüllt, der an den Winkeln heraustriefte. Von dieſem ſuchte ſie ſich, wenn ihr die Hände auf den Rücken gebunden waren, durch Spucken zu befreien, was ihr jedoch, bei der Zähigkeit des Geifers und weil er ſich fehr. ſchnell wieder bildete, nur unvollſtändig gelang. Wenn ſie die Hände frei hatte, fo bediente ſie ſich derſelben fortwährend, um den Geifer zu beſeitigen, und ſchleuderte denſelben nach den Anweſen— den unter den gräulichſten Verwünſchungen. Ich ſuchte mehrmals ihren Puls zu fühlen, allein ſie verſuchte jedes Mal mich zu beißen. Endlich faßte ich ſie richtig; allein ſie ſträubte ſich ſo ſehr, daß ich ihn nicht genau zählen konnte; doch mochten auf die Minute wohl 140 — 150 Schläge kommen. Ich zeigte ihr meine Uhr, allein ſie wollte nicht nach derſelben ſehen, ſondern wandte ſich weg. Ich verordnete dann, daß man ihr Waſſer geben ſolle. Dies wurde ihr in einem flachen, hölzernen Napfe gereicht, den ſie mit einigem Widerſtreben faßte; und indem ſie das Waſ— ſer anſah, zitterte ſie an allen Gliedern. Als man ihr zu— redete, daß ſie trinken möge, faßte ſie das Gefäß mit beiden Händen und ſtarrte mit gerunzelter Stirn nach dem Waſſer, und als man ſie noch weiter nöthigte, verſchluckte ſie ver— möge einer plötzlichen Willensanſtrengung etwas von dem— ſelben und warf dann das Gefäß weg, worauf ſie ſchwankte und äußerſt erſchöpft ſchien, ſo daß man ſie ſtützen mußte. Als ich die Mutter darüber befragte, ob ihr nicht bewußt ſei, daß ihrer Tochter, bevor ſie in dieſen Zuſtand gerathen, irgend etwas zugeſtoßen ſei, erfuhr ich, daß das Mädchen vor etwa einem halben Jahre von einem Hunde angefallen 43 91. V. 3. 44 und an drei Stellen in das linke Bein, ſowie in die innere Seite des rechten Armes gebiſſen worden ſei. Aus dem Arme ſei dabei ein Stück Fleiſch geriſſen worden, ſo daß eine Wunde von der Größe eines Thalerſtücks entftanden ſei. Ein Arzt habe die Wunden verbunden. Der Hund ſei erſäuft, und einem alten Gebrauche zufolge, ein Stück von deſſen Leber auf jede der Wunden gelegt worden, welche erſt nach etwa 4 Monaten völlig zugeheilt ſeien. Das Mäd— chen ſei ſonſt immer geſund geweſen. Dabei äußerte ſie auch, es habe ſeit 3—4 Tagen gar nicht geſchlafen. Ich ließ der Patientin ſogleich den Kopf rafiren, kalte Umſchläge auf denſelben und ein Blaſenpflaſter in den Nacken legen. Außerdem ward alle drei Stunden von einer rechweinſteinmirtur, ſowie drei Mal täglich 4 Gran Calo— mel gereicht. Am 18. hatte die Patientin in der vergangenen Nacht eine halbe Stunde geſchlafen. Sie war nicht mehr ganz ſo reizbar, ſtieß aber noch Verwünſchungen aus. Sie hatte nur ein Pulver und von der Mirtur nicht regelmäßig ein— genommen, weßhalb ihr die Mutter die doppelte Doſis ge— geben, was Übelkeit und Erbrechen veranlaßt hatte. Sie hatte zwei Stühle gehabt und wollte die Zunge nicht heraus— ſtecken, überhaupt nichts thun, was man ihr hieß. Ich verordnete mit dem Calomel und dem Brechweinſtein fort— zufahren. Am 19. Sie hatte die Nacht über mehr geſchlafen als in den letzten vierzehn Tagen. Ihr allgemeines An— ſehen hatte ſich gebeſſert. Die Augen waren weniger wild und ſtier. Sie ſchwatzte noch viel, aber mehr in Schelt— worten als Verwünſchungen, war überhaupt weniger heftig und reizbar. Der Mund geiferte weniger ſtark, allein ſie mußte den Geifer noch immer mit den Fingern beſeitigen. Er hing nicht mehr aus dem Munde heraus und war we— niger zäh. Die Brechweinſteinmirtur war ihr wieder in doppelter Doſis gereicht worden und Erbrechen darauf er— folgt. Nur ein Mal ließ ich ſie ein wenig Waſſer trinken, gegen welches ſie einige Abneigung zeigte, obwohl ſie etwas davon verſchluckte. Puls 120. Stühle reichlich. Fort— ſetzung der Arzneimittel. Am 20. Sie ſchien dieſen Morgen um vieles beſſer, hatte in der vergangenen Nacht zwei Stunden geſchlafen und zeigte ſich weit weniger geſchwätzig. Der Speichelfluß hatte ſich vermindert und der Geifer an Zähigkeit verloren. Geſichtsausdruck weit günftiger; Augen weit weniger mit Blut unterlaufen und nicht ſo wild wie früher. Gegen Nahrungsſtoffe fand noch immer eine bedeutende Abneigung Statt, allein ſie genoß doch davon mehr, als bereits ſeit längerer Zeit. Im Laufe des Tages trank ſie ein wenig Molken, nahm auch die Mixtur regelmäßiger, welche günftig auf die Eingeweide wirkte. Puls 100 und voll. Am 21. Dieſen Morgen war die Beſſerung in jeder Beziehung bedeutend fortgeſchritten. Patientin hatte in der letzten Nacht viel geſchlafen und zeigte ſich weit fügſamer. Der Speichelfluß hatte ſich wieder vermindert, und die Patientin ſchwatzte nicht mehr fo unaufhörlich. Sie hatte geſtern mehr gegeſſen, als ſeit mehreren Wochen, und die Speiſen von ihrer Mutter angenommen. Auch gegen ihre Geſchwiſter und Bekannte zeigte ſie ſich weniger feindſelig. Verwün— ſchungen ſtieß ſie nicht mehr aus. Zwei Stühle; Puls 100. Mit der Brechweinſteinmirtur wird fortgefahren. Am 22. Dieſen Morgen bedeutende Beſſerung; hat letzte Nacht mehrere Stunden lang ruhig geſchlafen; Füg— ſamkeit und Friedfertigkeit nehmen zu; genießt mehr feſte Nahrungsſtoffe; Geſichtsausdruck natürlicher und Augen nicht mehr geröthet; nimmt die Mixtur regelmäßig. Puls 90 und voller. Das Calomel wird ausgeſetzt, mit der Mixtur aber fortgefahren. Am 23. Beſſerung ſtets im Fortſchreiten; hat ſeit geſtern viel geſchlafen und iſt weit ruhiger und vernünftiger; ſchwatzt nicht mehr ſchnell und hat ganz aufgehört zu flu— chen; hat im Laufe des vorigen Tages gegeſſen. Speichel weniger reichlich fließend und von mehr natürlicher Be— ſchaffenheit. Zeigt ſich durchaus nicht mehr bösartig und hat ſich mit ihren Geſchwiſtern ausgeſöhnt. Puls 90, voller und weicher. Drei Stühle. Die Doſis der Brechweinſtein⸗ mixtur wird vermindert. Am 24. Beſſerung ſchnell fortſchreitend; hat bei Tage und Nacht geſchlafen; fühlt ſich durchaus beſſer und ſpricht weniger, verlangte Speiſe und aß mit Appetit; Mund von Geifer faſt frei; hat mit ihren Geſchwiſtern freundlich ge— ſprochen. Puls 80, voll und weich. Geſichtsausdruck na⸗ türlich. Keine Verſtopfung. Um die Einzelheiten dieſes Falles abzukürzen, will ich nur noch bemerken, daß die Wiederherſtellung der Patientin nunmehr raſch erfolgte. Nach vier Tagen war jedes Sym— ptom der Krankheit, mit Ausnahme der bedeutenden Schwäche, verſchwunden. Vor einigen Monaten ſah ich ſie als ein blühendes, vollkommen geſundes Mädchen. Ich fragte ihre Mutter, ob ſie je von ihrer frühern Krankheit ſpreche und erfuhr, daß dies nicht der Fall und daß ihr jede Anſpie— lung auf dieſelbe unangenehm ſei. (Dublin quart. Journ. of Med. Science, Febr. 1847.) (IV.) Merkwürdiger Fall von Heilung eines Bruches des Schenkelbeinhalſes. Von Robert Adams. Wir theilen dieſen Fall, obwohl er ſchon im Jahre 1839 in Todd's Cyclopaedia of Anatomy and Physiology dem engliſchen Publicum bekannt geworden, aus dem Dublin quart. Journ. of Med. Science, November 1846 mit. Nach einer gründlichen Beſprechung der Frage, ob bei dieſer Verletzung ein wirkliches Zuſammenheilen der Knochen— fragmente Statt finden könne, ſagt Hr. Adams: Unlängſt hatte ich Gelegenheit, bei einer Section die merkwürdige Erſcheinung eines zuſammengeheilten Intracap— ſularbruches zu beobachten. Die Geſchichte des Falles iſt folgende. Owen Curran, 70 Jahr alt, hatte die letzten fünf Jahre im Armen -Arbeitshauſe zugebracht. Er war ſehr ſchwach auf den Beinen, und ſein Geiſteszuſtand grenzte an 45 91. v. 3. 46 Blödſinn. Als er am 31. Auguſt 1837 durch das Zimmer ging, fiel er auf die rechte Seite. Er konnte nicht wieder aufſtehen und klagte über Schmerz in der rechten Hüfte. Man brachte ihn zu Bett, und Hr. William Johnſton, der damals mein Clinicum beſuchte, beſichtigte ihn ſogleich und fand das Bein auswärts gekehrt und nur ½ Zoll kürzer, als das andere. Hr. Johnſton hielt die Verletzung für einen Bruch des Schenkelbeinhalſes, welcher keine andere chirurgiſche Behandlung in Anſpruch nehme, als daß man das Glied über Kiſſen in eine halbgebeugte Lage bringe und in dieſer erhalte. Der alte Mann hatte in dem be— ſchädigten Theile keine bedeutenden Schmerzen oder klagte wenigſtens nicht über ſolche. Etwa fünf Wochen nach dem Unfalle hob man ihn aus dem Bette, und als man ihn auftreten ließ, konnte er die Ferſe des leidenden Beines mit dem Fußboden in Berührung bringen. Am 30. September, alſo etwa acht Wochen nach dem Unfalle, trug Hr. Smith folgende Angaben über den frag— lichen Fall in das Notizenbuch ein: „Wenn der Patient im Bette liegt, kann er das kranke Glied durch die Muskeln desſelben heben. Die Auswärts— kehrung iſt gering, und der Grad der Verkürzung beträgt 1 Zoll. Das Bein läßt ſich ſelbſt mit Gewalt nicht ſo lang ſtrecken, als das andere. Nach der Geſchichte und den Symptomen des Falles zu ſchließen, ſcheint hier ein ein— gekeilter Knochenbruch (impacted fracture) vorzuliegen.“ Dieſer Mann lebte nach dem Unfalle noch ein Jahr und beinahe zehn Monate und war während dieſer ganzen Zeit froh, wenn er nur immer im Bette liegen konnte. Er konnte aber auf den Füßen ſtehen und auch gehen, obwohl er es nicht wollte. Dienstags den 20. Mai 1839 bekam er einen Anfall von bronchitis, welcher am folgenden Frei— tage ſeinem Leben ein Ende machte. Sonnabends den 25. Mai nahm ich, im Beiſein des Hrn. Brabazon und mehrerer meiner Schüler, die Section vor. Der rechte Un— ter- und Oberſchenkel waren bedeutend auswärts gekehrt, der trochanter major gehoben und ftarf nach außen vorra— gend; die Verkürzung betrug genau 1 Zoll; die Muskeln boten ein geſundes Anſehen dar; das Capſelligament war gelblich gefärbt und ein wenig verdickt. Das kemur wurde aus dem acetabulum herausgenommen; dieſe Höhle hatte ein geſundes Anſehen, ausgenommen am Rande, wo der Knorpel erweicht war. Das runde Ligament war geſund. Der Kopf und Hals des Knochens hatten ihre normal ſchräge Richtung eingebüßt und ſtanden faſt horizontal einwärts. Am Halſe ließen ſich, ſowohl vorn, als hinten, Kennzeichen eines innerhalb der Gelenkeapſel Statt gefundenen Quer: bruches wahrnehmen. Der kugelförmige Kopf war ſowohl hinten als vorn der hintern linea intertrochanterica und dem trochanter minor ſehr genähert, ſo daß der Hals, außer vorn, wo ein deutlich markirter Knochenrücken den Sitz der Verſchiebung und der Wiedervereinigung der Fragmente an— zeigte, faſt verſchwunden war. Dieſer Rücken oder dieſe erista iſt offenbar das obere Ende des untern Fragments des Halſes. Hinterwärts hatte die Bruchſtelle dem Rande des Knochenkopfes näher gelegen, als vorn, und hinten war auch die faſerige Synovialfalte nicht zerriſſen geweſen. Man hat den Knochen durch den Kopf, Hals und trochanter durchſchnitten und eine Portion macerirt und gekocht, ohne daß dieſe Proceſſe die Verbindung der beiden Fragmente aufgehoben hätten. Vom Halſe iſt faſt gar nichts übrig. Man machte auch einen Durchſchnitt vom Kopf und Hals, und dadurch wurde die dichte Linie deutlich, in welcher die Fragmente ſich vereinigt haben. Der Kopf und Schaft ſcheinen gegenſeitig in einander geſchoben und faſt der ganze Hals ſcheint reſorbirt zu ſein. Die Vereinigungslinie iſt zackig, maſſio und unbeweglich, und die Zellen des Kopfes und Schaftes ſcheinen überall frei mit einander zu com⸗ munieiren, ausgenommen da, wo die Linie von derbem Gefüge die Verwachſung der übrig gebliebenen Theile des Schenkelbeinhalſes und Kopfes bezeichnet. Der Knochen war am 25. Mai im friſchen Zuſtande der pathologiſchen Ge— ſellſchaft vorgezeigt, und ſämmtliche anweſende Mitglieder waren entſchieden der Anſicht, daß hier ein Fall vom Bruche des Schenkelbeinhalſes innerhalb der Gelenkeapſel vorliege, 1 durch einen knochigen callus dauerhaft zufammenge: eilt ſei. (V.) Ranula, nach der Dieffenbachiſchen Methode geheilt. Mittheilung des Prof. Dr. Svitzer in Kopenhagen. Eine Amaker Frau bat mich um Hülfe gegen eine Ge— ſchwulſt, welche in ihrem Munde an der linken Seite unter der Zunge ſaß. Sie hatte verſchiedene Gurgelwaſſer und äußere Salben gebraucht, welche anfangs geholfen zu haben ſchienen, ſpäter aber nichts mehr wirkten. Die Geſchwulſt war 1 Zoll lang und ½/ Zoll breit und hatte große Ahnlichkeit mit einem Mandelkerne; fe war an beiden Seiten conder und hatte oben einen hervorſtehen— den converen Rand. Sie war bläulichroth, beſonders an dem hintern Theile. Beim Befühlen bemerkte ich, daß die Ge— ſchwulſt elaſtiſch und von einem darin befindlichen Fluidum geſpannt ſei. Spuren von harten Theilen konnte ich nicht entdecken. Ich hielt die Geſchwulſt danach für eine ranula. Da ich vor kurzem den Bericht meines Landsmannes Boch in der „Bibliothek for Läger“ geleſen hatte, über glückliche Reſultate, welche Dieffen bach bei der von ihm ſelbſt empfohlenen Methode erlangt hatte, ſo beſchloß ich, dieſe anzuwenden. Zu dem Ende nahm ich 8 feine baumwollene Faden ½ Elle lang, zog fie neben einander liegend durch das Ohr einer krummen Nadel, welche ich mit einem Nadelhalter oberhalb des Ohres faßte. Darauf führte ich die Nadel quer durch die Geſchwulſt von der Seite der Zunge nach außen gegen die innere Fläche des Unterkieferknochens und zog ſo die Faden durch. An dem oberen Rande desſelben Knochens wurde nun ein doppelter Knoten gemacht, und die beiden Enden wurden dicht oberhalb dieſes Knotens abgeſchnitten. Ich empfahl Ruhe und Diät, und nach 2 Tagen bemerkte ich, daß die Geſchwulſt ſchon ſehr an Größe abgenommen 47 91. V. 3. 48 hatte. Zugleich erzählte mir Pat., daß ſehr viel zäher Schleim ausgefloſſen ſei. Ich ließ ſie noch einige Tage in der Stadt bleiben, ſo daß ich mich von der täglichen Verkleinerung der Geſchwulſt überzeugen konnte. Später ließ ich ſie reiſen, ſah ſie aber zwei Mal wöchentlich wieder. Nach 14 Tagen war die Geſchwulſt verſchwunden und das setaceum ausgefallen. — Die Heilung dieſer Geſchwülſte durch jenes Mittel habe ich mir ſo gedacht, daß der ductus salivalis ſich nach und nach zu dem natürlichen Volumen zuſammenziehe, während die innere Haut des Mundes ſich durch die Stichöffnungen fortpflanze, welche auf dieſe Weiſe die früher verſtopfte Offnung erſetzen. Vor einigen Tagen fand die Patientin ſich wieder bei mir ein. Die Geſchwulſt hatte ſich nicht wieder gezeigt; und es ſchien mir eine kleine Offnung vorhanden zu ſein, wo das vordere Ende der Schnur gelegen hatte. Über die wahre pathologiſche Beſchaffenheit dieſer Krank— heit herrſchen gegenwärtig zwei Hauptanſichten, nämlich daß fie entweder eine Erweiterung des ductus Wartho- nianus oder eine eigene für ſich beſtehende eysta ſei (wie z. B. Prof. Bentz [(Bibliothek for Läger 1841] meint, der ihren Sitz in der glandula sublingualis annimmt, wie in dem Falle ſich fand, welchen er unterſuchte). Die letzte Meinung ſtützt ſich darauf, daß Gmelin das Fluidum in der ranula aus Waſſer, Eiweißſtoff und kohlenſaurem und ſalpeterſaurem Alkali beſtehend gefunden habe. — Es iſt daher nicht dem Speichel ähnlich, da ſchwefelſaures Alkali gefehlt hat und es nur wenig Speichelſtoff enthielt und größtentheils aus Eiweißſtoff beſtand, welcher im geſun— den Speichel nicht vorkommt. Wenn man auch nur einen flüchtigen Blick auf die Literatur wirft, ſo ſieht man doch verſchiedene Metho— den gegen dieſe Krankheit angewandt. Unſer alter Cal= liſen räth, die ganze Geſchwulſt zu durchſchneiden und ihre Höhle mit Salzſäure zu bepinſeln; Richter empfiehlt das Offnen der Geſchwulſt und die Ausſchälung der inne— ren Bekleidung; Bell hält Ineiſion der ganzen Länge der Ge— ſchwulſt und Bepinſeln mit tinctura Chinae oder heißem Waſſer für das richtigſte; Boyer verſichert, daß eine bogenförmige Inciſion in die Geſchwulſt und das Wegnehmen eines Stückes des Lappens ſich immer wohlthätig gezeigt habe; Du puy— tren behauptet, daß Ineiſion und Einlegung eines kleinen Gold-, Silber- oder Platincylinders ihm die gewünſchte Hülfe gegeben habe, welche Methode auch von Chelius empfohlen wird. Gräfe räth, einen kleinen Theil auf der Mitte des tumor mit einer Hakenpincette zu faſſen und denſelben mit einer krummen Scheere wegzuſchneiden und ihn darauf mit Salzſäure zu bepinſeln. Wenn das Geſchwür ſo groß iſt, daß es unter der maxilla inferior bis zum Kehl⸗ kopfe reicht, ſo verbindet Kyll mit der Gräfeſchen Methode ein setaceum, welches er, je nachdem er es für nöthig erachtet, mit unguentum cantharidum beſtreicht. Es ſcheint mir deßhalb, daß die Dieffenbachiſche Methode um ſo empfehlenswerther ſei, als ſie ſo leicht auszuführen iſt und nach unſeren theoretiſchen Anz ſchauungen für beide Meinungen zu paſſen ſcheint, auch in praktiſcher Rückſicht ihr Nutzen hinreichend beſtätigt iſt. Miſcelle. (4) Heilung einer Stranguria durch Secale cor- nutum. — W. R. zwiſchen 70—74 Jahre alt, wurde am Abend des 21. Decbr. 1841 plötzlich von Urinverhaltung befallen. Drei Tage lag er in einem Zuſtande großer Qual, trotz angewendeter Hausmittel u. ſ. w. Nach dieſer Zeit tröpfelte der Urin unwill⸗ kürlich ab. Der Schmerz in der hypogaſtriſchen Gegend war an⸗ haltend. Am 30. Dec. wurde durch den Katheter eine ungeheure Menge Urin entleert. — Am 2. Januar 1842 ſah ihn Hr. J. Roß zum erſten Male. Er war ſehr ſchwach an Körper und Geiſt, hatte keinen Appetit, keinen Stuhl, Unbehaglichkeit in der Blaſen⸗ gegend und vollkommene Urinretention. Die prostata war nicht vergrößert und der täglich drei Mal eingeführte Katheter ſtieß auf kein Hinderniß. Der Urin war nur mitunter trübe und dunkel, gewöhnlich aber klar. Am 12. Jan. wurde er aber auf ein Mal dunkel wie Portwein, augenſcheinlich von Blutbeimiſchung. Durch Anwendung der Tinct. ferr. muriat. wurde der Urin wieder hell. Ende Febr. wurde Pat. wieder ganz wohl, nur daß kein Tropfen Urin ohne Anwendung des Katheters abging. — Jetzt gab Hr. J. Roß das Secale cornutum, anfangs zu 10 Gran in einem Glaſe warmen Waſſers jeden Morgen. Nach und nach wurde da⸗ mit bis auf 25 Gran geſtiegen und endlich bis auf eine halbe Drachme jeden Morgen. Am dritten Tage nach der Anwendung der letzt genannten Gabe entſtand große Irritabilität der Blaſe, an⸗ haltender Urindrang und prickelnde Schmerzen im hypogastrium. Nächſten Tags kam etwas Waſſer aus der Harnröhre. Das Medi⸗ cament wurde beibehalten und der Katheter alle 4 Stunden ein⸗ geführt. Jeden Tag ging auf natürlichem Wege etwas Urin ab, beſonders des Morgens und im Kalten. Dieſe natürliche Aus⸗ ſonderung nahm immer zu, bis Ende März die Hälfte ſchon allein abging. Das Mutterkorn (ZB) wurde jetzt nur alle drei Tage gege⸗ ben, und am 1. Mai war Pat. gänzlich hergeſtellt. Bis jetzt (23. Oct. 1843) hat er nie wieder über Urinbeſchwerden geklagt. (Monthly Journal, Jan. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Humboldt, A. v., Kosmos. Entwurf einer phyſ. Weltbeſchreibung. 2. Bd. gr. 80. Geh. Ir. J. G. Cottaiſche Buchh. in Stuttgart 1847. Bäranowski, S. klimatolog. Karte der Erde. 2. Bd. gr. Fol. Mit Text in r. 4%. * 2 Thlr. Helsingfors, R. Hartmann in Leipzig 1847. Jahresbericht des naturwiss. Vereins zu Posen für 1846 ee von H. Löw. gr. 4°. * 18 Sgr. Heine in Posen 1847. Helmholtz, über die Erhaltung der Kraft, eine physikal. Abhandlung. gr. 80. Geh. ½ Thlr. G. Reimer in Berlin 1847. Visiani, R., de Flora Dalmatica. Vol. II. gr. 40. Geh. schw. * 4 Thlr. color. * 623 Thlr. Hofmeisters Separat-Cto in Leipzig 1847. Pestalozzi, H., über die Verhältnisse des Rheines in der Thalebene bei Sar- gans. gr. 8%. Geh. 8 Sgr. Höhr in Zürich 1847. Berg, O., Charakteristik d. f. d. Arzneikunde u. Technik wichtigsten Pflan- zen- Genera in Illustr. nebst Text. 8. Lfg. gr. 4%. Geh. * ½ Thlr. Plahnsche Buchh. in Berlin 1847. Nebel, F., die Muskeln, Knochen und Bänder des normalen menschlichen 0 05 in 6 Tafeln. qu. gr. Fol. In Umschlag * 8 Thlr. C. F. Winter in Heidelberg 1847. Hoefle, M. A., Chemie und Mikroſkop am Krankenbette. gr. 80. Geh. * 3 Thlr. 22 Sgr. Ferd. Enke's Verlagsbuchh. in Erlangen 1848. De l’ether sulphurique, de son action physiologique, et de son application à la chirurgie, aux accouchemens, à la médecine; avec un apergu historique A decouverte de Jackson; par F. L. Lach. In 8° de 20 feuilles. Paris Eisenmann, das Friedrichshaller Bitterwasser , dessen Bestandtheile, Wir- kung und Gebrauch. 8°. 3 Sgr. Ferd. Enke’s Verlagsbuchh. in Erlangen 7 Dietrich, Th. v., die krankhafte Erweichung u. Durchlöcherung des Magens ann Darmcanals. gr. 8. Geh. ½ Thlr. Reyhers Verlagsconto in Mitau 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 92. (Nr. 4. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Handfield Jones, über den Bau und die Entwicklung der Leber. — Retzius, über die vermeintlichen elektriſchen Organe bei den nicht elektriſchen Rochen. — WMijcellen. Krocker, über die nach Bunſen zur Beſtimmung des Stickſtoffes in organiſchen Subſtanzen angegebene Me⸗ thode. Über die Leinpflanze. Reiche Lager foſſiler Knochen im ſüdplichen Rußland. ſchaffenheit der arteria femoralis; Bru Nekrolog. — Heilkunde. Thompſon, Fall von abnormer Be⸗ des femur in Folge von Nekroſe; Hämorrhagie; Tod. — O Ferrall, knorpelige Entartung der Knochen der unteren Extremität. — Pemberton, Exſtirpation der Thränendrüſe. — Miſcellen. Pay en, Fall einer Interſtitial⸗Uterinſchwangerſchaft. Nützlichkeit der Stethoſkopie bei einem Falle, wo ein Stein in die Luftröhre gekommen war. Lepra taurica. — Bibliographie. Naturkunde. VII. über den Bau und die Entwicklung der Leber. Von C. Handfield Jones. Die Annals and magazine of natural history geben in Nr. 133 son 1847 einen Auszug dieſer Schrift, den wir im weſentlichen mittheilen. Der Verf. giebt eine genaue Beſchreibung des Baues der Leber in den verſchiedenſten Thierclaſſen. Bei den Bryozoen fand er ſie entſchieden und zwar in Form eines Schlauches, bei den Asterias- Arten ſcheint ihre Verrichtung dem geſchloſſenen Magenanhange und den blinddarmähnlichen Endigungen des ſich in jedem Strahle verzweigenden Ver⸗ dauungsſackes gemeinſchaftlich übertragen zu ſein. Unter den Ringelthieren zeigt der Regenwurm eine ſehr einfache Anordnung der Leber, indem eine einfache Lage großer Gallenzellen wie eine Decke den größten Theil des Darm⸗ canales bekleidet, wogegen beim Blutegel, deſſen Verdauungs⸗ höhle nicht ſo einfach iſt, ſondern an jeder Seite aus einer Anzahl Säckchen beſteht, auch die Elemente der Leber anders geordnet ſind, indem die meiſten ihrer Secretionszellen zu Röhren werden, die nach einander Erweiterungen und Ver⸗ engerungen zeigen und zuletzt vereinigt in den Darm mün⸗ den. Bei den Inſecten findet ſich die Leber gewöhnlich als lange, fadenförmige Röhren, die den Darm umwinden; bei der Schmeißfliege ſind letztere größtentheils in ihrem ganzen Verlaufe, bis fie ſich in den pylorus ergießen, ſackförmig, ſcheinen indeß in der Nähe ihres Urſprunges aus getrennten Bläschen, die erſt nach und nach mit einander verſchmelzen, zu beſtehen. Die Primitiomembran der Röhren iſt deutlich gezeichnet, ſie enthält immer eine große Menge eines körni⸗ gen, gelblichen Farbſtoffes, mit ſecernirenden Zellen; ein anderer Theil dieſer Leber beſteht aus unverbundenen, in einem körnigen blastema liegenden Zellen, die in einem ſpä⸗ No. 2072. — 972. — 92. teren Stadio von Blaſen oder kurzen Röhren, aus einer homogenen Haut, die oft mit einander zuſammenfließen und ſich mehr oder weniger hin und her gebogen vertheilen, umkleidet iſt. Newport hält dieſen Theil der Leber für ein Fettgewebe. Der Verf. hat denſelben, ſeines Ausſehens und ſeiner Entwicklung wegen, parenchymatöſen Theil der Leber genannt, obgleich es ihm nicht überall gelang, den Urſprung dieſer Röhren nachzuweiſen. Bei den Arachniden iſt der ſackartige Typus vorherrſchend; eben ſo bei den Cruſtaceen, wo die Säckchen ſchon mit bloßen Augen ſicht⸗ bar ſind. Auch bei den Molluſken fand der Verf. dieſe ſackartige Organiſation der Leber allgemein, konnte aber nicht überall die einſchließende Membran der Säckchen wahr: nehmen, weßhalb er ſie für unweſentlich und hauptſächlich für die mechaniſchen Elementarfunctionen (2) beſtimmt hält. Die Menge des ausgeſchiedenen Stoffes, der bei den Mol⸗ luſken in der Leber zurückgehalten wird, ſcheint deutlich zu beweiſen, wie die Galle bei ihnen keine ercernirte Flüͤſſigkeit iſt, ſondern, bei ihrer unvollkommen organiſirten Reſpira⸗ tion, nur langſam verbraucht wird. Zu den Wirbelthieren übergehend, beginnt der Verf. mit den Fiſchen, wo das Gallenorgan, ſowohl in Geſtalt als Charakter, ganz verändert auftritt und nunmehr eine Drüſe von feſtem, parenchymatiſchem Gewebe darſtellt, in der ſich namentlich zwei Theile unterſcheiden laſſen, ein ſecerni⸗ rendes Parenchym aus zarten Zellen, oder oft nur aus Zell- kernen und einer großen Menge körniger, verarbeiteter Stoffe beſtehend, und Ereretionscanäle, die zwar dom umgebenden Parenchym verdeckt werden, aber ſich durch die Pincette leicht iſoliren laſſen und dann unterm Mikroſkop eine Menge kleiner Verzweigungen zeigen. Unter den vielen Veräſtelungen finden ſich hie und da einige, deren Ende unverjehrt geblie- ben und vollkommen geſchloſſen erſcheint; gewöhnlich werden 4 51 dieſe Zweigeanäle ſtufenweiſe kleiner und ſtructurloſer, bis ſie zuletzt nur als eine Reihe körniger Stoffe erſcheinen; in beiden Fällen findet keine continuirliche Verbindung mit dem umgebenden Parenchym Statt. Große, gelbe Körper, ein— zelne Zellen, ſowie große Mengen eines ölartigen Stoffes ſind in der Leber verſchiedener Fiſche vorherrſchend, was den Verf. auf ein beträchtliches Vorwalten der Seecretionsver— richtungen über die Exeretion und ſomit auf die Schwäche der Reſpiration ſchließen läßt. Die Leber der Reptilien iſt eben ſo organiſirt, auch ſie beſteht aus ſecernirendem Parenchym und einem Apparate von Exeretionscanälen; in erſterem kommen ſehr häufig dunkle Körper vor, welche zurückgebliebene Gallenbeſtand— theile zu ſein und dieſelbe Bedeutung, wie die in der Fiſch— leber vorhandenen Stoffe zu haben ſcheinen. Das Leberparenchym der Vögel iſt dagegen frei von allen ölartigen Stoffen oder zurückgebliebenen Gallenbeſtand— theilen, es beſteht oftmals nur aus freien Zellkernen und körnigen Stoffen, faſt ohne eine einzige vollkommene Zelle. Die Ereretionscanäle find oft dann den Reptilien ſehr ähn— lich, kommen aber bisweilen mehr dem der Säugethiere gleich; der weſentliche Charakter iſt indeß überall derſelbe, indem auch ſie, ohne mit dem Parenchym in directe Ver— bindung zu treten, endigen. Bei den Säugethieren beſteht das Leberparenchym ge— wöhnlich aus entwickelten Zellen, die oftmals in gerader Reihe ſtrahlenartig von dem Mittelpunkte jedes Lappens ausgehen, die ſich an verſchiedenen Punkten mit einander vereinigen und ſo dem Parenchym ein mehr oder weniger netzförmiges Anſehen verleihen. Jeder Lappe iſt, wie es Kiernan beſchrieben, von dem nebenliegenden durch die Endzweige der vena portarum und mehr oder weniger auch durch einen Riß getrennt, obſchon die Lappen bei den mei— ſten Thieren ſowohl über als unter dieſen Riſſen mit ein— ander verbunden find. Die Verarbeitung der Secretions— producte ſcheint vorzugsweiſe in den Randzellen der Leberlappen, die meiſtens eine größere Menge von Gallenbeſtandtheilen als die nach innen gelegenen Zellen enthalten, vor ſich zu gehen, indem ſie dieſelben in den Riß entladen; der Rand des Lappens iſt dort über und über mit großen Klumpen ausgeſchiedener Stoffe bedeckt. Die Gliſſon' ſche Capſel, welche die Gefäße in den Portalcanälen umgiebt, bildet eine fibröſe Bekleidung der dem Canale zugewandten Lappen und wird, ſobald dieſe zu den Riſſen gelangen, zu einer un— unterbrochenen, die Oberflache der gegenüberliegenden Lappen umgebenden Membran; die letztere iſt oft völlig homogen und dem Primärgewebe (2) durchaus ähnlich; hie und da ſcheint ſie an ihrer freien Oberfläche aus einem zarten Epithelium zu beſtehen, das aber häufig, ſowie die Mem— bran ſelbſt, dann fehlt, wenn die Ränder der Lappen in der beſchriebenen Weiſe thätig ſind. Die kleinen Zweige der Lebercanäle nehmen in der Nähe ihrer Endigungen eine ganz andere Structur ein, indem ſie ihre fibröſe Umhüllung, die ſich mit den häutigen Ausbreitungen der Gliſſon'ſchen Capſel vereinigt, verlieren, ihre Membran wird allmälig undeutlich und hört zuletzt ganz auf, auch die Epithelial- 9. 52 theile verlieren ihre Individualität und erſcheinen nur noch als dicht neben einander in einer feinkörnigen Subſtanz gebettete Zellkerne. Genannte kleine Zweige endigen nicht alle ganz in derſelben Weiſe, indem ſie oftmals deutlich geſchloſſene, abgerundete, 1 bis, 2 Tauſendtel-Zoll weite Endigungen zeigen, manch Mal aber auch in dem fibröſen Gewebe allmälig aufhören; die Zellkerne liegen dann noch eine kleine Strecke ſo geordnet, als ob das Canälchen noch vorhanden wäre. In den Riſſen laſſen ſich dieſe Canäle nur ſelten nachweiſen, wohl aber findet man ſie bisweilen in den Zwiſchenräumen, wo ſich mehrere Riſſe vereinigen, wo ſie jedoch niemals ein netzförmiges Geſchlecht zwiſchen den Lappen bilden. Die anatomiſchen Beziehungen zwiſchen den Canälen und dem Parenchym, ſowie der Umſtand, daß ein beſtimmtes Gefäß eine andere Art des Blutes den Leber— canälen zuführt, ſobald die Leber eine parenchymatiſche Structur annimmt, macht es dem Verf. wahrſcheinlich, daß die Galle von der Umkleidung der kleinen Canäle endoſmo— tiſch aufgenommen wird. Die große Menge der blartigen Subſtanz, welche häufig im freien Zuſtande im ſecernirenden Parenchym der Leber vorkommt und als ein Seeretions— product betrachtet werden muß, ſcheint für die Anſicht, daß eine gewiſſe Menge dieſes Stoffes direct vom Blute abſorbirt und ſo aus den Organen weggeführt wird, zu ſprechen, ganz ſo, wie es in den Schilddrüſen und andern nicht mit Ereretionscanälen verſehenen Drüſen geſchieht. Was die Entwicklung der Leber anbetrifft, ſo hält der Verf. die Anſicht Reinhart's, nach welcher ſie durch eine Zellenbildung von der Keimhaut aus, von einem Vorwärts— drängen des Darmcanales unabhängig, entſteht, fuͤr die rich— tigſte. Am Morgen des fünften Tages ſind Speiſeröhren und Magen deutlich erkennbar; die Leber liegt als paren— chymatiſche Maſſe zwiſchen dem Magen und dem nach vorn gelegenen Herzen, ihre Ränder ſind deutlich vom Verdauungs— canale geſchieden. (Leider iſt im erwähnten Auszuge nicht bemerkt, an welchem Thiere der Verf. die Entwicklung der Leber erfolgte.) Der Dottercanal iſt zu dieſer Zeit ſehr weit, mündet aber nicht in die Bauchhöhle, ſondern theilt ſich in zwei, nach vorn und hinten verlaufende, häutige Röh— ren, die gleich dem Dottercanale mit einem undurchſichtigen, ölartigen Inhalte erfüllt ſind. Die vordere dieſer Röhren endigt, weiter vorwärts gehend, hinter der Leber als aus— geſpaͤnnte Höhle, von der eine ſich allmälig erweiternde Sproſſe abgeht und in den Magen mündet, während eine zweite Sproſſe nach auf- und rückwärts verläuft und eine blinddarmähnliche Verlängerung bildet; und endlich eine dritte und vierte, aber kleinere, vom vordern Theile der Höhle zur Leber geht, ohne daß man ſie in der Subſtanz der letzteren ſich verzweigen ſieht. In einer etwas ſpäteren Periode ver— lieren ſich dieſe Sproſſen, mit Ausnahme der einen, die ſich in den Magen fortſetzt; die Maſſe der Leber iſt dann voll— kommen frei und mit keinem andern Theile der Eingeweide verbunden. Sowie ſich der Dottercanal zuſammenzieht, vereinigen ſich ſeine vordere und hintere Verlängerung und bilden eine Darmſchlinge; die hintere Abtheilung iſt ſicht— barlich zur Bildung der Cloake und des untern Theiles vom 53 92. V. 4. 54 Darmcanale beſtimmt. Am neunten Tage iſt die Entwick— lung der Lebercanäle, bei fortſchreitendem Wachsthume der Leber ſelbſt, beendigt. Die Zunahme erfolgt in der dem Zwölffingerdarme zugewandten Richtung, der ſelbſt nicht mehr ſo deutlich iſt, ſondern mit den Umhüllungen der Gedärme zu verſchmelzen ſcheint; um die letzteren beginnt nunmehr die Entwicklung des pancreas. Der weitere Aus— bildungsverlauf der Lebereanäle verlangt, wie der Verfaſſer meint, noch weitere ſehr ſorgfältige Unterſuchungen; die von ihm mitgetheilten Thatſachen berechtigen ihn jedoch zu der Behauptung, daß die Structur der Leber im weſentlichen eine parenchymatiſche iſt. VIII. über die vermeintlichen elektriſchen Organe bei den nicht elektriſchen Rochen. Von A. Retzius. (Mitgetheilt von Dr. Karſch im Archiv ſkandinaviſcher Beiträge zur Nature geſchichte. 2ter Theil, Ztes Heft. 1847; als Auszug.) Dieſe merkwürdigen Organe wurden zuerſt von Mon ro (1785) wahrgenommen, dann nach einander von Jacob: ſon, Desmoulins, Mayer und Mieſcher beobachtet. Monro's Beſchreibung iſt kurz und unvollſtändig, er ſah nur zwei der fraglichen Organe, in die ſich ein Paar große Nervenzweige verbreiteten, und die mit den ſubeutanen Röh— ren in Verbindung ftanden; er hielt fie für Schleimſeere— tionsorgane, die unter einem mächtigen Nerveneinfluſſe ſtän— den. Jacobſon nimmt fünf ſolcher Organe an jeder Seite des Rückgrates an, jedes beſteht nach ihm aus dem weſentlichen Centraltheile und einem peripheriſchen, der ſub— cutanen Röhre; der Centraltheil wird von einer fibröſen Capſel gebildet, in deren Höhle Zweige des fünften Nerven— paares treten, um ſich mit einer Anzahl kleiner, hohler, ſtumpfer, am Ende mit vier bis fünf Blaſen verſehener kegelförmiger Gebilde zu verbinden; in jedem derſelben brei— ten ſich die Nervenzweige als lockere Membran über die innere Seite aus. Dieſe Gebilde ſind nach ihm mit einer klaren Flüſſigkeit erfüllt, fie gehen in die ſubeutanen Röhren über. Jacobſon wies dieſen Apparat ſowohl bei den Haien, als den elektriſchen Rochen nach und zeigte, daß ſie weder ein Seeretions- noch ein elektriſches Organ, ſondern eine dieſen Fiſchen eigenthümliche Form der Empfindungs— werkzeuge, den vibrissae und dem mystax der Säugethiere und Vögel analog, ſeien. Jacobſon's intereſſante Darſtellung ſcheint indeß ganz in Vergeſſenheit gerathen zu ſein, da ſeine Nachfolger die— ſelben Organe, zum Theil aber nur an Rochen, nochmals beſchrieben, ohne etwas weſentliches hinzuzubringen. Des— moulins fand überdies nur drei ſolcher Organpaare, hielt fie indeß auch für Empfindungswerkzeuge; Mayer ſah, wie Monro, nur das letzte Paar dieſer Organe und hielt dasſelbe für ein unzweifelhaftes Rudiment des elektriſchen Apparates. Mieſcher ſah bei Raja vier Paare, wies auch ihr Vorkommen beim Hai und bei Torpedo nach, erklärte ſie aber für Seeretionsorgane. Der Verf. hat dieſe Organe bei Raja Batis und Squa- lus Acanthias unterſucht. Beim Rochen hat er nur vier Paare gefunden und glaubt daher, daß ſich Jacobſon durch ihre Lage getäuſcht habe; Dr. Karſch vermuthet da— gegen, daß das gegen die Schnauzenſpitze gelegene Paar ſich bei einem Theile der Rochenarten verdoppele und daher Jacobſon ein Paar mehr gefunden habe. Das erſte Paar liegt, nach dem Verf., zunächſt der Schnauze, es iſt das kleinſte, das zweite, größere, nahe der Hautbedeckung an der untern Seite, das dritte Paar, von Form und Größe einer Haſelnuß, liegt näher der Rückenſeite unter dem Knorpel— auswuchſe, der das Leuchtorgan ſchützt; der vierte, von gleicher Form, doch etwas größer, iſt außerhalb der großen Maſſeteren, zwiſchen dieſen und den vorbeilaufenden großen Randſtrahlen der Bruſtfloſſen gelegen. Bei den Haien fand der Verf. nur das hinterſte Paar an den Seiten des Ko— pfes, gleich unter der Haut, außen auf den Maſſeteren, näher ihrem hinteren Rande gelegen. Zu allen dieſen Paa— ren gehen Hautröhren, die meiſten und längſten jedoch zum dritten Paare. Die drei vorderſten Organpaare nehmen die Hautröhren vom Kopfe, das vierte die dem übrigen Körper gehörenden Hautröhren auf. Jedes dieſer Centralorgane wird zu äußerſt von einem weißen, fibröſen, geſchloſſenen, ungleich geformten Sacke, der bei dem vordern Paare länglichrund und etwas platt, bei dem hintern mehr rund, aber gleichfalls platt iſt, ge— bildet. Offnet man einen ſolchen Sack, ſo ſieht man, wie von der gegen die Mittellinie gelegenen Wand Büſchel feiner Nervenfaden abgehen und in kleine, halbklare, weiße Körper von der Größe eines Senfkornes, eintreten. Dieſe letzteren werden von den Endigungen feiner, ganz durchſichtiger, dünn— wandiger, nach allen Seiten divergirender Röhren, die in den Sack eintreten und ſich in die Hautröhren fortſetzen, ge— bildet. Jede dieſer Röhren iſt mit einer klaren Flüſſigkeit erfüllt, die in dem äußerſten Theile derſelben faſt wie eine zitternde Gallerte erſcheint; der Sack ſelbſt enthält ebenfalls eine klare Flüſſigkeit. Bei ſechs- bis achtfacher Vergrößerung erſchei— nen die kleinen, weißen Körper in den Enden der Röhren als eine Art Ampulle, deren Wände von kleinen, halbkuge— ligen recessus gebildet werden. Fünf ſolcher recessus ſitzen in einem Kranze rings um den röhrenförmigen Anfang des Theiles, und drei bis fünf bilden den Boden. Von außen ſcheinen dieſe Ampullen rundhöckerig, theils mehr von der Form kurzer Melonen, theils maulbeerähnlich; inwendig ſieht man entſprechende, ſehr regelmäßige recessus, deren zuſam— menſtoßende Wände mehrere Scheidewände mit freiſtehenden halbmondförmigen Rändern bilden, den Falten in den Ge— hörampullen gleich, in welche ſich die Nerven ausbreiten. In dieſen Ampullen ſcheinen die feinen Nerven ſich auszubreiten und wahrſcheinlich Anſen zu bilden, was ſich, da die zur Unterſuchung dienenden Exemplare einige Zeit in Weingeiſt gelegen hatten, nicht mit Sicherheit entſcheiden ließ. Außer dieſen in dem Organ endigenden Nervenausbreitungen gehen mehrere gerade durch die Höhlen, ohne in die Ampulle zu 4 * 55 92. treten und begleiten die Röhren bis zur Haut. Die Röhren ſowohl, als die Ampullen ſcheinen ſehr arm an Blutgefäßen zu ſein; ſie ſind nach außen mit einem dünnen Bindegewebe umkleidet. Die zu dieſem Organe gehenden Nerven gehören alle dem fünften Nervenpaare an, ſie find ſehr zahlreich. Das erſte Organpaar erhält feine Nerven oben vom erſten und unten vom zweiten Zweige; das zweite und dritte Paar wird nur vom zweiten Zweige, und das vierte vom dritten Zweige verſorgt. Schon aus den großen Zweigen des fünften Nerven— paares, welche zu den fraglichen Organen führen, kann man ſchließen, daß ſie Empfindungsorgane ſind, was um ſo wahr— ſcheinlicher wird, da die hier thätigen Nervenzweige, ſowohl an ihren peripheriſchen Enden im Innern der Ampullen von einem eigenen Fluidum, als außerhalb derſelben in den Säcken von einer klaren Flüſſigkeit umgeben ſind, und ſo ſich eine Ahnlichkeit dieſer Gebilde mit dem Auge und den Ohren erkennen läßt. Die fibröſen Säcke find der selerotica nicht ganz unähnlich, die Ampullen erinnern an die Waſſer— ſäcke des vestibulum, welche die von der Endolymphe ums gebenen Enden der Gehörnerven in ihr Inneres aufnehmen, während ſie ſelbſt durch die Perilymphe, von der äußern Wand des Labyrinthes iſolirt ſind; eine Ahnlichkeit, welche durch die von Jacobſon und Desmoulins bemerkte Gefäßarmuth dieſes Centralorgans noch vermehrt wird. Das die ſubeutanen Röhren anfüllende Fluidum iſt an deren äuße— ren geöffneten Enden eine zitternde Gallerte. Die Mündun— gen der Röhren ſcheinen contractil zu fein, jo daß ſie nach Bedürfniß geöffnet und geſchloſſen werden können, was alles zu Gunſten der Jacob ſon'ſchen Anſicht ſpricht, nach wel: cher ſich die Eindrücke dem in den Röhren befindlichen Flui— dum mittheilen und durch dieſe zu den Ampullen und den in dieſen verbreiteten Enden des fünften Nervenpaares ge— langen, wie dasſelbe Nervenpaar in ähnlicher Weiſe durch den mystax oder die vibrissae Eindrücke empfängt. Miſeceellen. 6. Über die nach Bunſen zur Beſtimmung des Stick- ſtoffes in organiſchen Subſtanzen angegebene Me— thode, ſprach in der Verſammlung der ſchleſiſchen Gef. f. vaterl. Cultur Dr. Krocker, zeigte die hierzu erforderlichen Apparate und erörterte die zur Ausführung der Analyſe nöthigen Manipula⸗ tionen. — Hierauf gab derſelbe einen näheren Bericht über die chemiſche Unterſuchung von Kartoffeln, welche in Oberſchleſien in Schwirklan, ſowie in Marklowitz, Kreis Rybnik, aufbewahrt wor—⸗ den waren, und von denen ein Theil ungefähr dreißig, ein anderer Theil drei bis vier Jahre in der Erde, einem ſtrengen Lehmboden, vergraben gelegen hatten. Es gab dies Veranlaſſung zunächſt, fo weit es die Zeit erlaubte, auf die Veränderungen, welche die ſtick— ſtoffhaltigen Subſtanzen von Kartoffeln, Pflanzeneiweiß und Pflan⸗ zencaſein während des Fäulnißproceſſes erleiden, ſowie auf die hierzu erforderlichen Bedingungen näher einzugehen. In Bezug auf die letztern wurde beſonders hervorgehoben, wie die genannten ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen nicht fähig ſeien, von ſelbſt eine Meta⸗ morphoſe zu erleiden, wenn das Waſſer ausgeſchloſſen ift, eine Be⸗ dingung ihrer Umſetzung. Dieſelben Subſtanzen gehen im trocknen V. 4. 56 Zuſtande nicht in Fäulniß über, die letztere kann alſo verhindert oder unterbrochen werden durch Austrocknung, welche noch in dem in Rede ſtehenden Falle Urſache der Erhaltung und großen Theils der nährenden Beſtandtheile iſt. Es waren die Kartoffeln, welche dreißig Jahre in einem ſtrengen Lehmboden gelegen hatten, in eine weiße, leicht zu Mehl zerfallende Maſſe verändert, welcher die Schale nur loſe anhing, das Stärkemehl mit den ihm eigenthüm⸗ lichen Eigenſchaften ganz erhalten, ſowie der Inhalt als Eiweiß und Caſein ſich etwa nur um ein Dritttheil ſeines normalen Ge⸗ haltes vermindert hatte. Die Maſſe wurde an den Fundörtern, mit anderem Mehle verbacken, als Brotnahrung bald conſumirt. — Kartoffeln, welche nur drei bis vier Jahre auf dieſe Weiſe auf— bewahrt im Boden gelegen hatten, erſchienen bei Verminderung der Hälfte ihres Waſſergehalts von ziemlich feſter Conſiſtenz, platt gedrückt und zeigten ebenfalls einen ziemlich ſtarken Geruch nach faulem Käſe, welcher von den Zerſetzungsproduecten eines Antheils Eiweißes und Caſeins herrührte. — Die Austrocknung war bereits fo weit vorgeſchritten, daß die weitere Fäulniß der noch erhaltenen ſtickſtoffartigen Subſtanz, deren Gehalt noch etwas größer als bei den früher erwähnten war, nicht mehr Statt fand. Sie wurden an der Luft ſehr bald vollkommen geruchlos oder behielten nur den eigenthümlichen Kartoffelgeruch. Es iſt dieſe Thatſache um fo wich— tiger, als dieſe Methode auch für kranke Kartoffeln Anwendung finden konnte und nicht zu zweifeln iſt, daß dieſer Proceß der Aus⸗ trocknung unter günftigen Bedingungen verkürzt werden kann. Sicher wenigſtens dürfte hierdurch eine neue Richtung in Bezug auf zweck— mäßige Methoden zur Aufbewahrung der Kartoffeln angedeutet werden. (Den 4. Aug. 1847.) 7. Die Leinpflanze wird allgemein und mit Recht für eine den Boden ausſaugende gehalten; dieſe dem Landmanne ſehr unwillkommene Eigenſchaft iſt aber weniger der Pflanze ſelbſt, als der Art ihrer Benutzung zuzuſchreiben, indem ſie mit der Wurzel ausgezogen und ſo alle die Stoffe, die ſie vom Boden empfing, mit ihr dem letzteren entführt werden, ohne ihm in irgendwie ver— änderter Form wiedergegeben zu werden, während beim Getraide die Wurzeln und Stoppeln dem Acker verbleiben und ſelbſt die Beſtandtheile des Strohes im Dünger zum Boden zurückkehren. Prof. Johnſton's Aſchenanalyſen verſchiedener Leinpflanzen wer⸗ den am beſten zeigen, welche Stoffe und welche Menge derſelben dem Boden entführt wurden und wieder anderweitig zu erſetzen ſind, wofür der Einſender, um nicht wie bisher alle dieſe Stoffe zu verlieren, außer der gewöhnlichen Düngung noch die Benutzung des Waſſers, in dem die Leinpflanze faulte, vorſchlägt. Aſchenbeſtandtheile des Stengels der Flachspflanze. . ::. | ___. ___- lin ater. 7,697 22,857 22,30 18,41 | 9,78 Salto) non Sur SE 14,12 10,91 7,70 Chlornatrium . 8213| 5485 er 18095 En C ee 15,279 16,48: e 12,5 ede . . 5,146 3,33. 3,93 | 3,02 7,79 Eiſenoryd REISE 4,501 1,523 1,10 2,36 erbte Thonerde 2 0,444 0,438 0,72 1,44] 6,08 Manganorydd . [Spuren Spuren Spuren | .... Deosbherfäur 11208 %% 881 111106 | 10788 osphorſaure 2 Kohlenſaure 20,599 25,235 16,38 13,75 | 16,95 Feilen 3,056 3,409 2,08 | 5,33 | 21,55 100,007|99,954 99,99 | 99,98 | 99,46 Afchenprocente der verſchie— denen Stengel .. 4,237 5,454 3,67 | 5,151 5,00 (The Gardners Chroniele 1847, No. 35.) 57 92. V. 4, 58 8. Reiche Lager foſſiler Knochen ſind im Laufe des Sommers 1846 im ſüdlichen Rußland von Alexander von Nord: mann entdeckt worden. Die kaum begonnenen Nachgrabungen haben ſchon nicht weniger als 5,600 Knochen, worunter 114 Backen⸗ knochen (Kinnladen) und 2,230 loſe Zähne, die 160 Individuen von 27 verſchiedenen Arten angehören, zu Tage gefördert. Die Fundorte ſind eine Hohlſchlucht an der Quarantäne zu Odeſſa, das Dorf Nierubai, der Muſchelkalk von Odeſſa, der Kalk von Kiſchinew in Beſſarabien, der Tertiärkalk von Keriſch am aſoviſchen Meere und der Süden von Podolien. Unter den gefundenen Knochenreſten finden ſich Knochen von folgenden Arten der Dickhäuter: Elephas, Mastodon, Rhinoceros, Equus, Hippotherium; — der Wiederkäuer: Bos, Cervus, Ovis, Antilope; — der Fleiſchfreſſer: Ursus, Hyaena, Canis, Felis; — der Nagethiere: Lepus, Castor, Spalax, Mus und Arvicola; — der Cetaceen: Ziphius oder Cetotherium und Dugong? (L’Institut 1847, No. 720.) Nekrolog. — Zu Florenz iſt der um die Geographie viel- fach verdiente Gräberg von Hemſö im 72. Jahre geſtorben. Heilkunde. (VI.) Ein Fall von abnormer Beſchaffenheit der arteria femoralis; Bruch des femur in Folge von Nekroſe; Hämorrhagie; Tod. Von Heury Thompfon. Nachſtehender Fall ſcheint mir nicht unintereſſant, weil er eine Regelwidrigkeit im Laufe der Schenkelarterie darbot, welche ſo viel ich weiß, ſelten vorkommt und die ſich in dieſem Falle höchſt folgenreich zeigte, indem ſie die Urſache des Todes war. James Gorimly, ein blonder, ſchwächlicher, 9jähriger Knabe, erlitt am 8. Dec. 1846 einen Bruch des rechten femur hart über den Condylen, und wurde in das Kranken— haus zu Tyrone aufgenommen. Aus der Unterſuchung ergab ſich, daß das untere Drittel des Knochens ſchon ſeit einem halben Jahre von Nekroſe ergriffen geweſen, und daß meh— rere abgeſtorbene Knochenfragmente aus zwei Offnungen ab— gegangen waren, von denen ſich die eine an der innern Seite, etwa 2 Zoll über dem hervorragendſten Theile des condylus, die andere außerhalb der äußern Sehne der Knie— beuge befand. Durch beide hindurch ließ ſich jetzt das ab— gebrochene Ende des kranken Knochens ſehr deutlich fühlen. Das untere Fragment hatte ſich hinter dem obern hinauf geſchoben und ragte über der Kniekehle in Geſtalt einer großen Geſchwulſt hervor. Vorn war eine der hinter der— ſelben befindlichen Hervorragung entſprechende Vertiefung. Die Blutung war unbedeutend; das Anſehen und die Tem— peratur des Gliedes unter der Bruchſtelle waren natürlich, und die Pulſationen der Tibialarterien hinreichend deutlich, um zu beweifen, daß die arteria poplitaea, die durch die Lage des untern Knochenfragments gefährdet ſchien, unverſehrt ſei. Dennoch ſchien der Knabe durch die lange Krankheit ſo geſchwächt und die Hoffnung, daß er die zur Heilung ſeines Leidens nothwendige langwierige Cur aushalten könne, ſo gering, daß ich die Amputation ohne weiteres anrieth. Ein anderer Chirurg, zu welchem die Eltern mehr Zu— trauen hatten, widerrieth dieſelbe, und ich ließ mich wil— lig finden, einen Verſuch zu machen, das Glied zu retten. Es wurde daher auf die doppelt- geneigte Ebene gelegt, nachdem die Knochen ſo gut wie möglich eingerichtet worden waren. Einen Monat lang ſchien die Sache gut zu gehen, als eines Abends plötzlich eine Blutung eintrat, und ehe man ſich deſſen verſah, der Patient in einer Blut— pfütze lag, welche das ganze Bett durchweichte. Sobald Hülfe anlangte und der Verband abgenommen war, fand ſich, daß die Blutung aufgehört hatte, weil der Patient ohnmächtig geworden war. Das Blut war hellroth und aus der äußern und hintern Offnung geſtrömt, und dieſer Umſtand, ſowie der, daß binnen ſo kurzer Zeit ein jo ſtarker Verluſt Statt gefunden hatte, ließ mich ſchließen, daß entweder die art. poplitaea oder ſonſt eine ſtarke Arterie verletzt, und entweder von einem Knochen— ſplitter durchſtochen oder durch ein Geſchwür zerfreſſen wor— den ſein müſſe. Ich benachrichtigte ſogleich den in der Nähe wohnenden Vater von dem Vorfalle, indem ich ihn wiſſen ließ, daß nunmehr die Nothwendigkeit der Amputation kei— nem Zweifel mehr unterliege. Er wollte jedoch nichts davon hören, und ich kündigte ihm daher an, daß ſein Sohn ſicher einem neuen Anfalle von Hämorrhagie unterliegen werde, Es wurde nun dieſelbe Behandlung fortgeſetzt, und als ſich der Patient von der Wirkung der erſten Blutung einiger— maßen erholt hatte, trat nach 14 Tagen eine zweite ein, an welcher er beinahe geſtorben wäre. Er erholte ſich jedoch auch dieſes Mal, und nun zeigte ſich zum erſten Male ein Symptom, welches wenigſtens früher meiner Beobachtung entgangen war. Dies war ein deutlich pulſirendes Klopfen in der Bruchſtelle, welches, wenn man in der Leiſtengegend auf die Schenkelarterie drückte, aufhörte und von keiner Vergrößerung der Geſchwulſt begleitet war; auch ließ ſich eine mit der kemoralis zuſammenhängende ſtarke Arterie mittels ihrer Pulſationen in die Bruchſtelle hinein verfol— gen. Es ſchien mir klar, daß dies das Gefäß ſei, aus wel— chem das Blut kam, und es ſchien mir einigermaßen wahr— ſcheinlich, daß, wenn man es in einiger Entfernung von der leidenden Stelle unterbände, der Kranke gerettet werden könne; allein der ungemein ſchwache Zuſtand desſelben, ſowie derjenige des Beines unterhalb des Bruches, welches bereits öde— matös geworden war, ferner die große Neigung zur Diarrhbe, ließen mich annehmen, daß jede weitere Operation mißlin— gen müſſe und ich überließ daher den Patienten mit Wider— m fireben feinem Schickſale. Es fanden nun noch zwei Anfälle von Hämorrhagie Statt; der zweite derſelben machte dem Leben ein Ende. Ich erhielt die Erlaubniß, das Bein zu unterſuchen, und es fand ſich, daß das Gefäß, welches ſich längs der innern Seite des Schenkels bis zur Bruchſtelle hatte verfol— gen laſſen, der Stamm der Femoralarterie war, welcher vom obern Theile des Schenkels in gerader Linie hart unter den Hautbedeckungen und der fascia bis zum innern condylus lief und nur an einer Stelle, da, wo der sartorius über denſelben hinſtrich, eine tiefere Lage hatte. Er gab einen Aſt an den Poplitäalraum ab, welcher durch die gewöhn— liche Offnung in der Sehne des adductor magnas hindurch ſtrich und, nachdem er an dem innern condylus angelangt war, eine ſcharfe Wendung rückwärts machte und unter dem gracilis und den inneren Sehnen der Kniebeuge hin ſich in dieſe begab, wo er ſich in der gewöhnlichen Weiſe vertheilte. Das ganze Gefäß ſchien ungemein ſtark, beſonders da, wo es über die Bruchſtelle hin ſtrich. Hier waren deſſen Wan— dungen ſehr weich und mürbe, indem man ſie mit der Zange nicht faſſen konnte, ohne ſie zu zerreißen. Man präparirte es vorſichtig los und fand, daß es da, wo es über den kranken Knochen hinweg ſtrich, an den darunter liegenden Geweben feſt hing; und als man es auf der entgegengeſetz— ten Seite aufſchlitzte, zeigte ſich eine große Offnung mit glattem, trichterförmigem Rande, in welche ſich die Spitze des kleinen Fingers einführen ließ, und die mit der Höhle communieirte, welche die Enden des gebrochenen Knochens, ſowie mehrere ſcharfe Knochenſplitter enthielt. Dieſe Höhle communieirte ihrerſeits mit den äußeren Offnungen. Der Überreſt des kemur war bis zum trochanter hinauf durch die vielen erweiterten Gefäße, die er enthielt, ganz roth ge— färbt. Das periosteum zeigte ſich verdickt, erweicht und ſehr locker an dem Knochen hängend; und die Muskeln waren ſämmtlich durch ergoſſene Lymphe zuſammengeleimt. Die Bruſtflächen der Knochen hatten nicht ein Mal begonnen, ſich mit einander zu vereinigen. Die Bruchſtelle befand ſich da, wo der Schaft des Knochens mit der epiphysis zuſammen— grenzt, und die Bruchflächen ſahen gerade ſo aus, als ob die Trennung kurz vorher Statt gefunden hätte. (Dublin Quart. Journal of Med. Science, August 1847.) (VII.) Knorpelige Entartung der Knochen der untern Extremität. Dr. O' Ferrall zeigte am 17. Nov. 1846 der patho— logiſchen Geſellſchaft von Dublin ein friſches Präparat von einer eigenthümlichen Krankheit der tibia vor, wegen deren das Glied amputirt worden war. Die Beſchreibung wurde durch mehrere colorirte Abbildungen dieſes und anderer Fälle erläutert. Das Subject, von welchem das hier in Rede ſtehende Präparat herrührte, war ein 27jähriger Schuh— macher. Als Knabe hatte er den linken Schenkel dicht an der Hüfte gebrochen, und der Knochen war unter einem Winkel zuſammengewachſen. Zwei Jahre darauf hatte er 59 92. V. 4. 60 dasſelbe Bein noch ein Mal einige Zoll tiefer, und bevor er das Alter von zwölf Jahren erreicht, noch zwei Mal ge— brochen. Später brach er die tibia derſelben Seite und nachmals das kemur und die tibia mehrmals. Er ward in das St. Vincents-Hoſpital wegen ſeines zwölften Bein— bruches, der ſich am kemur, dicht am großen trochanter be= fand, aufgenommen. Es fand durchaus kein ungewöhnlicher Nebenumſtand Statt, und die Vereinigung erfolgte binnen der gewöhnlichen Zeit. Dieſe vielen Brüche hatten indeß das linke Bein ſehr verunſtaltet. Vorzüglich auffallend war die Deformität am Unterſchenkel, der einen Bogen bildete, deſſen Concavität auswärts gerichtet war, ſo daß ein Theil der Convexität über die tibia des andern Beines herübergriff. Der arme Mann wurde durch die Deformität ſeines Beines in ſeinen Berufsarbeiten ſo behindert, daß er wünſchte, man möge es ihm ganz oder theilweiſe abnehmen. Das Reſul— tat einer Conſultation fiel jedoch dahin aus, daß dieſe Operation durch eine bloße Verunſtaltung nicht zu rechtfertigen ſei. Dieſer Patient war anämiſch, und man vernahman ihm mit dem Stethoſkop ein ſchnurrendes und klingendes Geräuſch an der gewöhnlichen Stelle des Halſes. Er brauchte Stahl- mittel mit Nutzen und wurde aus dem Hoſpitale entlaſſen. Nach einigen Monaten kehrte er wegen Schmerzen an dem hervorragendſten Theile der tibia zurück. Der Schmerz war ſehr heftig, und da er des Nachts am ſtärkſten war, ſo konnte der Patient durchaus nicht ſchlafen. Als nunmehr eine Conſul— tation mit Sir Philip Crampton und Dr. Wil mot gehal— ten wurde, entſchied man ſich für die Amputation, und die Operation ward demnach ein wenig unter dem Knie, dicht am Kopfe der tibia vorgenommen, für welche Stelle auch der Patient ſtimmte. Während der Operation mußten ſehr viele Gefäße unterbunden werden, und 2 Stunden darauf trat eine allgemeine Ausſchwitzung von Lymphe aus der Schnittfläche des Knochens ein. Dr. O' Ferrall bemerkte, der Knochen des amputirten Beines biete Erſcheinungen dar, wie er ſie früher noch nie beobachtet habe. Der horizontale Durchſchnitt, welcher par— allel mit der Amputationsfläche gefuͤhrt iſt, nimmt ſich auf den erſten Blick wie ein mit einer elaſtiſchen weichen Sub— ſtanz, die ſich innerhalb des Knochens befindet, umgebener Markeanal aus; allein ein Längsdurchſchnitt zeigt, daß dies nicht der Markeanal, ſondern ein kurzer blinder Sack, die untere Portion einer Höhlung iſt, deren oberer Theil ſich in der obern Portion des Knochens befindet. Dieſe Höh— lung iſt mit einer glatten Membran ausgekleidet, die ſich wie eine Synovialmembran ausnimmt. Von einem Mark— canale iſt keine Spur vorhanden, und eben ſo wenig laſſen ſich Merkmale von früheren Brüchen wahrnehmen. Die äußere Knochenrinde iſt ſehr ſchwach und ineruſtirt eine knorpelartige Subſtanz, in welcher man durchaus keine Na— deln von Knochenſubſtanz gewahrt. Dr. Power hat ſie mikroſkopiſch unterſucht und für eine faſerige, löcherige Structur erklärt, in deren Lücken man keilförmige Fortſätze, aber weder Zellen noch Kerne wahrnehme. Nach dieſen Kennzeichen iſt die Structur nicht bösartiger Natur und von osteosarcoma, ſowohl der gutartigen als der bösartigen 61 92. V. 4. 62 Varietät verſchieden. Bei bösartigen oskeosarcoma wird der Knochen an der Stelle, wo das krankhafte fungöſe Gewächs auftritt, zerſtört; allein in dem vorliegenden Falle ſind die Grenzen des Knochens durch die ganz innerhalb desſelben liegende krankhafte Structur nicht überſchritten worden. Beim gutartigen osteosarcoma giebt der Knochen ebenfalls nach; das Gewächs dehnt ſich in der Richtung des Querdurchmeſſers, nicht aber in der Achſe desſelben aus. Im vorliegenden Falle war unter allen Knochen des Fußes nur das os caleis erkrankt, welches weich, ſehr gefäßreich und außerordentlich mürbe war, ſo daß es ſich leicht ſchnei— den ließ und zerbröckelte. Dr. F. hält es für wahrſcheinlich, daß ſich das femur in einem ähnlichen Zuſtande befinde, wie die tibia. Die Ausſicht auf Wiederherſtellung hängt davon ab, ob die Krankheit bösartig iſt oder nicht. Bis jetzt läßt ſich indeß noch durchaus keine conſtitutionelle Krank— heit wahrnehmen, und die Functionen ſämmtlicher Eingeweide ſcheinen normal. Die Reſultate der Operation waren durch— aus zufriedenſtellend, und der Kranke befindet ſich beſſer, als ſeit Jahren, indem die Amputation des Beines ihm ſogar ſeine Berufsarbeit ſehr erleichtert hat. Im letzten Winter that der Patient wieder einen Fall, durch welchen der Stumpf brach. Er kam wieder ins St. Vincents-Hoſpital unter die Behandlung des Dr. O' Fer— rall. Die Vereinigung des Knochenbruches fand zur ge— wöhnlichen Zeit Statt, und er verließ das Hoſpital ganz hergeſtellt. Dr. O' F. hatte ihn zuletzt vor wenigen Tagen geſehen, und ihn durchaus munter an der Arbeit gefunden. Sein Anſehen hatte ſich ſeit der Operation bedeutend gebeſ— ſert, under iſt viel beleibter geworden. (Dublin Quarterly Journal of Med. Science, August 1847.) (VIII) Erſtirpation der Thränendrüſe. Von J. O. Pemberton. Mary Gibbons, 81 Jahre alt, kam im März 1843 zu mir, wegen einer großen Geſchwulſt, welche aus der rechten orbita nach dem äußern Winkel zu hervorgequollen war und das Auge völlig überlagerte. Die dieſelben bedecken— den Integumente waren purpurroth, ungefähr wie trüber Portwein, gefärbt und mit ſehr ſtarken, geſchlängelten Venen durchzogen. Wenn man die Geſchwulſt aufhob und das obere Augenlied in die Höhe zog, konnte man das Auge ſehen, deſſen Hornhaut vollkommen abgeplattet war, was unſtreitig von dem Drucke der Geſchwulſt und von der wäh— rend der Bewegung des Augapfels Statt gefundenen Rei— bung herrührte. Die Pupille war natürlich und zog ſich gegen den Lichtreiz zuſammen. Die Augenlieder waren ver— ſchrumpft, ſo daß ſich das Auge ſehr eingefallen zeigte. Ungeachtet die Geſchwulſt eine ſehr bedeutende Größe hatte, war der Augapfel doch nicht aus der orbita herausgedrängt. Die Frau gab an, die Krankheit habe vor etwa 10 Jahren mit einem kleinen Knoten an der äußern Seite der orbita begonnen, und der Knoten habe ſich allmälig vergrößert, bis das Auge endlich völlig bedeckt worden ſei. Schon ſeit 8 Jahren habe ſie auf demſelben nicht mehr geſehen. Das obere Augenlied konnte ſie nur noch mit der Hand heben. Sie ſagte, ſie fühle manch Mal einen ſchneidenden Schmerz in der Geſchwulſt, habe ſich aber hauptſächlich wegen ihrer Verunſtaltung durch dieſelbe dazu entſchloſſen, ſich einer Operation zu unterwerfen. Ich vollzog dieſe demnach unter dem Beiſtande des Chirurgen Robertſon vom 69ſten Regimente. Der erſte Einſchnitt begann an der Vereinigungsſtelle des Stirnbeines mit den Naſenbeinen und zog ſich längs der crista super- eiliaris dicht an der Augenbraue bis ½ Zoll oder etwas mehr jenſeit des äußern Augenwinkels hin. Dann machte ich einen zweiten Einſchnitt von dem Ende des erſten aus, den ich längs der vordern Oberfläche der Geſchwulſt in ſol— cher Entfernung vom Ciliarrande des Augenliedes hin— führte, daß hinreichende, jedoch nicht überflüſſige Haut— bedeckung für ein oberes Augenlied ſtehen blieb, und indem ſich der zweite Einſchnitt auch am andern Ende mit dem erſten vereinigte, ward eine elliptiſche Portion der Integu— mente beſeitigt, das ligamentum palpebrarum jedoch unver— ſehrt gelaſſen. Nachdem ich die Geſchwulſt durch Hinwegnahme der Integumente bloß gelegt hatte, trennte ich ſie mittels des Scalpellſtiels don der obern Wandung der Augenhöhle, in— dem ich ſie zugleich ſanft vorwärts zog; allein ſie reichte ſo tief in die orbita hinein, daß ich mit der größten Scho— nung zu Werke gehen mußte, um den Augapfel, auf dem ſie lag, und mit dem ſie durch eine zarte Zellmembran theil— weiſe verwachſen war, nicht zu verletzen. Indeß gelang es mir, ihre tief eingelagerte Portion herauszuſchälen und von der conjunctiva zu trennen, welche auf den noch vor— handenen Theil des Augenliedes umgeſchlagen war, und an welcher die Geſchwulſt ebenfalls adhärirte. Nun konnte ich die Geſchwulſt beſeitigen. Während der Operation betrug der Blutverluſt keine volle Unze und wurde auch kein Gefäß verletzt, deſſen Unterbindung ſich nöthig gemacht hätte. Ich brachte die Wundränder zuſammen und vereinigte ſie mittels einiger unterbrochenen Nähte und Heftpflaſter, worauf ich Kaltwaſſerumſchläge und einen Verband auflegte. Die Patientin ertrug die Operation ungemein gut und ging zu Fuße nach ihrer Behauſung zurück. Sie gab an, ſie könne mit dem rechten Auge alles ſehen, doch nicht ſo deutlich als mit dem linken. Dies rührte meiner Anſicht nach von der Abplattung der Hornhaut her. Nach einer Woche war die Wunde ganz zugeheilt, außer am äußern Winkel in der Nähe der Naht, wo ſich ein kleiner Absceß bildete; aber dieſer wurde entleert und heilte bald, worauf kaum irgend eine Narbe des großen Einſchnitts mehr zu bemerken war. Nach zehn Tagen legte die Patientin den gegen 3 deutſche Meilen langen Weg nach ihrem Dorfe zu Fuße zurück. Mein Operationsverfahren wich von dem bei Ausſchnei— dung von Geſchwülſten aus der Augenhöhle üblichen ab, und ich bin der Meinung, daß es ſich einfacher und raſcher ausführen laſſe, während es zugleich ſchmerzloſer iſt und ſich auch dadurch empfiehlt, daß es keine Verunſtaltung 63 92. V. 4 64 veranlaßt; denn mittels des zweiten Einſchnittes beſeitigte ich eine Portion lockerer, aber ausgeſpannter Integumente, welche, wenn ſie ſtehen geblieben wäre, wahrſcheinlich ptosis ver— veranlaßt haben würde, denn der Muskel würde, da er ſo außerordentlich dünn geworden war, ſonſt wohl nicht Kraft genug gehabt haben, das Augenlied zu he— ben. Die Geſchwulſt, welche den Umfang einer großen Apfelſine darbot, beſtand aus zwei Lappen, von denen der kleinere in die orbita eingeſenkt war, der größere ſich außerhalb derſelben befand. Beim Einſchneiden in dieſelbe zeigte es ſich, daß ſie aus einem dichten faſerigen Gewebe von homogener Conſiſtenz und weißlicher Farbe be— ſtand, in welchem ſich keine Spur von Blutgefäßen wahr— nehmen ließ. Die erista supereiliaris war am äußern Rande vollſtändig reſorbirt, ſo daß man die Spitze des Zeige— fingers in denſelben einſenken konnte. Ich ſah die Patien— tin einige Monate nach der Operation. Eine Narbe war nicht zu bemerken. Sie konnte auf dem rechten Auge ſo gut ſehen, wie auf dem andern, und ein Rückfall ſchien durchaus nicht zu beſorgen. (Dublin Quark. Journal of Med. Science, August 1847.) Ob die Geſchwulſt wirklich die Thrä— nendrüſe geweſen, wie aus der Lage hervorzugehen ſcheint, iſt nicht ſpeciell nachwieſen. Miſeellen. (5) Fall einer Interſtitial-Uterinſchwanger⸗ ſchaft. Von Payen. — Eine ledige Frauensperſon von 32 Jahren war im dritten Monat ſchwanger. Nach einem Schmauſe wurde ſie unwohl, fühlte heftige Schmerzen in der Unterbauchgegend, ſtarken Durſt und große Schwäche. Blutegel über der Schamgegend waren ohne Erfolg. Bläſſe, Schwäche des Pulſes, häufige Anz fälle von Syncope gingen dem bald erfolgenden Tode voraus. Die Leiche wurde gerichtlich unterſucht. Nach Eröffnung der Bauch— höhle fand man eine große Menge mit Serum vermiſchten Blutes, und gegen die hypogaſtriſche Gegend hin war das Blut in großen Klumpen coagulirt, und umgab den uterus gänzlich. Der uterus war vergrößert; an ſeiner obern Partie erſchien eine Prominenz, welche in dem größten Theile ihrer Ausdehnung eine durchſchei— nende Wand zeigte, durch die man einen Embryo wahrnehmen konnte. Bei der Unterſuchung des Beckens, der urethra und der Blaſe konnte keine Spur einer Verletzung entdeckt werden, welche vielleicht, um abortus zu bewirken, Statt gefunden haben könnte. Der Muttermund war ſo erweitert, daß die Einführung des Mit⸗ telfingers geſtattet war. Hals und Körper des uterus zeigten einige röthlichbraune Stellen, aber keine Trennung des Zuſammen⸗ hangs. Der uterus war wie im dritten Monate der Schwanger: ſchaft entwickelt, ſeine Höhle enthielt jedoch keinen Fötus, war aber von einer weichen, ſchleimigen, grauen Pſeudomembran aus— gekleidet. Nahe dem Grunde des uterus, links und in der Nähe der Uterinöffnung der Falopiſchen Röhre befand ſich ein anderer Sack in der Subſtanz des uterus; die linke Falopiſche Trompete ſchien ſich in ſelben zu öffnen. Es war keine Communication zwiſchen der wahren Höhle des uterus und dieſem Interſtitialſacke aufzufinden. In dieſem befand ſich ein dreimonatlicher, männlicher, ganz unverletzter Fötus, welcher durch den Nabelſtrang an die nach oben und hinten gelagerte placenta geheftet war. Die Hämorrha⸗ gie in die Bauchhöhle war durch Ruptur dieſes Sackes entſtan— den, deſſen vordere Wand ſehr dünn war. Die Hypotheſe, daß bei einem Verſuche, den abortus zu bewirken, die Wand der Höhle des uterus mit einem Inſtrumente (Sonde) verletzt, und durch die erfolgte Contraction des uterus der Embryo in den Interſtitial— ſack gedrängt worden wäre, ſcheint demnach nicht zuläſſig, wenig⸗ ſtens ſprechen die Sectionsergebniſſe nicht dafür. (Revue med. und the Lancet 1847. Vol. II. No. 3.) (6) Die ſtethoſkopiſche Unterſuchung hat ſich une längſt im Londoner Guy's Hoſpitale bei Gelegenheit eines in die Luftröhre eines 13jährigen Knaben gerathe— nen Kieſelſteines ſehr nützlich gezeigt, indem, je nach— dem ſich die Lage des fremden Körpers durch den Huſten änderte, das Reſpirationsgeräuſch bald in der linken Lunge ganz aufhörte, bald an dem Gipfel der rechten Lunge rauh wurde. Durch die Auſeultation gelangte man fo zu der Überzeugung, daß der Stein wirklich noch in der Luftröhre ſei. Die Tracheotomie ward von Hrn. Bransby Cooper vollzogen und 4 Ringe der Luftröhre mit dem Biſtouri durchſchnitten. Als man den Patienten hierauf um— kehrte, ſo daß der Kopf nach unten gerichtet war und ſtark auf den Rücken klopfte, fiel der Stein, welcher ½ Zoll lang, 4— 5 Linien breit und 4 Linien dick war, dem Operateur während einer Inſpiration durch die Wunde in die Hand. (London Med. Ga- zette, Aug. 1847.) (7) Lepra taurica oder Krimiſcher Ausſatz wird in der Med. Zeitung Rußlands v. v. J. No. 38 u. 39 ausführlich ge⸗ ſchildert; ſie iſt endemiſch in Aſtrachan, am Don und Ural und ſtellt ein Mittelglied zwiſchen der Lepra squamosa und Elephantiasis dar. Man unterſcheidet 4 Stadien, das der Knollenbildung, der Schmerz⸗ entwicklung, der Verſchwärung und der Mitleidenſchaft innerer Dr: gane. Die Krankheit führt den Tod in 2 bis 20 Jahren herbei, in mittlerer Zeit in 7 Jahren. Bei der Behandlung werden ſchwefelhaltige Eiſenbäder, Jodmittel und Sarſaparille am meiſten gelobt. Bibliographiſche Neuigkeiten. Göttinger Studien 1847. 1. Abth. mathemat. und naturwissensch. Abhand- lungen. Red. von A. B. Krische. 1. Lfg. gr. 8. * 2 Thlr. Vandenhök u. Ruprecht in Göttingen. — dasselbe. 1847. 2. Abth. philosoph., philol. u. histor. Abhandlungen. Red. von A. B. Krische. I. Lig. gr. 8%. Geh. “ 2½ Thlr. Vandenhök und Ruprecht In Göttingen 1847. Sandberger F., Überſicht der geologiichen Verhältniſſe des Herzogthums Naſſau. gr. 8%. Geh. * 28 Sgr. Kreidel in Wiesbaden 1847. Pfeiffer, L., monographia heliceorum viventium. Fasc. II. gr. 8. 1 ½ Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1847. Fresenius, C. R., Anleitung zur qualitativen chem. Analyse. Für Anfänger hearb. Mit einem Vorwort von Just. Liebig. 5. verb. Aufl. gr. 80. Geh. * 1'/, Thlr. Fr. Vieweg u. Sohn in Braunschweig 1847. Geh. Memoire sur les astringens connus sous les noms de cachou, gambir et kino; par M. Guibourt, prof:sseur ä l’ecole de pharmacie. In 8° de 4 feuilles 4. Paris 1847. Köppe, W., der Abdominaltyphus in Torgau im J. an Bezug auf Ent- stehung u. s. w. geschildert. gr. 8. Geh. 12 Sgr. Schreiber in Eilen- burg 1847. Linderer, J. Handbuch der Zahnheilkunde. 2. Bd. gr. 80. 1848. Geh. 3 Thlr. Schlesingersche Buchh. in Berlin 1848. Traité complet des maladies des cheveux, de la barbe et du systeme pileux en general, presente ä l’Academie royale de médecine et ä l’Academie des sciences; par M. Obert. Deuxieme edition, revue, corrigee et considera- blement augmentee. In 8° de 10 feuilles. Paris 1847. Bronner, die Blasensteinzerpulverung, eine kritische Beleuchtung der haupt- sächlichsten Todesursachen bei der jetzt gebräuchlichen Operation der Zer- bröcklung. gr. 8°. Geh. * 24 Sgr. Ferd. Enke's Verlagsbuchhandlung in Erlangen 1847. Heine, M, Fragmente aus der Geschichte der Mediein in Russland. gr. 8, Geh. * 1 Thlr. Petersburg, R. Hartmann in Leipzig 1847. Rosenbaum, J., additamenta ad Lud. Choulanti bibliothecam medico - histo- En: Spec. II. gr. 8°. Geh. 1½ Thlr. Schwetschke u. Sohn in Halle Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 93. (Nr. 5. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Dawſon, üb. das Verſchwinden und theilweiſe Wiedererſtehen der Waldungen im britiſchen Nordamerica. — Miſcellen. v. Strang, Erdſpaltungen. und Verſenkungen bei Erdbeben. Hellgelbgrünes Glas für Treibhäufer. Peacock, lebende Kröte in Stein. Geil aufſchießende Obſtbäume zum Zweigtreiben zu bringen. — Heilkunde. Wilmot, aneurysma in der vorderen Naſenhöhle. — 5 ughes, ſtarkes Blutharnen von äußerer Ver⸗ letzung, durch Gallusſäure gehoben. — Rees, üb. die Ablagerungen von kleeſaurem Kalk im Harne. — Miſcellen. Reboulleau, Berauſchung durch die Daͤmpfe beim Schmelzen des Meſſings. Suquet, Erhaltung friſcher anatom. Präparate. Nekrolog. — Bibliographie. Naturkunde. IX. Über das Verſchwinden und theilweiſe Wieder⸗ erſtehen der Waldungen im britiſchen Nordamerica. Von William Dawſon. In dieſem dem Septemberhefte des American Journal of science and arts von 1847 entnommenen Aufſatze ent— wirft der Verf. ein Bild der innerhalb eines kurzen Zeitraumes im britiſchen Nordamerica durch Menſchenhand herbeigeführ— ten Veränderungen, um ihren, wenngleich gegen die großen geologiſchen Umwälzungen nur geringen, aber dennoch auf die Verbreitung oder Ausrottung von Thier- und Pflanzen— arten mächtigen Einfluß zu zeigen. Die unwirthbaren Wälder Nordamerica's verſchwanden vor der eindringenden Cultur, mit ihnen vergingen ihre lebenden Bewohner oder wurden zu einer neuen Lebensweiſe gezwungen, während neue Thier- und neue Pflanzenarten die angeſtammten Bewohner verdrängten und ſich ſtatt ihrer einbürgerten; und ſolche Umwälzungen der organiſirten Natur erfolgten in einem einzigen Menſchenalter, wie es der Verf. an den Wäldern der Provinz Neu-Schottland nachzuweiſen verſucht. Dieſer Staat war wie die benachbarten Provinzen vom Ufer bis zur Spitze ſeiner Hügel mit dichtem Walde bedeckt, der ſich nur hie und da, wo leichter oder allzu felſiger Boden vorkam, etwas lichtete; von der Spitze einer ſeiner Hügel überſah das Auge eine endloſe ſich wellenförmig he— bende und ſenkende Waldfläche, die nach der Beſchaffenheit ihres Bodens mit dem dunklen Grüne der Nadelhölzer oder der lichteren Färbung des Laubwaldes wechſelte. In den Gründen, auf fruchtbaren Hochebenen, den Schiefer- und Trapphügeln war letzterer vorherrſchend, während die ſum— pfigen Niederungen, die minder fruchtbaren, ſowie die gra— nitiſchen Höhen von Coniferen überdeckt wurden. Dieſe No. 2073. — 973. — 93. Vegetation entſprang einer ſchwarzen vegetabiliſchen Damm— erde zwiſchen ſogenannten Wiegenhügeln (Cradle hills), den Gräbern früherer in der Erde vermoderter Stämme, wäh— rend ein niedriges Unterholz und blühende Sträucher im Schatten des Urwaldes gedieh und Mooſe, Lycopodiaceen und Farnkräuter den Boden bedeckten. Dieſe Wälder verſchwanden vor der Art oder dem Feuer; Waldbrände fanden nach indianiſchen Überlieferungen zwar ſchon vor der Beſitznahme America's durch die Europäer Statt, in der neueren Zeit wurden ſie jedoch häufiger und von größerer Bedeutung. Früher durch Zufall entſtanden, fällte man jetzt die Bäume und ſäuberte das Land durch Feuer; um vollſtändiger dieſen Zweck zu erreichen, wählte man zu dieſer Art der Urbarmachung die trockene Jahres— zeit, und ſo geſchah es denn, daß häufig ganze ausgedehnte Waldflächen, deren dürres Holz von den Flammen er— griffen ward, mit zu Aſche wurden. Schon ohnehin entſteht, trotz der geringeren Verbrennlichkeit der Blätter und des Holzes der Laubwaldungen, durch den moorbedeckten, torfigen Boden bei trockenem Wetter leicht ein Waldbrand, der mit reißender Schnelle leicht um ſich greift und um ſo verheeren— der wird, wenn harzreiche Nadelwaldungen von ihm ergriffen werden und die hochlodernde Flamme, vom Winde gepeitſcht, von Wipfel zu Wipfel fortſchreitet. Dagegen ſind in naſ— ſen, ſumpfigen Gründen, wo das Feuer am Boden keine Nahrung findet, ſelbſt dieſe Harzbäume häufig vor ſeiner Verheerung geſichert. Ein hohes Alter der Waldungen be— günſtigte nach dem Verf. die Waldbrände, indem die moos— bedeckten, an abgeſtorbenem Holze reichen uralten Bäume leicht zufällig Feuer fingen und weiter verbreiteten. So wurden unter dem Feuer günſtigen Umſtänden oft ungeheure Waldflächen eingeäſchert: der Waldbrand von 1825 verheerte in der Nähe des Miramichi-Fluſſes in Neu⸗ 5 67 93. V. 5. 68 Braunſchweig eine Gegend von 100 Meilen in der Länge und 50 in der Breite; 160 Menſchen, mehr als 800 Stück Vieh fanden, die unzähligen wilden Thiere ungerechnet, in ſeinen Flammen ihr Grab. Ein ungewöhnlich trockner Sommer, ein ausgedörrter, trockner Boden und ein Wald von alten Fichten traf hier mit andern Umſtänden zuſammen, eine ſo ungeheure Verbreitung des Feuers zu bewirken. Bei einem ſolchen Waldbrande werden die Stämme des Laubholzes meiſtens nur verſengt, ſterben aber doch in Folge deſſen gewöhnlich ab, was vorzugsweiſe von der Birke gilt, deren Rinde leichter vom Feuer verzehrt wird als die der andern Bäume; beſteht der Wald dagegen aus niederem Holze oder Coniferenſtämmen, ſo bleiben oft nichts als nackte Stummel oder Haufen braungeſengten Laubes nach. Bis— weilen wird ein Theil des Holzes von den Flammen nicht verzehrt, um, wenn es trocken geworden, dem Feuer neue Nahrung zu geben, ſo daß dieſelbe Waldſtrecke zu wieder— holten Malen brennen kann, bis fie endlich öde und wüſt daliegt und nur hie und da verſengte Stumpfe aus der ſchwarzen Brandſtätte hervorragen. So iſt es weiten Diſtricten Neu-Schottlands und der benachbarten Colonien ergangen. Konnten nun dieſe Flächen, da ſie mit ihrem Schlagholze auch an Werth verloren hatten, nicht ſogleich urbar gemacht werden, fo blieben fie ſich ſelbſt überlafjen liegen. Ehe jetzt der Verf. die Art des Hervorgrünens und die ſie begleitenden Erſcheinungen näher betrachtet, gedenkt er zuerſt einer von Titus Smith, dem Seecretär der land— wirthſchaftlichen Geſellſchaft von Neu-Schottland ausgeſpro— chenen, ſich auf ſorgfältige Beobachtung gründenden Anſicht. Nach ihm wird eine in der Mitte der Waldung aus— gehauene 1 bis 2 Acres große Waldfläche ohne menſchliches Zuthun bald wieder von einem der früheren Vegetation ähnlichen Wuchſe bedeckt ſein; wenn aber in einem alten Walde altes Holz, die ſumpfigen Stellen ausgenommen, durch Feuer vernichtet iſt, ſo wird ſich eine ganz andere Vegetation, und zwar zuerſt nur Kräuter und Sträucher, die urſprünglich hier nicht vorkamen, aus der Aſche er— heben. Die von den modernden Wurzeln der Bäume und Pflanzen des Waldes durchflochtene, nunmehr vom Feuer verzehrte Torfdecke iſt zu einem Miſtbeete geworden, aus welchem ſeit Jahrhunderten ſchlafende Keime zu üppigen Pflanzen entſtehen. An den ſterilſten Stellen tritt faſt überall die Heidelbeere (blue-berry) auf, Felder rother Him— beeren oder franzöſiſcher Weiden, auch Feuerkraut genannt (ein Epilobium), kleiden den Saum ehemaliger Buchen- und Tannenwaldungen; bald darauf erſcheint der rothbeerige Flieder und mit ihm die wilde Kirſche; ſchon nach wenigen Jahren verſchwinden die Himbeeren und mit ihnen die klei— neren Pflanzen, um einem Wuchſe von Föhren, weißen und gelben Birken und Pappeln Platz zu machen. Iſt ſo ein junger Nadelwald entſtanden, ſo findet ſich mit andern nie— deren Sträuchern die Kalmia oder das Schafgift in Maſſe ein, und bildet innerhalb 10 bis 12 Jahren eine ſo mäch— tige Torfdecke, daß ein dichtes Unterholz entſtehe, unter deſſen Schutze ſich die Föhre, Edeltanne, Lerche und weiße Buche erheben kann. Iſt der Grund erſt durch ein etwa 20 Fuß hohes Dickicht überſchattet, fo gewinnen die an— geſtammten Baumarten die Überhand, indem ſie nach und nach ihre bisherigen Beſchützer erſticken, ſo daß ſich nach 60 Jahren ein neuer Wald derſelben Art auf der Brand— ſtätte des alten erhebt. Wenngleich Smith's Angaben im allgemeinen durch— aus richtig ſind, hält es der Verf. doch nicht für unwichtig, dieſes Wiedererſtehen der Wälder im einzelnen zu betrachten. Erſtens wird, wenn der Wald nur geſchlagen, nicht aber durch Feuer verheert ward, ſich unmittelbar aus dem im Boden reichlich vorhandenen Samen, und wenn das Fällen im Winter geſchah, auch aus den zurückgebliebenen Wurzel— ſtöcken eine neue Generation derſelben Art erheben. Den— noch werden kleinere Pflanzen und Sträucher, dem Boden früher nicht eigenthümlich, mit emporſchießen, wovon ſpäter. Beſtand der Wald aus Bäumen, die einen fruchtbaren Bo— den verlangen, aus Ahorn oder Buchen, ſo kann der Fall eintreten, daß die Menge der, mit dem zum Brennen ver— wandten Holze dem Boden entführten, unorganiſchen Stoffe ihn für lange Zeit zum Gedeihen der genannten Bäume unfähig macht. In ſolchem Falle bemächtigen ſich mit einem dürftigeren Boden zufriedene Baumarten des Grun— des; auf Buchwaldungen, welche als Nutzholz geſchlagen wurden, erheben ſich Föhren und Edeltannen, wie der Verf. dies ſowohl auf Neu-Schottland als auf Prinz Edwards— Inſel mehrfach ſah. Sind dagegen zweitens die Bäume verbrannt, doch ſo, daß nicht der vegetabiliſche Boden vollſtändig vernichtet ward, ſo wird die Reproduction ſchon verwickelter, erfolgt auch erſt in einer Reihe von Jahren. Die durch Feuer verheerte Waldfläche bedeckt ſich dann zuerſt mit niedrigen Pflänzchen, die ſchon im folgenden Sommer in großer Artenzahl, wenn der Boden fruchtbar iſt, die Brandſtätte bekleiden. Sie laſſen ſich in 3 Gruppen theilen: zur erſten Gruppe gehören krautartige Pflanzen, deren ſehr tief in den Boden gedrungene Wurzeln der vernichtenden Flamme entgingen; jo eine Trillium - Art, deren Knollen tief in der ſchwarzen Baumerde der Wälder wurzelt, und deren Blüthen oftmals bald nach dem Waldbrande die ſchwarze Fläche in Menge bedecken. Auch einige Farnarten erhalten ſich auf gleiche Weiſe. Zur zweiten Gruppe gehören ſolche Pflanzen, deren Samen leicht vom Winde fortgetrieben werden, dahin eine Epilobium-Art, in Neu-Schottland, ihres Vorkommens auf Brandſtätten wegen, Feuerpflanze genannt; ihre mit einem Haarſchopfe verſehenen Samen werden um ſo leichter vom Winde befördert, und ſo bekleiden ſie oftmals weite Strecken mit dem Purpur ihrer Blüthen. Verſchiedene Pflanzen aus der Familie der Compoſiteen als Aster - und Solidago-Arten, auch Farnkräuter, Lycopodiaceen und Mooſe ſcheinen in ähnlicher Weiſe durch den Wind über die friſche Brand— ſtätte ausgeſäet zu ſein, wogegen die letzte Gruppe, aus Pflanzen mit eßbaren Früchten beſtehend, durch Vögel, welche ſich von dieſen Früchten nähren, geſäet zu ſein ſcheint. Die einen paſſenden Boden findenden Samen gedeihen, ihre Früchte locken die Vögel in Menge herbei, und dieſe brin— gen wiederum neue Samen hinzu, ſo daß in einigen Jahren 69 93% V5. 70 ſich auf einem kleinen Flecke einer durch Waldbrand verheer— ten Gegend ſämmtliche Sträucher und Kräuter mit eßbaren Früchten, die in der Umgegend vorkommen, bei einander finden. Zu dieſen überall nach Waldbränden ſich einſtel— lenden Pflanzen gehört die Himbeere, die auf gutem Boden ſich mit zuerſt einſtellt, 2 Arten von Vaccinium, in Neu— Schottland als blaue Beere bekannt, die immergrüne Thee— beere (Gaultheria procumbens), die Taubenbeere (Cornus ca- nadensis) und die Walderdbeere. Zwar iſt nicht zu leug— nen, daß bisweilen einige Pflanzen bald nach ſolchen Brän— den erſcheinen, deren Entſtehen nicht auf die oben beſchrie— bene Weiſe zu erklären iſt. Niemand, der die Verhältniſſe kennt, wird dagegen in Abrede ſtellen, daß ſämmtliche Pflan— zen, welche in Maſſe die Brandſtätte überziehen, den 3 be— ſchriebenen Gruppen angehören. So ſorgt die Natur durch einfache Mittel für den Erſatz des Verſchwundenen, indem ſie mit neuem Grün die öden Steppen bekleidet, den ver— ſchiedenartigſten Thieren Futter in Menge bietet und die Fruchtbarkeit des Bodens erhält, bis ein neuer Wald ſich auszubreiten Zeit gewinnt. Mit den kleineren zuerſt erſcheinenden Pflanzen ent— falten ſich die Keimlinge junger Bäume, um ſich von Jahr zu Jahr mehr über das niedere Geſträuch zu erheben; manche dieſer jungen Bäume entſprechen den Arten des früheren Wal— des, die Mehrzahl iſt aber gewöhnlich von ihnen verſchieden. Der Urwald beſtand z. B. aus der Weiß- oder Rothtanne, der ſchwarzen, weißen oder Schierlingstanne (2), dem Ahorn, der Buche, der Weiß- oder Rothbuche oder andern anſehn— lichen ein hohes Alter erreichenden Bäumen; der neue ihnen folgende Wuchs beſteht dagegen aus der Pappel, der weißen oder Pappelbirke, der wilden Kirſche, der Balſamföhre, der Zwergtanne, Erle und andern nicht ſo hoch werdenden, aber ſehr raſch wachſenden Bäumen, welche auf einem guten Bo— den den größeren Waldbäumen nur den Weg bahnen, jedoch auf minder fruchtbarem Boden ihren Platz behaupten. So folgte in der Nähe der Stadt Picton einem hauptſächlich aus Buchen, Ahornen und Schierlingstannen beſtehenden Walde ein Wuchs von Weißbirken und Föhren. Eine kleine Lichtung in Mitten eines Ahorn- und Buchenwaldes zu Neu⸗Annan, die vor 30 Jahren beackert ward, iſt nun mit einem dichten Wuchſe von 30 Fuß hohen Pappeln bedeckt. Auf der Prinz Edwards-Inſel folgten Föhren und Tannen einem Laubwalde; die Pinien-Wälder Miramichi's, bei dem erwähnten großen Waldbrande vernichtet, ſind nunmehr größtentheils durch Weißbirken, Pappeln und wilde Kirſchen vertreten; vor einigen Jahren ſtanden dieſe zwiſchen den abgeſtorbenen noch zahlreich vorhandenen Überreſten der frü— heren Waldbäume, deren Höhe ſie erſt zur Hälfte erreicht hatten. Wie bereits erwähnt, kommen in dieſem zweiten Anwuchſe faſt immer denen des Urwaldes ähnliche Bäume vor; haben nun die minder großen Bäume ihre mögliche Ausdehnung erreicht, ſo werden ſie von den erwähnten überragt und nach und nach erſtickt, und ſo ſteht denn der frühere Wald von neuem wieder da, indem, wie in allen alten Wäldern, die ſich durch ihren Umfang und ihre Lebensdauer auszeich— nenden Bäume die von der Natur minder begünſtigten ver— drängen. Was nun den zur Entſtehung dieſes Nachwuchſes nö— thigen Samen anbetrifft, ſo iſt er ebenfalls entweder vom Winde oder durch Vögel herbeigeführt worden; die geflügel— ten Samen der Birke und Tannen, ſowie der wollbedeckte Same der Pappel ſind zur Beförderung durch den Wind vorzüglich geeignet, wogegen die Samen der Kirſche und an— derer nicht ſelten ſich einfindender Obſtbäume durch Vögel verſchleppt werden. In Mitten eines Waldes können alle dieſe Saaten nicht gedeihen, wogegen ſie auf dem durch Waldbrand verheerten Boden üppig emporſchießen. Mög⸗ licherweiſe können indeß die Saaten der Bäume des zweiten Wuchſes bereits im Boden gelegenen und mit den vorher erwähnten Knollen dem Flammentode entgangen ſein, und durch die Beſtandtheile der Aſche reichlich ernährt, noch ehe von außen neuer Same hinzukommt, hervorgrünen. Es iſt ſogar nicht unmöglich, daß manche dieſer alten Waldungen vormals ähnliche Entwickelungsſtufen durchliefen, und die aus einer früheren Entwickelungsperiode ſtammenden Saaten im Boden ihre Keimkraft behielten, um bei den ihnen gün— ſtigen Bedingungen nach einem Feuer zu neuem Leben zu erwachen. Über dieſen Punkt geſteht der Verf. indeß noch nicht durch hinreichende eigene Verſuche geſichert zu ſein. Demnach waren die Waldbrände im uneultivirten Zu— ſtande des Landes ein Mittel zur Wegräumung alter, ab— geſtorbener Waldungen und gleichzeitig für den Haushalt der Natur von großer Wichtigkeit, indem durch ſie nach einander verſchiedene Theile des Landes in den Brach— zuſtand verſetzt wurden, und Kräuter und wilde Früchte im reichſten Maße zum Unterhalte der Thiere lieferten, die in alten Wäldern nicht genügend Nahrung finden konnten; dann aber ſich nach und nach mehr entwickelnd, zu neuen und kräftigen Waldungen wurden. Der Entwickelungsgang der wiedererſtehenden Wälder kann drittens durch wiederholte Brände unterbrochen werden. Wenn dieſe bald nach dem erſten Brande erfolgen, ſo ſind ſie natürlich von geringerem Einfluſſe, als wenn ſie ſpäter eintreten. In jungen Waldungen entkommen immer einige Bäume den Flammen, auch ſchießen neue Pflanzen, wenn— gleich nicht ſo reichlich, wie nach dem erſten Brande, ſobald nur etwas vegetabiliſche Erde übrig blieb, wieder hervor. Wiederholte Brände entkräften indeß den Boden, indem die löslichen Aſchenbeſtandtheile leicht vom Regen weggeführt werden, und die organiſchen Stoffe im Boden durchs Feuer verzehrt ſind. In ſolchem Falle verliert der Grund, wenn er nicht von Natur ſehr fruchtbar iſt, die Fähigkeit, eine neue kräftige Waldung zu ernähren, ihn bedecken dann für lange Zeit nur Sträucher und Kräuter, und er gleicht von fern oft einem prächtigen Blumengarten, mit blühenden und fruchttragenden Stauden und den ſchönſten Mooſen und Flechten prangend. Die meiſten der vorhin erwähnten, dort einer Übergangsperiode angehörenden Pflanzen behalten hier dauernd die Oberhand; zu ihnen geſellen ſich indeß noch viele andere Pflänzchen, ſo die Kalmia angustifolia oder der Schaf-Lorbeer, die ſich oft über weite Flächen ausbreitet; 5 * 71 93. V. 5. 72 überdies wird durch das weidende Vieh der Same vieler Culturpflanzen verfchleppt, jo daß hier Gras- und Klee: arten zwiſchen exotiſchen Pflanzen ſo üppig wie in ihrem Vaterlande wachſen. Wenn endlich ein Landſtück beſtändig für Agricultur: zwecke verwandt wird, kann ſich natürlich kein neuer Wald erheben, auch die Mehrzahl der kleineren ſich auf der Brand— ſtätte entwickelnden Pflanzen verſchwindet, nur einige Soli- dago- und Aster- Arten, die Canadadiſtel u. |. w. bleiben oftmals zu läſtigen Unkräutern werdend. Die ſchädlichſten und gemeinſten Unkräuter des cultivirten Landes find indeß fremde mit Culturgräſern eingeführte Pflanzen, das Gänſe— blümchen oder die weiße Pflanze (white weed) und der Krähenfuß oder das Butterblümchen (erowskoot or but- tercup). 2 Wenn ſo die ſchattigen Wälder und die unter ihrem Schutze gedeihenden Pflanzen der mächtigen Cultur, welche die freien Felder mit neuen, ihrem Haushalte dienenden Ge— wächſen bekleidet, gewichen ſind, beſchränkt ſich die Umwand— lung nicht allein auf die Vegetation, ſondern wird faſt in demſelben Maße auch im Thierreiche fühlbar. Einige der wilden Thiere können ſich zu einer veränderten Lebensweiſe nicht bequemen, andere dagegen gedeihen um ſo beſſer. Den erſteren find, wie ſchon erwähnt, die mit Gebuͤſch und jun— gen Bäumen dicht bewachſenen jugendlichen Wälder vor— züglich günſtig; ſie würden ſich dort in noch größerer Menge finden, wenn die Europäer ſie nicht ſo ſchonungslos bekriegt hätten. Das krauſe Haidehuhn, ein ächter Waldvogel, kommt, wenn er nicht geſtört wird, in ſolchem Unterholze in grö— ßerer Menge als im Hochwalde vor; auch die Haſen ver— mehren ſich vorzugsweiſe im jungen Birkenwuchſe, die wilde Taube niſtet hier den größten Theil des Sommers; auch das Elennthier und der Caribu (?) find hier vorzüglich zu Hauſe. Die große Menge abgeſtorbenen vom Feuer oder vom Fällen der Bäume zurückgebliebenen Holzes zieht die Familie der Spechte herbei, auch die Fliegenfänger, Wir— bler (warblers?), Droſſeln und Spatzen haben hier ihren Tummelplatz. Rauboögel und vierfüßige Raubthiere finden ſich gleichfalls in dem Verhältniſſe, wie Beute für ſie vor— handen iſt, ſo daß ſich der Beiſpiele mit Leichtigkeit noch viele aufſtellen ließen. Mit dem Urbarwerden des Landes verſchwinden nun— mehr alle dieſe und noch viele andere Thiere, wogegen ſich andere bei der durch den Menſchen eingeführten veränderten Lebensweiſe trefflich befinden und übermäßig vermehren. Das Rothkehlchen, wenngleich vom Jäger vielfach verfolgt, findet auf den Feldern reiche Nahrung, die Fringilla nivalis, ein Sommervogel Neu-Schottlands, baut ihre Neſter an den Dächern der Häuſer, die Lerche (2) und der Savannahfinke ſchwärmen über den Feldern, die Sylvia aestiva baut ſich in Gärten an, der Goldſpecht ſucht die Würmer von den Ackern. Die Klippenſchwalbe vertauſcht die Felsabhänge mit Dach— traufen und die Mauer- und Rauchſchwalbe benutzen die Vortheile, die menſchliche Wohnungen ihnen bieten. Die aca— diſche oder kleine Eule ſchlägt ihre Winterwohnung in Scheunen auf, auch der Königsvogel, Kirſchvogel und der Kolibri ſtehen ſich bei dem Wechſel gut. Die großen vier— füßigen Thiere verſchwinden, nur der Fuchs und der Her— melin umſchleichen noch die angebauten Gründe; auch die in einigen Wäldern jo häufige Feldmaus (Arvicola pen- sylvanica) iſt auf den Fluren nicht minder gemein. Einige Inſecten haben ſich durch das Lichten der Wälder in un— geheurem Maße vermehrt, Heuſchrecken und Loeuſten ver— heeren in trocknen Jahren Wieſen und Felder; auch die Cercopis richtet vielen Schaden an. Die Schmetterlinge finden auf den ſonnigen Fluren und den Bruchfeldern vormaliger Wälder reichere Nahrung als im Dunkel des Waldes. — Und ſo ſchließt der Verf. endlich noch mit der Bemerkung, daß in den angebauten Theilen Europa's kein einziges dem Menſchen nützliches oder ſchädliches Thier vorkomme, daß in America nicht ſeinen Re— präſentanten fände, der genau denſelben Zwecken der Natur dienſtbar und in naturgeſchichtlicher Beziehung ihm nahe verwandt wäre, woraus wiederum die allgemeine Überein— ſtimmung der Naturgeſetze für die alte und neue Welt her— vorleuchtet, deren nähere Erforſchung ſehr lohnend ſein würde. Miſeellen. 9. Naturwiſſenſchaftliche Section der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Cultur den 4. Auguſt 1847. — Hr. Oberſtlieutenant Dr. F. v. Strantz ſprach über Erd⸗ fpaltungen und Verſenkungen bei Erdbeben. Es iſt be⸗ kannt, daß bei den Erdbeben die in horizontaler Richtung ſich verbreitenden Stöße die ſchwächeren find, die Verticalſtöße dagegen größere Wirkungen hervorbringen. — Die Horizontalſtöoße, welche der Länge nach ſich verbreiten, ſind auch die vorherrſchenden, wirken aber meiſt doch nicht zu Tage und find die Wirkung meh- rerer in horizontalen Erdcanälen raſch auf einander folgender Er⸗ ploſionen der erpanſiven Gaſe, die ſich wie bei einer Dampfflinte ſucceſſive entladen; der kürzeſte Widerſtand hier fällt meiſtens ins nerhalb des Canals. Es erleidet hierbei die Erdrinde nach Map: gabe des Widerſtandes eine Erſchütterung, wellenförmige Bewegung, Zerreißung oder Aufklaffen der Schichten, Spalten, woraus ſich ein Theil der Gaſe entladet, die Sand und Waſſer auch wohl auswerfen und ſodann ſich wieder ſchließen. Die Vertiealſtöße find Wir⸗ kungen auf einander folgender Erploſionen der aus großer Tiefe aufſteigenden Gaſe in Verticalcanälen, und die ſelteneren, aber mehr Zerſtörung hervorbringenden. Ihre Wirkung, nämlich die hieraus entſtehende Verſenkung, iſt radial, wie die eines Erploſionskraters; ſie unterſcheidet ſich aber von dieſer dadurch, daß ſie hier keine Auswurfskegel bewirkt, auch die Folge mehrerer, gemeinhin 2 bis 3 Exploſionen und fo vieler Erdſtöße iſt, die hinreichen, um den Ein⸗ ſturz einer Stadt zu bewirken. Ein Durchſtoß im Mittelpunkte des Kreiſes und flernförmiger Schichtenbruch, von hier ausgehend und ſich ſenkend, tft die Folge; fo z. B. in Calabrien (Pog⸗ gendorf's Annalen 1840 No. 10 S. 291.) — Auf die Radial⸗ Wirkungen ſolcher Erſchütterungen, die oft iſolirt vorkommen, ift man in neuſter Zeit mehr aufmerkſam geworden; ſie kommen auch an Meeresküſten und Ausmündungen der Flüſſe vor, wo fie große Verwüſtungen anrichten. So vor Jahren am Tajo der Einſturz von Liſſabon und in neuſter Zeit (1846) dergleichen Verſenkungen am Arno unterhalb Piſa und in gebirgigen Sternthälern, z. B. das mittlere Rheinthal, das Thal der untern Lahn und Maas; alles Wirkungen, welche über die Felsthalwände hinaus ſich er— ſtrecken. 10. Ein hellgelbgrünes Glas ſoll, der Theorie nach, zur Beſeitigung der den Gewächshaus-Pflanzen ſchäd⸗ 73 93. V. 5. 74 lichen Art der Sonnenſtrahlen am geeignetſten ſein. Bei Errichtung des großen Palmenhauſes im königl. botaniſchen Garten zu Kew ſtellte R. Hunt hierüber vielfache Verſuche an, indem er ſowohl das Durchlaſſungsvermögen für die leuchtenden, als für die chemiſch— wirkenden Strahlen, und eben ſo die Menge der durchgelaſſenen Wärmeſtrahlen für verſchiedentlich gefärbte Gläſer erprobte. Hell- gelbgrünes, durch Kupferoryd gefärbtes Glas erwies ſich dabei als das vorzüglichſte, indem es ſo durchſichtig war, daß kaum etwas Licht verloren ging, die chemiſchen Wirkungen des Sonnenlichtes ebenfalls dieſelben blieben, dagegen diejenigen nicht leuchtenden Strahlen, welche nach W. Herſchel die meiſte Hitze geben, zu— rückgehalten wurden. Sind es nun wirklich dieſe Strahlen, welche verſengend auf die Vegetation einwirken, ſo läßt ſich allerdings von einem Glaſe, das ſie zurückhält, viel Gutes erwarten. Ein ſolches Glas muß indeß frei von Manganoryd fein, indem es ſonſt, dem Sonnenlichte ausgeſetzt, einen röthlichen Anflug bekommt und damit die geprieſenen Wirkungen verlieren ſoll. (The Gardner's Chronicle 1847. No. 32.) 11. Über eine in Stein eingeſchloſſene lebende Kröte, die kürzlich zwei Arbeiter in einem Steinbruche zu Tro— dingham, bei Brigg in Lincolnſhire, 5 Fuß unter der Erdoberfläche, zwiſchen zwei Steinblöcken antrafen, berichtet E. Peacock; der Zwiſchenraum war mit gelben Lehm ſo genau ausgefüllt, daß er auch nicht die kleinſte Offnung zeigte. — Als Gegenſtück hierzu ſah Thomas Bell in dieſem Sommer eine Bufo calamita unter dem Pfirſichſpaliere ſeines Gartens hervorgucken und hier mehrere Tage ſo lange ruhig verweilen, bis ſie von der Sonne einiger⸗ maßen verſengt war. Sicher war dieſer, der Mittagsſonne un⸗ mittelbar ausgeſetzte Ort ein höchſt eigenthümlich gewählter Schlupf⸗ winkel für ein Thier, von dem ſchon Shakeſpeare fagt: Kröte du, die Nacht und Tag Unter kaltem Steine lag! (The Zoologist 1847. No. 58.) 12. Um geil aufſchießende, keine Zweige treibende Obſtbaume zum Zweigtreiben zu bringen, ritzte Jam in zu Paris im Herbſte die Borke ſeitlich über einem ſchlummernden Auge (Knoſpe des kommenden Frühlings); Dodman wiederholte dies Verfahren mit Erfolg, erhielt jedoch ſtatt des gewünſchten beblätterten Zweiges bisweilen einen Blüthenzweig. (The Gard- ner's Chronicle 1847. No. 33.) Heilkunde. (IX.) Ein Fall von aneurysma in der vordern Naſenhöhle. Von Samuel Wilmot, Präſidenten des königlichen Collegiums der Wundärzte in Irland. Die Geſchichte dieſes, wegen der höchſt ungewöhnlichen Lage der Krankheit merkwürdigen Falles iſt folgende. Die 30jäbrige Mary Moore wurde den 2. Juni 1845 in das Steeven's-Hoſpital aufgenommen. Ihr Anſehen war ſchwächlich, und ſie gab an, daß ſie in ihrem zehnten Jahre von einer bedeutenden Höhe herabgeſprungen und unmittel— bar darauf von heftigem Naſenbluten aus dem linken Na— ſenloche befallen worden ſei; dasſelbe habe während etwa einer Woche öfters repetirt und ſei endlich durch chi— rurgiſche Hülfe gehoben worden. Vor etwa 4½ Jah— ren habe ſie eine kleine Geſchwulſt, nicht größer als eine Erbſe, an der innern Seite des linken Naſenflügels bemerkt. Vor der Bildung dieſer Geſchwulſt habe ſie be— deutende Schmerzen in der ganzen linken Hälfte der Naſe, auch in derſelben Seite des ganzen Kopfes ein Gefühl von Spannung und Schwere verſpürt, und binnen einigen Mo— naten habe ſich die Geſchwulſt ſo vergrößert, daß ihre Ver— wandten dieſelbe bemerkt hätten. Man habe ſie für einen Polypen gehalten und deßhalb ſei nun die Pat. zu mir in die Stadt geſchickt. Als ich die Kranke unterſuchte, fand ich an der innern Oberfläche des linken Naſenflügels eine Geſchwulſt von dem Umfange einer kleinen Olive. Dieſelbe war dunkelblau gefärbt, weich, von glatter und regelmäßig geſtalteter Oberfläche, und als ich mit dem Finger auf die— ſelbe drückte, fühlte ich ein undeutliches Klopfen in derſelben. Die art. coronaria der Lippe und die art. lateralis nasi pulſirten ſtark, und von ihnen aus ſchien die Geſchwulſt verſorgt zu werden. Die Kranke klagte über Kopfweh und ein Gefühl von Spannung und Schwere in der linken Seite der Naſe. Sie blieb dieſes Mal nur ſehr kurze Zeit im Hoſpitale, da ſie ihrer Entbindung wegen nach Hauſe zurückkehren mußte; allein nach vier Monaten kam ſie wie— der. Während ihrer Abweſenheit hatte ſich die Geſchwulſt vergrößert und die mit derſelben in Verbindung ſtehenden Arterien erweitert. Auch war das früher dunkle Klopfen jetzt ſehr deutlich wahrzunehmen. Sie gab an, daß wäh— rend ihrer langwierigen und ſchwierigen Entbindung ſich alle Symptome bedeutend verſchlimmert hätten. In einer mit Hrn. Cuſack und Hrn. Colles ge haltenen Conſultation wurde beſchloſſen, die Geſchwulſt an der innern Seite mit ſalpeterſaurem Silber anzugreifen. Zu dieſem Ende wurde ſie mittels einer Staarnadel angeſtochen und durch die Stiche eine kleine, mit ſalpeterſaurem Silber überzogene Sonde eingeführt. Auf jede dieſer Operationen folgte eine heftige Blutung, die ſich jedoch durch Druck ſchnell ſtillen ließ. Das Atzmittel wurde auf dieſe Weiſe drei bis vier Mal und in den Zwiſchenzeiten adſtringirende Waſchmittel angewandt. Bei dieſer Behandlung verkleinerte ſich die Geſchwulſt einigermaßen; allein dies war nicht von Beſtand, indem ſie nach ſehr kurzer Zeit ihr früheres Vo— lumen wiedererlangte, ja vielleicht noch größer ward, als ſie vorher geweſen. Auch das Kopfweh verſchlimmerte ſich und es ſtellte ſich ein heftiges Klopfen, nicht nur in der Geſchwulſt, ſondern in der ganzen linken Kopf- und Ge— ſichtshälfte ein. In dieſem üblen Zuſtande war die Pa— tientin abermals genöthigt, das Hoſpital zu verlaſſen, da eines ihrer Kinder gefährlich krank geworden war, und erſt nach faſt einem halben Jahre kehrte ſie zurück. Die Ge— ſchwulſt hatte ſich mittlerweile in Größe und Geſtalt auf— fallend verändert. Sie war bedeutend voluminöſer und nicht mehr oval, ſondern rund, und hatte nun einige Ahnlichkeit mit einem großen Hämorrhoidalknoten. Sie füllte die vor— dere linke Naſenhöhle aus und erſtreckte ſich ein wenig über deren Rand hinaus. Ihre freie Oberfläche lag an der Scheidewand an, und die Naſenhöhle war vollkommen ver— 79 des gefunden Harnes, der vor dem Sieden keine Kryſtalle von kleeſaurem Kalke gab, dieſes Salz erzeugte, ſo ſind wir zu der Anſicht berechtigt, daß ſich eine ſolche Ablagerung bei gewiſſen Zuſtänden des Organismus ſehr wohl nach der Secretion des Harnes durch die Nieren, und während deſſen Aufenthaltes in den Harnleitern und der Blaſe bilden könne. Höchſt wahrſcheinlich hat ſich in manchen Fällen der klee— faure Kalk erſt nach der und nicht durch die Seeretion er— zeugt, und Dr. Aldridge's Verſuche weiſen darauf hin, wie nothwendig es iſt, den Harn zeitig nach der Exeretion und ohne Anwendung künſtlicher Hitze, welche ſelbſt im ge— ſunden Urine kleeſauren Kalk bilden kann, zu unterſuchen. (On the Analysis of the Blood ete.; by G. Owen Rees, M. D. Second ed. 1845. Dublin quart. Journ. of Med. Science, Nov. 1846.) Mifcellen. (8) Über eine Art von Trunkenheit, welche durch das Einathmen der beim Schmelzen von Meſſing ſich entwickelnden Dämpfe erzeugt wird, hat Hr. Reboul⸗ leau an die Pariſer Akademie berichtet. Anfangs fühlte man eine ſchmerzhafte Schwere im Hypochondrium und der Lendengegend, Steifheit in den Gliedern, Niedergeſchlagenheit, Appetitloſigkeit; bald ſtellt ſich Froſtſchauer und allgemeines Unwohlſein ein; das Geſicht erblaßt, die Züge werden entſtellt; der Unterkiefer zittert, ſo daß die Zähne klappern; Puls unterdrückt, häufig und unregelmäßig; zuweilen Ekel und Erbrechen. Endlich wird der Puls breit, voll; es ſtellt ſich allgemeine Hitze ein; das Geſicht wird roth und be— lebt, die Haut heiß und feucht; während des Schlummers finden ängſtliche Träume und Bewegungen Statt; endlich ſchließt die Kriſis, die gewöhnlich 8—10 Stunden anhält, mit einem reichlichen Schweiße. Dieſe Symptome ähneln, wie man ſieht, denen des Wechſelfiebers. Die Arbeiter in den Meſſinghütten werden gewöhn— lich gegen Abend von der Krankheit ergriffen; der Hauptanfall tritt in der Nacht ein, und ſchon am folgenden Tage können ſie ſich wieder mit ihren Arbeiten befaſſen. Gewöhnlich bleiben ſie, nach— dem ſie einige Anfälle dieſer Art gehabt, von denſelben frei. Sel— 93. V.. 5. 80 ten haben ſie deren mehr als 4— 5 zu überſtehen, bevor ſie die Dämpfe vertragen können. Zuweilen kommt ein Arbeiter mit einem einzigen Anfalle davon; allein bei manchen wiederholt ſich das Erkranken fort und fort nach jedem Tage, wo Meſſing gegoſſen worden iſt. Zuweilen erleiden auch Arbeiter, die ſich längſt an die Meſſingdämpfe gewöhnt haben, wieder Rückfälle. Dies geſchieht dann meiſt an regneriſchen Tagen, wo die Dämpfe ſtärker in die Schmelzhütte zurückſtauen. Der Verf. iſt der Meinung, daß dieſes Erkranken dem Zinforyd, vielleicht aber auch zum Theil dem Kupfer und Arſenik zuzuſchreiben ſei. Da dieſe Trunkenheit verſchwindet, fowie der Patient der Einwirkung der Veranlaſſungsurſache ent: zogen iſt, fo wäre es unnöthig, gegen die unmittelbaren Zufälle Mittel anzugeben; anders verhält es ſich mit den ſecundären Zu⸗ fällen, gegen welche fpecififch toniſche Medicamente angezeigt find. Die prophylaktiſchen Mittel betreffend, iſt Hr. Reboulleau, da die gewöhnlichen Lüftungsmethoden nicht zum Zwecke führen, der Meinung, daß hier nichts zu thun ſei, als daß man das Meſſing in einem dicht verſchloſſenen Ofen ſchmelze und das Gießen unter einem auf allen Seiten offenen Schoppen mit hohem Dache vor: nehme. (Archives générales de méd., Nov. 1847.) (9) Zur Erhaltung friſcher anatomiſcher Präs parate wird bei der Pariſer Facultät jetzt nach den Annales d'hygiene publ. Avril 1846, das Verfahren des Hrn. Suquet angewendet, welches darin beſteht, daß man alle Leichen, die auf die anatomiſche Anſtalt (école pratique) kommen, mit Glauber⸗ falzlöfung (4 Litres) durch die carotis injieirt; die Flüſſigkeit ift nach einigen Stunden aus den Arterien in die umgebenden Gewebe durchgeſickert. So lange die Hautbedeckungen unverfehrt find, er— hält ſich der Körper lange Zeit ganz friſch; iſt aber ein Körper⸗ theil zerſchnitten, ſo geht derſelbe in Fäulniß über, wenn man ſie nicht mit Chlorzinklöſung benetzt, was in Paris mit den in Arbeit befindlichen Präparaten jeden Morgen geſchieht. Bereits faulende Präparate verlieren durch Zinkchlorür ſogleich den fauligen Geruch. So kann mittels dieſer zwei Mittel eine Leiche bis zu 6 Wochen zu den Arbeiten dienen. Dieſe Mittel ſind wohlfeil und an und für ſich ganz unſchädlich; nur die Meſſer leiden etwas, ſie werden ſchwarz und bald ſtumpf, wogegen man ſich mit großer Bequemlich⸗ keit des Schmirgelpapiers bedient. Nekrolog. — Schon wieder haben wir den Verluſt eines der erſten Wundärzte Europa's anzuzeigen. Am 8. Decbr. 1847 erlag Liſton zu London einem entzündlichen Halsleiden. Als Operateur unübertroffen, hat er eben ſo wie Dieffenbach viel dazu beigetragen, die chirurgiſche Praxis zu vereinfachen. Bibliographiſche Neuigkeiten. Recherches de physiologie experimentale sur les phenomenes de l’evolution embryonnaire des oiseaux et des batraciens; par M. M. A. Baudrimont et Martin Saint-Ange. In 4° de 12 feuilles, plus 2 pl. Paris 1847. Traite complet de l’anatomie des animaux domestiques. Sixieme livraison. Splanchnologie, appareils des sens et ovolugie. Par A. Lavocat. Deux parties in 8° de 36 feuilles. Paris 1847. Combe, A. — Principles of Physiology applied to the Preservation of Health, and to the Improvement of Physical and Mental Education. By A. Combe, M. D. 13th. edition, post 80. (pp. 456 with 15 wood-cuts, boards, 7 sh. 6 d.) Edinburgh 1847. Frangue, H., animae calvae anatomiam descripsit tabulaque illustr. Fol. Geh. * 1 Thlr. Ferd. Dümmlersche Buchh. in Berlin 1847. Hochſtetter, Ch. F., populäre Botanik. 3. verb. Aufl. (2 Thle. in 10 efgn.) 1. %g. 15 80. Geh. 9 Sgr. Mäcken Sohn in Reutlingen 1847. Freyer, C. F., neuere Beiträge zur Schmetterlingskunde. 85. Hft. 40. * 1 Thlr. Riegerſche Buchh. in Augsburg in Comm. 1847. Fuchs, C. H., Lehrbuch d. ſpec. Noſologle u. Therapie. 2. Bd. 3. Abth. 1. Lfg. gr. 8°. Geh. 1. u. 2. Lfg. 3 Thlr. Dietrichſche Buchh. in Göttingen 1847. Blakiston, P. — Practical observations on certain Diseases of the Chest, and on the Principles of Auscultation. By Peyton Blakiston, M. D. F. R. S. 80. (pp. 388, cloth, 12 sh.) London 1847. Les scrofules et la phthisie pulmonaire, ou Examen des questions suivantes: La nourriture de Tate et de vegetaux à laquelle on tient les enfans durant les premieres annees de la vie, n’est-elle pas la cause des ecrouelles et de la phthisie etc. Par A. L. Dubernard-Dubarthes, docteur en médecine. In So de 3 feuilles ½. Paris 1847. Bibliotheca medico-chirurgica, pharm.-chemica et veterinaria. 1. Hft. Jan. = Juni 1847. gr. 8%. % Thlr. Vandenhöck und Ruprecht in Göttingen 47. Chirurg. Kupfertafeln, hrsg. von R. Frorlep. 96. Hft. gr. 2%. ½ Thlr. Weimar, Mantel nb 1847. Tafeln über Luxationen, aus den „chlrurg. Kupfertafeln“, zuſammengeſtellt von R. Froriep. gr. 40. Geh. 2 Thlr. 6 Sgr. Weimar, Landes⸗Indu⸗ ſtrie-Comptoir 1847. Prakt. Handbuch der gelammten Thierheilkunde. 2. Aufl. 6. Hft. gr. 8%. 11½ Sgr. Gröningſche Buchh. in Bernburg 1847. } Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 94. (Nr. 6. des v. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Zantedeſchi, Bewegungen der Flamme unter dem Einfluſſe des Electromagnetismus. — Mitchell, Teleſkop zu Cambridge. — Pou⸗ Eierfragmente zwiſchen den Knochen des Mog in urran, über den Scorbut. — chet, Verdauungsapparat des Culex pipiens. — Miſcellen. Giftige Schlangen in Neu = Süd⸗ Wales. Neu⸗ Seeland gefunden. Richtung der Pflanzen als Folge einer Erregung durch chemiſche Vorgange. Reife Früchte einer Dimocarpus-Art in England. Dün⸗ ung mit ſaurem phosphorſaurem Kalke. — Heilkunde. \ Drifeellen. Heilung eines Tic douloureux. Lockere Knorpel aus dem Gelenk extrahirt. Ei einer Ankyloſe. — Bibliographie. Handfield Jones, teen der Proſtataſteine. — C enhut äußerlich gegen Geſchwüre. Reſection des oleocranon bei Naturkunde. X. Über die Bewegungen der Flamme unter dem Einfluſſe des Eleetromagnetismus. Von Zantedeſchi. In der diesjährigen Naturforſcher-Verſammlung zu Venedig hielt P. Bancalari, Profeſſor der Phyſik zu Ge— nua, einen Vortrag über den allgemeinen Einfluß des Ma— gnetismus; auf den Wunſch der anweſenden Phyſiker ſtellte darauf ein Herr Belli, einige Tage ſpäter, vor ihnen Verſuche über die Einwirkung des Magnetismus auf expan— ſive Flüſſigkeiten an und zeigte, wie eine zwiſchen die Pole eines Elektromagnets gebrachte Lichtflamme beim Schließen der Kette zurückwich und beim Offnen derſelben wieder ihre frühere Stellung einnahm. Der Verf., ſich durch eigene Anſchauung von dieſer Erſcheinung zu überzeugen wünſchend, bediente ſich eines aus 6 Elementen, von 18 Centimeter Breite, beſtehenden Da— niell'ſchen Apparates; das mit Kupferdraht umwundene eiſerne Hufeiſen (aimant temporaire) vermochte im geſchloſſe— nen Zuſtande der Kette mehr als 48 Kilogrm. zu ziehen, dennoch mißlang der Verſuch; bei genauer Beſichtigung be— merkte der Verf., daß die beiden hohlen, als unterbrochene Anker dienenden Eiſenſtücke der Länge nach geborſten waren. Der Verf. vermuthete anfangs, daß die Flamme nicht un— mittelbar durch den Magnetismus, ſondern durch zwei aus den hohlen Theilen (cavites) des unterbrochenen Ankers hervorgehende Luftſtröme zurückgetrieben werde, die durch einen kreiſenden magnetiſchen Strom hervorgerufen wurden, wie ihn Faraday in Flüſſigkeiten beobachtet hatte. Um dieſe Frage entſcheiden zu können, ließ ſich der Verf. ſowohl zwei ſolide, als zwei hohle Anker aus weichem Eiſen ma= chen, und wiederholte nunmehr zu Turin ſeine Verſuche mit No. 2074 — 974. — 9. einem Bun ſen' ſchen Apparate. Sein Elektromagnet be— ſtand aus einem 0,335 Meter langen und 0,015 Meter im Durchmeſſer haltenden Cylinder von weichem Eiſen, hufeiſen— förmig gebogen, und war mit einem 33 Meter langen und 1¼ Millimeter breiten Kupferdrahte umwunden. Die Ent— fernung der Pole von einander betrug 0,027 Meter; die beiden ſoliden Eiſenſtücke, in Form eines Parallelepipedon, die zum unterbrochenen Anker dienten, waren 0,04 Meter lang, 0,011 Meter hoch und 0,006 Meter breit, die hohlen Anker waren 0,35 Meter lang und 0,009 Meter breit; ſie wurden, nachdem der Hufeiſenmagnet in verticaler Richtung, die Pole nach unten, aufgeſtellt war, ſo angebracht, daß ein Raum von 4 bis 5 Millimeter ſie von einander trennte. Vor dieſen Zwiſchenraum ſtellte der Verf. nunmehr die Flamme einer Wachskerze, einer Ol- oder Weingeiſtlampe. Die Kette ward durch Kupferdrähte geſchloſſen, und die metalliſche Berührung ſowohl mit dem magnetiſchen Pole, als mit der Säule durch Klemmſchrauben (2) bewerkſtelligt. Der eine Draht war in zwei gleiche Theile getheilt, ſeine Enden tauchten in Queckſilbernäpfchen, um ſo die Kette nach Belieben öffnen und ſchließen zu können. Beim Schlie— ßen derſelben bemerkte der Verf. im felben Augenblicke ein Zurückweichen der Flamme, die erſt beim Offnen der Kette wieder in ihre frühere Stellung zurückkehrte. Der Verf. beobachtete nun, daß: 1) dieſelbe Erſcheinung ſowohl bei Anwendung der hohlen, als der ſoliden Eiſenſtuͤcke Statt findet, die Bewe— gung der Flamme ſomit von keinem Luftſtrome herrühren kann, vielmehr eine unmittelbare Einwirkung des Magne⸗ tismus auf die Flamme ſein muß; eine für die Wiſſenſchaft wichtige Entdeckung. 2) Daß mit dem Zurückweichen der Flamme beim Schlie⸗ ßen der Kette dieſelbe auch an Größe abnimmt und erſt beim 6 83 94. V. 6. 54 Entfernen des Schließungsdrahtes ihre frühere Höhe wieder erreicht. 3) Daß unter gleichen Bedingungen die Wirkung aufs höchſte geſteigert ward, wenn die Flamme durch vom Anker berabbängende Eiſenfeile mit den magnetiſchen Curven in Berührung kommt. 4) Daß dagegen die Wirkung faſt ganz verſchwindet, wenn die Flamme in den Mittelpunkt des Zwiſchenraumes der beiden Ankerſtücke gebracht wird. 5) Daß eine vollkommene Trennung beider Ankerſtücke nicht nothwendig iſt, ſie vielmehr, unter einem beſtimmten Winkel zu einander geneigt und ſich mit zwei Kanten be— rührend, eine unter dieſen Winkel gebrachte Flamme eben jo gut ablenken. 6) Daß die Wirkung von der Maſſe der Anker abhängig iſt und ſich in beſtimmtem Verhältniſſe mit deren Zunahme vermindert, mithin die Wirkung im umgekehrten Verhältniſſe zur Maſſe der Anker ſteht. 7) Daß die Bewegungen der Flamme mit der Zahl der Elemente wachſen. Mit einem Elemente war die Wirkung kaum bemerkbar, mit zweien ſchon zu erkennen, mit dreien ſehr deutlich und ſteigerte ſich ſo fort und fort. Der Verf. wandte bis zehn Elemente von der gewöhnlichen Größe an. Bei einer Wiederholung der Verſuche gebrauchte der Verf. die Vorſicht, den ganzen Apparat unter eine oben offene Glasglocke zu bringen, die auf zwei Scheiben, welche einen freien Luftzutritt erlaubten, ruhte und ſo jede zufällige, der Genauigkeit des Verſuches ſchädliche Luftſtrömung ver— hinderte. Am Schluſſe gedenkt der Verf. der von Gazzaniga angeſtellten zahlreichen Verſuche über den Einfluß des Ma⸗ gnetismus auf die gasförmigen Flüſſigkeiten und ſeiner aus ihnen hervorgegangenen Anſicht, daß die Sonne und alle Himmelskörper ungeheure Elektromagnete wären, ſo daß er die Attraction für eine magnetiſche Wirkung dieſer weit ent— fernten ungeheuren Maſſen hält, eine Idee, welche in den beiden letzten Jahren auch in Deutſchland und Frankreich auftauchte. Das Geheimniß der aus der Ferne wirken⸗ den Attraction wäre, wenn ſich dies beweiſen ließe, gelöft, und die Erſcheinungen der Attraction würden damit in Die Claſſe der dynamiſchen Kräfte gehören. (Institut 1847. No. 724.) XI. Der große Teleſkop zu Cambridge. Von William Mitchell. Der Verf. berichtet in der literary Gazette vom 4. Sep⸗ tember d. J. über in der Nacht des 15. Septembers mit dem Teleſkope zu Cambridge angeſtellte Beobachtungen, die wir im Auszuge wiedergeben. Das genannte Inſtrument ruht auf einem von Granit— blöcken erbauten Mauerfuße, der am Grunde 20, am obern Ende 10 Fuß breit und über 40 Fuß hoch iſt. Auf der Fläche dieſes Steingerüſtes iſt das eigentliche Stativ, ein ungeheurer, 13 Tonnen (etwa 26,000 Pfund) ſchwerer, für die Zwecke des Aquatorialapparates ſauber bearbeiteter Gra— nitblock, befeſtigt: der Apparat, aus Meſſing beſtehend, wiegt mit dem Rohre gewiß nicht weniger als 4 Tonnen (etwa 8000 Pfund), iſt aber jo vortrefflich conſtruirt, daß ſelbſt ein Kind ihn nach allen Richtungen des Himmels ſtellen könnte. Das Dbjectisglas des Inſtrumentes hat 15 Zoll Durchmeſſer, ſein Focalabſtand beträgt 23 Fuß und die Länge des Inſtrumentes, mit dem einſchiebbaren Rohre, 24 Fuß. Dieſe Verhältniſſe erſcheinen zwar gegen die rieſige Größe des Herſchel'ſchen, noch mehr aber gegen das neuere Teleſkop Lord Roſſe's nur klein, dafür muß man indeß bedenken, daß genannte Inſtrumente Spiegelteleſkope waren, wogegen unſer Inſtrument ein Refractionsteleſkop iſt. Nun iſt bekanntlich die Herſtellung einer möglichſt voll— kommenen Linſe von ſolchem Durchmeſſer eine der ſchwierig— ſten Aufgaben der optiſchen Technik, die zuerſt von Fraun— hofer mit Glück gelöſ't ward, und deren Geheimniß das Eigenthum ſeines optiſchen Inſtituts geblieben iſt. Das berühmte Teleſkop der Sternwarte zu Pulkowa iſt von glei— cher Größe; das Objectiv des Inſtrumentes zu Cambridge wird indeß von Sachkundigen, die beide neben einander ſahen und fo vom Verfertiger ſelbſt, für beſſer, ja für das beſte in der Welt gehalten. Das Stativ iſt mit einem Uhrwerke verſehen, welches, nach der Bewegung der Erde berechnet, das Inſtrument genau in der auf einen Stern gerichteten Lage erhält, fo daß er ſtundenlang unserrückt in der Mitte des Sehfeldes ſtehen bleibt; ein anderes Triebwerk richtet dasſelbe beliebig nach der Bewegung der Sonne oder des Mondes. Die Nacht des 15. Septembers war keinesweges eine beſonders günſtige, da der zwar meiſtens wolkenleere Himmel dunſtig war. Der Verf. ließ das Inſtrument zuerſt auf die Venus, die im Abendzwielichte mit bloßen Augen noch nicht ſichtbar war, richten. Der Planet ſtand nur 14 Grad über dem Horizonte, und dennoch vermochte die dichte, zwiſchen ihm ſtehende Erdatmoſphäre, der Nebel, wie andere in der Nähe der Erdoberfläche immer vorhandene Dünſte, das deutliche Hervortreten der halberleuchteten Scheibe nicht zu verhindern. Des Verf. Erwartungen waren weit übertroffen; um jedoch noch einen Blick des Mondes zu erhaſchen, durfte er nicht länger bei der Venus weilen. Der erſte Gegenſtand der Mondoberfläche, die des Verf. Auge traf, war die klaffende Schlucht, Endymion, weit, tief und dunkel, zu beiden Seiten von einer hellen, den furcht— baren Schlund umfaſſenden Linie begrenzt. Die Gebirge erſchienen meiſt in kühnen Umriſſen, dunkelſchwarze Schatten werfend; die ganze Ausdehnung der die erleuchtete Halbkugel von der dunkeln ſcheidenden Linie zeigte eine Trümmermaſſe von unausſprechlicher Großartigkeit. Der Teleſkop war für die Bewegung des Mondes eingeſtellt, und ſo überzeugte ſich der Verf., trotz der kurzen Beobachtungsdauer und der Dun: kelheit des Mondes, von dem Vorhandenſein des grauen, von Schröter angegebenen Lichtes, das eine Mondatmo— ſphäre andeutet. Der Doppelſtern, Gamma Coronae, war am Abende 85 94. V. 6. 86 vorher mit einer 720maligen Vergrößerung beobachtet wor— den; Prof. Struve, der ihn mit dem Teleſkope zu Pulkowa beobachtete, hält ihn für den ſchwierigſten aller zu beobach— tenden Gegenſtände. Mit dem Inſtrumente zu Cambridge ſah man beide Sterne deutlich geſondert ohne irgend eine Schwie— rigkeit; Herſchel ſah mit ſeinem großen Refractor immer nur einen Stern ohne Begleiter. Auch der ſchwache in der Nähe des Alpha Capricorni gelegene Lichtpunkt ward mit Leichtigkeit geſehen; der Begleiter des Antares war trotz des Nebels deutlich ſichtbar. Der Doppelſtern, Eta Coronae, an dem ſich in den letzten Zeiten die meiſten Teleſkope verſucht haben, erſchien hier deutlich; die dunkle, beide Sterne ſchei— dende Linie maß indeß nur / Secunde. Darauf ward der ringförmige Nebel zwiſchen dem Beta und Gamma Lyrae ins Auge gefaßt; mit den gewöhnlichen Inſtrumenten er— ſcheint er als ein Sternenkranz, in deſſen Mitte alle Sterne fehlen; mit dem Cambridge-Teleſkope iſt er nicht mehr ein Ring, ſeine Mitte iſt nicht mehr dunkel, ſondern von einer Menge kleiner, ſchwachglänzender, jedoch deutlich ſichtbarer Sterne erfüllt, während Lord Roſſe's großer Refractor das Innere neblig zeigte. Der durch Beſſel's Unterſuchungen in der Geſchichte der Wiſſenſchaft ſo berühmt gewordene Doppelſtern 61 Cygni ward nun vorgenommen, und der Verf. erſtaunte über die kleinen, aber ſcharfen, runden Kreiſe der einzelnen Sterne. Das Inſtrument ward nunmehr auf die Nebelflecken in der Bruſt des Fuchſes gerichtet; der Director hatte kaum hineingeſehen, als er die Nebel ſich in dicht neben einander liegende, deutlich ſichtbare Sterne auf— löſen ſah; der aſſiſtirende Obſervator und der Verf. ſahen dasſelbe. Lord Roſſe's Teleſkop ließ dieſe Sterne zwar vermuthen, löſ'te fie indeß nicht auf. Der nächſte Gegenſtand der Prüfung war der prächtige Sternhaufen im Hercules, von dem ſchon Nicol jo viel Rühmens macht; zwar ward an ihm nichts Neues wahrge— nommen, Schönheit und Glanz hatten ſich aber bedeutend vermehrt. Der ſchöne Stern, das Alpha Lyrae, hatte noch nicht den Meridian erreicht, er war durch ſeine hoch nörd— liche Declination weit über die Mitte der Atmoſphäre; ſein Glanz war in der dunkeln Nacht ſo bedeutend, das ihn das Auge kaum ertragen konnte. Die hier benutzten Vergrößerungen des Inſtrumentes gingen von 250 bis 750, können aber durch Oeulare bis auf 2000 geſteigert werden. Zu den Entdeckungen, die ſich von einem ſo ausge⸗ zeichneten Teleſkope erwarten ließen, gehören die ſich um die Firſterne drehenden Planeten, die deutlich als kleine, weiße Lichtpunkte auftreten, und deren der Verf. um den Stern— haufen des Alpha Lyrae 23 zählte, während das geübte Auge des Aſſiſtenten 35 wahrnahm. Fortgeſetzte Beobach— tungen und Meſſungen mit dieſem Inſtrumente laſſen für die Wiſſenſchaft noch viele glänzende Aufſchlüſſe erwarten. XII. Über den Verdauungsapparat des Culex pipiens. Von F. Pouchet. Der Verdauungsapparat dieſer Mücke iſt ſehr compli— eirt, der Mund beſteht aus zwei mit einer Reihe ſteifer, unbeweglicher Haare beſetzten Mandibeln und zwei Kinnla— den, welche Borſten tragen, die wie die Arme eines Fächers beweglich ſind und zum Ergreifen der Nahrung dienen. Rund um den Darm ſind acht kleine, eiförmige, blaſenartige Magen ſymmetriſch angeordnet; jeder derſelben iſt durch einen kurzen Canal mit ihm verbunden. Dieſe acht Höhlen kön— nen nicht mit den von einigen Autoren als Inſpirations— blaſen bei gewiſſen Dipteren und Lepidopteren beſchriebenen Organen verglichen werden, da ſie mehr oder weniger mit ähnlichen Naͤhrungsſtoffen, wie man im Darme findet, er— füllt ſind; überdies ſieht man in Zwiſchenräumen von 25 bis 30 Secunden eine Contraction dieſer Blaſen und durch dieſelben ein Vorwärtsſchieben des Inhaltes in den Darm. Legt man ferner die Thiere in ein mit Carmin oder In— digo gefärbtes Waſſer, ſo ſieht man ſchon nach einer halben Stunde dieſe Blas then von dem färbenden Stoffe erfüllt, und ſomit ſcheint dem? Verf. ihre Bedeutung als Magen erwieſen. Wenngleich Swammerdam und Leon Dufour auch bei den Inſecten Wiederkäuer nachgewieſen haben, fo ſcheint dem Verf. ein folcher | Vergleich bei dieſer Mücke nicht ganz paſſend, obſchon der Bau, wie die phyſiologiſche Be— deutung, auch die Entwicklung ihrer Magen an den Panſen und den zweiten Magen der Wiederkäuer erinnern. Die Innenmembran dieſer kleinen Säcke iſt, wie bei den großen wiederkäuenden Thieren, wabenförmig, jedoch äußerſt zart, entwickelt; die Nahrung verweilt in ihnen gleichfalls einige Zeit, erleidet während derſelben eine Art Verdauung und wird dann wieder durch dieſelbe Röhre, durch welche ſie in den Magen gelangte, in den Darm zurückgetrieben. Die Nahrung kommt indeß nicht bis zum Munde zurück, erleidet vielmehr ſchon in dieſen Magenbläschen die nöthige Veränderung; die von ihnen in den Darm ausgeſchiedenen Stoffe ſind immer viel feiner zertheilt, wie die noch in ihnen enthaltenen. Wie ſich die Wiederkäuer in ihrem erſten Le— bensalter von Milch nähren, auch der Act des Wiederkäuens ſich bei ihnen, indem die beiden erſten Magen noch verhält— nißmäßig ſehr klein ſind, erſt ſpäter entwickelt: ſo nähren ſich auch die kleinen, eben dem Ei entſchlüpften Larven dieſer Mücke anfangs nur von flüſſigen Stoffen, da auch ihre Magen noch rudimentär und zum Verdauungsgeſchäfte noch untauglich ſind und ſelbſt der thorax, der ſie um— ſchließt, bedeutend kleiner wie im ausgewachſenen Zuſtande iſt. Demnach läßt ſich, trotz der himmelweiten ſyſtematiſchen Entfernung dieſer Mücken von den Wiederkäuern, doch die phyſiologiſche Ahnlichkeit in den Verrichtungen genannter Magenbläschen und den beiden erſten Magen der Ruminantia nicht verkennen; andererſeits ſind dieſe Magenbläschen wie— derum, ſowohl ihrer Geſtalt und ihrer Lage nach, als auch wegen ihres Verhaltens während der Verſuche, den Magen— bläschen der polygaſtriſchen Infuſorien, die Ehrenberg fo ſchön beſchrieben, analog. (Comptes rendus 1847. No. 17) 6 * 87 Miſeellen. 13. Mehr oder weniger giftige Schlangen finden ſich in großer Arten- und ungeheurer Individuenzahl in allen Ge⸗ büſchen von Neu-Süd-Wales, und doch wird merkwürdigerweiſe nur ſelten jemand von ihnen gebiſſen. Die kleinſte dem Einſender bekannte Art wird etwa 8 Zoll lang, hat die Dicke eines Pfeifen- rohrs und einen länglichen, einer flach gedrückten Glaskugel glei⸗ chenden Kopf; wogegen die Diamantſchlange, die ſich im Waſſer aufhält, eine ungeheure Größe erreicht. Vor einigen Jahren fand man eine ſolche, 27 Fuß lang, unter der Paramatta-Brücke. Zwi⸗ ſchen ihnen ſteht die ſchwarze Schlange, die 3 bis 7 Fuß lang wird und deren Biß tödtlich iſt; die braune Schlange, die meiſt nur 4 Fuß lang wird, ſoll indeß noch giftiger ſein. Eine andere, ſchöne, lange, aber dünne kupferfarbene Art iſt weniger gemein, ob ſie giftig iſt, kann der Einſender nicht beſtimmen. Außerdem kommen indeß noch viele andere graue, gelbe, grüne und geſtreifte Arten vor, und kaum vergeht ein Sommer, ohne daß ſich neue, noch nicht bekannte Arten finden. Ein Reiſender ſah nicht we— niger als 20 Species. Meiſtens entfliehen ſie bei der Annäherung des Menſchen, manch Mal ſetzen ſie ſich indeß zur Wehre, ſo daß es noch unentſchieden iſt, ob ſie wirklich den Menſchen fürchten. So ward ein Freund des Einſenders von einer ſchwarzen Schlange, die er auf ihrem Neſte traf, bis weit über die Landſtraße verfolgt und würde ſicher von ihr gebiſſen ſein, wenn er ſich nicht raſch gewendet und ſie durch einen Flintenſchuß erlegt hätte. Der ſtarr auf ſie gerichtete menſchliche Blick ſcheint einen großen Einfluß auf ſie auszuüben und ſie von einem Angriffe abzuſchrecken. (The Literary Gazette 1847. No. 1600.) 14. Eierfragmente wurden von Walter Mantell zu Wellington auf Neu- Seeland zwiſchen den Knochen des Moa ge: funden. Sie gehören verſchiedenen Eiern, ſowie verſchiedenen Arten des Moa an, ſind im allgemeinen den Straußeiern ſehr ähnlich, haben indeß auf der äußern Oberfläche ihrer Schalen ſtatt der kleinen, runden Punkte, kleine, unterbrochene, linienformige Gruben, die bei den verſchiedenen Arten verſchieden angeordnet ſind. Auch iſt die Schale verhältnißmäßig dünner wie die der Straußeier, überdies müſſen ſie, nach ihrer geringen Wölbung zu ſchließen, größer wie die letztern geweſen fein. Hr. Mantell ſammelte bereits etwa 700 bis 800 Knochen verſchiedener Theile des Skelets dieſer Riefenvögel, war auch ſo glücklich, mehrere Kinnladen, die 94. V. 6. 88 man bis jetzt noch nicht erhalten, aufzufinden. Seine Sammlung iſt bereits nach England unterwegs. (The annals and magazine of natural history 1847. No. 133.) 15. Die Richtung der Pflanze iſt, nach Prof. Ma c⸗ caire's Verſuchen, die Folge einer durch chemiſche Einflüſſe ent⸗ ſtandenen vitalen Erregung, das Wenden der grünen Theile nach dem Lichte aber keinesweges einer eigentlichen Anziehung zuzu⸗ ſchreiben. Das Auswärtswenden geſpaltener Stämme (2) wird durch den Längswachsthum des Zellgewebes und den Widerſtand der cuticula veranlaßt. Wärme und Licht üben auf die Endoſmoſe keinen Einfluß. Das Licht allein bedingt die Drehung der Blätter; die blauen Strahlen wirken in dieſer Beziehung am ſtärkſten, die rothen am ſchwächſten, das Licht wirkt aber nicht durch Attraction. Die Drehung geſchieht bisweilen am Blattſtiele, bisweilen an der Blattfläche. Die Verdunſtung iſt an der Blattoberfläche ſtärker, ſobald das Licht auf fie einwirkt, die Zerſetzung der Kohlenſäure und die Entwicklung des Sauerſtoffes find dabei beträchtlich ver⸗ mindert. (The Gardner's Chronicle 1847. No. 32.) 16. Eine Dimocarpus-Art brachte in dieſem Some mer im Garten des Herzogs von Northumberland zu Syon reife Früchte. Sie waren rund, von der Größe einer Wallnuß, hatten eine rauhe, einen Stein umſchließende Schale, unter welcher ein eßbares Fruchtmark lag. In China find die eßbaren Dimocarpus - Früchte ſehr beliebt. Auch ein Muſcatnußbaum brachte in dem⸗ ſelben Garten Früchte, die vor der Reife kleinen Pfirſichen ähnlich waren, deren Schale jedoch beim Reifen in zwei Hälften zerſprang und einen pflaumenähnlichen, bräunlich purpurfarbenen Körper zeigte, der, die Macis des Handels vorſtellend, die Muſcatnuß umſchloß. Die ganze Frucht war von der Größe einer mäßigen Feige und von birnförmiger Geſtalt. Eine Varietät mit größern Früchten gab gleichfalls zu Syon Früchte. (The Gardner's Chronicle 1847. No. 32.) 17. Das Düngen mit ſaurem phosphorſaurem Kalke iſt, nach einer Mittheilung der Agricultural Gazette von 1847 No. 27, für Getraide- und Graswuchs durchaus nicht zu em⸗ pfehlen. Der Einſender, welcher mehrere Jahre hinter einander Düngungsverſuche mit Guano gemacht, und deſſen günſtigen Er⸗ folg für die Wieſen beobachtet hatte, verſuchte in derſelben, beim Guano angewandten Weiſe eine Düngung mit dem vielgeprieſenen Phosphorſalze, das ſich aber keineswegs bewährte. (The Gardner's Chronicle 1847. No. 27.) HSeilk (XII.) Bemerkungen über den Urſprung und die Entwickelung gewiſſer Coneremente in der prostata. Von C. Handfield Jones, NM. B. Nach der hergebrachten Beſchreibungsweiſe iſt die Stru— ctur der prostata die nämliche, wie die der conglomerirten Drüſen, denen Henle den Namen traubenförmige Drüſen gegeben hat, und als deren eigentlichen Typus man die Speicheldrüſe betrachten kann. Dieſe Claſſifti— cation iſt der Hauptſache nach auch richtig; indeß dürfte es, bevor ich auf den ſpeciellen Gegenſtand dieſer Mittheilung eingehe, nicht überflüſſig ſein, auf einige Punkte hinzuwei— ſen, in denen die Vorſteherdrüſe von den andern trauben— förmigen Drüſen deutlich verſchieden iſt. Bei den Speichel— drüſen iſt das epithelium, welches deren endſtändige Bläs— chen füllt, voluminös und von ſehr mürber Textur, indem un de. es oft nur aus einer Anhäufung von granulirtem Stoffe um Kernchen her zu beſtehen ſcheint. Es iſt durchaus ver— ſchieden von dem, welches die Mundhöhle auskleidet und das bekanntlich ein deutliches Beiſpiel von ſchuppigem epi- thelium abgiebt. In den Höhlen der Vorſteherdruſe dage— gen iſt eine ſo ſchroffe Verſchiedenheit keineswegs wahrzu— nehmen. Die weißliche Fluͤſſigkeit, die fi, wenn man die Drüfe zuſammendrückt, in den sinus prostaticus der Harn— röhre ergießt, beſteht großentheils aus Epithelialzellen, welche genau von derſelben Art ſind, wie die der benachbarten Portion der Harnröhre ſelbſt, und in den endſtändigen Höhlungen der Drüfe ſteht, jo weit ich nachkommen kann, das epithelium noch immer der Säulenform näher, als der ſphäroidiſchen, wie ſie den ächten Druͤſen zukommt. Zuwei— len hat es ſogar den Schuppencharakter, indem die Säulchen ſehr kurz und die Zellen unvollkommen entwickelt ſind. Über— dies bemerkt man in den meiſten Fällen deutlich, daß es 89 94. V. 6. 90 die Höhlungen nur auskleidet, nicht wie bei den Bläschen der Speicheldrüſe vollſtändig füllt. Ein anderer Unterſchied liegt in der Art der Verthei— lung der endſtändigen Höhlungen der prostata, die nicht wie bei den Speicheldrüſen zu Läppchen dicht zuſammengruppirt, ſondern jede beſonders mit Zwiſchengewebe bekleidet und alſo von einander geſchieden ſind. Dieſes Zwiſchengewebe bildet Bündelchen, welche dicht mit einander verwebt ſind und in denen ſich Lücken befinden, welche mit der Drüſen— ſtructur gefüllt find. Es beſteht größtentheils aus weißem Faſerſtoff, enthält aber auch zahlreiche Streifen, die denen der Muskelfaſern ſehr ähneln. Bei der voluminöſen pro- stata alter Subjecte findet man dieſes Gewebe in vorzüglich ſtarker Quantität. Ferner läßt ſich wahrnehmen, daß bei den Speicheldrüſen die vasa ellerentia eng und im Verhält— niſſe zu dem Volumen der Gruppen von ſecernirenden Drüs— chen, welche jene umgeben, ſehr ſchwach ſind. Bei der prostata zeigen ſich dagegen die endſtändigen Höhlungen kleiner als die ausführenden Canäle, und es findet, wie geſagt, zwiſchen dieſen und jenen kein deutlicher Unterſchied Statt. Nach dieſen Umſtänden möchte man die Vorſteher— drüſe mehr für ein Aggregat von Schleimbeutelchen als für eine ächte conglomerirte Drüſe halten. Die Rolle, welche ſie beim Fortpflanzungsgeſchäfte ſpielt, beſteht wahr— ſcheinlich nicht in der Zubereitung irgend eines weſentli— chen Beſtandtheils der Zeugungsflüffigkeit, ſondern nur in der einer klebrigen Feuchtigkeit, von welcher umhüllt die Samenthierchen ſicherer an den Ort ihrer Beſtimmung ge— langen. Ich werde nun einige merkwürdige Coneremente beſchreiben, welche ſich, ſo viel ich weiß, lediglich in dieſer Drüſe finden. In den Höhlungen der prostata bemerkt man häufig eine Anzahl winziger Coneremente, die, wie Hr. Cruveil— hier beobachtet hat, mit braunen Sandkörnchen viel Ahn— lichkeit haben. Man erkennt ſie leicht mit bloßen Augen, allein die mikroſkopiſche Unterſuchung enthüllt manche inter— eſſante Umſtände in Betreff ihres Urſprungs und Wachs— thums, ſowie auch den, daß ſie faſt conſtant, obwohl nicht immer von der bräunlichen Farbe, durch die ſie von der weiblichen Drüſenſtructur abſtechen, ſondern gewöhnlich blaß oder faſt farblos, jedoch übrigens genau von demſelben Anſehen vorhanden ſind. In ihrem früheſten Zuſtande zeigen ſich dieſe Conere— tionen in Geſtalt einfacher Bläschen, welche von einer ein— fachen, deutlich markirten, homogenen Membran umgeben find. Ihre Höhlung iſt entweder durchſichtig oder mit einer farbloſen, fein gekörnten Subſtanz gefüllt, in deren Mitte man zuweilen ein kernartiges Körperchen bemerkt. Die Größe derſelben iſt verſchieden; ich habe deren von ½250 Zoll Durchm. getroffen; allein gewöhnlich beträgt der letz— tere nur ¼ö1000 Zoll, und viele find noch kleiner. Der Ge— ftalt nach find fie meiſt oval oder ſich der Kreisform nähernd. In dem nächſten Stadium ihrer Entwickelung ſieht man die urſprünglich vorhandene dunkele Hülle noch, während die im Innern befindliche amorphe Subſtanz ſich in concentri⸗ ſche Lagen zu ordnen beginnt, was durch feine, krumme Linien angezeigt wird, die mit der Hülle parallel laufen und von denen die meiſten ſich in der Nähe der letztern zeigen. Sie werden gewöhnlich nach und nach größer, und die inneren concentriſchen Schichten treten deutlicher hervor, ſo daß ſie ſich faſt ſo ausnehmen, wie die urſprüngliche Hülle. Auch nehmen ſie in manchen Fällen eine andere Geſtalt an, was wohl von dem Drucke herrührt, den ſie auf einander ausüben, ſo daß ſie ſich ſcharf dreieckig oder viereckig darſtellen. Die Mittelhöhlung iſt dann noch vorhan— den und entſpricht der äußern Umhüllung gewöhnlich ziemlich genau. Sie enthält häufig eine gelbliche oder röthliche körnige Subſtanz, die zuweilen völlig undurchſichtig iſt. Dieſe wird nicht immer nur in der mittleren Höhlung, ſondern auch mehr oder weniger zwiſchen den concentriſchen Schichten ab— gelagert, welche durch dieſelbe zuweilen in 2—3 deutlich ab— geſonderte Partien getrennt werden. Die Größe der Con— eremente iſt, nachdem dieſe ihre völlige Reife erlangt haben, ſehr verſchieden. Manche laſſen ſich mit unbewaffnetem Auge leicht erkennen; die meiſten haben jedoch /150 — Yzon Zoll Durchmeſſer. Man bemerkt an ihnen vielfache Varietäten. Die concentriſchen Schichten können mehr oder weniger zahl— reich ſein und der Peripherie oder der Mittelhöhlung näher liegen. Sie werden nicht ſelten durch ſtrahlig geordnete Streifen erſetzt, welche ſich mehr oder weniger weit nach außen erſtrecken und von einem oder mehreren concentriſchen Ringen durchkreuzt werden. Manche dieſer letztern Concre— mente nehmen ſich ungemein ſchön aus. Zuweilen enthält ein vorzüglich großes Bläschen im Innern zwei kleinere, welche beide die concentriſch geſchichtete Structur darbieten. Es läßt ſich nicht leicht mit Sicherheit beſtimmen, ob die hier beſchriebenen Stadien der Entwickelung durch die be— ſtändige Ablagerung friſcher Materie an der äußern Wan— dung oder durch die Erweiterung des Bläschens und auf einander folgende Ablagerungen im Innern desſelben bewirkt werden. Wahrſcheinlich findet in verſchiedenen Fällen die eine oder die andere Art des Wachsthums Statt. Den grö— ßern Concrementen geht meines Erachtens der Stoff durch äußerliche Ablagerung zu, während die kleinern auf endo— geniſche Weiſe zu wachſen ſcheinen; da die Bläschen oft ein bedeutendes Volumen erlangen, ehe die blättrige Ablagerung auftritt, deren erſte ſchwache Spuren ſich aus dem granulirten Stoffe im Innern zu entwickeln ſcheinen. Wenn die Bläschen ihre vollſtändige Entwickelung er— langt haben, ſcheinen ſie eine gewiſſe Entartung zu erleiden, oder vielleicht richtiger geſagt, ihrer Auflöſung entgegenzu— ſchreiten. Sie büßen ihren ſcharfen Umriß ein und werden mehr oder weniger unregelmäßig geſtaltet oder unförmlich. Auch nehmen die concentriſchen Schichten an Deutlichkeit ab und der körnige Stoff wird entweder ganz farblos oder ſo dunkel gefärbt, daß er beinahe ſchwarz erſcheint. Viele der größern Coneremente bekommen Riſſe, welche ſich von der Peripherie nach dem Mittelpunkte zu ausdehnen, und allmälig zerfällt das Conerement in Bruchſtücke. Man be— merkt dieſe Coneremente oft in derſelben Drüſe in allen Stadien der Entwickelung. Die Stellen, an welchen ſich dieſelben finden, laſſen ſich leicht ermitteln, wenn man ein 91 94. V. 6. 92 dünnes Scheibchen aus dem Innern der Drüſe bei durch— fallendem Lichte unter dem Mikroſkope betrachtet; man ſieht ſie dann in den Höhlen der Beutelchen entweder in Grup— pen, welche eine große Anzahl von Conerementen enthalten, oder einzeln liegen; im letztern Falle haben ſie in der Regel eine bedeutende Größe. Unter ſolchen Umſtänden gewahrt man auch häufig eine Menge farbloſer oder halbdurchſichtiger Concremente in dem drüſigen Gewebe zerſtreut, von deren Anweſenheit man bei der Beſichtigung mit unbewaffnetem Auge keine Ahnung gehabt hatte. Obwohl ich den Ent— wickelungsgang von der Entſtehung der einfachen Bläschen bis zu deren Reife beſchrieben habe, ſo will ich doch keines— wegs behaupten, daß ſie in der Regel dieſen ſogenannten Zuſtand der Reife erreichen. Ich halte es für ſehr wahr: ſcheinlich, daß viele darunter ſich weit früher auflöſen und ihren granulirten oder amorphen Inhalt mit der Secretion der Drüſe vermiſchen, und in dieſer Anſicht werde ich noch durch die Beobachtung beſtärkt, daß die einfachen Bläschen zahlreicher und conſtanter vorhanden ſind als die, welche die concentriſch blättrige Structur darbieten. Die chemiſche Zuſammenſetzung dieſer Coneremente muß in den verſchiedenen Stadien ihrer Entwickelung unſtreitig eine verſchiedene ſein. Anfangs können ſie kaum aus etwas anderem als animaliſchem Stoffe beſtehen; ſpäter gehen ihnen aber Kalkſalze zu, und beſonders wenn ſie ihre beſtimmte Geſtaltung verlieren und zu einer amorphen Maſſe entarten, herrſchen offenbar die erdigen Beſtandtheile vor. Dieſe ſollen nach Dr. Prout in phosphorſaurem und etwas koh— lenſaurem Kalke beſtehen. Über die Natur des Farbeſtoffes kann ich keine Auskunft geben; übrigens iſt deſſen Anweſen— heit offenbar nicht weſentlich. Ather, liquor potassae und ſtarke Salzſäure äußern keine Wirkung auf denſelben; am dunkelſten iſt fein Ton bei denjenigen Concrementen, welche ſchon ein bedeutendes Alter haben und ſich auf die Dauer in den Höhlungen der Drüſe zu verhalten ſcheinen. Ich habe keine hinreichende Anzahl von Fällen unter— ſucht, um in Bezug auf die Urſachen der Erzeugung dieſer Eoneremente eine Meinung abgeben zu können. Es hat mir nur geſchienen, als ob ſie in uͤbrigens vollkommen ge— ſunden Drüſen ſo conſtant und häufig vorkämen, daß ich ſie im mäßig entwickelten Zuſtande für normale Gebilde halten möchte, welche vielleicht einen natürlichen Beſtandtheil der Secretion der Drüſe ausmachen. Wenn ſie dagegen übermäßig groß werden und dauernd forteriſtiren, müſſen ſie unſtreitig für krankhafte Producte gelten. Die Geſchichte dieſer ſonderbaren Gebilde ſcheint dar— auf hinzudeuten, daß ſie eine Mittelſtellung zwiſchen organi— ſchen Gewächſen und unorganifchen Conerementen einneh— men. Zu den erſtern gehören ſie inſofern, als ſie in einem Bläschen oder einer Zelle entſtehen, und ihre Vergrößerung hauptſaͤchlich in endogeniſcher Weiſe geſchieht; den letztern ähneln ſie durch die dreieckige oder viereckige Geſtalt, welche ſie häufig annehmen, ihre Neigung zur Durchſinterung mit a Stoffen und zur Verwandlung in eine amorphe aſſe. (XIII.) über den Scorbut hat Dr. J. O. Curran im Dublin Quarterly Journal of Medical Science eine ſehr umfangsreiche Abhandlung mit⸗ getheilt, aus welcher wir nachſtehendes ausheben. „Obwohl nicht erwieſen iſt, daß der Scorbut bei den alten Römern und Griechen gar nicht vorgekommen ſei, ſo läßt ſich doch ſicher annehmen, daß er ſich bei dieſen Völ— kern weit ſeltener gezeigt habe als in den meiſten europäi— ſchen Ländern während der letzten beiden Jahrhunderte. Der Grund ſcheint mir in der Diät jener Völker zu liegen, welche von der jetzt üblichen außerordentlich abwich. Bei allen civiliſirten Nationen des Alterthums bildeten die Vegetabilien den Hauptbeſtandtheil der Nahrungsmittel, und dieſe Vege— tabilien waren großentheils antiſcorbutiſcher Art. Die Kin— der Iſrael ſehnten ſich auf ihrer Wanderung durch die Wüſte nicht nur nach den Fleiſchtöpfen, ſondern auch nach dem Lauch, den Zwiebeln und dem Knoblauch Agyptens, wäh— rend Herodot (Euterpe, e. XXV.) berichtet, die Arbeiter, welche eine der Pyramiden aufgeführt, hätten an Radies— chen, Zwiebeln und Knoblauch für 1600 Talente conſumirt. Bei den Römern vermiſchten nicht nur die Soldaten, ſon— dern das gemeine Volk ihr Trinkwaſſer für gewöhnlich mit Eſſig, und der Wein, den die Römer tranken, war von der— ſelben Art, wie der, welcher die franzöſiſche Marine, im Vergleich mit der engliſchen, vor der Einführung des Gebrauches des Citronenſaftes bei der letztern, ſo auffallend vor dem Scorbute ſchützte. Alter. In allen, mir bei der letzthin in Irland aufgetretenen Scorbutepidemie vorgekommenen Fällen, ſowie in denen, welche man in Perth, Exeter ꝛc. beobachtet hat, waren die Patienten über 18 Jahre alt, während wenig— ſtens zwei Drittel das mittlere Lebensalter hinter ſich hat— ten. Dieſelbe Eigenſchaft des Scorbuts, nur erwachſene und vorzugsweiſe alte Perſonen zu befallen, finden wir in allen Schriften beſtätigt, und nur die im moſkauiſchen Waiſen— hauſe mehrfach vorgekommenen Scorbutepidemien machen von dieſer Regel eine Ausnahme. (Vgl. Philos. Trans., Vol. LXVIII, part J.) Indeß erfahren wir, obwohl bemerkt iſt, daß kein Kind unter 2 Jahren ergriffen worden ſei, nichts über das durchſchnittliche Alter der übrigen, und der Scorbut trat dort in einer ganz eigenthümlichen Form auf. Geſchlecht. Ein merkwürdiger Umſtand iſt, daß mir unter meinen Dubliner Patienten ſo wenige Frauensperſonen vorgekommen ſind. Auch Dr. Chriſtiſon behandelte 32 männliche und nur 3 weibliche Scorbutiſche, und dies Ver— hältniß findet ſich durchſchnittlich in den mir vom Lande zugegangenen Krankenliſten. Doch haben manche der Land— ärzte nie eine ſeorbutiſche Patientin gehabt, während andere mehr weibliche als männliche Kranke zu behandeln hatten. Weßhalb Kinder und Frauen mehrentheils vom Scorbut verſchont blieben, läßt ſich ſchwer erklären; allein älteren Schriftſtellern war die Thatſache ſchon bekannt. Indeß ge— nießen die Frauen meiſt Brot und Thee, und die durch den Mangel an Kartoffeln veranlaßte Veränderung in der Diät iſt bei ihnen keineswegs ſo ſchroff als bei den Männern. 93 Frühere Anfälle. Mehrere Patienten wurden zum zweiten Male vom Scorbute befallen, und zwar unter Um— ſtänden, welche der Anſicht günſtig waren, daß, wer ein Mal am Scorbut gelitten habe, zu dieſer Krankheit vorzugsweiſe geneigt ſei. Natur des Scorbuts. Eugalenus und die meiſten älteren Schriftſteller ſchrieben den Scorbut einer al— kaliniſchen Beſchaffenheit des Blutes zu. Lind ſah denſel— ben bei einem Herrn in Folge des übermäßigen Gebrauchs von kohlenſaurem Ammonium entſtehen, und in neuerer Zeit hat dieſe Anſicht durch die Verſuche von Magendie, Fremy, Andral und Gavarret (Hematologie) Unter: ſtützung gefunden. Magendie behauptet ſogar, durch Einſpritzung von ſeines Faſerſtoffes beraubtem Blute oder einer Auflöſung von kohlenſaurem Natron in die Venen von Thieren einen künſtlichen Scorbut erzeugt zu haben. (Le- gons sur les phenomenes physiques de la vie, Vol. II, p. 316). Dieſer übermäßigen Alkalinität haben manche Schriftſteller das Nichtgerinnen des Blutes, welches in man— chen Fällen bei Scorbutiſchen beobachtet worden iſt, zuge— ſchrieben; allein Rouppé, Buſk u. andere behaupten, daß deren Blut häufig gerinne. Andral und Ga var— ret ſchreiben, nach den von ihnen vorgenommenen Analyſen, die bei Scorbut eintretenden Blutungen der Verminderung des Verhältnißtheils an Faſerſtoff zu. Auch fanden fie be— trächtlich weniger Blutkügelchen, welchem Umſtande ſie je— doch keinen Einfluß auf die Blutungen beimaßen. Dr. Henderſon iſt, jedoch aus anderen Gründen, derſelben An— ſicht (Edinb. med. and surg. Journ., July 1839); allein das Reſultat der von Rhodes, Buſk und Budd angeſtellten Verſuche widerſpricht derſelben geradezu). Was beim Scor— but auch immer für Veränderungen in der Zuſammenſetzung des Blutes vorkommen mögen, ſo liegt doch auf der Hand, daß ſie entweder in einer Veränderung der Structur oder der Wir— kungsart der blutbereitenden Organe, oder auch in der Qua— lität oder Quantität der Nahrungsſtoffe, aus denen das Blut gebildet wird, ihren Grund haben müſſen und jeden— falls nur Wirkungen und nicht Urſachen ſind. Demun— geachtet haben chemiſche Beſtimmungen der Eigenſchaften des Blutes als phyſiſche Kennzeichen eines geſunden oder kranken Zuſtandes, einen hohen Werth. In dieſer Be— ziehung iſt jedoch bis jetzt noch wenig geſchehen, und es dürfte ſich finden, daß die meiſten Veränderungen, denen das Blut unterworfen iſt, phyſiologiſcher und nicht phyſiſcher Art ſind. So viel iſt gewiß, daß die Chemie bis jetzt zur Erklärung des eigentlichen Weſens des Scorbuts nichts bei— getragen hat. Diagnoſe. Faſt alle Schriftſteller betrachten den Scorbut und die purpura als die nämliche Krankheit; allein ich habe ſehr wichtige Verſchiedenheiten zwiſchen beiden beob— achtet, welche man in nachſtehender Tabelle dargelegt findet. *) Vergl. die ſehr gelehrte Diſſertation des Profeſſors Stöber zu Straß— burg: de l’influence que l’analyse chimique et la micrographie ont exercce sur la Pathologie et sur la Therapeutique. Strasb. 1845; desgl. Mem. de Med. Chir. et Pharm. milit., T. LIX, p. 179. 94. V. 6. Scorbut. Nach dem achtzehnten Lebens⸗ jahre am häufigſten. Meiſt bei Männern. Zahnfleiſch mehr oder weniger wund und ſchwammig. Ekchymoſen häufiger als Pete— chien. Farbentöne des Ausſchlages ſehr mannigfaltig. Die unteren Extremitäten faſt ausſchließlich ergriffen. Faſt immer Muskelverhärtungen. Blutharnen faſt nie vorhanden. Blutige Stühle ſehr ſelten. Achtes Blutſpeien nie. Neuralgiſche Schmerzen und Schmerzen an den Flecken con= ſtant. Ergießungen in die Gelenke häufig. . . Wenn nicht eingegriffen wird, Monate dauernd. Häufig tödtlich, wenn keine Mit: tel dagegen angewandt werden. Stets mit fehlerhafter Diät zu— ſammenhängend. Ergreift viele Individuen zu— gleich. Läßt ſich durch Citronenſaft und friſche Gemüſe ſchnell heben. Purpura. Zwiſchen dem fünften und achte zehnten Lebensjahre am häu- alten * Meiſt bei Frauen. Das Zahnfleiſch blutet zuweilen, iſt aber nie ſchwammig und ſelten wund. Petechienartige Flecken häufig. Ekchymoſen ſeltener. Anfangs immer dunkel gefärbt. Alle Theile ziemlich gleichmäßig ergriffen. Nie. Nicht ſelten. Häufig. Zuweilen. Nie vorhanden. Nie. Selten länger als ein Paar Tag dauernd. Faſt nie tödtlich. Kein Entſtehungsgrund der Art wahrzunehmen. Sporadiſch; äußerſt ſelten epi— demiſch. Weicht dem Gebrauche das Terz pentinöls und der Abführungs— mittel. Wenn obige Tabelle lauter Thatſachen enthält, und dies ſcheint mir der Fall, ſo ſind die Unterſchiede zwiſchen Scorbut und purpura ſicher zahlreich und wichtig genug, um beide als beſondere Krankheiten zu betrachten. Manche ſporadiſche Fälle von Scorbut kann man allerdings auf den erſten Blick mit purpura verwechſeln, allein durch eine ge— naue Unterſuchung des Mundes und der Haut, ſowie der Beſchaffenheit der Diät wird man leicht in den Stand ge— ſetzt werden, eine richtige Diagnoſe aufzuſtellen. Mifcellen. (10) Die Linderung und Heilung eines Falles von Geſichtsneuralgie oder Tie douloureux ward, wie Sir B. Brodie (Lectures illustrative of various subjects in Patho- logy and Surgery 1846, Vol. I, p. 250) mittheilt, durch fol⸗ gende Behandlung erlangt. Der Kranke mußte Veratrinſalbe (1 Scrupel Veratrin auf 1 Unze Schmeer) zwei Mal täglich in die Wange einreiben und jeden Abend 5 Gran blaue Pillen (Mer: curialpillen), und jeden Morgen einen Trank, welcher aus 5 Drach—⸗ men zuſammengeſetzter Sennainfuſion, 1 Drachme Sennatinctur und 1 Drachme ſchwefelſaurer Magneſia beſtand, einnehmen. Nach einer Woche fühlte er ſich bereits beſſer. Hierauf wurde ihm drei Mal täglich eine Infuſion von Rhabarber und Columbo, von ) Dies iſt nach meiner eigenen Erfahrung der Fall, mit welcher auch die des Sir Henry Marſh und der DD. Stokes, Churchill, Hunt und Law, ſowie der HHrn. Barthez und Rilliet übereinſtimmt, welche letz⸗ teren die Lebensjahre zwiſchen 9 und 15 als diejenige Periove angeben, in 21 ſowohl die primäre als die ſecundäre purpura am häufigiten vor⸗ ommen. 95 94. V. 6. 96 jedem 6 Drachmen, nebſt 1 Drachme zuſammengeſetzter Cardamo— mentinctur und ½ Scrupel kohlenſauren Kalis verordnet. Mit den blauen Pillen ward fortgefahren. Die Arznei wirkte nicht kräftig genug auf den Darmeanal. Man verordnete ihm deßhalb jeden Abend 5 Gran blaue Pillen und einen Morgen um den an— dern eine hinreichende Doſis von der zuſammengeſetzten Infuſion von Senna und ſchwefelſaurer Magneſia. Einige Zeit darauf er- hielt er 5 Gran blaue Pillen, 5 Gran zuſammengeſetzten Colo— quintenertracts und 3 Gran extr. Lactucae, jeden Abend zu nehmen. Durch beharrliche Anwendung des Mittels wurde der Patient zuletzt völlig wiederhergeſtellt. In dieſem Falle lag der Grund der Neur⸗ algie in dem Zuſtande des Magens und des Darmcanals, und Sir B. Bro die betrachtet den Geſichtsſchmerz lediglich als ein Symptom. (10) Lockere Knorpel hat Hr. Rob. Liſton in vier Fällen mit dem beſten Erfolge durch eine chirurgiſche Operation aus Gelenken entfernt. Dieſelben waren zum Theil weit größer, als eine Puffbohne und theils abgeplattet, theils rundlich. Sein Verfahren iſt folgendes. Er bringt durch den Druck des Daumens und der andern Finger den beweglichen Knor— pel, wo möglich, in die obere und äußere Portion des Synovial— ſackes. Dann ſchneidet er etwas mehr als 1 Zoll unterhalb des zu beſeitigenden Knorpels durch die Haut und trennt dieſe von den darunter liegenden Theilen. Dann führt er die gekrümmte Spitze des Meſſers an der innern Seite des Gliedes ein und durchſticht alle Zwiſchengewebe und die Synovialcapſel bis auf den Knorpel, zieht das Meſſer zurück und läßt einen Gehülfen die winzige Offnung mit dem Finger zuhalten. Hierauf macht er an der äußern Seite einen ziemlich weiten Kreuzſchnitt durch die den Knorpel unmittelbar bedeckenden Gewebe. Alsdann wird die Spitze des Meſſers unter den Knorpel geführt, derſelbe angehakt, aus dem Gelenke gezogen und in das Zellgewebe unter der Haut ge— ſchoben, wo er, ohne die geringſte Ungelegenheit zu verurſachen, bleiben, oder von wo er, nach Hrn. Goyrand's Vorgange, einige Tage ſpäter einfach ausgeſchnitten werden kann. Die beiden Off— nungen in der Synovialmembran werden gleich nach der Beſeiti— gung des Knorpels aus der Gelenkhöhle mit Pflaſter verklebt, und der Patient muß einige Tage das Glied vollig bewegungslos halten. (Dublin quart. Journ. of Med. Science, Febr. 1847.) (12) Eiſenhut, äußerlich angewandt, hat J. Grantham gegen ſphacelöſe und phagedäniſche Ge⸗ ſchwüre, ſowohl bei oberflächlichen (wie bei variıx), als bei tiefgreifenden (wie beim ächten Podagra) ſehr wirkſam gefun— den. Doch müſſen die Wurzeln, Stengel und Blätter des Aco- nitum Napellus zur Blüthezeit der Pflanze geſammelt und im Schatten getrocknet werden, und man muß eine Infuſion auf die ganze Pflanze bereiten, da das Decoet ſich unwirkſam gezeigt hat. Man gießt die Flüſſigkeit dann vorſichtig ab und bereitet aus derſelben mit Weißbrotkrume einen Breiumſchlag, den man ſo heiß auflegt, als der Patient es vertragen kann, worauf man die Tem⸗ peratur durch Bedecken mit Watte zuſammenhält, aber dennoch den Umſchlag öfters erneuert. Auch hat man darauf zu ſehen, die ganze Extremität immer gehörig warm zu halten, da dadurch der Heilproceß ſehr befördert wird. Mit dieſem äußerlichen Mittel muß eine angemeſſene innerliche Behandlung Hand in Hand oder jenem vorausgehen, in ſo fern z. B. Congeſtion im Gehirne, in der Leber oder dem Darmcanale vorhanden iſt. (London medical Gazette, Aug. 1847.) (13) Reſection des olecranon in einem Falle von Ankyloſe der articulatio humero-cubitalis Mon Dr. Buk. — Ein 26jähriger Mann fiel auf den rechten Eln⸗ bogen, und alsbald ward das Gelenk der Sitz einer beträchtlichen Geſchwulſt, welche die Diagnoſe ungemein erſchwerte. Auf die Entzündung folgte die Bildung mehrerer Absceſſe, und nach drei⸗ zehn Wochen war der Patient hergeſtellt, aber das Gelenk unbe— weglich. Als Dr. Buk zu Rathe gezogen wurde, konnte das Eln⸗ bogengelenk weder gebeugt noch geſtreckt werden, allein die Prona— tion und Supination ließen ſich ſo leicht wie gewöhnlich bewirken. Auf dem olecranon erhob ſich ein abnormer Knochenhöcker, welcher zu der Unbeweglichkeit des Gelenkes beizutragen ſchien. Vergebens wandte man verſchiedene Apparate an. Da Dr. Buf erkannte, daß die Ankyloſe durch die Verwachſung des olecranon mit dem humerus entſtanden war, ſo entſchloß er ſich dazu, dieſelbe zu lö- fen, und zu dieſem Ende machte er bei der Höhe des olecranon einen Einſchnitt von 5 Zoll Länge, durchſchnitt die ſehnige Aus⸗ breitung des m. triceps und die Inſertion der Brachialaponeuroſe, und nachdem er dann den Knochenauswuchs bloß gelegt, nahm er denſelben, theilweiſe mit einer gewöhnlichen, theilweiſe mit der Hey'ſchen Säge weg, welcher letzteren er ſich auch zur Beſeiti— gung mehrerer in der Gelenkpfanne des humerus befindlichen Kno⸗ chenauswüchſe bediente. Der große Auswuchs hatte 1½ Zoll Länge. Als die Operation beendigt war, gelang es ohne Anwendung von Gewalt, den Vorarm rechtwinklig zum Oberarme zu ſtellen, wäh⸗ rend der erſtere vollkommen geſtreckt war (2). Die Wunde wurde an mehreren Stellen zuſammengenäht. Das Wundfieber war ſehr heftig, ward aber durch eine kräftige antiphlogiſtiſche Behandlung gehoben. Sieben Wochen ſpäter war nur noch wenig Schmerz vorhanden, obwohl der Kranke den Arm nicht ohne ſolchen bewe— gen konnte. Nach zwei Monaten konnte er einige Bewegungen ausführen, z. B. die Hand an den Mund bringen. Die Wunde war vollkommen zugeheilt, das Gelenk ſchmerzlos und die durch die Reſection des olecranon veranlaßte Lücke durch neue Knochenſub— 1914 durchaus gefüllt. (Allgemeine Zeitung für Chirurgie, S. 270, .) Bibliographiſche Neuigkeiten. Histoire naturelle des poissons; par M. le baron Cuvier, pair de France etc., et par M. A. Valenciennes, membre de l’Academie royale des scien- ces, de l’Institut, professeur de zoologie ete. Tome XX. In 8% de 30 feuil- les /, plus 2 cahiers in 8° de 23 pl., avec un avis in 8% d'un quart de feuille. — Idem. In 4% de 46 feuilles !/,.. (In 40, en noir 28 fr.; colorie 48 fr.; in 8%, en noir 19 fr. 50 ct.; colorie 39 fr. 50 ct.) Strasbourg et Paris 1847. Cyclopaedia of Anatomy & Physiology. Edited by Robert B. Todd. Vol. 3. Ins — Pla. Royal 80. (pp. 1028, cloth, 2 L. 10 sh.) London 1847. Hall, C. R. — On the System of the Great Sympathetic Nerve. By C. R. Hall. Part 2. 80. (sewed, 5 sh.) London 1847. Knapp, F. H. — The Botanical Chart of British Flowering Plants and Ferns; shewing, at one view, their chief Characteristics and Generie and Specifie Names. Compiled by F. H. Knapp. 8°. (pp. 100, cloth, reduced to 6 sh.) London 1847. Meyer, H. L. — Coloured Illustrations of British Birds, and their Eggs. y H. L. Meyer. Vol. 4, containing 60 plates, 8°. (pp. 216, cloth, 2 L., 12 sh. 6 d.) London 1847. Flore de France, ou Description des plantes qui croissent naturellement en France et en Corse; par M. Grenier et M. Godron. Tome I. (Premiere Partie) In8° de 21 feuilles ½. (7 fr.) Paris 1847. Roloffs, J. C. H., Anleitung zur Prüfung der Arzneikörper bei Apotheker- Visitationen. 5. Aufl. Hrsg. von Lindes. 4%. Geh. ®/, Thlr. Creutz’sche Buchh. in Magdeburg 1847. Observations et remarques nouvelles sur le traitement des valvules du col de la vessie, cause frequente et peu connue de retention d’urine, présentées ä l’Academie royale de médecine, le 12. octobre 1847; par le docteur L. Aug. Mercier. In 8° de 3 feuilles . Paris 1847. Notice sur l’ether et son emploi dans les operations de la chirurgie dentaire; par Ch. Cousin, chirurgien-dentiste. In 8° d'une feuille ½. Paris 1847. Memoire sur la découverte du nouvel emploi de l’ether sulfurique; W. I. G. Morton, de Boston, Etats-Unis, suivi de pieces justificatives. In 8e de 3 feuilles /. Paris 1847. Conseils 15 le et medicaux aux malades ui viennent passer l’hiver à Nice; par le octeur Camous. In 120 de 4 feuilles, plus une pl. Paris Wilson, E. — On Ringworm, its Causes, Pathology; and Treatment. By Erasmus Wilson. Post 80. (pp. 122, cloth, 5 sh.) London 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 95. (Nr. 7. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Rowney u. How, Aſchenanalyſe des Orangenbaumes. — Becquerel, üb. d. Einfluß des Salzes auf die Vegetation. — Miſcellen. Léveillé, üb d. Mutterkorn. Deliſſe, üb. d. Schmelzbarkeit vulcan. Geſteine. — Heilkunde. Duncan, über d. ſyſtemat. Vereinigung des Keuch⸗ a mit den Ausſchlagkrankheiten, und eine neue Art jenen zu heilen. — Guthrie, üb. Wunden u. and. Beſchädigungen des Unterleibes und Beckens. — ifcellen. Seymour und Warren, Heilung einer passio iliaca. Beatty, foelus, bei welchem der linke Arm duich die Nabelſchnur amputirt war. Marſhall, Stillung der Blutung aus Blutegelbiſſen bei Kindern. — Bibliographie. Naturkunde. XIII. Aſchenanalyſe des Orangenbaumes (Citrus aurantium). Von Thomas H. Rowney und Henry How. Die Verf. erhielten von Hrn. da Cumara das Unterſuchung benutzte Material von deſſen Pflanzungen St. Michel eingeſandt, indem letzterer die mineraliſchen ſtandtheile eines Baumes zu kennen wünſchte, welcher den Wohlſtand der Inſel begründete. Die Analyſen wurden unter der Leitung des Dr. Hofmann im Laboratorio des Royal College of Chemistry ausgeführt. Der Gang der Analyſe war in kurzem folgender. Die verſchiedenen Theile der Pflanze wurden in einem heſſiſchen Tiegel zu Aſche gebrannt, letztere nochmals mit einem kleinen Zuſatze von Queckſilberoryd in einem Platintiegel über der Spirituslampe geglüht, um die Schwefelverbindungen in ſchwefelſaure Salze zurückzuführen. Die ſalzſaure Löſung ward darauf zur Scheidung der Kieſelſäure zum Trocknen verdampft und geglüht und darauf mit verdünnter Salzſäure behandelt; die ſo erhaltene Löſung in verſchiedene Theile zur auf Be⸗ getheilt. Die erſte Portion diente zur Beſtimmung des Kalis und Natrons; die Säuren, der Kalk, die Talkerde u. ſ. w. wurden auf die bekannte Weiſe geſchieden. Aus der zweiten Portion wurde die Schwefel- und Phosphorſäure, letztere durch Eifenchlorid und eſſigſaures Kali gefällt, der Nieder— ſchlag in Salzſäure gelöſ't, mit Weinſteinſäure verſetzt, die Flüſſigkeit mit Ammoniak neutraliſirt und die Phosphorſäure durch Chlorammonium und ſchwefelſaure Magneſia als pyro— phosphorſaure Talkerde abgeſchieden. Dieſer Niederſchlag ward zur Entfernung eines geringen Eiſengehaltes wieder in Salzſäure gelöſ't und nach einem kleinen Zuſatze von Wein— ſteinſäure wieder durch Ammoniak gefällt. Aus einer drit— ten Portion wurde das phosphorfaure Eiſen, der phosphor— ſaure Kalk und die phosphorſaure Magneſia geſchieden. Die Fluͤſſigkeit ward zu dem Ende mit Ammoniak neutraliſirt, mit eſſigſaurem Kali verſetzt und mit Eſſigſäure ſtark ange— ſäuert; das phosphorſaure Eiſenoryd ward darauf durchs Erhitzen abgeſchieden und nach der Formel 2 Fe, 03 + 3 05 berechnet; dann ward der Talk durch oralſaures Ammoniak und die Talkerde durch phosphorſaures Natron gefällt. Das Chlor und die Kohlenſäure wurden noch für ſich beſtimmt. Wurzel. Stamm. Blätter. Früchte. Samen. 1 II. U II. I. II. I. II. II. Gramme. | Gramme. | Gramme. | Gramme. | Gramme. | Gramme. | Gramme. | Gramme. Gramme. | Gramme. Menge der zur Hauptanalyſe (3,5800 verwandten Aſche - 2,9360 3,07 N 3,230 3,277 4,3040 4,653 | 3,7490 3,5415 1,3620 2,344 4,6265 Geſammtbetrag der ſalzſauren | 229,956 | Söſung 4% (164,634 154,059 222,683 139,376 202,696 171,503 207,520 | 169,273 171,100 181,45 Gewicht der zur Scheidung der Alkalien benutzten Löſung 20,320 33,05 23,226 | 22,94 28,913 | 20,422 | 20,716 | 23,868 | 41,190 | 39,948 Gewicht des zur Schwefel- und 39,393 | 25,99 Phosphorſäurebeſtimmung 24,989 | 35,442 | 27,456 | 16,18 (23,616 22,574 33,013 18,22 | 25,630 34,288 an ie) \ e ee e ge 38,506 | 26,331 | 22,830 27,356 2 ’ ’ ’ ' * 1 e 25,686 39,155 36,693 25,827 | 21,550 24,324 21,716 22,568 | 23,945 27,391 Zur Beſtimmung des Chlors verbrauchte Aſchenmenge 1,4955 1,2235) 1,1060 1,291 2,1230 1,927 1,9825) 1,4595 0,8270 0,6255 Zur Beſtimmung der Kohlens ſäure benutzte Aſchenmenge 0,8400| ...... 0,884. N „2.2 1,5330 1,619 | 1,7660] 1,5275 0,585 ß Gewicht des bei 100° Celſ. ge⸗ trockneten Pflanzentheils zur Beſtimmung der in ihr ent⸗ haltenen Aſchenmenge . Ae 171280 17989) % 354500 3,78255 No. 2075. — 975. — 95. 7 95. V.R7. Stamm. Blätter. I. beiden Gramme. r Gramme. [Gramme— Gramme.] Gramme. Kieſelſäure .. 0,0405 | 0,0445 0,0330 | 0,04375 | 0,1580 0,176 0,115 0,0135 | 0,140 Sand und Kohle 0,0125 | 0,0195 0,0120 0,007 0,0105 0,010 | 0,0635 | 0,0575 | 0,0785 Chlorkalium und Natrium „Ss o JJC | Auasnoel WOBEo ah 0,7913 Kalium = Platindlorid . El de e ec eee dees odo nenne I de 2,4861 Chlornatrium . 0,2355 0% ũ lll!!! eeteieteit | Nneteleingere 0,321 Schwefelſaure Alkalien 0,7772 | 0,784 | 1,4091 | 1,511 | 2,8349 | 2,7127 | ...... Schwefelſäure, in den Sulpha— ten der Alkalien enthalten | TV . 0,3772 | 0,379 0,6863 0,739 1391 %% 21,333 1 lEz Schwefelſaures Baryt zur Schwefelſäurebeſtimmung 0,3946 | 0,42 0,3677 | 0,362 0,4205 | 0,471 0,3143 | 0,3028 | 0,1769 Phosphorfaure Talkerde zur Phosphorſäurebeſtimmung 0,5007 | 0,53 0,7244 | 0,73 0,1673 | 0,19 0,5060 | 0,483 0,4372 Phosphorſaures Eiſenoryd 0,0566 | 0,588 | 0,0358 | 0,0375 | 0,0355 | 0,0493 | 0,0303 | 0,03 | 0,0214 Kohlenſaurer Kalk. 2,1059 | 2,21 3,7565 | 2,69 3,3296 | 3,61 1,2858 | 1,191 | 0,4037 Phosphorſaure Talkerde zur Talferdebejtimmung - 0,4454 | 0,47 0,6675 | 0,469 0,5282 0,547 0,6545 | 0,59 0,2929 Chlorſilber 8 0,0370 | 0,0275 | 0,0055 | 0,008 0,2640 0,245 0,1425 | 0,111 0,0160 Kohlenfäure . . 016000 | OR 0,3560 | 0,372 | 0,3600 | 0,3090 | 0,04 Gewicht der nad) dem Verbren⸗ nen erhaltenen Aſche 0,0770 [ 0% 310 0,2732 | »..-.- 0,1400 | ...... 0,1250 Die Zahlen correfpondiren mit den folgenden auf Procente berechneten. Aſchenanalyſe der Wurzel (direct gefundene Zahlen). Talkerde 449 4,30 4,39 ſch 9 e e e een e Eiſenoryd 0,36 0,44 00,40 Die Menge der von 100 1 der A 1 Aſche Chlornatrium 5,08 5,17 5,12 betrug. 5 Phosphorſäure 35 37177 31 5 Schwefelſäure . 7 H „41 Kali 1251 12 mi u 7 Kieſelſäure . 3,67 3,78 3,72 Natron 3,72 3 57 3/64 Kohlenſäure 23, 22 22/97 209 N 40,16 40,31 40,23 Sand und Kohle 0,24 0,1 0,23 Talkerde 5,55 5,60 5,57 100,28 100,22 100,23 Eiſenoryd . 0,83 0,82 0,83 N Chlornatrium 4701 0, 0 0.85 Aſchenanalyſe der Früchte. Phosphorſäure 10,80 10,93 10,86 100 Theile gaben Aſche . n Schwefelſäure 4,61 4,76 4,68 I II. Mittel aus beiden Kieſelſäure 1,38 1,45 1,42 Kali 28 21 28 32 26 b a . ’ 7 Kohlenſäure . 19,04 19,04 19,04 Natron M. 8,73 8,99 8,86 Sand und Kohle 0,42 0,63 0,53 Kalk 19,20 18,83 19,02 100,06 100,37 100,22 Talkerde 6,39 6,14 6,26 Eiſenoryd . 0,35 0,36 0,35 Analyſe der Aſche des Stammes. e 85 84 905 : osphorfäure 5 100 Theile desſelben gaben Aſche 2,74. PEN 2,88 2,93 2,90 h I. II. Mittel aus beiden Kieſelſäure 31 0,38 0,34 Kali 9,66 9,73 9,69 Kohlenſäure . 20,38 20,22 20,30 am 1 155 595 1571 Sand und Kohle 1, 69 1,62 1,65 alk 1 h = Talferde 5,28 5,24 5,20 99,52 99,52 99,55 1 905 9 21 921 Aſchenanalyſe der Samen. ornatrium ) ) g 915 Phosphorſäure . 14,18 14,17 14,17 100 heile lieferten Asche: Schwefelſäure 3,900 3,79 3,84 Br 13 II., Mittel aus Kiefelfäure 0,02 1,4 1,08 1 3,22 35,29 35,26 Kohlenſäure . . 16,51 16,50 16,50 de . 100 = 5 3. „ 80 1 Sand und Kehle 0.33 % 027 Talkerde 787 7,1 7,65 99,52 99,93 99,70 ano) 05 9775 955 1 72 cn hlornatrium 0, 0, 0,7 Aſchenanalyſe der Blätter. Phosphorſäure . 20,33 20,39 20,36 100 Theile gaben Aſche 8 13,73. Schwefelſäure 446 448 4,7 I u. Mittel aus beiden See Tall) ee mar UN Mare : | ; Kohlenſäure 6,83 6,83 6,83 Kali 12,87 12,48 12,67 Sand Kohl 5.76 ' r Natron 22 18 1,30 ee Kalk 43,32 43,44 43,38 100,30 100,12 100,22 101 Obige Analyfen liefern einen neuen Beweis für die zuerſt von de Sauſſure beobachtete Thatſache, daß die— jenigen Pflanzentheile, in denen der Aſſimilationsproceß am lebhafteſten Statt findet, auch die meiſten anorganiſchen Beſtandtheile enthalten. Während Wurzel, Stamm, Früchte und Samen nicht mehr als 3 bis 4 Procent Aſche lieferten, gaben die Blätter nicht weniger als 13 Procent. Die große Menge der in der Aſche der Wurzel des Stammes und der Frucht gefundenen Kohlenſäure zeigt ferner, daß nicht nur in der letzteren, ſondern ebenfalls in Wurzel und Stamm große Mengen organiſcher Säuren vorhanden ſind. tach der Kalkmenge in der Aſche der Wurzel, des Stammes und der Blätter gehört der Orangenbaum zu den Kalkpflanzen; der Kalk und die Talkerde dieſer 3 Aſchen beträgt zuſammen mehr als alle noch übrigen unorganiſchen Beſtandtheile mit einander. In den Früchten und Samen find auch hier wie in ähnlichen Fällen die Alkalien vor— herrſchend. Die Menge der Phosphorſäure in der Aſche der Samen iſt größer als ſich vermuthen ließ, aber dennoch geringer wie die von Souchay in den Kernen der Citrone und Quitte gefundene Quantität (34,81 und 42,02); im übrigen ſtimmt die Zuſammenſetzung der Aſche dieſer Samen mit des Verf. Analyſe ziemlich überein. (Philosophical Magazine 1847, No. 208.) XIV. über den Einfluß des Salzes auf die Vegetation und ſeine Verwendung für den Ackerbau. Von Becquerel. In einer am 7. Juli vor der Société royale et cen- trale d' Agriculture geleſenen Abhandlung ſprach der Verf. ſich auf die üppigere Vegetation des mit Salz imprägnirten Bodens in der Nähe von Salinen ſtützend, dahin aus, daß eine Düngung mit Salz bei hinreichender Feuchtigkeit des Bodens den Futterkräutern im allgemeinen ſehr günſtig ſein würde. Im Octoberheft (No. 16) der Comptes rendus von 1847 findet ſich nun eine ausführlichere Arbeit des Verf. über dieſen Gegenſtand, die wir im Auszuge mittheilen. Der Verf. hatte ſich hier die Aufgabe geſtellt, den Ein— fluß des Salzes auf die verſchiedenen Entwickelungsperioden der Pflanzen zu ſtudiren, indem er ſehr richtig nach den verſchiedenen inneren Vorgängen in der Pflanze auch eine verſchiedene Wirkung des Salzes vermuthete. Auch die Art des Bodens kommt hier, namentlich in Bezug auf ſeine Feuchtigkeitsaufnahme, ſehr in Betracht. Beim Keimen, wo unter dem Einfluſſe von Feuchtig— keit und Wärme, das in den Samen enthaltene Amylum in Gummi und Zucker übergeht und ſo der jungen Pflanze Nahrung bietet, kann ſchon der Theorie nach ein fäulniß— widriges, mithin jede Art der Gährung ſtörendes Mittel wie das Salz nur hemmend einwirken, wie des Verf. Ver— ſuche dies durch die That beſtätigen. Das Bandgras und ee 102 der weiße Senf keimten bei einer mäßigen Salzdüngung ſpäter, zum Theil auch gar nicht; die Keimkraft des Wai— zens und der Wicke ward gänzlich zerſtört, während das Keimen verſchiedener anderer Pflanzen zwar nur wenig, aber dennoch bemerkbar, verſpätet ward. In der zweiten Lebensepoche der Pflanzen, die bei dem Verf. bis zur Blüthezeit dauert und die eigentliche Vege— tationsperiode ausmacht, befindet ſich das Salz in einem ganz anderen Verhältniſſe zum Inhalte der Pflanzenzellen; von den Wurzeln aufgenommen und den Geweben zugeführt, wirkt er nunmehr je nach der aufgenommenen Menge belebend oder beſchränkend auf den Vegetationsproceß. Nach der vollbrach— ten Keimung kann man die junge Pflanze aus der Erde nehmen und bis zur Blüthezeit bei Gegenwart von Waſſer in einen ſogar ſtark mit Salz imprägnirten Boden verpflan- zen, ohne dadurch eine Veränderung des Getriebes oder eine Wachsthumsſtörung herbeizuführen ;, die Pflanzen ges deihen vielmehr, wenn das Salz nicht im Übermaß angewandt wurde, viel üppiger als ſonſt. Unter dieſen Umſtänden können ſie getrocknet bis 8 Proc. ihres Gewichtes an Salz enthalten. An der durchaus verſchiedenen Wirkung des Salzes in den beiden genannten Lebensperioden der Pflanzen geht nun von ſelbſt hervor, daß man ein Kornfeld erſt nach geſche— henem Keimen und zwar am beſten im Monat März, wenn die Erde noch hinreichend feucht iſt, mit Salz beſtreuen müſſe; dadurch verhindert man zugleich das tiefere Eindrin— gen des Salzes in den Boden, wohin es durch die Winter— regen gelangen und ſo für die Vegetation des Frühlings verloren gehen würde. Die Menge des zu verwendenden Salzes wird ſich dagegen nach der Pflanze richten müſſen. Nun haben Kuhlmann's Verſuche gezeigt, daß es, zumal bei Gegenwart von ſtickſtoffhaltigem Dünger, anregend auf die Vegetation einwirkt, und ſo iſt es wohl denkbar, daß es bei gwiſſen Pflanzen, die viele anorganiſche Nahrung verlan— gen, auch überreizend und folglich entkräftend wirken könne. Hierüber müßten bei Abweſenheit von ſtickſtoffhaltigem Dün— ger angeſtellte Verſuche zuvor entſcheiden. Der große Salzgehalt der bei Salzdüngung gewonnenen Getraidehalme könnte ſie vielleicht zu einem guten Futter machen. Über den Einfluß dieſes Verfahrens auf den Er— trag an Körnern kann erſt das nächſte Jahr, wenn die Verſuche beendigt ſind, entſcheiden. Für die Wieſeneultur ſchlägt der Verf. vor, das Salz dann auszuſtreuen, wenn ſich die Vegetation entwickelt; bei trockner Wieſe wäre eine regnichte Jahreszeit abzuwarten. Bei einem das Waſſer nicht leicht aufnehmenden Boden hält der Verf. ein öfteres Düngen mit Salz nicht für rathſam, weil die ein Mal erhaltene Salzmenge zum größten Theil für lange Zeit im Boden bleibt und den ge— wünſchten Zwecken genügt; dagegen wird ein das Waſſer begierig aufſaugender Boden mit jeder neuen Cultur auch eine neue Salzzufuhr verlangen. Nach der Bodenbeſchaffen— heit wird ſich ſomit das längere oder kürzere Verweilen des Salzes im Boden richten und darauf bei der Wechſeleultur wohl zu achten ſein, da, wie oben gezeigt, die Wicke und 7 * 103 vielleicht noch andere Leguminoſen bei Gegenwart von Salz nicht keimen. So glaubt der Verf. den Weg bezeichnet zu haben, nach welchem Verſuche anzuſtellen wären, um mit Sicherheit über den Einfluß des Meerſalzes als Düngungsmittel bei Gegenwart oder Abweſenheit von ſtickſtoffhaltigem Dünger entſcheiden zu können. Miſcellen. 18. Über das Mutterkorn, von Léveilleé. Die durch einen glücklichen Erfolg gekrönte Anwendung des Mutterkornes bei zwei durch die Unthätigkeit der Gebärmutter ſchwierigen Geburten, ſowie die verſchiedenartigen Anſichten über die Wirkſamkeit und die wahre Natur dieſes Mittels veranlaßten den Verf. zu einer Unter— ſuchung dieſes Gegenſtandes, die wir der No. 724 des Institut ent⸗ nehmen. Der Verf. hat ſich von neuem überzeugt, daß das Mut— terkorn eine Krankheit der Samenknoſpe iſt und durch einen Pilz, den er Sphacelia segetum nennt, veranlaßt wird. Die Frucht der Gramineen beſteht aus einem pericarpium, einer Samenknoſpe und einem Embryo, der aber regelmäßig, wenn ſich der Pilz ente wickelt, fehlſchlägt. Die Sphacelia erſcheint, nach des Verf. Be⸗ obachtungen, wenn Gewitterregen bald nach der Befruchtung der Samenknoſpe eintreten; zu Anfang bemerkt man noch keine Krank⸗ heitserſcheinungen am Korne, feine Geſtalt und Farbe find noch unverändert, doch iſt es leichter zu zerdrücken, wie das geſunde Korn. Bei einem Quer- oder Längsſchnitte erſcheint die Samenknoſpe zu dieſer Zeit noch weiß, aber von einer gelblichen, ſchleimigen Maſſe bis an ihren Anheftungspunkt umgeben; der Pilz entwickelt ſich dennoch, was aber nur in dieſer Periode nachzuweiſen iſt, zwiſchen dem pericarpio und der Samenknoſpe. Indem er ſich raſch aus— breitet, löſ't ſich das pericarpium an feiner Baſis und fällt ent⸗ weder ab oder wird von den Pilzfaden, welche die nunmehr ſchön violette Samenknoſpe überdecken, gehalten. Von nun an ſpielen das pericarpium wie die Sphacelia eine untergeordnete Rolle, in— dem die in ihren vitalen Eigenſchaften durchaus veränderte, nur aus Zellgewebe beſtehende Samenknoſpe mit reißender Schnelligkeit fortwächſ't und oft eine Länge von 4 bis 5 Centimeter erreicht. Der Pilz hält ſich immer nur an der Oberfläche und fällt darauf entweder für ſich oder mit dem pericarpio ſammt Staubfaden und Narben ab. Das geſammelte Mutterkorn iſt gewöhnlich in dieſem Zuſtande, weßhalb man, um ſeine Natur zu ſtudiren, ſeine Ent— wicklung verfolgen muß. Häufig bildet die in der Luft vertrocknete Sphacelia eine kleine, das Mutterkorn krönende Spitze, welche beim gegenſeitigen Aneinanderreiben der Ahrchen abfällt, oft vom Regen hinweggeſpült wird, oder auch als weißliche, ſchuppig- abfallende Decke über dem Mutterkorne bleibt. — Die Sphacelia erſcheint, Heilk (XIV.) über den praktiſchen Nutzen, welcher aus ſyſtematiſcher Zuſammenſtellung des Keuchhuſtens mit den Ausſchlagkrankheiten entſpringen würde, ſowie eine neue Methode, dieſe Krankheit zu heilen. Von James F. Duncan, M. D. Der Verf. klagt im Eingange feiner Arbeit über die gegenwärtige Vernachläſſigung des Studiums der Noſplogie und findet den Grund dieſer, neben dem unter den Arzten 95. V. 7. 104 für ſich unterſucht, als gallertartiger, gelblicher Körper, ihr Ger ſchmack ähnelt dem Honig, ihr Geruch dem geraſpelten Knochen. Ein dünner Querſchnitt zeigt unterm Mikroſkop ein äußerſt zartes, kaum wahrnehmbares Zellenlager; die an der Peripherie gelegenen Zellen entwickeln eine ungeheure Menge kleiner, kurzer Filamente, die an ihrem Ende einen einzigen, ovalen Sporn tragen, wovon man ſich durch ein behutſames Auseinanderſpülen der zahlreichen Pilz⸗ faden am beſten überzeugt. — Das Mutterkorn des Roggens und der andern Getraidearten beſteht demnach aus zwei verſchiedenen Theilen, dem eigentlichen Mutterkorne, d. h. der krankhaften Sa⸗ menknoſpe und der Sphacelia, weßhalb der Verf. die Arzte, welche dieſes Mittel anwenden, darauf aufmerkſam macht, daß wir zur Zeit noch nicht wiſſen, welcher von beiden Theilen die Zuſammen⸗ ziehung der Gebärmutter und eben ſo wenig, welcher von ihnen die als Ergotisma bekannten krampfhaften Zufälle bewirkt. Ver⸗ gleichende Verſuche über die Wirkung beider Theile wären demnach ſehr wichtig und wünſchenswerth. 19. über die Schmelzbarkeit vulcanifher Ge— ſteine berichtet A. Deliſſe in No. 16 der Comptes rendus von 1847. Bei anhaltender Schmelzhitze verwandeln ſie ſich nach ihm in glafige Maſſen, deren Härte ſich nach dem Kieſelgehalte, ihre Farbe aber nach der Eiſenmenge der Felsart richtet. Bei dieſem Übergange aus dem kryſtalliniſchen in den glaſigen Zuſtand erleidet das Geſtein eine Verminderung ſeiner Dichtigkeit, die, unter ſonſt gleichen Umſtänden, bei einem größern Kiefelerde - und Alkalige⸗ halte um fo größer, dagegen bei vorwaltendem Eiſenoxyde, Kalke und Alaunerde geringer zu ſein ſcheint. Die älteſten Formationen verlieren darnach am meiſten an Dichtigkeit, während die jüngern weniger einbüßen; übrigens iſt dieſe Abnahme bei einer und der⸗ ſelben Gruppe oftmals ſehr verſchieden; im allgemeinen laſſen ſich jedoch folgende Zahlen aufitellen : Abnahme der Dichtigkeit nach Procenten. Granite, granitiſche Porphyre und Granitgeſteine 9 bis 11 Proc. Syenitiſche Granite, Syen ite 8 9 Rothe, braune und grüne Porphyre, mit oder ohne Quarz, im Albit, Oligoclas, Andeſit u. ſ. w. vorkommend . a e Diorite und dioritiſche Porphynnne 6 ⸗„ 8 = Melaphyene Ko > ae a SET ON LES en Bu . 135 POuM: Altere vulcaniſche Geſteine, Baſalte . 5 Neuere vulcaniſche Bildungen, Lavden . 0 3 = Nimmt man nun mit von Humboldt die Dicke der feſten Erd⸗ rinde zu 40,000 Meter an, und betrachtet ſie als aus Granit gebildet, der bei feinem Übergange in den glaſigen Zuſtand 10 Procent an ſeiner Dichtigkeit verliert, ſo findet man, daß das Phänomen der Kryſtalliſation allein ſchon den Erdradius um 1430 Meter verkürzen und folglich die Schnelligkeit der Rotation und eben fo die Geſtalt der Erde verändern mußte. unde. ſonſt ſo regen Forſchungsgeiſte befremdlichen Erſcheinung theils in der großen Verbreitung der Entzündungstheorie, welche alle Krankheiten auf einen einzigen pathologiſchen Zu— ſtand zurückfuͤhrt, — theils, darin, daß es immer mehr Mode wird, Monographien für Encyelopädien, ſogenannte Biblio: theken ꝛc., ſtatt größerer medieiniſcher Werke zu ſchreiben; — theils und hauptſächlich darin, daß die Noſologie, ſeit ſie ſich auf die Phyſtologie ſtützt und ſeit die ältern Theorien unhaltbar geworden ſind, zu einer weit ſchwierigeren Aufgabe 105 geworden iſt, als fie damals war, wo man ſich noch an beſondere Syſteme hielt. Die wahre Natur mancher Krank— heiten iſt aber ſo dunkel, daß es ſehr ſchwer hält, ihnen ihre richtige Stelle bei einer rationellen Claſſification anzu— weiſen, zumal wenn dabei mehrere Arten von Geweben zur Mitleidenſchaft gezogen werden. Er hält es ſowohl in wiſſen— ſchaftlicher, als in praktiſcher Beziehung für höchſt wichtig, daß eine auf die wirklichen Verwandtſchaften der Krank— heiten baſirte Claſſification derſelben zu Stande gebracht werde. Denn viele Krankheiten, die ſehr verſchiedene Er— ſcheinungen darbieten, ſind ihrem Weſen nach einander ſo ähnlich, daß nothwendig eine gleichartige Behandlung auf fie paßt, wenn man alſo eine richtige Claſſification beſäße, ſo würde dieſe Gleichartigkeit ſich auch dem weniger erfahr— nen Arzte ohne weiteres darbieten. b Hierauf ſpricht er ſich im beſondern über die Aus— ſchlagskrankheiten (exanthemata), welche eine natürliche Gruppe bilden, ſowie über die Zuläſſigkeit der Zuſammenſtellung des Keuchhuſtens mit denſelben, folgendermaßen aus. Allerdings hat dieſe, rückſichtlich mancher Symptome ſo intereſſante Gruppe die Aufmerkſamkeit der Arzte von jeher beſchäftigt; allein über die Krankheiten, welche eigent— lich in dieſelbe zu ſtellen ſeien, herrſcht noch große Mei— nungsverſchiedenheit. Manche dieſer Krankheiten find acut, andere chroniſch; manche eigentliche Fieber, andere Haut— entzündungen; manche höchſt anſteckend, andere dies durch— aus nicht; einige haben einen regelmäßigen Verlauf, an andern iſt ein ſolcher nicht wahrzunehmen. Ein Blick auf die von Sauvages, Linné, Vogel, Cullen, Maein⸗ toſh, Craigie, Lendrick c. aufgeſtellten Verzeichniſſe läßt in denſelben die auffallendſten Verſchiedenheiten rück— ſichtlich der Zahl und Namen der Krankheiten erkennen. Dieſe Abweichungen ſcheinen nun ihren Grund darin zu haben, daß man einem einzigen Symptome, dem Haut— ausſchlage, welches an ſich bemerkenswerth genug, allein ſelbſt bei den Krankheiten, bei denen es gewöhnlich vor— kommt, zu unſicher iſt, als daß man es der noſologiſchen Anordnung zu Grunde legen dürfte, eine zu hohe und faſt ausſchließliche Wichtigkeit beigelegt hat. Statt zu dieſem Zwecke ein einziges Symptom zu benutzen, halte ich es für beſſer, die allgemeine Übereinſtimmung mehrerer Krankheiten zu Grunde zu legen, und aus dieſem Geſichtspunkte betrach— tet, halte ich folgende Krankheiten für eine natürliche Gruppe, obwohl der für dieſelben bisher übliche Name dann un— ftatthaft erſcheint, da bei mehreren zu derſelben gerechneten Krankheiten der Hautausſchlag ganz fehlt. Menſchenpocken, Maſern, Scharlachfieber, Varicella, geimpfte Kuhpocken (Vaccinia), Fleckfieber (maculated fever), Peſt, Bräune und Keuchhuſten. Die Symptome, denen ich die größte Zuserläſſigkeit beimeſſen möchte, ſind folgende: 1) Der regelmäßige Verlauf. Daß ein ſolcher bei den allgemein anerkannten Granthemen als: den Maſern, dem Scharlachfieber und den Menſchenpocken Statt finde, giebt jedermann zu. Auch bei den Kuhpocken bemerkt man den— ſelben und ſelbſt bei den übrigen, in obiger Lifte genannten 95. V. 7. 106 Krankheiten, mit Ausnahme des Keuchhuſtens, läßt ſich ein ſolcher beobachten, wenngleich innerhalb gewiſſer Grenzen Abweichungen von den gewöhnlichen Erſcheinungen vorkom— men, was jedoch auch bei den Maſern und Menſchenpocken in gleichem Grade der Fall iſt. Dieſes Kennzeichen ſcheidet dieſe Gruppe weſentlich von der Entzündung auf der einen, und den Fiebern auf der andern Seite. Die Vertheidiger der kritiſchen Tage könn— ten allerdings behaupten, daß die Fieber ebenfalls einen regelmäßigen Verlauf haben; jedoch ſicherlich nicht in dem Sinne, wie der Ausdruck hier verſtanden wird; nämlich daß in dem Zuſtande der Patienten eine Reihe von tägli— chen Veränderungen auftritt, welche mit der Dauer der Krankheit genau übereinſtimmen und binnen einer gewiſſen Zeit deren vollſtändiges Aufhören herbeiführen. Ein ſchönes Beiſpiel dieſer Art bietet uns der Verlauf der Kuhpocken. Unter Kriſis verſtehen wir dagegen eine eigenthümliche An— ſtrengung, welche der Organismus des Patienten an beſtimm— ten Tagen macht und nach welcher er ſich, wenn es der Natur nicht gelungen iſt, die Reconvaleſcenz herbeizuführen, wieder in demſelben fieberiſchen Zuſtande befindet, wie vor der Kriſis, bis an einem neuen kritiſchen Tage der Orga— nismus eine neue Anſtrengung macht. 2) Die allgemeine Empfänglichkeit für dieſe Krank— heiten. Man findet allerdings hin und wieder Perſonen, welche der Gelegenheit zur Anſteckung vielfach ausgeſetzt geweſen und dennoch nicht angeſteckt worden ſind; allein früher oder ſpäter bekommt faſt jedermann die gewöhnlicheren Erantheme, während die Maſern und das Scharlachfieber in der Regel ſchon im Kindesalter auftreten. Wären die übrigen Krankheiten dieſer Gruppe eben fo allgemein, ſo würde wohl ebenfalls faſt jedermann und zwar auch in der Kindheit davon befallen werden. | 3) Sie kommen nur ein Mal im Leben vor, und der ein Mal von ihnen befallen geweſene Menſch erlangt da— durch mehrentheils die Fähigkeit, ſpäter jeder Anſteckung durch dieſelben zu widerſtehen. Es giebt von dieſer Regel Ausnahmen, allein dieſelbe iſt deßhalb nicht weniger gültig. Ob bei gewöhnlichen Fiebern ein Gleiches Statt findet, iſt ein ſtreitiger Punkt; allein meiner Anſicht nach ſpricht die Erfahrung entſchieden dagegen, und namentlich iſt in Be— treff der Wechſelfieber ausgemacht, daß ein früherer Anfall den Körper keineswegs vor einem nachfolgenden ſchützt, ſon— dern ihn zu demſelben nur noch mehr geneigt macht. Das Fleckfieber bekommt man dagegen faſt ſo ſelten zum zweiten Male, als andere Exantheme, und die Peſt iſt ebenfalls ein auffallendes Beiſpiel von dieſer allgemeinen Regel. 4) Sie werden durch eine Art Gift fortgepflanzt. Im Gegenſatze zu andern Krankheiten ſcheinen fte nicht anders erzeugt werden zu können, als wenn jemand direct oder indirect mit einer an derſelben Krankheit leidenden Perſon in Beziehung tritt. Verſchiedene Umſtände können die An— ſteckungskraft erhöhen oder vermindern; allein ſie wohnt allen dieſen Krankheiten inne, und wenn eine derſelben ein Mal ganz aufhörte, ſo würde dieſelbe wohl nie wieder auf— treten. Ein Mal müſſen ſie allerdings ſelbſtändig erzeugt 107 worden fein, und wenn dieſelben Umſtände, welche ſie zuerſt hervorriefen, wieder zuſammenträfen, würden ſie allerdings wohl auch von neuem entſtehen. Es ſcheint ſich aber aus der Geſchichte derſelben zu ergeben, daß ſie ſich durch große Sorgfalt ganz ausrotten ließen. 5) Sie ſind wahrſcheinlich ſämmtlich durch Impfung fortzupflanzen. Bei den am deutlichſten charakteriſirten Er— anthemen unterliegt dies keinem Zweifel. Bei einigen der in obiger Liſte enthaltenen Krankheiten hat man indeß die Impfung nicht verſucht, und bei andern iſt ſie allerdings nicht gelungen. Ob die Verſuche in einer bündigen Weiſe angeſtellt wurden, bleibt indeß zweifelhaft; denn es ſind dabei, namentlich wenn die Impfung nicht, wie bei den Kuhpocken, durch Lymphe, ſondern, wie bei Home's Er— perimenten, durch Blut geſchieht, ſo viele kleine Umſtände zu berückſichtigen, daß das Mißlingen in einigen wenigen Fällen durchaus keine ſichere Folgerung geſtattet. 6) Hierzu kommt noch, daß dieſe Krankheiten mit Fie— ber verbunden ſind und die Tendenz zu haben ſcheinen, in Subjecten, die Anlage zu Tuberkelkrankheiten haben, dieſe zu entwickeln, obwohl dieſe letzte Eigenſchaft noch nicht bei allen Krankheiten dieſer Gruppe nachgewieſen iſt. Legen wir nun dieſe allgemeinen Symptome der gegen— wärtigen Claſſification zu Grunde, ſo muß jedermann ein— leuchten, wie ſie beim Keuchhuſten alle ſo genau zuſammen— treffen, daß man ihm die Aufnahme in die Gruppe ſchwer— lich verſagen darf. Der einzige Einwand dagegen ließe ſich aus dem Umſtande herleiten, daß der Keuchhuſten keinen regelmäßigen Verlauf hat, oder vielmehr, daß deſſen Dauer ſo höchſt unbeſtimmt iſt. Indeß habe ich hier nur die einfache Form des Keuch— huſtens im Auge. Complicationen haben nothwendig bei allen Krankheiten einen gewiſſen Einfluß auf deren Verlauf, und wenn nun auch der einfache Keuchhuſten ſich dann und wann ſehr in die Länge zieht, ſo wird ſich der Grund davon aus einer erſchöpfenden Darlegung unſerer Theorie leicht ergeben. Daß die Krankheit eine gewiſſe Regelmä— ßigkeit in ihrem Verlaufe beobachtet, und daß ſie wirklich ſo gut eine gemeſſen fortſchreitende iſt, wie Maſern oder Kuh— pocken, ergiebt ſich ſchon aus dem Umſtande, daß dem eigent— lichen Keuchhuſten ſtets eine Incubationsperiode oder ein Anz fangsftadium von 4 — 6 Tagen vorhergeht. Daß Cullen und die meiſten frühern Schriftſteller die Peſt mit in dieſe Gruppe aufgenommen haben, wird mir die Erledigung meiner Aufgabe weſentlich erleichtern. Sie iſt in der That das Verbindungsglied zwiſchen dem Keuchhuſten und den allgemein als Grantheme anerkannten Krankheiten; denn bei der Peſt haben wir ein Leiden des Drüſenſyſtemes, als weſentlichen Beſtandtheil der Krank— heit, zu welchem ſich nach Umſtänden ein Hautausſchlag geſellt oder nicht geſellt. Bei der Bräune läßt ſich das Nämliche wahrnehmen; denn hier finden wir, daß die Pa— rotiden im Verlaufe eines eigenthümlichen Fiebers allmälig anſchwellen und nach einer gewiſſen Zeit ſich wieder all— mälig verkleinern. Überhaupt bietet die Bräune alle cha— rakteriſtiſchen Kennzeichen der Exantheme dar, mit Aus— 95. . 108 nahme des Hautausſchlages. Beachtet man dieſe Thatſachen, jo iſt man wohl berechtigt anzunehmen, daß die Erſcheinun⸗ gen des Keuchhuſtens von einem allmäligen Anſchwellen der Bronchialdrüſen herrühren, welches mit einem eigenthümlichen Fieber zuſammentrifft, das durch ein ſpecifiſches Krankheits— gift erzeugt wird. Schon Ley und andere haben behauptet, der Keuchhuſten habe ſeinen Grund in dem Anſchwellen jener Drüſen, allein die Anſicht, daß dasſelbe nur das Sym— ptom eines den Exanthemen analogen Fiebers ſei, wird hier, ſo viel ich weiß, zum erſten Male öffentlich ausge— ſprochen. Durch die Annahme dieſer Hypotheſe laſſen ſich ſämmtliche Erſcheinungen ohne weiteres erklären. Die Ge— ſchwulſt jener Drüſen veranlaßt einen Druck auf den pneu— mogaſtriſchen Nerven und durch das verlängerte Mark eine reflectirte Einwirkung auf den untern Kehlkopfnerven und die Kehlkopfmuskeln, wodurch die Stimmritze theilweiſe oder ganz geſchloſſen wird, und daher rührt eben das Keuchen. Daß durch Reizung der pneumogaſtriſchen Nerven eine ſolche Wirkung hervorgebracht wird, habe ich in dem North Dublin Union -Xrbeitshaufe öfters beobachten können, wenn Kinder, die an ſerophulöſer Auftreibung der ſich in den thorax zie— henden Halsdrüſenkette, ſowie an Bronchialſchwindſucht Lite ten, die eroupartige Reſpiration zeigten, wobei die Section ſpäter jene krankhaften Veränderungen darlegte. Man könnte gegen dieſe Erklärungsweiſe des Keuchens einwenden, daß eine ſolche Anſchwellung andauernd vorhanden ſein müſſe, während das Keuchen doch nur von Zeit zu Zeit Statt findet. Dieſer Einwurf läßt ſich aber durch die An— nahme beſeitigen, daß die Drüfe ſich durch vorübergehende Störungen in der Circulation ſchnell vergrößern und dann wieder verkleinern könne k). Gemüthsaffecte, welche bekannt⸗ lich Anfälle des Keuchhuſtens veranlaſſen, erzeugen ein An— ſchwellen der Blutgefäße in den Wangen und wahrſcheinlich auch in andern Organen; daß aber die Lymphdrüſen ihr Volumen ſehr ſchnell zu verändern vermögen, ergiebt ſich aus einem merkwürdigen Falle, der vor etwa einem Monate an einer Frau im Mercer's Hoſpitale vorkam, wo ſämmt⸗ liche Symptome eines aneurysma der aorta, jedoch ganz vorübergehend, lediglich durch das gewaltige Anſchwellen einer um den Aortenbogen herumliegenden Gruppe von Drüſen veranlaßt wurden. Dieſe Symptome verſchwanden jedoch vor dem Eintreten des Todes, indem die Drüſen ſich ſetzten. Daß ein ſolches momentanes Anſchwellen wirklich Statt finde, läßt ſich ſchwer nachweiſen, und dieſe Schwierigkeit iſt von der hier aufgeſtellten Hypotheſe unzertrennlich. Wenn das Weſen der Krankheit in einer nur kurze Zeit anhaltenden, allmälig entſtehenden und dann allmälig wieder abnehmenden Anſchwellung beſteht, ſo liegt es auf der Hand, daß wir nicht erwarten dürfen, Spuren von dieſer An— ſchwellung bei der Section zu finden, indem der Tod ſelten früher eintritt, als bis die Krankheit ſo lange angehalten hat, daß, wenn ſich die Geſchwulſt überhaupt ſetzt, man anzunehmen hat, dies ſei dann bereits geſchehen. Übri— *) Dieſe Annahme iſt nicht nöthig, denn es iſt eine iche gewöhnliche Er Fe dach gw u im mediastinum nur periodiſche Erſtickungsanfälle veranlaſſen Ne 109 gens kann ich verſichern, daß ich an den Leichen vieler im Arbeitshauſe nach Keuchhuſten geſtorbener Kinder dieſe Drüſen in einem Zuſtande von ſerophulöſer Anſchop— pung getroffen habe, obwohl ich auf dieſen Umſtand keines wegs viel Gewicht lege, weil die eigentliche Urſache des Todes hier in den meiſten Fällen Schwindſucht war, welche durch den Keuchhuſten herbeigeführt worden; auch konnte die fragliche Erſcheinung eine rein zufällige ſein. Übrigens wird ſich in einer während eines fieberhaften Zuſtandes ge— ſchwollenen Drüſenpartie gewiß leichter Tuberkelſtoff ablagern, als in Drüſen, die nicht ſchon der Sitz einer krankhaften Thätigkeit ſind. Aus dieſer Hypotheſe erklärt ſich auch der Umſtand, daß ſelbſt der einfache Keuchhuſten oft weit länger dauert, als er, zugegeben, er habe einen regelmäßigen Verlauf, dauern ſollte; denn die Rückkehr dieſer Drüſen zu ihrem normalen Volumen erfordert Zeit, und viele Umſtände kön— nen dieſelbe verzögern. Dahin ſind namentlich conſtitutio— nelle Eigenthümlichkeiten und der Einfluß mancher Cur— methoden zu rechnen. Wir wollen nun noch einen Blick auf die praktiſchen Vortheile werfen, welche durch die Annahme dieſer Theorie erlangt werden dürften, und ohne welche letztere gar keinen Werth haben würde. Wenn der Keuchhuſten wirklich zu den Eranthemen gehört, ſo muß der Patient, wo nicht im Bette, doch ſtreng im Zimmer gehalten und auf antiphlo— giſtiſche Diät geſetzt werden. Man wird ihm gelinde, öff— nende und ſchweißtreibende Mittel verordnen, bis die Krank— heit Zeit gehabt hat zu verlaufen, und wenn ſie dann nicht von ſelbſt nachläßt, was in den meiſten Fällen geſchehen würde, ſo hätte man die gegen chroniſche Leiden ſo wirkſa— men toniſchen und antiſpasmodiſchen Mittel anzuwenden. Ich habe hier natürlich nur den einfachen Keuchhuſten im Auge. Wie ſehr ſteht mit dieſer Behandlung die gewöhn— liche im Widerſpruch, wo man den Patienten, zumal wenn die Symptome gutartig und das Wetter mild, an die freie Luft läßt, dadurch den regelmäßigen Verlauf der Krankheit ſtört und dieſelbe leicht durch eine der gefährlicheren Formen der Lungenentzündung complieirt. Dieſem Verfahren wird durch die allgemein herrſchende Anſicht, daß Luftveränderung beim Keuchhuſten ungemein wohlthätig wirke, Vorſchub ge— leiſtet, während doch der erfahrne Arzt weiß, daß die Ver— änderung der Luft höchſtens in langwierigen Fällen Nutzen bringen kann, im Anfangsſtadium der Krankheit jedoch ſtets ſtörend und ſchädlich wirkt. Auch in der Diät werden während des Anfangsſta— diums oft Fehler begangen, die nach unſerer Theorie ver— mieden werden würden. Weil das Kind guten Appetit hat, läßt man es eſſen, was und ſo viel es will, während man Abführungsmittel, welche das Fieber mildern und den Ver— lauf der Krankheit gutartiger machen würden, gewöhnlich vernachläſſigt. Antiſpasmodiſche Arzneien verordnet man häufig, ehe das Fieber ſich gelegt hat, und fie ſchaden da— her mehr, als ſie nützen. Nach der hier aufgeſtellten Theorie erklärt es ſich auch, weßhalb man früher durch reizende Einreibungen und Bähungen auf den Rücken, deren Wirk— 95. V. 7. 110 ſamkeit ich in mehreren Fällen erprobt habe, die jedoch mit den Theorien, auf die ſie ſich gründen, in Vergeſſenheit gerathen zu ſein ſcheinen, ſo gute Erfolge erlangte. Dies geſchieht keineswegs, weil ſie auf die kranken Spinal- oder andern Nerven gunſtig einwirken, ſondern weil fte die Con— geſtion in den Bronchialdrüſen vermindern, gerade wie ähn— liche Einreibungen bei der Bräune die Spannung und den Schmerz in den Parotiden lindern. Oublin quart. Journ. of Med. Science, August 1847.) (XV.) Über Wunden und andere Beſchädigungen des Unterleibes und Beckens. Von G. J. Guthrie“). Wir können die Reſultate, zu denen der Verf. gelangt, hier nur in der gedrängteſten Form wiedergeben. 1) Heftige Schläge auf den Unterleib veranlaſſen Ab— ſorption der Muskelſtructur und in vielen Fällen eine Bauch— hernie, welcher während der Cur gewöhnlich durch eine angemeſſene Behandlung, durch ruhiges Verhalten, locale Blutentziehungen und zeitige Anwendung einer Bandage vor— gebeugt werden kann. 2) Absceſſe in den Muskelwandungen der Bauchhöhle hat man zeitig zu öffnen. 3) Schläge auf den Unterleib haben oft das Berſten der Leber oder Milz zur Folge, und dann tritt in Folge der Blutung der Tod ein. Zerreißen die hohlen Eingeweide, ſo erfolgt der Tod durch Entzündung. 4) Schnittwunden am Unterleibe vereinigen ſich, wenn fie irgend ausgedehnt find, ſelten (ausgenommen auf der linea alba) ſo vollkommen, daß nicht ein mehr oder weniger bedeutendes Hervortreten der Baucheingeweide die Folge wäre. 5) Da ſich die Muskeltheile nach ihrer Trennung per primam intentionem vereinigen, ſo ſollte man bei dieſen Geweben nie Nähte in Anwendung bringen. 6) Das Aneinanderſchließen derſelben hat man mittels Nähte, die bloß durch die Hautbedeckungen dringen, durch Heftpflaſter, Compreſſen und Binden zu ſichern. 7) Der einzige Fall, in welchem die Naht durch die ganze Stärke der Bauchwandung dringen darf, iſt der, wenn die Wunde ſehr weit iſt und das Vorfallen der Eingeweide auf keine andere Weiſe verhindert werden kann. 8) Klyſtire verdienen vor Abführungsmitteln den Vorzug. 9) Wenn das omentum vorgefallen iſt, fo muß man es zurückbringen und nöthigenfalls die Wunde lieber durch die Aponeuroſen hindurch erweitern (aber das Bauchfell ſchonen), als daß man den vorgefallenen Theil nicht zurück brächte oder abſchnitte. 10) 11) 12) 13) 14) Iſt der Darm nur durch einen Stich verletzt, ſo iſt unmittelbar keine Behandlung nöthig; allein wenn ſich ein über ½ Zoll langer Schnitt in demſelben befindet, ſo muß er zugenäht und dadurch verkleinert werden, *) Lectures on some of the more important points in Surgery. By G. J. Guthrie. London, Churchill 1847. Part. II. 111 der Patient muß ſich auf die kranke Seite legen, um die Adhäſion zu begünſtigen, ſich äußerſt ruhig verhalten und wenig eſſen. Schwillt der Bauch an und müſſen ertravaſirte Stoffe herausgeſchafft werden, ſo kann man die Nähte der Wunde zerſchneiden oder ſogar, wenn die Wunde klein iſt, dieſe vorſichtig erweitern. Man hat dieſelbe ſo lange offen zu erhalten, bis ſie aufhört zu bluten, oder wo möglich das blutende Gefäß zu unterbinden. Geht dies nicht an, ſo muß man die Wunde ſchließen und den Erfolg abwarten. 15) Eine Schußwunde, welche die Bauchwandung durchdringt, kann nie per primam intentionem zuſammen— heilen, ſondern muß eitern. Kann man einen verwundeten Darm ſehen oder fühlen, ſo ſchneidet man die zerriſſenen Ränder ab und näht die ſcharf begrenzten Wundlefzen zu— ſammen. Kann man die Wunde weder ſehen noch fühlen, ſo hat man vor der Hand nur für den freien Abzug der extravaſirten oder ergoſſenen Stoffe zu ſorgen. 16) 17) 18) 19) 20) Eine Wunde am Unterleibe ſollte man nie unnöthigerweiſe erweitern. Wenn Kugeln in den Beckenknochen ſitzen, ſo müſſen ſie, inſofern dies ohne Gefahr geſchehen kann, herausgenommen werden. Iſt die Harnblaſe verletzt, ſo muß ein elaſtiſcher Katheter in derſelben liegen bleiben; veranlaßt derſelbe aber einen zu heftigen Reiz, ſo muß man vom Mittelfleiſche aus eine Offnung in die Blaſe machen. Alle Unterleibswunden ſollte man ſtreng antiphlogiſtiſch behandeln. Miſcellen. (14) Eine merkwürdige Heilung von passio iliaca, den Dr. Seymour in Geſellſchaft des Dr. Warren beobachtete, beſchreibt er in feinen Thoughts on the Nature and Treatment of several severe diseases, p. 44, folgendermaßen: Auf den aus— gebrochenen Stoffen ſchwammen kleine Maſſen von Fäces, die be— reits ſo weit ausgebildet waren, daß über deren Natur kein Zweifel ſein konnte, und dieſe ekelhafte Form der Krankheit machte die Patientin vollends troſtlos. Ich wachte mehrere Nächte bei ihr, und zuletzt gelang es mir, nachdem bis dahin alle Arzneimittel wieder ausgebrochen worden waren, die Reizbarkeit auf folgende Weiſe zu lindern. Zwei Gran Calomel wurden mit 1 Gran wei— 95. V. 7. 112 chen und friſchen Opiumertracts vermiſcht und ohne Gummi zu einer möglichſt kleinen Pille gemacht und dieſe gereicht; und wenn die Krämpfe oder das Würgen wiederkehrten, zwang man die Pa⸗ tientin eine halbe Flaſche im völligen Aufbrauſen begriffenen Soda— waſſers zu trinken. Die Glaftieität des Gaſes und der abwärts⸗ gerichtete Druck beim Schlingen hatte die gewünſchte Wirkung. Nachdem drei Gaben in dieſer Weiſe genommen worden waren, ſtand das Erbrechen, und wenn ich mich recht erinnere, brauchte bei der vierten Pille kein Sodawaſſer mehr nachgetrunken zu werden. (15) Einen foetus, bei welchem der linke Arm durch die um denſelben gewickelte Nabelſchnur theil⸗ weife amputirt war, zeigte Dr. Beatty am 6. Dee. 1845 der Dubliner pathologiſchen Geſellſchaft vor. Die Leibesfrucht war 5—6 Monate alt, und Dr. B. gedachte bei dieſer Gelegen— heit der vor etlichen Jahren von Dr. Montgomery gemachten Beobachtung einer von ſelbſt erfolgten Amputation der Gliedmaßen im Mutterleibe. Durch dieſes Präparat wird der Proceß erläutert und begreiflich gemacht, weßhalb man fo häufig unreife Leibes- früchte verſtümmelt findet. In dieſem Falle hatte ſich der linke Arm in eine Schlinge der Nabelſchnur verwickelt, welche ihn ſo feſt eingeſchnürt hatte, daß alle Gewebe, mit denen ſie ſich in Be— rührung fand, reſorbirt worden waren. Die Stelle befand ſich bei der Mitte des Oberarmes, und da die weichen Theile verſchwunden waren, ſo wurde das Glied dort nur noch durch den Knochen zu— ſammengehalten. (Dublin quart. Journal of Med. Science, Nov. 1846.) (16) Die bei Kindern oft lebensgefährliche Blutung aus den Biſſen der Blutegel läßt ſich, wie Dr. A. Mar: ſhall zu Belfaſt aus langer Erfahrung mittheilt, an Stellen, wo, wie am Unterleibe, Halſe ꝛc., eine Compreſſion unſtatt⸗ haft iſt, am leichteſten dadurch hemmen, daß man den Biß mit etwas Scharpie oder feiner Leinwand geſchwind auswiſcht und, während er ziemlich trocken iſt, die benachbarten Integumente mit dem Zeigefinger und Daumen zuſammendrückt und dieſe Com⸗ preſſion in mäßigem, doch nicht ſchmerzhaftem Grade längere Zeit fortſetzt. Wenn das Kind zappelt, ſo läßt man los, wiſcht aber die Bißwunde gleich wieder aus und drückt ſie wie früher zuſam⸗ men. Es kann ſich eine drei- bis viermalige Wiederholung nöthig machen; allein zuletzt ſteht die Blutung ſicher. Jedes Mal, wenn man die Wunde von neuem zuſammenpreßt, fließt das Blut lang⸗ ſamer aus, und binnen 5— 15 Minuten hört die Blutung völlig auf. Auch entzünden ſich die Blutegelwunden nach dieſer Behand⸗ lung nicht leichter, als ſonſt. Der Herausgeber des Dublin quart. Journ. of Med. Science, aus welchem wir dieſe praktiſche Mit⸗ theilung des Dr. Marſhall entnehmen, hat dies Mittel bei einem 4jährigen Kinde, das ſich beinahe ſchon verblutet hatte, als er zu Hülfe gerufen wurde, vollkommen bewährt gefunden. In dieſem Falle ſtand das Blut ſchon nach drei Minuten. Bibliographiſche Neuigkeiten. Neumann, K. A., Heilmittellehre, nach den bewährtesten Erfahrungen und Untersuchungen. 1. Abth. gr. 8°. Geh. * 1 Thlr. 26 Sgr. Enke’s Verlagsbuchh. in Erlangen 1847. Döbereiner, F., Grundriß der Pharmacie. Arzte nach der neueſten preuß. Pharmacopöe bearb. gr. 80. Flammer und Hofmann in Pforzheim 1847. Für angehende Apotheker und Geh. 3 Thlr. Brown, T. — The Complete Modern Farrier; a Manual of Veterinary Science: comprising Instructions for the Cure of all Diseases incidental to Horses, Cattle, Sheep, Swine, and Dogs. By Thomas Brown, M. P. S. 8. (Pp. 732, with engravings, cloth, 13 sh. 6 d.) London 1847. Maunsell and Evanson. A Practical Treatise on the Management and Diseases of Children. By H. Maunsell, M. D. and R. T. Evanson, M. D. r revised and enlarged, 120. (pp. 492, cloth, 12 sh. 6 d.) London Hints to the Sick, the Lame and the Lazy; or Passages in the Life of a Hydropathist. By a Veteran. With illustrations, by a Recruit. Small 40. (pp, 104, boards, 7 sh. 6 d.) London 1847. Lane, — A Brief Practical Essay on Vegetable Diet, in its Material, Social, Personal, and Spiritual Aspects. By Charles Lane. 120, (pp. 32. sewed, 4 d.) London 1017. Encyclopädisches Wörterbuch der mediein. Wissenschaften. 36. Bd. gr. 8. 3½ Thlr. Veit & Comp., Berlin 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 96. (Nr. 8. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Über den Einfluß der Sümpfe und eingedeichten Niederungen (Rolver) auf die Geſundheit und Lebensdauer der Menſchen. — Köllifer, über Verknöcherung bei rhachitis. — Miſcellen. Eine große Eiche. des Unterkiefers. — Miſcellen. Tauberth, Spinnenvermehrung. — Heilkunde. Atzſtifte von ſalpeterſaurem Silber und falpeterfaurem Kali zur Behandlun Nelaton, über die Cyſten der Granulationen der conjunctiva. Delvigne, neues ſicheres Verfahren der Compreſſion der aorta abdominalis zur Stillung hartnäckiger Metrorrhaglen. Kemmerer, Kalktheerpulver. — Bibliographie. Natur kunde. XV. über den Einfluß der Sümpfe und einge: deichten Niederungen (Polder) auf die Geſundheit und Lebensdauer der Menſchen. (Commiſſionsbericht der Académie royale de médecine de Belgi- que, in No. 49 der Gazette médicale dieſes Jahres mitgetheilt.) Dieſe für Belgiens Wohl höchſt wichtige Frage ward von der Akademie ſchon im Jahre 1843 in Anregung ge— bracht, eine auf ſie erfolgte Antwort ward des Preiſes nicht wür— dig erachtet; 1845 gingen drei Abhandlungen ein, von denen zwei zwar nicht in ihrem ganzen Umfange genügten, dennoch aber mit einer Medaille, 300 Franes an Werth, gekrönt wurden; in dieſem Jahre ward nur eine Abhandlung über— reicht, welche 470 Folioſeiten ſtark und mit dem Motto „In tenuitate copia“ verſehen iſt. Der Verf. theilt ſeine Arbeit in zwei Theile und ſpricht ſich in einer kurzen Vorrede dahin aus, daß er bekannte, in andern Büchern zu findende Beobachtungen übergehen und ſich hier hauptſächlich mit der Unterſuchung des noch Unbekannten beſchäftigen wolle, was die Commiſſion nur gut heißen kann. Er ſt er h ei . Capitel J. — Phyſicaliſche Beſchaffenheit der ein— gedeichten Niederungen und Sümpfe. Nachdem der Verfaſſer den Ausdruck Polder definirt, ſpricht er ſich dahin aus, daß nicht alle Theile desſelben in gleichem Maße der Geſundheit ſchädlich ſind; ihre Schäd— lichkeit vielmehr mit der Entfernung von dem Orte, wo das Waſſer die Ufer übertrat, zunimmt; weil gerade dahin die leichtern organiſchen, der Fäulniß anheim fallenden Stoffe in größter Menge gelangen. So wurde der Polder zu Bor— No. 2076. — 976. — 96. gerweert in der Nähe von Antwerpen nach der letzten über⸗ ſchwemmung von 1830 geſünder, die Fieber der Gegend verminderten ſich. Dieſe ſind da um ſo häufiger, wo lang— ſam fließende Bäche einen Polder bilden, während ſie an reißenden Flüſſen minder häufig vorkommen. Die neu entſtandenen Niederungen ſind immer unge— ſunder als die älteren: zu Ruysbroeck, Lillo, Borgerweert ſind die Fieber viel häufiger, dagegen kommen an ältern Poldern mehr Halsgeſchwülſte vor. Die am Meere gelege— nen, nicht mit Bäumen bepflanzten Sumpfniederungen ſind weniger ungeſund als die mehr landeinwärts befindlichen. Zu Kieldrecht, beſonders aber zu Cauter, einem Dorfe von 500 Seelen, ſind Seropheln aller Art zu Hauſe; dasſelbe gilt für Gröningen in Holland. Darauf geht der Verf. zu den eigentlichen Sümpfen über, deren Beſchaffenheit gut beſchrieben, deren meteorolo— giſche Verhältniſſe dagegen kaum berührt werden; auch vermißt die Commiſſion eine topographiſche Überſicht der Polder und Sümpfe, ſowie der Haidepfützen, die der Verf. gar nicht berückſichtigt hat, nur ungern. Die ganze Zu— ſammenſtellung zeugt indeß von großer Beleſenheit; auffallend iſt es jedoch, daß der Verf. unter den 20 in dieſem Gapitel eitirten Arzten nur eines Belgiers gedenkt, wie ihm über— haupt die medieiniſche Literatur Belgiens ziemlich fremd zu ſein ſcheint. Eine chemiſche Unterſuchung der Sumpfbeſtandtheile gab über die Natur des fiebererzeugenden Sumpfmiasma's wenig Aufſchluß; der Verf. hält dasſelbe, wie eine große Anzahl von Autoren, für eine Folge im Boden vorhandener faulender Stoffe. 1 Capitel II. — Über den Einfluß der Sümpfe und Polder auf die Geſundheit und Lebensdauer, namentlich in Bezug auf Belgien und ſeine e ne 115 96. Hier beſchäftigt ſich der Verf. zunächſt mit den Ur— ſachen, durch welche ein Polder ungeſund wird, indem er die Wirkungen der Überſchwemmungen und ihre Folgen, ſowie der kalten, feuchten Dünſte dieſer Gegenden unterſucht und aus ihnen die Prädispoſition zu gichtiſchen und ſero— phulöſen Krankheiten herleitet. Als Folgen dieſer ſchädlichen Ginflüffe bezeichnet er: eine allgemeine Schwäche, Verſchlei— mung der Gewebe, Bleichſucht, Trägheit der Bewegungen, Stumpfheit der Empfindungen, geringe moraliſche und in— tellectuelle Kraft, ein häufiger Übergang der intermittirenden Fieber in continuirliche, Erkältungsfieber, Rheumatismen und Verſchleimungen, häufiger Durchfall, gichtiſche und ſerophu— löſe Übel, Fluor albus, krankhafte Blutflüſſe, Drüſen- und Waſſergeſchwülſte, Hydropiſie, Hydrotrophie, Milz- und Leber— erweichungen, eine überwiegende Thätigkeit der vena por- tarum und überhaupt eine große, vorzüglich unter den Kin— dern herrſchende Sterblichkeit. Die phyſiſchen und moraliſchen Charaktere ſind zwar, wie hier die Commiſſion bemerkt, nach dem Klima und der Lage der Sümpfe verſchieden, dagegen iſt eine gewiſſe Schwäche, faſt nur mit wenigen Ausnahmen, allen Bewoh— nern ſolcher Gegenden eigen. Der Verf. hält die Ausdünſtungen der faulenden Waſſer— pflanzen ſtehender Gewäſſer für die Urſache der fiebererregen— den Sumpfmiasmen: ſo kann man, nach ihm, in einem übrigens geſunden Dorfe bei heißem Wetter durch eine Hanfbreche und Röſte nach Belieben Wechſelfieber erzeugen, was die Commiſſion jedoch in Zweifel zieht. Die Auf— nahme des Miasma's in den Körper betreffend, bringt der Verf. zwar nichts neues, nichts entſcheidendes, kritiſirt jedoch die vorhandenen Beobachtungen mit Umſicht und Klarheit, aber auch hier iſt eine Unkenntniß der belgiſchen Literatur auffallend. Auch vermißt die Commiſſion Beobachtungen über den beſondern Krankheitszuſtand der Frauen und Kin- der, namentlich in der Übergangsperiode zur Mannbarkeit; eben ſo fehlen vergleichende ſtatiſtiſche Liſten über die Lebens— dauer und Sterblichkeit dieſer und ähnlicher Gegenden. Capitel III. Über die in den Sümpfen und Niederungen Belgiens einheimiſchen epidemiſchen Fieber. Hier ſind zwei Arten der Fieber zu unterſcheiden, ſolche, die von dem Klima und der örtlichen Beſchaffenheit der Gegend abhängen, als Erkältungs-, rheumatiſche und ſchlei— mige Fieber, und ſolche rein miasmatiſcher Art; dieſe hängen mehr von der Luftbeſchaffenheit und ſonſtigen, theils noch unbekannten, Umſtänden ab; beide Arten können gleichzeitig auftreten und ſo einen veränderten Charakter annehmen. Ein entzündlicher Charakter iſt ſelten, dagegen ein chroni— ſcher vorherrſchend. Die intermittirenden Fieber dieſer Gegen— den verändern vorzüglich das Blut, welches, bei geſtörter Verdauung und Hypertrophie gewiſſer parenchymatiſchen Or— gane, einen mehr venöſen Charakter annimmt, weßhalb nach überſtandener Krankheit noch lange Schwäche zurückbleibt. Der Typus des Fiebers richtet ſich dagegen nach dem Klima und der Temperatur des Landes: in heißen Gegenden iſt das eintägige Fieber vorherrſchend, je höher man aber nach V. 8. 116 Norden kommt, ſieht man das zwei- und ſpäter das drei— tägige Fieber den erſten Typus verdrängen. Darauf ſpricht der Verf. über ape e Fieber und nimmt, nach Anſicht der franzöſiſchen Arzte, auch hier idio— pathiſche und ſymptomatiſche Fieber an: die letzteren ſollen nur ſelten vorkommen, womit ſich die Commiſſion nicht einverſtanden erklärt, da ſorgfältige Beobachtungen das Vor— kommen intermittirender ſymptomatiſcher Fieber widerlegen. Capitel IV. — Über die lymphatiſche Beſchaffen— heit der ſerophulöſen und gichtiſchen Affectionen u. ſ. w. dieſer Gegenden. Die kalte und feuchte Luft der belgiſchen Niederungen bedingt das lymphatiſche Temperament, das, zwar im allge— meinen mit der Geſundheit verträglich, dennoch zu allen dort herrſchenden Krankheiten disponirt. Der Verf. läßt ſich darauf weitläuftig auf die Beziehungen zwiſchen den innern und äußern Organen des Körpers ein und glaubt, daß der aus der Luft aufgenommene Stickſtoff im Körper verbleibe und die erſte Urſache der in den Niederungen graſſirenden Krankheiten ſei; aus einer ſolchen Verderbniß des Blutes erklärt er den Cretinismus, den Kropf, den morbus Brightii, die Wurmübel und die Gichtknoten. Den morbus Brightii iſt nach ihm in den ältern Poldern vorzugsweiſe häufig, welche Angabe die Commiſſion nicht beſtätigen kann. Die Gicht iſt, nach dem Verf., in genannten Gegenden ſo ende— miſch, daß ſogar Frauen und Kinder mit ihr behaftet ſind. Es ſcheint hier, wie die Commiſſion vermuthet, eine Ver— wechſelung mit dem Glieder- und Muskelrheumatismus Statt zu finden, der allerdings dort häufig iſt, während die wahre Gicht nur ſelten, niemals aber bei Frauen und Kindern vorkommt. Auch hier vermißt die Commiſſion eine beſon— dere Beachtung der ſo wichtigen Frauen- und Kinderkrank— heiten. Zu e i ter T hee Capitel J. Mittel zur Beſeitigung des der Ge— ſundheit ſchädlichen Einfluſſes der Sümpfe und Niederungen. Ein leichter Abzug des Waſſers wird hier als Haupt— mittel vorgeſchlagen; die Küſtengegenden ſind wegen ihrer Fluth und Ebbe nicht ungeſund, ſchon die Größe der Waſſer— menge iſt der Fäulniß hinderlich; aus demſelben Grunde iſt der Polder zu Borgerweert, Antwerpen gegenüber gelegene durch lange anhaltende Überſchwemmungen gewiſſermaßen zu einer Küſte geworden, nicht mehr ungeſund und hat ſeine Fieber verloren. Andererſeits kann aber eine Küſtengegend durch Durchbrüche auch zum Polder werden, mit dem ſich jedes Mal die Sumpffieber einſtellen werden, zu deren Ver— hütung der Verf. eine künſtlich hervorgerufene Überſchwem⸗ mung vorſchlägt, weil das Waſſer die Entwicklung des Sumpfmiasma's verhindert, Sich auf die Verſuche von Meyer und Treviranus ſtützend, ſucht der Verf. aus der reichlichen Kohlenſäure— entwicklung und Sauerſtoffabſorption der Bäume deren Schädlichkeit für die gedachten Gegenden zu erweiſen; die ſtark mit Bäumen bepflanzten Polder der Gegend von Waes ſind deßhalb um ſo ungeſunder; jedenfalls dürften in der 117 96. V. 8. 115 Nähe der Wohnungen nur ſparſam Bäume gepflanzt neuer Menſch geſchaffen werde, der ſiegreich alle ſchädlichen werden. klimatiſchen Einflüſſe ſeines Landes zu überwinden vermöge. Dies Capitel iſt vortrefflich behandelt und läßt wenig zu wünſchen übrig, ſowohl die allgemeinen als beſondern Mittel ſind rationell und gut entwickelt. Capitel U. — Aäeclimatiſirung gegen Seropheln erzeugende Einflüſſe. Die einzig mögliche Acelimatiſirung gegen dieſe Ein- flüſſe beruht, nach dem Verf., auf einer normalen Blutbil— dung, iſt dieſe geregelt, ſo werden auch alle übrigen orga— niſchen Verrichtungen normal fein; eine ſolche Acelimatiſirung wird aber immer nur relativ ſein, da ſie gegen den Einfluß des Stickſtoffes als krankheiterzeugendes Princip der Niede— rungen zu kämpfen hat. Die Bewohner ſolcher Gegenden werden demnach insbeſondere ihre moraliſche und phyſiſche Kraft zu bewahren und für gute Nahrung, angemeſſene Kleidung, ſowie für Muskelbewegung zu ſorgen haben. Der Verfaſſer entwickelt hier ſchöne Ideen und liefert hier, wie im folgenden Capitel, vielfache Beweiſe ſeiner praktiſchen Kenntniſſe. Capitel III. — Aaeclimatiſirung gegen den fieber— erzeugenden Einfluß der Sumpfgegenden. Der Verf. geht hier die wichtigſten Punkte des vorher behandelten Capitels nochmals in ihren Beziehungen zur Acclimatiſirung durch, ſo noch manche früher gelaſſene Lücke ausfüllend. Die Aeclimatiſtrung ſchützt, nach ihm, mächtig vor der Anſteckung des Sumpffiebers; der Verf. nimmt hier alle wiſſenſchaftlich bekannten Thatſachen, die er mit ausgezeich— netem Talente behandelt und mit ſeinen Ideen und Erfah— rungen verknüpft, zu Hülfe und kommt ſo zu dem Schluſſe, daß ſie dennoch kein abſolutes, wohl aber ein relatives Schutzmittel ſei. Die Modificationen des Übels bei Acelimatifirten find folgende: eine bleiche Hautfarbe, ein Hervortreten der Venen, Hypertrophie der Schleimhäute, eine Dispoſition zu ſchwam— migen Übeln (2) und krankhaften Blutflüſſen, einer Hyper— trophie der Leber und Milz, im allgemeinen auch der vena porta, allgemeine Kraftloſigkeit u. ſ. w. Dieſer conſtitutio— nelle Zuftand iſt, nach dem Verf., durch die fortgeſetzte Ein— wirkung der Kohlenſäure und kalten Luft, welche das Frei— werden der erſteren verhindert, entſtanden. Die Commiſſton beſtätigt den ſchützenden Einfluß der Acclimatiſtirung, der auch, nach ihrer Anſicht, ſich auf die gedachten Umſtände begründet; ſie erwähnt noch überdies, daß Individuen beiderlei Geſchlechts, in den ſumpfigen Ge— genden Belgiens geboren, oder dort ſeit Jahren wohnhaft, nachdem ſie etwa ſechs Jahre und darüber mit den ſchäd— lichen Einflüſſen des Klima's gekämpft, dieſelben überwunden und ein hohes Alter erreicht haben; die Zahl dieſer Fälle iſt überdies nicht ſo ſelten, wie man vielleicht glaubt. Der Verf. ſucht nun zu beweiſen, wie dieſe Acclimati— ſirung auf einer ganz allmäligen Umänderung der vitalen Verrichtungen beruhe, deren Endreſultat gewiſſermaßen eine gänzliche Metamorphoſe der phyſiſchen Conſtitution und der weſentlichen Lebensfunctionen ſei, und ſo gewiſſermaßen ein Ohne gerade in allen Punkten der Anſicht des Verf. beizuſtimmen, ſcheint der Commiſſion die Aeclimatiſirung unter den erwähnten Verhältniſſen der höchſten Beachtung werth. Die vom Verf. angeſtellten Beobachtungen zeigen von einem gründlichen, ſcharfſinnigen Studium; er iſt, jo viel der Commiſſion bekannt, der erſte und einzige, der dieſe intereſſante Frage aufſtellte und ſie durch plauſible Argumente, den neuern Schriftſtellern entnommen, ſowie durch eigene lang fortgeſetzte Verſuche und fleißige Beobachtungen zu beantworten verſuchte. Die ganze Schrift zeugt überdies von einer gründlichen, durch vieljährigen Aufenthalt in Bel— giens Sumpfdiſtrieten und praktiſche Erfahrung gewonnenen Kenntniß der krankmachenden Einflüſſe dieſer Gegenden; den— noch laſſen ſich leider, wie ſchon erwähnt, mehrfache Lücken nicht verkennen, namentlich bedauert die Commiſſion, daß der Verf., meiſt nur aus Schriften der Pariſer Arzte ſchö⸗ pfend, nicht auch die neueren belgiſchen Schriftſteller benutzte, welche ihm über dieſen Gegenſtand mehr und beſſeren Auf— ſchluß geben und ſo zur vollſtändigen Löſung der ſich ge— ſtellten Frage fuͤhren konnten. Die Commiſſion erklärt ſo— mit die Arbeit des Verfaſſers nicht in allen Punkten für genügend und ſtellt deßhalb, im Intereſſe der unglücklichen Bevölkerung Flandern's, dieſelbe Frage nochmals zur Be— antwortung für das Jahr 1849 auf, bewilligt indeß dem Verf., in dankbarer Anerkennung der durch ihn erhaltenen wichtigen Aufſchlüſſe, eine goldene Medaille, im Werth von 300 Frances. (Der Name des Verf. iſt leider nicht genannt.) XVI. über Verknöcherung bei rhachitis. Von A. Kölliker. (Auszug des in No. 11 und 12 der e der Zürcher naturforſchen— den Geſellſchaft befindlichen Aufſatzes.) Die Entſtehung der Knochenkörperchen iſt trotz der zahl— reichen Unterſuchungen über die Knochenentwicklung noch keines— wegs völlig aufgeklärt, wofür die verſchiedenen Anſichten der verſchiedenen Autoren den beſten Beweis liefern; mancherlei Schwierigkeiten ſtellen ſich bei der normalen Verknöcherung dem Forſcher in den Weg, wogegen der Verf. in verknö— chernden rhachitiſchen Knochen ein Object kennen lernte, an dem ſich die Entwicklung der Knochenkörperchen jederzeit mit vollkommener Beſtimmtheit verfolgen läßt. Die Verknöcherung bei rhachitis weicht in manchen Beziehungen von den normalen Vorgängen ſehr bedeutend ab. Beſonders auffallend ſind die Erſcheinungen bei der Bildung der Diaphyſen der Röhrenknochen aus den knorpe— ligen Gelenkenden, welche daher vorzüglich als Grundlage der folgenden Erörterung dienten. Die Knorpelenden rhachitiſcher Knochen, von 1½- bis 7jährigen Kindern, die bekanntlich im Verhältniſſe zu dem Körper des Knochens ſehr groß ſind, zeigen dieſelben zwei Subſtanzen, die man durch Bidder aus normalen oſſtfici— renden Epiphyſen kennt, eine gelbliche unmittelbar an den 8 * 119 Knochen ſtoßende Schicht mit reihenweiſe gelagerten größeren Knorpelzellen und eine bläulich-weiße, äußere, mit unregel— mäßig angeordneten kleineren Zellen. Wie im normalen Knorpel ſind in erſterer die Zellen mit deutlichen, mäßig dicken Wandungen verſehen und in eine faſerige Grundlage eingebettet, die jedoch zwiſchen den einzelnen Zellen einer Zellenreihe nicht ſelten auch homogen erſcheint, in letzterer dagegen ohne Ausnahme in einer gleichförmigen fein gra— nulirten Subſtanz befindlich, ohne erkennbare Membranen, gleichſam nur Höhlen in dieſer Subſtanz darſtellend. Alle dieſe Zellen beſitzen einen fein granulirten oder homogenen Inhalt und einen Kern, der bei den größern Zellen ein deutliches Kernchen zeigt; manche Zellen enthalten auch zwei bis vier Tochterzellen. Durch Einwirkung von Waſſer und Eſſigſäure zieht ſich der Zellinhalt meiſtentheils enger zu— ſammen und bildet, je nach der Geſtalt der Zellen, einen rundlichen oder länglichen Haufen mit gekörnter, gekerbter oder zackiger Oberfläche, der immer viel dunkler, als der unveränderte Zellinhalt iſt und oftmals den Kern gänzlich verdeckt. Übrigens iſt die Eſſigſäure, da ſie die Grundſub— ſtanz mehr als die Knorpelzellen angreift, ein herrliches Mittel, die Wandungen ſelbſt der ſonſt nur als Höhlen erſcheinenden Zellen der äußern, vorhin erwähnten Schicht ſichtbar zu machen. Dieſe Reactionen der Knorpelzellen ſind keineswegs pathologiſch, finden ſich vielmehr in vollkommen gleicher Weiſe auch bei normalen Knorpeln, was um jo wichtiger iſt, da die meiſten Forſcher den Inhalt dieſer Zellen faſt nur im veränderten Zuſtande als krümliche, kernloſe oder ſternförmige ſogenannte Knorpelkörperchen kennen, und die normalen Verhältniſſe nur an bei Waſſerzuſatz zufällig uns verändert gebliebenen Zellen geſehen haben, wie ſie ſich durch Speichel- und Serumzuſatz durch den ganzen Knorpel, jedoch nicht alle von gleicher Größe, zeigen, wogegen die kleinen granulirten, unregelmäßigen oder zackigen ſogenannten Knor— pelkörperchen beider Knorpelſubſtanzen nur durch äußere Ein— flüſſe veränderte Zellencontenta ſind. Ferner kamen in allen rhachitiſchen Epiphyſenknorpeln zahlreiche Knorpelcanäle vor, die ebenfalls nicht pathologiſch ſind, ſondern ſich auch in allen ſpäter verknöchernden Knor— peln finden; dieſelben dringen meiſt von der mit perichon- drium bedeckten Oberfläche des Knorpels, ſeltener von dem Verknöcherungsrande aus in das Innere des Knorpels ein, ibre Gefäße ſtehen mit denen des perichondrium und des Knochens in Verbindung. Pathologiſch iſt dagegen bei rhachitiſchen Knorpeln 1) der Umfang der Knorpelſubſtanz mit reihenweiſe geſtell— ten Zellen, die ſowohl der Breite als auch der Länge nach viel bedeutender iſt und in der letzteren Ausdehnung 2—5““ mißt, während fie an geſunden Knochen nur ½““ lang wird. 2) Die Beſchaffenheit der Grenze zwiſchen dem Kno— chen und Knorpel: ſtatt nämlich wie normal ſcharf und ge— rade zu verlaufen, beſchreibt ſie hier eine wellenförmig und zackig gebogene Linie; dieſes Knorpelmäßige des Verknöche— rungsrandes beruht auf der nicht zu einer Zeit Statt fin— denden Oſſtfication aller Stellen des Knorpels: fo entſtehen 96. V. 8. 120 die oft 1— 4“ langen, von Knochen in den Knorpel hin— einragenden Knochenauswüchſe inmitten der Fnoch unverän— derten Knorpelſubſtanz. Bei rhachitiſchen Knochen wird nun die Erforſchung der Verwandlung der Knorpelzellen 1) durch das Fehlen der bei geſunden Knochen am Verknöcherungsrande als dunkle körnige Maſſen abgelagerten Kalkſalze ſehr begünſtigt; 2) verknöchern die Knorpelzellen hier faſt ohne Ausnahme etwas früher als die Grundſubſtanz; überdies geht die Ablagerung und chemiſche Verbindung der Kalkſalze mit dem oſſificiren— den Knorpel hier langſamer als normal von Statten, ſo daß man in ihnen die Umwandlung der Knorpelzellen deut— lich und ſicher verfolgen kann. Dieſe erfolgt ſo wie ſie Henle und andere vermuthet haben: die Knorpelzellen verdicken ſich unter Bildung äſtiger Porencanäle, während ſich gleichzeitig die Kalkſalze mit ihren Membranen chemiſch verbinden, und der Zellinhalt ſammt dem Kerne allmälig einem hellen Fluidum Platz macht. Verfolgt man die reihenweiſe geſtellten Knorpelzellen des Oſſificationsrandes von außen nach innen, ſo findet man bald, daß dieſelben da, wo die Ablagerung der Salze vor ſich geht, ſtatt ihrer zarten nur durch eine einzig mäßig ftarfe Linie bezeichneten Hülle, nunmehr eine dickere Mem— bran, auf der innern Seite mit zarten Einkerbungen, beſitzen. Hat dieſe Membran nur 0,00 ““ Dicke erreicht, fo erkennt man ſchon deutlich, wie ſich die Knorpelzellen in Knochen— körperchen umwandeln, noch mehr aber, wenn man immer weiter nach innen, die beſagten Membranen unter gleich— zeitiger Verkleinerung des Lumens der Zelle immer mehr zunehmen, die Kerben ihrer innern Begrenzungslinie immer mehr hervortreten, und gleichzeitig mit dieſen Veränderungen auch die Wandungen durch Vereinigung mit Kalkſalzen im— mer gelblicher ſich färben ſieht. Die ſpätere Verknöcherung der Grundſubſtanz macht es möglich, dieſe Umwandlungen bis zu dem Punkte, wo die geweſene Knorpelzelle Knochen— körperchen genannt werden muß, Schritt für Schritt zu ver— folgen. Dieſem Umſtande verdankt der Verf. auch folgende nicht unintereſſante Beobachtung, daß diejenigen Knorpelzellen, welche Tochterzellen in ſich ſchließen, in ihrer Geſammtheit in ein einziges zuſammengeſetztes Knochen kör— perchen übergehen. Sehr häufig ſah der Verf. dieſelben und zwar in den verſchiedenſten Entwicklungsſtufen mit zwei Höhlen, ſeltener dagegen mit drei bis fünf Höhlen, jede noch mit den Reſten des urſprünglichen Zellinhaltes und Zellenkernes; doch kommen auch ſie hie und da faſt auf jedem Präparate vor. Sind nun die Knorpelzellen in evidente, jedoch in nicht verknöcherter Grundſubſtanz frei neben einander lie— gende, noch Kerne und ſonſtigen Inhalt führende Knochen— körperchen oder richtiger Knochenzellen überge— gangen, ſo treten die letzten Veränderungen ein und die rhachitiſche Knochenſubſtanz erhält ſo ziemlich die Natur des normalen Knochengewebes. Die nun erfolgende Verknöche— rung der Grundſubſtanz geſchieht aber auch hier ohne vor— hergegangene Ablagerung der Kalkſalze in körniger Geſtalt. Die Knochenſubſtanz, mehr und mehr Kalk in ihre organi— 121 ſchen Elemente aufnehmend, wird feſter und weißer und fürs Mikroſkop immer undurchſichtiger, die ſcharfe Begrenzung der Knochenzellen verliert ſich mehr und mehr, bis ſie zuletzt, mit der Grundſubſtanz verſchmolzen, nur noch als ſternför— mige Höhlungen, die ſogenannten Knochenkörperchen, zu er— kennen ſind. In dieſer bis dahin homogenen Knochenſub— ſtanz entſtehen nunmehr durch Reſorption Lücken und Canäle (Markräume und Markeanälchen), die zuerſt mit neugebildeten Zellen (jungem Marke) ſich anfüllen und ſpäter aus dieſen Zellen hervorgegangene Gefäße, Nerven, Bindegewebe, Fett— zellen (ausgebildetes Mark) enthalten. Die platten Schädelknochen, ſowie die Diaphyſen der Röhrenknochen, ihrem Wachsthume in der Breite nach, die ſich nicht aus gewöhnlichen Knorpel entwickeln, zeigten bei der rhachitis nichts beſonders Krankhaftes; die Bildung der Knochenzellen war hier nicht deutlicher, wie bei geſunden Indioiduen zu beobachten, nur hie und da ließen ſich Zellen— kerne und Reſte des früheren Zellinhaltes erkennen. Mark— räume und Markcanälchen zeigten ſich, wie gewöhnlich, theils als urſprüngliche Lücken in der oſſificirenden, häutigen Grund— lage, theils als durch Reſorption ſchon gebildeter Knochen— ſubſtanz, nicht durch Verſchmelzung von Zellen entſtandene Räume. Die ſogen. Knochenkörperchen ſind demnach 1) ihrer Entſtehung und Bedeutung nach Zellen, deren verdickte von Porencanälen durchſetzte Membran mit der Grundſub— ſtanz des Knochens verſchmolzen iſt; 2) giebt es einfache 96% VW. S. 122 und zuſammengeſetzte Knochenzellen, je nachdem ſie aus einer einfachen oder mit Tochterzellen verſehenen Knorpelzelle hervorgehen. Die ſo entſtandenen Knochenzellen führen wie die Zahncanälchen in ihren Höhlen nur Flüſ— ſig keit, und fo iſt es, wie der Verf. ſehr richtig bemerkt, beſſer, den Namen Knochenkörperchen ganz fallen zu laſſen, die verknöcherten Knorpelzellen einfach Knochenzellen, ihre verkleinerten Höhlungen ſternförmige Knochenräume oder veräſtelte Höhlungen der Knochenzellen zu nennen. Miſeellen. 20. Eine große Eiche ſteht nicht fern von der Straße, die von Balleroy nach Littry (im Departement Calvados) führt, im Walde von Ceriſy. Sie wird vom Volke la vieille chenesse genannt und iſt wahrſcheinlich für die Normandie der Neſtor der Wälder. Sie hat am Fuße 9 Meter im Umfang, iſt faſt ganz hohl, aber dennoch belaubt. In ihrem Innern ward im vorigen Jahre eine ſteinerne Kapelle, die 16 Perſonen Platz gewährt, auf: geführt. Am Pfingſtmontage wird alljährlich unter ihrem Schatten ein ländliches Feſt gefeiert, das viele Beſucher herbeiführt. (Vo- leur du 20. Juin 1847.) 21. Spinnenvermehrung. Eine Kreuzſpinne (Aranea Diadema), die Tauberth in ſeinem Zimmer unter Glas be⸗ wahrte, legte zu Ende des Octobers ihre Eier, ſtarb aber bald darauf. Während des Winters entſchlüpften kleine, muntere Kreuz⸗ ſpinnen in ungeheurer Zahl dieſen Eiern, das Glas wimmelte von ihnen, Tauberth zählte nicht weniger als 941. Naturhiſto⸗ riſche Zeitung der Geſellſchaft Iſis 1847. S. 358.) Heilkunde. (XVI.) über die Cyſten des Unterkiefers. Gewiſſe Krankheiten der Knochen, zu denen die Tuber— keln und Cyſten derſelben gehören, find erſt in der aller— neueſten Zeit genauer unterſucht worden. Bei der Seltenheit der Beobachtungen, mittels deren die Geſchichte dieſer Leiden zuſammenzuſtellen iſt, müſſen ſich die Chirurgen um ſo mehr veranlaßt ſehen, keinen einzigen derartigen Fall, welcher ihnen in ihrer Praxis vorkommt, unbeachtet oder unbeſchrie— ben zu laſſen. Im Krankenſaale des Hrn. Nélaton (im Hoſpitale Saint-Antoine) iſt uns nun ein ſehr merkwürdiger Fall von Knocheneyften vorgekommen, deſſen Geſchichte wir hier kurz mittheilen, während Hr. Nelaton ſelbſt beabſich— tigt, einen ausführlichen Bericht an die chirurgiſche Geſell— ſchaft darüber abzuſtatten. Ein Mann von 59 Jahren, der mit einer Krankheit des Unterkiefers behaftet war, die angeblich ſchon ſeit vielleicht 40 Jahren beſtand, fand ſich zu Anfange Octobers im Hoſpitale ein. Als achtzehnjähriger Burſche ließ er ſich von einem Charlatan einen cariöſen Zahn, den hinterſten auf der lin— ken Seite des Unterkiefers, ausziehen, wobei ihm ein Stück des Kieferknochens ausgebrochen wurde. Es entſtanden daraus vor der Hand keine üblen Folgen, und nach einigen Tagen ſpürte er nichts mehr. Zehn Jahre darauf, im J. 1815 zeigte ſich bei der Höhe des erſten großen Backenzahns, welcher cariös war, eine Geſchwulſt, und der Patient begab ſich daher zu Hrn. Duval, welcher den Zahn ohne alle Mühe mit dem Pelikan auszog. Zwei Jahre ſpäter ent: ſtand nach dem Kieferwinkel zu eine ſchmerzhafte Anſchwel— lung und ein Absceß am Zahnfleiſche, welcher aufging und eine Fiſtel bildete. Etwa zehn Jahre lang blieben die Schmerzen erträglich; allein nach Ablauf dieſer Zeit fand ſich der Patient wieder bei Hrn. Duval ein und bat ihn, ihm den zweiten großen Backenzahn, von dem er die Schmer— zen herleitete, herauszunehmen. Dieſer Zahn war weder caribs noch wackelig. Auch er ward mittels des Pelikans leicht ausgezogen, allein mit ihm kam auch der noch unter dem Zahnfleiſche verborgene letzte große Backenzahn aus der Alveole heraus. Es fand ſich, daß von dieſem nur die mit dem Halſe des zweiten verwachſenen Krone vorhanden war. Die Folgen dieſer Operation boten durchaus nichts Bemer⸗ kenswerthes dar. Vor nunmehr etwa 10 Jahren hatten die Geſchwulſt des Kieferwinkels und die daraus entſpringenden Schmerzen 123 zugenommen und am Alveolarrande war ein Knoten ent— ſtanden, welcher das Schließen des Mundes verhinderte, weßhalb ein Hoſpitalchirurg dieſen Knoten mit dem Biſtouri beſeitigte. Die Heilung erfolgte bald, ſo daß kein Atzen nöthig war; allein die linke Seite des Kiefers blieb ſeitdem empfindlich. Vor drei Jahren bildete ſich am Kieferwinkel abermals ein Knoten, welcher anfangs ſchmerzlos war, ſich aber ſeit 18 Monaten vergrößert und heftige ſchießende Schmer— zen veranlaßt hatte. Nach dieſer kurzen Schilderung der vorhergehenden Umſtände wollen wir den Zuſtand des Pa— tienten zu der Zeit, wo er ins Hoſpital kam, angeben. Die Geſchwulſt nahm die ganze linke Seite des Unter— kiefers vom Spitzzahn bis 3 Centimeter unter dem condylus, ein. Die artieulatio temporo-maxillaris ſcheint nicht völlig geſund zu fein. Die Haut über der Geſchwulſt ift geſchmei— dig, beweglich und nicht abnorm gefärbt. Die Geſchwulſt erſtreckt ſich bis in die regio supra-hyoidea der linken Seite; in der Mundhöhle ſind der Alveolarrand und die beiden Flächen des Knochens mit Fungoſitäten bedeckt, deren Be⸗ taſtung dem Kranken keine bedeutenden Schmerzen ver— anlaßt und die nicht ſchwären, aber violettroth gefärbt find. Am mittleren Theile des Alveolarrandes bemerkt man eine ovale Offnung, aus welcher ſich ein graulicher Eiter heraus— drücken läßt. Die Geſchwulſt hat eine unebene, obwohl nicht gerade knotige Oberfläche. Die Unterkiefer- und Nacken— drüſen ſind nicht geſchwollen. Der allgemeine Geſundheits— zuftand iſt gut; dem Kranken ſchmeckt das Eſſen, und er iſt wohl bei Leibe. Am 9. October nahm Hr. Nélaton die Operation in folgender Weiſe vor. Er machte einen Einſchnitt von der symphysis des Kinnes am untern Rande der Geſchwulſt und am aufſteigenden Aſte des Unterkiefers hin bis zum Ohrläppchen. Nach dieſem erſten Tempo machte ſich die Unterbindung der arteria facialis nöthig. Nachdem die Lap— pen abgelöſ't und die Geſchwulſt bloß gelegt war, brachte man eine Kettenſäge vor dem vorderen Ende der Geſchwulſt hinter den Kieferknochen, der alsdann ohne Schwierigkeit durchgeſägt wurde. Nunmehr faßte Hr. Nelaton das Fragment mit der linken, zog dasſelbe vom Geſichte abwärts und trennte die Geſchwulſt mit dem Biſtouri bis an deren oberes Ende. Die über den masseter reichende Portion der parotis ward ausgeſchnitten. Rückſichtlich des Condylushal— ſes war es wegen des Umfanges der Geſchwulſt unmöglich, ſich der Kettenſäge zu bedienen, und es mußte deßhalb eine kleine Handſäge angewandt werden. Alsdann wurden mit einer krummen Scheere die Geſchwulſt und die apophysis coronoidea durchaus abgelöſ't und beſeitigt. Die Operation hatte im ganzen etwa 20 Minuten gedauert. Indem man den Patienten die Augen ſchließen ließ, konnte man ſich überzeugen, daß der nervus facialis nicht verletzt worden war. Auch war im Grunde der Wunde der n. lingualis ſichtbar und ebenfalls unverjehrt. Die Wunde wurde durch 10 — 12 Stiche der gewun— denen Naht vereinigt und mit einem einfachen Verbande bedeckt. Im Laufe des Tages fand im Innern des Mundes eine reichliche Ausſchwitzung von Lymphe Statt. Am fol: 96. V. 8. 124 genden Tage waren die Wundlefzen etwas geſchwollen. Ohne den Verlauf der Vernarbung von Tage zu Tage zu verfol— gen, wollen wir nur bemerken, daß am 20. October die Wunde mit Ausnahme einer 1½ Centimeter weiten Stelle bei deren Mitte völlig geſchloſſen war, und daß jetzt (5. Nov.) der Patient vollſtändig hergeſtellt iſt. Bei der anatomiſchen Unterſuchung des Knochenfrag— ments erkannte man das Vorhandenſein einer Menge von Cyſten, deren Inneres mit einer Art von Schleimhaut aus— gekleidet und die äußerlich mit einer an manchen Stellen ſehr dünnen Knochenſchale bedeckt waren. Dieſe Cyſten neh— men die ganze Dicke des Knochens ein. Manche davon ſind mit einer klebrigen weißen Flüſſigkeit, welche, gleich dem Eiweiß, Faden zieht; andere mit einer übelriechenden Jauche gefüllt. Letztere ſind die, welche ſich in die Mundhöhle öffneten und folglich mit der atmoſphäriſchen Luft communi— eirten, Mehrere derſelben enthalten auch eine ſchwärzlich— rothe Flüſſigkeit, welche in der Farbe mit dem Gewebe der Milz Ahnlichkeit hat. Die durch die Auftreibung des Kno— chengewebes gebildete Geſchwulſt mochte im ganzen etwa den Umfang eines Hühnereies haben. Dieſe Krankengeſchichte ſchien uns nicht nur deßhalb merkwürdig, weil Fälle dieſer Art an ſich ſelten ſind, ſon— dern auch aus dem Grunde, weil man das Leiden mit dem Krebſe hätte verwechſeln können, welcher Mißgriff höchſt folgenreich geweſen fein würde, da man die Operation unter— laſſen haben würde. Wir wollen hier noch einiges über die Knocheneyſten bemerken, welche in der neueſten Zeit von Hrn. Nélaton ſo ſorgfältig unterſucht worden ſind. Dieſe Cyſten bilden, wie bereits bemerkt, inſofern eine ganz neue Krankheit, als ältere Schriftſteller, ſelbſt noch die des vorigen Jahrhunderts, derſelben gar nicht erwähnt haben. In den dogmatiſchen Schriften, ſelbſt in der Boyer's, welche man als den Ausdruck des höchſten Standpunktes, welchen die Chirurgie zu Anfang des laufenden Jahrhunderts erlangt hatte, be— trachten kann, würde man danach vergebens ſuchen, und dennoch waren offenbar Krankheitserſcheinungen der Art be— obachtet worden, was z. B. aus einer von Bordenave im fünften Bde. der Memoires de Académie chirurgicale bekannt gemachten Abhandlung hervorgeht. Allein man verwechſelte dieſe Cyſten damals mit den Eroſtoſen, und die drei son Bordenave mitgetheilten Fälle beweiſen dies klar. Erſt Dupuytren erkannte 1813 die eigentliche Natur des Leidens und ſtellte deſſen Diagnoſe und Be— handlungsweiſe feſt. Ohne hier eine vollſtändige Geſchichte der Knocheneyſten aufſetzen zu wollen, ergreifen wir doch dieſe Gelegenheit, um eine gedrängte Überſicht der Forſchungen des Chirurgen mitzutheilen, in deſſen Krankenſaale wir den obigen Fall beobachtet haben. Die Knocheneyſten zerfallen in zwei Claſſen: ſolche, welche Flüſſigkeiten enthalten, und ſolche, welche mit feſten Stoffen gefüllt ſind. Die erſtern trifft man vorzugsweiſe in dem obern und untern Kieferknochen; allein jedenfalls entwickeln ſie ſich in 125 feften Theilen. Die in ihnen enthaltenen Flüſſigkeiten be— ſtehen theils in durchſichtigem oder auch wohl trübem und mit Eiter vermiſchtem Serum, theils in einer klaren, klebri— gen, fadenziehenden Feuchtigkeit, wie man ſie im obigen Falle in mehreren Cyſten angetroffen hat. Zuweilen iſt die Seroſität in den Cyſten auch mit Blut vermiſcht. Die Cy— ſten ſind entweder einfächerig oder vielfächerig, d. h., ſie beſtehen entweder aus einem einzigen Sacke oder aus meh— reren neben einander liegenden Zellen. Die Größe der Cy— ſten iſt ſehr verſchieden. Manche bilden eine kleine, rund— liche Höhle von 1— 2 Centimeter Durchmeſſer, andere find weit größer. Den bedeutendſten Umfang haben die viel— fächerigen. Ihre Höhlung iſt durch knochige Scheidewände in eine große Anzahl von Fächern getheilt. Die Scheide— wände ſind entweder ganz oder durchlöchert. Hr. Nélaton hat 1844 der chirurgiſchen Geſellſchaft ein merkwürdiges Exemplar von dieſen vielfächerigen Cyſten vorgelegt, welches ſich in einem linken Schenkelknochen befand und mit bluti— gem Serum gefüllt war. Die Geſchwulſt erſtreckte ſich von der Baſis des großen trochanter bis zwei Centimeter von den Condylen des kemur. Mehrere der Zellen waren jo groß, daß eine große Walnuß darin Platz gehabt hätte. Dieſe Cyſten ſind, wie bereits bemerkt, mit einer Mem— bran ausgekleidet, welche mit den ſeröſen Membranen ſehr große Ahnlichkeit hat. Es findet alſo zwiſchen dieſen Cyſten und den ſeröſen Cyſten der weichen Organe eine große Ahnlich— keit Statt. Was die Entwickelungsart anbetrifft, ſo vergrößert ſich die mitten im Knochen entſtandene Höhlung ſtufenweiſe. Die Flüſſigkeit dehnt das Knochengewebe aus, welches allmälig dünner und zuletzt zu einer ſchwachen Lamelle wird, welche ſich unter dem Drucke des Fingers biegt. In dem oben beſchriebenen Falle wurden die Wandungen einer der Cyſten von zwei Knochenlamellen gebildet, welche durch die innere Membran mit einander zuſammenhingen, wie es bei der Fontanelle eines neugeborenen Kindes der Fall iſt. Die feſten Producte, welche in den Cyſten enthalten ſind, beſtehen in faſerigen Körpern, fungöſen Geſchwülſten oder Fragmenten von knochig-kreidigen Geweben, welche ſich am häufigſten im Unterkieferknochen entwickeln. Indeß hat Hr. Monod auch im Oberarmbeinkopfe eine ſolche Cyſte gefunden. Die Urſachen dieſes Leidens ſind ungemein dunkel. Nach Dupuytren hat manch Mal eine Contuſion oder das Ausreißen eines caridfen Zahnes die Bildung einer Cyſte im Kiefer veranlaßt. Der Umſtand, daß ſich die Cy— ſten faſt ausſchließlich in den Kieferknochen entwickeln, und daß manche dieſer Geſchwülſte mit Zahnwurzeln zuſammen— hängen, ſagt Hr. Nélaton, ſpricht dafür, daß die Ent— wickelung der Zähne mit der Krankheit in Beziehung ſteht. Die Behandlung der Knocheneyſten iſt ſehr einfach, und beſteht nach Dupuytren darin, daß man die Geſchwulſt an der Stelle öffnet, wo die Knochenlamelle am ſchwächſten iſt, daß man die Cyſte entleert und die allmälige Zuſammen⸗ ziehung ihrer Wandungen begünſtigt. Wenn der Knochen eine gewiſſe Stärke darbietet, ſo kann es ſich nöthig machen, denſelben mittels des Trepans zu durchbohren, was Hr. 96. V. 8. 126 Huguier mit dem vollſtändigſten Erfolge bei einer Cyſte im Unterkiefer gethan hat. Iſt die Cyſte einmal offen, ſo ſtopft man ſie mit Scharpie aus, um die jene auskleidende Membran zu reizen. Allein dies geht nur bei den ein— fächerigen Cyſten an. Wenn die Geſchwulſt einen ſehr be— deutenden Umfang erlangt hat, ſo muß man zu dem Aus— ſchneiden des kranken Theiles des Knochens ſeine Zuflucht nehmen. Der wichtigſte Punkt iſt die Diagnoſe, und von den Schwierigkeiten, welche dieſelbe in manchen Fällen darbietet, können wir unſern Leſern keinen vollſtändigern Begriff ge— ben, als wenn wir die Stelle ausheben, in welcher Hr. Nélaton die bei der Diagnoſe zu befolgenden Vorſchriften ertheilt. „Die Krankheiten, mit denen man die Knocheneyſten verwechſeln kann, find die Exoſtoſen, der Krebs, die Hyda— tiden und die Knochenaneurysmen. „Wenn ſich auf Koſten eines Knochens eine Geſchwulſt entwickelt hat, ſo muß zuerſt entſchieden werden, ob ſie ihrer ganzen Tiefe nach aus Knochengewebe beſteht, oder ob ſie in der Mitte eine mit flüſſigen oder feſten Stoffen gefüllte Höhle beſitzt. Im Anfangsſtadium der Krankheit giebt es durchaus kein Mittel, dieſe Vorfrage zu löſen; ſpäter aber läßt ſich, wenn eine Cyſte vorhanden iſt, die verdünnte und in die Höhe getriebene Knochenplatte, welche deren Wan— dung bildet, mit dem Finger niederbiegen, wobei man ein eigenthümliches Kniſtern hört. Dieſes Zeichen ſtellt die Sache außer Zweifel. Nachdem dieſer Punkt feſtgeſtellt iſt, handelt es ſich darum, zu ermitteln, was in der Cyſte ent— halten iſt, ob eine Flüſſigkeit oder feſte Stoffe? Das von Dupuytren empfohlene Anzapfen der Geſchwulſt wird über dieſen Punkt Aufklärung verſchaffen. Läuft eine Flüſ— ſigkeit aus, ſo iſt, nachdem man deren Beſchaffenheit unter— ſucht hat, die Diagnoſe vollſtändig. Erkennt man dagegen, daß die Geſchwulſt eine feſte organiſirte Maſſe enthält, ſo kann man noch immer darüber in Zweifel ſein, ob man es mit einer faſerigen oder krebsartigen Geſchwulſt zu thun hat. Nach Dupuytren kündigt ſich das osteosarcoma gleich an— fangs durch ſchießende Schmerzen, varicöſe Auftreibung, die gleichzeitige Entartung der benachbarten weichen oder harten Theile, welche fungös und rauh werden, an. Bei den Knocheneyſten dagegen bleiben die umgebenden Theile von der Krankheit frei; ihre Oberfläche iſt glatt, und wenn ſie anſchwellen, jo ſind fie doch nicht empfindlich. Das osteo- sarcoma entwickelt ſich ſchnell, die Cyſten dagegen weit lang— ſamer; beim erſtern wird das Innere der Geſchwulſt von Splittern und Knochenfragmenten durchkreuzt, welche ſich dagegen in den Cyſten nie finden. Was das Kniſtern, jenes pathognomoniſche Zeichen der Cyſtengeſchwülſte betrifft, jo wird dasſelbe bei osteosar- coma nicht wahrgenommen. Nach obigen, von Dupuy— tren aufgezeichneten Kennzeichen läßt ſich allerdings die Dia— gnoſe in gewiſſen zweifelhaften Fällen feſtſtellen; allein bei derjenigen Form von Krebs, welche ſich mitten in einem Knochen entwickelt und dieſen allmälig ausdehnt, kann die Sache immer einigermaßen zweifelhaft bleiben, und dieſe 127 Form kann daher auch am leichteſten mit den Knocheneyſten verwechſelt werden. Was die Knochenaneurysmen anbetrifft, ſo haben die— ſelben ihren Sitz in dem ſchwammigen Gewebe, und da ſie ſpäter deutlich klopfen, ſo iſt dann eine Verkennung ihrer wahren Natur nicht leicht möglich. (Gazette des höpitaux, 6. Nov. 1847.) Über Knochenhydatiden finden ſich die vollſtändigſten Mittheilungen im 87. und 94. Heft meiner Chirurg. Kupfer— tafeln Taf. 438, 439, 440 und 474. R. F. Miſcellen. (17) Eine Reihe von verſchieden kräftig ätzenden Stiften von ſalpeterſaurem Silber und Kali zur Be— handlung der Granulationen der conjunctiva, je nach deren mehr acutem oder chroniſchem Zuſtande, hat ſich Dr. Desmarres zu Paris bereiten laſſen. Er hatte bemerkt, daß gegen dieſe Granulationen zwar, wenn ſie noch ziemlich gefäßreich ſind, ſchwefelſaures Kupfer gut thue, daß man aber gegen blaſſe und beinahe knorpelige Granulationen wenig damit ausrichte. Das reine, ſalpeterſaure Silber kann ferner, wenn es wiederholt zur Anwendung kommt, die Schleimhaut leicht zerſtören, ſtatt ihre Vitalität günſtig zu verändern, und erzeugt Schorfe, unter denen ſich an der Stelle der Granulationen bald ein hartes, feſtes Inodulair-Gewebe organiſirt, das dem obern Augenliede in ſeinen Bewegungen oft ſo hinderlich iſt, wie die Granula— tionen ſelbſt und häufig Entzündung und unheilbare Flecken der cornea veranlaßt. Dr. D. ließ ſich alſo von den Pharmaceuten Dr. Cadet-Gaſſicourt und Barral Stifte von ſalpeterſaurem Silber und ſalpeterſaurem Kali anfertigen, in denen ſich reſp. ½, ½ und ½ Höllenſtein befindet. Sie find feſt und glatt und ver⸗ wittern nicht leicht. Man führt ſie, wie gewöhnlich, in einer Hülſe. Bereitet werden ſie folgendermaßen. Man vermiſcht das ſalpeter— ſauere Silber mit dem ſalpeterſauren Kali, ſchmilzt die Miſchung in einem Tiegel von Silber oder Platina unter Umrühren mit einem Glasſtäbchen, und ſobald die geſchmolzene Maſſe ruhig ge— e 128 worden, gießt man ſie in eine Stangenform, die man mit etwas Talg ausgeſtrichen hat, damit ſich die Maſſe nicht an die Wandung anhänge. Sobald die Maſſe feſt geworden, öffnet man die Form und nimmt den dünnen Cylinder heraus. (Gazette des Höpitaux, 28. Nov. 1847.) (18) Ein neues ſicheres Verfahren zur Compreſ⸗ fion der aorta abdominalis behufs der Stillung hartnäckiger Metrorrhagien hat Dr. Delvigne zu Pa⸗ ris unlängſt angewandt. Nachdem man die Kindbetterin in eine bequeme Lage gebracht hat, ſtellt ſich der Chirurg an die linke Seite des Bettes und beugt die beiden oberſten Phalangen der Finger der rechten Hand, nämlich die Nagelphalangen unter einem rechten Winkel gegen die mittlern Phalangen, und dieſe unter einem rechten Winkel gegen die Carpalphalangen, welche letztere geſtreckt bleiben. Der Daumen wird an den äußern Rand des Zeigefingers angelegt, und die Zuſammendrückung der aorta dann dadurch bewirkt, daß man in der Nabelgegend die Rückenfläche der Phalangen kräftig gegen die Wirbelfäule hin anſtemmt. Dieſes Verfahren, bemerkt Dr. D., iſt unter allen das ſicherſte und ein— fachſte. Es kann ſtundenlang fortgeſetzt werden, ohne den Opera— teur zu ermüden oder der Kranken Schmerzen zu veranlaſſen, und da der Druck auf einen bedeutenden Flächenraum einwirkt und durch eine ebene Oberfläche bewirkt wird, ſo verhindert er den Durchgang des Blutes, ohne daß die aorta oder vena cava ver⸗ letzt werden können, während man nach den Umſtänden gelinder oder ſtärker drücken kann. (Gaz. des Höpitaux, 23. Nov. 1847.) (19) Kalktheerpulver hat Dr. Kemmerer ſeit vier Jahren mit großem Erfolge gegen eczema, manche Fälle von Krätze, prurigo, alte Geſchwüre an den Beinen ꝛc. angewandt. Das Mittel empfiehlt ſich durch ſeine Wohlfeilheit. Man bereitet das Pulver folgendermaßen: in flüſſigen Theer trägt man nach ein⸗ ander kleine Portionen gepülverten ungelöfchten Kalkes fo lange unter beſtändigem Umrühren ein, bis die Miſchung ſo hart wird, daß ſie ſich pulveriſiren läßt. So erhält man ein ſchwarzes, nicht klebriges Pulver, welches ſich folglich beguem und ſauber anwenden läßt und das viel kräftiger zu wirken ſcheint, als bloßer Theer. Dr. K. miſcht dasſelbe in drei Verhältnißtheilen mit Schweine⸗ ſchmeer. No. 1 enthält von jenem /, No. 2 ½, No. 3 ½, und von dieſen Salben wird, je nach dem Zuſtande von Trockenheit oder Entzündung der Theile, die eine oder die andere angewandt. (Gazette des Höpitaux, 11. Nov. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Acta societatis scientiarum Fennicae. Tom. II. fasc. I. gr. 4°. Helsingfor- sige 1843. L. Voss in Leipzig. Geh. schwarz * 4 Thlr. col. * 5½ Thlr. — dieselben, Tome II. fasc. II. gr. 4°. Ebend. 1844. Geh. schwarz *3 Thlr. col. * 3½ Thlr. Ebendas. 1846. Geh. — dieselben, Tom. II. fasc. III. * 21/, Thlr. col. * 3 Thlr. Histoire des progres de la geologie de 1834—1845 ; par le vicomte d’Archiac. Publie par la Societe geologique de France, sous les auspices de M. le comte de Salvandy, ministre de l’instruction publique. Tome I. Cosmogo- nie et geogenie, 5 5 du globe, geographie physique, terrain moderne. In 8° de 44 feuilles 4,. Paris 1847. Bronn, H. G., Lethaea geognostica oder Abbildung und Beschieibung der für die Gebirgsformation bezeichnendsten Versteinerungen. 3. Aufl. Fol. * 15/, Thlr. Schweizerbartsche Verlagsh. in Stuttgart 1847. Sartorius v. Waltershausen, W., physisch-geograph. Skizze v. Island. gr. 8“. Geh. ¼ Thlr. Vandenhöck u. Ruprecht in Göttingen 1847. Siebold, Ph. F. v., Nippon, Archiv zur Beschreibung von Japan. 16. Lfg. Fol. * 84, Thlr. 8 Fr. Fleischer. Prachtausgabe in gr. Fol. * 10½ Thir. 1847. gr. 40. schwarz Leuckarf, R., zur Morphologie u. Anatomie der Geschlechtsorgane. gr. 80. Geh. ½ Thlr. Vandenhöck u. Ruprecht in Göttingen 1847. Redtenbacher, L., Fauna austriaca. Die Käfer. 3. Hft. gr. 8%. Geh. * 8 Sgr. Gerolds Verlagsbuchh. in Wien 1847. Lorek, C. 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Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 97. (Nr. 9. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Binney, über foſſile, aufrecht ſtehende, im Kohlenlager bei Wigan in Lane aſhire gefundene Galamiten. — Aug. de St. Hilaire, üb. die Waſſerſcheiden einiger großen Flüſſe Südamerica's. — Miſcellen. Der Copaſpabalſam. Fußabdrücke einer ungeheuren Vogelart. — Heilkunde. Sir H. Marſh, ein Fall von Pulſiren der Venen. — Smit merfwürbiger Fall von Verletzung des oberen Endes des humerus. — Fapolle, Hei- 5 lung der erectilen Geſchwülſte. — Miſcellen. Pariſer ethnologiſche Geſellſchaäft. Burguet, Stärkemehliodur gegen Bauchwaſſerſucht. — Bibliographie. Naturkunde. XVII. über foſſile, aufrecht ſtehende, im Kohlen⸗ lager bei Wigan in Lancaſhire gefundene Calamiten. Von E. W. Binn ey. Der zerbrochene, meiſt niederliegende Zuſtand der in Kohlengruben gefundenen Stämme iſt nach dem Verf. kein Beweis dafür, daß dieſe Überreſte einer früheren Flora durch Fluthen dahin getrieben wurden, wo wir ſie jetzt finden, dieſelben können ebenſowohl dort gewachſen und nur durch Waſſergewalt niedergeworfen oder durch die Laſt des ſich über ſie häufenden Schlammes und andere Urſachen nieder— gedrückt und theilweiſe zertrümmert ſein. Noch vor wenigen Jahren hielt man die ganze foſſile Flora für angeſchwemmt, nur die Stigmaria mit ihren langen Zaſerwurzeln widerſetzte ſich dieſer Hypotheſe, und bald ward durch das Auffinden foſſiler Stämme an der Mancheſter-Bolton-Eiſenbahn bei Diron Fold durch Hawkſhaw und Bowman nachgewie— ſen, daß die Stigmarien keine beſonderen Pflanzen, ſondern die Wurzeln der Sigillarien wären, wie dies gleichfalls foſ— file Stämme von St. Helens und Dunkinfield beſtätigen. Nun war die Sigillaria der einzige Baum, von dem man mit Sicherheit ſagen konnte, daß er auf ſeinem Fund— orte gewachſen ſei. Lindley und Hutton beſchreiben zwar in ihrer „foſſilen Flora Großbritanniens“ die Wurzeln der Calamiten ſehr genau, ſagen indeß, ſo viel dem Verf. er— innerlich, über die aufrechte Stellung der bewurzelten Pflanze nichts; dagegen fand letzterer am 21. April dieſes Jahres in einem tiefen, durch ein Kohlenlager gemachten Durchſtiche der Bury⸗Liverpool-Eiſenbahn bei Wigan nicht nur einen ganzen Wald aufrecht ſtehender Sigillarien, ſondern unter ihnen auch viele wohl erhaltene, gleichfalls aufrecht ſtehende Calamiten. No. 2077. — 977. — 97. Figur 1 giebt eine Anſicht der Südſeite dieſes Durch- ſtiches und zugleich ein ungefähres Bild des Vorkommens genannter Stämme; der Durchſtich iſt über 20 Fuß tief; der Boden beſteht hauptſächlich aus einem graufarbigen, ſchlammvermiſchten Lehm, in dem ſich Eiſenſteindruſen finden. Seinen Beſtandtheilen nach gleicht dieſe Ablagerung genau der Schicht, in welcher bei St. Helens und Dunkinfield die vorhin erwähnten Stämme gefunden wurden. Die Schicht liegt zwi— ſchen zwei Kohlenſchichten, deren jede über 2 Fuß dick iſt und nimmt den höhern Theil der Mittelſchicht des Kohlenfeldes von Lancaſhire ein; die obere Kohlenſchicht iſt an einigen Stellen nun durch eine 1 bis 2 Pards dicke Erdſchicht bedeckt. Nach James Heywood's Bemerkungen über die Koh— lendiſtriete von Süd-Lancaſhire ſollen folgende Schichten vorkommen. Tiefe bis zur erſten Kohlenſchicht 10 Yards Kohlen, welche eine weiße Aſche liefern ai nen — Fuß 6 Zoll Zwiſchen raum e 8 l 0 Sun 131 Kohlen (Wigan yard coal) 0 Yards 2 Fuß 6 Zoll Zwiſchenraum „ e (0) Kohlen Si 2 Zwiſchenraum 5 ö Kohlen (Wigan four-feet Ki 1 = IFE 08: Zwiſchenraum . 32 U W (Wigan n coal) 2.0 ala Der 8 Yards mächtige Zwiſchenraum ift nach des Verf. Meinung derjenige, in welchem ſich die foſſilen Stämme finden. 50 Yards von dem genannten Durchſtiche fand der Verf. bei ſeinem erſten Beſuche dieſes Platzes einige 30 aufrechte und neben ihnen verſchiedene platt gedrückte, hori— zontal liegende Sigillariaſtämme. Sie zeigten ihre frühere Structur nicht beſonders deutlich und waren in ihrem In— nern mit einem ähnlichen Stoffe wie die Maſſe, in welche ſie eingebettet waren, erfüllt. Ihre Außenſeite war mit einem ½ Zoll dicken, glänzenden Kohlenüberzuge bekleidet, ſonſt aber wie die Sigillaria gewöhnlich geformt und mit vorſpringenden Rippen verſehen. Die Stämme hielten im Durchmeſſer 1 bis 3 Fuß, ihre Höhe betrug 2 bis 12 Fuß; mit Ausnahme einer einzigen fehlte indeß bei allen die Spitze. Einige gingen mit ihren Stämmen nur bis zur untern Kohlenſchicht, andere hatten ihre Wurzeln in der Mitte zwiſchen beiden Kohlenſchichten, und wieder andere fanden ſich gerade unterhalb, ja ſelbſt in den unteren Par— tien der erſten Kohlenſchicht. Die meiſten dieſer Stämme, die wegen ihrer Lage den Kohlenüberzug behalten hatten, zeigten das gerippte und gefurchte Anſehen der bei Dixon Fold und St. Helens gefundenen Bäume, was zwar nach einigen Geologen für die Beſtimmung einer Sigillarie nicht genügt, wogegen 6 von ihrer Kohlenſchale befreite, deutliche Narben und mit ihnen alle Charaktere der Sigillaria reni- formis, alternans und organum beſaßen. Alle dieſe aufrecht ſtehenden Stämme hatten die der Stigmaria zukommenden Wurzeln, die ihre Zajern nach allen Richtungen durch den ſchlammigen Lehm ausbreiteten. Zwiſchen den eben beſchriebenen Bäumen ftanden nun mehrere 4 bis 5 Fuß hohe Calamiten gleichfalls aufrecht; auch ihnen fehlten die Spitzen. Ihr Durchmeſſer betrug 1 bis 5 Zoll, eine innere Structur war nicht mehr erkenn— bar; ſie waren platt gedrückt und mit der Schicht, in der fie lagen, ausgefüllt, hatten einen etwa 1 Zoll ftarfen kohligen Überzug, nach deſſen Entfernung 855 gerippte und gegliederte Charakter dieſer Gattung hervortrat. Alle die ſich nach unten hin verfolgen ließen, zeigten von ihrem letz— ten Gliede an Wurzelfaſern, die ſich nur durch ihre gerin— gere Größe von denen der Stigmarien unterſchieden. Einer von dieſen aufrechten Calamiten ließ ſich 2 Fuß aufwärts verfolgen, wo er zu endigen ſchien; bei genauerer Unter— ſuchung ſah man ihn jedoch in horizontaler Richtung wei— ter gehen. Die aufrechten Stämme der erwähnten unzweifelhaften Sigillarien, wie einiger nicht mit ſolcher Sicherheit zu be— ſtimmenden Arten und eben ſo die Calamiten finden ſich in allen Theilen der ſchlammigen Lehmſchicht zwiſchen den bei— den oberſten Kohlenlagen; mit ihnen finden ſich Pflanzen e N CB 132 aus den Gattungen Neuropteris, Pecopteris, Sphenopteris, Cyelopteris, Odontopteris, Asterophyllites, Pinnularia, Le- pidodendron, Lepidophyllum, Lepidostrobus, Lycopodites, Sphenophyllum u. ſ. w. Nachdem der Verf. jo eine flüchtige Skizze des Fund—⸗ ortes gegeben, kommt er nunmehr zur Beſchreibung der Ca— lamitenſtämme ſelbſt, die er mit Dr. J. Hooker und M. Jobert unterſuchte. Am 22. Mai beſuchte der Verf. mit genannten Herren zum zweiten Male den Durchſtich des Pemberton-Hügels; fie fanden noch ſchöner erhaltene Er- emplare aufrecht ſtehender Calamiten, deren Wurzelfaſern namentlich deutlicher, wie bei den früher gefundenen, waren. Die mit 1, 2 und 3 bezeichneten Stämme der Fig. 1 wurden ſchon bei ſeinem erſten Beſuche des genannten Fund— ortes genau obſervirt, fie waren in einer Länge von 20 Zoll bis 2 Fuß frei gelegt und glichen im Außern ihrer Stämme, Glieder und Wurzeln am meiſten dem Calamites approxi- matus. Der mit 1 be⸗ zeichnete Stamm, dem die beiden an⸗ dern durchaus gleich waren, ſtand faſt aufrecht und machte, wie Figur 2 zeigt, nur im oberen Theile eine kleine Biegung; er war faſt eylin⸗ driſch und von feis ner Baſis bis ſo weit er frei gelegt war, 21 Zoll lang. Sein größter, mehr nach oben gelegener Durchmeſſer betrug 1½ Zoll und ver⸗ ſchmälerte ſich nach unten zu allmälig; das untere geſchloſſene Ende hatte eine keulenförmige Ge— ſtalt. Die äußere Fläche war mit einer feinen, etwa Us Zoll dicken Kohlenſchicht bedeckt, nach deren Entfernung die fur Calamites charakteriſtiſchen Rippen, Furchen und Glie— derungen hervortraten. Das Innere zeigte keine Structur, beſtand vielmehr aus derſelben ſchlammigen Lehmmaſſe, wie die ganze Lagerſtätte. Das erwähnte Stämmchen hatte 10 Glieder oder Knoten, die im unteren und oberen Theile einander mehr wie in der Mitte genähert waren; an dieſen Knoten ließen ſich kleine, runde Eindrücke, von denen die Wurzelfafern ausgingen, wahrnehmen. Die letzteren maßen, ohne ihr Ende zu erreichen, 8 bis 11 Zoll, die vom oberen Theile ſich in den Boden ſenkenden machten mit dem Hori— zonte einen Winkel von 150, wurden aber weiter nach ab— wärts immer ſenkrechter, ſo daß die des letzten Knotens einen Winkel von 450 beſchrieben. Dieſe Wurzelfaſern ſchienen urſprünglich cylindriſch und ½ Zoll dick geweſen 133 zu fein, waren nun aber zuſammengedrückt und mit einer kohligen Maſſe überzogen. Bei einer ſorgfältigen Entfernung dieſer Decke zeigte ſich ein zarter Längsſtreif, der als ein centrales Mark erſchien. Dieſe Wurzelfaſern laſſen ſich ſo— mit von denen der Stigmaria nicht wohl unterſcheiden, ſchei— nen auch wie dort in einer gekreuzten Ordnung zu entſpringen. Das mit 4 bezeichnete Stämmchen der Figur 1 krümmte ſich unten und entzog ſich ſo tiefer in der Lagerungs— ſchicht ſteckend, der Beobachtung; allen dieſen Stämmen fehlte das obere Ende, was auch bei vielen andern dort theils aufrecht, theils niederliegend gefundenen, der Fall war; auch Zweige und Blätter waren nicht mit Sicherheit nach— zuweiſen. Während ſeiner Forſchungen nach aufrechten Sigillaria— ſtämmen fand der Verf. überall gleichzeitig Calamiten; zu St. Helens waren ſie beſonders häufig, ihre Baſis hing dort mit den Hauptwurzeln der Sigillaria zuſammen. Hutton be— merkt nun in ſeiner Beſchreibung der Foſſilien von Bourdie— houſe, daß dort vorzugsweiſe Lepidostrobi, Lepidophyllites, hepidodendra und Filicites vorkämen, wogegen nur wenige und kleine Calamiten und faſt gar keine Stigmarien gefun— den würden. Aus dem häufigen Vorkommen der Lepi- dostrobi und Lepidophyllites, von verſchiedener Größe und Entwicklung mit den Stämmen von Lepidodendron, hält er die genannten mit einiger Wahrſcheinlichkeit für die Früchte, Blätter und Stämme derſelben Pflanzengruppe. Von der Sigillaria, die für die Flora der Kohlenformation von ſo großer Wichtigkeit iſt, fand Hutton keine Spur. Im Verlaufe ſeiner eigenen Beobachtungen hat der Verf. niemals einen unter 6 Zoll im Durchmeſſer haltenden Sigillariaſtamm, aber auch niemals einen Calamites von ſol— chem Umfange geſehen, und doch muß es junge Sigillarien gegeben haben; aber wo ſind ſie? Über die wahre Natur der genera Sigillaria und Calamites wiſſen wir nur ſo viel, daß ſie keinen hohlen, ſaftigen Stamm, wie früher vermuthet ward, beſaßen, die Wurzelfafern beider ſind ſich, wenn auch nicht identiſch, doch wenigſtens ſehr ähnlich; bei Calamites approximatus und cruciatus erſchienen ſie auch nach einer regelmäßigen, ſich kreuzenden Ordnung. Die größte Species der Calamites Gigas Brongniart hat genau dieſelben hervor— ſpringenden Rippen, Furchen und Knoten, wie die Sigillaria, auch das Wurzelende iſt bei dem Calamites und der Stigma- ria durchaus gleich geftaltet, keulenförmig. Leider iſt über den Bau des Calamites nichts bekannt; ſollte derſelbe indeß der Sigillaria gleichen, ſo würde der Verf. ihn nur für eine junge Pflanze letzterer Art halten. So viel der Verf. weiß, iſt indeß im Calamitenſtamme noch keine Centralachſe oder Mark, wie ſie bei der Sigillaria vorkommt, gefunden worden. Beide Pflanzen haben erweis— lich einen ſehr ähnlichen Habitus, können daher auch ſehr wohl einander ähnliche Wurzelfaſern beſitzen, ohne deßhalb die— ſelben Pflanzen zu ſein; dennoch ſchien es dem Verf. nach dem Beiſpiele von Sigillaria und Stigmaria, die lange als zwei beſondere genera betrachtet wurden, nicht unwichtig, auf dieſe Analogien aufmerkſam zu machen. Wenngleich ſich zur Stunde die Frage über die Identität der Calamiten mit den NV. g. 134 Sigillarien nicht mit Sicherheit entſcheiden läßt, ſo iſt doch ſo viel ausgemacht, daß beide an ihrem jetzigen Fundorte gewachſen ſind und daß die Stämme der erſteren, nur weil ſie ſchwächer waren und leichter durch das Gewicht der ſich über ſie häufenden Ablagerungen niedergedrückt werden konn— ten, minder häufig wie die viel ſtärkeren, mehr Widerftand bietenden Stämmen der Sigillarien in aufrechter Stellung gefunden werden. (Philosophical Magazine etc. 1847, No. 208.) XVIII. Über die Waſſerſcheiden einiger großen Flüſſe Südamerica's und die für ſie paſſenden Namen. Von Auguſte de Saint-Hilaire. Bekanntlich verläuft eine große Gebirgskette, Serra do Mar genannt, längs eines großen Theils der braſilianiſchen Küſte, während ſich ein zweiter, jedoch höherer Gebirgszug, die Serra do Eſpinhago parallel mit ihr hinzieht und ſich nordweſtlich in die Provinz St. Paul fortſetzt, indem ſie nur durch eine Entfernung von etwa 30 bis 60 Meilen von den Cordilleren der Küfte getrennt iſt. Letztere ſcheidet den Rio Doce vom Rio de S. Franeiſeo und verliert ſich dann in den Norden Braſiliens. Die weſtlichen Gegenden ſenken ſich ganz allmälig bis zum Rio S. Franciſeo, wäh— rend ſich der Boden weiter nach Weſten zum zweiten Male erhebt, um einen Gebirgszug, der den letzt genannten Fluß von dem Paranahyba trennt, zu bilden; außerdem ſteht die Küſtenkette noch durch ein Netz von Bergen mit der Serra do Eſpinhago in Verbindung. Die letztere iſt durch des Verf. wie auch der Hrn. von Eſchwege und Martius Reiſen bekannt geworden; über den ſich weſtlich von S. Franciſeo hinziehenden Gebirgszug iſt man dagegen noch ſehr im dunkeln. Derſelbe wird nach dem Verf. nicht wie man glaubte, im Süden von der Serra da Canaſtra, die ein Zweig desſelben iſt und die Quelle des S. Franciſeo trägt, begrenzt, er erſtreckt ſich viel ſüd— licher und erhält ſpäter den Namen Serra do Rio Grande, weil auf ihm der Fluß gleiches Namens entſpringt, für den er noch überdies einige kleinere Nebenflüſſe liefert; dann zur Serra de Mugyguaſſu geworden, erſtreckt ſich dieſe Kette in die Provinz St. Paul, wo ſie mit der Serra da Man— tiqueira, einem Theile der Serra do Eſpinhago, gewiſſermaßen einen Knoten bildet. An der entgegengeſetzten Seite ver— längert ſie ſich gegen Norden bis an die Grenze der Provinz Piauhy beſtändig dem Bette des S. Franeiſeo folgend, in— dem ſie ihm an der Oſtſeite fortwährend Nebenflüſſe zuführt, an ihrer Weſtſeite aber nur den mittäglichen Theil des Paranahyba durch Nebenſtämme verſtärkt und mehr nach Norden den Rio de Tocantins mit Waſſer verſieht. Betrachtet man dieſe Gebirgskette nur als eine Scheide— wand zwiſchen dem S. Franciſeo und dem Paranahyba, fo iſt es einleuchtend, daß ſie ſich nicht bis zu den Quellen beider Flüſſe, von denen der eine gegen Norden, der andere gegen Süden fließt, erſtreckt; dagegen kann man ſie wieder von zwei andern Waſſerſcheiden begrenzt annehmen, die faſt 9 * 155 ſenkrecht gegen ſie verlaufen. Dieſer eine, von Süden nach Oſten ſtreichende, Gebirgszug vereinigt ſich mit der Serra do Eſpinhago, er verſorgt den Rio Grande reichlich mit de benflüſſen, giebt auch die erſten Nebenſtröme des S. Fran— eiſco, deſſen Bette begrenzend, ab. Die andere von Norden nach Weſten ſtreichende Kette trägt an ihrer Nordſeite die Quellen des Rio do Tocantins, im Süden aber die des Corumba, der ſeine Waſſer in den la Plata ergießt. Der Gebirgszug, welcher den S. Franeiſco vom Rio Parana- hyba ſcheidet, beſchreibt ſomit die Geſtalt des Buchſtaben 2, deſſen eine quere Endlinie den Anfang des Bettes vom S. Franciſco, die andere den Anfang des Bettes vom Tocantins vorſtellt. Von Eſchwege gedenkt einer Serra das Vertentes, welche eine weite Krümmung machen, die Flüſſe des Nordens von denen des Südens trennen und die Serra da Canaſtra, die Pyreneos und die Berge von Kingu und Guyaba um— faſſen ſoll; leider giebt er über den Anfang und das Ende dieſes Bettes keine Nachweiſungen. Wenn die Serra das Vertentes wirklich aus den Montes Pyreneos und der Serra da Canaſtra beſteht, ſo muß ſie, wie Eſchwege angiebt, eine große Krümmung beſchreiben und zugleich die Anfänge des Bettes und ſeiner Seitengrenzen bilden; was wird dann aber aus der Waſſerſcheide des S. Franeiſeo und Parana— hyba, die in einer ungeheuren Ausdehnung, ohne ihre Rich— tung zu ändern, fortläuft und das Bette des erſteren Stro— mes mit Nebenflüſſen verſieht, werden? Eſchwege muß dieſen Gebirgszug als ein Glied der Serra das Vertentes betrachtet haben, was dem Verfaſſer für einen Gebirgszug, welcher dasſelbe Flußbette, ohne einen Abſchweif zu machen, begleitet, nicht zuläſſig ſcheint; dagegen würde er den Höhen— zug, der von den Pyreneos zu den weſtlich gelegenen Bergen ſtreicht und mit der Hauptkette einen Winkel bildet, dieſelbe aber nicht in ihrer eigentlichen Richtung fortſetzt, auch kein Flußbette begrenzt, als Seitenglied anſprechen. Cazal, deſſen ſorgfältige Unterſuchungen bei einem langen Aufent— halte in dortiger Gegend ſehr ſchätzenswerth ſind, trennt dieſe Züge nicht in zwei Theile, ſagt vielmehr, daß im Sü— den der Kette der Rio Paranahyba im Norden des Tocan— tins entſpringe, ſie ſelbſt aber, wenngleich oft ihren Namen wechſelnd, nur eine einzige von Süd nach Nord ſtreichende Gebirgskette vorſtelle, welche Goyaz von Minas und von Fernambuco trenne und nur durch Seitenzweige unterbrochen werde. Martius vermuthet dagegen mit dem Verf., daß Eſchwege die Serra das Vertentes durch die Waſſerſcheide des S. Franeiſeo und Rio Paranahyba begrenzt, während ſich nach Balbi die Serra das Vertentes von der Spitze der Probinz Ceara bis zur ſüdlichen Grenze der Provinz Matogreſſo ausdehnt, die Serras Negra, da Canaſtra, da Marcella und das Criſtaes aber Glieder einer großen Ge— birgskette ſind. In einer flüchtigen Skizze iſt zwar ein einziger Name für ſämmtliche Gebirgszüge, die in einem von Oſt nach Weſt verlaufenden Halbkreiſe halb Südamerica umfaſſen, vorzu— ziehen; ſobald man aber in Einzelheiten eingehen will, be— darf man auch für die verſchiedenen Glieder dieſer gro— N . 136 ßen Gebirgskette beſonderer Benennungen: ſo würde es keinen Sinn haben, wenn man von den Waſſerſcheiden des S. Franeiſeo, des Paranahyba, Kingu und Paraguay längs der Serra das Vertentes reden wollte. Nun haben die Landesbewohner die verſchiedenen Gebirge nach den von ihnen bewohnten Diſtricten benannt, Namen, die der Reiſende, um Mißverſtändniſſe zu verhüten, nicht willkürlich ändern darf, die aber, ſich auf einzelne Höhen beziehend, einen Blick über das Ganze unmöglich machen, weßhalb es dem Verf., wenn man den gewiſſermaßen generiſchen Namen Serra das Vertentes im Sinne Balbi's beibehalten will, nicht un— paſſend ſcheint, noch jede Kette, die zwei große Flüſſe ſchei— det, beſonders zu bezeichnen. Damit nun dieſe Benennungen auch von den Bewoh— nern des Landes angenommen werden, müſſen ſie der Landes— ſprache entnommen fein, und fo hält es der Verf. nach dem Beiſpiele mehrerer franzöſiſchen Departements fürs zweck— mäßigſte, die Gebirgszüge nach den Flüſſen, welche ſie von einander trennen, zu bezeichnen. Demnach würde diejenige Gebirgskette, welche die Serra Negra umfaßt und ſich von Oſt nach Welt von der Serra do Eſpinhago bis zur Serra da Canaſtra ausdehnt und den Anfang (2) des Flußbettes dom S. Franciſco bildet, als Serra do S. Franeiſeoſ e do Rio Grande zu benennen ſein; dagegen würde die Kette, welche von dieſer oder von den Quellen des S. Franeiſeo zu den Quellen des Corumba führt, die Serra do S. Franeiſeo e da Parana— hyba ſein. Die nördliche Fortſetzung dieſer Waſſerſcheide, der gleichzeitig mit den erſten Zuflüſſen des Tocantins neue Nebenſtröme für den S. Franeiſeo entſpringen, wäre als Serra do S. Franeiſeo e do Tocantins zu benennen. Die von Matogroſſo kommende von Weſt nach Oſt verlaufende, die Montes Pyreneos in ſich faſſende Kette, welche dem To— cantins und der Corumba die erſten Waſſer liefert und das Quellbette dieſer Flüſſe bildet, könnte Serra do Corumba e do Tocantins benannt und endlich die Serra do Eſpinhago nach Eſchwege, worunter nur die Provinz Minas verſtan— den iſt, im Suden als Serra do S. Franeiſeo e do Rio Doce und nördlicher als Serra do S. Franeiſeo et da Ji— quitinhonha u. ſ. w. bezeichnet werden. Dieſe Namen ſind zwar, da ſie aus der Zuſammen— ſtellung mehrſylbiger Wörter hervorgegangen, etwas lang, was indeß in der Geographie Braſiliens, wo eben ſo lange Benennungen häufig vorkommen, wie der Verf, meint, nicht auffallen wird, und ſo kommt er denn auf die Serra do S. Franeiſeo e da Paranahyba, diejenige Hochebene, welche beide Flüſſe treunt und den Alpen Skandinaviens nicht unähnlich iſt, zurück. Unter den zu dieſer Kette ge— hörenden Gebirgen iſt die Serra da Canaſtra wahrſcheinlich die höchſte; auf ihr entſpringt der S. Franeiſco, deſſen un— geheurer Verlauf in einer Ausdehnung von etwa 500 fran— zöſiſchen Meilen ohne Unterbrechung ſchiffbar iſt. Das un— ebene Plateau feiner Spitze beträgt von Süden nach Norden 5 Leguas, von Oſten nach Weſten aber mehr als 10 Le— guas; in den Monaten Juni und Juli herrſcht hier ein förmlicher Winter, auch wird es nicht bewohnt. Auf feinen höchſten Punkten finden ſich nur Steinanhäufungen, zwiſchen 157 denen mehrere Velloſien und eine Compoſite üppig hervor— wachſen; die niedriger gelegenen Theile ſind indeß je nach der Bodenbeſchaffenheit mit einer ſtärkeren oder ſchwächeren Pflanzendecke überzogen. Die Serra da Canaſtra, die außer vom Verf. noch von keinem Naturforſcher beſucht wurde, verdient unter den Gebirgen von Minas Geraes die höchſte Beachtung. Die Serra da Corumba e do Tocantins, eine ungeheure Gebirgskette, die mit dem nördlichen Ende der Serra do S. Franeiſeo e da Paranahyba in einem Winkel zuſammen— trifft, bildet die ſüdliche Grenze des Bettes vom Araguaya und Tocantins, und eben ſo die nördliche Scheide des letztern von Corumba; ſie trennt ſomit die Flüſſe des Nordens von Braſilien von den des Südens. Dieſer Gebirgszug bildet keine Reihe jo rieſiger Berge, wie die Serra da Garaca, l'Itacolumi, la Serra do Papagayo in der Provinz Minas, vielmehr ein großes Netz kleinerer Berge und ungeheurer Hoch— ebenen, welches Bergſtröme und Bäche durchrieſeln. Die Montes Pyreneos und die Serra Dourada, welche man als die höchſten Spitzen dieſer Gegend bezeichnet, ſind keine hohen Berge. Einige zur Serra da Corumba ue do Tocan— tins gehörenden Berge führen Gold, wornach dort erſt wenig gegraben iſt; ſie ſind beinahe unbewohnt, ihr Boden würde indeß einer Cultur ſehr wohl fähig ſein. (Comptes rendus 1847, No. 19.) .. 138 Mifcellen 22. Der Copaivabalſam wird in großen, ausgehöhlten Baumſtämmen, welche 1600 bis 2500 Gallons zu faſſen vermögen, nach Barra hinuntergeflößt; der Verluſt, welcher bei einer Beför— derung in Krügen bedeutend ſein würde, wird hierdurch faſt ganz vermieden. In Barra wird er auf irdene Gefäße gebracht und nach dem Hafen verſchifft, häufig aber auch von den Juden auf⸗ gekauft, mit andern Balſamen verfälſcht und dann erſt an die Erporteurs verhandelt, worauf er in Fäſſern, blechernen oder irde— nen Gefäßen nach dem Orte ſeiner Beſtimmung abgeht. — Der Baum, welcher ihn liefert, wächſ't in der Nähe von Barra und iſt von bedeutendem Umfange. Man macht tiefe, oft bis zum, Mark gehende Einſchnitte, in letzterm Falle iſt zwar die Quanti— tät des ausfließenden Balſames größer, der Baum ſelbſt ftirbt jedoch ab. Der mittlere Ertrag eines Baumes beträgt 5 bis 10 Gallons. Der Verbrauch des Balſams muß, nach feiner Ausfuhr zu ſchließen, ungeheuer ſein. (The literary Gazette 1847, No. 1598.) 23. Fußabdrücke einer ungeheuren Vogelart fin⸗ den ſich in der Sammlung des Hrn. Dexter Marſh zu Green⸗ field in Maſſachuſetts. Sie wurden am Connectieutfluſſe in einer Tiefe von 30 bis 40 Fuß in mehrfachen Exemplaren gefunden; der Raum zwiſchen jeder Spur beträgt über 7 Fuß und die Länge der Zehen 18 Zoll. Der Vogel muß darnach eine ungeheure Größe und namentlich ſehr lange Beine gehabt haben, um ſolche Meilen⸗ ſchritte machen zu können. Abdrücke kleiner Vogelfuüße, ſehr ſchön erhaltene foſſile Fiſchſlelette und eine der erſten americaniſchen Münzen, vom Jahre 1652, zieren überdem die Sammlung. (The literary Gazette 1847. No. 1600.) Heilkunde. (XVII.) Ein Fall von Pulſiren der Venen. Von Sir H. Marſh. Catharine Duffy, 28 Jahr alt, kam den 13. Mai 1846 in Steeven’3 Hoſpitale in Sir H. Marſh's Be— handlung und bot folgende Symptome dar. Alle oberfläch— lichen Venen des rechten Armes, ſowie die der Hand, ſind außerordentlich erweitert, und die auf der Rückſeite des Vorarmes, über deſſen Mitte hin, außerordentlich gewunden und angeſchwollen; die Venen auf der Rückenfläche der Hand ebenfalls ſtark geſchlängelt und ſtellenweiſe varicös. Am kleinen und Ringfinger bieten ſie deutlich das Anſehen von aneurysma per anastomosin dar, ſo daß dieſe Finger völlig noch ein Mal ſo dick find, als im natürlichen Zuftande. Ein wenig oberhalb der Stelle, wo die art. axillaris zur brachialis wird oder gerade über dem untern Rande der Sehne des latissimus dorsi wird das Gefäß ſchroff ab— ſetzend völlig dier Mal ſo ſtark, als gewöhnlich. Dieſe Erweiterung, welche ſich auf die ganze Peripherie des Ge— fäßes erſtreckt, dehnt ſich uͤber ein etwa 2 Zoll langes Stück der art. brachialis aus. Die Arterie iſt dort ziemlich cylin— driſch und nur an der vordern und innern Seite ein wenig unregelmäßig und knotig. Über dieſer Erweiterung iſt das Gefäß, ſo weit es ſich mit dem Finger fühlen läßt, eben— falls ſtärker, als das der andern Seite. Etwa 2 Zoll unterhalb jener Erweiterung zieht es ſich plötzlich zuſammen, und die Einſchnürung iſt dort ſo bedeutend, daß man glauben möchte, es ſei unterbunden. Hart unter dieſer Verengerung erweitert ſich das Gefäß wieder, doch nicht nach ſeiner gan— zen Peripherie, ſondern nur an der vordern und innern Fläche, ſo daß daſelbſt ein Säckchen von der Geſtalt einer geſpaltenen Haſelnuß entſteht. Zwiſchen dieſem Sacke und dem Gefäße findet offenbar eine Communication Statt, da jener ſich durch Druck leicht entleeren läßt. Unter dieſer Geſchwulſt zeigt die Arterie bis faſt an ihre Gabel ein gleichförmiges Caliber, jedoch iſt ſie ein wenig ſtärker, als die des andern Armes. Vom innern condylus bis zur gabelförmigen Theilung iſt das Gefäß aber wieder doppelt fo ſtark, als im normalen Zuſtande. Die artt. radialis und ulnaris zeigen ſich nach ihrer ganzen Ausdehnung ziemlich noch ein Mal ſo ſtark, als gewöhnlich. An der hintern und innern Portion des Vorarmes, etwa über der Mitte der ulna, befindet ſich eine weiche, zu— ſammendrückbare Geſchwulſt, die ein wenig pulſirt und etwa halb ſo groß iſt, wie eine gewöhnliche Walnuß. Auf der Handfläche, hart unter dem erbſenförmigen Knochen, zeigt ſich eine nicht ſcharf umſchriebene, klopfende Geſchwulſt, welche einem aneurysma per anastomosin ähnelt. Unterhalb 139 derſelben, der Spalte zwiſchen dem Mittel- und Zeigefinger entſprechend, befindet ſich eine ähnliche, etwas kleinere und weniger deutlich pulſirende Geſchwulſt. Die Pulſation läßt ſich hart über dem Bruſtbeine, längs der artt. brachialis, radialis und ulnaris, in der Ge— ſchwulſt auf der Rückenſeite des Vorarmes und in den Ge— ſchwülſten in der Handfläche ſehen; dagegen iſt ſie an den Carotiden und in den Geſchwülſten am kleineren und am Ringfinger nicht ſichtbar. Wenn man die art. axillaris zuſammendrückt, ſo hört das Klopfen in der Geſchwulſt durchaus auf. Längs der art. brachialis iſt das Schwirren deutlich, längs der artt. radialis und ulnaris weniger deutlich markirt. Wenn man die Patientin bei der Hand faßt und dieſe ſanft drückt, ſo fühlt man, daß von den Geſchwülſten in der Handfläche ein Zittern oder Schwirren ausgeht. Wenn man das Stethoſkop hart unter dem Acromial— ende des Schlüſſelbeines aufſetzt, ſo hört man ein ſehr lautes, ununterbrochenes Gemurmel. Dieſes Geräuſch wird bei jeder Syſtole des Ventrikels etwas verſtärkt. Je mehr man das Stethoſkop dem Bruſtbeine nähert, deſto ſchwächer vernimmt man das Geräuſch, und an keiner Stelle des Bruſtbeines ſelbſt iſt es hörbar. Die Geräuſche des Herzens ſcheinen durchaus normal. Längs des ganzen Laufes der artt. bra- chialis, radialis und ulnaris vernimmt man das Blaſebalg— geräuſch, und in den ſämmtlichen pulſirenden Geſchwülſten ein Gemurmel, wie in dem Mutterkuchen. An keinem der übrigen Gefäße des Körpers läßt ſich etwas Abnormes wahr— nehmen. Der Puls iſt an beiden Fauſtgelenken 72 und regel— mäßig, jedoch auf der kranken Seite bedeutend voller und etwas ſtärker, als auf der andern. Die Temperatur des kranken Gliedes zeigt ſich, mit dem Thermometer gemeſſen, ſtets um einige Grade Fahrenh. höher, als die des geſunden, und die Kranke klagt außer— ordentlich über die Hitze, welche ſie in jenem empfinde. So oft die Thätigkeit des Herzens geſteigert wird, ſteigert ſich auch der Betrag des Unterſchiedes in der Temperatur der beiden Arme. Bei der geringſten körperlichen Anſtrengung iſt der kranke Arm wie in Schweiß gebadet. Die Patientin fühlt fortwährend in dieſem Arme einen dumpfen, ziehenden Schmerz, den ſie nur dadurch etwas lindern kann, daß ſie den Arm in eine aufrechte Stellung bringt, wodurch die Gefäße theilweiſe entleert und die Ge— ſchwülſte etwas kleiner werden. Der allgemeine Geſundheitszuſtand der Patientin ſcheint nicht bedeutend gelitten zu haben. Sie iſt noch ziemlich kräftig, hat guten Appetit, regelmäßigen Stuhlgang und geſunden Schlaf. Die Menſtruation war zu den beiden letzten Perioden ausgeblieben, vorher aber fortwährend regel— mäßig, geweſen. { Über die Geſchichte der Krankheit berichtete die Kranke wie folgt. Ihre Eltern und zahlreichen Geſchwiſter ſind geſund. Sie iſt ſeit acht Jahren verheirathet, hat fünf Kinder geboren, und bei ihren Entbindungen iſt in Betreff der Hämorrhagie ꝛc. nichts beſonderes vorgekommen. Da 97. V. 9. 140 ſie ſich in guten Vermögensumſtänden befindet, ſo hat ſie nie harte körperliche Arbeiten verrichtet, auch den rechten Arm nie in einer ſehr anſtrengenden Weiſe gebraucht. Sie hat ſich immer für geſund und ſtark gehalten und nur ſeit einigen Jahren ziemlich viel an Eingeweidewürmern gelitten. So weit ſie zurückdenken kann, ſind jedoch die Venen an dem rechten Arme und der rechten Hand immer etwas ſtär— ker geweſen, als auf der andern Seite; allein da ſie davon nie die geringſte Ungelegenheit verſpürte, ſo hatte ſie die Sache weiter nicht beachtet. Vor etwa 1½ Jahre bemerkte ſie zum erſten Male ein Klopfen in dem rechten Arme, wenn ſie denſelben angeſtrengt oder ſich überhaupt ſtärkere Bewegung als gewöhnlich gemacht hatte. Um dieſelbe Zeit fingen auch ſtechende Schmerzen an in dem Arme vorzu— kommen, die am untern Winkel des Schulterblattes anhoben und durch den Arm bis in die Hand ſchoſſen. Auch dieſe Symptome wurden eine Zeitlang wenig beachtet, da die Schmerzen nur zuweilen eintraten und kurze Zeit anhielten, und das Klopfen durch ruhiges Verhalten vermieden wer— den konnte. Allein ſpäter und bis jetzt ſind die Symptome ſtufenweiſe ſchlimmer geworden; an die Stelle der vorüber— gehenden Schmerzen war ein anhaltender dumpfer Schmerz getreten, während das Klopfen und die Hitze ſelbſt im Zu— ſtande der Ruhe ſehr peinlich waren. Wann die Geſchwülſte zuerſt entſtanden und in welchem Maße ſie fortgeſchritten ſeien, konnte die Patientin nicht genau angeben; doch glaubte ſie, dieſelben hätten ſich ſämmtlich binnen der letzten 1½ Jahre gebildet. Sie hatte bereits viele Arzte zu Rathe gezogen und war jchon einige Zeit in einem andern Ho— ſpitale geweſen, als fie in Steeven's Hoſpital aufgenommen ward. Doch hatte bis jetzt keine Behandlung beſondern Erfolg gehabt. Der Kürze wegen laſſen wir die nun in Anwendung gekommene tägliche Behandlung weg, und dies um ſo mehr, da ſte nicht beſonders anſchlug. Sie beſtand mehrentheils in ſedativen Mitteln und örtlicher Anwendung kälteerzeu— gender Waſchmittel; auch wurde gelegentlich Druck, und zwar einestheils auf das ganze Glied, anderntheils auf die Geſchwülſte im beſondern angewandt und die Stelle, ſowie der Grad des Druckes nach Umſtänden verändert. Dieſer Theil der Behandlung nahm Vorſicht, ſowie längere Unter— brechungen in Anſpruch; denn die Leiden der Patientin wurden ſelbſt durch einen geringen Grad von Druck bedeu— tend vermehrt. Die meiſte Linderung verfchafften ihr kalte Umſchläge auf den Arm. Nach Verlauf von etwas mehr als zwei Monaten ver— ließ die Patientin nach ihrem eigenen Wunſche das Hoſpi— tal, nachdem ſich, wie es ſchien, ihr Zuſtand nur wenig gebeſſert hatte. (Dublin quart. Journ. of Med. Science, Febr. 1847.) (XVIII.) Merkwürdiger Fall von Verletzung des obern Endes des humerus. Von Hrn. Smith. Herr Guthrie hat in einer von ihm im Jahre 1833 gehaltenen und in dem London Medical and Surgical Jour- 141 nal, ſowie in The Lancet mitgetheilten Vorleſung einer Verletzung des Schultergelenkes erwähnt, deren Sym— ptome er mittheilt, wobei er behauptet, durch die Section ſei der Fall nicht aufgeklärt worden und die Vermuthung ausſpricht, der humerus ſei der Länge nach geſpalten geweſen, fo daß die tuberositas minor, nebſt einem größern oder geringern Theile des Kopfes, von dem Schafte des Knochens abgeſprengt worden ſei. Hrn. Smith iſt es aber gelungen einen Fall dieſer Artnachträglich genau zu unter— ſuchen, und theilt darüber folgendes mit. Ich ward aufgefordert, die Leiche der im 80ſten Jahre an einem chroniſchen Lungenübel geſtorbenen Julia Darby zu ſeciren. Gleich als ich ins Zimmer trat, erregte das Anſehen des linken Schultergelenkes meine Aufmerkſamkeit inſofern, als es von dem, welches die gewöhnlichen Ver— letzungen dieſes Gelenkes nach ſich ziehen, ganz verſchieden war. Die Schulter hatte in einer gewiſſen Ausdehnung ihre natürliche Rundung eingebüßt. Das acromion ragte zwar widernatürlich, doch keineswegs in dem Grade vor, wie bei den verſchiedenen Luxationen des Kopfes des hume- rus. Das Gelenk war doppelt ſo breit, wie gewöhnlich. Als ich unter dem acromion drückte, konnte ich deutlich füh— len, daß ein Theil des Knochenkopfes auf dem innern Rande der cavitas glenoidea lag. Er bildete eine Geſchwulſt, welche durch die weichen Theile hindurch zu bemerken war, während bei weitem die größte Portion des Knochenkopfes tiefer, als der processus coracoideus und innerhalb desſelben lag. Zwi— ſchen dieſen beiden Portionen des Knochenkopfes ſank ſich der Finger in eine tiefe Lücke oder Furche, die ſich unmittelbar unter dem rabenſchnabelförmigen Fortſatze be— fand. Der Elnbogen ließ ſich mit der Seite in Berührung bringen, und in der Länge des Armes ließ ſich keine beſon— dere Veränderung wahrnehmen. Dies waren die äußern Kennzeichen des Falles; aber nach dieſen allein konnte ich die Beſchaffenheit der Verletzung nicht genau beſtimmen, ſondern nur vermuthen, daß hier eine Abart der Verren— kung nach vorn vorliege. Nach Beſeitigung der weichen Theile ſtellte ſich der Knochenkopf faſt doppelt ſo breit, wie im normalen Zuſtande, dar. Er lag unter dem und inner— halb des processus coracoideus. Die tuberositas major war vom Schafte des Oberarmbeines völlig abgebrochen, und ihre Lage entſprach dem innern Theile der cavitas glenoidea. Der Bruch ging quer durch die Rinne des m. biceps, welche, in Folge der Verſchiebung des Knochenkopfes, genau unter dem processus coracoideus lag. Die cavitas glenoidea war, ſowohl der Geſtalt, als der Größe nach, verändert, kleiner als im natürlichen Zuſtande, mit beinahe plattem Grunde (nearly flat) und oben breiter, als unten. Für den Kno— chenkopf hatte ſich eine neue flache Pfanne am Arillarrande des Schulterblattes gebildet, und in der ſehr erweiterten Gelenkeapſel hatte ſich Knochenſubſtanz abgelagert. Der Knorpel war vom Gelenkkopfe faſt ganz verſchwunden und der letztere mit abgelagerter Elfenbeinſubſtanz bedeckt. Zunächſt vergleicht Herr Smith ſorgfältig die von Herrn Guthrie der fraglichen Verletzung zugeſchriebenen Symptome mit denen, welche die Leiche der Julia Darby M. V. IR 142 darbot, ſowie mit denen, die er in zwei andern Fällen beobachtet hat, und gelangt ſo, nach gründlicher Erwägung der Um— ſtände, zu dem Schluſſe, dem man bei unparteiiſcher Prüfung beipflichten muß, daß in allen drei Fällen dieſelbe Art von Verletzung vorhanden geweſen, und Hrn. Guthrie's Vermuthung nicht völlig richtig ſei. Hrn. Smith's Anz ſicht über den Bruch iſt folgende. In den hier in Rede ſtehenden Fällen ereignet ſich, meiner Meinung nach, ganz einfach Nachſtehendes: Ein Knochenbruch, welcher durch die Rinne des biceps geht, trennt die tuberositas major vom humerus und hebt auf dieſe Weiſe die Einwirkung des m. supraspinatus, infraspi- natus und teres minor auf den humerus auf. Die Haut— falten der Achſelhöhle, der subscapularis und die vordere Portion des deltoideus wirken nun faſt ohne allen Antago— nismus ein und ziehen den Knochenkopf gewaltſam nach innen gegen den innern Theil des Capſelligamentes, und wenn zugleich der innere Rand der cavitas glenoidea ab- gebrochen iſt, was wohl nicht ſelten vorkommt, ſo gleitet der Knochenkopf noch weiter nach innen und unter den processus coracoideus, jo daß zuletzt eine wirkliche Ver— renkung entſteht, welche die ſich erweiternde Gelenkhöhle geſtattet, gerade wie in Folge des Bruches des acetabulum häufig eine Verrenkung des Schenkelbeinkopfes erfolgt. (Dublin quart. Journal of Med. Science, Nov. 1846.) (XIX.) Heilung der erectilen Geſchwülſte. Von Hrn. Fayolle zu Gueret. Hr. Fayolle hat der Pariſer Akademie der Wiſſen— ſchaften ein Verfahren zur Heilung der ereetilen Geſchwülſte mitgetheilt, das er, wenigſtens in manchen Einzelheiten, für neu hält und durch das er zunächſt beabſichtigt, die Baſis ſolcher Geſchwülſte in ſo viele Stiele zu verwandeln als nö— thig, um dieſelben unterbinden zu können, wobei es über— dies dem Arzte frei ſteht, die Ablöſung der erectilen Maſſe zu bewirken oder nicht. Der Apparat, deſſen ſich Hr. Fayolle bedient, beſteht aus Stahlſtecknadeln von verſchiedener Länge und Stärke, aus dreifach gelegten gewichſ'ten Unterbindungsfaden, endlich aus einem Inſtrumente zum Durchſchneiden der Stecknadeln. Die Operation wird in drei Tempos vollzogen. Erſtes Tempo. Nachdem man die Stärke der Ge— ſchwulſt ermittelt hat, durchſticht man mit einer erſten Steck— nadel die Haut 1½ Linien jenſeits des Males. Sie befin— det ſich folglich in geſunden Geweben. Die zweite Nadel wird in Berührung mit der Peripherie der Geſchwulſt eingeſtochen. Die dritte, welche mit den beiden erſten parallel ſtreicht und 1½ Linien von der zweiten abſteht, ſenkt man in gewiſſer Entfernung (etwa 1 Linie) von dem Rande des Males ein. Sie muß unterhalb der vermuth— lichen Dicke der Geſchwulſt zu liegen und auf der andern Seite der letztern heraus kommen, alſo ebenfalls durch ge— ſunde Gewebe geführt werden. So führt man alſo nach 143 einander mehrere mit einander parallel ſtreichende und gleich weit von einander abſtehende Nadeln durch. Sie müſſen ſich ſämmtlich in derſelben Ebene und dieſe unter— halb der Baſis der Geſchwulſt ſich befinden. Zweites Tempo. Man zieht eine Fadenſchlinge unter die beiden Enden der erſten Nadel, führt deren beide Köpfe (freie Enden) einwärts, kreuzt ſie und bringt ſie dann unter die beiden vorſpringenden Enden der zweiten Nadel, von dieſer zur dritten, vierten u. ſ. w. bis zur letzten. Dann beginnt man den Faden in entgegengeſetzter Richtung zu führen, bis die zwiſchen den Punkten, wo die Nadeln herein- und herausgeführt ſind, liegenden Stellen ganz mit Faden bedeckt ſind, und man auf dieſe Weiſe eine wahre gewundene Naht hergeſtellt hat. Drittes Tempo. Man befeſtigt die letzte Schlinge des Fadens mittels eines Knotens und ſchneidet die vor— ſpringenden Enden der Nadeln ſo nah als möglich an dem aufgewundenen Faden mittels der Metallſcheere ab. So iſt alſo die ganze kranke Stelle durch Nadeln cernirt, und ſo— bald die Faden feſtgezogen ſind, verſchwindet deren Miß— färbung oder Röthung, und bald ſetzt ſich die Geſchwulſt. Zieht man die Nadeln nach vier Tagen heraus, ſo zeigt ſich an der von der Geſchwulſt eingenommen geweſenen Stelle eine bläulichweiße Färbung, und die Haut iſt ein wenig verzerrt. Läßt man die Nadeln 6 — 7 Tage ſtecken, ſo löſ't ſich der Reſt der Geſchwulſt ab, und an ihrer Stelle bleibt eine linienförmige Narbe zurück. Die weſentlichen Bedingungen eines in jeder Beziehung befriedigenden Erfolges ſind: 1) daß die Nadeln in das die krankhafte Geſchwulſt begrenzende geſunde Gewebe ein— dringen; denn wenn ſie ſich in jener ſelbſt befinden, ſo kann nach der Beſeitigung der Geſchwulſt ein gefäßreicher Hof zurückbleiben, welcher der Peripherie der Geſchwulſt ent— ſpricht und ungemein ſchwer wegzubringen iſt; 2) daß die Nadeln nach ihrer ganzen Länge ebenfalls durch das unter der Geſchwulſt liegende geſunde Gewebe ſtreichen, weil ſonſt nach dem Abfallen des krankhaften Gewebes die Narbe oft mit braunrothen Streifen durchzogen iſt, welche den Zwiſchen— räumen zwiſchen den Nadeln entſprechen und dann gewöhn— 97. V. 9. 144 lich ein Rückfall eintritt; 3) daß die Faden ſehr ſtark, aber ſtufenweiſe feſtgezogen werden, damit das Blut aus dem ſchwammigen Gewebe der Geſchwulſt heraus gepreßt werde. (Archives générales de médecine, Nov. 1847.) Miſcellen. (20) Die Pariſer ethnologiſche Geſellſchaft if zwar erſt im Jahr 1839 von Hrn. W. F. Edwards geſtiftet, hat aber während der kurzen Zeit ihres Beſtehens ſchon manches Bedeutende zu Tage gefördert. Dahin gehören beſonders drei Ab— handlungen von Hrn. Edwards: 1) über die phyſiologiſchen Charaktere der Menſchenraſſen in ihren Beziehungen zur Geſchichte; 2) über die Anthropologie; 3) Beiträge zur Geſchichte der Galen; ferner Echthals treffliche Arbeit über die Fulah-Neger, Vivien Saint⸗Martin's anthropologiſche Forſchungen, Berthelot's Arbeit über die Guanchen, Davezar's über die Dſchebons. Auch die Forſchungen über die Negerraſſe ſind durch die Bemühungen der Geſellſchaft weſentlich weiter gediehen, als der Standpunkt, auf welchen fie durch Duméril, den Vater, Bory Saints Vincent und Broe gebracht worden waren. Erfreulich iſt zus mal die Erſcheinung, daß die ausgezeichnetſten Arzte Frankreichs ſich an den Arbeiten der Geſellſchaft eifrig betheiligen, wie denn . B. Mortons Schrift über die zuſammengedrückten Schä⸗ del gewiſſer ſüdamericaniſchen Indianer die HHrn. Iſidore Geof— froy Saint⸗ Hilaire, Foville und Dumontier zu in⸗ tereſſanten Mittheilungen veranlaßt hat. (Gaz, des Höpitaux, 13. Nov. 1847.) (21) Stärkemehliodur hat gegen Bauchwaſſer⸗ ſucht Dr. Burguet zu Bordeaux in einem hartnäckigen Falle mit Erfolg angewandt. Ein Mann, der ſchon vielerlei Mittel ohne Nutzen gebraucht hatte, wandte ſich an ihn, und da Dr. B. ſich erinnerte, daß mehrere Arzte das Stärkemehliodur gegen die Bauchfellentzündung der Kindbetterinnen empfohlen hatten, ſo ver⸗ muthete er, daß es auch bei der Bauchwaſſerſucht als örtliches Mittel Nutzen gewähren könne. Er ließ alſo den Unterleib des Patienten mit einer ziemlich dicken Schicht Stärkemehliodur (1½ Gramme Jodur auf 400 Grammen Stärkemehl) belegen. Schon nach einigen Tagen gab ſich am Harne, am Schweiße und an dem ausgehuſteten Schleime ein ſehr deutlicher Jodgeruch kund. Bald darauf verſchwand die Jufiltration der Beine, und ohne daß irgend ein anderes Mittel angewandt worden wäre, ward die Bauchwaſſerſucht ſchnell gehoben. Damit die Haut nicht perga⸗ mentartig würde, was durch die Stärkemehliodur-Umſchläge leicht geſchieht, ließ Dr. B. dieſelbe häufig abwaſchen. (Gazette des Höpitaux, 23. Nov. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. De l’electrieite médicale chez les anciens. Nouvelle Deuxieme livraison. Feuilles 6—9. In Paris et Lyon 1847. (L’ouvrage se com- 5 à 6 livraisons forment un Etudes sur l’electrieite. methode; par C. Beckenstleiner. 8° de 3 feuilles ½, plus 2 pl. posera de 3 à 5 volumes ornes de planches. volume. Prix de la livr. 2 fr.) Osteographie, ou Description iconographique comparee du squelette et du sy- steme dentaire des cing glasses d’animaux vertebrees recens et fossiles, pour servir de base à la Zoologie et à la Geologie; par M. H. M. Ducro- tay de Blainwille. In 4° de 31 feuilles, plus un atlas in folio de 17 pl., par J. C. Werner. (22e fascicule.) Paris 1847. (62 fr. 75 ct.) Cours elementaire de Chemie à l’usage des facultes, des etablissemens d'en- seignement secondaire ete.; par M. V. Regnault, membre de l’Academie des sciences ele. Tome I. (Premiere partie). In 120 de 16 feuilles /. Paris 1847. (Premiere partie, Metalloides. L’ouvrage formera deux forts volu- mes qui paraitront en quatre parties. Prix de l’ouvrage complet 15 fr.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. Elémens de physique experimentale et de meteorologie; par M. Pouillet. Cinquieme edition. Deux volumes in 8°, ensemble de 108 feuilles ½, plus 2 tableaux et 40 pl. Paris 1847. (17 fr.) Hygiene et maladies de la poitrine et de la voix; Be: H. Crosilhes. In 8 de 4 feuilles plus 2 planches. Paris 1847. (1 fr. 25 ct.) Memoire sur les fievres intermittentes, avec quelques mots sur l’etiologie des types e par J. Fleury. Premiere partie. In 8° de 3 feuilles ½. Toulon 1847. Dictionnaire de Sciences dentaires, ou Repertoire general de toutes les con- naissances necessaires au dentiste. Deuxieme edition, revue ete.; par W. Rogers. In 8° de 40 feuilles /, Paris 1847. (10 fr.) Du progres alarmant de la mortalite dans le departement de Lot-et Garonne, et en particulier dans la commune d’Agen ; des causes d’insalubrite qui le produisent dans cette ville, et des moyens de les faire disparaitre; par M. Pierre-Jules de Bourbousse de Laſforè, docteur en médecine. In 8% de 13 Paris 1847. Teuilles ½. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 98. (Nr. 10. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Agaſſiz, zoologiſche Beobachtungen. — Aſchen. — Mifcellen. 1 Salzzuſaß zum Viehfutter. Vogel d. j., über das Vorkommen der Kieſel⸗ und Thonerde in den vegetabiliſchen Ebelmen, künſtlicher Hyallt und Hydrophan. — Heilkunde. Pruner, über elephantiasis in Agypten. — Miſcellen. Rudder, Schwimmblaſen von Fiſchen zum Einnehmen des Leberthrans. Eifenchanur gegen die Aſkariden. — Bibliographie. Naturkunde. XIX. Zoologiſche Beobachtungen. Von Louis Agaſſiz. In einem Briefe au Alexander v. Humboldt, aus Boſton vom 30. Sept. 1847 datirt, berichtet der Verf. über einige feiner neuern Forſchungen. No. 19 der Comptes ren- dus von 1847 giebt einen Auszug dieſer Mittheilungen. Zuerſt ſpricht der Verf. über die Entwicklung der Ten— takeln bei den Aetinien und die Symmetrie in den Organen dieſer Thiere. Junge Aetinien, die er aus Eiern zog, wa— ren bis zu ihrem Haftfuße herab fünfeckig und hatten nur 10 Tentakel. Ihre Hauptkörperhöhle ward durch 10 ver— tical geſtellte Fächer abgetheilt, der Magen befand ſich über dieſer Körperhöhle, in welche er mit einer weiten Offnung mündete. Eine junge Aetinie gleicht fo einem Alcyonium, nur mit dem Unterſchiede, daß hier, ſtatt 8 verticaler Strei— fen, 10 tief in das Innere hineinragende Scheiben vorkom— men, die den 10 Tentakeln des Umkreiſes entſprechen. Genannte Scheiben find musculös, fie bedingen gemeinſchaft— lich mit den Kreisfaſern der Oberfläche die mannigfachen willkürlichen Formveränderungen dieſer Thiere. Die Eier— ſtöcke und Teſtikel, welche an dieſen Scheiben aufgehängt find, entwickeln ſich frühzeitig; die nunmehr neu entſtehenden Tentakel erſcheinen zuerſt als Ausſtülpungen des Umfanges vor und zwiſchen den ſchon vorhandenen; ſo angelegt, ver— längern ſie ſich in verticaler Richtung, noch ferner einen Vorſprung bildend, aus dem eine Lamelle wird. Die neu entſtandenen Tentakel zeigten, wie das ganze jugendliche Thier, deutliche Falten und Muskeln, durch deren Con— traction fie entſtanden waren. Die Hauptkörperhöhle iſt mit Waſſer erfüllt, das durch den Mund und zahlreiche mikroſkopiſch kleine Offnungen, die in verticalen Reihen am Körper herablaufen, eindringt und durch dieſelben Löcher No. 2078. — 978. — 98. oder durch die Tentakel wieder ausgeſchieden wird. Die verdauten Stoffe miſchen ſich mit dieſem Waſſer und kön— nen, da der Mund, Magen und die Tentakel nach Belieben geſchloſſen werden können, längere Zeit in der Körperhöhle verweilen, ehe ſie mit dem Waſſer ausgeworfen oder durch neues Waſſer verdünnt werden; die Körperhöhle verſieht demnach hier die Verrichtungen des Circulations- und Re— ſpirationsapparates. Dieſelbe Aetinie (A. Daevisii) legte Eier, brachte aber auch hie und da lebendige Junge zur Welt, die ihrem Entwicklungsſtadio nach den vor einigen Tagen den Eiern entkrochenen glichen; auch die gelegten Eier ſind in ihren Entwicklungsſtufen verſchieden; wir haben ſomit in dieſer Actinie ein Thier, das gleichzeitig Eier und lebende Junge zur Welt bringt; dasſelbe ſcheint auch von den übrigen Aetinien zu gelten. Ferner ſah der Verf. eine Lucernaria mit 8 Augen, welche in ihrem äußeren Baue den Augen der Echinodermen und Meduſen glichen und in Ausſchnitten in der Mitte der Tentakelbündel lagen. Darauf kommt der Verf. zu der Madreporenplatte der Aſterien, deren Bau und Zweck er erkannt zu haben glaubt. Indem er die Circulation der Seeigel und die Weiſe, auf welche das Waſſer in ihre Körperhöhle gelangt, zu ermit— teln wünſchte und alle bisherigen Arbeiten über dieſen Gegenſtand durchging, fand er, daß ſchon Tiedemann ein Waſſerſyſtem, das den Mund umgiebt und mit den im In— nern gelegenen Bläschen oder Branchien und den Saug— näpfen der Tentakel in Verbindung ſteht, erkannte, aber die Offnungen, durch welche dies Gefäßſyſtem ſein Waſſer von außen empfing, nicht nachgewieſen hatte. Beim Inji— ciren der Gefäße oder sinus, welche ſich längs des Madre— porencanales befinden, vom Herzen aus, bemerkte der Verf. bald, daß der Hauptmundring (anneau buccal principal) 10 147 nicht erfüllt ward, ſich vielmehr am Ende des Madreporen— canales eine häutige Ampulle befand, die mit dem Canale zu communiciren ſchien. Sie injicirend, ſah der Verf. von ihr die färbende Maſſe nicht nur in das Mundgefäß, ſon— dern auch in die im Innern des Körpers gelegenen Bläschen und in die Bewegungstentakel aller Ambulaker dringen. Der Verf. wiederholte die Injection von der obern Seite des Madreporencanals her mit gleichem Erfolge und bemerkte dabei, daß die mikroſkopiſchen Poren, mit denen die Madreporen— platte überſäet iſt, ſich in den Kalkeanal öffneten und jo ein Sieb bildeten, durch welches nur das reinſte Waſſer in dieſe Kalkeanäle und die häutigen Waſſergefäße, welche den Mund umgeben und eben ſo in die Bläschen und zu den Tentakeln der Ambulaker gelangen könne. Der mus— culöſe Bau der Gefäßwandungen erklärt die Weiterbeför— derung des Waſſers ſeinem ganzen Verlaufe nach. Die gegliederten, von der Madreporenplatte zur Mündungsampulle verlaufenden Kalkeanälchen der Aſterien ſcheinen nur zum Schutze der häutigen Röhren beſtimmt, die ohne ſie bei der veränderlichen Körperform dieſer Thiere leicht beſchädigt wer— den könnten; ſie fehlen den Seeigeln, deren Sieböffnungen unmittelbar von der Madreporenplatte in häutige, nicht mit einer feſten Hülle verſehene Röhren führen. Das in die zur Bewegung beſtimmten Tentakel ge— langte Waſſer kann durch die Saugwarzen entlaſſen werden; dasſelbe ſtrömt durch ein abwechſelndes Zuſammenziehen der musculöſen Wandungen der Tentakel und der erwähnten im Körper befindlichen Bläschen hin und her; die Muskel— faſern der letzteren ſind denen der Harnblaſe analog an— geordnet. Zwiſchen den Platten der Ambulacralfelder bemerkt man überdies am Echinarachnius der Küſte von Maſſachuſets, an dem der Verf. zuerſt die vorigen Beobachtungen machte, an der inneren Seite der Ambulacralöffnungen ſchon bei einer etwa ſechsmaligen Vergrößerung ſehr kleine in regelmäßigen Reihen angeordnete Offnungen, mit denen nach innen häu— tige wie die Saugnäpfe retractile Röhren, welche mit durchbohrten Ampullen endigen, zuſammenhängen. Dieſe Offnungen mit ihren Röhren ſind namentlich in den Am— bulacralfeldern und an dem Umkreiſe zahlreich, in den Zwiſchenambulacralfeldern dagegen nur an der Peripherie vorhanden. Wenn ſich die Röhren ganz ausgebreitet haben, ſo überragen ſie die Borſten (Stachel) der Schale; ſie ſind in ungeheurer Anzahl über den ganzen Umkreis der Scheibe verbreitet und unterſcheiden ſich ſchon durch ihren röhrigen Bau von den Fußtentakeln, noch mehr aber dadurch, daß ſie ins Innere des Körpers führen. Tauſende dieſer Offnungen, den Porenreihen der Actinien entſprechend, führen das Waſſer in den Körper hinein und wieder heraus, und ſo haben wir ſowohl bei den Seeigeln als den Aſterien, zwei von ein— ander unabhängige Waſſergefäßſyſteme: das eine hat ſeine Offnungen in der Madreporenplatte und verſieht nur die zu ihr gehörenden Theile mit Waſſer, während die Offnungen der zweiten, ſich über den ganzen Körper verbreitend, die große Körperhöhle mit Waſſer verſehen. Beim Echinarach- nius dienen wunderbarer Weiſe gerade die eben genannten 98. V. 10. 148 Yafferröhren gleichzeitig als Bewegungsorgane, während die Ambulacraltentakel niemals die Peripherie erreichen. Je näher der Verfaſſer die Anatomie der Strahlthiere unterſuchte, je mehr Analogien traten ihm ſelbſt bei den im Außern noch ſo verſchiedenen Typen entgegen: ſo fand er auch bei den Aſterien einen der Kopflaterne der Seeigel analogen Apparat, ſogar dieſelben Muskeln und Sehnen kehren hier wieder; der ganze Apparat iſt indeß ſo beweg— lich und ſo durchſichtig, daß man ihn leicht mit den Wan— dungen des Schlundes verwechſelt. Zum Schluſſe gedenkt der Verf. noch ſeiner geologiſchen Forſchungen; er wie Hr. Deſor haben ſich aufs beſtimm— teſte überzeugt, daß America's Feſtland zur Zeit der errati— ſchen Zerwerfungen nicht höher als jetzt geweſen und hier, wie anderswo, keine Spur einer Schichtung zeigt; auf dieſen Boden hat ſich ſpäter eine an Meerfoſſilien reiche geſchichtete Decke, in der, wie zu ÜUddewalla, faſt lauter neue Arten vorkommen, abgelagert, noch ſpäter muß eine Erderſchütterung den Bo— den, der nunmehr von großen, jetzt ausgeſtorbenen Land— ſäugethieren, dem Mastodon giganteus u. ſ. w. bewohnt ward, wellenförmig bewegt haben. Die erratiſchen Erſchei— nungen gehören demnach nur einem Zwiſchenacte in der langen Reihe der vorgeſchichtlichen Erdſchwinguugen an, und ſo glaubt der Verf., daß fortgeſetzte Forſchungen in dem, Deluvium America's dermaleinſt das erſte Auftreten des Menſchengeſchlechtes nachweiſen werden. XX. Über das Vorkommen der Kiefel- und Ihon- erde in den vegetabiliſchen Aſchen. Von A. Vogel d. jüngern. Der Verf. erinnert zunächſt an das allgemeine Vor— kommen der Kieſelerde in faſt allen Pflanzen. In größter Menge in den Gramineen und Eaquiſetaceen enthalten, zeich— nen ſich namentlich die Knoten dieſer Gewächſe durch ihren Kieſelreichthum aus; aber auch bei andern Pflanzen ſind es vorzugsweiſe die Knoten, welche mehr Kieſelſäure, wie die übrigen Theile der Pflanze enthalten, und ſo vermuthete der Verf. auch im Brennholze, deſſen äſtige Theile immer ſchwieriger verbrennen, einen größern Gehalt an kieſelſauren Alkalien. Der Verf. trennte deßhalb von einem gefunden Buchen— ſtamme die Aſtknoten mit ihren Holzfaſern von den ſenkrecht verlaufenden Holzfaſern des Stammes, beide wurden für ſich geraſpelt und bei 100 getrocknet. 1 F des erſten Holzes hinterließ nach dem Verbrennen etwa 32 Gran Aſche, wäh— rend das andere nur 29 Gran lieferte; die Aſche des erſten enthielt 2,4 Gran Kieſelſäure, während die Aſche des aſt— loſen Holzes nur 1,32 Gran betrug. Somit enthält die Aſche der Theile, wo Aſte abgehen, 7 Procent, die parallel verlaufenden Holzfaſern des Stammes aber nur 4,5 Proe. Kieſel ſäure. Die Frage, ob die Pflanzen wirklich Thonerde aufneh— men, iſt noch immer nicht mit Sicherheit entſchieden, zwar will de Sauſſure in den Aſchen des Heidelbeer-, des 149 Tannen= und des Orangenbaumes 17 bis 28 Proc. Thon— erde gefunden haben; dieſe ungeheure Menge ſcheint indeß auf einem Irrthume der früheren Beſtimmungsmethode zu beruhen, indem die phosphorſauren Salze für Thonerde be— ſtimmt wurden, wogegen Berthier die letztere in ihnen nicht auffinden konnte. Für ſpätere Analyſen, wo de Sauſſure auf die phosphorſauren Erden Rückſicht genom— men, nimmt er ſelbſt nur Spuren von Thonerde an. Bis jetzt hat man nur in den Aſchen der Flechten Thonerde ge— funden, und auch dieſe Angaben find nicht fo ganz zuserläſſig, indem die gefundene Thonerde wahrſcheinlich dem anhängen— den Boden gehörte. Der Verf. benutzte eine Anzahl im botanifchen Garten gewachſener Pflanzen, um dieſe Frage zu entſcheiden; zur Vermeidung der anhängenden erdigen Theile ſchnitt er die— ſelben in einer bedeutenden Höhe über den Wurzeln ab, äſcherte fie ein und beſtimmte die Thonerde, indem er die in Waſſer unlöslichen Aſchenrückſtände mit Salpeterſäure behandelte und die erhaltene Löſung mit überſchüſſigem Am— moniak präcipitirte. Der gemiſchte, aus phosphorſauren Erden, Eiſenoryd und Thonerde beſtehende Niederſchlag ward darauf mit chemiſch-reiner Atzkalilöſung gekocht, die Löſung filtrirt und mit Salmiak verſetzt, wodurch ein gelatinöſer Niederſchlag entſtand. Dieſe Reaction entſchied für das Vorhandenſein der Thonerde; dagegen zeigte eine genaue Unterſuchung des Niederſchlages ſelbſt, daß ihm die der Thonerde zukommenden Eigenſchaften fehlten. Vor dem Löthrohre ſchmelzbar, gab er mit ſalpeterſaurer Kobaltlöſung befeuchtet, ein blaues Glas, aber kein ſo gefärbtes Pulver; der friſche Niederſchlag war in Kalilöſung unlöslich, wäh— rend ſich reine Thonerde bekanntlich auflöſ't. Die geringe Menge dieſes Niederſchlages, ſelbſt bei einem Aufwande von mehreren Pfunden Aſche, machte eine genaue Beſtimmung ſeiner Zuſammenſetzung unmöglich. So konnte der Verf., obgleich er faſt von allen Pflanzen mehr als ½ @ Aſche zur Ana— lyſe verwandte, danach das Vorkommen der Thonerde nicht mit abſoluter Gewißheit nachweiſen; die von ihm benutzten Pflanzen waren folgende: Delphinium montanum, Eupato- rium purpureum, Sylvium connatum, Poeonia peregrina, Elymus sabulosus, Heracleum villosum, Symphytum asperri- mum, Pyrus spectabilis, Sambucus nigra, Nepeta nuda, Zea mays, Vitis vinifera. Der leichte durch Chlorammonium aus der alkaliſchen Löſung gefällte Niederſchlag enthält jeder Zeit Eiſenoryd, phosphorſauren Kalk und Kieſelerde; vergleichende Verſuche bewieſen die Löslichkeit der genannten Stoffe in Kalilauge; kochte man fie mit der letzteren, jo erhielt man auf Zuſatz von Ammoniumchlorid jeder Zeit ein, ſowohl ſeinem äußern Anfehen als feinem chemiſchen Verhalten nach dem aus den Pflanzenaſchen gewonnenen Niederſchlage vollkommen ent— ſprechendes Präcipitat. Darnach iſt es wahrſcheinlich, daß da, wo man in Pflanzenaſchen wirklich Thonerde gefun— den, dieſelbe den anhängenden Bodentheilen angehörte, da— gegen im Ebenholze und Lignum sanctum den erwähnten gemiſchten Niederſchlag, aber keineswegs Thonerde fand. Zwar könnte es, wie der Verf. bemerkt, wunderbar 98. V. 10. 150 erſcheinen, daß ein in ſeinen Salzen ſo allgemein verbreite— tes Element, wie die Thonerde, nicht von den Pflanzen aufgenommen wird; das Verhalten derſelben zu den Löſungs— mitteln erklärt indeß dieſen Umſtand genügend. Während der kohlenſaure Kalk durch überſchüſſige Kohlenſäure in Waſſer löslich wird, bleibt die Thonerde ungelöſ't; nur in Ammoniak oder auch Ammoniakſalze enthaltendem Waſſer iſt fie nach Malaguti's und Durocher's Verſuchen in beträchtlicher Menge löslich. Nun enthält aber nach Lie— bigs Angaben fandiger Boden deutlich erkennbare Mengen von Ammoniakſalzen, und dennoch hat man die Thonerde bis jetzt nicht in wahrnehmbarer Menge in den Pflanzen nachweiſen können. Zur Entſcheidung dieſer Frage hat der Verf. Verſuche im Großen angeſtellt, indem er verſchie— dene Sämereien in reine Thonerde ausſäete und die jun— gen Pflanzen regelmäßig mit einer ſehr verdünnten Auf— löſung von kohlenſaurem Ammoniak begoß. Sobald dieſe Pflanzen ſo hoch geworden, daß ſie hinreichend Aſche für die Unterſuchung liefern können, verſpricht der Verf. die Reſultate der durch ſie gewonnenen Analyſen mitzutheilen. (L’Institut 1847, No. 727.) Miſcellen. 24. Der Salzzuſatz zum Viehfutter hat ſich, nach Bouſſingault's fortgeſetzten Verſuchen, wohl günſtig auf die allgemeine Entwickelung des Viehes bewieſen, auf ihre Gewichts— zunahme indeß keinen großen Einfluß gehabt. Schon die von an— deren unternommenen, ſich widerſprechenden Beobachtungen von kürzerer Dauer zeigen, wie nur lang fortgeſetzte Verſuche hierüber entſcheiden konnten; Bouſſingault's Reſultate waren nach Verlauf von 13 Monaten die folgenden: Gewicht zu Gewicht am Junahme \ e ee Anfangeves Ende des⸗ a en Gewichtszu⸗ nahme auf 100 Kil. Heu Verſuches. jelben. nate. berechnet. Abtheil. No. 1, welche Salz 434 Kil. 950 K. 516 K. 7178 K. 7,19 K. bekommen. Abtheil. No. 2, 1 0 die kein Salz 407 = 855 452 = 6615 ⸗ 6,83 = erhalten. Nach diefen Zahlen hat die täglich verabreichte mittlere Quantität des Heues, für die Abtheilung No. 1 18,2 Kilogr. betragend, täg— lich eine Gewichtsvermehrung von 1,309 Kil. bewirkt, während die Abtheilung No. 2, bei gleicher Futtermenge, nur um 1,243 Kil. zunahm; ein Gewichtsunterſchied von 66 Grammen, der kaum den Werth der täglich verabreichten 102 Grm. Salz erſetzen würde. War nun die Wirkung des Seeſalzes auf die Gewichtszunahme lange nicht ſo bedeutend, wie man vermuthet hatte, ſo zeigte ſich doch ſein günſtiger Einfluß auf das allgemeine Wohlbeſtnden der Thiere in entſchiedener Weiſe. In den erſten Monaten des ver⸗ gleichenden Verſuches läßt ſich zwar nur ſchwer ein Unterſchied bemerken, nach 6 Monaten war er aber ſehr in die Augen fallend; das Haar der zur zweiten Abtheilung gehörenden Thiere ſtand ſperrig und verworren, während die Behaarung bei der erſten Abe theilung ſchlicht und glänzend erſchien. Im elften Monate war das Haar der Abtheilung No. 2 zerzauſ't, das Fell zeigte ſogar hie und da ganz kahle Stellen, während die Abtheilung No. 1 ihr glattes Anſehen behielt; die Thiere dieſer Abtheilung waren ſehr munter und zeigten große Luft zur Begattung, während die, denen das Salz entzogen war, träge und ſchläfrig umherſchlichen. Ohne Zweifel wird das mit einem Salzzuſatze gefütterte Vieh am Markte viel geſuchter fein. (Institut 1847. No. 725.) 10.2 151 25. Künſtlicher Hyalit und Hydrophan ward von Ebelmen durch Verdunſten des Kieſelſäureäthers (ether silicique) an feuchter Luft, ſowohl im durchſichtigen als opaliſirenden Zu⸗ ſtande, erhalten; durch Zuſatz von Farbſtoffen, in Alkohol gelöß't, wurden verſchiedene Färbungen hervorgebracht. Goldchlorür be— wirkte eine dem Topas ähnliche gelbe Färbung; einige Zeit der Einwirkung des zerſtreuten Lichtes ausgeſetzt, ſchied ſich inmitten der ſtarren Maſſe das Gold in metalliſch-glänzenden Blättchen aus, und das Product erhielt das Anſehen des Aventurins; nun— mehr dem directen Sonnenlichte ausgeſetzt, trat ein Farbenwechſel in Blau, Violett und Roth ein, wobei die Durchſichtigkeit des Kunſtproductes unverändert blieb. Dieſe merkwürdige Erſcheinung kann einerſeits vielleicht die Entſtehung der natürlichen Aventurine erklären, und zeigt zugleich andererſeits, wie auch auf naſſem Wege durch Goldchlorür dasſelbe Roth des Kryſtallglaſes wie auf trocke— nem Wege zu erhalten ſei. Die meiſten dieſer künſtlichen Silicate erhärten ſehr langſam und trocknen nach und nach bis auf Ya, 98. V. 10. 152 ihres anfänglichen Volumens zuſammen. Die meiſten künſtlichen Hydrophane bleiben an feuchter Luft durchſichtig; auf 30 bis 40° erhitzt, werden ſie unter Waſſerverluſt opaliſirend, nehmen aber in feuchter Luft das verlorne Waſſer, 45 Proc. des lufttrocknen Hy⸗ drophans betragend, wieder auf und erlangen mit demſelben ihre Durchſichtigkeit wieder. Der trockene Hydrophan abſorbirt Chlor: waſſerſtoff, Schwefelwaſſerſtoff und Ammoniakgas in Menge, eine Eigenſchaft, die man wohl an poröſen, aber bis jetzt an keinem durchſichtigen Körper kannte. Die durchſichtige, aus Kieſeläther erhaltene Kieſelſäure ließe ſich mit dem Hyalite vergleichen, der weder doppelte Strahlenbrechung noch Rotationsvermögen beſitzt, derſelbe iſt indeß viel härter und beſitzt nur 10 Proc. Waſſer, während des Verf. Kunſtproduct 20 Procent enthält, jedoch beim längeren Liegen noch Waſſer zu verlieren ſcheint. Bei 115% wird es waſſerleer, aber gleichzeitig leicht opaliſirend; der Luft ausge— ſetzt, nimmt es zwar das verlorne Waſſer wieder auf, erhält aber ſeine Durchſichtigkeit nicht wieder. (L'Institut, No. 727. 1847.) Heilkunde. (XX) über elephantiasis in Agypten. Aus dem lehrreichen Werke des Dr. F. Pruner über die Krankheiten des Orients heben wir folgendes Capitel, als eine Probe, wie die Aufgabe durchgeführt iſt, hier aus: „Obwohl die elephantiasis, wenn man den Krank— heitsproceß im Entſtehen betrachtet, in der Mehrzahl der Fälle dem erysipelas ſich nähert, jo reiht fie ſich doch durch das geſetzte Product mehr an die Waſſerſucht. Auch bei dieſer Krankheit, welche man früher auf einige Punkte des Erdballes beſchränkt glaubte, hat ſich der Kreis der geo— graphiſchen Verbreitung bedeutend erweitert: man weiß jetzt, daß ſie in vier Welttheilen exiſtirt. Freilich ſind es ein— zelne Länderſtriche, welche vor anderen damit begabt ſind, wie z. B. die Küſte von Weſtafrica, von Malabar, Coro— mandel, Barbadoes, Agypten, Braſilien u. ſ. w. In Eu— ropa iſt es mehr der Süden, wo ſich die Krankheit findet. Daher war auch M. Aur. Severinus der Erſte, welcher fie auf europäiſchem Boden an der männlichen Vorhaut unter dem Namen Sarcoma mucosum an einem Neapolitaner erſtirpirte. Beiſpiele davon haben wir in der Lombardei, im ſüdlichen Frankreich, ja ſelbſt in Bayern geſehen. Jedoch find derlei Fälle nur ſeltene Erſcheinungen auf europäiſchem Boden. In Agypten dagegen iſt das Übel ungemein häufig, beſonders an den untern Extremitäten. Keine Menſchen— familie bleibt davon frei. Die Frauen leiden daran häufi— ger als die Männer. Vor dem Alter der Pubertät haben wir keinen Fall geſehen. Da der Elephantenfuß die häu— figſte Form iſt, ſo war es uns leicht, das Entſtehen und den Verlauf des Übels zu verfolgen. Es entſteht gewöhn— lich unter einem Gefolge von gaftrifchen Symptomen 3= bis Atägiges Fieber, wobei man ein Brennen, Spannen und Schwere an den unteren Extremitäten (beſonders der linken) verſpürt. Unterſucht man den ſchmerzhaften Theil, ſo findet man den Fuß rothlaufartig geſchwollen, wobei die Geſchwulſt auch gewöhnlich bis zur Hälfte des Unterſchenkels reicht, Am vierten Tage verſchwindet mit dem Fieber gewöhnlich die Röthe und auch ein Theil der Geſchwulſt, beſonders nach oben, während der Fußrücken in der Art eines Pol— ſters mit einem Einſchnitte an dem Fußgelenke aufgetrieben bleibt. Dieſer rothlaufartige Proceß wiederholt ſich in kür— zeren oder längeren Zwiſchenräumen, wobei ſtets der Um— fang und die Ausdehnung der Geſchwulſt ſich vermehrt, bis ſie den ganzen Unterſchenkel zu einem gleichartigen Cylinder umgeſtaltet hat, wobei der Fuß natürlich großentheils bedeckt, oft nur einen ganz kleinen Vorſprung bildet. Es bleibt jedoch bei den Weibern beſonders, welche der Sonne nicht ausgeſetzt ſind, die Haut oft vollkommen weiß, wobei man beim erſten Anblicke verſucht wird, das Übel für einen par— tiellen anasarca zu halten. Aber die Härte, die langſame und allmälige Bildung und die von Zeit zu Zeit auftretende Fieberregung mit dem Rothlaufe, und endlich die genau umſchriebene Form nebſt dem eigenthümlichen Anſehen der Geſchwulſt bilden insgeſammt, oder auch ſchon einzeln die hervorſpringenden Unterſcheidungsmerkmale. Denn manch Mal fehlt der Fieberproceß; es erſcheint keine beſondere Röthe, das Übel bildet ſich nicht ſtoßweiſe, ſondern allmälig — die Härte iſt auch weniger bedeutend; und es giebt da— her Formen, von denen zur ächten Waſſerſucht unmerkliche Übergänge Statt finden. In ſolchen Fällen bleiben die ganz örtliche, ſeit Jahren beſtehende Beſchränkung und das übrigens gute Allgemeinbefinden die einzigen Anhaltspunkte für eine genauere Diagnoſe. Häufig wird aber die Haut ganz beſonders in den Krankheitsproceß hineingezogen und entartet auf eine eigenthümliche Weiſe. Da jedoch dieſe Veränderungen beſtändig nur am Hodenſacke vorkommen, und dort ihre höchſte Ausbildung erreichen, ſo werden wir ſie ſpäter betrachten. Die Hypertrophie und Einkrümmung der Nägel haben wir auch bei der höchſten Entartung der Haut nur ſehr ſelten geſehen. Auf, ähnliche Art, wie an den unteren, bildet ſich auch das Übel an den oberen Er— tremitäten, an den weiblichen Schamlippen, an der Vorhaut 153 der Männer, an der clitoris; an der Unterlippe und im Geſichte ſahen wir es nur ein Mal. In Japan ergreift es auch den After, die Bauch- und Bruſtdecken und ver— läuft in einer mehr acuten Form. Vorhaut und elitoris erreichen dadurch ein bedeutendes Gewicht, bis zu 3 Pfund. Das Unglaubliche aber geht in dieſer Beziehung im männ— lichen Hodenſacke vor, an welchem die Krankheit unſeres Wiſſens am genaueſten beobachtet und mit dem beſten Er— folge behandelt wurde. Wir wollen ſie daher an dieſem Theile unſerer beſonderen Betrachtung unterziehen. Während wir ſelbſt noch bei der elephantiasis der Vor⸗ haut *) den Rothlaufproceß deutlich bei der Bildung beob— achteten, iſt uns dies am Hodenſacke nie gelungen. Freilich ſieht man derlei Kranke gewöhnlich erſt in ſpäteren Perio— den; jedoch haben uns dieſelben ſtets auf die Frage um derlei Erſcheinungen mit „Nein“ geantwortet. Die Krank— heit beginnt hier, ſo weit wir ſie in ihren Anfängen er— gründen konnten, mit einem harten Kerne unter der Haut, gewöhnlich am Grunde der linken Seite des Hodenſackes. In demſelben Grade als dieſer Kern an Ausdehnung nach allen Richtungen hin gewinnt, verdickt und verhärtet ſich die bedeckende Haut und bekommt ein gefurchtes, rinnen— artiges, runzeliges und druſiges Anſehen. In dieſer erſten Periode fängt auch die untere Bauchgegend an, ihre Geſtalt zu ändern: fie verlängert ſich, während die untern Extremi— täten ſich zu verkürzen ſcheinen — eine Folge des Zuges, den die Geſchwulſt auf die Bauchhaut ausübt. Das männ— liche Glied vergrößert ſich ebenfalls in demſelben Maße. Sich ſelbſt überlaſſen wächſ't die Geſchwulſt fortwährend auf Koften der benachbarten Haut. Dieſe ſteigt vom Becken und der Bauchwand herunter, um zur Vergrößerung der Hodenſackgeſchwulſt beizutragen. Eben jo folgt die Überhaut des penis der Ziehkraft der Geſchwulſt in derſelben Rich— tung und ſtülpt ſich, von der Wurzel angefangen, nach unten um. Es nimmt daher dieſes Organ zuſehends an Länge äußerlich ab, bis es ganz in der Geſchwulſt verſteckt wird. Seine Hautſcheide hängt bloß um die Eichel an und bildet einen blinden Canal, deſſen Offnung ſich in der Mitte vorne an der Geſchwulſt befindet und eine Art von Fortſetzung an das äußere Ende der Harnröhre bildet. Die Hautſcheide des penis wandelt ſich dabei durch die Berüh— rung des Harnes in eine Schleimhaut um. Eine Art von Rinne läuft manch Mal von der Offnung dieſes Harneana— les bis nach unten an die Geſchwulſt. Auch hier finden ſich ſelten Aufſchärfungen in Folge der Berührung des Har— nes, ſondern es geht auch der angegebenen Richtung der Rinne nach die Umbildung in Schleimhautgewebe allmälig vor ſich. Erſt in ſpäteren Epochen laſſen die gezerrten, erweiterten und zerriſſenen Lymphgefäße an ihren Enden oder Wänden Lymphe durchſickern, welche die von den Schrift— ſtellern erwähnten Kruſten bildet. Wir haben ſie jedoch auch bei den höchſten Graden der Krankheit nicht beſtändig gefunden. Während dieſe ſichtbaren Veränderungen auf der „) Die Neger ſcheinen ganz beſonders Anlage au dieſer Form zu haben Wie betaunt ſind die wenigſten beſchnitten, und die Vorhaut iſt bedeutend länger bei ihnen, als bei anderen Menſchenfamilien. 98. V. 10. 154 Haut ſich bilden, ſchreitet natürlich die Ablagerung des Krankheitsproduetes von außen nach innen und von unten nach oben gleichmäßig fort. Wir betrachten die Entartun— gen in der Haut vielmehr als Folge des im Zellengewebe fortſchreitenden Krankheitsproceſſes. Die Geſtalt der Ge— ſchwulſt ändert ihre Form nach den Umſtänden und äußeren Verhältniſſen; jo z. B. bleibt fie glatt, wo die Schenkel ſie berühren und wo ſie hinten aufliegt. Sie iſt nach oben immer enger und hängt an einer Art von Stiel: gewöhn— lich iſt ſie im Anfange rund und wird ſpäter birnförmig. — Die anatomiſch⸗pathologiſche Unterſuchung ſolcher Geſchwülſte giebt folgende Reſultate: Die Haut iſt beſonders nach un— ten und vorne verdickt, dabei von kleinen Rinnen durch— zogen, welche erweiterten Bälgen gleichen und von der Zurückziehung der Haarwurzeln herrühren. Drüſenartige Vorſprünge, entſtanden aus der Vergrößerung des Papillar— körpers, wovon einzelne Papillen verlängert und bis ½ Linie breit werden, geben vielen Stellen ein höckeriges Anſehen. Dieſe finden ſich beſonders an der Stelle, wo die Krankheit begonnen und folglich am meiſten vorgeſchritten iſt. Die Furchen, welche ſich dazwiſchen finden, wären alſo die Zwi— ſchenräume, welche im geſunden Zuſtande eine Papille von der anderen trennen. Bei Einſchnitten findet man gewöhn— lich die Fetthaut aufgerieben, und an deren Stelle, innigſt mit der Haut verwachſen, ein weißes, manch Mal auch gelb— liches Gewebe, welches frühere Schriftſteller mit dem Specke verglichen. Es iſt aber von der Härte des Seirrhus. Beim Drucke ſickert blaſſes Serum daraus hervor. Je mehr man von der Peripherie der Geſchwulſt nach innen vordringt, deſto mehr wird deren Gewebe weich, und ganz in der Nähe der Hoden findet ſich nur mehr eine gelbliche, dem Eiweiß ähnliche Sulze. Dieſe Verminderung der Cohäſton iſt nicht gleichmäßig an allen Punkten. Denn man findet hie und da im Innern der Geſchwulſt Höhlen mit jener Sulze ge— füllt, und häutige Brücken, welche damit getränkt und leicht zu zerreißen ſind; manch Mal auch wahre Bälge. Die ganze Maſſe der Geſchwulſt enthält mehr oder weniger feſtes und flüſſiges Eiweiß. Die Hoden ſind, wie geſagt, von einer äußerſt weichen Maſſe umgeben; ja ſie ſchwimmen manch Mal im Serum. Alle dieſe Gewebe ſind auffallend blutleer. Die durch die Geſchwulſt ausgeübte Zerrung macht, daß die Samenſtränge ſich verlängern, ohne jedoch je bis auf den Grund der Geſchwulſt herabzureichen. Die tunica fibrosa iſt ausgedehnt und verdickt. Zwiſchen ihr und der Schei— denhaut mehr oder weniger dichtes Serum von Zellenbrücken durchzogen. Der vorzüglichſte Sitz der Krankheit iſt immer das Zellengewebe unter der Haut. Die tunica vaginalis ift verdichtet, wenn zu gleicher Zeit Hydrocele ſich findet, was nicht ſelten der Fall iſt; eben ſo, wenn der Hoden in eine eiterſchleimige Flüſſigkeit entartet iſt, wie wir unter zehn Fällen ein Mal ſahen. Gewöhnlich findet ſich in 5 Fällen ein Mal die Complication mit Inguinalhernie. Das Gewicht ſolcher Geſchwülſte beträgt von wenigen Pfunden in ſeltenen Fällen bis 120 Pfund. Auf ähnliche Art verhält es ſich mit den Geſchwülſten an andern Stellen des Körpers: an den Extremitäten werden die unterliegenden Muskeln durch 155 den Druck atrophiſch. Die Clitoris-, Schamlippen- und Vorhautgeſchwülſte ſind meiſt durch und durch hart und zeigen gewöhnlich ebenfalls jene drüſenartigen Vorſprünge. Nur bei der elephantiasis der Ertremitäten haben wir manch Mal die Entzündung der Lymphgefäße in der Nachbarſchaft nach oben bemerkt; nie aber bei derſelben Krankheit am Hodenſacke. Wir nehmen daher keinen Anſtand, in Bezug auf den Krankheitsproceß folgende Anſichten, als der Natur ziemlich nahe kommend, zu betrachten und hinzuſtellen: Die ele- phantiasis iſt eine Krankheit der Lymphgefäße des Zellen— gewebes und der Haut, urſprünglich gewöhnlich in entzünd— licher Reizung derſelben beſtehend, wobei in der Folge die Ausſchwitzung über die Aufſaugung das Übergewicht erhält. Sie unterſcheidet ſich in gewiſſen Formen nur durch die größere Gerinnung des abgeſetzten Eiweißes von dem hy- drops, wozu in den anderen, mehr ausgebildeten, die ent⸗ zündliche Reizung ſich geſellt. Was bereits am Eingange dieſes Capitels geſagt wurde, findet hier beſonders ſeine Anwendung in Bezug auf die Atiologie. Dieſelben Urſachen, welche in niederen am Ufer des Meeres oder großer Flüſſe gelegenen Gegenden das lym— phatiſche Temperament entwickeln und die Lymphkrankheiten als endemiſche und epidemiſche erzeugen, äußern ihre Wirk— ſamkeit bei der elephantiasis. Aber könnte man entgegnen: Warum beſitzt Holland unter ähnlichen Verhältniſſen die elephantiasis nicht? Weil der Menſch nicht bloß in der genannten, ſondern auch in jeder andern Beziehung von der ihn umgebenden Natur nicht zu trennen und gleich den übrigen Erzeugniſſen im geſunden und kranken Zuſtande ein Wiederſchein derſelben iſt. Dieſes Geſetz zeigt ſich in der Uppigkeit der ägyptiſchen Pflanzennatur eben jo wie in der thieriſchen Fruchtbarkeit und den wuchernden krankhaften Gebilden, beſonders in der Form von Geſchwülſten jeder Art. Wie in der Pflanzenwelt ſich ein Mangel an höher gebilde— ten aromatiſchen Stoffen bei einem Vorherrſchen wäſſeriger und albuminöſer Beſtandtheile ausſpricht, To iſt das ſelbe auch in der Thierwelt bis zu den krankhaften Zuſtänden des Menſchen erkennbar. Ahnliche Verhältniſſe finden ſich in allen Ländern, wo die elephantiasis endemiſch auftritt. Wenn auch dieſe Art der Betrachtung kein ſtrenger Nachweis über den Zuſammenhang der genannten Erſcheinungen iſt, ſo zweifeln wir doch nicht, daß in ihr die Grundbedingungen zur Erforſchung der Atiologie der Lymphkrankheiten im all— gemeinen, und der elephantiasis insbeſondere enthalten ſeien. Die Verkettung aber zu löſen und zu durchſchauen, iſt ſpä— teren Zeiten aufbehalten. Keine Völkerfamilie und kein Stand bleibt von der elephantiasis verſchont, während die lepra vorzugsweiſe das Erbtheil der ärmeren Volkselaſſen iſt, weil fie nicht bloß etwa ein Übermaß an Lymphe, Ei⸗ weiß u. ſ. w. vorausſetzt, ſondern eine durch die Nahrungs— weiſe qualitativ veränderte Beſchaffenheit der ſogenannten weißen Säfte zu ihrer Bildung erfordert. Die erregenden Urſachen der elephantiasis ſind ſehr häufig Verkältungen und örtliche Reize; dieſe können mehr dynamiſcher Natur oder bloß mechaniſche Einwirkungen, wie z. B. Stoß, Schlag, 98. V. 10. 156 Druck u. ſ. w., ſein. In der erſten Beziehung iſt beſonders zu bemerken, daß wir bei allen, welche am Hodenſacke oder an andern Stellen der Geſchlechtstheile an elephantiasis lit⸗ ten, immer das frühere Vorhandenſein von syphilis ent⸗ deckten. — Mögen aber bei dieſer Krankheit die pathologiſchen Forſchungen bis zu einem gewiſſen Grade befriedigend ſein, ſo iſt dasſelbe keineswegs mit der Therapie — ſo weit ſie nicht auf operatigem Wege einſchreitet — der Fall, beſon— ders wenn das Übel ſchon etwas weit gediehen iſt, und die Entartung der Haut begonnen hat. Wir haben während der Anfälle in den früheren Stadien an die Geſchwulſt Blutegel geſetzt; auch während der Remiſſion uns öfters dieſes Mittels bedient. Die emeto-cathartica wurden häufig während der Rothlaufflurion nöthig. Die methodiſche Ein— wickelung mit und ohne ſtimulirende und adſtringirende Flüſſigkeiten wurde allmälig zur Compreſſion an Theilen geſteigert, wo die Lageverhältniſſe derſelben es geſtatteten. Merkur und Jod endlich ſind innerlich und äußerlich häufig von uns kürzer oder länger verſucht worden. Wir müſſen bekennen, daß alle die angegebenen Mittel, zur gehörigen Zeit und mit Ausdauer angewandt, in der Art wirken, daß ſie leichte, im Entſtehen begriffene Fälle heilen und ältere, wo die Haut noch nicht lederartig verdickt iſt, immerhin bedeu— tend beſſern: allein weitere Reſultate haben wir davon nicht geſehen. Merkur namentlich nützt bei vorgeſchrittener Krank— heit gar nichts, und Jod nur wenig. Es iſt auch begreif- lich, daß da, wo die abſorbirenden Gefäße (Venen hier eben ſo wohl als Lymphgefäße) verſtopft und verödet, und ein faſt ſeirrhusartiges Product geſetzt iſt, die Aufſaugung ges radezu unmöglich wird. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als das Übel im Entſtehen zu überwachen und mit gehöriger Energie zu bekämpfen, und das vornehmſte Augen— merk auf die Verbeſſerung oder Veränderung der Conſtitu— tion zu richten, wozu freilich Land- und Luftwechſel, wenn es die Verhältniſſe erlauben, am ſchnellſten und ſicherſten führen. Die ausgebildete, unheilbare Elephantengeſchwulſt fordert die Entfernung mit dem Meſſer, was ſo ziemlich an allen Theilen des Körpers — die Extremitäten ausgenommen — nicht nur möglich, ſondern in der That geſchehen iſt. Die dabei zu beobachtenden Regeln ſind dieſelben, wie bei der Erſtirpation jedes abnormen Productes. Es iſt alſo überfluͤſſig zu erwähnen, daß von demſelben nichts zurück bleiben darf, und daß auch die entartete Haut, was freilich oft ſchwieriger, ſo viel als möglich zu beſeitigen iſt. Da die Operation der Elephantengeſchwulſt am Hodenſacke unter unſeren Augen auf ägyptiſchem Boden zur höchſt möglichen Vollkommenheit gediehen iſt, ſo wollen wir das Wiſſens⸗ wertheſte darüber in Kürze anführen, um ſo mehr, da die— ſelbe auch in unſern Händen ſtets vollkommen gelungen. 8 Die Operation der elephantiasis seroti iſt einfacher oder zuſammengeſetzter, je nachdem das männliche Glied noch frei liegt, oder bereits in der Geſchwulſt verſchwunden iſt. Im erſten Falle, nachdem der Kranke in dieſelbe Lage wie beim Steinſchnitte gebracht iſt, wobei die Geſchwulſt gehörig un— terſtützt und der penis nach oben zurückgebogen wird, werden 157 vom Ende der Scrotalraphe, wo fie die Wurzel des penis berührt, gegen den Afterrand hin an dem obern Theile des scrotum zwei ſeitliche halbmondförmige Einſchnitte gemacht, welche die beiden elliptiſchen Lappen bezeichnen, die, mit ge— höriger Sorgfalt abgelöſ't, den künftigen Hodenſack bilden. Nachdem dieſe beiden Lappen gebildet, werden durch Ein— ſchnitte an jeder Seite, im rechten Winkel von den Lappen nach unten laufend, und durch ſorgfältige Trennung der unterliegenden Gewebe, die Hoden und Samenſtränge frei gelegt, die allenfallſigen Complicationen, z. B. Waſſerbruch, entfernt, ſodann alles, was von der Geſchwulſt im Mittel— fleiſche ſitzt, ſorgfältig und genau ausgelöſ't, womit die ganze Maſſe abfällt. Einzelne Ausſchälungen am Grunde des penis ſind manch Mal dann erſt noch erforderlich. Die Arteriolen werden nach Umſtänden torquirt oder unterbunden, die Hoden und Samenſtränge, welche unterdeſſen in ein warmes, mit Schleim befeuchtetes Tuch gehüllt, auf der Bauchwand lagen, werden nunmehr herunter geführt und in die beiden ſeitlichen Lappen gehüllt, welche mit Nähten, Heftpflaſtern u. ſ. w. in die genaueſte Berührung gebracht und darin erhalten werden; die Ligaturen hat man in den hinteren Wundwinkel in Sicherheit gebracht. Iſt aber das Glied bereits in der Geſchwulſt verſchwun— den, dann hat die Operation aus mehrfachen Momenten zu beſtehen. Dieſe find: die Bildung eines länglich -viereckigen Reſervelappens zur Bekleidung des Gliedes, die Bildung zweier elliptiſcher Seitenlappen, wie im erſten Falle zur Erzeugung eines künſtlichen serotum, die Ablöſung des Harn— canales oder der urſprünglichen Penisdecke, die Trennung der Hoden und Samenſtränge von der umliegenden Maſſe nebſt Entfernung der Complicationen, z. B. Inguinalbrüche, Hodenvereiterung, ſo dann die Ablöſung des Stieles der Geſchwulſt aus dem Mittelfleiſche mit der endlichen Beklei— dung der Hoden, Unterbindung der Gefäße, Vereinigung der Lappen u. ſ. w., wie im erſten Falle. Was nun zuerſt die Bildung des Reſervelappens anbelangt, ſo iſt es gut in folgender Art zu verfahren. Man zieht erſt mit Tinte auf der vorderen Fläche des Geſchwulſtſtieles zwei verticale Linien 5 Zoll lang in einem Abſtande von 4 Zoll und vereinigt dieſe unten mittels einer horizontalen Linie. Man löſe jedoch vorerſt von dieſem ſo gezeichneten Lappen nur die unteren 2 Dritttheile ab. Nun folgt nach der Bildung der elliptiſchen Serotallappen die Ablöſung des Gliedes nebſt ſeiner ur— ſprünglichen Scheide in der Art, daß man ohngefähr von der Mitte des Harncanales gegen die Schambeinfuge nach oben einen geraden Schnitt bis zum untern Rande des Re— ſervelappens führt. Dieſer Einſchnitt darf nicht von gleicher Tiefe in ſeinem ganzen Verlaufe ſein. Nach unten an der Ausmündung des Harncanales ſei er ſeichter, um dieſen nicht zu verletzen. Damit man aber auch nach oben deſſen Lage und Abſtand von der Hautfläche beurtheilen könne, führt man den Zeigefinger in denſelben, wo dann ein Gegendruck mittels des Daumens von außen leicht die Tiefe bezeichnet, bis zu welcher das Meſſer geführt werden kann, ohne ihn zu verletzen. Iſt mittels dieſer Vorſichtsmaßregeln der Harn— canal nach vorne frei gelegt, ſo wird er nach hinten und 98. V. 10. 158 ſeitlich mittels der Finger oder einem Spatel sc. von den umliegenden Geweben gänzlich getrennt, und endlich mittels des Meſſers die Hautbrücke an der Ausmündungsſtelle durch— ſchnitten. Hat man den Harncanal auf dieſe Art iſolirt und nicht ganz entartet befunden, ſo wird er über das Glied zurückgeſtülpt, und die zwei vorräthigen Dritttheile des Re— ſervelappens werden mit dem Meſſer entfernt, da nun der penis mit ſeiner natürlichen Hülle bedeckt an ihre Stelle zu liegen kommt, wo er ſpäter mit Nähten befeſtigt wird. Wäre aber die Haut des Harncanales ganz verengt und entartet, ſo müßte derſelbe abgetragen werden, und der penis erhielte eine künſtliche Decke aus dem genannten Reſerve— lappen, deſſen oberes Dritttheil nun ebenfalls frei zu legen wäre. Die übrigen Momente der Operation verlaufen wie im erſten Falle. Iſt ein Inguinalbruch vorhanden, ſo wird es gewöhnlich nöthig, nach Offnung des Bruchſackes und Rückführung des Bruches in die Bauchhöhle den Bruchſack zu unterbinden und unter der Schlinge abzuſchneiden. Daß vereiterte Hoden entfernt werden müſſen, iſt von ſelbſt klar. Der einzelnen Operationsfälle ſind bereits ſo viele veröffent— licht, daß wir es für überflüſſig halten, ihre Zahl zu ver— mehren. Nur die Complication mit dem Bruche macht den Erfolg der Operation einigermaßen zweifelhaft; jedoch ge— lingt auch hier die Heilung zwei Mal in drei Fällen. Es iſt nicht ſchwer, ſchon vor der Operation mittels der Per— cuſſion und beſonders Auſcultation die Gegenwart der Darm— brüche zu erkennen. Die Heilung hat am Hodenſacke ge— wöhnlich durch primitive Verklebung ohne Schwierigkeit Statt. Die Ligaturen fallen zwiſchen dem fünften und ſiebenten Tage, bis zu welcher Epoche unſere Operirten faſt durchaus abſo— lute Diät beobachteten. Die vorzüglichſten Schwierigkeiten ſtellen ſich am Winkel zwiſchen der Peniswurzel und dem vorderen Ende der Hodenlappen dar. Denn gewöhnlich bil— det ſich hier am Zuſammenfluſſe dreier Hautränder eine ge— ſchwürige, dreieckige Stelle, welche nur ſehr langſam vernarbt. Ein anderer Übelſtand iſt die Leichtigkeit, womit einzelne Stellen der wieder in ihre natürliche Lage gebrachten Penis— decke, welche früher als Harncanal diente, in Brand über— gehen, ein Umſtand, der ſich leicht erklärt, aber ſchwerlich je ganz verhüten läßt. Daher iſt die vollkommene Heilung ſolcher Operirten ſelten vor zwei Monaten gänzlich vollendet, dauert aber auch ſchwerlich je mehr als dier Monate. Wo einzelne Stellen der Haut unvermeidlicher Weiſe belaſſen und benützt werden mußten, ohne ganz geſund zu ſein, beſſert ſich deren Zuſtand nicht bloß während der Eiterung, Ver— narbung ꝛc., ſondern, wie wir uns öfters überzeugten, auch noch im Verlaufe der Zeit nach der Vernarbung. Wo wegen Entartung der urſprünglichen Penisdecke eine neue aus dem ſogenannten Reſervelappen gebildet werden muß, da bleibt freilich das Glied in der Folge immer etwas ver— dickt und behaart. Wenn man bedenkt, daß in dem erſten zu Paris operirten Falle die Operation über eine Stunde dauerte, daß noch im Jahre 1830 zu Alexandrien, in Gegen— wart einer medieiniſchen Commiſſion aus Frankreich, in vollkommener Rathloſigkeit wegen Verlängerung der Samen— ſtränge die geſunden Hoden entfernt wurden, wenn man 159 überhaupt die Gefchichte dieſer Operation kennt: jo kann man ſich nur freuen über dieſen neuen Triumph, den die wiſſenſchaftliche Chirurgie dies Mal auf africaniſchem Boden gefeiert, wobei Geſchwülſte von 1 Centner Gewicht in weni— ger als 10 Minuten entfernt und, wo nicht bedeutende Com— plicationen zugegen, innerhalb des angegebenen Zeitraumes zugleich die Rückführung der Theile auf ihren normalen Zuſtand vollendet iſt 5). Wenngleich unglücklich in ſeinem Ausgange ſteht fol— gender Fall doch ſo einzig in ſeiner Art da, daß wir ihn unmöglich mit Stillſchweigen umgehen können. Das Sub— ject der Beobachtung war ein Mann (Ali) aus Unterägyp— ten, 45 Jahr alt, kurzer Statur und phlegmatifchen Tem— peramentes. Seit fünf Jahren hatte ſich an der linken Hälfte des Geſichtes eine ſackartige, unten ſchlaffe, oben be— ſonders am eranium harte Geſchwulſt gebildet, welche in der Form eines faltigen Beutels 5 Zoll unter das Kinn herabhing, wobei das Ohr dem Kinne parallel lag. Eben ſo war die äußere Hälfte der Augenbraue in einem ſchiefen Winkel bis in die Höhe des Naſenläppchens herunter geſun— ken. Das Gewebe unter der Haut war hart, ſpeckig anzu— fühlen. Die Erſtirpation wurde im Sommer 1838 in fol— gender Art verrichtet. Ein Stück Haut von der Größe der Hand wurde in elliptiſcher Form in ſchiefer Richtung von oben und innen nach unten und außen entfernt, das Krank— heitsproduet, ganz wie bei der elephantiasis an anderen Stellen beſchaffen, ſowohl von dieſer Stelle als auch unter der übrigen Haut ausgeſchält und ſodann dieſe von unten nach oben erhoben und durch Nähte, Heftpflaſter u. ſ. w. befeftigt. Das Ohr, die Augenbraue und die Geſichtshaut hatten dadurch ganz ihre normale Stellung erhalten; nur „) Die Operation in der angegebenen Art wurde im September des Jah⸗ res 1832 von Dr. Gaetanibeh, gegenwärtig Leibarzt des Vicekönigs von Agypten, zuerſt an einem Kopten unter unſerer Aſſiſtenz verrichtet. Ihm folgten alle in Agypten thätigen Chirurgen: unter den Franzoſen Clotbey, unter den Italienern Graſſi, und außer uns Koch und Schledehaus unter den Deutſchen. 98. V. 10. 160 in der Gegend der parotis blieb einige Geſchwulſt. Die Vernarbung war ſo glücklich und raſch vor ſich gegangen, daß nach einem Monate kaum die Wundränder noch leicht näßten. Es war aber ſeit der dritten Woche eine Art hektiſchen Fiebers mit bedeutender Dyspnöe eingetreten, und der Kranke ſtarb am 40ſten Tage ungeachtet aller ange— wandten Mittel. Die Leichenöffnung wies pleuritiſches Ex— ſudat mit vereiterten Lungentuberkeln nach. Die parotis war etwas hypertrophiſch verlängert und eben ſo ider processus styloideus — durch den beſtändigen Zug der Geſchwulſt.“ Mi ſeellen. (22) Zum Einnehmen des Leberthrans braucht Dr. Rudder Schwimmblaſen von Fiſchen, z. B. von Gründlingen und andern Flußweißfiſchen, Flußbarſchen ꝛc.. Sie erſetzen mit Vortheil die Capſeln der Pharmaceuten, welche ſchwer zu bereiten und theuer find und viel weniger faſſen. Die Fiſch⸗ blaſen haben bekanntlich zwei ungleich große Abtheilungen, und an der verengerten Stelle laſſen ſie ſich leicht mit einer Scheere zerſchneiden. Durch die fo entſtandene Offnung führt man den Leberthran mittels eines gläſernen Spritzchens ein und ſchließt dann die Offnung mittels eines Seidenfadens, den man ſchon vorher um die Röhre des Spritzchens und die Blaſe gelegt hat und unmittel- bar nach dem Herausziehen derſelben durch einen Schleifknoten zuſammenſchnürt. So kann der Patient /, Ys, Ya, ja ½ Unze Thran auf ein Mal verſchlucken, ohne daß er das Geringſte davon ſchmeckt. Noch angenehmer nehmen ſich dieſe Blaſen ein, wenn man ſie mit Zucker beſtreut. In Alkohol laſſen ſich die Fiſchblaſen lange aufbewahren, ſo daß man ſie erſt zu füllen braucht, wenn man deren bedarf. (Gazette des Höpitaux, 27. Nov. 1847.) (23) Gifencyanur gegen die im Maſtdarme be⸗ findlichen Aſkariden hat ein Ungenannter ſehr wirkſam ge: funden. Er räth den Arzten, zuerſt eine Auflöſung von 5 Gran Berliner Blau in 2 Unzen Waſſer oder auch in Gummiarabicum⸗ ſchleim anzuwenden. Dem Waſſer giebt er, wenn die Schleimhaut des Darmes nicht entzündet ift, den Vorzug. Man injieirt dieſe Auflöſung in den Maſtdarm und hält ſie darin zurück. Das Kly⸗ ſtir wird täglich unter Verſtärkung der Doſis wiederholt; doch wird man in vielen Fällen mit ein Paar Doſen ausreichen. (Gazette des Höpitaux, 7. Dec. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Bessel, F. W., populäre Vorlesungen über wiss. Gegenstände. Hrsg. von H. C. Schumacher. gr. 80. Geh. 3 Thlr. Perthes- Besser u. Mauke in Hamburg 1847. Erichson, W. F., Naturgeschichte der Insecten Deutschlands. 1. Abth. 3. Bd. 5. Lfg. gr. 8%. Geh. ⅝ Thlr. Nicolaische Buchh. in Berlin 1847. Philippi, R. A., Abbildungen und Beschreibungen neuer Conchylien. III. Bd. 2. Lig. gr. 4°. Geh. 2 Thlr. Fischer in Cassel 1847. Pfeiffer, L., Abbildung und Beschreibung blühender Cacteen. II. 4. Lieferung. Imp. 4°. Geh. 1 Thlr., vollständig col, 3 Thlr. Fischer in Cassel 1847. Memoires de l’Academie des sciences, agrieulture, commerce, belles-lettres et arts du departement de la Somme. In 8% de 21 feuilles ½. Amiens 1847. Guttsche, C. M., J. B. G. Lindenberg et C. G. Nees ab Esenbeck „ Synopsis hepaticarum. Fasc. V et ultimus. gr. 8°. Geh. 1 Thlr. Schreibpapier 1½ Thlr. J. A. Meissner in Hamburg 1847. v. Siebold, Ph. F., Fauna Japonica. Animalia vertebrata, elabor. C. J. Temminck et H. Schlegel. Aves. Fasc. IV. gr. Fol. 8½½ Thlr. Lugduni Batav. Fr. Fleischer in Leipzig 1847. Herrmannsen, A. N., indieis generum malacozoorum primordia. Fasc. 8. gr. 8°. Geh. d Thlr. Fischer in Cassel 1847. Hertwig, C. H., Untersuchungen über den Übergang und das Verweilen des Arseniks in den Thierkörpern. gr. 8%. Geh. 4 Sgr. Th. Ch. Fr. Enslin in Berlin 1847. Bischof, G., Lehrbuch der chemischen und physical. Geologie. 2. Bd. 1. Lfg. gr. 8°. Geh. 1½ Thlr. Marcus in Bonn 1847. Recherches sur le groupement des atomes dans les molecules et sur les cau- ses les plus intimes des formes cristallines; par M. A. Gaudin, calculateur du bureau des longitudes. In 8° d'une feuille ¼, plus une pl. Paris 1847. Bihliotheque du médecin-praticien, ou Résumé general de tous les ouvrages de clinique médicale et chirurgicale , de toutes les monographies et moder- nes publies en France et à l’etranger, par une société de médeeins, sous la direction du docteur Fabre, redacteur en chef de la Gazette des Höpitaux. Ouvrage adopte par l'Université pour les Facultes de medecine et les eco- les preparatoires de médecine et de pharmacie du royaume, et par le mini- stere de la guerre, sur la proposition du conseil de sante des armees, pour les höpitaux d’instruction. Tome VI. In 8% de 42 feuilles, grand papier, ä deux colonnes. Paris 1847. (8 fr. 50 ct.) Traite des especes meconnues et curables des maladies chroniques, appelees fievre lente, affection nerveuse etc.; par le docteur Sallenave, medecin con- 1 Nh Puy- Paulin ä Bordeaux. In 8° de 13 feuilles /. Bordeaux On Indigestion, its Pathalogy and Treatment by the Local Application of uniform and continuous Heat and Moisture: with an account of an Improved Mode of Applying Heat or Cold in Initiative and Inflam- . Diseases. By James Arnett. 8%. (pp. 130, cloth 5 sh.) London 7. Craigie, D. — Elements of General and Pathological Anatomy; presenting a View of the Present State of Knowledge in these branches of Science. By D. Craigie, M. D. 2d edition, enlarged, 8°. (pp. 1088, cloth, 24 sh.) Edinburgh 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 99. (Nr. II. des V. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Auszüge aus einigen neueren Werken Alelde d'Orbigny's über foſſile und lebende Molluſken. — Miſcellen. Thwaltes, Con⸗ jugation der Diatomaceen. Die Nuß, aus welcher das braſil. Getränk Guarana gemacht wird. Ertrag drei verſchied. Kartoffelſorten. — Heilkunde. Hervleux, über erysipelas bei geneſenden oder im letzten Stadium bösart. Krankheiten. — Cuſack, Poplitäalaneurysma in vier Tagen durch Compreſ⸗ fion geheilt. — Miſcellen. Bette. — Bibliographie. Long, neues Operationsverfahren beim Ausreißen ins Fleiſch gewachſener Nägel. Bards ey, Heilung der Wadenkrampfe im Naturkunde. XXI. Auszüge aus einigen neueren Werken Al- cide d'Orbigny's über foſſile und lebende Mollufken. Unter den zoologiſchen Schriften, die ſich mit den Be— ziehungen der vorweltlichen Fauna zum Thierreiche der Jetzt— zeit beſchäftigen, nehmen die Arbeiten des Verf. unftreitig den erſten Rang ein. Indem er jede Gruppe der großen Claſſe der Molluſken der verſchiedenen geologiſchen Perioden mit den noch lebenden Thierarten vergleichend bearbeitete, gelangte er zu höchſt intereſſanten Reſultaten, deren wich— tigſte die Bibliotheque uuiverselle de Geneve in No. 22 von 1847 auszugsweiſe zuſammenfaßt, indem ſie vorzüglich d Orbigny's Paleontologie francaise, feine Palèontologie etrangere und ſeine Histoire de Mollusques vivants et fos- siles benutzte. Die geographiſche Verbreitung der Mollusken iſt, nach dem Verf., von beſonderer Wichtigkeit, weil man durch ſie, nach den für die jetzt lebenden Thiere geltenden Verbreitungs— geſetzen, auf die Geſchichte der verſchiedenen frühern Epochen des Thierreichs ſchließen kann, und wohl hatte nicht leicht jemand Gelegenheit, die geographiſche Verbreitung der leben— den Molluſken ſowie der Verf. zu ſtudiren, der feine Jugend am Geſtade des Meeres verlebte, der 7 Jahre lang das ſüdliche America bereiſ'te, und dem überdies die reichſten Sammlungen zu Gebote ſtanden. Das Studium der Landthiere hatte ihm gezeigt, wie die verſchiedenen Arten mehr oder weniger auf beſtimmte Temperaturzonen, durch welche jedoch die orographiſchen und photographiſchen Verhältniſſe des Landes nicht ohne Einfluß wären, angewieſen find; im allgemeinen nimmt mit der Entfernung von den warmen Zonen die Zahl der Arten ab. Dagegen zeigte ihm das Studium der im hohen Meere lebenden Thiere in Bezug auf die Cephalopoden, wie, abge— No. 2079. — 979. — 99. ſehen von zahlreichen, allen Meeren gemeinſchaftlich angehö— renden Arten, mehr als zwei Dritttheile jedem Meere eigen— thümlich ſind; aber auch für diejenigen, die in allen Meeren einheimiſch ſind und ſowohl am Cap Horn als am Cap der guten Hoffnung leben können, bildet die heiße Zone eine unüberſchreitbare Grenze, wie überhaupt eine Gleichheit der Temperatur mehr als alle übrigen Einflüſſe für die Verbreitung der Seethiere weſentlich iſt. Auch ihre Arten— zahl und Formenverſchiedenheit nimmt mit der Nähe der heißen Region zu, wovon ſelbſt die Pteropoden, die am wenigſten son der Temperatur abhängig find, nicht aus— genommen waren. Die geographiſche Verbreitung der die Küſten bewohnenden Molluſken iſt dagegen von dreierlei Einflüſſen: von Strömungen, von der Temperatur und von der orographiſchen Beſchaffenheit der Küſte, abhängig. So ſteht man die Molluſken der Küſte, durch Strömungen über ihren natürlichen Verbreitungsbezirk hinausgetrieben, bald ſich vom Lande entfernen, bald ein mehr nach dem Pole gelegenes Vorgebirge umſegeln und bald auch die Küſten der heißen Zone plötzlich verlaſſen, obſchon ſie eigentlich auf beſtimmte Gegenden angewieſen ſind. Dieſer Strömungen ungeachtet macht ſich der Temperatureinfluß auf die mehr oder minder ausgedehnte Verbreitung der Arten ſehr be— merkbar; dasſelbe gilt auch von der Beſchaffenheit der Küſte ſelbſt, die überhaupt für ihre Fauna ſehr wichtig iſt. Die drei genannten Einflüſſe können ſich nun wiederum auf zweierlei Weiſe, als Strömungen, welche zerſtreuen, zumal wenn ſie auf Arten, die von der Temperatur unabhängig ſind, einwirken und ſolche, die mit der Temperatur und Küſtenbeſchaffenheit gemeinſchaftlich die Arten auf mehr oder weniger ausgedehnte Grenzen beſchränken. Des Verf. Beobachtungen führten ihn zu folgenden, für die Paläontologie intereſſanten Schlüſſen. Zwei benachbarte, mit einander communieirende, nur 11 163 durch ein in der Richtung des Poles verlaufendes Vorge— birge getrennte Meere können ihre beſondere Fauna haben. Zu gleicher Zeit können ſich, nur durch die Temperatur veranlaßt, in einem und demſelben Meere und an der Küſte desſelben Landes nach den verſchiedenen Zonen auch ver— ſchiedene Molluſkenarten finden. Wiederum können Strömungen für dieſelbe Tempera— turzone und an den ſich nahe gelegenen Küſten desſelben Feſtlandes eine eigenthümliche Fauna veranlaſſen; jo kann ein Meerbuſen, welchen Strömungen vom benachbarten Feſt— lande iſoliren, feine beſondere Fauna beſitzen. Auch orographiſche Verhältniſſe können eine ganz oder doch theilweiſe von den benachbarten Küſten verſchiedene Fauna bedingen. 5 Wo man dagegen in einer ungeheuren Breitenausdeh— nung dieſelben Arten findet, darf man dieſe Verbreitung den Strömungen zuſchreiben. Identiſche Arten in zwei benachbarten Meeresbetten deu— ten auf eine directe Communication zwiſchen beiden. Auch der ſtärkſte dem Lande zugerichtete Wellenſchlag übt durchaus keinen Einfluß auf die Zuſammenſetzung der Küftenfauna. Nachdem der Verf. die geographiſche Vertheilung der lebenden Molluſken abgehandelt, geht er zu der Verbreitung der foſſilen Arten über, ſich auch hier auf feine vieljährigen Forſchungen in Europa und America ſtützend, indem er ſo zu wichtigen Schlüſſen für die chronologiſche Geſchichte der Thierwelt der Erde gelangt. Die Mollusken find, im allgemeinen genommen, nach der chronologiſchen Reihenfolge der Formationen von der einfacheren Form zur zuſammengeſetzteren fortgeſchritten. Zwar ſind viele Arten der alten Erdſchichten gänzlich verſchwunden und auch ſpätere, der Kreideformation gehörende, erloſchen, dafür hat ſich indeß die Artenzahl mit jeder Formation vermehrt, ſo daß die Kreide- und Tertiärſchichten eine Menge Arten, die in den ältern Lagen nicht vorkommen, enthalten; aber auch dieſe ſind wiederum von unſern jetzigen Meerbe— wohnern, deren Artenzahl aufs höchſte geſtiegen iſt, verſchie— den. Da ſich nun keine Übergangsformen finden, ſo ſcheint es, als wenn mit jeder geologiſchen Epoche eine Vernichtung der beſtehenden Molluſkenarten und ein Wiedererſtehen neuer Arten verbunden war. Die Molluſken find, nach den geologiſchen Epochen, in Zonen vertheilt; jede der Epochen iſt an der Erdoberfläche durch ihre beſondere, der Zuſammenſetzung nach jedoch iden— tiſche Fauna bezeichnet; die ſiluriſche, die devoniſche, die Kohlen-, Trias-, Jura-, Kreide-, Tertiär- und Diluvial- fauna ſcheinen über die ganze Erde dieſelben geweſen, und mit derſelben paläontologiſchen Phyſiognomie dieſelben gene— riſchen Formen beſeſſen zu haben. Aber nicht nur generiſche Formen, ſondern ſogar identiſche Arten beweiſen die voll— kommene Gleichzeitigkeit dieſer Formationsepochen. Dieſes gleichzeitige Daſein, dem man in ungeheuren Entfernungen von der erſten Thierſchöpfung an bis zu den unterſten Kreideſchichten begegnet, ſcheint durch eine ſich überall gleiche Temperatur und eine geringe Tiefe des Meeres 99. V. 11. 164 bedingt geweſen. Dieſe Verhältniſſe konnten jedoch nicht für immer ſo bleiben, da mit dem Erkalten der Erde ſich der Einfluß der Breitengrade auf die Temperatur fühlbarer machen, und überdies die ſich hebenden Länder und die in gleichem Maße tiefer werdenden Meere der Küftenfauna un— überſteigliche Hinderniſſe wurden. Aus dieſer Übereinſtimmung der verſchiedenen Forma— tionen, ſowohl in ihrer paläontologiſchen Zuſammenſetzung, als ihrer Fauna nach, ſchließt der Verf. auf allgemeine Urſachen, deren Einfluß ſich über die ganze Erde verbreitete und die verſchiedenen Formationen hervorrief. Das theil— weiſe oder totale Verſchwinden der jeder Formation oder gar jeder Schichtung angehörenden Thierwelt ſcheint dem Verf., nach feinen geologiſchen Beobachtungen in America, durch großartige Veränderungen der Erdoberfläche erklärlich, die beim Erkalten des Erdkernes durch Zuſammenziehung erfolgen und gewaltige Umwälzungen hervorrufen mußten. So mußte z. B. die Erhebung einer den Anden gleichenden Gebirgskette eine Revolution bewirken, die ſich ſowohl im Waſſer als zu Lande allgemein fühlbar machte: die Land— thiere ertranken im Meere, während die Seethiere auf dem Lande umkamen. Auch die durchaus verſchiedene Höhe der Küſtenpunkte des Oceans ſcheint durch dieſe Umwälzungen entſtanden zu ſein, welche die Trennung der Weſen nach Formationen und ihre Vernichtung mit jeder großen geolo— giſchen Epoche beweiſen. In dieſen allgemeinen Umwälzun⸗ gen der Erde, ihren Erhebungen und ſchwankenden Erſchei— nungen kann man ſomit die Urſachen der zahlreichen Thier⸗ ſchöpfungen, die ſich nach einander auf der Erdoberfläche folgten, erkennen. Wenn ſich dagegen noch jetzt an benach— barten Orten eine verſchiedene Fauna kund giebt und man keine Gebirgszüge findet, jo muß man andere, der Wiſſenſchaft noch unbekannte, Gründe annehmen, oder auch hier Erhe— bungen vermuthen, die durch ſpätere Senkungen wieder auf— gehoben wurden; überdies ſind uns nur die Gebirge als ſichtbare Beweiſe dieſer Erdumwälzungen bekannt, während uns die ungeheuren Tiefen fremd ſind und bleiben werden. Bis zur Kreideperiode überwog die ſpeeifiſche Wärme der Erde den Einfluß der Breite und der Polarkälte; bis zu dieſer Formation finden ſich daher, wie ſchon erwähnt, in allen Ländern dieſelben Thiere wieder; erſt von dieſer Zeit an entſtanden die verſchiedenen, ſich auf die geogra— phiſche Breite beziehenden, localen Faunen, die wir in den Tertiärſchichten finden, indem nunmehr die gleichförmige Verbreitung der Thierwelt der alten Formationen aufhörte. Nach der Lagerung der Schichten über einander und ihrer mehr oder minder deutlichen Trennung Durch Die ent: ſprechenden Thierarten nimmt der Verf. folgende Formation von der erſten Thierſchöpfung ab bis zur Jetztzeit an. Alteſte Thierformation. 1) Siluriſche Schicht; 2) Devoniſche Schicht; 3) Kohlenſchicht; 4) Permiſche Schicht; 5) Triasſchicht. 165 Juraformation. Unterer Lias, von der Zone der Gryphaea arcuata abwärts. Mittlerer Lies, von der Zone mit Gry- phaea cymbium bis zu Gryphaea arcuata. Oberer Lias, von Gryphaea cymbium aufwärts. (Unterer Oolith. Großer Oolith. \ Obere (Kelloway -rock). 3) Oxford⸗Schicht. Mittlere (Oxford - clay). | Untere (Coral-rag). Obere oder Kimmeridge-Schicht. Untere oder Portland-Schicht. 1) Liasſchicht. 2) Schicht von Bath. A) Kimmeridge⸗ Schicht. Krei deformation. 1) Neocomiſche (Neocomien. Schicht. Aptien. 2) Albifche- (Albien ou Gault) Schicht. 3) Turoniſche (Turoniſche oder chloritiſche Kreide. Schicht. Senoniſche oder weiße Kreide. Tertiär formation. ; icht (Unterhalb der Grobkalkſchichten. e Obere, Grobkalk und die oberen Lagen. 2) Subapenniniſche Schicht. 3) Dilusianifche In derſelben finden ſich nur noch jetzt Schicht. lebende Arten. Nach dieſen allgemeinen Betrachtungen des Verfaſſers hebt unſer Auszug noch einige, nicht minder intereſſante, ſpeciellere Thatſachen hervor; er macht hier zunächſt auf die verſchiedenen Zuſtände der foſſilen Conchylien aufmerkſam, die, je nachdem ſie gut oder ſchlecht erhalten ſind, den Be— obachter leicht täuſchen und, zwar nur Zuſtände einer und derſelben Muſchel, ihm als verſchiedene Arten erſcheinen kön— nen. Die Schalen dieſer Thiere, ſie mögen nun an dem Orte, wo ſie gelebt, begraben oder durch Strömungen hin— weggeführt ſein, kommen gemeiniglich ſtrichweiſe in den foſſtlen Schichten vor, und ſind nach ihrem geologiſchen Alter oder nach ihrem größern oder geringern Alter in den Schichten, ihrer Natur nach, mehr oder weniger verändert. So hat die urſprünglich aus kohlenſaurem und phosphor— ſaurem Kalk und thieriſchen Stoffen beſtehende Muſchelſchale zwar bisweilen noch etwas kohlenſauren Kalk behalten, den— noch aber ihr blättriges Gefüge und ihr urſprüngliches Anſehen verloren. Diejenigen mineraliſchen Stoffe, welche die frühern Beſtandtheile erſetzen, ſind: kohlenſaurer Kalk, Kieſelerde, Schwefeleiſen, Eiſenoxydhydrat, Eiſenoryd (als Oligiste in der Lias um Semur), ſchwefelſaurer Strontian, ſchwefelſaurer Baryt, ſchwefelſaures Bleioxyd und noch viele andere. Alle dieſe erſcheinen jedoch nur mit den ihnen eigen— thümlichen phyſikaliſchen Charakteren und laſſen von der frühern organiſchen Structur nichts mehr erkennen; haben 99, . 166 die Muſcheln dagegen nur ihre Natur (2) verändert, fo find ihnen alle ihre Charaktere geblieben und ihr Studium iſt ſehr erleichtert. Die in Thon, Mergel oder Kalk gebetteten Muſcheln, die ſpäter durch chemiſche Einflüſſe faſt gänzlich zerſtört und nur als hohle Räume übrig geblieben ſind, machen beſon— ders viele Schwierigkeit. Iſt die durch ſie entſtandene Höh— lung indeß gut erhalten, ſo laſſen ſie ſich einerſeits nach ihren Abdrücken und andererſeits aus ihrem Inhalte beſtim— men. Der Forſcher muß hier überhaupt durch künſtliche Mittel die Gattung- und Artcharaktere der Muſchel wieder herzuſtellen und durch Vergleichungen der Abdrücke mit dem Inhalte zum Ziele zu kommen ſuchen. Bei den Acephalen iſt eine einzige Schale, wenn ſie nur die äußere Seite und das Schloß zeigt, zur Beſtimmung hinreichend, aber nicht ſo iſt es bei den Gaſteropoden, vor allen aber bei den Bi— valven, wenn ſie geſchloſſen find und nichts als der ſoge— nannte Kern oder die innere Form zurückgeblieben iſt. In dieſem Falle, wo mit dem Schloſſe auch die meiſten übrigen Charaktere verſchwunden ſind, iſt eine Beſtimmung der Gat— tung oftmals ſchon ſchwierig; noch ſchwieriger wird dieſelbe aber, wenn auch die innere Form nicht wohl erhalten iſt; häufig können hier indeß die Abdrücke in den Geſteinen, mit den Überreſten des Thieres verglichen, aushelfen. Eine zweite Veranlaſſung zu Täuſchungen liegt in der verſchiedenen Conſervation oder in dem Verſchwinden gewiſſer Schichten der Muſchelſchale bei einer und derſelben Species, welche Modification ſowohl in den älteren als in den neueſten Formationen häufig vorkommt. Häufig verſchwindet z. B. die äußere Schalenlage und mit ihr die charakteriſti— ſchen Kennzeichen der Art; eine früher geſtreifte Mufchel erſcheint nunmehr glatt und umgekehrt. In ſolchen Fällen läßt ſich nun aus einer großen Zahl von Stücken ein ſiche— res Reſultat gewinnen. Dieſe Veränderungen der foſſilen Muſchel gehen noch weiter: an Cardium produetum von Vaucluſe fand der Verf. ſtatt der Spitzen und Höcker Eindrücke, noch häufiger die langen Spitzen auf Knötchen reducirt u. ſ. w. Noch be— merkenswerther find indeß diejenigen Modificationen, wo die blättrigen, äußeren Schichten der Muſchel im Geſtein erhal— ten ſind, während die innern faſerigen Schichten faſt gänzlich verſchwanden, und die man daher leicht für ganz andere Arten wie die, wo gerade die äußern Schichten verſchwunden ſind, halten kann. Eine dritte Irrthumsquelle, auf die der Verf. noch aufmerkſam macht, iſt der Zuſtand der Conſervation, in welcher ſich die Muſchel, ehe fie foſſilifieirt ward, befand. Noch täglich ſieht man eine Menge leerer Muſcheln am Strande zerſtörenden Einflüſſen preis gegeben oder doch mindeſtens von den Wellen abgenutzt werden; nun läßt ſich dasſelbe auch von der Vorzeit vermuthen, und wirklich findet man viele Formationsſchichten, deren Conchylien abgeſchliffen ſind und ſtatt geſtreift zu ſein, glatt erſcheinen. Auch die Formveränderung der foſſilen Conchylien kann häufig Täuſchungen über die Art der Muſchel herbeiführen; dieſe Veränderungen ſind von verſchiedener Bedeutſamkeit und if 167 auch nach den Claſſen der Weichthiere verſchieden; im alle gemeinen läßt ſich, nach dem Verf., folgendes darüber ſagen: Die Conchylien lagern ſich nicht, wie einige vielleicht glauben möchten, nach ihrer ſpeeifiſchen Schwere in den Erdſchichten, ſondern ganz in derſelben Weiſe, wie wir ſie noch heut zu Tage im Meere und an deſſen Ufern, oder in den neuſten, kaum vom Meere verlaſſenen, Anhäufungen finden. Die Bivalven liegen z. B. in einer großen Menge von Thon— und Kalkſchichten der älteren Formationen, in ihrer norma— len verticalen Stellung, die Seite der Tuben nach oben, den Mund nach unten gerichtet. Ferner ſind ſie entweder durch Strömungen hinweggeführt und als horizontale Bänke unter dem Waſſer abgelagert, oder am Ufer durch einander aufgethuͤrmt. Im erſten Falle finden ſich die Bivalden in der beſchriebenen, für ſie normalen Stellung; auch die Gaſte— ropoden ſind dann mit dem Munde nach unten gerichtet; im anderen Falle iſt ihre Lage unbeſtimmt und von ihrer Form abhängig; die glattejten, wie die Ammoniten und Bivalven, werden ſich horizontal und die übrigen in der für ihr Gleichgewicht günftigften Stellung befinden; die Gaſtero— poden werden demnach den Mund bald nach oben, bald nach unten wenden. Im dritten Falle bewahren die Muſcheln zwar ein wenig, zumal wenn ſie langſam abgeſetzt ſind, die ihnen zukommende Stellung, finden ſich aber noch häufiger in allen nur möglichen Lagen, jo jetzt noch über die Weiſe, in welcher ſie aufgehäuft wurden, Rechenſchaft gebend. Die in der beſchriebenen Art abgelagerten und mehr oder weniger von ſpäteren Niederſchlägen bedeckten Conchylien ſind nach und nach, ſich ihrer Subſtanz nach verändernd, in den Zuſtand der Abdrücke oder Gegenabdrücke übergegan— gen; von den ſich ſpäter über ſie lagernden Schichten ge— drückt, verdichtete ſich ihre Schicht, und je nachdem dieſer Druck horizontal oder in geneigter Richtung einwirkte, wurden auch ſie, ſowie alle in der Schicht vorkommenden Körper, in dieſer Richtung zuſammen gedrückt; ihre Formoveränderung durch dieſen Druck mußte überdies noch, nach ihrer relativen Lage, eine verſchiedene werden. So wurden die auf der flachen Seite liegenden durch horizontalen Druck ganz glatt, wie es die Ammoniten und Nautilusarten häufig zeigen; die Bivalven wurden um die Hälfte dünner, verloren auch wohl gänzlich ihre Wölbung. Bei den ſchon von Natur zuſam— men gedrückten Conchylien läßt ſich der Einfluß dieſes Druckes leicht erkennen, dagegen verlieren die koniſchen Formen durch ihn ihre ſpecifiſchen Charaktere gänzlich; ſchon wenn der Druck nach der flacheren Seite einwirkte, mußte die Geſtalt der Muſcheln verändert werden, noch mehr aber, wenn er auf der Längsachſe der Conchylien ſeinen Einfluß übte; dieſer Fall trat da vorzüglich ein, wo die Gaſteropoden und Ace— phalen in ihrer natürlichen Stellung vorkamen: die koniſchen Muſcheln wurden entweder ganz platt, oder ihre ſich erhe— bende Spirale war entweder zuſammen gedrückt oder wohl gar horizontal. Auch der Gegenabdruck der Gaſteropoden— gehäuſe in den Kalk- und Thonſchichten wird hier nicht zur Beſtimmung des Neigungsgrades der Spirale zur Ver— gleichung dienen können (7). Für die Acephalen wird dieſe Deformation eine große 9 e. 168 Irrthumsquelle; dieſe von Natur länglichen Conchylien wur— den durch verticalen Druck verkürzt, und bisweilen viel brei— ter, als ſie hoch ſind, ja ſo ſehr verändert, daß man ſie beliebig für das eine oder andere genus halten kann; eine fait eben jo große Formveränderung findet bei transverſalem Drucke Statt. Die Deformation, welche ein in ſchiefer Richtung wirkender Druck hervorbrachte, kann, nach der Lage und der Geſtalt der Muſchel, in einigen Fällen leichter, in andern dagegen noch ſchwieriger zu erkennen ſein. Dieſer ſchiefe Druck hat gerade bei den Cephalopoden und den Bellerophonarten die elliptiſchen Spiralen hervorgebracht, nach denen man die verſchiedenen Gattungen beſtimmt hat. Eine ähnliche Deformation kommt aus demſelben Grunde auch bei den Gaſteropoden vor, die Spitze iſt hier bald nach der einen, bald nach der andern Seite gewandt. Dieſe Form— umwandlungen wird ein geübtes Auge dennoch leicht erken— nen; ſchwieriger möchte indeß der Einfluß des ſchiefen Druckes auf die Bivalven zu ermitteln ſein. Hier kann nicht nur durch ihn bei ſymmetriſchen Schalen die eine erhabener als die andere und ſo den gewölbten Muſcheln oder der Thraca ähnlich werden, ſondern auch, wenn der Druck in der Rich— tung einer Verticale, die durch die beiden Schalen geht und mit dem labrum mehr oder weniger einen Winkel bildet, Statt findet, ohne daß die Symmetrie darunter leidet, eine ſolche Formveränderung eintreten, daß es ſehr ſchwer wird die wahre Species zu erkennen. Gerade dieſe Veränderung kommt bei den Muſcheln, die ſich in normaler Stellung in den Thonſchichten finden, ſehr häufig vor. Hier iſt man alſo genöthigt ſich nach äußern Charakteren umzuſehen, in— dem man alle in einer Schicht, und zwar von derſelben Stelle, geſammelten Stücke mit einander vergleicht. Die erwähnten Schwierigkeiten, die ſich einer ſichern Beſtimmung der foſſilen Arten in den Weg ſtellen, ſind in den älteſten Formationen am bedeutendſten. Je tiefer über— haupt eine Schicht, um fo mehr haben ihre Muſcheln ſowohl durch Druck als ſonſtige Veränderungen gelitten. So ſchwie— rig nun eine wiſſenſchaftlich-brauchbare Beſtimmung der Arten der Übergangsformationen bis zu den Kreideſchichten iſt, To leicht wird ſie dagegen von der Tertiärformation an, wo die beſprochenen Veränderungen meiſtentheils wegfallen. Miſeellen. 26. Die Conjugation der Diatomaceen ward von Thwaites weiter verfolgt. Wie er es in ſeiner früheren Mit⸗ theilung vermuthet hatte, nehmen die neu entſtandenen Individuen, die im unentwickelten Zuſtande (des Verf. Sporangien) einer Coc- conema glichen, nach und nach wirklich die Geſtalt der Mutterindivi— duen an, theilen ſich auch ganz ſo wie die letzteren. Die Theilung der verbundenen Stücke in zwei getrennte Hälften geſchieht meiſtens ſo, daß ihr Endochrom heraus treten kann; bei Gomphonema mi- nutissima und Fragilaria pectinalis tritt dasſelbe aus einer Spalte am Ende des Stückchens hervor. Die letztere entwickelt nur ein einzi— ges sporangium, während die übrigen Diatomaceen immer zwei neue Individuen durch Conjugation erzeugen. Anfangs iſt dies sporangium cylindriſch, nimmt dann eine platte, viereckige Form an, theilt ſich darauf meiſtens, jedoch nicht immer und erhält ſo 169 vollkommen die Geſtalt einer Fragilaria. Der Verf. beobachtete den Vorgang der Conjugation, ſowie die Entwickelung der Spo⸗ rangien, noch bei einer neuen von W. Smith zu Wareham ent⸗ deckten Schizonema (S. subcohaerens Thww.), Mehrere als beſon— dere Arten aufgeſtellte Diatomaceen ſcheinen ihm nicht ſelbſtändige Species, ſondern die Sporangien anderer Arten zu fein: fo hält er Kützings Epithemia Vertagus für das sporangium von Eunotia turgida Erh. (The Annals of natural history, No. 134. 1847.) 27. Die Nuß, aus welcher das, in Braſilien fo allge mein beliebte Getränk, die Guarana bereitet wird, findet ſich in der Nähe von Barra. Die Pflanze ſoll den Kirſchen etwas ähn⸗ liche Früchte tragen, die geröftet, zerſtampft und zu Kugeln geformt werden. Ein Theelöffel voll von dieſer zerriebenen Maſſe auf ein großes Trinkglas Waſſer giebt ein ſehr angenehmes Getränk, das jedoch, wie leider nur zu häufig, in Übermaß genoſſen narkotiſch und dem Nervenſyſteme ſehr ſchädlich wirkt. Als Reibe für dieſen, wie für andere Zwecke dient das ſcharfe Zungenbein eines großen Flußfiſches. (The literary Gazette 1847. No. 1598.) 99. M 11. 170 28. Der Ertrag von drei verſchiedenen Kartoffel: ſorten, welche Girou zu Buzareignes am 30. März dieſes Jah: res in verſchiedener Tiefe pflanzte, ſie im Juni und Juli in glei⸗ cher Weiſe begoß und im October aus der Erde nahm, war fol- gender: Zahl der gepflanz. Tiefe ihrer Lage im Zahl der geernte- ten Knollen. Boden, nach Meter. ten Knollen. Sainville 42 0,19 5 44 0,15 98 = 47 0,11 136 Vitelotte 45 0,19 147 = 45 0,15 188 x 44 0,11 235 Marjolin 51 0,19 576 5 62 0,15 594 = 63 0,11 723 = 64 0,06 1019 Die Knollen der am tiefiten gelegten waren etwas größer wie die am wenigſten tief gepflanzten. (L’Institut, No. 727. 1847.) Heilk (XXI.) Vom erysipelas bei Reconvaleſcenten oder im letzten Stadium bösartiger Krankheiten. Von E. Hervieur. Das erysipelas bildet im letzten Stadium bösartiger Fieber oft eine gefährliche Complication, und dieſe Varietät des Rothlaufs verdient daher beſondere Beachtung. Über die Atiologie derſelben iſt man noch keineswegs im Klaren. Welche Umſtände zuſammentreffen müſſen, um dieſe Neben— krankheit zu erregen, warum ſie dieſe oder jene Form an— nimmt oder dieſen oder jenen Körpertheil befällt, iſt noch nicht ermittelt. Hr. Louis ſagt zwar, er habe dieſe Aus— ſchlagskrankheit mehrmals in Folge eines Aderlaſſes, in einem einzigen Falle nach einem Blaſenpflaſter und in einem an— dern durch Aufliegen entſtehen ſehen; allein er will dieſe mechaniſchen Urſachen nicht für die ächten Veranlaſſungs— urſachen gelten laſſen, da ſich der Rothlauf nur ſelten an Theilen zeige, welche frottirt oder ſonſt mechaniſch gereizt werden; da er ferner nur an einem Schenkel auftrat, obwohl auf beide ein Blaſenpflaſter gelegt worden, da er ſich öfters im Geſichte einſtellte, obwohl an andern Theilen ein Ader— laß vorgenommen worden war; da er endlich bei nur einem unter 12 Pockenkranken vorkam. Dem Verf. iſt es unter vier von ihm beobachteten Fällen nur in einem gelungen, den Veranlaſſungsgrund des erysipelas zu ermitteln, nämlich bei einem Reconvaleſcenten von einem ſehr bösartigen typhö— ſen Fieber. Dieſer bekam zwei Mal den Rothlauf, nach— dem er zu viel gegeſſen hatte. Über die prädisponirenden Urſachen hat der Verfaſſer durchaus nichts befriedigendes ermitteln können. Drei von ſeinen Patienten waren Männer (von reſp. 47, 22 und 22 Jahren) und einer eine Frau von 24 Jahren. Die Fälle kamen einer im Januar, einer im Februar und zwei im März vor. Die Frau war blond und von ſehr lym— unde. phatiſchem Temperamente; die Männer dagegen brünett und von lymphatiſch-ſanguiniſchem Temperamente. Indeß ſcheint doch der geſchwächte Zuſtand die am meiſten prädisponirende Urſache zu ſein. Zwei ſeiner Patienten waren durch ein typhöſes Fieber und zwei durch Pneumonie in denſelben ge— rathen. Hr. Louis hat den Rothlauf neun Mal nach typhöſem Fieber, vier Mal nach Pneumonie, ein Mal nach den Menſchenpocken, ein Mal nach Gelenkrheumatismus und ein Mal nach Kehlkopfbräune entſtehen ſehen. Den Sitz betreffend, unterſcheidet ſich der Rothlauf der Neconvalefeenten nicht weſentlich von dem, welcher in andern Fällen eintritt. Das Geſicht und die Schopfhaut ſind hier wie dort, die vorzugsweiſe ergriffenen Stellen. Doch zeigt ſich jener auch gelegentlich an dem Oberarme, dem Halſe, dem Rumpfe, den Knieen u. ſ. w. Der Form nach bietet der Rothlauf der Neconvalefcen- ten zwei Varietäten dar. Die eine, gewöhnlichere, iſt die flechtenartige (ſerpiginöſe), die andere, welche vom Verfaſſer und Hrn. Louis im ganzen nur zwei Mal wahrgenommen worden iſt, die hin- und herziehende. Die eigentlich phleg— monöſe Form iſt bis jetzt noch nicht beobachtet worden. Für ſich betrachtet, gewahrt man an dem erysipelas der Reconvaleſcenten nicht dieſelbe Heftigkeit der Symptome, welche der gewöhnliche ſelbſtändig auftretende Rothlauf ſo häufig darbietet. Die Röthung der Haut fehlt ſogar zuweilen ganz und zeigt in anderen Fällen nur eine Roſafarbe, ſo daß ſich das erysipelas äußerlich nur durch eine Anſchwellung der Theile bemerklich macht. Die Geſchwulſt iſt nur mäßig, ſo daß der ergriffene Theil keine monſtröſe Form erhält. Die Temperaturerhöhung und der Schmerz ſind ebenfalls nur gelinde, und Hitzblätterchen und Blaſen wurden nur in einem einzigen Falle wahrgenommen. Eben ſo zeigte ſich oft gar keine und nie eine bedeutende Anſchwellung der benachbarten Drüſen, ſo daß die örtlichen Symptome bei dieſer gefähr— lichen Complication eine nur ſehr untergeordnete Rolle ſpielen. 171 Auch die allgemeinen Symptome, welche Direct durch das erysipelas der Reconvaleſcenten veranlaßt werden, erlan— gen nie einen hohen Grad von Heftigkeit. Der Rothlauf erregt keineswegs im Organismus jene gewaltigen ſympa⸗ thiſchen Reactionen, denen der in dieſen Fällen faſt immer tödtliche Ausgang der Krankheit zuzuſchreiben wäre. Bei dem gewöhnlichen erysipelas finden mehr oder weniger hef— tiges Fieber, Störungen in den Verdauungswegen, Erbrechen, Kopfweh, Schlafloſigkeit und häufig Delirium Statt. Solche Symptome zeigten ſich nur bei der oben erwähnten Frau, bei welcher übrigens keine Diarrhöe Statt fand, ſonſt aber in keinem Falle in irgend hohem Grade. Das erysipelas bleibt durchaus ein der Hauptkrankheit untergeordnetes Leiden. So mild dieſer Rothlauf übrigens auch auftritt, ſo raſch greift er um ſich und fo ſchnell verläuft er überhaupt. Er erſcheint z. B. am Morgen, hat am Abend desſelben Tages ſeinen Culminationspunkt erreicht und verſchwindet am folgenden Tage ſpurlos. Bei der Reconvaleſcentin vom typhöſen Fieber ging er dom Geſichte aus und binnen 48 Stunden hatte er ſich über den ganzen Kopf, den Hals, den obern Theil des Rumpfes und den größern Theil des lin— ken Oberarmes verbreitet. Er läßt an den ergriffen gewe— ſenen Stellen ſelten irgend eine locale Störung, z. B. Ab— ſchuppung der Haut, zurück. Hrn. Louis iſt zwar ein Fall vorgekommen, in welchem er in Gangraͤn ausging; in den vom Verf. beobachteten Fällen verſchwand er jedoch gewöhn— lich ſo plötzlich, daß man an eine Metaſtaſe zu glauben verſucht ward. Die Diagnoſe der fraglichen Eryſipelen bietet nur in— ſofern etwas beſonderes dar, als ſie wegen des Fehlens mancher der gewöhnlichen Symptome, z. B. der Röthe, leicht verkannt werden können. Doch die Geſchwulſt und der Schmerz würden in dieſem Falle die Sache außer Zweifel ſtellen. Von den durch Hitze, Geſchwulſt und Röthung charakteriſirten Neuralgien unterſcheiden ſich jene durch ihr fortkriechendes Umſichgreifen, und die Geſchwulſt und der ganze Verlauf des Leidens ſchützen hinlänglich vor einer Ver— wechslung mit Rheumatismus. Immer kann dieſe Art von erysipelas aber wegen der Abweſenheit mancher Symptome ihres ſchnellen Verlaufes und ſpurloſen Verſchwindens leich— ter verkannt und überſehen werden als ein Rothlauf der gewöhnlichen Art. Die Prognoſe iſt jeder Zeit bedenklich; allein das be— denkliche liegt nicht ſowohl in den von dem erysipelas an— gerichteten Störungen, ſondern in dem pathologiſchen Zu— ſtande, welcher den Rothlauf ſelbſt hervorgerufen hat. Nur ein Mal war das Delirium ſo ſtark und andauernd, daß man ihm die Schuld des Todes hätte beimeſſen können. Allein der allgemeine Zuſtand des durch eine ſchwere Krank— heit geſchwächten Patienten, von welchem Zuſtande ja die Entſtehung des Eranthemes abhängig iſt, bleibt bei der ungünſtigen Prognoſe immer das Hauptmoment. An ana— logen Beiſpielen iſt kein Mangel. Wenn z. B. im letzten Stadium eines bösartigen Fiebers Naſenbluten oder Blutun— gen aus andern Wegen eintreten, fo prognoſticiren wir immer ungünſtig. Dies thun wir aber nicht wegen des 99 W. Ur 172 Blutverluſtes und der Schwächung des Kranken durch den— ſelben, indem viele Arzte darin ſogar eine Indication des Aderlaſſes finden würden; ſondern wegen der Diatheſe, unter deren Einfluß dieſe Hämorrhagie eingetreten iſt. Trügen die Patienten nicht einen gefährlichern Keim des Todes in ſich als das erysipelas, ſo würde die Natur denſelben faſt immer über— winden. Die Natur, Dauer und frühere Complicationen der Hauptkrankheit, in deren letztem Stadium der Patient ſich befin— det, der Grad der Blutarmuth und Schwäche desſelben werden dem Arzte als Hauptanhaltepunkte bei der Prognoſe dienen. Die geringe Gefährlichkeit des zufällig hinzutretenden Roth— laufes ergiebt ſich übrigens auch daraus, daß, mit Ausnahme eines einzigen Falles, der Tod erſt geraume Zeit nach dem Verſchwinden der örtlichen und allgemeinen Symptome des erysipelas erfolgte. Er trat oft erſt am erſten, zweiten und ſelbſt dritten kritiſchen Tage nach dem vollſtändigen Verſchwin— den des Rothlaufes ein, ſo daß dieſer faſt jeder Zeit curirt ward, die Kranken, die davon befallen worden, aber dennoch faft alle ſtarben. Von des Verf. 4 Patienten ſtarben 3, und der vierte war zu der Zeit der Abfaſſung des Aufſatzes noch nicht außer Gefahr. Von den 4 Patienten des Hrn. Louis, die in Folge der Pneumonie den Rothlauf bekamen, unterlagen 3; von deſſen 9 Typhuspatienten 6; und die 3 an den Menſchenpocken, Rheumatismus und Kehlkopfbräune leidenden ſtarben alle. Die Prognoſe iſt alſo jedes Mal, wenn eine bedenkliche Krankheit mit erysipelas complieirt wird, höchſt ungünſtig. Rückſichtlich der pathologiſchen Anatomie des in Rede ſtehenden Exanthemes hat man die localen krankhaften Ver— änderungen von denen der Eingeweide zu ſondern. Da der Tod faſt immer mehr oder weniger lange nach dem Ver— ſchwinden des erysipelas eintrat, fo konnte man einestheils die Veränderungen an den Integumenten, welche der Roth— lauf zurückgelaſſen, an der Leiche nicht immer unterſuchen, anderntheils die inneren Verletzungen, welche von dem Roth— laufe angerichtet worden ſein mochten, nicht mit Sicherheit conſtatiren. Nur einer der Patienten des Verf. ſtarb, wäh— rend der Rothlauf noch exiſtirte, nämlich die Reconvaleſcentin vom typhöſen Fieber, bei welcher zur Zeit des Ablebens noch die ganze linke Seite des thorax und die drei oberen Viertel des Oberarmes vom Rothlaufe ergriffen waren. Bei der Leichenöffnung zeigte ſich die Haut der bis zuletzt kran— ken Theile von bräunlicher, violett marmorirter Farbe; die ſtellenweiſe gerunzelte und ekchymotiſche epidermis löß'te ſich an dieſen Punkten leicht ab, war aber nicht dicker und mürber als an den geſunden Theilen. Das unter der Haut liegende Zellgewebe ließ nicht die geringſte Spur von Ent— zündung oder Infiltration erkennen. Die Verletzungen in den Eingeweiden waren bei den verſchiedenen Subjecten fo wenig übereinſtimmend, daß ſich zwiſchen ihnen und dem Rothlaufe durchaus kein beſtimmter Cauſalnerus erkennen ließ. Sie ſind der Art, daß ſie ebenſowohl ohne vorher— gehenden Rothlauf hätten vorkommen können, und wir ver— weilen daher bei denſelben nicht. Eben ſo wenig können wir uns bei der Behandlung dieſer Varietät des Rothlaufes lange aufhalten. Da die 173 Iocalen Symptome durchaus unerheblich find, fo bedarf man der zahlreichen Behandlungsarten, durch die man fie in an— dern Fällen bekämpft hat, keineswegs, und bei der Gutar— tigkeit der allgemeinen Symptome würde eine denſelben Direct entgegen wirkende innere Behandlung in faſt allen Fällen unnöthig, ja gefährlich ſein. Man hat ſich daher auf die Bekämpfung der Hauptkrankheit, welcher das erysipelas völlig untergeordnet iſt, zu beſchränken und die jedesmaligen Indi— eationen der dringendſten Symptome zu erfüllen, mögen dieſe nun in einem hohen Grade von Entkräftung, in Durch— fall, colliquativen Schweißen, außerordentlicher Abmagerung, Schorfen ꝛc. beſtehen. Der Verf. ſchließt mit folgenden Worten: „Schon Hippokrates bemerkt zu Ende des zweiten Prorrheticon, es gebe gewiſſe Hautausſchläge, welche keine ſelbſtändige Krankheiten, ſondern Ablagerungen (vrrooreoıs) anderer Krankheiten ſeien.“ Zu dieſen gehört unſtreitig das hier in Rede ſtehende erysipelas in ſo fern, als es ſicher keine ſelbſtändige Krankheit iſt. Allein Hippokrates ſcheint heilſame kritiſche Ablagerungen gemeint zu haben; inſofern würde unſer erysipelas eine Ausnahme machen, da es weder kritiſcher, noch heilſamer Art zu ſein ſcheint. Das Krank— heitsprineip, welches im Organismus herrſcht, lagert ſich hier nicht in Geſtalt eines Hautausſchlages ab; dieſer er— ſcheint und verſchwindet, ohne daß jenes erliſcht, und das erysipelas kann ſogar mehrmals hinter einander auftreten, wie wir oben geſehen. Lagerte ſich die Krankheit wirklich in Form des erysipelas ab, ſo müßte, wenn dieſes geheilt wäre, die Krankheit ſelbſt geheilt ſein; allein das erysipelas nimmt gemeiniglich den günſtigſten Ausgang und dennoch ſtirbt der Patient. Der Tod müßte ferner, wenn das ery- sipelas eine ächte Ablagerung der Hauptkrankheit wäre, durch das erysipelas erfolgen; auch dieſes iſt, wie wir geſehen haben, nicht der Fall. Die uns beſchäftigenden Eryſipelen ſind alſo weder kritiſche Ablagerungen, noch kritiſche Krank— heiten, ſondern lediglich ſymptomatiſche Außerungen eines bedenklichen Krankheitszuſtandes, deſſen Weſen noch nicht erfaßt worden iſt. Bei dem gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft läßt ſich nur ſagen, daß im Endſtadium ſchwe— rer Krankheiten eine Prädispoſition zum erysipelas vorhanden iſt, welches letztere bald in ſerpiginöſer, bald in fliegender Form auftritt und ſich mehrentheils zuerſt im Geſichte, doch auch zuweilen am Halſe, Rumpfe und an den obern oder untern Ertremitäten zeigt, ſich durch gewöhnlich milde ört— liche und allgemeine Symptome offenbart, raſch verläuft und gewöhnlich durch Zertheilung endet, ohne erhebliche äußere oder innere organiſche Verletzungen zurück zu laſſen, und zwar anſcheinend gutartig iſt, aber nur unter Umftän- den eintritt, welche das Leben ernſtlich bedrohen. (Archives générales de Médecine, Dec. 1847.) 99. W. 11. 174 (XXII.) Ein Poplitäalaneurysma, binnen vier Tagen durch Compreſſion geheilt. Von J W. Cuſack, Präſidenten des königl. Collegiums der Wundärzte. John Brady, 30 Jahr alt, von ſtämmigem Körper— bau, aber nicht beſonders geſundem Anſehen, unverheirathet und ein ſtarker Fußgänger, ward am 14. April 1847 in das Steevens-Hoſpital aufgenommen und vom Dr. Cuſack behandelt. Er hatte angeblich nie an Syphilis gelitten und nie Mercur eingenommen und war im Genuſſe geiſtiger Ge— tränke nie unmäßig geweſen. Eine klopfende ſpindelförmige Geſchwulſt, welche die Kennzeichen eines aneurysma deut— lich an ſich trug, nahm den Poplitäalraum des rechten Bei— nes ein. Die Längsachſe der Geſchwulſt maß 3 Zoll; bei ihrer Mitte erſtreckte ſich die breiteſte Stelle nach der Quere von den äußeren bis zu den inneren Sehnen der Kniebeuge. Wenn man die Femoralarterie an irgend einer Stelle zu— ſammendrückte, fo hörte das Klopfen in der Geſchwulſt auf. Wenn dies an der Stelle geſchah, wo das Gefäß über das os pubis ſtreicht, fo wurde dies Reſultat ſchon durch einen ſehr geringen Grad von Druck erlangt. Das Klopfen war ſtark, gleichförmig und mit der Syſtole des Herzventrikels iſochroniſch. Wenn man die Hand auf die Geſchwulſt legte, ſo bemerkte man kein Schwirren, ſowie mittels des Stetho— ſkops kein Blaſebalggeräuſch. Die Wandungen des aneu— rysmatiſchen Sackes fühlten ſich feſt an und ließen ſich nicht in der Weiſe zuſammendrücken, daß die Geſchwulſt ſich entleert hätte. Die Seitenäſte der Arterie um das Knie her waren ſehr erweitert, beſonders derjenige, welcher über den innern con- dylus ſtreicht; dieſer Aſt war völlig fo ſtark wie die arterie radialis. Der Patient fühlte faſt nur beim Gehen Schmer— zen, und ſelbſt dann waren dieſe nur gering. Die Haupt— unannehmlichkeit, welche ihm durch die Geſchwulſt veranlaßt wurde, beſtand in der Steifheit des Kniees, welches er beim Gehen nur ſchwer beugen konnte. Zuweilen klagte er über Kälte und Taubheit in dem Fuße des kranken Beines, welcher ſich auch bedeutend kühler anfühlte als der andere. Oe— dema oder Congeſtion war am Fuße oder Unterſchenkel nicht wahrzunehmen; allein der Angabe des Patienten zufolge, ſchwellen nach dem Gehen die Venen an. Die Tibial- und Peronäalarterie ließen ſich nicht deutlich fühlen. Die ſtetho— ſkopiſche Unterſuchung ließ in der Herzgegend durchaus nichts regelwidriges erkennen. Puls 85, voll, Harn geſund, Haut kühl. Der Patient machte über feinen Fall folgende geſchicht— liche Angaben. Vor zwei Monaten hatte er im Gehen plötzlich in der Gegend der rechten arteria poplitaea einen Riß und ein Klopfen, ſowie geringen Schmerz verſpürt. Als er den Theil unterſuchte, entdeckte er eine pulſirende Geſchwulſt von der Größe eines Taubeneies; bald darauf ward der Fuß kalt und taub; allein dieſer Zuſtand war nicht von Dauer. Er wandte Breiumſchläge, Linimente und Bähungen ohne allen Erfolg an, und obwohl die Geſchwulſt ſich allmälig vergrößerte, waren doch die Schmerzen und Unbequemlichkeiten, die ſie ihm verurſachte, ſo gering, daß 175 er feine Geſchäfte, die ihn faſt fortwährend zum Gehen nö— thigten, wie gewöhnlich beſorgte. Da eine Woche vor der Aufnahme ins Hoſpital die Steifheit im Knie zugenommen hatte, ſo ſuchte er ärztliche Hülfe, und nun erfuhr er erſt, daß er mit einem gefährlichen Übel behaftet ſei. Nachdem dem Patienten täglich drei Mal 10 Tropfen Fingerhuttinetur verordnet worden waren, empfahl man ihm ſich einige Tage in horizontaler Lage vollkommen ruhig zu verhalten. Den 22. April um 9 Uhr Morgens wurde dem Patienten Reade's nach allen Richtungen drehbarer Becken— apparat von Hrn. Cuſack angelegt und das Polſter jo ge— ſtellt, daß es ſich ſenkrecht über der Stelle befand, wo die art. femoralis über das os pubis ſtreicht. Hierauf ward in dem Grade Druck angewandt, daß die Strömung des Blu— tes durch das Gefäß vermindert, nicht aber völlig unter— brochen wurde. Unter dieſen Umſtänden trat keine Con— geſtion im Beine ein, allein die Temperatur desſelben ſank bald darauf bedeutend. Der Patient konnte den Druck auf dieſelbe Stelle 4 Stunden lang aushalten; als dieſelbe ſchmerzhaft wurde, verſchob man das Polſter mittels der Schraube, welche dasſelbe mit dem Bügel des Apparates verbindet, ein wenig, und indem man es ſo abwechſelnd auf 2, etwa 1½ Zoll von einander entfernte Stellen drücken ließ, ward die Arterie ununterbrochen comprimirt und ohne Beihülfe irgend eines andern Inſtrumentes die Cur vollendet. Am 24. war die Geſchwulſt bedeutend feſter geworden und faſt kein Klopfen in derſelben wahrzunehmen. Der Druck ward nun verſtärkt, ſo daß ſie ganz aufhörte zu klopfen. Der Kranke konnte den Druck auf dieſelbe Stelle noch immer ſo lange aushalten, wie früher, wenn das Pol— ſter genau ſenkrecht auf das Gefäß geſchraubt wurde, weil dann der erforderliche Grad des Druckes am geringſten war. Durch die erwähnte Verſtärkung des letztern entſtand eben— falls keine Congeſtion im Beine. Allgemeiner Geſundheits— zuſtand gut; Puls 72. Den 26. April um 5 Uhr Abends nahm der Patient, da er des Stuhlganges wegen aufſtehen mußte, das Inſtru— ment ab und fand zu feinem Erſtaunen, daß die Geſchwulſt nicht mehr klopfte. Von dem Studenten, welcher den Kran— ken abzuwarten hatte, erfuhr man, daß beim Verändern der Stellung des Polſters um 8 Uhr Morgens die Geſchwulſt noch pulſirt habe. Die Gefäße um das Knie her waren bedeutend ſtärker geworden; eines derſelben lief an der Ge— ſchwulſt nach deren ganzer Länge hin. 99. V. 11. 176 Am 3. Mai hatte ſich der Querdurchmeſſer der Ge— ſchwulſt bedeutend vermindert, ſo daß man den Finger leicht zwiſchen dieſelbe und die Sehnen der Kniebeuge einführen konnte. Sie fühlte ſich vollkommen maſſiv an. Den 29. Mai ward der Patient entlaſſen. Er konnte nunmehr ohne Stock ganz gut gehen, das Knie vollkommen beugen und fühlte nicht mehr die geringſte Beläſtigung. Die Geſchwulſt in der Kniebeuge war wohl noch fühlbar, jedoch bedeutend kleiner als am 3. Mai. (Dublin Quart. Journ. of Med. Science, Aug. 1847.) Miſeellen. (24) Ein neues Operations verfahren beim Aus⸗ reißen ins Fleiſch gewachſener Nägel empfiehlt Herr Long, zweiter Oberchirurg des Civilhoſpitals zu Toulon, in der Gazette médicale de Montpellier. Es gehören dazu gar keine Vorbereitungen, da ein eiſerner Spatel genügt. Der Kranke ſetzt ſich auf einen Stuhl, legt den Fuß dem Operateur aufs Knie, und dieſer faßt das glatte Ende des Spatels in die Rechte, indem er den Daumen auf die concave, den Zeige- und Mittelfinger auf die convere Fläche legt, während die beiden andern Finger frei bleiben. Alsdann trennt er die Haut, welche die Wurzel des Na— gels bedeckt, allmälig ab, und wenn er an das hintere Ende des letztern gelangt iſt, führt er raſch eine Hebelbewegung aus, fo daß das Spatel einen ſehr ſpitzen Winkel mit der kranken Zehe bildet. Nach dieſem Tempo befindet ſich das Ende des Spatels unter dem Nagel, der noch an den Seitenrändern und an der Mitte feſthängt. Indem der Operateur dann den Spatel zwiſchen dem Nagel und den Geweben vorwärtsſchiebt, wird die Trennung leicht bewirkt. Durch dieſes einfache Verfahren wird eine radicale Cur bewirkt, ohne daß der Patient viel zu leiden hat. Die Operation iſt un⸗ blutig, und es bildet ſich ſtets wieder ein neuer Nagel. (25) Die ſchmerzhaften Krämpfe in den Beinen, an denen manche Perſonen leiden, wenn ſie im Bette liegen, laffen ſich, nach Dr. Bardsley's Erfahrung, dadurch vermei— den, daß man das Bett zu einer geneigten Ebene macht, auf welcher die Füße um 1 Fuß tiefer liegen, als der Kopf, was entweder durch angemeſſenes Unterlegen von Matratzen oder durch Schieflegen des Bettbodens geſchehen kann. Dr. B., der felbit furchtbar an dieſen Krämpfen zu leiden hatte, verfiel auf dieſes einfache Mittel, da er und manche Leidensgefährten bemerkt hatten, daß ſie, in einem Lehnſtuhle, mit den Füßen auf einer etwas hohen Unterlage, ſitzend, nie von Krämpfen befallen wurden. Nachdem er in ſeinem auf die erwähnte Manier gemachten Bette 7 Nächte hinter einander ruhig geſchlafen, wurde dasſelbe zufällig wieder auf die gewöhnliche Weiſe gemacht, und da Dr. B. ſich hinein⸗ legte, ohne die Veränderung zu bemerken, ward er wieder die ganze Nacht gräßlich von Krämpfen heimgeſucht. Nach längerer Zeit ließ er das Bett abſichtlich ein Mal horizontal machen, und auch in dieſem Falle kehrten die Krämpfe zurück. (London med. Gaz., May 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Schleiden, M. J., Beiträge zur Kenntniss der Sassaparille. gr. 80. Geh. 1% Thlr. Hahnsche Hofhuchh. in Hannover 1847. Schleiden, M. J., die Pflanze und ihr Leben. Populäre Vorträge. gr. 80. Geh. * 21/, Thlr. W. Engelmann in Leipzig 1847. Abhandlungen der Friesſchen Schule von Apelt, Schleiden, Shlömild und Schmid. 1. Hft. gr. 8%. * 271, Sgr. W. Engelmann in Leipzig 1847. Walpers, G., G., repertorium botanices systematicae. I. IV. Fasc. II. gr. 80. Geh. 1 Thlr. 6 Sgr. Fr. Hofmeister in Leipzig 1847. Mittheilungen aus dem prakt. Wirkungskreise des Professors der Staats- arzneikunde an der Universität Dorpat G. v. Samson-Himmelstiern. Über sicht des J. 1846. gr. 8%. Geh. 24 Sgr. W. Gläsers Verlag in Dorpat 1847. Abattoirs de la ville de Paris, leur organisation, fraudes, abus dans le com- merce de la viande, dangers qui en n la santé publique; né- cessite d'une organisation meilleure, par M. Hamont. Travail lu à l’Aca- demie des sciences, dans la seance de lundi 4. octobre 1847. In 8° d'une feuille ½. Paris 1847. Druck und Verlag des Landes - Inpuftvie- Gomptoixs zu Weimar. Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 100. (Nr. 12 des v. Bandes.) Januar 1848. Naturkunde. Über den Einfluß der Wärme auf die Pflanzen. (Fortſetzung.) — Meigs, über die Entwicklung des Opoſſums. — Notizen aus W. H. Edwards Reiſe am Amazonenſtrome und nach der Hauptſtadt von Para. — Mifcellen. Lawes, bedeut. Temperaturunterſchied zwiſchen Devonſhire und Mipdleſer. Yucca gloriosa und Magnolien in Schottland im Freien blühend. — Heilkunde. Notta, Behandlung der Neuralgien mittels des Strich⸗ feuers. — Mares, über die ſeit 2 Jahren zu Nantes ſporadiſch vorgekommene myelitis. — Gorre, Heilung einer Verkrümmung der Hand und der Finger zu Folge eines Bruches des radius. — iſcellen. Acidum aceticum egen arthritiſche, rheumatiſche u. a. Leiden wirkſam angewandt. Brookes, üb. einen complicirten Bruch des äußern condylus des femur. Nekrolog. — Bibliographie. Naturkunde. XXII. über den Einfluß der Wärme auf die Pflanzen ). Die Temperatur der oberen Erdſchicht iſt in einigen Klimaten unter Umſtänden ſo hoch, daß man, um ſie künſt— lich für Treibhäuſer nachzuahmen, roth glühende Eiſenplat— ten über dem Boden aufhängen müßte. So übertrieben dieſe Behauptung zu ſein ſcheint, iſt ſie doch nach John Herſchel's am Cap der guten Hoffnung angeſtellten Ver— ſuchen über die Wärmeausſtrahlung des tropiſchen Himmels durchaus richtig; zwar fehlt es noch an genügenden Beob— achtungen, bis zu welcher Höhe der Boden ſich unter Um— ſtänden erwärmen kann, nur hie und da finden ſich zerſtreut Beobachtungen, die der Verf. zu ſammeln verſuchte. Zu Neu-Granada iſt nach Hay die mittlere Temperatur des Bodens in einer Tiefe von 0,325 M. während des ganzen Sommers 290, 44 Celſ.; in Chili fand Bouſ— ſingault die Erde unter einer dürren Wieſe auf 45 bis 470 C. erhitzt; zu Paris fand Pouillet die obere Erd— ſchicht während des Sommers öfters bis auf 50, im Som— mer 1824 ein Mal auf 650 erhitzt. Nach Arago ſoll ſich der Boden bei einer atmoſphäriſchen Wärme von 920, 78 auf 47 bis 50, ja ſogar bis 520, 78 erwärmen. Zu Lan: tac in China fand Meyen das Waſſer über den Reißfeldern auf 450, den ſandigen Boden in der Nähe viel höher, ja das Holz feines ſchwarz gefärbten Nachens, in dem er über die Reißfelder fuhr, auf 61“, 50 erhitzt; ſelbſt zu Lüt— tich nimmt der ſchwarze Schiefer, deſſen ſich die Weinbauer bedienen, nicht ſelten eine Temperatur von 600 an. Unter den Tropen fand Alerander von Humboldt im allgemeinen eine Bodentemperatur von 52 bis 560; Edwards und Collin den Sandboden Agyptens während der heißeſten *) Fortſetzung des Aufſatzes in No. 88 des vorigen Jahrgangs dieſer Blätter. No. 2080. — 980. — 100. Monate auf 56 bis 620 erwärmt. ſich nach Alerander von Humboldt der weiße Sand bei einer Lufttemperatur von 23° auf 600, auf den Bermudas-Inſeln beträgt die Bodentemperatur nach Em— meſt 61, 11; an keinem Orte ſteigt die Erhitzung jedoch ſo hoch als am Cap der guten Hoffnung. Hier fand John Herſchel am 5. December 1837 zwiſchen 1 und 2 Uhr Morgens (2) die Erde feines Gartens, in dem er Zwiebel— gewächſe zog, auf 709, 56 erwärmt; Nachmittags betrug die Bodentemperatur 65, 56 und ſelbſt an ſchattigen Orten 480, 33, während die Lufttemperatur im Schatten zwiſchen 309, 67 und 33, 33 ſchwankte; um 5 Uhr Nachmittags betrug die Badewärme in einer Tiefe von 10 Centimeter noch 38, 89. Am 3. December ward ein Thermometer 8 Millimeter tief eingegraben und mit einer einjährigen, noch ihre Keimblätter beſitzenden Tanne in Berührung ge— bracht; die Temperatur verhielt ſich folgendermaßen: um 11 Uhr 25 Minuten vor Mittag 640, 44 Am Orinoco erhitzt um Mittag 48 Minuten 65, 20 um 1 Uhr 54 Minuten 66°, 00 um 2 Uhr 46 Minuten 640, 44. Durch dieſe während der heißen Monate gemachten Beobachtungen gelangte John Herſchel zu der Anſicht, daß in dieſen Klimaten wachſende, nicht tief wurzelnde Pflan— zen eine Bodentemperatur bedürfen, die in unſern Treib— häuſern nur durch Ausſtrahlung roth glühenden Eiſens zu erzielen wäre. Dieſe Angaben werden indeß genügen, den wichtigen Einfluß der richtigen Bodenwärme für das Gedeihen der Pflan— zen zu beweiſen, den man auch mehr und mehr erkannte, wie dies die Geſchichte der Gewächs häuſer beweiſ't. Die erſten Treibhäuſer Flanderns und Brabants wurden im 16. und 17. Jahrhundert durch Ollampen 1 gegen das Jahr 179 1650 führten die Holländer zuerſt neben der Lufterwärmung eine Erwärmung des Bodens durch faulenden Dünger in ihre Treibhäuſer ein, der wiederum bald durch Lohe ver— drängt ward, welche, wenngleich ſie weniger Wärme ent— wickelt, dieſe doch länger und gleichmäßiger erhält und ſo zum Gedeihen tropiſcher Gewächſe ſich nützlicher erweiſ't. Mit den Fortſchritten der Gartenkunſt kam man auch immer mehr dahin, die Pflanzen in die für ſie paſſenden Verhält— niſſe zu bringen; man baute z. B. unterirdiſche von außen durch Dünger erwärmte Ananashäuſer, die Engländer gingen noch weiter, ſie erwärmten nicht mehr die Luft der Gewächs— bäufer, ſondern den Boden ſelbſt durch eiſerne, mit heißem Waſſer erfüllte Röhren; noch andere leiteten letztere unter Blechplatten, die mit Ziegeln oder zerſtampften Steinkohlen bedeckt waren und die Wärme dem auf ihnen ruhenden Bo— den, ſowie den Wurzeln der Pflanzen zuführten. Eine rich— tige Bewäſſerung und Erwärmung iſt auch das Haupterfor— derniß zum Gedeihen der Treibhauspflanzen, und das, was der empiriſche Gärtner als eine erzwungene Entwicklung be— trachtet, nichts anderes als der Einfluß derjenigen Be— dingungen, welche die Pflanze in ihrer Heimath genießt, und die ihr im Gewächshauſe künſtlich geboten werden. Zu dieſen Bedingungen gehört die Bewäſſerung mit erwärmtem Waſſer, indem da, wo die Sonnenſtrahlen den Boden er— hitzen, gleichzeitig auch das Waſſer erwärmt und ſo von den Wurzeln aufgenommen wird. Die künſtliche Erwärmung des Bodens von unten her wirkt indeß in umgekehrter Weiſe, wie die natürliche Er— wärmung durch die Sonne: hier iſt die oberſte Schicht des Bodens die wärmſte, während mit der Tiefe auch die Wärme abnimmt, die Wurzelſpitzen und Zaſern liegen ſomit kühler als die Baſis des Stammes, während dort die meiſte Wärme in der Tiefe liegt und nach oben zu abnimmt; hier würde man alſo auf John Herſchels Vorſchlag der von oben her ausſtrahlenden Wärme des roth glühenden Eiſens, deſſen Nichtanwendbarkeit er ſelbſt ſehr wohl erkannte, zurückkom— men müſſen. Es bleibt demnach die Aufgabe der Garten— kunſt, ein naturgemäßeres Erwärmungsmittel des Bodens als von unten her wirkende erwärmte Röhren zu erſinnen. Die Chineſen, welche ihre Treibhäuſer nicht gern heizen, bauen ſie nur von 60 bis 70 Fuß Länge und 10 bis 12 Fuß Breite und legen ſie, je nachdem ſie eine mittlere oder heiße Temperatur verlangen, 6 bis 7 oder 10 bis 12 Fuß tief in die Erde, wodurch ſie ihnen eine gleichmäßige Keller— temperatur geben. Das Dach ragt nach Umſtänden mehr oder weniger, aber nie über 15 bis 20 Fuß aus der Erde hervor, weßhalb ſie in ihnen auch keine ganz hohen Pflan— zen ziehen können. Die chineſiſchen Gärtner glauben ſo eine den Pflanzen günſtigere Erwärmung als durch künſt— liche Heizmittel zu erzielen, und wirklich darf man ſich nur an die nach dieſem Principe conſtruirten Orchideenhäuſer in Belgien (des Hrn. Parthon de Voß zu Wilrik bei Ant— werpen) erinnern. Leider iſt, wie der Verf. mit Lindley beklagt, die erwärmende Kraft der tropiſchen Sonnenſtrahlen noch viel zu wenig erforſcht. Nach den Angaben der Reiſenden be— 100. V. 12. 180 trägt die höchſte Lufttemperatur zu Gondar 450 Celſ., zu Benares 430, 33 bis 47, 78, zu Sierra-Leone 580, 89; es läßt ſich indeß wohl erwarten, daß ſie bei empfindlichern Beſtimmungsmitteln viel höher ausfallen würde. Foggo's Verſuche zeigen, wie ſehr es hier auf das Verhältniß des Thermometers und ſeiner Umgebung zu den erwärmenden Sonnenſtrahlen ankommt, indem er zu Edinburgh an einem heißen Julinachmittage an einem großen, ſeiner ganzen Fläche nach der Sonne ausgeſetzten, vor Luftzug geſchützten Ther— mometer, deſſen Kugel mit ſchwarzer Wolle umwunden war, 65%, 56 zählte, während ein zweites Thermometer derſelben Art von Blättern bedeckt, nur 480, 33, ja ſogar nur 43%33 angab. Zu Gunſten des Gartenbaus wären demnach ausgedehnte, in verſchiedenen Ländern anzuſtellende Beobachtungen über die Beziehungen der Erdtemperatur zu den Vegetationsperio— den ſehr wünſchenswerth. In England hat man bereits damit angefangen, die Zahl der Verſuche iſt indeß nach Lindley's Angabe noch zu gering, um zu einem genügen— den Reſultate zu führen. Neben andern Vorſichtsmaßregeln würde auch beſonders die chemiſche Beſchaffenheit des Bo— dens, in den man das Thermometer ſenkte, zu beachten ſein, indem das Reſultat natürlich mit von der Leitungs— fähigkeit des Bodens abhängen muß. Fehlen nun gleich directe geo-thermometriſche Beweiſe für das Verhältniß der Erdwärme zur Vegetation, ſo läßt ſich doch, wie Lindley meint, die Beſchaffenheit der Erd— wärme annäherungsweiſe beſtimmen. Die Erdoberfläche kann nämlich nicht wohl mehr als die Luft, welche ſie berührt, erkalten, vielmehr ſcheint es nach vielfachen Verſuchen erwie— ſen, daß ſie beſtändig nur einen oder 2 Grad wärmer, als die umgebende Luft verbleibt; ſo darf man wohl für Cumana in America, wo nach v. Humboldt die mittlere Temperatur des kälteſten Monates nicht unter 279 ſinkt, die mittlere Sommertemperatur aber 28° beträgt, eine ent— ſprechende, nie unter dieſe Lufttemperatur herabſinkende, viel— mehr etwas höhere Bodenwärme annehmen. Wie wichtig und nothwendig derartige in allen Ländern der Erde zu ſammelnde Beobachtungen für die Gartenkunſt ſein werden, iſt kaum zu berechnen, nur durch ſie werden wir jemals zu einer vollkommenen Gartenkunſt gelangen. Schon eine Frage wird dies deutlich machen: wie hoch ſchätzt man die Erd— temperatur und die Luftwärme der Melonenfelder zu Bokhara in Perſien und Smyrna in Kleinaften, deren Früchte die anderswo gewachſenen Melonen an Schmackhaftigkeit weit überſtrahlen? Obſchon die oberſten Bodenſchichten unter Umſtänden eine hohe Temperatur annehmen können, ſo kann auch wie— derum eine übermäßige Erwärmung, mit Waſſermangel vers bunden, ſchädlich werden. Das Erſcheinen der Kartoffel- krankheit im Auguſt 1845 ward in Belgien mehrfach der allzuſtarken Erwärmung des Bodens zugeſchrieben; ein Schutz gegen die Sonnenſtrahlen, durch Schatten gebende Bäume, Hecken, Wälle und Gebüſche hätte alsdann vor dieſer Seuche ſchützen müſſen, was in einzelnen Fällen auch wirklich der Fall zu fein ſchien; doch können einzelne Fälle hier keinen Ausſchlag 181 geben. Die Kartoffelkrankheit beruht überdies nach dem Verf. nicht auf der übermäßigen Erwärmung und Trockniß des Bodens, welche einfach nur ein Verdorren der Pflanze bewirkt haben würde, ſondern auf der Entwicklung eines die Säfte der Pflanze verderbenden Paraſiten. Der Sommer 1845 hatte nach ihm viele trübe Tage, auch die Sommer 1846 und 1847 zeichneten ſich nicht durch eine übermäßige Erwärmung des Bodens aus, es wäre daher wunderbar, wie die Kartoffelkrankheit nur aus dieſem Grunde, der ſeit die Kartoffeln in Belgien eingeführt ſind, gewiß öfters vor— gekommen iſt, entſtanden ſein ſollte. Lamarck hält, wie der Verf. indeß glaubt, mit Unrecht den Hals der Pflanze (den Theil, wo ſich die Wurzel in den Stamm verliert) für beſonders wichtig, auch gegen Wärme und Kälte des Bodens beſonders empfindlich; nach dem Verf. ſind dagegen für eine große Anzahl von Pflan— zen mit weniger tiefen Wurzeln die meiſtens umfangreichen Wurzelblätter von großer Wichtigkeit, indem gerade ſie die übermäßige Erwärmung des Bodens durch die Sonne ver— hindern. Wie ſehr der Gärtner hierauf zu achten habe, läßt ſich am Tabak erſehen, der bei einer unüberlegten Ent— blätterung vertrocknet und abſtirbt, weil ihm die Blätter fehlen, welche eine unmittelbare Erwärmung des Bodens verhütet hätten, während er üppig gedeiht, wenn ihm die— ſelben verblieben; dasſelbe gilt von vielen anderen Pflanzen. Auch die geologiſche Natur des Bodens kommt hier ſehr in Betracht; da nun bekanntlich dunkle Gegenſtände die erwär— menden Strahlen der Sonne begieriger aufnehmen, ſo wen— den die Gärtner für Topfgewächſe faſt allgemein Dammerde oder dunkle Heideerde an, die ſich bei heißer Witterung mehr wie die helleren Erden erhitzen und ſomit Waſſer ver— lieren; aus dieſem Grunde ſterben die Topfpflanzen vielfach an Erſchöpfung, wogegen ſie unter ganz gleichen Verhält— niſſen und in derſelben ſchwarzen Erde, jedoch mit Moos bedeckt, vor dem Vertrocknen geſichert ſind. Auch die Mar— chantien, Riceien und andere Lebermooſe find von vielen Gärtnern wegen ihrer Eigenſchaft, das Waſſer an ſich zu halten, gern geſehen; unter ihrer ſchuͤtzenden Bedeckung ge— deihen die Rhododendron -, Azalea - und Kalmia-Arten, wie überhaupt alle Heidekräuter, die einen lockeren Boden, der das Waſſer leicht aufſaugt, aber eben jo leicht wieder ab— giebt, verlangen, vortrefflich. Die engliſchen Gärtner be— nutzen dagegen mit Vortheil die Sphagnum - Arten, um den Boden vor dem Austrocknen durch die Sonne zu ſchützen. So findet man aus ähnlichen Urſachen auch in der Natur die zarteſten Pflanzen in den Schluchten der Thäler, wäh— rend die weniger empfindlichen auf den Bergen wachſen, und wohl hat der Gärtner dieſe Winke der Natur zu be— achten. (Annales de la société royale d'agriculture et bo- tanique ete. 1847, No. 11.) 100. V. 12. 182 XXIII. Über die Entwicklung des Opoſſums (Di- delphys virginiana). Von Dr. Meigs, mit Bemerkungen von Prof. Owen. Prof. Owen's Schrift über die Entwicklung des Kän— guruh, und eben ſo die Arbeiten von Milne-Edwards und von Pouchet laſſen verſchiedene Punkte im Unklaren, die der Verf. zu ergänzen verſucht. Ihm ſcheint die Be— nennung Fötus und Embryo für die Jungen des Didelphys, während ſie ſich in dem Beutel des Mutterthieres befinden, nicht mehr paſſend, indem die Reſpirations- und Ver— dauungsorgane ſchon wie bei einem völlig entwickelten Säuge— thiere thätig ſind; keiner der genannten Schriftſteller ſcheint überhaupt den früheſten Zuſtand der Jungen, über den nur Vermuthungen und unrichtige Bemerkungen vorhanden ſind, beobachtet zu haben. Am 18. Februar 1847 verfolgte man (in Nordame— rica, die Angabe des Ortes fehlt) im Schnee die Spuren zweier Opoſſums, die zu einem hohlen Baume führten; in demſelben fand man zwei ausgewachſene Thiere, ein Mann— chen und ein Weibchen, die man außer der Brunſtzeit ſelten bei einander findet; letzteres ſchien ſeinem Anſehen nach trächtig zu ſein. Am 27. Februar wurden ſie dem Verf. gebracht, der bei der ſorgfältigſten Unterſuchung des Mar- supium keine Spur einer Bruſtdrüſenentwicklung am Grunde der zarten Zitzen wahrnehmen konnte. Bis zum 2. März verblieb dieſer Zuſtand, am 3. wurden die Bruſtdrüſen ſicht— bar, ließen ſich auch durch's Gefühl erkennen; nunmehr nah— men ſie raſch zu und waren ſchon am 5. desſelben Monats hart und geſchwollen; am folgenden Tage, wo der Verf. das Thier nicht ſelbſt beobachten konnte, unterſuchte ſein Diener die Taſche, er fand noch kein Junges an den Zitzen. Am Morgen des 7. März öffnete der Verf. die Taſche und fand die jungen Thierchen an den Warzen hängen. Die zur Aufnahme der Jungen nöthige Vorbereitung der Beuteltaſche war ſomit innerhalb 4 Tagen, vom 3. bis zum 7. März, beendet und damit zugleich die Angabe, daß der Embryo, da wo er ſich gerade an die Haut der Taſche hänge, die Zitzen hervorſauge, als unbegründet erwieſen; die Bruſtwarzen entwickeln ſich vielmehr vorher ganz ſo wie bei jedem andern Säugethiere. Die Gebärmutter-Schwangerſchaft hatte wahrſcheinlich in der Nacht vom 6. auf den 7. März, alſo 17 — 18 Tage nach dem Schluſſe der Brunſtzeit, die vermuthlich bis zum 18. oder 19. Februar dauerte, ihr Ende erreicht; die Em— pfängniß könnte indeß möglicher Weiſe ſchon einige Tage früher Statt gefunden haben. Nach Prof. Owen dauert die Gebärmutter-Schwan— gerſchaft des Känguruh 39 Tage, auf den frühern Zuſtand der Bruſtdrüſen iſt von ihm nicht weiter geachtet worden; das Känguruh iſt ein großes Thier, während das Opoſſum ſelten über 15 bis 16 Pfund ſchwer wird. Es war ein allerliebſter Anblick, berichtet der Verf., beim Offnen des Schließmuskels, im Innern des Beutels 13 junge Opoſſums, feſt an eben ſo viel Zitzen haftend und begierig ſaugend, zu ſehen; ſie waren alle von gleicher 122 183 Größe, haarlos und von dunkelrother Farbe, bewegten ihre Vorderfüße, Pfötchen und Köpfe durchaus willkürlich. Der Verf. nahm ein Junges von der Zitze, an der es ſo feſt hing, daß er es faſt zu zerreißen fürchtete; dennoch war keine Anſchwellung am Ende der Bruſtwarze hinter der Saugſtelle des Jungen vorhanden. Die Trennung erfolgte ohne eine Verletzung, wenigſtens ließ weder der Mund des Jungen noch die Warze der Mutter Blutſpuren entdecken. Es wog genau 3½ Gran und war von der Schnauze bis zum Schwanze 8/10 Zoll lang; in ein Uhrglas gelegt, kroch es in demſelben umher und drehte ſich von einer Seite zur andern. Mit der Loupe unterſucht, athmete es durch die beiden Naſenlöcher und den Mund; es ſtarb 1 Stunde und 29 Minuten nach der Abnahme von der Mutterbruſt; der Verf. ſeeirte dasſelbe. Die Zunge des Thierchens, 1 Drittel ſo lang wie der Kopf, war milchweiß und halb eylindriſch gewölbt, um die Zitze umfaſſen und an das Gewölbe des Gaumens drücken zu können; der Mund war ein nur mit der Loupe deutlich ſichtbares Loch, die Mundhöhle geräumig, das Zwerchfell ſtramm. Das mit dem Herzbeutel bekleidete Herz war groß und kräftig, die Leber ebenfalls ſehr groß. Der Magenin— halt beſtand bei mikroſkopiſcher Unterſuchung aus Milch— kügelchen; die Darmſchlingen enthielten Milch und Chylus, hie und da durch Galle gelb gefärbt; auch die Harnblaſe war mit einer Flüſſigkeit erfüllt. Die beiden Lungen be— ſtanden aus lauter kleinen durchſichtigen Bläschen; von einer Nabelſchnur war, ſelbſt unter der Loupe, keine Spur zu finden. Fünf Tage ſpäter, am 12. März, nahm der Verf. ein zweites Junges von der Mutterbruſt; dasſelbe wog 12 Gran und athmete 32 Mal in der Minute. Am 18. März nahm er ein drittes ab; dasſelbe wog 18 Gran; der Schwanz war ſchon fo ſtark, daß man ihn anfaſſen durfte. Der Verf. warf es in Alkohol, um es zu tödten; es ſtarb erſt, nachdem es 16 Minuten in demſelben gelegen. So führen denn, ſchließt der Verf., die jungen Beu— telthiere im Innern des Beutels ihrer Mutter ganz dasſelbe willkürliche Leben und ſind mit ganz denſelben Mitteln zur unabhängigen Exiſtenz, mit einem Verdauungs-, Reſpira— tions- und Nervenſyſteme, wie die ſaugenden Jungen ande— rer Säugethiere, verſehen. Prof. Owen verwahrt ſich darauf in einer Nachſchrift gegen die Behauptung des Verf., er habe den Zuſtand der Bruſtwarze während der Schwangerſchaft des Känguruh außer Acht gelaſſen, indem er Stellen feiner Schrift eitirt; dar— nach war die oberſte Zitze der rechten Seite des Känguruh— weibchens in Gebrauch und etwa 2 Zoll lang, die Milch— drüſe ſtark geſchwollen, während die drei andern nicht be— nutzten Bruſtwarzen nur ½ Zoll lang, deren Milchdrüſen aber nicht bemerkbar waren. Das Thier ward belegt; am 11. September, dem funfzehnten Tage der Schwangerſchaft, war keine Anderung bemerkbar; am 3ä4ſten Tage derſelben hatte die milchgebende Bruſtwarze, da das Junge derweil geſtorben war, an Größe abgenommen; auch die drei übrigen verriethen am 38ſten Tage keineswegs die Nähe der Geburt, 100. V. 12. 184 und dennoch fand ſich am folgenden Tage ein neugebornes Junges an der von dem frühern Jungen verlaſſenen obern Bruſtwarze; nur dieſe enthielt Milch, während die übrigen nicht angeſchwollen waren. Dr. Meigs hält es für unwahrſcheinlich, daß ſich ein athmendes, blutführendes und verdauendes Säugethier von einer placenta unabhängig entwickeln könne; Prof. Owen erinnert dagegen an die Viper, welche lebendige Junge ge— biert, die, mit den drei genannten Functionen begabt, ſich dennoch ohne eine placenta entwickeln; ihm ſcheint die letztere überhaupt nicht ſo weſentlich, da ſogar die Vögel, deren Reſpiration und Circulation raſcher, wie bei den Säuge— thieren, vor ſich geht, ſich ohne ſie entwickeln; dagegen ſcheint ihm Meigs's Beſtimmung der Schwangerſchafts— dauer beim Opoſſum ſehr wichtig; doch bedauert er, daß Dr. Meigs, ftatt nur die Embryonalhäute und ihre An— hängſel bei den Opoſſumjungen zu beachten, nicht auch den uterus des Mutterthieres, während und gleich nach der Schwangerſchaft, unterſucht habe; eine Unterſuchung, welche die Frage eines Vorhandenſeins oder Fehlens der placenta leicht entſchieden hätte. Beim Känguruh iſt, nach Owen, keine placenta vorhanden. (The Annals of natural history, No. 134. 1847.) XXIV. Notizen aus W. H. Edwards's Reiſe am Amazonenſtrome und nach der Hauptſtadt von Para. (In No. 42 des Gardner's Chronicle mitgetheilt.) Der Verf., ein Engländer, drang weiter ſtromaufwärts wie irgend ein Americaner vor ihm. Die Provinz Para hat eine üppige Vegetation und köſtliche Früchte, die Ananas wird 19 Pfund und darüber ſchwer. Der Ingabaum, hier zu Hauſe, trägt eine Menge kleiner, ſtark riechender, weißer Blumen, die zu jeder Zeit von den verſchiedenfarbigſten Kolibris, die ihnen Zucker entſaugen, bedeckt ſind. Die Frucht iſt eine etwa fußlange Hülſe, von einem Zoll Durch— meſſer; die langen Samen liegen in einem ſüßen, weißen Fruchtbreie, den die Papageien ſehr lieben und ſchaarenweiſe zu dieſem Baume ziehen, um mit ihren Schnäbeln die Schale zu erbrechen und deren Inhalt zu verzehren. Die niedere Claſſe der Einwohner der Provinz Para lebt von getrockneten oder geſalzenen Fiſchen und Farinha, die aus der Mandiocawurzel bereitet wird. Dieſe Knollen werden über einen Fuß lang und ſind den Bataten ähnlich; ſie werden von ihrer harten Rinde befreit und zwiſchen Steinen zermalmt, dann in einen etwa 6 Fuß langen Sack aus Baſt gethan, an den ein Stein gehängt wird; die Aus— dehnung des Sackes bewirkt ein Zuſammendrücken ſeines Inhaltes, ſo daß der Saft abfließt; derſelbe ſoll ein ſehr kräftiges Gift enthalten. Die ausgepreßte Maſſe wird nun— mehr in eiſernen Pfannen getrocknet; ſie gleicht getrockneter Brotkrume und iſt, je nach der ſorgfältigen Bereitung, weiß oder braun; ſie wird in Körbe, die mit Palmblättern aus— gelegt ſind und etwa 80 Pfund faſſen, verpackt. Die In— 185 dianer und Schwarzen genießen die Farinha in großer Menge, ſie erſetzt ihnen das Brot und alle übrige Pflanzennahrung; ihr Aufquellen im Magen verurſacht indeß, nach dem Verf., den geſchwollenen Unterleib der Kinder. Mehrere Palmfrüchte dienen verſchiedenen Claſſen der Bevölkerung zur Nahrung. Die Euterpe edulis liefert die wohlſchmeckendſten. Dieſe Palme wird 30 bis 40 Fuß hoch, ihr Stamm aber ſelten dicker wie ein Mannsarm; zwiſchen der Krone von langen Blättern entwickeln ſich ein bis drei Blüthenſtände, anfangs von einer spatha umhüllt; die nach deren Abfalle ſich nach allen Richtungen ausbrei— tenden Aſte und Zweige dieſes Fruchtſtandes ſind zur Zeit der Reife mit purpurfarbnen Beeren, von der Größe einer Flintenkugel, bedeckt. Die Frucht hat eine dünne Schale, einen weichen Fruchtbrei und einen Steinkern. Man löſ't die Schale durch Abbrühen mit warmem Waſſer, zerreibt den Brei, entfernt die Steinkerne und genießt ihn mit Zucker und Farinha; es iſt das Lieblingsgericht der höhern Stände. Bei den Indianern herrſcht der Aberglaube, daß ihre Flinte zerſpringt, ſobald ſie nach einem Eichhörnchen ſchießen. Das Klima am Amazonenſtrome iſt höchſt angenehm und ſehr geſund; die Hitze wird ſelten läſtig, da ſanfte Winde kühlen. Wenn man am Ufer entlang fährt, zeigt ſich überall nur Luſt und Freude; zu allen Tageszeiten er— ſchallen die Wälder vom muntern Gefange der Vögel, und köſtliche Blumen prangen am Geſtade; die Luft iſt durchaus rein und frei von allem Gewölke. Nachts entfaltet das Him— melszelt ſeine zahlloſen Wunder in einer Pracht und Ma— jeſtät, wie ſie den Bewohnern der nördlichen Hemiſphäre unbekannt iſt. Der Himmel ſelbſt erſcheint im dunkelſten Blau, auf dem der Mond und die Sterne im funkelndſten Lichte ſtrahlen; ſtatt eines Nordſterns erblickt man Myria— den Sterne, im heiterſten Lichte glänzend. Das ſuͤdliche Kreuz und der große Bär im Norden, ſowie der Orion und Scor— pion, prangen im vollſten Glanze. 100. V. 12. 186 Mifcellen. 29. Der bedeutende Temperaturunterſchied zwi⸗ ſchen Devonſhire und Middleſer wird aus folgender Tabelle, die F. B. Lawes über die letzte Hälfte des Mais vorigen Jahres entwarf, erſichtbar. Aus der geringen täglichen Schwankung er⸗ klaͤrt ſich vielleicht das üppige Gedeihen der Fichten in Devonfhire, wo die Temperatur zu Bicton, das im Thale liegt, dem wenige Meilen entfernten Mamhead, an der Oſtſeite eines Hügels gelegen, nahebei; gleich iſt. Chiswick. Mamhead. Chiswick. Mamhead. Maxi- | Minis Mari- | Minis Ta gli , en mam | mum. mum. Sendung en. Mai 13 68 41 64 50 2 14 14 65 46 62 50 19 12 15 67 51 64 47 16 16 16 68 49 62 50 19 12 17 69 45 63 50 24 13 18 70 45 66 51 25 15 19 66 49 61 49 17 12 20 67 42 60 50 25 10 21 69 45 67 47 24 20 22 77 50 70 49 27 21 23 89 59 73 50 30 23 24 71 44 73 53 27 20 25 69 35 66 46 34 20 26 75 36 66 47 39 19 27 84 50 68 46 34 22 28 91 59 73 51 32 22 29 77 45 74 55 32 19 | 77 67 733 20 31. 80 46 71 48 34 23 Juni 1. 79 4⁵ 75 54 34 21 (The Gardner’s Chronicle, No. 40, 1847.) 30. Eine Yucca gloriosa und eben fo verfchiedene Magnolien blühten in diefem Sommer in Argylefhire (Eng: land) im Freien. Die Yucca war über 12 Jahr alt und hatte bisher, ohne irgend eine Bedeckung, uͤberwintert. Unter den Ma⸗ gnolien erreichten mehrere eine Höhe von 15 Fuß und darüber. Der Garten liegt unfern der See und hat eine ſehr geſchützte Lage. (The Gardner's Chronicle 1847. No. 31.) Heilkunde. (XXIII.) Behandlung der Neuralgien mittels des Strichfeuers. Von Hrn. A. Notta. Der Verf. macht in feiner Abhandlung auf die Me— thode aufmerkſam, nach welcher Hr. Valleix im Hötel- Dieu die Neuralgien mittels des Brenneiſens behandelt. Die Zahl der von ihm zuſammengeſtellten Beobachtungen beträgt 13. Unter dieſen Patienten litten zwei an neuralgia dorso- intercostalis, zehn an neuralgia ischiatica, einer an n. tri- facialis und sub-occipitalis; ſechs derſelben waren 30—39, ſechs 47 — 50, einer 18 Jahre alt. Die Hälfte der Kranken waren von kräftiger Conſtitution, die andere Hälfte durch Mangel am Nothdürftigſten herabgekommen; zwei mit or— ganiſchen Leiden behaftet. Die Krankheit war in vier Fäl— len zwei bis drei Wochen, in vier andern 2—5 Monate, in drei Fällen 8—10 Monate und nur in zweien 2—4 Jahre alt. Bei allen Patienten waren die Symptome der Neur— algie vollſtändig charakteriſirt, d. h. ſcharf begrenzte gegen Druck empfindliche neuralgiſche Flecken und ſchießende Schmer— zen längs der Nervenſtränge vorhanden. Die Schmerzen waren mehrentheils heftig uud der Schlaf mehr oder weni— ger geſtört. Von den 10 mit Hüftweh behafteten Patienten konnten 6 weder gehen, noch ſich in ihren Betten wenden. Nur 4 unter den 13 waren vorher ärztlich behandelt wor— 187 den, ohne daß die angewandten Mittel mehr als eine vor— übergehende Linderung bewirkt hätten. Bei allen dieſen Kranken wurde die Cauteriſation auf folgende Weiſe angewandt. Man brachte den Kranken in eine angemeſſene Lage und zeichnete die Linie, welche das Brenneiſen durchlaufen ſollte, mit Tinte vor, was an Thei— len, wo das Brennen mit großer Genauigkeit ausgeführt werden muß, z. B. im Geſichte, ſehr nöthig iſt. Alsdann ließ man Atherdämpfe einathmen, und ſobald vollſtändige Gefühlloſigkeit eingetreten war, ſtrich man raſch mit dem weiß glühenden meſſerförmigen Brenneiſen längs des Laufes des Nerven auf einer oder mehreren Linien hin, indem man den Patienten der größern Vorſicht halber halten ließ, um jeder unwillkürlichen Bewegung vorzubeugen. Sobald das Brennen vollzogen war, legte man mit friſchem Waſſer be— feuchtete Compreſſen über die gebrannten Striche. Indem das Brenneiſen über die Haut geführt wird, bringt es durch die Desorganiſation der epidermis bräunliche Linien hervor. Am folgenden Tage haben die Striemen eine dunklerbraune Färbung und ſind trocken. Die in ihrer Nähe befindliche Hautportion iſt ganz leicht gerunzelt; es findet etwas Hitze und ein ſehr erträglicher Schmerz Statt. Am dritten Tage be— merkt man längs der beiden Ränder der Brennſtriche einen ſchmalen rothen Saum, der an Breite variirt. An den folgenden Tagen zertheilen ſich die Hitze und die Span— nung der Haut, und nach 5 — 6 Tagen fällt die epidermis oder vielmehr ein bräunlicher Schorf, welcher ſich gebildet hat, ohne Eiterung ab, und unter demſelben erſcheint ein rother, glatter Streifen, der nach und nach ſpurlos ver— ſchwindet. Was die Wirkungen des Strichfeuers betrifft, ſo iſt die bemerkenswertheſte die Raſchheit, mit welcher es eine bedeu— tende Linderung zu Wege bringt. 5 bis 6 Stunden darauf waren die Bewegungen wieder möglich, und in der folgen— den Nacht konnten die Patienten wieder ſchlafen. Binnen 24 — 48 Stunden hatten die ſchießenden Schmerzen ganz aufgehört. Was die durch Bewegung und Druck veranlaß— ten Schmerzen betrifft, ſo ließ ſich deren Verſchwinden nicht früher conſtatiren als bis der gebrannte Streifen auf— gehört hatte ſchmerzhaft zu ſein; allein bei ſorgfältiger Unterſuchung ergab ſich bei acht Fällen von Hüftweh, daß die von beiden Urſachen herrührenden Schmerzen ſich binnen 2—4 Tagen gelegt hatten. In fünf Fällen, nämlich zweien von Hüftweh, zweien von neuralgia intercostalis und einer von n. trikacialis fand ſchon nach 24 Stunden kein Schmerz mehr Statt. Zuweilen trat der Fall ein, daß die Schmer— zen an einigen beſonderen Stellen fortbeſtanden, welche als— dann noch ein Mal gebrannt werden mußten. Bei ſehr hartnäckigen Neuralgien mußte man den Schmerz ſo zu ſagen mit dem Brenneiſen verfolgen, wie man es mit den Blaſen— pflaſtern zu thun pflegt. Von den 13 Patienten wurden 10 (son denen 7 mit n. ischiatica und die anderen mit n. intercostalis und n. trifacialis behaftet waren) vollſtändig geheilt, zwei erhielten bedeutende Linderung, und nur einer wurde ganz erfolglos behandelt. Die drei letzten waren mit Hüftweh behaftet. 100. V. 12. 188 Die bei dem jedesmaligen Brennen bewirkten Striche waren der Zahl nach nicht bedeutend. Wenn 7—8 Inter- coſtalnerven litten, fo betrug dieſe Zahl 3 — 4; bei der neuralgia ischiatica nur 1— 2. Man zog fie längs des Laufes der Nerven und über alle die Stellen, wo letztere ſchmerzhaft waren, indem man ſich begnügte, eine möglich große Anzahl dieſer Punkte zu überfahren, wobei man jedoch dafür ſorgte, daß die Brennſtreifen einander nicht kreuzten, weil ſonſt ein Schorf, Eiterung und eine bleibende Narbe entſtanden ſein würden. Über die Vorzüge, welche dieſes Brennen im Vergleich mit den Blaſenpflaſtern beſitzt, ſpricht ſich der Verf. folgen— dermaßen aus. Man braucht das örtliche Mittel nicht ſo oft anzuwenden, indem in mehr als zwei Dritteln der Fälle das einmalige Brennen hingereicht hat; der Schmerz iſt, weil der Kranke ätheriſirt worden, weit geringer; die Wirk— ſamkeit iſt bedeutender, indem Neuralgien, welche den Blaſen— pflaſtern widerſtanden hatten, durch das Brennen gehoben wurden; endlich erfolgt die Heilung ſchneller. (L'Union médicale, Oct. 1847.) (XIV.) Über die ſeit zwei Jahren zu Nantes ſporadiſch vorgekommene myelitis. Von Dr. Marce. Seit dem October 1845 hat man zu Nantes eine ziemlich bedeutende Anzahl von Fällen acuter myelitis beob- achtet, welche zwar nicht ſo zahlreich waren, daß ſie für eine eigentliche Epidemie hätten gelten können, aber doch ſo ſchnell hinter einander auftraten, daß man ſie gewiſſermaßen als ein zwiſchen den endemiſchen und epidemiſchen Krank— heiten in der Mitte ſtehendes Leiden betrachten kann. Dieſe Rückenmarksentzündung bot vier Hauptformen dar. Die erſte wurde durch allgemeine Lähmung des ganzen Muskel— ſyſtems, das die Nervenſtrömungen vom Rückenmark erhält, charakteriſirt. Beſonders ſchienen die Muskeln, welche von den vorderen Strängen verſorgt werden, ergriffen zu ſein. Bei der zweiten Form fand zugleich Lähmung gewiſſer Portionen des Muskelſyſtems und gewiſſer Portionen der Empfindungsapparate, namentlich des Taſt- und Geruch- ſinnes Statt. In dieſem Falle waren, wie es ſchien, die vorderen und hinteren Nervenftränge zugleich, ſowie auch unſtreitig bei Lähmung des Taſt- und Geſichtsſinnes der obere, an den bulbus grenzende Theil des Rückenmarkes be— theiligt. Bei der dritten Form folgte auf die nur wenige Tage anhaltende charakteriſtiſche Lähmung der Muskeln plötz— lich Rheumatismus in den Gelenken. Die vierte Form end— lich iſt rein paraplegiſcher Natur (indem die oberen Glied— maßen ihr Gefühls- und Bewegungsvermögen ungeſchwächt behalten) und im Allgemeinen von lumbago, mehr oder we— niger vollſtändiger Lähmung des rectum und der Blaſe, aber nur mit geringem oder gar keinem Fieber begleitet. Welcher Form die myelitis auch angehören mochte, fo 189 beſtand fie doch ſtets unabhängig von ächten Gehirnſym— ptomen. Ihre Exiſtenz ward aber nicht nur durch die Symptome, ſondern auch durch die bei der Section wahrzu— nehmenden Veränderungen dargethan. Der Verf. hatte nur ein Mal Gelegenheit, die Leichenöffnung vorzunehmen, und in dieſem Falle wurde das Rückenmark ſeiner ganzen Länge nach erweicht gefunden. Ferner bemerkte man in der regio cervicalis und lumbaris zwiſchen der arachnoidea und der membrana propria des Rückenmarks eine ſo ſtarke Ergießung der Rückenmarksfeuchtigkeit, daß in dieſen beiden Gegenden das Mark und die von dort ausgehenden Nerven ſtarken Druck erlitten“). In zweien dieſer Fälle zeigte die Lähmung einen ganz verſchiedenen Verlauf; in dem einen hatte ſie nach den obern Muskeln und Extremitäten, im andern nach den untern Ertremitäten hin das Übergewicht. Im erſteren Falle zeigte ſich auch der nach der ganzen Länge der Wirbel— ſäule ſich erſtreckende Schmerz in der Nacken- und Rücken⸗ gegend in vorzüglicher Heftigkeit, während im letztern die Lendengegend der Sitz der heftigſten Schmerzen war. In beiden Fällen litten die Patienten, theils durch die hinzu— tretende bronchitis, theils durch die Ausdehnung der Läh— mung auf die Reſpirationsmuskeln, an Erſtickungszufällen. In dem Falle, wo die Lähmung in der oberen Körperhälfte vorherrſchte, zeigte ſich die Kraftloſigkeit der Reſpirations— muskeln ſchon in den erſten Tagen der Krankheit, ſo daß der Tod bald durch Erſticken erfolgte, während in dem durch vorherrſchende Paraplegie charakteriſirten Falle die Erſtickung erſt ſpäter den Tod herbeiführte. In beiden Fällen ging der Lähmung der Muskeln ein heftiger Schmerz längs der Wirbelſäule, in den Lenden und den Extremitäten vorher, wie er ſich vor heftigen Fiebern durch Abgeſchlagenheit in den Gliedmaßen kund giebt. Dieſe Schmerzen hielten auch während der Lähmung der Muskeln an. Die verfchiedenen Partien des Muskelſyſtems wurden nicht ſämmtlich gleich— zeitig und plötzlich ergriffen. Die willkürlich beweglichen Muskeln wurden es zuerſt; dann diejenigen, welche nur ge— legentlich durch den Willen, in der Regel aber inftinetmäßig in Thätigkeit treten, z. B. die Muskeln des Afters, der Blaſe, des Athmens, des Kehlkopfs und der Stimmritze. In zwei Fällen war das Fieber acut und nicht intermitti— rend; in einem dritten war es intermittirend und das ſchwefelſaure Chinin bewies ſich wirkſam; in einem vierten war das Fieber typhöſer Art und ſein Verlauf ſchleichend und unſtät. In allen Fällen war das Fieber anfangs mit Abgeſchlagenheit, Gliederſchmerzen, tief greifender Steifheit verbunden. Die Veranlaſſungsurſache der Krankheit war meiſt in unterdrückter Hautausdünſtung zu ſuchen. Von zwei Patienten ſtarb durchſchnittlich einer, und die kräftigſten Mittel ſchlugen oft fehl. (Journal de la section de mede- eine de la Société academique de la Loire inferieure, 1846 et 1847. „) Dieſe Angaben über Sectionsbefund möchten mit großer Vorſicht auf⸗ zunehmen ſein. Es iſt bekannt, wie leicht bei Offnung der Rückgratshöhle zufällige Einwirkungen auf das Rückenmark bei ungeübter Hand Statt finden; und vorftehende Angaben ſprechen nicht ſehr dafür, daß der Unterſucher häufig die Rückenmarks höhle unterſucht habe. R. F. 100. V. 12. 190 ( XXV.) Verkrümmung der Hand und der Finger in Folge eines Bruches des radius; Durchſchneidung der Beugeſehnen; Wiederherſtellung der Geſtalt und der Functionen der Hand. Von Dr. Gorré, Oberchirurgen des Hoſpitals zu Boulogne-ſur-Mer. Ein 7½ jähriges Kind brach den rechten radius da, wo das obere Drittel des Knochens an das mittlere grenzt, bei Gelegenheit eines Sturzes auf die Handfläche. Man legte ihm den bei Brüchen des Vorarms üblichen Ver— band an und ließ denſelben ſechs Wochen lang liegen. Allein er war zu feſt angelegt worden, und als man ihn abnahm, erkannte man an der Volarfläche des Vor— arms ein oberflächliches Geſchwür und permanente Beu— gung der Hand und Finger mit Ausnahme des Daumens. Vier Monate ſpäter bildete die Hand mit dem Vorarme einen Winkel in der Richtung der Adduction. Die vier in ihren Gelenken gebeugten Finger waren nach der Hand— fläche zu geſenkt und nur der Daumen hatte ſeine nor— male Richtung und Beweglichkeit beibehalten. Die Hand war fortwährend geſchloſſen und konnte durchaus nicht be— nutzt werden. Unter dieſen Umſtänden entſchloß ſich der Verf., die zuſammengezogenen Muskeln am Handgelenke zu durchſchneiden. Er ließ die Hand ſo ſtark es anging in Abduction bringen und die drei Sehnen des m. flexor digit. ulnaris und der beiden mm. palmares ſo weit als möglich vortreten, worauf ſie alle drei mittels des Tenotoms und zwar ſo, daß für jede derſelben bei je verſchiedenen Höhen eingeſtochen ward, durchſchnitten wurden. Die Hand ſtreckte ſich auf der Stelle und nahm ungefähr ihre normale Stel— lung an. Sie wurde mittels einer doppelten Schiene (auf der innern und äußern Fläche), die ſich bis ein wenig unterhalb des Gelenkes des radius mit dem carpus er— ſtreckte, ſowie mit einer Radialſchiene feſt geſtellt, welchevon jener durch ein dickes Polſter geſchieden und mit derſelben mittels einiger Bindengänge verbunden war. Sechs Tage ſpäter durchſchnitt Hr. Gorré den flexor digitorum subli- mis am Fauſtgelenke. Dieſe Operation brachte augenblick— lich eine geringe Senkung der beiden erſten Phalangen zu Wege. Fünf Tage darauf wurden die vier Sehnen des flexor profundus, welche ſich an allen vier Fingern in Ge— ſtalt einer iſolirten ſtraffen Schnur darſtellten, in der Höhe der zweiten Phalangen durchſchnitten. Gleich nach dieſer Operation wurden die gegen die zweiten Fingerglieder vorher hakenartig gebeugten dritten Phalangen ſchlaff und beweglich. In die innere Handfläche ward ein Wattenbauſch gelegt und die Finger mittels eines mit einer Dextrinauflöſung befeuch— teten Verbandes im Zuſtande der Beugung erhalten. Als dieſer feſt gewordene Verband nach 14 Tagen abgenommen ward, konnte das Kind die Finger nur ſehr ſchwach bewegen; der Arm ward in eine Schlinge gehängt und der kleine Patient nach Hauſe geſchickt. Einen Monat ſpäter konnte die noch immer ein wenig nach dem Cubitalrande zu ge— neigte Hand leicht gebeugt und geſtreckt werden. Die Be— wegung der Finger war in den Gelenken des metacarpus 131 mit den erſten Fingergliedern, ſowie in denen der erſten Fingerglieder mit den zweiten, ziemlich normal; dagegen in den Gelenken zwiſchen den zweiten und dritten Fingerglie— dern beſchränkt und unvollkommen. Indeß konnte ſich das Kind des Löffels und der Gabel ziemlich geſchickt bedienen und mit der operirten Hand die Mütze abnehmen. Monate ſpäter war die Richtung der Hand ziemlich normal; die Finger ließen ſich indeß nur unvollkommen ſtrecken; die zweiten Phalangen waren ein wenig gegen die erſten, die drit— ten gegen die zweiten gebeugt. Die Beugung der Gelenke des metacarpus mit den Phalangen, ſowie der Phalangen unter einander konnte vollſtändig ausgeführt werden; allein die Streckung war ein wenig beſchränkt. Indeß ſpielte das Kind mit dem Kreiſel, fuhr den Schubkarren, konnte eine Stecknadel vom Boden aufheben, kurz ſich ſeiner Hand zu allen gewöhnlichen Verrichtungen bedienen. Acht Monate ſpäter ließ ſich die operirte Hand von der geſunden kaum noch unterſcheiden; ſie befand ſich nur noch ein wenig in Adduction, und die Finger ließen ſich nicht vollſtändig ſtrecken. (Gazette med. de Paris, Nov. 1847.) Mifcellem (26) Acidum aceticum hat gegen arthritiſche, rheumatiſche und neuralgiſche Leiden Hr. J. C. At: kinſon ſehr wirffam gefunden. Er wandte ddieſes Mittel zuerſt bei Patienten an, wo die alkaliniſche Behandlung, ſowie Colchicum durchaus nicht anſchlagen wollte. Solchen, bei denen der Aſſimilationsproceß, wegen ungünſtiger Beſchaffenheit der Se— cretionen unvollkommen von Statten ging, und bei denen übel— riechender Athem und Aufſtoßen efelhafter Gaſe aus dem Magen, ferner beſtändig Schmerzen in der epigaſtriſchen Gegend nach dem Genuſſe von Speiſe und Trank Statt fanden, that die Eſſigſäure ſehr gut. Ein charakteriſtiſches Kennzeichen der günſtigen Wirkung 100. V. 12. Sieben, 192 derſelben iſt, daß der vorher trübe Harn durchaus klar wird. Bei jungen Perſonen hat man dieſes Mittel ſelten nöthig, wogegen es beſonders für ſolche von mittlern Jahren paßt, welche ihre Conſti⸗ tution durch Ausſchweifungen untergraben haben. Hr. A. verord⸗ net die Eſſigſäure folgendermaßen: Acid. ac. 1 Drachme, Jalappen⸗ tinctur 20 Tropfen; Pomeranzenſchalentinctur 1 Drachme, Kam: phertinctur ſo viel, als zu einem Schlucke erforderlich iſt. Zwei bis drei Mal täglich zu nehmen. Der Verhältnißtheil der Eſſig⸗ ſäure kann, je nach der Neigung des Patienten und der Art der Wirkung, verſtärkt oder vermindert werden. (The Lancet, Nov. 1847.) (27) Einen complicirten Bruch des äußern con- dylus des femur, welcher ſich in das Kniegelenk hinein erſtreckte und wobei zugleich das untere Drittel des kemur über dem Gelenke gebrochen war, hat Hr. Brookes ohne Amputation geheilt. Ein 11jähriger Knabe war von einem Wagen gefallen und dabei das linke Bein zwiſchen die Speichen eines Hinterrades gerathen. Das untere Ende des Knochens ſtand durch die Integumente heraus; das Capſelligament des Knies war zerriſſen; die art. poplitaea war nicht verletzt. Der äußere condylus war ſchräg gebrochen, ſo daß man den Finger zwiſchen den Knochen und das Gelenk einführen konnte, und das Knie war ſtark verdreht. Das Gelenk ward mit naſſer Scharpie verbunden, eine gerade Schiene von der Hüfte bis an den Fußknöchel an die äußere Seite, ſowie eine andere kürzere und concave an die innere Seite des Beines gelegt. Eine mäßig feſt angezogene Rollbinde hielt den Verband zuſammen. Zwei Tage ſpäter konnte man durch die weit klaffende Wunde den Finger frei zwiſchen den äußern condylus und den Kopf der tibia einführen. Es lief mit Blut vermiſchte synovia aus. Das Knie war ſtark geſchwollen und die Knieſcheibe verſchoben. Puls in den letzten beiden Tagen 90—120. Kalte Umſchläge. Nach 6 Wochen nahm man die Schienen ab; die Knochen waren zuſammengeheilt; die Wunde geſchloſſen, das Gelenk ein wenig beweglich. Es wurde mit Pappſchienen unterſtützt und jeden Tag ein Mal kalt douchirt. Ein zolllanges Knochenfragment ging aus der Poplitäalgegend ab. Achtzehn bis zwanzig Monate nach dem Unfalle konnte das Kind das Knie wieder beugen und ſich auf das kranke Bein ſtützen, auch am Stocke recht gut gehen. (Gaz. med. de Paris, 8. Janv. 1848.) Nekrolog. — Hr. Jourdan, der fleißige Überſetzer deut⸗ ſcher angtomiſcher und phyſiologiſcher Werke, iſt am 2. Januar in ſeinem 59. Jahre zu Paris geſtorben. Bibliographiſche Neuigkeiten. Schomburgk, R., Reisen in Britisch-Guiana 1840 — 1844. 1. Bd. gr. 4%. In engl. Einb. für 2 Bde 13½ Thlr. J. J. Weber in Leipzig 1847. de Vriese, W. H., descriptions and figures de plantes nouvelles et rares du Jardin botan, de Leide etc. Livr. I. gr. Fol. 4 Thlr. Leide (Leipzig, Fr. Fleischer in Comm.) 1847. Lüben, A., vollſtändige Naturgeſchichte. Säugethiere. 27. und letztes Hft. Text. gr. 8. 8 Sgr. Schreiber in Eilenburg 1847. Traite de la Spedalskhed ou elephantiasis des Gregs; par D. C. Danielssen, médecin en chef des höpitaux de Spedalsques ä Bergen, et W. Böck, pro- fesseur de la faculte de medeeine à Christiania. Ouyrage publie aux frais du gouvernement norwegien. Traduit du norwegien sous les yeux de M. Danielssen, par L. A. Casson (de Nogaret). In 8° de 35 feuilles. Paris, Bailliere 1847. (10 fr.). (Le meme ouvrage, un volume in 80, avec atlas in folio de 24 pl. dessindes et coloriees d’apres nature 50 fr.) Essai de pharmacologie therapeutique generale; par le docteur A. Jaumes. Tome I. In 8° de 25 feuilles J. Montpellier, Castel; Paris, Bailliere et Fortin-Masson 1847. Exploration scientifigue de l’Algerie pendant les années 1840, 41, 42. Publiee par ordre du gouvernement et avec le concours d’une commission academi- que. Sciences medicales II. Grand in 8° de 16 feuilles ½. Paris 1844. Essai sur la meningite curebro-spinale epidemique, suivi d’une Notice sur un nouveau rachitome secateur à double lame, avec une planche represen- tant l’instrument; par le docteur L. Companyo. In 8° de9 feuilles ½, plus une pl. Paris, Bailliere; Montpelllier, Castel 1847, Dictionnaire de bromatologie vegetale exotique, comprenant en outre de nom- breux articles consacres aux plantes indigenes dont on ignore ou neglige generalement les proprietes alimentaires, si utilement applicables aux besoins Journaliers des classes pauyres; par Emilie Mouchon, pharmacien. In 8° de 27 feuilles ½. Paris, Bailliere; Lyon, Guilbert et Dorier 1847. (6 fr.) De l’influence des voyages sur homme et sur les maladies; par J. F. Dau- gel, docteur en médecine. Deuxieme edition, revue , corrigee et augmentee. In 8° de 31 feuilles ½. Paris, Comon 1848. (7 fr.) Dinneford, C. — A Family Medieine Directory; containing an Alphabetical List of Domestic Medieines, with their Properties and Doses attached; a Select Pharmacopoeia ete. By Charles Dinneford. 3d edition, 120, (pp. 164, sewed, 2 sh. 6 d.) London 1847. Köcher, L. — An Essay on the Diseases of the Jaws, and their Treatment. By Lenard Köcher. New edit. with copious Notes, and Appendix, contai- ning Tables of upwards of Three Hundred Cases by J. B. Mitchell. 89. (pp. 114, cloth, 5 sh.) London 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrle-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 101. (Nr. 13. des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. van Beneden über die Entſtehungsweiſe der niederen Thiere. — Miſcellen. Duflos, Meteoreiſen. Hamilton, der ſchwarze Mangrovebaum. Nekrolog. — Heilk | 1 Froriep, über Lebendigbegraben. Nekrolog. — Bibliographie. unde. Spitzer, eine ſeltene Krankheit am Haare. — Wilde, Anſchwellung der Lippendrüſen. — Miſcellen. Naturkunde. XXV. über die Entſtehungsweiſe der niederen Thiere. Von P. J. van Beneden. (Hierzu die Abbildungen Fig. 9 — 16 auf beiliegender Tafel.) Ein Auszug dieſes in No. 5 des Bulletin de Pacadé- mie royale des sciences de Belgique von 1847 befindlichen Aufſatzes wird, bei dem jetzt ſo regen Intereſſe für die Entwicklungsgeſchichte der niedern Thiere, hoffentlich nicht unwillkommen ſein. Die Campanularien, Tubularien und Sertularien ſind ſich nahe verwandt; die beiden erſten Gruppen erzeugen be— kanntlich ein quallenartiges Thier, das für die letzte noch nicht nachgewieſen iſt; der Verfaſſer beſuchte daher im Monat April die Seeküſte Belgiens, um die Entwicklungsweiſe die— ſer Thiere zu ſtudiren. I. Thoa halecina und Sertularia cupressina. Die Thoa halecina ift in der See zu Oſtende eine der gemeinften Sertularien, wird aber felten lebend an den Strand geſpült; der Verf. war indeß ſo glücklich, einige friſche, ganz mit Brutzellen bedeckte Stämme dieſer Gattung zu erhalten. Die Eierzellen oder Capſeln erſcheinen überall an den Seitenäſten der mittlern Höhe des Polypenſtockes und find ſchon mit bloßem Auge ſichtbar; fie liegen mei— ſtens mehr oder weniger regelmäßig und in gleicher Rich— tung neben einander und ſind, wie die Polypen, auf einem dünnen Stiele befeſtigt; ihr vorderes, abgerundetes Ende hat ſeitlich eine Offnung mit zerſchlitzten Rücken. Eine gemein— ſchaftliche fleiſchige Subſtanz nimmt die Mitte des ganzen Polypenſtockes und eben fo der Capſel ein, in deren Wan— dungen ſich 4 bis 5 Eier von mattweißer, bei andern hell roſenrother Farbe entwickeln. No. 2081. — 981. — 101. Einem leichten Drucke unterworfen, zeigte ein ſolches Ei in der Mitte ſeines Dotters, der faſt die ganze Maſſe aus— machte, ein weißes Bläschen, das ſich iſoliren ließ, mit einer weißen, klaren Flüſſigkeit erfüllt war und in ſeiner Mitte ein zweites Bläschen umſchloß. Der Verf. hält ſie für das Purkinje'- und das Wagner'ſche Bläschen, die nach andern Keimblaſe und Keimfleck heißen. Das Purkinje'ſche Bläschen platzt ſehr leicht, ſchon bei angewandtem Drucke verſchwand es häufig in dem Augenblicke, wo der Dotter austrat, ohne eine ſichtbare Spur ſeiner Wandungen, wohl aber runde Kügelchen von äußerſter Durchſichtigkeit zurücklaſſend. Die Brutzellen der Thoa beſtehen, wie die der Campa— nularien, anfangs aus einer rings umſchloſſenen Capſel; bei den erſtern durchbricht indeß die fleiſchige Maſſe in einzel— nen Fällen die Wandung derſelben, indem ſie zwei neue den übrigen der Colonie in allen Stücken gleiche Polypen entwickelt. Der Verf. glaubt nicht, daß ſie aus in der Capſel vorhandenen Eiern entſtänden, da niemals mehr und niemals weniger als zwei entſtehen, und er ſie überdies aus im fleiſchigen Gewebe entwickelten Brutknoſpen hervor— gehen ſah. Unterwirft man eine ſolche eiererfüllte und von zwei Polypen gekrönte Capſel dem Drucke des Preßſchiebers, ſo ſieht man in der Mitte jedes Eies ein durchſichtiges Bläs- chen, das ſich vorher nicht unterſcheiden ließ; dann platzt die Dotterhaut, die Flüſſigkeit ergießt ſich in die gemein- ſchaftliche Höhlung, gelangt von da in die Verdauungshöhle (Magen) des Polypen und tritt durch die Mundöffnung desſelben nach außen; woraus es dem Verf. wahrſcheinlich wird, daß auch die Eier normal aus der Mundöffnung der beiden Endpolypen hervortreten, wie eine ſolche Art des Eierlegens von Wagner und Lowen für die Syncoryna und Campanularia geniculata bereits nachgewieſen iſt. Die 13 195 101 Eier waren mit ſchwingenden Wimpern beſetzt, von deren Daſein ſich der Verf. im Monat Auguſt und September am entſchiedenſten überzeugte. Unter den Eiern einer Brutzelle fand der Verf. eins, das ſich von den andern durch ſeine Farbe unterſchied und bei ſorgfältiger Beobachtung eine den Samenfäden ſehr ähn— liche Bewegung ſeines Inhaltes zeigte. Der Verf. will über ihre männliche Natur nicht entſcheiden, erinnert indeß an andere ſchwanzloſe Samenfäden und ihre Entſtehung in einer dem Eie ähnlichen Zelle; findet daher nichts ungewöhnliches in dieſer Erſcheinung, zumal ſich kein anderer männlicher Einfluß auf das Ei beobachten ließ. Der Verf. ſah alſo, wie ſich beim genus Thoa die Eier in der gemeinſchaftlichen Maſſe der Bruteapſeln ent wickelten, wie gleichfalls aus denſelben durch Knoſpung zwei neue Polypen entſtanden, denen wahrſcheinlich das Geſchäft des Eierlegens zukam; dieſe waren den übrigen Polypen der Colonie vollkommen gleich, veränderten auch ihre Geſtalt zu keiner Zeit und hatten eben ſo wenig eine von ihnen verſchiedene Nachkommenſchaft. Dieſe Beobachtung iſt um ſo wichtiger, da Lowen bei den Campanularien zwei qual— lenförmige Polypen beobachtete und abbildete, welche die Eier entließen. Die Sertularia cupressina, die der Verf. gleichzeitig beobachtete, entwickelt ihre Bruteapſeln längs den Aſten der Mitte des Polypenſtockes; ihre Zahl iſt verſchieden, ſie fin— den ſich oft zu 8 bis 10 bei einander, ſind länglich und zeigen bei gelindem Drucke zwei centrale Bläschen, der übrige Raum iſt vom Dotter erfüllt. Wenn ſich die Eier ihrer Reife nähern, treiben ſie die fleiſchige Maſſe, in der ſie ſich entwickelt haben, vor ſich hin; dieſe bildet außerhalb der Capſel einen runden Sack, in den die Eier nach einander eintreten; die Wandungen des Sackes öffnen ſich darauf und entlaſſen die Eier, an deren Stelle andere von unten aufrücken, bis die Capſel entleert iſt. Hier iſt alſo ſtatt der beiden Endpolypen eine einfache Membran, ein wahrer Eiſack, ohne eine Spur von Organiſation, vorhanden. Dieſelbe Erſcheinung beobachtete der Verf. an der Brutcapſel einer Campanularie: auch hier wurden die Eier ohne Vermittlung eines meduſenförmigen Polypen entlaſſen, entwickelten ſich zu bewimperten, gleich Infuſorien umherſchwimmenden Larven. Dieſelbe Erſcheinung kommt auch bei den Campanularien und Tubularien vor; ſie bilden wirkliche Eier und außerdem Brutknoſpen, wo— gegen die Meduſenform vielleicht nur überſprungen wurde. Sars ſah die Meduſen ſich durch Sproſſung vermeh— ren, indem ſeitlich aus dem Magen der Mutter eine neue Cyteis hervorging, auch eine andere Qualle, ſtatt Eier und bewimperte Larven zu zeugen, unmittelbar vollkommene Me— duſen entwickelte. Sars und Wagner beobachteten ferner mehrere Polypen, die bald mit, bald ohne Vermittlung einer Meduſe Eier legten; bei Coryna squamata fand B. Wag— ner die Eier in einem Eiſacke, bei Coryna aculeata da— gegen eine Meduſe. Bei Podocoryna carnea, unſerer Hy— dractinie, fand Sars bald einen Eiſack mit Eiern und gewimperten Larven, bald Meduſen. Er machte aus ſeinem V. 13. 196 genus Podocoryna zwei Arten: P. carnea und albida; merkwürdiger Weiſe gelangte der Verf. an der Küſte von Oſtende zu demſelben Reſultate, wie Sars in Norwegen, indem er die Hydractina in rosea und lactea trennte. Noch bleibt ein wichtiger Punkt, ob die fleiſchige, die Brutzellen erfüllende Maſſe, in der ſich die Eier entwickeln, als Individuum anzuſehen iſt, zu betrachten ubrig. Steens— trup nimmt in einem Polypenſtocke drei Arten von Indi— viduen an; es finden ſich aber hier ſo bedeutende Übergänge, daß man nicht weiß, woran man ſich zu halten hat; die Campanularien ſcheinen gegen dieſe Anſicht zu ſprechen (2); dagegen kommen aber Tubularien mit eiertragenden Indisi— duen ohne Mundöffnung vor. Sars bemerkte an den eier— führenden Polypen feiner Podocoryna eine Verminderung der Fühlfäden, der Verf. beobachtete bei derſelben Art ſogar ein vollſtändiges Fehlen derſelben. Bei den Corynen findet ſich dagegen gar kein Unterſchied zwiſchen den eiertragenden und den übrigen Polypen, ja bei Thoa finden ſich ſogar zwei Polypen an der Spitze der Brutcapſel, die in allen Stücken den übrigen gleichen. Eine ſcharfe Begrenzung des Individuums ſcheint dem— nach zur Zeit unmöglich, zumal man bei Knoſpen nicht genau die Stelle zu bezeichnen vermag, wo das neue Indi— viduum für ſich beſteht. Bei der Zeugung durch Eier iſt es dagegen anders; das fertige Ei iſt ein für ſich beſtehen— des Individuum. Zugleich gedenkt der Verf. eines ihm von du Jardin über die Bezeichnung der meduſenförmigen Polypen gemachten Einwurfes; du Jardin bemerkt nämlich, daß die vom Verf. fuͤr Larven gehaltenen Weſen im Gegentheil entwickelte Individuen ſeien; der Verf. will das nicht beſtreiten, zweifelt aber ſehr daran, daß bis jetzt irgend jemand ein Hervor— treten der Eier aus den Meduſen der Campanularien oder freien Tubularien beobachtet habe. II. Campanularien. Auf einer lebenden Schnecke (Pholus candida) fand der Verf. eine neue Campanularie, die ſich fo abweichend von allen übrigen verhielt, daß er fie zum neuen genus Campa- nulina erhob. Das äußerſt kleine, im ganzen höchſtens 0,05 Millim. meſſende Thierchen war höchſt unregelmäßig und zeigte kaum eine Spur von Ringen; ſeine Fühlfäden waren an ihrer Baſis durch eine Haut verbunden. Es fand ſich auf verſchiedenen Meereserzeugniſſen und war durch feine handförmigen Fühlfäden leicht zu unterſcheiden. Der Verf. verſpricht hierüber ſpätere vollſtändige Beobachtungen. Die Campanularia volubilis entwickelte unter des Verf. Augen eine Meduſe, die ſich von allen, die er bisher bei den Campanularien geſehen, unterſchied und an Geſtalt einer Bero& glich, wie er ſie ähnlich bei den Tubularien, nament— lich aber beim genus Syncoryna, geſehen. Die Meduſe hatte hier indeß, ſtatt 24, nur 4 Cyrrhen; auch die 8 Füͤhlfäden waren am Rande zwiſchen den Anhängſeln und nicht an ihrem Grunde befindlich; ſie war ſomit von allen Meduſen der andern Campanularien durchaus verſchieden, weßhalb fie Lamouroux auch zur Gattung Clytia machte. 197 Die Tubularien, Campanularien und Meduſen, vielleicht auch die Sertularien, durchlaufen alſo gleiche Entwicklungs— phaſen; aus dem Cie entſteht eine gewimperte Larve, die ſich durch Sproſſen und Knoſpen vermehrt und zu einem Polypenſtocke wird. Ein Theil der gemeinſchaftlichen innern Maſſe dieſer Colonie wird dann der Sitz einer Reproduction durch Theilung; bei den Meduſen entwickelt ſich darauf die Form einer Strobila, wie bei den Polypen Brutcapfeln mit ſich bewegenden Embryonen entſtehen. In beiden Fällen trennt ſich das Thier unter neuer Geſtalt von der Colonie, ſchwimmt frei umher, ſein Geſchlechtsapparat entwickelt ſich, es pflanzt ſich durch Eier fort. Wie aber für die Entwicklung der Polypen der Medu— ſenzuſtand nicht durchaus nothwendig iſt, tritt auch bei den Meduſen nicht immer der Polypenzuſtand ein, indem es ſowohl Quallen giebt, die unmittelbar wieder Quallen ges bären, als Polypen, die unmittelbar Polypen erzeugen. Die Reproductionsweiſe des Salpa ſcheint dem Verf. bisher nicht richtig aufgefaßt, da man für die vereinzelt— lebenden, wie für die mit einander verbundenen Thiere einerlei Zeugungsweiſe annehme, während ſich doch die einen durch Knoſpen, die andern durch Eier vermehren. Die aus den Eiern hervorgehenden Thiere leben anfangs für ſich, ent— wickeln ſpäter Knoſpen, die, mit dem Mutterindividuum in Verbindung bleibend, ſich zu einem ketten- oder roſenkranz— förmigen Polypenſtocke anordnen; dieſe legen dann Eier, aus denen wiederum iſolirte Embryonen hervorgehen. Nicht unpaſſend vergleicht der Verfaſſer dieſe Entwicke— lungsweiſe mit der eines Baumes, der, aus dem Samen entſtanden, erſt Seitenknoſpen und zuletzt wieder Samen entwickelt. Analog mit dieſer ſcheint dem Verfaſſer die Zeugungsweiſe der Taenia und der Botryocephalus, nur mit dem Unterſchiede, daß die aus den Eiern hervorgehende Generation ſich von der aus Knoſpen entwickelten der Form nach unterſcheidet; die Trennung der Ringe oder Glieder des Wurmes ſtellt dann die letzte Entwicklungsphaſe dar, bei der, wie bei den Meduſen und der Salpa, erſt der Ge— ſchlechtsapparat auftritt. Die Hydra, Aphis und mehrere Anneliden zeigen eine ähnliche Erſcheinung; Müller wies bei der Nals als erſte Reproductionsweiſe eine Knoſpenbildung nach; Milne-Ed— wards beſtätigte dieſelbe für Myrianida fasciata, und Sars für Filagrana implexa; auch hier erſcheint der Geſchlechts— apparat erſt nach wiederholten Knoſpengenerationen. Die erſten aus Knoſpen entſtandenen Thiere ſind von den aus Eiern hervorgegangenen nicht verſchieden; die letzten Genera— tionen unterſcheiden ſich dagegen durch den Beſitz der Ge— ſchlechtswerkzeuge. Die einfachen Aſeidien pflanzen ſich unmittelbar durch Umwandlung fort, bei den zuſammengeſetzten ſcheint das nicht der Fall zu ſein. Sars zeigte, daß letztere aus der fiſchartigen Form entſtänden und ſich in Maffe mit einander verbänden. Dem Verf. ſcheint ein ſolcher Übergang der fiſchartigen Form ohne Sinnesorgane zu einem höher ent— wickelten Weſen nach der Analogie der Polypen und Medu— ſen kaum zweifelhaft. 101. M 18; 198 Die Entwicklungsweiſe der Aſeidien gewährt zugleich ein Verſtändniß für die Gercarien, die Steenstrup nach mehreren Statt gefundenen Generationen ſich in Diſtomen umwandeln ſah. Bei letzteren Thieren findet, wie bei den Afeidien, eine Knoſpenbildung Statt, nur mit dem Unter— ſchiede, daß ſich hier die Knoſpen innerhalb des Mutter— thieres entwickeln, dasſelbe ſomit zur Hülle für die folgende Generation wird, was Leblond zu der irrigen Anſicht von Entozoen in Entozoen verführte. Im erſten Falle hatten wir es mit einer exogenen, im letzten mit einer endogenen Knoſpenbildung zu thun. Der Generationswechſel der niederen Thiere beruht alſo auf der Ahnlichkeit der Nachkommenſchaft mit ihren un— mittelbaren oder mit ihren mittelbaren Eltern nach ihren beiden verſchiedenen Reproductionsweiſen des Cierle— gens und der Knoſpenbildung, die der Verf. generation ovogene und phytogene nennt. Die aus dem Eie entſprun— gene Nachkommenſchaft hat eine Reihe von Umwandlungen zu durchlaufen, die für die aus der Knoſpe entſtandene nicht vorhanden ſind. Mit Steenstrup ſtimmt dann der Verf. in Göthens Worte ein: „Die Natur geht ihren Gang, und dasjenige, was nur als Ausnahme erſcheint, iſt in der Regel.“ Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Vergrößerter Zweig einer Thoa halecina, man ſteht die mit Eiern erfüllte Brutcapfel, an deren Spitze zwei Polypen; dagegen ſeitlich einen entwickelten Polypen; zugleich an der ihm entgegengeſetzten Seite bei a eine ſich bildende Knoſpe. Fig. 2. Ei derſelben Thoa, ſtärker vergrößert. Fig. 3. Ein Aſt der Sertularia cupressina, zwei Brutcapſeln mit ausgetretenem Eiſacke zeigend. Fig. 4. Eier derſelben Sertularie in verſchiedenen Entwicklungsſtadien. Fig. 5. Eine Brutcapſel derſelben Sertularie, vor dem Austreten des Eiſackes, bei ſtärkerer Vergrößerung. Fig. 6. Ein Ei dieſer Sertularie mit ſchwingenden Wimpern. Fig. 7. Eine Campanulina tenuis mit ausgeſpannten Fühlfäden. Fig. 8. Eine aus der Campanularia volubilis her⸗ vorgegangene Meduſe. Miſcellen. 31. Meteoreiſen. — In der Sitzung der naturwiſ— ſenſchaftlichen Section der ſchleſiſchen vaterländiſchen Geſellſchaft zu Breslau vom 8. December theilte Profeſſor Duflos folgen⸗ des mit: Vor etwa acht Tagen wurde ich vom Hrn. Mechani— cus Ilgmann benachrichtiget, daß der Mechanicus Hartig auf einer Geſchäftsreiſe in der Umgegend von Grünberg bei See— läsgen (einem im Kreiſe Schwiebus des Frankfurter Regierungs— bezirkes gelegenen Dorfe) eine faſt zwei Centner ſchwere Eiſenmaſſe angetroffen, deren äußere Ahnlichkeit mit dem Braunauer Meteor⸗ eiſen, welches ihm aus den in der ſchleſiſchen Geſellſchaft darüber gehaltenen Vorträgen bekannt war, aufgefallen ſei und ihn ver anlaßt habe, einige Bruchſtückchen mitzunehmen, um ſie hier einer näheren chemiſchen Prüfung unterwerfen zu laſſen. Durch Hrn. 1 199 Ilgmann wurden mir dieſe Bruchſtückchen eingehändigt, und die Prüfung ergab alsbald, daß Hr. Hartig ſich nicht getäuſcht hatte. Auf die von mir an den zeitigen Präſes der ſchleſiſchen Geſellſchaft, Hrn. Prof. Dr. Göppert, gemachte Mittheilung die— ſer Angelegenheit beeilte ſich derſelbe, letzteren zu bitten, die frag— liche Eiſenmaſſe behufs näherer Anſchauung und genauerer Unter— ſuchung kommen zu laſſen. Hr. Hartig entſprach alsbald dieſer Aufforderung, und die genannte hier eben vorliegende Maſſe ge— langte am vergangenen Sonntage nach Breslau. Es wurde mir nun ſogleich eine zur quantitativen Unterſuchung hinreichende Menge von derſelben übergeben. Die näheren Reſultate der Analyſe werde ich ſpäter der Section mitzutheilen nicht unterlaſſen, und begnüge mich gegenwärtig nur mit der Bemerkung, daß wie das Außere, ſo auch der weſentliche innere Gehalt, nämlich Eiſen, Phosphoreiſen, Nickel, Kobalt u. ſ. w. die vollkom⸗ menſte Ahnlichkeit mit den Braunauer Maſſen zeigt, fo daß jetzt ſchon der meteoriſche Urſprung des See⸗ läsgenſchen Eiſens wohl unzweifelhaft feſt ſtehen dürfte. : Göppert. 32. Der ſchwarze Mangrove-Baum, der an dem ſum⸗ pfigen Geſtade der See zu Harbeur, Antigua und an den Fluß: mündungen am Cap Henry und zu Hayti wächſ't, iſt ein anſehn— licher Baum, der 30 bis 50 Fuß hoch wird. Seine Wurzeln erheben ſich bogenförmig aus dem ſchlammigen Grunde und ſind mit Tauſenden kleiner Auſtern, die für einen Leckerbiſſen gelten, bedeckt; und fo entſtand die Sage der an Bäumen wachſenden Au— 101. V. 13. 200 ſtern. Wichtiger wird der Mangrove-Baum indeß durch ſeinen Kampf mit dem Meere, dem er ein Stück Land nach dem andern abgewinnt, indem ſich nicht nur ſeine Wurzeln, und zwar immer über den ſchon vorhandenen entſpringend, bogenförmig in den Schlamm herab- ſenken, ſondern auch die Samen am Mutterſtamme keimen und zu jungen Bäumen werden, deren Wurzeln ſich erſt feſten Boden ſuchen. Hat nun der junge Baum ſich hinreichend bewurzelt und eine Höhe von etwa 15 Fuß erreicht, ſo breitet er vorzugsweiſe ſeine Krone aus, Aſte und Zweige entwickeln ſich nach allen Seiten und ſenken ihrerſeits Ausläufer in den Boden, die wiederum zu neuen Bäumen werden, und ſo entſteht ein immer mehr ſeeeinwärts ſich ausbreitender Wald, deſſen Aſte und Zweige dicht mit einander verflochten find. Indem die Fluth Überreſte mancher Art herbei führt, die bei der Ebbe zwiſchen dem Wurzelgeflechte hängen blei⸗ ben, bildet ſich zuerſt ein ſalziger Schlammboden, der nach und nach, je mehr er dem Meer entrückt wird, feſter und zuletzt zum fruchtbarſten Ackerlande wird. — Die Rinde, Wurzeln und Früchte des Mangrove-Baumes ſind ſehr reich an Gerbſtoff, und in dieſer Beziehung ſowohl zur medieiniſchen als techniſchen Anwendung brauchbar; der Gerbeſtoffgehalt ſoll ſo bedeutend ſein, daß Leder, welches in gewöhnlicher Weiſe durch Eichenlohe gegerbt, 6 Monate erfordert, durch Mangrove-Rinde in 6 Wochen gar gemacht ward. (Dr. W. Hamilton in The Gardners Chronicle 1847, No. 40.) Nekrolog. — Der durch intereſſante phyficalifche Arbeiten beſonders über das Licht verdiente Phyſiker Prof. M'Cullagh iſt in ſeinem 38. Jahre zu Dublin geſtorben. Heilkunde. (XVI.) Eine feltene”) Krankheit am Haare. Von Prof. Spitzer in Kopenhagen. (Hierzu Fig. 1—8 ver beiliegenden Tafel.) Madam K., eine große, ziemlich corpulente und wohl— gebaute Dame, mit blauen Augen und braunem Haare, conſultirte mich über eine eigenthümliche Krankheit, welche ſie ſeit einer Reihe von Jahren in ihren Haaren bemerkt hatte. Übrigens iſt ſie in einer Zeit von 10 Jahren, in welchen ich ſie gekannt habe, nie krank geweſen. In Rückſicht auf ihre Haare berichtete ſie mir folgendes. Bis zu ihrem 20ſten Jahre hatte ſie ſehr langes und dickes Haar gehabt. Zu dieſer Zeit, nachdem ſie von ihrem Aten Jahre an menftruirt war, bemerkte ſie kleine Klumpen an einzelnen Haaren, und wenn dieſe einige Zeit geſeſſen hatten, entſtand Jucken, worauf dieſe Haare beim Gebrauche eines weiten Kammes ausfielen. Die Haare, welche ſo abfielen, zeichneten ſich immer vor den andern, welche nicht krankhaft waren, dadurch aus, daß ſie ſehr hart und borſtig anzufühlen waren. Gewöhnlich waren 3 bis 4 Haare, welche dicht neben einander ſaßen, affieirt und ſchienen zuſammenzuhängen. Die Anzahl dieſer kränklichen Haare zu einer und derſelben Zeit überſtieg nach ihrer Ver— muthung kaum 50; wenn dieſe aber abgefallen waren, zeigten dieſelben Klumpen ſich wieder an andern, bisher friſchen *) Ich habe mir erlaubt, hier die Bezeichnung: ſelten zu gebrauchen, weil ich von etwas Ahnlichem nirgends Erwähnung gefunden habe, weder in Voigtel's Handbuch der pathologlſchen Anatomie, Halle 1805; in Otto's Handbuch der pathol. Anatomie; in Merkel's Handbuch der pathol. Anato= Tele: Mn pres Gran vel ner dale Anatole, berſek van Dr. Becker, Leipzig 1830; noch in Eble's Lehre von den Haaren in der geſamm⸗ ten organiſchen Natur, Wien 1831, over in Rokitanſky's Handbuch der pathol. Anatomie, Wien 1844. Sollte ich mich indeß irren, fo muß ich die geehrten Leſer um Entſchulvdigung bitten, daß mir dies entgangen iſt. Haaren. Dieſe Krankheit zeigte ſich am ſtärkſten zwiſchen dem 35ſten bis 39ſten Jahre; jetzt, im 42ſten Jahre, find ſehr wenige Haare angegriffen; das Haar iſt aber ſehr dünn. Auch glaubt die Frau mit Beſtimmtheit bemerkt zu haben, daß neue Haare an den Stellen, wo die kränk⸗ lichen abgefallen ſind, wiedergewachſen ſeien; dieſe neuen Haare ſeien aber dünner und feiner, als die übrigen ſonſt geſunden Haare. Ich erbat mir nun einige dieſer krankhaften und ab— gefallenen Haare zu einer genauern Unterſuchung und gebe darüber Bericht ſammt einer Abbildung der unterſuchten Haare. Dieſe Klumpen, um die eigene Benennung der Patientin zu gebrauchen, haben ſich mir als weiß gelbe Ringe ergeben, welche an unbeſtimmten Stellen um die Haare herum ſaßen. Sie waren von der Länge von ½ bis 1, ja bis 1½ Linie. Die Breite überſtieg nicht ½ einer Linie. Dieſe Ringe waren bald größer, bald kleiner. Sie ſaßen in unbeſtimmter Entfernung von einander. Zuweilen fand man mehre ſolche Ringe neben einander; zuweilen war ein Raum von mehreren Zollen zwiſchen den verſchiedenen Ringen. In der geringſten Menge waren ſie gegen die Spitze des Haares, am häufigſten fand man ſie an der Mitte des— ſelben. Zu den Seltenheiten gehörte es, wenn ein ſolcher Ring dicht über der Wurzel beobachtet werden konnte. Dieſe Ringe hatten unter der Loupe das Ausſehen weiß gel ben Wachſes *). Einen ſolchen Ring ſah man häufig aus ) Es ſchien mir, als wäre das Haar in weißes, geſchmolzenes Wachs getaucht worden. Die Loupe vergrößerte ungefähr 25 Mal; das⸗ ſelbe Reſuͤltat bekam ich auch, wenn ich dieſe Ringe unter einem kleinen Mi⸗ kroſtope betrachtete, in welchem alle Gegenſtaͤnde in ihrer natürlichen Form, viele mag erhaben over vertieft fein, dargeſtellt werden. In ven größeren ftellen ſich dagegen die Gegenſtände in flacher Form (Fig. 3) dar, und dann waren die Ringe ziemlich vuntel und undurchſichtig (aaaa). 201 mehreren dicht an einander liegenden Kegeln (Fig. 2) be= ſtehen, deren ſpitzes Ende ſich gegen das breitere kehrte; doch fand man fie auch von irregulärer Form (Fig. 1). Unter der Loupe konnte ich das Haar ſelbſt durch den Ring hin— durch nicht entdecken. Dieſe Ringe ſchienen aus einer wei— chen Maſſe gebildet zu ſein; denn zwiſchen Glasplatten ließen ſie ſich zuſammendrücken. Übrigens ließen ſie ſich ſowohl mit den Fingern als mit der Pincette vom Haare abziehen. An der Stelle des Haares, wo ein ſolcher Ring ge— ſeſſen hatte, war ſelbſt bei den größten Vergrößerungen nichts krankhaftes zu entdecken; beide Contouren des Haares ſammt deſſen braunen Längenſtreifen waren vollkommen. Nur am Rande des Haares zeigte ſich zuweilen etwas epi— theliumartiges, doch war dies nicht immer der Fall. Ich verſuchte nun die Wirkung der Säuren auf dieſe Ringe, doch ſo, daß ich ſie an einem Stücke des Haares feſt ſitzen ließ. Die erſte Säure, welche ich wählte, war Eſſigſäure. Dieſe brachte nur geringe Wirkung hervor; denn, nachdem der Ring eine Stunde lang der Einwirkung dieſer Säure ausgeſetzt geweſen war, entdeckte ich unter dem Mikroſkope keine andere Veränderung, als daß die Maſſe etwas heller an Farbe geworden war; übrigens wurden ſie weder an Umfang noch Dicke verkleinert. Ich entdeckte auch nichts, was dazu führen konnte, die innere Structur kennen zu lernen; denn die Maſſe zeigte ſich überall einförmig weiß— grau, mit einigen ſcharf markirten Punkten eingeſtreut. Am Tage darauf beſah ich dasſelbe Präparat unter dem Mi— kroſkope. Die Säure war verdunſtet, an dem Haare war gar keine Veränderung zu bemerken. Die Wirkung der verdünnten Salpeterſäure war auffallender. Die Ringe ſchienen flach zu werden (ver— muthlich dadurch, daß die Maſſe weicher wurde), ganz blaß und durchſichtig, ſo daß der Ring, da man deutlich die Haarſubſtanz durch ihn unterſcheiden konnte, Ahnlichkeit mit zwei dicken Epitheliumſtücken bekam, welche an den Seiten des Haares feſthingen. Die ganze Structur des Haares blieb unbeſchädigt, und man bemerkte keine Spur von Gas— entwicklung. In dieſem Zuſtande befand ſich noch der Ring nach dem Verlaufe zweier Stunden ). Nicht von größerer Wirkung war die verdünnte Schwefelſäure, das will ſagen: in der Mitte dem Haare zunächſt wurde der Ring geſchwind grau, blaß und ganz einfarbig. Gegen den Rand hinaus war er dagegen dunkel— grau. Die Querſtreifen des Haares verloren ſich, und ich konnte nur die braunen Längenſtreifen entdecken. Von Gas— entwicklung ſah man keine Spur. Faſt ganz denſelben Einfluß hatte verdünnte Salz— ſäure. Durch Anwendung der concentrirten Schwefel- ſäure wurde das Haar binnen kurzer Zeit wollig (wie es in der Bibliothek für Arzte 1841, S. 322, Taf. 2, Fig. 15 von mir beſprochen und abgebildet iſt). Der Ring ſchien weicher zu werden und bekam eine rothgelbe Farbe. An 2 Ich legte dann das Präparat zur Seite und unterſuchte es am näch⸗ ften Morgen, konnte aber keinen bemerkenswerthen Unterſchied beobachten. 101. V. 13. 202 deſſen Rande ſchien es mir, als wenn ſich von der Maſſe etwas losmachte. Dieſes hatte das Ausſehen einer einför— migen Maſſe, von deren Rande man einzelne kleine Stücke, dem Cylinderepithelium nicht unähnlich, ſich aus— ſchieben ſah. Ich ließ das Präparat die Nacht über liegen; am andern Morgen war der Ring nicht weiter aufgelöf't, lag jedoch vom Haare gelöſ't, in Form mehrerer roth⸗ gelber Klumpen, daneben. Darauf wurde eine cauſtiſche Kalilöſung an: gewendet. Dieſe ſchien in kurzer Zeit die Maſſe ſpröde zu machen; dieſelbe wurde nämlich bald blaß und ſchied ſich an den Rändern in kleinere Stücke, welche nach den Seiten hin in die Auflöſung ausliefen. Einige derſelben hatten eine ſternförmige Bildung; nach und nach aber ſchieden ſich dieſe auch von einander und man ſah viele epithelium— ähnliche Stücke. Sie hatten die Form theils des Pflaſter— und theils des Cylinderepitheliums, aber es war keine Spur von dem in den Epithelien enthaltenen Kerne zu bemerken. Bei Druck auf die Glasſcheibe, die das Präparat bedeckte, bemerkte ich, daß ſich nach und nach noch mehrere Theile losmachten. Am nächſten Morgen ſtellten ſich dieſe geſchiedenen Theile noch beſſer dar. Alle Epithe— liumſtücke hatten eine dunklere Farbe bekommen, und ihre Begrenzungen waren deutlicher und dadurch mehr markirt, ſo daß ſie eine dunkelbraune Farbe bekommen hatten. Ich ſah nun an einzelnen, beſonders dem Pflaſterepithelium ähnlichen Stücken Kerne, welches dagegen mit den dem Cylinderepithelium ähnlichen Stücken nicht der Fall war. Durch einen kleinen Druck auf die das Präparat deckende Glasſcheibe machte ſich der Ring ganz vom Rande des Haares los und ſprang in verſchiedene Stücke. Alle ohne Ausnahme ſchieden ſich wieder in dieſe epitheliumähnliche Platten. Das Haar ſelbſt war ebenfalls dunkelbraun geworden, es war aber unmöglich, etwas von der innern oder äußern Subſtanz desſelben zu unterſcheiden. Zuletzt prüfte ich kohlenſaure Kalilöſung. Dieſe ſchien mir ungefähr dieſelbe Wirkung zu haben, als die cauſtiſche — aber die Phänomene kamen nicht ſo geſchwind und auch nicht ſo deutlich zu Stande, wie bei dieſer. Dem Angeführten zufolge ſcheint es mir nicht unwahr— ſcheinlich, daß dieſe Ringe aus einer klebrigen Maſſe und Epitheliumſtücken beſtehen, ungefähr wie die Klumpen, welche man im meatus auditorius externus findet, welche aus Ce— rumen und Epitheliumſtücken beſtehen. Es iſt noch übrig, mit einigen Worten der Beſchaffen— heit der Haare ſelbſt, an welchen dieſe Ringe ſich befanden, Erwähnung zu thun, und dabei werde ich mich zunächſt mit der Haarzwiebel beſchäftigen. Mit Rückſicht auf dieſe, ſind nicht viele Eremplare zu meiner Dispoſition geweſen; aber bei allen war die Zwiebel von der allgemeinen normalen Beſchaffenheit und von den Zwiebeln der geſunden Haare der Patientin ſelbſt nicht abweichend. Die Zwiebeln, welche ich ſo unterſucht habe, näherten ſich größtentheils den zwei Formen, welche Fig. 4 und 5 abgebildet ſind. 203 Sie unterſcheiden ſich alſo von den normalen da— durch, daß die Zwiebel entweder wie ein länglicher Sack ſich endigte, welcher in einer Spitze auslief (Fig. 4), oder ganz plötzlich abgeſchnitten war (Fig. 5). Am häufigſten fand man die Fig. 5 abgebildete Form. Die ſeltnere Form hatte am meiſten Ahnlichkeit mit der normalen (fiehe Bibliothek für Arzte 1841, S. 317 — 318, Fig. 9). Die Haarwurzel hatte ſo ziemlich die Pinſel— form. Die Zwiebel hatte ihre äußern und innern Schichten. Die Haarwurzel dagegen war dunkler, und die einzelnen Fibern darin unterſchied man nicht ſo gut wie ſonſt. In der Zwiebel ſelbſt konnte ich nicht beſtimmt Zellen mit Kernen entdecken. Ihr Inhalt war oben dunkler und unten heller, und ich bemerkte nur ein griesähnliches, körniges Weſen, das wohl Zellen glich, aber nicht deren beſtimmte, ovale, geſchiedene Formen hatte. Die häufigſte Form (Fig. 5) kam am wenigſten mit der normalen Beſchaffenheit überein. Die Haarwurzel war bedeutend länger und lief gerade bis zum Boden der Zwiebel ſelbſt, ohne daß es möglich war, hier den unterſten Theil der äußern Schichten der Zwiebel zu beobachten. (Ich vermuthe, daß er ſo tief liegt und ſo feſt mit ihrem dunkeln, dicken und breiten Ende daran gelagert iſt, daß es unter dem Mikroſkope nicht beob⸗ achtet werden konnte). Der untere Theil der Wurzel ſchien aus ſchwarzen Kernen mit Fibern zu beſtehen. (Ob es Zellenkerne mit einer ſehr großen Menge ſchwarzen Pig— ments fein [ſiehe Bibliothek für Arzte 1841, Fig. 12—13], konnte ich nicht mit Beſtimmtheit behaupten). Etwas höher hinauf wurde die Faſerform deutlicher, da die Wurzel hier heller war; darauf wurde ſie dunkler, ſo daß die Faſerform wieder weniger deutlich wurde, und endlich wurde jte noch heller und konnte leicht ganz oben im Haare ſelbſt unter— ſchieden werden. Oben an der Stelle, wo das Haar aus der Zwiebel hervortritt, fand man ein hellgraues, von der Zwiebel geſchiedenes Weſen (bbbb), welches ich für etwas epidermisartiges angeſehen habe, was vom Haarcanale in der Hautbedeckung des Kopfes noch anhing. Die Zwiebel ſelbſt war weit länger als die ſchon beſprochene Form (Fig. 4) und als die normale Zwiebel. Ich glaube ſowohl oben, als in der Mitte, die innere Lage der Bedeckung der Zwiebel (die Wurzelſcheide nach Henle) beobachtet zu haben, welche als zwei lange, in der Mitte geſchlängelte Canäle dargeſtellt wurde und an der einen Seite etwas höher hinaufzugehen ſchien, als an der andern. Die Höhlung der Zwiebel ſah man deutlich mit kleinen Zellen angefüllt, welche beſonders gegen den Boden der Zwiebel viereckig und ſcharf begrenzt ſchienen; doch unter— ſchied ich weder Kerne deutlich, noch die erhabenen Linien, welche die Zellen in Reihen zu ſcheiden pflegen, die von außen nach innen gehen. Indem ich die Haarſchäfte, welche mit dieſen Rin⸗ gen beſetzt waren, an den, wie es ſchien, geſunden Stellen betrachtete, bemerkte ich nichts anderes Ungewöhnliches, als daß am Rande, bald in größerer, bald in geringerer Menge, kleinere und größere Epitheliumſtücke angeheftet waren, welche 101. v. 13. 204 theils länglich, theils viereckig in Beziehung auf Form, theils von einer hellgrauen, theils von einer dunkelgrauen Farbe (Fig. 6) waren. Merkwürdig genug iſt es, daß ſie den Haarſchäften an der plica polonica *) ganz ähnlich waren. Nur ſcheinen dieſe Epitheliumſtücke am Rande des Haares in größerer Menge und von größerem Umfange zu ſein (Fig. 7). Mehrere Perſonen, denen ich dieſe Ringe gezeigt habe, haben geglaubt, daß ſie vielleicht ova pediculo- rum hominis wären. Ich habe deßhalb, um das Un— richtige dieſer Meinung zu zeigen, ein Haar abbilden laſſen (Fig. 8), an dem zwei Läuſeeier hängen. Obgleich man ſchon beim erſten Blicke den großen Unterſchied ſieht, werde ich ihn doch etwas genauer detailliren. a) Die Ringe an den Haaren ſind kleiner, denn Fig. 8 iſt ein Haar mit einem angehefteten Lauseie, 100 Mal vergrößert; Fig. 3 ein Haar mit dieſen Ringen beſetzt, 250 Mal vergrößert. b) Die Läuſeeier find nur an die eine Seite des Haa— res angeheftet; die Ringe ungefähr in gleicher Menge an allen Seiten des Haares. c) Die Läuſeeier ſitzen nie ſo dicht an einander, als die Ringe; ſiehe Fig. 1 u. 2. d) Die Läuſeeier liegen gewöhnlich abwechſelnd an das Haar geheftet. e) Läuſeeier ſind beſtändig in der Form einander ähn— lich, die Ringe aber nicht (Fig. 1 u. 2). f) Wenn man die Ringe betrachtet, ſieht man, daß ſie aus einer einförmigen Maſſe, welche keine andern fremd— artigen Theile darſtellt, beſtehen; die Läuſeeier aber zeigen deutlich 1) das Ei mit der ovalen Form und 2) einen Ring um das Haar (Fig. 8 bb), welcher eine Verlänge— rung bis zum oberſten, zugeſpitzten Theile des Eies abgiebt. Auch ſieht man im Eie hellere und dunklere Theile. Erklärung der Fig. 1—8 auf beiliegender Tafel. Fig. 1 ſtellt ein Haar mit Ringen, 25 Mal ver: größert, dar. Die Ringe ſind von unregelmäßiger Form. Fig. 2. Ein Haar mit Ringen, welche kegel— förmig ſind. Der ſpitzere Theil iſt immer gegen einen brei— teren gekehrt. Die Vergrößerung 25 Mal. Fig. 3. Ein ähnliches Haar mit Ringen, 250 Mal vergrößert. Die Medullarſubſtanz ſiebt man deutlich; ſie iſt an einigen Stellen unterbrochen. Der Ring (aaa a) ſieht wie eine dunkle, einfarbige Subſtanz aus. Nur ein Ring iſt naturgetreu abgebildet, der andere iſt nur durch einen Conturumriß bezeichnet. Fig. 4 bezeichnet eine Haarzwiebel von der ſel⸗ teneren Form mit dem unterſten Theile der Wurzel, 250 Mal vergrößert. Sie war länglich, oval, nach unten zu— geſpitzt. *) Der verſtorbene Profeſſor Ja gobſon ſchenkte mir nämlich einige Haare einer plica polonica, welche er in der königlichen medieinſſchen Geſell⸗ ſchaft an dem Abende vorzeigte, als ich einen Bericht über den Bau des Haa⸗ res, nach Prof. Henle und Dr. Meyer, vorlas (ſiehe Bibliothek für Arzte 1841, S. 312). Bedauern muß ich, daß keine Zwiebel an dieſen Haaren hing. Ich kann deßhalb keine Abbildung davon liefern, obgleich ich glaube, daß ſie gewiß eine Anomalie gezeigt haben würde. = » 3 2 1 1 U FR z JE N * 5 N. 6 Ü * 1 15 RM er 3 nu u Vu. er — A A \ Kin .. 205 aa) Der untere Theil des Haarſchaftes, welcher ge— ſtreift iſt. bbe) Die äußere Lage der Wurzelſcheide. ddf) Die innere Lage der Wurzelſcheide. g) Der untere Theil der Haarwurzel. Der Pinſelbau iſt nicht ganz deutlich. Auch ſcheinen, obgleich undeutlich, einige Pigmentkörner da zu ſein. nh) Die Höhlung der Zwiebel, in welcher man ein körniges Weſen ſah, welches Zellen nicht unähnlich war. Von Kernen fand man keine Spur. Fig. 5 zeigt eine Haarzwiebel von der gewöhn— lichſten Form, 250 Mal vergrößert. aaaa) Der untere Theil des Haarſchaftes, welcher ſich in die Zwiebel bis zum Boden ſenkte. bbb b) Eine epidermisartige Haut, welche an der Zwie— bel hing. Ich vermuthe, daß es ein Theil der Epidermis— bekleidung des Haarcanales iſt. cece) Die Haarzwiebel ſelbſt, die ſehr länglich und faſt viereckig iſt. dd) Die Haarwurzel, welche ſich gerade in den Boden der Haarzwiebel erſtreckt. Sie war ſehr dunkel am untern Theile und ſchien mit vielen ſchwarzen Pigmentſtücken ver— miſcht zu ſein. Im mittleren Theile war ſie heller und die Faſerform ſehr deutlich. Oben war ſie wieder dunkler, aber die Faſerform ſchien doch durch. eeee) Die innere Lage der Wurzelſcheide, welche als zwei Canäle ſich darſtellte, die nach oben neben der Haar— wurzel liefen. Sie ſcheint ſich an dem untern, dunkelſten Theile der Haarwurzel zu verlieren und beim obern Ende der Zwiebel ſich hinten um die Haarwurzel zu biegen. An der linken Seite der Zwiebel iſt dieſes nicht ſo deutlich, wie an der rechten Seite. ff) Die Höhlung der Zwiebel, welche deutlich Zellen enthielt, die kleiner waren, als ſie gewöhnlich in der ge— ſunden Haarzwiebel ſind, und eine faſt viereckige Form hatten. Sie waren am deutlichſten am mittlern und untern Theile der Zwiebel. Fig. 6 bildet einen Haarſchaft ab, 250 Mal ver— größert, an welchem ſich Ringe befanden. Medullarſubſtanz wurde nicht entdeckt. Die geſtreifte Form war ſehr deutlich. Am Rande ſah man kleine, dünne, epitheliumähnliche Stücke; einige dunkler (a), andere heller (bb). Einige waren dunkel (a) und undurchſichtig, andere dagegen klar und durchſich— tig (ec). Fig. 7. Haar von einer plica polonica, 250 Mal vergrößert; Medullarſubſtanz ſah man nicht. aaaa) Sind Epitheliumſtücke, welche am Rande dieſes Haares, deſſen geſtreifte Oberfläche man deutlich wieder er— kennt, feſthängen. Fig. 8. Ein Haar, an welchem zwei Läuſeeier hän— gen, 100 Mal vergrößert. aaa) Das Ei ſelbſt. bb) Eine Scheide, welche das Haar umfaßt, die wieder eine (e) Verlängerung abgiebt, welche über einen Theil der äußern Fläche des Eies geht, gleichſam, um es recht feſt an der äußern Fläche des Haares zu halten. 101. V. 13. 206 (XXVII.) Anſchwellung der Lippendrüſen. Von W. R. Wilde. (Hierzu die Abbildung Fig. 17 auf beiliegender Tafel.) Im December 1845 conſultirte mich J. F., ein blonder junger Mann von 20 Jahren, wegen einer merkwürdigen Anſchwellung der Oberlippe, deren ſonderbares Anſehen durch Fig. 17 erläutert wird. Seiner Angabe nach, begann vor etwa zwei Jahren feine früher normal-ſtarke Oberlippe, beſonders an der in— nern und untern Seite, dicker zu werden, und nach und nach erlangte ſie das in der Abbildung dargeſtellte Volumen. Schmerzhaft ſei ſie nicht geworden, allein ſeit einigen Mo— naten empfinde er darin eine gewiſſe Steifheit und Schwere, ſowie auch, da die Schleimhaut der Einwirkung der Luft ausgeſetzt ſei, die Austrocknung und das Aufſpringen der— ſelben ihm etwas Brennen oder Jucken verurſache. An Drüſengeſchwülſten oder Serophelkrankheit habe er nie ge— litten; auch ſei er nie ſyphilitiſch geweſen und habe ſich ſtets eines guten allgemeinen Geſundheitszuſtandes erfreut. Ich fand die Unterlippe, ſowie die beiden äußerſten Enden der Oberlippe durchaus geſund, allein der ganze übrige Theil der letztern war gewaltig verdickt, ſo daß ſie bei geſchloſſenem Munde eine große vorgequollene rothe Maſſe bildete, welche ſich wie ein Paar reife Erdbeeren ausnahm, indem die Lippenfurche die beiden Klumpen von einander trennte. Wenn man dieſe eine Zeitlang nicht abwiſchte, ſo bildeten ſich auf der Oberfläche der Schleimmembran eine Anzahl Tröpfchen einer waſſerhellen Flüſſigkeit, welche in der Abbildung dargeſtellt ſind. Wiſchte man eines derſelben weg und blickte man dann feſt auf die Stelle, wo es ſich befunden, jo ſah man aus einer ganz winzigen Offnung in der Schleimhaut ein anderes Tröpfchen herausſchwitzen. Wenn man die Lippe zwiſchen den Fingern zuſammenpreßte, ſo traten ebenfalls ſolche Tröpfchen wie ein Thau auf dieſelbe. Die Membran ſelbſt war etwas gefäßreicher, als gewöhnlich und an der Stelle, wo die Tröpfchen ausſchwitzten, beſon— ders glatt und glänzend, nach dem Rande der Lippe zu jedoch verdickt und mit klebrigen Schorfen bedeckt, auch an mehreren Stellen riſſig. Die äußere Oberfläche der Lippe war von natürlicher Beſchaffenheit. Da dem jungen Manne viel daran lag, von dieſer Verunſtaltung befreit zu werden, jo beſeitigte ich dieſelbe auf folgende Weiſe. Nachdem einige Gehülfen die Cireula— tion in den artt. coronariae dadurch gehemmt hatten, daß ſie die Lippenwinkel in derſelben Weiſe hielten, wie dies bei der Operation des Lippenkrebſes geſchieht, machte ich mit einem kleinen, ſcharfen Scalpell einen Einſchnitt durch die Schleimmembran, welcher mit dem Rande der Lippe parallel lief, von dieſem etwa / Zoll entfernt war und etwa 2½ Zoll Länge erhielt. Durch einen zweiten Ein: ſchnitt in die den Zähnen zugekehrte Oberfläche der Lippe, welche auswärts gekehrt wurde, ſchnitt ich alsdann die krank— haft veränderte Maſſe völlig aus. Sie beſtand aus einem Apparat von rundlichen Körperchen, welche beinahe durch— ſichtig und von der Größe ziemlich reifen Forellenlaiches waren. Die Blutung während der Operation war ungemein 207 gering, und nachdem ich ſämmtliche Kügelchen, die noch an dem Grunde der Wunde ſaßen, vollſtändig beſeitigt hatte, wurden die Ränder des Schnittes genau an einander gepaßt und mittels feiner Seide nach Art der ununterbrochenen Naht an einander befeſtigt. Als der Patient den Mund ſchloß, ergab es ſich, daß die Deformität vollſtändig beſeitigt war, und die Ränder der Lippen in natürlicher Weiſe auf ein— ander trafen. Einige Stunden nach der Operation trat aus der Oberfläche der Wunde eine ziemlich heftige Blutung ein, welche jedoch durch Maticotinctur, ſowie durch Druck, welchen der Patient ohne fremde Hülfe bewerkſtelligen konnte, geſtillt ward. Ich ließ die krankhafte Maſſe vom Prof. Aldridge unterſuchen, welcher über dieſelbe folgendes bemerkt. „Ich kann in der mir überſandten Portion einer Ober— lippe nur die natürliche Structur in einem hohen Grade von Hypertrophie erkennen. Dieſe übermäßige Ernährung ſcheint nicht nur das netzförmige Zellgewebe der Drüſen, ſondern auch das Faſergewebe der Lederhaut betheiligt zu haben. Sie wiſſen, wie ſchwer es in der Regel hält, die Faſerſtructur der cutis der Menſchen zu erkennen. In dieſem Falle iſt ſie jedoch mit unbewaffnetem Auge ſichtbar und mittels einer Linſe ſehr leicht wahrzunehmen. Sie fühlt ſich wie Leder an, und wenn die Verhärtung noch weiter fortgeſchritten wäre, jo würde der Theil eine feirrhöfe Feſtig— keit erlangt haben. Bei der außerordentlich ſtarken Entwicklung der Lippen— drüſen läßt ſich deren Structur in dieſem Falle ſehr leicht unterſuchen. Wenn man in die klaffende Excretionsöffnung einer derſelben eine Borſte einführt, ſo gelangt dieſelbe durch einen engen Hals in die ovale Drüſe, welche ungefähr die Größe des ſtärkſten Haſenſchrotes hat. Dieſe Drüſe iſt die— jenige, welche Müller den follieulus conglomeratus nennt. Die dieſen Drüſen zugehenden Blutgefäße ſind, wie ſich er— warten ließ, ebenfalls bedeutend ſtärker, als gewöhnlich. Ich habe an der Oberfläche der einen der beiden Lippengewächſe, welche Sie erſtirpirt haben, 36 Excretionsöffnungen gezählt, ſo daß man ſich leicht denken kann, daß eine ſo große An— zahl von Drüſen dieſer Größe, welche hinter der Schleim— haut lagen, die Oberlippe gewaltig weit auswärts getrieben haben müſſen. Sie werden finden, daß ſich, wenn man das die Ober— fläche bedeckende Häutchen vorſichtig aufhebt, ein röhrenför— miger Fortſatz der epidermis aus jedem der Exeretionscanäle herausziehen läßt. 101. V. 13. 208 Das die Drüſen mit einander verbindende Zellgewebe iſt nicht verhärtet; auch die Drüſen ſelbſt ſind nicht ver— härtet, ſondern nur hypertrophiſch. Sie finden es vielleicht ſonderbar, daß ich hier die Ausdrücke Haut und Schleimhaut als Synonymen gebrauche; allein worin beſteht denn der Unterſchied?“ Die Wunde heilte ſo gut, daß man nach Verlauf einer Woche kaum noch eine Narbe bemerken konnte; nach 9 Mo— naten war kein Rückfall eingetreten. (Dublin Quarterly Journal of Med. Science, Aug. 1847.) Einen ähnlichen Fall habe ich vor einigen Jahren in Berlin operirt. Hier kam die Vergrößerung der Lippendrüſen bei einem 17jährigen Mädchen von entſchieden ſerophulöſer Natur vor. Die Geſchwülſte an der inneren Fläche der Ober— lippe ragten zu beiden Seiten der Mittellinie wie eine Pferde— bohne groß unter dem Lippenrande hervor und entſtellten ziemlich auffallend. Bemerkenswerth iſt, daß bei feuchtem Wetter die Geſchwülſte ſtärker ſichtbar wurden, bei trocknem weniger, wie man dies bei Schleimpolypen der Naſenhöhle kennt. Es rührte dies wohl daher, daß die Umgebung der Drüſen ein von Serum infiltrirtes Zellgewebe war, wo alſo je nach der größeren oder geringeren Menge des orydirten Serums die Geſchwulſt mehr oder minder ſtrotzte. Ich trug fte mit der gekrümmten Scheere ab, wendete keine Sutur an und am ſechsten Tage waren die zuerſt etwa 7 — 8 Linien breit klaffenden Wunden per primam intentionem vollſtändig und linienförmig vernarbt. R. F. Miſcellen. (28) Ein lächerliches Gerücht macht jetzt wieder die Runde durch die Zeitungen, deſſen wir, da es in das Gebiet der medicina publica einſchlägt, Erwähnung thun, jedoch nur, um uns ſer Bedauern auszuſprechen, daß ſich Zeitungsredactionen und Arzte, die doch beide berufen ſind, zur Ausrottung des Aberglaubens zu wirken, vereinigen, um die Fabel der Gefahr des Lebendigbegraben⸗ werdens immer im Schwange zu erhalten. Es ſoll ſich, — man höre! — bei Abtragung eines Kirchhofs in Stettin die gräßliche Vermuthung herausgeſtellt haben, daß je die ſiebente Leiche im Scheintode be⸗ erdigt worden ſei. — Wann wird endlich durch eine gründliche Unterſuchung nur ein einziger Fall von Lebendigbegraben in dem civiliſirten Europa nachgewieſen werden?! — Bevor dies aber geſchehen, darf man wohl gegen alle ſolche Fabeln proteſtiren, ſie mögen auch unter der Agide der menſchenfreundlichſten Arzte auf⸗ treten, denn Menſchenfreundlichkeit entbindet nicht von Kritik, R. F. Nekrolog. — Sir James Annesley, längere Zeit Prä⸗ fivent der Medieinalverwaltung zu Madras und Herausgeber des ausgezeichneten und prachtvollen Werkes über die Krankheiten von Indien, iſt am 14. Dechr. 1847 zu Florenz geftorben. Bibliographiſche Neuigkeiten. L. v. Babo, über die Spannkraft des Wasserdampfes in Salzlösungen. gr. 80. Geh. ½ Thlr. A. Emmerling in Freiberg 1847 297 Recherches medico-chimiques sur la nature et la propriete des eaux minerales de Cossuejouls; par M. F. Bongrand, docteur en medecine ä Lacalme. In 8° d'une feuille /. Rodez 1847. Journal de médecine theologique et des phenomenes surnaturels. Premiere annee. N.1. Novb. 1847. In 120 de 2 feuilles. Paris 1847. (10 fr.) Guide Medical des Antilles et des regions intertropicales, ä l’usage de tous les habitans de ces contrees, renfermant des études speciales sur les ma- ladies des colonies en general etc., et un formulaire approprie à la mede- eine pratique de ce pays; par M. G. Levacher. Troisieme édition, revue etc. In 8° de 30 feuilles. Paris 1847. Experiences nonvelles sur les vapeurs d’ether expliquant les differentes cau- ses des insuccès et des accidens nerveux qui se manifestent quelquefois pendant l’etherisation. Moyens à employer pour prevenir ces accidens; par A. Delabarre fils, docteur en médecine, chirurgien-dentiste etc. In 8° de 2 feuilles ½. Paris 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Hierzu 1 Tafel Abbildungen in 40. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 102. (Nr. 14 des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. Lesquereur, üb. Torfmoore. — E. Schmid, üb. Pflanzenaſchen. — Miſcellen. Pflanzenreſte in der Anthraeitkohle. Brütverſuche. — Heilkunde. Hughes, Ergießung in die Pleurenhöhlen, gegen welche die Paracenteſe des thorax 15 Mal vorgenommen ward. — Maiſonneu ve, Operation einer Ankylofe der articulatio coxo- femoralis. — Mac Clintock, üb. die Auſcultation bei der Geburtshilfe. — Martin-Solon, über den Zuftand des Harnes bei tophöſen Fiebern. — Miſcellen. Nachrichten über Schwefeläther-Einathmung in Norramerica. Schwimmende Matratzen zur Rettung der Schiffsmannſchaften. — Bibliographie. Naturkunde. XXVI. Über Torfmoore. Nach L. Lesquereur. Der Torf iſt in Frankreich erſt ſeit 1621 bekannt. In den nördlichen Gegenden ungeheure Flächen bildend, iſt er im mittlern Europa nur auf eine Ausdehnung von Qua— dratklaftern bis Meilen angewieſen, kommt auch auf hohen Bergen in noch kleinern Dimenſionen vor. Der Verfaſſer unterſcheidet den über dem Waſſer wachſenden und den un- tergetauchten Torf; manch Mal finden ſich beide Arten über einander. Einige Schriftſteller, wie Stehl, Scheuchzer, Funk, Patin u. ſ. w. haben den Torf für ein Mineral, für ein Rückbleibſel der Sündfluth oder das Erzeugniß einer unter— irdiſchen Vegetation gehalten; dagegen iſt es jetzt allgemein bekannt, daß derſelbe von über einander wachſenden und wieder abſterbenden Pflanzen gebildet wird. Oftmals ruhen die Torfmoore auf ehemaligen, entweder durch die Axt oder Orkane vernichteten Wäldern, keineswegs ſind jedoch dieſe untergegangenen Waldungen zur Entſtehung der Moore noth— wendig. Der Verf. ergeht ſich darauf über die verſchiedenen Anſichten, die Torfbildung betreffend; er tritt der Anſicht Wiegmann's bei, nach deſſen Beobachtungen ſich in der Tiefe der Moore Ulminſäure bildet, deren Einwirkung das Faulen der Pflanzen verhindert; er hält dieſe Säure indeß nur für einen Beſtandtheil des Torfes, nicht aber für die Urſache feiner Entſtehung; nach ihm bilden ſich ſowohl der Meer- als der Süßwaſſer-Torf auf dieſelbe Weiſe und durch dieſelben, nur der Species nach verſchiedenen Pflanzen— gattungen; nach ihm iſt der Torf ein Gemenge holziger Pflanzentheile, deren Zerſetzung durch die Temperatur des Waſſers verlangſamt iſt. No. 2082. — 982. — 102. Die poröſe Beſchaffenheit und Capillarität der Sphagnum— arten iſt für die Torfbildung beſonders wichtig, indem dieſe Pflänzchen das Waſſer in großer Menge aufſaugen und fo ſelbſt an waſſerarmen Abhängen, wo feuchte Nebel herrſchen, die Torfbildung möglich machen. Die letztere kann auf allen Bodenarten, auf Granit, Baſalt, Schiefer, Sandſtein, Kalk, Sand und Mergel Statt finden; der Boden ſelbſt iſt dem— nach für die Bildung des Torfes ganz ohne Einfluß. Indem er ſich nun überall, wo ihm die Verhältniſſe günftig find, entwickeln kann, finden wir alte und neue Torfmoore; am Simplon bildete ſich ein ſolches erſt vor etwa 50 Jahren, nachdem die Waldungen, um eine Straße zu bahnen, nieder— gehauen worden. Der Torf kann mehr oder weniger raſch zunehmen, im allgemeinen wächſ't er in 100 Jahren min— deſtens 2 Fuß; an den Stellen, wo er geſtochen wird, er— hebt er ſich indeß viel ſchneller wieder; ſo wächſ't er im Jura jährlich um einen Zoll. Des Verf. Beobachtungen beziehen ſich hier indeß auf hoch gelegene Moore, da er die Zunahme des Torfes der tief gelegenen Sumpfmoore nicht beobachtete. Der Verfaſſer ſpricht darauf über die Nachtheile einer ſchlechten Behandlung der Torfmoore und giebt Vorſchläge für die beſſere Bewirthſchaftung derſelben. Er ſchätzt den Brennſtoffgehalt des Torfes dem Tannenholze gleich, der Preis des letztern erhält ſich dagegen in der Gegend von Neufchatel zu dem des Torfes wie 3 : 2. Der über dem Waſſer gewachſene Torf iſt nach ſeinen Verſuchen beſſer, wie der im Sumpfmoore gebildete, wie ſich überhaupt der Brennſtoff mach der Dichtigkeit der Maſſe richtet. Die Torf— cultur iſt nach ihm entſchieden vortheilhafter als die Wald— cultur, zumal, da ſie faſt mit gar keinen Koſten verknüpft iſt; aber deſſen ohngeachtet wird der Torfbau im Canton Neufchatel ſo ſchlecht betrieben, daß, wenn nicht künftig 14 211 etwas für fein Gedeihen gethan wird, die Moore in 215 Jahren, wenn nicht ſchon früher, erſchöpft fein werden. Diejenigen Pflanzen, welche am meiſten zur Bildung des Torfes beitragen, ſind: die Sphagnumarten und nament— lich Sphagnum cuspidatum, etwa 35 Moosarten, vor allem die zahllojen Formen von Hypnum fluitans, Dieranum Schroe- deri und einige Conferven; auch finden ſich einzelne Bäume, als Pinus pumilio, die Torfbirke, Betula alba und nana auf den Mooren, die mit Cyperaceen und Junceen aller Art, beſonders reichlich aber mit Eriophorum vaginatum und dem Haare der Carerarten, bedeckt ſind. Die Kohlenformation iſt nun, wie der Verf. glaubt, in ähnlicher Weiſe wie unſere jetzigen Moore entſtanden, die Pflanzen, welche ſie bildeten, ſind wie die Pflanzen, durch welche der Torf entſteht, an dem Orte, wo wir ſie gegen— wärtig finden, gewachſen; die Vegetation der Vorzeit ſcheint ſich überhaupt nur auf die großen Kohlenbecken beſchränkt zu haben, deren Schieferbedeckung noch jetzt die Abdrücke der vorgeſchichtlichen Pflanzenarten zeigt, ganz ſo, wie Thon— lager, welche Moore überſchütteten, faſt überall die Spuren der Sarnen nachweifen. Die Kohlenlager verdanken, nach des Verf. Anſicht, zunächſt einer ſehr üppigen Vege— tation feuchter Gegenden, 515 aber einer Süßwaffer - Über: ſchwemmung und deren Niederſchlägen ihren Urſprung. Lindley's Annahme einer Meerüberſchwemmung ſcheint ihm ſchon deßhalb ſehr zweifelhaft, weil Meerwaſſer befannt- lich das ſchnelle Faulen des Holzes befördert; auch finden ſich in den Kohlen weder die chemiſchen Elemente der See⸗ pflanzen, noch Überreſte don Molluſken, die in ſo großen Mengen alle Meerpflanzen überziehen. Auch die noch jetzt Statt findende Torfbildung iſt niemals das Erzeugniß der Meere; es giebt keinen eigentlichen, aus ächten Seepflanzen, Juncusarten u. |. w. entſtandenen Meertorf. Während einer mehrmonatlichen Reiſe an den Küſten der Oſt- und Nordſee unterſuchte der Verf. eine Menge von Torfmooren in Schweden, Dänemark, Holſtein, Preußen und Holland und fand ſelbſt die genen Seemoore von Stettin, Swinemünde und Kiögge durch Dünen vom Meere getrennt und durch die Überſchwemmungen der benachbarten Flüſſe mit ſüßem Waſſer verſehen. Sie ſind, nach ihm, mit Juncus-, Schilf- und Seirpusarten bedeckt; an mehreren Stellen trifft man Gebüſche von Birken, Ulmen und Tannen, die ſicher mit der Meerformation nichts zu thun haben. Nur vereinzelt und ſelten ſoll man Büſchel von Fucus und Zostera, die wahrſcheinlich vor der Eindü— nung durch die entſtandenen Dünen vom Meere hierher ver— ſchlagen wurden, finden; ihre Menge iſt indeß immer nur ſo geringe, daß man ſie jedenfalls als zufällige Erſcheinun— gen betrachten muß. Dem Verf. war es trotz allen Be— mühungen nicht möglich etwas von ihnen zu finden. Allerdings wirft das Meer ungeheure Mengen von Seegewächſen an den Strand, unter denen die Zostera ma- rina für die nördlichen Meere die wichtigſte Rolle ſpielt; dieſe Pflanze fault allerdings, der Luft ausgeſetzt, ſehr wenig und wird deßhalb den Küſtenbewohnern für Erbauung ihrer Dünen und Häuſer, ſowie zu vielen andern Zwecken, ſehr 102. V. 14. 212 wichtig; ihr wie den übrigen Meergewächſen fehlt indeß der Stoff, der die meiſte Kohle liefert, das Lignin; außerdem ſind dieſe Anhäufungen beſtändig dem Spiele der Wellen, die ſie bald hier, bald dorthin verſchlagen, preis gegeben; demnach iſt an eine durch ſie ſich bildende Formation nicht zu denken. Alle Pflanzen der Kohlen- und Torfformation ſind überaus reich an Holzſtoff, ſelbſt die kleinen, ſcheinbar ſo zarten Sphagnum- und Hypnumarten nicht ausgenommen; nach den Pflanzenarten und deren Holgzgehalte richtet ſich auch ihre Zerſetzung in den Mooren, und ſo entſteht das geſchichtete Anſehen des Torfes, indem die Pflanzenarten nach dem Feuchtigkeitsgrade des Moores wechſelten. Zu Verſuchen über die Torfbildung wären demnach vorzugs— weiſe die ligninreichen Pflanzen zu wählen; als dieſe be— zeichnet der Verf. vor allem das Eriophorum vaginatum, die Carices und Seirpusarten, welche, obſchon ſie vertorfen, dennoch ihre Primitivgeſtalt beibehalten; unter den Mooſen find die Sphagnumarten und die vielfachen Formen von Hypnum fluitans, beſonders aber Hypnum trifarium, wichtig; der Verf. fand fußdicke Lagen desſelben unter einer 8 bis 10 Fuß dicken, feſten Torfdecke, und doch waren dieſe Pflan— zen noch jo feſt und jo vollkommen erhalten, daß ſie zu Herbariumeremplaren dienen konnten. Dagegen zerſetzten ſich wiederum viele andere Mooſe, ſelbſt wenn ſie ſich auf die Moore verirren, ſehr raſch; zu ihnen gehört das Hyp- num Schreberi, Hypnum purum und Hypnum triquetrum ; alle dieſe geben nur einen leichten Torf. Leider iſt der Ligningehalt aller dieſer Pflanzen noch nicht auf chemiſchem Wege ermittelt, um pofitivere Folgerungen zu erlauben, ſo viel ſcheint dem W Verf. indeß gewiß, daß ſich der Holzſtoff nur in Pflanzen, die an freier Luft oder wenigſtens mit ihrem obern Theile außerhalb des Waſſers leben, reichlich entwickeln könne, und daß ſomit die Vegetation der Meeres— tiefen nur wenig oder gar nichts zur Kohlenbildung bei— tragen konnte. Lange fortgeſetzter Druck verändert, nach des Verfaſſers Verſuchen, den Torf in Lignit. Die geographiſche Verbreitung der Torfmoore erſtreckt ſich, nach dem Verf., auf der nördlichen Halbkugel nur bis zum 45ſten oder 46ſten Breitengrade herab; auf der ſüd— lichen Hemiſphäre ſind ſie im 520 vorzüglich entwickelt. Die zur Torfbildung günſtigſte Temperatur ſchwankt zwiſchen + 6° bis 89 Celſ. Der Verf. ſchließt daraus, daß die Tem— peratur der Erdkugel ſeit der diluvianiſchen Epoche nicht wieder zugenommen habe. Die Torfmoore find für den Waſſerſtand der Flüſſe ſehr wichtig; ſie erſetzen durch die hygroſkopiſchen Eigen— ſchaften ihrer Sphagnumarten in vielen Gegenden die Wal— dungen und find für das Juragebirge die Vertreter der Gletſcher. Der Torf, der Lignit, die Kohle und der Anthracit ſind Reihen pflanzlicher Zerſetzungsproducte, die ganz all— mälig in einander übergehen. Die Kohlenlager ſind, nach dem Verf., wie der Torf entſtanden; auch ihre Pflanzen ſind, nach feinen Unterſuchungen der Kohlenflötze und einer Ver— 213 gleichung der Kohlen- und Torffloren, an ihrem jetzigen Fundorte gewachſen; ſelbſt die geographiſche Verbreitung des Torfes ſtimmt beinahe mit der der Kohlen überein, die eigentliche Kohlenregion iſt auch die Region des Torfes. Die Braunkohlen ſind dagegen aus angeſchwemmten Pflanzen entſtanden und können ſich noch jetzt z. B. an der Mündung des Miſſiſſippi fortbilden. Des Verf. Anknüpfungen zwi— ſchen den Phänomenen der Vorzeit und den noch thätigen Einflüſſen ſind für die Geologen von großem Intereſſe. (Bibliotheque universelle de Genève, No. 22. 1847.) XXVII. Über Pflanzenaſchen. Von Dr. E. Schmid, Prof. Unſere Kenntniſſe von der chemiſchen Zuſammenſetzung der Pflanzenaſchen ſind in der letzten Zeit beſonders durch die Arbeiten der chemiſchen Schule von Gießen ſo ſehr erweitert und berichtigt worden, daß man mit Recht danach fragen darf, welche allgemeinen Geſichtspunkte dadurch feſtgeſtellt, welche allgemeinen Anſichten dadurch begründet ſeien. Indem ich dieſe Frage zu beantworten ſuche, gebe ich zunächſt eine tabellariſche Überſicht aller Aſchenanalyſen, die nach der neuern im Laboratorium zu Gießen, namentlich durch Will und Freſenius ) ausgebildeten Methode durch— geführt ſind. Die meiſten derſelben rühren aus dem Gieße— ner Laboratorium ſelbſt her, faſt alle ſind in den Annalen der Chemie und Pharmacie, herausgegeben von Wöhler und v. Liebig, bekannt gemacht. Für dieſe habe ich die literariſche Nachweiſung nach Band und Seite der Annalen gegeben, ohne die Namen der einzelnen Analytiker zu nen— nen; die Schule bürgt für ſie. Die Analyſen, für welche die Nachweiſung ganz fehlt, ſind von mir oder doch unter meiner Aufſicht im phyſiologiſchen Juſtitute zu Jena nach der Methode von Will und Freſenius ausgeführt worden. Auch Kane folgte dieſer Methode; und Stenhouſe arbei— tete wenigſtens größtentheils danach. Die Analyſen Bouſ— ſingault's ſtammen aus einer etwas früheren Zeit, man findet ſie in feinem Werke über Agriculturchemie **). Ich habe, mit ſehr wenigen Ausnahmen, die Zahlen nach den unmittelbaren Reſultaten der Analyſen angegeben, jedoch ſo, daß ich die Kohlenſäure, deren Betrag für die jetzige wiſſenſchaftliche Benutzung der Aſchenanalyſen keine Bedeutung hat, ſowie Kohle und Sand, wegließ, das Chlor ſtets als Chlornatrium berechnete, und die in den Analyſen häufig vereinigten Beſtandtheile, Eiſenoryd und Phosphor— ſäure, trennte. Dagegen habe ich, wo der Mangangehalt beſtimmt war, dieſen dem Eiſenoryde zugezählt; das Mangan iſt übrigens nur ſehr ſelten beſtimmt und beträgt nie viel. Die Zahlen der Tabelle werden deßhalb meiſtens eine Summe unter 100 geben und müſſen durch den Gehalt an Kohlenſäure, Kohle und Sand ergänzt werden; ſie haben aber eine directe Beziehung zu den angegebenen Aſchenpro— *) Dieſe Methode iſt am ausführlichſten mitgetheilt 5 Sa s An⸗ leitung zur quantitativen chemiſchen Analyſe S. 401 bis 4 5 . . rurale considerée dans ses rapports En la chimie etc. om. p. 102. V. 14. 214 centen und können zu Grunde gelegt werden, wenn man die Menge der von den Pflanzen aſſimilirten Bodenbeſtand— theile berechnen will. Man wird allerdings, wenn man von einem Verſuch, durch welchen bloß der Aſchengehalt beſtimmt iſt, ausgeht, kleinen Fehlern ausgeſetzt ſein, indem je nach der Hitze, bei welcher die Aſche bereitet wurde, bald mehr bald weniger Kohlenſäure und Kohle zurückbleiben wird; allein was man mit den Aſchenberechnungen der Lie big'— ſchen Schule anfangen ſoll, welche nach Weglaſſung der genannten Beſtandtheile als unweſentlicher den Reſt auf Procente reduciren, kann ich nicht einſehen. Unweſentlich iſt allerdings die Kohle inſofern, als alle Aſchen bei vorſichtiger Veraſchung kohlenfrei erhalten werden können; aber das— ſelbe gilt nicht von der Kohlenſäure, die einen nothwendigen Beſtandtheil der an Phosphorſäure armen Aſchen ausmacht. Mit dem Sande hat es eine eigene Bewandtniß. Will und Freſenius begreifen unter dieſe Bezeichnung alles, was neben der Kohle ungelöſ't bleibt, wenn man die Aſchen mit Säuren behandelt und den Rückſtand mit Kalilauge digerirt. Ein Theil davon mag in der That von dem auf der Oberfläche der veraſchten Pflanze haftenden Staube *) herrühren und aus wirklich unweſentlichem Quarz und Si— licatpulver beſtehen; ein anderer Theil rührt aber von der Kieſelerde her, die man mikroſkopiſch in vielen Pflanzen, namentlich den Equiſeten, nachweiſen kann **). Daß alle der Aſche weſentlich angehörende Kieſelerde in Kalilauge lös— lich fein, d. h. aus zerſetzten Silicaten herrühren müffe, iſt eine reine Hypotheſe, in Folge deren der in der Tabelle aufgeführte Kieſelerdegehalt in der Regel zu gering iſt; und leider läßt ſich dieſer Fehler deßhalb nicht corrigiren, weil der Betrag von Sand und Kohle mit wenigen Ausnahmen zuſammengefaßt iſt. Daß ferner durch Ausſcheidung von Kohlenſäure, Kohle und Sand aus der Berechnung der Aſchen— analyſen der Überblick über die chemiſche Conſtitution der Aſchen erleichtert werde, iſt nur inſofern wahr, als die ein— zelnen Aſchenanalyſen dadurch etwas mehr vergleichbar wer— den; allein procentiſche Zahlen behalten für den Zweck der Vergleichung immer etwas Unbehülfliches und eine nur be— ſchränkte Brauchbarkeit, ſie können nie die Einfachheit und Beſtimmtheit erreichen, wie die Angabe des Verhältniſſes zwiſchen dem Sauerſtoffgehalte der Baſen und Säuren. Dieſe Angabe des Verhältniſſes, in welchem der Sauer— ſtoffgehalt der einzelnen Baſen und Säuren zu einander ſteht, vertritt bei den Aſchen die Stelle der chemiſchen Formeln. Indem ich die Tabelle nach dieſem Verhältniſſe anordnete, habe ich theils, um den Überblick zu vereinfachen, theils, um nur weſentliche Unterſchiede aufzufaſſen, unter den Baſen das Eiſenoryd unberückſichtigt gelaſſen und mich unter den Säuren bloß an die Phosphorſäure gehalten. Der Berech— nung des Sauerſtoffgehaltes habe ich die kürzlich von ) Von dieſem Staube kann man die Pflanzen leicht durch kurzes Ein⸗ tauchen in Waſſer und Abfegen mit einem feinen Pinſel oder einer Bürſte reinigen. Ich habe mich überzeugt, daß das Waſſex, welches mitunter und bei Wurzeln immer ſehr trübe wird, kaum Spuren löslicher Salze enthält. **) S. Schleiden, Grundzüge der wiſſenſchaftlichen Botanik, Bd. I. 14 * 215 Marchand herausgegebenen chemifchen Tafeln *) zu Grunde gelegt **). Nach der Tabelle zerfallen die Pflanzenaſchen zunächſt in zwei große Hauptabtheilungen, in kohlenſäurefreie und kohlenſäurehaltige. Die erſte Hauptabtheilung umfaßt zwei Unterabthei— lungen, nämlich Aſchen mit gänzlich vorwiegender Phosphor— ſäure (No. 1 — 38), oder Kieſelſäure (Ro. 39 — 57). In der erſten Unterabtheilung finden ſich nur Samenaſchen, in der zweiten nur die Stengel der Gramineen. Eine Ver— mittlung zwiſchen beiden Unterabtheilungen bildet die Aſche der Gerſte, des Hafers und der Hirſe; aber wenigſtens bei Gerſte und Hafer iſt dieſe Vermittlung bloß eine ſcheinbare. Gerſte und Hafer werden mit der Hülſe verbrannt; ihre Aſche iſt alſo eine Miſchung von wahrer Samenaſche mit einer Strohaſche. Was das Verhältniß zwiſchen Alkalien und alkaliſchen Erden betrifft, ſo zeigt ſich keine Regelmä— ßigkeit, jedoch kommt in der Mehrzahl der Fälle auf 1 Atom Alkali weniger als 1 Atom einer alkaliſchen Erde. Die erſte Unterabtheilung iſt ſehr beſtimmt durch das Verhältniß zwiſchen der Kalk- und Talkerde charakteriſirt. Wenn man Lein und Hanf (No. 19 u. 21) ausnimmt, ſo überwiegt regelmäßig die letzte über die erſte. Auf feſte Zahlen läßt ſich das Verhältniß zwiſchen den Kalk- und Talkerdeatomen in den Aſchen gewiſſer Samen allerdings nicht zurückführen; dies erkennt man beim erſten Überblick über die vorhandenen Weizen- und Gerften- (No.I—11) und Erbſenaſchen (No. 25 — 28). Aber höchſt wichtig, beſonders für die Pflanzen— cultur, ift es, daß die fohlenfäurefreien Samenaſchen Kalk— und Talkerde nach einem ganz andern Verhältniſſe enthalten, als nach welchem ſich dieſe Baſen im Boden vorfinden. Ein ähnliches Verhältniß findet ſich nur bei ſehr wenigen andern Aſchen, nämlich bei der des Kaffees (No. 85), der Kar— toffeln (No. 82 — 84) und der Eicheln (No. 72). Die zweite Hauptabtheilung iſt von der erſten nicht ſtreng geſchieden, indem eine größere Zahl von Aſchen, No. 59— 84, Kohlenſäure und Phosphorſäure in beträcht— licher Menge neben einander enthalten. Um eine Grenze für dieſe Zwiſchenabtheilung zu erhalten, habe ich ihr alle Aſchen zugeordnet, in welchen der Sauerſtoffgehalt der Ba— ſen zum Sauerſtoffgehalte der Phosphorſäure unter dem Verhältniſſe 10 zu 5 ſteht. Sie umfaßt Aſchen ſehr ver— ſchiedener Pflanzentheile; mit Ausnahme des Kaffees, No. 85, bei dem ſich der Sauerſtoff der Baſen zum Sauerftoffe der Phosphorſäure verhält wie 11,3 : 5, finden ſich in ihr alle Samenaſchen, die nicht zur erſten Hauptabtheilung ge— hören, nämlich: Weinkerne, No. 59 u. 60; Apfelſinenkerne, No. 61; Buchnüſſe, No. 70 und Eicheln, No. 72. Die übrigen Aſchen, die unter der zweiten Hauptab— theilung eingereiht ſind, ſind zum größten Theil an Phos— phorſäure ſehr arm. Bei der großen Mehrzahl überſteigt das Verhältniß zwiſchen dem Sauerſtoffgehalte der Alkalien und der alkaliſchen Erden nicht 1 : 3. *) Chemiſche Tafeln zur Berechnung der Analyſen, nach den neueſten Be— ſtimmungen entworfen von Marchand 1847. **) Die Tabelle ſollte eigentlich an dieſer Stelle eingeſchaltet fein; um fie nicht unterbrechen zu müfjen, wurde ſie an das Ende der Abhandlung geſtellt. 102. V. 14. 216 Eine beſondere kleine Abtheilung bilden zuletzt die Aſchen der Seegewächſe, No. 138 — 142. Sie haben einen ausgezeichnet hohen Schwefelſäuregehalt (12 — 230%), der auch durch die Analyſen von Forchham mer beſtätigt wird; ich habe dieſelben nicht aufgeführt, weil ſie zum Theil un— vollſtändig ſind. In den andern Aſchen ſteigt der Schwefel⸗ ſäuregehalt ſelten über 5 %. Die Hauptabtheilungen der Tabelle deuten auf einen ſpecifiſchen Unterſchied der Aſchen ganzer Pflanzen nicht be— ſtimmt hin, ſie zeigen dagegen deutlich eine Verſchiedenheit in der Aſche der einzelnen Pflanzentheile. Vor allem gilt dies für die Samen, die allein phosphorſäurereiche, kieſel— ſäurearme und zugleich kohlenſäurefreie Aſchen liefern. Die Stengel und Blätter der Cerealien ſind durch eine kieſel— ſäurereiche und kohlenſäurefreie Aſche charakteriſirt. Wurzeln, Hölzern und Blättern gehört eine an Phosphorſäure arme, an Kohlenſäure und Kalkerde reiche Aſche. Die Verſchiedenheit der Aſche in den einzelnen Pflanzentheilen tritt jedoch min— der auffallend hervor, wenn man dieſelben Theile bei ver— ſchiedenen Pflanzen vergleicht, als wenn man die Vergleichung auf die Theile derſelben Pflanze beſchränkt. Die Beiſpiele des Apfelſinenbaumes und Weinſtockes bieten dies in aus— gezeichneter Weiſe. In der Wurzel, dem Stamme und den Blättern des Apfelſinenbaumes (No. 129, 133 u. 124) herrſcht Kalkerde vor; in der Aſche hingegen des Samens und der Frucht (No. 61 u. 96) ſind die Alkalien in über— wiegender Menge vorhanden; der Phosphorſäuregehalt wächſ't von 3,3 bis 23,2 %, jo daß die Blätter am ärmſten, die Samen am reichſten ſind, während zwiſchen beiden Frucht ohne Samen, Wurzeln und Stamm ſtehen. Die Rebe des Kleinburgunders don Meißen (No. 111) giebt eine phos— phorſäurearme Aſche, in welcher die Alkalien von den alkali— ſchen Erden nur wenig überwogen werden; die Schalen der Traube (No. 64) enthalten Alkalien und alkaliſche Erden nahe zu gleich vielen Atomen und zeigen ſchon einen beträcht— lichen Phosphorſäuregehalt; endlich in den Kernen (No. 59) überwiegen die Alkalien, und zugleich hat die Phosphorſäure zugenommen. Leider beſitzen wir noch zu wenig in dieſem Sinne durchgeführte Reihen von Aſchenanalyſen, um zu all— gemeinen Geſetzen gelangen zu können. Faßt man die Aſchen desſelben Theils derſelben Pflanzenart nur von verſchiedenem Standort ins Auge, ſo läßt ein unbefangener Blick keine ſtrenge Regelmäßigkeit erblicken. Das Verhältniß zwiſchen dem Sauerſtoffgehalte der Baſen und Säuren ſchwankt in— nerhalb ziemlich weiter Grenzen, z. B. beim Weizen, No. 1 — 8, beim Roggen, No. 9 — 11, beim Krapp, No. 66 — 68, der Weinrebe, No. 104— 109, und dem Tabak, No. 111 — 120. Die Tabelle greift allerdings nur die Phosphor- ſäure heraus, allein dies genügt auch vollkommen bei einer großen Anzahl ſehr wichtiger Aſchen, nämlich denjenigen der Samen, die mit wenigen Ausnahmen keine Kohlen— ſäure und nur unbedeutende Mengen von Schwefelfäure und Kieſelſäure enthalten. Die kohlenſäurereichen Aſchen aber, in denen Phosphorſäure, Schwefelſäure und Kieſel— ſäure bis zum Verſchwinden geringfügig auftreten, können für dieſen Zweck gar nicht angezogen werden. Da das 217 Eifenoryd nur in ein Paar Holzaſchen, No. 102, 103 und 124, beträchtlich gefunden worden iſt, und deßhalb vernachläſſigt werden kann, ſo bleiben nur Baſen übrig, die in einem Atome ein Atom Sauerſtoff enthalten, und die in der Aſche bei mäßiger Glühhitze nur als neutral— kohlenſaure Salze vorkommen können, und als ſolche auch zurückbleiben würden, wenn man ſie mit Kohle gemengt bei Luftzutritt glühte. Bleibt alſo bei ihnen der Sauer— ſtoffgehalt der an Kohlenſäure gebundenen Baſen eine con— ſtante Zahl, ſo ſteht dies mit der Zuſammenſetzung der veraſchten Pflanze in keinem Zuſammenhange. Man kann aber auch gegen die gewählten Beiſpiele Einwendungen machen; ſie rühren ſämmtlich von Culturpflanzen her, bei denen eben die Cultur ein abnormes Verhältniß in verſchie— denem Grade entwickelt haben kann. Dagegen läßt ſich wenigſtens eines geltend machen: die Tabake ſind ohne Düngung gebaut. Krapp und Tabak zeigen zugleich, wie wechſelnd das Verhältniß zwiſchen den Alkalien und al— kaliſchen Erden iſt. Von wildwachſenden Pflanzen beſitzen wir Aſchenanalyſen nicht in der Mannigfaltigkeit, daß wir darnach über die vorliegende Streitfrage aburtheilen könnten. Was den procentifchen Gehalt der Pflanzen an Aſche angeht, ſo muß man es ſehr bedauern, daß bei vielen Aſchenunterſuchungen dieſer Punkt nicht beachtet worden iſt. Im allgemeinen zeigen die Hölzer den niedrigſten, die Rin— den und Blätter den höchſten Aſchengehalt. Soweit alſo wäre unſere Kenntniß von den Pflanzen— aſchen gediehen; weſentliche Fehler ſind an der Unterſuchungs— methode nicht zu rügen. Aber dennoch wird der Zweck, den man bei den Aſchenanalyſen vorzüglich im Auge hatte, nicht vollſtändig erreicht. Nach dem Betrage und der Zuſammen— ſetzung der Aſche glaubte man die anorganiſche Subſtanz der Pflanzen beſtimmen zu können und thut es noch jetzt, obgleich man zugeben muß, daß in der Aſche weder alle anorganiſchen Stoffe der Pflanze enthalten ſind, noch dieſe in einem unveränderten und conſtanten Zuſtande, noch end— lich, daß alle organiſchen Stoffe ausgeſchloſſen find. Chlor wird in manchen Samenaſchen gar nicht gefun— den, während der wäſſrige Auszug der Samen merkliche 102. V. 14. 218 Mengen von Chlornatrium enthält. Überhaupt hat ſich die Menge des Chlors in den Aſchen äußerſt gering und ſchwan— kend gezeigt, am geringſten, je höher die Temperatur bei der Veraſchung geſteigert werden mußte. Und wie kann dies auch anders ſein, da Chlornatrium ſowohl als Chlor— kalium in der Glühhitze flüchtig ſind? Fluor findet man in den Pflanzenaſchen nicht, und doch unterliegt es keinem Zweifel, daß die Pflanzen fluor— haltig ſind. Die Knochen auch derjenigen Thiere, die von bloßer Pflanzennahrung leben, beſitzen einen allerdings ge— ringen, aber doch ſehr merklichen Fluorgehalt und können dieſen aus keiner andern Quelle, als eben aus der Pflan— zennahrung erhalten. Die Fluorverbindungen in den Pflanzen müſſen ſich alſo bei der Veraſchung zerſetzen, ſo daß das Fluor entweicht. (Schluß folgt.) Miſeellen. 33. In der Anthracitkohle fanden Teſchemacher und Agaſſiz die entſchiedenſten Überreſte früherer Pflanzenſtructur; fie erkannten ſogar, mit Hülfe eines Oberhäuſer'ſchen Mikroſkopes, den äußern und innern Theil des Holzes mit ſeinen Gefäßen, ſowie Blätter, Samen u. ſ. w. Die glänzenden Stellen der Kohle be— ſtanden nur aus poröfen Gefäßen; der dunkle Mittelpunkt der foſ— ſilen Samen zeigte ſich, nach vorſichtiger Verkohlung im Platin— tiegel, aus Zellgewebe zuſammengeſetzt. Das genus der Pflanze blieb ihnen unentſchieden, dagegen erkannten ſie verſchiedentlich, und zwar ſehr deutlich, die parallelen Linien der Lepidodendronſtämme. Die Verf. verſprechen ſich von der genauern Unterſuchung der Kohle ſelbſt vielfache und wichtige Entdeckungen, die vielleicht das Ver— hältniß der Kohlenpflanzen zu der jetzigen Vegetation aufklären können. (The American Journal of science and arts., No. 12. 1847.) 34. Brütverſuche. In China foll man die Eier nur mit Baumwolle bedecken. Dem C. P. unterzeichneten Einſender dieſes Artikels in No. 42 des Gardner's Chronicle von 1847 erſchien dies ſehr plauſibel, indem er, gegen die gewöhnliche Annahme, die beſtändige Wärme der Mutter nur als Schutzmittel gegen das Er— kalten der Cier betrachtet, die nach dem eingeleiteten Entwicklungs— proceſſe in ſich ſelbſt durch die Orydation des Dotters die nöthige Wärme entwickeln müßten; und wirklich beſtätigte der Verſuch ſeine Vermuthung, indem Faſaneneier, die nur einige Tage bebrütet waren, ſorgfältig in Wolle verpackt, zur gehörigen Zeit ſämmtlich ihre Jungen entließen. Heilkunde. (XXVIII.) Ergießung in die Pleurenhöhlen, gegen welche die Paracenteſe des thorax funfzehn Mal vorgenommen ward. Von Hrn. Hughes. Beobachtung. Ein 34jähriger Mann, Chirurg von Profeſſion, ward am 25. Juni 1844 in Guy’s Hoſpital aufgenommen. Er war beträchtlich abgemagert, ſchwach, mit Dyspnöe behaftet und konnte weder auf der linken Seite, noch auf dem Rücken liegen. Man erkannte eine Ergießung in der rechten Seite des thorax und Hr. Cock punctirte ihn am 27. Juni zwiſchen der ſiebenten und ach— ten Rippe mit dem Troikar, wobei 720 Grammen einer trüben gelben Flüſſigkeit in einem Strahle ausfloſſen, ohne daß der Patient dadurch üble Zufälle bekommen hätte. In der folgenden Nacht trat indeß ziemlich ſtarker Huſten und etwas Blutſpucken ein. Am 3. Juli befand er ſich ſo wohl, daß er das Ho— ſpital verließ, um ſich an einen Ort mit geſunderer Luft zu begeben; allein ſchon am 5. kehrte er zurück, da er in 219 der rechten Seite des thorax noch immer Schmerzen ver— ſpürte, obwohl man äußerlich keine Auftreibung gewahrte und auch die ſtethoſkopiſche Unterſuchung eine viel geringere Ausdehnung des matten Tones, ſowohl auf der linken, als auf der rechten Seite offenbarte, als vor dem Abzapfen. Am 6. Juli nahm Herr Cock die Paracenteſe zum zweiten Male, faſt an derſelben Stelle, wie das erſte Mal, vor, und es floſſen 1080 Grammen einer ähnlichen Flüſſig— keit aus, ohne daß eine einzige Luftblaſe in die Bruſthöhle eingedrungen wäre. Der Kranke fühlte ſich ſehr erleichtert. Man legte ihm über den Verband eine Flanellbinde um die Bruſt, und die Beſſerung dauerte die folgenden Tage fort. Am 30. Juli kam er abermals ins Hoſpital. Die Operationen hatten offenbar genützt; denn der Umfang der Bruſt war um wenigſtens 2 Zoll geringer, und die Wöl— bung der beiden Seiten ziemlich gleich. Er konnte auf beiden Seiten und auf dem Rücken liegen. Die Sternal— gegend und der obere Theil der linken Seite des khorax bis zur Bruſtwarze tönten normal. Die rechte Seite dehnte ſich beim Einathmen faſt ſo frei aus, wie die linke. Es wurden abermals 360 Grammen einer ähnlichen Flüſſigkeit abgezapft, die jedoch nicht ſo frei auslief, wie früher, ob— wohl auch dieſes Mal keine Luft in die Bruſthöhle eindrang. Der Kranke verließ alsdann das Spital wieder, in welches er erſt am 23. Auguſt zurückkehrte, nachdem er eine Mer— curialcur bis zum Speichelfluß angewandt und ſich in Bes treff des Huſtens, der Kräfte und der Leichtigkeit des Ath— mens ſehr gebeſſert hatte. Der Puls war 96 und der Appetit trefflich. Da die Mattheit des Tones auf eine noch kleinere Stelle beſchränkt war, ſo ward die Paracenteſe nicht wiederholt, ſondern man verordnete nur häufige Blaſen— pflaſter, Kaliiodur und ein Chinadecoct. Er verließ London am 3. September. Am 5. November fand er ſich abermals im Hoſpitale ein. Sein allgemeiner Geſundheitszuſtand war gut; allein der Puls 108 und die Reſpiration 24 in der Minute. Es hatte ſich offenbar wieder Flüſſigkeit in der Bruſthöhle an— geſammelt. Am 7. zapfte Hr. Cock wieder 1080 Grm. von derſelben Art von Flüſſigkeit ab, und der Puls ſank auf 84. Da ſich in dieſem Alter eine Zurückziehung der Rippen und eine größere Entwicklung der Lungen nicht hoffen ließ, ſo beſchloß man zur Reſorption der etwa vor— handenen Membranen eine Mercurialcur anzuwenden, nach— dem man am 18. November noch 240 Grammen Flüſſigkeit abgezapft hatte, wobei durch eine unvorhergeſehene Inſpira— tion eine bedeutende Menge Luft in die pleura eindrang, die den Kranken nicht beläſtigte, aber ein deutlich vernehm— bares tympanitiſches Geräuſch veranlaßte. Durch die nunmehr angewandten Mercurialeinreibungen wurde ſchon am 26. der Mund angegriffen, und an dieſem Tage wurden 360 Grammen abgezapft. Gegen das Ende der Operation ließ man den Patienten recht tief einathmen, wodurch ein wenig Luft ausgetrieben wurde. Am 21. Dee. hatte ſich trotz der Mercurialeinreibungen wieder Flüſſigkeit angeſammelt, und man zapfte 540 Grammen ab. Nachdem die Mercurialſymptome verſchwunden waren, 102. V. 14. 220 wollte der Patient eine weite Seereiſe unternehmen, als er in Folge einer Erkältung von einer heftigen Bronchopneu— monie der rechten Seite befallen ward, gegen welche man Antimonium, Opium und 10 Centigrm. Calomel verordnete. In den folgenden 6 Monaten kam die Paracentefe wieder⸗ holt in Anwendung; aber die abgehende Flüſſigkeit wurde mehr und mehr eiterförmig. Der Patient ſtützte ſich nach dem Anzapfen mit dem Rumpfe auf das Bett und mit der rech— ten Hand auf den Fußboden, um die Flüſſigkeit ſo rein als möglich herauszudrücken, und ſobald er einathmen wollte, ſchloß er die Canüle, damit keine Luft eindringen könne, mit dem Finger, worauf er die austreibenden Anſtrengungen wieder begann. Später nahm der Patient die Paracenteſe ſogar ſelbſt an ſich vor, z. B. am 1. April 1846. Hr. Hug hes ſah ihn am 3. Oct. 1846. Seit der letzten Operation waren 6 Monate verſtrichen. Er befand fi) wohl und war wohlbeleibt geworden. Der thorax war nicht mehr deform. Die rechte Seite hob ſich beim Ein— athmen in natürlicher Weiſe. Vorne war nur unter der linken Bruſtwarze ein mattes Geräuſch zu bemerken. Über dieſer Stelle war das Reſpirationsgemurmel nur etwas rau— her, als gewöhnlich, aber durchaus nicht röchelnd. Hiebei war die Mattheit noch ziemlich auffallend; allein man hörte auch dort das Reſpirationsgeräuſch und um ſo deutlicher, je tiefer man das Stethoſkop anſetzte. Man vernahm das Klopfen des Herzens auf der rechten Seite ſtärker, als ge— wöhnlich, was wahrſcheinlich daher rührte, daß ſich die Wandungen der rechten Pleurenhöhle zuſammengezogen hatten, was als ein günſtiges Zeichen betrachtet werden konnte. Luft ſchien in der rechten pleura nicht enthalten zu ſein, und der allgemeine Geſundheitszuſtand des Subjectes war vortrefflich. (Gaz. med. de Paris, 8. Janv. 1848.) (XXIX.) Operation einer Ankyloſe der articulatio coxo - femoralis. Hr. Maiſonneuve hat der Académie de Medecine ausführliche Nachricht über eine Operation gegeben, die wegen Ankyloſe des Corofemoralgelenkes vorgenommen wurde. Die Ankyloſe war in Folge von Coralgie und Verrenkung des Schenkelbeinkopfes in die fossa ovalis entſtanden. In dieſer Lage hatte ſich die Ankyloſe ſo gebildet, daß der Schenkel durchaus auf dem abdomen lag. Das Knie befand ſich etwa in der Höhe der rechten Schulter, und der auf den Schenkel gebeugte Unterſchenkel konnte nur ſehr unvoll- ſtändig geſtreckt werden. Der Patient war von der Coralgie geheilt, aber des Gebrauches des rechten Beines durchaus beraubt. Unter dieſen Umſtänden ſchlug ihm Hr. Maiſon⸗ neude die Durchſägung des Schenkelbeinkopfes vor, und die Operation ward, nachdem der Patient ätheriſirt worden, am 23. Febr. 1847 vollzogen. Man legte den Patienten auf die linke Seite und Hr. M. machte dann bei der Höhe des trochanter major und parallel mit der Achſe des Gliedes einen halbelliptiſchen 221 Einſchnitt, deſſen Concavität vorwärts gerichtet und welcher etwa 20 Centimeter lang war. Dieſer Einſchnitt legte die äußere Fläche des großen trochanter, ſowie eine kleine Por— tion des Körpers des Schenkelbeines bloß; allein der Schenkel— beinhals blieb tief verborgen, ſo daß man ihn nicht ein Mal mit dem Finger bequem unterſuchen konnte. Eine Viertelſtunde lang bemühte ſich der Operateur vergebens mit Meißel und Schlägel, mit der Liſton'ſchen Stockſcheere, der hahnenkammförmigen Säge ꝛc. Endlich entſchloß er ſich, das Verfahren von Barton und Kearney anzuwenden. Kein wichtiges Gefäß wurde verletzt, und nur eines brauchte un— terbunden zu werden. Nach der Operation konnte das Bein nicht alsbald wieder in ſeine normale Lage gebracht werden. Die Muskeln, ſowie faſerige und zellige Gewebe, welche ſich an die abnorme Lage gewöhnt hatten, boten anfangs der Streckung des Beines einen ſolchen Widerſtand dar, daß der Erfolg der Operation zweifelhaft ſchien. Man legte den Patienten mit dem ſtark gebeugten Beine, welches durch eine ſehr ſteile geneigte Ebene geſtützt wurde, auf den Rücken. Das Wundfieber war mäßig. Der Patient klagte nur über eine allgemeine Taubheit des Beines. Hr. Maiſonneusde vermuthete anfangs, der nervus ischiaticus werde durch die Knochenfragmente zuſammengedrückt; allein bei näherer Unter— ſuchung erkannte man eine wahre Lähmung, und der Nerv war bei der Operation ſicher zerſchnitten worden. Einen Monat lang kam nichts bemerkenswerthes vor; das Bein gelangte ſtufenweiſe wieder in ſeine gerade Lage und die Verletzung wurde als complieirter Bruch behandelt. Es gingen mehrere Knochenſplitter ab. Am 20. April, keine vollen 2 Monate nach der Ope— ration, fing der Kranke an aufzuſtehen und im Saale an zwei Krücken umherzugehen. Von dieſer Zeit an hob ſich der allgemeine Geſundheitszuſtand; das um 10 Centimeter verkürzte Bein beſitzt Kraft, und die unter dem Einfluſſe des nervus cruralis Statt findenden Bewegungen werden mit bedeutender Stärke ausgeführt, ſo daß, trotz der Lähmung des nervus ischiaticus, welche indeß ſchon merklich abgenom— men hat, der Kranke ohne Stock gehen, ſich ſetzen und Treppen ſteigen, kurz mit dem kranken Beine die meiſten Bewegungen des geſunden ausführen kann. (Archives ge- nerales de Médecine, Dec. 1847.) (XXX) über die Auſcultation bei der Geburt- hülfe. Vom Dr. A. L. Mac Clintock zu Dublin. Die Schlüſſe, zu denen der Verf, in einer ſehr um— fangsreichen Abhandlung gelangt, find folgende: 1) Jedes Mal, wenn der foetus lebt, kann man in jeder Periode der Geburtsarbeit die Geräuſche des Herzens unterſcheiden, wenn man in der Auſcultation die gehörige Übung beſitzt. 2) Die genaue Beſtimmung desjenigen Punktes des abdomen, bei deſſen Höhe man die Geräuſche des Herzens 102. V. 14. 222 der Leibesfrucht hört, kann zur Beſtimmung der Lage des foetus im uterus dienen; allein man darf ſich nie auf dieſes Zeichen allein verlaſſen und das Touchiren nicht vernach— läſſigen. 3) Bei der Präſentation des untern Endes des foetus, des Geſäßes, der Füße oder der Kniee hört man das Herz des koetus gewöhnlich am deutlichſten in der Nähe des Na— bels der Mutter. 4) Die Anweſenheit von Zwillingen im uterus läßt ſich nur an dem Mangel an Iſochronismus in den Schlägen der beiden Herzen und nicht lediglich durch die verſchiedene Lage, welche dieſe beiden Organe zu haben ſcheinen, er— kennen. 5) Wenn im Laufe einer ſchweren Geburtsarbeit die Geräuſche des Fötusherzens erſt kräftig und deutlich waren und dann ſchwach und undeutlich und endlich völlig unver— nehmbar werden, ſo läßt ſich, wenn anders die Umſtände ſo ſind, daß eine Täuſchung über dieſen Punkt nicht wohl Statt finden kann, und das Erlöſchen des Geräuſches völlig conſtatirt iſt, das Ableben der Leibesfrucht mit Gewißheit annehmen. 6) In dem Falle, wo man ſich zur Beſchleunigung der Entbindung des Mutterkornes bedient, iſt die Auſcultation des Fötusherzens das einzige Mittel, um zu beſtimmen, ob das Medicament auf die Leibesfrucht eine üble Wirkung zu äußern beginne. Man hat ſich alſo lediglich an die Auſeul— tation zu halten, um darüber zu entſcheiden, ob eine künſt— liche Entbindung indieirt ſei. 7) Wenn ein ſcheinbares Berſten des uterus vorkommt, ſo kann man ſich, inſofern die Geräuſche des Herzens fort— dauern, überzeugt halten, daß ein ſolcher Unfall nicht ein— getreten ſei, und je ſpäter man dieſe Geräuſche nach dem Eintreten der bedenklichen Symptome noch hört, um ſo ge— wiſſer darf man annehmen, daß ein Berſten des uterus nicht Statt gefunden habe, während dagegen das plötzliche Auf— hören der Geräuſche des Herzens den übrigen Symptomen, welche auf eine Zerreißung des uterus hindeuten, ſehr zur Beſtätigung dient. 8) Wenn nach einem, im ſiebenten oder achten Mo— nate der Schwangerſchaft eingetretenen Anfalle von Kinder— gichtern (Eklampſie) die Wehen ſich nicht alsbald einſtellen, fo läßt ſich die Prognoſe je nach dem Zuſtande der Leibes— frucht ſtellen. Lebt dieſe, ſo iſt alle Ausſicht vorhanden, daß ſie ihre volle Reife erhalten werde, wenn nicht neue Convulſionen eintreten; während, wenn ſie todt iſt, die Austreibung derſelben, aller Wahrſcheinlichkeit nach, 10 — 14 Tage nach dem Anfalle Statt finden wird. 9) Das Blaſebalggeräuſch im Mutterkuchen kann in Betreff des Zuſtandes der Leibesfrucht durchaus kein zuver— läſſiges Kennzeichen abgeben. 10), Tritt vor der Entbindung eine Hämorrhagie ein, ſo kann der Sitz des Placentalgeräuſches nützliche Anzeigen in Bezug auf die Anfügungsſtelle des Mutterkuchens liefern und folglich zur Beſtimmung des Punktes dienen, ob die Blutung eine zufällige oder eine von denen ſei, die ſich in keiner Weiſe ſtillen laſſen. 223 11) Die Auſcultation des Herzens läßt bei todt-(ſchein— todt) gebornen Kindern den Grad der in denſelben noch vorhandenen Vitalität weit ſicherer erkennen, als dies durch irgend eine andere Unterſuchungsmethode geſchehen kann. Folglich hat man ſie in Fällen dieſer Art ſtets anzuwenden. (Dublin Quarterly Journ. of Med. Sc., Aug. 1847.) (XXXI.) über den Zuſtand des Harnes bei typhöſen Fiebern. Von Hrn. Martin-Solon. 1) Beim typhöſen Fieber iſt der Harn weniger reich— lich, dunkler gefärbt und weniger flüſſig, als im geſunden Zuſtande; dagegen behält er in der Regel ſeinen normalen Grad von Säure, oder wird noch ſaurer, als im normalen Zuſtande. 2) Die Fälle, wo der Harn alkaliniſch wird, ſind bei typhöſem Fieber ſelten, obwohl er, weil er viel mehr Harn— ſtoff enthält, als im normalen Zuftande, leicht (außerhalb des Körpers ?) in den alkaliniſchen Zuſtand übergeht. Der Verhältnißtheil an Harnſtoff iſt fo bedeutend, daß, wenn man Salpeterſäure einträgt, ohne den Harn vorher abge— raucht zu haben, zuweilen auf der Stelle ſalpeterſaures Harn— ftoff- Deutoryd entſteht. Wenn die ſpecifiſche Schwere 1,030 bis 1,036 beträgt, ſo iſt dies in der Regel der Fall. 3) Der Harn iſt gewöhnlich klar, jedoch auch zuweilen durch Schleim oder durch in zu großer Menge vorhandene oder wenig auflösliche Salze getrübt. Letztere ſetzen ſich in Niederſchlägen ab, welche vorzüglich aus Harnſäure, harn— ſauren Salzen und Färbeſtoff beſtehen. 4) Die auf die Anweſenheit dieſer Producte gegründe— ten kritiſchen Zeichen des Harnes ſind, weil ſie nur zu häufig Täuſchungen veranlaßten, zuletzt faſt ganz vernach— läſſigt worden. 5) Unter den klaren Harnvarietäten veranlaſſen manche beim Eintragen von Salpeterſäure durchaus keine Reaction, während ſich in andern augenblicklich eine Wolke bildet. 6) Eben ſo verhält es ſich mit den durch Filtriren abgeklärten trüben Harnſorten, indem manche durch Salpe— terſäure getrübt werden, andere nicht. 7) Dieſe Wolke hat ein eigenthümliches filzartiges An— ſehen, beſteht aus harnſaurem Ammonium-Deutoryd und zeigt ſich beſonders in gewiſſen Phaſen des typhöſen Fiebers 102. V. 14. 224 und acuter Krankheiten, namentlich bei deren Zertheilung. Nach kliniſchen Erfahrungen hat dieſe Wolke eine kritiſche Bedeutung, welche die Aufmerkſamkeit der Arzte verdient. 8) Die Galle erleidet im Verlaufe des typhöſen Fiebers eine bemerkenswerthe Veränderung, und dieſe iſt unſtreitig die Veranlaſſung des Erſcheinens des Gallengrüns (bili-ver- dine) im Harne. 9) Der Harn wird überhaupt zuweilen im Verlaufe der acuten Krankheiten vorübergehend eiweißſtoffhaltig; allein die Blutcongeſtion in verſchiedenen Organen, namentlich den Nieren, und die ſpecifiſche Dünne des Blutes bei typhöſen Fiebern machen die vorübergehende Albuminurie bei dieſer Krankheit weit häufiger, als bei andern acuten Krankheiten. 10) Die vorübergehende Albuminurie zeigt ſich beſon— ders in den bedenklichern Fällen des typhöſen Fiebers und macht die Prognoſe immer ungünſtig. 11) Die vorübergehende Albuminurie kann zuweilen fortdauernd werden, ſo daß die Nieren die pathologiſchen Kennzeichen der chroniſchen Albuminurie offenbaren. 12) Die Unterſuchung des Harnes kann über den Verlauf der typhöſen Fieber Aufſchluß und hinſichtlich der anzuwen— denden Behandlung Fingerzeige geben. (Archives générales de Médecine, Dec. 1847.) Miſeellen. (29) Letheon wird in America die Schwefelätherinhalation zur Umgehung der Operationsſchmerzen genannt. Die HHn. Wells und Morton ſetzen in Nordamerica einen Broſchürenkrieg fort, um jeder für ſich die Priorität zu vindiciren; daraus geht hervor, daß Hr. Wells allerdings ſchon ſeit 3 Jahren ſich mit Verſuchen der Art mit Stickſtofforydgas beſchäftigt hat, daß er Hrn. Mor⸗ ton davon in Kenntniß geſetzt hat, und daß dieſer aber nicht allein unabhängige Verſuche in Verbindung mit Prof. Jackſon zu Bo⸗ ſton mit dem Schwefeläther angeſtellt, ſondern dieſen auch zuerſt zu chirurgiſchen Zwecken wirklich angewendet hat. (30) Schwimmende Matratzen zur Rettung der Schiffsmannſchaften haben die HHrn. Taylor und Söhne erfunden und ſich patentiren laſſen. Dieſelben ſind theilweiſe mit Kork gefüttert und man hat damit auf der Themſe in Gegenwart mehrerer Marineofficiere Verſuche angeſtellt, aus denen ſich ergiebt, daß 1 15 Korffüllung einen Mann mit dem Kopfe, 3½ Ib mit dem halben Leibe, 6 tb mit dem ganzen Körper über dem Waſſer erhalten kann. Eine Matroſenmatratze von der gewöhnlichen Größe, die 10 Fb Füllung hätte, würde 12 Leute vorm Ertrinken bewahren können. Dieſe Matratzen ſollen zur Kajütenmöblirung ſo bequem ſein, wie Pferdehaarmatratzen und wenn Jemand über Bord fiele, könnte man ihm ohne Umſtände eine ſolche Matratze zuwerfen. (Literary Gazette, 11. Dec. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Memoires de la Société royale des sciences, d'agriculture et des arts de Lille. Année 1846. In So de 27 fenilles !/.. Lille 1847. L’esprit des betes, venerie francaise et zoologie passionelle; par A. Tousse- senel. In 8° de 27 feuilles. Paris 1847. Considerations pratiques sur les affections du col de l’uterus; par M. le docteur Filhos. In 8° de 6 feuilles ½. Paris 1847. Bibliotheque des médecins grecs et latins. Publiee avec le coneours de me- decins erudits de la France et de l’etranger, par le docteur Ch. d’Arem- berg. Prospectus et specimen. In 8e de 5 feuilles. Paris 1847. Dieffenhach, J. F., die operative Chirurgie. II. Hft. gr. 80. 1 Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1847. Parkes, E. A., Researches into the Pathology and Treatment of the Asiatic or Algide Cholera. By E. A. Parkes. 8. (pp. 258, cloth, 6 sh.) Lon- don 1847. Preeis iconographique de médecine operatoire et d’anatomie chirurgicale; par M. M. Cl. Bernard et Ch. Huette; dessine d’apres nature par M. J. B. Leveille elöve de M. Jacob. Cinquieme livraison. In 120 d'une feuille , plus 10 pl. Paris 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. | Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 103. Nr. 15. des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. Schmid, über Pflanzenaſchen. (Schluß.) — Miſcellen. Die Miſtel. Zwei Trüffelarten. — Heilkunde. Lavacherie, über vie Oſophagotomie. — Miſcelle. Nekrolog. — Bibliographie. XXVII. Über Pflanzenaſchen. Von Dr. E. Schmid, Prof. (Schluß.) Die Schwefelſäure und Phosphorſäure der Aſchen iſt nur zum einen Theil unter die anorganiſche Subſtanz zu zählen, zum andern iſt ſie aus dem Schwefel und Phosphor der Proteinverbindungen entſtanden. Was nun zunächſt die Phosphorſäure betrifft, kann ſie durch die glühende Kohle der unvollkommen verbrannten Pflanzenſubſtanz leicht unter Bil— dung von Kohlenſäure zu Phosphor redueirt und als ſolcher verflüchtigt werden. Saure, phosphorſaure Salze mit Kohle geglüht, geben minder ſaure Salze, während ſich ein An— theil Phosphorſäure in der angegebenen Weiſe zerſetzt; und unter Mitwirkung von Kieſelſäure werden auch die baſiſch— phosphorſauren Salze in kieſelſaure Salze, Kohlenſäure und Phosphor zerlegt. Der Phosphorgehalt ſehr phosphorreicher Pflanzentheile, die zugleich arm ſind an Salzen mit organi— ſcher Säure, durch deren Baſen die Phosphorſäure in Form baſiſcher Salze gebunden wird, wie Weizen und Roggen und noch mehr ſolcher, die zugleich viel Kieſelſäure enthal— ten, wie Hafer und Gerſte, kann alſo mit völliger Genauig— keit aus dem Phosphorſäuregehalte der Aſche nicht abgeleitet werden. Unter ähnlichen Bedingungen befindet ſich die Schwefelſäure; daß auch ſie unter dem Einfluſſe der hohen Temperatur, die während der Veraſchung obwaltet, ſowie der übrigen Aſchenbeſtandtheile redueirt und verflüchtigt wer— den kann, geht einfach ſchon aus dem Umſtande hervor, daß zu raſch geglühte Kartoffeln eine geſchmolzene, kohle— haltige Aſche hinterlaſſen, die, mit Salzſäure übergoſſen, Schwefelwaſſerſtoff entwickelt, und daß ſehr heftig und an— haltend geglühte Getraidekörner, trotz ihres beträchtlichen Gehaltes an ſchwefelhaltigen Proteinserbindungen, in ihrer Aſche kaum Spuren von Schwefelſäure enthalten. Die Kohlenſäure, die ſich in den meiſten Aſchen vor— findet, gehört gar nicht mit zu der anorganiſchen Pflanzen— No. 2083. — 983. — 103. ſubſtanz, ſondern iſt aus den organijchen Säuren hervor— gegangen, deren Alkali- und alkaliſche Erdſalze in der Pflanze vorkommen. Da nun in keinem Pflanzentheile Salze mit organifcher Säure fehlen, jo ſollte man auch in allen Aſchen kohlenſaure Salze erwarten. Man findet ſie auch noch in den unvollkommen verbrannten, nur verkohlten Pflanzentheilen “), wenn man dieſe mit Waſſer auszieht; glüht man aber weiter, ſo wird die Kohlenſäure theils da— durch ausgetrieben, daß die aus dem Phosphor und Schwefel der Proteinverbindungen entſtandene Schwefel- und Phos— phorſäure an ihre Stelle tritt, theils dadurch, daß ſich die ein- und zweibaſiſch-phosphorſauren Salze in dreibaſiſche verwandeln, indem ſie den kohlenſauren Salzen ihre Baſen entziehen. Aus dieſem Grunde ſind die Aſchen der meiſten Samen kohlenſäurefrei. Darf man nun die Aſche auch nicht geradezu als die anorganiſche Subſtanz der Pflanze anſehen, ſo dient ihre Kenntniß doch dazu, die Analyſe der Pflanzen auf ihre ent— fernteren Beſtandtheile zu vervollſtändigen, dadurch alle in der Pflanze vorkommenden Elemente außer dem Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff und Sauerſtoff zu erfahren, und den Sauerſtoffgehalt ſelbſt indirect zu beſtimmen. Wie weit der erſte Theil dieſes Zweckes erreicht wird, iſt im vorhergehen— den bereits erörtert; hinſichtlich des zweiten muß man ſich mit einer Annäherung begnügen. Denn wenn nach Abzug des Kohlenſtoff-, Waſſerſtoff-, Stickſtoff- und Aſchengehaltes der Reſt als Sauerſtoff in Rechnung gebracht wird, ſo fällt dieſer Reſt um die bei der Veraſchung verflüchtigten Anz theile von Chlornatrium, Schwefel und Phosphor zu hoch aus, um die Kohlenſäure und den Sauerſtoff der von dem Phosphor und Schwefel der Proteinverbindungen herrüh— renden Schwefel- und Phosphorſäure zu gering. Decken ſich dieſe beiden entgegengeſetzt wirkenden Fehlerquellen nicht voll— ſtändig, ſo wird auch die Sauerſtoffbeſtimmung fehlerhaft. *) Man vergleiche die Angaben H. Roſe's über Kohle und Aſche von Blut und Erbſen. Pogg. Ann. Bd. 70. S. 449. 155 103. V. 15. 228 j 8 22 | . = 28 S F/ Sauerſto 5 — „ „ ee ; 3 2 |8lz|:l2ı518|8|8|2|$ SIS SSS 5 FZE/ , , e elesenes — „ „ S S — S ⏑— „ „ „„ „„ 2|8 |35|85 8 5 Ie e 3 .... ² w.... ] ᷣͤ .. a ee 2 n Fr le 352 80][ 2 Tritic. spec. 9 0 5 Körner. 1. Leipzig .. = 25,90 0,44 — | — 1,92 6,27| 1,33/60,39] — 3,37 4,40 0,11 4,5100,55 2,50 3,05 7,56 35,5 ; - 2. Gi (rotber weten) 740 0,11 4,51|0,55| 2,50 3,05 7,56 35,50 5:11 | ? L. K. 54. 358. Gießen. 20,80 15,0 — | — 1,83 9,12) 1,29 46,910 — 0,15 3,533,880 7,41 3,6 5 ) : 3. Tritic. u (weißer 5 3,5303, ‚4110,51| 3,64) 4,25] 11,66 26,010 52,2 2 LL. A. 50. 363. Weizen) Gießen . 30,17 — | — | — 2,76012,08 0,28143,89| — | — 12] — 12 4,8 202452 55 8 4. Tritie Pee 5, 5, 120,79 4,81! 5,60110,72124,38| 5:2,2 | L. A. 50 363. eisen) Elſaß . . = 29,50 — | — Spur] 2,90 15,900 — 47,00 1,00 1,30 — 5,0 5 ö : 5. h ie Solz in ; 3015,01 5,10% 6,34 7,051 12,06126,11| 5:2,3 | 5,01 [Bouſſingault urhefien . 24,17110,34| — | — | 3,01l13,57| 0,52145,53| — | 1,91| 4,10] 2,67| 6,770,86| 5,01| 5,87] 12,425,290 5:25 | 2 6. Tritie. spec. Unterrhein 6,43. 27,70 — | — 3,9101298 0,42 46,14 0,7 0,42 1,09 7,1808, 125/17“ 6 188 5% 57 L. A. 50. 403 7. - Ian hemieiben 5 „42 1/09 7/180 8,27[1,12| 5, „29 14,56 25,63. 52,8 | 2,62 ne rte geſunde = 25,81] 2,680 — [Spur] 1,49112,18] 0,05 57,32] 0,04) 0,330 4,38 0,69 43 4,75 5 10,23 ; a Ba n demſelben „ 505 4,38! 0,69 5,07 0,43] 4,72] 5,1510, 2203844 5: 1,6 | 1,90 We Orte brandige . - 26,69 7,19 — Srurf 3,8311,65, 0,05]50,01| 0,31] 0,26] 4,53) 1786] 6,39 1,09 4,510 8,60 1,992 90 5:2,2 | 2,80 8 Hordeum spec. Gerſte. Körner. Leipzi 20,91 — | — | — 1,67 6,910 2,93038,480 — 29 A : : 10. Mende ec. Gerſte „98038, 29,10 3,55 3,550,480 2,75 3,23 6, 7821,38 5:1,6 ðꝶ . A. 54. 353. nterrhein. . . = — — 5 E 5 P / 0 z 11. Anden e Gerſte 3,91,16,97 3,36|10,05| 1,93|46,63| 0,26|21,99| 0,66|4,38| 5,040,960 4,01) 4,97\10,01|25,90| 5:2,0 | 2,37 L. A. 50. 418. Neufchatel .. = [13,301 6581 — | — | 2,14] 8,32] 1,03[38,51| 0,15|26,74] 2,260 1,70| 4,96 0,61 3,32 3,930 8,89|21,45| 5:2,1 | 2,71 L. A.54.347 Secale. Roggen. Körner 12. - Unterrhein . . 4,318,890 — | — | 7,05l10,57| 1,90151,81) 0,51) 0,69 0,75| 4,88] 5,63|2,01| 4,210 6,22111,85] 28,88 5: 13. - Gießen . 31,89 4,33 — | — | 2/84] 9,86) 0/80146,03| 1,4: 17 2 1 385 7 28,6 5:2,1 | 2,42 L. A. 50. 418. 14. Weng & Hafer⸗ Kör⸗ 3 2,84| 9,860 0,80|46,03| 1,42| 0,17 5,41 1,12) 6,530,810 3,93 4,741 11,27] 25,67 5:2,1 I. A. 50. 363. ner ka 11,95| — 1,05 — 0 P 4 0 ala e 9 i 10 Ya sa, ni 5 5 3,70 7,70) 1,30|14,90 1,00 53,3 | 2,03 2,0311,06| 3,07 4,13) 6,16 8,28) 5:3,7 | 4,00 [Bouſſingault Örner ießen 30,57 10,85 — 2,004, } 5 5 3, Ein , 6 2 16. Polygonum fagopyrum, a 4,79 8,49| 0,75138,05| 4,10) 2,1“ 5,19 2,80 7,9911,37| 3,38] #75] 12774121714 5:2,1 | 2,40 L. A. 50. 425. . Körner. nterrhein 8,74120,10| — | — 5 550,072 4 l . 17. n Det: Kiefer. 6,66 10,38] 1,0550, 07, 2,16 0,69 1,4805, 19 6,671, 90 4,140 5,04112,71127,82) 52,2 | 2,12 L. A. 50. 418. amen. Gießen 18,63 1,05 — | — 1,5512,57 2,5138, 27 — 8,70 3,16/0,27) 3,43/0,44| 5,01] 5,45] 8,88|21,26| 52, 18. Madia sativa, Samen. | 9,00 16,61] — | — | 7,31|14,56| 1,251,910 — | — 34,29 5/8915 1 89 137178 5 4,98 |L. A. 50. 414. 19. Cannabis sativa, Hanf, i ee 1,58 4,20 5,82 2,09 5,80 7/89 13,71[28,84| 5 2, | L. A. 54. 348. Samen . 20,81 0,6% — | 0,09 25,640 0, 33,520, 1 : 331 0; 4 5 20. Den N 25,610 0,96 0,74/33,52) 0,11|13/48] 3,5340, 16 3,69 7, 33 0,38] 7,71/ 11,40 18,6] 5:2,5 | 5,60 L. A. 50. 416. Stechapfel. Samen 17,87 12,5717 — | — 3,6315, 50 3,48 30,63 — | 4,60 25 6,2 39 8,71 : 21. Linum Samen , 4 3 4,60| 3,03|3,25| 6,281,041, 17,02 5:2, . A. 54. 348. Lein. Samen 23,940 0,66 — 1,444,060 0,21 3,4037, 1100,30 0 0,08| 6,95) 11,18] 20,62 : 22. Cydonia vulgaris, Quitte. a 8 0,881:210610,12] 9,23 MB? 6, 1,152,620 5:2,7 | 4,63 L. A. 50. 416. Samen kerne 27,09 3,010 — 2,57 7,09, 13,01 1,19142,02] 2,67 — 372,11 5,22 2,70 23,3 : 23. Pinus picea, Tanne. Sa⸗ ! 4,60|0,77| 5,372,115, 22 7,33 12,70 23,34% 5:2,7 f . A. 54.348. men. Gie en: . . 18,57 5,781 — 0 49 1,22 14,34 1,12133,85| — 10,00 3,15 0,35 5,72 7 : 21. Ervum jens, Linſe. Sa⸗ 5 5 10,00| 3,15 1,49] 4,640,355, 6,07 10,71018,80 5: 2,8 | 4,47 L. A. 50. 414. men. Worms 27,81 7,57 — 6,10 5,07) 1,980 1,61|29,07| — | 1,07| 4,73 1,95 6,68]1,45] 0,79 2,24 8,92 16,15] 52,8 | 2,06 L. A. 50. 425. Pisum sativum, Erbſe. Samen. 25. 5 = - eßen 39,25 3,96 — 3,69 5,87 6,41 1,04|34,23 — ; 21,68] 2,55 - 5 5 755 e Erbſe. 5,87| 6,41 1043,23 4,89 6,66 1,02 7,621,680 2,55 4,23, 11,8519, 5 3,1 | 2 L. A. 50. 363. urheſſen .. = [35,20 10,32 — 2,56 2,70 6,910 1,9434, „28 75 3,52 12, 22 21. Plsum satirum, en 1,94134,01| 4,28| 0,29 5,98] 2,66] 8,64,0777| 2,75| 3,52113,16[18,89| 5:3,2 | JL. A. 50. 419. Interrhein . = |34,19112,70) — 0,51 2,76 8,60 0,96|34,75 5 377 3 4,22 13,31 : 28. Chen an Erbſe⸗ 5 9634,75 3,56 0,25 5,81] 3,28] 9,09 0,79 3/430 4, 13,31019,311 53,4 3,00 L. A. 56. 418. Lja 5,30 — | — Spurl; 5 3 13,60 5 N = 29.4 Viele fa dane San bye 35,30 2,0710, 1011,90 Spurſ30, 10 4,70| 1,50 5,990 — | 5,99)2,89] 4,74) 7,63, 13,62 16,72 5:4,1 | 3,10 Bouſſingault Samen. Unterrheln 20,82 17,7% — 2,44 7,268,810 103037,94 1,34) 2,460 3,53 4,59 8,1212,07| 3,51) 5,58 18,70 2,7% 5:3,2 | 4,00 L. A. 50. 418. Phaseolus vulgaris, Bohne. Samen. 30. Elſaß gew. Bohne. Ae , ee = 21,47 — Spurſz — 2 : 31. Phas. vile kleine Felv⸗ 44,27 5,10 8,60 Spur34,20 1,60 0,50 7,52 7,521,460 3,430 4,89 12,41 19,00 5 3,3 3,00 [Bouſſingault bohne . 21,7102 = 8 5 33 33ʃ 2 N: 0 N 32, Phas. Ae „gew. Boh⸗ 1.712,07 3,325,380 7,35 0,34135,33| 2,280 1/48 3,675,449, 111,54 2,93 4,47 13,5819,62 5:3,4 | ® L. A. 50. 420. ne. orms . = 138,98 m 54|5 31,3 { 0 3 9 29 14,88 3 8 Fe Napp bee 38,98,11,49 0,54) 5,90 9,03) 0,113,342, 47 0744| 6,62 2,97 9,59/1,69 3,60 5,29 14,8817, 5:4,3 3,29 L. A. 50. 425. A 21,34 5,260 - | — 4,63 11,96 2,84 41/68 0,77 1,52) 3,621,360 4,984,184, 77 9,95 14,93 23,15 5:3,2 | 2 L. A. 50. 402. Sinapis, Senf. Samen. 34. nigra, ſchwarzer Senf. 12,01 4,63 — | 2,15 16,473,640 1,635,460 6,79 2,63] 2,04 1,19 ale nr 13,47 19,20 5:3,4 | 4,31 L. A. 54. 347. 229 103. V. 15. 230 8 ( „ 5 8 2 Sauerſtoffgehalt. 5 S oa 2 2252| & e e . A . S 8 ES ze 2 22 r „ e e 2 8 2 SZS & 2 2 2 2 2 © © 2 = 3 S Pr Se S. 2 — — o = 2 2 — a a Go — E = = — = = 2 2 = Ei = = E 2 8 E 282 228383 o 7 = = 2 E E E — = — = 2 1 2 a S SECA — — n = E = 8. * a = 2 = 5 = 2 2 SZS EHS = A2 E 3 5 E = = = — 2 5 + 3 ZS SES Fort E - = 2 r 8 Fa = = oz er ee 2 8 7 7 8 8 2 23 2 3 * 35. Sinapis alba, weißer Senf. . - Samen. 9,80 9,23] — 0,33 20,8111, 1,43/36,60| 5,29 3,29] 1,660 2,380 4,04 5,94 4,3810,32]14,36[20,33| 5: 3,5 4,15 L. A. 54.347. 25 Samen. "ich Hirſe. 729 1,00) — | 1,09] 0,60 5,48 0, 4813,84 0, 274,37 2,241 0,26| 2,50 0,19) 2,33 2,52 5,2 7,60 5: 3,3 | 3,88 L. A. 50.414. % Feat ron, Walnth.l, a | — [os0lısel 7,72 0,2315,61| 2,28] 1,13! 4,001 — 4.60 6,26 3,081 92ulız,aho,z] 5: 35 0 6. L. A. 6. 303. * Seen 18,9 — 0,210 — 5,801,500 Spur 26, 80 1,30) 1,00 8,320 — | 8,32] 1,66 4,58] 6,24½14,56 14,89] 5: 4,9 3,30 Bouſſingault Tritie. spec., Weize Stroh. 8 I air 9,001 — 0,41 0,56! 8,50 5,00 1,0 | 3,10) 1,00 67,600 1,53] — | 1,53! 2,43] 1,99 3,42| 4,95 1,73] 5:14,3 | 7,00 Bouſſingault er: Orte 15,49 3,14 — [spur 3,50 Spur, 0,34) 4,08] 0, 94072, 40 2,63 0,81 3,44 1.00 — 1,00 4,44 2,27] 5: 89 5,27 Saunas gr 1 die 15,03] 5,510 — Spur 3,32] Spur] 0, 3210,39 0,50 65,92 2,55 1,42 3,97) 0,660 — 0,660 4,63 5,77 5: 70 3,22 Gh. 38.48. Fan wegen. 1,3 — | — 0,86 8,98 2,39 4,35] 3,80 0,81l63,89| 2,94 — | 2,94) 2,56) 0,95 3,51 6,45 2,110 5:15,2 | 2 L. A. 30.303. Avena spec., Hafer. Stroh. 43... - Einf -. 24,50 — | — | 8,40) 8,30 2,80, 2,10 3,00 4, 10,40, 00 4,15] — 4,15 2,37 1,12 3,49 7,640 1,67 520,9 | 5,10 Bouſſingault ie ae Stroh. 12 18 13 — 2,47 7,29 4,58 1,41 1,940 2,15154,25| 2,06| 3,45, 5,51 2,08 1,82] 3,909,410 1,08] 5:43,52 . A. 50. 425. 75 8 11,46\31,68| — 4,96 4,24 1,460 0, 21 9,32) 0,714,980 1,95 8,1810, 13] 1,21) 0,58] 1,2911,92] 5,18] 5:11,5 6,5 L. A. 54.331. or Grat. Cübergungskalt 4,00) 4,644 — 0,46 9,680 9,58) 0,6 118,760 0,68 29,360 0,68 1,20] 1,880 2,76 3,820 6,580 8,46] 6,580 5: 4,6 | 2,3 L. A. 54. 331. Lolium perenne. 1. > -Sunchtane one A ge. ga J 2 gem b 8 2 25528 680 52 24 fl. sm 49. Seir us lacustris, Sumpf binſe aus der Fin bei Gießen 12,42 — 3,1922, 240 5,94 2,09 0,95 7,69] 3, 9022,83 2,11 — | 2,11] 2,70 0,83] 3,53] 5,640 4,27] 5: 6,6 | I. A. 58. 389. Zuckerrohr *). 50. Blätter u. Stengel. Tri⸗ nidad .... 25,50 — 3,27 2,02 9,160 3,66] — | 3,76] 6,6645,97 4,333 — 4,33 0,58] 3,65 4,23] 8,56) 2,09] 5:20,52 51. Blätter u. Stengel. Tri- | nivad 2... 2... [12,01] 1,39] — | 1,69113,20) 9,880 — | 7,99110,94 42,90| 2,04] 0,36) 2,40 0,48 5,26 5,74 8,140 444) 5: 9,2 | ? 52. Blätter u. Stengel. Tri⸗ | nidad 0,63 — | 7,41] 9,210 8,91] 4,500 — | 8,23] 4,65 46,46 1,800 — 1,80 2,63 3,55 6,18 7,98 4,57] 5: 8,7 2 53. Blätter u. Stengel. Tri⸗ ! | 2 nidad 15,99 — 8,96 2,130 9,11] 6,92] — 4,59 10,93 41,37 2,71 — 2,10 0,610 3,63| 4,240 6,95] 2,55] 5 13,6 | 2 | _ 5 54. Stengel. Demerara 32,93 — [10,70 17,12 2,34 3,93) — | 7,37 7,97 17,61 5,59| — 5,59 4,89 0,93) 5,82 11,410 4,09 5:14,0 2 „ Stenhoufe 55. Stengel mit wenig Blät⸗ L. A. 57.76. tern. Inſel Granava.|31,21] — |11,14| 7,64| 5,87| 5,480 — | 6,20] 6,08 26,38 5,30 — | 5,30) 2,18 2,34] 4,52] 9,82] 3,44] 5: 8,6 2 56. Stengel von der blühen= den Pflanze (transparent canes). Jamaica: Mit Kuhpünger gedüngt 10,09 0,800 — 4,29 10,64 5,63] — 13,04 3,3152, 20 1,71] 0,21] 1,92 1,23] 4,24 5,47 7,39 5,72] 5: 6,5 2 57. Mit Kuhdünger gedüngt 7,460 — 16,06 2, 2711,62 5,610 — 2,90 5,35 48,73 1,26 — 1,26 0,65 464 5,29 6,550 1,61 5. 203 2 58. Mit Kuhdünger, Guano | und Mergel gedungt 11,14 — 0,84 3,83 14,36 5,30 — 8,010 1,93 54,59 1,89) — | 1,89] 1,09] 5,72| 6,81 8,90 4,45 5: 10,0 2 Vitis vinifera, Weinſtock. Kerne. 59. - - Kleinbur= 0 under. Meißen 23,36 0,480 — | — 27,32 7,24 0,6822,92 2,04 0,81 3,97 0,12) 4,09 7,81) 2,89 aa 7912,77] 5: 5,8 2,78 L. A. 62.59. 60. Vitis vinifera, Schön⸗ ee Meißen ez, 40 0,60 — | — 28,22 6,94 0.880,00 3,11 1,03] 3,97 0,15| 3,12] 8,201 2,77J10,97 15,00 9,4] 5: 80 2888 L, A. 62.50. 61. Citrus aurantium. Apfel- | amen. J S Mezuck men. Juſel Sanz 26 0 80. _ 0,72 16,62 2,69 0, 7020, 360 4,47 0,59 5,99 0, 22 6,21) 4,75 3,06 7,81 14,121,310 5: 6,2 3,30 L. A. 6.333. 62. Ono e sativa, Eſpar⸗ | | | tt anze an Kite ane lange, 3,40 162 — | 1252482] 6,86 1, 1421,67 1 0,880 0,92| 4,20 5,12) 7,09 2,73| 9,82 14,94 11,98 5: 62 | 2 . A. 50.412. 63. Secale c rnutum, N Mutterkorn e e 12,27 2 1,43| 4,58 2,00|13,2+ 1. 9,13 6,62 6,62 0,41 1,82 10 8,95 7,17 5: 6,2 j 036 L. A. 54.350. *) Die Veraſchung wurde auf einer eifernen Platte vorgenommen und deßhalb das Eiſenoryd nicht beſtimmt. Die Ergebniſſe der Analyſe find uach Weg⸗ laſſung des Eiſenoxydes auf Procente berechnet. 15 * Vitis vinifera, Weinſtock. muy; ufs Schalen. 64. — - Blaue der Kleinburgunder Traube. Meißen 432,75 — 65. Vitis vinifera, grüne = d. Schönfeilner Traube. Meißen az Rubia tinctorum. Färberröthe. Wurzel. 66. - - Seeland = 2,73(20,57 67. - - Elſaß auf kalk⸗ reichem Boden . 20,39 8,19 68. Rubia tinctorum, Elſaß auf kalkarmem Boden 18,07 0,94 69. Asparagus officinalis, Spargel. Stengel. . 20,48] 0,09 70. Fagus 5 Suse a Samen 18,130 7,55 71. Viscum album, Miftel von einem Apfelbaume 35,320 — 72. Quercus spec., Eiche. Frucht ohne Schale. Linum usitatissimum, Lein. Ganze Pflanze. Belgien Irland, Belgien Irland, Armagh Belgien Belgien Anthemis arvensis, Bra— 73. 7 Dublin \ chenkamille. Ganze Pflan- N ze. Gießen 5 Chelidonium maj., Schöll⸗ kraut. Ganze Banze. Gießen . 4 81. Helianthus tuberosus. Erdbirn. Knollen. Elſaß 80. Solanum tuberosum, Kartoffel. Knollen. 82. 83. Elſaß - Von demſelb. Felde b. Jena, geſunde = 84. Solan. tuber. Von demf. 51,73 42,38 Spur 47,92 58,10 Felde b. Jena kranke = . Coffea arabica, Kaffee. Sen d . Beta vul aris, Runkel⸗ übe. Wurzel. Elſaß . Spinacea oleracea, Spi⸗ nat. Gießen B . Digitalis purpurea, vother Fingerhut. Blätter. . Acorus calamus, Kalmus Trifolium pratense, ae Gießen. Trifolium pratense, Klee. Elſaß Brassica rapa, Steckrübe. Wurzel. Elſaß. 93. Centaurea cyanus, Kornbl. 92. Ganze Pflanze zu Gießen 36,54 52,96 42,11)11,64 39,00 1,46 19,3420,33 32,64 2,82 32,93 14,66 12,16 30,76 23,79 33,70 1,57 undgaodd) 4,46 11,88 unawuaojdg) 0,64 15,97 10,04|13,01 5,9 24,00 13,01119, 84 5,29113,16| 3, 0,69119,47| 9 1,02 19,40 0,780 5,48 1,67 8,57 10,57 6,74 2,84 3,57 0,90 4,78 eg. 0,93] 17,12 4,73) 2,25/15,40 103. V. 15. Jay] -ahromalıg) sanplplay Yanplaogdsadsk up; Yanphjalaaup 2,74| 2,72 3,51| 1,40112,34| 3,06) 2,03 2,13113,14 0,82| 3,65 2,28 2,28|13,10 5) 1,14 3,63 9,99 1,49 3,13 4,22 10,03 5 4,59 16,53 0,79 17,61 9,90 013,69 1,62 0,77 0,50/11,30 0,20/11,90 7,30 3,58 7,00 8,79 11,82 11,48 16,56 24,60 10,90 15.49 1,00| 9,40| 5,80 Spur 1,60 3,67 2,84 13,92 5,06 3,26 0,80 9,01 4,40 6,17 4,90 7,71 6,26 0,5524 2,50 1,74 1,46 2,60 0,22 6,00 7,07 2,39 Sauerſtoffgehalt. ugs eee ieh daogasogch aeg udaag Agne daa Ju en uv ende. 3,740 L. A. 62. 59. 4,32 L. A. 62. 59. L. A. 54. 344. 8,25 L. A. 54. 34. ? 8,42 L. A. 54. 34. 6,0 4,30 4,56 0,30 1,20 1,00 6,30| 2,50) 5 6,10|10,90 1,91] 2,69 3,28| 3 4,73 7,03 3,11 4.43 = ——— 52 — 22 Abr 6,040 9,930 6,55 6,6110, 26 6,02 6,9101150 6,10 8,111,610 3,89 5,67111,83] 5.23 6,86|14,20| 4,89 — = D — 2 — 1 4,89 013,42 4,06 10,33 6,35 15,72 5 8 32 9 al 4, er 9405 van gde v q un 1ualıuaa n ugypz * — — 1 a gebot 2 L. A. 50. 425. ? [L. A. 54. 348. Blätter 10,93 ei L. A. 50. 393. 5 55 L. A. 50. 407. 5,43] 5 nf Kane. 4,54\ Phil. Mag. 5,57[ 1847. Jul. 4,21 No. 205. 3,67 9,66 L. A. 56.124. 6,85 L. A. 56. 124. 6,00 Bouſſingault 4,00 Bouſſingault 4,70 5,80 855 55 2 5 == Ext 0,43 3,19 L. A.50. 425. 0,53 6,30 Bouſſingault 19,76 L. A. 58. 389. 10,89 L. A. 54. 362. 6,90 L. A. 56. 124. 11,17 |L. A. 58. 391. 7,70 Bouffingault 7,60 Bouſſingault 7,32 L. A. 56. 124. 233 103. W158. 234 a S; Sauerſtoff. 2 SS „s nge 5 88 2 8 ie = = B 8 2 8 8 8 5 e ee BESTE = e a nsse enzesa| S Sısjej2]j2|82]2|82|8|8|2|8|8|5|5 3582888550 5 a En BE En Er s 88 94. Matricaria 1 | achte Kamille. Ganze 8 i Pflanze. Gießen 32,380 — 14,26 — 16,42] 4,79) 1,03] 9,18) 4,3415, 29 5,50 5,50] 4,69) 1,91] 6,60 12,10 5,10 1: 1,20 | 9,69 L. A. 56.124. 95. Matricaria chamomilla, I achte Kam. Ganze Pflanzel25,49] — 18,49 — 19,10 4,94 1,03] 6,48| 4,99| 1,65 4,333 — | 4,33| 5,46) 1,97 7,43111,76] 3,60, 1: 1,72 [8510 L. A. 56. 124. 96. Citrus aurantium, Apfel⸗ ſine. San Miguel. Frucht ne ohne Sumen 28,26 8,860 — 3,02 19,02 6,260 0,35 8,59, 2,90| 0,34| 4,80 2,29 7,09] 5,49 2,49 7,98115,07) 4,73 1: 1,12 | 3,94 L. A. 63. 333. 97. Conium maculatum, ge⸗ 1 | fleckter Schierling. Blätter]17,52] 7,99] — !13,13|20,02] 6,78 1,25 9,11 2,78 2,11] 2,79] 2,06| 5,03] 5,77 0,50 6,27111,30| 5,06 1: 1,25 12,80 L. A.54.361. 98. Comelina sativa, Leindot⸗ ter. Samencapſeln. Jenaſ14,42 16,433 — 0, 3330,57] 2,93] 4,980 0,75 4,950 6,00 2,45 4,240 6,69 8,730 1,17 9,90 16,59] 0,42 1: 1,48 4,13 99. Tilia spec., Linde. Holzſ27,86 4,07 — 1, 1623,29 3,23] 6,21] 3,77) 4,13] 4,10 4,73| 1,05 5,780 6,65 1,29 8,94 14,720 2,09 1: 1,55 22 [L. A. 56. 125. 100. Agrostemma githago, gem. Rade. Ganze Pflan- 1 ze, Gießen. 5 22,86| 7,55 — | — 29,27] 6,15 0,5%| 7,680 2,39) 2,30) 3,88] 1,95] 5,83] 8,36] 2,45110,81/16,24] 4,27 1: 1,85 13,200 L. A. 56. 124. 101. Brassica rapa, Steck⸗ 3 rübe. Blätter 29,53 2,11 — 3,255,510 7,45 0,57 1,94 4,00 6,140 5,01) 0,54] 5,55 7,29 2,9710, 2615,81 1,08 1: 1,85 9,39 L. A. 59. 264. 102. Pinus sylvestris, Kie— fer. Holz. Gießen, kran⸗ x ter Baum 2, 2913,05] — 1, 2126,09 16,24 16,780 2,45) 1,60 2,50 3,89 3,37] 7,260 7,45 6,47]13,92 21,18] 1,360 1: 1,92 0,14 L. A. 50. 460. 103. Pinus sylvestris, abge⸗ ſtorbener Baum . . 0,72 11,27] — | 1,94/27,87/15,45|12,70| 0,910 2,280 4,07 1,22) 2,91 4,13) 7,96 6,16114,12]18,35| 0,510 1: 3,42 0,19 L. A. 50. 460. Vitis vinifera, Wein. Holz. 104. - - Liebfrauenmilch 12,55 19,59“ — 2,19 21,69 3,02] — | 3,79] 1,44] 5,11 2,13] 5,06 7,19] 6,20) 1,20 7, 4014,59 2,10 1: 1,03 2,83 L. A. 56. 421. 105. - - Gratz auf Quarz⸗ geſchiebe 21,68 4,82] — 0,52 20,43 2,96) 0,10 10,390 1,70) 0,92] 3,68] 1,24) 4,92] 5,83] 1,180 7,0101193] 5,70 1: 1,42 ? |L.A.54.331. 106. Vitis vinifera , Klein⸗ Sg burgunder. Meißen 39,37 2,2 — 1,2432, 14 4,25 0,58] 6,29 1,62 1,09 6,68] 0,60 7,280 9,18 1,6910, 8718,15 3,49 1: 1,49 3,69 L.. A. 62. 59. 15 Vitis vinifera, Meißen 25,660 1,09] — 1,1030, 0,72] 0,45 6,60] 2,48 0,50) 4,36) 0,38 4,740 8,58 0,29) 8,8713, 61 3,670 1: 1,53 2,85 L. A. 57. 67. = = Pickererge⸗ birge (Gümmerſchlefer). EN Stegermaz 8 19,32] 6,27] — 3, 0024,49 6,70 0, 1412,34 1,780 1,81] 3,280 1,62] 4,90) 7,10 2,67 9,77/13,95 6,860 1: 2,00 L. A. 54. 331. ilis vinifera. ratz. Auf Übergangskalk . 17,60 4,944 — | 0,41/26,54 5,03] 0,1713, 80 1,67) 0,440 2,99) 1,27] 4,26] 7,58] 2,11 9,6914,67J 7,67 1: 2,27 ? [L.A.54. 331. 110. Vitis vinifera. Weins- 9 heim. 19,280 1,64] —0,6731,12 5,70) 1,1601441 2, 2012,69 3,27 0,42] 3,69) 8,89 2,27/11,16114,85| 8,010 1: 3,02 | 2.69 L. A. 56. 421. Nicotianae spec. Tabak. Blät- ter. Ungarn. 1 Debreczun 23,33 1,81] — | 0,73124,31| 5,79) 3,1 4,03] 3,04| — 3,96 0,47 4,430 6,94 2,31] 9,25l13,68| 2,24) 1: 2,06 | 18,9 112. Debreczyn 22,90 | — | 4,44120,36| 5,79, 1,93] 2,57 2,6] — | 3,80] — | 3,89] 5,82 2,31, 8,13112,02| 1431 1: 2,09 | 22,2 113. Debreczyn 22,63 — | 3,98] 7,5927, 5,9 2,2 2,97 3,07) — 3,84 — | 3,84] 7,84 2,3610, 2014,04 1,750 1: 2,65 | 245 14. - Banat 14,480 — | 3,12] 9,07|25,47112,51) 2,32] 3,09 4,73] — 2,46 — | 2,46| 7,28 4,99]12,27114,73| 1,710 1: 5,00 | 19,8 115. Fünftirchen = [13,62] 0,19] — | 2,46134,74| 7,1 1,73] 3,31) 2,31] — | 2,31| 0,05) 2,36 9,92| 3,07/12,99|15,35) 1,84| 1: 5,50 | 21,1 )L.A.50. 363. 116. - - Fünfkirchen = | 7,35] — 2,05 4,38129,30110,31| 2,22] 2,97 4,25 — | 1,25 — 1,25 8,09) 4,11112,2013,45| 1,65] 1: 9.76 | 223,8 111. Fünfkirchen⸗ 6,55 — | 1,74 1,51128,47| 7,460 1,11] 2,58] 1,97) — 1,110 — | 1,11] 8,13 2,57 11,1012, 210 1,43) 1:10,00 | 274 118. - - Fuünftirchen ⸗ 6,281 — | 2,88] 2,99133,77) 9,46 1,41 1,93] 2,55 — | 1,07] — | 1,07] 9,64 3,77/13,21[14,48| 1,07| 1:12,52 | 23,3 119. - Fünftirchen⸗ 6,01) — | 2,10) 2,06133,09|10,01| 1,85] 2,47| 2,591 — | 1,02] — | 1,02| 9,45| 3,99)13,44/14,46| 1,37| 1:13,18 | 23,3 120. - Fünftirchen = | 5,77] — | 6,00| 2,27132,38] 9,80 1,83] 2,440 3,300 — | 0,98] — | 0,98] 9,25| 3,91113,16114,14| 1,35| 1:13,43 | 23,0 121. Cerasus avium, Yrls= beerbaum. Holz. Gießen 20, 780 8,40 Spur 28,69, 9,19, 0,07) 7,78 3,29] 2,06) 3,530 2,17 5,70 8,20, 3,6611,86 017,560 4,39] 1: 2,08 0,28 L. A. 54. 342. 122. Ulmus campestris, Ulme. 2 Holz. Gießen 15,19 8,30 — | — 39,96 4,95) 0,50 2,140 0,93] 2,08 2,58] 2,14 4,72] 9,13] 1,9710, 1014,82 1,19, 1: 2,14 | ? [L A. 54.311. 123. Flechten auf einem Apfel baume 10% 7 —— 10,33 5,33] 6,230 8,33] — | — | — | — 2,15 2,950 2,12] 5,07| 9,380 4,62] 1: 2,34 | 3,62 L. A. 50. 368. 124. Citrus aurantium, Apfel⸗ f fine. San Peigueh. Blaätter.12,67 1,30 — | 5,12143,38| 4,39 0,40] 2,52] 3,41) 3,72] 2,15 3,36| 5,5 1012,39 1,75[14,14)19,65) 1,40) 1: 2,56 | 13,73 L. A. 63. 333. 125. Pinus larix, Lärche. Holz. a Gießen 10,88) 5,180 — 0. 0619,31 7,49 11,540 2,52] 1,22] 2,57| 1,850 1,34, 3,19] 5,52 2,98] 8,50 11,69 1,40 1: 2,66 | 0,32 L. A. 50. 460. 126. Comelina sativa, Lein⸗ 0 5 dotter. Stengel. Jena 8,60 9,680 — 0,2830, 70 5,03 2,58 2,48 3,49 11,79 1,460 2,50) 3,96 8,77 2,00 10, 7714,73 1,380 1: 2,72 | 605 127. Cerasus avium, Arläbeer- 5 baum. Rinde. Gießen 7,614,530 — 0,62 41,95 5,10) 0,20 3,260 0,80 19,980 1,27| 3,75) 5,0 11,98 2,03114,01119,03| 1810 1: 2,79 10.37 L. A. 54. 3⁴2. 128. Pinus picea, Tanne. 3 5 5 Holz 7,17 6,380 — | 0,81131,50| 9,19) 2,23] 3,07) 2,07] 5,72] 1,22] 1,65 2,87 9,00) 3,66]12,66]15,53| 1,71] 1: 4,41 L. A. 50. 425. 129. Citrus aurantium, Apfel⸗ £ ine. Wurzel, San Miguel 12,47] 3,64] — | 0,95140,23) 5,57 0,83110,86| 4.68] 1,42] 2,12] 0,94) 3,06111,49| 2,22|13,71/16,77| 6,03| 1: 4,48 [448 L. A. 63. 333. 130. Tilia spec., Linde. Rinde 11,93 3,35 — | 1,63144,95| 5,94) 0,91 2,97) 0,550 168 2.03] 0,86 2,89]12,84| 2,3715, 2117,10 1,65| 1: 5,26 L. A. 56. 125. 131. Pyrus malus, Apfelbaum. Holz. Gießen. 13,67 0,32 — 0,32 45,19 5,30 0,73] 3,93] 0,66) 0,90 2,31] 008 2,3912910 2,115,020 17,410 2,180 1: 6,28 1,29 L. A. 50. 363. 132. Fagus sylvatica, Buche. 1 Holz. Neufchatel .. 1,80 2,155 — | — 47,25 8,42, 0,60 2,29] 1,010 1,09 2,00) 0,55] 2,55 13,500 3,36[16,86/19,41| 1,270 1: 6,61 L. A. 50. 460. 133. Citrus aurantium, Apfel⸗ er ſine.Stamm. San Miguel] 9,69 2,54] — | 0,21/45,71| 5,26 0,48114,17| 3,84) 1,030 1,65 0,660 2,31113,83] 2,10|15,93117,24| 7,840 1: 7,14 | 2,74 L. A. 63. 333. 134. Ulmus campestris, Ulme. Rinde. Gießen. . . | 1,551 7,03 — | — 50,64 2,22] 0,36) 1,32 0,43] 6,11 0,260 1,82) 2,08 14,47 0,88 15,3517, 430 0,730 1: 7,38 I. A. 54. 341. 135. Quercus robur, Stein- eiche. Holz. Neufchatel] 5,65 3,780 — | 0,02150,58) 3,01) 0,38] 2,32 0,780 0,52] 1,06 1,29 1: 7,68 ? L. A. 54. 342. 0, 10 2,04114,45 1,21|15,66 1 103. V. 15. 235 5 2 2 2 S =) „ 3181 =8j& |: Fei f 3 5 s 136. Canabis sativa, Hanf. | Ganze Pflanze.. | 6,48| — | 1,01| 1,73/42,05] 4,88j 0,37 3,220 1,10 137. Caesalpinia Sapan., Holz. Sapanholz) . | 5,05 5,22 77,77 2,99 1,37 3,51 2,44 138. Fucus digi- 1 tatus 20,66 7,65 3,34 26,810,944 6,860 0,57 2,36 12,23 139. Fucus no- | Schottiſche dosus. . Küſte am 9,1314,33 0,49 18,28011,60 9,910 0,260 1,3824, 20 140. Fucus ser- Ausfluß des ratus . Clyde. 3,98 18,67 1,18 16,5614, 4110,29 0,30 3,89 18,59 141. Fucus vesi- eulosus 13,010 9,54) 0,32 21,540 8,36 6,12) 0,28 1,16] 24,06 142. Fucus vesiculosus, Eng- liſche Küſte. Liverpool — 13,90 — | 9,13115,51/14,03| 4,1 | — 28,58 Miſcellen. 35. Die Miſtel (Viscum album) ſoll nach Angabe der beſſeren Botaniker überall nicht auf der Eiche wachſen, weßhalb man auch nicht dieſe Pflanze, ſondern den Loranthus europaeus für die ge= heiligte Miſtel der Druiden hält. Beaton fand indeß in der Nähe von Ledbury die Miſtel auf einer Eiche wachſend, auch ge— lang es ihm, ſie durch Kunſt auf der Eiche zu ziehen. Nun wäre es wohl möglich, daß gerade das ſeltene Vorkommen dieſes Schma— rotzers auf dem geweihten Baume der Deutſchen der Grund ſeiner Verehrung geweſen “). (The Gardner's Chronicle 1847, No. 44.) Sauerſtoffgehalt. 8 ase an ug a be anplalais yo u gag? ie usage Jai Auge ede use uon ene av ggg NDS ul Kane, Phil. Mag. 1847. 1:12,02 | 4,54 Juli No. 205. 1:23,38 | ? [L.A.54.34. 1.16 1,00 12,01“ 1,94/13,95|14,11 22,22| 1,16/23,38|24,38 1,79 1,9 0,14 3,13 1,07 20,00 0,83 16,19, 2,16) 1: 1,50 15,63 L. A. 45. 350 0,64 1: 1,03 16,39 1 : 1,96 13,22 1,98 3,70 4,82 2,46 3,59 5,49 5,24 5,50 4,67 3,59 2,73| 5,86) 11,35 3,31) 3,95| 4.3610,60 4,12| 4,10 8,22113,72 2,39 2,44 4,83] 9,50 2,61) 4,43| 7,04113,63 1,31) 1: — 0,77 1: 7,10 36. Zwei Trüffelarten, die in Frankreich ſo geſchätzte Dordogne Trüffel (Tuber melanosporum) und die weiße Trüffel (Choiromyces meandriformis) wurden von Broome auch in Eng⸗ land gefunden. Erſtere war in Großbritannien noch niemals, die andere aber ſeit Anfang dieſes Jahrhunderts nicht wieder gefunden worden. (The Gardner's Chronicle 1847, No. 41.) Druckfehler. In No. 13 dieſes Bandes S. 208 3. 22 v. o. muß es heißen: des erſudirten Serums — ſtatt: des ory⸗ dirten Serums. Heilk (XXXI.) über die Sſophagotomie. Von Hrn. La vacherie. Der Verf. ſucht in feiner, der königl. belgiſchen Aka— demie der Heilkunde vorgetragenen Abhandlung dieſe, trotz der trefflichen Reſultate, die er und Hr. Bégin auch in neuern Zeiten durch dieſelbe erlangt haben, faſt in Ver— geſſenheit gerathene Operation wieder in ihre Rechte einzu— ſetzen und bezeichnet den Zeitpunkt, wo dieſelbe ſofort an— zuwenden ſei, ſehr bündig als denjenigen, wo der fremde Körper den zu deſſen Ausziehung, Hinuntertreibung oder Austreibung (durch Erbrechen) angewandten Mitteln in einer Weiſe widerſtanden habe, daß man deſſen Beſeitigung auf keine andere Art bewirken könne. Der Verf. hat zuvörderſt 6 Tabellen aufgeſetzt, in denen 86 Beobachtungen zuſammengeſtellt ſind, die er von Per— unde. ſonen beider Geſchlechter und verſchiedenen Lebensalters ge— ſammelt hat, welche in Folge der Anweſenheit fremder Körper in der Speiſeröhre, die theils beim Schlingen ſtecken geblieben, theils aus dem Magen zurückgetrieben worden waren, mehr oder weniger bedenkliche Zufälle bekommen hatten. Unter dieſen 86 Fällen liefen 47 tödtlich ab, nämlich 18 auf der Stelle und 29 nach längerer oder kürzerer Zeit, entweder in Folge einer Blutung oder durch irgend ein ſpäter entſtandenes ſchweres Leiden. Unter jenen 18 Todesfällen befinden ſich 6, gegen welche ſich nichts thun ließ, weil der fremde Körper erſt bei der Leichenöffnung erkannt wurde; in den 12 übrigen Fällen aber hätten, des Verf. Anſicht zufolge, die Patienten gerettet werden können. Er iſt ferner der Meinung, daß die ſpäter an verſchiedenen Verletzungen verſtorbenen 17 Patienten durch die Oſophago⸗ tomie zu erhalten geweſen ſeien, ſowie auch unter den 12 *) Die Reſultate der Analyſe ſind nach Weglaſſung ver Kohlenfäure auf Procente berechnet. **) Die Miſtel iſt aber den Deut ſchen nie heilig geweſen, wenn es auch die Eiche war. Dagegen war die Miſtel bekanntlich den Kelten heilig und ſchreiben ſich daher u. a. noch gewiſſe Weihnachtsgebräuche in England. Die Rev. 237 durch Blutungen umgekommenen einer während der Hämor— rhagie durch Unterbindung der ulcerirten linken carotis, ſowie 6 andere, bei denen die Section eine Zerreißung der aorta, der art. pulmonaris, der art. subelavia und der vena semi-azygos erkennen ließ, durch eine vor der Blutung vorgenommene Operation hätten gerettet werden können. Beim zwölften iſt die Urſache der Hämorrhagie nicht er— mittelt worden. Zunächſt geht der Verf. die verſchiedenen fremden Kör— per durch, welche gewöhnlich in der Speiſeröhre ſtecken blei— ben: Stücke Brot, Fleiſch, Eier, Obſt, Kaſtanien, Kieſel, Ringe, Geldſtücke ꝛc.; ferner die verſchiedenen Zufälle, welche dadurch unmittelbar oder ſpäter veranlaßt werden; die dia— gnoſtiſchen Kennzeichen, welche ſich ſowohl durch das Betaſten, als durch das Beſichtigen kundgeben, wenn der fremde Kör— per, in der Höhe des pharynx, in jenem Sacke ſitzt, den Hr. Schatz in ſeiner Inauguraldiſſertation vom J. 1832, S. 10, mit einer Weſtentaſche vergleicht, oder die ſich aus der Empfindung des Patienten ergeben, wenn der Körper am Gingange der Speiſeröhre oder in der Höhe des obern Randes des Bruſtbeines oder an der Stelle ſitzt, wo die Speiſeröhre das Zwerchfell durchſetzt. Hierauf überblickt er die Anſichten über die zum Ausziehen oder Niederſtoßen der fremden Körper in Vorſchlag gebrachten Mittel und gelangt ohne weiteres zu dem Schluſſe, daß ein allzu langes Zö— gern mit der Oſophagotomie höchſt bedenklich ſei. Dies iſt der Angelpunkt, um den ſich die ganze Abhandlung des Hrn. Lavacherie eigentlich dreht, und obwohl er die Er— örterung mancher praktiſchen Geſichtspunkte unterlaſſen hat, durch deren Beleuchtung allein die Oſophagotomie auf eine rationelle Grundlage baſirt werden kann, ſo iſt doch ſchon viel damit gewonnen, wenn eine Operation, die weit gefahr— loſer iſt, als man gemeinhin glaubt und durch die ſich häufig ein tödtlicher Ausgang allein vermeiden läßt, wieder zu Ehren gebracht wird. Es gehört, wie der Verf. ſagt, allerdings ein glückliches Zuſammentreffen von Umſtänden dazu, um die freiwillige Austreibung des fremden Körpers zu bewirken. Wenn ſich die Entzündungsgeſchwulſt, durch die er einge— klemmt gehalten wurde, ſetzt, ſo kann er ſich löſen. Dies iſt der glücklichſte Fall. Oder es entſteht in Folge der Zer— ſetzung des fremden Körpers eine Volumverminderung oder Zerſtückelung desſelben, ſo daß er ſich nun ausziehen oder durch die Anſtrengungen des Magens austreiben läßt; oder er kann, wenn er ſpitz iſt, die Gewebe durchbohren oder, wenn er rundlich iſt, die Entſtehung eines Eiterheerdes ver— anlaſſen, und in beiden Fällen unter den Integumenten er— ſcheinen. Allein welche furchtbare Möglichkeiten knüpfen ſich an dieſe Reihe von Erſcheinungen! Dies geht ſehr deutlich aus der fünften Tabelle des Verf. hervor, in der Fälle verzeichnet ſind, in denen Körper von unregelmäßiger Geſtalt oder leicht zerſetzbarem Stoffe dem Schlingen, dem Athmen und Sprechen gar nicht ſehr hinderlich waren und doch durch die Durchbohrung der carotis, aorta oder art. pulmonaris den Tod raſch herbeiführten. Schließlich wollen wir die Krankengeſchichte mittheilen, welche dem Verf. die nächſte Veranlaſſung zu dieſer Arbeit 103. V. 15. 238 gegeben hat, indem ſie demſelben Gelegenheit gab, eine gelungene Oſophagotomie auszuführen. Er befolgte dabei das Bégin' ſche Verfahren, dem er vor dem Guattani— ſchen, bei welchem man zwiſchen den mm. sternohyoidei einſchneidet und dabei Gefahr läuft, die Luftwege und die Schilddrüſe zu verletzen, während zugleich die Speiſe— röhre nicht weit genug bloß gelegt wird, den Vorzug giebt. Hr. Lavacherie hat das Guattaniſche Verfahren an Leichen probirt, und es iſt ihm nie gelungen, die zur Aus— ziehung der fremden Körper geeigneten Inſtrumente durch die Wunde einzuführen. Die Eckholt' ſche Methode, bei welcher man den Einſchnitt zwiſchen den beiden untern An— ſätzen (ratines) des m. sternocleido-mastoideus macht, ſetzt zwar nicht der Gefahr aus, die Luftröhre zu verletzen, leiſtet aber in Betreff der Bloßlegung der Speiſeröhre nicht mehr, als die Guattaniſche. Boyer, Bell, Richerand ꝛc. rathen, zwiſchen den mm. sternohyoidei und sternomastoidei einzudringen, doch nur in dem Falle, wo der fremde Körper äußerlich vorſpringt oder ſich durch die Haut fühlen läßt. Allein dieſe Bedingung fehlt in den meiſten Fällen und fehlte namentlich in dem von Hrn. Lavacherie operirten. Endlich empfehlen Giraud und Vacca Berlinghieri, wenn der Körper äußerlich nicht hervortrete, die Hautbe— deckungen mittels einer in die Speiſeröhre eingeführten Sonde zum Vorſpringen zu bringen. Dies verſuchte der Verf. ohne allen Erfolg bei ſeiner Operation; weder er, noch irgend einer der Anweſenden konnte das Ende eines in die Speiſe— röhre eingeführten Inſtrumentes fühlen. (21) Von dem Bé— gin'ſchen Verfahren werden wir hier weiter nichts ſagen, da ſich dasſelbe aus dem nachſtehenden Berichte über Hrn. La— vacherie's Operation ergiebt. Beobachtung. Ein 4ljähriger Mann aß am 11. Febr. 1842 eine Suppe, in welcher ein Schweinskopf gekocht wor— den war, als er plötzlich in der Speiſeröhre eine unange— nehme Empfindung verſpürte, auf welche bald Schmerz und Schwierigkeit beim Schlingen folgte. Auf den Rath des Dr. Golfin zu Esneur verſchluckte der Patient binnen vier Tagen viele rohe Eier, aber ohne Erfolg. Am 18. behan— delte ihn Dr. Vandermaeſen mit Brechmitteln. Die Zufälle beſtanden jedoch fort. Ins Hoſpital von Lüttich aufgenommen, kam er in die Behandlung des Hrn. La va— cherie, der ihn am 22. zuerſt ſah und erfuhr, daß dem— ſelben ſeit 40 Stunden eine große Menge Blutes aus dem Munde gefloſſen ſei. Eine in die Speiſeröhre eingeführte elaſtiſche Sonde drang bald ohne Widerſtand bis in den Magen, bald traf ſie mit einem Geräuſche, welches die An— weſenden deutlich hörten, auf einen Widerſtand. Da noch kein Verſuch gemacht worden war, den frem— den Körper anzuhaken und herauszuziehen, ſo probirte man zu dieſem Ende mehrere Inſtrumente. Aber alles blieb fruchtlos. Mit den Verſuchen, den Körper in den Magen hinabzuſtoßen, erreichte man eben ſo wenig. Nunmehr ent— ſchloß ſich Hr. Lavacherie den Speiſeröhrenſchnitt auf folgende Weiſe zu machen. Der Kranke legte ſich auf den Rücken, ſo daß die Schultern und die Bruſt ziemlich hoch zu liegen kamen, der 239 .n Kopf ein wenig rückwärts lehnte und der ganze Hals rechts geneigt war. Der auf der linken Seite ſtehende Chirurg machte alsdann parallel mit der Luftröhre einen Schnitt durch die Haut, welcher nach unten bis einen Querfinger über das Gelenk des Schlüſſelbeines mit dem Bruſtbeine und nach oben bis zur Höhe des obern Randes der cartilago thyreoidea reichte. Er trennte dann nach einander den Hautmuskel und das oberflächliche Zellgewebe und drang ſodann tief in den mit Zellgewebe gefüllten Raum zwiſchen der Speiſe- und Luft— röhre einerſeits und den tiefliegenden Gefäßen und Nerven des Halſes andrerſeits ein. Während dieſes Theiles der Operation zog der zur rechten des Patienten ſtehende Dr. Anſiaur die Luftröhre ſammt deren Anhängſeln nach ſich zu, während der Operateur die äußere Lefze des Schnittes mit dem weichen Theile der Spitzen der drei mittlern Finger der linken Hand, die tief eingeführt wurden, zur Seite zog, um die Gefäße und Nerven zu ſchützen. Die Schicht des Hautmuskels war kaum getrennt, als die Wunde plötz— lich mit Venenblut überſchwemmt ward, welches von der Durchſchneidung der vena cervicalis transversa herrührte, die unterbunden werden mußte, um die Operation fortſetzen zu können. obere Bündel des m. omo-hyoideus brauchte nicht durchſchnitten zu werden. Nachdem man es zur Seite geſchoben, gelangte man bis auf den Körper der Wirbelbeine, ohne jedoch die Speiſeröhre weder durch das Geſicht, noch durch das Gefühl unterſcheiden zu kön— nen. Auch als man die Sonde in die Speiſeröhre ein— führte, konnte man im Grunde der Wunde durchaus keine Hervorragung erzeugen. Man ließ dann den Kranken etwas Waſſer ſchlucken, und alsbald entwichen aus dem Grunde der Wunde einige Luftblaſen und Waſſertropfen. Der Ope— rateur führte den Finger an dieſe Stelle und fühlte einen ſehr ſpitzen Körper, den er mit einer Zange faßte und, nachdem er leiſe daran gezogen, um ſich zu überzeugen, ob er feſt genug gefaßt ſei, herauszog. Man nahm alsdann eine genaue Unterſuchung der der Perforation der Speiſeröhre benachbarten Theile vor. Die arteria carotis communis und die jugularis interna waren in ihrer unverſehrt gebliebenen Scheide eingeſchloſſen. Ein Aſt der art. thyreoidea superior wurde unterbunden. Die obern vier Fünftel der Wunde wurden durch Heftpflaſter— ſtreifen, welche nur ½ der Peripherie des Halſes umgaben, damit jede Zuſammenſchnürung vermieden würde, vereinigt. Eine gefenſterte Compreſſe, die mit Cerat beſtrichen war, ein kleiner Scharpiebauſch und eine längliche, halsbinden— artige Compreſſe bildeten die Verbandſtücke. Der fremde Körper war ein feſtes Stück Knochen, das vom Jochbeine oder der apophysis zygomatica herrührte. Er hatte die Geſtalt eines Dreieckes, deſſen beide ſpitze Winkel Das 103. V. 15. 240 ſehr ſcharf waren. Die längſte Seitenlinie maß 32, die eine kürzere 20 und die andere kürzere 18 Millim. Die bedeutendſte Stärke war 4 Millimeter und die geringſte 2 Millim. Die Folgen der Operation waren nur wenig erheblich. Ziemlich ſtarkes Fieber, eine Entzündung der Wunde, welche die Anlegung von Blutegeln erheiſchte; das Heraus ſchwären eines Fetzens der gangränöſen weichen Theile am fünften Tage waren die Hauptumſtände. Zur Ernährung des Kran- ken brauchte der Speiſeröhrenkatheter nicht in Anwendung gebracht zu werden. Er genoß anfangs kühlende Tränke, dann Fleiſchbrühe und ſehr dünne Suppen. Vom fünften Tage an ſchritt die Heilung raſch vorwärts. Am 10. März, 25 Tage nach der Operation, war die Wunde völlig vernarbt. Der Kranke ſtellte ſich 2½ Jahre ſpäter in der chirurgiſchen Klinik vor und wurde in jeder Beziehung geſund befunden, Dieſer Fall ſcheint den in der Abhandlung vertheidig— ten Satz, daß man mit der Operation nicht zu lange zögern dürfe, durchaus zu rechtfertigen. Allerdings waren die Ca— rotiden unverſehrt, und die früher bemerkten Blutungen kamen unſtreitig aus den Gefäßen der Speiſeröhre; allein die durchbohrte Stelle der letztern befand ſich der linken urſprünglichen carotis gegenüber, und wahrſcheinlich würde dieſe Pulsader ebenfalls bald durchbohrt worden ſein. Der fremde Körper ließ ſich ungemein leicht ausziehen, weil derſelbe in dieſem Falle gerade an derjenigen Stelle der äußern Wunde lag, welche dem Auge und dem Finger am zugänglichſten war. Bei den beiden von Hrn. Bégin operirten Subjecten lagen die fremden Körper tiefer, ſo daß ſie mit den Inſtrumenten erſt aufgeſucht werden mußten. Merkwürdig iſt auch der Umſtand, daß nach der Ope— ration das Schlingen flüſſiger Nahrungsſtoffe ohne die An— wendung eines Katheters oder einer Spritze geſchehen konnte. Hr. Lavacherie wandte dieſe Inſtrumente nicht an, weil die Einführung der Sonde während der Operation dem Kranken gewaltige Schmerzen verurſacht hatte. Allerdings hatte in dieſem Falle die Durchbohrung der Speiſeröhre einen nur geringen Umfang, und deßhalb iſt es erklärlich, wie die Flüſſigkeiten in den Magen gelangen konnten; allein es würde ſehr gefährlich ſein, wenn man dieſen Theil des Verfahrens des Verf. als allgemeine Regel gelten laſſen wollte. (Gazette med. de Paris, 8. Janv. 1848.) Miſcelle. Nekrolog. — Dr. Alexander Watt zu Glasgow, Verf. der Reports of the Vital Statistics of Glasgow, ſowie werthvoller Abhandlungen über Lebensſtatiſtik der fchottifchen Städte in den Verhandlungen der British Association, der Statistical Society und der Philosophical Society of Glasgow, ſowie in The Lancet, ift unlängſt daſelbſt mit Tode abgegangen. Bibliographiſche Neuigkeiten. Cours de physiologie, fait ä la Faculté de médecine de Paris, par P. Berard. Tome I. In 8e de 5 feuilles ½. Paris 1848. Notice sur les travaux géologiques de M. le vicomte d’Archiac. feuilles. Paris 1847. 3 In 4° de 4 De l’efücacite des douches oculaires dans le traitement des alterations de la eornee; par M. L. Riu, In 8° de 2 feuilles. Paris 1847. Statistique de la medecine homoeopaihique; par le docteur Camille Croserio. In 8° de 4 feuilles . Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, N in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 104. (Nr. 16. des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. van Deen, zur Entwicklungsgeſchichte der Geſchlechtsthelle der Säugethiere mit beſonderer Berückſichtigung des uterus masculinus. — Du⸗ ardin u. Pappenheim, über die stemmata oder einfachen Augen der Gliederthiere. — Miſcellen. Kautſchuk und P ercha. Bacon, vergleichende nterſuchung der Schießbaumwolle und Baumwolle. — Heilkunde. Petit, Fälle typhöſen Fiebers mit Anwendung der Behandl S — Miſcellen. Eigenthümliche Mißbildung des uterus. Nekrolog. — Bibliographie. Fran . eee e Naturkunde. XXVIII. Beiträge zur Entwicklungsgeſchichte der Geſchlechtstheile der Säugethiere mit beſonderer Be— rückſichtigung des uterus masculinus *). Von Dr. J. van Deen“). Von der erſten Bildung des canalis uro-genitalis an, alſo zur Zeit der frühſten Entwicklungsperiode der Ge— ſchlechtstheile, befindet ſich bei beiden Geſchlechtern ein ute- *) Nieuf Archiew voor binnen - en buitenlandsche Geneeskunde etc. II. Jaargang. 4. en 5. Stuk. Zwolle. ä x) & follen hier nur die Hauptrefultate jener Unterſuchungen mitgetheilt und zur Erläuterung einige Bemerkungen vorausgeſchickt werden. er bereits durch verdienſtvolle Arbeiten auf dem Geblete der Phyſiologle bewährte Verfaſſer unterſucht hier einen noch weniger aufgeklärten Gegen⸗ ſtand und gelangt zu Reſultaten, die auf die Entwicklüngsgeſchichte der 5 5 überhaupt und beſonders auf den Hermaphroditismus großes Licht verbreiten. Angeregt durch E. A. Weber's Forſchungen unterſuchte Verfaſſer den sinus prostaticus, den er mit Weber für ein Rudiment eines männlichen uterus hält, bei menſchlichen Embryonen und verſchiedenen Thieren jeglichen Alters, um zur Erkenntniß dieſes rudimentären Organs und ſeiner großen Bedeutung bel der erſten Entwicklung der Geſchlechtsthelle zu gelangen. Beſonders belehrend ſtellte ſich bei dieſer Unterſuchung das Geſchlecht Le- us heraus. Die Haſen und Kaninchen und vielleicht alle Nager, zeichnen ch durch eine niedrige Entwicklungsſtufe ihrer Genitalien aus. Die Männchen behalten einen großen uterus masenlinus, an deſſen vorderer Wand die ſamen⸗ führenden Ganäle einmünden; einen penis, der an Größe kaum die clitoris der Weibchen überſteigt; eine in der Entwicklung zurückgebliebene Vorſteher⸗ prüfe, ſtatt eines caput gallinaginis eine Hautfalte; und endlich Samenbläschen, die mit ſamenführenden Canalen keine directe Verbindung eingegangen find — alſo lauter Zuſtände, wie ſie bei allen Säugethieren zur Zeit ihrer frühſten Ausbildung normal find. Die Weibchen zeigen einen wenig entwickelten ute- rus, der auf gleiche Weiſe, wie der männliche, in den canalis urogenitalis einmündet: dieſer letztere Canal erleidet nicht die Metamorphoſe, wie man fie bei höher entwickelten Thieren antrifft. Das Studium der niedrigen Entwicklungsſtufe der Genitalien bei dieſer Thierelaſſe; die Vergleichung derſelben mit der bei menſchlichen Embryonen, die Ahnlichkeit dieſer Genitalien mit dem Hermaphrovitismus, ſowohl mit männlichem als weiblichem Typus; das wechſelſeitige Verhältniß der verſchie⸗ denen Geſchlechtsorgane zu einander, und beſonders noch die von Kobelt entdeckten Nebeneierſtöcke, ein Analogon der Nebenhoden, brachten Verf. zu den Reſultaten, die hier mitgetheilt werden. Die Abhandlung wird demnächſt viel ausführlicher deutſch bearbeitet mit erläuternden Holzſchnitten erſcheinen in den holländiſchen Beiträgen, zu Heidel⸗ berg herausgegeben von J. van Deen, Don der und Moleſchott. No. 2084. — 984. — 104. rus, der anfangs beim männlichen größer zu ſein ſcheint als beim weiblichen Geſchlechte. Dieſem uterus iſt bei der demnächſt vorgehenden Me— tamorphoſe des canalis uro -genitalis eine höchſt wichtige Rolle zugetheilt. Beim männlichen Geſchlechte trägt er nam lich zur Entwicklung des caput gallinaginis, der Vorſteher⸗ drüſe und der Samenbläschen bei; er vereinigt die ſamen— führenden Canäle mit den Samenbläschen und vermittelt endlich die Bildung der Harnröhre. — Beim weiblichen Geſchlechte geht von ihm die Spaltung des canalis uro- genitalis in urethra und vagina aus. Durch die Metamorphoſe des canalis uro-genitalis geht wieder im uterus ſelbſt eine große Veränderung vor; die urſprüngliche Form verliert ſich und geht in jene über, die von bleibender Dauer iſt, ähnlich wie jener Canal. Dieſe Formumänderung geſchieht bei beiden Geſchlechtern in ent— gegengeſetzter Richtung; beim Manne verſchwindet das Organ bis zu einem Rudiment, während es beim Weibe zu höherer Ausbildung gelangt. Die urſprüngliche Anweſenheit der vasa deferentia an der vordern Wand des uterus und ihre Einmündungen et= was oberhalb des labium superius muß als nothwendige Be⸗ dingung zur normalen Metamorphoſe des männlichen canalis uro-genitalis betrachtet werden. Da die vasa deferentia als Ausführungscanäle des Wolfſchen Körpers anfangs am kundus des primitiven (des noch nicht in ſeine bleibende Form übergegangenen) uterus zugegen find, fo verändern ſie dadurch ihre Lage, daß die hintere Wand und der Grund des uterus ſich nach hin— ten und oben ausdehnen und kommen alsdann auf die vor⸗ dere Seite zu liegen. Dieſe Ortsveränderung bedingt eine ſolche Verbindung des uterus mit dem canalis e daß ſich eine 243 Falte im letzteren bildet, die ſich ſpäter zum caput gallina- ginis ausbildet. Etwas oberhalb dieſes Organs, nämlich im unteren Theile der hinteren Wand des uterus fängt auch die Entwick— lung zunächſt der prostata und alsdann der Samenbläschen an. Nach Vollendung der Samenbläschen ſetzen ſich erſt die vasa deferentia mit ihnen in Verbindung, und zwar ver— mittels des uterus, der durch ſeine Formveränderung beide Theile in Berührung bringt. Bei dieſer Vereinigung nähert ſich die hintere Wand des uterus der vorderen; das ostium uteri verengert ſich nunmehr oder verſchließt ſich ganz, und das ganze Organ verſchwindet bis auf ein Rudiment. Gleichwie die Lage der vasa deferentia an der vorderen Wand des uterus eine Hauptbedingung zur normalen Ver— einigung dieſer Gefäße mit den vesiculis seminalibus und zur Verkleinerung des uterus iſt, ſo vermitteln dieſe letzteren Proceſſe wieder die regelmäßige Ausbildung einer männlichen Harnröhre. Haben die vasa deferentia an der hinteren Wand des uterus ihre Lage erhalten, dann kann weder die hintere Wand des ostii uteri, noch das davon abhängige caput gal- linaginis zur normalen Entfaltung gelangen; es bleiben alsdann auch die Samenbläschen und die Vorſteherdrüſe in ihrer Entwicklung geſtört. Ferner unterbleibt in einem ſolchen Falle auch die An— näherung der hinteren Wand des uterus zur vorderen; die Metamorphoſe dieſes Organes kann nicht vor ſich gehen, und eben ſo wenig die des canalis uro-genitalis, da letztere von der erſteren abhängig iſt. Wenn die urſprüngliche Lage der vasa deferentia am fundus uteri bleiben wird, dann bildet ſich eine Verbindung des uterus mit dem canalis uro-genitalis, ähnlich der, wie beim weiblichen Geſchlechte; es entſteht eine Spaltung des genannten Canales in Harnröhre und Scheide, das Haupt— kriterion der Metamorphoſe des weiblichen canalis uro-ge- nitalis. Beim weiblichen Geſchlechte bildet der primitive uterus (der Zuſtand vor ſeiner Metamorphoſe) mit dem übrigen Theile des can. uro-genitalis einen Muttermund im Organe, das alle Bedingungen zur künftigen Spaltung des Canales bereits in ſich trägt. Das obere labium dieſes Muttermundes bildet im ca- nalis uro-genitalis zwei Seitenfalten, die von den Endpunkten dieſes labium ausgehen. Die Seitenfalten verwachſen ſpäter mit einander; der vor der Falte gelegene Theil verwandelt ſich in Harnröhre, während der hinter derſelben befindliche Theil die Scheide bildet. An der Stelle, wo ſich früher das obere labium befand, bildet ſich durch dieſe Spaltung auf der vorderen Seite eine trichterförmige Falte, der zukünftige Blaſenhals, auf der andern Seite ein Knötchen, der Anfang des zukünftigen Muttermundes. Zweck der Metamorphoſe des canalis uro-genitalis iſt beim Weibe Trennung der Geſchlechtswege von den Harn— wegen, beim Manne dagegen noch engere Verbindung die— 104. V. 16. 244 ſer Theile. Die Trennung geſchieht beim Weibe durch Spaltung, wodurch es den Geſchlechtsorganen möglich wird, ſich räumlich noch mehr auszudehnen. Beim Manne wird die Vereinigung hervorgebracht durch die Bildung einer Vorſteherdrüſe, der Samenbläschen, durch Verengerung und Einſchrumpfung des urſprünglichen Geſchlechtsweges und durch die Vereinigung der ſamenführenden Canäle mit den Samenbläschen. Die Spaltung des canalis uro-genitalis iſt daher ein Proceß, der dem der Bildung von Vorſteherdruſe und Samen- bläschen geradezu entgegengeſetzt iſt; wo daher das eine angetroffen wird, kann das andere nicht zugegen ſein, denn das würde eine doppelte Metamorphoſe in entgegengeſetzter Richtung vorausſetzen *). Erleidet die Metamorphoſe jenes Canales irgend eine Störung, dann entſteht die Form, die mit Unrecht Herma— phroditismus genannt wird; denn dieſe Anomalie iſt keine Doppelgeſchlechtigkeit, ſondern nur eine Unvollkommenheit. Die mehr oder weniger vollkommene Entwicklung der erſten Geſchlechtstheile, der ovaria und testes, iſt von der größten Wichtigkeit bei der natürlichen oder abnormen Stel— lung der erſten Geſchlechtswege, der tubae Fallopii und der vasa deferentia. Wie ſich beim Manne ein männlicher uterus befindet, der dem weiblichen analog iſt, und dem E. H. Weber zu— erſt die rechte Deutung gab: ſo befindet ſich beim Weibe ein Nebeneierſtock, analog dem Nebenhoden, ein Organ, das unlängſt von Kobelt entdeckt iſt. Die Entwicklung des uterus masculinus verhält ſich zu der des Nebeneierſtockes bei gleichartigen Thieren von gleichem Alter im gleichen Verhältniß, während dasſelbe Organ unter denſelben Bedingungen in ein umge— kehrtes Verhältniß zum weiblichen uterus tritt. Die Entwicklung des Nebeneierſtockes ſteht in einem umgekehrten Verhältniſſe zu der des Nebenhodens, voraus— geſetzt, daß auch hier die oben angegebenen Bedingungen Statt finden. Der Nebeneierſtock ſcheint bei einer höheren Entwicklungs— ſtufe mit dem Eierſtocke zuſammenzuſchmelzen, und es läßt ſich daher auch von dieſen beiden Organen ſagen, daß ſie in Betreff ihrer Entwicklung in einem umgekehrten Verhält- niſſe zu einander ſtehen. Die ligamenta uteri rotunda (und die Gartnerſchen Canäle) haben mit den ſamenführenden Canälen denſelben Urſprung. Ein ſolches Bewandtniß beſteht zwiſchen den cornua uteri in den tubae Fallopii, indem jene nur die Verlänge— rung dieſer find, während der uterus ſelbſt nur als die Verlängerung der vereinigten Hörner zu betrachten iſt. Wenn Kobelts Theorie richtig iſt, daß beim männ— *) Verfaſſer hat die Überzeugung, daß dieſer Satz manchen Wlderſpruch finden wird, doch glaubt er alles, was dagegen angeführt werden könne, be⸗ ruhe auf mangelhafter Unterſuchung. Kobelt bemüht ſich zu beweifen, daß er bei einem Ziegenhermaphroditen neben einem uterus und einer Scheide auch eine Borfteherprüfe und Samenbläschen fand; hier hat aber eine Ver⸗ wechslung dieſer Theile mit den Cowperſchen Drüſen Statt gefunden; denn er verlegt jene Theile dahin, wo ſie ſich gar nicht befinden, wohl aber die genannten Drüfen zugegen find. 245 lichen Geſchlechte das vas deferens durch den Wolfſchen Canal, beim weiblichen Geſchlechte die tuba Fallopii durch den Müllerſchen Canal gebildet werde, und daß bei der Ausbildung des einen Canales der andere verſchwinde, ſo geht dieſer Proceß doch jeglichen Falls erſt dann vor ſich, nachdem beide Canäle in den uterus übergegangen find. — Beim männlichen Geſchlechte kann man ſich alsdann auch die Gegenwart der rudimentären cornua uteri (masculini), und beim weiblichen Geſchlechte die der runden Mutterbänder erklären. (Der Gartnerſche Canal muß nach des Verfaſſers Anſicht jeglichen Falls durch Spaltung des Wolfſchen Ca— nales entſtehen). Bei beiden Geſchlechtern bildet ſich eine Falte im pe- ritonaeum, um das ovarium etc. und die testes zu über— ziehen und ſie nach ihrem Beſtimmungsorte zu leiten. Die vom Verf. mitgetheilte Beſchreibung der Geſchlechts— theile eines acephalus liefert ein merkwürdiges Beiſpiel, wie die Geſchlechts- und Harnwege, die im natürlichen Zuſtande anfangs getrennt find (ureteres und vasa deferentia) und ſich ſpäter vereinigen (den canalis uro-genitalis bilden), ſich anfangs vereinigt haben und ſpäter getrennt wurden, ſo daß ſie ſich in dieſer Hinſicht in einem dem natürlichen Zuſtande geradezu entgegengeſetzten Verhältniſſe befinden. XXI. über die stemmata oder einfachen Augen der Gliederthiere. Von Felir Dujardin u. S. Pappenheim. Der Verfaſſer zeigt in dieſer Abhandlung, welche die Comptes rendus in No. 20 vom 15. Nov. 1847 mitthei— len, daß die Augen aller Gliederthiere, ſowohl der Arach— noiden und Cruſtaceen, als Inſecten, das Sehen ganz ſowie die Augen der Wirbelthiere vermitteln, indem ſowohl jedes einfache, als jedes einzelne Auge eines Netzauges aus einem optiſchen Apparate beſtehe, der, wie die Linſe einer camera obscura, auf das Nervenende ein umgekehrtes Bild der äuße— ren Gegenſtände entwirft. Ein ſolches Auge zeigt immer ein brechendes Medium, das entweder nur an einer, oder an beiden Seiten durch eine convere Oberfläche begrenzt wird und als eine Linſe wirkt, um die von äußern Gegenſtänden auf ihre ganze Oberfläche empfangenen Strahlen in einem hinter ihr gelegenen Brennpunkte auf den Gefühlsapparat zu concentriren und die Kreuzung aller zu einem Bilde ge— hörenden Strahlen zu beſtimmen. Sowohl in der Geſtalt und Zuſammenſetzung dieſes Brechungsapparates als auch in der Art feines Gebrauches für Objeete von verſchiedener Ent— fernung bemerkt man indeß zahlreiche Verſchiedenheiten. Bei einigen Gliederthieren fand der Verf. ſolide planconvexe, bei andern biconvere, nur von der cornea gebildete Linſen, die auch wohl noch durch eine viel kleinere Linſe, welche die Kryſtalllinſe der Wirbelthiere repräſentirte, verſtärkt wurde; andere hatten dagegen eine dünne, gleichmäßig dicke, wie ein Uhrglas gewölbte cornea, wo dann die von ihr um— ſchloſſene Flüſſigkeit als Sammellinſe auf den Sehnerven wirkte. Was nun den verſchiedenen Gebrauch des Auges für das deut— 104. V. 16. 246 liche Sehen mehr oder weniger entfernter Gegenſtände an— belangt, ſo beruht er 1) auf der Krümmung des brechenden Mediums ſelbſt, wenn die Länge der optiſchen Kammer un— veränderlich, oder 2) wenn dieſe Länge veränderlich iſt, in der Contractilität des Glaskörpers, den man in neuerer Zeit unpaſſend Kryſtalllinſe genannt hat, oder endlich 3) in der Contractilität der Wandungen der camera obscura, wenn er, wie bei den Dipteren, nur eine Flüſſigkeit enthält. In dieſem Falle beſteht auch der Sehnerv aus einer Vereinigung contractiler Faden oder Endigungen derſelben, um den letz— tern die richtige Entfernung zu geben. ; Um nun die optiſchen Eigenſchaften dieſer kleinen Au— gen zu ſtudiren, ermittelte der Verf. ihre Focaldiſtanz durch eine mikroſkopiſche Meſſung annährend bis auf 1/100 Milli⸗ meter, indem er ſich einer Mikrometerſchraube bediente, deren Kopf mit einer feinen Theilung verſehen war. Bei dieſen Verſuchen darf man indeß das Medium, in dem der bre— chende Körper theilweiſe oder ganz getaucht iſt, nicht außer Acht laſſen. Die Linſe eines Inſectenauges hat, unter Luft geſehen, einen viel nähern, dagegen, ganz in einer Flüſſigkeit liegend, einen viel weiteren Brennpunkt. Um das natür— liche Verhältniß eines ſolchen Auges möglichſt wiederherzu— ſtellen, darf nur ſeine innere Fläche und zwar mit einer, der innern Flüſſigkeit des Thieres analogen Flüſſigkeit ge⸗ füllt werden, während die äußere Oberfläche der Luft aus— geſetzt iſt; ferner muß das Bild nicht vor, ſondern hinter dieſer kleinen Linſe gebildet werden. Der Verf. befeſtigte das zu unterſuchende Auge mit einem Tropfen Serum oder einer Eiweißlöſung mit der innern Fläche auf eine dünne Glasplatte, welche er umgekehrt unter das Objectiv eines Mikroſkopes brachte, während ein Planſpiegel die von einem entfernten Gegenſtande kommenden faſt parallelen Strahlen in die Achſe des Inſtrumentes warf und fo ein Bild zwi— ſchen dem brechenden Körper (dem Inſectenauge) und dem Objectiv entſtand. Ahnliche Verſuche mit Oltröpfchen in Waſſer oder mit Luftblaſen in einer Flüſſigkeit, die wie hohle Linſen wirkten, oder mit Kügelchen von Flintglas ergaben für die Focaldiſtanz nach dem Krümmungsradius und dem Refractionsinder genau dasſelbe Verhältniß, wie die vorhin erwähnten kleinen Augenlinſen. Das Bild, welches ſie entwerfen, war außerordentlich ſcharf und ihr Focalabſtand unveränderlich; was ſowohl für die Augen der Dipteren und Lepidopteren, deren dünne, gewölbte cornea eine brechende Flüſſigkeit enthält, als auch für die Coleopte— ren gilt, deren planconvere oder biconvere cornea ſich wie ein contractiler Glaskörper verhält. Dagegen zeigten die Augen vieler andern, insbeſondere der Hymenopteren, ſowie auch die stemmata der Arachnoideen und Inſecten eine Ano— malie, die dem Verf. viel zu thun machte, über deren Con— ſtruction ihn indeß nach verſchiedenen Richtungen durch dieſe Augen gemachte Querſchnitte endlich aufklärten. Statt näm⸗ lich, wie eine ſphäriſche Linſe, nur einen Hauptbrennpunkt zu beſitzen, haben dieſe Augen deren ſo viele, als ſich Schich⸗ ten in der Wölbung ihrer Oberfläche annehmen laſſen, fo daß bei der verſchiedenſten Entfernung des Objectes von dieſen Augen die vom Gegenſtande ausgehenden Lichtſtrah— 16 * 247 len immer auf irgend eine Schicht der Augenkrümmung treffen, welche ein deutliches Bild auf der retina entwerfen kann. Es iſt nun einzuſehen, wie eine aus concentrifchen Schichten, deren Krümmungsradius je näher dem Mittel- punkte um ſo kleiner wird, beſtehende Linſe eben ſo viele Brennpunkte als Schichten beſitzen müſſe, und daß mithin die retina, wenn man ſie als unveränderlich annimmt, der Geſammtbrennpunkt für eben ſo viele verſchieden entfernte Gegenſtände iſt, als Schichten vorhanden ſind. Nun könnte man allerdings glauben, daß die verſchie— denen Bilder der übrigen Schichten der Deutlichkeit des Bildes der einzelnen Schicht ſchadeten; der Verf. ließ ſich deßhalb eine aus concentriſchen Schichten beſtehende Loupe verfertigen und legte ſie der Akademie zur Prüfung vor. Dieſelbe giebt 4 für ſich beſtehende, verſchieden große Bilder eines Gegenſtandes, je nachdem man ſie demſelben paſſend nähert oder entfernt. Es läßt ſich demnach wohl annehmen, daß bei einer großen Zahl ſolcher Schichten die Folge des deutlichen Bildes durch zwiſchenfallende undeutliche nicht merklich unterbrochen werde. Und fo bleibt denn auch wirk— lich das von den stemmatis der Arachnoideen und Inſecten entworfene Bild bei verſchiedenen Entfernungen deutlich, ohne jedoch den Glanz des Bildes einer Linſe mit einzigem Brenn— punkte zu beſitzen. Die brechenden Körper dieſer stemmata ſind, nach des Verf. fernern Unterſuchungen, ohne Einfluß auf das polariſirte Licht und unterſcheiden ſich dadurch von der Kryſtalllinſe, wie durch ihre chemiſche Zuſammenſetzung ſowohl von der cornea der Wirbelthiere, als von den Te— gumenten der Inſecten, obſchon ſie eine Fortſetzung derſelben zu ſein ſcheinen. Endlich kann man, wie der Verf. meint, nicht wohl mit Müller und Brantz das Daſein einer kugeligen iſo— lirten Kryſtalllinſe hinter einer beſondern, überall gleich dicken cornea annehmen; denn gerade das eentrale Dicker— werden aller über einander liegenden Schichten der cornea iſt es, wodurch der linſenförmige, nach außen zu einem Ku— gelabſchnitte gleichende, nach innen dagegen einem geraden oder ſchiefen Paraboloid entſprechende Körper entſteht; und ſo ſind, wie oben zur Genüge bewieſen, die stemmata, ſtatt, wie Müller meint, nur für nahe Gegenſtände eingerichtet zu ſein, ſchon durch die Krümmung ihres brechenden Me— diums allein für das Sehen in alle Entfernungen geeignet. An die ſo eben mitgetheilte Arbeit Dujardin's knüpft ſich paſſend eine Beurtheilung derſelben von Dr. S. Pa p— penheim, die ſich in No. 22 der Comptes rendus von 1847 findet. Nach Pappenheim beſtehen die einzelnen Augen der Inſecten aus einer für ſich beſtehenden cornea und einer biconveren Kryſtalllinſe; letztere unterſcheidet ſich durch ihre concentriſche Streifung von der durchſichtigen cornea; die Kryſtalllinſe läßt ſich iſoliren und ſcheint noch eine Capſel zu beſitzen, was der Verf., aus Mangel an Material zur Unterſuchung, jedoch nicht hinreichend beſtätigen konnte; die iſolirte, durchaus friſche Kryſtalllinſe, mit der noch keine weitere Präparation vorgenommen worden, war elliptiſch. Die iſolirte Kryſtalllinſe einer Arachnoide zeigte ſowohl 104. V. 16. 248 bei polariſirtem Tages- als Kerzenlichte ſehr deutliche Er- ſcheinungen, am ſchönſten aber, wenn eine ſichtbare Lamelle zwiſchengeſchoben ward. Der Verf. konnte, trotz aller Mühe und trotz des treff— lichſten Mikroſkopes, den contractilen Glaskörper der Co— leopteren nicht auffinden; eben ſo wenig glückte es ihm mit Dujardin's contractilen Nerven, die überdies, um im Sinne des letztern wirken zu können, mit einem Bewußtſein begabt ſein müßten, das den Nerven ſich dem Brennpunkte zu nähern, oder von ihm zu entfernen beſtimmte. Die Zweige des nervus opticus theilen ſich dagegen, nach Pappenheim, bei den Inſecten mit zuſammengeſetzten Augen bald in Bündel, deren jedes ſeine eigene Scheide und manch Mal auch ein Pigment beſitzt. Dieſe Bündel umſchließen eine größere oder geringere Anzahl äußerſt feiner Primitiv-Ner⸗ venfaſern, die noch zarter, als die von J. Müller entved- ten Kegel ſind. Ein Tracheennetz bedeckt dieſe Bündel, weßhalb es dem Verf. noch unwahrſcheinlicher wird, wie eine Contraction der Elementar -Nervenfaſern überhaupt beobachtet werden konnte. Was nun die Wandungen des Augapfels betrifft, ſo ſind dieſelben bei den Inſecten von ſolcher Härte, daß ſie nur bei bedeutendem Drucke unter dem Mikroſkope nach— geben, nicht aber um ſich zu verlängern, ſondern um zerſtört zu werden; ihre Contractilität zu Gunſten des Sehvermögens will dem Verf. deßhalb nicht einleuchten. Endlich bemerkt Pappenheim noch, wie ungenau Meſſungen mit einer Mikrometerſchraube ausfallen müſſen, wie demnach ſolche Beſtimmungen keinen allzu großen Werth beſitzen. Miſceellen. 37. Am Kautſchuk zeigt ſich der ganz verſchiedene Ein⸗ fluß der latenten und der nicht gebundenen Wärme auf feſte Körper, nach den Unterſuchungen des Prof. C. G. Page zu Waſhington, ſehr deutlich. Bekanntlich entwickelt dasſelbe beim Auseinander⸗ ziehen Wärme, die es beim Zuſammenziehen wieder aufnimmt; wird es dagegen im ausgedehnten Zuſtande raſch abgekühlt, ſo hat es für längere Zeit feine Elaſtieität verloren und gleicht faſt dem gefrornen Kautſchuk, iſt indeß nicht ſo ſteif wie dieſes; unter⸗ ſcheidet ſich auch von ihm merklich, indem es nicht, wie das ge⸗ frorene, in einer auf 70° Fahrenh. erwärmten Atmoſphäre feine Elaſticität wieder erlangt; wie die Wärme indeß 80% überſteigt, oder ein guter Wärmeleiter das unelaſtiſche Kautſchuk berührt, kehrt es in wenigen Minuten auf ſeinen frühern Umfang zurück. Wenn man einen ſolchen Kautſchukſtreifen an verſchiedenen tellen zwiſchen dem Daumen und Zeigefinger kneipt, ſo zieht er ſich nur an dieſen Stellen ſtark zuſammen. Die ſo entſtandenen Knoten des Streifens beſitzen dieſelbe freie Wärme, wogegen ihre gebun⸗ dene Wärme ſehr verſchieden iſt; ſie gehen nicht allmälig in die unelaſtiſch gebliebenen Stellen über, ſondern brechen plötzlich ab und zeigen ſo, daß der latenten Warme ein Streben nach Gleich⸗ gewicht nicht eigen iſt. Die Gutta percha verhält ſich dem Kaut⸗ ſchuk ſehr ähnlich; fie beſteht, nach Dr. Maclagan's Analyſe, aus 86,36 Kohlenſtoff und 12,15 Waſſerſtoff, während das letztere, nach Faraday, 87,2 Kohlenſtoff und 12,8 Waſſerſtoff enthält. Die Producte der trocknen Deſtillation ſind ſich bei beiden ähnlich, eben fo das Verhalten zu den Löſungsmitteln. Waſſer von 110° wirkt nur wenig auf die Gutta percha ein; ſobald die Temperatur indeß auf 140% oder darüber ſteigt, wird ſie weich und knetbar und 249 beſitzt in dieſem Zuſtande die Elaftieität des Kautfhufs, erhärtet jedoch bald wieder, indem ſie gleichzeitig ihre Elaſticität wieder verliert. Es würde intereſſant fein, die fpecififhe Wärme dieſer Subſtanz zu kennen, um ſie mit der des Kautſchuks vergleichen zu können. (The American Journal of science and arts, No. 12. 1847.) 38. Eine vergleichende mikroſkopiſche Unterſu⸗ chung der Schieß baumwolle mit der Baumwolle, aus der ſie angefertigt wurde, zeigte, nach Dr. Bacon, bei durchfallen⸗ dem Lichte keine Verſchiedenheit der Pflanzenfaſer; bei polariſirtem Lichte erſchien die Baumwollenfaſer als heller Gegenſtand auf dunklem Grunde mit verſchiedenen hellen Farben, wogegen die Heilk (XXIII.) Beobachtungen von Fällen typhöſen Fiebers, bei denen die Behandlungsmethode des Profeſſors Serres in Anwendung kam. Von Dr. Edouard Petit zu Corbeille. Die Symptome, welche zuſammen genommen den ty— phöſen Zuſtand bilden, ſind nicht lediglich die Folge der ſpeciellen Krankheit, welche man heutzutage typhöſes Fieber nennt. Dieſe Krankheit, welche während eines gewiſſen Zeit— raumes in Frankreich von manchen mit den Darmentzün— dungen zuſammen geworfen worden iſt, hat man auch öfters Schleimfieber, Darmgekrösfieber, Dothinenterie, entérite fol- liculeuse genannt, an welchen Benennungen ſich nichts aus— ſetzen ließe, wenn die anatomiſchen Kennzeichen der Krank— heit conſtant wären. Gewiſſenhafte und einſichtsvolle Beobachter haben indeß nachgewieſen, daß dieſe Kennzeichen zuweilen fehlen. Die typhöſen Erſcheinungen, welche in Folge vieler acuten Krankheiten, z. B. der Entzündungen, Erantheme, der Cholera (ſpricht man nicht von einem typhöſen Stadium der Cholera ?), entſtehen, dürfen übrigens, unſerer Anſicht nach, nicht mit denen, welche häufig durch das eigentliche typhöſe Fieber veranlaßt werden, für gleichbedeutend gelten; denn wenn auch in der Beziehung eine Ahnlichkeit beſteht, daß das Nerven- und Circulationsſyſtem in einer für das Leben bedrohlichen Weiſe angegriffen werden, ſo iſt doch das erzeugende Princip dieſer Erſcheinungen in beiden Fällen nicht dasſelbe, und die zur Bekämpfung derſelben geeigneten Mittel müſſen je nach der Urſache und Intenſität der Sym— ptome verſchieden gewählt werden. Das typhöſe Fieber iſt indeß zuweilen gutartig, und es wird nur bedenklich, wenn das Nerven- und Circulationsſyſtem ſo tiefgreifend geſtört werden, daß der Patient in den ſogenannten ataro-adyna⸗ miſchen oder bösartig-fauligen Zuſtand geräth. Unter fol chen Umſtänden betrachtet Prof. Serres die Mereurialmittel als die zur Vertilgung des Krankheitsprincipes geeignetſten. Die Anwendung dieſer Mittel iſt keineswegs etwas ganz neues, allein die Theorie, nach welcher dieſelben in ſolchen 104. V. 16. 250 Schießbaumwolle lange nicht ſo hell und faſt gleichmäßig dunkel⸗ blau erſchien; die Faſer war ſomit durch die Einwirkung der Säu⸗ ren in ihrem Verhalten zum polariſirten Lichte verändert worden. Ein 12= bis 18ſtündiges Verweilen der Pflanzenfaſer in den ſtärk⸗ ſten Säuren verminderte das Polariſationsvermögen der Faſer nicht mehr als eine Einwirkung derſelben Säuren von 3 Minuten; es fanden ſich indeß hie und da einzelne Faſern, die auf dem dunklen Grunde kaum ſichtbar wurden, aber dennoch ihr Polariſationsver⸗ mögen nicht ganz verloren hatten. Wurden die Polariſationspris⸗ men ſo geſtellt, daß ein helles Feld erſchien, ſo färbten ſich einige Faſern orangegelb, während die übrigen farblos blieben. (The American Journal of science and arts, No. 12. 1847.) unde. Doſen zur Anwendung gebracht wurden, hat das Verdienſt der Neuheit. Dem Beiſpiele unſerer Vorgänger folgend, haben wir häufig die Stahl'ſchen temperirenden Pulver, welche rothes ſchwefeligſaures Queckſilber enthalten, mit Erfolg verordnet und ſeit 30 Jahren, namentlich bei Kindern, Calomel mit Nutzen angewandt. Die ſaliniſchen Abführungsmittel, ſowie Chinarinde, manche krampfſtillende Mittel und Blaſenpflaſter an die Beine haben uns unläugbar gute Dienſte geleiſtet. Bei Anwendung dieſer verſchiedenen Methoden haben wir die Vorſchriften der Erfahrung zu befolgen geglaubt und es für unrecht gehalten, dieſen therapeutiſchen Mitteln den Abſchied zu geben. Jetzt handelt es ſich indeß um Entſcheidung der Frage, ob die Mercurialbehandlung ausgemacht den Vorzug verdiene oder nicht, und dies kann nur durch Verſuche geſchehen. Wir theilen in dieſer Beziehung folgende Thatſachen mit. Erſte Beobachtung. — Die Picot, 1gjährig, blond, von mittler Statur, erleidet zwei Mal, ſo daß einige Tage zwiſchen beiden Vorfällen lagen, Contuſionen am vor⸗ dern Theile des Rumpfes und zugleich eine heftige ſchmerz— liche Gemüthsbewegung; fühlt ſich matt, wird von Fieber und Abgeſchlagenheit befallen und am fünften Tage ins. Hoſpital aufgenommen. Sechster Tag. Geſicht geröthet und gedunſen, Zunge mit Schleim belegt, grau, etwas Huſten ohne Beklemmung; Bauch weich ohne Diarrhöe; Haut warm; Puls häufig; durchaus kein Symptom von Localiſirung (Brufttifane, Ger: ſtenwaſſer). Siebenter Tag. Zuſtand derſelbe (5 Centigramm Brechweinſtein, 10 Grm. ſchwefelſ. Magnefta auf 4 Gläſer Waſſer). Erbrechen und Stühle. Achter Tag. Das Fieber dauert ohne deutliche Pa- rorysmen fort. Neunter Tag. in 2 Unzen Waſſer. Zehnter Tag. Betäubung. Huſten ohne mattes oder ſonſt abnormes Geräuſch (Weißer Bruſtſaft 120 Grm., Mineralkermes 5 Centigr. löffelweiſe zu nehmen). 20 Grammen ſchwefelſaure Magneſta 251 Elfter Tag. Betäubung auffallender; Geſicht ſtärker geröthet und aufgetrieben; Zunge an den Rändern roth, in der Mitte mit einer ſtarken grauen Schleimſchicht belegt. Huſten von etwas pfeifendem Röcheln auf der rechten Seite begleitet. Bauch aufgetrieben, ohne Knurren; es ſchlagen kleine, runde Flecken aus; Diarrhöe; Harn klar; Wärme der Haut geſteigert; Puls ſchwach und häufig (1 Gramm ſchwarzes ſchwefligſaures Queckſilber in 4 Pillen; Einreibung von 8 Grm. doppelter Mercurialſalbe [onguent napolitain double] in den Bauch). Zwölfter Tag. Betäubung etwas ſchwächer; Ge— ſicht roth und ein wenig geſchwollen; Gehör hart; Zuſtand der Zunge derſelbe, Huſten, Schleimauswurf weiß; Frieſel auf dem Bauche, zahlreicher als geſtern (Einfacher Bruſt— ſaft; Bruſttiſane, Einreibung von 8 Grm. der Salbe). Dreizehnter Tag. Taubheit. Die Zungenrinder ſind nicht mehr roth; Bauch weniger aufgetrieben; zum er— ſten Male vorübergehendes Knurren im Blinddarme, Frieſel ſtärker entwickelt; Haut weniger heiß und Puls weniger häufig (1 Gramm ſchwarzen ſchwefelſauren Queckſilbers; Einreibung von 8 Grm. Salbe). Vierzehnter Tag. Zunge weniger feucht, als geſtern; Auswurf ſchleimig und blutig; das Frieſel erſtreckt ſich bis zur Bruſt hinauf; Durchfall; allgemeine Schweiße (Einreibung von 8 Grm. Salbe). Funfzehnter Tag. Die Betäubung hat ſich gelegt; das Gehör iſt noch immer hart; Frieſel weniger ſtark; der Schweiß hält an (1 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers; Einreibung von 8 Grm. Salbe). Sechzehnter Tag. Nafenbluten in der Nacht; Hu— ſten; Röcheln, durch Schleim veranlaßt; Auswurf klümperig, weiß, mit Blut überzogen. Zunge noch trocken. Schweiß dauert fort; Haut weniger heiß; Puls weniger häufig (Ein— facher Bruſtſaft; Einreibung don 8 Grm. Salbe; Blaſen— pflaſter auf den linken Oberarm). Siebenzehnter Tag. Das Frieſel hat ſich auf der Bruſt entwickelt, übrigens iſt der Zuſtand derſelbe (1 Grm. von dem ſchwarzen Schwefel-Queckſilber; Einreibung von 8 Grm. Salbe). Achtzehnter Tag. Geſicht ein wenig aufgetrieben ; Zunge feuchter; Frieſel beinahe verſchwunden; Bauch ziem— lich weich, ſchmerzlos; Zuſtand beinahe fieberfrei (Einreibung von 8 Grm. Salbe; zwei Waſſerſuppen mit Fadennudeln; zwei Mal Fleiſchbrühe). Neunzehnter Tag. Mund kühl; Zunge grau; Auswurf ſchleimig, mit Blut durchzogen; Bauch weich; Haut feucht; Zuſtand völlig fieberfrei (1 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers; Einreibung von 8 Grm. Salbe; zwei Waſſernudelſuppen; zwei Mal Fleiſchbrühe; Fleiſchbrühe hat die Patientin som Beginne der Krankheit an fortwäh— rend erhalten). Zwanzig ſter Tag. Puls ein wenig gehoben; Mund feuchter. Die Einreibungen werden unterlaſſen. Einundzwanzigſter Tag. Mund in befriedigen— dem Zuſtande; Auswurf reichlicher (einfacher Bruſtſaft). 104. V. 16. 252 Zweiundzwanzigſter Tag. valeſcenz. Es ſtellte ſich alſo bei einem 19jährigen Mädchen nach phyſiſchen und geiſtigen Erſchütterungen ein nicht ausfeßen- des Fieber ohne Localiſation ein, welches gegen den zehnten Tag hin den typhöſen Charakter annahm. Nachdem ein Brechmittel und Abführungsmittel verordnet worden, ward die Behandlungsweiſe des Dr. Serres in Anwendung ge— bracht. Am 22ften Tage war die Reconvaleſcenz vollkom⸗ men ausgeprägt, nachdem die Patientin 5 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers eingenommen hatte, und 72 Grm. Mercurialſalbe eingerieben worden waren, ohne daß ſich Speichelfluß eingeſtellt hätte. Zweite Beobachtung. — Chinon, ein 6jähriger Knabe, wird am 20. Sept. von Kopfweh, Erbrechen und Fieber ergriffen. Das Fieber iſt anhaltend und erzeugt keinen localen Schmerz; der Leib bleibt verſtopft. Am dritten Tage erhält er des Morgens ein Brech-⸗ und Abführmittel, welches Ausleerungen nach oben und unten veranlaßt. Abends tritt Delirium ein, welches die ganze Nacht über fortdauert (Bruſttiſane, Gerſtenſchleim). Vierter Tag. Betäubung; leichtes Kollern im Blind— darme; kleine Flecken auf dem Bauche, die ſtarken Floh— ſtichen ähneln; Haut heiß, Puls häufig (1 Grm. Aethiops mineralis; eine Einreibung mit 6 Grm. Mercurialſalbe; ein ſtarkes Klyſtir mit Kleienwaſſer Morgens und Abends). Fünfter Tag. Die Betäubung beſteht fort; das Delirium hört auf; allgemeiner Schweiß (Eine Einreibung von 6 Grm. Salbe; dieſelbe Mixtur; dasſelbe Klyſtir). Sechster Tag. Betäubung weniger entſchieden; Schweiße weniger ſtark; Frieſel auf dem Bauche und der Bruſt (1 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers; Einreibung von 8 Grm. Salbe). Siebenter Tag. Fieber weniger ſtark; verminderter Ausſchlag; feuchte Haut (Hühnerbouillon, Einreibung von 8 Grm. Salbe). Achter Tag. Zuſtand faſt fieberfrei; der Kranke verlangt ein wenig Milch zu genießen (1 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers; Einreibung von 6 Grammen Salbe). Neunter Tag. Die Feuchtigkeit der Haut erhält ſich; von Speichelfluß keine Spur (Die Medicamente werden weggelaſſen). Zehnter Tag. Reconvaleſcenz. Durch 3 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers und Einreibung von 36 Grm. Queckſilberſalbe ward das Fieber beſeitigt. Dritte Beobachtung. — Clodie R., 15 Jahr alt, von ziemlich guter Conſtitution und nervöſem Tempera— mente, war Migränen unterworfen, welche Erbrechen veran— laßten. Sie war am 11. Juli desſelben Jahres zum erſten Male menſtruirt geweſen. Seitdem war die Menſtruation weggeblieben. Zu Ende Juni hatte ſie eine 12jährige Schweſter durch das typhöſe Fieber verloren und hatte ſich über dieſen Todesfall ſehr betrübt. Am 30. Sept. bekam ſie einen Anfall von Migräne, welcher 24 Stunden dauerte; es folgten auf denſelben Nie— renſchmerzen und Fieber. Vollſtändige Recon⸗ 253 Den 1. October, alſo am zweiten Tage, dauert das Fieber ohne Froſtſchauder, Schweiße und Stühle mit un— regelmäßigen Exacerbationen fort; die Zunge bleibt feucht, die Haut heiß; Puls 120. Dritter Tag. Am Morgen vermindert ſich das Fie— ber einigermaßen; man verordnet in vier Gläſern Waſſer 0,05 Grm. weinſteinſaures Antimonium und Kali und 10 Grm. ſchwefelſaurer Magneſia. Erbrechen und gallichte Stühle; Nachmittags leichtes Naſenbluten; derſelbe fieberiſche Zuſtand ohne Röthung des Geſichtes. Vierter Tag. Zuſtand ſchmerzlos; Nacht leidlich zugebracht; neuer Anfall von Naſenbluten; Haut theilweiſe feucht; Harn trübe, ohne Sedimente; Abends nochmaliges Naſenbluten; Haut feucht; Puls 96 (Malven- und Veil— chenwaſſer; etwas Fleiſchbrühe; Morgens und Abends ein ſtarkes Klyſtir mit Waſſer). Fünfter Tag. Zuſtand noch immer ſchmerzlos; einige Tropfen Blut aus der Naſe; Nacht ziemlich gut; Zunge grau, ſchleimig, nicht roth; kein Durſt; Kollern im Blinddarme, das ſich indeß erſt nach dem Klyſtire hören läßt, welches, gleich dem geſtrigen, nicht wieder abgegangen iſt (Eine halbe Taſſe Milch; dieſelben Getränke). Abends Niedergeſchlagenheit, Hüſteln; Puls 108. Sechster Tag. Zuſtand ſchmerzlos; Niedergeſchla— genheit, Geſicht blaß; Lippen und Hände geröthet; Augen vorliegend; Hüſteln obne Röcheln; Zunge in demſelben Zu— ſtande; etwas Kollern rechts; allein das ſtarke Klyſtir bleibt wieder im Leibe. Weder Flecken, noch ſonſt ein Ausſchlag. Abends einige Tropfen Blut aus der Naſe; das Klyſtir geht, von wenigen Fäcalſtoffen getrübt, ab; dann findet eine zweite Afterausleerung Statt. Geſicht ſtärker geröthet und aufgetrieben; Kollern in der rechten Seite des Unterleibes; Puls 104. Siebenter Tag. In der Nacht zum erſten Male Delirium; Zuſtand fortwährend ſchmerzlos; ſechs kleine Flecken, wie Flohſtiche, auf dem Bauche; undeutliches Kollern im Leibe; Feuchtigkeit nur an den Händen klebrig. Das Klyſtir ging trübe ab; Haut heiß; Puls 98—100 (1 Grm. ſchwarzen Schwefel-Queckſilbers in 4 Pillen; eine Ein— reibung von 8 Grm. doppelter Mercurialſalbe in den Bauch). Abends iſt der Kopf frei, die Zunge weniger grau, der Harn reichlich und klar; die Haut durchgehends feucht; Puls 118 und 120. Achter Tag. Das Delirium kehrt in der Nacht zu— rück; Zunge weiß, feucht; die Stelle über dem Backenbeine, auf welchem der Kranke gelegen, bleibt roth; der Ausſchlag auf dem Bauche hat ſich entwickelt; fie leidet an Fäcalauftreibung; ſechs ziemlich große, wurſtförmige Fäces werden ausgeleert; Harn etwas trübe; Puls 102 (Dieſelben Getränke; drei Mal dünne Fleiſchbrühe; zwei ſtarke Klyſtire; Einreibung von 8 Grm. Salbe). Im Laufe des Tages 6 weiche und mehrere flüſſige Stühle, welche abgehen, ſowie ſich die Kranke auf die linke Seite legt. Neunter Tag. Fortwährendes Delirium in der Nacht; die Kranke beantwortet indeß die ihr vorgelegten Fragen richtig und ſagt, ſie leide nicht; zwei Mal in der 104. V. 16. 254 Nacht Naſenbluten; faſt über den ganzen Körper ein nicht zur völligen Entwicklung gekommener Frieſelausſchlag; Ne: ſpiration etwas blaſend; Hitze nicht ſehr ſtark; Puls 108 (Dieſelben Getränke; 1 Grammen ſchwarzen Schwefel- Queckſilbers; eine Einreibung von 8 Grm. Salbe; zwei ſtarke Klyſtire). Der Hautausſchlag erſtreckt ſich bis unter die Kopfhaare; Krämpfe in Armen und Beinen; in den großen Zehen am heftigſten. Zehnter Tag. Faſt beſtändiges Abſchweifen der Gedanken; Mund feucht; Zunge auf der Mitte braun; Kni— ſtern im Blinddarme, aber kein Kollern. Vier Stühle von unverdauten Stoffen; Harn klar; Hautausſchlag in dem— ſelben Zuftande (Dieſelben Getränke; zwei Waſſernudelſuppen; eine Einreibung von 8 Grm.; zwei ſtarke Klyſtire). Elfter Tag. Die Nacht noch unruhiger; vorüber— gehende Betäubung; Hüſteln; wenn die Kranke zur Beſin— nung kommt, macht ſie ſich über ihren Zuſtand Sorgen; das Frieſel iſt auf dem Bauche weniger deutlich; an den Seiten, im Geſichte, auf der Bruſt und an den Armen deutlicher; die Zunge reinigt ſich; die Schleimhaut des Zahn— fleiſches und der Lippen iſt roth; die Stühle roh, weniger braun; Haut heiß; Puls 96. Die Kranke kann die Pillen nicht nehmen. Man verordnet ihr 1 Grm. ſchwarzes Schwefel-Queckſilber in einem Tranke, der auf ein Mal genommen wird (Eine Einreibung von 8 Grm. Salbe; zwei Waſſernudelſuppen; zwei ſtarke Klyſtire). Zwölfter Tag. Zum erſten Male einige Stunden Schlaf, der durch gellendes Geſchrei unterbrochen ward; am Morgen Betäubung, allein vernünftige Antworten. Ein ziemlich ſtarker Anfall von Naſenbluten; die Zunge reinigt ſich; Hüſteln; die Kranke hat ſich an der Seite aufgelegen; das Kollern iſt auf der linken Seite deutlicher, als auf der rechten; allein das Klyſtir iſt noch nicht wieder abgegangen. Der Hautausſchlag iſt großentheils verſchwunden (Eine Ein— reibung don 8 Grm.; übrigens dieſelben Mittel). Um— kleiden; drei Stunden auf einem Gurtbette; während der ganzen Dauer der Krankheit iſt die Kranke jeden Tag in ein friſches Bett gebracht worden und hat die Wäſche häufig gewechſelt. Vierzehnter Tag. Die Nacht durchaus eben ſo unruhig; ſehr gellendes Geſchrei; dennoch ſprach die Pa— tientin jedes Mal Morgens und Abends ihr Gebet mit lauter Stimme ohne Anſtoß her; dieſe Erſcheinung hat ſich wäh— rend der ganzen Dauer der Krankheit regelmäßig erneuert. Die Papillen ſind erweitert, die rechte mehr, als die linke; dieſen Morgen ein ruhiger Schlummer; beim Trinken wirft ſie ſchaumige Stoffe aus; Geſicht, Rumpf und Arme feucht; Haut weniger heiß; Puls 96— 100; keine Stühle im Laufe des Tages (Zwei Waſſernudelſuppen; zwei Mal Fleiſchbrühe; die Einreibungen werden unterlaſſen). Funfzehnter Tag. Die Nacht ruhiger; die Kranke wähnt, ihre Schweſter ſei wieder auferſtanden. Zwei Anfälle von Naſenbluten; Zunge lebhaft geröthet; Sprache verwor— ren und ſchwach; das linke Bein fühlt ſich kalt an, ein reich— licher Stuhl (Umkleiden; dasſelbe Getränk; zwei Waſſernudel— ſuppen, zwei Mal Fleiſchbrühe, zwei Klyſtire mit Kleienwaſſer). 255 Sechzehnter Tag. Die Nacht über noch Irrereden; Haut von natürlicher Wärme; Puls 84. Drei ſtarke Stühle; Harn dunkler gefärbt, aber ohne Sediment (Zu den Nah— rungsſtoffen wurde ein Glas Milch hinzugefügt). Siebenzehnter Tag. Die Patientin klagt, wie gewöhnlich, nicht über Schmerzen; Auswurf und Speichel ein wenig roſenroth; Stuhl zum erſten Mal verdaut und gehörig geformt. Sie verlangt zu eſſen (Schwacher Kaffee mit Milch ohne Gebäck; Diät übrigens dieſelbe). Achtzehnter Tag. Völlig fieberloſer Zuſtand; des Nachts beſteht indeß das Delirium fort; nachdem die Pa— tientin um Mitternacht einen Eßlöffel voll Bordeaurwein erhalten, ſchlummert ſie bis 5 Uhr Morgens. Neunzehnter bis fünfundzwanzigſter Tag. Der fieberiſche Zuſtand iſt nicht wieder eingetreten; die Fune— tionen ſind regelmäßig geworden, allein das Delirium hat bis heute ſelbſt den Tag über fortbeſtanden. Sobald man jedoch die Kranke anredet, kann ſie ihre Gedanken ſammeln. Die Reconsvaleſcenz iſt entſchieden eingetreten. Die Patientin hatte 4 Grm. Schwefel-Queckſilber eingenommen, und es waren 40 Grm. Mercurialſalbe eingerieben worden. Die Patientin vertrug dieſe Mittel und genas ziemlich bald. Zu bemerken iſt, daß die Mutter, welche die Einreibungen eigenhändig ausführte, durchaus nicht von Speichelfluß befallen wurde, während der Zuſtand des Mundes der Patientin von der Art blieb, daß er, in— ſofern keine Mercurialmittel angewandt worden wären, keine beſondere Aufmerkſamkeit erregt haben würde. In keinem der obigen ſowie noch einiger im Ori— ginal ſpeciell aufgeführter Fälle wurden mehr als 5 Grm. Schwefelqueckſilber oder mehr als 72 Grm. Mercurial- ſalbe angewandt; in keinem entftanden durch die Queckſil— bermittel die geringſten üblen Zufälle. Jedes Mal trat Ptyalismus ein, ſobald ſich derſelbe offenbarte, ließen wir aber die Medicamente weg. Die auffallendſte Wirkung dieſer Behandlung war, daß der eigenthümliche Hautausſchlag durch dieſelbe begünſtigt und dann gehoben wurde, und daß fie ſehr raſch auf das Circulationsſyſtem Einfluß äußerte, ſo daß die Thätigkeit des Herzens und die Hitze gemäßigt und die Diaphoreſe begünſtigt wurde. Der Einfluß des Krankheitsprincipes auf das Nerven— ſyſtem war hartnäckiger und dauerte ſelbſt dann noch fort, als das Leben der Patientin nicht mehr in Gefahr ſchwebte; - zuleßt ſtellte ſich jedoch die Harmonie des Nervenſyſtemes her, und die Reconvaleſcenz war nicht langwierig. 104. V. 16. 256 Wenn die in dieſen Fällen gemachte Beobachtung, daß durch die Serres' ſche Behandlung der Frieſelausſchlag begünſtigt werde, ſich durchgehends beſtätigen ſollte, ſo ſpräche dieſer Umſtand ſehr zu ihren Gunſten, da der Frieſelaus— ſchlag bei typhöſen Fiebern von guter Vorbedeutung iſt. Übrigens wollen wir keineswegs behaupten, daß dieſe Curmethode unfehlbar ſei; denn die Epidemien des typhöſen Fiebers haben nicht ſtets denſelben Charakter, und was in dem einen Falle ausreicht, thut es in dem andern vielleicht nicht. Fernere Erfahrungen müſſen uns über dieſen Punkt noch weiter aufklären. a Für gutartige typhöſe Fieber möchten wir ſie ſchon jetzt nicht empfehlen, ſondern nur für ſolche, wo das Krank— heitsprincip die Functionen des Nervenſyſtemes tiefgreifend ſtört, wo der Kopf eingenommen, die Blutmiſchung ungünſtig verändert wird und faulige ataxo-adynamiſche Erſcheinungen eintreten. (Gazette med. de Paris, 8. Janv. 1848.) Mifcellen (310) Eine eigenthümliche Deformität des ute- rus, welche in den erſten Monaten der Schwangerſchaft das frei⸗ willige Berſten dieſes Organes veranlaßte, zeigte ſich, wie das Buffalo medical Journal und nach dieſem The Lancet, Nov. 1847 berichtet, bei der Leichenöffnung eines ſiebenzehnjährigen Frauen⸗ zimmers, welches von Kolikſchmerzen befallen wurde und bald darauf ſtarb, nachdem es bis 3 Monate vorher regelmäßig men⸗ ſtruirt geweſen war. Die Abdominalhöhle war mit geronnenem Blute gefüllt, welches einen 3 — 4 Monate alten Fötus umgab. Der uterus war an der rechten Seite vom Grunde bis faſt an den Hals zerriſſen. Das linke ovarium und die linke Fallopiſche Röhre fehlten ganz. Rechts waren dieſe Organe vorhanden, aber die Fallopiſche Röhre mündete in der Nähe des Halſes ein und das ovarium lag in demſelben Verhältniſſe tiefer als gewöhnlich. Der uterus war ſo entwickelt, wie er es im dritten oder vierten Monate der Schwangerſchaft zu ſein pflegt. Der Mutterkuchen ſaß an der linken Seite in der Nähe des Grundes. Auf der geborſtenen Seite des uterus war deſſen Wandung ungemein dünn. An der geborſtenen Stelle ſelbſt ſchien ſich nichts als das peritonaeum zu befinden, und in der Nähe derſelben ließ ſich die Subſtanz leicht mit den Fingern zerreißen. Auf der linken Seite hatte die Wan⸗ dung die gewöhnliche Stärke, doch nicht das normale faſerige An⸗ ſehen. Als man den Hals unterſuchte, ließ ſich keine Offnung, auch keine Spur vom os tincae erkennen. Der Hals nahm ſich aus wie eine Sehne, ohne jedoch ein ſo dichtes Gefüge darzubieten. Zwiſchen der Höhle des uterus und der vagina beſtand durchaus keine Verbindung. Nekrolog. — In Baden iſt der allgemein rühmlich be⸗ kannte Badearzt Dr. Pittſchaft, ein fleißiger Schriftſteller in der mediciniſchen Journaliſtik, am 3. Febr. d. J. geſtorben. Bibliographiſche Neuigkeiten. Campagne dans les mers de l’Inde et de la Chine, à bord de la fregate l’Erigone, commandee en 1841, 1842 et 1843, par M. Cecile, capitaine de vaisseau, et en 1843 et 1844, par M. Roy, capitaine de vaisseau. Publie ar ordre du roi sous la direction de M. Te baron de Mackau, ministre de a marine et des colonies. Tome II. Metéorologie, par M. A. Delamarche, ingenieur hydrographe, et M. J. Dupre, lieutenant de vaisseau. In 8° de 23 feuilles 4/,. Paris 1847. Etudes géologiques et mineralogiques, ou Considerations pour servir à la classification rationelle des terrains, ä celle de l’äge relatif des min'raux et des roches, ainsi qu’ä celle du metamorphisme; par A. Riviere. Pre- miere partie. Considerations pour seryir à la theorie de la classification rationelle des terrains. In 8° de 18 feuilles ¼. Paris 1847. Notes et observations pratiques sur la dyssenterie et la cholérine. Formules, traitement de la cholerine par la quinine unie aux astringents; par M. P. de Mignot. In 8° de 2 feuilles / Bordeaux 1847. N Lettres sur la Lithotritie ou l’Art de broyer la pierre; par le docteur Ci- viale. Sixieme lettre. In 8° de 12 feuilles. Paris 1847. (3 fr. 50 ct.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 105. (Nr. 17 des v. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. Sace, Veränderungen im Hühnereie während des Bebrütens. — Miſcellen. Papen, Anſteckungsvermögen der botrytis infectans. Jameſon, Oca, eine nährende Pflanze Südamericas. — Heilkunde. Meynier, Beobachtung in Betreff des Zurückweichens der Lunge. — Cooper, über reizbare Geſchwüre im Maſtdarme und deren Behandlung. — Miſcellen. Snow, über Chloroform im Vergleich mit dem Schwefeläther. Rilliet, Entzündung der jeröfen Membran der Hirnventrikel. — Bibliographie. Naturkunde. XXX. über die im Hühnereie während des Be— brütens Statt findenden Veränderungen. Von Sace. Chemiſche und phyſiologiſche Erſcheinungen bei Hüh— nern, die mit Gerſte gefüttert wurden. In dieſem erſten Paragraphen ſucht der Verf. durch lange fortgeſetzte Verſuche den Einfluß und die Wirkungsweiſe desſelben Nahrungsmittels auf dieſelben Thierindividuen zu ermitteln; ihn beſchäftigt zunächſt die Ernährung erwachfener Hühner durch Gerſte. Am 13. November 1843 erhielt der Verf. einen ausgewach— ſenen Hahn und eine Henne der kleinen, pattue anglaise genannten Varietät, die beide von denſelben Eltern ſtammten, mit einander im Mai genannten Jahres ausgebrütet und beide ſehr munter und kräftig waren. Der Hahn beſaß ein gelbröthliches, am Schwanze und Flügelſaume grünlich ſchwarz gezeichnetes Gefieder und einen ſchönen gezähnten Kamm; ihm ſowohl wie der Henne fehlte der Kopfbüſchel; die letztere war ſchneeweiß, beide bis zu den Zehen herab befiedert. Beide Thiere wurden bald nach ihrer Ankunft in einen geräu— migen Drahtkäfig mit doppeltem Boden, einem oberen aus weit— maſchigem Gitterwerke, und einem unteren aus einer etwas grö— ßeren Zinkplatte, gebracht. Der verſchloſſene Käfig ward in dem nur dem Verf. zugänglichen Zimmer eines Gartenhauſes vor einem beſtändig verſchloſſenen, nach Süden gelegenen Fenſter aufgeſtellt, während ein anderes nach Oſten gelegenes nur 2 Schritte entfern- tes Fenſter Morgens und Abends eine Stunde lang geöffnet ward. Die Zimmerwärme war im Winter auf eine Temperatur von 15 bis 20% Gelf. erhalten, und eben fo im Sommer für nöthige Be— ſchattung geſorgt. Drei runde aus Zink verfertigte Futternäpfe waren mit hohlem Deckel in Form eines umgewendeten Kegels verſehen, ſo daß die Hühner auch nicht das mindeſte des Futters verſtreuen konnten; eins desſelben enthielt das Futter, das zweite kleine Kalkſtückchen, das dritte reinen geſiebten und gewaſchenen Quarzſand. Der In— halt dieſer Näpfe ward wöchentlich, oder wenn es nöthig war, noch häufiger erneuert. In die vierte Ecke, die 3 übrigen waren für die Futternäpfe beſtimmt, ward ein Porcelannäpfchen befeſtigt, deſſen Waſſer täglich erneuert ward; letzteres ward aus einem tie— fen Brunnen gefchöpft und war etwas kalkhaltig, wurde aber eben fo No. 2085 — 985. — 105. 1. wenig wie die von den Hühnern conſumirte Menge desſelben nicht weiter beachtet, weil der Verf. eine genaue Beſtimmung desſelben für unmöglich hielt, indem beide Vögel bei jedesmaligem Trinken viel Waſſer verſpritzten. Die beiden Thiere erhielten zuerſt abwechſelnd Hafer, Weizen, gekochte Kartoffeln und Gerſte, vom 21. Nov. an wurden ſie indeß ausſchließlich nur mit Gerſte gefüttert, jedoch der Kalk und Quarz— ſand beibehalten. Ein Erkranken der Henne hinderte den Verf. an der ſofortigen Ausführung ſeiner Verſuche, erſt am 13. Januar erholte ſie ſich von einer langwierigen Diarrhöe, bei der ſie jedoch munter und eßluſtig geblieben war. An dieſem Tage ſchien ſie ſehr an Koliken zu leiden, ward deßhalb Abends in ein warmes Bad gebracht, und legte eine halbe Stunde ſpäter ein nur von einer dünnen Haut bekleidetes Ei; gleich darauf ward ſie ruhig, ſchlief ein und war von Stunde an hergeſtellt. Am 14. Januar begannen des Verf. Verſuche mit beiden Thie— ren. Zunächſt war es ihm um die von beiden verzehrte Gerſte und um das Gewicht und die Zuſammenſetzung ihrer Exeremente zu thun, um aus der Differenz den von den Lungen und der Haut verbrauchten Antheil, ſowie aus der Gewichtszunahme der Thiere die Quantität der aſſimilirten Nahrungsſtoffe direct zu beſtimmen. Da nun die Hühner, wie der Verf. bemerkte, nur während der erſten Stunden der Nacht und des Morgens erſt nach dem Freſſen Erxcremente entließen, fo wählte der Verf. die Zeit vor ihrer erſten Mahlzeit zur Gewichtsbeſtimmung und hatte damit einen feſten Anhaltepunkt gewonnen. Am 13. November Abends 9 Uhr wurden ſämmtliche Futter— näpfe des Käfigs gewogen und am 14. um 7 Uhr Morgens das Gewicht der Hühner ſelbſt beſtimmt. Der Hahn wog. 772,220 Gr. Die Henne 626,160 = Sie erhielten Quarzſand „689,865 ⸗ Kreide EB EIRRB T- Gerſte 600961 Der Sand war bis zum Rothglühen erhitzt, das Gewicht der Kreide und Gerſte dagegen nach einer bei 100° Celſ. unter einem trockenen Luftſtrome getrockneten Probe berechnet; dasſelbe Verfah— ren ward während der ganzen Verſuchsdauer inne gehalten. Das Huhn zeigte, obſchon ſich vollkommen wohl befindend, einen ſehr geſpannten Leib, legte auch in der Nacht vom 17. 17 259 auf den 18. Januar ein mit vollkommener Schale verfehenes Ei, das im friſchen Zuſtande 22,660 Gr., trocken dagegen 7,897 Gr. wog. I Am 21. Januar 7 Uhr Morgens war der erſte Verſuch be— endigt; ſchon Abends vorher waren die Futternäpfe entfernt; beide Vögel hatten ſich während der ganzen Dauer des Verſuches ſehr wohl befunden. Der Hahn wog nunmehr 790,725 Gr. Die Henne e nne Beide hatten in einer Woche verzehrt Sand 105,515 „ Kreide 772 Gerſte .. 465,249 = Die Ercremente wurden alle Morgen um 9 Uhr mit einem Platinbleche, ſowohl vom Gitter- als vom Zinkboden bis auf die letzte Spur entfernt, ſogleich ins Waſſerbad gebracht und unter einem Strome trockener Luft bei 100 C. getrocknet, wobei indeß, wie der Verf. ſelbſt geſteht, ein geringer Verluſt durch Ammoniak- entwicklung Statt fand. Die ſämmtlichen während der Verſuchs⸗ zeit erhaltenen und fo getrockneten Ereremente wogen 229,0707 Gr. Das Gewicht des Hahnes hatte ſich demnach um 18,985 Gr. vermehrt, das der Henne um 21,660 Gr. vermindert, wenn man jedoch das 22,660 Gr. ſchwere Ei in Anſchlag bringt, um 0,675 Gr. vermehrt. Im Beſitze dieſer Zahlen wendet ſich der Verf. zur Elementar⸗ analyſe des Futters und der Excremente. Die benutzte Gerſte enthielt 13,370 Proc. Waſſer und gab im trocknen Zuſtande, auf den ſie überall berechnet worden, 3,3259 Proc. Aſche, welche im Mittel 0,0028 Proc. Schwefel enthielt, der wahr— ſcheinlich in Form von Sulphaten zugegen war; mit Salpeter ver⸗ brannt, gab dieſelbe trockne Gerſte im Mittel 0,14090 Proc. Schwefel. Nimmt man nun den Schwefelgehalt der Aſche zu 0,00009 Proc. an, fo bleibt nach Abzug desſelben 0,14081 Proc. Schwefel, der den ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen der Körner angehö— ren muß. Der Verf. hielt dieſe Schwefelbeſtimmung für nothwendig, um ſich von dem geringen ſtörenden Einfluſſe des Schwefels auf die Reſultate der Elementaranalyſe verſichern zu können. Zwei nach der Methode von Will und Varrentrapp aus⸗ geführte Stickſtoffbeſtimmungen ergaben für dieſe Gerſte 2,288 und 2,274 Proc. Stickſtoff; demnach einen mittleren Stickſtoffgehalt von 2,281 Proc., mithin etwas weniger wie Bouſſingault ge⸗ funden, was von der Varietät der Gerſte und dem Boden, auf dem fie gewachfen, herrühren mochte. Zwei Verbrennungen mit chrom— ſauren Blei ausgeführt, ergaben mit Berückſichtigung der Aſche auf 100 Theile berechnet, 1. II. Mittel. Kohlenſtoff. . . 45,599 45,339 45,469 Waſſerſtoff. .. 6,422 6,375 6,399 Stickſtoff.. . 2,281 2,281 2,281 Sauerſtoff. . . 45,693 46,003 45,851 100,000 100,000 100,000 Die auf dem baſaltiſchen Thalboden von Gießen gewachſene bei 100° Celſ. getrocknete Gerſte beſtand demnach in 100 Theilen aus: Kohlenſtoff 43,9568 Gr. Waſſerſtofkß. . 6,1862 = Sauerftoff . 44,3260 = Stickſtoff 2,2051 Aſche 3 100,000 = Die bei 100° C. getrockneten Excremente wogen, wie ſchon ifi 229,0707 Gr. Der Aſchengehalt derſelben betrug 52,6452 Das Gewicht des Quarzſandes, das für ſich beſtimmt ward 68,9676 = nach deren Abzug die organiſche Sub— ſtanz dieſer Ereremente . . 107, 4579 = beträgt. 105: 1774 260 100 Theile diefer Ereremente enthielten demnach Quarzſand .. 30,1075 Gr. N 22,9821 ⸗ Organiſche Subſtanz . 46,9104 = 100,0000 + 100 Theile der von Sand befreiten Erevementenafche enthielten 0,0000 13 Schwefel; der Schwefelgehalt der mit Salpeter verbrann⸗ ten Ereremente war um 0,0000058 höher, konnte demnach auch hier auf die Elementaranalyſe keinen ſtörenden Einfluß übeu; dagegen ward die Genauigkeit derſelben durch allzu kleine nicht abſolut zu entfernende Sandkörner, ſowie die ungleichmäßige Vertheilung des doppelt-harnſauren Ammoniaks ſehr beeinträchtigt. Der Stickſtoffgehalt betrug nach 2 Beſtimmungen 3,980 und 4,121, im Mittel alſo 4,050 Proe. Drei Verbrennungen mit chromſaurem Blei ergaben: IL II. III. Mittel. Kohlenſtoff 49,066 46,829 44,796 46,8970 Waſſerſtoff . 6,622 6,252 5,908 6,2607 Stickſtoff 4,050 4,050 4,050 4,0500 Sauerſtoff . 40,262 42,869 45,246 42,7923 100,000 100,000 100,000 100,000 In 100 Theilen dieſer trocknen Exeremente find demnach ent— halten: Kohlenſtofff . . 21,9995 Gr. Waſſerſtofffßfk 2970 Stickſtoffßfß 8 Sauerſtoff . 20,0740 = Aſche und Quarzſand 53,0896 § 2. über die Bildung und das Legen der Eier bei Hennen, die mit Gerſte gefüttert wurden. Die Hühner verblieben in denſelben Verhältniſſen, die Henne hatte in ſehr unregelmäßigen Zwiſchenräumen noch 3 Eier gelegt, die indeß keine Schale hatten. Es ſchien dem Verf. als ob die Thiere einen Widerwillen gegen die Kreide hätten, er erſetzte ſie deshalb durch ein zerkleinertes Kalkgeſtein, das außer kohlenſaurem Kalk nur Spuren von Alkali und Talkerde enthielt. Die Henne verſchlang dasſelbe mit Gier; ihr ſechstes Ei, was ſie bald darauf legte, hatte, wie 24 ihm freiwillig folgende, eine vollkommen ent⸗ wickelte Schale. Bekanntlich iſt der Dotter lange, in einzelnen Fällen 3 Wochen vor dem Abgange des Eies gebildet; doch weiß man weder, wie früh er ſich vom Eierſtocke löſ't, noch wie viel Zeit er gebraucht, um ſich im Eileiter mit Albumen zu umgeben, eben ſo wenig die zur Bildung der Schale nöthige Zeit; die letztere Frage glaubt der Verf. jetzt beantworten zu können. Wenn man nämlich den After einer Henne vorſichtig unter— ſucht, ſo kann man das Ei, das am folgenden Tage gelegt werden ſoll, deutlich fühlen; dasſelbe iſt noch vollkommen weich; nun hatte der Verf., wie früher erwähnt, beobachtet, wie ein Bad den Aus» tritt des Eies beſchleunige, er bediente ſich deßhalb wiederum des— ſelben Mittels und zwar um nicht getäuſcht zu werden, zu drei verſchiedenen Malen, indem er zwiſchen jedem Verſuche der Henne eine Friſt zum ein- bis zweimaligen freiwilligen Legen geſtattete; letzteres erfolgte immer zwiſchen 8 und 9 Uhr Morgens, die Eier waren in dieſem Falle immer mit einer Schale verſehen, wenn er dagegen, wie es bei den erwähnten 3 Verſuchen geſchah, die Henne gegen 8 Uhr Abends badete, jo legte fie zwiſchen 9 und 11 Uhr Abends ein Ei, dem jede Schale fehlte, dieſelbe muß ſich demnach innerhalb 10 bis 12 Stunden entwickeln. Über den anatomiſchen Bau, die Entſtehung und chemiſche Zuſammenſetzung der Eier. Die beiden erſten hier zu beſprechenden Artikel ſind, wie der Verf. ſelbſt angiebt, dem Lehrbuche der fpeciellen Phyſiologie von Rud. Wagner entlehnt, weßhalb wir ſie als bekannt, nur in aller Kürze wiedergeben. 261 Das Hühnerei iſt von einer harten Kalkſchale (testa) umklei— det, die nach Prout aus 97 kohlenſaurem Kalk 1 phosphorſaurem Kalk 2 organiſcher Materie beſteht und für Gaſe und Waſſerdämpfe durchdringlich iſt, unter derſelben und an fie durch zarte Fädchen befeſtigt, liegt die mem brana testae, aus 2 Häuten beſtehend, deren innerſte das Albumen umkleidet. Nur am ſtumpfen Ende des Eies treten dieſe Häute von einander, um hier eine Luftblaſe zwiſchen ſich zu nehmen. Die membrana testae beſteht aus feſten Faſern, die ſich ganz wie coa— gulirtes Eiweiß verhalten. Die äußeren Schichten des Albumens find flüſſiger, wie die inneren den Dotterſtock umgebenden; letztere hängen mit der erſten Membran des Dotters durch zarte, um ſich ſelbſt gewundene Faden, den Hahnentritt, der an beiden Polen des Eies vorkommt, innig zuſammen. Unter dieſer membrana cha- lazifera liegt die cuticula vitelli, ein äußerſt dünnes ſchillerndes Häutchen, das den Dotter unmittelbar umgiebt. Unter derſelben und meiſt mit ihr loſe zuſammenhängend, liegt am oberen Theile des Eies der Keimfleck (2), der als der leichtere Theil des Dotters ſich nach oben wendet. Im jüngſten Zuſtande beſteht das Ei nur aus Eiweiß, in dem ſich nach und nach Oltröpfchen entwickeln, deren ſich immer mehrende Menge das Ei zuletzt ganz undurchſichtig macht. Mit der Entwicklung des Eies erweitert ſich auch der hin— tere Theil des Eierſtockes, in dem es eingebettet iſt, es wird von ihm in Form einer geſtielten Beere ausgeſtoßen. Der Verbindungs— ſtelle des Gies mit dem Eierſtocke gegenüber erkennt man zu dieſer Zeit einen weißen Streifen, den nachherigen Keimfleck, in dem man keine Blutgefäße wahrnimmt, während ſich vom Stiele des Eies aus viele rhombiſche Maſchen bildend, vielfach Gefäße über die ganze Hülle ausbreiten. Der Keimfleck liegt überhaupt an der dünnſten Stelle dieſer Hülle, die auch hier platzt, um das Ei zu entlaſſen, das in den Eileiter gelangt und durch deſſen Muskel— contractionen immer mehr abwärts geſchoben wird, bis er das trichterförmige Ende desſelben erreicht, hier mit Albumen bekleidet wird, ſeine Häute und zuletzt auch im unterſten weiteſten Theile des Eileiters ſeine Schale erhält. Letztere wird aus einer mit Kalk überſättigten milchigen Flüſſigkeit, die von den Wandungen des Eileiters ſecernirt wird und auf der Haut des Eies auskryſtalliſirt, gebildet. Das Ei ſcheint 24 Stunden in dieſem tafchenförmigen Theile des Eileiters zu verweilen. Über die chemiſche Zuſammenſetzung des Eies ſind vom Verf. nur im allgemeinen Verſuche angeſtellt. Das Weiße reagirte al—⸗ kaliſch, Eiſen und Schwefelcyanalkalien ließen ſich direct nicht nachweiſen; der Dotter war vollkommen neutral, auch in ihm waren genannte Stoffe direct nicht, wohl aber in ſeiner Aſche nachzuwei⸗ ſen. Ein hart gekochtes Eigelb mit Ather von 10 bis 15% C. ausgezogen, verliert ſein Ol, wird weiß und zerfällt beim Schütteln des Glaſes in weiße, dem Stärkemehl ähnliche Körner; extrahirt man dagegen einen ungekochten Dotter mit Ather, ſo bildet er eine compacte weiße Maſſe, die ſehr viel Ather zurückhält und erſt beim Kneten abgiebt; der Verf. ſchließt daraus auf einen zuſam— menhängenden zelligen Bau des Dotters, deſſen ölerfüllte Zellen vom Ather durchdrungen und ihres Oles beraubt werden, während in den coagulirten Zellwänden ein Theil des Athers zurückgehalten wird. Beim gekochten Eie mußte dagegen das albuminöſe Zell— gewebe gerinnen und durch die Ausdehnung ſeines Inhaltes platzen und ſo der mit Ather behandelte Dotter zerfallen. 5 Der Verf. im Dotter der von ſeiner mit Prout fand im Dotter Gerſte gefütterten Henne gelegten Eier. Albumin 17 19,49 1 20 27,84 Waſſer 54 52,67 100 100,00 Des Verf. Analyſe ſcheint die allgemeine Meinung, daß die Eier der kleinen Hühner reicher an feſten Stoffen ſeien, zu beſtäti⸗ gen. Die ätheriſche Köfung des Eieröles mußte unter einem Strome von Kohlenſäure verdampft werden, weil ſich das Ol bei Luftzutritt ſehr bald in 2 Schichten trennte, mehr und mehr Sauerſtoff auf⸗ nahm und zuletzt ein durchſichtiges bernfteinähnliches Harz bildete. 105. Wi 262 a Das Waſſer des Eies beſteht nach Boſtock aus Eiche ee ee 19,5 . Schlen ui Wafler . 80,0 100 Nach Berzelius enthält es 12 bis 13,8 Proc. trocknes Ei— weiß. Der Verf. fand in den von ihm benutzten Eiern ſeiner Henne feſte Stoffe 21,57 Waſſer . 78,43 100,00 Auch hier war demnach eine größere Menge feſter Stoffe wie in den Eiern gewöhnlicher Hühner zugegen. Schon Berzelius erkannte im Weißen des Eies eine in Alkohol lösliche Subſtanz, die Boſtock wahrſcheinlich als Schleim aufgeführt hat; auch der Verf. fand dieſelbe; ſie iſt in Alkohol und Ather löslich, ſcheidet ſich aber aus ihnen beim Schütteln mit Waſſer als lange und zähe weiße Faden ab. Das Weiße des Eies enthielt keine Spur von Fett. Ehe der Verf. nun zu den Veränderungen im Eie während der Bebrütung übergeht, wirft er noch einen Blick auf die Zuſam⸗ menſetzung des ausgebildeten zum Bebrüten geeigneten Eies. Im allgemeinen wird ſeine Zuſammenſetzung folgendermaßen angenommen: Schale und ihre Membran .. 11, Weiß des Eies Ju 59,7 D RUE IRHEREN SBERELONE 100,0 Nach Prout Nach Berzelius: Schale und deren Membran . 10,35 10,69 Weiß des Eies . eee 60,42 Dll NEN) 28,89 100,00 100,00 Nach Vauquelin (die Henne mit Hafer gefüttert): Schals „598 Thieriſche Subftan . - » 91,402 100,00 Die Eier der mehr erwähnten vom Verf. mit Gerſte gefütter— ten Zwerghenne gaben: im friſchen Zuſtande: bei 100° C. getrocknet: Schale und deren Häute 16,8854. 10,6713 Weiß des Eies . 47,4039. 10,2229 Dotter in, 25, 100,0000 Waſſer 52,6903 100,0000 Anatomiſche, phyſiologiſche und chemiſche Entwick— lung des Hühnereies. Auch hier diente das Wagnerſche Lehrbuch dem Verf. zum Führer. Bei 32 bis 40 C. entwickelt ſich der im ausgebildeten Eie bis dahin ſchlafende Keim mit großer Schnelligkeit; feine Ent- wicklung läßt ſich in 4 Perioden theilen. Erſte Periode. — Von dem Erſcheinen der erſten Anlage zum Embryo bis zur Bildung des erſten Circulationsſyſtems. Dieſe Periode umfaßt 2 Tage. Während der beiden erſten Stun— den löſ't ſich der Keim mehr und mehr von der cuticula vitelli, er wird häutiger, der ihn umgebende, mit Flüſſigkeit erfüllte Raum vergrößert ſich. 12 bis 15 Stunden nach dem Beginne der Be— brütung erſcheint der Keim als glattes, von der Dotterhaut voll— kommen getrenntes Blättchen; zwiſchen der 14. und 16. Stunde erſcheint die erſte Spur des Embryes als weißer in der Querachſe gelegener Streifen. Am zweiten Tage trennt ſich der ſchon 2 Li—⸗ nien lange Embryo immer mehr vom Dotter, indem er ſich über ihn erhebt. Die beiden Gehirnlappen, die Anlage der Bauchwan— dungen find ſchon vorhanden, bald erſcheint das Herz unter dem Kopfe des Embryos in eine Höhle gebettet. Gegen Ende des erſten und Mitte des zweiten Tages dehnt ſich der oberflächliche Theil des Dotters zu dunkeln Flecken um den Embryo aus, die wie kleine Inſeln durch zarte Ströme von einander getrennt werden; letztere A“ 263 vereinigen ſich zu einem großen Maſchennetze und füllen ſich mit einem noch farbloſen Blute. Das Herz wird mehr entwickelt, die beiden großen Venenſtämme treten auf, in ſie wird das noch farbloſe Blut des Herzens getrieben und umkreiſ't in ſeinen Verzweigungen den ganzen Embryo; auf ein Mal färbt ſich das Blut roth und ſeine Canäle werden zu wahren Gefäßen. 36 Stunden nach dem Ans fange der Bebrütung umgiebt ein Gefäßnetz den ganzen Embryo; um denſelben entſteht ein Canal, der ſpäter zur vena terminalis wird. Zweite Periode. — Bis zur Bildung eines zweiten Cir— culationsſyſtems. Sie beginnt mit dem dritten Tage der Bebrütung und endet mit dem fünften. Am dritten Tage umhüllt ſich der Embryo ganz allmälig mit einer zarten wafjererfüllten Haut, dem amnion. In dieſer Flüſſigkeit geht die Entwicklung weiter vor ſich; die Augen und der Schnabel erſcheinen. Am vierten Tage iſt das erſte Cir— culationsſyſtem (der Dotterkreislauf) in vollſter Thätigkeit; unter dem Kopfe des Embryos erſcheinen drei kleine bluterfüllte Knötchen, die abwechſelnd ſchwellen und zuſammenſinken; die drei Abtheilungen des Herzens. Letzteres ändert Form und Lage mehr und mehr, am vierten Tage vertauſcht es ſeine röhrenförmige Geſtalt mit der ſich immer mehr entwickelnden bleibenden; gleichzeitig erſcheinen die Wolffſchen Körper als kleine Blindſäcke, die ſich am fünften Tage zuſammenfalten und ſpäter die Nieren bilden. Die Gedärme erſcheinen am vierten Tage; die Rinne, welche den Darmcanal vorſtellt, ſchließt ſich an dieſem Tage vollſtändig und umgiebt den ganzen vitellus; der noch nicht geſchloſſene Schna— bel, ſowie die Kehle vereinigen ſich zu einer Röhre, dem larynx, an deſſen unteren Enden die Lungen als kleine Protuberanzen er— ſcheinen; die verſchiedenen Theile des Darmes entwickeln ſich einer nach dem andern. Schon in der zweiten Hälfte des dritten Tages der Bebrütung zeigt das rectum einen blaſenförmigen Auswuchs, die alantois, welche ſich als ein Sack nach oben und um den hin— teren Theil des Embryos ausbreitet und von Blutgefäßen, die aus einem Aſte der aorta entſpringen und mit dem Herzen direct zus ſammenhängen, netzförmig durchzogen iſt. Am fünften Tage bildet die alantois eine große, von einem zum Nabel führenden Stiele etragene Blaſe, die wie der Embryo 11 Millimeter lang iſt. Mit ihrer Entwicklung verſchwindet das primitive Reſpirationsſyſtem. Dritte Periode. — Von dem Alantoiskreislaufe bis zur Geburt des Huhnes. Vom ſechsten bis einundzwanzigſten Tage. Die beiden erſten Tage dieſer Periode gewähren ein beſonderes Intereſſe; jpäter findet nur ein allmäliges Wachſen der ein Mal gebildeten Organe Statt. Offnet man ein Ei zu dieſer Zeit, ſo liegt der Embryo nur noch von wenig Eiweiß umgeben, dicht unter der Schale; die Dotter— haut iſt ſo dünn geworden, daß man ſie von der Schleimhaut kaum zu trennen vermag; der Luftraum am ſtumpfen Ende des Eies hat bedeutend zugenommen. Je mehr ſich das Gefäßnetz, was beinahe 2% des vitellus umgiebt, entwickelt, um fo mehr breitet ſich auch die alantois aus; am ſechsten Tage erſcheint ſie als eine große flache Blaſe, die am ſiebenten Tage ihre Ausdehnung faſt verdop— pelt hat. Sie legt ſich etwas rechts vom Embryo und verdeckt ihm ſammt dem amnion, ihre obere Seite iſt am gefäßreichſten. Die pellicula vitellina platzt; das Eiweiß zieht ſich nach dem ſpitzen Ende und wird dort zu einer feſten, gelblichen Maſſe. Der vitellus hat ſeine frühere Conſiſtenz verloren und iſt viel flüſſiger geworden. Der Embryo nähert ſich allmälig dem ſtumpfen Ende des Eies. Vom ſechsten Tage an ſieht man beim Offnen des Eies die Bewegungen des jungen Huhnes. Der Amnionſack bläht ſich auf, ſchnürt ſich aber dem After des Embryos gegenüber zu einem Stielchen, dem Nabel, zuſammen, durch welchen der Stiel der alan- tois und eine Schlinge der Gedärme gehen. Am 9. oder 11. Tage erſcheinen längs der Mittellinie des Rückens die Spulen der erſten Federn. Die alantois umhüllt den Embryo immer vollſtändiger; in den letzten Tagen der zweiten Woche bilden ſich vorzugsweiſe die Hautbedeckungen. Zu Anfang der drit- ten Woche vertauſcht der Embryo die ihm zu eng gewordene Quer— achſe des Eies mit der Längsachſe desſelben. Die alantois umgiebt nunmehr den ganzen Embryo ſammt dem Dotterſack und iſt mit erſterem, ſowie mit der Schalenhaut feſt verbunden. Im Waſſer 105. V. 17. 264 der alantois ſchwimmen weiße flockige Subſtanzen, die der Verf. für doppelharnſaures Ammoniak hält; ſie ſtammen aus dem Harne des Küchleins, und ſollen nach Jacobſon aus freier Harnſäure beſtehen. Der Dotterſack wird immer kleiner; das Eiweiß und die Amniosflüſſigkeit ſchwinden gleichfalls mehr und mehr. Am neunzehnten Tage ziehen ſich die bisher außerhalb der Bauchhöhle befindlichen Gedärme in dieſelbe zurück und nehmen den vitellus mit ſich. Vierte Periode. — Schon 2 Tage vor der Geburt ver— nimmt man die Stimme des Küchleins; ſobald letzteres nur das chorion, die frühere alantois mit ſeinem Schnabel zu durchbrechen vermag und in den mit Luft erfüllten Raum am ſtumpfen Ende des Eies gelangt, reißt durch ſeine heftigen Bewegungen auch die Schale, das Hühnchen hilft mit ſeinem Schnabel dieſem Riſſe nach und entſchlüpft ſeiner Hülle. Der Verf. ſtimmt hierin nicht ganz mit Wagner überein: nach ihm liegt der Kopf der Vögel über einem Gewolbe, das rechts vom Elnbogen, links vom Kinne gebildet wird, den Schnabel nach unten gegen die Bruſt gedrückt; wie nun das Thierchen ſchreit und die Luft durch den larynx in die Lungen getrieben wird, muß auch der Kopf ſich heben und der Schnabel mit ſeinem kalkigen Anhange gewaltſam gegen die Schale ſchlagen; letztere wird dem— nach nicht vom Schnabel durchrieben, ſondern mit Gewalt durch⸗ ſtoßen; häufig wird die Schale in dieſer Weiſe früher als das chorion durchbrochen, was, wenn ein Abſchleifen derſelben durch den Schnabel Statt fände, nicht möglich wäre. Auch die Henne iſt bei dieſem Vorgange nicht unthätig, indem fie forgfäitig die vom Hühnchen losgebrochenen Schalenſtücke entfernt. Der Schnabel der neu geborenen Hühner würde ohne den kleinen Kalkknoten, der bald nach der Geburt abfällt, nicht im Stande fein, den Durch⸗ gang zu erzwingen; fobald derſelbe fehlt, ſterben die Hühnchen im Eie, aus dem ſie vergebens ſich frei zu machen ſich bemühen. (Schluß folgt.) Miſcellen. 39. Über das Anſteckungsvermögen der Botrylis in- fectans, des Pilzes der Kartoffelkrankheit, wurden von Payen neuerdings Verſuche angeſtellt. Er durchſchnitt mehrere geſunde Kartoffeln, höhlte ſie aus und füllte ſie mit dem körnigen Stoffe der erkrankten Rindenſchicht anderer Knollen, band die Stücke dar— auf zuſammen und legte fie an einen 15 bis 18» Gelf. warmen Ort. Nach 10 Tagen bekleidete ein weißer Schimmel die Höhlung der Kartoffeln; in allen hatte ſich die Botrytis bisweilen mit noch zwei andern Pilzen entwickelt. Die Fructification erſchien erſt ſpä⸗ ter; die kleinen Sporen platzen häufig im Waſſer des Object- trägers, einen körnigen Stoff entlaſſend, der dem in den Pilzfaden vorhandenen Stoffe ähnlich war und den der Verf. für das eigent⸗ liche Agens der Anſteckung hält. Um ſich von ſeiner Wirkung zu überzeugen, wählte er 8 durchaus geſunde Kartoffeln verſchiedener Sorten, durchſchnitt dieſelben und höhlte die eine Hälfte etwas aus; in zwei dieſer Kartoffeln brachte er eine Spur des erwähn- ten Schimmels, in zwei andere eine ähnliche mit der Nadelſpitze abgehobene Spur aus der erkrankten Frucht von Solanum Iycoper- sicum, die vier letzteren endlich ſollten zur Vergleichung dienen, ſie blieben unberührt. Jede Kartoffel ward, nachdem die Hälften an einander gebunden waren, in ein beſonderes durch einen Stöpſel ver— ſchließbares Glas gethan. Nach 5 Tagen war die Botrytis des Solani lycopersiei ſchon 5 Millimeter tief gedrungen, während die von der Kartoffel geimpfte ſich noch nicht ſo weit verbreitet hatte. 6 Tage ſpäter war in beiden Fällen die ganze Knollenſubſtanz von Pilz- faden durchdrungen, ohne daß eine Fäulniß zu bemerken war. Das Stärkemehl war verſchwunden, die ſtickſtoffhaltigen und fetten (2) Stoffe in einen rothbraunen körnigen Stoff verwandelt; die in- jicirten Stellen erhärteten beim Kochen u. ſ. w. Bei dreien war die Oberfläche der ausgehöhlten Stelle mit einer Schimmeldecke der Botrytis überzogen, die vierte Kartoffel zeigte nur vereinzelte 265 Pilzlager. Die A nicht mit der Botrytis in Berührung gekom⸗ menen Kartoffeln waren unverändert. Der Verf. ſchließt darnach auf eine Übertragung der Pilzſporen durch Winde, Regen u. ſ. w., welche entweder auf die Pflanze oder direet an die Knollen gelan— gen, dort platzen und durch Endoſmoſe aufgenommen werden; ihr Einfluß auf die Umſetzung der kohlenwaſſerſtoff- und ſtickſtoffhaltigen Verbindungen ſcheint dem Verf. um ſo natürlicher, da auch andere quaternäre Verbindungen ähnliche Zerſetzungen bewirken. (Com- ptes rendus, 15. Nov. 1847, No. 20.) 40. Zu den Nahrungspflanzen Südamerica's ge ur nach einem Briefe William Jameſons aus Quito, vom 7. uli datirt, die Oca, eine Oxalis-Art. Sie wird ganz fo wie die Kartoffel gebaut, gedeiht aber beſſer in kälteren Regionen, wo die Kartoffel nicht mehr fortkommt. Auf dem loſen vulcaniſchen Boden 105. V. 17. 266 des Pichincha ſteigt ſie noch über eine Höhe von 11,000 Fuß hin⸗ auf und gedeiht am Cayambe in einer ähnlichen Höhe; am reich— lichſten erſcheint ſie indeß zu Cumbal in der Provinz Paſto, wo der Kälte wegen kein Korn mehr fortkommt. Der Ernteertrag foll 20 bis 25 Procent liefern. Die länglichen Knollen wiegen jede über 8 Loth; ſie werden ausgegraben und 5 bis 6 Tage dem Feuer oder der Sonne ausgeſetzt und ſchmecken dann angenehm ſüßlich; fie werden von einigen den ſüßen Kartoffeln (Bataten ?) vorgezogen. Man kocht oder röftet fie wie die Kartoffeln und ſoll fie zu Paſto ſogar häufig roh genießen. — Eine zweite Pflanze, die Papa lisa (Melloca tuberosa), deren Knolle ſehr ſtärkemehlhaltig iſt, liefert ebenfalls ein wichtiges Nahrungsmittel, das von der indianiſchen Bevölkerung in großen Maſſen verzehrt wird. (The Gardner's Chronicle 1847, No. 42.) Heilkunde. (XXXIV.) Beobachtung einer in die Bruſthöhle eingedrungenen Wunde; aus dem Geſichtspunkte des Zurückweichens der Lunge betrachtet. Von Dr. Meyn ier zu Ornans. Es iſt mir unlängſt ein Fall vorgekommen, welcher die zwiſchen dem Profeſſor Bérard und Hrn. Gavarret einerſeits, ſowie der Gazette médicale andrerſeits ſeither discutirte Streitfrage zu erledigen ſcheint. Bevor ich über denſelben berichte, kann ich jedoch nicht umhin, meine Verwunderung Darüber auszuſprechen, daß keine der beiden ſtreitenden Parteien damit angefangen hat, ſich thatſächlich davon zu überzeugen, ob die Lunge wirk— lich zuſammenfällt, ſobald die äußere Luft in die Pleurahöhlen eindringt. Es haben allerdings bisher alle Phyſtologen und Chi— rurgen einſtimmig behauptet, daß, wenn durch zufällige Off— nung des Bruſtkaſtens die atmoſphäriſche Luft Zutritt zu den Lungen erhalte, dieſe Organe jederzeit zuſammen— fallen, ſei es nun wegen des Mangels an Gleichgewicht zwiſchen der in abnormer Weiſe eingedrungenen und der ein— geathmeten Luftſäule, oder wegen der der Lunge eigenthüm— lichen Zurückziehbarkeit. Die Richtigkeit dieſer Annahme wäre jedoch durch genaue Beobachtungen feſtzuſtellen. Beobachtung. Am 29. Sept., gegen 4½ Uhr Nachmittags, wurde ich nach dem Dorfe Scey gerufen, wo— ſelbſt ein blühendes Mädchen von 18 Jahren, Roſalie C., ſo eben das Opfer eines furchtbaren Unfalles geworden war. Ihr Kleid hatte ſich in das Räderwerk einer Dreſchmaſchine verwickelt; ſie war hingeſtürzt und von der Maſchine an der rechten Bruſt erfaßt worden, welche halb abgeriſſen worden war; und hätte ſich nicht dabei der Riemen ohne Ende von der Rolle verſchoben, fo würde man nur eine völlig verſtümmelte Leiche herausgezogen haben. Bei meiner Ankunft fand ich die Patientin in einem im Maſchinenhauſe ſelbſt aufgeſchlagenen Bette. Sie hatte keinen Augenblick das Bewußtſein verloren; ihr Geſicht war blaß, ihre Haut kalt, der Puls klein; allein ihre Intelligenz war unverſehrt, und fie benahm ſich äußerſt ſtandhaft. Eine gewaltige Wunde, welche vom innern Rande der rechten Bruſt von der Mitte ſeiner Höhe ausging, zog ſich genau am obern Rande um dieſes Organ hin und ſtrich, indem ſie den Hügel der Bruſt bei der Mitte ſeiner Höhe an deſſen äußerer Seite verließ, bis faſt an die Achſelhöhle. Dort wurde der bisher halbkreisförmige Riß polygonal und endete am hintern Rande der Achſelhöhle. Außerdem daß die Bruſt, deren oberes Segment vorwärts hing, halb ab— geriſſen war, zeigten ſich auch der m. pectoralis major und minor, der serratus anticus major und die innern und äußern Intercoſtalmuskeln zerriſſen, und die ſplit— terig gebrochene zweite, dritte und vierte Rippe bildeten nach ihrem Winkel zu eine Offnung, durch welche man einen mittelgroßen Apfel hätte einführen können. Dieſer gewaltige Bruch war durch den Druck des Theiles der Ma— ſchine veranlaßt worden, gegen welchen die Bruſt gezogen worden war, und die Krümmung der Rippen war dadurch fo geſteigert worden, daß ihre Elaſtieität den Bruch nicht hatte verhindern können. Trotz dieſer außerordentlich ſtarken Verletzungen war keine eigentliche Hämorrhagie eingetreten, was ſich aus der Natur der Mißhandlung erklärt. Durch die erwähnte Offnung ſah man die durch die Berührung mit der Luft bereits geröthete, aber keines— wegs zuſammengefallene Lunge, welche fortfuhr ſich bei jeder Inſpiration zu heben und bei jeder Exſpiration zu ſenken. Gleichzeitig ſtrich etwas atmoſphäriſche Luft mit Geräuſch zwiſchen die ſchwammige Lunge und die Pleura— oberfläche der, Thorarwandungen ein, und dann wieder aus der großen Offnung des Bruſtkaſtens aus, indem ſie das aus den Wundrändern triefende Blut vor ſich hertrieb und die Flamme eines davor gehaltenen Lichtes in Bewegung brachte, wobei ſich jedoch die Lunge nicht im ge— ringſten zurückzog. Dies Organ war übrigens un— verſehrt. 267 Dieſe Erſcheinung ſtand mit dem, was bisher für ausgemacht wahr gegolten, ſo ſehr im Widerſpruche; es warf die Anſichten, die ich aus meinem Bücherſtudium ge— ſchöpft, ſo völlig über den Haufen, daß ich meinen anweſen— den Freund, den Dr. E. Ordinaire, trotz der Dringlichkeit’ des Falles, darauf aufmerkſam machte. Auch Hr. Bon— jour, Director der Hüttenwerke von Scey, ein gebildeter Mann und gründlicher Geolog, überzeugte ſich von den er— wähnten Umſtänden. Dr. Ordinaire und ich vergewiſſerten ferner, daß zwiſchen den Oberflächen der Rippen - und Lungenpleure durchaus keine Verwaſchung Statt fand. Das Auge und der Taſtſinn lieferten uns in dieſer Beziehung den klarſten Beweis, der übrigens auch durch die Ausſage der Patientin und ihrer Mutter beſtätigt wurde, welche verſicherten, daß ein Lungenleiden irgend einer Art früher nicht vorgekom— men ſei. Nachdem dieſer weſentliche Punkt conſtatirt worden, ſchloß ich den langen Riß durch vier in angemeſſenen Ab— ſtänden eingelegte Nähte, deren verſchiedene Faden mittels des Wachſes, mit dem ich dieſelben beſtrichen, vereinigt wurden. Die Luft konnte nun nicht mehr in die Wunde eindringen, die ich vorher von Splittern und Zellgewebe— fetzen, die ſpäter herausgeſchworen ſein würden, gereinigt hatte. Nach dieſer Vereinigung ſah man an der Stelle der ſo gräßlichen Verletzung nur noch eine linienförmige Spur. Der Verband beſtand in einer mit Olivenöl getränkten gefenſterten Compreſſe, in einem dicken Bauſche von feinem Werch und in einigen durch eine um den Körper gelegte Binde feſtgehaltenen Compreſſen. Nach der Anlegung des Verbandes befand ſich Roſalie C. ſo gut, als es den Umſtänden nach möglich war. Es wurde ihr die Nacht über ein lauer Aufguß auf Linden— blüthen als Getränk, ſowie Stillſchweigen, Faſten und Ruhe verordnet. Am folgenden Tage machte das Wundfieber und be— ſonders die beginnende Beklemmung einen Aderlaß nöthig, den ich ſelbſt am Morgen vornahm und den Dr. Ordi— naire, welcher der Kranken näher wohnte, am Abende wiederholte. Rückſichtlich des Hauptpunktes dieſer Beobachtung würde es unnöthig ſein, auf die Einzelheiten des Verlaufes der Krankheit einzugehen. Der Tod erfolgte am zehnten Tage nach dem Unfalle. Da die Patientin jedoch eine ſo gräßliche Verletzung längere Zeit überlebte, ſo hegte ich die Hoffnung, die Lun— genpleura werde mit der Rippenpleura Adhärenzen eingehen und der Luft das Eindringen wirkſam verwehren, ſo daß, nachdem dieſe ſo heftige Erregungsurſache der Entzündung beſeitigt wäre, die äußere Wunde ſchnell vernarben würde. Die Cur würde allerdings durch das Herausſchwären einiger Rippenſplitter verzögert worden ſein; allein die äußere Con— tinuitätstrennung würde in dieſem Falle nur in wenigen Fiſtelöffnungen beſtanden haben. Leider ging dieſe Hoff— nung nicht in Erfüllung. Vom dritten Tage an lief aus dem an der Achſelhöhle befindlichen Ende der Wunde mehr 105. W 268 und mehr ſeröſe Flüſſigkeit, welche offenbar von der ent— zündeten Pleure ausging. Dieſe Flüſſigkeit war nie flockig, und ſpäter, als man in Folge des Schwärens der Naht— löcher wieder in die Bruſthöhle hineinſehen konnte, gewahrte man auf der entzündeten Pleure eben ſo wenig falſche Mem— branen. Auch dann war die Lunge nicht zuſam⸗ mengefallen, und eben ſo wenig fiel ſie zwiſchen den Rändern der wieder Elaffenden Wunde vor. Der Huſten blieb weniger ſtark und läſtig, als man hätte vermuthen ſollen. Der durchſichtige und in kleinen Maſſen abgehende Auswurf wurde nie roſtfarben oder blutſtreifig, ſowie er überhaupt nicht auf Pneumonie hindeutete, daher der Tod, abgeſehen von der allgemeinen Erſchütterung des Organismus, auf Rechnung einer ungemein heftigen Wundpleureſie zu ſetzen war. Wir ſelbſt hatten zu keiner Zeit auf eine, von allen Anweſenden für unmöglich gehaltene Heilung gerechnet. Viele glaubten, die Patientin werde den folgenden Tag nicht er— leben, und dennoch lebte ſie noch neun Tage. Dies war wohl der äußerſt kräftigen Behandlung zuzuſchreiben. Es wurden nicht weniger als ſechs Aderläſſe vorgenommen, welche man in den erſten Tagen durch ſtrenges Faſten un— terſtützte. Späterhin, als es ſchien, daß die antiphlogiſtiſche Behandlung zu weit getrieben worden ſei, geſtattete man der Patientin einige Löffel vegetabiliſcher Gallerte und Ha— ferſchleim. 0 Schließlich noch eine Bemerkung. Man hört beſtändig behaupten, daß, wenn eine der Seiten der Bruſt entzündet ſei, der Kranke, um auf der geſunden Seite freier athmen zu können, ſich inftinetmäßig auf die kranke lege. Roſalie C. lag aber ſtets auf der geſunden, was ſich übrigens aus den Schmerzen erklärt, die ſie andernfalls durch den Druck auf die Wunde erlitten haben würde. Indeß kann ich ver— ſichern, daß mir in meiner mehr als 20jährigen Praxis vielfach der Fall vorgekommen iſt, daß ſich die Kranken auf die geſunde Seite legten. A Aus obigem Berichte ergiebt ſich klar, daß bei Offnung der Bruſthöhle die Lungen nicht immer zuſammenfallen, und da dies hier in einem Falle geſchah, wo es nach allen Umſtänden hätte Statt finden müſſen, ſo möchte man faſt glauben, daß es überhaupt nicht geſchehe. Man wird zwar ſagen, eine negative Thatſache könne die entgegengeſetzten poſitiven nicht aufheben; allein es fragt ſich, ob dieſe letz— teren auf richtiger Beobachtung beruhen. Hat man hier nicht etwa, wie dies ſo oft vorgekommen, einen phyſtologiſch— pathologiſchen Gemeinplatz auf Treu und Glauben hin— genommen? Die Vivifectionen haben allerdings ihren Werth; allein eine ſolche am Menſchen ſelbſt gemachte Beobachtung ſcheint dennoch eine viel höhere Geltung zu verdienen. Ich mache mich, indem ich einer allgemein anerkannten Anſicht ſchroff entgegentrete, natürlich auf Widerſpruch ge— faßt, namentlich von Seiten der Redaction der Gazette me- dicale de Paris, welche dieſer Anſicht huldigt. Antwort der Gazette med. Wir müſſen uns unſererſeits auch wundern, daß Hr. Dr. Meynier nicht, bevor er die Meinung derer bekämpfte, welche an ein Zu— ſammenfallen der Lungen bei die Bruſthöhle öffnenden 269 Wunden glauben, z. B. einem Hunde die Bruſt auf beiden Seiten geöffnet und den Erfolg dieſes Experiments beob— achtet hat. Das Reſultat würde ihn vielleicht auf die Spur der Erklärung des ſcheinbaren Widerſpruchs, welcher zwiſchen der von ihm beobachteten Thatſache und den von vielen Chirurgen conſtatirten Erſcheinungen exiſtirt, geleitet haben. Wir erinnern uns bei dieſer Gelegenheit eines Umſtandes, deſſen Einzelheiten unſerem geehrten Correſpondenten hin— ſichtlich der von ihm nicht angeſtellten Verſuche Erſatz leiſten dürften. Vor 7—8 Jahren kam der fragliche Gegenſtand bei der königl. Akademie der Mediein zur Sprache. Profeſſor Cruveilhier zeigte ihr einen Hund vor, dem er beide Seiten des thorax geöffnet hatte und der dennoch fortlebte, ohne daß die Lungen zuſammengefallen waren. Auch Hr. Cruseilhier vertheidigte die Anſicht, welcher Hr. Mey— nier huldigt und berief ſich, gleich dieſem, auf eine an— ſcheinend unbeſtreitbare Thatſache. Mehrere Mitglieder, unter denen auch wir uns befanden, machten den Prof. C. dar— auf aufmerkſam, daß während des Einathmens die Haut die Offnungen im thorax vorübergehend bedecke und folglich die äußere Luftſäule ſo lange nicht einwirken laſſe. Man hielt nun die Wunden klaffend, und das Thier ſtarb bald in Folge der durch das Zuſammenfallen der Lungen eintreten— den Aſphyrie. Alsbald gab Hr. Cruveilhier feine Op— poſition auf und erkannte ſeinen Irrthum an. Iſt bei der von Hrn. Meynier gemachten Beobachtung nicht etwas ähnliches der Fall geweſen? Der Theorie nach hat man dies anzunehmen; denn was bei dem am lebenden Thiere angeſtellten Experimente unausbleiblich eintritt, das muß ſich unter denſelben Umſtänden auch beim Menſchen ereignen, d. h., wenn die pathologiſchen Umſtände denen des phyſio— logiſchen Erperimentes genau entſprechen. Wir ſind dem— nach a priori überzeugt, daß Hr. Meynier in einen ähn— lichen Irrthum verfallen iſt, wie der, welchen Hr. Cruveil— hier anerkennen mußte, wofür übrigens auch mehrere Umſtände des von ihm mitgetheilten Falles ſprechen. Zu— vörderſt war nur die eine Seite des thorax geöffnet, fo daß alſo die eine Lunge ihre Functionen normal vollziehen konnte. Demnach war die Kranke nicht in unmittelbarer Erſtickungs— gefahr. Ferner theilt Hr. Meynier mit, bei jeder Inſpira— tion ſei in die Pleurenhöhle eine nicht unbedeutende Menge Luft eingedrungen, und bei jeder Erſpiration mit Geräuſch und ſolcher Kraft ausgetrieben worden, daß ein Licht da— durch ausgelöſcht worden ſei “). Beweiſ't dies nicht, daß die Lunge wenigſtens vorübergehend zuſammenfiel und zwar um den Betrag der bei jeder Inſpiration eindringenden Luft ſich zuſammenzog? Aus dieſen Gründen, ſowie viel— leicht noch anderen, iſt die Beobachtung des Hrn. Meynier nicht ſo ſchlagend als ſie es auf den erſten Blick zu ſein ſcheint. Sie bildet nicht ein Mal eine Ausnahme von der Regel, ſondern allem Anſcheine nach nur eine durch eigen— thümliche Umſtände veranlaßte ungewöhnliche Form der Be— *) Dies iſt nicht genau: Hr. Meynter ſagt nur, das Licht ſei dadurch zum Flackern gebracht worden. Vgl. die obige hierauf bezüglich Selle . ub. 105. V. 17. 270 ſtätigung des Geſetzes, daß die den Bruſtkaſten öffnenden (wir wollen hinzufügen: klaffenden) Wunden die Lunge zum Zuſammenfallen bringen. Bis auf weiteres bleiben wir daher der Anſicht treu, daß die Lunge, wenn die Säule der atmoſphäriſchen Luft auf dieſelbe drückt, ſich vermöge ihrer Elaſtieität zurückziehe. (Gazette med. de Paris, 18. Dec. 1847.) (XXXV.) über reizbare Geſchwüre im rectum und deren Behandlung. Hr. B. Cooper beſchreibt in der Medical Gazette dieſe ſchmerzhafte Krankheitsform, welche auch häufig durch ihre Hartnäckigkeit dem Arzte viel zu ſchaffen macht, ſehr treu. Indem er von ſchmerzhaften Reizgeſchwüren überhaupt han— delt, ſagt er: a „Geſchwüre dieſer Natur haben nicht ſelten ihren Sitz im Maſtdarme, wo ſie ſich in Geſtalt einer langen, ſchmalen Spalte zeigen, die ſich längs einer der Falten der Schleim— membran in der Nähe des Afters hinzieht. Die Ränder der Spalte ſind durchaus nicht callös, und ſie hat große Ahnlichkeit mit den Riſſen, die man häufig an den Lippen findet. Die gewöhnlichſte Lage dieſer Geſchwüre iſt, meinen Beobachtungen zufolge, die hintere Medianlinie des Maſt— darmes, wenngleich ich deren auch zuweilen an den Seiten— wandungen desſelben gefunden habe. Ofters greifen fie nur bis eine kurze Strecke vom Rande des Afters nach innen, öfters erſtrecken ſie ſich aber auch bedeutend weit in den Darm hinein. Sie laſſen ſich aber ſtets entdecken, wenn man den Finger in den Maſtdarm einführt, da ſich dann die Natur des Leidens ſtets durch den außerordentlichen Schmerz, den der Kranke empfindet, ſowie der Finger mit der Spalte in Berührung kommt, zu erkennen giebt. Die Symptome der Krankheit ſind außerordentlich cha— rakteriſtiſch. Während des Stuhlganges empfindet der Pa— tient einen brennenden Schmerz, der bedeutend lange danach anhält. Von einem Stuhlgange zum andern hat der Kranke verhältnißmäßig wenig zu leiden, obwohl er zuweilen Bren— nen und Reißen in der Nähe des Afters verſpürt, die ſich jedoch in keiner Weiſe mit den Qualen vergleichen laſſen, die er zu erdulden hat, während die faeces über die geſchwü— rige Oberfläche und durch den sphincter durchgehen, welcher gewöhnlich in einem mehr oder weniger hohen Grade krampf— haft zuſammengezogen iſt. Die Därme ſind in dieſen Fällen mehrentheils verſtopft, und dieſes Symptom giebt zu der Frage Veranlaſſung, ob dieſe Verſtopfung nicht etwa mehr von der Abneigung des Patienten zu Stuhle zu gehen, als von irgend einer wirk— lichen Störung dieſer Function herrühre? Den beſten und in der That einzigen überzeugenden Beweis von der Eriſtenz der Krankheit kann man ſich indeß durch Einführung des Fingers in den Maſtdarm verſchaffen; beim Heraus— ziehen des Fingers findet ſich an dieſem ein Blutſtreifen, 271 an welchem man die Größe und Lage des Geſchwüres er: kennt. Geſtattet man der Krankheit eine irgend lange Dauer, ſo wird die Geſundheit des Kranken durch die beſtändigen Leiden bedeutend angegriffen, ſo daß man nach dem An— ſehen des Patienten das Leiden für bösartig halten könnte. Die Verdauung wird geſtört; der Appetit verſchwindet; bei der geringſten Anſtrengung, z. B. beim Huſten oder Schneuzen, fängt das Geſchwür an zu ſchmerzen, und durch jeden Diät— fehler werden die Schmerzen bedeutend verſchlimmert. Obwohl dieſe traurige Krankheit den gegen die reiz— baren Geſchwüre an andern Körpertheilen wirkſamen Mitteln nicht weicht, ſo iſt deren Behandlung doch ungemein ein— fach. Man führt den Zeigefinger der linken Hand bis ans Ende des Geſchwüres in den Maſtdarm, und an jenem hin ein gerades, geknöpftes Biſtouri bis über das Ende der Spalte; dann wendet man die Schneide des Inſtrumentes gegen das Geſchwür und durchſchneidet die ſchwärende Ober— fläche, ſowie die Faſern des sphincter, welche mit dem Grunde des Geſchwüres in Verbindung ſtehen. Dieſes Verfahren iſt in der Regel wirkſam; doch wenn irgend Grund zu der Vermuthung vorliegt, daß die unter dem Geſchwüre liegende Zellmembran an der Vereiterung Theil nimmt, ſo muß der Einſchnitt ſo weit fortgeſetzt wer— den, daß der Rand des Afters getrennt und ſo dem Eiter ſicher ein freier Abzug verſchafft wird. In Betreff der Nachbehandlung empfehle ich, ſobald ſich der Patient von den Folgen der Operation erholt hat, recht ſehr, daß er ſich daran gewöhne, beim Schlafengehen und nicht des Morgens zu Stuhle zu gehen, ſo daß er hin— terher 6— 8 Stunden liegt und fich alſo das rectum ſicher in das Becken zurückzieht, was, wenn der Darm ſich in einem krankhaften Zuſtande befindet, nicht geſchieht, wenn der Kranke gleich nach dem Stuhlgange feinen täglichen Geſchäften nachgeht. Ich habe dieſe Krankheit bei Frauen und in den höhern Claſſen des Volkes öfter getroffen, als bei Männern und in den niederen Claſſen. Hrn. Copeland verdanke ich die Bekanntſchaft mit dieſer Krankheit, ſowie mit der beſchriebenen Curmethode, welche für beinahe unfehlbar gelten kann.“ (The Lancet, Nov. 1847.) 105. W 7. 272 Miſcellen. (32) über das Chloroform im Vergleich mit dem Schwefeläther trug Dr. Snow der Westminster medical So- ciety am 20. Nov. 1837 mehrere Bemerkungen vor. Er erkannte an, daß das erſtere vor dem letzteren einige Vorzüge beſitze, ob— gleich als gefühlaufhebendes Mittel der Ather durch das Chloro— form durchaus nicht übertroffen werde und beide auf das Nerven— ſyſtem gleichartig einzuwirken ſchienen. Das Chloroform beſitzt indeß den Vorzug, daß deſſen Dämpfe weniger ſtechend ſind, daher man bei der erſten Einführung der Dämpfe in die Lungen weniger vorſichtig zu Werke zu gehen braucht als beim Ather. Auch wirkt es ſehr raſch und man braucht davon ungleich weniger als vom Ather, um dieſelbe Wirkung hervorzubringen. Bei einer Operation, die Dr. Snow unlängſt ausgeführt, ward nur 1 Flüſ⸗ ſigkeitsdrachme Chloroform conſumirt, während wenigſtens 10 Mal fo viel Ather erforderlich geweſen fein würde. Dr. Snow ſelbſt hatte Chloroformdämpfe bis zur Bewußtloſigkeit eingeathmet und ſich danach ſehr übel befunden, gerade ſo, wie wenn er Atherdämpfe angewandt hätte. Wenn der Ather ſeine Wirkung ſchnell äußert, findet vor der Bewußtloſigkeit keine Aufregung Statt, und in der noch viel raſchern Wirkung des Chloroforms liegt daher ein Haupt⸗ vorzug des letztern. 100 Cub. Zoll mit Chloroformdämpfen ge— ſättigter Luft enthalten bei 8o R. Temperatur nur 9 Cub. Zoll Dämpfe. (Das Verhältniß ſteigt indeß raſch, indem 100 Cub. Zoll Luft von 25“ R. 55 Cub. Zoll Dämpfe enthalten); während in einem gleichen Volumen mit Atherdämpfen geſättigter Luft von gleicher Temperatur, dem Maße nach 4 Mal und dem Gewichte nach 2 Mal ſo viele Dämpfe ſich befinden. Auch aus dieſem Grunde läßt ſich alſo das Chloroform leichter einathmen, weil zugleich faſt eben ſo viel Sauerſtoffgas in die Lungen kommt, wie beim Einathmen der gewöhnlichen Luft. Doch hat man darauf zu ſehen, daß die Tem= peratur des Zimmers nicht zu hoch ſei, weil ſonſt das Verhältniß der Dämpfe zu der Luft ſich ungünſtiger ſtellt. Dr. Snow zieht der von Dr. Simpſon empfohlenen einfachen Anwendung eines Schwammes oder Schnupftuches doch einen ordentlichen Einath— mungsapparat vor, weil im erſteren Falle zu viele Dämpfe verloren gehen, auch nie ermittelt werden könne, wie viel Ather oder Chloro— form eingeathmet worden ſei. Auch bemerkte Dr. Snow, daß eben weil das Chloroform viel raſcher wirke als der Ather, man bei deſſen Anwendung vor Unglücksfällen um ſo mehr auf ſeiner Hut ſein müſſe. (The Lancet, Nov. 1847,) (33) Rückſichtlich der Entzündung der ſeröſen Membran der Hirnventrikel iſt Dr. Rilliet zu Genf durch einen Fall, welcher mit chroniſchem hydrocephalus endigte, zu folgenden Ergebniſſen gelangt: 1) Die die Ventrikel ausklei⸗ dende Membran kann entzündet fein, ohne daß die arachnoidea oder pia mater an der Entzündung Theil nehmen. 2) Dieſe Art von meningitis wird durch Kopfweh, Erbrechen, Verſtopfung, ziem⸗ lich heftiges Fieber, ferner durch häufige Convulſionen ohne Stö— rung der Intelligenz charakteriſirt. 3) Die Entzündung kann in chroniſchen hydrocephalus, Abnahme der Intelligenz und völligen Blodſinn ausgehen. A) Bei dieſer Form des hydrocephalus iſt das ergoſſene Waſſer ſehr ſtark mit Eiweißſtoff geſchwängert. (Ar- chives générales de médecine, Dec. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. 8 Dictionnaire universel d'histoire naturelle, renfermant et completant tout les faits presentes par les encyclopedies etc. etc.; par MM. Arago, Baudement, Becquerel ete., publie par M. Charles d’Orbigny. Tome onzieme. 121. et 122. series. Faux-titre et titre, feuilles 1 3 18. 95 eptiles-Raccelle.) In 8% de 9 fenilles ½, plus 4 planches. Paris 1847. — (Prix de la serie, texte 1 fr., avec figures noires 1 fr. 5 ct. — Figures coloriees 2 fr. 75ct.) Zeitung für Zoologie u. s. W., herausg. von E. D’Alton u. H. Burmeister. 52 Nrn. hoch. 4°. 8 Thlr. O0. Wigand in Leipzig 1848. Handwörterbuch der Chemie, herausg. von Liebig, Poggendorf und Wöhler. 11 55 7. Lfg. gr. 80. Geh. ¼ Thlr. Vieweg u. Sohn in Braunschweig Memoires sur les Habes et des phenomönes optiques qui les accompagnent. Extrait du Journal de l’ecole royale polytechnique, XXXI. In 4% de 35 feuilles /. Paris 1848. Traite des maladies chirurgicales et des operations qui leur conviennent; par le baron Boyer, membre de l'Institut. Cinquieme edition, publiee par le baron Philippe Boe r. Tome IV. In 8° de 49 feuilles /, Paris 1848. (8 fr.) Herrich, K. u. K. Popp, der plötzliche Tod aus inneren Ursachen. Hoch 40. Geh. 3 Thlr. F. Pustet in Regensburg 1848. Eine reichhaltige Arbeit von wiſſenſchaftlich praktiſchem Intereſſe, auf die wir zurückkommen werden. Neumann, K. G., Hä ilmittellehre nach den bewährtesten Erfahrungen u. s. w. 2. Abth. (Schluss.) gr. 8%. Geh. 1 Thlr. 14 Sgr. F. Enke’s Verlags- buchh. in Erlangen 1848. Trait& de pharmacologie spéciale, ou Histoire médicale des espöces medica- menteuses; par le docteur A. Jaumes. Tome I. In 8% de 29 feuilles '),. Montpellier 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 106. (Nr. 18. des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. Veränderungen im Hühnereie während des Bebrütens. (Schluß.) — Miſeellen. Valz, Mittel alle Planeten, entdeckte und unentdeckte, in 4 Jahren zu finden. Exogonium Purga, die ächte Jalappenpflanze. — Heilkunde. Hayes Ku d, augenblicklicher Tod durch einen Schlag auf den Mund. — Willemin, üb. d. idiopath. Gebärmutterentzündung der Kindbetterinnen. — Miſcellen. Vergleichung der Wirkung des Chloroforms und Schwefeläthers. Bader aus Pferdefleiſchbrühe. — Bibliographie. Naturkunde. XXX. über die im Hühnereie während des Be— brütens Statt findenden Veränderungen. (Schluß.) Bebrütung der Eier von mit Gerſte gefütterten Hühnern. Am 10. Mai 1843 blieb die mehr erwähnte Henne lange auf dem Neſte und ſchien brüten zu wollen; am 11. Mai legte ſie noch ein, indeß ſehr kleines Ei und blieb nunmehr den ganzen Tag auf dem Neſte. Der Verf. entſchloß ſich deßhalb zu einer neuen Reihe phyſiologiſcher Verſuche. Am 13. Mai erhielt die Henne in einem Weidenkorbe, der ut mit Heu gefüttert war, 9 Eier, die am 8., 10., 12., 13. und 16. April, ferner am 6., 7., 8. und 10. Mai gelegt waren, zum Bebrüten. Die Henne hatte im Ganzen 32 Eier gelegt, von denen 26 vollkommen ausgebildet und 6 ohne Schale waren. Die der Henne zum Ausbrüten gegebenen Eier wogen zuſam— men 273,503 Gr., demnach jedes derſelben im Mittel 30,389 Gr.; die ſpäter gelegten Eier waren um 2, 3, 4 bis 5 Decigrammen leichter als die zuerſt gelegten. Nachdem die Henne eine Woche lang auf ihnen geſeſſen, wur⸗ den fie am 19. Mai 9 Uhr Morgens zum zweiten Male gewogen. Das Geſammtgewicht betrug 260,002 Gr., jedes Ei wog alſo durchſchnittlich 28,889 Gr. Am 26. Mai wurden ſie 9 Uhr Morgens zum dritten Male gewogen, das Geſammtgewicht betrug 238,113 Gr., jedes Ei wog demnach 26,457 Gr. Die am 13. April und 7. Mai gelegten Eier wurden im Augenblicke, wo ihre Schale berſten wollte, zum vierten Male ge— wogen; ihr Gewicht betrug zuſammen 51,564 Gr., demnach jedes durchſchnittlich 25,782 Gr. Die beiden ihnen entſchlüpften Hühn— chen, die einige Minuten unter der Mutter geblieben und an der Oberfläche trocken geworden waren, wogen, ehe ſie Exeremente entlaſſen hatten, zuſammen 41,835 Gr., jedes einzelne demnach 20,917 Gr. Der Gewichtsverluſt während des Bebrütens ſtellt ſich demnach das Gewicht der Eier vor der Bebrütung zu 100 angenommen, folgendermaßen: : No. 2086. — 986. — 106. Verluſt der erſten Wochen. 5 Proc. Verluſt der zweiten Woche. 9 = Verluſt der dritten Woche . 3 = Geſammtverluſt ... 17 Proe. Schon Prout machte dieſe Bemerkung; nach ihm betrug der Verluſt nach einer Woche 5 Proc. der Verluſt nach zwei Wochen 13 „ der Verluſt nach drei Wochen 16 „ Im Augenblicke des Durchbrechens des Eies Ba das junge 5 Huhn mit den Häuten (nach Prout) Y die Schale RATTE 24,77 100,00 Das junge noch feuchte Huhn ſammt den übrigen organifchen Subſtanzen wog nach dem Verf.. 81,131 die Schale mit dem chorion 18,869 100,00 Bei 100° Gelf. getrocknet erhielt der Verf. für die Schale und ihre Membranen 12,0646 das Hühnchen 28 die fetten in Ather löslichen Stoffe 7,8102 das Waſſer . 1 56,7119 100,000 Beim Vergleich dieſer Analyſe mit der vor der Bebrütung unternommenen, bemerkt man, den Gewichtsverluſt durch die Be— brütung nicht weiter berückſichtigend, wie eine Verminderung des Waſſers und eine Zunahme der feſten Subſtanzen während dieſes Actes Statt gefunden. Das Ei konnte während desſelben nur Waſſer und Kohlenſäure verloren haben und dadurch leichter ge— worden ſein. Leider beſchränken ſich des Verf. Beſtimmungen auf die beiden zuerſt ausgekommenen am 13. April und 7. Mai gelegten Eier; drei ſpätere brachen ſo plötzlich und gewaltſam aus ihrer Schale, daß dieſe gänzlich zertrümmert und dadurch eine genauere Wägung unmöglich ward. Das am 8. Mai gelegte Ei ließ zuerſt am acht⸗ zehnten Tage der Bebrütung die Stimme ſeines Kuͤchleins hören; das Ei am 13. April ward indeß zuerſt durchbrochen am 1. Juni 2 Uhr Morgens, es gab ein ſchwarz und gelb geflecktes Küchlein ; ihm folgte am ſelben Tage 2 Uhr Nachmittags das Ei vom 7. Mai mit einem niedlichen gelben Hühnchen; am 2. Juni kamen auch die andern drei, vom 8., 10. und 16. Mai, die beiden erſten mit gelben, das letzte mit einem ſchwarz und gelb gefleckten Küchlein. 18 375 106. V. 18. Die vier nicht ausgekommenen Eier wurden am 2. Juni Abends gewogen; das vom 16. April war faul; das vom 12. enthielt ein wohl gebildetes Junges; die vom 8. und 10. waren vertrocknet, in beiden war ein todtes, bereits mit Flaum bekleidetes Junges. Das Ei vom 12. April wog 25,5384 Gr. 06 206,96 Pie z z ‚9645 = TEEN : 20,8290 = E 22,9100 = Da alle vier Eier aus einer und derſelben Woche ſtammten, überdies dem Gewichte nach vor der Bebrütung wenig von einander verſchieden waren, konnte ihre jetzige Gewichtsverſchiedenheit nur durch chemiſche in ihrem Innern vorgegangene Veränderungen be— dingt ſein. Die Henne wog vor dem Bebrüten 672,1550 Gr. nachdem ſie 21 Tage fortgeſetzt auf den Eiern geſeſſen dagegen 1 483,2020 hatte ſomit verloren . 188,9530 Gr., was allerdings auf einen kranken Zuſtand der brütenden Vögel hindeutet. Die 5 Hühnchen wurden am 2. Juni, noch ehe ſie Nahrung erhalten, gewogen; ihr Geſammtgewicht betrug 97,810 Gr. was ungefähr für jedes Thierchen 19,562 beträgt. Am 9. Juni wog die Henne 474,617 = die fünf Hühnchen 155,978 demnach jedes 31,195 Jedes Junge erhielt in der erſten Woche täglich ein halbes, hart gekochtes und zerhacktes Ei; außerdem ward ihm ein Gefäß mit reinem Canarienſamen und ein anderes mit Waſſer gegeben, die beide täglich gefüllt wurden. Die Gewichtsmenge der von den Jungen verzehrten Nahrungs— mittel ließ ſich, da auch die Henne, obgleich ſie fortwährend Gerſte erhielt, mit von dem für die erſtern beſtimmten Futter fraß, nicht ermitteln. Die Henne blieb in der erſten Woche nach dem Auskommen ihrer Küchlein faſt eben fo ununterbrochen über denſelben, wie zur Zeit des Brütens; fie verlor fortwährend an Gewicht; dagegen nahmen die Jungen in der erſten Woche nicht weniger als 59 Pro— cent ihres urſprünglichen Gewichtes zu; auch erhielten ſie Federn, zuerſt längs der Flügel, darauf am Schwanze, an den Schenkeln und Füßen; fie verſchlangen ſchon kleine Steinchen und rollten ſich munter im Sande umher. Um einen Vergleich zwiſchen den in der Gefangenſchaft und andern, in freier Luft entwickelten Küchlein anſtellen zu können, hatte der Verf. 12 Eier unſerer Henne einer gewöhnlichen Henne zum Bebrüten gegeben; die Jungen wurden nur mit Canarien— ſamen gefüttert, ſie waren, wenngleich eine Woche älter, wie die vorerwähnten Hühnchen, viel ſchwächer und kleiner als dieſe, wahr— ſcheinlich in Folge des minder nahrhaften Futters. Merkwürdig war hier das umgekehrte Verhältniß der Entwicklung nach der Färbung der Jungen: während unter den von der Henne des Verf. ausgebrüteten Küchlein die gelben anfangs die kräftigſten waren und dennoch ſpäter weit hinter den weißen zurückblieben, waren die gelben Küchlein der andern Henne gleichfalls die Fräftigiten, blieben es aber auch, wogegen die weißen nach einander dahin— ſtarben. Die vier gelben Jungen, von letzterer Henne ausgebrütet, waren ſämmtlich Hähne; unter den fünf Jungen von des Verf. Henne war nur ein weißer Hahn, dagegen zwei weiße und zwei gelbe Hennen. Am 16. Juni ward die vielfach erwähnte Henne, welche in— zwiſchen nicht mehr fo eifrig auf den Jungen ſaß, wiederum ges wogen, ihr Gewicht hatte zugenommen und betrug 488,567 Grm. die fünf Jungen wogen 2 263,270 = ; 5 darnach jedes von ihnen „52,651 ihr Gewicht hatte ſich demnach in einer Woche um 68 Procent vermehrt. Die Jungen waren nunmehr ſo weit, daß ſie einige Gerſten— körner vertragen konnten. Am 24. Juni wog die Henne 505,624 Grm. die fünf Küchlein 393,977 darnach ein jedes 78/998 276 Die Henne war ſchwerer geworden, die Jungen hatten 48 Procent gewonnen. Die Jungen, welche in der letzten Woche jedes ein ganzes Ei täglich erhalten hatten, bekamen von nun an nur ein halbes, der Canarienſamen ward ihnen genommen und dafür Gerſte gegeben; auch ward die Henne, welche zu mauſern anfing, von ihnen getrennt. Fa Hühnchen waren jetzt an den meiſten Stellen des Körpers be— edert. Am 1. Juli wogen ſie insgeſammt darnach jedes .. 107,142 hatten alſo nur um 5 Proc. zugenommen. Die Menge der von ihnen verzehrten Nahrungsmittel ließ ſich, da man ihnen keine Ge— fäße mit hohem Rande geben durfte, nicht beſtimmen; ſie tranken viel Waſſer und ſchienen zu mauſern. Am 7. Juli wogen fie insgeſammt 636,246 Grm. darnach jedes 127,249 = hatten alſo 18 Proc. gewonnen; ſie verloren ihre Federn bis auf einige Büſchel am Bauche und Nacken; der abgeworfene Flaum hielt das Mittel zwiſchen Haar und Feder und war am obern Theile in 7 bis 22 Faſern getheilt. Am 7. Juli ward die von ihnen in einer Woche verzehrte Gerſte zum erſten Mal beſtimmt, ſie wog 705,552 Grm. Am 14. Juli wurden die Küchlein einzeln gewogen und fol— gendermaßen bezeichnet: 535,710 Grm. Die kleinſte weiße Henne No. 1, ſie wog 121,618 Grm. die größere weiße Henne No. 2, = = 154,611 = der weiße Hahn No. 3, er = 184,926 = die größte gelbe Henne No. 4, fie - 140,381 die kleinſte gelbe Henne No. 5, = = 132,761 = zuſammen 734,297 Grm. Jedes Hühnchen wog demnach durchſchnittlich 146,859 Grm., hatte ſomit wiederum 15 Proc. zugenommen. Am 18. Juli. Gewicht der verzehrten Gerſte 816,841 Grm. = des Hühnchens No. 1 158,578 = e No. 2 204,436 N 5 No. 3 232,573 - - No. 4 180,909 = . 5 No. 5 165,14 - Totalgewicht der fünf Hühnchen 944,640 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 188,328 Grm. Die Küchlein waren um 28 Proc. ſchwerer, wie in der vori— gen Woche. Am 29. Juli. Gewicht der verzehrten Gerſte 937,686 Grm. = des Hühnchens No. 1 156,737 = = = No. 2 218,028 = x . No. 3 248,146 * , No. 4 203,599 - BE E No. 5 186,293 = Totalgewicht der fünf Hühnchen 1012,803 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 202,560 = Die Gewichtszunahme dieſer Woche betrug ſomit 7 Procent. Das Hühnchen No. 1 war krank und etwas leichter geworden, auch die übrigen hatten nur wenig zugenommen, ihre Flaumfedern waren ſämmtlich vor dem zweiten Gefieder, das fie fleißig mit dem Ole ihrer Fettdrüſe ſalbten, verſchwunden. Gewicht der verzehrten Gerſte 897,784 Grm. des Hühnchens No. 1 172,032 = - - No. 2 238,270 No. 3 277,018 - = = No. 4 216,437 3 = No. 5 205,524 Totalgewicht der fünf Hühnchen 1109,281 Grm. 8 Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 221,856 Grm. Die Gewichtszunahme betrug demnach 9 Procent. Am 4. Auguſt. 277 Am 11. Aug. Gewicht der verzehrten Gerſte des Hühnchens No. No. No. 786,578 Grm. 186,578 258,596 309,235 No. 237,359 No. 5 219,807 Totalgewicht der funf Hühnchen 1211,575 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 242,315 Grm. Sie hatten alſo in dieſer Woche um 9 Proc. gewonnen. Am 18. Aug. Gewicht der verzehrten Gerſte 986,472 Grm. des Hühnchens No. 1 207,056 „ No. 2 258,596 = » n u Mu „ M M M ww a = 2 » „„ „ No. 3 348,152 No. 4 264,343 5 „ No. 5 254,701 Totalgewicht der fünf Hühnchen 1332,850 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 266,570 Grm. Gewichtszunahme dieſer Woche 10 Procent. Am 2. Septbr. Gewicht der verzehrten Gerſte 1850,743 Grm. „des Hühnchens No. 1 206,419 = E No. 2 321,388 - = No. 3 306,234 - No. A 289,617 E = No. 5 288,867 Totalgewicht der fünf Hühnchen 1412,525 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 282,505 Grm. Die Gewichtszunahme betrug hier innerhalb zwei Wochen nur 6 Procent, was der Verf. aus dem Umſtande, daß die Küchlein verſuchsweiſe zwei Mal einen ganzen Tag ohne Futter blieben, er— klärt; das Faſten war ihrer Geſundheit nicht weiter ſchädlich, mußte aber ihr Gewicht bedeutend vermindern; überdies mauſerten ſie noch. Am 9. Sept. Gewicht der verzehrten Gerſte 712,495 Grm. des Hühnchens No. 1 219,359 = = = No. 2 358,644 = No. 3 332,442 No. 4 311,645 - No. 5 316,448 Totalgewicht der fünf Hühnchen 1538,538 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 307,707 Grm. Gewichtszunahme dieſer Woche beinahe 9 Procent. » n u Mn „» un „ „» „ Mu un „ M * Am 16. Sept. Gewicht der verzehrten Gerſte 1029,428 Grm. = des Hühnchens No. 1 236,630 = E = = No. 2 379,778 = E No. 3 331,629 = - No. 4 315,879 = No. 5 336,776 = Totalgewicht der fünf Hühnchen 1600,692 Grm. Durchſchnittsgewicht jedes einzelnen 320,138 Grm. Gewichtszunahme dieſer Woche 4 Procent. Der Verf. ſah ſich genöthigt, feine Verſuche, die er gern noch einige Monate fortgeführt hätte, abzubrechen; da die Gewichtszu— nahme der Hühnchen in den letzten Wochen indeß nur zwiſchen 4 und 5 oder 6 Procenten ſchwankte, während ſie bei erwachſenen Hühnern bei gleicher Behandlungsweiſe zwiſchen 2 und 3 oder 4 Proc. variirt, fo vermuthet der Verf., daß die Wachsthumspe— riode der Hühnchen nunmehr vollendet geweſen und ſie von jetzt an mit ihren Eltern in ein gleiches Verhältniß getreten ſein würden. Folgerungen. Blickt man auf die mitgetheilten Verſuche zurück, ſo findet man, daß die beiden Hühner in einer Woche 100 Theile gewöhn— licher Gerſte conſumirten, um 4 Proc. an Gewicht zu gewinnen, wobei die große Schwefelmenge der von den Hühnern aſſimilirten Nahrungsmittel beſonders auffällt; es ſcheint darnach, als ob der Schwefel in einer organiſchen Verbindung in der Pflanzennahrung vorhanden ſei und vielleicht ein Mal zur Beſtimmung der von den 106. V. 18. 278 Thieren aſſimilirten ſchwefel- und ſtickſtoffhaltigen Stoffe dienen können, was ſehr wichtig ſein würde, da nur dieſe Pflanzenſtoffe vom thieriſchen Körper direet aſſimilirt werden können. Die Hühner hatten, wie oben angegeben, in einer Woche 465,249 Grm. als trocken berechnete Gerſte verzehrt; und folglich mit letzterer erhalten: Kohlenſtoff 208, 4801 Grm. Waſſerſtoff 29,3388 Stickſtoff 10,2595 Sauerſt off 201,6970 = Asche % n 15,4737 465, 2490 Grm. ſie hatten ferner aufgenommen: Quarzſand . 105,5150 Grm. e 370 Kalk 112,870 Grm. abgegeben hatten ſie dagegen: trockene Greremente 229,0707 Grm. 121,6127 beſtehend aus: 107, 4580 = unorganiſchen Stoffen 229,0707 Grm. organiſchen Stoffen Die organiſchen Stoffe dieſer Exeremente beſtanden aus: Kohlenſtoff 50,3946 Grm. Waſſerſtoff 677277 Stickſtoff . 4,3519 Sauerſtoff 45,9838 107, 4580 Grm. Zieht man von der Gerſte und den mineraliſchen Stoffen, welche die Hühner genoſſen, ihre Ereremente ab, ſo findet man dasjenige, was aſſimilirt wurde, und zwar: Kohlenſtoff 158,0855 Grm. Waſſerſtoff 22,6109 = Stickſtoff . 5 Sauerſt off ; her". Aſche, Quarzſand und Kalk . 6,7480 , 0 349,0653 Grm. Die vereinigte Gewichtszunahme des Hahnes und der Henne betrug . „ 19,1800 Grm. zieht man davon für aſſimilirte oder mechaniſch zu— rückgehaltene unorganiſche Subſtanzen ab 6,7480 = fo bleiben als aſſimilirte organiſche Stoffe 12,4320 Grm. Darnach haben die Hühner bei weitem mehr Kohlenſtoff als Waſſerſtoff und Stickſtoff aufgenommen; mehr als die Hälfte des letztern findet ſich in den Exerementen als doppelt-harnſaures Am⸗ moniak wieder. Der Verf. gedenkt dieſelben Verſuche mit fleiſch— freſſenden Vögeln zu wiederholen, um zu ſehen, ob auch ſie den Stickſtoff im gleichen Verhältniſſe, wie die Körnerfreſſer, abſcheiden. Des Verf. Verſuche ſtimmen in dieſer Beziehung ſehr wohl mit Bouſſingault's an Turteltauben gewonnenen Reſultaten überein; auch letzterer gelangte zu demſelben Schluſſe. Die ge: ringe Abweichung zwiſchen beiden kann einestheils von der kürze ren Dauer des Bouffingault’fchen Verſuches, anderntheils von der plötzlich veränderten Lebensweiſe der Thiere veranlaßt ſein; um letztern Fehler zu vermeiden, hielt der Verf., feine Hühner erſt längere Zeit unter denſelben, ſpäter zu beobachtenden, Verhältniſſen im Käfig, ehe er mit feinen Gewichtsbeſtimmungen begann. Ob⸗ ſchon des Verf. Vögel zwar nicht fo viel, als Bouſſingault's Turteltauben, durch Lungen- und Hauttransſpiration verloren hatten, ſo ließ ſich doch auch in dieſer Beziehung eine beſtimmte Grenze zwiſchen den Vögeln und Säugethieren erkennen; letztere gaben, nach Bouſſingault's Verſuchen an Kühen und Pferden, eine ungleich größere Stoffmenge der Nahrungsmittel, als die Vögel in ihren Ererementen zurück, was, wie der Verf. glaubt, vielleicht mit der größeren Körperwärme der letztern, ihrem geſteigerten Ver— brennungsproceſſe zuſammenhängt. Die Hühner hatten, wie wir oben geſehen, aus der Gerſte 18 279 342,3173 Grm. organifcher Subſtanzen aufgenommen; und doch war ihr Gewicht nur um 12,4320 Grm. vermehrt worden, der ungeheure Überſchuß des Nahrungsſtoffes mußte ſomit durch die Lungen und die Haut abgeſchieden fein. Der Verf, bedauert, daß er die Nefpirationsproducte feiner Hühner nicht direct beſtimmen konnte, um darnach auf die der Gerſte entnommenen und zur Mus— kel- und Fettbildung verwandten Stoffe ſchließen zu können, wie es Bouſſingault's glänzende Verſuche an Turteltauben nach— gewieſen haben. Des Verf. Hühner hatten, wie oben ausführlich angegeben iſt, täglich, auf 100 Theile ihres Gewichtes berechnet, 4,7529 Gerſte, 1,0779 Quarzſ., 0,0753 Kalk, 5,9061 Proc. verzehrt, dagegen nur 2,3402 Proc. Ercremente, die aus 1,0977 organiſchen und 1,2425 unorganiſchen Stoffen beſtanden, geliefert; fie hatten ſomit faſt ſämmtliche unorganiſche Stoffe, da— gegen nur ½ der organiſchen Subſtanzen wieder abgeſchieden; die größere Menge der erſteren wurde überdies wohl nur mechaniſch urückgehalten, wie man überhaupt ſehr verſchiedene Quantitäten Heiner Steinchen im Magen aller Vögel findet, denen fie zum Verdauungsgeſchäfte nothwendig zu fein ſcheinen. In der ganzen Menge der Exeremente fand der Verfaſſer 2,6520 Grm. Harnſäure, die er als doppelt harnſaures Ammoniak vorhanden annimmt, wornach ſich wiederum der Stickſtoffgehalt dieſer Ereremente auf 0,5466 Grm. herausſtellt, was jedoch, wie der Verf, ſelbſt glaubt, theils wegen der ſchwierigen Beſtimmungs— weiſe, theils weil der Stickſtoff vielleicht noch in anderer Form abgeſchieden wird, zu niedrig ausfällt (2). Der Verf. hat oben gezeigt, wie den Hühnern zur Bildung der Eiſchale Fohlenfaurer Kalk nothwendig iſt, und in wie kurzer Zeit die Verkalkung der Schale geſchieht; dieſe fo äußerſt raſch Statt findende Bildung läßt auf einen großen Reichthum löslicher Kalkſalze im uterus ſchließen, die nur hier, ja vielleicht nur an der Oberfläche des Eies durch alkaliſche Salze oder Alkali-Albu— minate zerſetzt werden. Durch Gmelin und Tiedemann iſt Salzfäure in den Wandungen des Hühnermagens entſchieden nach— gewieſen; nun wäre es, wie der Verf. meint, wohl möglich, daß dieſe Säure den verſchlungenen kohlenſauren Kalk theilweiſe auf— löſ'te, dagegen die freigewordene Kohlenſäure einen andern Theil des kohlenſauren Kalkes löslich machte und in den uterus führte, ſich dort aber wieder von ihm trennte. Der Verf. macht darauf aufmerkſam, wie die brütende Henne inſtinetmäßig von Zeit zu Zeit die Eier wendet, und glaubt hierin einen Zuſammenhang mit dem ſich immer nach oben kehrenden vitellus zu finden, indem ohne dies Wechſeln der Lage eine un⸗ gleiche Entwicklung der Theile erfolgen würde. Sehr bemerkens— werth iſt auch, wie bei der Bildung des Eies gerade die weſent— lichſten Theile ſich am langſamſten entwickeln; der vitellus z. B. wächſ't fo langſam, daß ſich die zu feiner Ausbildung nöthige Zeit kaum beſtimmen läßt; er entſteht im Innern einer eigenthümlichen, blutreichen Drüſe, erſcheint darauf als homogene, durchſichtige Ei— weißmaſſe, die ſich bald mit Oltropfchen anfüllt. Die Analyſe eines reifen vitellus gab dem Verf. Eiweiß und ein fettes, gelbes Ol; die Aſche enthielt Schwefel, Alkalien und reichlich phosphorfaure Magneſia, wahrſcheinlich als phosphorfaure Ammoniaktalkerde vorkommend. Im vitellus finden wir fomit alle zur Bildung des künftigen Vogels nöthigen Elemente concentrirt, überdem eine gewiſſe Menge Ol für den Verbrennungsproceß, der überall mit dem thieriſchen Leben innig verbunden iſt; und ſo läßt ſich der vitellus als ein Ertract des Blutes anſehen, deſſen Albu— min die Muskelfaſer bildet, deſſen Fett die Organe ſchläfrig macht und die Reſpiration unterhält, und deſſen Schwefel, Phosphor, Al— kalien und Erden ſich in allen Theilen des Korpers, vorzüglich aber in den Knochen, wiederfinden. Da nun die Bildung des (vitellus) Dotters dem Blute die weſentlichſten Theile entzieht, ſo iſt das Unwohlſein der legenden Hühner ſehr erklärlich. Der Dotter iſt durchaus neutral, was auch, da er ſowohl das Eiweiß gelöft und eben jo Ol im unverfeiften Zuſtande enthält, 106. V. 18. 280 nicht anders ſein kann; dagegen iſt das Weiße des Eies, das von den Wandungen des Eileiters, nicht aber von den Eierſtöcken aus— geſchieden wird, ſehr alkaliſch, es überzieht den Dotter ſchichtweiſe; die innern älteren Schichten ſind weniger waſſerreich und deßhalb feſter, als die äußeren; im untern, weiteſten Theile des Eileiters, der in die Kloake mündet, erhält das Ei die letzte Eiweißſchicht, die wie die erſte, den Dotter umſchließende, nur ſehr zart und dabei coagulirt, nicht, wie die andern, gallertartig iſt; auf dieſer letztern bildet ſich dann die Schale. Die erſte, den Dotter umgebende, coagulirte Eiweißſchicht iſt, wie der Verf. vermuthet, aus der ſich beim Durchgange des Dot: ters durch periſtaltiſche Bewegungen ablöſenden epidermis des Ei— leiters, deren beide Enden ſich zuſammendrehen, entſtanden; die letzte, faferige, coagulirte Eiweißſchicht dagegen wahrſcheinlich gleich— zeitig mit der Schale, oder doch durch dieſelbe chemiſche Thätigkeit hervorgerufen; ſie legt ſich in alle kleine Vertiefungen der Schale, iſt glatt, wo die letzte glatt, rauh, wo die letzte rauh iſt; nach— dem fie gebildet, lagern ſich erſt, wie der Verf. annimmt, die Kalk— ſalze der Schale in ſie ab. Der Dotter beſteht aus einem albuminöſen Netzwerke (reseau), deſſen große Maſchen Fett enthalten; in den erſten Entwicklungs⸗ ſtadien des Hühnchens ſieht man die letzten Verzweigungen des Circulationsſyſtemes ſich netzartig über ſeine Oberfläche verbreiten; daraus ſchließt der Verf., daß dieſe Eiweißfaden, welche gewiſſer— maßen das Skelett des Dotters bilden, durch den Entwicklungs- proceß in Gefäße verwandelt werden. Das Weiße des Eies iſt eine Verbindung von Albumin mit kauſtiſchem Natron; es zerſetzt, wie es Wurtz nachgewieſen, koh— lenſaure Alkalien, ſich ihrer Kohlenſäure bemächtigend; dasſelbe bildet, wie ſchon erwähnt, mehrere über einander liegende Schich— ten, deren jede von einem äußerſt zarten häutigen Netze umgeben iſt, das ſich beim Schlagen des Eiweißes mit Waſſer leicht ablöſ't. Bei der Geburt des Huhns finden ſich dieſe Häutchen als gelbe Maſſe, mit Harnſäure vermiſcht, am Grunde der Schale. Die leichte Zerſetzbarkeit dieſer Albuminverbindung iſt für die Entwicke— lung des Huhnes und ſeine Bedürfniſſe ſehr günſtig. Die Menge des gelöſ'ten phosphorſauren Kalkes iſt bei dem großen Überſchuſſe von Alkali ganz unerklärlich. Das Weiße des Eies liefert, wie der Verf, vermuthet, den phosphorſauren Kalk der Knochen, eben fo einen Theil der erdigen und alkaliſchen Salze; ferner Waſſer, ſowie den größten Theil des zur Muskelbildung nöthigen Eiweißes, dient dann aber auch zur Abſorption der in den erſten Stunden oder Tagen des thieriſchen Lebens entwickelten Kohlenfäure, die ſich mit feinem freien Alkali verbindet, während nunmehr das frei und flüfjig gewordene Eiweiß zur Ausbildung des Embryos beiträgt. Nicht minder wichtig iſt die Frage, in welcher Form der Schwefel im Weißen des Eies vorhanden iſt; der Verf. konnte ihn weder hier noch im Dotter als Schwefeleyanür nachweiſen, wo— gegen ſowohl der Geruch als das chemiſche Verhalten fein Vor: kommen im freien Zuſtande anzudeuten ſcheinen; auch der Phos- phor iſt wahrſcheinlich im Ole des Dotters als ſolcher gelöſ't, wie der Verf. nach dem ſtarken Phosphorgeruche und der leichten Ent⸗ zündlichkeit der ätheriſchen Löſung dieſes Oles beim Erwärmen ver: muthet. Was nun die Verſuche Vauquelins und die äußerſt dünne Schale der von feinen Hennen gelegten Eier anbetrifft, jo erklärt ſie ſich leicht aus dem Umſtande, daß Vauguelin's Henne nur mit Hafer gefüttert ward, aber keinen Kalk erhielt; bei länger fortgeſetzten Verſuchen würde er Eier ganz ohne Schale erhalten haben; die bedeutende Stärke der Schale der vom Verf. benutzten Eier war dagegen theils der Hühnerſorte eigen, theils durch die reichliche Nahrung ſowohl an Gerſte als an Kalk hervorgerufen; in gleicher Weiſe waren auch die Eier ſchwerer, wie alle bisher analyſirten. Auch in chemiſcher Beziehung ſind die beiden, ſich bei der Entwicklung des Embryos folgenden Circulationsſyſteme höchſt in— tereſſant: das zuerſt erſcheinende, unvollſtändigere, erſtreckt ſich nur über den Dotter, das zweite dagegen, das mehr Sauerſtoff verlangt, geht durch das Weiße des Eies und verbreitet ſich über die innere 281 Fläche der Schale, durch deren Poren er Sauerſtoff aufnimmt und Kohlenſäure und Waſſer abſcheidet; die Schale bildet ſomit in einer Lebensepoche des Küchleins gleichzeitig das Secretionsorgan der Lunge und der Haut. Auch das erſte Circulationsſyſtem muß indeß Kohlenſäure erzeugen; dieſe wird aber, wie der Verf. vers muthet, von dem Natron-Albuminate des Weißen reforbirt, wäh— rend das freigewordene Eiweiß vom Dotter verbraucht wird. Das Blut iſt, wenn es zuerſt die Fettinſeln des Dotters um kreiſ't, farblos, vielleicht ſeiner Zuſammenſetzung nach nur ein chylus, zur Bildung des Blutes beſtimmt; in der zweiten Hälfte des dritten Tages erſcheint die erſte Spur des zweiten Circula— tionsſyſtemes; der Embryo wird vom Amnios umhüllt, frei in deſſen Mitte ſchwimmend. Die erſte, jetzt den Bedürfniſſen des Küchleins nicht mehr genügende, Circulation verſchwindet. Der Embryo entwickelt ſich nunmehr auf Koften des Weißen, das zu— letzt, bis auf ein häutiges, ein Natron-Albuminat umſchließendes Netzwerk, gänzlich reſorbirt wird. Das Weiße des Eies dient jedoch nicht, wie das Ol des Dotters, dem Orydationsproceſſe, ſon⸗ dern verbindet ſich direct mit dem Eiweiße des Dotters zur Bildung des Küchleins. Sowie mit dem ſechsten oder ſiebenten Tage der Bebrütung das Amnios, bis auf eine Stelle, durch welche die Blutgefäße des Hühnchens gehen, das letztere ganz überzieht, hört auch die Abſorption und Secretion des Embryos durch ſeine Ober— fläche auf, und nunmehr beginnen die verſchiedenen Functionen der ſo weit fertigen Organe ſelbſt; auch die alantois iſt nunmehr vollen— det, ſie ſtrotzt von Blutgefäßen, ihre äußere Fläche vertritt die Stelle der Lungen, während die innere Fläche die Kloake erſetzt und ſämmtliche Secretionen des Hühnchens aufnimmt. Mit der Entwicklung des Embryos vermindert ſich das Gewicht des Eies, dem von außen nur Sauerſtoff zugeführt wird, das ſomit die zu verbrennenden Stoffe aus ſich ſelbſt ſchöpfen muß und dieſe hinreichend im Ole des Dotters findet. Aber das Huhn entſteht nicht nur, ſondern vergrößert ſich auch; der aus dem Albumin des Dotters hervorgegangene Embryo verzehrt das Waſſer des Eies; das Ei lie⸗ fert ſomit nicht nur die zur Entſtehung, ſondern auch zur Erhal— tung und Ausbildung der thieriſchen Organe nöthigen Stoffe, und ſo beſtätigt ſich auch hier das bekannte Geſetz der Natur, nach welchem die Erhaltung des thieriſchen Lebens an Reſpirations— nahrungsmittel, Fette oder andere Kohlenwaſſerſtoff-Verbindungen und aſſimilirbare Nahrungsmittel geknüpft it; letztere laſſen ſich als Proteinverbindungen zuſammenfaſſen und ſind immer von Al⸗ kalien, Erden, Schwefel, Phosphor und Eiſen begleitet. Die Entwicklung des Hühnereies iſt demnach von denſelben Bedingungen, welche die Entwicklung der Pflanzenkeime beherrſchen, von Wärme, Waſſer und Sauerſtoff abhängig, bedarf ihrer jedoch in einem höhern Grade; in beiden iſt Albumin für neue Bildungen, ein fetter Stoff oder, ſtatt deſſen, bei einigen Pflanzen Stärkemehl, für den Verbrennungsproceß vorhanden. Nicht ein Mangel an Nahrungsmitteln treibt das Hühnchen endlich aus der Schale, feine Gedärme find noch mit denſelben er: füllt, eher möchte ihm fein Gehäuſe zu eng geworden fein; wahr— ſcheinlich zwingt eine drohende Erſtickung das Thier zum gewalt- ſamen Aufbruche der Schale: ſowie nämlich die alantois ihre Funec— tion den Lungen überträgt, müſſen letztere auch direct mit der Luft communiciren können. Die mitgetheilten Verſuche haben ferner gezeigt, daß Eier, welche ein gewiſſes Alter überſchritten haben, nicht mehr entwick— lungsfähig ſind. Die im April gelegten Eier abortirten, mit Aus— nahme eines einzigen, während die vom Mai alle auskamen; dem- nach ſollte man nur ganz friſche, wenigſtens nicht über zwei Wochen alte Eier bebrüten laſſen, weil, wie es ſcheint, ſpäter eine chemiſche Veranderung im Eie vor ſich geht, und dasſelbe entweder in ſich kein Leben entwickeln, oder doch nicht genugſam erhalten kann. Während des Bebrütens hatten die Gier um 17 Proc. verlo— ren, das friſche Ei enthielt 5,7945 Grm. Ol, das ausgetragene Küchlein dagegen nur 1,9946 Grm. in Ather lösliches Ol, demnach waren 3,7999 Grm. desſelben entweder in nicht in Ather lösliche Subſtanzen verwandelt, oder wahrſcheinlich zum Theil verbrannt worden. Eine vergleichende Zuſammenſtellung der Beſtandtheile des friſchen und des bebrüteten Eies wird dies am beſten entſcheiden. 106. V. 18. 282 Nach Procenten. — — —— Friſches Ei. Bebrüt. Ei. Friſch. Ei. Bebrüt. Ei Beſtanttheile. Schale und ie en 3,1464 3,2834 3,0814 10,6713 10,0136 zeig) des Weißen 3, ) Eiweiß des Dotters 2,3323 5,4787 5,9794 17,8061 19,4334 Fette Stoffe . 5,7945 1,9946 18,8323 6,4825 ieee 16,2126 14,4833 52,6903 47,0704 Reel 3 5 = - 17,0001 Grammen 30,7692 25,5384 100,000 100,000 Es find demnach nur 5,6194 Grm. Waſſer, dagegen 12,3498 Gr. Ol verſchwunden; nimmt man nun an, daß 11,3806 Grm. zur Senn verbraucht wurden, ſo erhält man in dieſem und dem Waſſerverluſte den 17 Proc. betragenden Geſammtverluſt; die dann am Gewichte des Oles noch fehlenden 0,9692 Grm. entſprechen dagegen mit dem Verluſte der Schale und ihrer Häute, welcher 0,6577 Grm. beträgt, der Gewichtszunahme des Eiweißes, die 1,6269 Grm. ausmacht, wornach an dem innigen Antheile des Oles und der Schale an der Bildung des Hühnchens nicht mehr zu zweifeln iſt. Der Reſt des verſchwundenen, nicht verbrannten Fettes iſt, wie der Verf. glaubt, vielleicht zur Bildung des Flaums, deſſen Sub⸗ ſtanz dünnen Schichten eines trocknenden Oles gleicht, verwandt worden; dagegen find die der Schale entzogenen mineraliſchen Sub: ſtanzen, vom Eiweiße oder von der Kohlenſäure gelöſ't, den Kno— chen zugeführt worden. n der erſten Woche der Bebrütung verlor das Ei, wie ſchon erwähnt, 5, in der zweiten 9 und in der dritten 3 Proc. ſeines urſprünglichen Gewichtes; der Waſſerverluſt betrug 5, der Olver— luſt 12 Proc. In der erſten Woche verlor das Ei, wie der Verf. glaubt, nur Waſſer; der noch wenig entwickelte Embryo ſtand noch nicht mit der Atmoſphäre in directer Beziehung; die allerdings, jedoch nur in geringer Menge, entwickelte Kohlenſäure ward daher wahrſcheinlich von dem freien Natron des Eiweißkörpers gebunden; in der zweiten Woche, wo die Entwicklung raſchen Schrittes ging, mußte in gleicher Weiſe auch die Verbrennung zunehmen; in der dritten Woche endlich, wo das Hühnchen faſt vollſtändig entwickelt war und nur für ſeine Reſpiration Nahrung bedurfte, konnten nur wenig Kohlenfäure und Spuren von Waſſer entweichen. In den ausgetragenen Küchlein fand ſich die ganze Menge des im Eie vorhandenen Albumins in Fibrin verwandelt wieder, neben demſelben noch eine geringe Menge unverändertes oder theilweiſe verharztes Ol, einige unorganiſche Subſtanzen der Schale und reichlich Waſſer; es war ſomit nur Ol und kein Eiweiß zur Ver: brennung benutzt worden, was bei Mangel des erſtern unfehlbar der Fall geweſen wäre und die Entwicklung des Embryos geftört haben würde. Die nicht ausgebrüteten Eier, die, gleich den ausgekommenen, zu Anfang des Verſuches 30 Grm. wogen, verhielten ſich zu Ende des Verſuches wie folgt: Das Ei vom 12. April wog 25,5384 Grm. io: 5 a ar 26,9645 3 2 = 8. 2 2 20,8290 = 0. = 2 22,9100 = Das Ei vom 16. April hatte am wenigiten verloren, es war faul und nur den Zerſetzungen der chemiſchen und phyſicaliſchen Krafte verfallen; müßte indeß, wenn der Gewichtsverluſt während der Bebrütung nur durch eine Waſſerverdampfung durch die zum Ausbrüten nöthige Wärme veranlaßt würde, eben fo viel wie die ausgekommenen Eier verloren haben, was keineswegs der Fall war. Dagegen hat das Gewicht der Eier vom 8. und 10. April merk— würdig abgenommen; bei ihnen kamen zu den von außen wirkenden phyſicaliſchen noch die im Innern bei der Entwicklung des Hühn— chens thätigen Kräfte hinzu, die, ein Mal hervorgerufen, nach der bald gehemmten Entwicklung nur um ſo leichter fortwirken konnten. Reichliche Nahrung, beſchränkte Bewegung und Wärme ſind bekanntlich nothwendige Bedingungen zur Mäſtung aller Thiere, und doch werden unter allen dieſen Bedingungen brütende Hennen von Tag zu Tag magerer; der Verf. glaubt dies aus einem fieber⸗ 283 haften Zuſtande der Henne in dieſer Periode, ſomit durch einen übermäßigen Verbrennungsproceß erklären zu können. Die Farbe des Hahns fowohl als der Henne ſchien auf die Färbung der Jungen weder im Freien, noch im Zuſtande der Ge⸗ fangenſchaft irgend von Einfluß zu ſein, einige Hühner hatten ſogar einen Kopffederbüſchel, ihnen fehlte dagegen der Kamm ihrer El— tern; auch war bei einigen die äußere Zehe nur als mehr oder weniger langer Wulſt vorhanden. 5 Der Verf. bemerkte, daß, während der ganzen Verſuchszeit, ſobald die Hühnchen mauſerten, ihr Wachsthum verlangſamt ward, ja ihr Gewicht ſich ſogar verminderte. Ganz zu Anfang war es leider nicht möglich, die einzelnen, hoͤchſt unruhigen Thierchen zu wägen; aber auch ſpäter, wo dies geſchah, ließ ſich dadurch aller dings ein Wohlſein oder Unwohlſein der einzelnen Vögel, nicht aber ſonſt ein Einfluß der Individualität auf ihr Wachsthum erkennen. Zum Schluſſe hat der Verf. die Zahlenreſultate dieſer Verſuche tabellariſch zuſammengeſtellt und weiſ't damit nach, wie 9,044 Grm. gewöhnliche Gerſte das Gewicht der Küchlein um 1. Grm. vermeh— ren, wogegen die erwachſenen Vögel zu einer gleichen Gewichts- vermehrung 42 Grm. derſelben Gerſte bedurften, woraus das un⸗ gleich größere Aſſimilationsvermögen der jungen Vögel erhellet. Datum der MWägung. Gewicht der Küchlein. Gewicht der verzehrten Gerſte. Erſter Tag . . 97,801 Gr. — Gr. Erſte Woche 155,978 = — Zweite Woche 263,270 = — - Dritte Woche 393,977 = — - Vierte Woche 535,210 = = = Fünfte Woche . 636,246 = — Sechste Woche 734,297 = 705,252 Siebente Woche 941,640 = 816,841 = Achte Woche 1012,803 = 937,686 = Neunte Woche 1109,281 = 897,784 = Zehnte Woche . 1211,575 = 786,404 = Elfte Woche 1332,850 = 986,472 = Zwölfte Woche 2 nu Dreizehnte Woche | ale 1850,73 Vierzehnte Woche 1538,538 712,495 Funfzehnte Woche 1600,692 = 1029, 428 7 8723,105 = Gewicht der Küchlein vor ihrer Fütterung mit Gerfte 636,246 Gr. Gewichtszunahme derſelben während der Fütterung e en. REN ar, 964,446 106. V. 18. 284 In den 5 erſten Wochen fand ſomit der ſchnellſte Wachsthum Statt, was der Verf. von dem größeren Stickſtoffgehalte der zu dieſer Zeit erhaltenen aus gekochten Eiern und Canarienſamen be⸗ ſtehenden Nahrung abhängig macht, während ſie ſpäter nur Gerſte erhielten. (Annales des sciences naturelles, Septembre 1847.) Miſcellen. 4. Ein Mittel ſämmtliche ſowohl bereits entdeckte als noch zu entdeckende Planeten innerhalb 4 Jahren und zwar durch eine höchſt einfache Obſervationsmethode aufzufin⸗ den, ward von Benjamin Valz der franzöſiſchen Akademie zur Ausführung empfohlen. Der Plan gründet ſich auf die Zeit, in welcher ſämmtliche Planeten ihre Bahn vollenden, in dieſer Zeit werden fie demnach zwei Mal durch die Ekliptik gehen; ſchon ein ein: maliges Schneiden derſelbenn würde genügen, wenn nicht der Stand der Sonne den einen oder andern Planeten der Beobachtung entziehen könnte. Man hat nun während der genannten Zeit auf alle Sterne, welche durch die Ekliptik gehen, oder um noch ſicherer zu fein und etwaige Beobachtungsſtörungen durch Wetterverhältniſſe u. ſ. w. veranlaßt, auszugleichen, einen Grad nördlich und ſüdlich von der⸗ ſelben zu achten. 12 Beobachter, von denen nur 6 für Frankreich nöthig wären, würden zur Ausführung dieſes Planes genügen und bald dahin fuͤhren, daß kein Planet mehr zu entdecken wäre. (Comptes rendus, No. 20, 15. Nov. 1847.) 42. Exogonium Purga, eine tropiſche Schlingpflanze, iſt, nach einer Mittheilung des Botanical Register, die ächte Jalapen⸗ pflanze, d. h. diejenige Convolvulusart, die in den Wäldern um Kalapa vorkommt und die im europäiſchen Arzneiſchatze als Ab- führmittel bekannten Knollen liefert. Hartweg beobachtete die Pflanze im Jahre 1846 an ihrem natürlichen Standorte; ſie blüht im Juni. Dieſelbe, oder doch eine in ihrer Wirkung ähnliche Drogue wird indeß noch von verſchiedenen andern Pflanzen erhal⸗ ten, indem die ganze Familie der Convolvulaceen abführende Kräfte beſitzt. Die Ipomoea batatoides iſt eine andere, in ihrem Vater— lande als Purga Macho bekannte Pflanze, mit welchem Namen man indeß, nach Juan de Orbegozo, auch eine behaartblättrige Pflanze belegt. Die von verſchiedenen Pflanzenarten gewonnenen Jalapenwurzeln ſind ihrer Wirkung nach mehr oder weniger ver— ſchieden. Das Exogonium Purga wächſ't auf einem ſandiglehmigen Waldboden. (The Gardner's Chronicle, No. 42. 1847.) Heilkunde. (XXXVI.) Augenblicklicher Tod durch einen Schlag auf den Mund. Von Hayes Kyd, Eſg. Zur Mittheilung nachſtehenden Falles fühle ich mich mehr durch den Wunſch bewogen, Auskunft zu erhalten, als durch den, ſolche zu ertheilen, und wiewohl der Gegenſtand vielleicht nicht beiſpiellos daſteht, ſo dürfte er doch von hin— länglichem Intereſſe ſein, um vor dem ärztlichen Publicum beſprochen zu werden. Der Tod war in dieſem Falle die unmittelbare Folge eines Schlages, den ein Boxer dem an— dern auf den Mund ertheilte. Die Kämpfer waren zwei athletiſche junge Matroſen, James Carpenter und Wil— liam Norman, beide 22 Jahre alt. Der Fauſtkampf fand an der Harefield-Schleuße des Grand-Junction-Canales Statt. Sechs Gänge wurden auf ächt kunſtgerechte Weiſe geſchlagen, ohne daß einer der beiden Gegner bedeutende Verletzungen erhalten hätte. Dann begaben ſich dieſelben nach einer mehr abgelegenen Wieſe, um ihren Streit vollends auszufechten. Dort wurden noch ſieben Gänge gemacht, und beim ſieben— ten ſchlug Carpenter den Norman heftig auf den Mund. Dieſer fiel ſogleich zu Boden, und ehe deſſen Bruder ein Paar Schritte weit zu ihm laufen konnte, war er todt. Zweiundſiebenzig Stunden nach dem Tode unterſuchte ich die Leiche und nahm an derſelben folgendes wahr. Körper musculös und wohlgebildet; allgemeines An— ſehen das eines geſunden, athletiſchen jungen Mannes. Contuſionen an beiden Augen, an der Naſe und am Munde, beſonders an der Oberlippe; Spuren von ſtarkem Blutver— luſte aus der Naſe, aus welcher, als der Körper bewegt wurde, noch viel Blut floß; Abreibung des Oberhäutchens über beiden Backenknochen, an der Naſe und am Kinn, ſowie hin und wieder am Unterkiefer; Pupillen ein wenig erweitert; an keinem andern Körpertheile ſind äußere Ver— 285 letzungen wahrzunehmen; Congeſtion in den Gefäßen der Schopfhaut und des äußern pericranium, beſonders in der Occipital- und Schläfengegend. Nach Beſeitigung der Schädelknochen fand ſich ſtarke Congeſtion in den Ge— fäßen des Gehirnes, indem die sulei der Windungen durch die ſtrotzende pia mater ausgefüllt waren; die ſeitlichen Ven— trikel waren in Folge des Berſtens des plexus choroideus mit extravaſirtem Blute überſchwemmt. Beim Herausneh— men des Gehirns wurden die mittlere und hintere fossa des Schädels, als man den sinus lateralis und petrosus durch— ſchnitt, augenblicklich mit Blut gefüllt, woraus ſich eine gewaltige Congeſtion dieſer mit Venenblut gefüllten Gefäß— Sinus ergab. Weder an der obern Platte noch an der Baſis des Schädels war irgend ein Knochenbruch zu erkennen; die Lungen zeigten ſich geſund, aber ſtrotzend; das Herz ge— ſund und deſſen rechte Seite ſtark mit Venenblut gefüllt. Die Anſicht, welche ich aufſtellte, war, daß der Tod durch eine heftige Erſchütterung des Gehirns, ſowie durch den Druck des in dieſes Organ ergoſſenen Blutes, erfolgt ſei. Bemerkungen. Meiner Anſicht nach hätte, abge— ſehen von beſondern Umſtänden, keine der äußern Ver— letzungen, welche der Verſtorbene erlitten, deſſen Tod her— beiführen können. Solche beſondere Umſtände ſcheinen aber in dieſem Falle vorhanden geweſen zu ſein. Der Verſtorbene war ein höchſt kräftiger, ſtarkgebauter, junger Mann mit kurzem, dickem Halſe und überhaupt einer ſolchen Körper— bildung, welche einen raſchen Andrang des Blutes nach dem Kopfe begünſtigt. Bei dieſer Diatheſe veranlaßte die außer— ordentliche Aufregung und Anſtrengung des Fauſtkampfes unſtreitig ein gewaltiges Strotzen der Gehirnadern, welcher Zuſtand ſich auch bei der Leichenöffnung zeigte und keines— wegs durch die Erſchütterung allein herbeigeführt worden ſein konnte. Zugleich würde es aber ans Wunderbare ſtrei— fen, wenn in dem Alter des Verſtorbenen ein völlig geſunder und keineswegs plethoriſcher Mann durch bloße Aufregung, ſelbſt des furchtbarſten Grades, ſo plötzlich an Apoplerie geſtorben wäre. Bei der ſtarken Congeſtion im Gehirne konnte jedoch, meiner Meinung nach, die durch einen Schlag veranlaßte Erſchütterung des Gehirns, zu der ſich dann noch der Stoß beim Niederfallen geſellte, augenblicklich das Berſten eines Gefäßes oder Gefäßgeflechtes, ſowie Ertravaſation von Blut in das Gehirn veranlaſſen. Allerdings ließen ſich aus einem Blutſchlage alle im Gehirne vorgefundenen krankhaf— ten Erſcheinungen erklären, beſonders da zugegeben werden muß, daß Blutergießung in die Gehirnventrikel, in Folge äußerer Gewaltthätigkeit, ungemein ſelten vorkommt, während ſie ſich als das Reſultat eines apoplektiſchen Anfalles ohne alle Schwierigkeit erklärt. Allein obgleich dieſe Urſache in pathologiſcher Beziehung alles zu erklären vermag, fo iſt fie doch unter den Umſtän— den des gegenwärtigen Falles durchaus nicht befriedigend; denn obwohl die Beziehung des letzten Schlages zu den tödlichen Erſcheinungen ſich nicht aus dem Augenſcheine er— giebt, ſo läßt ſich doch der Zuſammenhang der letztern mit dem ihnen vorhergehenden Kampfe in keiner Weiſe wegläug— nen. Wir müſſen durchaus annehmen, der Verſtorbene 106. V. 18. 286 würde, wenn er nicht den letzten Schlag erhalten hätte, auf welchen der Tod unmittelbar folgte, noch länger gelebt haben; und überhaupt iſt der Fall gar nicht ſo ſelten, daß auf äußere Gewaltthätigkeiten der Tod eintritt, ohne daß ſich dieſe Gewaltthätigkeiten durch äußere Kennzeichen offenbaren. Den Gerichtsärzten kommen öfters Fälle von furchtbaren in= nern Zerreißungen vor, denen keine äußere Erſcheinung ent⸗ ſpricht. Der Leichenbeſchauer von Middleſer hat mir mit— getheilt, er habe viele Leichen von Perſonen geſehen, die durch ſchwerbeladene Wagen gräßlich zerquetſcht geweſen ſeien, ohne daß man äußerlich die geringſte Contuſion oder Ekchymoſe habe wahrnehmen können. Obiger Fall kann als ein Beleg dazu dienen, wie ſchwer es oft hält, die pathologiſchen mit den gerichtlich— medieiniſchen Unterſuchungen zu vereinen. Wir können unſere Anſicht mit wiſſenſchaftlicher Schärfe abgeben; allein dennoch können die ſchlagendſten Einwürfe gegen dieſelbe gemacht werden, ſo daß ſie ſelten in Form einer ausgemach⸗ ten wiſſenſchaftlichen Thatſache erſcheint. Die Schriften über medicina forensis klären uns über unſere Zweifel nicht auf und beſtätigen eben fo wenig unſer Urtheil. Wenn das Leben oder die Freiheit auf dem Spiele ſteht, ſollten wir unſere Zugeſtändniſſe gewiß nach den Eingebungen der Men— ſchenliebe machen; allein mit unſerer Vernunft dürfen wir deßhalb nicht in Widerſpruch gerathen. Ein ſolches Ab— kommen würde zu erniedrigend ſein. In dieſem Falle wurde der Todtſchlag nicht für erwieſen erachtet und der über— lebende Fauſtkämpfer frei geſprochen. Die Frage, auf deren Erledigung es hier ankommt, iſt, ob irgend eine der im vorliegenden Falle wahrnehm— baren Verletzungen, insbeſondere die von dem letzten Schlage herrührende, in gerichtlich-medieiniſcher Hinſicht zur Erklaͤ— rung der innern Zerreißung ausreiche? Meines Erachtens werden die Anſichten hierüber immer verſchieden ſein können und ſich nie mit poſitiver Gewißheit angeben laſſen, ob hier eine durch Aufregung und Anſtrengung des Verſtorbenen veranlaßte Apoplerie oder eine von äußerer Gewaltthätigkeit herrührende Erſchuͤtterung als die Urſache des Todes vorliegt. Der Tod trat ſicher in Folge des Fauſtkampfes ein, und auch in chirurgiſcher Beziehung iſt der Cauſalnexus nachweisbar; denn obgleich der Augenſchein keine Verbin— dung zwiſchen dem letzten Schlage und dem Sitze der Hä— morrhagie erkennen ließ, jo ergab ſich doch deren Zuſam— menhang aus der Geſchichte des Falles mit Gewißheit. Die Erſchütterung, das Berſten der Gefäße, die Extravaſation und der Tod ſcheinen eine ununterbrochene Reihenfolge von Erſcheinungen gebildet zu haben. Harefield, im October 1847. (The Lancet, Nov. 1847.) (XXXVIL) Idiopathiſche Gebärmutterentzündung der Kindbetterinnen. Darüber gelangt Dr. A. Willemin in den Archives générales de Médecine, Dec. 1847, zu folgenden, aus einer Reihe von Beobachtungen abgeleiteten Schlüſſen. 1) Man beobachtet an kurz vorher entbundenen Frauen 287 106. öfters eine Art von Mutterentzündung, die, vermöge ihrer Symptome und geringen relativen Bösartigkeit, zu den ein⸗ fachen Entzündungen zu rechnen und von der gewöhnlichen metritis puerperalis zu unterſcheiden iſt, welche mehrentheils ſehr bedenklich iſt und häufig in Vereiterung, Erweichung, Gangrän ausgeht. 2) Die häufigſten Urſachen dieſer Art von metritis ſcheinen die durch eine erſte Niederkunft erzeugte locale Rei— zung, die tiefe Zerreißung des Mutterhalſes, das Gehen und überhaupt körperliche Anſtrengungen kurz nach der Entbin— dung zu ſein. 3) Die Verzögerung der Zuſammenziehung der Gebär— mutter, ſowie die theilweiſe Verhärtung der Wandungen dieſes Organes, ferner regelwidrige Lochien ſind die conſtan— teſten örtlichen Symptome dieſer Art von Entzündung. Schmerz und Fieber finden häufig nur anfangs, oder wenn die Entzündung heftig iſt, Statt. 4) Dieſe einfache Mutterentzündung, welche zuweilen einige Stunden nach der Niederkunft eintritt, rührt in ge— wiſſen Fällen von der Reizung der Bärmutter während der Entbindung her und kann daher nicht als ein Zufall gelten, der ſtets erſt nach der ſogenannten Puerperalepoche vorkom— men kann, obwohl hinſichtlich der Zeit dieſer Epoche eigent— lich nichts Sicheres feſtgeſtellt iſt. 5) Da das abnorme Volumen der Gebärmutter ein in Betreff der Diagnoſe der Krankheit wichtiges örtliches Sym— ptom iſt, ſo ſetzt die Erkenntniß desſelben eine Bekanntſchaft mit dem normalen Gange der Zuſammenziehung der Gebär— mutter voraus, worüber man bis jetzt eben ſo wenig etwas Beſtimmtes weiß. Deßhalb würde auch, wenn nicht andere Umſtände die Diagnoſe unterſtützten, dieſelbe ſchwankend ſein. 6) Die Prognoſe der einfachen Mutterentzündung iſt bei weitem nicht ſo bedenklich, als die anderer Arten von metritis puerperalis. Bei jener würde der tödtliche Aus— gang die Ausnahme ſein, während er bei dieſen die Regel iſt. 7) Die ſogenannte antiphlogiſtiſche Behandlung paßt für dieſe Mutterentzündungen ſo vollkommen, wie für alle v. 18. 288 andern einfachen Entzündungen, während ſie bekanntlich bei eitriger metritis, ſowie bei allen in die Claſſe der Puer— peralfieber zu ſtellenden allgemeinen Krankheiten ſo häufig fehlſchlägt. Dieſelbe Behandlung und beſonders die An— wendung der ſchnell hinter einander aufzulegenden fliegenden Blaſenpflaſter eignet ſich beſonders für die phlegmone iliaca, mit welcher dieſe Form der Mutterentzündung oft complieirt iſt. Miſcellen. (34) Vergleichende Verſuche rückſichtlich der Wir⸗ kung des loro und des Schwefeläthers hat Hr. Grubp angeſtellt und deren Reſultate der Akad. d. Wiſſenſch. zu Paris am 13. Dec. 1847 mitgetheilt, wie folgt: 1) Das arte⸗ rielle Blut verwandelt ſich während des Einathmens des Chloro— forms keineswegs in venöſes, ſondern bleibt roth und dünn, ja es wird ſogar wieder roth und dünn, wenn es in Folge der Aſphyrie ſchwarz geworden iſt; 2) wenn man einen Körpertheil, z. B. eine Extremität, abgeſondert der Einwirkung der Chloroform- oder Ather⸗ dämpfe ausſetzt, fo wird derſelbe gefühllos; 3) wird das Experi⸗ ment ausgeſetzt, fo findet fi) das Gefühlsyermögen in dem Gliede wieder ein; 4) während des Einathmens der Chloroformdämpfe nimmt die Zahl der Reſpirationen in demſelben Verhältniſſe zu, wie die Gefühlloſigkeit; 5) die Thiere können in dem durch das Chloroform veranlaßten gefühlloſen Zuſtande mehrere Stunden lang verharren und dann wieder vollkommen gefunden, wenn das Ein⸗ athmen der Dämpfe von Zeit zu Zeit ausgeſetzt wird; 6) dagegen ſterben Kaninchen, Hunde, Fröſche nach Verlauf von 1—4 Minuten plötzlich, wenn die Doſis des Chloroforms über 3—4 Grm. (33) beträgt und das Einathmen ununterbrochen Statt findet. Die Vorzuͤge des Chloroforms vor dem Ather würden beſtehen: 1) darin, daß das Blut in den Arterien roth bleibt; 2) darin, daß das Chloroform ſchneller wirkt und dagegen deſſen Wirkung auch wieder raſcher verſchwindet, wenn das Einathmen unterbrochen wird; 3) darin, daß die durch Chloroform getödteten Thiere vollkommen genießbar ſind, was bei den mit Ather getödteten nicht der Fall iſt. Einen Nachtheil hat das Chloroform, nämlich daß es wegen der Raſchheit ſeiner Wirkung gefährlicher iſt als der Ather. (Gaz. med. de Paris, 18. Dec. 1847.) (35) Bäder aus Pferdefleiſchbrühe find in Berlin in die Praxis eingeführt worden, wodurch ein bei Kinderkrankheiten oft ſehr werthvolles Mittel auch weniger Bemittelten zugänglich wird. Bibliographiſche Neuigkeiten. Vogt, C., Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde. 4. Lfg. gr. 80, Geh. 1½ Thlr. Vieweg u. Sohn in Braunſchweig 1848. Handwörterbuch der Phyſiologle hrag. von R. Wagner. 17. Lg. Lex. 80, Geh. 1 Thlr. Vieweg u. Sohn in Braunſchweig 1848. Walpers, G. G., repertorium botanices systematicae. Tomus IV. Fasc. III. gr. 80. Geh. 1 Thir. 6 Sgr. Hofmeister in Leipzig 1848. Annalen der Physik u. Chemie, herausg. von J. C. Poggendorff, 12 Nrn. gr. 8°. Geh. 9¼ Thlr. Barth in Leipzig 1848. Carus, C. G., Syſtem der Phyſiologie. 2. Aufl. 3. Hft. F. A. Brockhaus in Leipzig 1848. 1 Ackner, M. J., Mineralogie Siebenbürgens. 1. Lfg. gr. 8. Geh. ½ Thlr. v. Hochmeistersche Buchh. in Hermannstadt 1847. Glockner, E. F. 2½ Thlr. gr. 80. 1 Thlr. „ generum et specierum mineralium synopsis. gr. 80. Anton in Halle 1847. cart. Dr. G. W. Dfann, Grundzüge der Lehre von dem Magnetismus und ber e gr. 8. Geh. 1 Thlr. 6 Sgr. Stahelſche Buchh. in Würz⸗ urg 1848. Robinson, J., die chirurg., mechan. u. mediein. Behandlung der Zähne. bers. von A. Fröhlich. gr. 8. In engl. Einbde. 3 Thlr. Haassche Buchh. in Wien 1848. Gluge, G., Atlas d. patholog. Anatomie. 15. u. 16. Lfg. Fol. Geh. à 1%, Thlr. auke in Jena 1848. Löbiſch, J. E., Studien der Kinderheilkunde. 80. Geh. 1½ Thlr. Haas: ſche Buchh. in Wien 1848. F. A. Kiwisch v. Rotterau, Beiträge zur Geburtskunde. Geh. 1 Thlr. Stahelsche Buchh. in Würzburg 1848. F. A. M. F. v. Ritgen, Lehr- und Handbuch der ammen. gr. 80. 2 Thlr. v. Zabern in Mainz 18 II. Abth. gr. 80. Geburtshülfe für Heb— 48. 5 . Druck und Verlag des Landes Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 107. Nr. 19 des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. Germar, über aufrecht ſtehende foſſile Stämme. — Lory, über die Reſpiration und den Bau der Orobanchen und anderer nicht grüner Pflanzen. — Miſcellen. Kuhlmann, über das Verhältniß der Nitrification zur Fruchtbarkeit des Bodens. Goureau, Dipterenlarven, welche d. Blätter der Pflanzen aushöhlen. — Heilkunde. Beniqué, über die Anwendung der ſteifen Katheter. — Toul monde, über den Geſundheitszuſtand der in den Tuchfabriken beſchaftigten Arbeiter. — Bibliographie. Miſcellen. le Chaptois, merkwürdige Enterocele. Schofield, neues pessarium gegen prolapsus uteri. — Naturkunde. XXXI. über aufrecht ſtehende foſſile Stämme. Aus einem Briefe des Hrn. F. F. Germar. Der Umſtand, daß aufrechtſtehende foſſile Stämme nur eine geringe Höhe haben, nicht durch die ganze Schichten— weite durchſetzen, ja nicht ein Mal auf einer und derſelben Schicht wurzeln, daß ihre Wurzeln verſtümmelt und bald abgebrochen erſcheinen, ſowie der häufig entrindete Zuſtand der Stämme ſind Gründe, welche ſchon Agaſſiz bewogen zu bezweifeln, daß dieſelben noch an ihrem urſprünglichen Standpunkte ſich befänden. Alle dieſe Zweifel rufen auch die von Binney !) beſchriebenen Stämme hervor, und fein Bericht muß auch deßhalb unvollſtändig genannt werden, weil er die Neigung der Geſteinsſchichten und den Winkel, unter dem die Stämme ſtehen, nicht angiebt. Binney's Vermuthung, daß die dort gefundenen, mit Wurzeln verſehenen Calamitenſtämme die jungen Pflanzen der Sigillarien wären, beruht auf einer Unkenntniß deſſen, was bereits über Calamiten bekannt iſt. Schon Bron— gniart giebt an, daß die Calamiten, wie ſie gewöhnlich erſcheinen, als Steinkerne zu betrachten ſind; Petzholdt wies nach, daß fie zu den Egquiſetaceen gehören, und ich ſelbſt habe früher in der Iſis und ſpäter in meinen petri- ficatis stratorum lithanthracum Wettini et Lobejuni repertis das Verhältniß der äußeren Rinde zum Steinferne vorgelegt. Es iſt zwar wahrſcheinlich, daß man unter der Benennung Calamiten verſchiedenartige Pflanzen vereinigt, und ich zweifle ſelbſt, daß die von Binney aufgeführten Calamiten zu der Gattung Calamites, im Sinne von Brongniart und Sternberg, gehören, aber den Equiſeten waren ſie wohl ſämmtlich verwandt und mit Stigmarien oder Sigillarien nicht zu vereinigen. *) Vergleiche No. 97 dieſes Bandes. No. 2087. — 987. — 107, Mit größerer Wahrſcheinlichkeit kann man annehmen, daß der vor zwei Jahren in einem Steinbruche bei Wettin an der Saale entblößte Baum, über den ich bereits in der Kieler Verſammlung der Naturforſcher vorläufige Nachricht gab, noch ſeinen urſprünglichen Standort habe. Er hat 12 Fuß Höhe, 2 Fuß im Durchmeſſer, wurzelt auf der Grenzſcheide des Kohlenſandſteins und des rothliegenden und ſetzt bis zu Tage aus. Gegen die Schichten des rothliegen— den, die ihn umgeben, ſteht er ſenkrecht, und da dieſe unter 10% einfallen, jo neigt er ſich unter 800 gegen den Hori— zont. Die Wurzeln verbreiten ſich nach allen Seiten meh— rere Fuß weit und dringen in den Kohlenſandſtein ein. Die Structur des Holzes bringt ihn zu Araucaria Brandlingii und das in kurzem erſcheinende fünfte Heft der petrik. Wettin. wird Abbildung und Beſchreibung liefern. Schon vor eini— gen Jahren wurde unter ähnlichen Verhältniſſen in dem— ſelben Steinbruche ein foſſiler Baum gefunden, aber damals nicht weiter beachtet, und jetzt zeigen ſich auf derſelben Ge— ſteinsſchicht Wurzeln, welche die Auffindung eines neuen Baumes in Ausſicht ſtellen. In den Schichten des roth— liegenden in der Nähe des Baumes finden ſich Palmblätter in Menge und mitunter vollſtändige Fächer. XXXII. über die Reſpiration und den Bau der Orobanchen und anderer nicht grüner Pflanzen. Von Charles Lory. Der gänzliche Mangel aller grünen Theile, durch den ſich dieſe Pflanzen auszeichnen, läßt, wenn die Zerſetzung der Kohlenſäure hauptſächlich in den grünen Theilen vor ſich geht, für ſie ein abweichendes Vegetationsgeſetz vermu— then. Die meiſten dieſer Pflanzen ſind unzweifelhaft Para— 19 231 ſiten, die einen, wie Cuscuta, auf Stämmen und Zweigen, die anderen, wie die Orobanchen, auf Wurzeln lebend; Monotropa hypopitys L. und Neottia nidus-avis Rich. find als Paraſiten noch zweifelhaft, oder doch nicht für immer Schmarotzer. Des Verf. Verſuche beſchränkten ſich größtentheils auf die Familie der Orobanchen, aus denen er ſich die folgen— den, um Bejangon wachſenden Arten auswählte. Orobanche Teucrii, Holl. et Schultz, auf Teucrium Chamaedrys; - Galii, Duby, auf Galium Mollugo ; - major L. (O.stigmatodes, Nimm. et Schultz), auf Centaurea Scabiosa; - brachysepala, Schultz, auf Peucedanum Cer- poearia; — eruenta, Bert,, auf Genista tinetoria. Lathraea squamaria L., auf den Wurzeln der Buche; auch Neottia nidus-avis Rich. wurde hin und wieder benutzt. Die vier erſten wachſen an den ſüdlichen Abhängen der ſterilſten Kalkfelſen, Orobanche eruenta liebt feuchte Orte, Lathraea und Neottia dagegen kühle und ſchattige Wälder. Eben ſo verſchieden wie ihre Standorte iſt auch die Organi— ſation dieſer Pflanzen. $. 1. Reſpiration der Orobanchen. Die Orobanchen verhalten ſich, der Luft oder einem Gemenge von Luft und Kohlenſäure ausgeſetzt, ganz ſo, wie es ſich bei ihrem Chlorophyllmangel erwarten ließ; ſie abſorbiren Sauerſtoff in jeder Periode ihrer Vegetation und in allen ihren Theilen, im Dunkeln ſo gut wie im Sonnen— lichte und geben für ihn Kohlenſäure aus. Die Sonnen— ſtrahlen wirken nur inſofern auf dieſe Pflanzen, als fie die Temperatur erhöhen und jo die Kohlenſäure- Entwicklung vermehren. Der Verf. brachte die friſch geſammelten Pflanzen in mit Luft oder einem Gemiſche von Luft und Kohlenſäure erfüllte Ballons, die mit einem genau ſchließenden Kork— ſtöpſel verſehen, umgekehrt und mit dem Halſe in Queck— ſilber oder Waſſer getaucht wurden und fo luftdicht ver⸗ ſtopft waren, daß weder Gas aus-, noch Flüſſigkeit eintreten konnte. Der Verf. ftellte im Mai und Juni mehr als 30 Verſuche an, bei denen er in den Temperatur- und Licht: verhältniſſen, ſowie in den Miſchungsverhältniſſen der Luftart und ihrem Volumen zur Größe der Pflanze die mannigfal— tigſten Veränderungen vornahm, und eben ſo die verſchiedenen Vegetationsperioden von dem Augenblicke an, wo die Pflanze aus der Erde hervortritt, bis zur Vollendung ihrer Blüthen— zeit beachtete. Jeder Verſuch dauerte gewöhnlich 36 Stun⸗ den, der Recipient war entweder dem zerſtreuten Lichte oder auch der Nachmittagsſonne ausgeſetzt, natürlich konnte man nur im erſten Falle eine mittlere Temperatur annehmen. So gelangte der Verf. zu folgenden Reſultaten. 1) Das Volumen des die Pflanze umgebenden Gaſes wird, ſelbſt wenn der größte Theil des Sauerſtoffes durch Kohlenſäure erſetzt iſt, nur ſehr wenig verändert; die beob⸗ achteten Schwankungen ſind ſo unbedeutend und ſo wenig 10% 19, 292 übereinſtimmend, daß ſie bei dermaligen Unterſuchungen, wo überhaupt eine abſolute Genauigkeit unmöglich iſt, keine Berückſichtigung verdienen. 2) Die Summe des Sauerſtoffes und der Kohlenſäure bleibt, wie die Analyſe zur Beſtätigung der vorigen nach⸗ weiſ't, wenn man den Stickſtoff als conftant annimmt, faſt unverändert dieſelbe; die faſt immer vorkommenden geringen Schwankungen werden einerſeits durch eine geringe Menge frei werdenden Stickſtoffes, andererſeits durch etwas abſorbir— tes Sauerſtoffgas hervorgerufen, zwei Urſachen, die ſich gegenſeitig ausgleichen und ſo beinahe zur Unveränderlichkeit des Geſammtvolumens mit beitragen (2). In einem Ge— menge von Luft und Kohlenſäure verhält ſich die Pflanze ebenſo wie in der Luft, verzehrt jedoch natürlicherweiſe, un— ter ſonſt nicht veränderten Umſtänden, eine geringere Menge Sauerſtoff. 3) In einer Atmoſphäre von reinem Waſſerſtoffgaſe entwickeln die nicht grünen Pflanzen viel Kohlenſäure und wenig Stickſtoff. Die Entwicklung dieſer Gaſe entſpricht demnach nicht direct der Abſorption des Sauerſtoffes, iſt vielmehr, wie bei der Reſpiration der Thiere, nur das Endreſultat der in den Geweben Statt findenden Reactionen. 4) Eine Temperaturerhöhung beſchleunigt die Reſpira— tion der nicht grünen Pflanzen, die Sonnenſtrahlen ſcheinen nur in dieſer Beziehung auf ſie von Einfluß zu ſein; und nur aus dieſem Grunde wenden ſich einige Orobanchen wäh— rend der Blüthezeit dem Lichte zu. Eine blühende Pflanze von Orobanche Teueril zerſetzt, von Luft umgeben, bei einer mittleren Temperatur in 36 Stunden mehr als das Afache ihres Volumens Sauerſtoff, alſo für jedes Gramm 4,2 Cubikeentimeter, was für das Gramm wiederum einem Kohlenſtoffverluſt von 2,26 Milli— gramm entſpricht; dieſelbe Pflanze giebt dagegen, wenn ihre Blüthen ſämmtlich verwelkt find, in 35 Stunden nur 2,68 Cu— bifeentimeter Kohlenſäure für den Gramm aus. Der blüthentragende Theil einer Orobanche brachyse- pala zerſetzt in derſelben Zeit und unter gleichen Umſtänden 2¼ Mal jo viel Sauerſtoff, als der nicht blüthentragende Theil desſelben Stengels, und dieſer Unterſchied müßte, wenn man den Sauerſtoffverbrauch der Blüthen und der Stengeltheile für ſich beſtimmen könnte, noch bei weitem größer ausfallen. Die Art der Reſpiration iſt demnach in allen Vegetationsepochen und für alle Organe der Pflanze verſchieden. Die Reſpiration der nicht grünen Pflanzen erfolgt demnach zum wenigſten am Tage in einer umgekehrten Weiſe wie bei den grünen Pflanzen, was aus folgendem Verſuche noch deutlicher werden wird. Eine im Aufblühen begriffene 7,5 Grammen ſchwere Pflanze von Orobanche Teuerii und ein eben jo ſchwerer Blätterſtamm von Teuerium chamaedrys wurden in zwei gleichgroßen Ballons, deren jeder 220 Cubikeentimeter einer aus 6 Volumina Luft und einem Volumen Kohlenſäure be— ſtehenden Miſchung erfüllt war, gebracht; beide blieben 30 Stunden lang und zwar von 9 Uhr Morgens bis zum folgenden Tage 3 Uhr Nachmittags an einem der Nach— 293 mittagsſonne ausgeſetzten Orte. Nach beendigtem Verſuche war aus der Luft, welche die Teucrium - Pflanze umgab, alle Kohlenſäure ſpurlos verſchwunden; die Luft, in welcher die Orobanche geathmet hatte, war dagegen folgendermaßen zuſammengeſetzt: Stickſtoff. . 100 Sauerſtoff. Kohlenſäure letztere hatte ſich folglich um dieſelbe Menge vermehrt, um welche ſich der Sauerſtoff vermindert hatte. Die nicht mit grünen Theilen verſehenen Pflanzen geben ſomit an die Luft einen Theil ihres Kohlenſtoffes und eine kleine Menge Stickſtoff und Waſſerſtoff ab, können alſo nicht aus der Luft ihre Nahrung ſchöpfen, ſondern ſind auf den Boden angewieſen und deßhalb zum Paraſitismus gezwun— gen. Selbſt diejenigen unter ihnen, deren Schmarotzerleben noch zweifelhaft iſt, Neottia und Monotropa z. B., nähren ſich von vegetabiliſchen Fäulnißproducten, die an den ihnen eigenthümlichen Standorten reichlich vorhanden find; das— ſelbe gilt auch für die nicht grünen kryptogamiſchen Ge— wächſe, auch ſie find entweder directe oder indirecte Paraſiten. Es wäre demnach zu ermitteln, in welchem Zuſtande und unter welcher Form die organiſchen Stoffe aufgenommen werden und welche Veränderung ſie erleiden; der Verf. wen— det ſich deßhalb zuerſt zu: §. 2. Über den anatomiſchen Bau, wobei er vorzugsweiſe folgende Theile ins Auge faßt. 1) Das Vorhandenſein oder Fehlen der Spaltöffnungen in der epidermis. 2) Die allgemeine Structur des Stammes. 3) Die Vertheilung des Stärkemehles im Zellgewebe der verſchiedenen Pflanzentheile. Die epidermis. — Schon Duchartre wies an Lathraea clandestina und Orobanche Eryngii Spaltöffnungen nach, die nach der früheren Meinung allen nicht grünen Pflanzen fehlen ſollten; auch der Verf. fand ſie bei beiden Pflanzen, und eben ſo bei den fünf von ihm unterſuchten Orobanche- Arten, konnte fie indeß bei Lathraea squamaria, wo ſie von Schleiden aufgefunden ſind und in reichlicher Anzahl in eigenthümlichen Höhlungen der Wurzelſchuppen vorkommen, nur am Fruchtknoten auffinden; auch die Ober— haut von Neottia nidus-avis iſt, nach dem Verf., faſt ohne Spaltöffnungen. Die epidermis der letzteren Pflanze beſteht aus herago— nalen oder pris matiſchen, dünnwandigen Zellen, die einen nucleus und gelbliche Körner enthalten, nur hier und da zeigt ſich, und zwar meiſtens in großen Entfernungen von einander, eine Spaltöffnung, die der Verf. deßhalb für zu— fällig hält. Die Oberhaut der Lathraea squamaria beſteht nach ihm aus ſechseckigen, flachen, am Stengel länglichen Zellen, die im jüngern Zuſtande ebenfalls einen nucleus und gelbliche Körner enthalten; Spaltöffnungen ſah er hier nicht, dagegen war die eben fo geſtaltete Oberhaut des Frucht— knotens reichlich mit ihnen verſehen; die Spaltöffnungen be— ſtanden auch hier aus zwei nierenförmig gekrümmten Zellen, 107. V. 9 294 die mit runden Stärkemehlkörnern angefüllt und gruppen— weiſe, zwei oder drei neben einander, angeordnet waren. Waren die beiden vorigen Pflanzen nur ſehr ſparſam, oder nur an beſtimmten Organen mit Spaltöffnungen ver— ſehen, ſo waren dagegen die fünf vom Verf. unterſuchten Orobanchen überall mit einer entwickelten, mit Spaltöff— nungen verſehenen Oberhaut bekleidet; ſowohl der oberir— diſche als unterirdiſche Theil des Stammes, die Blattſchuppen, Kelch- und Blumenblätter ſowohl, als Staubfaden und Frucht— knoten beſaßen ſie mehr oder minder zahlreich. In den oberen, ſowie in den jüngeren Theilen der Pflanze ſind beide Spaltöffnungszellen oft von runden Stärkemehlkörnern ganz erfüllt; enthalten dagegen in den untern Theilen des Stengels, wo ſie nicht minder häufig ſind, wenig oder gar kein Stärkemehl. Structur des Stammes. — Der unterirdiſche Stamm der Lathraea squamaria ſtimmt in feinem Baue mit dem der Lathraea clandestina, den Duchartre beſchrieben überein, die Blüthenachſe unterſcheidet ſich nur durch ein Vorwalten des centralen Zellgewebes und eine Beſchrän— kung der Rindenſchicht. Die Holz- und Gefäßſchicht iſt deutlich vom Marke zu unterſcheiden, ohne jedoch eine ſcharfe Grenze zu bilden; Spiral- und Netzgefäße ſind im innern Theile der Holzſchicht reichlich vorhanden, dagegen im un— terirdiſchen Theile des Stengels nur ſelten. Dieſe Gefäße ſind immer ſehr enge, die Windungen ihrer nicht ununter— brochen fortlaufenden Spirale oft weit von einander entfernt; mehr nach außen finden ſich Ring- und große getüpfelte Gefäße; Markſtrahlen find nicht vorhanden, auch die Baſt— ſchicht iſt nicht ſcharf vom Holze getrennt. Der Stamm der fünf Orobanchen hatte einerlei Stru— etur, er beſtand: 1) aus einem mächtigen centralen Marke mit großen, ſechseckigen, der Länge nach geſtreckten Zellen, die nach der Peripherie zu enger und langgeſtreckter wurden und ſo all— mälig in die Zellen der folgenden Holzſchicht übergingen. Sie waren mit ſpiralig geſtellten Poren verſehen, deren von Duchartre beſchriebene kreuzförmige Geſtalt auf einem Durchſcheinen der Poren einer anſtoßenden Zelle beruhte. Der Übergang ins Holz erfolgt ganz allmälig; Markſtrahlen ſind nicht vorhanden; 2) aus einer Holzſchicht, aus länglichen, dickwandigen Zellen, die bündelartig gruppirt ſind, beſtehend; ein ſolches Bündel enthält in der Mitte die engſten und feſteſten Zellen, welche eine Gruppe von Ring- und falſchen Luftgefäßen (fausses trachees) umgeben; es zeigt auf dem Querſchnitte ein Dreieck, deſſen Spitze nach außen gewandt iſt. Die Zellen werden nach außen zu allmälig weiter und durchſich— tiger und gehen ſo langſam in die folgende Schicht über; 3) aus einer äußeren oder Rindenſchicht, die aus ſechs— eckigen, länglichen, dünnwandigen, aber unregelmäßigeren Zellen wie das Mark beſteht, die in der Mitte dieſer Schicht den größten Durchmeſſer haben, folglich ſowohl nach dem Holze als nach der epidermis hin enger werden. Letztere bedeckt dieſe Schicht unmittelbar. Der Orobanchenſtengel beſteht demnach aus einer ſchma— 1 295 len Faſer- und Gefäßſchicht, zwiſchen zwei mächtigen Paren— chymſchichten, ohne daß ſich erſtere in eine Baſt- und Holz— ſchicht trennen ließe. Dieſer einfache Bau hängt wahrſcheinlich mit dem raſchen Wachsthume des Stammes zuſammen. Die Wurzeln beſtehen aus einem Faſergefäß- Bündel, das von einer mächtigen mit Stärkemehl erfüllten Zellſchicht umgeben iſt; es ſind meiſt nur poröſe Gefäße, nur ſelten finden ſich auch falſche Luftgefäße oder netzförmige Gefäße. Die mehr oder weniger knollenförmige Anſchwellung des Stengels, aus der die Wurzeln entfpringen, entſteht durch ein unregelmäßiges Zuſammentreten vieler ſolcher Bündel, die durch ein lockeres, ſehr ſtärkemehlreiches Zellgewebe ver— bunden ſind. Die Wurzel von Orobanche major und eruenta, die meiſtens einfach iſt, läßt ſich von dieſer Anſchwellung leicht weiter verfolgen, ſie bildet da, wo ſie ſich feſtſetzt, ein wulſtartiges Kiffen. Indem ihr Gewebe die Rinde der ihr zum Boden dienenden Pflanze faſt gänzlich reſorbirt, drin⸗ gen die Holzbündel der Paraſiten in das Gewebe der ihm Nahrung liefernden Pflanze, oft bis einen Centimeter tief, theilen ſich hier verſchiedentlich, ein Gewirre von Verzwei— gungen bildend, die ſämmtlich von dem Zellgewebe der Oro- banche, dem eben erwähnten Kiſſen, umhüllt ſind. Die letzten Verzweigungen erſcheinen nur als kleine, poröſe Ge⸗ füße, denen die Holzzellen faſt gänzlich fehlen. Einen diree— ten Zuſammenhang dieſer Gefäße mit denen der zum Boden dienenden Pflanze konnte der Verf. nicht auffinden, wohl ſah er häufig die Gefäße beider Pflanzen ſich mit einander kreu— zen oder gar verwirren, in den meiſten Fällen aber die letz— ten Gefäßverzweigungen der Nahrung abgebenden Wurzel ſich in ein parenchymatiſches, nur wenig oder gar kein Stärkemehl enthaltendes Gewebe der Paraſiten verlieren, weßhalb ihm eine Communication beider Pflanzen durch Endoſmoſe am wahrſcheinlichſten iſt. Vertheilung des Stärkemehles. — Die näh— renden Stoffe ſcheinen ſich in unſern Pflanzen überall, wo noch eine Entwicklung oder Ausbildung vor ſich geht, in Form von Stärkemehl und zwar in reichlicher Menge anzu— häufen; in den der Luft ausgeſetzten Theilen verſchwindet es indeß, ſobald ſie ihre völlige Entwicklung erreicht haben, es ſcheint die zur Reſpiration nöthigen Stoffe zu liefern; dagegen fehlt es dem Zellgewebe der Wurzel nie. Bei Neottia nidus-avis enthält zwar die obere Zellenſchicht der Wurzel nur wenig Stärkemehl, die innern Zellen aber deſto mehr. In der Wurzel von Orobanche major enthalten die äußeren großen Zellen nur wenige, aber ſehr große Stärke—⸗ mehlkörner, die Zellen der benachbarten Holzbündel find dagegen ganz mit viel kleineren, mehr zuſammengedrückten Amylumkörnern erfüllt; am größten und reichlichſten kommt es in dieſer Pflanze in dem Gewebe des bulbus vor. Die Geſtalt und mittlere Größe der Körner bleibt ſich bei allen Orobanchen, auch bei Lathraea, gleich, ſie ſind eiförmig, am ſchmälern Ende etwas abgeſtutzt, ihre Längsachſe mißt ½0 bis 1/30 Millimeter, ihre Breitenachſe Yro bis ¼0 Millim.; in den Schuppen der Lathraea und im bulbus der Oroban- chen kommen indeß auch ¼0 Millim. lange und ½¼15 Milli: meter breite Körner vor. 107. V. 19. 296 Der unterirdiſche Stamm der Lathraea squamaria und deſſen fleiſchige Blätter beſtehen größtentheils aus einem ſehr lockeren, an Stärkemehl reichen Gewebe; die Blätter ent— halten ſehr große Körner, deren ein einziges oft die ganze Zelle ausfüllt; minder groß ſind ſie in der Rindenſchicht des Stammes und noch kleiner, auch ſparſamer, im Marke. Vor dem Aufblühen iſt auch der oberirdiſche Stengel dieſer Pflanzen in ſeinem innern Gewebe und ſelbſt im Marke mit Stärkemehl erfüllt; ſowie aber das Blühen beginnt, verſchwindet plötzlich auch das Stärkemehl aus dem ganzen Stengel und bleibt nur an der Spitze, ſo lange ſich dort noch unentwickelte Knoſpen befinden. Dies Verſchwinden iſt von einem Austrocknen des Zellgewebes der Blätter und des Stengels durch die Luft unabhängig, erſtreckt ſich viel— mehr auch auf den oft tief in der Erde ſteckenden Theil, der eben ſo ſchnell ſein Stärkemehl verliert. Die Reſorption des letztern Stoffes geht in den ver— ſchiedenen Pflanzenarten mehr oder weniger ſchnell und voll— ſtändig vor ſich. Neottia nidus-avis und Lathraea squamaria, zwei kühle, ſchattige Orte liebende Pflanzen, ſind während der ganzen Dauer ihrer Bluͤthezeit noch mit Stärkemehl verſehen, während die Orobanchen, an trocknen, ſonnigen Orten wachſend, ſchnell und vollſtändig ihr Stärkemehl ver- lieren. Bei Orobanche Teuerii, die, zwar kleiner wie die übrigen, doch eine verhältnißmäßig größere Oberfläche beſitzt und daher lebhafter reſpirirt, welkt während der Blüthezeit ſogar der ſonſt ſehr angeſchwollene bulbus, ſein Stärkemehl gänzlich verlierend; dasſelbe gilt für Orobanche brachysepala. Sowie das Blühen fortſchreitet, rückt auch das Stärke— mehl mehr und mehr nach oben, bis es ſich endlich da, wo ſich die Vegetation concentrirt, im Fruchtknoten auhäuft; die Wandungen desſelben ſtrotzen von den größten Körnern. Die Pflanzen, denen alle grünen Theile fehlen, ent— ziehen dann noch andern, entweder lebenden oder bereits abgeſtorbenen Pflanzen die ihnen nöthige Nahrung und ver— wandeln dieſelbe in Stärkemehl, bilden dann in einer zwei— ten Periode einen überirdiſchen Stengel, der ſehr vergänglich iſt und der Stärkemehl empfängt, um es durch Sauerſtoff— aufnahme zu verbrennen. Auch in dieſer zweiten Periode ernährt ſich die Pflanze ausſchließlich durch ihre Wurzeln und nimmt außer Sauerſtoff nichts aus der Atmoſphäre auf, verliert dagegen bei ihrer Reſpiration fortwährend Kohlenſtoff. In einer Nachſchrift theilt der Verf. aus einer Reihe von Verſuchen noch einige mit, die er an Orobanche Teucrii anſtellte. Verſuch No. 1. Drei in voller Blüthe ſtehende Pflan— zen, die zuſammen 10 Grammen wogen, wurden am 8. Juni, 7 Uhr Morgens, in einen Ballon mit 780 Cubikeentimeter Luft gebracht und bei einer mittlern Temperatur von 130 einem ſchwachen zerſtreuten Lichte ausgeſetzt. Nach 33 ½ Stunde zeigte die jetzt vorhandene Luft folgende Zuſammen— ſetzung: Kohlenſäure 2 Sie Own Stickſtoff g, 100. — 1 297 No. 2. Drei gleichfalls in voller Blüthe ſtehende Pflanzen, welche 9,7 Grammen wogen und 15 Blüthen trugen, wurden am 22. Juni, 8 Uhr Morgens, in 750 Cu— bikcentimeter Luft gebracht und dem zerſtreuten Lichte bei einer mittlern Temperatur von 180 ausgejegt. Nach 33 Stun— den beſtand das Gasgemiſche aus Kohlenſäure 373 Sanerts,, 76 100. Stine pff 791 No. 3. Drei eben ſo viel wiegende Pflanzen mit gleicher Blüthenzahl wurden in ein gleichgroßes Luftvolumen gebracht, aber ins Freie und während des Nachmittags der Sonne ausgeſetzt. Nach 33 Stunden beſtand die Luft aus Kohlenſäure 5,5 | Saueritoff . 3 15,0100. Stickſtoff. 79,5 No. 4. An demſelben Tage und zu gleicher Zeit wurden vier Pflanzen, die 13,5 Grammen wogen und in voller Blüthe ſtanden, in 780 Cubikcentim. Luft gebracht und 33 Stunden bei einer mittlern Temperatur von 180 in voller Finſterniß gehalten. Die Luft beſtand zu Ende des Verſuches aus Kohlenſäure 4,5 Sauerſtoff . 16,9 } 100. Stickſtof . 79,5 No. 5. Zwei erſt ½ Stunde zuvor geſammelte Pflan— zen von Orobanche major, 47 Grammen ſchwer, die zu blühen anfingen, wurden am 7. Juni, 5 Uhr Abends, in 750 Eubifcentim. reines Waſſerſtoffgas gebracht, worin ſie 24 Stunden bei einer mittlern Temperatur von 140 ver— blieben. Das Gasgemiſche beſtand Bug aus: Kohlenſaure „52 Sauerſtoff . . 0,00 100 Waſſerſtoff 93,69 > Stidfof . - - 0,79 Dieſe Verſuche beſtätigen die früher mitgetheilten voll— kommen: ein Vergleich zwiſchen No. 1 und No. 2 zeigt den Einfluß der geſteigerten Temperatur, ein Vergleich zwi— ſchen No. 2 und No. 4 dagegen die Unabhängigkeit von der Einwirkung des Lichtes, die Menge der Kohlenſäure zeigt in beiden Verſuchen genau dasſelbe Verhältniß und iſt nur nach dem größern Volumen der Pflanzen eine relativ größere. Der Verſuch No. 3 zeigt, wie das directe Son— nenlicht nur inſofern von Einfluß iſt, als es eine Temperatur— erhöhung bewirkt, und der letzte Verſuch endlich, wie ſelbſt 107. V. 19. 298 in einer, alles Sauerſtoffes beraubten Atmoſphäre ſich den— noch eine beträchtliche Menge Kohlenſäure entwickelt, eine Menge, die hier 44 Cubikeentim. betrug und dem Volumen der angewandten Pflanzen faſt gleich kam. (Annales des sciences naturelles, Septembre 1847.) Miſeceellen. 43. Über das Verhältniß der Nitrification zur Fruchtbarkeit des Bodens. Die Zerſetzung des Salpeters im Ackerboden durch faulige Gährung beruht nach F. Kuhlmann auf denſelben chemiſchen Principien, durch welche die Salpeterſäure bei Gegenwart von freiem Waſſerſtoff oder Schwefelwaſſerſtoffgas in Ammoniak verwandelt wird. Kann nun die Pflanze den ihr nöthigen Stickſtoff nur als kohlenſaures Ammoniak aufnehmen, ſo iſt es unvermeidlich, daß nicht ein großer Theil desſelben ſich über der Erde verflüchtigt; nun kann allerdings der Ammoniakgehalt der Atmoſphäre einiger Gegenden zum Unterhalte der Pflanzen allein ausreichen, wogegen er wiederum in anderen Gegenden nicht ges nügt; die ſüdlichen Regionen bedürfen weniger Dünger als die nördlichen. Die ſalpeterſauren Salze wirken nun nicht unmittel⸗ bar, ſondern erſt nachdem fie im Boden zerſetzt und in kohlenſaures Ammoniak verwandelt ſind, günſtig auf die Vegetation, und beruht umgekehrt die Fruchtbarkeit des Bodens ſelbſt wieder in dem Ver⸗ mögen, das Ammoniak der Atmoſphäre an ſeiner Oberfläche zu binden oder vielmehr in ſalpeterſaure Verbindungen überzuführen. Vergleicht man nun den langſamen Fortgang der Nitrification in nördlichen Gegenden mit deren raſchem Fortſchritte in ſüdlichen Re— gionen, ſo iſt leicht begreiflich, um wie viel größer der Aufwand an Ammoniak oder ſtickſtoffhaltigem Dünger in erſterem ſein müſſe. (The Gardner's Chronicle 1847, No. 43.) 44. Dipterenlarven, welche die Blätter der Pflanzen aus höhlen, finden ſich nach Goureau häufig, fie zeigen ſich an der Oberfläche der Blätter als weißliche Flecken, gegen das Licht gehalten, erkennt man in der Mitte des Blattgewebes eine kleine mit einer Kralle bewaffnete Larve, die mit bewundernswürdiger Lebendigkeit das Blatt zernagt. Auf einem Luzernefelde fand der Verf. faſt ½ aller Blätter von ihnen ergriffen, fie konnen demnach ſehr ſchädlich werden. Der Verf. ſammelte fie von mehreren Pflan⸗ zen und fand, daß jede derſelben eine andere Mückenart entwickelte. Aus der Larve des Geißblattes entfaltete ſich die Phytomyza ob- scurella, aus der Larve der Luzerne dagegen die Agromyza nigripes u. ſ. w. Die Larven bauen ſich vermittels ihrer Krallen, die ihnen indeß auch als Bewegungsorgane dienen, Wohnungen in den Blättern, ſie verpuppen ſich übrigens niemals auf ihnen, ſondern kriechen zu dieſem Behufe immer in die Erde. Die Mehrzahl wird indeß ſchon vor der Verpuppungszeit theils durch Witterungsver⸗ hältniſſe, theils durch Ichneumoniden vernichtet. (Bibliotheque universelle de Geneve 1847, No. 22.) Heilk (XXXVIII.) über die Anwendung der ſteifen Katheter. Von J. Benique. Die auf Vervollkommnung der Heilkunde abzweckenden Forſchungen bieten im allgemeinen hinſichtlich ihrer Be— ſtätigung bedeutende Schwierigkeit dar. Bei den reinen Naturwiſſenſchaften läßt ſich die Thatſache, deren Wahrheit unde. man zur Anerkennung bringen will, leicht wieder hervorbringen und durch ein Experiment darthun; allein hier handelt es ſich um Abwartung einer günſtigen Gelegenheit, wo alle Bedingungen des früher ſtudirten Problems wieder zuſam— mentreffen, damit die in Vorſchlag gebrachte Löſung ihre Beſtätigung oder Widerlegung finden könne. Schon ſeit mehreren Jahren bemühe ich mich, folgen: den Satz der chirurgiſchen Therapeutik außer allen Zweifel 299 zu fegen: daß in den das Catheteriſiren erhei— ſchenden ſchwierigern Fällen die ſteifen dünnen Inſtrumente, wenn ſie an dem der Blaſe zugewen— deten Ende ſtärker ſind als in ihrer übrigen Länge, die Operation außerordentlich erleich— tern und vereinfachen. Ich werde hier abermals eine Thatſache bekannt machen, welche mir für die Richtigkeit dieſes Satzes ſehr zu ſprechen ſcheint. Vollkommene Harnverhaltung. Beobachtung. Am 2. Juni ward ich zu einer Conſultation wegen eines Patienten berufen, deſſen Zuſtand äußerſt bedenklich ſchien. Der 72jährige Hr. O. litt ſchon ſeit langer Zeit an Harnſtrenge, welche ſtets zugenommen hatte, ohne daß er je etwas dagegen gebraucht hätte. In den letzten Tagen des Mai hatte er Paris verlaſſen., um den Sommer zu Asnieres zuzubringen. Nachdem er am 1. Juni ein wenig Champagner getrunken, wurde er plötzlich von vollſtändiger Harnverhaltung befallen. Dr. Mabart, ein ſehr erfahrener Arzt, verſuchte mehrmals, die Katheter und Bougies, die ihm zu Gebote ſtanden, in die Blaſe einzuführen; allein es gelang ihm nicht, und da er nicht alle in ſolchen Fällen erforderlichen Inſtrumente beſaß, ſo ließ er mich bitten, den Kranken zu beſuchen. Wir trafen einander bei dieſem am 2. Juni Abends. Er hatte ſehr heftige Schmerzen zu erdulden. Ein Bad und die Anlegung von Blutegeln hatten ihm einige Er— leichterung verſchafft; allein ſeit 36 Stunden hatte er nicht Urin gelaſſen. Die Ruthe war angeſchwollen, ſchmerz— haft, und aus dem Harncanale liefen einige Tropfen Blut. Ich nahm einen eylindrifchen Katheter von 5 Millim. Stärke und von der geſchmeidigſten Maſſe zur Hand und ſuchte denſelben einzuführen; er blieb 14 Centimeter von der Mündung ſtecken. Da ich fand, daß ſich mittels des— ſelben der Widerſtand nicht überwinden ließ, fo zog ich ihn zurück. So vorſichtig dieſer Verſuch auch gemacht worden war, ſo liefen danach doch einige Blutstropfen aus. Ich nahm nun Bougies von ſchwächerem Kaliber zur Hand, und nachdem ich hin und wieder probirt hatte, ge— lang es mir, den Widerſtand zu überwinden. Ich glaubte ſogar bis in die Blaſe eingedrungen zu fein, da ich die Bougie 21 Centimeter tief eingeführt hatte; indeß bog ſie ſich als ich ſie noch tiefer einzuſchieben verſuchte, ein wenig zuſammen. Ich machte nun den Verſuch mit cylindrifchen bieg— ſamen Kathetern von 3 — 4 Millim. Stärke, und dieſe ge— langten bis an denſelben Punkt; allein vergebens nahm ich immer ſchwächere, vergebens wandte ich ſie mit und ohne Stilet an; ich konnte damit nicht über 21 Centimeter Tiefe eindringen und keinen Tropfen Harn abzapfen. Endlich probirte ich es mit einem ſilbernen Katheter von 3½ Millim. Stärke, der anfangs vom erſten Hinder— niſſe aufgehalten wurde, dann aber ſo weit eindrang, wie die übrigen Inſtrumente, wo er ebenfalls völlig zum Still— ſtande gelangte. Es war unmöglich, ihn ſeitlich oder dre— hend zu bewegen, und der Widerſtand, der ſich ſeinem inneren Ende entgegenſtellte, war ſo feſt, daß an ein 107. V. 19. 300 weiteres Eindringen nicht zu denken war. Ich entſchloß mich daher, ihn zurückzuziehen, wobei ich bemerkte, daß er von der Harnröhre ſehr feſt umſchloſſen war. Wir verordneten nun ein Bad, ließen eine ſehr bieg— ſame Bougie in der Harnröhre liegen, welche der Patient von Zeit zu Zeit in die Blaſe einzuführen verſuchen ſollte, und verabredeten, am folgenden Morgen um 7 Uhr wieder bei ihm zuſammenzukommen. Den 3. Juni erwartete uns Hr. O. mit großer Un⸗ geduld. Er hatte die Nacht ſehr unruhig zugebracht, die Bougie nicht bis in die Blaſe einführen können und durch- aus nicht urinirt. Da ich mich überzeugte, daß der ſilberne Katheter ſtets auf denſelben Widerſtand ſtieß, ſo erſetzte ich denſelben durch eine ſtählerne Sonde, während ich ſchon Tags vorher be— klagt hatte, eine ſolche nicht mitgenommen zu haben. Er hatte genau dieſelbe Krümmung wie der ſilberne; auch war ſein Durchmeſſer bis 1 Centimeter vom Blaſenende desſelben aus gerechnet 3½ Millim.; aber dort wurde er ſchnell dün⸗ ner, und von da bis zum Kopfe war er nicht ſtärker als es zur erforderlichen Feſtigkeit nöthig war. Als dieſes Inſtrument in die Harnröhre eingeführt wurde, drang es gleich dem ſilbernen Katheter bis zu 21 Cen— tim. Tiefe ein; allein von da an verhielt es ſich anders. Auf die bisherige Einzwängung, welche noch ſo eben den ſilbernen Katheter ſo feſt eingeklemmt hatte, daß er faſt völlig unbeweglich war, und welche großentheils von der bei 14 Gentim. befindlichen Strictur herrührte, war nunmehr eine bedeutende Freiheit des Inſtrumentes an ſeinem mitt— leren Theile gefolgt. Es war mir nun leicht, nach verſchie— denen Richtungen das Weitereindringen zu verſuchen, und kaum hatte ich das Blaſenende des Inſtrumentes aufwärts gekehrt, als es mit der größten Leichtigkeit in die Blaſe einglitt. Hier fand nun nicht die geringfte Ungewißheit in Be— treff der Rolle Statt, welche die angegebene beſondere Ge— ſtalt des Katheters bei Erlangung dieſes Reſultates ſpielte. Mein College, der übrigens nicht wußte, daß dieſe Erfin— dung von mir ſelbſt herrühre, ſtand keinen Augenblick an zu erklären, daß wir derſelben dieſen erſten Erfolg ver— dankten. Indeß mußte der Kranke durchaus des Harnes entledigt werden. In vielen Fällen reicht es hin, die Sonde her— auszuziehen, um den Harn auf der Stelle zum Ausfließen zu bringen. Dieſes Mal erfolgte dies nicht, und der ſil— berne Katheter mußte wieder zur Hand genommen werden. Allein ich kannte nun die Richtung, welche ich demſelben zu geben hatte, und als derſelbe bei 21 Centim. Tiefe wie— der ſtecken blieb, ertheilte ich ihm dieſelbe Bewegung, welche bei der ſtählernen Sonde von Erfolg geweſen war, wor— auf jener faſt eben ſo leicht wie dieſer in die Blaſe eindrang. Der Harn floß nun in reichlicher Menge aus. Nun erſetzte ich den ſilbernen Katheter durch einen biegſamen von demſelben Durchmeſſer, dem ich behufs der Einbringung mittels eines Dornes genau dieſelbe Krüm— mung gegeben harte, die jener beſaß. 301 Der um vieles gebeſſerte Kranke begab ſich am fol- genden Tage nach Paris und konnte ſogar den Weg bis zum Wagen zu Fuße zurücklegen. Allein bald wurde er von einer ſehr bedenklichen Blaſenentzündung befallen. Der ſehr trübe Harn, welcher ohne Anwendung des Katheters nicht abging, hatte einen ſehr übeln Geruch von Ammonium und Schwefelwaſſerſtoffgas. Einſpritzungen don bloßem Waſſer, ſowie ſpäter von Waſſer mit ein wenig Kalkchlorur verſetzt, hatten ihm einige Erleichterung verſchafft, als ſich eine neue Compli— cation herausſtellte. Der Katheter, welcher theils des Abzugs des Harnes, theils der häufigen Einſpritzungen halber liegen bleiben mußte, veranlaßte in der Blaſe eine ſolche Entzündungs— reaction, daß man ſich genöthigt ſah, ihn herauszunehmen. Von nun an mußten wir das Catheteriſiren ſehr häufig wiederholen, welche Operation, beſonders in den erſten Ta— gen, bedeutende Schwierigkeiten darbot, wovon ſich Dr. Matice überzeugen konnte, der fie in meiner Abweſenheit öfters ausführte. Aber zum Glück verminderte ſich die Entzündung; man konnte den Katheter wieder liegen laſſen, die Einſpritzungen regelmäßiger bewirken und eine ſtufenweiſe Verbeſſerung des Zuſtandes des Harnes veranlaſſen. Alsdann wurde der Katheter herausgenommen, die Er— weiterung der Strictur bis 9½ Millim. bewirkt, und gegen— wärtig befindet ſich der Patient in einem recht zufrieden ſtellenden Zuſtande. Er urinirt ohne Beihülfe des Katheters leicht und führt ſich ſelbſt von Zeit zu Zeit ſehr ſtarke Bou— ies ein. : Ich habe das Ende dieſer Beobachtung nur ganz kurz angegeben, um die ſchon ſo vielfach beſchriebenen Erſchei— nungen nicht zu wiederholen. Doch muß ich noch ein Mal auf den Punkt zurückkommen, daß in dem Augenblicke, wo wir uns in der größten Verlegenheit befanden, der an ſeinem Blaſenende ſtärkere Katheter uns ſo weſentliche Dienſte erwies. Ich habe mich in ſehr vielen Fällen von der prakti— ſchen Wichtigkeit dieſes Inſtrumentes überzeugt; allein die Thatſachen, die ein einzelner Arzt zur Unterſtützung einer Lieblingsanſicht ſammelt, ſind gewöhnlich nicht hinreichend beweiſend. Jedermann iſt, ohne dem guten Glauben und der Aufrichtigkeit des Beobachters im geringſten zu nahe treten zu wollen, geneigt zu glauben, daß derſelbe rückſicht— lich einiger Umſtände des Problems in unabſichtlichen Täu— ſchungen befangen ſei, daß er vielleicht die zu überwindenden Schwierigkeiten für größer gehalten habe als ſie es wirklich ſind. Wenn ich z. B. in dem hier in Rede ſtehenden Falle keinen jo competenten und meinen vorgefaßten Anſichten fo völlig fremden Zeugen gehabt hätte, ſo würde dieſe meine Mittheilung auf weit weniger allgemeine Gültigkeit Anſpruch machen können. Auf dieſe Weiſe iſt aber durch einen alles Vertrauen verdienenden Sachverſtändigen feſt geſtellt, daß der ſilberne Katheter in der Harnröhre ſo feſt eingezwängt war, daß ihn mit Gewalt weiter einzutreiben, bevor man über die geeignete Richtung völlige Gewißheit gehabt, die größte Verwegenheit geweſen ſein würde; während durch die 107. V. 19. 302 Anwendung der bloß an ihrem vorderen Ende ſtarken ſtäh— lernen Sonde dieſe Gewißheit ſehr leicht erlangt wurde, da die Stricturen der Harnröhre dieſelbe an ihrem mitt— leren ſchwachen Theile nicht einzwängen konnten. (Gazette médicale de Paris, 18. Dec. 1847.) Es ſcheint doch als wenn in dieſem Falle dasſelbe ſich ereignet habe, was man fo oft beobachtet; bei Reizung des Blaſenhalſes muß die Spitze des Katheters, wenn er durch die pars membranacea durchgedrungen, nochmals und ſtärker gehoben werden, um über den unteren Rand der prostata hinwegzukommen. Dies geſchah hier zuerſt mit der geknöpften Unterſuchungsſonde, und ſo ſchien die geknöpfte Bildung der Sonde das Hin— derniß zu überwinden, während man dies doch eigentlich der richtigeren Führung des Inſtrumentes verdankte. R. F. (XXXIX) über den Geſundheitszuſtand der in den Tuchfabriken beſchäftigten Arbeiter. Von Hrn. Toulmonde. Hr. Toulmonde hat ſich vorgeſetzt, zu unterſuchen, ob das Schickſal der Tucharbeiter durch die auf Verbeſſerung der Lage der Armen gerichteten Beſtrebungen erträglicher geworden ſei. Er gelangt in dieſer Beziehung zu dem Re— fultate, daß dies unſtreitig der Fall ſei. Er weiſ't nach, daß Lüderlichkeit, ſchlechte Koſt, das Hineinleben in den Tag die Hauptquellen ſind, aus denen die Krankheiten und die Kränklichkeit der Arbeiter entſpringen, während durch die Bemühungen wohlwollender Menſchenfreunde in Betreff des moraliſchen Zuſtandes der arbeitenden Claſſen ſchon eine bedeutende Beſſerung eingetreten iſt. So hat die Stadt Sedan ſchon ſeit längerer Zeit auf Hebung der Moralität und des Geſundheitszuſtandes ihrer zahlreichen Arbeiterbe— völkerung kräftig hingewirkt. Dieſe ſelbſt hat auf Gegen- ſeitigkeit gegründete Unterſtützungsvereine ins Leben gerufen, welche nach wahrhaft brüderlichen Grundſätzen den Kranken und Altersſchwachen Hülfe angedeihen laſſen. Hr. Toul— monde iſt bei einer dieſer Geſellſchaften als Arzt ange— ſtellt und hat in dieſer Stellung die beſte Gelegenheit, Er— fahrungen darüber zu ſammeln, inwiefern dieſe philanthro— piſchen Verbindungen auf den Geſundheitszuſtand und die Sterblichkeit der Arbeiter einen wohlthätigen Einfluß üben. Er hat alle Umſtände, welche über die Natur dieſer Krank: heiten, über deren Dauer und Häufigkeit, je nach dem Alter, dem Geſchlechte, der Art der Beſchäftigung, einiges Licht verbreiten können, in Anſchlag gebracht und ſtatiſtiſch un— terſucht, und iſt auf dieſe Weiſe unter andern zu folgenden Reſultaten gelangt. 1) Es ſcheint ausgemacht, daß, mit wenigen Ausnah— men, die bei der eigentlichen Tuchfabrication beſchäftigten Arbeiter an keinen Krankheiten zu leiden haben, welche direet von deren täglichen Berufsarbeiten herrühren. 2) Die Spinner, Wollzupferinnen und Spulerinnen ſind am häufigſten erkrankt. Die erſten haben allerdings die anſtrengendſte Arbeit in der Manufactur zu verrichten; die 303 zweiten find mehrentheils ſchon ziemlich alt und werden jo ſchlecht bezahlt, daß ſie ſich ſehr kümmerlich durchbringen, während überdies beſondere Krankheitsurſachen auf ſie ein— wirken. 3) Die Handwerker, Schloſſer ꝛc., d. h. diejenigen Arbeiter, die gut bezahlt werden und in Wohlſtand leben, erkranken am ſeltenſten. Ihnen zunächſt ſtehen die Scheerer, welche, da ſie mit Maſchinen arbeiten, ſich ſehr wenig an— zuſtrengen brauchen. A) Die Tuchrauher, welche an feuchten Orten arbeiten, die oft mit den Füßen im Waſſer ſtehen und ſich theils beim Heben, theils beim Ausſpannen der Tuche bedeutend anſtrengen müſſen, ſind vermöge der Natur ihrer Beſchäfti⸗ gung Verletzungen an den Beinen, Absceſſen, Quetſchun— gen, Bronchialentzündungen und Hernien mehr ausgeſetzt, als andere Arbeiter. 5) Die Wollzupferinnen befinden ſich fortwährend in einer mit Wolltheilchen, Staub ꝛc. geſchwängerten Luft und be— kommen daher leicht Augenentzuündungen, Bronchialentzün— dungen, ſowie catarrhaliſche Bruſtkrankheiten. 6) Die Spinner ſind dem Reißen in den Gliedern und Lenden, ſowie Rheumatismen ausgeſetzt, welche theilweiſe von der übermäßigen Arbeit herrühren. Die Verdauungs- beſchwerden haben bei ihnen ihren Grund häufig in der ſchlechten Beſchaffenheit und dem unregelmäßigen Genuſſe der Nahrungsmittel, ſowie denn namentlich das Bier, wel— ches ſie trinken, nur zu häufig aus ſchlecht beſchaffenen In— gredienzien beſteht. 7) Scropheln ſind ſelten und gutartig. 8) Die Jahreszeiten ſcheinen auf die Zahl und die Dauer der Krankheiten keinen weſentlichen Einfluß zu äußern. Das wichtigſte Reſultat der Unterſuchungen des Hrn. Toulmonde iſt, daß die Sterblichkeit unter den Arbeitern überhaupt durchſchnittlich nicht mehr als 1 Procent beträgt, alſo ſich nicht höher beläuft, als diejenige der begünſtigtſten Volksclaſſen. Dies Reſultat iſt der ſchönſte Lobſpruch, den man den auf gegenſeitige Unterſtützung abzielenden Vereinen ertheilen kann. (Gaz. med. de Paris, 15. Janv. 1848.) Mificellen. (36) Eine höchſt merkwürdige voluminöſe Entero⸗ cele, welche durch den Grund der Gebärmutter eingedrungen war, ift von Hrn. le Chaptois beobachtet worden. Eine 60 jährige 107. V. 19. 304 Frau, Mutter von 7 Kindern, war ſchon längere Zeit mit hernia vaginalis behaftet, gegen welche ſie jedoch nie ärztliche Hülfe nach⸗ geſucht hatte. Nach und nach wurden aber das Gefühl von Schwere und Ziehen im hypogastrium, der Stuhlgang und die Harnſtrenge ſo läſtig, daß die Frau ganz krumm und der Kopf den Knien ge⸗ nähert wurde. Hr. le Chaptois fand eine gewaltige Maſſe der dünnen Därme und den Grimmdarm durch den uterus, den fie zerriſſen und mit fortgezogen hatten, vorgefallen. Die völlig um⸗ geſtülpte Gebärmutter hing zwiſchen den Schenkeln heraus. Die Geſchwulſt war birnförmig, braunroth und mehr als fauſtgroß. Die verdünnten, pergamentartigen Wandungen ihres Grundes ſchie— nen von aller Blutcirculation verlaſſen. Nach dem rechten röhren- förmigen Winkel (angle tubulaire droit) hin zeigte ſich ein faſt 6 Centimeter langer Riß, durch welchen die Därme, deren zuletzt vorgefallene Schlinge eine ſchöne Roſenfarbe. darbot, herausgetre⸗ ten waren. In den ſchon länger vorgefallenen Darmportionen war die Vitalität faſt ganz erloſchen, während die roſenrothe Portion deutlich pulſirte. Puls klein und kläglich; Schluchzen, kalte Schweiße, häufige Ohnmachten. Nachdem Hr. le Chaptois die vorgefallenen Theile gewaſchen, gelang ihm die Zurückbringung derſelben in die Beckenhöhle, wo er ſie mittels eines in die vagina eingeführten und durch einen paſſenden Apparat befeſtigten feinen Schwammes zurückhielt. Es traten häufiges Erbrechen und furcht⸗ bare Convulſionen, aber nach einigen reichlichen Stühlen Beruhigung ein. Die Eßluſt kam wieder und die Reconvaleſeenz hatte ihren regelmäßigen Verlauf als nach drei Monaten eine Peripneumonie dem Leben der Patientin binnen 14 Tagen ein Ende machte. Die Leichensffnung ward nicht geſtattet. (Gaz. med. de Paris, 18. Dec. 1847.) (37) Ein neues pessarium gegen prolapsus ute ri hat Hr. Joſeph Schofield erfunden und in The Lancet, Nov. 1847 beſchrieben und abgebildet. Es beſteht aus einem Säulchen von Porcelan, etwa 3 Zoll lang und ½ Zoll ſtark, deſſen Obertheil rund und zur Aufnahme und Unterſtützung der labia uteri napf⸗ förmig ausgehöhlt iſt. Das Untertheil bildet einen länglichen Quer⸗ balken mit abgerundeten Kanten, 1½ 3. lang und ½ 8. breit, auch mit zwei kleinen Löchern verſehen, durch welche Riemen gezogen werden, die an einen Gürtel gehen, welcher der Patientin um die Hüften gelegt wird. Die 495 Riemen beſtehen aus vulcaniſirtem Federharz und find etwa 24 Zoll lang, ½ 3. breit und ½ 3. dick. Der Gürtel iſt mit einer Schnalle und vier Knöpfen ver⸗ ſehen, an welche letztere die beiden Enden der beiden Riemen be- feſtigt werden, nachdem ſie durch die Löcher im unteren Ende des pessarium gezogen ſind. Ein Riemen befindet ſich vorn, der andere hinten. Man legt den Gürtel ſo feſt um die Hüften, daß er nicht herabrutſchen kann und bringt die Schnalle über den Nabel, fo daß die vorderen und hinteren Knöpfe einander gerade gegenüber liegen. Der Abſtand der vorderen und hinteren Knöpfe muß 3 3. betragen. Wenn der Mutterkranz angelegt iſt, muß das Untertheil des Säulchens ein wenig gegen die Commiſſur der vulva drücken und der Boden des pesssarium ſich / — ½ 3. unter derſelben befin⸗ den, was durch geeignete Länge der Riemen zu bewirken iſt; denn wenn das pessarium zu feſt in die Höhe gezogen iſt, kann der uterus vom Obertheile leicht abgleiten. Bibliographiſche Neuigkeiten. Rennie, J. — Bird Miscellanies, illustrative of the Habits and the Faculties. 2 vols in 1, 18%. (pp. 386, cloth, 3 sh.) London 1848. Westgarth, W. — Australia Felix; or, an Historical and Descriptive Ac- count of the Settlement of Port Philip, New-South Wales: including full 1 of the Manners and Customs of the Aboriginal Natives. Post . (pp. 486, cloth, 10 sh. 6 d.) London 1848. Bunbury, C. J. F. — Journal of a Residence at the Cape of Good Hope, with Excursions into the Interior, and Notes on the Natural History and the Native Tribes. Post 8°. (pp. 310, cloth, 9 sh.) London 1848. Sanderson, H — A Plan for an effectual general System of sewage for the Cities of London and Westminster and their Suburbs. 8. (pp. 32, sewed, 1 sh.) London 1848. Braithwaile, W. — The Retrospect of Medicine. Vol. 16 July to Dec. 1847. 12°. (Leeds.) pp; 492, cloth, 6 sh.) London 1848. Ranking, W. H. — The Half-Yearly Abstract of the Medical Sciences Vol. 6, July—Dec. 1847. Post 8°. (pp. 44, cloth, 6 sh. 6 d.) London 1848. Simpson, J. Y. — Answer to the Religious Objections urged against the Employment of Anaesthetic Agents in Midwifery and Surgery. 8°. (pp. 24, „sewed, 6 d.) London 1848. Simpson, J. X. — Remarks on the Superinduction of Anaesthesia in Natural and Morbid Parturition; with illustrative Cases from Obstetrie Practice. 8. (pp. 24, sewed, 6 d.) London 1848, Druck und Verlag des Landes: Induftrie« Gomptoird zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 108. (Nr. 20. des V. Bandes.) Februar 1848. Naturkunde. Domeyko, Bemerkungen über die Geologie von Chili. — Alguié, über die Anordnung der Bronchienäſte und deren Endigungen. — Miſcellen. Zantedeſchi, Moſerſche Bilder auf Porcellan erzeugt. bei hydrocele. Pouchet, Skelett des männlichen Froſches. — Heilkunde. einer neuen Unterlippe. — Gregory, Heilung eines Bruches der Knieſcheibe durch ligamentöſe Vereinigung. — Mey nier, neues ivivelektriiches Gewebe. — Bibliographie. Sedillot, Bildung Miſcellen. Houles, Jodeinſpritzungen Naturkunde. XXIXIII. Bemerkungen über die Geologie von Chili. Von Ignaz Domeyko, Profeſſor der Mineralogie und Geologie an der höhern Lehranſtalt von Coquimbo in Chili. Die Zeitſchrift für Erdkunde, von J. G. Lüdde und mehreren redigirt, theilt im Aten Hefte des 7ten Bandes dieſe Arbeit, von F. Stauffert überſetzt, mit, der wir folgenden kurzen Auszug entnehmen. Das Andenſyſtem zerfällt, nach dem Verf., in drei Hauptgruppen: 1) ein geſchichtetes ſecundäres Felsgebilde, welches älter iſt als die Erhebung der Anden, 2) mit der Erhebung dieſes Gebirges gleichzeitig ge— hobene abnorme Maſſen, 3) tertiäre Ablagerungen nach der gedachten Erhebung. Dieſe letzteren, aus horizontalen Lagen beſtehend, bilden einen Theil der Küſtenformation und erſtrecken ſich bis in die Thäler, wo ſie doppelte und dreifache kleinere Thäler bilden. Die zweite Gruppe beſteht aus nicht geſchichteten granitiſchen oder porphyritiſchen Maſſen, deren Hauptgeſtein vier Elemente: Quarz, Feldſpath, Glimmer und Hornblende, in ſich ſchließt, die in den verſchiedenſten Verhältniſſen zu einander vorkommen. Die Küſte des ſtillen Meeres beſteht aus dem Geſteine dieſer Gruppe, welche niedrige, abgerun— dete, in verſchiedener Richtung ſtreichende, bis zu den Cor— dilleren verlaufende Berge bildet, die hie und da unter das geſchichtete Geſtein derſelben tauchen, an andern Orten dagegen dasſelbe überdecken und hohe Zinken dieſer Gebirgs— kette ausmachen. Dieſe Gruppe zeigt wiederum ein älteres, zum Theil erhaltenes und ein ſpäteres hebendes Geſtein, das reich an Erzgängen iſt. Erſteres bildet vorzugsweiſe die Küſte. No. 2088. — 988. — 108. Die erſte Gruppe, das geſchichtete ſecundäre Fels— gebilde, kommt ſelten unter 700 Meter über dem Meere vor; es iſt in den SProsinzen Huaſeo und Copiapo, die reich an Silberminen find, vorherrſchend, wogegen ſich im Norden von Chili in dem Geſteine foſſilienreiche Kalkſchichten zeigen, welche indeß keine beſondere Etage zu bilden ſcheinen, ſon— dern an verſchiedenen Orten in verſchiedenen Höhen vor— kommen und, wie der Verf. glaubt, das einzige Gebilde dieſer Gruppe ausmachen, das der Jura- oder Kreideforma— tion entſpricht; in ihnen finden ſich Muſcheln. Auf den porphyritiſchen Theil dieſer Gruppe, der keine Foſſilien enthält und ſchon deßhalb, noch mehr aber durch die zum Theil gleichartige porphyritiſche Beſchaffenheit des gehobenen und des hebenden Geſteins, das oftmals erſteres durchſetzt oder gar durchbricht, ſchwierig zu erforſchen iſt, hatte der Verf. vorzugsweiſe ſein Augenmerk gerichtet und ihn auf ſeinen Reiſen nach dem Süden von Chili und den Cordilleren don San Jago und Rancagua mehrfach un— terſucht. Dieſer geſchichtete Porphyr der Anden beſteht haupt— ſächlich aus folgenden Geſteinen. Thonſchiefer, welcher den unterſten Theil ausmacht und ſich oft in großen, kugeligen Stücken ablöſ't. Porphyr mit Jaspisknollen und Chalcedon, er bildet Neſter und unregel— mäßige Adern inmitten des Porphyrs und kommt nur ſelten in Geſellſchaft von Kalkſpath vor; die Chalcedonnieren wer— den durch die Verwitterung des Geſteines oft bloß gelegt. Zeolithiſcher Porphyr von erdiger, ſelten dichter, manch Mal poröſer Structur: er enthält Stilbite, Meſotype und Sco— lezit, Prehnit, Epidot, Kalkſpath und Altulit, letzterer iſt indeß ſehr ſelten. Dieſe Mineralien concentriren ſich ent— weder an gewiſſen Punkten, oder bilden unregelmäßige Adern. Der zeolithiſche Porphyr dermit er leicht und zwar 307 nach dem Kieſelgehalte des Geſteins verſchieden raſch: ſo entſtehen höchſt malerifche Formen, hervorragende Pfeiler mit Grotten und Höhlen, alten Schloßruinen gleichend. Unter den vielen porphyritiſchen Geſteinen gedenkt der Verf. noch eines amphiboliſchen Porphyrs, der an mehre— ren Stellen in regelmäßigen und ausgedehnten Lagen vor— kommt. Porphyritiſche Breccien und Tuffe finden ſich auf ver— ſchiedenen Stufen des Geſteins, mit deſſen dichten Schichten ſie bald wechſellagern, bald aber nur als obere Schicht vorkommen; ſie ſind ihrer Zuſammenſetzung nach ſehr man— nigfaltig und enthalten häufig alle der Gruppe eigenthüm— lichen Geſteine; dagegen fehlen der dünnblättrige Schiefer, Thonſchiefer, Sandſtein, Mergel, Baſaltgeſtein und jüngere Lava. In den Geſteinen, die mit dem geſchichteten Porphyre wechſellagern, kommen zwar keine thieriſchen Überrefte, da⸗ gegen beſonders in den porphyritiſchen und breccienartigen Tuffen vegetabiliſche Abdrücke, ſowie verkohlte oder verſtei— nerte Baumſtämme vor. Am Berge los Favellones bei Peuco, 18 Lieues ſüdlich von San Jago, fand der Verf. in einer etwa 2 Meter mächtigen Tuffbank, die mit dem Porphyr wechſellagerte, 0,1 bis 0,2 Meter dicke Baum— ſtämme in liegender Richtung, theils verkohlt, theils ganz, theils halb verſteinert, indem das Mark ſich als kohlige Maſſe im verfteinerten Holze fand. Auch am linken Ufer des Rio Colorado, beim Berge Aucayes, kommen in ſchie— frigen Geſteinen und Porphyrbreccien Pflanzenabdrücke und Baumſtämme in verſchiedenen Lagen vor; letztere ſind zum Theil in, Gagath verwandelt und faſt ſämmtlich platt ge— drückt. Ahnliche Foſſilien ſollen ſich noch an mehreren Orten finden, ohne jedoch der Quantität und Qualität nach als Brennſtoff verwendbar zu ſein. Die zweite Gruppe, das hebende Geſtein, charak— teriſirt und unterſcheidet ſich vorzüglich durch das Fehlen der zeolithiſchen Mineralien, des Jaſpis und Chalcedons, ſeine Structur iſt mehr oder weniger granitiſch; der Feldſpath iſt das Grundgeſtein, begleitet von Feldſpath und Glimmer, welcher letztere dem geſchichteten Porphyr der erſten Gruppe zu fehlen ſcheint. Das eingetriebene Geſtein iſt, wenn es in den Por— phyrlagern der erſten Gruppe auftritt und dort Lager und Gange bildet, oft ſchwierig zu erkennen; manch Mal jedoch ſchon feinem Anſehen nach und durch die hervorgerufenen Verſchiebungen wahrzunehmen, ſo am Berge Cerro de los Mones, unfern der Silberminen von San Lorenzo. Be— merkenswerth ſind die Modificationen, welche gewiſſe Fels— arten der geſchichteten Geſteine in der Nähe der hebenden Maſſe erleiden, indem ihre Schichtung mehr oder weniger verſchwindet und ſie in derbes Geſtein übergehen, das die Bewohner des Landes Tofos nennen. Dieſer Tofsos iſt mei— ſtens erdiger Kaolin von weißer, oft buntſcheckiger Farbe, er beſteht manch Mal faſt nur aus Kieſel mit 4 bis 5 Proc. Alaunerde. Ju dieſen weißen, unfruchtbaren Tofosbergen ſuchen die Indianer ihr Polcura (gediegenen Alaun), das ſie zum Färben verwenden. Die Tofosbildungen zeigen ſich 108. V. 20. 308 ſelten an der erſten Berührungslinie der beiden Formations— gruppen, dagegen häufiger da, wo der hebende Fels die zweite oder dritte Schicht durchſetzt. Nunmehr zur Configuration des Landes übergehend, bemerkt der Verf., wie die Küſten-Cordilleren (Primer cor- don, Cordillera de la costa, Cordillera baja) ganz aus dem Geſteine der zweiten Gruppe, die eigentlichen Andes (los Andes, Cordillera alta) aber aus dem Geſteine der erſten und einem Theile der zweiten Gruppe beſtehen. Beide Ge— birgsketten ſind durch ein breites, ſehr langes, höchſt frucht— bares Thal getrennt, in dem die Hauptſtadt San Jago und viele andere Städte liegen; die öſtliche Grenze dieſes herrlichen Thales bildet ein Gebirgszug, deſſen Häupter mit ewigem Schnee bedeckt ſind. Die Gold- und Kupfergänge gehören im allgemeinen der zweiten Gruppe an, die des Silbers, des ſilberhaltenden Kupfers, des Lothgültigerzes ) und des Schwefelarſenik— ſilbers dagegen der erſten Gruppe; die Goldgänge finden ſich mehr nach der Küſte zu mitten im granitiſchen Geſteine. Das nördlich vom Thale Huaſeo gelegene Gebirge iſt der an Silberminen reichſte Theil von Chili, doch wird auch Gold und Kupfer dort gegraben. Die Kupferminen, deren Erze ſehr reich ſind, liegen in dioritiſchem Geſteine, etwa 7 Lieues von der Küſte entfernt, während die Goldminen von Capota faſt das Geſtade erreichen. Die Silberminen des Berges Chanarcillo beſchäftigen gegenwärtig 700 Arbei— ter und liefern jährlich 80,000 Mark Silber. Südlich vom Thale Huaſco trifft man die Kupfermi— nen von San Juan und von Higuera, welche jährlich mehr als 100,000 Centner Roherz (20 bis 25 Proc. haltend) geben. Das Erz beſteht aus Kupferkies und Kupferoryd, das Ge— ſtein iſt Diorit; dieſelbe Gegend beſitzt noch andere nicht minder bedeutende Kupferminen, Goldgänge ſind weniger häufig als Silber, das theils gediegen, theils als Chlorür oder Amalgam vorkommt. Einer der intereſſanteſten Punkte iſt ein 7 Lieues ſudöſtlich von Vallenar, der Hauptſtadt des Departements Ober-Huaſeo, gelegener Ort, wo man zwei mit den Cordilleren parallel verlaufende Gebirge, Cerro de los Camarones und Cerro de Agua Amarga erblickt; das letztere höhere zeigt den zwiſchen Kieſelgeſtein geſchichteten fojjilienreichen Kalk, während das erſtere an der einen Seite unzählige verlaſſene Kupferminen und deren Abraum, an der andern Seite aber ebenfalls verlaſſene Silberminen und deren Abraum nachweiſ't. Die Küfte von Coquimbo nach Valparaiſo iſt reich an Goldminen; die Minen von Talca de Baraſa liegen dicht am Geſtade, die reichen Goldwäſchen von Caſute find 2 Lieues vom Meere entfernt. Die ganze granitiſche Küfte iſt goldhaltig dagegen fehlt ihr das Kupfer wie die Kupfer— erze gänzlich. Wo ſich dies goldhaltige Geſtein indeß mehr vom Ufer entfernt und den geſchichteten Gebilden nähert, finden ſich neben dem Golde auch Kupfergänge, die in der jüngeren Formation ſehr häufig und deren Erze ſehr ergiebig ſind. Sobald man nun die Berührungslinie der nicht ge— ſchichteten granitiſchen und porphyritiſchen Gebilde mit dem M. J. Schl. 5) Rothgultigerz? 309 geſchichteten Porphyr überſchreitet, werden alle Kupfergänge mehr oder weniger ſilberhaltig, ſie enthalten Fahlerz, Blei⸗ glanz und Kupferarſenik. Dahin gehören die Minen von Rapel, desgleichen viele des Departements Combarballa u. ſ. w. Das Land ſüdlich des Thales von Aconcagua, das die beiden Formationsgruppen ſcheidet, iſt in ſeinem grani— tiſchen, am Meere gelegenen Theile reich an Goldminen, während an den Bergwänden des geſchichteten Geſteins, der öſtlich von dieſem Thale gelegenen Andenkette auf Silber und Kupfer gegraben wird. In der Nähe von Valparaiſo und Caſa Blanca entdeckte man erſt kürzlich ſehr reichen goldhaltigen Sand. Vom Hafen San Antonio, an der Mündung des Rio Maypo, dem Fluſſe nach Oſten folgend, durchſchneidet man die granitiſche gold- und kupferreiche Geſteingruppe, gelangt dann in das große Längenthal von San Jago und kommt ſo in nordöſtlicher Richtung nach San Juan zu der zweiten Gebirgskette der Cordilleren, welche die eigentlichen Anden ſind. Am Fuße derſelben begegnet man noch der graniti— ſchen ungeſchichteten Gruppe, aber nur wenige Meilen höher, noch vor der Einmündung des Rio Colorado, tritt überall die geſchichtete Gruppe auf, deren Schichtungsſyſtem aus vollkommen regelmäßigen Lagen beſteht. Unfern Ingenio erblickt man einen Berg von 20,000 Fuß Höhe, auf deſſen Gipfel, nahe der ewigen Schneelinie, an der einen Seite ſich die Silberminen San Pedro Nolaſeo und an der an— dern die Silberminen von San Lorenzo, beide in geſchichte— tem Porphyr, befinden. Das Vorkommen von Gängen mitten in dieſem ge— ſchichteten Geſteine erklärt ſich leicht, da man ſchon von San Gasriel an auf dem rechten Ufer des Maypo, unter dem geſchichteten Porphyre, dioritiſches Geſtein zu Tage kommen und ſpäter ſüdlich wieder abſtürzen ſieht, während es nördlich den Berg San Lorenzo bei ſeinen Silberminen berührt und ſich in der Ferne unter Tofosmaſſen verliert. Die Gegend zwiſchen San Lorenzo und San Gavriel und eben ſo die Vereinigungsſtelle der Flüſſe Rio del Vol— can und Rio del Jeſo find geologiſch höchſt intereſſant. Der Berg San Franciſco, reich an Kupferminen, iſt aus demſelben Diorit wie der Berg San Gavriel gebildet und eben jo den Dioriten der Küſte, welche die meiſten Kupferminen führen, gleich. Der Rio de Maypo trennt dieſen Berg von ſeinem Nachbar, dem Berge San Pedro Nolaſco, der aus geſchichtetem Porphyr beſteht. Die ihn durchſetzenden Gänge ſind von einer ganz andern mineralo— giſchen Beſchaffenheit, als die des San Franciſco del Volcan; die Hauptgänge ſtreichen indeß in beiden Bergen gleich, von O. 150 N. nach O. 150 S.; ihre Richtung ſtimmt dem⸗ nach weder mit den Richtungen der Hauptkette der Anden, noch mit der Maſſe, welche an dieſem Orte das Geſtein verſchoben hat, überein. Alle Gänge im San Pedro No— laſco ſind ſilberhaltig, während dem kupferreichen San Fran— ciſco alle Silbererze fehlen. Zwanzig Meilen ſüdlich von San Pedro Nolafco trifft man, nahe der Schneegrenze, auf einem Cordillerengipfel, del Teniente, Kupferminen an; das hebende Geſtein bildet 108. V. 20. 310 hier ein ausgedehntes ſecundäres Gebilde in Tofos um, und in einem breccienartigen Geſteine, das zur Hälfte in Kaolin verwandelt iſt, ſieht man ein metallhaltendes Stockwerk, aus einer Unzahl von Kupfererzadern, welche ſich unregel⸗ mäßig durchkreuzen, beſtehend. Hier, wie in Andacolla, wer— den die Adern niemals breiter als 2 Zoll, die einen führen Schwefeloryde und die andern Kupferorydule, alle haben als Nebengeſtein blaue und grünliche kieſelſaure Salze; das ganze Stockwerk iſt überhaupt der Lagerungsſtätte der Schwefel- oryderze von Andacolla, das mehr als 180 Lieues von ihm entfernt iſt, durchaus ähnlich. An dieſe Arbeit knüpft ſich eine zweite des ſelben Ver⸗ faſſers „über die geologiſche Conſtitution Chilis“ in demſelben Hefte der Zeitſchrift für Erdkunde mitgetheilt, die wir gleichfalls im Auszuge wiedergeben. 1) Geologiſche Beſchaffenheit des Andesſyſtemes und der Gebilde, welches es unter der Breite von Copiapo durch— ſchneidet. Die Bai von Copiapo liegt in einem granitiſchen Ter— rain, das von ſehr jungen Tertiärablagerungen bedeckt iſt; der Landungsplatz liegt an dem ſüdlichen Theile der Bai; ſüßes Waſſer findet man erſt in einer Entfernung von 3 bis 4 Lieues vom Hafen. Das ganze Ufer der Bai iſt in einem Umkreiſe von 8 bis 10 Lieues eine große, ſich bis zum Fuße der Gold- und Kupferminen bergenden Granit— kette ausdehnende Wüſte. Aus dieſer Ebene tauchen nur hie und da abgerundete Diorithügel, deren Gipfel ſich als vormalige Inſeln bezeichnen, hervor. Das Tertiärgebilde beſteht an der Küſte aus Sand, mit Muſcheln und Kies vermengt, erſt einige Lieues land— einwärts treten Kalk- und Muſchelbänke auf, deren Conchy⸗ lien ſämmtlich der gegenwärtigen Schöpfung angehören. Der Granit der Küſte iſt ſeinem Anſehen und ſeiner Compoſition nach dem Diorit der Umgebungen von Frey— rina, Coquimbo, Tongoy u. ſ. w. analog und ſcheint mit dem Geſteine der durch ihre Kupferminen berühmten Gebirge Carriſal, San Juan, la Siguera identiſch zu fein. Von Ramadilla an wird das Geſtein immer dichter und das Ge— birge ſteiler; zahlreiche Gold- und Kupferminen wurden früher in demſelben betrieben, von denen jetzt nur noch einige befahren werden. Die Stadt Copiapo verdankt ihre Wichtigkeit und ihren Reichthum dem Bergbaue der Gegend, die übrigens eine große Wüſte iſt. Das Thal gleiches Namens wird erſt 12 Lieues vom Meere fruchtbar und in einer Entfernung von 50 Lieues, am Hafen Copiapo, wiederum zur unculti- virbaren Wüſte. Dagegen iſt dies Departement an Berg⸗ werken jeder Art das reichſte und möchte nicht leicht ein Berg desſelben ohne Erze ſein. Alle noch jetzt bebauten, oder ſchon verlaſſenen Minen überſchreiten indeß niemals eine Höhe von 1500 Meter über dem Meere und liegen ſämmt⸗ lich in einem Terrainzuge, der von der Küſte ab nur eine Breite von 12 bis 15 Lieues hat. In dem obern Theile der Anden iſt bis jetzt noch kein einziger Gang von einiger Wichtigkeit gefunden worden. 2 8 311 Der Bergbau der Gegend zählt drei Epochen; zur Zeit der Eroberung und unter der ſpaniſchen Herrſchaft beutete man nur Goldminen aus, deren Metall ſich in ungeheuren Maſſen an den Ausgehenden der Gänge gefunden haben muß. Die zweite Epoche beginnt gegen das Ende des vori— gen Jahrhunderts, wo man nach der Erſchöpfung der Gold— gänge in der Tiefe, an denſelben Stellen auf Kupfergänge kam, auch einige Silberminen entdeckte und nunmehr dieſe und die Kupferminen ſtatt der arm gewordenen Goldgruben betrieb. Die dritte und glänzendſte Epoche begann erſt vor etwa 12 Jahren mit der Entdeckung der Minen von Cha— narcillo. Im Jahre 1806 waren im Departement Copiapo nur ſieben Silberminen, deren Erze durchſchnittlich nur 32 Mark Silber für den Caiſſon (64 Centner) ausbrachten, und von denen gegenwärtig keine mehr betrieben wird. Außer dieſen befuhr man 13 Gold- und 4 Kupferminen. Die Golderze gaben durchſchnittlich 58 Piaſter Gold für den Caiſſon, d. h. 2/10 Pfd. Gold von 64 Centnern. Die orydirten Kupfer— erze, die einzigen, welche man verarbeitete, gaben 30 Proe. Kupfer. Gegenwärtig ſind in demſelben Departement unzählige Silberminen in den Gebirgen von Chanareillo, Bandurrias, Algarro vito, Pajonales, San Antonio u. ſ. w. und außer— dem mehr als 50 Kupferminen, deren wichtigſte in den Gebirgen von Checo, el Cobre, Ojanco, Lechuſas u. ſ. w. in regem Betriebe. Von 1832 bis 1842 wurden 2,009,707 Pfd. Kupfer in Barren, und 70 Millionen Pfund rohes Kupfer— erz gewonnen. Im Jahre 1843 führte man 87,411 Mark Silber und 107,705 Centner rohes Kupfererz und Kupfer— kies, in den Minen des Departements Copiapo gewonnen, aus. Der Mittelpunkt für das Hüttenweſen und den Handel mit den Hüttenproducten iſt die Stadt Copiapo, ſie beſitzt vier Amalgamirwerke und liegt in einem dioritiſchen Thale. Das ganze Küſtenland des ſtillen Meeres von Copiapo bis Cobija, vom Meere an bis zur Waſſerſcheide der Cor— dilleren, bildet die noch wenig bekannte Wüſte Atacama; drei Wege ſollen durch dieſelbe führen, von denen zwei indeß theils unwegſam, theils wegen ihres Waſſer- und Weiden— mangels kaum zu bereiſen find. Der dritte und bequemſte führt über die Anden, ihm fehlt es nicht an Waſſer und Nahrungsmitteln, vereinzelt findet ſich ſogar die Feige und der Weinſtock; der Berg Cerro del Azufre, den man rechts liegen läßt, hat eine reiche Schwefelmine und reiche Steinfalzlager. Kaum ½ Lieue von dem Thale des Rio de Copiapo liegen die Silberminen von Ladrillos; die untere Formation des Gebirges iſt ungeſchichteter Diorit, aber ſchon in einer Höhe von 750 Meter über dem Meere erſcheint der ſecun— däre geſchichtete Diorit. Die Eſcarpements verlängern ſich in der Richtung von N. N. O. nach S. S. W., ſchneiden das Thal Copiapo und verlaufen unmittelbar nach dem Berge Chanareillo und weiter nach den Silberminen von Algarro— vito u. ſ. w. Hier iſt die Hauptberührungslinie des gra— nitiſchen Geſteins der Küſte und des geſchichteten der Andes. Die Gold- und Kupferminen des Cerro de Ladrillos find gegenwärtig alle verlaſſen. 108. V. 20. 312 Der untere, zur Küftenformation gehörende Theil die— ſes Gebirges zeigt ſanfte, abgerundete Abhänge, wie der größte Theil der granitiſchen Gebirge; mit ſeiner Höhe ver— ändert ſich indeß ſein Geſtein und mit ihm ſein Ausſehen; in dem kalkartig gewordenen Gangſteine treten nunmehr, zuerſt in einer Höhe von 760 Meter über dem Meere, Sil— bererze zu Tage, die indeß einige Meter unter der Oberfläche unfruchtbar oder kieshaltig werden. In dem obern geſchich— teten Theile desſelben Gebirges kennt man dagegen zwei große Gänge nebſt vielen von ihnen ausgehenden Adern, von denen der eine in einer Länge von mehr als 400 Meter zu Tage führt. Aber auch dieſe Gänge veränderten ihr Geſtein und mit demſelben ihre Erze; zuerſt viel Chloro— Bromürerz führend, wurde ihr Ganggeſtein in einer Tiefe von 8 bis 10 Meter kieſelhaltig, und nun erſchien natür— liches Antimonſilber, von Sulfidſilber und rothem Arſenik— ſilber begleitet. Der Arſenikgehalt des Erzes wurde mit der Tiefe immer größer, bis man da, wo ſich die beiden For— mationsgruppen wieder näherten, auf Kupferkieſe ſtieß. Neben dem ſilberreichen Gange Descubridora entdeckte man einen, viel gediegenes, reines und ſehr vermehrtes Arſenik enthal— tenden, ſehr ſilberarmen Gang. Dieſelben arſen- und anti— monhaltigen Silbererze finden ſich im untern Theile der Bergwerke von Chanareillo, doch in einer viel beträchtlichern Tiefe wieder. (Fortſetzung folgt.) XXXIV. Über die Anordnung der Bronchienäſte und deren Endigungen, durch metalliſche Injectio— nen nachgewieſen. Von Alquié. Der Verf. beſpricht zuerſt die verſchiedenen Methoden, nach welchen man den Bau der Lungen, anfangs nur mit bloßen Augen, ſpäter mikroſkopiſch und in neueſter Zeit mit Hülfe von Lufteinblaſungen oder Injectionen, ſtudirte, wie aber deſſenungeachtet die Anordnung der Bronchienäſte und deren Endigungen noch immer ein ſtreitiger Punkt geblieben iſt. Darauf berührt er die verſchiedenen Anſichten der neue— ren Anatomen. Nach Haller und Magendie enthält jedes Lungenläppchen zahlloſe Räume, welche nichts weiter als Lücken zwiſchen den Verzweigungen der Capillargefäße und ohne eigene Wandungen find; nach erſterem communi— eiven dieſe Höhlen durch die ganze Lunge, während fie nach letzterem nur innerhalb eines Läppchens mit einander in Ver— bindung ſtehen. Nach Willis, Senac, Reiſſeſſen, Cuvier und andern endigen die Bronchien mit einer Reihe von Bläschen, welche an den Bronchienäſten hängen, deut— liche Wandungen beſitzen und, wie die Läppchen, ringsum abgeſchloſſen find, während Malpighi, Helvetius, Winslow und neulich Moleſchott ſeitliche Verbindungen dieſer Bläschen für jedes Läppchen annehmen; endlich haben Bourgery und Sappey verflochtene Canäle als Eudi— gungen der Reſpirationsröhren angegeben. Durch vielfache Verſuche gelangte der Verf. zu einer andern Unterſuchungsmethode, die ihm ein ſicheres Mittel 313 zur Löſung der ſtreitigen Frage ſcheint, indem er fich me— talliſcher Injectionen bediente und durch ſie zu folgenden Reſultaten gelangte. Die Bronchien endigen nicht, wieBourgery annimmt, als einfache eylindriſche Canäle, ſondern mit blaſigen Er: weiterungen, die durch einander verflochtenen Canäle der genannten Anatomen eriſtiren überhaupt nicht; auch beſitzt jedes Aſtchen nicht ein einziges Bläschen, wie von Reiſſeſ— ſen angegeben wird, ſondern 2 bis 9 körnige Erweiterungen. Die Reſpirationsendigungen ſind getrennt, einander gleich, nicht unregelmäßig und ohne eigene Wandungen, wie dies ſchon Haller und Magendie angaben. Jedes Lungenläppchen iſt folglich geſchloſſen, und die Luft kann nicht, wie Home und Defermon glaubten, in die Blut: gefäße treten. Die Lungenbläschen ſind häufig um einen weitern Mittelpunkt gereiht, von dem ihr gemeinſchaftlicher Stamm ausgeht; ift dies der Fall, fo communieiren die Bläschen eines Läppchens mit einander, doch erſcheinen ſie da, wo ſie ſich nicht berühren, von einander unabhängig. Die Lufteanäle verzweigen ſich, je tiefer fie ins Lun— gengewebe eindringen, immer mehr, und ſchicken ſeitlich feine, ſich vielfach theilende Canälchen aus; und zwar ſcheint dem Verf. die menſchliche Lunge an dieſen feinen Verzweigungen reicher als die Lunge vieler Säugethiere zu ſein; die Zahl derſelben ſteht indeß keineswegs mit ihren Endanſchwellungen in irgend einer Beziehung. Dieſe Endigungen ſind Bläs— chen von eiförmiger Geſtalt, ¼ Millimeter lang; ihre Oberfläche iſt uneben und da, wo ſich zwei an einander ſtoßen, abgeplattet. Dieſe Bläschen ſind bald einfach und dann ſeitlich an die Bronchienäſte befeſtigt, häufiger indeß zu dreien, fünfen oder neunen an dem Ende eines Lungen— aſtes entwickelt. Dieſe Bläschen beſitzen ihre eigenen Wan— dungen; ſie ſind an vielen Punkten iſolirt, ſtehen jedoch in den meiſten Läppchen mit einander in Verbindung. (Com- ptes rendus, No. 21, No. 22. 1847.) 108. V. 20. 314 Miſecellen. 45. Moſerſche Bilder auf Porcellan erzeugt. Meh⸗ rere Porcellanſcheiben wurden vom Prof. Zantedeſchi an der einen Seite mit Kobaltoryd bemalt und darauf auf beiden Seiten mit einem gewöhnlichen Porcellanfirniß überzogen. Sie wurden einer Säule gleich über einander geſtellt, doch ſo, daß die bemalte Seite immer einer nicht bemalten zugewandt war, und die Scheiben ſelbſt 2 bis 10 Millimeter von einander entfernt waren. Als man die letzteren nach dem Brennen aus dem Ofen nahm, zeigte ſich auf der urſprünglich weißen Seite ein blaues Bild, das genau der Zeichnung der ihr gegenüber liegenden Scheibe entſprach; dasſelbe war nach dem Grade der Entfernung ſtärker oder ſchwächer. Das Bild war entſchieden durch eine freiwillige Übertragung des Ko— baltoryds entſtanden, das nicht nur durch die Firnißſchicht der be— malten Seite, ſondern auch durch den Firniß der weißen Seite der andern Scheibe und zwar bis zum Grunde des undurchſichtigen Porcellans gedrungen war. Der Verf. wiederholte den Verſuch mit Eiſenoryd, der Erfolg war ganz derſelbe, dazu jedoch eine etwas ſtarke Hitze erforderlich. (Comptes rendus, 22. Novembre 1847, No. 21.) 46. Das Skelett des männlichen Froſches weicht nach F. Pouchet von dem des weiblichen Thieres bedeutend ab, und zwar erſtreckt ſich dieſe Verſchiedenheit nicht allein auf die Beckengegend, ſondern iſt auch an der vorderen Extremität ſehr auffallend. Bekanntlich ſoll der männliche Froſch das Weibchen 8 bis 15 Tage lang vor dem Acte der Begattung mit aller Kraft umklammern, und wirklich ſcheint der ganze Bau des männlichen Vorderbeines für dieſen Zweck beſonders eingerichtet. Auf die Ver— ſchiedenheiten der Hand zwiſchen Männchen und Weibchen haben ſchon mehrere Anatomen aufmerkſam gemacht, ſie iſt viel entwickel— ter und beſitzt einen überzaͤhligen, nahe am Daumen gelegenen Knochen. Das sternum des männlichen Froſches iſt kürzer, aber kräftiger und ſeitlich mehr entwickelt, auch die elavicula iſt kürzer und kräftiger und mehr für die Adduction des Armes eingerichtet. Die wichtigſten Verſchiedenheiten finden ſich indeß am humerus, der viel länger und ſtarker als beim weiblichen Froſche und dadurch augenblicklich von letzterem zu unterſcheiden iſt; zwei Leiſten geben ihm ein plattes Anſehen, der vordere und obere dieſer Kämme iſt nicht viel größer als beim Weibchen, wogegen die nach unten und hinten gelegene crista / des Knochens einnimmt und meſſerartig weit vorſpringt; ſie dient als Anſatzpunkt für Beugemuskeln, deren Wirkung durch ſie für den genannten Zweck ſehr begünſtigt wird. (Comptes rendus, 22. Novembre 1847, No. 21.) Heilkunde. (XL.) Bildung einer neuen Unterlippe durch Hrn. Sédillot. Die Grundzüge des cheiloplaſtiſchen Verfahrens des Hrn. Sedillot find unſeren Leſern bereits aus No. 82 (Nr. 16 d. IV. Bos.) S. 254 d. Bos. bekannt. Hinſicht⸗ lich der Erläuterung der Anwendung desſelben laſſen wir nun aus der Gazette médicale de Paris v. 1. Jan. 1848 die Beſchreibung einer Operation folgen, welche Hr. Se: dillot am 6. Mai 1847 in der chirurgiſchen Klinik zu Straßburg an einem 46jährigen Landmanne ausführte, bei welchem die ganze Unterlippe, ſowie ein Theil des Kinnes und der Wangen von einem Geſchwüre eingenommen war, das ſich ſeit 21 Monaten beſtändig vergrößert hatte und gegen welches die ſeit 3 — 4 Wochen im Hoſpitale ange— wandte Behandlung nicht das geringſte ausgerichtet hatte. Die auswärts gekehrte Schleimhaut der Lippen war indeß faſt unverſehrt und nur am Rande ein wenig angefreſſen. Der Speichel triefte beſtändig auf die Kleider des Patienten. Die das Geſchwür umgebenden Gewebe waren geſchwollen, aber nicht ſchmerzhaft; die Unterkieferdrüſen nicht angelau— fen. Der Kranke klagte über Kopfweh, Schwindel, Ohren— brauſen und fliegende Hitze im Geſicht. Er ſchlief unruhig; aber die Reſpirations- und Verdauungsfunctionen waren normal und nur Neigung zu Verſtopfung vorhanden. Der mikroſkopiſchen Unterſuchung der Oberfläche des Geſchwüres zufolge, war dasſelbe kein ächter Krebs, ſondern cancroidi— ſcher Natur. 315 Nachdem, wie gefagt, verſchiedene Mittel (3. B. Atzen mit ſaurem ſalpeterſaurem Queckſilber, der Rouſſelotſche Arſenikteig ꝛc.), die Vergrößerung des Geſchwüres nicht hatten aufhalten können, entſchloß ſich Sr. Sedillot am 6. Mai zur Erſtirpation desſelben und zur Bildung einer neuen Unter— lippe mittels ſeines neuen anaplaſtiſchen Verfahrens. Nachdem der Patient ſtark ätheriſirt worden, damit Gefühlloſigkeit hinreichend lange anhalten möge, begrenzte Hr. S. das Geſchwür mittels zweier ſenkrechter Ein— ſchnitte, die ein wenig jenſeits und über den Lippencommiſ— ſuren begannen und durch einen horizontalen Querſchnitt, der oberhalb des Kinnhöckers hinſtrich, mit einander ver— einigt waren. Der ſo iſolirte Lappen wurde unter Schonung der Schleimhaut abpräparirt und ſo eine große viereckige Wunde bewirkt. i Das zweite Tempo der Operation beſtand in der Wie— derherſtellung der Lippe. Der erſte der zu dieſem Ende gemachten Einſchnitte begann in der Höhe des Lippenrandes einen ſtarken Querfinger weit außerhalb des Subſtanzver— luſtes und zog ſich ſenkrecht auf der linken Wange herab über den Kieferknochen, von wo aus er 2 Centimeter in die regio suprahyoidea hinein fortgeſetzt ward. Ein zweiter Einſchnitt hob tiefer und mehr nach innen zu an dem Winkel der durch die Ablöſung des Geſchwüres gebildeten Wunde an, zog ſich ebenfalls ſenkrecht herab und wurde mittels eines Querſchnitts mit dem erſten verbunden. Der ſo gebildete Hautlappen ward alsbald von unten nach oben von den darunter liegenden Theilen abgelöf't. Nachdem dieſelbe Operation auch auf der rechten Seite ausgeführt worden war, kehrte Hr. S. die beiden Haut— lappen nach innen um und überzeugte ſich davon, daß ſie auf der Medianlinie an einander gepaßt werden konnten. Der Subſtanzverluſt ward durch dieſelben in einer ſehr regel— mäßigen Weiſe erſetzt, und nun wurden zusörderft die bei— den Ränder der ſenkrechten Wunden, die durch die Hinweg— nahme der anaplaſtiſchen Lappen entſtanden waren, durch Stecknadeln mit einander vereinigt. Dann ward die Ver— einigung der Hautlappen auf der Medianlinie, ſowie die unten am Kinne und die oben an der unverſehrt erhaltenen Schleimhaut bewirkt. Die letztern beiden Verbindungen ges ſchahen, mittels der Überwendlingsnaht, mit einer gewöhn— lichen Nähnadel und einem ſehr feinen Faden. Der Zahnbogen war auf dieſe Weiſe völlig bedeckt und der Speichel wurde im Munde zurückgehalten. Der Verband beſtand in einem mit Eis gefüllten Säck— chen, welches mittels einer länglichen Compreſſe, deren Mittel— ſtück unter dem Kinne lag und deren Zipfel über dem Kopfe zuſammen geheftet wurden, mit den Wunden in Berührung gehalten ward. Eine Art Geifertuch von Wachstaffet, deſſen unteres Ende rinnenförmig zuſammengebogen war und in einen Napf hineinhing, ſchützte die Kleidungsſtücke und das Bett des Kranken vor Näſſe. Als der Patient wieder zur Beſinnung kam, war er ſehr erſtaunt darüber, daß die Operation, von der er nicht das Geringſte verſpürt, vollendet war. Während der erſten Stunden nach der Operation hatte 108. V. 20. 316 er Kopfweh, und unter dem Lappen der linken Seite lief ziemlich viel Blut aus. Die Nacht über ſchlummerte der Kranke. Am folgenden Morgen war das Kopfweh ver— ſchwunden, die Phyſiognomie ruhig, die Haut feucht, der Puls 75. Weder Durſt, noch Eßluſt. Der linke Lappen ſchien durch einige Blutklumpen gehoben, ein wenig ſtraff und röthlich. Am 9. war der rechte Lappen völlig verwachſen, allein der linke adhärirte nur ſchwach. Er eiterte und bot nach ſeinem freien Ende zu eine abgeſtorbene Stelle dar, die einige Millimeter im Durchmeſſer hielt. Der unter dieſem Lappen angeſammelte Eiter wurde vorſichtig herausgedrückt und der Theil mit aromatiſirtem Weine gebäht. Am 11. wurden die Nahtfaden durchſchnitten und größ— tentheils herausgezogen, auch die Stecknadeln beſeitigt. Das Eis ward weggelaſſen und die Stützung des eiternden Lap— pens durch Streifen von engliſchem Pflaſter bewirkt. 12., 13., 14. und 15. Mai. Geſundheitszuſtand vor⸗ trefflich. Das mortificirte Ende des linken Lappens wird mit der Scheere abgeſchnitten und die ſecundäre Vereinigung per primam intentionem verſucht, welche trotz der bedeuten den Schlaffheit der einander gegenüber liegenden Lappen nicht gelingt. Dieſe haben, obwohl ſie voller Leben und der Sitz einer kräftigen Circulation find, das Gefühl völlig verloren, und man kann ſie mit einer Nadel durchſtechen, ohne daß der Patient deſſen gewahr wird. 16., 17., 18., 19., 20., 21. Mai. Die Nadeln, mittels deren man die ſecundäre Vereinigung verſucht hat, haben die Gewebe zerriſſen, ohne deren Zuſammenwachſen zu bewirken. Ein Verband mit zwei Scharpieballen wel— cher die Wunden nach der Quere zuſammenhielt, hatte keinen beſſern Erfolg, und die beiden Lappen ſchloſſen ſich daher auf der Medianlinie nicht ſcharf an einander, ſondern wuch— ſen nur an ihrem untern Rande zuſammen, ſo daß oben zwiſchen ihnen eine kleine Vertiefung blieb. Den 21. war die Vernarbung vollſtändig, und am 29. verließ der Patient das Hoſpital. Die Vertiefung auf der Medianlinie war kaum bemerkbar. Die beiden Lippen ſchloſſen gut an einander, ſo daß kein Speichel mehr auslief. Die Schleimhaut überzog die Innenſeite und den obern Rand der neu gebildeten Lippe, deren Commiſſuren nur ein wenig runzelig blieben. Hr. Sédillot wollte einige der dort wahrnehmbaren Runzeln beſeitigen; da jedoch der Patient das Hoſpital dringend zu verlaſſen wunſchte, fo unterblieb dies und Hr. Sédillot überließ es der Natur, dieſen Übelſtand auszugleichen, was auch ungemein raſch geſchah. Der Kranke kam im Juli und Ende Auguſts wieder nach Straßburg. Die Narbe war unverſehrt geblieben und die neue Lippe, ſowie die Commiſſuren, geſchmeidiger, dünner und natürlicher geworden. Die Zähne waren völlig bedeckt, und obwohl noch Narben zu ſehen waren, ſo würde doch niemand die Beſchaffenheit der Operation, welche an dem Subjecte vorgenommen worden war, haben vermuthen können. 317 (XII.) Bruch der Knieſcheibe; ligamentöſe Ver— einigung; Heilung durch das Eiterband. Von Hrn. Gregory. Der 24jährige Patrick Mae Donnell, ein ziemlich magerer Mann von geſundem Anſehen, kam am 2. Nov. 1844 an einer Krücke zu mir gehinkt, da ihn vor 14 Tagen ein Pferd auf das rechte Knie geſchlagen hatte. Die Knie— ſcheibe war quer durch in der Mitte gebrochen, und die Frag— mente ſtanden etwa 1 Zoll von einander ab. Das Gelenk. war etwas geſchwollen und entzündet; die Schmerzen waren ziemlich heftig und zogen ſich in den Schenkel hinauf. Die Entzündung war ſehr acut geweſen, hatte ſich aber ſeit einigen Tagen gelegt, und der Patient glaubte, er werde bald geneſen; allein als er zu gehen verſuchte, konnte er, wie er ſich ausdrückte, das Knie nicht am Vorfallen hin— dern, und er glaubte, das Gelenk würde aus einander gehen, da es ſo locker ſchien. Er hatte ſich ſeit dem Unfalle ruhig verhalten, aber noch keinen Arzt zu Rathe gezogen. Ich nahm ihn ins Hoſpital auf, paßte die Bruchflächen an einander und erhielt fie in dieſer Lage. Der Ober- und Unterſchenkel wurden in eine Schiene gelegt, die an der hintern Seite des Beines genau anſchloß und dasſelbe um die Wade und die Mitte des Schenkels feſt umfaßte. Der Abſatz und Unterſchenkel wurden auf eine Ebene höher als der Oberſchenkel und der Kranke auf den Rücken gelegt. In dieſem Zuſtande blieb er unter ſteter Beaufſichtigung und Pflege bis zum 24. December, wo der Knochen unter— ſucht ward, und man fand, daß die beiden Fragmente durch ein ligamentöſes Gewebe vereinigt waren. Entzündung war nicht mehr vorhanden, aber der Mann klagte gewaltig dar— über, daß er das Bett ſo lange hüten müſſe. An dieſem Tage legte ich ein Eiterband ein, indem ich eine ſchmale Haarſeilnadel am äußern Rande der Knieſcheibe durch die Hautbedeckungen, vor dem Knochen unmittelbar über dem neu entſtandenen Vereinigungsbande hin und am innern Rande des Knochens heraus führte. Das Eiterband war in dem durch die Nadel bewirkten Canale zurückgelaſſen. Vorher hatte man das Bein in eine Schiene gelegt und die Bruchſtelle durch einen Verband geſchützt, ſo daß der Kno— chen ſich nicht bewegen konnte. Der Patient war ſo fügſam, und es lag ihm ſo viel an ſeiner Geneſung, daß er jeder Vorſchrift, um das Gelenke im Zuſtande der vollſtändigſten Ruhe zu erhalten, aufs pünktlichſte nachkam. Den 6. Januar 1845. Der Patient klagt über Schmer— zen längs des Eiterbandes. Die Integumente der Knieſcheibe und die Theile zur Seite des Gelenkes ſind entzündet und geſchwollen, doch nicht ſo bedeutend, daß ich mich genöthigt geſehen hätte, den Verband abzunehmen. Zunge rein; Ver— dauungsorgane in Ordnung; Puls 80 und Schlaf ziemlich ruhig. Verordnet wurden Abends 3 Gran James-— Pulver. Den 10. Der Patient hat ein unangenehmes Gefühl im Gelenke; giebt an, daß er darin von Zeit zu Zeit Schmerzen verfpüre, die von vorn nach hinten fahren. Der ganze vordere Theil des Gelenkes iſt ziemlich ſtark geſchwollen, 108. V. 20. 318 und ſchon bei geringem Drucke zeigt ſich bedeutende Empfind- lichkeit, namentlich in der Gegend der bursa patellae. Aus den Offnungen des Eiterbandes ſchwitzt ein wenig Eiter aus. Puls 90; Haut heißer, als im natürlichen Zuſtande; Darmcanal verſtopft; etwas Durſt; hat in der letzten Nacht nicht gut geſchlafen. Das Eiterband wird beſeitigt und ein ſaliniſches Abführungsmittel verordnet. Den 11. Fühlt ſich heute beſſer; die ſchießenden Schmerzen kommen ſeltner vor; Puls 90; Durſt nicht brennend; Haut feucht; es läuft etwas Eiter aus; drei Stühle. Verordnet wird ein Trank von Kampfermixtur und Spießglanzwein, Abends zu nehmen. Den 14. Die ſchießenden Schmerzen haben ſich gelegt; indeß iſt die oberflächliche Entzündung noch ziemlich bedeu— tend; die Offnungen liefern etwas röthlichen Eiter. Die Geſchwulſt iſt geringer, und Pat. kann gelinden Druck auf das Gelenk vertragen. Puls 86; Haut weich; hat die letzten beiden Nächte gut geſchlafen, obwohl ein Zucken im kranken Beine ihn die letzte Nacht aufgeweckt hatte. Für heute Abend wurden ihm 10 Tropfen der ſchwarzen Tropfen (black drop *)) verordnet. Den 18. Beſſerung; das Fieber hat ſich gelegt; die Entzündung des Gelenkes iſt ziemlich verſchwunden; an den Offnungen des Eiterbandes zeigt ſich ein wenig Eiter. Der Kranke ſagt, er fühle ſich wohl. Den 21. Der Kranke klagt über nichts; die äußere Offnung eitert ein wenig, die innere iſt zugeheilt. Hat ſich vollkommen ruhig verhalten, was ihm auch noch für die Zukunft empfohlen wird. 5 Den 24. Befriedigender Zuſtand; Offnungen zuge— heilt; Entzündung völlig verſchwunden. Den 29. Keine Veränderung; hält ſich fortwährend durchaus ruhig. Den 3. Februar. Machte in der vergangenen Nacht eine unvorſichtige Bewegung mit dem Knie, die ihm indeß keine Schmerzen verurſachte. Sagt, es habe ihm geſchienen, als habe ſich der Knochen nicht, wie früher, in der Mitte be— wegt. Es wird ihm ein ferneres ruhiges Verhalten em— pfohlen. Den 15. Ich unterſuchte heute den Knochen und fand ihn an der Bruchſtelle vollkommen unbeweglich. Der Kranke ſagt, er habe ihn vor einigen Tagen ſelbſt unterſucht und die Fragmente auf einander zu bewegen verſucht, was aber nicht möglich geweſen ſei. Er erhielt heute Erlaubniß, ein wenig im Bette aufzuſitzen. Den 16. Ging auf einen Stock geſtützt im Kranken— ſaale umher. Den 18. Hat ſich im Gebrauche des Beines geübt und kann ohne Stütze feſt ſtehen. Das Knie iſt ſehr ſteif, aber vollkommen feſt. Verordnet wird eine Douche mit lauwarmem Waſſer auf das Knie, worauf das Gelenk ge— linde mit der Hand gerieben werden ſoll. Den 20. Er verließ das Spital geſtern. war feſt zuſammengewachſen. Der Knochen ) Den Hauptbeſtandtheil des black drop bildet Opium. D. Überſ— 319 Am 1. April hatte ich Gelegenheit den Patienten wies derzuſehen und den Knochen zu unterſuchen. Das Gelenk war geſund; er konnte ſich desſelben vollſtändig bedienen und gut reiten und gehen. Hätte ich in einem ſpätern Falle wieder ein Eiterband zu legen, ſo würde ich dasſelbe nicht länger als vielleicht zehn Tage liegen laſſen, indem dieſe Zeit wohl vollkommen ausreicht, um an der Bruchſtelle eine entzündliche Thätigkeit zu erregen. Wenn der Patient einige Tage nach dem Ein— ziehen des Eiterbandes über Schmerz in dem betroffenen Theile klagt, ſo iſt es rathſam, es ein wenig hin und her zu ziehen und längs ſeines Laufes gelinde zu drücken, da auf dieſe Weiſe der Eiter freien Abzug erhält und der Schmerz ſich legt. Es iſt ſehr zu wünſchen, daß von der Zeit an, wo das Eiterband eingezogen worden, der Kleiſter— verband liegen bleibe und nicht eher abgenommen werde, als bis man annehmen kann, daß die Knochenfragmente ſich dauerhaft vereinigt haben. Die dazu nöthige Zeit hängt von der Art des gebrochenen Knochens, der Conſtitution und dem Alter des Patienten, ſowie von deſſen Verhalten ab. Es können allerdings Umſtände eintreten, welche uns nöthigen, den Kleiſterverband abzunehmen, aber wenn dies der Fall iſt, muß es wo möglich geſchehen, ohne daß die Knochen— fragmente bewegt werden, und man hat ihn ſobald als mög— lich wieder anzulegen. Zur Empfehlung des Eiterbandes will ich weiter nichts ſagen, da die Erfahrung bereits bewieſen hat, daß es ſich behufs der Vereinigung mancher Knochenbrüche als ſehr nütz— lich bewährt. (The Dublin Quarterly Journal of Medical Science, No. VIII, Nov. 1847.) 108. V. 20. 320 Miſeellen. (38) Hinſichtlich der Vortheile, welche mit Jod verſetzte Einſpritzungen im Vergleich mit den weinigen Einſpritzungen bei hydrocele gewähren, führt Hr. Houlès nach Bouiſſons und anderer Vorgange, folgenden Fall an. Ein äußerſt reizbarer 17jähriger Jüngling war mit doppelter hydrocele behaftet, auf der einen Seite operirt und mit weinigen Injectionen geheilt worden, hatte jedoch durch die letzteren ſo furchtbar gelitten, daß er von einer zweiten Behandlung der Art nichts hören wollte. Hr. Houles ſtellte ihm vor, daß die Jodeinſpritzungen faſt völlig ſchmerzlos ſeien. Der Patient ließ ſich nun das Ab: zapfen gefallen; allein gleich nach der Operation zog ſich das serotum fo heftig zuſammen (2), daß ſich die Flüſſigkeit durchaus nicht einſpritzen ließ, ſondern durch die Canüle zurückfloß. Einige Tro— pfen ſchienen indeß eingedrungen ſein, und man ließ ſie darin, ohne im geringſten zu hoffen, daß eine fo geringe Quantität etwas hel- fen könne. Abends beim Abnehmen des Verbandes fand ſich jedoch der Chirurg angenehm überraſcht, indem die pathologiſche Ergie— ßung (von coagulabler Lymphe ?) ſchon theilweiſe eingetreten war. Sie nahm in den folgenden Tagen zu, und am 13. Tage war der Patient völlig geneſen. (Gazette med. de Paris, 18. Dec. 1847.) (39) Ein neues idiveleftrifhes Gewebe, welches beim Reiben eine außerordentliche Menge Harzelektrieität entwickelt, hat Hr. Meynier, Prof. der Chemie an der Medicinalſchule zu Marſeille erfunden und der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften am 10. Jan. 1848 vorgelegt. Ein Quadrat von 5—6 Centimeter Seitenlinie liefert einem aus einer Metallſcheibe beſtehenden Elektro— phor fo viel Elektricität, daß fi) aus demſelben ein Funke von mehreren Centimetern Länge ziehen läßt. Das elektriſche Gewebe des Hrn. Meynier kann mit Vortheil an die Stelle des Harz⸗ kuchens oder der Glasplatte geſetzt werden und wird gewiß künftig in den chemiſchen Laboratorien und den phyſicaliſchen Cabinetten zur Entzündung der Gasmiſchungen ꝛc. dienen. Auch auf die Anz wendung ſeines Gewebes zu ärztlichen Zwecken iſt Hr. Meynier bedacht geweſen, und es haben ſich bereits viele Marſeiller Arzte davon überzeugt, daß, wenn man ein leicht geriebenes Stück von dieſem Gewebe auf von Neuralgien oder ſonſtigen Nervenleiden ergriffene Körpertheile legt, der Schmerz faſt augenblicklich ver— ſchwindet. (Gaz. méd. de Paris, 15. Janv. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Sir R. H. Schomburgk. — The History of Barbados. Comprising a Geo- graphical and Statistical Description of the Island, a Sketch of its former and present History and an Account of its Geology and Natural Productions. With a large Topographical Map engraved by Arrowsmith, and Illustra- tions of scenery- Royal 8°. (pp. 742, cloth, 31 sh. 6 d.; Map to ditto, 2 sheets, 21 sh.) London 1848. { Elements de chimie organique, comprenant les applications de cette science à la physiologie animale; par E. Millon, professeur de chimie à l’höpital militaire du perfectionnement du Val-de-Gräce ete. Tome second. Feuilles 21 à 49. In 8° de 28 feuilles. Paris 1848. (Prix de l'ouvrage complet, 2 vol. in 8, 15 fr. Du tome 2 separement 7 fr. 50 ct. Milner, T. — Gallery of Nature: a Pictorial and Descriptive Tour through Creation, illustrative of the Wonders of Astronomy, Physical Geography, and Geology. Royal 8°. (pp. 816, eloth, reduced to 18 sh.) London 1848. Main, J. — Hortus Diaetetica; or Brief Popular Descriptions and Directions for the Cultivation of all Plants, useful as Food to Man, Native as well as Exotic. 18. (pp. 180, cloth, reduced to 3 sh. 6 d.) London 1848. Neue Denkschriften der allgem. schweizer. Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. VIII. u. IX. Bd. gr. 4%. Geh. 6 Thlr. Jent u. Gass- mann in Solothurn 1847. H. v. Meyer, zur Fauna der Vorwelt. 2. Abth. kalkes. 2. Lfg. Fol. 4½ Thlr. 1848. A. W. Volkmann , Streifzüge im Gebiete der exacten Physiologie. gr. 8°. Geh. ½ Thlr. Breitkopf u. Härtel in Leipzig 1848. Die Saurier des Muschel- Schmerbersche Buchh. in Frankfurt a/M, F. S. Voigt, Geſchichte des Pflanzenreichs. 2. Lfg. gr. 8°. Geh. 12 Sgr. "Diaufe in Jena 1818. C. L. Koch, die Arachniden. 15. Bd. 6. u. 16. Bd. 1. — 3. Hft. gr. 80. % Thlr. Lotzbeck in Nürnberg 1848. Annnaire de therapeutie, de matiere médicale, de pharmacie et de toxicologie pour 1848; par le docteur A. Bouchurdat. In 32% de 5 feuilles. Paris 1848. (1 fr. 25 ct.) W. H. Niortimer. — A Popular Essay on Chloroform, shewing its Action and Effects in procuring Painless Operations in Surgery, Midwifery, and Dental Surgery. 8e. (pp. 32, sewed, 1 sh.) London 1848. J. Syme, Contributions to the Pathology, and Practice of Surgery. 8. (pp. 344, boards, 10 sh. 6 d.) Edinburg 1848. A. S. Taylor, On Poisons, in relation to Medical Jurisprudence and Medi- cine. 12% (pp. 868, cloth, 12 sh. 6 d.) Edinburg 1848. Klencke, Unterſuchungen über die un des Branntweingenuſſes. 80. Geh. ½ Thlr. Meyer sen. in Braunſchwelg 1848. Archiv für physiologische Heilkunde, hrsg. von W. Griesinger. 7. Jahrgang 1848. 1 ft. gr. 8°. (8 Hefte 4 Thlr. 4 Sgr.). Ebner und Seubert in Stuttgart 1848. Archiv für Wundärzte u. Geburtshelfer, hrsg. von F. Hahn etc. 1. Jahrg. (4 Hefte 1 Thlr. 18 Sgr.). Ebner und Seubert in Stutt- I. Hft. gr. 80. gart 1848. Ph. F. v. Walther, System der Chirurgie. 4. Bd. 1. Abth. gr. 8%. Geh. 1½ Thlr. Herdersche Verlagsh. in Freiburg 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 109. (Nr. 21 des V. Bandes.) Maͤrz 1848. Naturkunde. Decandolle, über die Urſachen, welche in Europa und ähnlich gelegenen Ländern die nördliche Grenze der Pflanzenarten beſtimmen. — Über van Hecke's und van Es ſchen“'s Shfteme der Asronautik. — entſtandene Erſcheinung. — Heilkunde. Strecker, über die Ochſengalle. — 1 Mettais, Behandlung der Epilepſie durch Einreibung der Brechweinſteinſalbe auf dem Kopfe. — Miſeellen. Miſcellen. Demidow, durch das Mondlicht Dubois, angeborene fistula tracheo-sternalis. Diez, Bruch des Bruſtbeines durch Muskelanſtrengung bei den Geburtswehen. — Bibliographie. Naturkunde. XXXV. Über die Urſachen, welche in Europa und ähnlich gelegenen Ländern die nördliche Grenze der Pflanzenarten beſtimmen. Von Adolphe Decandolle. Die phyſicaliſche Geographie hat durch A. v. Hum— boldt, welcher 1815 und 1817 ſeine Iſothermen oder Linien, die ſich auf die Gleichheit der Temperatur während eines Jahres gründeten, aufſtellte, ſowie durch feine Iſothe— ren, welche die Gleichheit der Temperatur während der 3 Sommermonate und Iſochimenen, welche die Temperatur- Übereinſtimmung der 3 Wintermonate anzeigten, eine große und glückliche Umwandlung erlitten. Bis dahin hatte man in der Pflanzengeographie nur die mittleren Jahrestempe— raturen ins Auge gefaßt und mit einander verglichen, war dabei aber auf ungeheure Verſchiedenheiten geſtoßen; nunmehr ſchien die Artbegrenzung wahrſcheinlicher Weiſe von dieſen Linien abhängig zu ſein, indem die einjährige mehr auf die Sommerwärme angewieſene Pflanze durch eine gewiſſe Iſo— there, die ausdauernden Gewächſe dagegen im allgemeinen durch eine Iſotherme begrenzt erſchienen. Der Verf. ſtudirte zu dieſem Zwecke 12 einjährige, 12 ausdauernde und 12 holzige Pflanzen, deren nördliche Grenzen er mit aller nur möglichen Sorgfalt über 2 Karten von Europa verfolgte; fand aber, daß 1) die Grenze keiner dieſer Pflanzenarten genau mit der Linie einer gleichen Temperatur während der— ſelben Periode des Monats zuſammentraf und 2) ſich die Grenzen ſowohl der jährigen als ausdauernden Arten oft mit einander kreuzten und keine Linien herausſtellten, die ſich auf die Gleichheit der Temperatur während einer gewiſſen gleichen Zeit begründen ließen. Der Verf. ſah ſich daher anderweitig nach einem Ge— ſetze für die Pflanzenbegrenzung um; nun wirkt die Wärme No. 2089. — 989. — 109. bekanntlich im Verhältniß ihrer Intenſität und Dauer auf die Pflanzen, fo daß die Gärtner nach dieſem Principe zur beliebigen Zeit das Blühen oder Welken einer Pflanze er— zwingen können; auch hat Bouſſingault für verſchiedene jährige Culturpflanzen durch Rechnung nachgewieſen, wie die Zahl der zu ihrer Entwicklung nöthigen Tage von der mittleren Temperatur derſelben abhängig ſei, ſo daß man die letztere für alle dieſe Tage zuſammenzählend, eine Summe erhielt, die ſich in allen Ländern und für alle Jahre gleich bleibt und die zum Gedeihen der Pflanzenart nöthig ſcheint. Außerdem verlangt, wie gleichfalls bekannt, jede Pflanze für ihre phyſtologiſchen Verrichtungen und folglich für ihr Be— ſtehen ein beſtimmtes Minimum der Temperatur, wie ſich Ch. Martius ausdrückt, einen ihr eigenthümlichen Null— punkt. Dieſe beiden phyſtologiſchen Geſetze mit einander vereinigt, dienten dem Verf. nunmehr als Stützpunkt. Er hatte demnach zuerſt den Temperaturgrad, bei dem eine Pflanze zu vegetiren beginnt und aufhört, und zweitens die Summe der nöthigen Wärme während ihrer Vegetations— dauer, die nach den Ländern verſchieden ſein kann, zu er— mitteln. Endlich berechnete er noch für eine gewiſſe Anzahl europäiſcher Städte die Tage, an welchen die Temperatur von 1, 2, 3, 4 bis 8 Graden während eines mittleren Jahres anfängt und aufhört, und welche Wärmeſummen ſich darnach vom Anfange bis zum Ende für jeden dieſer Grade nach jeder Gegend herausſtellt. Aus dieſen Rechnungen ergeben ſich nunmehr für die europäiſchen Klimate Über— einſtimmungen, von denen die mittleren Temperaturen der Mo— nate und Jahreszeiten nichts ahnen ließen, und welche die ſo verſchiedenen Vegetationsgrenzen ſehr wohl erklären. So kann eine Pflanze, welche bei einer mittleren Temperatur von 41/50 zu keimen beginnt, aber ein tieferes Sinken derſelben nicht verträgt, überdies zu ihrer a nen 34300 1 323 verlangt, ſich nordweſtlich bis London, nordöſtlich bis Odeſſa ausbreiten. In erſterer Stadt dauert die mittlere Temperatur von 41/50 vom 17. Februar bis zum 15. December, in Odeſſa dagegen von 3. April bis zum 18. November, und doch iſt die Summe ihres Wärmegrades kaum verſchieden (3431 und 34230). Die ungleich größere Wärme des Sommers vergütet zu Odeſſa die Kürze dieſer Jahreszeit, aber nicht ſo gleichen ſich die Temperaturperioden beider Orte aus, wenn man fie vom 3., 4., 5. 6. Grade und weiter mit einander zuſammenſtellt. Odeſſa und London liegen demnach für keine einzige Jahreszeit unter gleichen Tem— peraturlinien; die mittleren Monatstemperaturen ſind eben ſo verſchieden. Der Verf. hebt zu Gunſten dieſes Prineipes der Grenz— beſtimmung nur zwei Beiſpiele hervor. Alyssum calycinum, eine jährige Pflanze, gedeiht in Schottland bis zur Breite von 963/49, in Holſtein bis zum 54. Grade, in Rußland bis zum 55. bis 56. Grade. Dieſe Linie läßt ſich auf keine für eine gleiche Temperatur weder einer Jahreszeit noch einer Zeit von mehr als 4 oder 5 und mehreren Monaten paſ— ſende Linie zurückführen; dagegen ſtimmt ſie genau mit der Annahme überein, daß Alyssum für den Beginn und das Ende ſeiner Entwicklung die mittlere Temperatur von 70, außerdem aber eine Temperaturſumme von 2280 bis 23000 verlangt. Evonymus europaeus erreicht feine Grenze zu Edinburg in einer Breite von 561/20, im Norden von Däne— mark und im Süden von Schweden in einer Breite von 57 bis 58, geht auf der Inſel Laland (2) bis 600, dagegen nur bis Moſkau, Penſa, im 52. Grade. Auf dieſer Linie iſt die mittlere Temperatur des Jahres um 40, die Tem— peratur des Winters um 120,7, und des Sommers um 30,4 u. ſ. w. verſchieden; doch ſtellt ſich auf der ganzen Linie von dem Punkte an, wo die Temperatur über 60 ſteigt, bis zu dem, wo ſie wieder unter 60 ſinkt, eine Summe von 24800 heraus. Der Dianthus carthusianorum verlangt 24500 zwiſchen den Endpunkten von 50. Daraus ergiebt ſich folgendes Geſetz: jede Pflanze, die im mittleren oder nördlichen Europa ihre Vegetations— grenze beſitzt, rückt ſo weit vor als ſie eine beſtimmte Wärme— ſumme innerhalb der Tage, wo eine gewiſſe Temperatur anfängt und aufhört, vorfindet. Zwei Beſchränkungen dieſes Geſetzes ſtellen ſich in Nordweſten durch übermäßige Näſſe, in Nordoſten durch die dem Innern des Feſtlandes eigenthuͤmliche Trockenheit, da— gegen für die holzigen Pflanzen in Nordoſten durch die übergroße Winterkälte heraus. Im allgemeinen findet jede Pflanzenart in dieſen Urſachen ihre Begrenzung von Weſt nach Oſt, dann aber in dem oben angegebenen Temperatur— geſetze. Die Mannigfaltigkeit der Art-Grenzen in einem Lande mit ſo gleichmäßigem Klima wie Schottland würde unerklär— bar ſein, wenn man nicht die geringeren mittleren Tem— peraturunterſchiede eines Monates und eines Ortes vor andern in Anſchlag brächte; wenn man dagegen den Anfang und das Ende einer beſtimmten Temperatur beachtet, ſo iſt es wohl begreiflich, weßhalb ſich dieſe Epochen, je gleichmäßiger 109. V. 21. 324 das Klima ift, um fo weiter von einander entfernen. Der Verf. glaubt, daß ſich dasſelbe Geſetz auch auf die Höhen— verbreitung und vielleicht auch auf die Zeit der Blüthe und Fruchtreife der Pflanzenarten für jede Gegend anwenden ließe und wünſcht gleichzeitig von den Zoologen zu wiſſen, ob dieſelben Urſachen vielleicht für die Verbreitung der Thier— arten Geltung hätten. Zuletzt faßt er noch die geologiſchen Umwälzungen Europa's und ihren Einfluß auf die Pflanzenverbreitung ins Auge, indem er mit Wilſon die Vegetation von Groß— britannien aus einer Epoche herſchreibt, wo der Meeresarm, der gegenwärtig dieſe Inſeln vom Feſtlande trennt, noch nicht vorhanden war. Auch auf den Inſeln des mittelländiſchen Meeres kommt eine große Zahl von Pflanzen vor, deren Grenzen ſich auf das Klima der Jetztzeit nicht zurückführen laſſen, wornach ſich der Einfluß zahlreicher geologiſcher Ver— änderungen auf die Vertheilung der Pflanzenarten für dieſe Gegend erſchließen ließe. (Comptes rendus, No. 24, 13. Dec. 1847.) XXXVI. Commiſſionsbericht über die von den HHrn. van Hecke und van Esſchen aufgeſtellten Sy— ſteme der Aöronautik. Vom belgiſchen Miniſterio des Innern zu einer ſolchen Unterſuchung aufgefordert, prüfte die Commiſſion aus den Horn. Timmermans, Quetelet und Devaur be— ſtehend, die Theorien, ſowie die Apparate der genannten Herren. Das Bulletin de l’academie royale des sciences von 1847 theilt in No. 10 ihr Gutachten mit. Die Commiſſion fand beide Syſteme weſentlich von einander verſchieden: während van Hecke gänzlich darauf verzichtet, Gegenſtrömungen zu beftegen und ſich darauf be— ſchränkt, ſeinen Ballon willkürlich ſteigen und ſinken zu laſſen, um eine andere Luftſchicht zu erreichen, die ſeinem Ziele günſtig iſt, bemüht ſich van Esſchen, wenig auf die dem Luftſchiffer günſtigen Strömungen rechnend, ſeinen Apparat ſo einzurichten, daß er in jeder Höhe und bei allen Luftſtrömungen die ihm beſtimmte Richtung verfolgen könne. Die verſchiedenen Zwecke beider Apparate erheiſchen natürlich auch eine verſchiedene Conſtruction, welche die Commiſſton zunächſt ins Auge faßt. Dr. van Hecke's Apparat beſteht aus einem viereckigen Kaſten von durchſichtigem Stoffe, der 1,50 Meter lang und 1,15 Meter breit, einige Meter unter dem Ballon aufgehängt und für die Luftſchiffer beſtimmt iſt; an den 4 Ecken des— ſelben ſind eben ſo viele Bewegungsapparate befeſtigt. Jeder derſelben beſteht aus einer ſich in verticnler Richtung dre— henden Achſe, durch welche zwei Eiſenſtangen gehen, die ſich in einer mit der Achſe perpendiculären Ebene im rec): ten Winkel ſchneiden. 2 Flügel aus einem quadratiſchen, 50 Centimeter von jeder Seite meſſenden, mit Taffet über- zogenen Eiſenrahmen beſtehend, ſind ſymmetriſch zu jeder Seite der Achſe in ſchiefer Richtung gegen ſie an die erwähnten Eiſenſtangen ſo befeſtigt, daß die obere Seite 325 jedes Flügels längs derſelben verläuft, während die dritte Ecke ihn durch ein unbewegliches Band von der anderen Stange entfernt hält, und die vierte oder vielmehr die untere der Achſe zunächſt gelegene Ecke nur durch ein elaſtiſches Band mit der letzteren verbunden iſt, wodurch der Flügel ſich innerhalb beſtimmter Grenzen, je nach der Schnelligkeit der Drehung oder der zu entwickelnden nöthigen Kraft nei— gen oder ſchwellen kann. Die Drehung der erwähnten Achſe wird durch eine Schraube ohne Ende, welche zwei der genann— ten Apparate zugleich in Bewegung ſetzt, bewirkt; ein gro— ßes, verticales mit einer Kurbel verſehenes Rad bewegt wie— derum die beiden Schrauben, ſo daß je nachdem man rück— oder vorwärts dreht, ſich die Flügel aller 4 Apparate zu gleicher Zeit oder in gleicher Weiſe heben oder fallen, ohne dadurch den horizontalen Lauf des Ballons im mindeſten zu verändern. Die Elaſticität des ganzen Syſtems ſowie der für die Formveränderungen der Flügel gelaſſene Spielraum ſcheint der Commiſſion ein neuer und glücklicher Gedanke des Er— finders bei der Benutzung des Triebrades zu ſein. Van Esſchen placirt feinen Luftſchiffer in einen cy— lindriſchen, 1,30 Meter im Durchmeſſer haltenden und etwa eben ſo hohen Korb, der unter den Ballon gehängt wird. In dem Mittelpunkte dieſes Schiffchens iſt ein 2,50 Meter langer und 2 Centimeter dicker, eiſerner Maſt, der ſich um einen Zapfen drehen kann und in ſeiner Mitte durch die Achſe eines mit einer Kurbel verſehenen Triebrades von 0,84 Meter Durchmeſſer geht, aufgerichtet. An jeder Seite des Maſtes ſind über dem genannten Rade 2 kleine Zahn— räder angebracht, die mit dem letzteren gleichfalls gezähnten durch eine Schraube ohne Ende in Verbindung ſtehen und ſo eine horizontale Rotation der Flügel bewirken. Die letz— teren, welche die Commiſſion noch nicht mit dem Apparate in Verbindung ſah, ſollen aus einem Seidenſtoffe beſtehen und zu dreien auf jeder Achſe ſo befeſtigt werden, daß ſie das Schiff, man möge die Kurbel und durch ſie die Achſe drehen, nach welcher Seite man wolle, immer nach derſelben Gegend vorwärts treiben. Der Erfinder hat, um nöthigen— falls ein Steigen oder Sinken des Ballons bewirken zu können, dieſen Theil des Bewegungsapparates noch mit einem Gelenke verſehen, welches den beiden Flügelachſen jedoch höch— ſtens eine Neigung von 10 Grad gegen den Horizont erlaubt, weil die beiden kleinen Zahnräder, deren Stellung gegen das größere Rad alsdann eine ſchiefe wird, durch die in ſie eingreifende Schraube an einer ſtärkeren Neigung behindert werden. Am oberen Rande des Korbes iſt noch ein Zahn— rad angebracht, in welches ein anderes, mit einer Kurbel verſehenes, eingreift, vermittels welcher Einrichtung man das ganze Bewegungsſyſtem durch eine Drehung des Maſtes ſelbſt beliebig richten und dadurch den Lauf des Schiffes ändern kann. Van Esſchen wandte früher für den letzt genann— ten Zweck ein Steuerruder an, giebt aber jetzt dieſer Ein— richtung den Vorzug. Nach der Conſtruction iſt natürlich auch die Wirkung der beiden Apparate ſehr verſchieden: während van Hecke's Apparat nur fürs Steigen und Fallen eingerichtet iſt, ſeine 109. V. 21. 326 Triebkraft unveränderlich in verticaler Richtung dirigirt und, wie der Erfinder verſichert, faſt mit gleicher Schnelligkeit ſteigt und fällt; iſt van Esſchens Apparat für eine ho— rizontale Fortbewegung eingerichtet, dagegen nur in beſchränktem Maße fürs Steigen und Fallen conſtruirt; die Richtung ſeines Fluges wird durch die Drehung ſeines Maſtes beſtimmt. Van Hecke's Apparat iſt endlich vom Winde unabhängig, ein— fach und ohne Steuer zu regieren, während van Esſchens Apparat, um die Strömungen der Luft für ſeine Richtung vortheilhaft benutzen zu können, eines ſehr kräftigen Steuers bedarf. Die Commiſſton bezweifelt indeß, daß der Erfinder durch die gewählte Einrichtung dieſen Zweck vollkommen erreichen wird. Über die praktiſchen Reſultate läßt ſich noch wenig ſagen, indem noch keine directen Verſuche mit dem Ballon in Verbindung gemacht wurden. Van Esſchen erperimen— tirte mit einem kleinen Model ſeine Propulſatores, ohne jedoch die entwickelte Kraft beſtimmt zu haben. Van Hecke wiederholte in Gegenwart der Commiſſion ſeine Verſuche, über welche ſchon das Institut royal de France am 1. Febr. 1847 berichtet hat, mit 2 Flügeln der linken Seite von 0,25 Meter Umfang; dieſelben machten durch ihre Reaction auf die Luft 4 Umdrehungen in der Secunde und entwickelten nach der Richtung der Rotationsachſe eine Kraft von 2½ bis 3 Kilogrammen. Die Apparate waren leider nicht in dem Zuſtande, daß man ihre Wirkſamkeit im Zuſammenhange prü— fen konnte; die Commiſſion kann deßhalb nur über die Con— ſtruction derſelben und die ihr von den Erfindern gewordenen Mittheilungen berichten, indem ſie ſich dahin entſcheidet, daß 1) beide Syſteme der Luftſchifferei ſich weſentlich von einander, ſowohl nach den von den Erfindern angenomme— nen, ſich auf die phyſicaliſche Beſchaffenheit der Atmoſphäre gründenden Principien, als in den Mitteln zur Erreichung ihres Zweckes und der daraus hervorgehenden Art der Be— wegung unterſcheiden; 2) die angewandten Apparate und ihre Wirkungsweiſen eben ſo bedeutende Verſchiedenheiten zeigen, jedoch in wiſ— ſenſchaftlicher und praftifcher Beziehung nur die Entdeckung wichtig werde, daß die Wirkung der Luft auf eine günſtig geneigte Oberfläche den ſich der Rotation entgegenſtellenden Widerſtand in eine mit der Bewegungsachſe in gerader Rich— tung wirkende Kraft verwandeln könne. Ohne über den Erfolg des einen oder anderen Appa— rates für die Luftſchifferei entſcheiden zu wollen, giebt die Commiſſton der Erfindung van Hecke's den Vorzug, weil ſein Apparat leichter zu regieren und für den Luftſchiffer weniger gefahrvoll ſcheint. Nachdem dies Gutachten bereits ausgefertigt war, ward zu Brüſſel am 27. Sept. wirklich eine Luftfahrt mit van Hecke's Apparat gemacht. Die Hrn. Devaur, Que- telet und Obriſt Sabine waren zugegen. Van Hecke und Dupuis Delcourt lenkten den Ballon, und Quetelet ſtimmt mit dem letzteren dahin überein, daß dieſes Factum in allen Ländern und zwar am paſſendſten durch die Ausführung ſelbſt conſtatirt zu werden verdiene. 20 327 109. V. 21. 328 XXXVII. Unterſuchungen über die Ochſengalle. Chololinſäure . Cas Hao 010 h AB: Choloidinſäure Cas II39 09 Von Dr. Strecker, aus einem Briefe Liebig's an Pelouze, Dysliſin 045 He U in No. 24 der Comptes rendus vom 13. Decbr. 1847 mitgetheilt. Die Ochſengalle ſcheint, nach des Verf. Verſuchen, im weſentlichen aus baſiſchen Natron-, Kali- und Ammoniak— ſalzen und zwei ſtickſtoffhaltigen Säuren, von denen nur die eine auch Schwefel enthält, zu beſtehen. Die ſchwefelfreie, ſtickſtoffhaltige Säure iſt die von L. Gmelin in der Ochſengalle entdeckte und Cholinſäure genannte Säure, die man erhält, wenn man die ganz friſche Galle eines eben geſchlachteten Ochſen mit neutralem eſſig— ſaurem Bleioryde präcipitirt, den Niederſchlag wäſcht und trocknet, ihn darauf mit kochendem Alkohol von 85 Proc. auszieht, durch die concentrirte, noch heiße Löſung Schwefel— waſſerſtoffgas ſtreichen läßt, darauf filtrirt und das Schwefel— blei mit Waſſer auswäſcht. Die ſpirituoſe Auflöſung der Säure trübt ſich alsbald, indem ſie ſich mit der wäſſrigen Auswaſchflüſſigkeit vermiſcht; man läßt fie ruhig ſtehen und findet ſchon nach 12 Stunden die ganze Flüſſigkeit in eine kryſtalliniſche, aus feinen, weißen, ſeidenartigen Nadeln be— ſtehende Maſſe verwandelt. Die ſo aus 10 Gallenblaſen erhaltene reine Säure wog 13,5 Grammen, während die unreine Säure im trocknen Zuſtande 52 Grm. wog. 1000 Theile kaltes Waſſer löſ'ten 3,3 Theile, 1000 Theile kochendes Waſſer dagegen 8,3 Theile derſelben; beim Erkalten kryſtalliſirte ein Theil wieder aus. Sie löſ't ſich in Alkohol, läßt ſich jedoch weder beim Erkalten noch durchs Verdampfen aus demſelben kryſtalliſiren. Die kry— ſtalliſirte Säure hat folgende Formel: C52 Hys N. 012. Sie liefert mit Alkalien und Säuren ſehr bemerkens— werthe Zerſetzungsproduete; mit einem Überſchuß von Atz— baryt, in wäſſriger Löſung erhitzt, zerſetzt ſie ſich nach und nach und iſt nach 12ſtündigem Kochen völlig verſchwunden und durch eine neue ſtickſtofffreie, von Strecker Chololin— ſäure benannte Säure erſetzt, die mit dem Acid. cholicum von Demargay identiſch iſt und im trocknen Zuſtande aus Cas Hao 010 beſteht, kryſtalliſirt indeß 2 Atome Waſſer enthält. Zieht man die Elemente dieſer letzten Säure von den Elementen der erſteren ab, ſo erhält man eine Formel, die mit 2 Atomen Waſſer der Zuſammenſetzung der Glycocolla, dem Leimzucker Braconnot's, entſpricht. (Ca H; NOg). Der Verſuch beſtätigte die Richtigkeit dieſer theoreti- ſchen Anſicht, indem nach der Entfernung der Chololinſäure und des Barytes ſchöne Leimzucker-Kryſtalle hinterblieben. Starke Säuren bewirken eine ähnliche Zerſetzung der Cholinſäure; durch Chlorwaſſerſtoffſäure erhält man chlor— waſſerſtoffſauren Leimzucker, doch ſtatt der Chololinſäure Demarcay's Choloidinſäure; bei noch längerer Einwir— kung der Salzſäure verſchwindet letztere Säure wieder und man erhält das Dysliſin von Berzelius. Die Elementar-Zuſammenſetzung der beiden Säuren und des Dysliſins iſt nur durch die Sauerſtoff- und Waſſer⸗ ſtoffmenge und zwar im Verhältniß der Waſſerbildung ver— ſchieden. Dieſe Umwandlung der Cholinſäure durch Mineral: ſäuren iſt demnach der Zerſetzung der Hippurſäure analog, die, nach Deſſaigne's Verſuchen, unter denſelben Umftän- den in Leimzucker und Benzoefäure zerfällt. Die ſchwefelhaltige Säure der Ochſengalle giebt mit Säuren behandelt ebenfalls Choloidinſäure und Dysliſin. Statt des Leimzuckers erhält man indeß Taurin und in demſelben den ganzen Schwefelgehalt der Galle. Dieſe Schwefelmenge beträgt für die Galle verſchiedener Thiere, nach den Beſtimmungen von Dr. Benſch: In 100 Theilen der Galle des Kalbes . ar Schwefel 100 = = = Sammel . .. 6,46 = 1 . der Ziege 57½ 55 100 = E = des Bären 6,38 5 100 = = z Wolfes. 5,03 = 100 z = = Buches . 5,56 ⸗ : 100 5 = ⸗Huhns . 5,57 * 100 = = = „Hundes. 6,21 = 100 5 = = der Schlange 720 = (nach Schliepery. Die Ochſengalle enthält 3,5 bis 4 Procent Schwefel: derſelbe ward überall aus der friſchen Galle, nach der Ab— ſcheidung der baſiſchen fettſauren Salze und der Entfärbung durch Thierkohle, beſtimmt. Dieſer Schwefelgehalt entſpricht der organiſchen Subſtanz der reinen Galle, nach Abzug der bei der Caleination zurückbleibenden Aſche. Der verſchiedene Schwefelgehalt der verſchiedenen Thier— gallen läßt auf eine ungleiche Menge der ſchwefelhaltigen Säure ſchließen. Die Galle des Schweines enthält, nach Gundelachs und Streckers Verſuchen, nur eine und zwar ſchwefelfreie Säure, die ihrer Zuſammenſetzung und ihren Eigenſchaften nach von der Cholinſäure verſchieden iſt. Da nun nach Braconnot in der Subſtanz der thie— riſchen Häute und in den Gallertgeweben ein Stoff vor— kommt, der durch Säuren und Alkalien in Glycocolla und eine ſchwefelfreie, ſtickſtoffhaltige Säure zerfällt, da ferner die Cholinſäure der Galle und die Hippurſäure des Har— nes ein vollkommen gleiches Verhalten zeigen, und es keinen andern Stoff im thieriſchen Körper giebt, welcher in Leim— zucker zerfällt, fo iſt, wie Liebig glaubt, eine innige Bes ziehung, wenn nicht gar ein genauer Zuſammenhang zwi— ſchen dieſen drei Stoffen anzunehmen. Die Hippurſäure kann möglicher Weiſe ein Product der Gallertgewebe ſein, wogegen die ſchwefelhaltige Säure der Galle aus eiweißhal— tigen Subſtanzen, die bekanntlich 1½ bis 2 Proe. Schwefel enthalten, entſtanden ſein kann. Miſecellen. 47. Ein durch das Mondlicht entſtandenes Phä⸗ nomen wird von Demidow folgendermaßen geſchildert. Am Abend des 24. Octobers (ein Tag nach dem Vollmond) um 9 Uhr 20 Minuten ſtrahlte der Mond in unendlicher Pracht über der Stadt und dem Hafen von Cadir, ein leichter Nordoſtwind fächelte 329 kaum fühlbar, nur eine einzige zweiſchenklige Wolke ſchwebte nörd— lich vom Monde über der Gegend von Rota am Himmel; ihre beiden oberen Gruppen waren durch das Licht des Mondes weißlich gefärbt, die untere erſchien in hellem Grau auf dem klaren Grunde des Himmels. Um 9 Uhr 30 Minuten fiel des Verf. Blick durch Zufall auf die Hafenbucht und ein großartiges Schauſpiel lag vor ihm; der Himmel hatte noch das eben beſchriebene Anſehen, nur der untere Theil der Wolke erſchien in einer weiten Ausdehnung dunkel feuerfarben, die öſtliche Seite war intenſiver, wie die weſt— liche, welche mehr roſenroth erſchien. Der ganze untere Theil war dichter und von braunrother Farbe. Die Luft war ſtill wie vor— her, der Nordoſtwind kräuſelte das Waſſer. Um 9 Uhr 35 Minuten hatte ein Theil der Wolke die höchſte Intenſität ihrer Färbung erreicht, die dem Strontianroth des bengaliſchen Feuers glich. Um 9 Uhr 40 Minuten lag die öſtliche Gruppe der Wolke gänzlich im Schatten und nach und nach verloſch, nach Weſten vorſchreitend, die ganze Erſcheinung, nur ein gerader rother Streif blieb am weſt⸗ lichen Saume der Wolke zurück. Die Wolke hielt ſich faſt noch 1 Stunde lang auf derſelben Stelle und hatte ſich nur um wenige Grade gehoben; der Wind legte ſich gegen Mitternacht gänzlich; das Wetter des folgenden Tages war entzückend. (Comptes ren- dus, 22. Novembre 1847, No. 21.) 48. Die Edelſteine find nach einem alten perſiſchen Manu— ſeript, das Radſcha Kalikiſchen ins Engliſche übertrug, mit folgen: 109. V. 21. 330 den trefflichen Eigenſchaften begabt: Der Diamant ſchützt vor dem Blitze, heilt Wahnſinn und thörichte Furcht. — Der Rubin reinigt das Blut, ſtillt den Durſt, verſcheucht Melancholie und ſichert Ehre und Vermögen. — Der Smaragd vertreibt böſe Träume, giebt Muth und heilt Schlaganfälle. — Der Türkis, in Perſien Abu Ißhaki (Vater des Iſage) genannt, giebt klare Augen und it ein Heilmittel beim Biſſe giftiger Thiere. — Perlen erfriſchen den Geiſt und beſänftigen die Leidenſchaften. Der Saphir ſchützt vor Zauberei. — Der Chryſopras vereinigt die Liebe mit dem Golde. — Die Achate gewähren Schutz gegen Stürme. — Der Amethyſt verhütet die Trunkenheit. — Die Korallen endlich ändern ihre Farbe nach der Geſinnung ihres Beſitzers. (The Athenaeum 1847, No. 1048.) Das abendländiſche und morgenländiſche Mittel⸗ alter ſind reich an Schriften über die Eigenſchaften der Edelſteine. Faſt überall findet man dieſelben Angaben, z. B. im Albertus Magnus de mirabilibus lapidum und daraus in den ſpäteren Kunft- und Wunderbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts. — S. 49. Ein Barometer ohne Flüſſigkeit ward kürzlich in England erfunden; dasſelbe verbindet mit einer großen Em⸗ pfindlichkeit die ſchätzenswerthe Eigenſchaft in jeder beliebigen Größe ausführbar und dabei nichts weniger als zerbrechlich zu ſein. Der Erfinder ſoll ein ſolches in einem Fingerringe tragen. Es zeigt mit Deutlichkeit die Höhe eines Hauſes, ja die Höhe eines Stock— werkes an. (2 S.) (The literary Gazette 1847, No. 1611.) Heilkunde. (XIII.) Behandlung der Epilepſte durch Einreibung von Brechweinſteinſalbe auf dem Kopfe. Von Dr. H. Mettais zu Montrouge. Es giebt nicht wieder eine ſo ſonderbare, ſo gräßliche und bis jetzt ihrem Weſen nach ſo wenig bekannte Krankheit als die Epilepſte. Zwar hat die Heilkunde ſeit 50 Jahren ſehr bedeutende Fortſchritte gemacht; allein in der Behandlung der Nervenkrankheiten, unter denen die Epilepſie wohl die ſchlimmſte ſein möchte, ſcheint man nicht viel weiter gekom— men zu ſein. An Anſtrengungen in dieſer Beziehung haben es indeß die Arzte nicht fehlen laſſen. Dieſen Bemühungen verdanken wir es, daß wir in den Annalen der Wiſſenſchaft von Zeit zu Zeit eine Beobachtung finden, welche uns mit einer gelungenen Cur der Epilepſie bekannt macht. Ließ ſich indeß mit Grund mehr erwarten? Meiner Anſicht nach keineswegs. Da wir über die Urſache der Epilepſie nichts wiſſen, ſo ſind wir auf ein Umhertappen nach Mitteln beſchränkt, welche im glücklichen Falle anſchlagen. Hierbei dürfen wir aber unmöglich ſtehen bleiben, und der ernſte Geiſt der Forſchung, der jetzt waltet, läßt uns Gutes von der Zukunft hoffen. Die Epilepſie kann nicht unheilbar ſein; denn gegen jedes Übel muß es ein Mittel geben. Nur find unſere Studien zur Löſuug der fraglichen Aufgabe noch nicht weit genug fortgeſchritten. Wir kennen die Nerven und ihre innerſte Structur, ſowie die imponderable Flüſſigkeit, welche durch deren Mittelcanal ſtreicht, noch nicht genug. Dennoch dürfte die Epilepſie in allen Fällen dort ihren Sitz haben. Unter dieſen Umſtänden wiffen wir aber nicht recht, was wir mit einem Epileptiſchen anfangen ſollen, und wir müſſen vor der Hand die Krankheit als unheilbar betrachten. Dies war wenigſtens meine Anſicht bis vor wenigen Jahren. Es waren mir mehr Epileptiſche vorgekommen als manchem anderen; allein nie hatte ich es gewagt, einen der— ſelben zu behandeln und dadurch die Unzulänglichkeit unſerer Wiſſenſchaft zu enthüllen. Nachdem ich im J. 1843 durch den alsbald zu erzählenden Fall belehrt worden war, entſchloß ich mich, da ich übrigens die allgemeine Anſicht theilte, daß der Sitz der Krankheit im Gehirne ſei und da ich kein ſpeeifiſches Mittel kannte, um ſie von dort zu vertreiben, zu jener empiriſchen Behandlung, welche bei ſo vielen, zumal chroniſchen oder dunkeln Krank— heiten anſchlägt, nämlich zu revellirenden Mitteln. Allein eine Revulſion läßt ſich auf eine Unzahl von Arten bewir— ken. Ich bediente mich der Einreibungen von Brechwein⸗ ſteinſalbe, welche ſo nahe als möglich am Sitze des Übels auf dem Schädel vorgenommen wurden, und ich erhielt auf dieſe Weiſe folgende Reſultate. Beobachtungen. Die erſte dieſer Beobachtungen bezieht ſich nicht auf einen Fall von Epilepſie, ſondern auf einen von Gehirn— neuralgie. Ich erwähne desſelben, weil er durch ſeine Langwierigkeit und Hartnäckigkeit merkwürdig iſt und er mir die erſte Idee der Behandlung der Epilepſie an die Hand gegeben hat. Erſte Beobachtung. — Im J. 1843 hatte ich Gelegenheit, zu Montrouge, in dem Pariſer Weichbilde, die 60jährige- Mad. D., eine Frau von nerovös-ſanguiniſchem Temperamente zu ſehen, welche noch ſehr lebhaft und friſch, aber ſeit 25 Jahren mit einer Neuralgie behaftet war, die ihren Sitz im hinteren Theile der Schädelhöhle hatte. Eine Stelle ſchien ſogar gegen Berührung beſonders empfindlich, 331 obwohl der ganze Kopf mehr oder weniger an dieſem Lei— den Theil nahm. Etwa alle 14 Tage, wenigſtens jeden Monat, hatte Mad. D. einen Anfall von ihrem Leiden, welcher gewöhnlich ſo heftig war, daß ſie manch Mal wie von Sinnen war. Ihre Augen wurden dann funkelnd und wild; ſie raufte ſich vor Wuth die Haare aus, und man mußte ſie öfters mit Gewalt davon abhalten, ſich aus dem Fenſter zu ſtürzen. In dieſem Zuſtande verblieb fie 2—3 Tage. Übrigens war ſie vollkommen geſund, und ſobald dieſe Kriſen vorüber waren, gingen alle ihre Functionen regelmäßig von Statten und ſie litt dann durchaus nicht mehr an Kopfweh. Während der 25 Jahre hatte Mad. D. öfters ihre Arzte verabſchiedet und dann wieder deren Hülfe angeru— fen. Man hatte ſie lange Zeit mit Aderläſſen, dann mit den fogenannten speeilieis gegen Neuralgien, mit Blaſen— pflaſtern, Abführungsmitteln, der Elektricität, dem Galva— nismus, der Acupunctur, dem Magnetismus, homöopathiſch u. ſ. w. behandelt; ja ſie hatte ſelbſt Quackſalber zu Rathe gezogen; denn wozu entſchließt man ſich nicht in ſolchen Fällen! Als ich Mad. D., welche die Hoffnung auf Wieder— herſtellung noch nicht ganz aufgegeben hatte, beſuchte, befand ich mich in großer Verlegenheit um ein Mittel, welches noch nicht zur Anwendung gekommen wäre, oder wenigſtens um ein ſolches, welches keinem der bereits verſuchten zu ähnlich ſähe. Ich legte ein ſtark mit Brechweinſtein verſetztes Pfla— ſter auf den ganzen Hinterkopf, und zu meinem größten Erſtaunen hörte die Neuralgie nach wenigen Stunden auf und kam nie wieder. Wie wirkte in dieſem Falle das Pflaſter? dies weiter unten zu ermitteln ſuchen. Zweite Beobachtung. — Am 1. Nov. 1843 ward ich zu der verwittweten Mad. F., einer Tabakshänd— lerin zu Vaugirard gerufen, um ihren 15jährigen Enkel zu behandeln. Ihr Hausarzt, welcher daran verzweifelte, ihm zu helfen, hatte ihr ſchriftlich den Rath ertheilt, dem Pa— tienten nur Lindenblüthen- und Orangenblätterthee zu geben. Mad. F. glaubte, ihr Enkel ſei unrettbar verloren; allein ſie wollte ihn nicht ohne fernere ärztliche Hülfe ſterben laſſen. Über den bisherigen Verlauf der Krankheit erfuhr ich folgendes. Der Kranke war im Alter von 6—7 Jahren von epileptiſchen Convulſtonen befallen worden, deren Veranlaſ— ſungsurſache man nicht kannte. Er wurde ſogleich und lange ärztlich behandelt, aber ohne Erfolg. Nur durch das Leroyſche Mittel erhielt er 2 Jahre lang Linderung, ſo daß er ſich während dieſer Zeit ſo wohl als andere Kinder be— fand. Nach zwei Jahren bekam er jedoch, und zwar wieder ohne bekannte Veranlaſſungsurſache einen Rückfall, und die Paroxysmen wurden nun häufiger und heftiger. Seine Intelligenz nahm ab, und ſein Charakter wurde eraltirt und bösartig. Die Fortſchritte des Übels ließen ſich durch nichts hemmen, obwohl 18 Arzte nach einander ihre Kunſt an ihm verſuchten. Selbſt Dr. Lelut hatte ihm nicht helfen können, was für mich keine ermunternde Nachricht war. Wir wollen 109. V. 21. 332 Gelähmt war nie ein Glied geweſen; allein das Spre— chen wurde dem Patienten ſchon ſeit längerer Zeit immer ſchwerer. Wenn die Anfälle eintraten, fiel der Patient jedes Mal auf die Stirn, ſo daß er ſtets mit blutendem Geſichte und zwar 8—10 Mal täglich, nach Haufe getragen wurde. Er ließ ſich durchaus nicht im Zimmer zurückhalten. Ob er die Annäherung der Convulſionen vorher empfand, ließ ſich nicht in Erfahrung bringen, da er ſich ſchon lange in einem an Blödſinn grenzenden geiſtigen Zuſtande befand, ſo daß er über ſeine Empfindungen keine Auskunft geben konnte. Übrigens waren alle ſeine körperlichen Functionen fortwäh- rend höchſt regelmäßig von Statten gegangen. Bei meinem erſten Beſuche hatte ſich jedoch die Lage des Patienten in letzterer Beziehung verändert; die Epilepſte hatte ſich complieirt. Der Kranke lag unbeweglich und mit unſtätem Blicke auf dem Rücken, und ſeine Extremitäten waren völlig erſchlafft. Er antwortete auf keine meiner Fragen, die er durchaus nicht zu verſtehen ſchien. Auch konnte er nicht mehr deutlich ſprechen, ſondern nur unver— ſtändlich grunzen; ſchon ſeit längerer Zeit hatte er nur das Wort chose ausgeſprochen. Wenn er reden wollte, ſo ſtand ihm, um ſeinen Willen auszudrücken, kein anderes Wort zu Gebote. Der Puls war zuſammengezogen, geſchwind und fie beriſch. Als ich mich fragte, ob dieſer Kranke nicht etwa an einer allgemeinen Lähmung leide, erhob er ſich plötzlich in eine ſitzende Stellung, ohne daß ſich jedoch die Beine bewegten; er breitete die Arme aus und ließ ſie ſammt dem Kopfe gegen die Füße fallen. Zugleich ſtöhnte er dumpf als ob er eine gewaltige Anſtrengung mache. Das Geſicht wurde purpurroth und an den Lippen zeigte ſich etwas ſchaumiger Speichel. Auf dieſe Weiſe pflegte er zuſammenzuſtürzen. Dieſe Kriſis dauerte einige Minuten, und man legte ihn wieder auf das Kopfkiſſen, wo er bis zum nächſten Anfalle, der nicht lange auf ſich warten ließ, unbeweglich liegen blieb. Zuweilen waren indeß die Conovulſionen noch weit hef— tiger, ſo daß er dann von einem ſtarken Manne gehalten werden mußte, damit er ſich den Kopf nicht an der Wand zerſchelle. In dem Zuftande des Kranken glaubte ich eine Indi⸗ cation zum Verordnen eines ſchwachen Aderlaſſes zu finden, welchen ich ſogleich vornahm, der jedoch weder günſtig noch ungünſtig wirkte. Da ich nun vernahm, daß man wieder nach dem Dr. Lélut geſchickt und daß dieſer zugeſagt habe, ſo nahm ich nichts weiter vor. Wir warteten drei Tage, aber Dr. L. kam nicht. Ich ſchlug nun vor, dem Kranken den ganzen Kopf mit Brechweinſteinſalbe einzureiben. Es geſchah, und nach 5 Tagen war der Ausſchlag voll- ſtändig da. Der Kranke ſah uns mit Verwunderung an; die Kriſen waren weniger häufig und heftig. Es war nur noch wenig Neigung zum Vorwärtsfallen vorhanden, was täglich 2—3 Mal vorkam. Der Puls war beinah normal, der Kranke fing an zu reden, aber ſehr langſam, indem er lange nach den Wörtern ſuchen mußte. Acht Tage nach dem Anfange der Behandlung trat keine Kriſis mehr ein; die Zunge war frei; der Patient plauderte mit mir und 333 gab mir über feine Empfindungen Auskunft. Er ſtand auf, ging wie früher umher; alle ſeine Functionen gingen gut von Statten; er war geheilt. Seit drei Jahren hat ſich der Geſundheitszuſtand des F. gut erhalten; er hat nie die geringſte Unpäßlichkeit ge— habt; er iſt in normaler Weiſe gewachſen und hat ein Gewerbe ergriffen, welches er mit Erfolg erlernt. Dritte Beobachtung. — Mad. L. auf dem Ba⸗ ſtilleplatze in Paris wohnhaft, conſultirte mich im Februar 1844 wegen ihrer 14jährigen Tochter, die von lymphatiſch— ſanguiniſchem Temperamente war. Ihr äußeres Anſehen war kräftig, ihre Geſichtsfarbe ſehr lebhaft. Seit drei Jahren wurde ſie ohne bekannte Veranlaſſungsurſache täglich mehrmal von ſchwachen efftatifchen Kriſen befallen, welche nur we— nige Minuten anhielten. Oft traten dieſe ganz von ſelbſt ein, zuweilen jedoch ſtieß die Patientin bei irgend einer Ge— müthsbewegung einen ſchwachen Schrei aus und ſuchte ſich, um nicht zu fallen, an irgend einem Gegenſtande feſt— zuhalten. Sie fiel dann auch nie, ſondern gerieth ſtehend in einen ekſtatiſchen, vollkommen beſinnungsloſen Zuſtand. Ihre Hände waren über und über mit Brandwunden bedeckt, die ſie ſich beim Bügeln mit dem Bügeleiſen beigebracht hatte, ohne ſie zu fühlen. Menſtruirt war ſie damals noch nicht, und die Arzte, welche ſie früher gebraucht, hatten alle darauf hingearbeitet, die menses zum Vorſcheine zu bringen, die auch im Alter von 13 Jahren ſehr reichlich und regelmäßig eintraten. Allein die ekſtatiſchen Anfälle wurden dann nur noch ſtärker und häufiger. Sie traten vor und nach der Menſtruation, ſelten in der Zwiſchenzeit ein. Als ich die Patientin zum erſten Male ſah, kamen ſie manch Mal 11 Mal des Tages vor, ohne daß irgend eine antihyſteriſche Behandlung etwas dagegen vermocht hatte. Ich meines Theils wandte verſchiedene angeprieſene Mittel an. Die Menſtruation war ſehr reichlich; das Mäd— chen kräftig und plethoriſch. Es klagte beſtändig über Kopf: weh, und da die Kriſen zur Zeit der Menſtruation vorzüg— lich häufig vorkamen, ſo glaubte ich einen Aderlaß von 4 Blutnäpfchen vornehmen zu dürfen, wodurch ſich jedoch der Zuſtand der Patientin verſchlimmerte. Ich nahm nun meine Zuflucht zu allen möglichen anerkannten krampfſtil— lenden Mitteln, erlangte jedoch keinen Erfolg. Ich ließ Brechweinſteinſalbe am Unterleibe einreiben, und die Kriſen wurden ſchwächer, traten aber ſpäter wieder in voller Hef— tigkeit ein. Ich ließ die Salbe in die Lendengegend ein— reiben und erhielt denſelben Erfolg; dann auf beiden Seiten am Untertheile des Bruſtbeins, ein wenig davon in die obere Lendengegend und zugleich in die Hinterhaupts— gegend, und die Kranke ward hergeſtellt. Dieſe Heilung war wenigſtens 6 Monate lang von Beſtand, da mich die Patientin nach Verlauf dieſer Zeit mit ihrer Mutter be— ſuchte. Ich empfahl ihr ausdrücklich, wenn wieder ein An— fall eintreten ſollte, mich ſogleich davon zu benachrichtigen; allein ſie hat ſeitdem nichts wieder von ſich hören laſſen. Ich habe alſo alle Urſache anzunehmen, daß die Hyſterie nicht wiedergekehrt ſei. 109. V. 21. 334 Vierte Beobachtung. — Im Monat Juni 1844 bekam ich den 17jährigen Sohn des Hrn. C., in der rue d’Enghien zu Paris wohnhaft, wegen Epilepfte in Behand— lung. Der junge Menſch war von lymphatiſchem Tempera- ment, blaß, ſchlaff und klagte oft über Kopfweh. Seit 6 Jahren bekam er anfangs alle 5 — 6 Monate, dann öfter, endlich alle Monate condvulſiviſche Anfälle, wobei er die Be— ſinnung verlor und ihm Schaum vor den Mund trat. Er verſpürte die Annäherung dieſer Kriſen einige Minuten vor⸗ her, indem er ſich allgemein angegriffen und Schwindel fühlte. Wenn er umfiel, fo fiel er auf die rechte Seite. Jede Kriſis dauerte gewöhnlich ¼ bis ½ Stunde; allein erſt nach mehreren Stunden erhielt er den vollſtändigen Ge- brauch ſeiner Geiſteskräfte wieder; auch fühlte er noch 1 bis 2 Tage nachher eine allgemeine Abgeſchlagenheit, die ihn daran erinnerte, daß er einen Anfall gehabt habe, obwohl er durchaus nicht wußte, was während desſelben mit ihm vorgegangen war. Übrigens war ſeine Intelligenz normal und fein Geſundheitszuſtand zwar nicht robuſt, aber doch ziemlich gut. Wir hatten es alſo mit einer einfachen Epi⸗ lepſte zu thun. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß er ſchon viele Mittel anhaltend gebraucht hatte, ſelbſt unter ſeinen Verwandten befanden ſich Arzte. Auch Quackſalber hatten bereits ihre Experimente an ihm angeſtellt. Die Einreibungen mit Brechſteinſteinſalbe, welche gleich nach einem Anfalle begonnen wurden, verminderten die Kriſis des folgenden Monates in dem Grade, daß dieſelbe nur 1 Minute dauerte und auch ſpäter eintrat als ſonſt. Beim zweiten Anfalle verſchwand die Beſinnung nur einen Augen⸗ blick, und nur der Patient bemerkte denſelben, obwohl er ſich gerade bei ſeinen Eltern befand. Ich bedaure, daß ich den Erfolg dieſer Behandlung nicht mit Sicherheit angeben kann, da der Jüngling bald, nachdem er von der Epilepſie curirt worden, ein typhöſes Fieber bekam, an welchem er ſtarb. Fünfte Beobachtung. — Im Sept. 1845 be⸗ ſuchte ich die 40jährige Mad. D., rue de Vaugirard zu Paris, welche ſeit 8 Jahren an Kopfweh, Schwindel und Anfällen von Ohnmacht litt, die anfangs ziemlich erträglich geweſen, ſpäter aber immer häufiger und heftiger geworden waren. Alle 2— 3 Tage ward fie plötzlich von Consulftonen befallen, welche vorzugsweiſe die rechte Körperſeite betheilig— ten, ſo daß ſelbſt der Mund nach dieſer Seite zu ein wenig verzerrt war. Während der Anfälle wurde das Geſicht ganz violett; der Hals ſchwoll furchtbar an, ſo daß Erſtickungs— gefahr eintrat, und auf die Lippen trat ein oft blutiger Schleim. Die Anfälle dauerten gewöhnlich 6—7 Minuten; dann kam alles wieder in die Ordnung, obwohl das Kopf— weh, die Mattigkeit in den Gliedern und die Geſichtsſchwäche noch eine Zeit lang ſtärker blieben als gewöhnlich. Mad. D. aß wenig und litt meiſt an hartnäckiger Verſtopfung. Sie war mager, nervenſchwach, übrigens bei vollen Ber: ſtandeskräften. Indeß hatte ihr Gedächtniß ſeit einiger Zeit merklich abgenommen, und ſte ſprach langſam und etwas undeutlich. Als ich dieſe Patientin zum erſten Male ſah, hatte ſie 335 ſeit 6 Wochen das Bett nicht verlaſſen können. So oft fie es verſucht hatte, bekam ſie Schwindel, die Beine knickten zuſammen und ſie fühlte ſich übel. Sie konnte nicht ein Mal im Bette aufſitzen. Ihr Geſicht war ſo getrübt, daß ſie die Gegenſtände nur mit Mühe unterſcheiden konnte. Damals ſtellten ſich die Anfälle täglich 3— 4 Mal ein, und manche derſelben hielten / Stunde und länger an. Tüch— tige Arzte hatten die Patientin ohne allen Erfolg nach allen Regeln der Kunſt behandelt. Ich bedeckte ihr den Kopf mit einem Brechweinſteinpflaſter, durch welches ſie binnen weni— gen Tagen ſo vollſtändig hergeſtellt ward, daß alle oben erwähnten Symptome verſchwanden und daß ſie wieder Ar— beiten vornehmen konnte, welche ſie ſeit 8 Jahren ganz hatte unterlaſſen müſſen. Als ſie mich im folgenden Monat December beſuchte, bat ſie mich dringend, die Eiterung zu unterdrücken, welche das Pflaſter am Hinterhaupte veranlaßt hatte und die noch immer in Fluſſe war. Ich ſchlug ihr dies rund ab und ſagte ihr ſogar vorher, daß ſie einen furchtbaren Rückfall bekommen werde, wenn ſie ſich ſo früh eines Ausfluſſes ent— ledigte, dem ſie ihre Geneſung verdanke. Sie folgte mir nicht, brachte das Fontanell zum Stehen, und zu Ende des Decembers war ſie von neuem krank, obwohl die Symptome einen weniger gefährlichen Charakter hatten. In den erſten Tagen des Januars 1846 ſchickte fie nach mir. Da ich fie zu heftig erkrankt fand, als daß ich die langſame Wirkung der Einreibungen hätte abwarten mögen, ſo legte ich als— bald das Brechweinſteinpflaſter auf, welches indeß keine Zeit hatte zu wirken, da die Patientin faſt unmittelbar darauf ohne Todeskampf und bei vollem Bewußtſein den Geiſt aufgab. (Schluß folgt.) Miſeellen. 40) hat Hr. Dubois zu Neufchätel an einem 6jährigen Mädchen beob— achtet, deſſen Mutter, als ſie mit demſelben ſchwanger geweſen, in Ohnmacht gefallen war, als ſie ſah, daß ſich ein Frauenzimmer mit einer Nähnadel in den Finger ſtach. Bei der Geburt bemerkte man am hintern (obern?) Theile des Bruſtbeins eine kleine Ver— 109. V1. Eine angeborne fistula tracheo-sternalis 336 tiefung, welche vor 18 Monaten in Folge eines Bruſtcatarrhs zu eitern begonnen hatte. Der Ausfluß kehrte von Zeit zu Zeit wie⸗ der, und oft bildete ſich unten am Halſe vor der Luftröhre eine kleine rothe Geſchwulſt, die ſich durch Drücken entleeren ließ. Die Fiſtel öffnete und ſchloß ſich abwechſelnd, jenes meiſt bei rauher, dieſes bei milder Witterung. Im Monat Mai 1845, wo Hr. D. die Patientin zuerſt ſah, war die Fiſtel offen. Auf der Mittellinie des Bruſtbeins, etwa 2½ Centim. von deſſen oberem Rande zeigte ſich eine kleine Vertiefung in der Haut und mitten darin ein Löchelchen, das ſich wie ein Nadelſtich ausnahm. Als Hr. D. ein feines ſilbernes Stilet in dasſelbe einführte, konnte er mit dem- ſelben an der Oberfläche des Bruſtbeins hin und über den obern Rand desſelben hinaus bis zur Luftröhre eindringen. Um keinen Huſten zu erregen, ſchob er es nicht weiter; als er aber von der Luftröhre aus bis zu dem Löchelchen mit dem Finger hinſtrich, drückte er eine kleine Quantität ſchleimiger Flüſſigkeit heraus. Un- ſtreitig exiſtirten das Löchelchen und die Fiſtel ſchon von der Zeit der Geburt an, und man hatte nur vor 18 Monaten bei Gelegen— heit des Catarrhs zum erſten Male Eiter hervorkommen ſehen. Hr. D. hielt indeß bei der Geringfügigkeit des Leidens, weder eine Operation, noch Einſpritzungen für rathſam, ſondern empfahl nur, die Kleine ſo viel möglich vor Erkältungen zu bewahren. (Gaz. méd. de Paris, 18. Dec. 1847.) (4A) Den Bruch des Bruſtbeines in Folge der Muskelanſtrengungen bei den Geburtswehen hat Hr. Rafael Diez (nach La Faculdad 1847) bei einer gefunden 32 jährigen Frau beobachtet, die zum fünften Mal gebar. Während der letzten Wehen verſpürte fie in der Gegend zwiſchen den Brüften ein Reißen und Knacken, und als fie die Hand dahin führte, fiel ſie vor Schrecken beinahe in Ohnmacht, als ſie eine daſelbſt vorſpringende Knochenſpitze fühlte, deren Betaſtung äußerſt ſchmerz— haft war. Hr. D. fand das Bruſtbein bei deſſen unterm Drittel gebrochen, und wenn man den ſchwertförmigen Knorpel hob, konnte man das Knirſchen, obwohl nur dunkel, vernehmen. Er war über- zeugt, daß der Bruch von der vereinigten Thätigkeit der mm. ster- nohyoidei, pectorales majores und recti abdominis herrühre. Er brachte die Kranke in eine ſolche Lage, daß alle Bauchmuskeln erſchlafften, und die Einrichtung des Bruches hatte, indem man nur auf das untere Fragment leicht drückte, nicht die geringſte Schwierigkeit. Mittels einer feſt angelegten Leibbinde wurden die Fragmente in der geeigneten Lage gehalten, indem zugleich gelufte Compreſſen, deren Zahl und Stärke vom ſchwertförmigen Knorpel bis zur Bruchſtelle abnahm, zur Anwendung kamen. Nach einigen Stunden mußte der Verband wegen Athmungsbeſchwerden ge— lockert werden; allein ſtufenweiſe lernte die Patientin den Druck ertragen, und nach ſechs Tagen konnte man ihm die geeignete Feſtigkeit auf die Dauer geben. Am 30ften Tage wurde er ab- genommen, wo ſich dann nur noch ein geringes Vorſpringen des ſchwertförmigen Knorpels zeigte. Seitdem find drei Monate ver- floſſen, ohne daß die Frau von dem Unfalle die geringſten nach⸗ theiligen Folgen verſpürt. (Gaz. med. de Paris, 15. Janv. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. F. Knapp, Chemical Technology; or, Chemistry applied to the Arts and Manufactures. Translated and edited, with numerous additions, by Dr. Thom. Richardson and Dr. Edm. Ronalds. Vol. I. 8%. (pp. 578, with 200 woodeuts, cloth, 21 sh.) London 1848. J. Donuldson. — The Enemies to Agriculture, Botanical and Zoological; being a brief Account of the Weeds, Quadrupeds, Birds, Insects and Worms, which are injurious to the Farmer; with the best Means for their Exstirpation and Diminution. 8°. (pp. 148, cloth, 3 sh.) London 1848. J. P. Nichol. — Thoughts on some important Points relating to the System 1848. World. 2d edition, post 8°. (pp. 280, cloth, 10 sh. 6 d.) London New Theory of Vegetable Physiology, based on Electricity, and substantia- ted by Facts, with its Application to Agriculture. 126. (pp. 196, cloth, 5 sh.) Edinburg 1848. Annuaire de medeeine et de chirurgie pratiques pour 1848; par le docteur A. Wahu. In 320 de 6 feuilles. Paris 1848. (1 fr. 25 ct. Precis de médecine operatoire; par J. Lisfranc. Tome III. Feuilles 14—21. (12e liv.) In 80. de 7 feuilles %,. Paris 1848. (2 fr.) Die Fortſetzung iſt ſeit Lis franc Tode bearbeitet von M. Joubert de Lamballe , agrege et ancien professeur à la faculte de Paris, chirurgien en chef de ’höpital Saint Louis etc. Manoeuvre simplifice des accouchements artifieiels ou contre nature que l'on termine ä l’atde de la main et du forceps; precedee de l’accouchement na- 1 etc.; par P. Donatien Merce. In 8° de 20 feuilles ½. Paris 1848. (5 fr.) E. E. C. Kenny. — Short Hints and Observations on the Arrangement and E of Lunatic Asylums. 80. (pp. 80, sewed, 2 sh. 6 d.) London Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. Diefer Nr. iſt ein Verlagsbericht von F. Enke beigelegt. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeltſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 110. (Nr. 22. des V. Bandes.) Maͤrz 1848. Naturkunde. Chevreul, üb. Niépce's de Saint Victor Unterſuchungen üb. Photographie. — Plelſchl, üb. die Nahrungsſtoffe im Blute. — Miſcellen. Glas. Nekrolog. — Heilk gina imperforata ꝛc. — Miſeelle. Herapath, Beſtandtheile des Pollen der rothen und weinen Lilie und des cackus speciosissimus. Saponinhaltige Pflanzen. Achromatiſches unde. Metals, Behandlung der Epilepſie durch Einreibung von Brechweinſteinſalbe auf dem Kopfe. — Locatelli, va- Librero, Furia infernalis im Zellgewebe unter der Haut. — Bibliographie. Naturkunde. XXXVIII. Commiſſionsbericht über die Unterſuchun⸗ gen des Hrn. Niépee de Saint Vietor über Photographie. Die franzöſiſche Akademie ernannte eine aus den HHrn. Biot, Arago, Thenard, Regnault und Chevreul beſtehende Commiſſion zur Prüfung der am 22. Juni 1846 und 11. Januar 1847 eingeſandten Arbeiten des Verf., zu denen noch neuere Mittheilungen vom 23. October hinzu— kamen. Cheoreul berichtet über dieſelben in Nr. 22 der Comptes rendus vom 29. November 1847. In einer Einleitung gedenkt der Berichterſtatter der Leiſtungen der Chemie und Phyſik und zeigt, wie ſich die erſtere vorzugsweiſe mit den eigentlich chemiſchen, in beſtimmten Verhältniſſen zuſammentretenden Verbindungen und ihren Entſtehungs- und Zerſetzungsgeſetzen beſchäftigt habe, wogegen die ſich in unbeſtimmten Verhältniſſen vereinigenden Stoffe, die Metalllagerungen und Auflöſun— gen in neutralen Flüſſigkeiten, z. B. ſowohl von Che: mikern als Phyſikern beachtet worden und man in ihnen ein Vorherrſchen der phyſicaliſchen Kräfte über die chemi— ſchen vermuthet habe. Dagegen habe man die Vorgänge bei der Färberei, noch mehr aber das Verhalten des Waſſers bei den Functionen des lebenden Thieres zu deſſen Geweben, ſowie zu verſchiedenen unorganiſchen pulverigen Stoffen, die mit ihm zu einem zähen dehnbaren Brei werden, viel zu wenig beachtet. Das Verhalten der poröſen und pulverigen Körper gegen elaſtiſche Flüſſigkeiten hat zwar, fährt er fort, Chemiker und Phyſiker beſchäftigt, doch hat man mehr auf die Erſcheinungen während der Einwirkung als auf die für die Dauer bewirkten Veränderungen der Körper geachtet und ſo bei dieſen Verbindungen ein Fehlen der chemiſchen Af— finität angenommen, was nach des Berichterſtatters Anſicht, No.“ 2090 — 990. — 110. ſelbſt wenn ihre Elemente nicht nach einem beſtimmten Atomen— verhältniſſe verbunden ſind, unſtatthaft iſt. Aus den Verſuchen und Folgerungen des Herren Niepce de Saint Vietor, deren Richtigkeit die Commiſſion einſtimmig bezeugt, geht ein ſolcher Einfluß der Affinität, ein ſolches Entſtehen chemiſcher Verbindungen mit unbeſtimm— tem Verhältniſſe entſchieden hervor. Zu ſolchen Verbindungen gehören alle Producte der Färberei, wo ſich Stoffe mit Säu— ren, Baſen, Salzen und färbenden Prineipien, ohne ihre Geſtalt zu verändern, vereinigen, ferner das Haften der Gasarten an feſten Gegenſtänden, wo die Anziehungskraft fo groß iſt, daß fie für eine Zeit lang die Tenſion des Gaſes überwindet. Sich nunmehr zu den Verſuchen des Verf. ſelbſt wen— dend, berichtet die Commiſſion zunächſt über ſeine mit Jod— dampf angeſtellten Erperimente. Wenn man ein mit fetter Schwärze bedrucktes oder beſchriebenes Papier Joddämpfen ausſetzt, ſo findet man, daß ſich das Jod vorzugsweiſe auf den bedruckten Stellen verdichtet und erſt bei längerer Ein— wirkung der weiße Theil des Körpers gelb gefärbt erſcheint. Daß eine ſolche Vorliebe des Jods für die ſchwarz gefärbten Stellen wirklich Statt findet und erſt, wenn dieſe mit Jod geſättigt find, auch das weiße Papier affieirt wird, zeigt ſich unverkennbar, wenn man eine nicht zu lange jodirte Zeichnung auf eine Kupferplatte oder einen mit Stärkeklei⸗ ſter überzogenen Gegenſtand legt, indem alsbald nur die Zeichnung deutlich hervortritt. Auch in den feſteren Anſich— halten des Jods erkennt man ſeine innigere Verwandtſchaft zum Schwarz, indem ein Bild, das mit Joddämpfen über— ſättigt ward, das Jod ſeiner Zeichnung viel ſpäter verliert. Zutritt oder Abſchluß des Lichtes oder der Luft ändern hierin nichts, und ſo läßt ſich denn eine dem Schwarz eigen— thümliche anziehende Kraft, welche die Repulſivkraft des 22 339 Joddampfes überwindet und dem Weiß in viel geringe— rem Grade eigen iſt, nicht wohl verkennen. Ganz dieſelbe Kraft bewirkt auch das Haften der Gasarten an feſten Ober— flächen; ihre Wirkung iſt indeß ſchwächer wie die der Af— finität. Die anziehende Kraft des Schwarz zum Jod zeigt ſich in gleicher Weiſe, wenn man Kupferſtiche etwa 4 Minuten lang in eine wäſſerige Jodlöſung taucht; auch hier tritt das Jod aus der Flüſſigkeit zum Schwarz ganz ſo wie der Farb— ſtoff des Waus, Krapps u. |. w. das Waſſer, in dem er gelöſ't iſt, verläßt, um ſich mit den gebeizten Stellen der zu fär— benden Stoffe zu verbinden und die nicht gebeizten frei zu laſſen. Freilich iſt in den letzt genannten Fällen die An— ziehungskraft intenſiver und deßhalb die Verbindung conſtan— ter iſt, wogegen der jodirte Kupferſtich, nachdem er abgeſpült, feine Zeichnung an ein feuchtes, mit Stärkekleiſter über— zogenes Papier in blauer Jodſtärke abtritt. Bringt man dagegen einen jodirten Kupferſtich auf eine mit feuchtem Kleiſter überzogene Kupferplatte, ſo geht das Jod von der ſchwarzen Zeichnung durch die Stärke zum Metall, um ſich auf ihm zum Bilde zu vereinigen. Dieſer V Verſuch wird noch eleganter, wenn man eine Zeichnung von blauvioletter Jodſtärke auf Glas mit einer Kupferplatte zuſammenbringt und nun das blaue Bild allmälig verſchwinden, dagegen auf der Kupferplatte ein gleiches, aber umgekehrtes Bild entſtehen ſieht. Wohl wird es nur wenige in mechaniſch-chemiſcher Beziehung ſo bemerkenswerthe Erſcheinungen geben, wie die Reihenfolge dieſer Verbindungen und Trennungen, die nach den verſchiedenen Graden der Anziehungskraft erfolgen. Die erwähnte Eigenſchaft der ſchwarzen Körper erinnert gleichzeitig an das Verhalten der porbſen Stoffe zu den Dämpfen, ſowie der gebeizten Stoffe der Färberei zu den färbenden Principien. Der feuchte Stärkekleiſter entzieht dem jodirten Kupferſtiche das Jod; ein blaues ſcharf gezeichnetes Bild von Jodſtärke entwerfend, deren Zuſammenſetzung nach einem beſtimmten Verhältniſſe zu erfolgen ſcheint; und endlich verbindet ſich wiederum das Kupfer mit dem Jod der Jod— ſtärke zu einer, ſicher auch nach einem beſtimmten Atomenver— hältniſſe angeordneten Verbindung, wobei in beiden Fällen das zuerſt auf dem Schwarz des Kupferſtichs entſtandene Jodbild wieder hervortritt. Nun läßt ſich die Verdichtung der Joddämpfe auf dem Schwarz des Kupferſtiches nicht wohl als eine Abſperrung dieſer Dämpfe, die doch vom weißen Papier hindurchgelaſ— ſen werden, denken; dagegen ſprechen folgende Verſuche zu Gunſten einer Attractionskraft: Legt man nämlich einen jodirten Kupferſtich zwiſchen zwei Kupferplatten, ſo iſt ſchon nach 8 oder 10 Minuten auf jeder Platte das Bild des Kupferſtiches auf der einen verkehrt, auf der andern, die das Bild durch das Papier empfing, dagegen recht ent— ſtanden. Wäre die Schwärze des Kupferſtiches wirklich für Joddämpfe ein Durchdringungshinderniß, ſo könnte dies zweite Bild unmöglich entſtanden ſein. Dasſelbe Bild wird auch, wenn keine directe Berührung Statt findet, hervor— gebracht, was für die Theorie des Moſerſchen Bildes nicht 110. V. 22. 340 unwichtig iſt. Selbſt wenn man den, Kupferſtich, bevor man ihn Joddämpfen ausſetzt, durch Ol oder Fett zieht, abſorbirt die Schwärze noch das Jod; das auf Kupfer oder Stärkekleiſter übertragene Bild fällt indeß etwas ſchwächer aus. Ein Unterſchied in der Poroſität zwiſchen den ſchwarzen und weißen Strahlen des Kupferſtiches kann eben ſo wenig die Verdichtung des Jodes bewirken; legt man nämlich zwei Leiſten, die eine von Ebenholz, die andere von einem weißen poröſen Holze neben einander und ſetzt ſie Joddämpfen aus, ſo wird nur vom Ebenholz ein Bild auf Kupfer entworfen; ſchwärzt man dagegen das genannte weiche Holz mit Hut— macherſchwärze und legt es neben eine Leiſte von Buchs— baumholz (einer ſehr ſchweren, weißen Holzart), ſo erzeugt nur das geſchwärzte Holz ein Bild auf der Kupferplatte. Die Poroſität kann mithin nicht Urſache der Jodanzie— hung dein. In ähnlicher Weiſe wie das Jod verhalten ſich auch die Dämpfe des Schwefels, des Schwefelarſens, des Zweifach— Schwefeleiſens, der Salpeterſäure und des von der Luft langſam verbrennenden Phosphors; auch ſie verdichten ſich auf der Zeichnung eines Kupferſtiches, um deſſen Bild einer Metallplatte wieder zu geben. Das durch Jod auf dem Kupfer erzeugte Bild iſt nicht beſtändig, woran zum Theil der Übergang des Jodkupfers in eine höhere Jodverbindung Schuld ſein, wozu indeß ſicher die Orydation des jodfreien Kupfers beitragen mag. Setzt man das Jodbild einer Kupferplatte nur einige Minuten lang Ammoniakdämpfen aus, ſo wird das jodfreie Kupfer weiß, ſein Metallglanz ſchwindet, und das Bild erhält in Folge eines braunen Anfluges der jodirten Stellen und des Her— vortretens von Licht und Schatten, ein deutlicheres und ſchärferes Anſehen. Der durchs Ammoniak auf dem freien Kupfer entſtan⸗ dene Überzug verſchwindet nicht durch kaltes Waſſer oder Kaliumeiſencyanür-Löſung; reibt man die Platte indeß mit feuchter Baumwolle, ſo färbt ſich letztere blaugrün und wird durch angeſäuertes Blutlaugenſalz kaſtanienroth; die Baum— wolle hat ſomit Kupferoryd und Ammoniak, letzteres durch Platinchlorid deutlich nachweisbar, der Platte entnommen. Dadurch wird es zugleich erklärlich, wie Phosphorſäure und Eſſigſäure die metalliſche Oberfläche der Kupferplatte, indem fie die Kupferoryd-Ammoniakoverbindung auflöſen, wieder herzuſtellen vermögen. Noch iſt hier zu bemerken, wie das mit Ammoniak behandelte Kupfer, nachdem es mit Säuren und darauf mit Tripel gereinigt worden, das Anſehen des reinen Kupfers wieder erhält, während es gleichfalls, aber ohne Säuren geputzt, zwar glänzend wird, aber immer ein weißliches Anſehen behält. Auf dieſer letzten Erſcheinung und ihrem Grunde be— ruht auch das Jodbild des Verf. auf einer Kupferplatte, das, nachdem es Ammoniakdämpfen ausgeſetzt ward, durch vorſichtiges Putzen mit weicher Baumwolle und Tripel nicht zu entfernen iſt, ſich vielmehr Jahre lang erbält, was mit einem Jodbilde ohne Ammoniakbehandlung nicht der Fall iſt. Die Oberfläche des Kupfers zeigte unter dem Mikro— ſkope große Verſchiedenheiten; die nur nach einer Richtung 341 hin polirte Platte zeigte im blanken Zuſtande gerade par— allele Streifen mit einzelnen iriſirenden Punkten, während die durch Jod und Ammoniak veränderte Oberfläche mit kleinen krummlinigen iriſirenden Zeichnungen, die minder tief als die Streifen auf dem polirten Kupfer waren, erſchien, überhaupt ausſah, als ob ſie mit kleinen platt gedrückten Körnchen bedeckt wäre. Die verſchiedene Lichtreflerion des polirten und des durch Ammoniak veränderten Kupfers iſt es demnach, wo— durch die vom Verf. verfertigten Bilder entſtehen, indem die eine reflectirende Oberfläche wie parallele Cylinder, die an— dere aber wie perpendiculär auf ihre Achſe geſtreifte Cy— linder, oder mit andern Worten, wie eine punctirte Oberfläche wirkt, die ſtatt ſpiegelnd zu reflectiren nach allen Seiten Licht ausſtrahlt. Dieſelben optiſchen Erſcheinungen und Urſachen nehmen wir an verſchiedenen Seidenſtoffen, am Atlas und am Taffet wahr. Dieſe einfache Theorie erklärt zugleich, warum auf dem vom Kupferſtich auf der Platte entſtandenen Jodbilde der Schatten in den jodirten Theilen liegt, während die lichten Stellen durch die metalliſche Ober— fläche hervorgebracht werden, während die mit Ammoniak behandelte und hernach mit Tripel abgeriebene Platte ein Bild zeigt, deſſen Schatten durch metalliſches Kupfer und deſſen Lichtpartien durch Ammoniakkupfer hervorgebracht werden. Um ein Bild der erſten Art deutlich zu ſehen, muß man ſich begreiflicher Weiſe ſo ſtellen, daß das glänzend zurück— geworfene Licht die Augen erreicht, während das glänzend zurückgeworfene Licht der jodirt geweſenen durch den Tripel metalliſch gewordenen Stellen der zweiten Bilderart nicht zu den Augen gelangt (7). Auch auf Eiſen, Zinn, Blei, Meſſing und Silber er— zeugte der Verf. durch Joddampf ähnliche Bilder, wobei er jedoch für das letztere Metall ſtatt des Ammoniaks Queck— ſilberdampf anwandte. Wie ſchon erwähnt, theilen noch mehrere elaſtiſche Flüſ— ſigkeiten die dom Jod beſchriebenen Eigenſchaften; die durch Chlor erzeugten Bilder ſind indeß weniger ſcharf. Schwefel und Schwefelarſenikdämpfe erzeugen innerhalb 10 Minuten Bilder auf der Kupferplatte; Zweifach-Schwefel⸗ eiſen eben ſo, doch iſt das Bild nicht ſo deutlich und nicht ſo leicht zu erhalten. War nunmehr eine ſich auf gleiche Weiſe kundgebende Wahlverwandtſchaft zwiſchen elaſtiſch flüſſigen und verſchie— denen feſten Körpern bewieſen, indem verſchiedene ſchwarze Stoffe die Gaſe begierig aufnehmen, während das Weiß nicht afficirt wird, ſo ließ ſich erwarten, daß es auch Däm— pfe mit einer Vorliebe für die weiße Farbe geben würde und wirklich erzeugen die Dämpfe der Salpeterſäure von 1,34 ſpecifiſchem Gewicht, wenn man ſie auf einen Kupfer: ſtich, der auf einer Kupferplatte liegt, einwirken läßt, ein ſol— ches Bild. Hier hat der weiße Grund des Papieres die Säure— dämpfe aufgenommen und auf die Platte übertragen, während die ſchwarzen Stellen der Zeichnung metalliſch geblieben ſind. Legt man den Kupferſtich ſtatt auf eine Metallplatte auf ein blaues Lakmuspapier, jo bleiben die ſchwarzen Partien des Bildes blau, während die weißen roth werden, was ge— 110. V. 22. 342 wiß der ſchlagendſte Beweis für das alleinige Durchdrin— gen der ſauren Dämpfe an den weißen Stellen und ſomit, wie der Berichterſtatter meint, für die Wahlverwandſchaft dieſer Dämpfe iſt. Vom Verf. mit einer ſchwarz und weiß gezeichneten Kibitzfeder angeſtellte Verſuche gaben dasſelbe Reſultat; Joddämpfen ausgeſetzt, erſchien nur der ſchwarze Theil als Bild auf der Kupferplatte, während in Salzſäure getaucht, ſich nur der weiße Theil abbildete. Dieſe höchſt intereſſanten Abbildungen des Verf. werden ſicher mancherlei nützliche Anwendungen finden, namentlich aber für die Photographie von Wichtigkeit werden. Die Commiſſion, die überhaupt nur die wiſſenſchaft— liche Seite dieſer Unterſuchungen ins Auge faßte, ertheilt dem Verf. ihr vollſtes Lob und begnügt ſich ſchließend noch folgende Punkte hervorzuheben und zur Beachtung zu em— pfehlen. 1) Die Wahlverwandtfchaft eines und desſelben Dam: pfes zu verſchiedenen Körpern. Das Jod z. B. hat ſowohl in Dampfform als in wäſſriger Löſung eine größere Verwandtſchaft zum Schwarz als zum Weiß. Das Schwarz wirkt im erſten Falle wie ein poröſer Körper, im zweiten wie die Beize der Färber. Die ſchwarzen Körper treten ihr Jod an Amylum und letzte dasſelbe an die Metalle ab. 2) Die Wahlverwandtſchaft gewiſſer Dämpfe ſich mit dem weißen Papiere zu verbinden, und die mit einer fetten ſchwarzen Farbe bedeckten Stellen nicht zu afficiren, wofür die Salzſäure als Beiſpiel dient. 3) Die Schnelligkeit, mit welcher ein Dampf auf feſte Körper, z. B. auf Metalle einwirken kann, wie dies an dem Einfluſſe des Ammoniaks aufs Kupfer ſichtbar iſt. 4) Die Entfernung innerhalb welcher ein ſich von einer Zeichnung entwickelnder Dampf auf eine andere Fläche über— gehen und ſich dort als Bild verdichten kann und endlich 5) der ſehr verſchiedene Einfluß, den feſte Körper, nachdem ſie ſolchen Dämpfen ausgeſetzt geweſen, auf dle thieriſche Oconomie ausüben können. Als Zeichen ihres hohen Beifalls und ihrer Achtung ſtellt die Commiſſion den Antrag, Hrn. Niépee de Saint— Victor zum auswärtigen Mitgliede der Akademie zu er— nennen, welcher Antrag einſtimmig angenommen wird. XXXIX. über die Nahrungsſtoffe im Blute. Von Prof. Adolf Pleiſchl, M. D. Den „Beiträgen des Verf. zur Lehre von den Nah— rungsmitteln“, die im Novemberheft der medieiniſchen Jahr: bücher des öſterreichiſchen Staates ꝛc. von 1847 erſchienen ſind, entlehnen wir folgendes. Das Blut gehört unſtreitig zu den kräftigſten Nah— rungsmitteln und wird dennoch viel zu wenig gewürdigt, ja häufig unbenutzt der Fäulniß preis gegeben. 22 343 Die Menge des Blutes verhält ſich nach Herbſt zum Körper: gewichte des Thieres folgendermaßen: beim Pferde wie 1: 18 beim Ochſen = 1: 12 bei der Kuh : 6 nach Schulz. beim Schafe beim Schafe 10 nach Gaſparin. beim Schafe :50 nach Valentin. bei der Ziege beim Kalbe beim Lamme bei der Taube bei der Ente bei der Henne Dieſe nach dem beim Tödten den Thieren entſtrömenden Blute berechneten Mengen ſind zwar für den abſoluten Ge— halt des Blutes, von dem noch ein Theil im Körper ver— bleibt, viel zu gering; für das Schwein fehlt, wie der Verf. bedauert, ſelbſt eine ſolche Gewichtsbeſtimmung des Blutes. Das Gewicht des Ochſen ſchwankt im allgemeinen zwi— ſchen 500 bis 800 2; als mittleres Gewicht desſelben 650 & angenommen, beträgt das beim Schlachten abflie— ßende Blut nach obiger Tabelle 54 7 5¼ Loth. Nimmt man nun ferner die Zahl der jährlich in Wien geſchlach— teten Ochſen zu 90,000 an, ſo beträgt das ausgefloſſene Blut derſelben 4,874,999 F. Dieſe ungefähre Berechnung genügt, ſich ein Bild der ungeheuren Blutmenge, die jährlich beim Schlachten der ver— ſchiedenen Thierarten leider zum größten Theil unbenutzt dahin fließt, zu entwerfen. Nur vom Schweine, der Gans und hie und da vom Kalbe wird, wie der Verf. bemerkt, das Blut als Nahrungsmittel verbraucht, während ungeheure Mengen dieſes vorzüglichſten Nahrungsmittels kaum zu tech— niſchen Zwecken benutzt, der Fäulniß anheim fallen. Das Blut beſteht in 1000 Theilen aus Serum. 118 » „ uv „ ww di —— —————— DS) — * Nach Lecanu . 8 867,51 132,49 Nach Prevoſt und D um as 870,80 129,20 Im Mittel . 869,154 130,846 Hering hat das Blut vom Rinde, Schafe und Pferde unterſucht, ſeine Beſtimmungen ſind folgende: Blut des Rindes | Blut des Schafes Blut des Pferdes in 1000 Theilen. in 1000 Theilen. in 1000 Theilen. arteriel= | venö- | arteriel= | veno- ſarteriel- venö⸗ les. ſes. les. ſes. les. ſes. Wafler . 0 798,8 794,9 850,2 841,2 839,5 | 831,6 Shklilo co oe 7,6 6,6 6,1 5,3 4,6 6,9 Albumin . 8 26,1 | 25,8 33,6 26,4] 22,0] 26,7 Hämatoglobulin . 164,7 170,4 106,1 |124,4| 130,9 | 131,1 Ertractivſtoff und Sage 2 % 2% b er 3 7 Der mittlere Waſſergehalt des Rindblutes beträgt alſo 796,9, die übrigen Beſtandtheile ſomit 203,1, wornach das Blut 20, 31 Proc. nicht flüchtiger, nahrhafter Stoffe enthält. Playfair und Böckmanns Elementaranalyſe des getrockneten, friſch vom Schlachter erhaltenen Ochſenblutes und der gleichfalls bei 100 C. getrockneten fettfreien Mus- kelfaſer wird dies noch deutlicher machen. 110. V. 22. 344 Ochſenblut. Ochſenfleiſch. Kohlenſtoff 51,950 51,893 Waſſerſtoff 7,165 7,590 Stickſtoff . 17,172 17,160 Sauerftoff . 19,295 19,127 Aſche . 4,418 4,230 Um auch die Beſtandtheile anderer Fleiſcharten kennen zu lernen, ſtellt der Verf. folgende Analyſen neben einander: Ber⸗ (Bracon⸗ zelius not. Schloßberger. Waſſer » 477/17 Fleiſchfaſer, Ge- fäße, Nerven, Zell⸗ ſtoff 17,700 18/18 Albumin und Hä⸗ matoglobulin 2,20 2,70 Alkoholextract mit Salzen 1,800 1,94 1,10 1,7 Waſſerextract mit Salzen Eiweißhaltiger phosphorfaurer Kalf B 1,050 0,15 0,80 — Zwiſchen den Beſtandtheilen des Blutes und Fleiſches iſt darnach eine große Ahnlichkeit, ſowohl hinſichtlich ihrer näheren organiſchen Beſtandtheile als auch in ihrer letzten Elementarzuſammenſetzung nicht zu verkennen. Der Waſſerſtoffgehalt beträgt im Mittel im Ochſenblut 79,96 im Ochſenfleiſch 77,17 im Kalbsblut 84,50 im Kalbfleiſch 79,70. Miſcellen. 50. Der Pollen der rothen und weißen Lilie und des Cactus speciosissimus ward von T. F. Herapath che—⸗ miſch unterſucht; feine Beſtandtheile find in 100 Theilen folgende: Lilium B. (rothe * Lilium candidum Cactus speciosissimus, Waſſer und ein nende Waſſer . 12,650 17, ID ee 15,070 uder mit etwas Zucker mit etwas Ae e apfelſaurem Kali 14,5300 — 14,285 1 a 20,548 Gummi und Ex- Kastivſtoff „is, 135% ee 6,392 Thonerde SD 05 %ͤ — Extractivſtoff mit koh⸗ lenſaurem, ſchwefel— faurem u. etwas phos⸗ phorſaurem Kalk 1,000 .......... 07921 3,196 Gelbes nicht flüch— tiges l“! 9 — 8,059 nee — Hellen. 1000 nen 26,936 Ro 6,575 ern. De 5300 lee Harz Spuren 9888988858 Spuren = 97,320 96,998 100,000 (The literary Gazette, No. 1610 1847.) 345 51. In der Roßkaſtanie fand Malapert, wie es Fremy bereits angegeben, Saponin, aber nur in der Frucht und in keinem anderen Theile des Baumes. (The Athenaeum 1847, No. 1048.) 52. Ein blau gefärbtes Glas wird von J. Hallaran unter dem Namen achromatiſches Glas verfertigt; dasſelbe iſt für jede Art von Lampen oder Licht anwendbar und ſehr em⸗ 110. V. 22. 346 pfehlenswerth, da es ſowohl die rothen als gelben Strahlen zurückhält und ſo eine eben ſo helle als angenehme dem Tages⸗ lichte ähnliche Beleuchtung gewährt, bei der ſich alle Farben u vo unterſcheiden laſſen. (The literary Gazette 1847, No. Nekrolog. — Zu München iſt der an Geiſt und Herz gleich ausgezeichnete Prof. der Botanik Zuccarini geſtorben. Heilkunde. (XIII.) Behandlung der Epilepſie durch Einreibung von Brechweinſteinſalbe auf dem Kopfe. Von Hrn. H. Mettais, Dr. M. zu Montrouge. (Schluß.) Sechste Beobachtung. — Im Januar 1846 ward ich wegen des 16jährigen Fräuleins M. —, das ſeit ſeinem zehnten Jahre blödſinnig, vorher aber ein vorzüglich geſcheidtes Kind geweſen war, nach Neuilly beſchieden. Das Mädchen war brünett, von ſanguiniſchem Temperament, ſtark, aß und verdaute gut und zeigte keine Spur von Läh— mung. Die Menſtruation hatte ſich noch nicht eingefunden, obgleich man vieles gebraucht hatte, um ſie in Gang zu bringen. Sie bekam jeden Tag mehrere epileptiſche Anfälle, welche bei Witterungs veränderungen noch häufiger vorkamen, namentlich wenn Gewitter im Anzuge waren. Die ſehr nachläſſig ausgeführten Einreibungen von Brechweinſteinſalbe erzeugten nur ein Schwären von dem Durchmeſſer eines Fünf— frankenſtücks; aber die Anfälle wurden dennoch erſt gutartiger und ſetzten dann eine Zeit lang ganz aus, während die Ver— nunft wieder zu erwachen ſchien. Da ich die Perſon, welcher die Pflege dieſer Kranken anvertraut war, auf keine Weiſe bewegen konnte, die Einreibungen ordentlich auszuführen, ſo beſuchte ich die Patientin nicht mehr und verlor ſo wahr— ſcheinlich eine ſchöne Gelegenheit, die Wirkſamkeit der Brech— weinſteinſalbe zu beſtätigen. Siebente Beobachtung. — Im Monat December 1845 hatte ich Mad. R. (rue Sainte-Placide, faubourg- Saint-Germain), eine kleine, magere, nervenſchwache, jedoch für gewöhnlich geſunde Frau zu behandeln, welche vor eini— gen Monaten zu früh niedergekommen und ſeitdem mit einem mehr hartnäckigen als heftigen Kopfweh behaftet ge— weſen war. Die Krankheit hatte indeß einen bedenklichen Charakter angenommen. Mad. R. hatte ſeit 14 Tagen täg— lich epileptiſche Anfälle gehabt. Ich ließ an dem ganzen Hinterkopfe Einreibungen von Brechweinſteinſalbe vornehmen, und ſowie ſich der Ausſchlag entwickelt hatte, d. h. zwei Tage nach dem Beginnen der Einreibungen, war die Patien— tin von den epileptiſchen Anfällen und ihrem Kopfweh völlig befreit. Achte Beobachtung. — Im Monat Juni 1846 zog mich Hr. P. von Melun zu Rathe. Es war ein 32jäh— riger, ſanguiniſcher, robuſter, musculöſer Mann. In ſeinem ſiebzehnten Jahre war derſelbe zum erſten Male ohne be— kannte Veranlaſſungsurſache von epileptiſchen Zufällen be— fallen worden, welche ſich ſehr oft, ja 2— 3 Mal täglich einſtellten. Ich werde die Symptome, welche nichts eigen— thümliches darboten, nicht näher beſchreiben. Ich ließ Ein— reibungen mit Brechweinſteinſalbe, welcher Belladonnaertract beigemiſcht war, vornehmen, die alsbald eine ſolche Über— reizung veranlaßten, daß der Patient einige Stunden lang verrückt ſchien, was wahrſcheinlich von der Abſorption der Belladonna herrührte. Ein Ausſchlag kam zwar nicht zum Vorſchein; aber die Anfälle blieben acht Tage über weg. Alsdann wurde einfache Brechweinſteinſalbe eingerieben, welche einen ftarfen Ausſchlag veranlaßte und die Consvulſionen milder und ſeltner machte. Mit den Einreibungen wurde 6 Wochen fortgefahren, dann aufgehört, ſpäter wieder be= gonnen, allein eine vollſtändige Heilung nicht erreicht. Die epileptiſchen Anfälle kamen allerdings, ſtatt alle Tage, nur alle 14 Tage 2— 3 Mal vor. Neunte Beobachtung. — J. B. Der. von Me⸗ lun bekam im Alter von 5½ Jahren, ebenfalls ohne bekannte Veranlaſſungsurſache, ſchwache Anfälle von Convulſionen, bei denen ſich zwiſchen den Lippen ein wenig ſchaumiger Speichel zeigte. Täglich zwölf bis funfzehn Mal verlor er plötzlich auf einige Minuten das Bewußtſein, wobei er nie— derfiel und, bis er wieder zur Beſinnung kam, nur ganz geringe Zuckungen hatte. Als er in meine Behandlung kam, war er 6 ½ Jahr alt. Er war ein huͤbſcher, übrigens geſunder Knabe von gewöhnlichen Geiſteskräften und ſchon verſchiedentlich ohne Erfolg behandelt worden. j Am 8. Aug. 1846 begann man die Einreibungen in den Kopf, welche nur etwa 100 hirſenartige Puſteln erzeug— ten und durchaus keine Beſſerung bewirkten, ſo daß die An— fälle noch eben ſo oft vorkamen, wie früher. Am 24. ließ ich die Einreibungen ſorgfältiger ausführen, und ſchon am 25. war ein reichlicher Ausſchlag vorhanden. Auch kamen nur wenige Anfälle vor. Am 27. blieben dieſe ganz weg, und fie find ſeitdem nicht wiedergekommen. 347 Mehrerer Verſuche, bei welchen dieſe Behandlung nichts fruchtete, werde ich nicht gedenken. Einer derſelben ward jedoch zwei Monate lang fortgeſetzt und betraf einen 30jäh— rigen Mann, welcher, nicht wegen Epilepſte, ſondern weil er jeden Monat mehrere Tage hindurch Anfälle von Raſerei bekam, die jedoch periodiſch wiederkehrten und deren An— näherung er verſpürte, ſo daß man ihn zu rechter Zeit feſ— ſeln konnte, mehrere Jahre im Bicetre zugebracht hatte. Sobald die Anfälle vorüber waren, arbeitete er, als ob er immer kerngeſund geweſen wäre. Während der Behandlung mit Brechweinſteinſalbe dauerte den erſten Monat der Anfall nur einen Tag; im zweiten aber leider wieder zwei Tage, und man verftand ſich nicht zur Fortſetzung der Einrei— bungen, welche ee ſtets ſehr nachläſſig ausgeführt wor— den waren. Bei Betrachtung obiger Fälle bieten ſich von ſelbſt zwei Fragen dar: Wie wirkten die Einreibungen? und: Sind dieſelben in allen Fällen von Epilepfie zu empfehlen? Überblickt man alle gegen die Epilepſie empfohlenen Heilmittel, ſo erſtaunt man über deren Mannigfaltigkeit. Man hat gegen dieſe Krankheit faſt die ganze materia me- dica in Contribution geſetzt, ja ſogar zu heftigen Eindrücken auf das Gemüth und den Geiſt, zu Furcht, Schrecken, Freude ꝛc. feine Zuflucht genommen, und alle dieſe Mittel ſollen gefruchtet haben. Es glaubt indeß wohl niemand daran, daß bis jetzt ein Specificum gegen die Epilepſie entdeckt worden ſei. Un— ter ſo verſchiedenartigen und einander ſchroff entgegengeſetzten Medicamenten kann wohl keines auf dieſen Rang Anſpruch machen; allein da jedes hin und wieder geholfen hat, ſo iſt doch an jedem etwas Gutes, ein Heilelement, welches man zu ermitteln hat. Meiner Anſicht nach, iſt dieſes Ele— ment die Revulſion, welche zu Gunſten des kranken Organes in einem geſunden bewirkt wird. Auf dieſe Weiſe wirkt das ſalpeterſaure Silber, welches mehr revellirende Magen— entzündungen erzeugt, als Epileptiſche curirt hat; das ſchwefelſaure Chinin, welches auf ähnliche Weiſe reizt und durch das mehrere Epileptiſche hergeſtellt worden ſind. Ein junges Mädchen, welches mit intermittirender Epilepſie be— haftet war, zog mich einſt zu Rathe, und ich verordnete ihr 20 Pillen mit ſchwefelſaurem Chinin. Sie ward vollkom— men hergeſtellt; aber ich erfuhr alsdann, daß ſie ſolche Pillen ſchon oft genommen habe. Sie hatte fie alſo in dieſem Falle nur zu einem beſonders günſtigen Zeitpunkte gebraucht. Ich bin der Meinung, daß die Einreibungen von Brech— weinſteinſalbe in ganz ähnlicher Weiſe wirken, und daß die Nesulfton nur beſonders kräftig und dem Leiden vorzüglich angemeſſen ſei. Dies iſt mir um ſo wahrſcheinlicher, da die Kranken, bei denen dieſes Mittel am beſten anſchlägt, gerade diejenigen ſind, bei welchen die Eiterung am beſten eintritt. Wir haben auch oben geſehen, daß eine Patientin einen Rückfall bekam, weil ſie die Eiterung zu früh unter— drückte. Wenn übrigens der Brechweinſtein auch wirklich dem epileptiſchen Principe in ſpecifiſcher Weiſe entgegen— wirkte, ſo ſind wir doch noch nicht im Stande, dies bündig 110. V. 22. 348 nachzuweiſen, und die Zeit muß erft lehren, ob er fo oder lediglich revellirend wirkt. Kann aber dieſe Revulſion in allen Fällen von Epi⸗ lepſie helfen? Ich muß aufrichtig geſtehen, daß meine weni- gen Erfahrungen dieſen Punkt keineswegs erledigen. In der Privatpraxis eines Arztes kommen zu wenige Fälle von Epilepſie vor, als daß er für ſich im Stande wäre, etwas allgemein Gültiges hierüber feſtzuſtellen. Mögen meine Col: legen alſo auf dem von mir betretenen Wege weiter for ſchen. Übrigens hat es mir geſchienen, daß die Einreibungen beſonders in ſolchen Fällen erfolgreich waren, wo die Con— sulftonen nicht heftig und die Anfälle von kurzer Dauer ſind. Bei einem Patienten, der in heftige Zuckungen ver— fällt, bei dem das Geſicht anſchwillt und der Schaum in Strömen aus dem Munde trieft, und bei dem der Anfall vielleicht ſtundenlang anhält, möchte ich einiges Mißtrauen in die Wirkſamkeit der Einreibungen ſetzen. Übrigens ift dies eben nur eine Vermuthung; denn die zweite Beobach— tung ſcheint auch in ſolchen Fällen Gutes hoffen zu laſſen, und die achte ſpricht, wegen der begleitenden Umſtände, nicht geradezu gegen die Wirkſamkeit des Mittels. Nicht leicht wird man einen Epileptiſchen finden, bei dem ſich die Krank— heit in einer gräßlichern, eingewurzeltern Form zeigte, als bei dem Subjecte der zweiten Beobachtung, bei welchem fo bedeutende Störungen im Gehirne Statt fanden, und der dennoch völlig hergeſtellt wurde. Die Erfahrung muß auch über dieſen Punkt noch das letzte Wort ſprechen. Ich will nun angeben, wie ich die Einreibungen vor— nehmen laſſe. Wenn keine krankhaften Zuſtände vorhanden ſind, welche dem Beginnen dieſer Behandlung entgegen ſtehen, jo laſſe ich den Kopf ganz oder theilweiſe raſiren. Wenn ich nach den bei den epileptiſchen Kriſen wahrnehm— baren Symptomen ſchließen kann, daß eine gewiſſe Portion des Gehirns vorzugsweiſe affieirt ſei, ſo bewirke ich die Revulſion dieſer zunächſt. Ich halte es der Vorſicht gemäß, ſo zu verfahren. Denn wenn man den ganzen Kopf ein— riebe, ſo wäre man allerdings gewiß, die kranke Stelle zu treffen, allein man würde auch umſomehr Gefahr laufen, eine meningitis zu erzeugen. Wer die gewaltige Congeſtion geſehen hat, die durch Einreibungen auf den ganzen Kopf veranlaßt wird, wird mir hierin beipflichten, während par⸗ tielle Einreibungen dieſen Übelſtand nicht mit ſich führen und bei gehöriger Überwachung durchaus nicht nachtheilig wirken können. Wenn man demnach in Bezug auf den Sitz des Leidens in Ungewißheit und alſo gezwungen iſt, einen allgemeinen Ausſchlag hervorzurufen, ſo thut man dennoch wohl, nicht in die ganze Schopfhaut auf ein Mal, ſondern in einen Theil derſelben nach dem andern einzureiben. Aus denſelben Gründen würde ich auch das Brech- weinſteinpflaſter nur ausnahmsweiſe auflegen. Allerdings wird dadurch die Revulſion noch ſchneller und kräftiger be— wirkt, als durch die Einreibungen; allein es iſt ſchmerz— hafter und hat für den Patienten mehr Erſchreckendes. Mit Vorſicht muß, wie geſagt, ſtets zu Werke gegan— gen, und die Einreibungen müſſen ſogleich unterbrochen werden, ſobald ſich die mindeſte Spur von meningitis zeigt. 349 Wenn der Ausſchlag, entweder weil man die Einrei— bungen nachläſſig ausführt, oder die Haut von der Salbe nicht leicht gereizt wird, nicht in der gehörigen Weiſe zum Vorſchein kommt, ſo iſt die Cur ſehr unſicher. Der Kopf bedeckt ſich dann zuweilen mit trocknen, ſchwarzen, wie ver— kohlten Schorfen, unter welchen keine Eiterung Statt findet. Die Einreibungen ſcheinen unter manchen Umſtänden ätzend zu wirken und veranlaſſen bedeutende Schmerzen und Fieber, aber keine Beſſerung. Alsdann ſetze ich der Salbe mehr Schmeer oder irgend einen beruhigenden Arzneiſtoff zu. Wenn dagegen Eiterung eintritt, ſo erfolgt gewöhnlich eine auffallende Beſſerung; allein man hat den Gang jener einigermaßen zu regeln. Hat man es mit einem kräftigen, plethoriſchen Subjecte zu thun, und iſt die Krankheit ein— gewurzelt, jo muß man die Eiterung fo lange unterhalten, als fie den Kranken nicht erſchöpft; bei ſchwächlichen, lym— phatiſchen, faſt ſerophulöſen Subjecten, beſonders Kindern, muß man jedoch auf ſeiner Hut ſein. Sobald ſie zu ſehr angegriffen werden, muß man die Eiterung ſich vermindern laſſen, um ſie nöthigenfalls wieder in Gang zu bringen. Ein ſolches Fontanell könnte zuletzt jo gefährlich werden, wie eine tiefe Wunde bei kakochymiſchen Patienten. Bis jetzt iſt mir nur ein einziger Fall von Hyſterie vorgekommen, bei welchem ich die Einreibungen verſuchen konnte (ſ. die dritte Beobachtung). Auch nach dieſer Seite hin werde ich meine Beobachtungen fortſetzen, ſo oft ſich dazu Gelegenheit bietet. Gegenwärtig habe ich noch folgenden viel verſprechen— den Fall in Behandlung, über welchen ich einiges mitzu— theilen mich nicht enthalten kann. Zehnte Beobachtung. — M., ein kleiner, ſehr brünetter 10jähriger Knabe von furchtſamem, etwas verſteck— tem Charakter, iſt ſeit 1¼ Jahre, zu welcher Zeit er einen heftigen Schreck hatte, mit epileptiſchen Anfällen behaftet, die täglich vier bis fünf Mal wiederkehren. Er knickt dabei plötzlich zuſammen, fällt zu Boden und bleibt nur einige Minuten liegen. Das Geſicht wird violett, die Augenlieder und Geſichtsmuskeln gerathen in consvulſiviſche Bewegung; es entſteht ein Röcheln in der Kehle, aber es tritt kein Schaum auf die Lippen. Zu Ende des Anfalls erſcheint auf denſelben nur ein wenig Speichel. Nach dem Anfalle bleibt noch eine Viertelſtunde lang eine gewiſſe geiſtige, Stumpfheit zurück. Das Kind iſt ſchon von verſchiedenen Arzten, auch in zwei Krankenhäuſern behandelt worden, wo man revelli— rende Mittel, z. B. Haarſeile am Nacken, Blaſenpflaſter, Dampfbäder und viele innerliche Medicamente angewandt hat. Einreibungen von eſſigſaurem Morphin in das Zahn— fleiſch haben ihn auf vier Tage von den Anfällen befreit. Auf die am 27. März 1847 angefangenen Einrei— bungen von Brechweinſteinſalbe erſchienen am 28. einige Puſteln, und an dieſem Tage fanden drei Anfälle, ſtarkes Fieber, bedeutende Unruhe Statt. Am 29. dieſelben An- fälle und überhaupt derſelbe Zuſtand. Am 30. heftige Un— ruhe, drei Anfälle. Am 31. begann die Eiterung; kein Anfall, wenig Fieber. Am 1. April etwas Unruhe und am Morgen ein Anfall. Von nun an kam die Eiterung 110. V. 22. 350 recht in Gang und ſeit der Zeit iſt kein Anfall wieder vor— gekommen. Heute, am 8. April, findet jedoch etwas Fieber Statt; allein ſeit geſtern haben ſich auch am ganzen Körper ein Puſtelausſchlag und tiefrothe Petechien eingeſtellt. Mit dem durch die, Salbe veranlaßten Ausſchlage hat dieſer all— gemeine keine Ahnlichkeit. Doch ſehe ich einer vollſtändigen Heilung mit Vertrauen entgegen. (Gazette med. de Paris, No. 6, 5. Fevr. 1848.) (XLIII.) Vagina imperforata. Tod. Section. Beobachtung zu Gunſten der freiwilligen Austrei- bung der ovula. Von Hrn. Locatelli. Durch Beobachtungen, wie die hier vorliegende, wird gewiß die periodiſche Austreibung der Eierchen, unabhängig von der Befruchtung, bündig nachgewieſen, weßhalb wir auch die Beobachtung des Hrn. Locatelli, die übrigens in pathologiſcher Beziehung ebenfalls nicht ohne Intereſſe iſt, vollſtändig mittheilen. Beobachtung. — Ein 26jähriges Mädchen war bis in ihr zwanzigſtes Jahr geſund geweſen, wurde aber in dieſem Alter von heftigen Schmerzen befallen, die ſich von der Lendengegend aus über den vordern und untern Theil des Bauches verbreiteten. Sie kehrten periodiſch jeden Mo— nat wieder, hielten vier bis fünf Tage an und verſchwanden dann wieder. Sechs Jahre lang waren ſie von einem Arzte für die Folgen einer Congeſtion im uterus erklärt worden, welche ſtatt der nie erſchienenen Menſtruation periodiſch eintrete. Da jedoch die Patientin ſehr von Kräften kam, fo unterzog ſie ſich einer Unterſuchung, bei welcher ſich her— ausſtellte, daß die vagina etwa bei der Mitte ihrer Höhe durch eine Membran geſchloſſen war. Der Bauch bot über den Schambeinen eine Geſchwulſt von der Größe eines Fö— tuskopfes dar, welche gegen Druck einigermaßen empfindlich war. Wenn man gegen die die Mutterſcheide verſchließende Membran den Finger anlegte und zugleich auf die Geſchwulſt drückte, ſo fühlte man den Impuls an dem Finger. Der Puls war ſchwach und häufig, und es traten oft Anfälle ein, welche mit hyſteriſchen Ahnlichkeit hatten. Das Ablaſſen des zurückgehaltenen Blutes war das einzige Mittel, durch welches dieſer Zuſtand gehoben und deſſen Verſchlimmerung verhindert werden konnte. Man ſchnitt alſo allmälig mittels eines von dem Zeigefinger ge— führten Biſtouris in die Membran ein, und alsbald floß ſchwarzes coagulirtes Blut mit Schleim vermiſcht (6—7 Un: zen) aus. Der Ausfluß wurde durch Druck auf die Ge— ſchwulſt am Unterleibe begünſtigt, und dieſe wurde dadurch um zwei Drittel kleiner. Bei der Operation klagte die Patientin nur während des Druckes auf die Geſchwulſt über ein wenig Schmerz; allein nach einigen Stunden trat eine außerordentliche Reiz— barkeit ein; die Convulſionen gewannen an Heftigkeit; die Unterleibsgeſchwulſt nahm an Größe zu, und alles deutete 351 auf eine Bauchfellentzündung, welche, obwohl zwei Aderläſſe vorgenommen wurden, dem Leben der Patientin binnen zwei Tagen ein Ende machte. Bei der, 48 Stunden nach dem Tode vorgenommenen, Leichenöffnung zeigten ſich zuvörderſt die unverkennbaren Spuren einer Bauchfellentzündung mit Ergießung von wäſſe— rigem Eiter, beſonders in der linken regio iliaca, wo dieſe Flüſſigkeit mit ein wenig fauligen Blutes vermiſcht war. Der uterus war größer als eine Fauſt; die Fallopiſchen Röhren adhärirten ſtark an der hintern Oberfläche der Eierſtöcke und waren ſo ausgedehnt, daß die linke ſo ſtark wie ein Truthuhnei, die rechte ſo ſtark wie eine Walnuß war. An der erſtern war hinten ein Riß zu bemerken, aus welchem ſchwarzes, halb in Fäulniß übergegangenes Blut lief, welches durchaus demjenigen glich, das in der linken fossa iliaca angetroffen ward. Die Membran, durch welche die vagina geſchloſſen war, war etwa 2 Linien dick. Der uterus bot eine viel größere Höhle dar, als gewöhnlich. Die ausgedehnten Muttertrompeten hingen durch locke— res Zellgewebe mit der hintern Oberfläche der Eierſtöcke zuſammen. Mit der Höhle des uterus communieirten te vermittels eines ſehr feinen Canales. Dieſe beiden Geſchwülſte waren mit ſchwarzem flüſſigem Blute gefüllt, welches mit dem beim Einſchneiden in die Mem— bran der vagina ausgefloſſenen Ahnlichkeit hatte. Die linke enthielt überdies in ihrem Innern 4 — 5 runde Bläschen von der Größe eines Hirſenkornes, deren Wandungen durch— ſichtig und die mit einer ſtrohgelben Flüſſigkeit gefüllt wa— ren. Ihren anatomiſchen Kennzeichen zufolge, ſchienen es eben jo viele vom Eierſtocke abgelöſ'te Eierchen zu fein, welche ſich zu entwickeln begonnen hatten, wie es beim be— fruchteten Eichen der Fall iſt, ehe dasſelbe in den uterus übergeht. Was die Eierſtöcke betrifft, jo war deren Oberfläche durch mehrere ältere und jüngere Narben ſehr unregelmäßig. Sie enthielten in ihrem Innern mehrere Graafſche Bläschen, die in verſchiedenen Graden entwickelt und durchſichtig waren, und mehrere den corpora lutea in allen Stücken ähnliche Flecken. Auch fanden ſich darin einige andere größere, mit Blut gefüllte Graafſche Bläschen, aus denen die Eierchen erft vor wenigen Tagen herausgetreten waren; dieſe Anſicht wird durch den Umſtand noch wahrſcheinlicher, daß ſie ſich am peripheriſchen Theile des Eierſtockes befanden und den jüngften der äußerlich bemerkbaren Narben glichen. Außer dem großen Intereſſe, welches dieſe Beobachtung in phyſiologiſcher Beziehung darbietet, darf man die wich— 110. V. 22. 352 tige praktiſche Lehre nicht überſehen, welche fi) aus dem tödtlichen Ausgange des Falles ziehen läßt. Dies Reſultat iſt eben ſo wenig zufällig, als unerklärlich, und man hat es ganz ſicher dem Drucke zuzuſchreiben, welcher während der Operation auf den Unterleib ausgeübt ward. Hierfür ſprechen viele Umſtände: die Schmerzen, welche dieſer Druck veranlaßte, ſowie die offenbar erſt kurz vorher entſtandene Zerreißung, welche ſich bei der Section an der Wandung der ſtark ausgedehnten Muttertrompete fand. Gegen dieſes Drücken müſſen wir um ſo nachdrücklicher proteſtiren, da dasſelbe, inſofern dadurch auch keine Zer— reißung veranlaßt worden wäre, ſehr ſchädlich ſein konnte, indem es, durch die abwechſelnde Verengerung und Ausdeh— nung der Höhle, das Eindringen der äußern Luft in den Blutheerd begünſtigen mußte, indem hier derſelbe Mechanis- mus thätig war, wie beim Einziehen der Luft in die Lunge. Kurz der tödtliche Ausgang des Falles darf die Arzte nicht abſchrecken, unter ähnlichen Umſtänden die Flüſſigkeit abzu⸗ laſſen, aber ſie haben dabei vorſichtiger zu Werke zu gehen, als hier. (Gaz. med. de Paris, No. 6, 5. Févr. 1848.) Miſcelle. (42) Über ein Schmarotzerthier (Furia infernalis, Plenck), welches ſich in dem unter der Haut liegenden Zellgewebe findet, theilt Hr. Guzman Librero im ſpani⸗ ſchen Journal La Faculdad vom Jahr 1847 zwei Beobachtungen mit. 1) Bei einem 2jährigen Kinde zeigte ſich (1806) am untern Drittel des linken Unterſchenkels ein flechtenartiger Ausſchlag, und als Hr. L. die kranke Stelle genau beſichtigte, ſah er zwiſchen der Haut und dem Zellgewebe ein Inſect ſich auf- und niederbewegen. Er ließ nun die Mutter mit einem Finger feſt auf den obern Theil des Canales drücken, in welchem ſich das Thier bewegte und legte den Daumen der linken Hand auf den untern Theil des Canales, fo daß das Thier firirt ward. Dann ſchnitt er mit der Lancette ein und zog an deren Spitze ein Inſect von der Größe und Ges ſtalt einer Schweinslaus heraus. Die Wunde heilte leicht zu. 2) Im April 1813 zog ihn ein 50 Jahre alter Ziegenhirt wegen einer Geſchwulſt an der linken Hand zu Rathe. Er erzählte, er habe im November 1812 dort plötzlich ein unerträgliches Brennen verſpürt, und ſchon nach einigen Stunden ſei zwiſchen dem Dau⸗ men und Zeigefinger ein Hitzblätterchen erſchienen. Seitdem habe ſich die Geſchwulſt, aller dagegen angewandten Mittel ungeachtet, fortwährend vergrößert. Hr. L. ließ ihn die Hand mehrmals wa⸗ ſchen, und dann konnte er bei heller bb einige Canäle zwiſchen der Haut und dem Zell- und adipöſen Gewebe wahrneh⸗ men. In dieſen Canälen fanden ſich drei ganz ähnliche Inſecten, wie das oben beſchriebene. Nachdem dieſelben in gleicher Weiſe ausgezogen worden waren, erfolgte ſofort Heilung. (Gaz. méd. de Paris, 15. Janv. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Nouvelles bases d'une theorie physique et chimique. Constitution intime des corps. Reunion en un meme agent de l'electricité, de la lumiere et de la 1 par Aug. Nougarede de Fuyel. In 8 de 3 feuilles ®%,. Paris Flora od. allgemeine botanische Zeitung, redig. von A. E. Fürnrohr. 1848. Nrn. gr. 8°. Regensburg. Hofmeister in Leipzig 1848. (4 Thlr.) C. F. E. Siller, Lehrbuch der Pharmacie. 2. verm. Ausg. 1. Bd. 2. Lig. gr. So. Geh. 1 Thlr. Gläsers Verlag in Dorpat 1848. E. Ortlepp, das Bad Berg bei Stuttgart. Eine Monographie Cannſtatt. 160. Drechslerſche Buchh. In Heilbronn 1847. Geh. 4 Es E. Ortlepp, Cannſtatt und feine Umgebungen. ine Monographie. 160. Geh. ½ Thlr. Drechslerſche Buchs. in Heilbronn 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Dieſem Blatte liegt ein Proſpectus von A. Hirſchwald bei. BRegifler zum fünften Bande dritter Reihe der Notizen aus dem Gebiete der Natur- A. Actinien, Entwickelung der Tentakel bei denſ. 145. Adams, merkwürdiger Fall von Heilung eines Bruches des Schenkelbeinhalſes. Aeronautik, Commiſſionsbericht über die von van Hecke und van Esſchen aufgeſtell⸗ ten Syſteme derſ. 324. eee gegen grauen Staar. Agaſſiz, zoologiſche Beobachtungen. 145. — ſ. Teſchemacher. Alquié, über die Anordnung der Bronchen⸗ äſte und deren Endigungen, durch metalli⸗ ſche Injeetionen nachgewieſen. 312. Amazonenſtrom. 184. America, zur Geologie desſ. 148. Anatomiſche Präparate, Suquets Verfahren zur Erhaltung friſcher. 80. Aneurysma in der vorderen Naſenhöhle. 73. — ſ. Cuſack. Ankyloſe der articulatio coxofemoralis. 220. Anthracitkohle. 218. Aorta abdominalis, neues Verfahren zur Compreſſion derſelben behufs der Stillung hartnäckiger Metrorrhagien. 128 Arteria femoralis, Fall von abnormer Be⸗ ſchaffenheit derſ.) Bruch des kemur in Folge von Nekroſe; Hämorrhagie; Tod. 57% coxofemoralis, Ankyloſe derſ. 220. Aſchen, vegetabiliſche, über das Vorkommen der Kieſel- u. Thonerde in denſ. 148. Aſterien, Madreporenplatte derſ. 146. Aſkariden im Maſtdarme, Eiſencyanür gegen dieſ. 160. und Heilkunde. Atkinſon, Acidum aceticum gegen arthri⸗ tiſche, rheumatiſche u. neuralgiſche Leiden. 191 Auſcultation bei der Geburtshülfe. 221. B. Bacon, Unterſuchung der Schießbaumwolle und Baumwolle. 2 Bäder aus Pferdefleiſchbrühe. 288. Bardsley, wider die Krämpfe in den Beinen im Bette. 176. Barometer ohne Flüſſigkeit. 330. Bauchwaſſerſucht, ſ. Burguet. Beatty, foetus, bei dem der linke Arm durch die Nabelſchnur theilweiſe abgeſchnitten war. 112. Becken, ſ. Unterleib. Becquerel, über den Einfluß des Salzes auf die Vegetation und ſeine Verwendung für den Ackerbau. 101. van Beneden, über die Entſtehungsweiſe der niederen Thiere. 193. Beniqué, über die Anwendung der ſteifen Katheter. 297. Berauſchung durch die Dämpfe beim Schmel- zen des Meſſings. . Binney, über foſſile aufrecht ſtehende Cala⸗ miten im Kohlenlager bei Wigan in Lan⸗ caſhire. 129. . 35 über die Nahrungsſtoffe in demſelben. Blutharnen, ſtarkes, von äußerer Verletzung, durch Gallusſäure gehoben. 76. , Blutung aus Biſſen der Blutegel, Stillung derſ. 112. 4 Bocconia frutescens. 23. Boden, über das Verhältniß der Zerſetzung 8 Salpeters auf die Fruchtbarkeit dess. Bombyx Mori, über nicht befruchtete und doch fruchtbare Eier desſ. 20. N infectans, Anſteckungsvermögen derf. Bourfier, Bericht über zwei Abhandlungen desſelben in Bezug auf nicht befruchkete und doch fruchtbare Eier des Bombyx Mori. 20. n Salzzuſatz zum Viehfutter. 150. Sir B. Brodie, Heilung eines Falles von Geſichtsneuralgie. 3 Bronchienäſte, über die Anordnung derfelben und ihre Endigungen. 312. Brookes, complicirter Bruch des äußeren condylus des femur ohne Amputation ge⸗ heilt. 192. Brown: Sequard, über die verſchiedene Ein⸗ wirkung des Lichtes auf die iris bei den verſchiedenen Claſſen der Wirbelthiere. 22. Brütverſuche. B Bruſtbein, Bruch desfelben in Folge von Muskelanſtrengungen bei den Geburts⸗ wehen. Buk, Reſection des olecranon in einem Falle von Ankyloſe der articulatio humerocubi- talis. 96. Burguet, Stärkemehliodür gegen Bauch⸗ waſſerſucht. 144. C. Calamiten, über foſſile aufrecht ſtehende im Kohlenlager bei Wigan in Lancaſhire. 129. 354 Gampanularien. 196. de Candolle, ſ. Decandolle. Cephalopoden, mikroſkopiſche. 12. le Chaptois, merkwürdige voluminöfe Ente: rocele. Chili, über die Geologie desſelben. 305. Chloroform. 11. — Ch. im Vergleich mit Schwefeläther. 272. 288 Cholera, aſiat., zur Behandlung der erſten Symptome derſ. 32. Circulationsorgane, über die niedere Ent— wickelung derſelben bei den Patellen und Haliotiden. 1. Coceionellen, ungeheure Schwärme derſelben. 41. Condylus, äußerer, des femur, Heilung eines complicirten euches desſelben ohne Am— putation. 192. Cooper, über reizbare Geſchwüre im rectum und deren Behandlung. 270. Copaivabalſam. 138. Culex pipiens, über deſſen Verdauungsap— parat. 86. Curran, über den Scorbut. 92. Cuſack, Poplitäalaneurysma binnen 4 Tagen durch Compreſſion geheilt. 174. Cyſten des Unterkiefers. 121. D. Dawſon, über das Verſchwinden und theil⸗ weiſe Wiedererſtehen der Waldungen im britiſchen Nordamerica. 65. Decandolle, über die Urſachen, welche in Europa und ähnlich gelegenen Ländern die nördliche Grenze der Pflanzenarten be— ſtimmen. 321. van Deen, Beiträge zur Entwickelungsge⸗ ſchichte der Geſchlechtstheile der Säuge— thiere mit beſonderer Berückſichtigung des uterus masculinus. 241. Deliſſe, über die Schmelzbarkeit vulcaniſcher Geſteine. 104. Delvigne, neues Verfahren zur Compreſſion der aorta abdominalis behufs der Stillung hartnäckiger Metrorrhagien. 128. Demidow, durch das Mondlicht entſtandenes Phänomen. 328. Diatomaceen des antarctiſchen Oceans. 40. — Conjugation der D. 168. Diez, Bruch des Bruſtbeines in Folge der e bei den Geburtswehen. 6. . reife Früchte einer ſolchen. Domeyko, Bemerkungen über die Geologie von Chili. 305. Drosera. 24. 7 angeborene fistula tracheo-sternalis. Düngen mit phosphorfaurem Kalke. 88. Duflos, Meteoreiſen. 198. Dujardin und Pappenheim, über die stem- mata oder einfachen Augen der Glieder— thiere. 245. Duncan, über den Nutzen einer ſyſtematiſchen Zuſammenſtellung des Keuchhuſtens mit den Ausſchlagkrankheiten und eine neue Art, dieſe Krankheit zu heilen. 103. ee e E. a künſtlicher Hyalit und Hydrophan. dol. Goelfteine, ihre Eigenſchaften. 328. Edwards, Milne, ſ. Milne. Edwards, aus deſſen Reiſe am Amazonen⸗ Bene und nach der Hauptſtadt von Para. 84. Eiche, große. 122. Eierchen, ſ. ovula. Eiſencyanür gegen die im Maſtdarme be— findlichen Aſkariden. 160. Eiſenhut gegen ſphacelöſe und phagedäniſche Geſchwüre. 95. Elephantiasis in Agypten. 151. Enterocele, merkwürdige voluminöſe. 303. Epilepſie, Behandlung derſelben durch Ein— reibung von Brechweinſteinſalbe auf dem Kopfe. 329. 345. Erdſpaltungen und Verſenkungen bei Erd⸗ beben. 75 Erdwärme, centrale, Bemerkungen zu Gun— ſten derſ. 37. Erysipelas bei geneſenden oder im letzten Stadium bösartiger Krankheiten. 169. Eſſigſäure gegen arthritiſche, rheumatiſche u. ee Leiden. 191. Ethnologiſche Geſellſchaft zu Paris. 144. Euphrasia. 24. Exogonium Purga. 284. FJ. Fayolle, Heilung der ereetilen Geſchwülſte. 142. Fieber, typhöſes, Fälle derſelben, bei denen die Behandlungsart des Prof. Serres an— gewandt ward. 249. Fistula tracheo-sternalis, angeborene. 335. Flamme, über Bewegungen derf. unter dem Einfluſſe des Elektromagnetismus. 81. Foetus, bei dem der linke Arm durch die 112 theilweiſe abgeſchnitten war. 112. Foraminiferen. 12. Foſſile Knochen, reiche Lager derſelben im ſüdlichen Rußland. 57. — f. Cala⸗ miten. 129. — f. Molluſken. 161. — f. Stämme, aufrecht ſtehende. 289. Froriep, über lebendig Begraben. 208. Froſch, Gerippe des männlichen. 314. Furia infernalis, ſ. Librero. Fußabdrücke einer ungeheuren Vogelart in Nordamerica. 138 G. Gebärmutterentzündung, idiopathiſche, der Kindbetterinnen. 6. Geburtshilfe, Auſcultation bei derſ. 221. Gelenke, ſ. Knorpel. Germar, üb. aufrecht flehende foſſile Stämme. 289. Gervais, über die Foraminiferen oder ſoge— nannten mikroſkopiſchen Cephalopoden. 12. Geſchlechtstheile der Säugethiere, Beiträge zur Entwickelungsgeſchichte derſelben, mit beſonderer Ber gg des uterus masculinus. 241, Geſchwülſte, erectile, Heilung derſ. 142. Geſchwüre, reizbare, im rectum und deren Behandlung. 270. Geſichtsneuralgie, Heilung derſ. 94. Geſteine, vulcaniſche, über ihre Schmelzbar— keit. 104. Glas, ein hell gelbgrünes zur Beſeitigung der den Gewächshauspflanzen ſchädlichen Art der Sonnenſtrahlen. 72. — matifches Glas. 345. Gliederthiere, über die stemmata oder ein⸗ fachen Augen derſ. 245. Gorré, Heilung einer Verkrümmung der Hand und der Finger zufolge eines Bru— ches des radius. 190. Goureau, Dipterenlarven. 298. Grantham, Eiſenhut gegen fphacelöfe und phagedäniſche Geſchwüre. 95. Granulationen der conjunctiva, Atzſtifte von ſalpeterſaurem Silber und Kali zur Be— handlung derſ. 127. Gregory, Heilung eines Bruches der Knie— ſcheibe durch ligamentöſe Vereinigung. 317. 351 vergleichende Verſuche über die Wir— kung des Chloroforms und des Schwefel: äthers. 288. Guarana, die Nuß, aus welcher dieſes bra⸗ ſiliſche Getränk bereitet wird. 169. Guthrie, über Wunden und andere Beſchä— digungen des Unterleibes und Beckens. 110. Gutta Percha. 248. achro⸗ H. Haar, ſeltene Krankheit an demf. 199. Haliotiden, ſ. Circulationsorgane. d'Halloy, ſ. d'Omalius. Hamilton, der ſchwarze Mangrovebaum. 199. Handfield Jones, ſ. Jones. Harn, über die Ablagerung von kleeſaurem Kalke in demf. 78. — üb. den Zu⸗ Ban) des Harnes bei typhöſen Fiebern. Herapath, Pollen der rothen und weißen Lilie und des Cactus speciosissimus. 344 Hervieur, vom erysipelas bei geneſenden oder im letzten Stadium bösartiger Kranke heiten. 169. Hirnventrikel, über Entzündung der ſeröſen Membran derſ. 2 Hookes, über die Diatomaceen des antarcti— ſchen Oceans. 40. Houlès, mit Jod verſetzte Einſpritzungen bei hydrocele. 320. Hühnerei, über die in demſelben während des Bebrütens Statt findenden Verände— rungen. 257. 273. Hughes, ſtarkes Blutharnen von äußerer Verletzung, durch Gallusſäure gehoben. 76. — Ergießung in die Pleurenhöhlen, gegen welche die Paracenteſe des thorax 15 Mal vorgenommen ward. Humerus, merkwürdiger Fall von Verletzung des oberen Endes desſ. 140. Hyalit und Hydrophan, künſtlicher. 151. Hydrocele, mit Jod verſetzte Einſpritzungen dagegen. 320. Hydrophan, |. Hyalit. = J. Jameſon, Oca, eine Nahrungspflanze Süd— americas. 5. Idioelektriſches Gewebe, neues. 320. Interſtitial-Uterinſchwangerſchaft. 63. Jones, C. Handfield, über den Bau und die Entwickelung der Leber. 49. Ent⸗ Beung der Coneremente in der prostata. Iris, über die verſchiedene Einwirkung des Lichtes auf dieſelbe bei verſchiedenen Glaf- ſen der Wirbelthiere. 22. K. Kalktheerpulver. 128. Kartoffelkrankheit. 264. n Ertrag dreier verſchiedener. 0 Katheter, über die Anwendung der ſteifen. Kautſchuk. 248. Kehlkopf, über die Verknöcherung der Knor⸗ pel desſ. 5 Keuchhuſten, über den Nutzen einer ſyſtema— tiſchen Zuſammenſtellung desſelben mit den Ausſchlagkrankheiten und eine neue Art, ihn zu heilen. 103. Knieſcheibe, Heilung eines Bruches derſelben durch ligamentöſe Vereinigung. 317 Knochen, knorpelige Entartung der der unte— ren Extremität. 59. Knorpel, lockere, von Liſton aus den Ge— lenken entfernt. 95. 71 über Verknöcherung bei rhachitis. Krämpfe in den Beinen im Bette. 176. Krocker, zur Beſtimmung des Stickſtoffes in organiſchen Subſtanzen. 55. Kröte, lebende in Stein. 73. Kuhlmann, über das Verhältniß der Nitri— en zur Fruchtbarkeit des Bodens. Kyd, augenblicklicher Tod durch einen Schla auf den Mund. 283. ; E. Lavacherie, über die Oſophagotomie. 235. Lawes, Temperaturunterſchied zwiſchen De: vonſhire und Middleſex. 186. Lebendig begraben. 208. Leber, über den Bau und die Entwickelung derſ. 49. Leberthran, Schwimmblaſen von Fiſchen zum Einnehmen desſ. 160. le Chaptois, ſ. C. Leinpflanze. 56. 64. Lepra taurica. Re g z it e n Lesquereur, über Torfmoore. 209. Leveille, über das Mutterkorn. 103. Librero, über ein Schmarotzerthier (Furia infernalis) in dem unter der Haut liegen: den Zellgewebe. 352. Lippendrüſen, Anſchwellung derſ. 206. Liſton, Entfernung lockerer Knorpel aus den Gelenken. 95. Locatelli, freiwillige Austreibung der ovula, unabhängig von der Befruchtung. 380. Long, neues Operationsverfahren beim Aus⸗ 17 ins Fleiſch gewachſener Nägel. Lory, über die Reſpiration und den Bau der Orobanchen und anderer nicht grüner Pflanzen. 290. Lunge, Beobachtung in Betreff des Zurück— weichens derſ. 265. M. Maccaire, Richtung der Pflanze. 88. Mac Clintock, über die Auſcultation bei der Geburtshilfe. 221. Magnolien. 186. Maiſonneuve, Operation einer Ankyloſe der articulatio coxofemoralis. 220 Mangrovebaum, ſchwarzer. 199. Marcc, über die ſeit zwei Jahren zu Nantes ſporadiſch vorgekommene myelitis. 188. Marſh, Fall von Pulſiren der Venen. 137. Marſhall, Stillung der Blutung aus den Biſſen der Blutegel. 0 Martin-Solon, über den Zuſtand des Har— nes bei typhöſen Fiebern. 223. Maſtdarm, ſ. Cooper. Matratzen, ſchwimmende, zur Rettung der Schiffsmannſchaften. 224. Mayer, Achſeneylinder des Nerven. 17. Meigs und Owen, über die Entwicklung des Opoſſums (Didelphys virginiana). 182. Meteoreiſen. 198. Mettais, Behandlung der Epilepſie durch Einreibung von Brechweinſteinſalbe auf dem Kopfe. 329. 345. Meynier, Beobachtung einer in die Bruſt— höhle eingedrungenen Wunde, aus dem Geſichtspunkte des Zurückweichens der Lunge betrachtet. 265. neues idio— elektriſches Gewebe. 320. Milne Edwards, über die niedere Entwicke— lung der Circulationsapparate bei den Patellen und Haliotiden. 1. Miſtel. 235. n das große Teleſkop zu Cambridge. Moa auf Neuſeeland, Eier derſ. 87. Molluffen, über foſſile und lebende. 161. Mondlicht, durch dasſelbe entſtandenes Phä— nomen. . Moſerſche Bilder auf Porcellan erzeugt. 314. Mutterkorn. 103. Myelitis, ſporadiſch zu Nantes. 188. N. Nägel, neues Operationsverfahren beim Aus⸗ reißen ins Fleiſch gewachſener. 176. 355 Naiden. 33. Nekrolog. — Graͤberg von Hemsö. 58. — Liſton in London. 80. — Dieffen⸗ bach in Berlin. 80. — Jourdan. 192. — M' Cullagh. 200. — Sir James Annesley. 208. — Dr. Aler. Watt. 240. — Dr. Pittſchaft. 256. — Zuccarini. 346. Seelen über die Cyſten des Unterkiefers. Nerv, Achſencylinder desſ. 17. Neuralgien mit Strichfeuer behandelt. 185. Notta, Behandlung der Neuralgien mittels des Strichfeuers. 185. O. Obſtbäume, geil aufſchießende, keine Zweige . zum Zweigtreiben zu bringen. Oca, eine Nahrungspflanze Südamericas. Shfengalte, Unterſuchungen über dieſelbe. 27. Oſophagotomie. 235. O'Ferrall, knorpelige Entartung der Knochen der unteren Extremität. 59. Olecranon, Reſection desſelben in einem Falle von Ankyloſe der articulatio hume- ro- cubitalis. 96. d'Omalius d' Halloy, Bemerkungen zu Gun— ſten der Hypotheſe der centralen Erd— wärme. 37. Opoſſum, über deſſen Entwickelung. 182. Orangenbaum, Analyſe ſeiner Aſche. 97. d' Orbigny, über foſſile und lebende Mol- luſken. 162. Orobanchen, über die Reſpiration und den Bau derſelben und anderer nicht grüner Pflanzen. 290. Ovula, freiwillige Austreibung derſelben, unabhängig von der Befruchtung. 350. P. Para, Landſchaft in Südamerica. 184. Paraſitismus der Euphrasia, Pedicularis u. Drosera. 24. Passio iliaca, merkwürdige Heilung derfelben. 111 Patellen, ſ. Cireulationsorgane. Payen, Fall einer Interſtitial-Uterinſchwan— gerſchaft. 63. — üb. das Anſteckungs⸗ vermögen der Botrytis infectans. 264. Pedicularis. k Pemberton, Waſſerſcheu nach dem Biſſe eines tollen Hundes, glücklich geheilt. 44. — Erſtirpation der Thränendrüſe. 61. Petit, Fälle typhöſen Fiebers, bei den die Behandlungsart des Prof. Serres ange: wandt wurde. 249. Pferdefleiſchbrühe, Bäder daraus. 288. Pflanze, Richtung derſ. 88. Pflanzenarten, über die Urſachen, welche in Europa und ähnlich gelegenen Ländern er Grenze derſelben beftimmen. 356 Pflanzenaſchen. 213. 225. Pflanzengeographie, ſ. Pflanzenarten. Photographie, Commiſſionsbericht über die Unterſuchungen des Hrn. Niepce de Saint Victor über dieſ. 337. Planeten, ſämmtliche entdeckte und noch zu entdeckende innerhalb vier Jahren zu fin den. 284. Pleiſchl, über die Nahrungsſtoffe im Blute. 342. Pleurenhöhlen, Ergießung in dieſelben, gegen welche die Paracenteſe des chorax 15 Mal vorgenommen ward. pollen der rothen und weißen Lilie und des Cactus speciosissimus. 344. Poplitäalaneurysma, in vier Tagen durch Compreſſion geheilt. 174. Pouchet, über den Verdauungsapparat des Culex pipiens. 86. — Gerippe des männlichen Froſches. 314. Prolapsus uteri, neues pessarium dagegen. Prostata, Entſtehung der Coneremente in ders. 5 Pruner, über elephantiasis in Agypten. 151. Pugliatti, Atzammoniakflüſſigkeit äußerlich gegen grauen Staar. N. Ranula, nach Dieffenbachs Art geheilt. 46. Reboulleau, Berauſchung durch die Dämpfe beim Schmelzen des Meſſings. 79. Rees, über die Ablagerungen von kleeſaurem Kalke im Harne. 78. Retzius, über die vermeintlichen elektriſchen aaa bei den nicht elektriſchen Rochen. 5 Rhachitis, über Verknöcherung dabei. 118. Rilliet, über Entzündung der feröfen Mem⸗ bran der Hirnventrikel. 272. Rochen, nicht elektriſche, über die vermeint⸗ lichen elektriſchen Organe bei denſ. 53. Roßkaſtanie, Saponin darin. 345. Rowney und How, Aſchenanalyſe des Oran— genbaumes. 97. S. Sace, über die im Hühnereie während des Bebrütens Statt findenden Veränderungen. 257. 273. Säugethiere, ſ. van Deen. de Saint-Hilaire, über die Waſſerſcheiden einiger großen Flüſſe Südamericas und die für ſie paſſenden Namen. 134. Salpeter, über das Verhältniß der Zer— ſetzung desſelben zur Fruchtbarkeit des Bodens. 298. Salz, Einfluß desſelben auf die Vegetation und Verwendung für den Ackerbau. 101. Saponin in der Roßkaſtanie. 345. Scheintod, ſ. Froriep. Schenkelbeinhals, merkwürdiger Fall von Heilung eines Bruches desſ. 44. Nee Schießbaumwolle und Baumwolle, verglei- DEE mikroſkopiſche Unterſuchung derſ. 249. Schlangen, giftige, in Neuſüdwales. 87. Schmarotzerthier (Furia infernalis) in dem unter der Haut liegenden Zellgewebe. 352. Schmid, über Pflanzenaſchen. 213. 225. Schnetzler, anatomiſche und phyſiologiſche Beobachtungen über die Familie der Nai— den. 34 Schofield, neues pessarium gegen prolapsus uteri. . Schwefeläther, übertroffen durch Chloroform. 11. — mittels eines Schwammes ein— geathmet. 16. i yeranmng), zur Geſchichte derſ. 224. - Scorbut. 92. Sedillot, Bildung einer neuen Unterlippe. 313. Segond, uͤber die Verknöcherung der Knorpel des Kehlkopfes. 23. Sertularia cupressina. 193. Seymour, merkwürdige Heilung von passio iliaca. 111. Smith, merkwürdiger Fall von Verletzung des oberen Endes des humerus. 140. Snow, über Chloroform im Vergleich mit dem Schwefeläther. 272. Spinnenvermehrung. 122. Staar, grauer, Atzammoniakflüſſigkeit da— gegen. gegen Bauchwaſſerſucht. Stärkemehliodür 144. See Unterſuchung, Nutzen derſ. 4. Stickſtoff, zur Beſtimmung desſelben in or⸗ ganiſchen Subſtanzen. 55. Stranguria, Heilung derſelben durch Secale cornutum, . v. Strang, Erdſpaltungen und Verſenkungen bei Erdbeben. 72. Strecker, Unterſuchungen über die Ochſen— galle. 327. ; Suͤmpfe und Polder, Einfluß derſelben auf Geſundheit und Lebensdauer der Menſchen. 113 Suquets Verfahren zur Erhaltung friſcher anatomifcher Präparate. 80. Svitzer, Ranula, nach Dieffenbachs Art ge heilt. 46. — ſeltene Krankheit am Haare. 199. T. Teleſkop, das große, zu Cambridge. 83. Temperaturunterſchied zwiſchen Devonſhire und Mivdlefer. 186 Teſchemacher und Agaſſiz, über die Anthra— citkohle. 218. Thiere, niedere, ihre Entſtehungsweiſe. 193. Thoa halecina. 193. Thompſon, Fall von abnormer Beschaffenheit der arteria femoralis; Bruch des femur in Folge von Nelroſe; Hämorrhagie; Tod. 57. Thränendrüfe, Exſtirpation derſ. 61. i die Conjugation der Diatomaceen. 68. Tod, augenblicklicher, durch einen Schlag auf den Mund. 283. Torfmoore. 209. Toulmonde, über den Geſundheitszuſtand der hen Tuchfabriken beſchäftigten Arbeiter. Tracy, Schwefeläther mittels eines Schwam⸗ mes eingeathmet. Trüffelarten. 236. Tuchfabriken, über den Geſundheitszuſtand 8055 in denſelben beſchäftigten Arbeiter. u. Unterleib und Becken, Wunden und andere Beſchädigungen desf. 110. Unterlippe, Bildung einer neuen. 313. Uterus masculinus der Säugethiere. 241. — eigenthümliche Mißbildung des ute- rus. 256. V. Valz, Mittel ſämmtliche ſowohl bereits ent⸗ deckte als noch zu entdeckende Planeten innerhalb vier Jahren zu finden. 284. Venen, Fall von Pulſiren derſ. 137. Verkrümmung der Hand und der Finger zu Folge eines Bruches des radius, Heilung derſ. 190. Viehfutter, Salzzuſatz zu demſ. 150. Vogel der jüngere, über das Vorkommen der Kieſel- und Thonerde in den vegetabili— ſchen Aſchen. 148 W. Wärme, über ihren Einfluß auf die Pflan⸗ zen. 177. Waldungen, über das Verſchwinden und theilweiſe Wiedererſtehen derſelben im bri- tiſchen Nordamerica. 5 Waſſerſcheiden einiger großen Flüſſe Süd⸗ 43 und die für ſie paſſenden Namen. Waſſerſcheu glücklich geheilt. 41. Wilde, Anſchwellung der Lippendrüſen. 206. Willemin, idiopathiſche Gebärmutterentzün⸗ dung der Kindbetterinnen. 286. Wilmot, Fall von aneurysma in der vordern Naſenhöhle. 73. Y. Yucca gloriosa. 186. 3. Zantedeſchi, über die Bewegungen der Flam⸗ me unter dem Einfluſſe des Elektromag— netismus. 81. — Moſerſche Bilder auf Porcellan erzeugt. 314. RNegifter. Bibliographische Neuigkeiten A. Abhandlungen u. w. 175. Ackner, M. J. 287. Acta societatis etc. 127. d' Alton, E. u. H. Burmeister. d’Archiac, Vicomte. 127. 239. d' Aremberg, Ch. 223. Arnott, J. 160. 271. v. Babo, L. 207. Baranowski, S. 47. Baudrimont, M. A. et Martin Saint - Ange. 79. Beckensteiner, C. Berard, P. 239. Berg, O. 47. Bernard, Cl. et Ch. Huette. Bessel, F. W. 159. Bibliotheca medico-chirurgica. 80. Bibliotheque du medecin - praticien. Bidder, F. H. 32 Blakiston, P. 80. van Blom, P. 128. Bongrand, F. 207. Bonnet, A. 128. Bouchardat, A. 15. 320. de Bourbousse de Laffore, 144. Boyer, baron. 272. Braithwaite, W. 304. Brönner. 64. Bronn, H. G. 127. Brown, T. 111. Büttner, Ch. 31. Bunbury, C. J. F. 303. van Butchell, S. J. 128. 143. 224. 160. C. Camous. 96. Carus, C. G. 287. Cécile et Roy. 255. Choulant, L. 128. Civiale. 256. Combe, A. 79. Companyo, L. 192. Cousin, Ch. 96. Craigie, D. 160. Croserio, Cam. 240. Crosilhes, H. 144. Cuvier, baron et A. Valenciennes. 95. Dancel, J. F. 192. Danielssen, D. C. et W. Böck. 191. Pierre Jules. Delabarre, A. 208. Delafond, O. 16. Delamarche, A. et J. Dupre. 255. Desmurs, 0. 31. Dieffenbach, J. F. 32. 224. Dietrich, Th. v. 48. Dinneford, Ch. 192. Döbereiner, F. 111. Donaldson, J. 335. Dubernard-Dubarthes, A. L. 80. Ducrotay de Blainville, H. M. 143. E. Eisenmann. 48. Encyclopäd. Wörterbuch. 112. Erichson, W. F. 159. Exploration eto. 159. F. Falck, C. Ph. 128, Feyerabend, E. 32. Filhos. 223. Fleury, J. 144. Franque, H. 79. Fresenius, C. R. 63. Freuch, F. Th. 128. Freyer, C. F. 79. Froriep, R. 79. (2.) Fuchs, C. H. 79. Fürnrohr, A. E. 351. G. Gaudin, A. 160. Glockner, E. F. 287. Gluge, G. 288. Göttinger Studien. 63. Gottsche, C. M., J. B. G. Lindenberg et C. G. Nees ab Esenbeck. 159. Grenier et Godron. 95. Griesinger, W. 320. Guibourt. 63. H. Hahn, F. 320. Hall, C. R. 95. Hamont. 176. Hausmann, J. F. B. 31. Heine, M. 64. Helmholtz. 47. Hermann, J. F. 128. Herrich, K. u. K. Popp. 272. Herrmannsen, A. N. 159. Hertwig, C. H. 159. Hints to the Sick etc. 112. Hochſtetter, Ch. F. 79. Höfle, M. A. . Hoppe, J. 128. (2.) Humboldt, A. v. 47. 191. 272. 32. 207. Jaumes, A. Im- Thurn. Journal etc. K. Kenny, E. E. C. 336. Kiwisch v. Rotterau, F. A. Klencke. 320. Knapp, F. H. 95. 335. Koch, C. L. 320. Köcker, L. 192. Köppe, W. 64. Krämer, A. 128. Krische, A. B. 63. Lach, F. L. 48. Lane, C. 112. Lavocat, A. 79. Leco, H. 16. Leuckart, R. 127. Levacher, G. 208. 288. Liebig, Poggendorf und Wöhler. 271. Linderer, J. 64. Lisfranc, J. 336. Löbiſch, J. E. 288. Löw, H. 47. Lorek, C. G. 127. Lüben, A. 191. Main, J. 319. Maunsell, H. and R. T. Evanson. Mayer, E. 32 Memoires etc. Mercé, P. Donatien. Mercier, L. A. 96. Meyer, H. L. 95. v. Meyer, H. 319. de Mignot, M. P. 256. Millon, E. 319. Milner, T. 319. 336. 159. 223. 271. 357 112. 358 Mortimer, W. H. 320. Morton, W. T. G. 96. Mouchon, Em. 192. N. Nebel, F. 48. Neue Denkschriften u. s. W. 319. Neumann, K. A. 111. 272. New Theory etc. 335. Nichol, J. P. 335. Nougarede de Fayet, A. 351. 0. Obert. 64. d'Orbigny, Ch. 271. Ortlepp, E. 352. (2.) Oſann, Dr. G. W. 288. P. Parkes, E. A. 224. Pestalozzi, H. 47. Pfeiffer, L. 63. 159. Philippi, R. A. 31. 159. Poggendorff, J. C. 287. Pouillet. 144. Regiſter. Prakt. Handbuch u. ſ. w. 80. Presl, K. B. 127. R. Ranking, W. H. 304. Redtenbacher, L. 127. Regnault, V. 143. Rennie, J. 303. Rieux, L. 240. v. Ritgen, F. A. M. F. 288. Riviere, A. 256. Robinson, J. 288. Rogers, W. 144. Roloſfs, J. C. H. 96. Rosenbaum, J. 64. S. Sallenave. 160. v. Samson Himmelstiern, G. 176. Sandberger, F. 63. Sanderson, H. 304. Sartorius v. Waltershausen, W. 127. Schleiden, M. J. 175. (2) Schomburgk. K. 191. Schomburgk, Sir R. H. 319. v. Siebold, Ph. F. 127. 159. Siller, C. F. E. 352. Simpson, J. 127. Simpson, J. Y. 304. (2). Syme, J. 320. T. Taylor, A. S. 320. Todd, B. 95. Toussenel, A. 223. V. Visiani, R. 47. Völker, A. 31. Vogt, C. 287. Voigt, F. S. 320. Volkmann, A. W. 319. de Vriese, W. H. 191. W. Wagner, R. 15. 287. Wahu, A. 336. Walpers, G. G. 175. 287. v. Walther, Ph. F. 320. Weiss, C. F. H. 128. Westgarth, W. 303. Wilson, E. 96. Winckler, E. L. W. 32. aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von M. J. Schleiden, der Rechte, der Mediein und der Philoſophie Doctor, des Koͤnigl. Niederlanviſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newyork, der Kalſerl. Leopoldino⸗Caroliniſchen Geſellſchaft der Naturforſcher, ver K. K. Geſellſchaft der Arzte in Wien, ver Societas a zu Erlangen, der naturhiftoriichen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Geſellſchaft, des norddeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburg ſchen naturwiſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, correſpondirendem und Ehrenmitgliede D und Dr. Robert Froriep, des rothen Adler-Drvens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Meplelnalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akavemie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de Medeeine au aris, der r en Gefellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska ee zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Moſkwa, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, ver Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗ Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medleinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats⸗Arzneikunde, des Apotheker⸗Vereins im nördlichen Deutſchland und des natur- wiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes. Dritter Reihe ſechſter Band. f Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. * Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von M. J. Schleiden, der Rechte, der Mediein und der Philoſophie Doctor, ves Königl. Niederländiſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newyork, der Kaiſerl. Leopoldino ⸗Caroliniſchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Geſell⸗ ſchaft der Arzte in Wien, der Societas physico- medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Geſell⸗ ſchaft, des nordpeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgifchen natuftoiſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, correſpondirendem und Ehrenmitgliede und Dr. Robert Froriep, des rothen Adlerordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Mevicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de Médecine zu 5 der Hufelandiſchen medielniſch⸗chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Hellkunde I Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare -Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Moſkwa, der K. K. Gefe Wald der Arzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, ver Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu- Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehrenmitgliede des Vereins Großherzogl. Baviſcher Medieinalbeamten für die Beförderung der Staatsarzneikunde, des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Dritter Reihe ſechster Band. Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 1848. ann lia e 8 6 { . j 10 ba EEE W er R a Mage le e Be 1 N „ Ai ai 3 0 ii 1 1 . Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitfchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. III. (Nr. 1 des VI. Bandes.) Maͤrz 1848. Naturkunde. v. Heßling, hiſtologiſche Beiträge. — Miſcellen. Hollard, Anordnung der Tentakel der Aetinien. Bond, üb. die großen Nebelflecken des Orion. Hode eines Elephanten. — Heilkunde. wet, Lähmung der willkürlichen Bewegung bei Fortdauer des Gefühlsvermögens. — Caventou, üb. Eiſenorydhydrat und Magneſia als Gegengift gegen arſenige Säure. — F our⸗ Camino, Sprache durch Galdanopunctur wieder hergeſtellt. — iſcellen. Cipriani, staphyloma der Regenbogenhaut. Zinkweiß für Bleiweiß. — Bibliographie. Naturkunde. J. Hiſtologiſche Beiträge. Von Dr. v. Heßling in Jena. (Hierzu die Abbildung Fig. 1— 9. auf beiliegender Tafel.) I. Die dritte Schicht der Hornhaut, ſogenannte De— mours'ſche Membran, wird gewöhnlich als ſtructurlos, waſſer— hell, durchſichtig beſchrieben, nur Pappenheim, Valentin ſchildern dieſelbe als ein mit feinen Faſern durchzogenes Häutchen, letzterer inſonderheit beim Pferde und Ochſen. Macht man ſich von einer eben getrockneten Hornhaut des Ochſen mittels eines Raſirmeſſers einen feinen ſenkrech— ten Schnitt und betrachtet ihn, in etwas Waſſer aufgeweicht, unter dem Mikroſkope, ſo erſcheint die Membran allerdings vollkommen durchſichtig und glasartig; fügt man aber nur einen Tropfen einer Chlorcaleiumlöſung zu, ſo treten deutlich zarte Streifen auf, und zwar in doppelter Weiſe: ein Mal parallel den Faſern der Hornhaut, in ziemlich gleichen Ab— ſtänden von 0,002 —0,0025 Millim., dann vom Rande der cornea aufſteigend, erſtere kreuzend, theils nach entgegen— geſetzten Richtungen bogenförmig gekrümmt, theils wirkliche, einander einſchließende Bogen bildend, in Entfernungen von 0,0025 — 0,0075 Millim. Bisweilen trifft man ſtatt der letzten Art von Linien netzartige Veräſtelungen, auf den erſten Anblick dem äußerſten Schüppchen-Überzuge des Haar— ſchaftes nicht unähnlich; am Rande der Hornhaut, wo ihre Abſtände 0,0025 — 0,0125 Millim. betragen, find fie am deutlichſten und verlieren ſich, allmälig ſchwächer werdend, gegen die Epiteliumſchicht der Demours'ſchen Haut. Auf. Anwendung von Kali, Ammoniak werden dieſe Linien eben— falls ſichtbar, jedoch in weit geringerm Grade. Figur 1, 2, a und b. II. Zur Anatomie der Niere. Der Hauptpunkt, um welchen ſich gegenwärtig der Streit unter den Hiſtologen in No. 2091. — 991. — 111. Betreff des feinern anatomiſchen Baues der Niere dreht, ift das Verhalten der capillaren Gefäßknäuel — Malpig hi— ſcher Körperchen — zu den Harncanälchen. Bowman's geiſtreiche Auslegung ſeiner Beobachtungen hat gewichtige und beharrliche Stimmen für und gegen ſich, ſtellt aller— dings den Scharfſinn und die Deutungsgabe ſelbſt geübter Beobachter auf die Probe, hat aber zugleich eine heilloſe Verwirrung in die Sache gebracht. Der Hauptfehler und damit der Hauptgrund zu den verſchiedenen widerſprechenden Anſichten liegt darin, daß man die Reſultate, welche Bow— man aus den Unterſuchungen insbeſonders von Schlangen— und Froſchnieren zog, auch auf die Structurverhältniſſe dieſes Organes in den übrigen Thierelaſſen übertrug, danach den Bau conſtruirte und ſo mit bereits im Geiſte fertigem Mo— delle an erneuerte mikroſkopiſche Forſchungen ging. Über den Bau der Schlangen- und Fiſchnieren, ſowie die Rich— tigkeit der Bowman' ſchen Arbeit habe ich keine Erfah— rung. Was dieſes Organ bei den nackten Amphibien, in ſonderheit wegen ſeines engen Zuſammenhanges mit den Geſchlechtswerkzeugen betrifft, ſo hat Bidder in ſeiner claſſiſchen Monographie (Vergleichend anatom. und hiſtolog. Unterſuchungen der männlichen Geſchlechts- und Harnwerk— zeuge der nackten Amphibien. Dorpat 1846) bereits die Bowman'ſche Anſicht hinreichend widerlegt, und ich kann nach langen Unterſuchungen, die ich verfloſſenen Sommer im hieſigen phyſiologiſchen Inſtitute an dieſen Thieren an— ſtellte, die Wahrheit ſeiner Reſultate vollkommen beſtätigen; nur braucht er ſeine früher ausgeſprochene Meinung von den Einſtülpungen der glomeruli nicht ſo entſchieden zurückzu— nehmen. Allerdings legt ſich in der Mehrzahl der Fälle das Gefäßknäuel an die bauchig erweiterte Stelle des Harn— canälchens nur an und iſt durch zarte Bindegewebefaſern angelöthet, allein man beobachtet auch, ſowohl bei Triton 1 3 11R WI. 4 taeniatus, als insbeſonders bei den Knaulquappen von Pelobates fuse. (Fig. J.), wie die Membran des Harncanälchens ſich nach innen umſchlägt und der glomerulus, dieſelbe vor ſich hertreibend, in die Höhlung des erweiterten Harncanälchens hineinragt. Abgeſehen davon, daß dieſe Membran, welche bald den Bogen der Gefäßſchlingen folgt, bald ſie brücken— artig überſpannt, meßbar dicker denn die Gefäßwandung iſt, daß ihr Kerne, viel kleiner als die Blutkörperchen, aufſitzen; abgeſehen davon, daß die Contouren keine Ver— wechſelung zulaſſen, indem ihre Zahl den vorhandenen Thei— len entſpricht, nämlich der Contour der eingeſchlagenen Ca— nälchenwandung, der doppelte der Gefäßſchlinge und der Rand des Blutkörperchens — ſo trifft man bisweilen unter der mikroſkopiſchen Beobachtung auf ein überraſchendes Phä— nomen, welches die Sachlage aufklärt und gewiß auch von Bidder bei ſeinen zahlreichen Unterſuchungen beobachtet wurde. Nach nicht gar langer Zeit wird die peitſchenför— mige Flimmerbewegung in den Harncanälchen, wahrſcheinlich durch den Druck des Deckgläschens oder beginnende Eintrock— nung, bedeutend lebhafter und treibt anfangs einzelne, ſpäter in größern Maſſen ſich ablöſende Kernchen und Epitelien in die bauchförmige Erweiterung bis an das Gefäßknäuel; dann treten dieſe Körperchen theils unter, theils über das— ſelbe und drängen es durch ihre maſſenhaften Nachſchübe rückwärts, bis es ſich zuletzt in die Zellſcheide, worin das ein- und austretende Gefäß liegt, Schlinge für Schlinge zurückzuziehen genöthigt wird, während die zuvor mehr oder weniger rundliche Erweiterung des Harncanälchens eine läng— lich-ovale Geſtalt annimmt, aber an keiner Stelle der In— halt nach außen ſich entleert. Dieſem Phänomene zufolge, welches man auch durch vorſichtig angebrachten Druck an geeigneten Präparaten erzielen kann, muß alſo Bidder ſeine frühere Anſicht von Einſtülpung durch die Behauptung, daß eingeſtülpte Membranen feſter mit einander vereinigt, ja verwachfen wären, nicht zurücknehmen. Ob nun genanntes Verhältniß oder ein einfaches Anliegen der betreffenden Theile Statt findet, dadurch wird für die Richtigkeit der Bo w— manchen Anſicht nichts gewonnen und der phyſtologiſche Hergang, welcher hier eine höchſtens gradweiſe verſchiedene Anordnung der Lagerung der Theile bedingt, nicht viel ab— geändert. Figur 3 und 4. Die Niere der Vögel habe ich an der Taube, Scharbe, dem Ziegenmelker, Sperling, Raben einer Unterſuchung un— terworfen, und ſo viel die große Schwierigkeit wegen der Weichheit und Kleinheit der Organtheile ſich paſſende Objecte zu verſchaffen erlaubte, dieſelbe Structur, wie bei den Säuge— thieren angetroffen. ‚Uber die baulichen Verhältniſſe des genannten Organes in dieſer letzten Thierelaſſe ſind Gerlach (Müller's Arch. 1845. S. 378) und in neueſter Zeit Patruban (Prager Vierteljahrſchrift 1847. Bd. III, S. 87) entſchieden für Bowman in die Schranken getreten; beide wollen durch gelungene Injectionen die Wahrheit ſeiner Unterſuchungen erhärten. Wenn ich auch über die manuelle Geſchicklichkeit beider Beobachter nicht das geringſte Bedenken hege, ſo ſcheint mir doch gerade dieſer Weg zur Ergründung noch obwaltender Zweifel am wenigſten geeignet, wegen der faſt immer dabei unvermeidlichen Verletzung und Störung des Lageverhältniſſes der Theile ſelbſt bei der ausgeſuchteſten Behandlungsweiſe, und der daraus entſpringenden Möglich- keit falſcher Deutung, ſowie auch die beigegebenen Abbil— dungen keineswegs das beweiſen, was ſie beweiſen ſollen, im Gegentheile eine Auslegung zulaſſen, welche der wahren Natur der Sache ziemlich nahe liegt. Aus dieſem Grunde habe ich meine Unterſuchungen nur an feinen, mittels eines von Schleiden angegebenen Doppelmeſſers gefertigten Durch— ſchnitten, von mehr oder weniger 0,3 Millim. Dicke, angeſtellt und der Nieren des Menſchen, Hundes, Schafes, Pferdes, Rindes, Schweines, Marders, Igels, der Katze, Ratte und Maus theils im erwachſenen, theils im embryonalen Zuſtande mich bedient. Das Ergebniß dieſer faſt ununterbrochenen, anderthalbjährigen Arbeit iſt, in Betreff des Verhältniſſes der glomeruli zu den Harncanälchen, in Kürze folgendes. Führt man das Doppelmeſſer, gleichviel in welcher Richtung, vertical, horizontal oder ſchief, durch die Rindenſubſtanz, ſo trifft man bei einigermaßen gelungenen Schnitten in der Mehrzahl der Fälle die glomeruli auf den zum Theil ver— ſchlungenen oder gerade verlaufenden, zum Theil durchſchnitte— nen Harncanälchen frei, ohne allen beſtimmten Zuſammen⸗ hang aufliegend, an; ihre Größe, weder nach der Größe des Thieres, noch dem Umfange der Niere überhaupt ſich rich— tend, iſt auch in dieſem freien Zuſtande verſchiedenen Schwan— kungen unterworfen; ſowie in Betreff ihrer Geſtalt die meiſt noch Blutkörperchen enthaltenden Gefäßſchlingen ſich bogen— förmig neben und über einander legen und ſo dem Körper— chen eine Roſettenform geben, jedoch nach dem Centrum die Zeichnung undeutlicher, verſchwommen, zugleich heller und durchſichtig wird. Dieſes Bild und der gänzliche Mangel an irgend einer Verbindung, ſei es mit den Canälchen oder den übrigen Theilen des Gefäßſyſtemes, führt zur Annahme, daß dieſe Körperchen, in Folge des raſch geführten Schnittes nach irgend einer Richtung geſpalten, dem Zuge des Meſſers folgend, von ihrer urſprünglichen Stelle abgeriſſen und zu— fällig auf die Durchſchnittsfläche gelagert wurden. Bei fortgeſetzter Beobachtung kommt man aber, nament- lich in ſenkrechten und horizontalen Schnitten, auf glomeruli von noch anderm Ausſehen, und dieſe ſind es, um welche ſich die ganze Sache handelt. Sie liegen in bald eng, bald weit ſie umſchließenden körnigen Capſeln, und zwar iſt es faſt Regel: je größer das Gefäßknäuel, deſto kleiner und enger die Capſel und umgekehrt (Fig. 5, 6, 7, 8, a.). Die Contouren des erſtern haben dieſelbe Deutlichkeit und Schärfe in der ſie umhüllenden Membran, zuweilen fehlt das hellere Centrum, und die Schlingen ſind auf der ganzen Oberfläche gleichmäßig verbreitet. Dieſe glomeruli mit ihren Capſeln ſitzen bald der einen Seite des Harncanälchens auf, bald laufen ſie als blindes Ende desſelben aus. Bisweilen treten ein, noch ſeltner zwei, Gefäßſtämmchen — zu- und abfüh— rendes Gefäß — unterhalb der Capſel hervor; im letztern Falle divergiren ſie gleich bei ihrem Vortreten, oder liegen zopfartig, wie Nabelſchnurgefäße gewunden, an einander; geht das Gefäß oben, alſo dem Auge des Beobachters Direct 5 111. WM. 1 6 zugekehrt, an die Capſel, ſo erkennt man eine ſternförmige Theilung, von welcher aus nach der Peripherie hin ſich Schlingen oder bogenartige Veräſtelungen verbreiten. Die Capſel ſelbſt, welche das Knäuel umgiebt, unterſcheidet ſich in nichts von der Structur der Harncanälchen, hat dieſelbe Lichtbrechung, Farbe, an ihrer innern Wandung ſitzen mehr oder weniger deutliche Zellen mit oder ohne Kerne, oder bloß ſogenannte parenchymatöſe Körnchen; niemals ſah ich aber, trotz aller Mühe, daß dieſe Gebilde ſich über die Ge— fäßſchlingen ausgebreitet hätten, d. h., wenn ſie überhaupt ſcharf zu ſehen und eine Unterſcheidung von ihnen und den Blutkörperchen der Gefäße möglich war. Noch einer dritten Art von kugeligen Gebilden habe ich zu gedenken, welche bisweilen dem Beobachter vorkommen; fie find größer, denn die glomeruli, von körniger, graulich— gelber Oberfläche und laſſen bei Veränderung des focus einen dunkeln Kern erkennen; über dieſe ziehen ſich oberflächlich Harncanälchen nach verſchiedenen Richtungen hin; ſie ſind wie mit feinem Bindegewebe eingefaßt, und ihr Inhalt be— ſteht aus verſchiedenen Entwicklungsſtufen von Zellen oder Kernen, bisweilen nur aus Körnchenhaufen. Sucht man nun der Entſtehungsweiſe obiger Bilder durch genaue Gliederung aller einwirkenden Umſtände auf den Grund zu kommen, zu welchem eine unter der Loupe vorher angeſtellte feine Präparation und die Anwendung von Reagentien unerläßlich iſt, ſo findet man, daß die Natur ſich keiner ſolcher künſtlicher Bohrverſuche, wie Bowman und ſeine Anhänger ſie annehmen, ſondern, wie gewöhnlich, höchſt einfacher Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke bedient. In der noch ungeöffneten Niere werden die glomeruli ringsum von den Windungen der Harncanälchen umſponnen und nur dadurch ihre ſchlingenartigen Veräſtelungen zuſam— men gehalten; erſt durch den Schnitt des Meſſers ſpringt die aus den Canälchen gebildete Hülſe und der glomerulus tritt entweder zum Theil angeſchnitten frei heraus, oder bleibt von jener eingeſchloſſen in ihr ſtecken, ähnlich dem Kerne einer Nuß in ſeiner Schale, oder das Doppelmeſſer nimmt das ganze Gefäßknäuel mit feiner Hülſe unverſehrt zwiſchen ſeine beiden Blätter auf, und zwar können die bei— den erſten Fälle durch jeden andern Eingriff in das Nieren— parenchym behufs einer Präparation erzeugt werden. Bedenkt man ferner, daß, wo die Harncanälchen in ihrem Verlaufe ein ſolches Knäuel treffen, ganz gleich, ob vorn oder hinten, oben oder unten, rechts oder links, ſie dasſelbe umſchlingen, ſo iſt auch der Grund gegeben, warum jeder, nach irgend einer beliebigen Richtung geführter Schnitt dasſelbe Bild von einer dieſer drei Formen liefert. Von der erſten Art, dem freien Daliegen des glomeru- lus, habe ich bereits oben geſprochen. Wichtiger iſt die zweite, da gerade ſie die Veranlaſſung zu falſchen Reſultaten giebt. Steckt das Körperchen in der angeſchnittenen Hülſe, gleichviel, ob noch unverſehrt oder zum Theil vom Schnitte getroffen, während die andere Hälfte der Hülſe in der un— verſehrten Rindenſubſtanz als kleines, eben noch mit freiem Auge erkennbares Grübchen zurückbleibt, ſo iſt, je nach der Größe des Segmentes, das Bild ein berſchiedenes; ging der Schnitt nur durch einen kleinen Theil der Umhüllung, ſo wird der kleine Theil des glomerulus aus derſelben hervor— ragen, und man findet dann ein kleines Knäuel mit ſchein— bar großer Capſel; hat dagegen das Meſſer eine große Partie der Harncan älchen vom glomerulus abgelöſ't, fo wird dieſer in ſeinem ganzen Umfange ſich zeigen, und die oder das hinter ihm, an ſeiner Wurzel, liegende Harncanälchen faſt decken; man hat alsdann ein Malpighiſches Körperchen mit eng anliegenden zarten Umhüllungslinien, die öfters für Zellgewebsfaſern gehalten werden. Daß man dieſe Um— ſchlingungen der Harncanälchen für eigene, ihnen aufſitzende, capſelartige Gebilde anſah, iſt um ſo verzeihlicher, als nur Inſtrumente von vorzüglicher Güte die Contourenverbindung, wodurch eben das täuſchende Bild einer den glomerulus ein— ſchließenden Capſel entſteht, erkennen laſſen, da ja dieſelbe in vielen Fällen nur mittels Reagentien darſtellbar iſt, welche die alle Gebilde durchdringende, halb gelatinöſe Mutterflüſſig— keit auflöſen. Was die Art und Weiſe der Schlingenbil— dung um den glomerulus betrifft, jo wäre folgendes der Erwähnung werth. Gewöhnlich verlaufen mehrere Canälchen neben oder über einander ſich deckend denſelben Weg; nicht ſelten aber treten ſie von verſchiedenen Richtungen an das Knäuel, ſo daß das eine z. B. von rechts her verlaufend ſich um ihn ſchlingt und wieder nach rechts oder links ſich verliert; ein zweites, unter oder über dem erſten liegend, kommt von entgegengeſetzter Seite, ein anderes läuft quer über dieſe beiden ꝛc. ꝛc.; immer aber ſieht man, wie um das den glo- merulus zunächſt einſchließende Canälchen quer durchſchnittene, ihr Lumen zeigende gelagert ſind. Eben ſo iſt die Stellung der Schenkel des umſchließenden Canälchens verſchieden, und nur ihre genaue Betrachtung ſichert vor falſchen Anſichten; entweder kreuzen ſie ſich und laufen nach divergirenden Rich— tungen aus, dadurch erhält man das frappant ähnliche Bild, als ſäße das Knäuel mit einer Capſel einer Seite des Ca— nälchens auf, oder ſie decken ſich gegenſeitig in ihren Win— dungen, dann: als läge das Körperchen mit ſeiner Capſel rund abgeſchnitten da, oder der eine Schenkel ſchlägt ſich nochmals herum, während der andere im Abgehen ſich in der Tiefe verliert, dann: als ende das Canälchen blind mit blajenartiger Erweiterung, worin das Knäuel liegt. Bis— weilen findet man auch Bruchſtücke von ſolchen Hülſen mit daneben herausgefallenem Knäuel (Fig. 9), beſonders wenn man vorher unter einem Doublete *) bei etwa 30facher Ver— größerung den Knäuel mit feinen Nadeln aus dem ganzen Schnitte heraushebt und ſorgfältig verzupft. Als ein großes Erleichterungsmittel zur Einſicht in genannte Verhältniſſe kann ich verdünntes kauſtiſches Kali oder eſſigſaures Kali in ziemlich concentrirter Löſung empfehlen. Während reine Contouren der letztern, deutlich hervortreten läßt, die Structur der Harncanälchen aber nicht viel ſchärfer macht, leiſtet Kali in entgegengeſetzter Richtung die beſten Dienſte; es macht allmälig die Gefäße nebſt ihrem Inhalte bis faſt zum gänz— ») Die Doublets, welche Hr. Zeiß dahier verfertigt, find von ausge- bisch Güte in jeder Beziehung; ein kurzer Gebrauch weiſ't ihre Unent⸗ ehrlichkeit auch für Hiſtologen hinreichend nach. 1? 7 111.061. 8 lichen Verſchwinden durchſichtig, und läßt die Contouren der Harncanälchen um vieles markirter und klarer werden. Inſonderheit bei der Unterſuchung von Rindsnieren, welche, nebenbei geſagt, ſich am beſten zu dieſen Zwecken eignen, während Pferdenieren ein ſchlechtes Unterſuchungs— object ſind, werden auf Zuſatz einer concentrirten Kalilöſung die glomeruli ſchön purpurroth, dann immer verſchwommener in ihren Contouren, zuletzt ſo durchſichtig, daß man durch ſie den Verlauf der Harncanälchen, ihre Verſchlängelungen an den Contouren deutlich ſtudiren kann. Was nun die dritte, allerdings ſeltner vorkommende, Art von Körperchen betrifft, ſo ſind es unverſehrte, noch von ihren Harneanälchen umwundene glomeruli, welche durch den Inhalt der Harncanälchen ihr körniges, dunkles Ausſehen erhalten, und durch die Veränderung des focus den von ihnen eingeſchloſſenen glomerulus als dunklen Kern erkennen laſſen. In Kürze gefaßt geht demnach meine Behauptung da— hin: die capillaren Gefäßknäuel liegen frei, ohne beſondere capfelartige Gebilde, nur von den Harncanälchen umſchlungen, im Parenchym der Niere; das zunächſt dem glomerulus lie— gende Harncanälchen hat man für die ihm eigene Capſel gehalten. Es findet alſo hier ein ähnliches Aneinanderliegen der betreffenden Theile Statt, gerade, wie es Bidder an den Nieren der nackten Amphibien nachgewieſen hat. Ein fernerer Streitpunkt in der Anatomie der Niere iſt die Endigung der Harncanälchen. Während die einen Beobachter eine Schlingenbildung annehmen, laſſen andere, z. B. Krauſe, J. Muller, Wagner, Huſchke dieſelben blind endigen. Die beſtimmte Angabe, welche von dieſen beiden Anſichten die richtige ſei, gehört zu den ſchwierigſten Aufgaben der Hiſtologie, und der Zufall theilt hier mit der größtmöglichſten manuellen Geſchicklichkeit das Verdienſt; denn an allen Methoden, ſich paſſende Präparate zu verſchaffen, ſcheitert die vollkommene Löſung dieſer Frage. Noch am beſten möchte hier die Anwendung des Compreſſoriums zum Ziele führen: hat man ſich einen möglichſt feinen Durchſchnitt bereitet, denſelben mittels eines Pinſels in ſtark verdünnter Kalilöſung öfters abgewaſchen, um den anhängenden Zellen- und Körncheninhalt der angeſchnit— tenen Harncanälchen zu entfernen, ſo läßt man durch leiſes Spielen der Schraube einen abwechſelnden Druck auf denſelben einwirken; dadurch werden die feſt an einander hängenden Theile allmälig aus ihren Verbindungen gezerrt und eine theilweiſe, ſucceſſive Einſicht in dieſe verwickelten Verhältniſſe geſtattet. In Folge meines vertrauten Um— ganges mit dieſem Organe möchte ich, was den gegenwärti— gen Punkt betrifft, folgendes als ziemlich beſtimmt hinſtellen: An der Peripherie der Niere enden bei den Säugethieren die Harncanälchen niemals blind, ſie biegen, daſelbſt an— gelangt, immer um und kehren, als theils enge anliegende, theils von einander ſich entfernende, theils knoten- und quaſtenähnlich zuſammen gedrehte Schlingen in die Rinden— ſubſtanz zurück; treffen ſie, gleichviel auf ihrem Hin- oder Retourwege, auf ein Gefäßknäuel, ſo ſchlingen ſie ſich um dasſelbe ein oder mehrere Male (Malphigiſches Körperchen mit Capſel) und gehen ungefähr im erſten Dritttheile der Rinde in die Tiefe, wo ein weiteres Verfolgen zur Unmög— lichkeit wird. Das, was für blinde Endigungen der Ca— nälchen leicht gehalten werden kann und gewiß oft dafür genommen wurde, ſind nur Schlingen, welche ſich genau decken; ſowie die bisweilen an der Peripherie vorkommende Theilung nichts anderes bedeutet, als was in der Markſub— ſtanz regelmäßig Statt findet. Außerdem beobachtet man aber, daß die Canälchen nicht ausſchließlich bis zur äußer— ſten Grenze verlaufen, ſondern entweder bald nach ihrem Eintritte in die Rinde oder gegen die Mitte derſelben fich umbiegen und nach dem Marke zurückkehren; in welchem letztern Falle die Beobachtung wegen des mehr geradlinigen Verlaufes leichter und ſicherer wird. Ich möchte als Regel aufſtellen, daß jedes Harncanälchen, ganz gleich, wo es Kehrum macht, ohne irgend eine andere Verbindung mit dem benachbarten, als die des einfachen Nebeneinanderliegens verläuft; die Schlingen können ſich wohl vielſeitig mit ein— ander verwickeln, in einander ſchieben, umſpinnen, aber immer bleibt die Kette des einzelnen Canälchens von ſeinem Urſprunge bis zu ſeinem Ende geſchloſſen. Das Vorkommen einer zweiten, ſogar dritten Art von Harncanälchen, wie von mehreren Anatomen angegeben wird, kann ich nicht beſtätigen; denn die allerdings in Rinde, Mark und Papillen vorkommende Verſchiedenheit des Durch— meſſers allein kann für kein Unterſcheidungsmerkmal gelten, zumal keine Veränderung der Structur ſich irgendwo zeigt; in den breiten und ſchmälern Röhrchen kommen Zellen, ſowie bloße Agglomerate von Enchymkörnchen gleich häu— fig vor. Überdies will ich, ganz abgeſehen von der leichten und bei einem fo complieirten Unterſuchungsobjecte ſehr verzeih— lichen Verwechslung von Gefäß und Harncanälchen, auch auf die große Ausdehnbarkeit der letztern aufmerkſam machen, wie der Gebrauch des Preſſers leicht überzeugen wird. Bei allmälig ſteigerndem Drucke ziehen ſich Canälchen von 0,024““ Durchmeſſer bis zu einer Dicke von 0,008 — 0,006 in die Länge, ehe ſie zerreißen. Da ich mir aber keine genaue mikroſkopiſche Unterſuchung des Nierengewebes ohne eine vorhergegangene Präparation denken kann, ſo ſehe ich vor der Hand dieſe zweite Art von Canälchen, welche andere, z. B. Patruban, annehmen, als durch manuelle Eingriffe, wenn auch auf die ſchonendſte Weiſe, entſtanden an. Was die von Prévoſt und Cayla bei Schweins-— und Pferdenieren vorkommende dritte Art von Harncanälchen betrifft, ſo beruht ſie jedenfalls auf einer Täuſchung; ent— weder gehören fie dem Capillarnetze an, wie Huſchke rich— tig bemerkt, oder es wurden umbiegende Canälchen, hinter denen andere noch höher gegen die Peripherie verliefen, dafür gehalten. Gerade bei Schweinsnieren beobachtete ich zuerſt die erwähnte Schlingenbildung, und ich will mit einigem Drucke ganz das Bild hervorbringen, was zur Annahme von andern Arten von Harnröhrchen beſtimmte. (Fortſetzung folgt.) 9 111. WM. . Miſcellen. 1. Uber die Anordnung der Tentakel der Acti⸗ nien von Hollard. Sämmtliche Actinien, die der Verf. unterſuchte, hatten 4 concentriſche Tentakelkreiſe; die Zahl der Ten⸗ takel blieb ſich für die beiden erſten Kreiſe gleich, verdoppelte ſich aber mit dem dritten Kreiſe, während die Zahl des vierten Kreiſes wiederum das Doppelte des dritten war; beſaß der innerſte Kreis z. B. 5 Tentakel, ſo hatte der zweite eben ſo viele, die in den Zwiſchenräumen des erſten Kreiſes lagen; wie nunmehr 10 Zwiſchen— räume entſtanden waren, jo hatte auch der dritte Kreis 10 Ten— takel, die wiederum in ihren 20 Zwiſchenräumen die 20 Tentakel des letzten Kreiſes aufnahmen. Kennt man demnach die Zahl eines beſtimmten Kreiſes, ſo ſind mit ihr die Zahl der übrigen gegeben. Die Tentakel des innerſten Kreiſes find, wie bei der ſich eutfal⸗ tenden Actinie leicht zu zählen; die drei folgenden Tentakelkreiſe entwickeln ſich der Reihe nach exit fpäter. — Die Zahl und Stel— lung der Tentakel entſpricht genau der Zahl und Anordnung der Fächer, die gleichfalls mit einander abwechſeln, wie die Entwicklung der Tentakel überhaupt mit den ſich nach und nach bildenden Fächerreihen der Körperhöhle genau zuſammenhängt. Die 5 erſten Fächer werden, wie der Verf. nach der an Actinia pellucida beob- achteten Entwicklung vermuthet, durch 5 Paar Scheidewände, welche die Körperhöhle eintheilen, gebildet; aus der oberen Decke der fo entſtandenen Fächer entwickelt ſich der innerſte Tentafelfreis. In, den 5 breiten Zwiſchenräumen dieſer Fächer erſcheinen etwas ſpäter 5 neue Fächer, die wiederum in 5 Tentakel auslaufen. Die Fächer dieſer beiden erſten Reihen ſind groß und durch die Stärke ihrer Scheidewände kenntlich. In den enger gewordenen Zwiſchenräumen der 10 jetzt vorhandenen Fächer entſtehen darauf 10 Paar Scheide— wände, in welche 10 neue Fächer zwiſchen denen der erſten und zweiten Formation zu liegen kommen, die ſich zu einem dritten Tentakelkreiſe verlängern. Zwiſchen dieſen letzten 10 und den 10 der beiden erſten Reihen bleiben nunmehr 20 Zwiſchenräume, in denen ſich die 20 Fächer der letzten Reihe und mit ihnen der letzte Tentakelkreis bilden. Die Fächer der beiden letzten Reihen ſind ſchmaler und überdies durch ihre minder deutlichen Scheidewände erkenntlich. Die letzteren ſind bei ihnen an der Baſis des Thieres nicht mehr vollſtändig, verſchwinden vielmehr ſobald ſie den Umkreis verlaſſen, wogegen die beiden zuerſt entſtandenen Fächerreihen ſelbſt Heil k 10 an der Baſis bis zum Mittelpunkte reichen. No. 730.) 2. Über die großen Nebelflecken des Orion berich— tet Hr. Bond in einem Briefe an Everett, Präſidenten der Harvard Univerſität folgendes: Am 22. September 1847 ward gegen 3 Uhr das Cambridge -Teleſkop bei ſehr günſtiger Atmoſphäre auf das Trapez der Nebelflecken gerichtet. Die 5 Sterne waren ſogleich bei 200maliger Vergrößerung ſichtbar, um dieſelben trat indeß noch eine nicht zählbare Menge heller Sterne als deutliche Lichtpunkte hervor, deren Stand zum Theil vermeſſen und auf der Himmelskarte bemerkt ward. Der bellſte Stern im Trapez ward bei 600 facher Vergrößerung als Doppelſtern erkannt, er iſt der 6te Stern nach Struve; auch einige Sterne des Nebelfleckens zeigten ſich als Doppelſterne. Und ſo wären denn mit den Nebelflecken des Orion und der Andromeda die letzten Stützen der vom älteren Her— ſchel aufgeſtellten Nebeltheorie, d. h. nebelartigen, ſich zu Welt: ſyſtemen condenſirender Lichtmaſſen zerfallen. — Dieſe Nebelflecken trotzten dem unerreichten Geiſte beider Herſchel und ihren treff— lichen Refractoren und eben fo dem rieſigen Spiegelteleffope Lord Roſſe's, das nur ſolche Sterne vermuthen ließ, ſie aber nicht, wie das Cambridge-Teleſkop, deutlich auflöf’te. (The Athenaeum, No. 1047.) 3. Der Teſtikel eines etwa 40jährigen Elephan⸗ ten, der im Juni vorigen Jahres in der Menagerie der Zoologi- cal Society zu London ſtarb, enthielt kaum eine Spur von Samen. Die Samencauälchen maßen "oa bis ½s eines engliſchen Zolles im Durchmeſſer; ſie waren mit einer bräunlichen, breiigen Maſſe erfüllt, die unterm Mikroſkop aus einer ſchweren Flüſſigkeit mit einer Menge kleiner, ölartig glänzender Molecüle, die entweder vereinzelt oder in rundlichen Maſſen vorkamen, zu beitehen fchien. Hie und da zeigten ſich auch einige veränderten Epithelialzellen glei— chende Gebilde, aber nirgends eine Spur von Samenfaden. Einige der letzteren fanden ſich dagegen im Canale des Nebenhodens; ihre Geſtalt wie ihre Größe war von den Samenfaden anderer Säuge— thiere in nichts verſchieden; ſie maßen Yaooo Zoll. Vom os pubis verliefen 2 ſtarke Muskeln, etwa ſo groß wie der biceps des menſch⸗ lichen Armes zu den corporibus cavernosis penis, die, nach ihrer Juſertion und Lage zu ſchließen, die Ereetion der ungeheuren Ruthe unterſtützen. (The Annals and Magazine of natural history 1847, No. 135.) (L'lustitut 1847, unde. (J) über den relativen Werth des Eiſenoxydhydrats und der Magneſia als Gegengift gegen arſenige Säure. Von Hrn. Caventou. Ich habe ſchon früher (Revue scientiſique, No. 93, p. 170) einiges über den Vorzug bekannt gemacht, welchen das Eiſenorydhydrat als Gegengift gegen die arfenige Säure vor der Magneſia hat. Übrigens verkannte ich den Nutzen, welchen das letztere Mittel, wenn es allein zu Gebote ſteht, gewähren kann, keineswegs, ja ich ſah durchaus nichts un— paſſendes darin, in Vergiftungsfällen beide Mittel mit ein— ander vermiſcht, zur Anwendung zu bringen. Einer meiner Collegen, Hr. Buſſy, iſt meiner Anſicht über dieſen Gegenſtand entgegengetreten und hat im No— vemberhefte 1847 des Journal de chimie médicale einige Beobachtungen mitgetheilt, welche ſeine Anſicht unterſtützen ſollen. Dies kann mir nur willkommen ſein, da durch der— gleichen Erörterungen die Wahrheit nur gewinnen kann, was, da es ſich hier um einen ſo wichtigen therapeutiſchen Punkt handelt, immer wünſchenswerth iſt. Die Magneſia wirkt, gleich dem Eiſenorydhydrate auf die im Nahrungsſchlauche befindliche arſenige Säure, indem ſie das Gift in ein (in Waſſer) unauflösliches Salz ver— wandelt; da aber von dieſen arſenigſauren Salzen dasjenige der Magnefta ſich weit leichter und in weit ſtärkerem Ver— hältniſſe in ſalzſaurem Ammonium auflöſ't als dasjenige des Eiſens, ſo hatte ich behauptet, daß der Fall viel leichter vorkommen könne, daß das erſtere wieder aufgelöſ't und abſorbirt werde als das letztere, da in den von der Schleim— haut des Magendarmcanals ſeeernirten Flüſſigkeiten ſalzſaures Ammonium enthalten iſt; deßhalb alſo ſei das Eiſenhydrat ein zuverläſſigeres Gegengift als die Magneſia. Ohne die Auflöslichkeit dieſer arſenigſauren Salze im ſalzſauren Ammonium zu beſtreiten, bemerkt Hr. Buſſy, daß 11 111% WI. . 12 in Betreff der Rolle, welche die Magneſia als Gegengift ſpiele, andere Bedingungen obwalten. „Es handelt ſich hier, „ſagt er,“ nicht mehr um die arſenigſaure Magneſia, wie ſie durch Miſchungsverhältniſſe entſteht, welche eine be— ftimmte chemiſche Compoſition darſtellen, ſondern die arſenige Säure verbindet ſich in dieſem Falle mit einem gewaltigen Überſchuß von Magneſia.“ In dieſem Falle wird das ſalzſaure Ammonium, weit entfernt die arſenigſaure Magnefta aufzulöſen, ſelbſt theilweiſe durch die überſchüſſige Magneſta zerſetzt, ſo daß eine bedeutende Menge Ammonium frei wird, ohne daß die darüber ſtehende Flüſſigkeit die ge— ringſte Spur von Arſenik enthält. „Da das Eiſenorydhydrat nicht die Eigenſchaft beſitzt, die Ammoniakſalze aufzulöfen, wie es die Magneſia thut, wenn ſie in Maſſe einwirkt, da jenes Gegengift ferner nicht ohne Nachtheil in ſo großer Quantität verordnet werden kann, wie die Magneſia, da ferner deſſen adſtringirende Wirkung ſich mit den zu erfül— lenden allgemeinen Anzeigen nicht ſo vollkommen in Einklang befindet als die abführend wirkende Magneſia, welche zu— gleich das Gift ſchnell aus dem Körper ſchafft,“ ſo ſchließt Hr. Buſſy, daß die Magneſia als Gegengift gegen die arſenige Säure dem Eiſenorydhydrat vorzuziehen ſei. Ich habe oben alles mitgetheilt, was Hr. Buſſy zu Gunſten ſeiner Meinung vorgebracht hat; allein da ich da— durch keineswegs überzeugt worden bin, ſo werde ich nun die Gründe darlegen, aus denen ich mehr als je bei meiner Anſicht zu verharren mich veranlaßt fühle. Zuvörderſt bemerke ich, daß mir keine wirkliche Ver— bindung der arſenigen Säure mit der Magneſia bekannt iſt als die, wo der Sauerſtoff der Säure ſich zu dem der Baſis —= 3:2 verhält. Was die Verbindung der arſenigen Säure mit einem bedeutenden Überſchuß an Magneſia bes trifft, von welcher Hr. Buſſy redet, ſo iſt dieſe wohl nur eine mechaniſche Miſchung von arſenigſaurer und gewöhnlicher Magneſia. Was die Eigenſchaft der Magneſta betrifft, die Ammoniak— ſalze theilweiſe zu zerſetzen, wenn dieſelbe in Maſſe einwirkt, ſo daß alsdann das ſalzſaure Ammonium, welches ſich im Nahrungsſchlauche befindet, nicht im Stande iſt, die arſenig— ſaure Magneſia, welche mit einer großen Maſſe einfacher Magneſia vermiſcht iſt, wieder aufzulöſen, ſo ſehe ich darin eher einen bedenklichen Nachtheil als irgend einen, Vorzug. Das durch die überſchüſſige Magneſia entbundene Atzammo— nium muß nämlich den Zuſtand der Kranken verſchlimmern, indem es die durch das Gift bereits angegriffene Schleim— haut noch mehr reizt; und wenn auf der anderen Seite das Eiſenorydhydrat den Vorzug hat, daß es die ammoniacali— ſchen Salze nicht zerſetzt, was mein College ſelbſt zugiebt, ſo dürfte es ſich, wenn es im Überſchuß mit dem arſenig— ſauren Eiſen vermiſcht iſt, der Zerſetzung des letzteren durch das ſalzſaure Ammonium eben ſo kräftig widerſetzen als die überſchüſſige Magneſia. Allein ſelbſt wenn dies nicht der Fall wäre, würde doch die Quantität des aufgelöſ'ten arſenigſauren Eiſens ſo gering und das Erbrechen ſo häufig fein, daß aus jener Zerſetzung kein erheblicher Nachtheil entſtehen könnte. Hr. Buſſy meint alsdann, das Eiſenorydhydrat laſſe ſich ohne Nachtheil nicht in ſo ſtarken Doſen verordnen als die Magneſia. Ich weiß nicht, auf welche Thatſachen mein College dieſe Behauptung ſtützt, allein ich kann deren Richtigkeit nicht zugeben, da ſehr viele Fälle vorliegen, in welchen das Eiſenorydhydrat gegen Vergiftungen durch ar— ſenige Säure mit dem ausgezeichnetſten Erfolge gereicht worden iſt, ohne daß aus der Stärke der Doſis desſelben je der geringſte Nachtheil entſprungen wäre, und ich könnte viele Beweiſe anführen, wo dieſes Mittel jo ſchnell wirkte, daß die gräßlichen Schmerzen, welche das Gift im Magen erregte, augenblicklich aufhörten *). Kann endlich die adſtringirende Kraft des einen, ſowie die abführende des andern Mittels in dieſem Falle den Aus— ſchlag geben? In den dringenden Fällen, wo man dieſe Gegengifte zu verordnen hat, ſcheint auf dieſe Eigenſchaften wenig anzukommen, da alles darauf ankommt, die Wirkung des Giftes zu hemmen, welches einen brennenden Durſt, furchtbare Koliken, häufige grünlich oder ſchwärzlich gefärbte Stühle von ſehr üblem Geruche ꝛc. veranlaßt. Dieſen grau— ſamen Symptomen gegenüber hat die ſehr mild adſtringi⸗ rende, ſowie die abführende Wirkung des Eiſenorydhydrats und der Magneſia ſicherlich wenig zu bedeuten. Denn die Nothwendigkeit die corrofive Wirkung des Giftes aufzuheben, tritt hier entſchieden in den Vordergrund. Ich ſehe alſo keinen einzigen Grund ab, weßhalb die Magneſia vor dem Eiſenorydhydrate den Vorzug verdienen ſollte; wogegen ich gern zugebe, daß wenn man das letztere nicht bei der Hand hat, das erſtere mit großem Nutzen ver— ordnet werden könne, vorausgeſetzt, daß man den Cohäſions— zuſtand derſelben gehörig ermittelt habe. Hrn. Buſſy verdanken wir nämlich die Bekanntſchaft mit dem Umſtande, daß, wenn die Magneſia zu ſtark caleinirt iſt, dieſelbe auf die arſenige Säure nicht einwirkt und alſo durchaus nicht als Gegengift dienen kann. Hr. Chriſtiſon hat dieſe Entdeckung des Hrn. Buſſy beſtätigt. Das Eiſenorydhydrat iſt von dieſem Übelſtande frei; es iſt ferner geſchmacklos und verurſacht nicht den Ekel, den der Erdgeſchmack der Magneſia hervorruft; auch entbindet es nicht gleich der letzteren, Ammonium im Magendarmcanale. Allerdings könnte man gegen dieſen letzten Einwurf gegen die Magneſia erinnern, daß man in der Heilkunde häufig Magneſia als abſorbirendes (ſäuretilgendes?) und abführendes Mittel an— wende, ohne daß daraus die erwähnte üble Folge alsbald entſpringe. Darauf erwidre ich zusörderſt, daß die fraglichen pathologiſchen Umſtände nicht dieſelben ſind, wie bei einer Vergiftung, und in Betreff der abführenden Wirkung der Magneſia fragt es ſich, ob nicht gerade durch die Entbin— dung von Ammonium im Nahrungsſchlauche durch dieſe Baſis jene wahre Entzündung der Schleimhaut des Magendarmcanals erzeugt werde, welche die HHrn. Trouſ— ſeau und Pidoux bei Perſonen wahrgenommen haben, *) Der Patient muß davon binnen kurzer Zeit 102 Kilogramm (möchte doch nicht angehen, da 102 Kilogr. gegen 2 Gntr. find; es ſoll wohl heißen ½ Kilogr., d. h. etwa 1½ Pfd. Red..) einnehmen, worauf man das Erbrechen von neuem veranlaßt. Grisolles, Traite de Pathologie interne elementaire et pratique, T. I, p. 787; L’empoisonnement par l’acide arsenieux 1846, 2eme ed. 13 111% W . 14 die zu anhaltend Magneſia gebraucht hatten, und ob nicht überhaupt die purgirende Eigenſchaft dieſes Mittels mehr von der Verwandlung dieſer Baſis in Magneſiaſalze herrühre. (Gazette méd. de Paris, 22. Janv. 1848.) (II.) Lähmung der willkürlichen Bewegung bei Fortdauer des Gefühlsvermögens, in Folge eines Sturzes auf den Nacken. Von Hrn. Fourquet. Die Beiſpiele, daß zufällige Lähmungen ſich lediglich auf die Bewegungsfähigkeit beſchränken, ſind weder ſo häufig noch ſo gründlich unterſucht, daß ſie mit Stillſchweigen übergangen zu werden verdienten, zumal wenn, wie in dem vorliegenden Falle, die Leichenöffnung in der genauen Be— grenzung des Sitzes des Leidens den eigentlichen Grund der Begrenzung der Lähmung auf anatomiſchem Wege hat nach— weiſen können. Beobachtung. Die 52jährige, gut conſtituirte und geſunde Epiphania Paniagua ſtürzte am 23. Oct. 1846 aus einer Höhe von etwa 4½ Fuß Com Pferde) auf den Nacken und konnte von dem Augenblicke an keinen Körper— theil von den Füßen bis zu den Armen incl. im geringſten bewegen. Am 9. Nov., wo ſie der Verf. zum erſten Male ſah, fand er dieſelbe mit gebeugten unteren Extremitäten, aller willkürlichen Bewegung beraubt und bedeutend erkaltet, während das Empfindungsvermögen der oben bezeichneten Theile fortbeſtand; Zunge feucht und mit Schleim belegt; Verſtopfung, Harnverhaltung, Schmerzen im Halſe und Schlafloſigkeit. Einige Tage darauf empfand ſie in den Beinen theils von ſelbſt, theils wenn man dieſelben, um die Lage der Kranken zu verändern, bewegte, Schmerzen. Den 16. Nov. zeigten ſich am Heiligenbeine und an den Trochanteren Geſchwüre; Zunge trocken, Durſt und ſchmerzhafter Drang zum Uriniren. Den 18. Nov. Kolik, Tympanitis, ſchwierige und ſchmerz— hafte aber willkürliche Ausleerung von Harn und faeces. Dieſe Erſcheinung der willkürlichen Ereretion beſtand von da an fort. Den 21. Nov. bekam die Kranke Schmerzen in den Armen, die Zunge wurde immer trockener; es trat Erbrechen ein; die Reſpiration ward ſupradiaphragmatiſch“); Betäubung, Sinken der Lebenskraft. Der Tod erfolgte am 24. Nos., 32 Tage nach dem Unglücksfalle. Leichenöffnung. Eine ausgedehnte Ekchymoſe in dem Zellgewebe um den mittleren Theil der Halswirbel. Bruch des Körpers des fünften Halswirbels. Vortreten des einen der beiden Knochenfragmente nach hinten; Trennung der untern Gelenkflächen in derſelben Richtung; Ekchymoſe im Zellgewebe innerhalb der Rückgratshöhle; Comprimirung faft der ganzen vorderen Portion des Rückenmarkes nach der Quere vor dem oberen Fragmente des gebrochenen Wirbel— beines nebſt geringer Erweichung des Markes. *) Die Gazette médicale macht bei dieſem Ausdrucke ein Fragezeichen. Derſelbe ſoll wohl bezeichnen, daß die Reſpirationsbewegungen unterhalb des le nicht mehr ſichtbar, daß nämlich die Bauchmuskeln dabei nicht mit aͤtig waren. Zu dieſer Beobachtung macht der Verf. folgende Be— merkungen: 1) Sebt er die phyſiologiſche Wichtigkeit eines Falles hervor, in welchem die Leichenöffnung das Vorhandenſein ſämmtlicher Verletzungen beſtätigt, welche man nach dem, was wir über die Functionen des Nervenſyſtems wiſſen, durch die Beobachtungen am Krankenbette vermuthen mußte. (Übrigens wollen wir im Vorbeigehen bemerken, daß der Zuſtand der Reſpiration beinahe gänzlich unbeachtet geblie— ben iſt.) 2) Auf der anderen Seite wurde die Diagnoſe durch die Bekanntſchaft mit der Localiſirung der Bewegungs- und Empfindungsfähigkeit außerordentlich erleichtert. (Allerdings konnte dieſe Diagnoſe, welcher überdies die gänzliche Ab— weſenheit von Störung der Intelligenz zu Hülfe kam, in dieſem Falle, wo man ſich ſogar jedes Verſuches der Wieder— einrichtung der Verrenkung enthalten zu müſſen glaubte, wenig helfen. Übrigens ſchloſſen die Umſtände den Gedan— ken, daß der Grund der beobachteten Erſcheinungen ledig— lich in der Erſchütterung zu ſuchen ſei, völlig aus.) 3) Die ſpätere Rückkehr der Ereretion des Harnes und der faeces traf mit dem Eintreten von Schmerzen in den gelähmten Extremitäten zuſammen, und dieſe Veränderung iſt unſtreitig der Entzündung zuzuſchreiben, welche ſich als— dann in den gequetſchten Theilen des Rückenmarkes entwickelte und deren Spuren ſich bei der Leichenöffnung durch die Erweichung desſelben deutlich erkennen ließen. (Aus der ſpaniſchen Gaceta medica, April, Mai und Juni 1847; Gazette medic. de Paris, 15. Janv. 1848.) (III.) Herſtellung einer feit dreiundzwanzig Jahren verlorenen Sprechfähigkeit durch die Galvanopunctur. Von Hrn. Camino. Im Jahre 1813 verfiel die damals 47 Jahre alte Roſa Ponti durch einen heftigen Schrecken in eine tiefe Ohnmacht. Als ſie nach und nach wieder zur Beſin— nung gekommen war, konnte ſie gehen, allein die Arme und der Kopf blieben mehr oder weniger gelähmt und in zitternder und ſchmerzhafter Bewegung. Von dieſer Zeit an konnte ſie nicht mehr reden; ſie ſtotterte zuweilen, war aber nicht im Stande, ſelbſt ein nur einſylbiges Wort deutlich zu articuliren. Die Zunge blieb zwiſchen den Zähnen unbe— weglich und ſchien überdies atrophiſch. Am 21. Mai 1836 führte man eine Metallnadel in den Hals der Patientin ein, indem man die Spitze nach dem Ocecipitalaſte des erſten nervus cervicalis richtete und fie dann mit dem Drahte des Zinkpols einer Voltaiſchen Säule in Verbindung brachte. Indem man hierauf die Zunge mittels eines Streifens desſelben Metalls hob und ſchwebend hielt, ſchloß man den Kreis dadurch, daß man den Knopf eines meſſingenen Directors mit der Spitze Die ſes Organes in Berührung brachte. Die Kranke verrieth 15 111. VI. 1. 16 durch lebhaftes Zurückfahren, daß ſie einen Schlag ver— ſpürt hatte. Der Verſuch ward wiederholt, und dieſelbe Erſcheinung trat in noch auffallenderem Grade ein. Die Kranke erhielt alsbald die Fähigkeit, die Zunge zu heben, wieder. Nachdem ſie noch drei Schläge erhalten,, rief ſie aus: „Ach Gott“, und ſie konnte nunmehr, wenngleich mit großer Mühe, einige Fragen beantworten. Es gelang ihr auch, die Zunge von einer Seite zur anderen zu bewegen. Als ſie am folgenden Tage wieder in derſelben Weiſe einige Schläge erhalten hatte, veränderte Dr, Camino die Berührungspunkte, ſo daß die Elektrieität in verſchiedenen Richtungen einwirkte. Die Patientin zeigte ſich mehr und mehr erregbar; die Zunge konnte ſich immer freier bewegen, und die Fähigkeit, zu articuliren, machte in demſelben Ver— hältniſſe Fortſchritte. Man ließ die Kranke dann zwei Tage in Ruhe, wäh— rend deren fie ſich im Sprechen übte und den Tönen mehr Reinheit und Beſtimmtheit zu geben lernte. Bald konnte ſie ſo gut reden, wie früher, und ſie that dies nun mit einer Geläufigkeit und einem Eifer, als oh fie ſich für ihr langes Stillſchweigen vollſtändig zu entſchädigen gedächte. Alle 2— 3 Tage erhielt fie noch 4 — 5 galvanifche Schläge, da ſie ihrer Ausſage nach, deren mehr nicht aus— halten konnte. Am 10. Juni klagte fie, ohne daß fie irgend eine Veranlaſſungsurſache anzugeben wußte, über Kopfweh und ein allgemeines Gefühl von Schwere, weßhalb ihr ein Ader— laß verordnet wurde, der dieſe Symptome hob. Nach einigen fernern Sitzungen war nicht nur das Sprechvermögen in ſeiner Integrität vorhanden, ſondern die übrigen gelähmten Theile zu ihren Functionen völlig geſchickt. Die hohe Wichtigkeit dieſes Falles leuchtet von ſelbſt ein. (Gazette med. de Paris, 29. Janv. 1848.) Miſeellen. (1) Ein staphyloma der Regenbogenhaut hat Hr. Cipriani bei der Section der Leiche einer Frau genau unter⸗ ſucht. Er bemerkte, daß die iris des einen Auges anders gefärbt war als die des andern, indem die rechte blau, die linke ſehr dunkel— gelb war. Als er die letztere aufmerkſamer unterſuchte, bemerkte er, daß der Rand der Pupille geſund, aber an einer Stelle des untern Segments der großen Peripherie die iris ſo ſchwarz war, daß ſie dort ganz zu fehlen ſchien. Er unterſuchte hierauf das Innere des Auges, nachdem er zuvor den Augapfel in eine vordere und hintere Hälfte zerſchnitten hatte. Nachdem er die Membranen und die vollkommen geſunde Glasfeuchtigkeit und Kryſtalllinſe von der letzteren Hälfte beſeitigt hatte, bemerkte er mit Erſtaunen, daß an der Stelle, wo ein staphyloma der uvea vorhanden zu ſein ſchien, die iris keineswegs dunkler gefärbt oder verdickt war (wie Klemmer meint), ſondern vielmehr (wie Jäger lehrt) verdünnt war; allein da die uvea an dieſer Stelle durchaus verſchwunden war, fo war ihr gegenüber die iris entfärbt und ſo durchſichtig gewor: den, daß die ſchwarze Färbung, die man daſelbſt vor dem Seeiren des Auges wahrnahm, lediglich daher rührte, daß man dort das ſchöne Sammetſchwarz, das der Grund des Auges durch die na— türliche Farbe der choroidea erhält, durchſchimmern ſah. (Gaz. med. de Paris, No. 6., 5. Feyr. 1848.) Über dieſen Zuſtand vergl. meine Beobachtungen in den „Chirurgiſchen Kupfertafeln“ Taf. 271 Heft 53. — R. F. (2) Das Zinkweiß in den Künſten und Gewerben an die Stelle des Bleiweißes zu ſetzen, bringt Hr. Le⸗ claire in einer Mittheilung an die Pariſer Akademie der Wiſſen— ſchaften in Vorſchlag. Haͤuſermaler von Profeſſion hat er ſich ſchon lange mit Löſung der Aufgabe beſchäftigt, die ſchädlichen Farbeſtoffe durch unſchädliche zu verdrängen, und endlich hat er in dem Zinkweiß diejenige Subſtanz erkannt, welche das Bleiweiß voll— ſtändig erſetzen kann, ohne irgend einen der Nachtheile des letzteren zu beſitzen. Weder die Fabrication noch die Verarbeitung des Zinfweißes iſt der Geſundheit im geringſten nachtheilig. Hr. L. hat eine vollſtändige Scala dauerhafter Farben aus unſchädlichen Farbeſtoffen hergeſtellt und dadurch einer großen Claſſe von Gewerb- treibenden ein unſchätzbares Geſchenk gemacht. Die Akademie er— nannte eine aus den HHrn. Thénard, Chevreul und Dumas gebildete Commiſſion zur Prüfung der Leclaireſchen Arbeit, welche auch bei dem Monthyonſchen Preiſe mit concurriren wird. (Gaz. med. de Paris, 29. Janv. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. H. W. Dove, Temperaturtafeln nebst Bemerkungen üb. die Verbreitung der Wärme auf der Oberfläche der Erde u. s. W. gr. 4%. Geh. 1½ Thlr. Reimer in Berlin 1848. 5 a B. P. Stanley. — Familiar History of Birds; their Nature, Habits, and Instincts, Ath edition. fep. 8°. (pp. 490, with numerous woodeuts, cloth, 5 sh.) London 1848. Hr h 2 Catalogue des oiseaux qui ont été observes en Auvergne; par M. E. de Chalaniat. In 8° de 8 feuilles ½. Clermont-Ferrand 1847. L. Pfeiffer, Monograpbia heliceorum viventium. Fasc. III. Geh. 1½ Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1848. BE Manuel general des plantes, arbres et arbustes, ou Flore des jardins de l’Europe, classes selon la methode de de Candolle, ouyrage contenant toutes les especes de Dumont de Courset, auxquelles ont et& ajoulces plus de 13 mille espöces; par M. Jacque. Tome I., p. 508-716. Sixieme et septieme livraisons. Fin du tome 1. Petit in 8° de 6 feuilles. — Idem , tome II. Huitieme livraison. Petit in 8e de 3 feuilles. Paris 1848. (L’ouvrage formera 3 vols. petit in 80 à deux colonnes, distribues en 20 livraisons. Prix de chaque livraison 1 fr. 50 Ct., des 3 volumes 30 fr.) a A. Callow. — Popular Field Botany; containing a familiar and technical Description of the Plants most common to the various localities of the Bri- tish Isles, adapted to the Study of either the Artificial of Natural Systems: with lithographed Figures of 80 Species. Royal 16. (pp. 412, plain, 7 sh.; coloured 10 sh. 6 d.). London 1848. gr. 8°. 27 Sgr. Volke’s Buchh. gr. 80. A. Bertolonii, Flora Italica, vol VII. fasc. I. in Wien 1847 C. Daubeny. — A Description of active and extinet Volcanos, of Earth ua- kes, and of Thermal Springs. 2d edition, much enlarged. 8°. (pp. 752, cloth, 21 sh.) London 1848. J. Mayne. — Pocket Dispensatory and Therapeutical Remembrancer; com- prising the entire Lists of Materia Medica, Preparations, and Compounds: with a full and distinct Version of every Practical Formula as authorised by the London, Edinburgh, and Dublin Royal College of Physicians. 12. (pp. 282, cloth, 7 sh. 6 d.) London 1848. L. Fleckles, brunnenärztliche Mittheilungen über die Wahl der Jahreszeit beim Gebrauche der Karlsbader Mineralquellen, gr. 8e. Geh. ¼ Thur. Fr. Fleischer in Leipzig 1848. Du cowpox, ou vaceine primitive; par J. Mignon, docteur en médecine. In 8° de 7 feuilles ½. Paris 1848. (Prix 2 fr.) C. Schneemann, die sichere Heilung der Scharlachkrankheit durch eine neue Ede? gr. 8°. Geh. Y, Thlr. Hahnsche Hofbuchh. in Hannover 1848. De lV’influence du strabisme sur l’exereice de plusieurs professions. Memoire; par Ch. J. F. Carron du Villards. In 8° d'une feuille %,. Strasbourg 1847. Journal of Psychological Medicine and Mental Pathology. No. I. 8°. (pp. 192, sewed, 3 sh. 6 d.) London 1848. F. M. Kilian, Versuche üb. die Restitution der Nervenerregbarkeit nach dem Tode. gr. 8%. Geh. ½% Thlr. J. Ricker in Giessen 1847. De l’etherisation. These; par Andre Krust, de Cernay. In 4° de 7 feuilles. Strassbourg 1847. Des effets physiologiques et therapeutiques des ethers: par H. Chambert, 5 0 en médecine. In 8 de 16 feuilles ½. Paris 1848. (Prix 3 fr. 50 ct. Etat actuel de la science sur les inhalations d’ether employees pour engour- dir la sensipilite; par J. J. Hippolyte Aguilhon. In 86 d'une feuille . Riom 1847. Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Hierzu 1 Tafel Abbildungen in 40. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. N.. 112. (r. 2. des v1. Bandes.) März 1848. Naturkunde. v. Heßling, hiſtologiſche 1 Grands) — Regnault, üb. die Reſpiration der Thiere. — Mifcellen. de Caſteln au, Schlangen in Südamerica. Harnſtoff im Auge. kunde. Gibert, Wachholderöl und verſchiedene bituminöſe, harzige und brenzliche Subſtanzen egen Flechten. — Hughes, eine vier Monate ie en des rad.us und der ulna nach hinten. — Mijcele. Herapath, Höllenjteinfleden aus elnwand zu bringen. — Bibliographie. Natur kunde. J. Hiſtologiſche Beiträge. Von Dr. v. Heßling in Jena. (Hierzu Fig. 10 — 13 der mit No. 1 dieſes Bandes ausgegebenen Tafel.) (Fortſetzung.) Eine genauere Berückſichtigung verdient auch das Verhalten der Papillen zu den eigentlichen Ausführungs— gängen der Niere, dem Becken und Kelchen, da es in den Handbüchern der Anatomie noch nicht ſcharf genug hingeſtellt iſt. Die Sache geſtaltet ſich folgendermaßen. Bekanntlich erweitert ſich der ureter, der die Dicke eines Schreibefeder— kieles hat, zu einem trichterförmigen Behälter — Nieren— becken — welcher ſich in zwei bis drei Aſte ſpaltet — Nie— renkelche —, von denen jeder ſich wieder in zwei bis drei kleinere Aſte theilt — kleinere Nierenkelche —, welche ſich an ihrem der Nierenſubſtanz zugekehrten Ende erweitern. Dieſe genannten Theile beſtehen aus vielfach verfilzten Zell— gewebsfafern mit darunter gemiſchten organiſchen Muskel- faſern und einer nach innen gelegenen Schleimhaut, d. h. einer Schicht von Cylinder- und Pflaſterepitelien (Fig. 10). An der oben erwähnten Erweiterung der zweiten Claſſe von Aſten hört jedoch das contractile Gefüge auf, und nur die zarte Schleimhaut bildet einen blafigen Grund; auf dieſem erheben ſich, analog den frühern Verästelungen, mehrere Aſtchen (Fig. 11, a, b), aus welchen ſich erſt die Harn— canälchen, ſogleich bei ihrem Abgange durch dichotomiſche Theilung ſich ſtark vermehrend, fortſetzen und durch ihre Ausſtrahlungen das Mark bilden. Die Niere hat alſo bis— her einen, den andern Drüſen, z. B., Lungen, analogen Bau, und zwar ſammeln ſich die feinern Aſte (Harncanälchen) zu kleinern Reſervoiren, dieſe zu den kleinen Kelchen, dieſe zu den größern, dieſe zum Becken, dieſes mündet in den Harnleiter (Fig. 12); zwiſchen den einzelnen größern Röh— No. 2092. — 992. — 112. ren ſind bauchige Erweiterungen zur Anſammlung eines reichhaltigen Seeretes angebracht. Bedenkt man ferner, daß ſo viele ſelbſtändige Nierenbündel, als Warzen ſind, jene an ihrer Baſis und ihren Seiten von einer größern Drüſen— maſſe umgeben, mit einander verwachſen, und das ganze Gewebe von einer ſtraffen Membran, welche ſich noch dazu feſt an die letztern, ſtärkern Ausgangsäſte anlöthet, umſpannt wird, jo wird dadurch das Hineinſtülpen der ſchwächeren Markſubſtanz in die noch aus feſterm Zellgewebe beſtehenden kleinern Kelche bedingt und die Geſtalt eines Bouteillen— nabels erzeugt. Deßhalb öffnen ſich auch die Canälchen nicht ausſchließlich an der Spitze des Kegels, ſondern an ſeiner ganzen Oberfläche, d. h. an der ganzen, in ſich ſelbſt eingeftülpten Schleimhaut des kleinen Kelches. Die Harn— canälchen beſtehen ganz aus demſelben Gefüge, wie jene, nur verlieren ſich die Cylinderepitelien und die Grundmem— bran, welcher die Pflaſterepitelien aufſitzen, nimmt bei ihrem weitern Fortſchreiten an Feinheit zu (Fig. 13). Der phy— ſiologiſche Zweck dieſer Anordnung der Theile ſpringt bei einiger Beruückſichtigung der Quantität und Qualität des Secretes leicht in die Augen. Was die pathologiſchen Veränderungen der Nieren betrifft, ſo gehört diejenige, welche ein albuminöſer Harn begleitet, zu den intereſſanteſten, theils wegen der Wichtig— keit des Proceſſes an ſich, theils wegen der noch herrſchen— den Unordnung in dem anatomiſchen Befunde, ſo daß jeder kleine Beitrag, wenn er nur das Reſultat einer genauen und richtigen Unterſuchung liefert, ſeine Entſchuldigung findet. Mein verehrter Freund Prof. Ried überſchickte mir die linke Niere eines vor kurzem an Albuminurie Verſtorbenen, welcher nebenbei mit elephantiasis der untern Extremitäten behaftet war, zur mikroſkopiſchen Unterſuchung, welche nach— ſtehendes ergab. 2 19 142. W. 2. 20 Der Umfang der von ihrer dichten Fetteapſel abgelöſ'⸗ ten Niere war vermehrt, die Höhe betrug 5,6“, die Breite 2,8“, die Dicke 2,1“; die äußere Oberfläche, auf welcher 9 — 10 Furchen als Zeichen früher getrennter Lappen ein— gezeichnet waren, war röthlich gelb, mit rothen eingeſpreng— ten Punkten und einzelnen kleinen, durchſcheinenden Hydati— ten beſäet, ſonſt ziemlich glatt. Nach Abzug der fibröſen Haut, welche keine Verdickungen und unter ſich ein ſtark angefülltes Capillarnetz hatte, erſchien die angeſchwollene, rauhe, wachsgelbe Rindenſubſtanz von der Conſiſtenz des Speckes. Ihre innere Durchſchnittsfläche iſt wie mit fein— körnigem Sande beſtreut und läßt den darüber gleitenden Finger die kleinen Erhabenheiten deutlich fühlen. Die Mark— ſubſtanz war bis auf drei Kegel, welche durch ihre dunkel⸗ rothe Färbung von der übrigen Geſammtmaſſe abſtachen, gänzlich verdrängt; die Schleimhaut des Beckens blaß, auf— gelockert, ohne alle Gefäßinjection. Das Erſte, was ſich der mikroſkopiſchen Unterſuchung darbietet, ſind die ſchon am durchſchneidenden Meſſer hängend bleibenden, kleinen Körnchen. Hält man einen feinen Durch— ſchnitt der Rinde gegen das Licht, ſo erſcheinen ſie dem bloßen Auge heller, durchſichtiger, als die übrige Subſtanz, in welcher fie eingebettet find. Bei einer 30fachen Ver— größerung des Doublets und zarter Behandlung mit feinen Nadeln kann man ſie aus ihrem Lager, an deſſen einer Wandung ſie mit einem äußerſt dünnen Stielchen befeſtigt find, herausheben; fie haben verſchiedene Größe von 0,09 — 0,13““ und darüber im Querdurchmeſſer, ein gelapptes, maulbeerartiges Anſehen und ganz die Conſiſtenz und Licht— brechung der Linſenſubſtanz; durch leiſen Druck kann man fe in 3— 4 leicht zerfallende, eben durch dieſe Läppchen vorgezeichnete Theile ſprengen oder in zwei Hälften theilen, wo ſie die Form eines kleinen Sternchens annehmen. So leicht dieſe Art der Präparation gelingt, ſo ſchwierig und wenig genügend iſt die Kenntnißnahme ihres Gefüges unter dem Compoſitum bei ſtärkern Vergrößerungen, inſonderheit wegen ihrer großen Durchſichtigkeit. Man erkennt ſie da als die bekannten Malpighiſchen Körperchen oder Gefäß— knäuel, welche haupsfächlich durch die Veränderlichkeit ihrer Größenverhältniſſe auffallen und gewiß zu vielen Verwechs— lungen und falſchen Deutungen Anlaß geben. Im Mittel von Meſſungen beträgt die Dicke einer Gefäßſchlinge 0,0074“, des Aſtchens, welches zum Knäuel tritt, 0,0141’, des Ge— fäßes, von dem letzteres abgeht, 0,040“ Je kleiner das Körperchen iſt, deſto deutlicher ſind die Contouren der ein— zelnen Schlingen; je mehr es an Größe zunimmt, deſto mehr verſchwimmt das ganze Bild des Objectes, und worin liegt der Grund davon? in dem das Körperchen umgebenden, in verſchiedener Quantität ausgeſchwitzten, weichen Exſudate. Dieſes umhüllt nicht bloß die einzelnen Schlingen, ſondern drängt ſich auch zwiſchen dieſelben, ſo daß das ganze Kör⸗ perchen in einer gelatinöſen Kugel liegt, deren Größe je nach dem Quantitätsgrade der Ausſchwitzung wechſelt. Daß Harncanälchen mit oder ohne Inhalt um den glomerulus noch beſonders ſich lagern, wodurch es an Größe gewänne, habe ich hier nicht beobachtet; im Gegentheile die erſudirte Maſſe drängt die im Normalzuſtande denſelben einſchließen— den Röhrchen aus einander, und dadurch, daß die Dichtig— keitsverhältniſſe beider variiren, findet eine Aus ſchälung aus der von jenen gebildeten Hülle um ſo leichter Statt. Man kann ſich auch deutlich überzeugen, daß die Wandungen der Grübchen oder Aushöhlungen von einer feſtern, den Zer— rungen der Nadeln widerſtehenden, dunklern, bald körnigen, bald faſerigen und die Canälchen einſchließenden Grundmaſſe gebildet werden. Der Farbenunterſchied hat nur in der Leere der Gefäßſchlinge und dem gefüllten Inhalte der Röhr— chen ſeinen Hauptgrund. Allerdings finden ſich aber in dieſer Erxſudathülle verſchiedene Zellen- und Kernbildungen, namentlich geſchwänzte, in Anordnung zur Faſerbildung be— griffene Zellen, ſowie bisweilen zwiſchen den Schlingen kleine Choleſterinkryſtalle ſtecken. Zur Ergründung dieſer Ver— hältniſſe gelangt man jedoch nur durch eine Reihe angeſtell— ter Beobachtungen, indem gar manches einzelne Objeet ohne alle nur mögliche Deutung an dem Beobachter vorübergeht, und überdies die Reagentien ihre Dienſte verſagen. Eſſig— ſäure, ſelbſt ganz verdünnte, macht die Gelatine noch durch— ſichtiger, und durch das maſſenhafte Auftreten von Kernen hört jede feinere Unterſcheidung auf; Kalilöſung verwandelt das ganze Präparat in einen durchſichtigen Klumpen, aus dem ſich nichts entziffern läßt. Mit dem Compreſſorium oder ſelbſt einfachen Drucke des Deckgläschens wird das Körperchen bei ſeiner Conſiſtenz ein unkenntlicher Brei. Am beſten gelangt man noch zum Ziele, wenn man mit der Unterſuchung der kleinſten Gefäßknäuel, welche, wegen ihrer Leere auch durchſichtig, doch ein deutliches Bild geben, an— fängt und dieſelben nach ihrer Größe ſucceſſio verfolgt, wo= durch die allmälig Statt findenden Übergänge den beſten Aufſchluß geben. Ein Inhalt war bei den größern Knäueln nicht zu erkennen, in den kleinern waren nur ſelten Blut- zellen oder Fettmolecüle zu ſehen. Von der Nichteriſtenz einer Capſel, welche ich früher zu beweiſen ſuchte, bin ich auch bei dieſer kranken Niere beſtimmt überzeugt worden. Nur zwei Punkte will ich wegen möglicher falſcher Deutung kurz berühren. Will man unter dem Doublet aus einem feinen Rindenſchnitte ein Körperchen herauspräpariren, ſo folgt nicht jedes willig der führenden Nadel, ſondern erſt nach ſtärkerm Drucke tritt es aus einer feinen Membran theilweiſe heraus, wodurch es den Anſchein bekommt, als ſprenge man eine zarte Hülſe desſelben; bei näherer Betrachtung findet man aber, daß dieſes dünne Häutchen nichts anderes iſt, als eine Schicht der Nierenſub— ſtanz, hinter welcher in Folge der Zufälligkeit des Schnittes das Körperchen liegt. Ein anderes Bild, welches wegen täuſchender Ahnlichkeit zu dem Glauben an eine Capſel ver— locken könnte und bisweilen auch bei geſunden Nieren vor— kommt, iſt folgendes: Um den glomerulus lagern ſich ent⸗ weder dicht oder in einiger Entfernung, je nach ſeiner Geſtalt, kreisrunde oder ovale Faſern, welche für Begrenzungen einer umhüllenden Membran gelten können; dieſe ſind aber nur die Contouren der Nierenſubſtanz ſelbſt, worin das Körper— chen liegt, und hat man dasſelbe entfernt, ſo ſtößt man mitunter auf eine Aushöhlung oder einen Canal mit ſchief 21 112. VI. 2. 22 nach innen verlaufender Wandung, welche, wie ſchon er— wähnt, aus Nierencanälchen und dem zwiſchen ihnen ab— gelagerten Blaſteme beſtehen. Während alſo im gefunden Zuſtande der äußere Rand des den glomerulus umgebenden Harnröhrchens die Contouren einer ſcheinbaren Capſel zeich— net, iſt es bei dieſer pathologiſchen Veränderung die innere Begrenzung desſelben, weil einerſeits durch eine feſter gewor— dene Grundſubſtanz, andererſeits durch eine neu gebildete Umhüllung des Knäuels das Lageverhältniß eine Anderung erlitt. Von den Capillargefäßen war in der Rindenſubſtanz, mit Ausnahme der Peripherie, in welcher von Blut ſtrotzende Aſtchen, von 0,014 — 0,018““ Dicke, ein ausgebreitetes Netz bildeten, nichts zu ſehen; in den blutreichen Pyramiden kamen ebenfalls zahlreiche Gefäßveräſtelungen von gleichem Durchmeſſer vor. Was die Harncanälchen anbelangt, ſo traf ſie in der Rinde faſt ein gleiches Loos wie die Gefäß— knäuel; auch ſie wurden von dieſem fibrinöſen Erſudate eingehüllt und die Beſchaffenheit ihres Inhaltes dadurch der Beobachtung entzogen; wo ihr Durchmeſſer meßbar war, betrug er 0,042“. In der Markſubſtanz, wo eine klarere Einficht möglich wurde, meſſen die Röhrchen 0,0147 — 0,037“ und zeigen alle möglichen Übergänge von Zellen - und Kernbildungen: Zellen mit einem, zwei Kernen von 0,0035 — 0,011““ Diürchmeſſer, bloße Kerne mit zwei bis drei Kernkörperchen, von welchen immer eines durch beſondere Größe ſich auszeichnet, 0,005““ breit, 0,0089““ lang; die Zellen liegen dicht an einander, werden dadurch polyedriſch und bilden ein zierliches Moſaik; an den Wandungen des Canälchens ziehen ſich die Zellen mit ihren Kernen mehr in die Länge, in andern iſt bloß ein feinkörniger Inhalt ſichtbar. Zwiſchen den geſtreckt verlaufenden Röhrchen find Bindegewebefaden von verſchiedener Dicke, mitunter in die Länge gezogene Kernzellen, abgelagert. Die aus den Pa— pillen ausgedrückte Flüſſigkeit enthält außer den zellen- und kernhaltigen Abgüſſen der Röhrchen auch Kryſtalle von phos— phorſaurem Magneſia-Ammoniak. Fett, auf deſſen großen Gehalt man nach dem äußern Anſehen der Niere ſchließen ſollte, iſt verhältnißmäßig nur in geringer Quantität vor— handen. Man trifft freies Fett, Zellen mit kleinen Fettkü— gelchen angefüllt, 0,0130 im Durchmeſſer, an der Über: gangsſtelle der Rinde ins Mark; Harncanälchen ganz mit Fettmolecülen angefüllt, ſchon dem freien Auge an den fei— nen, weißen Streifen erkennbar; bisweilen kommen auch nach der Form des Harncanälchens an einander gereihte Fettkü— gelchen vor, ohne daß Wandungen daran zu erkennen wären. j (Fortſetzung folgt.) II. über die Reſpiration der Thiere. Von Regnault. Der Verf. theilt der Pariſer Akademie ſeine in Gemein— ſchaft mit Reiſet unternommenen Verſuche und eine Zeich— nung des von ihm conſtruirten Apparates mit. Ein Auszug feines Vortrages findet ſich in No. 733 des Institut von 1848. Bei den bisherigen Reſpirationsverſuchen beſtimmte man entweder die Beſtandtheile einer abgeſperrten Luft, in der ein Thier längere Zeit geathmet, oder brachte dasſelbe auch in einen engen mit 2 Gaſometern verbundenen Raum, in⸗ dem man aus dem einen Gaſometer normale atmoſphäriſche Luft langſam durch den für das Thier beſtimmten Behälter gehen ließ, um ſie verändert in den zweiten Gaſometer wie— der aufzufangen. Im erſteren Falle verändert ſich mit der Zuſammenſetzung der Luft auch ihr Verhältniß zur Reſpira⸗ tion des Thieres, im zweiten ſind dagegen die Differenzen ſo gering, daß eine genaue Beſtimmung ſehr erſchwert wird. Des Verf. Methode iſt weſentlich verſchieden, bei ihm ver— weilen die Thiere mehrere Tage lang in einem verfchloffenen Raume, in welchem die normale Luftzuſammenſetzung in demſelben Maße, wie ſie ſich durch die Reſpiration verändert, durch eine Vorrichtung des Apparates ſelbſt wieder hergeſtellt wird. Die Schwankungen im Stickſtoffgehalte der Luft zei— gen ſich an den Volumveränderungen eines beſtimmten Luft- volumens. Der Apparat beſteht demnach im weſentlichen aus 3 Theilen: 1) dem das Thier einſchließenden Raume; 2) einem Condenſator für die Kohlenſäure; und 3) einem Apparat, der das verſchwundene Sauerſtoffgas durch neues erſetzt. Eine große, etwa 45 Liter faſſende tubulirte Glasglocke bildet den für das Thier beſtimmten Raum, ſelbige wird luftdicht auf eine Metallſcheibe, die in der Mitte ein zum Einführen des Thieres beſtimmtes rundes Loch beſitzt, das gleichfalls hermetiſch verſchloſſen wird, gekettet. Dieſe Glocke wird darauf in einen Glascylinder geſtellt, der mit Waſſer gefüllt und deſſen Temperatur conſtant erhalten wird. Der tubulus der Glasglocke trägt eine metallene Faſſung, durch welche mehrere kleine Röhrchen gehen; die erſte derſelben trägt ein Queckſilbermanometer, das die Tenſion der im Innern der Glocke befindlichen Luft angiebt; 2 andere Röh— ren verbinden die Glocke mit dem Condenſationsapparate der Kohlenſäure. Dieſer letztere beſteht aus zwei gleich großen, 3 Liter faſſenden, pipettenartig geformten Glasgefäßen, deren nach unten gewandte Röhren durch eine lange mit Leinwand um— wundene Kautſchukröhre von 20 Millimeter Durchmeſſer mit einander verbunden ſind, wogegen die obere Offnung dieſer Gefäße durch 2 lange Kautſchukröhren mit der Glasglocke communiciren. Die Gefäße werden mit etwa 3 Liter einer Kalilöſung, deren Zuſammenſetzung genau bekannt iſt, ge— füllt. — Der Stand der beiden Pipetten zu einander kann beliebig geändert werden, jo daß bald die Pipette A ſämmt— liche Flüſſigkeit, Pipette B dagegen die durch das Kali von Kohlenſäure befreite Luft enthält, bald dagegen Pipette A, durch ein Wechſeln der Stellung die kohlenſäurehaltige Luft der Glocke aufnimmt und der in B geſammelten Kalilöſung zuführt. Um die abſorbirende Oberfläche der letzteren zu vermehren, ſind beide Pipetten mit an beiden Enden offenen Glasröhren erfüllt, deren von der Kalilöſung benetzte Wan— dungen, ſobald die Pipette entleert wird, begierig Kohlenſäure abſorbiren. Ein kleines Uhrwerk beſorgt regelmäßig die Stellungsveränderung der Pipetten. Die eine der letzteren 2 ** 23 112. v1. 2. 24 empfängt die Luft aus dem Scheitel der Glocke, die andere vom Grunde derſelben, und befördert ſo durch einen Strom die gleichmäßige Zuſammenſetzung der Luft im Innern der Glocke. Der Sauerſtoffapparat beſteht aus 4 großen Glasballons mit 2 tubulis, 2 derſelben faſſen etwa 25 Liter, die beiden andern 15. Die oberen tubuli dieſes Ballons haben Metall— faffungen mit 2 kleinen, mit einem Hahne verſehenen Röhren: die eine von dieſen ſteht mit der großen Glocke, in der das Thier befindlich, in Verbindung, die andere dient zum Ein— führen des Gaſes. Die unteren tubuli des Ballons find an zweiarmige kupferne Röhren gekittet; der eine Arm iſt vertical und mit einem Hahne verſehen, er dient beim Füllen des Ballons zum Abfluſſe der Flüſſigkeit, während der an— dere horizontal und mit einer langen verticalen Glasröhre verſehen, zum Hineinführen der Flüſſigkeit beſtimmt iſt. Der Sauerſtoff tritt nicht unmittelbar aus den Ballons in die Glocke, ſondern ſtreicht erſt durch ein mit concentrirter Kali— oder Chlorcaleiumlöſung erfülltes Glasgefäß, jo daß man nach dem Durchgange der Luftblaſen auf die Stärke der Reſpiration des Thieres ſchließen kann. Um die Ballons mit Sauerſtoff zu füllen, werden ſie vorher mit einer concentrirten Chlor— calciumlöſung gefüllt; das Gas wird dann durch eine der oberen Offnungen hinein und die Chlorcalciumlöſung durch den untern tubulus herausgelaſſen. Die Füllung erhält an— fangs einen etwas ſtärkeren Druck wie die Atmoſphäre; wenn das Gas die Temperatur der umgebenden Luft angenommen, wird ſie indeß auf den herrſchenden Atmoſphärendruck gebracht. Nachdem die Ballons mit Sauerſtoffgas, der Kohlen— ſäureapparat mit einer ſowohl dem Gewichte als dem Kohlen— ſäuregehalte nach genau beſtimmten Pottaſchenlöſung gefüllt iſt, wird das Thier in die Glocke gebracht, dieſelbe aber erſt, nachdem ein ſtarker Luftſtrom durch die Glocke geführt, und der umgebende Cylinder mit Waſſer von etwas höherer Temperatur wie die Luft angefüllt iſt, luftdicht verſchloſſen; die Temperatur wie der Barometerſtand notirt und der Kaliapparat in Thätigkeit geſetzt iſt. In dem Maße nun wie in der Glocke der Sauerſtoff. durch die Reſpiration des Thieres verſchwindet, ſich dagegen Kohlenſäure entwickelt, aber ſogleich von der Kalilöſung ab— ſorbirt wird, muß ſich natürlich die Spannung der Luft vermindern und dadurch ein Zutritt des Sauerſtoffs in glei— chem Maße veranlaßt werden. Ein ſich ſelbſt regulirendes Nachfließen einer Chlorcalciumlöſung durch die Röhren a b erhält die Spannung in den Ballons und der Glocke immer der Atmoſphäre gleich. Das Thier bleibt ſo lange in der Glocke, bis es 100 bis 150 Liter Sauerſtoffgas verzehrt hat, was bei einem vom Verf. benutzten Hunde in 15 bis 20 Stunden geſchah. Haſen, Hühner, Canarienvögel und andere Thiere blieben 2, 3, ja ſogar 4 Tage im Apparate. Wenn der Verſuch nur für 24 Stunden berechnet iſt, erhält das Thier keine Nahrung, im andern Falle die ihm nöthige Menge gleich mit in die Glocke. Alle Thiere befanden ſich dabei ſehr wohl und verzehrten ihre Nahrung wie gewöhnlich. Bei Thieren, die viel Sauerſtoff gebrauchen, müſſen die leer gewordenen Ballons durch friſch gefüllte erſetzt werden. Hat nun das Thier die ihm beſtimmte Menge Sauer⸗ ſtoffgas verzehrt, ſo unterbricht man den Verſuch, indem man die geringe Menge dieſes Gaſes, die noch in dem letz— ten Ballon enthalten iſt, in die Glocke treten läßt und ſo in derſelben eine geringe Spannung hervorruft. Dann wird die Temperatur des umgebenden Waſſers auf den zu Anfang des Verſuchs gegebenen Punkt gebracht, der Barometerſtand bemerkt und jo lange gewartet, bis die Spannung im In⸗ nern der Glocke der zu Anfang des Verſuches gleich iſt, was, da jetzt kein Sauerſtoff mehr nachtreten kann, bald erfolgt. Dann wird der Kohlenſäureapparat außer Thätigkeit geſetzt und mit einem Manometer eine Probe der Luft geſammelt. Iſt nun durch die Reſpiration nur Sauerſtoff abſorbirt und Kohlenſäure entwickelt worden, ſo muß die Zuſammen— ſetzung der Luft unverändert dieſelbe geblieben ſein, woge— gen, wenn eine Stickſtoffentwicklung Statt gefunden, der Sauerſtoffgehalt vermindert ſein muß. Schon das lange und keinesweges nachtheilige Verweilen der Thiere im Apparate beweiſ't, daß die Stickſtoffentwicklung nicht ſo bedeutend ſein kann, wie man ſie angegeben hat. Die eudiometriſch ana— lyſirte Luft entſchied dies noch ſicherer: die meiſten Analyſen gaben nur eine ſehr geringe, höchſt ſelten 100 der verbrauch- len Sauerſtoffmenge überſteigende, meiſtens viel geringere Stick— ſtoffentwicklung an. Waſſerſtoffgas und Kohlenorydgas (gas carbure) fanden ſich ebenfalls nur in ſehr geringer Menge. Ein Hund entwickelte indeß ein Mal mehr als 2 Liter Waſſerſtoffgas, wobei aber des Umſtandes zu gedenken iſt, daß dieſer Hund unmittelbar vorher ehe er in den Apparat gebracht ward, eine doppelte Ration Fleiſch erhalten hatte, bald darauf an Unverdaulichkeit und wiederholtem Erbrechen litt, das ausgebrochene aber gleich wieder verſchlang. Der Verſuch ward indeß, da ſich der Hund nach einigen Stunden erholte, bis zur gewährten Friſt fortgeführt. Der Verf. vermuthet, daß während der Verdauung eine beträchtliche Menge Waſſerſtoffgas entwickelt, aber unter dem Einfluſſe des Ferments oder der Membranen ſogleich wieder verbrannt werde, wie auch von mehreren Chemikern ſchon Waſſerſtoff— gas in den Gedärmen nachgewieſen iſt. Die verzehrte Sauerſtoffmenge war bekannt; die Kohlen— ſäure ward durch eine Analyſe der Kalilöſung beſtimmt und das Verhältniß zwiſchen dem im freien Zuftande aufge⸗ nommenen und dem in der Kohlenſäure gebunden wieder ausgegebenen Sauerſtoffe genau ermittelt. Von des Verf. Reſultaten führen wir nur ein Beiſpiel an. Ein junger ausgewachſener 6,390 K. ſchwerer Hund blieb 24 Stun⸗ den 30 Minuten im Apparate; er verbrauchte Sauerſtoff 182,288 Gr entwickelte Kohlenſäure .. - 185, 961 = in dieſer Kohlenfäure alfo Sauerſtoff 130 UA = die entwickelte Stickſtoffmenge betrug . ‚182 = Folglich das Gewicht des verbrauchten Se zu 100 an⸗ genommen: verzehrter Sauerſtoff .. e Gr. Sauerſtoffgehalt der Kohlenſäure 74,191 : unter einer andern Geſtalt erjmmunkenfg Sauerſtoff .- 2a ee 25,809 : entwickelter Stickſtoff 0 5 0,9802) = derſelbe Hund brauchte demnach jene Stunde im Mittel Sauerſtoff .. 5 7,44 D 25 Die Verf. benutzten denſelben Apparat für Reſpirations— verſuche in einer an Sauerſtoff reicheren bis 60 Proc. ent— haltenden Atmoſphäre als die normale Luft, erhielten aber ganz dieſelben Reſultate: ſowohl das Verhältniß des Sauer— ſtoffs zur entweichenden Kohlenſäure als die Stickſtoffmenge blieben faſt dieſelben; die Thiere ſchienen indeß nicht krank zu ſein. Sie ließen ferner kleine Thiere, z. B. Vögel, in reinem Sauerſtoffgaſe reſpiriren, die Producte ſchienen von den normalen nur wenig abzuweichen; dann brachten ſie Thiere in eine aus 79 Theilen Waſſerſtoff und 2 Thei— len Sauerſtoff beſtehende Atmoſphäre, in welcher dieſelben lange ohne ſichtbar krank zu ſein, lebten; die Reſpirations— producte waren auch hier kaum verſchieden. Endlich machten fie noch Reſpirationsderſuche in mit Kohlenſäure oder Stick— ſtofforydul erfüllter Luft u. ſ. w. Für kleine Thiere be— nutzten die Verf. einen ähnlich conſtruirten kleineren Ap— parat, mit dem ſie viele Verſuche an kaltblütigen Thieren ausführten, worüber ſie ſpäter berichten werden. Die Verf. beabſichtigten in ähnlicher Weiſe auch die Reſpiration des Menſchen zu ſtudiren. Seite (IV.) Wachholderöl und verſchiedene bituminöſe, harzige und brenzliche Subſtanzen gegen Flech— tenübel. Von Dr. Gibert am St.-Louis - Hoſpitale. Die Alten machten bei der Behandlung der Hautkrank— heiten von den bituminöſen und harzigen Stoffen, ſowie den brenzlichen Olen ſehr ſtark Gebrauch, und dieſe Mittel find in unferer, Zeit wieder ſtark in Anwendung gekommen, ohne daß die Arzte immer wußten, daß ſie hierin nur dem Beiſpiele ihrer längſt vergeſſenen Vorgänger folgten. So war beſonders der Theer, welcher vor etwa zehn Jahren durch einige Jünger Alibert's als das eigentliche speciſicum gegen alle juckende und ſchuppenbildende Haut— krankheiten empfohlen wurde, wohl unter allen örtlichen Mitteln dasjenige, welches in den Necepten der alten grie- chiſchen und römiſchen Arzte am häufigſten vorkam. Der Theer iſt bekanntlich eine Miſchung von Harz, empyreumatiſchem Oele und Kohle, welche man bei der Verbrennung des Kiefern- und Fichtenholzes gleich fertig erhält. Die Alten wandten theils den eigentlichen Theer oder Pech, theils das aus Einſchnitten in die Kiefern und Fichten austriefende Harz oder Terpenthin an. So verordnete Gel: ſus gegen gewiſſe krätzartige Ausſchläge eine Miſchung von Schwefel, Wachs, fluͤſſigem Pech und Ol, welche durch Kochen zu der Conſiſtenz des Honigs gebracht werden ſolle. Die Krätze und Räude behandelte man bei Menſchen und Vieh mit einer Miſchung von Schwefel und flüſſigem 2 26 Mifcellen 4. Die Schlangen find in den Nlquatorialgegenden der neuen Welt, nach de Caſtelnau, nicht zahlreicher an Individuen als in unſern gemäßigten Gegenden, dafür aber an Arten um ſo reicher; dort giebt es weit mehr unſchädliche als giftige Arten. Während feinen 4½ jährigen Reifen in dieſen Gegenden ſah er nur 91 Schlangen, die 64 Arten angehörten, worunter 53 unſchädliche und 11 giftige waren; die Individuenzahl der letztern betrug 21. In den ſehr heißen Gegenden von Rio-de-Janeiro bis nach Santa Cruz de la Sierra fand er 48, worunter 11 Giftſchlangen; in Bolivien und Peru, in bergigen, oftmals kalten Gegenden nur 7, die einzige giftige unter dieſen in einem heißen Andenthale, die übrigen ſah er auf der Rückreiſe durch Ucujale bis zum Amazonen⸗ ſtrome. Selten verſteigen ſich die Schlangen über eine Höhe von 2000 Meter, nur zwei Individuen fand er bedeutend höher, beide waren nur klein und völlig unſchädlich. (L’Institut, No. 733. 1848.) 5. Harnſtoff in der Glasflüſſigkeit des Auges. E. Millon erhielt aus der von der Glashaut umſchloſſenen Flüffig- keit eines Ochſenauges 1,63 Proc. Rückſtand, der in 100 Theilen aus 20 bis 25 Theilen Harnſtoff beſtand. Berzelius gab in derſelben Flüſſigkeit Chlornatrium, etwas Eiweiß und einen in Waſſer löslichen Stoff an; der Verf. fand nur Chlornatrium und Harnſtoff. Die Glasflüſſigkeit des Menſchen und Hundes hat die⸗ ſelbe Zuſammenſetzung; auch die wäſſrige Flüſſigkeit der vordern Augenkammer enthält Chlornatrium und Harnſtoff. (L'Institut, No. 733. 1848.) unde. Pech. Die Sommerſproſſen ſollten ſich durch eine Com— poſition von Harz, Steinſalz und Honig vertreiben laſſen. Harz in Überſchuß mit Schwefel und Salpeter (worunter wahrſcheinlich Natron zu verſtehen iſt) vermiſcht, wurde von Celſus gegen die warzigen, ekzematöſen, puſtulös-grindigen Ausſchläge der Ertremitäten verordnet, welche dieſer Schrift— ſteller unter dem generifchen Namen impetigo zuſammenfaßt. Archigenes behauptete, der ſchuppige Ausſchlag, den er lepra nennt, laſſe ſich binnen fünf Tagen durch folgendes Mittel vertreiben: 3 — 4 Drachmen Grünſpan (aerugo), 1 Drachme flüſſiges Fichtenharz, 2 Drachmen friſchen Weihrauch reibe man mit Eſſig zuſammen, und nachdem man noch geſchmolzenes Harz hinzugethan, lege man das Pflaſter auf die vorher gereinigte und frottirte Haut. Alle zwei Tage hat man das Pflaſter abzunehmen und durch ein neues zu erfetzen, und man wird die Schuppen an dem Lappen anhängend finden. Bei dieſem örtlichen Mittel, wie bei vielen andern ähnlichen, bei denen man verſchiedene mineraliſche und vege— tabiliſche Stoffe mit einander vermiſchte, bildete das Harz theils das Vehikel, theils einen wirkſamen Beſtandtheil. Der Grünſpan, welchen Archigenes und viele andere alte Autoren verordnen, bildete den Hauptbeſtandtheil jenes zu Anfang unſeres Jahrhunderts berühmten Univerfalpflafters, welches unter dem Namen Kunckel'ſches Pflaſter bekannt iſt, und in welchem ſich der Grünſpan mit allerhand grünen Pflanzenertracten in Vermiſchung befindet. Übrigens ver⸗ ſchrieb Runckel feinen Patienten, neben dem örtlichen Mittel, auch draſtiſche Abführungsmittel, welche bekanntlich gegen Hautkrankheiten oft ſehr wirkſam ſind. 1— ST Ich, meinestheils, habe gegen die ſchuppigen Hautaus— ſchläge oft mit bedeutendem Erfolge gereinigten Theer, mit Schmeer verbunden (3 — 4 Grammen Theer auf 30 Grm. Schmeer), angewandt. Das Wachholderöl iſt ebenfalls eine harzige und empy— reumatiſche Subſtanz, die man durch die Verbrennung des Wachholders erhält, und auf welche Hr. Serre zu Alais die Aufmerkſamkeit der Arzte, welche ſich insbeſonders mit der Heilung der Hautkrankheit befaſſen, neuerdings in einer beſondern Abhandlung gelenkt hat *). Ich habe, ſowohl in meiner Klinik im Saint-Louis Hoſpitale, als in meiner Privatpraxis, von dem Wachholder— öle einen ſehr ausgedehnten Gebrauch gemacht und theils ſolches verſchrieben, welches man in Südfrankreich in vor— züglicher Reinheit bereitet, und welches bei dem Pharma— ceuten Caventou zu Paris ächt zu haben iſt, theils die ſchärfere und dunkler gefärbte Sorte, die man gewöhnlich im Handel findet und deren ſich die Thierärzte beſtändig bedienen. Dieſes harzige Product wirkt kräftiger als der Theer und zeigt ſich bei eczema, chroniſcher impetigo, acne indu- rata, sycosis und lupus, ſowie andern puſtulöſen, knotigen und ſchuppigen Hautkrankheiten, vermöge ſeiner reinigenden und zertheilenden Kräfte, ungemein wirkſam. Obwohl es, ſeiner reizenden Eigenſchaften wegen, zuweilen auf Aus— ſchläge, die noch einen etwas entzündlichen Charakter haben, nicht günſtig wirkt, ſo ſieht man doch häufig die gerötheten, excoriirten, juckenden Oberflächen bei eczema rubrum durch das Wachholderöl ſchnell eine beſſere Beſchaffenheit anneh— men, indem die Röthung und das Jucken ſich vermindern, die Ausſchwitzung vertrocknet und eine Zertheilung erfolgt. Dennoch paßt dies Mittel im allgemeinen nur im chro— niſchen Stadium der Ausſchlagskrankheiten, und man muß mit demſelben ſtets höchſt vorſichtig verfahren, wenn man es in Fällen anwendet, wo man nicht vorher erweichende Mittel zur Bekämpfung der entzündlichen Symptome, welche ſich im Anfangsſtadium der Flechtenübel, ſelbſt derjenigen, die ſich ſehr in die Länge zu ziehen pflegen, faſt jedes Mal zeigen, angewandt hat. Eines der günſtigſten Beiſpiele von der ſpeeifiſchen Wirkung des Wachholderöles kam mir bei einem Greiſe vor, welcher ſchon ſeit mehreren Jahren mit eczema rubrum (feuchter Schuppenflechte) behaftet war, das ſich über ſeine ganzen untern Extremitäten verbreitet hatte. Die Geduld dieſes Patienten war durch ſehr viele Arzte und Mittel auf die härteſten Proben geſtellt worden, und er hatte bereits alle Hoffnung auf Wiederherſtellung aufgegeben. Trotz des langen Beſtandes des Leidens wagte ich das Wachholderöl nicht ſofort anzuwenden, und ich ließ den Patienten erſt eine Vorcur von Schwefelmitteln, Abführungsmitteln und örtlich Galmeicerat (cerate calaminaire) brauchen. Das Leiden blieb ziemlich ſtationär, das Jucken ſehr läſtig, die Haut ſtark geröthet. Die Nächte wurden faſt ſämmtlich ſchlaflos zugebracht. Unter dieſen ungünſtigen Umſtänden nahm ich nun zum Wachholderöle meine Zuflucht, mit welchem man 9 Vergl. Bulletin de Therapeutique, 1846, T. XXX, p. 81. 112. VI. 2. 28 Morgens und Abends die ſämmtlichen von der Krankheit ergriffenen Theile beſtrich. Nach 14 Tagen war der Kranke geheilt, oder das Leiden war wenigſtens ſeiner vollſtändigen Zertheilung nahe. Später hat er einige leichte Rückfälle gehabt, die durch das Wachholderöl ſchnell zum Stehen gebracht wurden. Der Ruß, ein altes Hausmittel, zu deſſen Gunſten Dr. Blaud (zu Beaucaire) vor einigen Jahren in der Re- vue médicale (1834, T. II, p. 379) aufgetreten iſt, hat ſich allerdings bei chroniſchen Hautausſchlägen als ein ſehr wirk— ſam zertheilendes Mittel bewährt. Bei Gelegenheit des da— mals in allgemeine Aufnahme kommenden Creoſots macht Hr. Blaud darauf aufmerkſam, daß der Ruß, als ein viel wohlfeilerer und leichter zu behandelnder Stoff, den Vorzug verdiene. „Weil, ſagt Hr. Blaud, das Creoſot ein durch die trockene Deſtillation aus organiſchen Subſtanzen gewonnenes Product und auf der andern Seite der Verbrennungsproceß auf dem Herde nichts anderes iſt, als die nämliche Deſtilla— tion unter Zutritt der Luft, wo der Herd den Ofen und der Rauchfang die Retorte repräſentirt, ſo unterliegt es keinem Zweifel, daß die ſich an die Wände des Rauch— fanges anhängenden Stoffe oder die Producte dieſer Deſtilla— tion, deren Geruch überdies dem des Creoſots ganz ähnlich iſt, dieſen Stoff in größerer oder geringerer Menge enthal— ten und folglich die nämlichen therapeutiſchen Eigenſchaften beſitzen.“ Der Ruß iſt begreiflicherweiſe von ſehr verſchiedener Beſchaffenheit, beſteht aber im allgemeinen aus Kalkſalzen, ſtatron und Ammonium, die mit einem fetten Stoffe, einem eigenthümlichen empyreumatiſchen Ole oder Theere, fowie mit Kohle verbunden ſind. Eine alkaliniſche Auflöſung könnte alle wirkſamen Beſtandtheile des Rußes enthalten und ließe ſich als Waſchmittel anwenden, wie man ſich des mit Schmeer incorporirten Rußes in Form einer Salbe bedient. Mit dieſem örtlichen Mittel hat Hr. Blaud eine im- petigo (die er eine ſchuppige Flechte nennt), eine rauden— artige pseudo -tinea (die er mit dem Namen tinea favosa bezeichnet), eine impetigo der Naſenhöhlen, ein chroniſches eezema der Vorhaut und Eichel und einige andere Flechten— übel geheilt, die allerdings auch durch andere Mittel hätten gehoben werden können. Ich ſelbſt habe mittels der Rußſalbe eine chronifche impetigo gehoben; allein dies Mittel bringt noch mehr als der Theer den Übelſtand mit ſich, daß die Leib- und Bett— wäſche übel zugerichtet werden. Um dieſem Nachtheile abzuhelfen und zugleich angeblich die Wirkſamkeit der Mittel zu erhöhen, hat unlängſt ein Arzt (dem dabei ein Apotheker und ein Thierarzt an die Hand gingen) den Vorſchlag gemacht, die Salben uud Pom— maden durchgehends durch Seifen zu erſetzen. Mit Hülfe ihrer ſogenannten Normalſeife, welche den verſchieden— artigſten Arzneiſtoffen als Vehikel dient, haben die Erfinder eine Reihe von Recepten bekannt gemacht, durch welche alle bisher üblichen Salben und Pommaden außer Gebrauch ge— 29 112. VI. 2. 30 ſetzt werden ſollen. Dieſe Normalſeife beſteht aus gleichen Theilen Olidenöl, Cocosnußöl und Atzkali oder Atznatron, je nachdem man weiche oder harte Seife zu haben wünſcht. Die nach dieſem Verfahren bereitete Theerſeife iſt indeß, ſtreng genommen, in Waſſer nicht löslich; allein das, was ſich davon auf der Haut abſetzt, läßt ſich doch mit Waſſer abwaſchen, und die Wäſche läßt ſich ebenfalls leicht reinigen. Wir haben mit dieſen Arzneiſeifen in unſerer Hoſpital— klinik einige Verſuche angeſtellt, aus welcher, abgeſehen von der leichtern Erlangung der Reinlichkeit, im Vergleiche mit den bisher üblichen fettigen Salben, ſich keine Vorzüge dieſer neuen Mittel ergeben zu haben ſcheinen. Die Holzkohle, von welcher ſich in den oben er— wähnten harzigen und empyreumatiſchen Compoſitionen ein gewiſſer Verhältnißtheil befindet, iſt theils für ſich, theils mit andern Subjtanzen vermiſcht, öfters bei der Behandlung der Hautkrankheiten benutzt worden. Man hat ſie gegen die chroniſchen Ausſchläge der Schopfhaut, welche man unter dem Namen tinea zuſammen geworfen hat, in Vorſchlag gebracht; man hat ſie angewandt, um die Excoriationen des eczema, des herpes, des pemphigus, um die Geſchwüre der rupia, des lupus zu bepudern. Vor einigen Jahren behaup— tete ein ungariſcher Arzt, in der mit Kali vermiſchten Stein— kohle ein specilicum gegen die Flechten entdeckt zu haben, welches er Anthrakokali nannte *). Unſere Verſuche wieſen dieſem angeblichen specificum, welches allerdings nicht un— wirkſam war, deſſen Wirkſamkeit indeß eher dem Kali, als der Kohle, welche mehr als Vehikel diente, zuzuſchreiben war, bald ſeinen wahren Werth an. Indeß wenden wir das Holzkohlenpulber in den oben angezeigten Fällen zu— weilen als austrocknendes, reinigendes und antiſeptiſches Mittel an. Um dieſe flüchtige therapeutiſche Skizze in wenig Wor— ten zuſammenzufaſſen, wollen wir ſchließlich ſagen, daß die ſchon von den Alten gegen die Hautkrankheiten angewandten harzigen und empyreumatiſchen Stoffe allerdings adſtringi— rende, zertheilende und reinigende Kräfte beſitzen, welche ſich bei chroniſchem eczema, impetigo, prurigo, psoriasis und ſelbſt in manchen Fällen von lupus und freſſenden Geſchwü— ren (esthiomene) wirkſam zeigen. (Gazette med. de Paris, 29. Janv. 1848.) (V.) Eine vier Monate alte Verrenkung des radius und der ulna nach hinten. Von James S. Hughes. John Tyrrell, ein 25 Jahre alter Tagelöhner, ward am 21. Aug. 1847 in das Jervis-street- Hoſpital aufge— nommen und gab an, er ſei vor etwa 4 Monaten 30 F. hoch von einem Baume herab und auf die rechte Seite ge— ſtürzt, und als man ihn aufgehoben, habe ſein rechter Vor— arm völlig geſtreckt geſtanden und er habe denſelben nicht * Vergl. Gazette médicale, 1840, T. VIII, p. 120, 183, 290. im geringſten beugen können. Es trat eine ſtarke Entzündungs- geſchwulſt ein und das Gelenk wurde mit kalten Umſchlägen be— handelt. Einen Monat nach dem Unfalle erklärte ein Landchirurg den Fall für eine Verrenkung beider Knochen des Vorarms nach hinten und verſuchte, wenngleich erfolglos, deren Ein— richtung. Zehn Tage bevor er in das Jervis-Street-Hoſpi— tal aufgenommen ward, wandte er ſich an ein Land— Krankenhaus, wo die Wiedereinrichtung mit Flaſchenzügen verſucht ward, aber eben ſo wenig gelang. Bei ſeiner Auf— nahme befand ſich der Vorarm in permanent geſtrecktem Zuſtande, und der Patient konnte ihn aller Anſtrengung ungeachtet, nicht beugen. Das Gelenk ließ ſich in ab— normer Weiſe ein wenig ſeitlich bewegen; der Vorderarm befand ſich im Zuſtande der Supination. Bei der Unter— ſuchung des Gelenkes fühlte man vor demſelben eine ſehr bedeutende Hervorragung, welche durch das untere Ende des humerus veranlaßt wurde, über welcher die Sehne des muse. biceps ausgeſpannt war. Der innere condylus ließ ſich leicht auffinden; allein da, wo der äußere liegen ſollte, nahm man eine bedeutende Auftreibung wahr. Den Kopf des radius fühlte man leicht hinter und über dem äußern con- dylus, und derſelbe konnte einigermaßen gedreht werden; aber die Fingerſpitze ließ ſich nicht in deſſen napfförmige Ver— tiefung einſenken, wie es bei der Verrenkung nach hinten gewöhnlich geſchehen kann. Hinten ragte das olecranum bedeutend hervor, und es lag bedeutend höher als der innere condylus; der kranke Arm maß von der Spitze des acromion bis zum olecranum 1½ Zoll weniger als der geſunde. Nachdem der Arm durch Linimente, Dampfbäder und paſſive Bewegung einige Tage lang vorbereitet worden war, ſchritt ich mit Hülfe meiner Collegen und der HHrn. Adams, 'Eſtrange und Flemming zur Einrichtung des Gelenkes mittels des l'Eſtrangeſchen Flaſchenzuges. Nachdem die Aus— dehnung über eine halbe Stunde lang ſtätig verſtärkt wor— den war, ließ man den Patienten Schwefeläther einathmen; allein er unterzog ſich dieſem Mittel nicht ſo lange, daß es irgend eine Wirkung hätte äußern können. Darauf erhielt er Brechweinſtein; die Ausdehnung wurde bis zu dem Grade verſtärkt, welche erforderlich ſchien, und indem ich dann den Arm am Fauſtgelenke faßte, ſuchte ich mittels des rech— ten Knies das Elnbogengelenk mit Gewalt zu beugen, wäh— rend die ausdehnende Kraft des Flaſchenzuges durch Aushebung der federnden Zunge plötzlich außer Wirkſamkeit geſetzt ward. Allein alle unſere Bemühungen, die verrenkten Knochen zu bewegen, ſchlugen fehl. Die Einrichtung wurde ſpäter über den Rand einer Bank verſucht, gelang aber eben ſo wenig. Bemerkungen. Die eigenthümliche Lage, welche der Vorderarm in dieſem Falle darbietet, macht den letzteren für den Chirurgen beſonders intereſſant. Betrachten wir die Anweſenheit der Hervorragung an der Stelle, wo ſich der äußere condylus eigentlich befinden ſollte (welche Hervorra— gung wahrſcheinlich von einem ausgeſchwitzten callus herrührt), und daß es ſehr ſchwer hält, die Vertiefung am Kopfe des radius zu fühlen, ſo dünkt es uns ſehr wahrſcheinlich, daß bei dem Unfalle ein Theil des äußern condylus abgebrochen 31 112. VI. 2. 32 und mit dem Kopfe des radius zuruͤckgeſchoben worden ſei; indeß bleibt es immer ſchwierig, zu erklären, inwiefern hierdurch die permanent geſtreckte Stellung der verrenkten Knochen veranlaßt werden konnte. Wäre die Sehne des m. biceps mit dem m. brachialis nach der Quere zerriſ— ſen worden, ſo ließe ſich die Streckung des Gliedes eher erklären; allein bei aufmerkſamer Unterſuchung konnte ſich Jedermann von der Unverſehrtheit des m. biceps überzeugen, indem deſſen Sehne über das untere Ende des humerus ausgeſpannt war. Ich habe die beſten Werke über Ver— renkungen nachgeſchlagen und habe bloß ein einziges Bei— ſpiel auffinden können, wo beide Knochen des Vorarmes nach hinten verrenkt und der letztere vollkommen geſtreckt war. Dieſer Fall iſt im 11. Bande des Lancet von Hrn. Langſtaff mitgetheilt worden. Dort heißt es: „Hr. Langſtaff zeigte der Londoner pathologiſchen Geſellſchaft ein Präparat vor, welches eine eigenthuͤmliche Verrenkung des Elnbogengelenkes erkennen ließ. Die Lage der Theile iſt folgende: die ulna und der radius ſind nach außen und hinten verſchoben, und der erſtere Knochen iſt in ſeiner neuen Lage ankylotiſch mit dem humerus verbunden. Der proces- sus coronoideus der ulna iſt durch Knochenſubſtanz mit der hinteren Fläche des rundlichen condylus des humerus ver— einigt, mit welchem der radius eigentlich articulirt; das ole- cranum hängt durch Ankyloſe mit der hinteren Fläche des epicondylus zuſammen, während die äußere Hälfte der großen halbmondförmigen Ausſchnitte mit Knochenſubſtanz ausge— füllt und mittels derſelben Maſſe mit der hinteren Fläche dieſes condylus verbunden iſt. Die Rolle der Articula— tionsfläche des humerus hat ihre natürliche Form und iſt durch die auf die Verletzung folgende Entzündung kaum zur Mitleidenſchaft gezogen worden, wogegen die condyloidiſche Portion der Gelenkfläche durch eine unregelmäßige Knochen— ſchicht bedeckt iſt, welche an derſelben feſt hängt und nach unten zu mit dem processus coronoideus der ulna, nach oben zu aber mit der vorderen Fläche des humerus hart über deſſen Articulationsfläche verbunden iſt. Der Kopf des ra- dius iſt vollkommen von dem humerus weggeruückt und der Raum zwiſchen deſſen oberer Fläche und dem epicondylus mit coagulabler Lymphe, welche organiſirt und in eine liga— mentartige Subſtanz verwandelt iſt, ausgefüllt. Mitten in dieſer Subſtanz hat ſich eine kleine dreieckige Knochenmaſſe abgelagert und ſich zu einem Stützpunkte und einer Gelenk— fläche für die napfförmige Vertiefung am Kopfe des radius geſtaltet, während ſie an die Mitte des Napfes durch ein ſtarkes Zwiſchengelenkband, welches den Knochenkopf feſt hält, während es doch eine freie drehende Bewegung zuläßt, an— geheftet iſt. Die äußere erista condyloidea des humerus hat eine der neuen Lage des radius entſprechende Ver— Anderung erlitten und hat ſich in Geſtalt eines ſcharfen Knochenkammes, an welchem die ligamentartige Subſtanz des neuen Gelenkes für den radius nach unten zu ihre Be— feſtigung findet, nach außen zu verlängert. Der kleinere halbmondförmige Ausſchnitt iſt völlig unverändert und deſſen Knorpel und Synovialmembran geſund. In Folge der Ver— bindungsweiſe der ankylotiſchen Knochen mußte der Vorarm in der geſtreckten Stellung verharren.“ Der Unfall, den Tyrrell erlitten, iſt ungemein be— klagenswerth, da der Arm ihm nicht von dem geringſten Nutzen iſt. Die eigentliche Urſache der Streckung des Glie— des läßt ſich nicht genau ermitteln; allein daß die Wieder: einrichtung nicht bewirkt werden konnte, erklärt ſich ſattſam aus der Länge der Zeit, die ſeit dem Unfalle verſtrichen und aus der großen Menge von callus, welche ausgeſchwitzt iſt. Wir werden hier recht nachdraͤcklich darauf hingewieſen, daß es bei Verletzungen am Elnbogengelenk ſehr darauf an— lommt, die Beſchaffenheit derſelben genau zu ergründen und deren Behandlung ſo ſchnell als möglich vorzunehmen. Hätte bei dieſem Patienten der Arm die bei Verrenkungen nach hinten gewöhnliche halb gebeugte Stellung angenommen, ſo ließe ſich hoffen, daß er ihn ſpäter wenigſtens einigermaßen werde brauchen können; denn auch ein nicht eingerichteter Arm kann dadurch, daß ſich mit der Zeit vor dem proces- sus coronoideus eine neue Gelenkfläche bildet, das ole- cranum ſich verkürzt, die Muskeln ſich der neuen Stellung der Theile anbequemen und die Bewegungen nach und nach umfangsreicher werden, einige Brauchbarkeit wiedererlangen, obwohl der kranke Arm ſtets bedeutend kürzer bleiben wird als der geſunde; allein ein jo günſtiger Erfolg läßt ſich, da Tyrrell's Arm permanent geſtreckt iſt, in dieſem Falle nicht erwarten. Dublin Quarterly Journal of Med. Science, Nov. 1847.) a0 Miſecelle. (3) Um die von ſalpeterſaurem Silber her⸗ rührenden Flecken aus der Leinwand zu bringen, welche in der chirurgiſchen Praris ſo oft vorkommen, räth Hr. Herapath folgendes Verfahren an: Man ſpanne die Leinwand, in der ſich die Flecken befinden, über einem mit heißem Waſſer ge— füllten Gefäße aus, und ſobald dieſelbe von dem Dampfe recht durchdrungen iſt, laſſe man auf jeden Fleck einige Tropfen Jod⸗ tinetur fallen, und gleich darauf ſchütte man eine hinreichende Quantität von einer Auflöſung baſiſchſchwefelſauren Natrons (Natrium-Hypoſulphit) darauf, um das Silberiodur, das ſich ge— bildet hat, aufzulöſen. Dann waſche man die Leinwand in dem Waſſer, um fie ſowohl von den Flecken als den angewandten chemi⸗ ſchen Reagentien zu befreien. Eine Solution von 4 Grammen kryſtalliſirten Natriumhypoſulphits in 60 Grammen Waſſer hat die dem obigen Proceſſe angemeſſene Stärke. (Gazette méd. de Paris, 22. Janv. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. L. Hayn, documenta ad historiam rei pharmaceuticae Silesiae Commentatio en gr. 80. In Comm. Geh. ¼ Thlr. Trewendt in Breslau 48. Transactions of the Microscopical Society of London. Vol. 2. Part. 2, royal 8. (sewed 5 sh.) London 1848. F. v. Bürensprung, Beiträge zur Anatomie und Pathologie der menschlichen Haut. gr. 8%. Geh. ½ Thlr. Breitkopf und Härtel in Leipzig 1848. Revue medicale de Besangon et de la Franche-Comté, publiee par la Societe de medecine de Besangon. Premiere annee. N. I. Novembre 1847. In 80 de 3 feuilles, Besangon. (Pris annuel 15 fr.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 113. (Nr. 3. des VI. Bandes.) Maͤrz 1848. Naturkunde. v. Heßling, hiſtologiſche Beiträge. (Fortſetzung.) — Miſcellen. Millon, Metalle im menſchlichen Blute. Ebelmen, Zerfallen der Felsgeſteine. Fry, Crocodilus lucius. Nekrolog. — Heilkunde. O Ferrall, praktiſche Bemerkungen über hängende Geſchwülſte. — Miſcellen. Moore, Flintenkugel 50 Jahr in der Lunge. Burman, Heilung eines unvereinigten Knochenbruches mittels der Magnetelektrieität. Macdonnell, Verrentung des astragalus nach innen und oben. — Bibliographie. Naturkunde. J. Hiſtologiſche Beiträge. Von Dr. v. Heßling in Jena. (Slerzu die Figuren 14—17 der mit No. 1 dieſes Bos, ausgeg. Tafel.) (Fortſetzung.) III. Vom Haare und ſeinen Scheiden. Die Structur der Rindenſubſtanz des Haares außerhalb ſeiner Scheide hat Reichert (Müllers Arch. Jahrg. 1841 p. CLXXVD zuerſt richtig gedeutet, indem er fie aus con— centriſchen Schichten einer ſteifen, mehr oder weniger durch— ſcheinenden, von Längsſpalten durchbrochenen Membran beſtehen läßt. Nur möchte ich dieſe Längsſpalten nicht allein für das faſerige Anſehen der Rinde verantwortlich machen. An Haaren, welche ich zufällig drei bis vier Wochen lang in concentrirter Schwefelſäure liegen ließ, fand ich, daß nach Entfernung des Epitelialüberzuges ſich durch ſchwache Rei— bung derſelben zwiſchen Objeetglas und Deckgläschen Schicht für Schicht abrollte, und eine ſolche einzelne Lamelle für ſich beſchaut, zeigte folgendes Bild. Sie beſteht aus an einander ſtoßenden, ſehr in die Länge gezogenen, oben und unten ſpitzig zulaufenden, ſpindelförmigen Zellen, welche zwiſchen ſich an manchen Stellen längliche Spalten übrig laſſen. Die Spitzen oberer Faſerzellen ſind immer zwiſchen zwei neben einander liegenden unteren Zellen eingefügt. (Fig. 14.) Nach Entfernung der oberſten Schicht zeigt das Haar wieder das— ſelbe Anſehen und ein wiederholtes Rollen löſ't abermals ganz gleiche Schichten ab. Die Anordnung dieſer Zellen— lage wird recht deutlich an abgeriſſenen oder ſchräg abge— ſchnittenen Haaren erkannt; die Enden gleichen einem Bündel zuſammengeſteckter Stäbchen von verſchiedener Dicke, was davon herrührt, daß der Riß oder Schnitt von den einen Zellen die Mitte, von den anderen die Spitzen traf. Die einzelne Faſerzelle iſt in der Regel glashell, ſeltener ins No. 2093. — 993. — 113. hellbräunliche ſpielend, ſpröde, leicht brüchig, zuweilen mit einem Kerne, ſelbſt Kernkörperchen verſehen; wo der Kern fehlt, iſt er durch einen dunkleren Fleck oder kleine Anhäu- fungen von Pigmentmolecülen angedeutet. Ihre Länge iſt verſchieden und ſchwierig zu meſſen, weil fie immer bei der Prä- paration abbrechen; ihre Breite variirt von 0,002—0,005%; durch Druck oder Zerren mit feinen Nadeln trennen ſich dieſe Zellen der Länge nach von einander und es entſtehen dadurch auf dem Haare die verſchiedenſten Formen von Flecht— werken, Einſchnitten oder Furchen; an deren Rändern zer- fallen ſie in einzelne Splitter, trennen ſich zu einzelnen, große Strecken weit verlaufenden Faſern ab (Fig. 15.), oder bilden wellenförmige bogenartige Erhebungen, welche Va— lentin für Schlingen hielt. Mit dem compressorium kann man ein ſolches Haar in mehrere Theile ſpalten, ſelbſt ganz zerdrücken, und man findet alsdann, daß es völlig aus einem Netzwerke von über einander geſchichteten Faſerzellen beſteht, welche mit ihren benachbarten, ſowie über oder unter ihnen gelegenen enge zuſammenhängen und nach den verſchiedenſten Seiten bald mit einander vereint bleiben, bald von einander gezerrt werden. Nur ein Mal ſah ich am Haare die von Reichert angegebene Structur, nämlich glashelle in einander ſteckende Röhren, denen bisweilen längliche Riſſe oder Striche eingezeichnet waren; ich konnte an dem einen abgeriſſenen Ende, aus welchem durch den Riß die innerſten Schichten mit dem andern eine Strecke weit entfernt wurden, ungefähr drei ſolcher in einander ſteckender Lamellen deutlich zählen und daran die genannten Eigenſchaften finden; von der Stelle an, wo die innerſten Schichten zurückblieben, zeigte das Haar wieder die gewöhnliche faſerige Structur. Dieſer eben beſchriebene zellige Bau der Rindenſchichten ſcheint mir am beſten geeignet, alle jene Formverhältniſſe zu erklären, welche Reichert den Spalten allein zuſchreibt; 3 35 113% VI. 3. 36 überhaupt führe ich dieſe Verhältniſſe nur deßwegen an, weil durch meine, wahrſcheinlich an jüngeren Haaren gemachten Beobachtungen, die von Reichert ſchon im Jahre 1841 ausgeſprochene Anſicht ihre richtige und beſtätigende Erklä— rung findet, wenn ſie gleich in neuſter Zeit don mehrern Forſchern, wie Günther (Allgemeine Phyſiologie, Leipzig 1845), Kohlrauſch (Müllers Archiv, Jahrgang 1846, S. 300 ff.), Kölliker (Hiſtiolog. Bemerkungen, No. 11 und 12 der Mittheilungen der Zürcher. naturforſchenden Geſellſchaft 1847), ignorirt wird. Die Markſubſtanz, welche in den menſchlichen Haaren eben ſo oft fehlt als ſie gefunden wird, beſteht aus einer aufſteigenden, ſtellenweiſe unterbrochenen ein- oder mehrfachen Reihe von Zellen. Die klarſte Einſicht in dieſelbe erhält man an den ſchlichten Haaren der Heidſchnucke, deren ich mehrere von Schleiden erhielt, da die Durchſichtigkeit der Rindenſubſtanz, ſowie die Größe der Markzellen die Unter: ſuchung ſehr erleichtern. Das Mark im Querdurchmeſſer 0,02“ breit, beſteht hier aus einer zwei- bis dreifachen Reihe von polyedriſchen, meiſt viereckigen, ſchräge gegen die Spitze des Haares geſtellten, bisweilen auch rundlichen Zellen, welche einen großen deutlichen Kern haben und mit Fettmolecülen angefüllt ſind. An vielen Stellen ſind bloß an einander gereihte, ebenfalls mit Fettmolecülen angefüllte Kerne mit hellen Zwiſchenräumen ſichtbar, ähnlich dem Lageverhältniſſe der Pigmentzellen im Auge. Der ſchräge Durchmeſſer der Zellen beträgt 0,009“, der Querdurchmeſſer der polygona— len 0,007“ der runden 0,01’, die Kerne meſſen 0,005“. Sucht man das Mark zu trennen, ſo ſpalten ſich einzelne Zellenreihen der Länge nach; an feinen Querſchnitten des Haares ſtehen die Zellen immer etwas vor. Zu bemerken iſt noch, daß die Rindenſubſtanz genannter Haare der Schwefelſäure viel länger widerſteht: ſelbſt nach 48— 96 ſtündiger Maceration trennt ſich das Epitelium noch ſchwer ab, ſowie die Faſern und Streifen ſeltener und äußerſt fein ſind und die oben genannten Zellſchichten nicht beobachtet werden konnten, was die Anſicht Reicherts noch mehr beſtätigt als es bei den menſchlichen Haaren der Fall iſt. Verwickelter ſind die baulichen Verhältniſſe der Wurzel— ſcheiden des Haares; die verſchiedenen Entwicklungsſtadien, in welchen die Unterſuchungen an ihnen vorgenommen wur— den, ſind zum Theil der Grund der noch obwaltenden ver— ſchiedenen Anſichten. Die äußere Wurzelſcheide, das rete Malpighii der eingeſtülpten cutis, beſteht aus mehreren Schichten von Zellen, welche bei den ausgezogenen Haaren theils an der inneren Wurzelſcheide, theils am Haarbalge hängen bleiben. Ge— wöhnlich reißt die äußere Scheide etwas über der Stelle, an welcher der Haarſchaft in den Knopf übergeht, quer ab und etwas unterhalb des größten Durchmeſſers des letzte— ren legt ſie ſich mit einer dünnen, nur aus einer Zellen— reihe beſtehenden Schicht bis zum Boden des Haarbalges um ihn herum. Die äußerſten Schichten werden von rund— lichen, kernhaltigen, der Haarachſe parallel verlaufenden Zellen gebildet, während die inneren, der innern Wurzel— ſcheide zunächſt anliegenden Reihen von ovalen Zellen auf jener ſenkrecht ſtehen. Die rundlichen Zellen meſſen im Durchmeſſer 0,005. Nach Anwendung verdünnter Eſſigſäure verliert die äußere Scheide ihr graulichgelbes Ausſehen, wird heller und die Kerne treten deutlich vor; ihre Länge beträgt 0,006““, ihre Breite 0,003—0,004°, der Durchmeſſer der rundlichen Kerne 0,001 —0,002““. Bisweilen traf ich beim Menſchen außerhalb dieſer gelblichen Scheide auf eine Schicht abgelagerten Pigmentes, welche ſich von beiden Seiten der Haarpulpe bis über die Mitte des Schaftes herauf zog. Die innere Wurzelſcheide beſteht am Grunde des Bal— ges bis ohngefähr zur Mitte des Haarknopfes aus einer Schicht — der von Henle als innere Wurzelſcheide be— zeichneten — und beiläufig von genannter Stelle an aus einer zweiten von kernloſen Zellen, die, wie ich glaube, den von Hurley beſchriebenen entſprechen. Die innere Wurzelſcheide Henle's — die äußere Schicht der innern Wurzelſcheide — wird mit Unrecht von Kohlrauſch gänzlich verworfen; ich bin der feſten Über— zeugung, daß er ſie trotz alles Streitens in ihrer ganzen Ausdehnung noch nicht geſehen hat. Je nach dem Alter ihrer Entwicklung zeigt ſich an ihr eine verſchiedene Textur; vom Grunde des Balges bis gegen ſeine Mitte iſt ſie von äußerſter Dünne und Weichheit; ſie wird von an einander liegenden, platten, kernloſen, länglichen Zellen, welche bald längliche, bald rundliche Spalten oder Löcher zwiſchen ſich laſſen, gebildet. Gegen die Mitte nimmt ſie an Dichte und Rigidität zu, ihre Zellen, welche wegen ihrer Durchſichtig— keit die darunter liegende innerſte Zellenſchicht manch Mal durchſchauen laſſen, rücken mehr an einander, die der Haar— achſe parallelen, bisweilen dieſelbe ſchräg ſchneidenden Spal— ten werden ſchmäler, ſpitziger, gleichen langen Riſſen oder zarten Linien, bis ſie nach der Einſenkungsſtelle des Haares zu ſich ganz verlieren und die ganze Schicht als waſſerhelle, ſtructurloſe, brüchige Membran mit der darunter liegenden Schicht vollſtändig verwächſ't. Für die Darſtellung dieſer Verhältniſſe iſt die Salpeter- ſäure, auch Eſſigſäure ein unentbehrliches Reagens; wird mittels Ammoniaks oder Kalis oder durch Druck am Grunde des Balges die koniſch geformte Pulpe aus der trichterförmi⸗ gen Offnung des Haarknopfes entfernt, ſo ſieht man eben— falls die beſchriebenen Eigenſchaften dieſer äußerſten Schicht der inneren Scheide, wobei die durchſcheinenden Spalten der hintern Wandung das täuſchende Bild einer kernhaltigen Zellenſchicht geben. Überdies bemerkt man, wenn die äußere Wurzelſcheide durch Maceration entfernt oder vermittels ver— dünnter Eſſigſäure doch durchſichtiger gemacht wurde, die Henle'ſche Schicht an dem feinen, glaſigen, ſcheinbar 0,0018 bis 0,005““ breiten Streifen, welcher dicht der milchweißen, bandartig erſcheinenden innern Schicht anliegt. Während der äußere Contour dieſes Streifens immer gerade und wie ſcharf abgeſchnitten iſt, zeigt ſich der innere nicht ſelten wellenförmig oder eingekerbt, welche Geſtalt von den um— biegenden Zellencontouren der darunter liegenden Schicht her— rührt. Beim Gebrauche von concentrirter Schwefelſäure oder Kalilöſung tritt die Fenſterbildung anfangs auch her— 37 113. VI. 3. 38 vor, bald aber löſen ſich die Membranen auf, und man kann während des Strömens deutlich beobachten, daß die Zellen der unterliegenden Schicht die eben erwähnte Geſtalt des innern Contours der Henle'ſchen Membran verurſachten. Die zweite, nach innen gelegene Schicht der innern Wurzel— ſcheide — Hurley'ſche Zellenlagen —, in der Mitte ihres Verlaufes ohngefähr 0,0 10“ und darüber breit, umfchließt vom Haarknopfe an bis zur Einmündungsſtelle der Talg— drüſen den Haarſchaft genau; zuweilen iſt zwiſchen beiden ein Raum, welcher als eine gelbliche, 0,0007 —0,002““ breite Linie erſcheint. Sie beſteht aus von oben nach unten ſich deckenden, unten (0,006“ breitern und mehr rundlichen, oben ſchmäleren (0,004) ſpitzer werdenden, 0,011—0,015““ langen, kernloſen Zellen, welche an keinen Stellen Spalten oder Zwiſchenräume zwiſchen ſich laſſen, ſondern ſich in einander verſchieben; wie die vorige Membran zeigt auch dieſe ähnliche, durch ihr Alter bedingte Veränderungen, in— dem ihre anfangs rundlichen Zellen ſich verſchmälern und gegen die Ausmündung des Haares nicht ſelten zur ſoliden Membran werden. Während die Henle'ſche Schicht bis an die Baſis des Balges die äußere Scheidenhaut begleitet, be— ginnt dieſe gewöhnlich mit mehreren Zellenlagen als ſelbſt— ſtändige Membran erſt an dem ſpitzen Winkel, welchen der äußere Rand des Knopfes mit der Henle'ſchen Schicht und äußern Wurzelſcheide bildet, manch Mal auch ſchon tiefer mit einfacher Zellenlage. An dem Orte ihres Auftretens ſcheinen die Zellen bisweilen Kerne zu haben; da aber die— ſes Verhalten weniger aus der Profilanſchauung als viel— mehr an den vom Haarſchafte abpräparirten Wurzelſcheiden zu ſehen iſt, ſo liegt eine Täuſchung wegen der durchſchei— nenden Spalten der gefenſterten Haut nicht ferne. Durch das— ſelbe Verfahren überzeugt man ſich auch außer den ſchon oben angegebenen Gründen von der fo oft widerſprochenen Eriftenz der Henle'ſchen Haut auf das beſtimmteſte. Abgeſehen da— von, daß ſchon ein genaues Einſtellen des Inſtrumentes an einem aus der Mitte der Scheide genommenen Stücke die zellenhaltige Membran verſchwinden und die untere gefenſterte vortreten läßt oder umgekehrt, je nach der zufälligen Lage des Präparates, ſo iſt der directeſte Beweis der, daß die Conturen der langen oder gar queren Spalten häufig nicht mit denen der Zellen zuſammenfallen, ſondern bald in die Mitte, das obere oder untere Ende, bald zwiſchen die Con— touren zweier ſich deckender oder neben einander liegender Zellen, bald ſchräg über die Zellen zu liegen kommen. (Fig. 16.) Die Abbildung, welche Kohlrauſch (I. e. Taf. XI. Fig. 2.) giebt, zeigt in b die Henle'ſche Haut richtig und zugleich die in ihr liegende innere Zellenſchicht angedeu— tet; die Fig. 3 iſt aber für die oberen zwei Dritttheile der Scheidenhaut falſch und als der gefenſterten Schicht für den unteren Theil des Balges angehörend, ungenau; in der Zeichnung Henle's (Allgemeine Anatomie, Taf. J. Fig 15) ſind die Spalten ebenfalls nicht naturgetreu wiedergegeben; am meiſten mißlungen iſt die don Günther gebrachte Zeichnung (I. c. Taf. I. Fig. 22.). Innerhalb dieſer Schei— den wird der Haarſchaft nebſt ſeinem Knopfe oder ſchlauch— artigen Erweiterung von einer unten 0,0045 — 0,005’ dicken, nach oben dünner werdenden Epiteliumſchicht um— geben. Auf dem Haarkeime erheben ſich nämlich eine, häufig zwei Reihen länglicher, Kern und Kernkörperchen hal— tender Zellen, welche ſenkrecht auf der Haarachſe ſtehen, höher aber ſich bedeutend nach ihrem Längendurchmeſſer aus- dehnen und eine nach der Haarſpitze gerichtete ſchräge Stel— lung annehmen; ſie legen ſich von unten nach oben dach— ziegelförmig über einander, ſo daß man in der ganzen Breite der Schicht vier bis ſechs ſolcher einzelner auf ihren Kanten ſtehender Epithelien zählen kann, deren Dicke ungefähr 0,0007 0,0008“ beträgt. Auf die Anwendung von Al— kalien oder mittels eines ſchon leiſen Druckes ſpaltet ſich dieſe Schicht in zwei, von denen die dickere (0,003 —0,004% am Schafte bleibt, die dünnere (0,0014 — 0,0017, ) mit der innerſten Scheide nach außen tritt. Je nach der Stärke des Druckes entfernt ſich letztere nur wenig von erſterer, wodurch das Bild zweier mit in einander greifenden Zacken verſehener Linien entſteht, oder ſie treten weiter aus einander, in welchem Falle zwiſchen der inneren Scheide und dem den Schaft umgebenden Epitelium in der Profilanſicht eine Lage von breiten, ſich ebenfalls deckenden Zellen zu Tage kommt. Kohlrauſch hält die mit der innern Wurzelſcheide ſich zurückziehende Epiteliumſchicht nur für einen Abdruck des Oberhäutchens des Haares auf der erſten. Abgeſehen da— von, daß die Contouren der Epitelienlage in die von den beiden ſich zuſammenlegenden Flächen gebildeten Zacken ge— nau übergehen, daß man bei etwas ſtärkerem Drucke auf dem Haarſchafte ſelbſt mittels einer richtigen Einſtellung des Mikroſkopes die vordere Fläche der Epitelienſchicht einreißen und nach außen entweichen ſieht, in welchem Falle der Durch— meſſer der nach beiden Seiten getretenen Schichten zuſammen— genommen der Dicke des Haarſchaftes entſpricht — ſo iſt dieſe Behauptung ſchon deßhalb nicht ſtichhaltig, weil zwi— ſchen einem Abdrucke und der Membran, in welcher der Abdruck ſein ſoll, kein freier, meßbarer Zwiſchenraum, wie hier, Statt finden kann, und weil man ſehr oft beobachtet, wie am ganzen Schafte, beſonders an genanntem ſpitzigem Winkel, niemals weiter unten die Epiteliumſchicht zackig einbricht, ſich in zwei, unten noch zuſammenhängende Schen— kel theilt, welche nach oben immer weiter aus einander gehen und gewöhnlich, wenn etwas Flüſſigkeit auf dem Objeetglaſe vorhanden iſt, dieſelbe zwiſchen ſich einſtrömen laſſen, wo— durch auch der eintretende Waſſertropfen ein ſchuppiges Aus ſehen erhält. Trennt man die Scheiden vom Haare ab, ſo bleibt auf ihrer inneren Oberfläche dieſe Epiteliumſchicht liegen, und da ſie ſchwer zu iſoliren iſt, ſo iſt die Täuſchung, als ſei das Epitelium des Haarſchaftes an der inneren Fläche der Wurzelſcheide nur abgedrückt, ſehr leicht möglich. Dieſer Schuppenüberzug nimmt von der Übergangsſtelle des Schaftes in den Knopf bis zum Grunde des Balges an Weichheit zu, wird von gelatinöſer Conſiſtenz und reißt bei ausgezogenen Haaren faſt immer über der pulpa ab; wobei er ſich manch Mal faltet und das Bild von umſpinnenden Querfaſern erzeugt, welche von feinen queren Linien als dem Ausdrucke der ſich deckenden Epitelienſchuppen durchzogen werden (Fig. 17), die zurückgetretene äußere Epiteliumſchicht 3 * 39 113. VI. 3. 40 aber gerade bleibt. Innerhalb dieſer Hornſchicht erheben ſich von der koniſch geformten pulpa verſchiedene Zellen = und Kernformationen, die in die Faſerzellen der Rinden— ſubſtanz und in das Mark übergehen. Die pulpa ſelbſt beſteht an ihrer unterſten Fläche aus Blaſtem, in welchem viele Pigmentmolecüle abgelagert ſind; allmälig ordnen ſich dieſe in der Art, daß freie Zwiſchen— räume entſtehen und die Molecüle ſich in Form von eckigen Zellen mit einander vereinigen, wobei aber von Zellenwänden keine Spur zu ſehen iſt. Dieſe an einander gereihte, in ih— rem Blaſteme eingelagerten Pigmentkörnchen nehmen allmälig eine längliche Geſtalt an, die hellen Zwiſchenräume werden zu deutlichen Intercellulargängen. Nicht ſelten kommt aber auch das Gegentheil vor, die Zwiſchengänge ſind nämlich mit Molecülen angefüllt, und die freien Räume ſehen wie eckige, kernloſe Zellen aus. Eigentliche Übergänge von dieſen Bildungen zur wirklichen Faſer konnte ich nie deutlich wahr— nehmen; weiter nach oben findet man äußerſt dünne Faſern, welche aus amorphen dem geronnenen Faſerſtoffe ähnlichen Körnchen zuſammengeſetzt ſind und zwiſchen ſich zahlreiche, ſpindelförmige, 0,0011 —0,0022““ dicke Kerne mit ſcharfen Rändern der Länge nach eingelagert haben. Dieſe freien Faſern ſammeln ſich an Stärke zunehmend in dem Haar— ſchafte, wie die Haare eines Pinſels in ſeinem Stiele. Läßt man auf die Beſtandtheile des Haarknopfes ausgeriſſener Haare, deſſen untere trichterförmige Geſtalt nur durch eine gewaltſame Lostrennung von der hügeligen pulpa entſteht, Reagentien einwirken, ſo ergeben ſich folgende verſchiedene Erſcheinungen, deren Analogie zum Theil in den chemiſchen Eigenſchaften der älteren Haartheile wieder zu finden iſt. Auf Eſſigſäure, Kali, Ammoniak reißt der Knopf in feiner Mitte ab und ſtrömt mit ſeinem Inhalte zwiſchen den ab— geriſſenen Scheiden hervor; erſtere macht die Faſern, Kerne und Epitheliumſchichten anfänglich deutlicher, markirter, löſ't ſie aber ſpäter mit Ausnahme der Kerne auf; nach Ein— wirkung der letzteren löſ't ſich die noch anhängende pulpa nebſt dem Inhalte des Knopfes ebenfalls gänzlich auf, etwas länger widerſteht die Epidermisſchicht. Auf Schwefelſäure wird die weiche pulpa dichter, ihre Zellen, ſowie Faſern und Kerne treten ſchärfer hervor; die Epidermisſchicht wird anfangs nicht angegriffen, ſpäter aufgelöſ't. Schwefelſäure und Eſſigſäure bedingen bei der äußeren Epitelialſchicht für längere Zeit keine beſondere Wirkung. Was ſchließlich den eigentlichen Haarbalg betrifft, ſo kann man feinen Bau am beſten an Längs- und Quer— ſchnitten der behaarten Haut ſtudiren, wobei ſich die von Wasmann für die Magenunterſuchung vorgeſchlagene Me— thode als vorzüglich empfiehlt. Er beſteht aus drei Schich— ten, welche von der äußeren Wurzelſcheide an in folgender Reihe auf einander folgen: a, aus einer milchweißen, ſtru— eturlofen Membran, welche beim Ausreißen des Haares im— mer im Haarbalge zurückbleibt; ſie erſcheint als ein waſſer— heller Streif zwiſchen Wurzelſcheide und der darauf folgenden Zirkelfaſerhaut, beim Schafe in der Dicke 0,0018 0,002“, beim Menſchen 0,0016 betragend, geht unten im Balge faft ganz herum und bleibt bei der Einwirkung von Rea— gentien ganz indifferent, aus welchem Grunde ich ſie zu den Glashäuten Henle's rechnen möchte. Nach außen von ihr liegt b, eine Schicht von Ringsfaſern, welche beſonders an Querſchnitten deutlich zu ſehen iſt; läßt man Eſſigſäure einwirken, ſo erſcheinen in ihr breite, etwas nach innen ge— bogene Kerne. Neben dieſer befindet ſich endlich e, eine Schicht von Längsfaſern, welche den Zellgewebsfaſern des corium angehören, auf Eſſigſäure in ihren Contouren er— blaſſen und längliche, ſchmale, theils zwiſchen, theils auf ihnen liegende Kerne zeigen. (Fortſetzung nächſtens.) Miſcellen. 6. Im menſchlichen Blute ſind nach E. Millon außer dem Eiſen noch andere Metalle enthalten und durch folgendes Verfahren nachzuweiſen. Friſch gelaſſenes venöſes Blut wird mit dem dreifachen ſeines Volumens Waſſer vermiſcht und darauf mit Chlorgas behandelt, wobei ein Gerinnen Statt findet und eine anfangs braune, bald grau werdende amorphe Maſſe entſteht, die von den Blutkügelchen nichts mehr erkennen läßt. Die Flüſſigkeit läßt ſich leicht filtriren; ſie enthält alle firen Beſtandtheile des Blutes, während die organifchen Beſtandtheile im coagulum, das ohne Rückſtand verbrennt, zu finden find. Mit den fixen Beſtand⸗ theilen ſind in der abfiltrirten Flüſſigkeit nur etwa 1 Proc. der organiſchen Stoffe gelöſ't worden; um dieſe zu zerſtören, wird ſie zur Trockne verdampft, und einige Augenblicke geglüht, darauf ge⸗ löſ't und zur Analyſe benutzt. In dieſem gelöſ'ten Rückſtande fand der Verf.! Kieſelſäure .. 1 bis 3 Proeent. Blei „ ET biss 2 Kupfer 0,5 bis 2,5 = Talkerde . . 10 bis 24 z Aus einem von mehreren Aderläſſen erhaltenen vom Serum forge fältig getrennten 1 K. ſchweren Blutkuchen erhält der Verfaſſer 0,083 Gr. Blei und Kupfer, aus 1 K. vom Blutkuchen getrennten Serums dagegen aus 0,003 Gr. dieſer beiden Metalle, woraus der Verf. das Vorhandenſein des Bleies und Kupfers mit dem Eiſen in den Blutkügelchen annimmt und die geringere Menge dieſer Metalle im Serum gelöſ'ten oder ſuspendirten Blutkügelchen zu⸗ ſchreibt. (L'Institut 1848, No. 732.) 7. Über das Zerfallen der Fels geſteine ward von Ebelmen der Pariſer Akademie eine Abhandlung eingereicht. Eine vergleichende Analyſe vollkommen erhaltener und verwitterter Trapp⸗ geſteine (ſog. Grauſtein aus den Cordilleren und Baſalt von Linz) zeigte ihm, wie die Kieſelſäure, der Kalk, die Magneſia, das Eiſen⸗ oryd und die Alkalien mit dem Verwittern des Geſteines mehr und mehr frei wurden, das Waſſer jedoch in größerem Verhältniß wie beim normalen Geſtein vorkam und das Zerſetzungsproduct ſich mehr und mehr einem hydratiſchen Thonerdeſublimate näherte. Dieſe wie frühere Verſuche führten den Verf. zu folgenden Schlüſ— fen: 1) Beim Verwittern nicht thonerdehaltiger Silicate verſchwin— det die Kieſelerde, der Kalk und die Talkerde; das Eiſen bleibt bald als Peroxyd, bald verſchwindet es mit den andern Stoffen; von dem Geſteine bleibt alsdann nichts zurück. 2) Beim Der: wittern Thonerde und Alkalien enthaltender Silicate concentrirt ſich die erſtere im Rückſtande, indem ſie zugleich Waſſer bindet und die Kieſelſäure, die ſich mit einem Theile der frei gewordenen Stoffe vereinigt hat, zurückhält, fo daß zuletzt ein Thonerdeſilicathydrat ent⸗ ſteht. Faſt alle vulcaniſchen Geſteine ſind in dem letzteren Falle. Die Thonerde der geſchichteten Formationen iſt nach dem Verf, als Überbleibſel einer ſolchen Verwitterung mechaniſch hinweggeführt worden. Das Zerfallen der vulcanifchen Geſteine muß nach dem Verf. auch in atmoſphäriſcher Beziehung wichtig ſein, indem die frei werdenden Stoffe theils Sauerſtoff, theils Kohlenſtoff binden. 41 113. VI. 3. 42 Das Verwittern einer dünnen Steinſchicht genügt nach ihm, um alle Kohlenſäure der Atmoſphäre zu abſorbiren. Die ſo durch das Zerfallen vulcaniſcher Geſteine der Luft entzogene Kohlenſäure wird ihr, wie der Verf. glaubt, zum größten Theil durch vulcani⸗ ſche Erſcheinungen wiedergegeben, indem in der Nähe thätiger oder erloſchener Vulcane der Boden dieſes Gas in Menge aushaucht, wornach nicht allein die organiſche Natur, ſondern auch die mine⸗ raliſchen Elemente einen Wechſel ſowohl als ein Gleichgewicht in den Beſtandtheilen der Atmoſphäre herbeiführen würden. (L’Insti- tut 1848, No. 733.) 8 Beim Crocodilus lucius fand Edward Fry ein von allen bisherigen Angaben abweichendes Circulationsſyſtem. Bei den Sauriern ſoll nämlich die linke Herzkammer mit dem rechten Aortenbogen einen gemeinſchaftlichen Stamm bilden, der fi in 2 Arme theilt, den Vordertheil des Körpers verſieht und bald als arteria innominata, bald als subelavia und carotis bezeichnet wird. Der Verf. fand nun an dem von ihm friſch unterſuchten 5 Fuß 4 Zoll langen Krokodil 2 ſeitlich vom rechten Aortenbogen vom bulbus der linken Kammer entſpringende Stämme, von denen der eine unmittelbar zu den vorderen Gliedmaßen, der andere aufwärts verlief, bald einen beträchtlichen Aſt, die linke arteria subelavia abgab, dann aber an jeder Seite längs der unteren Fläche der unteren Seite der Wirbelkörper in einer Muskelrinne bis zur Luft⸗ röhre fortging, die hinteren Naſenlöcher erreichte, ſich hier theilte und ſeine Aſte an die untere Seite des Schläfenmuskels ſchickte und ſowohl die untere Kinnlade als die Seiten des Kopfes mit Blut verſorgte. Dieſe einzige Arterie erſetzt ihrer Function nach die Carotiden, während ſie in ihrem Urſprunge, Verlauf und Ende mehr der unteren arteria pharyngea gleicht. — Da nun, fo weit dem Verf. bekannt, bei keinem Wirbelthiere etwas ähnliches vor⸗ kommt, auch in Müllers Archiv Bd. I. S. 174 die Circulation des Crocodilus lucius von Baly beſchrieben iſt, fo ſcheint der vorliegende Fall abnorm zu ſein. (The Annals and Magazine of natural history 1847, No. 136.) Nekrolog. — Im Febr. d. J. iſt zu München der Prof. der Phyſiologie Dr. Erdl geſtorben. Heilkunde. (VI.) Praktiſche Bemerkungen über hängende Geſchwülſte. Von J. M. O' Ferrall, M. D., Oberarzt am St. Vincents-Ho⸗ ſpitale zu Dublin. Hängende Geſchwülſte bilden ſich an verſchiedenen Kör— pertheilen. Sie können in ihrer Structur den normalen Geweben ähnlich oder eigenthümlich organiſirt ſein, und inſo— fern laſſen ſie ſich, wie andere Gewächſe, die auch als Ge— ſchwülſte bezeichnet werden, in zwei Claſſen zuſammenſtellen. Indeß bieten ſte auch einige ihnen eigenthümliche Kenn— zeichen dar, wegen deren ſie, meiner Anſicht nach, ſpeciell ſtudirt zu werden verdienen. Dieſe Charaktere beziehen ſich zum Theil auf ihre ſonderbare Geſtalt, ihre hängende Lage und ihre Anheftungsart, ſowie in bedeutendem Grade auf die Organiſation und die Functionen des Theiles, an welchem ſie ſitzen. Andere Charaktere der herabhängenden Geſchwülſte ent— wickeln ſich während deren Fortbildung, und dieſe hängen von gewiſſen krankhaften Veränderungen ab, denen ſie un— terworfen find, und welche nicht ſelten die ungegründete Be: ſorgniß erregen, daß ſie bösartiger Natur ſeien. Da dieſe Art von Geſchwülſten, meines Wiſſens, noch nicht ſpeciell unterſucht worden iſt, und da die Werke von Abernethy, Bell, Lawrence, Vogel, Rayer, Ali: bert und Warren nur eine einzige Varietät derſelben, das ſogenannte molluscum, erwähnen, fo will ich mich über dieſelben, ſo weit ſie mir aus meiner Praxis bekannt ge— worden, etwas umſtändlicher ausſprechen. Die herabhängenden Geſchwülſte, welche man im In— nern des Körpers findet, und die mit ſeröſen oder Schleim— membranen überzogen ſind, haben die Aufmerkſamkeit der Pathologen in höherem Grade in Anſpruch genommen. In den Werken des Dr. Hodgkin findet man bündige Aus- kunft über deren anatomiſche Beſchaffenheit, während in den beſſern ärztlichen Schriften der Polypen, welche ſich in den mit Schleimhäuten ausgekleideten Höhlen und Canälen bils den, bei Gelegenheit der Krankheiten der betroffenen Organe ausführlich gedacht iſt. Unſere Forſchungen dagegen beziehen ſich lediglich auf diejenigen hängenden Geſchwülſte, welche ſich in dem dermoidiſchen oder unter der Haut liegenden Zellgewebe entwickeln. Anatomiſche Kennzeichen. Unter den anatomi— ſchen Charakteren gehören einzelne allen Geſchwülſten dieſer Claſſe gemeinſchaftlich an, während andere der örtlichen Lage der krankhaften Gewächſe eigenthümlich ſind. Eine Fort— ſetzung der gemeinſchaftlichen Integumente bildet den Stiel und verbreitet ſich über die ganze Geſchwulſt, wo ſie ent— weder ausgeglichen und glatt oder unregelmäßig und warzig auftritt, was von der Localität abhängt. Die Länge des Stiels iſt verſchieden und ſcheint großentheils durch die Größe und das Gewicht der Geſchwulſt bedingt zu ſein; allein die ſcheinbare Länge iſt oft bedeutend größer, als die wirkliche. Der Grund hiervon liegt in dem Zuge, welchen die die Geſchwulſt umgebende Haut erleidet; die wahre Länge des Stiels erkennt man aber leicht, wenn man die Geſchwulſt mit der Hand ſtützt. Die Haut zieht ſich dann ſogleich in ihre natürliche Lage zurück. Bei dem Operiren dieſer Ge— ſchwülſte iſt die Ermittlung der wahren Länge des Stiels von Wichtigkeit, indem man dadurch eine unnöthig große Narbe vermeiden kann. Ihre Farbe und Conſtſtenz hängen großentheils von ihrer inneren Organiſation ab. Dieſe erkennt man am leichteſten bei den größern Varietäten. Ein Durchſchnitt der Geſchwulſt und des Stiels zeigt die Anordnung der Gefäße, welche einfach iſt. Iſt der Stiel dünn, jo wird ein bedeutender Theil der Stärke des Halſes von der Arterie und der ſie begleitenden Vene eingenommen, die ſich dann 43 in dem knolligen Theile der Geſchwulſt vielfach veräfteln. Die Arterie iſt manch Mal ſo ſtark, daß ihre Pulſationen denen der Radialarterie eines Kindes an Kraft gleichkom— men. Die Veräſtelungen ſind ungemein fein und laſſen ſich, meinen Erfahrungen zufolge, nicht gut ausſpritzen. Das Ausſpritzen hat deßhalb beſondere Schwierigkeit, weil, ſobald die Geſchwulſt amputirt iſt, die Haut ſich zuſammenzieht und das Volumen der Geſchwulſt alsbald bedeutend vermin— dert, ſo daß die in deren Zellgewebe enthaltenen Flüſſig— keiten herausgepreßt werden. Der Stiel, welcher vor der Operation vielleicht 4 Zoll lang war, wird augenblicklich bis auf 1½ Zoll verkürzt und zieht ſich gegen die Geſchwulſt zurück. i Die Vene iſt ein einfacher Cylinder und ihre Veräſte— lungen ſind, gleich denen der Arterie, außerordentlich fein. Ich habe dieſe Röhren ſorgfältig unterſucht, aber darin nie eine den Klappen ähnliche Structur auffinden können. Dies iſt inſofern bemerkenswerth, als ſich daraus die Tendenz zu Odem und livider Färbung erklärt, welche man an dieſen Geſchwülſten, wenn ſie eine anſehnliche Größe erlangen, jederzeit wahrnimmt. Die Circulation iſt bei der adipöſen Varietät der hängenden Geſchwülſte weniger einfach. Auch der hängende naevus wird manch Mal durch mehr als eine Arterie mit Blut verſorgt. Dasſelbe dürfte auch bei ſolchen hängenden Geſchwülſten der Fall ſein, welche bösartig ge— worden ſind; allein dies richtet ſich alsdann nach der Breite der Anheftung an die benachbarten Theile. Die Durchſchnittsfläche der herabhängenden Geſchwülſte bietet im allgemeinen das Anſehen von mehr oder weniger hypertrophiſchem Zellgewebe dar, welches in feinen Maſchen eine klare Secretion enthält. Das Ganze hat ein perl— mutterartiges, halbdurchſichtiges Anſehen, wenn das Gewebe von der einfachſten Art iſt. Im lebensthätigen Zuſtande der Geſchwulſt würde ſich eine ſolche Durchſchnittsfläche wahr— ſcheinlich mehr oder weniger gefäßreich darſtellen und die Farbe ganz anders fein. Die aus dieſen Geſchwülſten, wenn die Haut geplatzt iſt, hervorwachſenden Granulationen bieten ſtets die rothe fleiſchartige Farbe der hochorganiſirten Theile dar. Zu den bereits angeführten Geweben, welche die ein— fachſte Form der herabhängenden Geſchwuͤlſte bilden, kommen nun zuweilen noch andere hinzu, welche den letztern einen ſpeciellen Charakter ertheilen. So kann das Zellgewebe einen ſolchen Verhältnißtheil adipöſer Subſtanz enthalten, daß die Geſchwulſt den Charakter einer Fettgeſchwulſt an⸗ nimmt. Mir ſind mehrere Beiſpiele dieſer Art vorgekommen. Das Zellgewebe kann ferner die Grundlage eines zufällig hinzutretenden erectilen Gebildes werden. Die Geſchwulſt hat in dieſem Falle die marmorirte Purpurfarbe des naevus und läßt ſich zwiſchen den Fingern zu einem viel geringern Umfange zuſammendrücken. Ein Durchſchnitt dieſer Ge— ſchwülſte zeigt die Offnungen zahlreicher Gefäße, welche in verſchiedenen Richtungen zu ihren Achſen getrennt wor— den ſind. Wenn eine hängende Geſchwulſt von der Warze oder aus dem Hofe der weiblichen Bruſtwarze hervorgewachſen iſt, 113. Id 13. 44 ſo finden ſich darin einige dem Theile eigenthümliche Be— ſtandtheile. Die Drüſenbeutelchen ſteigen, während die Ge— ſchwulſt zunimmt, in dieſelbe hinab und bilden einen Theil ihrer Structur; dieſe Beutelchen werden hypertrophiſch und vermehren fo den Umfang der Geſchwulſt. Diejenigen Ge⸗ ſchwülſte, welche von dem Hofe der Bruſtwarze entſpringen, wachſen ſchneller als die, welche an andern Stellen der weiblichen Bruſt ſitzen. In der letztern Lage ſind mir nie ſo große Geſchwülſte vorgekommen, als an dem Hofe der Warze. Vorigen Sommer ward ich von einer Dame zu Clonmel zu Rathe gezogen, welche mit zwei herabhängenden Geſchwülſten an der rechten Bruſt behaftet war, die ſie ſchon fo lange als fie zurückdenken konnte, wahrgenommen hatte, Die eine hatte die Größe einer kleinen Erbſe, war weich, farblos und hing an einem ungemein dünnen Stiele, welcher an einer 2 Zoll von der Bruſtwarze entfernten Stelle an— geheftet war. Die andere war ſo groß, wie eine Kaſtanie, braun von Farbe und an der Oberfläche etwas unregelmäßig. Der Stiel der letztern war dicker und wuchs aus dem Hofe der Bruſtwarze, ganz dicht an der letztern, hervor. Die Anweſenheit der folliculi glandulares und sebacei in dieſen Geſchwülſten ertheilt den letztern noch andere eigen— thümliche Charaktere. Ihre Oberfläche wird unregelmäßig. Es ſchwitzt aus ihnen eine Seeretion, welche, wenn man ſie ſich anhäufen läßt, einen eigenthümlichen übeln Geruch annimmt. Die Patienten fürchten ſich ſo ſehr vor dem Berühren und Reizen dieſer Geſchwülſte, daß ſie gewöhnlich dieſe Feuchtigkeit auftrocknen und ſich anhäufen laſſen, bis ſie eine Art von Kruſte bildet. Wenn die Oberfläche der Geſchwulſt unregelmäßig iſt und die hypertrophiſchen Beutelchen Hervorragungen bilden, fo nimmt das Ganze ein warziges Anſehen an, indem jede Hervorragung mit der ſchon erwähnten Seeretion überzogen iſt, die ſich langſam, aber ſtätig vermehrt, bis die Geſchwulſt ein an ichthyosis erinnerndes Anſehen erhält. Dieſe war— zenähnlichen Hervorragungen laſſen ſich bis zu einer Tiefe von 2— 3 Linien von einander trennen, die Spalten zei— gen ſich feucht und es erhebt ſich aus ihnen ein wider— licher Geruch. Auf der Durchſchnittsfläche einer Geſchwulſt dieſer Art bemerkt man überall, außer an deren Rande, wo die war— zenartigen Erhöhungen ſich befinden, eine milchartige Weiße, die ſich von der Farbe der einfachern Gewächſe an andern Theilen der Bruſt auffallend unterſcheidet. Auf die Beſchreibung derjenigen herabhängenden Ge— ſchwülſte, in welchen ſich bösartige Ablagerungen gebildet haben, brauchen wir hier nicht einzugehen. Sie charakteri— ſiren ſich in allen Lagen durch dieſelben Kennzeichen. Übri⸗ gens will ich bemerken, daß ich bei dieſen Geſchwülſten ſtets nur eine Varietät von bösartigen Gebilden, nämlich die encephaloidiſchen, wahrgenommen habe. Das seirrhoma iſt mir an denſelben nie vorgekommen. Krankhafte Veränderungen in den herab: hängenden Geſchwülſten. Die hängenden Geſchwülſte werden nach denſelben allgemeinen Geſetzen ernährt, wie andere Theile des Organismus und ſind auch denſelben 45 113. VI. 3. 46 krankhaften Veränderungen unterworfen, wie dieſe. Einige dieſer Veränderungen ſcheinen von der Verzögerung der Cir— culation in den Geſchwülſten herzurühren, welche eine Folge ihrer hängenden Stellung iſt. Der Zufluß von Arterienblut, welcher das Wachsthum der Geſchwulſt bewirkt, nimmt mit dem Volumen der Geſchwulſt ſelbſt zu. Das Einſtrömen und die Vertheilung dieſes Blutes in der Maſſe ſtößt nir— gends auf ein Hinderniß. Mit der rückkehrenden Strömung durch die Venen verhält es ſich anders. Von jenen Vor— kehrungen, durch welche die gegen die Schwerkraft anſtre— bende Veneneirculation in andern Theilen unterſtützt wird, iſt hier gar keine Spur vorhanden. Mit der Vergrößerung der Geſchwulſt nimmt alſo auch die Neigung zu Congeſtion in derſelben zu. Die Haargefäße beider Syſteme werden ausgedehnt, und die Oberfläche nimmt eine purpurröthliche Farbe an, welche ſich an manchen Stellen mehr dem arte— riellen, an andern mehr dem venöſen Rothe zuneigt. Zu den übrigen Kennzeichen der Geſchwulſt tritt in dieſem Stadium gewöhnlich noch eine Zunahme ihrer Feſtigkeit hinzu. Dieſe Verhärtung des Zellgewebes und der Haut iſt nicht regelmäßig vertheilt, und bei großen Ge— ſchwülſten erhält dadurch die Oberfläche eine ungleiche Geſtalt, welche öfters auf Bösartigkeit der Geſchwulſt ſchließen läßt. Wir müſſen dieſer krankhaften Veränderung beſonders ge— denken, obwohl der erfahrne Praktiker beim Betaſten leicht die hier in Rede ſtehende Verhärtung von jeder bedenklichern Entartung unterſcheiden wird. Das Odem der herabhängenden Geſchwülſte iſt wieder ein Zuſtand, zu welchem die Congeſtion in den Capillar— gefäßen faſt unvermeidlich führt. Die Oberfläche des unter— ſten Theiles der Geſchwulſt fühlt ſich dann teigig an, und dieſe Infiltration des Zellgewebes iſt zuweilen ſo bedeutend, daß der Unerfahrne getäuſcht wird und meint, es habe ſich dort Eiter angeſammelt. Wenn die Zellſchicht von ſo— genannter lockerer Textur iſt, fo kann ein ſolcher Irrthum am leichteſten vorkommen. Ich ſah vor einiger Zeit eine Dame, bei welcher eine herabhängende Geſchwulſt von der rechten Lefze der vulva hervorgewachſen war. Sie hatte den Umfang einer großen Apfelſine und einen 4 Zoll langen Stiel. Der Grund derſelben war mißfarbig und trug die Spur eines Lanzettenſtiches an ſich, den Tags zuvor ein Chirurg behufs des Ablaſſens von Eiter gemacht hatte. Es war aber nur serum, mit etwas Blut vermiſcht, ausgefloſſen. Die Geſchwulſt ward ohne weiteres erſtirpirt, und es traten keine weitern nachtheiligen Folgen ein. Eiterung kann indeß in herabhängenden Geſchwülſten, wenn dieſelben bedeutende Reibung oder Gewaltthätigkeit erleiden, wirklich eintreten. Ein Herr conſultirte mich wegen einer Geſchwulſt, welche vom rechten Hinterbacken, dicht an der Querfalte, hervorwuchs. Der Stiel war breit und etwa 1 Zoll lang und beſtand aus den benachbarten Hautbe— deckungen, welche durch das Gewicht der Geſchwulſt herab— gezerrt wurden. Im Grunde der Geſchwulſt befand ſich eine kleine Offnung, durch welche beſtändig Eiter ausſickerte. Wenn man eine Sonde durch dieſe Offnung einführte, ſo konnte man dieſelbe in einer 1 Zoll tiefen Höhle frei um— herbewegen. Der Reſt der Geſchwulſt war offenbar adipöſer Art, und einige Portionen derſelben waren in einer auf— fallenden Weiſe verhärtet. Die ganze Maſſe hatte den Um— fang einer Melone. Sie ließ ſich leicht exſtirpiren. Die Höhlung des Absceſſes war mit einer falſchen Membran ausgekleidet, welche derjenigen ähnlich war, die man in gewöhnlichen Abseeſſen findet. Die Ercoriation der Geſchwulſt giebt, wenn dieſe ödematös iſt, zu ſonderbaren Steigerungen oder Vermin— derungen ihres Volumens Veranlaſſung. Die ganze Ge— ſchwulſt wird in vielen Fällen von anasarca ergriffen, und wenn jene Ercoriation Statt findet, fo folgt auf dieſelbe ein Ausſickern von Seroſität, die mit perjenigen, welche aus den Beinen Waſſerſüchtiger ausläuft, Ahnlichkeit hat. Durch das Entweichen dieſer wäſſerigen Flüſſigkeit vermindert ſich das Volumen der Geſchwulſt raſch. Wenn der Patient das Bett hütet, jo heilt die wunde Stelle zu, und die Geſchwulſt gewinnt ihren frühern Umfang wieder. Dieſe wechſelnde Verkleinerung und Vergrößerung der hän— genden Geſchwülſte wurde mir von mehreren damit behafte— ten Perſonen beſchrieben. Die Ulceration der dieſe Geſchwülſte bedeckenden Haut verdient, wegen der Ahnlichkeit, welche die Granulationen zuweilen mit bösartigen fungöſen Gewächſen haben, beſon— dere Erwähnung. Der Grund der Geſchwulſt kann nach einander alle bereits beſchriebenen Veränderungen darbieten: Congeſtion, Odem, Ereoriation, und zuletzt platzt die Haut nach ihrer ganzen Stärke. Die aus dieſer durch die Klei— dung des Patienten beſtändig gereizten Oberfläche, welche vermöge ihrer Lage der Sitz einer Congeſtion iſt, hervor— ſproſſenden Fleiſchwärzchen, haben ein ganz anderes Anſehen als die Granulationen normaler Theile des Organismus. Sie ſind groß, dunkelroth, bluten leicht und ſind ſehr uͤbel— riechend. Sie wuchern zuweilen fo ſtark, daß ſich ihre Lebens— kraft erſchöpft und ein Theil ihrer Oberfläche durch Spha— celus abgeſtoßen wird. (Schluß folgt.) Miſecellen. (J) Einen Fall, wo eine Flintenkugel 50 Jahre lang in der Lunge verweilt hatte, erzählt Hr. Moore. Die Verwundung des Mannes John Leunon's) fand im De⸗ cember 1796 Statt, und nachdem er ſeitdem vielfach an Bronchen⸗ entzündung ꝛc. gelitten, ward er im April 1846 von einer heftigen Pleureſie befallen; er huſtete und warf beſtändig aus, und am 27. Aug. machte ein Blutſchlag ſeinem Leben ein Ende. Bei der Leichenöffnung fand ſich, daß die linke Lunge an dem größten Theile der Rippenpleura adhärirte, deren Höhle unten mit ergoffer nem Serum angefüllt war. Die Luftzellen ſtrotzten von einer ſchlei— mig-wäſſerigen Flüſſigkeit und dieſe Lunge war voluminöſer, als gewöhnlich, indem das Mittelfell in die rechte Hälfte des Bruſt— kaſtens hinein gedrängt war. Die rechte Lunge beſaß nur ein Drittel ihres normalen Volumens, hing an dem obern Theile der Bruſt feſt und war ſchlaff und unelaſtiſch. Zum Athemholen hatte dieſe Lunge kaum noch dienen können. Die Kugel fand ſich in deren Subſtanz eingelagert, und an einem ½ Zoll langen Stiele von verhärtetem Lungenparenchym und Zellmembran mit der innern 47 Oberfläche der dritten Rippe in der Nähe der Vereinigungsftelle des knochigen und knorpeligen Theiles verbunden. An der Lun⸗ genſubſtanz ſelbſt hing ſie ſo feſt, daß es Mühe koſtete, ſie heraus⸗ zuziehen, nachdem man ſie mit dem Meſſer halb entblößt hatte. In der rechten Bruſthöhle fand ſich keine Ergießung, und das Zwerchfell war höher als gewöhnlich in dieſelbe eingedrungen. Ein anderer fremder Körper fand ſich bei genauer Unterſuchung in der Lunge nicht. (Gaz. med. de Paris, 22. Janv. 1848.) (5) Die Behandlung eines unvereinigten Kno⸗ chenbruches mittels der Magnetelektricität iſt Hrn. Burman zu Wath bei Rotherham gelungen. Ein kräftiger Mann von 35 Jahren, der zu einem Maͤßigkeitsvereine gehörte, hatte durch einen Sturz das Bein gebrochen, welches zweckmäßig ein— gerichtet worden war; aber als ihn 14 Wochen nach dem Unfalle Hr. B. ſah, hatte ſich der Bruch, welcher am untern Drittel des Unterſchenkels quer durch die tibia und fibula ging, nicht vereinigt; auch war um die Bruchflächen her durchaus keine Entzündung wahr— zunehmen, obwohl der Patient dem Rathe, dieſelben an einander zu reiben, ſehr fleißig nachgekommen war. Hr. B. ließ dem Pa⸗ tienten einen blechernen Stiefel anfertigen, welcher den ganzen Fuß und Unterſchenkel umhüllte und durch Wattirung genau an das Bein anſchloß, ſo daß ſich die Bruchflächen nicht zur Seite bewegen konnten. Der über der Bruchſtelle befindliche Theil des Stiefels ließ ſich auf Scharnieren niederſchlagen, ſo daß man zu jener bequem gelangen konnte, ohne die Theile in ihrer Lage zu ſtören. Mit dieſem feſt angelegten Stiefel ſollte der Patient täg⸗ lich im Freien ſpatzieren, dabei Wein, Bier und Fleiſch reichlich genießen und, während er ſäße, die Knochenenden mittels einer über das Knie und unter die Sohle gezogenen breiten Binde, die ſich mittels einer Schnalle verkürzen ließ, feſt an einander ziehen, wobei der Unterſchenkel unter einem rechten Winkel gegen den Oberſchenkel gebeugt war. Zugleich ſollte täglich eine halbe Stunde lang eine magnetelektriſche Strömung mittels an den beiden Polen anges brachter und auf einander gegenüberliegenden Punkten der Brud)- ſtelle eben bis unter die Haut eingeſtochener Nadeln gerade durch 113. VI. 3. 48 die Bruchſtelle geleitet werden. Dieſe Art von Behandlung begann am 9. October. Am 22. hatte ſich eine hinreichende entzündliche Thätigkeit eingeſtellt, um die fernere Anwendung der Magnetelektri⸗ eität unnöthig zu machen, und am 30. hatte ſich ein fo ſtarker callus abgelagert und der Bruch ſo feſt vereinigt, daß der Patient wieder an feine Geſchäfte gehen konnte. (Medical Times, 4. Dec. 1847.) (6) Die feltene Verrenkung des astragalus nach innen und ein wenig nach oben kam Hrn. Macdonnell im Jahre 1839 an einem Manne vor, welcher ſo vom Pferde ge— fallen war, daß die Spitze des rechten Fußes den Boden zuerſt berührte. Die Zehen waren auswärts gekehrt, und der innere Rand des Fußes bildete mit ſeiner natürlichen Richtung einen Winkel von etwa 30. Die Fläche der Sohle war ein wenig aus— wärts gekehrt und der äußere Rand des Fußes etwas gehoben. Die Concavität der Achillesſehne war hinten bedeutender, als ge— wöhnlich und die Ferſe verlängert. Die weichen Theile zwiſchen der Achillesſehne und der tibia nahmen einen viel breitern Raum ein, als am andern Beine. Unter und vor dem innern Knöchel war ein harter Vorſprung, der durch die innere Fläche des astra- galus gebildet wurde. Die Hauptdeformität beſtand in der Her⸗ vorragung des Fußrückens. Unmittelbar vor der tibia bot dieſe Hervorragung eine platte Oberfläche dar, deren Breite, von der tibia aus gerechnet, einen Querfinger betrug, und die nach dem vordern Theile des tarsus zu ſteil abfiel. Auf dieſem, durch den auf die obere Fläche des Kahn- und Keilbeines getriebenen Kopf des astragalus gebildeten, Höcker waren die Integumente ſo ſtraff, daß ſie, wenn der Stoß nur etwas ſtärker eingewirkt hätte, gewiß zerſprengt worden wären. Der Abſtand der Spitze des malleolus externus von der großen Zehe betrug am kranken Fuße 1 Zoll weniger, als am geſunden. Ein Knochenbruch war nicht vorhan⸗ den. Hr. M. ſah den Patienten ½ Stunde nach dem Unfalle, wo noch keine Entzündung und Ergießung eingetreten war, und bewirkte die Einrichtung mittels des Flaſchenzuges. (Gaz. med. de Paris, 22. Janv. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. C. L. v. Littrow u. F. Schaub, Annalen der K. K. Sternwarte in Wien. 29. Thl. Neuer Folge 9. Bd. Enthaltend Piazzi’s Beobachtungen in d. J. 1803 u. 1804. gr. 4°. 3 Thlr. 17 Sgr. Wallishauser in Wien 1847. Herbier (le) des demoiselles, ou Traite complet de la botanique presentee sous une forme nouvelle et spéciale; par M. Edmond Audouit. In 8° de 30 feuilles !/,, plus une vignette. Paris 1848. (10 fr.) W. D. J. Koch, Taschenbuch der Deutschen u. Schweizer Flora. 8%. Geh. 2 Thlr. Gebhardt u. Reisland. Leipzig 1848. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geognosie u. s. w., hrsg. von K. C. v. Leonhard u. H. G. Bronn. 1848 1. Hft. gr. 8%. Schweizerbartsche Ver- lagsh. in Stuttgart (für 7 Hefte 5%, Thlr.). C. Müller, synopsis muscorum frondosorum. Fasc. I. Förstner in Berlin 1848. 2. Aufl. gr. 8°. Geh. 1 Thlr. Memoires de la Société vétérinaire des departements du Calvados et de la # Manche. Sixieme année 1845 — 1846. In 8° de 16 feuilles. Caen u. Paris 1847. (Prix 5 fr.) British and Foreign Medico-Chirurgical Review; or, Quarterly Journal of Practical Medicine and Surgery. No. 1. 8°. (pp. 284, sewed, 6 sh.) London 1848. Erster Bericht der oberhess. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. gr. 80. % Thlr. J. Ricker in Giessen 1847. Druct und Verlag des Landes⸗Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. r pellagreuse; par M. Baillarger. In 4° de 2 feuilles. Paris A. Schernhorſt, üb. die balſamiſchen Bäder des Hrn. Joſ. Weiß. 8°. Geh. ½ Thlr. Traſſler in Troppau 1848. A. J. G. v. Baumbauer, specimen toxicologico-medicum de venenis irritan- a anorganicis. gr. 8. 1845. Geh. 1 Thlr. 18 Sgr. Müller in Amster- am. W. Hasking. — A Guide to the Proper Regulations of Buildings in Towns as Means of Promoting and Securing the Health, Comfort, and Safely of the Inhabitants. Post 8%. (pp. 298, cloth, 7 sh. 6 d.) London 1848. J. H. Bennett. — Treatise on the Oleum Jecoris Aselli, or Cod Liver Oil, as a Therapeutic Agent in certain Forms of Gout, Rheumatism, and Scro- fula. New edition, with an Appendix for 1847. 8%. (pp. 96, cloth 4 sh.) London 1848. Cholera morbus: Treatment and Symptoms of this Disease in all its Stages; with a simple Remedy, and Precepts for preventing Miasmatic Infection. By Giovanni Battista Thaon , M.D., Military Physician in the Service of His Royal Highness, the Grand Duke of Tuscany etc. 120. sewed 6 d. London 1848, E. E. C. Kenny. — Short Hints and Observations on the Arrangement and Management of Lunatic Asylums. By E. E. C. Kenny, Superintendent of the Lunatic Asylum, Island Bridge, Dublin. 8°. (pp. 80, with a lithogra- phic plan of an asylum, cloth, 2 sh. 6 d.). London 1848. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 114. (Nr. 4. des VI. Bandes.) Maͤrz 1848. Naturkunde. des arteriellen und venöfen Blutes. — Heilkunde. Erſtirpation der Cyſten der Knieſcheibe. — Miſcellen. Tod durch das Eindringen von Luft in die vena jugularis interna. — Beck, das Achſenſyſtem des menſchlichen Körpers ꝛc. — Miſeellen. O Ferrall, praktiſche Bemerkungen über hängende Geſchwülſte.— Battley, Eiſeniodur und Chlorurſyrup gegen Seropheln und Chloroſe. Bibliographie. Beclard, über die Milz und die Pfortader. Poggiale, Analyſe Verdier, über Gefahr der Cooledge, plötzlicher Naturkunde. III. Das Achſenſyſtem des menſchlichen Körpers, eine Parallele zum Pflanzenachſen-Syſteme. Von Dr. Fr. Beck in Tübingen. Die ſchönen Forſchungen im Gebiete der Mikroſkopie haben gezeigt, daß die elementären Bildungsgeſetze pflanz— licher Organismen, ſich in dem thieriſchen Organbaue wie— derfinden. Dieſe Ahnlichkeit in dem Werden pflanzlicher und thieriſcher Gewebe beſchränkt ſich aber nicht bloß auf die Bildung von elementären Organtheilen, von Zellen, Faſern und ſo fort, nein, ſie dehnt ſich auch auf den ganzen Auf— bau thieriſcher Körper aus. Zwar ſind dieſe Geſetze des Aufbaues bei verſchiedenen Thieren in verſchiedenen Formen niedergelegt, gerade wie bei den Pflanzen, aber immer und ewig finden ſich dieſe Geſetze, findet das Ewige ſich wieder. — Das ſchönſte und einfachſte Beiſpiel von der Analogie des Aufbaues zwiſchen pflanzlichen und thieriſchen Körpern giebt der menſchliche Organismus, er nähert ſich dem Ideale am meiſten, welches dem Pflanzenwachsthume zum Grunde gelegt iſt, und deßhalb nahm ich ihn ſpeciell zum Gegen— ſtande meiner Parallele. Die Pflanze verfolgt in ihrer Entwicklung vom erſten Stadium ihres Keimens an bis zum erreichten, vollendeten Typus die Richtung gewiſſer Grundlinien, welche, weil ſie mehr oder weniger in den Mittelpunkt der Längenrichtung fallen, Achſen genannt werden. Je nach der Richtung, welche dieſe Grundlinien, dieſe Achſen, nehmen, oder je nach den Theilen, von denen ſie ausgehen, nennt man ſie auf— oder abſteigende, primäre oder ſecundäre Achſe und ſo fort. Die aufſteigende Achſe wird gewöhnlich zum Stamm der Pflanze, die abſteigende zur Wurzel, zur Pfahlwurzel. Dieſe Theile der Pflanzen wären die primären Achſen. Nun bilden ſich aber wieder neue Achſen aus den primären, dieſe ſind No. 2094. — 994. — 114. dann ſecundäre, welche, wenn fie aus der aufſteigenden Achſe ſproſſen, Aſte, oder wenn aus der abſteigenden Achſe, Wurzeln, Nebenwurzeln genannt werden. Dieſes Auftreten von pri— mären und ſecundären Achſen iſt jedoch nicht bloß das At— tribut der Pflanzen, ſondern auch der Thiere und am reinſten des Menſchen. Dieſes Erſcheinen des Achſenſyſtemes iſt zwar bei thieriſchen Organismen bisweilen eben ſo getrübt, wie bei pflanzlichen. Wie ſchön findet ſich das Achſenſyſtem beim Baume, wie undeutlich in der Knolle, und doch iſt es in beide gelegt. Nehmen wir den Pflanzen das Feſtſtehen im Boden, leihen wir ihnen auf der Oberfläche der Erde Locomotion, ſo wird die Ahnlichkeit der Achſen der Pflan— zen und des Menſchen um ſo augenfälliger. Auch beim Menſchen findet ſich eine primäre Achſe, die ſich als auf- und abſteigende äußert. Es finden ſich ſecun— däre Achſen, die aus den primären ſproſſen, und zwar ſecun— däre, welche aus der aufſteigenden und welche aus der ab— ſteigenden Primärachſe entſpringen. Die Analogie der Pflanzenachſen und der des menſch— lichen Körpers rief wohl die Benennung Stamm, truncus, hervor, und obgleich ſehr roh und oberflächlich, iſt ſie doch eine richtige. In dieſer Übertragung eines Eigenſchaftsnamens von Pflanzen auf einen menſchlichen Theil liegt wohl die erſte Idee einer Ahnlichkeit zwiſchen Pflanzen und Menſchen. Die aufſteigende primäre Achſe ſah man im menſchlichen Körper wieder und belegte ſie mit gleichem Namen. Weiter konnte jedoch die Idee ſich nicht entfalten, ſie blieb ſchlummernd, da man einerſeits das Achſenſyſtem der Pflanzen früher nicht kannte, andererſeits in der Eintheilung des menſchlichen Körpers einen Anſtoß hier fand. Dieſes Hinderniß lag wohl in der Zutheilung von Theilen zum Stamme, welche nicht zu ihm gehören. Hiedurch mußte die Idee der Einheit 4 Si zwiſchen den Achſen der Pflanzen und des Menſchen oder der Thiere getrübt werden, z. B. die Zutheilung der Schul— terblätter und Schlüſſelbeine, der Beckenknochen zum Stamme, Theile, welche zu den Gliederachſen, zu den Extremitäten und nicht zum Stamme gehören. Ehe ich jedoch in Ausführung und Begründung meiner Idee weiter gehe, glaube ich hier den paſſenden Ort vor mir zu haben, eine kurze Beſchreibung der pflanzlichen Ach— ſenbildung und ihrer appendiculären oder acceſſoriſchen Or— gane zu geben, denn hierauf ſtützt ſich ja die ganze Anſicht. Bei dem Arte des Keimens pflanzlicher Embryonen entwickelt ſich eine doppelte Richtung im Wachsthume. Eine iſt erdwärts, abſteigend, die andere iſt lichtwärts, aufſtei— gend. Dieſe beiden Directionen des Wachsthumes nennt man auf- und abſteigende Achſen der Pflanzen. Dieſe bei— den Achſen berühren ſich nun an einem Punkte, und die Stelle, von der die Achſenrichtungen ausgehen, iſt die Scheidelinie des Wachsthumes nach oben und unten, und ſtellt den Lebensknoten, nodus vitalis, dar. Dieſe beiden erſten Hauptbewegungen im Wachsthume finden ſich aber nicht bloß im keimenden Pflanzenembryo, ſondern auch bei der ſich entwickelnden Knoſpe. Dieſe Scheidelinie, welche die auf- und abſteigende Achſe trennt, iſt bisweilen durch eine ringförmige Anſchwellung angedeutet, oft iſt ſie aber nur eine eingebildete, welche ſich weder durch äußere noch innere Merkmale charakteriſirt. In einem ſolchen Falle kann dieſe Linie nicht genau beſtimmt werden. Die abſteigende, erd— wärtsgehende Achſe der Pflanze, auch abſteigender Stock, caudex descendens genannt, liefert dann wieder Seitenachſen, welche die rami primarii, secundarii und jo fort darſtellen. Es kommt jedoch vor, daß dieſer abſteigende Stock ſehr unentwickelt bleibt, während die Seitenachſen eine bedeutende Verlängerung im Wachsthume zeigen. Die aufſteigende Achſe verhält ſich beinahe eben ſo, wie die abſteigende; auch ihr entſpringen ſecundäre Achſen, die Aſte der erſten, zweiten Ordnung u. ſ. w. — Die Haupt- oder primäre Achſe verkümmert entweder, wie bei dem abſteigenden Stocke oft geſchieht, oder fie bildet Endäſte, Gipfeltriebe, rami termi- nales, welche aus einer Knoſpe auf der Spitze des Ober— ſtocks hervorgehen und dieſen verlängern. In dieſen End— knoſpen verendet oft das eee der primären Achſe, und nie bringen ſie unmittelbar eine Verzweigung des Ober— ſtockes hervor. — Die Knoſpen find die äußeren Entwick— lungskeime des Oberſtockes. Wenn man eine Knoſpe der Länge nach ſpaltet, ſo ſieht man, daß ſie aus einer centralen Achſe beſteht, in welcher die jungen, in der Knoſpe ent— haltenen blattartigen Organe ſehr gedrängt beiſammenſtehen. Dieſe Achſe iſt die Grundlage des jungen Zweiges oder Triebes, der ſich durch die Verlängerung der Knoſpe ent— wickelt. Dieſe Verlängerung zur ſeeundären Achſe geſchieht eigentlich durch die Verlängerung der Interſtitien von den blattartigen Knoſpenſchuppen. Die Knoſpe iſt alſo die zu— ſammengedrängte Primär- oder Seitenachſe, fähig, ſich nach zwei entgegengeſetzten Richtungen zu entfalten. — Außer dieſen Achſentheilen, Stamm, Wurzeln, Aſten, Knoſpen u. ſ. w., giebt es noch Nebentheile, partes accessoriae, bei den Pflan— 1 114. VI. 4. 52 zen. Dieſe Nebentheile nehmen an dem Aufbaue der Pflanzen keinen Antheil, ſie ſproſſen zwar aus Achſen, allein ſie kön— nen ſecundäre Achſen hervorbringen. Sie dienen weniger der Multiplication des Individuums, als vielmehr der Unter— haltung ſeiner Exiſtenz; ſolche Theile ſind z. B. Blätter, Dornen, Grannen u. ſ. w. So viel von den elementären Geſetzen des Aufbaues des Pflanzengerüſtes; ich werde nun verſuchen, eine Parallele mit dem Aufbaue des menſchlichen Körpergerüſtes zu ziehen. Nach dem Vorangegangenen hätte ich nachzuweiſen: 1) daß in der Entwicklungsgeſchichte eine Grundlinie auf: trete, welche, wie die Primärachſe der Pflanze, nach zwei entgegengeſetzten Richtungen hin ſich verlängert, oder, mit andern Worten, welche aus einer auf- und abſteigenden Achſe beſteht. 2) Daß aus den primären Achſen ſecundäre ſproſſen, welche theils von der auf-, theils von der abſteigenden Primärachſe kommen, und 3) die Exiſtenz von Organen und Körpertheilen im menſchlichen Gerüfte, welche den Nebentheilen der Pflanzen in ihrem Verhältniſſe zur Achſe entſprechen. — Die Ana— logie der Knoſpenbildung im menſchlichen Körper wird mit der Entſtehung der ſecundären Achſen abgehandelt und nach— gewieſen. Wie die erſten ſichtbaren Spuren von der Entwicklung und dem Wachsthume pflanzlicher Keimlinge darin beſtehen, daß von einem Punkte aus nach zwei entgegengeſetzten Rich— tungen in die Länge Bildungen erfolgen, das Würzelchen, radicula, rhizium und das Keimknöſpchen, plumula, gemmula, ſo iſt auch das Auftreten einer Längenachſe im thieriſchen Keimlinge das erſte Zeichen des Statt findenden individuellen Wachsthumes. Dieſes Erſcheinen einer Längenrichtung findet ſich in der Bildung des Primitiv = oder Längsſtreifen, nota primitiva, welcher ſich in dem durchſichtigen, birnförmigen Fruchthofe bildet. Sei nun dieſer Primitiv- oder Längs— ſtreifen eine erhabene Linie, wie Bär meint, oder eine Furche oder Rinne, wie Biſchoff annimmt, genug, uns genügt das Auftreten des rudimentären Embryos in der Längenachſe, d. h. des Fruchthofes, nicht des Eies, bei wel— chem die Längenachſe des Keimlinges in ſeiner Querachſe liegt. Somit beſteht die Urform des zarteſten Embryos in einer einfachen, nicht getheilten Längerichtung. Dieſer Längs— ſtreif, welcher nach 12—15ſtündiger Bebrütung eines Vogel— eies eine Länge von 1½“ hat, iſt anfangs ein Aggregat von dunklen Körnchen, welche allmälig verſchwinden und an ihrer Stelle eine zarte, durchſichtige Maſſe zurücklaſſen. Eine Längerichtung kann aber mathematiſch nur dadurch entſtehen, daß ſich ein Punkt in derſelben, und zwar in einer und der— ſelben Längerichtung, fortbewegt. Finden nach zwei entgegen— geſetzten Polen Bewegungen Statt, ſo müſſen zwei Punkte vorhanden fein, von denen aus die Fortbewegung entfteht, Z. B. der Punkt a kann ſich zwar in der Längendirection nach b fortbewegen und die Linie ab darſtellen, allein der Punkt a kann ſich nicht zu gleicher Zeit nach der Richtung b und nach der b entgegengefeßten Richtung e bewegen und die Linie ae und ab bilden. Es müſſen alſo zwei Punkte a 53 114. VI. 4. 54 vorhanden ſein, von denen der eine in der Richtung nach b ſich bewegt und die Linie ab bildet, der andere in der Rich— tung nach e ſich bewegt und die Linie ac bildet. In dem Punkte a berühren ſich dann die beiden Richtungen der Li— nien ca und ab. Wir finden nun aber nicht nur bei dem pflanzlichen, ſondern auch bei dem thieriſchen Wachsthume, daß der organiſche Anſchuß in der Längenrichtung nach zwei entgegengeſetzten Polen hin geſchieht, d. h., daß der Orga— nismus nicht bloß von einem Punkte aus nach einer Rich— tung hin wächſ't und ſich aufbaut, ſondern nach zwei ent— gegengeſetzten. Auf dieſem Geſetze beruht nun die Einheit des pflanzlichen und thieriſchen Achſenſyſtemes, der auf- und abſteigenden Achſe. Dieſe ſoll nur die Directionsverſchieden— heiten der erfolgenden Neubildungen andeuten. Dieſer Punkt, in dem ſich die beiden Richtungen berühren, iſt aber, wie bei Pflanzen, ſo auch bei den Thieren, ein bloß idealer, eingebildeter, welcher ſich einem bloß durch die Entwicklung des Wachsthumes aufdrängt und rationeller Weiſe angenom— men werden muß. Obwohl wir nun die Aggregation jener dunklen Körn— chen in dem Längsſtreifen des thieriſchen Keimlings in der Zeit: und Reihenfolge, ſowie in der Art und Weiſe der Anreihung nicht verfolgen können, da ſie einestheils als ein Phänomen des Lebens mit der Unterſuchung erliſcht und ſtill ſteht, anderntheils zu ſchnell geſchieht, als daß man die nöthige Zeitdiſtanz zur Beobachtung hätte, ſo iſt doch wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß ſchon in der Aggregation jener Körnchen zur Bildung des Längsſtreifens die Beſtimmung zur Fortbewegung, zum Wachsthume, zum künftigen, nach zwei entgegengeſetzten Richtungen niedergelegt iſt. Die An— reihung, der Anſchuß der Körnchen geſchieht alſo ſchon damals nach dem Typus des künftigen Wachsthumes und erfolgt nicht regel- und ordnungslos. Wie nun aber der Fall eintreten kann, daß das Wachs— thum, der Anſchuß der Molecüle nach einer Richtung hin raſch vorſchreitet, während es nach der entgegengeſetzten träge, langſam geworden iſt, ſo kann es geſchehen, daß man auf den erſten Blick zu der Meinung verleitet wird, als ob die Fort— bewegung der Molecüle, das Wachsthum, nur nach einer Richtung hin geſchehe, nur von einem Punkte ausgehe. Wieder ein anderer Fall in dem Wachsthume organiſcher Körper, Pflanzen wie der Thiere, iſt der, daß, ſobald ſeeundäre Triebe, Seitenachſen, entſtehen, der ganze Bildungstrieb des Organismus ſich dorthin concentrirt, und im präexiſtirenden Theile das Wachsthum zurückbleibt oder träger wird. Z. B., ſobald die Glieder bei Thieren ausbrechen, aus der Wirbel— achſe hervorſproſſen, ſieht man das Wachsthum der Wirbel— ſäule nicht gleichen Schritt halten mit dem Wachsthume der Seitentriebe, ſeiner Glieder, ſondern der ganze Bildungs— trieb des Organismus ſcheint auf das Schaffen von Extre— mitäten ſich zu beziehen. Gegen dieſe Annahme, daß nur von einem Punkte nach einer Richtung hin das Wachsthum geſchehe, ſpricht jedoch die Geſammterſcheinung des Wachsthumes der Pflan— zen und Thiere. Wir wollen die Weiterentwicklung des menſchlichen oder thieriſchen Keimlinges verfolgen, und wir werden ſehen, daß ſich uns die Idee der auf- und abſtei— genden Achſe immer mehr aufdrängt. Die Ausdehnung in die Länge von der Bildung des Längsſtreifens an nimmt zu. — Zu beiden Seiten des Längsſtreifens und ſpäter der Rückenſeite, in ſeiner Mitte treten zuerſt zwei Paar dunkler, viereckiger, ſymmetriſch geſtellter Blättchen auf, die Wirbel— oder Rückenplatten, die erſten Spuren der zukünftigen knö— chernen Wirbelſäule. Das Auftreten der Wirbelplatten zu beiden Seiten der Mitte des Primitioſtreifens; das Auftreten von vier Wirbelplatten iſt für die Richtung des Wachsthu— mes von größter Wichtigkeit. Auf die Bildung von zwei Wirbelplatten-Paaren folgt nun raſch die mehrerer; die übri— gen Wirbelplatten werden auf die primordialen zwei Paare aufgebaut, bis die aller Wirbel gebildet iſt. Nun fragt es ſich, warum erſcheinen die Wirbelplatten zuerſt in der Mitte des Längsſtreifens und nicht an einem Ende, von welchem aus der weitere Plattenaufbau erfolgt, und ferner, warum ſieht man zuerſt vier Wirbel- oder zwei Plattenpaare auf— treten und ſymmetriſch und nicht eins, zwei oder drei? Dieſes Geſetz ſcheint mir darin ſeinen Grund zu haben, daß ſchon der Längsſtreifen nach zwei entgegengeſetzten Polen hin ſich verlängert, und daß ein Plattenpaar der abſteigenden Achſe oder dem Schwanzende, und das andere Plattenpaar der aufſteigenden Achſe oder dem Kopfende zugewandt iſt. Zwi— ſchen beiden Wirbelplatten, d. h. Urwirbelplatten, läge die ideale Grenze beider Achſen, eine Stelle, welche dem Lebens— knoten der Pflanzen entſpricht. — Welchen Wirbeln die erſten zwei Wirbelplatten-Paare entſprechen, iſt ſehr ſchwer zu beſtimmen, da ſie von den jüngeren, nachfolgenden, nicht mehr zu unterſcheiden ſind. Wäre dieſes der Fall, ſo wäre es leicht zu beſtimmen, in welcher Reihenfolge die Wirbel— platten nach dem Kopf- und Schwanzende ſich abſetzen. Aus der Entwicklungsgeſchichte des Embryos läßt ſich übri— gens mit ziemlicher Wahrſcheinlichkeit vermuthen, daß die erſten Wirbelplatten-Paare dem letzten Rückenwirbel und erſten Lendenwirbel entſprechen, dort an die Grenzlinie des Bau— ches und der Bruſt zu verlegen ſind. Ferner vermuthe ich, daß der Nabel ein Punkt in jener Linie ſei. Dieſe Anſicht erhält noch mehr Wahrſcheinlichkeit, als bisweilen eine ring— förmige Linie in der Höhe des Nabels geht, welche den nach zwei entgegengeſetzten Richtungen gehenden lanugo trennt. Es verſteht ſich, daß ich den Nabel bloß als annähernd in jene ideale Linie verſetze. — Daß ein ſuceeſſiver Aufbau der Wirbelplatten-Paare in Zeit und Raum vorhanden ſein muß, erhellt aus gewiſſen Mißgeburten, welchen die obere Bruſt, ja alle Bruſtwirbel fehlen, während Lendenwirbel, Kreuz- und Schwanzbeinwirbel vorhanden ſind. In einem ſolchen Falle blieb die aufſteigende Achſe des Körpers im Wachsthume zurück, während die abſteigende ſich ent— wickelte. Ich führe dieſes an, um darzuthun, daß die Rückenwirbel nicht die präeriftirenden der Lendenwirbel find, nicht die, auf welche ſie zu folgen haben, ſondern die ſelb— ſtändigen Wirbel einer eigenen Achſe. Denn immer entſtehen auch die Mißbildungen nach beſtimmten Geſetzen. Es bildet ſich nie ein Kopf ohne Präeriftenz der Hals- oder Rücken⸗ wirbel, es bilden ſich nie Glieder ohne Präeriſtenz des ihnen 4 * 55 angehörenden Achſen— (Primär-) Theiles. Alſo könnten nie die Lendenwirbel und die untern ſecundären (Glieder-) Ach— fen entſtehen, wenn die Rückenwirbel zur Präexiſtenz nöthig wären, woraus folgt, daß ſie eine ſelbſtändige Entwicklungs— geſchichte haben. Nach der Annahme nun, daß von jenen zwei primor— dialen Paaren der Wirbelplatten eines der abſteigenden, das andere der aufſteigenden Achſe angehört, ſollte man auf den erſten Blick meinen, der Aufbau der Wirbelplatten geſchehe immer nach der Zahl 4, es legen ſich zwei Wirbelplatten gegen den Kopf in der aufſteigenden Richtung, und zwei gegen das Schwanzbein, in der abſteigenden Richtung, an. Allein dies iſt nicht nothwendige Schlußfolge, es können die folgenden Plattenpaare dem erſten Paare der aufſteigen— den Achſe aufgepflanzt werden, und dann nach einiger Zeit dem erſten Plattenpaare der abſteigenden Achſe neue Platten— paare folgen. Die Zeit und Reihenfolge in dem Erſcheinen und der Anlagerung kann jedoch erſt dann mit Genauigkeit beſtimmt werden, wenn man überhaupt weiß, welchem Wir— bel die erſten Wirbelplatten entſprechen. Ich glaube, daß über das Vorhandenſein dieſer beiden Directionen des Wachsthumes wohl kein Zweifel mehr fein wird, denn die Wirbelplatten lagern ſich ſucceſſis in der Ausdehnung nach Zeit und Raum gegen den Kopf und gegen das Schwanzbeinende hin ab. Dieſe auf- und ab— ſteigende Achſenbildung iſt beſonders bei Thieren, welche einen langen Schwanz haben, ſehr augenfällig und bewei— ſend, obwohl ſie beim Menſchen etwas zurücktritt. Dieſes Zurücktreten einer oder der andern Achſe oder beider zugleich findet ſich bei Pflanzen noch häufiger beinahe, als bei den Thieren. Beſonders kommt dieſes Verhältniß bei der ab— ſteigenden Achſe vor und findet ſeine Parallele beim Men— ſchen, bei welchem mehr als bei andern Wirbelthieren die abſteigende Achſe verkümmert bleibt. Die terminalen Knoſpen der aufſteigenden Pflanzen— achſen entſprechen nach dieſer Dispoſition dem terminalen Ende der aufſteigenden des Thierachſenſyſtems des Menſchen, dem Kopfe; das primordiale Ende der aufſteigenden Achſe fiel mit dem primordialen des abſteigenden zuſammen; das terminale Ende der abſteigenden Achſe wird der letzte Schwanz— beinwirbel. (Schluß folgt.) 114. VI. 4. 56 Miſcellen. y 9. Unterſuchungen über die Milz und die Pfort⸗ ader führten E. Beclard zu folgenden Schlüſſen: 1) Das Blut iſt nicht in allen Theilen des Circulationsſyſtemes identiſch. 2) Das arterielle Blut bleibt während ſeines ganzen Verlaufes dasſelbe. 3) Das venöfe Blut unterſcheidet ſich nicht nur durch ſeine Farbe und Temperatur von dem arteriellen, ſondern iſt auch in dem Verhältniſſe ſeiner Elemente verſchieden, es enthält weniger Blutkügelchen, aber mehr Fibrin als das arterielle Blut. 4) Das venöſe Blut iſt nicht an allen Punkten ſeines Circulationsſyſtemes dasſelbe. 5) und 6) Das von der Milz zurückkommende enthält immer weniger Blutkügelchen, mehr Albumin und auch etwas mehr Fibrin, als das venöſe Blut im allgemeinen. 7) Das Blut der Pfortader iſt nach den Verdauungsvorgängen in ſehr verſchiedenem Verhältniſſe zuſammen geſetzt; zu Anfang der Verdauung iſt das Albumin bedeutend vermehrt, wogegen zu Ende derſelben die Blut- fügelchen vorherrſchen. 8) Die Umwandlung des Albumins in Blutkügelchen geht in der Pfortader vor ſich. 9) Die Blutkügel⸗ chen werden in der Milz aufgelöſ't. 10) Die Blutkügelchen ent: ſtehen und vergehen demnach in einem und demſelben Girculationg- ſyſteme; während die Inteſtinalwurzel der Pfortader dem gemein— ſchaftlichen Stamme neue Blutkügelchen zuführt, überliefert die Milz demſelben Stamme die Überbleibſel der in ihrem Innern zerſtörten. 11) Die neutralen ſtickſtoffhaltigen oder albuminöfen Stoffe gehen nur unter der Form des Albumins ins Blut über. 12) Die Pfortader ſcheint das einzige Organ zu ſein, durch welches letztere Stoffe ins Blut gelangen. 13) Das Blut der Pfortader enthält nicht mehr feſte Stoffe, ja vielleicht noch weniger als das venöfe Blut überhaupt. (L' Institut, No. 733. 1848.) 10. Eine vergleichende Analyſe des arteriellen und venöſen Blutes und zwar in einem Falle, wo auf Ge— hirnentzündung eine Kopfroſe folgte, ward von Poggiale aus⸗ geführt; er erhielt folgende Zahlen: Arterielles Blut. Venöſes Blut. Feſte Stoffe Waſſer . 822,46 818,41 1000,00 1000,00 Mafler . 822,46 818,39 Fibrin . 6,17 6,08 Albumin . 66,03 61,37 Blutfügelchen . 97,46 106,05 Fette Stoffe 1,10 1,20 Ghlornatrium . 3,15 3,29 Lösliche Salze.. 2,10 2,19 Phosphorſaurer Kalk 0,79 0,76 Eiſenoxydorydul .. 0,63 0,58 en 0,11 0,09 1000,00 1000,00 Beide Arten des Blutes wurden zur ſelben Zeit gelaſſen; die Ver⸗ mehrung des Fibrins in beiden Blutarten ließ ſich zwar als Folge der Entzündung erſchließen, war indeß bis jetzt auf dem Wege des Verſuches noch nicht nachgewieſen. (L’Institut 1848, No. 734.) Heilkunde. (VI.) Praktiſche Bemerkungen über hängende Geſchwülſte. Von J. M. O' Ferral, M. D., Oberarzt am St. Vincents-Ho— ſpitale zu Dublin. (Schluß.) Noch eine krankhafte Veränderung haben wir hervor— zuheben, welche eine eigenthümliche Behandlungsweiſe er— heiſcht, nämlich die Hypertrophie des Stieles. Die Hypertrophie des Stieles oder Halſes der Geſchwulſt folgt zuweilen auf eine durch Reibung und Rei⸗ zung veranlaßte allgemeine Entzündung des knolligen Theiles. Ich habe dieſe Veränderung vorzüglich häufig bei ſolchen Ge— ſchwülſten wahrgenommen, welche im Nacken dicht unter dem Hinterhaupte hervorwachſen. Der Hals der Geſchwulſt wird verhärtet und verdickt, nimmt durch den Gefäßreichthum eine düftere Farbe an und wird gegen Druck empfindlich. Verhärtung kann auch ohne bedeutende Verfärbung eintre— 57 114. VL 4. 58 ten, ſie erſtreckt ſich aber gewöhnlich ein wenig über die um— gebende Haut. Die Geſchwulſt erſcheint nun weniger her— abhängend und der Hals ſcheint aufrechter zu ſtehn und kürzer als früher. Wenn man den Hals einer in dieſem Zuſtande befind— lichen Geſchwulſt ſo durchſchneidet, wie bei den Geſchwül— ſten mit dünnen Stielen, ſo wird ſich die Geſchwulſt wahrſcheinlich reproduciren. Die nach der Operation zurück— bleibende Narbe iſt mehr hervorragend und härter, als die umgebende Haut und erhebt ſich allmälig zu einer neuen Ge— ſchwulſt. Auf die für dieſen Fall paſſende Behandlung werden wir ſpäter zurückkommen. Abgeſehen von den mehr chroniſchen Veränderungen, können Gefhwülfte dieſer Art auch der Sitz einer acuten Entzündung werden. In einem Falle von erysipelas, welches ſich über die Bruſt einer Dame ausbreitete, wurde eine von dem Hofe der Bruſtwarze hervorgewachſene geſtielte Geſchwulſt von der Größe einer Haſelnuß ebenfalls von dem Rothlaufe ergriffen und ging, da ſie nicht dieſelbe Vitalität wie die benachbarten Theile beſaß, in sphacelus über. In einem andern Falle entzündete ſich eine ſolche Geſchwulſt ſelbſtändig; es bildeten ſich auf ihrer Oberfläche Blaſen, die mit einer dunkeln Flüſſigkeit gefüllt waren, und nachdem ſich die Ent— zündung gelegt hatte, blieb ein oberflächliches Geſchwür zurück. Behandlung. Manch Mal werden dieſe Geſchwülſte, nachdem ſie Jahre lang in demſelben Zuſtande verblieben, der Sitz einer krankhaften Thätigkeit und Ablagerung. Hier— aus erſieht man ſchon, daß man im allgemeinen wohlthun wird, wenn man dieſelben beſeitigt, ſobald man ſie bemerkt, inſofern nicht gerade eine deutliche Gegenanzeige vorliegt. Die Behandlung der herabhängenden Geſchwülſte beſchränkt ſich demnach auf die unter verſchiedenen Umſtänden erforder— lichen Operationen zur Ausrottung der Geſchwülſte. Die krankhaften Veränderungen, denen dieſe Geſchwülſte unter— worfen ſind, können allerdings auch eine Behandlung er— heiſchen, welche auf Beſeitigung der durch dieſe Verände— rungen erzeugten Reizung berechnet iſt. Allein die dann angewandten Mittel können nicht als ſolche zur Beſeitigung des Hauptübels, ſondern lediglich als die Operation vorbe— reitend gelten. In ihrer einfachſten Form ſcheint die herabhängende Geſchwulſt nichts weiter als die Durchſchneidung des Stieles mittels der meſſerſchneidigen Scheere oder des Scalpells zu erheiſchen; allein die Stelle, wo dies geſchehen muß, erfor— dert einige Unterſuchung. Bewirkt man die Trennung zu nahe an dem knolligen Theile, ſo bleibt nach der Operation eine übel ausſehende Hervorragung zurück; wird ſie dagegen zu weit nach dem andern Ende des Stieles zu vorgenommen, ſo entſteht, da ſich die Integumente zurückziehen, eine mehr oder weniger große Wunde und folglich eine viel größere Narbe, als man geglaubt hat. Man hat alſo die durch das Gewicht der Geſchwulſt veranlaßte Verlängerung des Stieles und die nach dem Durchſchneiden ſtets eintretende Zuſam— menziehung desſelben in Anſchlag zu bringen, wie man z. B. auch einen Polypen des uterus nicht dicht an der Schleim— haut zu unterbinden hat, von welcher derſelbe hervorgewach— ſen iſt. Man ſtützt daher die Geſchwulſt mit der Hand, ſo daß ſich die benachbarten Theile der Haut zurückziehen und ihre frühere Lage annehmen können und durchſchneidet dann den Stiel etwas unter ſeinem Urſprunge. Sollte die er— nährende Arterie ſtark genug ſein, um beſondere Beachtung zu verdienen, jo kann man den Hals der Geſchwulſt vor der Trennung und nach dieſer die durchſchnittene Arterie unterbinden, worauf man die vorläufige Ligatur ganz befeiti= gen kann. Durch Betupfen mit Höllenftein, welches man nur in dem Grade anwendet, daß dadurch ein zarter weißer Überzug entſteht, wird nicht nur der durch die Operation bewirkte Schmerz abgekürzt, ſondern auch die Wahrſchein— lichkeit irgend einer Reaction, beſonders einer ſolchen un— günſtiger Art, vermindert. Es hat mir geſchienen, als ob durch die möglichſt raſch bewirkte Vernarbung des Zellgewebes und der Mündungen der zerſchnittenen Gefäße aller Art die Hinneigung zur Ausbreitung der Entzündung beſeitigt werde. Ein einfacher, mit Waſſer benetzter Verband iſt dann alles, was die örtliche Behandlung noch erheiſcht. Beim Operiren einer adipöſen herabhängenden Geſchwulſt muß ſich die Art der Ablöſung darnach richten, ob im Stiele fettiger Maſſe enthalten iſt, oder nicht. Erſtreckt ſich der Fettwuchs durch den Hals in das jenſeits des Stieles be— findliche unter der Haut liegende Zellgewebe, ſo muß ſo tief eingeſchnitten werden, daß jener völlig erſtirpirt werden kann. In dieſem Falle füllt man die zurückbleibende kleine Vertie— fung mit in Olivenöl getauchter Scharpie aus und zieht die Integumente gelinde über dieſelbe, damit keine zu große Narbe entſtehe. Die Scharpie nimmt man heraus, ſobald Eiterung eingetreten iſt, worauf man die Hautbedeckungen durch Heftpflaſter mit einander vereinigt. In Betreff des herabhängenden oder geſtielten naevus iſt die Behandlung etwas abweichend und den eigenthüm— lichen Umſtänden des Falles anzupaſſen. Gewöhnlich enthält in dieſem Falle der Stiel Spuren von erectilem Gewebe. Sit derſelbe in dieſer Beziehung zur Mitleidenſchaft gezogen, oder find die Gefäße des Zell - oder dermoidiſchen Gewebes jenſeit desſelben hypertrophiſch, ſo würde die einfache Durch— ſchneidung zur Erreichung der Cur nicht ausreichen, ſondern unmittelbar darauf eine läſtige Blutung, ſowie ſpäter die Wiedererzeugung der Geſchwulſt erfolgen. Man hat dann den ganzen kranken Theil in einen elliptiſchen Einſchnitt einzuſchließen und auf dieſe Weiſe völlig zu beſeitigen. In einem mir vorgekommenen Falle von herabhängendem naevus an der Schulter war die Neigung zu Hypertrophie der Ge— fäße ſo ſtark, daß, obgleich die Geſchwulſt mittels eines elliptiſchen Einſchnittes in die umgebende Haut beſeitigt wor— den war, die Narbe ſpäter ſich erweiterte und gefäßreich wurde und die Form einer keloidiſchen Geſchwulſt annahm. Es kann der Fall vorkommen, daß die ereetile Structur ſich in einer unregelmäßigen Weiſe auf eine bedeutende Entfer— nung über die Urſprungsſtelle des Stieles hinaus erſtreckt. Wollte man alsdann bloß den Stiel amputiren, ſo würden daraus die ſchon erwähnten nachtheiligen Folgen entſpringen, während die Ausſchneidung der geſammten krankhaften Stru— ctur ſich wegen deren Ausdehnung oder der Wichtigkeit des 59 Organes, in welches fie ſich ausbreitet, verbieten dürfte. Unter dieſen Umſtänden würde ich folgendes Verfahren vor— ſchlagen, inſofern die Beſeitigung der Geſchwulſt, wegen der Unbequemlichkeit, die dieſelbe veranlaßt, überhaupt wünſchens— werth iſt. Man zieht die Geſchwulſt in horizontaler Rich— tung ſtraff an und durchſticht den Stiel an mehreren Stellen mit der Spitze des Wilmot'ſchen nagelförmigen Brenneiſens, fo daß man der Obliteration der Gefäße verfichert iſt. Man kann dieſen Theil der Operation, je nach der Stärke des Halſes, auf ein Mal oder mehrere Male ausführen. Nach— dem die Beſchaffenheit der Gefäße des Stiels in dieſer Weiſe verändert worden, kann man denſelben durchſchneiden, ohne daß von Seiten einer Blutung etwas zu beſorgen iſt. Durch eine Reihe von dünnen Eiterbändern würde ſich derſelbe Zweck, jedoch in einer langwierigen und für den Patienten ſchmerzhaftern Weiſe erreichen laſſen. Die Art, wie Dr. Wil— mot die Obliteration der Gefäße erectiler Geſchwülſte be— wirkt, iſt anerkanntermaßen ein bedeutender praktiſcher Fort— ſchritt, und deren Anwendung auf die herabhängenden Geſchwülſte dor deren Amputation ſcheint mir durchaus empfehlungswerth. Wenn eine herabhängende Geſchwulſt offenbar bös— artiger Natur iſt, oder wenn man argwohnt, daß ſie es ſei, ſo muß ſehr darauf geſehen werden, daß die ſämmtlichen krank— haften Theile erſtirpirt werden. Iſt die abnorme Structur auf den knolligen Theil der Geſchwulſt beſchränkt, der Stiel und die denſelben umgebende Haut aber geſund, ſo kann man ſich offenbar mit der Durchſchneidung des Stieles be— gnügen; allein aus von ſelbſt einleuchtenden Gründen darf die Trennung nicht zu nahe an dem knolligen Theile ge— ſchehen. Iſt dagegen der Hals verdickt, verhärtet oder deſſen Oberfläche unregelmäßig, ſo muß ein hinreichend umfangs— reicher elliptiſcher Einſchnitt in die benachbarten Integumente gemacht und die ganze verdächtige Maſſe ausgerottet wer— den. (Dublin Quarterly Journal of Med. Science, Nov. 1847.) (VII.) über Cyſten in der Gegend der Knieſcheibe, deren Exſtirpation gefährlich iſt. Von Hrn. E. Verdier. Indem ich die von mir in der Klinik von St. Eloi geſammelten Beobachtungen durchgehe, ſtoße ich auf zwei merkwürdige Fälle. Beide Patienten, an denen dieſelben vorkamen, gelang— ten bald nach einander ins Hoſpital, boten ähnliche Ge— ſchwülſte dar, und bei beiden hatte die Operation die übel— ſten Folgen. Der erſte wurde von Hrn. Lallemand, der zweite von Hrn. Delpech behandelt. Mit dieſen Krank— heitsfällen verhält es ſich folgendermaßen. Im J. 1825 ſtürzte ein gewiſſer Beſſiel heftig auf das rechte Knie, welches eine Zeit lang ſchmerzhaft blieb. Man wandte durchaus kein Mittel dagegen an. Bald bil- dete ſich mitten auf der Knieſcheibe eine weiche ſchwappende 114. VI 4. 60 Geſchwulſt von der Größe einer kleinen Walnuß, und dieſe blieb fünf Jahre lang ziemlich von demſelben Umfang. Im J. 1830 fiel Beſſiel, während er eine Laſt trug, abermals auf das Knie. Dabei war die heftig comprimirte Geſchwulſt bis an die Außenſeite des unteren Endes des Schenkels getrieben, allein ſobald der Mann wieder aufſtand, nahm ſie ihre frühere Stelle wieder ein. Seitdem nahm dieſe Cyſte langſam, aber ſtätig an Umfang zu und ließ ſich nach dem äußern condylus des femur zu verſchieben. Indem ſich die Geſchwulſt vergrößerte, nahm fie die Geſtalt eines Liebesapfels an, indem ſie rundliche Lappen darbot. Es ſah aus, als ob ſie an verſchiedenen Stellen durch Bän— der eingeſchnürt werde. Am 9. April 1831 wurde Beſſiel von Hrn. Kal: lemand operirt. Die Geſchwulſt nahm den ganzen vordern Theil des Kniegelenkes ein und bot 4 — 5 Lappen dar, von denen ſich einer neben dem condylus externus des femur befand. Hr. Lallemand entblößte die Geſchwulſt, indem er einen eiförmigen Hautlappen abhob, deſſen größerer Durchmeſſer ſich von dem oberen und äußeren bis zum untern und innern Theile des Gelenkes erſtreckte. Dann ſchnitt er die Geſchwulſt gänzlich aus, wobei natürlich das benachbarte Zellgewebe, vielleicht ſelbſt unter den Faſern der fascia lata nach der Scheide des triceps hin, verletzt ward. Vereinigung per primam intentionem. Beſchreibung der Cyſte. Dieſelbe war 5 Zoll lang, 4 Z. breit und von Geſtalt regelmäßig eiförmig, doch an der Stelle, wo ſie unter die Schenkelaponeuroſe trat, verengt. Nach dem Auslöſen ſtellte ſie ſich nicht mehr lap— pig dar. Ihre ganze Höhle war mit einer durchſichtigen, bräunlichgelben wäſſerigen Flüſſigkeit gefüllt, und der hin— tere Theil derſelben ſtarrte von faſerig-knorpeligen Vegeta— tionen. Trennte man dieſe Auswüchſe von einander, ſo nahmen fte ſich wie cylindrifche Warzen von 8—10 Linien Länge aus. Auf der mittelſten ſaß ein runder fettartiger Körper von der Größe einer Haſelnuß. Übrigens hatten die Wandungen der Cyſte den Charakter einer ſeröſen Membran. Beſſiel war 40 Jahre alt, von athletiſchem Körper— bau und einer Conſtitution, welche die ſchnelle Heilung der Wunden begünſtigt; allein wegen feines ſanguiniſchen Tem—⸗ peramentes konnte eine heftige Entzündung ihm beſonders gefährlich werden, und dieſer Fall trat hier ein. Um 3 Uhr Nachm. traten bedeutende conſtitutionelle Störungen, die Vorläufer eines heftigen Fiebers ein; und die Nacht vom 9. auf den 10. April brachte der Patient äußerſt unruhig zu. Jetzt hätten warme Breiumſchläge ges macht werden müſſen!) Am 10. wurden zwei ſtarke Aderläſſe vorgenommen, welche die Entzündung nicht hemmten. Der Schenkel ward der Sitz furchtbarer Schmerzen. Die Verbandſtücke und Näthe wurden beſeitigt, allein trotz dem, und ungeachtet wieder Aderläſſe veranſtaltet wurden, begann der Patient in dem Grade zu raſen, daß er die Zwangsjacke zerriß. Vom 10. auf den 11. verſchlimmerte ſich der Zuſtand 61 114. VI. 4. 62 fortwührend. Ortliche Blutentziehungen. Der Kranke de— lirirte den ganzen 11.; am 12. kehrte die Beſinnung einen Augenblick wieder, und gleich darauf ſtarb Beſſiel. Leichenbefund. Der Schenkel iſt ſtraff, hart, die denſelben bedeckende Haut violett. Beim Einſchneiden in die Aponeuroſe bildet ſich plötzlich eine gewaltige Hernie von Zellgewebe und mit Blut und blutigem Serum infil— trirten erweichten Muskeln. Dieſe ganze vorgequollene Maſſe hat die Farbe von Weinhefe. Beim weitern Einſchneiden findet ſich der ganze Schenkel in dieſer Weiſe erweicht und nur am obern Ende der Wunde, da, wo die Cyſte in die Scheide des triceps einſtrich und wo zur Auslöſung des äußerſten Fortſatzes der Geſchwulſt das Biſtouri eingewirkt hatte, fanden ſich einige Tropfen Eiter. Die Urſache des Todes war zu einleuchtend, als daß man derſelben weiter hätte nachzuforſchen brauchen. Kaum ein Jahr ſpäter ſprach eine gewiſſe Madame Fioc im St. Eloi⸗Hoſpitale die Hülfe des Prof. Del pech wegen einer ganz ähnlichen Geſchwulſt, wie die oben er— wähnte an. Da mir die Ahnlichkeit gleich anfangs ſehr auffiel, ſo war mir der Fall ganz beſonders intereſſant. Mad. Five war 40 Jahre alt und von entſchieden nervös⸗biliöſem Temperamente. Als ſie etwa 30 Jahre alt war, war ſie, während ſie einen Waſſerkrug trug, auf dem Eiſe ausgeglitten und auf die Kniee gefallen. Die Knie— ſcheibe des einen Beines blieb lange ſchmerzhaft, allein es wurde gegen das Leiden nichts gethan. Sechs Monate nach dem Unfalle bemerkte die Patientin mitten auf der Knie— ſcheibe eine weiche, bewegliche, ſchwappende Geſchwulſt, die ſie weiter nicht beachtete und ſie kniete wie gewöhnlich bei gewiſſen häuslichen Verrichtungen, ſowie beim Beten, nieder. Die Geſchwulſt nahm langſam an Umfang zu und blieb lange beweglich und ſo beweglich, daß ſie ſich durch Druck auf das Knie nach dem äußern condylus des femur zu ver— ſchieben ließ, wie dies auch bei Beſſiel der Fall gewe— ſen war. Nach 10 Jahren hatte dieſe Cyſte einen gewaltigen Umfang angenommen. Ihre Länge betrug 4½ Zoll, ihre Breite und Dicke 3 Zoll. In der Geſtalt hatte ſie eben— falls mit einem Liebesapfel Ahnlichkeit; allein ſie fühlte ſich feſter an als die Geſchwulſt Beſſiels, und man hätte ihre Subſtanz theilweiſe für fleiſchig halten können. Mad. Fioe ward am 2. Juni ins Hoſpital aufgenom- men, und am 4. kündigte Prof. Delpech an, daß er ſie operiren wolle. Ich zog den Prof. bei Seite und machte ihn auf die Gefahr der Operation aufmerkſam, indem ich ihm vorſtellte, daß er, um das Ende der Geſchwulſt zu er— reichen, in das unter der Aponeuroſe liegende Zellgewebe einſchneiden müſſe, was eine Entzündung und höchſt gefähr— liche Einſchnürung der geſchwollenen Theile zur Folge haben müſſe, ſo daß die Kranke wohl kaum mit dem Leben davon kommen werde. Ich machte den Prof. zugleich auf Beſ— ſiels Fall aufmerkſam. Indeß führte Prof. Delpech die Operation dennoch aus und bat mich, ein aufmerkſames Auge auf die Patientin zu haben. Er ſah ſich, wie Hr. Lallemand, genöthigt, ſehr tief in das Zellgewebe einzuſchneiden und ſogar auf die Erſtirpation des in die Scheide des triceps eindringenden Fortſatzes der Cyſte zu verzichten. Der Reſt der Geſchwulſt ward ausgelöſ't und die Wunde ad primam intentionem vereinigt. Die Cyſte enthielt eine Flüſſigkeit, die mit Waſſer— chocolade Ahnlichkeit hatte und eine ſchwärzliche Subſtanz, welche härter als Blutwurſt war und in deren Mitte ſich grieſige Granulationen befanden. Die Höhlung der Geſchwulſt war durch ähnliche Bänder, wie die in Beſſiels Cyſte vorhandenen Cylinder, durchſetzt, und nach der Auslöſung war dieſelbe nicht mehr lappig. Bei dieſer Patientin hatte die Menſtruation, nachdem ſie ihre gewöhnliche Dauer gehabt, zwei Tage vor der Auf— nahme ins Hoſpital aufgehört. Vier Stunden nach der Operation erſchien dieſelbe Abends wieder. Mad. Five fiel mehrmals in Ohnmacht. In der Nacht vom 5. auf den 6. fühlte die Kranke ein heftiges Brennen und eine unerträgliche Spannung an der äußern Seite des untern Schenkelendes, und ſo oft ſie einathmete, wurden dieſe Symptome heftiger. An die ſchmerz— hafte Stelle wurden 40 Blutegel angeſetzt. Den 6. über litt Mad. Fioe bedeutende Schmerzen und große Unruhe. Trotz der örtlichen Blutentziehung machte das Leiden Fort— ſchritte, und man legte deßhalb noch 20 Blutegel an. In der Nacht dom 6. auf den 7. erſtreckte ſich die Entzündung über den ganzen Schenkel, und die leiſeſte Be— rührung desſelben veranlaßte der Patientin die furchtbarſten Schmerzen. Aderlaß. Am 7. war das Geſicht geröthet, die Haut brennend, der Puls concentrirt, häufig; der Schen— kel brennend, aber nicht ſehr geſchwollen, der Schmerz fürch— terlich. Man nahm die Verbandſtücke ab und zog die Näthe heraus; man wandte die kräftigſten antiphlogiſtiſchen Mittel an, allein die Entzündung ließ ſich nicht bewältigen. Sie hatte den ganzen Schenkel ergriffen, und es trat delirium ein. Bis zum 15. wurden alle Symptome ſchlimmer und die Entzündung ergriff die Schamlefzen; die Leiſtenfalte iſt ſtraff, weiß, durchſcheinend, brennend heiß. Man öffnete den Schenkel an mehreren Stellen, und es lief ein übel riechender, bald gelber, bald röthlicher Eiter aus allen Off— nungen. Die Spannung ließ nach, und man konnte den Finger in die Höhlungen der Aponeuroſen und in die Mus— kelſcheiden einführen. Das Übel machte demungeachtet Fortſchritte, und auf die Verſtopfung folgten Diarrhöe und hektiſches Fieber, wel— ches dem Leben der Mad. Fide ein Ende machte. Bei der Leichenöffnung war ich nicht gegenwärtig; allein von einem andern Studenten erfuhr ich, daß ihm nie ein ſo vollkommnes Präparat der Muskeln, Adern und Nerven vorgekommen ſei, als dasjenige, welches in dieſem Falle die Entzündung bewirkt habe, indem das Zellgewebe durchaus vernichtet geweſen ſei. In den beiden obigen Fällen haben wir geſehen, wie ein Sturz auf das Knie Cyſten veranlaſſen könne. Bei Beſ— ſiel beſchleunigte ein zweiter Sturz die Entwicklung der Geſchwulſt, während das öftere Niederknien bei Mad. Five 63 114. dieſelbe Folge hatte. Die Faſerbündel bildeten keine regel— mäßige Umhüllung und boten nicht an allen Punkten der Geſchwulſt einen gleichen Widerſtand dar, jo daß dieſelbe an den Stellen, wo derſelbe am geringſten war, wo die Gewebe am ſpärlichſten vorhanden waren, in Geſtalt von Lappen und Läppchen vorquoll. In beiden Fällen drangen die Cyſten an der äußern Seite in die Scheide des triceps ein, und dieſem Umſtande iſt wahrſcheinlich der tödtliche Ausgang der Operation beizumeſſen. Ich mache nochmals darauf aufmerkſam, daß bei bei— den Operationen bis unter die Aponeuroſe eingeſchnitten werden mußte; das dabei zur Mitleidenſchaft gezogene Zellgewebe entzündete ſich. Die durch Einſchnürung dieſes Gewebes veranlaßte Reizung brachte einen heftigen Andrang des Blutes nach der leidenden Stelle hervor, und ſo wurde der ganze Schenkel äußerſt raſch von der Entzündung er— griffen. Bei Mad. Fioc trat der Tod nicht ſo ſchnell ein. Prof. Delpech war auf die möglichen Folgen vorbereitet, und wandte daher, ſowie die Schmerzen eintraten, kräftige Gegenmittel an; allein trotz der energiſchſten antiphlogiſti— ſchen und contraſtimulirenden Behandlung verbreitete ſich die Entzündung durch das ganze Zellgewebe des Schenkels und zerſtörte es bis an deſſen äußerſte Grenze am Becken. So oft alſo vor dem Kniegelenke eine lappige Cyſte vorhanden iſt, darf man überzeugt ſein, daß ſich dieſelbe zwiſchen der Knieſcheibe und den Faſerbündeln, welche von der fascia lata an die Aponeuroſe des Unterſchenkels über— gehen, entwickelt habe; und dieſer Umſtand läßt jedes Mal befürchten, daß die Cyſte nach dem Schenkel zu Verzwei— gungen beſitze, welche man nicht erkennen kann, weil die Aponeuroſe nicht dehnbar iſt. In dieſem Falle iſt es aber unmöglich, die Geſchwulſt ganz oder auch nur theilweiſe auszuſchneiden, ohne das tiefe Zellgewebe zur Mitleidenſchaft zu ziehen, was, wie wir geſehen, den Kranken der äußerſten Lebensgefahr ausſetzt. Demnach iſt es unter ſolchen Um— ſtänden rathſam, die Operation zu unterlaſſen und lieber eine andere Curmethode anzuwenden. (Journal de la So- eiete de Médecine pratique de Montpellier, Janv. 1848.) Mificellen. (7) Eiſen⸗Jodür und Chlorürſyrup gegen Sero⸗ pheln und Chloroſe ftatt des feſten Eiſen-Jodürs der VI. 4. 64 Pharmaceuten anzuwenden, empfiehlt Hr. Samuel Batt⸗ ley. Wenn man, ſagt er, Eiſenprotoiodür und Eiſenprotochlorür einem Syrup incorporirt, ſo ſind ſie nicht mehr dem Nachtheile unterworfen, daß fie Sauerſtoff abſorbiten und in den Zuſtand eines Peroryds übergehen. Wenn man aber bloßes Eiſeniodür in dieſer Form anwendet, ſo äußert dasſelbe nicht immer die Wirkung eines kräftigen Stahlmittels, weil der Verhältnißtheil des Eiſens ſich zu dem des Jods nur = 1: 4 ſtellt. Vermiſcht man aber Eiſen⸗ iodür mit Eiſenprotochlorür in einem Syrupe, ſo findet dieſes nach— theilige Verhältniß nicht Statt. Um dieſen zuſammen geſetzten Syrup zu bereiten, löſ't man das Jod erſt in feinem 3—Afachen Gewichte an warmem deſtillirtem Waſſer auf und ſchüttelt dann die Auflöfung mit einer geringen Quantität Eifenfeilfpäne. Die Verbindung iſt eingetreten, wenn die Farbe der Flüſſigkeit von Schwärzlichroth in Dunkelgrün übergeht. Alsdann bildet man in einem andern Gefäße das Eiſenprotochlorür, indem man Salzfäure auf Eiſenfeilſpäne einwirken läßt. Dabei entwickelt ſich einige Stunden lang Waſſerſtoffgas. Das Chlor verbindet ſich mit feinem Aquivalente an Eiſen, und die neutrale Flüſſigkeit wird bläulich. Dann vermiſcht man die beiden Flüſſigkeiten mit einander und ſetzt ſo viel Zucker zu, daß die Miſchung eine ſyrupartige Conſiſtenz erhält. Jede Drachme Syrup enthält 3 Gran Jod und faſt 4 Gran Eiſen. Der Verf. verſchreibt den Syrup folgendermaßen: Eiſen⸗ iodür⸗- und Chlorürſyrup 2 Drachmen, Orangenſchalenſyrup 4 Dr., Kamilleninfuſion 4 Unzen. Daraus 4 Doſen; 2 Doſen täglich. (Gaz. med. de Paris, 22. Janv. 1848.) (8) Über einen Fall von plötzlichem Tod durch das Eindringen von Luft in die vena jugularis in- terna berichtet der Militärchirurg Dr. H. Rich. Cooledge im New- Vork Journal of Medicine. Ein Mann brachte fi in einem Anfalle von Wahnſinn mittels eines Raſirmeſſers eine Wunde bei, welche über dem m. sternocleido-mastoideus, etwa 3 Finger breit unter dem linken Ohrläppchen, begann und ſich bis zu dem entſpre⸗ chenden Punkte auf der rechten Seite erſtreckte. Die linke vena jugularis interna wurde dabei um etwa / ihrer Peripherie ſchräg durchſchnitten und die a. carotis, ſowie der n. pneumogastricus bloß gelegt, jedoch nicht verletzt. Das Meſſer war dann durch den Kehl- in den Schlundkopf eingedrungen; weiter hin war der Schnitt oberflächlich. Als der Chirurg herbei kam, lag der Patient auf der linken Seite auf dem Fußboden mit dem Rücken nach der Thür zu, und beim Eintreten des erſtern, drehte der Verwundete den Kopf nach ihm zu, fo daß die Wunde ſich öffnete, worauf ein convulfivi- ſcher Anfall erfolgte und der Tod eintrat, ehe Hülfe möglich war. Der Blutverluſt hatte nicht mehr als 2 Pinten betragen. Bei der Section fanden ſich der rechte Herzventrikel und die Lungenarterie aufgetrieben und elaftifch anzufühlen, und als man den Herzbeutel mit Waſſer füllte und in den Ventrikel unter Waſſer einſtach, ſpru⸗ delten eine Menge Luftblaſen durch dasſelbe. In den linken Herz⸗ höhlen befand ſich keine Luft. Das rechte Herzohr enthielt einen Blutklumpen; der rechte Ventrikel, die Lungenarterien, das linke Herzohr und der linke Ventrikel waren völlig leer. Die Hohlvenen waren gefüllt, allein die Lungenvenen enthielten verhältnigmäßig wenig Blut. (Medical Times, 4. Dec. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Encyclopaedia Metropolitana, Reissue, Vol. 6 being an Encyclopaedia of Na- tural History, comprising Botany, by Thomas Edwards, Esq. F. L. S., and George Don, Esq.; Zoology, including General Physiology and Com- arative Anatomy, by J. F. South, Esq., F. le Gros (ark, Esq.; and S. 1 Esa.; Crystallography, by H. J. Brooke, Esq.; Mineralogy, by H. J. Brooke, Esq.; Geology, by J. Phillipps, Esq. and C. G. B. Dau- beny, Esq. With numerous engravings, 4. (pp. 808, and 131 plates, 2 L. 12 sh. 6 d.) London 1848. J. Berzelius, Jahresbericht der Chemie und Mineralogie. 27. Jahrg. 1. Hft. Unorgan. Chemie u. Mineralogie. gr. 8°. 1½ Thlr. Lauppsche Buchh. in Tübingen 1848. Nouveau traitement du catarrhe chronique de la vessie, par la methode des injections, d’apres l’observation, l’experimentation pratique et la methode spéciale de M. Goeury Duvivier, de la Faculte de Paris. In 8° de 5 feuil- les ½. Saint-Cloud et Paris 1848. Traite des maladies du porc, leurs symptömes, leurs causes, avec l’indication des procedes operatoires, des moyens de les guerir et de les prevenir; par Amedee Pradal, veterinaire, ä Castres. In ® de 20 feuilles, plus une pl. Castres et Paris 1847. (Prix 5 fr.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 115. (Nr. 5. des VI. Bandes.) Maͤrz 1848. Wen Beck, das Achſenſpſtem des menſchlichen Körpers ꝛc. (Schluß.) — Erdl über die phyſtologiſche Bedeutung der Schilddrüſe des Men- chen. — Herbſt, mikroſkopiſche Unterſuchungen über den Urſprung der Lymphgefäße. — Miſcellen. Dalrymple, ſchwarzer Staar durch Verdauungsapparat des Python bivittatus. — Heilkunde. Klima Weſtenglands. — Bibliographie. 5 ommaire, über den Bosphorus. A r ehirnkrankheit veranlaßt. — Miſcelle. Über das Naturkunde. III. Das Achſenſyſtem des menſchlichen Körpers, eine Parallele zum Pflanzenachſen-Syſteme. Von Dr. F. Beck in Tübingen. (Schluß.) So viel zur Herſtellung der Analogie zwiſchen der Pri— märachſe der Pflanzen und der Thiere, welche häufig in der Thierwelt allein, ohne ſecundäre Achſe zu treiben, vorkommt, wie bei den Ophidiern, Anneliden. — Wie nun aber bei den Pflanzen nie die terminalen Knoſpen zur Multiplication von Achſen dienen, ſondern nur zur Vermehrung und Ver— längerung der Primärachſen beſtimmt find, jo ſieht man auch beim Menſchen die ſecundären oder Gliederachſen nicht aus den terminalen Enden entſtehen, ſondern aus Knoſpen, die ſeitwärts aus den primären Achſen hervorkeimen. Dieſe Knoſpen der menſchlichen ſecundären Achſen ſind die warzen— artigen Hervorragungen, die Stümmelchen, wie ſie der Em— bryo ungefähr in der 5. — 6. Woche zeigt. — Dieſe ſe— cundären oder Gliederachſen kommen zu gleicher Zeit zu zwei Paaren hervor, und zwar ein Paar an der auf- und ein Paar an der abſteigenden Achſe des Körpers. Die abſtei— gende Achſe des Körpers iſt zu dieſer Periode ſehr groß. Sie bildet eine ſchwanzartige Verlängerung zwiſchen den hervorbrechenden Gliederknoſpen, dieſe ſtark überragend. Aber nicht bloß bei dem Menſchen iſt das große Schwanz— ende der primären Achſe vor dem Hervorbrechen der Glieder— theile ſo auffallend, ſondern auch, und dies in noch höherem Grade bei den Thieren, bei denen überhaupt in der ab— ſteigenden Achſe ein ſtarker Bildungstrieb herrſcht. Betrach— No. 2095. — 995. — 115. ten wir z. B. einen Hunde-Embryo von ungefähr 14 — 16 Tagen, wie ſtark entwickelt, wie groß iſt der Schwanz und wie klein gegen denſelben ſind die Gliedertheile? ſo daß man glauben möchte, es ſeien ſchon zu allen Schwanzwirbeln die Knorpelpunkte beſtimmt, ehe die ſecundären Achſen, die Glieder hervorbrechen. Alle dieſe Erſcheinungen führen uns zu der Anſicht, daß auch beim Embryo ſich das allgemeine Naturgeſetz gel— tend mache, nach welchem die Glieder abnehmen oder zurück— treten, wo die primäre Achſe hervortritt, d. h. je entwickelter, kürzer die ſecundären Achſen ſind, deſto größer ſind im Ver— hältniß die primären. Alſo würden ſich die ſecundären Achſen auf Koſten des Wachsthums der primären entwickeln. Eine Erſcheinung, welche auch in der Pflanzenwelt ſich ſehr häufig wiederholt. Bei Würmern, Schlangen u. ſ. w. find keine Gliederachſen vorhanden, und das Thier bewegt ſich auf der primären Achſe und zwar in ſeiner Längerichtung fort. Hier verſieht die primäre Achſe die Function der ſecundären. Bei anderen Thieren, wie bei Inſecten, ſind die Gliederachſen dagegen in großer Anzahl vorhanden, aber immer in paa— riger auf jeder Seite des Stammes. Bei den Wirbelthie— ren treten die feeundären Achſen nie häufiger als in zwei Paaren auf, von denen ein Paar an dem oberen oder vor— deren Theile des Stammes liegt, das zweite Paar dagegen am unteren oder hinteren Theile. Allein ſie können bei einigen Wirbelthieren auch ganz fehlen, wie bei Ophidiern, oder in einem Paare auftreten, wie bei den Cetaceen, welche nur zwei vordere ſecundäre Achſen haben. — Die ſecun— dären Achſen find in Beziehung auf Form ſehr verſchieden, je nach der Function, welcher fie beſtimmt find. Verſchie— 5 67 11 W 5. 68 den ſind ſie z. B. bei den Wirbelthieren, je nachdem dieſe Thiere in der Luft, im Waſſer oder auf der Erde wohnen; ſie ſind zu Flügeln, Schwimmpfoten, Füßen, Händen ge— ſtaltet. Es ließe ſich über die Form der ſecundären Achſen, ſowie über die Knoſpenbildung der Pflanzen und Thiere noch unendlich viel ſagen, wenn es nicht über unſer Thema hinausführen würde. — Um zu ſehen, daß auch beim Menſchen die Gliederachſen auf Koften der primären gebil— det werden, d. h., daß die Wirbelachſe in ihrem Wachs— thume zurücktritt, wenn die Gliederachſen ſich entwickeln, mögen folgende Unterſuchungen, die Beelard angeſtellt hat, dienen. In der 3.—4. Woche nämlich, wo die erſten Spuren von Extremitäten in der Form von Stummeln vor— kommen, und wo der ganze Körper ungefähr 4 Linien be— trägt, verhält ſich die Wirbelſäule zum ganzen Körper wie 3:4; in der 7.— 8. Woche wie 3: 5. In der 10. bis 11. Woche beträgt die Wirbelſäule ſchon bloß die Hälfte des ganzen Körpers, und endlich bei einem Erwachſenen macht die Wirbelſäule ungefähr noch zwei Fünftel der gan— zen Höhe des Körpers aus. Hieraus iſt deutlich zu ſehen, daß, ſobald die Gliederachſen hervorbrechen, das Wachsthum in der Wirbelachſe träger wird. Die ſecundären Achſen find aber nicht als nothwendige Attribute des organiſchen Wachs— thumes zu betrachten, denn letzteres kann ſich auch auf die Bildung einer Primärachſe beſchränken, wie ich ſchon oben Beiſpiele erwähnt habe. Die ſecundären Achſen der Pflanzen und Thiere ſind aber nicht als bloße Verlängerungen der primären zu be— trachten, ſondern als neue junge Formationen, welche bei Pflanzen und einigen niederen Thieren nach Abtrennung vom Mutterſtamme ihr eigenes Leben fortführen können. Bei einigen niederen Thieren löſen ſich die ſecundären Ach— fen und werden ſelbſtändige Individuen. Dies geſchieht, auch, wenn ſie abgeſchnitten werden. Bei Inſecten, Cru— ſtaceen regeneriren ſich noch die ſecundären Achſen, obwohl ſie kein ſelbſtändiges, vom Mutterſtamme entferntes Leben mehr führen. Es darf uns daher nicht wundern, wenn wir einem Salamander die ſecundäre Achſe verſtümmeln, daß ges rade eine ſolche wieder vollkommen regenerirt. Es iſt hier z. B. der Vorderfuß, welcher ſich regenerirt, nicht der vom ganzen Körper beabſichtigte, erzeugte Gliedererſatz. Die Re— generation des Fußes iſt nicht die Folge des nach Integri— tät des Typus ſtrebenden Organismus, ſondern es iſt die ſelbſteigene Schöpfung des Fußes. Es iſt alſo kein Wun— der, daß ein Vorderfuß bei einem Salamander ſich in ſeiner früheren Geſtalt regenerirt, mit der nämlichen Anzahl Pha— langen u. ſ. f., aber das wäre ein Wunder (was aber noch nicht beobachtet worden iſt) wenn einem Salamander ein Vorderfuß abgeſchnitten würde, und es käme aus dem Stummel ein Hinterfuß heraus, ſtatt eines Vorderfußes. Bei den menſchlichen Secundärachſen findet ſich das merkwürdige und ſchöne Geſetz, daß die Knochen derſelben um ſo mehr an Länge abnehmen, je ſpäter ſie erſcheinen, und daß die Knochen immer um eins bis auf die Zahl fünf vermehrt werden, je weiter vom Körper entfernt ſie abgelagert werden. So haben wir die Zahl 1 im Ober— arme, die Zahl 2 im Vorderarme, die Zahl 3 in der erſten Handwurzelreihe (os pisiforme re vera non pertinet ad car- pum Alben.), die Zahl 4 in der zweiten Handwurzelreihe, die Zahl 5 in den Phalangen. Das nämliche Zahlenver— hältniß 1, 2, 3, 4, 5 iſt auch in dem fortlaufenden Knochen— anſchuß der unteren Ertremitäten vorhanden. Dieſe jedesmalige Zahlenvermehrung um eins, je mehr ſich die Knochen von dem Stamme entfernen, iſt nicht als Anlagerung neuer Achſen zu betrachten, als tertiäre, quaternäre u. ſ. w. Achſen— bildung, ſondern als Theilung, Spaltung der ſecundären. Es iſt die allmälige Irradiation der Achſeneinheit, die ſecun— däre Terminalknoſpenentfaltung. Nun finden ſich aber auch Knochen am menſchlichen Körper, welche weder den Achſen nach ihren Knoſpentheilen zuzuſchreiben find. Dieſe Knochen find als accefjorifche Knochen zu betrachten. Dieſe acceſſoriſchen Knochen finden ſich beſonders häufig an der aufſteigenden Primärachſe und haben theils die Beſtimmung, dieſelbe in ihrer Function zu unterſtützen, theils eine ihnen eigens angewieſene, ſpielen je— doch untergeordnete Rollen. An den Gliederachſen kommen ebenfalls acceſſoriſche Knochen vor und haben ebenfalls die Unter— ſtützung in der Function der ſecundären Achſen zur Beſtimmung. Nach der Idee des Achſenſyſtems würde das Gerüft des menſchlichen Körpers folgende Eintheilung bekommen. I. Primäre oder Wirbelachſe. a. Aufſteigende Achſe, beginnend mit dem primordialen Ende: Rückenwirbel, Halswirbel, Kopfwirbel, Geſichtsknochen; letztere zwei Abtheilungen ſind als die terminalen Ausſtrah— lungen der aufſteigenden Achſe zu betrachten. b. Abſteigende Achſe, beſtehend aus dem Lendenwirbel, Kreuz- und Schwanzbeine. c. Acceſſoriſche Knochen: fie gehören nur der aufſtei— genden Achſe an und ſind: Rippen, Bruſtbein, Zungenbein, Unterkiefer (ossa visceralia). II. Secundäre oder Gliederachſen. Man kann an den Gliederachſen Knoſpentheile, Achſen— theile, Strahlentheile und acceſſoriſche Knochen unterſcheiden: a. Secundäre Achſe der aufſteigenden Primärachſe: 1) Knoſpentheile: Schulterblatt. Schlüſſelbein. I. Formation: 1) Oberarm; II. Formation: 1) Speiche; 2) Ellenbogenbein. III. Formation: 1) Schiffbein; 2) Mondbein; 3) dreieckiges Bein. IV. Formation: 1) Großes vielwinkliges, 2) kleines = Bein; 3) Kopfbein; 4) Beckenbein. 2) Achſentheile: 69 115. VI. 5. 70 V. Formation: 5) Mittelhandknochen. 3) Strahlentheile. Die Strahlung beginnt mit der 5. Formation und ſchließt noch die Phalangen in ſich. 4) Die aceeſſoriſchen Knochen dieſer Achſe find: das Erbſenbein: die Seſamknochen des Daumens. b. Secundäre Achſe der abſteigenden Primärachſe; ſie liegt dem primordialen Ende viel näher als die obere. 1) Knoſpentheile: Darmbein; Sitzbein; Schoß bein. 2) Achſentheile: I. Formation: 1) Oberſchenkel. II. Formation: 1) Schienbein; 2) Wadenbein. III. Formation: 1) Sprungbein; 2) Ferſenbein; 3) Schiffbein. IV. Formation: 1) 2) 3) Keilförmiges Bein; 4) Würfelbein. V. Formation: 5) Mittelfußknochen. wie an der Hand beginnend mit und einſchließend die 3) Strahlentheile, dem Mittelhandknochen Phalangen des Fußes. 4) Acceſſoriſche Knochen: Knieſcheibe; Seſambein. Dies von dem Aufbau nach dem Achſenſyſteme des menſchlichen Körpers. Ich hätte zwar noch manche Belege für meine Anſicht, daß das Wachsthum des Menſchen nach einer auf- und abſteigenden Richtung, ähnlich wie bei den Pflanzen geſchieht, wie in dem Verlaufe der Gefäße u. ſ. w.; allein zur Herſtellung der Parallele zwiſchen Pflan— zen- und Thierachſen wird das Geſagte genügen, und ich behalte mir eine weitläuftigere Ausführung dieſer Idee auf ſpätere Zeiten vor. (Tübingen im Februar 1848.) IV. über die phyſiologiſche Bedeutung der Schild- drüſe des Menſchen. Von Prof. Dr. Erdl. Der Verf. trug am 9. Januar d. J. in der mathe— matiſch⸗ phyſtcaliſchen Claſſe der Akademie der Wiſſenſchaften zu München nachſtehendes vor. Alle bis jetzt aufgeſtellten Anſichten über die phyſiologiſche Bedeutung der Schilddrüſe ſind von der Wiſſenſchaft ſelbſt als lückenhaft und ungenü— gend anerkannt; aber eine genaue Berückſichtigung der Las gerung betreffender Organtheile führt zu der nicht abweisbaren Thatſache, daß die Schilddrüſe ſich auf das Quantum der Stimmerzeugung beziehe. Bekanntlich ſtehen die Functionen der Drüſe zum Theil der Reſpiration nebſt ihren Modifi— cationen und in Sonderheit der Stimmerzeugung vor; was die Thätigkeitsäußerung der Theile des Kehlkopfes und den Stoffverbrauch in ihnen betrifft, fo iſt ein großer Unterſchied zwiſchen gewöhnlicher ruhiger Reſpiration und einem ſtun— denlangen Sprechen und Singen: es muß alſo für einen Wiedererſatz zu jeder Zeit und in jedem relativen Verhält— niſſe geſorgt ſein, um ſo mehr, da der Kehlkopf durch an— haltende rege Thätigkeit nicht ſo ſchnell ermüdet, wie die übrigen Muskelgebilde des Körpers. Das Blut bedingt überhaupt die Thätigkeit eines jeden Organes und der Ver— brauch ſteht mit der Reproduction in geradem Verhältniſſe. Die Kehlkopfsarterien zwar an ſich von kleinem lumen, reichen für die Reproduction bei geringer Thätigkeit (Ath— men) vollkommen aus; aber bei dem andern Extreme der— ſelben können ſie es nur dadurch. daß fie das nöthige Blut andern Organen entziehen. Die Erfahrung beſtätigt, daß bei anhaltendem Sprechen und Singen an Kopf und Hals kein Organ leidet, ja, z. B. das Gehirn in regerer Thätig— keit iſt, alſo mehr Blut erhält, nur mit dem Unterſchiede, daß letzteres früher ermattet, denn der Kehlkopf. Dieſe Umſtände erklären ſich leicht mit der Annahme, daß dem Kehlkopfe ein eigenes Organ als Reſerve beigegeben ſei, das die Blutzufuhr zu ihm nach Bedürfniß zugleich regulire, und dieſes Organ iſt die Schilddrüſe. Als Beweis dieſes Ausſpruches führt E. die Lage der die Drüſe umgebenden Muskeln vorerſt an. Der m. sterno- hyoideus, auf der innern mittlern Portion der Drüſe lie— gend, iſt nach vorn gewölbt und wird bei ſeiner Contraction oder Anſpannung gerade, wodurch er bei der Unnachgiebig— keit des hinterliegenden Kehlkopfes und der trachea den in— neren Theil der Drüſe comprimirt, ſomit die freie Blutzufuhr in ihr hindert und ſie blutärmer macht. Der m. sterno-thyreoideus, welcher mit Ausnahme der oberſten äußerſten und der vom vorigen Muskel bedeckten Portion die ganze vordere und äußere Fläche der Drüfe, wie die hohl gemachte Hand einen in ſie gelegten Körper um— faßt, iſt mit kurzem Zellgewebe feſt an ſie befeſtigt, im Gegenſatz zu der lockern Verbindung der übrigen Muskeln und Theile des Halſes unter einander; durch Contraction oder Streckung verwandelt er ſeine Wölbung in eine gerade Fläche und comprimirt die Drüſe nicht bloß von vorn nach hinten, ſondern in ihrem Querdurchmeſſer, wodurch zugleich die Druckwirkung auf die dahinter liegende carotis vermieden wird. Demzufolge gehört auch der Muskel der Drüſe und nicht dem Kehlkopfe an. Auf dem oberſten äußerſten freien Ende der thyreoidea lagert der m. omohyoideus, der dieſelbe Wirkung hat. Mit ſeinem dickſten Theile von außen nach innen liegt ferner der m. sternocleidomastoideus der von ihrem Muskel bedeckten Drüſe auf und unterſtützt bei Streckung des Kopfes die Compreffion nach der Quere. Endlich bei großer Ans ſtrengung zur Stimmerzeugung kann auch der m. platisma- myoides thätig ſein. Die Folge der von dieſen Muskeln erzeugten Compreſſion iſt, daß die Blutſtrömung aus der art. thyreoidea superior 5 * 71 115. VI. 5. 72 und inferior in das Parenchym je nach der Quantität des Druckes gehemmt und das Blut aus dieſem in die arteria thyreoidea zurückgedrängt wird; das weitere Zurückweichen in die Blutſäule der Carotiden verhindert der Druck der nachkommenden Blutwelle und der Schluß der Semilunar— klappen; die Blutmaſſe in die Schilddrüſenarterien gleichſam eingepreßt, hat alſo keinen andern Ausweg als in die art. laryng., wozu die Urſprungsart und ihre gerade Richtung ſehr förderlich iſt. Die Wirkung der plötzlichen über die Norm Statt findenden Ausdehnung der art. laryng. wird dadurch compenſirt, daß die Größe des Muskeldruckes auf die Drüſe mit der Schnelligkeit der Blutſtrömung in den Kehlkopfsarterien in gleichem Verhaͤltniſſe ſteht. Auf dieſe Weiſe ſind im Kehlkopfe zu jeder Zeit die großartigſten Reproductionsproceſſe ohne Beeinträchtigung der übrigen Organe möglich. Die im Parenchym der Drüſe vorkommenden farbloſen rundlichen Klumpen einer ſtructurloſen, durchſichtigen, elaſti— ſchen Subſtanz ſind nur Lückengebilde und beſtimmt, die Gefäßverzweigungen zu ſtützen, ſowie durch ihre Glaftieität die Wiederausdehnung der Drüſe nach dem Muskeldrucke zu befördern. Das beim Einſchneiden ausfließende gelbliche Fluidum iſt kein beſtimmtes Drüſenſeeret, ſondern die alle Gewebe durchtränkende Blutflüſſigkeit. Der einzige Einwurf gegen dieſe Behauptungen, der mögliche abnorme Urſprung der art. thyr. wird dadurch widerlegt, daß bis jetzt kein Fall bekannt iſt, in welchem beide Arterien abnorm entſprängen, während beim regel— widrigen Abgange der einen die andere die Function übers nehmen kann, ſowie auch im letzteren Falle das Verhalten der Stimme noch nicht gehörig ſtudirt wurde. (Münchener gelehrte Anzeigen 1847, No. 34, 35.) V. Mikroſkopiſche Unterſuchungen über den Urſprung der Lymphgefäße. Von G. Herbſt. Lange und vielfach forſchte man nach den centralen Endigungen der Lymphgefäße und ihrer Verbindung mit den Venen, entdeckte aber nur ſo viel, daß die Chylusgefäße unter den Zotten und Erhabenheiten der Dünndärme ent— ſpringen, ohne jedoch die Weiſe, in der ſie mit dieſen Zot— ten verbunden waren, mit Sicherheit zu ermitteln. Schon 1844 zeigte nun der Verf., daß dieſe Chyluscanälchen ver— mittels kleiner einfacher Stämme aus einfachen Höhlen der Darmzotten entſpringen, daß ſomit die letzteren gewiſſer— maßen die Primitiowurzeln der Chylusgefäße wären. Aus der großen anatomiſchen Übereinſtimmung der übrigen ab— ſorbirenden Gefäße mit den letztgenannten vermuthete der Verf. auch für dieſe einen ähnlichen Urſprung aus ähnlichen Zot— ten, und ſo gelang es ihm, durch fortgeſetzte Beobachtungen die äußerſten Wurzeln der abſorbirenden Gefäße auch in ver— ſchiedenen Theilen des Körpers aufzufinden. Schon im Februar 1846 bemerkte der Verf. im Zell— gewebe an der Vorderſeite der großen Nerven am Vorderfuße eines Pferdes zahlreiche, cylindriſche, regelmäßig gefranſ'te und eben ſo regelmäßig gelagerte Erhabenheiten, deren Bau den Zotten der Dünndärme durchaus ähnlich war, immer mit Sorgfalt und Ausdauer angeſtellte mikroſkopiſche Unter— ſuchung ſetzte die Sache außer Zweifel, indem der Verf. in ihnen die unverletzten blind endigenden Primitivwurzeln der abſorbirenden Gefäße erkannte. Die genannten Erhabenhei— ten waren 0,0833 einer Linie lang und 0,033 breit; fte waren durch Zellgewebe mit einander verbunden und daher ſchwer frei zu legen; ſie waren in großer Anzahl über und durch einander angehäuft, faſt alle von derſelben Form, ſehr elaſtiſch, zart und halbdurchſichtig. Sie waren nicht gleich— mäßig im Zellgewebe vertheilt und erſchienen nur ſchicht— weiſe und an gewiſſen Punkten zahlreich. Da man nun, bemerkt der Verf., unterm Mikroſkop immer nur ein kleines und zwar ſehr dünnes Stück des Zellgewebes unterſuchen kann, die abſorbirenden Gefäße überdies vorher entfernt wer— den müſſen, ſo wird die Unterſuchung der ſelbſt mit zahl— reichen Urſprüngen der Lymphgefäße verſehenen Zellgewebs— ſchichten ſehr erſchwert und mehr vom Glück abhängig gemacht. Nach obigem vermuthet der Verf. für die Urſprünge der abſorbirenden Gefäße im Dickdarme einen gleichen Bau und eine gleiche Anordnung, was ſich auch wirklich beſtätigte. Der Dickdarm beſitzt das Abſorptionsvermögen im hohen Grade, auch ſind die haarförmigen Wurzeln der abſorbirenden Gefäße in der innern Membran desſelben leicht zu erkennen; der Verf. benutzte dazu den Dickdarm eines Hundes oder einer Katze. Man ſchneidet denſelben der Länge nach auf, hebt mit dem Scalpellſtiele die oberflächliche musculöſe Schicht und das Epithelium vollſtändig ab, ſchneidet dann an einer beliebigen Stelle ein Stück aus der innern Membran und zupft deſſen Ränder mit einer ſtarken Nadel aus ein— ander. So präparirt wird das Läppchen entweder mit oder ohne Deckplatte unters Mikroſkop geſchoben, worauf man an den freien Rändern und ausgezupften Stellen mit Leich— tigkeit und Beſtimmtheit die blind endigenden Primitivwurzeln erkennt, die in der Mitte des Darmſchnittes über einander gehäuft liegen und denen beim Pferde ſowohl, wie denen in den Zotten des Dünndarmes durchaus ähnlich ſind. Ihre Geſtalt iſt zum Theil koniſch, zum Theil eylindriſch, die Größe und Breite iſt nicht immer ganz dieſelbe, bei der Katze variirt die erſtere von 0,066 bis 0,1 einer Linie, die letztere von 0,0166 bis 0,0333. Sie find in großer Anzahl vorhanden und mit einander durch ein lockeres Zellgewebe verbunden, das, um ſie ſichtbar zu machen, zuvor mit dem Scalpellſtiele entfernt werden muß. Ganz dieſelben Primitiowurzeln fand der Verf. auch in andern ſich durch Abſorptionsfähigkeit auszeichnenden Thei— len des Körpers, z. B. in der innern Membran des Ma— gens, der Speiſeröhre und des pharynx; weniger leicht waren ſie in der Luftröhre nachzuweiſen. Beim Hunde erkennt man die Wurzeln der abſorbiren— den Gefäße ſehr leicht im Dickdarme, Magen und der Speiſe— röhre: in erſterem find fie / Linie lang und ¼0 Linie 73 115. VI. 5. 74 breit, in der Luftröhre ſind ſie viel zarter und kleiner, auch wegen der feſten Textur der inneren Membran im friſchen Zuſtande ſchwieriger zu erkennen. Die abſorbirenden Gefäße des thieriſchen Körpers ent— ſpringen demnach alle auf dieſelbe Weiſe; die freien flotti— renden Zotten der innern Membran der Dünndärme bilden gewiſſermaßen den Grundtypus, der ſich in den Primitivo— wurzeln aller übrigen abſorbirenden Gefäße nur mit dem Unterſchiede, daß letztere mit einander durch das Zellgewebe verbunden und umhüllt ſind, wiederholt. (L'Institut, No. 733, 1848.) Miſeellen. 11. Der Bosphorus ſcheint nach Hommaire's geologi⸗ ſchen Unterſuchungen vormals geſchloſſen und erſt ſpäter geſprengt zu ſein; in dieſem Falle konnte ſich das Waſſer des ſchwarzen Meeres in das Marmormeer ergießen, indem es durch das Thal von Sakaria und die Straße von Sabandja in den Golf von Ni: comedien gelangte. Nach Hommaire find indeß die Hügel, welche das Becken von Sabandja vom Propontis trennen, nicht höher als 40,99 Meter über den Golf von Nicomedien. War nun der Bosphorus geſchloſſen, ſo konnte ſich das Waſſer des ſchwarzen Meeres auch über die Ebene von Manitſch ergießen und ohne das Marmormeer zu berühren, ins kaſpiſche Meer gelangen; eine Ver— bindung, die vielleicht heutiges Tages durch die Veranderungen der Seile (VID. Ein Fall von Gehirnkrankheit, durch welche der ſchwarze Staar veranlaßt wurde. Von John Dalrymple. Bei wenigen Krankheiten hält die Diagnoſe der ent— fernten Urſachen ſo ſchwer, wie bei der amaurosis, und hierin hauptſächlich iſt der Grund, weßhalb die Cur dieſer Krank— heit ſo ſelten gelingt, zu ſuchen. Die Amauroſe kann durch ſehr viele Urſachen veranlaßt werden und ihren Grund in Störung der Function, ſowie in Structurveränderungen haben. Die Störung der Function kann von Würmern, von einem ſympathiſchen Einfluſſe der Störungen im uterus, bei kleinen Kindern vom Zahnen, bei Erwachſenen ſogar von cariöſen Zähnen herrühren. Feh— lerhafte Blutmiſchung und Anämie gehören ebenfalls zu den Veranlaſſungsurſachen. Dagegen kann Hyperämie die ſogenannte congeſtive Amauroſe herbeiführen und eben ſo— wohl bei Perſonen, deren Herz nicht kräftig genug wirkt, als bei ſolchen mit erregter Circulation vorkommen. So— wohl die anämiſche, als die hyperämiſche amaurosis iſt unter günſtigen Umſtänden heilbar, ohne daß irgend eine Stru— cturveränderung zurückbleibt. Die Blindheit kann indeß auch von Structurverände— rungen im Auge, ferner von Urſachen, die innerhalb der orbita, aber außerhalb des Augapfels liegen, die endlich von Verletzungen innerhalb der Schädelhöhle herruͤhren. Flüſſe wie des Ufers nicht mehr möglich wäre. Auch an den nörd⸗ lichen Küſten des ſchwarzen Meeres, im Littorale von Bulgarien, Rumelien und Anatolien laſſen ſich deutliche Spuren eines Stei⸗ gens des Waſſerſpiegels erkennen; mit ihm erheben ſich neuere Niederſchläge faſt bis zu gleicher, ſelten 25 bis 30 Meter über⸗ ſteigender Höhe, welche ſämmtliche, noch jetzt im ſchwarzen Meere vorkommende Conchylien ſehr ſchöͤn erhalten, umſchließen, fo daß ſich mindeſtens eine vollſtändige und zwar ſpätere als alle übrigen geologiſchen Umwälzungen erfolgte Hebung aller den Pontus Euri- nus und das azowiſche Meer umgürtenden Länder vermuthen läßt; ein früherer Zuſammenhang und erſt ſpäter erfolgtes Zerreißen des De jedoch noch wahrſcheinlicher wird. (L'Institut 1848, 0. 734. 12. Der Verdauungs apparat des Python bivit- tatus wurde von Poelmann an zwei friſchen Exemplaren, von denen eins faſt 5 Meter maß, unterſucht. Der Magen bildet hier nicht, wie bei den übrigen Schlangen, mit der Speiſeröhre einen ununterbrochenen Canal, ſondern iſt durch eine Verengerung von ihr getrennt; er beſteht aus dem eigentlichen Magenſacke und der Pilorusröhre. Der Darmcanal iſt kurz, jedoch länger, als bei der Boa, auch mehrfach hin und hergewunden. Der Dünndarm zeigt von Zeit zu Zeit Verengerungen und iſt im Innern mit Zotten und äußerſt kleinen Falten verſehen; ein kurzes coecum bezeichnet den Anfang des Dickdarmes, den wiederum 2 Klappen von der Kloake trennen. Poelmanns Beſchreibung weicht in vielen Stücken von Duvernoy, der ebenfalls den Python bivittatus unterfuchte, ab, wornach für letzteren eine Verwechſelung mit einer Boa wahr— ſcheinlich wird. Die von Duvernoy bei den Trigonocephalus— Arten entdeckte merkwürdige Anordnung der Gallencanäle ward von Poelmann auch beim Python aufgefunden; das panereas war vorhanden, aber die Milz fehlte. (L'Institut 1848, No. 734.) unde. Wenn die Amauroſe durch einen krankhaften Zuſtand im Auge entſtanden ift, hat man fie mehr als confecutis, denn als primär zu betrachten. Sie iſt dann eine Folge von retinitis, choroiditis, ja ſelbſt iritis und die Diagnofe verhältnißmäßig einfach. Rührt die Blindheit von außerhalb des Augapfels liegenden Urſachen her, ſo entſteht ſie gewöhn— lich durch Druck auf den Sehnerden durch Einwirkung eines chroniſchen Absceſſes, einer Knochenhaut-Entzündung oder ſonſtigen Geſchwulſt, ſei dieſe nun bös- oder gutartig; oder auch durch Einwirkung einer durch direete Verletzung veran— laßten Blutergießung. Auch in dieſen Fällen hat die Dia— gnoſe wenig Schwierigkeit. Bei der von Verletzungen im Gehirne herrührenden Amauroſe läßt ſich jedoch die Urſache weniger leicht mit Beſtimmtheit ermitteln; denn obgleich zuweilen paralytiſche Symptome, strabismus, Verluſt des Gefühls in der Haut des Geſichtes, Hemiplegie ꝛc. auf eine Erkrankung des Gehirns hindeuten, ſo läßt ſich doch die eigentliche Natur der Krankheit nicht ſo leicht entdecken. fters gelangen wir nur durch ſubjective Symptome zur Erkenntniß derſelben. Das Auge ſelbſt kann geſund und ſelbſt die iris von Lähmung frei ſein. Übrigens giebt es auch viele Fälle von vollſtändiger Blindheit, wo alle Symptome, ſowohl die vom Gehirne, als die vom Auge abhängigen, faſt gänzlich fehlen, und in dieſen ſind die Urſachen vorzüglich ſchwierig zu ermitteln, ſowie bei ihnen auch wenig Ausſicht auf Heilung vorhanden iſt. 75 115. Fehlen ſowohl die ſubjeetiven, als die objectiven Sym— ptome, ſo hat man jedoch ſtets auf Störungen im Gehirne zu ſchließen, zumal wenn der Patient in ſeinen Träumen keine Gegenſtände mehr ſieht. Denn es ſcheint, als ob dieſe Scheinperceptionen nur Statt finden könnten, wenn die cor- pora quadrigemina und geniculata unverſehrt find. Der Fall, über den ich hier berichten werde, war mit einem jo umfangsreichen Erkranken des Gehirns verbunden und zugleich in ſo geringem Grade von ſogenannten Gehirn— ſymptomen begleitet, daß ſich aus demſelben recht ſchlagend ergiebt, wie dunkel die Diagnoſe und folglich die Anzeigen für die richtige Behandlung zuweilen beim ſchwarzen Staar ſein können. Beobachtung. Fräulein B., eine in Oſtindien ge— borne Meſtize, zog mich im Sept. 1843 wegen faſt voll— ſtändiger Amauroſe beider Augen zu Rathe. Ihr damaliges Alter war ungefähr 24 Jahre. Sie hatte im Jahre 1840 ſehr heftig an den Maſern gelitten, welche von Gehirnent— zündung, delirium, strabismus und undeutlichem Sehen be— gleitet waren. Sie hatte eine langwierige, doch vollſtändige Reconvaleſcenz gehabt. Ihre jetzige Blindheit war vor etwa 9 Monaten eingetreten. Dieſelbe begann mit Trübung des Sehens, und ſeit drei Monaten konnte ſie die zwiſchen ihr und dem Lichte befindlichen Körper nur noch als Schatten erkennen. Die Pupillen beider Augen ſind nur halb erwei— tert und haben eine etwas grauliche Färbung; die Regen— bogenhäute ſind zwar nicht ganz unbeweglich, jedoch ſehr träge. Auf dem linken Auge iſt die Geſichtskraft völlig er— loſchen, allein deſſen iris bewegt ſich ſympathiſch mit der des rechten Auges, wenn ſtarke Wechſel von Licht und Dunkelheit einwirken. Die Achſen beider Augen haben keine einander entſprechende Richtung, und die des rechten iſt ein wenig auswärts gewendet, ſo daß zwar kein eigentlicher strabismus divergens Statt findet, aber das Geſicht doch einen eigenthümlichen Ausdruck erhält. Die Augäpfel ragen mäßig hervor, und obwohl man auf den erſten Blick bemerken kann, daß die Patientin blind iſt, ſo hat doch, wegen der geringen Erweiterung der Pu— pillen, der Blick nicht jene glaſige amaurotiſche Starrheit, welche man ſonſt an Patienten wahrnimmt, die an Gehirn— blindheit leiden. Von Congeſtion in den Augäpfeln oder früherer Entzündung der innern Membranen des Auges iſt keine Spur zu bemerken. Allgemeines Kopfweh iſt wenig vorhanden, dagegen häufig Neuralgie der Hinterhauptsnerven, welche ſich in Parorysmen zuäußern ſcheint; und zwiſchen den Anfällen von heftigem Schmerze findet im Hintertheile des Kopfes ein dumpfer Schmerz Statt. So oft derſelbe heftig wird, tre⸗ ten Übelkeit und zuweilen Anwandlungen von Ohnmacht ein. Fräulein B. klagt auch über Krämpfe in den Muskeln und theilweiſe Unempfindlichkeit in der Haut der rechten Geſichtshälfte, ſowie über Zucken in den Muskeln des rech— ten Armes. Sie kann mit dem Kopfe tief liegen und meint, die neuralgiſchen Schmerzen würden durch dieſe Lage gelin— dert. Wenn ſie des Morgens aufſteht, fühlt ſie Schwindel, und eine halbe Stunde lang ſieht ſie vorzüglich undeutlich, 285. 76 dann etwas beſſer, aber, ſowie ſie ermüdet oder deprimirt iſt, wieder ſchlechter. Die Circulation iſt ſehr ſchwach; bei der geringſten Anſtrengung bekommt ſie Herzklopfen; Puls ſchwach und geſchwind, aber regelmäßig; Pat. iſt alle drei Wochen men⸗ ſtruirt und etwas dyspeptiſch. Seit mehreren Monaten iſt Fräulein B. ärztlich behan— delt worden, und man ſcheint das Leiden für einen mit Anämie und Störung im uterus verbundenen Fall von hyſte— riſcher Amauroſe genommen zu haben. Ich beſuchte dieſe Dame, auf Dr. M. Hall's Bitte, der mit mir in der Anſicht übereinſtimmte, daß die Amauroſe von irgend einer organifchen Verletzung des Gehirns her— rühre, worauf uns die dunkeln Symptome von Lähmung, die Abſtumpfung des Gefühls in der Geſichtshaut, die Mus— kelkrämpfe, die neuralgiſchen Schmerzen und das ſtets in derſelben Gegend Statt findende hartnäckige Kopfweh hin— zudeuten ſchienen. Fräulein B. beſaß übrigens ein ſehr richtiges Urtheil und eine ſanfte Gemüthsart und war zu rein nervöſen oder hyſteriſchen Symptomen wenig geneigt. Sie zeigte nie Un⸗ geduld oder Reizbarkeit und trug ihr Unglück mit ungewöhn— licher Standhaftigkeit. Von der Anſicht ausgehend, daß von der Maſerkrank— heit her eine chroniſche Entzündung der Baſis des Gehirns zurückgeblieben ſei, verordnete ich der Patientin eine milde, aber anhaltende Mercurialcur, unter ſorgfältigſter Beach— tung der Diät und allgemeinen Regeln der Geſundheits— lehre. Bald nach dem Anfange dieſer Cur begab ſich Fräul. B. aufs Land und ſetzte dieſelbe dort fort; allein ſei es nun in Folge zufälliger oder eigenthümlicher conſtitutioneller Potenzen, ſo bewirkte doch das Queckſilber bald einen hefti— gen Speichelfluß, wodurch die Patientin ſehr angegriffen wurde, ſo daß ſie nach einigen Wochen in die Stadt zurück— kehrte und ihr Geſichtsleiden, wo möglich, noch ſchlimmer war, wie vorher. Die bedenklichern Gehirnſymptome hatten indeß abgenommen; die neuralgiſchen Schmerzen und Krämpfe in den Muskeln waren ganz verſchwunden; die Haut des Geſichtes hatte ihre volle Empfindlichkeit wiedererlangt, und die Anfälle von Übelkeit blieben faſt ganz weg. Beinahe vier Jahre lang ward Fräulein B. faſt er⸗ folglos behandelt. Nachdem ſie ſich von den Folgen der erſten Mercurialcur erholt hatte, behandelte ich ſie einige Monate lang mit alterirenden Doſen von Mercur und gelin— den toniſchen Mitteln, während gelegentliche Verſchlimme⸗ rungen der Gehirncongeſtion durch Blutegel und Schröpfen bekämpft wurden. Die Amauroſe ward bald für unheilbar erkannt, und da ihr allgemeiner Geſundheitszuſtand ſich be— deutend gebeſſert hatte, ſo gab man die ſyſtematiſche ärztliche Behandlung zuletzt auf. Auf den Rath ihrer Freunde conſultirte Fräulein B. jedoch mehrere andere Arzte, die in Betreff der Veranlaſſungs⸗ urſache und Natur ihres Leidens verſchiedene Meinungen abgaben. Einer derſelben meinte ſogar, die Blindheit rühre von dem Nichthervorbrechen der beiden obern Weisheitszähne 77 115. VI. 5. 78 her und rieth ihr, ſich an einen Zahnarzt zu wenden, und ſich dieſe noch in den Alveolen verborgenen Zähne ausziehen zu laſſen. Sie ließ ſich einige Wochen, natürlich ohne allen Erfolg, mesmeriſiren, wobei ſich an ihr auch keine der Er— ſcheinungen kund gaben, wie fie bei Perſonen von leicht er— regbarer Phantaſte und ſchwachem Verſtande wohl vorkommen. Wahrſcheinlich bewahrte ſie ihre Blindheit vor den Spiegel— fechtereien, mittels deren öfters ein längeres Ausharren in dieſer trügeriſchen Behandlung erlangt wird. Zu Anfang des Jahres 1846 bekam Fräul. B. wieder, und zwar faſt täglich, Anwandlungen von Ohnmacht, welche mit der aura epileptica einige Ahnlichkeit hatten. Sie ver— ſpürte die Annäherung derſelben an einer nach der Magen— grube aufſteigenden Empfindung und legte ſich dann, um nicht zu fallen, auf das Sopha. Kam der Anfall beim Spazierengehen, ſo blieb ſie ſtehen und ſtützte ſich ein Paar Minuten auf ihre Dienerin, bis er vorüber war. Ein Mal verlor ſie die Beſinnung ganz; allein dies war wohl eine wahre Ohnmacht, die durch die Ermüdung durch längeres Gehen verurſacht wurde. Gegen die Mitte des Jahres 1846 hin litt Fräulein B. etwas mehr an Kopfweh, das ſeinen Sitz noch immer im Hinterhaupte, beſonders hinter dem rechten Ohre, hatte. In der erſten Woche des Februars 1847 klagte Fräu— lein B. über Verſchlimmerung ihres Zuftandes und erhielt ein Abführungsmittel von Calomel. Am 7. Februar war ſie wieder ſo munter, wie gewöhnlich. Am Morgen des 8. ſtand ſie nicht auf, und man bemerkte an ihr eine gewiſſe Geiſtesabweſenheit, obwohl ſie die ihr vorgelegten Fragen richtig beantwortete. Um 10 Uhr Morgens bemerkte ihre Dienerin, daß Fräulein B. ſehr ſchwach wurde, ſie ſchickte eilig nach dem Arzte; allein ehe derſelbe anlangte, verſchied fie ohne einen Laut und ohne Consoulſionen. Sechsundzwanzig Stunden nach dem Ableben ward die Unterſuchung des Kopfes der Verſtorbenen in Anweſenheit des Dr. Marſhall Hall, des Hrn. Burford von mir vor⸗ genommen. Die Schopfhaut zeigte ſich über der Hinterhauptsgegend ungewöhnlich dick, feſt und gefäßreich. Die calvaria war in allen Beziehungen normal, und nach ihrer Beſeitigung gewahrte man auch an der dura mater keine krankhaften Erſcheinungen. In der pia mater zeigte ſich nur geringe Congeſtion, und die arachnoidea war an der obern Fläche des Gehirns durchſichtig und geſund. Die Windungen des obern und mittlern Theiles der rechten Halbkugel waren abgeplattet. Als man die gewöhnlichen Einſchnitte zur Aufdeckung der ſeitlichen Ventrikel machte, bemerkte man auf der rechten Seite, daß die weiße Subſtanz bedeutend vor— quoll und vermuthete daher, daß die Höhlen von Flüſſigkeit ausgedehnt ſeien. Beim Anſtechen entwich aus dem vordern Horne des rechten ſeitlichen Ventrikels etwa 1½ Unze klares Serum, und als man deſſen Decke ſpaltete, ſchien es, als ob dieſe ſeröſe Flüſſigkeit in einer beſondern Höhle enthalten geweſen ſei, in welche das vordere Ende des corpus striatum hineinragte. Gleich hinter dem vordern Drittel dieſes Ven⸗ trikels war deſſen Höhle durch den Druck einer außerhalb ihrer Wandung tief in der weißen Subſtanz des mittlern Lappens der rechten Halbkugel liegenden Geſchwulſt beinahe ganz geſchloſſen. Hinter dieſer Stelle war das hintere Horn wieder erweitert und mit Flüſſigkeit gefüllt. Der plexus choroideus ſtrich in dem abſteigenden Horne hinab; allein deſſen Wandungen waren durch die Geſchwulſt fo zuſammen— gepreßt, daß man kaum eine Sonde zwiſchen dieſelben ein— führen konnte. Das septum der Ventrikel war auf dieſer Seite bedeutend verdickt, und unter deſſen ſeröſer Membran ließ ſich abgelagerte weiche, fungöſe Subſtanz wahrnehmen. Der linke Ventrikel und überhaupt die ganze linke Hemiſphäre waren normal. Das Gehirn ward nun herausgenommen und ſeine Baſis nach oben gewendet. Der erſte Gegenſtand, welcher uns auffiel, war eine große röthliche, fleiſchige Geſchwulſt, welche ſich von der Vereinigungsſtelle der Sehnerven bis zum pons Varolii er— ſtreckte und auf der rechten Seite ein wenig über dieſes Querband von weißer Subſtanz hinübergriff. Die Sehnerven waren innerhalb des cranium ungefähr nur halb ſo ſtark, wie gewöhnlich, von graulichgelber Farbe, weich und von homogener Structur, da die feinen weißen Markröhrchen verſchwunden waren. Das chiasma war theil— weiſe mit in die Geſchwulſt hineingezogen; allein der linke Nerv trat bald aus derſelben heraus und konnte durch den tractus nervorum opticorum bis an fein Ende in die cor- pora geniculata, corpora quadrigemina und den thalamus verfolgt werden, und zeichnete ſich in feinem ganzen Verlaufe um das erus cerebri herum durch feine graulichgelbe Farbe aus, welche von feiner normalen Färbung ſehr verſchieden war. Der dritte, vierte, fünfte und die übrigen Nerven waren auf die ſer Seite normal. Auf der rechten Seite ließ ſich der Sehnerv gleich hinter dem chiasma nicht mehr nach dem Gehirne zu verfolgen. Die weiche, rothe, fungusartige Geſchwulſt bedeckte dort das rechte erus und drang alsbald tief in die Subſtanz des mittlern Ge— hirnlappens ein. Der Nero des dritten Paares war ein wenig ſchwächer, als gewöhnlich, bot aber ſein normales feinfaſeriges Anſehen dar und trat aus der Mitte der fungö— ſen Maſſe hervor, indem er in eine kleine Furche eingelagert und von der Geſchwulſt ſelbſt durch ein feines, durchſichtiges Gewebe getrennt war. Nach hinten zu griff die Geſchwulſt ein wenig über den pons Varolii und zum Theil über den nervus quinti paris der rechten Seite an deſſen Austrittsſtelle herüber. Das ſechste Nervenpaar war auf beiden Seiten nicht zur Mitleidenſchaft gezogen und lief, abgeſondert von der Geſchwulſt, unter derſelben hinweg. Die Baſtlararterie war von der letztern bedeckt, ließ ſich aber, durch Aufhebung eines feinen membranöſen Gewebes, von derſelben trennen. Der Geſchwulſt ſelbſt gingen von allen Seiten des eirculus Wil- lisii zahlreiche Gefäße zu. Der pons Varolii, die erura cerebelli und alle von der medulla oblongata entſpringenden Nerven, ſowie das cere- bellum ſelbſt, waren geſund. Die fungöſe Maſſe an der Baſis des Gehirnes lag hauptſächlich auf der rechten Seite der Medianlinie, griff 79 le e 3% 80 aber theilweiſe über das linke erus cerebri hinüber und verbarg durchaus den pons perkoratus, die warzenförmigen Körper und das infundibulum. An ſeiner äußern Seite drang ſie alsbald in die untere Portion des mittlern Lappens auf der rechten Seite des Gehirnes ein; dann erhob ſie ſich an der äußern Seite des herabſteigenden Hornes des Ventrikels und lagerte ſich mitten in die Markmaſſe dieſer Hemiſphäre ein, indem ſie den ſeitlichen Ventrikel bei ſeiner Mitte zu— ſammendrückte und den thalamus opticus umgab. Als man die Geſchwulſt durchſchnitt, ſtach deren Be— grenzung wegen der röthlichen Farbe von der umgebenden weißen Subſtanz ziemlich deutlich ab, und man erkannte ſo, daß ſie ungefähr die Größe eines Hühnereies habe. Ihr allgemeines Anſehen, ihre fleiſchige Tertur und die mikroſko— piſche Unterſuchung ließen fie für einen kungus haematodes erklären. Nur eines der Augen ward genau unterſucht. Die innerhalb desſelben befindlichen Gewebe ſchienen nicht im geringſten erkrankt. Die Netzhaut war vollkommen geſund, obwohl der Sehnerv von dem Auge bis zum foramen op- ticum des Stirnbeines bedeutend ſchwächer war, als im normalen Zuſtande. In der Farbe und der Structur hatte dieſe Portion des Nerven jedoch nicht dieſelbe Veränderung erlitten, wie innerhalb der Schädelhöhle. Solche Fälle, wie der oben dargelegte, ſind in dem— ſelben Verhältniſſe intereſſant, wie deren Diagnoſe dunkel iſt. Man wird bemerken, daß, in Betracht der Größe der Ge— ſchwulſt, die gewöhnlich mit einem ausgedehnten Gehirn— leiden verbundenen Symptome der Zahl nach gering und überaus mild waren. Die vollſtändige Amauroſe kann bekanntlich noch durch ſehr viele andere Urſachen, als eine Geſchwulſt im Gehirne, veranlaßt werden. Die faſt gänzliche Abweſenheit von para— lytiſchen Symptomen in einem Falle, wo eine ſo große Portion der Gehirnſubſtanz durch eine Geſchwulſt verſchoben und in einem Grade entartet war, daß ſie zur Ausführung ihrer Functionen nicht mehr taugte (während ſchon ein ge— ringer hämorrhagiſcher Blutklumpen an derſelben Stelle He— miplegie veranlaßt haben würde), läßt ſich nur durch die Annahme erklären, daß wegen des langſamen Anwachſens der Geſchwulſt die geſunde linke Seite des Gehirns nach und nach die Fähigkeit erlangte, die ſämmtlichen vom Willen abhängigen Functionen zu vollziehen. Alle Nerven der ſpe— ciellen Sinne, welche ſelbſtändige Mittelpunkte der Commu— nication beſitzen, waren, mit Ausnahme des n. opticus, von der Krankheit frei geblieben, während die partielle Abſtum— pfung des Gefühls im Geſichte und die Muskelkrämpfe, welche durch die Mercurialcur gemildert, ja beſeitigt wurden, auf die Anſicht hinleiten, daß die Symptome in den frühe— ren Stadien der Krankheit durch eine chroniſche Entzündung der Gehirnmembranen und dadurch veranlaßte Ergießung an der Baſis des Gehirns verurfacht worden ſeien. Von Intereſſe iſt die Frage, ob der erſte Keim zu dieſer bösartigen Geſchwulſt durch die von delirium, strabis- mus und Geſichtstrübung begleiteten Maſern gelegt worden ſei; ob nicht ſchon zu der Zeit, wo ich Fräulein B. zum erſten Male ſah, die chroniſche Entzündung der Meningen eine Ergießung von eiweißſtoffiger Lymphe unter die Spinne— webenhaut veranlaßt hatte, die ſich ſpaͤter organiſirte und die bösartige Geſchwulſt erzeugte? Die Erleichterung meh— rerer der bedenklichſten Symptome, die Wiederherſtellung der Empfindlichkeit der Haut, das Nachlaſſen der Krämpfe in den Muskeln und des Kopfſchmerzes nach der bis zum Speichelfluſſe getriebenen Mercurialcur leiten auf die Ver— muthung, daß die Wirkungen der gewöhnlichen Entzündung durch den Mercur gehoben worden ſeien, während die durch dieſelbe Cur veranlaßte Deprimirung der allgemeinen Körper— kraft und eine ungünſtige Veränderung in der normalen Ernährung der bereits vorhandenen krankhaften Structuren dem Fortſchritte der bösartigen Krankheit, welcher die Pa— tientin zuletzt unterlag, Vorſchub geleiſtet haben dürfte. (Dublin quart. Journ. of Med. Science, Nov. 1847.) Miſcelle. (9) über das Klima Weſtenglands, welches für den Aufenthalt kranker Perſonen ſo oft gewählt wird, lieſ't man im Registrar-General's Report: Das Klima von Cornwallis und De: vonſhire hat ſich nach den Beobachtungen des letzten Quartals als von dem im übrigen England durchaus verſchieden gezeigt, und in jenen Grafſchaften ſelbſt haben ſich bedeutende Abweichungen her: ausgeſtellt. Der durchſchnittliche tägliche, ſowie der monatliche ertreme Wechſel der Temperatur waren geringer als ſonſt irgendwo, jedoch auf verſchiedenen Stationen nicht dieſelben. Der durch- ſchnittliche tägliche Wechſel iſt für beide Grafſchaften zuſammen⸗ genommen 12,9 F.; zu Falmouth betrug derſelbe aber nur 9,50, alſo 3,4% weniger als die Durchſchnittszahl der beiden Grafſchaften; u Greter dagegen war er 17,20, alſo faſt doppelt fo ſtark, wie zu Falmoutb. Die mittlere Temperatur war zu Falmouth um nicht weniger als 3,80 niedriger als zu Torquay. Der durchſchnitt⸗ liche vierteljährliche Umfang des Thermometerſtandes betrug für beide Grafſchaften 35,50, aber zu Helſton war derſelbe um 9,5% bedeutender und zu Falmouth um 7,5 geringer als der Durchſchnittsbetrag. Der höchſte Stand des Thermometers wurde in dem Quartale zu Helſton, der niedrigſte zu Exeter beobachtet: allein dieſe beiden Ertreme wichen von den an andern Orten wahr: genommenen ſehr bedeutend ab. Durchgehends iſt jedoch das Klima dieſer Grafſchaften von extremen und plötzlichen Temperaturwechſeln frei. (London med. Gaz., Nov. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Notice sur la fabrication des eaux minerales gazeuses factices; par Ph’ Savaresse. In 8e de 6 feuilles ®/,, plus 3 pl. Paris 1848. Voyage en Abyssinie execute pendant les annees 1839, 1840, 1841, 1842, 1843, zar une commission scientifique, composee de MM. Theophile Zejebure, ieutenant de vaisseau, A. Petit et Quartin-Dillon, Vignaud. Botanique, ar M. Richard. Tome I. Deuxieme partie. In 8 de 12 feuilles ½. aris 1848, (Prix 7 fr. 50 ct.) T. Graham. — Observations on Disorders of the Mind and Nerves, in which their Causes and Moral Treatment are particularly considered. 8%. (pp. 50, boards, 3 sh. 6 d.) London 1848. Th. Schlemm, Bericht über das britische Irrenwesen. gr. 80. Geh. 1%, Thlr. Förstner in Berlin 1848. L. Blasius, Beiträge zur prakt. Chirurgie. gr. 8%. Geh. 2%, Thlr. Först- ner in Berlin 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 116. (Nr. 6. des VI. Bandes.) Maͤrz 1848. Naturkunde. Morren, über die Wärme und ihren Einfluß auf die Vegetation. (Schluß.) — Weiße, über die Vermehrungsweiſe des Chlorgonium euchlorum. — Sappey, über die Lymohgefäße der Zunge. — Mijcellen. Murchiſon, über Vicary's Forſchungen über die Naturgeſchichte von Seinde. Warrington, chemiſche Analyſe des Thees. — Heilkunde. Über Sir William Burnetts patentirte antiſeptiſche Flüſſigkeit. — Huguler, über die Verrenkun Mittelfleiſche. — Bibliographie. des Fußes im allgemeinen und eine ſeltene Luxation des Fußes nach außen. — Miſeelle. Huguier, über die freſſende Flechte am Naturkunde. VI. über die Wärme und ihren Einfluß auf die Vegetation, Von Prof. Morren. (Schluß.) Artikel V. Über die Temperatur des Waſſers und ihren Einfluß auf die Vegetation. Der Regen iſt unter allen natürlichen Bewäſſerungs— mitteln der Pflanzen das wichtigſte, die Kenntniß ſeiner Temperatur daher nicht minder wichtig, und doch wiſſen wir leider über ſie, wie über andere den Regen begleitende Er— ſcheinungen noch wenig oder gar nichts. Selbſt in Brüſſel, wo es die Hälfte des Jahres regnet, ſuchte der Verf., ſogar auf der Sternwarte, vergebens nach einer Regentabelle mit Angabe der Temperatur des gefallenen Regens, und doch kann die Witterungskunde nur dann für die Agricultur und Gartenkunſt von Nutzen ſein, wenn ſie gleichzeitig mit den Wirkungen auch die Nebenumſtände beachtet. Jedermann weiß, wie ſich nach einem warmen Gewit— terregen die Vegetation belebt, wie ſtörend dagegen kalte Regen werden, ja oftmals Krankheiten, Unfruchtbarkeit und Mißwachs verurſachen können, und doch kann uns bei alle— dem unſere jetzige Meteorologie nicht mit Sicherheit angeben, ob und wie viel von dieſen Einflüſſen dem Regen, der Wärme oder andern Nebenumſtänden zukommt. So viel ift indeß durch die tägliche Erfahrung erwieſen, daß ſich der Regen durch kein künſtliches Begießungsmittel erſetzen läßt, überdies am wohlthätigſten wirkt, wenn er unmittelbar auf fie herabfällt; ſelbſt Waſſergewächſe gedeihen, trotz alles fie umgebenden Waſſers, wie ſchon Duhamel 1729 nachge— wieſen, nicht ohne Regen. Aus demſelben Grunde iſt es ſehr zweckmäßig, über dem Baſſin der Treibhäuſer, in denen No. 2096. — 996. — 116. man Nelumbium, chineſiſche Nympheen, Neptunien, Euryalen und andere tropiſche Waſſerpflanzen zieht, ein zum Abheben geeignetes Fenſterdach anzubringen, um ſie direct dem war— men Regen ausſetzen zu können, während ſie ſonſt, ſelbſt, wenn fie mit Regenwaſſer begoſſen werden, nicht gedeihen. Dasſelbe gilt von den übrigen Gewächshauspflanzen, die immer vortheilhaft ins Freie zu tragen ſind, ſobald ſich ein warmer Gewitterregen erwarten läßt. Den heilſamen Ein— fluß dieſes Regens hat man theils der Elektrieität, theils chemiſchen Beſtandtheilen, die Brandes im Regenwaſſer entdeckte, theils mit Liebig dem Ammoniakgehalte des ſelben zugeſchrieben; inwiefern ſich hier aber die Wärme, und ſicher nicht wenig, betheiligt, iſt noch gänzlich unbekannt. Im Herbſte, wo der Regen kälter wird, kommen un— zählige paraſitiſche Gewächſe und Kryptogamen hervor, und auch im Mai und Auguſt bemerkt man den ſchädlichen Ein— fluß eines kalten Regens, im Mai z. B. den Brand des Roggens, im Auguſt die naſſe Fäule der Kartoffeln hervor— rufend. Die Mehrzahl unſerer jetzigen Landleute, gewohnt, die Atmoſphäre als einzige Quelle aller dieſer Übel zu be— trachten, ſieht ebenfalls die kalten Regen als ſolche an, ohne jedoch, wie es geſchehen müßte, zwiſchen zufälligen und di— recten Urſachen zu unterſcheiden. Ein zweites natürliches Bewäſſerungs mittel der Pflanzen iſt der Thau, deſſen Temperatur gleichfalls von Wichtigkeit iſt, und deſſen Wirkungen von denen des Reifes wohl zu unterſcheiden ſind. Der Thau entſteht bekanntlich durch ein Erkalten der den Boden berührenden Luftſchichten, benetzt aber nicht alle Körper in gleichem Grade; er bedeckt die Pflanzen mehr als die Erde, dringt mehr in den Sand als in einen andern lockern, nicht ſandigen Boden, ſchlägt ſich mehr auf einem dünnen Holzſpane als auf einem dicken Holz— ſtücke nieder u. |, w. Der Nutzen des Thaues, der ſich 6 83 116. VI. 6. 8⁴ immer dann, wenn er am nöthigſten iſt, einſtellt, ſteht außer Zweifel; ſein Waſſer ſoll überdies, nach Liebigs Beob— achtungen, während des Verdampfens zwiſchen den Blättern eine faulige Gährung erleiden und dadurch noch mehr zur Ernährung der Pflanzen beitragen. So lange der Thau in tropfbarflüſſiger Form auf der Pflanze verbleibt, ſomit die Temperatur der ihn bildenden Luftſchicht nicht bis zum Gefrierpunkte kommt, iſt er der Vegetation unbedingt ſehr günſtig; ſowie er indeß mehr erkaltet und als Reif erſcheint, wird er für eine große An— zahl Pflanzen, für alle nämlich, die nicht in der Schneezone gedeihen, entſchieden verderblich; Dahlien, Oralisarten und andere mehr ſterben nach einem einzigen ſolchen Reife. Um ihn zu verhindern, muß man einfach das Ausſtrahlen der, am Tage vom Boden aufgenommenen Wärme während der Nacht verhüten, was durch ein Dach, eine Matte, eine Planke von gewiſſer Höhe, oder eine ſonſtige Wand leicht geſchehen kann. Alle dieſe Mittel beſchränken die Wärmeausſtrahlung und verhindern ſo die Bildung des Reifes; auch eine Stroh— bedeckung thut dasſelbe; im Frühjahre genügt ſchon ein dichter, durchs Verbrennen organiſcher Stoffe erzeugter Dampf, den Weinſtock vor Reif zu ſchützen. Der Honigthau oder Mehlthau iſt dagegen kein gefror— ner, zuckerhaltiger Thau, der vom Himmel fällt, ſondern ein pathologiſches Erzeugniß der Pflanzen und eines thieri— ſchen Schmarotzers. Im Zeitalter der Alchemie hielt man zwar auch den Thau, weil er nur in wolkenloſen Nächten erſcheint, für dom Himmel gefallen, die heilſamen Gaben desſelben auf die Erde bringend, während wir jetzt den Thau als ein Ausftrahlungs- Phänomen kennen und in ſeinem Waſſer, eben ſo wie im Regen nur etwas Kohlenſäure und Stickſtoff aufzufinden vermögen. Bei Landleuten und Gärt: nern hat ſich dagegen die mittelalterliche Anſicht vielfach er= halten, weßhalb wir uns nicht wundern dürfen, wenn hie und da noch jetzt dem Thaue die wunderlichſten Eigenſchaf— ten beigelegt werden. Beſonders gilt dies von einer ihrer Natur nach freilich himmelweit verſchiedenen Erſcheinung, dem Mehl- oder Honigthaue, der faſt für jedes Land oder Provinz noch ſeinen eigenen Namen hat, und aus einer zuckerhaltigen, klebrigen und ſchleimigen Materie beſteht, die oftmals plötzlich und in großer Ausdehnung die Pflanzen überzieht. Ganze Länder werden zuweilen, wie in den Jah⸗ ren 1556 und 1669 von dieſem, wie man glaubte, vom Himmel gefallenen Thaue heimgeſucht und ihre Ernten vers heert. Scheuchzer vermuthete zuerſt, daß dieſer zuckerhaltige Stoff rein irdiſchen Urſprunges wäre; die wahre Urſache ward aber erſt von Leche nachgewieſen. Der Honigthau wird nämlich von Blattläuſen, welche aus zwei mit einem Secretionsgange verſehenen, am After gelegenen Drüſen einen zuckerreichen Saft abſondern, erzeugt. Dieſe Thierchen über⸗ fallen oft eine Gegend plötzlich und in zahlloſer Menge und vermehren ſich mit unglaublicher Schnelligkeit, zumal, da ſie durch mehrere Generationen ſich ohne vorhergegangene Be— gattung fortpflanzen können. So häuft ſich der ſich von ihnen ausgeſchiedene Zucker— ſtoff, zumal, wenn Bienen oder Ameiſen, welche ihn begierig auflecken, ſie nicht begleiten, wird vom Waſſer des Thaues gelöſ't und tröpfelt von Blatt zu Blatt bis zum Erdboden herab. Dieſe Blattläuſe finden ſich ſowohl im Freien als in Gewächshäuſern ein und beläſtigen die Pflanzen oft ſo ſehr, daß fie erkranken und abſterben. Der Verf. ſah im letztverfloſſenen Jahre ganze Gerſtenfelder von dieſem Honig— thaue befallen. Eine zweite Art des Mehlthaues kommt als krankhafte Serretion auf gewiſſen Pflanzen vor, indem ſich das in ihren Geweben vorhandene Stärkemehl in Zucker und Gummi ver— wandelt und vorzüglich durch die Spaltöffnungen hervor— quillt. Dieſe Erſcheinung zeigt ſich an Pflanzen, die unter einem Dache gezogen werden, aber niemals an Gewächſen, die im Freien wachſen. Der in Treibhäuſern gezogene Wein— ſtock, die Begonia heracleifolia, der Hibiscus manihot und andere Gewächshauspflanzen, zeigen dagegen zuweilen von Gummi und Zucker erfüllte Bläschen, die jedoch von dem, was man eigentlich Mehlthau nennt, zu unterſcheiden ſind. Auch die Temperatur der Quellen iſt für den Gärtner ſehr wichtig; die an der Oberfläche gelegenen Brunnen und Quellen ſind nämlich von der veränderlichen Temperatur des Regens abhängig, während die aus einer großen Tiefe her— vorkommenden das ganze Jahr hindurch dieſelbe Temperatur, und zwar die mittlere der Gegend, unverändert beibehalten. Die erſtern, welche ihr Waſſer direet vom Regen erhalten und nur längs der obern Erdſchichten hinfließen, müſſen natürlich von der Wärme des Regens wie des Bodens ab— hängig ſein: fie frieren im Winter und find ſchon deßhalb für den Gärtner von geringerer Bedeutung; die andern da— gegen, aus großer Tiefe hervorquellend und von der Tem— peratur der obern Erdſchichten durchaus unabhängig, ſind, da ſie die mittlere Temperatur des Ortes conſtant bewahren, im Sommer kühler, im Winter dagegen wärmer wie die Luft und für den Gärtner ſehr wichtig. An ſolchen Quellen gedeihen die Bäume immer am ſchönſten. In einer bergi— gen Gegend werden die am Fuße der Berge entſpringenden Quellen kälter, wie die in der Ebene vorkommenden, ſein, deren Temperatur um ſo conſtanter und höher iſt, je tiefer ſie entſpringen. So friert bei Longchamps in Belgien die Geer, die durch einen Theil der Hesbaye fließt, niemals, die Vegetation ihrer Ufer erhält ſich in dieſer Gegend auch im Winter, weßhalb ſie ſich zum Anbaue empfindlicher Bäume beſonders eignen würden. Bei den Ruinen des Schloſſes l'Embleve entſpringt auf der Spitze eines ſteilen Felſens, 200 Fuß über dem Waſſerſpiegel des Fluſſes l'Em— bleve, eine unverftegbare Quelle, durch deren Waſſer hier verſchiedene, anderwärts nicht vorkommende Baumarten ge— deihen. In England, wo es im Winter eben ſo viel wie im Sommer regnet, iſt die mittlere Wärme der Quellen der Luft— wärme gleich; in Schweden und Deutſchland, wo im Som— mer mehr Regen als im Winter fällt, zeigen die Quellen eine viel höhere Temperatur, als die mittlere des Jahres. In Italien und Norwegen, wo der Winter mehr Regen 85 ( 116. VI. 6. bringt, als der Sommer, ſind auch die Quellen kälter; in den Gegenden endlich, wo es in Zwiſchenräumen das ganze Jahr hindurch regnet, bleibt die Wärme der Quellen und der Luft ſich gleich. Das Terrain der Quellen iſt demnach für Pflanzen einer mehr ſüdlichen Flora günſtig. War ſchon die Wärme des Waſſers der natürlichen Quellen für das Gedeihen der Pflanzen von Wichtigkeit, fo muß das Waſſer arteſiſcher Brunnen dem Garten baue noch günſtiger ſein. Der, 548 Meter tiefe, arteſiſche Brun— nen zu Grenelle, deſſen Waſſer 270,65 bis 270,70 Wärme beſitzt, würde für Waſſerpflanzen von unberechenbarem Ein— fluſſe ſein. Die Teiche des botaniſchen Gartens zu Lüttich erhalten ihr Waſſer aus den Kohlengruben: dasſelbe hat eine mittlere Temperatur von 28 C.; die Typha erſcheint hier im Frühling viel früher, blüht auch um einen Monat früher; die Richardia aethiopica blüht den ganzen Sommer hindurch an ihren Rändern; die Villarsia nymphoides hat ſich auf dieſen Waſſern weit verbreitet, und ſicher würden hier viele andere Pflanzen in gleicher Weiſe gedeihen. Da— gegen erwies ſich dasſelbe Waſſer für einen großen Birn— baum, deſſen Wurzeln mit ihm in Berührung kamen, nicht günſtig: es entwickelte ſich eine üppige Frühlingsvegetation, aber bald darauf verdorrte der Baum von der Spitze nach abwärts. Unter Umſtänden kann man indeß auch lauwarmes Waſſer zum Begießen der Wurzeln verwenden, um die Ent— wicklung gewiſſer Pflanzen zu beſchleunigen. Der Hofgärtner Fintelmann zu Potsdam vermiſchte kochendes Waſſer mit kaltem zu gleichen Theilen und begoß damit fortgeſetzt die Wurzeln ſeiner Kirſchbäume, ſo vor der Zeit Kirſchen er— zielend. Der Verf. glaubt indeß, nach dem mitgetheilten Beiſpiele des Birnbaumes, daß nicht alle Bäume dies Ver— fahren vertragen werden; auch ſah er Pflaumen, Birnen, Quitten, Pfirſich- und Aprikoſenbäume, deren Wurzeln mit heißem Waſſer begoſſen worden, vergehen. Unter kräftigem Lichteinfluſſe ſoll das kalte Waſſer indeß weniger ſchädlich auf die Pflanzen wirken. Lind ley be merkte, daß in Treibkaſten, die von allen Seiten dem Lichte ausgeſetzt waren, und deren Pflanzen mit lauwarmem Waſſer begoſſen wurden, der Lattich den ganzen Winter hindurch gedieh. Leider weiß man aber noch zu wenig poſitives über die geeignetſte Temperatur des Begießwaſſers; vortheilhaft, ja unerläßlich iſt dagegen, wie die Erfahrung bewieſen, das Waſſer vor dem Begießen längere Zeit in den Gewächshäu— ſern zu ſtellen, damit es die Lufttemperatur derſelben an— nehme. Der Erfolg wird dies Verfahren immer rechtferti— gen, wogegen ein Begießen mit kälterem Waſſer, vorzüglich für die Warmhaus-Pflanzen, ſehr verderblich werden kann. Die Waſſerpflanzen verlangen eine ihrer Natur ange— meſſene Wärme des Waſſers, auf dem ſie gezogen werden. Die Engländer haben es in dieſer Beziehung beſonders weit gebracht: ihre Treibhäuſer prangen mit den ſchönſten tropi— ſchen Waſſergewächſen, welche in bleiernen, von gährender Lohe umgebenen Baſſins gezogen werden. Auch der Verf. zieht auf gleiche Weiſe die kleinen tropiſchen Piſtien mit beſtem Erfolge. Chriſtie Duff brachte Nymphaea rubra, 86 coerulea und odorata, im Baſſin eines Ananashauſes, bei einer Temperatur von 260 bis 37% zur Blüthe. Dagegen zog Sylveſtre de Chorley zu Lancaſhire Nelumbium luteum in einem Waſſer von 30% C.; die Pflan⸗ zen gediehen vortrefflich, blüheten aber nicht; ſowie er das Waſſer indeß bis auf 21“ oder 23“ abkühlen ließ, erſchienen auch Blüthen, die ſich in vollſter Pracht entwickelten und reife Samen trugen. Nelumbium rubrum ſcheint wiederum einer höhern Tem— peratur zur Blüthenentwicklung zu bedürfen, denn feine cher vorhandenen Knoſpen kamen nach dem beſchriebenen Wechſel der Temperatur nicht zum Aufbrechen. Um daher Waſſer— gewächſe mit Glück zu ziehen, muß man auch für fie Baſſins in Treibhäuſern, für verſchiedene Temperaturen beſtimmt, einrichten und dem Waſſer derſelben die für die reſpectiven Pflanzen angemeſſene Wärme geben, wobei es allerdings am ſchwierigſten ſein wird, dieſe Temperatur conftant zu erhal: ten. Für die Mehrzahl dieſer, durch die Schönheit ihrer Blüthen und den Glanz ihrer Blätter ſich auszeichnenden Pflanzen iſt erfahrungsmäßig eine Temperatur von 21 bis 26° C. am angemeſſenſten. Um dieſe möglichſt conftant zu erhalten, führen die Engländer mit heißem Waſſer erfüllte Röhren durch das Baſſin. Die Herſtellung ſolcher im Freien gelegenen, durch war— mes Waſſer geſpeiſ'ten Teiche wird zwar in Fabrikſtädten und in der Nähe von Kohlengruben gelegenen Orten am leichteſten, dagegen eine gleichmäßige Temperatur dieſes Waſſers ſchwierig oder gar unmöglich zu erzielen ſein; nun ſchaden übrigens, wie Verſuche beweiſen, Schwankungen, wenn ſie nicht plötzlich eintreten und nicht zu bedeutend ſind, dem Gedeihen der Pflanzen nur wenig. In den Treibhäu- ſern ließe ſich freilich die Temperatur am leichteſten reguli— ren, weßhalb auch für ſie die Cultur dieſer herrlichen Blumen ſehr zu empfehlen iſt, wogegen andrerſeits die in Fabrik— ſtädten unbenutzt wegfließenden warmen Waſſerſtröme für warme Baſſins mit Vortheil zu benutzen wären. (Annales de Société royale d’agrieulture et de botanique par Char- les Morren, No. 12. 1847.) VII. über die Vermehrungsweiſe des Chlorogo- nium euchlorum Eur. Von Dr. J. F. Weiße. Der Verf. fand das Chlorogonium zu Ende Mais vori— gen Jahres in dem dunkelgrünen Waſſer einer halbaus— getrockneten Lache der Umgegend St. Petersburgs. Jeder Tropfen des Waſſers enthielt neben Sphacelomonas Pulvius- culus und Euglena viridis Tauſende dieſes Infuſoriums in den verſchiedenen Entwickelungsſtufen. Ein Theil der ſtar— ren waſſerhellen Spindeln enthielt im Innern eine ziemlich gleichmäßig vertheilte Maſſe mit nur wenigen kleinen hellen Bläschen; bei andern hatte ſich dieſe Maſſe mehr oder we— niger von der Hülle zurückgezogen; wieder bei anderen bildete ſie zwei, drei und mehrere ſchief ablaufende Häufchen, an welchen mitunter vertical verlaufende Einſchnitte bemerkbar 6 = 87 116. VI. 6. 88 wurden; noch andere endlich glichen ſpindelförmigen Wein— trauben, waren jedoch von der durchſichtigen Hülle umgeben. Ehrenberg ſchreibt den letzteren Zuſtand einer Contraction des Thieres zu, wogegen der Verf. keine Contractilität der Hülle wahrnehmen konnte. Die traubenförmigen Individuen waren anfangs eben ſo lebendig wie die übrigen, blieben darauf aber meiſt in der Nähe eines fremden Körpers, an dem ſie ſich vermittels ihres Rüſſels zu halten ſchienen, liegen. Bei genauer Be⸗ trachtung eines ſo ruhenden traubenförmigen Chlorogonium euchlorum glaubte der Verf. bisweilen eine Stellungsver— änderung der grünen Körnchen mit einer leiſe zuckenden Be— wegung derſelben verbunden, zu bemerken; nach einiger Zeit waren die Körnchen länglicher, faſt ſpindelförmig geworden; die anfangs kaum ſichtbare Bewegung wurde immer leben— diger, endlich wühlten alle Körner durch einander. Die gemeinſchaftliche Hülle platzte, und ein Junges nach dem andern entſchlüpfte dem Riſſe munter im Waſſer des Ob— jectträgers dahin ſchießend. Mehr als 20 Junge gingen aus dem Mutterindividuum hervor, deſſen ſtarre Hülle den Blicken des Verf. plötzlich und ſpurlos verſchwunden war. Dieſelbe oft wiederholte Beobachtung erlaubte dem Verf. eine Zeitbeſtimmung des ganzen Vorganges: von dem Zeit— punkte des ſcheinbaren Abſterbens der ſpindelförmigen Traube bis zu den allererſten Regungen der Körnchen verſtrich etwa ½ Stunde und von hier bis zum Zerſpringen der Hülle und Hervortreten der Jungen abermals ½ Stunde. Einige Wochen ſpäter ſchöpfte der Verf. an einem an— dern Orte ein ähnliches Waſſer, das eine noch größere Menge dieſer Thierchen enthielt. Nachdem dasſelbe einige Tage im Zimmer geſtanden, hatten ſich letztere zu Boden geſetzt, und waren, wie er ſich durchs Mikroſkop überzeugte, meiſt im Geburtsacte begriffen, während das oben ſtehende Waſſer von der Uvella Bodo, dem neugeborenen Chlorogonium eu- chlorum wimmelte. Auch Glenomorum tingens iſt nach dem Verf. nur eine Entwicklungsſtufe des letztgenannten Thieres, wie dies auch Ehrenberg zu vermuthen ſchien, da er die beiden letzteren Gattungen bei einander ſtellte. Des Verf. Arbeit ſchließt mit der Frage, ob das hier Statt gefundene Zerfallen eines thieriſchen Weſens Selbſt— theilung oder ein Lebendiggebären zu nennen, oder ob das als Chlorogonium bekannte Infuſorium nur ein ſich frei bewegender Eierſchlauch wäre? Des Verf. Fragen werden in einer Nachſchrift vom Akademiker Bär dahin beantwortet, daß hier kein Lebendig— gebären, wohl aber eine Selbſttheilung anzunehmen ſei, weil zum Gebären ein die Brut austreibender, thätiger Körper nothwendig ſei, hier aber das Mutterindividuum bis auf ſeine dünne Hülle ganz durch den Bildungsproceß verzehrt und zuletzt wie es ſcheint, auch dieſe vom Waſſer aufgeſogen werde. Die Selbſttheilung des Chlorogonium euchlorum ſcheint ihm derjenigen von Gonium pectorale analog. Ein Zerfallen in zwei Hälften leitet auch hier, wie beim Proceſſe der Dottertheilung, die Entwicklung ein, und endete durch ein fortgeſetztes Zerfallen dieſer Theile hier mit der Entſtehung einer Mehrzahl thieriſcher Individuen, dort einer Mehrzahl von Zellen (wie ſie der Verf. nennt, „hiſtogenetiſchen Ele— menten“). Nicht der Proceß, ſondern das Reſultat ſind ſo— mit nach dem verſchiedenen Verhältniſſe der Lebensenergie des zerfallenden Organismus verſchieden. Der Akademiker Bär bedauert die Theilung des Chlorogonium nicht ſelbſt geſehen zu haben. Die vor der Theilung des Inhalts ſichtbar geweſenen Bläschen ſpricht er als Kerne an, macht auf ſie und ihr noch unbekanntes Ver— halten zum Theilungsproceſſe für künftige Beobachtungen aufmerkſam und äußert ſich endlich noch in einer Anmerkung über das unpaſſende des Wortes „Furchung“ für die Thei— lung des Dotters, die, nachdem man in ihr eine Zellen— bildung erkannt, nicht mehr den früheren Namen verdiene. (Bulletin de la classe physico-mathématique de académie de St. Petersbourg, No. 140.) Über die Lymphgefäße der Zunge. Von Sappey. Die Lymphgefäße der Zunge entſpringen an der Ober— fläche der Schleimhaut, wo ſie trotz ihrer vielfachen Ver— breitung bis jetzt uͤberſehen wurden, aus äußerſt feinen hin und herlaufenden und unter ſich anaſtomoſirenden Capillaren, die an ihrem Austrittspunkte ein enges Netzwerk bilden. Dieſes Geflecht von Lymphgefäßen liegt vorzüglich in der Mitte der Rückenfläche der Zunge und dem hintern Ende des Zungenrandes; von beiden verlaufen dann Stämme zu den Ganglien der Seite und der Mitte des Halſes. Das Geflecht des Zungenrückens ift von dem der Zungenränder ſowohl in feiner Anordnung als feinem weiteren Verlaufe verſchieden; das erſtere iſt in der Gegend der kelchförmigen Papillen, die es nach hinten zu begrenzen ſcheinen, am ent— wickeltſten, nach vorn dehnt es ſich bis ans vordere Dritt— theil der Zunge aus (2). Bei Fötus erſtreckt es ſich indeß, wie glückliche Injectionen beweiſen, bis zur Zungenſpitze; die ganze obere Seite der Schleimhaut iſt hier von einer ſilberfarbenen Schicht bekleidet, deren Glanz allmälig vom hinteren zum vorderen Theile der Geſchmacksmembran ab— nimmt. Die Capillaren, welche dünnes Netzwerk bilden, weichen um die großen Papillen herum von ihrem Wege ab und umgeben ſie im Halbkreiſe, gehen dann aber, nach— dem fie im Grunde derſelben anaſtomoſirten, weiter zur epi- glottis. Die kelchförmigen Papillen ſcheinen deßhalb von einem, bisweilen ſogar von mehreren Kreisgefäßen umſchrie— ben zu ſein, was nur durch dieſe, hier auf einen Nerven— vorſprung treffenden und ihn umgehenden Capillaren ver— anlaßt wird. Dasſelbe gilt von den koniſchen und geſtielten Papillen. Die Wurzeln des lymphatiſchen Syſtems laufen hier in den Zwiſchenpapillarfurchen ſchief nach vorn und außen, ſo ein äußerſt regelmäßiges, der Gefäßbündelverzwei— gung eines Blattes gleichendes Gewebe bildend. Jede Pa— pille iſt demnach auch hier von einem vollſtändigen Ringe umgeben, aus dem wiederum äußerſt zarte Zweige zum Nervenvorſprunge zurückſteigen und unter ſich anaſtomoſirend als eine beſondere Gefäßſchicht die Blutgefäße überkleiden, VIII. 89 116. VI. 6. 90 wovon ſich der Verf. durch mehrmals gelungene Queckſilber— injectionen dieſer Lymphgefäßſcheide überzeugte. Das Gefäßnetz der Seiten- und der Zungenränder ift nicht ſo deutlich, es folgt dem Laufe der krummlinigen Fur— chen der Zungenränder, äußerſt dünne Capillaren gehen zum Gefäßnetze des, Zungenrückens, während an der untern Seite 10 bis 12 Aſte in die Rinnen des musculus styloglossus und lingualis inferior verlaufen, wo fie ſich vereinigen und an jeder Seite der Zunge 2 bis 3 Stämme bilden. Die aus dem Dorſalgeflecht entſpringenden Lymph— gefäße verlaufen nach hinten, während die andern nach vorne gehen; der erſteren ſind vier, zwei entſpringen in der Nähe des dunklen Loches, ſteigen parallel mit einander der Mittelfläche folgend, hinab, weichen indeß von der epiglottis von einander, durchbohren die membrana-thyro-hyoidea, um vor der vena jugularis interna ein ſeitlich vor der cartilago ericoidea oder den erſten Ringknorpeln der Luftröhre ge— legenes ganglion zu erreichen. Die beiden andern liegen in der Nähe der Mandeln und des Zungenrandes. Nachdem fie den musculus constrietor pharyngis superior und stylo- pharyngeus durchbrochen, verzweigen ſie ſich in ein meiſt unmittelbar unter letzterem gelegenes ganglion. Die vordern kriechen nicht unter der Schleimhaut, gehen vielmehr ſenkrecht von ihr ab ins Muskelgewebe und kommen an der untern Zungenfläche wieder zum Vorſchein. Diejenigen unter ihnen, die in der Nähe der Zungenſpitze entſpringen, legen ſich, nachdem ſie von oben nach unten gelaufen, neben einander und gehen zum vordern Rand und in den Zwiſchenraum der beiden musculi genioglossi, von da zur spina mentalis, gelangen dort an die äußere Fläche der vorgenannten Mus— keln unterhalb der Zungendrüſe, durchbrechen den musculus mylo-hyoideus, um ſich an eine, bald die untere Marxillar— drüſe umgebende und bald dem großen Horn des Zungen— beins angehörende Ganglie zu begeben. Alle übrigen dem vordern Theile des Dorſalnetzes entſpringenden Gefäße folgen der Lücke zwiſchen dem musculus genioglossus und lingualis inferior, gehen durch den musculus hyo-glossus, eben über ſeinem Inſertionspunkte am Zungenbeine und verlieren ſich endlich in ein ſeitlich von dem Schildknorpel gelegenes gan- glion, verlaufen ſomit zum größten Theil zwiſchen Muskeln. Die 2 oder 3, aus dem an, den Seiten der Zunge gelegenen Netzwerke entſpringenden Aſte durchbohren den con- strictor pharyngis superior und endigen in einer der ſeitlichen Ganglien des Mittelhalſes. (Comptes rendus, No. 26, 1847.) Miſcellen. 13. Über die vom Capitän Vicary angeſtellten Forſchungen rückſichtlich der Naturgeſchichte Seinde's findet ſich in No. 1057 des Athenaeum eine Notiz des Hrn. Ro— derik L. Murchiſon. Bekanntlich hat Hr. Vicary ſchon frz her gründliche Unterſuchungen über die große Nummulitenformation angeſtellt, die ſich von Agypten über Bagdad durch Perſien erſtreckt und die Hauptmaſſe der auf dem rechten Ufer des Indus von Nor— den gegen Süden ſtreichenden Gebirgskette bildet. Eine reiche Sammlung von foſſilen Überreſten dieſes Gebirges iſt jetzt nach London unterwegs. Neuerdings hat Hr. Vicary bei Subathu ein foſſiles langſchnauziges Krokodil entdeckt, welches in derſelben tertiären Formation der Vorberge des Himalaja vorzukommen ſcheint, aus welcher die HHrn. Cautley und Falconer fo viele Schätze erbeutet haben. Die lebende Flora Seinde's bietet nach Hrn. Vicary's Forſchungen indiſche Formen, in Vermiſchung mit ſolchen von Perſien, Arabien und Africa, beſonders Agypten dar, und Seinde beſitzt ſogar viele ägyptiſche Species. Dieſe Ent: deckung iſt im Zuſammenhang mit dem Umftande, daß die Nummu⸗ litenformation Agyptens bis Seinde reicht und dasſelbe Meer dieſe ganze Region einſt bedeckt haben muß, doppelt intereſſant. Wie damals dieſer ganze Strich die nämliche Faung befaß, fo Bietet derſelbe gegenwärtig in Folge der Ahnlichkeit des nirgends durch große natürliche Schranken unterbrochenen Untergrundes große Ahnlichkeit in der Flora dar. 14. Über die chemiſche Analyſe des Thees findet ſich in den Denkſchriften der Londoner chemiſchen Geſellſchaft eine Mittheilung des Hrn. Warrington, in welcher die Angabe ent: halten iſt, daß es ihm gelungen ſei, den Färbeſtoff des grünen Thees vollſtändig abzuſcheiden, und daß er gefunden habe, dieſer Färbeſtoff beſtehe der Hauptſache nach aus Berlinerblau und Gyps, ſo daß in der That diejenigen, welche grünen Thee zu trinken pflegen, wie er für den engliſchen Markt präparirt wird, einen Ab— ſud von grüner Tünche genießen. Die Chineſen trinken dieſen ge— färbten Thee nicht, ſondern verkaufen ihn nur. (The Athenaeum, No. 1056.) Heilkunde. (IX) über Sir William Burnetts patentirte antifeptifche Flüſſigkeit Um animaliſche und vegetabiliſche Subſtanzen vor Fäul— niß oder, was auf dasſelbe hinausläuft, vor parafitifchen Producten zu bewahren, hat man von jeher mancherlei Mittel in Vorſchlag gebracht. Es iſt erwieſen, daß die ſchmarotzenden Inſecten und Schwämme faſt lediglich in ſolchen organiſchen Stoffen niſten und ſich fortpflanzen, welche in Fäulniß über— gegangen ſind. Obwohl nun manche dieſer Mittel ihr Gutes hatten, ſo wurden ſie doch mehrentheils wieder aufgegeben, weil ſie irgend eine Eigenſchaft beſaßen, welche deren An— wendung mit Übelſtänden verknüpfte. So kann ſich z. B. in Holz, welches man mit einer Auflöſung von Atzſublimat getränkt hat, der trockne Brand oder Schwamm nicht er— zeugen; allein es entwickeln ſich aus dem ſo behandel— ten Holze Dünſte, welche der Geſundheit ſehr nachtheilig ſind. Andere Metallſalze als: ſchwefelſaures Eiſen, Alaun u. ſ. w. hat man zu demſelben Zwecke angewandt; allein dieſelben ſchlagen an der Oberfläche des Holzes leicht in Kryſtallen aus und find deßhalb in vielen Fällen unpaſ— ſend. Wenn man die Zwiſchenräume poröſer organiſcher Subſtanzen mit Chlorine ausfüllt, fo wird dadurch gewöhn— lich eine nachtheilige chemiſche Veränderung jener Subſtanzen bewirkt, und wenn man ſie, ſowie die meiſten erwähnten Stoffe zur Erhaltung der für die Anatomie beſtimmten Leichen benutzt, ſo leiden dadurch die Inſtrumente, deren man ſich beim Seeciren bedient. 91 116. VI. 6. 92 Sir William Burnett hat nun gefunden, daß Zinf: chlorid eben ſo antiſeptiſch, ja vielleicht in noch höherem Grade antiſeptiſch wirkt als irgend einer der erwähnten Stoffe und zugleich von deren Nachtheilen durchaus frei iſt. Es erzeugt durchaus keine giftigen Dünſte, wie das Atz— ſublimat; es iſt ein zerfließendes Salz, daher es ſchwer kry— ſtalliſirt und an der Oberfläche der damit angeſchwängerten Körper nicht ausblüht, und es greift die Metalle nicht an. Es ſcheint daher vor allen übrigen bekannten Fäulniß ver— hindernden Subſtanzen den Vorzug zu verdienen. Prof. Graham (am University College) bemerkt über dasſelbe: „Das Holz ſcheint durch das Metallſalz vollſtändig durchdrungen zu werden. Ich habe es in der Mitte eines großen präparirten Holzpflaſterwürfels gefunden. Das Salz wird, obwohl es ſehr auflöslich iſt, nicht leicht aus dem Holze ausgelaugt, mag dieſes nun dem Winde und Wetter ausgeſetzt oder in trockner oder feuchter Erde eingegraben ſein. Es ſchießt nicht an der Oberfläche des Holzes in Kryſtallen an. Ich bezweifle wirklich keineswegs, daß es großentheils Jahre lang im Holze bleiben werde, wenn man es zu den Grundlagen der Eiſenbahnſchienen oder derglei— chen verwendet. Dies kann von außerordentlicher Wichtigkeit ſein, wenn das Holz, wie z. B. in Indien von Seiten der weißen Ameiſe dem Inſectenfraße ausgeſetzt iſt. Die In— ſecten würden gewiß fo präparirtes Holz nicht angehen. Selbſt nachdem dünne Späne des präparirten Holzes lange Zeit in kaltem Waſſer macerirt oder ſelbſt in Waſſer gekocht worden ſind, findet man in demſelben noch eine beträchtliche Quantität des Zinkoryds, wovon ich mich durch Hrn. To— plis's Reagens überzeugte, wobei ich die Bemerkung machte, daß ſich das mit einem metalliſchen Beizmittel angeſchwän— gerte Holz dauerhaft färben ließ. Nachſtehende Stelle entlehnen wir aus des Ingenieur— officiers Mangin Berichte, welcher mit der Prüfung des Burnettſchen Mittels von der franzöſiſchen Regierung beauf— tragt worden war. Das Verfahren beſteht darin, daß man mit Hülfe ſtar— ken Druckes das Holz mit einer Auflöſung von Zinkchlorid tränkt und dieſelbe ſo viel möglich an die Stelle des Saftes treten läßt. Ich habe dünne Breter und Stücke Segeltuch geſehen, welche, nachdem fie präparirt worden, viele Monate lang auf der Sohle einer feuchten Grube neben andern un— präparirten Bretern und Stücken Segeltuch ganz ähnlicher Art gelegen hatten. Die erſteren waren vollkommen unver— ſehrt, während ſich an den letzteren deutliche Spuren von Zerſetzung zeigten und manche Stellen derſelben ſogar völlig verfault waren. Die unmittelbare Berührung mit einem verfaulten Stücke hat auf das präparirte nicht den gering— ſten Einfluß, wie mir dies durch ein Erperiment dargethan wurde, welches einer der erſten Chirurgen des Arſenals zu Portsmouth veranſtaltet hatte. Wie ſehr das nach dem Burnettſchen Verfahren prä— parirte Holz dem trocknen Brande widerſteht, davon hat man im Hoſpital von Haslar einen Beweis erhalten, woſelbſt 1836 in das Holzwerk des Abtritts der Schwamm gekom— men war und Hr. Baker dasſelbe theilweiſe durch gewöhn— liches, theilweiſe durch mit Zinkchlorid präparirtes erſetzen ließ. Im J. 1843 berichtete er, daß das erſtere durchgehends verfault, das letztere noch ſo feſt ſei, wie anfangs. In einem andern Falle wurden 1838 in den Keller eines Hauſes an den Chathamſchen Schiffswerften, deſſen Fußboden ſchon mehrmals durch den trocknen Brand zerſtört worden war und wo damals große Schwämme wuchſen, eine Anzahl burnettiſirter und nicht präparirter Fichtenbreter gelegt, und als man ſie 1842 unterſuchte, fanden ſich die letzteren ſämmtlich vollkommen verfault, die erſteren dagegen durchaus geſund. Ein weiterer Vorzug, den das nach Burnetts Der: fahren präparirte Holz unſtreitig beſitzt, iſt, daß es weniger leicht Feuer fängt. Dieſe Eigenſchaft wird durch nachſtehen— des officielles Zeugniß bekräftigt. Die Lords der Admiralität haben mich beauftragt, Ihnen (dem Sir W. Burnett) zu bezeugen, daß ſich aus den Verſuchen über die Unverbrennlichfeit der mit Ihrer Solution geſättigten Holzarten ergeben hat, daß weiche Nadelholzarten, die mit dieſem Mittel präparirt worden, wenn man ſie mit rothglühendem Eiſen berührte, nicht entzündet wurden, während unpräparirte Hölzer derſelben Art ſogleich lichterloh brannten. Harte Holzarten werden indeß durch denſelben Proceß nicht in gleichem Grade un— verbrennlich. (Gezeichnet: John Barrow.) Demnach haben die Lords der Admiralität auch befoh— len, daß die Breterverſchläge in den unteren Räumen und Magazinen der engliſchen Kriegsſchiffe aus burnettiſirtem Holze hergeſtellt werden ſollen, und Lord Stanley empfahl als Colonialminiſter den Localbehörden von Quebee nach dem großen Brande im J. 1845 auf die Erfindung des Sir W. Burnett Rückſicht zu nehmen. Eine höchſt wichtige Folge dieſer Erfindung iſt, daß man mittels derſelben geringen weichen Holzarten denſelben Werth verleihen kann, welcher den härteſten und völlig aus— gewitterten eigen iſt. So hat Hr. Bury zu Tullamore in der Kings-Grafſchaft gefunden, daß burnettiſirtes inländi— ſches Birken-, Ulmen- und Kiefernholz dem beſten Bauholze von Memel behufs der Reparatur der Canalboote an Güte gleichkommt. Hr. Clarke in Southamptonſhire bediente ſich zum Stützen der fetten Eroe eines Melonen- und Gur— kenbeetes, deſſen hölzerner Boden von unten aus durch warme Dämpfe geheizt wurde, zölliger Ulmenbreter, die gleich nach dem Fällen der Bäume geſchnitten worden waren. Einige der Breter waren mit Zinkchlorid präparirt, andere nicht. Nach einigen Monaten waren die unpräparirten Breter von Erdſchwämmen, welche an der unteren Seite wuchſen, ſo durchdrungen und mürbe gemacht, daß ſte ſich auf die mit Schiefer bedeckte Ciſterne herabgeſenkt hatten, während die präparirten vollkommen gerade und wie neu waren. In Betreff der animaliſchen Stoffe ſcheinen die anti— ſeptiſchen Kräfte des Zinkchlorids eben ſo erwieſen zu ſein als in Bezug auf die vegetabiliſchen. Hr. Bowman ſagt, daß es bei den für die Anatomie beſtimmten Cadavern die Farbe und Tertur der Theile in einer bewunderungswürdigen 93 116. Weiſe erhalte, daß es ferner den großen Vorzug beſitze, daß es die beim Seciren angewandten ſtählernen Inſtrumente nicht mehr anfreſſe als Alkohol. Auch bemerkt Hr. Sharp— ley, daß die fragliche Flüſſigkeit die Cadaver nicht nur vor Fäulniß bewahre, ſondern die Wirkungen der letzteren wieder aufhebe und deren weitere Fortſchritte hemme. Hr. Partridge vom King's College ſagt: Es wird jetzt im King's College kein Cadaver ſecirt, deſſen Arterien nicht vorher mit der antiſeptiſchen Solution ausgeſpritzt wor— den wären, und dieſe vorläufige Procedur iſt dem ſpätern Ausſpritzen mit den gewöhnlichen Stoffen, das man am folgenden Tage vornimmt, in keiner Weiſe nachtheilig. Während die Theile beim Seeiren bloß gelegt werden, thut man wohl, dieſelben mittels eines weichen Schwammes ein wenig mit der Solution zu befeuchten, und die hohlen Ein— geweide ſollte man mittels einer Spritze mit derſelben ausſpülen. Auf dieſe Weiſe werden die verſchiedenen Structuren des Körpers vollſtändig erhalten; indeß werden die Muskeln blaffer und vielleicht auch ein wenig mürber als fie es im natürlichen Zuſtande ſind, obwohl ihre Structur ſich voll— ſtändig conſervirt.“ Dieſe Zeugniſſe müſſen uns für vollkommen beweiſend gelten. Die Wirkſamkeit des Zinkchlorids hinſichtlich der Be— ſeitigung des übeln Geruchs des in den untern Raum der Schiffe eingedrungenen Waſſers oder der ſogenannten Grund— ſuppe iſt ebenfalls erwieſen. Man wendete es zu dieſem Zwecke auf der Jacht Victoria und Albert mit dem beſten Erfolge an. Auf dem Eelair ward mittels Zinkchlorids die Luft gereinigt, und dieſes Mittel kommt überhaupt bei der königl. engliſchen Marine mehr und mehr in Gebrauch. Die Wirkung iſt rein chemiſcher Art, indem das Schwefelwaſſer— ſtoffammonium, welches den Geſtank der Grundſuppe ver— anlaßt, durch das Zinkchlorid zerſetzt wird und ſalzſaures Ammonium und ſchwefelſaures Zink bildet. (Dublin Quart. Journ. of Med. Science, Nov. 1847.) (X) Über die Verrenkungen des Fußes im all- gemeinen und eine ſeltene Luxation des Fußes nach außen. - Von Hrn. Huguier. Über obige Gegenſtände trug Hr. Huguier der Pa: riſer Académie de Medeeine am 22. Febr. d. J. eine Ab⸗ handlung vor, welche in zwei Theile zerfällt. Im erſten beſchäftigt ſich der Verf. mit den Verrenkungen des Fußes im allgemeinen, und in dem zweiten mit einer bis jetzt noch nicht beſchriebenen Varietät dieſer Verletzung. Hr. Huguier bemerkt bei Gelegenheit der Geſchichte dieſer Beſchädigung, daß manche Varietäten derſelben von den Schriftſtellern a priori angenommen worden ſeien, ohne daß man in der Wirklichkeit einen Fall derſelben beobachtet oder deren mögliche Veranlaſſungsurſachen genau geprüft habe, während auf der andern Seite wirklich vorgekommene Varietäten der Beobachtung entgangen zu ſein ſchienen. Der VI. 6. 94 Verf. wirft dann einen Blick auf die anatomiſche Beſchaffen— heit des Fußgelenkes und betrachtet in ſinnreich theoretiſcher, ſowie praktiſcher Weile die gegenſeitigen Beziehungen der Oberflächen dieſes Gelenkes. Aus dieſen anatomiſch-phy— ſiologiſchen Betrachtungen ergiebt ſich eine genauere und einfachere Auffaſſung der verſchiedenen Verſchiebungen, welche die zur Bildung des Gelenkes des Unterſchenkels mit dem Fuße dienenden Knochen erleiden können, ferner der zu die— ſen Verſchiebungen wirklich prädisponirenden Urſachen und des Mechanismus, vermöge deſſen jene Statt finden. Im Laufe feiner Abhandlung weit Hr. Huguier nach, daß man ſich ſehr hüten müſſe, die im Innern der Gelenke vor— handenen Knochenbrüche, wenn dieſelben mit Verſchiebung der Gelenkflächen complieirt ſeien, mit den eigentlichen Ver— renkungen zu verwechſeln, wie dies häufig geſchehen ſei. Es iſt dies eine Quelle von in praktiſcher Beziehung ſehr er— heblichen Irrthümern, vor denen uns ein vollſtändigeres und gründlicheres Studium der Beſchaffenheit der Gelenke bewah— ren kann. Indem der Verf. alsdann zur Unterſuchung der ſoge— nannten Verrenkungen nach oben und außen übergeht, beweiſ't er, daß dieſelben noch nie beobachtet worden ſeien, daß ſich in den Annalen der Wiſſenſchaft kein einziges ge— hörig beglaubigtes Beiſpiel derſelben auffinden laſſe, daß ſie jedoch möglich ſeien. Er weiſ't dann die Bedingungen nach, unter denen ſie eintreten können. Hierauf betrachtet der Verf. ſehr genau die anatomiſch— pathologiſchen Urſachen, welche zu den Verrenkungen des Fußes prädisponiren. Dies Studium, ſagt er, hat in Be— treff der ſichern Kenntniß der verſchiedenen möglichen Ver— renkungen, ihres Mechanismus, der Urſachen ihres häufigen Eintretens ꝛc. eine hohe Bedeutung. Dieſe hauptſächlichſten prädisponirenden Urſachen liegen, nach ihm, in nachſtehen— den Umſtänden: 1) In Betreff des Unterſchenkels, in der Lage des Gelenkes an dem Ende des langen Hebels, welchen der Un— terſchenkel bildet. 2) In Betreff des Fußes, in der Lage des Gelenkes an dem hintern Ende dieſes Theiles. 3) In der Kürze des innern malleolus, im Verhältniſſe zur Länge des äußern malleolus; in der ſchrägen Stellung von oben nach unten und von außen nach innen, welche die Fläche des beweglichen Gelenkes darbietet. 4) In der ebenfalls von oben nach unten und von außen nach innen ſehr ſchrägen Stellung der obern Gelenk— fläche des astragalus. 5) In der Concavität, welche der innere Rand des Fußes unten darbietet. 6) In der ſeitlichen Schrägheit, mit welcher ſich die Unterſchenkelknochen an den astragalus anfügen, ſtatt ſenk— recht auf denſelben zu ſtoßen. 7) In der großen Beweglichkeit, dem Umfange und der Verſchiedenartigkeit der Bewegungen dieſer Gelenke. 8) In der Feſtigkeit und geringen Beweglichkeit der übrigen Gelenke des tarsus und metatarsus. 9) Endlich ſind auch zu den prädisponirenden anato— 95 116. VI. 6. 96 miſch-phyſtologiſchen Urſachen das Gewicht des Körpers und der mehr oder weniger bedeutenden Laſten, welche das Fuß⸗ gelenk ſämmtlich zu ſtützen hat, ſowie die ſtarken Anſtren— gungen zu rechnen, welche es bei Bewegungen des ganzen Körpers auszuhalten hat. Auch die Geſtalt und ſonſtige Beſchaffenheit des Bodens, auf welchen der Fuß ſich jtüßt, iſt in prädisponirender Beziehung ſehr in Anſchlag zu bringen. Jede dieſer Urſachen wird in der Abhandlung des Hrn. Huguier gründlich beleuchtet. Der Verf. unterſucht hierauf, weßhalb die ſogenannten Verrenkungen nach vorn ſo ſelten vorkommen. Die Gründe, denen er dieſen Umſtand zuſchreibt, ſind von den gewöhnlich angegebenen verſchieden. Er ſtützt ſeine Anſicht auf vielfache Unterſuchungen an Leichen. Die anatomiſch-phyſiologiſchen Betrachtungen, ſowie die kliniſchen Thatſachen, geben über die Verſchiedenartigkeit, Häufigkeit und Entſtehungsweiſe der zahlreichen Varietäten von Fußverrenkungen hinreichenden Aufſchluß. Allerdings ſind dieſe zahlreichen Abarten noch nicht ſämmtlich bekannt, und Hr. Huguier beweiſ't dieſes alsbald durch den zweiten Theil ſeiner Arbeit, in welchem eine von ihm beobachtete neue Varietät von Fußverrenkung beſchrieben wird, von wel— cher früher noch nirgends Meldung geſchehen iſt, und die er äußere Verrenkung des Fußes durch Drehung nach außen nennt. In dem von ihm angeführten Falle iſt die Verrenkung von Diaſtaſe und Luxation nach hinten des untern Endes des Wadenbeines be— gleitet geweſen. Bei der Beſchreibung dieſer neuen Art von Verrenkung hält ſich der Verf. nicht nur an den von ihm ſelbſt beob— achteten und durch Hrn. Robert bezeugten Fall, ſondern auch an das Reſultat der von ihm an Leichen angeſtellten Verſuche. Die prädisponirenden und unmittelbaren Urſachen, der Mechanismus, die Diagnoſe und die therapeutiſchen An— zeigen dieſer Verletzung werden klar und befriedigend dar— gelegt. Man hat alſo den ſchon bekannten Varietäten der Fußverrenkung eine neue, wiſſenſchaftlich feſtgeſtellte hinzuzu— fügen, jo daß deren Zahl nunmehr 8 betragen würde. Übri— gens hat Hr. Huguier auch nachgewieſen, daß eine neunte, nämlich die durch Drehung des Fußes nach innen, möglich iſt. 2 Am Schluſſe dieſer kurzen Überſicht wollen wir noch bemerken, daß die Abhandlung des Hrn. Huguier über einige dunkle Punkte der Geſchichte der Fußverrenkungen im allgemeinen neue Auffchlüffe giebt. Seiner Arbeit find fol⸗ gende Schlußfolgerungen angehängt. 1) Von der Beſchaffenheit des Fußgelenkes muß eine andere und gründlichere Anſicht gefaßt werden, als diejenige, welche man bisher aufgeſtellt hat. 2) Trotz der ungemein ſinnreichen und dauerhaften Zu— ſammenfügung dieſes Gelenkes iſt dasſelbe häufigen Ver— renkungen unterworfen, deren prädisponirende Urſachen bisher unbekannt oder kaum angedeutet worden waren. 3) Wir glauben, die Geſetze des thieriſchen Mechanis— mus, ſowie den Mechanismus, vermöge deſſen die Fußver— renkungen entſtehen, gründlicher nachgewieſen zu haben, als dies früher geſchehen iſt. 4) Wir haben nachgewieſen, weßhalb die einfache Luration nach vorn bisher noch nie am lebenden Menſchen vorgekommen iſt. 5) Wir haben, nach vielfachen Verſuchen, die wir an Leichen angeſtellt, die Bedingungen ermittelt, welche nöthig ſind, um dieſe Verrenkung nach vorn zu bewirken, ſowie wir uns auch über die dieſelbe begleitenden Verletzungen und Kennzeichen Aufſchluß verſchafft haben. 6) Ferner haben wir gezeigt, daß das Verzeichniß der Fußverrenkungen noch nicht vollſtändig war, indem wir eine neue Varietät hinzugefügt haben, welche eine eigenthümliche Veranlaſſungsurſache, ſowie beſondere Zeichen und anato— miſch-pathologiſche Charaktere beſitzt, auch zu ihrer Wieder— einrichtung einen eigenthümlichen Mechanismus in Anſpruch nimmt. 7) Endlich haben wir nachgewieſen, daß die bisherige Claſſification und Nomenclatur der Fußverrenkungen fehler: haft ſind und einer Reform bedürfen. (Gazette med. de Paris, No. 9 & 10. 1848.) Miſcelle. (10) Über die freſſende Flechte in der Perinäal⸗ gegend hat Hr. Huguier am 8. Febr. d. J. der Académie de Médecine zu Paris berichtet. Dieſe Krankheit findet ſich noch nir— gends beſchrieben und ward bisher mit durchaus verſchiedenartigen Leiden zuſammengeworfen, was beſonders daher rührte, daß man ſie für gewöhnlich nur im Geſicht und an den Extremitäten wahr⸗ nimmt, daher man fie verkannte, wenn fie ſich am Mittelfleiſche zeigte. Hr. Huguier verbreitet ſich insbeſondere über die Dia⸗ gnoſe der freſſenden Flechte. Die Leiden, mit welchem dieſelbe, wenn fie in der Gegend des Afters und der vulva vorkam, gewöhn- lich verwechſelt ward, find die elephantiasis, syphilis, der Krebs und die Scropheln, und der Verf. beſchäftigt ſich vorzüglich mit den Kennzeichen, welche die fragliche Krankheit von krebſigen und ſyphilitiſchen Geſchwüren unterſcheiden und auf deren Keuntniß nicht nur in Betreff der therapeutiſchen Anzeigen, ſondern auch hinſichtlich des moraliſchen Rufes der Patientin viel ankommt. (Gazette med. de Paris, 12. Fevr. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Etudes de physiologie vegetale, faites au moyen de l’acide arsenieux; par M. Ad. Chatin. In So de 3 feuilles. Paris 1848 Etudes sur la symetrie generale des organes des vegetaux; par M. Ad. Chatin. In 8° d'une feuille. Paris 1848. - Reflexions sur la doctrine des crises dans son application aux maladies du nord de l’Afrique, comprenant le mode de developpement des fievres d’acces et leurs consequences; par le docteur Ch. Munurd et le docteur P. Monard. In 8° de 8 feuilles. Metz 1847. F. C. Nägele, zur Methodologie der Geburtshülfe. Geh. 11½ Sgr. J. C. B. Mohr in Heidelberg 1848. Des hernies ombilicales et epigastriques. These presentee le 20. Février 1848, au concours pour une chaire de clinique chirurgicale vacante à la faculte de Medecine de Paris; par Aug. Vidal (de Cassis). In 4° de 16 feuilles '/,. Paris 1848. Faculte de Medecine de Paris. Concours pour une chaire de clinigue chirur- gicale. Des tumeurs de la langue. These soutenue par M. J. Maison- Fan Cie en chef de Bicetre. In 4° de 22 feuilles ½, plus une pl. aris 1848. 1. Lig. gr. 8°. 1847. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 117. (Nr. 7. des VI. Bandes.) April 1848. Naturkunde. Loyet, über die Verfälſchungen der Cerealien und das relative Verhältniß der unorganiſchen Elemente ihrer Körner. — Miſcellen. Der Seringa oder Federharzbaum Braſiliens. Newport, Luftſäcke der geflügelten Inſecten. Millon, neue Beſtimmungsart des Harnſtoffes. — Heilkunde. Bourguignon, entomologiſche unt pathologiſche Unterſuchungen über die Krätze. — Rambaud über die Diagnoſe der acuten Herzbeutelentzündung und ihre Behandlung — geheilt. — Bibliographie. Miſcelle. Papillaud, Behandlung der Ruhr in warmen aber nicht tropiſchen Landern. Solly, Epilepſie durch Terpenthinol Naturkunde. IX. Über die Verfälſchungen der Cerealien und das relative Verhältniß der unorganiſchen Elemente ihrer Körner. Von Loyet. Der Verf., dem vielfach Lebensmittel und namentlich Mehlſorten zur Prüfung uͤbergeben wurden, theilt in No. 11 des Bulletin de l’academie royale des sciences de Belgique von 1847 feine Erfahrungen und Anſichten mit und bemerkt zu Anfang, wie dieſe Verfälſchungen zum Theil ſo ſchlau ausgeführt würden, daß ſie nur ſchwierig zu ermitteln wären und er, alle bekannten Prüfungsmethoden durchgehend, oft zu neuen Mitteln ſeine Zuflucht nehmen mußte. Eine ge— naue analytiſche Unterſuchung der verſchiedenen Cerealien und Hülſenfrüchte ſelbſt zeigte ihm indeß in den Aſchen— beſtandtheilen derſelben oft jo bedeutende Verſchiedenheiten, daß er in vielen Fällen allein durch eine genaue Aſchen— unterſuchung des Mehles eine Statt gefundene Verfälſchung zu ermitteln ſich getraut. Geringe Verſchiedenheiten in der Menge der firen Stoffe finden ſich indeß nach dem Verf. bei reifen Samen immer und find wahrſcheinlich durch den Boden, auf dem das Korn ge— wachſen, veranlaßt; noch größere Unterſchiede, ſowohl dem relativen Verhältniß als der Beſchaffenheit der Stoffe nach finden ſich in den verſchiedenen Theilen derſelben Pflanze, wie dies von Th. de Sauſſure und neuerlich von John— ſton nachgewieſen iſt. Nach letzterem iſt nicht nur der Aſchengehalt der verſchiedenen Theile, ſondern ſogar in den— ſelben Theilen an verſchiedenen Stellen verſchieden: ſo ſchwankt No. 2097. — 997. — 117. der Aſchengehalt im Weizenſtroh von 3 bis 18 Proc., im Haferſtroh von 3 bis 10 Proc. Dagegen will Dauben y keine ſo große Verſchiedenheit der Aſchenbeſtandtheile nach der Art des Bodens, wie ſie Liebig verlangt, gefunden haben, da er in Pflanzen, die am Meeresſtrande gewachſen waren, nicht mehr Soda wie in Pflanzen derſelben Art, im Centrum von England gewachſen, auffinden konnte, ja in letzteren bisweilen ſogar mehr Soda antraf. Der Verf. tritt hier, ſich auf Verſuche ſtützend, Daubigny's Anſicht bei, indem er glaubt, daß die für die Exiſtenz einer Pflanze nöthigen Salze für die Cerealien z. B. die Phosphate, für die Carices und Schilfarten die Silicate u. ſ. w. in der: ſelben Species nicht bedeutend variiren können. Zerſtoßene und bei 1000 C. getrocknete Erbſen gaben ihm in Brüffel 3,32 Proc. Aſche, während auch Rammelsberg 3,28 Proe. erhält, und ſeine Erbſen in Deutſchland ſicher auf einem anderen Boden gewachſen waren; die Feldbohne gab dem Verf. 3,20 Proc. Aſche, auch de Sauſſure fand in Vi- cia faba 3,28 Proe. Rammelsberg verkohlte feine Erb— ſen in einem bedeckten Tiegel, zog ſie dann mit Waſſer und Salzſäure aus, wuſch und trocknete die Kohle und äſcherte ſie dann erſt ein, erhielt aber dennoch faſt dieſelbe Aſchen— menge, woraus der Verf. ſchließt, daß bei der directen von ihm vorgenommenen Einäſcherung kein bedeutender Verluſt Statt findet. Dagegen hält er den Zuſtand der Reife der Körner von großem Einfluß auf das Verhältniß ihrer un— verbrennlichen Stoffe, indem dieſelben in den verſchiedenen Entwicklungsperioden in jedem Theile der Pflanze verſchieden ſind; auch die trockne oder regnichte Witterung und die ver⸗ 7 99 117. VI. 7. ſchiedenen Varietäten der Pflanzenſpecies ſelbſt möchten hier zu berückſichtigen ſein, wogegen nach de Sauſſure die Aſchenbeſtandtheile immer mit den Beſtandtheilen des Bo— dens im Zuſammenhange ſtehen, ſo daß auf einem kieſel— haltigen Boden die Aſche der dort gewachſenen Pflanzen mehr Kieſelſäure und weniger Kalk als unter gleichen Ver— hältniſſen auf Kalkboden enthält, was nach ihm aber nur dann Statt findet, wenn Kalk und Kieſelſäure im Boden in verſchiedenen Verhältniſſen gelöſ't vorkommt, wogegen Pflanzen auf Kalkſand und Quarzſand wachſend, dieſelben Aſchen enthalten würden, wofür er die Verſuche von Lam— padius citirt, der Roggen unter vollkommen gleichen Be— dingungen und bei gleicher Düngung in Thonerde, Kieſelerde, Kalk, Talkerde und gewöhnliche Gartenerde ſäete und von allen 5 Bodenarten Roggen erhielt, deſſen Aſchenbeſtand— theile dieſelben waren. Der Verf. kann dieſe Anſicht nicht unbedingt theilen, weil ſich nicht wohl annehmen läßt, daß die Pflanzen allein von dem ihnen gegebenen Dünger leben könnten. Die bedeutenden Abweichungen in den Analyſen der— ſelben Pflanzenaſchen bei den verſchiedenen Beobachtern finden ſicherlich, außer in den eben erwähnten Umſtänden, in der früheren oder ſpäteren Ernte und der Verſchiedenheit des Bodens ihre Urſachen. Einäſcherungen zahlreicher, theils von zuverläſſigen Bäckern erhaltener, theils ſelbſt gemahlener Mehlproben zeigten dem Verfaſſer deutlich bemerkbare Ge— wichtsunterſchiede in der zurückgebliebenen Aſche derſelben Weizenmehlqualität. Dieſe Unterſchiede waren indeß mit den ſpäter zu erwähnenden verglichen, von geringer Bedeu— tung und wahrſcheinlich durch eine andere Varietät oder durch beim Ernten und Dreſchen hinzugekommene fremde Samen entſtanden. Dagegen erhält der Verf., wenn er von einer Sorte mehrere Einäſcherungen machte, immer dasſelbe bis auf das Bruchtheil eines Milligramms übereinſtimmen— des Aſchengewicht, wodurch die Anſicht mehrerer, nach welchen eine Aſchenbeſtimmung nur approrimative Reſultate gewährt, widerlegt wird. Geſiebtes und bei 1000 C. getrocknetes Weizenmehl gab dem Verf. im allgemeinen höchſtens 0,8 Proc. Aſche, geſtebtes Roggenmehl mindeſtens 1,0 Proc., geſiebtes Bohnen— und Erbſenmehl dagegen 3 Proc.; mit Alkohol von allem Ole befreiter Leinſamenkuchen ſogar 10 Proc. Nach dem vorhergehenden iſt es nun leicht einzuſehen, wie eine gewiſſe Menge von Bohnen-, Erbſen- oder Leinmehl unter Weizen- oder Roggenmehl gemifcht, die Menge der zurückbleibenden Aſche einer gegebenen Quantität Mehl be— deutend vermehren müſſe. 10 Procent Bohnenmehl dem Weizenmehle zugemiſcht, verdoppeln ſchon die unorganiſchen Beſtandtheile des letzteren; nun wird aber nicht allein die Menge der Aſche, ſondern auch ihre Zuſammenſetzung durch ſolche Zuſätze verändert. Die Aſchen der Cerealien, des Lein— und Hanfſamens enthalten zweibaſiſche Phosphate, deren Löſung mit ſalpeterſaurem Silberoryd einen weißen Nieder— ſchlag giebt. Die Aſchen der Leguminoſen, Gruciferen und Coniferen führen dagegen meiſt dreibaſiſche Phosphate, die durch dasſelbe Reagens gelb gefällt werden, wie es ſchon 100 Freſenius angegeben. Iſt nun die Menge der zum Korne gemengten Hülſenfrüchte im Mehle einigermaßen bedeutend, ſo wird man nach der Einäſcherung immer einen hellgelben Silberniederſchlag erhalten. Die dreibaſiſchen Phosphate der Leguminoſenaſche ſind überdies an der Luft zerfließlich und alkaliſch und theilen der Aſche des vermiſchten Getraides dieſe Eigenſchaften mit, während die reine Weizenaſche trocken bleibt, ſich überhaupt an der Luft nicht verändert. Mit et⸗ was Waſſer befeuchtet, reagirt ſie nur ſehr ſchwach alka— liſch, bläuet nur ganz allmälig das rothe Lackmuspapier, wirkt aber auf Curcuma papier gar nicht ein. Ein Zuſatz von 12 Proc. Bohnen zum Weizen verändert das ganze Anſehen und Verhalten der Aſche; ſie zieht nunmehr Feuch— tigkeit an, bläuet augenblicklich rothes Lackmuspapier und bräunt eben ſo ſchnell Curcumapapier. Die Leguminoſen— aſche enthält überdies ein Alkali-Chlorür, das der Weizen— aſche gänzlich fehlt und in der Roggenaſche nur bisweilen vorkommt. Die wäſſrige Löſung einer reinen Weizenaſche giebt mit ſalpeterſaurem Silberoryd einen weißen Nieder— ſchlag, der ſich, ſelbſt wenn er mehrere Tage dem Lichte ausgeſetzt ward, nicht verändert. Die eben ſo behandelte Leguminoſenaſche giebt dagegen einen blaßgelben, aus drei— baſiſchem phosphorſaurem Silberoryd und Silberchlorid be— ſtehenden Niederſchlag, der, dem Lichte ausgeſetzt, violet wird, während die überſtehende Flüſſigkeit eine Weinfarbe annimmt, was beim Weizen niemals, beim Roggen nur ſel— ten geſchieht. Der aus der Roggenaſche erhaltene Nieder— ſchlag erhält im Lichte bisweilen einen Stich ins Graue. Zu den angegebenen Kennzeichen, welche allein noch nicht genügen wurden, eine Verfälſchung mit Leguminoſen mit Sicherheit nachzuweiſen, geſellen ſich noch andere un— organiſche Subſtanzen: fo nahm der Verf. die von Donny angegebenen mikroſkopiſchen Charaktere zu Hülfe, bemerkt hier aber, wie das Mikroſkop allein, deſſen Nutzen für ſolche Unterſuchungen er keinesweges läugnet, noch Donny's verdienſtliche Arbeit in irgend einer Weiſe ſchmälern will, hier über eine Verfälſchung noch nicht mit Sicherheit entſchei— den könne, weil, wie er ſich ſelbſt überzeugte, ein vermiſchtes Mehl, von dem nach einander an verſchiedenen Stellen kleine Proben unters Mikroſkop gebracht wurden, je nachdem es fiel, ein ganz verſchiedenes Anſehen hatte. So kann namentlich bei größeren Quantitäten leicht eine Täuſchung eintreten, indem man Stellen trifft, die nur reine Getraideſtärke ent— halten, obſchon das Mehl mit Hülſenfrüchten verfälſcht iſt. Miſcht man dagegen kleine Mengen, etwa 9 Grammen Wei— zenmehl und 1 Gramme Bohnenmehl in einem Mörſer, ſo wird allerdings eine innigere Vermengung und folglich keine ſolche Täuſchung erfolgen. Der Verf. wendet ſich darauf zu den Aſchenmengen, die er ſowohl von den Cerealien als von allen Samen, mit denen ſie verfälſcht werden könnten, beſtimmt hat. Mit wenigen Ausnahmen, die immer angegeben ſind, mahlte er ſeine Körner auf einer Kaffeemühle ſelbſt, ſchlug ſie darauf durch ein feines Florſieb ab, trocknete das Mehl bei 100% C. und verwandte ſodann 5 Grammen zur jedesmaligen Ein— äſcherung, nachdem er ſich durch Verſuche mit 50 Grammen 101 ausgeführt, vorher überzeugt hatte, daß dieſe Menge für eine genaue Beſtimmung durchaus hinreichend ſei. Die Verbrennung geſchah in einem Platintiegel über einer Spirituslampe mit einfachem Luftzuge, die Hitze wurde nur bis zum dunkeln Rothglühen geſteigert, um Zerſetzungen und Verluſte zu vermeiden. In einigen Fällen, ſo nament— lich bei dem Weizen, war es dem Verf. faſt unmöglich, alle Kohle zu verbrennen; doch war die Menge zu gering, um ſie durch Salpeterſäure oder ſalpeterſaures Ammoniak weg— zuſchaffen, Methoden, die wie der Verf. meint, überdies, ſowohl durch ihre Reactionen auf die Aſchenbeſtandtheile als durch die plötzliche Temperaturerhöhung der Genauigkeit des Verſuches ſchaden. Aſchen⸗Tabelle. 22. . —.. n...... ?!. 3 82 8 383 8 Mehl oder Körner. 2 3 3 5 Bemerkungen. 222 2 2 2 385 S8 2 Von einem Becker in x Brüſſel erhalten. Weizenmehl von 1846 zweiter Verſuch 117. M.. 102 Mehl over Körner. Die firen Stoffe in Procenten der Bemerkungen. Gr. Geſiebtes Mehl des letztern Dieſe Zahl ſtimmt ge⸗ Hafers . . „100 2 nau mit der des Ha⸗ fers von 1846. Geſchälter Reiß 0,021 | 0,4 Der Reiß war ſehr ſchwierig zu verkoh⸗ len, ſeine Aſche blieb etwas grau. Mais mit ſeiner Kleie 0,113 | 2,2 Aus der Umgegend von Geſiebtes Maismehl 0,103 | 2 Brüſſel. Maismehl aus Frankreich 0,068 1,3 Als Mehl aus Mittel- Buchweizen mit Kleie. 0,110 | 2,2 frankreich gekommen. Geſiebtes Buchweizenmehl 0,120 2,4 Bohnen mit der Schale . 0,150 3 Geſiebtes Bohnenmehl 0,160 | 3,2 Erbſen mit der Kleie (2) | 0,166 | 3,3 Die Aſche der Erbſen u. Geſiebtes Erbſenmehl . 0,149 | 3 Bohnen ſehr kauſtiſch Leinmehl No. 1 des Handels 0,948 | 19 und leicht zerfließend. LE „362 7,2 Durchs Zerreiben der Samen erhalten. Leinmehl nach Entfernung Durch kochenden Alfo: des Dlss 0,502 10 hol ausgezogen. Gemahlener Rübſamen 0,202 | A Rübſamen ohne DL 0,300 | 6 Durch Ather erſchöpft. Rübſamenkuchen 0,405 8 Käufliche. Gewöhnliches Roggenbrot 0,131 2,6 Kartoffelmehl .. 0,070 1,4 (Käuflich, ſehr feine, leichte und trockene Aſche gebend. Aus vbigen Reſultaten zieht der Verfaſſer nunmehr folgende Schlüſſe. 1) Sorgfältig ausgeführte Einäſcherungen geben ge— naue Reſultate. = mit Yıo Bohnenmehlſ 0,065 | 1,3 = zweiter Verſuch . | 0,060 | 1,2 Die Rechnung er: gab. 770,060. braunes, von 1843 | 0,042 | 0,8 In der Umgegend von braunes, von 1843 | - Brüſſel gebaut. mit der Kleie 0,105 | 2,1 Kleie des vorigen Weizens | 0,196 | 3,9 Die Kleie enthielt noch etwas Mehl. Weizenmehl von 1847 0,038 | 0,78 ö Aus der Umgegend von Dasſelbe zweiter Verſuch 0,037 . \ Brüſſel. Dasſelbe dritter Verſu 6,37 . Dasfelbe . >... 10,032 | 0,64 Aus der Dampfmühle von Molenbeef. Roggenmehl von 1847 mit Aus der Umgegend F neee von Brüſſel. Roggenmehl von 1847 ohne Reise J 0,0501 Roggenmehl von 1847 ohne Kleie, zweiter Verſuch 0,052 | Roggenmehl von 1846 mit 99037 Aus der Umgegend Roggenmehl von 1846 mit 2 von Wavre. Kleie, zweiter Verſuch. | 0,105 Waere von 1846 ohne Dieſer Roggen ward bie „ 0050 von einem Brüſſeler Roggenmehl von 1847 ohne Bäcker, der ihn aus Kleie 0,105 271 der Gegend von Lou⸗ Roggenmehl von 1847 ohne vain bezogen hatte, Nee „055 1,1 gekauft; er follte die Alter Roggen aus Rußland ſchwerſte 78 Kilogr. i ie „100 2 per Hectolitre wies Alter ruſſiſcher Roggen ohne gende Sorte ſein. Kleie, gebeutelt. . 0,055 1,1 Gerſte von 1847 mit Kleie | 0,159 3 Aus der Umgegend Gerſtenmehl von 1847 0,119 2,3 von Wavre. Hafer von 1846 mit der Kleie 0,163 | 3,2 Ebendaher. Geſiebtes Mehl dieſes Hafers) 0,100 | 2 = Hafer von 1847 mit der Kleie 0,158 | 3,1 P 2) Die verſchiedene Aſchenmenge der verſchiedenen Wei— zenproben iſt am wahrſcheinlichſten durch verſchiedene Weizen— ſorten veranlaßt. 5 3) Der Roggen mit Kleie enthält doppelt ſo viel fixe Beſtandtheile als der gebeutelte Roggen. 4) Der Hafer zweier verſchiedener Ernten aus derſelben Gegend gab dieſelbe Menge fixer Stoffe. 5) Die Erbſen und Bohnen enthalten gleiche Mengen fixer Stoffe. 6) Das Leinmehl des Handels war mit mineraliſchen Stoffen verfälſcht, eben ſo das Rübſamenmehl; das letztere ſchien mit Sand vermiſcht zu fein. Ein Vergleich ſeiner Reſultate mit den von anderen Chemikern erhaltenen zeigte dem Verf. bedeutende Abwei— chungen, die, wie er vermuthet, den verfchiedenen Sorten zuzuſchreiben iſt, vielleicht auch von einem verſchiedenen Austrocknungsverfahren herrühren: ſo vermuthet er, daß Bouſſingault feine Cerealien bei 1200 C. getrocknet und deßhalb, ſtatt wie der Verf. 3 Proc., 4 Proc. Aſche von demſelben Hafer erhalten habe. 8 7 * 103 Körner. Weizen Bouſſingault 2,40 = von Hopeton Way 1,81 = = - 1,51 = E 1,48 von Spalding z 1,81 „von Rampart 2 1,73 : E 1,65 = von Hopeton - 1,56 2 = E 1,63 E 1,61 = 1,63 5 1,71 E 1,69 : 5 1,76 franzöſiſcher E 1,55 ägyptiſcher e 1,97 polniſcher 5 1,50 = von Marianopel = 1,70 B 2 Sprengel 1,11 Gerſte aus der Moldau Way 2,12 - Bichon 2,37 P Way 2,04 . Daubeny 1,90 Chevallier Way 2,25 2 : 2,43 zweizeilige Köchlin 2,70 . Wiegman und Polsdorf 2,432 Hafer von Hopeton Way 2,27 Potato 5 2,45 polniſcher 5 2,65 . : 3,31 5 = 2,75 Bouſſingault 4,00 £ Sprengel 2,90 Roggen Bichon 2,42 . Way 1,36 Sprengel 1,04 Der Verf. fürchtet nach den zum Theil ſehr bedeuten— den Schwankungen, daß nicht alle Verſuche hinreichend ge— nau ausgeführt ſind und giebt darauf die folgende tabellariſche Überjicht der verſchiedenen Reactionen der verſchiedenen Sa— menaſchen, die vorher mit einer kleinen Menge Waſſer be— handelt und filtrirt wurden. Verhalten gegen rothes Lackmüs— papier. Verhalten gegen gelbes Gurcuma= papier. Verhalten gegen ſalpeter⸗ faures Silberoxyd. Aſchen. „Weizen v. 1844 Rein weißer Nieder-[Sehr ſchwache Ohne Einfluß. 1846 u. 1847.] ſchlag, die überftehen-| alfalifche Re— de Flüſſigkeit durch=]| action. ſichtig u. farblos, der Niederſchlag am Licht F 4 unveränderlich. Weizen mit ½ Weißer Niederſchlag. Blaue Färbung. [Deutlich braune Bohnen. re 1 Färbung. Geſiebter Rog⸗ Weißer Niederſchlag, Blaue Färbung. Braune Fär⸗ gen. am Lichte grau wer⸗ bung. dend, die überſtehende Flüſſigkeit leicht ge⸗ färbt. 117. VI. 7. — — — — T— — — — Verhalten gegen rothes Lackmüs⸗ papier. Verhalten gegen gelbes Curcuma⸗ papier. Verhalten gegen ſalpeter— ſaures Silberoryd. Gerſte. Weißer Niederſchlag. Sehr ſchwache Ohne Einfluß. alkaliſche Re⸗ action. Hafer. Ebenſo. Ebenſo. Ebenſo. Kartoffelſtärke.[Kein Niederſchlag. Unverändert. Unverändert. Bohnen. Ein gelblicher, am Stark alkaliſch.]Stark braune Lichte dunklerwerden⸗ Färbung. der Niederſchlag, die überſtehende Flüfjig- keit dunkelbraun. Erbſen. Ebenſo. Ebenſo. Ebenſo. Buchweizen. [Weißer Niederſchlag. Blaue Färbung.] Schwach braune Färbung. Geſiebtes Ebenſo. Ohne Einfluß. Ohne Einfluß. Buchweizen⸗ mehl. Mais. Reichlicher weißer Nie-Blaue Färbung. [Unverändert. derſchlag. Rübſamenku- Kein Niederſchlag. [Ohne Einfluß. Ohne Einfluß. chen des Han⸗ dels. Rübſamen. Trübung, ſpäter ein Ohne Einfluß. Ohne Einfluß. weißgelblicher Nies derſchlag. Leinſamen. Kein Niederſchlag. Ohne Einfluß. Ohne Einfluß. Leinmehl des Starker gelber Nie- Stark blaue Dunkelbraune Handels. derſchlag. Färbung. Färbung. Der Verf. verknüpft nun dieſe Reactionen mit dem pro— centiſchen Aſchengehalte und der mikroſkopiſchen Unterſuchung des Mehles, um vorkommende Verfälſchungen zu ermitteln. Beträgt die Aſchenmenge von 5 Grammen bei 1000 ge— trockneten Weizenmehls mehr als 0,045, ſo iſt es zuver— läſſig verfälſcht; ſteigt der Aſchengehalt indeß nicht über 0,100, ſo iſt keine mineraliſche Verfälſchung anzunehmen, die, wenn ſie nur einigen Gewinn bringen ſoll, mindeſtens 1½— 2 Proc. des Mehles betragen und ſomit von 5 Grammen 0,200 bis 0,250 geben müßte, wogegen eine Verfälſchung mit Leguminoſenmehl zu vermuthen und dann durch die Reactionen der Aſche, die mikroſkopiſche Unterſuchung und das don Martens vorgefihlagene Verfahren vermittels Eſſigſäure zum wäſſerigen Mehlaufguſſe mit Beſtimmtheit nachzuweiſen iſt. Geſiebtes bei 1000 Celſ. getrocknetes Roggenmehl darf von 5 Grammen nicht mehr als 0,050 bis 0,055 Aſche geben; die Aſche des Roggenmehls reagirt ſtark alkaliſch, zieht ebenfalls Feuchtigkeit an, ohne jedoch das Papier, auf dem ſie liegt, zu benetzen, was von der Erbſenaſche faſt augenblicklich geſchieht. Beträgt die Aſche nicht mehr als 0,100, ſo kann das Mehl mit Leguminoſen, aber auch mit Leinkuchenmehl verfälſcht ſein, wo eine mikroſkopiſche Unter- ſuchung die Frage leicht entſcheiden wird. 105 117. Miſeceellen. 15. Der Seriuga oder Federharzbaum Braſiliens erreicht nach einer Schilderung in der Voyage up the Amazon eine beträchtliche Höhe, aber nur 2 bis 3 Fuß Durchmeſſer. In den Wäldern findet man ihn mit theils vernarbten, theils noch offe⸗ nen Wunden bedeckt; der Reiſende machte einige Einſchnitte in die Rinde, aus der ſogleich ein ſchwacher Strom eines weißen Milch⸗ ſaftes von angenehmem ſüßlichem Geſchmacke hervorquoll. Die Stämme find rund und gerade, die ziemlich harte Rinde iſt hell—⸗ farben, das Holz weich. Der Seringabaum hat keine ſehr aus⸗ gebreitete Krone, feine fußlangen dünnen Blätter ſitzen in Bü— ſcheln, die holzige Frucht, von der Größe einer großen Pfirfiche, hat 3 Fruchtfächer, und in jedem derſelben eine kleine ſchwarze Nuß, welche von den Thieren des Waldes begierig verzehrt wird. Ein Mann ſammelt in den Morgenſtunden von 120 Bäumen, die in mäßigen Entfernungen von einander wachſen, durch Abzapfen etwa 2 Gallonen Milchſaft, welche Menge zur Herſtellung von 10 Paar Gummiſchuhen ausreicht, und kann mehrere Monate hindurch täglich dieſelbe Quantität von denſelben Bäumen gewinnen. Der Reiſende ſah 2 Kinder mit der Anfertigung der Gummiſchuhe be⸗ ſchäftigt: fie ſaßen in einer Hütte, die außer der Thür keine Off: nung hatte, vor einem irdenen Kruge ohne Boden, der als Feuer: heerd diente und aus dem eine dicke Rauchſäule von brennenden Palmnüſſen hervorquoll und die ganze Hütte erfüllte. Sie tauchten eine hölzerne, geſtielte und mit Lehm beſtrichene Form in den Milchſaft, hielten ſie dann über die Rauchſäule, wo der Saft in wenig Secunden auf der Oberfläche vertrocknete; dann ward die Form zum zweiten Male in den Milchſaft getaucht, wieder erwärmt und dies Verfahren ſo lange, vielleicht 12 Mal fortgeſetzt, bis die gehörige Dicke erreicht war, wozu im Ganzen nicht länger als 5 Minuten erforderlich waren; die Schuhe wurden ſodann auf Decken von der Sonne nachgetrocknet. Anfangs waren ſie gelb⸗ lich, wurden aber durch das Sonnenlicht bald braun und endlich W. 106 ſchwarz. Der größte Theil dieſes Federharzes wird von Para nach den vereinigten Staaten exportirt, nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil kommt in den europäifchen Handel. (The Gardners Chro- nicle, No. 47 und 48, 1847.) 16. Die Luftſäcke der geflügelten Inſecten ent ſtehen nach Newport während der Übergangsperiode von der Puppe zum vollkommenen Inſect durch eine Erweiterung der Tra— cheen, die Flügel aber als Falten einer neu gebildeten Haut unter⸗ halb der alten; die ſogenannten Nerven der Flügel ſind nach ihm nichts anderes als Fortſetzungen der großen Tracheenſtämme des Körpers. Auch der Verf. vermuthet mit John Hunter, daß dieſe Luftſäcke, die allen ungeflügelten Infecten, wie allen Larven fehlen, zur beliebigen Veränderung des ſpeeifiſchen Gewichts während des Fluges dienen, nicht aber den Bläschen in den Reſpirationsorganen der Wirbelthiere, wohl aber den Lufthöhlen der Vögel, die eben— falls über den ganzen Körper verbreitet ſind, zu vergleichen wären. So glaubte der Verf. bei den Inſeeten vor ihrem Auffliegen eine verſtaͤrkte Reſpiration, ein Aufblähen des Körpers durch Aufnahme von Luft in dieſen Säckchen beobachtet zu haben, wodurch ſowohl das ſpecifiſche Gewicht wie die zum Fluge nöthige Muskelkraft be— liebig regulirt wurde. (The Gardners Chronicle, No. 51, 1847.) 17. Eine neue Beſtimmungsmethode des Harn- ftoffes ward von Millon angegeben; er läßt ſalpetrigſaures Queckſilber auf den Harnſtoff, der ſich bekanntlich, ohne zerſetzt zu werden, in ſchwacher wie in concentrirter Salpeterſäure auflöft, einwirken; das ſalpetrigſaure entweicht nunmehr nicht, ſondern wirkt auf den Harnſtoff, ihn in Kohlenſäure und Stickſtoff zer legend. Die Kohlenſäure wird in Röhren aufgefangen. Das er⸗ haltene Gewicht derſelben, mit 1,371 multiplicirt, giebt die Menge des zerſetzten Harnſtoffes. Die Methode ſcheint ſehr empfindlich, fie zeigt noch Yıooo Harnſtoff im Harne an, von dem wenige Gram⸗ men zur Analyſe genügen. Jeder richtig angeſtellte Verſuch iſt in einer halben Stunde vollendet. (L'Institut, No. 733. 1848.) Heilkunde. (XI.) Entomologiſche und pathologiſche Unterfu- chungen über die Krätze. Von Dr. Bourguignon ). Die Entdeckung des Acarus scabiei galt ihrer Zeit mit Recht für wichtig, da dieſelbe auf die Anſicht über die Ent— ſtehung und Natur der Krätze einen weſentlichen Einfluß äußern und praktiſche Fragen zur Erörterung bringen mußte, welche ihre vollſtändige Erledigung noch nicht erfahren haben. Von der Mützlichkeit der Löſung dieſer Fragen überzeugt, hat Dr. Bourguignon, welchem die günſtigſte Gelegen— heit zum Studium dieſes Gegenſtandes zu Gebote ſtand, eine Reihe von Forſchungen angeſtellt, welche einestheils die Krätzmilbe aus dem entomologiſchen Geſichtspunkte, andern= theils die Pathologie und Therapie der Krätze zum Zweck hatten. In der letztern Beziehung ſcheint uns die Arbeit des Hrn. B. der Aufmerkſamkeit der Arzte beſonders würdig. Alle Schriftſteller, welche über die Krätze gehandelt, haben derſelben folgende Charaktere zuerkannt: 1) Sie iſt contagiös; 2) ſie erzeugt von einander abgeſonderte ſpitze J Recherches entomologiques et pathologiques sur la gale de I'homme; par M. le docteur Bourguignon. Paris 1847. = Bläschen, welche ſich beſonders an den Fingern zeigen; 3) fie veranlaßt Jucken. Dieſe Beſchreibung iſt indeß, Hrn. B. zufolge, nicht genau, indem man darin die typiſchen Kenn— zeichen der verſchiedenen Stadien der Krankheit vermißt, alſo dadurch nicht in den Stand geſetzt wird, ſie jederzeit zu er— kennen. Die Krätze bietet nämlich zwei ſehr deutlich ver— ſchiedene Stadien dar, das Anfangs- oder Incubationsſtadium und das Stadium des ausgebildeten Zuſtandes. Indem der Verf. dieſe beiden Stadien berückſichtigt, definirt er die Krätze als eine contagiöſe Hautkrankheit, welche von der Anweſen⸗ heit der Krätzmilbe herrühre und charakteriſirt werde: 1) in der Incubationsperiode, durch die Anweſenheit einer oder mehrerer Furchen (Gänge) in der Haut, in denen das Inſect verborgen iſt, durch vorübergehendes Jucken und einige iſo— lirte Hitzbläschen (papulae); 2) in der Periode der vollſtän— digen Ausbildung, in den meiſten Fällen durch Bläs⸗ chen an den Seitenflächen der Finger, durch Sitzbläschen (papulae) an den Extremitäten und dem Rumpfe, ſowie durch die beſtändige Anweſenheit einer größern oder geringern Anzahl von Acarus - Gängen, ferner durch allgemeines Jucken, welches ſich beſonders in den erſten Stunden der Nacht fühlbar macht. 107 Dieſe Definition überhebt uns der Mühe, näher auf die Unterſuchung der pathetogeniſchen Fragen einzugehen, welche ſich dem Verf. darbieten mußten, indem deren Löſung bereits darin enthalten iſt. Die Krätzmilbe iſt, wie man ſieht, des Verf. Anſicht zufolge, die einzige und weſentliche Urfache der Krankheit. Jeder Menſch, von welchem Alter, Geſchlecht, Temperamente oder Stande er auch ſein möge, iſt folglich der Anſteckung unterworfen, und es reicht dazu hin, daß ein Acarus, ſei es direct von einem Krätzigen oder von mit Milben behafteten Stoffen aus, auf ihn übergetragen werde. Dagegen darf man nicht annehmen, daß eine augenblickliche Berührung mit einem Krätzigen die Anſteckung bewirken werde oder müſſe. Aus Hrn. Bourguignon's Beobach- tungen ergiebt ſich, daß die Krätzmilbe die Gänge in der Haut, in welchen ſie ſich aufhält, nur zur Nachtzeit verläßt. Deßhalb findet die Anſteckung auch unter 100 Fällen 90 Mal dadurch Statt, daß jemand bei einem Krätzigen ſchläft, da— gegen weit ſeltner dadurch, daß man ihm bloß die Hand giebt. Hieraus erklärt ſich auch der Umſtand, weßhalb, obgleich keine einzige Claſſe der Geſellſchaft in dieſer Be— ziehung völlig verſchont bleibt, die Krankheit dennoch nicht nur bei Vornehmen, die mit verdächtigen Perſonen faſt gar nicht in Berührung kommen, ſondern auch bei Arzten und Hoſpitalgehülfen, welche täglich viele Krätzige berühren, ſo ſelten vorkommt. Auf der andern Seite läßt ſich leicht beweiſen, daß man die Krätze unfehlbar bekommt, wenn man ſich dieſelbe einimpft, d. h. eine Milbe auf ſich überträgt, und der Verf. hat dies, nachdem er viele Jahre unter Krätzi— gen gelebt, ohne angeſteckt worden zu fein, an ſich ſelbſt verſucht und ſich dadurch überzeugt, daß er die Dispoſition zur Krankheit eben ſo wohl beſitze, wie jeder andere. Wenn indeß dieſe Thatſachen auch bündig beweiſen, daß bei Erzeugung und Übertragung der Krankheit das Wandern der Milbe von einem Organismus auf den andern die Hauptrolle ſpielt, ſo reichen ſie doch nicht hin, um alle ſich an dieſen Gegenſtand knüpfende Nebenfragen zu erledi— gen und die Rolle, welche dieſes Inſect in den verſchiedenen Perioden der Krankheit ſpielt, genau zu beſtimmen. So war z. B. zuvörderſt die Frage zu löſen, ob ſich die Krätze durch die in den Bläschen enthaltene wäſſerige Feuchtigkeit, durch die in den Puſteln enthaltene eiterförmige Seeretion oder lediglich durch die Milbe ſelbſt übertragen laſſe. Dies ließ ſich nur durch directe Verſuche entſcheiden, und aus den von Hrn. B. angeſtellten ergiebt ſich, daß das Princip der Anſteckung weder in jener Feuchtigkeit und jenem Eiter, noch in den Reſten todter Milben, ſondern einzig und allein in der lebenden Krätzmilbe enthalten iſt. In der Krätzmilbe iſt demnach der ſpeeifiſche Anſteckungs— ſtoff der Krätze concentrirt. Nach den Verſuchen und Beob— achtungen des Verf. darf man wirklich als ausgemacht an— nehmen, daß es ohne den Acarus keine Krätze gebe, daß dieſe Krankheit durchaus von der Übertragung und dem Aufent— halte dieſes Inſeetes unter der Oberhaut herrühre. Wenn indeß dasſelbe auch die nothwendige Bedingung der Ent— wicklung der Krätze iſt, ſo darf man daraus nicht ſchließen, daß alle fernern Erſcheinungen, alle Entwickelungen der MA 7. 108 Krankheit das unmittelbare Reſultat und Product desſelben ſeien. Man würde z. B. ſehr irren, wenn man glaubte, die Milbe ſei die unmittelbare Veranlaſſungsurſache zur Ent— wickelung der Bläschen. Zwiſchen den Bläschen und Puſteln, ſowie dem Acarus und ſeinem Gange beſteht durchaus kein, wenigſtens kein unmittelbarer Zuſammenhang. Dieſe der Milbe zuzuſchreibende Specificität der Anſteckung wirkt, Hrn. B. zufolge, in zwei verſchiedenen Arten, in Betreff deren der Verf. die beſondere Wirkungsart der Milbe und der übrigen oben erwähnten Potenzen zu ergründen hatte. Bis hierher ſtützen ſich alle in des Verf. Arbeit aufgeſtellten Meinungen auf directe Erfahrungen und mikroſkopiſche Un— terſuchungen. Hier jedoch geräth er aus dem Gebiete des ſtrengen Beweiſes in das der Hypotheſe. Die Milbe, ſagt Hr. B., ſcheint auf den Organismus in zweierlei Weiſe eine ſpeeifiſche krankmachende Wirkung zu äußern: 1) vermöge eines allgemeinen und verborgenen Einfluſſes, in Folge der Einimpfung einer Art von Krankheitsſtoff oder Krankheits— gift, welches die Milbe mit ſich führt, und welchem die weitere Entwickelung des Bläschen-, Hitzbläschen- und Pu— ſtelausſchlages zuzuſchreiben ift, welcher mit dem urſprüng— lichen Gange der Milbe in keiner directen Beziehung zu ſte— hen ſcheint *); 2) vermöge einer rein mechaniſchen Einwirkung, welche ausſchließlich an der Oberfläche der Lederhaut Statt findet, alſo vermöge einer durchaus localen und oberflächli— chen Reizung, welche durch die Anweſenheit des Inſectes in der Haut entſteht. Der Verf. ſah ſich alſo zur Erklärung der Erſcheinun⸗ gen, welche lange Zeit für die einzigen charakteriſtiſchen und ſpecifiſchen Symptome der Krätze galten, genöthigt, feine Zuflucht zu einer Hypotheſe zu nehmen, und dieſer Umftand dürfte viele Leſer veranlaſſen, die Wichtigkeit und Bedeut— ſamkeit der Rolle, welche der Verf. der Krätzmilbe zuſchreibt, nicht unbedingt zuzugeben. Nur die Thatſache, daß die Anweſenheit der Krätzmilbe die Entwickelung der Krätze jeder— zeit zur Folge hat, ſteht als ausgemacht wahr da; allein durch dieſe Thatſache wird keineswegs ſtreng dargethan, daß die Krätzmilbe die wahre und einzige Urſache der Krank— eit ſei. ! Mit Hülfe einer ſinnreichen Modification des Mifrg: ſkopes, vermöge deren Hr. Bourguignon dasſelbe an allen Körpertheilen in Anwendung bringen kann, hat er alle organiſche Veränderungen, welche durch die Anwe— ſenheit der Krätzmilbe veranlaßt werden, ſowie die Be— dingungen der Exiſtenz und der Entwicklung dieſes Inſectes in der menſchlichen Hautbedeckung, weit genauer geſehen und beſchrieben, als dies vor ihm geſchehen iſt und auf dieſe Weiſe manche Lücken ausgefüllt, ſowie manche Irrthümer berichtigt. Obiges hätten wir über den wiſſenſchaftlichen Theil der Arbeit des Hrn. Bourguignon zu ſagen. Mit dem praktiſchen Theile des Gegenſtandes hat ſich derſelbe nicht minder ernſtlich beſchäftigt. Wir werden indeß von der „) Hertwigs intereſſanter Verſuch, wonach die Einimpfung einer eins igen maͤnnlichen Milbe einen welter verbreiteten a niemals zur Folge hatte, ſcheint dem Verf. unbekannt geblieben zu ſein. R. F. 109 Anwendung der obigen theoretiſchen Anſicht auf die Behand— lung der Krankheit abſehen und uns lediglich an die Re— ſultate der eignen Beobachtungen des Verf. halten. Die Behandlung, welche bis jetzt die beſten Erfolge gegeben, d. h. die Heilung am ſchnellſten und ſicherſten bewirkt hat, iſt, Hrn. B. zufolge, die Anwendung der Helmerichſchen Schwefelkalipommade, wie fie Biett mo— difieirt hat. Dies Urtheil wird durch die Dauer der Be— handlung bei 800 Patienten beider Geſchlechter motivirt, bei denen dieſes Mittel in Anwendung kam. Die durch— ſchnittliche Dauer der Cur betrug bei den Männern 12, bei den Frauen 13, bei den Kindern 19 Tage. Indem Hr. B. dieſes Reſultat bei ſeinen vergleichenden Verſuchen zu Grunde legte, wandte er mehrere Solutionen, z. B. die des Queckſilberbichlorürs, Kamphers, Ammoniums, Schwefel— iodürs und Kaliumiodürs (letztere beide zuſammen), ſowie Staphysagria in Alkohol an. Unter dieſen Mitteln gaben die beiden letzten die beſten Reſultate, und mit ihnen ſtellte der Verf. abermals eine Reihe von vergleichenden Verſuchen an, welche nachſtehende Reſultate gab. Die Solution von Schwefel- und Kaliumiodür (von jedem 10 Grammen auf 1 Liter Waſſer) war nicht immer zuverläſſig, wenn man ſich auf bloße Waſchungen beſchränkte und hatte auch den Nachtheil, daß ſie die epidermis ablöſ'te und die Haut ſchwärzte, wenn man die Theile lange mit der Flüſſigkeit in Berührung ließ. Der Staphysagria- Weingeiſt gab be— friedigendere Reſultate. Als der Verfaſſer einen Krätzigen die Hände 1 ½ Stunde lang in dieſe Flüſſigkeit hatte ein— tauchen laſſen, waren die Milben, ausgenommen die in der innern Handfläche ſitzenden, getödtet. Das zweiſtündige Ein— tauchen reichte zur Tödtung auch der letztern Milben hin, allein obgleich auch die Eier angegriffen wurden, ſo ent— wickelte ſich doch aus einem unter 20, wenn man ſie ein— impfte, noch eine Milbe. Dies Reſultat war demnach nicht vollſtändig befriedigend. Da Hr. Bourguignon glaubte, daß ein zweiſtündiges Eintauchen nicht hinreiche, um die epidermis ſo vollſtändig zu erweichen, daß ſie von der Arznei— flüſſigkeit überall durchdrungen werde, fo ließ er ihr ein einfaches ganzes Bad vorausgehen, in welchem ſich die Pa— tienten die Hände mit Seife waſchen mußten. Der Erfolg entſprach ſeinen Erwartungen, denn nun wurden die Milben und ihre Eier durch den Staphysagria- Weingeiſt durchaus getödtet. Übrigens war noch eine Schwierigkeit zu beftegen. Die Milben entwickelten ſich nämlich auch an andern Kör— pertheilen, als an den Händen. Um ſie dort zu vertilgen, bedient ſich Sr. Bourguignon folgender Pommade. Nimm: Staphyſagriapulver . 300 Grammen Geſchmolzenen Schweineſchmeer 500 = Man ſchüttet das Pulver in den Schmeer und vermiſcht es damit, hält die Miſchung 24 Stunden lang auf 800 R. und ſeiht ſie dann durch ein grobes Haarſieb. Durch ſechs Einreibungen täglich mit dieſer Salbe wurden ſämmtliche Milben binnen vier Tagen getödtet. In Betreff dieſer Be— handlung hebt Hr. Bourguignon hauptſächlich hervor, daß die Staphyſagriapommade keineswegs, gleich der Schwefel— kalipommade, reizend, ſondern vielmehr fo beruhigend wirkt, AT. VI. I. 110 daß gleich nach der erſten Einreibung alles Jucken verſchwin— det, ſo daß die Patienten ſchlafen können. Hr. Bourguignon hat, wie man ſieht, in Betreff der Aufhellung der dunkeln Punkte in der Geſchichte der Krätze, ſowie hinſichtlich der beſſern Erkenntniß der Heilan— zeigen und des Werthes der verſchiedenen Behandlungsarten nicht wenig geleiſtet, und ſeine Schrift, in welcher er die Reſultate ſo mühevoller und nützlicher Unterſuchungen auf wenige Seiten zuſammengedrängt hat, verdient alle Aner— kennung. (Gazette med. de Paris, 11. Mars 1848.) (XII.) über die Diagnoſe der acuten Herzbeutel— entzündung in ihrem Anfangsſtadium, nebſt Betrach⸗ tungen über die Behandlung dieſer Krankheit. Von Dr. Rambaud. Die der Herzbeutelentzündung zugeſchriebenen Kennzeichen finden ſich keineswegs in allen Fällen und in den verſchiede— nen Stadien der Krankheit beiſammen. Manche derſelben fehlen im ganzen Verlaufe der Krankheit, andere offenbaren ſich erſt in einer von dem Anfange des Leidens mehr oder weniger entfernten Periode; noch andere, namentlich die ſtethoſkopiſchen Symptome, ſtellen ſich bei der acuten Herz— beutelentzündung erſt in einem ſpäten Stadium heraus oder gehören ſogar lediglich der chroniſchen pericarditis an. Hier— aus entſpringen Irrthümer, in welche beſonders diejenigen Arzte verfallen, welche dieſen phyſiſchen Symptomen einen zu hohen Werth beilegen. Inwiefern iſt es nun unter die— ſen Umſtänden möglich, eine acute Herzbeutelentzündung zu erkennen? Die Unterſuchung dieſer Frage hat ſich Herr Rambaud vorgeſetzt. Ihm zufolge läßt ſich die acute Herzbeutelentzündung, in Abweſenheit der durch die Auſcul— tation und Percuſſion gelieferten phyſiſchen Kennzeichen, an folgenden Symptomen mit hinreichender Sicherheit erkennen. Von welcher Veranlaſſungsurſache, ſei es Rheumatis— mus oder Erkältung, die Herzbeutelentzündung auch herrühren mag, jo wird fie doch faft immer durch einen Schmerz an— gekündigt, deſſen Sitz und zumal Intenſität unendlich ver— ſchieden ſind. Was den Sitz anbetrifft, ſo befindet ſich derſelbe bald bei der Höhe der linken Bruſtwarze, bald im epigastrium und nach dem ſchwertförmigen Knorpel hin, bald hinter dem Bruſtbeine oder bei der Höhe des Rippen— randes; in manchen Fällen endlich an allen dieſen Stellen zugleich und in der ganzen linken Hälfte der Bruſt. Faſt immer, und hierauf ſcheint noch niemand aufmerkſam ge— macht zu haben, ſchießen die Schmerzen durch den Bruſtkaſten, beſonders nach dem großen Winkel des Schulterblattes hin. Die Kranken haben, wenn die Schmerzen nicht ſo heftig ſind, daß ſie dieſelben durchaus nicht näher zu bezeichnen vermögen, das Gefühl, als ob ihnen ein ſpitzes Eiſen von vorn nach hinten durch die Bruſt geſtoßen würde. Wenn zugleich acuter Rheumatismus oder Pleureſte vorhanden iſt, ſo ſind die Schmerzen gewöhnlich dumpf; allein in andern Fällen erlangen ſie eine furchtbare Heftigkeit, und durch die 111 TAI J 112 Percuſſton, durch das Drängen der Baucheingeweide nach entzündung zur Diagnoſe nur von mittelmäßiger oder gar oben und beim Huſten erlangen ſie noch mehr Stärke. Zu keiner Bedeutung. 2) In dieſem Stadium können lediglich gleicher Zeit werden die Bewegungen des Herzens ſtürmiſch, die phyſiologiſchen Kennzeichen die Eriſtenz der Krankheit heftig und unregelmäßig, und das Geräuſch der Klappen, bekunden; doch kann keines derſelben für pathognomoniſch welches durch das Strotzen des Herzens, vielleicht auch durch gelten, während ſie zuſammen eine zuverläſſige Grundlage das beginnende Ausſchwitzen von plaſtiſcher Lymphe dumpfer für die Diagnoſe bilden, einzeln aber nur wenig Bedeutung wird, ſcheint ſich von dem Ohre zu entfernen. haben, ſo daß die Herzbeutelentzündung in ihrem Anfangs— Die Reſpiration wird geſchwinder, ängſtlich, und der ſtadium nur vermittels einer umſichtigen Auslegung der thorax erweitert ſich dabei hauptſächlich aufwärts, ſo daß Symptome erkannt werden kann. (Gazette med. de Paris, das Zwerchfell ſich wenig oder gar nicht bewegt. Dies iſt No. 9 & 10. 1848.) ein Symptom von ſehr bedeutendem Werthe. Die Bauchfläche bleibt unbeweglich. Es findet trocknes Hüſteln Statt, wel— 2 ches der Patient ſo viel als möglich unterdrückt. Bald ſtellt Mifcellen ſich Fieber ein, der Puls wird hart, häufig und ausfegend (10 Rückſichtlich der Behandlung der Ruhr und und ſtimmt mit den Schlägen des Herzens nicht mehr überein. anderer mit Durchfall verbundener Krankheiten der Hi 7 Aa 5 5 g Därme in den warmen, aber außerhalb der Tropen Die anfangs warme und trockne Haut bedeckt ſich, wenn liegenden Ländern ftellt Dr Luclen oe die Krankheit weitere Fortſchritte macht, mit einem reichlichen, der Gazelle medicale, 12. Föyr. 1848 einverleibten Abhandlung warmen, dann kalten und klebrigen Schweiße; die Ertremi- folgende Grundſätze auf: 1) Das Opium und ſchwefelſaure Natron täten werden kalt ze. In andern Fällen, zumal wenn eine haben ſich uns bei den meiſten ſporadiſchen oder epidemiſchen, aeu⸗ Complication mit Rheumatismus und Pleureſie Statt findet, 2 es bieſer Mepleamente ful ke ae fehlen dieſe Symptome mehr oder weniger vollſtändig; und in demſelben Präparate haben auf die Ruhr eine völlig gefahrloſe die Herzbeutelentzündung ſchreitet bis zu einem unheilbaren unterdrückende Wirkung ausgeübt; 3) die gegen andere Durchfälle Grade fort, bevor man von deren Vorhandenſein eine Ah- ſo vielfach angewandte Ipecacuanha hat ſich unzuverläfftg gezeigt. nung gehabt. Was die durch das Stethoſkop zu erlangen— 1 755 Ei V Nia. e 5785 den Kennzeichen, das Säge, Raſpel⸗, Knittergeräuſch %. emetiſch noch purgirend wirkte, jo wirkte fie am günſtigſten; auch anbetrifft, ſo verſichert der Verf., dieſelben vor dem fünften, ließ fie ſich in Form von Klyſtieren benutzen; 4) Calomel allein ſechsten oder ſelbſt ſiebenten Tage nicht wahrgenommen zu zeigte fi noch unzuverläſſiger als Ipecacuanha, mit dieſer ver⸗ fei f M bunden, begünſtigte es deren Toleranz und regulirte es deren Wir- haben und, ſeiner Meinung nach, ſtellen ſie ſich überhaupt kung; 5) die vegetabilifchen adſtringirenden Mittel waren felten nicht früher ein, während er mehrere Beobachtungen von nützlich und oft ſchädlich; in den ſehr ſeltenen Fällen, wo ſie an⸗ Fällen anführt, in denen ſie noch viel ſpäter eintraten. So gezeigt find, müſſen fie mit Opiummitteln verbunden werden; 6) die bemerkte man in einem Falle von acuter Herzbeutelentzündung en u 5 a lar 8 ur und nachtheiliger als die vegetabilifchen ; örtli utentzie⸗ das Aeibegeräuſch erſt am funfzehnten Tage. 8 n hungen waren ſehr felten, ſowie allgemeine durchaus nur ausnahms⸗ Dias Fehlen der durch die abnormen Geräuſche gelie- weiſe angezeigt. (Gaz. med. de Paris, 12. Fevr. 1848.) ferten phyſiſchen Kennzeichen iſt leicht zu begreifen, denn (12) Ein Beiſpiel von zufälliger Heilung der Epi⸗ zur Erzeugung dieſer Geräuſche gehört, daß die falſchen 1 e h e eee 8 7 1 f 7 1 1 uber da ehirn (on the Brain) an. a rpenthind ag Membranen, daß nie plaftifche Lymphe durch ihre Organi⸗ hat hin und wieder vermöge ſeiner anthelminthiſchen Eigenſchaften ſation eine gewiſſe Feſtigkeit erlangt haben. Dies geſchieht gute Dienſte gegen die Epilepſie geleiſtet. Ein mir bekannter Arzt indeß erſt in einem vorgerückten Stadium der Krankheit. heilte auf dieſe Weiſe einen Epfleptiſchen zu feinem großen Er⸗ So lange dieſe abnormen Producte weich ſind, d. h. mehrere ſtaunen: Wii f ee Pal a ne Lerpenthin 1 € 7 Eu 75 m S 2 f 2 2 einem an Epilepſte leidenden Patienten eine urganz von rpen no . Tage Be Formen DE 15 K 11 0 und Raſpelge⸗ Mitten in der Nacht wurde der Arzt in aller Eile zu dem Patien⸗ räuſche, die man für charakteriſtiſche Kennzeichen der Krank- ten beſchieden, welcher, wie der Bote ſagte, im Sterben lag. Der⸗ heit ausgegeben hat, nicht erzeugen. Deßhalb legt der Verf. ſelbe war jedoch nur von der ſehr ſtarken Doſis Terpenthinöl, die er mit Recht den phyſtologiſchen Kennzeichen einen hohen Werth genommen, betäubt. Am folgenden Morgen ging von ihm ein bei, und beſchließt ſeine Arbeit mit folgenden Sätzen: gewaltiger Bandwurm ab. Der verſtorbene Lord Hardwicke, 1 a = 0? 9 T ge „Vater des jetzigen Grafen H., war epileptiſch und wurde ebenfalls ) Die durch die Percuſſion und Auſcultation gelieferten don der Gpilepfie und dem Vandwurme zugleich befreit.“ (London Kennzeichen find im Anfangsſtadium der acuten Herzbeutel- med. Gaz., Nov. 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Ph. F. v. Siebold, Fauna Japonica. Aves. Fasc. V. gr. Fol. Lugduni Bata- G. R. Rowe. — Nervous Diseases, Liver and Stomach Complaints etc.; with vorum. In Umschlag 8½ Thlr. Fr. Fischer in Leipzig 1848. Cases. 10th edition. 8%. (pp. 212 boards, 5 sh. 6 d.) London 1818. Botanique et physiologie vegetale; par L. F. Jehan. In 8° de 26 feuilles ½, Etat sanitaire de l’armee; par M. Desjobert, depute de la Seine-Inferieure. plus 2 pl. Tours 1848. In 8° de 2 feuilles Y,. Paris 1848. 4 ER Herbarium Noeanum plantarum selectarum eriticarumye. Decas XXI-XXVIII. Des operations en plusieurs temps; par A. Vidal (de Cassis), chirurgien de gr. Fol. Versiegelt 6 Thlr. Hofmeister in Leipzig 1848. l’Höpital du Midi. In 8° d'une feuille /. Paris 1 Druck unt Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitfchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. Ne. 118. (Nr. 8. des VI. Bandes.) April 1848. Naturkunde. Über den Dünger und das Aſſimilationsvermögen der Pflanzen. — Robin, über die Ganglien des peripherlſchen Nervenſyſtems. — Du— chartre, über polheothledoniſche Pflanzenembryonen. — Miſcellen. Jagdameiſen. Becquerel, Bild des Sonnenſpectrums. — Heilkunde. Beg⸗ bie, Verbindung des Rheumatismus mit dem Veitstanze. — de Bal und Kluyskens, künſtllche Scheldenbildung. — Miſcellen. Heurtelgups Verfahren der Pülverung der Blaſenſteine. Hatin, Stillung einer gefährlichen Blutung aus der Mandel. R. F., die ätiologiſche Grundlage des Veits— tanzes. — Bibliographie. Naturkunde. X. Die Arbeiten und Anſichten der neuern Phy⸗ fiologen und Chemiker über den Dünger und über das Aſſimilationsvermögen der Pflanzen, nebſt Vor⸗ ſchlägen zur Verbeſſerung des Ackerertrages. Dieſen Gegenſtand hatte die Brüſſeler Akademie zum Gegenſtand einer Preisfrage gemacht. Wir entlehnen dem Commiſſionsberichte über die einzige eingelaufene Arbeit fol— gende Mittheilungen. Die Arbeit des Verf. zerfällt in zwei Theile: im erſten werden die phyſiſchen und chemiſchen Erſcheinungen der Vege— tation, die Beziehungen zwiſchen der Atmoſphäre, dem Boden, den Thieren und Pflanzen und die serſchiedenen Anſichten über das Aſſimilationsvermögen behandelt; im zweiten die Quellen, aus denen die Pflanzen den Kohlenſtoff, Stickſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff ſchöpfen, beſprochen. Der Dünger wird für ſich abgehandelt und in nicht verdauten (digere) und verdauten thieriſchen, in vegetabiliſchen und gemiſchten Dünger eingetheilt. Zuletzt werden die Syſteme von Jauf— fret, Bickes, Johnſton und Liebig abgehandelt. In dem von den organiſchen Beſtandtheilen der Pflanzen handelnden Abſchnitte ſtellt der Verf., wie die Commiſſion glaubt mit Unrecht, die Behauptung auf, daß die Nachts durch die Pflanzen abgegebene Kohlenſäure nicht aus ihrem Innern ſtamme, ſondern nur vom Boden abſorbirt worden ſei, wobei er nicht bedachte, daß in der Pflanze verſchiedene Stoffe, als Tannin, ätheriſche Ole u. ſ. w., vorkommen, die doch bei Zutritt von Sauerſtoff Kohlenſäure bilden muͤſſen. Die Aſſimilation des atmoſphäriſchen Stickſtoffes iſt nicht genügend behandelt; der Verf. bezweifelt dieſelbe, weil das Verhältniß des Stickſtoffes der Luft ſich ſeit 50 oder 60 Jahren nicht verändert habe, bedenkt aber nicht, wie gering die von den Pflanzen gebundene Stickſtoffmenge zur No. 2098. — 998. — 118. ganzen Atmoſphäre iſt; dagegen nimmt er mit Liebig das Ammoniak als Hauptquelle des Stickſtoffes für die Pflanze an. Er machte Verſuche über die Aufnahme des Stickſtoffes aus den Nitraten, zu welchem Experimente er 5 Hectaren eines gut gedüngten und mit ausgelaugter Holzaſche be— ſtreuten Bodens benutzte: eine Hectare erhielt 15 Kilogrm., die zweite 20, die dritte 25, die vierte 35 Kilogrm. falpe: terſaures Natron, während die fünfte keines erhielt; alle wurden mit Weizen beſäet. Der Erfolg war folgender: Boden: ohne ſalpeterſ. Natron m. 15 K. 20 K. 25 K. 35 K. Ertrag an Körnern. 1710 K. 1827 K. 1931 K. 1965 K. 1555 K. Aus dieſen Verſuchen ſchließt der Verf., daß der Stick— ſtoffgehalt des ſalpeterſauren Salzes, bei deſſen mäßiger Verwendung, vortheilhaft eingewirkt habe. Der Commiſſion ſcheint dies noch nicht bewieſen, da letzteres Salz auch ſehr wohl wie das Seeſalz nur ercitirend auf die Vegetation einwirken konnte und ganz wie dieſes im Übermaße ſchäd— lich wird. Um hier mit Sicherheit einen Schluß ziehen zu dürfen, hätte der Verf. dieſelben Verſuche mit andern Salzen wiederholen müſſen und ſo allerdings erfahren können, ob die Nitrate wegen ihres Stickſtoffgehaltes oder nur gleich andern Salzen als stimulantia wirken. Der Verf. hat außerdem verſchiedene Verſuche im kleinen angeſtellt, indem er Weizen in reinen Sand ſäete und theils mit kohlenſäure— haltigem, theils mit Waſſer, das außer Kohlenſäure noch verſchiedene Salze enthielt, begoß, wobei er ebenfalls von der Einwirkung ſalpeterſaurer Salze einen ſehr günſtigen Erfolg auf das Getraide beobachtete; alle dieſe Verſuche ſind aber leider ſo kurz und ohne nähere Details beſchrieben, daß ſich aus ihnen keine ſichern Schlüſſe ziehen laſſen. Sechs Weizenkörner trugen, in reinen Sand geſäet und vor dem Einfluſſe der Salpeterſäure, des Ammoniaks und organiſcher Theile der Luft geſchützt, ſechs Ahren, deren 158 Körner 8 115 2,244 Grm. wogen; der Verf. glaubt darnach, daß der Stickſtoff der Luft von den Pflanzen nicht direct aufgenom— men werde, während der Commiſſion der umgekehrte Schluß viel natürlicher ſcheint; übrigens ward weder der Stickſtoff— gehalt der ſechs geſäeten als der 158 von ihnen geernteten Körner ermittelt, was doch durchaus nothwendig geweſen. Des Verf. Betrachtungen über den Einfluß des Waſſer— ſtoffes, die nichts weſentliches enthalten, übergehend, wenden wir uns zum dritten Capitel, das von den mineraliſchen Beſtandtheilen der Pflanzen handelt. Der Verf. betrachtet den Schwefel als integrirenden Beſtandtheil aller Pflanzen und glaubt, daß er als ſchwefelſaure Verbindung dem Boden entnommen und von der Pflanze abgeſchieden und aſſimilirt werde; letzteres ſcheint der Commiſſton, da auch unzerſetzte ſchwefelſaure Salze in der Pflanze vorkommen, noch nicht bewieſen. Ferner ſpricht er ausführlich über die Anwendung des Gypſes, ohne jedoch ſeine eigene Meinung deutlich aus— zuſprechen und für die verſchiedenen Bodenarten Belgiens praftifche Schlüſſe zu erlauben; dagegen iſt die Bedeutung der Kieſelerde, der Alkalien, des Chlornatriums und anderer ſich in den Pflanzenaſchen wiederfindender Stoffe ſehr gut behandelt. Bei dieſer Gelegenheit ſucht der Verf. zu erklä— ren, weßhalb beim tiefen Umgraben eines Ackerlandes, wenn die obere Schicht mit einem tiefern, noch nicht der Vegeta— tion gedienten Thonlager vermiſcht wird, ſich die Fruchtbar— keit vermindert, indem er nicht mit Liebig einen Verluſt an Sauerſtoff annimmt, der durch das Eifenorydul des aus der Tiefe an die Oberfläche gebrachten Bodens gebunden werde, den Grund hiervon vielmehr einer Abſorption des Am— moniaks durch die neue Erdſchicht zuſchreibt, indem er ſo für die Vegetation verloren ginge. Der Commiſſion ſcheinen beide Erklärungen nicht ausreichend, ihr ſcheint die Unfruchtbarkeit der noch nicht bebauten Erdſchicht viel eher auf ihren völligen Mangel an Humus zu beruhen. Am Schluſſe dieſes Capitels betrachtet der Verf. die unorganiſchen Stoffe, welche die Pflanzen dem Boden ent— nehmen, als wahre Nahrungsmittel, die von der Pflanze gleich dem Kohlenſtoffe aſſimilirt werden. Die Commiſſion glaubt dagegen, daß dieſe Stoffe hauptſächlich beſtimmt ſeien, ſich mit den organiſchen Beſtandtheilen chemiſch zu ver— binden und den Geweben Feſtigkeit und Haltbarkeit zu geben, denen ſie aber indirect die vegetativen Functionen begünſtigen können. So ſchützt der phosphorſaure Kalk, der ſich mit der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz verbindet, die Samen vor dem Verderben und die Kieſelſäure befeſtigt die Zellen. Das vierte Capitel, über den eigentlichen Dünger, iſt nur ein Auszug der Arbeiten Bouſſingault's, Liebig's, Gaſparin's und Payen's. Die Hauptfrage, ob die Damm— erde oder die Ulminſäure direct als Pflanzennahrung dienen, oder nur durch Abgabe von Kohlenſäure der Vegetation förderlich ſeien, wird nur eben berührt; dagegen macht der Verf. die wichtige Bemerkung, daß der aus Weihern hervor— geholte Schlamm kein vortheilhafter Dünger ſei, zumal wenn er gegen Lackmuspapier eine ſaure Reaction zeige, in welchem Falle er zuerſt immer mit einer hinreichenden Menge Atzkalk geſättigt werden müſſe. 118. VI. 8. 116 Zu dem gemiſchten, künſtlichen Dünger übergehend, be— ſchäftigt ſich der Verf. mit der von Jauffret und John— ſton vorgeſchlagenen Miſchung, beachtet dabei aber die Bo— denbeſchaffenheit ſelbſt zu wenig, woraus ſich der ſchlechte Erfolg ſeiner Verſuche mit dieſem Dünger erklärt. Das Syſtem von Bickes, der ohne Düngung, allein durch eine eigenthümliche Behandlung des Samens, günſtige Ernten erzielt haben will, iſt, mit allen phyſiologiſchen Ge— ſetzen im Widerſpruch, kaum des Erwähnens werth; um ſo wichtiger iſt dagegen die von der Akademie geſtellte Frage in Betreff der Liebig' ſchen Theorie, nach welcher der Hu— mus des Bodens der Pflanze weniger nothwendig als die mineraliſchen, ſich in den Pflanzenaſchen wiederfindenden, Stoffe ſein ſoll. Liebig glaubt nämlich, daß ein Boden, wenn er nur alle der Pflanze nöthigen mineraliſchen Stoffe enthalte, ohne allen organifchen Dünger eine reichliche Ernte an Cerealien und andern Nutzpflanzen liefern könne. Der Verf. ſucht dieſe geiſtreiche, aber bis jetzt durch den Verſuch noch nicht beſtätigte Theorie zu widerlegen, iſt aber in der Wahl ſeiner Gegengründe nicht immer ſehr glücklich. Schon eine einfache Reflerion genügt, ſo glaubt die Commiſſton, die Mängel dieſer Theorie aufzudecken; es iſt z. B. aus— gemacht, daß nur blattartige Organe den Kohlenſtoff der Atmoſphäre als Kohlenſäure aufnehmen und in ihrem In— nern zerſetzen, nun enthalten aber gerade die Samen von allen Pflanzentheilen den meiſten Kohlenſtoff, obſchon die Blätter der meiſten Pflanzen, jo der Cerealien, bereits vor der Reife des Samens abgeſtorben oder doch vertrocknet ſind; in dieſem Falle können die Samen ihren, nöthigen Kohlen— ſtoff doch nur vom Boden entnehmen. Überdies wird der Boden durch den Körnerbau, der auf alle Fälle Humus oder Dünger verlangt, bekanntlich am meiſten erſchöpft. Auch für die Bäume und ausdauernden Sträucher iſt eine Düngung nicht ohne Nutzen, vielmehr für die Holzbildung ſehr er— ſprießlich. Der Dünger erhält überdies durch die Hygroſeo— picität ſeiner organiſchen Stoffe einen gewiſſen Feuchtigkeits— grad und muß deßhalb für die Vegetation von großer Wichtigkeit ſein. Der Verf. erwägt hier, ſowohl durch Verſuche wie durch Raiſonnement, das Für und Wider der Liebig' ſchen Theorie und beweiſ't, daß, wenngleich ein mineraliſcher Dünger allerdings eine Vermehrung des Kohlenſtoffes, Waſſer— ſtoffes u. ſ. w. in der Pflanze und ſomit eine vorzügliche Ernte bewirke, man umgekehrt vom organifchen Dünger eben ſo gut behaupten könne, daß er eine Vermehrung der un— organischen Stoffe in der Pflanze hervorrufe, man ſomit, um einen möglichſt günſtigen Ertrag zu erzielen, für beide Bedingungen ſorgen müſſe. Nach ihm erhält die Pflanze nicht, wie es Liebig will, ihren Stickſtoff einzig und allein aus der Atmoſphäre, ſondern auch theilweiſe aus dem Dünger, womit die Commiſſton durchaus einverſtanden iſt. Nach Liebig's Anſicht beruht das Wirkſame des Düngers auf ſeinen mineraliſchen Salzen, weßhalb er ihn durch eine Miſchung dieſer Salze erſetzen wollte, eine Idee, die, wenn ſie ausführbar wäre, für die Agricultur von un— berechenbarem Nutzen werden müßte. Der Verf. hat dies 117 ſehr wohl erkannt und durch eine Reihe auf dem Felde ausgeführter Verſuche erprobt; aber alle dieſe Verſuche ſind Liebig's Theorie nichts weniger als günſtig, ſprechen auch keinesweges zu Gunſten der Ammoniakſalze, welche die or— ganiſchen Stoffe des Düngers erſetzen ſollten. Leider ſind auch dieſe Verſuche zu kurz und ohne die ſo nöthigen Ein— zelheiten beſchrieben; auch wären noch mehr Verſuche wuͤn— ſchenswerth geweſen; wichtig iſt es daher, die in England im großen mit ſogenanntem mineraliſchem Dünger ausgeführ— ten Verſuche und deren ungünſtiges Reſultat zu kennen. Dem Verf. ſchien dagegen ein Erſatz des gebräuchlichen Düngers durch grüne Pflanzentheile, mit dem Boden an— gemeſſenen unorganiſchen Salzen vermiſcht, nicht unvortheil— haft; directe Verſuche hierüber mußten, aus Mangel an Zeit, auf ſpäter verſchoben werden. Sollten ſich dieſe Verſuche vortheilhaft erweiſen, ſo würde dadurch für die Agricultur Belgiens viel gewonnen ſein. Der Verf. verſuchte überdies noch das ammoniakhaltige Waſſer der Gasfabriken, das gemeiniglich unbenutzt abfließt, zur Düngung, ob mit Vor— theil, muß der Erfolg lehren. Obſchon der Verf. kein vortheilhaftes Surrogat für den organiſchen Dünger zu geben vermochte, fo ſucht er doch im zweiten Theile ſeiner Arbeit nachzuweiſen, wie durch eine beſſere Handhabung des Ackerbaues ungleich vortheilhaftere Ernten zu erreichen wären, und wirklich enthält dieſer Theil ſehr viel Gutes; er zeigt, wie die Fruchtbarkeit des Landes von einem richtigen Syſteme der Wechſelwirthſchaft abhänge und dieſe ſich wiederum nach Boden und Klima richten müſſe; daß es nicht hinreiche, für eine große Quantität von Dünger zu ſorgen, ſondern daß man darnach ſehen müſſe, letztere ſo kräftig als möglich zu erhalten und dies nur durch eine angemeſſene Fütterung erzielt werden könne, daß man ſomit, ſtatt des vielen Strohes, das Vieh im Winter mit Klee, gutem Heu und Futterwurzeln nähren müſſe. Für die Wechſelwirthſchaft dürfen, nach ihm, nicht zu viel Cerea— lien, ſondern mehr Wurzelpflanzen und Futterkräuter ver— wandt werden; überdies iſt eine gute Behandlung des Bo— dens ſelbſt, und zwar zur richtigen Zeit, unerläßlich. Der Verf. erklärt ſich ſodann für den Anbau der Cerealien in Zeilen, einem Verfahren, durch welches ½ der Ausſaat erſpart, eine reichliche Ernte gewonnen wird und zugleich die Acker mit geringern Koſten zu reinigen wären, und empfiehlt eine von Pravoſt verfertigte Säemaſchine; er ſpricht ferner über das nothwendige Bedürfniß beſſerer Ackergeräthſchaften und über die Errichtung einer Geſellſchaft belgiſcher Land— wirthe für dieſen Zweck. Unter vielen andern Mitteln und Vorſchlägen zum Sammeln und Aufbewahren des Miſtes und des häufig unbenutzt gebliebenen Harnes ſchlägt er vor, letzteren in einen Graben zuſammenfließen und täglich auf den Düngerhaufen pumpen zu laſſen, nachdem ihm zuvor eine angemeſſene Quantität in Schwefelſäure gelöſ'ten Kno— chenmehles zur Bindung des Ammoniaks und Vermehrung des phosphorſauren Kalkes hinzugefügt worden. Endlich giebt er noch vortheilhafte Vorſchläge für die Benutzung des Kalkmergels, ingleichen intereſſante Bemerkungen über das Klima und die Cultur der Ardennen. Dort werden die 118. VI. 8. 118 Haiden im allgemeinen durch Abbrennen urbar gemacht, einem Verfahren, was nach dem Verf. weniger zur Ver— nichtung als vielmehr zur Bildung des Humus beiträgt, indem die halb verkohlten Haidekräuter nunmehr in Humus oder Ulmin übergehen. Des Verf. lange Arbeit ſchließt mit einer Betrachtung des Verhältniſſes der Regierung zum Ackerbaue, er iſt der Anſicht, daß letztere eine Bildung landwirthſchaftlicher Geſell— ſchaften hervorrufen und begünſtigen, Landwirthe auf Reiſen ſchicken, Muſterwirthſchaften, vor allem aber landwirthſchaft— liche Lehranſtalten, errichten müſſe. Die belgiſche Regierung hat bereits, wie die Commiſſion bemerkt, ein ſolches In— ſtitut errichten wollen. Die Commiſſion ſelbſt fühlt das Bedürfniß eines ſolchen Inſtitutes nicht, da in ſelbigem doch nur Naturwiſſenſchaften vorzutragen wären, für die auf den beſtehenden Hochſchulen ſchon hinreichend geſorgt ſei, zweifelt überdies an der Theilnahme der Landleute für dieſe Anſtalt, da der große Aufſchwung, den die Agricultur in der letzten Zeit erhalten, einzig und allein der Phyſik und Chemie, wie überhaupt den Naturwiſſenſchaften angehöre, die Land— wirthſchaft ſelbſt nichts hinzugebracht, ſondern nur die ihr gebotenen Entdeckungen benutzt habe; überdies bei der im allgemeinen ſehr mangelhaften Schulbildung der Landwirthe ein gründlicher landwirthſchaftlicher Unterricht unmöglich werde. Während nun einerſeits den Bauern, die häufig kaum leſen und ſchreiben können, ein wiſſenſchaftlicher Unterricht ganz unzugänglich wäre, jo würde andrerſeits denjenigen Land— wirthen, deren Schulbildung den Beſuch der Univerſttäten geſtattet, auf dieſen hinreichend Gelegenheit fich wiſſenſchaft— lich auszubilden gegeben, es wäre demnach kein landwirth— fchaftliches Inſtitut, wohl aber ein Lehrſtuhl fur Land- und Forſtwirthſchaft von Nöthen. Die Regierung könnte das fo erſparte Geld viel vortheilhafter für die Errichtung von Muſterwirthſchaften, gewiſſermaßen Schulen für praktiſche Landwirthſchaft, verwenden, letztere würden namentlich in den unfruchtbaren Gegenden des Landes von großem Nutzen ſein, und der übrigen Bevölkerung Beiſpiel und Sporn zur Ver— beſſerung ihrer Ländereien werden. Im allgemeinen ſpricht ſich die Commiſſton ſehr günſtig über des Verf. Arbeit aus, bedauert nur, daß ſelbiger die Hauptfragepunkte theils zu wenig berückſichtigte, theils aus Mangel an Zeit die Endreſultate ſeiner viel verſprechenden Verſuche noch nicht mittheilen konnte. Als Beweis ihrer Anerkennung wird dem Verf. die ſilberne Medaille verliehen, die Frage ſelbſt aber für das Jahr 1848 von neuem ge⸗ ſtellt. Le Docte, Landwirth zu Fleémalle, iſt der Verf. obiger Arbeit. Von der neuen Antwort erwartet die Commiſſion Auf— ſchlüſſe über die Aſſimilation der organiſchen und unorgani— ſchen Subſtanzen, namentlich, ob der Stickſtoff auch im freien Zuſtande aufgenommen werde, ob der Kohlenſtoff nur der Kohlenſäure der Luft oder der im Boden verweſenden Organismen entnommen werde, oder ob gewiſſe, in Zer⸗ ſetzung begriffene, organiſche Subſtanzen direct abſorbirt werden und zur Ausbildung der Pflanze beitragen können; ferner verlangt ſie genaue und entſcheidende Verſuche über 8 * 119 den Einfluß der ſalpeterſauren, ſchwefelſauren und Chlor: verbindungen der Alkalien und Erden, ob ſie durch den Vegetationsact zerſetzt werden, oder nicht, und endlich noch Verſuche über die verſchiedene Wirkung des Gypſes auf ver— ſchiedene Bodenarten. (Bulletin de Académie, No. 12. 1847.) XI. über die Ganglien des peripheriſchen Nerven— ſyſtems. Von Ch. Robin. Eine vom Verf. in No. 733 des Institut von 1848 über ſeine Unterſuchungen gegebenes Reſumé lautet folgen— dermaßen: : 1) Die Ganglien find in allen Claſſen der Wirbel: thiere ganz ſo wie bei den Fiſchen gebaut. 2) Bei den Reptilien (den Fröſchen, dem Triton), den Vögeln (dem Huhne, der Taube, der Möwe), den Säuge— thieren (dem Menſchen, Ochſen, der Katze und dem Haſen) find die Ganglienfugeln eben jo wie bei den Fiſchen keine kleinen Nervenmittelpunkte, vielmehr mit demjenigen ihrer Pole, der vom Marke einen Nerven erhält, welcher mit der Höhle der Kugel communieirt, dem Gehirne zugewendet, während vom entgegengeſetzten Pole ein Zweig zu den peri— pheriſchen Organen verläuft. 3) Bei allen Thieren laſſen ſich zwei Arten dieſer Ku— geln, deren jeder eine beſondere Art der Nervenröhren ent— ſpricht, unterſcheiden. Die einen ſind umfangsreicher, von ſphäriſcher, bei den Vögeln eiförmiger Geſtalt und von dem größeren oder Gefühlsnerven abhängig. Die anderen, um ½ oder um die Hälfte kleiner, find meiſtens eiförmig, ſel— tener ſphäriſch und von den kleineren oder ſympathiſchen Nervenröhren abhängig. 4) Die letzteren oder kleineren Kugeln ſind in den Ge— hirn- und Rückenmarksganglien weniger zahlreich als in den großen ſympathiſchen Ganglien, wo ſie bei weitem die Mehrzahl ausmachen. 5) Der Inhalt der Ganglienkugeln iſt bei allen Wir— belthieren von dem Inhalte der Nervenröhren verſchieden; er beſteht aus einer homogenen, feinkörnigen Maſſe, die mei— ſtens in ihrem Mittelpunkte eine durchſichtige, mit klarer, ſchwach gelblicher Flüſſigkeit erfüllte Zelle enthält; letztere iſt mit einem Fettkerne verſehen. Die körnige Maſſe iſt ſo dicht, daß ſie, wenn während des Präparirens die Hülle der Ganglienkugel zerreißt, heraustritt, aber dennoch die Ge— ſtalt der Kugel behält. 6) Die Dicke der Wandungen dieſer Kugeln iſt nach den Thierclaſſen, auch nach der Art der Kugeln ſelbſt ver— ſchieden. Die großen Ganglienkugeln haben immer dickere Wandungen als die kleinen; die Wandungen ſind mit ei— förmigen oder länglich vieleckigen, durch Anwendung von Eſſigſäure ſehr hervortretenden Kernen überſäet. Bei den Reptilien ſind dieſe Wandungen am dünnſten, die Kerne ſind bei ihnen entweder gar nicht oder nur in geringer Zahl vorhanden. Nur bei den Plagioſtomen ſind die Wan— 118. VI. 8. 120 dungen dieſer Kugeln an ihrer inneren Oberfläche mit Zellen ausgekleidet. 7) Bei den Säugethieren, Vögeln und Reptilien ſind dieſe Kugeln durch ein dichtes Zellgewebe mit einander ver— bunden und daher ſchwieriger wie bei den Fiſchen, und na— mentlich den Plagioſtomen zu präpariren. Gewöhnlich reißen die Röhren an ihrer Verbindungsſtelle mit den weichen Kugeln ab, ſo daß man an beiden Polen nur die Über— bleibſel der abgeriſſenen Nervenfaden bemerkt. Bei den Reptilien ſind auch dieſe Spuren nicht ein Mal zu finden, weil die ſehr dünne Hülle der Kugeln nicht wie bei den übrigen Thieren eine faſerige, ſondern eine homogene Stru— ctur beſitzt. 8) Die kleinen Kugeln ſind immer in dichte Gruppen vereinigt und nicht mit den großen Kugeln vermiſcht, letztere, das animale Leben bewirkend, bilden weniger dichte Gruppen. 9) Die Vögel beſitzen die kleinſten Ganglienkugeln. Der Verf. wird ſeine Unterſuchungen auch auf die Cruſtaceen und Inſecten ausgedehnt, nächſtens ausführlicher veröffentlichen. f XII. über polyeotyledoniſche Pflanzenembryonen. Von Duchartre. Der Verf. ſucht in dieſer in No. 738 des Institut von 1848 mitgetheilten Arbeit nachzuweiſen, daß die als polyeotyledonifch beſchriebenen Embryonen eigentlich, jo weit er fie unterſuchen konnte, nur 2 Cotyledone, aber mit tief getheilten Lappen beſitzen. Der Embryo von Macleya cordata (Bocconia cordata Willd.), zu den Papaveraceen gehörig, ſoll nach Endlicher bald 3 gleich entwickelte Cotyledonen, bald 2 oder 4 un— gleich entwickelte beſitzen; der Verf. fand im friſchen, reifen Samen zuweilen 2 gleiche und ungetheilte Samenlappen; bei andern war dagegen nur der eine ungetheilt, während der andere entweder eine leichte Kerbung oder einen mehr oder minder tiefen Einſchnitt oder gar eine faſt vollſtändige Theilung zeigte. Im letzteren Falle konnte nur die Ent— wicklungsgeſchichte entſcheiden, wie dieſe Theilung zu Deu: ten ſei. Der Embryo von Schizopetalon Walkeri, zu den Cru⸗ eiferen gehörig, ſoll nach Robert Browns Anſicht 4 gleiche quirlförmig geſtellte Cotyledonen beſitzen, während Hooker für denſelben Embryo nur 2, aber tief getheilte Cotyledonen annimmt; beide haben, wie der Verf. glaubt, nur den reifen Samen, wo dieſe Frage nicht mehr zu entſcheiden iſt, unter— ſucht; indeß hat auch Banéoud, der deſſen Entwicklung verfolgte, & durchaus gleiche auf gleicher Fläche entſtehende Cotyledonen beſchrieben, während bei Schizopetalon Walkeri dennoch, wie der Verf. durch folgende Gründe zu beweiſen ſucht, nur 2 tief getheilte Samenlappen vorkommen. 1) Durch die Entſtehung des Embryo. Die Cotyle— donen erſcheinen nämlich zuerſt als 2, nicht aber als 4 warzenförmige Erhebungen des jungen Embryos. Dieſe bei— den Warzen ſind etwas ſpäter durch eine breite Furche von 121 einander getrennt, während die Spitze eines jeden eine leichte Kerbe zeigt. Wenn man nun den Embryo von 2 ſich kreu— zenden Seiten betrachtet, ſo erkennt man leicht und deutlich den großen Unterſchied zwiſchen beiden Vertiefungen; auch von oben auf die Spitze der Cotyledonen geſehen, bemerkt man 2 deutlich getrennte Cotyledonenwarzen. Auch bei der ſpätern Entwicklung des Embryo iſt die verſchiedene Tiefe dieſer beiden Spalten zwar mehr verwiſcht, aber dennoch erkennbar. 2) Durch die Anordnung der Gefäßbündel, welche der Verf. durch Maceration iſolirte. Hier treten zuerſt nur 2 Gefäßbündel auf, jedes derſelben theilt ſich indeß bald dar— auf gabelig, jedem Lappen ſeines Cotyledons einen Aſt abgebend. 3) Durch die Art des Keimes. Obſchon hier ſchein bar 4 linienförmige verlängerte Cotyledonen hervortreten, ſtehen ſelbige doch paarweiſe wie zwei Lappen eines einzigen mehr oder weniger tief getheilten Organes neben einander; beide Lappen find überdies an ihrer Baſis verwachſen, während ſie doch von den ihnen gegenüberſtehenden Lappen getrennt ſind, was, je mehr ſich dieſe Blattorgane von der Achſe her vergrößern, um ſo deutlicher hervortritt, ſo daß in Über— einſtimmung mit den beiden zuerſt erwähnten Gründen für Schizopetalon Walkeri nur 2 tief getheilte Samen- lappen anzunehmen ſind. Miſcellen. 18. Die Jagdameiſen (fourmis chasseuses) Weſtafricas, welche von Weſtwood Anomma arcens benannt ſind, werden 13/, Linien bis 5 Linien lang und find nur durch ihre Größe von einander verſchieden. Auch ihr Staat beſteht, wie Savage ver— muthet, aus Kriegern, welche den wandernden Heerzug decken, Arbei— tern, welche das Terrain ſäubern und weiblichen Individuen, die an Zahl die ſchwächſten, im Centro der Colonne für die Eier und Jungen ſorgen. Nur zur Nachtzeit oder an regnichten Tagen ver: laſſen ſie ihre Schlupfwinkel, da das directe Sonnenlicht für ſie durchaus tödtlich iſt, bauen ſich auch zu Zeiten aus einer von ihnen ſecernirten Flüſſigkeit bedeckte Gänge, in denen ſie, vor der Sonne Seile (XIII.) Über die Verbindung des Rheumatismus mit dem Veitstanze. Von Dr. J. Begbie. In ärztlichen Schriften der neueſten Zeit findet man der Beziehungen des Rheumatismus mit dem Veitstanze er— wähnt, namentlich iſt auf die Verbindung dieſer krampf— haften Krankheit mit der Herzbeutelentzündung Gewicht ge— legt worden. Indeß haben einige Arzte, namentlich Dr. Prichard und Dr. Scudamore, die chorea hauptſäch— lich als eine der Folgen des acuten Gelenkrheumatismus betrachtet. Hr. Begbie hatte bei ſeiner Arbeit die Abſicht, e e e 122 geſchützt, auf Beute ziehen. An trüben Tagen ſtellen ſich die Krie— ger ſo auf, daß ſie mit ihren Leibern ein ſchützendes Gewölbe für die Arbeiter bilden, ſind dabei aber beim leiſeſten Geräuſch zum Angriff bereit und kehren nach errungenem Siege in ihre vorige Marſchordnung zurück. Sie bauen kein eigentliches Neſt, ſondern leben im lockern Boden abſchüſſiger Hügel, unter verwitterten Fel— ſen und verfallenen Gräben. Sie ſind ſelbſt durch Feuer nicht gänzlich zu vertilgen, indem ſie ſich eiligſt davon machen und in der Nachbarſchaft niederlaſſen. Sie ſind alle ungeflügelt. Die Krieger überfallen und bemächtigen ſich der Beute, die von den Arbeitern in die Schlupfwinkel geſchafft wird; ſo wie jedoch bedeutende Ge— fahr vorhanden, nehmen auch ſie am Kampfe Theil. Iſt ein Bach zu überſchreiten, ſo bilden die größten Individuen, indem ſie ſich zuſammendrängen, eine Brücke, über welche die ganze Colonne hinweg marſchirt. Zur Regenzeit, wo ſie oft für lange Zeit in ihren Höhlen abgeſperrt ſind, ballen ſie ſich bisweilen zu einer großen Kugel, indem ſie die weiblichen Individuen ſammt Eiern und Larven in die Mitte nehmen, zuſammen und laſſen ſich ſo vom Strome ans Ufer treiben. Sie können längere Zeit ohne Nahrung ſein, haben überhaupt ein zähes Leben; die Freßwerkzeuge des vom Rumpfe getrennten Kopfes bewegen ſich noch 24 Stunden lang, auch die Bluteirculation erhält ſich eben ſo lange. Sie ſind muthig und ſtark, überfallen und tödten große Thiere, ſind aber bei alle dem, wie es ſcheint, vollkommen blind, da auch keine Spur eines Sehorganes bei ihnen nachzuweiſen iſt. (Bibliotheque uni- verselle de Geneve, No. 24. 1848.) 19. Das Bild des Sonnenſpectrums wird von Bee- querel mit allen feinen Farben auf einer chlorirten Silberplatte firirt; jede einzelne Farbe ließ ſich durchs Prisma, ſelbſt das weiße Licht nicht ausgenommen, wiedergeben. Leider waren indeß ſämmt— liche Farben am Lichte nicht beſtändig und mißlang jeder Verſuch, fie conſtant zu machen. Becquerels Verfahren war einfach fol— gendes: eine blank polirte Silberplatte ward einige Minuten lang über Chlorwaſſer gehalten und, wenn ſich ein Überzug von Chlor- ſilber gebildet, einem concentrirten, einige Centimeter langen Sonnenſpectrum ausgeſetzt. Die Einwirkung begann mit dem Orange, nahe der Stelle, wo das Licht die größte Stärke beſaß; das Bild färbte fi) ganz fo wie das Spectrum. Das rothe prismatifche Licht gab ein vöthliches an der rothen Grenze felbit bis zum Strahl A, purpurfarbenes Bild. Das Orange war deutlich zu unterſchei⸗ den; nahe beim Strahle D trat eine lichte gelbe Färbung, der bis zum Strahle F Grün folgte, ein; hier entwickelte ſich das Blau, das in der Nähe von 6 in Violet überging, das ſich bis zu H fortſetzte, dann aber ſchwächer und ſchwächer ward. Ließ man das Sonnenſpectrum längere Zeit einwirken, ſo wurden die Farben im— mer dunkler, nach einer oder zwei Stunden erſchien das Bild me— talliſch. (L'Institut, No. 736, 1848.) unde. einen intereſſanten Umſtand in der Geſchichte dieſer beiden Krankheiten hervorzuheben, nämlich, daß beide Krankheiten einzeln oder zuſammen bei den verſchiedenen Mitgliedern derſelben Familie vorkommen, und daß ſie daher mit irgend einer krankhaften Diatheſe zuſammenhängen. Bisher erklärte man das Zufammentreffen des Rheumatismus mit dem Veits— tanze durch die Ausdehnung oder die Metaſtaſe der rheu— matifchen Entzündung auf die Membranen des Rückenmar— kes; allein dieſe Erklärung paßt auf die von Hrn. Beg bie angeführten Thatſachen keineswegs. In keinem dieſer Fälle waren dieſe Membranen entzündet, eben jo wenig der ner- vus phrenicus, deſſen Entzündung nach Dr. Bright hin— 123 ſichtlich der Entwicklung der Herzbeutelentzündung bei den Cborea- Kranken eine ſo bedeutende Rolle ſpielen ſoll. In einem dieſer Fälle trat die chorea nach einem zweiten An— falle von Rheumatismus ohne irgend bemerkbare Com— plication mit einer Herzkrankheit ein, und in dem einzigen Beiſpiele von pericarditis, welches der Verf. bei einem Mit— gliede einer ſtark zu chorea prädisponirten Familie beobachtet hat, eriſtirte die letztere Krankheit nicht. Zwei andere Fälle von chorea wurden im Verlaufe von entzündlichen Herz— krankheiten wahrgenommen; allein nicht die äußere, ſondern die innere Membran des Organs war in dieſen Fällen der Sitz der Entzündung. Die Thatſachen, auf welche Dr. Begbie feine Anſicht gründet, jind folgende. Die erſte bezieht ſich auf einen 305 jährigen Mann, welcher im Januar 1845 zum zweiten Male von acutem Gelenkrheumatismus befallen wurde. Das ältere ſeiner Kinder, ein fünfjähriges zartes Mädchen, litt gleichzeitig ſeit vier Wochen an ftarf ausgeprägter chorea. Die zweite Beobachtung, welche viel beweiſender iſt als die erſte, betrifft die Familie einer verwittweten Dame, welche neun Kinder von 7 — 21 Jahren hatte, welche die Kenn— zeichen der ſerophulöſen Conſtitution darboten. Der Vater war im A7ften Lebensjahre an einer Gehirnkrankheit ge— ſtorben und von mütterlicher Seite war die Lungenſchwindſucht erblich. Eines dieſer Kinder, ein 12jähriges Mädchen, litt ſeit faſt zwei Monaten am Veitstanze und ward binnen drei Wochen durch Abführungsmittel und Arſenikſolution herge— ſtellt. Anderthalb Jahre ſpäter wurde eine jüngere Schweſter von derſelben Krankheit befallen, und bei dieſer ſchlug die nämliche Behandlung an. Etwas ſpäter wurde der 18jäh- rige Bruder von ſubacutem Rheumatismus befallen, und im Verlaufe der Krankheit entwickelte ſich eine pericarditis; drei Wochen nachher war er curirt. Während der Reconvale— ſcenz dieſes Patienten erkannte der Verf. an der erſten Pa— tientin und an einer andern Schweſter von 25 (62) Jahren die Symptome einer Tuberkelkrankheit, und beide ſtarben ſchon nach zwei Monaten. Dieſelbe Krankheit entwickelte ſich bei dem Jünglinge, welcher an Rheumatismus gelitten hatte, und obgleich er eine Reiſe auf das Feſtland unter: nahm, ſtarb er ein Jahr darauf. Die zweite Choreiſche ward, als fie 15 Jahre alt geworden, von einem fubacuten und gewiſſermaßen wandernden Gelenkrheumatismus befallen, in deſſen Verlaufe ſich eine endocarditis entwickelte. Wäh— rend der Reconvaleſeenz trat ein Rückfall der chorea ein, und obgleich dieſelbe dieſes Mal milder war, jo widerſtand ſie doch den Medicamenten viel hartnäckiger. Die dritte Beobachtung betrifft eine Dame, welche einige Zeit nach der Geburt ihres erſten Kindes von acutem Rheumatismus be— fallen worden war. Dieſes Kind ward als es 17 Jahre alt geworden, von chorea befallen, ohne vorher an Rheu— matismus gelitten zu haben, während ein jüngerer Bruder mehrere Anfälle von Rheumatismus, von denen der letzte mit endocarditis endigte, ſowie den Veitstanz bekam, der bis zum Ableben des Patienten mehrere Monate anhielt, Die Schweſter dieſes Patienten hatte im Alter von 17 Jahren einen leichten Anfall von chorea gehabt. Kurz in dieſer Familie 118 M. 8. 124 zählte man drei Fälle von acutem Rheumatismus und eben ſo viele von chorea. Die vierte Beobachtung endlich bezieht ſich auf eine aus 10 Mitgliedern beſtehende Familie, von denen vier zu verſchiedenen Zeiten an Rheumatismus gelit— ten hatten. Eines der letzteren ward als es 12 Jahre alt war, nach einer Eiſenbahnreiſe don heftigem delirium er— griffen, welches anfangs der Behandlung zu weichen ſchien, aber nach einem mit Opium verſetzten Klyſtir von neuem ausbrach. Bei dieſem Rückfalle conſtatirte man die Exiſtenz einer endopericarditis, welche indeß gehoben wurde. Ein anderes Mitglied derſelben Familie litt ſeit zehn Jahren an einer neuralgiſchen Krankheit; ein drittes, welches mit Rheu— matismus oder Neuralgie behaftet geweſen war, hatte zwei Anfälle von chorea, den einen im Alter von 6 Jahren von viermonatlicher Dauer, den andern im Alter von 8 Jahren von zweimonatlicher Dauer gehabt. Auf dieſe Beobachtungen gründet nun Dr. Beg bie den Schluß, daß die Beziehung zwiſchen dem Rheumatismus und der chorea in einer krankhaften Beſchaffenheit des Blu— tes beruhe, welche der rheumatiſchen Conſtitution eigen ſei, und dieſe Erklärung findet ſeiner Anſicht nach ebenſo— wohl auf diejenige chorea Anwendung, welche ſich bei In— dividuen oder Familien entwickelt, bei denen die rheumatiſche Diatheſe erblich iſt, als auf diejenige, welche den Rheu— matismus ohne Herzkrankheit complieirt, und auf die mit pericarditis oder endocarditis oder mit dieſen beiden Krank— heiten zugleich complicirte chorea. Die entzündlichen Krank— heiten des Faſergewebes haben mit den ſpasmodiſchen Leiden des Muskelſyſtemes den nämlichen Urſprung in derſelben ſpecifiſchen Veränderung des Blutes. (Monthly Journ. of Med. Science, Apr. 1847.) Hätte Dr. Begbie ſich darauf beſchränkt, die zwiſchen dem Rheumatismus und dem Veitstanze beſtehenden Beziehungen in einer genauern Weiſe darzulegen als es bisher geſchehen iſt, ſo würden wir (Archives gen. de Med.) ihm keine Einwürfe zu machen haben; denn die von ihm beigebrachten Beobachtungen ſpre— chen allerdings für die häufige Coeriſtenz beider Krankheiten. Hätte ſich ferner Dr. Begbie damit begnügt, die wahr— ſcheinliche Urſache dieſes Zuſammentreffens in einer krank— haften Veränderung des Blutes zu erkennen, ſo würden wir dies als eine ganz plauſible Hypotheſe gelten laſſen; allein die Verbindung, welche er zwiſchen zwei Krankheiten hat nachweifen wollen, welche, wenngleich fie coexiſtiren, doch immer von einander getrennt bleiben, — die ganz willfürliche Annahme einer rheumatiſchen Conſtitution nöthigen uns, gegen dergleichen Behauptungen zu proteſtiren. Die son ihm zur Begründung der letztern beigebrachten That— ſachen ſind weit weniger beweiſend als er glaubt. Die Erfahrung hat lange dargethan, daß der Rheumatismus und der Veitstanz, ſowie eine Menge anderer Krankheiten, ſich bei ſchwächlichen Individuen weit leichter entwickeln als bei kräftigen. Übrigens hat man ſich nicht darüber zu wun— dern, wenn mehrere Mitglieder einer zahlreichen Familie, wenn dieſelben die nämliche Conſtitution haben und den nämlichen pathogeniſchen Einflüſſen ausgeſetzt find, von der— ſelben Krankheit befallen werden. Indeß halten wir die— 125 fen ätiologiſchen Punkt der chorea noch keineswegs für vollſtändig aufgeklärt. (Archives générales de Médecine, Janv. 1848.) (XIV.) Zwei Fälle von erfolgreicher künſtlicher Scheidenbildung. Von Dr. de Bal und Dr. Kluyskens. Erſte Beobachtung. — Ein Mädchen von 18 Jahren, welche den Dr. de Bal bereits im Februar 1844 wegen Erſcheinungen, die auf eine ſchwierige Entwicklung der Menſtruation hindeuteten, conſultirt hatte, fand ſich drei Monate ſpäter wieder ein. Die Patientin war abgemagert und wurde von unerträglichen Schmerzen in der Lendengegend und im linken hypogastrium gepeinigt. Als man die Ge— bärmutter durch die Wandungen des Unterleibes unterſuchte, fand man, daß dieſelbe den Umfang und die Feſtigkeit wie bei einer ſechsmonatlichen Schwangerſchaft hatte. Es war fortwährende fieberiſche Reaction und hartnäckiges Erbrechen vorhanden. Geſichtsfarbe bleich und gelblich; Haut heiß und feucht. Dieſe Symptome hatten ſich anfangs periodiſch nach Zwiſchenzeiten von 5, dann 4, endlich 3 Wochen ein— geſtellt, ſeit 3 Wochen aber fortwährend beſtanden. Als nunmehr Hr. de Bal die Geſchlechtstheile unterſuchte, fand er, daß die vagina fehlte, und daß deren Mündung nicht ein Mal angedeutet ſei. Durch den Maſtdarm fühlte er einen harten, faſerigen, voluminöſen, wenig beweglichen Körper, der ſich aber gemeinſchaftlich mit dem uterus bewegte, welchen man im hypogastrium fühlte, und der die ganze Concavität des Heiligenbeines ausfüllte, während er ſich an— fühlte als ob ſich daſelbſt der Scheitel eines völlig ausge— tragenen foetus präſentire. Als er den Finger in den Maſtdarm und einen Katheter in die Blaſe einführte, er— kannte er, daß die Entfernung der Stelle, wo die Mündung der Scheide bätte liegen ſollen, von dem unterſten Theile der Geſchwulſt 2½ Zoll betrage. Bis auf eine Tiefe von 1½ Zoll war zwiſchen der Blaſe und dem Maſtdarme nur ein faſeriger 1½ — 2 Linien dicker Körper vorhanden. In dieſem Zwiſchenraume mußte man alſo verſuchen, einen Ca— nal herzuſtellen, durch welchen die angehäufte Menſtruations— flüſſigkeit abziehen könne. Übrigens waren die Brüſte nicht bedeutend entwickelt, was unter ähnlichen Umſtänden ſonſt der Fall zu ſein pflegt. Nachdem am 30. Mai die Blaſe und das rectum entleert worden waren, ließ Dr. de Bal von einem Gehülfen einen Katheter in der Blaſe halten, und nachdem er den linken Zeigefinger in das reetum ein— geführt, machte er in dem Raume zwiſchen dem After und der Harnröhre einen Querſchnitt mit einem geraden Biſtouri, das, mit Ausnahme der Spitze, mit Leinwand umwickelt war. So drang er in der Richtung des erwähnten faſeri— gen Stranges 1 ¼ Zoll tief ein. Indem er ſo ganz all- mälig und höchſt vorſichtig einſchnitt, gelangte er an eine Stelle, wo der Zwiſchenraum zwiſchen der Blaſe und dem Maſtdarme weiter war. Er führte dann in dem Grunde 118. VL 8. 126 der Wunde einen gewöhnlichen Irocar ein und flach den— ſelben kühn in die harte knorpelige Geſchwulſt, deren Wan— dungen 3 — 4 Linien ſtark waren. Als er die Klinge herauszog, lief durch die Röhre 1½ Liter einer klebrigen geruchloſen Flüſſigkeit aus, welche dickem Syrup ähnelte. Die Geſchwulſt verkleinerte ſich alsbald und ſenkte ſich um wenigſtens 2 Zoll. Man ſpritzte einige Mal laues Waſſer in die Höhle ein und ließ dann einen Federharzkatheter in der Wunde liegen. Gleich nach der Operation beſſerte ſich der Zuſtand der Kranken ſehr auffallend. Nichts dem nor— malen Mutterhalſe noch weniger etwas dem Muttermunde ähnliches ließ ſich wahrnehmen. Auch ſpäter trat kein übler Zufall ein. Die Patientin genas vollſtändig und iſt ſeit der Operation ſieben Monate lang völlig regelmäßig men— ſtruirt geweſen. Übrigens iſt es durchaus nicht gelungen, die Wunde zu erweitern und man iſt in dieſer Beziehung zumal bei ihrem oberen Drittel auf unbeſtegbare Hinderniſſe geſtoßen. Zweite Beobachtung. — Ein 18jähriges Mädchen verſpürte ſeit 15 Monaten kolikähnliche Schmerzen, welche anfangs nach langen Zwiſchenzeiten, dann allmonatlich, dann alle vierzehn Tage, endlich täglich wiederkehrten. Der Bauch war aufgetrieben, der Puls klein und häufig; Kol⸗ lern im Leibe; hyſteriſche Symptome. Nachdem verſchiedene Arzneimittel ohne Erfolg verſucht worden waren, wandte ſich die durch die Leiden völlig erſchöpfte Kranke an Hrn. Varbeeck, welcher in dem wie bei einer weit vorgeſchrit— tenen Schwangerſchaft aufgetriebenen abdomen eine bis an den Nabel heraufſteigende harte Geſchwulſt entdeckte. An den übri— gens wohl gebildeten äußern Geſchlechtstheilen ließ ſich durchaus keine Scheidenöffnung auffinden. Führte man einen Katheter in die Harnröhre und den Zeigefinger in den Maſtdarm ein, ſo fühlte man zwiſchen dieſen beiden Organen an der Stelle des normalen Canales eine dünne knotige Schnur. Die Patientin ſchien dem Tode verfallen. Hr. Kluyskens entſchloß ſich jedoch zur künſtlichen Scheidenbildung. Nach— dem er einen Katheter in die Blaſe eingeführt und ſtark nach dem Schambeine zu in die Höhe geſchoben, in das rectum aber einen Finger eingeführt hatte, um dasſelbe nach hinten zu treiben, machte er zwiſchen dieſen beiden Punkten einen Querſchnitt von 8 — 10 Linien Länge, den er ſtufen— weiſe und vorſichtig bis auf 3 Zoll vertiefte, und endlich ſtieß er auf eine Geſchwulſt, welche er für die aufgetriebene Gebärmutter erkannte, an der jedoch keine Spur von einem Muttermunde oder einer Scheidenportion wahrzunehmen war. Nachdem er ſich von der Lage dieſer Geſchwulſt gehörig überzeugt hatte, ſenkte er die Spitze eines Biſtouri mit langer Klinge, die bis zu zwei Drittel ihrer Länge mit Leinwand umwickelt war, in dieſelbe ein und erweiterte die Offnung bedeutend. Augenblicklich floſſen über 5 meines fadenziehenden Blutes von fadem Geruche aus. Der Bauch fiel zuſammen; man ſpritzte mehrmals laues Waſſer ein und brachte die Kranke in ein Bad. Am 10ten Tage nach der Operation, nach— dem alles bis dahin gut gegangen war, traten entzündliche Symptome ein, welche eine Mutterentzündung befürchten ließen; allein dieſe legten ſich auf Anwendung antiphlogiſti— 6 * 127 118. ſcher Mittel. Bald darauf führte man von Zeit zu Zeit ein Federharzröhrchen in den künſtlichen Canal ein, und nach 5 Wochen war die Kranke vollſtändig hergeſtellt. Seitdem ſind mehrere Jahre verfloſſen und der künſtliche Canal hat ſich erhalten. Die Menſtruation iſt regelmäßig eingetreten und ſchmerzlos vor ſich gegangen. Das Mädchen hat ſich verheirathet, aber noch keine Niederkunft erlebt. Annales et Bulletin de la Société de médecine de Gand, Juillet 1845. In Betreff der erſten dieſer beiden Beobachtungen bleibt es immer zweifelhaft, ob die vagina völlig gefehlt habe. Hat Dr. de Bal wirklich in die Wandung des uterus oder nicht vielmehr in den obern Theil des in ſeiner untern Hälfte obliterirten Canales der Scheide eingeſchnitten? Die zweite Beobachtung bietet offenbar einen Bildungsfehler dar. Übri— gens ſind beide Fälle rückſichtlich des vollſtändigen Gelingens der Operation merkwürdig, und ſie ſchließen ſich in dieſer Beziehung an die von Hrn. Amuſſat und Dr. Fletcher mitgetheilten an. (Archives générales de Médecine. Janvier 1848.) Miſeceellen. (13) Als Vortheile feines verbeſſerten Verfah- rens, Blaſenſteine ohne weiteres in der Blaſe voll⸗ ſtändig zu pulveriſiren, hebt Hr. Heurteloup am Schluſſe einer der Akademie der Wiſſenſchaften am 21. Febr. d. J. vor⸗ gelegten Abhandlung folgendes hervor. In den gewöhnlichen Fällen läßt ſich die Lithotripſie fo ſchnell vollziehen, daß das Einſchläfern der Patienten durch Ather oder Chloroform vollkommen anwendbar iſt. In ungewöhnlichen Fällen dagegen, d. h., wenn die Steine ſehr groß find oder wenn ein krankhafter Zuſtand der Blaſe vor— liegt, wird durch dieſe Art der Lithotripſie der gute Erfolg der Ope— ration um vieles wahrſcheinlicher, da die Pulveriſation vollſtändig iſt und daher von Seiten der Fragmente keine ſchädliche Einwir— kung Statt finden kann. Wenigſtens werden die beim gewöhnlichen lithotriptiſchen Verfahren fo häufig entſtehenden Blaſenentzündungen und Blaſenkatarrhe nunmehr weit ſeltner und milder eintreten. Eben ſo wenig wird man eine Fortpflanzung der Entzündung nach den Nieren zu befürchten haben. Der durch die Bewegung der I 128 Inſtrumente behufs des Faſſens und Zertrümmerns der Steine veranlaßte Schmerz fällt weg, und da nicht, wie bei der gewöhn⸗ lichen Lithotripſie, mehrere Sitzungen Statt finden oder Steinfrag— mente längere Zeit in der Blaſe zurückbleiben, ſo können ſich auch keine neuen Niederſchläge um die Fragmente ablagern. Eben ſo wenig braucht man, wie bei dem alten Verfahren, nachträglich die einzelnen Fragmente aus der Harnröhre vermittels beſonderer Ope⸗ rationen auszuziehen. Das Fieber und die Congeſtion in den Centralorganen, welche, wenn die gewöhnliche Lithotripſie den Pa— tienten ſehr augreift, häufig entſtehen, fallen ganz weg. (Gaz. méd. de Paris, No. 9 et 10, 1848.) (14) Die Stillung einer nach dem Ausſchneiden der hypertrophiſchen Mandeldrüſen eingetretenen ſehrge⸗ fährlichen Blutung aus der linken Drüſe iſt Hrn. Hatin, nachdem mit Alaun verſetzte Gurgelwaſſer, das Bepudern der Wunde mit gepülvertem Alaun und das Atzen mit Höllenſtein den Dienſt ver— fagt hatten, dadurch gelungen, daß er an einer ſehr langen, geras den Zange den einen Schenkel mit Feuerſchwamm und Leinwand umwickelte, dieſe befeuchtete und mit Alaun anſchwängerte, an den andern Schenkel aber einen bloßen Leinwandpfropf anbrachte. Den erſten Schenkel führte er durch den Mund ein und legte ihn auf die blutende Oberfläche der Drüſe, während der andere Schenkel gegen den Kieferwinkel gedrückt wurde. In dieſer Lage wurden die Griffe der Zange mittels einer Schnur zuſammengebunden und ſo eine dauernde Comprimirung der Drüſe bewirkt. Das Blut hörte alsbald auf zu fließen, und man ftüßte die Zange mittels einiger an die Haube der Patientin befeſtigten Faden. Man em⸗ pfahl ein ruhiges Verhalten und Vermeidung aller Scheengbewe— gungen an. Am dritten Tage wurden die Ringe gelöft, ohne daß man die Zange wegnahm, deren eines Ende ſich in die Drüſe ein⸗ geſenkt hatte, aber ſich am vierten Tage ohne alle Blutung von ſelbſt auslöſ'te. (Gaz. med. de Paris, No. 9 & 10. 1848.) (15) In Bezug auf die ätiologiſche Grundlage der Chorea bemerke ich, mit Rückſicht auf den in dieſer Nummer mitgetheilten Aufſatz von Begbie, daß ich in den meiſten Fällen eine entſchiedene Verbindung des Veitstanzes mit Entwicklungs⸗ ſtadien des jugendlichen Körpers bemerkt habe. In einem Falle jedoch begannen die in 3 Jahren 2 Mal wiederkehrenden Chorea— anfälle jedes Mal mit Gelenkrheumatismus; bei beiden Fällen wirkte trotzdem eine antirheumatiſche Behandlung gar nichts, wäh⸗ rend die kalten Begießungen des Rückens im warmen Bade wie in anderen Fällen ſo auch hier von allen Mitteln unverkennbar die beſte Wirkung hatten; dieſes aber bei dem zweiten Anfalle, der in eine Zeit fiel, wo Wechſelfieber vorkamen, erſt dann, als durch Chinin die Dispoſition zur intermittens beſeitigt war. R. F. Bibliographiſche Neuigkeiten. W. G. Rosenhauer, Beiträge zur Insecten- Fauna Europas. 1. Bändchen. gr. 8°. Geh. I Thlr. Bläsing in Erlangen 1847. Dictionnaire universel d’histoire naturelle. Ouvrage, par MM. Arago, Bau- dement cte.; redige par M. Charles d’Orbigny. 123. et 124. series. Tome XI. Feuilles 19—34. (Roc—Rup.) In 8° de 8 feuilles, plus 4 pl. Paris 1848. J. F. Naumann, Taxidermie oder die Lehre Thiere aller Classen für Na- turaliensammlungen auszustopfen und aufzubewahren. 2. Auflage. gr. 80. Geh. 1 Thlr. Schwetschke u. Sohn in Halle 1848. J. C. Dufft, kleiner naturhiſtoriſcher Schulatlas. 2. Ausgabe. 1 — 3. fg. 80. Geh. ½ Thlr. Mullerſche Buchhandlung in Erfurt 1848. T. Mayo, Outlines of Medical Proof. 8°. (pp. 78, sewed, 2 sh. 6 d.) London 1848. A. H. M’Clintock and S. L. Hardy. Practical Observations on Midwifery and the Diseases Incident to the Puerperal State. 8%. (pp. 376, cloth, 10 Sh. 6 d.) London 1848. Th. S. Lee, von den Geschwülsten der Gebärmutter. Eine gekrönte Preis- schrift. Aus dem Engl. gr. 80. Geh. 1½ Thlr. Förstner in Berlin 1848. Essai sur la discipline des prisons, ou Comparaison entre les systömes de separation et d’agregation des prisonniers. Traduit de l’anglais de M. Howe. In 8° de 8 feuilles ½. Paris 1848. Expose theorique et practique d’un traitement curatif et preventif de la goutte et des rhumatismes goutteux; par le docteur Laville. In 18 d'une feuille. ½. Paris 1848. (Prix 2 fr.) Maladies des femmes. Des ulcerations et des ulceres du col de la matrice et de leur traitement; par F. L. Pichard, medecin etc. In 8° de 32 feuil- les '/,, plus 8 planches et un tableau. Paris 1848. (8 fr.) Theorie des nevroviscerites ou fievres primitives ete., prouyee par l’examen approfondi de la lesion des proprietes vitales dans les parties organiques ui en sont le siege, et par l’experimentation physiologique; par Ant. 8 In 8° de 7 feuilles, plus un tableau. Clermont Ferrand & Paris 1847. (Prix 2 fr. 50 ct.) Memoire pratique sur la pleuro-peripneumonie aigue; par le docteur Koscia- kiewiez. In 8° de 11 feuilles. Lyon, Paris 1848. (Prix 3 fr. 50 ct.) Des tumeurs du cordon spermatique. These presentee au concours pour une chaire de clinique chirurgicale à la Faculté de médecine de Paris; par M. Malgaigne, agrege ä cette Faculté ete. In 40 de 7 feuilles. Paris 1848. Du tumeurs de la voüte du cräne. These; par E. Chassaignac. In 4% de 31 feuilles. Paris 1848. Des affections granuleuses, ulcereuses et carcinomateuses du gol de l’uterus. These; par Alph. Robert. In 4% de 21 feuilles, plus 2 pl. Paris 1848. R. Ficinus, die Hämospasie, Geschichte, Beschreibung, Aa und Wir- kungen d. grossen Ventousen Junods oder des Schröpfstiefels. gr. 8. Geh. 1 Thlr. L. Voss in Leipzig 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeltſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. April 1848. No. 119. (Nr. 9. des VI. Bandes.) Naturkunde. Loupet, über die Verfälſchungen der Cerealien und die unorganiſchen Beftandtheile ihrer Körner. 7 Miſcellen. Die braune und weiße gemeine Eule. Strom heißen Waſſers von China nach America. — Heilkunde. Beau, kliniſche Unterſuchungen über die Anäfthefie, nebſt phyſiologi⸗ ſchen Betrachtungen über das Empfindungsvermögen. — Miſcelle. Guerſant, Blaſenſtein bei Kindern. — Bibliographie. Naturkunde. XIII. über die Verfälſchungen der Cerealien und Schriftſtellern verſchieden angegeben; der Verf. fand, daß die unorganiſchen Beſtandtheile ihrer Körner. Von Louyet. In einer zweiten, in No. 12 des Bulletin de l’acade- mie royale de Belgique von 1847 erſchienenen Mittheilung nimmt der Verf. zunächſt auf Verhältniſſe, die in ſeiner erſten Arbeit nicht beachtet wurden, Rückſicht, indem ein Mehl, ohne geradezu verfälſcht zu ſein, durch einen Gehalt von zermahlener Kleie viel mehr unorganiſche Stoffe als nor— male beſitzen kann. Die Weizenkleie giebt nämlich etwa 4 Procent Aſche, während das ganze Korn 2 Proc. und das gebeutelte Mehl nur 1 Proc. liefern; vorausgeſetzt, daß alle drei bei 100 Celſ. getrocknet wurden. Mehrere For— ſcher haben wegen dieſes ungleich größeren Gehaltes an unorganiſchen Stoffen die Mitbenutzung der Kleie zum Brote empfohlen. Ein Mehl, an dem nun das feinſte abgebeutelt ward und das zum zweiten Male auf die Mühle kam, ent— hielt dennoch eine größere Menge fixer Beſtandtheile, wie das zuerſt gewonnene feinere Mehl; dieſe können ſogar ohne eine Verfälſchung auf 2,5 bis 3 Proc. ſteigen. Ein ſolches Mehl iſt aber durch ſeinen höchſt geringen Gehalt an Kle— ber leicht zu erkennen; unter einem Waſſerſtrahle geknetet, bleibt nichts in der Hand zurück; auf ein Sieb gebracht, geht, wenn das Mehl fein iſt, ebenfalls alles hindurch. Die Aſche dieſes Kleienmehls iſt wie die des gebeutel— ten Weizens trocken und gefrittet; ſie giebt mit Waſſer eine neutrale Flüſſigkeit, welche durch ſalpeterſaures Silberoryd weiß gefällt wird, das Licht verändert den Niederſchlag nicht; ſie unterſcheidet ſich demnach hinreichend von den durch Le— guminoſen verfälſchten Aſchen. Die Menge der hygroſkopiſchen, bei 1000 Celſ. zu verjagenden Waſſers wird für das Mehl von verſchiedenen No. 2099. — 999. — 119. er ſowohl bei geſiebtem als ungeſiebtem (kleienhaltigem) Mehle 12 bis 13 Proc. betrug, dasſelbe ſcheint ſehr feſt gebunden, und ſeine Menge von dem Alter und der Auf— bewahrungsart unabhängig zu ſein. 28 398 35 38 an Ih 33) Seren S8 == 28 | #33 23 32 88 28 55 | 822 | 382 | 352 I E Ele er 25 3 3 38 838 S2 7 8. 7 le in ee Procentiſcher Gehalt des hygroſkopi⸗ ſchen Waſſers 12,2 | 12,2 | 12,7 12,3 12,2 12,5 12,4 28 [8 : 3 F 25 2 2 = 5 82| &5 SS zz 28. 282 222 235 288 [S war ser sa 2 2 85 be a = At: 2. Procentiſcher Gehalt des hygroſkopi⸗ ſchen Waſſers 12,1 | 12,8 122 12,31 12,3 | 12,6 Dieſe Beſtimmungen wurden ſämmtlich mit 10 Gram- men angeſtellt, die eine Stunde lang bei 100 Celſ. ge— trocknet wurden, ſchon nach ¼ Stunden änderte ſich ihr Gewicht nicht mehr. Die von Mareſka vorgeſchlagene Prüfungsmethode auf eine Verfälſchung mit Leinmehl durch Auffindung des fetten Ols ſcheint dem Verf. nicht praktiſch zu ſein; er wandte ſie für 50 Grammen Roggenmehl mit 3 Grammen 3 131 Leinmehl vermiſcht an und erhielt allerdings eine geringe Menge fetter, gelblicher Subſtanz, die zwar ſo dem Leinöle unähnlich war, jedoch beim Erhitzen deſſen Geruch annahm. Nach Martens ſoll man, um Leinmehl zu entdecken, das Mehl mit ſeinem zwei- bis dreifachen Volumen Waſſer 14 bis 20 Stunden maceriren, oft umrühren, dann klar ab— gießen; auf Zuſatz von baſiſch-eſſigſaurem Bleioryd wird bei einer Verfälſchung mit 6 Proc. Leinmehl ein ſtarker, weißer, flockiger Niederſchlag entſtehen, während reiner Rog— gen nur eine leichte Trübung giebt; die beim Verdünnen mit Waſſer und Zuſatz einiger Tropfen Eſſigſäure verſchwin— det, was, wenn Leinöl zugegen iſt, nicht geſchieht. Auch Alkohol bewirkt in letzterem Falle einen flockigen Nieder— ſchlag, während der wäſſerige Auszug eines reinen Mehls nur leicht getrübt wird. Nach Mareſka und Don ny ſind nun dieſe Methoden auf Roggenmehl, deſſen wäſſeriger Auszug meiſtentheils durch eſſigſaures Blei und Alkohol ge— fällt wird, nicht anwendbar, und wirklich beſtätigen des Verf. Verſuche dieſe Bemerkung: er fand nämlich, daß ſowohl Weizen als Roggen unter Umſtänden gummiartige Stoffe entwickeln und dann dieſe Reaction geben können; dagegen ſind die von Donny angegebenen, ſchon früher mitgetheil— ten mikroſkopiſchen Unterſcheidungen vortrefflich. Die vorerwähnte Gummibildung tritt immer auf, wenn eine partielle Gährung in den Körnern Statt gefunden, mit ihr ſcheint eine Säure zu entſtehen, die wiederum eine dem Leinſamenſchleime analoge Subſtanz erzeugt. Der Verſuch beftätigte des Verf. Vermuthung; er kochte geſiebtes Roggen— mehl jo lange mit Waſſer, das 1 Proc. Schwefelſäure ent⸗ hielt, bis alles Amylum verändert war, und Jod keine blaue Färbung mehr bewirkte, ſchied die Flüſſigkeit durch Filtriren vom gluten und geronnenem Albumin, kochte ſie darauf mit überſchüſſigem kohlenſaurem Kalk, verdampfte und filtrirte ſie von neuem; ſie gab nunmehr mit Alkohol und baſiſch eſſigſaurem Bleioxyd einen reichlichen Niederſchlag, das Blei— präcipitat löſ'te ſich in Eſſigſäure. Beim Kochen mit ſehr verdünnter Eſſigſäure erhielt der Verf. dieſelben, wenngleich ſchwächeren Reactionen. Auch die durch Digeſtion mit deſtillirtem Waſſer erhal— tene Flüſſigkeit, ſowohl von friſcher reiner Roggenkleie, als unverfälfchtem geſiebtem Roggenmehl, wird durch Alkohol ſtark opaliſirend, durch Bleieſſig milchig-trübe, aber nicht gefällt; erſt nach 12 Stunden erſcheint ein ſchwacher weißer Niederſchlag, die Flüſſigkeit bleibt fortwährend milchig, wird aber durch Zuſatz von Eſſigſäure wieder klar. Ein Aufguß geſiebten Mehls wird ſowohl durch Al— kohol als Bleieſſig getrübt, nach 12 Stunden bildet ſich ein geringer weißer Kleienniederſchlag, der in Eſſigſäure nicht löslich iſt. Die Flüſſigkeit, welche bei der Umwandlung des Stärke— mehls in Zucker durch verdünnte Schwefelſäure von unge— ſiebtem Roggenmehl erhalten ward, trübte ſich mit Al- kohol, gab aber keinen Niederſchlag, Bleieſſig gab dagegen einen reichlichen, in überſchüſſiger Eſſigſäure un— löslichen Niederſchlag. Durch Kochen des ungeſiebten Roggenmehls mit ſehr verdünnter Eſſigſäure ward eine 41197 M9. 132 äußerſt ſchleimige Flüſſigkeit erhalten, die, mit einem gleichen Volumen Alkohol von 90 Proc. verſetzt, einen weißen Nie— derſchlag bildete; auch Bleieſſig gab einen in Eſſigſäure un- löslichen weißen Niederſchlag. Um zu ſehen, ob die Kleie dieſe Reactionen bewirkte, wiederholte der Verf. feine Ver— ſuche mit geſiebtem Weizenmehl, die er ſelbſt dargeſtellt hatte: der Erfolg war derſelbe; dann experimentirte er mit Weizen ohne Kleie, die Flüſſigkeit war ungewöhnlich ſchlei— mig und trübe, weder Alkohol noch Bleieſſig ſchienen dieſe Trübung zu vermehren, noch weniger fand ein Niederſchlag Statt; das geſiebte Weizenmehl verhält ſich demnach ganz anders als das geſiebte Roggenmehl. Dann fand der Verf. aber wiederum älteres, durchaus unverfälſchtes Weizenmehl, das durch Alkohol und Bleieſſig reichlich gefällt ward. Der Verf. hält demnach den gefällt werdenden Stoff für ein Gemiſch von Dertrin und Glucoſe, das durch Gäh— rung oder Einwirkung von Eſſigſäure entſteht; beide Stoffe ſind indeß in ſchwachem Alkohol löslich, weßhalb man mög— lichſt ſtarken anwenden muß. Der friſche Aufguß geſiebten Weizens wird durch einige Tropfen Bleieſſig opaliſirend und ſchleimig, klärt ſich aber auf Zuſatz von Eſſigſäure; Alkohol bewirkt eine gleiche Trübung; dasſelbe gilt von geſiebtem Weizenmehl. Verſetzt man den kalten wäſſerigen Auszug von Lein— mehl mit ſeinem gleichen Volumen Alkohol, ſo ſcheidet ſich ein weiß-bläulicher Schleim in reichlicher Menge ab und ſchwimmt als Flocken in der Flüſſigkeit, verhält ſich demnach ganz anders, wie der aus gegohrenem oder mit Säuren be- handeltem Mehl entſtandene Niederſchlag, der vollkommen weiß iſt und ſich aus der Flüſſigkeit abſetzt. Bleieſſig be- wirkt im Leinmehlaufguſſe einen reichlichen, weißen, käſigen Niederſchlag, der in Eſſigſäure vollkommen löslich iſt, ob— ſchon die Flüſſigkeit leicht opaliſirend bleibt. Die von Martens aufgeſtellten Merkmale für Lein⸗ mehl ſind demnach, wenn man nur mit friſchem, nicht ge— gohrenem Cerealienmehle zu thun hat, gut und brauchbar, ſobald dies nicht der Fall iſt, aber völlig unbrauchbar. Was nun die Reaction der Eſſigſäure auf den wäſſe— rigen Aufguß der Mehlſorten betrifft, ſo ſoll nach Dumas das Legumin durch ſelbige gefällt werden. Martens will nun durch dieſen Niederſchlag die Beimiſchung von Legumi— noſenmehl nachweiſen; des Verf. Verſuche zeigten dagegen, daß noch verſchiedene andere Samen einen Auszug liefern, der durch Eſſigſäure gefällt wird, überdies die Cerealien unter Umſtänden ſelbſt einen Niederſchlag bewirken können. Ein Aufguß von reinem Roggen oder Weizen wird durch Eſſigſäure nicht gefällt, dagegen, wenn gewiſſe Salze, z. B. Chlorkalium und Natrium hinzugefügt werden, ein Niederſchlag entſteht, der durch überſchüſſige Eſſigſäure mies der verſchwindet; auch Phosphorſäure macht den mit Koch— ſalz verſetzten Auszug opaliſirend, ein Überſchuß desſelben klärt ihn indeß nicht wieder; Alkohol bewirkt ebenfalls einen ſchwachen Niederſchlag. Ein mit einer ſchwachen Chlor- kaliumlöſung bereiteter Auszug giebt mit Eſſigſäure oder dem dritten Hydrat der Phosphorſäure einen reichlichen wei⸗ ßen Niederſchlag, der in einem Überfchuffe der Säuren un⸗ 133 löslich iſt. Bringt man den mit Zuſatz von Chlorfalium bereiteten Weizen- oder Roggenaufguß ins Kochen, jo er— folgt eine ſtarke Trübung, es ſetzen ſich feine weiße Flocken ab; ſcheidet man dieſe durchs Filtrum, fo bewirkt ein Zuſatz von Eſſigſäure nur noch leichte Trübung. Dieſe Verſuche beweiſen, wie durch genannte Salze ge— wiſſe Elementarbeſtandtheile des Weizens, die ſonſt nicht löslich waren, gelöſ't werden; der Verf. vermuthet eine ähn— liche Wirkung von verſchiedenen anderen Salzen und ſchreibt den für die Vegetation ſo günſtigen Einfluß des Seeſalzes dieſem Umſtande zu. Zu den Samen, deren wäſſeriger Auszug durch Eſſig— ſäure gefällt wird, gehören der Buchweizen, der Rübſamen, die Buchnüſſe und die keimende Gerſte. Geſiebtes Buch— weizenmehl giebt einen gallertartigen, fadenziehenden, reich— lichen Niederſchlag, der bei großem Überfhuß von Eſſigſäure faſt vollkommen verſchwindet; dieſer Niederſchlag iſt indeß von dem des Legumins verſchieden und mehr durch einen Schleim bedingt. Auch Eſſigſäure und das vorerwähnte Phos- phorſäurehodrat bewirken einen flockigen Niederſchlag, deren erſter im Überſchuß ſeiner Säure theilweiſe, der andere voll— kommen löslich iſt. Jodtinctur giebt einen ſchleimigen grünz lichen Niederſchlag, die überſtehende Flüſſigkeit wird dunkel— blau. Beim Aufkochen ſcheidet ſich wohl etwas Schaum ab, die filtrirte Flüſſigkeit behält im übrigen ihre früheren Reactionen. Der wäſſerige Aufguß zermahlener Buchnüſſe trübt ſich durch Eſſigſäure ſtark; der Niederſchlag ſetzt ſich jedoch nicht ab, Bleieſſig bewirkt einen weißgelblichen Niederſchlag, der auf Zuſatz von Eſſigſäure, ohne ſich zu löſen, weiß wird und ſich nunmehr vollſtändig abſetzt; auch Alkohol giebt einen weißen, ſich ſenkenden Niederſchlag; Jodtinctur ein braunes Präcipitat. Zieht man zuvor das fette Ol durch Ather aus, ſo bleiben die gedachten Reactionen dieſelben, nur wird die durch Eſſigſäure bewirkte Trübung jetzt ‚zum Niederſchlag. Phosphorſäure trübt den Aufguß, ein Über⸗ ſchuß macht ihn wieder klar; beim Aufkochen trübt ſich die Flüſſigkeit und behält filtrirt ihre Reaction auf Eſſig— ſäure. Ein warm bereiteter Aufguß von geſtoßenem Rübſamen⸗ kuchen des Handels giebt mit Eſſigſäure einen weißen, im UÜberſchuß der Säure löslichen Niederſchlag; Phosphorſäure bewirkt nur eine Trübung der gelblichen Fluͤſſigkeit; Bleieſſig bewirkt einen gelblichen Niederſchlag, der auf Zuſatz von Eſſigſäure weiß wird; Jodtinctur einen hellbraunen Nieder— ſchlag, die Flüſſigkeit nimmt eine Weinfarbe an. Alkohol ſcheidet einen flockigen Stoff ab; beim Aufkochen trübt ſich die Flüſſigkeit, wird das flockig Abgeſchiedene durch Filtra— tion entfernt, jo tritt auf Zuſatz von Eſſigſäure kein Nieder ſchlag mehr ein. Die 24 Stunden über den Rübſamenkuchen geſtandene trübe Flüſſigkeit läßt einen ſchwachen gelblichen Niederſchlag fallen, der ſtark nach Rettig riecht, giebt indeß mit den er= wähnten Reagentien geringere Niederſchläge. Geſtoßene Rüb— ſamenkörner zeigen dieſelben Reactionen wie die Rübkuchen des Handels; geben jedoch mit Phosphorſäure einen weißen, 149. VI. 9. 134 im Überſchuß der Säure löslichen Niederſchlag. Der Auf: guß riecht wie Rettig, verliert indeß dieſen Geruch, wenn man ihn aufkocht, wobei ebenfalls ein weißer geronnener Stoff erſcheint. Ein Aufguß noch nicht gekeimter Gerſte wird durch Eſſigſäure und Phosphorſäure, gleichviel in welcher Menge hinzugefügt, getrübt; Bleieſſig giebt einen reichlichen, weißen, flockigen, in Eſſigſäure löslichen Niederſchlag, auch Alkohol ſcheidet einen flockig ſchleimigen Niederſchlag ab, etwas Jod— tinctur giebt der Flüſſigkeit eine Weinfarbe. Ein friſch und zwar kalt bereiteter Aufguß gekeimter Gerſte giebt mit Eſſigſäure einen ſchwachen, weißen, flockigen, im Über⸗ ſchuß der Säure unlöslichen Niederſchlag; Phosphorſäure bewirkt eine im Überſchuß der Säure wieder verſchwindende T Trü⸗ bung; Bleieſſig einen ſchwach gelblichen, reichlichen, in Eſſig— ſäure faſt vollſtändig löslichen Niederſchlag, das rückbleibende Präcipitat iſt weiß und ſeine Menge beträchtlicher, wie des durch die Eſſigſäure ſelbſt bewirkten Niederſchlags. Alkohol giebt einen geringen weißen Niederſchlag, Jodtinctur bewirkt keine Veränderung. Schon bei 80% C. trübt ſich die Flüſſigkeit, aufgekocht ſcheidet ſie reichlich weiße Flocken ab, und Eſſigſäure wie Alkohol bewirken ferner keine Trübung; Bleieſſig fällt fte indeß noch immer, der Niederſchlag iſt jetzt vollkommen weiß und in Eſſigſäure vollkommen löslich. Der 24 Stunden an der Luft geſtandene Aufguß gekeimter Gerſte wird, ob— ſchon keine Veränderungen an ihm wahrzunehmen ſind, durch Eſſigſäure nicht mehr gefällt. Die kleinen Wurzeln der gekeimten Gerſte für fi) / Stunde lang mit Waſſer macerirt, geben eine Flüſſigkeit, die ſich durch Eſſigſäure, gleichviel in welcher Menge zugeſetzt, trübt, durch Alkohol nicht verändert wird und durch Bleieſſig einen reichlichen in Eſſigſäure unlöslichen Niederſchlag liefert. Ein Aufguß von gekeimtem Weizen verhielt ſich ganz ſo wie von nicht gekeimtem Weizen; die Keimung war, ſo— bald das Würzelchen erſchien, unterbrochen worden, das Mehl entſprach dem Mehle, die Kleie der Kleie. Der Verf. wiederholte den Verſuch, wartete aber, bis ſich die Blatt— knoſpe entwickelt hatte. Ein Aufguß des Mehls ward jetzt durch Eſſigſäure und Phosphorſäure nicht getrübt, vielmehr noch klarer; auch Bleieſſig, Alkohol und Jodwaſſer waren ohne Einfluß. Ein Aufguß der Kleie ſammt Mehl und Keim ward durch Eſſig und Phosphorſäure ebenfalls nicht gefällt, gab aber mit Bleieſſig einen reichlichen, gelben, in Eſſigſäure unlöslichen Niederſchlag. Ein 48 Stunden an der Luft geſtandener Legumin— aufguß coagulirt beim Aufkochen nicht und wird nach wie vor durch Eſſigſäure gefällt; vermiſcht man den Aufguß in— deß mit einem Rübſameninfuſorium, ſo wird das Legumin beim Aufkochen vom Albumin des Roggens mit fortgeriſſen, und Eſſigſäure bewirkt nun keine Truͤbung mehr; und ſo erklären fich, denn die widerſprechenden Angaben von Du— mas und Liebig in Betreff des Legumins; nach erſterem fol ſelbiges beim Kochen abgeſchieden werden, nach letzterem ſich nur ein dünnes, ſich erneuerndes Häutchen auf der Oberfläche bilden. Dumas hat, wie der Verf. vermuthet, mit einem 9 * 135 eiweißhaltigen Samen gearbeitet. Sobald die Leguminlöſung aufgekocht worden oder nur 24 Stunden an der Luft ge— ſtanden hat, giebt fie überdies mit Eſſigſäure einen im Überſchuß nicht mehr löslichen Niederſchlag, und fo kommt es vielleicht, bemerkt der Verf., daß Liebig den eſſigſauren Niederſchlag im Überſchuß der Säure als unauflöslich be— ſchreibt. Der letztgenannte Niederſchlag kann alſo für ſich allein eine Verfälſchung des Cerealienmehles mit Leguminoſenmehl nicht entſcheiden. Der eſſigſaure, auf einem Filter getrock— nete Niederſchlag des Legumins erſcheint als dünne, durch— ſichtige, glänzende, kaum ſichtbare Schicht, nimmt aber, nach einander Salpeterſäure und Ammoniakdämpfen ausgeſetzt, eine ſchön zeiſiggrüne Farbe an; der Niederſchlag von Erbſen und Schminkbohnen färbt ſich dunkelgelb, welche Reaction, wie der Verf. meint, dem Legumin eigen iſt und bei den Feldbohnen und Wicken, die noch einen beſonderen, dem Niederſchlage beigemiſchten Stoff beſitzen, nur durch letzteren verſteckt wird. Der Verf. erwähnt darauf der von Donny gegebenen Prüfungsmethode, die ihm, wenn ſie, was indeß unerläßlich iſt, durchaus genau befolgt wurde, immer richtige Reſultate gewährte und eine Verfälſchung mit 10 Proc. Bohnenmehl ſicher nachwies. Mareſka theilt im Journal de pharma- cie de Paris Donny's Verfahren mit, hat aber die Be— handlung des alkoholiſchen Extractes mit Ather weggelaſſen und damit das ganze Verfahren ſelbſt bei einer Verfälſchung mit 10 Proc. Bohnenmehl unbrauchbar gemacht, weil in dem alkoholiſchen Auszuge eine in Ather lösliche Subſtanz vor— kommt, die, wenn ſie nicht entfernt wird, die Reaction der Salpeterſäure und Ammoniakdämpfe auf Feldbohnen und Wicken eine purpurrothe Färbung verdankt. Andere Che— miker hielten es für genügend, das Mehl mit Alkohol aus— zuziehen, die Slüfjigkeit zu verdampfen und auf den Rückſtand nach einander kochende Salpeterſäure und Ammoniakflüſſig— keit wirken zu laffen, aber auch ſie haben ſich geirrt; ſelbſt wenn man den alkoholiſchen Auszug zuvor mit Ather behan— delt, erhält man kaum bei 10 Proc. Feldbohnen deutliche Reaction, wogegen die Donny'ſche Methode genau befolgt, 119 nee 136 immer ſichere Reſultate liefert. Um die Verfälſchung des Mehls durch Salpeterſäure und Ammoniakdämpfe direct zu ermitteln, muß man nach dem Verf. eine ſehr dünne, auf einem Teller gleichmäßig vertheilte Mehlſchicht anwenden, die Säure darf nicht bis zum Kochen erwärmt werden und nur ſo lange einwirken, bis das von den Dämpfen zunächſt berührte Mehl ſich gelb färbt; ſo erkannte der Verf. eine Beimiſchung von 10 Proc. Bohnenmehl immer mit Sicherheit. In einer Nachſchrift gedenkt der Verf. der von Bouſ— ſingault angeſtellten Verſuche, nach welchen dieſelbe Wei— zenart, gleichgültig ob auf magerem Felde oder in ſtark gedüngter Gartenerde gewachſen, nahebei gleichviel unorgani— ſche Stoffe enthielt, wogegen der Gehalt von ſtickſtoffhaltigem Stoff ſehr verſchieden war, der erſtere Weizen 2,29, der andere 3,51 Proc. Stickſtoff enthielt. Die ganzen Weizen— körner dom Jahre 1847, deren Mehl dem Verf. durchſchnitt— lich von 5 Grammen 0,037 Aſche lieferte, gab, bei 1000 C. getrocknet, von einer gleichen Menge 0,110 Rückſtand, alſo 2,2 Proc. Aſche, wogegen der braune Weizen von 1843 von 5 Grammen nur 0,105 Aſche lieferte, obſchon eine gleiche Menge ſeines Mehles 0,042 feſtere Stoffe beſaß, weil die Kleie des letzteren Weizens älter und mürber, leich— ter zermahlen ward und mit durchs Sieb ging; demnach iſt auch dieſer Umſtand bei der Mehlprüfung nicht außer Acht zu laſſen. Miſcellen. 20. Die braune und weiße gemeine Eule iſt lange nicht ſo ſchädlich, wie man noch häufig glaubt, ſollte vielmehr, da fie hauptſächlich von Mäuſen und Ratten lebt und nur in feltnern Fällen kleinere Vögel und Fiſche tödtet, billigerweiſe gehegt werden. Beide Culeuarten ſcheinen feindlich gegen einander zu fein, indem vier weiße Eulen, in deren gemeinſchaftlichen Käfig man eine braune Eule brachte, letztere wüthend anfielen und binnen kurzem tödteten. (The Gardner's Chronicle, No. 46. 1847.) 21. Ein Strom heißen Waſſers verläuft, nach Maus ry's Beobachtungen, von den Kitten China's nach der Nordweſt⸗ füfte America's. Eine chineſiſche Jonke kam vor drei Jahren, von ihm fortgeriſſen, an das Geſtade America's; ſeine Geſchwindigkeit ſcheint 60 Meilen den Tag, alſo etwa 4 Kilometer die Stunde zu betragen. Die Winde find an der Dftfüfte America's ungleich heftiger, als an der Weſtküſte Africa's. (L'Institut, No. 737. 1848.) Ge i I fun d e. (XV.) Kliniſche Unterſuchungen über die An— äſtheſie, nebſt phyſiologiſchen Betrachtungen über das Empfindungsvermögen. Von J. H. S. Beau. Ich gedenke in dieſer Arbeit nachzuweiſen, daß der allgemeine Verluſt des Empfindungsvermögens bei manchen Krankheiten etwas ſehr gewöhnliches iſt, was bis jetzt der Aufmerkſamkeit der Arzte entging. Dieſe Anäſtheſie zerfällt ferner in zwei deutlich verſchiedene Arten, welche man bisher mit einander verwechſelt hat, und vermöge deren ſich neue und ſcharf unterſcheidende Kennzeichen zwiſchen dem Gefühle, welches den Schmerz und demjenigen, welches die Taftper- ception vermittelt, feſtſtellen laſſen. Die erſte Krankheit, welche wir in dieſer Beziehung betrachten wollen, iſt die Bleivergiftung. 1) Anäſtheſie bei Bleivergiftungen. Die meiſten Schriftſteller erklären dieſe Art von Anäſtheſie für ziemlich ſelten; ſie ſoll nach ihnen nur vorkommen, wenn der Patient der ſchädlichen Einwirkung des Giftes lange ausgeſetzt geweſen iſt und namentlich an heftigen Koliken gelitten hat. So behauptet Hr. Tanquerel des Planches in ſeinem Traité des maladies de plomb, T. II, p. 201, daß unter 2160 Patienten nur 11 (½0% ) an allgemeiner Anäſtheſie gelitten hätten. Allein die Anäſtheſie ift bei den Bleikrankheiten keines- 137 wegs ein ſo ſeltenes Symptom, ſondern, ſo zu ſagen, die Regel. Bei folgender Gelegenheit verfiel ich darauf, nähere Unterſuchungen über dieſen Gegenſtand anzuſtellen. Im Januar d. J. kam ein Häuſeranſtreicher, der mit ſehr ſtark markirter Bleikacherie behaftet war, im Hoötel-Dieu unter meine Behandlung. Er machte uns darauf aufmerk— ſam, daß der obere und innere Theil ſeines linken Schenkels durchaus gefühllos ſei. Man konnte in der That die Haut in dieſer Gegend heftig kneipen und in dieſelbe ſtechen, ohne daß der Kranke den mindeſten Schmerz fühlte, und eben ſo wenig fühlte er, daß man ihn berühre, wenn man mit dem Finger leicht über die bezeichnete Stelle hinſtrich. Der Pa— tient behauptete, an andern Körpertheilen des Gefühlsver— mögens nicht beraubt zu ſein; allein als ich ihn an ver— ſchiedenen andern Stellen kneipte und ſtach, empfand er eben ſo wenig Schmerz, obwohl er fühlte, daß man ihn kneipte und ſtach, und wirklich war an dieſen Stellen das Taſt— gefühl keineswegs aufgehoben, indem ſelbſt eine leiſe Be— rührung dem Kranken nicht entging. Ich forſchte dieſer Sache weiter nach, wozu mir zwei andere mit Blei vergiftete Subjecte, die ſich gerade unter meiner Behandlung befanden, Gelegenheit boten. Auch dieſe konnte ich an verſchiedenen Körpertheilen, namentlich den Armen, kneipen und ſtechen, ohne daß ſie Schmerz empfan— den, während ſie doch die Berührung mit der Stecknadel und den Fingern, ja ſelbſt mit einer Federfahne deutlich fühlten. Seitdem ſetzte ich meine Forſchungen an wenigſtens 30 Patienten der Art fort, und bei allen zeigte ſich eine mehr oder weniger vollſtändige Anäſtheſie, wenngleich meh— rere derſelben nur kurze Zeit und in geringem Grade an Bleivergiftung litten, und manche nicht mit Kolik, ſondern mit Dyspepſie ohne Kolik behaftet waren. Ich will nun von den Hauptkennzeichen und Varietäten der von Bleivergiftung herrührenden Anäſtheſie handeln. Wir finden bei dieſer Krankheit zwei Arten von Anä— ſtheſie, die Unempfindlichkeit gegen Berührung und die gegen Schmerz. Die erſtere könnte man paſſend Anäſtheſie, die letztere Analgeſie nennen. Der letztere Name findet ſich ſchon in Caſtelli's Wörterbuch in dieſem Sinne. Die Anäſtheſie gegen Berührung iſt ſelten, und ich habe dieſelbe nur bei vier unter allen von mir unterſuchten Patienten getroffen. Sie iſt an den von ihr betroffenen Stellen ſtets von der Anäſtheſie gegen Schmerz begleitet. Die damit behafteten Individuen fühlten die Berührung mit irgend einem Körper durchaus nicht. Man konnte ſie be— taſten, kneipen, ſtechen, ohne daß ſie Schmerz oder Berüh— rung empfanden. Dieſe Art von Anäſtheſie iſt partiell und nimmt nie einen bedeutenden Theil der Körperoberfläche ein. Bei dem einen Patienten fand ſie, wie wir geſehen, am linken Schenkel, bei den übrigen an den Ober- oder Unter— armen Statt. Unlängſt iſt mir auch ein Patient vorgekom— men, bei welchem die beiden Beine gegen Berührung und Schmerz, die Arme dagegen nur gegen Schmerz unempfindlich waren. — Die Anäſtheſie gegen Berührung bezeugt einen weit ſtärkern Grad von Vergiftung, als die Anäſtheſie gegen Schmerz. Dieſe Anäſtheſie gegen Schmerz (Analgeſie) iſt, wie geſagt, 119. VI. 9. 138 bei allen Patienten, welche gegen Berührung unempfindlich ſind, conſtant vorhanden. Das Gefühl des Schmerzes iſt alsdann entweder völlig aufgehoben oder nur mehr oder weniger abgeſtumpft. Im erſtern Falle kann man, wie geſagt, die Haut heftig kneipen und ſtechen, ohne daß Schmerz entſteht. Iſt dieſe Art von Anäſtheſie allein vorhanden, fo fühlen die Patienten jedoch die Berührung mit den Nägeln oder der Nadel. Die Kranken werden daher nicht von ſelbſt behaupten, gewiſſe Körpertheile ſeien gefühllos. Man muß ſich durch Verſuche überzeugen, ob ſie Schmerz zu empfin— den vermögen, und man wird ſich dann leicht überzeugen, ob dies der Fall iſt, oder nicht. Ich habe ferner beobachtet, daß, wenn Anäſtheſie in Bezug auf Schmerz vorhanden iſt, die Kranken, ſelbſt an den ſonſt kitzlichſten Stellen, z. B. an den Fußſohlen, gegen das Kitzeln unempfindlich ſind. Dieſe Art von Anäſtheſie kann ſich über die geſammte Hautoberfläche erjtredfen. An den Ertremitäten iſt fie ge wöhnlich auffallender, als am Rumpfe und am Kopfe, und beſonders häufig iſt ſie an den Armen wahrzunehmen. Sie iſt jedoch nicht lediglich auf die Haut beſchränkt, ſondern kann ſich auch auf die Schleimhäute, beſonders auf diejeni— gen erſtrecken, welche für gewöhnlich am empfindlichſten find. Wenn man in dieſem Falle das Zäpfchen, den isthmus des pharynx, kitzelt, jo entſteht kein Anfall von Würgen. Man kann eine Flaumfeder in die Naſenhöhlen einführen, ohne daß Nieſen entſteht; den Augapfel berühren, ohne daß das Auge zu thränen beginnt. Zuweilen kann man ein Körn— chen Schnupftabak auf die Bindehaut legen, ohne daß ein anderes Gefühl, als das der Anweſenheit eines fremden Kör— pers erzeugt wird. Allein bei allen dieſen Manipulationen fühlt der Patient die Berührung des Zäpfchens ꝛc., ohne daß jedoch die unangenehme Empfindung Statt fände, welche dieſe Berührung begleitet, wenn ſich der Organismus in ſeiner normalen Beſchaffenheit befindet. Die durch Bleivergiftungen veranlaßte Anäſtheſie iſt, fo lange die letztere anhält, unausgeſetzt vorhanden und ver— liert ſich allmälig mit der kachektiſchen Geſichtsfarbe und mit der Rückkehr der Eßluſt und der Verdauungskräfte. Tritt zu der Analgeſie die Anäſtheſie gegen Berührung hinzu, To dauert jene länger, als wenn ſie allein vorhanden iſt. Es ſind mir Fälle vorgekommen, in denen die Analgeſie binnen ſechs Tagen durch eine paſſende Behandlung gehoben wurde; in andern Fällen gehörten 12 — 15 Tage zur Erlangung dieſes Reſultates. Im allgemeinen kehrt die Fähigkeit Schmerz zu empfinden um ſo ſchneller zurück, je weniger alt die Krankheit und je jünger der Patient iſt. Der Verluſt des Gefühls für Schmerz findet jedoch bei Bleivergiftungen nur in Betreff des Fünftlich hervorge— rufenen Schmerzes Statt, während von ſelbſt entſtehende Schmerzen unter ſolchen Umſtänden oft in einem ſehr hohen Grade empfunden werden. Es finden in der That bei dieſer Krankheit Kolikſchmerzen, Arthralgien ꝛc. Statt, welche oft ſo heftig ſind, daß die Patienten laut aufſchreien, und auch bei denjenigen Kranken vorkommen, welche gegen künſtlich veranlaßten Schmerz theilweiſe oder ganz gefühllos ſind. 139 Von der Anäſtheſie bei der Hyſterie. Herr Gendrin hat zuerſt nachgewieſen, daß die Anäſtheſie ein conſtantes Symptom der Hyſterie iſt. Es geſchah dies in einem Briefe vom 11. Auguſt 1846 an die königliche Aka— demie der Mediein. Unlängſt hat Hr. Henrot dieſes Thema in ſeiner Inauguraldiſſertation (Theses de Paris, 1847, No. 150) weiter ausgeführt. Meine Erfahrungen ſtimmen durchaus mit der Anſicht überein, daß die Anäſtheſie bei der Hyſterie ſtets vorhanden ſei; aber ich habe überdies bemerkt, daß dieſe Anäſtheſie, wie die bei Bleivergiftungen vorkommende, ſtets eine ſolche in Bezug auf den Schmerz iſt, ſei es nun, daß ſie mit einer ſolchen in Bezug auf die Berührung verbunden (wel— cher Fall indeß ſelten iſt und nur bei ſehr heftigen Blei— vergiftungen vorkommt) oder daß das Gefühl in Beziehung auf Berührung noch vorhanden iſt, was bei den meiſten Patienten Statt findet. Übrigens iſt die Anäſtheſie um fo auffallen: der, je bedeutender die Verdauungsfunctionen geſtört ſind. Hinſichtlich der Charaktere und des Sitzes zeigt ſich die Anäſtheſie bei der Hyſterie durchaus ſo, wie bei den Blei— vergiftungen. Von der Anäſtheſie bei der Hypochondrie. Unter Hypochondrie verſtehe ich keine eingebildete Krankheit, ſondern dasjenige Leiden, deſſen Hauptkennzeichen in einer Verminderung oder krankhaften Störung des Appetites und der Verdauungsfunctionen, der Entbindung von Gaſen im Verdauungscanale, Herzklopfen, Dyspnöe, Schwindel, vor— übergehender Geſichtsverdunkelung, Geräuſch in den Arterien, Neuralgien ꝛc., ſowie in eigenthümlichen Empfindungen in ver— ſchiedenen Organen beſtehen. Hierzu geſellen ſich oft noch trübe Gedanken und übergroße Befürchtniſſe in Betreff der Gefahr des Leidens. Dieſe ſehr häufig vorkommende Krank— heit hat, je nach ihrer Form, die Namen: Hirncongeſtion, Hydrämie, Herzklopfen, Intercoſtalneuralgie, Gaſtralgie, Dys— pepſie ꝛc. erhalten. Auch bei dieſem Leiden habe ich die Anäſtheſie beob— achtet, und zwar ganz ſo, wie bei der Bleivergiftung und der Hyſterie, indem die nämlichen Stellen der Haut und der Schleimhäute davon ergriffen werden. Nur in einem einzigen Falle habe ich indeß die Abweſenheit des Empfin— dungsvermögens in Bezug auf Berührung zugleich mit der des Schmerzes wahrgenommen. Übrigens iſt dieſer Fall wohl nicht als eine ſeltene Ausnahme zu betrachten, ſondern anzunehmen, daß die Hypochondrie ſowohl die Anäſtheſie bei Berührung, als die eigentliche Analgeſie veranlaſſen könne. Vor wenigen Jahren beobachtete ich ſogar an einem Hypochondriſchen Symptome von allgemeiner Lähmung, und dennoch ward derſelbe hergeſtellt. Übrigens werden nicht alle Hypochondriſche von Anz äſtheſie befallen. Die Krankheit muß zur Erzeugung dieſes Symptomes ſchon ziemlich alt und ſtark ausgeprägt ſein. Zumal gilt dies letztere von den eigentlich nervöſen Sym— ptomen, z. B. den Neuralgien, ſowie von den eigenthüm— lichen Empfindungen, über welche manche Kranke beſtändig klagen. Es iſt wirklich eine ſonderbare Erſcheinung, daß ein 119. VI. 9. 140 übrigens völlig geſund ſcheinendes Subject durchaus keinen Schmerz fühlen kann, wenn man es kneipt, ſticht, ja mit einem weißglühenden Eiſen brennt, während es an denſelben Stellen die Berührung mit einer Federfahne gewahr wird. Im letzten Jahre hatten wir im Hoſpitale viele Hy— pochondriſche und ich daher häufig Gelegenheit, bei ihnen dieſe Analgeſie zu beobachten, welche bei gehörig ausgeprägter Hypochondrie in der Regel Statt findet. Bei einigen Pa⸗ tienten konnte ich die Krankheit bis zu deren Ende verfolgen und folglich auch wahrnehmen, daß mit der Heilung das Symptom verſchwand. Ich will hier aufs Gerathewohl zwei Fälle unter den von mir beobachteten hervorheben. 1) Ein 23jähriger Schreinergeſelle, von kräftiger Con— ſtitution, kam den 15. Juli 1847 ins Hötel-Dieu. Er gab an, er ſei ſeit etwa einem Jahre krank und ſchrieb ſein Leiden dem Umſtande zu, daß er jeden Morgen, ehe er an die Arbeit gegangen, ein großes Glas Wein von ſeinem Meiſter erhalten habe. Seitdem habe er den Appetit ver— loren, an Verdauungsbeſchwerden gelitten und an Kraft verloren. Er klagte über ſaures Aufſtoßen, Seitenſtechen (Intercoſtalneuralgie), Schwindel, Herzklopfen. In den Ca— rotiden fand ſtarkes Geräuſch Statt; in der Haut empfand er heftige Nervenſchmerzen, die ihn zuweilen des Nachts aus dem Bette trieben. Man konnte ihn heftig in die Arme kneipen und ſtechen, ohne daß er den mindeſten Schmerz empfand; allein zugleich fühlte er die leiſeſte Berührung an dieſen Theilen. Der Zuſtand dieſes Kranken wurde durch die ärztliche Behandlung einigermaßen gebeſſert; die Analgeſie war jedoch von Beſtand. 2) Ein 18jähriger Schuſtergeſelle ließ ſich im Hötel- Dieu wegen Augenſchwäche behandeln, welche das einzige bis dahin von ihm wahrgenommene Krankheitsſymptom war. Die Pupillen waren ziemlich weit, aber durchaus contractil. Wenn er winzige Gegenſtände betrachtete, verdunkelte ſich ſein Geſicht; allein andere an ihm zu beobachtende Sym— ptome bewieſen, daß dieſe Augenſchwäche nur ein Symptom der Hypochondrie ſei. Es fanden Verminderung der Eßluſt, Schwäche in den Beinen, Verſtopfung, Schwindel, Kopfweh, Klopfen und Geräuſch in den Carotiden, Intercoſtalneuralgie des 7. und 8. Coſtalnerven der linken Seite Statt; auch war das Geſicht etwas blaß. Der Kranke ſchrieb ſein Leiden allzugroßer Anſtrengung beim Arbeiten zu. — Man beob— achtete an ihm eine totale Analgeſie der Arme beim Kneipen, Stechen, Brennen, und er mußte über dieſe Gefühlloſigkeit ſelbſt lachen. Dagegen fühlte er die Berührung mit einer Federfahne, ſelbſt wenn er das Geſicht abwandte, ſehr deut— lich. Er mußte von Paris abreiſen, bevor es gelungen war, die Analgeſie zu heben. Dieſes wären die Krankheiten, bei welchen man die Anäſtheſie, insbeſondere die Analgeſie, gewöhnlich beob— achtet. Übrigens dürften deren noch mehrere exiſtiren, und ich vermuthe, daß Scorbut und pellagra, welche oft in Lähmungen ausgehen, zu dieſen gehören. Auch wäre zu unterſuchen, ob nicht etwa die Madrider Kolik, die vege— tabiliſche Kolik (colique vegetale) und das indiſche Beriberi, 141 welche mit der Bleivergiftung ſo viel Ahnlichkeit haben, mit dieſem Symptome verbunden ſind. Das nach ſtarken Verwundungen erfolgende nervöſe Delirium iſt von der An— algeſie ſicher begleitet. Dupuytren hat beobachtet, daß bei nervöſem Delirium die Patienten Bewegungen machen, welche unter andern Umſtänden gewaltig ſchmerzhaft ſein würden. Man ſieht dann mit tiefen Quetſchungen, Wunden, Knochenbrüchen ꝛc. behaftete aus dem Bette aufſtehen und im Krankenzimmer umhergehen, ohne das mindeſte Zeichen von Schmerz zu erkennen zu geben. Auf ähnliche Weiſe läßt ſich die Entſtehung gewiſſer Erſcheinungen erklären, mit deren Urſache man noch nicht hin— länglich bekannt iſt. Manche Irre, z. B. die an lypémanie (Trübſinn) leidenden empfinden bei chirurgiſchen Operationen keinen Schmerz. Hr. Nélaton theilt mir mit, er habe im Bicétre einem Irren, der nicht gelähmt geweſen, ein Bein abgeſchnitten, ohne daß derſelbe während der Operation das geringſte Zeichen von Schmerz zu erkennen gegeben habe. Dieſer Menſch hatte einige Zeit vorher das Wadenbein ge— brochen, aber deſſenungeachtet fortgefahren umherzugehen, ohne im geringſten zu bemerken, daß ihm etwas fehle. Erſt einige Tage nach dem Unfalle nahm man an der Bruchſtelle eine heftige Entzündung und Gangrän wahr, fo daß man die Amputation vornehmen mußte. Der Patient ſtarb an den Folgen der Operation. Dieſer Irre, ſowie andere Monomanen, welche gegen Schmerz unempfindlich ſind, ohne deßhalb eigentlich gelähmt zu ſein, leiden offenbar, ſo gut wie die Hyſteriſchen ꝛc., an Analgeſie. Übrigens habe ich dieſes Symptom an einem jun— gen Lypemaniſchen im Hötel-Dieu direct beobachtet. Es zeigten ſich bei dieſem Subjecte mehrere Symptome der Hy— pochondrie, z. B. Anorexie und Geräuſch in den Carotiden. Künſtlich erregten Schmerz fühlte er nicht, wohl aber Berührung. Wir können übrigens mit dieſer Erklärungsart noch mehr ausrichten und z. B. über die Unempfindlichkeit gegen Schmerz, welche bei den religiöſen Monomanien eine ſo wichtige Rolle ſpielt, einige Auskunft geben. Dieſe von Gonvulfionen befallenen Erleuchteten unter den Wiedertäufern, Quäkern ꝛc., auf welche gewiſſe religiöſe Secten mit Stolz hinweiſen, weil ſie mit Heiterkeit die furchtbarſten Qualen erduldet, waren nichts weiter als unglückliche Kranke, die neben der religiöſen Monomanie mit hyſteriſchen und hypo— chondriſchen Symptomen behaftet waren. Die Geſchichte ſelbſt liefert uns den Beweis, indem wir erfahren, daß unter den Quäkern der Cevennen viele mit Kollern im Leibe be— haftet waren“), welches bei Hyſteriſchen und Hypochondri— ſchen faſt nie fehlt. Man darf ſich alſo auch nicht darüber wundern, wenn dieſe Fanatiker an Analgeſie litten. Dieſe Unempfindlichkeit gegen Schmerz erhielt den Cha— rakter des Wunderbaren zumal dadurch, daß dieſe Patienten gegen Berührung nicht unempfindlich waren, daher niemand die Analgeſie bei ihnen vermuthete. Man betrachtete ſie alſo als ein göttliches Geſchenk, deſſen ſich jedermann durch Betrachtungen, Gebete und zumal durch anhaltendes Faſten würdig zu machen ſtrebte. Wie leicht durch ſolche *) Calmeil, de la Folie ete. T. II, p. 287. Paris 1845. 119. V. 9. 142 Übungen Hypochondrie und demnach Analgeſie herbeigeführt werden konnte, liegt auf der Hand. Mit Unrecht hat man alſo dieſe Standhaftigkeit dem feſten Willen und der Eral— tation dieſer Fanatiker beigemeſſen. Die oben erwähnten Krankheiten ſind alſo gewöhnlich von einer Anäſtheſie des Gemeingefühls begleitet, welche alle Punkte der Hautbedeckungen und die Mündungen der Schleimhäute in Anſpruch nehmen kann, ſich jedoch bejon= ders an den Extremitäten und zwar vorzugsweiſe an den Armen zeigt. Deßhalb können Subjeete, welche an obigen Krankheiten leiden, gegen chirurgiſche Operationen eben jo unempfindlich ſein, als ob ſie Atherdämpfe eingeathmet hätten. Wir haben oben eines Falles gedacht, welcher dieſen Punet außer Zweifel ſetzt. Ahnliche Fälle ſind öfters vorgekommen, ohne daß man ſich über die Urſache der Gefühlloſigkeit Rechenſchaft zu geben wußte. Ferner hat man bemerkt, daß ſolche ſchmerzloſe Operationen verunglücken, und der Grund davon liegt eben in den Umſtänden, welche die Schmerzloſig⸗ keit veranlaſſen, welche ſelbſt ein Krankheitsſymptom iſt. Die Anäſtheſie gegen Schmerz (Analgeſie) iſt häufig ohne die Anäſtheſie gegen Berührung, letztere dagegen nie ohne erſtere vorhanden. Folglich zeigt letztere einen höhern Grad von Anäſtheſie an, als erſtere. Bei der Analgeſie iſt man gegen Kneipen, Stechen, Brennen ꝛc., nicht aber gegen Berührung, unempfindlich. Doch iſt man nicht kitzelig. Das Kitzeln gehört alſo nicht dem Taſtſinne, ſondern dem Schmerze (Gemeingefühle) an, auf welche Trennung bereits Hr. Gerdy in feiner Physio- logie philosophique des sensations, Paris 1846, aufmerkſam gemacht hat. Bei der Anäſtheſie gegen Berührung iſt man in Bezug auf alles, ſowohl künſtlich erzeugten Schmerz, als in Bezug auf die Berührung mit den Inſtrumenten, mittels deren man denſelben zu erzeugen verſucht, unempfindlich. Die Analgeſie findet nur in Betreff der künſtlich er— regten Schmerzen Statt, indem bei den meiſten oben er— wähnten Krankheiten Nervenſchmerz ꝛc. zu den gewöhnlichſten Symptomen gehört. Bisher hatte man dieſe beiden Varietäten von Anäſtheſie nicht unterſchieden, ſondern angenommen, daß die Unem— pfindlichkeit gegen Schmerz die gegen Berührung ſtets vor— ausſetze. Deßhalb erſtaunte man über jene erſten Beobach— tungen der Hrn. Malgaigne und Velpeau, welche beweiſen, daß Atheriſirte hören können, was man ſpricht, fühlen können, daß man ſie berührt, und dennoch bei der Operation keine Schmerzen verſpüren. Da die pathologiſchen Beobachtungen uns nöthigen, die Anäſtheſie gegen Schmerz von der Anäſtheſie gegen Be— rührung zu trennen, ſo muß, meiner Anſicht nach, das Gefühl der Berührung von dem des Schmerzes auch in phyſiologiſcher Hinſicht geſchieden werden. Dieſe Trennung rechtfertigt ſich auch durch das Reſultat folgenden Verſuches. Wenn man ſich mit einem Lineale oder Stocke einen Schlag auf einen Leichdorn oder eine Schwiele verſetzt, ſo verſpürt man, wenn der Schlag kurz und dabei ſtark genug iſt, um Schmerz zu erzeugen, zwei von einander ſehr ver— 143 ſchiedene Empfindungen, nämlich erſt die der Berührung mit dem fremden Körper und dann den Schmerz. Die erſtere Empfindung verſpürt man in dem Augenblicke, wo der Schlag geſchieht, die letztere beginnt erſt 1— 2 Secun= den, nachdem die erſtere aufgehört hat. Die er— ſtere dauert nur ſo lange, wie der Schlag, d. h. nur einen Augenblick; die letztere iſt mehr oder weniger anhaltend, man fühlt dabei eine Art von ſich fortpflanzenden Schwingungen. Ahnliches findet Statt, wenn man ſich mit einem Meſſer ſchneidet. Auch hier empfindet man erſt die Berührung mit der in das Fleiſch eindringenden Klinge und dann den Schmerz. Zwiſchen beiden Empfindungen ver— ſtreicht eine ſehr bemerkliche Zeit. Aus dieſen Thatſachen geht die Verſchiedenheit der Em— pfindung der Berührung und des Schmerzes ganz offenbar hervor, wiewohl die Erklärung der Erſcheinung deßhalb noch nicht klar iſt. Indeß ſcheint der Schmerz durch eine res fleetirte Wirkung erzeugt zu werden. Die Empfindung der Berührung mit dem verwundenden Körper gelangt durch Schwingungen direct zu den Nervencentren und zur Per— ccption, und von da gehen die Schwingungen erſt nach der verletzten Stelle zurück, um nachmals die Empfindung des Schmerzes zu erzeugen, welche demnach das Reſultat einer reflectirten Wirkung der Gefühlsnerden wäre. In dieſer Beziehung iſt der Umſtand ſehr in Anſchlag zu bringen, daß der obige Verſuch, wenn man ſich auf einen Theil des Fußes ſchlägt, ein weit auffallenderes Re— ſultat giebt, als wenn man ſich z. B. auf die Hand ſchlägt; was offenbar daher rührt, daß die reflectirte Nervenſtrömung von dem Gehirne bis zum Fuße einen längern Weg zurück— zulegen hat, als vom Gehirne bis zu der Hand. Wenn die Füße gerade kalt ſind, ſo bemerkt man bei Anſtellung obigen Verſuches bis zum Eintreten des Schmer— zes eine ſehr lange Zwiſchenzeit, wenngleich die Empfindung des Schlages auch dann augenblicklich Statt findet. Sind die Füße ſehr kalt, ſo tritt die Empfindung des Schmerzes gar nicht ein, obwohl man die Berührung noch fühlt. Dann giebt es noch einen Grad von Kälte, bei welcher ſelbſt die Empfindung der Berührung wegfällt. Die mit dem Grade von Kälte übereinſtimmenden Grade von Betäubung des Gefühls ſcheinen hier die Verzögerung oder Aufhebung des Schmerzes zu bedingen. Mittels dieſer Hypotheſe der reflectirten Nervenſtrö— mungen laſſen ſich die verſchiedenen pathologiſchen Thatſachen, welche wir hier beſprochen haben, gründlicher erklären. 1) Es findet gewöhnlich Analgeſie ohne An- äſtheſie gegen Berührung Statt. In dieſem Falle tritt die Empfindung der Berührung, welche die reflectirte Strömung erregt, ein; aber die reflectirte Strömung ſetzt aus, und deßhalb wird kein Schmerz verſpürt. Ig eo 144 2) Wenn Anäſtheſie gegen Berührung Statt findet, ſo iſt jedes Mal auch Analgeſie vorhan— den. Das Gefühl des Schmerzes kann unter ſolchen Um— ſtänden nicht eintreten, weil dasjenige der Berührung auf— gehoben iſt, folglich auch der Reiz, welcher die dem Schmerze zu Grunde liegende Reflexion erzeugt, nicht Statt findet. Das Gefühl des Schmerzes iſt alſo ein zu dem der Berührung hinzutretendes, ein Anhängſel des letztern, und es verſchwindet demnach auch zuerſt, wenn die Nervenſtrö— mungen nicht mehr in normaler Weiſe von Statten gehen. Werden dieſelben noch mehr geſtört, ſo verſchwindet auch das Gefühl der Berührung und es findet dann vollſtändige Gefühlloſigkeit Statt. Der Zweck des Gefühls der Berührung iſt, uns von der Anweſenheit von äußern Körpern im allgemeinen in Kenntniß zu ſetzen; das Gefühl des Schmerzes dagegen be— zweckt, uns vor desorganiſirenden Körpern zu warnen und uns zu veranlaſſen, die Berührung mit denſelben aufhören zu laſſen. Es dient ferner dazu, uns vor Bewegungen und Stellungen zu bewahren, welche dem Organismus ſchädlich ſind. Wäre bei dem oben erwähnten Irren, welcher das Waden— bein gebrochen hatte, das Gefühl des Schmerzes unverſehrt geweſen, ſo würde dasſelbe ihn genöthigt haben, das Bein ruhig zu halten und der Brand würde nicht hinzugetreten ſein. Wir dürfen alſo von einem beſondern Sinne des Schmerzes reden, wie wir einen Taſtſinn, Gehörſinn ꝛc. an— nehmen. Wir können von einer Lähmung des Sinnes des Schmerzes reden, wie wir eine ſolche des Taſtſinnes und der übrigen Sinne, eine ſolche der Bewegungsfähigkeit ſtatuiren. Dieſe verſchiedenen Lähmungen können bei den oben unter— ſuchten Krankheiten ſämmtlich in ſtärkerem oder minderem Grade vorkommen; allein diejenige, welche wir am häufigſten wahr— nehmen, iſt die Anäſtheſte gegen Schmerz oder die Anal— geſie. (Archives générales de Médecine, Janvier 1848.) Miſecelle. (16) In Betreff des Blaſenſteins bei Kindern macht Hr. Guerſant darauf aufmerkſam, daß ein eigenthümlicher anatomiſcher Umſtand der Lithotritie ungünſtig ſei. In dieſem Lebensalter zieht ſich bekanntlich die Blaſe kräftig zuſammen, fo daß die darin befindlichen fremden Körper leicht aus derſelben ge— trieben werden. Da nun die Vorſteherdrüſe zugleich faſt rudimen— tär iſt, ſo ſtellt ſie dem fremden Körper kein Hinderniß entgegen, und dieſer geht daher leicht in die häutige Portion der Harnröhre über; allein ſobald derſelbe in die ſchwammige Portion gelangt iſt, bleibt er leicht ſtecken, und man muß ihn von da mit dem Blaſenräumer ausziehen, ja zuweilen ſelbſt in die Harnröhre einſchneiden, was Hr. Guerſant zwei Mal für nöthig gefunden hat. Da ſich dagegen beim Greiſe die Blaſe viel weniger kräftig zuſammenzieht, ſo werden bloß Körper von ſehr geringem Umfange ausgetrieben, welche, wenn ſie durch den Blaſenhals gegangen ſind, die ganze Bibliographiſche Neuigkeiten. F. C. Gray. — Prison Discipline in America. 8. (pp. 204, sewed, 5 sh.) London 1848. Sanitary Reform and Agricultural Improvement; or, How to Promote Health and Abundance: in Three Letters. By Chas. P. Ellerman, Esq. Letter 1. Drainage, Sewerage, Urinaria, and Cloacae. 8°. (pp. 70, sewed, 1 sh.) London 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Harnröhre bis zu deren Mündung durchlaufen können. (Gazette med. de Paris, No. 9 & 10. 1848.) W. Macleod. — The Treatment of Small-pox, Measles, Scarlet Fever, Hoo- ping Cough, Croup, Ouinsy etc. by the Water - Cure and Homoeopatlıy. 1 to the use of Families. 125. (pp. 168, cloth, 3 sh.) Manchester Etudes to ographiques, medicales et agronomiques sur le Bresil; par le do- cteur Alp. Rendu. In 8° de 16 feuilles !/. Paris 1848. (Prix 4 fr.) Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. . Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M J Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 120. (Nr. 10. des VI. Bandes.) April 1848. Naturkunde. über die Pelargonien. — Heilkunde. Peddie, Miſecellen. Bouiſſon, neue Curart bei Brüchen des Schenkelbeines. urch den After Faraday, über die diamagnetiſche Beſchaffenheit ber Flamme un 1 der Gasarten. — Miſcellen. über die Rückenmartsapoplexrlie. — Druhen, Section ½ Jahr nach dem Abgange einer invaginirten Darmportion Walker, Schädlichkeit der Kirchhöfe in Städten. — Bibliographie. Die virginiſche Nachtigall. Namiat, Rauchen von Stechapfelblättern gegen Aſthma. — Gordon, Naturkunde. XIV. über die diamagnetiſche Beſchaffenheit der Flamme und der Gasarten. Von Michael Faraday. In einem Briefe an Richard Taylor, der in No. 210 des London etc. philosophical Magazine von 1847 veröffent⸗ licht iſt, berichtet der Verfaſſer über den von Bancalari entdeckten und von Zantedeſchi näher unterſuchten Dia— magnetismus der Flamme, den er ſelbſt durch vielfache Un— terſuchungen beſtätigte und weiter entwickelte. Der Verf. benutzte ſeinen ſchon früher von ihm be— ſchriebenen großen elektro- magnetifchen Apparat; die beiden eiſernen Endſtücke, welche die kräftigen Pole bildeten, wa— ren jeder 1,7 Zoll im Quadrat und 6 Zoll lang; ihre Enden waren zugeſchärft, ſo daß die Endflächen mit den Seitenflächen der Längsachſe einen Winkel von 1000 bilde— ten, die Endſpitze ſelbſt war abgerundet. Wenn ſie einander genähert wurden, trat eine kräftige magnetiſche Wirkung ein, und der Strom wirkte in der Richtung der horizontalen Längsachſe dieſer Eifenftäbe. Ward nun eine Wachskerze in die Nähe der Strom— richtung gebracht, ſo wich die Flamme anfangs hin und her, nahm dann aber eine geneigte Stellung an, als wenn ſie von einem leichten Winde zur Seite getrieben würde, kehrte aber, ſowie der Strom unterbrochen ward, augen— blicklich in ihre normale Stellung zuruck. Die Einwirkung des Stromes war nicht ſo momentan, ſondern ſteigerte ſich erſt allmälig. Ward die Flamme ſo geſtellt, daß ſie gerade durch die magnetiſche Achſe ging, ſo ward ſie von beiden Polſpitzen zuſammengedrückt und ihre Spitze verkürzt; letztere, wie die zuſammengedrückten Seiten, brannte, von zwei von den Polen ausgehenden Luftſtrömen angefacht, lebhafter als vorher; die ſich unter der Stromrichtung befindenden Theile No. 2100. — 1000. — 120. der Flamme wurden auch hier ſeitlich abgelenkt. Mit der Verſtärkung der Flamme vermehrte ſich auch die Intenſität dieſer Erſcheinung. Ward die Flamme ſo verſtärkt, daß 2½ derſelben über die Stromachſe hinausgingen und die Pole einander bis auf 0,3 Zoll genähert, ſo ward die Flamme, ſobald der Apparat wirkte, mehr und mehr zuſammengedrückt und immer kürzer, bis ſie ſich zuletzt theilte und rechts und links von der Stromachſe zwei lange Zungen bildete; der Saum des gabelförmigen Theiles der Flamme war beſon— ders glänzend; ſowie der Strom unterbrochen ward, hörte auch augenblicklich die ganze Erſcheinung auf und erneuerte ſich wiederum beim Schließen der Kette. Ganz dasſelbe gilt von einer 6 bis 7 Zoll hohen Atherflamme; auch fie theilt ſich unter gleichen Umſtänden in zwei lange Zungen, eben fo die Flamme des Alkohols, Kohlenwaſſerſtoff- und Waſſer— ſtoffgaſes, Schwefels, Phosphors und Kamphers; je heller die Flamme, um ſo mehr ſcheint auch der Magnetismus auf ſie einzuwirken. Noch auffallender erſcheint der magnetiſche Einfluß, wenn eine grüne Wachskerze mit glimmendem Dochte zwiſchen die thätigen Pole gebracht wird: die langſame Verbrennung wird hier ſtundenlang erhalten, wobei eine dichte, aber ſchmale Rauchſäule bei ruhiger Atmoſphäre 6 bis 8 Zoll hoch aufrecht emporſteigt. Wird das Licht etwas unterhalb der Pole jo geſtellt, daß die Rauchſäule etwas ſeitlich von der Achſenlinie in die Höhe ſteigt, ſo iſt bei einer Entfer— nung von 3 bis 4 Zoll unterhalb der Pole kaum irgend ein Einfluß bemerkbar; wird die glimmende Kohle des Doch— tes indeß dem magnetiſchen Strome bis auf 1 Zoll genähert, fo weicht die Rauchſäule nach der Seite ab und verläßt, noch mehr genähert, den Docht ſogar in horizontaler Rich— tung. Wird das Licht ſo gehalten, daß die Rauchſäule durch die Stromachſe geht, und werden die Pole einander 10 147 wie vorhin genähert, jo iſt bei 4 Zoll Entfernung kein Einfluß bemerkbar; ſobald aber der warme Theil der Rauch— ſäule zwiſchen die Pole geführt wird, theilt ſich derſelbe; wird der Docht bis auf 1 Zoll genähert, ſo ſteigt der Rauch anfangs als einfache Säule gerade aufwärts, theilt ſich aber, dicht unter der Polachſe, nach links und rechts. Wird das Licht noch mehr genähert, ſo beginnt die Theilung der Rauchſäule noch früher; bei der Entfernung eines halben Zolles theilt ſich die Rauchſäule nicht nur, ſondern ſteigt ſogar nach jeder Seite des glimmenden Dochtes abwärts und biegt dann erſt wieder nach oben um, ſo die Geſtalt eines W beſchreibend. Ein glimmender Holzſpan oder ein Stückchen Feuerſchwamm zeigt dasſelbe, und ſchon ein ftarfer gewöhnlicher Magnet mit zugeſchärften, einander ſehr ge— näherten Polen genügt zu dieſem Verſuche; auch ein einzelner magnetiſcher Pol wirkt in derſelben, wenngleich ſchwächeren, Weiſe. Die Urſache dieſer Erſcheinungen mag wahrſcheinlich in der Hitze der Flamme, vielleicht aber auch auf chemiſchen Kräften beruhen, die zwiſchen allen feſten Stoffen, die mehr— fach auch in der angewandten Flamme vorhanden, und der umgebenden Luft magnetiſch thätig ſind; und ſo mag hier ſowohl die Temperatur, als chemiſche Action, der feſte Zu— ſtand eines Theils der Stoffe und die entgegengeſetzte Be— ſchaffenheit der Luft von Einfluß ſein. Die Drähte eines Elektrometers und Galvanometers, an verſchiedenen Stellen mit der Flamme zuſammengebracht, deuteten bei ſämmtlichen Verſuchen nicht auf die mindeſte Spur von Elektricität. Um zu ſehen, ob bei Abweſenheit der Flamme oder einer ſonſtigen Wärmequelle ein Luftſtrom zwiſchen den Polen Statt findet, näherte der Verf. zwei Papierſtreifen, von denen der eine in concentrirte Salzſäure, der andere in Atzammoniak getaucht war, einander und fand, daß auch der ſich hier entwickelnde Nebel von der magneti— ſchen Kraft ſchwach afficirt ward; demnach konnte kein Luft— ſtrom zugegen ſein, vielmehr war der Dampf ſelbſt, und wie der Verf. glaubt, durch die in ihm enthaltenen feſten Theilchen diamagnetiſch. Dagegen treten, ſobald eine Flamme oder ein glimmendes Licht zwiſchen die Pole gebracht wird, ſtarke Luftſtröme ein; dieſe verlaufen längs der Oberfläche der Pole, verlaſſen dieſelbe, in der Achſenlinie mit einander verbunden (2), an der entgegengeſetzten Seite und treffen, parallel mit der Achſenlinie verlaufend, auf die entgegen— geſetzten Seiten der Flamme, verbinden ſich, ihr Nahrung gebend, mit derſelben und ſtrömen dann in ägquatorialer Richtung wieder aus. Wenn die Flamme durch die Kraft dieſer Ströme und Gegenſtröme aus einander getrieben wird, ſo folgen ihr auch die Ströme, indem ſie bei einer gabeli— gen Flamme vom Pole aus abwärts und ſeitlich der Flamme zugehen. Doch wird nicht in allen Fällen dieſe Strom— richtung dieſelbe ſein, indem ihre Urſache nicht immer die— ſelbe iſt; beim glimmenden, einen halben Zoll unter der Achſenlinie befindlichen Lichte iſt es die kalte Luft der näch- ſten Umgebung, meiſtens zwiſchen dem Lichte und der Achſen— linie, welche den Strom bewirkt; im übrigen iſt ſowohl die Flamme, als der heiße Rauch ſelbſt diamagnetiſch, und beide 120. VI. 10. 148 ſtrömen, nach einem ſchon früher vom Verf. aufgeſtellten Geſetze, vom ſtärker magnetiſchen Orte dem ſchwächeren zu. Aber auch die Temperatur wirkt hierauf kräftig ein, indem erwärmte Luft dies Vermögen in viel höherem Grade als kalte Luft beſitzt. Um nun den Einfluß der Wärme auf die diamagne— tiſche Beſchaffenheit der Flamme allein zu ermitteln, brachte der Verf. einen feinen, ſchneckenförmig gewundenen Platin— draht, welcher mit den Schließungsdrähten einer galvaniſchen Batterie in Verbindung ſtand und nach Belieben zum Glü— hen gebracht werden konnte, zwiſchen die magnetiſchen Pole. Wenn ſich der Draht unterhalb der Achſenlinie befand, ſo ſtieg der heiße Luftſtrom, jo lange der Apparat unthätig war, in gerader Richtung zwiſchen den Polen empor und ließ ſich über denſelben durchs Thermometer erkennen; ſobald der Magnet in Thätigkeit geſetzt ward, theilte ſich indeß der Strom in zwei ſeitliche, von der Achſenlinie aufſteigende Luftſtröme, während noch ein dritter abſteigender Strom von den Polen zum Drahte ging. Die heiße Luft iſt demnach mehr diamagnetiſch als kalte Luft, woraus der Verf. wie— derum ſchließt, daß erſtere ſelbſt gegen letztere magnetiſch wirken muͤſſe, was ein Verſuch mit erkalteter Luft zwiſchen den magnetiſchen Polen entſchieden beſtätigte, indem der kalte Luftſtrom von denſelben angezogen ward (2). Die größere, durch die Wärme erfolgte Ausdehnung der Luft iſt indeß, wie der Verf. glaubt, nicht die einzige Urſache dieſer Erſcheinung, eine verdünnte Luftmaſſe müßte vielmehr, wie man vermuthen ſollte, ſchwächer diamagnetiſch als eine dichte Luftmaſſe wirken; auch müßte die Luft, wenn fie ein zur magnetiſchen Reihe gehörender Körper wäre, nach dem Grade ihrer Verdünnung gegen gewöhnliche Luft dia— magnetiſch erſcheinen, wie des Verf. Verſuche mit Sauerſtoff und Stickſtoff nicht beſtätigen; dagegen unterſcheiden ſich, nach des Verf. Beobachtungen, die gas- und dampfförmigen Körper dadurch ſehr von allen übrigen Stoffen, daß bei ihnen mit dem Erwärmen auch ihr diamagnetiſcher Zuſtand geſteigert wird. Nach dem Verhalten der Flamme, des Rauchs und der Luft vermuthete der Verf. auch bei andern gasartigen Körpern ähnliche Erſcheinungen: zu dem Ende ließ er Gas— arten, je nachdem ſie leichter oder ſchwerer als Luft, aus einer Wulfſchen Flaſche mit 3 Tubulis auf- oder abwärts durch die magnetiſche Achſe ſtreichen, oder ließ auch die Salzſäure und das Ammoniak unmittelbar aus dem Retorte— halſe hervorgehen. Die Wulfſche Flaſche war ſo einge— richtet, daß, je nach der Menge des zufließenden Waſſers, die Quantität des ausgetriebenen Gaſes zu beſtimmen, wie deſſen Austritt zu reguliren war. Ein Gasſtrom, der in der Minute 12 Cubikzoll brachte, war für des Verf. Apparat der paſſendſte. Um zunächſt die Stromrichtung zu erfahren, ſchien dem Verf. eine ſchwache Ammoniakentwicklung nicht zu genügen, weil die Wolke von Chlorammonium ſelbſt diamagnetiſch, auch die Luft zwiſchen den Polen zu ſehr bewegt iſt; er half ſich deßhalb durch folgende Vorrichtung: drei Röhren von dünnem Glaſe, ſo lang und dick wie ein Finger, wurden an beiden Enden offen fo auf kleine Stative 149 befeftigt, daß ſie beliebig unter oder über die magnetifchen Pole placirt werden konnten; über den Polen ward die eine in die Achſenlinie, jede der andern zur Seite geſtellt, bei ſchwerem Gaſe unter den Polen angebracht, ward das tiefere Ende, um die Beobachtung zu erleichtern, etwas nach oben gebogen. Das an den Polen frei werdende Gas enthielt eine Spur von Salzſäure, da ein mit letzterer getränktes Papier in die Röhre, aus der das Gas hersvorſtrömte, geſchoben worden; um nun zu ſehen, durch welche der drei aufgeſtell— ten Röhren der Gasſtrom gehe, ward ein Stück in Ammo— niakflüſſigkeit getauchtes Fließpapier durch einen Kupferdraht in jede dieſer Röhren aufgehängt, wo leichte Salmiaknebel die Röhren, durch welche der Gasſtrom ging, bezeichneten. Um eine Bewegung der Luft von außen her zu vermeiden, wurden die magnetiſchen Pole ſeitlich durch einen oben offnen Kaſten von dünnen Glimmerplatten geſchützt. Der Erfolg war großartig. Zunächſt ward ein Strom von Luft auf die Achſen— linie gerichtet; er zeigte ſich in der über ihm befindlichen Röhre, änderte auch ſeine Richtung, der Apparat mochte thätig ſein oder nicht, in keiner Weiſe, bewies ſomit, daß die Vorrichtung brauchbar und gegen Verſuchsfehler ge— ſichert war. Von unten entwickeltes Stickgas ging anfangs Direct durch die Achſenlinie in die oben angebrachte mittlere Röhre; ſowie der Apparat in Thätigkeit geſetzt ward, vertheilte er ſich auch in die beiden ſeitlichen Röhren. Das Stickgas iſt demnach gegen atmoſphäriſche Luft diamagnetiſch; da nun letztere aus ¼ Stickgas beſteht und nur Y, Sauerſtoff enthält, ſo muß dieſer in ſeinen magnetiſchen Beziehungen ſehr von jenem abweichen, und wirklich erſchien ein, nach abwärts entwickelter, Strom von Sauerſtoffgas, der magne— tiſche Apparat mochte thätig ſein oder nicht, unverändert in abſteigender Richtung; ward aber der Sauerſtoffſtrom ſeit— lich von der Achſenlinie entwickelt, ſo ging er bei unthäti— gem Apparate wie vorhin gerade abwärts, wandte ſich aber, während der Apparat wirkte, der Achſenlinie zu. Ob er dar— nach in atmoſphäriſcher Luft magnetiſch, oder nur weniger diamagnetiſch als dieſe iſt, wird der Verf. ſpäter beweiſen. Das Waſſerſtoffgas erwies ſich als ſehr diamagnetiſch, ward, trotz ſeines in Luft kräftig aufſteigenden Stromes, durch die magnetiſche Kraft ſtark abgelenkt und in äquato— rialer Richtung weiter geſchickt; aus ihm erſieht man, wie nicht nur feſten, ſondern auch gasförmigen Körpern in ver— ſchiedenem Grade diamagnetiſche Kräfte eigen ſind. Das Kohlenſäuregas ward nach abwärts etwas ſeitlich von der Achſenlinie entwickelt und eine der zum Auffangen beſtimmten Röhren ſo geſtellt, daß es im unthätigen Zuſtande des Apparates im rechten Winkel auf die Längsachſe des— ſelben fallen mußte; ſowie der Magnet wirkte, verließ der Strom ſeine verticale Richtung, ging äquatorial und gelangte fo in die eben erwähnte Röhre; wird, ein Glas mit Kalk— waſſer unter die eine etwas geſenkte Offnung derſelben ge— bracht, ſo trübte ſich das Waſſer augenblicklich, während es, wenn der magnetifche Apparat unthätig war, vollkommen 120. VI. 10. 150 klar blieb. magnetiſch. Kohlenſäurefreies Kohlenorydgas, als abſteigender Strom verwandt, erwies ſich als ſehr diamagnetiſch; ſeine der at— moſphäriſchen Luft ſo nahe ſtehende ſpeeifiſche Schwere machte indeß die Beſtimmung unſicherer; dennoch hielt der Verf. es für diamagnetiſcher, als das Kohlenſäuregas. Das Stickorxydulgas (nitrous oxide) war in der Luft deutlich, aber nur mäßig diamagnetiſch; Stickorydgas (nitrie oxide), ſowohl als auf- wie abwärtsſteigender Strom ver— wandt, ließ kaum eine magnetifche Beſchaffenheit erkennen, und auch dieſe konnte vielleicht den Nebeltheilchen, welche fie anzeigen ſollten, angehören; auch ſalpeterſaures Gas (ni- trous acid) ließ nur mit Mühe eine magnetiſche Beziehung zur Luft wahrnehmen. N Olbildendes Gas war bedeutend diamagnetiſch, eben ſo leichtes Londoner Steinkohlengas; auch ſchwefligſaures Gas iſt in der Luft diamagnetiſch; Ammoniak, noch beſſer Lak— muspapier, zeigte die Richtung ſeines Stromes an. Salz— ſaures Gas, direct in die Entwicklungsröhre getrieben, zeigte eine ſtark diamagnetiſche Reaction; auch Jodwaſſerſtoffſäure erſchien in der Luft diamagnetiſch, Kieſelflußſäure desgleichen. Ammoniakgas zeigte ſich ebenfalls diamagnetiſch; es ward unmittelbar aus der Retorte entwickelt und in den Röhren, durch mit Salzſäure befeuchtete Papiere oder geröthetes Lak— muspapier nachgewieſen. Chlorgas, aus der Wulfſchen Flaſche entwickelt, war gegen Luft deutlich diamagnetiſch, eben ſo Jodgas, deſſen purpurfarbene Dampfſäule ſich, wenn die Entwicklung nicht zu lebhaft war, nach rechts und links theilte; wenn der Gasſtrom indeß allzuſtark ward, vermöge ſeiner großen Schwere durch die magnetiſche Achſe abwärts ging; auch Bromgas, noch mehr aber Cpangas, erſchien diamagnetiſch. Bemerkenswerth iſt hier, wie unter allen dieſen Gas— arten die diamagnetiſche Beſchaffenheit dem Grade nach ver— ſchieden und nur in wenig Fällen ſchwächer iſt, wie bei der Luft, die, aus Stickſtoff und Sauerſtoff beſtehend, in dem letzteren Elemente denjenigen Stoff beſitzt, der von allen am wenigſten diamagnetiſch iſt. Alle Verbindungen des Stickſtoffes und Sauerſtoffes lieferr hierfür Beweiſe; doch bieten die zum Theil von der Luft ſo wenig verſchiedene Schwere, ſowie die Unſichtbarkeit der Gaſe ſelbſt und die Schwierigheit, die Sammelröhren ſo zu richten, daß ſie den ganzen entſtandenen Strom aufnehmen, leider für die Beob— achtung ſo bedeutende Schwierigkeiten, daß der Verf. eine ganz genaue Angabe der Intenſitäten zur Zeit noch für unmöglich hält. Das einzige brauchbare Mittel, zwei Gas— arten mit einander zu vergleichen, beſteht nach ihm darin, daß man das umgebende Medium, das in dem bisherigen Verſuche die Luft ſelbſt war, durch das eine der zu ver— gleichenden Gasarten erſetzt; zunächſt wählte er hierfür die Kohlenſäure, in ihr zum Theil die vorigen Verſuche wieder— holend, indem er die Polenden, wie die übrigen Vorrich— tungen, mit einem überall ſchließenden viereckigen Kaſten von Glimmerplatten bedeckte, obigen mit Kohlenſäure füllte und von Zeit zu Zeit ſelbige erneuerte. 1 Die Kohlenſäure iſt demnach in der Luft dia— Die Luft ging durch die magnetiſche Achſe, war dem— nach weniger diamagnetiſch als die Kohlenſäure; auch Sauer— ſtoffgas ging, wie ſich erwarten ließ, durch dieſelbe. Stickgas ging äquatorial, war demnach auch in Kohlenſäure diama— gnetiſch; eben ſo Waſſerſtoffgas, ölbildendes Gas, Kohlengas, ſalzſaures und Ammoniakgas. Auch Kohlenoxydgas erwies ſich in Kohlenſäure entſchieden diamagnetiſch, hier recht deutlich den Einfluß des Sauerſtoffes bekundend, indem in gleichen Voluminibus die Kohlenſäure doppelt ſo viel Sauer— ſtoff als das Kohlenorydgas beſitzt. Stickorydul war wenig diamagnetiſch, Stickoryd gar nicht, wandte ſich vielmehr der Achſenlinie zu. Es ſcheint darnach, als wenn die Kohlen— ſäure, obſchon diamagnetiſcher als Luft, ihr dennoch, wahr— ſcheinlich ihres bedeutenden Sauerſtoffgehaltes wegen, ſehr nahe ſtände; dasſelbe ſcheint vom Stickorydulgaſe zu gelten, und doch iſt es nicht der Sauerſtoff allein, welcher hier thätig iſt, weil dann die Luft am intenſivſten wirken müßte; es ſcheint demnach, als wenn die diamagnetiſchen Kräfte hier ähnlich, wie beim Eiſen und Sauerſtoff, modificirt werden und jeder zuſammengeſetzte Körper ſeine eigene conſtante Intenſität beſitzt. Um mit leichten Gasarten erperimentiren zu können, wurden die Endſtücken des Magnetes etwas gehoben und darauf mit einer großen franzöſiſchen Glasglocke (2), welche die ganze Vorrichtung luftdicht einſchloß, bedeckt; die zum Wechſel des Gasmediums, wie zur Füllung beſtimmte Röhre mündet im Boden des Stativs der Glocke. Die zum Ver: gleiche mit dem angewandten Gasmedium entwickelten Gas— arten waren, Ammoniak und Chlor ausgenommen, wie oben mit einer Spur von Salzſäure gemiſcht. Der Verf. wandte Steinkohlengas und Waſſerſtoffgas als Medien an; in beiden Fällen ward die Stromrichtung durch Ammoniak erkannt. Luft ward in Steinkohlengas nur wenig affteirt, Sauer— ſtoffgas erſchien in dieſem Gaſe ſehr magnetiſch, es eilte mit Gewalt durch die magnetiſche Achſe, ſie umkreiſend; ein ſtarker Salmiaknebel ward von Sauerſtoff mit ſolcher Hef— tigkeit gegen die magnetiſche Sphäre geführt, daß die magne— tiſchen Pole ganz von ihm umhüllt waren. Sowie die Wirkung des Magnetes unterbrochen ward, ſank dieſe Sal— miak- und Sauerſtoffwolke, vermöge ihrer Schwere, abwärts, kehrte aber mit der Thätigkeit des Apparates wieder an ihren vorigen Platz zurück. Die Attraction der Eiſenfeile gegen den magnetiſchen Pol kann, wie der Verf. bemerkt, nicht lebhafter vor ſich gehen, wie die Attraction des Sauer— ſtoffes unter den gegebenen Verhältniſſen. Stickſtoff, ölbildendes Gas, Kohlenorydgas und Kohlen— ſäure ſind alle im Steinkohlengaſe mehr oder minder dia— magnetiſch. Die folgenden Verſuche in Waſſerſtoffgas wurden ſo ausgeführt, daß jede zu vergleichende Gasart zwei Mal, zu— erſt in dem Waſſerſtoffmedium des vorhergehenden Verſuches und darauf in einer friſchen Waſſerſtoffmenge eingeführt ward. Die Luft geht, wenn nur ſehr wenig Nebel im Waſſer— ſtoffgaſe ſuspendirt ſind, mit der Achſe des magnetiſchen Stromes, iſt viel Nebel zugegen, entweder in unbeſtimmter oder auch äquatorialer Richtung. Luft und Waſſerſtoff kön— 120. VI. 10. 152 nen demnach in ihrem diamagnetiſchen Verhalten einander nicht fern ſtehen. Stickſtoff iſt entſchieden diamagnetiſch; Sauerſtoff erweiſ't ſich dagegen magnetiſch zum Waſſerſtoffe, auch hier dieſelben Erſcheinungen wie im Steinkohlengaſe zeigend; wird der abwärts ſteigende Sauerſtoffſtrom indeß etwas ſeitlich von der Achſenlinie entwickelt, ſo wird die Centrifugalkraft des Stromes durch die Centripetalkraft der magnetiſchen Action im Gleichgewichte erhalten, der Gas— ſtrom kreiſ't erſt ringförmig um die Achſenlinie, eine Wolke bildend, die, jo lange der magnetifche Einfluß fortdauert, dieſelbe fortwährend umwirbelt, ſich aber, ſobald der Apparat außer Thätigkeit geſetzt wird, abwärts ſenkt. Nach dem Sauerſtoffe ward Stickorydulgas angewandt: ſo lange die Entwicklungsröhre noch etwas Sauerſtoffgas, das ſich mit dieſem Gaſe miſchte, enthielt, ging der Strom mit der Achſe, ſobald ſich aber unvermiſchtes Stickorydulgas entwickelte, war die diamagnetiſche Richtung nicht zu ver— kennen. Stickoxydgas iſt zum Waſſerſtoffe magnetiſch, Am— moniak, Kohlenſäure und ölbildendes Gas find in ihm ent— ſchieden diamagnetiſch, Chlor- und Salzſäuregas zeigten nur ſehr ſchwache diamagnetiſche Reactionen. Ungeachtet der ſich hie und da widerſprechenden, durch verſchiedene Urſachen bedingten Reſultate ſtellen ſich demnach mehrfache Verſchiedenheiten der Gaſe bei gleicher Temperatur heraus: ſo iſt der Sauerſtoffgas unter allen gasförmigen, vom Verf. unterſuchten Stoffen am wenigſten diamagnetiſch, wogegen das Stickſtoffgas ſehr diamagnetiſch iſt; das Waſſer— ſtoffgas iſt es in einem ſchon geringern Grade, noch minder indeß Chlor und Jod. Die Luft verdankt den Grad ihres Diamagnetismus ihren weſentlichen Beſtandtheilen, deren un— geheurer Contraſt in dieſer Beziehung dem Verf. die Mög— lichkeit ihrer Zerlegung in Sauerſtoff und Stickſtoff durch magnetiſchen Einfluß vermuthen läßt, obſchon ein derhalb angeſtellter Verſuch ihm nicht gelang. Um zu ſehen, ob ein Steigern der Temperatur auf die vorbeſchriebenen Erſcheinungen von Einfluß ſei, brachte der Verf. einen ſchneckenförmig gewundenen Platindraht vor die Mündung der erwähnten Wulfſchen Flaſche und erhitzte ſel— bigen durch eine galvanifche Batterie auf jede beliebige Tem— peratur, hierbei ließ ſich, ſowohl durch das Gefühl als ein Thermoſkop leicht entſcheiden, ob das erwärmte Gas zwi— ſchen den magnetiſchen Polen direct aufwärts ſtieg, oder ſich in zwei äquatoriale Seitenſtröme theilte. Das erwärmte Gas war in allen Fällen in der Luft diamagnetiſch, ja wie es dem Verf. ſchien, in einem noch höheren Grade, als bei gewöhnlicher Temperatur. Die Verſuche wurden mit Sauer: ſtoff-, Stickſtoff-, Waſſerſtoff-, Stickorydulgas, Kohlenſäure, Salzjaure, Ammoniak, Kohlengas und ölbildendem Gaſe angeſtellt. Dann ward der Apparat ſo eingerichtet, daß ſich der Platindraht in einem beliebigen Gaſe erhitzen ließ; ein Strom von heißem Sauerſtoffgaſe erſchien ſo, in kaltes Sauerſtoffgas geleitet, ſtark diamagnetiſch; eben ſo verhielt ſich erhitzte Kohlenſäure zu kalter Kohlenſäure; dagegen führten in gleicher Weiſe mit Waſſerſtoffgas angeſtellte Verſuche zu keinem Reſultate, indem es dem Verf., der magnetifche Ap— parat mochte thätig ſein oder nicht, ſelbſt beim Weißglühen 153 des Platindrahtes nicht gelang, den in der mittlern Glas— röhre angebrachte Thermoſkop deutlich zum Steigen zu brin— gen, eine Erſcheinung, die der Verf. dem enormen Wärme— leitungsvermögen des Waſſerſtoffes und der Nähe des kalten Eiſens der magnetiſchen Pole zuſchreibt. Auch erhitztes Steinkohlengas war gegen kaltes dia— magnetiſch; aber auch hier zeigte ſich eine ähnliche Erſchei— nung wie beim Waſſerſtoffgaſe, indem das Thermoſkop bei unthätigem magnetiſchem Apparate nicht über 3000 ſtieg, während dasſelbe erhitzte Gas in kaltem Sauerſtoffe ein Steigen bis zu 5400 veranlaßte, obſchon die Hitze des Drah— tes im letzteren Falle eine geringere war. Demnach ſind alſo Sauerſtoff, Kohlenſäure, Kohlengas und Luft in erhitztem Zuſtande diamagnetiſcher, als im kalten; da nun letztere aus ¼ Stickſtoff beſteht und den— noch in gleichem Grade wie der Sauerſtoff diamagnetiſch wird, ſo muß dasſelbe Geſetz auch für den Stickſtoff gelten. Des Vergleiches halber benutzte der Verf. auch einen anders conſtruirten magnetiſchen Apparat zu denſelben Ver— ſuchen: die beiden Endpole desſelben waren in horizontaler Richtung durchbrochen, ſo daß ein Lichtſtrahl hindurch fallen konnte; die ſich gegenüberſtehenden Seiten waren hier nicht, wie im früheren Falle, koniſch zugerundet, ſondern flach und nur an den Ecken abgerundet; das in die platte Fläche ge— bohrte kegelförmige Loch hatte ½ Zoll Durchmeſſer. Bei einer gegenſeitigen Entfernung dieſer Pole von 0,3 bis 0,4 Zoll blieb eine zwiſchen ihnen brennende Wachskerzen— flamme für die erſten Momente der Wirkſamkeit des Appa— rates unverändert, dehnte ſich dann aber plötzlich in der Richtung der Achſe aus und bildete zwei horizontale Zungen, welche in die Offnungen der Pole drangen und dieſe Stel— lung, jo lange der magnetiſche Einfluß fortdauerte, behielten, während kein Theil der Flamme eine äquatoriale Richtung annahm. Eine große, durch eine mit Ather getränkte Baum— wollenkugel erzeugte Flamme bildete dagegen zwei in äqua— torialer Richtung fortgehende Arme, während zwei andere durch die Offnungen der magnetiſchen Pole gingen und gelegentlich durch dieſelben hervorſchlugen. Auch beim glim— menden Lichte drang der Rauch, bei einer Polentfernung von 0,25 Zoll, durch die erwähnten Offnungen, eben ſo zwiſchen den Polen entwickeltes Steinkohlengas. Erwägt man die Sache genauer, ſo laſſen ſich auch dieſe Erſcheinungen ſehr wohl mit den vorigen vereinigen: der Grund von allen iſt hier wie dort das mehr diamagne— tiſche (oder weniger magnetiſche) Verhalten der Theilchen zu einander, ſo daß die minder diamagnetiſchen Theilchen die Gegend der ſtärkſten Wirkung, die mehr diamagnetiſchen aber die weniger intenfise Sphäre aufſuchen. Bei dem zus letzt beſchriebenen Apparate liegt nun die Linie der größten Intenſität nicht in der Achſe der durchbohrten Pole, ſondern in einem Kreiſe, deſſen Durchmeſſer wahrſcheinlich etwas größer als der Durchmeſſer der ganzen Pole iſt; die Linien innerhalb dieſes Cirkels müſſen, je näher dem Mittelpunkte, um ſo ſchwächer wirken. Ein heißes Theilchen wird dem— nach innerhalb dieſes Cirkels nach innen getrieben und von den ihm folgenden fortgedrängt, an dem andern Ende der 120. VI. 10. 154 Durchgänge wieder hervorkommen und ſo ſcheinbar eine der Achſe parallele Richtung annehmen, während ein außer— halb des Kreiſes der ſtärkſten Intenſität befindliches Theil— chen nach auswärts getrieben und ſo mit anderen die beiden Zungen der Flamme, die in äquatorialer Richtung gehen, bilden muß. Durch ein glimmendes Papierſtückchen läßt ſich der angenommene Kreis leicht und deutlich nachweiſen; der Rauch kann, je nachdem man den glimmenden Gegen— ſtand in- oder außerhalb derſelben führt, beliebig mit oder gegen die Achſe geleitet werden. Der Verf. bedauert dieſe Verſuche vorläufig nicht weiter verfolgen zu können. Obſchon nun für viele Gasarten ein diamagnetiſches Verhalten, wie ſich der Verf. ausdrückt, beinahe erwieſen iſt und vielleicht für alle gelten möchte, ſo iſt dennoch der Nullpunkt des Diamagnetismus noch nicht ermittelt, und ſo lange dies nicht geſchehen iſt, auch nicht mit Sicherheit anzugeben, welches Gas diamagnetiſch, welches magnetiſch wirkt und welches im Nullpunkte beider ſteht, worüber erſt weitere Unterſuchungen entſcheiden können. Der Verf. hat bisher den leeren Raum für dieſen Nullpunkt gehalten, nicht aber wie Zantedeſchi und an— dere ihn verſtanden zu haben ſcheinen, einen Indifferentismus der Gasarten gegen magnetiſche Thaͤtigkeit angenommen, vielmehr nur ſo viel ſagen wollen, daß er weder das eine noch das andere bisher an ihm beobachtet habe, wofür er mehrere Stellen ſeiner Experimental Researches anführt. Dieſe Frage iſt nunmehr zwar durch Bancalari's Ent: deckung entſchieden, wogegen der Nullpunkt ſelbſt, wie ſchon erwähnt, noch erperimental nachzuweiſen bleibt. Schließlich verſpricht der Verf. den Einfluß der Wärme, der bei den Gasarten ſo verſchieden auftrat, auch an feſten Körpern zu ſtudiren und gedenkt alsdann noch der Tempe— raturverſchiedenheit der obern und untern Lufiſchichten der Atmoſphäre und des Einfluſſes, den ſie allein muthmaßlich auf den magnetiſchen Zuſtand der Erde auszuüben vermögen. Miſeellen. 22. Die virginiſche Nachtigall (Coccothraustes indica eristata) verdient, nach Fanny Roy, mit Unrecht dieſen Namen, da ihr Geſang, einförmig und nichts weniger als ange— nehm, nicht ein Mal dem des Rothkehlchens oder der Lerche gleich— kommt. Sie ſcheint überdies ſehr ſcheu und ſchwer zähmbar zu ſein, beſticht aber für den erſten Augenblick durch die Pracht ihres Gefieders. Hirſe iſt ihr liebſtes Futter. John Abbot beſtätigt in der folgenden Nummer derſelben Zeitung das Ebengeſagte, ihr Geſang iſt, nach ihm, ein zwar nicht übeler, flötender, ſehr lauter, aber einförmiger Ton; ſie wiederholt dieſelben Noten oft acht bis zehn Mal, ehe ſie zu andern übergeht. Sie ſingt acht Monate im Jahre und würde ſich, auch nach ihm, mit unſerer Nachtigall gar nicht vergleichen laſſen. (The Gardner's Chronicle, No. 49 und 50. 1848.) 23. Die Pelargonien, deren Artenzahl ſeit 1827 fo über— mäßig vermehrt worden, ſind, nach George Goran, zum größten Theil durch Kreuzung mit andern Arten derſelben Gattung ent— ſtanden und werden in dieſer Weiſe noch immer vermehrt; das— ſelbe gilt auch von den Calceolarien, wo ſich ſogar die ſtraucharti— gen mit den krautartigen vermiſchen und ſo die Demarcationslinien der urſprünglichen Arten immer mehr verwiſchen. (The Gardner's Chronicle, No. 47. 1848.) 155 120. VI. 10. 156 Heilkunde. (XVI.) über die Rückenmarksapoplexie. Von Dr. A. Peddie. Unter obigem Titel hat der Verf. eine Überſicht der wichtigſten Beobachtungen mitgetheilt, welche in Bezug auf die innerhalb des Rückgrats erfolgten Hämorrhagien bis jetzt bekannt geworden ſind. Leider hat er die in der Höhle der Membranen beobachteten Hämorrhagien mit denen, welche im Rückenmarke ſelbſt ihren Sitz hatten, zuſammengeworfen. Demungeachtet ermangeln die allgemeinen Reſultate, zu de— nen er gelangt iſt, eines gewiſſen Intereſſes nicht, und wir theilen dieſelben daher hier mit. 1) Die Rückenmarksapoplexie kann in allen Lebens— altern eintreten, kommt aber bei Erwachſenen am häufigſten und bei Männern öfter als bei Frauen vor. 2) Sie endigt gewöhnlich mit dem Tode und ſetzt dem Leben augenblicklich ein Ziel, wenn das verlängerte Mark der Sitz der Blutergießung iſt. Hat dieſelbe jedoch in die Membranen des oberen Theiles des Rückgratscanals Statt gefunden, ſo verſtreichen bis zum Tode mehrere Stunden, ja Tage. Iſt die Blutergießung gering oder nimmt ſie, auch wenn ſie reichlicher, nur die Rückengegend ein, ſo kann der Patient noch Jahre lang leben. 3) Die Localität und Ausdehnung der Ergießung ſind ſehr verſchieden; bald findet die letztere zwiſchen die Knochen und die Membranen, bald im Innern der Membranen ſelbſt, bald unter der pia mater, aber außerhalb des Markſtranges, endlich auch wohl in die graue Subſtanz des Markes ſelbſt Statt. Die Hämorrhagien in die im eranium liegende Por— tion des Markſtranges- find ſehr ſelten, welcher Umſtand mit deren Häufigkeit an dem pons Varolii contraſtirt. In der Halsportion des Markes kommen die Hämorrhagien faft eben jo häufig vor, wie in der Rückenportion, während ſie in den Lendenwirbeln viel ſeltener ſind. Das Blut iſt zuweilen mit Seroſität vermiſcht, zuweilen fluͤſſig und ohne Beimiſchung, mehrentheils aber geronnen. Die Hämorrhagie nimmt zuweilen eine bedeutende, zuweilen eine mäßig große Strecke ein, und die im letzteren Falle vorhandenen Blutklum— ven zeigen gewöhnlich ſelbſt nach 20 — 24 Tagen keine mem⸗ branöſe Hülle. In zwei Fällen war jedoch eine ächte Cyſte vorhanden, welche in dem einen völlig leer war, und in dem andern nur geringe Überreſte eines Blutklumpens ent— hielt. Zuweilen findet die Blutinfiltration im mittleren Theile des Markes, zuweilen in einer der beiden Hälften oder auch nach deſſen ganzer Stärke Statt, ſo daß nur die Markfaſern von einander getrennt werden. In andern Fäl— len kann nur eine Portion des Markes oder das ganze Mark völlig zerriſſen ſein. In einem Falle hat man nach einer Zwiſchenzeit von 20—30 Tagen eine gelbliche Ekchy— moſe gefunden, welche ſich längs des ganzen Rückenmarks erſtreckte, und in einem andern zeigte ſich nach Verlauf von 2½ Jahre ein Theil des Markes dunkelgrün gefärbt. 4) Die Urſachen der Hämorrhagien in das Rückenmark find nur unvollſtändig bekannt. Zu den wahrſcheinlichſten prädisponirenden Urſachen gehören die ſerophulöſe und rheu— matiſche Diatheſe, die dauernden Störungen der Verdauung, frühere Anfälle von Apoplexie oder die Exiſtenz von chroni— ſchen Hirnkrankheiten. Zu den nächſten Veranlaſſungsur— ſachen kann man mit größter Sicherheit außerordentliche Anſtrengungen und äußere gewaltſame Verletzungen der Wirbelſäule rechnen. 5) Die der Hämorrhagie vorhergehenden Symptome ſind weder conſtant, noch ſcharf markirt. Gewöhnlich beob— achtet man Kopfweh, Abgeſchlagenheit, Schwäche, Schmerz in der Gegend der Wirbelſäule; Behinderung in der Be— wegung des Halſes und Schmerzen in den Oberarmen, wenn die Halsgegend betheiligt iſt; Schwäche in den Bei— nen, Ohnmachten, Schwierigkeit des Stuhlganges, wenn die Krankheit ihren Sitz in der Rücken- oder Lendengegend hat. Mehrentheils, jedoch nicht immer, tritt der Zufall plötzlich ein, indem der Schmerz in der betroffenen Gegend ſich ſteigert, worauf alsbald eine Paraplegie oder auch Con— vulſionen ohne Fieber folgen. Wenn der Tod nicht ſchnell eintritt, ſo beobachtet man krampfhafte Zuſammenziehun— gen, Gangrän in der Gegend des Seiligenbeines oder an andern Stellen und die gewöhnlichen Symptome einer Pa— raplegie als Folge der entzündlichen Erweichung des Rücken— markes. 6) Der Schmerz hat ſeinen Sitz bald an einer einzi— gen Stelle der Wirbelſäule, nämlich an der, wo die Er— gießung Statt gefunden, bald inſofern letztere eine bedeutende Ausdehnung hat, längs der ganzen Ausdehnung dieſer Säule. Er iſt beſonders acut, wenn die Hämorrhagie außer— halb des Markes eingetreten iſt und eine heftige Reizung der umhüllenden Membranen veranlaßt; dagegen iſt er dumpf, wenn der Markſtrang zuſammengedrückt und deſſen Functionen aufgehoben ſind; endlich fehlt er, wenn die Blut— ertravaſation allmälig in die graue Subſtanz eingedrungen iſt, ohne Nervenfaſern zu zerreißen und auf die Membranen nachtheilig einzuwirken. 7) Die Lähmung iſt conſtant und betrifft alle Theile, welchen unterhalb der Ergießungsſtelle Nerven vom Rücken— mark zugehen. Sie nimmt die Form der Hemiplegie an, wenn eine ſcharf begrenzte Ergießung eine einzige Seite des Rückenmarks zuſammendrückt und deren Bewegungs- und Gefühlsvermögen ſchwächt oder aufhebt. In dieſem Falle iſt die Wirkung direct. Je nach der Ausdehnung, in wel— cher die vordere oder hintere Portion des Rückenmarkes zur Mitleidenſchaft gezogen ſind, finden in Betreff des Verluſtes des Gefühls- oder des Bewegungsvermögens bedeutende Verſchiedenheiten Statt. In dieſen Fällen kann die ſoge— nannte Hemiplegie eintreten. Mehrentheils erfolgt jedoch wegen des geringen Volumens des Markes und der Nach— barſchaft der verſchiedenen Nervenſtämme eine Paraplegie, welche ſowohl die Bewegungs- als die Gefuͤhlsnerven und beide Körperſeiten betheiligt. Aus der anatomiſchen Be— 157 ſchaffenheit des Rückenmarkes erklärt ſich übrigens, wie eine Paraplegie auf eine Hemiplegie folgen kann. Neben der Lähmung der untern Extremitäten beobachtet man die des Maſtdarmes und der Blaſe. Dieſe letztere Erſcheinung geht in der Regel der Entwicklung der Paraplegie vorher. 8) Die Intelligenz iſt bei der Rüͤckenmarksavoplerie gewöhnlich nicht geſtört. Indeß tritt bei einer Hämorrhagie in das verlängerte Mark faſt immer Bewußtloſigkeit ein. Dasſelbe geſchieht, wenn die Blutergießung in der Wirbel— ſäule ſo hoch ſteigt, daß die erwähnte Portion des Markes zuſammengedruͤckt wird. Die Apoplexie der Halsportion und in der untern Hälfte des Rückenmarkes veranlaßt durch— aus keine Störung in der Reſpiration; denn obgleich die Zwiſchenrippenmuskeln und Ausathmungsmuskeln gelähmt ſind, ſo fährt doch das Zwerchfell zu wirken fort. Die Hä— morrhagie in das verlängerte Mark führt dagegen ſogleich die Aſphyrie herbei. Derſelbe Fall tritt ein, ſo oft die Hämorrhagie ihren Sitz über dem Urſprunge des nervus phrenicus hat. Es können Consoulſionen ohne Entzündung des Rückenmarks vorkommen. Was die Zuſammenziehungen, krampfhaften Verzerrungen und die tetaniſche Steifheit an— betrifft, ſo kann man ſie als Zeichen der Entzündung des Rückenmarks, welche eine Folge der Apoplerie iſt, betrachten. In der That werden meningitis und myelitis häufig durch dergleichen Blutergießungen veranlaßt, und fie können ſowohl einzeln als beide zugleich vorkommen. Daß aber der Rücken— marfsapoplerie je eine meningitis vorhergegangen ſei, läßt ſich nicht nachweiſen, während manches dafür ſpricht, daß die myelitis öfters vor der in Rede ſtehenden Apoplexie exiſtirt habe. 9) Bei chroniſchen Paraplegien, welche nach Rücken— marksapoplerien entſtehen, bemerkt man dieſelben Erſchei— nungen, wie bei den von andern Urſachen herrührenden Para— plegien; nämlich Gangrän in der Gegend des Heiligenbeines und der Trochanteren; Desorganiſation der Nieren, der Harnleiter, der Blaſe; alkaliniſchen Harn; Störungen in der Gallenfeeretion und Verdauung; Erhöhung der Tem— peratur der Haut; allmäliges und ruhiges Eintreten des Todes. 10) Obwohl kein eigentlich pathognomoniſches Zeichen der Rückenmarksapoplexie exiſtirt, ſo läßt ſich doch dieſe Apoplexie ziemlich ſicher daran erkennen, daß die unteren Kör— pertheile plötzlich gelähmt worden ſind, zumal wenn dieſer Paraplegie an einer oberhalb der gelähmten Theile liegenden Stelle ein heftiger Schmerz vorhergegangen iſt, und wenn außerdem die Intelligenz unverſehrt, das Sprechen leicht, das Geſicht beweglich, weder Fieber noch Krampf, noch Zu— ſammenziehung vorhanden iſt. Unter ſolchen Umſtänden wird man die Exiſtenz einer Blutergießung mit Sicherheit annehmen können. Das plötzliche Eintreten der Zufälle iſt das Hauptſymptom, welches die Rückenmarksapoplerie von den das Rückenmark comprimirenden Geſchwülſten unter— ſcheidet; die Unverſehrtheit der Intelligenz und die Paraple— gie begründen den Unterſchied zwiſchen ihr und den Gehirn— krankheiten, und die Abweſenheit des Fiebers im Anfang, die Abweſenheit des Schmerzes nach der vollſtändigen Aus— 120. VI. 10. 158 bildung der Lähmung; die Abweſenheit von Krampf, von Zuſammenziehung und Steifheit im Anfangsſtadium des Leidens geſtatten nicht, daß man dasſelbe mit der Entzün— dung des Rückenmarkes oder ſeiner Hüllen verwechſeln könne. (Monthly Journal of med. science, May 1847. Archives gen. de Med., Feyr. 1848.) (XVII.) Über die Anwendung des Rauchens von Stechapfelblättern gegen manche Krankheiten der Reſpirationsorgane. Von Dr. G. Namiat. „Bei dieſer Arbeit hatte ſich der Verf. vorgelegt, die Arzte darauf aufmerkſam zu machen, daß bei gewiſſen ſpas— modiſchen Leiden der Athmungsorgane, namentlich einigen Varietäten des Aſthmas, das Rauchen der Blätter von Da- tura Stramonium gute Dienſte geleiſtet habe. Er bringt in dieſer Beziehung zwei Beobachtungen bei, welche ihm Licht über die Frage zu verbreiten ſcheinen, bei welchen Abarten des Aſthmas dieſes Mittel beſonders gut anſchlage. Die erſte dieſer Beobachtungen betrifft eine Dame, welche an Schwerathmigkeit ohne Huſten und Fieber litt. Sie wurde durch ihr Leiden daran verhindert, ſich zu Bette zu legen und brachte die Nächte ſchlaflos zu. Vielerlei war ſchon ohne Erfolg verſucht worden, als man die Kranke Stechapfelblätter rauchen ließ, wodurch ihr Zuſtand ſich ſchnell in ſo weit beſſerte, daß ſie ſich alsbald nieder— legen konnte. So oft ſie nun von Erſtickungszufällen be— droht wurde, rauchte ſie eine Pfeife Stechapfelblätter, und jedes Mal ſchlug das Mittel an. Es iſt zu bemerken, daß bei dieſer Patientin Symptome von Entzündung oder Stru— cturveränderung der Reſpirationsorgane durchaus fehlten, und daß die Anfälle ohne unmittelbare Veranlaſſungsurſache eintraten, auch mehr oder weniger bald von ſelbſt verſchwan— den, wie dies bei rein krampfhaften Krankheiten der Fall zu ſein pflegt. Die zweite Beobachtung bezieht ſich auf einen Buch— händler, welcher zuweilen im Frühjahr heftige Anfälle von Aſthma bekam. Asa foetida, Brechmittel und Senf— pflafter reichten gewöhnlich zur Linderung feiner Leiden hin. In dem kalten Frühjahre von 1845 ſtellten ſich dieſe An— fälle aber in beſonderer Hartnäckigkeit ein. Der Puls ward zuſammengezogen und unregelmäßig, das Geſicht livid, die Reſpiration mühſelig und durch die Hülfsmuskeln vermittelt. Der Kranke mußte im Bette aufſitzen und war jeden Augen— blick in Erſtickungsgefahr. Es wurde ein Aderlaß von 1 87 Blut vorgenommen und Ipecacuanha gereicht, ohne daß ſein Zuſtand ſich beſſerte. Eben fo wenig ſchlugen revellirende Mittel und ein zweiter Aderlaß an. Nun entſchloß ſich der Verf. dazu, den Patienten Stechapfelblätter rauchen zu laſ— fen, und alsbald trat wie durch ein Wunder Erleichterung ein. Schon nach einer Viertelſtunde war das Athmen frei, und der Patient klagte nur noch über Mattigkeit. Am folgenden Tage wurde der Huſten, der während des Anfalls 159 felten und trocken geweſen war, häufig, feucht und catar— rhaliſch. Dann traten Fieber und die Symptome einer bronchitis ein, ohne daß jedoch die Reſpiration im gering— ſten mühſelig geworden wäre. Erweichende Tränke und Aderlaß beſeitigten dieſe Zufälle ziemlich ſchnell. Ein Jahr ſpäter trat das Aſthma wieder ein, und auch dieſes Mal wurde der Anfall durch das Rauchen von Stechapfelblättern beſeitigt, ohne daß jedoch eine bronchitis eingetreten wäre. Der Verf. iſt überzeugt, daß jedes Mal, wenn ent— zündliche Erſcheinungen vorliegen, dieſes Mittel keinen guten Erſolg geben werde. Er beruft ſich in dieſer Beziehung auf den Fall eines Notars, welcher in Folge eines Emphy— ſems und einer chroniſchen Bronchenentzündung an Dyspnöe litt und bei dem das Stechapfelblätterrauchen durchaus nicht half. Dasſelbe fand bei einem Patienten Statt, welcher an einer Krankheit der großen Gefäße litt. Mit andern Wor— ten, das Rauchen der Stechapfelblätter iſt angezeigt, wenn es ſich um eine Störung in der Thätigkeit der Nerven und der Nervencentren handelt. Jedes Mal, wenn das Aſthma wahrhaft krampfhaft iſt, ſelbſt wenn reichliche Schleim— feeretion Statt findet, kann die Datura mit Nutzen verordnet werden. Vorzüglich hat man ſich davon zu überzeugen, ob eine Complication oder materielle Veränderung der Athmungs— werkzeuge Statt finde. (Giornale degli progressi della pa- tol. e della terap., Sept. 1846.) Miſcellen. (17) Eine neue Curmethode bei Brüchen des Schenkelbeines hat Hr. Bouiſſon mit Erfolg in Anwendung gebracht. Bei dergleichen Brüchen, zumal wenn ſie ſchief ſind, ſagt Hr. B., bringe ich anfangs das Glied in halbe Beugung im Hüft— gelenke und erſt ſpäter den eine permanente Streckung bewirkenden Apparat in Anwendung. Durch die halbe Beugung werden näm— lich alle Muskeln in den Zuſtand der Erſchlaffung gebracht, wäh— rend, wenn man die Ausdehnung gleich anfangs anwenden wollte, bedeutender Schmerz und oft ſtarke Geſchwulſt erfolgen würde. Dies iſt zumal bei kräftigen Subjecten ſehr zu berückſichtigen. Am löten bis 18ten Tage nach der Verletzung findet dagegen keine 120. VI. 10. 160 krampfhafte Muskelcontraction mehr Statt; die Geſchwulſt und der Schmerz haben ſich dann gelegt, und der Proceß der Knochenver— narbung iſt im Beginnen. Dies iſt der richtige Zeitpunkt zur Anwendung der permanenten Ausdehnung, die dann erſt recht wirk— ſam wird, da die Muskeln ſich leicht ausdehnen laſſen und die Zuſammenpaſſung der Knochenenden genauer geſchehen kann. Man hat ſo dem Kranken die Schmerzen der Ausdehnung während der Periode erſpart, wo dieſelbe zur eigentlichen Zuſammenheilung doch nichts beigetragen hätte. Die Vorzüge dieſer Methode haben ſich, wie geſagt, in Hrn. Bouiſſons Praxis bereits bewährt. (Gaz. med. de Paris, 11. Mars 1848.) (18) Die Section eines Subjects, von welchem ein halbes Jahr vor dem Tode eine invaginirte Darmpor⸗ tion durch den After abgegangen und das an marasmus geſtorben war, hatte Dr. Druhen zu Beſangçon Gelegenheit vor: zunehmen. Er fand das Bauchfell mit einer großen Menge kleiner, etwas abgeplatteter, weißlicher, gleichſam ſeirrhöſer Geſchwülſte be— ſetzt. Der Magen zeigte ſich bedeutend verdickt, deſſen Gewebe ſpeckig, verhärtet und unter dem Scalpell knirſchend; das aufſtei— gende colon in der rechten fossa iliaca mittels eines harten und dichten Zellgewebes, mit dem es vollig umgeben und innig ver— wachſen war, befeſtigt. Dieſer Darm hatte ſeine natürliche Geſtalt eingebüßt, bedeutend an Durchmeſſer verloren und war welk. Eine etwa 12 Centimeter lange Portion desſelben war ſo verengt, daß fih ein mitteldicker Federkiel kaum durchführen ließ. Die Wan⸗ dungen desſelben zeigten ſich hart und verdickt, die Schleimhaut uneben, chagrinartig und eingeſchrumpft, aber ohne ſeirrhöſe oder krebſige Entartung. Das Subject, ein 52jähriger Schneider, hatte ſeit 2 Jahren an einem organiſchen Magenübel gelitten. (Bulletin de la Société de Médecine de Besancon, 1846, No. 2.) (19) Rückſichtlich der Schädlichkeit der Kirchhöfe in großen Städten weiſ't Hr. Walker nachdrücklich auf das Beiſpiel Agyptens hin. Im alten Agypten, ſagt er, war die Peſt unbekannt. Obgleich es ſtark bevölkert war, ſo wurde doch die Geſundheit der Bewohner durch weiſe Sanitätsmaßregeln erhalten. Das heitere Klima, der befruchtende Strom und der fruchtbare Boden find geblieben; allein die Beſtattung der Todten hat ſich geändert. Das Land, wo die Leichen ſonſt einbalſamirt wurden, iſt unter der Herrſchaft barbariſcher Nationen zu einem gewaltigen Gottesacker, fein Boden ein Sammelplatz faulender Stoffe gewor⸗ den. Dieſer Same hat bittere Früchte getragen. Die Peſt brach in Agypten zuerſt im J. 542, d. h. 200 Jahre nach der Abſchaf— fung der vor Alters üblichen Leichenbeſtattung aus, und wer nur irgend mit Agypten bekannt iſt, der wird zugeben, daß ſich aus der Beſchaffenheit ſeines Bodens der Grund des fortwährenden Wiederauftretens der Peſt zur Genüge erklärt. (The Athenaeum, No. 1059.) Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Rudge, Memoranda der speciellen Physiologie d. Menschen. Ein Leitfaden für 9 8 u. s. W. 12%. cart. 1 Thlr. Weimar, Landes-Industrie- Comptoir 1848. A. Thomson. — Outlines of Physiology, for the use of Students, Part I. Post 8°. (pp. 180, sewed, 3 sh. 6 d.) Edinburgh 1848. G. €. Holland. — The Philosophy of Animated Nature; or, the Laws and Action of the Nervous System. 8. (pp. 542, cloth, 12 sh.) London 1848. G. Bird, Elements of Natural Philosophy: being an Experimental Intro- duetion of the Study of the Physical Sciences. 2d edition, revised and enlarged. 12%. (pp. 526, cloth, 12 sh. 6 d.) London 1848. Comparisons of Structure in Animals. — The Hand and the Arm. 180. (pp. 192, cloth, gilt edges, 10 d; sewed 6 d.) London 1848. en annuel sur les progres de la chimie, presente le 31. mars 1847 à l’Academie royale des sciences de Stockholm, par J. Berzelius, seeretaire Beyonce): Traduit du suedois par Ph. Planfamour. Huitieme année. In e 27 fenilles. Paris 1848. (Prix 6 fr.) Brunot, Anatomie des Pferdes, nebst Erläuterungstabelle. 2. Aufl. 3. und Hft. qu. gr. Fol. 5/, Thlr. Veith in Carlsruhe 1848. V. Bruns, Übersicht über die in der chirurg. Klinik zu Tübingen v. 1843 bis 1846 vorgekommenen Krankheitsfälle und Operationen. gr. 4%. Geh. 22 Sgr. Lauppsche Buchh. in Tübingen 1647. J. F. C. Hecker, über Visionen. Eine Vorlesung, gehalten zu Berlin am 29. Jan. 1848. gr. 8°. 8 Sgr. Th. Ch. Fr. Enslin in Berlin 1848. F. Nasse, die Verhütung und Unterscheidung der Gemüthskrankheiten. (Aus der Rheinischen Monatsschrift für prakt. Ärzte.) gr. 8%. Geh. ½ Thlr. Du Mont-Schauberg in Cöln 1848. J. Hunters sämmtliche Werke prakt. Inhalts, deutsch bearb. von F. Braniss. 1. Bd. Abhandlung von d. vener. Krankheit. gr. 8. Geh. 3%, Tulr. Adolf & Comp. in Berlin 1848. J. B. Curling. — The Advantagrs of Ether and Chloroform in Operative Surgery: an Address delivered to the Hunterian Society an the 9th February 1848. 8%. (pp. 36, sewed, 1 sh.) London 1848. E. W. Murphy. — Chloroform in the Practice of Midwifery. 8d. (pp. 32, sewed, 1 sh.) London 1848. Considerations générales sur les maladies de l’uterus, ou conseils aux dames sur ce qu'il convient de faire pour prevenir, soulager et guerir les affe- etions des parties genitales internes et externes etc.; par L. Pieplu, me- decin ete. In 8° de 7 feuilles ½. Paris 1848. Memoire sur la cauterisation consideree comme moyen de combattre les aceidents qui surviennent à la suite des operations; par M. A. Bonnet. In 8° d'une feuille ½. Paris 1848. Nouveau traitement de la Goutte et des douleurs goutteuses, fonde sur une theorie nouvelle; par J. M. Dancel, docteur en medecine. In 8° de 6 feuil- les %,. Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 121. (Nr. 11. des VI. Bandes.) April 1848. Naturkunde. den Olkäfer. Taylor, über den Färberbuchweizen. — Heilkunde. Hi nbottom, ü e e ER ge . eee. Trouſſeau, Borax und Roſenhonig gegen die Mund lauf. — Peacock, aneurysma der linken arteria coronaria des Planchon, über die Familie ver Lineen. — Goſſe, über das ae Kolibri auf Jamalca. — Miſcellen. Newport, über er die Anwendung des ſalpeterſauren Silbers EIS HM Ru wämm⸗ chen. Guerſant, Atherlſiren der Kinder. Teiffier, Squillawein mit Laudanum gegen Waſſerſucht. — Bibliographie. Naturkunde. XV. über die Familie der Lineen. Von J. E. Planchon. Der Verf. giebt in No. 72 des London Journal of botany von 1847 eine Monographie der Lineen, von der wir die Hauptmomente im Auszuge wiedergeben. Die Roucheria calophylla, welche ihrer Blattſtellung und Blattknoſpenlage nach ein Erythromylon oder eine Hu— meriacee zu ſein ſcheint, iſt der Zahl und Anordnung ihrer Blüthentheile nach durchaus der Leinblüthe analog gebildet. Wenn nun Roucheria ftatt der ſeitlichen, unverwachſenen und achſelſtändigen, verwachſene Nebenblättchen hätte und überdies die Nägel der Blumenblätter das ſonderbare, ſie von Erythroxylon unterſcheidende Anhängſel beſäßen, ſo würden beide Gattungen nicht zu trennen ſein, während ein entwickelteres Connectiv, ein ſchärfer gezeichneter, freier Diskus innerhalb der Staubfadenröhre, ein Verwachſen der Narben und die Bildung einer falſchen jedes Fruchtknotenfach in zwei über einander liegende Fächer theilenden Scheidewand die Hauptoerſchiedenheiten find, welche die Gattung Humi- rium von der vorigen trennen, und ſo tritt denn die nahe Verwandtſchaft, wenn nicht ſogar innige Verſchmelzung die— ſer drei ſich ſcheinbar ſo fern ſtehenden Familien deutlich hervor. Der Verf. ſieht ſich zunächſt nach den verwandten hie und da zerſtreuten Arten der Lineen um und kommt zuerſt auf die Hugonia, der bis jetzt kein feſter Platz im Syſteme zu Theil geworden; Linnée hätte ſowohl Hugonia als Li- num in ſeine Monadelphia-Pentagynia verſetzen können, was die ſpäteren Botaniker vielleicht auf die Verwandtſchaft beider auf— merkſam gemacht hätte. Die Symmetrie der Blüthentheile, die gedachte Knoſpenlage der Blumenblätter, die drüſigen Schüppchen in der Subſtanz der Staubfadenröhren, die No. 2101 — 1101. — 121. Narben, ja ſogar die Samenknoſpen und die Art des Frucht⸗ aufſpringens find bei beiden Familien ganz dieſelben. Wäh⸗ rend nun unſere Leinarten zarte Kräuter oder nur an der Baſis holzige Sträucher mit krautartigen Zweigen find, gleichen die Hugonien kletternden Lianen, ihre mit Drüſen⸗ zähnen umrandeten oder mit einem Seidenfilz bedeckten finger: nervigen Blätter aber den Blättern einiger africaniſchen Paſſifloren, während ihre in Form einer Biſchofsmütze auf— gerollten Ranken den Heftorganen einiger Strychnos-, Unca- ria -, Artabotrys- und Ancistrocladus-Arten ähnlich ſind. Das Vorkommen dieſer Charaktere bei übrigens himmelmweit verſchiedenen Pflanzen beweiſ't das Unweſentliche derſelben und zeigt zugleich, wie nach den verſchiedenen Verhältniſſen auch der Habitus übrigens ſich nahe ſtehender Pflanzen ver— ſchieden fein kann. Einige unſerer Convolvulus - Arten klettern z. B. an Hecken empor, während Convolvulus Sol- danella auf Uferſand kriecht, Convolvulus eneorum ſeine Zweige büſchelförmig aufrichtet und ſeine dornigen Hecken im Orient kaum einem Convolvulus mehr ähnlich find, Eben fo kriecht Hugonia in den Tropenwäldern Indiens und Afri⸗ cas, erheben ſich zu Nepal die Leinarten, welche in der Re⸗ gion des Olbaums als Kräuter auf Feldern und Wieſen und ſtrauchartig auf trocknen Hügeln vorkommen, zu kleinen Bäumen, während das Linum gallicum und die kleine Radiola die demüthigen Repräſentanten derſelben Familie für die ſumpfigen Brüche des Nordens bilden. Die Gattung Durandea iſt ebenfalls den Lineen nah verwandt; ſie wird durch eine von Labillardière in Neu⸗ caledonien geſammelte baumartige Pflanze mit abwechſelnden, lancettförmigen, fingernervigen und glatten Blättern reprä— ſentirt; die einen Corymbus bildenden Blüthen mit leder— artigen Blumenblättern find denen der Gattung Ixionanthes in der Familie der Ternſtrömiaceen ähnlich. Dieſer äußeren 11 163 Ahnlichkeit ungeachtet find dennoch beide durch den Bau ihrer Staubwege verſchieden, während ſich Durandea nur durch das Fehlen der achſelſtändigen Heftorgane, die Con— ſiſtenz ihrer Blumenblätter und das Fehlen der Drüſen an der Blüthenſcheibe von Hugonia unterſcheidet. Denkt man ſich ferner den ſchlanken nackten Stiel einer Trientalis mit einem Büſchel ungleicher Blätter gekrönt, mit den dürren Stipeln einer Sauvagesia, der Ahrentraube und den linienförmigen, mit Drüſenhaaren beſetzten Kelchblättchen eines Plumbago verſehen, dazu die Blumenblätter einer Frankenia mit dem blattartigen Anhängſel ihres Nagels, die Staubfaden und das Piſtill eines Linum mit den peri— ſpermführenden Samen der Hugonia, ſo hat man die nied— liche, 1821 von Wallich in den Gebirgen Nepals entdeckte und Anisadenia saxatilis benannte Pflanze. Bei ihr kom— men, ſtatt wie es die Symmetrie verlangen würde, 5, nur 3 Drüſenſchüppchen dor, was indeß Salisbury auch bei Linum perenne und der Verf. bei Reinwardtia beobachtet hat. Letzterer glaubte anfangs, daß ſie den Übergang von den Frankenien zu den Sauvageſien bilde, hält ſie jetzt aber nach Fenzls ſchöner Abbildung und Beſchreibung beſſer unter die Lineen placirt. Durch die drei genannten Gattungen erhält die Fami⸗ lie der Lineen ſtatt ihres früheren gleichartigen Charakters eine große Structurverſchiedenheit und mit derſelben ver— mehren ſich zugleich ihre Beziehungen zu andern Pflanzen— gruppen. Dieſe Beziehungen unter ſich und zu verwandten Pflan— zen ſucht der Verf. nunmehr nach der von Lindley in feinem Vegetable Kingdom angewandten Methode zuſammen⸗ zuſtellen. In folgender Tabelle beziehen ſich die ohne Punkt und Stern bezeichneten, jedoch mit liegender Schrift gedruckten Namen auf die Gattungen der Familie der Lineen, die mit einem Punkt (.) verſehenen auf die ihnen nah verwandten Gruppen und die mit einem Kreuz () bemerkten auf die zwar nicht geradezu mit den Lineen, wohl aber mit den ihnen auf der Tabelle zur Seite ſtehenden verwandten Gattungen. Die horizontalen punctirten Linien deuten auf die directen Be— ziehungen der Gattungen und Familien zu einander; wo dieſelben weniger innig waren, iſt nur der eine Name über den andern geſetzt. Verwandtſchaftstabelle der Lineen. »Reaumuria -Hololachne . . . Velezia (Caryophylleae) *Tamarix »Frankeniaceae . . Anisandenia »Sauvagesieae +tOchnaceae *Elatineae Radiola Linum Reinwardia ......- Turneraceae +Crassulaceae Hugonia ... *Smeathmannia, TDroseraceae, +Portulaeae (Passifloreae) Erythroxyleae Roucheria . . *Humiriaceae +Chlenaceae Durandea . . *Ixionantheae »Hypericineae . Bonnetieae Ternstroemia- ceae. Als Beleg der hier aufgeſtellten Verwandtſchaft folgen die kurzen Definitionen einer jeden Gattung, die wir über— 121. W 11. 164 gehen, um uns denjenigen Verſchiedenheiten der Organe, welche wiederum eine Verwandtſchaft mit niederen Gruppen bedingen, zuzuwenden. Nur bei Anisandenia zeigt der Kelch irgend etwas be⸗ merkenswerthes, indem die Randnerven ſeiner linearen Läpp⸗ chen eine Reihe geſtielter Drüſen tragen, was mit der Infloreſcenz, den genagelten Blumenblättern und freien Stengeln eine merkwürdige Annäherung zu den Plumbagi— neen beweiſ't; ob dieſelbe aber als Analogie oder Verwandt— ſchaft zu nehmen iſt, will der Verf. nicht entſcheiden, da die Plumbagineen noch nicht ganz ſicher geſtellt ſind und die Deutung ihrer Blüthentheile noch eben ſo wenig wie ihre Verwandtſchaft zu den Plantanen entſchieden iſt, viel— mehr ſich beide Familien durch ihre Samenknoſpen weſentlich unterſcheiden. Die Plantanen beſitzen gleich den Primula— ceen einen nackten nucleus, wovon ſich der Verf. gegen Barnéouds Behauptung zweier Integumente entſchieden überzeugte, während die Plumbagineen zwei Integumente haben, was bei den meiſten eigentlichen Monopetalen gegen die Regel iſt und ſie den Frankenien näher ſtellt, deren einfächriger Fruchtknoten mit aufſteigenden kuniculis ſich, wenn man ein conftantes Abortiren bis auf eine Samen— knoſpe annehmen will, ohne Schwierigkeit auf die Plumba— gineen zurückführen ließe. Dieſe, wenn auch nur indirecte Verwandtſchaft der Plumbagineen mit den Frankenien würde die ſchon von Fenzl erkannten Beziehungen der letzteren zur Anisandenia vermehren. Bei Reinwardtia trägt der Nagel jedes Blumenblattes an der Spitze ſeiner inneren Fläche zwei dreieckige, nicht mit einander verwachſene Läppchen, welche an die häufig gefranſ'ten Anhängſel der Sileneen, ſowie an die complicir— teren der Erythroryleen, am meiſten aber an die der Reau— murieen erinnern, welche letztere ſchon Linnee mit den Tamariſeineen verband, und deren Verwandtſchaft mit den Leinpflanzen ſich außerdem noch durch die Anordnung ihrer Blüthentheile und ihre punctirten Blätter bekundet. Die Blumenblattanhängſel der Anisandenia beſtehen aus einem einfachen ſchmalen Häutchen an der innern Fläche des Nagels und ſind, nach der Analogie zu ſchließen, aus zwei mit einander verwachſenen Blättchen entſtanden, welche den beiden Läppchen am Blumenblatte der Frankeniaceen analog ſind und mit ihren übrigen Charakteren ihre Stellung zu den Lineen, Tamariſeineen und Sileneen ſichern. Allen Gattungen der Lineen, die einzige Durandea aus— genommen, ſind häutige abfallende Blumenblätter eigen; letztere Pflanze iſt auch im übrigen mehr den Irionantheen, deren Blumenblätter unterhalb der Frucht holzig werden, ähnlich. Der Verf. verſucht nunmehr eine natürliche Gruppirung der Arten des Genus Linum, bei der er die nothwendigen Fehler einer fortlaufenden Reihenfolge durch eine Kreisfolge zu vermeiden ſucht, indem er durch die Protolinum - Arten mit unverwachſenen Blumenblättern wieder zu den Dasylinum- Arten kommt, weil ſie ſich, trotz ihres kurzen Blüthenſtiels und theilweiſen Verwachſens ihrer Nägel dennoch durch die blaue oder roſenrothe Farbe ihrer Blumenblätter und die beiden linearen Narben einander nähern. 165 Des Verf. Abtheilungen find folgende: Subgenus I. Eulinum. — Petala libera, cyanea, ro- sea v. alba. Pedicelli fructiferi elongati. Calyces margine eglandulosi. Glandulae stipulares nullae. — Jährige oder perennirende Kräuter mit rutenförmigen Aſten, alterniren— den, niemals durchſichtig punctirten Blättern. Series a. Protolinum. — Stigmata latitudine pluries longiora. — Typiſche Arten: Linum usitatissimum, L. gran- diflorum, L. nervosum. Series b. Adenolinum. — Stigmata capitata. — Typiſche Arten: Linum perenne. Subgenus II. Cliococea. — Petala libera, calyce breviora. Stigmata capitata. Septa spuria completa; unde capsula pseudo — 10 -locularis — Glandulae stipulares nullae. — Perennirende niedrige Kräuter, im Habitus und in der Blattform dem Lycopodium selago gleichend, die ein= zeln ſtehenden Blüthen in der Achſel der ſitzenden Blätter. Typiſche Art: Linum selaginoides. Subgenus III. Linastrum. — Petala libera, lutea v. rarius roseo- alba. Stigmata capitata v. rarius latitudine sua duplo longiora. Sepala margine glandulosa. Pedicelli breves. Series a. Dichrolinum. — Petala roseo-alba, ungue saturatiore. Glandulae stipulares nullae. — Sträucher oder Kräuter mit holziger Baſis, die nadelförmigen alternirenden Blätter gedrängt oder verkürzt, vierreihig imbricat. — Ty— piſche Arten: Linum salsoloides, L. Ortegae. Series b. Cathartolinum. — Petala alba, concoloria. Glandulae stipulares nullae. — Jährige, gabeläftige Kraus ter mit gegenſtändigen elliptiſchen Blättern. — Typiſche Art: L. catharticum. Series o. Linopsis. — Petala lutea. Stigmata ca- pitata. Glandulae stipulares saepius obviae. — Jährige oder perennirende Kräuter oder Sträucher mit abwechſelnden oder gegenſtändigen, aber niemals roſettenartig geſtellten Blät— tern. Arten: L. strictum, L. rigidum, L. multicaule, L. Mexicanum, L. junceum, L. quadrifolium. Series d. Halolinum. — Petala lutea. Stigmata la- titudine duplo longiora. Glandulae stipulares nullae. — Jährige Kräuter mit büſchelförmigen Aſten; die unteren Blätter gegenſtändig. Arten: L. maritimum, L. tenue. Subgenus IV. Syllinum. — Petala sub antheri ungui- bus cohaerentia. Stigmata linearia. Pedicelli fructiferi breves. Series a. Limoniopsis. — Flores lutei, rarius albi. Glandulae stipulares saepius obviae. — Sträucher, ſeltner Kräuter, die unteren Blätter meiſtens ſpatelförmig als Ro— fette geſtellt oder wenigſtens gedrängt, mit einem ſelten feh— lenden drüſenloſen Flaume bedeckt. Arten: L. campanulatum, L. nodiflorum, L. leucanthum. Series b. Dasylinum. — Flores cyanei v. rosei. -Glandulae stipulares nullae. — Jährige oder perennirende Kräuter mit zerſtreuten oft dicht mit mehr oder weniger drüſentragendem Flaum bedeckten Blättern. Arten: L. vis- cosum, L. hirsutum. Der Verf. glaubt dieſe Eintheilung, die er keinesweges 121. M. 11. 166 aus einer, leider noch häufig vorkommenden Schwäche, Dinge für Namen zu ſuchen, aufſtellte, auch durch die geographiſche Verbreitung rechtfertigen zu können, während er auf die Namen ſeiner Abtheilungen ſelbſt nur geringen Werth legt. Eine große Tabelle, die wir des Raumes halber nicht mittheilen können, zeigt die Verbreitung der Lineen und der ihnen verwandten Familien nach Längen- und Breitengraden mit Angabe der verſchiedenen Länder; aus ihr ergiebt ſich die Vor— liebe unſerer Familie für die gemäßigte Zone. Von zwei den Tropen gehörenden Gattungen finden ſich zwei Arten der Hugonia im öſtlichen Africa, zwei auf Ile de France und Ile de Bourbon und zwei auf Ceylon und der indi— ſchen Halbinſel. Mit Recht darf man in Madagascar und Mittel- und Oſtafrica noch andere Arten erwarten, wogegen das gänzliche Fehlen dieſer Gattung im indiſchen Archipel, deſſen Vegetation im allgemeinen der von Ceylon gleich— kommt, ſehr auffällig iſt, zugleich aber zeigt, wie ſich die geographiſche Verbreitung der Pflanzen nicht nach der Lage und Analogie der Länder mit Sicherheit erſchließen läßt, vielmehr eine ſorgfältige vergleichende Unterſuchung der Grup— pen ſowohl als Arten eines Landes durchaus nothwendig iſt, um die mit einander vorkommenden, ſowie die einer be— ſtimmten Gegend oder der ganzen Erde angehörenden Pflan— zen zu ermitteln, wobei namentlich auch die Beziehungen zwiſchen der Organijation, dem Habitus, der Lebensweiſe und den Verwandtſchaften der Pflanzen zu der Beſchaffen— heit des Bodens, Klimas und der Höhe des Landes zu be— achten ſind. Eine ſolche, allerdings ſchwierig auszuführende Unterſuchungsweiſe würde manches Räthſel löſen, würde zeigen, warum die Drosera intermedia in den Mooren von Guiana und Braſilien, in Europa und Nordamerica wächſ't, aber in Indien fehlt; warum die Barbacenia-Arten nur in den Gebirgen Braſiliens, Guianas und Madagascars vor⸗ kommen, warum ſich die Grewien vom Süden und Weſten Africas bis zum Oſten von China ausbreiten, während die fie begleitenden Oetina-Arten in der Halbinſel Malacca ihre öſtliche Grenze finden? Dieſe ſo ungleichmäßige Verbrei— tung der Pflanzen iſt ſicher auf allgemeine, wenngleich bis jetzt nur unbekannte Geſetze gegründet. Während eine ges nauere Erforſchung der Polarländer die Gleichförmigkeit ihrer Vegetation nachwies, wurden die reichen Tropenfloren nur lückenweis erforſcht und mangelhaft beſchrieben und mit andern Floren verglichen. So kannte man auch bis die Gattung Roucheria und zwar ſowohl in Guiana als der malaiiſchen Halbinſel entdeckt war, keine baumartigen Lineen. Wie ſich Linum catharticum vor allen übrigen durch ſeine große Verbreitung der geographiſchen Länge nach auszeichnet und von Island durch ganz Europa bis zum Königreich Marocco geht, iſt Linum perenne der Breite nach vertheilt und ohne die Breite Schwedens zu erreichen, in ganz Europa, Sibirien und dem Theile Nordamericas zu Hauſe, der vom Geſtade des ſtillen Meeres ſich öſtlich an die felſigen Gebirge ſelbſt bis zur Hudſonsbai erſtreckt. Die Abtheilung der blau blühenden Leinarten, deren Re— präſentant das Linum usitatissimum, zeichnet ſich durch die ungleiche Vertheilung ihrer Arten über Europa, Nordafrica, N 167 die weſtlich von Indien gelegenen Theile Aſiens, den nicht tropiſchen Theil Neuhollands, van Diemens Land und Neu— ſeeland aus, während ſie in America, Südafrica und Indien gänzlich fehlen. Innerhalb der eben genannten Grenzen möchte nunmehr das Vaterland unſeres gemeinen Leines (Linum usitatissimum und humile) der jetzt überall cultivirt, wohl nirgends mehr im urſprünglich wilden Zuſtande vorkommt, zu ſuchen fein: wahrſcheinlich iſt er mit Papaver Rhoeas und Centaurea eyanus durch die Cerealien aus dem Oſten Aſiens eingeführt worden. Die Juden wie die Agypter über— kamen dieſe Pflanze ſicher von den früheren Beſitzern des Landes, obſchon Linnse ihnen die Ehre des erſten Leinbaues ertheilt. Die Abtheilung Cliococca durch eine in mancher Be: ziehung von allen übrigen Lineen abweichende Art reprä— ſentirt, iſt nur allein in America einheimiſch: ſie ſoll ſich von den Anden Perus und Chilis bis zur Mündung des Rio de la Plata ausbreiten, was für den Verf., obſchon verſchiedene Pflanzen den Floren der beiden letzten Gegenden gemein ſind, einer weiteren Beſtätigung bedarf. Die Gegenden des mittelländiſchen Meeres bilden das Vaterland der Abtheilungen Dichrolinum, Halolinum, Limo- niopsis und Dasylinum und dennoch läßt ſich in der Ver— theilung ihrer Arten die verſchiedene Tendenz jeder Gruppe nicht verkennen. Die ſchönen Arten der erſten Abtheilung bewohnen faſt ausſchließlich das ſüdöſtliche Europa, nur Linum angustifolium geht von Spanien bis Kleinaften, nörd— lich bis zur Breite von Paris; alle übrigen bilden eine fortgeſetzte Linie vom Departement Cher, durch Oſterreich, Italien, die iberiſche Halbinſel bis zum Königreich Marocco. Zwei andere, durch die theilweiſe Verwachſung ihrer Blumen— blätter ausgezeichnete Gruppen haben weſtlich von Sieilien nur einen einzigen Repräſentanten, Linum hirsutum, das die Pyrenäen zu erreichen und Linum campanulatum, das nur den am Mittelmeere gelegenen Theile Frankreichs eigenthüm— lich ſcheint. Die an Arten reiche Abtheilung Linopsis iſt ſehr weit verbreitet: neun Arten kommen am Vorgebirge der guten Hoff— nung, das kleine Linum Mysorene in Oſtindien, fünf Arten in Europa, Nordafrica und Kleinaſien, endlich noch zwei Arten in America vor, alle gehen nördlich ſo weit wie das Linum perenne, ſüdlich wie das L. selaginoides (7). Die Gegend des mittelländiſchen Meeres iſt demnach die eigentliche Region der Leinarten, die mit Ausnahme des ein⸗ zigen und anomalen Linum selaginoides alle Typen reprä⸗ ſentirt und verſchiedene Arten einzig und allein beſitzt. Hier ſchließt der Verf. den allgemeinen Theil ſeiner Arbeit, um zum rein fyftematifchen Theile überzugehen. (The London Journal of botany, No. 72, 1847.) XVI. über das langgeſchwänzte Kolibri auf Jamaica entlehnen wir aus Hrn. Ph. H. Goſſe's Birds of Ja- maica folgende Stelle. 121. W 1. 168 Der Niederwald beſteht großentheils aus einem Strauche der Familie Scrophularineae (der ſogenannten Glasaugen⸗ beere), deſſen Blüthen zwar nicht ſchön ſind, aber für das langgeſchwänzte Kolibri viel anziehendes haben. Zu jeder Jahreszeit finden ſich an dieſem Strauche Blüthen und ſchar— lachrothe Beeren, und man ſucht daher die lieblichen kleinen Vögel dort ſelten vergebens. Am häufigſten zeigen ſie ſich jedoch im März, April und Mai. Ich habe an manchem Vormittage wohl hundert dieſelbe Stelle beſuchen ſehen. Übrigens leben ſie keineswegs geſellig, wenngleich es ſich wohl treffen mag, daß 3 — 4 zugleich die Blüthen desſelben Buſches umſchwärmen; allein jedes Vögelchen hält ſich für ſich und läßt ſich lediglich durch eigene Neigung beſtimmen. In dieſen höhern Gegenden ſind bei weitem die Mehrzahl der Exemplare Männchen, während in den Niederungen die Weibchen häufiger find. Im März findet man viele Exem⸗ plare mit den Farben des ausgewachſenen Männchens, aber ohne die langen Schwanzfedern; bei andern ſind die charak— teriſtiſchen Federn länger oder kürzer entwickelt. Dieſe ſind, meiner Anſicht nach, Männchen von den vorjährigen Bruten. Auch findet man ſehr häufig eine der langen Federn viel kürzer, als die andere, was wohl ſo zu erklären iſt, daß die kürzere an der Stelle einer zufällig verloren gegangenen nachwächſ't. Bei den Kämpfen, welche die Vögelchen ein— ander in der Luft liefern, fällt manch Mal eine Feder aus. Als ein Mal ziemlich viele dieſer jungen Vögel beiſammen waren, lieferten ſie einander ein Gefecht, bei welchem es faſt ſo laut herging, wie wenn Sperlinge mit einander zanken. Die Kolibris ſchoſſen dabei ungemein geſchwind hin und her; doch konnte ich die eigentliche Veranlaſſungsurſache des Unfriedens nicht ermitteln. Der Verf. machte verſchiedene vergebliche Verſuche, dieſe Kolibris zu zähmen, um fie lebendig nach England zu brin— gen. Es dauerte lange, ehe er ſie ſo fangen lernte, daß er ſie nicht beſchädigte. Ein Mal hatte er deren ſieben un⸗ verſehrt eingefangen. Dieſe wurden bald ſehr zahm, und ich will bemerken, daß ſie hinſichtlich des Temperaments große Verſchiedenheit darboten, indem manche verdroſſen, andere ſehr furchtſam, noch andere gleich von vorn herein ſehr zutraulich waren. Um fie an das Zimmer zu gewöhnen und zu füttern, ver- fuhr ich in einer ſehr einfachen Weiſe. Als ich den Korb, in welchem ſie ſich befanden, öffnete, flatterten ſie meiſt an die Decke, nicht an das Fenſter, und ſchwebten in deren Nähe, ohne ſich zu ſtoßen. Sie berührten dieſelbe nur dann und wann leicht mit Schnabel oder Bruſt und prallten dann zurück. Wenn ſie ſich ſo ermüdet hatten, ließen ſie ſich nieder, und dann konnte man ſie gewöhnlich aufheben, in— dem man ihnen den Finger ſanft unter die Bruſt führte, da ſie ſich dann mit den Füßen daran feſtklammerten. Wenn mir dann das Vögelchen auf dem Finger ſaß und ich etwas Zucker im Munde aufgelöſ't hatte, führte ich den Schnabel zwiſchen meine Lippen ein. Zuweilen fing der Vogel als⸗ bald an eifrig zu ſaugen; doch manch Mal mußte ich den Schnabel auch oft einführen, ehe das Kolibri den Zucker bemerkte. Wenn dasſelbe aber ein Mal an den Lippen 169 gefogen hatte, fo ließ es ſich ſpäter nicht wieder nöthigen, ſondern ſuchte dieſelben wohl von ſelbſt wieder auf. Nach: dem ich die Vögel auf dieſe Weiſe angelernt und daran gewöhnt hatte, ſich beim Saugen auf eine ausgeſpannte Schnur zu ſetzen, ließ ich ſie aus einem Glaſe mit Syrup ſaugen und, nachdem dies einige Mal geſchehen war, wußten ſie den Weg zu dem auf dem Tiſche ſtehenden Syrupglaſe zu finden. Sobald dies der Fall war, konnten dieſelben für eingewohnt gelten. Sie flogen nun ſtoßweiſe im Zimmer umher und ließen ſich auf die Schnur nieder. Sie ſchoſſen in der Luft oft auf einander zu und führten die zierlichſten Schwenkungen aus, wobei die langen Schwanzfedern ſich ſonderbar bewegten. Dieſe Begegnungen ſchienen durchaus friedlicher Art zu ſein, und die Vögel einander bei denſelben nicht ein Mal zu berühren. Nachdem ich ſie längere Zeit genau beobachtet hatte, war ich überzeugt, daß ſie nur des Fangens winziger Inſecten wegen fo unaufhörlich in die Luft ſchoſſen. Daß ſie irgend einen Gegenſtand verfolgten, ging aus ihren Bewegungen hervor, und obgleich die In— ſecten meiſt ſo klein waren, daß ich ſie nicht ſehen konnte, ſo hörte ich doch die Schnäbel ſchnappen und mehrmals ſah ich deutlich, daß ſie winzige Fliegen fingen. Oft flogen ſie nur 1 bis 2 Fuß weit von der Schnur weg und dann wieder auf dieſelbe zurück, gerade wie es die ächten Fliegen— ſchnäpper machen. Durchſchnittlich fing jedes Kolibri we— nigſtens drei winzige Infecten in der Minute, und zwar, mit Ausnahme weniger Unterbrechungen, den ganzen Tag lang, von der Morgen- bis zur Abenddämmerung. (The Athenaeum, No. 1060.) 121. VI. 11. 170 Miſcellen. 24. über die Anatomie und Entwicklungsge⸗ ſchichte des Olkäfers (2) (Oil Beetle), einer Melosart, las Newport in der Sitzung der Linnean Society vom 2. November mei Jahres. Die äußere Körperbedeckung entſteht, nach ihm, zuerſt und zwar unmittelbar aus dem blastoderma, ihre Zellen find im jüngſten Zuſtande den jungen Pflanzenzellen ſehr ähnlich. Die Formveränderungen des Embryo's ſind ganz von der Entwicklung dieſes Gewebes abhängig. Das Tegument wächſ't durch Theilung feiner Zellkerne, die zu neuen und größern Zellen werden und wies derum Kerne entwickeln, die ſich von neuem theilen, und wird ſo, indem ſich nach und nach erdige Stoffe um die Zellkerne anſammeln, in ähnlicher Weiſe, wie die Rückenwirbel verknöchern, zum Haut⸗ ffelet. Der Verf. hält darnach das Tegument der Inſecten, fowohl ſeiner Entwicklung als Function nach, der Schildkrötenſchale ana⸗ log. Die Haare und Dornen entſtehen nach ihm aus dem Mittel⸗ punkte einer Tegumentzelle, und ſind nur übermäßige Entwicklungen dieſer Zelle. Das äußere Reſpirationsſyſtem entwickelt ſich in die— ſem Tegumente in Lücken, die zwiſchen den Hautzellen im körnigen Gewebe an der Seite des Körpers liegen; die äußeren Mündungen dieſes Syſtemes find anfangs den Spaltöffnungen der Pflanzen ſehr ähnlich. Die cornea des Auges wird bei der jungen Melos aus Schichten von Hautzellen gebildet, die den Zellen der allgemeinen Kopfbedeckung ſehr ähnlich find, aber im Centrum der cornea (in der Sehachſe) um eine einzige Zelle, doppelt ſo groß wie die übri— gen, angeordnet ſind. (The Gardner's Chroniele, No. 45. 1847.) 25. Der Färberbuchweizen, Polygonum tinctorium, ſtammt, nach W. Taylor, aus China und ward im Jahre 1776 durch John Blake nach England gebracht. In China und Japan wird er zur Bereitung einer dem Indigo ähnlichen blauen Farbe benutzt, indem man ſeine Blätter trocknet, zerſtampft und in Ku⸗ chen formt. Dieſe werden mit Waſſer gekocht, mit Aſche verſetzt und zum Farben von Seide, Leinen und Baumwolle benutzt. Tay⸗ lor empfiehlt den Anbau dieſer Färberpflanze auch für Europa. (The Gardner's Chronicle, No. 52. 1847.) Heilkunde. (XVIII.) über die Anwendung des ſalpeterſauren Silbers gegen Rothlauf. Von John Higginbottom. Meinen Erfahrungen nach unterdrückt das ſalpeterſaure Silber, wenn es früh angewandt wird und man zugleich die zweckmäßigſten Mittel zur Regelung der Verdauung ge— braucht, die locale Entzündung und Reizung. In meiner frühern Praxis bediente ich mich bei wenig bedenklichen Fällen von erysipelas nur innerer Mittel, durch welche ich der Entzündung ein Ziel zu ſetzen ſuchte; allein da ich mich ſehr oft getäuſcht geſehen habe, ſo wende ich jetzt gleichzeitig innere und äußere Mittel, beſonders ſalpeter— ſaures Silber, an. Selbſt in milden Fällen von Rothlauf dauerte, wenn ich das ſalpeterſaure Silber nicht anwandte, die Krankheit lange, und häufig entſtanden zahlreiche kleine Absceſſe, die mit der Lancette geöffnet werden mußten, und die durch das ſalpeterſaure Silber hätten verhindert werden können. Die Gründe, welche ich früher gegen die ſehr frühe Anwendung dieſes Mittels hatte, waren der Schmerz und die wenigſtens eine Woche dauernde Mißfärbung des Theiles, welcher damit behandelt wird; allein dieſe Nachtheile haben gegen die Langwierigkeit und Bösartigkeit der Krankheit, wenn man derſelben ihren Lauf läßt, namentlich wenn ſie ihren Sitz am Kopfe hat, wo große Gefahr der Entzündung der Membranen des Gehirns und auch der Ergießung von Serum vorhanden iſt, ſehr wenig auf ſich. Ich habe ge: funden, daß, wenn man die Entzündung zeitig durch ſalpe⸗ terſaures Silber unterdrückt, auch die conſtitutionellen Sym⸗ ptome auf der Stelle milder werden; denn die conſtitutionelle Störung wird durch die geringſte Steigerung der localen Entzündung augenblicklich vermehrt, und wenige Stunden nach einer entſchiedenen Anwendung des ſalpeterſauren Sil⸗ bers gelangt die Entzündung zum Stillſtande oder wird doch um vieles milder, und mit ihr laſſen auch die conſti⸗ tutionellen Symptome nach. Selbſt bei dem idiopathiſchen erysipelas würde ich in allen Stadien ohne alles Bedenken das ſalpeterſaure Silber in Anwendung bringen. Ich habe in keinem Falle dadurch eine Metaſtaſe oder irgend eine ungünſtige Wirkung ent⸗ ſtehen ſehen. 171 Wenn es nöthig iſt, das ſalpeterſaure Silber, wie bei erysipelas, auf einer großen Oberfläche in Anwendung zu bringen, ſo habe ich mich ſeit mehreren Jahren der nach des Schiffschirurgen Hrn. John Gooch's Weiſe bereiteten concentrirten Auflöſung bedient. Ich verordne dieſelbe nach folgendem Recepte: Be. Argenti nitratis Yjv; Acidi Nitriei gtt. vj.; Aquae destillatae Zjv. Befindet ſich das erysipelas im Geſichte und verbreitet es ſich über die Stirn oder im geringſten über die Schopf— haut, ſo muß man den Kopf ſobald als möglich kahl raſi— ren laſſen, damit man genau beurtheilen könne, wie weit die Entzündung greift, was ſich häufig nur dadurch entdecken läßt, daß der Druck mit dem Finger Schmerzen veranlaßt oder Odem bemerken läßt. Die ergriffene Stelle hat man vorher mit Seife und Waſſer rein zu waſchen, um alle fettigen Theile von der Haut zu entfernen, und dann mit bloßem Waſſer zu reinigen, um die Seifentheile völlig zu beſeitigen. Die concentrirte Auflöſung kann dann mehrmals zum Befeuchten des entzündeten Theiles und der 2—3 Zoll über den Rand desſelben hinausreichenden geſunden Haut angewandt werden. Vorzüglich ſtark muß man die Schopf— haut damit benetzen, da ſie daſelbſt ſelten oder nie Blaſen veranlaßt. Nach etwa 12 Stunden wird man ſehen, ob die So— lution gehörig gewirkt hat. Zeigt ſich irgend eine entzün— dete Stelle nicht dadurch gebeſſert, ſo muß ſie unverzüglich noch ein Mal befeuchtet werden. Zuweilen breitet ſich die Entzündung, wenngleich die entſchiedenſte Anwendung des Mittels Statt gefunden, dennoch aus; allein auch dann geſchieht es in einer mildern Weiſe, und durch Wiederholung des Befeuchtens gelangt ſie endlich zum Stillſtand. Mir ſind Fälle von traumatiſchem Rothlaufe vorgekommen, wo ſich die Entzündung bösartiger und ſchneller verbreitete, als beim idiopathiſchen Rothlaufe, dieſelbe aber doch durch die öftere reichliche Anwendung des ſalpeterſauren Silbers unter— drückt wurde. Zur Erläuterung dieſer Behandlungsweiſe will ich fol— gende Fälle auswählen. Erſte Beobachtung. — Am 6. Auguſt 1844 beſuchte ich Fräulein A., ein 20jähriges Mädchen von ſehr ſchwächlicher Conſtitution und ſtrumöſem Habitus. Sie war von einem Regenguſſe durchnäßt worden, hatte verſäumt die Kleider zu wechſeln und ſich dadurch eine Erkältung zugezo— gen, welche eine geringe eryſipelatöſe Entzündung auf der rechten Wange und der Naſe veranlaßte. Die conſtitutio— nellen Symptome waren ſo mild und der Puls ſo wenig beſchleunigt, daß ich die Anwendung des ſalpeterſauren Sil— bers zu unterlaſſen wünſchte, da ich die Entzündung durch andere Mittel zu bemeiſtern hoffte. Ich verordnete ein Brech- mittel von 30 Gran Ipecacuanha und, drei Stunden nach— dem es gewirkt haben würde, 2 Pillen, welche 3 Gran Calomel und 8 Gran zuſammengeſetzten Coloquintenertracts enthielten, worauf ein Abführungsmittel von Salzen und Senna alle drei Stunden bis zur gehörigen Wirkung ge— nommen werden ſollte. 121. VI. 11. 172 Den 7., frühmorgens, litt die Patientin, obwohl das Brech⸗- und Abführungsmittel gehörig gewirkt hatte, an einem heftigen Fieberanfalle. Der Puls war 140, und das erysipelas hatte im Geſichte und auf der Stirn ſtark um ſich gegriffen, ja ſich ſelbſt ein wenig über die Schopfhaut verbreitet. Ich öffnete eine Vene am Arme und ließ 12 Un— zen Blut, worauf die Kranke in Ohnmacht fiel. Der Kopf wurde raſirt und die ganze entzündete Oberfläche, ſowie der Umkreis derſelben, auch die Haut um die Ohren her, damit die Entzündung von dieſen abgehalten werden möge, mit der concentrirten Auflöſung von ſalpeterſauren Silber benetzt. Ich behandelte die Hälfte der Schopfhaut ſehr kräftig damit, indem ich ſo alles Nöthige gethan zu haben glaubte, da nur ein kleiner Theil der Stirn (der Schopfhaut 2) entzündet war. Ferner verordnete ich alle ſechs Stunden 2 Gran Calomel und 2 Gran Antimonialpulver. Am 8. ſchien ſich die Entzündung nicht weiter ver— breitet zu haben; Puls 120; es hatte ein ftarfer Stuhl Statt gefunden. Den 9. Die Kranke hatte die Nacht unruhig und fieberiſch verbracht und ein wenig irre geredet, während der Puls noch 120 war. Das erysipelas im Geſichte hatte ſich nicht weiter ausgedehnt, allein auf der Schopfhaut machte es Fortſchritte. Ich behandelte nun auch den übrigen Theil der Schopfhaut mit der Auflöſung. Die beiden Ohren waren durchaus von Entzündung frei geblieben, und die Auflöſung hatte ſie, wie es ſchien, davor geſchützt. Am 10. war der Zuftand der Patientin in jeder Be— ziehung günſtiger, und die Reconvaleſeenz ſchritt von da an ununterbrochen fort. Zweite Beobachtung. — Ich beſuchte am 18. De— cember 1843 Abends das 30jährige Fräulein B. Sie war ſeit mehreren Wochen unpäßlich geweſen, und ich fand ſie ſehr fieberiſch; Puls geſchwind; Kopfweh; am obern Theile der Naſe eine eryſipelatöſe Stelle, die ſich ein wenig über den untern Theil der Stirn verbreitete. Ich verordnete ein Brechmittel von Ipecacuanha, ſpäter eine Doſis Calomels und zuſammengeſetzten Coloquintenextractes, ſowie ein Ab— führungsmittel von ſchwefelſaurer Magneſia und Senna. Am Morgen des 19. hatte ſich der Rothlauf über das ganze Geſicht und über die Stirn bis dicht an die Schopf— haut verbreitet, und die conſtitutionellen Symptome ſich nicht gebeſſert. Ich ließ der Patientin im Bette zur Ader, bis ſie ohnmächtig ward, dann den Kopf kahl raſiren und be— netzte das ganze Geſicht, ſowie die Hälfte der Schopfhaut, mit der Auflöſung von ſalpeterſaurem Silber. Abends be— handelte ich auch den Reſt der Schopfhaut mit der Auflö— ſung. Da das eine Ohr entzündet war, ſo benetzte ich dieſes, ſowie die Haut rings um das andere. Den 20. Das Fieber hatte bedeutend nachgelaſſen; Puls 100. Von dieſem Tage an begann die Reconva— leſcenz. Dritte Beobachtung. — Ich beſuchte am 14. Sep⸗ tember 1844 das 20jährige Fräulein C. Sie hatte den Tag vorher ein Gefühl von Kälte und Unbehagen in den Armen und Beinen verſpürt, und auf der linken Seite der 173 Naſe, Wange und Oberlippe zeigte ſich ein geringer Grad von Rothlauf. Ich verordnete ein Brechmittel, ſowie eine Pille aus Calomel und zuſammengeſetztem Coloquintenpulver, dann aber eine kräftige Doſis von Sennablätterinfuſion und ſchwefelſaurer Magneſia. Abends fand ich das erysipelas ſchlimmer und ſich nach dem Ohre zu ausdehnend. Das untere Augenlied war be— deutend geſchwollen; der Rothlauf hatte die Stirn noch nicht erreicht. Puls 100; kein Kopfweh. Ich behandelte die ganze entzündete Oberfläche mit der Auflöſung von ſalpeter— ſaurem Silber und benetzte auch die geſunde Haut rings herum mehrere Zoll weit, beſonders um das Ohr her. Alle 6 Stunden wurden 1½ Gran Calomel nebſt 2 Gran Un: timonialpulver, und alle 3 Stunden ein aufbrauſendes ſali— niſches Mittel gereicht. Den 16. Das ſalpeterſaure Silber hatte ſo günſtig gewirkt, daß der Rothlauf nicht weiter um ſich gegriffen hatte. Puls 80. Vierter Fall. — Der 30jährige Hr. J. S. ward am 11. December 1843 in Folge einer Erkältung von etwas Fieber befallen. Man hatte ihm ſaliniſche Abführungsmittel verordnet. Zwei Tage darauf zeigte ſich auf der rechten Seite des Geſichtes eine eryſipelatöſe Stelle, ohne daß das Fieber bedeutend geſteigert geweſen wäre. Der entzündete Theil und deſſen Umgebung wurden gehörig mit ſalpeter— ſaurem Silber behandelt, und das erysipelas griff nicht weiter um ſich. Aus den beiden letzten Beobachtungen kann man er— ſehen, daß, wenn das ſalpeterſaure Silber zeitig und, bevor das erysipelas conſtitutionelle Symptome veranlaßt hatte, zur Anwendung kam, dem Fortſchreiten der Krankheit alsbald ein Ziel geſetzt und die Geneſung ſchnell herbeigeführt wurde. In dem Falle des Fräuleins B. verhinderte das ſalpeterſaure Silber, wenngleich das erysipelas anfangs nicht gehemmt worden war, die Entwickelung eines Gehirnleidens, und die Patientin genas bald. Bei dem Subjecte der erſten Beob- achtung traten 15 Stunden nach der Anwendung des ſal— peterſauren Silbers Unruhe und delirium ein; allein man konnte bemerken, daß die nicht mit dem Mittel behandelte Schopfhaut ſich entzündete und daß, als die ganze Schopf— haut entſchieden befeuchtet ward, das delirium aufhörte. Nach dieſen Fällen, ſowie nach meiner vieljährigen Erfahrung ſchließe ich, daß wenn man das ſalpeterſaure Silber ſchleunig anwendet, das Fortſchreiten des erysipelas gehemmt und einem Gehirnleiden vorgebeugt werde. Es iſt auch von großer praktiſcher Wichtigkeit, daß die eryſipelatöſe Entzün⸗ dung recht zeitig gedämpft werde; denn wenn das Leiden einen hohen Grad erreicht, ſo ſind die Patienten leicht Rück— fällen unterworfen. Das Haupthinderniß der allgemeinen und kräftigen An= wendung des ſalpeterſauren Silbers liegt in der herrſchenden Anſicht, daß dasſelbe, als ein Atzmittel, zerſtörend wirke. Könnten die Arzte ſich von dieſer Anſicht frei machen, und wendeten ſie das ſalpeterſaure Silber ſo unbedenklich an, wie ein Blaſenpflaſter von ſpaniſchen Fliegen, ſo würden ſie bald von ihrem Irrthume geheilt ſein. Da ich die gute 121. VI. fl. 174 und gefahrloſe Wirkung dieſes Mittels in meiner Praris ſehr häufig zu beobachten Gelegenheit hatte, ſo betrachte ich es für weniger bedenklich, als die fpanifche Fliege, indem es ſich ſelbſt auf entzündete und vom Oberhäutchen entblößte Stellen ganz unbedenklich anwenden läßt. Auch wirkt es nicht auf die Blaſe und erzeugt keine Strangurie. Das ſalpeterſaure Silber iſt kein Atzmittel im eigent— lichen Sinne des Wortes. Es mildert die Entzündung und bewirkt Zertheilung und Heilung. Es erhält den Theil, auf den man es anwendet, und zerſtört ihn keineswegs. Wenn wir ein ächtes Atzmittel, z. B. Kalihydrat, mit dem ſalpeterſauren Silber vergleichen, ſo finden wir, daß jenes wirklich zerſtörend wirkt und die Theile ſphacelös und ſchwärend macht; betupfen wir dagegen einen Theil mit ſalpeterſaurem Silber, ſo bedeckt er ſich zwar mit einem Schorfe; allein, nachdem dieſer abgefallen iſt, erſcheint die Oberfläche darunter geſund. Betupft man eine ſchwärende und eiternde Oberfläche mit ſalpeterſaurem Silber, ſo wird die Secretion derſelben alsbald in Lymphe verwandelt, wogegen das Kalihydrat nicht nur Ulceration, ſondern auch Eiterung veranlaßt. Kurz wir haben die Eigenſchaften des ſalpeterſauren Silbers lange Zeit bloß deßhalb verkannt, weil es allgemein für ein Atz— mittel galt. Es iſt aber von dem Kalihydrate und allen ächten Atzmitteln gegenſätzlich verſchieden: es erhält, während dieſe zerſtören; es veranlaßt Vernarbung, während dieſe Ulceration herbeiführen. (Nottingham, den 27. Juli 1847. Edinburgh Med. & Surg. Journal, Oct. 1847.) (XIX.) Beobachtung eines aneurysma der linken arteria coronaria des Herzens. Von Dr. Bevil Peacock. Ein 5 jähriger Metzger, welcher dem Trunke ſehr ergeben war, kam zu Anfang Nov. 1847 ins Hoſpital, nachdem er ſeit etwa 20 Tagen an vagen rheumatiſchen Schmerzen, Huſten und Athmungsbeſchwerden gelitten hatte. Bei ſeiner Aufnahme bot er die Symptome einer bronchitis dar; er befand ſich in einem halbeomatöſen Zuſtande und war uns gemein hinfällig. Die Reſpiration ſchien nicht bedeutend behindert; das Geſicht und die Extremitäten hatten die nor— male Farbe; doch fand Huſten, ſowie ein ſchleimig-eiteriger Auswurf Statt. Puls ſehr ſchwach und ungleich. In der Präcordialgegend kein matter Ton; die Geräuſche des Her— zens durch fortwährendes Röcheln maſkirt. Auf eine Herz— krankheit deutete nichts hin; indeß waren die Geräuſche des Herzens mit einer Art von Klatſchen begleitet, welches ſich von den gewöhnlichen Tönen deutlich unterſchied und das man hinter dem Bruſtbeine und in der linken Seite des thorax hörte. Der Tod trat am 12. November ſehr plötz— lich ein. Leichen befund. Die Spinnewebenhaut des Gehirns war ein wenig verdickt und undurchſichtiger als gewöhnlich; die Lungen zeigten ſich ſehr emphyſematös; die Schleimhaut 175 der Bronchen war der Sitz einer allgemeinen Congeſtion und die Bronchenröhren ſtark mit Schleime verſtopft. Im pericardium fand ſich eine reichliche Ergießung von mit Ei— ter vermiſchter Seroſität, ſowie falſche Membranen. Am äußeren Theile der Baſis des linken Ventrikels bemerkte man eine Geſchwulſt von dem Umfange eines Taubeneies, welche durch eine weiche falſche Membran verborgen war und unter der ſich ein ſchon lange ausgebildeter weißer Fladen befand. Beim Einſchneiden in dieſelbe erkannte man, daß ſie ein aneurysma der linken arteria coronaria war. Dieſe Pulsadergeſchwulſt hatte ihren Urſprung an dem vor— deren Aſte dieſes Gefäßes, 13 Linien von dem Ausgangs— punkte des Aſtes und 10 Linien von der Theilungsſtelle desſelben. Sie war ſphäriſch und hatte einen Durchmeſſer von 8½ Linie. Der Sack war theilweiſe in die Subſtanz des Ventrikels eingelagert und enthielt blättrige Blutklumpen, welche theilweiſe entfärbt waren und an der innern Ober— fläche des Gefäßes adhärirten. Die zwiſchen dem sinus des Valſalva und dem aneurysma liegende Portion der Arterie war erweitert und in einen vollſtändigen Knochencylinder verwandelt, der ſich jedoch nirgends verſtopft zeigte. Unter dem aneurysma war die Verknöcherung weniger ausgedehnt, allein man konnte mit dem Stilet nicht in das Gefäß ein— dringen. Die rechte arteria coronaria war ziemlich ausge: dehnt und an einigen Stellen verknöchert. Das ſehr er— weichte Herz wog 13 Unzen. Die valvulae mitralis und aortieae zeigten ſich ein wenig verdickt und undurchſichtig; die aorta erweitert und deren Wandungen verdickt. Die innere Membran war dunkelroth und an einigen Stellen mit einer ſehr dünnen (falſchen?) Membran ausgekleidet. Hin und wieder bemerkte man atheromatöſe Fladen, zumal in der Nachbarſchaft der arteriae coronariae. (Memoirs of the London anatomo-pathological Society 1848. Ar- chives gen. de Med., Fevr. 1848.) Miſcellen. (20) Borax und Roſenhonig hat unter allen Mit⸗ teln gegen die Mundſchwämmchen (muguet) bei Säug⸗ lingen Herr Trouſſeau am bewährteſten gefunden. 121. V. 11. 176 Von Borax und Roſenhonig werden gleiche Gewichtstheile zuſam⸗ men gemiſcht, damit ein Scharpiebäuſchchen beſtrichen und dasſelbe 5 —6 Mal täglich in die Mundhöhle eingeführt. Das Kind drückt das Bäuſchchen mit den Kiefern zuſammen und das Medicament heraus. In den meiſten Fällen wird auf dieſe Weiſe das Übel binnen 2—3 Tagen gehoben. Zeigt es ſich aber hartnäckig, fo wendet Hr. Trouſſeau eine Auflöſung von 5 Grm. carboniſir⸗ ten ſalpeterſauren Silbers in 30 Grm. deſtillirten Waſſers an, taucht in dasſelbe einen kleinen Haarpinſel und beſtreicht damit die kranken Stellen. Selbſt die hartnackigſten Mundſchwämmchen weichen in der Regel der 2- bis Zmaligen Anwendung dieſes Mit- tels; allein wenn dies nicht der Fall iſt, ſo ſteht Hr. T. nicht an, die kranken Stellen mit einem Stifte von geſchmolzenem falpeter: ſauren Silber zu ätzen. Dies, ſowie das Bepinſeln mit der obigen Solution, darf indeß nicht öfter als täglich ein Mal geſchehen. (Gaz. méd. de Paris, 15. & 18. Mars 1848.) (21) In Betreff des Atheriſirens der Kinder be⸗ merkt Hr. Guerſant, daß ſich dasſelbe, bei der großen Empfind⸗ lichkeit der Subjecte, nicht nur behufs eigentlicher Operationen, ſondern ſelbſt bei Anlegung von Verbänden, beim Befühlen gewiſſer Theile, kurz bei einfachen Verrichtungen, deren Erfolg indeß davon abhängt, daß ſie ohne Störung vollzogen werden, was jedoch nur unter der Bedingung geſchehen kann, daß der kleine Patient der willkürlichen Bewegung beraubt iſt, wünſchenswerth machen könne. Hr. Guerſant ätheriſirt z. B. Kinder, um bei hartnäckiger Au⸗ genentzündung das mit falpeterfaurem Silber verſetzte collyrium in Anwendung zu bringen. Bekanntlich fällt es dem Chirurgen bei ſolchen Gelegenheiten außerordentlich ſchwer, einige Tropfen Flüſſigkeit ins Auge einzubringen. Durch das Atheriſtren erreicht er den Zweck ohne alle Mühe, und er erlangt dadurch öfters noch den Vortheil, daß ſich die kleinen Patienten, welche bei dieſer Operation keinen Schmerz verfpürt haben, ſich derſelben fpäter auch ohne vorheriges Atheriſiren geduldig unterwerfen. (Gaz. méd. de Paris, No. 9 & 10. 1848.) (22) Squillawein mit Laudanum als harntrei⸗ bendes Mittel gegen Waſſerſucht hat Hr. Teiſſier, Arzt am Hötel-Dieu zu Lyon, ſehr wirffan gefunden. Man nimmt ½ Liter gewöhnlichen weißen Franzweins und läßt darin 8 Gram⸗ men friſch bereitetes Squillapulver kalt maceriren. Alsdann filtrirt man und ſetzt 60 Tropfen Sydenhamſches Laudanum zu. Hat man Patienten zu behandeln, deren Darmcanal ſehr reizbar iſt, fo nimmt man nur 4 Grm. Squillapulver. Auch fo wirkt die Mirtur ſtark harntreibend. Anfangs giebt man täglich zwei Mal einen Eß⸗ löffel, früh Morgens nüchtern und Abends drei Stunden nach der Hauptmahlzeit. Die Flüſſigkeit wird in einer Taſſe verfüßter Ti⸗ ſane eingenommen. Wird die Arznei vom Magen gut vertragen, fo kann man nach einigen Tagen die Doſis bis auf 3 —4 Eßlöffel voll erhöhen. Gewöhnlich beginnt die diuretiſche Wirkung ſchon nach 2— 3 Tagen. (Gaz. med. de Paris, 15. & 18. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. G. G. 5 Repertorium botanices systematicae. Tom. IV. fasc. IV. et V. gr. 8%. Geh. 16 Sgr. Hofmeister in Leipzig 1848. H. G. L. Reichenbach, Wohlf. Ausg. halbcolor. Se- rie II. Thalamanthae. In Umschlag à 16 Sgr. Hof- meister in Leipzig 1848. P. M. Opitz, Herbarium universale. XXIII. Hundert. No, 417. gr. Fol. Versiegelt. 1½ Thlr. Kronberger u. Rziwnatz in Prag 1848. L. Reichenbach, Icones florae germanicae. Centuria Decas 6. 7. 8. gr. 4°. In Umschlag. (Schwarz 2½ Thlr., color. 4½ Thlr.) Hofmeister in Leipzig 1848. L. Pfeiffer, Abbildung und Beschreibung blühender Cacten. 2. Bd. 5. Lfg. Imp. 4°. color. 3 Thlr. halbcolor. 1 Thlr. Fischer in Cassel 1848. J. Sturm, Deutſchlands Flora. III. Abth. Die Pilze Deutſchlands. 25. u. 26. Hft. Bearb. von C. G. Preuß. 16%. (In Etui a ½ Thlr.). Nürnberg, Hinrichsſche Buchh. in Leipzig 1848. Deutschlands Flora. 44. 45. Hft 40. Memoires de l' Académie royale de médecine. Tome treizieme. In 4° de 101 feuilles, avec 6 planches. Paris 1848. (Prix 20 fr.) Ce volume contient: 1) Eloge de Chevreul par M. Pariset; 2) Eloge de Jenner, par M. Bousquet; 3) Eloge de E. Pariset par M. F. Dubois; 4) Eloge, Essai sur l’histoire de la philosophie de la chirurgie, par M. Malgaigne; 5) de la bile et des maladies, par M. Fauconnrau Dufresne; 6) Memoire sur les fractures du col du femur, accompagne de penetration dans le tissu spongieux du trochanter, par M. A. Robert, avec 2 planches; 7) hydarthrese scapulo-humerale traitee par l’injection iodee, par M. J. Roux; 8) Observation d'un calcul vesical formé autour d'une alene de cor- donnier, par M. Fleury; 9) De l’emploi des bains prolonges dans le trai- tement des formes aigues de la folie, par M. Briere de Boismont; 10) Du catheterisme dans le traitement de la dysphagie, par M. Trousseau; 11) Rapport demande par M. le ministre du commerce sur les marais salants, ar M. Melier, avec 4 planches; 12) De la paralysie pollagreuse, par M. aillarger. Prix de la collection complete, 13 vol. in 4% avec planches, pris ensemble, au lieu de 260 fr. reduit à 150 fr. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 122. (Nr. 12. des VI. Bandes.) April 1848. Dana, über die Mondvulcane. — Miſcellen. Naturkunde. Wandernde Coccionellen. Hopfenblattlaus. Bibliographie. Die erſte Ceder vom Libanon, welche nach Europa gebracht ward. a Maury, über den Golfſtrom. — I Bonnafont, über die Fortpflanzung der Schallwellen durch die feſten Theile des Kopfes zc. Walker, über die Favell, über das Aſthma der Schleifer. — Miſeellen. Heilkunde. 2 = Payen, Entzündung der Haut nach Senfpflaftern. — Naturkunde. XVII. über die Mondvulcane. Von James D. Dana. Die Oberfläche des Mondes bietet dem Studium der Geologie die intereſſanteſten Erſcheinungen, die trotz der Entfernung von vielen tauſend Meilen durchs Teleſkop mit wundervoller Schärfe wahrgenommen werden, fo daß fchen Arago bemerkte, wie wir die Höhe der Mondgebirge ge— nauer wie die Berge unſeres Planeten kennten. Bei einem von keiner Wolke getrübten Himmel und einer Atmoſphäre von äußerſter Reinheit erkennt das bewaffnete Auge die ganze äußere Geſtalt des Mondes mit ſeinen Riſſen, Kra— tern, Alpen und Apenninen, die man vom Fuße bis zur Spitze deutlich verfolgen kann; doch ſieht man weder Ab— lagerungen noch irgend eine Spur von Vegetation, da auch beide ohne Waſſer nicht beſtehen könnten; nur die ganze ungetrübte Größe feuriger Einflüſſe entfaltet ſich dem Blicke. Eine kurze Betrachtung dieſes Himmellandes ſcheint dem Verf. gerade deßhalb nicht unintereſſant und für die Wiſſenſchaft nicht unwichtig. Das Edinburgh new philo- sophical Journal von 1847 theilt ſeine Arbeit im zweiten Quartalhefte mit. Die Höhe der Mondgebirge ward von Galilei zuerſt durch Schätzung beſtimmt und ſpäter von Helvetius und Riccioli mathematiſch berechnet; William Herſchel führte die Beobachtungen weiter, 3 der Vulcane ſchienen ihm noch jetzt thätig zu ſein. Meyer, Huth, Harding und Schröter, wie ſpäter Gruithuiſen und W. G. Lohr— man machten ſich gleichfalls um die Kenntniß der Monde oberfläche verdient; noch ſpäter wiederholten und berichtigten Beer und Mädler alle früheren Beobachtungen und ent— warfen zugleich treffliche Mondkarten. Auf dieſe Karten gründete Elie de Beaumont einige geologiſche Theorien, und ganz neulich haben James Nasmyth und Rozet No. 2102. — 1002. — 122. wichtige Beobachtungen veröffentlicht: der erſtere wies den vulcaniſchen Charakter der Mondgebirge nach, der andere zeigte, wie der Mond eine feurig -flüſſige Kugel geweſen, langſam erkaltet wäre und ſo gegenwärtig einen früheren Zuſtand unſeres Planeten darſtelle. Bei allen in Bezug auf den Mond angeſtellten geologi— ſchen Beobachtungen bleibt doch die ungeheure Größe der Krater ungenügend erklärt; manche von ihnen ſind ihrer ſtaunenswürdigen Größe wegen kaum für eigentliche Krater zu halten und vielleicht beſſer als Kreisfirſte oder Ring— gebirge zu bezeichnen. Die Geologen haben kaum eine Er— klärung dieſer Mondwunder aufzuſtellen gewagt. Man denke ſich, wenns möglich iſt, ſtatt der gewöhnlichen Krater, runde Wälle, 50 bis 150 Meilen im Durchmeſſer bei einer Tiefe von 10,000 bis 20,000 Fuß, um ſich ein ungefähres Bild der zahlreich über den größten Theil der Mondober— fläche verbreiteten Krater, die jedoch auch von geringerem Umfang nur einige Meilen im Durchmeſſer vorkommen, zu verſchaffen. Nur ſchwierig möchten ſich dieſe Formen auf den typiſchen Charakter des Veſuds und Atna zurückführen laſſen; aber ſchon der Krater von Kilauea auf den hawaiiſchen In— ſeln hat einen ganz anderen Charakter, und ſo glaubt der Verf. durch Vergleichungen mit ihnen auch die Entſtehung der Ringberge des Mondes zu erklären und die für den Mond aufgefundene Theorie ſpäter auch auf die Geologie der Erde anwenden zu können. Der Verf. betrachtet zuerſt die allgemeine Geſtalt der Mondoberfläche: über 2/ der ſichtbaren Mondhemiſphäre, meiſt aus der ganzen ſüdlichen Hälfte und dem nordweſtlichen Viertheil beſtehend, find mit vulcaniſchen Gebirgen dicht be— deckt; dagegen iſt das nordweſtliche Viertheil großentheils flach, nur hie und da Erhebungen bildend und verläuft ſo weiter nach Süden durch den Aquator. Der Verf. unterſcheidet ſechſerlei Geſtalten der Mond— fläche. oberfläche a 179 1) Ringberge, breite abgeftugte Kegel mit ungeheuren runden Kratern; 2) kegelförmige Berge, unſeren gewöhnlichen Vuleanen ähnlich; 3) gerade oder unregelmäßige Kämme; 4) große vertiefte Flächen, gewöhnlich als Seen, aber vermuthlich ohne Waſſer, beſchrieben; 5) breite, helle Streifen von bedeutender Ausdehnung; 6) ſchmale Linien, wahrſcheinlich Riſſe. Unter den 1095 von Beer und Mädler gemeſſenen Höhen ſind 6 über 20,000 Fuß, 22 aber bis 15,750 Fuß hoch; die breiten abgeſtutzten Kegel mit weiten, runden Kratern ſind am häufigſten; ihr Durchmeſſer wie die Tiefe ihres Kraters ſind ſehr verſchieden. Der Krater von Baily mißt von ſeiner Spitze 149½ Meile im Durchmeſſer, der Clavius iſt 143, der Schickard 128 Meilen weit. Die Tiefe des Newtonkraters beträgt 23,833 engliſche Fuß, des Caſatus 22,822, des Calippus 22,209 und des Tycho 20,181 Fuß. Die Höhe der äußeren Oberfläche beträgt nach denſelben Autoren oft nur die Hälfte oder ein Dritt— theil der Höhe vom Grunde des Kraters; der äußere Ab— hang iſt gewöhnlich ſteil, der Rand erſcheint deßhalb als ein erhabener Rahmen um eine innere Tiefe. Einer dieſer Krater iſt nach Nasmyth bis zur Spitze und zwar, wie es ſcheint, mit geſchmolzener, ſpäter erkalteter Lava ausgefüllt. Die weiteſten Krater finden ſich nicht gerade in den höchſten Bergen, die Höhe der letzteren ſteht vielmehr bis zu einem gewiſſen Grade in umgekehrtem Verhältniß zum Durchmeſſer des Kraters. Die Höhlen der Vulcane ſind im allgemeinen kreisrund, beſtehen aber auch hie und da aus zwei zuſammengefloſſenen runden Gruben; bei noch ande— ren und zwar bei der größten, zerfällt der äußere Wall in eine Reihe von Firſten, die manch Mal weite Eruptionsriſſe beſitzen; ihre unregelmäßigen Geſtalten laſſen ſich demnach entweder auf einen einfachen Kreis oder eine Vereinigung mehrerer Kreiſe oder auf eine ſucceſſive Bildung von Firſten in einander zurückführen. Der Boden dieſer Gruben iſt zwar im allgemeinen flach, hat aber nicht ſelten wieder kleine Kegel oder Erhöhungen, die etwa bis 5000 Fuß hoch wer— den; auch der äußere Abhang zeigt ähnliche Seitenkegel von ſehr verſchiedener Ausdehnung; der Hauptkrater hat demnach wieder kleinere, gleichfalls runde Krater in ſich. Nur ſelten finden ſich zugeſpitzte Kegel ohne Krater— gruben, der Dörfel, der größte dieſer Mondkegel, hat nach Beer und Mädler 24,945 Fuß Höhe, er liegt in den Mondapenninen; der Huygens, ein anderer Kegel, iſt 18,209 Fuß hoch. Die Mondkämme ſind gewöhnlich verlängerte Erhebun— gen oder Anhäufungen der letzteren, jedoch ohne ſie durch— klüftende Thäler, wie auf unſerem Planeten: dem Monde fehlt nämlich, nach Rozet und anderen, das Waſſer, um ſolche Thäler auszuwaſchen. Selbſt die als Seen beſchriebenen Vertiefungen, das Mare Serenitatis und Mare Crisium, find nur ungeheure, 500 bis 600 Meilen weite und weniger tiefe Kratergruben; auch ſie enthalten Kegel und kreisrunde Wälle wie die übrigen Krater. 1227 WM 12, 180 Die hellen Streifen, welche rings um die großen Kegel, namentlich um den Euler, Kepler, Copernicus und Ariſtar— chus Strahlenlinien bilden ſollen, find bis 500 Meilen lang und gehen ohne Unterbrechung über Höhen und Tiefen hinweg; ſie fließen über der Spitze des Kepler zuſammen, wodurch deſſen ganze Oberfläche nebelig erſcheint. Die Stärke des von den Kratergruben reflectirten Lich— tes iſt ſehr verſchieden; Beer und Mädler unterſcheiden 10 Grade des Lichtes: der erſte bis dritte Grad iſt grau, der vierte bis fünfte hellgrau, der ſechste bis ſiebente weiß und der achte bis zehnte glänzend weiß. Die ſogenannten Seen erſcheinen oft viel heller als ihre Umgebung; die Be— leuchtung zweier neben einander gelegener, gleich weiter und tiefer Gruben iſt bisweilen beim Vollmonde ſehr verſchieden: die eine kann ſchon ganz verdunkelt ſein, während die an— dere noch ſtrahlet, beide werden dann aber, ſobald ihre Schatten wieder erſcheinen, gleichzeitig geſehen. Die glän— zendſten Krater find der Ariſtarchus, Werner und Proelus; der erſte iſt 7629 Fuß tief, er hat einen Hauptglanzpunkt und zwei oder drei getrennte, runde, hellere Flecken; der Werner hat nur einen einzigen Glanzpunkt, vom Proelus glänzt der Wall, während der Grund im Dunkeln liegt. William Herſchel machte zuerſt auf das Daſein einer vulcaniſchen Thätigkeit im Monde aufmerkſam; nach ihm waren am 19. April 1787 2 Mondoulcane, entweder faſt erloſchen oder im Begriff hervorzubrechen, ein dritter dagegen in voller Eruption; am folgenden Tage brannte der thätige Vulcan mit größerer Heftigkeit, der feurige Rand maß etwa 3 Mei— len im Durchmeſſer; alle dem Krater nahe gelegenen Theile ſchienen erleuchtet. Die beiden anderen Vulcane glichen großen Nebelflecken, deren Mittelpunkt am hellſten war, ein leuchtender beſtimmter Fleck war jedoch nicht zu unterſcheiden. Im Jahr 1780 will Herſchel auch hier eine Eruption geſehen haben. Nachdem der Verf. ſo die allgemeinen Thatſachen, die vielen ungeheuren Krater von verſchiedenem Umfang und Geſtalt, die noch weiteren Vertiefungen und die verſchiedene Beleuchtung des Kraters beſprochen, geht er zur Erklärung dieſer Thatſachen über und wählt hierzu den ſchon oben erwähnten Kilauea, der faſt dieſelben Erſcheinungen zeigt und 1) eine weite, offene Kratergrube beſitzt, deren längſter Durchmeſſer mehr als 3 Meilen und deren Tiefe nahebei 1000 Fuß beträgt; 2) im größten Theile ſeines Umfanges freie, ſtumpfe Wälle, am Grunde mit einem inneren, ſich 340 Fuß über den Boden des Kraters erhebenden Saume, beſitzt. Der Boden beſteht 3) aus feſter Lava, die nur zu Tage offen iſt und ohne Gefahr überſchritten werden kann; über derſelben befinden ſich die Keſſel ſchmelzender und kochender Lava, deren einer mehr als 1000 Fuß Durchmeſſer hat. Auch hier trifft man Kegel von wenigen Yards bis zu 3000 Fuß Durchmeſſer und ſehr verſchiedener Neigung. Die Spitze des größten dieſer Kegel beſitzt wieder einen Krater. Sowohl in Betreff des den untern Theil der Höhlung umgebenden Saumes als der verſchiedenen Geſtalten des Kegels läßt ſich hier eine Übereinſtimmung mit den Mondkratern 181 nicht erkennen; die letzteren beſitzen namlich größtentheils einen innern Kreis, gewiſſermaßen eine Terraſſe, die im Timocharis dem Innenſaume des Kilauea durchaus ähnlich iſt und hier wie dort ununterbrochen den ganzen Krater umkreiſ't. Einige Mondkrater enthalten runde Becken mit kaum erhabenem Rande, noch andere zeigen kegelförmige Erhebungen; aber auch im Kilauea finden ſich zu Zeiten ſowohl auf der Fläche des Bodens als auf der Spitze der Kegel Seen kochender Lava. Die Kraterhöhle des Kilauea iſt überdies aufwärts 3 Mei— len lang, aber noch etwa um die Hälfte breiter. Das größte mehr als 1000 Fuß im Durchmeſſer haltende Kochbaſſin iſt demnach nur ein kleiner Fleck dieſer ungeheuren Fläche; wenn aber alle dieſe Feuerſeen thätig ſind, ſo leuchtet die ganze Grube von feuriger, nach allen Seiten aus ihnen überfließender und von den zahlreichen Kegeln zurückgewor— fener Lava. Auch die kreisrunde oder ſchwach elliptiſche Ge— ſtalt des Mondkraters kehrt beim Kilaueg wieder, deſſen Baſſins ſämmtlich rund find, und deſſen Kraterhöhle nur wegen ihrer Lage an einer Spalte eine längliche Geſtalt beſitzt, wogegen die erloſchenen Krater des Mount Loa voll— kommen rund ſind, aber auch einige Zwillingskrater vor— kommen. Der Verf. wählte zur Erklärung der Mondouleane ge— rade den Kilauea, weil er noch jetzt thätig und überdies aus den erſten Berichten des Admiral Byron und Charles S. Stewart bekannt iſt; Capitain Wilkes überdem in ſeiner Narrative of the Exploring Expedition ſchöne Abbildungen von ihm geliefert hat und der binnen kurzem erſcheinende Bericht der geologiſchen Expedition nach den hawaiiſchen In— ſeln ihn noch genauer beſchreiben wird. Woher aber die große Übereinſtimmung dieſes Vulcanes mit den Mondkratern, während doch andere Feuerberge ſo ganz anders geſtaltet ſind? Die leichtflüſſige Beſchaffenheit der Lava, welche dem Kilauea nur ein einfacheres Kochen geſtat— tet, bedingt dies ſchon allein, indem die Dämpfe ungehin— dert entweichen können und nur eine dem Sieden des Waſ— ſers ähnliche Bewegung der geſchmolzenen Maſſe entſteht, während im Veſude und anderen Vulcanen die Dämpfe zurückgehalten werden und erſt bei großer Spannung gewalt— ſam entweichen, dann aber die Lava oft bis zu einer Höhe von 1000 Fuß hinausſchleudern und als Schlacke rund umher zerſtreuen. Durch ſolche Spannung entſtehen auch die ſpitzen Berge, während das einfache Sieden des Kilauea weder Schlacken noch Schlackenkegel hervorruft; wohl aber entſtehen auch hier durch das Überfließen der Lava und ihr ſchnelles Erkalten am Rande Kegel von verſchiedenen Neigungswinkeln, die einen feſten Wall um die Feuerbecken bilden. Die Aus— dehnung eines kochenden Sees wird aber nur von der Ver— breitung der Wärme im Boden abhängen, wornach die ungeheure Größe der ſog. Mondſeen nicht mehr räthſelhaft erſcheint; auch ihre kreisrunde Geſtalt wird durch die ſtrah— lige Verbreitung der Wärme vom Mittelpunkte aus leicht erklärlich. Der Verf. verwirft ſomit die gewöhnliche Anſicht, daß die Krater durch Schlackeneruption entſtanden ſeien; dieſe konnten nur kleine Offnungen bilden, indem ſich beim Er— 122. VI. 12. 182 kalten nothwendig der ganze Wall zuſammenziehen müßte; dagegen entweichen bei einem großen, leicht flüſſigen Feuer— pfuhl nicht nur alle Dämpfe ungehindert; auch fällt die etwa mit in die Höhe geriſſene Lava, die Gegend des Randes ausgenommen, wieder in das Becken zurück; die Seitenwandungen können deßhalb keine ſolche Höhe und keine ſolche Krümmung erreichen, wie es von Nas myth angegeben wird; überdies ſteht die Kraft des Hervorſchnellens innerhalb gewiſſer Grenzen in umgekehrtem Verhältniſſe zum Durchmeſſer des Baſſins. Dagegen iſt die Lava aller derjenigen Offnungen der Mondoberflächen, deren Feuer zum Theil erloſchen iſt, durch die partielle Abkühlung zähflüſſig geworden; jetzt tritt, wie bei den gewöhnlichen Vulcanen, eine Spannung ein, es ent— ſtehen hohe koniſche Spitzen mit oder ohne enge Offnungen auf ihrem Scheitel. Die enorme Tiefe der Mondgruben ſcheint noch eines anderen Erklärungsgrundes zu bedürfen und dieſen finden wir in dem geringeren ſpeeifiſchen Gewichte der Gegenſtände auf dem Monde, welches nur ¼ von dem ſpeeifiſchen Ge— wicht der Körper auf der Erde beträgt. Die Lava wird deßhalb nicht nur ſpeelfiſch leichter, ſondern auch viel lockerer und ſchwammiger; daraus erklärt ſich aber auch zugleich, warum die großen Krater des Mondes ſo allgemein mit einem Rande endigen, während die meiſten Vulcane der Erde, der Mount Loa zum Beiſpiel, eine Spitze und allmälig ſchräg abfallende Seiten haben. Die ungleich große Schwere der fließenden Lava an der Erde beſchränkt nämlich die Bildung des Randes, der auf dem Monde zu einer ungleich größeren Höhe gelangt, wodurch die Tiefe dieſer Gruben ſo beträchtlich wird. Der Verf. glaubt darnach die Mondouleane ohne Be— denken für wirkliche VBulcane annehmen zu müſſen, wenn— gleich einer ihrer ungeheuren Krater zwanzig Mal den Atna faſſen würde. Er nimmt überdem an, daß beim Erkalten der Mondkugel zuerſt durch das Erhärten der Kruſten an verſchiedenen Stellen die kochende Lava Seen bildete, aber auch dieſe bei der fortſchreitenden Wärmeverminderung ſtellen— weiſe erkalteten und ſo um Mittelpunkte von größter Wärme zerfielen ; bei noch anderen zog ſich die überfließende, zu einem, Rande erſtarrte Maſſe mehr und mehr zuſammen, ihre Offnung nahm dadurch an Größe ab, und ihr früheres Ausſehen ward durchaus verändert; noch andere wurden plötzlicher zuſammengezogen und ſo entſtanden der innere mit den Außenwällen concentrifche Saum, dem vielleicht noch mehrere gleicher Art folgten. Im Heinſius, deſſen längerer Durchmeſſer 48 Mei— len beträgt, findet ſich innerhalb des größeren Saumes wirk— lich noch ein kleinerer, der kreisrunde Abgrund ſelbſt mißt nur 12 Meilen im Durchmeſſer. Spuren eines dicken con— centriſchen Walles, wahrſcheinlich der zuerſt entſtandene Um— kreis, welcher niedriger als der ihm folgende geweſen, unter— ſtützt die Hypotheſe, daß um ſo größer der Krater, um fo niedriger der Wall ſei; doch iſt hier auch, ähnlich wie beim Kilauea, ein Sinken der Umgebung möglich geweſen. Das— ſelbe zeigen der Abulfeda und Timocharis. Eine fortſchrei— 12% 183 tende Abkühlung kann nun die Weite der Krateröffnungen allmälig ſo beſchränkt haben, daß ein freies Entweichen der Dämpfe und folglich ein ruhiges Sinken der Lava nicht mehr möglich war, und ſo gewaltſame Eruptionen von Schlacken und Lava entſtehen, oder die Spitze des Kraters kegelförmig hervorgetriebene Schlacken auswerfen mußte. Dieſe verſchiedenen Phaſen, verbunden mit Spalten, Eruptionen und Hebungen, durch Contraction veranlaßt, welche gleichfalls zur Bildung der vorbeſchriebenen Wälle thätig ſein können, geben, wie der Verf. meint, eine vollſtändige und faßliche Anſicht der Entſtehung der Mondoberfläche. Ob die Mondkrater noch jetzt thätig ſind, iſt noch nicht ausgemacht: zum großen Theil iſt die Mondoberfläche entſchieden erkaltet; doch läßt die ſo ſehr verſchiedene Licht— intenſität verſchiedener Stellen dieſer Oberfläche wohl hie und da auf eine feurige Thätigkeit ſchließen; indeß kann auch eine verſchiedene Glätte der Oberfläche und vielleicht, wenn— gleich unwahrſcheinlich, eine Verſchiedenheit des Materials das Zurückwerfen des Lichtes modificiren. Dieſe Erklärungen würden indeß, wenn auch für die Krater, doch für die leuch— tenden, über Berg und Thal ununterbrochen weglaufenden Streifen nicht ausreichen; eben ſo wenig laſſen ſich die er— leuchtenden, eine dunkle Tiefe umgebenden Wälle und die allgemeine Verbreitung des Lichtes von einer oder mehreren kleinen leuchtenden Flächen nicht wohl anders als durch feurigen Einfluß erklären. Der Verf. hält dieſe erleuchte— ten Flächen für Dämpfe, welche dem Boden entſteigen; die hellen Streifen aber nicht für ungeheure Riſſe, ſondern für Dampfwolken, welche aus den vielen an der Spitze der Krater zuſammenfließenden Spalten hervordringen und ſo dieſe Spitze erleuchten; dieſe Dämpfe können nun im Grunde des Kraters ſo verdichtet ſein, daß ſeine Wälle am hellſten erſcheinen. Da nur wenig oder gar kein Waſſer die vulcaniſche Thätigkeit des Mondes unterſtützt, ſo ſcheint der Schwefel hier eine wichtige Rolle zu ſpielen, wie er überhaupt in Meteorſteinen als Schwefelkies vielfach vorkommt; die er— wähnten Dämpfe müſſen demnach ihm und andern flüchtigen Beſtandtheilen zugeſchrieben werden. Wenngleich nun der noch thätige Zuſtand der Mond— vulcane nicht erwieſen iſt, ſo kann doch eine allgemein ver— breitete heftige vulcaniſche Thätigkeit früherer Perioden nicht bezweifelt werden, und treten gerade am Monde die allmälig durch Zunahme der Abkühlung hervorgerufenen Veränderun— gen ſo deutlich hervor, daß wir in ihnen die Umwälzungen unſeres Planeten aufs herrlichſte ſtudiren können. Iſt nun die Erde auch eine flüſſige Kugel geweſen, ſo muß auch ſie gleiche Phaſen, wie der Mond, durchlaufen haben, wobei jedoch der wichtige Unterſchied, daß die Erde gleichzeitig von Waſſer umſpült und mit deſſen Niederſchlägen bedeckt ward, nicht außer Acht zu laſſen iſt. Auch ſie muß urſprünglich ungeheure Becken kochender Lava, die ſich nach und nach, mit der Abnahme der vulcaniſchen Thätigkeit, verkleinerten, beſeſſen haben. Wo ſind aber dieſe großen Krater geblieben, ſind ſie allmälig verſchwunden und zu unſern jetzigen Ge— birgen geworden? Von Buch vergleicht nicht mit Unrecht 122. VI. 12. 184 eine der canariſchen Inſeln, die Inſel Palma, mit einem Mondkrater; ihr Durchmeſſer iſt noch ein Mal ſo groß, wie der des Kilauea, dem fie im übrigen ſehr ähnlich iſt. Auf der Inſel Mauritius findet ſich ein ähnlicher Raum, 15 Mei- len im Durchmeſſer, der von ſteilen Wällen, die an den Rändern aus ſich nach außen ſenkenden Schichten beſtehen, umgeben iſt, und entweder, wie Bailly vermuthet, einen Vulcan, deſſen Centrum eingefallen iſt, zugehört, oder das Überbleibſel einer großen Kraterhöhle iſt. Die Gegenwart beſitzt nur noch wenige thätige Krater, und nur der Kilauea hat den entſchiedenen Charakter eines ſiedenden Keſſels be— halten. Die vulcaniſchen Feuer find ſomit von der Erdober— fläche faſt gänzlich verſchwunden, unſere jetzigen Vulcane charafterifiren ſich dagegen durch Eruptionen aus ihrer Spitze und durch Lavaſtröme, die aus den Spalten des Berges hervordringen. (Schluß folgt.) Mi ſceellen. 26. Die erſte Ceder, vom Libanon nach Europa gebracht, hatte, nach einer Mittheilung in Sharpe’s London Magazine, folgendes Schickſal. Ein Franzoſe, der eine Wallfahrt nach dem gelobten Lande unternommen, fand unter den majeſtaͤti⸗ ſchen Cedern des Libanon einen jungen Sämling, den er ſorgfältig in einen Topf gepflanzt, zur Erinnerung feiner Pilgerfahrt nach Frankreich brachte und mit ſolcher Liebe und Aufopferung pflegte, daß er auf der Heimreiſe, wo dem Schiffe das Trinkwaſſer aus⸗ gegangen, lieber ſelbſt ſchmachtete, als ſeine Ceder durſten ließ, und deßhalb faſt dem Tode nahe Frankreichs Boden betrat, wäh⸗ rend ſeine Ceder üppig emporgrünte. Aber im Zollhauſe drohte ſeinem Schützlinge Tod und Verderben, die Erde, in der man Diamanten vermuthete, ward unbarmherzig durchwühlt und nur die inſtändigſten Bitten, den im geheiligten Boden gewachſenen, nur 6 Zoll langen Baum zu ſchonen, fanden endlich Gehör. In ſeinem Hauſe erzogen, kam dieſe Ceder ſpäter in den Jardin des Plantes zu Paris, ward dort zu Schutz und Schirm mit einer ſtarken Mauer umgeben, deren lateiniſche Inſchrift den koſtbaren Schatz aus heiligem Lande verkündete. Hier wuchs und gedieh das anfangs kleine Bäumchen zuſehends und ward zuletzt zum König aller Bäume des genannten Gartens, der beim Volke im Rufe großer Heiligkeit ſtand und der Sammelplatz aller vom Un⸗ glück hart getroffenen ward, die unter ſeinen Zweigen ein Rauſchen des Himmels, ihnen Troſt und Hoffnung einflüſternd, zu vernehmen glaubten; ja die Gefangenen des benachbarten ſchauerlichen Ker⸗ fers blickten ſtundenlang aus ihrer Giebelzelle, für die fie gern das Doppelte bezahlten, um nur des Libanons Ceder zu ſehen. Dieſer herrliche Baum, die Zierde des Gartens, der Unglücklichen Troſt und der Gefangenen Sehnſucht, wo iſt er geblieben? — Im hundertſten Jahre ſeines Alters ward er gefällt, um einer Eiſen⸗ bahn den Platz zu räumen, und funkenſprühend eilt die dampfende Locomotive über feinen modernden Wurzeln dahin. (The Gardner’s Chronicle, No. 46. 1847.) 27. Die Hopfenblattlaus (Aphis Humuli) zeugt be⸗ kanntlich geflügelte und ungeflügelte Individuen. Nach Walker hängt nun dieſe Erſcheinung mit Veränderungen des Wohnortes und der Nahrung zuſammen. Die Hopfenblattlaus, die auf dem Schlehendorn aus den Eiern kriecht, erzeugt eine zweite Generation, die zum Hopfenſtrauche wandert, auf dem auch die dritte und vierte Generation lebt. Dann vermindert ſich ihre Zahl, ſie verlaſſen den Hopfen und kehren zum Schlehendorn zurück. (Bibliotheque universelle de Geneve, No. 24. 1848.) 185 28. Wandernde Coceionellen ). — Nach Gmonatlicher Trockenheit fiel am 8. Auguſt vorigen Jahres zu Broadſtairs, auf der Inſel Thanet, ein anhaltender Regen, dem Tags darauf ein ſtarker Südwind folgte, der eine ſolche Anzahl von Coccionellen herbeiführte, daß binnen 3 Tagen alles in der nächſten Umgebung der Stadt von ihnen bedeckt war und ſie in allen Vertiefungen ſich, Schutz ſuchend, anhäuften. Dieſe Coccionellen beſtanden aus drei Arten: die Coccionella septempunctata ILL war die häufigſte, die C. bipunctata ſchon ſeltener und die mit 9 Flecken nur ſparſam vorhanden. Am 12. hob ein ſich von neuem erhebender Südwind ſämmtliche Coccionellen empor und führte ſie nach Margate; von da kamen ſie durch eine Drehung des Windes nach Ramsgate, am 13. waren fie zu Southend und London und am 14. und 15. zu Brighton. (Annals and Magaz. of nat. history. September 1847.) *) Vgl. Bd. V, 41. 122. VI. 12. 186 29. Der Golfſtrom iſt nach Maury's Annahme die Haupturſache des mildern Klimas im weſtlichen Europa, indem durch ihn ungeheure Maſſen beträchtlich erwärmten Waſſers vom Golf von Merico ins atlantiſche Meer geführt werden und durch nordweſtliche Winde noch mehr beſchleunigt, gegen die Küſten von Europa treffen, ihnen Wärme und Feuchtigkeit geben und ſo das ge— mäßigte feuchte Klima Englands, wie anderer ſich durch die Üppig⸗ keit ihrer Vegetation auszeichnenden europäifchen Küſtenländer hervorrufen. Ein anderer vom indiſchen Ocean ausgehender Golf— ſtrom mit erhöhter Waſſerwärme verläuft gegen das nordweſtliche America und erzeugt das milde, feuchte Klima des Oregonſtaates, während der Oſten Aſiens in klimatiſcher Beziehung dem Oſten Americas gleich kommt. (Bulletin de l’academie royale de Bel- gique, No. 1, 1848.) Seilk (XX) über das Aſthma der Schleifer. Von Charles For Favell, M. D. zu Sheffield. Das Schleifen wird in beſondern Gebäuden betrieben, welche man Mühlen (wheels) nennt, und in denen manch Mal 100 — 200 Leute arbeiten. Die Mühlen enthalten eine Anzahl Gemächer, welche in der Größe ſehr verſchieden ſind, folglich auch nicht dieſelbe Zahl von Arbeitern ent— halten. In jedem Gemache oder Arbeitsſaale befindet ſich eine der Größe desſelben angemeſſene Anzahl von Schleif— trögen. Der Trog iſt eine Vertiefung in dem Fußboden des Zimmers, in welcher der Stein ſich dreht. Die Polir— räder beſtehen aus Holz und Leder und ſind von ſehr ver— ſchiedener Größe; diejenigen, auf welchen Federmeſſer polirt werden, haben gewöhnlich etwa 14, die zum Poliren von Tiſchmeſſern benutzten 36 Zoll im Durchmeſſer. Dieſe Räder, ſowie auch die Schleifſteine, ſind durch breite Riemen ohne Ende mit einem Rade von viel bedeutenderem Durchmeſſer, der ſogenannten Trommel, verbunden, welche ſich im Hinter— theile des Locals befindet und von der Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt wird, ſo daß von ihm aus die Drehung der ſämmtlichen Steine und Polirräder des Arbeitsſaales bewirkt wird. Die Verbindung zwiſchen den Polirrädern und Schleifſteinen einerſeits und der Trommel andererſeits läßt ſich ſehr ſchnell und leicht bewirken und aufheben, in— dem ſich die Riemen ohne Ende ohne weiteres auf- und abſchieben laſſen. Wenn der Schleifer arbeitet, ſitzt er mit ausgeſtreckten Armen und vorwärts gebogenem Oberkörper auf einer kleinen Bank. Die Schleifſteine ſind ſehr verſchiedener Art, manche hart und ſpröde, andere verhältnißmäßig weich und geſchmei— dig. Die erſtern dienen zum trocknen, die letztern zum naſſen Schleifen. Beide Arten von Steinen werden in der Gegend von Sheffield in Menge gefunden. Eben ſo zerfallen auch die Schleifer in zwei Claſſen, die, welche trocken, und die, welche naß ſchleifen. Die er— ſtern arbeiten mit einem vollkommen trocknen, die letztern mit einem fortwährend feucht gehaltenen Steine. Doch unde. giebt es auch viele Schleifer, die, weil manche Artikel ſo— wohl trocken als naß geſchliffen werden müſſen, bald auf dem trocknen, bald auf dem feuchten Steine arbeiten. Dies iſt beſonders bei Scheeren, Raſirmeſſern, Federmeſſern und Tiſchmeſſern der Fall, bei welchen die gewölbten Theile trocken geſchliffen werden. Beim Schleifen, namentlich beim trocknen Schleifen, entſteht viel Staub. Wie ſchädlich dieſer auf die Lunge einwirkt, ergiebt ſich daraus, daß die Sterblichkeit unter den trocken arbeitenden Schleifern um vieles bedeutender iſt, als bei den andern. Übrigens entſteht nicht nur beim Schleifen, ſondern auch beim Zurichten der Steine und beim Poliren viel Staub. Beim Zurichten oder Juſtiren eines Steines wird dieſer ungemein ſchnell gedreht, während ein Mann ein ſtählernes Lineal ſo auf denſelben einwirken läßt, daß deſſen Oberfläche vollkommen cylindriſch wird. Das Poliren iſt begreiflicher— weiſe der letzte Schleifproceß. Die Maſſe, welche man beim Poliren anwendet, iſt nicht immer dieſelbe. Beim Poliren der Gabeln beſteht ſie aus nichts weiter als Schmirgel und Leim; bei dem der Federmeſſer aus Ol und Schmirgel und das das Polirrad umgebende Leder wird obendrein mit Wachs beſtrichen. Für Tiſchmeſſer beſteht die Polirmaſſe aus Talg, Wachs und Schmirgel. Das Poliren wird von denſelben Leuten beſorgt, welche ſchleifen. Offenbar richtet ſich die Menge des beim Poliren aufſteigenden Staubes ſehr nach der Beſchaffenheit der Polirmaſſe. Beim Poliren der Ga— beln ſtäubt es am ſtärkſten. Ich werde dieſe vorläufigen Bemerkungen mit einigen ftatiftifchen Angaben beſchließen, welche meiſt aus dem 1843 erſchienenen Werke des Dr. Holland entlehnt ſind, und welche auch noch jetzt für ziemlich genau gelten können. 1) Gabelſchleifer. Die dieſen Zweig des Geſchäf— tes betreibenden Perſonen arbeiten durchaus mit dem trocknen Steine. Der erwachſenen Arbeiter ſind 97, Unter dieſen ſind nur 19, welche 40 Jahre und darüber, ſowie nur 3, welche 50 Jahre alt ſind. Zehn unter jenen neunzehn haben dieſes Geſchäft entweder erſt in einem vorgerückten Lebens⸗ 187 alter ergriffen oder dasſelbe längere Zeit nicht betrieben und dann wieder aufgenommen. Die meiſten Gabelſchleifer ſterben ſehr früh. Binnen 5 Jahren ſtarben deren 20, von denen 17 unter 35 Jahre alt waren. Binnen 15 Jahren, von 1825 — 1840, kamen 61 Sterbefälle vor, und unter dieſen 44 (alſo über zwei Drittel) an Leuten von weniger als 35 Jahren. Nur ein einziger Geſtorbener erreichte das Alter von 48 Jahren. Andere Gewerbtreibende, namentlich Bauern, erreichen durchſchnittlich ein viel höheres Alter. 2) Scheerenſchleifer. Das Scheerenſchleifen wird theils auf dem trocknen, theils auf dem naſſen Steine be— trieben. So z. B. wird den Blättern oder Klingen der Scheeren die rundliche Form auf der einen Seite ſtets auf dem trocknen Steine ertheilt. Indeß arbeiten die in dieſem Zweige beſchäftigten Leute doch mehr naß als trocken, und dennoch iſt die Sterblichkeit unter ihnen bedeutend größer, als unter den Schleifern, die durchaus naß arbeiten. Unter den Scheerenſchleifern giebt es 213 Erwachſene, von denen 161 weniger als 40 Jahre alt find. Von 1830 — 1843 (binnen 13 Jahren) ſtarben 102 Scheerenſchleifer, und un— ter dieſen waren 41 unter 36 Jahre alt, während 61 zwiſchen 36 und 65 Jahre zählten. Am ſtärkſten war die Sterblichkeit in den Lebensjahren zwiſchen 36 und 40; denn ſie betrug über ein Viertel der Totalzahl. Über zwei Drittel der aufgezeichneten Sterbefälle unter den Gabelſchleifern fanden dagegen vor dem 35ſten Lebensjahre Statt. 3) Raſirmeſſerſchleifer. Dieſes Geſchäft wird theilweiſe naß, theilweiſe trocken betrieben. Die eigenthüm— liche Krümmung wird der Klinge auf dem trocknen Steine ertheilt; auch der Rücken und der Schwanz des Meſſers werden trocken zugeſchliffen; alles übrige aber naß bearbeitet. In dieſem Zweige ſind 275 Erwachſene beſchäftigt, und unter dieſen 154 unter 31 Jahren und nur 20 über 45 Jahre alt. Von 1822 bis 1841 incl. ſtarben 182 und zwar 99 (alſo mehr als die Hälfte) zwiſchen den Lebensaltern von 21 und 36 Jahren; 62 zwiſchen 36 und 45 Jahren, ſo daß alſo nur 21 unter dieſen 182 Verſtorbenen 46 Jahre alt wurden. Dieſe Sterblichkeit überſteigt die durchſchnitt— liche der Gewerbtreibenden in Sheffield ſehr bedeutend. 4) Federmeſſerſchleifer. Die Federmeſſer werden theils naß, theils trocken geſchliffen, und die Sterblichkeit iſt unter dieſer Claſſe von Arbeitern bedeutend. Es beſchäftigen ſich mit dieſem Zweige 319 Erwachſene, unter denen 264 unter 41 Jahren ſind. Von 1832 bis 1843 ſtarben deren 167, und von dieſen waren faſt zwei Drittel jünger als 36 Jahre. 5) Tiſchmeſſerſchleifer. Die Tiſchmeſſer werden faſt durchaus auf dem naſſen Steine geſchliffen. Dieſer Gewerbszweig wird auf dem Lande ſehr ſtark betrieben, aber in der Stadt ſind 282 Erwachſene damit beſchäftigt. Von 1835 — 1843 ſtarben in der Stadt 52 Tiſchmeſſerſchleifer und unter dieſen 15 zwiſchen dem 21. und 36. Jahre. Dieſe Arbeiter erlangen daher durchſchnittlich ein höheres Lebens— alter, als die in den früher erwähnten Zweigen beſchäftigten. 6) Feilenſchleifer (file-grinders). Das Feilenſchlei— fen geſchieht durchaus auf dem naſſen Steine, und es beſchäftigen 122. VI. 12. 188 ſich damit 150 Erwachſene, von denen binnen 13 Jahren nur 24 ſtarben. Indeß waren unter dieſen 18 nicht 41 Jahre alt. 7) Sägenſchleifer. Auch die Sägen werden nur auf dem naſſen Steine geſchliffen. Es find bei dieſem Ge—⸗ ſchäfte 96 Erwachſene angeſtellt, unter denen ein ſehr ſtarker Verhältnißtheil über 40 Jahre alt find. Von 1821 — 1843 kamen nur 42 Sterbefälle vor, und unter dieſen waren nur 6 Perſonen unter 36 Jahren, während 20 über 50 Jahre alt waren. 8) Senſenſchleifer. Mit dieſem Geſchäfte geben ſich 30 Erwachſene ab, welche ſich lediglich des naſſen Schleifſteins bedienen. Binnen 15 Jahren ſind 20 Arbeiter dieſer Claſſe geſtorben, und unter dieſen waren nur 3 weni— ger als 41 Jahre alt, während 12 in den Jahren von 46 — 60 ftanden. 1) Lebensweiſe. Der moraliſche Standpunkt der Schleifer iſt leider im allgemeinen ein ſehr niedriger, und Dr. Holland bemerkt ganz richtig, daß die gefährlichſten Gewerbe immer von den unwiſſendſten, fahrläſſigſten und liederlichſten Perſonen betrieben werden. Viele leben in der That nach dem Grundſatze: „luſtig gelebt und bald geſtor— ben.“ Sie ſtreben nur nach ſinnlichen Genüſſen und be— kümmern ſich nicht darum, wie theuer ſie ihnen zu ſtehen kommen. Das moraliſche Gefühl iſt in ihnen nicht nur abgeſtumpft, ſondern völlig erloſchen. Die Begriffe von Schicklichkeit und Religioſität ſind für ſie nicht vorhanden. Vorzüglich fröhnen ſie dem Laſter der Trunkenheit, und viele Schleifer werden oft mehrere Tage hinter einander nicht nüchtern. Daher wird die Geſundheit dieſer Leute durch die beſondern ſchädlichen Potenzen, denen ſie ihre Beſchäfti— gung ausſetzt, um ſo ſchneller untergraben. 2) Erkältungen. Der Schleifer arbeitet gewöhnlich ohne Rock und Weſte mit nackter Bruſt, und in dieſem Zuſtande begiebt er ſich oft aus dem Arbeitsſaale ins Freie, und zwar im kälteſten Winter, wie im Sommer. Die auf dem naſſen Steine arbeitenden Schleifer ſind ohnehin, wegen der ſie beſtändig umgebenden Feuchtigkeit, den Erkältungen vielfach ausgeſetzt. Daher ſind Rheumatismus, Pleureſie, Pneumonie, Herzkrankheiten und Entzündungen der Bauch- eingeweide bei ihnen an der Tagesordnung. 3) Die Stellung beim Arbeiten. Der Schleifer reitet bei ſeiner Arbeit auf einer feſtſtehenden niedrigen Bank mit über den Stein vorgebeugtem Oberkörper, ſo daß ſein Geſicht bei vielen Geſchäften nur wenige Zoll vom Steine entfernt iſt. Je kleiner der zu bearbeitende Artikel iſt, deſto mehr muß ſich der Schleifer vorwärts biegen, und je feiner die Arbeit iſt, deſto ſeltner kann er ſich in eine bequemere Stellung begeben. Dieſe Stellung iſt nun aber der freien Thätigkeit der Lungen offenbar hinderlich, und eben ſo leuchtet ein, daß in demſelben Verhältniſſe, wie die Bewegungen der Bruſt behindert werden, die Circulation in den Lungen gehemmt und Congeſtion in denſelben begünſtigt wird. Was wird aber die Folge einer ſolchen anhaltenden und häufig wieder— kehrenden Congeſtion in den Lungengefäßen ſein? Sie wer— den unſtreitig ihre Spannkraft und Contractilität theilweiſe 189 einbüßen, und einen Theil ihres Inhaltes in das Lungen— gewebe entweichen laſſen, ſo daß, je nach den individuellen Idioſynkraſien, euplaſtiſche, kakoplaſtiſche oder aplaſtiſche Ablagerungen entſtehen. Bekanntlich offenbaren ſich viele gefährliche chroniſche Krankheiten nicht eher, als bis die Kraft des Organismus bedeutend geſchwächt worden iſt; deßhalb folgt auf die Influenza die Schwindſucht oft erſt nach geraumer Zeit; deßhalb zeigen ſich nach Anwendung von Mitteln, durch welche der Ton des Organismus bedeu— tend herabgeſtimmt worden, ſo häufig ſerophulöſe Erſchei— nungen in verſchiedenen Körpertheilen. In dieſen Fällen tritt unſtreitig die krankhafte Veränderung zuerſt in der chemiſchen Beſchaffenheit des Blutes ein, und die Spann- kraft der Gefäße geht erſt ſpäter verloren. Die Gefäße geſtatten das Eintreten von Ablagerungen, und demzufolge tritt eine Reihe von organiſchen Veränderungen ein, welche in verſchiedenen Fällen verſchieden iſt. In Verbindung mit dieſen Umſtänden muß man auch der gewöhnlichen Lebens— weiſe der Schleifer Rechnung tragen. 4) Die Luft, welche der Schleifer einathmet. Durch das trockene Schleifen wird nothwendig die Luft in dem Arbeitsſaale verſchlechtert, da ſie mit einer großen Menge von aus winzigen ſteinigen und metalliſchen Theilchen be— ſtehendem Staube angeſchwängert wird. Beim naſſen Schlei— fen entſteht weit weniger Staub, und derſelbe beſteht in dieſem Falle faſt bloß aus Metalltheilchen. Übrigens werden beide Arten zu ſchleifen oft in dem nämlichen Arbeitslocale betrieben. Die Verunreinigung der Luft iſt vielleicht zu ausſchließ— lich als die Urſache der ſtarken Sterblichkeit der Schleifer betrachtet worden, indem man die oben erwähnten Umſtände zu wenig berückſichtigt hat. Übrigens ſpielt jene Potenz bei Erzeugung der Lungenkrankheiten, deren Opfer der Schleifer ſo häufig wird, allerdings eine Hauptrolle, was ſich aus folgenden kurzen Betrachtungen zur Genüge ergiebt. Das Einathmen mit Staub angefüllter Luft kann Lungenkrankheiten erzeugen. Zum Beweis dieſes Satzes läßt ſich z. B. anführen, daß Mälzer Lun— genkrankheiten ſehr unterworfen ſind. Sie leiden häufig an chroniſcher Bronchenentzündung und Lungenſchwindſucht, und die Luft, welche fie einathmen, iſt oft mit großen Quanti— täten Staub angeſchwängert. Lederbereiter (Gärber?) lei⸗ den auch an ähnlichen Krankheiten. So bemerkt Dr. Haſtings in ſeiner Schrift über die Entzündung der Schleimmembran der Lungen: „Die chroniſche Bronchenentzündung rührt zu— weilen daher, daß reizende Stoffe auf die Schleimhaut ein— wirken. Die Luft wird nicht nur durch Gaſe, ſondern auch durch winzige Theilchen feſter Stoffe verunreinigt, welche auf die zarte Structur der Schleimhaut mechaniſch einwirken können und die gewöhnlich chronische Leiden erzeugen. Bei uns ſind zumal die Perſonen, welche gelbes Leder bereiten, ſowie manche Porcellanarbeiter dieſen Krankheiten unterworfen. Sie müſſen bei ihrer Beſchäftigung viel Staub einathmen und daraus entſtehen chroniſche Bronchenentzündungen. Das erſte Symptom beſteht in der Regel in Dyspnöe, welche Monate lang weiter nicht beachtet wird. Setzt der Patient aber ſeine 122. VI. 12. 190 Beſchäftigung fort, ſo verſchlimmert ſich ſein Zuſtand, und er bekommt dann leicht Blutſtürze, ſowie heftigen Huſten und die Dyspnöe wird ſtärker.“ Dr. Haſtings berichtete hierauf über die pathologiſchen Erſcheinungen, welche ſich bei der Section dreier Subjecte zeigten 8). Auch iſt bekannt, daß die Flachsbrecher und Hechler, die ebenfalls oft eine mit Staub angefüllte Luft einathmen, häufig lungenkrank werden. Dasſelbe läßt ſich in Bezug auf die Steinhauer bemerken. Ich ſelbſt habe vor kurzem mehrere ſolche Patienten behandelt. Was die Schleifer betrifft, iſt noch zu bemerken: 1) Das Schleifen war urſprünglich kein eigner Ge— werbszweig. Die, welche ſich damit befaßten, wandten ihre meiſte Zeit auf andere Geſchäfte, und deßhalb waren ſie den nachtheiligen Einflüffen jener Beſchäftigung verhältniß— mäßig nur kurze Zeit ausgeſetzt. 2) Bis zum Jahr 1766 wurde das Schleifen lediglich auf dem Lande, 2 bis 5 Miles von Sheffield betrieben, und die Zimmer, in welchen die Schleifer arbeiteten, waren hö— her, luftiger und verhältnißmäßig mit weit weniger Schleif— ſteinen verſehen. 3) Alle Schleifmühlen lagen früher an fließenden Waſ— ſern, und die Maſchinerie wurde lediglich durch Waſſer ge— trieben. Es konnte unter dieſen Umſtänden oft nur wenige Stunden des Tages gearbeitet werden, und dann mußte man warten, bis ſich wieder genug Waſſer im Sammelteiche an— gehäuft hatte, ſowie denn auch bei ſehr trockner Witterung die Mühlen ganz zum Stillſtand gelangten. So lange dieſe Umſtände obwalteten, hörte man von dem Aſthma der Schleifer nichts. Allein dieſe Beſchäftigung erlitt eine große Umgeſtaltung. Der Dampf trat an die Stelle des Waſſers. Die Schleifmühlen wurden in die Städte verlegt, das Schleifen wurde ein beſonderes Gewerbe, neben welchem der Schleifer kein anderes betrieb. Er ath— mete nicht mehr die reine Landluft; er wurde mit ſeines Gleichen in ſtark beſetzte ſchlecht gelüftete Säle zuſammen— gepfercht, wo er vom Morgen bis in die ſinkende Nacht arbeitete. Somit war er allen ſchädlichen Potenzen ſeiner Beſchäftigung weit anhaltender und in viel höherem Grade ausgeſetzt. Die pathologiſchen Erſcheinungen, welche ſich an den Schleifern beobachten laſſen, ſind folgende: 1) Tuberkel; 2) kleine, Johannisbeeren ähnliche Körper, welche in ausgedehntem Maße über die Oberfläche der Lungen vertheilt und in deren Subſtanz eingeſprengt ſind; Im erſten Falle fanden ſich keine Tuberkel in den Lungen, allein ihre Subſtanz war etwas feſter als gewöhnlich. Die die Bronchen ausklei⸗ dende Schlelmmembran war ſehr entzündet und verdickt, und es fanden ſich auf derſelben ib e ee oberflächliche Geſchwüre. Die Bronden waren mit blutigem Eiter gefüllt. Im zweiten Falle waren die Lungen an ihrer ganzen Oberfläche mit dem Rippenfelle verwachſen. Die Schleimmem- bran der Luftröhre und Bronchen war ftarf entzündet und ulcerirt; die Luft⸗ zellen mit Schleim und Eiter angefüllt. Die Subſtanz der Lunge ſtrotzte ſtark von Blut. Tuberkel und Absceſſe waren nicht zu bemerken. Im dritten Falle wurden in den Lungen viele Tuberkel aufgefunden, von denen einige in Eite⸗ rung übergegangen waren. Die Bronchenmembran war verdickt und uleerirt und zeigte Merkmale langwieriger Ulceration. (Treatise on the Inflammation of the mucous Membrane of the Lungs, p. 336-342.) 191 3) große Maſſen in verſchiedenen Theilen des Lungen— gewebes; 4) Emphyſem; 5) Erweiterung der Bronchenröhren; 6) Entzündung der die Bronchen, Luftröhre und den Kehlkopf auskleidenden Membran; 7) Adhärenzen an den Pleuren; 8) Volumvermehrung der Bronchendrüſen; 9) Volumvermehrung des Herzens; 10) granulirter Zuſtand der Nieren. Über mehrere dieſer krankhaften Zuſtände ſcheinen einige Bemerkungen nöthig. . Erweiterung der Bronchenröhren. In vier Fällen wurden die Bronchenröhren mehr oder weniger aus— gedehnt gefunden. Von dieſem Leiden findet man in ärzt— lichen Schriften drei Varietäten aufgeführt. Bei der erſten behalten die Bronchenröhren, jtatt, in ihren Verzweigungen ſchnell dünner zu werden, in den Aſten faſt denſelben Durch— meſſer bei, wie ihn die Stämme, aus denen jene entſprin— gen, darbieten. Bei der zweiten Varietät findet an einer oder mehreren Röhren eine partielle Erweiterung Statt, ſo daß dieſe oder jene Röhre, ftatt dünner zu werden, vielmehr ſtärker wird, und dies zwar zuweilen in einem bedeutenden Grade. Die dritte Varietät iſt diejenige, bei welcher die Bronchenröhren unregelmäßig erweitert und zuſammengezogen ſind, oder, wie Dr. Hodgkin bemerkt, weil die Erweiterung unregelmäßig iſt, diejenigen Theile der Röhren, welche ihr normales Kaliber behalten, verengert erſcheinen. In den Lungen der Schleifer wurde die erſte Varietät der Erweite— rung beobachtet. Johannisbeerähnliche Körper. Eine andere krankhafte Erſcheinung wird als kleine, dunkelgefärbte, johan— nisbeerähnliche Körper beſchrieben, welche man häufig in Menge, ſowohl an der Oberfläche als in der Subſtanz der Lungen findet. Durch häufige Unterſuchung dieſer Körper habe ich mich überzeugt, daß ſie in nichts weiter beſtehen als in den erweiterten Enden der Venen, und daß ſich darin die feſten Beſtandtheile des Blutes angeſammelt haben. Mir ſind genau dieſelben Erſcheinungen oftmals in andern Fäl— len vorgekommen, wo eine ſtarke Congeſtion der Lungengefäße Statt gefunden hatte, und ich habe ihre Verbindung mit dem Scalpell verfolgt. 122. VI. 12. 192 Maſſen. Die Maſſen, welche man in verſchiedenen Theilen der Lunge trifft, wechſeln in Größe, Farbe und Con— ſiſtenz bedeutend ab. Zuweilen ſind ſie nicht größer als eine Haſelnuß, manch Mal aber auch ſo groß, wie eine Apfelſine. Zuweilen ſind ſie grau, zuweilen ſchwarz; manch Mal ſehr feſt, manch Mal leicht zu zerſchneiden. (Edin- burgh med. and surg. Journal, 1. Oct. 1847.) Miſcellen. (23) über die Fortpflanzung der Schallwellen durch die feſten Theile des Kopfes, als Mittel zur Beurtheilung der verſchiedenen Grade von Erregbar⸗ keit der Gehörnerven hat Hr. Bonnafont der Akademie der Wiſſenſchaften eine Arbeit mitgetheilt, in welcher er zu fol— genden Reſultaten gelangt: 1) die articulirten Töne können nur unter der Bedingung pereipirt werden, daß fie durch die Gehör— gänge in das innere Ohr gelangen; 2) wenn dieſe Gänge durch einen urſprünglichen Bildungsfehler verſchloſſen ſind, ſo iſt voll— ſtändige oder beinahe vollftändige Taubheit vorhanden (dies ſteht mit den voriges Jahr von Hrn. Allen Thomſon erlangten Re⸗ ſultaten im Widerſpruch); 3) der Hirnkaſten und die übrigen Kopf— knochen können allerdings die Schallwellen irgend eines unmittelbar an ſie angeſetzten tönenden Körpers bis zum Gehörnerven fort— pflanzen, allein die articulirten Töne können in keinem Falle auf dieſem Wege überliefert werden. (Steht ebenfalls mit den von Hrn. A. Th. erlangten Ergebniſſen im Widerſpruch); A) der Ver⸗ luſt des Trommelfells, des Hammers und des Amboßes führen keine vollſtändige Taubheit, ſondern nur eine mehr oder weniger entſchiedene falſche Perception der Töne herbei, wenn nämlich die Nerven ihre Erregbarkeit ganz oder theilweiſe behalten haben und der Steig— bügel ſammt ſeinem Muskel unverſehrt geblieben ſind; 5) der Ver⸗ luſt dieſes letzten Knöchelchens hat ſtets vollſtändige Taubheit, we⸗ nigſtens in Bezug auf articulirte Töne zur Folge, wenn auch die Gehörnerven ihre Reizbarkeit nicht eingebüßt haben. (Archi- ves gen. de Med., Fevr. 1848.) (24) Die nach Senfpflaſtern entſtehende Entzün⸗ dung der Haut, welche mit einer Verbrennung viel Ahnlichkeit hat, behandelt Hr. Payen wie eine ſolche Verletzung mit dem ölig = falfigen Liniment und Baumwollenwatte. Er ſtreicht das Liniment mittels einer Federfahne auf die ergriffenen Theile (dasſelbe beſteht aus 3 Theilen Kalkwaſſer und 1 Theile füßen Mandelöl) und legt eine ziemlich ſtarke Schicht feiner kardätſchter Baumwolle darüber, welche er mit einigen loſe angezogenen Tou— ren einer Binde befeſtigt. Die Schmerzen und das Brennen ver— ſchwinden, auch wenn ſie allen andern erweichenden und ſchmerz⸗ ſtillenden Mitteln widerſtanden haben, nach Auflegung dieſes Verbandes faſt augenblicklich. (Gaz. méd. de Paris, 10. et 15. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. C. Gould, Companion to the Microscope. 15th edit. revised, 12%. (pp. 70, with plates, 2 sh. 6 d.) London 1848. Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie. Redig. von H. Kolbe. 14. Lief, oder 3. Bd. 1. Lfg. gr. 8°. Geh. ½ Thlr. Fr. Vieweg & Sohn in Braunschweig 1848. Ch. F. Heusinger, Recherches de pathologie comparde. Cahier 4. et 5. Pa- thologie generale. gr. 4% Geh. 4 Thlr. Hotop in Cassel 1847. 0. E. . Seyffer, geschichtliche Darstellung des Galvanismus. Erweiterte Ausarbeitung einer gekrönten Preisschrift. gr. 8%. Geh. 3 Thlr. Cotta- sche Buchh. in Stuttgart 1848. R. Stöcklein, Synonym- Wörterbuch der pharmacent. Präparate u. s. W. 3. Lfg. (Schluss.) Lex. 8°. Geh. Y/, Thlr. A, Weinholz in Berlin 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 123. (Nr. 13. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Dana, über die Mondvulcane. (Schluß.) — Sace, Beobachtungen über die Ernährung der Hühner mit Gerſte. — Nicolet, über dle Organiſation und Entwicklung der Actinophrys. — Miſcellen. Buſt, Anguinaria spatularia. Bertholletia excelsa. Über die Furcht der ae vor den Menſchen. — Heilkunde. Johnſon, Michalowſki und Groffe, Auswärtskehrung des uterus, durch Unterbinden behandelt. — Scevillot, frei⸗ willige Vereinigung der durch die Ligatur durchſchnittenen Speiſeröhre. — = Bentley Todd, über die Reizbarkeit der Muskeln gelähmter Gliedmaßen. — Miſcellen. Trouſſe au, ſchmerzſtillender Breiumſchlag gegen arthritis. Chinoldin. — Bibliographie. Naturkunde. XVII. Über die Mondvuleane. Von James D. Dana. (Schluß.) Der Verf. wendet ſich hier von den Mondsulcanen zu dem Urſprunge der mineraliſchen Beſchaffenheit der durch Feuer entſtandenen Felsgeſteine; ihn beſchäftigt zunächſt die ſchwierige Frage, warum die vulcaniſchen Gegenden im Witz telpunkte feſtes, Feldſpath haltendes, ungeſchichtetes Geſtein beſitzen ſollen, während das Außere nur aus baſaltiſcher Lava beſteht. Serope, von Buch und andere liefern hierfür Beiſpiele; auch iſt dieſe Erſcheinung vorhanden, wo vulca— niſche Erhebungen von Spalten durchſchnitten ſind; wenn nicht, ſo erſcheint oft Klingſtein auf der Spitze des Kegels oder Dammes. Der Verf. ſucht dieſe Eigenthümlichkeit 1) durch die, einer ſiedenden Flüſſigkeit zukommende, Bewegung und 2) durch die im Vergleiche zu den andern Beſtandtheilen geringere Schmelzbarkeit des Feldſpathes, zu erklären. In den großen kochenden Baſſins mußten die heißeren Flüſſigkeitstheile nothwendiger Weiſe, wie es in jedem ſie— denden Keſſel und noch gegenwärtig im Kilauea geſchieht, nach oben ſteigen, ſich dann nach allen Seiten ausbreiten und ſo gewiſſermaßen eine Circulation hervorrufen. Das Aufwallen der Lava wird auf der Erde größtentheils durch Waſſer- und Schwefeldämpfe veranlaßt, welche durch ſie auf— ſteigen, ſie aufblähen und endlich als Blaſen entweichen. Der ſchwieriger ſchmelzbare Feldſpath wird nun überall, wo die Temperatur etwas unter den allgemeinen Schmelzpunkt ſinkt, feſt werden, dadurch wird der leichtflüſſigere Theil um ſo leichter in die Höhe ſteigen und ſich aus ihm der Feld— ſpath mehr und mehr faſt rein abſcheiden: ſo muß der Mit— telpunkt der ganzen Thätigkeit nothwendig aus Feldſpath beſtehen. Die Spitze kann demnach, nach dem Materiale, aus No. 2103. — 1003. — 123. dem ſie beſteht, entweder baſaltiſche oder feldſpathige Geſteine auswerfen; iſt dagegen die Wirkung heftig und aus der Tiefe kommend, ſo werden nur feldſpathige Geſteine hervor— getrieben. Zu gleicher Zeit werden die baſaltiſchen Laven, die rund um den großen Mittelpunkt des Circulationsſyſtemes abwärts ſteigen, als Seiteneruptionen aus Spalten hervor— getrieben; außerdem mögen aber noch andere, vom Circula⸗ tionsmittelpunkte entfernte Quellen eine Lava ergießen, welche die beſchriebene Scheidung gewiß noch nicht erfahren hat, und gerade dieſe mögen am häufigſten vorkommen. Berge, mit einem Feldſpathkerne und einer baſaltiſchen Umhüllung ſind demnach nur ſo zu erklären, daß der Feld— ſpath zuerſt hervorgetrieben ſei, oder zwei verſchiedene Sy— ſteme von Riſſen zur Bildung des Berges thätig geweſen, wie dies der Mond ſo ſchön und deutlich zeigt. Der Verf. hat die Lava bisher, als hauptſächlich aus Feldſpath und Augit beſtehend, betrachtet und, beide wiederum im allgemeinen Sinne gefaßt, unter erſteren alle zur Feld⸗ ſpathreihe gehörenden Mineralien und unter Augit die übri— gen ſchmelzbaren Stoffe, ſowohl den gewöhnlichen Augit (ein Silicat von Kalk, Talkerde und Eiſen) als Silicate einer oder mehrerer dieſer Baſen oder der Thonerde, in ver— ſchiedenen Zuſammenſetzungen verſtanden. Zwar können wir, bei der gänzlichen Unbekanntſchaft mit der wirklichen Schmelz⸗ barkeit der Lavabeſtandtheile und ihrem natürlichen Verhält- niſſe, die erwähnte Hypotheſe kaum auf beſtimmte Fälle anwenden, wiſſen jedoch ſo viel, daß ein für ſich unſchmelzbares Mineral unter gewiſſen Umſtänden ſchmelzbar werde und, mit beſtimmten andern Mineralien verbunden, bei einer Temperatur unter feinem Schmelzpunkte flüſſig bleiben oder ſchon vor dem Beginne des Erkaltens andere Verbindungen eingehen könne. Aus dieſer Scheidung des Feldſpathes könnte man 13 195 vielleicht einen ähnlichen Proceß für den ſchwer ſchmelzbaren Quarz erwarten; doch ſcheint dem nicht alſo zu ſein, da der Trachyt dies Mineral oft in ſehr großen Mengen enthält, dasſelbe dem ſchwer ſchmelzbaren Chryſolith dagegen häufig nur ſparſam zugetheilt iſt. Der Chryſolith ſcheint dem Verf. darnach einer ſpäteren Bildung, wo nur noch wenig Kieſel— erde disponibel war, anzugehören, während letztere in den ältern feldſpathigen Geſteinen oft im Übermaße vorkommt. Dasſelbe mag von den übrigen Beſtandtheilen der vulcani— ſchen Geſteine, deren Elemente immer dieſelben, deren Ver— hältniß aber ſehr verſchieden iſt, gelten, worüber erſt weitere Unterſuchungen entſcheiden können. Das Hauptprincip der vom Verf. aufgeſtellten Anſicht wird durch die Schlacken oder die verglaſ'te Oberfläche jeder Krateröffnung, wo ſie überhaupt vorkommt, hinreichend be— wieſen, indem gerade dieſe verglaſ'ten Maſſen die am leich— teſten ſchmelzbaren Theile der Lava bilden und meiſtens aus eiſenhaltigen Alkaliſilicaten ohne Talkerde beſtehen; gerade dieſe Stoffe erhalten ſich auch bei verminderter Hitze hin— reichend flüſſig, um von den Dämpfen aufgebläht und, trotz ihrer Schwere, mit an die Oberfläche geriſſen zu werden. Der Verf. geht nun zur ſchnellen Abkühlung, welche die ausgeworfene Lava, wo nur ein Theil des Stoffes in wahrem Fluſſe iſt, charakteriſirt, über. Der jetzige Zuſtand der vulcaniſchen Geſteine iſt nach ihm nicht allein von der Hitze und dem Drucke, ſondern auch von der Art der Ab— kühlung hervorgerufen. Das Feldſpatheentrum eines vulca— niſchen Berges giebt ein Beiſpiel für das langſame Erkalten; die compacten Geſteine entſtanden gleichfalls durch langſames Erkalten und den Druck ihrer eignen Maſſe; ſo unterſcheidet ſich das Augit von der Hornblende nur durch den kryſtalli— niſchen Zuſtand der letztern. Die Hornblende unterjtügt dieſe Anſicht durch ihr allgemeines Vorkommen in Trachyten und feldſpathigen Geſteinen; dasſelbe gilt für den Glimmer und andere Mineralien. Der Chryſolith gehört indeß nicht hierher, er iſt das Product einer raſcheren Abkühlung wie die gewöhnlichen Bafaltgefteine oder Labven. Durch ein mehr allmäliges Erkalten werden die ganzen Feldſpathgeſteine kry— ſtalliniſch wie Granite oder Syenite; auch andere Mineralien, welche bei ſchnellem Abkühlen formlos werden, nehmen bier ein kryſtalliniſches Gefüge an. Der Proceß des Siedens in einem großen Vulcane giebt demnach, verbunden mit der Temperatur, dem Grade des Erkaltens und der Schmelzbarkeit der verſchiedenen Mi— neralien und andern erwähnten Urſachen, Aufſchluß über die verſchiedenen Geſtaltungen, Richtungen und Beziehungen der durch Feuer entſtandenen Felſen, ingleichen über die Verbreitung vulcaniſcher Mineralien. Auch die granitiſchen Geſteine mögen ſich, wenn ihre Elemente im flüſſigen Zu— ſtande vorhanden ſind, auf gleiche Weiſe bilden. Schon früher ſprach der Verf. die Anſicht aus, daß die granitiſchen Bergſpitzen die Mittelpunkte einer alten feurigen Thätigkeit geweſen: von Hornblende-Geſteinen umgeben, gleichen ſie den Trachytmittelpunkten mit baſaltiſcher Umgebung anderer, muthmaßlich vulcaniſcher, Berge. Die Meinung, daß die Beſchaffenheit des entſtandenen 123. VI. 13. 196 Geſteins von der Beſchaffenheit der fließenden Maſſe durch— aus abhängig ſei, iſt mit den ausgeſprochenen Anſichten nicht vereinbar: es ſcheint vielmehr, als wenn aus denſelben Stoffen, nach dem Grade der Hitze und der Art des Erkal— tens, hier Feldſpath-, dort Hornblende- oder Augitgeſteine entſtehen können. Einfache feldſpathhaltige Granite mögen im flüſſigen Zuſtande, wie die Porphyrwälle, hervorgetrieben ſein; das Geſtein der meiſten ſolcher Wälle iſt indeß augiti— ſcher Natur, gleich den vulcaniſchen Dämmen, die aus Quellen hervorgingen, in denen noch keine Scheidung der Beſtandtheile Statt gefunden. Die Geſteine mit compactem Gefüge kön— nen nicht in der Luft, ſondern nur unter der Laſt eines bedeutenden Druckes entſtanden ſein. Aus den mitgetheilten Thatſachen ſchließt der Verf. nunmehr, daß in allen Zeitperioden ganz dieſelben vulcani— ſchen Geſteine entſtehen können, wenn nicht die Atmoſphäre oder das Waſſer der Erde zu warm und dadurch die Ab— kühlung für die Bildung der unkryſtalliniſchen Geſteine zu langſam iſt. Schlacken, Bafalte, Trapp, Porphyre, Syenite, Granite können alſo, letzteren Umſtand ausgenommen, zu jeder Epoche entſtehen; wäre demnach die Erdtemperatur zu allen Zeiten die jetzige geweſen, ſo würden auch früher ähn— liche Geſteine wie jetzt und umgekehrt entſtanden fein. Endlich gedenkt der Verf. noch des Urſprunges der Continente, über welche uns der Mond gleichfalls intereſſante Winke giebt. Wie ſchon erwähnt, iſt eine große Fläche des Mondes, faſt Yz feiner der Erde zugewandten Seite, fat gänzlich ohne Vulcane, während die andern Theile dicht von ſelbigen bedeckt ſind. Der Verf. vermuthet, daß dieſer kahle Theil zuerſt feſt ward und deßhalb am längſten und tiefſten erkaltete. Die durch Abkühlung veranlaßte Contraction mußte demnach mehr die dünneren, ſich erſt entwickelnden, Theile treffen, wie ſich eine geſchmolzene Eiſen- oder Bleikugel beim ungleichen Erkalten an der zuletzt erkaltenden Seite am mei— ſten zuſammenzieht. In unſerm Feſtlande iſt aber zum gro— ßen Theil die vulcaniſche Thätigkeit ſeit lange erloſchen, wie ein Blick auf die Karte von Aſien und America leicht be— weiſ't. Dies Fehlen der Vulcane im Innern des Feſtlandes macht man gewöhnlich von dem Fehlen der Seen abhängig, welche Hypotheſe indeß durch die ſiluriſche Periode, wo ge— rade das Feſtland ſich größtentheils unter dem Salzwaſſer befand und doch keine Vulecane beſaß, widerlegt wird; Ame— ricas und Rußlands ſiluriſche Geſteinmaſſen können dies zur Genüge beweiſen. Alle Inſeln des Oceans ſind dagegen vulcaniſchen Urſprunges, ſelbſt die Koralleninſeln ſcheinen eine, durch Feuer entſtandene, Grundlage zu beſitzen. Der Verfaſſer ſchließt daraus, daß diejenigen Flächen, welche das jetzige Feſtland bilden und anfangs frei von eruptivem Feuer waren, zuerſt erkalteten und deßhalb weniger wie die übrigen Theile contrahirt wurden; ſo entſtanden die Becken des Oceans, die noch während einer langen, ſpäteren Periode, wenngleich langſam und an verſchiedenen Orten verſchieden, an Tiefe zunahmen. Wenngleich nur eine Hy— potheſe, ſcheint ſelbige dem Verf. doch weniger grundlos, als die häufig vorgebrachte Anſicht, daß die jetzigen Meere vormals feſtes Land geweſen. 197 Ehe die Meeresbecken eine gehörige Tiefe erreichten, mußte das ganze Land von Waſſer bedeckt ſein; dies ſcheint noch für die ſiluriſche Epoche, wie deren weite Verbreitung vermuthen läßt, zu gelten. Die Höhe des Waſſerſtandes über dem jetzigen Feſtlande mag indeß ſehr verſchieden ges weſen ſein; ſolche Orte, an denen ſich jetzt vielfache Über— reſte einer früheren belebten Meeresſchöpfung finden, werden vermuthlich nur ſeicht geweſen fein, da Licht und Luft ſonſt wie jetzt zum thieriſchen Leben durchaus nothwendig ſind, und ſo wird die Annahme einer ungeheuren Fläche mit vielen, aber ſeichten, Seen um ſo wahrſcheinlicher. Verfolgt man die Bildung des Landes noch weiter, ſo zeigt ſich mit jeder großen Epoche ein Zurückweichen des Meeres. Die Kohlenlager zeugen für eine ungeheure Land— vegetation; ſchon damals mußte ſich alſo die Höhe des Landes vermehrt und die Waſſerfläche vermindert haben. Statt einer wirklichen Hebung des Feſtlandes nimmt der Verf. ein wirkliches Zurückſinken des Meeres, deſſen Bette immer tiefer wurde, an; dieſer Proceß ging jedoch nicht ohne Unterbrechung vor ſich. Während jeder Epoche, der ſiluriſchen ſowohl als der ſpäteren, finden ſowohl Senkungen als wirkliche Hebungen und verſchiedene Oseillation der Oberfläche des Feſtlandes Statt. Es ſcheint demnach, daß gleichwie früher eine Contraction durch Erkaltung ſowohl über dem Lande als unter dem Meere wirkſam war, ſich ſpäter aber durch örtliche Urſachen wiederum Hitze entwickelte und dadurch Expanſionen veranlaßt wurden. In der Ter— tiärperiode hat ſich das Land durch ein Sinken des Meeres bedeutend gehoben, wie Darwin's Unterſuchungen beweiſen, und der Verf. in ſeinem geologiſchen Berichte über den ſtillen Ocean gezeigt hat, wo, ſeitdem die Korallen zu wach— ſen begannen, der Meeresboden um einige Tauſend Fuß tiefer geſunken. Jede Koralleninſel kann als Beleg hierfür dienen. Warum ſollte denn auch der Meeresboden nicht eben ſo wie das Feſtland ſinken können? Iſt es nicht allein die ungleiche Zuſammenziehung des Ganzen, welche die Höhe und Tiefe der Erde bildete? und iſt die Stabilität der See und die Beweglichkeit des Landes geologiſch ſicher erwieſen? Beſitzen wir überhaupt genaue Unterſuchungen über die geo— logiſche Geſchichte des Meeresbettes, um dieſe Frage mit Sicherheit entſcheiden zu können? Auch Prevoſt hat ſich mit Nachdruck für die Theorie des Sinkens, als einer Urſache der Erhebungen der Erdober— fläche, ausgeſprochen; doch laſſen ſich gegen ſeine Anſicht, da er die unterirdiſchen Kräfte, welche kleinere Störungen her— beiführten, nicht berückſichtigte, mancherlei Einwürfe machen. Der Verf. glaubt ſchließlich durch die entwickelten Grund— ſätze die Contractionstheorie der Erdveränderungeu beſſer be— gründet und ihre wirklichen Urſachen beſſer erklärt zu haben; dieſelben harmoniren überdies mit der Anſicht von der Ent— ſtehung der Riſſe, Hebungen, Faltungen und Krümmungen während der Zuſammenziehung. Das Sinken der Meeres— gegenden mußte nothwendig einen ſeitlichen Druck und durch denſelben die verſchiedenen Faltenbildungen des Alleghany— gebirges und anderer Gegenden veranlaffen. 123. VI. 13. 198 XVII. Beobachtungen über die Ernährung der Hühner mit Gerſte. Von Sace. In einem Briefe an Flourens, der in No. 3 der Comptes rendus dieſes Jahres mitgetheilt iſt, berichtet der Verf. über ſeine fortgeſetzten Ernährungsverſuche. 3 In— dividuen, 1 Hahn, im Juni 1847 ausgekommen, 2 Hennen, von denen die eine im Mai 1845 geboren, die andere im Juni 1847 ausgekommen war, wurden, um den Verbrauch der Nahrungsmittel wie die Gewichts veränderungen der ein— zelnen Thiere zu erfahren, in 3 geſonderte Käfige gebracht und in der früher mitgetheilten Weiſe (ſ. Not. 3. Reihe No. 105 S. 257) gehalten; die Hühner erhielten indeß weder Quarz— fand noch Kreide, dafür aber gröblich geſtoßenen Sandſtein(?). Die alte Henne legte bald darauf von neuem Eier, deren Schale gelb und reich an Eiſenoryd war. Die verbrauchte Nahrung, wie das Gewicht der Thiere wurde alle 4 bis 6 Tage ermittelt und der Verſuch 2 Mo— nate lang fortgeſetzt. Der Hahn nahm am ſchnellſten zu, obſchon die ungeheure Quantität der verbrauchten Gerſte mit ſeiner Zunahme noch in keinem Verhältniß ſtand; ihm folgte die alte und ihr die junge Henne; die beiden jungen Thiere hatten verhältnißmäßig mehr Kalk verſchlungen und ſelbigen wahrſcheinlich zur Entwicklung der Knochen ver— braucht. Der direete Zuſammenhang des Wachsthums mit der Menge der genoſſenen Nahrungsmittel tritt hier beſonders auffallend hervor: ſobald das Gewicht der täglich verbrauch— ten Gerſte weniger als 5 Proc. vom Totalgewicht des Thie— res betrug, verminderte ſich letzteres und zwar um ſo ſchnel— ler, je geringer die verzehrte Menge war; darnach ſcheinen 5 Proc. Gerſte, wenn Hühner ausſchließlich nur mit ihr gefüttert werden, zu ihrer Erhaltung und 6 bis 8 Proc. zu ihrer Mäſtung nothwendig. Der Verf. hat, um die Zahlen überſichtlicher zu ma— chen, das Gewicht der Thiere zu Anfang des Verſuchs S 100 angenommen und darauf die übrigen Zahlen zurückgeführt. Die weiße im Mai 1845 geborene Henne, Mut- ter des Hahnes wie der jüngeren Henne. Anfangsgewicht. Gewichtszunahme. Gerſte. Kalk. 1847. wirkliche Gewicht ces Eies. Nov. 24. — 28. 100 0,541 E 6,474 0,029 Nov. 28. — Dec. 3.100 0,517 5 6,282 0,146 Dee 3 100 0,202 0,838 5,925 0,840 Dec. 9. — 15. 100 0,305 0,796 4,461 0,072 Dec. 15. — 21. 100 0,527 5 3,777 0,062 Dec. 21. — 27. 100 0,098 „4.310 0,140 Die Henne begann am 3. Dec. zu mauſern, daher ihr verändertes Gewicht. Die graue im Juni 1847 geborene Henne. 1847. Anfangsgewicht. Gewichtszunahme. Gerſte. Kalk. Nov. 24. — 28. 100 0,153 6,480 0,908 Nov. 28. — Dec. 3. 100 0,303 5,549 0,484 Dec. 3. — 9. 100 0,112 5,299 0,567 Dec. 9. — 15. 100 0,038 4,377 0,288 Dec. 15. — 21. 100 0,129 4,845 0,407 Dec. 21. — 27. 100 0,010 4,479 0,456 13 * 199 Das Mauſern ſtellte ſich hier erſt in der letzten Woche des Verſuches ein. Der im Juni 1847 geborene Hahn. 1847. Anfangsgewicht. Gewichtszunahme. Gerſte. Kalk. Nov. 24. — 28. 100 0,336 7,924 O0, 684 Nov. 28. — Dec. 3. 100 0,644 7,494 0,979 Dec. 3. — 9. 100 0,339 6,846 0,439 Dec. 9. — 15. 100 0,130 5,579 0,552 Dec. 15. — 21. 100 0,029 (abnahme) 5,802 0,513 Dec. 21. — 27. 100 0,205 (3unchme) 5,956 0,708 Die Urſache der plötzlichen Gewichtsabnahme vom 15. bis 21. Dec. blieb dem Verf. unbekannt, zumal da in der folgenden Woche die Gewichtszunahme nicht unbedeutend war. XIX. über die Organiſation und Entwicklung der Actinophrys. Von Nicolet. Der Körper dieſes Thieres beſteht nach dem Verf. aus einem centralen, ſphäriſchen Ovarium mit häutiger Hülle, das die Eirudimente als kleine Kugeln umſchließt; aus einer ſchleimig-körnigen, das Ovarium umgebenden Schicht, deren Körner vielleicht mit zum Zeugungsapparate gehören und einer zweiten, weißen, durchſichtigen, zellartigen Schicht ohne Körner; ſie bildet die Oberhaut des Thieres, in ihr ent— wickeln ſich hohle Räume, welche das Geſchäft der Ver— dauung übernehmen, aus ihr gehen auch die ſtrahlenförmigen Ausbreitungen, die zum Ergreifen der Beute dienen, hervor. Von Zeit zu Zeit bilden ſich blaſige Anſchwellungen auf der Oberfläche des Körpers, die, wenn ſie dünner wer— den, zwiſchen ſich kleine Rinnen bilden, in denen ſich die Nahrungsmittel anhäufen und hier verdaut werden; ohne daß irgendwo am Umkreiſe der Körper eine Offnung ent— ſteht. Die Actinophrys pflanzt ſich durch Eier und Selbſt— theilung fort. Die Eier 50 bis 60 an der Zahl ſcheinen durch ein Zerfallen des Mutterthieres frei zu werden, das aus ihnen hervorgehende Junge iſt die Halteria grandinella Duj., die einzige Art dieſer vermeintlichen Gattung; es be— hält dieſe Geſtalt, bis es ums fünffache ſeiner urſprünglichen Größe gewachſen iſt; dann werden ſeine Cilien immer ſchwä— cher, verkleben auch an der unteren Seite des Körpers, die Strahlen treten nach allen Richtungen als gerade Linien vor, und die Actinophrys iſt gebildet. Der Verf. beobachtete außerdem, wie ſich dasſelbe Thier aus Keimen, die im Rotator inflatus präexiſtiren, entwickelt; ſchon einige Stunden nach deſſen Tode ſieht man in ſeinem Innern kleine durchſichtige Kugeln entſtehen; dieſe vermeh— ren und vergrößern ſich und werden nunmehr trübe. Die Leiche des Rotator iſt bald ganz von ihnen angefüllt, jede Kugel bildet an ihr einen warzigen Vorſprung. Die Ge— ſtalt der Leiche wird mit dem Größerwerden dieſer Kugeln immer unregelmäßiger. Offnet man ſie zu dieſer Zeit, ſo zeigt ſich, daß jede Kugel in eine blinde, unregelmäßige, verſchieden geſtaltete, von einer körnigen Flüſſigkeit erfüllte Röhre umgewandelt iſt. Im Umkreiſe der Leiche verzweigen 123. VI. 13. 200 ſich dieſe Röhren ſtachelartig und geben dem ganzen wie— derum ein anderes Ausſehen. Das Ende der Stacheln öffnet ſich ſpäter und entläßt feinen Inhalt, aus dem ſich auf jedem dieſer Endpunkte ein kugeliger, mit beweglichen Cilien bekleideter Körper entwickelt, als Halterie munter davon ſchwimmt, und ſich, ſobald die gehörige Größe erreicht iſt, in eine Actinophrys umwandelt. Bisweilen wird letztere aus dem Verf. unbekannten Urſachen ſchon im Körper des Rotator vollſtändig ausgebildet. Wenn die Röhren ſich nur zu einer Spitze verlängern und ſomit nur ein Thier ent— laſſen, entſteht die Actinophrys pedicellata Müller. Wenn dagegen eine verzweigte Spitze entſteht und ihr mehrere Thiere anhängen, ſo bildet das ganze Ehrenbergs nur aus einer Art beſtehende Gattung Dendrosoma. Die wirklichen Eier der Actinophrys ſind von den Kei— men im Rotator weſentlich verſchieden; die aus letzteren hervorgehende Halterie tritt ſogleich vollſtändig entwickelt hervor und bedarf zu ihrer fernern Umwandlung kaum 16 Stunden, während die aus dem Eie entſtehende Actinophrys mehrere Tage zur Ausbildung verlangt. (Comptes rendus, No. 3, 1848.) Miſcellen. 30. Die Anguinaria spatularia Ellis, die bisher für einen ſeltenen Zoophyten galt, ward von Buff in der Swanage⸗ Bay gemeinſchaftlich mit Notamia bursaria, bei einer Tiefe von 3 bis 10 Faden Waſſer, in großer Menge gefunden. Die Offnung, aus welcher der Polyp hervortritt, iſt nicht, wie man bisher glaubte, ſeitlich gelegen, vielmehr terminal, ſie wird durch eine kleine Klappe von derſelben Subſtanz, wie der Polyp, geöffnet und verſchloſſen. Der letztere beſitzt deutlich quer geſtreifte Mus⸗ kelfaſern, welchen er ſeine willkürliche Contractilität verdankt. Der ganze Polyp gleicht, wie ſchon ſein Name beſagt, dem Kopfe und Leibe einer Schlange, nur der untere Theil der Polypenröhre iſt aufs zierlichſte geringelt; jeder Polyp iſt mit dem andern durch am Grunde fortlaufende Aſte verbunden, an die ſich die ver- ſchiedenſten Tangarten heften. (The Gardner's Chronicle, No. 52. 1847.) 31. Die Bertholletia excelsa, der braſiliſche Nuß⸗ baum, erreicht eine Höhe von etwa 100 Fuß und wird 2 bis 3 Fuß im Durchmeſſer ſtark. Die Früchte find von der Größe einer Cocosnuß, ihre Schale iſt etwa ½ Zoll ſtark und umſchließt die dreieckigen, dicht neben einander gelagerten Nüſſe, die nur mit großer Gewalt von einander zu trennen ſind. Die Guaribas oder Heulaffen, welche dieſe Früchte ſehr lieben, zerſchlagen ſie an ſcharfen Steinen oder harten Bäumen. Der Geſchmack der friſchen Nuß gleicht dem der Cocosnuß, ihr weißer Saft kann als Milch benutzt werden, wird indeß leicht ranzig, auch trennt ſich das Ol ſehr bald. Die Nüſſe werden von Para in Maſſen ausgeführt; ihr Ol ſoll vielfach zur Seifen- und Lichtfabrication verwandt werden. (Voyage up the Amazon.) (The Gardners Chronicle, No. 46, 1847.) 32. Den Vögeln ſcheint die Furcht vor dem Men⸗ ſchen erſt nach und nach und zwar gewiſſermaßen erb⸗ lich überkommen zu ſein. Die Entdecker neuer Inſeln fanden die dortigen Vögel ſo wenig ſcheu, daß ſie leicht mit einem Stocke oder Steine zu tödten waren, während ſie erſt nach und nach im Menſchen ihren Feind kennen und ihn fliehen lernten, welche Furcht ſich wunderbarer Weiſe auf ihre Jungen, die ihn niemals geſehen, vererbt hat. Das wilde und das zahme Huhn find typiſch nicht verſchieden, und doch fliehen die Jungen des erſten, mit denen des zweiten von einer Henne ausgebrütet, den Menſchen, während die Jungen des zahmen Huhns von dieſer Furcht nichts wiſſen. (The Gardner's Chronicle, No. 50. 1847.) 201 (XXI.) Vier Fälle von Auswärtskehrung des uterus, von denen drei mit Erfolg durch Unter⸗ binden behandelt wurden. Von den DDr. Johnſon, Michalowſki und Green Croſſe. Erſte Beobachtung. — Eine 24jährige Frau, welche vor fünf Jahren zu früh niedergekommen war, wurde am 30. Auguſt 1844 in das Entbindungshaus zu Dublin aufgenommen. Sie gab an, das Kind habe ſich in einer regel— widrigen Weiſe präſentirt und nach 22ſtündigen Wehen habe ſich der Aecoucheur genöthigt geſehen, die Entbindung künſtlich zu bewirken. Als ſie 8 — 10 Stunden nach der Entbindung ſich im Bette erhob, bemerkte ſie, daß eine Geſchwulſt aus der Scheide hervortrat, und ſie brachte die— ſelbe augenblicklich zurück. Ihre Schwäche zwang ſie noch mehrere Wochen lang das Bett zu hüten, und während dieſer Zeit trat die Geſchwulſt jedes Mal wieder hervor, wenn die Patientin ſich irgend anſtrengte; allein ſie ließ ſich auch jedes Mal wieder ohne Schwierigkeit zurückbringen. Nach 2½ Monat, wo die Kranke wieder zu Kräften ge— kommen war, ging ſie wieder aus; allein bald darauf traten heftige Blutungen aus dem uterus ein, welche von dieſer Zeit an bis zur Aufnahme der Patientin in das Hoſpital, alſo 5 Jahre lang, alle 4 — 5 Tage, bald ſpärlich, bald ſtark wiederkehrten. Vorzüglich heftig traten ſie ein, wenn ſich die Patientin zur Zeit der Menſtruation ſtarke Bewegung machte, und fie dauerten dann zuweilen 12 — 15 Tage un— unterbrochen fort. Bei der Aufnahme ins Hoſpital befand ſich die Frau in Betracht der ſchwächenden Einflüſſe, denen ſie ſo lange unterworfen geweſen, ziemlich wohl; ſie war zwar blaß, aber wohlbeleibt und der Puls hatte, ungeachtet ſeiner Schwäche, die normale Regelmäßigkeit. Es fand be— ſtändig ein ziehender Schmerz im Rücken, zuweilen Kopfweh, Ekel, ſelbſt Erbrechen Statt. Bei jeder etwas heftigen Lei— besbewegung trat Herzklopfen ein, und bei jeder Anſtrengung trat die Geſchwulſt bis an den Rand der äußern Geſchlechts— theile. Von einer Hämorrhagie zur andern floß nur ein wenig Schleim aus. Beim Touchiren erkannte man eine kugelförmige Geſchwulſt, um welche man den Finger un— gehindert herumführen konnte, und an deren oberem Theile man einen wenig entfernten Ring fühlte, welcher durch den Hals des uterus gebildet wurde. Wenn man zwiſchen dieſen und denjenigen Theil der Geſchwulſt, den man deren Hals nennen konnte, eine Sonde führte, ſo ſtieß dieſe bald auf einen Widerſtand, an welcher Stelle des Umkreiſes man auch einzudringen verſuchte. Gegen die Berührung war die Geſchwulſt keineswegs empfindlich, und die Kranke bemerkte jene nicht ein Mal. Drückte man da— gegen kräftig, ſo empfand ſie ein unangenehmes Gefühl, das ihr von dem untern Theile des Rückens auszugehen ſchien. Die Geſchwulſt war dunkelroth, runzelig und wie zottig; aus verſchiedenen Stellen der Oberfläche ſah man 123. VI. 13. 202 Heilkunde. Blut hervorquellen (Die Frau war gerade menſtruirt). Dr. Johnſon erkannte alsbald eine Auswärtskehrung des uterus und entſchloß ſich zuletzt zu deſſen Erſtirpation, welche er dadurch bewirkte, daß er am 18. Sept. mittels der Gooch— iſchen Canüle eine ſehr feſte Ligatur um den Hals der Ge— ſchwulſt legte. Gleich nach dem Unterbinden klagte die Patientin über etwas Schmerz im Rücken, und es lief ein wenig Blut aus. Nachmittags wurden die Rückenſchmerzen und die Schmerzen im uterus ſo heftig und es trat ſo häufig Ekel ein, daß man die Ligatur auflockern mußte. Anfangs trat etwas Erleichterung ein; allein da die Schmerzen und der Ekel ſich erneuerten, ſo mußte am folgenden Tage Abends die Ligatur noch lockerer gemacht werden. Obgleich nun die Geſchwulſt durch die Ligatur nur noch ſehr unvollkom— men zuſammengeſchnürt wurde, ſo lief doch um dieſe Zeit ſchon eine übelriechende Flüſſigkeit aus, und es trat bald ein heftiges Reactionsfieber ein. Die Anfälle von Ekel wurden häufig; Puls 100 — 120; hypogaſtriſche Gegend empfindlich. Allein das Symptom, über welches ſich die Kranke am meiſten beklagte, war der Schmerz in der Lum— boſacralgegend, welcher, ihrer Angabe nach, unerträglich war. Der übelriechende Ausfluß reizte die Scheide und die benach— barten Theile heftig, ſo ſorgfältig man auch alles beobachtete, was zur Reinlichkeit beitragen konnte. Die Schmerzen wur— den gegen den elften Tag hin ſo furchtbar, daß man die Canüle beſeitigte, und nur die Ligatur in der tiefen Furche, die ſie in den Hals der Geſchwulſt eingeſchnitten hatte, liegen ließ. Zwei Tage ſpäter verſuchte man die Goochiſche Canüle durch die Leoretiſche zu erſetzen; allein auch dieſes ließ ſich nicht durchführen. Am 18ten Tage bemerkte man, daß die Geſchwulſt ſchon bis faſt zur Hälfte abgelöſ't war, und am 28ſten Tage ſchnitt Dr. Johnſon die zwiſchen der Ligatur befindliche ſehr ſchmale Portion mit dem Bi— ſtouri vollends durch. Hiermit war jedoch noch nicht alles beendigt; es mußte noch die Geſchwulſt, welche die Größe des Kopfes eines fünfmonatlichen Fötus darbot, ſo ausge— zogen werden, daß die Patientin dabei nicht zu ſehr litt. Nach verſchiedenen fruchtloſen Verſuchen gelang dieſes endlich mittels einer Zange, indem man deren einen Kiefer in die Höhle der Geſchwulſt einführte und den andern an deren Außen— ſeite anlegte. Nunmehr beſſerte ſich das Befinden der Kranken von Tage zu Tage; der Puls verlor ſeine Häufigkeit, die Empfindlichkeit der hypogaſtriſchen Gegend verſchwand, und von allen jenen bedenklichen Symptomen blieben nur einige ziehende Schmerzen im Rücken und einige Empfindlichkeit in der Scheidengegend zurück, welche jedoch nach nicht all— zulanger Zeit ebenfalls verſchwanden. Drei Wochen ſpäter touchirte man vorſichtig durch die Scheide und fand das os tincae halb offen oder ungefähr in demſelben Zuſtande, wie acht Tage nach einer Entbindung. Die Patientin kehrte nach Hauſe zurück und befand ſich ſechs Wochen nach ihrer Ankunft daſelbſt noch vollkommen wohl. Zweite Beobachtung. — Eine 31 Jahre alte 203 Dame hatte am 25. Sept. 1840 ihre erſte Niederkunft. Die Geburt war ſchwer und mußte durch künſtliche Mittel bewirkt, auch die placenta ſpäter ausgezogen werden. In der erſten Woche nach der Entbindung bekam die Patientin öfters Anfälle von Ekel und Erbrechen, und ſpäter traten jedes Mal, wenn ſie im Bette aufſitzen wollte, heftige zie— hende Schmerzen im uterus ein. Niemand ahnete die Vers anlaſſung dieſer Schmerzen; als ſie aber nach drei Wochen aufſtand und ſogar eine Reiſe unternehmen wollte, trat plötzlich eine heftige Blutung aus dem uterus ein. Kaum hatte ſie ſich von dieſem Zufalle erholt, ſo bekam ſie, wäh— rend ſie im Garten wandelte, eine zweite Hämorrhagie, die mit einer Ohnmacht endigte. Zugleich trat aus der vulva eine Geſchwulſt hervor. Dr. Johnſon, welcher ſogleich herbeigerufen ward, erkannte eine theilweiſe Auswärtskehrung des uterus und außerdem einen Vorfall dieſes Organes. Es hatte durchaus keine Schwierigkeit, die Geſchwulſt in die Scheide zurückzubringen, allein die umgeſtülpte Portion des uterus zu reponiren, war nicht ſo leicht. Alle Verſuche, die man zu dieſem Ende machte, bewirkten weiter nichts, als daß die Leiden der Patientin und die ſehr heftige Reiz— barkeit des Magens geſteigert wurden. Die Kräfte der Pa— tientin waren in dem Grade geſunken, daß man nicht ein Mal an das Unterbinden denken durfte. Man ſchickte ſie aufs Land, allein die Zufälle wurden immer bedenklicher. Jedes Mal zur Menſtruationszeit brach ein heftiger Schweiß aus, welcher mehrere Tage anhielt. In den Zwifchenzeiten litt ſie an außerordentlicher Reizbarkeit des Magens und an einem unaufhörlichen Schleimausfluſſe. Neun Monate nach der Niederkunft ſtarb fie an völliger Entkräftung. (Dublin Journal, March 1845.) Dritte Beobachtung. — Eine 22jührige Frau, welche vor 13 Monaten ihre erſte Niederkunft erlebt, und nach derſelben an heftigen Schmerzen und einer ſtarken Hä— morrhagie gelitten hatte, war ſeitdem fortwährend Blutungen unterworfen geweſen und dadurch ſehr von Kräften gekom— men, als ſie im Monate April 1844 den Dr. Mich alowſki zu Rathe zog. Dieſer fand in der Mutterſcheide eine gegen Druck ziemlich empfindliche, leicht blutende Geſchwulſt, welche er anfangs für einen Polypen hielt. Allein eine aufmerk— ſame Unterſuchung mittels des speculum, die Unterſuchung durch den Maſtdarm, die Scheide und das hypogastrium, die Einführung eines Katheters in die Blaſe, die Erzählung der vorhergehenden Umſtände und beſonders die Unwirkſam⸗ keit der gegen den angeblichen Polypen angewandten Mittel überzeugten ihn endlich, daß er es mit dem umgeſtülpten uterus zu thun habe. Der Zuſtand der Kranken war ſo bedenklich und die Lebensgefahr ſo groß und dringend, daß der Verf. ſich zur Beſeitigung der Geſchwulſt entſchloß. Die Operation wurde am 11. Mai auf folgende Weiſe ausge— führt: nachdem ſich die Patientin in die Lage begeben, als ob die Entbindungszange in Anwendung kommen ſollte, ward die Geſchwulſt mit einer Muſeuriſchen Zange gefaßt, vorſichtig aus der vulva gezogen und dann mittels einer krummen Scheere ſchnell exſtirpirt. Der Schmerz und die Blutung waren ſehr unbedeutend; der Puls von 120 ſank 123. VI. 13. 204 binnen einigen Stunden bis auf die Hälfte. Die Kranke klagte über Schmerz in der Lendengegend und ein Gefühl von Kälte in der Unterleibsgegend, das durch warme Um— ſchläge nur mit Mühe beſeitigt ward. Gegen den achten Tag hin hatte der Puls ſeinen normalen Tact wieder ge— wonnen, und 14 Tage ſpäter reiſ'te die Frau aufs Land. Im December befand ſie ſich, bis auf einige unbeſtimmte Schmerzen in der Lendengegend und den Brüſten, wieder vollkommen wohl. Beim Touchiren fand ſich der Überreſt des Halſes ſo gut vernarbt, daß man faſt keine Spur von der Wunde wahrnehmen konnte. Als man die abgelöf'te Geſchwulſt der Länge nach durchſchnitt, fand man in deren, auffallend kleiner, abnormer Höhle die Falten der ſeröſen Membran dicht beiſammen, verhärtet und von faſerigem An— ſehen. Aus dieſer Beſchaffenheit erklärt ſich theilweiſe das Gelingen der Operation. Das Präparat befindet ſich gegen— wärtig im pathologiſch-anatomiſchen Cabinet der Facultät zu Montpellier. (Journal de la Soc. de med. prat. de Montp., Mai 1845.) Vierte Beobachtung. — Im October 1841 wurde eine ſeit mehreren Stunden kreiſende Frau mittels der Zange von ihrem erſten Kinde entbunden, welches todt zur Welt kam. Die placenta hing am Muttergrunde feſt. Als Dr. Croſſe an der Nabelſchnur zog, bemerkte er, daß ſich der Muttergrund ſenkte und durch den Muttermund vor— fiel. Er ſchob nun mit den Fingern die invaginirte Por— tion des uterus zurück, und es gelang ihm, den Mutterkuchen vollends abzulöſen. Dieſe Frau wurde im folgenden Jahre abermals ſchwanger und am 14. Januar 1843 binnen 8 bis 10 Stunden von einem lebenden Kinde entbunden. Nach der Geburt trat eine ſehr reichliche Hämorrhagie ein. Der anweſende Chirurg, welcher die Entbindung beſchleuni— gen wollte, führte die Hand in den uterus ein, fand, daß der Mutterkuchen noch theilweiſe feſt hing und ſuchte den— ſelben abzulöſen; dies hatte große Schwierigkeit, ſo daß er ihn ſtückweiſe herausnehmen mußte. Als Dr. Croſſe herbeigerufen ward, hatte ſich die Hämorrhagie bereits ge— legt. Die Patientin war kalt und ungemein ſchwach. Erſt 5 Stunden darauf erhielt ſie das Bewußtſein wieder. Da ſie ſeit 36 Stunden nicht geharnt hatte, ſo wollte man ſie catheteriſiren, bei welcher Gelegenheit man in der Scheide einen fauſtgroßen runden Körper, nämlich den invaginirten uterus fand. Alle Verſuche zur Repoſition des Organes blieben fruchtlos. Am vierten Tage ragte die Geſchwulſt zwiſchen den großen Lefzen hervor und hatte 1 Fuß im Umfange. Mittels einer angemeſſenen Compreſſion gelang es, deren Umfang zu vermindern, und nachdem dieſe Art der Behandlung 8 Tage gedauert, hatte ſie an der dickſten Stelle nur noch 9½ Zoll Umfang. Die in den erſten Tagen eingetretene Beſſerung hatte hoffen laſſen, daß die Repoſition doch noch gelingen würde; allein nach drei Wo— chen erkannte man, daß dies unmöglich ſei. Da der Aus— fluß aus der Scheide, welchen dieſe Geſchwulſt veranlaßte, ſehr reichlich war, und die Kranke alle Tage ſchwächer wurde, ſo entſchloß ſich Ur. Croſſe die Geſchwulſt abzubinden. Dies geſchah 1 Monat nach der Niederkunft. Er legte um 205 den Mutterhals an einer Stelle, wo der Umfang der Ge- ſchwulſt 5 Zoll betrug, eine ſeidene Schnur von 1 Linie Stärke an und zog dieſelbe mittels eines Knebels (serre- noeud) in der Art feſt, daß er die Einſchnürung verſtärken und vermindern konnte. Die Kranke verſpürte bei Anlegung der Ligatur durchaus keinen Schmerz in der Geſchwulſt, wohl aber in der Lendengegend und in der untern Bauch— gegend. Die Ligatur ward jeden Tag feſter angezogen, und am fünften wurde die Geſchwulſt welk, bräunlich und ging in Fäulniß über. Man ſchnitt fie ¼ Zoll unter der Ligatur durch. Noch an demſelben Abend be— merkte man, daß die Ligatur, welche anfangs zwiſchen den Schamlefzen hing, um 1½ Zoll in die Scheide hinaufgeſtiegen war. Am zwölften Tage zog man dieſelbe heraus, indem man die Abſtoßung des Reſtes der Geſchwulſt der Natur überließ. Am 6. März hatte der Schleim durch— aus aufgehört auszufließen. Die Scheide war unverjehrt und oben durch einen Querſpalt geſchloſſen, welcher dem Mutterhalſe entſprach. Fünf Tage ſpäter konnte die Pa— tientin aufſtehen, und am 26. war ſie vollſtändig geheilt. Seit der Operation ſind bereits 16 Monate verſtrichen, und der Geſundheitszuſtand iſt gut. Die Menſtruation iſt weggeblieben. (Province. med. and surg. Journ., June 1844.) Unter dieſen dier Beobachtungen veranlaßt uns nur die erſte zu einigen Bemerkungen. Sie bietet uns zuvörderſt das intereſſante Beiſpiel der Unterbindung eines Theils des uterus, welche ungeachtet der bedenklichen Symptome, die gleich nach der Unterbindung eintraten und obwohl man ſich ſchon nach einigen Stunden zur Auflockerung der Liga— tur genöthigt ſah, einen günſtigen Erfolg hatte. Wie faſt in allen ähnlichen Fällen hörte die Blutung auf der Stelle auf; allein das merkwürdigſte iſt unſtreitig, daß die Geſchwulſt lediglich durch die Einwirkung der Ligatur beſeitigt ward. Zu den charakteriſtiſchen Symptomen dieſes Leidens gehört die Anweſenheit einer fungöſen Geſchwulſt, aus deren Ober— fläche Blut ſchwitzt, ſowie daß man eine Sonde nicht weit nach oben zwiſchen den Lefzen des Mutterhalſes und den Hals (Stiel) der Geſchwulſt ſchieben kann; allein gegen die gewöhnlichen Angaben der Schriftſteller war dieſe Geſchwulſt vollkommen unempfindlich, woraus ſich ergiebt, daß das auf die Empfindlichkeit geſtützte unterſcheidende Kennzeichen zwiſchen den Polypen und dem umgeſtuͤlpten uterus aller Zuverläſſigkeit entbehrt. (Archives gen. de Med., Fevr. 1848.) (XXII.) Von der freiwilligen Wiedervereinigung der Speiſeröhre, nachdem dieſelbe mittels einer Li— gatur völlig durchſchnitten worden. Von Hrn. Sedillot. Die von Hrn. Sedillot hier beſprochene Erſcheinung iſt an Canälen, welche äußerlich mit einer ſeröſen Membran bekleidet ſind, häufig beobachtet worden. Nichts iſt z. B. ſtrenger nachgewieſen und naturgemäßer als die Wiederher— ſtellung der Continuität des Darmcanals, nachdem derſelbe durch eine Ligatur theilweiſe oder ganz durchſchnitten war. 123. VI. 13. 206 Aus der ſeröſen Membran, welche alsdann durch den einſchnürenden Faden eher durchſchnitten wird als die übri— gen Häute, ergießt ſich in dieſem Falle die plaſtiſche Lym— phe, deren Organiſation alsbald eine prosiforifche Wandung bildet, bis der Faden, indem er die übrigen Membranen nach und nach durchſchneidet, zuletzt ins Innere des Ca— nals fällt. Was die Speiſeröhre betrifft, ſo iſt deren Organiſation von der des Darmes fo verſchieden, daß man a priori nicht hätte folgern können, die in Bezug auf den letztern con— ſtatirten Veränderungen müßten auch bei der erſtern Statt finden. Die Erperimente des Straßburger Profeſſors haben daher unſer Intereſſe in dem Grade erregt, wie ihn die Be— kanntſchaft mit einer wirklich neuen Thatſache mit ſich bringt. Im Laufe ſeiner Unterſuchungen über die Gaſtroſto— mie“) hatte Hr. Sédillot bei Thieren öfters die Speiſe⸗ röhre unterbunden, und mit Verwunderung bemerkte er, daß er ſpäter dieſen Canal bei einem Hunde, wo jenes vor mehr als drei Monaten geſchehen war, völlig unverſehrt und frei fand. An der Stelle, wo die Ligatur durchgeſchnitten hatte, war im Innern eine linienförmige faſerige Leiſte wahrzu— nehmen, welche den Canal verengerte, und die ſtark gefaltete Schleimhaut ſetzte am obern und untern Rande der Ver— engerungsleiſte, welche glatt, weißlich und faferig war und einen kreisförmigen Wulſt von etwa 1 Millim. Durchm. bildete, ſcharf ab. Durch die Verengerung ließ ſich die Spitze des kleinen Fingers einführen. Obgleich nicht daran zu denken war, daß die Ligatur vielleicht die Speiſeröhre verſchont und auf eines der benach⸗ barten Organe eingewirkt habe, fo wollte doch Hr. Sédil— lot das Reſultat durch weitere Verſuche erhärten, deren Ergebniſſe wir hier mittheilen. Wenn man die Speiſeröhre mittels einer ſeidenen oder hänfenen Schnur dauernd zuſammenſchnürt, ſo wird die da— durch bewirkte kreisförmige Verſenkung bald durch eine Aus— ſchwitzung von plaſtiſcher Lymphe ausgefüllt, welche ſo ſtark iſt, daß man die Schnur nicht mehr ſieht, ſo daß der Ca— nal nirgends unterbrochen erſcheint. Spaltet man die Speiſe— röhre in dieſem Stadium, ſo ſieht man, daß die Schleimhaut und ein Theil der Muskelhaut noch unverfehrt ſind und die zwiſchen ihnen befindlichen Enden der Schnur ſind ſehr deutlich zu erkennen. Einige Tage ſpäter findet man die Schnur nicht mehr, indem ſie, nachdem ſie den Canal durchſchnitten, in den Magen fortgeführt worden iſt. Die Wandungen ſind alſo völlig durchſchnitten worden; allein der plaſtiſche Proceß hat deren Continuität wiederhergeſtellt. Die Stellen, an welchen Eiterung Statt gefunden hat, ſind durch kleine Löcher bezeichnet. - Die Narbe befigt mehr oder weniger Feſtigkeit, je nach- dem ſie älter oder jünger iſt. Nach 12 Tagen fand ſie Hr. Sedillot noch ziemlich leicht zerreißbar. Bei einem Hunde war nach 18 Tagen die Narbe vollſtändig ausgebildet, glatt und linienförmig. Der innere Durchmeſſer des Canales ward dadurch nicht merklich verengert, was zum Theil dem ) Vergl. Notizen, dritte Reihe, Bd. IL, No. 1, S. 16. 207 Umſtande zuzuſchreiben war, daß man das Thier vom zehn— ten Tage nach der Anlegung der Ligatur an hatte freſſen laſſen. Hr. Sedillot hat dieſen Verſuch etwa ein Dutzend Mal wiederholt, und in keinem einzigen Falle fand ſich die Speiſeröhre nach dem Abfallen der Ligatur unterbrochen. (Gaz. méd. de Paris, 10. & 15. Mars 1848.) (XXIII.) über die Reizbarkeit der Muskeln gelähmter Gliedmaßen. Von Dr. R. Bentley Todd. Die Unterſuchungen, welche Dr. Todd unternahm, wurden durch die früheren Forſchungen des Dr. Marſhall Hall über die Reizbarkeit veranlaßt. Dieſer Phyſiolog hat bekanntlich einen Unterſchied zwiſchen den durch die Ver— letzung des Rückenmarkes und den durch die Verletzung des Hirnes entſtehenden Lähmungen feſtgeſtellt. Dieſe Verſchieden— heit läßt ſich folgendermaßen darlegen. Bei der Gehirn— läh mung iſt die Reizbarkeit der affieirten Muskeln geſtei— gert; bei der Rückenmarkslähmung verlieren die Mus— keln, welchen ihre Nerven aus der kranken Portion des Rückenmarkes zugehen, ſchnell ihre Reizbarkeit. Dasſelbe Re— ſultat findet bei der Lähmung Statt, welche eine Folge der krankhaften Veränderung des Hauptmuskelnerven einer Ertremität oder irgend eines andern Körpertheils iſt. Die von Hrn. M. Hall angekündigten Reſultate hatten für die Phyſiologen etwas paradores, da fie daran gewöhnt waren, anzunehmen, daß die Functionen eines Muskels durch die mäßige Übung desſelben im Stande erhalten würden und ſie folglich ſchloſſen, daß alles, was die Bewegung hemmt, auch eine Störung in der Ernährung und den vitalen Eigen— ſchaften der Muskeln, namentlich ihrer Reizbarkeit, bewirken werde. Die Verſuche des Hrn. Todd wurden in der Ab— ſicht vorgenommen, die vorſtehend erwähnten Reſultate zu prüfen. Aus den Schlußfolgerungen ſeiner Arbeit, auf de— ren Mittheilung wir uns hier beſchränken, wird man ſehen, daß die Reſultate des Hrn. Hall nichts weniger als unan— greifbar ſind. 1) Die Zuſammenziehbarkeit oder Reizbarkeit der Muskeln der gelähmten Ertremitäten ſteht mit dem Zu— ſtande ihrer Ernährung in directer Beziehung. 2) Die Er— regbarkeit der gelähmten Muskeln durch den Galvanismus verändert ſich noch mehr mit den Zuſtänden ihres Nerven— ſyſtemes als mit denen der Muskeln ſelbſt. 3) Bei den meiſten Fällen von Gehirnlähmung iſt die Zuſammenziehbarkeit oder Reizbarkeit der gelähmten Muskeln geringer als auf der geſunden Seite, doch nur, weil die Ernährung durch den Mangel an Übung geſtört iſt. 4) Es läßt ſich durchaus keine Diagnoſe von irgend einem Werthe zwiſchen der Gehirn— 123. VI. 13. 208 lähmung und der Rückenmarkslähmung nach der Reizbarkeit der gelähmten Muskeln aufſtellen. Der Zuſtand der Mus- keln iſt bei beiden Arten von Lähmungen derſelbe. 5) Die Tendenz, welche das Strychnin beſitzt, die gelähmten Glied— maßen eher als die geſunden zu afficiren, muß darin ihren Grund haben, daß dieſe Subſtanz von dem Sitze der Ge— hirnverletzung ſtärker angezogen wird als von dem entſpre— chenden Punkte der entgegengeſetzten Seite. 6) Die Art und Weiſe, wie die Muskeln einer gelähmten Extremität gegen die galvaniſche Strömung reagiren, kann rückſichtlich des Zuſtandes der Nerven Aufklärungen gewähren. Wenn die Thätigkeit ſchwach oder null iſt, ſo befindet ſich das Nervenſyſtem in einem geſchwächten Zuſtande; iſt dagegen die Reaction kräftig und lebhafter als auf der geſunden Seite, ſo ſind die Nerven gereizt. (London med. chir. Trans. T. XIII, 1847. Archives gen. de Med., Fevr. 1848.) Miſeellen. (25) Gegen arthritis wird folgender ſchmerzſtil⸗ lender Breiumſchlag von Hrn. Trouſſeau empfohlen. Man läßt ſo viel Weißbrotkrume, als zu dem Breiumſchlage nöthig, in Kampherſpiritus kochen, und ſobald der Brei die gehörige Con— ſiſtenz hat, breitet man ihn aus einander und beſtreut ihn mit einer Kampherſchicht, auf ein cataplasma von gewöhnlicher Größe etwa 10 Grammen. Das Ganze wird alsdann mit eben ſo viel Belladonnaertract- Solution benetzt. Dieſer zugleich beruhigend und zertheilend wirkende Breiumſchlag bewährt ſich faſt immer ſchon in der erſten Nacht als ungemein ſchmerzſtillend, und zuweilen vertreibt er die Schmerzen binnen wenigen Tagen vollſtändig. Die Zertheilung kann er begreiflicherweiſe nicht ſo ſchnell bewirken, wohl aber beſchleunigt er dieſelbe ſehr. Es thut derſelbe zumal bei den Fällen gute Dienſte, wo ſich ein Rheumatismus mit ganzer Macht auf ein einziges Gelenk geworfen hat und dasſelbe krankhaft zu verändern droht. Die nach Entbindungen entſtehenden Gelenkkrankheiten befinden ſich in demſelben Falle. Das Mittel iſt zwar nicht wohlfeil, es braucht indeß nur alle 4— 5 Tage erneuert zu werden. (Gaz. méd. de Paris, 15. & 18. Mars, 1848.) (26) Das Chinoidin, welches bei der Bereitung des ſchwefelſauren Chinins, nachdem aller kryſtalliſirbare Stoff ſich ab— geſchieden hat als eine gelblichbraune klebrige Materie abgelagert wird, beſitzt nach Liebigs Analyſe dieſelbe chemiſche Zuſammenſetzung und dasſelbe Aquivalent, wie das Chinin und iſt in der That dieſes letztere Alkaloid im amorphen Zuſtande. Es verhält ſich zum Chinin, wie der nicht kryſtalliſirbare Zucker zum kryſtalliſirbaren. Man kann von der Reinheit des Chinoidins überzeugt fein, wenn es ſich in verdünnten Säuren, Alkohol und Ather ohne Rückſtand auflöft. Zuweilen wird die bis zur Trockniß abgerauchte Mutterlauge des ſchwefelſauren Chinins für Chinoidin ausgegeben. Löſ't man dieſe in Waſſer auf, ſo läßt ſich das Chinoidin leicht mittels Ammo— niums aus der Solution niederſchlagen. Nach der Erfahrung mehrerer Arzte wirkt das Chinoidin als fiebervertreibendes Mittel eben ſo kräftig als das Chinin, und in dieſem Falle wäre deſſen Gebrauch ſehr zu empfehlen, da es ſieben Mal wohlfeiler iſt als Chinin. (Gaz. méd. de Paris, 10. et 15. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Zeitschrift für Malakozoologie, hrsg. von K. Th. Menke u. L. Pfeiffer. 5. Jahrg. 1848. 12 Nrn. gr. 8°. 1½ Thlr. Fischer in Cassel 1848. F. S. M. de Susser. — Manures considered in their Relation to the Crop, the Soil, and the Atmosphere. 8°, (pp. 60, sewed, 1 sh.) London 1848. H. C. Küster, die Käfer Europas. XII. Hft. 16°. In Etui 1 Thlr. Bauer und Raspe in Nürnberg 1848. Highley’s Catalogue of Medical Books published for the last 25 years: with Classified Index of Subjects, and the Authors who have treated upon them. 12°. (pp. 86, sewed, 1 sh.) London 1848. E Schmalz, über die Taubſtummen und ihre Bildung, in ärztlicher, ſta⸗ tiſt. padagog und geſchichtl. Hinſicht. 2. verb. Ausg. gr. 80. Geh. 2 Thlr. Arnoldiſche Buch. in Leipzig 1848. 2 Thlr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 124. (Nr. 14. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Brewſter, über das optiſche Phänomen, die Natur und Ortlichkeit der mouches volantes; mit Bemerkungen über die Structur des humor vitreus und das Sehen von Ge \ x 3 enjtänden im Innern des Auges. — zu ihrem Gehörvermögen. — 0 — Miſcellen. Aneroid⸗ Barometer. Neue Anwendung des Mikroſfopes — Vervollſtandigung der Geſchichte der Entzündung und Vereiterung des Herzens. — Sichel, über die Beziehungen des Harnſtoffs der Haare und der iris einiger Thiere Heilkunde. Craigie, Beo bachtüngen zur Miſcelle. Chineſiſche Augenſalbe. — Bibliographie. Naturkunde. XX. Über das optiſche Phänomen, die Natur und Ortlichkeit der mouches volantes; mit Bemerkungen über die Structur des humor vitreus und das Sehen von Gegenſtänden im Innern des Auges. Von David Brewſter. Obſchon die mouches volantes bei Leuten jedes Alters und bei den beſten Augen vorkommen, ſo fehlt doch bis jetzt noch eine genügende Erklärung dieſer Erſcheinung. De la Hire nimmt zwei Arten derſelben an, unbewegliche, welche er kleinen Tropfen ertravaſirten Blutes auf der retina zuſchreibt, und andere, welche ſelbſt wenn das Auge ruht, vorüber ziehen. Die erſten beſchreibt er als deutliche Flecke auf weißem Grunde, die andern als Knoten auf einem Theilbrett; hie und da mit unregelmäßig geſtalteten Fäden, welche durch geringe Menge einer zähen ſchleimigen Subſtanz im humor aqueus, deren Bild ſich durch ihr von letzterem verſchiedenes Brechungs— vermögen auf der Netzhaut entwirft. Dr. Porterfield, der letztere mouches volantes nur ſchlecht abbildet, betrachtet ſie als durchſichtige Theilchen und Fäden im humor aqueus vor der Kryſtalllinſe ſchwimmend. Dr. Mackenzie be: ſchreibt die mouches als kleine, gedrehte, halbdurchſichtige hie und da mit Kügelchen erfüllte Röhren, die ſich biswei— len bewegen, während andere mehr undurchſichtige oder ganz dunkele der Bewegung des Auges folgen. Die letzteren hält er für ein ſchlimmeres Zeichen wie die erſtern, ſie deu— ten auf unempfindliche Stellen der retina. Die Kügelchen der halbdurchſichtigen Röhren ſind nach ihm Blutkügelchen, welche die Gefäße der retina oder des Glaskörpers paſſiren. Der Verf. ſtellte nun theils mit ſich ſelbſt, theils mit anderen Verſuche zur Ermittlung der Urſache dieſer Erſchei— nung an und fand, daß die im Augapfel befindlichen Kör— per zwar oft ſchon unter gewöhnlichen Umſtänden, aber noch deutlicher geſehen werden, wenn man durch eine kleine No. 2104. — 1004. — 121. Offnung gen Himmel oder durch eine ſtarke Objectinlinfe auf einen mäßig erleuchteten Gegenſtand ſieht. Man er⸗ blickt hier einen leuchtenden Grund, der mehr oder minder mit durchſichtigen Röhren oder Fäden, kleinen Kreiſen und wenn mouches vorhanden find, mit dunkeln fliegen = ähn= lichen Flecken bedeckt iſt. Die durchſichtigen Fäden haben 4 oder 5 verſchiedene Größen. Die kleinſten ſind am dunkelſten und ſchärfſten be⸗ grenzt, ihr Zwiſchenraum iſt heller als der Grund; die größeren Fäden haben Farbenſäume. Die kleinſten Kreiſe find gleichfalls am ſchärfſten begrenzt, ihr Mittelpunkt iſt hell, die großen Kreiſe haben auch hier Farbenſäume. Die ſphäri⸗ ſchen Körper kommen vereinzelt und in Gruppen vor, liegen bald außerhalb, bald innerhalb der Fäden, die demnach Röhren ſein müſſen; auch ihre Größe iſt verſchieden. Wenn man auf dieſe ſphäriſchen Körper achtet, wird man zuweilen leuchtende Flecken über das Feld ziehen ſehen, die, ſobald ſie von der ſchlüpfrigen die Außenſeite der cor- nen umgebenden Flüſſigkeit herrühren, nicht hierher gehören. Die beſchriebenen durchſichtigen Fäden erſcheinen meiſt zu zweien und dreien ſich mit einander kreuzend; oft aber in großer Anzahl, dann ſieht man da, wo ſich die meiſten Fäden kreuzen, deutliche Flecke. Ein langer Faden erſcheint bisweilen ein oder zwei Mal zuſammengelegt oder in einen Knoten geſchürzt; letzterer zeigt da, wo ſich die Theile des Fadens berühren, verſchiedene dunkle Flecke: gerade dieſe ſind die eigentlichen mouches volantes. Alle jetzt beſchriebenen Körper haben zwei verſchiedene Bewegungen, die eine von der Bewegung des Kopfes oder Augapfels abhängig, die andere auch bei ruhendem Auge wahrnehmbar. Ein Schlag auf den Kopf treibt ſie nach verſchiedenen Richtungen und mit verſchiedener Schnelligkeit aus einander. Beim erſten Blick durch die Linſe oder enge Offnung iſt das Geſichtsfeld fat ur, dieſen beweglichen 211 Körpern frei; je länger man indeß beobachtet, um fo zahl: reicher erſcheinen ſie. Wenn der Bewegungsmittelpunkt des Augapfels mit der Geſichtsachſe zuſammentrifft, ſo ſteigen die mouches, ſobald das Auge aufwärts ſieht und um— gekehrt, je nachdem ſie vor oder hinter dem gemeinſamen Mittelpunkte liegen. Die vor dieſem Mittelpunkte befind— lichen mouches behalten, wenn das Auge ruht, ihre ihnen eigenthümliche Bewegung, die hinter dem Mittelpunkte ge— legenen nehmen dagegen zwei verſchiedene Richtungen an: ſo entſtehen bei einer ſchnellen und vollſtändigen Wendung des Auges die beiden entgegengeſetzten Ströme, deren Be— wegung eine ſo raſche iſt, daß die einzelnen Körperchen zu mit der Drehung des Augapfels parallelen Linien werden. Betrachtet man einzelne Fäden oder Gruppen derſelben genau, jo findet man, daß fie ihre Geſtalt verändern, ſich über einander ſchlingen und dann ihre längliche Form wieder annehmen; die kleinen ſphäriſchen Körper nähern und trennen ſich wieder, der Verf. konnte jedoch bei den— jenigen, die ſich innerhalb einer Röhre befanden, keine deut— liche Bewegung wahrnehmen. Um die Sache anſchaulicher zu machen, giebt der Verf. eine Zeichnung nach ſeinem Auge, im Jahre 1838 angefer— tigt; vier lange Fäden kreuzen und verjchlingen ſich an einer Stelle mit einander und bilden dort die eigentlichen mou- ches, während kleine ſphäriſche Körper hie und da reihen— weiſe vertheilt find; in einem Zeitraume von 4½½ Jahren hatten ſich die mouches vergrößert, die ſie begleitenden Fä— den verkürzt. Ein vergleichendes Studium der durch transparente Fäden und Häute bewirkten Diffractionserſcheinungen beweiſ't dem Verf. das beſchriebene Phänomen als das auf der re— tina bei divergirendem Lichte entworfene Schattenbild durch— ſichtiger, im Augapfel befindlicher Fäden. Ganz dasſelbe zeigt ſich, wenn man eine Kryſtalllinſe in deſtillirtem Waſ— ſer zerdrückt oder einige ſehr dünne Blättchen derſelben ma— cerirt und einen Tropfen der Flüſſigkeit auf einer Glasplatte eintrocknet, unters Mikroſkop ſchiebt und etwas über den Focus einſtellt; auch hier ſieht man einzelne und gruppenweiſe angeordnete Fäden, Knoten und ſphäriſche Körperchen, welche dieſelbe Diffractionserſcheinung, wie die im Augapfel be— findlichen Körper zeigen, woraus folgt, daß ſowohl die Fä— den als ſphäriſchen Körper, deren gebrochenes Schattenbild 4 bis 5 verſchiedene Größen zeigt, alle gleich groß ſind und nur ihre verſchiedene Entfernung von der retina dieſe Täuſchung bewirkt. Da nun dieſe Körper, obſchon ſie ihren Ort verändern, dennoch ihre Diſtanz von der retina bei— behalten, ſo erhellt hieraus der zellige Bau des humor aquaus, in dem die Faden eingebettet ſind; würden ſie frei in ſelbigem liegen, ſo müßten ſie nämlich je nach der Rich— tung des Auges ſinken und fallen und ſo beſtändig ihre Entfernung gegen die Netzhaut verändern. Der Verf. mochte den Augapfel richten, wie er ihn wollte, indem er ſich auf den Rücken, aufs Geſicht, auf beide Seiten u. ſ. w. legte und dabei unverwandt auf ein weißes Stück Papier blickte, immer blieb dieſelbe, auch der Größe nach nur wenig ver— änderte Erſcheinung, deren Lage zur Geſichtsachſe jedoch ver— 124. VI. 14. 212 2 änderlich war. Nur für eine Richtung des Kopfes erſchien das Bild in der Sehachſe und ward alsdann am deutlichſten geſehen; bei allen übrigen lag es außerhalb dieſer Achſe, kreuzte dieſelbe jedoch, ſobald der Kopf einen Schlag erhielt. Da die mouches demnach meiſtens ſchief geſehen werden, ſo kann es nicht befremden, daß ſie öfters verſchwinden, ohne ſich deßhalb ſelbſt vom Geſichtsfelde zu entfernen; bei allen Stellungen des Kopfes ſcheinen ſie abwärts zu ſteigen, ſie müſſen demnach in der Wirklichkeit aufſteigen und ſpeeifiſch leichter als der humor vitreus ſein. Nun iſt es klar, daß wir bei der Beſtimmung der ſichtbaren Lage der mouches bei verſchiedenen Stellungen des Kopfes zugleich die Richtung der dom Mittelpunkte der Ge— ſichtsrichtung durch die Punkte der Glasflüffigfeit, wo die mouche liegt, gehenden Linien beſtimmen und jo im all— gemeinen die Geſtalt der Zelle, die ſie umſchließt, erhalten. Auch der Durchmeſſer der mouches oder ihrer Fäden und ſomit ihre Entfernung von der retina läßt ſich in gleicher Weiſe beſtimmen. Der Verf. bringt zu dieſem Zwecke zwei helle Licht— quellen vor das Auge und erhält von ihnen auf die früher angegebene Weiſe zwei divergirende Lichtbüſchel, und damit auf der retina doppelte Bilder der im Augapfel befindlichen Gegenſtände. Die Doppelbilder der im vordern Theile der Glasflüſſigkeit befindlichen Fäden erſcheinen ſehr beſtimmt getrennt, die der Mitte nähern ſich mehr einander, die der retina nahe gelegenen geben einander ſehr genäherte oder über einander fallende Doppelbilder, während die von einer localen Unempfindlichkeit der Netzhaut herrührenden ſchwarzen Flecken hier immer nur einfach erſcheinen. Mißt man nun die Entfernung der Lichtquellen von einander und vom Mit— telpunkte der Geſichtsrichtung, wenn ſich die Doppelbilder der Faden gerade berühren, fo läßt ſich ſowohl ihre wirk— liche Größe als ihre Entfernung von der retina ermitteln. Der Winkel der ſcheinbaren Größe eines Fadens betrug im Auge des Verf. 8 Minuten, dieſer Winkel lag demnach hin— ter dem Mittelpunkte der Geſichtsrichtung; iſt nun der radius der retina 0,524 Zoll, ſo muß der Durchmeſſer des von dem Faden gebildeten Schattens 0,0122 oder ¼820 Zoll, feine Entfernung von der retina demnach 0,018 oder ½89 Zoll betragen. Bedient man ſich zur Erzeugung Divergirender Licht— büſchel nur einer kleinen Offnung, ſo wird der Divergenz— punkt nothwendig außerhalb des bulbus fallen; man wendet daher Linſen von beſtimmter Brennweite an und kann ihn durch ſelbige in jede beliebige Entfernung von der Netz— haut bringen: ſoll er nahe auf letztere fallen, ſo muß die Brennweite der Linſe beträchtlich ſein. Das Licht wird hier— bei intenſiv, alle kleinen Fäden und ſphäriſchen Körper ver— ſchwinden und nur die großen mouches werden geſehen, weßhalb man, um das Ganze zu ſehen, das Licht beſchränken muß, indem man durch eine ſehr kleine Offnung, ein Nadelloch, blickt, um aber die großen Faden recht deutlich zu ſehen, das Licht möglichſt verſtärkt. Auch muß man, um die in verſchiedener Höhe gelegenen mouches zu ſehen, ſich verſchie— dener Linſen bedienen. 213 Es iſt nach obigem leicht begreiflich, daß im Augapfel befindliche Gegenſtände, wie Dr. Porterfield angiebt, vermittels Strahlen, welche durch dichte Theile gingen und mehr gebrochen wurden als die neben ihnen verlaufenden, nicht geſehen werden. Eine Faſer oder ein Glasſtückchen von nahebei demſelben Brechungsvermögen wie die Glas— flüſſigkeit wird bei gebrochenem Lichte noch deutlich geſehen, während es bei nicht hinreichender Divergenz des Lichtes oder bei zu ftarfer Beleuchtung nicht ſichtbar iſt, es ſei denn, daß es durch ſeine Größe und Nähe von der retina durch ſeinen Schatten geſehen werde. Die mouches volantes und ihre Fäden laſſen ſich dem— nach auf rein optiſche Geſetze zurückführen und geben wie— derum über den innern Bau des Auges erwünſchte Auf— ſchlüſſe, indem ſie beweiſen, daß die Glasflüſſigkeit wirklich, wie es bisher nur vermuthet ward, in Zellen eingeſchloſſen und dieſe wieder von der Hyaloide umkleidet find; ſie ſchei— nen ſogar für das menſchliche Auge mindeſtens 4 oder 5 ſolcher Zellen zwiſchen der hintern Seite der Kryſtalllinſe und der retina anzudeuten. Nach der beſchränkten Bewegung der mouches läßt ſich eine gleich beſchränkte Ausdehnung dieſer Zellen vermuthen; dagegen konnte ſowohl der Verf. als mit ihm Dr. Reid auf mikroſkopiſchem Wege weder im Fiſch- noch Säugethierauge Zellen im Glaskörper ent— decken; es würden möglicher Weiſe nur chemiſche auf die Zellmembran und deren Inhalt verſchieden einwirkende Mit— tel ihre Gegenwart nachweiſen können. Die von Ware bei nervöſen Perſonen beobachteten ſcheinbar ähnlichen Phänomene, die von innerem Drucke auf gewiſſe Punkte der retina herrühren ſollen, können nur in ſofern hierher gezählt werden, als eine erhöhte Nerventhä— tigkeit die unter gewöhnlichen Umſtänden nicht ſichtbaren mouches zur Wahrnehmung brächte; da letztere aber nicht durch ihr eigenes Licht erleuchtet werden, die Senfibilität der retina aber eine allgemein über das Sehfeld verbreitete iſt, ſo iſt auch dies nicht annehmbar. Um nun den Einfluß der mehreren oder minderen Reiz— barkeit der retina zu erfahren, unterſuchte Verf. die mouches am frühen Morgen, ehe die Empfindlichkeit des Sehnerven durch das Tageslicht geſchwächt war, fand aber, daß weder Deutlichkeit noch Zahl der mouches eine größere war. Der Verf. verringerte darauf die Empfindlichkeit der retina, indem er ſo lange eine helle Gasflamme nahe der Geſichts— achſe dicht vors Auge hielt, bis die relina für alle Strahlen des spectrum bis auf wenige mehr gebrochene unempfindlich geworden. In dieſem Falle waren die mouches deutlicher und zahlreicher als vorher; die von Ware beſchriebenen können demnach, ſofern ſie keine krankhafte Erſcheinung waren, nicht durch veränderte Reizbarkeit der retinn entſtanden fein, ſcheinen vielmehr die gewöhnlichen mouches; nur durch einen Druck auf die Blutgefäße an der retina in ihrer Geſtalt etwas verändert, zu ſein. Zwar iſt es ſchwer, Urſache und Zweck der zahlreichen Fäden, welche die mouches erzeugen, genügend nachzuweiſen; da ſie aber in allen, ſowohl jungen als alten Augen vor— kommen, ſo können ſie weder die Folge noch der Vorbote 124. VI. 14. 214 eines Augenübels fein. Wären fie regelmäßig angeordnet und unbeweglich, ſo könnte man ſie für transparente Ge— fäße in der Glasflüſſigkeit halten; ſowie ſie aber als los— geriſſene Theile umherſchwimmen, gleichen ſie mehr den Überreſten ſolcher außer Dienſt gekommener Gefäße. Ob— ſchon dieſe Fäden durchaus nichts krankhaftes ſind, ſo ſtören ſie doch das Sehvermögen und ſind beſonders bei mikroſko— piſchen Beobachtungen hinderlich; eine übermäßige Anhäufung der mouches in einer Zelle des Glaskörpers könnte auch möglicher Weiſe einen Blindheitsgrad veranlaſſen. Mackenzie behauptet zwar, daß es für nervöſe Per— fonen kein gefährlicheres Indicium für den baldigen Verluſt ihres Geftchtes als die mouches volantes gebe; dagegen ver— ſichert Prof. Plateau zu Gent, wie ſelbſt nur wenige Phyſiker die hier beſchriebenen mouches volantes von den Er— ſcheinungen, welche einer Augenentzündung vorausgehen, zu unterſcheiden vermöchten, und ſo von den Arzten oft ohne Grund eine derartige Befürchtung ausgeſprochen würde. Die gewöhnlichen mouches volantes ſind demnach ganz ungefährlich und ſtehen weder mit einem Staare noch einer Augenentzündung irgendwie im Zu— ſammenhange. (The London ete. philosophical Magazine No. 212, 1848.) XXI. über die Beziehungen des Farbeſtoffs der Haare und der iris einiger Thiere zu ihrem Gehör— vermögen. Von Dr. Sichel. Schon vor 20 Jahren machte der Verf. durch ſorg— fältige und lange fortgeſetzte Beobachtungen die Bemerkung, daß durchaus weiß behaarte, ungefleckte Matzen mit blauer oder blaugrauer iris beſtändig taub ſind. Das ſtärkſte Ge— räuſch in ihrer nächſten Nähe, z. B. das Knallen der Peitſche, das Nachahmen des Hundegebelles, uͤberhaupt jeder Schall, der nicht mit einer Erſchuͤtterung des Bodens verbunden war, ward nicht von ihnen wahrgenommen. Sobald das Fell indeß im geringſten gefleckt, ſchwärzlich ſchattirt, grau braun oder röthlich war, ſobald die iris gelblich oder dunkel melirt, roth oder braun war, zeigte ſich auch das Gehör normal. Nachdem der Verf. dieſe Beobachtungen an verſchiede— nen Katzen vielfach wiederholt, ſetzte er ſie im Jahre 1828 an einer jungen, vollkommen weißen Katze mit blauer iris, die er für dieſen Zweck aufgezogen hatte, fort. So groß ihre Abneigung gegen Hunde, ſobald ſie deren ſichtbar wurde, war, ſo gänzlich gleichgültig war ſie für ihr Gebell; auch ſie war völlig taub. Vier Monat alt, färbte ſich die iris dunkler, und von der Zeit an gab das Thier die erſten Zeichen einer Gehörempfindung, es lauſchte den Tönen der Muſik u. ſ. w. Ob und wie ſich das Gehör jetzt mehr und mehr entwickelte, kann der Verf. leider nicht berichten, da ein unglücklicher Zufall ſeiner Katze das Leben raubte. Vielfache Beobachtungen über den Albinismus bei Men— 14 * 215 fihen und Thieren ließen den Verf. niemals eine mit ihm verbundene Taubheit entdecken. Beim wahren Albinismus find die Kopfhaare, wie das Fell der Thiere, vollkommen farblos, iſt die Pupille mehr oder weniger dunkelroth, die iris roſenfarben. Bei Menſchen mit unvollſtändigem Albi— nismus erſcheint die iris manch Mal hellblau und durchſichtig, von Fafern durchſetzt und am äußern Umkreiſe röthlich, ins Violette übergehend; die Faſern ſind meiſtens weiß und ver— laufen in den blauen und röthlichen Grund. Die weißen, tauben Katzen dagegen hatten eine hell himmelblaue oder graue, durchaus gleichmäßig gefärbte iris, ohne weiße Faſern und ohne helle oder röthlich gefärbte Partien, auch der Grund der Augen, wie die Pupille, waren eben ſo wenig roth. Hier traf demnach mit dem Fehlen des Haarpigmentes nicht auch ein völliger Mangel des Augenpigmentes zuſammen, während letzteres den wirklichen Albinos ſowohl in der iris als choroidea vollſtändig fehlt. Prof. Heuſinger hat neuerlich auf die verſchiedene Wirkung äußerer Einflüſſe auf verſchieden-gefärbte Thiere aufmerkſam gemacht und merkwürdige pathologiſche Anoma— lien, durch die Färbung der Haare veranlaßt, nachgewieſen. So ſind nach ihm gewiſſe Pflanzen nur für weiße oder weißgefleckte Thiere (Schafe, Schweine, Pferde) giftig, wäh— rend ſie für die ſchwarzgefärbten Individuen derſelben Art ganz unſchädlich ſind. Das Kahlwerden, wie andere Haut⸗ krankheiten der Kühe zeigt ſich nur an den weißen Stellen der Haut, greift aber niemals ins Schwarze über. Obſchon Heuſinger des Verf. Beobachtungen, die ihm von früher— her bekannt ſein mußten, nicht gedenkt, ſo unterſtützen ſeine Verſuche dennoch die Anſicht des Verf., daß ein Fehlen oder eine Veränderung des Pigmentes bei Säugethieren nicht eine einfache phyſiologiſche Verſchiedenheit, ein ſogenanntes lusus naturae iſt, ſondern vielmehr einen wirklichen bedeutenden Einfluß nicht nur auf die Haut, ſondern ſogar auf andere höhere Organe ausübt. (Annales des sciences naturelles, Octobre 1847.) 124. VI. 14. 216 Mificellen 33. Das Anervid-Barometer befteht aus einer kleinen, flachen, runden, luftleeren und hermetiſch verſchloſſenen Metall: büchſe; die untere wie die obere Fläche iſt mit concentriſchen Kreiſen verſehen. Jeder vertiefte Kreis nimmt vom Mittelpunkte ab etwas an Stärke und Glaftieität zu, der atmoſphäriſche Druck wirkt dem⸗ nach nach dem Grade ſeines Gewichtes auf die Oberfläche dieſer luftleeren Büchſe, die entweder ſteigt oder fällt. Die genaue Meſ— ſung dieſer Veränderungen machte dem Erfinder, einem Herren Vidie, ungeheure Schwierigkeit, die er aber endlich und zwar mit Glanz überwand. Die mechaniſche Einrichtung beſteht aus 3 Hebeln, der weſentlichſte iſt von Eiſen und hat die Geſtalt eines breiten flachen L, feine Baſis ruht beweglich auf zwei verticalen Spitzen und iſt durch eine dritte verticale Spitze im Mittelpunkte der Barometerbüchſe befeſtigt. Der lange Schenkel, der die ver— ticale Bewegung in die horizontale umſetzt, iſt an eine Spiralfeder befeſtigt, welche die Achſe der Zeigernadel durch eine Kette in Ber wegung ſetzt. Das Verhältniß der 3 Hebel iſt folgendes: Der eiſerne Lförmige Hebel = 17: 2 Die Hebelachſe RE 44: 13 Der Zeigerhebel Ae Die Rechnung 2 = 697 zeigt; daß die Bewegung von 1 im Mittelpunkt am Ende des Zeigers 657 beträgt, und wenn der Umkreis des Zifferblattes 10 Zoll mißt, eine Bewegung von %, oder 1/00 Zoll im Centro die Spitze der Nadel über die Scala führt, eine Bewegung von 4/1000 Zoll den Zeiger von ſtürmiſch auf trocken oder um 3 Zoll der Scala bewegt. Die Angaben dieſes Barometers ſind ſo fein und ſo ge— nau, daß der Berichterſtatter nicht zweifelt, daß er binnen kurzem, alle Rad- und Röhrenbarometer verdrängen und ſich namentlich zu nautiſchem und wiſſenſchaftlichem Gebrauche höchſt zweckmäßig erweiſen werde. (The literary Gazette, No. 1612. 1847.) 34. Neue Anwendung des Mikroſkops. In der Quartalſitzung des Geſchwornengerichts zu Cardiff ward ein Ge: fangener des Abhebens von Schienen auf der Eiſenbahn durchs Taffthal angeklagt und zu 7jähriger Verbannung verurtheilt. Die Überführung drehte ſich hauptſächlich um ein Stück Holz, mit dem die Keile, welche die Schienen auf dem Stuhle feſt halten, aus— getrieben worden, auf welchem zwei parallele Streifen mit zwei Scharten eines beim Angeklagten gefundenen Meſſers uübereinſtimm— ten. Der eine dieſer Streifen war ſchon fo bemerkbar, der andere dagegen zweifelhaft; der ſcharfſinnige Ankläger befahl ein Mikroskop aufzuſtellen; die Geſchworeuen ſahen und überzeugten ſich. (The literary Gazette, No. 1618. 1848.) Heilkunde. (XXIV.) Beobachtungen zur Vervollſtändigung der Geſchichte der Entzündung und Vereiterung des Herzens. Von Dr. David Craigie. Es iſt unverkennbar, daß die pathologiſche Anatomie und Beſchreibung der carditis, wie man fie in den ärztlichen Schriften dargeſtellt findet, ſowie die über die Bedingungen der Entwickelung dieſer Krankheit herrſchenden Anſichten noch viel zu wünſchen übrig laſſen. Baillie ſagt, die Herz— entzündung ſei ſelten und faſt nie primär, ſondern meiſt eine Folge der Herzbeutelentzundung. Corviſart hat meh— rere Fälle von pericarditis unter dem Namen carditis be— ſchrieben. Im Jahre 1808 gab Dr. John Ford Davis ein Schriftchen über die Symptome und Behandlung der carditis heraus, in welchem er drei Fälle mittheilt, in denen allen die Complication mit pericarditis, Bildung falſcher Mem- branen und allgemeiner Adhärenz der ſeröſen Membran an das Herz vorkamen. Im erſten Falle, welcher an einem 7jährigen Kinde Statt fand, war die Muskelſubſtanz des Herzens nicht krankhaft verändert; im zweiten, der an einem 16jährigen Mädchen beobachtet wurde, war offenbar Ent— zündung des endocardium des rechten Ventrikels, vielleicht auch des linken, aber keine krankhafte Veränderung der Muskelſubſtanz wahrzunehmen; beim dritten Patienten, einem * 217 12jährigen Knaben, zeigte ſich neben den gewöhnlichen Spu— ren der Entzündung und Adhärenz des pericardium, eine Entzündung der Muskelſubſtanz des Herzens, die ſich bis auf eine gewiſſe Tiefe erſtreckte, ſowie Volumenvermehrung des Organes und Bläſſe und Welkheit ſeiner Faſern. In einer zweiten, im Jahre 1832 erſchienenen, Schrift über die pericarditis oder den Herzrheumatismus berichtet derſelbe Verf. über vier Fälle, die er als ſolche von carditis oder pericarditis betrachtet. In ſpäterer Zeit iſt über die Ge— ſchichte der pericarditis und deren Beziehung zum Rheuma— tismus viel geſchrieben worden, ſo daß ſich der anatomiſche Unterſchied zwiſchen der Herzentzündung und Herzbeutelent— zündung jetzt leichter feſtſtellen läßt. Laennee trat anfangs der Baillie'ſchen Anſicht bei, indem er behauptete, eine partielle und ſehr beſchränkte Entzündung der Subſtanz des Herzens dürfte zwar nicht ſelten ſein, allein die allgemeine, ſowohl chroniſche, als acute Entzündung der Subjtanz des Herzens ſei vielleicht noch nie vorgekommen. Später erkannte Laennee jedoch die Möglichkeit der Entwickelung einer ſol— chen Entzündung in Folge der Mittheilung zweier Fälle, durch Meckel d. A. und Stanley, an, und ſeitdem haben ſich die derartigen Beobachtungen bedeutend vermehrt. Es ſcheint mir nicht unwichtig, eine kurzgefaßte Darſtellung der ſämmtlichen bis jetzt genau beobachteten Fälle dieſer Krank— heit mitzutheilen. Erſte Beobachtung. — Ein 12jähriges Kind kam am 20. April 1816 mit ſtarkem Fieber behaftet ins Ho— ſpital. Es war erſt den Tag vorher erkrankt. Am folgen— den Tage war der Zuſtand derſelbe und das linke Bein ſchmerzhaft. Abends delirium und Beängſtigung. Am dritten Tage Fortdauer des delirium ohne Hinneigung zu coma; Erweiterung der Pupillen. Der Patient klagte am meiſten über den Kopf; am vierten Tage völlige Abgeſchla— genheit, Athmungsbeſchwerden; Nachmittags trat der Tod ein. Über Schmerzen in dem Bruſtkaſten hatte der Patient nie geklagt, auch war keine Unregelmäßigkeit im Herz- oder Pulsſchlage wahrgenommen worden. Leichen öffnung. Im Gehirne ward nur ein allgemeines Strotzen der Blut— gefäße wahrgenommen. Der Herzbeutel enthielt 4—5 Unzen trüber Seroſität, mit pſeudomembranöſen Flocken vermiſcht. Die beiden Blätter der ſeröſen Membran waren hin und wieder mit einer falſchen Membran von netzartigem Anſehen bekleidet. Der Umfang des Herzens ſtand mit dem Alter des Subjectes im richtigen Verhältniſſe; feine Faſern waren dunkelroth, faſt ſchwarz und dabei erweicht und ſehr mürbe. Wenn man den Durchſchnitt der Muskelſubſtanz jedes Ven— trikels genau betrachtete, ſo erkannte man zahlreiche kleine Absceffe, welche hier und da zwiſchen die Muskelfaſern ein— geſprengt waren und eine eiterförmige, dunkel gefärbte Sub— ſtanz enthielten. Mehrere dieſer Absceſſe lagen tief und in der Nähe der Ventrikelhöhle; andere, oberflächlichere, hoben gewiſſermaßen die Viſceralmembran des Herzbeutels. Die Muskelfaſern der Herzohren waren erweicht und von Blut ſtrotzend, aber nicht mit Eiter infiltrirt. In allen Höhlen des Herzens befanden ſich große Blutklumpen. Das endo- cardium war, gleich dem untern Theile der Luftröhre und 124. VI. 14. 218 den Bronchen, ſtark injieirt. chir. Trans., 1816.) Es läßt ſich nicht beſtreiten, daß in dieſem Falle das Muskelgewebe des Herzens Spuren von Entzündung darbot, obgleich die Infiltrirung mit Eiter in dem Zellgewebe zwi— ſchen den Muskeln Statt fand, welches im Herzen ziemlich reichlich vorhanden iſt. Der Beweis, daß das Gewebe des Herzens ſelbſt entzündet geweſen war, liegt darin, daß die Muskelfaſern viel von ihrer Conſiſtenz eingebüßt hatten. Zweite und dritte Beobachtung. — Dr. Sa- thom hat in ſeinen Pathological Essays on some diseases of the heart zwei Fälle von Vereiterung des Herzens mit— getheilt. In dem einen war das ganze Organ durch Blut bis zu einer bedeutenden Tiefe braunroth gefürbt, ſeine Sub— ſtanz erweicht, und als man die beiden Ventrikel aufſchnitt, ſah man aus verfchiedenen Punkten und den Zwiſchenräu— men zwiſchen den Muskelfaſern unzählige Eitertröpfchen aus— ſchwitzen. Dies waren die Folgen einer äußerſt raſch ver— laufenen acuten Entzündung, welche ſchon zwei Tage nach dem Auftreten der erſten Symptome den Tod veranlaßt hatte. — Der zweite Fall bietet ein Beiſpiel von einem weit mehr chronifchen Verlaufe dar, und die carditis kün— digte ſich durch deutlich markirte Symptome eines Herzleidens an. In der Wandung des linken Ventrikels fand ſich ein Absceß, der nach außen durch eine an dem Herzen adhäri— rende Portion des pericardium geſchloſſen und nach innen mit einer verknöcherten Portion der innern Membran in Berührung war. 5 Vierte Beobachtung. — Unter den zahlreichen Präparaten, welche das pathologiſch-anatomiſche Cabinet des Hrn. Langſtaff und das der Univerſität zu Edinburg beſitzt, ſind deren vier, welche ſich mehr oder minder direet auf die carditis beziehen. Bei einem derſelben nahm ein großer Absceß mit unregelmäßiger innerer Oberfläche, der plaſtiſche Lymphe und Eiter enthielt, die ganze Länge der Scheidewand des Herzens ein. Er communieirte mittels einer kleinen Offnung von der Stärke eines Federkiels mit dem linken Ventrikel. Hier ſchien beſonders die Scheide— wand der Sitz der Entzündung geweſen zu ſein. Ein Jahr vorher hatte der Kranke die Symptome einer Pneumonie dargeboten. Der Tod war plötzlich eingetreten. Fünfte Beobachtung. — Ein 50jähriger Hand— ſchuhmacher, von kleiner Statur und guter Conſtitution, verſpürte in der Magengegend und unter dem Bruſtbeine ein unbehagliches Gefühl, welches bei allen körperlichen Be— wegungen an Stärke zunahm. Der Appetit war gut, der Leib frei, die Zunge rein, obwohl in der Mitte ein wenig belegt, das Geſicht blaß und der Puls normal. Die Auſeul— tation ließ nichts beſonderes wahrnehmen. Alle dieſe Sym— ptome hatten ſeit ſechs Wochen angehalten und kehrten in Form von Parorysmen wieder, und dieſe wurden allmälig immer häufiger. Die geringſte Leibesbewegung reichte hin ſie zu veranlaſſen. Die Schmerzen verbreiteten ſich bis in den linken Oberarm. Den 22. März ward Hr. Salter zu dem Patienten gerufen; er fand ihn ſehr beklommen auf dem Bette ſitzend, mit der Hand auf dem Bruſtbeine, unter (Stanley in den Lond. med.- 219 welchem der Schmerz feinen Hauptſitz hatte. Der Herzſchlag war natürlich, das Geſicht blaß und deſſen Züge entſtellt. Er fühlte ſich feinem Ende nahe. Die Erſtickungsanfälle hielten den 22. und 23. an, und am 24. ſtarb der Patient bei vollem Bewußtſein, etwa 65 Stunden nach dem Ein— treten der acuten Symptome. Bei der Leichenöffnung fand man faſt die ganze linke Lunge ſehr ſtark von Blut ſtrotzend und in den Bronchen eine ziemlich ſtarke Anhäufung von Seroſität. Die Gefäße an der Außenſeite des Herzbeutels waren ſtark injicirt, und es zeigten ſich dort zahlreiche Ek— chymoſen. Im Innern dieſes Beutels fand ſich keine Er— gießung. Das ziemlich feſte Herz enthielt weiße und gelbliche Gerinnſel, die ſehr feſt an den innern Wandungen des Herzens adhärirten, welche letztere nicht im geringſten krank— haft verändert waren. In der aufſteigenden aorta zeigte ſich ein Anfang von Verknöcherung. Der linke Ventrikel hatte, mit Ausnahme einer ganz kleinen Stelle, ſeine Farbe gänzlich eingebüßt, hatte eine helle Färbung, und wenn man in denſelben einſchnitt, ſo floß Eiter aus. An manchen Stellen waren kleine Höhlen zu bemerken, welche die Größe eines Stecknadelkopfes bis zu der einer Erbſe hatten und ſämmt— lich mit Eiter gefüllt waren. (London med. chir. Trans. 1839.) Aus obiger Beobachtung ergiebt ſich, daß die Herzent— zündung, außer einer allgemeinen Vereiterung, eine Art von Erweichung der Muskelfaſern, welche bald eine bräunliche, bald eine mehr oder weniger blaſſe Farbe darbieten, herbei— führen kann. Corviſart und Hr. Bouillaud haben mehrere Beiſpiele von dieſer Art von Erweichung mit— getheilt. Sechste Beobachtung. — welche an feuchten Orten zu arbeiten hatte, wurde von acutem gichtiſchem Rheumatismus befallen. Drei Jahre ſpäter bekam ſie einen zweiten Anfall derſelben Art, welcher eine Verkrümmung der Finger und Zehen zurückließ. Zwan— zig Jahre darauf ſtellte ſich ein allgemeiner Gelenkrheuma— tismus ein, und die Beine wurden binnen 14 Tagen ödematös. Vier Monate ſpäter traten unregelmäßiges ſtür— miſches Herzklopfen, ſtechende Schmerzen in der Präcordial— gegend, Athmungsbeſchwerden und eine Ohnmacht, die eine Stunde dauerte, ein. Dieſe Symptome verſchlimmerten ſich, und die Ohnmachten wurden häufiger. Vierzehn Tage dar— auf ſtarb die Kranke. Der untere Lappen beider Lungen war verhärtet, das Herz noch ein Mal ſo groß, wie gewöhn— lich, weich und welk, der linke Ventrikel erweitert, deſſen Wandung verdünnt, die valvula mitralis verdickt und knor— pelig, die Offnung zwiſchen dem Ohre und Ventrikel nur 6 Linien weit. Die hintere und obere Oberfläche des linken Herzohres und das Muskelgewebe des Herzens boten kleine weiße, roth marmorirte Flecken und drei bis vier ſphäroi— diſche Geſchwülſte von 2— 3 Linien Durchmeſſer dar, welche den Herzbeutel hoben, der geſund war und eine undurch— ſichtige, eiter- oder jauchenartige Flüſſigkeit enthielt. Das ohrförmige Anhängſel (appendice auriculaire) derſelben Seite war hart, feſt, voluminös und enthielt jauchigen Eiter. (Raikem im Bulletin de la Faculté de médecine, 1809.) Eine 13jährige Magd, 124. VI. 14. 220 Siebente Beobachtung. — Ein an Rheumatis— mus leidender 58jähriger Chirurg ward von einer Krankheit befallen, die ſich durch Erkalten der Hände und Füße, all— gemeine Schwäche, Härte und Zuſammenziehung des Pulſes, ſtürmiſches Herzklopfen und Athmungsbeſchwerden charakteri- ſirte. Ein Anfall von Ohnmacht ſetzte feinem Leben ein Ziel. Unter der adipöſen Schicht des Herzens fand man etwa ſechs Absceſſe. Das endocardium war an mehreren Stellen injicirt, und durch dieſe durchſcheinende Membran hindurch erkannte man an einem der Säulchen der valvula mitralis zwei gelblichweiße Flecken, unter denen ſich eiter— förmige Materie zeigte. Einer dieſer Absceffe drang tief in die Subſtanz des Säulchens ein. Die entzündeten Porz tionen der Membran waren mit einer wenig ftarfen Lage ausgeſchwitzter plaſtiſcher Lymphe bekleider. An mehreren Stellen der Scheidewand des Herzens bemerkte man Abseeſſe von 2— 3 Linien Durchmeſſer, welche ſämmtlich mit einer gelblichweißen eiterförmigen Materie angefüllt waren. Die Stellen der Subſtanz des Herzens, die keine Abscejfe ent— hielten, waren gelblichgrau, erweicht und ſehr leicht zer— reißlich. (Sonnet, These sur la cardite partielle et generale.) In mehreren Fällen hing alſo die Herzentzündung mit einer frühern oder gleichzeitig Statt findenden rheumatiſchen Krankheit zuſammen. Folgender Fall ſcheint mehr von phlebitis und einer durch dieſe veranlaßten Eiterablagerung abgehangen zu haben. Achte Beobachtung. — Bei einem jungen 19jäh- rigen Soldaten, welcher am vierten Tage einer Blatter— krankheit ins Hoſpital du Gros-Caillou kam, bildeten ſich Absceſſe, Schorfe und am linken Arme Odem (hydropisie) nebſt phlebitis. Nach dem Tode, welcher am 55ſten Tage eintrat, fand man an der Baſis des linken Ventrikels hinter der valvula mitralis in der fleiſchigen Subſtanz des Herzens einen Absceß von der Größe einer Walnuß, welcher einen homogenen weißlichen Eiter enthielt, der von einer Art Cyſte umhüllt wurde und durchaus keine Communication nach innen oder außen darbot. Sonſt bemerkte man am Herzen durchaus keine Spur von Eiterung. Neunte Beobachtung. — In einem Falle von partieller Entzündung der Subſtanz des Herzens, welchen Hr. Gintrae mittheilt, war innerhalb der Subſtanz des linken Ventrikels, nach der äußern Oberfläche zu, ein Abseeß vorhanden, welcher ſich in den Herzbeutel entleert hatte. Zehnte Beobachtung. — Ein 14jähriger Knabe, welcher ein Leiden in der Fußbeuge hatte, ward plötzlich von epileptiſchen Conoulſionen ergriffen und verfiel in einen halbeomatöſen Zuſtand mit Erweiterung der Pupillen, Auf— treibung der Halsvenen, Schwäche des Pulſes, ſpärlichem Harne und Verſtopfung. In Folge einer kräftigen Behand— lung kehrte das Bewußtſein binnen wenigen Stunden wieder, allein in der Nacht traten die Zufälle von neuem und am folgenden Tage der Tod ein. Das pericardium war verdickt und adhärirte ſtark am Herzen. Ein etwa 2 Unzen Eiter enthaltender Absceß reichte von einem Herzohre bis zum andern und zog ſich um die Spitze des Herzens. Er lag 221 in der Subſtanz dieſes Organes ſelbſt. The Lancet, 1844, p. 557.) Elfte Beobachtung. — Ein ſchwächliches, ſero— phulöſes Kind von 13 Jahren wurde den 21. December 1845 Abends von Kopfweh und Schmerzen in der Magen— gegend befallen. Einige Stunden darauf traten Abgeſchla— genheit und theilweiſer Verluſt des Bewußtſeins; in der Nacht coma mit Zuſammenziehung der Pupillen, Verzerrung des Mundes und convulſiviſche Bewegungen der Extremitäten ein. Der Tod erfolgte im Laufe des nächſten Tages. — Geringe Congeſtion in den Venen und sinus der dura mater; im pericardium ½ Unze einer trüben Flüſſigkeit; das Herz wit efchymotifchen Stellen von verſchiedenem Durchmeſſer (von dem einer Nadelſpitze bis ½ Zoll) beſetzt, welche am linken Ventrikel und beſonders an deſſen hinterem und oberem Theile am häufigſten waren. An der vordern Seite des Herzens bemerkte man eine vorzüglich ſtark entzündete Stelle von dem Durchmeſſer eines Schillings, welche runzelig und mit einer falſchen Membran bedeckt war. Als man nach der Quere in dieſe Stelle einſchnitt, entdeckte man einen Riß, welcher mit einem Absceſſe von demſelben Durchmeſſer, wie die entzündete Stelle, communieirte. Ein durch den— ſelben eingeführtes Stilet drang ungehindert in die Höhle des Ventrikels. (Dr. Chance, The Lancet, 1846.) Zwölfte Beobachtung. — Ein 60jähriger Schu— ſter wurde über der Arbeit von coma, cyanosis und bedeu— tender Abgeſchlagenheit befallen. Hr. Stallard fand den Patienten mit kaltem, klebrigem Schweiße bedeckt, die Haut blau, den Puls weich und ſchwach, zu 60; das Athmen langſam und faſt comatös. Durch einige Reizmittel wurde der Patient nach und nach wieder zur Beſinnung gebracht; allein er ſtarb zwei Tage darauf. In den beiden Pleuren fand ſich eine reichliche wäſſerige, mit Blut durchzogene Er— gießung, und die Lungen ſtrotzten durchgehends von Blut. Das Herz war fett, ſchlaff und etwas größer, als gewöhnlich. Der Herzbeutel enthielt etwa 1 Unze trüber Flüſſigkeit. Als man in den linken Ventrikel einſchnitt, entdeckte man an deſſen Spitze einen unregelmäßig geſtalteten Absceß von 2— 3 Linien Tiefe, welcher nach der Höhle des Ventrikels zu merklich vorſprang und mit derſelben mittels eines klei— nen Riſſes communicirte. Die Scheidewand war 1 Linie ſtark und ſchien durch das hypertrophiſche endocardium ge— bildet zu ſein. Die Höhle des Abseeſſes enthielt mit Blut vermiſchten Eiter. Die innere Oberfläche war lebhaft gerö— thet und wie mit Granulationen bedeckt. Um den Absceß her zeigte ſich die Muskelſubſtanz dunkler gefärbt, und in der Subſtanz desſelben Ventrikels bemerkte man mehrere Riſſe, welche Fibrine enthielten, die nur wenig entfärbt war. Sie communieirten nicht mit der Höhle des Ventrikels. (Trans. of the med. provinc. association, T. XV, 1847.) Dreizehnte Beobachtung. — Eine jährige Wittwe, die ein feuchtes Kellerlogis bewohnte, war ſeit 6—7 Wochen mit Rheumatismus am rechten Knie behaftet als ich ſie im April 1843 zum erſten Male ſah. Das Gelenk war ſtark geſchwollen und faſt deform. Herzſchlag 108, mit etwas Blaſebalggeräuſch beim erſten Tempo, bei (Rich. Chambers, 124. VI. 14. 222 der Pereuſſion nichts beſonderes; Blaſebalggeräuſch in den beiden ziemlich ſtark klopfenden Carotiden. Mittels des Stethoſkops wurde ermittelt, daß die Patientin ſchwanger war, und dieſe Entdeckung ſetzte ſie in Wuth; am folgenden Tage trat delirium tremens ein und die Zwangsjacke mußte angewandt werden. Das delirium dauerte bis zum 4. Mai bald heftiger, bald mäßiger fort und dann trat der Tod ein. In der letzten Zeit waren mehrere Anfälle von Dys— pnöe vorgekommen, und das Geräuſch war in der Präcor— dialgegend etwas matt geweſen, auch beim erſten Tempo Blaſebalggeräuſch, ſowie eine Art von Reibegeräuſch am untern Theile des Bruſtbeins beobachtet worden. Bei der Leichenöffnung fand ſich im Herzbeutel eine geringe Ergie⸗ ßung von trüber gelblicher Flüſſigkeit; die innere Oberfläche beider Blätter der Herzbeutelmembran war mit einer pſeudo— membranöſen Schicht bekleidet, die auf den Ventrikeln dünn, an der Baſis des Herzens und den Herzohren aber etwas ſtärker war; die valvula mitralis war einigermaßen verknor— pelt. Die Klappen der aorta zeigten ſich ſehr erkrankt; die rechte war in der Nähe des befeſtigten Randes mit einem Loche durchbohrt, welches unter das endocardium in eine kleine Höhle führte, und neben ihrem linken Winkel fand ſich ein zweites etwas größeres Loch. Die Median- oder hintere Klappe zeigte ſich ſiebartig durchlocht und ſehr er— weicht; ſie war mit röthlicher plaſtiſcher Lymphe ausgeklei— det, welche nur an dem adhärirenden Rande fehlte. Am obern Rande bot ſie eine Offnung und eine Höhle dar, welche in jeder Beziehung denen in der rechten Klappe ähnel— ten. Nur die linke Klappe war nicht durchbohrt, bot aber in der Nähe ihres rechten Winkels eine röthliche falſche Membran dar. Die beiden erſten Klappen, ſowie der rechte Winkel der linken, waren durch die Eiterung abgelöſ't wor— den, und in der Wandung der Herzohren hatte ſich eine mit Eiter gefüllte Höhle gebildet. Dieſe war durch die Scheidewand der Herzohren in zwei Fächer getheilt und umfaßte gleichfalls einen Theil der untern Portion der aorta. Die auf dieſe Weiſe in der Wandung der Herzohren ent— haltenen beiden Absceffe ſprangen in die Ohrenhöhlen vor, und in beiden Herzohren fand ſich blutiger Eiter. Die be— nachbarten Theile zeigten ſich verdickt, mit Blut infiltrirt und erweicht. Der uterus enthielt einen ſechsmonatlichen koetus. Das Kniegelenk war mit einer trüben Flüſſigkeit gefüllt, die Synovialmembran ſtellenweiſe verdickt und ſtellenweiſe er— weicht und wie ſchwärend. (Beobachtung des Verf.) Wir haben hier einen Fall von Rheumatismus der Synovialmembran und Capſel des Kniegelenks mit Entzün— dung und allgemeiner Vereiterung der Herzohren, ſowie peri- carditis. Es läßt ſich nicht leicht beſtimmen, ob die Syn— ovialmembran oder das Herz zuerſt entzündet geweſen iſt. Beide können gleichzeitig entſtanden ſein, und verſchiedene Um— ſtände ſprechen hierfür. Man glaubt und behauptet allgemein, daß der Rheumatismus die Urſache der Entzündung des peri— cardium und endocardium ſei. Allein es giebt Fälle, in denen das Leiden dieſer ſeröſen Membranen gleichzeitig mit dem rheumatiſchen Leiden, ja wohl noch früher auftritt. Nicht ſelten führen die nämlichen Zuſtände des Organismus und vielleicht ſelbſt des Blutes die Entwicklung der endocarditis oder pericarditis und die der rheumatiſchen Entzündung der Synovialmembranen gleichzeitig herbei. Hat man ſich alſo darüber zu wundern, wenn unter ſolchen Umſtänden auch eine Entzündung der Muskelſubſtanz des Herzens gleichzeitig mit dem Rheumatismus eintritt? Bei dem Subjecte der letzten Beobachtung hatte die Entzündung einestheils die Herzohren, anderntheils die benachbarten Portionen der aorta ergriffen und die Klappen der Arterie faſt ganz von dem Cylinder der letztern abgelöſ'tt. Die Anweſenheit von delirium tremens iſt nicht zu überſehen, da dieſes bei Krank— heiten der Lunge, des Herzens, der Leber oder der Nieren ſehr oft entſteht. Indeß war die Patientin eine Säuferin und auch die geiſtige Aufregung konnte zur Entſtehung des delirium tremens mitgewirkt haben. In allen oben dargelegten Fällen fand unſerer Anſicht nach entweder eine Entzündung der Muskelſubſtanz oder des faſerigen Interſtitialzellgewebes oder dieſer beiden Gewebe zu— gleich Statt. Es läßt ſich auch in der That ſchwer abſehen, wie das eine derſelben entzündet ſein und das andere von Entzündung frei bleiben kann, obwohl ſich ſchwer wird bes ſtimmen laſſen, welches von beiden ſich zuerſt entzündet. Es iſt demnach gegenwärtig außer allen Zweifel ge— ſetzt, daß die Muskelſubſtanz des Herzens der Entzündung unterworfen iſt. Die carditis kann drei Formen annehmen: Erweichung und Mürbheit der Faſern; Infiltri— rung mit Eiter in Tröpfchen oder kleinern Absceſſen und gehörig begrenzte Absceſſe. Die Herzentzündung iſt zuweilen acut und ſchnell verlaufend, in andern Fällen chro= niſch und ſchleichend. Die Abseeſſe gehören beſonders der letztern, die allgemeine Vereiterung und Eiterinfiltration der erſtern Form an. Die carditis kann in manchen Fällen das ganze Organ, in andern nur einen Theil desſelben einnehmen oder ſich, nachdem ſie das ganze Herz befallen, auf einen beſondern Theil desſelben concentriren. In allen Fällen von acuter oder höchſt acuter cardilis bietet die Muskelſubſtanz eine rothbraune Färbung dar; ſie iſt erweicht und hin und wieder ſind Blut, blutſtreifiges Serum, Lymph- und Eiterkügelchen extravaſirt und in das entzündete Gewebe infiltrirt. Was die äußern Symptome dieſer Krankheit anbetrifft, jo find die Thatſachen noch zu wenig zahlreich und über— einſtimmend, als daß ſich von ihnen ſichere Schluͤſſe ableiten ließen. So deuteten bei drei jungen Patienten alle Sym⸗ ptome ſo klar auf ein Gehirnleiden hin, daß die Behand— lung lediglich gegen dieſes gerichtet wurde. In zwei andern Fällen ließen ſich die Symptome ebenſowohl auf ein Lun⸗ genleiden als auf eine Herzkrankheit beziehen. Die Bars orysmen traten periodiſch ein und in den Zwiſchenzeiten 124. VI. 14. 224 waren die Leiden veränderlich. Faſt in keinem einzigen Falle war ein reines Herzleiden angezeigt. In demjenigen von Rheumatismus deuteten die Umſtände indeß auf ein ſolches hin. Nach den bis jetzt bekannten Thatſachen zu ſchließen, iſt die carditis faſt immer tödtlich. Auch läßt ſich kaum an— nehmen, daß, ſobald das Muskelgewebe des Herzens krankhaft verändert iſt, dasſelbe ſeine normale Beſchaffenheit wieder ge— winnen könne. Allerdings behauptet Hr. Bouillaud, daß die carditis die Bildung eines aneurysma in den Wan— dungen des Herzens veranlaſſen könne, und es iſt allerdings nicht unmöglich, daß dem aneurysma des Herzens eine Ent— zündung dieſes Organes vorhergehe; allein dieſe müßte dann auf eine kleine Portion beſchränkt und zugleich durchaus chroniſch ſein, ſo daß die Muskelfaſern an einer Stelle mür— ber würden, aber ihre Organiſation und Continuität durch— aus behielten, während ſich der aneurysmatiſche Sack allmälig bildete. Aber in allen bekannten Fällen von chronifcher Herzentzündung war die Desorganiſation der Muskelfaſern ſo bedeutend, daß ſie ohne zu zerreißen nicht hätten aus— gedehnt werden können. Die Entſtehung eines aneurysma in Folge von Herzentzündung kann ich mir nur in dem Falle als möglich denken, wo das endocardium entzündet ift und das darunter liegende Muskelgewebe ganz allmälig krankhaft verändert wird. Von der Therapeutik darf man ſich theils wegen der Schwierigkeit der Diagnoſe, theils wegen der Gefährlichkeit der Krankheit ſelbſt nur wenig verſprechen. Indeß dürften Blutent— ziehungen, ſowie in den mit Rheumatismus complieirten Fällen die gegen dieſe Krankheit angezeigten Mittel von einigem Erfolge ſein. Auch die auf den ganzen Organismus ein— wirkenden Mittel, z. B. die blutverdünnenden und blutrei— nigenden dürften Berückſichtigung verdienen. (Edinb. med. and surg. Journal, Jan. 1848.) Miſcelle. (27) Eine ſchineſiſche Augenſalbe iſt von Hrn. Nata⸗ lis Rondot, einem der Handelscommiſſäre, welche die franzoſiſche Geſandtſchaft nach China begleitet haben, an den Dr. Sichel überſandt worden. Dies Mittel befindet ſich in Muſcheln von Cyrene fuscata Zam., und zwar in jeder ein Klümpchen von 7 Millim. Durchm. und 4 Millim. Dicke. Das Klümpchen iſt in die eine Schale geklebt und die andere dient als Deckel. Der Hauptbeſtand⸗ theil dieſer Salbe iſt nach Hrn. Soubeirans Analyſe ſchwefel⸗ ſaures Queckſilberdeutoryd, außerdem enthält fie Kampher, graue Ambra und ein nicht näher beſtimmbares Gummiharz. Nach der Gebrauchsanweiſung dient die Salbe zur Heilung eatarrhaliſcher Augenentzündungen, ſowie, um kleine Körper, die zufällig ins Auge gerathen find, herauszunehmen. Obwohl dieſes in Kaufläden feil gebotene Mittel ins Gebiet der Quackſalberet gehört, fo iſt es doch intereſſant, ein Recept der Chineſen gegen Ophthalmien kennen zu lernen. (Gazette méd. de Paris, 11. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. A. Th. v. Middendorff, Reise in den äussersten Norden u. Osten Sibiriens während der Jahre 1843 u. 1044, Bd. I. Theil 2. Botanik. 1. Lieferung. gr. 4% St. Petersburg 1847. L. Voss in Leipzig. Geh. pro eplt. 6 Thlr. G. A. W. Herrich-Schüjfer, systemat. Bearbeitung der Schmetterlinge von Europa. 29.—32. Hft. gr. 4°. 3½ Thlr. Manz in Regensburg 1848. W. Harvey and T. Buchanan. New and synoptical table of the diseases of the Ear; with their symptoms, causes and treatment. On a sheet. (3 sh. 6 d.) London 1848. S. Laugier. Concours pour une chaire de clinique chirurgicale. Des Lesions traumatiques de la moelle epiniere. 4%. 19", feuilles. Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. .Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 125. (Nr. 15. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Adams, zur Naturgeſchichte des indiſchen Archipels. — Millon, über die Gewichtsbeſtimmung des Harnſtoffes. — Schimper, über die meteorologiſchen Verhaͤltniſſe Abyſſiniens. — Miſeellen. Talkerde. Über die Sitten der Menagertethiere. — Heilkunde. Miſtel der Druiden. James, über die Anwendung des Galvanismus bei der Behandlung gewiſſer Lah⸗ Watts, Aſchenanalyſe des Hopfens. Ein Lager erdiger kohlenſauxer mungen der unteren Extremitäten. — Miſcelleu. Millon, normale Anweſenheit von Kieſelerde, Mangan ꝛc. im Blute. Caſtelnau, über die Veran- derung der organiſchen Typen in den heißen Laͤndern. — Bibliographie. Naturkunde. XXII. über den indiſchen Archipel. Von Arthur Adams. Die Literary Gazette giebt in No. 1615 von 1848 in einem Auszuge aus dem Reiſeberichte des Samarang, geführt von Capitän Edward Belcher, eine Schilderung dieſer Gegend, der wir das naturhiſtoriſch-wichtige ent— nehmen. In den weiten Wäldern des Innern von Borneo finden ſich ungeheure gradflügelige Inſecten, Heuſchrecken, die größer wie ein Sperling, plump und ungelenkig, an dumpfen, dunk— len Plätzen umherſpringen. Die Thiere meſſen über 4 Zoll, ihre Springfüße ſind minder entwickelt, die Antennen lang und fadenförmig, die Farbe des Thieres ein gleichförmiges reines Grasgrün. Das Thier gehörte zwiſchen die-Gattun— gen Steirodon und Phylloptera und ward vom Verf. Me- galacris Brookeri getauft. Unter andern Orthopteren Borneos zeichnen ſich ferner aus: eine Gryllacris mit dunkel kaſtanienbraunen Streifen auf den Flügeldecken und orangegelbem Körper, dann eine zweite, die gleich der Maulwurfsgrille einen ſammtartigen Überzug hat; eine ſchöne Phylloptera mit glänzenden, gelb— grünen, durchſichtigen Flügeln, Kopf und thorax mit kleinen, erhabenen Puſteln bedeckt; eine goldbraune, prächtige Acheta, die ungeheure Sprünge macht; eine eigenthümliche Cypho- crania, deren Kopfrücken in ein Horn verlängert iſt, mit langen, halbdurchſichtigen, braunen Flügeln; eine neue Ble- pharis- Art, einem welken Blatte gleichend, mit einem kurzen Fluge ähnlich der Empusa. — Der Nutzen der Geotrupidae und anderer Miſtkäfer ſcheint in den Tropengegenden weni— ger der Wegführung als der Verbreitung des Düngers uͤber den Boden zu gelten; ſie ſammeln ihn zuerſt, um ihre Eier hineinzulegen, rollen ihn dann aber mit ihren Hinterbeinen auseinander und verſcharren ihn hie und da. No. 2105 — 1105. — 125. Aus dem einzigen Exemplare einer Puppe von Sphynx Moth., die der Reiſende auf Borneo fand und aufs ſorg— fältigſte verwahrte, krochen, zu ſeinem großen Verdruß, zwei Exemplare der wunderbar geſtalteten Hymenoptere, Evania apendigaster, hervor. Die Miſt- und Aaskäfer, Staphilini- dae, Silphidae und Carabidae, ſind auf Borneo weniger häufig, werden indeß durch Myriaden von Termiten, Auteiſen und andern Inſecten erſetzt, welche die Erdoberfläche von faulenden Gegenſtänden reinigen. Die Blätterhörner (La- mellicorns) und andere Pflanzenfreffer find nicht minder häufig, ſie leben, mit unzähligen Orthopteren, von der reichen Vegeta— tion, die alle Wälder dieſer herrlichen Inſel bekleidet. Ungeheure Tagſchmetterlinge entfalten im Schatten der Wälder ihre langen, breiten Flügel und umflattern das nie— drige Geſtrüpp, ſind übrigens nicht ſo zahlreich wie im tro— piſchen America. In den Wäldern von Santubon fand der Reiſende ſeltene Pycanum- Arten, das P. amethystinum, nach Fabricius, mit glänzend ſmaragdgrünen Flügeldecken, der Körper zu beiden Seiten mit abwechſelnd ſchwarz und gelben Streifen geziert; derſelbe wird hie und da, wie der Bupres- tis chrysis und der Diamantkäfer, von indianiſchen Stämmen als Schmuck benutzt. Auf den Philippinen ſchmückt man ſich mit einer ſchönen, glänzend-gruͤnen Stephanorhina- Art und der prächtigen Caryphocera, deren Flügeldecken ſchwarz— gefleckt find. Eine der gemeinſten Hemipteren, deren Ab— theilung Borneo ſonſt nur ſchwach repräſentirt, iſt eine Catacanthus- Art, mit glänzend gelbem thorax, zwei ſchwar— zen Flecken auf jeder Flügeldecke und abwechſelnd gelb und ſchwarz⸗gerandetem Hinterleibe; ferner eine ſchöne Callidea- Art, glänzend goldgrün, mit großen, runden, ſchwarzen Flecken, die in den Wäldern von Sarawak ſehr häufig iſt. Eins der prächtigſten Inſecten dieſer Gegend iſt indeß eine Lampyris- Art; jedes Körperſegment iſt von drei leuchtenden Streifen erhellt, die leuchtenden Stellen des Rückens liegen 15 227 in der Mittellinie des hintern Theiles der Ringabſchnitte, während die Seitenflecken unmittelbar unter den Tracheen— öffnungen vorkommen. Der Reiſende fand dies prächtige Inſect beim Dunkelwerden auf finſtern, blätterbedeckten Wald— wegen kriechend; um den Finger gelegt, gleicht es dem ſchön— ſten Brillantringe. Auch die Spinnen wiſſen hier durch kunſtreich angelegte Netze für ihren Schutz und ihre Nahrung zu ſorgen: in ihnen fangen ſie, obſchon ſelbſt hülflos und ohne Waffen, ungleich größere, ſtarke und zur Vertheidigung gut ausge— rüſtete Thiere, die, ihrem Netze verfallen, vergebens zu ent— kommen ſtreben. Die Wälder von Borneo, Mindafiao und Celebes ſind reich an den künſtlichſten und verſchiedenartig— ſten Spinnengeweben, deren Fäden theils weiß, theils braun, theils gelb gefärbt find. Die Netze einer großen Nephila - Art ſind oft, von Strauch zu Strauch ausgebreitet, dem Wanderer ſehr hinderlich; während die phantaſtiſchen Geftalten der mit einer harten Körperbedeckung verſehenen, Acrosoma benannten Spinnen ihn in das größte Erſtaunen verſetzen. An der Inſel Mayo landend, ſahen die Reiſenden die von der Brandung umſpülten, nackten Felſen von Chiton — Littorina- und Nerites- Arten bedeckt; groß-gezeichnete Grapsi flohen nach allen Seiten. Eine ſteile Anhöhe hinankletternd, ſtörte der Reiſende eine mehr als 5 Fuß lange Monitor — Eidechſe aus ihrer Mittagsruhe; furchtſam ſich dann und wann nach ihrem Verfolger umblickend, eilte ſie aufwärts einer Bergſchlucht zu, wo ſie im Bachgerinnſel einer unter ſchlanken Pandanusbäumen entſpringenden Quelle verſchwand. Das im britiſchen Muſeum befindliche Eremplar des Hydro- saurus giganteus, von der Nordküſte Neuhollands, iſt 78 Zoll lang. Einige africaniſche Arten, die Regenia albogularis und der Monitor niloticus erreichen gleichfalls eine ungeheure Größe. An dieſen dunklen Waldſümpfen der Tropen glaubt man ſich unwillkürlich in das Kindheitsalter unſerer Erde, wo die ſumpfigen Ufer des Meeres von ungeheuren Sau— riern wimmelten, verſetzt. An den Süßwaſſerbänken von Mindanao ſieht man dieſe Waſſereidechſen in ungeheurer Zahl, unter ihnen den zweigeſtreiften Hydrosaurus Salvator und eine kleinere, ganz dunkelbraune Art. In dem, das Dorf Anjer auf Java durchfließenden Strome ſah der Reiſende ähnliche, ſich jedoch langſamer bewegende Saurier, den Ura- nus heraldicus und ihm verwandte Arten. Wenn ſie ver— wundet ſind, ſo wehren ſie ſich kräftig, ſind übrigens durch— aus harmlos, laſſen ſich leicht ſchießen, ſind jedoch ſchwer lebend zu fangen. Perlen und Bezoarſteine ſind bei den Einwohnern von Sulu ſehr geſchätzt, erſtere ſind von Größe und Farbe verſchieden; die Pinna giebt ſchwarze und rothe, die Tridacna gigas trübe, undurchſichtig-weiße, die Placuna placenta bleifarbene, die ächte Perlauſter, Meleagrina margaritifera, halbdurchſichtig ſtrohfarbene Perlen. Nach Dalrymple's Bericht über die Perlfiſcherei zu Sulu bewohnt ein Hummer-Paar meiſtens dieſe Perlenmuſcheln; der ſchöne, durchſichtige Körper des Männchens iſt roth, des Weibchens weiß gefleckt, letzteres trägt ſeine Eier unter dem Bauche und Schwanze. Die verſchiedenen Arten der 125. VI. 15. 228 Perlmuſcheln habe jede ihr eigenthümliches Krebsgenus, wor— aus Dalrymple, der in den Eiern unterm Mikroſkope junge Perlmuſcheln geſehen zu haben glaubt, eine Fortpflan— zung der letzteren durch das Krebsgenus vermuthet (2); die Eingebornen behaupten dasſelbe. Berichterſtatter fand in der großen Avicula, die in die— fen Gewäſſern ſehr häufig iſt, eine neue Pinnotheres-Art (P. orientalis Adams & White.). Die Gewäſſer von Sulu ſind vielleicht wegen ihres ruhigen Waſſers und ihrer warmen Atmoſphäre überhaupt reich an organifirten Weſen, aber auch eben jo reich an Waſſerſchlangen; dieſe gleiten, bei ruhigem Wetter, ſich rin— gelnd über den Waſſerſpiegel dahin, ohne jemals den Kopf hervorzuſtrecken oder ſich aus dem Waſſer zu erheben. Sie tauchen mit Leichtigkeit unter, ſobald ihnen Gefahr droht, ſcheinen übrigens keineswegs furchtſam zu ſein. Ihre Vor— wärtsbewegung iſt mäßig ſchnell, die Malaien nennen ſie Ular-gerang. Die Pelamis bicolor iſt den chineſiſchen und indiſchen Meeren gemein; der Verf. ſah fie in den Gewäſ— ſern von Mindoro und Sulu zu Tauſenden umherſchwim— men. Bei Windſtille findet man fie vorzugsweiſe in Waſ— ſerwirbeln und Strömungen, wo ſie von dorthin geführten Fiſchen und Meduſen leben. Ihre Lungen ſind mehr den Luftblaſen der Fiſche als den Athemorganen der Reptilien ähnlich; ihre geſpaltene Zunge iſt weiß, während ſte bei andern Schlangen meiſtens ſchwarz iſt. Die beiden Zungen— ſpitzen find bis zu ihrem Grunde retractil und mit zwei hornartigen Scheiden bedeckt, die zur Zeit der Häutung ſich wie die Schuppen der Augen abheben laſſen. Einige Arten, z. B. Hydrophis, haben kleine Giftzähne, andere ſind un= ſchädlich, noch andere (Pelamis) haben an der Baſis der beiden vorderſten Gaumenzähne 2 Offnungen, die vielleicht als Giftbehälter dienen. Nach Dr. Caſtor ſind alle See— ſchlangen, ohne Ausnahme, giftig; dasſelbe ſagt auch Schle— gel in feiner Phyſiognomie der Schlangen; die Spanier hal— ten ihren Biß für durchaus tödtlich. Ein Neger der Schiffs— beſatzung ward von ihnen gebiſſen und ſtarb trotz aller Pflege und ärztlichen Sorgfalt. In den Gewäſſern von Sulu beobachtete der Verf. mehrmals diejenige Erſcheinung, welche zuerſt die wunder— baren Erzählungen von der großen Seeſchlange veranlaßte: 70 bis 100 Yards lange Reihen ſich rollender Braunfiſche; dieſe wurden, da ſie ſich reihenweiſe untertauchend und wie— der hervorkommend fortbewegten, für die Rückenhöcker des Ungeheuers gehalten. Dagegen ſah der Berichterſtatter ſchön geſtreifte Waſ— ſerſchlangen von der Dicke eines Männerſchenkels auf der glatten Meeresfläche ausgebreitet liegen oder mit langſam wellenförmiger Seitenbewegung untertauchen. XXIII. Über die Gewichtsbeſtimmung des Harnſtoffes. Von E. Millon. Die phyſtologiſche Bedeutſamkeit der Gegenwart des Harnſtoffs und ſeines Verhältniſſes im Harne macht eine 229 genaue Beſtimmung desſelben ſehr wichtig. Durch fie läßt ſich nicht nur der Gang der Oxydation, ſowohl des ſtick— ſtoffhaltigen Gewebes ſelbſt als der ſtickſtoffhaltigen Nahrungs- mittel abnehmen, ſondern aus dem Schwanken des Harn— ſtoffgehaltes ſogar die veränderte Diät und bis auf einen gewiſſen Grad die allgemeine Richtung vieler Krankheiten er— ſehen. Eine einfache leicht ausführbare Beſtimmungsmethode war deßhalb vor allem nöthig. Der Verf. läßt zu dieſem Zwecke ſalpeterſaures Queck— ſilber auf den Harnſtoff, der ſich ſowohl in ſchwacher wie ſtarker Salpeterſäure, ohne zerſetzt zu werden, auflöſ't, ein— wirken. Das ſalpetrigſaure Gas entweicht nicht, wirkt viel— mehr fortgeſetzt auf den Harnſtoff ein, ihn in Kohlenſäure und Stickſtoff zerlegend. Erſtere wird in einen Kaliapparat geſammelt. Das Gewicht der erhaltenen Kohlenſäure mit 1,371 multiplicirt, giebt ſodann das Gewicht des zerſetzten Harnſtoffes. Dieſe Methode iſt, wie der a verfichert , genau und ſchnell ausführbar, fie zeigt noch Yıooo Harnſtoff im Urine an und iſt in etwas mehr als einer halben Stunde beendigt; ſie giebt ungeachtet verſchiedener Mengen des Harnes oder Queckſilberſalpeters bei Wiederholungen unveränderlich dieſel— ben Zahlen; auch die gewöhnlich im Harne vorkommenden Verbindungen als Harnſäure, Hippurſäure, Oralſäure, Eſſig— ſäure, Milchſäure, Butterſäure, Albumin, Harnzucker, Farb— ſtoffe und Gallenbeſtandtheile verändern dieſe Zahlen nicht; die Zahl für den Harnſtoff bleibt, man mag ſie hinzufügen oder vorher aus dem Harne entfernen, ganz dieſelbe. Indem der Verf. die Harnſtoffbeſtimmungen zuſammen— zählte, überraſchte ihn der eigenthümliche Zuſammenhang zwiſchen der Dichtheitszahl des Harnes und dem Verhältniß des Harnſtoffs: die zweite und dritte Zahl nach dem Komma gaben nämlich ziemlich genau die Harnſtoffmenge für 1000 Gramme Harn. Dies Verhältniß bezieht ſich indeß nur auf den geſunden Harn des Menſchen, gilt aber nicht für patho— logiſchen Harn, auch nicht für den Harn verſchiedener Thiere. Hierfür einige vom Verf. mitgetheilte Beiſpiele. Normaler Harn des Menſchen. Specifiſches 1 bei + 15° Heron in 1000 Grm. 1,39 Gr. 1.0046 1439 - 1.0092 9,88 ⸗ 1,0277 29,72. 1,0143 11,9 = 1,0110 10,60 = 1,0260 25,80 = 1,0290 31,7 - Harn des Hafen. Specifiſches 1 0092 bei + 15° a ee in 1000 Grm. ih ‚0149 1, ‚0160 Harn des Hundes. Speeifiſches . bei + 15° nn in 1000 Grm. 1,052 11,07 Gr. 1,054 492,08 : 1,050 111,09 = 125. VI. 15. 230 Pathologiſcher Harn des Menſchen. Specifiſches Gewicht bei + 15° Harnſtoffgehalt in 1000 Grm. Pneumonie der rechten Seite, 2tev Grad 1,015 39,75 Gr. Pneumonie der rechten Vit 2ter Grad . 14025 45,4 = Gelenkrheumatismus E 1,028 43,11 = Pneumonie beider Seiten 1,017 42,90 = Pneumonie beider Seiten 1,024 39,40 = Phthisis, 3ter Grad . 1 24,25 = Diabetes 1,037 8,25 = Diabetes mit Fieber verbunden !, 039 21,50 : Diabetes von anderem Gha- rakter. ar 1,035 555155 Auch der humor vitreus des Auges enthält große Men— gen Harnſtoff: der Verf. fand in dem Salzrückſtande dieſer Flüſſigkeit aus einem Ochſenauge nicht weniger als 20 bis 25 Procent; das übrige war zum größten Theil Chlor- natrium. Der humor vitreus des Menſchen und des Hun— des hat dieſelbe Zuſammenſetzung, auch der humor aqueus enthält Harnſtoff und Chlornatriunm. (Comptes rendus, No. 3, 1848.) XXIV. Über die meteorologiſchen Verhältniſſe Abyſſiniens. Von Wilhelm Schimper. Der Verf., Gouverneur der Provinz Antitſcho, ſpricht in einem Briefe an Elie de Beaumont über die geologi— ſchen Verhältniſſe des Landes; feine Angaben ftimmen im allgemeinen mit Galinier's und Ferret's Beobachtungen überein. No. 7 der Comptes rendus von 1848 theilt des Verf. a tesroleniſche Wahrnehmungen mit. Die Regenzeit beginnt in der ganzen Gegend des Tigris, die mehr als 2000 Fuß über dem Meere liegt, wie in den großen, dieſe Gegend durchſchneidenden Thälern, zu Ende Juni und dauert bis Anfang Septembers. Während dieſer Zeit regnet es täglich in den Nachmittagsſtunden von 2 bis 5 Uhr. In der, nach dem rothen Meere zu gelegenen, nie— drigern Gegend fällt der Regen nicht ſo reichlich als auf dem hohen Lande; die Regenzeit beginnt hier Ende Oetobers oder Anfang Novembers und dauert, mit mehr oder weniger langen Unterbrechungen, bis Anfang Märzes. Im October, November, Februar und März regnet es nicht gerade täglich; auch iſt der Regen fein und fällt Haufe während der Nacht. Die Zeit der größten Wärme fällt für beide Gegenden in die Monate Juni, Juli und Auguſt; die Überſchwemmun⸗ gen des rothen Meeres ſind zu dieſer Zeit bedeutend, die ganze Luft iſt mit Waſſerdünſten geſättigt. Dieſe Waſſer⸗ dämpfe werden in einer Höhe von 2500 bis 3500 Meter verdichtet und fallen als Regen oder Schloßen herab. Die letz— tern bilden ſich vorzüglich in einer Höhe von 3000 bis 4200 Me- ter und zwar in folgendem Verhältniſſe. Zwiſchen 3000 und 3500 Meter giebt es mehr Regen als Hagel, zwiſchen 3500 und 3700 Meter von beiden gleichviel und zwiſchen 3700 und 4200 Meter mehr Hagel. 15 * 231 Während der Fälteften Jahreszeit fteigen die Wolken nicht ſehr hoch und erheben ſich nur ſelten mehr als 1300 bis 1500 Meter über die Berge. Der größte Theil des Regens fällt während dieſer Zeit über die hochgelegenen Gegenden; die niedern Landestheile, z. B. die Gegend um Maſſaua, bleiben oft lange Zeit ohne Regen. Die Provinz Samhar vereinigt die Bedingungen des Sommer- und des Winterregens und iſt deßhalb in beſtän— diges Grün gekleidet. Der Winter oder die trockene Jahreszeit der 2000 Meter hohen Gegend iſt ſehr angenehm, ſogar heiß; die Erde iſt durch den beſtändigen Sonnenſchein erſchöpft, die Verdunſtung ſehr beſchränkt, der Feuchtigkeitsmangel und das Ausſtrahlen der Wärme iſt hier ſo wie auf allen Hochebenen. Der Som— mer iſt dagegen weniger heiß, weil ſeine Regen aus größerer Höhe herabkommen; die Monate Mai und September find am heißeſten, die Temperatur des ganzen Jahres bleibt indeß, namentlich in einer Höhe von 3650 bis 4650 Meter, nahe— bei dieſelbe. Auf einer Höhe von 3650 Meter fällt das Thermometer Nachts auf 20 und ſteigt um Mittag bis auf + 160%; auf einer Höhe von 4650 Meter fällt es Nachts auf — 60 und ſteigt Mittags auf + 6°. Auf dieſer Höhe giebt es während der Wintermonate, aber nur auf der der Sonne abgewandten Seite, viel Eis; im Sommer verſchwindet es auf dieſer Seite, während es nun auf der entgegengeſetzten Seite des Gebirges neu gebildet wird. Die höchſten Spitzen der Gebirge von Bachit und Silhé ſind das ganze Jahr hin— durch mit Eis bedeckt. Schnee iſt in Abyſſinien eine Seltenheit und erſcheint nur dann, wenn die Wolken nahe über der Erde ſchweben, verbreitet ſich alsdann aber über große Flächen; die Flocken ſind klein, dreieckig und ſtrahlenförmig. Die Spitzen der höchſten Berge ſind nur ſelten mit Schnee bedeckt, aber um ſo öfter mit einer weißen Hageldecke überkleidet. Die Schloßen haben zwei Hauptformen; diejenigen, welche in einer Höhe von 4650 bis 4700 Meter fallen, haben die Geſtalt einer abgeſtutzten, polyedriſchen Pyramide, ſind zugleich an der Baſis und der Spitze ausgehöhlt; die Kanten der Pyramide ſind körnig; dieſe Schloßen ſind faſt ſo leicht wie Schnee. Mifcellen 35. Über die wahre Miſtel der Druiden wird in dem Gardner's Chronicle noch mehrfach Streit geführt. Nachdem in einer der letzten Nummern eine frühere Mittheilung, nach welcher auch Viscum album hie und da auf der Eiche gefunden wird, wenngleich nicht widerlegt, ſo doch bezweifelt wird, daß ſie und nicht Loranthus europaeus die geheiligte Miſtel geweſen, tritt in No. 51 ein mit G. B unterzeichneter Einſender auf, der nach der Verbreitung der drei in Europa einheimiſchen Loranthaceen zu beweiſen ſucht, daß demnach nur Viscum album oder Acreuthobium oxycedri des Pli⸗ nius Stelis geweſen, weil Loranthus europaeus (vielleicht die Hy- phear des Plinius), der auf Quercus cerris in Iſtrien und Italien nicht ſelten iſt, niemals in Frankreich, noch weniger aber diesſeits der Alpen gefunden worden, während Viscum album in England, Frankreich und Deutſchland zu Hauſe iſt und Acreu- thobium im ſüdlichen Europa, im nordweſtlichen America und in Merico auf Coniferen vorkommt. 232 36. Eine Aſchenanalyſe des Hopfens gab Henry Watts folgende Reſultate. Der Hopfen war zu Hawkhurſt in Kent auf gutem ſchwerem Lehm, der auf Sandboden ruhete, ige⸗ wachſen. In Waſſer lösliche Stoffe. Chlornatrium 3.4 2103 Chlorkalium . 3,09 Kohlenfaures Kali . 6,79 Schwefelſaures Kali 18,05 Dreibaſiſches Kaliphosphat 2,50 Kieſelſaures Kali .. 3,83 35,58. In Säuren lösliche Stoffe. I 11,0 Kohlenſaurer Kalk. Kohlenſaure Talkerde . 7073 Phosphorſaurer Kalke. 14,64 Phosphorſaure Talkerde 4,37 Phosphorſaure Thonerde 3,68 Phosphorſaures Eiſenoryd 4,57 46,03 Unlösliche Stoffe. Kieſelerde 7 195 Holzkohle 2,82 18,26 99,87. Der Ertrag des Hopfens war 12 Centn. vom Aere, die Aſchenmenge betrug 6½ Proc.; demnach kommt auf einen Acre 87 Pfd. 6 Unzen Aſche; die einzelnen Aſchenbeſtandtheile hiernach berechnet, ergaben die Menge der einem Acre Landes entzogenen unorganiſchen Be— ſtandtheile Phosphorſäure 12 Pfd. 13 Unzen. Kali! mmm Kall . man e eee Magneſ ian „4e n Schwefelſäur Kieſelfäuffſe een ll? Thonerde, Eiſenoryd und Kochſalz . 6 „ 15 „ 76 Pfd. 11 Unzen. (The London ete. philosophical Magazine, No. 212. 1848.) 37. Ein Lager erdiger kohlenſaurer Talkerde ward von Robert Kane im Stadtgebiete von Glandra, in der Gemeinde Tulla, im öſtlichen Theile der Grafſchaft Clare in Irland auf⸗ gefunden. Das Lager befindet ſich an der Seite der neuen Straße von Scariff nach Gort unter der Spitze eines Berges, 900 Fuß über dem Meeresſpiegel. Die Formation gehört dem alten rothen Sandſteine an, unter ihr erhebt ſich Thonſchiefer; die Oberfläche iſt Moorgrund mit zerſtreuten Sandſteinblöcken; in kleinen Becken findet ſich ein ſehr kalkreicher als Dünger ſehr geeigneter Mergel. Unter dieſem Mergel fand der Berichterſtatter das einige Zoll mäch— tige Lager einer rehfarbenen erdigen Maſſe, die getrocknet kleine, hellere Klümpchen in einer dunkleren Subſtanz bildete, aber leicht auseinander fiel. — Die Beſtandtheile zweier Proben waren: A B Einfach kohlenſaure Talkerde 74,55 79,94 Kohlenſaurer Kalk.. Spuren 243 Einfach kohlenſaures Eiſenoryd .. 15,01 11,04 Lehn und Sands 0,37 Organiſche Stoffe, Waſſer und Verluſt 10,11 6,22 f 100,00 100,00 Die Fohlenfaure Magneſia kommt überhaupt ſchon ſelten vor und iſt bisher, fo viel der Verf. weiß, nur in compactem kryſtalliſirtem Zuſtande, aber noch niemals unter den hier beſchriebenen Verhält— niſſen aufgefunden worden, auch für Irland ein ganz neues Mineral. (The London etc, philosophical magazine, No. 212. 1848.) 38. Über die Sitten der Menageriethiere findet ſich in der Cineinnatizeitung folgende interefjante Notiz: Bericht: erſtatter beſuchte um Mitternacht in Begleitung des Führers die Menagerie Raymonds und Der Elephant ſchlief Warrings. 1 233 nicht, wie die Schriftſteller angaben, ſtehend, ſondern liegend; die übrigen Thiere ruheten in den anmuthigſten, oft claſſiſchen Stel: lungen. Der Löwe und Tiger, Leopard und Panther hatten ſich zärtlich mit ihren Tatzen umſchlungen. In jedem Käfig, der meh⸗ rere Thiere faßt, iſt es, wie der Führer verſichert, ohne Ausnahme Geſetz, daß eins der Thiere wacht, während die anderen ſchlafen, dieſe Wache wird, wenngleich nicht zu einer beſtimmten Zeit, doch regelmäßig abgelöſ't; fie geht auf und ab und vermeidet ſorgfältig jedes Geräuſch, das die Schlafenden erwecken könnte; ſie legt ſich 125. VI. 15. 234 auch wohl, aber immer mit dem Geſicht der Front des Käfigs zu: gewandt, ſchläft aber niemals, bevor fie abgelöſ't iſt. Der als Onkel Tom bekannte Thomas Cart, der älteite Thierbändiger der vereinigten Staaten, und ebenſo der langjährige Beſitzer der Menagerie verſichern, daß dieſer Gebrauch niemals verletzt werde. Die beiden Elephanten bedürfen täglich 500 Pfd. Heu, die Fleiſch— freſſer 100 bis 120 Pfd. Fleiſch, und die Affen, Vögel und kleinen Thiere große Quantitäten Früchte, Kartoffeln und Rüben. (The literary Gazette, No. 1614, 1847.) Heilkunde. (XXV.) über die Anwendung des Galvanismus bei der Behandlung gewiſſer Lähmungen der untern Extremitäten. Von Dr. Conſtantin James. Der Galvanismus kann bei einer großen Anzahl von Nervenkrankheiten ſehr nützlich ſein; allein es giebt Fälle, wo deſſen Anwendung mit Schwierigkeiten und ſelbſt Gefahr verknüpft iſt, weßhalb man mit der größten Sorgfalt bei der Diagnoſe zu verfahren hat. Iſt man mit dieſer ein Mal im Reinen, ſo muß man in Betreff des Apparates eine paſſende Wahl treffen, die Doſis des Fluidums regeln, die Sitzungen öfter oder weniger oft Statt finden laſſen, ja mit der Anwendung des Mittels wohl, je nach der Be— ſchaffenheit des Leidens und der Reizbarkeit des Patienten, ausſetzen. Kurz man hat die Phaſen einer gewöhnlich launiſchen und hartnäckigen Krankheit genau zu verfolgen und zu überwachen. Über dieſe praktiſchen Einzelheiten laſſen ſich keine all— gemeinen Vorſchriften geben. Um ſie gehörig zu kennen, muß man ſie am Krankenbette ſelbſt ſtudirt haben. Ich habe der Unterſuchung dieſer ebenſowohl phyſica— liſchen als mediciniſchen Fragen ſchon mehrere Abhandlungen gewidmet =). Als ich die Neuralgien und Paralyſen des Geſichtes zum ſpeciellen Gegenſtande meiner Forſchungen machte, habe ich mir vor allem die Pflicht auferlegt, mich überall nur auf Thatſachen zu ftügen. Ich will bei dieſer Gelegenheit an den Patienten erinnern, den ich von einer Lähmung des Empfindungsvermögens des Geſichtes, nebſt Verluſt der Sehkraft, des Geruches, Gehöres und Ge— ſchmackes völlig geheilt im October 1840 der medieiniſchen Akademie darſtellte. Dieſe ſeit mehreren Jahren für unheilbar erklärte Lähmung wurde durch Galvanismus binnen wenigen Wochen gehoben. Ein anderer nicht weniger intereſſanter Fall von Hei— lung iſt der jenes jungen Mädchens, welches ich in Gemein— ſchaft mit Hrn. Magendie wegen einer totalen Lähmung der Bewegungen des Geſichtes behandelte und deſſen Züge eine ſchauderhafte leichenartige Starrheit darboten. Bei den verſchiedenen Arbeiten, in denen ich dieſe Be— *) Siehe Band XVII. No. 20 u. 21 der Neuen Notizen. obachtungen niedergelegt habe, beabſichtigte ich beſonders die pathologiſche Phyſiologie des fünften und ſiebenten Nerven— paares aufzuklären. Auch dürften dieſelben das Ihrige dazu beigetragen haben, die Anwendung des Galvanismus metho— diſcher und allgemeiner zu machen. Ich werde gegenwärtig von der Paralyſe der untern Ertremitäten in Folge eines Rückenmarksleidens handeln. Dieſe traurige Krankheit kommt nicht ſelten vor und es ſcheitern an ihr gewöhnlich ſelbſt die energiſchſten Mittel; dennoch habe ich geſehen, daß Hr. Magendie dieſelbe mittels des Galvanismus wie durch ein Wunder gehoben hat. Auch ich habe, ſelbſt in verzweifelten Fällen, durch dieſes Mittel oft günſtige Erfolge erlangt. Unter den von mir geſammelten zahlreichen Beobachtungen hebe ich nach— ſtehende aus, welche mir ein wahrhaft praktiſches In— tereſſe zu haben ſcheint und mir zugleich Gelegenheit giebt, mehrere allgemeine Andeutungen hinſichtlich der Behandlung der Lähmung durch die Elektricität mitzutheilen. Beobachtung. — Das 17 jährige Fräulein T. fiel, am 6. Mai 1839, indem ſie in einem Gange hinlief, der Länge lang auf die Vorderſeite des Rumpfes. Sogleich verſpürte ſie heftigen Schmerz in den Knieen. Sie ſtand indeß auf und konnte den Tag über ziemlich gut gehen; allein am folgenden Tage waren die Kniee ſo ſchmerzhaft, daß Fräulein T. im Bette bleiben mußte. Eine Geſchwulſt, Contuſion oder Röthung der Hautbedeckungen war an dem Gelenke nicht zu erkennen. Der Schmerz hatte vielmehr den neuralgiſchen Charakter. Blutegel, dann Blaſenpflaſter wurden um die Kniee her ohne Erfolg angewandt. Die Patientin klagte über ſtechende Schmerzen, welche bald nach unten, bald nach dem Rückgrate zu fuhren und dem Laufe der Hauptnervenſtränge folgten. Nach zweimonatlicher Behandlung hatte die Krankheit ihren Charakter verändert, ohne deßhalb gutartiger geworden zu ſein. Der Schmerz in den Knieen trat nun in Form einer gewiſſen Steifheit, Schwere, Schwäche auf, welche der Patientin das Stehen unmöglich machten und ſich augen— blicklich ſteigerten, wenn Fräulein T. an Krücken zu gehen verſuchte. Man verordnete von neuem Ruhe, erweichende und zertheilende Bähungen, hautröthende Mittel, revellirende Ab— 235 führungsmittel, aber alles umſonſt. Die methodiſche und unausgeſetzte Comprimirung der Kniee blieb ebenfalls er⸗ folglos. Nachdem die Patientin 15 Monate lang behandelt worden war, entſchloß ſie ſich, nach Paris zu kommen. Es fand eine Conſultation Statt, in der die Anſichten getheilt waren. Manche, denen das örtliche Leiden beſon— ders auffiel, ſahen darin nur eine wahrſcheinlich rheuma— tiſche Gelenkkrankheit und riethen die Bäder zu Neris an; andere ſchrieben die große Schwäche in den Beinen nicht lediglich dem Zuſtande der Kniee zu, da dieſe weder roth, noch geſchwollen waren und der Schmerz durch Druck nicht verſchlimmert wurde, und hielten dafür, der Sitz der Krank⸗ heit ſei im Rückenmarke und man habe die Behandlung gegen dieſes Organ zu richten. Die erſtere Meinung drang indeß durch, und Fräulein T. ward nach Neris geſchickt, wo ſie ſechs Wochen blieb. Die Bäder wirkten ſehr ungünſtig. Es trat eine Art von allgemeiner Überreizung und bald darauf vollſtändige Paraplegie ein. Bei ihrer Rückkehr nach Paris konnte die Kranke ſelbſt an Krücken nicht mehr gehen, und man mußte ſie aus dem Wagen ins Bett tragen. Hr. Lisfrane wurde conſultirt; er ließ mehrmals Blutegel, Atzkügelchen und Moren an die Wirbelſäule ſetzen, verordnete auch innerlich Strychnin. Durch dieſe Mittel ward einige Beſſerung erlangt, ſo daß die Kranke die Beine wieder ein wenig bewegen konnte; allein die Beſſerung ſchritt nicht fort und das Leiden blieb wieder einige Monate ſta⸗ tionär. Alsdann lud mich Hr. Lisfrane zu einer Con— ſultation ein. 8 Als ich Fräulein T. zum erſten Male ſah, befand ſie ſich in folgendem Zuſtande: Sie verſpürte nur von Zeit zu Zeit, wenn ſich das Wetter änderte, Schmerzen in den Knieen, welche übrigens ein völlig normales Anſehen dar— boten. Die Bewegungen der untern Ertremitäten waren ſehr ſchwach. Im Liegen konnte ſie, wenn das Bein geſtreckt war, den Fuß nicht heben; mit der dußerſten Anſtrengung gelang es ihr, die Ferſe nach dem Schenkel zu in die Höhe zu ziehen, ohne daß der Fuß ſich vom Betttuche entfernte, ſowie ihn dann wieder auszuſtrecken. Hob man das Bein, ſo fiel es, ſobald man es losließ, kraftlos wieder nieder. Als man die Patientin aufrecht hinzuſtellen verſuchte, konnte fie nicht auf den Boden fußen, indem die Beine unter ihr zuſammenknickten. Das Gefühl in denſelben war auch etwas abgeſtumpft, allein bei weitem nicht in dem Grade, wie die Bewegung. Beide Beine ſchienen durchaus in demſelben Grade gelähmt und merklich abgemagert, obwohl eigentliche Atrophie der Muskeln noch nicht vorhanden war. An der Blaſe, dem Maſtdarme und den übrigen Eingeweiden ließ ſich durchaus keine Störung der Functionen wahrnehmen. Es kam beſonders darauf an, den Zuſtand des Rücken— marks mit der größten Sorgfalt zu unterſuchen. Ich unters warf jedes Wirbelbein einer beſondern genauen Beſichtigung; allein es war mir unmöglich, die geringſte Verſchiebung oder abnorme Empfindlichkeit zu entdecken. Dennoch ſchien es mir, als ob ſich dieſe beiderſeitige Lähmung der Beine lediglich aus einem Rückenmarksleiden 125. VI. 15. 236 erklären laſſe. Hatten wir es hier etwa nur mit einer jener rein nervöſen Krankheiten zu thun, welche ſich lediglich auf die Function und nicht auf das Gewebe des Organes wer— fen? Ich ſtellte dieſe Diagnoſe auf und rieth alsbald zur Anwendung des Galvanismus. Die erſte Sitzung fand am 11. Juni 1842 Statt. Die Lähmung hatte alſo ſchon über 3 Jahre gedauert. Ich legte einen der Gonductoren der Clarke ſchen Maſchine bei der Höhe der erſten Lumbarwirbel, den andern an den Kopf des Wadenbeines an. Dieſer letztere Con— ductor ward abwechſelnd mit dem einen und mit dem andern Unterſchenkel in Berührung gebracht. Ich wandte anfangs nur eine ſehr ſchwache Strömung an, welche einige Con— tractionen in den Schenkelmuskeln und den mm. peronaei laterales, aber faſt gar keinen Schmerz veranlaßten. Am folgenden Tage fand eine zweite Sitzung Statt. Da Fräulein T. durchaus keine Beängſtigung oder Schmerzen empfunden hatte, ſo gingen wir dieſes Mal etwas kühner zu Werke. Alles ging gut, und auch die folgenden Tage wurde die Cur nicht durch die mindeſte Complication geſtört. Nach etwa acht Sitzungen von je 10 Minuten hatten wir fihon eine merkliche Beſſerung erlangt. Die gelähmten Theile zogen ſich unter der Einwirkung des Galvanismus immer kräftiger zuſammen und erlangten ihr Gefühlsver— mögen in immer höherm Grade wieder. Die Kranke konnte ohne fremden Beiſtand den Unterſchenkel heben und aus— geſtreckt halten, auch wieder willkürlich auf das Bett ſenken. Auch gelang es ihr, an Krücken ein wenig zu ſtehen. Hoff— nung und Muth kehrten zurück. Der Zeitpunkt ſchien mir günſtig, um eine kräftigere Behandlung eintreten zu laſſen. Ich ſtach eine Nadel ziem— lich tief in den hintern und mittlern Theil der Lumbarregion ein und brachte ſie mit einem der Conductoren in Verbin— dung. Den andern Conductor ließ ich abwechſelnd auf den Schenkel, Unterſchenkel und Fuß und vorzugsweiſe an den Stellen einwirken, wo ſich die Muskeln weniger kräftig zu— ſammenzogen. Es trat nun immer ſchneller Beſſerung ein, und jeden Tag hob ſich das Gefühls- und Bewegungsver— mögen mehr. Nach der zwanzigſten Sitzung konnte Fräulein T. end— lich einige Schritte weit gehen, indem ſie ſich nur auf einen Stock ſtutzte. Hr. Lisfrane beſuchte die Patientin ſehr regelmäßig und überzeugte ſich perſönlich von dem glücklichen Erfolge der Behandlung. Ich ließ faſt jeden Tag eine Sitzung veranſtalten, und nur wenn die Patientin menſtruirt war, ſetzte ich damit aus, da dann ein gereizter und etwas ſchlaf— loſer Zuſtand eintrat. Doch wenn man die Kranke einen Tag in Ruhe ließ, trat gewöhnlich die gewünſchte Beruhi— gung wieder ein. Da die in die Lendengegend eingeſenkte Nadel die Cur bedeutend beſchleunigt hatte, ohne die Kranke anzugreifen, ſo ſtach ich nun noch zwei Nadeln, eine in jedes Bein, etwas unter dem Kopfe des Wadenbeines ein. Übrigens ließ ich, wie damals, als ich die erſte Nadel anwandte, die 237 Strömung ſchwächer einwirken, um die Muskeln nicht zu allzuſtarken Contractionen zu reizen. Die Beſſerung ſchritt fort, und bei den folgenden Sitzungen veränderte ich nur die Stellen an den Beinen, wo ich die Nadeln einſenkte. Bald geſchah dies am Schen— kel, bald am Unterſchenkel oder am Fuße, je nachdem ich ſpeciell auf einen trägen Muskel einzuwirken wünſchte. Um nicht unnöthigerweiſe zu weitläuftig zu werden, will ich nur bemerken, daß bei dieſer Behandlung die Lähmung gänzlich verſchwand und daß Fräulein T. im October desſelben Jay: res ziemlich hergeſtellt war. Im folgenden Frühjahre ließ ſich die zu ihren Eltern zurückgekehrte Patientin, auf meinen Rath, noch ein Paar Mal galvanifiren. Dies that ihr ſehr wohl, und bald war ſie wieder ſo kräftig und behend, daß ſie an allen Ver— gnügungen Antheil nehmen konnte. Es ſind nun (1848) fünf Jahre verfloſſen, ohne daß Fräulein T. ſich genöthigt geſehen hätte, wieder ärztliche Hülfe in Anſpruch zu nehmen. Sie hat ſich ſeitdem ver— heirathet, und da ſie nie wieder den geringſten Rückfall von der früheren Paraplegie gehabt hat, fo muß ich fie als radical geheilt betrachten. Bemerkungen. Wenn man auch anfangs über die Natur der Krankheit des Fräulein T. in Zweifel ſein konnte, ſo ergiebt ſich doch aus der Wirkung der Behandlung augen— ſcheinlich, daß das Rückenmark erkrankt war. Was die Entwicklungsart anbetrifft, ſo möchte es ſcheinen, als ob das Rückenmark erſt ſpäter betheiligt worden und das Leiden erſt auf die Kniee beſchränkt geweſen ſei. Dieſe blieben nämlich lange ſchmerzhaft, ohne daß irgend ein Symptom der Läh— mung eingetreten wäre. Auf welche Weiſe hat ſich aber die Krankheit nach dem Rückenmarke verbreiten können? Wir wollen nicht ſagen, daß eine ſympathetiſche Wirkung Statt gefunden habe; denn weil der Ausdruck Sympathie fo vieldeutig iſt, erklärt er nichts. Ich glaube vielmehr, daß hier etwas Ahnliches Statt gefunden hat, wie bei den Erſcheinungen des rücklaufenden oder reflectirten Gefühls, welche Hr. Magendie ſo gründlich beobachtet hat. Der Schmerz in den Knieen war in der That nie rein entzünd— licher Art, ſondern hatte einen neuralgiſchen Charakter. Da nun das normale Empfindungs vermögen ſich zuweilen von den peripheriſchen Theilen nach dem Centralnervenſyſteme verbreitet, ſo dürfte es ſich mit dem krankhaft geſteigerten Empfindungsvermögen eben ſo verhalten. Die phyſiologiſche Erſcheinung, auf welche ich ſo eben hingedeutet, iſt noch zu wenig bekannt, als daß ich es für überflüffig halten dürfte, dieſelbe hier näher zu erläutern. Bekanntlich iſt von den, einen Rückenmarksnerven bildenden, beiden Wurzeln die vordere zur Vermittelung der Bewegung, die hintere zu der des Gefühls beſtimmt; allein weniger bekannt iſt die Thatſache, daß die hintere Wurzel auf die vordere einen beſtimmten Einfluß hat. Hr. Magendie iſt in dieſer Beziehung zu folgenden Reſultaten gelangt. Wenn man die Wirbelſäule mit der nöthigen Vorſicht geöffnet und ein Nervenpaar bloßgelegt hat, dann aber die vordere Wurzel kneipt, ſo findet man, daß ſie empfindungs— 125. VI. 15. 238 fähig iſt, doch in geringerem Grade, als die hintere. So— bald man aber dieſe vordere Wurzel mitten durchſchneidet, ſo wird das mit dem Rückenmarke in Verbindung bleibende Ende durchaus gefühllos, während das peripheriſche Ende fein Gefühlsvermögen ungeſchwächt behält. Das erſte Factum iſt alſo, daß die vordere Wurzel ihr Gefühlsvermögen nicht direct aus dem Rückenmarke erlangt. Um den Urſprung dieſes Gefühlsvermögens nachzu— weiſen, durchſchnitt Hr. Magendie an demſelben Paare die hintere Wurzel. Alsbald wurde das vorher noch em— pfindungsfähige peripheriſche Ende der vordern Wurzel durch— aus gefühllos. Das Gefühlsvermögen der vordern Wurzel ſtammt alſo von dem der hintern her. Zu denſelben Folgerungen gelangte Hr. Magendie durch ein anderes Experiment, bei welchem er die vordere Wurzel unverſehrt ließ und nur die hintere durchſchnitt. Auch in dieſem Falle büßte jene ihr Gefühlsvermögen gänz— lich ein. Die hintere Wurzel erhält alſo aus dem Rückenmarke zwei Arten von Empfindungsvermögen; eine, welche ihr ſelbſt verbleibt und ihre ſpeeifiſche Empfindung vermittelt, und eine zweite, welche in die vordere Wurzel zurückſtreicht. Dieſe refleetirte Empfindlichkeit, außer welcher die vordere Wurzel keine beſitzt, nennt Hr. Magendie das rücklau— fende Gefühlsvermögen. Wenn man ſich auf den rein phyſicaliſchen Standpunkt ſtellt und ſich das Empfin— dungsvermögen dieſer beiden Wurzeln in Form von zwei Strömungen denkt, ſo liegt auf der Hand, daß die der hintern Wurzel von dem Rückenmarke nach der Peripherie, die der vordern Wurzel dagegen von der Peripherie nach dem Rückenmarke gerichtet iſt. Dieſe Verſuche find fo entſcheidend, daß Hr. v. Hum— boldt, als Hr. Magendie ſie vor ihm wiederholte, den Ausſpruch that: „Die Sache iſt mathematiſch gewiß.“ Wie läßt ſich aber das Zurückſtreichen der Empfindung erklären? Hr. Magendie hatte erſt geglaubt, daß an der Stelle, wo die beiden Wurzeln ſich zur Bildung des Nerven verbinden, irgend ein Faden der hintern Wurzel aus dieſer in die vordere eindringe und in derſelben zurück— laufe. Allein die mikroſkopiſche Unterſuchung ließ ihn nichts dergleichen entdecken. Überdies überzeugte er ſich davon, daß, wenn man den Stamm des Nerven einige Centimeter jenſeits der Vereinigungsſtelle der beiden Wurzeln durchſchnitt, während dieſe unverſehrt gelaſſen wurden, die vordere Wurzel ihr Gefühlsvermögen einbüßte. Die rücklaufende Empfin— dung muß alſo weiter nach der Peripherie zu vermittelt werden. Aber wo und wie geſchieht es? Dies muß durch fernere Verſuche entſchieden werden. Ich habe an einige Umſtände dieſer ſonderbaren Er— ſcheinung erinnern müſſen; denn obwohl deren Entdeckung ſchon im 3: 1839 Statt fand 5), ſo iſt dieſelbe doch erſt ) Vergl. en sur les fonctions et les maladies du systeme nervenx, Jas au college de France par M. Magendie, redigees par M. Constan- tin Jumes 239 125. ganz vor kurzem durch die neuen Verſuche des Hrn. Ma- gendie und Hrn. Bernard außer allen Zweifel geſtellt worden. Läßt ſich nunmehr aus derſelben für die Pathologie des Nervenſyſtems einiger Vortheil ziehen? Ich glaube mir die Krankheit des Frl. T. folgendermaßen erklären zu können. Bei dem Sturze auf die Kniee fand eine Quetſchung der das Kniegelenk umgebenden Nervenfaden Statt. Bald verbreitete ſich die Reizung von dieſen auf die Nervenſtämme ſelbſt, von dieſen in deren endſtändige Verzweigungen und, wie der Lauf des Schmerzes es anzeigte, aufwärts durch die Urſprungsäſte bis in das Rückenmark. Dieſes Stadium der Krankheit wurde durch ſchießende Schmerzen in den innern Theilen der Beine, des Beckens und der Lenden bezeichnet. Allein bald folgte, wie dies bei den Neuralgien oft der Fall iſt, auf eine lebhafte Steigerung des Empfindungsvermögens der entgegengeſetzte Zuſtand. Der Schmerz verminderte ſich ſtufenweiſe, und zugleich traten Symptome von Muskel— ſchwäche ein, welche nach und nach in vollkommene Lähmung übergingen. So war meiner Anſicht nach die Verkettung der Sym— ptome bei Frl. T. beſchaffen. Die Lähmung, von welcher die oberhalb der urſprünglich gequetſchten Stelle liegenden Theile betroffen wurden, war alſo eine Art von rücklaufen— der Lähmung. Man glaube nicht etwa, daß die von Hrn. Magen— die nachgewieſene Erſcheinung ganz vereinzelt daſtehe. Der berühmte Phyſiolog hat die Exiſtenz des rücklaufenden Em— pfindungsvermögens auch in andern Nerven als in denen des Rückenmarks, namentlich im ſiebenten Paare, dar— gethan. Wenn dieſe Verſuche erſt nach allen Richtungen ver— folgt und ausgebeutet ſein werden, liefern ſie ſicher den Schlüſſel zu vielen bis jetzt noch geheimnißvollen Erſchei— nungen. Muß z. B. das Wiedererſcheinen des Gefühls— vermögens in einem Nerven, deſſen Stamm man durchſchnit— ten oder aus dem man wohl gar ein Stück herausgeſchnitten hat, nicht durch das rücklaufende Empfindungsvermögen er— klärt werden? Ich ſehe keinen andern Weg, auf dem das Gefühlsvermögen zurückkehren könnte, da jede directe Com— VI. 15. 240 munication zwiſchen dem Nerven und dem Centralnerven— ſyſteme aufgehoben iſt. Wie es aber auch um den Werth dieſer Erklärung ſtehe, ſo liegt doch auf der Hand, daß das Leiden des Frl. T. von jeder organiſchen Verletzung frei war, indem ſonſt der Galvanismus die Lähmung verſchlimmert haben würde, ftatt fie zu heben. (Schluß folgt.) Miſcellen. (28) Die normale Anweſenheit von Kieſelerde, Mangan, Kupfer und Blei im Blute hat Hr. Millon neuerdings nachgewieſen. Er hat ferner unterſucht, ob das Kupfer und Blei in der ganzen Blutmaſſe vertheilt oder, wie das Eiſen, in den Blutkügelchen concentrirt ſeien, und ſich überzeugt, daß das Letztere der Fall iſt. Er iſt der Anſicht, daß ſie, gleich dem Eiſen, bei der Organiſation und der Erhaltung der Vitalität eine Rolle ſpielen. Üben ſie, fragt er, auf die Geſundheit einen eben ſo entſchiedenen Einfluß aus? Giebt es eine Bleichſucht, welche ihren Grund in der Abweſenheit des Kupfers, Bleies oder Mangans im Blute hat? oder wird ein allzugroßer Verhältnißtheil die Veran— laſſung zu ſchleichenden, hartnäckigen Krankheiten? Dies zu ers mitteln iſt Sache der Therapeutik, wogegen die medicina forensis durch die Kenntniß der conſtanten Anweſenheit dieſer Metallgifte in ſehr veränderlicher Menge einen nützlichen Wink erhält. — Übrigens läßt ſich, nach Orfila's Verſuchen, das normale Kupfer und Blei von dem künſtlich eingeführten leicht unterſcheiden. (Ar- chives gen. de Med., Fevr. 1848.) (29) Über die Veränderung der organiſchen Ty⸗ pen in den heißen Ländern hat Hr. Caſteln au der Pariſer Akademie eine Arbeit mitgetheilt, welche am 6. März von Hrn. Duvernoy vorgetragen hat. Er ſucht nachzuweiſen, daß in den zwiſchen dem Aquator und dem Wendekreiſe des Steinbockes lie⸗ genden Ländern Südamericas die Reptilien und Vögel im ſpeeift⸗ ſchen Typus eine größere Mannigfaltigkeit darbieten, als in den gemäßigten Zonen, wogegen die Zahl der Individuen geringer fein dürfte. Dies ſcheint zu beweiſen, daß die Wärme die Veränder— lichkeit des Typus und der Formen begünſtige, während auf der andern Seite die Natur dafür geſorgt hat, daß die Species ſich nicht allzu ſtark vermehren, indem die Zahl der Männchen über die der Weibchen ſehr die Oberhand hat. Der Verf. hält folgende zoologiſche Geſetze für ausgemacht wahr: 1) daß die Veränderlich— feit des organiſchen Typus je nach dem Wärmegrade eine andere ſei, und 2) daß ſich die Species in heißen Ländern weniger ftarf fortpflanzen als in gemäßigten. (Gaz. med. de Paris, 11. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. R. M. Ballantyne, Hudsons Bay; or every Day life in the Wilds of North America during six Years residence in the territories of the Hon. Hudsons 120 Company. 2d Edit. 8°. (pp. 338, with illustrations, 9 sh.) London The Field Naturalists Note-Book, arranged by T. W. Barlow. Oblong. 3sh. London 1848. 5 The quarterly journal of the chemical Society of London, edited for the So- eiety, by Edmund Koland Ph. P. No. 1. 8%. (pp. 96, woodeut: 2 sh.) London 1848. E. v. Baer u. G. v. Helmersen, Beiträge zur Kenntniss des Russischen Reiches und der angrenzenden Länder Asiens. 12. Bdchen. Reise nach d. Goldwäschen Ostsibiriens von E. Hofmann. gr. 8%, St. Petersburg 1847. Geh. 1½ Thlr. L. Voss in Leipzig. ö RER J. T. Smith, Sanitory Legislation. The Principles and Practical Efücieney of the Common and Statute Law of England in relation to the Promotion and Removal of Causes injurions to the Public Health. 12%. (pp. 164, boards, 2 sh. 6 d.) London 1848. Über den Gebrauch eines neuen Brillenhesteckes für Augenärzte. 80. Geh. 3 Sgr. Palmsche Hofbuchh. in München 1848. J. J. Bühring, die Heilung der Eierstockgeschwülste. gr. 8%. Geh. 2 Thlr. Hirschwaldsche Verlagsbuchh. in Berlin 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 126. (Nr. 16. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Reinhard, über die ſogenannte Spaltbarkeit der Zellenkerne. — Bryant und Pappenheim, über das corpus striatum des Vogel⸗ gehirnes. — Miſcellen. Ab lch, Gasquellen im Golfe von Baku. Jackſon, Verfahren zur S Heilkunde. normale Vorkommen des Kupfers im thieriſchen Körper. — cheidung der Kieſelſaure aus den Pflanzen. Dechamps, das James, uͤber die Anwendung des Galvanismus bei Behandlung gewiſſer Lähmungen der unteren Extremitäten. (Schluß.) — Al dis, Bauchfellentzündung mit Eiterergießung und Abziehen des Eiters durch die Bauchwandungen. — Miſcelle. Bernard, Verſuche in Betreff der chemiſchen Außerungen verſchiedener in den Organismus eingeführter Stoffe. — Bibliographie. Natur kunde. XXV. über die ſogenannte Spaltbarkeit der Zellenkerne. Von B. Reinhardt. Im Eingange dieſer, im Archiv für pathologiſche Ana— tomie und Phyſiologie von Virchow und Reinhard, Band I. Heft III. mitgetheilten Arbeit vertheidigt der Verf. ſeine von Henle beſtrittene Anſicht mehrerer, urſprünglich vorhandener Kerne in den Eiterkörpern, die nicht erſt, wie Henle annimmt, durch das Zerfallen eines einfachen Ker— nes bei Anwendung von Eſſigſäure entſtehen; ein ſolches Zerfallen beruht nach ihm überall auf einer Verwechſelung des Zellenkernes mit dem Zelleninhalt, weßhalb er zunächſt eine genaue Charakteriſtik der erſteren giebt. Um den Zellkern ſcharf und deutlich und ohne An— wendung chemiſcher Agentien zu ſehen, wählt man am be— ſten Zellen mit waſſerhellem Inhalte, wie fie im epithe- lium der ſeröſen und muköſen Häute, beim Krebs und andern Krankheiten vorkommen. Dieſelben dürfen indeß noch nicht im Stadio der Rückbildung ſein. Hier ſieht man die Kerne als kugelige, häufiger abgeplattete, rundliche oder ovale, ziemlich lebhaft glänzende Körper, durch ihre ſcharfen und deutlichen Contouren ausgezeichnet; ſie ſind bald homogen, bald mit einem Kernkörper, bald mehr oder weniger körnig; niemals aber ſo gleichmäßig und matt granulirt, wie der In— halt des granulirten Eiter- und Lymphkörpers. Die Körner des Kernes ſind immer viel ſchärfer begrenzt und ungleichmäßig vertheilt, ſo daß dunkele und helle Partien mit einander wechſeln; oft zeigen ſich auch deutliche dunkle Streifen gleich Falten, welche über die Oberfläche hinziehen. Die Kerne verhalten ſich nach ihrem Entwicklungsſtadium gegen Waſſer verſchieden: je älter die Zellen, um ſo geringer ſind ihre Veränderungen. Die Kerne jüngerer Zellen ſchwellen da— No. 2106. — 1006. — 126. gegen auf, vergrößern ſich und nehmen häufig, wenn ſie vorher oval oder länglich waren, eine kugelige Geſtalt an, wobei gewöhnlich auch die faltenartigen Striche verſchwin— den. Der Kern erſcheint jetzt größer, blaſſer uud homo— gener, niemals bemerkt man indeß eine Subſtanzablöſung von der Peripherie des Kernes oder gar ein Zerfallen des— ſelben in mehrere kleinere Körner; oft ſieht man dagegen, wie der Kern mit einem plötzlichen Rucke birſt und als blaſſes, kaum ſichtbares Häutchen zuſammenfällt, was na— mentlich bei ſolchen Zellen, deren ſehr zarte Membran be— reits durch Waſſer zerſtört iſt, Statt findet. Durch kauſtiſche Alkalien werden die Kerne gelöſ't, indem fie meiſtens zuerſt aufſchwellen und berſten. Dies Aufſchwellen und endliche Berſten durch Waſſer und kauſtiſche Alkalien läßt mit Sicherheit auf die Blaſen⸗ natur des Kernes ſchließen. — Bei einem Zuſatze verdünn— ter Eſſigſäure ſchrumpfen die Kerne etwas ein, werden plat= ter und hie und da, wenn ſie früher körnig waren, höckerig. Eine Subſtanzauflöſung oder ein Einreißen des Kerns vom Rande aus oder gar ein Zerfallen in mehrere getrennte Körner iſt niemals zu bemerken; nur die Contouren des Kernes werden etwas zackiger und unregelmäßiger, eine wirkliche Spaltung tritt aber niemals ein. Während nun in allen Elementarzellen mit durchſichti⸗ gem Inhalte die Zellenkerne als ſcharf umſchriebene ſich wie angegeben verhaltende Körper erſcheinen, ſollen ſie ſich nach Henle und H. Müller in einer Reihe anderer Zellbil⸗ dungen, den Chylus-, Lymph-, Eiter- und farbloſen Blut— kügelchen ganz anders verhalten, durch Waſſer und Eſſig— ſäure zum Theil aufgelöſ't und unter Umſtänden in mehrere kleine Körner geſpalten werden, alſo nicht in dem Zuſtande, wie ſie in dieſen Medien ſichtbar werden, präeriſtiren. Aller⸗ dings läßt ſich nun in den vollſtändig granulirten Lymph⸗ 16 243 und Chyluskörpern vor der Anwendung von Reagentien nichts von einem Kerne erkennen; auf Waſſerzuſatz bilden fi) auch allerdings, wie es Müller beſchreibt, hellere Stel— len, Subſtanzlücken, welche ſich nähern, zuſammenfließen und ſo allmälig einen hellen Ring bilden; dieſer iſt aber nicht, wie es Müller will, der Kern, ſondern nur der körnige, durch das Waſſer veränderte Juhalt der Zelle; der wirkliche Kern zeigt ſich dann erſt, wenn bei fernerem Waſſer— zuſatze die dunkeln Fettkörner weiter von einander gerückt ſind und der ſonſt trübe, körnige Inhalt ſich geklärt hat. Jetzt erſcheint der wirkliche Kern, bald als kugeliger, bald mehr abgeplatteter, linſenförmiger oder ovaler, ſtark licht— brechender, lebhaft glänzender, ſcharf umſchriebener Körper. Die kleineren ſind bald ganz homogen, bald mehr oder we— niger körnig und zeigen, obſchon ſelten, deutliche Kernkör— perchen. Die Kerne der Chyluskörper platzen bei vermehrter Waſſeraufnahme ganz ſo wie diejenigen der früher beſchrie— benen Zellen mit einem deutlichen Rucke, wodurch auch ihre Blaſennatur erwieſen iſt. Die hier beſchriebenen Veränderungen des den Kern umgebenden Zellinhaltes wurden nun von Müller für Veränderungen und Theilungen des Kernes ſelbſt gehalten. Daß dieſer ſo, wie er nach Anwendung von Waſſer und Eſſigſäure erſcheint, wirklich präeriſtirt, beweiſ't ſein zwar nur vereinzeltes Sichtbarwerden in Lymphkörperchen, auf die weder Waſſer noch Eſſigſäure einwirkte: ſo ſieht man in friſchen Chyluszellen des Kaninchens die Kerne mit größter Schärfe, bald als homogene, bald körnige, ſcharf contou— rirte Blaͤschen von eben fo verſchiedener Form, wie fie ſpä— ter bei der Behandlung mit Waſſer erſcheinen. Auch über die Entwicklung des Chyluskörpers, auf welche ſich O. Müllers Angaben über die Beſchaffenheit der Kerne jener Zellen gründen, ſtimmen des Verf. Reſultate nicht mit den Beobachtungen jenes Forſchers überein. Nach Müller entſtehen die Chyluskörper als Körner— conglomerate, welche bereits das Material für ſpätere Be— ſtandtheile der Zelle, Kern, Inhalt und Membran, in ſich ſchließen; ein Theil der Subſtanz des Conglomerats ſam— melt ſich im Centrum, verdichtet ſich hier und bildet den Kern, der übrige wird zum Zellinhalt und zur Membran; dagegen fand der Verf. ſo wie es Kölliker angegeben, im Chylus Körper, die ſich durchaus wie Zellenkerne verhiel— ten und weder für ſich noch auf Waſſerzuſatz eine Membran oder eine ſonſtige umhüllende Subſtanz wahrnehmen ließen, mithin als freie Zellkerne zu betrachten ſind. Zwiſchen ihnen finden ſich dann wieder ganz ähnliche, aber ſchon mit einer höchſt zarten Membran umkleidete Kerne; ob in— deß dieſe Membran den Kern zunächſt umkleidet, oder ob letzterer noch mit einer dünnen Schicht durchſichtiger, gal— lertartiger Subſtanz umlagert wird, konnte der Verf. nicht entſcheiden, indeß eine ſolche Umlagerung des Kernes ohne gleichzeitige Entſtehung der Zellmembran nicht beobachten. Die jungen Kerne der Chyluskörper ſind bei ihrem erſten Entſtehen deutliche Bläschen, homogen und lebhaft glänzend und werden erſt ſpäter körnig und weniger glänzend, wäh— rend ſie nach Müller aus einem mattkörnigen Körner— 126. VI. 16. 244 conglomerate entſtehen, ſich verdichten und zu kleinen homo— genen glänzenden Kernen werden ſollen. Sie meſſen, wenn ſie noch keine Zelle umkleidet, nach dem Verf. 0,0005 — 0,0020“, tiefung, löſen ſich jedoch keinesweges auf; nach einem grö— ßeren Zuſatze von Waſſer oder kauſtiſchem Kali berſten ſie ruckweiſe. Die Kerne werden mit der Ausbildung immer körniger; neben dieſen bläschenartigen freien Kernen finden ſich im Chylus wie im Eiter bisweilen kleine, in kauſtiſchem vermerkt in die kleinen bläschenartigen Kerne übergehen. Die Chyluskörper entwickeln ſich demnach auf folgende Weiſe. Im Cyſtoblaſtem entſtehen kleine, ſich wie die Kern— ſubſtanz verhaltende Molecüle; wahrſcheinlich vergrößern ſich dieſe durch Intusſusception, bleiben aber anfangs noch ho— mogen und lagern bald früher bald ſpäter die übrigen Theile der Zelle, einen waſſerhellen Inhalt und eine zarte Membran um ſich ab. Die Zellen und alle einzelnen Theile derſelben vergrößern ſich, die Kerne werden körnig, es ent— ſteht in ihrer Mitte bisweilen ein deutliches Kernkörperchen, die Zellmembran nimmt an Umfang zu und wird gegen Waſſer und Eſſigſäure widerſtandsfähiger; der Zellinhalt vermehrt ſich, bleibt aber nicht homogen und waſſerhell, ſondern wird trübe und mehr undurchſichtig, lagert ſeine Molecüle in ſich ab und veranlaßt ſo das fein-granulirte Anſehen des ausgebildeten Chyluskörpers. Die von Henle angegebene ſogenannte Spaltbarkeit der Kerne, ein Zerfallen des gleichmäßig körnigen Zellin— inhaltes in mehrere Portionen erfolgt beim Zuſatz von Waſſer und Eſſigſäure. Die Eiterkörperchen ſchwellen etwas auf, die feine durchſichtige Zellmembran hebt ſich in Form eines Ringes oder einer Sichel von einer körnigen Kugel, dem Zellinhalt, ab; dieſe Kugel verkleinert ſich und allmälig treten die als einfache oder mehrfach getrennte oder mehr oder weniger verſchmolzen bezeichnete Kerne hervor, die aber nach dem Verf. nichts anderes als zuſammengeballte Por— tionen des Zellinhaltes ſind, auch von den wirklichen Zell— kernen im Anſehen ſehr abweichen. Die wirklichen Kerne, ganz beſonders junger Zellen, wie dies die Eiterkörper ent— ſchieden ſind, haben niemals ein mattgraues, wenig glän— zendes, in ihrer Mitte ganz granulirtes Anſehen, wie es jene vermeintlichen Kerne zeigen, ſind vielmehr entweder ganz homogen, oder zeigen in einer hellen, homogenen mehr oder weniger lebhaft glänzenden Subſtanz einzelne meiſt ſcharf umſchriebene dunkle Körnchen; ferner ſind ſie ſcharf und dunkel contourirt, was bei den angeblichen Kernen nie— mals der Fall if. Auch läßt ſich nicht wohl einſehen, wo bei einer ſolchen Deutung der Sache der körnige, in den Eiterkörperchen meiſt ſehr beträchtliche Inhalt geblieben wäre, da ein Berſten der Zellmembran und ein Entlaſſen desſelben nach außen nicht wahrgenommen wird. Dieſer körnige In— halt iſt überdies in Waſſer unlöslich, wird auch von ver— dünnter Eſſigſäure nur langſam gelöſ't, kann alſo nicht deßhalb ſo plötzlich verſchwinden; überdies ſieht man bei fernerem Einwirken des Waſſers und der Eſſigſäure, wie ſich bisweilen die zuſammengetretenen Molecüle wieder trennen 245 126. und unter lebhafter Molecularbewegung im Innern der aus— gedehnten Zelle vertheilen. Während nun bei weiterer Einwirkung von Waſſer oder verdünnter Eſſigſäure die nach Abhebung der Zellmem— bran erſcheinende körnige Kugel ſich allmälig verkleinert und ſich die kleinen Molecüle derſelben vertheilen, treten nun ſchließlich ein- oder mehrfache Körper hervor, die ſich voll— kommen wie Zellenkerne verhalten, den lebhaften Glanz, die ſcharfe Contour und alle übrigen Eigenſchaften derſelben be— ſitzen, ſich auch bei fortgeſetzter Einwirkung der Medien nicht weiter verändern. Niemals bemerkt man an einem ſolchen wirklichen Kerne eine Spaltung oder ein Einreißen; die ſo— genannte Spaltbarkeit des Zellenkernes iſt demnach nichts als eine Auflöſung des um den Kern gelagerten Zellinhal— tes aber kein am Kerne ſelbſt vorgehendes Phänomen. Nach H. Müller ſollen, je nachdem man Waſſer oder Eſſigſäure anwendet, je nach der ſchnellen oder langſamen Einwirkung dieſer Agentien im Innern des Eiterkörpers ver— ſchiedene Erſcheinungen hervortreten. Der Verf. kann dies nur beſtätigen, ohne indeß Müllers Anſicht, der alles, was nach Abhebung der Membran in den Zellen übrig bleibt, als Kern betrachtet, zu theilen. Beim langſamen Zuſatze von Waſſer bleibt nämlich der Zellinhalt häufig in Form einer körnigen zuſammenhängenden Maſſe um die von ihm verdeckten Kerne liegen und erhält ſo den Anſchein eines einfachen Kernes, während bei Zuſatz von Eſſigſäure, welche den Inhalt ſchnell auflöſ't, die mehrfachen Kerne der Eiter— körper klar hervortreten. Dieſe ſcheinbare Verſchiedenheit der Kerne je nach den angewandten Reagentien verſchwindet aber, wenn man bei den mit Waſſer behandelten Eiterkör— perchen ſo lange wartet, bis ſich der Inhalt völlig vertheilt und die Kerne als ſcharf umſchriebene, den Zellkernen ande— rerer Elementartheile analoge Bildungen hervorgetreten ſind. Die Zahl dieſer Kerne iſt dann in einem und demſelben Eiter oder Blute nicht mehr verſchieden. So fand der Verf. in den farbloſen Blutkörperchen eines Kaninchens in einem Falle meiſt 5 bis 7, im andern 6 bis 9 völlig getrennte oder mehr oder weniger verſchmolzene Kerne. Dieſe wahren Kerne der Eiter- und farbloſen Blutkörperchen erſcheinen bei einer Behandlung mit Waſſer um ſo ſchneller und deut— licher, je geringer die Menge des körnigen Zellinhaltes und je leichter dieſer löslich iſt. Die Kerne der Eiterkörperchen entſtehen nach dem Verf. auch nicht, wie es H. Müller annimmt, als körnige Klum— pen, die ſich gleichzeitig mit der Zellmembran und dem In— halte aus einem Körnerconglomerate bilden, ſondern erſchei— nen ſchon vor der Bildung der Zelle als kleine, homogene, ſcharf begrenzte Bläschen von 0,0005 bis 0,0020“ Diürch— meſſer, die ſich gegen Eſſigſäure und Waſſer ganz ſo wie die Kerne anderer Elementarorgane verhalten und ihre Bläschennatur durch ein plötzliches Aufſchwellen und ruck— weiſes Berſten auf Zuſatz verdünnten Atzkalis außer Zweifel ſtellen. Um ſie bildet ſich erſt die Membran des Eiterkör— perchens; der Inhalt der jungen Eiterzellen iſt noch durch— ſichtig, ihr Kern bald ganz homogen, bald etwas körnig, ſpaltet ſich aber niemals, zerfällt auch nie in einzelne Kör— VI. 16. 246 ner; ſelbſt die häufig vorkommenden bisquit- und kleeblattartigen Geſtalten derſelben laſſen ſich nicht weiter ſpalten; dagegen ſieht man häufig 2 bis 4 völlig getrennte Kerne, kurz alle diejenigen Kernformen, welche durch Waſſer und Eſſigſäure an den granulirten Eiterkörnern hervortreten, ſchon in den jungen noch durchſichtigen Eiterkörpern präeriſtiren. Der Verf. glaubt ſomit genügend bewieſen zu haben, daß eine partielle Auflöſung oder Spaltung des Kernes an den ſogenannten granulirten Zellen, den Chylus-, Lymph-, Eiter- und farbloſen Blutkörperchen, nicht exiſtirt, daß dieſe Annahme vielmehr auf einer nicht gehörigen Unterſcheidung des Zellinhaltes von Zellenkernen beruht. Die Kerne jener granulirten Zellen verhalten ſich demnach eben ſo, wie die aller übrigen Kernzellen; ſie zeigen nach Behandlung mit Waſſer und Eſſigſäure nur die bekannten Diffuſtonsphä— nomene, ohne indeß eine Umänderung ihrer Geſtalt ſelbſt zu erleiden. XXVI. über das corpus striatum des Vogel— gehirns. Von Bryant und Pappenheim. Die Verf. glauben durch ſorgfältige vergleichende Unter— ſuchungen des Gehirns verſchiedener Vogelarten und die ſich hierbei zeigende verſchiedene Entwicklung der Theile des Ge— hirns die Beziehungen ſeiner Organe zu den Functionen mit mehr Sicherheit, wie es bisher geſchehen, nachweiſen zu können. No. 9 der Comptes rendus von 1848 enthält einen Auszug ihrer Arbeit. Die Hemiſphären find, nach Flourens Unterſuchungen, die wichtigſten Gehirntheile, der Sitz der Intelligenz und des Inſtinkts; es bleibt nunmehr nachzuweiſen, welche Func— tionen wiederum an ihre verſchiedene Theile geknüpft ſind. Einer der Verf. betrachtet die Gehirnhemiſphären als drei concentriſche Blätter, von denen die beiden äußerſten zum größten Theil aus den rein centralen Elementen be— ſtehen; ſie können, wie die Geſchichte der Mediein und Chi— rurgie beweiſ't, nicht Sitz der geiſtigen Fähigkeiten ſein, laſſen ſich vielmehr entfernen, ohne letztere zu vernichten. Auch der Verf. entfernte dieſe äußern Schichten mehr oder weniger, ohne eine Verminderung der geiſtigen Fähigkeiten wahrzunehmen; dieſe müſſen demnach der Mittelſchicht an⸗ gehören. Dieſe Mittelſchicht hat kein eigentliches Centrum, be— ſteht vielmehr aus Ganglienkörpern, die weder mit der In— telligenz noch dem Inſtinete im Zuſammenhange ſtehen, ſondern zur Ernährung und Reproduction der Faſern dienen. Die Größe und Geftalt dieſer Ganglienkörper iſt dem— nach für die geiſtigen Fähigkeiten unweſentlich; die Geſtalt iſt vom Alter und der Entwicklungsperiode abhängig, die Größe durch die individuelle Entwicklung des Thieres be— dingt. Die Ganglienkörper ſind bei den Vögeln eben ſo groß wie bei den Säugethieren, die größten finden ſich in der Spitze des vierten Lappens und in der Rindenſchicht des kleinen Gehirns, welches allein auf die Bewegungen von 16 * 247 Einfluß iſt, während die minder entwickelten Hemiſphären der Sitz der höhern Thätigkeiten ſind. Die größten Ganglien— körper ſind überdies die älteſten, die kleinſten die jüngſten. Es bleiben nun noch die Faſern zu unterſuchen; ſie bilden zwei Arten, die einen ſind Fortſetzungen der untern, an der Peripherie entſpringenden Faſern, die andern ſind von Anfang her central. Da nun phyſtologiſche Verſuche in den Hemiſphären weder Gefühl noch Bewegungsvermögen nachweiſen, ſo erhellt hieraus, daß ſelbſt die peripheriſchen Faſern ihre peripheriſchen Verrichtungen verlieren, es bleibt demnach die Urſache dieſer Functions veränderungen nachzu— weiſen. Die Verf. glaubten ſie in der mechaniſchen An— ordnung der Faſern zu finden und ſchenkten daher derſelben beſondere Aufmerkſamkeit. An der Baſis des Gehirns findet ſich nahe am äußern Rande ein weißer Streifen, deſſen Länge, Breite und Dicke, ingleichen ſeine Richtung bei verſchiedenen Vogelarten ver— ſchieden iſt. Dieſer Streifen nimmt faſt die ganze Ober— fläche der Baſis ein und breitet ſich in den hintern Theil der Hemiſphärenmaſſe, die man als corpus striatum bezeich— net hat, aus, wendet ſich darauf nach oben und dann nach vorn und bildet ſo einen Bogen, deſſen Höhlung nach vorn gerichtet iſt. Vergleicht man nun dieſe Anordnung der Fa— ſern mit der derſelben Faſern beim Hunde, ſo zeigt ſich eine entſchiedene Identität dieſes Gehirntheiles mit dem ſogenann— ten Ammonshorne, und ſomit hätten die Verf. bewieſen, daß 1) bei den Vögeln das ſogenannte corpus striatum aus verſchiedenen Theilen beſteht und höchſtens nur der vor— dere Theil wirklich dem corpus striatum entſpricht, während der hintere Theil dem Ammonshorne identiſch iſt; 2) der weiße Streif, deſſen Beziehung man bisher nicht kannte, mit verſchiedenen Theilen des Gehirus in Zuſammenhange ſteht. Da aber dieſer Streif bei einigen Vögeln, dem Cormoran, wie ſich die Verf. zu entſinnen glauben, fehlt, ſo kann auch dieſer Theil, der bei den Säugethieren mit zur Bildung des nervus olfactorius thätig iſt, nicht weſentlich ſein, muß über— dem, da ſein Verlauf bei verſchiedenen Vögeln verſchieden iſt, auch verſchiedene Verrichtungen beſitzen, der Geruchsnerd kann demnach nicht allein aus dem Centro, ſondern auch an verſchiedenen anderen Stellen des Gehirns entſpringen. 126. VI. 16. 248 Miſeellen. 39. Im Golf von Baku findet ſich, nach einer brieflichen Mittheilung des Dr. Abich an E. Fritzſche, eine ausgedehnte Gruppe von Gas quellen, deren Brenngas mit ſolcher Heftigkeit und Fülle hervorſtrömt, daß ſich ein Nachen kaum in ihrer Nähe zu halten vermag. Die Ausſtrömungen finden in einer Tiefe von 3 Faden Statt; angezündet brennt das Gas auf der ruhigen Mee⸗ resfläche fort, bis ein Windſtoß es auslöſcht. Abich ſtellte gleich- falls Beobachtungen über den Waſſerſtand des kaſpiſchen Meeres an; er fand das Lenziſche Zeichen, das man bei Baku verloren glaubte, wieder auf, wodurch die Meſſungen des Waſſerſtandes der letztern Jahre für dieſen Ort wieder brauchbar und ſchätzenswerth wurden; mit ihnen verband er meteorologifche Beobachtungen, welche auf der dort begründeten meteorologiſchen Station fortgeſetzt wer— den. Die Schwankungen des Waſſerſtandes werden darnach durch dreierlei periodiſche Bewegungen, die hier herrſchenden Winde, ums fangreiche Oſeillationen durch die Jahreszeiten und ein zwar noch unerklärtes Steigen und Fallen des mittleren Meeresniveaus ſelbſt, veranlaßt. (Bulletin de la classe physico- mathématique de St. Petersbourg, No. 144.) 40. Zur Scheidung der Kieſelſäure aus den Pflan⸗ zen giebt Dr. C. T. Jackſon folgendes Verfahren an: die Pflanzentheile werden gequetſcht oder ſonſtwie zerkleinert mit Waſſer befeuchtet und in einen Bleicylinder gebracht, der an einem Ende mit einer engen, in ein Glas mit Waſſer führenden Röhre, an dem anderen mit einem Bleigefäß, das mit gepülverten Fluß⸗ ſpath und concentrirter Schwefelfäure erfüllt iſt, verbunden wird. Der Boden des letzteren wird vorſichtig, jedoch unter dem Schmelz⸗ punkte des Bleies erhitzt; die Fluorwaſſerſtoffſäure ftreicht über die Pflanzentheile hinweg, löſ't ihre Kieſelſäure auf und geht als Kieſelfluor-Waſſerſtoffſäure in das vorgeſchlagene Waſſer, in wel⸗ chem ſich die Kieſelſäure als gallertartige Maſſe abſcheidet. Die nunmehr gut ausgewaſchene Pflanzenfaſer iſt frei von Kieſelſäure. (The Edinburgh new philosophical Journal 1847.) 41. Das normale Vorkommen des Kupfers im thieriſchen Körper folgert Dechamps aus der Gegenwart desſelben im Diluvium, wo ſowohl das Kupfer wie das Eiſen aus einer Zerſetzung kupferhaltiger Eiſenſulfüre herſtammt. Die Pflan⸗ zen nehmen dieſes Kupfer aus dem Boden, und die Thiere erhalten es wieder durch ihre Pflanzennahrung; ferner ſchreibt er das bei Menſchen und Thieren gefundene Kupfer und Blei zum Theil auf Rechnung der benutzten Kupfergeräthe. Selbſt einem Lande, das wirklich frei von kupferhaltigen Eiſenſulfüren wäre, wird durch den Dünger Kupfer zugeführt. Die Aufnahme desſelben durch die Pflanzen wird durch ſein Vorkommen im Carbonatzuſtande, wo es in kohlenſaurem Ammoniak löslich iſt, ſehr befördert. Das kupfer⸗ haltige kohlenſaure Ammoniak wird in der Pflanze zerſetzt, das Kupfer bleibt bei der entſtandenen Proteinverbindung und geht hier vielleicht eine ähnliche Verbindung wie mit gewiſſen Ammoniak⸗ ſalzen ein. (Comptes rendus, No. 3. 1848.) Seilkunde. (XV.) über die Anwendung des Galvanismus bei der Behandlung gewiſſer Lähmungen der untern Extremitäten. Von Dr. Conſtantin James. (Schluß.) Allgemeine Betrachtungen. Bei der Lähmung der Beine kann ausſchließlich die Bewegung oder das Ge— fühl aufgehoben ſein. In der Regel ſind aber beide, jedoch in verſchiedenen Graden angegriffen, und gewöhnlich hat die Bewegung ſtärker gelitten als das Gefühl. In dieſer Beziehung ſind bei Lähmungen des Geſichts beide Functionen mehr unabhängig von einander, und dies iſt ſehr begreif— lich, da in Bezug auf das Geſicht zwei beſondere Nerven, das fünfte und ſiebente Paar, einestheils das Gefühl und anderntheils die Bewegung vermitteln, während in den un— tern Extremitäten dieſe beiden Nerven durch zwei Wurzeln 249 repräſentirt werden, welche ſich bald zu einem einzigen Ner— ven verbinden. Die Erſcheinungen der Paraplegie brauche ich hier nicht näher zu ſchildern, indem ich nur die Hauptumſtände hinſichtlich ihrer Behandlung durch Galvanismus anzuzeigen gedenke. Vor allem muß man ſich gründlich davon überzeugen, daß die Lähmung nicht von einer organiſchen Krankheit des Rückenmarkes oder feiner Hüllen herrühre. Wenn eine De— formität des Rückgrats, ein abnormes Hervortreten oder Zurücktreten eines Wirbelbeines, ein dumpfer Schmerz, ein Absceß, eine mit dem Rückgratscanale communicirende Fi— ſtel, kurz eine materielle Verletzung vorliegt, ſo muß man auf die Anwendung des Galvanismus verzichten. Derſelbe darf ferner nicht zur Anwendung kommen, ſo lange Fieber oder andere entzündliche Symptome vorhanden ſind. Dagegen kann man ſich desſelben zutrauensvoll bedienen, wenn man es mit ſogenannten weſentlichen Paraplegien zu thun hat, welche von einer Störung der Functionen des Rückenmarkes ohne ermittelbare krankhafte Veränderung ſeines Gewebes abhängen. Weil man dieſe Diagnoſe vernachläſſigt und den Galvanismus aufs Gerathewohl angewandt hat, waren die Reſultate ſo häufig unerwünſcht. Man hat dann das Mittel getadelt, ſtatt den Grund in deſſen ungehörigem Ge— brauche zu ſuchen. In zweifelhaften Fällen ſtehe ich nicht an, den Gal— vanismus zu verſuchen, aber in einer Doſis, welche zu ſchwach, um zu ſchaden, jedoch immer ſtark genug iſt, um anzuzeigen, ob das Mittel nützlich oder ſchädlich wirkt. So wurde ich in den erſten Tagen des Novembers 1846 zu einem meiner Collegen, dem Dr. A. gerufen, an welchem ſich ſeit 2 Monaten alle Kennzeichen eines Rückenmarkslei— dens kund gaben. War aber ein organiſches Leiden vor— handen? Folgende Umſtände machten dies gerade nicht un— wahrſcheinlich. Die Lähmung der Beine war vollſtändig und an den— ſelben keine Spur von Empfindungs- oder Bewegungsfähigkeit zu bemerken. Die Blaſe und der Maſtdarm hatten ihre Contractilität in dem Grade eingebüßt, daß vollſtändige in- continentia urinae und der faeces vorhanden war. Auch die Arme waren angegriffen. So war der Kranke äußerſt ungeſchickt geworden; er konnte weder ſchreiben, noch irgend etwas mit den Fingern halten, und er klagte über Abſtum— pfung des Taſtſinnes. Die Bewegungen des thorax waren ſchwierig, ungleich und durch tiefes Einathmen in ihrem Rhythmus geſtört, die Sprache ſchwerfällig; in der hintern Kehlgegend ein Gefühl von Zuſammenſchnürung nebſt Schwie— rigkeit des Schlingens, namentlich flüſſiger Nahrungsmittel. Endlich war merklicher strabismus vorhanden, welcher an denjenigen erinnerte, den man willkürlich veranlaſſen kann, wenn man bei Thieren gewiſſe Theile des kleinen Hirns oder der Varolsbrücke verletzt. Alle dieſe Symptome hatten ſich ſtufenweiſe und ohne bekannte Veranlaſſung entwickelt, indem zuerſt die Beine und dann die höheren Gegenden angegriffen wurden, als ob das Leiden Schritt vor Schritt in dem Rückenmarke bis an 126. VI. 16. 50 IS deſſen oberes Ende emporgeftiegen ſei. Übrigens war der Vater des Patienten an einer organischen Rückenmarkskrank— heit geſtorben. Vier Fontanellen wurden längs der Wirbelſäule gelegt, allein die Lähmung durch dieſelben nur verſchlimmert. Der Zuftand des Kranken ward nun um ſo furchtbarer als man wegen der Schmerzen, welche die Wunden am Rücken ver— urſachten, nicht mehr wußte, wie man ihn im Bette legen ſollte. Die Unwirkſamkeit der Fontanellen, die Abweſenheit von Schmerzen im Rückenmark, ſowohl vor als während der Krankheit, der fieberfreie Zuſtand und andere Umſtände ließen hoffen, daß nur ein einfaches Nervenleiden und keine krankhafte organiſche Veränderung vorliege. Ich wandte das Galvaniſiren an. Schon bei der dritten Sitzung zeigte ſich Beſſerung, und nach einigen Monaten trat Reconvales— cenz ein. Angenommen, daß bei einer Paraplegie das Gewebe und die Hüllen des Rückenmarks unverſehrt ſeien und auch keine andere Gegenanzeige vorliegt, wie hat man dann zu verfahren? Bei Gelegenheit der Beobachtung an Frl. T. iſt dies großentheils ſchon gezeigt worden und ich brauche alſo darüber nur noch wenig zu bemerken. Der Apparat, deſſen Hr. Magendie und ich uns gewöhnlich bedienen, iſt der elektromagnetiſche des Hrn. Clarke. Derſelbe wirkt ſehr gelinde, und man kann die Strömung bequem ſteigern. Außer der großen Bequemlich— keit der Anwendung bietet er vor den Trogbatterien einen weſentlichen Vorzug dar, daß er nämlich auch ohne Nadeln und ohne vorherige Beſeitigung der epidermis benutzt were den kann. Einer der Conductoren, derjenige, welcher mit dem Zinkpole communieirt, wird über dem letzten Lendenwir— bel ſo angelegt, daß er auf das Rückenmark ſelbſt ein— wirkt. Der andere Conductor, d. h. der Kupferpol, muß dem Kopfe des Wadenbeines entſprechen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß dieſe Stelle die günſtigſte iſt. Dort liegt der nervus ischiaticus poplitaeus externus ſehr oberflächlich und alſo der Strömung ſehr zugänglich. Man muß ſich hüten, die Pole ſchnell umzutauſchen. Legt man den Kupferpol an die obere und den Zinkpol an die untere Nadel, ſo kann dieſe Umkehrung eine zu ſtarke Erſchütterung veranlaſſen, welche dem Kranken durchaus keinen Nutzen bringt. Die Nadeln wende ich gewöhnlich erſt nach einigen Sitzungen an, wenn ſich mit Sicherheit ergeben hat, daß der Galvanismus günſtig wirkt. Durch die Nadeln erreicht man begreiflicherweiſe eine viel kräftigere Wirkung, indem die Elektricität gleich mitten in die Muskeln gelangt. Was die Wahl und Einſenkung der Nadeln, ſowie die von mir an dem Clarkeſchen Apparate vorgenommenen Veränderungen anbetrifft, fo verweiſe ich auf meine früheren Mittheilun— gen *). Auch wird man die Diſſertation des Hrn. de Puiſaye: De IElectricite considerdee comme moyen the- *) S. Bd. XVII. No. 20 und 21 der Neuen Notizen. 251 rapeutique über dieſen Gegenſtand mit Nutzen zu Rathe ziehen können. Die unmittelbare Wirkung des Galvanismus auf die gelähmten Gliedmaßen iſt nicht immer dieſelbe. Während der erſten Sitzungen veranlaßt er in der Regel nur ſchwache, zuweilen kaum bemerkbare Contractionen. Dagegen ſind mir auch Fälle vorgekommen, in denen ſich die Muskeln alsbald ſehr kräftig zuſammenzogen, obgleich die willkürlichen Bewegungen faſt gänzlich aufgehoben waren. Gewiſſe Muskeln ſcheinen der Einwirkung des Gal— vanismus hartnäckiger zu widerſtehen als andere. Man muß dieſe dann direct angreifen, indem man eine Nadel in ihr Hauptbündel einſenkt. Ich wende auf dieſe Weiſe manch Mal in derſelben Sitzung 5—6 Nadeln an. Man muß vermeiden, die Nadeln in die ſehnigen oder aponeurotiſchen Theile einzuſtechen; denn man würde dadurch weit größere Schmerzen und faſt gar keine Contractionen veranlaſſen. Es thut ſelten gut, die Elektricität in Form einer un= ausgeſetzten Strömung anzuwenden. Beſſer iſt es, die Nadel ſchnell hinter einander zu berühren und mit der Doſis der Elektricität nach und nach zu ſteigen, jedoch nie ſo hoch, daß heftige Schläge ertheilt werden. Man darf in dieſer Beziehung der Ungeduld mancher Patienten, welche ſchnell geheilt ſein wollen, nicht willfahren. Läßt man eine zu ſtarke Strömung durch den Nerven gehen, ſo überreizt und betäubt man ihn, wodurch natürlich die Lähmung verſchlim— mert wird. Wer wüßte nicht, daß der Schlag einer Leydner Flaſche ein unangenehmes Gefühl zurückläßt, das oft mehrere Tage anhält! Die Beſſerung tritt gewöhnlich erſt einige Stunden nach jeder Sitzung, zuweilen auch erſt am folgenden Tage ein. Oft verſpüren die Patienten von einer Sitzung zur andern Ameiſenlaufen, Zucken, kurze ſchießende Schmerzen in dem Laufe der gelähmten Nerven als ob durch die Einwirkung des Galvanismus ein organiſcher Proceß im Innern ders ſelben angeregt worden ſei. Wenn dieſe Empfindungen ſich innerhalb gewiſſer Grenzen halten, ſo ſind ſie von günſtiger Vorbedeutung. Wenn, nachdem die Behandlung eine Zeit lang ge— dauert hat, die Beſſerung zum Stillſtand gelangt, ſo muß man die Sitzungen unterbrechen und erſt nach einigen Wo— chen wieder aufnehmen. In dieſer Zwiſchenzeit befeſtigt ſich die bereits erlangte Beſſerung oder ſie ſchreitet vielleicht ſelbſt fort. Bei der Wiederaufnahme der Behandlung ſtellt ſich aber faſt immer ſogleich ein merklicher Erfolg heraus, und es ſcheint daher, als wenn ſich der Organismus an die Ein— wirkung des Galvanismus in der Art gewöhne, daß der letztere bei längerer ununterbrochener Fortſetzung ſeine Dienſte verſagt. Während der Behandlung müſſen die Patienten eine ſtärkende Diät beobachten, z. B. bittere Getränke, Braten, mit Waſſer verdünnten, auch wohl unvermiſchten, abgelager— ten Bordeaurwein genießen. Man veranlaßt den Kranken täglich mehrmals die gelähmten Gliedmaßen zu bewegen und frottirt dieſelben, ſowie die Wirbelſäule, kräftig mit einer trocknen oder mit einer ammoniacaliſchen Flüſſigkeit befeuch- 126. VI. 16. 252 teten Bürſte. Auch wird das Kneten ſehr günſtig wirken, indem es der Tendenz zur Atrophie der Muskeln entgegen⸗ arbeitet. Ich wende gewöhnlich neben dem Galsanismus innerlich durchaus keine Medicamente an. Nur gegen das Ende der Cur hin laſſe ich, wenn noch einige Schwäche in den Beinen zurückgeblieben iſt, die Kranken einige Schwefel— bäder nehmen oder ich ſchicke ſie, wenn es angeht, ins Bad. Unter allen Heilquellen habe ich die von Bagneres-de-Luchon am zuträglichſten gefunden. Auch Seebäder haben in man— chen Fällen ſehr gute Dienſte gethan; allein nur unter der Bedingung, daß bei den Patienten nach dem Bade die Haut— wärme ſchnell wiederkehrte. Die Paraplegiſchen ſind in der Regel gegen Kälte ſehr empfindlich. Deßhalb thut man beſſer, die Cur im Sommer als im Winter zu unternehmen. Es giebt nicht einen Kranken, welcher nicht alsbald den Arzt fragte, wie lange die Cur dauern werde. Leider läßt ſich in dieſer Beziehung nichts zuverläſſiges beſtim⸗ men. Die Paraplegien, bei denen die Bewegung aufgehoben iſt, ſcheinen ſich ſchneller beben zu laſſen, als die, bei denen das Gefühl verſchwunden iſt. Allein ſo wirkſam die Be— handlung auch ſein mag, ſo macht ſie doch keine ſo raſchen Fortſchritte, wie bei den Lähmungen des Geſichts. Es find mir Fälle vorgekommen, wo Geſichtslähmun— gen binnen 8 Tagen gehoben wurden. Erſt neulich habe ich einen alten Officier, deſſen Geſichtszüge völlig verzerrt waren, binnen 5 Sitzungen hergeſtellt. Zur Heilung einer Paraplegie durch den Galvanismus gehören aber faſt nie weni— ger als mehrere Wochen; öfters gehen Monate darüber hin. Läßt ſich wohl genau erklären, wie der Galvanismus auf die gelähmten Nerven einwirkt? Meiner Anſicht nach nicht. Die Analogie, welche man zwiſchen dem angeblichen Nervenfluidum und der Elektricität hat aufſtellen wollen, hat die Frage nur verwidelter gemacht, ſtatt ſie zu verein⸗ fachen. Übrigens verhalten ſich die Nerven durchaus nicht wie einfache Elektricitätsleitr. Man ſchneide die hintere Wurzel eines Rückenmarksnerven durch, und man wird ſich vergebens bemühen, durch das peripheriſche Ende dieſer Wur— zel oder auch durch die vordere Wurzel eine galsanifche Strömung ſtreichen zu laſſen; der gänzliche Verluſt des di— recten und rücklaufenden Empfindungsvermögens hebt die Wirkung des Galvanismus ganz auf. Dieſe wird jedoch ſehr merklich Statt finden, wenn man die Strömung durch das an dem Rückenmark feſt ſitzende Ende der hintern Wurzel ſtreichen läßt. Der Nerv wirkt alſo anders als ein Elektricitätsleiter, da die Veränderung feiner Beziehungen zum Nervenſyſteme denſelben zur Fortpflanzung des elektri- ſchen Fluidums ungeſchickt macht. Hr. Magendie, welchem man dieſen Verſuch ver— dankt, ſchließt aus demſelben: „daß die Nerven, wenn ein elektriſcher Strom durch dieſelben ſtreicht, nicht vermöge ihrer phyſicaliſchen, ſondern vermöge ihrer phyſtologiſchen Eigenſchaften auf das Herz wirken *), und hierin liegt ein ) Da jede lebhafte Empfindung auf das Herz zurückwirkt und deſſen Thatigkeit mopificirt, fo bringt Hr. Magendie, um die Eindrücke, die das Thier empfindet, zu beurtheilen an die arteria carotis ein kleines Inſtru⸗ 253 neuer Beweis dafür, daß die Eleftricitat und die Nerven— ſtrömungen zwei Potenzen ſind, die man nicht für dasſelbe, ja nicht ein Mal für etwas gleichartiges halten darf.“ Hr. Magendie hat ferner durch andere Verſuche feſt geſtellt, daß unter der Anregung von Seiten des Galvanis— mus die Reaction des Herzens ſtärker iſt, wenn die hintern als wenn die vordern Nervenwurzeln gereizt werden, und daß ſie im graden Verhältniß zum Empfindungsvermögen beider Nerven ſteht. Dieſe Reſultate ſind unſtreitig ſehr merkwürdig, allein es iſt noch zu ermitteln, was in einem Nerven vorgeht, welcher unter dem Einfluſſe des Galvanismus feine Bewe— gungs- und Empfindungskraft wieder gewinnt. Vielleicht gehört dieſe Frage ebenſowohl in das Gebiet der Phyſik als in das der Phyſiologie. Da es mir darauf ankommt, dieſe Arbeit ſo praktiſch als möglich zu machen, ſo bemerke ich ſchließlich noch im allgemeinen, daß der Galvanismus, rechtzeitig angewandt, ein mächtiges, wenig ſchmerzhaftes, gefahrloſes Mittel iſt, welches in den meiſten Fällen mit Vortheil an die Stelle anderer Behandlungsarten treten und oft noch gelingen kann, wenn dieſe nichts ausgerichtet haben. (Gaz. méd. de Paris, 10. et 15. Mars 1848.) (XVI.) Bauchfellentzündung mit Eiterergießung. Freiwilliges Abziehen des Eiters durch die Bauch— wandungen. Geneſung. Von C. J. B. Aldis, M. b. Da nachſtehender Fall zu den Seltenheiten gehört, ſo glaube ich ihn meinen Collegen mittheilen zu müſſen. Suſan Bagg, 7 Jahre und 4 Monate alt, kam den 1. Juni 1846 im London Dispensary in meine Be— handlung. Am 3. des ſelben Monats beſuchte ich ſie mit Hrn. Lewis. Der Puls war geſchwind, die Zunge rein, der Stuhlgang angeblich normal, der Harn ſpärlich. Die Patientin lag auf der rechten Seite. Ihr Geſicht war ſehr abgemagert, die Züge ſcharf, der Ausdruck derjenige der Beängſtigung, auch die Arme und Beine waren gewaltig mager. Unterleib ſtark aufgetrieben, mit vorgequollenem Nabel und deutlich ſchwappend. Mitten zwiſchen dem Rippen— rande und dem Nabel bemerkten wir auf der rechten Seite eine kleine Geſchwulſt mit ſehr dünnen Wandungen. Vor etwa 11 Wochen hatte das Kind Fröſteln bekom— men, und auf dieſes waren Hitze, Erbrechen und Schmerz im Unterleibe erfolgt. Am folgenden Tage war delirium eingetreten und etwa 4 Wochen darauf die Auftreibung des Unterleibes zuerſt wahrgenommen worden. Dieſe Symptome waren von Fieber begleitet, und vorher hatte ſie Hr. Lewis wegen Pleureſie behandelt. Der Unterleib wurde dann ſorg— ment, ein ſogenanntes Cardiodynamometer oder kürzer Cardiometer an. Bei eder Contraction des Ventrikels ſieht man das Queckſilber in dem luftleeren öhrchen des Inſtrumentes oſellliren, und je nachdem der vom Herzen aus⸗ gehende Impuls ſtark oder ſchwach iſt, beurtheilt man den Grad der Em- pfindung. 126. VI. 16. 254 fältig unterſucht. Eine Verhärtung oder Vergrößerung der Leber ließ ſich eben ſo wenig entdecken, als die irgend eines andern Abdominaleingeweides. Die um die oben erwähnte Geſchwulſt her befindlichen Theile waren weich und nach— giebig. Sie ſchien mit keinem der Eingeweide in Verbin— dung zu ſtehen, und die Stühle enthielten durchaus keine eiterförmigen Stoffe. Was die Diagnoſe dieſes Falles anbetrifft, ſo hielt ich denſelben für peritonitis mit Ergießung und die kleine Ge— ſchwulſt, welche ſich an der Bauchwandung gebildet hatte, für eine Anſtrengung der Natur, die ergoſſene Materie aus: zuſtoßen. Die Sarnfecretion hatte ſich auf den Gebrauch einer von Dr. Pridie am 1. Juni verordneten Mirtur (3 Drachmen Salpeterätherſpiritus, 2 Serupel kohlenſaure Magneſia und 6 Unzen Kamphermirtur) einigermaßen ver— mehrt. Von derſelben war alle ſechs Stunden ein Eßlöffel voll gereicht worden. Es wurde damit fortgefahren und ein Breiumſchlag auf die Geſchwulſt gelegt. Den 8. Geſtern liefen aus einer in der Geſchwulſt am abdomen entſtandenen Offnung etwa 5 Quart Eiter, und demzufolge ſetzten ſich die Abdominalwandungen bedeu— tend. Der immer noch geſchwollene Unterleib bot nunmehr eine gleichförmige Wölbung dar und zeigte ſich überall ſchwappend. Von der Geſchwulſt oder einer zurückgebliebe— nen Cyſte war nichts wahrzunehmen. Die Patientin klagte über Schmerzen in den Hüften. Harn ziemlich reich und klar; Hüſteln. Es wurde der Patientin alle ſechs Stunden ½ Unze Salpetermirtur nebſt 10 Tropfen Salpeteräther— ſpiritus und zugleich eine Pille von Squilla und Calomel verordnet. H Den 12. Die Eiterung aus der Offnung im abdomen dauert fort und der Unterleib iſt nunmehr flacher geworden. Die Patientin iſt ſeit dem 8. täglich 4 — 5 Stunden außer— halb des Bettes geweſen. Dieſelben Arzneimittel. Den 15. Als ich die Patientin heute beſuchte, aß ſie mit gutem Appetite Fleiſch und Brot. Ihr Ausſehen hatte ſich bedeutend gebeſſert. Sie war täglich 6 — 7 Stunden lang aufgeweſen und konnte auf beiden Seiten liegen. Puls geſchwind; keine Verſtopfung; Harn nicht eiweißſtoffig. Ver— gangenen Dienstag Morgen war etwa ein Schröpfkopf voll Eiter aus der Offnung gefloſſen und dieſe eiterte noch fort. Dieſelben Arzneimittel. Den 19. Symptome noch ziemlich dieſelben. Der Patientin ward drei Mal täglich ½ Unze Enziantranf mit 12 Tropfen Salpeterätherſpiritus verordnet. Den 29. Aus dem abdomen fließt noch immer reich— lich Eiter. Zunge rein; keine Verſtopfung; Stühle zuweilen klumpig; abdomen noch immer geſchwollen, aber nicht em— pfindlich. 2 Drachmen Rieinusbl verordnet. Den 3. Juli. Die Eiterung iſt noch immer ſehr reich— lich. Zunge rein; Leib offen; Harn reichlich; Puls ge— ſchwind; Haut heiß. Heute Morgen dreimaliges Erbrechen. Ein aufbrauſender Trank mit 15 Tropfen Salpeteräther— ſpiritus drei Mal täglich. Wiederholung des Ricinusöls. Den 6. Klagt über Schwäche. Erbrechen ſehr ver— mindert. Mit derſelben Arznei wird fortgefahren. 255 Den 13. Der Ausfluß fährt fort, iſt aber mehr wäſſerig. Geſundheit und Kräfte haben ſich gehoben. Kann durchs Zimmer gehen. Den 20. Die Patientin kam in das London Dis- pensary, wo ſie ſich dem Apotheker Hrn. Gayton und mir vorſtellte. Die Eiterung war noch immer im Gange, und bei Druck auf die linke regio iliaca vermehrte ſich der Ausfluß. Indeß nahm die Magerkeit merklich ab. Zunge weißlich, mit einem rothen Streifen in der Mitte. Puls klein und geſchwind. Dieſelben Arzneimittel. Den 23. Kam wieder in die Anſtalt; war bedeutend kräftiger; konnte die Treppe allein herauf - und hinunter⸗ gehen; Zunge rein; Leib offen; Stühle natürlich; Harn reichlich; Puls geſchwind; Haut kühl. Dieſelbe Behandlung. Den 31. Das Anſehen hat ſich gebeſſert. Am vori— gen Tage war etwa ¼ Pinte Eiter ausgefloſſen; die Off: nung eitert noch, aber weniger reichlich. Über den Nabel gemeſſen, hat der Bauch 20 Zoll im Umfang (als zu An— fang der Krankheit das Anſchwellen desſelben eintrat, betrug der Umfang 31 Zoll); Zunge rein; Leib offen; Harn weni— ger reichlich. Dieſelbe Behandlung. Später wurde die Patientin zwei Mal von Dr. Bentley beſucht, welcher verordnete, daß mit der Arznei fortgefahren werde. Den 14. Sept. Da die Patientin nicht mehr in die Anſtalt kam, ſo beſuchte ich ſie zu Hauſe, wo ich ſie voll— kommen ‚gefund und wohl bei Leibe fand. Die früher eiternde Offnung war vernarbt. Bemerkungen. Vorſtehender Fall iſt in vielerlei Hinſicht intereſſant. Zuvörderſt iſt es bei Kindern ſehr un— gewöhnlich, daß die Bauchfellentzündung mit der Bildung einer natürlichen Offnung in den Bauchwandungen endigt. Es kommen wohl zuweilen Beiſpiele von partieller perito- nitis vor, wo ſich Absceſſe entwickeln und der Eiter mit den Stühlen abgeht. In dieſen Fällen iſt der Schmerz mehr auf eine beſondere Stelle beſchränkt und das Anſchwellen des Unterleibes weniger gleichförmig; allein daß bei einem Kinde allgemeine peritonitis den erwähnten Ausgang hat, iſt, ſo viel ich weiß, etwas höchſt ſeltenes. Ich habe viele Werke nachgeſchlagen, ohne etwas ähnliches aufgezeichnet zu finden. Ferner iſt die Prognoſe eines ſolchen Falles höchſt wichtig. Ich glaube, jeder praktiſche Arzt würde die— ſelbe ſehr ungünſtig geſtellt haben, da die Patientin ſo äußerſt abgemagert, der Puls geſchwind und der Unterleib 126. VI. 16. 256 ſehr aufgetrieben war, und da alle dieſe Symptome ſich in Folge eines vor 11 Wochen Statt gefundenen Anfalls von peritonitis eingeſtellt hatten und ſich fortwährend ſteigerten, bis die Natur ſelbſt für ein Auskunftsmittel ſorgte. Auch dürfen wir nicht verſchweigen, daß die Patientin unmittelbar vor dem Anfalle von peritonitis von Hrn. Lewis wegen einer Pleureſie behandelt worden war. Ein Arzt, der die Kranke beſuchte, ſagte mir, ſie leide an einer bösartigen Waſſerſucht und werde binnen wenigen Tagen ſterben. Der Fall giebt einen Fingerzeig in Betreff der Angemeſſenheit der (hier von der Natur ſelbſt bewirkten) Paracenteſe, ſelbſt unter Umſtänden, wo die Prognoſe bei Bauchfellentzündung der Kinder höchſt ungünſtig iſt. Von Dr. Robert Lee er: fahre ich, daß ihm mehrere Beiſpiele vorgekommen ſind, wo peritonitis puerperalis einen ſolchen Ausgang nahm, wie in dem vorliegenden Falle; allein an Kindern habe er nie etwas ähnliches beobachtet. (Edinburgh Med. and Surg. Journal, Oct. 1847.) Miſcelle. (30) Durch Verſuche in Betreff der chemiſchen Außerungen verſchiedener in den Organismus ein⸗ geführter Stoffe iſt Profeſſor Cl. Bernard (Archives gen. de Med., Fevr. 1848.) zu nachſtehenden Reſultaten gelangt. 1) Was gewiſſe metalliſche Compoſitionen betrifft, ſo ſind dieſelben im Magen ganz leicht und ſicher zu bewirken, im Blute aber un⸗ möglich. Wenn man alſo ein metalliſches Gift im Organismus mittels eines Gegengiftes zu verfolgen hat, welches nicht anders wirken ſoll, als indem es mit dem Gifte eine unauflösliche und indifferente Verbindung eingeht, fo iſt dies in Betreff des noch im Magen befindlichen Giftes durchaus ausführbar, für dasjenige Gift aber, welches bereits in das Blut übergegangen, ſchlechterdings unthunlich. 2) Die Gährungen, welche im Magen nur ſchwierig und ausnahmsweiſe erfolgen, können dagegen im Blute leicht Statt finden. Wären daher dergleichen Proceſſe im Blute zu veranlaſſen oder zum Stehen zu bringen, jo würde es der Theorie nicht wider⸗ ſprechen, dies zu verſuchen. 3) Unter den Zerſetzungen, die im Blute Statt finden können, ſcheinen wenigſtens die, aus welchen ein Gas hervorgeht, ſpeciell in den Lungen bewirkt zu werden, de= ren Inhalt in dieſer Beziehung die Rolle einer Säure ſpielt. Weil im Magen ein ſolches Agens vorhanden iſt, erfolgen daſelbſt Zer— ſetzungen fo leicht. 4) Es ſcheint, als ob in gewiſſen Fällen im Magen Orydationsproceſſe vor ſich gehen, wie im Blute und Harne Reductionsproceſſe Statt finden. Übrigens verdient dieſe wichtige Frage von den Chemikern aufs genaueſte ſtudirt zu werden, da das Arterienblut ſich in dieſer Beziehung anders wie das Venenblut, die Nieren anders wie die Blaſe verhalten dürften. Bibliographiſche Neuigkeiten. W. F. Stevenson. — The Non-Decomposition of Water distinctly Proved; in Answer to the Award of a Medal by the Royal Society, whereby the Contrary Doctrine is absolutely Atfirmed. 8. (pp. 108, sewed, 2 sh. 6 d.) London 1848. Sir John Richardson and J. E. Gray. — The Zoology of the Voyage of H. M. SS. Erebus and Terror, under the conan f of Capt. Sir 2 (5 Ross, during the Years 1839 to 1843. (Parts 17 and 18, sewed each 10 sh.) London 1848. R. D. Grainger. Observations on the Cultivation of Organic Sciences; being the Hunterian Oration delivered. February 14. 1848, before the Royal Callene of Surgeons of England. (8°. (pp. 60, sewed, 2 sh.) London R. Owen. — On the Archetype and Homologies of the Vertebra . 8%. (pp. 212, cloth, 10 sh.) London 1818.5 8 eee P. H. Gosse. — Illustrations of the Birds of Jamaica. Part 1, imp. 80. (sewed. 2 sh. plain, 2 sh. 6 d. coloured.) London 1848. . Druck und Verlag des Landes-Induſtrle-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 127. (Nr. 17. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Naturhiſtoriſche Bemerkungen über den indiſchen Archipel. — j Düngungsverſuche mit Seeſalz. nung Opisthobranchi. — Miſcellen. Blanchard, über die Organiſation der gaſteropoviſchen Molluſken der Ord- g Die Luft in den langen Knochen der Vögel zum Fluge nothwendig, — Heilkunde. Rynd, ſchlecht zuſammengeheilter Knochenbruch, in welchem die Veisbildung durch Reſection von Knochenſtücken gehoben ward. — Miſcellen. Gintrac, über Selerodermie. Jozau, Kaſeſtoff ſtatt des Gallertſtoffs zur Einhüllung von medieiniſchen Stoffen. — Bibliographie. Naturkunde. XXVII. Naturhiſtoriſche Bemerkungen über den indiſchen Archipel. (Aus dem Journal of the Indian Archipelago and Eastern Asia for July 1847.) Die ungeheure Landmaſſe Aſiens ſendet an der Süd— oſtſeite eine bedeutende Wurzel, welche ſich ſüdlich wendet, weit ins indiſche und ſtille Meer hinein, wo zahlreiche In— ſelgruppen, durch plutoniſche und vulcaniſche Kraft entjtanden, ihre Richtung bezeichnen. Eine frühere Verbindung zwiſchen dem Feſtlande Aſiens und dem indiſchen Archipel iſt, wenn auch nicht geſchichtlich, doch geologiſch erwieſen, eine Ver— bindung, die, wenn die Erhebungen und Allusialbildungen nicht unterbrochen worden, wirklich hervorgetreten wäre, wo dann Sumatra und Java als gerade Fortſetzungen der Halbinſel Malacca, Borneo und Celebes aber als öſtlicher Arm dieſes, durch das chineſiſche, wahrſcheinlich durch eine Senkung entſtandene, Meer von China getrennten Feſtlandes erſcheinen würden. Faſt der ganze Archipel iſt überdies von einer großen, auf Aſiens Feſtlande beginnenden Curve von Vulcanen, die ununterbrochen, ſelbſt da, wo geographiſch eine Trennung eingetreten, fortläuft, umgeben. Ob aber jemals ein Hervortreten des, dem ganzen Achatgebirge zu Grunde liegenden Feſtlandes über den Mee— resſpiegel Statt gefunden, wagt der Verf. nicht zu entſchei— den, obſchon er ein Sinken desſelben, wie es Raffles und andere, nach dem geologiſchen Ausſehen der Gegend, ohne Berückſichtigung ihrer jetzigen Fauna und Flora, an— genommen, für eben ſo wenig ausgemacht hält, weil Fauna und Flora zu beweiſen ſcheinen, daß ein Sinken des alten ſüdlichen Feſtlandes, wenn es überhaupt ſchon da war, vor dem Auftreten beider Statt gefunden haben mußte. Die Geſtalt und Lage der Inſeln ſpricht vielmehr für das höchſte No. 2107. — 1007. — 127. Alter und für eine gleiche Entſtehung wie das Feſtland, wo durch unterirdiſche Kräfte ſowohl der mit ewigem Schnee bedeckte Himalaja als die heiße Ebene Bengalens entſtand, überhaupt eine ſo große Abwechſelung von Höhe und Tiefe, von Land und Waſſer hervorgebracht ward, daß, während auf dem ſüdlichen Feſtlande ein beſtändiger Sommer, auf den Inſeln des Archipels ein dauernder Frühling herrſcht. So ſehen wir ſeine ſchwarzen, täglich von der Fluth be— ſpülten Bänke mit dichten Waldungen bedeckt, kaum dem Meere entſtiegene Koralleninſeln mit üppigem Grün beklei— det, aus dem Waſſer ſich erhebende hohe Granitberge und dampfende Vulcane mit einer reichen, mannigfachen Vegeta— tion bedeckt. Sobald man in die See des Archipels gelangt, erblickt man eine neue Welt, in der Land und Meer ſeltſam mit einander wechſeln; große Inſelberge, durch ſeichte Ströme getrennt, ſenken ſich plötzlich in die ſtillen Gewäſſer und zu grünen Uferflächen, während ſie, mit einander verbunden, einen unüberſteigbaren Wall von mehr als 2000 Meilen bilden würden. Von einem Binnenmeere gelangt man in das andere, hier in einer Stunde eine Inſel umſegelnd, dort Monate längs der Küſten einer andern ſteuernd, und ſelbſt im ausgedehnteſten dieſer Meere kreuzend, verliert man höchſtens für zwei Tage die Ufer aus dem Geſichte, die meiſt in lieblichem Grün den Schiffer überall begleiten. Die äquinoctiale, durch beſtändige Verdunſtung gemäßigte und feucht erhaltene, durch periodiſche Winde gereinigte Luft⸗ wärme ſcheint ſelbſt den kahlſten Fels zum fruchtbaren Boden zu machen, ſo daß die kleinen Inſelgruppen oft ſchwimmen⸗ den Gärten gleichen. Die liebliche Schönheit und Anmuth ſolcher Scenen wird hier und da durch himmelanſtrebende Dome unterbrochen, die an Größe zwar den europäiſchen Gebirgen nichts nachgeben, aber nicht ihr rauhes Klima und ihre Wildheit theilen. Statt Schnee und Eis bedecken 17 259 fie mächtige Wälder, jede Schlucht in dunklen Schatten, jede Kuppe und jeden Vorſprung in lichte Farben kleidend, und doch findet der Schweizer, wenn die ſcheidende Sonne die Spitzen umflammt, auch hier das Alpenglühen ſeines Vaterlandes wieder. N Während liebliche Schönheit und Majeſtät das Außere dieſer Berge umkleidet, ſind furchtbare Elemente in ihrem Schooße verborgen, dieſelbe vulcaniſche Kraft, welche ſie aus dem Grunde der See zu den Wolken emportrieb, kocht und brauſ't noch jetzt in ihrem Innern und bricht ſich dann und wann und zwar urplötzlich Bahn. Die Erde bebt und öffnet ſich, feurige Ströme entfließen ihrem Rachen, alles Leben rings um ſich zerſtörend, ſchwefelliche Dämpfe vergiften die Luft, dunkle Rauchwolken verdüſtern den Himmel, den Tag in Nacht verkehrend, während ein Aſchenregen Hunderte von Meilen überſchüttet. Der große Ausbruch auf Sum— bava im Jahre 1815 übertraf noch alle dieſe Schrecken; glücklicherweiſe kommen ſo heftige Eruptionen nur nach langen Intervallen vor, und ſchon ſeit einem Jahre iſt kein ſolcher Berg geborſten, wenngleich während dieſer Zeit der ganze Archipel und ſelbſt der alte granitifche Grund der Halbinſel mehr als ein Mal erbebte. Der Verf. kann die äußere, den Reiſenden bezaubernde Schönheit des Archipels, die nur bisweilen von den Ver— heerungen der Vulcane, die weit und breit Land und Meer mit Trümmern und Aſche bedecken, geſtört wird, nicht verlaſſen, ohne einen etwas nähern Blick auf dieſe Zauberwälder und ihre Bevölkerung zu werfen. Von allen Seiten erheben ſich rieſige, dicht belaubte Bäume aus dem dichten Geſträuche des Bodens hervor, andere winden und krümmen ſich ſchlangenförmig, als ob ihnen der Platz zum geraden Wachs— thume fehle, und umranken die minder biegſamen, ſich mit ihren Zweigen verflechtend, als lange Feſtons von Baum zu Baum, wie die Naaen eines Schiffsmaſtes hängend, oder wie flatternde Ranken frei in der Luft ſich wiegend. Wo Moder das Grün eines Aſtes unterbricht, ſchießen üppig Schmarotzer empor und duftende Orchideen entfalten die Pracht ihrer Blüthen. Während das Auge den Reichthum und die Mannigfaltigkeit dieſer Urwälder nicht zu faſſen vermag, tönt auch dem Ohre der Klang des Lebens ent— gegen, Vögel und Inſecten wetteifern in theils harmoni— ſchem Concerte, theils wunderlichem Geſchreie, vom gedehnten, klagenden Geheule der Unkas übertönt. Dringt man tiefer in das Dickicht, ſo zeigt ſich die Thierwelt in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit; grüne, harmloſe Schlangen hängen wie ſchlanke Zweige von den Bäumen, während buntgefleckte, giftige zufammengefnäuelt am Boden liegen, einen wüthen— den, gefahrdrohenden Blick dem fie ſtörenden Menſchen entſenden, dann aber ſchnell im Dickicht verſchwinden. In— ſecten von der wunderlichſten Geſtalt ahmen bald die Formen der Blumen, bald der Blätter, bald der Rinden nach, und muntere Affen, von allen Farben und Größen, ſpringen von Stamm zu Stamm, von Aſt zu Aſt. Der niedliche, von der Poeſie der Malaien gefeierte Zwerghirſch, von der Größe eines Haſen, entſpringt mit anderm Rothwilde dem ſumpfigen Lager, das mit ihm der Eber bewohnt. Niedliche Eichhörn— 127 N 17 260 chen und noch viele andere Thiere bevölkern die Wälder, in denen man Heerden von Elephanten, dem Rhinoceros, Tiger, Tapir, Babiruſa, dem Orangutang und Faulthier begegnet, und der Paradiesvogel, die Loris, der Pfau und das Perlhuhn durch ihr Gefieder glänzen, während in den Mangrovebuchten ungeheure Alligatore gierig auf Beute lauern. Eine zahllofe Menge der verſchiedenartigſten farbigen Mus ſcheln liegen, theils verlaſſen, theils von Krebsthieren be— wohnt, am Ufer, das von lebenden, ſchön gefärbten Korallen— riffen, gleich Sternen, Blumen und Büſchen, umgürtet iſt. Auch die See iſt reich an Bewohnern, unter denen der Dugong, oder die Seejungfer, am meiſten auffällt. Die Natur ſcheint hier mit einem Worte alle ihre Reize, alle ihre Wunder concentrirt und das kühnſte Ideal irdiſcher Schönheit verwirklicht zu haben. Schon die phyſicaliſche Beſchaffenheit des Archipels, ſeine Trennung vom Feſtlande, ſowie der Inſeln unter ſich vermehrt die Raſſen ſeiner Bevölkerung, die, nach der Be— ſchaffenheit der Gegend und der Weiſe, wie ſie ſich vertheil— ten, noch mehr verändert wurden. Wie nun der ganze Archipel nur eine Fortſetzung des Feſtlandes von Aſien iſt, ſo ſind auch ſeine Bewohner aſiatiſchen Stammes und wahr— ſcheinlich von daher eingewandert. Die Seen ſowohl, als hohe Gebirgszüge und undurchdringliche Wälder ließen indeß keine Völkerwanderung zu, und fo vermuthet der Verf., daß immer nur kleine Haufen oder einzelne Familien einwandern und den Grund der Bevölkerung legen konnten. Auch die Verbindung einer Inſel mit der andern war in ähnlicher Weiſe beſchränkt, die kleinen, zerſtreuten Staaten der be— wohnten Inſeln waren von allem Verkehre abgeſchnitten, wenn nicht der Zufall den Wäldern neue Bürger zuführte. Für die Völkergeſchichte des Landes nimmt der Verf. zwei Hauptepochen an: die erſte beginnt mit der Wanderung einiger Bewohner des Flachlandes von Aſien, die, auf ihrem Zuge vielleicht Jahrhunderte gebrauchend, an den Grenzen des Archipels erſchienen, ſtatt bisher auf dem Lande ein Nomadenleben zu führen, nun zu Nomaden der See wurden und mit der Lebensweiſe auch Sprache, Sitten und Kleidung änderten. Die zweite Epoche beginnt mit der zunehmenden Bevölkerung dieſer See- und Waldnomaden, die ſich nun— mehr längs den Ufern und ins Innere der Inſeln zerſtreu— ten und zahlreiche kleine Stämme bildeten, die, zwar durch Sprache und Sitten von einander verſchieden, dennoch ihre gleiche Abſtammung nicht verleugneten. Vor länger als 2000 Jahren kamen darauf die Klings, ein ſeit etwa 3000 Jahren ſchifffahrttreibendes Volk des ſüdlichen Indiens, in den Archipel und ſiedelten ſich unter den Urbewohnern an, ſie in Religion und Künſten unterrich— tend; doch fand nur ſelten eine Vermiſchung beider Völker Statt; die Inſulaner behielten im allgemeinen ihren Natio— nalcharakter, ihre geiſtige wie körperliche Kraft und Einfach— heit. In einer ſpäteren Zeit vertauſchten ſie zum größten Theil den Glauben des Hindu mit den Lehren Mohammeds; dieſer Glaubenswechſel war im allgemeinen nur formell und für ihren Charakter von geringem Einfluſſe, wogegen ſich mancherlei Sitten und Sympathien, welche mit ihm von 261 den Indiern und Arabern abſtammten, tief einprägten und bis jetzt erhalten haben. f So entſtanden nach und nach große und mächtige Völkerſchaften, wogegen andere Gegenden wiederum ſchwach bevölkert blieben und nur von einzelnen ſchwachen Stämmen oder Familien bewohnt wurden. Ein ſtarres Vorurtheil und ſtolzer Eigendünkel verhinderten bis dieſen Tag den directen Einfluß der europäiſchen Herrſchaft und Civiliſation, wo— gegen der Handel mit Europa mehr nachtheilig als vortheil— haft auf ſie wirkte. Während ſich einerſeits die Landes— induſtrie mehr und mehr erhob, wurden die Eingebornen andererſeits von Portugieſen, Engländern und Holländern unterdrückt. Bei den einander folgenden Wanderungen, Resolutio— nen und Vermiſchungen konnte eine große Mannigfaltigkeit der Raſſen, die ſich durch Farbe und Statur, Geſetze und Gebräuche unterſcheiden, nicht ausbleiben; die große Frucht— barkeit des Landes verhütete ein noch weiteres Auswandern und eine weitere Vermiſchung; die eiviliſirten Stämme trenn= ten ſich von den minder entwickelten, bekriegten und unter— drückten ſie wohl gar. Noch jetzt trifft man im Herzen der Wälder Völkerſchaf— ten, die ſich ganz in Baumrinde kleiden, von wilden Früchten, die ſie mit der Behendigkeit der Affen den höchſten Bäumen abgewinnen und wilden Thieren leben, die fie aus hohlem Bambusrohre mit dem Giftpfeile erlegen. Auf einſamen Buchten und Strömen ſieht man wiederum andere im kleinen Bote, das ihre Wiege, ihre Wohnung und ihr Sarg iſt, ſchwimmen, für ihre geringen Bedürfniſſe überall Befriedi— gung findend. In den Ebenen und an den Ufern der Flüſſe erblickt man dagegen den civilifirteren, eingebornen Pflanzer, wie er ſein Feld mit Reiß beſtellt und in freundlicher Hütte, aus Bambus und Palmblättern, von hohen Cocospalmen beſchattet, wohnt, die köſtliche Früchte und duftende Blu— men rings umgeben. Der Pflanzer düngt ſein Land nicht, fällt vielmehr den Wald, zündet ihn an und ſäet ſeinen Reiß auf die Brandſtätte, die er nach geſchehener Ernte für 10 Jahre ihrem Schickſale uͤberläßt; dann iſt ein neuer Wald entſtanden, der wiederum der Art und dem Feuer weicht und Reiß in Menge trägt. Iſt ſein Feld beſorgt, jo liefern die Wälder ihm Nahrungs- und Handelsartikel die Fülle; er ſammelt Rohr, Baſt, wohlriechende Hölzer, Ol, Wachs, Gummi, Kautſchuk, Gutta percha, Farben, Kamphor, Muſkatnüſſe und Elephantenzähne, gewinnt Rhi— noceros- und Tigerfelle; fängt Papagaien, Paradiesvogel u. ſ. w. Die Kuͤſte liefert ihm Fiſche, Weichthiere, wor— unter der Trepang, Seepflanzen, Schildkrötenſchalen, ſeltene Korallen und Perlen. An einigen Orten wird Pfeffer, Kaffee, viel Betel, Tabak, Ingber u. ſ. w. cultisirt, an andern gräbt man auf Zinn, Antimon, Eiſen, Gold und Diamanten. Die civilifirten Völkerſchaften verfertigen Klei- dungsſtücke und Waffen, nicht nur für ſich, ſondern auch zur Ausfuhr. Europäiſche, chineſiſche und arabiſche Schiffe beſuchen die Küſten, wie die Schiffe des Archipels die Märkte von Singapore, Batavia, Samarang, Manilla und Mada— gascar, dorthin Zucker, Nelken, Zimmt, Indigo, Sago, 12 7 N17. 262 Gambir, Thee, Baumwolle und andere, bereits genannte, Producte ihres Landes und ihrer Induſtrie ausführend. Obſchon die Cultur auf die reiche natürliche Vegeta— tion nur einen geringen Einfluß gehabt, iſt doch das in— duſtrielle Leben ein ganz anderes geworden: überall herrſcht Leben und Thätigkeit, doch von ganz anderer Art wie in China, wo Übervölkerung und Concurrenz alles erdrückt. Der Bewohner des Archipels iſt von Natur willensſtark und thätig, ſtrebt nicht nach Reichthum, Geiz wie Verſchwendung ſind ihm gleich fremd. Während die von der Natur am meiſten bevorzugten Inſeln, Java, Menangkabau, Celebes und andere, von civi— liſirten Stämmen bewohnt werden, find andere durch mindere Fruchtbarkeit, vielleicht auch geſchichtliche Urſachen die Schlupf: winkel von Seeraub lebenden Geſindels, deren Flotten von Zeit zu Zeit die See und die Küſten umkreuzen, die Han— delsſchiffe plündern, in Dörfer fallen und Weib und Kinder mit ſich führen. Die volkreichſte Küſte, der feſteſte Hafen iſt ihrem Anfalle ausgeſetzt, während ſie ſelbſt in ihren ſchlau verborgenen Schluchten vor Verfolgung ſicher ſind. Wie der Räuber Bengalens in ſeinem Dorfe nur als ehr— barer Bauer bekannt iſt, iſt auch der Pirat des Archipels, wenn er nicht auf einem Streifzuge begriffen, geachteter Schiffer oder Fiſcher. Ungeheuer ſind demnach die Contraſte dieſer Bevölkerung in Bezug auf Cultur und Induſtrie, und eben ſo groß iſt ihr Haß gegen einander. Faſt kein Europäer hat jemals offen und freundlich mit ihnen verkehrt, und dennoch ver— deckt das Lob ihrer Tugenden ihre Fehler bei weitem. Ihr moraliſcher Charakter iſt viel beſſer wie der der Chineſen und Klings, ſie ſind nicht wie dieſe geſchmeidig und für Geld zu allem willfährig, dagegen verſtändig, ſchlau, thätig und, wenn es ſein muß, arbeitſam. Ihr Anſtand iſt gra— cibs und ungezwungen; von der unvermiſchten Raſſe ſah und hörte der Verf. nie etwas unanſtändiges oder unbe— ſcheidenes; ihre Ausſprache iſt wohlklingend. Sie ſind mun— ter und fröhlig, witzig in ihren Bemerkungen; lieben Tanz, Muſik und Dichtkunſt, und ſo darf man ſich mit Recht wundern, wie ein Volk, das, ſeiner geographiſchen Lage, ſeiner Abſtammung und Farbe nach, von den Europäern ſo himmelweit verſchieden, ihnen, ſeiner Entwicklung nach, doch ſo ähnlich iſt. Das politiſche Verhältniß des Archipels hat ſich ſeit 3 bis 4 Jahrhunderten mächtig verändert, und doch iſt die Bevölkerung ihrem Charakter, ihren Sitten und Gebräuchen treu geblieben und faſt noch jo, wie es die erſten Reiſenden uns vor vielen Hundert Jahren ſchilderten; ihre ſtaatliche Verfaſſung iſt indeß durch die Habgier und Schonungs— loſigkeit der europäiſchen Anſiedler und Unterdrücker verloren gegangen, weßhalb von ihnen eine beſondere Zuneigung für dieſe kaum zu erwarten iſt. So lange ſie noch als Nation daftanden, waren fie unternehmend und kriegeriſch, aber mit ihrem Reiche iſt auch ihr Stolz gebrochen und ihr Helden— ruhm verſtummt. (The Annals and Magazine of natural history, No. 135. 1847.) 17 263 XXVIII. über die Organiſation der gaſteropodiſchen Molluſken der Ordnung Opisthobranchii. Von E. Blanchard. Ein kurzes vom Verf. gegebenes Reſums ſeiner Unter— ſuchungen findet ſich in No. 8 der Comptes rendus von 1848. In der Organiſation des Nervenſyſtemes der Mol— luſken iſt bis jetzt noch nicht die Übereinſtimmung, die man bei andern Thiergruppen nachgewieſen hat, erkannt; Serres beruft ſich zwar auf eine ſolche Gleichförmigkeit, da man aber im allgemeinen weder den Urſprung noch Verlauf eines jeden Nerven kennt, wie es doch bei den Cruſtaceen und Inſecten der Fall iſt, ſo iſt man auch von dieſem Ziele noch weit entfernt. Nach den beſſeren, neueren Unterſu— chungen ſind gewöhnlich für die Gaſteropoden 6 bis 8 Gan— glien um die Speiſeröhre angeordnet, während andere, weni— ger begabt, nur zwei bis vier ſolcher Ganglien beſitzen. Bei den Opisthobranchii (den Nudibranchii, Infero- branchii und Testibranchii nach Cuvier) kann man die Nervenmittelpunkte in vier Gruppen theilen: 1) in das Gehirn oder die Gehirnganglien; 2) in die Halsganglien; 3) in die Ganglien der Bauchgegend oder die Fußganglien und 4) in die Ganglien der Herz- und Bronchiengegend, ganglia branchio - cardiaca. Ein genus der Cuvier' ſchen Abtheilung Testibranchii, Gasteropteron, iſt durch die Vertheilung feiner Markceentra bemerkenswerth und giebt für die Vergleichung einen guten Anhaltepunkt; die Gehirnganglien geben hier nur für den Vorderkopf Nerven ab, während drei andere Ganglien die Muskeln der ſeitlichen und obern Theile des Kopfes mit Nerven verſehen, man könnte letztere acceſſoriſche Gehirn— ganglien nennen. Bei Bullaea acera finden ſich nur eine oder zwei dieſer Nebenganglien, die ſchon mehr mit einander verfloſſen ſind. Bei andern iſt dies Zuſammenfließen noch deutlicher; die Muskeln der ſeitlichen und obern Kopftheile erhalten ihre Nerven ſcheinbar direct von den Gehirnmaſſen, in der That aber aus den Nebenganglien, die mit ihnen verſchmolzen find. Die Halsganglien, welche gewöhnlich etwas tiefer als die Gehirnganglien liegen, bilden zu beiden Seiten einen ſtarken, parallel mit der Verdauungsröhre abwärts ſteigenden Nervenſtamm, der mit den Ganglien der Herz⸗ und Branchiengegend in Verbindung ſteht. Die Halsganglien ſind bei den Aplyſien von beträchtlicher Größe und ſchwach dreilappig, ſo noch die Vereinigung der drei, bei Gasteropteron getrennten, Ganglien nachweiſend. Bei den Aolidien und Doridien ſind die Nervencentra ſcheinbar verſchwunden, nur bei ſorgſamem Verfolgen der Nerven erkennt man ihre Spuren. Die Nerven des Halſes und Herzens ſcheinen hier Direct aus dem hintern Theile der Gehirnganglien zu entſpringen; die bei vielen Gaſteropoden ſo beſtimmt geſonderten Halsganglien müſſen hier demnach mit den Gehirnganglien verſchmolzen ſein. Die von Cuvier als Fußganglien bezeichneten Ner— venmittelpunkte bilden bei den Gaſteropoden mit kammför— migen Branchien eine einzige Maſſe inmitten der Fußmuskeln; bei den Ophiſtobranchien ſind die Bauchmuskeln weniger 127. VIII. 264 entwickelt, die Fußganglien deßhalb weniger bedeutſam. Bei einigen Arten (Aplysia, Bullaca, Gasteropteron) liegen ſie deutlich gefondert unter den Halsganglien; bei den Aolidien nähern fie ſich mehr den Gehirnganglien; bei noch andern, wo die allgemeine Centraliſation noch deutlicher hervortritt, den Doridien, ſind ſie mit letztern innig verſchmolzen. Die Ganglien der Speiſeröhre, deren Nerven zum Ver— dauungsapparate verlaufen, ſind ſchon ſeit lange bekannt; der Verf. weiſ't dagegen noch zwei andere, mit ihnen durch zarte Nervenfäden verbundene, Ganglien nach; ſie liegen an jeder Seite der aorta und geben an felbige ihre Fäden ab. Das Nerven ſyſtem der Gedärme ſtimmt hierin demnach mit dem der Inſecten überein, obſchon die Lage der einzelnen Theile eine verſchiedene iſt., Der Leberapparat der Aolidien iſt in Bezug auf feine Anordnung verſchieden gedeutet worden; einige Nudibranchien ſcheinen dem Verf. hier alle Zweifel zu löſen; aus der großen Leber der Tethys gehen nämlich äußerſt feine Fäden zu den Branchien ab, ſchon hier beginnt alſo die Zerſplitte— rung des Leberapparates, obſchon die Maſſe noch die bei der Mehrzahl der Gaſteropoden gewöhnliche Lage einnimmt. Bei den Diphyllidien, deren Leberverzweigungen denen der Aolidien gleichen, umgiebt ſchon ein Theil der Leber die Verdauungsröhre; ſie bilden demnach eine zweite Mittelſtufe. Auch das Circulationsſyſtem der Aolidien, über welches die Anſichten noch ſo verſchieden ſind, verdient eine neue, möglichſt genaue Unterſuchung; fo weit des Verf. Beob— achtungen reichen, fand er die zu den verſchiedenen Organen abgehenden Arterien vollkommen entwickelt. Bei allen In— jectionen, die der Verf. an mehreren Arten vornahm, fand er eine vollſtändig ausgebildete Vorkammer und an die Branchien verlaufende Gefäße, in mehr oder minder großer Anzahl. Dieſe Gefäße ſind bei einigen Arten ſo zahl— reich, daß ſie ein wahres Netzwerk bilden; bei allen, vom Verfaſſer unterſuchten, Arten ſind ſie mit eigenen Wandungen verſehen, laſſen ſich auch iſoliren, ſind demnach keine einfachen Canäle, wie bei Tethys. Bei den Doridien liegen die Branchien hinter dem Herzen, weßhalb die Herz— branchiengefäße eine geringere Länge haben. Die zu den Branchien führenden Gefäße ſtehen hier immer mit den zwiſchen den Organen befindlichen Lacunen in Direeter Ver: bindung, beſitzen auch ſelbſt keine eigenen Wandungen oder nur Spuren derſelben; dennoch verzweigen ſie ſich aufs zier— lichſte und ſind vom Muskel- oder ſonſtigen Gewebe ſcharf begrenzt. Alle dieſe Molluſken haben keine eigentlichen Ve— nen; die von den Arterien in die Organe des Körpers vertheilte Nahrungsflüſſigkeit ergießt ſich, wie es Quatre— fage gezeigt, in die allgemeine Körperhöhle, das Blut um— ſpült ſo die Gedärme, dringt in die zu den Branchien füh— renden Gefäße und geht aus den Branchien durch die vasa branchio-cardiaca zum Herzen zurück. Miſeellen. 42. Düngungsverſuche mit Seeſalz gaben den HHn. du Breuil, Fauchet und F. Girardin im Jahre 1846 fürs Getraide folgende Reſultate: — 1) Ein Salzzuſatz von 2 bis 5 Kilogr. auf die Are (100 Quadratmeter) vermehrte den Ertrag. — 265 2) Ein Zuſatz von 4 Kilogr. auf eine gleiche Bodenoberfläche erz wies ſich am günſtigſten. — 3) Eine Menge von 4 bis 5 Kilogr. lieferte mehr Stroh, eine Quantität von 3 bis 4 Kilogr. dagegen mehr Körner. — 4) Erſt bei einer 4 Kilogr. überſchreitenden Salzmenge zeigte ſich der verſchiedene Einfluß auf Stroh und Kör⸗ ner. — 5) Ammoniakwaſſer mit Schwefelſäure geſättigt (1400 Liter auf die Hectare Landes) wirkt einem Zuſatz von 400 Kilogr. Salz identiſch. (L'Institut, No. 739, 1848.) 43. Die Luft in den langen Knochen der Vögel iſt nach Jobard zum Fluge nothwendig; nach ihm iſt es nicht, 12 7 RE 17. 266 wie man faſt allgemein annimmt, ein kaum bemerkbarer Flügel: ſchlag, der den in der Luft wiegenden Vogel auf einer Stelle er= hält, ſondern das Ausſtrömen erwärmter Luft aus Offnungen, die an der Unterſeite der Flügel liegen, welches der Schwere das Gleichgewicht Hält. Die Fiſcher von Oſtende führen oftmals einen ganzen Trupp von Möven vor ſich her, die, nachdem ihnen der femur durchbohrt worden, kaum einen Verſuch zur Flucht vornehmen, ganz ſo wie eine Dampfmaſchine, an der ein Rohr undicht ge— worden, feinen Dampf und mit ihm feine Kraft verliert. (Com- ptes rendus, No. 7. 1848.) Heilk (XXVII.) Ein Fall von einem ſchlecht zuſammen⸗ geheilten Knochenbruch, in welchem die Deformität durch Reſection von Knochenfragmenten gehoben ward. Ven Hrn. Francis Rynd. Andrew Redmond, 28 Jahre alt, ward am 6. Juli 1841 ins Meath-Hoſpital aufgenommen. Ohne große An— ſtrengung und ohne Krücke kann er nicht gehen. Sein rechter Unterſchenkel iſt am unteren Drittel auswärts ge— bogen, und zwar in dem Grade, daß die äußere Seite des Fußes und der äußere Knöchel den Boden berühren, wenn er zu gehen verſucht. Im ganzen vergangenen Jahre hatte er in beiden Knochen des Unterſchenkels vom Knöchel bis zum Kniegelenke beſtändig Schmerzen, auch ſehr heftige neur— algiſche Schmerzen, die ſich von der Fußſohle längs des ganzen Beines bis zu den Lendenwirbeln und den untern Rücken— wirbeln erſtrecken. Die Verletzung, welche vor drei Jahren vorgekommen war, rührte daher, daß ein Karren über das Bein gegangen war. Das Knöchelgelenk, der Fuß und der Unterſchenkel ſchwollen bedeutend. Man hielt den einfachen Bruch fälſchlich für eine Verrenkung, behandelte ihn als ſolche und beide Knochen vereinigten ſich feſt in der oben beſchriebenen Stellung. Es lag dem Patienten ungemein daran, daß die Deformität beſeitigt werde, und daß er das Glied wieder gehörig brauchen könne; ja er wolle, wenn dies auf keine Weiſe zu erlangen ſtände, ſich dasſelbe lieber amputiren laſſen, da es ihm unnütz ſei und unerträgliche Schmerzen verurſache. 7 Den 15. Juli. Um dieſen Übeln abzuhelfen, führte ich folgende Operation aus. Nachdem ich den Patienten ſo auf eine Tafel gelegt hatte, daß der Fuß des kranken Beines auf derſelben ruhte und der Unterſchenkel gebeugt war, machte ich einen 4 Zoll langen Einſchnitt, welcher 2 Zoll über der Deformität begann und ſenkrecht hinter dem hinteren Rande der fibula herab lief. Dieſer Ein: ſchnitt trennte die Verbindung der weichen Theile mit dem Knochen in dieſer Richtung. Ein ähnlicher Einſchnitt wurde längs dem hinteren Rande der tibia gemacht, und beide Einſchnitte unten mittels eines vordern Querſchnitts, der die Haut und die Integumente trennte, mit einander ver— unde. bunden. Der ſo gebildete Lappen wurde nun aufwärts ab— präparirt und in die Höhe geſchlagen, ſo daß die deformen Knochen völlig entblößt waren. Dann wurde eine Ketten— füge um die fibula gelegt und der Schonung der Gefäße wegen dicht an dem Knochen durchgeführt, dieſer aber über der mißgeſtalteten Stelle, ſowie hierauf unter derſelben durch— ſägt. Das Stück ſaß an der eckigen (angular) Portion der tibia feſt und ließ ſich daher nicht ganz leicht beſeitigen. Die deforme Portion der tibia ward auf ähnliche Weiſe be— ſeitigt. Das Bein ward hierauf gerade gelegt, ſo daß die Enden der Knochen einander berührten und der Lappen nie— dergezogen. Er bedeckte die ganze Wunde und ward mit— tels einiger Nähte angeheftet. Man legte das Bein in ein für dasſelbe bereitetes Futteral und brachte den Patienten zu Bette. Kein irgend bedeutendes Blutgefäß war verletzt worden und der Blutoerluſt betrug keine volle Unze. Um 9 Uhr Nachmittags. Der Patient hat ſich ziem— lich gut befunden, iſt indeß ſehr deprimirt. Puls 55 und klein. Verordnet wurden 30 Tropfen Opiumtinctur und 25 Tropfen spiritus ammoniae in Minzenwaſſer. Den 16. Juli, 9 Uhr Vormittags. Der Patient er— klärt, er fühle ſich ziemlich wohl; hat ein wenig geſchlafen; ſieht matt aus; Puls 70, ſtärker und voller; klagt nicht über das Bein. Man verordnet ihm Thee und ein Opiat Abends. Den 17. Juli. Klagt über ſchießende Schmerzen in der Wunde; befindet ſich in anderen Beziehungen beſſer. Man verordnet ihm ein ſpirituöſes Waſchmittel für den Unterſchenkel. Drei von den Nähten wurden beſeitigt. Das Opiat wird Abends wieder gegeben. Den 19. Juli. Der Unterſchenkel iſt um die Wunde her ein wenig entzündet. Puls 100; ſchlief die letzte Nacht nicht gut; fühlt einige Übelkeit im Magen. Alle Näthe werden beſeitigt. Man verordnete ein Abführungsmittel von zuſammengeſetzter Roſeninfuſion und ſchwefelſaurer Magneſia und ließ das Opiat weg. Den 21. Juli. Befinden heute weit beſſer; zwei Stühle; Puls 80; Patient ſchlief, ohne das Opiat genommen zu haben. Schöpſenfleiſchbrühe zum Mittagseſſen. Den 23. Juli. Sieht heute unwohl aus; Geſicht ein 267 127. wenig geröthet; Puls 100; Zunge weiß und trocken; Durſt; keine Schmerzen; Wunde eitert ein wenig und der Eiter hat ein gutes Anſehen. 1 Gran blaue Pillen und 2 Gran James Pulver alle drei Stunden. Brauſepulver nach Bes lieben. Keine Fleiſchbrühe. Den 24. Juli. Fühlt ſich wohler; Haut feucht; Puls 80; Zunge reiner; Wunde eitert reichlich; Nachts 4 Stühle. Die Medicamente werden mit Ausnahme des Brauſepulvers weggelaſſen. Den 26. Juli. Befinden gut; ein leichter Breiumſchlag von Weiß brot und Waſſer über die Wunde. Fleiſchbrühe, Thee und Hafermuß. Den 30. Juli. Befinden gut; ein Theil der Wunde iſt geheilt, ein anderer Theil eitert noch; Diät wie ge— wöhnlich. Den 2. Auguſt. Klagt über ftarfe Schmerzen in der Ferſe; Eiterung ſehr reichlich; Puls 100, weich und klein; hat während der Nacht im Geſicht, am Halſe und an den Armen ſtark geſchwitzt; die linke Wange leicht geröthet; erklärt, daß er ſich ſehr matt fühle. Zuſammengeſetzte Ro— ſeninfuſion mit ſchwefelſaurer Magneſia, ſchwefelſaurem Chi— nin und verdünnter Schwefelſäure, drei Mal täglich. Unter die Ferſe ward ein in der Mitte ausgehöhltes Polſter gelegt. Den 5. Auguſt. Anſehen des Patienten um vieles beſſer; Puls 70; ſchwitzt nur im Geſichte; Appetit gut. Zum Mittagseſſen etwas gebratenes Fleiſch und ein kleines Glas Porterbier; etwas Durchfall. Die Mediein wird weg— gelaſſen. Den 8. Auguſt. Hat ſich ſeit dem letzten Berichte recht wohl befunden, bis er heute um 2 Uhr M. plötzlich Übelkeit im Magen verſpürte und von Froſtſchauder befallen wurde, welcher ½ Stunde anhielt. Später wurde die Haut heiß; Geſicht gerörhet; Puls 120; hat einige Zuckungen im Beine verſpürt; um die Wunde her zeigt ſich eine eryſipe— latöſe Röthe, welche auch ein Stück am Unterſchenkel hinauf reicht; Eiter ſparſam, dünn und eiweißartig; die Wund— ränder ſind aufgetrieben und ſehen glaſig aus; der Lappen nimmt an der Entzündung Theil. Die Wunde wurde ge— nau unterſucht; ein Eiterherd hatte ſich nicht gebildet. 1 Gran Calomel und 2 Gran James Pulver alle drei Stunden. Das Fleiſch und Porterbier werden verboten. Klagt über unerträgliche Schmerzen in der Ferſe, auf welche man einen mit einer Auflöſung von ſaurem ſalzſaurem Queckſilber in Weingeiſt und Laudanum befeuchteten Schar— piebauſch gelegt hat. Den 9. Auguſt. Der Rothlauf hat ſich bis ans Knie ausgedehnt und zieht ſich um den ganzen Unterſchenkel herum. Der Lappen hat eine trübrothe Farbe, iſt geſchwollen und ſtraff; Wunde trocken; klagt über Schmerz und Zucken im Unterſchenkel; vor dem Zucken hat er ſolche Furcht, daß er nicht einſchlafen mag; die Knochen ſind offenbar ganz be— weglich; er iſt ſehr deprimirt; ſeine Geſichtsfarbe iſt fahl und das Geſicht iſt mit einem ſchmierigen Schweiße bedeckt; Blick matt; klagt über Schwäche; Puls 100, klein und ausſetzend; etwas Übelkeit; bat in der Nacht zwei Stühle gehabt; Zunge in der Mitte braun, aber nicht ſehr trocken. vos. 268 Aufbrauſendes Chinadecoct 1 Unze alle drei Stunden; Por: terbier, jo oft er danach Appetit hat. Der Unterſchenkel ſoll mit Dampf gebäht und die gefunden Theile um das erysipelas her mit einer Auflöſung von ſalpeterſaurem Silber befeuchtet werden. Ein Krankenwärter ſoll beſtändig am Bette bleiben und die Hand auf das Bein legen, um dasſelbe beim Zucken vor ſtarker Bewegung zu bewahren. Abends 10 Tropfen ſchwarze Tropfen (black drops). Das Calomel und James Pulver waren am vorigen Abend um 11 Uhr weggelaſſen worden. Den 10. Auguſt. Ziemlich wie geſtern; redet viel irre; längs des Einſchnittes it Mortification eingetreten, ſo daß ſich die vereinigten Theile trennen. Mit der Me— diein fortzufahren und von Zeit zu Zeit ein Glas Portwein zu trinken; die Wunde mit einem gährenden Breiumſchlage zu belegen. Da ſich unter dem kranken Beine Fliegenmaden zeigten, ſo wurden die Wände des Futterals mit Terpentin— ſpiritus beſtrichen. In die Magengegend wurde 2 Stunden lang ein Blaſenpflaſter gelegt. Den 11. Auguſt. Geſicht ſehr eingefallen; Zunge trocken, in der Mitte braun, an den Rändern roth; Puls 100, ſehr klein und ausſetzend; Haut mit kaltem Schweiße bedeckt; die Mortification hat ſich über den größern Theil des Lappens verbreitet, und der untere Rand der Wunde ſieht ſphacelös aus. Die übelkeit hat ſich gelegt; Harn— verhaltung; Rothlauf greift nicht weiter um ſich und hat ſtellenweiſe Blaſen erzeugt. Kein Zucken im Beine. Am⸗ moniacalifche Chinatinctur, alle 6 Stunden 1 Unze. Um 10 Uhr Abends. Fühlt ſich etwas beſſer; Puls 110 und regelmäßiger; ſagt, er ſehne ſich ſehr nach Schlaf; 40 Tropfen Opiumtinctur in einem Glaſe Portwein. Den 12. Auguſt. Hat von 10½ Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens geſchlafen; fühlt ſich wohler; Puls 120 und regelmäßig; Zunge braun und rauh, in der Mitte ein wenig feucht. Der Lappen ſphacelös. Mit der Mediein fortzufahren. Um 10 Uhr Abends. in Portwein wie oben. Den 13. Auguſt. Keine Veränderung. Laudanum Hat 7 Stunden lang gut geſchla— fen; Puls 120, voll; Zunge nicht ſo braun und feuchter; ſeit geſtern Morgen 4 Uhr kein Stuhl; 10 Gran zuſammen— geſetzten Coloquintenertracts mit 1 Gran Capſicum ſogleich, und ſobald Stuhlgang erfolgt iſt, mit der andern Mediein fortzufahren. Abermals Laudanum in Wein. Den 14. Auguſt. Entſchiedene Beſſerung; zwei Stühle; etwas Kopfweh; der Wein und die China werden wegge— laffen und abführende Pillen verordnet. Etwas Porterbier. Den 15. Auguſt. Hat gut geſchlafen; ſieht viel beſſer aus; Puls 100 und regelmäßig; Zunge reinigt ſich und iſt feucht; ein Theil des Lappens iſt durch Sphacelus abgeſtoßen worden, jo daß die Knochen bloß liegen; eine etwa 1 Linie breite Portion der tibia ſieht trocken aus, iſt vom periosteum entblößt und ſcheint ſich abblättern zu wollen; es fließt viel übelriechende Jauche aus, allein der Kranke klagt nicht über Schmerz. Ich hob das Bein aus dem Futterale und fand deſſen Hinterſeite trocken und rein, aber vom Drucke geröthet und das Oberhäutchen ſich in Folge des erysipelas 269 abſchuppend. Ich verordnete, daß der ganze Boden des Futterales mit einer ſtarken mit der oben erwähnten Solu— tion befeuchteten Scharpieſchicht gefüttert und das Bein darauf gelegt werden ſolle. Mit dem Porterbier fortzufah— ren; etwas Rindfleiſchbrühe und ſchwarze Tropfen Abends; das Bein mit Scharpie zu bedecken, die mit einer Solution von Kalkchlorid zu befeuchten ſei. Den 16. Auguſt. Fernere Beſſerung; gebratenes Fleiſch mit verdünntem Wein; Abends ſchwarze Tropfen. Den 19. Auguſt. Die Beſſerung iſt ſtufenweiſe fort— geſchritten; der Kranke ißt, trinkt und ſchläft ziemlich gut; fühlt ſich ſehr ſchwach; die Wunde eitert ſtark. 1½ ͤ Gran Chinin und 10 Tropfen verdünnte Schwefelſäure; Porter— bier und Fleiſch täglich. Den 25. Auguſt. Der Gejundheitszuftand des Pa— tienten hat ſich nunmehr bedeutend gehoben; die Eiterung iſt ſtark, und auf der fibula zeigen ſich Granulationen. Puls 90; Abmagerung bedeutend; klagt über die Länge ſeines Krankenlagers und iſt ſehr kleinmüthig; ſehnt ſich nach Haufe. Leichte nährende Koſt und toniſche Mittel, Den 1. September. Der Kranke iſt betrübt und hat ſich die letzten beiden Tage über ſehr ſchwach gefühlt. Ober— körper des Morgens mit Schweiß bedeckt; Wangen hektiſch geröthet; Puls 100; Eiterung reichlich. An der fibula und auch an der tibia bilden ſich Granulationen über dem ex— foliirten Theile. Die unteren Enden der Knochen ſind nicht ſichtbar, da ſich über den ſelben Fleiſchwärzchen gebildet haben. Der Patient iſt ſo unruhig, daß es ſehr ſchwer hält, die Knochenenden in ihrer Lage zu erhalten. Unter dieſen Um— ſtänden veranſtaltete ich heute Morgen eine Conſultation, deren Ergebniß war, daß das Leben des Kranken wohl nur durch die Amputation zu erhalten ſtehe. Den 5. Sept. Ich kündigte ihm heute die Entſchei— dung an, zu welcher wir gelangt ſeien. Er bat mich, wenn ich ſeiner nicht ſchon überdrüſſig ſei, noch ein wenig zu warten. Dies ſtimmte mit dem Antheil, den ich an dem armen Teufel nahm, ſo vollkommen überein, daß ich ihm feinen Wunſch gern gewährte. Dieſelbe Diät und toniſche Mittel fortzuſetzen und den ganzen Körper Morgens und Abends mittels eines Schwammes mit lauem Weineſſig und Waſſer zu waſchen. Den 18. Sept. Seit dem letzten Berichte keine er— hebliche Veränderung. Er will die Mediein nicht nehmen. Puls 120; ſtarke Abmagerung; Eiter nicht ſo reichlich und die Wunde granulirend, Ende der tibia ſichtbar, indem es durch die Granulationen hervorragt. Zwei Drachmen China— pulver in einer Pinte Porterbier zwei Mal täglich. Den 1. October. Bis zu dieſem Tage war nichts be— ſonders bemerkenswerthes vorgekommen. Es hat ſich mit toniſchen Mitteln, Wein, Porterbier und zuweilen etwas Fleiſch das Leben gefriſtet. Heute iſt ein kleines Fragment der tibia beweglich. Ich fühlte dasſelbe mit der Sonde am hinteren Theile des Knochens. Er ſaß ſehr tief, da die weichen Theile ſich an der Stelle des Lappens ſehr reichlich und feſt entwickelt hatten. Der Kranke war ein wenig reiz— bar und bat mich, ihn heute in Ruhe zu laſſen. Ich ver— 127. VI 17. 270 ordnete Abends eine Pille mit 5 Gran Calomel und des Morgens ein ſaliniſches Abführungsmittel, ſowie einen Brei— umſchlag von Leinſamenmehl auf die Wunde. Den 5. Oct. Ich nahm heute ein kleines Stückchen Knochen von der Vorderſeite der tibia weg; es war locker und ließ ſich mit der Zange beſeitigen. Das tief liegende lockere Stückchen ging auch ab. Nach dem Ausziehen des letzteren floß etwa 1 Unze Arterienblut aus, allein die Blutung gelangte, nach— dem man die Poplitäalarterie etwa 10 Minuten lang zu— ſammengedrückt hatte, zum Stilleſtand. Der Kranke iſt ſehr ſchwach und reizbar. Ich gab ihm 20 Tropfen Opiumeſſig in einem Glaſe Porterbier und verordnete ihm, ſich völlig ruhig zu verhalten und eine mit dem ſpirituöſen Waſch— mittel befeuchtete Scharpielage auf die Wunde zu decken. Um 10 Uhr Abends. Hat den ganzen Tag geſchlafen und behauptet, ſich ſeit 2 Monaten nicht ſo wohl gefühlt zu haben als heute. Keine Spuren von Blutung an der Wunde. Der Kranke ſoll die ſpirituöſen Umſchläge fort- ſetzen und etwas Thee erhalten. Den 20. Oct. Fortſchreitende Beſſerung; keine Ver— tiefung in der Wunde, welche eine granulirte Oberfläche darbietet; Eiterung vermindert; klagt über eine wunde Stelle am Rücken; die weichen Theile am Heiligenbeine ſind roth und ſehr ſchmerzhaft. Die Stelle wurde mit einer Auflöſung von ſaurem ſalzſaurem Queckſilber befeuchtet. Man hob den Kranken in die Höhe und ließ ihn, gehörig geſtützt, im Bette aufſitzen. Den 1. Nov. Der Geſundheitszuſtand hat ſich bedeu— tend gebeſſert; der Appetit iſt gut; die Wunde hat ein ge— ſundes Anſehen; das Bein gewinnt an Feſtigkeit; alle Theile ſcheinen ſich neu zu erzeugen; das Glied liegt noch in dem Futterale, und man wendet die größte Sorgfalt darauf, es gerade, vollkommen ruhig, trocken und reinlich zu halten. Den 20. Nov. Klagt über Schmerzen über der fibula, etwa 1 Zoll oberhalb der Stelle, wo fie durchſägt wor— den. Es iſt ein wenig Entzündung und Geſchwulſt daſelbſt vorhanden. Übrigens geht es mit dem Kranken gut. Auf die ſchmerzhafte Stelle wird ein Leinmehlbreiumſchlag gelegt. Den 3. December. Über der fibula an der ſchmerz⸗ haften Stelle zeigt ſich ein kleiner Absceß. Ich öffnete den— ſelben heute und fand einen kleinen Knochenſplitter darin. Mit dem Breiumſchlage fortzufahren. Den 20. Dec. Befinden gut, und wenn er bei der Veränderung ſeiner Lage im Bette das Bein bewegt, ſo entſpricht die Bewegung des Fußes derjenigen des Kniees. Knöchelgelenk vollkommen ſteif. Den 5. Januar. Die Wunde iſt noch nicht zugeheilt. Das Bein ſchien heute ſo feſt, daß ich anfing den Fuß im Knöchelgelenke zu bewegen, was außerordentliche Schmerzen veranlaßte. Ich legte das Bein auf die geneigte Ebene und an beide Seiten desſelben eine Schiene. Das Knie iſt ſehr ſteif und deſſen Bewegung ſchmerzhaft. Den 7. Januar. Der Schenkel und Unterſchenkel wer— den feſt auf die geneigte Ebene gebunden, deren Neigung täglich mehrmals verändert wird, ſo daß ſich das Knie öf— 271 ters bewegen muß. Auch fol der Fuß häufig im Knöchel— gelenke, doch nicht drehend bewegt werden. Den 1. Febr. Heute wurde jede Art von Verband— ſtück vom Beine entfernt. Die Wunde iſt geheilt; die Bewegungen des Knie- und Knöchelgelenkes ſind bedeutend leichter zu bewirken, und Pat. hob den Unterſchenkel durch die bloße Kraft der Muskeln einen halben Fuß vom Bette in die Höhe. Die geneigte Ebene, Schienen ꝛc. wurden dann alle wieder angelegt und das Bein von den Zehen bis zum Knie wieder eingebunden. Den 20. Febr. Das Bein iſt nun vollig feſt und außer der Rollbinde wurden ſämmtliche Verbandſtücke beſei— tigt, der Fuß aber in einen breiten Riemen, der dem Pa— tienten um den Hals geſchlungen war, gehängt, ſo daß er an der Krücke umhergehen konnte. Den 1. März. Er geht mit Hülfe der Krücke und eines Stockes ziemlich gut. Den 20. März. Er hat die Krücke und den Riemen bei Seite gelegt, geht gut und ohne zu wanken. Man ließ ihm für den kranken Fuß einen Schuh mit breitem Abſatz machen, der aber nicht höher war als der andere Abſatz, da in der Länge der Beine durchaus kein Unterſchied wahr— zunehmen war. Das Bein ward jeden Tag kalt douchirt und dann mit Gemsleder abgerieben. Den 5. April. Er geht feſt und ohne alle Schmerzen und wird vollkommen geheilt entlaſſen. Ich ſehe dieſen Mann häufig. Das von mir operirte Bein iſt durchaus geſund wie das andere. Beide ſind durchaus gleich lang; er befindet ſich im vollſtändigen Ge— nuſſe der Kraft und Verrichtungen des früher deformen Beines. Der einzige Unterſchied iſt, daß auf der tibia durch Ablagerung neuer Knochenſubſtanz ein kleiner Höcker entjtanden iſt. (Dublin Quarterly Journal of Med. Science, Nov. 1847.) Miſcellen. (31) Über die Selerodermie (sclerema), jene feltene Krankheit, auf die in neuerer Zeit die DD. Thirial, Griſolle, Forget und Bouchut in Frankreich, ſowie Hr. Fantonetti zu Pavia wieder aufmerkſam gemacht haben, die jedoch ſchon 1752 von Curzio im Hoſpitale der Unheilbaren zu Neapel beobachtet wor— den war, hat Hr. Gintrac (Gaz. med. de Paris, 11. Mars 1848) 127. VI. 17. 272 eine Abhandlung geſchrieben, deren Hauptreſultate in folgendem beſtehen. Der Krankheit gingen verſchiedene andere Leiden: Rheu⸗ matismus, Scharlachfieber, Erythem, Odem, entzündliche Zuſtände des Magens und der Bronchen, Verſtopfung ꝛc. vorher. Die Ver⸗ härtung der Haut beginnt gewöhnlich am Halſe; ein Mal fing ſie an der Falte des Oberarmes an. In einem Falle blieb das Ge— ſicht, ſowie der Hof der Bruſtwarze verſchont, in zwei Fallen ward die Zunge mit ergriffen. Das Hauptmerkmal der Krankheit beſteht in einer Verhärtung der Haut, welche wie vertrocknetes Leder oder Baumrinde wird; allein eine eigentliche Verdickung der Haut fin⸗ det nicht Statt. Sie iſt zuſammengezogen, ſtraff und ſcheint die darunter liegenden Gewebe zu comprimiren. In drei Fällen war die Haut der erkrankten Theile dunkler, in einem bläſſer als im normalen Zuſtande. In zwei Fällen zeigte ſich am Halſe eine erythematöſe Röthe. Die Empfindlichkeit der Haut zeigte ſich bei einem Patienten erhöht, bei einem andern faſt erloſchen, gewöhn— lich normal. Eben ſo iſt die Wärme der Haut meiſt natürlich, allein in zwei Fällen war ſie merklich vermindert. Auch die Transſpiration war nur in einem Falle aufgehoben, bald nur ver— mindert und bald normal. Die Prognoſe betreffend, ſo wurde unter 8 Fällen in 4 Heilung und in 2 Beſſerung erlangt. Dampfbader, ſowie mit Schierlingsdecoct verſetzte Bäder und Salzbäder ſchienen gut zu thun; eben ſo allgemeine und örtliche Blutentziehungen. Der innerlichen und äußerlichen Anwendung des Queckſilbers, den ſchweißtreibenden Mitteln und dem Kaliumiodur ſchien einiger Er— folg beigemeſſen werden zu müſſen. Zu bemerken iſt, daß man die Krankheit bis jetzt nur ein einziges Mal an einem männlichen Subjecte beobachtet hat, weßhalb Hr. Thirial den Störungen in der Menſtruation in Anſehung der Atiologie eine Hauptrolle anweiſ't. Bei einer Patientin ward durch die Hydrotherapie die Menſtruation wieder in Gang gebracht und Heilung bewirkt. (32) Käſeſtoff ftatt des Gallertſtoffs zur Ein- hüllung medieiniſcher Stoffe, z. B. ſtark riechen⸗ der und übel ſchmeckender Pillen anzuwenden, ſchlägt Hr. G. Jozau in der Gazette med. de Paris, 11. Mars vor. Er eignet ſich dazu nicht nur durchaus eben ſo gut, ſon⸗ dern beſitzt noch den Vortheil, daß er leicht und vollſtändig ver daut wird, indem er ſich ſelbſt in kaltem Waſſer auflöſ't. Man nimmt unreinen Käſeſtoff (friſche magere Käſematten), bringt dieſe 20 Minuten lang in kochendes Waſſer, preßt ſie ſtark aus und ſetzt dann hinreichend viel von einer Auflöſung von Ammonium in Waſſer zu, daß man eine ſyrupartige Flüſſigkeit erhält. Dann ſetzt man ½ vom Gewicht des Käſeſtoffs an Zucker zu, läßt alles bis zur Trockniß abrauchen und pulveriſirt den Rückſtand. Will man eine Pille mit einem Überzuge verſehen, ſo vermiſche man etwas von dieſem Pulver mit fo viel Waſſer, daß man einen did: lichen Schleim erhält. Man befeuchtet die Pillen mit dieſem und wirft ſie dann in das Pulver. Je nach der Stärke des Geruchs derſelben giebt man ihnen auf dieſe Weiſe 2 oder 3 Schichten. Nachdem man ſie zum letzten Male in den Schleim getaucht, wirft man ſie jedoch nicht in das Pulver, ſondern taucht ſie eine Mi— nute lang in leicht geſäuertes Waſſer und läßt ſie dann trocknen. Bibliographiſche Neuigkeiten. A Brief Account of the Soil, Climate, and Natural Productions of Texas Emigration and Land Company. 18%. (pp. 36, cloth, with 2 maps, 1 sh.) London 1848. Cuvier’s animal kingdom. Translated by Mssrs. BVI, Westwood , Mudie and Jonson, New edition. Part 1, roy. 86. (pp. 64, with illustrations se- wed, plain 2 sh., coloured 3 sh.) London 1848. un a tm] iR nn une Society of London. Edited, for he Society, by Edmun oland, Ph. D. No. 1. 80, 96 2 sh.) London 1848. 4 3 (pp 8 J. Liebig. — Researches on the Motion of the Juices in the Animal Body. Edited from the Manuseripts of the Author by W. Gregory, M. D. 80. (pp. 126, cloth, 5 sh.) London 1848. Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. 3 Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 128. (Nr. 18. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. d'Omalkus d' Hallohy, über die Revolutionen des Erdballes. — Deſor, über die Scandinaviens. — Miſcellen. ſchen Blöcke im nördlichen Europa und der Hebun über das bösartige Wechſelfieber der Säuglinge, beſonders zur Zeit des erſten Zahnens. — | tze N Über das Haſchiſch oder das wirkſame Prineip des Hanfes. — Bibliographie. Function der Wurzeln der Spinalnerven. — Miſcelle. Beziehungen zwiſchen den Erſcheinungen der errati⸗ Gutta Percha. Ornithorhynchus. — Heilkunde. Semanas, Williams, über die Geſetze der Nerventhätigkeit, ſowie die Naturkunde. XXIX. über die Revolutionen des Erdballes. Von d' Omalius d' Halloy. Der Verf. bemerkt im Eingange, wie er nur auf den wiederholten Wunſch der Akademie eine Zuſammenſtellung der jetzt angenommenen, wenngleich nur hypothetiſchen Ideen über die geologiſchen Umwälzungen des Erdballes unternom— men habe. Nummer 12 des Bulletin de l’academie des sciences de Belgique von 1847 theilt dieſe Arbeit mit. Die Erde iſt bekanntlich ein Planet und bewegt ſich, wie die übrigen Planeten, um die Sonne; man kann ſie, aus einem centralen Kerne und drei concentriſchen Schichten beſtehend, annehmen. Die äußerſte dieſer Schichten iſt gas— förmig, fie bildet die Atmoſphäre und beſteht aus Luft- und Waſſerdünſten, welche Wolken, Nebel, Regen, Schnee und Hagel bilden. Die neuern Beobachtungen von Bra— vais und Martins laſſen für die Atmoſphäre eine Dicke von 115,000 Meter vermuthen; die Luft folgt dem Geſetze der Schwere, iſt demnach, je entfernter von der Erdober— fläche, um ſo dünner. Das Waſſer, die zweite, mehrfach unterbrochene Schicht bildet Meere, Seen und Flüſſe, in den kalten Zonen Schnee und Eismaſſen. Das Waſſer bedeckt mehr als 2/3 der Erdoberfläche, feine Tiefe iſt ſehr verſchie— den, an einigen Stellen nicht zu ergründen geweſen. Der Verf. unterſcheidet drei Arten desſelben, ſalziges, ſüßes und mineraliſches Waſſer, letzteres nur aus einzelnen Quellen entſpringend. Die dritte und letzte Schicht iſt feſt und ſcheint die ganze Erde zu umgeben, obſchon fte vielfach vom Waſſer bedeckt wird. In ihr laſſen ſich zwei Hauptgruppen unterſcheiden: die Gruppe der neptuniſchen Formationen iſt geſchichtet und häufig regelmäßig, wie ſie ſich aus den Waſſern niedergeſchlagen, über einander gelagert, oft aber durch ſpätere Hebungen und Umwälzungen durch einander No. 2108. — 1008. — 128. geworfen; fie iſt reich an thieriſchen und pflanzlichen Über⸗ reſten der mannigfachſten Art. Jedes Alter dieſer neptuni— ſchen Schichten beſitzt ſeine eigenen Foſſilien, die nach den Schichten ſowohl unter ſich als von der jetzt lebenden Thier— und Pflanzenwelt verſchieden find. Die Gruppe der pluto— niſchen Gebilde liegt meiſtens unter der neptuniſchen Forma— tion, kommt aber in vielen Ländern frei zu Tage, ſie erſcheint nur ſelten geſchichtet, bildet ungeheure Maſſen, deren Aus— dehnung uns unbekannt iſt und durchbricht die neptuniſchen Maſſen auf die verſchiedenſte Weiſe. Die Dicke dieſer feſten Erdſchicht iſt zwar nicht poſitid zu ermitteln, doch haben Bohrungen, die freilich kaum bis zu einer Tiefe von 1000 Meter gingen, die Zunahme der Temperatur mit der Tiefe gezeigt; die Temperaturgrade ſind indeß, bei gleicher Tiefe nicht überall dieſelben, ſondern nach „dem Leitungsvermögen der Stoffe verſchieden; doch ſcheint die Temperatur im allgemeinen mit etwa 30 Meter Tiefe um einen Grad Celſius zu ſteigen, muß demnach, wenn dieſe Zunahme demſelben Verhältniſſe treu bleibt, in einer Tiefe von 200,000 Meter zu einer Sitze gelangen, die alle feſten Stoffe der Erdrinde in Fluß erhält. Auf dieſe Vermuthung gründet ſich die Annahme eines centralen, feurig-flüſſigen, ſphäriſchen Erdkernes, deſſen Ra⸗ dius 6 Millionen Meter betragen müßte. Die Vulcane, die noch jetzt feurig-flüſſige Maſſen, die beim Erſtarren zu Felsgeſteinen werden, auswerfen, ſowie die an den Polen abgeplattete Kugelgeſtalt der Erde unterſtützen dieſe Anſicht. Hier aber iſt dem Geologen die Grenze geſteckt, wo— gegen die Aſtronomen noch weiter gehen und den gasförmi— gen Zuſtand als den primitiven der Erde annehmen, wobei die beim Übergange aus dem gasförmigen zum flüſſigen Zuſtande frei gewordene Wärme ganz allein die hohe Tem— peratur, welche vermuthlich zu eee e hat, er⸗ 275 klären könnte. Die weniger heiße Umgebung mußte dieſes Erkalten vermehren und allmälig an der Oberfläche eine feſte Kruſte bilden, ganz ſo, wie ein fließendes Metall durch Wärmeausſtrahlung von der Oberfläche her erſtarrt: Me— teorologiſche Erſcheinungen bewirkten, gleich den Stürmen, welche die Eisdecke unſerer Seen und Meere durchbrechen, den Durchbruch oder die Hebung dieſer erhärteten, zum Theil ſchon von Niederfchlägen bedeckten Erdkruſte, und fo das Entſtehen der Berge. Das bisher nur als Dampf vor— handene Waſſer ward nunmehr tropfbar-flüſſig, und lebende Weſen bevölkerten die Erde. Obſchon das Erkalten ſo lange fortdauern muß, bis der Erdmittelpunkt mit ſeiner Kruſte eine gleiche Temperatur beſitzt, ſo mußte doch nach phyſica— liſchen Geſetzen dieſe Abkühlung um ſo langſamer vor ſich gehen, als ſich die Temperaturen der feſten Erdrinde und der Atmoſphäre immer gleicher wurden. Während nun die Erdkruſte ihre Temperatur nahebei conſtant erhielt, erkaltete der centrale Kern doch täglich mehr und mehr und zog ſich, wie alle Körper, beim Abkühlen zuſammen; die Grade der Abkühlung des Kernes und der Rinde waren ſehr verſchie— den, und daher mußte auch ihre Volumveränderung eben jo verſchieden ſein, wodurch ſich wiederum Falten der Erdrinde bilden mußten, die theils allmälig entſtanden, theils aber bei großer Spannung plötzlich und gewaltſam hervorbrachen und neue Umwälzungen veranlaßten. Durch ſolche gewalt— ſame Faltenbildungen und Zerreißungen entſtanden wahr: ſcheinlich unſere höhern Gebirge, deren zerklüftetes Anſehen ſehr wohl mit dieſer Anſicht übereinſtimmt. Wie nun die Bildung einer Kreisfalte die ſphäriſche Geſtalt der Erdkugel etwas verändern mußte, ſo ſtellte die folgende Falte, der erſten nahebei perpendiculär, die alte der Rotationsbewegung günſtigere Form wieder her; die dritte Falte ſtand wiederum nicht der zweiten, ſondern der vierten perpendiculär u. ſ. w. Unſere Kenntniß der Erdrinde iſt jedoch noch nicht ſo weit gediehen, daß wir mit Sicherheit die verſchiedenen Epochen der ſo entſtandenen Falten nachweiſen und nach ihnen die Gebirgszüge claſſtficiren können; indeß hat bereits Elie de Beaumont im weſtlichen Europa funfzehn nach einander erfolgte Erhebungsepochen nachgewieſen. Zu den älteſten dieſer Epochen gehört die achte, durch welche die kleinen von Weſt nach Oſt ſtreichenden Hügel um Hainaut entſtanden. Wie alle älteren Faltungen find auch ſie von unbedeutender Höhe, da eine noch dünne Kruſte leicht be— greiflich ſich weit eher falten und eher berſten mußte, ſomit nur Hügel bilden konnte, während die dicker gewordene Kruſte mehr Widerſtand leiſten, eine größere Spannung und durch dieſe wiederum eine bedeutendere und gewaltſamere Hebung veranlaſſen mußte, ſo daß die höchſten Gebirge zu— gleich die jüngſten Bildungen dieſer Art repräſentiren; dahin gehören die öſtlichen, von W. N. W. nach O. S. O. ſtreichen— den Alpen, nicht aber Belgiens Gebirge. Das weite Thal, in dem die Sambre und Maas dahinfließt, ſcheint dagegen von Maubeuge bis Lüttich aus derſelben Epoche, welche die öſtlichen Alpen, die gleiche Richtung mit ihnen heilen, hervorrief, zu ſtammen. Die weſtlichen, von S. S. W. nach N. N. O. ſtreichenden Alpen ſcheinen einer etwas früheren 128. VI. 18. 276 Epoche anzugehören; ihr Emporſteigen zeigt ſich noch an Flanderns Küfte durch parallele Reihen und die von ver— ſchiedenen Strömen bewäſſerten Thäler, die, wenn ſie durch ein Abſpülen des Waſſers entſtanden wären, nicht jo parallel und geradlinig verlaufen würden. Welche dieſer Revolutionsepochen die große in der Bibel als Sündfluth beſchriebene Erdumwälzung veranlaßt habe, möchte ſchwierig zu beſtimmen ſein, obſchon die Er— hebung der Alpen wahrſcheinlich einer viel älteren Zeit an— gehört, wogegen die ungeheure Andenkette, die von Nord nach Süd faſt Americas ganzes Feſtland durchſtreicht, nach Elie de Beaumont jüngeren Urſprungs wie die Alpen iſt, und möglicherweiſe durch die ungeheure Bewegung, welche ihr Hervortreten auf das Waſſer der Meere ausüben mußte, eine Sündfluth veranlaſſen konnte. Auch für die Möglichkeit künftiger Erdumwälzungen laſſen ſich nur Vermuthungen aufſtellen: einige Geologen wollen dieſe Möglichkeit aus dem noch jetzt fortdauernden Erkalten des Erdkernes herleiten, während andere Betrachtungen energiſche Umwälzungen we— niger befürchten laſſen, ſelbſt wenn man eine Trennung des erkaltenden Kernes von der bereits erkalteten Kruſte, alſo einer ſoliden Kugel von einer äußeren hohlen umgeben, wie beim Saturn, verwirft, da eine ſolche Trennung, wie die noch thätigen Vulcane und Erdbeben beweiſen, bis jetzt nicht Statt gefunden hat. Indem nämlich die Dicke der jetzigen Erdkruſte und der durch häufige Erdbeben durch— einander geworfene Zuſtand derſelben der Bildung großer Falten hinderlich iſt, möchte der immer langſamer abkühlende Erdkern eher ein Zuſammenſinken, ähnlich dem eines Gewöl— bes, veranlaſſen, wo in demſelben Grade, wie ſich der Bogen verengert, einige Steine des Gewölbes hervorgeſchoben wer— den, eine Hypotheſe, die durch noch gegenwärtig ganz all— mälig Statt findende Hebung verſchiedener Länder kräftig unterſtützt wird. Lange wurde dieſe Erſcheinung verkannt und für das Zurücktreten des Meeres gehalten; da aber dieſes Sinken nicht allgemein iſt, vielmehr das Meeresniveau an vielen Orten ſeit mehr als 2000 Jahren ganz dasſelbe geblieben, jo würde ein nur an gewiſſen Orten Statt fin— dendes Zurückſinken des Meeres mit den für Flüſſigkeiten geltenden Naturgeſetzen unvereinbar ſein; überdies weiß man jetzt, daß die beobachteten Verſchiedenheiten durch eine He— bung verſchiedener Theile der Erdkruſte entſpringen, und ſich die Küſte Scandinaviens in jedem Jahrhunderte um mehr als einen Meter emporhebt. Einige Geologen haben dieſe Erſcheinung mit der Faltenbildung älterer Zeiten, durch welche die Gebirge entftanden, verglichen, worin der Verf. nicht übereinſtimmen kann, weil dieſe Hebungen ſich nicht in langem Zuge verbreiten, ſondern nur über kleine Flächen erſtrecken. In Scandinavien erreicht dieſe Erſcheinung im nördlichſten Theile des botniſchen Meerbuſens ſeinen Höhen— punkt und nimmt von da allmälig gegen Süden ab, und zwar fo, daß an der Küſte von Scandinavien wirklich ein Sinken zu beobachten iſt, eine Erſcheinung, die weit beſſer durch das Engerwerden eines Gewölbes als durch die Bil— dung einer Kreisfalte zu erklären iſt, und ſo darf man die Hebungserſcheinungen nicht als Indicien bevorſtehender Erd— 277 revolutionen, vielmehr als Zeichen für die Stabilität der Erdkruſte anſehen. Zwar hat man in neuerer Zeit die Gletſchererſcheinun— gen mit der allmäligen Erkaltungstheorie der Erde im Wi: derſpruch geglaubt, obſchon die Wärme bekanntlich nicht nur vom Aquator zu den Polen, ſondern auch mit der Höhe über den Meeresſpiegel abnimmt, und ſo in einer gewiſſen Höhe die Region des ewigen Schnees entſteht. Temperatur veränderungen bewirken an der Schneegrenze die Bildung ungeheurer Eismaſſen, die bei günſtigem Terrain noch be— ſtändig unterhalb der Schneegrenze zunehmen, und wie in den Alpen zum Theil bis zur Waldregion herabſteigen. Auf dieſen Eismaſſen ſammeln ſich die Abfälle der umgebenden Felſen, die beim Schmelzen des Eiſes zu wulſtartigen Aus— wüchſen, den ſogenannten Moraines, werden. Das von der Sonne herabthauende Eis, mit Sand und Steingerölle ver— miſcht, polirt und ſtreift die Felsmaſſen, an denen es hin— abrollt, ihnen dadurch ein eigenthümliches Ausſehen ver— leihend, aus welchen ſich, ſelbſt wenn die Gletſcher längſt verſchwunden ſind, ihr früheres Daſein noch erkennen läßt. In neuerer Zeit hat man nun eine frühere, ungleich größere Entwickelung der Gletſcher, welche die ganze untere Schweiz bedeckten, und in den Vogeſen, wo ſie jetzt gänzlich ver— ſchwunden find, hohe Kuppen bildeten, nachgewieſen; ja man will ihre Spuren ſogar bis an den Fuß der Huͤgelketten Gelderns verfolgen können, und hat hieraus zwiſchen der jetzigen und der Tropenperiode, deren Thier- und Pflanzen— reſte in den verſchiedenen Erdſchichten begraben liegen, auf eine kalte Periode, in welcher der größte Theil der Erde von Eis überdeckt ward, geſchloſſen, obſchon ſich alle vor— kommenden Erſcheinungen ohne dieſe erzwungene Hypotheſe ſehr wohl erklären laſſen. Die Temperatur der Erdoberfläche richtet ſich, wie ſchon erwähnt, nach der Entfernung der Orte dom Äquator und ihrer Höhe über dem Meeresſpiegel, es muß demnach ver— ſchiedene Klimate geben. Das weſtliche Europa beſitzt ein gemäßigteres Klima, eine höhere Mittelwärme als die übri— gen unter gleicher Breite gelegenen Länder, und ſcheint dies wärmere Klima dem Golfſtrome, der die heißen Wäſſer des mericaniſchen Meerbuſens an feine Küſten führt, zu ver— danken. Landenge von Panama hervorgerufen; dieſe aber iſt ein Thal der großen Andenkette, die, wie wir oben geſehen, erſt nach dem weſtlichen Europa durch Hebung entſtanden iſt, wo wahrſcheinlicherweiſe früher ein anderes, nicht ſo mildes Klima wie jetzt herrſchte. Zu dieſer Urſache geſellt ſich wahrſcheinlich noch die Höhenabnahme unſerer Gebirge, in— dem die durch Hebung und Hervorbrechen entſtandenen Maſſen gleich andern bewegten Maſſen einer mehr oder minder langen Zeit bedürfen, um ſich zu ſchichten, mit an— dern Worten ſich zu ſenken. Bouſſingault ſchließt nun aus ſeinen neuen Meſſungen, die er mit den vor 30 Jahren von A. v. Humboldt an— geſtellten Höhenbeſtimmungen verglichen, wie aus der all— gemeinen im Lande verbreiteten Meinung einer Verminde— rung des ewigen Schnees: daß ſich die Anden von Quito 128. VI. 18. Dieſer Golfſtrom wird, wie es ſcheint, durch die. 278 in der geſchichtlichen Zeit allmälig geſenkt haben, und ſo iſt es denn wohl begreiflich, wie mit der allmäligen Höhen— abnahme der Gebirge auch ihre Temperatur eine mildere werden und die Schneegrenze immer höher hinaufrücken mußte, ohne daß ſich die Temperatur der Erde im allge— meinen änderte. Auch beweiſ't die Verbreitung der erratiſchen Blöcke Scandinaviens keineswegs, daß die Gletſcher dieſer Gegend von Holland bis zum Fuße des Ural reichten, es iſt viel— mehr weit eher anzunehmen, daß dieſe Blöcke zu einer Zeit abgeſetzt wurden, wo die jetzige Erdoberfläche noch von Waſſer bedeckt war, und daß die entweder von Gletſchern, Seen oder den Küſten Seandinaviens kommenden Eismaſſen ſelbige an den Grund des Meeres abſetzten, oder an die ſüdlichen Küſten der ſchon vorhandenen Länder trugen, ganz ſo, wie unſern Schiffern noch jetzt nicht ſelten ſchwimmende Eismaſſen auf dem Meere der gemäßigten Zone begegnen, die, gleich Flößen, Felsfragmente der polaren Gebirge mit ſich führen, XXX. über die Beziehungen zwiſchen, den Er⸗ ſcheinungen der erratiſchen Blöcke im nördlichen Europa und der Hebung Scandinaviens. Von Deſor. Der Verf. macht zunächſt auf Eigenthümlichkeiten der erratiſchen Erſcheinungen des Nordens, die in der Schweiz nicht vorkommen, aufmerkſam; dieſe beſtehen 1) in dem Vorkommen polirter und ausgehöhlter Oberflächen unterhalb dem jetzigen Meeresſpiegel; 2) in dem Vorkommen von See— conchylien, welche an den polirten Felſen weit über dem jetzigen Meeresſpiegel haften; 3) in dem Vorkommen ſolcher Schalthierreſte in der Mitte des Diluviums, bis zu einer Höhe von 800 Fuß und 4) in den Oſars oder Steinwällen, welche Muſcheln der Oſtſee enthalten. Obgleich nun die entſchiedenſten Beweiſe für eine He— bung Scandinaviens vorliegen, fo bezeugen wiederum andere Thatſachen ein Sinken dieſes Landes. Das Vorkommen von Schalenreſten noch jetzt in der benachbarten See leben— der Conchylien in einer bedeutenden Höhe oder beträchtlichen Entfernung vom Ufer, wie der wohlerhaltene Zuſtand der Muſcheln ſind ein gültiger Beweis ſowohl für die Erhebung des Landes, als für den Fundort als früheren Wohnplatz dieſer Weſen, die, wenn ſie durch Ströme und andere ge— waltſame Mittel dorthin geführt, zerbrochen und durch ein— ander geworfen fein würden. Die Serpula- Arten zu Chri— ſtiania und die Entenmuſcheln zu UÜddewalla, die hoch über der See an den Felſen haften, machen dies noch unzwei— felhafter. Andererſeits deuten die ſich bis unterhalb des Waſſer— ſpiegels fortſetzenden Streifen und Furchen nicht minder gewiß auf eine höhere Lage des Landes zu einer gewiſſen Epoche, und ſtimmen ſelbſt die Anhänger der verſchiedenſten Hypotheſen darin überein, daß die erratiſchen Erſcheinungen zu einer Zeit Statt fanden, wo das Land noch vom Meere 18 * 279 bedeckt war, indem ſich nun über der Meeresfläche die Glet— ſcher bilden konnten. Die Beobachtungen Martins zeigen überdies, wie Spitzbergens Gletſcher ſich nicht unter dem Waſſer fortſetzen, das Eis vielmehr bei einer höhern Tem— peratur des Waſſers, ſo weit es mit ſelbigem in Berührung kommt, wegſchmilzt und ſo ein beträchtlicher Raum, der Höhe der Fluth entſprechend, den Gletſcher von dem Waſſer— ſpiegel trennt. Sind aber, wie es dem Verf. hinreichend erwieſen ſcheint, die polirten Oberflächen durch ungeheure Gletſcher, welche erratiſche Blöcke weit von Scandinavien hertrugen und Materialien fürs Diluvium und die Steinhaufen liefer— ten, entſtanden, ſo mußte auch das Land, ſo weit es Spuren eines Abſchleifens und einer Streifung durch die Gletſcher trägt, oberhalb des Waſſers geweſen ſein. Zeigten ſich dieſe Erſcheinungen nur in der Höhe des Meeresſpiegels, ſo könnte man allerdings eine Stabilität Scandinaviens vermuthen; da fie indeß an ſeiner Küſte mehrfach unter dem Waſſer vorkommen, ſo muß man daraus auf eine vormals größere Höhe dieſes Landes ſchließen. Das Vorkommen wohler— haltener Muſcheln zeigt uns zugleich die Zeitfolge dieſer Vorgänge; die Entenmuſcheln von Üddewalla, in einer Höhe von 200 Fuß und die Serpula von Chriſtiania, 170 Fuß über dem Meeresſpiegel gefunden, zeigen zu deutlich ein Sinken der Küſte an dieſen Stellen; der Umſtand, daß dieſe Thiere an den geſtreiften und polirten Felſen hangen, be— weiſ't nicht minder deutlich, daß dieſe Felſen, ehe ſie dieſen Thieren zum Aufenthalt dienten, trocken lagen. Daraus ſchließt der Verf., daß 1) das Abſchleifen der Geſteine vor der Epoche der Entenmuſcheln und Serpula geſchah und 2) die Küſten von Uddewalla und Chriſtiania ſich bis zur wirklichen Höhe dieſer Foſſilien ſenken mußten. Aber genannte Muſcheln ſind nicht die einzigen Be— weiſe für dieſes Sinken; noch in einer viel beträchtlichern Höhe finden ſich über den geſtreiften Felſen im Diluvium Muſcheln eingebettet, deren Arten im allgemeinen der Gegend angehören und wahrſcheinlich mit den beiden vorbenannten Conchylien gleichzeitig lebten, ſomit beweiſen, wie das Land damals mindeſtens um 800 Fuß tiefer gelegen. Dies Un— tertauchen muß nun zwiſchen der Epoche der Furchenbildung und der ſchichtenweiſen Ablagerung des Diluviums Statt gefunden haben. Zu dieſer Zeit verließen die Gletſcher das flache Land, um ſich in die Gebirge des Innern zurückzu— ziehen; das Meer überſchwemmte die niedrigen Theile Scan- dinaviens und bildete um ſeine Gebirgsmauer einen See, deren Grenzen ſich vielleicht nach dem Vorkommen der pilu— vianiſchen Muſcheln annähernd beſtimmen ließen. Die Ahn— lichkeit der erratiſchen Blöcke Finnlands mit denen Scandi— naviens läßt beiläufig eine frühere Verbindung des botniſchen Meerbuſens mit dem Polarmeere vermuthen. Die Zeitdauer, welche zwiſchen dem Rückzuge der Glet— ſcher und dem Sinken des vom Meere überſchwemmten Landes verfloß, iſt nicht zu ermitteln; die vollſtändig erhaltene Glättung unter dem Diluvium ſcheint indeß die Kürze dieſer Periode zu beweiſen. Nirgend ſind dieſe Gruben und Schrammen deutlicher, als wo ſie, nach der Entfernung des 128. VI. 18. 280 Diluviums, frei zu Tage liegen und mit den abgerundeten, durch atmoſphäriſchen Einfluß verwitterten Felſen contrafti= ren. Da aber dieſer Einfluß der Atmoſphäre wahrſcheinlich früher nicht minder energiſch als jetzt geweſen iſt, ſo ſchließt der Verf. aus dem erhaltenen Zuſtande der polirten Ober— flächen unter dem Diluvium, daß ſelbige nur kurze Zeit der Atmoſphäre preisgegeben waren. Das Einbrechen der See war vermuthlich eine der thätigen, wenn nicht entſcheidenden Urſachen zur Vernichtung des großen Gletſchers; die Dilu— vialfauna mußte dadurch einen kälteren Charakter annehmen, da das ſchmelzende Eis dem Waſſer nothwendig Wärme entzog; nach und nach ſtieg die Temperatur wieder, und mit ihr nahm die Waſſerfauna allmälig den jetzigen gemäßigten Charakter an. In dieſe Epoche der Überſchwemmung Scandinavieng muß die Entſtehung der Schlamm-, Sand- und Grand- bänke, Beweiſe für die vormalige Verbreitung der Gletſcher, fallen. Die Kraft der Wellen hatte ſich dieſes beweglichen Bodens bemächtigt, die Überreſte einer belebten Meeresſchö— pfung ans Ufer geworfen, wo ſie ſich mit zerſchrammten Felsſtücken und Kieſeln miſchten; die Kieſel mußten hierbei durch das Schleifen gegen einander mehr oder weniger ab— genutzt werden, wogegen die größern Felsſtücke, vermöge ihrer Schwere, weniger hin- und hergerollt wurden und deßhalb ihre urſprüngliche Beſchaffenheit beſſer bewahrten. Daß in der Schweiz, wo die Wirkung des Waſſers weniger heftig und andauernd war, mehr geſtreifte Kieſel vorkommen, kann demnach nicht befremden. Nach dieſer Epoche des Untertauchens, deren Dauer nicht ein Mal approximatio zu ermitteln iſt, erhob ſich das Land Scandinaviens wieder. Die Ufer der hohen Central— gegenden, die Thäler Schwedens und Finnlands tauchten allmälig aus dem Waſſer hervor, und brachten denſelben Schlamm und denſelben Diluvialgrand, den ſie von den Gletſchern erhalten und der ſich ſchichtenweiſe abgelagert und mit Schalthierreſten vermiſcht hatte, mit an die Oberfläche, nur die Vertiefungen des Landes blieben vom Waſſer bedeckt: ſie bildeten die Landſeen Schwedens und Finnlands ſammt dem botniſchen Meerbuſen. Der letztere, durch das Empor— fteigen des Zwiſchenlandes vom Weltmeere getrennt, ver— lor nach und nach ſeinen Salzgehalt, ſo daß ſeine Fauna eher dem Binnenwaſſer als dem Meere angehört. Die Landſeen büßten ihren Salzgehalt gänzlich ein und erhielten ſüßes Waſſer. Verſchiedene Fiſche ſcheinen dieſem Wechſel des Waſſers getrotzt zu haben; der Salmo trutto L. der ſchwediſchen Landſeen iſt, nach Esmark, nur eine dem Salmo salar L. ähnliche Salmenart; da nun der Salm ſonſt nicht in die Landſeen hinabſteigt, läßt ſich eine Aeclimatiſt— rung dieſes Fiſches mit der Umwandlung ſeines Wohnortes vermuthen. Die Hebung des Landes geſchieht indeß, wie Keilhau's und Bravais's ſchöne Unterſuchungen über den Meeres ſand von Scandinaviens Küſte beweiſen, nicht durch— aus gleichmäßig. Die beſprochenen Osar oder Steinwälle, die weit ins Land vorkommen, deuten die nach einander hervorgetretenen früheren Geſtade an; der botniſche Meerbuſen war demnach vormals ausgedehnter, als jetzt, die große, 281 jetzt bewohnte Küſtenkette hob ſich erſt nach und nach aus dem Waſſer hervor. Das allmälige Zurückweichen des Waſſers gehört mei— ſtens der jetzigen Epoche an, wie unleugbare Spuren menſch— lichen Daſeins im Innern der Steinwälle beweiſen. Es iſt ſogar wahrſcheinlich, daß während der Periode langſamen Erhebens ein Urvolk, nach ſeinem Knochenbaue von ganz verſchiedener Raſſe, Scandinavien bewohnte, deſſen Gebeine, mit den Knochen verſchiedener, zum Theil ausgeſtorbener Thiere, des Bos urus u. ſ. w., in den Torflagern ver— ſchüttet ſind. Die Hebungen Scandinaviens ſind demnach für das Studium der erratiſchen Blöcke ſehr wichtig, und letztere geben wiederum werthovolle Andeutungen über die Zeit und die geologiſche Beſchaffenheit dieſer Hebungen. Der Verf. hat ſomit gezeigt, daß dieſe Hebungen ſich nicht allein auf die geſchichtliche Zeit beſchraͤnken, ſondern eben ſo wohl einer weit früheren Periode des Dilusiums angehören; daß ferner dieſe Hebungen nicht ununterbrochen Statt fanden, daß ſie vielmehr ſtoßweiſe erfolgten, wobei das Land nach und nach gehoben und wieder niedergedrückt ward. Der Verf. unterſcheidet drei Hauptperioden: 1) die Gletſcherepoche, wo das Land höher wie gegenwärtig war; 2) die Epoche des Sinkens der Ebenen Scandinaviens, welche einen Aus— tritt der See zur Folge hatte und 3) die Hebungsperiode derſelben Ebenen, welche noch gegenwärtig fortdauert. Jede dieſer Perioden muß eine beträchtliche Dauer ge— habt haben; nach der langſamen Gletſcherbewegung unſerer Tage darf man, aus der viele hundert Meilen weiten Ver— breitung der Felsblöcke und Grandſteine Norwegens, min— deſtens auf tauſendjährige Dauer dieſer Gletſcherepoche ſchlie— ßen. Auch die zweite Periode muß nicht von geringerer Dauer geweſen ſein, wie ſich aus dem Daſein, der Verbreitung und dem Untergange einer andern Fauna ſchließen läßt, deren zahlreiche Überreſte ſich in einem vormals untergetauchten Lande finden. Die dritte Periode umfaßt auch die geſchicht— liche Epoche, wo eine fremde Menſchenraſſe, deren Gebeine in den Torfmooren begraben liegen, das Land bewohnte. Die Gletſcherepoche gehört demnach nicht allein der geſchichtlichen Zeit unſerer Erdkugel, ſondern einer langen 128. VI. 18. 282 Periode an, die in geologiſcher Beziehung als das Zwiſchen— glied der antediluvianiſchen und der geſchichtlichen Zeit be— ſonders wichtig wird. (The Edinburgh new philosophical Journal, April to July 1847.) Mifcellem 44. Das Gutta Percha iſt der erhärtete Milchſaft eines an verſchiedenen Theilen der Inſel Singapore und in den Wäldern von Johors an der Spitze der malaiiſchen Halbinſel, wahrſchein— lich auch auf Sumatra wachſenden Baumes; dieſe Inſel heißt nämlich in der Landesſprache Pulo Percha. Der Baum ſoll übri- gens auch an der Südoſtküſte von Borneo wachſen; er erreicht einen Durchmeſſer von 3 bis 6 Fuß und eine Höhe von 40 Fuß; fein Holz hat keinen Werth, die Frucht liefert ein erſtarrendes Ol, das von den Einwohnern an Speiſen benutzt wird. So häufig dieſer Baum auf allen Inſeln um Singapore iſt, ſo thut die Habgier auch alles, um ihn auszurotten, da man ſich nicht begnügt, den Milchſaft durch Schnitte in die Rinde zu entlaſſen und fo alljäh- rig von demſelben Baume zu gewinnen, ſondern ihn lieber ganz umhauet, um nur auf ein Mal mehr zu erhalten. Man unter⸗ ſcheidet drei Arten: Gutta girek, Gutta tuban und Gutta percha. Das Gummi erweicht in kochendem Waſſer, nimmt dann jede be— liebige Form an und erhärtet beim Erkalten wieder; mit Kaute ſchuk vermiſcht, wird es elaſtiſcher und minder hart, verbindet ſich indeß auch mit Wachs und fetten Stoffen. Der Perchabaum ge— hört, nach Hookers Unterſuchungen von Dr. Orley aus Singa- pore geſandter Exemplare, zum Genus Isonandra nach Wight, und unterſcheidet ſich von der bekannten Art nur durch die Zahl ſeiner Blüthentheile, die in unſerer Species, Isonandra Gutta, heramer find. (Annales des Sciences, Oct. 1847.) 45. Der Ornithorynchus iſt, nach J. Verreaur, in Tasmanien und namentlich an den Ufern des New-Norfolk-Fluſſes in ſtillen Buchten ſehr gemein. Er ſchwimmt und taucht ſehr ſchnell, nährt ſich von Waſſerinſecten und Molluſken, iſt übrigens kein durchaus nächtliches Thier, obſchon er Nachts vorzugsweiſe thätig iſt. Verreaur hielt mehrere, ſowohl alte als junge Thiere eingehegt und beobachtete hier die Art des Säugens. Die Jungen drängten ſich, ſobald das Mutterthier auf einer ſeichten Stelle zwiſchen Waſſerpflanzen, oder an einem andern Orte, wo keine Strömung war, ſich befand, an ſelbiges und drückten ſo die Milch hervor, die, auf dem Waſſer ſchwimmend, von ihnen begierig, unter beſtändigem Drehen, aufgeſchlürft ward. Alle Tag und alle Nacht wiederholte ſich dies Schauſpiel; wenn das Junge müde war, kletterte es auf den Rücken der Mutter, die ans Land ging und es liebkoſete. (Comptes rendus, No. 7. 1848.) Heilk (XVIII.) über das bösartige Wechſelfieber der Säuglinge, beſonders zur Zeit des erſten Zahnens. Von Hrn. Sémanas, Arzt zu Algier. In den beiden erſten Theilen ſeiner Arbeit, von denen der eine die Beſchreibung, der andere die Atiologie des bösartigen Wechſelfiebers der Säuglinge enthält, ſucht der Verf. durch zahlreiche kliniſche Beobachtungen darzuthun, daß in den Sumpfgegenden das bösartige Fieber in der erſten Kindheit weit verderblicher iſt, als in irgend einem unde. andern Lebensalter, und daß es bei dem Kinde in ſeinen Symptomen nur eine ſehr entfernte Ahnlichkeit mit der Form habe, unter der ſich die Krankheit bei Erwachſenen zeigt, daher es auch vielfach verkannt und mit Krankheiten von verſchiedenem Urſprunge und Weſen verwechſelt worden it. Der dritte Theil der Arbeit des Hrn. Semanas, über welchen wir hier näher berichten werden, beſchäftigt ſich mit der Behandlung. Auf den erſten Blick giebt es nichts Einfacheres als die Behandlung eines bösartigen Wechſelfiebers; wenn man 283 indeß die von dem Alter, den eigenthümlichen phyſiologi— ſchen Verhältniſſen der Säuglinge, den ſowohl Verlauf als Anſehen der Krankheit modificirenden zahlreichen Complica— tionen, endlich von der Schwierigkeit des Beibringens der Arzneimittel abhängenden Umſtände bedenkt, ſo begreift man leicht, daß die Aufgabe in dieſem Falle ziemlich verwickelt iſt. Zur richtigen Auffaſſung der ſämmtlichen hier, in Be— tracht kommenden Indicationen muß man auf die Atiologie zurückgehen. Die prädisponirenden Urſachen dieſer Krankheit ſind vornehmlich zweierlei Art; ein Mal die, welche von der mediciniſchen Conſtitution (Sumpf- Conſtitution) abhängen, und ferner die, welche dem zarten Kindesalter eigenthümlich ſind (ſchwacher phyſtologiſch er Widerſtand, übermäßige Ab— ſorptionsthätigkeit ꝛc.). Überdies beſteht die Eigenthümlich— keit der gemiſchten Sumpfeonftitution oder das Charakte— riſtiſche der medieiniſchen Conſtitution von Algerien gerade darin, daß im Anfangsſtadium alle zufälligen krankmachenden Potenzen Veranlaſſungsurſachen zum Erkranken des ganzen Organismus werden können. So hat man denn eine ganze Claſſe neuer krankmachender Potenzen, auf die ſich eben ſo viele neue Indicationen gründen, welche je nach der Be— fchaffenbeit und den Urſachen der Zufälle verſchieden fein werden. Und auf dieſe Weiſe zerfallen die Indicationen in zwei Claſſen: die Sauptindication oder ſpeeifiſche Indication, welche von der conſtitutionellen krankmachenden Potenz ab— hängt, und die Nebenindicationen, welche ſich auf die com— plicirenden Nebenpotenzen beziehen. Die praktiſchen Vor— ſchriften, welche Hr. Semanas in beiderlei Hinſicht mittheilt, wollen wir hier kurz darlegen. Als ſpecifiſches Medicament iſt das ſchwefelſaure Chinin fortwährend zur Anwendung gekommen, und zwar meiſt unter der Form von Klyſtiren und Salben, ſelten in Trän⸗ ken und noch ſeltener in Pillen. Überdies läßt der Verf. durchgehends die Säure weg, welche viele Pharmaceuten ohne Unterſchied und nur, weil es ſo hergebracht iſt, allen Prä— paraten zuſetzen, deren wirkſamer Beſtandtheil in ſchwefel— ſaurem Chinin beſteht. Vergleichende Beobachtungen an Erwachſenen haben ihn überzeugt, daß das Zuſetzen einer Säure in allen Fällen unnütz und in vielen ſchädlich iſt. Er hat häufig beobachtet, daß, während der Patient ein ſäuer— liches Klyſtir oder einen ſäuerlichen Trank nur einige Se— cunden oder höchſtens Minuten bei ſich behalten konnte, das Mittel vollkommen gut vertragen wurde, wenn das ſchwefel— ſaure Chinin mit der Flüſſigkeit nur mechaniſch vermengt und nicht darin aufgelöſ't war. Das Vehikel, deſſen ſich Hr. Sémanas zum Einhüllen dieſes Salzes gewöhnlich bedient, iſt das arabiſche Gummi. Bei ſehr jungen Kindern iſt das Zuſetzen von Säuren zu den Präparaten von ſchwefel— ſaurem Chinin noch nachtheiliger, als bei Erwachſenen. Die von Hrn. Sémanas in Anwendung gebrachten Medicamente ſind folgende. Das Klyſtir mit ſchwefelſaurem Chinin und die Salbe von ſchwefelſaurem Chinin beweiſen ſich bei den Säuglingen am wirkſamſten. Daß der Verf. dem Klyſtire vor den übrigen Formen, unter denen man das ſchwefelſaure Chinin 128. VI. 18. 284 den Erwachſenen zu verordnen pflegt (in Pillen, Tränken), den Vorzug giebt, erklärt ſich leicht aus dem Alter der Pa— tienten, ſowie aus dem Umſtande, daß man auf der Stelle eine ſehr ſtarke Doſis zur Anwendung bringen muß, wenn das Mittel nicht ſeine Wirkung verfehlen und der Tod viel— leicht unverzüglich eintreten ſoll. Wenn dieſe Klyftire ge— hörige Wirkung thun ſollen, jo müͤſſen fie nothwendig 15 bis 20 Minuten lang vertragen werden, und Hr. Sema- nas hat daher diejenige Miſchung ermitteln müſſen, welche die Schleimhaut des Maſtdarmes am wenigſten angreift. Fol- gende Zuſammenſetzung hat ihm die beſten Dienſte geleiſtet: R Cort. Chin. reg. . . 18 Gramm F. S. A. Decoctum . N 60 = adde Chinini sul... 5 Deeigrm. Pulv. Gummi Mimosae q. s. M. Die ſpeeifiſch⸗ ⸗wirkenden Klyſtire müſſen, je nach den Fällen, in der Art wiederholt werden, daß man ſich ſtets davon überzeugt, daß ſie der Kranke vertrage und daß die Abſorption derſelben zu gelegener Zeit Statt finde. Vor— ausgeſetzt, daß jedes Klyſtir gehörig lange (15 — 20 Minu— ten) im Leibe bleibe, hat man, dem Verf. zufolge, bei bös— artigen Fiebern von mittlerer Intenſität alle 5 Stunden eines oder in den erſten 24 Stunden 4— 5 zu ſetzen und zu jedem 5—6 Decigrm. ſchwefelſauren Chinins zu verwenden. Iſt das Fieber ſchon weit vorgeſchritten oder beſonders heftig, ſo läßt man von einem Klyſtire bis zum andern nur drei Stunden verſtreichen, ſo daß man in den erſten 12 Stunden deren 4 ſetzt, und dann nimmt man auf jedes Klyſtir 6 — 10 Decigrm. ſchwefelſauren Chinins. Nach den erſten 24 oder 12 Stunden wendet Hr. Sémanas, je nach dem Fortbeſtehen oder der Milderung der Symptome, die Klyſtire nach denſelben oder längern Zwiſchenzeiten an. Die Stärke der Doſen, in welchen das ſchwefelſaure Chinin hier verordnet wird, darf uns nicht wundern oder bedenklich erſcheinen, da die Krankheit ungemein bösartig iſt und ſchnell tödten kann. Hr. Sémanas verwahrt ſich ausdrücklich gegen jeden Einwurf dieſer Art, indem er ſagt, daß es ſich bei dem bösartigen Fieber der Säuglinge um möglichſt raſche Abſorption des ſchwefelſauren Chinins handele und daß lediglich in der zu geringen Stärke der Doſis Sr liege. Das Recept, nach welchem Hr. Semanas die ſchwefel— ſaure Chininſalbe bereitet, iſt: 10 Deeigrm. ſchwefelſauren Chinins auf 10 Grammen Schweineſchmeer. Dieſes Mittel ſpielt unter den ſpecifiſchen Medicamenten die zweite Rolle. Es wird jede Stunde davon eine Quantität von dem Um— fange einer großen Haſelnuß in die Achſelhöhlen und die Leiſtenbeugen eingerieben, und wenn die Symptome des Fiebers nicht bösartig ſind, ſo gelingt es dadurch, die ein— fachen Fieberparorysmen zu unterdrücken. Iſt das Fieber aber bösartig, ſo reicht man mit dieſem Mittel allein nicht aus; wohl aber leiſtet es neben den Chininklyſtiren gute Dienſte. Was die übrigen Medicamente betrifft, die man als unter⸗ ſtützende Mittel bezeichnen kann, z. Berevellirende, antiphlogiſtiſche, abführende ꝛc. Mittel, jo wendet Hr. Sémanas dieſelben 285 nach folgenden allgemeinen Grundſätzen an. Die revelliren— den Mittel ſtehen in Hinſicht der Nützlichkeit den ſpecifiſchen am nächſten und beſtehen in hautröthenden und blaſenziehen— den Mitteln. Ihre Anwendung zeigt ſich vorzüglich in den Fällen, wo auffallende Schläfrigkeit mit oder ohne Hirncon— geſtion Statt findet, nützlich und wirkſam. Wenn die Schläfrigkeit deutlich von Hirncongeſtion begleitet iſt, wendet der Verf. auch mit gutem Erfolge Blutegel, und zwar als revellirendes Mittel, an. Die Behandlung durch Abführungsmittel muß im Anfangs— ſtadium, ſowie während des Verlaufes der fraglichen Krank— heit, durchaus verbannt werden, wogegen ſie während der Reconvaleſeenz zur Wiederherſtellung der Verdauungsfunctio— nen Nutzen bringen kann. Da übrigens dieſe Behandlung leicht Rückfälle veranlaßt, ſo muß man dieſelbe höchſt vor— ſichtig in Anwendung bringen. Die antiſpasmodiſchen Mittel ſind bei denjenigen bösartigen Fiebern angezeigt, wo die perturbirende Form ſtark hervortritt. Toniſche Mittel find beſonders bei blaſſen, ſchwächlichen Subjeeten durchaus an— ezeigt. 0 Schließlich ſtellt der Verf. noch therapeutiſche Betrach— tungen hinſichtlich der Diät an. Die Arbeit des Hrn. Sémanas füllt offenbar eine Lücke in der Wiſſenſchaft aus, indem ſie die Arzte auf eine der hinterliſtigſten und gefährlichſten Krankheiten des zarten Kindesalters aufmerkſam macht. (Gaz. med. de Paris, 20. et 25. Mars 1848.) (XXIX.) Über die Geſetze der Nerventhätigkeit, ſowie die Function der Wurzeln der Spinalnerven. Von Th. Williams, M. D. Vor kurzem wohnte ich einigen Erperimenten bei, die der berühmte Marſhall Hall in ſeiner Wohnung vor einem auserleſenen Kreiſe von Freunden der Wiſſenſchaft anſtellte. Bei dieſer Gelegenheit verfiel ich auf einige neue Arten, in denen ſich Dr. Halls Methode zu experimentiren anwenden ließe. Doch konnte ich erſt nach meiner Rück— kehr von einer Reiſe auf das europäiſche Feſtland die Rich— tigkeit meiner damals gefaßten Ideen prüfen, und ich würde mich ſehr glücklich ſchätzen, wenn dieſe meine beſcheidenen Stu— dien vom Dr. Hall, der ſo eben durch ſeine treffliche Ar— beit über die convulſiviſchen Krankheiten der Kinder und die Epilepſie der praktiſchen Mediein wieder einen ausgezeich- neten Dienſt geleiſtet hat, wohlgefällig aufgenommen und vielleicht weiter verfolgt würden. Mit conſtantem Erfolge habe ich die Verſuche wieder— holt, durch welche Dr. Hall unlängſt dargethan hat, daß die Nerven die Fähigkeit beſitzen, in den elektrogeniſchen Zuſtand zu treten. Ich will hier nur im Vorbeigehen des ſinnreichen galvaniſchen Inſtrumentes gedenken, welches Dr. Hall erfunden hat und mittels deſſen ſich ein außerordent— lich winziger Betrag an galvanifcher Kraft erzeugen läßt. Dasſelbe beſteht ganz einfach aus einem Streifen Zink, an deſſen eines Ende ein Silberdraht gelöthet iſt, der ſich in Geſtalt des Buchſtabens Wüber das Zink zurückbiegt. Wenn man den Nerven eines nach Matteucei's Manier präparir— 128. VI. 18. 286 ten Froſches quer über die Arme der kleinen Maſchine legt, ſo werden Muskelcontractionen erregt, wenn die Strömung von der poſitiven Elektrode in centrifugaler Richtung durch den Nerven ſtreicht, während keine Contractionen Statt fin- den, wenn der Zinkpol nach den Nervenenden zu liegt. und die galvaniſche Kraft folglich in centripetaler Richtung durch den Nerven ftreicht. Aus den Umſtänden dieſes Erperimentes geht klar her— vor, daß die galvanifche Strömung ſelbſt nicht über die Silbe relektrode, auf welcher der Nerv liegt, hinaus gelangt, ſondern längs des Silberdrathes nach der poſitiven Quelle zurückſtreicht, wobei der Nerv lediglich als ein Verbindungs: glied zwiſchen dem aetiven und paſſiven Pole des Apparates dient. Allein obgleich, wie Dr. Hall ſo ſcharfſinnig dar⸗ gethan hat, die galvaniſche Strömung von dem Nerven an dem Punkte, wo jener ſich mit der Silberelektrode in Ve— rührung befindet, abſpringt, fo tritt doch der Nero nach ſeinem ganzen Verlaufe bis in die Zehenſpitzen und folglich jenſeits des Theiles, auf welchen die galsanifche Erregung ihren Einfluß direct ausübt, in einen neuen functionellen Zuſtand, und die Muskeln des Beines gerathen in permanente Contraction. Dieſen gereizten Zuſtand des Nerven hat Dr. Hall den elektrogeniſchen, den ähnlichen durch Strychnin er— regten den ſtrychnogeniſchen genannt. Die Phyſiker würden denſelben für inducirter oder fecundärer Art halten. Die Ideen, welche das Prineip dieſer ſchönen Experimente des Dr. Hall in mir erweckte, veranlaßten mich zur Anſtellung mehre— rer Verſuche, welche, wie ich ſpäter fand, ſchon von Matteucei ausgeführt worden waren. Ich legte die beiden Saeralner— ven eines Froſches bloß und verband ſie, während das Thier noch lebte, mittels eines galvanoſkopiſchen Froſches, ohne daß in den Muskeln des letztern die geringſte Neigung zur Contraction zu erkennen geweſen wäre. Nach der Analogie der von Dr. Hall feſtgeſtellten elektrogeniſchen Thatſachen war es mir wahrſcheinlich, daß, obgleich die Muskeln eines Thieres durch eine elektriſche oder dieſer verwandte Strö— mung, welche durch die ihnen angehörenden Nervenäſtchen geleitet wird, vielleicht nicht zur Contraction gereizt werden, dennoch eine functionelle Erregung dieſer entfernten Muskel— zweige in Folge des elektrogeniſchen oder inducirten Zu— ſtandes eintreten könne, welche hinreichend ſtark wäre, um die Zuſammenziehung der Muskeln zu bewirken. Die (dem Originale beigefügte) Figur erläutert ein Erperi— ment, welches ich vor der wiſſenſchaftlichen Geſellſchaft des königl. Inſtituts son South-Wales ausgeführt habe. Der galoano— ſkopiſche Froſch verbindet dabei die vordern und hintern Wur- zeln der Spinalnerven mit einander, während dieſelben ſich noch in der theca vertebralis befinden, folglich in dem gan- glion convergiren. Wenn der Verſuch geſchickt gemacht wird, fo finden im galvanoſkopiſchen Froſche deutliche Contractionen Statt. Man wird einſehen, daß dieſes Erperiment im Principe von demjenigen abweicht, bei welchem zwei zuſam— mengeſetzte Cerebroſpinalnerven, d. h. die beiden n. ischia- tici, mittels des galvanoſkopiſchen Froſches mit einander in Verbindung gebracht werden. Wenn ſich im letzteren Falle in den Nerven dynamiſche Kräfte befinden, die mit den gal— 287 vaniſchen irgend Ahnlichkeit haben, ſo können ſie auf den reagirenden oder Prüfungsnerven keinen Einfluß äußern; denn in jedem der auf dieſe Weiſe elektriſch verbundenen nervi ischiatiei müſſen zwei einander diametriſch entgegen— geſetzte und folglich ſich aufhebende Thätigkeiten wirkſam fein. Der galvanoſkopiſche Froſch könnte hier nicht die geringſte Bewegung äußern. Bei der Wiederholung der Hallſchen und Matteucciſchen Erperimente wurde mir der Grund der aus dem zuſammengeſetzten Charakter der Spinalnerven entſprin— genden Täuſchungen und Schwierigkeiten mehr und mehr klar, und es drängte ſich mehr und mehr die Frage auf: Wie laſſen ſich dieſe neben einander in entgegengeſetzter Rich— tung gehenden Strömungen jede einzeln unterſuchen? Die Antwort iſt unſtreitig: an den Wurzeln der Spinalnerven. Das Experiment hat indeß außerordentliche Schwierigkeiten. Das Thier muß ſeinen Blutumlauf und ſeine Reizbarkeit des Rückenmarkes behalten, ſonſt können keine Nervenſtrö— mungen erregt werden. Die Wurzeln der Nerven liegen aber ſehr tief und ſind von Knochen umgeben. Man äthe— riſire das Thier, und die erforderlichen Bedingungen ſind erfüllt. Es iſt mir beim Kaninchen und beim Hunde ge— lungen. Im Schlachthauſe habe ich es bei ſo eben ge— ſchlachteten Ochſen und Kälbern vergebens verſucht. Aus dieſem Erperimente ſcheint ſich mir die wahre Theorie der Ganglien an den hintern Wurzeln der Spinalnerven zu er— geben. Sie haben nur die Beſtimmung, die elektriſche Ver— bindung der beiden Nerven herzuſtellen, damit die Strömung, welche längs der Bewegungswurzel ausſtreicht, augenblick— Lich durch die Gefühlswurzel nach dem Centrum zurückkehren könne. Die Bewegungswurzel leitet auf dieſe Weiſe die directe und die Gefühlswurzel die verkehrte oder rück— wärts gehende Strömung, daher die Bewegungswurzel der poſitiven Elektrode, die Gefühlswurzel der negativen entſpricht und das ganglion lediglich als galvaniſches Verbindungsglied als Löthung zwiſchen den beiden Polen dient. Aus dieſer Erklärung geht deutlich hervor, daß die directe Strömung längs der fie leitenden Bewegungswurzel nur etwa 1½ Zoll weit vom Centrum hinſtreicht, an welchem Punkte ſie den Lauf des directen Leiters verläßt und durch das ganglion mittels 128. VI. 18. 288 der Gefühlswurzel zurückkehrt. Die ganze Portion der Be— wegungsnerven, welche zu dem ganglion peripheriſch, d. h. zwiſchen dieſem und den Nervenenden der Muskeln liegt, kann alſo von der durch die Wurzel gehenden Strömung nie direct affieirt werden. Der Zuſtand der Nerven muß alſo, wie auch die Molecularſtructur des letztern beſchaffen fein mag, ein inducirter oder ſeeundärer fein, wel- cher der Muskelcontraction unmittelbar vorhergeht und die— ſelbe veranlaßt. Dieſer inducirte Zuftand der Nerven iſt das Reſultat der auf die Wurzel oder das Ende des Stran— ges einwirkenden intenſiven Strömung. Man kehre dieſe Erklärung um, und ſie wird auf den Gefühlsnerven eben— ſowohl paſſen, indem die verkehrte Strömung, welche von dem ganglion nach dem Centrum zurückſtreicht, in der Wurzel einen ſo intenſiven polariſchen Zuſtand veranlaßt, daß der Nero nach ſeiner ganzen Ausdehnung vom ganglion bis zur Haut affieirt wird, und zwar in einen inducirten Zuſtand derjenigen Art geräth, welcher zur Erfüllung der Function des Nerven nothwendig iſt. Die Beziehung zwi— ſchen den Matteucciſchen elektriſchen Muskelſtrömungen und der auf die Nerven einwirkenden Kraft läßt ſich für jetzt noch durchaus nicht beſtimmen. Swanſea, 12. Nov. 1847. (The Lancet, Nov. 1847.) Miſcelle. (33) Über das Haſchiſch oder das wirkſame Prin⸗ eip des Hanfes hat Hr. Gaſtinel, Pharmaceut zu Cairo, vielfache Verſuche angeſtellt. Er verſchaffte ſich eine Anzahl rei⸗ fer Hanfpflanzen und bereitete daraus ein alkoholiſches Extract, welches in der Doſis von 5—6 Gran ſehr gut wirkte. Es gelang ihm endlich, das Alkaloid der Pflanze rein darzuſtellen; allein merkwürdiger Weiſe iſt der wirkſame Stoff des Haſchiſch nicht in dieſem Pflanzenalkali, ſondern in der harzigen Subſtanz enthalten, welche ſich in den gipfelſtändigen Büſcheln der reifen Pflanze fin⸗ det. Dieſes Harz ſchied Hr. Gaſtinel rein ab und fand durch Verſuche an ſich ſelbſt, daß es in der Doſis von 2 Gran wirkte. Hr. G. hat der Pariſer Akademie mehrere Proben dieſes Prä— parats zu fernern Verſuchen zugefertigt. (Gaz. méd. de Paris, 22, et 25. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Anthropologie, ou Etude des organes, fonctions, maladies de l’homme, com- prenant anatomie, la physiologie, l’hygiene, la pathologie et la therapeu- tique; par le docteur Bossu. Deuxieme edition, entierement refondue et considerablement augmentee. Deux volumes in 8°, ensemble de 84 feuilles a, plus un atlas in 8° d'une fenille ½ et 20 pl. d’anatomie. — Paris, au Comptoir des imprimeurs-unis 1848. (Prix 16 fr.) Conseils practiques aux agrieulteurs, ou Considerations sur les doses, le mode d’emploi et les effets du sel; suivis du programme du concours pour lequel sont fondes des prix de 3000 et 2000 fr.; par M. Quenard. In 8° d'une feuille ½. Paris 1848 chez Charpentier. (Prix 1 fr. 25 fr.) United States exploring Expedition during the Years 1838 to 1842, under the Command of Charles Mikes. Vol. 7. — Zoophytes, by James D. Dana, A. M. Royal 4%. (pp. 740. cloth, 3 L. 3 sh.) Philadelphia 1848. Dictionnaire de médecine usuelle. Hygiene pour tous les äges, à l’usage des gens du monde; par une société de membres de l'Institut et de l’Academie royale de médecine, de prufesseurs etc. Le docteur Beaude charge de la direction. Livraisons 61 à 64. Tome II. Feuilles 121 à 124. (VID—ZYG.) Fin du Dictionnaire. In 8° de 2 feuilles. Supplement au Dictionnaire de medeeine. Feuiiles 1—4. (A—ETH.) In 8% de 2 feuilles. Paris 1848. chez Didier. (Prix de la livraison. 25 fr.) Cours de Bose interne, professe à la Faculté de medecine de Paris, par M. G. Andral, professeur etc. Recueilli et publié par M. le docteur Amedee Latour. Deuxieme edition, augmentee et refondue. Tomes I. et II. Deux volumes in 8, ensemble de Bl feuilles ½. Paris 1848 chez Ger- mer-Bailliere. (Prix de l’ouvrage en 3 vol. 18 fr.) Description d'une eruption de Faux-Cow-Pox, observee. ä Nanei; par le docteur Edouard Simonin. Nanci 1848 chez Mm. de Raybois chez Grimblot. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 129. (Nr. 19. des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Daſſen, über den Stengel der Monocotyledonen. — Thuret, über die Zooſporen der grünen Algen. — Miſeellen. Sir J. C. Ro ß, über die Meerestemperatur. Nur bei Nacht blühender Cereus. — Heilkunde. Brierre de Boismont, neue Beobachtungen über die Anwendung lange fortgeſetzter Bäder und Begießungen gegen acute Formen des Wahnſinnes. — Didot, Bildung eines künſtlichen Afters durch Einſchneiden in die Lendengegend nach der durch Amuſſat abgeänderten Methode Calliſens. — Miſcelle. Verhaeghe, Auffriſchung und vollſtändige Heilung eines ſchief geheil⸗ ten Schenkelbruches. — Bibliographie. Natur kunde. XXXI. Über den Stengel der Monocotyledonen. Von Dr. Daſſen. Der Stengel der Monocotyledonen zeigt eine auf die Verſchiedenheit des innern Baus begründete viel größere Mannigfaltigkeit als der Stengel der Dicotyledonen; den Monocotyledonen fehlt überdies der abſteigende Stengel, da ſich bei ihnen das Wurzelende des Keimes niemals vollſtän— dig entwickelt, vielmehr nur Nebenwurzeln bildet, welche Erſcheinung von Richard zuerſt bemerkt und, wenngleich mit wenig Glück, zu einer Eintheilung des Pflanzenreichs benutzt ward. Weil ſich nun der monocotyledonifche Stengel nicht nach den Theilen, aus welchen er gebildet wird, eintheilen läßt, ſo ſuchte der Verf. nach einem anderen Eintheilungsprineip und glaubt es in der relativen Dauer dieſer Stengel gefun— den zu haben. Einige monocotyledoniſche Stengel ſterben nämlich in dem— ſelben Maße an dem einen Ende ab, wie ſie ſich am andern verlängern, während dies bei anderen nicht der Fall iſt. Die letzteren Stengel find allen baumartigen Monocotyledonen ei— gen; die erſteren bilden dagegen die als caudex intermedius, rhizoma u. ſ. w. beſchriebenen Stengelarten. Außer dieſen beiden Gruppen giebt es dann noch Stengel, welche durch ihre Knoſpen nicht verlängert werden: Tamus elephantipes, ſowie die Zwiebelgewächſe gehören hierher. Der erſtere bil— det Zweige, die ſich bald von der Mutterpflanze trennen, die anderen neue, von der alten getrennte Zwiebeln. Die bedeutende Verlängerung der Internodinen giebt dann noch ein paſſendes Kennzeichen für den Stengel der Gramineen, Scitamineen u. |. w. Des Verf. Eintheilung läßt ſich fo- mit in folgendes Schema kleiden: No. 2109. — 1009. — 129. die, wenn das eine dieſichdurchl Ende wächſ't, am a Stengel, welche fih | neue Knos-J andern nicht ab- Sage gar nicht, oder doch | pen verlän=) ſterben. , gel. nur wenig zwiſchen < gern. die an dem einen Abſterben— den beiden nächſten Endpunkte abſterben. der Stengel Blattern verlängern. f die ſich nicht durch neue Knos⸗ 1 pen verlängern. Stengel. Stengel, die ſich zwiſchen den zwei nächſten Geglieder⸗ Blättern anſehnlich verlängern. ter Stengel. Der vollkommene Stengel der Mono cotyledo— nen beſteht aus Rinde, ſecundärem Holze, primärem Holze und Mark, nur iſt der Begriff dieſer Theile etwas anders, wie bei den Dicotyledonen zu faſſen. Der Rinde fehlt näm— lich der Baſt (liber), wohl aber beſteht fie bei allen Mono— cotyledonen ohne Ausnahme aus einem Zellgewebe, das zur Bildung eines ſecundären Holzes thätig iſt. Bei Dracaena capensis und Alo& arborescens läßt ſich im Frühling dieſe Rinde vom Holzgewebe trennen; zugleich erkennt man zwiſchen beiden eine Feuchtigkeit und findet die innerſte Rinde und äußerſte Holzfläche von weicherem und unvollkommnerem Baue als das innere Holz und die äußere Rinde. Das primäre wie das ſecundäre Holz iſt jedoch ohne Ausnahme in Bün— del vertheilt und unregelmäßig angeordnet. Da kein ge— ſchloſſener Holzring vorhanden iſt, ſo fehlt zwar ein ſcharf umgrenztes, centrales Mark und mit ſelbigem die Markſtrah— len, wofür der Verf. das Parenchym, in dem die Holzbündel eingebettet ſind, als Mark betrachtet. Wunderbarer Weiſe zählt er auch die baumartigen Farn und die Cycadeen zu den Monocotyledonen, bemerkt indeß, daß bei letzteren und wenigen andern Pflanzen mit einer geringen Anzahl von Holzbündeln die Stellung der letzteren eine regelmäßige ſei. Aber nicht alle Stengel haben ſecundäres Holz, den 19 291 baumartigen Farn und Cyeadeen fehlt ſelbiges, während es bei den Palmen, Dracaena und Alo& arborescens vorhan— den iſt. Das ſecundäre Holz unterſcheidet ſich wieder nach der Dauer ſeiner Fortbildung, indem es entweder eine für jede Pflanzenart beſtimmte Dicke erreicht, dann aber ſich fort— zubilden aufhört, ſo daß der Stamm von nun an nicht mehr im Umfange zunimmt oder in ſeiner Entwicklung, ähnlich dem Stengel der Dicotgledonen, unbegrenzt, iſt: letzteres gilt für Dracaena draco und einige Pandaneen. Auch die Stengel ohne ſecundäres Holz zeigen wieder zwei wichtige Verſchiedenheiten: die Bündel des primären Holzes bilden nämlich entweder einen oder mehrere Ringe, bei den Cyeadeen oder find durchaus unregelmäßig geſtellt, bei den baumartigen Farn. Das fecundäre Holz vermehrt Dracäna⸗ Stengel mit ) fich unbeſtimmt. Stengel. ſecundärem Das ſecundäre Holz vermehrt Holze. ſich nur bis zu einer beſtimm- Palm⸗Stengel. ten Grenze. 5 1 an e Das primäre Holz iſt regel: ö yeadeen⸗ e ö mäßig geſtellt. \ Stengel. Hol Das primäre Holz iſt unregel- | Baumfarn⸗ 3 mäßig geſtellt. Stengel. Der Stengel mit unbeſchränkter Fortbildung des fecundären Holzes oder der Pracaena- Stengel iſt von den Pflanzenanatomen bisher ſehr vernachläſſigt wor— den, obſchon der berühmte Drachenbaum auf Teneriffa viel— fach bewundert und beſchrieben ward; derſelbe mißt gegen— wärtig 28 Fuß im Durchmeſſer, iſt 70 Fuß hoch und gewinnt noch jährlich an Umfang. Erſt mit dem 25ſten oder 30ſten Jahre entwickelt der Drachenbaum ſeine erſten Zweige und beginnt nunmehr im Umfang zuzunehmen. Die 8 bis 9 entſtandenen Zweige find unten blattlos und alle von gleicher Länge, jeder von ihnen theilt ſich wieder in 3 oder 4 andere, die dem ur— ſprünglichen Mutterſtengel vollkommen gleichen. Auf dieſe Weiſe erhält der Drachenbaum eine beblätterte Krone aus etwa 40 Zweigen, deren jeder jo viel Blätter beſitzt als der Mutterſtengel, bevor er äſtig wurde. Hieraus folgt nunmehr, daß der Stengel nach ſeiner Verzweigung auch etwa 40 Mal mehr Nahrung wie vor derſel— ben aufnehmen und dadurch wieder das Wachsthum in die Dicke kräftig befördern müſſe, wozu indeß ein Herabſteigen der Gefäßbündel aus dieſen Zweigen in den Stamm, wie es Dupetit Thouars annimmt, durchaus nicht nöthig iſt. Die Art der Verzweigung ſowohl wie des Blättertreibens bewahren beim Drachenbaume durchaus ihren monocotyledo— niſchen Charakter. Die Achſenſpitze der mit einer dichten Blätterkrone endigenden Zweige verlängert ſich im Verhält— niß zur Dicke des Stengels nur ſehr wenig, während bei den Dicotyledonen der Zweig, welcher die jungen Blätter trägt und mit ihnen aus einer Knoſpe entſprang, ſich auch mit ihnen entwickelt und ſo die anfangs gedrängten Blätter beim Wachſen des Zweiges immer weiter von einander ge— rückt werden, wogegen ſie hier eine gedrängte Krone bil— den. Der Verf. glaubt, daß hier die überwiegende Ent: 129. W. 19. 292 wicklung der Blätter die Ausbildung der Achſe ſelbſt be— ſchränke, da Yucca gloriosa erſt durch die Wegnahme der Blätter einen bleibenden Stengel erhält und ſie wie ähnliche Pflanzen durch dasſelbe Mittel zur Bildung von Zweigen gezwungen werden. Dieſer weſentliche Unterſchied im Wachsthume der Mono— cotyledonen und Dicotyledonen erklärt die große Verſchiedenheit in den primären Theilen der Stengel dieſer beiden Pflanzenab— theilungen. Die aus dem Stengel zu den Blättern verlau— fenden Gefäßbündel find nämlich bei den Monocotyledonen ſchon unterhalb der Blätterkrone getrennt, während jte bei den Dicotyledonen erſt wo das Blatt entſteht vom Haupt- gefäßbündel abgehen. Schon Adanſon bemerkte, wie der Stengel der Mo— nocotyledonen, erſt nachdem er feine völlige Dicke erlangt hat, mithin ſeine innere Organiſation vollendet iſt, in die Höhe wächſ't. Zu dieſer Zeit iſt demnach die Blätterzahl ſo groß, wie ſie überhaupt werden kann; der Stengel hat ſchon innerlich denſelben Bau wie ſpäter, den Blättern feh— len die Arillarknoſpen der Dicotyledonen, nur aus der Achſenſpitze oder Terminalknoſpe ſproſſen, indem ſie ſelbſt ſich immer mehr hervorſchiebt, neue Blätter hervor, während die unteren, älteſten zur Seite gedrängt werden. Da nun die Gefäßbündel der jungen Blätter mit den Gefäßbündeln der ältern zuſammenhängen, ſo wachſen mit den Blättern auch ihre Bündel und erſcheinen als Fort— ſetzungen der primitiven Gefäßbündel, während die der bereits abgeworfenen zur Seite gedrängten Bläkter jetzt ſcheinbar Seitenzweige des Gefäßbündels erhielten. Da aber die Bil— dung neuer Blätter und folglich auch die Verlängerung der Gefäßbündel von der Mitte der Terminalknoſpe ausgeht, ſo erklärt ſich hiernach ihre Verbreitung im Marke. Das Beharren des vollkommenen Stengels der Mono— cotyledonen auf ſeiner urſprünglichen Länge veranlaßt durch die beſchriebene Bildung neuer Blätter von der Mitte aus 1) eine Vermehrung der Gefäßbündel durch Theilung, in= dem das neu entſtandene Bündel ins Mark und durch das— ſelbe in das junge Blatt verläuft, dann aber 2) die parallele Richtung dieſer Bündel. Nach dieſen allgemeinern Bemerkungen geht der Verf. zur Beſchreibung des Stengels der Dracaena capensis über. Die ſeiner Unterſuchung dienende Pflanze trieb einen Sten— gel mit 4 Blattkronen. Der erſte Zweig entſprang aus dem 32ſten Ringe von unten auf gezählt und hatte ſelbſt wieder 10 Ringe; aus dem sten entſprang ein neuer Zweig, der bereits 8 Ringe zählte; aus dem 33ſten Ringe des Hauptſtammes kam abermals ein Zweig mit 7 Ringen herpor, der wiederum einen vierten mit 5 Ringen ent⸗ wickelt hatte. Das Wachsthum in die Länge hatte hier bei den ver— ſchiedenen Zweigen nicht gleichmäßig Statt gefunden, die Zahl der Blattringe kann demnach für Dracaena keinen ſichern Schluß auf das Alter des Baumes gewähren. Der erſte Zweig zählte von der Baſis des Stengels bis zur Spitze des Zweiges 42, der zweite Zweig 45, der dritte Zweig 40 und der Hauptſtengel endlich nur 38 Ringe, die faſt überall 293 129. von gleicher Länge waren. Merkwürdig bleibt es hier, wie gerade der Hauptſtengel am kürzeſten, die jüngften Zweige aber die entwickeltſten waren, was für die Vermehrung des Wachs— thums mit jeder neuen Theilung ſpricht, mit andern Worten beweiſ't, daß mit jedem neuen Zweige die Stengelbildung im Verhältniß zur Blattbildung ſtärker als im alten Zweige ift. — Der Verf. glaubt hierin zugleich die Urſache zur Bildung neuer Zweige dieſer und anderer Pflanzen wahr— zunehmen. Alle Zweige müſſen urſprünglich durch eine Vertheilung der Knoſpen an der Krone entſtehen, denn ihre Richtung iſt ganz die des Hauptſtengels und zwar ſo, daß ein Theil der neu gebildeten Knoſpen ſich ſtärker wie die übrigen verlängert. Auch bei dem Dracaena-Stengel iſt die Zweigbildung demnach einem unregelmäßigen Wachsthume zuzuſchreiben, der jedoch im Weſen der Pflanze ſelbſt be— gründet und ſomit nicht zufällig iſt, ſondern nach regelmäßi— gen Geſetzen erfolgt; den Grund hierzu ſucht der Verf. in der allmäligen, wenngleich geringen Ausdehnung der pri— mären Theile des Stengels, die nur allein den ſich ver— zweigenden Monocotyledonen eigen iſt. Das Gewebe der primären Theile unſeres Stengels be— ſteht aus einem ſäulenartigen Zellgewebe mit zerſtreuten pri— mären Bündeln, das von einer aus einfachem Zellgewebe gebildeten Rinde umſchloſſen iſt. Das ſäulenartige Zell— gewebe bildet ſich ganz ſo wie das Mark der Dicotyledonen, ſeine inwendigen Zellen ſind viel größer als die äußeren; die Gefäßbündel verlaufen im allgemeinen geradlinig, im Bezug auf den Stengel jedoch etwas ſchräg. In der Rinde laſſen ſich 3 verſchiedene Schichten erkennen: die äußere be— ſteht aus einer erhärteten, meiſt braun oder gelb gefärbten Oberhaut, deren Zellen ziemlich groß und unregelmäßig ſindz ihr folgen einige Lagen kleiner grüner Zellen und auf dieſe eine Schicht weniger gefärbter, bei Dracaena weißgelber Zel—⸗ len; dieſe letzten Zellenlagen gehören zur ſecundären Rinde und entſprechen den Baſtſchichten des dieotyledoniſchen Stengels, obſchon ihnen die verlängerten Zellen des wahren Baſtes fehlen. Die primäre Rinde nimmt auch hier von innen nach außen zu. Der unterſte Blattring hatte nach dem Verf. einen Umfang von 0,115 Ellen, langſam und gleichmäßig nahm dieſer bis zum 15ten Blattringe, der nur 0,07 betrug, ab, von da an ward der Stengel nicht mehr dünner; doch war der Umfang der Zweige unter ſich verſchieden, der erſte maß 0,065, der folgende 0,060, der letzte 0,055 Ellen; bei ihnen war die Dicke des Endes von der der Baſis wenig verſchieden, auch die Würzelchen waren von demſelben Um— fang und glichen ſo Zweigen eines abſteigenden Stockes. Der Verf. war nicht wenig erſtaunt, die Rinde dieſes Baumes vom Holzgewebe leicht trennbar zu finden; die Oberfläche des ſecundären Gewebes war feucht, weich und durchſcheinend und ließ ſich mit dem Nagel leicht abſchaben, auch die Rinde war an ihrer innern Oberfläche feucht und mit einem weichen gelblichen Gewebe bedeckt. Dieſe ganze Erſcheinung hatte mit der Fortbildung des Holzes und der Rinde dicotyledoniſcher Pflanzen die größte Ahnlichkeit. Am 15ten Blattringe hörte dieſe Beſchaffenheit auf, das ſecun— VI. 19. 294 däre Gewebe zwiſchen der Rinde und dem primären Theile fehlte gänzlich. Das Loswerden der Rinde ſcheint den Anfang der ſe— cundären Holzbildung zu bezeichnen, dieſe muß nothwendig mit einer Ausdehnung der ältern Rinde verbunden ſein, und wirklich erkennt man auch bei genauer Unterſuchung, wie die beiden inneren Zellſchichten mitgewirkt haben, die Ober— haut aber am ganzen unteren Theil des Stengels zerriſſen iſt, während die mehr nach einwärts gelegenen Zellenlagen durch— aus unverſehrt erſcheinen. Mirbel konnte zwar beim Drachenbaume, Yucca und Aloe durch die Wegnahme eines Baſtringes keine Knoſpen— bildung oberhalb der entfernten Rinde hervorrufen, glaubt aber dennoch, daß der Stengel des Drachenbaumes durch inneres und äußeres Wachsthum im Umfange zunehme; ſcheint mithin dieſelben vom Verf. mitgetheilten Beobachtun— gen gemacht zu haben. Daß es Mirbel nicht gelang, durch die Verwundung der Rinde, wie bei dicotyledoniſchen Pflanzen, Knoſpen zu erzielen, iſt nach dem Verf, kein Be— weis gegen die Bildung ſeeundärer Lagen aus der Rinde, obſchon eine ſolche Neubildung dem Entſtehen der Knoſpe vorausgehen muß, da ſelbſt, wenn die Verſuche mit aller nöthigen Sorgfalt angeſtellt wurden, der kränkelnde Zuſtand einer Treibhauspflanze nicht als normal betrachtet werden kann. Daß aber eine, wenngleich langſame und ſehr verſchie— dene, Umfangszunahme des vollkommneren monocotyledoniſchen Stengels wirklich Statt findet, beweiſen die ſorgfältigen Meſſungen des Prof. van Hall, der in 5 Jahren einen nur 0,120 Millimeter dicken Stengel von Aletris fragrans um 17 Millimeter und einen 224 Millimeter dicken Stengel von Dracaena draco um 23½ Millimeter zunehmen ſah. Bei Dracaena rellexa ſah ſchon Mirbel zwiſchen dem mit Fäden durchwebten Marke und der Rinde einen farb— loſen Ring, den auch Treviranus in dem blattloſen Theile der Agave und Aloe wahrnahm. Bei Aloe arbo- rescens bildet das ſecundäre Gewebe zwiſchen der Rinde und dem vom Gefäßbündel durchbrochenen Marke eine nach oben zu allmälig abnehmende Schicht; Rinde und Holz ſind nach dem Verf. auch hier nur loſe verbunden und ihre äußerſten Theile aus einem ſehr weichen, durchſcheinenden Gewebe ge— bildet, das ganz aus Parenchym beſteht. Treviranus beobachtete dasſelbe, hielt jedoch dunkle Stellen des Gewebes für Anfangspunkte neuer Holzbündel; der Verf. konnte ſel— bige nicht wahrnehmen, obſchon dieſe Pflanze in ihrem Vaterlande allerdings in dieſem Gewebe eine Menge neuer Holzbündel entwickelt, in den Treibhäuſern aber nur ſelten ihre volle bildende Kraft bewahrt. Das ſecundäre bündelförmige Holz des Dra- caena-Stengels und anderer ihm verwandter mono— cotyledoner Stengelarten bildet ſich demnach analog dem ſecun— dären dicotyledoniſchen Holz von der Rinde her. (Nieuw Archief voor binnen -& buitenlandsche Geneeskunde. Jaar- gang II. Stuk 10.) 192 295 XXXI. Über die Zooſporen der grünen Algen. Von Guſtave Thuret. Schon vor einem Jahre machte der Verf. der Académie royale de Belgique eine Mittheilung über dieſen Gegenſtand, indem er die Anordnung der ſich bewegenden Wimpern wie die Algenarten, an deren Sporen er ſie beobachtet hatte, an— gab. Nach ſpäteren Unterſuchungen, über welche er in fol= gendem Aufſatze, den No. 2 des Bulletin de l’academie etc. de Belgique von 1848 mittheilt, berichtet, beſitzen auch Cut- leria multiſida, Sporochnus pedunculatus, mehrere Elachistea-, Mesogloia- und Ectocarpus- Arten bewegliche Sporen. Die Sporangien der Cutleria find an beiden Seiten des Laubes in zahlreichen Gruppen vereinigt und mit weißlichen Haaren untermiſcht. Sie bilden kleine, längliche, von durch⸗ ſichtigen Stielen getragene Körper, welche durch Querſcheide⸗ wände in vier gleich dicke Glieder getheilt ſind, jedes der letzte— ren iſt an ſeinem äußeren Ende etwas angeſchwollen; die Farbe und Structur der völlig entwickelten Sporangien iſt den Sporen der Phragmidien ähnlich, doch iſt jedes Glied wiederum durch eine Längsſcheidewand in zwei Theile getheilt, wodurch das ganze Sporangium 8 Fächer erhält. In jedem Fache liegt eine Zooſpore. So häufig eine Viertheilung bei den Reproductionsorganen der Kryptogamen überhaupt iſt, darf man fie, nach dem Verf., für Cutleria doch keineswegs conſtant nennen, da ſowohl die Zahl der Glieder, als ins⸗ beſondere der Fächer ſehr veränderlich iſt. Die Zooſporen der Culteria find etwa 3/100 Millimeter lang, alſo drei Mal ſo groß als die Zooſporen der Laminarien, nur die Größe iſt verſchieden, der Bau aller dieſer Sporen immer derſelbe. Die Cutleria-Sporen ſind, wie alle dieſer Gruppe, £reifelförmig, mit einem farblofen Schnabel verſehen, etwa zu zwei Dritt— theilen ſind ſie mit einem braungrünen, körnigen Inhalte er= füllt; die Bewegungsorgane beſtehen, wie gewöhnlich, aus zwei ungleich langen Wimpern, deren längſte bei der Bewe⸗ gung nach vorn gerichtet iſt, während ſich die zweite nach hinten wendet; beide ſind auf einen roſenfarbenen, an der Baſis des Schnabels befindlichen Punkt inſerirt. Die Ten⸗ denz der Sporen, ſich nach der Lichtſeite zu wenden, iſt un⸗ verkennbar, nur ſelten ſuchen ſie dunkele Stellen der Gefäße auf; ſie werden, wie die meiſten Algenſporen, in den Früh⸗ ſtunden entlaſſen, ihre Beweglichkeit iſt ſchon gegen Mittag zu Ende, und ſchon vor Abend ſind ſie der Länge nach be⸗ trächtlich gewachſen. Das eine Ende verlängert ſich nun mehr und mehr und wird zum durchſichtigen, faſt von Körnern freien, langen Schlauche; das andere, den körnigen Inhalt umſchließende Ende verlängert ſich viel weniger, wächſ't dafür aber mehr nach allen Seiten, bildet Scheidewände und wird zuletzt zum kleinen, fadenförmigen Laube, das braun gefärbt und nach beſtimmten Entfernungen durch Querſcheidewände abgetheilt iſt. Der Verf. erkannte bei den grünen, ſich durch Zoo— ſporen fortpflanzenden Algen zweierlei Arten von Sporangien. Die bisher als die einzigen Reproductionsorgane bezeichneten ſind große, eiförmige Sporangien, die man mit Unrecht für einfache Sporen gehalten, in der That aber die Zooſporen 129. VI. 19. 296 umſchließen. Die Spitze dieſer Sporangien platzt zur be⸗ ſtimmten Zeit, die Sporen werden hervorgetrieben und ver— breiten ſich unter lebhafter Bewegung in der Flüſſigkeit. Außer dieſen, mehr in die Augen fallenden Sporangien finden ſich bei einigen Algen noch andere aus gegliederten, kurzen Filamenten beſtehende Sporangien; jede Zelle dieſer Fäden enthält eine Zooſpore; ſie finden ſich an denſelben Stellen, wo die eiförmigen Sporangien vorkamen, begleiten ſelbige auch bisweilen, kommen jedoch in der Regel auf ver— ſchiedenen Individuen vor. Die fadenförmigen Sporangien der Leathesia marina ſind ſehr kurz und unter den kleinen gegliederten Fäden, welche die Oberhaut der Pflanze bilden, verſteckt; ſie ſcheinen häufiger als die eiförmigen Sporangien, welche der Verf. nur auf wenig Individuen antraf, zu ſein, aber niemals gleichzeitig mit letzteren auf einer Pflanze vor— zukommen. Bei Elachistea scutulata werden die Fadenſpo⸗ rangien ſehr lang, der Verf. fand ſie im Januar in zahlreicher Menge, ſah aber zu dieſer Zeit keine eiförmige Sporangie, dagegen fand er letztere im Monat September an verfchies denen Elachistea Arten, vermißte zu dieſer Zeit aber alle Fadenſporangien. Die kleinen, auf einigen Cystosira- Arten häufig vorkommenden, Büſchel von Elachistea attenuata Harp. zeigen beide Organe bald auf einer Pflanze vereinigt, bald auf verſchiedenen Pflanzen: diejenigen Büſchel, welche nur eine Sporangienart tragen, ſcheinen dem Verf. der Form nach von den anderen verſchieden zu ſein. Bei Stilophora rhizodes richtet ſich die Art der Fructification nach dem Standorte: wo ſie in kleinen Tümpeln in einer gewiſſen Höhe über der Meeresfläche vorkommen, iſt ihre Farbe bleicher, ihre Verzweigung ſchlanker; bei ihnen fand der Verf. nur Fadenſporangien. An Orten dagegen, die faſt bejtändig vom Meere beſpült werden, iſt ihre Farbe dunkler, ihr Anſehen kräftiger, ſie tragen immer nur eiförmige Sporangien. In einer wahrſcheinlich neuen Mesogloia- Art waren die eiförmigen Sporangien von Filamenten, deren Spitze ſich unregelmäßig verzweigte und in die vorerwähnten Fadenſpo— rangien überging, umgeben. Die Zooſporen beider Organe waren ſich überall durch— aus ähnlich, die der Fadenſporangien waren im allgemeinen größer, wie die andern. Beide Sporenarten keimten bei Stilophora rhizodes auf dieſelbe Weiſe. Der ſphäriſche oder eiförmige Körper, den man in der Gruppe der eigentlichen ſogenannten Zooſporen, bei Oedogo-— nium, Vaucheria und Chaetophora findet, deutet, nach dem Verf., vielleicht auf eine ähnliche Erſcheinung. Dasſelbe ſcheint für einige Dicotyleen zu gelten. Bei den Florideen hat ſchon Agardh der Sohn die durchaus gleiche Keimungs— weiſe der aus der Kapſelfrucht und aus dem vierſporigen Fructificationsorgane erhaltenen Sporen nachgewieſen; der Verf. kann dasſelbe für Laurentia tenuissima, Polysiphonia byssoi- des u. ſ. w. beftätigen. Die Sporen einer Stichidie find von der einer Ceramide in nichts verſchieden, auch alle Entwid- lungsphaſen harmoniren durchaus mit einander. Bei Lau- rentia tenuissima, Bonnemaisonia asparagoides und verſchiedenen Polysiphonia- Arten ſind die Ceramidenſporen außer der gro- ßen, durchſichtigen Epiſpore noch von einer hyalinen Periſpore 297 umſchloſſen; letztere bleibt, wenn ſich die Spore ablöſ't, an der placenta ſitzen. Die Gegenwart dieſes Organes, das ſeiner Zartheit wegen den bisherigen Beobachtern entgangen, ſcheint dem Verf. die Theorie, nach welcher die Sporen der verſchiedenen Kapſelfrüchte Brutknoſpen entſprechen ſollten, zu widerlegen. Miſcellen. 46. Über die Meerestemperatur. — Ein Gürtel, wo ſich die mittlere Temperatur der See bis in die tiefſte Tiefe erhält und gewiſſermaßen einen neutralen Grund zwiſchen den bei— den großen thermiſchen Meeresbecken bildet, muß nach Capt. Roß mit der Breite parallel die ganze Erde umgeben. Nördlich von dieſem Kreiſe wird die See durch Abſorption der Sonnenſtrahlen über dieſe Temperatur in verſchiedenen Breiten bis zu verſchiedenen Tiefe erwärmt. Die Linie der mittleren Temperatur von 390 5 beginnt in einer ſüdlichen Breite von 45° erſt bei 600 Klaftern Tiefe; in den Aquatorialgegenden verſchwindet der Sonneneinfluß erſt in einer Tiefe von 1200 Klaftern; dort erſt beginnt die unver— änderliche Mitteltemperatur von 3965, während die Oberfläche mehr als 78° zählt. Südlich von dem erwähnten Kreiſe wird die Meeresoberfläche dagegen bei fehlender Sonnenerwärmung durch ihre Wärmeausſtrahlung unter die Mitteltemperatur erkalten; dies Erkalten vermehrt ſich mit dem Näherrücken nach Süden. In der Nähe des 70ſten Grades beginnt die Linie der mittleren Tempera- tur von 39 5 erſt bei 750 Klaftern Tiefe, während die Ober: 129. VI. 19. 298 fläche nur 30° zählt. Dieſer Kreis der mittleren Temperatur iſt für die Südſee ſo feſt und genau beſtimmt, daß er den Naturfor- ſchern ſpäterer Zeiten einen ſichern Anhaltepunkt gewähren und über die Beſtändigkeit oder Veränderlichkeit der Erdtemperatur ent— ſcheiden kaun. Die Warme des Innern der Erde ſcheint übrigens auf die Temperatur der See von keinem Einfluſſe zu ſein; ſie machte ſich zum wenigſten noch in den allergrößten meßbaren Tiefen nicht bemerkbar. (Sir James C. Ross Voyage to the Southern Seas, vol. II. p. 377.) 47. Ein nur bei Nacht blühender Cereus zeigte im Gewächshauſe des Hrn. F. Toulmin Smith zu Highgate folgende Erſcheinung. Um 8 Uhr Morgens, im December 1847, waren alle Blumenblätter der linken Seite geöffnet; der Beſitzer zwar über⸗ raſcht von dieſer Erſcheinung, glaubte indeß, die übrigen Blumen⸗ blätter würden bei der ungünſtigen Witerung erſt langſam nach⸗ folgen, war jedoch hoch erſtaunt, um 8 Uhr Abends die am Morgen geöffneten Blumenblätter geſchloſſen, dafür aber die am Morgen noch geſchloſſene rechte Seite vollkommen geöffnet zu finden; die linke Seite blieb geſchloſſen. Die Blume war geſund und von normaler Größe, die Samenknoſpen ſchienen am 27. December be— fruchtet zu ſein. — Der Beſitzer erklärt die vorbeſchriebene Er— ſcheinung aus einem Mißverſtändniſſe der linken Seite, welche das dunkele Wetter eines trüben Tages für die Nacht genommen, und da die Blüthezeit überhaupt nur etwa 12 Stunden dauert, ſich ſchließen mußte, wie die rechte, nach der launigen Bemerkung des Beſitzers, verſtändigere Seite ſich erſt mit dem Beginne der wahren Nacht öffnete. (The Annals and Magazine of Natural History, No. 1. 1848.) Heilkunde. (XXX) Neue Beobachtungen über die Anwendung lange fortgeſetzter Bäder und Begießungen gegen acute Formen des Wahnſinns. Von Hrn. A. Brierre de Boismont “). (Der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragen am 14. Febr. 1848.) Es giebt eine Form des Wahnſinnes, welche man wegen ihres raſchen Verlaufes, ihrer mannigfaltigen Sym— ptome und der dieſelbe charakteriſirenden Wuthanfälle lange Zeit für den Typus der Gattung angeſehen hat, nämlich den raſenden Wahnſinn (Manie). Wenn indeß die Sym— ptome derſelben auch ſehr furchtbar find, jo iſt es doch auf der andern Seite tröſtlich, daß gerade dieſe Art von Wahn— finn, namentlich im acuten Stadium, am leichteſten zu curi= ren iſt. Durch zahlreiche Fälle iſt von vielen ärztlichen Schrift— ſtellern nachgewieſen worden, daß ſich die Manie leichter als andere Arten von Wahnſinn heilen läßt. Wenn man die in Schriften zuſammengeſtellte Dauer der Behandlung dieſer Art des Wahnſinnes unterſucht, ſo findet man z. B., daß Hr. Eſquirol die meiſten Raſenden binnen 2— 4 Mo: naten hergeſtellt hat. Die HHrn. Aubanel und Thore heilten unter 88 Raſenden die meiſten binnen 1—4 Mo— naten. Bei unſerem Aufenthalte in den Hoſpitälern Beth- lehem und Saint-Luke zu London fanden wir, daß die *) Vergl. No. 870 (No. 12 d. XL. Bos.) S. 190 der Neuen Notizen. meiſten Heilungen im zweiten Monate beginnen und bis zum ſiebenten fortfahren. Durchſchnittlich verlangte bisher die Manie eine Behandlung von ſechs Wochen bis zwei Monaten. Die Methode, welche wir jetzt der Akademie vortragen werden, bewirkt dagegen die Cur in den aller— meiſten Fällen binnen einer Woche und nimmt nie mehr als 14 Tage in Anſpruch. In einer der medieiniſchen Akademie vor 1½ Jahren mitgetheilten Arbeit über denſelben Gegenſtand war von 72 Patienten die Rede, unter denen 61 durch eine Behand— lung, welche bei drei Viertheilen nicht über 8 Tage und bei den übrigen nicht über 2 Wochen dauerte, hergeſtellt wurden. Das zur Erlangung dieſer Reſultate angewandte Mittel beſtand in lange anhaltenden Bädern und Begießungen. Die Kranken blieben 8, 10, 12, 15 Stunden in bedeckten Wannen im Bade, während ihnen ein Waſſerſtrahl auf den Kopf floß. Die Temperatur des Bades war 28 — 300 Centigr., die des Begießungswaſſers 15%. Wenn die Patienten aus dem Bade kamen, betrug deſſen Temperatur 18 — 200. Die therapeutiſche Wirkung des Bades läßt ſich leicht einſehen. Vermöge der Verzögerung der Circulation und Reſpiration, vermöge der Erſchlaffung der Haut, der Stillung des Durſtes, des Eindringens einer beträchtlichen Quantität Waſſers (nach Faleonnet 3 Z auf die Stunde) in den Organismus, der Ereretion einer reichlichen Menge hellen 299 Harnes, der Neigung zum Schlafe ꝛc., gehören die Bäder weſentlich zu den abſpannenden und beruhigenden Mitteln. Sie können an die Stelle des Aderlaſſes treten, vor wel— chem ſie den Vorzug haben, daß ſie dem Organismus nicht einen Theil eines ihm ſo unentbehrlichen Beſtandtheiles ent— ziehen. Seit der Abfaſſung unſerer erſten Arbeit haben wir, theils in unſerer Anſtalt, theils in unſerer auswärtigen Praxis, 25 neue Beobachtungen geſammelt, über deren Art und Ausgang folgende Tabelle Auskunft giebt. 1 Hei- i Rück⸗ Sterbe⸗ Falle. 5 85 geheilt falle. Aale. Acute Manie 6 4 1 1 Manieähnliche Aufregung 7 77 = - s Kindbetterinnenwahnfinn . 2 2 E . = Intermittirende Manie . 1 - s 1 E Säuferwahnſinn 2 2 = . 5 Acute Monomanie 0 4 3 2 25 19 1 4 Die meiſten Heilungen kamen, in Übereinſtimmung mit den in unſerer erſten Arbeit angezeigten Reſultaten, bei den an acuter Manie und manieähnlicher Aufregung leidenden Patienten vor. Die Prognoſe war, bei der acuten Manie, wenn die— ſelbe durch lange fortgeſetzte Bäder und Begießungen behan— delt wurde, und die Krankheit noch nicht eingewurzelt war, außer in einem einzigen Falle, eine günſtige. Auch bei den acuten Manien, wo ſchon früher Anfälle Statt gefunden hatten, konnten wir die Heilung oder Beſſe— rung vorherſagen, obwohl man ſich immer auf einen Rück— fall gefaßt halten mußte. Beim Säuferwahnſinne, dem Kindbetterinnenwahnſinne und den meiſten acuten Monoma— nien war der Erfolg günſtig. Bei den periodiſch wieder— kehrenden intermittirenden Manien, den Manien mit an— gehendem Blödſinne, Epilepſte oder allgemeiner Lähmung prognoſticirten wir ungünſtig. Die Erblichkeit der Krankheit iſt ebenfalls ein ungünſtiger Umſtand, obwohl fie die Hei— lung nicht geradezu unmöglich macht. Chroniſche Manie ließ ſich nur mildern. In denjenigen Fällen, wo die acute Manie ſich dem acuten delirium mit hyſteriſcher Form näherte, und Abneigung gegen Getränke Statt fand, hatte die Behandlung keinen Erfolg. Bei manchen Kranken legt ſich die Aufregung ſchon nach einigen Stunden; bei andern hält ſie faſt während der ganzen Dauer des Bades an. Gewöhnlich tritt nach 6, 7 oder 8 Stunden Beruhigung ein. In der Regel kehrt die Aufregung einige Stunden ſpäter oder mitten in der Nacht zurück. Das Eintauchen des Körpers in das Waſſer bewirkt ein Zurückdrängen des Blutes nach den inneren Theilen, welches ſich am Kopfe häufig durch Röthung und Spannung bemerklich macht. Dieſem Übelſtande haben wir dadurch abgeholfen, daß wir ganze Stunden lang einen Waſſerſtrahl auf den Kopf fallen ließen. Obwohl wir für die lange fortgeſetzten Bäder ſehr eingenommen ſind, ſo nehmen wir doch keinen Anſtand, neben denſelben Blutentziehungen, Abführungsmittel und ſowohl Erbrechen, als Abführung bewirkende Mittel zu ver— 129. VI. 19. 300 ordnen, wenn dies ſich nöthig zu machen ſcheint. Da viele Irre an dem, was man ihnen giebt, riechen und alles zu— rückweiſen, was einen ihnen unangenehmen Geruch oder Geſchmack hat, ſo vermiſchen wir Calomel oder Calomel und Brechweinſtein mit ihren Speiſen und Getränken. Wir werden uns nicht weiter über die Vorzüge einer Methode verbreiten, welche das Gehirn weit ſchneller, als irgend eine andere, jenen furchtbaren Einwirkungen entzieht, welche demſelben fortwährend zuſetzen und dasſelbe ſo tief— gehend angreifen. Jedermann muß ohne weiteres einſehen, daß eine Behandlung, welche dem Organismus keine Be— ſtandtheile entzieht und deren Anwendung ſo höchſt einfach iſt, ein bedeutender Fortſchritt iſt. Die Akademie, welche bereits unſern Bemühungen, gewiſſe Formen des delirium von der Narrheit (folie) zu trennen, ihren Beifall geſchenkt hat, wird hoffentlich auch einer ſo einfachen Curmethode, welche ſich auch außerhalb eines eigentlichen Irrenhauſes anwenden läßt, wie dies bereits mehrfach mit Erfolg ge— ſchehen, und deren ſchleunige Anwendung von den heilſam— ſten Folgen begleitet iſt, ihre Billigung nicht verſagen. Die in dieſer zweiten Arbeit aufgeführten Thatſachen berechtigen uns demnach zur Aufrechthaltung unſerer frühern Folgerungen unter Hinzufügung mancher neuen, die uns die Erfahrung an die Hand gegeben hat. Bevor wir dieſelben jedoch ausſprechen, wollen wir über eine Beobachtung, welche die mächtige Wirkung dieſer Bäder klar darthut, kürzlich berichten. Am 3. December 1846 brachte man eine 24jährige Frau in die Anſtalt, welche 4 Tage nach einer Niederkunft von raſendem Wahnſinne befallen worden war und dabei laut ſchrie und ungemein unruhig war. Bald, nachdem ſie angelangt, trat ein Wuthanfall ein. Nachdem man fie ins Bad gebracht, ſprach ſie kein vernünftiges Wort mehr und ſie ſchrie beſtändig. Als ſie nach 10 Stunden die Wanne verließ, befand ſie ſich etwas ruhiger. In der Nacht kehrte die Unruhe und das Schreien zurück, und man mußte ihr die Zwangsjacke anlegen. Durch ein zweites, 12ſtündiges Bad ward der Wahnſinn nicht beſeitigt. In der Nacht zerriß ſie ihre Bande und zerſchlug, ehe die Wäͤrterin fie daran verhindern konnte, ſämmtliche Fenſterſcheiben. Un— mittelbar darauf beſuchte ich ſie und fand ſie in furchtbarer Aufregung. Später hat ſie uns erzählt, es habe ihr ge— ſchienen, als ob ſie von Schlangen umgeben ſei, die ſie zu verſchlingen drohten. Durch das dritte Bad ward Beruhi— gung herbeigeführt, und es traten lichte Augenblicke ein. Beim fünften Bade ward die Patientin völlig vernünftig, und am ſiebenten Tage ihrer Krankheit konnte ſie über ihren frühern Zuſtand, den ſie ſelbſt als Narrheit bezeichnete, ganz verſtändig ſprechen. Schlußfolgerungen. 1) Die acuten Formen der Narrheit und insbeſondere des Wahnſinnes (Manie) können binnen 1— 2 Wochen geheilt werden. 2) Die dagegen anzuwendende Behandlung beſteht in anhaltendem Baden und Begießen. sol 3) Das Langſamerwerden des Blutumlaufes und Athem— holens, das Eindringen einer großen Quantität Waſſer in den Organismus, das allgemeine und ſtufenweiſe eintretende Erkalten bringen eine weſentlich beruhigende Wirkung zu Wege. 4) Die Bäder dauern durchſchnittlich 10 — 12 Stun— den, können jedoch in beſondern Fällen 15 — 18 Stunden lang fortgeſetzt werden. 5) Das Begießen hat man während der ganzen Dauer der Bäder vorzunehmen; doch darf man damit ausſetzen, ſobald der Kranke ruhig iſt. 6) Das Bad muß anfangs zu 28 — 30 Centigr. und das Begießungswaſſer zu 150 temperirt fein. 7) Unter allen Formen der Narrheit iſt die acute Manie diejenige, welche durch dieſe Behandlung am ſicherſten gehoben wird; nächſtdem kommen das einfache acute delirium, der Säuferwahnſinn, der Kindbetterinnenwahnſinn und die Monomanien mit acuten Symptomen. Allein bei mehreren dieſer Formen tritt die Heilung weder ſo ſchnell, noch ſo conſtant ein, als bei der acuten Manie. 8) Die Periode der Reconvaleſcenz muß ſorgfältig über— die Patienten den Urſachen, welche den Wahnſinn urſprüng— lich veranlaßt haben, zu bald wieder ausgeſetzt werden. 9) Wenn die acute Manie ſich der Form nach dem acuten delirium mit Atarie und Zurückweiſung der Getränke nähert, ſo bleibt die Behandlung unwirkſam. 10) Eingewurzelte acute Manie, ſowie chroniſche Manie mit unruhigem Betragen ſind durch die in Rede ſtehende Behandlung gemildert, doch nicht geheilt worden. 11) Den in den beiden Denkſchriften enthaltenen That— ſachen zufolge läßt ſich behaupten, daß die Fälle, in denen die acuten Formen der Narrheit, insbeſondere der Manie, durch fortgeſetzte Bäder und Begießungen geheilt wurden, weit zahlreicher ſind, als die, wo dieſer günſtige Erfolg durch andere Curmethoden bewirkt wird. Überdies erreicht man durch die neue Methode die Cur viel ſchneller, nämlich gewöhnlich binnen acht Tagen, während ſie bei Anwendung der frühern Heilverfahren mindeſtens 6 Wochen dauert. 12) Auch gegen Hyſterie und die mit Aufregung ver— bundenen Nervenkrankheiten ſcheinen die lange anhaltenden Bäder und Begießungen uns gute Dienſte geleiſtet zu haben. 13) Nachtheilig wirken dieſe Bäder nicht; die durch ſie veranlaßte Mattigkeit verſchwindet bald wieder. Der Orga— nismus wird durch dieſelben keines wichtigen Beſtandtheiles beraubt, und jene tief gehende Schwächung, welche der Ader— laß zurückläßt und durch welche nur zu oft völliger Blödſinn veranlaßt wird, findet nicht Statt. 14) Die Anwendung der anhaltenden Bäder iſt in der Wiſſenſchaft nichts neues, allein dies einfache Mittel war bisher nicht methodiſch nach den verſchiedenen Arten des Wahnſinnes zur Anwendung gekommen. Deſſen Verbindung mit den unausgeſetzten Begießungen iſt übrigens neu. (Ga- zette med. de Paris, 22. et 25. Mars 1848.) 129. VI. 19. 302 (XXXL) Bildung eines künſtlichen Afters durch Einſchneiden in die Lendengegend nach der durch Amuſſat abgeänderten Methode Calliſens. Von Hrn. Didot. Die von Hrn. Amuſſat wieder ins Leben gerufene Operation wird gegen zwei Leiden, den angebornen anus imperforatus und die zufällige Verſtopfung einer Portion des Dickdarmes angewandt. Da ſie im letzteren Falle mehr— mals mißlungen iſt, auch die Indication zu operiren, als— dann nie jo klar vorliegt, wie bei anus imperforatus, fo verdient die unlängſt von Hrn. Didot der belgiſchen me— dieiniſchen Akademie mitgetheilte gelungene Operation ihren Hauptumſtänden nach in weitern Kreiſen bekannt zu werden. Beobachtung. Seit faſt 4 Jahren hatte der 65jäh— rige Naſſau, der ſich bis dahin eines guten Geſundheits— zuſtandes erfreut, abwechſelnd an hartnäckiger Verſtopfung und Durchfall, zuweilen mit Abgang von Blut gelitten. Bald ſtellten ſich im hypogastrium ſtechende Schmerzen ein, und die Verſtopfungen wurden nach und nach immer hart— näckiger, der Durchfall ſeltner und heftiger. Indeß war ſeit 4 Monaten unter den heftigſten An— ſtrengungen nur ſelten ein dünner Faden kaeces ausgeleert worden. Die Conſtitution wurde durch dieſe anhaltenden Störungen in einer bedenklichen Weiſe angegriffen. Es trat ein ſchleichendes Fieber ein; die Zunge war trocken, der ganze Bauch äußerſt ſchmerzhaft, die Beine geſchwollen, die Haut gelb, das Geſicht grippig. Es fand häufig Erbrechen Statt, welches beim Genuſſe der geringſten Quantität ſelbſt flüſſiger Nahrungsſtoffe wiederkehrte. Nachdem ſich Hr. Didot durch Touchiren überzeugt hatte, daß der Maſtdarm durchaus nicht erkrankt ſei, ver— ſuchte er am 20. October 1846, wie viel Flüſſigkeit ſich in den Darm einſpritzen laſſe. Er konnte nur ½ Pinte hin— einbringen, woraus ſich ergab, daß das Hinderniß nicht ſehr hoch liegen könne. Der Bauch war zu ſtark aufgetrieben, als daß man beim Betaſten ſeiner Wandung irgend eine Geſchwulſt hätte fühlen können. Übrigens ließ ſich der Lauf des colon wahr— nehmen, welches ſich in Geſtalt eines unregelmäßigen, aber ſtarken Cylinders darſtellte, der am Umkreiſe des Unterleibes die genaue Hufeiſenform darbot. Als Hr. Didot unter Zurückdrängung des Kuckuks— beines und indem ihn ein Gehülfe am Elnbogen ſchob, touchirte, gelang es ihm mit der Fingerſpitze den Umkreis einer harten Geſchwulſt zu fühlen, die ſo groß wie eine ſtarke Billardkugel und an der untern Oberfläche unregel— mäßig gefranſ't war. Mitten in derſelben befand ſich eine Offnung, durch welche nicht ein Mal die Spitze des kleinen Fingers eindringen konnte, ſo ſehr hatte ſich das Kaliber des Darmes vermindert. Selbſt ein gut eingeölter elaſtiſcher Katheter ließ ſich nur höchſtens ½ Zoll weit in dieſen Canal einführen. Da die Unmöglichkeit, dieſe careinomatöſe Geſchwulſt durch den Maſtdarm anzugreifen, vorlag, ſo entſchied man 303 ſich alsbald für die Enterotomie in der Lendengegend, und der Kranke willigte ſogleich ein. Nachdem man die verfchiedenen Muskelſchichten durch— ſchnitten hatte, zeigten ſich im Grunde der Wunde zwei Ge— ſchwülſte: die hintere, welche theilweiſe unter dem viereckigen Lendenmuskel (carre lombaire?) verborgen lag und converer als die andere war, war das colon; die andere hatte einen bedeutenden Umfang und lag tiefer, ſowie theilweiſe in dem vordern Winkel der Wunde verborgen. Sie wurde durch den Dünndarm und das Bauchfell ſelbſt gebildet. Übrigens boten beide dasſelbe zellige Auſehen, die nämliche gleichför— mige Röthe, dieſelbe Spannung, kurz die nämliche phyſiolo— giſche Beſchaffenheit dar. Der Operateur konnte ſich alſo nur durch die anatomischen Kennzeichen leiten laſſen, aus denen ſich ergab, daß das colon hinten und der Dünndarm vorn lag. Um das erſtere vollſtändig bloß zu legen, löſ'te er einige Fettklümpchen ab, welche an den Wandungen des Darmes feſt hingen, und ſo gelang es ihm, die an den Len— denſchichten adhärirende zellige Oberfläche aufzudecken. Nachdem das colon auf dieſe Weiſe bloß gelegt war, ſenkte Hr. Didot zwei mit einem doppelten gewichſten Fa— den verſehene Nadeln in den Darm, welche er einen ſtarken Querfinger weiter abwärts wieder herausführte, indem er die Fäden nachzog, welche auf dieſe Weiſe im Innern des Darmes zwei parallel ſtreichende Schlingen und die ſenk— rechten Seitenlinien eines in allen Richtungen 1 Querfinger meſſenden Rechteckes bildeten. Nun zog ein Gehülfe an den vier Fäden in der Weiſe, daß der zwiſchen den Schlingen liegende Steg des Darmes mäßig ſtraff wurde, und der Operateur ſchnitt alsdann den Darm mit dem Biſtouri etwa 1 Zoll weit auf. Alsbald wurde das Bett und der Fußboden mit einer wahren Fluth von Fäcal— ſtoffen überſchwemmt, und nachdem dieſe ausgefloſſen waren, ſuchte Hr. Didot die vier Fäden zu den vier Näthen zu benutzen, mit welchen er den Darm und die Hautbedeckungen an einander zu heften gedachte. Zu dieſem Ende lockerte er die Fadenſchlingen im Innern des Darmes auf und durch— ſchnitt ſie beide bei der Mitte, nachdem er ſie herausgezogen, ſo daß er vier einzelne Fäden erhielt. Hierauf ließ er die auf derſelben Seite des Einſchnitts befindlichen beiden Fäden nach entgegengeſetzten Richtungen, den einen nach oben, den andern nach unten, ſanft ziehen und indem auf dieſe Weiſe die Wandung des Darmes in der Längsrichtung angeſpannt wurde, konnte er zwei hori— zontale Schnitte, den einen vorn, den andern hinten bewir— ken, welche die Offnung im colon in eine Kreuzöffnung verwandelten und dem künſtlichen After eine hinreichende 129. VI. 19. 304 Weite ertheilten, ſo daß deſſen allzuſtarke Verengerung nicht zu befürchten ſtand. 8 Um die vier Enden der Offnung im Darme mit der Haut zu verbinden, führte er die noch an den Fäden hän— genden Nadeln durch die letztere, und nachdem die Verbin— dung auf dieſe Weiſe unten geſchehen war, fädelte er die obern Fäden in Nadeln und verfuhr dort eben ſo. Ein fünfter Faden wurde in den innern Winkel der in den Hautbedeckungen befindlichen Wunde gelegt. Der Puls hob ſich augenblicklich; das Auslaufen der Fäcalſtoffe dauerte fort; der Bauch ſetzte ſich und die Eßluſt ſtellte ſich allmälig wieder ein. Am 16. November ging auf dem natürlichen Wege ein Stuhl ab, und die faeces bildeten einen gehörig geform— ten Cylinder. Später lief aus dem wirklichen After eine ſehr übelriechende eiterig-blutige Flüſſigkeit. Der Kranke blieb ſehr ſchwach und die Hautfarbe ungeſund. Als Hr. Didot den Finger in den After einführte, fühlte er, daß die Geſchwulſt an mehreren Stellen ſchwärend geworden war. Gegen das Ende des Decembers hatten ſich die Kräfte des Patienten gehoben und die Haut ein geſunderes Anſehen erhalten. Der eiterförmige Ausfluß war ſpärlich, die Schmerzen waren verſchwunden und der Kranke konnte ſeine Berufsarbeiten wieder beginnen. (Gaz. méd. de Paris, 20. et 25. Mars 1848.) Miſeceelle. (34) Einen ſchief geheilten Schenkelbeinbruch hat Hr. Verhaeghe durch Zerbrechen des gallus nach AO Tagen wieder aufgefriſcht und dann durch einen paſſenden Apparat vollſtändig geheilt. Das linke femur eines 15jährigen Burſchen war bei der Mitte gebrochen und die beiden Fragmente durch einen voluminöfen callus unter einem Winkel von 40° mit einander ver⸗ bunden. Außerdem hatte das untere Fragment eine Drehung er— litten, fo daß das Knie, der Unterſchenkel und der Fuß ſtark ein wärts gekehrt waren. Auch war das kranke Bein um 2½ Zoll kürzer als das geſunde. Der callus war ſchon ſo feſt, daß er, wenn der Kranke das Bein hob, nicht im geringſten nachgab. Da das Bein in dieſem Zuſtande dem Patienten ganz unnütz war, fo legte Hr. V. an demſelben ausgeſtreckt einen Scultetſchen Verband an, ſtellte ſich auf die äußere Seite, faßte den Schenkel mit bei- den Händen, ſtemmte das Knie gegen die äußere Seite der Bruch: ſtelle und brach dann auf einen Ruck den Knochen wieder. Durch Ziehen am Fuße, während das Becken firirt war, wurde alsdann dem Beine ſeine normale Länge wiedergegeben und die Ausdehnung und Gegenausdehnung durch einen paſſenden Apparat fortgeſetzt. Nach 50 Tagen waren die Fragmente wieder feſt zuſammengeheilt und das Bein nicht im geringſten verkürzt, und bald darauf konnte der Patient wieder gehen, ohne zu hinken. (Gaz. med. de Paris, 20. et 25. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Herborisations sur la montagne Noire et les environs de Sorèze et de Ca- stres; suivies du catalogue des plantes phanerogames qui vegetent spon- tanement dans ces localites; par J. B. Doumenjou. In 8° de 20 feuilles /. Castres 1848 chex Mm. veuve Challiol. (4 fr.) C. H. Smith. — The Natural History of the Human Species, its Typical Forms, Primaeval Distribution, Filiations, and Migrations. Illustrated with Thirtyfour coloured Plates, Portrait and Vignette. 12. (pp. 478, cloth, 7 sh. 6 d.) Edinburgh 1848. Morpeth’s (Viscount) Public Health Bill. — The Speech of Viscount Mor- peth, in the House of Commons, on Tuesday, 10. February 1848 on Mo- ving for Leave to bring in a Bill for Promoting the Public Health. 80. m. 38, sewed, 1 sh.) London 1848, T. Shapter. — Medecine and Art and its Truths to be Attained; being an Address read at the Opening Meeting of the Library of the Exeter Dis- pensary, and the Devon and Exeter Pathological Society. 8%. (pp. 32, se- wed, 1 sh.) London 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. N. Froriep zu Weimar. No. 130. (Nr. 20 des VI. Bandes.) Mai 1848. Naturkunde. Reid, über die Entwicklung der Meduſen. — Wilſon, über die Sammelhaare der Campanulaceen und den Vorgang 1 Second, Unterſuchungen über die Stimme bei ver Inſpiration. Sir J v. Rapp, der foetus der Wiederkäuer ſteht durch kein Gefä ſyſtem mit der Mutter in directer Verbindung. — Heilkunde. befruchtung. — Miſecellen. der Pflanzen⸗ C. Roß, die Temperatur der Meeresoberfläche. Sir J. r 80 Guhyton, Zuxückbringung der eingeklemmten Leiſtenbrüche mittels Einathmens von Chloroform. — Miſcellen. Prevoſt, Wirkung des langen Faſtens auf das Blut. Chajjaignacs Art, die kalte Douche gegen eiternde Ophthalmie anzuwenden. — Bibliographie. Naturkunde. XXXIII. über die Entwicklung der Meduſen. Von John Reid, Prof. der Anatomie und Mediein an der St. Andrew's Univerſität. Des Verf. Unterſuchungen ſind in No. 1 der Annals and Magazine of Natural History von 1848 mitgetheilt. Drei Colonien von Meduſenlarven, deren erſte der Verf. am 15. September 1845, die beiden anderen aber am 11. Juli 1846 ſammt den Steinen, an welchen ſie hingen, in ſeine Wohnung ſchaffte, dienten zu dieſer Unter— ſuchung; ſie wurden mit ihrer Unterlage in geräumige Ge— fäße gebracht und täglich mit friſchem Seewaſſer verſorgt, außerdem wöchentlich zwei Mal mit kleinen Muſchelſtücken, welche fie gierig verſchluckten, gefüttert. Die erſte Colonie zählte etwa 30 bis 40 Individuen, deren größte 2 bis 3 Linien lang waren; die beiden übrigen Colonien waren zahl— reicher, die Larven ſchon etwas größer. Eine genaue anatomiſche Unterſuchung zeigte dem Verf., daß ſeine Thiere zuerſt von Sars als Genus Seyphistoma, ſpäter aber als die Larven der Medusa beſchrieben wurden. Einige dieſer Larven waren ſchon nach einigen Mona— ten bedeutend gewachſen, eine derſelben war nunmehr ½ Zoll lang und ½¼ Zoll breit, eine andere ½ Zoll lang und ½ Zoll im Umkreis; da ihr ganzer Körper contractil iſt, war auch ihre Geftalt ſehr veränderlich. Die meiſten waren von grauweißer Farbe, einige zeigten purpurrothe Flecken, die verſchwanden und wieder erſchienen; fie hatten 22 bis 27 Tentakel, die völlig ausgebreitet, 3 bis 4 Mal ſo lang als der ganze Körper waren. Ein Individuum, das 8 Zoll lang, hatte ½ Zoll lange Tentakel, ein an— deres, ¼2 Zoll lang, ½ Zoll lange Tentakel. Der Mund, obgleich im allgemeinen viereckig, war ſehr dehnbar und verſchieden geſtaltet; bei völliger Ausdehnung bildete er eine runde, faſt die ganze Scheibe einnehmende Offnung. No. 2010. — 1010. — 130. Die Körper, wie die Tentakel, beftanden aus 2 ver— ſchiedenen Schichten, einer inneren und einer äußeren. Die erſtere hatte Zellkerne und kernführende Zellen, die äußere war ſtructurlos mit vielen kleinen Zellkernen überſäet. An der äußern Oberfläche dieſer Außenſchicht waren viele faſt elliptiſche oder ovale Capſeln, in deren Innerem ein langer aufgerollter Faden lag, befeſtigt; dieſelben fanden ſich in geringerer Anzahl an der inneren Oberfläche der Innenſchicht, welche die Centralhöhle oder den Magen umgiebt; die äu— ßere Fläche der Tentakel war am reichlichſten mit ihnen beſetzt. Die Größe dieſer Capſeln war verſchieden, ihr größ— ter Durchmeſſer betrug ½000 Zoll. Eine kleine runde Säule ging der Länge nach durch die ganze Capſel, an ihr war der Spiralfaden befeſtigt; ein leiſer Druck ſprengte die Cap⸗ ſel, die Säule und der Spiralfaden traten hervor und letz— terer wickelte ſich ab. Die innere Schicht war viel dicker und undurchſichtiger als die äußere; wo ſie Falten bildete oder ſonſtwie ange— häuft war, erſchien fie ſchwach gelb gefärbt. Ein Querſchnitt durch den Körper zeigte nicht nur die relative Dicke beider Schichten, ſondern auch wie ſich das Innere zuſammenfaltet, um die 4 Taſchen oder kurzen Canäle zu bilden. Die 4 Ca— näle endigen nach oben in einen anderen Canal, der den Mund umgiebt und zwiſchen ihm und dem Rande der Scheibe liegt; in letzteren Canale mündet die Höhlung der Tentakel; die innere Oberfläche des Kreiscanals und der Tentakel wird durch die Innenſchicht begrenzt. Die 4 Eindrücke zwi— ſchen dem Munde und dem Rande der Scheibe entſprechen den Eintrittspunkten der 4 kurzen Canäle in den Kreiscanal, der Boden dieſer Eindrücke iſt nicht, wie es anfangs ſcheint, offen, ſondern mit einer dünnen Flüſſigkeit durchlaſſenden Membran bekleidet. Steenſtrup beſchreibt in den 4 Ecken der dehnbaren, den Mund umgebenden und die Lippen bildenden Membran 20 307 4 vom bereits erwähnten Kreiscanale ausgehende Canäle, dann in dem freien Rande der Lippe noch einen zweiten Ca— nal; der Verf. ſah nur bei einer gewiſſen Stellung der Lip— pen die von Steenſtrup angegebenen 4 Canäle als 4 weiße Linien; ſelbige waren bei allen übrigen Stellungen der Lippen nicht ſichtbar, ſcheinen ihm daher keine Canäle, ſondern kleine, durch eine gewiſſe Contraction entſtandene Erhabenheiten der äußeren Fläche zu ſein. Auch der freie Rand der Lippen ließ zwar oftmals einen Canal vermuthen, zeigte ihn indeß nicht deutlich; da ſich bei dieſen Unter— ſuchungen durch den Druck der Deckplatte die innere Schicht von der äußern trennt, iſt überhaupt, wie der Verf. bemerkt, eine Täuſchung nur zu möglich. Den hohlen viereckigen Körper, der nach Steenſtrup von der Centralhöhle aus in den Körper des Thieres hin— einwachſen, zuweilen bis zum Munde reichen und wie der Schlägel einer Glocke inmitten in der Centralhöhle liegen ſoll, konnte der Verf., obſchon er ſich ſeit 2 Jahren faſt täglich mit dieſen Thieren beſchäftigte, niemals wahrnehmen. Die innere Oberfläche der Lippen und des Magens und die äußere Oberfläche des Körpers und der Tentakel ſind mit feinen Wimpern beſetzt; die Cilien der Außenfläche des Körpers ſind äußerſt zart und nur bei ſehr ſtarker Ver— größerung ſichtbar. Die vom Verf. zuerſt aufgenommene Colonie zeugte Mitte Januar 1846 die erſten Knoſpen und Sproſſen, die beiden anderen Colonien folgten erſt zu Ende Juli desſelben Jahres ihrem Beiſpiel. Ihre Vermehrung ſchritt mit Pau— ſen vorwärts. Die Zahl der Individuen ward, obſchon der Tod und andere Urſachen beſtändig ihre Reihen lichteten, immer größer. Die Knoſpen und Sproſſen erſchienen zuerſt als Anſchwellungen der innern Schicht, welche die äußere auswärts drängte; ſie bildeten ſich an allen Theilen der äußeren Oberfläche, vorzugsweiſe aber am unteren Theile des Körpers; bei den größeren Larven erſchienen oftmals gleichzeitig mehrere Knoſpen. Mit dem Wachsthume ver— ſchmälerte ſich das freie Ende der Knoſpe, ſie bog ſich ab— wärts, die Oberfläche des Steines zu erreichen und ſetzte ſich mit ihrem freien Ende feſt an ihn, während das andere Ende ſich allmälig von dem Mutterthiere trennte., Sobald dies geſchehen, zeigte ſich an der Spitze eine kleine Offnung, nach und nach entſtand die Centralhöhle mit ihren Cilien; um den Mund entſtanden die Tentakel in derſelben Weiſe, wie bei den aus der Oberfläche der Sproſſen hervorgehenden Knoſpen. Auch die Außenſeite der Knoſpen war nunmehr mit Wimpern bedeckt. Einige Knoſpen, die vermuthlich durch Zufall von den Steinen getrennt worden, lagen frei am Boden des Gefäßes, ſetzten ſich aber bald an ſelbigen feſt und entwickelten ſich ganz wie die anderen. Eine ſolche frei gewordene Knoſpe befeſtigte ſich an 2 Punkten; ſie ent— wickelte 2 Mundöffnungen, jede mit ihren eigenen Tentakeln umſtellt. Wenn eine Sproſſe Knoſpen bildete, ſo ward der Theil, welcher letztere mit dem Mutterthiere verband, gewöhn— lich reſorbirtz bisweilen blieben jedoch beide in Verbindung, ſo daß hie und da 2, 3 und mehr Larven verſchiedenen Alters neben einander auf derſelben Baſis wuchſen; wo ſich 130. VI. 20. 308 die Larven nicht gehörig ausbreiten konnten, war dieſer Fall nicht ſelten. Sobald die Knoſpen zu jungen Larven ge— worden, entfernten ſie ſich meiſtens ſo weit von ihren El— tern, daß für eine neue Brut hinreichend Raum blieb. Dieſe Ortsveränderung erfolgte ſehr langjam: eine vom Verfaſſer genau beobachtete Larve entfernte ſich in 14 Ta— gen nur um ½ Zoll, das untere Ende glitt über den Stein hinweg, während der obere Theil des Körpers dieſer Rich— tung folgte. Seltener trieben ſie einen kleinen einer langen Sproſſe gleichenden Fortſatz, der ſich mit ſeinem Ende feſt ſetzte, worauf ſich die Larve löſ'te und durch eine Contraction des ſeitlichen Fortſatzes eine ſchnelle Ortsbewegung bewirkt ward. Die alten Larven verlaſſen in der Regel ihren Platz nicht mehr. Auch diejenigen Larsen, die ſich von der Bodenfläche gelöſ't hatten, ſetzten ſich, ſobald ihnen Ruhe gegönnt ward, ſchon nach einigen Tagen wieder feſt; der Verf. brachte ſie in beſondere Gefäße und ſah, wie ſie an der Wandung des— ſelben eben ſo feſt wie bisher an den Steinen hafteten. Der Verf. machte verſchiedene Verſuche über die Re— productionskraft der Larven: er ſchnitt von einigen die obere Hälfte ab und fand, daß ſchon nach wenigen Tagen die durch den Schnitt entſtandene Offnung des abgeſchnittenen Theiles geſchloſſen war, ſich gerade dieſes Ende an die Ge— fäßoberfläche feſtgeſetzt hatte, bald einer vollkommenen Larve ähnlich ward und wie dieſe Sproſſen und Knoſpen bildete. Auch der untere Theil der durchſchnittenen Larve erhielt nach einigen Tagen einen neuen Mund und neue Tentakel. Ei⸗ nige Larven wurden der Länge nach durchſchnitten; ſobald ſie aber nicht auf irgend eine Weiſe aus einander gehalten wurden, vereinigten ſie ſich wieder ohne eine ſichtbare Spur früherer Trennung; wenn dieſe Vereinigung nicht Statt fand, ſo neigten ſich die Schnittflächen gegen einander und aus einem Thiere entſtanden zwei. Die Larven waren ſehr gefräßig, ſie ergriffen und ver— ſchlangen ein- und zweiſchalige Muſcheln, auch Cruſtaceen, die größer als fie ſelbſt im contrahirten Zuſtande waren; ſie behielten ihren Fraß im Sommer meiſtens 24 Stunden, im Winter faſt doppelt ſo lange in der Leibeshöhle (dem Magen) und warfen ihn dann durch den Mund wieder aus. Nicht ſelten verſchlangen fie eine ihrer Nachbarlarven. Wenn ſie ein einſchaliges Weichthier, das zu groß iſt, um ver— ſchluckt zu werden, ergreifen, jo umklammern ſie dasſelbe mit ihren Tentakeln und ſaugen mit ihrem ſich lang aus— ſtreckenden Munde ſeinen Inhalt aus; eben ſo verfahren ſie mit Gliederthieren und ſchalloſen Weichthieren, die zum Ver— ſchlucken zu groß ſind. Die Larven der erſten im September 1845 aufgenom— menen Colonie theilten ſich im Frühling 1846 nicht, wie es der Verf. erwartete, der Quere nach, um junge Meduſen zu bilden, fuhren vielmehr fort wie früher, reichlich Sproſ— ſen und Knoſpen zu entwickeln. Viele dieſer Larven hatten eine bedeutende Größe erreicht, einige zeigten an ihrer Ober— fläche Querſtreifen und 4 zierliche in gleichen Abſtänden befindliche tiefe verticale Rinnen, aber keine einzige ließ die Vorboten einer Quertheilung in junge Meduſen erkennen. 309 Zu Anfange Februars vorigen Jahres ward der obere Theil des Körpers einiger Larven eylindriſch; er verlängerte ſich immer dünner werdend, beträchtlich, an ſeiner Spitze dicht geſtellte Ringe bildend. Vom Umkreiſe dieſer zuerſt entſtan— denen Ringe aus bildeten ſich in gleichen Abſtänden 8 Lap— pen, die Ringe vergrößerten ſich und nahmen eine rothbraune Farbe an, die Tentakel verſchwanden ganz allmälig und 8 Tage ſpäter trennte ſich die junge Meduſe in der von Sars beſchriebenen Weiſe. Während ſich im oberen Theile der Larde die junge Meduſe entwickelte, wuchs der untere Theil fortwährend von unten her, neue Ringe bildend. Der Verf. zählte 30 bis 40 ſolcher Ringe an einem Individuo, aus jedem Ringe ward eine junge Qualle, und doch war eine ſolche Mutterlarve nicht über 3/4 Zoll lang. Der obere Theil des Körpers hatte zu dieſer Zeit die Geſtalt einer umgekehrten Pyramide und war zugleich rothbraun gefärbt. Die Rinnen wurden im oberen Theile immer tiefer und zu— letzt hing die obere junge Qualle nur noch am oberen Lippen— rande der ihr folgenden. Nur etwa der bte oder 7te Theil der Larsen erzeugte Quallen und auch hier blieb immer der untere feſt ſitzende Theil, der niemals Ringe bekam, als Lar— ve, die von neuem, noch ehe die letzte Meduſe von ihr ge— trennt war, Tentakel erhielt, zurück. Einige Larven der beiden andern Colonien entwickelten im vorigen Jahre Mitte Märzes Meduſen; vom Beginne der Trennung bis zur Voll— endung der jungen Qualle vergingen etwa 14 Tage und darüber. Die Geſtalt und Lebensweiſe der jungen eben von der Larve frei gewordenen Qualle iſt bereits von Sars beſchrie— ben; der Verf. beſchränkt ſich deßhalb auf einige ihren in— neren Bau betreffende Bemerkungen. Nach außen von dem viereckigen, die Mitte der unteren Fläche einnehmenden Munde finden ſich in gleichen Abſtänden 4 hohle zweitheilige Fort— ſätze, die mit ihrem ungetheilten Ende an der innern Ober— fläche der untern Magenwand befeſtigt ſind; die letztere, welche die innere Körperfläche bildet, iſt ſo dünn, daß dieſe Fortſätze bei oberflächlicher Betrachtung an der äußeren Ober— fläche feſt zu ſitzen ſcheinen. Jeder dieſer Fortſätze bildet 2 hohle ſchwimmende Röhren, die durch eine gemeinſchaft— liche Offnung mit dem Magen oder der Körperhöhle com— municiren; der Rand ihrer Außenfläche iſt mit unzähligen, einen Faden umſchließenden Capſeln bedeckt. Der große Magen reicht faſt bis an die Scheibe oder den Rand des Körpers. Außerhalb der 4 zweitheiligen Fortſätze liegt auf der untern Oberfläche der innern Körperwand ein kreisrundes, et— was erhabenes Band, das körniger und undurchſichtiger wie der von ihm umſchloſſene Theil des Körpers iſt; von ſei— nem äußeren Saume gehen Verlängerungen in die Zwi— ſchenräume der 8 zweitheiligen Lappen oder Strahlen, die vom Rande des Körpers entſpringen; noch andere verlaufen ins Innere dieſer zweitheiligen Lappen bis zum muthmaß— lichen Auge, das an ihrem Theilungspunkte befindlich iſt. Wenn das ſchwimmende Thier die Randlappen zuſammen— zieht, verengert ſich auch dieſer Kreis, tritt aber um ſo deut— licher hervor und liegt dem Munde näher. Bei ſchwacher Vergrößerung entſpricht dieſer Kreis mit ſeinen 16 Aus— läufern zwiſchen und in die Strahlen faſt genau den von 130. VI. 20. 310 Steenſtrup dargeſtellten Gefäßſyſtem. Ob letztere Deutung die richtige, bezweifelt der Verf., da er an ihnen nichts, was einem Gefäße entſpräche, entdecken konnte; dagegen ſah er hie und da einen fadenförmigen Nervenkreis den Mund umgeben, von ihm verlief in jeden Strahl ein Nerven- faden bis ans Auge; dieſe Erſcheinung war jedoch nicht überall zu beobachten, weßhalb der Verf. das Daſein eines Nervenſyſtems nicht für hinreichend geſichert hält. An dem Theilungspunkte jedes geſpaltenen Lappens oder Strahles liegt eine kleine ſchon von Sars beſchriebene Erhabenheit, in der Steenſtrup das Auge (ocellus) ver— muthet. Dieſes Auge bildet einen warzenförmigen aus 3 verſchieden gebauten Theilen beſtehenden Fortſatz. Die Spitze beſteht aus einem Haufen ſehr kleiner Kryſtalle, ein kleiner Theil ihrer Baſis iſt undurchſichtiger und körniger als ihre größere Mitte; die nach der Spitze hin gelegenen Kryſtalle ſind größer und dicker als die unteren; die erſteren ſind faſt ſo dick wie ſie lang ſind, die anderen dagegen nadel— förmig. Die Kryſtalle depolariſiren das polariſirte Licht. Nach Brewſters Verſuchen glänzte das fragliche Auge, wenn alle übrigen Theile des Körpers im Dunkeln lagen, im hellſten Lichte. Drehte man die Meduſe um eine ſenk— recht auf die Geſichtsachſe ſtehende Fläche, ſo erſchienen und verſchwanden die einzelnen Theile des ocellus, wenn ſie eine doppelte Brechung hatten, nach dem Winkel, den ihre Neu— tralachſen, wenn ſie dagegen polariſirende Blättchen waren, nach dem Winkel, den ihre Spaltungsflächen mit der pri— mitiven Polariſationsfläche bildeten. Wenn dieſe ſtrahlen— den Theile oder ocelli ſagt Brewſter, wirkliche Geſichts— organe ſind, ſo muß ihre Geſichtsachſe wahrſcheinlich ſenkrecht auf die Hauptkörperfläche der Meduſen ſtehen? Die innere Hälfte der unteren Oberfläche des geſpal— tenen Theiles an jedem Randlappen verſchmälert ſich zu einer ſcharfen Kante, die ſich nach außen mit einer Fort— ſetzung der bereits beſchriebenen längs der Mitte der unteren Oberfläche verlaufenden Rinne vereinigt; die Geſtalt des ge— ſpaltenen Theiles wird dadurch einer ſtarken Scheere ähnlich. Größere und kleinere, einen Faden umſchließende Cap— ſeln, die ſchon bei den Larven beſchrieben wurden, haften auch an der äußeren Oberfläche der jungen Meduſen; die innere Oberfläche der Lippen und des Magens und die äußere Oberfläche der 4 getheilten, mit letzterem communi— cirenden Fortſätze ſind mit zarten Wimpern beſetzt. Im allgemeinen ſind der Randlappen oder Strahlen 8, es kommen jedoch auch Thiere mit 4 und 12 Strahlen vor, in einzelnen Fällen waren dieſe Lappen dreigetheilt, mit einem ocellus in jedem Zwiſchenraume. Die jungen Meduſen lebten leider nur etwa 20 Tage, während dieſer Zeit waren die Lappen oder Strahlen durch die Ausdehnung des Körpers kürzer geworden, bei einigen hatten ſich in dem Raume zwiſchen dieſen Lappen kleine Papillen gebildet. Ein Vergleich zwiſchen den von Sars und Steen— ſtrup an im Meere lebenden und den vom Verf. unter künſtlichen Bedingungen erzogenen Meduſenlarven gemachten Beobachtungen gewährt einige intereſſante Reſultate. Nach 20 * 31¹ Sars und Steenſtrup bilden die im Meere lebenden Larvencolonien in jedem Frühjahr junge Meduſen. Die Larven verſchwinden vollkommen, während im September aus den Eiern der erwachſenen Meduſen neue Larven ent— ſtehen. Unter künſtlichen Bedingungen erſtreckt ſich dagegen, wie bereits John Dalyell angegeben, dieſer Generations— wechſel nur auf einige Individuen der Larvencolonie, und auch dieſe werden nur theilweiſe zu Meduſen, indem ihr unterer Theil als Larve fortbeſteht. Die erſte Colonie ent— wickelte erſt, nachdem ſie 17 Monate im Beſitze des Verf. geweſen, junge Meduſen. Die Larven können übrigens, da des Verf. beide letzten Colonien im Juli dem Meere ent— nommen wurden, nicht ausſchließlich erſt im Herbſt aus den Meduſeneiern entſtehen und im Frühjahr zu jungen Quallen werden. Ob dieſe Larven aber im vorjährigen Herbſte ent— ftanden und im Frühling als Larven verblieben, oder ob ſie in einer ſpäteren Zeit erzeugt wurden, kann der Verf. nicht entſcheiden. In einer Nachſchrift gedenkt derſelbe einer neuen Acti— nie, die er und Macdonald vor einigen Jahren in der St. Andrew's Bai fanden; ſelbige iſt der von Peach be— ſchriebenen Actinia chrysanthellum ſehr ähnlich; der Verf. nennt fie Actinia eylindrica. Ihre Hauptcharaktere find folgende: Ein freier, verlängerter, cylindrifcher Kopf, die Ten— takel in einer Reihe unter den Rand geſtellt; der Mund nach oben verlängert, eine koniſche Röhre mit kleinen, an ſeinem Rande befeſtigten Fortſätzen bildend. Das Thier iſt dem Iluanthos scoticus nach Forbes ſehr ähnlich und nur durch den Bau ſeines Mundes von ihm verſchieden. XXIV. Über die Sammelhaare der Campanula⸗ ceen und den Vorgang der Pflanzenbefruchtung. Von W. Wilfon. In dieſer, dem London journal of botany No. 74 von 1848 entnommenen Arbeit berichtigt der Verf. zunächſt ſeine vor 5 Jahren in derſelben Zeitſchrift niedergelegte Anſicht über die Function der Staubweghaare von Campanula. Die Pol— lenkörner, welche er damals im Innern dieſer Haare an— traf, ſind, wie er ſich ſpäter feſt überzeugte, nur zufällig durch die Gewalt des ſchneidenden Meſſers in dieſelbe ge— rathen, nicht aber von den Haaren ſelbſt einwärts gezogen worden. Die Befruchtung erfolgt vielmehr bei Campanula rotundifolia ganz wie bei andern Pflanzen und zwar in der von Schleiden angegebenen Weiſe. Die Haare, welche die Oberhaut des Staubweges und die Rückenſeite der Narben dieſer Pflanze bedecken, find ächte Sammelhaare und verfehen, da ſie retractil find, dieſe Function vortrefflich. Sobald ſich die Blüthe öffnet, ent— laſſen auch die Antheren, welche zu dieſer Zeit eine den Staubweg und die Narben umgebende Röhre bilden, ihren Pollen; mit der weitern Entwicklung der Blüthen verlängert 130. VI. 20. 312 ſich der Staubweg um mehr als das doppelte. Durch die Antherenröhre gehend, hängt ſich der Pollen an die Sam— melhaare, erſt jetzt öffnen ſich die Narbenarme, die mit Blüthenſtaub überdeckten Sammelhaare ziehen ſich einwärts, der Pollen gelangt dadurch an die Narbenoberfläche und treibt dort durch Vermittlung der Narbenpapillen Schläuche, die durch den Staubwegeanal in die Fruchtknotenhöhle und den Eimund der Samenknoſpen gelangen. Nicht ſelten ſah der Verf. einen langen Schlauch aus dem Eimunde hängen; dagegen gelang es ihm nicht, den ganzen Pollenſchlauch vom Pollenkorne bis zur Samenknoſpe unverfehrt frei zu le— gen. Über das fernere Verhalten des in den Eimund ge— tretenen Pollenſchlauchs dieſer Pflanze giebt der Verf. keine weitern Nachweiſe, verwirft dagegen das Vorhandenſein des Embryoſackes als einer Zelle und nimmt überall nur eine Embryohöhle im Innern des Eikernes an. Bei den Cucurbitaceen findet er vor der Befruchtung wohl dieſe Höhle, in ſelbiger aber niemals das von Brongniart angegebene und ſpäter auch von Amici behauptete präeriſtirende Embryobläschen. Bei Zea Mays irrt auch der Verf. in der Deutung des Embryoſackes: zwar hält er ihn nicht mit Mirbel und Spach für das Pri- mordialbläschen (utrieule primordiale), betrachtet ihn viel— mehr als quintine, ſcheint aber nicht zu wiſſen, daß Mir— bels quintine nichts anderes als der Embryoſack iſt. Den von Mirbel und Spach beſchriebenen Embryoträger (sus- pensor) konnte er nirgends auffinden; dagegen ſah er im Innern ſeiner quintine, und zwar an der dem inneren Ei— munde zunächſt gelegenen Stelle einen runden oder länglichen Körper von äußerſt zarter Beſchaffenheit, der ſehr bald ſchon durch das Waſſer des Objectivträgers verändert ward; er deutet ſelbigen nicht, die beigegebenen, freilich etwas rohen Abbildun— gen laſſen indeß in ſelbigem die Grundlage des künftigen Em— bryo, das wahre Embryobläschen erkennen. Der Verf. glaubt, daß weder Schleiden noch Mirbel und Spach ſeine quintine richtig erkannt und gedeutet hätten, und bemerkt ferner, wie bei Zea der äußere Eimund nicht unmittelbar über dem innern, ſondern ziemlich weit von ihm ent— fernt liegt. Der Verf. konnte zwar im Eimunde keine Pollenſchläuche finden, zweifelt aber deßhalb nicht an ihrem Eintritte in die Samenknoſpe. Der Embryoträger, den Mirbel und Spa ch geſehen haben, müßte nach ihm auch hier wie bei allen Pflanzen in directer Verbindung mit dem Embryo, alſo mit dem in der quintine befindlichen Körper (Schlei— dens Embryobläschen) ſtehen; nicht aber, wie nach Mir— bel und Spachs Abbildungen mit der quintine (dem Embryoſacke) zuſammenhängen. Der Verf. ſcheint darnach mit Schleiden die Umwandlung des Pollenſchlauches zum Embryo anzunehmen, wenigſtens ſpricht er ſich deutlich und entſchieden gegen das Vorhandenſein des Embryobläschens vor der Befruchtung, wie es in neuerer Zeit von mehreren Seiten angenommen wurde, aus. 313 Miſcellen. 48. Unterſuchungen über die Stimme bei der In- ſpiration zeigten Second, daß 1) die Stimmerzeugung nicht nothwendig an die Erſpiration geknüpft iſt, der Menſch vielmehr auch während der Inſpiration ſprechen und ſingen kann. 2) Die Inſpirationsſtimme bei Leuten, deren larynx geübt iſt, der Erſpi— rationsſtimme correſpondirt, d. h. zwei Regiſter hat. Während hier in vielen Fällen das Regiſter der Bruſt dem Baß und der Fiſtel entſpricht, erlaubt die Inſpirationsſtimme noch höhere Noten. 3) Die Betonung während der Inſpiration unterſcheidet ſich durch eine gewiſſe Weiche, einige Buchſtaben werden verändert, das r z. B. nicht rein ausgeſprochen. 4) Das Bauchreden iſt nur ein Sprechen mit der Inſpirationsſtimme. 5) Mehrere unſerer Hausthiere ge— brauchen die Inſpirationsſtimme. 6) Die Stimmerzeugung während der Erſpiration und Inſpiration erklärt die Abwechſelungen und das lange Ausholen der Singvögel. 7) Die Stimme verſchiedener Batrachier erfolgt nur durch Inſpiration. (Comptes rendus, No. 8. 1848. h. Die Temperatur der Meeresoberfläche nimmt in niedrigen Breiten über Sandbänken ab. Capt. Roß erklärt dieſe Erſcheinung durch die ſtärkere Strömung und dadurch inni— gere Vermiſchung des wärmeren Waſſers der Oberfläche mit dem kälteren der Tiefe. Nach dieſer Erklärungsweiſe müßte in Gegen— den, wo die Meeresoberfläche kälter wie die Tiefe iſt, die umge— kehrte Erſcheinung, eine höhere Temperatur der Waſſeroberfläche Heilk (XXXII.) Zurückbringung zweier eingeklemmten Leiſtenbrüche mittels Einathmens von Chloroform. Von Hrn. Michel Guyton am Hötel-Dieu. Erſte Beobachtung. — Am 10. Febr. kam ein 24jähriger kräftiger junger Mann, der ſeit ſeinem 18. Jahre mit einem Leiſtenbruche behaftet war, ins Hötel-Dieu. Der Bruch befand ſich auf der linken Seite, ließ ſich leicht zurück— bringen und wurde durch eine Bandage fortwährend zurück— gehalten. Seit 5 Tagen war derſelbe jedoch, ohne daß man die Veranlaſſungsurſache kannte, herausgetreten und der Kranke hatte vergebens verſucht, ihn zu reponiren. Die Geſchwulſt wurde von Tage zu Tage ſtraffer und ſchmerz— hafter, und der Patient begab ſich zu einem Bandagiſten, der ſich ebenfalls vergebens bemühte, dieſelbe zurückzubrin— gen. Später wurden im Centralbüreau von einem Chirur— gen noch fruchtloſe Verſuche gemacht und der Kranke von da ins Hötel-Dieu abgeliefert. Die Verſtopfung hielt be— reits ſeit mehreren Tagen an. Erbrechen war noch nicht eingetreten, doch fand fortwährend Ekel Statt. Bei der Unterſuchung fand ich eine große Geſchwulſt, deren Hautbedeckung die normale Färbung darbot. Sie war feſt, klingend und gegen Druck empfindlich. Die Bauch— wandungen waren nicht aufgetrieben, aber ſehr ſtraff und ſteif und lagen an den Eingeweiden feſt an. Ich verſuchte die Repoſition eine Viertelſtunde lang, und der Kranke be— nahm ſich, trotz der bedeutenden Schmerzen, ſehr ſtand— haft. Die Bauchwandungen wurden immer ſteifer. Ich 130. VI. 20 314 über Sandbänken beobachtet werden, wie man ſie allerdings in einigen Gegenden der Polarmeere kennt. Für den Schiffer, der jetzt durchs Thermometer die Nähe des Landes oder einer Sandbank erfährt, iſt dieſe Beobachtung von größter Wichtigkeit. Die Weit: küſte von Africa liefert für fie ein ſchlagendes Beiſpiel. (Sir Ja- mes C. Ross voyage to the Southern Seas.) 50. Der koetus der Wiederkäuer ſteht, nach Prof. W. v. Rapp, durch kein Gefäßſyſtem mit der Mutter in directer Verbindung; er bildet ſich ſelbſt ſein Blut, erhält aber vom mütterlichen Organismus die zu deſſen Bildung nöthigen Stoffe. Dem foetus der Beutelthiere fehlt die placenta, das Ei iſt nicht an den uterus befeſtigt. Die Hirſchthiere haben von allen Wiederkäuern die wenigſten, aber entwickeltſten Placenten, etwa 10, das Schaf hat etwa 50, die Ziege 100; ihre Zahl und Größe entſpricht den ſchüſſelförmigen Drüſen des zweihörnigen uterus. Beim Kameele und Lama vertritt die ganze gefäßreiche Oberfläche des Eies die Stelle der placenta; dasſelbe gilt für die Pachydermen. Die aus ſenkrechten Röhren zuſammengeſetzten Drüſen des uterus der Wie— derkäuer ſondern eine undurchſichtige, weiße, milchähnliche, wie es ſcheint albuminhaltige Fluͤſſigkeit, die von den Blutgefäßen der placenta aufgeſaugt wird, ab, ſelbige dient dem foetus zur Nah: rung. Die Venen der placenta haben beim Hirſchgeſchlechte keine Klappen, die Injection erfolgt von ihnen aus vollſtändiger wie durch die Arterien. (Würtembergiſche naturwiſſenſchaftliche Jah— reshefte. 1845, Heft J.) unde. konnte die Geſchwulſt nur in Maſſe ein wenig nach oben drängen, ohne fie jedoch in den Ring hineinzudrücken. Alsdann fiel mir die Anwendung des Chloroforms bei. Nachdem der Patient dasſelbe kurze Zeit eingeathmet hatte, gerieth er in vollſtändige Erſchlaffung; die Bauchwandung ward weich, ich drückte auf die Geſchwulſt, ſie entleerte ſich unter gurgelndem Geräuſch und ward alsbald vollkommen ſchlaff. Ich faßte die geſchmeidigen Darmportionen zuſam— men und drückte ſie ohne alle Schwierigkeit in die Bauch— höhle zurück. Dies alles nahm keine Minute in Anſpruch; der Kranke kam wieder zur Beſinnung und war ſehr ver— wundert darüber, daß ſein Bruch reponirt war. Ich legte ihm ein neues Bruchband an, und wenige Augenblicke dar: auf verließ er das Hoſpital. Zweite Beobachtung. — Am 8. März um Mit⸗ tag ward der 50jährige Färber Martin mit einem einge— klemmten Leiſtenbruche auf der rechten Seite behaftet, ins Hö- tel-Dieu aufgenommen. Am vorigen Tage war der Patient nach der Mittags— mahlzeit von heftigen Kolikſchmerzen befallen worden. Er hatte mit der Hand nach der Geſchwulſt gefühlt und die— ſelbe herausgetreten gefunden, war auch nicht im Stande geweſen, dieſelbe zu reponiren. Er brach ſogleich die ge— noſſenen Speiſen aus, litt dermaßen, daß er weder ſtehen noch ſitzen konnte und legte ſich zu Bette. Das Erbrechen wiederholte ſich häufig, und es fand beſtändig Aufſtoßen Statt. Im Laufe des Tages ging der Patient ein Mal zu Stuhle, wobei er ſich ſehr anſtrengte, in der Hoffnung, daß 815 die Leibſchmerzen durch die Ausleerung geringer werden wür— den. Er wandte Breiumſchläge und Bähungen an und ver— ſuchte mehrmals den Bruch zurückzubringen, aber ohne Erfolg. Die Nacht verging in großer Unruhe. Am Mor— gen ward ein Arzt herbeigerufen, der den Bruch unterſuchte und den Patienten ſofort ins Hoſpital ſchickte. Als ich denſelben ſah, hatte man ihn ſo eben in ein Bad gebracht. Er litt gewaltig und konnte nicht ſitzen. Die Geſichtszüge drückten Beängſtigung und Niedergeſchla— genheit aus; Aufſtoßen und Recken fanden unaufhörlich Statt. Ich ließ ihn zu Bett bringen und ermittelte, daß der übrigens nicht aufgetriebene Unterleib ſehr hart und geſpannt war. Auf der rechten Seite des Hodenſackes war eine Geſchwulſt vorhanden, welche durch eine nach der Quere ſtreichende Einſchnürung in zwei Theile getrennt war. Die ganz im Hodenſacke liegende untere Portion hatte einen et— was größern Umfang als ein normaler Hoden, aber übri— gens durchaus die Conſiſtenz und Geſtalt eines ſolchen. Auf den erſten Blick hielt ich dieſelbe für den Teſtikel, aber ich überzeugte mich alsbald, daß dieſes darunter befind— liche Organ ſich in ſeiner normalen Lage befand. Überdies ließ ſich keine epididymis fühlen. Die Geſchwulſt war gegen Druck unempfindlich und hatte den Charakter einer Fettmaſſe. Die über der Einſchnürungsfurche liegende Portion war nur bis zum oberen Drittel des Hodenſackes in dieſem, bot eine regelmäßig ovale Geſtalt dar, war ſtraff, hart, nicht zuſam— mendrückbar und ſchmerzhaft. Ich verſuchte die Repoſition, wodurch aber die Starr— heit des Unterleibes nur vermehrt ward. Nun wandte ich Chloroform an, und nachdem der Patient deſſen Dämpfe kurze Zeit eingeathmet, trat eine allgemeine Erſchlaffung ein; der Bauch ward geſchmeidig. Ich comprimirte die obere Portion der Geſchwulſt und dieſelbe fiel alsbald mit gurgelndem Geräuſch zuſammen. Ich drückte die Darmwandungen in die Unterleibs— höhle zurück, und dies gelang eben jo leicht als ſchnell. Nun ſuchte ich die untere Portion der Geſchwulſt zu repo— niren, die ſich indeß nur in den Leiſtencanal hinaufſchieben und ein wenig in den Abdominalring hineinbringen ließ. Ich wartete, bis der Kranke wieder zur Beſinnung gekom— men ſei, um mir Aufklärungen von ihm zu verfchaffen. Er fühlte ſich dann ungemein erleichtert; ſein Geſicht erhei— terte ſich, er ward geſprächig und bewegte ſich ohne Schmer— zen im Bette. Ich erfuhr nun von ihm, daß die kleine Geſchwulſt, welche nicht in die Unterleibshöhle zurückgebracht worden war, ſich ſchon ſeit langer Zeit nicht habe reponiren laſſen. Ich unterſuchte dieſelbe von neuem; ſie hatte ſich verlängert und man fühlte ihren Stiel in dem Leiſtencanale hin. Die früher erwähnte Einſchnürungsfurche entſprach ohne Zweifel dem wahrſcheinlich durch den Druck des Bruch— bandes für gewöhnlich etwas comprimirten Halſe des Sackes. Derſelbe war herabgeſtiegen, ohne den Darm, welcher die obere Portion der Geſchwulſt bildete, zu zerren. Das epi- ploon adhärirte an der innern Wandung des Sackes; der Samenſtrang war ſeiner ganzen Länge nach frei. Ich legte einen zurückhaltenden Verband mit geſtuften Compreſſen an. Zwei Stunden darauf fand ein Stuhlgang 130. VI. 20. 316 Statt und in der Nacht ein zweiter. war das Befinden des Kranken recht erwünſcht. Ich zog von demſelben noch folgende Nachrichten ein. Der Bruch war vor 12 Jahren entſtanden, und die beiden erſten Jahre über hatte der Patient ein altes Bruchband getragen, welches ihm ein Kamerad gegeben. Dann kaufte er ſich ein neues, welches er ſeitdem fortwährend behalten hatte. Wenn der Bruch vorgefallen war, ſo ließ er ſich gewöhnlich durch ge— linden Druck zurückbringen, während der Patient auf dem Rücken lag. Das Bruchband war ſchon lange in ſchlechtem Zuſtande geweſen. Seit 6 Monaten hatte ſich die epiplo- cele nicht mehr zurückbringen laſſen, aber der Patient hatte ſich darum nicht weiter bekümmert, da er keinen Schmerz empfand. Der Darmbruch wurde jedoch für gewöhnlich re— ponirt gehalten. Vor zwei Monaten war derſelbe jedoch in Folge einer unbedeutenden Anſtrengung herausgetreten, ohne daß die Zurückbringung ſogleich gelungen war, weßhalb ſich der Patient ins Bett gelegt und mit Kataplasmen behandelt hatte, wodurch es ihm nach 2 Stunden gelungen war, die Hernie zu reponiren. Vor vierzehn Tagen hatte ſich der— ſelbe Zufall erneuert. Das Geſchäft dieſes Mannes iſt durchaus nicht anſtrengend; allein er kann nicht die geringſte Anſtrengung machen, ohne daß die Hernie heraustritt. Gewiß iſt der Umſtand ſehr beachtungswerth, daß nach dem Einathmen von Chloroformdämpfen ein Bruch, deſſen Zurückbringung vorher unmöglich war, ſich ganz leicht re— poniren läßt. Es treten alsbald durchaus verſchiedene Um— ſtände ein. Das Chloroform wirkt ſowohl auf das Ge— fühlsvermögen als auf die Muskelcontraction hypoſtheniſirend, ſo daß die Muskeln vollſtändig erſchlaffen, und hierin iſt der Grund der Leichtigkeit der Repoſition zu ſuchen. Mit wenigen Ausnahmen behaupten alle Anatomen, daß die Muskelſpannung den Durchmeſſer der Ringe nicht verändern könne. Übrigens iſt der Ring, in welchem eine Schenkelhernie eingeklemmt wird, Einflüffen dieſer Art durch— aus entzogen. Durch die Erſchlaffung kann demnach der Durchmeſſer dieſer ganz mit faſerigem Gewebe umgebenen Offnungen nicht vergrößert werden. Die Löſung des Pro— blems iſt daher auf dieſem Wege nicht zu erledigen. Der Darmcanal und die den Bruchſack füllende kleine Portion desſelben befinden ſich unter höchſt verſchiedenen Bedingungen. Die letztere, und dies iſt das wichtigſte, wird in einen Sack mit ſchwach oder nicht zuſammenziehbarer Wandung aufgenommen; der erſtere dagegen iſt von Seiten der Bauchwandungen verſchiedenen Graden von Druck aus— geſetzt. Dieſer iſt bei Anſtrengungen ſtark und plötzlich ein— tretend; allein auch jeder Schmerz, der ſeinen Sitz in einem in der Bauchhöhle liegenden oder mit dieſer in mehr oder weniger naher Beziehung ſtehenden Organe hat, veranlaßt die unwillkürliche Zuſammenziehung der Bauchmuskeln. Auch findet man bei Unterſuchung eines eingeklemmten Bruches eine ſtraffe, nicht nachgiebige Geſchwulſt, welche einer durch Luft ſtark aufgetriebenen Blaſe ähnelt. Der Darm iſt empfindlich und veranlaßt Kolikſchmerzen; dabei drückt die ſtraffe und zuſammengezogene Bauchwandung ſtark auf die Baucheingeweide. Die im Darmcanale enthaltenen Am folgenden Tage 317 Gaſe werden dadurch gepreßt und theilweiſe in die Darm: ſchlinge der Hernie gedrängt, welche einem ſolchen Drucke nicht den gehörigen Widerſtand leiſten kann. Will man die Geſchwulſt zurückbringen, ſo wird ſie noch ſchmerzhafter und demzufolge die Contraction der Bauchwandung noch heftiger. Der Bruchſack läßt ſich nicht zuſammendrücken und die Gaſe aus demſelben nicht austreiben. Er bildet vor dem Ringe einen kugelförmigen Wulſt, den man nicht in jenen hineinbringen kann. Meiner Anſicht nach iſt jene Auftreibung durch Gaſe die urſprüngliche und einzige Urſache der Einklemmung, und wenn man den Verlauf dieſer letztern verfolgt, ſo kann man leicht nachweiſen, daß die ſecundären krankhaften Verände— rungen des Darmes ebenfalls daher rühren und dann ihrer— ſeits die Hartnäckigkeit der Einklemmung vermehren. Ich will nunmehr unterſuchen, ob die von mir aufgeſtellte Theo— rie für alle bisher anerkannte Arten von Einklemmung paßt. Die Einſchnürung kann auf dreierlei Weiſe Statt fin— den: durch faferige Ringe, durch den Hals des Sackes, oder im Innern des letztern durch falſche Membranen, Durch— löcherung des epiploon ete. Die Beleuchtung dieſer letztern Varietäten geſchieht am paſſendſten bei Gelegenheit der Beſprechung der innern Einklemmung, mit welcher ſie viel Ahnlichkeit. haben. Das die Ringe und den Hals des Bruchſackes um: gebende Faſergewebe ſcheint mir, abgeſehen von gewiſſen alsbald weiter zu beſprechenden Modificationen, ein ſehr paſ— ſives Gewebe. Zuſammenziehbar iſt es nicht und ob es elaſtiſch iſt, ſteht dahin. Wenn man den Faſerring und den Hals eines Bruchſackes am Cadaver unterſucht und dieſelben auszudehnen ſucht, ſo gelingt dies ſelbſt bei Anwendung be— deutender Kraft nur in geringem Grade. Ich betrachte dieſe Offnungen als nicht ausdehnungsfähig, ſo daß der Darm ſich an denſelben feſtſetzen kann. A. Die Einklemmung von Seiten der Faſerringe ge— ſchieht in der Regel, wenn ein Bruchſack plötzlich durch eine heftige Anſtrengung durch dieſelben gedrängt oder zu der bereits vorgefallenen Darmſchlinge oder Netzportion eine neue Portion hinzugefügt wird. Man nimmt dann gewöhn— lich an, der Ring erweitere ſich bei der Anſtrengung und ziehe ſich dann vermöge feiner Elaſticität wieder zuſammen. Bei Operationen und Sectionen hat man deſſen Ränder feſt um den Darm anliegend gefunden. Beweiſ't dies aber, daß er die Einklemmung in Folge feiner Elaͤſticität bewirkt, die man ihm nur mit Widerſtreben zuerkannt? Ich glaube nicht. Die Umſtände der Einſchnürung laſſen ſich in der That ebenſowohl erklären, wenn man annimmt, der Ring ſei ſtarr. Wenn auch der Umfang der vorgetretenen Darm— portion mit dem Durchmeſſer der Offnung, durch welche dieſelbe hindurchgedrungen iſt, außer allem Verhältniß zu ſtehen ſcheint, jo braucht dennoch keine gewaltſame Aus— dehnung Statt gefunden zu haben. Die Darmſchlinge fin- det einen Canal, in welchen ſie hineingedrückt wird. Sie verſchmälert ſich wie in einem Zieheiſen und gelangt in eine nicht zuſammenziehbare Höhle. Durch die fortgeſetzte Anſtrengung werden von oben Gaſe in dieſelbe gedrängt; 130. 318 fie hatte ſchon bei ihrem Durchgang durch den Canal Druck erlitten und wird nun, nachdem ſie ausgedehnt worden, noch ſtärker gedrückt. Der darin entſtehende Schmerz theilt ſich dem Unterleibe mit und verſtärkt deſſen Zuſammenziehung. Der Ring iſt an ſich eng; ſein Flächenraum iſt geringer als die Summe der Areale der doppelten Röhre der Darm— ſchlinge; es bildet ſich in dieſer Höhe eine Verengerung, ein Hals. Die Geſchwulſt wird darunter kugelförmig und durch die Ausdehnung derſelben wird die Bauchwandung bald gegen die Ränder des Faſerringes feſt gedrückt, ſo daß dieſer ſchon theilweiſe durch die Bauchwandung ſelbſt ausgefüllt wird. Wenn die Hernie ein Mal hinreichend ausgedehnt iſt, ſo hört die regelmäßige Strömung der Gaſe auf; ſie häufen ſich in dem Bauche an und vermehren deſſen Spannung und folglich Druck; die Steigerung der Empfindlichkeit, die Behinderung der Circulation veranlaſſen binnen kürzerer oder längerer Zeit ein Strotzen und eine Verdickung der tunicae, und dies wird wieder zu einer ſehr mächtigen und hart— näckigen Urſache der Einklemmung. Dieſe krankhaften Zu— ſtände habe ich ſeeundäre genannt. Sie führen allmälig Entzündung, Adhärenzen, Gangrän, Durchlöcherungen, Er— gießung von Seroſität in das Innere des Sackes herbei, und hierin liegt abermals ein Grund zur Vergrößerung der Geſchwulſt. Jetzt tritt die Vitalität der Theile ins Spiel und ertheilt der Einklemmung ihren bedenklichſten Charakter. Man hat die Erſcheinungen des eingeklemmten Bruches häufig mit denen der paraphimosis verglichen. Bei manchen Individuen iſt die Vorhaut eng, allein die Eichel kann doch leicht aus derſelben hervortreten. Wird alsdann z. B. der Geſchlechtstrieb befriedigt oder die Eichel ſonſt mechaniſch gereizt, ſo kann ſie plötzlich anſchwellen, ſo daß die Vor— haut hinter derſelben bleiben muß und eine immer feſter werdende Einſchnürung entſteht. Es findet alsdann, wie bei dem Bauchringe nur ein ſpäter eingetretenes Mißverhält— niß zwiſchen der Offnung und dem durch dieſelbe hervor— getretenen Theile Statt. Anfangs iſt die Zurückbringung des Bruchſackes gewöhnlich möglich. (Ich werde weiter un— ten von den Umſtänden handeln, welche dieſelbe verhindern); denn da der Darm ein Mal durch den Ring gegangen iſt, ſo kann er auch wieder durch denſelben zurück, wenn ein gleich ſtarker Druck auf ihn einwirkt, wie der, welcher ihn herausgetrieben hat. Man müßte annehmen, daß die Ein— ſchnürung durch den Ring ſehr heftig ſei, wenn die Darm— wandungen nicht wieder aufwärts geſchoben werden könnten, und in dieſem Falle würde faſt unverzüglich Gangrän eintre— ten, während dieſe doch immer erſt nach geraumer Zeit vor— kommt. Wenn aber die Repoſition nicht gelingt, ſo liegt die Schuld daran, daß ein ſolcher Druck, welcher dem von Seiten des ganzen Unterleibs ausgeübten gleichkommt, ſich auf einer Oberfläche von ſo geringer Ausdehnung nur ſchwer bewirken läßt. Nach Anwendung des Chloroforms hat man die Contraction der Muskeln nicht mehr zu bekämpfen. Die Gaſe laſſen ſich durch die ſchlaff gewordene Bauchwandung leicht zurücktreiben und die Wandungen der Darmſchlinge ſind ebenfalls geſchmeidig geworden, ſo daß ſie ſich zuſam— menlegen und ohne alle Schwierigkeit in die Bauchhöhle 319 zurückbringen laſſen. Dies haben wir an unſeren beiden Kranken ſo deutlich in Erfahrung gebracht. Man wird aber nicht annehmen wollen, daß durch das Chloroform der Ring ſchlaff werde; denn die ſchlaff gewordenen Muskeln haben über denſelben keine Gewalt gehabt, und eine derartige directe Wirkung auf denſelben kann nicht Statt finden, da derſelbe gar nicht zuſammengezogen war. Eine einfache Anhäufung von Gaſen, die jedoch von lebensthätigen Wandungen eingeſchloſſen find, verſetzt ſich alſo nach rein phyſicaliſchen Geſetzen vor einer nicht aus— dehnungsfähigen Offnung. Dies iſt der erſte Zu— ftand der Einklemmung eines Bruches. Finden dieſe Um— ſtände aber in allen Fällen Statt? Dies wollen wir nunmehr unterſuchen. Wenn eine kleine Darmportion, ein diverticulum in einem Ringe eingeklemmt iſt, ſo ſieht man leicht ein, daß die Umſtände dieſelben ſind. Rückſichtlich der übrigen Varietäten der Einklemmung werde ich mich nur auf die urſpruͤnglichen Erſcheinungen beſchränken, um zu ermitteln, ob die von mir aufgeſtellte Theorie auf ſie paßt. Die nachfolgenden Erſcheinungen ſind bei allen Einklemmungen, von welcher Urſache dieſelben auch herrühren, dieſelben. (Schluß folgt.) Miſeceellen. (35) Wirkung langen Faſtens auf das Blut. Vom Dr. Prevoſt. — Die Wirkung des Faſtens erſtreckt ſich auf alle Theile des Körpers, obwohl binnen derſelben Zeit in verſchiede— nem Grade. Die Blutkügelchen erleiden, gleich andern feſten Thei— len, eine Veränderung, welche ſich unter dem Mikroſkope darſtellt. — Im November 1836 brachte ich drei Fröfche je in beſondere Glas— cylinder, die mit Gaze überſpannt wurden, damit weder Fliegen, noch andere Inſecten in dieſelben eindringen könnten, während der vier Wintermonate hielten ſie ſich auf dem Grunde des Waſſers; allein im Frühjahr ermunterten ſie ſich aus ihrer Erſtarrung und empfanden das Bedürfniß der Nahrung. Das Faſten ſchien indeß keine nachtheilige Wirkung auf ihre Geſundheit zu äußern, und ihre Farben waren nur um deſto ſchöner. Nach 14 Monaten ſtarb einer derſelben, und die andern beiden waren ſehr mager und ſchwach und bewegten ſich durchaus nicht mehr. Ich tödtete ſie und fand ihr Blut dunkler gefärbt als im normalen Zuſtande. Auch hatten ihre Blutkügelchen eine auffallende Veränderung er— 130. VI. 20. 320 litten. — Die rothen Blutfügelchen beſtehen: 1) aus einer farb: lofen durchſcheinenden Membran, welche ihre äußere Hülle bildet; 2) aus einem unter dieſer liegenden Beutel, welcher den Färbe⸗ ſtoff enthält und in den ein anderer Beutel eingeſchloſſen iſt, in welchem der eryſtalliniſche Stoff oder das Mittelfügelchen enthalten iſt. — Im normalen Zuſtande liegt die umhüllende Membran dicht an den den Färbeſtoff einſchließenden Beutel an, ſo daß er ſich als ein denſelben umgebender ſchmaler Rand darſtellt. An den krankhaft veränderten Kügelchen war dieſer Rand breiter, und die Membran war verdünnt, faltig, fetzig; der den Färbe— ſtoff enthaltende Beutel hatte ſich in einer unregelmäßigen Weiſe zuſammengezogen und ſah dunkelpurpurroth aus. Das Mittel⸗ kügelchen hatte keine merkliche Veränderung erlitten. — Ich habe denſelben Verſuch in dieſem Jahre wiederholt, indem ich einen Froſch im Februar, nachdem derſelbe 15 Monate lang gefaſtet, tödtete, und ich fand, daß deſſen Blut die nämliche Veränderung erlitten hatte. — Ich muß hier noch eines ſchon vom Hrn. Dr. Choſſat beobady- teten Umſtandes gedenken, nämlich daß das Blut der Leber weißem Papiere eine ſepiabraune Farbe ertheilte. (Bibl. univ. de Geneve, Mars 1848.) (36) Die Art, wie Hr. Chaſſaignae im Pariſer Findelhauſe die kalte Douche gegen eiternde Oph— thalmie anwendet, iſt folgende. Ein 30 — 40 Liter haltender Waſſerbehälter iſt an der Wand in der Nähe eines Fenſters an— gebracht, ſo daß der Chirurg während des Douchens die Augen des Patienten genau beobachten kann. Der Behälter wird mit filtrirtem Waſſer gefüllt, und an demſelben ſind mehrere elaſtiſche Röhren mit Hähnen und kegelförmigen Mundſtücken angebracht. Die Offnung in den letztern iſt 2— 4 Millimeter weit. Das Kind wird dem Fenſter gegenüber auf ein mit Wachstuch überzogenes Lager gebracht; alsdann öffnet man den Hahn einer der Rohren ſo weit, daß die Douche die gehörige Kraft erhält, und läßt den Strahl ſchräg auf den Spalt zwiſchen den Augenliedern einwirken, bis der Eiter abgeſpült iſt. Hierzu gehört manch Mal eine Viertel- ſtunde, und man ſucht die Ablöſung des verhärteten Eiters von den Augenwimpern dadurch zu befördern, daß man ſie mit einem feinen leinenen Läppchen abwiſcht. Alsdann werden die Augen⸗ lieder durch einen Gehülfen mittels eines Aufhebers oder Herab— drückers von einander entfernt, und der Chirurg läßt nun den Strahl, immer ſchräg, auf die Hornhaut und die verfchiedenen Falten der geſchwollenen Bindehaut einwirken. Nachdem nun dies Y— ½ Stunde lang geſchehen iſt und die Augen vollſtändig ges reinigt find, troͤpfelt man eine Auflöſung von 2 Deeigrm. ſalpeter⸗ ſauren Silbers oder 1 Deeigrm. ſchwefelſauren Zinks oder Kupfers auf 30 Gramm Waſſer in dieſelben, indem man noch zuletzt den freien Rand der Augenlieder mit der rothen Präcipitatfalbe be— ſtreicht. Die Operation wird jeden Abend, zuweilen auch um Mittag wiederholt, und nach der dritten Douche ohne Ausnahme die Heilung erlangt. Der Arzt und Gehülfe müſſen ſich ſehr hü⸗ ten, daß kein Eiter von dem Auge des kleinen Patienten in das ihrige ſpritze. (Gaz. med. de Paris, 29. Mars et 1. Ayr. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. A. C. Ramsay. — Passages in the History of Geology; being an Inaugural Lecture at University College. 80. (pp. 38. sewed, 1 sh.) London 1848. Classification et principaux caracteres mineralogiques des roches d’apres la methode de M. Cordier, et les notes prises à son Cours de geologie du n naturelle; par M. Charles d’Orbigny. In 8° de 3 feuilles. aris 1 Traite pratique de la menstruation consideree dans son état physiologique et dans ses divers etats pathologiques; suivi d'un Essai sur la chlorose, et d’un Memoire sur les proprietes medieinales des diverses preparations de fer; par J B Dusourd, docteur en medecine. In 8° de 37 feuilles %. Paris 1847. (Prix 7 fr.) C. (leve, Hints on Domestic Sanitation; or, the Means for the Attainment and Preservation of Health; with the Instructions of William Aeraputh. Esqu. and of Dr. L. A. Ritterbrandt for the Prevention and Cure of Cho- lera. 120. (pp. 42, cloth, 1 sh.) London 1848, H. Stephens. — A Manual of Practical Draining. 3d edition, enlarged, 80. (pp. 176, cloth, 5 sh.) London 1848. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L . Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 131. (Nr. 21. des VI. Bandes.) Juni 1848. Naturkunde. Mouquin-⸗Tandon und Barker Webb, über den Bau der Cruciferen-Blüthe. — Martins, über die Temperatur des Eismeeres an ſeiner Oberfläche, an ſeinem Grunde und in der Nähe der Gletſcher Spitzbergens. — Gudton, Zurückbringung zweier eingeklemmter Leiſtenbrüche mittels Einathinens von Chloro- Miſcellen. Woodward, über die große Seeſchlange. Cap. Raß, über die größte Meerestiefe. — Heilkunde. form. (Schluß.) — Jobert, Spuren von einer Operation der Enteroraphie nach 12 Jahren. — Miſcelle. van Camp, zufällige Krümmung der Kno— chen des Vorarmes. — Bibliographie. Naturkunde. XXIV. über den Bau der Cruciferen-Blüthe. Von A. Mouquin-⸗Tandon und P. Barker Webb. So oft und viel bereits über dieſe große Pflanzenfa— milie geſchrieben iſt, und ſo verſchiedene Anſichten über die Deutung ihres Originaltypus herrſchen, ſo manches Intereſ— ſante bleibt noch zu jagen übrig, weßhalb die Verf. die vorhandenen Arbeiten prüften, durch neuere Beobachtungen vermehrten und das Reſultat ihrer Forſchungen in No. 73 des London journal of botany von 1848 veröffentlichten. Der Kelch beſteht aus vier Blättchen: die beiden ſeitlich geſtellten wechſeln mit der Achſe ab, die beiden an— dern ſchneiden ſie im rechten Winkel, der innere liegt der Achſe zu, der äußere von ihr abgewandt; die beiden ſeit— lichen Kelchblättchen entſpringen häufig etwas tiefer als die letztgenannten; dennoch nehmen die Verf. den erſten Blatt— kreis als vierzählig an. Die beiden Seitenblättchen ſind auch häufig etwas breiter, zuweilen an ihrer Baſis mit einem Höcker (Hesperis, Matthiola) oder gar einem Sporn verſehen (Jondraba sulphurea). Nach Krauſe liegen die ſeitlichen Kelchblättchen etwas höher, wie die beiden andern, entſtehen auch etwas ſpäter, wie dieſe; Duchartre iſt dagegen anderer Meinung, nach ihm wird das vordere und hintere Blättchen zuerſt entwickelt, was die Verf. beſtätigen können. Da weder eine Bractee noch eine Bracteole zwiſchen einer Achſe und einer Blüthe vorkommen kann, find Krauſe's Benennungen dieſer Kelch— blättchen unpaſſend. Die Blüthenkrone beſteht aus vier mit den Kelch— blättchen alternirenden, meiſt etwas längeren Blumenblättern; dieſer Wirtel iſt faſt immer regelmäßig, nur find bei einigen trugdoldenblüthigen Gruciferen die beiden äußern Blumen— blätter länger, als die innern (Iberis umbellata), auch das No. 2111 — 1011. — 131. zwiſchen den beiden äußern Blumenblättern befindliche, am weiteſten von der Achſe entfernte Kelchblättchen iſt beſtändig länger, als die übrigen; der Druck der Achſe gegen die Blüthe ſcheint demnach hier, wie bei den Umbelliferen, die Entwick— lung zu beſchränken (beris umbellata und pinnata). Von den ſechs Staubfäden ſind vier lang und zwei kurz; die erſteren ſind neben einander etwas höher wie die beiden vereinzelten kurzen inſerirt. Die Staubfäden alter— niren mit den Blumenblättern, und zwar ſo, daß auch die paarweiſe geſtellten längeren den einem einfachen Staubfaden zukommenden Platz einnehmen. De Candolle beſchreibt dieſe Anordnung genau und richtig, doch iſt ſein Blüthen— grundriß, wie die Verf. glauben, durch einen Irrthum des Zeichners weniger genau. Nach Leſtiboudois und Kunth ſollen die vier längern Staubfäden nicht paarweiſe mit den Blumenblättern alterniren, vielmehr von einander getrennt ihnen opponiren; auch Gay iſt dieſer Anſicht. Lind ley zeigt dagegen, wie jedem vorderen und hinteren Kelchblätt— chen zwei Staubfäden, jedem ſeitlichen Kelchblättchen ein Staubfaden opponirt. Die Verf. vergleichen die Gruciferenblüthe mit der einer Gynandropsis-Art: der ſehr entwickelte Fruchtboden ver— längert ſich hier in einen kurzen Stempelträger, der in den Fruchtknoten endigt und an einem angeſchwollenen Theile feiner Baſis den Staubfäden-Apparat trägt. Die abfallenden Staubfäden hinterlaſſen an dieſem ihrem Inſertionspunkte mehr oder weniger ſichtbare Narben, deren Stellung zu ein— ander leicht zu ermitteln iſt. A. de St. Hilaire und einer der Verf. bemerkten nur, wie zwei dieſer Narben ver— einzelt ſind, und mit den vier andern, paarweiſe geſtell— ten und höher gelegenen, alterniren, und daß ſowohl die einzelnen, als die paarweiſe geſtellten mit den Blumenblättern abwechſeln. Ganz dasſelbe gilt nun von den Crueiferen. 21 323 A. de St. Hilaire und Delile ſahen Blüthen von Cardamine hirsuta, in denen ſonſt die Drei-Zahl herrſchte, mit vier Staubfäden; nach dieſen Monſtroſitäten ſuchten andere Botaniker die normale Crueiferenblüthe zu deuten, indem ſie bei ihr ein conſtantes Fehlſchlagen aller ſeitlichen Blüthentheile, mit Ausnahme der beiden ſeitlichen Staub— fäden, vermutheten. Leſtiboudois verwarf dieſe Erklä— rung als durchaus unzuläſſig, und de Candolle zeigte, daß jedes Staubfädenpaar nur die Bedeutung eines ein— fachen Organes beſitze, der Staubfadenapparat der Cruci— feren folglich, wie die Blumenkrone und der Kelch, der Vier— zahl entſpräche. Die Filamente der gepaarten Staubfäden ſind meiſtens flacher, mehr bandartig entwickelt; ſie nehmen deßhalb mehr Platz ein und treten bisweilen ſo weit aus einander, daß ihre Antheren ſcheinbar der Blumenkrone entgegengeſetzt wer— den, während die Filamente, da wo ſie ſich theilen, immer mit den Blumenblättern alterniren, was bei Sterigma to- mentosum und Anchonium Billardieri, wo das Filament ungetheilt bleibt, noch anſchaulicher wird. De Candolle nimmt dieſen Zwillingszuſtand nicht für eine Theilung eines Staubfadens, ſondern für ein Ver— wachſen zweier an, dagegen unterſtützen ſowohl normale als abnorme Erſcheinungen dieſe Verdoppelungstheorie; 1) be— ſitzen die einfachen Staubfäden mehrerer Cruciferen, nament— lich Clypeola cyclodontea, Del., an jeder Seite einen Zahn, während die Doppelſtaubfäden einen ſolchen nur an ihrer Außenſeite zeigen, ſo daß beide Staubfäden verbunden ein ähnliches zweigezähntes Filament, wie der einzelnen Staub— faden, beſitzen würden. 2) bleibt bei andern Cruciferen ein längerer oder kürzerer Theil der Filamente einfach; bei Sterigma tomentosum geht die Theilung nur bis zur Mitte, bei Anchonium Billardieri nur bis zum obern Dritttheile; die Stellung der längern, hier nur im obern Theile dop— pelten Staubfäden entſpricht dem einfachen durchaus. 3) fin— det man bei Vella pseudocytisus L. ftatt der Doppelſtaub— fäden nur einfache, das Filament iſt häufig um ſo breiter, zuweilen nur an der Spitze, zuweilen aber auch hier nicht getheilt, trägt aber immer eine entweder vollſtändige oder doch theilweiſe Doppelanthere. 4) werden einige Crueiferen, theils durch Cultur, theils ohne dieſelbe, viermännig; Draba muralis hat, nach Delille, im wilden Zuſtande um Mont— pellier immer nur vier gleichmäßig entwickelte Staubfäden. 5) kommt auch eine Theilung der ſonſt immer einfachen Staubfäden vor; einer der Verf. ſah Blüthen von Matthiola incana, deren kürzere Staubfäden ihrer ganzen Länge nach geſpalten und jede Hälfte mit einer halben Anthere verſehen waren. Leſtiboudois erwähnt eines Cheiranthus Cheiri, wo dieſe Staubfäden vollſtändig, aber nicht wie die längern Staubfäden nach der Seite, ſondern nach einwärts doppelt waren, und Seringe ſah eine Blume derſelben Pflanze, wo ſich die kürzeren Staubfäden ganz wie die längeren ver— doppelt hatten. Der Einwurf, daß nach dieſer Theorie jedes Doppel— filament nur eine einfache Anthere tragen müßte, iſt für die Verf., welche zwei Arten der Vervielfachung annehmen, 13 W211. 324 leicht beſeitigt; die erſte Art beſteht in einer einfachen Thei— lung in zwei oder mehrere Theile, die zweite in einer glei— chen Theilung verbunden mit der Erzeugung neuer Theile, ſo daß durch ſie mehrere, dem urſprünglichen Organe ähn— liche, neue Organe entſtehen. Dieſe letztere Weiſe der Vermehrung iſt, nach dem Verf., die eigentliche Vervielfa— chung (multiplication): dahin gehören, nach ihnen, die Staub— fadenbündel im genus Phytolacca und Hypericum, welche mit vollſtändig entwickelten Antheren die Stelle eines einfachen Staubfadens einnehmen, während die acht Staubfäden der ächten Polygaleen mit einfächerigen Antheren den vier Staub— fäden der Krameria mit doppelten Antherenfächern, folglich einer Theilung allein, entſprechen. Daß die Zwillingsantheren größer als die einzelnen ſind, kann eben fo wenig einen Einwurf geben; die Vervielfachung iſt jedenfalls eine Folge reichlicher Ernährung, die mit der Verdoppelung auch eine üppigere Entwickelung bewirken kann; die gefüllten Blumen ſind deßhalb häufig mehr entwickelt. Auch die verſchiedene Höhe, in welcher die Staubfäden inſe— rirt ſind, iſt dieſer Annahme keineswegs zuwider; wenn die obere Reihe nämlich, wie bisher angenommen ward, wirklich einem zweiten Wirtel angehörte, ſo müßten ihre Staubfäden mit zwei oder vier Blumenblättern opponiren, was, wie bereits angegeben, durchaus nicht der Fall iſt. Auch die Kelchblättchen der Cruciferen ſtehen auf ungleicher Höhe, und doch hat niemand zwei Kelchwirtel angenommen. Nach Krauſe ſollen die vier Zwillingsſtaubfäden in der jungen Knoſpe als vier den Blumenblättern vorgeſtellte Warzen auftreten; die Verf. unterſuchten junge Knoſpen von Sinapidendron Bourgeaei: fie beſtätigen keineswegs die von Krauſe angegebene und von Duchartre wiederholte Angabe, nach ihnen ſind, die entſtehenden Staubfäden nicht den Blumenblättern, wohl aber deren Rande gegenſtändig, um jo jünger die Knoſpe, um jo vollſtändiger war das Alterniren. Der Fruchtboden breitet ſich bei verſchiedenen Arten der Gruciferen verſchieden aus, einen drüſentragenden, meiſt dunkelgrünen, fleiſchigen discus bildend; die Drüſen desſelben ſind bisher kaum beachtet, noch weniger verſtanden worden. Die warzigen Erhebungen in der Blüthe überhaupt können zweierlei Urſprunges, entweder verkümmerte Organe oder eigene Bildungen fein: dieſe gehören entweder einem Wirtel an, oder ſind Ausbreitungen des Fruchtbodens für die In— ſertion der Staubfäden. Die drei Drüſenfortſätze verſchiede— ner Hyperieineen (Triadenia, Spach) find verkümmerte Staub— fäden; die Filamente von Laurus nobilis, die Höcker auf dem Rücken der Kelchblätter der Malpighieen und die Nectarien der Liliaceenblüthe find dagegen keine abortirte Organe. In der Cruciferenblüthe kommen nun zwei, ſechs oder acht ſolcher Organe vor; Cheiranthus Cheiri hat zwei Drü— ſen, aus deren Mitte ſich die beiden einfachen Staubfäden erheben. Sie erſcheinen als etwas unregelmäßige, fleiſchige, oben flach vierzähnige Ringe und können ihrer Stellung nach keine abortirten Staubfäden, aber auch keine beſon— dern Organe der Blüthe ſein, da auf ſie die Staubfäden eingefügt find, müſſen deßhalb als Drüfenfortfäge, zur 325 Grundlage der männlichen Blüthentheile beſtimmt, betrachtet werden. Bei Matthiola incana hat dieſer fragliche Ring zwei kleine Lappen, iſt überhaupt mehr nach der Seite entwickelt; die Drüfen biegen den kurzen Staubfaden und das unter ihm liegende Kelchblatt abwärts. Eine ähnliche Anordnung iſt den meiſten Cruciferen eigen; der Drüſenring von Matthiola incana iſt im jugendlichen Zuſtande nach unten und oben gleichmäßig entwickelt und bildet ſich erſt ſpäter mehr einſeitig aus. Bei Diplotaxis muralis iſt jtatt des Ringes nur eine kaum gelappte, über dem Inſertionspunkte des Filamentes gelegene, Drüſe vorhanden; bei Aubrietia deltoidea iſt eben— falls der Drüſenring, aber in umgekehrter Weiſe, durchbro— chen, die Drüſe hat die Geſtalt eines Hufeiſens, die concave Seite iſt nach aufwärts gerichtet; bei Koniga oder Octadenia wird der Drüſenring durch zwei an jeder Seite des Fila— mentes befindliche Drüſen erſetzt; die letztere Anordnung hat auf die Lage des Staubfadens nur wenig Einfluß, während die vor oder hinter dem Filamente gelegenen Drüſen oft ganz allein feine Richtung bedingen. So verjchiedenartig ange— ordnete Organe können nun unmöglich weſentliche Blüthen— theile ſein und keinen dritten Staubfadenkreis vorſtellen. Die Zwillingsſtaubfäden ſind, nach Leſtiboudois, niemals auf einer Drüfe befeſtigt, ſogar an ihrer Baſis fehlt ſelbige nicht ſelten; die Verf. erklären dieſes Fehlen durch die zur Theilung des Staubfadens nöthige vermehrte Ernährung, wodurch der Fruchtboden ſelbſt in der Entwick— lung zurückbleiben mußte. Bisweilen entwickeln ſie ſich den— noch; Seringe ſah eine Cheiranthus-Cheiri-Blüthe mit acht Staubfäden, wo die Drüſen der kürzeren, gleichfalls getheilten Staubfäden normal entwickelt waren. Bei Diplo- taxis muralis liegt unmittelbar unter dem Doppelſtaubfaden eine kleine, flache Drüſe, die als Rudiment des Druſenringes gelten kann; bei den Brassica - und Sisymbrium- Arten kommt etwas ähnliches vor; Koniga hat zwei ſolcher, neben einander gelegener, Drüſen. Wo dieſe Drüſen fehlen, bei Matthiola und Cheiranthus, ſind die Doppelſtaubfäden am längſten, bei Diplotaxis ſind ſie nur ein geringes länger und bei Koniga faſt mit den einfachen Staubfäden von gleicher Länge. Wenn bei Draba muralis keine Theilung Statt ges funden, die Blüthe alſo vier Staubfäden hat, bilden die faſt gleichentwickelten Drüſen einen faſt gleichmäßige runde Scheibe; die vier Staubfäden, von gleicher Höhe, gehören einem regelmäßigen Wirtel. Die Crueiferenfrucht beſteht, nach de Candolle, aus drei verſchiedenen Stücken; zwei ſeitlichen, deren innerer Rand die Samenknoſpen trägt, und einem äußeren Stücke ohne Samenknoſpen; er hält die Frucht für eine Doppel— frucht, aus zwei verwachſenen Schoten entſtanden. R. Brown glaubt, ſie ſei aus zwei verwachſenen Fruchtblättern entſtan— den; Leſtiboudois widerlegt de Candolle's Anſicht, nach ihm ſind die innern Scheidewände Verlängerungen des die Samenknoſpen tragenden Randes, eine Anſicht, der kürz— lich auch R. Brown beigetreten. Lindley hält die Scheidewände, welche beide Samenträger trennen, für zwei ſchwach entwickelte Fruchtblätter, deren Narbe und Samen— 131. VI. 21. 326 träger ſich ausbildeten, die Seitenwände aber für zwei andere, ſtark entwickelte Fruchtblätter, deren Narbe und Samenträger fehlſchlugen. Kunth gab noch eine andere, eben fo wenig ausreichende, ſchon durch Trecul widerlegte Deutung. Das Fruchtblatt der Crueiferen iſt, nach den Verf., nur ſcheinbar von dem anderer Pflanzen mit mehreren Fruchtblättern verſchieden; die Samenträger bilden auch hier, als Modificationen der Seitennerven, den Rand des Blattes. Die Spitze des Fruchtblattes wird, weil der Mittelnerv des Blattes zurückbleibt, zur zweiköpfigen Narbe. Die zwei oder mehr Fruchtblätter, welche den Fruchtknoten bilden, ſind durch ihre Samenträger mit deren Narbe innig verbunden. Die ſcheinbare Narbe, durch Vereinigung der Samenträger entſtanden, wird durch den gemeinſchaftlichen Canal, welcher durch das Zuſammenneigen beider Fruchtblätter entſtanden iſt, getheilt; die Seitenlappen der beiden gegen— ſtändigen Fruchtblätter ſind auf dieſe Weiſe in Eins ver— wachſen; fo ift die ſcheinbar den Samenträgern gegenſtändige Narbe, deren Deutung ſo viele Schwierigkeiten gemacht hat, entſtanden. Bei der reifen Frucht bleiben die Samenträger und Narben vereinigt, eben ſo die falſche von ihnen nach der Mitte der Frucht hin gebildete Scheidewand, während die Blattfläche der Fruchtblätter als Fruchtklappe abfällt. Auch die Papaveraceen und Capparideen haben eine ähnliche De— hiſcenz. Beim genus Tetracellion, Turesan, wo die falſchen Scheidewände nicht bis zur Achſe reichen, iſt die Frucht dem Mohne ähnlich, ſpringt auch ganz fo wie Argemone mexi- cana auf. Die Narbe iſt in der Mitte eingedrückt und nicht ſchwer von den Fruchtblättern, die von ihr überragt werden, zu trennen. Eine ähnliche Bildung bei Escholtzia californica bekräftigt dieſe Anſicht, dort ſind vier Narben, deren jede ein Fruchtblatt überragt; denkt man ſich nun das getrennte stigma eines jeden Paares mit dem des ihm gegenuͤberſtehenden Paares vereinigt, jo hat man die beiden falſchen Narben der meiſten Gruciferen. Auch bei allen Monſtroſitäten mit blattartig entwickeltem Piſtille trägt der Rand der Blätter Samenknoſpen und, wenn ein stigma vorhanden, iſt ſelbiges zweiköpfig. Die normale Crueiferenfrucht wird demnach von vier kreuzweiſe angeordneten Fruchtblättern gebildet; die Samen= träger und Narben eines jeden dieſer Blätter ſind vereinigt, und durch falſche Scheidewände wieder mehr oder weniger von einander geſchieden; jedes dieſer Blätter öffnet ſich in der reifen Frucht mit einer Klappe, welche der Länge nach vom Samenträger, der in den meiſten Gattungen mit der Scheidewand und der überragenden Narbe ſtehen bleibt, ab— ſpringt: zwei der Fruchtblätter abortiren beſtändig. Die Verf. ziehen aus ihrer Arbeit folgende Schlußſätze: In der Crueiferenblüthe herrſcht die Vierzahl. Der Kelch beſteht aus vier Kelchblättern, die Blumenkrone aus vier Blumenblättern, der Fruchtboden hat vier die Staubfäden tragende Drüſen, der ſogenannte männliche Apparat vier Staubfäden, der ſogenannte weibliche Apparat vier Piſtille und die Frucht vier Fruchtblätter. 215 Die Wirtel wechſeln regelmäßig mit einander ab; zwei Staubfäden haben ſich gewöhnlich verdoppelt, dagegen ſind zwei Piſtille abortirt; deßhalb ſind ſechs Antheren, aber nur zwei Piſtille vorhanden. Die vier die Staubfäden tra— genden Drüſen ſind mehr oder weniger unregelmäßig und unvollſtändig entwickelt; ſie ſtehen über, unter oder ſeitlich vom Filamente; nach ihrer Stellung richtet ſich die Lage der kurzen Staubfäden und der ihnen entſprechenden Kelchblätter; durch ſie bildet der Staubfadenkreis ſcheinbar zwei Wirtel. XXXVI. über die Temperatur des Eismeeres an ſeiner Oberfläche, an ſeinem Grunde und in der Nähe der Gletſcher Spitzbergens. Von Ch. Martins. Der Verf. berichtet der Pariſer Akademie über die von ihm, Bravais und Pottier auf ihren Unterſuchungsreiſen zwiſchen Hammerfeſt in Lappland (700 40° nördl. Breite) und Spitzbergen (79“ 34°) angeſtellten Temperaturbeſtim— mungen. Die Hauptreſultate ihrer Forſchungen ſind in No. 741 des Institut von 1848 mitgetheilt und kürzlich folgende: 1) Die Oberfläche des Eismeeres hat in der Mitte des Sommers dieſelbe Temperatur wie die Luft; im allgemeinen iſt ſie indeß durch den Golfſtrom, der bis an die weſtlichen Küſten Spitzbergens geht, um etwas wärmer, wogegen an— dererſeits die ungeheuren ſich ins Meer hineinſenkenden Glet— ſcher Spitzbergens der Meeresoberfläche eine kältere Temperatur ertheilen. 2) Die Temperatur des Meeresgrundes, mit den beſten Inſtrumenten und den möglichſten Cautelen beſtimmt, ſinkt zwiſchen 700 40° und 799 33° Breite und einer Länge von 70 bis 210 15°, nach dem Meridiane von Paris, in den Monaten Juli und Auguſt mit der Zunahme der Meerestiefe., Die Temperatur war beſtändig, ſelbſt in der größten gemeſſenen Tiefe von 870 Meter über Null; ein Vergleich der Tem— peratur der Oberfläche mit derjenigen des Grundes und der Mitte zeigte, daß die Abnahme im beſtimmten Verhältniſſe erfolgt und im Mittel 09,675 für 100 Meter beträgt; die Temperatur der Waſſerſchicht iſt ferner um ſo gleichförmiger und conſtanter, um ſo tiefer ſie iſt. 3) Die Meerestemperatur in der Nähe der Gletſcher Spitzbergens hält ſich in den Monaten Juli und Auguſt an der Oberfläche beſtändig etwas über dem Gefrierpunkte, in einer Tiefe bis 70 Meter ſteigt und fällt ſie verſchiedentlich; tiefer als 70 Meter nimmt ſie beſtändig ab; dieſe Tempera— turabnahme von der Oberfläche bis zur Tiefe iſt keineswegs eine gleichförmige, beſchleunigt ſich vielmehr mit der Tiefe; bis zur Tiefe yon 70 Meter ſinkt das Thermometer niemals unter Null, von da ab kommt es bis zum Meeresgrunde unter den Gefrierpunkt, die mittlere Temperatur dieſer Schicht beträgt — 19,75, iſt folglich, nach den Beſtimmungen von De— 131. VI. 21. 328 pretz, noch über dem Punkte der größten Verdichtung und dem wirklichen Gefrierpunkte des Meeres. Der letztere liegt über— haupt um einige Grade tiefer als der Gefrierpunkt des reinen Waſſers, was ſowohl durch den Salzgehalt, als auch durch Strömungen und andere mächtige Einflüſſe bedingt wird. * Mifcellen. 51. Über die große Seeſchlange giebt Joſeph Wood— ward, Capitain des Schiffes Adamant, folgenden, am 12. Mai vorigen Jahres zu Hingham gerichtlich unterzeichneten und be— ſchworenen Bericht: Am letzten Sonntage ſteuerte ich auf meiner Fahrt von Penobſcot nach Hingham weſt-nord-weſtlich, als ich ge— gen 2 Uhr Nachmittags auf der Oberfläche des Waſſers einen Gegenſtand erblickte, der die Größe eines großen Bootes hatte. In der Meinung, es ſeien dies Überbleibſel eines Wrackes, näher— ten wir uns demſelben; wenige Yards von ihm entfernt, merkten wir indeß zu unſerem größten Erſtaunen, daß es eine ungeheure Schlange war. Als wir noch näher herankamen, rollte ſie ſich auf und augenblicklich wieder ab, ſich mit großer Schnelligkeit zurückziehend. Wir näherten uns ihr abermals, und ſie rollte ſich noch ein Mal zuſammen, blieb nun aber in einer Entfernung von höchſtens 6 Fuß vom Buge des Schiffes liegen. Ich feuerte eine meiner Kanonen, mit einer Kanonen- und mehreren Flintenkugeln geladen, auf ſie ab. Die Kanone ward auf ihren Kopf gerichtet, und ſowohl ich als meine Mannſchaft hörten das Anſchlagen der Kugeln gegen den Körper des Ungeheuers, von dem ſie wie von einem Felſen abprallten. Die Schlange ſchüttelte Kopf und Schwanz und ſchoß mit offenem Rachen gerade auf unſer Schiff los. Ich hatte die Kanone zum zweiten Male laden laſſen und feuerte ſie auf ihren Schlund. Sie war jetzt fo nahe herangekom- men, daß meine ganze Mannſchaft, vom furchtbarſten Schreck er⸗ griffen, nur auf ihre Rettung bedacht war; ſchon erreichte fie das Schiff, ſchon glaubten wir uns verloren und wären es ohne den letzten Schuß auch ſicher geweſen, da tauchte ſie unter. Einen Augenblick ſpäter erſchien der Kopf an der einen, der Schwanz an der anderen Seite des Schiffes über dem Waſſer, und ſchon glaubten wir, ſie würde das Schiff in die Höhe ſchnellen, aber wir fühlten keinen Stoß. Die Schlange blieb noch 5 Stun— den lang in der Nähe des Schiffes, bald vor bald rückwärts ge— hend. Nachdem ſich unſere erſte Furcht gelegt hatte, konnten wir ſie mit Muße aufmerkſam betrachten; ſie ſchien mir wenigſtens noch zwei Mal ſo lang als mein Schiff, d. h. 130 Fuß lang zu ſein, ihr Kopf maß etwa 12 bis 14 Fuß. Der Durchmeſſer des Kör- pers betrug in der Gegend des Nackens etwa 6 Fuß, der Kopf ſtand mit dem übrigen Körper in gutem Verhältniß. Die Schlange war von ſchwärzlicher Farbe, ihre Athemlöcher waren mehr als 12 Fuß von dem Kopfende entfernt. Das ganze Thier gewährte einen fürch— terlichen Anblick; wenn es ſich aufrollte, ſo gebrauchte es ſeinen Schwanz, ſich mit großer Kraft vorwärts zu ſchieben; übrigens be— wegte es ſich nach allen Richtungen leicht und äußerſt ſchnell. (The Zoologist, No. 73, 1848.) — Dieſe Mittheilung ſchließt ſich an die im Bd. III, S. 148 gegebene Mittheilungen über die Seeſchlange an, welche ebenfalls aus der Zeitſchrift! the Zoologist (1847 No. 53) genommen worden iſt. Einige deutſche Zeitungen haben ſich damals, als über ein Zeitungsmährchen, dar⸗ über luſtig gemacht. Wir fahren fort das zu ſammeln, was nach und nach ſchon noch zur Aufklärung eines mährchenhaften Punktes in der Zoologie zuſammen kommen wird. Red. 52. Die größte Meerestiefe, die bis jetzt mit dem Senkblei nachgewieſen wurde, betrug nach Capt. Roß 4600 Faden oder 27,600 Fuß, die Meſſung ward bei ruhiger See in einer ſuͤd— lichen Breite von 15% 3° und einer weſtlichen Länge von 230 147 vorgenommen; der Meeresgrund ward hier noch nicht erreicht, auch ſcheinen noch tiefere Stellen des Meeres vorzukommen. (Sir Ja- mes C. Ross voyage ol the Southern Seas. Vol. I. p. 31.) 329 131. VI. 21. 330 Heilkunde. (XXM.) Zurückbringung zweier eingeklemmten ee age mittels Einathmens von Chloroform. Von Hrn. Michel Guyton am Hötel-Dieu. (Schluß.) B. Einklemmung durch den Hals des Sackes. Bei alten Hernien iſt der Hals der Sitz verſchiedener gründ— lich unterſuchter krankhafter Veränderungen, die deſſen Wan— dungen verdicken, verhärten, verengern, faſerig, ja ſelbſt knorpelig machen. Der Hals iſt alsdann ein vollſtändig unausdehnbarer Ring. Man hat hier zwei Fälle zu unter— ſcheiden. Entweder hat der Sack die Hernie beſtändig eingeſchloſſen; er iſt dem Drucke eines ſchlechten Bruchbandes, ſtarker Reibung ꝛc. unterworfen geweſen, woraus die krank— haften Veränderungen mehrentheils entſpringen; die ſtufen— weiſe Verdickung, die ſich nach und nach conſtant geſtaltenden Runzeln verengern den Durchmeſſer der Offnung; es tritt ein Zeitpunkt ein, wo der Darm eingeengt, ja eingeklemmt iſt; dann iſt dies Organ vielleicht mehr paſſiv, als bei den übrigen Arten von Einklemmung; oder der Sack, welcher durch Adhärenzen außerhalb der Bauchhöhle gehalten und durch das Bruchband mehr direct angegriffen ward, bat aufgehört die Hernie einzuſchließen. Wenn dieſe nun plötz— lich wieder in denſelben herabſteigt, ſo werden die ſchon beſchriebenen Erſcheinungen ebenfalls eintreten. In der That bilden die faſerige Offnung und der Peritonäalſack zuſammen nur einen einzigen Ring, da ſie in einander geſchoben und zuweilen mit einander verwachſen find. Es würde dann ſchwer halten zu entſcheiden, durch welches der beiden Or— gane die Einklemmung ſpeciell bewirkt wird, wie dies z. B. in der von Hrn. Goſſelin eitirten Beobachtung des Hrn. Maifonneuve der Fall war. Noch ein dritter Fall kann indeß vorkommen; nämlich wenn der Sack keine äußeren Adhärenzen eingegangen iſt und ſich in Maſſe ſammt der Hernie reponiren läßt, aber ſein Hals noch eine Einklemmung bewirkt. Die dann Statt findenden Erſcheinungen erkläre ich mir folgendermaßen. Die an den faferigen Rändern feſt anliegende dünne Peri— tonäalwandung widerſteht mit ihnen zugleich der Ausdeh— nung. Der Sack und die ſeröſe Membran des Darmes entzündet ſich, an der Einſchnürungsſtelle und in deren Gegend bilden ſich Adhärenzen, oder der entzündete Sack wird noch weniger ausdehnungsfähig und bewirkt eine noch ſtärkere Einklemmung. Die Maſſe gleitet in den Ring, tritt ihrem ganzen Umfange nach in dieſelben Beziehungen, und die Einklemmung wird an eine höhere Stelle verſetzt. Dieſe Erklärung ſcheint durchaus zuläſſig; denn der Sack und der Darm entſprechen einander vermittels einer gleich lebens— thätigen Membran, welche häufig die nämlichen krankhaften Veränderungen erleidet. Die faſerigen Ringe ſpielen alſo, gleich dem Perito— näalſacke, abgeſehen von einigen beſtimmten Ausnahmen, bei der Einklemmung eine nur paſſive Rolle. C. Innere Einklemmung durch falſche Membranen, in Folge des Durchdringens einer Darm— ſchlinge durch eine natürliche oder zufällig entſtandene Off— nung im Netze oder Gekröſe, im Innern der Bauchhöhle oder eines Bruchſackes. Der Me— chanismus iſt in dieſem Falle noch immer derſelbe. Hier wird man ſich nicht auf die Contractilität der Theile be— rufen, da dieſelbe unmöglich iſt. Der Hauptpunkt iſt auch in dieſem Falle, daß die Darmſchlinge in eine Offnung eingleitet, die enger iſt, als der Flächengehalt ihrer doppelten Röhre, daß ein Hals, eine $ Verengerungsſtelle vorhanden iſt. Was die Einklemmung im Innern des Sackes anbetrifft, ſo iſt hier nur der Ring an eine tiefere Stelle verſetzt, als die eigentliche Hernienöffnung; auf die Einklemmung im Innern der Bauchhöhle ſcheint indeß die Theorie nicht zu paſſen, weil der die Hernie bildende Theil zugleich von con— tractilen Wandungen umgeben iſt. Allein man bedenke, daß der Druck auf denſelben nach einem geringern Flächen— raume einwirkt, als auf den obern Theil des Darmes, daß bereits eine verengerte Portion vorhanden iſt, daß die Auf— treibung durch Gaſe bald eine Einſchnürung im Ringe und deren ſämmtliche Folgen herbeiführen wird. Läßt ſich aber die Einklemmung der Epiplocelen in derſelben Weiſe erklären? In den Fällen, wo zugleich eine Darmportion zur Mitleidenſchaft gezogen iſt, allerdings; denn alsdann bewirkt dieſe Portion die Einklemmung. Das epiploon trägt nur zur Verengerung der Offnung, durch welche die Hernie herausgetreten iſt, das Seinige bei. In Betreff der Einklemmung des bloßen Netzes können dieſelben Anſichten nicht geltend gemacht werden. Übrigens müßte ſtets genau nachgewieſen werden, daß in ſolchen Fällen kein Theil des Darmes mit eingeklemmt iſt, und ferner müſſen alle übrigen Bedingungen, z. B. ob der Bruch alt, ſchon längere Zeit nicht zurückbringbar oder durch das Bruchband unvollſtändig zurückgehalten und gedrückt, ob die Geſchwulſt nicht gequetſcht oder ſonſt gereizt worden iſt, ob nicht die be— denklichen Zufälle ihren erſten Entſtehungsgrund in einer Ent— zündung des Bauchfelles im Sacke haben, genau ermittelt werden; dieſe Umſtände find beim Studium der Einklemmung aller nicht hohlen Organe in Anſchlag zu bringen. Man nimmt ge— wöhnlich an, daß bei der Einklemmung des bloßen Netzes das Leiden einen weniger raſchen und gefährlichen Verlauf habe, und in der That war unſer zweiter Patient mit einer ſchon lange nicht reponirbaren epiplocele behaftet, welche ungeachtet der fortwährenden Zuſammendrückung durch das Bruchband keine Ungelegenheiten veranlaßt und ſich auch inmitten der an dem Darme wahrzunehmenden bedenklichen Symptome ziemlich indifferent verhalten hatte. Hr. O' Beirne hat bereits eine Theorie hinſichtlich der Aufblähung durch Gaſe aufgeſtellt, allein von ſeiner Anſicht iſt mir nur die kurze Notiz bekannt, welche Herr Goſſelin in feiner Differtation mittheilt. Hr. G. machte mich auch mit einem ſinnreichen Verſuche bekannt, welchen 331 der engliſche Chirurg vornahm und den ich in Gemeinſchaft meines Collegen, des Hrn. Dumoulin, wiederholte und der mir ſehr beweiſend ſcheint. Ich ſtach durch eine Spielkarte ein etwa 3 Centimeter weites Loch und führte durch dasſelbe eine Darmſchlinge mit der dazu gehörenden kleinen Portion des Netzes. Die Offnung ward dadurch etwa zur Hälfte ausgefüllt. Von den beiden Darmenden wurde das eine über einem Katheter unterbunden, das andere war in derſelben Art wie beim lebenden Menſchen geſchloſſen, da es nach außen keine directe Communication hatte. Ich blies nun den Darm ungefähr in demſelben Maße auf, wie es derſelbe an Leichen gewöhn— lich iſt. Er ließ ſich ohne Schwierigkeit durch den Ring bringen. Ich blies ihn allmälig ſtärker auf, jedoch ohne mich dabei irgend anzuſtrengen. Die Darmſchlinge ſchwoll hinter der Karte an und nahm bald eine kugelige Form an; die Wandungen des Darmes legten ſich dicht an den Rand der Offnung an, und es entſtand eine deutliche Einklemmung. Dennoch war die aufgeblaſene Portion nicht ſehr ſtraff, und ich hätte dieſelbe noch bedeutend ſtärker ausdehnen können. Wir verſuchten dieſelbe zu reponiren, indem ich den Katheter mit dem Finger zuhielt. Es entwich durch denſelben Luft, der Darm fiel ein wenig zuſammen, und dennoch war die Repoſition nicht zu erlangen. Ich blies wieder ohne alle Heftigkeit Luft ein, und dadurch ward ein ſolcher Druck er— zeugt, daß die Karte zerriß. Ich werde keine phyſicaliſche Erklärung der Erſcheinung zu geben verſuchen, welche mir indeß ſehr beweiſend ſcheint. Man hat hier einen ſtarren Ring, in welchem ſich eine lediglich durch Gas veranlaßte Geſchwulſt einklemmt, welche alle urſprünglichen Charaktere einer Hernie darbietet. Man denke ſich nun die Wandungen, in denen die Luft einge— ſchloſſen iſt, lebensthätig, und man wird zugeben, daß Symptome entſtehen müſſen, wie wir ſie bei eingeklemmten Brüchen am lebenden Menſchen wahrnehmen. Man trage nun den Verſuch auf den Menſchen über, wo wir durch das Chloroform ähnliche Umſtände veranlaſſen können. Die Spannung, welche das Gas in dem todten Darme erlangt, ſteht zu der Kraft des Einblaſens im gera— den Verhältniſſe; eben ſo iſt die Spannung des Gaſes im lebenden Darme der dasſelbe comprimirenden Muskelcon— traction proportional. Man vermindere die Spannung im erſtern Falle, indem man Luft ausſtreichen läßt, im letztern, indem man durch Chloroform die Contraction aufhebt, und in beiden Fällen hat die Repoſition keine Schwierigkeit. Unſerer Anſicht nach, ſind auf dieſe Weiſe alle jene verwickelten Fragen, über die man in Betreff der eingeklemm— ten Brüche ſo viel verhandelt hat, ohne weiteres erledigt. Es braucht nur eine Darmſchlinge durch irgend eine Off— nung herauszutreten und ſich auf dieſe Weiſe der normalen Zuſammendrückung zu entziehen, und jene Erſcheinungen wer— den eintreten. Jene Streitigkeiten hinſichtlich der Elaſticität der Ringe, der Verminderung dieſer Elaſticität durch die Muskelzuſammenziehung, die Veränderungen des Halſes des Sackes ſcheinen, mit einigen Ausnahmen, hinſichtlich deren Erklärung jedoch keine ernſtlichen Schwierigkeiten Statt fin— 131. VI. 21. 332 den, nunmehr durchaus überflüſſig. Wir haben den Mecha— nismus der Einklemmung ſo genau als möglich zu ergründen geſucht; allein die unmittelbare Veranlaſſungsurſache der— ſelben bleibt näher zu unterſuchen. Der Druck der Bauch— wandungen, die Geſchwindigkeit, mit welcher die Gaſe ſich entwickeln oder die contenta der Därme ſich bewegen, kann zunehmen und die Einklemmung dadurch herbeigeführt werden. Warum kommt eine ſolche aber nicht häufiger vor, wie wohl zu befürchten ſtände? Dies können wir allerdings nicht genau ſagen, wie denn überhaupt bei allen pathologiſchen Erſcheinungen manches unaufgeklärt bleibt. Wie weit darf man aber bei den Verſuchen der Repo— ſition mittels des Chloroforms gehen, und wie viel läßt ſich von der Anwendung dieſes Mittels erwarten? Sicher— lich wird dadurch die Zurückbringung mancher Hernie er— möglicht werden, die ohne Chloroform eingeklemmt geblieben ſein würde; allein unwirkſam wird ſich dasſelbe zeigen, wenn die Einklemmung ſchon ſo lange beſtanden hat, daß die Häute des Darmes verdickt, infiltrirt ꝛc. ſind, jo daß fie auch nach der Austreibung des Gaſes ein zu ſtarkes Volu⸗ men darbieten, als daß ſie durch die Offnung zurückgebracht werden könnten, oder wenn ſie an den Sack adhäriren oder dieſer ſelbſt Adhärenzen eingegangen iſt. Auf der andern Seite kann es bedenklich ſein, eine Darmſchlinge, welche ſchon ſo krankhaft verändert iſt, daß dadurch in der Unter— leibshöhle Störungen veranlaßt werden können, mit Hülfe des Chloroforms zurückzubringen. Übrigens glaube ich, daß die Repoſition in den erſten Tagen der Einklemmung immer leicht gelingen wird, wenn die Geſchwulſt nicht entzün— det ꝛc. iſt. War aber bei den beiden von mir beobachteten Patien— ten eine wirkliche Einklemmung vorhanden? Es giebt aller— dings kein untrügliches Kennzeichen, um zu beſtimmen, daß die Unmöglichkeit der Repoſition von einer Einklemmung herrühre. Indeß durfte ich nach den Symptomen auf das Vorhandenſein einer Einſchnürung ſchließen. Bei dem erſten Patienten waren noch keine ſehr bedenklichen Zufälle einge— treten; allein die Repoſition hatte doch den geſchickteſten Manipulationen widerſtanden, während ſie durch das Chloro— form ohne weiteres ausführbar ward. Beim zweiten Pa— tienten waren die Symptome höchſt beweiſend, da beſtändig Erbrechen oder Recken Statt fand, und auch in dieſem Falle that das Chloroform die beſten Dienſte. Wenn man nun bedenkt, daß die Operation um fo ſicherer gelingt, als man ſie frühzeitig vornimmt und daß, wenn man die Verſuche der Repoſition zu lange fortſetzt, die größten Gefahren entſtehen, ſo läßt ſich faſt annehmen, daß dieſe beiden Patienten, wenn man des Chloroforms entbehrt hätte, operirt worden wären. Noch wären die Bedingungen der Einklemmung jener umfangsreichen Hernien zu unterſuchen, vermöge deren ſich gleichſam zwei durch eine große Offnung mit einander com— municirende Bauchhöhlen gebildet haben. Doch dies würde uns zu weit führen, und wir ſchließen daher, indem wir die Prüfung unſerer Anſichten competenten Beurtheilern an— heimſtellen. (Gaz. med. de Paris, 29. Mars et 1. Ayr. 1848.) 333 (XXVII.) Spuren von einer Operation der En⸗ teroraphie nach zwölf Jahren. Von Hrn. Hr. Jobert hat der Pariſer medieiniſchen Akademie ein Stück Darm vorgelegt, an welchem er vor 12 Jahren, im Beifein des Dr. Beaumetz, die Enteroraphie ausgeführt hatte. Hr. Jobert beſchrieb das Präparat und bemerkte, die Operation ſei wegen eines 2— 3 Centimeter langen Schnittes in den Darm vorgenommen worden. Er bewirkte die Nath, indem er die ſeröſen Membranen gegen einander legte; allein da der Darm entzündet war und Hr. J. be— fürchtete, die durch die Fäden bewirkte Zuſammenſchnürung möchte die Durchſchneidung der Gewebe zu früh veranlaſſen, wie dies z. B. vorkommt, wenn man eine Arterie unterbin— det, ſo knüpfte er die Fäden nicht, ſondern drehte ſie nur zuſammen, und dies reichte hin, um die Oberflächen bis zur vollſtändigen Verwachſung zuſammenzuhalten. Die Patientin ſtarb ſpäter im Alter von 74 Jahren an einer Bronchen— entzündung, und zwar unter folgenden Umſtänden. Am 15. Januar 1848 ward die 74jährige Feli⸗ cite Perrotel ins Hoſpital aufgenommen. Die Frau litt in hohem Grade an Bauchwaſſerſucht und demzufolge auch an Dyspnbe. Durch Betaſten und Percutiren erlangte man die vollſtändige Überzeugung des Vorhandenſeins einer Waſſerergießung, und man unterſuchte ſehr genau, ob nicht im Unterleibe eine Geſchwulſt eriſtire, von der dieſe Ergie— ßung ausgegangen ſein könne; allein wegen der Stärke der Flüſſigkeitsſchicht und der Spannung der Theile ließ ſich nichts fühlen. Da das Abzapfen ſich dringend nöthig machte, ſo nahm man dasſelbe am 19. Januar vor und es liefen 6 große Becken einer eitrongelben Flüſſigkeit aus. Nachdem ſich die Bauchwandungen geſetzt hatten, ließ ſich in der rechten fossa iliaca eine harte, feſte, ungleiche, ſchmerzloſe Geſchwulſt fühlen, welche man für den entarteten rechten Eierſtock hielt. Nach dem Abzapfen umwickelte man den Unterleib der Patientin feſt mit einer Leibbinde und rieb denſelben täglich mit einer Flüſſigkeit ein, in welcher ſich eine ziemlich ſtarke Doſis Squillatinctur befand. Bis zum 27. Januar ward an der Patientin nichts beſon— deres wahrgenommen, als etwa, daß die Schwäche nach dem Abzapfen zunahm; endlich ſtellte ſich eine Bronchenentzün— dung ein, und die Kranke ſtarb an einer allmälig eintreten— den Aſphyxie, wie fie bei allen ſehr alten Perſonen, die lange bettlägerig ſind, vorzukommen pflegt. Dieſe Patientin war 12 Jahre vorher von Hrn. Jo— bert wegen einer eingeklemmten Schenkelhernie operirt; es war dabei in den Darm eingeſchnitten worden. Am 26. Nov. 1836 ward der Darm im Beiſein des Dr. Beaumetz ſo zuſammengenäht, daß man die ſeröſen Membranen an ein— ander paßte. Die Herſtellung der Patientin war dann binnen ziemlich kurzer Zeit erfolgt. Da nun dieſe Frau im Jahre 1848 im Hoſpitale ge— ſtorben war, ſo hatte man eine günſtige Gelegenheit, nach den Spuren der früheren Operation zu forſchen. Die Se— Jobert von Lamballe. 131. VI. 21. 334 ction fand am 6. Februar Statt, und wir erkannten nicht nur die Spuren der Operation der Hernie und der Nath, ſondern auch die Urſache der Bauchwaſſerſucht, an welcher die kane en geſtorben war. Nachdem der Darm an Ort und Stelle genau beſich— tigt worden, nahm man ihn aus der Bauchhöhle, trennte ihn vom Gekröſe und legte ihn auf einen Tiſch, woſelbſt man etwa in der Mitte ſeiner Länge eine weißliche Linie erkannte, welche ſich ſchräg vom converen nach dem concaven Rande erſtreckte und in einer Art von Stern von derſelben Farbe endigte. Dieſe Linie und dieſer Stern ſtachen gegen den rothen Grund des Darmes auffallend ab, und ihr Ge— webe hatte durchaus das Anſehen einer Narbe. Als man an dieſer Stelle in den Darm einſchnitt, fand man denſelben weder verdünnt noch verdickt, und nach— dem man ihn wiederholt mit warmem Waſſer gewaſchen, fand man an deſſen innerer Oberfläche dieſelbe weiße Linie, wie an der äußern. Bei dieſer Höhe waren zwei auf ein— ander zugeneigte Klapven durchſchnitten und ſchroff abſetzend. Es war offenbar, daß hier die Narbe der vor 12 Jahren an der Frau vorgenommenen Darmnath war. Wie man auch das Stück Darm unterſuchen mochte, bei durchfallendem und zurückgeſtrahltem Lichte, es ſtellten ſich immer dieſelbe weiße Linie mit einem Sterne und die beiden unterbrochenen gegen einander geneigten Klappen dar. Übrigens ließ ſich im Darmeanale, aller angewandten Sorgfalt ungeachtet, nichts regelwidriges bemerken. Der linke Schenkeleanal, an welchem die Hernie ope— rirt worden, war nicht obliterirt. Er bot eine dreieckige, faltige Offnung dar, durch welche man den Finger leicht einführen konnte. Dieſer gelangte ſo in den Bruchſack, und man fühlte dort deutlich den durch das ſcharfe Gimbernat— ſche Ligament, welches von ſeiner Feſtigkeit nichts eingebüßt hatte, ausgeübten Druck. Der Sack adhärirte mittels ſeines Halſes und ruhte mit feinem Boden auf der vena saphena. Die arteria epigastrica und das ligamentum rotundum be— fanden ſich außerhalb dieſes Sackes. Der letztere drang in die hintere Offnung des Leiſtencanales ein. Die die Haut bedeckenden Theile boten, gleich dem Sacke, eine weißliche Narbe dar. In der Abdominalhöhle waren durchaus keine Adhärenzen, weder der Därme unter einander, noch der Därme mit dem Netze wahrzunehmen. Dies waren die einzigen Spuren, welche man von der ehemals an der Frau vorgenommenen Operation wahrneh— men konnte. Übrigens waren noch Verletzungen anderer Natur zu beobachten, welche von der Bauchwaſſerſucht her— rührten. Eine voluminöſe Geſchwulſt füllte zugleich die Becken— höhle, die rechte fossa iliaca und die rechte Seite aus, in— dem ſie ſich nach der Medianlinie zu erſtreckte und ſich im Bauche bis zur Höhe des Nabels erhob. Dieſe Geſchwulſt war offenbar mit einer Flüſſigkeit ge— füllt und glich einer ziemlich großen, Waſſer enthaltenden Schweinsblaſe. Sie war birnförmig und bot an der Ober— fläche andere kleine Geſchwülſte von verſchiedener Feſtigkeit dar; ihr dünnſtes Ende ruhte auf einer zweiten, harten, 335 unregelmäßigen, knotigen Geſchwulſt von ſehr feſtem weiß— lichem Gewebe, welche ſich in das kleine Becken einſenkte und auf dem Maſtdarme auflag. Die ganze Maſſe ward herausgenommen, die ossa pubis wurden durchſägt, und man zog alsdann die Zeugungsorgane, den Maſtdarm und die Geſchwulſt, welche an allen dieſen Theilen feſthing, heraus. Nachdem man ziemlich viel Zeit mit der Section dieſer Maſſe zugebracht, erkannte man folgendes. Die Geſchwulſt hatte zu den umgebenden Theilen nach— ſtehende Beziehungen. Ganz vorn war die Blaſe. Das Bauchfell ſtrich beinahe direct von deren Gipfel nach dem uterus, ohne ſich zwiſchen die beiden Organe zu ſenken, dann über die Geſchwulſt, welche dasſelbe faſt durchaus zu feiner Bekleidung in Anſpruch genommen zu haben ſchien. Hinter der Blaſe lag der uterus. Dieſes Organ war klein, atrophiſch, ſein Hals ſehr lang und von der rechten zur linken auffallend aus der normalen Lage weichend. Die hintere Fläche desſelben lag auf dem feſten Theile der Ge— ſchwulſt und war nur am linken Rande frei, aus dem man die linke Muttertrompete und den linken Eierſtock hervor— treten ſah, welche, wie im normalen Zuſtande, frei in der Bauchhöhle lagen. Was den rechten Rand anbetrifft, ſo war er ſehr feſt mit der Geſchwulſt verbunden. Den rech— ten Eierſtock ſuchte man vergebens, allein man ſah ſehr deutlich, wie ſich das breite Band dieſer Seite über die Geſchwulſt ausdehnte und dieſelbe nach allen Richtungen umhüllte. Der ſchon erwähnte linke Eierſtock war ein wenig hypertrophiſch und bot im Innern mehrere erbſengroße Cyſten dar. Hinter der Geſchwulſt endlich lag der Maſtdarm, wel— cher jene ſtützte und mit ihr durch eine Menge faſeriger Ausläufer verbunden war. Aus dieſen Umſtänden ergiebt ſich klar, daß die weiche Geſchwulſt nur aus einer Reihe von Eierſtockeyſten beſtand, und daß die harte Geſchwulſt durch ſeirrhöſe Entartung des Reſtes des Cierſtockes entſtanden war. Durch Offnung der Geſchwulſt ward dieſe Anſicht be— ſtätigt. Es floß aus derſelben eine große Quantität eitron— gelben Waſſers, welches, als man es erhitzte, alsbald coa— gulirte. In dem Sacke befanden ſich keine Scheidewände, 131. VI. 21. 336 allein innerhalb der Dicke ſeiner Wandungen, deren Mem— bran ſich ſtellenweiſe in mehrere Lagen getrennt hatte, waren einige andere kleine Cyſten enthalten, welche dieſelbe Art von Waſſer enthielten. Man maß die Geſchwulſt. Senkrechter Durchmeſſer .. 23 Centim. Querdurchmeſſerer 16 Schräger Durchmeſſer .. 26 = Größter Umfannng 41 Umfang der harten Geſchwulſt 27 = Bei der Section ergab ſich ferner, daß der rechte Harn— leiter durch die Geſchwulſt zuſammengedrückt worden, aber nicht hypotrophiſch (atrophiſch?) war; ſowie, daß die hy— pogaſtriſchen- und Femoralgefäße, ſowie die vena cava in- ferior ebenfalls durch die Geſchwulſt gedrückt worden ſeien. Übrigens war kein Odem der untern Extremität zu bemerken und die Venen auch nicht krankhaft verändert. Die Lungen ftrogten ſtark und die Bronchen waren mit zähem Schleime gefüllt. Der Herzbeutel enthielt einige Eßlöffel voll Sero— ſität. (Gaz. med. de Paris, 29. Mars et 1. Ayr. 1848.) Miſcelle. (37) Die zufällige Krümmung der Knochen des Vorarms hat van Camp in zwei Fällen beobachtet. In dem einen war ein geſundes 7jähriges Kind eine 15 F. hohe Treppe herabgerutſcht, und dabei waren beide Knochen des Vorarms fo ge— bogen worden, daß die Concavität nach vorn gerichtet war. Hr. van Camp bog die Knochen mit den Händen wieder gerade, ohne daß dabei das geringſte Knirſchen 1 hören war, legte einen zer— theilenden Verband an, und nach 4 Wochen war der Patient voll— ſtändig geheilt. Im zweiten Falle fiel ein 15jähriger, durchaus nicht ſerophulöſer oder rhachitiſcher Knabe vom Pferde auf die linke Hand, und als Hr. van Camp ihn unterſuchte, fand er eine der oben erwähnten durchaus ähnliche Biegung der Knochen, welche auf dieſelbe Weiſe gehoben ward, obgleich dies wegen der größern Fe— ſtigkeit der Knochen mehr Schwierigkeit hatte. Die Heilung war nach 5 Wochen vollſtändig; allein 4 Monate nach derſelben fiel der Knabe 18 F. hoch von einem Baume herab abermals auf die linke Hand und die Knochen bogen ſich von neuem. Dieſes Mal ging die Einrichtung leichter von Statten, und man hüllte den Vorarm alsdann in einen Kleiſterverband, welcher nach 5 Wochen abgenommen ward. (Gaz. med. de Paris, 29. Mars et 1. Avril 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Cours de Physiologie, fait a la faculte de médecine de Paris; par P. Berard. Quatrieme livraison. Tom. I. Feuilles 16 420. In 8° de 5 feuilles. Paris 1848, chez Labe. Prix de la livraison 1 fr. Sketches of Geology (Small Books on Great Subjects, No. 13.) 12%. (pp. 138, cloth, 3 sh. 6 d.) London 1848. R. M. Ballantyne. — Hudson's Bay; or Every Day Life in the Wilds of North America during Six Years Residence in the Territories of the Ho- nourable Hudson's Bay Company. 2d edition, crown 8°. (pp. 338, with illustrations, cloth, 9 sh.) Wan 1848. Des tares osseuses dans le cheval; par le docteur Auzour. In 8% d'une feuille. Paris 1848. Chez l’auteur. Recherches eliniques propres à demontrer que le sens du langage articule et le principe coordinateur des mouvements de la parole resident dans les lo- bules anterieurs du cerveau; par J. Bouillaud, doyen de la Faculte de medeeine de Paris etc. In 8° de 3 feuilles . Paris 1848, chez Bailliere. Recherches anatomiques, pathologiques et therapeutiqnes sur les valvules du col de la vessie, cause frequente et peu connue de retention d’urine etc. Seconde edition, augmentee ele,; par L. Auguste MHercier. In 8e de 26 feuilles ½. Paris 1848. (7 fr.) Faculte de Médecine de Paris. — Concours pour une chaire de glinique chi- rurgicale. Des lesions traumatiques de la moelle epiniere. These par S. Laugier. In 4° de 19 feuilles '/. Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar No. 132. (Nr. 22 des VI. Bandes.) Juni 1848. Naturkunde. Rowell, über die Urſachen des Nordlichtes und die Abweichung der Magnetnadel. — Chevalller, einige Bemerkungen über die Höhe gr Bogen oder Kuppeln des Norplichtes. — en. — Heilkunde. Jaraday, über das Gutta Percha als Elektricitäts⸗Iſolator. — Terſäncky, die Schimmelräude und die Athmungsbeſchwerden der Arbeiter in Schwammfabriken. — Payne Cotton, Beobachtungen über das geologlſche Alter der Höhlen, in welchen ſich foſſile Knochen fin⸗ Miſcellen. Sir J. C. Roß, Höhe der Wellen. Luchs in Würtemberg. — Werfer, Halswirbelluxation. — Miſcellen. Bous qet, Einathmung von Sauerſtoff beim Group. Verſammlung der Naturforſcher und Arzte. Nekrolog. — Bibliographie Naturkunde. XXXVII. über die Urſachen des Nordlichtes und die Abweichung der Magnetnadel. Von G. A. Rowell. Wie die Paſſatwinde durch ein Zuſtrömen dichterer Luft von den Polen gegen die Tropen entſtehen, eben ſo müſſen die analogen Winde höherer Luftregionen von den Tropen den kältern Theilen der Erde zuſtrömen, um ſo das Gleichgewicht der Atmoſphäre zu erhalten. Nun hat bereits Forchhammer gezeigt, daß nicht alle Waſſerdünſte der tropiſchen Meere wieder in ſelbige zurückfallen, daß aber in den Polargegenden mehr Feuchtigkeit condenſirt wird als verdunſtet, und Volta durch Verſuche nachgewieſen, daß eine Verdunſtung jedes Mal mit einem Freiwerden poſitiver Elektricität verbunden iſt; folglich müſſen elektriſche Ströme dieſer Art in der Luft vorhanden ſein. Der Waſſerdampf, der mit feiner Elektricität unter den Tropen frei wird (wo— bei ſich in dieſen Gegenden negative Elektricität anhäuft), wird von den Paſſatwinden der höhern Region den kälte— ren Theilen der Erde zugeführt und hier verdichtet, ſeine Gleftricität geht in die Erde über, die durch ſie poſitiv elek— triſch wird; ſo entſtehen die elektriſchen Strömungen an der Erdoberfläche den mehr negativen Theilen zu, während die Winde dieſem Streben eleftrifcher Ausgleichung beſtändig entgegen arbeiten. Nach dem Verf. iſt nun die Richtung der Magnetnadel von dem elektriſchen Strome, der von den poſitiven Theilen der Erde den negativen zueilt, abhängig; das Nordlicht aber durch eine Unterbrechung dieſes Stromes, welche durch den trocknen, nicht leitungsfähigen Zuſtand der Luft in kalten Gegenden bei ſtarkem Froſte veranlaßt wird, entſtanden; die iſolirte Elektricität der Wolken häuft ſich hierbei ſo lange an, bis ſie ſich entladet, oder in den höhern und No. 2112. — 1012. — 132. ſeltenern Theilen der Atmoſphäre als Nordlicht auftritt, um nach den gemäßigten Gegenden zurückzukehren, wodurch gleichzeitig die Magnetnadel beunruhigt wird. Der Verf. glaubt, daß alle Phyſiker, welche das Nord— licht außer dem Bereiche unſerer Atmoſphäre annehmen, im Irrthume ſind und durch unrichtige Beobachtungen und feurige Lufterſcheinungen, welche keine Nordlichter waren, irre geführt wurden, wogegen die von Parry, Franklin, Richardſon und andern angeſtellten Beobachtungen deut— lich und entſchieden das Entſtehen des Nordlichtes dicht über der Erdoberfläche beweiſen. Die Schwankungen der Magnetnadel nach den Tages— zeiten werden vom Verf. zu Gunſten ſeiner Hypotheſe ge— deutet; am frühen Morgen iſt die Abweichung am geringſten, weil im Oſten unſeres Meridians die Verdunſtung am ge— ringſten iſt, die Abweichung nimmt darauf mit dem Grade der Verdunſtung zu und dann wieder mit ihr ab, bis ſie am Abende ihre mittlere Stellung einnimmt; die tägliche Schwankung iſt uͤberdies im Sommer mehr als doppelt ſo groß wie im Winter. Die magnetiſchen Pole der nördlichen Hemiſphäre wer— den, nach dem Verf., durch die, in den hohen Breiten Winters und Sommers angehäuften Eismaſſen, welche dieſe Gegenden zu den kälteſten der Halbkugel machen, veranlaßt; wie nun die Dichtheit der Luft der Polargegenden die Paſſatwinde bedingt, und dieſe Dichtheit mit dem Grade der Kälte zunimmt, ſo muß gerade von ihnen aus der ſtärkſte Luftſtrom den heißen Gegenden zueilen, von dieſem aber in den höhern Luftregionen ein eben fo ſtarker Strom, der Waſſer— dünſte und Elektricität von den Tropen den kälteren Gegen— den zuführt, hervorgerufen werden. Wenn nun die größte Kälte an den Polen der Erde wäre und die Verdampfung von hier nach dem Aquator zunehmen würde, jo könnte es 22 339 feine Abweichung der Magnetnadel geben, weil die Elektri— eität von den kälteren oder poſitiveren Theilen nach den wärmeren oder negativeren der Erde die directe Linie der Länge gehen würde; da aber die magnetiſchen Pole um etwas von den terreſtriſchen Polen abweichen, und gerade in dieſen Theilen mehr poſitive Elektricität als in den an— dern derſelben Breite angehäuft iſt, jo muß die Elektricität, indem ſie den negativen Theilen zuſtrömt, nach Oſt und Weſt mit den directen Linien der Länge divergiren und ſo die Abweichung der Nadel herbeiführen. Die Magnetnadel wird am Port Bowen, im 73. Grade nördlicher Breite, vom Nordlichte nicht affieirt, während ſie am Fort Franklin, im 65ten Breitegrade, ſehr abweicht; gerade dieſe Erſcheinung benutzt der Verf. für ſeine Anſicht: die Richtung der Magnetnadel iſt nämlich von dem elektri— ſchen Strome, der som magnetiſchen Pole gegen die negati— ven Theile der Erde ſtrömt, abhängig, und der magnetiſche Pol Americas liegt im 70. Grade n. Br. Mit Hülfe einer großen Karte, auf welcher die Lage des magnetiſchen Poles für America nach J. Roß und desſelben Poles für Sibirien nach Hanſteen, die Linien gleicher Intenſität nach den Karten des Oberſten Sabine, die Iſothermen nach Humboldt, die Richtungen der Magnetnadel u. ſ. w. verzeichnet waren, und die vom Nord— pole bis zum 40. Grade nördlicher Breite reichte, zeigte der Verf., daß die Iſothermen im Meridiane des america— niſchen Poles bis zu einer viel tieferen Breite, wie auf allen übrigen Theilen der Hemiſphäre, herabſteigen, was er aus dem Abſperren des Polarmeeres durch das Feſtland, auf dem ſich ungeheure Eismaſſen anhäufen und wo ſich mit der Kälte auch die magnetiſche Kraft ſteigert, erklärt. Unter dem Meridiane des Poles von Sibirien iſt dagegen das Polarmeer viel freier, die Kälte und mit ihr der Ma— gnetismus um ſo geringer. In der Nähe der Berings— ſtraße, welche das Polarmeer mit dem ſtillen Oceane ver— bindet, iſt die magnetiſche Kraft noch ſchwächer, wogegen unter dem Meridiane von London, oder vielmehr etwas öſtlich von ihm die Iſothermenlinie die höchſte Breite erreicht und die magnetiſche Kraft am ſchwächſten wird, weil das Polarmeer hier von Grönland bis Nowaja Semlja offen iſt, und das hier entſtandene Eis, den Stürmen des atlantiſchen Oceans ausgeſetzt, gebrochen und zerſtreut wird. Die magnetiſchen Pole ſind, nach dem Verf., keine einfachen Punkte, ſondern ausgedehnte Landſtrecken der käl— teſten Gegend; auch glaubt er, daß die höhern Gebirge, welche die Elektrieität der höhern Luftregionen ableiten, einigen Einfluß auf die Magnetnadel ausüben können; er hält die Annahme einer Rotation der magnetiſchen Pole um den Pol der Erde und die aus ihr genommene Erklä— rung für die Abweichung der Magnetnadel für unrichtig, da wir keinen einzigen Beweis für die Veränderlichkeit der magnetiſchen Pole beſitzen, dieſelben vielmehr immer in den hohen Breiten über dem Feſtlande beharren, wogegen die Schwankungen der Nadel ſich aus einer ungleichen und zwar veränderlichen Vertheilung der Elektricität am Pole Ameri— cas und Sibiriens erklären laſſen, und daß die Linie, welche 132. VI. 22. 340 da, wo der Einfluß beider Pole ſich gleich ift, keine Schwan— kung zeigt, auf ihrem Wege durch Gegenden, welche, unter dem Einfluſſe des americaniſchen Poles ſtehend, öſtlich ab— gelenkt wird und ſo die Richtung in den beiden letzten Jahrhunderten weſtlich don England in die jetzige Stellung, öſtlich von St. Petersburg, zurückgewichen iſt. Er glaubt ferner, daß jede geologiſche Veränderung des Polarmeeres von Sibirien zur Schwächung des magnetiſchen Poles ge— nüge, und umgekehrt jede, welche das Polarmeer Americas noch mehr verſperrt, auch die Intenſität ſeines Poles ver— ſtärken werde. Der Verf. ſchließt mit dem Vorſchlage, in den kalten Zonen beim ſtärkſten Froſtwetter Elektricitätsleiter bis zur Höhe der Wolken aufzurichten, durch ſie würde ein Nord— licht hervorgerufen und über den Erdmagnetismus Aufklä— rung gewonnen werden. (L’Institut, No. 742. 1848.) XXXVIII. Einige Bemerkungen über die Höhe der Bogen oder Kuppeln des Nordlichtes. Von T. Chevalier. Unter allen Erſcheinungen des Nordlichtes ſind die Bo— gen, welche bisweilen faſt im rechten Winkel mit dem ma— gnetiſchen Meridiane hervortreten, die beſtimmteſten und dauerndſten; ſie ſcheinen deßhalb für die Höhenbeſtimmung der Regionen, in denen ſich dieſe Modification des Nord— lichtes bildet, am geeignetſten. Nach Dalton beträgt die Höhe dieſer Bogen etwa 100 Meilen oder 160,900 Meter. Der Verf. berechnete die Höhe von dreien dieſer Bogen. Der erſte gehörte zum Nordlichte vom 22. März 1841, das zu Dunſe bei Berwick von W. Stevenſon, zu Durham vom Verf., zu Belfaſt von Stevelly und zu Pork von Philipps beobachtet ward. Die Beobachtungen waren von 8 Uhr 56 Minuten bis 10 Uhr fortgeſetzt, und die Lage des Bogens durch ſeine Stellung zu den Firſternen feſt ge— ſtellt. Die Richtung war magnetiſch von Oft nach Weſt. Die Höhe ward nach den verſchiedenen Beobachtungen zwi— ſchen Vork und Durham, York und Belfaſt und Belfaſt und Durham berechnet: fte betrug 156, 157 und 165 Meilen. Das zweite Nordlicht ward am 21. September 1847 zu Eſk bei Durham vom Verfaſſer und zu Norwich von W. Marſhall beobachtet; es war nur einige Minuten ſichtbar, und ſeine Höhe betrug 106 Meilen. Der dritte Nordlichtbogen ward zu Darlington, zu Spalding in Lincolnſhire, zu Cambridge, zu Norwich, zu London, zu Orford und zu Amſterdam beobachtet. Die Be— obachtungen von Darlington und Cambridge geben auf einer Baſis von 172 Meilen eine Höhe von 175,9 Meilen, die von Spalding und Cambridge auf einer Baſis von 114 Mei⸗ len eine Höhe von 174,4 Meilen und die von Spalding und Darlington auf einer Baſis von 58 Meilen eine Höhe von 174,9 Meilen, demnach eine mittlere Höhe von 175 M. Die weite Ausdehnung, über welcher dieſer Bogen ſicht⸗ bar war, iſt wohl zu bemerken, die ihn begleitende magne— tiſche Perturbation erſtreckte ſich bis Toronto. Der Verf. macht zum Schluſſe noch auf die große Ahnlichkeit zwiſchen 341 den beiden Wirkungsweiſen des Nordlichtes und den beiden von Faraday entdeckten Wirkungsweiſen des Magnetismus aufmerkſam; die Strahlen des gewöhnlichen Nordlichtes gehen der Richtung des magnetiſchen Meridians parallel, während die Bogen mit demſelben einen rechten Winkel bilden. XXXIX. Beobachtungen über das geologiſche Alter der Höhlen, in welchen ſich foſſile Knochen finden. Von Richard Payne Cotton. Die geologiſche Periode, in welcher die Höhlen Eng— lands den wilden Thieren, die ſammt ihrer Beute in ihnen 132. VI. 22. 342 begraben liegen, zur Behauſung dienten, iſt nur durch einen Vergleich der in ihnen aufgefundenen Thierüberreſte mit den in den geſchichteten Niederſchlägen enthaltenen Thieren zu beſtimmen. Ein ſolcher Vergleich ward vom Verf. ge— macht und in No. 213 des London etc. journal of science von 1848 mitgetheilt. Derſelbe zeigte dem Verf., daß die in Höhlen aufge— fundenen Thierüberreſte viel mehr kleinere, der jetzt lebenden Thierwelt nahe ſtehende oder angehörende Arten einſchließen, wie in der Süßwaſſerformation gefunden werden, wornach erſtere einer viel neuern Zeit als letztere anzugehören ſcheint. Die folgende vergleichende Tabelle gewährt eine hübſche Überſicht. Nur den Ablagerungsſchichten eigene Thierarten. Erloſchen. Noch lebend. Erloſchen. Nur den Höhlen angehörende Thierarten. | In beiden gemeinſchaftlich vorkommende Thierarten. Noch lebend. Erloſchen. Noch lebend. Castor euro- paeus. Ursus priscus Machairodus latidens Lagomys spelaeus Macacus pliocenus Palaeospalax magnus Trogontherium Cu- vieri Equus plicidens Rhinoceros leptorhi- Strongyloceros spe- nus. laeus. ı Von 42 Säugethier-Arten find demnach 20 in beiden Lagerſtätten, 17 nur in den Höhlen und 5 nur in den Süßwaſſerſchichten aufgefunden worden. Um nun das Alter beider Perioden zu erfahren, muß man die Verhältniſſe, unter denen die Thierüberreſte aufgefunden wurden und den Ein— fluß, welchen die Lebensweiſe der Thiere ſelbſt auf ihren Fundort ausübten, erforſchen. Das Themſethal iſt an mehreren Stellen ſo reich an Knochenüberreſten, wie der Gottesacker einer Metropolitan— kirche; die Knochen ſind meiſtens ſehr gut erhalten, oftmals iſt ſogar noch das ganze Skelet vorhanden; hie und da kommen indeß auch Bruchſtücke vor, die übrigens nicht durch die Gewalt des Niederſchlages, der fie bedeckte, auch nicht durch ein unvorſichtiges Ausgraben beſchädigt wurden, ſon— dern ſchon verſtümmelt waren, ehe ſie überſchüttet wurden. Auch ſcheint die Größe der Knochenüberreſte mit ihrem häu— figeren oder ſeltneren Vorkommen im Verhältniſſe zu ſtehen; die kleinen Knochen großer Säugethiere ſind viel ſeltner als die großen; Überrefte junger Mammuthe, Rhinoceroſſe und Hippopotamus werden nur ſehr ſelten gefunden, von kleine— ren, in den Höhlen ſo gewöhnlichen Thieren aber keine Spur angetroffen. Der Verf. ſammelte aus dieſem Süß⸗ waſſerbette, namentlich in der Gegend von Ilford die Kno— chen folgender Thiere: des Mammuths, Rhinoceros, Ochſen, Auerochſen, Pferdes, Elennthieres, Hirſches, Bären, Schafes, Vespertilio Noctula Rhinolophus ferrum equinum Meles Taxus Putorius vulgaris Putorius erminius ö Canis Lupus Canis Vulpes Arvicola agrestis Arvicola pratensis Mus musculus Lepus timidus Lepus Cuniculus. Felis catus Arvicola amphibia Cervus Elaphus Cervus Tarandus Capra Hircus Bison priscus. Aves (?). Ursus spelaeus Hyaena spelaea Felis spelaea Elephas primigenius , Rhinoceros tichorhinus ‘ Equus fossilis Asinus fossilis ' Hippopotamus major Sus scrofa Megaceros hibernicus Cervus Bucklandi Cervus Capreolus Bos primigenius Bos longifrons. Schweines und eines Vogels; nur die erſten vier Thierarten kamen reichlich vor, unter ihnen waren die Mammuth- und Rhinocerosknochen um zehn Mal häufiger, wie die der Och— ſen und Auerochſen, alle uͤbrigen kamen nur ſehr ſelten vor. Der Bär war der einzige Repräſentant der Fleiſch— freſſer, von ihm ward nur ein einziges Exemplar, von einem Vogel aber nur eine einzige ulna gefunden. Überblickt man dieſe kleine Zahl von Thieren, jo wird man unmöglich annehmen können, daß ſie die ganze Thier— welt einer Erdperiode ausmachten, und daß die Krautfreſſer den Fleiſchfreſſern an Zahl ſo ungeheuer überlegen waren; denn wenngleich andere Lagerſtätten gleichen Alters Überreſte des Tigers und der Hyäne liefern, ſo ſtehen ſelbige doch immer in keinem Verhältniſſe zur Zahl der Krautfreſſer. In den Knochenhöhlen zeigen ſich nun ganz andere Umſtände und Verhältniſſe: in ihnen ſind die Knochen ver— ſchiedener Fleiſchfreſſer vorwaltend, bei ihnen finden ſich Überreſte kleinerer Thierarten oder Knochen junger Thiere größerer Arten. Auch die hier gefundenen Thiere können für ſich die Thierwelt einer Erdperiode nicht repräſentiren; ſtellt man dagegen die in beiden Lagerſtätten begrabenen Erdbewohner neben einander, die jungen Mammuthe und Rhinoceroſſe der Höhlen zu ihren Altern in der Süßwaſſer— formation, die Fleiſchfreſſer der Höhlen zu den Kraut— freſſern der andern Formation, ſo erhält man eine 22 * 343 naturgemäße Reihe von Thieren aller Größen und Lebens— weiſen. Aus der verſchiedenen Lebensweiſe erklären ſich aber die verſchiedenen Grabſtätten der genannten Thiere. Die Fleiſchfreſſer flüchteten ſich, ſobald ihnen Gefahr drohte oder der natürliche Tod ihnen nahte, in ihre Schlupfwinkel, wo— gegen die großen Krautfreſſer meiſtens auf dem ebenen Lande ſtarben und in der Folge durch Waſſerfluthen und andere Erdumwälzungen mit fortgeriſſen wurden. Die Tiger und Hyänen wütheten zwiſchen ihren Zeitgenoſſen, die klei— neren Thiere, wie die jungen und kränklichen größerer Arten, wurden entweder lebend oder todt ihre Beute und von ihnen in ihre Höhlen geſchleppt, wo ihre Knochenan— häufungen noch jetzt die Raubgier ihrer Sieger bezeugen; deßhalb finden ſich die Knochen dieſer Thiere nur ſelten da, wo die ungeheuren Krautfreſſer, das Mammuth und Rhi— noceros, die ihrem Angriffe trotzen, oder todt von ihnen wenigſtens nicht fortgeſchleppt werden konnten, begraben liegen. Die vorhin erwähnten zerbrochenen und verſtümmel— ten Knochen letzterer Thiere mögen ihrem Zahne, deſſen Ein— drücke zwar nicht mehr erkennbar ſind, anheim gefallen ſein. Die ſechs von Dr. Buckland zu Kirkdale aufgefundenen Vogel— knochen, unter denen die ulna vier Mal vorkommt, brachten Buckland auf den Gedanken, ſie ſeien durch ihre ſtarken Flugfedern vom Zahne der Raubthiere verſchont geblieben. Auch der vom Verf. zu Ilford gefundene einzige Vogelkno— chen war eine ulna; eine Reihe ftarfer Höcker deutete auf einen Vogel von kräftigem Flügelſchlag und folglich ſtarker Befiederung und unterſtützte fo die von Buckland aus- geſprochene Anſicht. Die Knochenhaufen in den Höhlen können nun, wie der Verf. glaubt, mehr als einer geologiſchen Periode an— gehören und lange nach dem Ausſterben der letzten Hyäne durch den Wolf und Fuchs vermehrt worden ſein; durch ſie wurden Haſen und Kaninchen, Mäuſe, Fledermäuſe und andere kleine Thiere, die aus den ſchon angegebenen Grün— den nur in den Höhlen gefunden werden, in dieſelben Höh— len gefchleppt. Nur das alleinige Vorkommen des Equus plicidens und Strongyloceros in den Höhlen möchte ſchwierig zu erklären ſein, obgleich auch ſie vielleicht noch in den Ab— lagerungsſchichten gefunden werden; das letztere iſt überhaupt ſo ſelten, daß bisher nur eine Art gefunden wurde, während in der Höhle zu Kent und zu Ilford Überreſte eines rieſigen Hirſches, die aber zu zerſtückelt ſind, um beſtimmt werden zu können, häufig gefunden werden. Die Überreſte in den geſchichteten Lagerſtätten ſind nun ganz der Art, wie man ſie erwarten durfte: der Affe wird wahrſcheinlich nur ſelten die Beute des Tigers und der Hyäne geworden, desgleichen der Waſſermaulwurf, der Biber und das rieſige Trogontherium, ihrer Lebensweiſe halber, nur ſelten von Fleiſchfreſſern des Landes erhaſcht worden ſein; ihre Überreſte müſſen ſich demnach, wenn ſie überall erhalten wurden, dort finden, wo ſie lebten. Das alleinige Vorkommen des Rhinoceros leptorhinus in der geſchichteten Formation ſcheint dem Verf. nicht ſo auffallend, das ganze genus iſt überhaupt in den Höhlen nur ſelten und wohl 132. VI. 22. 344 anzunehmen, daß nicht alle Arten einander in ihrer Wehr: haftigkeit gleich waren, mithin die eine Art leichter die Beute der reißenden Thiere als die andere wurde, zumal die noch jetzt lebenden ſich weniger von einander unterſchei— denden Arten als die erloſchenen, in ihrer Lebensweiſe den— noch ſehr verſchieden ſind. Nur fortgeſetzte geologiſche Forſchungen, die ſchon all— jährlich neue Entdeckungen und neue Thierarten heraufführen, werden in Zukunft über das Alter beider Lagerſtätten foſſi— ler Knochen entſcheiden können; ſo weit indeß unſere jetzigen Kenntniſſe reichen, wird es ſehr wahrſcheinlich, daß die Thiere der neueren Tertiärablagerungen die Zeitgenoſſen der: jenigen waren, deren Überreſte in den Höhlen begraben lie— gen, und daß während das Mammuth und Rhinoceros dem Angriffe reißender Thiere widerſtanden, und ihre Knochen den Waſſerfluthen und ihren Umwälzungen überliefert wur: den, die kleineren und ſchwächeren Thiere eine Beute der raubgierigen Fleiſchfreſſer wurden, ihre Knochen demnach mit denen ihrer Sieger in den Höhlen eine Ruheſtätte fanden. XXXIX. über das Gutta Percha als Clektrieitäts⸗ Iſolator. Von Michael Faraday. Nicht alle Gutta Percha ift, nach dem Verf., jo, wie man es im Handel erhält, ein gleich guter Iſolator, aber wie es ſcheint leicht in ſelbigen zu verwandeln. Ein zu dieſem Zwecke brauchbares Stück Gutta Percha iſolirt ge— rade ſo gut wie ein gleich großes Stück Schelllack, gleichviel, ob es in Platten-, Stab- oder Fadenform verwandt wird; ſeine Zähigkeit und Biegſamkeit im kalten und ſeine Weichheit im erwärmten Zuſtande geben ihm vor dem ſo ſpröden Schelllack große Vorzüge. In der Geſtalt dünner Bänder und Fäden wird es vortreffliche iſolirende Aufhängebänder, in Plattenform aber die ausgezeichnetſte iſolirende Baſis abgeben; es liefert ferner herrliche iſolirende Stöpſel für Goldblatt-Elektrometer und iſolirende Füße für elektriſche Apparate; etwa ½ Zoll dicke Cylinder find hinreichend ſteif, um als iſolirende Säulen zu dienen. Die Gutta Percha iſt als guter Iſolator zugleich ein kräftiger Erreger negativer Elektricität, das Reiben eines Stückes mit Papier oder in der Hand genügt, die Gold— blättchen eines Elektrometers um einen oder mehrere Zoll von einander zu treiben; im unelektriſchen Zuſtande genügt das leiſeſte Dahingleiten über die Hand oder ein Kleidungs— ftüd, um es elektriſch zu machen. Nur durch die Hand gezogen, hängt ſich ein papierdünnes Stück an ſelbige, zieht auch Papierſchnitzel an ſich. Eine dicke Gutta-Percha- Platte würde, wie der Verf. glaubt, für eine Platten-Elek⸗ triſirmaſchine zur Erregung negativer Elektricität ſehr an— wendbar ſein. Durch feine Eigenſchaft, die Elektrieität in die Subſtanz zu vertheilen, wird eine Gutta-Percha - Platte zum empfind⸗ lichen Elektrophor; auch laſſen ſich aus ihr durch Belegung 345 Leydener Flaſchen und andere für die Elektrieitäts-Verthei— lung beſtimmte Apparate verfertigen. Nur etwa die Hälfte der vom Verf. unterſuchten Gutta Percha des Handels beſaß dieſe elektriſchen Eigenſchaften, der Elektrometer ward von dem übrigen entweder nur ſo, wie etwa von einem Papier- oder Holzſtückchen affieirt, oder die Blättchen fielen beim Berühren ſchneller zuſammen, öff— neten ſich dann aber noch ein Mal; die letztere Erſcheinung beruht, wie der Verf. glaubt, auf einem leitenden inneren Theile, der mit einer dünnen, nicht leitenden Hülle umkleidet iſt. Ein ſcharf durchſchnittenes Stück der gut iſolirenden Gutta hat einen Sarzglanz und einen durchaus feſten, (eom— pacten) Charakter, während der leitende nicht dieſen Glanz beſitzt, weniger durchſichtig iſt und einer trüben, feſt geworde— nen Flüſſigkeit gleicht. Der Verf. glaubt, daß letztere mit feuchter Dampfwärme oder im Waſſerbade behandelt worden, die ganze ſpeeifiſche Verſchiedenheit beider Arten überhaupt auf der Vorbereitung zum Walzen unter erhitztem Cylinder beruhe: ſobald man nämlich das leitende Gutta Percha eine Zeit lang erwärmt und knetet, ſo entweicht die aufgenom— mene Feuchtigkeit, und die vorher leitende Gutta wirkt nun— mehr iſolirend; dagegen verlor ein breites, iſolirendes Stück durch einſtündiges Liegen im Waſſer, nachdem es abgetrocknet und einige Minuten der Luft ausgeſetzt worden, nichts von ſeiner iſolirenden Eigenſchaft. Ein anderes Stück, das vier Tage im Waſſer gelegen, hatte nach dem Abtrocknen einen Theil dieſes Vermögens verloren, erhielt ihn aber, etwa 12 Stunden der Luft ausgeſetzt, vollſtändig wieder. Das nicht iſolirende wird indeß ſelbſt durch wochenlanges Liegen in warmer Luft nicht verbeſſert; wenn aber ein Stück mit Heilk (XXIV) Die Schimmelräude und die Athmungs⸗ beſchwerden der Arbeiter in Schwammfabriken. Vom Magiſt. Chir. J. Terſäncky, Diftrictsarzte zu Groß-Kani⸗ ſcha in Ungarn *). Das Einſammeln verſchiedener holzigſchwammiger Bo— letusarten und das Verarbeiten derſelben zu Feuerſchwamm im Großen bildet in den waldreicheren Gegenden Ungarns ſeit etwa 20 Jahren einen viele Menſchen beſchäftigenden Induſtriezweig. Die dabei beſchäftigten Individuen unterlie— gen aber gewiſſen eigenthümlichen Krankheitszuſtänden, wie dies bei den meiſten anderen Gewerben auch der Fall iſt. Die hier zu Lande üblichen Manipulationen bei Be— reitung des Feuerſchwammes ſind folgende. Verſchiedene, an ſtehenden ſowohl als an liegenden Baumſtämmen, an Klötzen, Wurzelſtöcken u. dgl. wachſende perennirende Löcher— pilze, und vorzüglich Boletus igniarius L. und Boletus fo- mentarius L., werden mittels geeigneter Werkzeuge, meiſtens mit eiſernen Haken, die an Stangen befeſtigt ſind, don den *) Oſterreich. med. Wochenſchr. No. 9. 1848, 132. VI. 22. 346 friſch geſchnittenen Oberflächen fo behandelt wird, fo zeigt der Elektrometer, daß nun die innere Seite dieſes Stückes leitet. Wird die Gutta Percha beider Arten einer allmälig und zwar bis zu 350 oder 3800 ſteigenden Temperatur ausgeſetzt, ſo läßt es eine beträchtliche Waſſermenge fahren; der erkaltete Rückſtand beſitzt alle Eigenſchaften der Gutta Percha und iſolirt vortrefflich. Das urſprüngliche Gummi— harz iſt, wie der Verf. glaubt, ein Gemiſch verſchiedener Stoffe, ob aber das Waſſer im hydratiſchen Zuſtande vor— handen, oder nur eine Folge innerer Zerſetzungen des einen oder andern in ihm enthaltenen Stoffes iſt, will der Verf. nicht entſcheiden, glaubt aber, die Gutta Percha für elek— triſche Verſuche mit Recht empfehlen zu können. (The Lon- don ete. journal of science, No. 214. 1848.) Mifcellen. 53. Die Höhe der Wellen betrug nach verſchiedenen Meſſungen am Tage nach einer ſüdweſtlichen nur mäßigen Brieſe (ſanfter Wind) von dem Kamme bis zur Sohle des Wellenthales 22 Fuß, demnach 11 Fuß über die allgemeine Meeresfläche; die Schnelligkeit der Schwingungen betrug 89 Meilen für die Stunde, und der Zwiſchenraum zwiſchen jeder Welle 1910 Fuß. (Sir James C. Ross voyage to the Southern Seas. Vol. I. p. 31.) 54. Ein Luchs ward am 15. Febr. 1846 vom Revierförſter Marz auf der ſchwäbiſchen Alp geſchoſſen, er war männlichen Geſchlechts, ſchön gefleckt und wog 44 Pfd.; ſeit Ende des 16ten Jahrhunderts ſoll nach Dr. Jäger kein Luchs in Würtemberg er⸗ ef Ich: (Würtembergiſche naturwiſſenſchaftl. Jahreshefte 1846. Heft J. unde. a Baumſtämmen ꝛc. abgelöſ't, zuſammengetragen, in geräumi— gen Kammern oder Kellern aufgehäuft und allda, behufs der Erweichung, eine Zeit lang einer ſpontanen Gährung überlaſſen. Um die Fermentation zu beſchleunigen, werden Thüren und Fenſter der Kammer oder des Kellers gut ver— ſchloſſen und der allda befindlichen atmoſphäriſchen Luft jede Communication mit der äußern abgeſchnitten. Schwämme, die zuvor getrocknet worden waren, werden im Haufen mäßig angefeuchtet. — Die eingeſperrte Luft füllt ſich bald mit Dünſten, die ſich aus den Pilzen, als der Ver— weſung entgegengehenden organiſchen Körpern, fortwährend entwickeln; ſie erlangt dabei einen hohen Wärmegrad, wird feucht, ſchwer, mit übel riechenden Effluvien durch und durch geſchwängert, mephitiſch. Die Schwämme werden ebenfalls heiß, feucht und weich, lockern ſich auf, ſchwellen bedeutend an, faulen auch zum Theil und werden an ihrer gan— zen Oberfläche von reichlich wucherndem Schim— mel überzogen. Iſt die Gährung der Schwämme zu einem gewilfen, eben erforderlichen Grade gediehen, ſo wird ſie unterbrochen, damit die Pilze nicht durch Fäulniß gänzlich zerſtört werden. 347 Die Schwämme werden dann in die freie Luft gebracht, der Sonnenhitze, ſtarkem Luftzuge ꝛc. ausgeſetzt und mög— lichſt ſchnell vollkommen getrocknet; trocken werden ſie in Räumen untergebracht, die vor Näſſe gut geſchützt und einem beſtändigen Luftzuge ausgeſetzt ſind, und allda unter fleißi⸗ gem Umwenden (Schaufeln) ſo lange aufbewahrt, bis jie der weitern Bearbeitung unterzogen werden können. Dieſe beſteht in ſorgfältigem Wegſchneiden der untern holzigen Schicht und der harten epidermis des Pilzes, im Weichklopfen der übrig gebliebenen ſchwammigen Subſtanz des Hutes, und endlich im Beizen der letzteren. Das Beizen jedoch als letzte Manipulation der Zunderbereitung, hat in den ungariſchen Schwammfabriken heutzutage beinahe ganz aufgehört, der Schwamm wird nur beſchnitten, weich geklopft und ſo zu Tauſenden von Centnern jährlich ins Ausland verführt. Schon die mit Einſammeln der Pilze beſchäftigten In— dividuen ſind einer nachtheiligen Einwirkung ihres Geſchäf⸗ tes auf die Geſundheit ausgeſetzt; die Pilze ſchwitzen näm— lich während des Sommers anhaltend einen ſcharfen Saft aus, der dem mit Ablöſen des in einer gewiſſen Höhe ſitzen— den Pilzes beſchäftigten Arbeiter ins Geſicht und auf die Hände tropft, die Hautſtellen, mit denen er in Berührung kommt, aufätzt, und ſo langſam und ſchwer heilende Haut— entzündungen verurſacht. Wegfallen abgeſtorbener Haut— partien an den Händen und mit Abfallen des Nagels en— dende Panaritien ſind bei den Schwammſammlern häufig anzutreffen. Weit läſtiger jedoch und ohne Vergleich wichtiger ſind jene Zufälle, denen die übrigen und ganz beſonders jene Arbeiter fortwährend ausgeſetzt ſind, die ſich mit Beſchnei— den und Klopfen der Schwämme befaſſen. Das ſchädliche Agens bei den letzt genannten zwei Manipulationen iſt der Schimmel (Mucor), der während der Fermentation auf den Schwämmen entſtanden iſt, nun aber ſich vom Schwamme ablöſ't, als feiner, leichter Staub der den Arbeiter umgeben— den Atmoſphäre ſich einverleibt, und ſo mit der äußern Haut desſelben, ſowie mit den nach außen mündenden, ſchleim— hautbekleideten Körperhöhlen fortwährend in nachtheiliger Berührung iſt. Der Schimmel bekleidet die ganze Oberfläche der der Fermentation ausgeſetzt geweſenen Schwämme in haarigen, mitunter in 2 Zoll langen, bartförmigen Büſcheln; er iſt weiß, dunkelgelb, roſt- oder kupferfarbig, auch dunkel— braun, und hie und da buntfarbig. Der mildeſte in ſeiner Wirkung iſt der weiße, ſchädlicher der gelbe, noch ſchädlicher der dunkelbraune, am allerſchädlichſten aber der roſt- oder kupferfarbene, der zugleich der leichteſte und ſomit am meiſten geeignet iſt, die Atmoſphäre zu imprägniren. Werden die Schwämme dem Schneiden und Klopfen in ganz trockenem Zuſtande unterzogen, ſo ſteigt der durch dieſe Manipulationen abgelöfte Schimmel gleich während der Arbeit als feines, leichtes Pulver in die Höhe, vermengt ſich mit der Zimmerluft und füllt als leichter, zarter Nebel den ganzen Raum der Werkſtätte aus. Werden die Schwämme vor dem Beſchneiden naß gemacht, ſo wird der Schimmel durch das Waſſer an den herabfallenden Schwammſpänen 132. VI. 22. 348 eine Zeit lang niedergehalten; ſobald aber die Feuchtigkeit verdunſtet, ſteigt der Schimmelſtaub auch hier in die Höhe und erfüllt das ganze Arbeitslocal, wie im erſten Falle. Durch die ſchädliche Einwirkung des Schimmelſtaubes wird das Angeſicht des Arbeiters am leichteſten, daher auch früher als andere Körpertheile in krankhaften Zuſtand ver— ſetzt. Zuerſt werden die Augenlieder des Arbeiters roth und empfindlich, ſchwellen an, und dieſer Reizzuſtand ſetzt ſich bald auf Augenlied- und Augapfelbindehaut fort, die Augen find roth, gegen Licht überaus empfindlich und thränen fort während. Kurze Zeit darauf erheben ſich an mehreren Stellen des Geſichts, theils zerſtreut, theils in beträchtlichen Gruppen, hirſekorngroße gelbe Bläschen auf entzündetem Grunde; dieſe berſten und ergießen dann eine klebrige Flüſ— ſigkeit, die an der Luft zu Borken erſtarrt, nach deren Ent⸗ fernung man die Haut erodirt und eiternd findet. Zu glei— cher Zeit mit dieſen Eruptionen ſtellt ſich Naſenbluten ein, das oft bis 20 Mal in einem Tage wiederkehrt; die Naſe ſelbſt ſchwillt monſtrös an, iſt glänzend roth, juckt unerträg— lich und näßt immerfort; die Naſenhöhle iſt durch Auf— wulſtung der Schleimhaut verengt. In einzelnen Fällen entwickelt ſich Ozaena, bei der die Knorpel- und Weichtheile der Naſe verloren gehen. Bei ſenſiblen Individuen treten dieſe Krankheitserſchei— nungen von einem mäßigen Reizfieber begleitet auf, das ſich durch öfteres Fröſteln, Beſchleunigung des Pulſes, Schwere und Eingenommenſein des Kopfes kund giebt; durch das Naſenbluten jedoch werden dieſe conſenſuellen Zufälle meiſt wieder beſeitigt. In den meiſten Fällen find alle aufgezähl- ten Krankheitserſcheinungen zugleich vorhanden, ſelten fehlt eine oder die andere, in äußerſt ſeltenen Fällen erkranken auch die entblößten Theile des Halſes und die Ohren. Nächſt den verſchiedenen Theilen des Angeſichtes ſind die Reſpirationsorgane der Schwammarbeiter — und zwar weit wichtigeren und leicht gefährlichen — Erkrankungen ausgeſetzt, und dieſe treten um ſo früher ein, je trockener die Schwämme zur Verarbeitung kommen, d. h. je leichter der Schimmelſtaub während der Arbeit frei und der Luft einverleibt wird, und vorzüglich je mehr der kupfer⸗ oder roſtfarbene Schimmel vorwaltet. Nach kur— zem Aufenthalte in der ſo verdorbenen Luft ſtellt ſich bei den Arbeitern ein anfangs ganz leichtes Hüſteln ein, dem ſich bald Schlingbeſchwerden, Heiſerkeit und mit Brennen verbundener Halsſchmerz beigeſellen. Dieſes Brennen macht einem ſehr ſchmerzhaften Kratzen Platz und das anfängliche Hüfteln verwandelt ſich nach und nach in einen ſehr an— ſtrengenden Reizhuſten mit Bruſtbeklemmung, Seitenſtechen und Auswurf blutgeſtreifter sputa. Auch werden nicht ſel— ten ganze Fetzen von der Tracheal- und Bronchialſchleimhaut abgelöſ'ten Epitheliums ausgeworfen. Eine dritte Reihe — jedoch mehr läſtiger als gefähr— licher — Krankheitserſcheinungen kommt endlich gleichzeitig mit den bisher aufgezählten Zufällen an den Schamtheilen der Schwammarbeiter vor. Die Schwammſchneider ſitzen nämlich bei ihrer Arbeit mit auseinander geſpreizten Beinen vor einem ziemlich nie— 349 deren Stocke (Block) und halten den Schwamm während des Beſchneidens jedes Mal fo, daß ihnen die Späne zwi— ſchen den Füßen auf den Boden fallen müſſen. So ſind denn die äußeren Genitalien vor allen übrigen Körpertheilen anhaltend der ſchädlichen Einwirkung jenes Schimmelſtaubes ausgeſetzt, der von den ſich am Boden anhäufenden Schwamm— ſpanen ſich immerfort erhebt und ſo fein iſt, daß er die feſteſten Kleiderſtoffe zu durchdringen vermag. — Sie em— pfinden anfangs ein gelindes Jucken der Scrotalhaut, das ſpäter in ein dem von glühenden Kohlen herruͤhrenden ähn⸗ liches Brennen übergeht, dem ſich Anſchwellung und Röthung des ganzen serotum beigeſellen. An verſchiedenen Stellen der um das doppelte verdickten, äußerſt ſchmerzhaften Scro⸗ talhaut fahren Bläschen auf, die ſich mit Eiter füllen, ber⸗ ſten und Kruſten erzeugen. — Auffallend iſt es, daß die allgemeinen Decken des penis nur da an dieſem Krankſein Theil nehmen, wo fie das serotum anhaltend berühren, d. h. an der unteren Seite und nie auf dem Rücken des Glie— des. — Das läſtige Jucken und Brennen am Hodenſacke erzeugt eine gewiſſe Unruhe und zwingt die Leute, den ſchmer⸗ zenden Theil fortwährend zu kratzen, was ihre Schmerzen nur vermehrt. Iſt der Feierabend herangekommen, ſo ſtrei— fen die Leute gewöhnlich die Schenkelbekleidung ab, um die Geſchlechtstheile von jeder Berührung mit denſelben frei zu erhalten und ihre Schmerzen durch das Anwehen der kühlen Abendluft ein wenig zu lindern. — Nicht ſelten ſind auch Fieberbewegungen zugegen. Die mit Beizen des Schwammes beſchäftigten Frauen— zimmer ſind denſelben Krankheiten ausgeſetzt, wie die Schwammſchneider, wenn ſie mit dieſen in einem und dem— ſelben Locale arbeiten, nicht aber, wenn ſie ein abgeſonder— tes Arbeitszimmer haben; ſie ſind im erſten Falle derſelben ſchimmelgeſchwängerten Atmoſphäre preisgegeben, wie die Männer, nicht aber im zweiten, denn die Schwämme, die in die Beize kommen, ſind vom Schimmel vollſtändig gerei— nigt. Kopf- und Bruſtbeſchwerden ſind bei den Beizerinnen die gleichen wie bei den Männern; die Affectionen der Ge— nitalien weichen aber propter conditionem vulvae etwas ab, namentlich kommt bei ihnen Harnſtrenge und Bluthar— nen öfters vor, und Geſchwüre der Schamlippen und der Scheide geben oft Anlaß zur Verwechſelung mit syphilis. Bei einem 24jährigen ledigen Frauenzimmer, das ſeit 3 Jahren an Amenorrhöe gelitten hatte, ſah ich die menses ohne Gebrauch von Arzneien wieder eintreten, nachdem die Perſon einige Wochen in einer Schwammfabrik gearbeitet hatte, und ſchließe daraus, daß der Schimmelſtaub bei Wei— bern als aphrodisiacum und emmenagogum wirke, weßhalb feine Anwendung gegen auf Atonie und Neizlofigfeit beru— hende Krankheiten der weiblichen Geſchlechtstheile in geeig— neter Weiſe wohl verſucht zu werden verdiente. Auf das Entſtehen der hier geſchilderten Krankheits— zuſtände übt weder das Geſchlecht noch das Alter, Temperament oder die Conſtitution des Individuums namhaften Einfluß aus, und auch das Durchmachen derſelben ſchützt vor neuen ähnlichen Erkrankungen nicht, rückſichtlich auf Intenſität und » Dauer der Zufälle aber kommen beträchtliche Verſchiedenhei— 132. VI. 22. 350 ten vor. — Zur Heilung iſt Ausſetzen oder auch gänz⸗ liches Meiden der Arbeit unerläßlich. — Die Zufälle am Angeſichte und die an den Zeugungstheilen find mehr läſtig als gefährlich, die Störungen der Reſpiration ziehen bei längerer Dauer oder durch öftere Wiederkehr unheilbare Gewebsalienationen und verderbliche Krankheitsproceſſe herbei, als: chroniſche Lungencatarrhe, Obliteration der feinen Bronchialverzweigungen, Hämoptöe, Aſthma, Hpdrothorar, Phthisis trachealis und Phthisis pulmonalis. Man hat in den Schwammfabriken bereits verſchiedene Verſuche gemacht, die ſchädliche Einwirkung des Schim— melſtaubes auf die Arbeiter zu beſchränken, und auch die Receptivität der Arbeiter zu vermindern. In erſter Abſicht werden die einzelnen Schwämme vor dem Beſchneiden aus— giebig angefeuchtet. Der Nutzen, den' dieſes Verfahren ge⸗ währt, iſt unverkennbar; allein er iſt, wie ich gelegentlich ſchon bemerkt habe, nicht ausreichend, denn ſobald das Waſ— ſer, das den Staub an die Späne bindet, verdunſtet iſt, wird dieſer wieder frei, ja die Waſſerdünſte ſelbſt reißen einigen Schimmelſtaub mit ſich in die Atmoſphäre. In letzterer Abſicht pflegen die Arbeiter, bevor fie an ihre Be⸗ ſchäftigung gehen, Naſe und Hodenſack mit Ol zu beſtrei— chen, bei beginnendem Huſten Ol zu trinken und bereits vorhandene Eruptionen mit Haarpuder zu beſtreuen; der Erfolg iſt jedoch durchaus nicht befriedigend. Weit beſſere Erfolge wurden erzielt durch fleißiges Ausſpülen des Mun— des und der Naſe mit eiskaltem Waſſer, durch Trinken eines mit Eigelb abgeſprudelten Gerſtenabſudes und durch Waſchen der Genitalien mit einem Abſude des Fleckſchierlings. Letz⸗ teres heilt ebenſowohl bereits vorhandene Eruptionen, wie es ihr Entſtehen zu verhüten im Stande iſt. Die Reſpi⸗ rationsbeſchwerden erfordern ein therapeutiſches Verfahren nach den allgemein bekannten Regeln. Um mich vollkommen zu überzeugen, ob die oben auf— gezählten krankhaften Jufälle auch wirklich der Einwirkung des Schimmelſtaubes zuzuſchreiben ſeien, habe ich mit dem— ſelben an mir ſelbſt einige Verſuche gemacht. Ich ſchabte mir eines Abends etwas Schimmel von meh⸗ reren Schwämmen ab, um ihn bei meinen vorzunehmenden Verſuchen zu verwenden; allein ſchon am nächſten Morgen empfand ich, ohne daß ich mir irgend einen Diätfehler hätte zu Schulden kommen laſſen, Schwere und Eingenommenſein des Kopfes, und aus der Naſe gingen mir einige Tropfen Blut, ein Übel, zu dem ich übrigens gar nicht inelinire. Am folgenden Tage ſchob ich eine kleine Priſe Schimmel— ſtaub in die Naſe und brachte eben fo viel auf die Spitze der Zunge. Auf der Zunge verurſachte es mir nicht die geringſte unangenehme Empfindung, in der Naſe aber biß es mich eine Weile wie Pfeffer, ſpäter ſtellte ſich in dieſem Organe ein unerträgliches Jucken ein, am Abende war meine Naſe monſtrös angeſchwollen, näßte anhaltend und ſchmerzte ſo ſehr, daß ich mich nur mit Mühe ſchneuzen konnte. Am nächſten Morgen war die innere Fläche der Naſenflügel und beide Seiten der Naſenſcheidewand mit zahlreichen kleinen Puſteln beſäet, die ſich ſpäter in kleine 351 Kruſten verwandelten und als ſolche mehrere Tage ſpäter mit blutgeſtreiftem Naſenſchleime entleert wurden. Endlich brachte ich etwas Schimmelſtaub an die innere Seite meines Oberarms und erhielt ihn da durch eine entſprechende Vor— richtung durch zwei Stunden; bei der Abnahme desſelben war die Haut wie von einem Senfteige geröthet. (XXXV.) Halswirbelluration. Von Oberamtsarzt Dr. Werfer in Ellwangen. Der Nachtwächter K. Sch. in Sch., welchen man in der Nacht vom 17. bis 18. März noch die zehnte Stunde hatte rufen hören, und welchen mehrere Leute in einem be— trunkenen Zuſtande geſehen haben wollen, wurde am Mor— gen todt gefunden. Der Polizeidiener, welcher in ſeine Stube wollte, konnte die Thüre kaum 1 Zoll weit öffnen; er rief deßhalb mehrere Leute herbei; es mußte die Thüre aus den Angeln gehoben werden, und nun fanden ſie den Nachtwächter todt unmittelbar vor der Thuüre und neben ſeinem Bette liegend. Die Lage des Leichnams und ins— beſondere die ganz widernatürliche Stellung des Kopfes, wobei der Hals ſo gebogen war, daß die urſprüngliche Di— rectionslinie eine Curve bildete, deren Convexität nach hinten und oben, und deren Concavität nach vorne und ſeitwärts ſah, und zwar in der Weiſe, daß der Kopf unter der rech— ten Achſelhöhle durch und nach hinten gedreht war, ſo daß das Geſicht nach dem Rücken und (da der Leichnam auf dem Bauche lag) nach oben ſah, ließ ſogleich auf eine Ver— renkung der Halswirbel ſchließen, und das Ergebniß der Section hatte dieſe Annahme beſtätigt. Es wurde eine Luration zwiſchen dem vierten und fünften Halswirbel vor— gefunden. Der daſelbſt befindliche Bänderapparat war theils verzogen, theils zerriſſen, und zwiſchen den Muskellagen des Halſes rechter Seits war ein ſtarkes Blutertravaſat vom dritten bis fünften Halswirbel. Auch innerhalb der Rücken— markshöhle wurde Blutextravaſat an gleicher Stelle, aber bis zum ſiebenten Halswirbel ſich ausbreitend, vorgefunden. Eben fo befand ſich ein Blutertravaſat am rechten Tempo— ralmuskel. Daß dem Unglücklichen der Hals nicht durch frevelnde Hände eines dritten herumgedreht worden iſt, dafür ſprechen nicht nur jeder Mangel anderweitiger Spuren erlittener Ge— walt, ſondern hauptſächlich alle topiſchen Verhältniſſe. Der Leichnam lag ſo vor der Thüre, daß dieſe nicht 132. VI. 22. 352 geöffnet werden konnte, und der Eingang in die Stube erſt durch Auf- und Ausheben der Thüre aus ihren Angeln möglich wurde. Es war ſomit auch kein Ausgang durch dieſe Thüre für einen dritten möglich. Die Fenſter waren von innen alle geſchloſſen und verriegelt, und ein anderer Ausgang war nicht vorhanden. Das Bett, das nächſt der Thüre ſtand, fo daß der Leichnam neben dasſelbe zu liegen kam, war noch vollkommen geordnet. Auf einem daneben ſtehenden Stuhle lag eine Bruſtſchürze, und am Fußgeſtelle der Bettlade hing das Wamms, welches der Verunglückte am Abende auf dem Leibe trug. Vor der Bettlade, ganz in der Nähe des Leichnams, ſtand ein ſogenannter Stiefel— zieher, in welchem ein Stiefel ſich befand, während der an— dere Stiefel noch am rechten Fuße des Leichnams war. Alles weiſ't darauf hin, daß der Unglückliche gerade mit dem Auskleiden beſchäftigt war, und es muß mit Nothwen— digkeit angenommen werden, daß er während des Ausziehens der Stiefeln ſich nach vor- und abwärts beugte (wahrjchein- lich um den ausgezogenen Stiefel aus dem Stiefelzieher zu entfernen), hiebei aber überſtürzte, auf das Hinterhauptbein und den Nacken auffiel, den Kopf unter die rechte Achſel— höhle unterm Arm durchbrachte, und weil wegen der an— ſtehenden Bettlade ein völliges Überſtürzen nicht möglich war, bei der theilweiſe erfolgenden Rotation des Körpers die be— ſchriebene Luxation der Halswirbel erfolgte. Bei dem Nie— derſtürzen muß die rechte Kopfſeite an das Seitenwandbret der Bettlade angeſchlagen, und ſo das Extravaſat am rechten Temporalmuskel entjtanden fein. (Medic. Correſpondenzblatt d. würtemberg. ärztl. Vereins. Bd. XVII. No. 36.) Miſeellen. (38) Das Einathmen von Sauerſtoffgas beim Croup ſchlägt Hr. Bousquet, Arzt zu St. Chinian, vor, um durch die ſehr verengerten Reſpirationswege der Lunge die nöthige Menge dieſer unentbehrlichen Lebensluft zuzuführen. Übrigens hat dieſes Mittel die Probe der Erfahrung noch nicht beſtanden, und die Anwendung desſelben ſcheint mit großen praktiſchen Schwierig— keiten verknüpft, da die von Erſtickungsgefahr bedrohten Patienten ſehr unruhig ſind. Indeß ſcheint der Vorſchlag Beachtung zu ver⸗ dienen. (Gaz. méd. de Paris, 29. Mars et 1. Avril 1848.) (39) Die 26. Verſammlung der deutſchen Naturforſcher und Arzte, welche im September d. J. in Regensburg Statt finden ſollte, iſt bis auf ruhigere Zeiten vertagt. Nekrolog. — Hr. J. Ch. Gaſe, ein ſehr erfahrener Schriftſteller über viele Gegenſtände der öffentlichen Heilpflege, und zuletzt Gen. Inſpector des Medieinalweſens der Armee, iſt zu Paris am 18. April geſtorben. Bibliographiſche Neuigkeiten. Yo-san-fi-rok. L'art d’elever les vers à soi au Japon; par Quekaki Mouri- kouani; annote et publié par Matthieu Bonafons, membre correspondant de l'Institut. Ouvrage traduit du texte japonais par le docteur J. Hofj- mann, interprete de S. M. le roi des Pays-Bas. In 8° de 19 feuilles, plus un atlas in 4% de 50 pl. gravees d’apres les dessins originaux. Paris 1848, chez Mme. Bouchard-Huzard. 4 Voyages de la commission scientifique du Nord, en Scandinavie , en Laponie, au Spitzberg et aux Feroe, pendant les annees 1838, 1839 et 1840, sur la corvette la Recherche, commandee par M. Fabvre, lieutenant de vaisseau. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, Publies sous la direction de M. Paul Saimard. In 8° de 15 feuilles %,. Paris 1848, chez Arthus-Bertrand. Compte-rendu des travaux de la Societe anatomique de Paris pour le anne 1847 par le docteur Victor Thibault, secretaire. In 8° d'une feuille ½. Paris 1848, chez Moquet. Projet d’organisalion des höspitaux et hospices eivils de Paris. In 8° de 13 feuilles ½. Paris 1848, chez Furne. Beer. rer zum ſechsten Bande dritter Reihe der Notizen aus dem Gebiete der Natur— A. 1 Gasquellen im Golfe von Baku. 18. n meteorolog. Verhältniſſe desſelb. Achſenſyſtem des menſchlichen Körpers, eine en zum Achſenſyſtem der Pflanzen. . 69. Ackerertrag, Verbeſſerung desſ., ſ. Dünger. Actinien, Anordnung ihrer Tentakel. 9. Actinophrys, über Organiſation und Ent: wickelung derſ. 199. Adams, üb. den indiſchen Archipel. 225. Atheriſiren der Kinder. 176. After, künſtlicher, Bildung desſ. durch Ein— ſchneiden in die Lendengegend nach der durch Amuſſat abgeänderten Methode Cal— liſens. 302. Aldis, Bauchfellentzündung mit Eiterergie— ßung und Abziehen des Eiters durch die Bauchwandungen. 253. Anäſtheſie, kliniſche Unterſuchungen über dieſ., nebſt phyſiolog. Betrachtungen üb. das Empfindungsvermögen. 135. Aneroid-Barometer. 216 Anguinaria spatularia Ellis. 200. Aneurysma der linken arteria coronaria des Herzens. 174. Antiſeptiſche Flüſſigkeit, patentirte, Sir Will. Burnetts. 89. Arſenige Säure, ſ. Caventou— und Heilkunde. Arteria coronaria, |. Aneurysma. Arthritis, ſchmerzſtillender Breiumſchlag da= gegen. 208. Aſthma der Schleifer. 185. Astragalus, ſ. Macdonnell. Auge, Harnſtoff in der Glasflüſſigkeit desf. 26. — ſ. Brewſter. B. Bäder und Begießungen, lange fortgeſetzte, gegen acute Formen des Wahnſinnes. 97 de Bal und Kluyskens, 2 Fälle von erfolg— reicher künſtl. Scheidenbildung. 125. Battley, Eiſenjodür und Chlorürſyrup gegen Scrofeln an Statt des feſten Eiſenjodürs der Pharmaceuten. 63. Bauchfellentzündung mit Eiterergießung und freiwilligem Abziehen des Eiters durch die Bauchwandungen. 253. Beau, kliniſche Unterſuchungen üb. die Ans äfthefie, nebſt phyſiolog. Betrachtungen üb. das Empfindungsvermögen. Beck, das Achſenſyſtem des menſchlich. Körpers, eine Parallele zum Pflanzenachſenſyſteme. 49. 65. Beclard, Unterſuchungen üb. die Milz und die Pfortader. 56. Becquerel, Bild des Sonnenſpectrums. 122. Begbie, üb. die Verbindung des Rheumatis— mus mit dem Veitstanze. 121. Bernard, Verſuche in Betreff der chemiſchen Außerungen verſchiedener in den Organis⸗ mus eingeführter Stoffe. 256. Bertholletia excelsa. 200. Blanchard, üb. die Organiſation der gaſtero— podiſchen Molluffen der Ordnung Opi- sthobranchü. 263. Blaſenſteine, Vortheile des verbeſſerten Ver— fahrens Heurteloups, dieſelb. in der Blaſe vollſtändig zu pulvern. 127. — Blaſen⸗ ſtein bei Kindern. 144. Blut, menſchliches, Metalle in demſ. 40. — vergleichende Analyſe des arteriellen und venöfen Blutes. 56. — normale Anz weſenheit von Kieſelerde, Mangan, Kupfer und Blei in demſ. 240. — Wirkung langen Faſtens auf das Blut. 319. Blutung, Stillung einer nach dem Aus⸗ ſchneiden der hypertrophiſchen Mandeldrü— ſen eingetretenen ſehr gefährlichen. 128. Bond, üb. die großen Nebelflecken des Orion. 10. Bonnafont, üb. die Fortpflanzung der Schalls wellen durch die feſten Theile des Kopfes als Mittel zur Beurtheilung der verſchie— denen Grade der Erregbarkeit der Gehör— nerven. 192. Bosphorus vormals geſchloſſen. 73. Bouiſſon, neue Heilart bei Brüchen des Schenkelbeines. 159. 354 Bourguignon, entomologifche und patholog. Unterſuchungen über die Krätze. 105. Bousquet, Einathmen von Sauerſtoffgas beim Croup. 352. du Breuil, Fauchet und Girardin, Dün- gungsverſuche mit Seeſalz. 264. Brewſter, über das optiſche Phänomen, die Natur und Ortlichkeit der mouches vo- lantes, mit Bemerkungen über die Stru— ctur des humor vitreus und das Sehen von Gegenſtänden im Inneren des Auges. 209. Brierre de Boismont, neue Beobachtungen über die Anwendung lange fortgeſetzter Bäder und Begießungen gegen acute For— men des Wahnſinnes. 297. Brüche des Schenkelbeines, derſ. 159. Bryant und Pappenheim, über das corpus striatum des Vogelgehirnes. 246. Burman, Behandlung eines unvereineten Knochenbruches mittels der Elektricität. 47. Burnetts, Sir William, patentirte antifepti- ſche Flüſſigkeit. 89. neue Heilart C. Camino, Herſtellung einer ſeit 23 Jahren verlorenen Sprechfähigkeit durch die Gal— vanopunctur. 14. van Camp, zufällige Krümmung des Knochens des Vorarmes. 6. Campanulaceen, über die Sammelhaare derſ. 911 den Vorgang der Pflanzenbefruchtung. Caſtelnau, über die Veränderung der organi— ſchen Typen in den heißen Ländern. 240. Caventou, über den relativen Werth des Eiſenorydhydrats und der Magneſia als Gegengift gegen arſenige Säure. 9. Ceder, die erſte vom Libanon nach Europa gebrachte. 184. Cerealien, üb. die Verfälſchungen derſ. und das relative Verhältniß der unorganiſchen Elemente ihrer Körner. 97. 129. Cereus, nur bei Nacht blühender. 298. Chaſſaignaes Art, die kalte Douche gegen eiternde Ophthalmie anzuwenden. 320. Chemiſche Außerungen verſchiedener in den Organismus eingeführter Stoffe, Verſuche in Betreff derſ. 256. Chevalier, einige Bemerkungen üb. die Höhe 9 oder Kuppeln des Nordlichtes. 40. Chinoidin. 208. Chlorogonium euchlorum, üb. deſſen Ver⸗ mehrungsweiſe. 86. Chorea, ſ. Veitstanz. au staphyloma der Regenbogenhaut. Giceulationsfoftem des Crocodilus lucius. 4. Coccionellen, wandernde. 185. i das langgeſchwänzte, auf Jamaica. 167. Cooledge, plötzl. Tod durch Eindringen von Luft in die vena jugularis interna. 64. Corpus striatum des Vogelgehirnes. 246. Cotton, Payne, Beobachtungen üb. das geo- Regiſter. log. Alter der Höhlen, in welchen ſich foſſile Knochen finden. 5 Craigie, Beobachtungen zur Vervollſtändi— gung der Geſch. der Entzündung und Ver— eiterung des Herzens. 215. W lucius, Circulationsſyſtem desſ. 1. Group, ſ. Bousquet. Cruciferen, Bau ihrer Blüthe. 321. Cyſten in der Gegend der Knieſcheibe, deren Erſtirpation gefährlich iſt. 59. D. Dalrymple, Fall von Gehirnkrankheit, durch welche der ſchwarze Staar veranlaßt wur⸗ de. 73. Dana, üb. die Mondvulcane. 177. 193. Darmtheil, invaginirter, Section eines Men— ſchen, von dem ein ſolcher ½ Jahr vor dem Tode abgegangen war. 160. Daſſen, über den Stengel der Monocotyle⸗ donen. 289. Dechamps, das normale Kupfers im thier. Körper. 248. Deſor, üb. die Beziehungen zwifchen den Erſcheinungen der errat. Blöcke im nörd— lichen Europa und der Hebung Skandina— viens. 278. Didot, Bildung eines künſtlichen Afters durch Einſchneiden in der Lendengegend nach der durch Amuſſat abgeänderten Methode Galli: ſens. 302. Douche, kalte, |. Chaſſaignae. Druhen, Section eines Menſchen, von wel— chem ½ Jahr vor dem Tode ein invagi— nirter Darmtheil durch den After abge— gangen war. 160. Duchartre, üb. polycotyledoniſche Pflanzen— embryone. 120. Dünger, die Arbeiten und Anſichten der neue— ren Phyſiologen und Chemiker üb. denſ. und das Aſſimilationsvermögen der Pflan— zen, nebſt Vorſchlägen zur Verbeſſerung des Ackerertrages. 113. Vorkommen des E. ene üb. das Zerfallen der Felsgeſteine. 0 Eiſenjodür und Chlorürſyrup gegen Scrofeln an Statt des feſten Eiſenjodürs der Phar maceuten. 64. Eiſenorydhydrat und Magneſia, relativer Werth derf. als Gegengift gegen arfenige Säure. Eismeer, üb. die Temperatur desſ. an ſeiner Oberfläche, an ſeinem Grunde und in der Nähe der Gletſcher Spitzbergens. 327. Elephant, Teſtikel eines etwa 40 jährigen. 10. Empfindungsvermögen, ſ. Beau. Enteroraphie, Spuren einer Operation derſ. nach 12 Jahren. 333. Epilepſie, zufällige Heilung derſ. durch Ter— penthinöl. 112. Erdball, üb. die Revolutionen desſ. 273. Erdl, üb. die phyſiologiſche Bedeutung der Schilddrüſe des Menſchen. 69. Erratiſche Blöcke im nördlichen Europa, üb. die Beziehungen zwiſchen den Erſcheinun⸗ gen derſ. und der Hebung Skandinaviens. 278. Eule, braune und weiße gemeine. 136. F. Färberbuchweizen. 170. Faraday, üb. die diamagnetiſche Beſchaffen— heit der Flamme und der Gasarten. 145. — üb. das Gutta Percha als Elektrieitäts⸗ Iſolator. 344. Farbeſtoff der Haare und der iris einiger Thiere, Beziehungen desſ. zu ihrem Ge— hörvermögen. 214. Favell, Aſthma der Schleifer. 185. Felsgeſteine, Zerfallen derſ. 40. Flamme, üb. die diamagnetiſche Beſchaffen— heit derſ. und der Gasarten. 145. Flechte, freſſende, in der Perinäalgegend. 96. Flechtenübel, ſ. Gibert. Foetus der Wiederkäuer ſteht durch Fein Ge— fäßſyſtem mit der Mutter in unmittelbarer Verbindung. 314. Fourquet, Lähmung der willkürlichen Be— wegung bei Fortdauer des Gefühlsver⸗ mögens, in Folge eines Sturzes auf den Nacken. 13. Froriep, ätiologiſche Grundlage der cholera. 128. Fry, Gireulationsfyften des Crocodilus lu- eius. Fuß, ſ. Huguier. G. Galvanismus, Anwendung desf. bei der Be: handlung gewiſſer Lähmungen der unteren Extremitäten. 233. 247. Galvanopunctur, ſ. Camino. G1 des peripheriſchen Nervenſyſtems. 11 Gasarten, diamagnetiſche Beſchaffenheit derſ., ſ. Faraday. Gasquellen im Golfe von Baku. 248. Gaſtinel, üb. das Haſchiſch oder das wirk— ſame Princip des Hanfes. 288 Gehirnkrankheit, durch welche der ſchwarze Staar veranlaßt wurde. 73. Gehörnerven, ſ. Bonnafont. Gehörvermögen, ſ. Sichel. Geſchwülſte, hängende. 41. 55. Gibert, Wachholderöl und verſchiedene bi— tuminöſe, harzige und e Subſtan⸗ zen gegen Flechtenübel. 25. Gintrac, üb. die Sclerodermie. 271. Golfſtrom. 186. Gordon, die Pelargonien. 154. Goſſe, üb. das langgeſchwänzte Colibri auf Jamaica. 167. Guerſant, Blaſenſtein bei Kindern. 144. — über Atheriſiren der Kinder. 176. Gutta Percha. 282. — Gutta Percha als Elektricitäts-Iſolator. 344. Guyton, Zurückbringung zweier eingeklemm— ten Leiſtenbrüche mittels Einathmens von Chloroform. 313. 329. H. Haar und ſeine Scheiden. 33. d'Halloy, ſ. d'Omalius d'Halloy. Halswirbelluration. 351. Hanf, ſ. Haſchiſch. f h Harnſtoff in der Glasflüſſigkeit des Auges. 26. — neue Beſtimmungsart des Harn⸗ ſtoffes. 106. — üb. die Gewichtsbeſtim⸗ mung des Harnſtoffes. 228. 5 Haſchiſch, oder das wirkſame Prineip des Hanfes. 288. } Satin, Stillung einer nach dem Ausſchnei— den der hypertrophiſchen Mandeldrüſen 1 ſehr gefährlichen Blutung. 128 Herapath, die von ſalpeterſaurem Silber her— rührenden Flecken aus der Leinwand zu bringen. 32. Herbſt, mikroſkopiſche Unterſuchungen über den Urſprung der Lymphgefäße. 71. Herz, Beobachtungen zur Vervollſtändigung der Geſchichte der Entzündung und Ber: eiterung desſ. | 9 Herzbeutelentzündung, acute, üb. die Dias gnoſe derf. in ihrem Anfangsſtadium, nebſt Betrachtungen üb. die Behandlung dieſer Krankheit. 110. v. Heßling, hiſtolog. Beiträge. 1. 17. 33. Heurteloup , Vortheile feines verbeſſerten Verfahrens, Blaſenſteine in der Blaſe vollſtändig zu pulvern. 127. Higginbottom, üb. die Anwendung des ſal⸗ peterſauren Silbers gegen Rothlauf. 169. Hiſtologiſche Beiträge. 1. 17. 33. 8 Höhlen, Beobachtungen üb. das geologifche Alter derjenigen, in welchen ſich foſſile Knochen finden. 1: Hollard, üb. die Anordnung der Tentakel der Actinien. 9. Hommaire, der Bosphorus vormals geſchloſ— en. : Hopfen, Analyſe feiner Aſche. 232. Hopfenblattlaus. 184. Hornhaut, dritte Schicht derſ. 1. Hühner, üb. die Ernährung derf. mit Gerſte. 198. Hughes, eine 4 Monate alte Verrenkung des radius und der ulna nach hinten. 29. Huguier, üb. die Verrenkungen des Fußes im allgemeinen und eine ſeltene Luxation des Fußes nach außen. 93. — üb. die freſſende Flechte in der Perinäalgegend. 96 Humor vitreus, Harnſtoff in demſ. 26. — Bau desſ. 209 J. Jackſon, Scheidung der Kieſelſäure aus den Pflanzen. 248. Jagdameiſen Weſtafricas. 121. James, üb. die Anwendung des Galvanis— mus bei der Behandlung gewiſſer Läh— mungen der unteren Extremitäten. 233. Judiſcher Archipel, naturgeſchichtliche Be⸗ merkungen üb. denſ. 225. 257. Rege It ent Inſecten, geflügelte, Entſtehung der Luftſäcke derſ. 106. Jobard, die Luft in den langen Knochen der Vögel zum Fluge nothwendig. 265. Jobert, Spuren von einer Operation der Enteroraphie nach 12 Jahren. 333. Johnſon, Michalowſki und Green Croſſe, 4 Fälle von Auswärtskehrung des uterus, von denen 3 mit Erfolg durch Unterbin- den behandelt wurden. 201. Jozau, Käſeſtoff zur Einhüllung mediein. Stoffe. 272. K. Kieſelſäure, Scheidung derſ. aus den Pflan— zen. 248. Kirchhöfe, Schädlichkeit derſelben in großen Städten. 160. Klima Weſtenglands. 80. Knochenbruch, Behandlung eines unvereinig— ten mittels der Magneteleftricität. 47. — ſchlecht zuſammengeheilter, wo die Mißbildung durch Reſection von Knochen— ſtücken gehoben ward. 265. Krätze, entomologiſche und patholog. Unter: ſuchungen üb. dieſ. 106 Kupfer, normales Vorkommen desſ. im thier. Körper. 248. L. Lähmung der willkürlichen Bewegung bei Fortdauer des Gefühlsvermögens, in Folge eines Sturzes auf den Nacken. 13. — Lähmungen der unteren Extremitäten, f. James. Leclaire, Zinkweiß für Bleiweiß in Künſten und Gewerben. 16. Leiſtenbrüche, Zurückbringung zweier einge klemmten mittels Einathmens von Chloro— form. 313. 329. Lineen. 161. Loyet, üb. die Verfälſchungen der Cerealien und das relative Verhältniß der unorgani— ſchen Elemente ihrer Körner. 97. 129. Luchs auf der ſchwäb. Alp. 346. Luftſäcke der geflügelten Inſecten, deren Ent— ſtehung. 106. Lunge, 50 jähriges Verweilen einer Flinten⸗ kugel in derſ. 46. Lymphgefäße, mikroſkopiſche Unterſuchungen üb. den Urſprung derſ. 71. — Lymph⸗ gefäße der Zunge. 88. M. Macdonnell, Verrenkung des astragalus nach innen und ein wenig nach oben. 48. Magneſia, ſ. Caventou. Magnetelektricität, ſ. Burman. Magnetnadel, ſ. Rowell. Martins, üb. die Temperatur des Eismeeres an ſeiner Oberfläche, an ſeinem Grunde und in der Nähe der Gletſcher Spitzber— gens. 327. Maury, der Golfſtrom. 186. 350 Meduſen, Entwickelung derſ. 305. Meeresoberfläche, Temperatur derſ. 313. Meerestemperatur. 297. 313. Menageriethiere, Sitten derſ. 232. Mikroſkop, neue Anwendung desſ. 216. Millon, Metalle im menſchl. Blute. 40. — neue Beſtimmungsart des Harnſtoffes. 106. — üb. die Gewichtsbeſtimmung des Harn— ſtoffes. 228. — normale Anweſenheit von Kieſelerde, Mangan, Kupfer und Blei im Blute. 240. Milz und Pfortader, Unterſuchungen über dieſ. 56. Miſtel der Druiden. 231. Molluſken, gaſteropodiſche der Ordnung e Organiſation derſelben. Mondvulcane. 177. 193. Monocotyledonen, über ihren Stengel. 289. Moore, Fall, wo eine Flintenkugel 50 Jahre in der Lunge verweilt hatte. 46. Morren, üb. die Wärme und ihren Einfluß auf die Vegetation. 81. Mouches volantes. 209. Mouquin: Tanden und Barker Webb, über den Bau der Cruciferenblüthe. 321. Mundſchwämmchen bei Säuglingen, Borar und Roſenhonig als die bewährteſten Mit— tel dagegen. 175. Murchiſon, üb. Capit. Vicarys Forſchungen üb. die Naturgeſchichte von Seinde. 90. N. Nachtigall, virginiſche. 154. Namiat, üb. die Anwendung des Rauchens von Stechapfelblättern gegen manche Krank— heiten der Reſpirationsorgane. 158. ai r und Arzte, Verſammlung derſ. Nekrolog: Dr. Erdl. 42. — J. Ch. Gaſe. 352. Wi peripheriſches, Ganglien desſ. Nerventhätigkeit, üb. die Geſetze derſ., ſo— wie die Function der Wurzeln der Spi— nalnerven. 285. Newport, Entſtehung der Luftſäcke der ge- flügelten Inſecten. 6. — über die Anatomie und Entwicklungsgeſchichte des Olkäfers. 170. Nicolet, üb. die Organiſation und Entwick— lung der Actinophrys. 199 Niere, zur Anatomie derſ. 1. Nordlicht, üb. die Urſachen desſ. und der Abweichung der Magnetnadel. 337. — üb. die Höhe der Bogen oder Kuppeln desſ. 340. O. Olkäfer. 170. O' Ferrall, praktiſche Bemerkungen üb. hän⸗ gende Geſchwülſte. 41. 55. d'Omalius d' Halloy, üb. die Revolutionen des Erdballs. 273. Ophthalmie, eiternde, Chaſſaignaes Art, die kalte Douche dagegen anzuwenden. 320. Opisthobranchii, ſ. Blanchard. 356 Orion, die großen Nebelfleden desſ. 10. Ornithorhynchus. 282. P. Papillaud, über die Behandlung der Ruhr und anderer mit Durchfall verbundenen Krankheiten der Därme in den warmen, aber außerhalb der Tropen liegenden Län: dern. 112. Payen, die nach Senfpflaſtern entſtehende Entzündung der Haut. 0 Peacock, Beobachtung eines aneurysma der linken arteria coronaria des Herzens. 174. Peddie über die Rückenmarksapoplexie. 155. Pflanzen, Aſſimilationsvermögen derf., f. Dünger. h Pflanzenbefruchtung, ſ. Wilfon. Pflanzenembryonen, polycotyledoniſche. 120. Pfortader, ſ. Beclard. 1 über die Familie der Lineen. 161 Poelmann, Verdauungsapparat des Python bivittatus. 74. Poggiale, vergleichende Analyſe des arteriels len und venöfen Blutes. 56. Prevoſt, Wirkung langen Faſtens auf das Blut. 319. Python bivittatus, ſ. Poelmann. N. Radius und ulna, ſ. Hughes. Rambaud, über die Diagnoſe der acuten Herzbeutelentzündung in ihrem Anfangs- ſtadium nebſt Betrachtungen über die Be— handlung dieſer Krankheit. 110. v. Rapp, der foetus der Wiederkäuer ſteht durch kein Gefäßſyſtem mit der Mutter in directer Verbindung. 314. Regenbogenhaut, staphyloma derſ. 16. Regnault, üb. die Reſpiration der Thiere. 21. 355 über die Entwicklung der Meduſen. 305. Reinhardt, über die ſogenannte Spaltbarkeit der Zellkerne. 241. Reſpiration der Thiere. 21. Reſpirationsorgane, ſ. Namiat. Rheumatismus, Verbindung desſ. mit dem Veitstanze. 121. Robin, üb. die Ganglien des peripheriſchen Nervenſyſtemes. 119. Roß, Sir J. C., üb. die Meerestemperatur. 297. — Temperatur der Meeresoberfläche. 313. — Höhe der Wellen. 346. Rowell, über die Urſachen des Nordlichtes 705 die Abweichung der Magnetnadel. Rückenmarksapoplerie. 155. Ruhr, über die Behandlung derf. und an— derer mit Durchfall verbundenen Krankhei— ten in den warmen, aber außerhalb der Tropen liegenden Ländern. 112. Rynd, ſchlecht zuſammengeheilter Knochen— bruch, in welchem die Entſtellung durch Nie eee Ban von Knochenſtücken gehoben ward. 265. S. Sace, Beobachtungen über die Ernährung der Hühner mit Gerſte. 198. Salpeterſaures Silber, die von demſelben rührenden Flecken aus Leinwand zu brin— gen. 32. — ſalpeterſaures Silber ge— gen Rothlauf. 169. SUR über die Lymphgefäße der Zunge. Sauerſtoffgas, Einathmen desf. beim Croup. 352. Schallwellen, Fortpflanzung derf. durch die feſten Theile des Kopfes als Mittel zur Beurtheilung der verſchiedenen Grade der Erregbarkeit der Gehörnerven. 192. Scheidenbildung, künſtliche. 125. Schenkelbein, ſ. Bouiſſon. Schenkelbeinbruch, ſchief geheilter, durch Zerbrechung des callus wieder aufgefriſcht und vollſtändig geheilt. 304. Schilddrüſe des Menſchen, über die phyſio— logiſche Bedeutung derſ. 69 Schimmelräude und Athmungsbeſchwerden der Arbeiter in Schwammfabriken. 345. Schimper, über die meteorologifchen Ver— hältniſſe Abyſſiniens. 230. 5 Schlangen in den Aquatorgegenden Ameri— cas. 26. Scinde, Capt. Vicarys Forſchungen über die Naturgeſchichte desſ. 90. Sclerodermie. 271. Scrofeln, ſ. Battley. Second, Unterſuchungen über die Stimme bei der Inſpiration. 313. Sedillot, von der freiwilligen Wiedervereini— gung der Speiſeröhre, nachdem dieſelbe mittels einer Ligatur völlig durchſchnit— ten worden. 205. Seeſalz, Düngungsverſuche damit. 264. Seeſchlange, üb. die große. 328. Sehen von Gegenſtänden im Innern des Auges. 209. Senfpflaſter, die nach denſelben entſtehenden Entzündungen der Haut. 192. Seémanas, üb. das bösartige Wechſelfieber der Säuglinge, beſonders zur Zeit des er— ſten Zahnens. 281. Seringa oder Federharzbaum Braſiliens. 105. Sichel, üb. die Beziehungen des Farbeſtof— fes der Haare und der iris einiger Thiere zu ihrem Gehörvermögen. 214. Smith, Toulmin, ein nur bei Nacht blü— hender Cereus. 298 Solly, zufällige Heilung der Epilepſie durch 122; Terpenthinol. 112. Sonnenſpectrum, Bild desſ. Speiſeröhre, von der freiwilligen Wieder— vereinigung derſ., nachdem dieſelbe mittels einer Ligatur völlig durchſchnitten worden. 205. Spinalnerven, ſ. Williams. Sprechfähigkeit, Herſtellung ſeit 23 Jahren verlorener durch Galvanopunctur. 14. Staar, ſchwarzer, ſ. Dalrymple. Staphyloma der Regenbogenhaut. 16. Stechapfelblätter, Rauchen derf. gegen manche Krankheiten der Reſpirationsorgane. 158. Stimme bei der Inſpiration. 313. Strom heißen Waſſers von den Küſten Chi⸗ 185 nach der Nordweſtküſte Americas. 136. T. Talkerde, erdige kohlenſaure, Lager derſ. in Irland. 232. Taylor, der Färberbuchweizen. 170. Teiſſier, Squillawein mit Laudanum als harntreibendes Mittel gegen Waſſerſucht. 176. Terſäncky, die Schimmelräude und die Ath- mungsbeſchwerden der Arbeiter in den Schwammfabriken. 345. Thee, grüner, chemiſche Analyſe desſ. 90. Thiere, Reſpiration derſ. 21. Thieriſcher Körper, ſ. Dechamps. Tod, plötzlicher, durch Eindringen von Luft in die vena jugularis interna. 8 Todd, Bentley, üb. die Reizbarkeit der Mus— keln gelähmter Gliedmaßen. 207. Trouſſeau, Borar und Roſenhonig als die bewährteſten Mittel geg. d. Mundſchwämm⸗ chen bei Säuglingen. 175. — ſchmerz⸗ ſtillender Breiumſchlag gegen arthritis. 208. Typen, organiſche, Veränderung derſ. in den heißen Ländern. 240. u. Uterus, 4 Fälle von Auswärtskehrung desſ., von denen 3 mit Erfolg durch Unterbin— den behandelt wurden. 201. V. Veitstanz, ſ. Begbie. — ätiolog. Grund⸗ lage desſ. 128. ee eee des Python bivittatus. 4. Verdier, üb. Cyſten in der Gegend der Knie⸗ 2 deren Exſtirpation gefährlich iſt. Verhaeghe, ſchief geheilter Schenkelbruch durch Zerbrechen des callus aufgefriſcht und geheilt. 314. Verreaur, der Ornithorhynchus. 282. Verrenkung des radius und der ulna nach hinten, 4 Monate alte. 29. — Verren⸗ kung des astragalus nach innen und ein wenig nach oben. 48. — Verrenkungen des Fußes im allgemeinen und eine ſel— tene Luxation des Fußes nach außen. 93. Vögel, deren Furcht vor den Menſchen. 200. — die Luft in den langen Knochen derf. zum Fluge nothwendig. 265. Vorarm, zufällige Krümmung der Knochen dess. 390 W. Wachholderöl und verſchiedene bituminöſe, harzige und brenzliche Subſtanzen gegen Flechtenübel. 25. 72 595 und ihr Einfluß auf die Vegetation. Wahnſinn, ſ. Brierre de Boismont. Walker, Schädlichkeit der Kirchhöfe in gro— ßen Städten. 160. Warrington, chemiſche Analyſe des grünen Thees. 90. Regiſt er. Waſſerſucht, Squillawein mit Laudanum als harntreibendes Mittel dagegen. 176. Watts, Aſchenanalyſe des Hopfens. 232. rer, bösartiges der Säuglinge. Weiße, üb. die Vermehrungsweiſe des Chloro- gonium euchlorum Ehr. Wellen, Höhe derſ. 346. Werfer, Halswirbelluration. 351. Williams, üb. die Geſetze der Nerventhä— tigkeit, ſowie die Function der Wurzeln der Spinalnerven. 285. 357 Wilſon, üb. die Sammelhaare der Campa⸗ nulaceen und den Vorgang der Pflanzen- befruchtung. 311. Woodward, üb. die große Seeſchlange. 328. 3. Zellenkerne, über die ſogenannte Spaltbar— keit derſ. 241. Zinkweiß für Bleiweiß in Künſten und Ge— werben. 16. Zunge, über die Lymphgefäße derſ. 88. Bibliographische Neuigkeiten. A. A brief account ete. 271. Aguilhon, J. J. Hippolyte. 16. Andral, G., rec. et publ. par Am. Latour. 288. Audouit, Edm. 47. Auzoux. 335. B. v. Baer, K. E. u. G. v. Helmersen. 239. v. Bärensprung, F. 32. Baillarger. 48. Ballantyne, R. M. 239. 335. Barlow, T. W. 239. v. Baumhauer, A. J. G. 48. Bennett, J. H. 48. Bérard, P. 335. Bertolonius, A. 15. Berzelius, J. Bird, G. 159. Blasius, L. 80. Bonnet, M. A. Bossu. 287. Bouillaud, J. 336. Brillenbesteck, über den Gebrauch u. s. w. 240. 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Piazzi. 47. Pichard, F. L. 128. Pieplu, L. 160. Regi ſt e r. Pradal, Amed. 64. Projet etc. 352. G. Quekaki Mourikouani, annoté et publ. par M. Bonafons, traduit par J. Hoffmann. 351. Quenard. 287. Ramsay, A. C. 319. Reichenbach, L. 175. Reichenbach, H. G. L. 175. Rendu, Alp. 144. Revue médicale. 32. Richard. 79. Richardson, Sir John, and J. E. Gray. 255. Ritterbrandt, L. A. 320. Robert, Alph. 128. Roland, Edm. 239. 272. Rosenhauer, W. 6. 127. Rowe, G. R. 112. S. Saimard, P. 352. Savaresse, Ph. 79. Schernhorſt, A. 48. Schlemm, Th. 80. Schmalz, E. 208. Schneemann, C. 16. Seylfer, O. E. J. 192. v. Siebold, Ph. F. 111. Shapter, I. 304. Simonin, Ed. 288. Sketches etc. 335. Smith, C. H. 303. Smith, J. T. 240. Stanley, B. P. 15. Stephens, H. 320. Stevenson, W. F. 255. Stöcklein, R. 192. Sturm, J. 175. de Sussex, F. S. M. 207. T. Thaon, Giov. Battista. 48. Thibault, V. 352. Thomson, A. 159. Transactions etc. 31. V. Vidal, A. 96. 112. Walpers, G. G. 175. Zeitschrift u. s. W. 207. | Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt . don M. J. Schleiden, 2 der Rechte, der Mevieln und der Phlloſophie Doctor, des Königl. Nieverländiſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, } ö Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agrieultural Soeiety zu Newyork, der Kaiſerl. Leopoldind⸗Caxoliniſchen Geſellſchaft ver Naturforſcher, der K. K. Geſellſchaft der Arzte in Wee „der Societas pysico-medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Geſellſchaft, des norddeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgiſchen naturwliſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, correſponvirendem und Ehrenmitgliede Au ] und Dr. Bobert Froriep, des rothen Adler-Ordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Medleinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Académie nationale de Medecine zu Paris, der e A Th en Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Lükare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Moſkwa, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des a nen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu eu Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren-Mitglieve des DBereins Großherzogl. Bapifcher Medleinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats ⸗Arzneikunde, des Apotheker⸗Verelns im nördlichen Deutſchland und des natur⸗ wiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes. Dritter Reihe ſiebenter Band. 8 Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs. 1848. N P 1 — dr; 5 da Ne. 1 4 4 GP EI . G, f 4 2 Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von M. J. Schleiden, der Rechte, der Medicin und der Philoſophie Doctor, ves Königl. Nieverländiſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newyork, der Kaiſerl. Leopolvino = Garolinifchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Geſell⸗ ſchaft der Arzte in Wien, der Societas physico- medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Geſell⸗ haft, des nordpeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgiſchen naturwiſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem correſpondirendem und Ehrenmitgliede und Dr. Robert Froriep, des rothen Adlerordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Mevicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, 5 0 und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de Médecine zu 3 der Hufelandiſchen medleiniſch⸗chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für ur in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde iu Berlin, der Geſellſchaft für Ervkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Mofkwa, der K. K. Geſellſchaft der ie in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu- Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehrenmitgliede des Vereins Großherzogl, 85 Medieinalbeamten für die Beförderung der Staatsarznelkunde, des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Dritter Reihe ſiebenter Band. Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 1848. i 9 7 611 Gi j . \ j 5 UD een “ren Wann. LE f > fer n ! & * 140 8 * 2 N KW W 5 u. E 9 2 INTER 7 N „ I 2 . l. 1 f j i N 4 70 10 u m u een N N Fi ' 1 ee N N wer MEN fh A ne An Ph nal n f g e * 0 e rain nd Mark Nail! 6 lm Une RN i il f DANN obe pee eee W %%% een e e e IN linie eee ee eee ! IR I MET TEN i e - 16690 N , eee, hl. a J N E A e | ‘ ws b 1 9 ie enen, ee Wa er MY hy. AM N RR EN | d 13) nu. ag, E ae e e ee wi ci Aue 6 1 % vun u Summit } Ta e Nee N ee neee e een 0 . ur bee r ae ee , le e ee ee ee e een a. ö N . kim all N 1900 Rah ee un eee e eee Wan Bu Na I Be W I BIS TRITT DEZ en aan a een * It San N 1! | ya } Asa BAT SHIRT MT Ti UN N, 4 N 13 N N id P 71 A m 1 iS F u * y v rw ‚ala oe ul 8 10 e * Ma Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. 2 . Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 133. (Nr. 1. des VII. Bandes.) Juni 1848. Naturkunde. Nöggerath, intereſſantes Baſaltvorkommen in der Rheingegend zwiſchen Honnef und Rheinbreitbach. — Owen, Beſchreibung des atlas, beter und der Zwiſchenwirbelkeilbeine des Plesiosaurus mit Bemerkungen über die Zurückführung dieſer Knochen. — Miſcellen. Pappenheim und B arthelen, die Zwitterdrüſe der beſchalten Schnecken. Henne mit männlichem Gefieder. Die Buche nur ſelten vom Blitze getroffen. — Heilkunde. Dolezälek,, über Verhütung und Heilung der Blindheit, Taubſtummheit und des Cretinismus auf medic. und paͤdagog. Wege. — Miſcelle. Bouil⸗ laud, über den Sitz des Sprechvermögens. — Bibliographie. Natur kunde. I. Intereſſantes Baſaltvorkommen in der Rhein- gegend zwiſchen Honnef und Rheinbreitbach. Von J. Nöggerath. (Hierzu die Abbildung Figur 1 auf beiliegender Tafel.) Es bedarf allerdings keiner Beweiſe mehr, daß die Baſalte von unten herauf durch ſedimentäre oder ältere erup— tive Geſteine durchgebrochen find. Faſt jede Gegend, worin Baſalte vorkommen, bietet unwiderſprechliche Thatſachen des vollkommenſten Durchbruchs der Baſalte bis zur Oberfläche dar. Viel ſeltener aber ſind die Vorkommniſſe, wo die ba— ſaltiſchen Maſſen die Geſteine, welche ſie zu durchbrechen hatten, nur unsollkommen durchbrochen, deren Oberfläche nicht erreicht haben und aus Mangel an zureichender erup— tiver Kraft in denſelben ſtecken geblieben ſind. In der an baſaltiſchen Erhebungen ſo reichen nieder— rheiniſchen Gegend habe ich erſt ganz neuerlich den erſten Punkt jener letzten ſpeciellen Art aufgefunden. Er iſt durch die Beſtimmtheit und Schärfe in ſeiner Erſcheinung beſon— ders ausgezeichnet, und da dieſe ſelbſt auf einen verhältniß— mäßig kleinen Raum beſchränkt iſt, ſo eignet ſie ſich ſehr zur bildlichen Darſtellung, welche das Thatſächliche beſſer erläutern kann, als eine ſehr umſtändliche Beſchreibung. Nur wenige beſchreibende Worte werden daher zu dem hier beigegebenen Bilde nöthig ſein, welches ein ſehr lieber Zu— hörer von mir, Hr. Otto Weber aus Bremen, an Ort und Stelle recht naturgetreu aufgenommen hat. Es ſtellt eine ſteile, faſt ſenkrechte Steinbruchwand in einem Weinberge vor, welcher in den ſchönen Anlagen beim Hager Hof, einer Villa des Hrn. Farina aus Cöln, nahe bei dem Weiler Menzenberg, dem ſüdlichſten Ende des gro— ßen Dorfes Honnef, in geringer Entfernung von Rhein— breitbach auf der rechten Rheinſeite liegt. Der Hager Hof No. 2113. — 1013. — 133. mit ſeinen Anlagen verbreitet ſich in einem kleinen Gebirgs⸗ buſen, welcher ungefähr eine halbe Stunde weit von dem Ufer des Rheines zurückliegt. Unſer Steinbruch befindet ſich einige hundert Schritte ſüdlich vom Wohngebäude. Wir ſehen in dem dargeſtellten Steinbruchprofil, über welchem ſich eine zur perſönlichen Sicherheit angelegte Hecke befindet, das baſaltartige Geſtein in einer etwas flach ge— drückten halbkugelförmigen Geſtalt, von oben und von den Seiten vom Thonſchiefer, der herrſchenden Gebirgsart der Gegend, umgeben. Die Sehne des baſaltartigen Bogens, ſo weit als derſelbe ſichtbar iſt, hat nur eine Länge von 15 Fuß und ſeine Höhe beträgt 6 Fuß, welche Maße zugleich als Maßſtab für die übrigen Verhältniſſe des Bildes dienen können. Unter dem Bogen fett das bafaltartige Geſtein allerdings fort; aber die Geſtalt dieſer Fortſetzung nach unten, nämlich ob ſich der Bogen noch weiter ſeitlich aus— breitet und das baſaltartige Geſtein alsdann in einer brei— tern Maſſe niederſetzt, oder ob es bald ein gangartiges oder irgend ein anderes Anſehen gewinnt, iſt der Beobachtung durch die reiche Dammerdebedeckung des unter dem Bogen mit flacher Neigung ſich ausbreitenden Weinberges entzogen. Die baſaltartige Maſſe innerhalb des profilariſchen Bogens iſt ſehr deutlich, aber etwas unregelmäßig, in einer doppel⸗ ten Weiſe abgeſondert, nämlich concentriſch-ſchalig und zu— gleich radial auf die Schalen, gerade ſo wie ſich auch ſonſt oft die Abſonderungen an großen Baſaltkugeln zeigen. Ganz abſichtlich habe ich oben das eruptive Geſtein bafaltartig genannt. Eigentlicher, ſcheinbar homogener Ba⸗ ſalt iſt es nicht, vielmehr könnte man es mit größerm Rechte Dolerit nennen, denn ſchon ziemlich mit bloßem Auge er— kennt man ſeine kryſtalliniſch-körnige Zuſammenſetzung, vor⸗ waltend aus einem gelblichweißen feldſpathartigen Mineral (Labrador?) beſtehend, worin ſchwarze Körper liegen. Der 1 3 133. VII. 1. 4 größte Theil dieſer letztern iſt Magneteiſenſtein oder nach der Analogie ſeines Vorkommens wohl noch eher Titan— eiſen, welches oft ſogar einen Durchmeſſer von 1 bis 2 Liz nien gewinnt, auch Kryſtallflächen zeigt. Ein geringerer Theil des ſchwarzen Eingemenges duͤrfte Augit ſein. Das Geſtein hat ziemlich viele, meiſt faſt kugelrunde Blaſenräume, gewöhnlich von 2 bis 3 Linien, in einzelnen Fällen aber ſelbſt von 4 Zoll Durchmeſſer. Dieſe Blaſenräume haben zuweilen im Innern einen gummiartig ausſehenden, glän— zenden, ganz, dünnen, weißlichen, gelben oder auch bräunlichen Überzug. Über ſeine Natur vermag ich bei der großen Dünnheit nicht zu entſcheiden. Er könnte glasartig (waſſer— los kieſelig), aber auch eben jo gut hyalitartig (Kieſel— Hydrat) ſein. Die Peripherie des halben Bogens der eruptiven Maſſe it, zwiſchen dem bafaltartigen Geſteine und dem umgren— zenden Thonſchiefer, mit einem, etwa zwei Zoll dicken Saal— bande erfüllt. Es iſt in der Zeichnung ſichtbar. Dasſelbe beſteht aus einem feinerdigen, ſchmutziggrauen, in kleine ſtumpfeckige Stückchen brechenden Mineral, welches im Waſ— ſer, unter Entwicklung von Luftbläschen, in kleine Bröckchen zerfällt und alſo dieſe Eigenſchaft mit dem Bol theilt, mit welchem überhaupt dieſes Mineral, wie ſo manche Zerſetzungs— producte, welche andere Baſalte begleiten, am meiſten über— einkömmt. Man wird geneigt, dieſe bolartige Bildung als die ſpätere Einfüllung durch Einſchwemmung in den durch Contraction des baſaltartigen Geſteins entſtandenen leeren Raum anzuſehen. Auf dem Bilde giebt ſich ferner das Streichen und Fal— len des Thonſchiefers, welcher die baſaltartige Maſſe umgiebt, genau zu erkennen. Es iſt bemerkenswerth, daß auch hier, wie es bei baſaltiſchen Empordrängungen gewöhnlich der Fall iſt, der Thonſchiefer in feiner Lagerung durch das Em— porſtreben der bafaltartigen Maſſe gar nicht verändert wor— den iſt. Nur derjenige Theil des Thonſchiefers, welcher unmittelbar auf dem Bogen des eruptiven Geſteins liegt, iſt etwas zerriſſen, zerklüftet, ohne daß aber dadurch irgend das Streichen und Fallen des Thonſchiefers modificirt wor— den iſt. Der ſchmutzig gelbliche Thonſchiefer iſt auch in ſeiner Beſchaffenheit in der Nähe des baſaltartigen Geſteins nicht weſentlich verändert; er bricht allerdings etwas unvoll— kommen griffelförmig, allein dieſes iſt eine Erſcheinung, welche ſich auch bei vielem andern Thonſchiefer wiederfindet, der keine eruptiven Maſſen in der Nachbarſchaft hat. (Aus d. Verh. d. Nat. Vereins zu Bonn, V. Jahrg. S. 33.) II. Beſchreibung des atlas, epistropheus und der Zwiſchenwirbelkeilbeine des Plesiosaurus mit Be⸗ merkungen über die Zurückführung dieſer Knochen. Von Prof. Owen. (Hierzu die Abbildung Fig. 2 — 7. auf beillegender Tafel.) Schon in ſeinem Berichte über foſſile britiſche Repti— lien macht der Verf. auf die Homologie der von Grey Egerton im Nacken verſchiedener Ichthyosaurus-Arten ent: deckten Zwiſchenwirbelkeilbeine aufmerkſam, don denen ihm das eine eine Wiederholung des Zahnfortſatzes, das andere aber des ſogenannten Körpers des atlas noch lebender Rep— tilien zu ſein ſcheint. Indem er genannte Knochen in ihren weiteren Beziehungen genauer verfolgte, hält er ſie nunmehr für iſolirte Knochenbildungen im unteren Theile der chorda dorsalis, indem er dieſe Anſicht durch die Anordnung der Wirbelſäule eines großen ſiluriſchen Fiſches erläutert. Fig. 2 zeigt dieſen merkwürdigen Bau an dem Längsſchnitte durch die verwachſenen Hals- oder vordern Bauchwirbel des Bagrus tachypomus in natürlicher Größe. co iſt das Gen- trum des Occipitalwirbels; in deſſen innerer markiger Theil; ex ſein feſter Rindentheil; der hintere markige Theil iſt nicht verknöchert und als tiefe dem atlas zugewandte Grube, die von dem flüſſigen gallertartigen Reſte der chorda dor- salis erfüllt ward, hinterblieben, während eine fortgeſetzte Verknöcherung die Rindentheile des Occipitaleentrums (ex) mit dem Centrum des atlas (ca, ex) verſchmelzen ließ. ca iſt der verknöcherte Marktheil des Atlascentrums, no iſt der Neuralbogen des Hinterhauptwirbels von ſeinem Centrum getrennt; ex der Centraltheil des Körpers vom epistropheus; cx, ex der Rindentheil desſelben; nx der Neuralbogen des epistropheus, für die motorischen und ſenſibeln Wurzeln beſonders durchbohrt; e3 Mitteltheil des Körpers des Zten Wirbels, 63, ex, Rindentheil desſeſben, n3 Neuralbogen ; c4 Centraltheil des Aten Wirbelkörpers, 4, ex, deſſen Corticaltheil, n4 Neuralbogen desſelben; c5 Centraltheil des Sten Wirbelkörpers, 5, ex, deſſen Rindentheil, 15 deſſen Neuralbogen. Von hier an erhalten die Wirbel ihre gewöhnliche kurze Geſtalt, wie ſie c6 vorſtellt, find auch von hier an nicht mehr verwachſen. Bei den fiſchähnlichen Batrachiern, der Menopome z. B. ſind Körper und Neuralbogen des atlas mit einander ver— ſchmolzen; die vorderen Gelenkfortſätze erſtrecken ſich von dem Vordertheile des Neuralbogens bis auf die Seiten des Vordertheils vom Centrum, welches ſich zwiſchen ihnen gleich einem Zahnfortſatze vorwärts richtet. Die Gelenkflächen der Zygapophyſen (processus obliqui der menſchlichen Anatomie) find faſt eylindriſch, etwas concav, nach vorn und etwas auf— wärts gerichtet und zur Aufnahme der converen condyli der mit einander verwachſenen Groceipitalwirbel (2) beſtimmt. Die hinteren Zygapophyſen des atlas haben deßhalb große, faͤſt kreisrunde nach unten gerichtete Gelenkflächen. Der Körper des atlas ſcheint auf Koſten des Centraltheils der chorda dorsalis, welche den vordern converen mit der pars basilaris ossis oceipitis am Grunde des foramen magnum arti⸗ culirenden Theil bildet, entſtanden zu ſein. Eine tiefe an der Rückenſeite des atlas gelegene Höhle enthält die nicht verknöcherten Überbleibſel des nucleus gelatinosus der chorda dorsalis. Durch die bedeutende Verknöcherung des Centraltheils des atlas gleichen ſowohl die Menopome als andere durch Kiemen athmende Reptilien den Fiſchen. Wenn nämlich auch der übrig gebliebene Theil der chorda dorsalis, welcher in der vordern Höhle des atlas und in der hintern Höhle der pars basilaris ossis oceipitalis, ſowohl beim Wels (Si- 5 133. MII. 1. 6 lurus) als andern Knochenfiſchen liegt, verknöchert und mit dem atlas verſchmolzen wäre, ſo würde dieſer Wirbel genau dem atlas des Menopome gleichen, deſſen eigenthümlich mo— difieirte Geſtalt der Verf. einer Verknöcherung des vorderen Endes des Centraltheils der chorda dorsalis zuſchreibt. Wenn ſich dagegen ein ſolcher zu Knochen gewordener Theil des Wirbelknorpels, ſtatt mit dem atlas mit dem oceiput ver— einigte, fo würde auf der Rückſeite des Oecipitalcentrums ein Höcker entſtehen, der in die vom vordern Theile des atlas frei gelaſſene Höhle paſſen würde. Gerade dies Ver— hältniß findet ſich auch in der ausgeſtorbenen fiſchähnlichen Familie der Enalioſauren. Fig. 3 zeigt die vorderen Hals— wirbel des Ichthyosaurus, wo der pars basilaris ossis occi- pitalis (eo) einen converen condylus bildet, der in die Höhle des Vordertheils vom Atlaskörper (oa) paßt und unten durch das erſte Keilbein (ea, ex) vervollſtändigt wird. Der Haupt- oder Centraltheil des Atlaskörpers iſt ſchon früh mit dem Körper des epistropheus (ex) verwachſen; ſie was ren bei einer Art, wo Egerton ſie zu trennen vermochte, durch flache und ebene Oberflächen vereinigt. Am untern Theile dieſer früh verknöchernden symphysis iſt ein zweiter kleiner, nicht verwachſener Knochen (ex, ex) eingefeilt, und noch ein drittes, aber kleines Keilbein (e3, ex) liegt unten zwiſchen dem epistropheus und dem dritten Halswirbel. Die Lage der vorderen Wirbel des großen ſiluriſchen Fiſches (Fig. 2), bei welchen der Verf. die biconcaven Cen— traltheile des Körpers des atlas, epistropheus und der 3 fols genden Wirbel durch unterbrochene Verknöcherung des Cen— traltheils der chorda dorsalis befeſtigt fand, während nach unten das ganze durch eine ununterbrochene Verknöcherung in der Capſel der chorda dorsalis verbunden war, wird bald zeigen, wie des Verf. Behauptung, daß die Unterwirbelkeil— beine des Ichthyosaurus durch eine getrennte Knochenent— wicklung im untern Theile der Knorpelcapſel entſtanden ſind, zu verſtehen iſt. Dieſe Keilbeine finden ſich, wie erwähnt, zwiſchen oceiput und atlas und dem Zwiſchenraume der bei— den oder 3 folgenden Halswirbel, ſind aber bei verſchiedenen Arten ihrer Zahl nach verſchieden. Eine genaue Unterſuchung des atlas und epistropheus beim Plesiosaurus beſtärkten den Verf. nicht allein in ſeiner Anſicht von der Allgemeinheit der Unterwirbelkeilbeine, ſon— dern machte ihn noch zu einer zweiten Hypotheſe für die Deutung des erſten oder vorderſten der genannten Knochen geneigt, nach welcher der ſogenannte Atlaskörper der lebenden Saurier und Chelonier dieſem erſten Keilbeine entſpricht und als der Rindentheil eines ſolchen Wirbelkörpers gleich der Knochenplatte unter dem biconcasen Centraltheile des Atlas: körpers bei dem ſiluriſchen Fiſche zu betrachten iſt. Beim Plesiosaurus (Fig. 4) zeigt der atlas und epistro- pheus die allgemeinen Verhältniſſe der übrigen Halswirbel; fie find folglich länger als beim Ichthyosaurus, aber wie dort mit einander verwachſen; der Länge nach meſſen ſie 4½ Centimeter, die vordere concane Oberfläche des atlas beträgt 3 Centim., während die weniger concave, hintere Oberfläche des epistropheus 3½ Centim. mißt. Der Neur⸗ albogen jedes Wirbels iſt mit ſeinem Centrum verſchmolzen, und durch ein ähnliches Zuſammenfließen des erſten und zweiten Keilbeines unter ſich und mit ihren reſpectiven Mit telpunkten nach unten ein langer, ſtumpfer Fortſatz entſtan— den. Die Grenze des vordern Keilbeines iſt noch erkennbar (ca, ex), dasſelbe iſt hier verhältnißmäßig länger, als beim Ichthyosaurus und auch bei beiden Thieren länger, als die folgenden Keilbeine. Es bildet beim Plesiosaurus das klei— nere Dritttheil (B ca, ex) der Gelenkgrube des atlas für den condylus des Hinterhauptes. Die verwachſenen Baſen der Neurapophyſen (na) des oberen Randes der Gelenk— grube und der Mitteltheil oder Grund dieſer Höhle ſind durch das Centrum des atlas (ca), oder vielmehr durch den Theil, der, wie bei dem filurifchen Fiſche, vor dem Centraltheile der chorda dorsalis entwickelt iſt, gebildet. Das kleinere oder zweite Keilbein (ex, ex) liegt an der untern Seite des Zwiſchenraumes von atlas und epi- stropheus, iſt aber ſowohl mit beiden Knochen, als mit dem größeren, erſten Keilbeine oder Rindentheile des Atlaskörpers (ca, ex) verſchmolzen. Letzterer entwickelt an feinem untern Theile eine dicke, aber kurze, rauhe tuberositas, während das zweite Keilbein keinen ſo bemerkbaren Höcker bildet; beide ſind indeß ſo innig mit einander verſchmolzen, wie es beim ſiluriſchen Fiſche in der ununterbrochenen Verknöcherung des unteren Theiles der chorda-dorsalis-Kapſel unter den Cen— traltheilen der Körper des atlas und epistropheus vorkam (Fig. 2, ca ex, ex ex u. |. w.). Beim Plesiosaurus iſt kein Querfortſatz vom Centrum des Atlas vorhanden, wohl aber ſpringt die Baſis der abwärts gedrückten parapophysis p (der untere Querfortſatz), oder die verwachſene Rippe an jeder Seite des epistropheus vor. Bei einem großen Leguan (Amblyrhynchus) hat der⸗ jenige Theil, welchen Cuvier beim Monitor und Krokodil als Körper des atlas beſchreibt, eine keilförmige Geſtalt (Fig. 5, ca, ex), dem erſten Keilbeine des Plesiosaurus gleich, bildet hier auch das untere Dritttheil der für den condylus des Hinterhauptes beſtimmten Gelenkgrube. Hinten artieulirt es mit einem zweiten ähnlich geformten Keilbeine (ex, ex), oben mit dem ca benannten, durch eine punctirte Linie bezeichneten Theile, der dem Atlaskörper, oder vielmehr dem innern Theile des letzteren, beim Plesiosaurus entſpricht (Fig. 4, ca), aber hier unmittelbar den Neuralbogen (na) trägt, während beim Amblyrhynchus die Baſis jeder Neuras pophyſe (Fig. 5, na) abwärts ſteigt, um auf dem Rande der Keilbeinbaſis (ca, ex), welche den untern peripheriſchen Theil des Atlaskörpers vorſtellt, zu ruhen. Der zwiſchen den Baſen der Neurapophyſen befindliche Raum wird durch einen nicht verwachſenen, kleinen Knochen (ca), der mit einer flachen Oberfläche dem Körper des epistropheus (e x) dicht anliegt, eingenommen; er bildet den Grund der Gelenkgrube für den condylus des oceiput und ſtellt denjenigen Knochen vor, den Cuvier beim Monitor als Analogon des Zahn— fortſatzes beſchrieb, der aber durchaus dem Theile des Atlas— körpers entſpricht, der mit flacher Oberfläche durch frühzeiti— ges Verwachſen beim Plesiosaurus und Ichthyosaurus zum Körper des epistropheus geworden iſt. Der Zahnfortſatz der noch lebenden Lacerta-Arten weicht dagegen von dem 1 * 7 133. VII. 1. 8 verwachſenen atlas der Enalioſaurier ſchon dadurch ab, daß er die Neurapophyſen des atlas nicht unterſtützt; die Ver— knöcherung derſelben hat ſich ſichtbarlich tiefer über die Seiten der chorda dorsalis- Capſel verbreitet, fo daß fie unmittelbar mit dem aus ihrem untern Theile entſtandenen Keilbeine (ca, ex) articulirt, und die Verknöcherung der Mitte (ea) des Atlasringes verhältnißmäßig beſchränkt iſt. Das erſte Keilbein des Amblyrhynchus (Fig. 5, ca, ex) iſt unten mit einem Keile verſehen, der rückwärts in einen kurzen Dorn verläuft. Das zweite Keilbein (ex, ex) iſt ähnlich geformt, aber größer als das erſte; ſeine Baſis articulirt hinten mit dem Körper des epistropheus (ex), oben mit dem Zahn: fortſatze (ea) und nach vorn mit dem keilförmigen Rinden— theile des Atlaskörpers (ca, ex), fein unterer Theil it ebenfalls in einen kurzen Dorn verlängert. Ein deutliches knorpeliges Rudiment einer Rippe (p11) iſt an die Diapophyſe (processus transversus der Neural— bogen) des Atlas, und ein ähnliches an dieſem Querfort— ſatze des vierten Wirbels befeſtigt (pl 4). Die erſte ver— knöcherte Rippe findet ſich an dem fünften Wirbel (pl 5); unter der ſie ſtützenden Diaphyſe iſt noch ein knorpeliges Rudiment einer Parapophyſe (p) vorhanden, was der ſechste Halswirbel indeß noch beſſer zeigt. Der Zahnfortſatz iſt an beiden Seiten conver, und von oben nach unten concav, er iſt mit dem Vordertheile des epistropheus- Körpers und mit dem zweiten Keilbeine feſt verbunden, doch ſo, daß die Verwachſungsſpuren noch ſichtbar ſind. Der untere Theil des Körpers iſt beim epi- stropheus gekeilt, aber in keinen Dorn verlängert. Eine dritte geſonderte, in der chorda-dorsalis-Capſel entjtandene Verknöcherung (e3, ex) iſt in den untern Raum zwiſchen dem epistropheus und dritten Halswirbel eingeſprengt, und ähnliche, aber kleinere Keilbeine finden ſich zwiſchen der vier— ten und fünften, fünften und ſechsten und ſogar zwiſchen der ſechsten und ſiebenten Rippe des Amblyrhynchus. Sieht man hier den processus odontoideus als Analogon des vordern, mit dem atlas verwachſenen Körpers beim Plesio- saurus an, ſo wird das erſte Keilbein ſeine Stelle für den epistropheus, das zweite Keilbein für den dritten Halswirbel u. ſ. w. vertreten. Die Keilbeine des Amblyrhynchus ſind aber entſchieden Analoge der von P. Egerton am Ich- thyosaurus entdeckten Unterwirbel-Keilbeine, deren allgemeine Homologie nur zwei Deutungen zuläßt. Auch ſie ſind ohne Zweifel ſelbſtändige (2) Verknöcherungen des untern Theiles der chorda dorsalis und können ſomit entweder als Rinden— ſchichten des Centrums ihrer entſprechenden Wirbel, oder als rudimentäre Hämapophyſen und nicht durchbohrte Ana— loge im Nacken für die Hämalbogen und Dornen des Schwanzes betrachtet werden. Nach dieſer letztern Anſicht würde der gewöhnlich als Mittelpunkt oder Körper des Atlas bei Sauriern, Cheloniern und höhern Wirbelthieren ange— nommene Theil die Hämopophyſe dieſes Wirbels, der Zahn— fortſatz dagegen das wahre Centrum fein. Mit dieſer Anſicht ſind jedoch die conſtanten Beziehungen des untern keilförmi— gen Knochens am atlas der genannten Thierclaſſen zu den Neurapophyſen, welche ſie unmittelbar unterſtützen und mit ihnen den Neuralbogen vervollſtändigen, unvereinbar. Die ſtufenweis abnehmende Ahnlichkeit zwiſchen dem untern Theile des atlas und den partes basi- oceipitalis und basi-sphenoi- dalis machen des Verf. Deutung noch wahrſcheinlicher; in den Gehirnwirbeln iſt nämlich der gewöhnlich platte und ausgebreitete Rindentheil der einzige Repräſentant des Cen— trums ſolcher Wirbel, wie wir es am os oceipitale, sphe- noideum und vomer ſehen, wogegen beim atlas der Zahn— fortſatz den Centraltheil oder Körper dieſes Wirbels, jedoch vom Rindentheile getrennt, vorſtellen würde. Die folgenden Thatſachen ſcheinen dagegen der Deutung des processus odontoideus als Körper des atlas zu wider— ſtreiten. Bei dem großen auſtraliſchen Cyelodus gigas (Fig. 6) iſt das zweite Keilbein (od, ex), das in einen langen Dorn ausgeht und mit dem untern Theile des Zahnfortſatzes verwachſen iſt, nicht der einzige nach unten gerichtete Dorn des epistropheus, da noch ein zweiter, breiterer und längerer Dorn (ex, ex) vom untern Theile dieſes Wirbels ſelbſt ausgeht. Das Fehlen jeder Spur einer Verwachſungsnaht zwiſchen den beiden letztern iſt noch nicht hinreichend, um in dieſem Dorne eine bloße Entwicklung des untern Theiles des epistropheus, aber keine wahre Analogie mit dem nach unten gerichteten Dorne der Keilbeine zu erkennen, weil, außer der Verwachſung des vorhergehenden Dornes (od, ex) mit dem Zahnfortſatze, der vierte Dorn (e 3, ex) ebenfalls mit dem ganzen untern Theile des dritten Halswirbels ver— wachſen, oder von ihm entwickelt iſt und der fünfte Dorn (4, ex) ein ähnlicher, continuirlicher Fortſatz des vierten Wirbels iſt. Wenn nun der Zahnfortſatz und deſſen Dorn vollſtändig mit dem epistropheus verwachſen wäre, ſo würde derſelbe den anomalen Bau eines Neuraldornes und zweier einander folgenden Hämaldorne zeigen. Der ſo eben beſchrie— bene Bau des vordern Halswirbels des Cyelodus gigas ſpricht ſomit für die Anſicht, als ob der processus odon- toideus das Rudiment eines ſowohl vom atlas, als epistro- pheus unabhängigen (getrennten) Wirbels wäre, der beim Cyclodus einen Centraltheil und Hämaldorn, aber keinen Neuralbogen beſäße. Die Structur des atlas und epistropheus beim Kro— kodil (Fig. 7) giebt dieſer Anſicht noch mehr Färbung. Der Zahnfortſatz (ca) liegt hier ganz zwiſchen dem keilförmigen Rindentheile des atlas - (ca, ex) und des epistropheus- Körpers (ex). Das Keilbein (ca, ex) unterſtützt nicht nur die Neurapophyſen (na), ſondern auch die Pleurapophyſen (pa). Der Zahnfortſatz (ca) unterſtützt dagegen wiederum die Neurapophyſen (ux) und eben fo und zwar ausſchließ— lich die Pleurapophyſen (pl x), oder das zweite Paar der Halsrippen. Das wahre Centrum (ex) des epistropheus unterſtützt keine Rippen, erſcheint vielmehr als eine ungeheure Epiphyſe von ca, die ſich zur Unterſtützung des langen Neuralbogens (mx) ausdehnt. Weder der Zahn noch der keilförmig ge— ſtaltete Theil des atlas (ca, ex) find unterwärts in einen Dorn verlängert. Wenn aber, wie der Verf. nach dem Bau des atlas und epistropheus der Lacerta - Arten vermuthet, der dens epistrophei (ca) dem vorderen (Fig. 3 u. 4 ca) . 5 Car, ee Notizen IR. N? 133 M des VU Bandes. 9 133. VIl. 1. 10 der beiden verwachſenen Wirbelcentra, die bei den Enalio— fauriern als Atlas und Epistropheus beſchrieben werden, ent= ſpricht, fo müſſen die bifurcaten Pleurapophyſen (pl) des Krokodils verſchobene Analoga desjenigen Theiles ſein, der mit dem hinteren Theile des Wirbelcentrums beim Ichthyosau- rus articulirt und der Gelenkfläche, welche Fig. 4 A in p, ox beim Plesiosaurus zeigt und deren ſchon Egerton beim Ichthyosaurus gedacht hat, entſprechen. Darnach iſt es noch ungewiß, ob der vordere Wirbel (Fig. 3 ca) an feiner Oberfläche p eine Rippe getragen hat, welcher der des atlas vom Krokodil correſpondirte: wäre dem alſo, ſo würde die Atlas— Rippe des Krokodils eine gleiche Verſchiebung nach vorwärts vom Mittelpunkte des Körpers ca zeigen, wie es am Zahn— fortſatze der noch lebenden Saurier als erſtes Unterwirbelkeil— bein (ca, ex), welches bei ihnen den Atlaskörper vorſtellt, zu ſehen iſt, und dort den Neuralbogen nicht unterſtützt, was beim Ichthyosaurus und Plesiosaurus mit dem analogen Theile nicht der Fall iſt. Wenn ſich inzwiſchen die Hypo— theſe, daß ca Fig. 7 vom Krokodil ein Analogon des ver— wachſenen atlas (ca, Fig. 3 u. 4) der Enalioſaurier iſt, und daß ca, ex Figur 7 dem erſten Keilbein ca, ex Figur 3 entſpricht, durch die Annahme einer zunehmen— den Ortsveränderung der Pleurapophyſen (pl Xx u. p! a) beim Krokodil aufrecht erhält, ſo ſind Zahl und Ver— hältniß der untern dornartigen Fortſätze beim Cyelodus für die Deutung des Zahnfortſatzes dieſer Eidechſe als Theil oder Complement des Körpers vom erſten Wirbel nicht ſo günſtig (2). Die Zahl der unteren Dorne ließe ſich indeß auf die der Wirbel zurückführen, wenn man entweder od, ex oder ex, ex in Fig. 6 als hinzugekommene Knochenfortſätze, nicht aber als Analoga der übrigen 4 Dorne betrachtet; auch kann man den Dorn cex, ex als dem dritten Wirbel an- gehörig, nur durch die folgenden Dorne vorgeſchoben und mit dem zweiten Wirbel verwachſen anſehen. Beide Ver— muthungen ſind aber gleich willkürlich. Die Lage des Zahnfortſatzes und epistropheus beim Cyelodus iſt in der Familie der Lacerta nichts deſto weniger eine ungewöhnliche, ſo daß der Verf. den getrennten untern Dorn ex, ex (in Fig. 6) nicht länger als einen Beweis annimmt, daß der Zahnfortſatz gleich dem atlas einem der Unterwirbelkeilbeine ent— ſprechend iſt. Wohl aber bleibt der Verf. der Meinung, daß er keine eigenthümlich entwickelte vordere Gelenkepiphyſe des zweiten Wirbels iſt, kommt vielmehr auf feine frühere An— ſicht von der Gleichbedeutung des Zahnſtücks der Saurier und folglich auch des processus odontoideus der Mammalien mit dem beim Ichthyosaurus als verwachſener atlas bezeich- netem Theile zurück, welche durch ſpätere Unterſuchungen dieſer Theile vom Plesiosaurus ihn zu dem Schluſſe führte, daß ſowohl beim Ichthyosaurus als Plesiosaurus das erſte Wir⸗ belkeilbein denjenigen Theil vorſtelle, der bei den lebenden Reptilien Atlaskörper genannt worden, aber bei ihnen weni— ger entwickelt iſt. Das erſte Unterwirbelkeilbein iſt demnach im allgemeinen als ein frei gewordener Rindentheil des Atlaskörpers und der ſogenannte atlas der Enalioſaurier oder das Zahnſtück der noch lebenden Saurier als der Verknöcherungsmittelpunkt dieſes Wirbels zu betrachten. Die Verwachſung des atlas mit dem epistropheus iſt ſomit keine nur den Enalioſauriern zukommende Eigenthümlichkeit, ſondern eine ſich bei allen höher organiſirten Wirbelthieren, ſelbſt bis zum Menſchen hinauf weſentlich wiederholende Erſcheinung, indem wir in dem processus odontoideus dieſen verwachſenen Theil des at- las vor uns haben. Man ſollte nun glauben, ſo ſchließt der Verf., daß die— ſer ſo unmittelbar dem Schädel folgende Körpertheil auch bedeutenderen Modificationen als die übrigen Wirbel unter- worfen wäre und wird ſolche auch ſicher mit den Sitten und der Lebensweiſe der Völker in Einklang finden, wenn letz— tere erſt gehörig erforſcht ſind. (The Annals and Magazine of Natural History, No. 133, 1847.) Miſeellen. 1. Die ſogenannte Zwitterdrüſe der beſchalten Schnecken enthält, nach Pappenheims und Berthelens Unterſuchungen, nicht zu jeder Zeit Eier und Spermatozoen, ſon— dern nur Eier, während die Samenfäden im untern Theile der Zungendrüſe, einem Organe, vorkommen, dem man bisher die Se— eretion einer die Eier umgebenden Flüſſigkeit zuſchrieb. Fortgeſetzte ſorgfältige Unterſuchungen zeigten dem Verf., daß in der Zwitter— drüſe nur die Eier gebildet werden, während ſich in der Zungen— drüſe die Spermatozoen entwickeln. Der Inhalt dieſer Drüſe iſt demnach nicht zu jeder Zeit derſelbe: während man zu einer Jahres- zeit in ihr nur Fetttröpfchen findet, iſt ſie zu einer andern mit Zellen erfüllt, die nach der Mitte zu immer zahlreicher werden; im untern Dritttheile aber an Zahl und Größe noch mehr zuneh— men und ſämmtlich von Röhren umſchloſſen werden, ganz ſo, wie ſich die Samencapſeln der Wirbelthiere bilden. Die Zungendrüſe der Schnecken iſt ſomit der wahre Hode, in welchem ſich die Sa— menfäden ausbilden, um fpäter entlaſſen zu werden; die Zwitter— drüſe dagegen der Eierſtock; die Geſchlechtsorgane find demnach vollkommen geſchieden. Die von Meckel angegebene doppelte Membran einer jeden Röhre letzterer Drüſe iſt nicht vorhanden. (L’Institut, No. 746. 1848.) 2. Eine Henne mit männlichem Gefieder, über welche Nicholas Cooke berichtet, hatte das Anſehen eines jungen Hahnes nach dem erſten Mauſern: Sporn und Bartlappen waren vollſtändig entwickelt, der Kamm weniger proportional, die Farben des Gefieders nicht ganz ſo reich, wie beim wirklichen Hahne; die Henne hatte bereits verſchiedene Eier gelegt. Der Beſitzer, ein Herr Partington, Jäger des Lord Lilford, verſichert, daß ſie erſt beim zweiten Mauſern das männliche Gefieder erhalten und erſt, nachdem ſie vollſtändig gemauſert, zu legen begonnen habe. Sie ward kürzlich geſchlachtet und in ihrem Eierſtocke eine große Anzahl Eier gefunden. Nach White ſoll die Henne in einzelnen Fällen aber immer erſt, nachdem ſie mindeſtens 13 Jahr alt geworden, ein männliches Gefieder annehmen, wie überhaupt das weibliche Geſchlecht mehrerer Thierarten mit dem Alter einen mehr männ— lichen Charakter anzunehmen ſcheint. (The Zoologist, No. 61.) 3. Die Buche (Fagus sylvatica I.) wird, nach dem Zeugniſſe verſchiedener Beobachter, nur äußerſt ſelten vom Blitze getroffen. Forſtinſpector Labry ſah auf ſeinem Forſtreviere nur ſelten Blitzbeſchädigungen an Buchen, auf einem kleinen, etwa 20 Waldmorgen großen Raume wurden in wenigen Jahren etwa 50 Eichen getroffen, aber keine einzige Buche vom Blitze berührt. Es iſt demnach rathſam, wenn man ſich uͤberhaupt während des Gewitters unter einen Baum flüchten will, eine Buche zu wählen. (Iſis, Jahrgang II, 1847 Heft 5 u. 6.) 11 133. VII. 1. 12 Heilkunde. () über Verhütung und Heilung der Blindheit, Taubſtummheit und des Cretinismus auf medieini— ſchem und pädagogiſchem Wege. Von Anton Dolezälek, emeritirtem Blinden-Inſtituts-Director. Die Zahl der Blinden, Taubſtummen und Cretins iſt ſo groß, daß die Humanität des Zeitalters erheiſcht, alle Mittel anzuwenden, um dieſen Übeln auf jede Art zu ſteuern. Wir zählen in der öſterreichiſchen Monarchie über 30,000 Blinde, von welchen in den zu Wien, Prag, Peſth, Linz, Padua, Mailand und Brünn beſtehenden Blindenanſtalten nur bei 300 Unterricht erhalten. Daß die Zahl dieſer Unglücklichen in den nördlichen gebirgigen Gegenden bedeu— tend geringer iſt, als in den ſüdlichen, ebenen, fand ich bei der in dieſem Jahre behufs der Ermittelung der Urſachen des Erblindens und des Cretinismus von mir unternomme— nen Bereifung der Provinz Steiermark abermals beſtätigt. Während in den ſüdlichen, ebenen Gegenden Ungarns im Durchſchnitt auf 500 Einwohner ein Blinder kommt, ver— hält ſich die Zahl der Blinden in Steiermark zu der Ge— ſammtbevölkerung dieſer Provinz wie 1 zu 10,000; denn es giebt daſelbſt im ganzen 97 Blinde 20, und zwar im Judenburger Kreiſe 17, im Brucker 10, im Gratzer 42, im Marburger 12 und im Cillier 16. Darunter iſt nur ein Drittel im ſchulfähigen Alter, die andern ſind meiſt in Folge des höheren Alters erblindet. Dafür iſt aber in dieſer, an Naturſchönheiten ſo reichen Provinz die Zahl der Cretins bedeutend groß, und ich gelangte mit gütiger Beihülfe meh— rerer, dem Weſen des Cretinismus ihr Studium zuwenden— den Freunde zu dem Reſultate, daß ſich die Zahl derſelben zur Geſammtbevölkerung im Durchſchnitt wie 1 u 154,09 verhalte, und zwar im Judenburger Kreiſe wie 1 zu 5357 im Brucker wie 1 zu 7489, im Gratzer wie 1 zu 158%, im Marburger wie 1 zu 37439 und im Cillier wie 1 zu 5167. In der ganzen, öſterreichiſchen Monarchie dürfte die Zahl der mit dieſem Übel Behafteten bei 12,000 betragen, für deren Bildung bis jetzt noch nichts geſchah. Die Zahl der Taubſtummen, die man in gebirgigen Gegenden eben— falls häufiger finder, beträgt in der öſterreichiſchen Monarchie bei 25,000, von denen in den Anſtalten zu Wien, Prag, Linz, Waitzen, Gratz, Brünn, Mailand, Cremona, Briren, Lemberg, Salzburg und Preßburg nur bei 400 unterrichtet werden. Die weſentlichen Urſachen des Erblindens ſind: die aus den verſchiedenen bekannten Urſachen entſtehende Augen— entzündung neugeborner, die Seropheln, der den Augen ſo gefährliche Flugſand, die Unterlaſſung der Kuhpockenimpfung, die Vernachläſſigung der Kinderkrankheiten, der Gebrauch zweckwidriger Mittel bei Augenentzündungen, ſtarke Erhitzung und plötzliche Abkühlung, ſyphilitiſche Krankheiten, endlich außere Verletzungen des Auges durch Unvorfichtigfeit oder Zufall. Von Geburt aus Blinde giebt es äußerſt wenige, denn diejenigen, die man meiſt dafür hält, erblindeten ge— wöhnlich unbemerkt in der erſten Lebensperiode in Folge der oben angeführten Urſachen. Zu den weſentlichen Urſachen der Taubheit und in Folge dieſer des Taubſtummen-Zuſtandes gehören: orga— niſche Fehler des Gehörorganes, Mangel der einzelnen Be— ſtandtheile; Zerſtörung derſelben durch verſchiedene Krank— heiten; veränderte oder aufgehobene Function der Gehörnerven, Anfüllung der Trommelhöhle mit brei-gallert-kreideartigen oder faſerſtoffigen und fleiſchigen Maſſen, oder mit Blut oder Waſſer. Angeborne Taubheit entſteht, ohne jedoch immer erblich zu ſein, häufig von Urſachen, die auf die Eltern wirken, als: feuchte und dumpfe Wohnungen, wo— durch das Drüſenſyſtem der Eltern erkrankt und bei Kindern entweder die angeborne Taubheit verurſacht oder eine Anlage von Scropheln begründet wird, aus welcher dieſelbe ſpäter entſteht; Schrecken und Angſtlichkeit der Mutter während der Schwangerſchaft. Andere Urſachen der Taubheit find: acute, das Nervenſyſtem heftig ergreifende Krankheiten, vor— züglich fieberhafte Hautausſchläge, als Scharlach, Maſern und Blattern. Entzündungen des Gehörorganes, vorzüglich durch Erkältungen, Seropheln, Rhachitis und andere Krank— heiten der Säfte; nicht ſelten Krankheiten des Gehirns, z. B. Gehirnentzündung, Waſſerkopf, Epilepſie, Convulſionen und dergleichen, die ſelbſt bei nicht wenigen Taubſtummen eine regelwidrige Kopfbildung verurſachen; syphilis und Schnupfen durch ihre Wirkung auf die Ohrentrompete, und endlich Verletzungen des Gehörorganes und des Kopfes, überhaupt durch ſtarke Erſchütterungen der das Ohr um— gebenden Luft durch Schläge, Stöße, unglückliche Fälle, ſchwere Entbindungen u. ſ. w. Zu den Urſachen des Blödſinns und Cretinismus *), den Kant in ſeiner Anthropologie mit Unrecht Seelenloſig— keit nennt und deſſen Weſen, nach Starks allgemeiner Pathologie, in einer mangelhaften Entwickelung des höheren thieriſchen und menſchlichen Lebens beſteht, wodurch das pflanzliche ein bleibendes, relatives Übergewicht über jenes erhalten hat, rechnet man die Uberſätrigung der Kinder mit ſehr fetten und nahrhaften Speiſen; eigene Beſchaffenheit der Orts-Trinkquellen; Trunkenheit der Eltern; Unreinlich— keit; feuchte, gegen die Nordſeite gelegene Wohnungen und hiedurch ſich bildende Seropheln, die in den Gebirgsgegenden Cretinismus oder Taubheit, in ebenen aber mehr Blindheit zur Folge haben; nachtheilige Einwirkungen auf die Mutter während der Schwangerſchaft, als: Angſt, Schrecken, er— littene Kränkungen oder heftige Gemüthsbewegungen, Krämpfe, Schläge u. ſ. w., nicht ſelten verſchiedene Krankheiten des Gehirnes. Daß a angeführten Urſachen viel dazu beitra— gen, und daß vorzüglich der Einfluß der Licht- und Schatten— ſeite der Gebirge nicht zu überſehen ſei, iſt erwieſen, indem *) Der Blodſünn it das bleibende Symptom des Cretinismus, denn ein jeder ausgebildete Cretin iſt blödſinnig; allein nicht jeder Blöpſinnige it auch ein Cretin. (Anmerkung des Verf.) 13 133. VII 1. 4 man auf den ſüdlichen Abhängen der Gebirge in der Regel keine, auf den nördlichen, ſchattigen Gebirgsgegenden und Thälern überall Cretins findet. Das Übel ſcheint aber weſentlich in einer Art miasma zu liegen, das ſich vorzüg— lich in den nördlichen Gebirgsthälern mehr oder weniger häuft; auch werden von den meiſten Forſchern und Beob— achtern Feuchtigkeit und Wärme nebſt einem ſtockenden Dunſt— kreiſe, vorzüglich aber atmoſphäriſche Sümpfe (2) mit ſtatio— närer Gewitterluft als Urſachen des endemiſch herrſchenden Cretinismus angegeben. Hieraus ergiebt ſich auch die Ein— theilung desſelben in ererbten, angebornen und erworbenen, welche drei Arten der k. k. Regierungsrath und Protomedi— cus, Herr Med. Dr. Knolz, bei der im Jahre 1843 zu Grätz abgehaltenen Naturforſcher-Verſammlung durch die ſtufenweiſe Entwickelung der Abplattung der Stirne, der Verdickung der Kopfknochen und der dadurch bedingten Ver— kleinerung der Kopfhöhle an drei vorgezeigten Cretinſchädeln nachwies. 0 Die Heilung der drei Übel kann durch den Gebrauch ſolcher Mittel bewirkt werden, welche ſich bei gleichen oder ähnlichen Übeln bisher durch die Erfahrung als zweckmäßig gezeigt haben. In einzelnen Fällen ſind nachſtehende Mittel mit Nutzen angewendet worden. Bei Blinden: Augen— waſſer, Einreibungen mit entſprechenden Augenſalben, Zug— pflaſter, Gebrauch innerer Arzneien, die Anwendung der Hydropathie, der Elektricität, des Magnetismus und Galva— nismus, endlich die verſchiedenen Operationen. Bei Tau b— ſtummen: Aderläſſe und Blutegel, ſtarke Abführungs- und Brechmittel, bittere, eiſenhaltige und andere ſtärkende Arz— neien, erweichende und ätheriſche Dämpfe, trockenes Reiben des Kopfes, Dampf- und andere Bäder, Ausſchlag erregende Einreibungen, Zugpflaſter, Fontanellen in der Gegend des Warzenfortſatzes, Haarſeile in den Nacken, Anwendung der Moxa und des Glüheiſens, Fußbäder und andere Ableitungs— mittel, Einſpritzungen in den Gehörgang und in die Ohren— trompete, Elektricität, Galvanismus und Magnetismus, Durch: bohrung des Trommelfells und des Warzenfortſatzes, metho— diſche Gehörübungen, in der neueſten Zeit durch den von Dr. Blanchet in Paris erfundenen Acoumeter (Tonmeſſer), der das genaue Maß der Hörfähigkeit des zu behandelnden Tauben angiebt, gymnaſtiſche Übungen, plötzliche ſtarke Er— ſchütterung des Gemüths und der Gehörnersen. Bei den Cretins: reizloſe und milde Diät, Körperbewegungen und Gymnaſtik, Waſchungen mit kaltem Waſſer, Gebrauch der Dampf- und anderer Bäder, ſowie innerer Arzneien, Elek⸗ trieität, Galvanismus und Magnetismus, Überſetzung in ſüdlich gelegene Wohnungen, in hohe Alpenluft, auch in Meeresluft, da es ſich erweiſet, daß die Anlage zum Creti— nismus durch längeren Aufenthalt in den Meeresgegenden, vorzüglich aber auf den Schiffen verſchwindet; Abſonderung von anderen mit dem Übel behafteten, das Kreuzen, insbe⸗ ſondere aber eine möglichſt methodifche Anleitung zur Firxi— rung und Erregung der Aufmerkſamkeit und eine pädago— giſch- intellectuelle Behandlung *). ) Jede Angabe und Berichtigung über die Urſachen und Heilmittel der drei Entartungen des menſchlichen Organismus werde ich um jo dankbarer So wie durch die Einführung der Kuhpockenimpfung den durch die natürlichen Blattern verurfachten Verheerun— gen des menſchlichen Organismus bedeutend Einhalt gethan wurde, ſo kann durch eine gehörige Belehrung der Menſchen über die Urſachen der drei Übel und deren entſprechende ärztliche Behandlungsart auch dem Umſichgreifen derſelben ein ſtarker Damm geſetzt werden. Da aber die Ausrottung dieſer Übel nicht ſo leicht möglich und es bereits erwieſen ift, daß alle mit denſelben Behafteten unterrichts- und er= werbsfähig ſind, ſo können dieſelben durch eine zweckmäßige, pädagogifchzintelleetuelle Bildung gemildert werden. Indem es jedoch nicht ausführbar iſt, für alle dieſe Unglücklichen zweckentſprechende Anſtalten zu errichten, ſie aber alle auf die intellectuelle und moraliſche Bildung einen um ſo ge— rechteren Anſpruch haben, als ihnen dieſe durch nichts an— deres erſetzt werden kann, und die Bildungsfähigkeit der Lehrer zur Ertheilung des Unterrichtes derſelben erwieſen iſt: ſo kann den mit einem der drei Übel Behafteten die erforderliche intellectuelle und moraliſche Bildung mit der Zeit in den gewöhnlichen Schulen zu Theil werden, wenn die Lehramtscandidaten durch faßliche, öffentliche, mit prakti— ſchen Übungen verbundene Vorträge über die Unterrichts— methode dieſer Unglücklichen nach einem gründlich verfaßten Methodenbuche belehrt, zweckentſprechende Mittel zur An: eiferung der Lehrer feſtgeſetzt und dieſe auch mit den er— forderlichen Lehrapparaten verſehen werden. Der Blindenunterricht ſteht dem Unterrichte vollſinniger Kinder zunächſt, da blinde Kinder vermöge des Gehörs ſich ebenfalls die Mutterſprache aneignen können und ihnen nur gewiſſe Vorſtellungen unmöglich, andere erſchwert ſind, ſo daß Betaſtung ihnen vielſeitig das Auge erſetzen muß. Man bedient ſich außerdem beſonderer intellectueller Hülfsmittel, der plaſtiſchen Apparate zur Veranſchaulichung, leitet ſie zur Moralität und Religioſität an, wozu man ſich der ſchon vorhandenen Sprache bedient. Die Taubſtummenbildung hat es zwar mit Individuen zu thun, die unſerer gewöhn— lichen Wortſprache ermangeln, ſie hat den Zweck, fie in Beſitz dieſer Sprache zu ſetzen, ſie knüpft aber dabei auch an eine ſchon vorhandene Sprache, an die Mutterfprache der Taubſtummen, an die Geberdenſprache an und leitet allmälig von dieſer zu jener hinüber. Man kann für die Entwickelung des Taubſtummen dieſelben ſittlichen Einwir— kungen und intellectuellen Hülfsmittel benutzen, die bei einem gediegenen Unterrichte vollſinniger Kinder üblich ſind, und hat nur behufs der Articulation beſondere Kunſtfertig— keit und Einſicht in den Mechanismus der Sprache nöthig, wie man ſich in Analogie mit dem Sprachentwickelungs— gange der Vollſinnigen einen Sprachlehrgang zu bilden hat, der Zeit erſparend iſt und dem Schüler methodiſch die Sprache aneignet, die das vollſinnige Kind im Leben der Familie im Verkehr von ſelbſt erlernt. Der in dieſer Art bildungsfähige, wenn auch vernachläſſigte Taubſtumme macht annehmen, als ich mir die Ausarbeitung eines vollſtändigen ſtatiſtiſchen Wer- tes über Blinde, Taubſtumme und Blöpfinnige der ͤͤſterreichiſchen Monarchie an Behufe der Linderung, Heilung und Verhütung dieſes Unglückes zur ufgabe machte. N N 4 D. Verf. 15 133. VII. 1. 16 raſche Fortſchritte und bietet für ſachverſtändige Lehrer keine beſonderen Schwierigkeiten dar. Der Bildung der Blödſinnigen und Cretins, der man erſt in der neueſten Zeit durch die auf dem Abendberge in der Schweiz von Dr. Guggenbühl, zu Wildberg im Königreich Württemberg, zu Paris von Seguin, und Ber— lin von Dr. Sägert errichteten, die ſchönſten Reſultate liefernden Anſtalten nähere Aufmerkſamkeit ſchenkt und bei denen Carus in ſeiner Pſychologie vier Grade angiebt, beginnt da, wo gar keine Sprache iſt, wo ſich von Geburt an keine gezeigt hat und wenn keine Spuren davon zu Tage kommen, weder klare Articulation noch geordneter Gedanken— gang zu Stande gekommen ſind, nicht zu gedenken der Schwierigkeiten, der darneben durch willenloſen Verlauf der natürlichen Functionen, durch fehlende oder mangelhafte Bewegungen u. ſ. w. der Bildung und Entwickelung in den Weg geſtellt ſind. Mit der fertigen Sprache geht es nicht, ſondern nur durch intellectuelle Anregung der Sinnesnerven. Die rechte Weiſe wird hier nach dem Principe des Regen— tropfens zu verfahren haben, der endlich einen Stein durch— bohrt. Sie verlangt Unermüdlichkeit, Geduld und Gleichmuth nebſt der individuellen Einſicht des Lehrers, damit er auch nicht zu viel thue und überreize, oder ein im Augenblicke unwirkſames Reizmittel wähle. Man wird die Einſicht wohl nur allmälig erlangen und die Kunſt wie jede andere lernen müſſen. Menſchenkenntniß im allgemeinen und beſonderen, wiſſenſchaftliche und Lebenserfahrung, wie tüchtige pädagogi— ſche Umſicht wird für den Zweck unerläßlich ſein. Die Idee, taubſtumme, blinde und blödſinnige Kinder mit vollſinnigen in den gewöhnlichen Schulen zu unterrich— ten, die namentlich in Betreff der Taubſtummen von J. L. Alle, Vorſteher der königl. württembergiſchen Taubſtummen— Anſtalt im Jahre 1818, M. W. Daniel, Pfarrer in Zufferhauſen bei Stuttgart im Jahre 1825, Dr. Graſer, königl. baieriſchem Regierungs- und Kreisſchulrath, und in der neueſten Zeit von dem im vorigen Jahre zu Baden bei Wien verſtorbenen Profeſſor des k. k. Wiener Taubſtummen— Inſtitutes, Ur. Hermann Czech, angeregt wurde, findet wohl viele Widerſacher, allein das darf niemand beirren, denn die tägliche Erfahrung lehrt uns, daß die Einführung jeder neuen, mitunter ſelbſt der wohlthätigſten Sache ihre Gegner hat, und zwar um ſo mehr, je weniger einleuchtend die Möglichkeit und Ausführbarkeit im allgemeinen iſt. Fehlt es doch bis jetzt nicht an Menſchen, die der inhu— manen Anſicht ſind, es wäre beſſer, die Blinden, Taubſtum— men und Cretins bloß vor Mangel zu ſchützen und fie übrigens in intellectueller Hinſicht ihrem Schickſale zu über— laſſen. Hat man ja die Bildung der Blinden, Taubſtum— men und Cretins durch ſo viele Jahrhunderte für unmöglich gehalten, ihr ſelbſt Hinderniſſe in den Weg gelegt, — und wie herrlich gedeihen ſie bereits? Im gegenwärtigen jo humanen, an großartigen Erfin— dungen und Verbeſſerungen reichen Zeitalter werden ſich wohl auch beim feſten Willen unter dem Schutze der vom Geiſte ächter Humanität geleiteten Staatsverwaltung und dem Unter— ſtützungseifer des für alles Gute und Nützliche beſeelten Publicums entſprechende, wirkſame Mittel ergründen laſſen, die körperlichen und geiſtigen Gebrechen, wenn auch nicht gänzlich zu verhindern oder zu heilen, doch aber durch all— gemein in Anwendung gebrachte intellectuelle und moraliſche Bildung die Lage der mit denſelben Behafteten zu mildern und zu erleichtern. Hier muß man ſich ſtreng nach dem ſchönen Spruche richten: „Laſſet uns Gutes thun und nicht ermüden!“ (Oſterreich. med. Wochenſchrift. No. 10. 11.1848.) Miſcelle. () über den Sitz des Sprechvermögens hat Herr Bouillaud der Pariſer Akademie der Heilkunde am 7. März eine neue Reihe von ſeit 1839 angeſtellten Forſchungen vorgetra- gen, aus denen er folgende Schlüſſe ableitet. In Fällen, wo der gänzliche oder theilweiſe Verluſt der Sprache weſentlich von einem eigentlichen Leiden des Gehirns (der Lappen oder Halbkugeln des großen Hirns) herrührt, hat die Krankheit ihren Sitz in den vor⸗ dern Lappen. Da nun nach vielen Beobachtungen feititeht, 1) daß tief gehende Veränderungen der vordern Lappen des großen Hirnes ſtets eine größere oder geringere Beeinträchtigung oder auch vollftändige Aufhebung des Sprechvermögens veranlaſſen, und 2) daß ſolche krankhafte Veränderungen, welche die mittlern und hin— tern Lappen des großen Gehirnes betheiligen, die vordern aber völlig geſund laſſen, dem Sprechvermögen nicht merklich ſchaden, ſo müſſen wir für ausgemacht halten, daß die innere Fähigkeit, welche der Articulation vorſteht, ihren Sitz in jenen vordern Lap⸗ pen des großen Hirnes habe. Bei der Diagnoſe der Fälle, wo lediglich in Folge eines Gehirnleidens eine Behinderung im Spre⸗ chen Statt findet, iſt dies zu berückſichtigen, und es wird auch in therapeutiſcher Beziehung oft entſcheidend ſein, ſo daß z. B. in einem ſolchen Falle, wenn zur Ausziehung eines fremden Körpers ıc. die Trepanation nöthig wäre, die Operation in der Stirngegend ausgeführt werden mußte. (Gaz. méd. de Paris, 11. Mars 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Monographie sur le dioptre du speculum, De quelques stats e qui reelament son application, avec 50 gravures intercalees dans le texte. Suivi d'un nouveau scarificateur du canal de l’urethre et d'une sonde à di- latation continue; par E. H. Verhes. In 8° de 9 feuilles, plus 2 pl. Paris 1848, chez Labe. (Prix 4 fr.) C. G. Glebel, vie Fiſche der Vorwelt, mit ſteter Berückſichtigung ver leben⸗ den Fiſche. gr. 8o. Geh. 2%, Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1848. Des sangsues, considerees au point de vue de l'économie médicale. Possi- bilite et avantages de leur multiplication en captivite. Du degorgement, de la conservation et de la conservation et de l’application de ces animaux. Des lois à créer pour arreter la depopulation des etangs; par le docteur Ebrard, médecin. In 8° de 7 feuilles !/. Bourg 1848. Notice sur la structure et sur quelques maladies Ei: poumon; par J. A. Ro- chour, membre de l’Academie nationale de medecine. In 18 de 2 feuilles ½. Paris 1848, chez J. B. Bailliere. (Prix 1 fr. 50 ct.) Note sur le cholera-morbus observe à Constantinople en 1847 et 1848; par M. Monneret. In 8° d'une feuille. Paris 1848, chez Bailliere. A. E. Danzer, Topographie von Marienbad. Für Badegäste. gr. 8%. Geh. 1 Thlr. 18 Sgr. Jackowitz in Leipzig 1847. Druck und Verlag des Landes ⸗Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. (Hierzu 1 Tafel Abbildungen in 40.) Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 134. (Nr. 2. des VII. Bandes.) Juni 1848. Naturkunde. Heilkunde. Draper, über die Lichterſcheinung durch chemiſche Thätigkeit. — Debrou, über die fog. ſenkrechte Verrenkung der Knieſchelbe. — Miſcellen. Pooley, spina bifida mit Spaltung des Hinterhaupt⸗ Miſcellen. Fünf Rhinocerosart. Poggiale, Aldehyddampf. — beines. Marion, Tabaksklyſtire, um fremde Körper aus dem Schlundkopfe und dem oberen Theile der Speiſeröhre zu bringen. Kaffeeaufguß gegen Ge- rinnen der Milch. — Bibliographie. Natur kunde. III. über die Lichterzeugung durch chemiſche Thätigkeit. Von John William Draper, Prof. der Chemie zu Newyork. Das Auftreten des Lichtes und der Wärme beim Ver— brennen vieler Körper, Erſcheinungen, die für die Wohlfahrt des menſchlichen Lebens ſo überaus wichtig ſind, iſt zwar mehrfach erforſcht, aber noch lange nicht auf ſeine wahren Urſachen zurückgeführt. Nach einigen Chemikern beruht das Licht der Flamme auf elektriſchen Entladungen, andere hal— ten das Licht und die Wärme für materielle Dinge, die ſich verkörpern oder mit Ponderabilien vereinigen laſſen, aber durch den Einfluß chemiſcher Thätigkeit frei werden. Bei dieſer Verſchiedenheit der Anſichten drängen ſich eine Menge bisher ungelöſ'ter Fragen von ſelbſt hervor; ſo weiß man, daß verſchiedene Körper mit verſchieden gefärbter Flamme bren— nen: der Schwefel und das Kohlenorydgas blau, Wachs gelb, Cyangas violett u. ſ. w., weiß aber nicht, welche chemiſche Bedingungen dieſe Farbenverſchiedenheit herbeiführt; weiß nicht, warum durch eine Veränderung in den Umſtänden des brennenden Körpers auch das Licht ſeiner Flamme ver— ändert wird, warum die Lichtflamme, wenn ſie durchs Löth— rohr ſeitwärts getrieben wird, als zierlicher blauer Licht— kegel erſcheint u. ſ. w. Die Antwort auf eine Unzahl ſol— cher Fragen kann nur durch die Löſung der einen Grundfrage: ob ſich ein Zuſammenhang zwiſchen den chemi— ſchen Bedingungen, unter welchen ein Körper brennt und der Natur des von ihm ausgehenden Lichtes auffinden läßt, enträthſelt werden. H. Davy hat bereits auf 2 für die Natur der Flamme ſehr wichtige Verhältniſſe aufmerkſam gemacht: jede gewöhnliche Flamme iſt nämlich erſtens in ihrem Inneren dunkel, nur ihre äu— ßere Hülle leuchtet, und zweitens iſt die Quantität des frei No. 2114. — 1014. — 134. werdenden Lichtes von dem augenblicklichen Freiwerden der feſten Theilchen abhängig. Nur durch eine ausgedehnte Unterſuchung über das Licht verſchieden brennender, ſowohl feſter als dampf- und gasförmiger Körper laſſen ſich dem— nach Thatſachen für eine begründete Verbrennungstheorie er— warten, dieſe verſuchte der Verfaſſer in vorliegender Arbeit zu liefern. No. 213 des London etc. Journal of Science von 1848 enthält des Verf. Arbeit. Schon von den alten Chemikern ward die Verbren— nungstheorie für eine der Fundamentaltheorien der ganzen Chemie gehalten; die Natur aller chemiſchen Veränderungen muß mit ihr innig zuſammenhängen, fte iſt demnach ſowohl fürs Leben wie für die Wiſſenſchaft von größter Wichtigkeit. I. Die prismatiſche Analyſe der Flammen ver— ſchiedener Dämpfe und Gaſe zeigt, daß in allen ſämmtliche Farben des Spectrums enthalten ſind. Der Verf. beginnt mit der Unterſuchung der optiſchen Erſcheinungen der Flammen verſchiedener Körper, die, weil gewiſſe Flammen, wie einige Schriftſteller behaupten, mono— chromatiſches Licht enthalten ſollen, durchaus nothwendig war. Sein Apparat war folgendermaßen conſtruirt. Die Strahlen der zu unterſuchenden Flamme gingen durch die 0 Zoll weite und einen Zoll lange horizontale Spalte eines Metallſchirms und wurden in einer Entfernung von 6 bis 8 Fuß von einem Flintglasprisma, deſſen Achſe der Spalte parallel ftand, aufgefangen. Durch das Prisma gelang— ten fie in ein kleines Teleſkop, das mit einem Mikrometer ver— ſehen war und überdies im Ocular parallele Fäden hatte. Durch das Teleſkop ward nun das entſtandene Spectrum betrachtet. Der brennende Gegenſtand ward auf ein beweg— liches Stativ gebracht, um ſeine Flamme beliebig in ihren verſchiedenen Höhen analyſiren zu e um ferner die 19 134. VII. 2. 20 verticalen Elemente kennen zu lernen, ward die erwähnte Spalte, ſtatt horizontal, vertical geſtellt. Das Teleſkop ward ſo eingeſtellt, daß es ein ſcharfes Bild der Spalte gab und das Prisma im Winkel feiner geringſten Abweichung ftand. Auf die beſchriebene Weiſe unterfuchte der Verf. eine große Anzahl der verſchiedenartigſten Flammen, z. B. des Ols, Alkohols, einer Löſung der Boraxſäure und des ſal— peterſauren Strontians in Alkohol, des Phosphors, Schwe— fels, des Kohlenorydgaſes, des Waſſerſtoffs, Cyans, des Arſenwaſſerſtoffgaſes u. ſ. w., deren Farben bekanntlich ſehr verſchieden ſind, deſſenungeachtet enthielten die genann— ten, wie viele andere Flammenarten, ſämmtlich alle pris— matiſchen Farben. Wo die Flamme, wie beim Alkohol und Waſſerſtoffgaſe ein mattes Licht beſitzt, traten nicht nur rothes, gelbes, grünes, blaues und violettes Licht, ſondern ſogar helle Fraunhoferſche Linien von verſchiedenen Farben hervor. Dasſelbe gilt von allen denjenigen Flammen, welche angeblich monochromatiſch ſind, z. B. für die Flamme des Alkohols aus einem mit Kochſalzlöſung getränkten Docht: auch ſie entwickelt nicht ein gelbes Licht allein, vielmehr alle Farben, wenngleich matter und eben ſo entwickeln alle übri— gen Flammen, ſie mögen brennen, mit welchem Lichte ſie wollen, auch alle übrigen prismatiſchen Farben. Die ei— genthümliche Färbung der Flamme beruht da— gegen auf einem Vorwalten einer Farbe über die anderen, beim Cyan des Roths, beim Schwefel des Blaus u. ſ. w. Die Lichterzeugung der Flammen iſt demnach eine ſehr zuſammengeſetzte Erſcheinung, und eben ſo zuſammengeſetzt ſind auch die chemiſchen Bedingungen des Verbrennens. Der brennbare Dampf iſt überall von atmoſphäriſcher Luft umgeben; es erfolgt eine Diffuſion und raſche Ströme werden durch das Steigen der Temperatur hervorgerufen. Dieſe Ver— hältniſſe machen den Erfolg um ſo complieirter; ihre Störun— gen können bei einem ſoliden Elementarkörper noch am beſten vermieden werden, weßhalb von ihm zunächſt eine Löſung des Problems zu hoffen iſt. II. Die prismatiſche Analyfe des Lichtes von einem feſten Elementarkörper, bei verſchiedenen Tempe— raturen verbrennend, beweiſ't, daß mit dem Stei— gen der Temperatur die brechungsfähigeren Strah— len zum Vorſchein kommen. Der Verf. bediente ſich eines Stückes glühender An— thracitkohle, wie ſie in Newyork alltäglich zum Brennen gebraucht wird und ihm durch ihre Härte, durch die Inten— ſität der Hitze, welche ſie entwickelt und andere Eigenſchaften für dieſe Verſuche ſehr paſſend ſchien; dieſelbe ward auf ein Stativ gebracht und ſo geſtellt, daß ſie der vorerwähnten Spalte eine gerade Fläche bot; die von ihr durchs Prisma aufgefangenen Strahlen wurden wie oben mit dem Mikro— ſkope betrachtet. Wenn die Kohle ſtark glühend aus dem Feuer genom— men ward, ſo erſchienen ſämmtliche farbige Strahlen in ihrer gewöhnlichen Ordnung. Der Verf. hatte, um einen ſichern Anhaltepunkt zu gewinnen, zuvor einen Büſchel durch einen Spiegel in die Spalte geworfener Sonnenſtrahlen be— trachtet. So lange nun die Kohle ſtark glühte, ſchien ihm das Spectrum weder in der Anordnung noch Länge der Farben von dem des Sonnenlichts irgend verſchieden zu ſein, ſobald das Glühen aber ſchwächer wurde, nahm auch das Spectrum nach und nach ab, und zwar verſchwanden die mehr brechbaren Strahlen ihrer Reihenfolge nach: zuerſt verlor ſich das Violett, darauf das Indigoblau, dann das lichtere Blau, darauf das Grün und zuletzt war nur noch das Roth mit einem aſchfarbenen Grau, das die Stelle des Gelb einnahm, übrig geblieben; endlich verſchwand auch dieſes. Aus vielfach wiederholten ähnlichen Verſuchen ſchließt nun der Verf., daß die Brechbarkeit des Lichtes, das ein brennender Körper entläßt, von der Intenſität der chemiſchen Thätigkeit abhängt und dieſe Brechbarkeit mit der chemiſchen Thä— tigkeit zunimmt. Man könnte hier, bemerkt der Verf., einwenden, daß die brennende Kohle nicht als ein verbrenn— barer Körper allein, ſondern auch als ſcheinende Maſſe wirke; um dieſen Einwurf möglichſt zu beſeitigen, zugleich aber auch, um eine höhere Temperatur, wie es ſonſt möglich war, hervorzubringen, leitete der Verf. einen Strom von Sauerſtoffgas auf die der Spalte zugewandte Seite des brennenden Anthracits; ſtatt aber dadurch, wie er erwartete, die Verbrennung zu ſteigern, erloſch die Kohle durch den Sauerſtoffſtrom. Der Verf. erſetzte deßhalb den Anthracit durch eine Holzkohle, deren brennende Seite er der Spalte zuwaͤndte und leitete auf fie den Sauerſtoffſtrom, die Ver— brennung ward beträchtlich vermehrt, das Teleſkop zeigte ein Spectrum, das dem des Sonnenlichts an Glanz faſt gleich kam, alle Farben, vom erſten Roth bis zum letzten Violett, waren zugegen. Sowie das Zuſtrömen des Sauerſtoffs ſchwächer ward, nahm auch die Verbrennung ab und das Violett, der In— digo, das Blau, das Grün u. ſ. w. verſchwanden nach einander; kamen aber, ſobald der Strom des Sauerſtoffs wieder verſtärkt ward, von neuem zum Vorſchein; in dem— ſelben Verhältniſſe, wie ſich die chemiſche Thätigkeit vermehrte, nahmen alſo die brechbaren Farben zu, in demſelben Ver— hältniſſe, wie ſie ſich verminderten, dagegen ab. Das Roth mit einem aſchfarbenen Grau, das die Stelle des Gelben vertrat, waren auch hier die letzten. Die Kohle wirkte dem— nach in dieſem Falle nicht wie ein ſcheinender, ſondern wie ein brennender Körper. III. Die Beſchaffenheit der Flamme zeigt, daß ſie aus einer Reihe concentriſcher, verſchieden gefärbter Schichten beſteht. Der Verf. hält die vorhergehenden Verſuche zur Er— klärung der complicirteren Erſcheinungen der Flamme für durchaus nöthig und unterſucht nunmehr, ob das gefundene Geſetz der Zunahme der brechbaren Strahlen mit der chemi— ſchen Thätigkeit auch auf die folgenden Betrachtungen an— wendbar iſt. Bei jeder gewöhnlichen Flamme iſt bekanntlich nur die 21 134. VII. 2. 22 äußere mit der Luft in Berührung kommende Hülle glühend, während das Innere dunkel iſt. Dieſe glühende Hülle kann nun nicht wohl eine mathematiſche Fläche fein, muß viel— mehr eine beträchtliche Dicke haben; nehmen wir nun an, daß ſie aus Schichten beſteht, ſo iſt es klar, daß in jeder derſelben die Verbrennung anders vor ſich geht. Die äußere Schicht iſt mit der Luft in unmittelbarer Berührung, in ihr iſt deßhalb die Verbrennung am vollſtändigſten, durch die raſche Diffuſion der Gaſe in einander, durch Strömungen und andere Urſachen wird nun die Luft bis zu einer ge— wiſſen Tiefe der brennenden Hülle gelangen; je weiter die Schichten aber nach Innen liegen, um ſo ſchwächer ihre Verbrennung werden müſſen. In der äußerſten Schicht herrſcht der Sauerſtoff, in der innerſten die brennbare Luft— art vor, zwiſchen beiden erfolgt eine Miſchung, deren Ver— hältniſſe nach der Tiefe verſchieden ſind. Sind nun die vom Anthracit und der Holzkohle gewonnenen Reſultate richtig, ſo folgt aus ihnen, daß jeder Punkt an der Ober— fläche einer jeden Flamme, gleichgültig, welcher Art der brennende Körper ſei, alle Farben des Spectrums enthalten müſſe, das Violett kommt von der äußern Schicht, das Gelb von der mittlern und das Roth von der innern. Könnten wir einen elementaren Horizontalſchnitt einer Flamme iſoliren, ſo würde er das Anſehen eines Regen— bogenringes haben; die zuſammengeſetzten Strahlen würden, wenn ſie durch ein Prisma fielen, nach ihrer verſchiedenen Brechbarkeit geſondert, aus einander treten und ſich dem Auge offenbaren. Analyſirt man nun das von irgend einem Theile der Flammenoberfläche kommende Licht durchs Prisma, ſo zer— legt man dasſelbe in der Wirklichkeit und ordnet damit die von den verſchiedenen Schichten kommenden Strahlen, die ohne dasſelbe als gemiſchtes Licht zum Auge gelangt wären, neben einander. 5 Man könnte nun erwarten, daß, wenn bei einer Ol— lampe der Luftzutritt beſchränkt und folglich die Verbren— nung ſchwächer würde, auch die Brechbarkeit der Strah— len mehr und mehr abnehmen, und aus einer faſt weißen Flamme durch verſchiedene Schattirungen das Orange zuletzt zum dunkeln Roth gelangen müßte. Die zuſammengeſetzte Natur des brennenden Dampfes iſt dagegen dieſem Erfolge durchaus ungünſtig: ſobald nämlich ein gewiſſer Punkt er reicht iſt, brennt das Waſſerſtoffgas größtentheils für ſich und der Kohlenſtoff geht als Rauch davon, die Flamme kann demnach nicht mehr mit der gegebenen Theorie zuſam— menſtimmen. Für dieſen Verſuch iſt alſo ein von dieſen Störungen freies Brennmaterial zu wählen: der Verf. fand ſelbiges in 2 Verbindungen, im Kohlenoryd- und im Cyan— gaſe: das erſtere enthält ſchon die halbe Menge Sauerſtoff, welche zur höchſten Orydation ſeines Kohlenſtoffs erforderlich iſt, in ſich, dasſelbe kann daher auch bei einem beſchränkten Zutritte der atmoſphäriſchen Luft verbrennen; im Cyangas aber iſt der Kohlenſtoff mit Stickſtoff verbunden, letzterer wird beim Verbrennen frei und verhindert dadurch den voll— ſtändigen Zutritt der atmoſphäriſchen Luft. Bedient man ſich nun, ſtatt der Kohle, der Flamme eines dieſer Gaſe, die dem Ventil eines Gaſometers entſtrömen und läßt ihre Strahlen durch die horizontale Spalte auf das Prisma fallen, ſo zeigt ſich, daß ein Horizontalſchnitt der Flamme, wie es der Verf. vermuthete, wirklich einem gefärbten Ringe entſpricht, deſſen innerſte Farbe das Roth, deſſen äußerſte das Violett vorſtellt. Nach dieſer Anordnung muß nun der rothe Ring nothwendigerweiſe einen kleineren Durchmeſſer als der grüne, der grüne aber einen kleineren als der violette haben; wird das Prisma horizontal ge— ſtellt, ſo müſſen dieſe Farben aus einander treten, die Seiten des Spectrums aber nicht parallel, ſondern gegen einander geneigt erſcheinen und die verſchiedenen Farben des Spectrums nicht von gleichem Durchmeſſer ſein, das Roth muß am ſchmälſten ſein, die ihm folgenden Farben aber ſtufenweiſe bis zum Violett an Breite zunehmen. Dieſe zunehmende Breite beweiſ't aber, daß die gefärbten Flam— menſchichten einander umhüllen, und daß das Violett die äußerſte und folglich breiteſte Schicht abgiebt. Für dieſen Verſuch muß die Spalte, durch welche die Lichtſtrahlen fal— len, nothwendig horizontal fein, da bei einer verticalen Spalte zwar die Farben geſondert aus einander treten, ihre relative Lage zu einander aber nicht zum Vorſchein kommt. Nach obigen Reſultaten läßt ſich nunmehr die prisma— tiſche Analyſe eines horizontalen Elements der Flamme einer Spirituslampe erklären; alle prismatiſchen Farben waren in der gewöhnlichen Weiſe angeordnet; die Seiten des Spectrum aber nicht einander parallel; die Neigung ward nach dem äußern Roth zu immer ſtärker, weil dieſe Strahlen aus der Mitte der Flamme kamen, ihr Durchmeſſer folglich der kleinſte war. Eine einzige Betrachtung zeigt, daß auch in den benachbarten Theilen des Spectrums kein Parallelismus herrſcht, was bei einer Drehung des Teleſkops um ſeine verticale Achſe durch die im Ocular befindlichen parallelen Fäden leicht zu ermitteln iſt. Der unvollſtändige Achroma— tismus des Teleſkops und die aus ihm entſpringenden Fehler— quellen wurden dabei vom Verf. wohl berückſichtigt. Der gelbe Raum einer ſolchen Spiritusflamme wird über— dies noch durch eine helle Linie, Brewſters monochromati— ſchen Strahl, gekreuzt; dieſelbe iſt bei der horizontalen Ana— lyſe breiter als das übrige Spectrum und, wenn die Spalte faſt geſchloſſen iſt und durch ein nur ſchwach vergrößerndes Teleſkop geſehen wird, dem Ringe des Saturnus ähnlich. Dieſer Strahl muß ſeiner großen Breite wegen nothwendig von dem bleichen, ſchwarzgelben Lichte, das die hellen Theile der Flamme umkleidet und bei einer großen Flamme als Hülle der mittleren und oberen Theile erſcheint, unten aber nicht zu finden iſt, entſpringen. Dieſe Schicht ſcheint dem Verf. von der Kohlenſäure und dem bei einer hohen Tem— peratur aus der brennenden Hülle aufſteigenden Dampfe der etwas über dem brennenden Theile der Flamme in die Luft entweicht, herzurühren. Eine ähnliche ſchwarzgelbe Hülle umgiebt den obern Theil einer Kerzenflamme, ſie entſpricht der Orydationsflamme des Löthrohrs und erzeugt ebenfalls Brewſters monochromatiſches Licht. 2 * 23 IV. Erklärung der Natur gefärbter Flammen, warum z. B. das Kohlenorydgas blau, das Cyan— gas roth brennt. (Hierzu die folgende Abbildung Fig. 1— 2.) No. 1. Die Figur 1 zeigt das Sonnenſpectrum mit ſeinen feſt ſtehenden Linien, No. 3 das Spectrum des in der Luft verbrennenden Kohlenorydgaſes; es beginnt in dem rothen Theile dicht bei der Linie C und endet zwiſchen den Linien 6 und I; es bildet demnach Strahlen jeder Farbe; wenn man übrigens die relative Mächtigkeit und Kraft der 134. VII. 2. 24 Strahlen mit dem des durchs Sonnenlicht erzeugten Spectrums vergleicht, ſo ſind das Roth und Orange unvollkommen, während die mehr brechbaren Strahlen vorherrſchen, ihr Vorwalten erzeugt demnach die blaue Farbe der Kohlenoryd— flamme. Dies Reſultat ſtimmt durchaus mit den Beobach— tungen am Anthracit und der Holzkohle, da hier eine nur geringe Menge Sauerſtoff genügt, um eine vollſtändige Ver— brennung, den höchſten Grad der chemiſchen Thätigkeit, und durch ſie das Vorwalten der mehr brechbaren Strahlen her— vorzurufen. Fig. 1. Spectra verſchiedener Flammen. Beim Cyangas iſt die Sache ge— ABC e G. E rade umgekehrt; der beim Verbren— 4 S (ale nen freiwerdende Stickſtoff umgiebt z | | | | I, beer die Flamme desſelben und hemmt ſo F Ü | E i aa a TE | Spirituslampe. 1 VERDI Er Nah rennt | 3: | | | Kohlenorydgas. „ bea OD LINE Sr wor „genau Tore in enter 6. | F Ollampe in Luft. | — © 5 — =) — I) — Ben 5 aa 10. ml Fig. 2. Luft im Innern der Flamme. Violet. — — ms! — Brepſters gelber Strahl. Grün Grün Br ____ — nach an Fraunhofers mit G und H bezeichneten Linien im Sonnenſpectrum erinnerten, ſie an Ausdehnung aber weit übertrafen. In der Cyangasflamme erkennt man ſchon ohne alle Vorrichtung mit bloßem Auge zwei ſcharf geſchiedene Regio⸗ nen, eine grünlich - graue Außenſchicht und einen lilafarbe— nen Kern. Ein horizontales Element dieſer Flamme, durchs Prisma analyſirt, zeigt in der äußeren Hülle alle prismati— Ollampe in Sauerſtoff. i Waſſerſtoffgas in Luft. | Salpeterſaurer Strontian. N Kegel einer Löthrohrflamme. den Luftzutritt, vermindert dadurch aber die chemiſche Thätigkeit; hier müſſen demnach die weniger brech— baren Strahlen oder das rothe Licht vorwalten. Der Verf. wählte beide Gasarten ihrer großen Verſchiedenheit halber zum vergleichenden Verſuche, ohne daß ihm Faraday's Beobachtungen über die Cyangasflamme bekannt waren; er vermuthete im Spectrum letzterer Flamme, wegen der beſonderen An— ordnung der brennenden, die Flam— menhülle bildenden Schichten, dunkle Linien. Zu dem Ende entwickelte er aus Queckſilbereyanid Cyangas, fing ſelbiges in einem Glasgaſometer über einer geſättigten Kochſalzlöſung auf und ließ es dann aus einer feinen Off— nung ausſtrömen und verbrennen. Der Erfolg war, wie er ihn erwartet hatte; das Spectrum und deſſen Farben wa— ren unbeſchreiblich ſchön, ſchwarze über das ganze Spectrum verlaufende Li— nien theilten es in ſcharf begrenzte Theile, vier große, rothe Strahlen von entſchiedener Brechbarkeit wur— den von einem orangefarbenen, einem gelben und ſieben grünen Strahlen begleitet, während in den mehr brech— baren Theilen zwei ausgedehnte Grup— pen ſchwarzer Linien, die ihrer Lage ſchen Farben, das Gelb vielleicht ausgenommen, während das Grün, Blau und Violett bedeutend vorherrſchen, im lilafarbenen Flammenkerne dagegen die Quelle des hellen Spectrums mit den dunklen Linien. (Schluß folgt.) 134. Miſceellen. 4. Fünf Rhinocerosarten find den Chineſen bekannt: die eine Art ſoll drei, die andere zwei und die übrigen drei Arten nur ein Horn beſitzen, deſſen Lage aber bei allen dreien verſchieden iſt, beim erſten auf der Naſe, beim zweiten auf der Stirn und beim dritten auf dem Scheitel des Kopfes ſitzt. Eins dieſer ein— hörnigen Nashörner, von den Chineſen sse genannt, iſt durch ſeine bläulich ſchwarze Farbe und die Sattelform ſeines Kopfes ausge— zeichnet. De Paravey, von dem dieſe Mittheilung herſtammt, glaubt, daß die Chineſen unter dieſem Thiere das Rhinoceros simus, das in Africa zu Hauſe und von weißlicher Farbe iſt, verſtehen und ſelbiges nur aus den Mittheilungen der Araber, oder aus den Zeiten, wo ihre Schiffe noch die africaniſchen Küſten beſuchten, kennen. Dieſe Vermuthung wird durch die folgende, in alten chine— ſiſchen Büchern gefundene Charakteriſtik des Rhinoceros überhaupt, die mit der Beſchreibung des Oryx, das fo oft mit dem Arisi, dem Nashorn Athiopiens verwechſelt wird, übereinſtimmt, um ſo wahrſcheinlicher. Das Thier ſoll nämlich an Geſtalt dem Büffel leichen, den Kopf eines Schweines, einen plumpen, fetten Leib, urze, dem Elephanten ähnliche Beine und Füße mit drei Nägeln beſitzen. Die Zunge iſt rauh, die Haut ſchwarz und warzig, aus Heilk (II.) Beobachtung über die fog. ſenkrechte Verren— kung (Achſendrehung) der Knieſcheibe, nebſt Bemerkungen über dieſe Art der Luxation. Von T. Debrou, Wundarzt des Hötel-Dieu zu Orleans. Beobachtung. — Am 26. Oct. 1847 wurde Hr. Blanchard, ein 64jähriger, ziemlich kräftiger Mann, auf der Straße durch die Gabeldeichſel eines Cabriolets erfaßt und niedergeworfen, während das eine Rad ihn am linken Knie verletzte. Als man den Verunglückten aufhob, konnte er nicht ſtehen; das Knie war gebeugt und ſehr ſchmerz— haft und die Fußſohle berührte den Boden nicht. Eine halbe Stunde nach dem Unfalle ſah ich den Patienten in feiner Behauſung. Die Beugung des Knies betrug den dritten Theil eines rechten Winkels. An deſſen innerer Seite war die Haut ſchräg von der Wade nach dem Oberſchenkel zu und zwar bis zu der Stelle, wo im normalen Zuftande der innere Rand der Knieſcheibe liegt, abgeſchunden. Übrigens war auf der Vorderſeite des Gelenkes die Haut durchaus unver— ſehrt, auch keine Ekchymoſe oder Ergießung vorhanden. Das Gelenk ließ ſich nicht vollſtändig ſtrecken, und als ich dies verſuchte, empfand der Patient die heftigſten Schmer— zen. Auf der Vorderſeite desſelben bildete die dicht auf— liegende Knieſcheibe, deren einer Rand hart unter der Haut lag, während der andere hinterwärts nach den Condylen gerichtet war, einen bedeutenden Höcker. Von den beiden Flächen der Knieſcheibe war die eine nach innen, die an— dere nach außen gerichtet, und da ich bei der Dünnheit der Jntegumente die eine der hintern Gelenkflächen des Knochens fühlen konnte, ſo erkannte ich ohne Schwierigkeit, daß die 6) VII. 2. 6 Das Thier trübt das Waſſer (Comptes rendus, No. 15, 1848.) jeder Warze entſpringen drei Borſten. mit den Füßen, ehe es trinkt. 5. Der Aldehyddampf wirkt nach Poggiale in der⸗ ſelben Weiſe wie Ather und Chloroformdämpfe, ja ſogar noch ſchneller und kräftiger wie dieſe. Mehrere Hunde, welche nach einander Aldehyddämpfe einathmen mußten, hatten ſchon nach 45 Secunden alles Gefühl verloren. Die Augen ſahen ſtarr, die Pu- pillen erweiterten ſich und wurden unbeweglich, die Muskeln er— ſchlafften. Dieſer Zuſtand dauerte etwa 3 Minuten, das Thier blieb dann noch unempfindlich, wälzte ſich aber umher und machte unfreiwillige Bewegungen, darauf kehrte die normale Reſpiration und nach 8 Minuten auch die Empfindlichkeit der Haut zurück. Bei 2 Verſuchen wurde das Einathmen 10 Minuten lang fortge— ſetzt; das Thier blieb ohne Bewegung und Gefühl, nur die Mus: keln und die Reſpiration behielten ihre Thätigkeit; nach einer Viertelſtunde war das Thier wieder munter, alle ſeine Organe in normaler Thätigkeit; das arterielle Blut hatte einen deutlichen Aldehydgeruch angenommen. Das Aldehyd möchte, da es viel bil— liger herzuſtellen iſt, auch nicht chemiſch rein zu ſein braucht, dem Chloroform vorzuziehen fein, leider iſt fein Geruch etwas ſtark. (L'Institut, No. 741, 1848.) unde. vordere Fläche nach innen und die hintere nach außen ge— kehrt ſei. Die Haut war zwiſchen den umgewendeten Flä— chen und den Condylen ein wenig vertieft. Das Ligament der Knieſcheibe war ſtraff, gezerrt und deſſen vorderer Rand etwas auswärts gerichtet. Es bildete einen Strang, der ſich unter der Haut leicht fühlen ließ. Die Knieſcheibe war in dieſer Lage unbeweglich und widerſtand ſelbſt einem ſtarken Drucke mit den Fingern. Nachdem ich eine Luxation durch Achſendrehung der Knieſcheibe oder eine ſogenannte ſenkrechte Luxation, und zwar mit Verſchiebung nach außen, erkannt hatte, richtete ich dieſelbe nach dem Valentinſchen Verfahren folgender— maßen wieder ein. Während ein Gehülfe den Oberſchenkel und ein an— derer den Unterſchenkel hielt und die Ferſe hoch gehoben wurde, ſo daß der Unterſchenkel gegen den Oberſchenkel ge— ſtreckt und der letztere am Becken gebeugt wurde (der Pa— tient lag auf einem niedrigen Bette), ſtützte ich, an der äußern Seite der Extremität ſtehend, die hintere Fläche des Knies mit dem linken Vorarme, während ich mit der die ganze Knieſcheibe umfaſſenden innern Fläche meiner rechten Hand den Knochen mit Gewalt umwandte und ihn zugleich einwärts ſchob und platt auf den äußern condylus legte. Auf einen einzigen Ruck nahm der Knochen mit Geräuſch ſeine normale Lage wieder an. Ich legte das Bein auf eine ſchiefe Fläche von Kiſſen, welche von der Ferſe bis zum Becken reichte, wie man bei einem Bruche der Knieſcheibe zu verfahren pflegt, und bedeckte das Knie nur mit zertheilenden Compreſſen. Der Kranke hütete das Bett einen Monat lang. Er klagte während dieſer Zeit über Schmerzen im Knie, obwohl weder Ergießung noch irgend ein Symptom von Entzün— 27 134. VII. 2. 28 dung im Gelenke eintrat. Übrigens hatte ich Grund zur Vermuthung, daß er, da ihm Entſchädigungsanſprüche an den Cabrioletkutſcher zuſtanden, länger liegen blieb, als es eigentlich nöthig geweſen wäre. Nach einem Monate ſtand er indeß auf und ging zuvörderſt an einem Stocke. Nach ſechs Wochen konnte er ohne dieſen gehen und das Knie hatte ſeine normale Beweglichkeit wieder erlangt. Dieſe Beobachtung iſt das zwölfte bekannte Beiſpiel von der ſenkrechten Luxation der Knieſcheibe. Hr. Payen machte im Maihefte 1847 der Revue medico-chirurgicale den elften Fall bekannt; über acht, aus verſchiedenen Schrift— ſtellern entlehnte, hat Hr. Malgaigne in der Gazette médicale, 1836, berichtet; und zwei find in America, der eine 1839 von Hrn. Watſon, der andere 1844 von Hrn. Gazzam beobachtet worden. Unter dieſen 12 Fällen war die ſieben Mal eine äußere, d. h. die vordere Fläche des Knochens war nach innen gerichtet, und fünf Mal eine innere, d. h. die vordere Fläche war nach außen ge— kehrt. Fünf Mal war die Einrichtung höchſt ſchwierig oder ſelbſt unmöglich; drei Mal ziemlich ſchwierig und nur vier Mal leicht zu bewirken. Unter den Fällen, wo die Einrichtung ſehr ſchwierig war, befanden ſich drei äußere und zwei innere Verrenkungen; unter den mittelmäßig— ſchwierigen zwei äußere und eine innere, unter den leicht einzurichtenden zwei äußere und zwei innere. Von den ſehr ſchwierigen Fällen waren drei durch eine direct auf die Knieſcheibe einwirkende äußere Urſache veranlaßt worden; bei zweien wurde der Grund nicht ermittelt, obgleich äußerer Druck höchſt wahrſcheinlich Statt gefunden hatte. Unter den mittelmäßig -ſchwierigen Fällen rührten zwei von äußeren Urfachen und einer von Muskelthätigkeit her. Unter den leichten Fällen befanden ſich endlich zwei, in denen eine äußere Veranlaſſungsurſache und einer, in dem Muskelthä— tigkeit eingewirkt hatte, während in dem vierten die Urſache zweifelhaft blieb. Die wichtigſte Frage in Betreff dieſer Luxation iſt gegenwärtig, von welchem Verfahren bei der Einrichtung man ſich den meiſten Erfolg zu verſprechen habe. Die barbariſche Wolffiſche Operation, bei welcher die Sehne des m. triceps und das Ligament der Knieſcheibe durchſchnitten wird, iſt zuvörderſt durchaus verwerflich; die Cuynat'ſche ift zwar rationeller und weniger gefährlich, aber deßhalb doch keineswegs zu empfehlen. Bei ihr wird die faſerige Ge— lenkkapſel an der einen Seite der Knieſcheibe aufgeſchnitten, und der verſchobene Knochen mittels eines in die Wunde eingebrachten Elevators gehoben. Folglich hat man nur zwiſchen dem Valentinſchen und dem von Malgaigne wieder zu Ehren gebrachten Cozzeſchen oder Herbert Mayo— ſchen zu wählen. Der Chirurg kann in dieſer Beziehung in keiner gro— ßen Verlegenheit ſein, da beide Verfahren leicht anwendbar und gefahrlos ſind, und weil ſie ſich nach einander aus— führen laſſen, wenn das eine oder das andere fehlgeſchlagen ſein ſollte. Da ſie jedoch auf durchaus entgegengeſetzten Theorien, nämlich das eine auf der Erſchlaffung, das andere ſenkrechte Luxation auf der Spannung der an die Knieſcheibe angeſetzten Mus— keln und faſerigen Bänder beruhen, fo iſt es nicht ohne In— tereſſe, den Mechanismus, nach welchem das eine und das andere wirkt, näher zu unterſuchen. Damals, als Herr Malgaigne ſeine intereſſante Abhandlung ſchrieb, konnte dieſer Punkt nicht genügend aufgeklärt werden, weil noch zu wenige Fälle dieſer Art von Luxation der Knieſcheibe bekannt waren. Gegenwärtig, wo deren noch vier hinzu— gekommen ſind, iſt es wohl eher möglich, bündige Betrach— tungen darüber anzuſtellen. Ich will daher unterſuchen, welche beſondere Hinder— niſſe ſich der Wiedereinrichtung der ſenkrechten Verrenkung der Knieſcheibe entgegenſtellen, ſo daß ſie zu den ſchwierig— ſten der am menſchlichen Körper vorkommenden Lurationen gehört. Zugleich hoffe ich nachzuweiſen, daß man die Ein— rahmung des Knochens in dieſer Beziehung zu hoch anzu— ſchlagen ſcheint. Der Urſachen, welche die Wiedereinrichtung erſchweren, ſind hauptſächlich drei: 1) Die Drehung und Anſpannung der Bänder, welche an die Knieſcheibe angeheftet ſind, näm— lich oben die Sehne des m. triceps und unten das Ligament der Knieſcheibe. 2) Die Einrahmung des Randes der Knie— ſcheibe, welcher zum hintern geworden iſt, in der Supra— condylengrube, wie fie Malgaigene nennt. 3) Die Span⸗ nung der Ränder der theilweiſe zerriſſenen faſerigen Kapſel, welche gleich Strängen oder Schnüren auf die Knieſcheibe drücken und ſie in ihrer fehlerhaften Lage erhalten. Es iſt erklärlich, daß man geglaubt hat, die bedeutende Anſpannung des Ligamentes der Knieſcheibe und der Sehne des m. triceps, welche durch die Zuſammenziehung des qua- driceps femoralis noch vermehrt wird, müſſe ſich der Wie— dereinrichtung kräftig widerſetzen. Dieſe Anſicht wird durch die erfolgreiche Anwendung des Valentinſchen Verfahrens noch unterſtützt; ſie verliert indeß einen großen Theil ihrer Wichtigkeit, wenn man bedenkt, daß unter den 12 bis jetzt beobachteten Fällen von ſenkrechter Yuration der Knieſcheibe jenes Verfahren bei acht nicht anſchlug, und daß auf der andern Seite, trotz der von Wolff vorgenommenen Durch— ſchneidung des Knieſcheibenbandes und der Sehne des triceps, die Wiedereinrichtung unmöglich blieb, ſowie daß auch Gaz— zam das Knieſcheibenband ohne Erfolg durchſchnitt. Die Muskelthätigkeit und die Spannung des Knie— ſcheibenbandes und der Sehne des triceps find alſo nicht das Haupthinderniß der Wiedereinrichtung, was bereits von Hrn. Malgaigne klar dargethan worden iſt. Hr. Malgaigne entſcheidet ſich für die Anſicht, daß das Hinderniß in der Einrahmung des hinterwärts gerichte— ten Randes des Knochens in die ſogenannte Supracondy— lengrube zu ſuchen ſei. „Dieſer Rand der Knieſcheibe, ſagt er, hat ſich in das adipöſe Gewebe, welches die Supracon— dylengrube bedeckt, ja vielleicht ſelbſt in das an dieſer Stelle ganz ſchwammige Knochengewebe eingeſenkt; er wühlt ſich eine Furche, in welche er ſich einkeilt, und in der er durch die Geſchwulſt des adipöſen Gewebes noch mehr befeſtigt wird.“ Dieſe S. 567 des IV. Bandes der Gazette medi- cale (1836) bei Gelegenheit der unvollkommnen Luration 29 134. nach außen gegebene Erklärung wird auch auf die ſenkrechte Luration ausgedehnt. Dieſe Anſicht ſtützt ſich auf mehrere wichtige Motive. Zuvörderſt wurde ſie von Herbert Mayo aufgeſtellt, und Hr. Malgaigne gelangte durch ſelbſtändige Forſchungen zu derſelben. Die Meinung dieſer beiden Chirurgen iſt ſchon an ſich von Gewicht und ſie wird durch die in mehreren Fällen von ſenkrechter Verrenkung durch plötzliche Beugung des Unterſchenkels gegen den Schenkel erlangte Wiederein— richtung bekräftigt. Durch die Beugung ſelbſt, heißt es, wird der in der Supracondylengrube eingerahmte und bis— her unbeweglich feſt gehaltene Winkel oder Rand der Knie— ſcheibe auf die knorpelige Rinne zurückgeführt, auf welcher er leicht hingleitet, und nachdem die Knieſcheibe auf dieſe Weiſe ein Mal ausgelöſ't und das Hinderniß gehoben iſt, nimmt jene von ſelbſt oder unter Beihülfe von ſeitlichem Drucke ihre normale Lage wieder an. Als Hr. Malgaig ne ſeine Ar— beit herausgab, kannte man nur 2 Fälle, in denen die Ein— richtung auf dieſe Weiſe erlangt worden war; nämlich einen, welcher 1823 von Cozze bei einer ſenkrechten Luxation, und einen zweiten, welcher von Herbert Mayo bei einer unsollftändigen Luration nach außen beobachtet worden war, welche Verletzung in der Regel, ſowie befonders in dem fraglichen Beiſpiele, nur ein niedriger Grad der ſenkrechten Verrenkung iſt. Seitdem haben zwei Fälle, die von Wat— ſon und Gazzam mitgetheilten, den frühern zur Unter— ſtützung gedient, obwohl nicht überſehen werden darf, daß in dem von Gazzam beobachteten das Knieſcheibenband vorher durchſchnitten worden war, wodurch der Mechanis— mus des Herbert Mayofchen Verfahrens gewiſſermaßen ges ſtört werden konnte. Auch Hr. Papen gedenkt noch eines Falles, der ſich jedoch, wie wir ſpäter ſehen werden, von den vorſtehenden weſentlich unterſcheidet. Man dürfte dieſe Anſicht alſo für hinreichend erwieſen halten; dennoch glaube ich darlegen zu können, daß ſie keine abſolute Gültigkeit beſitzt. Allerdings hat Hr. Malgaigne mit Recht auf die Grube über den Condylen aufmerkſam gemacht, und ſeine Beſchreibung des Kniegelenks kann als ein Beweis dienen, daß die Anatomie durch die Chirurgie weſentlich gefördert werden kann. Es läßt ſich allerdings nicht läugnen, daß die Grube über den Condylen in manchen Fällen von ſenk— rechter Luxation einen der Ränder der Knieſcheibe aufhalten kann; allein ich glaube nur nicht, daß hierin das einzige Hinderniß der Wiedereinrichtung liegt; ja ich halte dasſelbe nicht ein Mal für ſehr wichtig. Es iſt nämlich nicht zu überſehen, daß die Ränder der Knieſcheibe oder vielmehr der untere Winkel ihrer Ge— lenkfläche nur bei völliger Streckung des Knies mit irgend einem Punkte der Supracondylengrube in gleichem Niveau liegen. Schon bei beginnender Beugung des Knies ſteigt die Gelenkportion der Knieſcheibe in die knorpelige Rinne des kemur herab, und die deren innern und äußern Rand bildenden Winkel kommen unter die Supracondylen— grube zu liegen und ſteigen um ſo tiefer in die Rinne nie— der, je ſtärker die Beugung wird. Da dieſer Umſtand in VII. 2. 30 Betreff der Theorie der Einrahmung ſehr wichtig iſt, ſo möchte ich jeden Chirurgen einladen, ſich von der Richtig— keit desſelben an Cadavern zu überzeugen. Zu dieſem Ende kann man auf folgende Weiſe eine künſtliche ſenkrechte Lura= tion bewirken. Man trennt die Haut, das Fett und al— les am Rande der Knieſcheibe feſt hängende Faſergewebe durch zwei Einſchnitte, welche man längs beider Ränder der Knieſcheibe macht. Da dann die Knieſcheibe nur noch mit— tels ihres Bandes und der Sehne des m. triceps befeſtigt iſt, ſo läßt ſie ſich um ihre Achſe drehen und in die Lage bringen, wie wir ſie bei der ſenkrechten Luxation finden. Man hat hier allerdings keine wahre Luration, denn der Knochen verharrt in dieſer Lage nicht von ſelbſt, ſondern man muß ihn in derſelben mit den Fingern halten; allein in Betreff des hier zu unterſuchender Punktes findet dennoch eine vollſtändige Verrenkung Statt. Man wird alsdann bemerken, daß bei völliger Streckung des Knies, gehobener Ferſe und gegen das Becken gebeugtem Oberſchenkel der äußere oder innere Rand der Knieſcheibe völlig in der Supracondylengrube liegt; allein ſobald man anfängt den Unterſchenkel zu beugen, verläßt der den Rand bildende Winkel die Grube und ſteigt in die Rinne nieder. Dagegen läßt ſich nicht einwenden, daß dies nicht immer der Fall, ſondern daß es zuweilen möglich ſein werde, das Knie zu beugen, ohne daß einer der Ränder der verſchobenen Knieſcheibe unter die Supracondylengrube herabgleite, da das Knieſcheibenband länger oder kürzer oder mehr oder weniger ausgedehnt ſein könne. Denn ob das letztere etwas länger oder kürzer iſt, macht in dieſer Beziehung keinen Unterſchied, indem ich bei Cadavern von jedem Alter und Geſchlecht wahrgenommen habe, daß der Rand die Grube verläßt, ſo— bald die Beugung des Unterſchenkels beginnt; und fer— ner läßt ſich nicht annehmen, daß das Faſergewebe, aus welchem das Ligament beſteht, ſich bei einer plötzlichen An— ſtrengung verlängern könne, da ſich die unelaſtiſchen Faſern nur allmälig verlängern laſſen. Am lebenden Menſchen müſſen übrigens die Verhältniſſe ſich noch mehr in der an— gegebenen Weiſe geſtalten, da die Knieſcheibe dann noch an den Seiten in die Capſel, welche von deren Rändern nach den Condylen übergeht, wie in einen Rahmen eingeſchloſſen iſt. Da dieſer Punkt demnach feſt ſteht, fo iſt es von In— tereſſe, zu unterſuchen, in welchem Grade das Knie bei den wirklich vorgekommenen Fällen von ſenkrechter Verrenkung gebeugt oder geſtreckt geweſen iſt. Leider haben mehrere Beobachter dieſes Umſtandes nicht gedacht. In vieren der 12 bekannten Fälle war das Knie nach der Luration ge— ſtreckt, in zweien gebeugt; in einem zeigte ſich der Unter— ſchenkel gerade, ließ ſich jedoch in erheblichem Grade beugen. In den übrigen fünf Fällen iſt dieſes Punktes durchaus nicht erwähnt worden. Es liegen alſo wenigſtens drei Fälle vor, in denen ſich nicht annehmen läßt, der Rand der Knieſcheibe ſei in die Supracondylengrube eingerahmt geweſen. Wenn man nun unterſucht, in welchem Grade die Wiedereinrichtung in dieſen drei Fällen ſchwierig war, ſo findet ſich, daß nur in einem, nämlich dem von mir beobachteten, die Wieder— 31 134. VII. 2. 32 einrichtung leicht und ohne weiteres durch das Valentinſche Verfahren bewirkt ward. Bei der Payenſchen Beobachtung mißlang dieſes Verfahren, obwohl der Unterſchenkel nur wenig gebeugt und folglich die Knieſcheibe nicht eingerahmt war, und die Wiedereinrichtung ward vermittels einer raſchen und kräftigen Streckung des Gelenkes, welche der Patient ſelbſt nach dem Rathe des Arztes ausführte, bewirkt. Hr. Payen meint, die plötzliche Zuſammenziehung des triceps femoris, welche auf dieſe Weiſe die Wiedereinrichtung zu Wege brachte, habe die Knieſcheibe aus der Supracondplen— grube ausgelöſ't, wie dies bei dem Herbert Mapoſchen Ver— fahren durch die Beugung geſchieht. Dieſer Anſicht kann ich nicht beipflichten. Hier hatte offenbar die Knieſcheibe nicht in die Grube eingeſetzt, und der Verf. gründet ſeine Schlüſſe auf die aprioriſtiſche Annahme einer ſolchen Ein— rahmung. Wenn durch eine plötzliche Anſtrengung des triceps der Knochen in ſeine normale Lage zurückgelangte, ſo geſchah dies nicht durch die Aufhebung jenes angeblichen Hinderniſſes, ſondern auf eine andere Weiſe, auf welche ich ſpäter zurückkommen werde. Bei der Watſonſchen Beobachtung ſchlug das Valen— tinſche Verfahren fehl, wogegen das Herbert-Mayoſche ges lang. Hieraus läßt ſich ſchließen, daß die Methode, welche, wenn die Einrahmung nicht vorhanden iſt, gelingen müßte, wirkungslos blieb, ſowie daß die, welche jenes Hinderniß zu heben vermag, von Erfolg war, obgleich dasſelbe nicht eriſtirte. (Schluß folgt.) Miſeellen. (2) Einen Fall von spina bifida mit Spaltung des Hinterhauptbeins hat Dr. C. Pooley bei einem Kinde beobachtet, welches bei der Geburt eine große herabhängende Ge— ſchwulſt am Hinterhaupte zeigte. Sie war durchſcheinend, ſehr gefäßreich, ſchwappend und theilweiſe mit dem Haupthaare bedeckt. Am untern Theile des Hinterhauptbeines fühlte man eine Spalte, durch welche man die Flüſſigkeit in die Schädelhöhle drücken konnte, wodurch die vordere Fontanelle aufſchwoll und Zuſammenziehungen in den Händen und Armen, ſowie strabismus veranlaßt wurden. Übrigens ſchien das Kind wohl. Mittels einer cannelirten Nadel ward die Geſchwulſt angeſtochen und 20 Unzen Waſſer abgezapft. Die kleine Wunde vernarbte gut, aber die Geſchwulſt füllte ſich wieder. Das Kind magerte ab und ſtarb faſt zwei Monate nach der Operation. Die Geſchwulſt hatte ſehr ſtarke Wandungen und war inwendig mit einer weichen, glatten, gefäßreichen Membran ausgekleidet. Sie enthielt etwa 8 Unzen einer grünlichen Flüͤſſig⸗ keit. Das os occipitale war von dem Höcker (protuberance) bis zum foramen magnum durch einen 2 Zoll langen und ¼ Zoll weiten Spalt getheilt; dieſer aber durch eine dichte Faſermembran geſchloſſen, und nur unten befand ſich eine Offnung von der Stärke eines Federkiels, mittels deren der Sack mit der Kopfhöhle commu= nicirte. Das große Hirn war weich und breiartig, und ſeine graue Subſtanz ließ fi) von der weißen nicht unterſcheiden. Das ver- längerte Mark und Rückenmark zeigten ſich derb und wohlgebildet. Die vordern Bogen des atlas und der axis waren in eine einzige knorpelige Maſſe verwachſen, an welcher keine Spur von Verknöche— rung wahrzunehmen. Der hintere Bogen des erſten Wirbels fehlte bis zu der Höhe der Gelenkapophyſen gänzlich; zwei Drittel des Ringes der axis fehlten ebenfalls. Der Dornfortſatz des dritten Halswirbels war geſpalten. Der Zwiſchenraum der beiden Wirbel war durch eine dicke, bandartige Membran ausgefüllt. Auch der Dornfortſatz des vierten Wirbels war defect und erſt das fünfte Wirbelbein vollſtändig. (Lond. med. Gaz., Nov. 1847.) (3) Tabaksklyſtire, um durch Erregung von Er- brechen fremde Körper aus dem Schlundkopfe und dem oberen Theile der Speiſeröhre heraus zubrin⸗ gen, hat Dr. Marion zu Rhodez in Aveyron in zwei Fällen mit dem beſten Erfolge angewandt. In dem einen war einer 70 jährigen Frau ein Stück Speckſchwarte im oesophagus ſtecken ge⸗ blieben, welches ſich nicht in den Magen hinabſtoßen ließ und zugleich das Beibringen eines Brechmittels verhinderte. Hr. M. ließ der Patientin ein Klyſtir ſetzen, zu welchem 15 Grm. Tabaks⸗ blätter verwendet wurden. Es entſtand darauf große Beängſtigung und ſelbſt Lipothymie; aber bald trat Erbrechen ein und die Schwarte ward ausgetrieben. Der andere Fall betraf einen in der Speiſeröhre ſteckend gebliebenen Knochen, welcher auf dieſelbe Weiſe herausgebracht ward. Der Verf. will indeß dies Mittel nur in ſolchen Fällen angewandt wiſſen, für die es ſich nach dem Urtheile eines ſachverſtändigen Arztes eignet. (Bulletin general de Therapeutique, 15. Ayr. 1848.) (4) Daß ſich das Säuren oder Gerinnen der Milch durch einen Zuſatz von Kaffeeinfuſion verhindern laſſe, wird im Journ. des connaiss. méd. chir., Mai 1848, mit Hinweiſung auf den Nutzen, der namentlich im Sommer und wäh⸗ rend Gewittern ſich aus dieſer Eigenſchaft ziehen läßt, bemerkt. Zugleich wird daſelbſt die Vermuthung ausgeſprochen, daß die nachtheilige Wirkung, welche der Kaffee mit Milch auf gewiſſe Perſonen äußert, daher rühre, daß der Magen ſolche Milch nicht zerſetzen könne. Bibliographiſche Neuigkeiten. Species general et 1a le due des Sen vivantes, publiées par mono- graphies, comprenant la collection du Museum d’histoire naturelle de Paris, la collection Lamarck, celle de M. le baron Delessert, et les decouvertes röcentes des voyageurs; par L. C. Kiener, Livraison 123 à 125. In 80 de 3 feuilles plus 19 pl. Paris 1848, chez Rousseau. (Prix de la livrai- son in 8° figures coloriees 6 fr. — Idem grand 4% figures coloriees 12 fr.) D. Rosenberg, de microscopii usu in diagnostica. Commentatio regio prae- mio ornata. gr. 4% ½ Thlr. Dieterichsche Buchh. in Göttingen 1848. Memoire sur l’öpidemie de fievre typhoide qui 4 regne dans une partie du canton de Montigny-sur-Aube pendant l’annee 1847; par Achille Cesar. In 4% de 4 feuilles . Chätillon-sur-Seine 1848. E. Schmalz, Beiträge zur Gehör- und Sprachheilkunde. gr. 80. 1 Thlr. Hinrichsche Buchh. in Leipzig 1848. J. W. H. Conradi, Bemerkungen über die Selbständigkeit der Fieber. Aus den Aphandlungen d. Königl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen. gr. 4. %½ Thür, Dieterichsche Buchh. in Göttingen 1848, 3. (letztes) Heft. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 135. (Nr. 3. des VII. Bandes.) Juni 1848. Naturkunde. Draper, über die Lichterzeugung durch die chemiſche Thätigkeit. (Schluß.) — Mulder, über die chemiſche Veränderung der Nahrungs⸗ mittel durch die Verdauung. — Miſcellen. Calori, die kleine Portion des 5. Gehörnervenpaares. Neuer Planet von Graham und neuer Stern in der Schlange von Hind entdeckt. Toulmin Smith, Blüthenmißgeburt einer Potentilla. Arſenikgehalt verſchied. Mineralwaſſer am Ober⸗ und Niederrheine. — Heilkunde. Debrou, über die ſog. ſenkrechte Verrenkung der Knieſchelbe. (Schluß.) — 1 i, über eine zu Biskra in Africa beobachtete neue de a⸗ ſchwürige Hautkrankheit. — Miſcellen. Ausſcheidung des Urines nach Exſtirpation der Nieren. milie. — Bibliographie. III. Über die Lichterzeugung durch chemiſche Thätigkeit. Von John William Draper, Prof. der Chemie zu Newyork. (Schluß.) V. Das aufgefundene Geſetz bleibt, wenn die Verbrennung, ſtatt in atmoſphäriſcher Luft, in Sauerſtoff erfolgt, ganz dasſelbe. Wenn nun der Grad der Brechbarkeit des Lichtes wirk— lich von der Intenſität der chemiſchen Thätigkeit abhängig iſt, fo muß, wie der Verf. ſehr richtig ſchließt, das Kohlen— orydgas im Sauerſtoffgaſe mit derſelben blauen Flamme wie in der atmoſphäriſchen Luft brennen, das Cyangas aber, da ſeine Verbrennung jetzt vollſtändiger geſchieht, mehr brechbare Strahlen, folglich ein anderes Licht, erhalten. Der Verf. ließ das Sauerſtoffgas aus einem kleinen Gaſometer über die Kohlenoryd-Gasflamme ſtreichen: die letztere ward dadurch etwas kleiner, kniſterte, aber verän— derte ihre Farbe nicht, das Spectrum blieb, die Ver— brennung mochte in atmoſphäriſcher Luft oder in Sauerſtoff vor ſich gehen, ſowohl ſeiner Größe als ſeiner Farbenver— theilung nach, ganz dasſelbe. Dagegen erhielt die Cyan— gasflamme durch den Zutritt des Sauerſtoffes augenblicklich, ſtatt ihrer röthlichen Färbung, einen blendenden Glanz; durchs Teleſkop geſehen, hatten alle Farben an Glanz ge— wonnen, die äußeren brechbaren Strahlen waren am auf— fallendſten verändert; weit außerhalb der Grenzen des ge— wöhnlichen Spectrums erſchien ein violetter Strahl von großer Reinheit und Kraft. Der Verfaſſer wiederholte denſelben Verſuch mit noch verſchiedenen andern Flammen, überall waren ſchon beim Verbrennen in atmoſphäriſcher Luft, wenn die Flammen über— No. 2115 — 1015. — 135. Jauly, angeborne Blindheit bei 9 Kindern derſelben haupt hell genug waren, alle Farben ſichtbar, traten aber, ſowie die Verbrennung in Sauerſtoff vor ſich ging, um ſo entſchiedener hervor. Die Alkohol- und Waſſerſtoffflamme hat ein ſo ſchwaches Licht, daß die Endſtrahlen kaum zu ſehen ſind; unter Sauerſtoffgas tritt dagegen das Roth und Violett und zwar vorzugsweiſe das letztere deutlich hervor. Die Fig. 1 zeigt mehrere ſolcher Spectra, ſowohl in der Luft, als im Sauerſtoffgaſe. Auf No. 9 deuten die Buch— ſtaben mg und ml das Marimum des grünen und blauen Lichtes in Form heller Linien an. Übrigens erkennt man ſchon ohne Prisma durch einen einfachen Vergleich der in der Luft und im Sauerſtoffgaſe brennenden Flamme an ihrem Lichte die größere Brechbarkeit des letzteren. Jede Flamme beſteht nun, wie der Verf. nach den vorhergehenden Verſuchen annimmt, aus einer Hülle bren— nender Stoffe, in der ſich die Intenſität der Verbrennung nach der Entfernung von der Peripherie dieſer brennenden Hülle richtet. Der innere Theil eines horizontalen Flammen— durchſchnittes beſteht aus nicht brennendem Dampfe und ift deßhalb dunkel; ihn umgiebt eine Schicht, in der die Ver— brennung beginnt und von der rothes Licht ausgeht; ihm folgen der Reihe nach orange, gelbe, grüne, blaue, indig— farbene und violette Kreiſe, deren Farbe durch die chemiſche Thätigkeit, d. h. durch die Gegenwart von Sauerſtoff, be— ſtimmt wird; die Farben verlieren ſich allmälig in einander zu einem kreisförmigen Farbenbogen; dem unbewaffneten Auge erſcheinen alle Farben verbunden und gerade deßhalb von der Färbung der vorwaltenden Farbe. Bei einer verti— calen Zerlegung durch das Prisma erſcheinen die rothen Strahlen an der Spitze, die blauen am Grunde. Anders iſt es dagegen mit der Cyanflamme, ſie muß aus ſo viel Schichten beſtehen, als ſich durchs Prisma Gegenden ver— ſchiedener Brechbarkeit erkennen laſſen; der innere Theil 3 35 135% MI. 3. 36 zerfällt in vier rothe Streifen, dem ein oranger, ein gelber, ſieben grüne u. ſ. w. folgen; nach der Außenſeite der Flamme finden ſich zwei große unthätige Räume, welche den beiden großen Gruppen dunkeler Linien entſprechen, durch ſie ent— weicht vielleicht der größte Theil des nicht verbrennbaren Stickſtoffes. VI. Wird ins Innere der Flamme Luft geleitet, fo verſchwinden die rothen und orangen Räume, an ihrer Statt erſcheint das Violett. Wenn man mit einem Löthrohre durch die Flamme einer Ollampe bläſ't, ſo deutet der ſpitzige blaue, hier ent— ſtehende Flammenkegel auf eine Zunahme der Verbrennung. Wenn aber die Farben einer gewöhnlichen Flamme aus verſchiedenen Tiefen entſpringen und das Roth die innerſte derſelben iſt, ſo muß durch Einfuhrung eines Luftſtromes die vorhin träge Verbrennung beſchleunigt werden, wodurch die weniger brechbaren Strahlen verſchwinden müſſen. Die prismatiſche Analyſe einer Löthrohrflamme wird ein Spee⸗ trum ohne alles Roth und Orange zeigen. Zu dieſem Ver— ſuche kann man, da die Löthrohrflamme, aus einer Entfer— nung von 6 oder 8 Fuß geſehen, ſchmal genug iſt, der Spalte entbehren, und man erhält ganz ſo, wie es der Verf. vermuthete, ein Spectrum, dem alle rothen und oran— gen Strahlen fehlen, dasſelbe iſt in fünf ſcharf geſchiedene Abtheilungen getheilt, die durch wirkliche Zwiſchenräume getrennt ſind, der Verf. ſah demnach fünf getrennte Bilder des blauen Kegels, ein gelbes, zwei gruͤne, ein blaues und ein violettes Bild (Fig. 1, No. 10). Dieſer Verſuch läßt ſich ohne Teleſkop anſtellen, wenn man durch ein Prisma, das horizontal im Winkel ſeiner geringſten Abweichung ſteht, auf die etwa 6 bis 8 Fuß entfernte Löthrohrflamme ſieht; es entſteht ein Speetrum des Flammentheils, der nicht den blauen Kegel bildet, das folg— lich alle prismatiſchen Farben enthält, auf dem aber 5 far— bige Bilder des Kegels ein gelbes, zwei grüne, ein blaues und ein violettes Bild entworfen und durch dunkle Zwi— ſchenräume von einander geſchieden ſind (Fig. 2). Der Zutritt der Luft ins Innere der Flamme beſchleunigt demnach die Verbrennung und macht dadurch das Roth und Violett verſchwinden; dafür entſteht durchs Löthrohr eine doppelte Schicht des blauen Lichtes, deren eine nach außen, die andere nach innen liegt, eben ſo eine doppelte Schicht des Grünes, eine äußere und eine innere; die frei werden— den Verbrennungsproducte, Rauch und Kohlenſäure, vermis ſchen ſich mit der atmoſphäriſchen Luft und bilden die orydirende Flamme, welche den blauen Kegel umhüllt und Brewſters monochromatiſches gelbes Licht ausgiebt; daß aber das gelbe Licht wirklich von dieſem Theile der Flamme ausgeht, wird durch die größere Länge ſeiner Bilder be— wieſen. VII. Phyſicaliſche Urſache der Lichterzeugung beim chemiſchen Proceſſe. Die oben mitgetheilten Thatſachen beweiſen dem Verf., daß in allen chemiſchen Verbindungen eine ſchwingende Be— wegung des Elementarbeſtandtheiles vorhanden iſt, und daß dieſe Schwingungen mit der Zunahme der chemiſchen Thä— tigkeit vermehrt werden. Die brennenden Theilchen, welche die innere Hülle einer Flamme bilden, machen in einer Secunde mehr als 400 Bil- lionen Schwingungen, die in der Mitte befindlichen über 600 Billionen und die zu äußerſt gelegenen, mit der Luft unmittelbar zuſammenkommenden, in derſelben Zeit über 800 Billionen Schwingungen. Die Beſchaffenheit und Farbe ihres Lichtes iſt von der Schnelligkeit der Schwingungen abhängig, die Brechbarkeit nimmt zu, wie ſich die chemiſche Thätigkeit vermehrt. Die Theile aller Körper befinden ſich in ununterbroche— ner Schwingung, ihre Temperatur wird von der Schnellig— keit und Weite dieſer Schwingungen bedingt; wird nun die erſtere durch chemiſche Einflüſſe bis auf 400 oder 800 Bil— lionen von Schwingungen in einer Secunde geſteigert, ſo ſteigt auch die Temperatur bis zum Verbrennen, im erſten Falle auf 9779 Fahrenheit, die ſich bei dieſer Temperatur dem Lichtäther mittheilenden Wellen erſcheinen dem Auge als rothes Licht; die Temperatur der innern Flam— menſchicht iſt demnach die oben angegebene; nehmen die Schwingungen ferner zu, ſo ſteigt nothwendig auch die Temperatur, und nach einander erſcheint ein oranges, gelbes, grünes, blaues Licht u. ſ. w. in derſelben Reihen: folge, wie ſich von innen nach außen die Flammenſchichten folgen. Das Grundgeſetz, zu dem der Verf. durch dieſe Verſuche gelangte, iſt nunmehr der Zuſammenhang zwiſchen dem Grade der chemiſchen Thätigkeit und dem Grade der Brechbarkeit des Lichtes, nach den Geſetzen der Schwingungstheorie; alle chemiſchen Zerſetzungen der Körper werden, nach ihm, durch vermehrte Schwingungen der Theilchen eines Körpers ein— geleitet und bedingt, beſchleunigte Schwingungen ſind aber mit vermehrter Brechbarkeit gleichbedeutend. Die Theorie der Atherſchwingungen iſt demnach auch auf die Fundamentalgeſetze der Chemie, die ihr bisher fern zu ſtehen ſchien, anwendbar, wie ſchon Whewell in ihnen eine dem Gravitationsgeſetze gleich allgemeine, auf alle phy— ſtcaliſchen Erſcheinungen einflußreiche Kraft erkannt hat. VIII. über die phyſicaliſche Urſache der dunklen Fraunhoferſchen Linien. Der Verf. erinnert hier an das Spectrum der Cyan— gasflamme und des Sonnenlichtes und macht auf die Be: ziehungen der feſt ſtehenden Linien beider Spectra zu einander aufmerkſam. In der folgenden Tabelle giebt er Fraun— hofers Beſtimmung der Wellenlänge der ſteben großen, von ihm mit B bis II bezeichneten, feſt ſtehenden Linien, zu denen er eine neuere, A benannte, von ihm ſelbſt berech— nete, hinzufügt. Tabelle der Wellenlänge der acht großen, feſt ſtehenden Linien des Sonnenſpectrums, den Pariſer Zoll in 100 Mil⸗ lionen Theile getheilt angenommen. 37 135. VII. 3. 38 2660 * * d INN Eine Betrachtung dieſer Tabelle zeigt nunmehr, daß die Wellenlänge von B um 119 Theile kleiner als A iſt, = 238 Theile weniger als A beträgt 485 715 866 1073 1196 e - Dieſe Differenzen entſprechen nahebei den ganzen Zahlen 1, 2, 4, 6, 7, 9, 10, dies Verhältniß kann jedoch nicht wohl ein zufälliges ſein, wobei man nicht vergeſſen darf, daß die von Fraunhofer aufgefundenen Zahlen von jeder Hypo— theſe unabhängig ſind; ſollte aber wirklich ein ſolches Ver— hältniß zwiſchen dieſen Zahlen Statt finden, ſo müßten ſie berechnet folgende fein: 119, 238, 476, 714, 833, 1071, 1190. Die Wellenlänge des am ſtärkſten leuchtenden Theiles, des Mittelpunktes im gelben Raume des Spectrums, beträgt 2060 Theile; nehmen wir dieſen Punkt als optiſches Gen: trum an, ſo finden wir, daß die großen Linien in ſymmetri— ſchem Verhältniſſe zu ihm ſtehen: E und D ſtehen gleich weit entfernt über und unter ihm, dasſelbe gilt von 6 und B und von H und A, nur F macht eine Ausnahme, feine Stellung zu C iſt nicht ſymmetriſch. Das Geſagte bezieht ſich natürlich auf ein Spectrum, das von einer gegitterten oder von Linien durchzogenen Oberfläche erhalten wurde; die Far— ben ſind in ſelbigen nach ihrer Wellenlänge neben einander angeordnet, den Mittelpunkt des Spectrums bildet die Mitte des gelben Raumes, das Licht wird in gleichen Abſtänden durchs Roth und Violett geſchloſſen. Die Urſache, durch welche dieſe Linien bervortreten, ſcheint dem Verf. demnach auf einem periodiſchen Einfluſſe zu beruhen, obſchon er dieſe Urſache ſelbſt nicht mit Be— ſtimmtheit anzugeben vermag, ja nicht ein Mal zu behaupten wagt, daß dieſe dunkeln, feſt ſtehenden Linien immer durch unverbrennliche, aus der Flamme entweichende Stoffe ver— anlaßt werden; nur ſo viel iſt erwieſen, daß in allen den Fällen, wo Cyangas, Alkohol, alkoholiſche Löſungen von ſalpeterſaurem Strontian, von Borſäure u. ſ. w. verbrennen und dieſe Linien auftreten, auch überall unverbrennbare Stoffe frei werden. „ n Ww ie ien u u M M u E „ u u ann u „ u u u „ „ \ a IV. Über die chemiſche Veränderung der Nahrungs⸗ mittel durch die Verdauung. Von G. J. Mulder. Die Umwandlung der ſogenannten indifferenten ſtick— ſtofffreien Nahrungsmittel in Zucker, der vom Blute auf— genommen wird, iſt zuerſt von Tiedemann und Gmelin nachgewieſen und von allen folgenden Forſchern beſtätigt worden. Der Pflanzenzellſtoff ſowohl, als das Stärkemehl, Inulin, die Moosſtärke, das Gummi, Dertrin, der Pflanzen— ſchleim, ſämmtlich im Pflanzenreiche ſehr verbreitete Stoffe, werden durch die Verdauung zuletzt in Traubenzucker ver— wandelt. Der Chemiker kann dieſe Umwandlung nicht al— lein nachweiſen, ſondern auch erklären: alle dieſe Stoffe beſtehen nämlich aus 12 Atomen Kohlenſtoff, mit Waſſer— ſtoff und Sauerſtoff im Verhältniß der Waſſerbildung vor— bunden; je nachdem ſich nun das Verhältniß der beiden letzten Stoffe zum Kohlenſtoffe ändert, wird der Pflanzen— zellſtoff in Dertrin und das Dertrin wiederum in Zucker, deſſen 12 Atome Kohlenſtoff mit weniger Waſſer verbunden ſind, verwandelt. Auch die Veränderungen der thieriſchen wie pflanzlichen Fette in den Verdauungsorganen der Thiere ſind der Che— mie hinreichend bekannt; beide verhalten ſich nahebei gleich, die pflanzlichen Fette werden im thieriſchen Körper in thie— riſche Fette verwandelt; man betrachtet ſie als Fettſäuren, als Kohlen-, Waſſerſtoff-Verbindungen mit Sauerſtoff: ſo wird das Schaffett und die Cacaobutter, die Stearinſäure enthalten, in der Lunge durch Sauerſtoffaufnahme in Men— ſchenfett, das Magarinſäure enthält, umgewandelt. So genau wir nun die Umwandlung der ſtickſtofffreien und der fetten Nahrungsmittel kennen, ſo wenig wiſſen wir über die Veränderungen der wichtigſten, der ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen. Der Verf. unterſuchte deßhalb das Eiweiß, den Käſeſtoff und thieriſchen Faſerſtoff; ſeine Arbeit iſt in der zweiten Lieferung der Tijdschrift voor de wis- en na- tuurkundige wetenschappen von 1847 mitgetheilt. Alle drei Stoffe ſind unter ſich verſchieden, enthalten jedoch alle dasſelbe organiſche Radikal; der Faſerſtoff hat übrigens mehr Sauerſtoff, als die beiden anderen. Nach einer forgfältig, mit Beachtung aller Cautelen, angeſtellten Analyſe ſind ſelbige folgendermaßen zuſammengeſetzt. (Der Kohlenſtoff und Stickſtoff find, nach der neueſten Beſtimmung ihres Atomgewichts, der Kohlenſtoff = 75,(12), der Stick— ſtoff = 87,05) berechnet.) Elweißſtoff aus Käſeſtoff. Eiern. Faſerſtoff. SAR "un = 100. Die Elementarzuſammenſetzung dieſer 3 Stoffe iſt zwar nur wenig von einander verſchieden, dennoch aber ſehr we- ſentlich; der Schwefel und der Phosphor iſt, nach des Verf. neuſten Unterſuchungen, in ihnen als Amidverbindung ent— halten und darnach berechnet in ihnen im folgenden Ver— hältniſſe vorhanden. 3 * 39 135. VII. 3. 40 Faſerſtoff. Eiweiß. Ka ſeſtoff. C. 54,4 55,6 54,8 H. 7,0 7,1 7,1 N. 14,4 14,4 15,1 0. 24,2 22,9 23,0 100,0 100,0 100,0 enthalten. s Nie H. 2,4 3,2 1,8 Ph? N? H? 0,4 0,6 0 Die nächſte Veränderung, welche dieſe Stoffe in den Verdauungswerkzeugen erleiden, beſteht in einer Auflöſung, die man früherhin nur der Salzſäure und einem beſondern organiſchen Stoffe, dem Pepſin, zuſchrieb; jetzt weiß man dagegen, daß nicht immer Salzſäure allein im Magen vor— handen und das Pepſin kein beſonderer Körper iſt, vielmehr verſchiedene organiſche Verbindungen eine ſolche Auflöſung herbeiführen können. Der Faſerſtoff und ungeronnene Milch werden ſchon durch eine verdünnte Säure allein; die in der Wärme geronnene Milch und das erhärtete Eiweiß aber durch eine ſolche Säure und irgend einen organiſchen, in Umſetzung begriffenen Körper gelöſ't, wozu, wie die Ver— dauung der ſogenannten kaltblütigen Thiere beweiſ't, keine erhöhte Temperatur von Nöthen iſt. Der Faſerſtoff wird, mit verdünnter Säure übergoſſen, augenblicklich gallertartig und ſchon bei gewöhnlicher Tem— peratur allmälig gelöſ't. Die Milch enthält aufgelöſ'ten Käſeſtoff und Milchkügelchen; mit irgend einer verdünnten Säure zuſammengebracht, gerinnt ſie anfangs, wird darauf gelatinös, ihr anfangs abgeſchiedener Käſeſtoff aber zuletzt wie— der aufgelöſ't. War die Milch indeß in der Wärme durch eine Säure zum Gerinnen gebracht, ſo erfordert ſie, gleich dem geronnenen Eiweiß, außer der verdünnten Säure noch einen organiſchen Stoff, um gelöſ't zu werden; ein Stück von der Harnblaſe, vom Magen oder vom Darme eines Thieres find für dieſen Zweck gleich wirkſam. Wenngleich die Art der Einwirkung der organiſchen Stoffe, um dieſe Auflöſung herbeizuführen, bisjetzt noch dunkel iſt, ſo iſt das Factum ſelbſt doch eben ſo gewiß. Die Auflöſung des Pflanzenzellſtoffs in verdünnter Schwefelſäure, die Umwandlung des Stärkemehls in Kleiſter iſt noch eben ſo wenig erklärt, nur ſo viel iſt bisjetzt bewieſen, daß gewiſſe organiſche Stoffe in ihnen erweckte Thätigkeiten auf andere Körper übertragen und dadurch ſelbige verändern können. Nicht beſſer geht es uns indeß mit manchen alltäglichen Er— ſcheinungen: wenn wir einen Körper über dem Feuer ſchmel— zen, ſo ſehen wir zwar, daß ſich ſein Aggregatzuſtand ver— ändert, wie dieſe Veränderung übrigens erfolgt, wiſſen wir eben ſo wenig. Die drei genannten eiweißartigen Stoffe, gleichviel ob inner- oder außerhalb des Magens unter den genannten Ver— hältniſſen aufgelöſ't, ſind, nach des Verf. Verſuchen, in ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung noch unverändert dieſelben ge— blieben. Der Faſerſtoff und Käſeſtoff der folgenden Ana— lyſe wurden in ſehr verdünnter Salzſäure gelöſ't und mit kohlenſaurem Ammoniak gefällt, darauf durch Alkohol und ther vom Fette befreit; der coagulirte Eiweißſtoff in Salz— ſäure mit Kälberlab gelöſ't, ebenfalls mit kohlenſaurem Am— moniak gefällt und mit Alkohol und Ather gereinigt, Der Verf. erhielt folgende Zahlen: Faſerſtoff. Eiweißſtoff. Käſeſtoff. 0 52,7 53,1 53,4 H 6,9 6,9 7,0 N 15,8 15,6 15,3 0 23,5 22,6 23,7 8 1,1 1,8 0,6 Der Verf. hat den Phosphor nicht weiter berückſichtigt, da aber das Verhältniß der übrigen Elementarſtoffe das— ſelbe geblieben und auch der Schwefel, ſowohl ſeiner Menge als ſeiner Anordnung nach, nicht verändert iſt, ſo darf man die erwähnten Stoffe ſämmtlich als ihrer Zuſammenſetzung nach unverändert betrachten. Der erſte Act der Verdauung beſteht alſo in einer Löslichmachung der Stoffe, nur ſcheint es, als ob die thieri— ſchen Stoffe und auch die pflanzlichen Proteinverbindungen ſchwieriger gelöſ't werden; ob ſie nun fernerhin im Darm— canale chemiſch verändert werden, oder dieſe Veränderung erſt im Blute vor ſich geht, iſt zwar für die Wiſſenſchaft ſehr wichtig, würde den Verf. aber über die Grenzen einer kurzen Abhandlung, die gewiſſermaßen nur ein Beitrag zur Lehre von der Verdauung ſein ſoll, hinausführen. Noch vor einigen Jahren glaubte man, daß pflanzliche Stoffe durch die Verdauung in thieriſche Stoffe umgewandelt wür— den und ſo den Thieren Nahrung böten; ſpäter hieß es, der Faſer-, Eiweiß- und Käſeſtoff würden im Magen in Osmazom und Speichelſtoff verwandelt; jetzt weiß man da— gegen, daß alles dies nicht geſchieht, vielmehr nur eine ein— fache Auflöſung erfolgt. Der weitere Verdauungsproeeß iſt nun eben ſo einfach und, da man weiß, welche Stoffe im Magen auf die Nahrungsmittel einwirken, auch außerhalb des thieriſchen Körpers verſuchsweiſe zu erfahren. Nur der Käſeſtoff ſcheint dem Verf. um ein geringes in ſeinen Beſtandtheilen verändert zu werden; die Analyſe des ungelöſ'ten und gelöſ'ten Käſeſtoffes ergab, wenn das Sulfamid nicht mit berechnet ward, folgende Zahlen: Käſeſtoff. Gelöoſ'ter Kaͤſeſtoff. C. 54,8 54,1 II. 7594 7,0 N. 15,1 14,7 0. 23,0 214,2 Obſchon es ſehr gewagt iſt, aus jo kleinen Differenzen eine Veränderung derartiger Stoffe erſchließen zu wollen, ſcheint dem Verf. doch ſo viel gewiß, daß zwiſchen dem aufgelöſ'ten Käſeſtoffe und dem Faſerſtoffe eine große Über— einſtimmung herrſcht. Faſerſtoff. Selöfter Käfeftoff. C. 54,4 54,1 H. 7,0 7,0 N. 14,4 14,7 0. 24,2 24,2 Nun kann man ſowohl den hier berechneten Stoff, in Käſeſtoff urſprünglich vorhanden, oder durch eine Aufnahme von Sauerſtoff im Magen entſtanden, annehmen, worüber erſt die Zukunft entſcheiden muß. 41 135. VII. 3. 42 Aus dem mitgetheilten folgert nunmehr der Verf., daß beim Genuſſe von Käſeſtoff aus ſelbigem im Magen der Stoff erzeugt wird, den man in Fibrin findet, und der erſt im längeren Theile des Darmcanales, durch eine Zerſetzung der ſchwefelſauren Salze und Bildung von Sulfamid zum eigent— lichen Faſerſtoffe wird. Daraus entſtände die wichtige Frage, ob der Genuß von Milch bei Entzündungskrankheiten nach— theilig ſei. Miſcellen. 6. Die kleine Portion des fünften Gehirnnerven— paares ward von Calori neuerlich unterſucht. Santorini hat ſie zuerſt beſchrieben, Paletta zuerſt als eigenen Nerven be— trachtet und deſſen Verzweigungen angegeben. Der Verf. forſchte nach den Beziehungen dieſer Portion zum dritten Aſte des fünften Nervenpaares und nach den Zweigen, welche dem einen oder dem andern angehören, insbeſondere beſchäftigte ihn der nervus milo- hyoideus, der von Bell, Müller und Longet für einen Aſt der kleinen Portion gehalten ward. Vielfache Unterſuchungen an Menſchen, Nagethieren, Einhufern, Wiederkäuern, Fleiſchfreſſern und anderen Thieren zeigten dem Verf., daß dieſe Annahme nicht ſtatthaft ſei, daß er vielmehr dem großen oder ganglionären Theil, oder, beſtimmter geſagt, dem dritten (ſoll wahrſcheinlich heißen: zweiten) Aſte des fünften Nervenpaares angehöre und jederzeit mit dem unteren Zahnnerven in Verbindung ſtehe, häufig mit dem Zun— gennerven und bisweilen mit dem neryus temporalis superficialis zuſammenhänge. In einigen Fällen bekommt er deutlich Faſern vom dritten Aſte, dann iſt der Gaſſerſche Knoten ſtets ſehr ent— wickelt und umſpinnt den dritten Aſt vollſtändig, während, wenn dieſe Verbindungszweige fehlen, auch das ganglion klein iſt und der dritte Aſt dasſelbe, an ihm vorbeilaufend, nur berührt. (L’In- stitut, No. 743. 1848.) 7. Ein neuer, kleiner Planet ward am 26. April d. J. auf der Sternwarte zu Markree von Graham entdeckt; er ward (I.) Beobachtung über die ſog. ſenkrechte Verren⸗ kung (Achſendrehung) der Knieſcheibe, nebſt Be— merkungen über dieſe Art von Luxation. Von T. Debrou, Chirurgen des Hötel-Dieu zu Orleans. (Schluß.) In den drei Fällen, wo die vorgebliche Einrahmung der Knieſcheibe nicht Statt fand (weil das Knie gebeugt war oder gebeugt werden konnte), iſt die Wiedereinrichtung alſo ziemlich leicht geweſen, oder ſie hat doch nicht die ge— waltigen Schwierigkeiten dargeboten, auf welche man in andern Fällen geſtoßen iſt. Dieſer Umſtand ſcheint auf den erſten Blick für die Malgaigneſche Anſicht zu ſprechen, nach welcher das Haupthinderniß der Wiedereinrichtung darin zu vor und nach feinem Culminationspunkte mit dem großen Aquato⸗ riale und dem Meridiane mit dem Münich'ſchen Cirkel beobachtet. Die Schnelligkeit ſeiner Bewegung beträgt, nach dem Sternbilde AR beſtimmt, täglich ungefähr 1 Minute 7 Secunden. Dieſer neue Planet iſt ein Stern zehnter Größe. Ein anderer neuer Stern ward von Hind etwa um dieſelbe Zeit aufgefunden, er ſteht im Sternbilde der Schlange und iſt jetzt ſchon mit bloßen Augen ſichtbar, am 3. und 5. Auguſt war von ihm noch nichts zu ſehen. Er iſt ein Stern vierter oder fuͤnfter Größe, dabei eben fo leuchtend, wie V der Schlange. Der Entdecker glaubt, daß der Stern, ſeit er ihn zuerſt geſehen, an Größe zugenommen habe. Der neue Stern hat ein röthliches Licht. Er ſowohl wie der neue Planet Grahams wurden auf der Sternwarte von Pa: ris beſtätigt. (Comptes rendus, No. 18. 1848.) 8. Eine Potentilla, die im Jahre zuvor die ſchönſten regelmäßigen Blüthen getragen, brachte im folgenden Jahre bei völlig gleicher Behandlung, wie F. Toulmin Smith berichtet, nur Blüthenmißgeburten. Jede derſelben war von einem Büſchel regelmäßiger grüner Laubblätter umgeben und beſtand ſelbſt nur aus einem Knäuel ſolcher Blätter, während die eigentlichen Blu— menblätter, Staubfäden und Piſtille fehlten; der ganze Blüthen— apparat war zu einem Büſchel kleiner grüner Laubblätter geworden. Aus der Mitte einer ſolchen Blüthenmißgeburt ging bisweilen eine zweite ihr vollkommen gleiche hervor. Farbe und Geſtalt aller dieſer Blätter entſprach den gewöhnlichen Laubblättern dieſer Po- tentilla. (The Annals and Magazine of Natural History, No. 1. 1848.) 9. Der Arſenikgehalt verſchiedener Mineral⸗ quellen am Ober- und Unterrheine iſt, nach Chevallier und Schauefele, folgender: Das Waſſer von Chatenodis und Sulz- bach enthält nur geringe Spuren von Arſenik, wogegen ſich im Niederſchlage der Waſſerbaſſins von Sulzbach Arſenik in beträcht— licher Menge findet. Das Waſſer von Sulzmatt und der oker⸗ farbene Niederſchlag desſelben Waſſers, eben ſo das Waſſer von Wattweiler enthalten nur Spuren dieſes Metalles, dagegen ent— hält der Niederſchlag aus letzterem Waſſer ſehr beträchtliche Men— gen Arſenik. Auch im Waſſer von Niederbronn laſſen ſich nur geringe Spuren nachweiſen, während ſein Niederſchlag reich an Arſenik iſt. (Comptes rendus, No. 14. 1848.) ſuchen wäre, daß die Knieſcheibe in der Supracondylengrube eingeſetzt hat. Allein um ſich eine bündige Meinung zu bilden, muß man auch in Anſchlag bringen, daß in vier Fällen, wo man die vollſtändige Streckung des Knies wahr— genommen hat, die Wiedereinrichtung zwei Mal (im Mar— tinſchen und Rouſſelotſchen Falle) durch das Valentinſche Verfahren leicht erlangt ward. Wollte man die Bedeutung dieſes Umſtandes verkleinern, indem man anführte, daß in dieſen beiden Fällen die Wiedereinrichtung vielleicht dadurch erleichtert worden ſei, daß die Luration durch die Muskel⸗ contractign veranlaßt worden, fo erwidere ich darauf, daß Malgaigne's Annahme, dieſe Urſache habe bei dem Rouſſelotſchen Patienten Statt gefunden, eine bloße Ver— muthung iſt, was M. ſelbſt anerkennt. Der Kranke war auf die Knie gefallen, und es läßt ſich unmöglich beſtimmen, 43 135. VII. 3. 44 ob die Luxation durch einen Druck von außen oder Durch Muskelcontraction erfolgt war. In dem Payen'ſchen Falle ferner, wo die Muskelcontraction allerdings die Veranlaſſungs— urſache geweſen zu ſein ſcheint, zeigte ſich die Wiederein— richtung, behufs derer das Valentinſche Verfahren ohne Erfolg blieb, ſchwieriger, als bei den zwei letzterwähnten Patienten, ſowie bei dem von mir beobachteten, obwohl bei dieſem die Verrenkung durch eine äußere Gewaltthätigkeit verurſacht worden war. Aus dem vorſtehend Geſagten läßt ſich demnach bündig folgern, daß die Einrahmung der Knieſcheibe nicht in allen Fällen von ſenkrechter Verrenkung Statt findet, und daß ſie ſelbſt in Fällen nicht eriſtirt hat, wo die Wiedereinrich— tung ſo ſchwierig war, daß das Valentinſche Verfahren nicht anſchlug. Es bleibt nun noch nachzuweiſen, daß dies Hin— derniß nicht das hauptſächlichſte iſt, welches ſich der Wieder— einrichtung entgegenſtellt. Da nun die Wichtigkeit, die man ihm beimißt, hauptſächlich auf der Wirkſamkeit des Cozze'- ſchen oder Herbert Mayoſchen Verfahrens beruht, jo muß natürlich vor allem der Mechanismus dieſes Verfahrens näher unterſucht werden. Zuvörderſt will ich darauf aufmerkſam machen, daß der durch dieſes Verfahren bei dem Patienten des Herrn Gazzam erlangte Erfolg auf eine andere Art der Wirkung hindeutet, als die von Hrn. Malgaigne angenommene, indem durch die vorher ausgeführte Durchſchneidung des Knieſcheibenbandes die Senkung der Knieſcheibe erſchwert worden fein mußte. Wenn man ferner den Unterſchenkel raſch und heftig auf den Oberſchenkel beugt, ſo erlangt man die Wiedereinrichtung des Knochens keineswegs zu Anfang der Beugung. Man hat vielmehr das Bein immer mehr— mals und im bedeutenden Grade beugen und dann eben ſo plötzlich ſtrecken müſſen. Wenn aber die Einrahmung das eigentliche Hinderniß der Wiedereinrichtung wäre, ſo würde dieſe ſchon vor einer ſehr ſtarken Beugung und nach einer einzigen Bewegung geſchehen, weil dieſe hinreicht, die Knieſcheibe aus der Supracondylengrube auszulöſen. Man hat demnach das Vorhandenſein eines andern Hinderniſſes anzunehmen. Wir haben bereits geſehen, daß die Spannung der Muskeln oder des Knieſcheibenbandes hier nicht in An— ſchlag gebracht werden darf; wir haben uns alſo nur an die faſerige Kapſel zu halten, welche beſonders durch den Druck ihrer zerriſſenen Ränder, nach Art eines Stranges oder Steges, wirkt und ſo die Knieſcheibe in ihrer fehler— haften Lage feſt hält. Hr. Malgaigne erkennt dieſe Wir— kung ebenfalls an, ſchreibt ihr indeß rückſichtlich der Ver— hinderung der Wiedereinrichtung, im Vergleich mit der Einrahmung der Knieſcheibe durch die Supracondylengrube, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Da indeß dieſe Einrahmung, wie ich nachgewieſen, in manchen Fällen gar nicht vorhanden iſt, ſo hat man auf den ſeitlichen Druck, den die ſtraffe und zwiſchen die ver— ſchobenen Ränder des Knochens und die Condylen des femur niedergedrückte Kapſel ausübt, um fo größern Werth zu legen. Wenn man am Cadaver das Knieſcheibenband und die Sehne des triceps durchſchnitten hat, und dann die ſenkrechte Luration der Knieſcheibe zu bewirken ſucht, ſo iſt dies, bevor man die Kapſel durchſchnitten, nicht möglich. Dieſe bietet alſo einen ſehr kräftigen Widerſtand dar. Wollte man wegen des öftern Fehlſchlagens der Valentinſchen Me— thode, zu deren Wirkungen man auch die Erſchlaffung der Faſerkapſel rechnet, leugnen, daß dieſe Kapſel bei der Wie— dereinrichtung ein Hinderniß bilden könne? Allein dieſe Erſchlaffung, welche im geſunden Zuſtande durch die Streckung des Kniees ſo leicht erlangt wird, was ſich aus der großen ſeitlichen Beweglichkeit des Knochens unter dieſen Umſtänden ergiebt, läßt ſich nicht mehr auf dieſelbe Weiſe erlangen, wenn die Knieſcheibe ſenkrecht lurirt iſt. Schon durch die bloße Verſchiebung des Knochens ſelbſt, deſſen Ränder von vorn nach hinten gerichtet ſind, find die Faſern der Kapfel zu kurz, zu ſtark gezerrt und gedreht worden, als daß ſie ſich durch die Valentinſche Methode erſchlaffen ließen. Das Fehlſchlagen dieſes Verfahrens rührt alſo daher, daß da— durch die Auflockerung der die Kapſel bildenden faſerigen Bänder nur in geringem Grade erreicht wird. Auch iſt in Betracht zu ziehen, daß es durchaus keine Lage des Beines giebt, in welchem dieſe Erſchlaffung Statt findet, daher das wirkſamſte Mittel der Wiedereinrichtung das— jenige ſein wird, welches dieſen unvermeidlichen Widerſtand am leichteſten überwindet. Darin liegt aber gerade ein Hauptvorzug des Herbert Mayoſchen Verfahrens, daß es mit mehr Kraft wirkt, als irgend ein anderes. Man vergleiche nur die Kraft, die der Chirurg bei der Valentinſchen Methode ausübt, wenn er der Knieſcheibe mit der Hand oder den mit rauhen Sub— ſtanzen bekleideten Fingern eine drehende Bewegung zu er— theilen bemüht iſt, mit derjenigen, welche von dem Knie— ſcheibenbande und der Sehne des triceps bei einer gewalt— ſamen Beugung des Kniees ausgehen und auf die Umwendung der Knieſcheibe hinwirken. Dieſe beiden faſerigen Bänder, welche den Knochen erſchüttern, der ohnehin auf der conca— ven und ſchlüpferigen Rinne der Condylen nicht feſt liegt, wirken dem von der Kapſel ausgehenden ſeitlichen Drucke, dem ſie an Kraft überlegen ſind, entgegen, und es bedarf nur einer geringen Nachhülfe, damit der Knochen ſich ſeitlich wende und in ſeine normale Lage zurückfalle. Erlangt man dies Reſultat nicht auf einen Ruck, ſo können mehrere ähn— liche Bewegungen dasſelbe bewirken, und deßhalb hat man in manchen Fällen das Knie mehrmals beugen laſſen müſſen. Was die erwähnte Nachhülfe betrifft, ſo liegt in ihr eine fernere Empfehlung dieſes Verfahrens. Zuvörderſt kommt hier in Betracht, daß bei der Dehnung, welche das Knieſcheibenband und die Sehne des triceps erleiden, nicht alle Faſern derſelben gleichförmig länger gezerrt werden. In Folge der Drehung der beiden Bänder werden bei einer äußeren Verrenkung die äußern, ſowie bei einer inneren die innern Faſern am ſtärkſten gezerrt. Wenn ſich dies beim lebenden Menſchen auch wegen der Hautbedeckungen nicht deutlich fühlen läßt, ſo iſt die Sache doch darum nicht weni— ger gewiß. Hieraus folgt, daß ſie bei der Kraft, die ſie während der Beugung des Kniees ausüben, um die Knie— ſcheibe zu erſchüttern, im erſtern Falle die Tendenz haben, 45 135. VII. 3. 46 ſich nach außen zu wenden, ſowie im letztern Falle ſich nach innen zu wenden, alſo in beiden Fällen das Beſtreben äu— ßern, den Knochen wieder in ſeine natürliche Lage zurückzu— drehen. Auf der andern Seite iſt noch zu bemerken, daß, die Sehne des m. triceps in der Richtung der Achſe des Schenkelbeinkörpers an die Knieſcheibe ſtreicht, während das Knieſcheibenband nach der spina der tibia ſchräg nach unten und außen ſtreicht. Daraus folgt, daß der Zug, welcher von beiden Seiten auf die Knieſcheibe, einerſeits nach oben und andererſeits nach unten, ausgeübt wird, nicht in der— ſelben ſenkrechten Linie wirkt, und daß folglich dem Knochen eine ſeitlich ſchwankende Bewegung ertheilt wird, welche deſſen Drehung um ſeine Achſe begünſtigt. Iſt aber die Knieſcheibe ein Mal locker, ſo wird ſie eher in ihre normale Lage, als in die entgegengeſetzte fallen; denn im letztern Falle müßten das Band und die Sehne noch mehr zuſam— mengedreht werden, als ſie es ſchon find, und dem wider— ſtreben ſie natürlich vermöge ihrer Structur. Nach all' dieſem begreift ſich, warum das Herbert Mapoſche Verfahren bei der ſenkrechten Verrenkung der Knieſcheibe ſo wirkſam iſt; denn die ſämmtlichen Wirkungen, welche wir hier einzeln beleuchtet haben, treten bei der Beu— gung des Kniees gleichzeitig ein. Der hier dargelegte Me— chanismus hat mit der Auslöſung des eingerahmten Winkels der Knieſcheibe gar nichts zu ſchaffen und macht ſich ſogar geltend, wenn auch die Knieſcheibe auf der knorpeligen Rinne völlig unbeweglich feſt ſitzt, welcher Fall nach obigem vorgekommen iſt. Mittels dieſes einfachen Mechanismus läßt ſich ſelbſt die von Hrn. Payen durch gewaltſame Streckung des Beines von Seiten des Kranken bewirkte Wiedereinrichtung erklären. Allerdings wirken die faſerigen Bänder in dieſem Falle nicht ſo kräftig, als im Falle der Beugung, allein dennoch in ganz ähnlicher Weiſe. Es läßt ſich ſogar annehmen, daß in Fällen, wo die weit aufge— riſſene Kapſel weniger Widerſtand leiſtet, die Knieſcheibe bloß raſch und kräftig erſchüttert zu werden brauche, um ſie wieder in ihre normale Lage zurückfallen zu laſſen, und wegen der ſchrägen Richtung des nach oben und unten auf dieſelbe einwirkenden Zuges, ſowie der ſtärkeren Drehung der Faſern auf der einen Seite der Bänder, wird die Wen— dung des Knochens ſtets nach der Seite Statt finden, welche zur Wiedereinrichtung paßt. Übrigens wird der Chirurg auch durch ſeitlichen Druck die Wendung nach der richtigen Seite begünſtigen. Zur beſſern Verſtändniß obiger Auseinanderſetzungen, ſowie auch zur weitern Beſtätigung derſelben, dürfte es nicht unnütz ſein, hier eine Stelle aus der Beobachtung des Hrn. Cozze wörtlich wiederzugeben: „Ich hieß den Kranken ſich auf den Rand des Bettes und dann den Fuß auf den Boden ſetzen, wobei er nur mäßige Schmerzen empfand. Alsdann faßte ich die Knieſcheibe wie früher, indem ich die Finger an beiden Seiten des Knochens anlegte, und drückte mäßig, während ich die Beugung des Unterſchenkels ſtei⸗ gerte, bis derſelbe mit dem Oberſchenkel einen rechten Winkel bildete. In dieſem Augenblicke richtete ſich, indem ich den Druck ein wenig ſteigerte, die Knieſcheibe mit deutlichem Geräuſche leicht wieder ein.“ Aus dieſem Beiſpiele geh hervor, daß in dem Augenblicke, wo man die Wiederein— richtung begann, die Knieſcheibe ſchon nicht mehr eingerahmt ſein konnte, weil der auf dem Bette ſitzende Patient den Fuß auf den Boden ſetzen konnte. Ferner erſieht man, daß die Wiedereinrichtung erſt bei einem beſtimmten Grade der ſtufenweiſe geſteigerten Beugung, folglich in dem Augen— blicke eintrat, wo der Zug, der zur Auslöſung des Knochens nichts mehr beitragen konnte, ſtark genug war, um, unter Beihülfe von Seiten der Finger, den Widerſtand der Kapſel zu überwinden. Wenn dieſe Erläuterungen durch die Thatſachen beſtätigt werden und für folgerecht gelten können, jo hat man alſo auf die Einrahmung der Knieſcheibe in die Supracondylen— grube, hinſichtlich der Verhinderung der Wiedereinrichtung, kein ſo großes Gewicht zu legen, wie es bisher geſchehen iſt. Indem ich übrigens den Mechanismus des Verfahrens der Hrn. Cozze und Herbert Mayo aus einem andern Geſichtspunkte betrachtet habe, als Hr. Malgaig ene, wollte ich deſſen Wirkſamkeit keineswegs verdächtigen, ſondern viel— mehr manche Vorzüge desſelben noch mehr hervorheben. Auch bin ich der Anſicht, daß man dasſelbe ſtets anzuwen— den habe, wenn die weniger ſchmerzhaften Methoden des Hrn. Valentin und Hrn. Payen fehlgeſchlagen ſind; denn nur deſſen großer Schmerzhaftigkeit wegen bin ich nicht für deſſen ſofortige Anwendung, und Hr. Payen hat das— ſelbe ſogar aus dieſem Grunde unterlaſſen müſſen. (Archi- ves générales de Médecine, Avril 1848.) (III.) über eine zu Biskra in Africa beobachtete neue geſchwürige Hautkrankheit. Von Dr. P. J. Poggioli. Von dieſer epidemiſchen Krankheit iſt kein einziger der im Mai 1844 zu Biskra garniſonirenden 500 Europäer verſchont geblieben. Sie iſt früher noch nie wahrgenommen worden und trat in ſehr hinterliſtiger Weiſe unter ſieben verſchiedenen Formen auf. — Erſte Varietät. Anfangs- ſtadium. Kleine, rothe, kreisförmige Flecken, über welche ſich ein gelblichweißes Knötchen von der Größe eines Stecknadel— kopfes, eine ächte Puſtel erhebt, welche am achten Tage auf- bricht und aus der dann ein wenig wäſſeriger Eiter läuft. Zweites Stadium. Fortſchrittsſtadium. Dies wird durch das Schwären des kranken Theiles charakteriſirt, der ſich allmälig vertieft und ausbreitet, jo daß er von einigen Milli- meter Durchmeſſer einen ſolchen von 2 Centim. und darüber und eine Tiefe von faft ½ Gentim. gewinnt. Das Geſchwür ift mehr oder weniger kreisrund, mit ein wenig vorſpringen— den ſcharfen Rändern, die ſich zuweilen auch nicht über die Hautbedeckungen erheben. Die Haut iſt ungemein dünn, roth und bildet einen mehr oder weniger ausgedehnten Hof. Der Grund des Geſchwürs iſt röthlichgrau und mit einer Schicht jauchenartigen übelriechenden Eiters bedeckt. Dieſer wird in 47 135. VII. 3. 48 Menge ſecernirt, iſt röthlich weiß, zuweilen klümperig und bat einen ſpecifiſchen Geruch. Drittes Ruheſtadium. Die Wunde bleibt ſtationär; die Eiterung nimmt ab und der Eiter wird ſchwärzlich; das Geſchwür reinigt ſich und ge— winnt ein mehr normales Anſehen. Dauer, mehrere Tage und zuweilen über 1 Monat. Viertes Reparationsſtadium. Fernere Verminderung der Eiterung; Bildung von Fleiſch— wärzchen und gelben oder bräunlichen Schorfen, unter denen dann eine weinhefenröthliche, unvertilgbare Narbe zurückbleibt. Dauer dieſer Periode 30 — 40 Tage. Allgemeine Symptome ſind ſehr geringfügig oder faſt gar nicht vorhanden. Der Schmerz beſchränkt ſich auf ein leichtes Jucken. — Zweite Varietät. Mehrere Puſteln (2 — 30), die einander durch— aus ähnlich und gewöhnlich in einem Kreiſe geordnet ſind. Ihr Durchmeſſer beträgt / — 2½ Centimeter. Die kleinen rothen Höfe fließen häufig zuſammen. Vom vierten bis ach— ten Tage beginnen die Puſteln in Zwiſchenzeiten von 1 — 2 Tagen allmälig aufzubrechen. Sie ſchwären, und indem die Ulceration allmälig um ſich greift, bilden ſie zuletzt ein einziges Geſchwür, deſſen Verlauf derſelbe iſt, wie bei der erſten Varietät. — Dritte Varietät. Dieſe befällt meh— rentheils das Geſicht. Sie iſt eine ächte Aenepuſtel (bouton d'aene). — Vierte Varietät. Eine kleine Gruppe von beinahe hirſenförmigen Bläschen, deren Anzahl verſchieden iſt, und die nie zuſammenfließen, zugeſpitzt und mit einer rothen Baſis verſehen find, und ein wenig waſſerhelle Feuch— tigkeit enthalten. Gegen den achten Tag hin läuft aus dieſen Bläschen etwas Seroſität (fie vertrocknen alſo nicht unmittel- bar, wie die des herpes phlyetaenoideus oder der frieſelähnlichen Flechte, mit denen ſie ſonſt viel Ahnlichkeit haben), und ſie bilden dann kleine Geſchwüre, welche ſich bald mit einander verbinden, ſo daß, wie bei den früher erwähnten Varietäten, ein größeres Geſchwür entſteht. — Fünfte Varietät. Pemphigus - oder vielmehr rupia-Blaſe, welche das An— ſehen einer reifen Lupine hat, eine dickliche, ſchmutzigweiße Feuchtigkeit enthält, und gegen das Ende der erſten kritiſchen Periode aufbricht. Gewöhnlich erneuert ſich die Blaſe noch ein oder zwei Mal. Die Feuchtigkeit wird weißlich, ſchlipperig, dick und bekommt einen fpeeififchen Geruch. Bei dieſer Form frißt das entſtehende Geſchwür nicht ſo tief, wie bei den früher beſchriebenen. — Sechste Varietät. Eine kleine, furunkelartige, ſcharfbegrenzte, gegen Berührung empfindliche, aber ſonſt wenig ſchmerzhafte, blaßrothe Ge— ſchwulſt, welche ſich oberflächlich entzündet und dann ebenfalls zu einem Geſchwüre wird. — Siebente Varietät. Kleine Knoten unter der Haut, meiſt an der inneren Seite der Extremitäten, über dem Laufe der Lymphgefäße, gewöhn— lich in großer Zahl vorhanden, von dem Umfange einer klei— nen Linſe bis zu dem einer Erbſe, leicht abgeplattet, ſchmerz— haft, unter der Haut verſchiebbar, welche ſpäter an der Entzündung Theil nimmt. Die Knoten gehen ſpäter in Eiterung über und bilden, wie in den anderen Fällen, ein Geſchwür oder, wie beim Pian (Yaws) wahre Vegetationen und eine erdbeerenähnliche Oberfläche. Dieſe Krankheit hat übrigens keine nachtheiligen Folgen, als daß ſie eine unvertilgbare Narbe zurückläßt. Sie ſcheint von localen ſchädlichen Potenzen der Gegend von Biskra, namentlich von dem Mangel an trinkbarem Waſſer, herzu— rühren. (Archives générales de Médecine, Avril 1848.) Mifcellem (5) Über die Wege, auf welchen der Harnſtoff nach der Erjtirpation der Nieren ausgeſchieden wird, berichten die HHrn. Bernard und Barreswill in den Anna- les des sciences naturelles, Mai 1847 folgendes. Der Harnſtoff bildet ſich im Blute und die Nieren ſcheiden denſelben nur aus. Dieſe Organe ſind indeß nicht die einzigen, welche denſelben aus dem Organismus beſeitigen können. Sobald dieſelben erſtirpirt ſind (alſo wohl auch bei Krankheit der Nieren 2), ſecernirt der Magen fortwährend Harnſtoff, während dies vorher nur intermittirend geſchah, und er produeirt dann einen neuen Beſtandtheil, nämlich ammentacalifche Salze, ſo lange als das Thier ziemlich kräftig bleibt. Sobald es jedoch ſehr ſchwach geworden, hauft ſich der Harnſtoff im Venenblute an. Daraus läßt ſich ſchließen, daß, wenn der Nahrungsſchlauch eine hinreichend energiſche Lebensthä— tigkeit behielte, derſelbe die Functionen der Niere vollſtändig über⸗ nehmen könnte. (Scheint ein praktiſch- anwendbarer Wind. R. F.) (6) Angeborne Blindheit bei neun Kindern der⸗ ſelben Familie hat Hr. Pauly zu Montpellier beobachtet. Die Eltern, Rodolphe Merian und deſſen Frau, find beide etliche funfzig Jahre alt und haben ſich ſtets einer trefflichen Geſundheit erfreut, allein ihre ſämmtlichen neun Kinder wurden blind geboren. Die Voreltern dieſes Paares hatten durchgehends geſunde Augen. Der Merian hat ſchwarze Haare, feine Frau iſt blond. Die fünf Kinder mit dunklem Haar und brauner Regenbogenhaut lei— den alle an Amauroſe; die vier blonden Kinder mit blauer Regen— bogenhaut find ebenfalls einigermaßen amaurotiſch, aber zugleich mit milchweißem Katarakt behaftet. Drei Kinder ſind weiblichen Geſchlechts und zwei unter dieſen blond, eines brünett. Von den ſechs Knaben ſind zwei blond, während die übrigen faſt ſchwarze Haare haben. Alle neun beſitzen übrigens eine gute Conſtitution. (Journ. des conn. med, chir., 1. Mai 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Geos, ou Histoire de la terre, de sa creation, de son developpement et de son organisation par l’action des causes actuelles. Geologie philosophi- que. Par le docteur R. F. Meray. In 8% de 32 feuilles ½. Paris 1848, ea L’ouvrage aura 2 volumes, (Pris de chaque volume 7 r. et. C. G. Loreck, Flora Prussica. 19. u. 20. Hft. Lex. 80. Ausg. A. mit gan- zem Colorit. Berlin, Universitätsbuchhandlung 1848. Als Rest. P. A. Piorry, über die Blutkrankheiten. Deutsch von G. Krupp. 2. Aufl. gr. 8. Geh. 3 Thlr. Kollmann in Leipzig 1848. €. F. Riecke, der Kriegs- und Friedenstyphus in den Armeen. (1. Hft.) gr. So. Geh. %, Thlr. Stuhrsche Buchh in Potsdam 1848. H. F. Nägele, Lehrbuch der Geburtshülfe. 2. Thl. Pathologie und Thera- park den Geyurt, 1. Abth. 2. Aufl. gr. 8°. Geh. 1 Thlr. v. Zabern in Mainz 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 136. (Nr. 4. des VII. Bandes.) Juni 1848. Naturkunde. Brewſter und Edin, über das deutliche Sehen gewiſſer Gegenſtände bei Anwendung des Polariſattons⸗ Apparates unter dem Mikro⸗ ffope. — de Quatrefages, über die Entwicklungsgeſchichte der Bohrmuſchel. — Schimper, über eine dritte Art des europaiſchen Steinbockes. — Newport, über die Fortpflanzung der Blattläuſe. — Pappenheim und Berthelen, über den Bau der Gaſteropoden. — Heilkunde. Bernard, über den Magendrüſenſaft. — Miſcellen. Über die fliegenden Sommerfäden. Bernardeau, die Tuberkelbildung Folge einer Diatheſe. — Simpſon, Störungen in dem Nervenſyſteme, veranlaßt durch Albuminurie bei ſchwangeren Frauen. — Blutharnen durch Atzen mit Höllenſtein gehoben. — Miſcelle. Soubeiran, über den Blutegelhandel. — Bibliographie. Naturkunde. # V. Über das deutliche Sehen gewiſſer Gegenſtände bei Anwendung des Polariſations-Apparates unter dem Mikroſkope. Von David Brewſter und Edin. Die Verf. fanden, daß gewiſſe kleine Kryſtalle, thieriſche und pflanzliche Faſern, welche doppelte Brechung beſitzen, unterm Polariſations- Apparate viel deutlicher geſehen werden, obſchon die Anwendung des Nicolſchen Prismas oder eines Kalkſpath-Rhombus für gewöhnlich nur die Deutlichkeit der Bilder beeinträchtigt. Der Polariſations- Apparat ift, nach ihnen, für alle Objecte mit doppelter Brechung ſehr zu empfehlen, durch ihn wird ſelbſt bei geringer Doppelbrechung das Bild um vieles beſtimmter, die Geſtalt und Structur des Gegenſtandes um vieles deutlicher. Die Verſuche und Folgerungen der Verf. find in No. 214 des London ete. journal of science von 1848 mitgetheilt. Die Samen von Collomea grandiflora zeigen, unter Waſſer geſehen, hunderte von Spiralfaſern, die ſich beim Drucke wellenförmig aus einander dehnen; zwiſchen zwei Glasplatten unter Caſtoröl, das eine faſt gleiche Brechung wie genannte Faſern beſitzt, geſehen, erhält man ſchon ein etwas beſtimmteres Bild, doch läßt ſich der Verlauf und die eigentliche Beſchaffenheit derſelben nur ſchwer und unvoll- ſtändig erkennen, weil die Diffraction des Lichtes hier in den Weg tritt und die Strahlen, welche durch die Kanten der Faſern gehen, mit denjenigen, welche die Faſern ſelbſt paſſiren, zuſammenfallen und ſo ein unbeſtimmtes Bild er— zeugen. Wendet man nun den Kalkſpath-Rhombus an, ſo erſcheinen dieſelben Faſern, da ſie das Licht depolariſiren und durchlaſſen, deutlich und beſtimmt auf dunklem Grunde. Die vorher nur undeutlich geſehenen Spiralen treten jetzt aufs ſchärfſte hervor; wo ſie abgerollt ſind, erkennt man ihre No. 2116. — 1016. — 136. doppelte Contour, von der vorher nichts ſichtbar, aufs be— ſtimmteſte. Ein Drehen des Rhombus und ein abwechſeln— des Dunkel- und Hellmachen des Geſichtsfeldes wird die Unterſchiede beider Arten des Sehens am beſten hervorheben. Da die Undeutlichkeit mikroſkopiſcher Bilder von der Diffraction des Lichtes herrührt, ſo iſt es die Aufgabe der Optiker, dieſe Abweichung der Lichtſtrahlen möglichſt zu vermindern, im mitgetheilten Falle wird ſie gänzlich aufge— hoben, und gerade deßhalb ein ſo ſcharfes Bild gewonnen. Die Strahlen, welche durch die Kanten der Faſer gehen und bisher mit den durch die Mitte gehenden Strahlen zuſam— menfielen, werden jetzt nicht mehr gebrochen, ſondern ent— werfen das ſcharf begrenzte Bild der Faſer. Bei Gelegenheit dieſer Verſuche entdeckten die Verf. eine zweite ſehr vortheilhafte Verwendung des Polariſations— Apparates. Wo nämlich ein in einer Flüſſigkeit liegender Gegenſtand nicht unter einer Deckplatte geſehen werden kann, und folglich nicht in einer Flüſſigkeitsſchicht mit ebener Oberfläche liegt, wird durch die Unebenheiten dieſer Ober— fläche jederzeit eine Brechung veranlaßt, welche je nach ihrer Stärke das Bild mehr oder weniger undeutlich macht; durch den Polariſations-Apparat wird dieſem Übelſtande und der durch ihn veranlaßten Undeutlichkeit gänzlich abgeholfen. Die Faſern der Collomea zeigen unter Caſtoröl ohne Deckplatte, alſo in einer Flüſſigkeit mit unebener Oberfläche, bei Anwendung des Polariſations- Apparates, abwechſelnd auf dunklem und erleuchtetem Geſichtsfelde geſehen, im polari— firtem Lichte ein ungleich deutlicheres Bild. Beim Weg- laffen der zweiten Glasplatte wird auf dieſe Weiſe die Unvollkommenheit ſowohl der Oberfläche als des Objectes aufgehoben und die durch ſie veranlaßte ſphäriſche Aberration, für welche ſonſt bei ſtarken Objectiblinfen ein eignes Ajuſte— ment nöthig iſt, vermieden. 4 51 136. VII. 4. 52 Der Polariſations-Apparat iſt demnach nur für ſolche Gegenſtände, welche das Licht depolariſiren, dort aber auch mit großem Vortheile anwendbar; nun aber beſitzen faſt alle thieriſchen und pflanzlichen Faſern dieſe Eigenſchaft, die manch Mal erſt da hervortritt, wo die Faſern doppelt lie— gen, in ſolchen Fällen läßt man das polariſirte Licht durch Reflection zwei Mal einwirken, worauf der Gegenſtand er— leuchtet auf dunklem Grunde erſcheint. Bei Gegenſtänden, die auf polariſirtes Licht keinen Ein— fluß üben, kann die Diffraction und die durch ſie veranlaßte Undeutlichkeit der Bilder nur durch eine Erleuchtung auf— gehoben werden, welche die von ihnen ausgehenden Licht— ſtrahlen divergirend macht. Ein ſolches Verfahren ward von Brewſter angegeben, aber von Chevalier mit der von Wollafton empfohlenen Erleuchtungsweiſe, mit der es doch gar keine Ahnlichkeit hat, verwechſelt. Wollaſtons Beleuchtungsmethode beſchränkt ſich auf die Entfernung des überflüſſigen Lichtes, welches der Deut— lichkeit der Bilder Eintrag thut, entfernt aber keinesweges die durch Diffraction veranlaßten Nachtheile. Der Verf. ſucht dagegen möglichſt viel Licht auf die Stelle, wo das Object liegt, zu concentriren; ſein Beleuchtungs-Apparat beſteht aus einem Planſpiegel, über welchem eine plancon— were Linſe angebracht iſt: durch ſelbige will er die Diffraction vermeiden, indem der Gegenſtand durch convergirende Strah— len erleuchtet, jetzt ſelbſt zum leuchtenden Körper wird; für dieſen Zweck muͤſſen indeß ſowohl der Vergrößerungs- als der Beleuchtungs-Apparat des Mikroſkopes möglichſt voll— kommen ſein. Der Wollaſton'ſche Apparat, durch den keine Convergenz der den Gegenſtand beleuchtenden Lichtſtrahlen herbeigeführt wird, iſt wegen ſeines Lichtmangels für ſtarke Vergrößerungen nicht mehr anwendbar. VI. über die Entwicklungsgeſchichte der Bohr⸗ muſchel. Von de Quatrefages. Der Verf. verfolgte die Entwicklung der Gier dieſes Weichthieres vom erſten Erſcheinen des Purkinjeſchen Bläs— chens an, er fand in ihnen alle Elemente anderer Eier, einen Dotter, ein Purkinjeſches Bläschen und einen Keimfleck. Die Entwicklung der jungen Bohrmuſchel zerfällt in mehrere Perioden. Erſte Periode. Sobald die Samenfäden mit dem Gi in Berührung gekommen, häufen ſich die Dotterkügelchen um das Purkinjeſche Bläschen, die Mitte des Eies wird dadurch undurchſichtiger, während ſich der Umkreis im Verlauf einer halben Stunde immer mehr aufhellt. Der Keimfleck verſchwin— det nunmehr, es zeigen ſich undeutliche unregelmäßige Be— wegungen, welche den Untergang des Purkinjeſchen Bläschens herbeiführen. Jetzt, 3 Stunden nach der Begattung, wird wie bei den Sandwürmern (Sabellaires) eine durchſichtige Kugel hervorgetrieben. Mit dieſem Phänomen beginnt die zweite Periode. Un— mittelbar nach dem Austritte der genannten Kugel theilt ſich der Dotter in 2 faſt gleiche Theile: die eine dieſer Hälften theilt ſich fort und fort und breitet ſich bald auch über die andere Hälfte ſie ganz umhüllend, aus. Die ſo umſchloſſene Hälfte bleibt nun für längere Zeit ſcheinbar unverändert, bildet ſich aber, ohne daß man in ihr Bewegungen wahr— nimmt, bald in junges Gewebe um. Dieſe Periode ſcheint dem Verf. viel ähnliches mit dem von Vogt beim Actaeon beobachteten zu haben. Mit der elften Stunde beginnt die dritte Periode; es erſcheinen einige kurze dicke Nandeilien, die nach und nach immer länger, dünner und zahlreicher werden. Die junge Larve iſt nunmehr fertig, fie bewegt ſich von der 25ſten bis zur 48ſten Stunde raſch und munter im Waſſer umher; um dieſe Zeit vermindern ſich die Cilien und mit ihnen nimmt auch die Schnelligkeit der Bewegung ab; die Larve fällt zu— letzt auf den Boden des Gefäßes und kann ſich nur noch langſam fortſchleppen. Jetzt mit der 48ſten Stunde erſcheint die vierte Periode. Bisher hatte ſich die Dotterhaut nicht weſentlich verändert, ſowie ſich aber die Larve zu bewegen begann, zeigte ſich an einer Stelle dieſer Hülle einheller Raum, der ſich um die 48ſte Stunde in Geſtalt einer Falte ausdehnte und bald die Dotterhaut in 2 gleiche, in einer weiten Ausdehnung an einander hän— gende Theile theilte; in ſelbigen erkannte der Verf. die erſten Rudimente der Muſchelſchale, die jetzt noch unregelmäßig ei— förmig und ganz häutig war, bald aber durch die Con— tractionen der nunmehr erſcheinenden Muskeln herzförmig wurde und Kalkſalze in ſich aufnahm. In demſelben Grade, wie ſich die Schale ausbildete, entwickelte ſich an einem Ende des Körpers ein Wimper— apparat, der nunmehr als Bewegungsorgan die Cilien ber- trat, die vormals die ganze Larve bekleideten. Leider konnte der Verf. die Entwicklung ſeiner Brut nur bis etwa zur 130ſten Stunde verfolgen, da ſie ihm um dieſe Zeit immer vergingen; eine ſeiner Bohrmuſcheln behielt indeß ihre im Herbſt ausgebrüteten Jungen den ganzen Winter über im Eileiter (tube palleal). Der Verf. war da— durch in den Stand geſetzt, eine nochmalige Veränderung der Körpergeſtalt, die zuletzt kugelig wird, zu beobachten; mit dieſer letzten Umwandlung erſchienen die erſten Rudi— mente des Eileiters, die Otoliten und der lange Fuß, mit dem das Thier am Boden kriecht, während der jetzt ſehr entwickelte Wimperapparat ihm zum raſchen Schwimmen diente. Die junge Bohrmuſchel erleidet demnach, ehe ſie zum ausgebildeten Thiere wird, verſchiedene Metamorphoſen; ähn— liche Formveränderungen find vom Verf. und von verſchie⸗ denen andern Beobachtern für eine andere Gruppe der Ace— phalen, für die Anodonten nachgewieſen; der Verf. glaubt, daß allen Acephalen ein Generationswechſel eigen ſei. Laurent bemerkte auf des Verf. Vortrag, daß auch er ſowohl das Eierlegen als Lebendiggebaͤren der Bohr— muſchel beſtätigen könne und Larven mit einem langen zum Kriechen geeigneten Fuß und Schwimmwerkzeugen beobachtet 53 habe, mit erſteren hängen ſie ſich an die rauhen Stellen der Schiffsplanken, um ſich in ſelbige einzubohren. Laurent beobachtete die Lebensweiſe dieſer ſchädlichen Thiere zu Tou— lon, Fouras, Lorient, Breſt und Havre: fie find Zwitter und legen ihre Brut bald als Eier bald als ausgebrütete Junge, ſowohl im Sommer wie im Herbſt und Winter an ihrer Entwicklung günſtige Orte. (L’Institut, No. 750, 1848.) - VII. über eine dritte Art des europäiſchen Stein- bocks (Capra hispanica). Von Schimper, Conſervator des naturhiſt. Muſeums zu Straßburg. Auf einer Reiſe durch die Gebirge Andaluſiens war der Verf. im vorigen Sommer ſo glücklich, einige Exemplare des bisher zweifelhaften Steinbocks, der dieſe Gegenden be— wohnt und in der Sierra Nevada und der Sierra de Ronda als Capra montes oder Monteſa bekannt iſt, zu erhalten. Die 10. Nr. der Comptes rendus vom 6. März 1848 enthält des Verf. Bericht. Schon die Beſchreibung der andaluſiſchen Jäger ließ den Verf. in ihrer Monteſa eine wenigſtens für Europa neue Steinbocksart vermuthen, welche Vermuthung beim Anz blick des erſten Thieres zur vollſten Gewißheit ward. Der Verf. hatte die in den Muſeen zu Mainz, Frankfurt und Wien aufbewahrten Eremplare, eben ſo die reiche Suite im British Museum genau ſtudirt, konnte alſo mit vollem Recht in dieſer Frage entſcheiden; zudem ſtanden ihm, da er alle Steinbockjäger von Picacho de Veleta und Mulahacen in Bewegung ſetzte, nicht weniger als 8 Eremplare der Capra montes zu Gebote. Unter dieſen waren 2 völlig ausgewach— ſene männliche Thiere, ein 4 Monat altes Männchen mit ſeiner ausgewachſenen Mutter und ein zweites ausgewachſe— nes Weibchen. Auf ſeiner Reiſe durch die Pyrenäen erhielt der Verf. von Hrn. Philippe zu Bagneres de Bigorre ein drittes Männchen dieſes dort faſt gänzlich unbekannten Thie— res, zu dem er bald auch noch ein Weibchen des Steinbocks der Pyrenäen erhielt. Ob ſich das erſtere Thier aus den mittäglichen Gebirgen Spaniens in die Pyrenäen verliert oder ob es aus Aſturien, wo noch eine andere Steinbocksart leben ſoll, gekommen war, blieb dem Verf. zweifelhaft; wo— gegen nach ſeinen in dieſer Gegend angeſtellten Erkundigun— gen der in der Sierra Nevada häufig vorkommende Stein— bock ſowohl in der Sierra de Guadarama als in der Sierra Morena gänzlich fehlt. Hr. Boiſſier ſah einft beim Be— ſteigen des Mulahacen ein Rudel von 20 Individuen; auch der Verf. traf auf der Spitze der Veleta mehrere beifamz men; ſein Schweizer Jäger ſah auf demſelben Berge ein Mal 3, ein ander Mal 7 Individuen bei einander. Die Capra hispanica des Verf. gleicht in der Größe und den Verhältniſſen des Körpers der Capra sinaica. Das Fell iſt kurzhaarig, ohne Wolle, auf dem Rücken und an den Flanken dunkel braungelb, unterm Bauche und an der Innen— ſeite der Beine dagegen weiß. Die an ihrer Spitze braunen 136. VII. 4. 54 Haare ſind von der Mitte bis zur Wurzel aſchenfarben. Der Kopf iſt mit Ausnahme des Geſichts und des Hinter— haupts, die ſchwarz mit weiß gefleckt ſind, heller gefärbt als der Oberleib; hinter jedem Ohr ein weißlicher Fleck. Der ſchwarze Fleck des Hinterhaupts zieht ſich als mehr oder minder deutlicher Streif längs des Rückgrats bis zum Schwanze hinab, letzterer iſt nur klein und endigt mit einem dunkelſchwarzen Saarbüfchel. Nur das Männchen hat einen kurzen abgeſtutzten Bart, der als ſchwarzer trapezförmiger Fleck nur wenig hervorragt. Die Außenſeite der Füße iſt bis zu den Afterzehen und Hufen hinab glänzend ſchwarz, dieſelbe Farbe zieht ſich vorn bis zur Bruſt und hinten als ſchwarzer den braunen Rücken von der weißen Bauchgegend trennender Streif hinauf. Die Hörner ſind groß und dick, ſie ſtehen am Grunde dicht neben einander, ſind dreieckig mit ihrer ſchneidenden Kante nach innen gerichtet und haben 12 bis 14 der Quere nach ſtehende Wülſte, die bei den ältern Exemplaren faſt in einander fließen, bei jungen Thieren aber ſehr deutlich von einander ſtehen. Die Hörner erheben ſich über der Stirn gerade und faſt mit einander parallel, biegen dann aber plötzlich, einen etwas gegen den Horizont geneigten Bogen bildend, von einander und kehren darauf, eine halbe Spiral— windung beſchreibend, nach ihrer Achſe zurück. Die Hörner ſind nicht ſo ſchwer als die des Steinbocks der Pyrenäen, jedoch von derſelben Farbe. Das Weibchen iſt viel kleiner als das Männchen, hat keine Spur eines Bartes und nur kleine etwas flach ge— drückte Hörner. VIII. über die Fortpflanzung der Blattläuſe. Von George Newport. Die ſo merkwürdige von den übrigen Thieren ſo durch— aus abweichende Art der Fortpflanzung bei den Blattläuſen, wie fie von Leeuwenhoek, Bonnet, Réaumur und anderen angegeben wurde, erregte im Verf. den Wunſch, ſich durch eigene Anſchauung zu belehren. Ihm war es vorzugsweiſe um die Löſung der Frage zu thun, ob die Aphisarten wirklich zu einer Jahreszeit lebendige Junge gebären, zu einer andern Eier legen und ob ferner die ge— legten Eier wahre Eier oder Kapſeln ſind, die nur den be— reits ausgebildeten Embryo umhüllen und vor dem Froſt des Winters ſchützen. Der Verf. wählte die Blattlaus der Roſe; er brachte zu Anfang Novembers 1842 einen jungen Roſenſchößling, der im Sommer im Freien geſtanden und dicht mit Blatt- läuſen bedeckt war, in das Fenſter eines ungeheizten Zim— mers, in dem eine Temperatur zwiſchen 45 und 500 Fahrh. herrſchte. Er hatte unter ſeinen Blattläuſen keine geflügel— ten Individuen; auch hatte noch keins der weiblichen Thiere Eier gelegt. Erſt in der zweiten Woche des Novembers, wo die Witterung kühler geworden, zeigten ſich einige In— dividuen mit Flügelrudimenten, einige Tage ſpäter durch— 4 = 55 136. VII. 4. 56 brachen fie ihre Hülle und waren nunmehr vollkommen ent— wickelt. Dieſe geflügelten Individuen waren meiſtens männ— lich; mit ihnen zu gleicher Zeit erſchien eine große Menge junger Thiere. Am 30. November hatte ſich die Zahl der geflügelten Individuen bedeutend vermehrt; viele hatten erſt Flügelrudimente; ſowohl die Laubknoſpe als Blätter und Zweige des Roſenſtocks waren zu dieſer Zeit mit ſchwarzen eiförmigen Eiern bedeckt. Der Verf. ſah, wie ein Aphis 2 Eier legte, er brachte eins derſelben unters Mikroſkop und überzeugte ſich, daß es keine Capſel mit einem Em— bryo ſei, vielmehr ganz einem wahren Ei entſpräche. So— wie das Ei gelegt wird, hat es eine gelbe Farbe, wird aber bald dunkler und zuletzt glänzend ſchwarz. Dieſe Farben— veränderung wird allein durch das Pigment der Eiſchale veranlaßt; ſie iſt nicht bei allen Arten gleich. Die Eier ſind feſt an die Pflanze geleimt und ihrer Structur nach den übrigen Inſecteneiern ähnlich; fie beſtehen aus einem orangefarbenen Dotter von gelben mit einem Kern verſehe— nen Zellen gebildet, derſelbe iſt von einer nur ſpärlichen, durchſichtigen Eiweißflüſſigkeit umgeben; das Keimbläschen iſt ſehr groß, der Keimfleck ſehr deutlich; das erſtere 4 Mal ſo groß als die Dotterzellen, verſchwindet erſt, nachdem das Ei ſchon eine Zeit lang gelegt iſt; es verträgt unter dem Mikroſkop einen ziemlich ſtarken Druck. Um zu ſehen, wie die Eier gelegt werden, nahm der Verfaſſer 2 männliche noch nicht völlig entwickelte und 2 große weibliche Individuen, ſetzte fie auf einen Roſenzweig und bedeckte ſelbigen mit einer Glasglocke. Am 2. Decem— ber ſah er bei einer Zimmertemperatur von 580 F., wie ſeine Aphisweibchen keine Eier legten, vielmehr lebendige Junge gebaren. Das hintere Ende des jungen Thieres er— ſchien zuerſt aus dem Körper der Mutter, ihm folgte der thorax mit den Füßen, dann trat eine kurze Pauſe ein, nach deren Ende erſt der Kopf frei wurde. Die Weiſe, in welcher ſich die Mutter ihres Jungen entledigte, war nicht unintereſſant, letzteres klammerte ſich, ſobald es weit genug hervorgeſchoben war, an den betreffenden Zweig, während die Mutter in kurzen Zwiſchenräumen ganz allmälig ihren Körper aufwärts bog und ſo das Junge mit einem ſanften Stoße weiter hervorſchob. Der ganze Geburtdact war in 5 Minuten vollendet, von einer Nachgeburt (foetal cove- ring) konnte der Verf. nichts entdecken. Das neugeborne Junge verließ ſogleich ſeine Mutter, langſam auf den Blät— tern einher kriechend, letztere aber ſenkte ihren Saugrüſſel in die Pflanze, um ſich durch Nahrung neu zu ſtärken. — Des Verf. Beobachtungen beſtätigen demnach die Angaben frü— herer Forſcher. (The Zoologist, No. 72, 1848.) IX. Über den Magendrüſenſaft (succus pan- creaticus). Von Cl. Bernard. Der Magendrüſenſaft iſt eine klare, klebrige, alkaliſch reagirende Flüſſigkeit, die zwar in ihren phyſicaliſchen Eigen— ſchaften dem Speichel ähnlich ift, ſich aber in phyſiologiſcher Beziehung weit von ihm entfernt und zur Verdauung fetter Stoffe durchaus nothwendig iſt. Die vom Verf. in No. 748 des Institut von 1848 mitgetheilten Hauptreſultate ſei— ner zahlreichen noch nicht beendigten Verſuche ſind kürzlich folgende. 1) Wenn man den Magendrüſenſaft in einem Glas— cylinder mit Ol vermiſcht, fo entſteht ſogleich eine vollſtän— dige Gmulfion; nimmt man ſtatt des Ols Schweineſchmalz, Butter oder Talg und erwärmt die Miſchung bis auf 35 oder 409, fo geſchieht ganz dasſelbe. 2) Keine andere im thieriſchen Körper vorkommende Flüſſigkeit beſitzt die Fähigkeit, die neutralen Fette augen— blicklich zu binden; weder die Galle noch der Speichel, we— der das Blutſerum noch der Magenſaft verändern die fetten Stoffe. 3) Der Magendrüſenſaft verbindet ſich indeß nicht che— miſch, ſondern nur mechanifch mit den fetten Stoffen; er verſeift fie nicht, bildet dagegen mit ihnen eine Emulſton und vertheilt fie fo aufs feinſte. Die in genanntem Safte enthaltene organiſche Subſtanz, welche dies bewirkt, iſt leicht zerſetzbar, wird durch Wärme gefällt; ſie bewirkt noch tie— fere Veränderungen der fetten Stoffe. 4) Die durch den Magendrüſenſaft gebundenen Fette werden ſehr bald ſauer, durch den Geruch wie durch die Reaction giebt ſich alsbald die dem angewandten Fette ent— ſprechende Säure kund. Eine chemiſche Unterſuchung, die der Verf. mit Barreswil und Marguerite gemein⸗ ſchaftlich unternahm, wies ſowohl eine Fettſäure als Ol⸗ ſüß nach. 5) Die Galle wirkt durchaus nicht auf neutrale Fette und dennoch wird ſie bekanntlich zum Vertilgen von Fett— flecken benutzt, wogegen der Magendrüſenſaft trotz ſeines großen Einfluſſes auf die neutralen Fette für dieſen Zweck viel weniger brauchbar iſt. Dieſer Widerſpruch verſchwin— det, wenn man bedenkt, daß Galle nur Fettſäuren löſ't und alle Fette, wenn ſie einige Zeit der Luft ausgeſetzt waren, mehr oder weniger in ſolche übergingen. 6) Wenn ſich die Galle mit dem Magendrüſenſafte vermiſcht, wie dies im Zwölffingerdarme geſchieht, fo löſ't die Miſchung ſowohl neutrale als ſaure Fette. 7) Dieſer Einfluß des Magendrüſenſaftes auf die Fette bedingt aber noch nicht ihre alleinige Aufnahme als Fett— ſäuren und Glycerin, am häufigſten werden fie im Emul— ſionszuſtande aufgenommen, und fo finden wir fie auch im Chylus wieder. 8) Der Verf. unterband bei Hunden beide Ausführungs- gänge des pancreas, beim Haſen den einzigen Ausführungs— gang, der ſich erſt weit unten in den Darm ergießt. Die Chyluscanäle der Hunde und Haſen enthielten nach dieſer Operation, obſchon ſie abſichtlich mit fetten Stoffen genährt wurden, durchaus kein Fett, wogegen der Darm von nicht vertheilten fetten Stoffen ſtrotzte. 9) Die Panereasdrüſe iſt demnach für die Verdauung höchſt wichtig, die Function ihres Saftes iſt dagegen eine ganz andere wie die des Speichels, weßhalb ſte fernerhin nicht mehr als Speicheldrüſe des Unterleibes betrachtet wer— den darf. 57 Miſeceellen. 10. Über die fliegenden Sommerfäden herrſchen noch immer verſchiedene Anſichten. Ein neuer Beobachter (der Name iſt nicht genannt) fand, daß beim Welken und Verfaulen der Pflan⸗ zen ſich aus ihrem Innern Gasarten entwickeln, die ſich als kleine Perlen verdichten und vom Winde erfaßt, in dünne Fäden aus⸗ gezogen werden, die, wenn die Sonne im Weſten ſteht, am deut⸗ lichſten zu ſehen ſind. Selbſt auf Sandflächen ohne ſichtbare Spur einer Vegetation ſieht man bisweilen dasſelbe Geſpinnſt verbreitet, findet aber beim Nachgraben, wie ſelbiges dennoch aus faulenden Pflanzen hervorgeht. Das Geſpinnſt wirkt nicht auf den Magnet, eben jo wenig auf die Elektrieität, im verſchloſſenen Gefäße ver⸗ brannt, erhält man viel Kohlenſtoff. Dr. Preſtel in Emden be⸗ richtet dagegen ganz anders: Er fand am 12. October bei heiterm Wetter das Gras mit einem Geſpinnſte feiner Fäden bedeckt, auf dem er eine Menge kleiner Spinnen gewahrte, an einzelnen Stellen war das hohe Gras von dieſem Geſpinnſte wie umſchleiert, hun— derte der kleinen von Bechſtein beſchriebenen Sommerfadenſpinnen (Aranea obtextrix) wimmelten auf demſelben; auch auf den in 136. VII. 4. 58 der Luft umherfliegenden Fäden beobachtete er dieſelben kleinen Spinnen, während zwei andere Spinnenarten (Lycosa saccata und Tetragnatha extensa) gleichfalls in nicht unbeträchtlicher Menge an andern Stellen unter dem Geſpinnſte weilten. Einige Tage ſpäter ſtrich ein kalter Südoſtwind über die Felder, und die Spinnen wa— ren meiſt verſchwunden, am 19. war es bei Südweſtwinde wieder heiter und warm, die Lycosa saccata und Tetragnatha extensa erſchien von neuem in zahllofer Menge, die kleine Aranea obtex- trix war dagegen ganz ſpurlos verſchwunden. (Iſis, 1848, S. 544.) Die Gaſteropoden haben, nach Pappenheim und Berthélen, gar keine Lacunen, alle Capillargefäße ſind geſchloſſen und mit eigenen Wandungen verſehen. Die Arterien = und Venenſtämme ſind indeß ihrer Structur nach von einander verſchieden; die ſogenannten venae pulmonales find viel zuſammen⸗ geſetzter organiſirt, als die Arterien. Die Gefäße der Gaſteropoden find übrigens den Gefäßen der Wirbelthiere durchaus nicht zu ver⸗ gleichen, in den Capillaren fließt eine Flüſſigkeit ohne Blutkügel⸗ chen. — Die Leber der Gaſteropoden iſt eine Verzweigung des ductus hepaticus mit blaſenförmigen Enden. (L'Institut, No. 746. 1848.) Heil k (IV.) Tuberkelbildung iſt Folge einer gewöhnlich angeborenen Diatheſe. Beſtätigung dieſes Satzes durch die phyſiologiſch-chemiſche Unterſuchung des Blutes. Von Dr. Bernardeau zu Tours. Daß in ſehr vielen Fällen von Tuberkelbildung dieſe durch einen beſondern Zuſtand des Organismus, alſo durch eine beſondere Prädispoſition veranlaßt werde, ergiebt ſich aus vielfachen Beobachtungen und niemand wird es zu leug— nen wagen; allein, daß eine ſolche Diatheſe nothwendig vorhanden ſein müſſe, werden manche bezweifeln. Dieſe an ſich ſehr billigen Zweifel will ich zu heben verſuchen. Zu dieſem Ende wollen wir vorerſt unterſuchen, inwiefern ſich der habitus der mit Tuberkeln behafteten von dem der an Lungenſchwindſucht leidenden, und wie ſich die chemiſche Zu— ſammenſetzung des Blutes in dieſen beiden pathologiſchen Zuſtänden unterſcheidet. Nach dem, was man darüber in Schriften aufgezeichnet findet, möchte man die ſtrumöſe Diatheſe von derjenigen, welche die Bildung von Lungentuberkeln veranlaßt, für ver— ſchieden halten. So geben Baron und Murray nach ihren Erfahrungen über die Wirkungen der Jodmittel an, daß dieſelben gegen die Scrophelſchwindſucht helfen, aber ſich gegen die gemeine Lungenſchwindſucht, nämlich die bei erwachſenen Perſonen vorkommende, unwirkſam zei— gen. Dieſer Unterſchied iſt indeß ſo ſpitzfindig, daß er meines Wiſſens von keinem Schriftſteller ſcharf dargelegt worden iſt. Die beiden fraglichen Prädispoſitionen bieten viele Berührungspunkte dar, ſind aber doch nicht völlig identiſch; felbft wenn nur das Alter der Patienten eine Verſchiedenheit begründete, ſo wäre dies doch eine wirkliche. unde. In der That zeigen ſich in der Kindheit die Tuberkeln vor— zugsweiſe in den Drüſen. Wenn z. B. das Elternpaar phthiſiſch war, ſo iſt das Kind vielleicht nur ſerophulös, indeß wird es zu Lungentuberkeln bedeutende Anlage haben. Viel häufiger iſt indeß der Fall, daß Kinder, deren Eltern vollkommen geſund ſind, ſogenannte kalte Säfte (eine lymphatiſche Conſtitution) haben. Schon eine feuchte Woh— nung kann ſolche ſerophulöſe Symptome veranlaſſen. Schon im zarten Alter bemerkt man an Kindern, welche nur Tuberkeln in den Drüſen oder nur Anlage zu ſolchen haben, äußerlich plumpe, unſymmetriſche Formen und dicke Gelenke. Die Knochen ſind weich, weil der phosphorſaure Kalk, dem ſie ihre Härte verdanken, ſich mit ihnen nicht gut aſſimilirt, ſondern ſich vielmehr in den Drüſen ablagert. Wenn die Scrophelkrankheit einen günſtigen Ausgang nimmt, ſo finden wir im Alter der Pubertät die Knochen dick, aber gewöhnlich von normaler Conſiſtenz. Das phthiſiſche Kind oder dasjenige, welches phthiſtſch zu werden beſtimmt iſt, bietet dagegen zarte leichte Formen dar, und der phosphorſaure Kalk aſſimilirt ſich ſehr früh— zeitig mit ſeinen Knochen, welche demnach hart und feſt ſind. Man wird mir einwenden, viele ſerophulöſe Kinder ſeien ſchwächlich. Allerdings, nämlich die, welche ſpäter Phthiſiker werden. Unter 358 von Hrn. Louis ſeeirten, mit Tuberkeln behafteten Subjeeten fanden ſich dieſe krank— haften Producte bei keinem einzigen lediglich in einem andern Organe, außer den Lungen. In den Lungen waren jedes Mal deren auch vorhanden. Da Hr. Louis ein ſehr gewiſſen— hafter Forſcher iſt, fo verdienen deſſen Angaben alles Ver: trauen. Allein lehrt nicht die tägliche Erfahrung, daß es viele Leute mit kalkigen Conerementen in den Drüſen giebt, welche durchaus nicht bruſtkrank ſind? daß bei vielen die Unterkieferdrüſen ſich beſtändig wie Haſelnüſſe anfühlen, mögen ſie nun ſchwären oder nicht, während dieſe Perſonen 59 136. VII. 4, 60 an dem das erſte Stadium der Lungenſchwindſucht charak— terifirenden trocknen Huͤſteln leiden, oder nicht leiden, aber dennoch ein hohes Alter erreichen? Die Drüſen werden durch Jodmittel kleiner, behalten aber immer einen kleinen harten Kern. Dieſes Hüſteln erkläre ich mir, wenn die Auſcultation und Pereuſſion darüber keinen Aufſchluß geben, aus einem pathologiſchen Zuſtande der Bronchendrüäſen. Wir wollen indeß den von Hrn. Louis aufgeſtellten Satz gelten laffen und die Gegenprobe desſelben anſtellen. Der Phthiſiker kann noch in andern Organen, als den Lun— gen, Tuberkeln haben; allein dies iſt nicht nothwendig der Fall. Die Lungentuberkeln gehen ſelten in den kreideartigen Zuftand über; wenn dieſe Umbildung eintritt, jo iſt dies einer der günſtigen Ausgänge der Phthiſis, während die Tuberkeln in den Druſen häufig größtentheils aus Kalk— ſalzen beſtehen. Mögen nun alſo ſich die Tuberkeln in dieſem oder je— nem Organe ablagern, jo iſt vorher doch immer eine con= ſtitutionelle Anlage vorhanden geweſen, und dieſe ſcheint mir nicht in allen Fällen dieſelbe zu ſein. Dabei iſt zu bemerken, daß dieſe Prädispoſition nicht nothwendig eine erbliche iſt, ſondern ſich auch unter geſundheitwidrigen Um— ſtänden entwickelt haben kann. Eine dieſer Potenzen, welche für ſich die Serophelkrankheit erzeugt, z. B. eine feuchte Wohnung, wird aber ſelten die Phthiſis veranlaſſen. Laenneec hat nachzuweiſen geſucht, daß die verſchiede— nen Krankheiten der Reſpirationswege, Katarrh, Pneumo— nie 2c., nicht in Tuberkelbildung ausgehen, wenn vorher keine Diatheſe zu dieſer exiſtirte. Ich meinestheils möchte nicht ganz ſo weit gehen. Allerdings kann ſich ohne Prä— dispoſition kein Tuberkel bilden; allein dieſe Prädispoſition iſt weder nothwendig urſprünglich vorhanden, noch braucht fie in einem ſehr hohen Grade zu erijtiren. Sie kann ſich im Verlaufe einer Bruſtkrankheit, die ungewöhnlich lange anhält, ausbilden. Verkörpern wir hier den vagen Aus— druck Prädispoſition, ſo erkläre ich den Zuſtand, den man mit demſelben bezeichnen will, für venöſe Plethora, nament— lich für Plethora des Abdominalvenenſyſtemes. Der Phthi— ſiker und deſſen Nachkommenſchaft ſchon im Kindesalter bieten dieſen Zuſtand dar. Begreiflicherweiſe kann derſelbe unter dem Einfluſſe irgend einer langwierigen Krankheit, welche die Hämatoſe vermindert, z. B. der chroniſchen Pleu— reſte, entſtehen. Die Pleurenentzündung veranlaßt alsdann die Plethora, und dieſe wird zur Urſache der Tuberkeln. Vorſtehendes findet ſeine Beſtätigung in den Forſchungen der HHrn. Andral und Gavarret über die Zuſammen— ſetzung des Blutes. Wiewohl dieſe Beobachter nicht, gleich mir, behaupten, daß alle Krankheiten und beſonders die Bruſtkrankheiten, wenn ſie lange anhalten, venöſe Ple— thora und nachgehends Lungentuberkeln erzeugen können, ſo haben ſie doch an dem Blute der Phthiſiker, namentlich in Betreff der Kügelchen, erhebliche Eigenthümlichkeiten ent— deckt. Ich habe ſchon an einem andern Orte bemerkt: 1) daß die Plethora der Venen der erſte Grad der Prädis— poſition zur Tuberkelkrankheit ſei; 2) daß deren zweiter Grad in einem Mangel an Cohäſion der Beſtandtheile des Blutes beſtehe, oder mit andern Worten, daß diejenigen ſeiner Beſtandtheile, welche ſich ausſcheiden und folglich nur noch mechaniſch mit dem Blute vermengt find, durch das— ſelbe in das zelliggefäßreiche Gewebe der Lunge geflößt und dort abgelagert werden, daher die Tuberkeln durch einfache Aggregation neu hinzutretender Materialien wachſen. Herr Andral ſagt S. 170 feines Essai d'hématologie patho- logique: „Vom Anfange der Bildung der Lungentuberkeln an und zu der Zeit, wo ſich deren Vorhandenſein durch die Aufeultation noch kaum ermitteln läßt, findet man die Blutkügelchen ſchon in größerer (geringerer?) Menge.“ Ich meinestheils glaube, daß gerade dieſe Verminde— rung der Kügelchen die Cohäſion der Blutmaſſe verringere. Man nehme z. B. irgend ein in Waſſer ſehr leicht auflös— liches Mineralſalz und vermindere oder vermehre einen ſeiner Grundbeſtandtheile, ſo wird das ſo erlangte baſiſchſaure oder perorydirte Salz weniger auflöslich fein, als das urſprüng— liche und es wird vielleicht ein Theil des letztern aufgelöſ't bleiben, während jenes ſich ablagert oder nur mechaniſch vermiſcht bleibt. Eine gewiſſe Modification des Organismus iſt demnach zur Erzeugung der Tuberkeln nothwendig. Dieſe Modifica— tion beſteht anfangs in venöſer Plethora und ſpäter in mangelhafter Cohäſion des Blutes, welche meiſtens unter dem Einfluſſe der Verminderung eines ſeiner Beſtandtheile, nämlich der Kügelchen, eintritt. Je blaſſer jemand wird, deſtomehr büßt er ſeine Blut— kügelchen ein. Da nun um die Zeit, wo die Ablagerung der Tuberkeln beginnt, eine bedeutendere Bläſſe eintritt, ſo iſt dies Symptom ſehr zu beachten, indem dann die Regeln der Geſundheitslehre ſchleunig in Anwendung gebracht wer— den müſſen, z. B. dem Patienten viel Bewegung im Freien, einen Aufenthalt auf dem Lande ꝛc. zu verordnen. Die Tuberkeln haben ſich vielleicht noch nicht abgelagert, aber die Gefahr iſt drohend, und um ſo mehr, wenn ſich zu der Bläſſe noch eine gewiſſe Kraftloſigkeit hinzugeſellt. Die Bläſſe iſt charakteriſtiſch und beſteht nicht immer in einem matten Weiße, wie zu Ende vieler Krankheiten; ſondern die Haut des Geſichtes wird vielmehr bleigrau und die selero- tica perlgrau, was ein ſicheres Kennzeichen der venöſen Ple— thora iſt, indem es darauf hindeutet, daß das Arterien- und Venennetz der choroidea von Venenblut ſtrotzt. Bichat hat übrigens bündig dargethan, daß jeder Umſtand, welcher die chemiſchen Functionen der Lunge unterbricht, Aſphyrie, d. h. den Übergang des venöſen Blutes in die Arterien, veranlaßt; daß, wenn die Hämatoſe nur vermindert wird, der Tod zwar nicht unmittelbar erfolgt, allein derſelbe um ſo ſchleuniger eintritt, je ſchwächer die Blutbereitung von Statten geht, oder mit andern Worten, je mehr Venen— blut in das Arterienſyſtem gelangt. Bei dem Vorhandenſein von Tuberfeln it indeß nicht nur das Blut krankhaft verändert. Hr. Dup uy zu Alfort hat in der Milch phthiſiſcher Kühe eine übermäßige Menge phosphorſauren Kalkes angetroffen. Wenn die Tuberkel— krankheit und ſchon vor dieſer die Prädispoſition zu derſelben die Wirkung hat, daß der zur Ablagerung in den Knochen 61 134. VII. 4. 62 beſtimmte Kalk in den Flüſſigkeiten des Organismus zurück— gehalten wird, ſo ſcheint daraus zu folgen, daß die an Oſteomalarie leidenden Kinder zur Tuberkelkrankheit prä— disponirt ſein müſſen, und wirklich findet man bei vielen Kindern mit weichen Knochen Tuberkeln in den Knochen elbſt. 5 Es ſteht alſo feſt, daß der Ablagerung der Tuberkeln ſtets eine Diatheſe vorhergeht, die gewöhnlich eine urſprüng⸗ liche, zuweilen aber auch eine erworbene iſt. (Bulletin gen. de Therapeutique, 30. Avr. 1848.) (V) Störungen in dem Nervenſyſteme, veranlaßt durch Albuminurie bei ſchwangeren Frauen. Prof. Simpſon zu Edinburg gelangt in einer im Monthly Journal of med. Sc., Oct. 1847 mitgetheilten lehr— reichen Abhandlung über obigen Gegenſtand zu folgenden Reſultaten. 1) Wenn die Albuminurie gegen das Ende der Schwan— gerſchaft vorkommt, ſo erzeugt ſie eine auffallende Neigung zu Convulſionen beim Gebären. 2) Die Albuminurie erzeugt bei Schwangeren und Kindbetterinnen zuweilen noch andere Störungen im Nerven— ſyſteme, als Convulſionen, namentlich örtliche Lähmungen, Neuralgien in den Extremitäten, Störungen in den Functio— nen der Sehkraft, des Gehörs ꝛc. (den ſchwarzen Staar ꝛc.), mehr oder weniger ausgebildete Hemiplegie oder Paraplegie. 3) Odem im Geſichte und an den Händen, zuweilen. fogar anasarca, gehört zu den häufigſten Folgen der Albu— minurie bei ſchwangeren Frauen., 4) Bei Auweſenheit dieſes Odems oder einem Nerven— leiden irgend einer Art mit oder ohne Odem hat man immer auf Albuminurie zu ſchließen, und wenn der Zuſtand des Harnes dieſe Vermuthung beſtätigt, ſo hat man mittels einer antiphlogiſtiſchen Behandlung dem Auftreten der Con— vulſionen bei der Kindbetterin vorzubeugen. 5) Die Albuminurie und deren Folgen kommen bei der erſten Schwangerſchaft viel häufiger vor, als bei den folgenden, und jene verſchwindet in der Regel nach der Geburt vollſtändig. Hrn. Simpſon iſt der Fall vorge— kommen, daß die Krankheit mit einer leichten Amauroſe ohne Odem begann und allmälig in eine Hemiplegie aus— ging; in einem andern blieb nach der Entbindung und nach dem Verſchwinden der Albuminurie eine partielle Lähmung zurück. Ein Mal trat die Amauroſe mit der Entbindung ein und hatte bereits 6 Monate gedauert, als Hr. Simp— ſon die Patientin zum erſten Male ſah. Der Harn, war ſtark eiweißſtoffhaltig, und dennoch keine Spur von Odem oder einer andern Folge der Albuminurie vorhanden. 6) Wenn die Albuminurie nach einer andern, als einer erſten Schwangerſchaft vorkommt, ſo rührt ſie in der Regel von einer Nierenentzündung mit Ablagerung (nephrite granu- leuse) her, und in dieſem Falle verſchwindet ſie nach der Entbindung nicht. — 7) Vielleicht liegt bei den durch Albuminurie erzeugten Conoulſionen der Kindbetterinnen die unmittelbare Urſache der Störungen des Nervenſyſtemes in irgend einer noch nicht gehörig ermittelten krankhaften Veränderung des Blu— tes. Wäre nicht vielleicht ein übermäßiger Verhältnißtheil von Harnſtoff im Blute vorhanden? oder iſt nicht etwa der Harnſtoff des Blutes durch die Krankheit quantitativ oder qualitativ verändert? 8) Bei den bedenklichen Formen der Convulſionen der Kindbetterinnen, welche von Albuminurie herrühren, iſt die Seeretion der Nieren gewöhnlich vermindert, und Hr. Simp— fon hat durch diuretiſche Mittel, nebſt oder nach Blutent— ziehungen, Spießglas ꝛc., zumal wenn die Krankheit ſchon eine Zeit lang gedauert hatte, die beiten Reſultate erlangt. 9) Zuweilen tritt die Hemiplegie während der Schwan— gerſchaft ein, auch ohne daß Albuminurie Statt findet; allein das Leiden äußert dann auf den Verlauf der Schwan— gerſchaft und Entbindung ſcheinbar keine nachtheilige Wir— kung. Die Krankheit ſelbſt hat gewöhnlich einen ganz natürlichen Verlauf. In einem dieſer Fälle ſah Hr. Simp— ſon, daß die Kranke den Gebrauch des gelähmten Gliedes allmälig, doch nicht vollſtändig wiederhielt. (VL) Blutharnen durch Atzen mit Höllenſtein gehoben. Das Atzen der Blaſe theils mit feſtem, theils mit auf— gelöſ'tem Höllenſteine iſt von Theoretikern öfters empfohlen, von den Praktikern dagegen ſtets mit Mißtrauen betrachtet worden. Die Chirurgen fürchten vom Atzen der Harnblaſe ſelbſt jo üble Zufälle, daß fie allgemein anrathen, beim Atzen der Harnröhre ſehr vorſichtig zu verfahren, damit der Höllenſtein nicht in die Blaſe eindringe. Atzende Einſpritzungen hat man wohl als ein ſehr wirkſames Mittel gegen gewiſſe Arten des Blaſenkatarrhs empfohlen; allein folgender Fall beweiſ't, daß auch das feſte ſalpeterſaure Silber bei dieſem, ſowie auch wahrſchein— lich bei andern Leiden der Blaſe ſehr gut paßt. Beobachtung. Ein 5ljähriger Mann wurde wegen Hämaturie am 27. März 1847 in die Charité aufgenommen. Vor 10 Monaten hatte derſelbe, um ſich über ein Unglück, das ihn betroffen, zu tröſten, acht Tage lang geiſtige Ge— tränke ze. im Übermaße genoſſen und dann dem Geſchlechts— triebe mit einer wahren Wuth gefröhnt. Daraus war bald ein Blaſenleiden entſtanden, fo daß der Patient erſt beim Harnen Schmerzen empfand und ſpäter ſehr häufig Drang zum Harnen verſpürte. Nicht lange darauf bemerkte er, daß der letzte Theil des Urins, welcher beim jedesmaligen Harnen auslief, erſt roſenroth, dann immer dunkler roth gefärbt war, ſo daß endlich die letzten Tropfen wie reines Blut ausſahen. Häufig gingen auch zuletzt wahre Blut— gerinnſel ab, und ſeitdem das Blutharnen dieſe Form an— genommen, waren bereits 18 Monate verſtrichen. Es waren ſeitdem nie zwei Tage hinter einander verfloſſen, ohne daß 63 136. VII. 4. 64 der Patient Blut geharnt hätte, was jedoch ſtets erſt zu Ende des Urinirens eintrat. Das Harnen kam täglich 25 — 30 Mal vor und war jederzeit ſchmerzhaft. Der Patient ward eine Zeit lang ohne Erfolg von Hrn. Velpeau mit Contrexevilleſchem Waſſer (2) und dem Decocte von Fichtenknoſpen behandelt und hierauf dem Hrn. Rayer übergeben. Dieſer verordnete anfangs Mutterkorn in Gaben von 60 Centigrm., wodurch jedoch die Zufälle nur verſchlimmert wurden. Hierauf verſuchte man Theerwaſſer, ſpäter Cantha— ridentinctur ohne den geringſten Nutzen. Hr. Rayer zog nun Hrn. Lallemand zu Rathe, und dieſer ermittelte durch Katheteriſiren, daß die Blaſe abnorm erweitert ſei, und deren Wandung eine ſchwammige Conſiſtenz angenommen habe. Er ſchlug daher vor, die Schleimhaut derſelben mit feſtem Höllenſteine zu ätzen. Die Operation ward mittels eines gewöhnlichen krummen, am gekrümmten Ende offnen Kathe— ters vollzogen, durch welchen ſich die mit dem Höllenſteine verſehene Hülſe herausführen ließ. Die Hülſe war an ihrem converen Theile mit einer 2 — 3 Gentim. langen Rinne verſehen, in welche man einige Körner Hölenftein eintrug, die man dann bei gelinder Hitze ſchmelzen ließ, ſo daß die Atzoberfläche ausgeglichen ward. Überdies war die Hülſe mit einem Röhrchen überzogen, welches die Theile, durch die man ſie hindurchzuführen hatte, ſchützte und welches man zurückzog, ſobald die Hülſe in die Blaſe gelangt war. Die an der Converität der Hülſe gelegene Rinne ließ ſich be— quem mit der Wandung der Blaſe in Berührung bringen. Als Hr. Lallemand den Kranken auf dieſe Weiſe ätzte, empfand dieſer bedeutende Schmerzen, und es floß ſogar ein wenig Blut aus; aber nach 20 Minuten trat Schmerz— loſigkeit ein. Gleich nach der Operation ward der Patient gebadet. Der Zuſtand desſelben beſſerte ſich ſchnell. Die Blut— kügelchen verſchwanden aus dem Harne, obgleich dieſer noch dunkel gefärbt blieb. Binnen wenigen Tagen nahm die Zahl der Harnausleerungen von 30 bis auf 12 ab, und der Kranke hatte dabei weniger zu leiden. Die Hämaturie ſetzte jedoch nur vorübergehend aus. Vom 26. bis 29. März ſtellte ſich dieſelbe mehrmals wieder ein, ohne jedoch Schmer— zen zu veranlaſſen. Hr. Yallemand wiederholte das Atzen, welches wieder heftigen, jedoch bald vorübergehenden Schmerz veranlaßte. An den folgenden Tagen war der Patient fie— beriſch und fand ein Mal Naſenbluten Statt. Die Harn— ausleerungen kommen täglich 8— 12 Mal vor. Man ver— ordnete einen ſchwachen Aderlaß und Faſten. Die Symptome verſchwanden, aber ſechs Tage ſpäter wurde der Harn wieder blutig und blieb es bis zum 23. April. An dieſem Tage ätzte Hr. L. zum dritten Male und betupfte dabei ſämmtliche Stellen der Schleimhaut. Der Kranke litt dabei mehr, als die beiden erſten Male; die Schmerzen hielten den ganzen Tag an, und der Harn war bis zum folgenden Morgen ungewöhnlich ſtark mit Blut verſetzt. Allein von dieſem Zeitpunkte an hörte das Blutharnen, ſowie der Schmerz beim Harnen vollſtändig auf; nur die, wenngleich bis auf die Hälfte der frühern Zahl verminder— ten Harnausleerungen konnten, als der Patient am 4. Mai 1847 entlaſſen wurde, noch für allzu häufig gelten. Das Atzen der Blaſe mit Höllenſtein iſt in dieſem Falle unſtreitig von Nutzen geweſen, obwohl, ſich bezweifeln läßt, daß es eine gründliche Heilung des Übels bewirkt habe; allein ſelbſt wenn ein Rückfall einträte, ſo iſt doch dadurch eine günſtigere Modification der Blaſenwandung bewirkt worden, als ſie durch irgend eine andere Behandlung erlangt werden konnte. Dieſer Erfolg iſt ermuthigend, und unſeres Wiſſens iſt dieſes Mittel in keinem frühern Falle gegen Hämaturie zur Anwendung gekommen. (Journal des con- noiss. med. chir., 1. Avril 1848.) Miſcelle. (7) In Betreff des Blutegelhandels hat Hr. Sou⸗ beiran der Pariſer medieiniſchen Akademie eine umfaſſende Ab- handlung vorgelegt, welche die Akademie zu folgendem Beſchluſſe veranlaßt hat. Der Handelsminiſter ſoll erſucht werden, die ge— eigneten Maßregeln zu ergreifen, damit die Blutegelzucht in Frank— reich nach Möglichkeit befördert und dem Verkaufe der vollgeſogenen ſowie ſchlecht beſchaffenen Blutegel geſteuert werde. Zu dieſem Ende müßte 1) der Verkauf der vollgeſogenen Blutegel bei ſchwe— rer Strafe verpönt; 2) den Händlern zur Pflicht gemacht werden, auf ihren Facturen die jedes Mal gelieferte Varietät der Blutegel namhaft zu machen; 3) der Blutegelfang während der Monate der Begattung und des Eierlegens verboten und dieſe Zeit für jedes Departement von den Präfecten feſtgeſetzt werden; 4) dürften durchaus keine Blutegel, die unter 2 und über 6 Grammen wiegen, in Handel kommen; 5) ſondern nur ausnahmsweiſe und auf be⸗ ſondere Erlaubniß von Seiten des Präfeeten der Fang und Ber: kauf ſolcher Exemplare zum Beſetzen der Vermehrungsbaſſins ge⸗ ſtattet werden; 6) als vorbereitende Maßregel wäre der Blutegelfang in ganz Frankreich auf 6 Jahre gänzlich zu unterſagen; 7) allen Hoſpitalverwaltungen müßte zur Pflicht gemacht werden, die be— nutzten Blutegel in geeignete Behälter zu bringen, damit ſie ſich dort fortpflanzten. (Journal des connoissances medico-chirurgi- cales, 1. Mai 1848.) H. Karsten, die Vegelationsorgane der Palmen. Ein Beitrag zur vergleichen den Anatomie und Physiologie. Aus den Schriften d. königl. Akademie der Wissenschaften. gr. 8°. 2 Thlr. In Comm. Schneider & Comp. in Berlin 1848. G. W. Biſchoff, die Botanik in ihren Grundrlſſen mit Rückſicht auf ihre r gr. 8. Geh. 21 Sgr. Franckhſche Verlagsh. in Stutt- gar 0 G. H. ©. Volger, dissertatio inauguralls de agri Luneburgiei constitutione n gr. 8%. Geh. ½% Thlr. Dieterichsche Buchh. in Göttingen T. T. Burke. — The Accoucheur’s Vade-Mecum; or, Guide to the Practice of Midwifery. 12%. (pp. 500, cloth.) Dublin 1848, reduced to 4 sh.) H. Lebert, Abhandlungen aus dem Gebiete der prakt. Chirurgie und der pa- tholog. Physiologie. gr. 8%. Geh. 3¼ Thlr. Veit & Comp., Berlin, 1849, Druck und Verlag des Landes - Inpuftrie - Gomptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 137. (Mr. 5. des VII. Bandes.) 5 Juni 1848. Naturkunde. Dumeril und Demarquay, über die Abnahme der thieriſchen Warme bei Anwendung von Ather und Chloroform und über die phyſio⸗ logiſche Wirkung beider Agentien. — Gruby, einige Bemerkungen über das Chloroform. — Heale, über galvaniſche Ströme im Blute. — Mor⸗ reau ve Jonnés, über den Reichthum Frankreichs in landwirthſchaftlicher Beziehung. — van Beneden, Unterſuchungen über die Organiſatlon und Entwicklun der Zungenwürmer (Pentastoma Rud.) und eine neue im Magen des Maändrills aufgefundene Art viefer Thiere. — Miſcellen. Poitevin, neues Verfahren, auf Silber, verſilbertem Kupfer und Gold zu ätzen. Chatin und Bouvier, das ſcorbutiſche Blut. Piequotiane, neue Nutzpflanze. Über den Einfluß galvaniſcher Leitung auf die Vegetation. — Heilkunde. de Lejeleuc, vereinfachter Apparat für Schenkelbruͤche. — Georgit, Kineſitherapie nach Lings Methode. — Leriche, Anwendung des Chloroforms in geringen Doſen als ſchmerzſtillendes Mittel. — Miſcelle. Außerordent⸗ liche Sterblichkeit der iriſchen Arzte. — Bibliographie. Naturkunde. X. Über die Abnahme der thieriſchen Wärme bei Anwendung von Ather und Chloroform und über die phyſiologiſche Wirkung beider Agentien. Von Aug. Dumeril und Demarqu ay. (Commiſſions-Bericht.) N Die Abnahme der thieriſchen Wärme beim Atheriſiren oder Einathmen des Chloroforms iſt bisher noch nicht be— achtet worden: ſie iſt im erſten Falle bedeutender, wie im letzten. Bei einem Hunde, der 35 Minuten ätheriſirt ward, nahm fie um 21/50, bei einem andern, der 45 Minuten der Einwirkung des Athers ausgeſetzt war, um 22/30 ab, ein Huhn erkaltete nach 15 Minuten um 21/50, ein an— deres nach 40 Minuten um 33¾0. Das Chloroform ver— anlaßte nach 21 Minuten bei einem Hunde eine Wärme— abnahme von 2/30, bei einem andern nach 34 Minuten 3/49, nach einer Stunde und 20 Minuten 1½“, nach einer Stunde und 40 Minuten 44½¼0, bei einem Huhne nach 9 Minuten 230. Ein durchaus ähnliches Reſultat gaben alle folgenden Verſuche. Dieſer erkaltende Einfluß des Athers iſt ſo con— ſtant, daß er ſogar, wenn feine Dämpfe durchs rectum ein— geführt werden und keine Betäubung Statt findet, eintritt. Ward faſt gleichzeitig mit der Anwendung des Ather— apparates einer der nervi pneumogastriei durchſchnitten, ſo blieben die Reſultate dennoch ungeändert; ſelbſt in dem Falle, wo die thieriſche Wärme durch eine allgemeine Re— action geſteigert war, indem die Verf. 24 bis 48 Stunden vor dem Verſuche einen der nervi pneumogastrici durch— ſchnitten hatten, blieb der Erfolg derſelbe. Bei 4 Hunden, deren Bluttemperatur, um ½ bis 11/50 geſteigert war, ſank dieſelbe nach dem Atheriſiren innerhalb 31 Minuten um 1¼ , nach 1 Stunden auf 32/0. Dieſer durchaus conſtante Einfluß des Athers und Chloro— forms auf die thieriſche Wärme diente den Verf. zur Be— No. 2117. — 1017. — 137. ſtimmung der phyſiologiſchen Wirkung beider Agentien, die nach ihnen nicht unmittelbar einen Scheintod herbeiführen. Die durchs Atheriſiren hervorgerufene Sinnesbetäubung un— terſcheidet ſich vielmehr von der Ohnmacht dadurch, daß letztere durch den Einfluß des ſchwarzen, ſeines Sauerſtoffs beraubten Blutes auf das Nervenſyſtem, jene aber durch die Wirkung des Athers auf dasſelbe veranlaßt wird. Bei Hunden und Hühnern, welche während einer lange anhaltenden Ohnmacht getödtet wurden, war die Temperaturabnahme ſo gering, daß ſie mit der durch Ather und Chloroform bewirkten Be— täubung nicht zu vergleichen war. Die Wirkung der Atheriſation iſt ſomit keinesweges ein wirklicher Scheintod (Aſphyrie), ſondern nur eine ſecun— däre Folge der Durchdringung des Atherdampfes auf den thieriſchen Organismus, die Wirkungen auf das Nerven— ſyſtem ſind nicht primär, ſondern ſecundär und können nur durch eine zu lange fortgeſetzte Anwendung des Athers tödt— lich werden, indem ſie die Functionen des verlängerten Mar— kes, das am ſpäteſten von ihnen ergriffen wird, aufheben. Der Branntwein ſoll nun nach Prof. Blandin, der einem Betrunkenen im Zuſtande völliger Beſinnungsloſigkeit ſchmerz— los den Schenkel amputirte, ähnlich wie der Ather wirken. Die Verf. können dies beſtätigen: Hunde, welchen eine hin— reichende Menge Branntwein in den Magen gebracht wor— den, waren durchaus empfindungslos, bei ihnen war die Bluttemperatur ganz in derſelben Weiſe, wie beim Atheriſi— ren, vermindert. h Die Verſuche, den Atherdampf durchs reetum einzu— führen, wo ohne eine Störung der Reſpiration eine gleiche Wärmeverminderung erfolgte, deuten auf eine Abhängigkeit der Temperatur vom Nervenſyſtem: wenn nämlich, was wohl niemand läugnen wird, die Quelle der thieriſchen Wärme auf einer normalen Blutbildung beruht und dieſe wiederum unter dem Einfluſſe des Nervenſyſtems ſteht, ſo muß eine 5 67 137. VIL 5. 68 Urſache, die auf das letztere wirkt, veränderung zur Folge haben. Die Verf. ſchließen ihren Bericht mit der Bemerkung, daß der Atberdampf ſehr raſch und ſchädlich wirkt; die Hunde ſtarben, wenn fie 35 bis 45 Minuten ätheriſirt wur— den, beim Chloroform erfolgte der Tod noch ſchneller, bei einem Hunde nach 21, bei einem andern nach 34 Minuten, weßhalb den Wundärzten beim Gebrauch beider Mittel große Vorſicht zu empfehlen iſt. An obigen Bericht ſchließen ſich paſſend auch eine Temperatur- XI. Einige Bemerkungen über das Chloroform. Von Gruby. Der Verf. legte bei einem Hunde die arteria und vena eruralis des linken Beins frei: die erſtere war hellroth, die letztere ſchwarzroth, etwas bläulich gefärbt. Der Arterie wurden 15 bis 20 Grammen Blut entnommen, das ſogleich in ein hermetiſch verſchloſſenes Gefäß gebracht ward, die— ſelbe Quantität Blut ward darauf der Vene entzogen und in gleicher Weiſe zum Vergleich bei Seite geſtellt. Beide Blutgefäße wurden darauf unterbunden, dann dieſelben Ge— fäße des linken Beines frei gelegt; auch hier war die Ar— terie hellroth, die Vene dunkelroth gefärbt. Erſt jetzt ward das Chloroform angewandt; in dem Maße, als das Thier gefühllos ward, färbte ſich auch die vena cruralis des rech— ten Beines heller, ihre dunkle ſchwarzrothe Farbe ſchwand mehr und mehr; die Arterie behielt ihre frühere hellrothe Färbung. Der Verf. öffnete jetzt die Vene, aus der ein Strom hellrothen Blutes hervordrang, 15 bis 20 Grammen desſelben wurden geſammelt; auch der Arterie ward dieſelbe Quantität Blut von hellrother Farbe entzogen, und nachdem die Gefäße unterbunden, der Verſuch beendigt. Das nach dem Chloroformeinathmen geſammelte Blut der rechten arteria und vena cruralis ward nunmehr mit dem vor Anwendung des Chloroforms derſelben Arterie und Vene des linken Beins entnommenen Blute verglichen; das Re— ſultat war folgendes. 1) Das arterielle Blut iſt nach Anwendung des Chloro— forms röther oder zum wenigſten eben ſo roth, als vorher. 2) Das venöſe Blut iſt nach Anwendung des Chloro— forms hellroth, vor derſelben ſchwarzroth. 3) Das venöſe Blut iſt nach Anwendung des Chloro— forms viel röther, als das arterielle Blut vor der Anwendung dieſes Mittels, ja ſogar faſt röther, als das arterielle Blut nach Anwendung des Chloroforms. Eine halbe Stunde nach dem erſten Chloroformein— athmen war der Hund wieder munter und friſch. Der Verf. öffnete die vena jugularis externa und die carotis der linken Seite und bewahrte das beiden entnommene Blut wie früher; dasſelbe verhielt ſich zu dem erſten der arteria und vena eruralis des linken Beins entzogenen Blute folgendermaßen: 1) Das Blut der vena jugularis ſtimmte in ſeiner Farbe mit dem der vena eruralis vor der Anwendung des Chloro— forms entnommenen Blute völlig überein; es war viel ſchwär— zer, als das der vena cruralis nach der Anwendung des Chloroforms. 2) Das Blut der carotis hatte dieſelbe hellrothe Farbe wie das Blut der arteria cruralis vor Anwendung des Chloro⸗ forms, es war weniger roth, als das arterielle und venöſe Blut nach deſſen Anwendung. Die Chloroformdämpfe ändern demnach das arterielle Blut keineswegs in venöſes, färben vielmehr das arterielle Blut noch röther und verwandeln die ſchwarzrothe Farbe des venöſen Blutes in ein helles Roth. Des Verf. Apparat war ſo eingerichtet, daß er neben den Chloroformdämpfen noch reichlich atmoſphäriſche Luft zuließ. Der Verf. be— merkt, wie bei einer ſolchen Einrichtung des Apparates im— mer dasſelbe Reſultat gewonnen werde, die widerſprechenden Angaben anderer Beobachter demnach theils durch den Ab— ſchluß der Luft, theils dadurch veranlaßt wurden, daß die Beobachter nicht vor dem Verſuche zur Ader ließen und die— ſes erſte Blut mit dem ſpäter entzogenen verglichen. (Beide Aufſätze ſind N. 6 der Comptes rendus vom 7. Februar 1848 entnommen.) XII. Über galvaniſche Ströme im Blute. Von J. N. Heale. Der Verf. ſucht in dieſer Arbeit, die wir der No. 747 des Institut von 1848 entnehmen, ſowohl durch directe Ver— ſuche als durch Betrachtungen über die Entwicklung des Eies zu beweiſen, daß die Bewegung einer Flüſſigkeit in einem beſtimmten Kreiſe die erſte Urſache der Lebensthätigkeit ſei und alle übrigen Erſcheinungen im lebenden Organismus dieſer Bewegung untergeordnet und durch ſie bedingt werden, und daß, obſchon ſich dieſe Primärbewegung unter gewiſſen Umſtänden, ſelbſt wenn alle übrigen Lebensverrichtungen auf— gehoben oder vernichtet werden, nicht für ſich erhalten läßt, doch letztere ohne dieſe Circulation nicht exiſtiren können. Der Verf. zeigt ferner, wie zu dieſer Cireulation zwei Flüſ— ſigkeiten oder eine Flüſſigkeit unter zwei verſchiedenen Bedin— gungen, die ſich an zwei Punkten mit einander berühren, nöthig ſind, dieſe Berührungspunkte aber der gegenſeitigen Vermischung einen ſolchen Widerſtand entgegenſtellen, daß nur eine Übertragung der Bedingungen der einen Flüſſigkeit zur andern Statt findet, wogegen eine vollkommene Aus— gleichung die Lebenserſcheinungen ſogleich aufheben würde. Die an beiden Punkten thätigen Kräfte müſſen demnach einander entgegengeſetzt wirken, in dem einen muß die ar— terielle Kraft der venöſen, im andern die venöſe der ar— teriellen das Gleichgewicht halten. Die Gefäße beider Blutarten werden vom Verf. mit 2 neben einander gelegten Magnetſtäben verglichen; die Lun— gencapillaren bilden mit dem übrigen Capillarſyſteme die an den Endpunkten befindlichen Armaturen, und zwar ſo, daß, wenn im Blute nur in den beiden ſich entgegenſtehenden Capillarſyſtemen eine Veränderung Statt findet, ſich dieſe gleichmäßig über das Ganze verbreitet, ſomit das in den großen Gefäßſtämmen befindliche Blut als Leitungsdräthe 69 137. VII. 5. 70 für den Galvanismus dient. Die linke Seite des Herzens liegt nach ihm in dem größten Reſervoir des arteriellen, die rechte Seite in dem größten Behälter des venöſen Blutes. Die Circulation des Pfortaderſyſtems wird vom Verf. als Beweis gegen eine vorwärts treibende Kraft, welche den Blutlauf bedingt, angeführt; zahlreiche Verſuche an verſchie— denen Thieren, wo er zwei Kupfer- oder Platindrähte, den einen in eine Vene, den andern in eine Arterie einführte, die freien Enden beider Drähte aber auf ein empfindliches Galvanometer wirken ließ, zeigten ihm, daß, ſo lange das Thier lebte, ein galvaniſcher Strom durch die Arterie ging und durch die Vene zurückkam, mit der Lebensthätigkeit des Thieres abnahm, ſich dagegen verſtärkte, ſobald die Einwir— kung des Chloroforms, das zur Betäubung des Thieres an— gewandt wurde, ſchwächer ward. Der Verf. bemerkt ferner, wie die kräftige Thätigkeit eines Muskels, der zwiſchen zwei Blutgefäßen liegt (der musculus sterno - mastoideus), nach dem Grade feiner Erre— gung die Kraft des galvaniſchen Stromes entlade, und wie, nachdem der Muskel durchſchnitten ſei, die Kraft bedeutend ver— ſtärkt werde. Wenn die Verbindung zwiſchen dem Strome und den Lungen durch eine Ligatur um die Vene zwiſchen dem Inſertionspunkte des Drahtes und dem Herzen unter— brochen ward, ſetzte der Strom augenblicklich um und ging durch die Vene zur Arterie zurück. Dieſelbe Stromumkeh— rung zeigt ſich, wenn die Drähte in Blutgefäße eingeführt werden, von dem jedes durch zwei über einander liegende unter der Einführungsſtelle der Drähte angebrachte Ligaturen iſo— lirt iſt. Eine ganz ähnliche Erſcheinung beobachtet man, wenn arterielles und venöſes Blut in zwei getrennten Gefäßen und nur durch einen Kupferſtreifen oder ein Muskelbündel in Contact gebracht, vermittelſt Leitungsdrähte auf das Gal— vanometer einwirkt. Der Verf. ſucht ferner durch Verſuche zu beweiſen, daß die Kraft, welche man der chemiſchen Einwirkung zweier Flüſſigkeiten auf einander zugeſchrieben, chemiſch auf den Kupferdraht einwirke und folglich eine Stromverſtärkung be— wirke, daß aber der größte Theil dieſer Erſcheinungen den polaren Kräften, welche die Flüſſigkeiten auf einander aus- üben und die ſich am Kupfer wie an einem Leiter entladen, zuzuſchreiben ſei, da durchs Platin ganz derſelbe Erfolg er— halten werde, ja zwei verſchieden-künſtlich dargeſtellte Flüſ— ſigkeiten ohne irgend ein Metall, nur durch mit Waſſer befeuchtete Baumwolle in Contact gebracht, noch deutlich auf einander wirken. Der Verf. beſchreibt darauf den Blutlauf im Fötus und zeigt, daß dieſes Blut nur von einer Arterie zu einer Vene durch den Körper ginge; das obere Ende des Körpers bil— det nach ihm das eine, die untere Körperhälfte das andere Segment des Kreiſes; er bemerkt, daß bis dahin kein Auf— einanderwirken verſchiedener Kräfte und folglich die Urſache eines galvaniſchen Stromes fehle, welche erſt durch den klei— nen Kreislauf in der Mitte der Placenta, welcher den gro— ßen Kreislauf mit der Hohlvene verbindet, aber nicht mit den Unterleibsarterien zuſammenhängt, gegeben werde. Die— fer kleine Kreis bewirkt durch Induction den Strom im großen Kreiſe, ganz ſo wie der letztere beim Erwachſenen auf die ſecundären Kreiſe, z. B. den Kreislauf der Leber u. ſ. w., wirkt. Der Verf. geht darauf zur phyſiologiſchen und patho- giſchen Bedeutſamkeit des galvaniſchen Stromes über und zeigt zunächſt, wie durch ein Hinderniß eine Umkehrung des Stromes hervorgebracht werde. Die Capillaren der Lungen ſind den übrigen Capillarſyſtemen geradezu entgegengeſetzt; die Schnelligkeit der Circulation richtet ſich bei übrigens gleichen Umſtänden nach dem Grade des Übergewichtes der Grundkraft gegen den Widerſtand. Er ſchließt daraus, daß der Galvanismus, den man in den Muskeln findet, von dem Widerſtande des Blutes in dem Capillarnetze, das die Muskeln durchdringt, herrühre. Die Anaſtomoſen der arte— riellen Capillaren unter einander vermehren die galvaniſche Oberfläche, während die von den Venen begrenzten Anaſto— moſen die zum paſſiven Strome nöthigen Bedingungen lie— fern. Als Leiter zur kräftigen Entladung der angehäuften Kraft dienen die Nerven der von der Willkür beherrſchten Muskeln; der Verf. glaubt, daß der Verbindungsweg, durch welchen die Nerven in ſolcher Weiſe thätig ſind, ſich von beiden Seiten bis zu den Nervenmittelpunkten verlängern und dieſe ihrerſeits willkürlich auf das galvaniſche Gleich— gewicht in den Blutgefäßen einwirken können. Die ſchnel— lere Reſpiration, welche durch eine vermehrte Muskelthätig— keit hervorgerufen wird, ſchreibt er dieſer Urſache zu; dagegen vermuthet er in den nicht unter der Herrſchaft des Willens ſtehenden Muskeln einen beſondern Apparat zur periodiſchen Entladung des angehäuften Galvanismus. Der Einfluß der entfernten Theile auf einander rührt von der Verbreitung des Galvanismus über den ganzen Körper her, der ohne eine Störung in den Functionen des Ganzen nirgends un— terbrochen werden darf. XIII. über den Reichthum Frankreichs in landwirth⸗ ſchaftlicher Beziehung. Von A. Moreau de Jonnés. Im Jahre 1791 ward Lavoiſier vom Nationalcon— vent der Auftrag, den Volkswohlſtand von Frankreich zu ermitteln; da aber alle Vorarbeiten fehlten, weder der Flä— chenraum noch die Bevölkerung des Landes hinreichend be— kannt war, ſo konnte das Reſultat kein genügendes ſein. Vierzig Jahre ſpäter, wo die Hinderniſſe, an denen Lavoi— ſiers Unternehmen ſcheiterte, durch die Revolution hinweg geräumt waren, das Land in Departements, deren Flächenraum und Bevölkerung genau bekannt, getheilt war, ward es dem Verf. möglich, dieſelbe ihm übertragene Aufgabe annähernd zu löſen. N Die Vorarbeiten zu dieſer Überſicht erforderten dennoch nicht weniger als 15 Jahre, da nur durch eine Vergleichung der Einzelheiten mit einander das allgemeine beſtimmt und wiederum der Werth der Erzeugniſſe nur nach ihrem Preiſe und ihrer Güte geſchätzt werden konnte. Die folgenden 5 * 71 137. VII. 5. 72 Zahlen bezeichnen ſomit den Extragswerth eines mittleren Jahres für ganz Frankreich, nach den zuverläſſigſten ſowohl amtlichen als Privatmittheilungen berechnet. Tabelle über den Werth der Agriculturerzeug— niſſe Frankreichs in einem mittleren Jahre. Rohertrag des Culturlandes 5,092, 116,220 Fr. 5 „ Wieſenlandes 646,794,905 „ „ Waldlandes, der Baum: 283,258,325 „ ſchülen und Obſtgärten 6,022, 169,450 Fr. 767,251,000 Fr. 698,484,000 „ 1,498,735, 000 Fr. 15,000,000 „ Bruttoertrag für Hausthiere Schlachtviehn. 7 1 Rohertrag der Bienenzucht Ertragsſumme der Thierzucht 1,480,735,000 Fr. Ertragsſumme der Thierzucht und des Ackerbaues 702,904,000 „ (demnach mehr als 7½ Milliarden Franks.) Vergleicht man den ſo für das jetzige Frankreich ge— wonnenen Werth des Ackerbauertrags mit den Angaben äl— terer ſtatiſtiſcher und ökonomiſcher Schriften, ſo erhält man folgende tabellariſche Überſicht. Bevölkerungs- Werth des Acker- Auf ven ein⸗ Zeitalter. zahl. bauertrags im zelnen Kopf Ganzen. berechnet. 1700 Ludwig XIV. 19,600,000 1,500,000,000 77 Fr. 1760 Ludwig XV. 21,000,000 1,526,750,000 73 „ 1788 Ludwig XVI. 24,000,000 2,031,333,000 Bow, 1813 Zeit des Kaiſer⸗ reichs 30,000,000 3,356,971,000 118 „ 1840 Jetzige Zeit 33,540,000 6,022, 169,000 180 „ mit dem Ertrage der Thierzucht 7,502,905,000 224 „ Schon son dem Ertrage der Thierzucht, der für die früheren Angaben fehlt, gänzlich abgeſehen, zeigt obige Ta— belle, wie der Werth des Ackerertrags ſeit der Zeit des Kaiſerreichs, alſo in einem Menſchenalter faſt um das Dop— pelte geſtiegen iſt, wie dieſer Ertrag zur Zeit Ludwig XVI, alſo vor den wohlthätigen Umwälzungen durch die Revolu— tion, nur ein Dritttheil, zur Zeit Ludwig XIV. aber nur ein Viertheil des heutigen Ertrages ausmachte. (Comptes rendus, No. 13, 27. Mars 1848.) XIV. Unterſuchungen über die Organiſation und Entwicklung der Zungenwürmer (Pentastoma Hud.) und eine neue im Magen des Mandrills aufgefun— dene Art dieſer Thiere. Von van Beneden. In den blaſigen Anſchwellungen des Bauchfelles eines im zoologiſchen Garten zu Antwerpen verſtorbenen Mandrills fand der Verf. mehrere Zungenwürmer, die man bisher noch bei keinem africaniſchen Thiere angetroffen, und die von allen bekannten Arten verſchieden waren. Der Verf. benannte ſie nach Dieſing, dem berühmten Helmintholo— gen zu Wien, Linguatula Diesingii. Der Körper dieſes neuen Thieres war weiß, cylindriſch und geringelt, an beiden Enden ſtumpf, hinten und vorn gleich breit; der abgerundete Mund lag mit den vier Haken in einer Linie, die Länge des Thieres betrug 15 Millimeter, ſeine Breite 2 Millim. In einer Boa fand der Verf. mehrere Exemplare der Linguatula proboseidea, die Thiere waren noch lebendig, der Verf. machte ſich deßhalb ſogleich an die Unterſuchung, deren Reſultate folgende waren. 1) Die Linguatula iſt getrennten Geſchlechts, das Weib— chen beſitzt indeß eine mit Samenfäden angefüllte Begat— tungstaſche, durch welche ſich Owen zur Annahme eines Zwittergeſchlechtes verleiten ließ. Schon Valentin fand in dem Organe, das Dieſing für eine Drüſe zur Bildung der Eihüllen hält, männlichen Samen. Das Männchen hat einen doppelten penis, der länger als der Körper iſt und zu dem langen Eileiter im Verhältniſſe ſteht. 2) Die Pentaſtomen oder Zungenwürmer gehören nicht zu den Entozoen, vielmehr zur Abtheilung der Glieder— thiere, ſie ſtehen dem Kiemenwurme nahe. Der Verf. recht- fertigt dieſe Behauptung durch folgende Gründe: a. Die Thiere haben, wenn ſie aus dem Eie hervor— kommen, zwei Paar gegliederter, mit Hacken endigender Füße. b. Die Anordnung des Nervenſyſtemes iſt wie beim Kiemenwurme, nur mit dem Unterſchiede, daß beim Zun— genwurme beide Stränge, welche die Ganglienkette bilden, ihrer ganzen Länge nach ungetrennt bleiben, während ſie beim Kiemenwurme in der Mitte aus einander treten. c. Die Männchen beider Gruppen ſind verhältnißmäßig viel kleiner, als die Weibchen; die Eiſäcke der letztern ſind bei beiden Thiergruppen von gleicher Größe, hängen indeß beim Kiemenwurme, der im Waſſer lebt, nach außen, wäh— rend ſie beim Zungenwurme, der nie im Waſſer vorkommt, im Innern des Körpers bleiben. d. Außer dem Nervenringe, dem unter der Speiſeröhre gelegenen ganglion und den beiden Strängen der Ganglien— kette beſitzt der Zungenwurm noch verſchiedene andere Gan- glien, welche den großen ſympathiſchen Nerven repräſentiren. Der Verf. ſah bei der im Mandrill aufgefundenen neuen Art vier vollkommen getrennte Ganglien, die an der untern Seite der Speiſeröhre auf deren Wandung lagen. Auch Blanchard hat dieſe dem Verdauungsapparate angehörenden Ganglien und Nerven bei einer andern Art beobachtet. e. Endlich ſind die Primitio-Muskelfaſern deutlich geſtreift, was bei den niedriger ſtehenden Thierarten niemals vorkommt. (Bulletin de l’academie royale de sciences etc. de Belgique, No. 3. 1848.) Miſecellen. 12. Ein neues Verfahren, auf Silber, verſilber⸗ tem Kupfer und Gold zu ätzen, ward von Poitevin mit⸗ getheilt. Man ſetzt zu dieſem Zwecke einen Kupferſtich Joddäm⸗ pfen aus und legt die jodirte Zeichnung mit einem leichten Drucke auf die polirte Kupfer- oder Silberplatte. Nur die ſchwarzen 73 Stellen des Kupferſtiches haben Jod abſorbirt und geben jetzt dasſelbe aus Metall als Zeichnung ab. Die Platte wird einige Augenblicke in eine Löſung von Kupfervitriol getaucht und mit dem negativen Pole einer galvaniſchen Säule in Berührung gebracht; das Kupfer ſchlägt ſich nur an den jodfreien Stellen nieder, das Kupfer nimmt daher die weißen, das Jodmetall die ſchwarzen Par⸗ tien der Zeichnung ein. Die Platte darf jedoch nur kurze Zeit in der Kupferlöſung bleiben, weil fie ſich ſonſt ganz mit Kupfer be⸗ deckt. Sie wird in eine Löſung von unterſchwefligſaurem Natron getaucht und darauf mit deſtillirtem Waſſer ſorgfältig abgewaſchen. Man erhitzt fie dann, um die Kupferoberfläche zu oxydiren, fo lange, bis ſie eine bräunliche Färbung annimmt. Nach dem Er⸗ kalten bringt man ein Silberamalgam auf die Platte und er⸗ wärmt dieſelbe nur gelinde, das Queckſilber wird vom Kupferoryde nicht aufgenommen; man erhält nun eine Zeichnung, deren Schat⸗ tirungen vom Amalgam, deren weiße Theile vom Kupferoryde gegeben werden. Darauf bedeckt man die amalgamirte Platte mit 3 bis 4 Goldblättchen und verjagt das Queckſilber durch Erhitzen. Das Gold haftet nur auf der Schattenportion der Zeichnung; das Kupferoryd wird nunmehr durch eine Löſung von ſalpeterſaurem Silber entfernt, und das unter ihm gelegene metalliſche Silber oder Kupfer durch verdünnte Salpeterſäure geätzt, während die von Gold bedeckten Partien nicht angegriffen werden. Nachdem man die Säure kürzere oder längere Zeit einwirken läßt, erhält man beliebig tief geätzte Platten. Will man Bilder, wo das Weiße erhaben und das Schwarze vertieft iſt, ſo wendet man eine ver⸗ goldete Kupferplatte an, auf dieſe ſchlägt ſich aus der Kupfervi— triollöſung das Kupfer auf die Lichtpartien der Bilder. Man ent⸗ fernt die Jodverbindung durch unterſchwefligſaures Natron, orydirt den Kupferüberzug, amalgamirt das Gold, das jetzt von Salpeter⸗ ſäure weggenommen wird und Löj’t zugleich das Kupferoryd. Auf dieſe Weiſe wird nur das Schwarze der Zeichnung geätzt, während die Lichtſtellen nicht angegriffen werden. (Comptes rendus, No. 6, Fevr. 7. 1848.) 13. Das ſcorbutiſche Blut unterſcheidet fih, nach Chatin und Bouvier, vom normalen Blute des Menſchen durch folgende Eigenſchaften; 1) durch eine Vermehrung des Faſerſtoffes, 2) durch verminderte Plaſticität des Faſerſtoffes, 3) durch Vermin— derung der Blutkügelchen, A) durch eine Veränderung des Albumins, das nur bei + 74° Celſ. coagulirt und 5) durch eine etwas ſtär— kere alkaliſche Reaction. Die Schwierigkeit, den Faſerſtoff des menſchlichen Blutes zu iſoliren, ließ die Verf. nach einer neuen Scheidungsmethode ſuchen; ſie glauben ſelbige in einem Zuſatze von thieriſchem Blute mit mehr plaſtiſchem Faſerſtoff (dem Ochſen⸗ oder Schweineblute) gefunden zu haben. Ein ſolches Gemenge ſcheidet beim Schlagen ſehr bald ſämmtlichen Faſerſtoff beider Blut⸗ arten ab. (Comptes rendus, No. 6, 7. Fevr. 1848.) 137. VII. 5. 74 14. Eine neue Nutzpflanze, von Lamare-Picquot in Nordamerica geſammelt und von ihm Picquotiane genannt, gehört, nach einem Commiſſionsberichte der Pariſer Akademie, zum genus Psoralea, von dem unter dem 33. bis 50. Breitengrade verſchiedene Arten in Menge vorkommen, die ſich alle durch ihre handförmigen, dem Lupinus ähnlichen Blätter, vor allem aber durch ihre fleiſchigen, verſchieden gefärbten Knollenwurzeln, die meiſt am äußerſten Ende äſtig und ganz mit Satzmehl erfüllt ſind, unter— ſcheiden. Dieſe Pflanzen dienen den nomadiſchen Stämmen, die von Zeit zu Zeit dieſe Gegend beſuchen, als einziges Nahrungs— mittel; ſie wachſen in großer Menge auf allen Bodenarten und würden in einer gleichen Breite wahrſcheinlich auch in Europa fortkommen. Die Commiſſion beantragt ihren Anbau für Frank⸗ reich. Nach Payens Unterſuchungen beſteht die Wurzel der Pie— quotiane aus Längliche Birnförmige Wurzel. Wurzel. brauner Rinde. 28,20 28,25 Zellſtoff und Holzfaſer 24,59 25,80 Satzmehl 94 ae 47,21 45,95 100,00 100,00. \ Stickſtoff 0,61 bis 0,63 Waſſer 12,05 = 100 Theile des Satzmehls gaben - — Asche 1,69 168. Die Beſtandtheile des Satzmehls darnach berechnet waren folgende: ſtickſtoffhaltige Subſtanz . „en U unorganiſche Subſtanzenn . . . 1,61 Stärkemehl mit Spuren von Zellſtoff und Fett 81,80 Waſſer ine 12,50 100,00. (Comptes rendus, No. 11, Mars 13. 1848.) 15. Über den Einfluß galvaniſcher Leitung auf die Vegetation. Im Herbſte 1847 legte ein Gartenbeſitzer dem New- Vork farmers club einige Erdäpfel vor, welche 7 Zoll in Umfang hatten. Er hatte die Setzkartoffeln am 6. Mai in Löcher gelegt, die nur mit Lauberde gedüngt wurden. Quer über drei Reihen an einem Ende des Beekes grub er ein Stück Kupferblech ein, welches 5 Fuß lang und 14 Zoll breit war, am andern Ende aber in einer Entfernung von 200 Fuß ein Stück Zinkblech von derſelben Große; beide waren aufrecht geſtellt und durch einen Kupferdraht verbunden, ſo daß ſie eine galvaniſche Batterie bilde— ten, in welcher die Feuchtigkeit des Erdbodens den Kreis vollendete. Den 15. (wahrſcheinlich Juni) wurden einige Erdäpfel aus dieſen Reihen genommen, welche 11% Zoll Durchmeſſer hatten; am 2. Juli wurden andere aufgenommen, die 2½ Zoll im Durchmeſſer hielten. (Iſis 1848, S. 535.) Heil k (VII) Vereinfachter Apparat für Schenkelbeinbrüche. Von de Léſéleuc, D. M., Arzt für die Bergwerke von Poul⸗ laouen und Hüelgoat. Man giebt allgemein zu, daß die permanente Ausdeh⸗ nung diejenige Methode iſt, welche die günſtigſten Reſultate liefere, und deßhalb hat ſich auch der Erfindungsgeiſt der Chirurgen vielfach beſtrebt, dieſelbe durch gute Apparate ins Werk zu ſetzen. Doch laſſen die bis jetzt vorgeſchlagenen noch mancherlei zu wünſchen übrig. Dem Landarzte, welcher oft auf weite Entfernungen in die Hütte des Bauers, des Handarbeiters gerufen wird, fehlt unde. dort das Nothwendige, und er ſieht ſich, in Ermangelung leicht transportabler Ausdehnungsapparate, gezwungen, dieſer Methode zu entſagen, oder irgend einen der bereits erfunde— nen Apparate in ſehr unvollkommener Weiſe herzuſtellen. Da überdies der Kranke nicht von ſachverſtändigen Leuten gepflegt wird, ſo erlangt er den Gebrauch ſeines Gliedes nur unvollſtändig wieder. Aus dieſen Gründen ſehe ich mich veranlaßt, die Beſchreibung eines eben fo einfachen, als leicht zu transportirenden Apparates zu veröffentlichen. Derſelbe beſteht 1) aus einem 10 — 12 Centimeter breiten und 50 — 60 Centim. langen ledernen Gürtel; 2) aus einer 6— 7 Centim. breiten ledernen Kamaſche, wel— 75 137. VII. 5. 76 che, je nach den Dimenſionen des Beines, von verſchiedener Länge, durchſchnittlich aber 20 Centimeter lang ſein muß. Sie iſt gehörig gepolſtert und an dem einen Ende mit einer Schnalle, am andern mit mehreren Löchern, auch an einem ſeiner Ränder mit zwei ledernen Ringen verſehen, welche etwa 5 Gentim. weit von einander abſtehen; 3) aus einem 35 — 40 Centim. langen und 15 — 20 Gentim. brei— ten Brete, welches bei ſeinem mittlern Theile mit drei in einem Dreiecke ſtehenden Löchern durchbohrt iſt. Das gebrochene Bein wird mit einen Seultetſchen Ver— bande verſehen und die Kamaſche jo über die Knöchel gelegt, daß ſich die Schnalle vor dem Ende des Unter⸗ ſchenkels befindet und die beiden Ringe den beiden Knöcheln entſprechen. Der Bruch wird nach den gewöhnlichen Re— geln der Kunſt eingerichtet; man legt die Binde und die Schienen an, worauf man in jedes Ende des ledernen Gür⸗ tels ein Knopfloch ſchneidet. Der Gürtel wird über den Hüften angelegt und mittels der Knopflöcher an Nägel be— feſtigt, die man vorher an beiden Seiten der Bettſtelle ein— geſchlagen. Sobald dies geſchehen, führt man durch beide Ringe der Kamaſche eine Schnur, die aus bloßem Bind— faden oder irgend einem hinreichenden feſten Stricke beſtehen kann, und die man mittels einer Schlinge befeſtigt. Das Bret wird an den Fuß der Bettſtelle feſt angenagelt, jo daß es über dieſelbe hervorſteht und die drei Löcher ſich im Niveau des Fußes des Patienten befinden. Die beiden Schnuren werden je durch eines der in gleicher Höhe be⸗ findlichen Löcher gezogen und zuſammengeknüpft. Hierauf ſteckt man einen hölzernen Bolzen zwiſchen das Bret und die beiden zuſammengeknüpften Schnuren, und indem man dieſen Bolzen oder Knebel dreht, bewirkt man die Aus⸗ dehnung ganz allmälig in dem erforderlichen Grade. So⸗ bald dies geſchehen, ſteckt man einen zweiten Bolzen in das obere der drei Löcher, und gegen dieſen legt ſich der Kne— belbolzen an, ſo daß ſich die Schnuren nicht wieder aus einander drehen können. Dieſer höchſt einfache Apparat beſitzt den Vorzug, daß man alle Verbände, welche der Bruch erheiſcht, leicht vor— nehmen kann, ohne daß deßhalb die Ausdehnung aufhört, und daß die Ferſe und Achillesſehne durchaus nicht zur Mitleidenſchaft gezogen werden, alſo ſich keine wunden Stellen und Schorfe an denſelben bilden, wie dies durch den Druck der Schienen bei mehreren der üblichen Apparate geſchieht. Dieſe Theile ſind ganz frei und laſſen ſich, ohne den Aus⸗ dehnungsapparat im geringſten in ſeiner Lage zu ſtören, beſichtigen. Auch kann der erſte beſte Dorfſattler die Kama— ſche anfertigen, oder man kann dieſelbe in der Taſche bei ſich führen. Ein Bret findet ſich überall, und ein feſter Gürtel läßt ſich ebenfalls unter allen Umſtänden beſchaffen. Die große Zweckmäßigkeit des Apparates geht aus folgenden vier Beobachtungen hervor. Erſte Beobachtung. — Eine Frau harte ihr 15monatliches Kind vor der Hausthüre auf die Erde geſetzt, und das Rad eines Schubkarren war über deſſen Schenkel hinweg gegangen. Das femur des rechten Schenkels war an der Vereinigungsſtelle des obern Drittels mit den beiden untern gebrochen. Der kleine Patient ward in ſeine Wiege gelegt und der Schenkel mit der 18köpfigen Binde verbun⸗ den. Ein an beiden Seiten der Wiege befeſtigter Riemen diente zur Bewirkung der Gegenausdehnung am Boden. An das Fußende der Wiege ward ein Bret mit drei Lö— chern genagelt, und um den Unterſchenkel, hart über den Knöcheln, ein mit zwei Ringen verſehenes Band gelegt, worauf man auf die oben angegebene Weiſe die permanente Ausdehnung bewirkte. Das Kind war der Bruſt noch nicht entwöhnt und die Mutter reichte ihm dieſelbe, indem ſie ſich über ihm niederbeugte. Um es zu waſchen, brauchte man nur den ledernen Gürtel abzuknöpfen und den Rumpf in die Höhe zu heben, ohne daß der Ausdehnungsapparat geſtört ward. Wenn dieſer ſchlaff ward, jo zog man den Bolzen aus dem obern Loche und drehte den Knebel einige Mal herum, worauf man den Bolzen wieder einführte. Das Kind blieb in dieſer Lage 45 Tage, und der Bruch ward ohne Verkürzung und Deformität geheilt, ſo daß beim Gehen kein Hinken bemerklich iſt. Zweite Beobachtung. — Der 52jährige Berg— mann Alain Baſtard, ein Subject von kleiner Statur, ſehr mittelmäßiger Körperkraft und nervöſem Temperamente, brach am 24. Dec. 1846 das linke kemur ſchräg an deſſen Mitte, indem ihm beim Sprengen ein Stein an das Bein flog. Da ſehr ſtarke Geſchwulſt vorhanden war, ſo ließ ich das Bein erſt einige Tage lang kalt begießen. Am 29. nahm ich die Wiedereinrichtung vor. Der Kranke ward in einem gewöhnlichen Bette mit dem Seultetſchen Apparate verſehen und alsdann der oben beſchriebene Ausdehnungs— apparat in Anwendung gebracht. Bis zum 50ſten Tage ging alles erwunſcht; allein dann verlor der Patient die Geduld und verſuchte, gegen meinen Rath, da ich den callus noch nicht für feſt genug hielt, zu gehen. Eine geringe Verkürzung und etwas Hinten it die Folge dieſer Unvor= ſichtigkeit. Auch bemerkt man an der Bruchſtelle einen Elei- nen Knochenwulſt. Dritte Beobachtung. — Dem 28;jährigen Berg— manne Noel Henri, von herculiſchem Körperbaue und ſanguiniſchem Temperamente, wurden am 13. Juni 1847 durch einen Einſturz beide Schenkel zerſchlagen. Der linke war bei der Vereinigungsſtelle des untern Drittels mit den beiden obern, der rechte am obern Drittel ſchief gebrochen. Als ich den Kranken 10 Stunden nach dem Unfalle ſah, waren beide Schenkel noch ein Mal ſo dick als früher, und die Füße ſtark nach außen verdreht. Der Kranke konnte die untern Extremitäten nicht im geringſten bewegen. Ich ließ 6 Tage kalte Begießungen anwenden, nahm dann die Wiedereinrichtung vor und wandte neben dem Seultetjchen Verbande weinen Ausdehnungsapparat an. Trotz aller Vorſicht und des feſten Willens des Patienten, geheilt zu werden, war die Widerſtandskraft der Muskeln jo heftig, daß die Schnuren von Zeit zu Zeit ſchlaff wurden, und dieſelben mehrmals feſt gezogen werden mußten. Allein dies ließ ſich ſo leicht bewirken, daß die Ausdehnung per— manent erhalten ward. Nach 70 Tagen ward der Apparat abgenommen, und die Brüche ſind ſo geheilt, daß die 77 137. VII. 5. 78 Beine ſo gut geformt und ſo brauchbar ſind, wie vor dem Unfalle. Vierte Beobachtung. — Dieſe betrifft einen 15“ jährigen Burſchen, welcher durch den Fall von einem Baume am 10. Juni 1847 den linken Schenkel brach und den ich erſt am 21. desſelben Monats in meine Behandlung bekam. Ich erkannte auf der Stelle einen ſchiefen Bruch des Schenfel- beines, indem die beiden Knochenenden die Hautbedeckungen ſtark in die Höhe trieben. Ich ließ ihn ins Hoſpital brin— gen und legte ihm den Scultetſchen Apparat an; allein aus beſondern Gründen konnte die Kamaſche nicht alsbald in Anwendung kommen. Die Einrichtung ließ ſich zwar ſehr leicht bewirken, allein die Knochen verſchoben ſich au— genblicklich wieder. Sobald die permanente Ausdehnung bewirkt werden konnte, war indeß dies Hinderniß augen— blicklich gehoben, und der Bruch heilte ohne irgend einen weitern Unfall. Das Bein iſt weder verkürzt, noch findet Hinken Statt; allein an der Bruchſtelle bemerkt man einen geringen Wulſt. (Journal des Connoissances médico chi- rurgicales, 1. Mai 1848.) (VIII.) Kineſitherapie oder Behandlung der Kranf- heiten durch Bewegung, nach Lings Methode. Von A. Georgii). Während in den letzten 20 — 30 Jahren Mittel- und Südeuropa der Tummelplatz einer Menge von medieiniſchen Theorien, z. B. der Homöopathie, Hydrotherapie, des Phy— ſiologismus ꝛc., waren, hatte man keine Ahnung davon, daß in der Hauptſtadt Schwedens ein Laie in der Medicin, der jedoch, wie Priesnitz, aus Überzeugung eifrig wirkte, eine neue Heilmethode, die Kineſitherapie, gegründet habe, welche ſo große Erfolge errang, daß der Erfinder von der Regie— rung behufs der Gründung eines gymnaſtiſchen Central— Inſtituts unterſtützt ward, welches bald die Aufmerkſamkeit anderer Regierungen, unter andern auch der franzöſiſchen, erregte. Ling, ſagt der Verf. der vorliegenden Schrift (Herr Georgii, Prof. der phyſiologiſchen Anatomie zu Paris), war im Jahre 1777 geboren. Die großartige Natur ſeines Vaterlandes wirkte mächtig auf ſeine Phantaſie und poeti— ſchen Anlagen. Das Studium der ſcandinaviſchen Alter— thümer gab ihm einen hohen Begriff von der Körperkraft der alten Scandinasier, und er nahm ſich vor, die alten körperlichen Übungen, ſo weit es der Geiſt der Zeit geſtattete, wieder zu Ehren zu bringen und den Geiſt vom Körper aus zu kräftigen. Er erhielt noch ſehr jung die Stelle eines Fechtmeiſters an der Univerſität Lund und arbeitete dort unserdroffen an der Gründung einer neuen Wiſſenſchaft, der rationellen Gymnaſtik. Zu dieſem Ende ſtudirte er eifrig Anatomie und Phyſtologie und machte dann der ſchwe— diſchen Regierung 1812 den Vorſchlag zur Gründung eines *) Kinesitherapie ou traitement des maladies par le mouvement selon la methode de Ling, par M. Georgii. I. Vol.. 150 p. in 8vo, chez Germer- Bailliere. Rue de l’Ecole de Médecine, No. 17. L gym naſtiſchen Inſtituts. Der Miniſter gab ihm anfangs zur Antwort: „Wir haben ſchon zu viele Gaukler und Seiltänzer, als daß man dem Staate zumuthen dürfte, deren Zahl auf ſeine Koſten zu vermehren!“ und dieſen Beſcheid würde er wohl noch jetzt in den meiſten Staaten Europas erhalten. Allein die ſchwediſche Regierung beſann ſich bald eines Beſſern und machte ihren Fehler wieder gut. Sie bewilligte Hrn. Ling die zur Einrichtung eines gymnaſti⸗ ſchen Central-Inſtituts erforderlichen Fonds. Der Verf. theilt, um ſeinen Leſern einen Begriff von der Organiſation dieſer Anſtalt zu geben, das Weſentlichſte der Antwort mit, welche die ſchwediſche Regierung dem Hrn. v. Salvandy, Miniſter des öffentlichen Unterrichts, ſeiner Zeit auf deſſen Erkundigung in Betreff der Theorie und Praxis des ſchwediſchen gymnaſtiſchen Syſtems ertheilte. Ling konnte ſich der Früchte ſeiner Bemühungen noch lange erfreuen, da er erſt 1839 mit Tode abging; allein er erlebte die Befriedigung nicht, daß ſeine Anſichten ſich über den Bereich feiner eigenen Anſtalt hinaus Geltung verſchafften, was wohl größtentheils daher rührt, daß er ſein Syſtem nicht in einer beſondern Schrift abgehandelt hat. Als er ſtarb, fürchtete er, es werde mit ihm zu Grabe getragen werden. „Unter den hundert Lehrern der Gym— naſtik, ſagte er, die ich herangebildet, ſind nur zwei fähig, meine Anſichten weiter fortzuführen, und beide find kränk— lich. Stürben ſie, bevor ſie neue tüchtige Schüler gebildet, ſo wäre das Inſtitut in ſeiner ächten Bedeutung ſo gut wie eingegangen. Man thue alſo dazu, bevor es zu jpät iſt.“ Die Wünfche des Sterbenden find erhört worden; allein es ſcheint, als ob feine Gymnaſtik in der Praxis höchſt ſchwierig ſei, da Ling binnen 30 Jahren nur zwei Leute gefunden hat, welche dieſelbe gründlich erlernen konnten. Wir können hier nicht in die glänzenden Theorien und die Einzelheiten der Praxis des ſchwediſchen Gymnaſten ein— gehen, ſondern nur eine Liſte der vorzüglichſten therapeuti— ſchen Anwendungsarten ſeiner Methode mittheilen. Ling geſteht zusörderjt ein, daß bei allen Fieberkrank— heiten das gymnaſtiſche Heilverfahren nicht paſſe; doch be⸗ hauptet er, dasſelbe im Vorſtadium vieler acuten Krankheiten, z. B. Bruſtleiden, mit Erfolg angewandt zu haben. Ganz vorzüglich wirkſam hat ſich aber die Kineſitherapie bei ein— gewurzelten chroniſchen Krankheiten gezeigt. Zu dieſen ge— hören Hypertrophien und Atrophien, Herzneuroſen und nervöſes Aſthma, Bronchiten, Lungenſchwindſucht des erſten und zweiten Grades, Verſtopfung, Blennorrhagie, Neural: gien, Chorea, Hyſterie. Das gymnaſtiſche Syſtem Lings bringt nicht bloß ſehr active Bewegungen in Anwendung; es beruht auch auf paſſi— ven Bewegungen: als Frottiren, Kneten, Klopfen ꝛe. So ſoll in 23 Fällen von urethritis das Klopfen von oben nach unten auf das Heiligenbein, während der Patient mit geſpreizten Beinen daſtand, von ſehr großem Nutzen geweſen ſein. In 15 unter dieſen Fällen fol dieſes Klo— pfen an ſich zur Cur hingereicht und die Heilung ſchneller herbeigeführt haben, als die gewöhnlichen Mittel. Andere noch viel wunderbarere Erfolge übergehen wir mit Still— 79 137. VII. 5. 80 ſchweigen. Doch gedenken wir eines Falles, in dem eine Verkruͤmmung des Rückgrates in weniger als drei Wochen ohne irgend einen Verbandapparat mittels einer Sitzung täglich völlig gehoben ward; ferner die Erweiterung eines thorax um 3 Zoll binnen 8 Tagen lediglich durch Bewe— gungen der äußern Bruſtmuskeln. Beim Leſen ſolcher Beobachtungen muß man gegen Zweifelmuth und Leichtgläubigkeit gleich ſtark auf ſeiner Hut ſein. Schon zu Hippokrates Zeit war der Nutzen der gymnaſtiſchen Übungen behufs der Heilung chroniſcher Krankheiten anerkannt, indem Serodicus damals zu die— ſem Zwecke ein Inſtitut gründete. Durch das Kneten hat Hr. Récamier große Erfolge erlangt; allein erſt Ling hat die Kineſitherapie in ein Syſtem gebracht. Sie mag neben ihrer jüngern Schweſter, der Hydrotherapie, ihren Platz nehmen, und wir bezweifeln nicht, daß ſie in geeigne— ten Fällen ſich bewähren werde; aber eben ſo wenig zweifeln wir daran, daß ſich der Charlatanismus ihrer bemächtigen und fie ausbeuten werde. (Journal des connoiss. méd. chir., 1. Avril 1848.) (IN.) Anwendung des Chloroforms in geringen Doſen, als ſchmerzſtillendes Mittel. Dr. Leriche zu Lyon hat dieſes neue therapeutiſche Agens unter folgenden Umſtänden als ſchmerzſtillendes Mittel angewandt. Erſte Beobachtung. — Ein Mann, welcher öfters an Nierenkolik litt, bekam am Morgen des 15. Decembers 1847 einen Anfall. Die Anfälle hielten gewöhnlich 48 Stunden in großer Heftigkeit an, und es wurden dagegen in der Regel Bäder und Opiummittel angewandt. Der Kranke hatte bereits ſeit etwa zwei Stunden gelitten, als Hr. Leriche anlangte. Derſelbe legte dem Patienten ein Schnupftuch, auf welches er 20 Tropfen Chloroform ge— bracht, über Mund und Naſe. Nach einer Minute hörte der Kranke auf zu ſchreien und unruhige Bewegungen zu machen, da der Schmerz nachgelaſſen hatte. Doch dieſer kehrte bald wieder, und Hr. Leriche ließ nun das Chloro— form mit dem nämlichen Erfolge einathmen. Als Beruhi— gung eingetreten war, ließ er den Patienten 5 Centigrm. Opium nehmen und in ein Sitzbad bringen. Die Schmer— zen traten wieder ein, aber in viel geringerer Stärke. Zwei Stunden ſpäter ſchien vollſtändige Beruhigung eingetreten zu ſein, und bald bewirkte das Opium, daß der Kranke einſchlummerte. Am Abende befand er ſich jo wohl, daß er Hrn. Leriche Vorwürfe darüber machte, daß er dies Mittel nicht ſchon früher angewandt habe. Zweite Beobachtung. — M. leidet an Neuralgie im plexus brachialis, welche ihm grimmige Schmerzen ver— anlaßt. Durch narkotiſche Mittel wird der Schmerz zuletzt gelindert; allein dies Reſultat iſt immer erſt nach einigen Tagen zu erlangen, und nach 1— 2 Monaten tritt ein neuer Anfall ein. Hr. Leriche, welcher am 12. Dec. wegen eines ſolchen conſultirt ward, ließ den Kranken 15 bis 20 Tropfen Chloroform, das auf ein Schnupftuch ge— tröpfelt worden, einathmen. Da der Schmerz auf der Stelle aufhörte, ſo rieth Hr. L. dem Patienten, dies Verfahren ſo oft zu wiederholen, als ſich der Schmerz wieder einſtellen würde. Dies geſchah erſt zwei Stunden nach dem erſten Einathmen, und nachdem das Mittel abermals angewandt worden, ließ der Schmerz gleich nach. Hr. L. ließ außer— dem narkotiſche Mittel (Meglinſche Pillen? nehmen, und der Anfall hielt dieſes Mal nur einige Stunden an. Dritte Beobachtung. — Ein junger Prediger, der an trocknem Aſthma litt, hatte bisher vergebens verſucht, ſeinen Zuſtand durch narkotiſche Mittel und Kampher, ſowie durch Atzen des pharynx zu verbeſſern. Als Hr. Leriche am 16. Dec. von dieſem Patienten zu Rathe gezogen wurde, ließ er ihn etwa 20 Tropfen Chloroform mittels eines Schnupftuches, welches man von Zeit zu Zeit von der Naſe abzog, einathmen. Der Geiſtliche wiederholte dieſes Mittel 3 — 4 Mal an demſelben Tage, und am Abende fühlte er große Erleichterung. Zwei Tage vergingen, ohne daß ſich das Aſthma wieder eingefunden hätte. Am dritten Abend kam ein leichter Anfall vor, der jedoch dem Chloroform ſchnell wich. Zu der Zeit, wo der Verf, berichtete, (1. Jan. 1848), war binnen 7 Tagen kein neuer Anfall eingetreten. (Journal des connoiss. médico-chirurgicales, 1. Mai 1848.) Miſcelle. (8) Die, außerordentliche Sterblichkeit, welche unter den Arzten Irelands graſſirt, ergiebt fi aus einem Berichte des Hrn. Cuſack, Präſidenten des Collegiums der Wundärzte und Hrn. W. Stokes, Profeſſors der Mediein an der Dubliner Univerſität. Demzufolge ſind im vorigen Jahre unter 1220 an den Hoſpitälern angeſtellten Arzten 568 am Typhus er- krankt und 300 geſtorben. Unter jenen 568 find 28 zwei Mal und g drei Mal vom Typhus befallen worden. (Bull. gen. de Thera- peutique, 30. Ayr. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. H. W. Dove, über Clektrieität. Geh. ½ Thlr. G. Reimer in Berlin 1848. 2 N J. van der Hoeven, Ergebniſſe der Naturforſchung für das Leben. Vor⸗ träge und Abhandlungen. Aus d. Niederdeutſchen. gr. 8°. Geh. ½ Thlr. G. Reimer in Berlin 1848. Eine Vorleſung. gr. 8e. I. L. v. Guttscheit, die Cholera in Orel im J. 1847. Ein Beitrag zur Kennt- 8 dieser Krankheit. gr. 8d. Geh. ¾ Tulr. 0. Wigand in Leipzig Bibliotheca medico -chirurgica et anatomico - physiologica. 1 6. Ausg. gr. 80. Geh. 2%, Thlr. 9 Herausg. von W. W. Engelmann in Leipzig Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 138. (Nr. 6. des VII. Bandes.) Juli 1848. Naturkunde. Blanchard, über Eingeweidewürmer und die Art ihrer Fortpflanzung. — Dufour, über das Kiemenathmen der Larven der großen Libellen mit dem Athmen der Fiſche verglichen. — der Wirbelthiere fehlen faſt allen im Waſſer lebenden Thieren. Weſtwood, ungeheure weiße Ameiſe. Virchow, Faſerſtoffarten und fibrinogene Schnees mit dem Staubmeteor des atlantiſchen Meeres. — Heilkunde. Ma ſon, über das Gummigutt der Tenaſſerimprovinzen. — Miſcellen. Wright, die Speicheldrüſen über die Ahnlichkeit des rothen Ehrenberg, 0 Gubſtanz im Blute. — Miſeelle. Pirrte, aneurysma dissecans der aorta, welches mit der Lungenarterie communicirte. — Bibliographie. y „ Naturkunde. XV. über Eingeweidewürmer und die Art ihrer Fortpflanzung. Von M. Blanchard. Die Eingeweidewürmer finden ſich bei verſchiedenen Thieren im befruchteten Zuſtande, die Zahl ihrer Eier iſt bei einigen Arten ungeheuer, und doch ſcheinen ſie ſelbſt nicht ſehr vermehrt zu werden, weil die Eier und Larven nur ſchwierig oder gar nur ausnahmsweiſe zur völligen Entwick— lung kommen. Gerade dieſes Umſtandes halber bedürfen ſie zu ihrer Fortpflanzung ſo ungeheurer Mengen Eier; ob nun dieſe Eier an demſelben Orte, wo ſie gelegt wurden, zur Entwicklung kommen oder ſich erſt unter andern Verhält— niſſen entwickeln, iſt zur Zeit noch kaum beobachtet worden. Der Verf. beſchäftigte ſich lange Zeit mit der Entwick— lung, Organiſation und der Lebensweiſe des Leberwurmes (Fascicola hepatica L.), der durch ſein häufiges Vorkommen in der täglichen Fleiſchſpeiſe des Menſchen, in der Leber verſchiedener Wiederkäuer, ihm wohl der Beachtung werth ſchien. Die Leberwürmer finden ſich beim Schöpſe, Och— ſen und Kalbe am häufigſten, fie erfüllen die Gallencanäl— chen, legen ſich auch nicht ſelten ins Parenchym der Leber, wo ſie häufig von einer eiterigen Maſſe umhüllt ſind. Wird nun eine ſolche Leber genoſſen, ſo verzehrt man nothwen— digerweiſe auch dieſe Würmer, deren Genuß allerdings, ſo viel man weiß, kein übeln Folgen hat, aber jedenfalls wi— derlich iſt. Bei einer genauen, drei Jahre lang fortgeſetzten Unterſuchung der verſchiedenſten Lebern des Schöpſes fand der Verf. zu allen Jahreszeiten immer nur erwachſene oder doch faſt ausgebildete Individuen des Leberwurmes, neben ihnen und zwar vorzugsweiſe im Frühlinge in den Gallen— canälchen Myriaden von Eiern, dagegen niemals junge Thiere, No. 2118. — 1018. — 138. eben fo wenig Individuen, die einer andern Art anzugehören ſcheinen. Der Leberwurm muß ſich demnach an einem an— dern Orte als dem, wo er im erwachſenen Zuſtande vor— kommt, ausbilden; es iſt demnach zu zeigen, wie die Eier nach außen kommen. Der Verf. fand fie im geöffneten Gallencanale des Schöpſes bisweilen über deſſen ganze Länge verbreitet und zwar in einem weiter vorgeſchrittenen Zuſtande, als fie in den Gallencanälchen vorkommen; er verfolgte ihre Spur darauf bis in die Gedärme und fand ſie dort in verſchiedenen Zuſtänden und zwar fo, daß die mehr entwickel— ten Larven immer dem hintern Theile des Darmes näher lagen. Die Eier gelangen demnach durch den Gallencanal in den Darm und werden dort ausgebrütet; ſie werden ferner, wie der Verf. glaubt, mit den Ererementen der Thiere ausgeführt. Verſchiedene Lebensphaſen des Leberwurmes ſind demnach an ganz andere Verhältniſſe geknüpft, als welche das erwachſene Thier umgeben, und wahrſcheinlich gelangen erſt die jungen Würmer in einer beſtimmten Entwicklungs— periode durch die Nahrungsmittel in den Körper derjenigen Thiere, in denen wir ſie häufig finden. Über letztern Punkt fehlen indeß alle directen Beob— achtungen, zu einer völligen Gewißheit wird man über ihn nur durch einen ununterbrochenen Verfolg ſämmtlicher Ent— wicklungsperioden des Leberwurmes gelangen können; dem Verf. war es leider nicht möglich, die gerade hier vorkom— menden Lücken ſeiner Arbeit zu ergänzen, er bemerkt indeß, wie vorzugsweiſe am Rheinufer der Leberwurm bei Schöpſen häufig vorkomme. Der Leberwurm iſt jedoch nicht das einzige Beiſpiel, auch verſchiedene andere Eingeweidewürmer finden ſich nur im ausgewachſenen Zuſtande im thieriſchen Körper, jo Am- phistema conicum, das im erſten Magen der Ochſen fo häufig gefunden wird. 6 83 138. VII. 6. 8⁴ Nun nähren ſich aber die Batrachier vorzugsweiſe von Eingeweidewuürmern, und in ihren Lungen finden ſich auch ſehr häufig verſchiedene Diſtomen (Batrachylaemus variega- tus bei der Rana esculenta und B. cylindricus bei der Rana temporaria). Aber auch bei dieſen Thieren, wo man in einer Lunge oft vier bis fünf Diſtomen findet, fehlen die ganz jungen Individuen, obſchon der Verf. eine große An— zahl und zu verſchiedenen Jahreszeiten unterſuchte, ganz und gar; es ſcheint demnach, daß auch dieſe Trematoden in einer gewiſſen Lebensperiode außerhalb des thieriſchen Körpers ver— weilen und erſt in einem beſtimmten Entwicklungszuſtande dahin gelangen, wo wir ſie als ausgebildete Thiere finden. Alle dieſe Würmer ſind ſicher einer Metamorphoſe un— terworfen, die Geſtalt ihrer jüngſten Zuſtände iſt ſicher von der der erwachſenen Thiere ſehr verſchieden, und vielleicht manche zu einer ganz andern Claſſe gerechnete Thierart nur das Junge einer Trematode; mehrere neuere Unterſuchungen und namentlich Steenstrups Forſchungen über die Pa— raſiten der Süßwaſſer-Molluſken haben bereits ſolchen Wech— ſel der Geſtalten nachgewieſen. Auch bei den übrigen Eingeweidewürmern iſt die Über⸗ tragung der Keime nicht weniger augenſcheinlich; dennoch findet die Entwicklung nur unter den Verhältniſſen, wo ſich die erwachſenen Thiere finden, Statt; dies gilt beſonders für die Taenia- und Bothriocephalus - Arten der Menfchen und der Thiere, von denen man nicht felten ganze Familien mit den verſchiedenſten Entwicklungszuſtänden innerhalb der Gedärme antrifft. Der Verf. beobachtete derartige Fälle beim Hunde, Fuchſe, Hafen und verſchiedenen andern Thieren; eben ſo gewiß ſcheint es dem Verf. aber auch, daß Eier dieſes Wurmes ins Freie gelangen, und von andern Indi— viduen mit der Nahrung verſchluckt werden können. Die in Frankreich ziemlich verbreitete Taenia des Menſchen ſcheint in gewiſſen Gegenden Africas endemiſch zu fein, der Bo- thriocephalus findet ſich dagegen nicht in Frankreich, iſt aber in der Schweiz endemiſch. Wahrſcheinlich gelangen dort die Eier dieſes Wurmes mit dem Dünger auf die Felder, ver— breiten ſich ſo über die Nahrungspflanzen und werden mit dieſen verſchlungen. Dieſelbe Anſicht ward ſchon früher von Milne Edwards ausgeſprochen, und in der That ſcheint ſte, wenn man erwägt, welch eine ungeheure Anzahl von Eiern eine Taenia oder ein Bothriocephalus, da jedes Thier aus vielen hundert Gliedern beſteht und jedes dieſer Glieder feinen eignen Eierſtock mit mehreren hundert Eiern beſitzt, zu legen vermag, durchaus nicht unwahrſcheinlich; dennoch werden allerdings die meiſten umkommen, und nur einige wenige in fo günſtige Verhältniſſe gelangen, daß fte ſich entwickeln können. Obſchon der Verf. bei verſchiedenen höchſt ſorgfältigen Unterſuchungen, ſowohl im menſchlichen als im thieriſchen Fötus niemals eine Spur von einem Eingeweidewurme er— kannte, ſo wagt er es doch nicht, die Abweſenheit ihrer Keime im Fötuszuſtande der Menſchen und Thiere mit Sicher— heit zu behaupten; unter den neu gebornen Thieren wählte er vorzugsweiſe ſolche, welche ſich gern von Würmern näh— ren, als Hunde, Haſen, Katzen, Lämmer, Ratten u. ſ. w. Der Verf. verſpricht ſeine Unterſuchungen weiter zu verfolgen und hofft, wenn erſt die für die Entwicklung und Einführung der Keime günſtigen Bedingungen erkannt ſind, zugleich Mittel ihre Verbreitung zu beſchränken aufzufinden. (L'Institut, No. 744. 1848.) XVI. über das Kiemenathmen der Larven der großen Libellen mit dem Athmen der Fiſche ver⸗ glichen. Von Léon Dufour. Alle ſechsfüßigen Infecten, fie mögen nun in der Erde, im Waſſer oder in der Luft leben, athmen ſämmtlich atmo— ſphäriſche Luft, die durch die ſogenannten stigmata in die Tracheen gelangt; letztere verbreiten ſich durch alle Gewebe, und bringen die Luft mit der ernährenden Flüſſigkeit in innige Berührung. Eine große Mehrzahl der Infectenlarven athmet auf dieſelbe Weiſe, wogegen einige der nur im Waſſer lebenden, obſchon ſie bisweilen einen vollſtändigen Tracheen— apparat wie die erſten beſitzen, außerdem noch mit Organen verſehen ſind, um dem Waſſer die zur Reſpiration nöthige Luft zu entziehen. Dieſe den Kiemen der Fiſche zu vergleichenden Organe, die auch wirklich ſo benannt wurden, unterſcheiden ſich übrigens von den Fiſchkiemen dadurch, daß ſie nicht wie dieſe Blut, ſondern Luft führen. Ein Vergleich beider Reſpirationswerkzeuge zeigt uns, wie die Natur bei einem großen Formenreichthume dennoch ihre Zwecke conſequent verfolgt; beide Apparate entziehen dem Waſſer, das ſie um— ſpült, die Luft, die in den Fiſchkiemen von den Blutgefäßen unmittelbar aufgenommen wird, bei den genannten Inſecten— larven aber, denen ein Syſtem von Blutgefäßen fehlt, von dieſen Branchien dem Waſſer entzogen und den Tracheen zugeführt wird. Bei den Fiſchen liegen die Kiemen an den Seiten des Kopfes, das von ihnen erſchöpfte Waſſer dringt in den Mund; bei den Larven der großen Libelle liegen die Bran— chien im rectum, das Waſſer wird durch den After ein— geführt, ein Reſpirationsweg, der im ganzen Thierreiche nur noch bei den Holothurien vorkommt. Der Verf. wundert ſich ſelbſt, wie er bei ſeinen viel— fachen vergleichend-anatomiſchen Unterſuchungen nicht früher auf den Gedanken kam, dieſen merkwürdigen, bereits von Réaumur, Cuvier und Suckow beſchriebenen Reſpira⸗ tionsapparat zu unterſuchen. Die ungeheure Menge der von den ſechs großen Lufteanälen ins rectum abgehenden Tra— cheen zeugen für die große Bedeutſamkeit der letztern. Die taſchenartige Erweiterung des rectum bildet indeß nicht, wie einige Schriftſteller glauben, eine Art Reſpirationsblaſe, da— gegen wird ſeine innere Wandung der ganzen Länge nach von ſechs regelmäßigen, ſymmetriſchen, an beiden Enden gegen einander geneigten Säulen, deren jede aus zwei Rei— hen dachziegelförmig angeordneter Blättchen beſteht, bekleidet. Dieſe Säulen bilden am Anfange des rectum ſechs abge— rundete Spitzen, durch deren Zuſammenneigen eine Klappe entſteht. 85 138. VII. 6. 86 Die Blättchen dieſer Branchien beſtehen bei genauer mikroſkopiſcher Unterſuchung aus einem feinen Geflechte zarter Tracheenzweige, die durch Anaſtomoſen mit den grö— ßern Zweigen und dieſe wieder mit den Hauptäſten des Luftſyſtemes communiciren. Die Branchien der Inſecten— larven ſind ſomit allerdings Gefäßverzweigungen, unterſchei— den ſich aber von den eigentlichen Kiemen der Fiſche ſehr we— ſentlich, indem ſie niemals Blut, ſondern immer nur Luft führen. Die erwähnten Blättchen ſind nicht bei allen Arten der Wafferjungfer von gleicher Geſtalt, Textur und Zahl. Bei einigen Larsen der Gattung Aeshna beſteht jede Reihe aus 20 und mehreren halbkreisförmigen, mit röhren- und haarförmigen Warzen beſetzten Blättchen, während die Bran— chien der Libellula depressa in jeder Reihe mehr als hun— dert länglich-runde, glatte, dicht auf einander geſchichtete Lamellen beſitzen. Um den Zuſammenhang der röhrenförmigen Papillen mit den Luftſyſteme der Blättchen zu erfahren, ließ der Verf. eine aufgeſchnittene Larve maceriren; ſchon nach zwei Tagen konnte er mit Leichtigkeit eine hyaline Membran von der Innenfläche des rectum abziehen, in ihr erkannte er bei genauer mikroſkopiſcher Unterſuchung reihenweiſe geſtellte Falten, welche die freien Ränder der Branchienblättchen vor— ſtellten, zugleich aber auch papillöſe Täſchchen. Der Verf. richtete jetzt ſeine Aufmerkſamkeit auf die frei gelegten Stellen des rectum, alles zeigte hier dieſelbe Lage und Anordnung, nur deutlicher wie zuvor. Eine vielfache Wiederholung die— ſes Verſuches ergab immer dasſelbe Reſultat; häufig gelang es dem Verf., die ganze Schleimhaut des rectum zu ent— fernen. Wie demnach die blutführenden Kiemen der Fiſche von der Schleimhaut der Backen umkleidet werden, ſo über— zieht die Schleimhaut des rectum die luftführenden Kiemen der Inſectenlarven. (Comptes rendus, No. 10. 1848.) XVII. über das Gummigutt der Tenaſſerim⸗ Provinzen. Von F. Maſon. Die Anſichten über die Stammpflanzen des wahren Gummigutts find noch immer ſehr verſchieden, einige Schrift: ſteller leiten es von verſchiedenen Bäumen ab, andere geſte— hen unſere gänzliche Unwiſſenheit über ſeinen Urſprung ein; der Verf. ſuchte durch eigene Forſchungen in den Tenaſſe— rimprovinzen den eigentlichen Gummiguttbaum zu ermitteln, und berichtet über ihn in No. 2 der Annals and magazine of natural history von 1848. Die von Linnsée beſchriebene Cambogia gutta, die in Ceylon einheimiſch ſein ſoll, exiſtirt wahrſcheinlich gar nicht; die Charaktere derſelben ſind, nach Dr. Wights Anz gabe, von zwei verſchiedenen Pflanzen, die Blüthe von der einen, die Frucht von der andern gebildet. Die Gareinia cambogia kann eben ſo wenig der ächte Gummiguttbaum ſein, da ſein hellgelber Saft nicht mit Waſſer milchig wird; er iſt in den Tenaſſerimprovinzen ſehr gemein, von ihm wird übrigens kein Gummigutt gewonnen. Noch weniger liefert Stalagmites cambogioides die ächte Farbe, und He- bradendron cambogioides, der nach Graham auf Ceylon wachſen ſoll, ſcheint nach Wight, von dem auch die vori— gen Angaben ſtammen, eben ſo zweifelhaft zu ſein, da von Ceylon noch niemals Gummigutt nach England exportirt wurde. Die in den Tenaſſerimprovinzen gewonnene gelbe Farbe iſt nach Dr. Helfer in Waſſer nur wenig löslich, giebt daher keine ſolche Emulſion, wie das ächte Gummigutt, ſcheint dagegen zur Herſtellung eines ſchön-gelben Firniſſes ſehr geeignet zu ſein. Ein anderer Schriftſteller will übri— gens dort ſehr ſchönes Gummigutt geſammelt haben, und giebt als Stammpflanze des ſelben Stalagmites cambogioides an: im weſentlichen hat er nach dem Verf. Recht, irrt aber in der Beſtimmung des Baumes, da Stalagmites fünfzählige Blüthen trägt, die Pflanze aber, die das ächte Gummigutt liefert, vierzählig iſt. Die Hügel zu beiden Seiten des Tavoryfluſſes find nach dem Verf. vom Grunde bis zur Spitze mit dem Baume bedeckt, der den ächten Farbſtoff liefert; derſelbe iſt Rox— burghs Gareinia pictoria, die nach letzterem eine nicht vollkommen ächte Farbe liefern ſoll; der Verf. färbte Papier und Band mit ſeinem Safte und gleiche Stoffe mit dem ächten Gummigutt des Handels, gab darauf beide über zwölf Monate neben einander der Witterung preis, konnte aber zwiſchen beiden hinſichtlich des Verbleichens keinen Unterſchied bemerken. Südlich an der Mündung des Tasoryfluffes und eben ſo in der Provinz Mergui wächſ't in Gründen und am Fuße der Hügel noch eine andere Gareinia, die gutes Gummigutt liefert; Griffith ſandte an Wight Exem— plare dieſer Pflanze, die letzterer mit einigem Zweifel für Wallichs Garcinia elliptica hielt. Die Blätter und weib— lichen Blüthen ſtimmten mit Wallichs Beſchreibung, die männlichen Blüthen waren kurz geſtielt, die weiblichen Blu— men ſitzend, die ſitzenden Antheren hatten eine kreisförmige Dehiſcenz; die reife Frucht war kugelig, aber ohne Furchen. Weder Wallich, Wight noch Griffith ſcheint übrigens gewußt zu haben, daß dieſe Pflanze ein ſehr ſchö— nes Gummigutt liefert. Dr. Wight giebt nur zwei Gar- einia- Arten für dieſen Farbſtoff, die Gareinia gutta oder Hebradendron cambogioides (Graham) und Gareinia pic- toria (Rorburgh) an, während alle übrigen Gareinia - Arten nach ihm einen gelben nicht mit Waſſer miſchbaren Farbſtoff liefern. Der Verf. ſammelte den Farbſtoff der 6. elliptica und verglich ihn mit den beſten Sorten des Handels, denen er an Güte gleich ſtand; nun ſoll, nach Lindley, das beſte Gumigutt in Stangenform aus Siam kommen und von einer Gareinia cochinchinensis ſtammen; der Verf. vermuthet dagegen, daß feine Gareinia elliptica dieſen ausgezeichneten Farbſtoff Siams liefert. Von den übrigen Careinia- Arten der Tenaſſerimpro— vinzen liefert nur Gareinia Cambogia einen dem Gummigutt ähnlichen, jedoch im Waſſer unlöslichen, Farbſtoff, der, in Terpenthinöl gelöſ't, einen köſtlichen gelben Firniß für me— talliſche Oberflächen abgiebt. 138. Miſcellen. 16. Die Speicheldrüſen der Wirbelthiere fehlen, nach Dr. Wright, faſt allen im Waſſer lebenden Thierclaſſen und Arten. Die Schleimſecretion der Fiſche erfolgt durch ſehr ent: wickelte Schleimbälge, auch den Batrachiern fehlen eigentliche Speicheldrüſen, deren Stelle die Drüſen des Mundes und der Zunge vertreten; bei den Cetaceen ſind ſie nur im rudimentären Zuſtande vorhanden. Es ſcheint demnach, als wenn diejenigen Thiere, welche ihre Nahrung im Waſſer finden und fie ohne vorher zu käuen verſchlucken, keines Speichels bedürfen, um ihre Speiſe für die Ver— dauung vorzubereiten, vielmehr der Magenſaft allein für letztere ausreicht. Unter den wirbelloſen Thieren fehlen die Speicheldrüſen allen Räderthieren und kopfloſen Molluſken, wogegen fie ſowohl den Gaſteropoden als Cephalopoden eigen ſind, den Entozoen fehlen und bei den Anneliden und Cruſtaceen nur rudimentär vorkommen. Alle Gliederthiere, welche Luft athmen (Myriapoden, Inſecten und Arachniden), beſitzen auch Speichelgefäße, entweder als einfache oder zufammengefeste Drüſen und zwar erſtere, wenn die ſecernirte Flüſſigkeit zur Verdauung benutzt wird, zuſammengeſetzte Drüſen aber, wenn ſie zur Vergiftung ihrer Beute dient. Bei den meiſten Inſecten ſind es einfach verzweigte Röhren, welche in die Gurgel münden, nur bei den Hemipteren kommen neben dieſen noch drüſige Körper vor, die erſteren ſind ächte Speichelorgane, die letzteren Giftdrüſen zur Vernichtung ihrer Beute; die Gattungen Nepa, Notonecta, Naucoris und Ranatra liefern hierfür treffliche Bei— ſpiele. Bei den Lungenſpinnen liegen die Giftdrüſen im cephalo- thorax, die Ausführungsgänge entſpringen im vordern Theile der Drüſe, gehen durch einen kleinen, die Mandibeln durchſetzenden Canal, und münden ins durchlöcherte Ende dieſer Kauwerkzeuge. Bei den Myriapoden (Geophilus longicornis) liegen die Giftdrüſen am Grunde der Mandibeln zwiſchen den geſtreiften Muskeln; ſie bilden zwei längliche feſte Körper, die aus Bündeln durchſichtiger, VII. 6. 88 dicht auf einander gedrängter, Zellen, von einer Capſel umſchloſſen, beſtehen und loſe in der Höhlung des genannten Organes liegen; ein einziger bogenförmiger Ausführungsgang dringt in den horn⸗ artigen Theil, um, wie bei den Spinnen, unterhalb der Spitze der Mandibeln zu münden. Wenn der Geophilus ſeine Beute anfällt, führt er ihr, wie die Giftſchlangen, durch feinen Biß tödtliches Gift in die Wunde. (The Annals and magazine of natural hi- story, No. 2. 1848.) 17. Eine ungeheure weiße Ameiſe lebt, nach Weſt⸗ woods Berichte, auf den Zuckerfeldern Indiens; ihr Neſt beſteht aus kleinen, kegelförmigen, etwa 6 Zoll hohen Erdhügeln, die 5 bis 20 Fuß von einander liegen. Nach oben zu liegt die Erde nur loſe, nach innen iſt dagegen der Bau viel feſter, 3 bis 4 vom Haupteingange abgehende Canäle führen ins Innere des Baues. Der Verf. zerftörte ein ſolches Neſt, aber ſchon nach 10 Minuten waren die Ameiſen mit deſſen Neubau beſchäftigt, der bei ſeiner Rückkehr, am ſelben Nachmittage, ſchon vollendet war. Die Ar⸗ beitsameiſen waren faft ½ Zoll lang. Eine andere, A Linien lange Ameiſe baut ihr Neſt in den Mangobaum, ſelbiges gleicht dem der Erdſpinnen, iſt jedoch viel dichter und feſter; es hat die Geſtalt eines Balles und iſt von außen mit Mangoblättern, die durch ein Geſpinſt zuſammengehalten werden, umkleidet. Die geflügelten Thiere ſind von grüner Farbe, der Biß der Arbeiter iſt ſehr ſchmerzhaft, das ganze Neſt von Ameiſenſäure-Dunſt erfüllt. (The Annals and magazine of natural history No. 2. 1848.) 18. Der rothe Schnee, welcher am 31. März 1847 wäh⸗ rend eines Sturmes im Puſterthale in Tyrol gefallen, zeigte, nach Ehrenbergs Unterſuchung, eine auffallende Ahnlichkeit mit den Staubmeteoren des atlantiſchen Meeres. In ihm waren alle mine⸗ raliſchen und organiſchen Subſtanzen, die vom Sirocco fortgeführt, nach Neapel, Malta und ſelbſt bis yon getragen werden, und die ſich aus den Staubwolken in der Höhe des grünen Vorgebirges auf die Schiffe abſetzen, enthalten. (L’Institut, No. 747. 1848.) Heilkunde. (J.) Faſerſtoffarten und fibrinogene Subſtanz im Blute. Von R. Virchow ). Die Verhandlungen, welche im Laufe des letzten Jah— res vor der Académie des sciences über die Zuſammen— ſetzung des Blutes Scorbutiſcher gepflogen worden ſind, bil— den einen wichtigen Fortſchritt in der Kraſenlehre. Schon in einer am 3. Mai 1845 in dem Berliner medieiniſch— chirurgiſchen Friedrich-Wilhelms-Inſtitut gehaltenen, öffent— lichen Rede hatte ich die Unhaltbarkeit der Ableitung des genuinen Scorbuts von einer Defibrination des Blutes ur— girt; jetzt hat ſelbſt Andral anerkannt, daß eine ſolche Ableitung unmöglich iſt. Dieſe Anerkennung giebt der Kra— ſenlehre eine Art von Wendepunkt. Während man es eine Zeit lang als ausgemacht anſah, daß in dem Blute nie fremdartige, chemiſche Subſtanzen vorkommen, ſondern daß alle Miſchungsänderungen desſelben ſich auf Veränderungen in dem gegenſeitigen Verhältniß der einzelnen, normalen Beſtandtheile beziehen, ſowie daß dieſe einfach quantitativen Veränderungen die weſentlichen Bedingungen ganzer Krank— heits-Entitäten ausmachten, jo ſchließt jetzt Andral (Compt. rend. 1847. T. XXIV. p. 1137), daß, da die Verminde— ) Archiv für patholog. Anatomie und Phyſiologle und für kliniſche Mes diein. Herausgeb. von R. Virchow u. B. Reinhardt. In Boes. 33 Heft. Berlin, 1848. S. 572. rung des Faſerſtoffs ſich nur in der „adynamiſchen“ Zeit der typhöſen, exanthematiſchen und ſeorbutiſchen Krankheiten zeige, ſie auch nicht als ein nothwendiges Element der Krank— heit, ſondern nur als einer der möglichen und ſogar häu— figen Coeffecte der krankmachenden Urſache betrachtet werden könne. Dieſe ungeheure Veränderung in der Anſchauung hat den unmittelbaren Erfolg gehabt, daß Magendie (ibid. p. 1139) feine ſchon früher ausgeſprochene Anſicht von qualitativ verjchiedenen Faſerſtoffarten, welche entſprechende Verſchiedenheiten der Circulation her— vorbrächten, von neuem hervorgehoben hat. Er erwähnt namentlich Neofibrin, oder wie er früher ſagte, Pſeudofibrin, Fa ſerſtoff neuer Bildung, jungen Faſerſtoff. Rokitanſky hat bekanntlich auf dieſer Anſicht ſchon weiter gebaut und vom pathologiſch-anatomiſchen Standpunkte aus eine Reihe qualitativ verſchiedener, chemiſch von einander zu trennender Faſerſtoffarten aufgeſtellt. Die Bedeutung dieſer Frage für die pathologiſche An— ſchauung iſt ſo außerordentlich groß, daß man nicht vorſich⸗ tig genug an ihre Entſcheidung gehen kann, und daß jeder Verſuch, die letztere durch Speculation oder Wahrſcheinlich— keitsrechnung herbeizuführen, als ein ſtrafbares Vergehen betrachtet werden muß. In meinen früheren Arbeiten über die morphologiſchen, chemiſchen und phyſtealiſchen Eigenſchaf⸗ ten des Faſerſtoffs (Frorieps N. Notizen 1845 No. 769, 89 Zeitſchr. für rat. Med. IV. S. 285, V. S. 213) habe ich mich bemüht, zu zeigen, daß wir bis jetzt nur einen chemiſch unterſcheidbaren Faſerſtoff kennen, und daß alle ſcheinbaren chemiſchen Differenzen von Faſerſtoffarten ſich auf mechani— ſche Differenzen der Gerinnung, d. h. auf größere oder ge— ringere Cohäſion der unlöslich gewordenen Faſerſtoffmolecüle zurückführen laſſen. Seitdem iſt nichts beigebracht worden, was dieſe Sätze umzuſtoßen vermöchte. Wenn Mulders neuere Unterſuchungen darauf deuten, daß der Faſerſtoff kein einfacher Körper, ſondern aus zwei oder mehreren zuſam— mengeſetzt iſt, ſo folgt daraus in keiner Weiſe, daß der— jenige Körper, welcher unter verſchiedenen Bedingungen in verſchiedenen Cohäſionsgraden auftritt, eine wechſelnde Con— ſtitution hätte. Freilich liegt die Annahme, daß ſehr un— bedeutende Schwankungen in der Atomzuſammenſetzung, die Subſtitution einzelner Atome durch andere ohne weitere Veränderung in der abſoluten Zahl der Atome die weſent— lichſten Veränderungen in den Eigenſchaften des ganzen Kör— pers hervorbringen, ſehr nahe, ſeitdem die geiſtreiche Theorie von den Paarlingsverbindungen, welche Berzelius neuer— lichſt aufgeſtellt hat, insbeſondere in den Unterſuchungen von Kolbe ſo glänzende Stützen gewonnen hat, allein man vergeſſe doch ja nicht, daß die Möglichkeit einer einſtigen Anwendung dieſer Theorie auf den Faſerſtoff noch keines— wegs eine wirkliche Anwendung derſelben in der jetzigen Zeit ohne beſtimmten chemiſchen Nachweis der Veränderung rechtfertigen würde. Schon lange weiß man, daß die Zeit, innerhalb wel— cher die Gerinnung des Faſerſtoffes eintritt, außerordent— lichen Schwankungen unterworfen iſt, und wir kennen eine Reihe von Bedingungen, unter denen dieſe Zeit verlängert wird. Häufig genug hat man dieſe bloße Verzögerung des Eintritts der Gerinnung mit einer wirklichen Hinderung derſelben verwechſelt, und wenn man z. B. fand, daß der Contakt der faſerſtoffhaltigen Flüſſigkeit mit einem thieri— ſchen Gewebe den Eintritt der Gerinnung verzögerte, ſo that man, als ob die Einwirkung der Lebenskraft die Gerinnung hindere, und als ob der Eintritt des (localen oder allge— meinen) Todes nöthig ſei, um den Faſerſtoff gerinnfähig zu machen. Es liegt nicht in meinem Plane, auf dieſe Frage hier weiter einzugehen; ich will nur das hervorheben, daß wir über die „Urſache“ der Faſerſtoffgerinnung, d. h. des freiwilligen Überganges von der löslichen zur unlös— lichen Form gar nichts wiſſen, vielmehr die Gerinnung vor— läufig als eine dem Faſerſtoffe inhärente Eigenſchaft betrach— ten müſſen, welche ſich überall manifeſtirt, wo keine hindernden Bedingungen gegeben ſind. Wenn wir alſo durch Zuſatz von kohlenſauren oder ſchwefelſauren Alkalien zum Blute deſſen Gerinnung hindern, ſo iſt damit nicht die Gerin— nungsfähigkeit des Faſerſtoffes aufgehoben, da wir nur das kohlenſaure Salz durch eine Säure ſättigen, oder das concentrirte ſchwefelſaure durch Waſſerzuſatz verdünnen dür— fen, um die Gerinnung wirklich eintreten zu ſehen. Dieſe dem Faſerſtoffe inhärente Eigenſchaft iſt, wie ich früher ge— zeigt habe, das einzige Criterium, woran wir den Faſerſtoff von andern Proteinſubſtanzen unterſcheiden können, und da 138. VII. 6. 90 wir der allgemein guͤltigen Anſchauung nach alle Eigen— ſchaften von Körpern aus der Beſchaffenheit ihrer Atome herleiten, ſo müſſen wir nothwendig auch die Gerinnungs— fähigkeit als herborgehend aus der beſtimmten chemiſchen Conſtitution des Faſerſtoffes betrachten. Meine Unterſuchungen über die ſpontane Gerinnung des Blutes in den verſchiedenſten Theilen des Gefäßſyſtems, die täglich zu wiederholenden Beobachtungen über die Gerinnung der faſerſtoffhaltigen Exſudate u. ſ. w. haben gezeigt, daß überall, wo faſerſtoffhaltige Flüſſigkeit im Körper zu einer, wenn auch nur relatiden Ruhe kommt, in nicht gar langer Zeit die Gerinnung derſelben erfolgt, und daß es dazu kei— neswegs des Contakts dieſer Flüſſigkeit mit der Luft oder dem Sauerſtoff derſelben bedarf, wie das ſchon aus den älteren Verſuchen von Mitſcherlich, Tiedemann und Gmelin, von Marchand und von Babington über die Gerinnung des Blutes, im luftleeren Raume, im Stick— ſtoffgas und unter einer Oldecke folgte. Dieſes vorausgeſchickt, ergiebt ſich von ſelbſt, daß, wenn eine Flüſſigkeit, die irgendwo im Körper längere Zeit in Ruhe war, ohne zu gerinnen, nach ihrem Austritt aus dem— ſelben in längerer oder kürzerer Zeit zu gerinnen anfängt, entweder die Bedingungen für die Manifeſtation der Gerin— nungsfähigkeit des Faſerſtoffs höchſt ungünſtig fein mußten, oder in der Flüſſigkeit gar kein Faſerſtoff vorhanden war, ſondern erſt nach dem Austritt aus dem Körper in derſelben entſtand. Das Vorkommen ſolcher Flüſſigkeiten habe ich ſchon bei Gelegenheit meiner Betrachtungen über die gallert— artigen Erſudate (S. 117) erwähnt und den ſo erſcheinenden Faſerſtoff als Fibrin ſpäter Gerinnung bezeichnet. Eine weitere, prophylaktiſche Beſprechung dieſes Gegenſtandes ſcheint mir in dieſem Augenblicke um ſo mehr gerechtfertigt zu ſein, als die Frage, ob hier ein wirklicher gerinnungsfähiger Fa— ferftoff durch beſondere Bedingungen an der Gerinnung ge— hindert wird, oder erſt ein ſolcher gebildet wird, ſich ſchon zu einer gewiſſen Entſcheidung bringen läßt. Am längſten kennt man den Faſerſtoff ſpäter Gerin— nung (der alſo nicht zu verwechſeln iſt mit Polli's Bra— dyfibrin) als Beſtandtheil hydropiſcher Erſudate, denen J. Vogel in der letzten Zeit den Namen Hydrops fibrino- sus beigelegt hat. Schon Hewſon hatte gezeigt, daß die in den ſeröſen Höhlen der Bruſt- und Bauchhöhle befind— liche Flüſſigkeit im Contakte mit der Luft gerinnt; Biſchoff hat dies neuerlichſt auch für die wäſſerige Augenflüſſigkeit nachgewieſen. Es iſt alſo gewiſſermaßen nur eine Vermeh— rung dieſer normalen Flüſſigkeit, wenn ſich in einer der ſeröſen Höhlen ein Hydrops fibrinosus ausbildet. Am häu— figſten findet ſich derſelbe in den Pleuraſäcken, dem Bauch— felle und der Scheidenhaut des Hodens. Die Literatur des Gegenſtandes findet ſich bei Wogel, pathol. Anat. S. 23; ich füge dazu nur noch einen Fall von Maſſot (Journ. prat. de med. veter. 1826, p. 299), wo bei einer Stute ſich nach der Recrudeſcenz einer 6 Monate zuvor verlaufenen Pleureſie Hydrothorar ausbildete und ſich bei einer Ineiſion 3½ Liter klarer, ſpäter gerinnender Flüſſigkeit entleerten. Da indeß alle in der Literatur vorhandenen Fälle mir nicht 91 138. VII. 6. 92 charakteriſtiſch genug erſcheinen, ſo ſchließe ich eine eigene Beobachtung an. Joh. Hoffmann, ein etwas ſchwächlich gebauter Mann, erkrankte am 1. Mai 1845, wie er glaubt, nach einer Er— kältung, unter allgemeinen Fiebererſcheinungen; heftige, ſte— chende Schmerzen auf der linken Bruſtſeite, die jede tiefere Inſpiration unmöglich machten; Huſtenreiz, zäher, leicht ſchaumiger, etwas blutiger Auswurf, Unmöglichkeit auf der rechten Seite zu liegen. Als er am 13. auf die kliniſche Abtheilung des Hrn. Wolff in der Charité aufgenommen wurde, fand man die Reſpiration beſchleunigt, aber faſt ganz auf die rechte Seite beſchränkt; Pereuſſion links überall matt und reſiſtent, das Athemgeräuſch nur hinten gegen die Wirbelſäule hin unbeſtimmt, leicht bronchial zu hören; das Herz nach rechts neben dem Bruſtbeine liegend. Bei Be— wegungen ſtarke Dyspnöe; Puls von 108 mäßig vollen und weichen Schlägen. (Nitr., Crem. Tart., Oxym. Seill.). Geringe Beſſerung. Am 21. Punction des Thorax mit dem Troikar links zwiſchen der ſechsten bis ſiebenten Rippe, in der Mitte zwiſchen Bruſtbein und Wirbelſäule. Nach der Entleerung von etwas über 1½ Quart klarer, gelblicher Flüſſigkeit augenblickliche Erleichterung, die Reſpiration freier, die Percuſſion oben hell, das Reſpirationsgeräuſch bis zum untern Rande der zweiten Rippe deutlich. Nachts ruhiger Schlaf, Schweiß und Harnabſonderung reichlich. Während leichtes Fieber noch andauert, bleibt die Beſſerung doch an— haltend (29. Digit. c. Tart. borax. et Syr. domest., Ein⸗ reibungen von Ung. ein., ſpäter mit Ung. Kali hydrojod. verbunden; am 6. Juni ſtatt des Syr. dom. Roob Juniperi). Allmälig läßt das Fieber ganz nach, das Allgemeinbefinden beſſert ſich, das Herz kehrt in ſeine normale Lage zurück, die Reſpiration iſt veſteulär bis zur vierten Rippe, von da ab unbeſtimmt und undeutlich. Am 17. Juni verläßt der Kranke, noch nicht ganz geheilt, die Anſtalt. Die mir übergebene Flüſſigkeit war dünnflüſſig, ſtark klebrig, grünlichgelb, leicht alkaliſch, enthielt ſehr viel Ei— weiß, zeigte aber mit Salpeterſäure keinen Gallenfarbſtoff. Nach kurzer Zeit bildete ſich darin ein lockeres, durch das ganze Gefäß verbreitetes Gerinnſel, welches durch Quirlen getrennt wurde, und ſich zu einem ſehr reinen und weißen Faſerſtoffe auswaſchen ließ. Am folgenden Tage (22.) hatte ſich ein neues, nicht ſo reichliches, aber eben ſo reſiſtentes Gerinnſel gebildet, dasſelbe wurde wieder weggenommen, worauf die Flüſſigkeit ein ſpeeifiſches Gewicht von 1019,7 zeigte. Am 23. keine Gerinnung, am 24. leichte Trübung; am 25. neue Gerinnung von ſehr feſtem Faſerſtoffe, der wieder entfernt wird. Am 26. zeigt ſich ſchon wieder eine beginnende Gerinnung, die in den folgenden Tagen ſtärker wird, ſich am 28. durch die ganze Flüſſigkeit netzartig ver— breitet zeigt und beim Quirlen eine große Menge ſehr feſten Faſerſtoffs liefert. Die Flüſſigkeit hat durch Waſſerverdam— pfung ſehr verloren, iſt aber noch immer klar und geruchlos. Am 29. zeigt ſich wieder etwas geronnene Maſſe, die aber ſehr weich und ſo zart iſt, daß man ſie unter dem Mikro— ffope son der umgebenden Flüſſigkeit nicht zu unterſcheiden vermag; die Flüſſigkeit iſt klar und geruchlos, allein ein mit Salzſäure befeuchteter Stab zeigt Ammoniakentwicklung an und unter dem Mikroſkope ſieht man einzelne Vibrionen. Am 30. finden ſich ſchon ſtarke, die Flüſſigkeit durchſetzende Fäden, an denen man die „Faſerſtofffaſern“ erkennt; die Zahl der Vibrionen mehrt ſich. Am 1. Juni Zunahme des Faſerſtoffes, die ziemlich ſtark iſt; die Flüſſigkeit iſt bis auf einige Flocken klar, geruchlos und zeigt nur geringe Ammoniakentwicklung. Der Faſerſtoff wurde nun heraus— genommen, was wegen ſeiner Weichheit nicht vollkommen gelang; die Flüſſigkeit wurde daher durch grobes, graues Papier filtrirt; ſie lief ziemlich langſam durch, erſchien aber etwas klarer und weniger grün, hatte ein fpeeififches Ge— wicht von 1020,1. Eſſigſäure machte Niederſchläge darin; Salpeterſäure gab rothe und grüne Färbungen neben der gelben des zu Kanthoproteinfäure umgeſetzten Eiweißes. Am 2. findet ſich auf der Oberfläche des Filtrates eine haut— artige, grauliche Schicht, die faſt ganz aus Vibrionen be— ſteht; in den tieferen Schichten findet ſich viel Faſerſtoff von ſehr zarter und mürber Beſchaffenheit. Die Flüſſigkeit reagirt ſtark alkaliſch, zeigt ziemlich ſtarke Ammoniakent— wicklung, riecht aber nicht unangenehm. Die Haut wird abgenommen, der Faſerſtoff entfernt. Schon am 3. zeigt ſich der Beginn einer neuen (der ſiebenten) Gerinnung in der Flüſſigkeit, die ſich außerdem mit einer ſtarken Haut bedeckt hat und mit trüben Flocken durchſetzt iſt. Sie wird nun ftchen gelaſſen, trübt ſich allmälig mehr und mehr, es bildet ſich ein weißes Sediment und eine ſchmutzige Kruſte; mit Salpeterſäure erhält man eine ſtarke weiße Fällung, die erſt nach längerem Stehen roth wird (Fäulniß). Am 23. Mai war ein Theil der Flüſſigkeit in ein hermetiſch-ſchließendes Glas gethan und hingeſtellt worden. Am 25. fand ſich darin ein ſehr ſtarkes Gerinnſel, das ſich an der Oberfläche zuſammenzog. Bei dem Offnen des Gla— ſes blieben einzelne Luftbläschen in demſelben. Am 1. Juni hatte die Flüſſigkeit ein helleres, gelbgrünes Ausſehen, der Boden des Gefäßes war von einem feinen Niederſchlage be— deckt und der in ein feines, weißes Wölkchen zuſammen— gezogene Faſerſtoff ſchwamm an der Oberfläche. Bei dem Offnen des Glaſes erhob ſich ein penetranter Geſtank wie von faulem Eiter; Salzſäure, Kalk und eſſigſaures Blei zeigten ſtarke Entwicklung von Ammoniak, Kohlenſäure und Schwefelwaſſerſtoff an. Die Flüſſigkeit röthete das Lakmus— papier, vorher angeſäuertes wurde leicht blau; Eſſigſäure gab eine leichte, gelbliche Trübung; beim Kochen gerann die Flüſſigkeit und das Gerinnſel klebte ſtark an den Wan— dungen des Gefäßes (Natron-Albuminat nach Scherer), beim Zuſatze von Salpeterſäure bildeten ſich Flocken. Am Tage der Punction wurde 1 Unze der Flüſſigkeit mit 3 Unzen deſtillirten Waſſers gemiſcht. Am 22. zeigt ſich dies Gemiſch etwas trüb, wie von leichten Flocken; es wird darauf noch 1 Unze Waſſer zugeſetzt, worauf ſich nach einer Viertelſtunde von oben nach unten ein Gerinnſel bil— det, das jedoch ſehr zart und locker iſt und ſich ſchwer wa— ſchen läßt. Nach ſeiner Hinwegnahme wird noch 1 Unze Waſſer hinzugethan. Am 23. findet ſich ein nicht unbedeu— tender flockiger Niederſchlag, der in den folgenden Tagen 93 138. VI. 6. 94 zunahm; ſpäter bildete ſich auch an der Oberfläche eine Haut, ohne daß von Gerinnung weiter etwas zu bemerken war. Am 2. Juni wurden die Niederſchläge von der ſtark nach faulem Käſe riechenden Flüſſigkeit getrennt. Die erſte— ren beſtanden aus ſeinen Molekülen mit einzelnen Vibrio— nen ꝛc. gemiſcht; die Maſſe löſ'te ſich in Eſſigſäure nur unvollkommen, filtrirte ſchlecht, in dem eſſigſauren Filtrate gab Kaliumeiſeneyanür einen ſtarken Niederſchlag. Die Flüſſigkeit ihrerſeits trübte ſich beim Kochen gleichmäßig; Eſſigſäure erzeugte eine ſehr geringe Trübung, die bei Zu— ſatz von mehr Eſſigſäure großentheils verſchwand, ganz aber ſelbſt beim Kochen ſich nicht löſ'te; in der Löſung machte Kaliumeiſencyanür einen ſtarken Niederſchlag. Salpeterſäure gab die von mir angegebene, charakteriſtiſche, roſenrothe Färbung der faulenden Proteinſubſtanzen. Beim Abdampfen überzog ſich die Flüſſigkeit mit einer ſehr zähen und zuſam— menhängenden, blaſſen und durchſcheinenden Haut, die unter dem Mikroſkope abſolut homogen erſchien und nur durch die Trübung des Geſichtsfeldes und durch einzelne Falten zu erkennen war; bei Behandlung mit Eſſigſäure quoll ſie etwas auf und wurde noch durchſichtiger, ſo daß ſie einer Descemet'ſchen Haut ganz gleich ſah. Am 24. war eine zweite Quantität der Flüſſigkeit mit Waſſer vermiſcht worden (Verhältniß 1 : 3); am 25. hatte ſich eine ziemlich reichliche, aber ſehr weiche Gerinnung darin gebildet, die ſchon am 26. zu zerfallen anfing. Am 28. war ſie gelöſ't und es hatte ſich eine allgemeine Trübung und ein flockiger, feinkörniger Niederſchlag gebildet. Bei der ſpäteren Unterſuchung verhielt ſie ſich, wie die eben be— ſchriebene Flüſſigkeit. Alle gewonnenen Faſerſtoffmaſſen wurden, nachdem ſie ſorgfältig gewaſchen waren, mit Salpeterwaſſer behandelt. Sie löſ'ten ſich zum Theil etwas ſchwer, die Löſung war meiſt etwas trüb, reagirte neutral oder alkaliſch, gab beim Zuſatze von Waſſer, Eſſigſäure und Salpeterſäure Trübungen oder Niederſchläge und veränderte ſich beim Kochen nicht. Wir haben alſo hier eine durch einen unzweifelhaft entzündlichen Proceß geſetzte, alkaliſche, eiweißhaltige Flüſſig— keit, die im Laufe von etwa 14 Tagen, während ſie frei an der Luft ſteht und durch Verdampfung immer mehr von ihrem Waſſergehalte verliert, ſieben Gerinnungen durchmacht und dabei der Fäulniß auffallend lange widerſteht. Die durch die Gerinnung gewonnene Subſtanz zeigt alle Eigen— thümlichkeiten des gewöhnlichen Faſerſtoffes. War dieſer nun in der Flüſſigkeit präeriftirend gegeben, oder iſt er erſt unter der Einwirkung äußerer Verhältniſſe, der Luft ꝛc. ent— ſtanden? wurden durch die Entleerung der Flüſſigkeit hin— dernde Bedingungen weggenommen, oder durch das Stehen an der Luft günſtige hinzugethan? Die erſte Frage läßt ſich beſtimmt verneinen. Wenn nur hindernde Momente weg— genommen worden wären, jo hätte aller Faſerſtoff bald und gleichzeitig gerinnen müſſen und es hätte nicht eine 14 Tage lang dauernde Reihe von ſieben ſueceſſiven Gerinnungen eintre— ten können. Es müſſen alſo nothwendig begünſtigende Mo— mente hinzugekommen ſein. In bloßen Veränderungen der Concentration können dieſe nicht geſucht werden, denn wir ſehen einerſeits trotz der fortſchreitenden Verdichtung der Flüſſigkeit neue Gerinnungen entſtehen, andererſeits können wir dieſelben durch Waſſerzuſatz, durch Verdünnung nicht ganz abſchneiden. Die chemiſchen Veränderungen, welche wir zu erkennen vermögen, beziehen ſich nur auf den Ein— tritt der Fäulniß, aber wir ſehen nicht, daß dieſe in irgend einem directen Zuſammenhang mit der Gerinnung ſtehe. Es bleibt alſo nur übrig, daß die niedrigere Temperatur oder die Einwirkung des Luftſauerſtoffs angezogen wird. Gegen die erſtere läßt ſich aber dasſelbe ſagen, was gegen die bloße Aufhebung hindernder Momente ſchon angeführt iſt; die zweite wird dadurch nicht abgewieſen, daß Flüſſigkeit, die 2 Tage nach der Entleerung in ein hermetiſch verſchloſ— ſenes Gefäß gethan wurde, doch gerann, denn ſie war ja ſchon 2 Tage lang der Einwirkung der Luft ausgeſetzt ge— weſen. — Dieſe Annahme wird insbeſondere durch Beob— achtungen unterſtützt, die ich wiederholt an Veſicator-Blaſen gemacht habe. Die Flüſſigkeit, welche hier erſudirt und das Abheben der oberſten, impermeabeln Epidermis-Zellſchicht bedingt, iſt häufig von ganz ähnlicher Natur. Ich habe nun an Leichen von Kranken, denen kürzere Zeit vor dem Tode noch ein Cantharidenpflaſter gelegt war und wo die Blaſen bis zur Autopſie unberührt ſtehen geblieben waren, mehrmals geſehen, wie die oberſte, der abgehobenen epider- mis zunächſt gelegene Schicht der Flüſſigkeit wirklich geronnen war, während die tiefere noch flüſſig entleert wurde und dann an der Luft gerann. Wir kommen alſo hier zu dem wahrſcheinlichen Reſul— tat, daß in dem Exſudat nicht ein beſonderer, qualitativ verſchiedener Faſerſtoff eriftirt, der ſich von anderem durch ſeine ſpäte Gerinnungszeit unterſcheidet, ſondern daß darin eine Subſtanz ſich befindet, die unter der Einwirkung der atmoſphäriſchen Luft ſich in den gerinnungsfähigen Faſer— ſtoff umwandelt. Man hat gar keinen Grund dazu, dieſe Subſtanz Faſerſtoff zu nennen; vielmehr wollte man fie be— nennen, ſo könnte man ſie höchſtens Fibrinogen taufen. Daraus folgen ohne weiteres zwei andere nicht zu über— ſehende Sätze: ein Mal, daß derartige Zuſtände nicht den Namen hydrops fibrinosus verdienen; das andere Mal, daß Vogel ſehr Unrecht gethan hat, das gewöhnliche faſerſtoff— haltige Erſudat, wie es bei Entzündungen vorkommt, mit dieſer Flüſſigkeit zu identifieiren, wenn man auch ganz von der Unzweckmäßigkeit abſehen wollte, die darin liegt, daß man darnach die Hepatiſation der Lungen S hydrops fibri- nosus pulmonum ſetzen müßte. Will man den Namen vor— läufig beibehalten, fo muß man unter hydrops fibrinosus den Zuſtand verſtehen, wo eine wäſſerige Flüſſigkeit mit fibrinogener Subſtanz geſetzt ift, unter faſerſtoffigem Exſudat dagegen eine Flüſſigkeit mit wirklichem, gerinnfähigem Faſer— ſtoff, der dann auch in der That nicht zögert zu gerinnen. Es macht dabei nichts aus, daß der hydrops fibrinosus unter entzündlichen Erſcheinungen geſetzt wird; ſetzen doch un— zweifelhafte Entzündungen ſogar rein ſeröſe Erſudate. Aus dieſen Gründen erhellt ſogleich, daß Vogel auch darin ge— irrt hat, wenn er Capillarhyperämie und hydrops fibrinosus als die pathologiſch-anatomiſchen Momente der Entzündung 95 138. VII. 6. 96 aufgeſtellt hat. Der letztere kommt ohne alle Entzündung vor. Ich habe ihn ſehr häufig das bei einfachen venöſen Hyperämien auftretende Odem der pia mater bilden geſehen; die harten Odeme unterhalb eirculäver Geſchwüre des Unter— ſchenkels, bei Herzkranken, bei Störungen der Lymphgefäß— eirculation haben einen um fo größeren Gehalt an fibrino— gener Subſtanz, je älter ſie ſind; es ſteht ihr Gehalt an jener Subſtanz in geradem Verhältniß mit der Dauer der Circulationsſtörung. Wenn damit der entzündliche Urſprung des hydrops fibrinosus abgewieſen werden kann, fo darf doch keineswegs behauptet werden, daß jedes alte Odem fibrino— gene Subſtanz enthielte. Möglich, daß unter der Einwir— kung der thieriſchen Gewebe an manchen ſeröſen Erſuda— ten allmälig eine entſprechende chemiſche Umänderung zu Stande kommt, wie ich denn z. B. geſehen habe, daß bei der Punction einer ſehr alten hydrocele ſich eine gerinnende Flüſſigkeit entleerte, während bei einer zweiten, bald nachher inſtituirten Punction eine einfach ſeröſe zu Tage kam; allein die Veſicator-Blaſen zeigen evident die acute Entſtehung. Es liegt auf der Hand, daß die genauere Unterſuchung dieſer Exſudate für die Frage nach dem Urſprunge des Faſer— ſtoffs überhaupt von der allergrößten Bedeutung ſein wird. Es iſt der hier entſtehende Faſerſtoff ein Neofibrin der aus— geſuchteſten Art, allein wir haben gezeigt, daß er gleichfalls keine gröberen chemiſchen Differenzen darbietet und der Theo— rie von chemiſch differenten Faſerſtoffarten keinen Anhalts— punkt gewährt. Ich kann aber nicht umhin, hier nochmals auf das ſchon von mir urgirte Zuſammenvorkommen von hydrops fibrinosus und colloiden Erſudaten an den Eier— ſtöcken aufmerkſam zu machen; ſowie hervorzuheben, daß gerade bei den chroniſchen Hydrocelen, wo in früherer Zeit gewöhnlich hydrops fibrinosus beſteht, eben jo ungeheure Maſſen von Choleſterinkryſtallen frei werden, wie ich das von den colloiden Erſudaten erwähnt habe (S. 184). Es kann endlich noch die Frage entſtehen, ob wir eine ſolche fibrinogene Subſtanz auch im Blute ſuchen dürfen. Auch hier liegen Anknüpfungspunkte vor. Dahin gehört der berühmte Fall von Polli (Gaz, med. di Milano 1844. No. 3.), wo bei einem ſonſt geſunden pneumoniſchen Land— mann von 37 Jahren im Ospedale maggiore zu Mailand in einem Zeitraume von 8 Tagen 11 Aderläſſe zu je 12 Unzen gemacht wurden, und wo das Blut des erſten Ader— laffes erſt gegen den Iten Tag zu gerinnen anfing und erſt am löten die Ausſcheidung des Serums begann; das Blut zeigte während eines ganzen Monats bei einer Lufttempera— tur von 8 — 11 C. keine Fäulnißerſcheinungen. Mit je— dem Aderlaß verlor es an der Langſamkeit der Gerinnung und bei dem letzten begann die Gerinnung ſchon nach 12 Stunden. — Eben ſo wichtig iſt die Beobachtung von Chevreul (Considerations gener. sur l’analyse organique et sur ses applications. Paris 1824. p. 218), daß das Blutſerum von Neugeborenen, welche an Sklerem (hartem Odem, Indur. telae cellulosae) gelitten hatten, wie es nach Abſcheidung des Faſerſtoffs aus der Leiche gewonnen wird, ſpontan gerinnen wird. Es iſt dies das einzige Beiſpiel, wo wir den gewöhnlichen, gerinnfähigen Faſerſtoff neben der fibrinogenen Subſtanz im Blute ſehen und wo gleich— zeitig auch dieſe Subſtanz im Blute und im Exſudate wie— derkehrt, denn das Sklerem iſt weſentlich ein hydrops fibri- nosus. (Vergl. Billard Arch. gener. 1827. T. XIII. p. 210.) Ob Beobachtungen von Blut aus Leichen, welches erſt, nachdem es an der Luft geſtanden hatte, gerann, hierher gehören (vergl. Naſſe, das Blut. 1836. S. 201), läßt ſich nicht beſtimmen, da es ſich hier auch bloß um hindernde Momente handeln kann. Dagegen ſind die Fälle von ſpon— tan gerinnendem Harn möglicher Weiſe dazu zu rechnen. Ich kann mich auf eine genauere Beſprechung derſelben nicht mehr einlaſſen, mag aber meine Verwunderung nicht unter— drücken, daß die deutſchen Schriftſteller ſich immer nur mit den Paar Fällen von Naſſe, Elliotſon u. ſ. w. herum⸗ ſchlagen, da ſich doch bei Rayer (Traité des malad. des reins. T. III, p. 373) ein langes Capitel über den endemi— ſchen, ſpontan coagulablen Harn von Ile de France und Braſilien vorfindet. — Mifcelle, (9) Ein aneurysma dissecans ber aorta, wel⸗ ches mit der Lungenarterie communicirte, hat Prof. Pirrie zu Aberdeen an dem Cadaver eines 50jährigen Mannes entdeckt, der plötzlich verſchieden war, nachdem man bei deſſen Leb— zeiten durchaus nichts wahrgenommen, was auf ein Leiden des Circulationsſyſtemes hätte ſchließen laſſen. In der Höhe der Krümmung der aorta, ½ Zoll links von dem Urſprunge der linken art. subelavia zeigte ſich die innere und mittlere tunica der gorta geſpalten. Von dieſem Spalte bis faſt an den Urſprung der aorta nach dem Herzen zu, und 1 Zoll weit nach den peripheriſchen Ge— fäßen zu war die äußere tunica von der mittlern abgelöſ't, und zwar erſtreckte ſich dieſer Zuſtand auf etwa / des Umfanges des Gefäßes. Dieſes aneurysma communicirte mittels einer über ½ Zoll weiten Offnung mit der art. pulmonaris und zwar etwas unter der Gabel dieſes Gefäßes. Die aorta war mit vielen ſtea— tomatöſen Ablagerungen geſprenkelt, die ſich, obwohl viel ſparſamer, auch in der Lungenarterie fanden. Die linke Seite des Herzens zeigte ſich ein wenig hypertrophiſch. (Monthly Journal of Medi- cine, Nov. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. A. Th. v. Middendorff, Beiträge zu einer Malacozoologiea Rossica. (Aus d. Memoires sciences naturelles de l’Academie imper. des Sciences abgedr.) gr. #. 1½ Thlr. L. Voss in Leipzig 1847. G. G. Bird, Observations on Civic Malaria and the Health of Towns, con- tained in a Popular Lecture delivered at the Royal Institution of South Wales. 8% (pp. 22, sewed, 1 sh.) London 1848. H. Meyer, Anleitung zu den Präparirübungen. Für den Gebrauch der Stu- direnden. gr. 8°. Geh. 26½¼ Sgr. W. Engelmann in Leipzig 1848. Druck und Verlag des Landes-Invuſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 139. (Nr. 7. des VII. Bandes.) Juli 1848. Naturkunde. Henfrey, über Structur und Wachsthum der Monocotgledonen. — Brolif, Eroſtoſen am Stoßzahne des Elephanten. Zollinger, Rafflesia Patma. Williamſon, über ein Calladium destillatorium. Thwaites, Betrachtungen über die Konjugation der Diatomaceen. — Mijcellen. Ein Sonnenfleck. — Heilkunde. Siebert, Krankheiten des panereus. — Miſcelle. Dr. Semelweis, über die Atkologtle der in Gebäranftalten endemiſchen Puerperalfieber. — Bibliographie. Naturkunde. XVIII. über Structur und Wachsthum der Mo— nocotyledonen. Von Arthur Henfrey. Bei allen Monocotyledonen, die der Verfaſſer unter— ſuchte, und er beſchäftigte ſich vorzugsweiſe mit ſolchen, die er im friſchen Zuſtande leicht erhalten konnte, fand er den von Schleiden aufgeſtellten wichtigen Unterſchied der geſchloſſenen Gefäßbündel von den ungeſchloſſenen, d. h. fortbildungsfähigen, der dicotyledoniſchen Pflanzen feſt be— gründet. Aus dieſer wichtigen Verſchiedenheit entſpringt auch nach ihnen der verſchiedene Bau beider großen Pflanzen— abtheilungen: während die Monocotyledonen zerſtreute Ge— fäßbündel behalten, vereinigen ſich die Gefäßbündel der Dicotyledonen zu einem geſchloſſenen Holzringe, der in ſeinem Umkreiſe fortwächſ't und durch die nach der Jahreszeit ver— ſchiedenen Verhältniſſe, unter denen dies geſchieht, die Jah— resringe bilder. Eine Unterſcheidung in endogene und exo— gene Pflanzen iſt nach dem Verf. nicht ſtatthaft; alle Pflanzen, die einen Stamm beſitzen, ſind nach ihm in Bezug auf die Bildung ihrer Organe, die als Seitenknoſpen aus der Achſel älterer Organe oder als Terminalknoſpen aus dem Centralparenchym unmittelbar hervorgehen, endogen. Die mit dieſen Organen neu entſtandenen Gefäßbündel kreu— zen ſich an ihrem Entſtehungspunkte überall mit denen der älteren Organe und treten überall und in allen Stämmen an die äußere Oberfläche. In den jungen Knoſpen von Sparganium ramosum ſah der Verf. die Gefäßbündel im centralen Theile entſtehen, die oberſte und jüngſte Knoſpe, zarter und weniger entwickelt als die tiefer gelegene, war mit den eentral entſtehenden Blättern noch in directer Verbindung. No. 2119. — 1019. — 139. Was nun die Reihenfolge der Entwicklung der ver— ſchiedenen Theile eines Gefäßbündels anbetrifft, ſo ſtimmen des Verf. Beobachtungen mit Schleidens Angaben über— ein, ihre Entwicklung beginnt im untern Theile und ſetzt ſich nach oben zu ins Blatt fort; dasſelbe beſtätigen Mir— bel und Naudin, während nach Gaudichaud die Ent— wicklung im Mittelpunkte beginnen und auf- und abwärts fortſchreiten ſoll, indem das eine Ende zu den Blättern, das andere zu den Wurzeln geht. Im jüngſten Theile der Knoſpe beſteht das werdende Blatt nur aus ſphäriſchen Zellen, die den Zellen der Stammesſpitze ähnlich ſind und von einem zarten epithelium bekleidet werden; dagegen treten in der Subſtanz des Stammes und der werdenden Blätter ſchon gewiſſe Portionen hervor, wo die Zellen etwas ver— längert und in parallelen Reihen angeordnet erſcheinen. Im Mittelpunkte dieſer Bündel verlängerter Zellen entſtehen die erſten Gefäße, und zwar zuerſt als unabweisbare Spiral— gefäße; ſie ſcheinen dem Verf., jemehr ſie ſich dem punctum vegetationis näherten, um ſo jünger zu ſein. Ihre weitere Entwicklung bis zum vollkommnen Gefäßbündel hat der Verf. nicht verfolgt, da ihm zunächſt ihre Beziehung zu einander und zu den Wurzeln beſonders am Herzen lag. Die beſchriebene Anordnung der Gefäßbündel bleibt nach ihm dieſelbe, die Internodien des Stammes mögen ſich, wie bei den Palmen und Gräſern verlängern, oder, wie bei den Zwiebeln, in ihrem Längswachsthume zurückbleiben. Für den blüthentragenden Stamm der letzten Art ſind indeß zwei Modificationen nach der Lage der Punkte, wo die Blätter des ausgewachſenen jährigen Stammes ab: gehen, zu unterſcheiden. Beim Crocus, der Tulpe und Hya— einthe erheben ſich die Blätter unmittelbar vom Grunde des abgeplatteten Stempels am Boden der Zwiebel, die Faſern 7 99 139 (abres) des Blüthenſtieles dieſer Pflanzen entwickeln ſich mit dem Wachsthume des Pflanzentheiles nach oben, ihr unteres Ende bleibt nach unten zu unverändert dasſelbe. Bei der Tigerlilie und Kaiſerkrone werden die Blätter vom verlängerten Stamme getragen, beim Spargel verzweigt ſich noch uͤberdies der Stamm, hier behalten die untern Stamm— theile ihren zwiebelartigen Charakter, während ſich die auf— ſteigenden Theile der Gefäßbündel, ehe ſie in die Blätter treten, nach aufwärts entwickeln. Unterſucht man ſolche Stämme im ausgewachſenen Zu— ſtande, ohne auf die Zwiebel Rückſicht zu nehmen, ſo könnte man verführt werden, für fie ein endogenes Wachsthum anzunehmen, weil die Faſern der unterſten Blätter oder Zweige mehr nach außen liegen, die zu den jüngeren tre— tenden aber mehr aus der Mitte kommen; verfolgt man indeß ihren Verlauf bis zum Grunde der Zwiebel, ſo ſieht man, wie ſie ſich mit den älteren Bündeln kreuzen und mehr nach außen treten. Einige Faſerbündel des oberen Stamm— theiles ſcheinen nach unten zu keinen Fortgang zu haben, ſie ſind vermuthlich erſt während des Wachsthumes der Blüthenachſe entſtanden. Das ſich Kreuzen der Gefäßbündel geſchieht nun keines— wegs in durchaus regelmäßiger Weiſe, der Verlauf der höher gelegenen Bündel nach außen hin, durch die tiefer gelegenen, iſt vielmehr ſehr unbeſtimmt, manch Mal biegt der abwärts— ſteigende Theil nach der einen Seite, der aufwärtsſteigende nach der andern nach außen; dann folgen ſie einander in Form einer Spirale und ſelten wird man in dieſem Falle eine ächte Kreuzung gewahren. Der jährige Stamm der genannten Pflanze wird vom Verf. als Blüthenſtand betrachtet. Bei den Gras- und Tradescantia - Arten, wo der jährige Stamm Internodien beſitzt, verflechten ſich die Gefäßbündel in dieſen Knoten, hier entſtehen neue Faſern und werden oftmals neue Advee— tivwurzeln gebildet. Der Verf. vergleicht dieſe Knoten mit Zwiebeln, die in Zwiſchenräumen auf einander ſitzen. Die kriechenden Rhizome verſchiedener Monocotyledonen liefern ihm Beiſpiele für ſolche auf einander folgende Zwiebeln, die freilich nur ſeitlich, aber nicht terminal entwickelt werden, und Brutknoſpen zur Entwicklung fürs kommende Jahr ſind, die mit der Hauptpflanze in Verbindung bleiben, während ſich die Brut der ächten Zwiebel von derſelben trennt. In den meiſten Fällen ſitzen ſie über einander, bei Sparganjum ramosum folgen ſie dagegen mit entwickelten Juternodien auf einander: hier bildet demnach ein fortdauernder mono— cotyledoniſcher Stamm das Seitenſtück zum jährigen Stamme der Gräſer und Tradescantien, die Stämme der letzteren ſind jedoch hohl, während der Stamm von Sparganium ſolid iſt. Der Verf. ſchenkt jetzt dem untern Ende der Gefäß— bündel ſeine beſondere Aufmerkſamkeit, um ihre Beziehungen zum Gefäßbündelſyſteme der Wurzeln zu erfahren; die Weiſe der Anordnung iſt hier ſehr verſchieden. In den von ihm unterſuchten Stämmen ſchien das untere Ende der Gefäß— bündel Zweige und Anaſtomoſen zu bilden, durch die bis— weilen eine eigene Faſerſchicht entſtand. Um ſich hier deut— lich machen zu können, hält es der Verf. indeß für nöthig, Ib. Te 100 einen Blick über das ganze Zellſyſtem der Monocotyledonen zu werfen. Von Mohl hat in den Palmenſtämmen eine innere Region, eine Faſerſchicht und eine Rindengegend unterſchieden. Eine ähnliche Anordnung ſcheint dem Verf. bei den meiſten Monocotyledonenſtämmen vorzukommen. Die innere Region beſteht gewöhnlich aus einem Gewebe ſphäriſcher Zellen, die zu einer gewiſſen Zeit viel Stärkemehl enthalten: dieſe Re— gion, in der die Gefäßbündel liegen, entſpricht dem Marke und den Markſtrahlen der Dicotyledonen. Die Zellen der Rindengegend ſind gewöhnlich unregelmäßig geſtaltet, haben große Intercellular-Räume und enthalten nur wenig oder gar kein Stärkemehl. Bei den Zwiebeln iſt die Centralregion nur von einer dünnen Schicht des Rindenparenchyms bekleidet, die mit dem Grundtheile der Schuppen oder Schalen zuſammenhängt; die Verbindungslinien der beiden Regionen iſt im jüngſten Zuftande der Zwiebel durch einen dunkeln Streifen von dichterem Gewebe angedeutet. Die Gefäßbündel gehen nun— mehr bis zu dieſer Linie abwärts, bilden dort Zweige und Anaſtomoſen, und auf dieſe Weiſe oftmals ein dichtes Lager, Mohls Faſerſchicht. Im Grashalme iſt die Rindenſchicht nicht nachzuweiſen, auch im Blüthenſtiele der Zwiebeln nicht deutlich zu verfolgen; im Stamme von Sparganjum ramosum iſt ſie dagegen ſowohl in den Knoten als Internodien ſehr entwickelt: in erſteren iſt ſie von Faſerbündeln, die ſich der Quere nach kreuzen, durchwebt und ſo ein Faſergeflecht, das die Rindenportion von der Markregion trennt, entſtanden. Dieſe Faſerſchicht wird beſonders dadurch wichtig, daß aus ihr die Wurzeln entſpringen, wornach keine directe Ver— bindung zwiſchen den Gefäßbündeln des Stammes und denen der Wurzeln Statt findet. Das Gefäßbündel, welches in der Mitte der Wurzel von Sparganium, wie in der Mitte aller jährigen vom Verf. unterſuchten Wurzeln liegt, beſteht aus einer Anzahl von Gefäßen, die in einem Kreiſe aus der erwähnten Faſerſchicht entſpringen, ſich ganz allmälig, wie ſie nach einander aus dieſer Schicht verlaufen, an ein— ander legen und ſo einen trichterförmigen Körper bilden. Das Centralparenchym geht, wie ſich die Gefäßröhre nach auswärts dehnt, in Holzzellen über, und die Wurzel zeigt eine kurze Strecke unterhalb ihres Urſprungs auf einem Querſchnitte einen centralen Holzeylinder von einem Gefäß— ringe umgeben; das Ganze iſt wiederum von einem Paren— chym umkleidet, das in der Nähe der Faſerſchicht in die Rindenſchicht des Stammes übergeht. Wenn ſich die Wur— zeln verzweigen, gehen die Zweige im rechten Winkel ab; ſie entſpringen aus dem centralen Gefäßeylinder und durch— ſetzen das Rindenparenchym der Wurzel, ſowie die Wurzel den äußern Theil der Rindenſchicht des Stammes durchbricht. Fallen die Wurzeln ab, ſo laſſen ſie vertiefte Narben an der Oberfläche zurück. Die Knoſpen erhalten ſchon frühe, gleichzeitig mit den Blättern, ihre Wurzeln. Es war noch ſtreitig, ob die Gefäßbündel der Wurzeln von der Faſer— ſchicht aus entſtehen, oder ob ſie ſich erſt in der Wurzel bilden und ſpäter mit dieſer Schicht vereinigen; des Verf. Beobachtungen von Sparganium zeigten ihm, daß ſte gleich- 101 zeitig mit dieſer Faſerſchicht entſtehen und immer mit ihr zuſammenhängen. Die erwähnte Faſerſchicht iſt in den Tulpen- und Hya— einthenzwiebeln, eben ſo in den unterirdiſchen Knollen des Spargels und der Orchideen nicht ſo deutlich ausgeprägt. Die Enden der Gefäßbündel verzweigen ſich hier und bilden da, wo die Centralregion mit der Rindengegend zuſammen— trifft, Anaſtomoſen, mit denen auch hier die Gefäßbündel der Wurzeln zuſammenhängen. Die Knolle der Orchis mascula hat größere Wurzeln, die ſich dadurch von den übrigen unterſcheiden, daß ihre Central-Parenchymmaſſe nicht verholzt iſt. Die Entwicklung der auf einander folgenden Wurzeln findet, nach dem Verf., von unten nach oben Statt; die jungen Wurzeln entſtehen aus ſolchen Theilen der Faſer— ſchicht, welche mit den jüngern Gefäßbündeln in Verbindung ſteht. In den Fällen, wo die Internodien entwickelt ſind, bilden ſich die Wurzeln und Knoſpen gewöhnlich an den Knoten, jo bei Tradescantia, Sparganium und den Gras— arten; bei Sparganium entſpringen jedoch auch aus dem Internodialtheile des Stammes hie und da Wurzeln. Häufig ſah der Verf. in der Rindenſchicht Gefäßbündel, die in die höher gelegenen Blätter gingen, die aber da, wo er ſie unterſuchte, keine eigentlichen Gefäße beſaßen, viel— mehr den Charakter eines Baſtbündels hatten. Sie ſind bei Sparganium ramosum ſehr zahlreich und von bedeutender Größe, finden ſich aber auch bei den Gräſern und überhaupt in allen Stämmen mit entwickelten Internodien; in allen Zwiebeln wie im Rhizome von Iris ſuchte der Verf. nach ihnen vergebens; dagegen verwandelte ſich im Blüthenſtengel gar mancher dieſer Pflanzen ein Theil des Rindenparen— chyms, zumal in der Epidermidalſchicht, in lange Faſerzellen, ſo bei der Tulpe, Tigerlilie und Kaiſerkrone. Dieſer Holz— ring iſt bei Tamus communis und Smilax aspera vorzugs— weiſe ſtark entwickelt, er ward irrthümlich mit dem Holzringe der Dicotyledonen verglichen, hat aber, da er den äußern Umfang bildet, ihm auch jede Spur fortbildungsfähiger Zellen, eine Cambiumſchicht fehlt, nichts mit ihm gemein. Nach innen zu verliert ſich dieſer Holzring ganz allmälig ins Centralparenchym des Stammes, in welchem die eigentlichen Gefäßbündel liegen. Wenn hier überall ein Vergleich ſtatt— haft iſt, ſo möchte der Verf. die genannte Faſerſchicht der Rinde mit dem Baſte der Dicotyledonen vergleichen, was bei der Anordnung dieſer Faſern, wie fie im Sparganium vorkommt, nach ihm vielleicht zu rechtfertigen wäre. Was nun endlich die Art des Wachsthumes der Mo— nocotyledonen betrifft, ſo richtet ſich dieſe nach der Eigen— thümlichkeit der Organe ſelbſt und darf deßhalb, wie der Verf. bemerkt, nicht mit dem Wachsthume der Dicotyledonen verglichen werden, weil ſich bei ihnen, mit Ausnahme von Dracaena, Cordyline u. ſ. w., kein neues Holz, kein Jahres— ring bildet. Bei den Zwiebeln werden die Knoſpen abge— worfen, und auch bei den Zweige bildenden Rhizomen ſind fie phyſiologiſch von der Stammpflanze unabhängig, da ſich der alte Stamm niemals verdickt; bei den Palmen bildet die ſich beſtändig fortbildende Terminalknoſpe ein neues ſpi— 139. VII. 7. 102 ralig über die vorhergehenden Theile geſtelltes Lager, die ſo nach einander neu gebildeten Schichten können etwa mit einer Reihe hohler über einander geſtellter Kegel von glei— cher Größe verglichen werden. Dieſe Art des Wachsthumes entſpricht allerdings dem Wachsthume der dicotyledoniſchen Terminalknoſpe, ihr fehlt indeß die Cambiumſchicht und da— durch eine Zunahme in der Breite. Die größere Feſtigkeit der älteren Theile der Palmenſtämme wird durch ähnliche Urſachen, wie das Kernholz (heart wood) der Dicotyledo— nen, veranlaßt werden. (The annals and magazine of na- tural history, No. 3. 1848.) XIX. Betrachtungen über die Conjugation der Diatomaceen. Von G. H. K. Thwaites. Schon früher berichtete der Verf. über die Conjugation der Diatomaceen; die jetzige Mittheilung enthält feine neue— ren Beobachtungen, wir entnehmen ſie der No. 3 der An- nals and magazine of natural history. Die oft zierlich geformten einzelnen Glieder der Dia— tomaceen vermehren ſich meiſtens durch Selbſttheilung, in— dem ſich das Endochrom eines jeden Stückchens in zwei Theile theilt und jeder Theil eine Zelle um ſich entwickelt, deren Geſtalt und Charakter dem erſten Stückchen, aus dem ſie entſtanden ſind, vollkommen ähnlich iſt. Durch dieſe Selbſttheilung wird im Verlaufe der Zeit eine ungeheure Vermehrung der einzelnen Glieder veranlaßt; aber auch ſie ſcheint ihre Grenze zu finden, indem nach einer gewiſſen Pe— riode eine zweite Art der Vermehrung, eine Conjugation oder Selbſttheilung nach geſchehener Vermiſchung des Endo— chroms zweier Glieder auftritt. Der Verf. betrachtet die zahlreichen Glieder, die aus einem Primordial-Gliede oder Sporangium (einem durch Conjugation entſtandenen Gliede) hervorgegangen find, nicht als Individuen, ſondern als Theile eines Individuums, die wie bei den höhern Pflanzen zuſammen ein Ganzes bilden, deſſen Theile zwar der Geſtalt und Function nach verſchie— den, dennoch ein unabhängiges Daſein führen und ſich durch Fortpflanzung vermehren. Das Leben einer Diatomaceen— pflanze als Individuum dauert, nach ihm, von ſeinem Ent— ſtehen aus dem Sporangium, dem durch Conjugation er— zeugten Gliede, bis zu der Zeit, wo die zahlreichen durch einfache Selbſttheilung aus ihm entſtandenen Stücke ſelbſt eine Conjugation eingehen. Der Verf. führt den Vergleich noch weiter; auch die höhern Pflanzen wachſen durch eine ähnliche Zellenvermeh— rung, indem die Zellen der Keimanlage zu Mutterzellen für andere Mutterzellen werden, und die neu entjtandenen ſich wiederum durch Selbſttheilung vermehren u. |. w. Der ganze beginnende Lebensproceß der Pflanze beruht nach ſeiner Anſicht nur auf einer Diffuſion des Inhaltes (des Endo— chroms) der Primordialzellen. Dieſes Endochrom der ge— nannten Zellen beſitzt, zwar nicht für unſere Sinne nach— N 103 139 weisbar, das Vermögen der ganzen Nachkommenſchaft von Zellen den typiſchen Charakter der Species einzuprägen. Der zuſammengeſetzte Bau der höheren Pflanzen iſt ſo gut wie die einfache Structur der Diatomaceen-Glieder eine Folge des aus dem Endochrome der Urzelle ſtammenden ſpecifiſchen Bildungstriebes. Demnach würde dies Sporan— gium der Diatomaceen den Primordialzellen (Embryobläschen) der höhern Gewächſe entſprechen. Der Verf. kehrt jetzt zur Conjugation zurück. Bei den Diatomaceen ſcheint nach ihm ein Zeitpunkt einzutreten, wo zur Fortdauer der Art, wie zu ihrer fernern Fortpflanzung die Vermiſchung des Endochroms zweier Glieder nöthig wird; darnach ſcheint es ihm, als wenn in dem Endochrome der einzelnen eine Conjugation eingehenden Zellen ein weſent— liches Element geſchwunden wäre, dagegen ſich ein anderes übermäßig angehäuft habe, daß aber durch eine Vermiſchung des Endochroms zweier Zellen, deren Verhältniß der Quan— tität ſowohl des fehlenden als überſchüſſigen Elementes ein gerade umgekehrtes iſt, das Gleichgewicht und durch das ſelbe das Vermögen ſich fort zu entwickeln wieder hergeſtellt werde. Das vermiſchte Endochrom entwickelt um ſich eine Zelle, die nur in der Größe von der durch einfache Selbſttheilung ent— ſtandenen abweicht; die Qualität des vermiſchten Endochroms ſcheint demnach von dem ungemiſchten nur wenig oder gar nicht verſchieden zu ſein. Die durch Conjugation entſtandene Zelle vermehrt ſich nunmehr, wie die übrigen Glieder, durch einfache Selbſttheilung, und ſo entſtehen aus ihr nach und nach eine Menge neuer Sporangien. Wie aber aus dieſen die kleinen gewöhnlichen Glieder entſtehen, iſt bis jetzt noch nicht beobachtet worden. Die Vermiſchung des Endochroms wird vom Verfaſſer ferner mit dem Befruchtungsacte der höhern Pflanzen ver— glichen: wie dort der gegenſeitige Einfluß des Pollenſchlauch— und Embryoſack-Inhaltes zur Erzeugung einer beſtimmten Art nothwendig ſcheint, ja durch Übertragung des Pollens einer Species auf die Narbe einer andern Baſtardpflan— zen erzeugt wird, welche die Eigenthümlichkeiten beider Stammpflanzen vereinigen, ſo ſcheint ihm auch hier die Vermiſchung des Endochroms eine gleiche Bedeutung zu haben. Freilich wird von mehreren Schriftſtellern die Ver— ſchiedenheit der Baſtardpflanzen von der Stammpflanze, welche den Pollen lieferte, durch die Ausbildung der Keim— anlage unter andern Verhältniſſen, als den normalen, er— klärt. Der Verf. glaubt dieſen Einwurf durch eine von ihm gemachte Beobachtung widerlegen zu können. Ein Samenkorn, das durch Kreuzung zweier ganz verſchiedenen Fuchſigarten erhalten worden, erzeugte nämlich zwei Pflan— zen, die in ihrem Ausſehen und Charakter durchaus ver— ſchieden waren. Beide ſo ganz verſchiedene Gewächſe waren, wie der Verf. ausdrücklich bemerkt, aus einem und dem— ſelben Samenkorne entſtanden; ſie hingen auch unterhalb der beiden Cotyledonenpaare feſt an einander und bildeten dort einen cylindriſchen Stamm, ſo daß ſie wie zwei Aſte dieſes einen Stammes ausſehen. Die Pflanzen wurden leider durch einen plötzlich eingetretenen Froſt vor der Blüthe ver— nichtet, unterſchieden ſich aber ſchon in ihrem ganzen Habi— I 104 tus hinreichend von einander. Der Verf. glaubt durch die— ſen Zwilling-Embryo den Einfluß der Umgebung, in welchem ſich derſelbe ausgebildet, auf ſeine künftige Entwicklung wi— derlegen zu können, da beide unter ſich ſo verſchiedene Em— bryonen in einem Samen vorhanden waren, alſo in einer Samenknoſpe ausgebildet wurden. Referent möchte die Sache anders erklären: ihm ſcheint die Verſchiedenheit beider Em— bryonen in einem und demſelben Samen durch zwei Pollen— körner von verſchiedenen Fuchſigarten veranlaßt, alſo durch zwei ſpeeifiſch verſchiedene Pollenſchläuche und in ihnen ent— ſtanden zu ſein, wogegen der Verf. die Verſchiedenheit beider Embryonen aus dem verſchiedenen Verhältniſſe, in welchem das Endochrom des Pollens mit dem der Samenknoſpe zu— ſammentrat, zu erklären verſucht. Zu den Diatomaceen zurückkehrend, erklärt der Verf. unverhohlen, daß man bei ihnen bisjetzt keine äußerlich-wahr— nehmbare Geſchlechtsverſchiedenheit gefunden habe; aber auch das genus Zygnema beſteht aus einer einfachen Reihe von Zellen, welche deu Gliedern der Diatomaceen entſpre— chen und wie dieſe ſich ſowohl durch Selbſttheilung, wie durch Conjugation vermehren. Bei Zygnema dringt die eine Zelle in die andere, die Vermiſchung des Endochroms ge— ſchieht deßhalb im Innern einer Zelle, während ſie bei den Diatomaceen außerhalb beider Zellen vor ſich geht. In verſchiedenen Zygnema- Arten enthalten alle Zellen einer Pflanze, mit ſeltenen Ausnahmen, nach der Conjugation ein Sporangium, während ſämmtliche Zellen einer andern Pflanze ihr Endochrom verloren haben; dies wie die Statt gefundene Conjugation glaubt der Verf. durch einen ge— ſchlechtlichen Unterſchied erklären zu müſſen. Die Antheri— dien und Piſtille der Mooſe ſieht er gleichfalls als Geſchlechts— organ an und macht die Entwicklung der letztern zur Frucht von der Gegenwart der erſtern abhängig. Einer Abtheilung der Diatomaceen fehlt, nach dem Verf., die Conjugation; bei den Meloſeireen nämlich findet keine Vermiſchung des Endochroms zweier Zellen Statt, da— gegen tritt das Endochrom der beiden Pole einer Zelle in deren Mitte zuſammen, in Folge deſſen ein Sporangium entſteht. Dem Verf. ſcheint dieſer Unterſchied nicht ſo weſent— lich, da auch bei einigen Tygnema- Arten eine Conjugation zwiſchen den Gliedern eines und desſelben Fadens Statt findet. So gut wie hier nun die Zellmembran eines Algen— fadens ihrem Charakter nach verſchieden iſt, kann, wie der Verf. glaubt, auch die Membran einer Zelle an ihrem End— punkte verſchieden ſein. Miſeellen. 19. Die Exoſtoſen am Stoßzahne des Elephan⸗ ten, durch das Eindringen einer Kugel veranlaßt, die nicht gar felten vorkamen, wurden von G. Vrolik näher unterſucht. Flo u⸗ rens ſpricht von einem ſolchen Zahne, we die Kugel in den Oberkiefer gedrungen und nach und nach in den hohlen Zahnfegel gelangt ſein ſoll. Der Verf. bezweifelt zwar das Factum nicht, glaubt es indeß anders erklären zu muͤſſen; er hält das Eindrin⸗ gen einer Flintenkugel in den ausgebildeten Stoßzahn, deſſen obere 105 Schicht fie allerdings verlegen, im übrigen aber von ihm abpral⸗ len muß, für durchaus unmöglich, dagegen wird es ihm wahr⸗ ſcheinlich, daß ſolche Kugeln zu einer Zeit in die Zahnalveole ge— langten, wo ſich in ihr ein neuer Stoßzahn, der bekanntlich ge⸗ wechſelt wird, ausbildete. In dieſe erſte Zahnanlage, die weich und von einer gefäßreichen Haut umgeben, dabei groß genug iſt, um eine Flintenkugel aufzunehmen, gelangt nun die Kugel und kann je nach dem Orte, wo fie die Zahnanlage trifft, und nach der Kraft des Schuſſes verſchiedene Veränderungen hervorrufen. Sie wird, wenn das Zahngewebe nur wenig von ihr irritirt wird, von ihm wie von einer Cementhülle dicht umkleidet werden; wo dieſe Irritation aber kräftiger auftrat und die Lebensthätigkeit des Ju— dividuums überhaupt eine kräftigere war, wird ſich die Zahnſub— ſtanz nicht wie im erſten Falle dicht um die Kugel legen, vielmehr einen Raum, in dem ſie frei umherrollen kann, bilden. War nun der junge Zahn ſo weit entwickelt, daß er die Kugel aufzunehmen vermochte, ſo bemerkt man in einigen Fällen, außer der ſie um— ſchließenden Höhle an der Innenſeite der Zahnalveole, da, wo die Kugel eingedrungen, noch eine mehr oder minder beträchtliche Er— oſtoſe. Dieſe Knochenwucherung iſt bei dem großen Gefäßreich— thume der Knochenpulpa, welche durch die Gewalt des Schuſſes mächtig angeregt wird, leicht erklärlich. Die Eroſtoſe der Zahn— alveole, wie die Art und Weiſe, in welcher die Kugel von der Elfenbeinmaſſe umhüllt wird, iſt demnach ſowohl von dem Orte, wo die Kugel eingedrungen, von dem Grade der Entwicklung des jungen Zahnes und von dem Grade der im Zahngewebe hervor: gerufenen Entzündung abhängig, wobei noch zu bemerken, daß in den Zahneremplaren, die der Verf. beſitzt, gerade die kupfernen Kugeln beweglich in einer Höhe liegen, die eiſernen aber von der Zahnmaſſe dicht umſchloſſen find. (Tijdschrikt voor de wis- en natuurkundige Wetenschappen. Aflevering I. 1847.) 20. Die Rafflesia Patma iſt nach Zollinger lange nicht fo felten, als man bisher geglaubt. Der Verf. fand fie an der Südküſte von Java auf den Hügeln um Paſſaruwan und Bes zufie, gleichfalls auf dem Berge Watargan bei Puger und an der Südküſte von Bondowoſſo. Alle dieſe Standorte gehören zur Kalk— formation, wo fie auf den Wurzeln von Cissus scariosa Bl. wächſ't. Die größte Pflanze, die der Verf. beobachtete, hatte nur 1 Fuß Durchmeſſer, in der Regel waren fie kleiner und nur ½ bis ½ F. im Durchmeſſer; der Verf. glaubt, daß ſie auch auf Nuſa Baron vorkommt, iſt aber ungewiß, ob ſie dieſelbe Pflanze iſt, die Blume auf Nuſa Kambangan gefunden und die viel größer ſein ſoll. Auf der Wurzel von Cissus fand er nicht ſelten drei und mehr Raffle— ſien, ſie kommt niemals im Küftenfande, ſondern immer nur in 139. VII. 7. 106 feuchten Bergſchluchten und Gründen der Kalkregion vor. Die Bewohner des öftlichen Java nennen fie Pidh mo oder Pidehmo, ihre Blume wird faſt abgöttiſch verehrt; man ſucht ſie erſt, nach— dem man gefaſtet und gebetet hat oder ſonſt vom Prieſter geweiht worden iſt. Aus ihr bereitet man unter andern ein Arzneimittel für verſchiedene Frauenkrankheiten, auch gilt ſie als Aphrodisiacum für vornehme Frauen, dagegen deren Gebrauch den Frauen der ärmeren Claſſe ſchädlich wird. Die Javaneſen zählen die Rafflesia zu den Schwämmen. (The Journal of the Indian Archipelago and Eastern Asia for Aug. 1847.) 21. Uber ein Calladium destillatorium, welches F. Williamfon im botaniſchen Garten zu Sheffield aus einer 2 Zoll langen Zwiebel gezogen, berichtet derſelbe folgendermaßen. Die Blattſtiele find von ihrem untern Ende bis zum Anfange der Blattſcheibe 9 Fuß 6 Zoll lang; die größte Länge der Blattſcheibe beträgt 6 Fuß 6 Zoll, ihre größte Breite 3 Fuß 9 Zoll, der Stamm der Pflanze iſt 1 Fuß 6 Zoll lang. Zur Nachtzeit tröpfelt aus einer dicht unter der Spitze, an der Oberſeite jedes Blattes ge— legenen Offnung eine beſtimmte Waſſermenge hervor. Rund um den Rand der Blattſcheibe verläuft ein großes Gefäß, in welches kleinere münden, während das erſtere mit der erwähnten Offnung in Verbindung ſteht. Bei jedem Pulsſchlage (pulsation) wird eine Waſſerperle vorgeſchoben, funfzehn ſolcher Perlen vereinigen ſich immer zu einem Tropfen, der von jedem Blatte herabfällt; 11 ſolcher Tropfen fallen während einer Minute. Dieſe Waſſerabſon— derung beginnt erſt nach Sonnenuntergang und dauert ſo lange, bis die Sonnenwärme der Vegetationsthätigkeit eine andere Rich— tung anweiſ't. Jedes recht geſunde, ausgewachſene Blatt liefert während einer Nacht etwa eine halbe Pinte Waſſer, das nur Spu— ren vegetabiliſcher Stoffe enthält. (The Annals and magazine of natural history, No. 3. 1848.) 22. Ein Sonnenfleck, ſchon mit unbewaffnetem Auge ſichtbar, ward am 25. Jan. dieſes Jahres um 1 Uhr 30 Minuten Nachmittag von W. Pringle in Edinburg beobachtet; die Son— nenſcheibe war blutroth gefärbt und konnte, da Nebel den Dunit- kreis erfüllte, ungeſtört betrachtet werden. Die verdunkelte Stelle erſchien mit einem Teleſkope bei 60 - und 120maliger Vergröße— rung als zwei große dunkle Flecke, die mit dem Sonnenäquator parallel verliefen und namentlich an der nördlichen Seite von vielen kleinen Flecken umgeben waren. Dieſelbe Beobachtung ward von der mitgetheilten unabhängig zur ſelben Zeit von John Wa u— chope zu Edinburg gemacht. (The London ete. philosophical magazine, No. 214. 1848.) Heilkunde. (XI.) Krankheiten des pancreas. Von Dr. A. Siebert ). In der Umgebung von Jena tritt ein Nervenleiden im Bereiche des plexus coeliacus als endemiſche Krankheit auf. Es wird wohl nicht durch klimatiſche Einflüſſe erzeugt, denn die Wohlhabenden und Gutgenährten bleiben verſchont. Das Übel iſt häufig bei den Armen; häufiger bei erwachſenen Männern als bei Frauen; häufiger im heißen Sommer als in der kalten Jahreszeit. Die üblichſten Nahrungsmittel, beſtehend aus ſeifigen Kartoffeln, ſchlechtem Backwerke, geſalzener Butter, ſcharfem Käſe, ſaurer Milch, Häring, geſalzenen Süßwaſſer-Fiſchen, ſehr ſcharf geſalzenen und gewürzten Würſten, dazu höchſt *) Aus des Verf. „Bericht über die medie. Klinik zu Jena.“ fatale Getränke, wie Landwein, große Quantitäten Kaffee aus ſeltſamen Surrogaten, trübe, ſäuerlich ſchmeckende Biere, Schnaps — können wohl geeigenſchaftet ſein, eine üble Dispoſition der den Dauungsorganen zukommenden und be— nachbarten Nerven hervorzubringen. Das Übel beſteht in einer drückenden, brennenden Sen— ſation zwiſchen Nabel und processus ensiformis. Dieſes Gefühl ſteigert ſich zu regellos wiederkehrenden neuralgiſchen Parorysmen, welche bei einigen Individuen ohne Veran— lafjung täglich mehrere Male kommen; bei andern nach Körperbewegung, nach pſychiſchen Affeeten, mit Temperatur— wechſel, oder hervorgerufen durch ſolche Nahrungsmittel, welche auf das Individuum einen unangenehmen Reiz aus— üben. Wenn das Übel noch nicht lange, wenn es rein für 107 ſich beſteht, ſo bemerkt man keine Functionsſtörung der in unmittelbarer Nähe befindlichen Organe, mit Ausnahme von Mattigkeit und trägem Stuhle überhaupt keine anderweiti— gen Krankheitserſcheinungen. Während der Parorysmus, der von heftigem Drücken, Brennen und athemhemmendem Schrauben in der Magengrube begleitet iſt, ſtrahlen die ſchmerzhaften Senfationen auf folgende Weiſe aus: ſeitlich über beide Hypochondrien nach dem Rücken, wo ſich der Schmerz in einem Spinaltheile gleicher Höhe firirt; nach aufwärts in Linien beiderſeits des sternum, in der Hals— grube ſich abſchnürend, oder mit Verbreitung auf die Stirn— gegend, daſelbſt dumpfen Kopfſchmerz, Schwindel und Ohn— machtsgefühl erregend. Narkotiſche Mittel (Belladonna, Hyoscyamus, Kirſch— lorbeerwaſſer), bringen auf kurze Zeit Linderung. Opium ſcheint das Übel bisweilen zu verſchlimmern. Wismuth, Zink verſchafft etwas anhaltendere Beſſerung. Großen Nach— laß aller Erſcheinungen, in einigen Fällen dauerhafte Gene— jung brachte das Königswaſſer zu 30 — 60 Tropfen in 24 Stunden, 5 — 10 Tage lang gereicht. Haben noch beſondere Schädlichkeiten Veranlaſſung ge— geben, jo verbindet ſich das Cöliacal-Nervenleiden mit Gastroataxia pituitosa, acida, biliosa, mit Waſſerkolk oder Gastritis mucosa chronica. Nach langem Beſtehen iſt die Tendenz zu Degeneratio— nen des Magens, der Leber, des pancreas unverkennbar, und man kann unſere häufig vorkommenden Magengeſchwüre, Magenſkirrhen und Magenmarkſchwämme durch eine genaue Beachtung der Anamneſe aus dieſer Quelle leiten. Dasſelbe gilt von Pancreasleiden, deren zur Zeit noch ſpärlich erörterte Symptomatologie mich beſtimmte, einen Verſuch zu machen, mit Hülfe unſerer Beobachtungen einen Beitrag zu liefern. Erſter Fall. C. Wilhelm, 19 Jahr alt, Drechsler aus Camburg, hatte vor ohngefähr 9 Jahren an den Folgen ftarfen Mercurialgebrauches zu leiden; es wurden anhaltend Einreibungen von grauer Salbe wegen Phlegmone des lin— ken Kniees gemacht. Von dieſer Zeit an ſchien ſeine Ge— ſundheit untergraben. Er wurde matt, melancholiſch, hatte zeitweiſe Schmerz im abdomen, tagelange Verſtopfung durch plötzliche ſchmerzloſe Diarrhöe unterbrochen. Der Kranke will außerdem Maſtdarmblutung, mitunter wäſſeriges Erbre— chen und vor einigen Monaten eine Magenblutung gehabt haben. Am 8. Jan. 1847 Aufnahme ins Krankenhaus. Der Blick iſt trübe, die Bewegung träge, die Geſichtsfarbe erd— fahl, die Haut welk, Reſpiration und Puls langſam; Urin ohne Veränderung; jede dritte bis vierte Nacht eine Pollu— tion; die Zunge hat weißlichen Beleg und feinſchaumige Speichelſtreifen; der Kranke beklagt ſich über Speichelarmuth, Trockenheit und Empfindlichkeit der Mundſchleimhaut. Der Appetit iſt nicht verſchwunden, aber niemals lebhaft. Einige Stunden nach dem Eſſen entſteht Unbehagen und die ſtets vorhandene Empfindlichkeit an einer beſtimmten Stelle im Bauche ſteigert ſich zu lebhaftem Schmerze, bisweilen von brennendem Aufſtoßen und Hervorwürgen zäher, wäſſeriger 139. VII. 7. 108 Flüſſigkeit begleitet. Der Stuhl iſt ſtets träge und die Ausleerung hart, kleinknollig und ſchwarz. Der Bauch iſt weich; die Percuſſionsgrenzen der Leber und Milz ſind nor— mal; die manuelle Unterſuchung läßt dieſe Organe weder fühlen, noch erregt fie Schmerz. Beim tiefen Drucke ober- halb des Nabels wird eine permanente Empfindlichkeit leb— haft geſteigert. Der Schmerz, welcher auch ſpontan eracer- birt, verbreitet ſich von hier nach dem linken Hypochondrium, nach dem Rücken, in die linke und ſelbſt in die rechte Bruſt herauf mit unbeſtimmten Ausſtrahlungen. Im Focus des Schmerzes, einen Zoll über dem Nabel, fühlt man eine ſehr lebhafte Bulfation, welche bei längerem Zufühlen und Reizen dieſer Gegend noch bedeutender wird. Von mehreren Mitteln, die nach einander einige Wo— chen hindurch angewendet wurden, hatte das Carlsbader Salz nicht den geringſten Erfolg; leidlich befand ſich der Kranke bei dem Gebrauche des Rheum in Verbindung mit kohlen— ſauren Salzen; beſtimmter und von Dauer war die günſtige Wirkung des Eiſenſalmiaks mit gleichzeitiger Anwendung von künſtlichen Schwefelbädern. Nachdem der Kranke bei rückkehrendem Wohlbefinden noch 14 Tage als Reconsaleſ— cent in Quarantaine geſtanden hatte, wurde er am 24. April 1847 als geheilt entlaſſen und iſt bis jetzt (Dec. 1847) geſund geblieben. Es mag fein, daß, trotz ſehr ſprechender poſitiver Sym— ptome, trotz der negativen, auf dem Wege der Exeluſion erhobenen, dennoch Zweifel gegen die Exiſtenz eines Pan— creasleidens erhoben werden kann. Für dieſen Fall bin ich gezwungen, zu bekennen, daß mich eben die Geneſung dieſes Mannes ganz und gar außer Stand ſetzt, den Beweis durch die Autopſie zu liefern. Zweiter Fall. (Von dem Berichterſtatter außerhalb der Klinik behandelt; allein die genauere Erörterung des Falles und die Unterſuchung des Präparates, welches die Section lieferte, geſchahen theils im phyſiologiſchen Inſti— tute, theils in der Klinik.) Herr Paſtor St., 50 Jahre alt, litt ſeit 14 Jahren an einem undeutlichen Schmerze in der Tiefe des Leibes und an Dauungsbeſchwerden. Die Zunge war rein, der Appetit nicht geſchwunden, aber ſeit mehreren Jahren trat einige Stunden nach dem Eſſen Unbehagen ein, Aufſtoßen, Hervorwürgen zäher, fade— ſchmeckender Flüſſigkeit, Schmerz oberhalb des Nabels; der Stuhl erfolgte ſehr träge; die Kräfte und die Nutrition des Körpers waren in ſtetiger Abnahme. Zwiſchen Nabel und Herzgrube fühlt man eine weiche, etwas undeutliche, rundliche Geſchwulſt, die, beſonders nach Reizung durch längeres Betaſten, lebhaft pulſirt. Rechts in der Gegend des obern Nierenendes läßt ſich ebenfalls bei tiefem Drucke durch die rigide Bauchwand eine undeutliche, weiche, ziemlich ſchmerzhafte Geſchwulſt ermitteln. Der Harn war ſparſam, concentrirt und ſetzte eine große Menge Harnſäure-Kryſtalle ab; er zeigte ſich frei von Blut, Eiter, Schleim, Eiweiß und Zucker. Die Geſchwülſte wurden als Neoplasmata erkannt, die man in Beziehung ihres Sitzes als Retroperitonäalgeſchwülſte 109 bezeichnete. Schwieriger war die Beantwortung der Frage: ob und welche Organe von dem Neoplasma erreicht worden ſeien, und inwiefern ſie an der Entartung participiren? Man mußte in dieſer Beziehung die Nieren, die Leber, die Milz, den Magen und den untern Theil des Darmea- nales für direct intakt erklären. Wohl aber zeigte ſich eine Störung der Duodenalverdauung, welche im Zuſammenhange mit dem Sitze der pulſirenden Geſchwulſt das pancreas als dasjenige Organ, welches an der Entartung betheiligt ſei, mit Wahrſcheinlichkeit annehmen ließ. Der Kranke kam am 14. Juni 1847 zu meiner Un— terſuchung und hatte bereits die allgemeinen Erſcheinungen der Hektik. Am 5. Juli änderte ſich der Zuſtand plötzlich in der Weiſe, daß man eine das Leben in der kürzeſten Zeit vernichtende Kataſtrophe erkennen konnte: decomponirtes Geſicht, Schluchzen und Brechneigung, tiefſeufzende Reſpira— tion, kühle Extremitäten, kleiner Puls, Peritonäalſchmerz, Drängen zum Stuhle mit ſparſamer Entleerung, aufgetriebe— ner Leib; legt ſich der Kranke auf die linke Seite, ſo iſt der Ton an der tiefliegenden Stelle des Bauches matt, an der hochliegenden rechten Seite hell reſonirend; läßt man den Kranken ſich auf die rechte Seite legen, bei welcher Bewegung der Schmerz und die Übelkeit ſich vermehren, ſo hat man die umgekehrten Percuſſtonsergebniſſe. Schluchzen, nebſt allen übrigen Erſcheinungen, dauert zwar fort, aber das Erbrechen läßt nach und es ſtellen ſich von Zeit zu Zeit Stühle ein. Es war keine Schwierigkeit hier zu erkennen, daß eine Perforation und hiermit ein Erguß in die Bauchhöhle ge— ſchehen ſei, allein wohl kaum war ein Darmſtück perforirt, die Milz war nicht geborſten, ein Leberabsceß hatte ſich nicht geöffnet. Es blieb nichts anderes übrig als die Annahme, daß ſich entweder ein Absceß, oder eine erweichte fungöſe oder krebſige Entartung in die Bauchhöhle, an irgend einer Stelle das peritonaeum vom Rücken her perforirend, er— goſſen habe. Nach dieſen Vorgängen erfolgte auch in der Kürze (am 9. Juli) der Tod. Section. Die Reſpirationsorgane waren vollkommen geſund. In die Bauchhöhle hatten ſich einige Unzen bluti— ger Jauche ergoſſen und veranlaßten an verſchiedenen Stellen des peritonaeum lebhafte Gefäßinjection. Der tractus in- testinalis war an allen Stellen wegſam. Die kleine Leber und kleine Milz hatten normales Anſehen und keine ab— weichende Conſiſtenz. Rechts unter dem Leberrande ragte eine Geſchwulſt von der Größe einer Fauſt hervor, die Ge— darme bei Seite drängend; ſie war unten von der Niere, links von der Wirbelſäule begrenzt und ließ keinen beſon— dern Zuſammenhang, als den mit der Nierencapſel und nach vorn mit der Peritonäalfalte, und keinen Ausgangspunkt von einem Organe erkennen. Es war ein Medullarſarcom von der Conſiſtenz eines friſchen Handkäſes und von orange— gelber Farbe und zwar von derſelben Farbe, wie man öfters die Nebennieren findet. In derſelben Höhe befand ſich links von der Wirbel— ſäule ebenfalls ein Markſchwamm, an der hintern Grenze 139. VII. 7. 110 orangegelb, nach vorn aber, in die kleine Curvatur des Ma— gens ſich drängend, hinter dem Pförtner weglaufend und an dem concaven Rande des Zwölffingerdarmes endend, bekam er die Farbe und Conſiſtenz des weißen Encephaloi— des. Man ſuchte das pancreas vergebens, denn dasſelbe war augenſcheinlich in dieſe Encephaloidmaſſe verwandelt. Wo der Kopf des panereas ſich zu befinden pflegt, da iſt der Schwamm erweicht und hat feine blutige Jauche in der Nähe des pylorus nach vorn in das cavum abdominis er- goſſen. Dritter Fall. Frau R. L., 54 Jahre alt, Mutter mehrerer Kinder, leidet ſeit 10 Jahren und zwar ſeit dem letzten Wochenbette, in welchem ein Puerperalfieber die An— wendung vielen Queckſilbers nöthig gemacht haben ſoll, an zahlreichen Krankheitserſcheinungen, welche ſich in ihrer Auf— einanderfolge und ihren Reihen folgendermaßen zuſammen— ſtellen laſſen. Zuerſt wurde ſie wochenlang anhaltend von Salivation befallen, welche nach kurzem Ausbleiben wiederkam und ſo wohl anderthalb Jahre die Kranke quälte. Hierauf ſtellten ſich Dauungsbeſchwerden ein. Der Up: petit wurde manch Mal lebhaft, manch Mal verlor er ſich. Drei bis vier Stunden nach dem Eſſen fühlte ſie Unbeha— gen, bisweilen Erbrechen und zwar niemals von Speiſen, ſondern von großen Quantitäten waſſerheller, fadenziehender, bald geſchmackloſer, bald brennend-ſaurer Flüſſigkeit. In der Regel war der Stuhl träge und feſt geballt. Blieb das Waſſererbrechen aus, dann fügte es ſich wohl, daß plötz— lich ohne Schmerz einige wäſſerige Durchfälle ſich einſtellten. Dem Erbrechen des brennend-ſauern Waſſers ſchrieb die Kranke eine in den letzten Jahren ſich einſtellende Em— pfindlichkeit im Schlunde, im Rachen und in der Mundhöhle zu. Im pharynx ſammelte ſich fortwährend zäher Schleim an, deſſen Hervorwürgen von Schmerz begleitet war. Die Mundſchleimhaut, ſehr empfindlich und die Kranke brennend, als ob ſie mit Pfeffer eingerieben ſei, fand man von veſieu— löſen Aphthen bedeckt. Im Juli 1847 unterſuchte ich die Kranke und fand dieſe der Anamneſe enthobenen Erſcheinungen in höherem Grade vor, nur hatte ſich das Waſſererbrechen und die Diarrhöe gänzlich verloren. Die Eßluſt fehlte ſelten, da— gegen ſtellte ſich 3—4 Stunden nach dem Eſſen Schmerz oberhalb des Nabels und großes Unbehagen ein. Man fühlte an der ſchmerzhaften Stelle eine kleine, höckerige Geſchwulſt, welche nach Druck alsbald lebhaft zu puljiren anfing. Im blaſſen Urine iſt ein Bodenſatz, der aus Schleim— körperchen und Epithelienſchüppchen beſteht; er iſt ſauer und hat ein ſchwankendes geringes ſpeeifiſches Gewicht (wiſchen 1,009 und 1,015). Die Kranke ließ viel Harn, allein die Unterſuchung begründete den Verdacht) auf Zuckergehalt keineswegs. Die größten Beſchwerden verurſachen folgende Störun— gen in den Halsorganen: Die Submarillar-Drüſen ſind *) Drurch Bouchardats Behauptung hervorgerufen. Siehe S. 126 unten. 111 hart, knotig, ſchmerzhaft; in der Furche zwiſchen larynx und oesophagus fühlt man ebenfalls ſchmerzhafte, knotig an ein— ander gereihte Indurationen, das Schlingen iſt erſchwert, bisweilen unmöglich und die Verſuche haben heftige Con— ſtriction des pharynx zur Folge; das Athmen iſt erſchwert und von einem vibrirenden Laryngealton begleitet; die ver— änderte, tiefe Halsſtimme verräth einen Druck auf den larynx im geraden Durchmeſſer. Unaufhörlich wurde zäher Schleim hervorgewürgt und Schling- und Athemnoth mußten die Kranke dem Tode entgegenführen, der auch Mitte Novem— ber 1847 erfolgte. Erſt in den letzten 3 Monaten ſtellte ſich anhaltende Pulsfrequenz ein; die Lungen ſchienen intakt zu ſein. Die darniederliegende Nutrition, die ſchmutzigbleiche, lederartige Haut, der anämiſche habitus zeigten ſchon im allgemeinen das Bild einer Desorganiſation in den erſten Dauungswegen. Die in kurzen Umriſſen angegebenen ſpeciellen Krankheits— erſcheinungen gaben der Diagnoſe: „Verhärtung des pan- ereas, Verhärtung der Halsdrüſen und ſkirrhöſe Induration des obern Theiles des oesophagus“ eine große Wahrſchein— lichkeit. Bevor dieſe Blätter zum Druck gelangten und während fie dazu bereit lagen, erhielt ich durch die Güte des mit— behandelnden Arztes, Hrn. Dr. Schumann in Neuſtadt an der Orla den Sectionsbericht (präſ. den 16. Dec. 1847), welchen ich unverändert beifügen will. „Unterleibshöhle. Die Leber, welche einen gro— ßen Theil des Unterleibes ausfüllte und bis ins linke hy- pochondrium reichte, war in ihrem Parenchym normal, der Magen klein und in die Länge gezogen, jo daß die Curva— turen desſelben beinahe verſchwunden waren; die innere Haut desſelben varikös; das duodenum erweitert und mit Gefäßen injieirt; das jejunum normal; das ileum ſeiner ganzen Länge nach verengert, ſo daß es ſelten die Dicke eines kleinen Fin— gers erreichte; das coecum, colon ascendens und kransver— sum normal, das colon descendens aber von der curvatura sinistra dis zum anus um 2/3 verengert.“ „Die Bauchſpeicheldrüſe, welche dem Anſehen nach nor— mal erſchien, war in Kopf und Körper verhärtet, während der Schwanz frei davon war.“ „Die Gebärmutter war etwas vergrößert, vom Halſe bis zum Grunde ſteinhart, ſkirrhös, ſo daß dieſelbe kaum mit dem Meſſer getrennt werden konnte. Das rechte ovarium von der Größe einer welſchen Nuß ſteinhart, das linke we— 139 WI 7. 112 niger groß und hart; an demſelben iſt eine Hydatide von der Größe einer kleinen Nuß.“ „Bruſthöhle. Das Herz klein, mit Fett umgeben, der Herzbeutel enthält etwas Flüſſigkeit. Die rechte Lunge adhärirt an ihrer Spitze und war bis auf eine kleine Ver— härtung im obern Lappen normal. Die linke Lunge war ganz mit dem Bruſtfelle verwachſen; an ihrer obern Spitze eine thalergroße Verhärtung, ein purulentes Fluidum ent— haltend; das übrige Parenchym normal.“ „Nachdem der larynx und pharynx mit der Wurzel der Zunge herausgenommen war, erſchien von der epiglottis an bis an den Rachen eine weiße Maſſe von der Größe eines halben Eies, welche die epiglottis ſelbſt und ſkirrhös degenerirt war. Sie war ſteinhart, ſo daß ſie unbeweglich ſein mußte. Nach dem Rachen zu ging die Maſſe in kä— ſige Erweichung über. Die Speiſeröhre iſt nach unten 3 Zoll weit verengert, auch findet ſich da eine Strictur vor, über welcher ſich die käſige Maſſe angeſammelt hat. Die Luftröhre und die Bronchien waren unverändert.“ (Schluß folgt.) Miſcelle. (10) Uber die Atiologie der in Gebäranſtalten epidemiſchen Puerperalfieber giebt in der Wiener Zeit— ſchrift, Deebr. 1847, Dr. Semelweis einige Bemerkungen. Mit dem ſchädlichen Einfluſſe bekannt, den jauchige und faule Flüſſig⸗ keiten auf ſelbſt unverletzte Körpertheile der mit Leichenöffnungen ſich beſchäftigenden Individuen ausüben, ſchien es ihm recht wohl möglich zu fein, daß in Gebäranſtalten von den Geburtshelfern ſelbſt den Schwangern und Kreißenden der Puerperalproceß einge— impft werde. Um dieſe Anſicht zu erproben, wurde die Einrichtung getroffen, daß jeder, der eine Schwangere unterſuchen wollte, zuvor feine Hände in einer wäſſrigen Chlorkalklöſung waſchen mußte; der Erfolg war überraschend; denn während in den Monaten April und Mai auf 100 Geburten über 18 Todte kamen, ſtarben in den folgenden Monaten bis zum 26. Nov., welche Zeit hindurch die Waſchungen vorgenommen wurden, nur 2,45 vom Hundert. Ferner glaubt Dr. S. nachweiſen zu können, daß 1) durch vernachläſſigtes Waſchen einiger mit Anatomie ſich beſchäftigender Schüler im Mo⸗ nate September mehrere Opfer gefallen ſind; daß 2) im Monate October durch die häufige Unterſuchung einer an verjauchendem Medullarſarkome des uterus leidenden Kreißenden, wonach die Wa— ſchungen nicht beobachtet wurden, ſowie endlich 3) durch ein am Unterſchenkel einer Wochnerin vorhandenes, ein jauchiges Secret lieferndes Geſchwür mehrere von den mit dieſen gleichzeitig Ent— bundenen inficirt wurden. Hiernach kann alſo auch die Übertra— gung jauchiger Erſudate aus lebenden Organismen die veranlaſſende Urſache zum Puerperalproceß abgeben. Bibliographiſche Neuigkeiten. Ein Jahrbuch, gegründet O. Schom⸗ B. Pilz, die seröse Dyskrasie in ihrer Verzweigung dargestellt. gr. 80. Geh. ½ Thlr. Kaulfuss Wwe, Prandel & Comp. in Wien 1846. Th. Jurie, die Pflichten und Rechte der österreich. Ärzte, gr. 80. Geh. 2, Thlr. Kaulfuss Wwe, Prandel & Comp. in Wien 1847. M. Pettenkofer, die Chemie in ihrem Verhältnisse zur Physiologie und Pa- thologie. Festrede u. s. w. gr. 4°. Geh. ½ Thür. In Comm. Franz in München 1848. A. J. Schäffer, Sammlung gerichtsärztlicher Gutachten. gr. 8%. Geh. 2 Thlr. Th. Ch. Fr. Euslin in Berlin 1848. Druck und Verlag des Landes - Induftrie= Gomptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, \ in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 140. (Nr. 8. des VII. Bandes.) Juli 1848. Naturkunde. Barry, über den thieriſchen und vegetabiliſchen Zellkern. — de Vrieſe, über eine Blumenentwickelung an den Ausläufern der Agave americana. — Nieuwenhuis, Beobachtungen über das Wachſen einer Frucht von Cucurbita maxima Duch. — Newport, über die Luftſäcke und die Erweiterungen der Tracheen bei den Inſecten. — Miſcellen. Chapman, neue Art, das Eiſenorydul vor dem Löthrohre vom Oxyde zu unterſcheiden. 9 8 Eine Boa. heiten des pancreas. (Schluß.) — Mijcellen. Pappenheim und Berthelen, über den Verlauf der Nerven in und über die Muskelbündel. — Heilkunde. Bruch, erweichte Faſergeſchwulſt. Rayer, über Oleum filicis maris aethereum. — Bibliographie. Siebert, Krank⸗ Natur kunde. XX. über den thieriſchen und vegetabiliſchen Zellkern. Von Martin Barry. Der den deutſchen Phyſiologen durch feine umfaſſenden Beobachtungen über die Entwicklung des Kanincheneies hin— reichend bekannte Verf. theilt im Edinburgh new philoso- phical journal (Juli bis October 1847) feine Beobachtungen über den Zellkern mit. Das Urtheil über Barry's Be— deutung als Forſcher, hauptſächlich durch Biſchoffs Pole— mik gegen ihn beſtimmt, zeigt ſich in dieſem Aufſatze, in dem er eine neue Zellentheorie aufſtellt, als vollkommen begründet. Wir geben einen genauen Auszug aus dem Terte, der klar und überſichtlich geſchrieben, die genaue Be— kanntſchaft des Verf. mit den deutſchen Arbeiten über Ent— wicklungsgeſchichte anzeigt und ſtets die Sicherheit eines Mannes, der ſeine Theorien auf unzweifelhafte Beobachtun— gen ſtützt, bekundet. Nach dem Verf. iſt das Leben der Zelle eine beſtändige Umwandlung der Kerngebilde in die Membran, und eine beſtändige Wiedererzeugung derſelben in direetem Gegenſatze zu der Angabe Schleidens, daß nach vollſtändiger Ent— wicklung der Zellen der Kern als fremder Körper ent— weder aufgelöſ't werde oder, ohne Reaction hervorzurufen, in der Zellenwand ſtecken bleibe. Vor der Bildung des Protoplasma eriſtirt, nach ihm, ein kleines, durchſichtiges Kügelchen; dieſes wird nicht von einer Membran, die ſich auf ihm bildet, umhüllt, ſondern abſorbirt und aſſtmilirt neue Materie, vergrößert ſich, wird auf der Oberfläche fein granulirt und nun entſteht in ihm ein neues Kernchen, der nucleolus und der ganze Körper iſt jetzt ein Cytoblaft, wie ihn Schleiden definirt. Der äußere Theil erhebt ſich dann in Form einer Membran (dieſe lagert ſich nicht auf No. 2120. — 1020. — 140. ihm ab), der zunächſt folgende Theil giebt den Zellinhalt her und der übrig bleibende Theil wird zum nucleus der Zellen. Dieſer nucleus iſt alſo nicht ein abgeſtorbener und einflußloſer Theil der Zellen, ſondern wird der Sitz eines complicirten Proceſſes. Die primäre Bildungsmaſſe iſt ein glänzendes, durchſcheinendes Körperchen und wird vom Verf. Hyaline genannt. Bei einer Zellbildung ſieht man, nach ihm, zuerſt ein durchſichtiges, nicht ſcharf umgrenztes Kör— perchen, die Hyaline, um welches ſich eine Menge kleiner Körperchen lagert. Dieſe verſchwinden nach und nach, indem an ihrer Stelle eine Membran entſteht und zugleich mar— kirt ſich im Innern ein rundliches Körperchen, der ent— ſtehende nucleolus; das Ganze ift ein beginnender Cytoblaſt, der in feiner äußern Partie körnig wird. Der Cytoblaſt wird größer und in ſeinem Innern um den nucleolus bildet ſich eine zweite Umlagerung von Elementarmaſſe, die in eine Membran übergeht; ſo wird der Cytoblaſt zur Zelle, der nucleolus zum nucleus, der innerſte Theil des jetzigen nu- cleus zum nucleolus, zugleich entſtehen die Zellencontenta und die Membran wird in vielen Fällen durchſichtig. Auf dieſe Weiſe geht der Proceß fort, die Hyaline bildet wieder Membranen und ſcheidet einen innerſten Kern aus, wobei fie oft ein ſternförmiges Anſehen erhält, jeder dieſer Strah— len wird dann der Mittelpunkt eiuer neuen Zellengeneration, die ſich auf dieſelbe Weiſe vervielfältigt (dem engliſchen Terte ſind eine Menge Abbildungen, welche dieſen Vorgang in ſeinen verſchiedenen Stadien vorſtellen, beigegeben). In der ausgebildeten Zelle ſieht man, nach dem Verf., ſelten Spuren der vorhergegangenen Stadien, überhaupt iſt hier der Proceß wegen der unendlichen Kleinheit der Gebilde ſehr ſchwierig zu verfolgen. a Im nucleolus kommt, nach dem Be eine Offnung 115 vor, welche ihn mit dem Außern des Cytoblaſten in Ver: bindung ſetzt und viel zu der Refraction des Lichtes beiträgt, welche an dieſer Stelle bemerkt wird. Die große Bedeut⸗ ſamkeit dieſer Offnung wird, wie der Verf. glaubt, jedem einleuchten. Das Ei mit feinem ovisae (ein früheres Entwicklungs— ſtadium des Graaff'ſchen Bläschens) entſteht, nach dem Verf., aus einer Zelle. Sein wichtigſter Theil iſt das Keim— bläschen oder genauer der Keimfleck. Die erſten Verände⸗ rungen in demſelben entſtehen in der Bruſt, indem ſich das Keimbläschen in concentrifchen Reihen mit Zellen füllt, und ſeine äußere Membran, zerfließend, eine Art Nahrungsſtoff für die nachfolgenden Membranen bildet. In Folge der Befruchtung tritt nun eine Quantität Samenflüſſigkeit in die Central-Hyaline des Keimfleckes ein, und nun entſtehen ſehr bald Umbildungen, die nur für das befruchtete Centrum Bedeutung haben. Die alten Zellen löſen ſich auf und werden durch friſche, im Mittelpunkte entſtandene, Zellen erſetzt. Nachdem dieſe Zellbildung eine Zeitlang gedauert hat, ſpaltet ſich die primäre Hyaline in zwei Theile und giebt ſo unter fortwährender Umbildung in Cytoblaſten und Zellen das Bildungsmaterial für den Embryo her. In der Mitte dieſer Zellen liegt eine größere Zelle des rudimentären Embryos, der ſich auf die genannte Weiſe aus ihr entwickelt. Genau denſelben Proceß beobachtete Barry bei der Entwicklung der Blut- und Eiterkörperchen und der Epi— thelialgebilde. Indem nun alle Zellen von einer Mutterzelle entſpringen und alle Zellenkerne im Organismus auf die— felbe Weiſe durch Spaltung von einem Kerne herrühren, ſo iſt jeder Zellenkern oder Hyaline-Körperchen, nach dem Verf., eine Art von Centrum, welches mehr oder minder die Eigen— ſchaften des erſten Kernes (des Keimflecks im Keimbläs— chen) hat und eine aſſimilirende Kraft beſitzt. Dieſe Be— deutung haben nun alle Kerne in Zellgebilden, ſie ſaugen den Nahrungsſtoff vermittels der genannten Offnung, die, wie bei den Infuſorien, die Stelle des Maules vertritt, auf und ernähren ihre Umgebung. Nur der „urerzeugten, ab— ſorbirenden, aſſimilirenden, bildenden, ſich unendlich theilen— den, ſelbſt vibratoriſchen, ſtets thätigen Hyaline“ verdankt, nach dem Verf., das junge Organ ſeine Eriſtenz. Der Verf. beruft ſich hier auf den jüngeren Goodſir, der ſeine Zellentheorie angenommen und hierauf eine Seere— tionstheorie geſtützt habe, der zufolge die Kerne der Epithe— lialgebilde in den Drüſenſchläuchen die Secretion vermitteln. Auch, wo ein feſter Inhalt in der Zelle iſt, wie in der Pigmentzelle, wird dieſer, nach Barry's Beobachtungen, von der Hyaline ausgebildet, und zwar iſt das Pigment in ſeinem erſten Auftreten dem Blutfarbſtoffe identiſch und roth. Überhaupt hat der Blutfarbſtoff eine große Bedeutung, da alle Zellen von den Blutkörperchen abſtammen; höchſt wahr— ſcheinlich find, nach dem Verf., alle fein granulirten Maſſen im Innern einer thieriſchen Zelle Blutfarbſtoff. Beſtätigungen ſeiner Theorien findet der Verf. in vie— len Arbeiten von Schwann, Valentin, Müller und Bagge. Wenn das Ei der Säugethiere durch die Tuben geht, 140. VII. 8. 116 hat es eine ſo große Ahnlichkeit mit Volvox globator, daß man, nach dem Verf., nicht umhin kann, denſelben Proceß in beiden Gebilden anzunehmen. Höchſt intereſſant iſt das nach ihm für die Anſicht, daß die Eier höher gebildeter Thiere die Formen der niederen Thiere in ihrem Entwick⸗ lungsgange durchlaufen. Die Flimmereylinder entſtehen, nach ihm, nicht durch Zuſammenwachſen, wie Valentin annimmt, ſondern durch Trennung, wie manche Vorticellen. Wenn man die Blutkörperchen eines Thieres etwa 18 bis 48 Stunden nach ſeinem Tode beobachtet, ſo haben ſie eine ausgezackte, ſternförmige Geſtalt angenommen, an den Spitzen der Strahlen bilden ſich Cilien, die Sterne werden beweglich und endlich bildet ſich jeder dieſer Strahlen zu einem Spermatozoon aus. So geht, nach dem Verf., die Entwicklung aller Säugethier-Spermatozoen vor ſich (111). Eben ſo gehen, wenn thieriſche oder vegetabiliſche Organis— men vermodern, die Hyalinekügelchen in der Form von In— fuſorien zu einem neuen unabhängigen Leben über. Der Verf. ſchließt mit dem Hinweiſe auf eine frühere Arbeit, in der er nachgewieſen, daß ſich alle Gewebe aus den Blutkörperchen bilden, deren Hyaline durch die feine Offnung der in den Wänden der Capillaren ſitzenden Zellen— kerne aufgeſogen und darauf weiter verbreitet wird. XXI. Über eine Blumenentwicklung an den Aus⸗ läufern der Agave americana. Von W. H. de Vrieſe. Zu den bis jetzt ihren Urſachen nach noch nicht er— klärten Erſcheinungen im Pflanzenleben gehört nach dem Verf. auch das Auftreten der Blumen, d. h. ſolcher Pflan— zenorgane, die man als veränderte Blätter betrachtet. Nie— mand wird nachweiſen können, warum ſich gerade an der einen Stelle eines Baumes Blüthen entwickeln, während ſich an einer andern gewöhnliche Blätter entfalten. Noch weniger wird man die nächſten Urſachen einer unregelmäßigen Blüthenentwicklung, die zuweilen als Mon— ſtroſität, als gefüllte oder kümmerlich entwickelte Blume auftritt, angeben können, obſchon man über die indirecten Urſachen nicht ſo ganz unwiſſend iſt. So weiß man, daß diejenigen Mittel, welche dem Wachsthume im allgemeinen günſtig find, auch die Entwicklung der Blattknoſpen beför— dern, ſowie alles, was dem normalen Zuftande der Pflanze angemeſſen iſt, auch ſeine Blüthenentwicklung begünſtigt. Zur Erklärung ſolcher Erſcheinungen nehmen einige einen eigenen Lebenszuſtand an, andere machen ſie dagegen von der Aſſimilation abhängig; beide Erklärungen ſind zwar lange nicht ausreichend, und doch darf man dem Grade des Saftreichthumes wohl einigen Einfluß auf die Blüthenent— wicklung zuſchreiben, indem eine geringe Saftzufuhr, die eine langſame Saftbewegung und einen trägeren Stoffwech— ſel bedingt, auch auf die Neubildungen und ihre Organe zurückwirken muß. 117 Zahlreiche Erfahrungen beftätigen die veränderte Be— ſchaffenheit des Saftes der Pflanzen zur Blüthezeit; doch kennt man die wahre Natur dieſer veränderten Beſchaffen— heit weder phyſiſch noch chemiſch nur mit einiger Sicherheit. Der Verf, verknüpft dieſe Betrachtungen mit feinen Beobachtungen über eine im botaniſchen Garten zu Leiden blühende Agave americana. Das Rhizom dieſer Pflanze bildet bekanntlich eine mehr oder minder große Anzahl von Ausläufern, die von der Stammpflanze getrennt, ein ſelbſt— ſtändiges Leben beginnen. Dieſe Ausläufer blühen indeß, ſie mögen mit der Stammpflanze zuſammenbleiben oder von ihr getrennt werden, niemals. Nur diejenigen Individuen, welche zu einer bedeutenden Entwicklung gelangen, zu wel— cher in unſerm Klima und bei unſerer Behandlungsweiſe ein mindeſtens 60 bis 70jähriges Alter nöthig iſt, kommen zur Blüthe. Die in Leiden blühende, vom Verf. beobachtete Agave machte eine merkwürdige, in phyſtologiſcher Beziehung ſehr bedeutſame Ausnahme von dieſer Regel, indem ſich bei ihr auch an einigen Ausläufern und zwar unten am Rhi— zom Blüthen entwickelten. Der größte dieſer noch mit der Mutterpflanze zufam— men hängenden Ausläufer betrug 11 niederländiſche Zoll; der Stengel war unten mit Blättern, oben mit Bracteen, deren Geſtalt den Blättern gleich kam, verſehen, an der Spitze zeigten ſich 4 noch geſchloſſene Blumen von ungleicher Größe, deren Form von den noch nicht geöffneten Blumen, welche der Stengel derſelben Agave getragen hatte, nicht verſchie— den waren. Ob ſich dieſelben öffnen und in allen ihren Theilen normal entwickeln werden, wird ſich erſt ſpäter zei— gen, iſt hier auch unweſentlich, da es dem Verf. nur dar— auf ankommt, das Erſcheinen der Blüthen von Pflanzen— theilen, die ſonſt keine Blumen entwickeln, und deren Ur— ſachen nachzuweiſen. Die erſte Anlage der Blüthen an den Ausläufern zeigte ſich in der letzten Hälfte des Decembers, als der Blüthenſtiel bereits ſeine volle Länge erreicht hatte und ſeine Blume fich entfaltete; erſt nachdem dieſe verwelkt und vertrocknet waren, nahmen die Blüthen der Ausläufer beträchtlich an Größe zu. Der Verf. konnte nirgends eine ähnliche Beobachtung über Agave finden, glaubte aber, daß die von ihm beobach— tete Erſcheinung bei einer gleichen Gewächshauscultur dieſer Pflanze häufiger vorkommen müſſe. Die Reiſenden, welche die Agave in ihrem Vaterlande zu beobachten Gelegenheit hatten, erwähnen nirgends einer ſolchen Blüthenentwicklung; beachtet man noch überdies, daß nur an einer geringen Zahl der übrigens ſehr zahlreichen Ausläufer ſolche Blüthen zum Vorſchein kamen, ſo ſcheint das Vorkommen überhaupt ein abnormes zu ſein. Worauf möchte ſich nun aber dieſes abweichende Verhalten gründen? Der Verf. glaubt dieſe Frage folgendermaßen beantworten zu können: ihm ſcheint dieſelbe auf einer Erſchöpfung und Verarmung der Mutter pflanze, die nach dem Verblühen zwar nicht abſtirbt, aber ſchon ehe die Blumen ſich öffnen, an Friſche verliert, zu beruhen. Der Zuſtand, wo ſich die Blüthen der Spitze des Blüthenſtands öffnen, vergleicht der Verf. mit dem letz— ten Aufflackern der Lebensflamme, der es an Nahrung fehlt. 140. VII. 8. 118 Durch die Entwicklung des Blüthenſtiels ſind die Blätter entkräftet, ſchlaff und niederhängend geworden, ihre fleiſchige Beſchaffenheit iſt geſchwunden; der Schaft ſelbſt iſt holzig geworden; ſelbſt die Wurzel iſt nicht mehr ſo lebensthätig wie zur andern Zeit; die Pflanze zehrt deßhalb von ihren eigenen früher angehäuften Säften und gerade durch den Verbrauch dieſer mehr verarbeiteten Säfte bilden ſich die Blüthen überhaupt. Nun erhält auch das Rhizom in Die- ſem Falle nur eine verhältnißmäßig geringe Nahrung aus dem Boden und ernährt ſich gleichfalls mehr auf Koften des in ſeinen Organen vorhandenen und bereits verarbeiteten Saftes und iſt deßhalb zu einer Blüthenbildung fähig. Der Verf. betrachtet die von ihm gegebene Erklärung nur als eine Vermuthung, bemerkt aber ſehr richtig, daß ſolche Vermuthungen, ſobald fie den Weg der directen Be— obachtung nicht verlaſſen, der Wiſſenſchaft in keiner Weiſe ſchaden können. Ob die Ausläufer, die er von der Mutter— pflanze abgenommen, auch Blüthen entwickeln, kann erſt die Folge lehren. Zwei Monate ſpäter, zu Ende Decembers, war von einer neuen Blüthenentwicklung nichts zu bemerken, die Ausläufer wuchſen ſehr langſam, wie es in dieſer Jah— reszeit kaum anders zu erwarten war. Der Verf. bemerkt noch zum Schluſſe, wie alle Aus— läufer der Agave urſprünglich mit dem Rhizom in unmit⸗ telbarem Zuſammenhange ſtehen, aber ſchon durch eine leiſe Berührung von ſelbigem getrennt werden. (Tijdschrikt voor de wis- en natuurkundige Wetenschappen. Aklevering 3. 1848.) XXII. Beobachtungen über das Wachſen einer Frucht von Cucurbita maxima Duch. Im Monat Auguſt des Jahres 1846 ward eine große Kürbisfrucht von der Geſellſchaft für Ackerbau und Pflanzen— kunde zu Utrecht mit der ſilbernen Medaille gekrönt. Die Frucht ſtammte von einer Varietät der Cucurbita maxima, die in Frankreich als le gros potiron vert bekannt iſt und ward von einem Hrn. Nieuwenhuis eingeſandt, der ihre Samen aus Frankreich mitgebracht, ſie auf ſeinem Gute bei Utrecht gepflanzt und dieſe ungeheure Frucht gezogen hatte. Dem Verf. ſchien eine Beobachtung über das Wachſen des— ſelben ſo intereſſant, daß er von den ihm mitgetheilten Sa— men im folgenden Jahre pflanzte und die Fortſchritte ſeines ſorgfältig behandelten Gewächſes beobachtete. Er berichtet dar— über in der Zten Lieferung der Tijdschrift voor de wis- en natuurkundige Wetenschappen von 1848. Am 26. April 1847 wurden 4 dieſer Samen in einen Treibkaſten gepflanzt, der eigentlich für Melonen beſtimmt war; von 23 kamen 2 Pflänzchen zum Vorſchein, deren eines bald wieder verwelkte; das andere ward bis zum 7. Mai nicht verſetzt, dann aber in einem Breterrahmen aufs Ge— müßeland gepflanzt, deſſen Grund vorher mit einigen Pflan— zenabfällen gedüngt worden. Am 28. Mai ward das Deck— fenſter hinweggenommen, der Rahmen aber gelaſſen. Sie 8 27 119 140. blühte bald darauf, die erften Früchte welkten aber ſchnell dahin. Erſt am 9. Juli ſah der Verf. 3 faſt zu glei— cher Zeit entſtandene Früchte mit faſt unglaublicher Schnel— ligkeit wachſen. Dieſe 3 wurden an der Pflanze gelaſſen, alle ſpäter erſcheinenden aber abgenommen, ſo daß nur dieſe 3 Kürbiſſe zur Reife kamen. Der Verf. war zu Anfang verhindert, ihre Zunahme regelmäßig zu beobachten; vom 1. Auguſt an ſtellte er an der größten von den dreien tägliche Meſſungen an. Der Umfang betrug am 31. Juli 0,75 Ellen = 1. Auguſt 0,85 „ Zu e SE NNH) 777 2983: a0 zT, , — 5% = 1,18 7 =i3 46. willen 284 9 E de = 1,39 „ ee 415 n Une: BLU O, een /, Vom 10. bis 11. war Am 12. Auguſt keine Zunahme bemerkbar. betrug der Umfang 1,525 Ellen 18% We 455 8 4% 10 1,58 „ El) = 760% 6. 63 „ 17 156 „ l eee een Die Farbe der Kürbisfrüchte verwandelte ſich von nun an mehr und mehr in ein helles Graugrün. Die Zeit der Reife ſchien zu nahen, die Zunahme an Größe ward immer unbeträchtlicher; ſo hatte ſich vom 18. bis zum 21. Auguſt der Umfang nur um 0,045 Ellen vermehrt, betrug alſo am 21. Auguſt 1,715 Ellen ER 2A REN : a Fin = 4. September 170 2), 1 = za, Der Verf. hielt die Frucht jetzt für gereift und ftellte deßhalb ſeine Meſſungen ein. Da ſie auf der Erde gelegen hatte, war ſie an einer Seite etwas abgeplattet, ihr Durchmeſſer deßhalb ungleich geworden, der größte Querdurchmeſſer be— trug 0,60 Ellen, der kleinſte 0,52 Ellen, die Höhe 0,33 Ellen. Die Frucht war in der Mitte etwas ſchmäler als an beiden Enden, ſie wog 43 niederländiſche Pfunde. Wie viel der gekrönte Kürbiß gewogen und gemeſſen, konnte der Verf. nicht mehr erfahren Von den beiden andern bis zur Reife gezogenen Früch— ten betrug der größte Durchmeſſer von A von B 0,53 0,46 Ellen der kleinſte Durchmeſſer 0,47 0,42 „ die mittlere Höhe 35% O 3, das Gewicht 37,7 27,7 niederl. Pfund. Der Größen- und Gewichtsunterſchied dieſer 3 inner— halb zweier Monate an einer und derſelben Pflanze gewach— VII. 8. 120 ſenen Früchte war demnach ſehr beträchtlich, aber ſelbſt in Frankreich, wo die Cucurbita maxima acclimatiſirt iſt, ſollen ihre Früchte niemals die Größe der zuerſt genannten des Verf. erreichen. Dort werden aber auch gewöhnlich alle Früchte, die nur wachſen wollen, an der Pflanze gelaſſen, hier aber waren nur 3 gezogen worden, auf dieſe 3 hatte ſich ſomit die ganze Kraft der Pflanze concentrirt. Daß es aber möglich iſt, noch größere Kürbisfrüchte zu ziehen, hat die letzte Ausſtellung von Ackererzeugniſſen zu Utrecht bewie— fen, wo der Verf. eine Frucht der Cucurbita maxima ſah, die in der Gegend von Haarlem gezogen worden, nicht we— niger als 79 @ niederl. Pfunde wog und vom Verf. auf 2,30 Ellen im Umfang geſchätzt ward. Ob ſie allein an einer Pflanze gezogen, oder ob noch mehrere Früchte mit ihr von einer Pflanze ernährt wurden, war leider nicht an— gegeben. So ungeheuer wie die Frucht, eben ſo üppig war auch der Stengel entwickelt. Dieſelbe Pflanze, welche die 3 gro— ßen Früchte trug, war mit Blüthen und Blättern reich be- deckt und hatte zu Ende Septembers eine Länge von 23,7 Ellen erreicht; aus dem rankenden Hauptſtamme kamen 3 Nebenäſte hervor, deren längſter 10,1 Elle, der zweite 8,5 Ellen und der dritte 5,1 Ellen maß. Dieſe Ranken bilde— ten überall in den Blattachſeln neue Sproſſen, alle ſchlugen in größeren Entfernungen Wurzel, die horizontal in die Erde drangen. Im kommenden Jahre gedenkt der Verf. auch das Wachſen der ganzen Pflanze genauer zu verfolgen und ihre tägliche Längenzunahme zu erforſchen. In der geöffneten männlichen Blüthe fand der Verf. überall Bienen, die ſelbſt, wenn man die Blume abſchnitt, ſelbige nicht verließen und in ihr zu wohnen ſchienen. Ein Honigſaft, der namentlich bei hellem Sonnenſchein in ihrem Grunde abgeſondert ward, war es, der dieſe Bienen herbei— lockte. Die Anordnung der Blüthentheile ſelbſt ſchien ihnen den Zugang zu der Honigquelle im Grunde der Blüthe zu öffnen. XXIII. über die Luftſäcke und Tracheenerweite⸗ rungen der Inſecten '). Von G. Newport. Die Zahl und Größe der Luftſäcke iſt bei den Hy— menopteren, Lepidopteren und Dipteren am bedeutendſten; auch bei einigen Neuropteren ſind ſie zahlreich, kleiner und minder zahlreich bei den Ephemeren, Sialiden u. ſ. w.; unter den Coleopteren ſind ſie nur den fliegenden Arten eigen, finden ſich aber niemals bei den ungeflügelten. Bei den Orthopteren kommen ſie nur bei den wandernden Arten vor, die ſpringenden Arten haben ſtatt ihrer Tracheenerwei— terungen; ſämmtlichen Inſectenlarven endlich fehlen die Luft— ſäcke, ſie bilden ſich erſt durch eine Erweiterung der Tra— cheen während der Metamorphoſe zum vollkommenen Inſect, und zwar zu Ende des Larvenſtadiums, wenn die Larve kein *) Eine kurze Bemerkung darüber ſ. Not. Bd. VI, S. 106. 121 Futter mehr zu ſich nimmt. Die allmälige Erweiterung der Tracheen wird bei denjenigen, deren Larven überwintern, im Herbſte unterbrochen und beginnt erſt im Frühlinge von neuem, geht aber bei den nicht überwinternden ununterbro— chen vor ſich. Der Verf. zeigt ferner, daß die Längstracheen des drit— ten und vierten Gliedes der Larven geflügelter Inſecten nach jeder Seite des Segmentes einen kleinen Aſt abgeben, der ſich in zwei Theile theilt, nach außen geht und von einer Falte der neuen Körperbedeckung, die ſich einige Tage vor der Metamorphoſe unter der alten Haut bildet, umhüllt wird. Dieſe Hautfalten erſetzen mit ihren Tracheen die Abdominal— branchien der im Waſſer lebenden Larven und werden ſpäter zum wichtigſten Organe des vollkommnen Inſects, zu den Flügeln. Die Ausdehnung derſelben bei der Metamorphoſe wird hauptſächlich durch die Tracheen, die ſtatt ſich, wie im Körper des Thieres, zu erweitern, der Länge nach ausdeh— nen und ſo dieſen Theilen einen kräftigen Blutſtrom zu— führen, durch welchen die Flügel ernährt und verlängert werden. Das Wachſen der Tracheen ſowohl der Länge als der Breite nach iſt ſomit eine Folge der kräftigeren Reſpi— ration. So leicht nun dieſe Entwicklung zu verfolgen, ſo ſchwierig iſt dennoch der eigentliche Zweck der Luftſäcke ge— nügend zu erklären. Der Verf. nimmt mit John Hunter an, daß fie für eine beliebige Veränderung des ſpeeifiſchen Gewichtes während des Fluges beſtimmt ſind und dadurch wieder auf den Grad der Muskelthätigkeit einwirken. Zur Unterſtützung dieſer Anſicht erinnert der Verf. an die Bla— ſenform der Reſpirationsorgane verſchiedener Wirbelthiere, die namentlich bei den Vögeln ſowohl ihrer Form als grö— ßeren Verbreitung nach mit den Luftorganen der Inſecten die meiſte Ahnlichkeit haben; und wie auch dort bei den— jenigen Vögeln, die ſchwerfälliger oder gar nicht fliegen, dieſe Organe weniger entwickelt ſind. Bei den Inſecten geht dieſe Verſchiedenheit ſo weit, daß, wenn bei einer und derſelben Art das eine Geſchlecht flügellos, das andere aber geflügelt iſt, das erſtere ein— fach baumartig verzweigte Tracheen, das andere Tra— cheen mit Luftſäcken beſitzt, wie dies beim Glühwurme und der Wintermotte (Geometra trumaria) der Fall iſt. Der Miſtkäfer nimmt nach ſeinen Verſuchen, ehe er ſich zum 140. VII. 8. 122 Fliegen anſchickt, mehr Luft in den Körper auf, dieſer ſchwillt an und jetzt erft beginnt er zu fliegen. (The An- nals and magazine of natural history, No. 5. 1848.) Miſeellen. 23. Eine neue Methode, das Eifenorydul ſchon vor dem Löthrohre vom Oryde zu unterſcheiden, ward von E. J. Chapman angegeben. Derſelbe bringt eine kleine Menge des fraglichen Pulvers auf eine durch etwas Kupferoryd uvor hellblau gefärbte Borarperle und läßt auf letztere für einen ugenblick die Reductionsflamme einwirken. War Eifenorydul zugegen, fo wird das Kupferoryd in Orydul verwandelt, und röth— liche Streifen der Flecke durchziehen die erkaltete Perle; war da— gegen nur Eiſenoryd vorhanden, ſo wird die Perle grünlichblau gefärbt, bleibt übrigens klar. Eine gewiſſe Übung iſt jedoch zu dieſem Verſuche erforderlich, da, wenn die Perle der Reductions— flamme zu lange ausgeſetzt wird, ſchon das Kupferoryd, ſelbſt wenn kein Eiſenorydul vorhanden war, Sauerſtoff verliert; übrigens iſt das Verfahren auch für Silicate, die vorher gepulvert worden, vollkommen anwendbar. (Chemical Gazette for March, 1848.) 24. Eine Boa, die ein junges Schwein verſchlungen, ward in einem chineſiſchen Dorfe gefangen, da ſie wohl in den Koben gekommen, aber, nachdem ſie ihre Beute verſchluckt, nicht wieder rückwärts konnte, ſich vielmehr in ein Loch des Kobens feſtgeklemmt hatte. Die Schlange war 12 Fuß 9 Zoll lang, der innere Quer- durchmeſſer ihrer Kinnlade betrug 3½ Zoll, der Umfang des Nackens 9 Zoll und der größte Umfang des Korpers, nachdem das Schwein herausgezogen war, nur 11½ Zoll. Das Schwein war etwa ½ Jahr alt und wog über 50 Pfund, es war ganz wohl erhalten, kein Bein gebrochen, ja kaum ein Haar gekruͤmmt, bei näherer Unterſuchung zeigten ſich jedoch einige Rippen zerdrückt. Ehe das Schwein herausgenommen war, konnte man dasſelbe durch Haut und Muskeln der Boa vollkommen liegen ſehen; die Wandungen des Bauches hatten ſich ſo ſehr gedehnt, daß ſie ſo durchſichtig wie Goldſchlägerhaut geworden waren. (The Journal of the Indian Archipelago and Eastern Asia for Feb. 1848.) 25. Der Verlauf der Nerven in und über die Muskel⸗ bündel läßt ſich nach Pappenheim und Berthélen am beiten durch Anwendung von Salpeterſäure ſichtbar machen, da durch ſie ein eigenthümlicher die Nervenfäden umhüllender Stoff aufgelöſ't wird. Die Verf. beobachteten, wenn ſie einen Muskel, an dem ſchon mit unbewaffnetem Auge der Eintritt eines Nervenſtranges zu ſehen war, unters Mikroſkop brachten, wie der größere Theil dieſes Stoffes der Achſe der Muskelfaſern folgte, während ein anderer bald quer, bald ſchief verlief, aber immer den Nerven beglei— tete. Durch Anwendung der Salpeterſäure erkannte er nun mit Leichtigkeit die einzelnen Faſern der Nerven, deren Dicke unmeßbar iſt und die immer viel dünner und durchſichtiger, als die Primitiv: faſern der Muskelbündel ſind. Auch der kleinſte Muskel beſitzt eine große Anzahl Nervenfäden. (Comptes rendus, No. 11, Mars 13. 1848.) Heil k unde. (XI.) Krankheiten des pancreas. Von Dr. A. Siebert. (Schluß) Vierter Fall. Der Leinweber N. T., 57 J. alt, fand ſich in der Poliklinik allwöchentlich vom März bis Juni 1847 ein. Seine Klage war Schmerz zwiſchen Nabel und proc. ensiformis, der ſich einige Stunden nach dem Eſſen bedeutend ſteigere; dabei erbreche er ohne große Be⸗ ſchwerden, niemals Speiſen, ſondern bedeutende Quantitäten helles, fadenziehendes, ſalziges Waſſer. Der Appetit fehle ſelten und er eſſe ohne Unterſchied, was ihm vorkomme; außerdem incommodire ihn Stuhlverſtopfung, welche oft mehrere Tage anhalte. Der abgemagerte, erdfahle Mann hatte vollkommen reine Zunge, lederartige Haut, ſehr rigide Bauchdecken; tie— fer Druck auf die angegebene Stelle in der Oberbauchgegend verurſacht ſehr lebhaften Schmerz, und man fühlt eine ſtarke Pulſation. 123 Nach mehreren vergeblichen therapeutiſchen Verſuchen gegen dieſes alte Übel (es ſoll mit Unterbrechungen von Wochen und Monaten ſchon 14 Jahre währen) mit Carls— bader Salz — Wismuth — Narcotieis — Aqua regia — erhielt er den Eiſenſalmiak täglich zu 10 Gran. Nach vierwöchentlichem Gebrauche fand er ſich wohlausſehend ein, lediglich um zu danken und unſerer Kunſt einen Panegyri— kus zu halten, denn „er fühle ſich radical curirt.“ Ich habe den Mann ſeitdem nicht mehr geſehen. Fünfter Fall. E. Wagner, 20 Jahre alt, ein ſen— ſibles Mädchen, welches ſeit vielen Monaten wegen Exſuda— tionen in den Gelenken in der ſtationären Klinik plaeirt iſt, bekam im April 1847 eine leichte laryngitis. Dieſelbe war nach Application von einigen Blutegeln und zwei Mer— eurialfrietionen beſeitigt. Am andern Morgen ſtellte ſich Druck in den fauces und Schmerz der Ohrſpeicheldrüſe ein und denſelben Nach— mittag plötzlich, ohne vorausgegangene Dauungsſtörung, Erbrechen von großer Quantität waſſerheller, fadenziehender, indifferent ſchmeckender Flüſſigkeit mit ſchmerzhaftem Gefühle in der Oberbauchgegend. Dieſe Slüfjigfeit reagirte neutral und coagulirte beim Kochen in zahlreichen Flocken und Fäden. In der ſchmerzhaften Oberbauchgegend fühlt man ein ſehr ſtarles Pulſiren. Den folgenden Tag ſtellten ſich ſchmerzloſe, wäſſerige Diarrhöen ein, womit das Waſſererbrechen, der Schmerz in der Oberbauchgegend verſchwand und das Pulſiren ſich minderte. Nach einigen Tagen trat endlich Sialorrhöe der Mund— ſpeicheldrüſen ein, womit die der Bauchſpeicheldrüſe been— digt war. Es wird kein Praktiker zweifeln, daß zwei einzige Ein— reibungen von Unguentum neapolitanum im Stande ſein können, dieſe lebhafte Mercurialerſcheinung hervorzurufen. Sechster Fall. Die 40jährige Bauersfrau Eiſen— ſchmied ließ ſich am 30. Januar 1847 wegen Schmerz in der Oberbauchgegend und Dauungsſtörungen im Kranken— hauſe aufnehmen. Es war ein anämiſch ausſehendes, etwas abgemagertes Individuum mit normaler Circulation und Reſpiration. In der Mundhöhle, an deren blaſſer Schleimhaut nichts abnormes wahrgenommen wird, bemerkt man Speichelarmuth, was ein Gefühl von Trockenheit und ſchmerzhaftem Brennen verurſacht. Der Appetit iſt wechſelnd, niemals ganz feh— lend, niemals lebhaft. Das genoſſene wird nicht erbrochen, dagegen häufig einige Stunden nach dem Eſſen unter leich— ten Vomituritionen eine geringe Quantität geſchmackloſes Waſſer heraufgehoben. Der Stuhl iſt träge und hart, die Kranke ſehr niedergeſchlagen, freudlos und verbringt ihre Zeit in ſich gekehrt und unthätig. Zwiſchen Nabel und unterm Rande des linken Leber— lappens giebt ſich bei tiefem Druck eine ſchmerzhafte Stelle kund. Die Bauchdecken ſind ſehr weich und ſomit iſt die Unterſuchung ſehr erleichtert. Man wird überraſcht durch die ſtarke Pulſation an der genannten Stelle. Seitlich da— 140. VII. 8. 124 von die Fingerſpitzen beider Hände tief eindrückend wird man auch die ſeitliche Pulſation gewahr. Auch in der Knie— Ellenbogenlage verliert ſich die Pulſation nicht. Mit tief eingedrücktem Stethoſkope vernimmt man bei irritirter aorta einen leicht ſtöhnenden Arterienton. Da man ohne Mühe die aorta fühlen konnte, jo konnte es auch nicht entgehen, daß trotz der auf die kurze Strecke beſchränkten Pulſation ſich keine ſackartige Erweiterung, auch keine pflaumenförmige Anſchwellung vorfinde, daß ferner auf der aorta trausverſal eine mäßig harte, etwa zollhohe Geſchwulſt nach links hin verlaufe. N Man hielt das Übel für Induration des Kopfes des pancreas und glaubte weiter ſchließen zu können, daß die entzündliche Anſchwellung nicht von vermehrter Seeretion dieſes Organes, ſondern vielmehr von verminderter oder auf— gehobener begleitet ſei, indem man das erbrochene Waſſer keineswegs als panereatiſche Sialorrhöe, ſondern als Seere— tionsanomalie des Magens, welche alle Anomalien des pan- ereas zu begleiten pflegt, beurtheilte. Auch fehlten die zeit— weiſe eintretenden ſchmerzloſen wäſſerigen Durchfälle, welche vermehrte Secretion des panereas zu bezeichnen pflegen. Eben jo ſcheint die Verminderung der ſeeretoriſchen Thätig— keit der Mundſpeicheldrüſen damit zu harmoniren, wie man im Gegenſatze hiezu findet, daß bei perverſer Abſonderung der Bauchſpeicheldrüſe der Mundſpeichel gleichzeitig ſich ver— mehrt, oder daß wenigſtens ſeine Vermehrung mit jener alternirt. Als ein Mittel, um die Diagnoſe von Aortengeſchwulſt zu ſichern, ſchlug man mehrere Tage Eis auf die Ober— bauchgegend, was der Kranken nicht unangenehm war und das Klopfen bedeutend ermäßigte, einige Male auf das Mi— nimum reducirte. Leberthran leiſtete nichts gegen das Übel, eben ſo das Carlsbader Salz. Chlor brachte auf kurze Zeit beſſere Ver— dauung zuwege. Anhaltendere Beſſerung folgte auf Eiſen— ſalmiak, neben welchem man die Kämpfiſchen Viſceralklyſtire gebrauchen ließ. Dieſe erkleckliche Beſſerung, mit der ſogar lebhafter Appetit, blühenderes Ausſehen, einiger Frohſinn und Luft zur Beſchäftigung wiederkehrten, beſtimmte (am 22. März 1847) die Kranke, in ihre Heimath in den Kreis ihrer Familie zu gehen. Dieſe 6 Fälle, bei denen neben den poſitiven Zeichen vorzüglich die diagnoſtiſche Methode der Exeluſion eine An— nahme von Erkrankung des pancreas rechtfertigte, wurden aus mehreren Fällen für dieſe Darſtellung abſichtlich aus— gewählt, da die übrigen in Geſellſchaft mit Magenleiden, mit Leiden der übrigen, den Dauungsorganen anneren Drü— fen, dann mit der neuropathia coeliaca vorkamen, — Um: ſtände, welche das Bild in der Art trübten, daß die Sym— ptomatologie der Pankreaskrankheiten nur wenig gewinnen kann. Aber auch auf dieſe Weiſe iſt die Bereicherung nicht groß. Sie mag in folgendem beſtehen: 125 1) Der Schmerz, den das leidende pancreas erregt, wird in der Tiefe des Oberbauchs, etwas unterhalb des Magens, zwiſchen Nabel und Leberrand empfunden. Hier iſt er firirt, oder offenbart ſich wenigſtens beſtimmt bei Gracerbation des Übels und wird ſtets durch Druck vermehrt. Er ſtrahlt aber auch aus, und zwar in ſehr unbeſtimmten Richtungen: nach der rechten Bruſt zu — nach der linken Bruſt gerade aufwärts — nach dem Rücken. Die ſubjectiven Angaben in Betreff des Schmerzes ſind ſtets undeutlich und unbeſtimmt; die Unterſuchung und der angewandte Druck ſetzen aber hierüber ins klare. 2) Die pancreatiſchen Leiden beeinträchtigen ſtets die Verdauung, doch niemals in der Art und in dem Grade wie Magenkrankheiten, niemals in der Art wie Milz- und Leberkrankheiten. Größtentheils beſteht der Appetit fort; die Zunge iſt nicht belegt, der Geſchmack nicht alienirt und was für fremdartige Senſationen und Seeretionsanomalien ſich vorfinden, dieſe betreffen die Speicheldrüſen, welche in die Mundhöhle münden. Die erſte Verdauungsperiode iſt unbehindert, die Speiſen werden niemals ausgeworfen; nur die Duodenalserdauung iſt von Beſchwerden — Unbehagen, Schmerz, brennendem Aufſteigen, panereatiſcher Sialorrhöe — begleitet. Größtentheils iſt der Stuhl zwar retardirt, die Darmcontenta ſind hart und werden ſchwer fortbewegt, aber es ergeben ſich Zwiſchenfälle von plötzlicher, ſchmerzloſer, wäſſriger Diarrhöe, welche es wahrſcheinlich machen, daß eine vermehrte Seeretion des pancreas dieſe Ausleerung nach abwärts veranlaſſe. 3) Die beſtimmte Nachweiſung, ob pancreatifcher Saft durch Erbrechen entleert worden ſei, iſt ungemein ſchwer, größtentheils unmöglich, denn ein Mal vermiſchen ſich die Magenſecrete damit, und dann find die Kennzeichen desſelben nicht ſo ſicher, daß man ihn mit Gewißheit als ſolchen charakteriſiren könnte. Eigenthümlich iſt der Umſtand, daß das pankreatiſche Waſſererbrechen nicht wie jenes von Seeretionsanomalie des Magens (Cardialgie, gastritis chronica, Skirrhus) des Mor— gens bei nüchternem Magen einzutreten pflegt, ſondern alle Mal, wenn das panereas in voller Thätigkeit iſt — einige Stunden nach dem Eſſen. Eigenthümlich iſt ferner die Senſation im oesophagus und in der Mundhöhle, das Gefühl von brennendem Auf— ſteigen und die verhältnißmäßig geringe Anſtrengung, mit der das Waſſer entleert wird. Dieſer letztere ſchwer zu er— klärende Umſtand wird aber gerade in den Fällen beobach— tet, welche man als pancreatiſche Sialorrhöe bezeichnen kann. Treffen nun alle dieſe Zeichen und die entſprechenden Ergebniſſe der Unterſuchung des Oberbauches zuſammen, und findet man, daß die entleerte Flüſſigkeit eine große Menge Eiweiß enthält, ſo darf man ſich wohl zur Annahme berechtigt halten, daß man es mit Pankreasflüſſigkeit und nicht lediglich mit Magenſaft zu thun habe. 40 Ich kann nicht ſagen, was und wie viel der pan— creatiſche Saft zur Scheidung des Chymus in chylöſe und exerementielle Stoffe beiträgt, aber daß er hierzu nothwen— dig ſein muß, das beweiſ't die in Störung der Aſſimilation 140. VII. 8. 126 begründete Abmagerung (bei ganz gutem Aliment), die über kurz oder lang eintretende Anämie, die Störung in dem uns tern Theile des Darmeanales und zwar in geringerem Grade bei quantitativer Vermehrung der pancreatiſchen Seeretion, in bei weitem höherem Grade bei Verminderung oder Ver: nichtung derſelben. In den oben beſchriebenen 6 Fällen von Pankreas— Leiden fand man keine Spur diabetiſchen Harnes. In neu— ſter Zeit (Dec. 1847) haben ſich zwei Diabeteskranke ein— gefunden, bei welchen kein einziges Symptom die Annahme einer Pankreasſtörung rechtfertigte. Ich bin deßhalb außer Stand geſetzt, der Annahme son Bouchardat eine be— kräftigende Beobachtung hinzuzufügen. Nach B. beſteht nämlich die Glykosurie in einer krankhaften Verdauung der ſtärkemehligen Stoffe. „Statt daß dieſelben, wie beim ge— ſunden Menſchen, durch die Einwirkung des Pankreasſaftes in dem Darmcanale aufgelöſ't werden, geſchieht dies im Magen, deſſen Saft alsdann Diaſtaſe enthält.“ 5) In drei der erzählten Fälle mußte dem Queckſilber— gebrauch die Veranlaſſung zur Krankheit zugeſchrieben wer— den, und es ſtimmt dieſe Beobachtung mit denen von Zel— ler, Harleß, Frank, Reil, Wedekind überein ). In zwei andern Fällen war nichts als das fehlerhafte Aliment verantwortlich zu machen. In einem Falle (ſ. zweiter Fall) war die Entartung des panereas in einen um ſich greifen— den Markſchwamm hineingezogen, von dem nicht behauptet werden kann, daß er von dem pancreas ausging, zumal ſich noch ein größerer Markſchwamm rechts von der Wirbelſäule vorfand, welche beide man zu Lobſteins tumeurs dis- simulaires rechnen muß; obwohl man hier deſſen Behaup— tung, daß das pancreas, auch wenn es von dieſen Geſchwü— ſten umfangen würde, im Vergleich mit andern Organen am längſten unverändert bleibe, nicht beipflichten kann. 6) In keinem der 6 Fälle fehlte die Pulſation in der Oberbauchgegend. Sie vermehrte ſich beim Druck, ſomit bei Reizung des Organes; ſie war manch Mal ſicht— bar und ließ in einem Falle das Arteriengeräuſch hören. Die Pulſation vermehrt ſich mit Zunahme derjenigen Er— ſcheinungen, welche ich als pancreatifche bezeichnet habe, und vermindert ſich nach und nach, je näher der Kranke der Ge— neſung entgegengeht. Bei dem 2ten und Zten Falle, in welchen die Autopſie die Entartung des pancreas conſtatirte, und im Gten Falle, bei welchem dieſelbe höchſt wahrſchein— lich iſt, blieb die Pulſation ſtets unverändert dieſelbe, nur vermehrte ſie ſich beim Druck der Gegend und während der Verdauung. Dieſe Thatſache harmonirt mit den Beobachtungen von Suche, W. J. Schmitt, Störk und Winkel, und ſie hat in ſemiotiſcher Beziehung einen doppelten Werth. ) Im Krankenhauſe wurde bei zwei Reconvaleſcenten von Typhus ein deutliches Pankreasleiden bemerkt, beftehend in Anſchwellung, Pulſatlon und den öfter angegebenen in eien und 5 ohne daß eine parotitis vorausgegangen wäre, in welchem Falle Andral und Sewall vie pancrea- Mit einen debe Bar een U e e Fe Kuna ame ilz ei 0 als den normalen hatte, fa auch das panereas die normalen Oihnenfionen überſchreitend, röthlich gefärbt und von harter Conſiſtenz. 127 In Anbetracht der außerordentlich ſeltenen Fälle der Aorten— geſchwülſte, in Anbetracht der häufigen abnormen Innervation dieſes Theiles der aorta bei Inteſtinalfiebern, bei Spinal— irritation und Hyperäſtheſie im Bereiche des ſympathiſchen Nerven, wird dieſes Symptom richtiger gewürdigt werden, wenn kein Grund vorhanden iſt, eine Störung der In— tegrität des panereas anzunehmen; dagegen bleibt es ein poſitives und, ich möchte ſagen, pathognomoniſches Sym— ptom für Pankreasleiden, wenn die übrigen einſchlägigen Zeichen damit harmoniren, und es ſteht weder ein anatomi— ſcher noch phyſtologiſcher Grund im Wege, die Pulſation bei Reizung des pancreas ganz natürlich zu finden, gerade wie man eine entzündete parotis oder ein struma vasculosa pulſiren fühlt; denn das panereas iſt von zahlreichen und ſtarken Arterien verſorgt; ſein Kopf ruht auf der aorta, und wohl derſelbe Nervenplerus verſorgt dieſen Theil der aorta und das pancreas. Wenn man Claeſſens ſchöne Monographie über das pancreas zur Hand nimmt, jo werden ſich in meinen erzählten Fällen die meiſten der die Pankreaskrankheiten charakteriſirenden Symptome wiederfinden, z. B. die Pulſa— tion in der Oberbauchgegend — die Senſation im oeso- phagus — die Art der panereatiſchen Sialorrhöe — das Brennen auf der Mundſchleimhaut und die Seeretionsano— malie der Mundſpeicheldrüſen — die Anomalie des Appe— tits — die Art des Erbrechens — die geſtörte Function des untern Theiles des Darmeanales — der Mangel an Gefäßreaction — die verzagte melancholiſche Stimmung — die Abmagerung und Anämie und ſelbſt die Pollutionen bei jüngeren männlichen Individuen. Miſcellen. (11) Erweichte Faſergeſchwulſt. Ein Fall, der nes ben dem beſonderen Intereſſe geeignet iſt, vor den Irrthümern zu warnen, in die man durch eine einſeitige Auffaſſung einzelner Er— ſcheinungen, namentlich ohne Berückſichtigung der feineren Stru— ctur, verfallen kann. — Georg Sch., 54 Jahre alt, Bauer, bes merkte vor 20 Jahren an ſeiner rechten Hinterbacke eine kleine Geſchwulſt, welche ſich allmälig vergrößerte, aber nie Schmerzen verurſachte und ſtets unter der vollkommen geſunden Haut verſchieb— bar war. Vor einem Vierteljahre erſt ſtellten ſich Schmerzen ein, und etwa erſt acht Wochen vor der Gritirpation, die am 13. April 1847 in der chirurgiſchen Klinik vorgenommen wurde, war ſie auf— gebrochen. — Die etwa fauſtgroße kugelige Geſchwulſt, die ver— ſchiebbar unter dem rechten Sitzknorren herabgehangen hatte, war, einige oberflächliche Geſchwürflächen abgerechnet, mit unveränderter Haut bekleidet. Beim Einſchneiden fand ſich eine unregelmäßige centrale Höhle mit unebenen, ſchmutzigen Wänden, von denen eine dünne, übel riechende Flüſſigkeit abgeſondert wurde, begrenzt von 140. VII. 8. 128 einem compacten, weißlichen, knirſchenden Gewebe, in welchem ſich undeutliche grobe Faſerzüge bemerken ließen. Im erſten Momente glaubte ich die Frage von der centralen Erweichung der Krebſe entſchieden, bis ich einen breiten, ſpaltförmigen Fiſtelgang entdeckte, durch welchen die Caverne mit der oberflächlichen Geſchwürfläche communieirte. Hatte mich ferner ſchon die Trockenheit des After— gewebes bei ſeiner faſt knorpeligen Härte in der Diagnoſe auf Krebs irre gemacht, fo zeigte die mifroffopifche Unterſuchung auch überall nur dasſelbe unreife Faſergewebe, mit länglichen Kernen in einem geſtreiften, ſtarren Blaſteme, an andern Stellen auch in mehrfacher Richtung ſich durchkreuzende Faſerzüge, daher man auf Durchſchnitten immer Längs- und Querſchnitte von Faſern bekam. Nirgends eine Spur von Zellen. Auf den Geſchwürflächen gewöhn— licher Eiter. Ich hatte demnach nur eine reine Faſergeſchwulſt vor mir, die vermöge des eigenthümlichen Sitzes und der Inſulten, denen fie ausgeſetzt fein mußte, endlich ulcerirte und, vielleicht nur durch mechaniſchen Druck zerklüftete, womit auch die Anamnefe uͤbereinſtimmte, nach welcher ſich die Geſchwulſt aus einer degene— rirten Balggeſchwulſt entwickelt haben ſollte. Ich bin überzeugt, daß Patient, der längs geheilt entlaſſen iſt, dauernd geheilt fein wird, und werde, im Falle ich das Gegentheil in Erfahrung bringen ſollte, meinen Irrthum anzuzeigen nicht ermangeln. (Dr. C. Bruch in Henles und Pfeufers Zeitſchr. f. rat. Med. VII. 1. S. 56.) (12) Über Oleum filicis maris aethereum, wel⸗ ches Rayer neuerdings ſtatt der allgemein üblichen Granat⸗ rinde mit Erfolg gegen taenia anwendet. Er giebt 72 Tropfen in 16 Pillen, welche er mit Pulv. rad. ſilic. mar. bereiten läßt; 8 davon werden Abends, 8 am andern Morgen genommen, und wei Stunden nach der letztern Gabe 1 Unze Ol. rieini. Er bedient ſich des von Peſchier in Genf aus den Schößlingen der Pflanze gewonnenen Oles, da ihn das Pariſer, aus der Wurzel bereitete, öfters im Stich ließ, während durch jenes der Wurm ſtets voll— ſtändig und ohne alle üble Zufälle abgetrieben wurde. Die Art und Weiſe, wie die Wurmmittel zur Abtreibung der taenia bei⸗ tragen, ſcheint doppelt zu ſein: theils wird der Wurm vergiftet, theils der Darmeanal zu einer vermehrten Schleimabſonderung angeregt und zu Contractionen veranlaßt, welche den Wurm beun⸗ ruhigen. Die Vergiftung desſelben kann direct durch das Mittel ſelbſt, oder indirect durch die dadurch modificirte Schleimabſonde— rung geſchehen. Die Granatwurzel-Abkochung wird dies nur auf dem zweiten Wege vermögen, da ſie nicht bis zu dem Sitze des Wurmes ſelbſt vordringen kann, während die öligen Mittel und die Pulverformen bis in das Intestinum tenue, wo der Wurm ſitzt, gelangen. Die Verbindung des Ols mit dem Pulver in Pillenform dürfte daher zur Tödtung des Wurmes am geeignetſten ſein. Da nach der allgemeinen Annahme der Wurm ſtirbt, ehe er abgeht, ſo kann man nur dann den Wurm als getödtet anſehen, wenn er in kleinen Stücken zuſammengeballt abgeht. Der vollſtändige Abs gang wird oft dadurch erſchwert, wenn der Wurm ſich ſehr zu= ſammenzieht, wenn er weit entfernt vom Magen ſitzt, wo das Me⸗ dicament ſchwächer auf ihn direct wirken kann, wenn er jung, langhalſig iſt. Die alten, breiten, langen Bandwürmer gehen am leichteſten ab. Wenn einzelne Glieder ſpontan abgehen, ſo ſind dieſe immer vom Schwanzende und dienen zum Beweis, daß der Wurm nahe am Intestinum crassum fißt und ſchon ſehr entwickelt ift: für die Behandlung ſtets ein günſtiger Umſtand. (Schmidts Jahrb. der in- u. ausl. Med., Jahrg. 1848, No. 5, S. 162, nach Ann, de ther., Mai 1847.) Bibliographiſche Neuigkeiten. 9. G. L. Reichenbach, Deutſchlands Flora. Wohlfeile Ausg. halbeolor. II. Serie. Thalamanthae. 46.— 49. Lief. Lex. 8° In Umſchlag 16 Sgr. Hofmeiſters Buchhandlung in Leipzig 1848. Brunot, Anatomie des Pferdes. 2. 115 1. u. 2. Hft. qu. Fol. In Um- schlag 3 ¾ Thlr. Veith in Carlsruhe 1848. E. Sileſtus, Anfangsgründe der Pſychologie für die nicht ſtudirende Ju- gend. gr. 120. Geh. 2 Thlr. Gerolds Verlag in Wien 1848. Müllers Physiology. — Recent Advances in the Physiology of Motion, the Senses, Generation, and Development. By William Baly, and William Senhouse Kirkes. Being a Supplement to the Second Volume of Prof. Müllers „Elements of Physiology.“ 8. (pp. 136, cloth, 5 sh. 6d.) London 1848. Gray's Supplement to the Pharmacopoeia. By Theophilus Redwood. 2d edition. 8°. (pp. 1080, cloth, 22 sh.) London 1848. Druck und Verlag des Landes ⸗Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 141. (Nr. 9. des VII. Bandes.) Juli 1848. Naturkunde. Brants, über den Aufenthalt der Fliegenmaden im Körper der Raupen. — van Beek, über die Anwendung des elektriſchen Funkens bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung ſich ſchnell bewegender Körper. — ſteine. — Miſcellen. N Miſcellen. einer neuen Species . des oberen Lias in der Nähe von Cheltenham. — Heilkunde. d Reinſch, giftige Wirkungen des Sauerampfers. Virchow, über acute Arterienentzündung. — Bibliographie. Dawes, Structur der Calamiten. Entdeckung einer Stechfliege und Melicher, die Effecte des Galvanismus auf Harn— Naturkunde. XXIV. über den Aufenthalt der Fliegenmaden im Körper der Raupen. Von A. Brants. Den Schaden, den die großen Raupen von Trachea piniperda in den Nadelholzwäldern der Provinzen Gelder— land und Utrecht veranlaßten, gab zur Unterſuchung des Verf. die erſte Veranlaſſung; wir entnehmen ſeine Ar: beit der Aten Lieferung der Tijdschrift voor wis- en na- tuurkundige Wetenschappen von 1848. Die nicht immer vorhandene günſtige Gelegenheit mag, wie der Verfaſſer glaubt, Schuld fein, daß bis jetzt noch keine directe Beobachtungen über das Verhalten der Fliegen— maden zu den Raupen, in denen wir ſie finden, gemacht ſind, wogegen ein ähnliches Verhalten der Schlupfweſpen von Ratzeburg ſorgfältig beobachtet iſt. In demſelben Jahre wie der Verf. machte auch H. Verloren dieſelben Beob— achtungen und gelangte faſt zu denſelben Reſultaten. Nr. 37 der algemeenen Konst - en Letterbode von 1846 enthält einen Auszug ſeiner Arbeit. Zwei Fragen ſind es, die ſich hier zunächſt aufdringen; wie ernährt ſich der Paraſit im Körper des andern Thieres, und wie athmet er? Bur meiſter ſagt in feiner allgemeinen Entomologie, daß die Larven der Schlupfweſpen, die im Körper anderer durch Tracheen athmender Thiere leben, wahrſcheinlich eine der Tracheen dieſes Thieres verletzen und deſſen Luft ver— brauchen. Die Fliegenmaden, die ſich unter ähnlichen Ver— hältniſſen entwickeln, übergeht er mit Stillſchweigen. Dem Verf. ſcheint eine ſolche Annahme durchaus un— begründet, denn ſoll durch die Ernährung der Larve im Körper der Raupe der großartige Zweck der Natur, eine unfehlbare Vertilgung der Raupen erreicht werden, ſo muß No. 2121 — 1021. — 141. die Larve in ihnen eine dauernde Nahrungsquelle und einen ſichern Winteraufenthalt finden, um ſich im Frühjahr zum vollkommnen Inſect entwickeln und ſich durch Begattung vermehren zu können; dies kann aber nur geſchehen, wenn auch die Raupe ſo lange mit allen ihren Lebensverrichtun— gen fortdauert, bis die Larve ihre Entwicklung vollendet hat. Dazu wird aber verlangt, daß der Paraſit das Thier, welches er bewohnt, in keiner Weiſe in ſeinen Lebensver— richtungen ſtört, eine Verletzung der Tracheen, wie ſie Bur— meiſter annimmt, müßte aber unfehlbar den Tod der Raupe herbeiführen und unmittelbar durch denſelben auch die ihr innewohnende Larse vernichten. Eben jo wenig kann ſich der Paraſit vom Fette der Raupe nähren; denn obſchon man weiß, daß dieſe Paraſiten nicht mit einem Freßapparate verſehen ſind, ſondern die ſie ernährenden Stoffe einſaugen, ſo bleibt doch die Art und Weiſe, wie ſie ſich nähren, ohne die zum Leben des andern Thieres noth— wendigen Organe zu verletzen, dunkeke Der Paraſit muß aber ſowohl Nahrung als Luft zum Athmen haben. Ratze— burg hat durch fleißige Unterſuchungen über das Leben der Schlupfweſpen weſentlich zur Beleuchtung dieſer Punkte bei— getragen; nach ihm liegen die Larven der Schlupfweſpe nicht frei zwiſchen den Organen der Raupe, ſind vielmehr von einer Blaſe umſchloſſen; Verloren hat dieſelbe Blaſe auch bei andern Paraſiten gefunden. Die wichtigſte Entdeckung Ratzeburgs iſt, daß die Tracheen der Larve erſt ſpäter entſtehen, in der erſten Lebensperiode der Paraſiten aber gänzlich fehlen, daß ſie mithin auf eine andere Weiſe ath— men müſſen. Später entwickeln ſich nach ihm allerdings Tracheen; wie dieſe aber mit der atmoſphäriſchen Luft in Verbindung treten, iſt zur Zeit noch unbekannt. Bei den Fliegenmaden verhält ſich die Sache noch an— ders: bei ihnen kennt man keine ſo weſentlichen Organver— 9 131 änderungen während ihres Larbenzuſtandes, die Made be— ſitzt vom erſten Augenblicke ihres Daſeins an wohl ent— wickelte Reſpirationsorgane; hier ein Leben ohne atmoſphä— riſche Luft anzunehmen, würde alſo eben ſo ungereimt, wie die Vorſtellung von einer Verletzung des Reſpirationsorgans der Raupe und eines Athmens auf Koſten der letztern ſein. Der Verf. geht nun zu ſeinen eigenen Beobachtungen über und beſchäftigt ſich zunächſt mit der Ernährung der Made. Die Raupen haben nach ihm etwa ½ ihrer vollen Länge erreicht, wenn die verſchiedenen Fliegenarten, die faſt alle zum genus Tachina gehören, ihre Eier auf ſie legen. Später findet man ſtatt der Eier junge Maden im Körper der Raupe, hier bleiben fie, bis ſich die Raupe verpuppt, zur ſelben Zeit ſind auch die Maden völlig ausgewachſen und verpuppen ſich gleichfalls und zwar im Innern der Raupe. Die Raupen müſſen demnach noch eine längere Zeit wachſen und zunehmen, ihren Gäſten Nahrung und Raum ſich zu entwickeln geben und nicht früher von ihnen ausgeſogen ſein, als bis ihr Gaſt ſelbſt in den Zuſtand der Puppe übergeht. An ein Leerfreſſen der Raupe durch die Made iſt nicht zu denken. Ratzeburg ſagt zwar, daß die Fliegenmaden frei in der Raupe umherkriechen und ſie im Innern auffreſſen; der Verf., der mehr als 100 ſolcher Raupen öffnete, hat davon nie etwas geſehen. Verloren ſah die Larve von Tachina glabrata in einer Blaſe liegen und erſt in den letzten Tagen ihres Larvenlebens frei umher kriechen. Der Verf. hat ſämmtliche Dipterenlarven in einer Blaſe gefunden, in der ſie auch noch als Puppe lagen. Wenn man die lebende Raupe öffnet, ſo wird die Blaſe faſt immer zerſtört, ſelbſt wenn man ſie vorher durch Alkohol tödtet, noch häufig verletzt und dadurch mag die Angabe Ratzeburgs entſtanden ſein, wogegen der Verf. nicht nur jederzeit die Blaſe und in ihr die Larve, ſondern auch ſämmt— liche Organe der Raupe in unverſehrtem Zuſtande, Fett aber nur fern von der Gegend, wo die Made lag, antraf. Nun hat ſchon Schröder van der Kolk gezeigt, daß Fliegenmaden, obgleich ſie mit mächtigeren Freßwerk— zeugen verſehen ſind, demnach von ihnen keinen zerſtörenden Gebrauch machen, ſich vielmehr von Flüſſigkeiten nähren: Ratzeburg beſtätigt dieſe Angaben, darnach wird es nun wahrſcheinlich, daß die Maden von den Säften, welche die Raupe zur Entwicklung ihrer eigenen Organe bereitet, lebt und diejenigen Stoffe abſorbirt, welche eine Raupe im nor— malen Zuſtande in ihrem Innern anhäuft, um ſie zu ihrer ſpäteren Metamorphoſe zu benutzen. Die Blaſe, in welcher die Made liegt, erhält ſomit durch Endoſmoſe die nährende Flüſſigkeit und entzieht dieſelbe der Raupe, ohne ihren Or— ganen in irgend einer andern Weiſe als durch Entziehung der Nahrungsflüſſigkeit zu ſchaden. Obſchon nun dieſe Entziehung den ſpätern Tod der Raupe nach ſich zieht, ſchadet ſie doch zu Anfang den Lebensverrichtungen des Thie— res nicht und tödtet es nur durch Entkräftung, welche eine Metamorphoſe zum vollkommenen Inſecte unmöglich macht. Der Verf. verfolgte die Entſtehung der erwähnten Blaſe, die von ihm wahrſcheinlich zuerft geſehen, von Verloren indeß zuerſt beſchrieben ward. 141. vil. 9. 132 Wie zu Ende Juni 1845 die erſte Nachricht von der Raupenvermehrung zu des Verf. Ohren kam, ſuchte er nach ihnen und fand ſie in einem von Erdwällen umgebenen Tannenholze bei Arnhem zu Millionen und zwar meiſtens im ausgewachſenen Zuſtande. Eben ſo zahlreich wie die Raupe war aber auch die Menge ihrer Feinde unter den verſchiedenen Tachina-Arten. Überall ſah man dieſelben die Raupe umſchwärmen, ſich auf ſie niederlaſſen und ein Ei auf ihre nackte Haut ablegen, jede Vertheidigung von Seiten der Raupe war vergeblich. Das Ei verklebt durch die ihm eigenthümliche Feuchtigkeit mit der Haut der Raupe und die mit Haken verſehene ihm entkriechende Made bohrt die zum größten Theil aus Chitin beſtehende Haut der Raupe an. Bald entſteht an dem Platze, wo die Made liegt, ein er— habener ſchwarzer Fleck, der bei genauer Betrachtung eine Offnung in der Mitte der erhärteten hornartig gewordenen Stelle der Haut zu ſein ſcheint, rund um dieſe Offnung legt ſich die Haut trichterförmig nach innen. An dieſen kleinen Trichter hängt ein geſchloſſener aus einer dünnen faſerigen Haut gebildeter Sack, in dem die Made liegt. Dieſer Sack ſcheint dem Verf. nicht der Made ſelbſt anzugehören, da er niemals die der Madenhaut eigenthümliche Structur beſitzt. Nach Platner beſteht die Haut der Inſecten aus 2, nach Strauß-Dürckheim aus 3 Schichten: einer Faſer— haut, einer Oberhaut und einer Pigmenthaut. Der Verf will hier nicht entſcheiden, nur ſo viel iſt ihm gewiß, daß die Haut ein Faſergewebe bildet, in welchem ſich die Hornſubſtanz, die man Chitin oder Entomolin ge— nannt hat, abſondert, und daß unter dieſer Haut eine ſehr dünne, überall mit ihr eng verbundene Membran liegt. Der Verf. hält das letztere Häutchen nicht für die derma, wohl aber für diejenige Haut, welche nach van Hoevens und de Vrieſe's Unterſuchungen alle inneren Theile der Raupen umhüllt und innerhalb welcher ſich die Säfte be— wegen. Die junge Made ſticht nach ihm die Haut an, in Folge deſſen wird ſich eine Flüſſigkeit abſondern, in welche die Made zu liegen kommt und von ihr vernichtet wird. Die Made wächſ't jetzt zuſehends, weil aber von ihr die ausgeſchiedene Feuchtigkeit benutzt, auch die Stellen der Haut, wo ſie liegt, vom Zutritt der Luft abgeſchloſſen wird, ſo kann ſie ſich hier nicht vollſtändig entwickeln und ver— bleibt als einfache Faſerhaut. Die Made, deren Reſpira— tionsorgane am hinteren Ende des Körpers liegen, wendet ſich immer ſo, daß ihr Kopf im Innern der Raupe, das hintere Ende nach außen liegt; ſowie ſie an Größe zunimmt, gelangt ſie immer tiefer in den Körper der Raupe und kommt ſomit bald in eine Ausſackung der Faſerhaut zu lie— gen, die ſich wie ein darmförmiger Anhang zwiſchen die Organe der Raupen einſchiebt. Da nun auch dieſe Aus— ſackung von der zarten Membran, welche ſämmtliche weichen Theile umgiebt und innerhalb welcher die Säfte eirculiren, umkleidet iſt, ſo findet eine fortdauernde Nahrungszufuhr Statt, ohne daß durch die Made irgend ein Theil der Raupe verletzt wird, die Made ſteht obendrein durch die trichter— förmige Offnung des Sackes mit der atmoſphäriſchen Luft in unmittelbarer Verbindung. 133 Es wäre jetzt nur noch der hornartige Trichter und ſeine Bildung zu erklären. Der hornartige Theil desſelben beginnt an der Haut und endigt da, wo die Reſpirations— organe der Made liegen, er befindet ſich alſo von einem Orte, wo ein ftarfer Luftſtrom Statt findet. Der Verf. hat bereits erwähnt, daß an dem Orte, wo die Made liegt, der Luftzutritt behindert und ebenfalls die Säfte an der Made verbraucht wurden, ſich deßhalb kein Chitin bilden konnte; hier, wo der Fall ein umgekehrter iſt, die Säfte nicht aufgeſogen wurden, wohl aber ein ſehr ſtarker Luft— from Statt fand, konnte ſich demnach auch vorzugsweiſe Chitin bilden und ſo der hornartige Trichter entſtehen. Der innige Zuſammenhang dieſes Trichters mit der Blaſe iſt unverkennbar; hält man nun letztere nicht für ein Pro— duct der Made, wofür auch durchaus kein Grund vorhan— den, ſo muß ſie ein Theil der Raupenhaut ſelbſt ſein, da man ſie keineswegs für eine abgeworfene Haut der Made halten kann: wie ſollte ſich dieſe auch ſo innig mit der Raupenhaut verbinden, und wie ſollte ſich eine bereits ab— geſtorbene Membran, ſowie es hier der Fall iſt, fort und fort ausdehnen können. Eine ſolche Vermuthung wird über— dies durch das Vorkommen verſchiedener abgeworfener Häute mit eben ſo viel Freßwerkzeugen im Innern des Sackes ganz von der Hand gewieſen. Auch die unter der Haut liegende Membran kann dieſen Sack nicht bilden, da eines Theils ihr Gewebe ein anderes iſt, andern Theils der Sack noch von ihr umkleidet wird. Die mitgetheilten Beobachtungen erklären ſowohl das Entſtehen als die Verrichtungen der Blaſe, ſie zeigen, daß ſelbige eine Ausſackung der Haut iſt, der Paraſit von ihr umhüllt mitten zwiſchen den weichen Theilen der Raupe liegt, ohne daß ſeine Verbindung mit der Atmoſphäre ge— ſtört wird; ſie zeigen, daß die Made an einem Orte liegt, wo ihr durch die Membran des Sackes hinreichend Nahrung zugeführt wird, ſie ſelbſt aber den Organen der Raupe keine Verletzung beibringen kann, ſondern ihr nur allmälig Säfte entzieht und fie langſam hinſchwinden läßt. Die Raupe berei— tet nun ihre Säfte in bei weitem größerer Menge als für ihr Raupenleben nöthig iſt, dieſelben ſcheiden ſich unter der Form von Fett zwiſchen ihren Organen ab; wo nun eine Raupe von einer Made bewohnt wird und dieſe bereits eine ziemliche Größe erreicht hat, ſo findet man da, wo die Made liegt, ſämmtliches Fett verſchwunden, und darf wohl an— nehmen, daß gerade hier und nur hier eine Umwandlung und Abſorption des Fettes nach außen hin Statt fand. Durch dieſe Saftentziehung wird nun die Metamorphoſe der Raupe zum vollkommnen Infeet unmöglich gemacht und die Raupe ſtirbt, ſowie die Zeit dieſer Metamorphoſe heran— naht. Obſchon der Keim des Todes in ihr liegt, treibt der Inſtinet fie dennoch zur Verpuppung, fie ſucht den moorbedeckten Grund der Tannenwälder auf, trägt den Gaſt, der ſie bewohnt und jetzt ſein Wachsthum vollendet hat, dort hin und bereitet ihm, wenngleich ſie ſelbſt bald ſtirbt, einen ſichern Winteraufenthalt, beherbergt, ernährt und be— ſchützt ſomit ihren eigenen Vertilger, der im kommenden Frühjahr aus ihrer Leiche hervorkriecht und ſich zum voll— 141. VII. 9. 134 kommnen Inſeet entwickelt, das ſich begattet und wieder Eier legt und deſſen Maden ihr Vertilgungsgeſchäft in der— ſelben Weiſe fortſetzen. XXV. über die Anwendung des elektriſchen Fun⸗ kens bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung ſich ſchnell bewegender Körper. Von A. van Beek. Der Verf. beſchäftigte ſich bereits ſeit 5 Jahren mit der Wiederholung der von Wheatſtone angeſtellten Ver— ſuche über die Schnelligkeit des elektriſchen Stromes und die kurze Dauer des elektriſchen Lichtes; dabei kam er auf den Gedanken, dasſelbe für mikroſkopiſche Zwecke zu verwenden. Die ſchnelle Bewegung lebender Körper macht nämlich ſelbſt bei Anwendung der beſten neuern Inſtrumente eine deutliche Beobachtung unmöglich; hier mußte man ſich bisher durch einen langſam wirkenden Druck zu helfen und durch den— ſelben die Bewegung zu verlangſamen oder ganz zu hem— men ſuchen, wobei nur zu häufig Veränderungen der Ob— jecte herbeigeführt werden und man ſtatt lebender Weſen todte Körper betrachtete. Man war auf dieſe Weiſe nicht im Stande, die Organe eines Thieres in ihrer normalen Beſchaffenheit und Thätigkeit zu beobachten. Der Wunſch, dieſem Übelſtande abzuhelfen, ein Mittel zu finden, um die ſchnelle Bewegung lebender thieriſcher Weſen für einen Augenblick unter dem Mikroſkope zu hem— men, beſeelte den Verf. ſchon längere Zeit, und ſchon vor einigen Jahren ſtellte er deßhalb mit dem elektriſchen Lichte Verſuche an, die leider durch ein längeres Unwohlſein unter— brochen wurden; ſpäter nahm er ſie wieder auf und berich— tet jetzt in der Zten Lieferung der Tijdschrift voor de wis- en natuurkundige Wetenschappen von 1848 über die Re— ſultate derſelben, indem er zu einer Wiederholung und Vollendung ſeiner Verſuche auffordert. Der günſtige Erfolg ſcheint ihm, weil derſelbe auf folgenden unumſtößlichen Grundlagen beruht, nicht zwei— felhaft. A. Die Dauer des elektriſchen Funkens beträgt, wenn die Entladung auf einem kurzen Wege erfolgt, weniger als 1000/00 einer Secunde. B. Der bleibende Eindruck eines ſichtbaren Gegenſtan— des auf unſere Netzhaut beträgt gewöhnlich nur ½¼10 einer Secunde. C. Ein ſchnell bewegter Gegenſtand erſcheint beim Lichte eines elektriſchen Funkens für unſer Auge in vollkommner Ruhe, wenn er ſich nicht während der Zeit, daß er durch dieſes Licht erhellt wird, bemerkbar vom Platze bewegt. Nun bleibt zu unterſuchen, ob 1) das Geſichtsfeld eines Mikroſkopes durch den elektri— ſchen Funken zweckmäßig erleuchtet werden kann, ohne dem Auge ſchädlich zu werden; 2) das Auge fähig iſt, alle Details des Gegenſtandes mit genügender Schärfe zu ſehen, mit andern Worten, ob . ge 155 die kurze Dauer einer Zehntelſecunde, in welcher der augen— blickliche Eindruck auf der Netzhaut verbleibt, für eine ge— naue Orientirung hinreichend ar Die erften Verſuche des Verf. mit einzelnen elektriſchen Funken einer kräftigen galvaniſchen Batterie mißlangen, das Auge ward durch die plötzliche Abwechſelung von Finſterniß und Licht geblendet und dadurch ein deutliches Sehen ver— hindert. Er verſuchte es deßhalb mit Funken von gerin— gerer Intenſität, die er mit dem gewöhnlichen Entlader einer kleinen Leidener Flaſche entzog; die Funken waren zu Er— leuchtung des zu beobachtenden Gegenſtandes ausreichend, fie erneuerten ſich mit Hülfe des Entladers bei jeder Iten Umdrehung der Elektriſirmaſchine regelmäßig und ſchlugen etwa alle 3 Secunden von ſelbſt über. Um eine Blendung durch den plötzlichen Wechſel des Lichtes und der Finſterniß möglichſt zu vermeiden, erleuchtete der Verf. das Geſichtsfeld durch ein ſeitlich angebrachtes Kerzenlicht ſo weit, daß man die Umriſſe des zu beobach— tenden Gegenſtandes, aber nicht ſeine feineren Details zu ſehen vermochte. Bei einiger Übung gelang es ihm, fo während des Funkenüberſpringens, ohne beſondere Unbequem— lichkeit für das Auge, den ſich bewegenden Gegenſtand für die Dauer einer Zehntelſecunde ruhend zu ſehen. Eine ſolche Zeit würde nun freilich für die Erforſchung des Gegenſtan— des lange nicht ausreichen, durch die angegebene Einrichtung des angewandten Apparates und das ſich alle 3 Secunden wiederholende Funkenüberſpringen iſt man jedoch in den Stand geſetzt, den Eindruck beliebig oft zu erneuern. Die indirecte Beleuchtung des Geſichtsfeldes wirkt hier ſehr günſtig, indem der zu beobachtende Gegenſtand immer im Bereich des Auges bleibt, man kann demnach auf einen beſtimmten Punkt des Gegenſtandes ſchon, ehe der Funke überſchlägt, ſeine Aufmerkſamkeit richten und braucht ihn nicht erſt während der Erleuchtung aufzuſuchen. Die häu— fige in kurzen Pauſen wiederkehrende Erleuchtung entſchädigt ſo vollkommen für die kurze Dauer des jedesmaligen Sehens. Der Verf. benutzte das Mikroſkop in verticaler Stel— lung, entfernte den Beleuchtungsſpiegel und verſetzte ihn durch eine Kugellinſe (bolle lens), er ſtellte das Inſtrument über eine runde Offnung des Tiſches, in welcher ſich die beiden Meſſingknöpfe des Entladers, zwiſchen welche die Fun— ken überſprangen, befanden. Durch dieſe Anordnung ward das Geſichtsfeld durch den Funken überall gleichmäßig erleuchtet. Schon vor einigen Jahren hat Doppler in Prag zur Betrachtung ſich bewegender Gegenſtände die künſtliche Beleuchtung des Mikroſkopes, verbunden mit einer raſchen Drehung durchlöcherter, unter dem Objecttiſch angebrachter Scheiben, vorgeſchlagen, wodurch ebenfalls ein raſcher und regelmäßiger Wechſel des Lichtes und der Finſterniß, ein auf die vom Verf. angegebenen Principien ſich gründendes Sehen bezweckt werden ſollte. Der Verf. wiederholte Dopp— lers Verſuche, doch mit geringem Erfolge. Obſchon dieſes Mittel für den erſten Augenblick ſehr praktiſch zu ſein ſcheint, man auch ohne bemerkbare Licht— veränderung den fraglichen Körper beſtändig im Geſichte be— hält, ſo ſcheint dem Verf. doch der eigentliche Zweck, das 141. WII. 9. 136 ſcheinbare Stilleſtehen der rafchen und unregelmäßigen Be— wegung lebender Körper nur theilweiſe erreicht zu werden. Bei der allzuſchnellen regelmäßig wiederkehrenden Lichterſchei— nung durch Dopplers durchlöcherte Scheibe werden die Eindrücke auf der Netzhaut mit einander vermengt und da— durch der Deutlichkeit jedes einzelnen Eindruckes geſchadet; daraus folgt, daß, wenn man bei Betrachtung eines Gegen— ſtandes, in dem eine ſchnelle periodiſche Hin- und Her— bewegung vorhanden iſt, eine ſcheinbare Ruhe dieſer Be— wegung erhalten will, man die Schnelligkeit der Scheibendrehung genau ſo einrichten muß, daß die regelmäßige Wiederkehr des Lichtes der Schnelligkeit der Bewegung des Gegenſtandes entſpricht oder ein vielfaches von ihr iſt, während in jedem andern Falle die Bewegung nur ſcheinbar vermindert, aber nicht aufgehoben werden kann. Nun iſt leicht einzuſehen, wie eine ſo vollkommene Re— gulirung der Scheibendrehung, eine ſo ganz vollkommene Übereinſtimmung beider Bewegungen nur ſchwierig zu er— halten iſt, zumal da die Bewegung thieriſcher Körper nicht in jedem Augenblick mit gleicher Schnelligkeit erfolgt, über— dies nach jedem Thierindividuum verſchieden ift. Wo es ſich dagegen um die Schnelligkeitsbeſtimmung einer vollkommen regelmäßigen periodiſchen Bewegung, z. B. um die Schnelligkeit ſchallgebender Saitenſchwingungen han— delt, räumt der Verf. allerdings einer Drehſcheibe den Vor— zug vor der Elektrieität ein und gerade dafür ward die ge— nannte Verrichtung auch von Doppler anempfohlen; wo es indeß auf die Erforſchung lebender Organismen, auf den ſcheinbaren Stillſtand ſämmtlicher Bewegungen im Organis- mus, nicht aber auf die Schnelligkeitsbeſtimmung dieſer Be— wegung ankommt, hat' der elektriſche Funke entſchiedene Vorzüge. Durch Dopplers Verfahren gelang es dem Verf. niemals, die ſogenannte Flimmerbewegung ſcheinbar vollſtändig aufzuhalten, was durch den elektriſchen Funken vollkommen erreicht ward. Durch eine raſche Aufeinander— folge der elektriſchen Funken läßt ſich nun eben ſo wie durch die Bewegung der Drehſcheibe ein Übereinanderfallen der geſonderten Bilder nicht vermeiden, wodurch bei einer nicht vollkommen regelmäßigen Bewegung eben ſo wenig ein ſchein— bar vollkommener Stillſtand erreicht wird. Man würde dem— nach durch eine raſche Folge der Funken keinesweges ge— winnen, ſondern noch mehr wie bei Anwendung der Scheibe an Deutlichkeit verlieren, weil ſich das Funken— ſchlagen nicht ſo genau wie die Drehung der Scheibe reguli— ren läßt; wollte man dagegen durch ſparſam angebrachte Offnungen in der Scheibe das Übereinanderfallen der Bilder wie beim elektriſchen Funken vermeiden, ſo iſt zu befürchten, daß auch das ſtärkſte künſtliche Licht unzureichend ſein wird, und jedenfalls durch die Brechung an den Rändern der ſich bewegenden Scheibe die Deutlichkeit der Bilder beeinträch— tigt wird. Der Verf. fordert die Mikroſkopiker auf, ſeine Verſuche zu prüfen und zu vervollſtändigen, da er ſelbſt fie nicht weiter fortſetzen kann, und hofft von einer verbeſſerten Anwen— dung ſeiner Beleuchtungsmethode für die wiſſenſchaftliche Erfor— ſchung lebender thieriſcher Organismen den großartigſten Erfolg. 137 Mifcellen. ö 26. Structur der Calamiten. In der Sitzung der geologiſchen Geſellſchaft vom 31. Mai theilt auch Hr. Dawes ſeine Beobachtungen über die Structur der Calamiten mit und bemerkt: obſchon gerade dieſe zu den häufigſten Foſſilien der Koh⸗ lenformation gehörten, wäre doch bisher die wahre Natur dieſer Pflanze noch fo gut wie ganz unbekannt geblieben. A. Bron⸗ gniart habe fie als den Equiſetaceen verwandt aufgeſtellt, — eine Anſicht, die auch allgemeine Zuſtimmung gefunden, obſchon ihr Lindley und Hutton in ihrer „Fossil Flora“ widerſprachen. Hr. Dawes war ſo glücklich, mehrere ganz dünne Blättchen des Stammes zu erhalten, aus denen man die Structur des Holzes deutlich erkennen konnte. Das Holz hat die größte Ahnlichkeit mit dem der Coniferen und zeigt zugleich, daß die Pflanze ein eben ſo beſtimmt ausgeſprochenes Holz, wie eine gleich beſtimmte Rinde 141. VII. 9. 138 beſaß, wonach die Pflanze in Bezug auf die Structur mit den Dicotyledonen übereinſtimmte, in anderen Beziehungen aber wieder von dieſen ſo abwich, daß man ſie als ein verbindendes Glied zwi⸗ ſchen den drei großen Claſſen des Pflanzenreichs anſehen muß. (Athenaeum, No. 1076.) 27. Entdeckung einer Stechfliege und einer neuen Species Leptolepis des oberen Lias in der Nähe von Cheltenham. Die Inſectenüberreſte, welche man im Lias fand, beſchränkten ſich bisher hauptſächlich auf einzelne Flügel und Flü— geldecken; zu dieſen hat ſich gegenwärtig ein vollkommenes Inſeet geſellt, das nach Hrn. Weſtwood wahrſcheinlich dem genus Diplax einzureihen iſt; leider iſt gerade der Kopf desſelben fo zer⸗ drückt, daß die Gattung, welcher das Inſect angehört, nicht feſt beſtimmt werden kann. Der Fiſch aus derſelben Localität iſt von Sir Phil. Egerton unter dem Namen Leptolepis concentricus beſchrieben worden. (Athenaeum, No. 1076.) Heilkunde. (XII.) Die Effeete des Galvanismus auf Harn— ſteine. Von Dr. Ludw. Joſ. Melicher in Wien. Als im Jahre 1784 Alois Galvani, Profeſſor der Mediein zu Bologna, die Berührungs-Elektrieität entdeckte, welche durch Volta's Verſuche nachgewieſen ward, wendete man die Contact-Elektricität als Heilmittel in der Mediein und Chirurgie an. Man machte zahlreiche Verſuche über die medieiniſche Wirkſamkeit galvaniſcher Ströme; man be— diente ſich derſelben zur Belebung des Scheintodes, bei Gicht, Rheumatismus, Nervenſchmerzen, Gliederlähmung ꝛc. In der Chirurgie wurde der Galvanismus zur Aufſaugung von Erſudaten in den Gelenken, bei Ankyloſen, zur Auflöſung abgeſtorbener Knochen von Choſſat, zur Heilung von Aneurysmen von Petréquin, von Leroy zur Hebung eingeklemmter Leiſtenvorlagerungen, von Fabré-Palaprat zur Einführung von Stoffen (Jod) in das Innere von Ge— ſchwülſten ꝛc. gebraucht. Bouvier des Mortiers (1801) ſchlug, der Erſte, die Contact-Elektricität zur Beſeitigung der Blaſenſteine vor. Nach ihm wurden von acht Arzten und Chemikern, als: Gruithuiſen (1813), Prevoſt und Dumas (1823), Leroy d'Etiolle (1825), Bon- net (1829), Willis, Schipelinſky (1842) und Eer- velleri (1847), mit dem Galvanismus an Blaſenſteinen Verſuche gemacht und gute Erfolge angegeben. Die von dieſen Arzten bekannt gemachten Originalaufſätze über die Anwendung des Galvanismus bei Blaſenſteinen, verglichen mit den Reſultaten meiner Verſuche, berechtigen zu dem Schluſſe: daß bisher bei keinem Blaſenſteinkranken der Gal- vanismus angewendet wurde, und daß felbft die Verſuche außerhalb des menſchlichen Körpers mangelhaft waren. Die Strenge der Wiſſenſchaft verlangt directe und ent— ſcheidende Beweiſe, und ohne der Autorität benannter Arzte nahe zu treten, wollte ich mich von den bekannt gemachten günſtigen Reſultaten überzeugen, fand aber immer das Gegentheil. Das wenige Folgende iſt das Reſultat von mehr als 80, ſeit einem Jahre von mir angeſtellten Verſuchen, deren directe Beweiſe ich in einer größeren Arbeit ausführlich, genau und mit der ſtrengſten Wahrheit mittheilen werde. Im Anfange habe ich bloß einzelne Elektromotoren, durch deren Contact Elektrieität entſteht, gebraucht. Die ein— fachen Ketten waren nach Volta, Becquerel-Daniell, Smee, Grove und Bunſen conftruirt. Da ich mich aber überzeugte, daß der durch dieſe Ketten (oder Elemente) entwickelte continuirliche elektriſche Strom ein viel zu ſchwa— cher iſt, daß die elektro-chemiſchen Effecte ſelbſt nach langer Einwirkung auf die Blaſenſteine ſehr geringe ſind, und man viel Zeit benöthigen würde, um einen größeren Stein ganz auflöſen zu können, ſo bediente ich mich, um eine bedeutende Stromſtärke zu erhalten, der Batterien nach Volta's (kon 100 Plattenpaaren) und zuletzt Batterien nach Bunſen's (son 30 Elementen) und nach Grove's Angabe (von 12 — 16 — 20 Elementen), welche durch andauernden unver— änderten elektriſchen Strom die kräftigſten Wirkungen her— vorbringen. Zu Schließungsleitern der Batterie wurden Platina-, Gold-, Silber, ſogenannte Leon' ſche Kupfer- oder Eiſendrähte angewendet; die erſteren verdienen den Vorzug vor den letzteren. Die Einwirkung der elektriſchen Kraft auf die Steine iſt überall gleich, nur beobachtet man dabei verſchiedene Modificationen, welche ſich auf die Schnelligkeit der Zerlegung und auf die zerlegten oder aufgelöſ'ten Pro— ducte beziehen. Hiebei iſt zu bemerken, daß 1) die Verſuche zuerſt außerhalb des menſchlichen Körpers, dann in einer Thierblaſe, dann in einer Menſchenblaſe geſchahen. 2) Es wurde ein Glas genommen, in welchem ſich reines deſtillir— tes Waſſer befand, der Stein in dasſelbe gelegt, und der elektro- poſitive und der elektro- negative Pol der Leitungs: drähte an denſelben applieirt. 3) Das deſtillirte Waſſer wurde mit wenig oder mehr Harn gemengt, oder ſtatt des 139 Waſſers wurde bloßer Harn in das Gefäß gegeben, in wel: chem der Stein ſich befand, oder das Waſſer wurde mit Salpeter, oder einigen Tropfen Salpeterſäure oder Schwefel— ſäure angeſäuert. Dies kann man am Erperimenttiſche thun, aber bei Blaſenſteinkranken iſt es durchaus nicht anwendbar; auch im erſteren Falle bekommt man keine reinen Reſultate, wegen der Einwirkung der Säuren auf die Steine. 4) Es wurde bloß ein Poldraht (elektro- poſitiver oder elektro- ne— gativer Leitungsdraht) auf den Stein applieirt, der andere Poldraht befand ſich im Gefäße oder in der Blaſe, oder außerhalb derſelben. 5) Die Enden der Drähte, welche mit den Polen der Batterie leitend verbunden waren, berührten den Stein an einer oder an mehreren Stellen zu gleicher Zeit. 6) Der Stein war in den Schließungsleitern der galvaniſchen Kette eingeſchloſſen und bloß von der atmoſphä— riſchen Luft umgeben. Aus dieſen, ſowie aus vielen anderen Verſuchen ergab ſich, daß alle Arten von Harnblaſenſteinen (phos— phorſaure — kleeſaure — harnſaure Steine und ſolche aus Blaſenoryd), ſowie auch der Harn des Menſchen gute Leiter der Elektricität ſind. Deßhalb müſſen dieſelben, wenn fie der Berührungs— Gleftricität unterworfen werden, iſolirt fein. Alle die genannten Steine find Elektrolyte, denn ſie enthalten der Elektrolyſe fähige Stoffe; deßhalb muß, damit eine Zerlegung des Stei— nes durch Einwirkung der ſtrömenden Elektri— cität Statt finden könne, der Stein in der ges ſchloſſenen Batterie ſich befinden, nämlich im galvaniſchen Kreislaufe. Nur auf einen im galvaniſchen Kreislaufe (continuirlichen elek— triſchen Strome) befindlichen Stein vermag dieſe elektro-motoriſche Kraft zu wirken. Der elektriſche Strom einer ſolchen Batterie geht ſchneller oder langſamer durch den Stein. Die— ſes hängt ab: I) von deſſen Größe, Zuſammen— ſetzung (3. B. bei phosphorfauren Ammoniak- Magneſia— ſteinen ſchneller, langſamer bei Cyſtinſteinen) und Aggre— gations zuſtand (bei ſandigen, lamellirten, aus concen— triſchen verſchiedenen Schichten beſtehenden Steinen, wie aus phosphorſauren Salzen und Harnſäure ꝛc. ſchneller; bei Steinen, die einen erdigen Bruch haben, im Innern ſehr compact find, wie Blaſenorxyd- oder kleeſaure Kalkſteine, oder wo der Stein aus mehreren Subſtanzen gebildet iſt, z. B. aus kleeſaurem Kalke und Harnſäure, oder aus Harn— ſäure mit harnſaurem Ammonium, Kieſelerde und einem phosphorſauren Salze langjamer); 2) von der Art, Ans zahl und Größe der Berührungsflächen zwiſchen den Polenden der Leitungsdrähte und dem Steine (mit 4— 6 — 8 Platin-, Gold-, Silberdrähten beſſer als mit eben fo viel Kupfer-, ſogenannten Leon' chen — oder Eiſendrähten); 3) vonder Beſchaffenheit des Harns, ob er in großer oder geringer Menge vorhanden, ob er mit vielen oder wenigen ſalzigen Beſtandtheilen (Schleim, Eiter, Eiweiß, Blut ꝛc.) gemengt iſt oder nicht. In dem in den Leitungsdrähten eingeſchalteten Steine 141. VII. 9. 140 geht der Proceß der Elektrolyſe vor ſich, und zwar nicht nur an den Stellen der Elektroden, ſondern auch im inneren und an der äußeren Oberfläche des Steines (be— ſonders bemerkbar, wenn die Leitungsdrähte von Gold oder vom feinſten Silber ſind). Der chemiſchen Wirkung des elektriſchen Stromes einer kräftigen galvaniſchen Batterie vermag kein Blaſenſtein zu widerſtehen. Durch den kräftigen elektriſchen Strom wird zwiſchen den Poldräh— ten und den Beſtandtheilen des Steines eine Anziehung hervorgerufen, mittels welcher eine Ausſcheidung, Zerlegung, Auflöſung des Steines in ſeine Beſtandtheile erfolgt, wo— durch jeder Harnblaſenſtein, der ſich im elektriſchen Kreiſe befindet, durch die reducirende Kraft der Elektrieität bis auf feine letzten chemiſch- unzerlegbaren Stoffe (3. B. Sauerſtoff, Schwefel, Phosphor, Waſſerſtoff, Stickſtoffgas, Eiſen ꝛc.) zerſetzt wird. Der elektriſche Strom geht von dem negativen Elektro— motor mittels der Leitungsdrähte durch den Stein zum po— ſitiven Pole, und umgekehrt vom poſitiven Pole mittels der an ihm befindlichen Leitungsdrähte durch den Stein zum negativen Pole, wobei die Enden der Leitungsdrähte beider Pole auf den Stein einwirken. Während dieſer elek— triſchen Strömung durch den Stein finden am Steine mehrere Vorgänge Statt. Im allgemeinen (indem in jeder Harnſteinart eigenthümliche Zerſetzungsreſul— tate erſcheinen) verliert der Stein am Gewichte, wird er— wärmt um 1 — 20 C., die oberſte Schicht des Steines löſ't ſich auf, ſo daß man ſie mit dem Finger abſtreifen kann; der Stein ändert ſeine Farbe, weiße Steine werden gelblich oder an der Seite der negativen Elektrode gelb, an der Seite der poſitiven Elektrode bläulich oder grau, oder die Steine erhalten eine lichtere Färbung, dunkelgrüne werden lichtgrün, vorausgeſetzt, daß an beiden Elektroden die Lei— tungsdrähte aus Platina beſtehen. Beide Leitungs— drähte wirken nicht nur in einer Peripherie von einer Linie außerhalb ihrer Berührungspunkte, ſondern ſie dringen auch in die Tiefe des Steines, nur mit dem Unterſchiede, daß einige Mal der negative Poldraht raſcher den Weg zum Centrum des Steines ſich bahnte, ein anderes Mal der po— ſitive Pol ſchneller in die Tiefe des Steines drang, was von vorwaltender negativer oder poſitiver Elektrieität, und von der lockeren oder feſteren Aneinanderlagerung der Be— ſtandtheile des Steines an den Berührungsſtellen der Lei— tungsdrähte (Elektroden) abhing. Während des Vor— dringens der Polardrähte in die Tiefe des Stei— nes, wird derſelbe fo zerlegt und aufgelöſ't, daß fein eleftrosnegativer Beſtandtheil am po= fitiven Pole (an der Anode) und fein elektro— poſitiver Beſtandtheil am negativen Polende der Batterie (oder an der Kathode des Elektro— lyten) abgeſchieden wird. Bei der Zerlegung und Auflöſung des Steines in ſeine Beſtandtheile erſcheinen die— ſelben nicht nur an den Stellen des Ein- und Austrittes des Stromes, indem an jedem Pole (oder Leitungsdrahtende) ſich ein beſonderer Beſtandtheil des Steines abſcheidet, ent— 141 weder unverändert, z. B. Schwefel bei Cyſtinſteinen am poſitiven und negativen Pole, oder verändert, z. B. Phos— phor von phosphorſauren Kalkſteinen oder von phosphor— ſauren Ammonium-Magneſtaſteinen am negativen Pole (nach— dem früher die Phosphorſäure ſo zerſetzt wurde, daß der Sauerftoff der Phosphorſäure am poſitiven Pole und der Phosphor am negativen Pole abgeſchieden wurde), ſondern auch der Harn oder das dem Harne beigemengte vollkommen reine deſtillirte Waſſer, oder auch das bloße deſtillirte Waſſer wird mit den zerſetzten Beſtandtheilen des Steines imprä— gnirt, wovon man ſich dann durch weitere Unterſuchung überzeugen kann. Da aber die Steine gewöhnlich aus mehreren chemi— ſchen Stoffen zuſammengeſetzt ſind, ſo geht der Proceß der Elektrolyſe ſo weit vor ſich, daß ſelbſt die einzelnen Be— ſtandtheile (Salze), wie oben bemerkt wurde, in die letzten chemiſch-unzerlegbaren Stoffe zerlegt werden, fo daß die an der Seite des poſitiven Poles (oder an der Anode des Steines) befindliche Partie der elektro-negativen Beſtandtheile des Steines von dieſem, und die an der Seite des negati— ven Poles (oder an der Kathode des Steines) befindliche Partie der elektro-poſitiven Beſtandtheile des Steines von jenem angezogen und abgeſondert wird. Da dieſer Pro— ceß durch den continuirlichenelektriſchen Strom fortwährend unterhalten wird, ſo geht die Zer— ſetzung und Auflöſung des Steines fortwährend von deſſen Oberfläche gegen das Centrum des Steines vor ſich, indem die zerſetzten und ab- geſchiedenen Beſtandtheile des Steines den Lei— tungsdrähten gejtarten, neue Oberflächen des Steines zu berühren und in die Tiefe zu drin- gen. An der Anode werden noch überdies die organiſchen Beſtandtheile des Steines (deſſen Bindungsmittel, thieriſcher Schleim ꝛc.) nach ihrer größeren oder geringeren Quantität, in größerer oder geringerer Menge ausgeſchieden, und jte bleiben verkohlt an dieſem Leiter haften, oder fallen als Kohlenflocken zu Boden. Nebſt der Zerſetzung des Steines geht an beiden Po— lardrähten (an deren freien Seite) eine Zerſetzung des Waſſers, und wenn dem deſtillirten Waſſer Harn beigemengt iſt, auch desſelben vor ſich, was zum Theil nicht erwünſcht iſt, indem dadurch viel Elektrieität, die zur Auflöſung des Steines dient, verloren geht. Deßhalb muß man dieſen nachtheili— gen Umſtand zu vermindern ſuchen, ohne ihn ganz aufzu— heben, denn andererſeits bietet dieſe Zerſetzung wieder den Vortheil, daß bei bloßem deſtillirten Waſſer oder bei dem mit Harn gemengten deſtillirten Waſſer eine lebhafte Gas— entwicklung eintritt, durch welche in den genannten Flüſſig— keiten die Leitungsfähigkeit des elektriſchen Stromes zunimmt, die Zerlegung des Steines beſſer vor ſich geht, und nebſt— dem durch die aufſteigenden Gasblaſen einzelne unzerlegte pulverige Beſtandtheile vom Steine losgeriſſen werden und zu Boden fallen. Steine, deren Gefüge weniger feſt iſt, welche eine ge— ringe Menge des Bindungsmittels enthalten, ſandig, zerreib- bar, porös, blätterig find, oder aus verſchiedenen Schichten 141. VII. 9. 142 beſtehen, z. B. Steine von phosphorſaurem Kalke und phos- phorfaurer Ammonia-Magneſia, oder Steine von kleeſaurem Kalke ze. bekommen während des Durchſtrömens des elektri— ſchen Fluidums zahlreiche Luftblaſen an ihrer Oberfläche, werden poröſer und zerfallen nach mehrmaliger Einwirkung des elektriſchen Stromes einer Batterie in größere, kleinere und pulverige Beſtandtheile. Einige von dieſen Steinen werden ſo weich, daß man ſie mit den Fingern zerdrücken kann, indem ſie ſich vor ihrer gänzlichen Auflöſung in eine pulserige breiige Maſſe verwandeln, die dann zu Boden fällt, z. B. die Trippelphosphat-Steine. Nimmt man zum Schließungsleiter der Bat: terie Drähte aus feinem Silber oder von Gold, ſo geht die Zerſetzung der Steine, da die Leitungsfähigkeit dieſer Metalle groß iſt, ſchneller vor ſich als mit Platin— drähten. An den beiden Enden der Leitungsdrähte werden zahlreiche Kohlenflocken abgeſchieden, und zwar am negativen Polende in größerer Menge als am poſitiven Polende. Die Flüſſigkeit wird braun und ſpäter ſchwarz gefärbt von den abgeſchiedenen verkohlten Beſtandtheilen des Steines. Der ganze Stein bekommt einen ſchwarzen, nicht abwiſchbaren Überzug, woraus folgt, daß auch die Oberfläche des Steines vom elektriſchen Fluidum angegriffen wird. Übrigens geht der Vorgang der Elektrolyſe auf ähnliche Weiſe ſo vor ſich, als wenn man Platindrähte angewendet hätte. Leider kann man die Silber- oder Golddrähte nicht lange benutzen, denn ſie werden von den zerſetzten Beſtandtheilen des Steines und des Harnes angegriffen, zerfreſſen. Am negativen Pole wird der Silberdraht aufgelöſ't, es bilden ſich ſeeundäre Zer— ſezungen, neue Verbindungen der zerſetzten Beſtandtheile des Steines und des Harnes mit dem aufgelöſ'ten und durch das bei der Waſſerzerſetzung frei gewordene Orygen bereits orydirten Silber, wodurch die Drähte nach zwei- bis drei— maliger Anwendung unbrauchbar werden. Gleiches Schickſal hat man, wenn man Poldrähte von Zink, Le on' ſchem Draht, Kupfer oder Eiſen in Gebrauch ziehet, ſo daß vor allem Platindrähte den Vorzug verdienen. N Sind die Harnſteine erbſen- bis bohnengroß, ſo ge— nügt eine einmalige mehrſtündige Einwirkung einer kräftigen galvaniſchen Batterie mit vier Platindrähten zu ihrer Zer— legung und Auflöſung; ſind aber die Blaſenſteine groß, von mehr oder weniger feſtem Gefüge, gleichſam kryſtalliniſch, maulbeerartig, compact, ſo iſt zu deren vollkommenen Zer— ſetzung und Auflöſung eine wiederholte Anwendung des Galvanismus nothwendig. Die mehrmalige Anwen— dung des Galvanismus bei einem Blaſenſteine hängt vorzüglich von der entwickelten Elektri— citätsmenge und Stromſtärke, dann von der Größe und Beſchaffenheit des Steines und von der Menge der Berührungsflächen der Leitungs- drähte ab: fo benöthiget z. B. ein haſelnußgroßer Stein von harnſaurem Ammonium 16 Stunden Zeit, um durch ſechs Leitungsdrähte, welche den elektriſchen Strom einer 14elementigen Grove'ſchen Batterie zuleiten, aufgelöſ't zu werden; während ein taubeneigroßer Stein von phosphor— ſaurer Ammonium-Magneſia, gemengt mit phosphorfaurem 143 Kalke und dem Bindungsmittel, der weniger compact ift, in 10 Stunden mit eben ſo viel Leitungsdrähten und der— ſelben Batterie zum Theil zerſetzt wird und zum Theil in größere und kleinere Stückchen zerfällt. Die Steinpartikel— chen ſind gewöhnlich ſo klein, daß ſie leicht (wenn der Gal— vanismus bei einem Harnſteinkranken angewendet wird) durch die Harnröhre abgehen können. Im allgemeinen geſagt, vermag obgenannte Batterie einen Stein, von was immer für einer Art, ſo anzugreifen, daß in einer Viertelſtunde über 1 Gran des Steines aufgelöſ't wird. Die längere oder kürzere Zeit der einmaligen Einwirkung des Galvanismus (oder Sitzung) auf den Bla= ſenſtein bei Kranken hängt von der etwa vorhandenen größeren oder geringeren Empfindlichkeit der Harnblaſe, vor— züglich aber von dem früheren oder ſpäteren Eintritte der ſtörenden Umſtände ab. Als ſtörende Umſtände bei der Einwirkung der Berührungs-Elektricität auf die in der Blaſe befindlichen Steine ſind zu bemerken: Die Gasent— wicklung in großer Menge, Zerſetzung des Harnes, Erwär— mung des Harnes, Funkenſchlagen, elektriſcher Entladungs— ſchlag, ſecundäre Zerſetzungsreſultate ꝛc. Dieſen allen muß ſo viel als möglich vorgebeugt werden. In den zwei Fällen von Blaſenſteinkranken, in welchen ich bisher Gelegenheit hatte, den Galvanismus anzuwenden, war ich im Durch— ſchnitt im Stande, eine Sitzung von einer Stunde, viele Male von 1½, Stunde, und einige Male von 2 Stunden zu halten, ehe die ſtörenden Umſtände die Sitzung aufzu— heben geboten. Sehr große Batterien kann man am Erperimentirtiſche anwenden. Bei Blaſenſteinkranken wende man ſie nicht an, weil ſonſt die ſtörenden Umſtände, welche die weitere An— wendung des Galvanismus verbieten, zu ſchnell eintreten. Man bediene ſich kleinerer Batterien mit 4— 6 —8 Platin- drähten, wende dieſelben zu wiederholten Malen an, wo man bei gehörigen Cautelen von den obgenannten ſtörenden Umſtänden wenig oder gar nichts zu befürchten hat. Aus dem wenigen iſt erſichtlich, daß ſehr viele Um— ſtände bei der Anwendung der Gontacteleftrieität auf Harn— ſteine bei Kranken zu berückſichtigen ſind, auf welche nur diejenigen, die ſich vielfältig mit der Beruͤhrungs-Elektricität und ihrer Anwendung beſchaäftigen, kommen können, und die ich, indem die Grenzen des Raumes in dieſer Zeitſchrift nicht erlauben, ins Detail einzugehen, weitläufiger in einem eigenen Werke aus einander ſetzen werde. Ich erwähne nur noch, daß ich ein eigenes Inftrument 141. VII. 9. 144 erfunden habe, welches ſo beſchaffen iſt, daß der Stein in der Blaſe iſolirt im galvaniſchen Kreislaufe zu ſtehen kommt, wenn dasſelbe mit einer galvanifchen Batterie in Verbin— dung gebracht wird, worauf das elektriſche Fluidum auf den Stein einwirken und ihn in ſeine Beſtandtheile zerlegen und auflöſen kann. Dieſes Verfahren habe ich bisher, wie oben bemerkt wurde, in zwei Fällen praktiſch angewendet. Der aufgelöſ'te Stein ging ohne Schmerzen mit dem Urine ab. Das Inſtrument, ſammt dem Verfahren und den dabei zu beobachtenden Vorſichtsmaßregeln, die eingetretenen Erſchei— nungen bei der Anwendung des Galvanismus in der Blaſe, die Erkenntniß und Verhütung oder Beſeitigung derſelben, die Erſcheinungen, aus welchen man in dem gelaſſenen und aufgefangenen Harne ſchließen kann, daß der Galvanismus wirklich auf den Stein eingewirkt hat, werde ich in dem erwähnten Werke mitzutheilen nicht unterlaſſen. (Medie. Jahrbüch. des k. k. öſterreich. Staates ic. Ihrg. 1848. Februar. S. 153 ff.) Miſecellen. (13) Giftige Wirkungen des Sauerampfers (Ru mex acetosa). Von Dr. H. Reinſch. — Im verfloſſenen Som⸗ mer verzehrten zwei Mädchen von 5—6 Jahren, im Garten ſpie— lend, eine ziemliche Menge dieſer als Gemüſe bekannten Pflanzen. Beide erkrankten in der folgenden Nacht; ſie wurden von einer brennenden Hitze befallen, redeten irre und klagten über Zuſammen— ziehungen im Schlunde und Schmerzen im Unterleibe. Durch Blutegel, Senfpflaſter 2c. wurde der Andrang des Blutes zum Kopfe beſeitiget; das eine Kind genas bald wieder, das zweite er— holte ſich jedoch nur nach und nach. Verf. erwähnt auch einer früheren Beobachtung, daß eine ganze Familie auf den Genuß eines Gemüßes, welches großentheils aus den Blättern des engli— ſchen Spinates (Rumex Patientia J.) bereitet worden war, er— krankte; er hörte dieſe Erfahrung von mehreren, die dieſes Gemüße genoſſen haben, beſtätigen und glaubt deßhalb, daß obige Pflanze, welche bekanntlich eine ziemliche Menge Sauerkleeſalz enthält, gänzlich aus unſeren Gärten entfernt werden ſolle. (Jahrbuch für Pharmacie und verwandte Fächer. 1847. Nr. 1.) (14) Über acute Arterienentzündung hat Dr. Vir⸗ How in feinem reichhaltigen Archive für pathologiſche Anato— mie I, 1. eine vortreffliche Abhandlung, aus der wir heute nur das Reſultat über die Beziehung der Arterienentzündung zum Brande anführen, in folgendem Satze: daß die Arterienobliteration Brand erzeugen kann, aber ihn nicht immer erzeugt, daß der Brand Ar- terienobliteration bedingen kann, aber fie nicht immer bedingt, end—⸗ lich daß Brand und Arterienobliteration Coeffecte derſelben Urſache ſein können, aber es nicht immer ſind. Bibliographiſche Neuigkeiten. Bulletin de la classe physico-mathematique de l’academie imper. des sciences de St. Petersbourg. Tome VII. Nr. 1. 2. gr. 4% pro eplt. 2 Thlr. L. Voss in Leipzig 1848. A. Gray. — A Manual of the Botany of the Nortkern United States, from New England to Wisconsin, and South to Ohio and Pennsylvania inelu- sive. (The Mosses and Liverworts by W. S. Sullivant) Arranged accor- ding to the Natural System, with an Introduction and Glossary etc. Crown 8°. (pp. 782, cloth, 14 sh.) Boston 1848 Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 142. (Nr. 10. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Will, über die Proceſſionsraupe und die Urſache ihrer ſchädlichen Einwirkung auf die Haut. — van Hall, über das Periodiſche im Wachsthume und der Entwicklung der Pflanzenorgane. — Miſeellen. Der Manilahanf. Meteorſteine in Tennefjee. — Heilkunde. Toulemouche Fall von tuberculöſer en der dura mater des Rückenmarkes und Verletzung des Rückenmarkes am Urſprunge des achten Nervenpaares, wodurch V die Functionen der verſchiedenen Behandlung des oedema glottidis. — Bibliographie. erzweigungen desſelben der Reihe nach gelähmt worden waren. — Miſcellen. Wagners Stelzfuß. Buck, chirurgiſche Naturkunde. XXVI. über die Proceſſionsraupe (Bombyx pro- cessionea) und die Urſache ihrer ſchädlichen Gin- wirkung auf die Haut. So allgemein bekannt die höchſt ſchädlichen Einflüſſe mehrerer behaarter Raupen, namentlich aber der Proceſſions— raupe, auf den menſchlichen Organismus ſind, ſo wenig wiſſen wir bisher über den eigentlichen Grund dieſer Ein— wirkung. Wir wiſſen, daß es namentlich die Haare ſind, welche die beläſtigenden und ſchädlichen Erſcheinungen hervor— rufen, wir wiſſen aber auch, daß bei reizbaren Perſonen ſchon die Annäherung an die Behälter, in welchen große Mengen von Raupen gehalten werden, einen üblen Einfluß hat (wie Ratzeburg in der entomologiſchen Zeitung erzählt). Man hat für dieſe Erfahrungen verſchiedene Erklärungen verſucht, ohne jedoch bis jetzt völlig ins Reine gekommen zu ſein. Sowie man eine mechaniſche Verletzung der Haut durch die mit kleinen Stacheln verſehenen Haare annahm, ſo mußte man, um die Fortwirkung zu erklären, manche Einjtliche Hypotbeſen zu Hülfe nehmen, und umgekehrt, wenn auch ein ätzender, flüſſiger Stoff (Raupenſäure) nachgewieſen war, ſo ließ dies doch ſchwer begreifen, wie derſelbe, an einigen wenigen Haaren anklebend, ſo bedeutend einwirken ſollte. Hr. Dr. Roſenhauer hatte die Gefälligkeit, mir eine Anzahl von mehr als hundert Raupen der B. processionea zu verſchaffen. Ich verſuchte nun theils durch mikroſkopi— ſche Zergliederung der Raupen und ihrer Haare, theils durch chemiſche Operationen, die ich unter der trefflichen Anleitung und Beihülfe meines Freundes Dr. v. Gorup vornahm, zu eruiren, welcher Stoff und auf welche Weiſe derſelbe die bekannten Erſcheinungen hervorruft. Indem ich mir vor— behalte, bei einer andern Gelegenheit die Details der Unter— ſuchung umſtändlich aus einander zu ſetzen, theile ich hier No. 2122. — 1022. — 142. vorläufig die bisher gewonnenen Reſultate mit, in der Abſicht, andere Naturforſcher dadurch zu veranlaſſen, die Unterſuchun— gen zu prüfen und auch auf ſolche Raupen auszudehnen, welche mir nicht zugänglich ſind. 1) Der wirkſame Stoff in den ſchädlichen Raupen iſt Ameiſenſäure und zwar in freiem, höchſt concentrirtem Zuſtande. Er reducirt Silber- und Queckſilberſalze, röthet verdünnte Lakmuslöſung und läßt ſich mit Waſſer aus den Raupen als verdünnte Ameiſenſäure deſtilliren. 2) Die Ameiſenſäure iſt in allen Theilen der Raupe enthalten, beſonders aber in den Fäces, in dem grünlich— gelben Safte, der ausfließt, wenn man die Raupe anſchnei— det, und endlich in den hohlen Haaren. 3) In den Fäces und in dem bezeichneten Saſte iſt neben der Ameiſenſäure wahrſcheinlich Galläpfel- oder Gerb— ſäure vorhanden. Die chemiſchen Reactionen ſprechen mehr für die letztere. 4) Befindet ſich eine größere Anzahl von Raupen in einem geſchloſſenen Behältniß, ſo wird angefeuchtetes und feucht erhaltenes Lakmuspapier, was man darin frei auf— hängt, innerhalb 6—24 Stunden entſchieden geröthet. Dies beweiſ't, daß die verflüchtigte Säure allein, ohne Beimen— gung von Haarſtückchen, Excrementtheilchen u. dgl. auf die Schleimhaut der Naſe oder feuchte Stellen der Oberhaut einzuwirken vermag. Auffallender iſt natürlich die Wirkung, wenn durch raſches Offnen des Behälters oder durch Luft: zug die äußerſt beweglichen Haar- oder Exerementtheilchen mit fortgeriſſen werden oder auf die Haut gelangen. 5) Ich ſchor 50 Stück Raupen die Haare ab, um die in denſelben befindliche relative Menge der Ameiſenſäure annäherungsweiſe zu beſtimmen. Kaum hatte ich etwa 10 Minuten damit zugebracht, als ich hoch oben in der Naſe Trockenheit und einen eigenthümlichen wu mit einer Art 147 von zuckendem Gefühl und am Eingang der Naſenlöcher Bren— nen und Jucken empfand. Der Druck im oberen Theile der Naſe hörte faſt ganz auf, ſo lange ich einen feuchten Schwamm unter die Naſe band, kam aber wieder, wenn der Schwamm durch das Athmen trocken geworden war. Das Jucken am Rande der Naſenlöcher hielt aber mehrere Tage an. In ungefähr 2 Stunden nach dem Abſcheeren fühlte ich auch am Handgelenke und an der Unterſeite des Vorderarmes, die auf dem Arbeitstiſche aufgelegen war, heftiges Jucken; in kurzer Zeit erſchienen Papulen; das Jucken nahm zu, daß ich in der Nacht nicht ſchlafen konnte und nur durch kalte Überſchläge eine Milderung herbeizuführen im Stande war. Am anderen Tage war auch die Bruſt, der Nacken, die Vorderſeite des Halſes und ein Theil der Wangen von einem papulöſen Ausſchlage bedeckt. — Ich glaube, daß die Einwirkung auf die Naſe durch die verflüchtigte Ameiſen— ſäure, die auf die Haut des Armes und der Bruſt aber durch Haarſtückchen, die auf die Haut des Nackens und der Wangen durch unvorfichtige Berührung mit den bereits an— geſteckten Händen bedingt war. 6) Bei der chemiſchen Unterſuchung war ich genöthigt, die Probirgläschen bei dem Schütteln mit den Fingern nie— derzuhalten und wiederholt zu reinigen. Nach einigen Stun— den bekam ich Brennen in den Handtellern und zwiſchen den Fingern, welches ebenfalls in der Nacht zunahm und mir Schlafloſigkeit verurſachte. Dies beweiſ't mir, daß eine ſehr empfindliche Haut ſelbſt von der hier jedenfalls ſehr verdünnten Ameiſenſäure angegriffen werden kann. (Von der Empfindlichkeit meiner Haut hatte ich ſchon früher in Nizza und Trieſt bei der Berührung von Pelagia nocliluca und Actinia viridis ziemlich ſchmerzliche Erfahrungen ge— macht.) 7) Die Haare von B. processionea enthalten eine ver— hältnißmäßig ſehr große Menge von Ameiſenſäure. Spuren derſelben fand ich auch in den Haaren der Raupen von Bomb. neustria, Chrysorrhoea, dispar und salicis; eben jo in den Schuppen der Flügel von Bombyx neustria, Sphinx ocellata, Sphinx ligustri und in vielen ſcharfen Säften der verſchiedenſten Inſecten. In größerer Menge enthielten Ameiſenſäure die Raupenbälge, welche bei der Verpuppung in der Puppenhülle zurückbleiben. 8) Die Stacheln und ſpitzigen Höcker, welche auf den Haaren der Raupe von B. processionea ſitzen, ſtehen mit der irritirenden Eigenſchaft dieſer Haare in keiner directen Verbindung. Abgeſehen davon, daß dieſelben nur ½30 bis ½00““ lang find und mit der Röhre des Haares in keinem Zuſammenhange ſtehen, alſo weder wegen ihrer Größe noch wegen eines etwaigen Inhalts die Haut ver— letzen können, abgeſehen davon ſind die Stacheln an den Haaren anderer Raupen, wie z. B. Bombyx chrysorrhoea und B. salicis, größer, ſtärker und ſpitziger, als bei B. pro- cessionea, könnten alſo eine bedeutendere Verletzung herbei— führen; was jedoch bekanntlich nicht der Fall iſt. — Dieſe Stacheln, — Widerhäkchen habe ich nirgends geſehen, — mögen wohl ein leichteres und feſteres Anhän— gen an den Gegenſtänden, mit denen ſie in Berührung 142. VII. 10. 148 kommen, bedingen, ſo daß die Wirkung der in ihnen ent— haltenen Ameiſenſäure intenſiver wird, weil man ſich durch Blaſen oder Waſchen nur ſchwer vollkommen reinigen kann. Umgekehrt aber ſind die Haare von Bomb. pini ganz glatt oder höchſtens mit einer Andeutung von Stacheln verſehen, und doch liegen Erfahrungen vor, nach welchen durch die bezeichnete Raupe nicht unbedeutende Affeetionen der Haut herbeigeführt wurden. 9) Die Ameiſenſäure klebt den Haaren nicht äußerlich mechaniſch an, ſondern die Haare ſind vielmehr in ihrer gan— zen Länge hohl und mit einer Flüſſigkeit oder einer krüm— lichen Maſſe angefüllt, welche ſich durch Compreſſion zwiſchen 2 Glasplatten hin- und herbewegen und am abgeriſſenen oder abgeſchnittenen Ende des Haares heraus preſſen läßt. Im unverletzten Zuſtande ſind die Haare an der Spitze geſchloſ— ſen, ſo daß ihr Inhalt nicht herausdringen kann. Die Haare von B. processionea find ganz mit einer krümlichen Maſſe angefüllt, die bei auffallendem Lichte weicht, bei durchfallendem ganz dunkel erſcheint und nur ſchwer aus der Röhre des Haares austritt. In anderen Raupenhaaren iſt der Inhalt dünnflüſſig, durchſichtig und ſcheint leicht herauszudringen, denn ſehr häufig iſt die ganze Röhre mit Luft angefüllt. 10) Erwärmt man die Haare von B. processionea mit ſalpeterſaurem Silberoryd, ſo wird dasſelbe an der Stelle, wo der Inhalt ausgetreten iſt, am meiſten redueirt. Eben ſo legt ſich das redueirte Metall häufig an dem Theile des Haares an, wo die Wände des letzteren dünne find, Dies beweiſ't, daß nicht die Subſtanz des Haares, ſondern der in der Höhlung befindliche Nahrungsſtoff Ameiſenſäure enthält. 11) Die Röhre des Haares iſt an der Wurzel nicht geſchloſſen, ſie verengert ſich nur etwas, dringt aber durch die allgemeine Haut bis in die Leibeshöhle und ſcheint dort mit Drüſen in Verbindung zu ſtehen. 12) Die Haare der Proeeſſtonsraupe find ſehr feſt an— gewachſen. Die Raupe verliert daher ſelten ganze Haare, dagegen brechen ſie leicht ab und werden deßhalb als zer— brochene Stückchen, wo die Raupe einige Zeit verweilt, in Menge gefunden. 13) Als Sicherungsmittel gegen die Einwirkung der Haar- oder Exerementtheilchen auf Hände und Arme habe ich bei ſpätern Unterſuchungen folgendes erprobt. Ich wa— ſche mich, bevor ich an die Arbeit gehe, mit gewöhnlicher Lauge und laſſe dieſelben auf der Haut trocken werden und reinige mich nach der Arbeit wiederum zuerſt mit Lauge und dann mit Waſſer. Habe ich viele Raupen zu— gleich vorzunehmen, jo binde ich einen feuchten Schwamm vor die Naſe. Sind ein Mal Pavpulen entſtanden, fo min⸗ dern kalte Überſchläge das Brennen und Jucken; auch Ol— einreibungen laſſen ſich mit Vortheil anwenden. Erlangen, am 26. Juni 1848. Prof. Dr. Fr. Will. 149 XXVII. über das Periodiſche im Wachsthume und der Entwicklung der Pflanzenorgane. Von H. C. van Hall. Die periodiſchen Veränderungen im Entwicklungsgange der Pflanzen, der Wechſel zwiſchen kräftiger Entwicklung und ſcheinbarer Ruhe, ſowie die ungleichartige Entfaltung des einen Organes vor dem andern, ſind wie der Verf. meint, bisher viel zu wenig beachtet worden, ſcheinen ihm aber für das Gedeihen der Pflanze ſehr wichtig zu ſein. In der zweiten Lieferung der Tijdschrift voor de wis- en natuurkundige wetenschappen von 1847 theilt der Verf. ſeine Betrachtungen mit und macht dabei zunächſt auf zwei Punkte aufmerkſam: 1) auf die ungleiche Entwicklung verſchiedener, doch ihrer Natur nach analoger Organe, 2) auf die Verſchiedenheiten hinſichtlich der weiteren Entwicklung, des Stillſtandes oder Zurückbleibens bei einem und demſelben Organe der Pflanze. J. Die erſte Art, eine ungleiche, ſchnellere oder lang— ſamere Entwicklung unmittelbar neben einander befindlicher, ihrer Natur nach gleicher Organe läßt ſich nach dem Ver— faſſer aus dreierlei Urſachen ableiten: 1) aus dem früheren Ent— ſtehen der an der Spitze der Pflanzentheile gelegenen Theile; 2) aus einem früheren Entſtehen der mehr nach außen ge— legenen Theile, und 3) aus der geſchützteren Lage der nach innen gelegenen Theile. Der Verf. ſpricht hier zunächſt über das ungleiche Verhalten der radicula und plumula des keimenden Samens. Die radicula iſt es, die ſich zuerſt und überwiegend ent— wickelt, der jungen Pflanze einen feſten Stand und Nah— rung liefert und bei einer jungen erſt 6 bis 7 Zoll hohen Eiche bereits 4 Fuß tief in den Boden geht, wogegen die Wurzel ſpäterhin, wenn der Stamm ſeine verſchiedenen Or— gane nach außen entwickelt, ein viel langſameres Wachsthum annimmt. Außere Einflüſſe, Wärme und Feuchtigkeit des Bodens ſind hier von großem Einfluß. Stengel und Wurzel ſind einander polar gegenüber geſtellt und entwickeln ſich beide aus ihrer Spitze. Die Spitze, der jüngſte Theil der Wurzel, dringt immer tiefer ins Erdreich, berührt neue Schichten und nimmt aus ihnen neuen Nahrungsſtoff. Der Zellſaft der Wurzelſpitzen Toll deßhalb nach Mulders und Papens Unterſuchungen vom übrigen Zellſafte der Wurzel chemiſch verſchieden ſein. Schnei— det man die Wurzelſpitze ab, ſo hört ſie auf der Länge nach zu wachſen, bildet dagegen Seitenwurzeln. Der Stengel, deſſen unterſte Internodien die älteſten ſind, entwickelt gleichfalls an der Spitze neue Internodien. Die vorjährigen, überhaupt die einer früheren Wachsthums— periode angehörenden Stengelglieder verlängern ſich ſo siel dem Verf. bekannt, bei keiner Pflanze, ſelbſt die unterſten jährigen Stengelglieder hören bald auf zu wachſen, und nur 2 oder 3 unter der Spitze gelegene Internodien wach— ſen fort; ſobald aber die Terminalknoſpe zur Blüthe wird, iſt es auch hier mit der Neubildung und dem Wachsthume vorbei und nur noch eine Zunahme im Umfang, eine Holz— 142. VII. 10. 150 bildung der vorhandenen Stengelglieder und eine Entwick— lung von Arillarknoſpen, die in dieſem Falle früher als ſonſt entſtehen, möglich. Dieſe Seitenknoſpen, die, wenn die Terminalknoſpe fortbildungsfähig geblieben, vielleicht nicht zur Entfaltung gekommen wären, entwickeln ſich jetzt und eben fo ſolle, wenn man die plumula des keimenden Samens wegnimmt, die Seitenknoſpe der jungen Pflanze um ſo üppiger gedeihen. Wo nun wie bei den Palmen nur rudimentäre Seiten— knoſpen vorkommen, muß der ganze Stamm, wenn ihm die Terminalknoſpe genommen wird, abſterben. Das Längs— wachsthum des Stammes nimmt an der Spitze mehr und mehr ab, die innerſten Theile entwickeln ſich von Schuppen bedeckt, zu Blättern einer künftigen Vegetationsperiode; kommen hier Blüthen zur Entwicklung, ſo iſt durch ſie, wenn auch nicht das Wachsthum des ganzen Stammes, doch derjenigen Knoſpen, die zu Blüthen wurden, ein für alle Mal begrenzt. Eine Saftverminderung und dadurch eine minder üppige Blattentwicklung iſt hier wie überhaupt die Urſache der Blüthenbildung, es entſtehen keine neuen Inter: nodien, wogegen die vorhandenen Knoſpen zu Bluͤthen wer: den. Aus demſelben Grunde, aus einer Saftarmuth ent— wickeln Topfpflanzen verhältnißmäßige mehr Blüthen als Blätter. Als erſtes Internodium der Pflanze betrachtet der Verf. den Stengeltheil von der radicula bis zum Anſatzpunkte der Samenlappen; die letzteren ſind meiſtens deutlicher ſichtbar wie die radicula. Die Samenlappen entwickeln ſich von der Spitze zur Baſis, ihr Blattſtiel oder ihre Baſis iſt der jüngſte Theil. Beim Keimen iſt ihr Verhalten bei verſchie— denen Pflanzen verſchieden, bei einigen ſchwellen ſie, Feuch— tigkeit aus dem Boden nehmend, an, nehmen aber, wenn ihre aſſimilirbaren Stoffe zur Ernährung der jungen Pflanze verwandt ſind, wieder ab; bei andern entwickeln ſie ſich blattartig und ſind noch an der blühenden Pflanze (bei Ve— ronica hederifolia) vorhanden. Wo ſie über die Erde her— vorkommen, verlängert ſich der ſie tragende Stengeltheil und tritt mit ihnen aus der Erde hervor, ähnlich wie ſich der Stamm verſchiedener Palmen, wenn ihre Wurzeln auf feſte Körper gerathen, in die Höhe hebt. Faſt eben ſo erfolgt das Wachsthum der ſpätern Internodien, auch hier erſcheinen zuerſt die Spitzen der Blätter, die Internodien ſind anfangs kaum angedeutet und entwickeln ſich verſchiedentlich, je nach— dem der unterſte oder der mittelſte Theil derſelben zuerſt zu wachſen aufhört. Eine ähnliche Wachsthumsserſchiedenheit kommt nach dem Verf. auch beim Blattſtiele vor, dort iſt der oberſte Theil der zunächſt gebildete, und doch erliſcht das Wachsthum in verſchiedener Weiſe, entweder im unteren oder im mittleren Theile: im erſten Falle trennt ſich der Blattjtiel mit einem regelmäßigen Gelenke von der Pflanze, im zweiten Falle bleibt der Blattſtiel ſelbſt nach dem Ab— fallen der Blätter noch lange an der Pflanze ſitzen; jo bei den Palmen. Die Spitze der Blattſcheibe entſteht zuerſt und fie ift es, die auch zuerſt zu wachſen aufhört, von ihr aus ſtirbt das Blatt nach unten zu ab. 10 * 151 Nach dem Verf. entſteht im Embryo zuerſt der Samen— lappen, darauf ſein Blattſtiel und dann erſt der cauliculus (die Achſe der Keimpflanze), eben ſo zuerſt die Spitze des Blattes, dann die Blattſcheibe, darauf der Blattſtiel und zu— letzt das Internodium. Bei Rieinus communis findet man ſowohl an der Spitze des Blattſtiels wie an der Spitze des Stiels der Samenlappen eine entwickelte Drüſe, dieſelbe iſt beiderwärts ſchon vor dem Auftreten des Stielchens vorhan— den; dagegen zeigt euscuta, der die Blätter fehlen, daß das Längswachsthum der Internodien nicht von den Blättern allein abhängt. Wie nun bei einigen Pflanzentheilen (allen Blattorga— nen) die Spitze der älteſte Theil iſt, darauf das übrige entſieht und zuletzt nur noch ein Wachsthum von innen her Statt findet, ſteht dieſer Entwicklungsgang auch mit dem Abfallen der Theile, die ihre Ausbildung vollendet haben, in innigem Zuſammenhange, und gilt dies nicht nur für die Blätter mit ihrem Blattſtiele, ſondern auch für die geſtielten Früchte. Die Spitze der Frucht und das unterſte Ende ihres Stieles ſind bereits fertig, wenn in ihrem In— nern noch große Veränderungen vor ſich gehen, ja dieſe Veränderungen dauern noch fort, wenn ſich der Fruchtſtiel bereits von der Pflanze getrennt hat. Wie ſich nun Blätter und Früchte mit ihren Stielen ablöſen, ſo nimmt man auch bisweilen eine Trennung der Internodien von einander wahr; abgeſtorbene Eichenzweige verlieren häufig an der Spitze des einjährigen Triebes ihre Zweige und der vom Froſte ge— troffene Weinſtock zerfällt in einzelne Glieder. In der Blume iſt der äußerſte Wirtel, der Kelch, das Blatttheil des Internodiums und der Blüthenſtiel dem Blattſtiele zu vergleichen. Die Spitze der Kelchblätter er— ſcheint viel früher wie der Blüthenſtiel, der, wenn der Kelch ſchon feine Entwicklung erreicht hat, ſich oft noch bedeutend verlängert. Das unterſte Internodium der Blüthe ſelbſt, der Theil, welcher die corolla trägt, iſt meiſtens unentwickelt, erreicht jedoch bei einigen Caryophyllaceen eine beträchtliche Länge, dasſelbe gilt vom dritten dem Staubfadenwirtel und vom vierten und letzten dem Stempelwirtel. Das am höch— ſten gelegene Internodium dieſer Wirtel iſt immer das jüngſte, das unterſte das älteſte; die tiefer gelegenen Theile umklei— den und fchüßen ſomit die höher gelegenen Theile. Wie nun die Blüthentheile nach einander entſtanden, ſo fallen ſie auch in der Regel nach einander ab; die Kelch— blätter machen in der Regel den Anfang und die Frucht— blätter den Beſchluß; ſind mehrere Staubfadenwirtel vor— handen, ſo entſtehen die unterſten Reihen am früheſten und fallen auch in der Regel am früheſten wieder ab. Vom Blumenblatte und Staubfaden gilt dasſelbe wie vom Kelch— blatte, ſeine Spitze entſteht zuerſt, ſeine Baſis zuletzt, die Anthere früher, als das Filament. Die Narbe des Blatt— fruchtknorens wird früher als die Fruchtknotenhöhle und dieſe vor dem Stiele (dem podogynium) des Stempels ges bildet. Cobaea scandens dient dem Verf. als Beiſpiel. Bei Cleome spinosa ſind die Antheren zuerſt etwa ſechs Mal fo lang, als die Filamente, ſpäter aber drei bis vier Mal kürzer als letztere; der Fruchtknoten iſt zu Anfang vier 142 VII. 10. 152 Mal fo lang als ſein Stiel, ſpäter vier Mal fo kurz als letzterer. Mit der Befruchtung, die oft ſchon, ehe der Stempel ſeine volle Länge erreicht hat, Statt findet, wird das wei— tere Längswachsthum beſchränkt; der Same beginnt von der Micropyle her zu reifen. Iſt die Frucht gereift, jo hat die Pflanze ihr Ziel erreicht und hört entweder ganz oder nur in der Nähe der Frucht zu wachſen auf, während ſich im Keimlinge des letzteren alle Lebensthätigkeiten zur Bil— dung einer neuen Pflanze concentriren. Der Same löft ſich von der Fruchtſchale, die vor ihm gebildet wurde und die Frucht ihrerſeits von der Pflanze. Das Schwinden des Saftes im kuniculus der Samen iſt eine Folge des Reifens der Samen, dieſes aber eine Folge des Reifens der Frucht; es ſcheint demnach, als wenn mit dem Reifen der letzteren die Saftzufuhr aus dem Stamme aufhörte und dadurch das Abſterben bedingt würde. Ein ſolches Abſterben, nachdem der Zweck des Daſeins erfüllt iſt, zeigt ſich am Hanfe und den Cupuliferen mehr als deutlich, die männliche Hanf— pflanze vergeht 3 bis 5 Wochen früher als die weibliche, die Kätzchen von Juglans und Betula fallen im Frühjahre ab, während der Fruchtknoten bis zum Herbſte verbleibt. Man könnte demnach den Samen ſelbſt als Centralpunkt des Pflanzenlebens betrachten, der auf die ganze Pflanze oder doch den Theil, der ihn trägt, von großem Einfluſſe iſt, und deſſen Fehlen ſo gut wie das Fehlen neuer Knoſpen das Abſterben dieſes Theiles nach ſich zieht. Bei ein- und zweijährigen Gewächſen ſtirbt die ganze Pflanze, wenn ſie ihre Frucht gereift hat, bei den perenni— renden der jährige Trieb oder wenigſtens der Blüthenſtiel ab. Einige Palmen, deren Terminalknoſpe zur Blüthe wird, ſterben, wenn ſie ihre Frucht gereift, die meiſten aber, deren Terminalknoſpe fort und fort wächſ't und die aus Arillar— knoſpen Blüthen treiben, dauern fort und bringen viele Jahre nach einander Blüthen und Früchte. Der Verf. glaubt die Entwicklung der Internodien über einander der inflorescentia centripeta, wo die Entwicklung ebenfalls von unten nach oben vor ſich geht, vergleichen zu können, obſchon jedes Blattorgan der Blüthe für ſich mit ſeiner Spitze zuerſt erſcheint. Die Ausbildung dieſer Blatt— organe und die Ausbildung der Frucht könnte alsdann mit der inflorescentia centrifuga, wo die Endblüthen zuerſt ge— bildet werden und die fernere Entwicklung und Ausbildung von oben nach unten erfolgt, verglichen werden. Ein anderes, zwar nicht ſo in die Augen fallendes Geſetz iſt das Entſtehen der Umkleidung vor dem zu be— kleidenden Theile; ſchon die einzelne Zelle wird zuerſt als einfache, äußere Membran entwickelt, die ſich erſt nach und nach von innen her durch Ablagerung auf ihre Innenwand verdickt; die primäre Zellwand umkleidet ſo nicht nur den Cytoblaſten, ſondern auch die in ihr entſtandenen Tochter— zellen. In dieſer Weiſe bedeckt die Oberhaut der Spitze der radicula ein Zellgewebe, in dem ſich die Wurzeln oder Nebenwurzeln bilden; in dieſer Weiſe werden die äußern Theile eines Internodiums zur Umkleidung für die folgen— genden: ſo bedeckt die vagina der Gramineen die Spitze der 153 Pflanze, fo decken die Knoſpenſchuppen, meiſt veränderte Blätter des laufenden Jahres, die Knoſpenanlagen des kom— menden Jahres und fallen erſt ab, wenn ſich die letzteren entwickeln. Ein Theil der angelegten Knoſpen wird zu Blättern und Blüthen, der andere verlängert ſich und bildet neue Zweige; dasſelbe gilt von allen Zwiebeln, die über— haupt nichts anderes als iſolirte Knoſpen ſind. Wo die Knoſpenſchuppen, wie bei Liriodendron, Ficus, Magnolia, Tilia u. ſ. w., aus den Stipeln des tiefer ge— legenen Internodiums gebildet werden, ſind ſie zu Anfang größer als die Blätter, ſie wachſen aber nicht mehr, ſondern fallen, wenn ſich die Blätter entfalten, ab. Wie aber die Lebensdauer der Blattorgane überhaupt nicht überall dieſelbe iſt, jo giebt es auch Stipeln, die fortwachſen und erſt mit den neu gebildeten Blättern zugleich abfallen. Sowie die Knoſpen von Blattſchuppen, wird auch die Blüthe von der bractea oder spatha, überhaupt von Blatt— organen umkleidet, und Kelch und Blumenblätter ſchützen und umhüllen wiederum die inneren weſentlichen Theile. Der Kelch gehört jederzeit dem unterſten Wirtel, dem tiefſten Internodium der Blüthe an; er wächſ't am erſten aus und nimmt nur ſelten ſpäter noch an Größe zu; anders verhält ſich der zweite Blüthenwirtel, die corolla; vom Kelche um— ſchloſſen und bedeckt entwickelt ſie ſich anfangs langſam, entfaltet ſich ſpäter aber um fo raſcher, den Kelch weit über- ragend; auch die Staubfäden und Stempel vergrößern ſich oft noch während des Blühens. Bei der Frucht gehört die Fruchtſchale, nach dem Verf., dem äußeren, folglich tiefer als die Samen gelegenen Wirtel, an; deßhalb findet man bisweilen Fruchtgehäuſe ohne Sa— men, gerade ſo, wie man Blumen ohne Staubfäden und Piſtille findet, weil die ſpäteren Internodien nicht zur Ent— wicklung kamen; eben deßhalb öffnet ſich auch meiſtens die Samenſchale, noch ehe ſich die Samen von ihrem Träger löſen; das Aufſpringen geſchieht auch meiſtens von der Spitze aus, weil die Spitze der Fruchtblätter früher, als ihre Baſis entſtand. Für den Samen gilt dasſelbe, auch dort find die Knoſpenhüllen viel früher, als die Keime vor— handen. (Schluß folgt.) 142. VII. 10. 7 andere Gegend an Meteorſteinen zu ſein. Miſcellen. 28. Der Manila⸗Hanf wird von Musa textilis gewonnen, welche Pflanze, nachdem ſie ihre eßbaren Früchte gereift, dicht über der Wurzel abgehauen und ihrer Blätter beraubt wird. Nachdem die dünne Haut abgezogen iſt, loſ't man die Baſtbündel ſorgfältig heraus und dreht aus ihnen einen etwa zwei Finger dicken Strang, den man mit einem Meſſer gegen die Kante eines Tiſches drückt und fo allmälig das noch anhängende fleiſchige Zellgewebe hervor— preßt, wozu eine nicht geringe Kraft erforderlich iſt. Der Strang wird ſo lange zwiſchen Tiſch und Meſſer durchgezogen, bis die Safer möglichſt rein iſt, worauf fie an der Luft gekrocknet wird. Der Stamm der Pflanze wird nicht ſelten in zwei und mehrere Theile geſchnitten, und ſo erhält man die kürzere Faſer des Han- dels. Die trocknen Faſern werden darauf von den Frauen weiter verarbeitet, zunächſt in einem hölzernen Mörſer mit hölzernem Pi⸗ ſtill geſtampft, um ſie von einander zu trennen und biegſam zu machen. Nachdem ſie geſponnen und gewebt ſind, wird das erhaltene Zeug 24 Stunden lang in Waſſer gelegt, worin etwas Kalk ſus⸗ pendirt iſt. In Manila wird der Hauf in eubifchen Ballen von 280 Pfd. Schwere exportirt: jährlich werden von dort mehr als 5000 Tous verſchickt, von denen ¼ bis ¼ nach den vereinigten 181 Americas gehen. (The London journal of botany. No. 77. 0 29. Der Staat von Tenneſſee ſcheint reicher wie irgend eine ö . Zehn an verſchiede— nen Orten dieſes Staates gefundene Meteormaſſen ſind bereits von Prof. G. Trooſt beſchrieben worden, der über die elfte, exit kürzlich entdeckte, folgende Auskunft giebt. Wenige Meilen von Murfreesborough, in der Grafſchaft Rutherford, fanden Leute, die nach Gold und Silber ſuchten, einen ſchweren Metallklumpen, den fie anfangs, ihn für edles Metall haltend, verheimlichten, fpäter aber als Eiſen verkauften; er ward von Trooſt erſtanden, wog über 19 Pfd., hatte eine unregelmäßig eiförmige Geſtalt und war mit einer 2 Millimeter dicken, braunen Schicht von Eiſen— orydhydrat umkleidet, aus der hie und da das metalliſche Eiſen hervorblickte. Letzteres hatte den gewöhnlichen Eiſenglanz und einen ſehr kryſtalliniſchen Bruch; es war hämmerbar, doch härter, als das übrige Meteoreiſen von Tenneſſee, und zeigte die Wid⸗ mannſtat'ſchen Figuren von rhomboidaler und dreieckiger Form. Die Maſſe war compact und homogen, ſchien überdies faſt voll— kommen rein zu fein, nur an einer Stelle zeigte ſich ein wenig Schwefeleiſen eingeſprengt. Nach einer ungefaͤhren Analyfe entz hält ſie weniger Nickel, als das übrige in Tenneſſee gefundene Meteoreiſen, beſtand nämlich aus 96,00 Eiſen, 2,40 Nickel und 1,60 nicht weiter unterſuchten Stoffen. (The American Journal, No. 15. 1848.) i Heil (XIII) Über einen Fall von tubereulöſer Entar- tung der dura mater des Rückenmarks und Ver⸗ letzung des Rückenmarks am Urſprunge des achten Nervenpaares, wodurch die Functionen der verſchie— denen Verzweigungen desſelben der Reihe nach ge- lähmt worden waren. Von M. A. Toulemouche zu Rennes. Beobachtung. — Der 25jährige Renault kam am 3. April 1847 ins Spital und beklagte ſich über unde. Schmerzen im Halſe, zumal auf der rechten Seite und über völlige Steifheit dieſes Theiles. Er hatte alle Symptome eines rheumatiſchen Leidens der Halsmuskeln. Am folgenden Tage wurden 12 Blutegel an dieſen Theil geſetzt und alsdann Kataplasmen von Leinmehl an— gewandt. In den nächſten Tagen verordnete ich aromatiſche Dampfbäder, deren 7 — 8 zur Anwendung kamen. Zugleich wurde Queckſilberſalbe in den Hals eingerieben oder das Kataplasma mit dergleichen beſtrichen. Am 12. April ließ ich denſelben Theil fearifieiren und 155 142. VII. 10. Schröpfköpfe wiederholt aufſetzen, ohne daß Erleichterung erfolgte. Der Patient hatte fortwährend Schmerzen. Obwohl indeß der Hals verkürzt ſchien, waren deſſen Muskeln doch nicht zuſammengezogen. Den 13. ward ein epiſpaſtiſches Pflaſter in den Nacken gelegt und die durch dasſelbe veranlaßte Eiterung einige Tage unterhalten. Es trat durchaus keine Beſſerung dar— auf ein. Am 23. ließ ich wieder 10 Blutegel an den Hals ſetzen und Meliſſeninfuſton als Getränk reichen. Des Abends wurde ein beruhigender Kühltrank verordnet. Den 27. Ein von mir verordneter Aderlaß von 500 Grammen (1½ 7) brachte eben fo wenig Beſſerung hervor, und Renault klagte fortwährend über heftigen Schmerz auf der linken Seite. Er neigte unwillkürlich den Kopf rechts, während das Kinn links gewendet war. Sarſapa— rillentiſane; Kaliumiodür 1 Grm. Den 3. Mai diagnoftieirte ich ein Leiden des Rücken— marks an der dem Urſprunge des linken Spinalnerven gegenüber liegenden Stelle, und da Schwierigkeit im Schlin— gen eintrat, ſo bezweifelte ich nicht weiter, daß auch die Wurzel des n. glossopharyngeus erkrankt und entweder com— primirt oder erweicht ſei. Fieber war nicht, wohl aber un— ausgeſetzter Schmerz vorhanden. Am folgenden Tage ließ ich auf der rechten Seite, dem untern Theile der Halsmuskeln gegenüber, eine Mora ſetzen. . Den 3. Mai nahm man Einreibungen mit der Salbe von iodurifirtem Kalium-Hydriodat vor. Den 9. Der Appetit blieb gut, aber die Schmerzen ließen ſich nur durch Opium lindern. (Knappe Milch⸗ diät, 1 Gramm Kaliumiodür, Sarſaparilledecoct.) Den 14. Der Patient genoß faſt nichts. Beim Schlin— gen fand noch dieſelbe Schwierigkeit Statt. Abmagerung. Ich vermuthete eine Verdickung der dura mater und eine dadurch veranlaßte Zuſammendrückung des Urſprunges des n. spinalis und n. glossopharyngeus. Den 16. ließ ich den Kranken ein Dampfbad neh— Am folgenden Tage ſtellte ſich Huſten ein. Ich ver— muthete, er habe ſich erkältet. Kühltrank. Einathmen von Chlor; Sarſaparilladecoct. Schon ſeit einiger Zeit hatte ſich Ameiſenlaufen und eine große Schwäche im linken Arme men. eingeſtellt. Den 18. Die Lähmung des linken Armes war vollſtändig. Ich ließ an die Baſis des cranium 12 Blut— egel ſetzen. Einige Tage darauf war das Bein derſelben Seite taub, allein noch beweglich. Mittlerweile ergriff die Lähmung auch den andern Arm. Renault huſtete beſtändig und warf viel grünliche dickliche sputa aus. Der Auswurf war ſchwierig, die Reſpiration wie mechaniſch (2). Es zeigte ſich deutlich, daß die Wurzel des u. pneumogastrieus von der Krankheit ergriffen war. Den 24. Der Patient, welcher mit einem warmen Schweiße bedeckt war und Fieber hatte, blieb unbeweglich auf dem Rücken liegen und konnte ſich der Arme durchaus nicht mehr bedienen. Ich ließ 15 Blutegel in den Nacken 156 ſetzen und gleich darauf ein Haarſeil an derſelben Stelle legen. 5 Beſſerung war durchaus nicht eingetreten. Ich ließ ein Brechmittel reichen, um die bronchitis, auf welche mir das allgemeine Schleimraſſeln hinzudeuten ſchien, zu be— kämpfen. Die Aſphyrie war drohend. Kühltrank mit 3 Deecigrm. Kermes; Decoct von Gundelrebe mit Oxymel. Den 30. Ich verordnete abermals Blutegel an den Hals. Der Stuhlgang und das Harnen waren ſchwierig. Abführendes Klyſtir. Das Fieber hielt an. Den 31. Es wurden noch 10 Blutegel in dieſelbe Gegend geſetzt. Hierauf ſchienen die Bewegungen des Hal— ſes leichter zu werden, und der Kranke konnte ſich horizon— tal ausſtrecken, was ihm vorher nicht möglich war, da er fortwährend im Bette beinahe aufrecht ſaß, ohne den Hals oder Arme irgend bewegen zu können. Er ſtarb in der Nacht auf den 1. Juni gegen 2 Uhr an vollſtändiger Aſphyrie— Leichenöffnung, 12 Stunden nach dem Ab— leben; äußerer Zuſtand. Der Körper war ein wenig abgemagert; an den untern Theilen waren ſtarke Sugilla— tionen zu bemerken. Kopf. Die Integumente ſtrotzten am hintern Theile von Blut; die Schädelknochen waren dick und hart; die Venen an der Oberfläche des Gehirnes von Blut ausgedehnt, was vorzüglich bei den Sinus der Baſis der Fall war. Die Höhle der Spinnewebenhaut enthielt eine gewiſſe Menge klaren Serums. Die Capillargefäße waren fein ausgeſpritzt. Das Gehirn war im allgemeinen feſt und die weiße Subſtanz durch Blutgefäße geſprenkelt. Die Seitenventrikel enthielten nur die normale Menge Serum. Das Mittelge— hirn war ebenfalls feſt und geſund und das kleine Gehirn desgleichen. Die Höhle der Spinnewebenhaut des Rückenmarks ent— hielt eine ziemliche Quantität Serum. Nachdem ich in die Muskeln des hintern Theiles des Halſes eingeſchnitten, entdeckte ich auf der linken und ſelbſt auf der rechten Seite, doch hier im geringern Grade, zwi— ſchen den tiefen Muskeln infiltrirtes Blut und blutiges Serum, und als ich auf der linken Seite bis in die Höhle des Rückgrates eindrang, Eiter oder vielmehr erweichte Tuberkel— materie, welche den Intervertebrallöchern der erſten Wir— belbeine gegenüber einen kleinen Abſeeß bildete. Nachdem ich das Rückgrat bis zum fünften Wirbelbeine durchſägt und das Rückenmark bloß gelegt hatte, entdeckte ich vom erſten bis zum dritten Halswirbel eine tuberculöſe Ent— artung der dura mater, welche unten roth, verdickt und dann in eine gelblichweiße Subſtanz von der Conſiſtenz weichen Käſes, ſowie den drei erſten Intervertebrallöchern der linken Seite gegenüber fluͤſſig oder erweicht war. Das Rückenmark zeigte ſich auf derſelben Seite erweicht und ſammt der Wurzel des achten Nervenpaares, mit Einſchluß der Wurzeln des spinalis, glossopharyngeus und pneumo- gastricus, zerſtört. Überdies verbreitete ſich die tuberculöſe Verdickung der— ſelben Membran über die vordere Fläche, ſowie über die 157 entgegengeſetzte oder rechte feitliche Fläche, obwohl ſie hier um vieles geringer war. Der Reſt des Rückenmarkes war vollkommen geſund, und die entſprechenden Wirbelbeine durchaus nicht krankhaft verändert. Bruſt. Der rechte Lungenflügel ſtrotzte ungemein ſtark von Blut. Man bemerkte ſelbſt an ſeinem hintern Theile Blutinfiltrationen, wie bei Lungenapoplexie des erſten Grades. Das Lungengewebe war im allgemeinen geſund und kniſternd, die Schleimhaut der Bronchen verdickt, mit tiefrothen Strei— fen verſehen und deren Höhle mit blutigem Schleime ver— ſtopft. Man bemerkte eine ſehr voluminöſe Bronchendrüſe, die verhärtet war und aus einer ſchwarzen Subſtanz beſtand, welche in ein kreidiges Gewebe eingeſprengt war, das an einigen Punkten weiß und an allen übrigen Stellen ver— härtet war. Die linke Lunge war an allen Punkten ihrer Ober— fläche angewachſen. Ihr Parenchym zeigte ſich durchgehends geſund, aber ebenfalls überall von Blut ſtrotzend. Die Bronchenmembran bot dieſelben Spuren von Congeſtion dar, wie die der andern Seite. Im Herzbeutel fand ſich nur wenig Serum, und das Herz befand ſich im normalen Zuftande. Abdomen. Der ziemlich große Magen enthielt kaum einige Löffel einer gelblichen milchigen Flüſſigkeit; die Dünn— därme nur eine etwas gelbliche weiße Flüſſigkeit, welche ſich wie trübes Reißwaſſer ausnahm und nach Knoblauch roch. Die dicken Därme waren meiſt leer; erſt gegen das S des Grimmdarmes hin bemerkte man eine geringe Quan— tität flüſſiger graulichgrüner Fäces. Die Leber fand ſich im normalen Zuſtande, die Milz ſchlaff und ihre Subſtanz blaßroth und ſehr leicht zu zer— quetſchen. Nieren und Blaſe zeigten ſich geſund. In dem eben dargelegten Falle waren die erſten Sym— ptome diejenigen eines rheumatiſchen Leidens der Halsmus— keln, worauf bald eine permanente Zuſammenziehung der— jenigen der rechten Seite und geute Schmerzen folgten. 7 Erſt etwas ſpäter diagnoſticirte ich nach der Schwie— rigkeit beim Schlucken, der Abmagerung, der Unmöglichkeit den Hals zu bewegen und dem Fieber ein Leiden des obern Endes des Rückenmarkes oder ſeiner Hüllen, welches ſich am Urſprunge der Wurzeln des achten Nervenpaares ent— wickelt habe und bereits die Thätigkeit einer gewiſſen Anzahl der Aſte des n. spinalis, ſowie des n. glossopharyngeus hin- dere, welcher bekanntlich aus dem corpus restiforme über dem n. pneumogastricus entſpringt. Dieſelbe Schwierigkeit in den Contractionen der Muskeln des Schlundkopfes, der Speiſeröhre und des Kehlkopfes, welche von dem n. spinalis abhängen, und die eintretenden Athmungsbeſchwerden deute— ten darauf hin, daß der letztgenannte Nerv, welcher nach Bell, der obere Reſpirationsners des Rumpfes iſt, weil er die Zuſammenziehung der mm. sterno- ma- stoidei, trapezii und pharyngei weſentlich vermittelt, in ſeinen Functionen durch dasſelbe Leiden des Rückenmarkes, 142. VII. 10. 158 welches immer weiter um ſich griff und die andern Aſte des⸗ ſelben Nerven zur Mitleidenſchaft zog, mehr und mehr bes hindert worden. Das Auftreten einer von Huſten begleiteten ſchleimi— gen Secretion der Bronchen, ſchwieriger Erpectoration, welche ich fälſchlich auf Rechnung einer Erkältung ſetzte, war nur eine Folge der Ausdehnung des Leidens am Ur— ſprunge des n. pneumogastricus, der, in ſeiner Thätigkeit gelähmt, die Contractilität der Bronchen nicht mehr vermit— telte, ſo daß der in denſelben ſecernirte Schleim ſich in Ermangelung dieſer Nerventhätigkeit dort anhäufte. Denn dieſer aus dem obern bulbus des Rückenmarks aus den corp. restiformia und in der Linie der hintern Wurzeln der Spi— nalnerven entſpringende Nerv vermittelt das Gefühlsvermö— gen der Schleimhäute des pharynx, larynx, oesophagus, Magens und der Bronchen bis in deren letzte Verzweigungen. Man begreift daher leicht, warum, wenn dasſelbe in Folge eines Leidens des Urſprunges dieſes Nerven aufgehoben iſt, die ſchleimige Seeretion jene Röhren nicht mehr zum Zu— ſammenziehen und Austreiben des Schleimes reizen kann, daher ſich anhäuft und zuletzt Aſphyrie veranlaßt. So geſchah es auch bei Renault. Zugleich zeigte mir anfangs das Ameiſenlaufen und dann die den ganzen linken Arm einnehmende Lähmung ſchon am 19. Mai, daß die Krankheit von oben nach unten fortſchritt und den Urſprung des plexus brachialis ergriffen hatte, was durch die Ausdehnung der Lähmung über den rechten Arm beſtätigt ward, aus der ſich zugleich ergab, daß das Leiden die ganze Peripherie des Rückenmarks einnahm, indem es ſich bis an den Urſprung des rechten plexus brachialis verbreitet hatte. Die Fortſchritte dieſes Leidens mußten den Tod durch Aſphyrie allmälig herbeiführen; denn da die die Athmungs— funetionen vermittelnden Nerven an den ſeitlichen Theilen des Rückenmarks oder des bulbus dieſes letztern zwiſchen den ſtrangförmigen und olivenförmigen Körpern (und zwar in folgender Ordnung von oben nach unten: die harte Portion des Gehörnerven, der n. glossopharyngeus, n. pneu- mogastrieus, n. spinalis s. accessorius Willisi und n. dia- phragmaticus) entſpringen, fo mußte natürlich die Reſpira— tion in den Maße, wie das Leiden fortſchritt und den Ur— ſprung des achten Nervenpaares mehr und mehr zerſtörte, immer ſchwieriger werden, indem die Einathmungsbewegungen nur noch durch die Hals- und Schultermuskeln vermittekt werden konnten. Nachdem nun aber der ſich in dieſe ver— theilende n. spinalis ebenfalls an feinem Urſprunge zerſtört worden, hörten auch dieſe Bewegungen auf, und das Ath— men konnte dann nur noch durch das Zwerchfell und die Zwiſchenrippenmuskeln vermittelt werden, die ihrerſeits bald zu wirken aufhörten, als die Krankheit des Rückgrates noch weiter abwärts fortſchritt; danach aber mußte der Tod durch Aſphyrie eintreten. Da in dieſem Falle die Zuſammendrückung des Rücken— marks anfangs ganz allmälig in Folge der krankhaften Ver— änderung der Membranen eintrat, ſo ſtellten ſich auch die Symptome in derſelben Reihenfolge ein. So entſtanden 159 unaufhörliche tief greifende Schmerzen, Taubheit des einen, dann auch des andern Armes, eine un vollkommene, dann voll— ſtändige Lähmung dieſer Ertremitäten und Schwierigkeit beim Schlingen, während der unverſehrte Zuſtand der intellectuellen Functionen darauf hindeutete, daß das Leiden ſeinen Sitz unterhalb des bulbus des Rückenmarks habe, und während die Abweſenheit von Störung in den Functionen des Maſtdarmes und der Blaſe anzeigte, daß nur die Halsregion erkrankt ſei. Der Umſtand, daß die Symptome am linken Arme am ſchlimmſten waren, ließ annehmen, daß die Krankheit am Urſprunge der ſich in denſelben verzweigenden Nerven be— gonnen habe, und dadurch wird die von Hrn. Ollivier von Angers gemachte Beobachtung beſtätigt, daß die Sym— ptome der einſeitigen Erkrankungen des Rückenmarks ſich ſtets auf derſelben Seite wahrnehmen laſſen, indem die Fa— ſern des einen ſeitlichen Stranges des bulbus des Rücken— markes ſich nicht mit denen des andern kreuzen. Als die Entzündung bei Renault das Rückenmark unterhalb des Gelenkes des atlas mit dem Hinterhauptsbeine ergriff, war es leicht, die ſämmtlichen Symptome der mye- litis wahrzunehmen. So traten Fieber, Schwierigkeit beim Schlingen, heftige Schmerzen im Nacken, nebſt Verkürzung der Muskeln dieſer Region, ſtufenweiſe Lähmung der Arme ꝛc. ein. Das Leiden war hier um ſo bedenklicher, als das Rückenmark den drei erſten Intervertebralöffnungen gegenüber, an einer Stelle ergriffen war, welche dem bulbus des Rücken— markes ſehr nahe liegt, der beim Menſchen und überhaupt bei den höher organiſirten Thieren bekanntlich gewiſſermaßen der Brennpunkt des Lebens iſt; denn in ihm finden ſich die Nerven, welche das Herz, die Lungen, den Magen, den Kehlkopf und die äußern Reſpirationsmuskeln bewegen, ver— einigt. nen in dem fraglichen Falle der Tod nur allmälig und nicht faſt augenblicklich eintrat, wie dies bei den Brü— chen der Wirbelſäule geſchieht, welche oberhalb des dritten Halswirbels vorkommen, wo der n. diaphragmaticus ent⸗ ſpringt, ſo liegt der Grund darin, daß die Krankheit ſtufen— weiſe fortſchritt, wie ſich aus der ſtufenweiſen Zunahme der Lähmung des Armes ergab, und daß jenes Organ ſich ge— wiſſermaßen an die zunehmende Compreſſion gewöhnte. (Schluß folgt.) 139. VII. 10. 160 Mifcellen. (15) Wagners (aus Lemberg) Stelzfuß beſteht aus einer ovalen Schiene aus Eiſenblech von 9½“ im Längen- und 9 im Querdurchmeſſer, welche mit Roßhaaren belegt und mit Leder über— zogen der untern Fläche des gebeugten Stumpfes zur Unterlage dient. Die Seitenränder der concaven Schiene haben an der einen Seite zwei Schnallen, an der andern zwei weiche Lederriemen, um die Schiene dadurch zu befeſtigen. An der untern, convexen Fläche der Schiene iſt eine ziemlich dicke, eiſerne Schraubenmutter ange— bracht, die etwas ſchräg nach vorn ſteht und mit der Schiene etwa einen Winkel von 85% bildet. Am hintern Rande der Schiene iſt ein dritter Riemen befeſtigt, welcher über das Geſäß bis zum Beckengürtel hinaufſteigt und hier mit einer Schnalle befeſtigt wird. Der eigentliche Stelzfuß iſt von ſtarkem Holze, dem geſunden Fuße der Länge nach entſprechend und gehörig ſtark; an ſeinem obern Ende befindet ſich ein eiſerner Ring mit Schraubengängen, um von der Schraubenmutter an der Schiene aufgenommen zu werden. Die Verbindung der Stelze mit der Schraube hat den Vortheil, daß, wenn dieſelbe unbrauchbar wird, fie mit geringen Koſten fich wieder erſetzen läßt; auch kann der Amputirte beim Sitzen und Liegen zur Bequemlichkeit ſeine Stelze abſchrauben. Das Gewicht des ganzen Stelzfußes beträgt 2 Pfund 17 Loth Wiener Gewicht und er koſtet nicht mehr als 6½ Fl. Das Anlegen kann der Amputirte allein und ohne Beihülfe verrichten, der Oberſchenkel liegt feſt in der Schiene, kann kräftig bewegt werden, die Narbe am Stumpfe bleibt unberührt und der Gebrauch der Hände iſt, da die Amputirten ohne Krücke oder Stock gehen können, unge⸗ hindert. — So einfach und zweckmäßig der angegebene Stelzfuß auch in vielen Fällen ſein mag, ſo kann derſelbe doch nicht als eine neue Erfindung betrachtet werden, da er faſt in derſelben Form ſchon von mehreren Chirurgen angewendet worden iſt. (Schmidts ran der in- und ausländ. geſammten Med. Jahrg. 1848. S. 66.) (16) Chirurgiſche Behandlung des Oedema glot- tidis. Von Buck. — Verf. hat öfters beobachtet, daß in Fäl⸗ len von Odem der glottis, wenn Erſtickung droht, der Kranke durch Einſchnitte in die Ränder der glottis und epiglottis ſehr erleichtert wird. Er behandelte kürzlich einen ähnlichen Fall; der Kranke litt an Rachenentzündung, wurde von Dyspnöe befallen, und es traten Parorysmen von Erſtickungsgefahr ein. Der in den Schlund eingeführte Finger konnte die epiglottis ungeheuer angeſchwollen und geſpannt fühlen. Auch die Anſchwellung der glottis wurde wahrgenommen. Bei der Operation wurde eine gekrümmte, ſcharf ſpitzige Scheere und hierauf ein gekrümmtes, ſpitziges Biſtouri, welches bis auf ½ Zoll von der Spitze umwickelt war, in Ges brauch gezogen. Der Kranke erpectorirte zwei bis drei Löffel voll Blut, vermiſcht mit den Secreten des Schlundes, und fühlte ſich ſehr erleichtert. (Amer. Journ. of Med. Sc. u. Monthly Journ. Febr. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. C. Ch. Beinert, der Meteorit von Braunau am 14. Juli 1847. gr. 8°. ù Thlr. Breslau 1848. 2. Ausg. G. F. Füsebeck, die Nerven des menschlichen Kopfes. W. Turton , Conchylia dithyra insularum Britannicarum. The bivalve shells gr. 40. 12/, Thlr. Braunschweig 1848. Bene british islands, systematically arranged. gr. 4°. 16 Thlr. Cassel M. Langenbeck, über die Wirksamkeit der medic. Polizei. gr. 8. % Thlr. Göttingen 1848. C. F. Riecke, der Kriegs- und Friedenstyphus in den Armeen. lung. (Schluss.) gr. 8%. 1½ Thlr. Potsdam 1848. F. Günsburg, Studien zur speciellen Pathologte II. Bd. auch unter dem Ti- 1815 die pathologische Gewebslehre II. Bd. gr. Se. 2½ Thlr. Leipzig 2. Abthei- Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie-Comptolrs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 143. (Nr. 11. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Schmidt, über meine auf den Färder gemachten zoolog. Beobachtungen. — v. Siebold, Blepharophora Nymphaeae. — van Hall, über das Perlodiſche im Wachsthume und der Entwlckelung der algen Laurent, Reproduction des Volvox globator. — Heilkunde. Tou marks zꝛc. (Schluß.) — Sc Ohnmacht bei Anwendung des Chloroforms. Gutta Pere a für medic. und chirurg. Zwecke. ane (Schluß.) — Miſcellen. Weſtwood, 2 Heuſchreckenarten am Himalaja. emouche, üb. einen Fall von tubercul. Entartung der dura mater des Rücken⸗ malz, über die 1 e der Stimmgabel zur Unterſcheidung der nervöſen Schwerhoͤrigkeit. — Mifcellen. Simpſon, 1 Hernia durch den Muttergrund. — Bibliographie. Natur kunde. XXVIII. Vorläufige Mittheilungen über meine auf den Färöer gemachten zoologiſchen Beobachtungen. Von O. Schmidt in Jena. In meiner Monographie der rhabdocoelen Strudelwür— mer des ſüßen Waſſers, deren Verſendung leider bis in dieſe Wochen verzögert iſt, ſprach ich die Hoffnung aus, nächſtens auf Island ergänzende Unterſuchungen anſtellen zu können. Ich vertauſchte Island mit Färö, habe dort das Frübjahr zugebracht und eile nun, eben aus dem Norden zurückge— kehrt, einige für Syſtematik und Phyſiologie der Würmer, wie mir ſcheint, ſehr wichtige Reſultate meiner Unterſu— chungen zu veröffentlichen. Eine ausführliche Arbeit mit den Zeichnungen wird im Herbſte erſcheinen. Strudelwürmer. Die erſte Rhabdocoele, welche ich am 19. April und ſpäter in der Bucht von Thorshaven in ungeheurer Menge fand, ſetzte mich in nicht geringe Verlegenheit, da ſie mir ſo überraſchende Verhältniſſe zeigte, daß ſie mit meinen und anderen Erfahrungen gar nicht in Einklang zu bringen ſind. Die Süßwaſſer-Rhabdocoelen find ohne Zweifel Hermaphro— diten, dasſelbe gilt, ſo weit meine Kenntniſſe reichen, von den die See bewohnenden Rhabdocoelen, mit alleiniger Aus— nahme jener Species, welche unzweifelhaft getrennten Ge— ſchlechts iſt. Das Thierchen gleicht der äußern Geſtalt nach der Vortex capitata Oerstd., womit ich es anfangs verwech— ſelte, es hat überhaupt ganz den Habitus der Gattung Vor- tex, iſt aber durchaus davon verſchieden. Vortex hat mit den andern Rhabdocoelen (mit Ausnahme der Mieroſtomeen) die nach hinten geſchloſſene Magenhöhle gemein. Dagegen iſt der Darmeanal des neuen Thieres ein verhältnißmäßig ſehr complieirter, und man kann an ihm Schlund, Kropf, No. 2123. — 1023. — 143. Magen, Dünndarm, Dickdarm und Maſtdarm mit Anal öffnung unterſcheiden. Das Wichtigſte iſt aber die Ver⸗ theilung des Geſchlechtes auf männliche und weibliche Indi⸗ viduen. Der männliche Geſchlechtsapparat beſteht in zwei zur Seite des Darmeanals gelegenen Hoden; im Sinterende ſtehen dieſelben mit zwei Samenblaſen in Verbindung, deren Ausführungsgänge ſich in einem sphincter vereinigen. Ge— ſchlechtsweg und Darmmündung treten zu einer Cloake zu— ſammen. Bei den Weibchen entwickeln ſich früh vier ellip— tiſche Eierſtöcke; beſondere Dotterſtöcke, wie ich ſie in meiner Monographie kennen gelehrt, finden ſich nicht. Jene vier Eierſtöcke entwickeln ihre Eier zu gleicher Zeit und werden, wenn ſie ganz gefüllt ſind, ausgeſtoßen und an Pflanzen und Steinen befeſtigt. Erſt hier beginnt die Furchung. Unter den Eierſtöcken zieht ſich eine große Samentaſche hin, welche gleichfalls eine gemeinſchaftliche Mündung hat mit dem Darme. Eine zweite neue Species bildet ein merkwürdiges Ver— bindungsglied zwiſchen den Dendrocoelen und Rhabdocoelen. Der Magen iſt nämlich ein einfacher Sack, mit ihm iſt aber der lange ausſtülpbare Schlund der Dendrocoelen com— binirt. Die Species iſt ferner deßhalb wichtig, weil man an ihr leicht eine mit den vier Augenflecken zuſammenhän— gende Centralnervenmaſſe bemerkt, an Form den bei vielen Dendrocoelen beſchriebenen ähnlich. Ich laſſe andere an anderen neuen Arten gefundene Einzelheiten hier unerwähnt, da ſie zum großen Theile nur zur Beſtätigung meiner frühern Beobachtung dienen. Ringelwürmer. In der Fauna Norvegica von Sars iſt ein Kopf: kiemer beſchrieben, Filograna implexa, ausgezeichnet durch ſeine Fortpflanzung durch R habe eine neue 163 Species bekannt zu machen, an welcher ich dieſe Querthei— lung oder Sproſſung in allen ihren Stadien beobachten konnte. Sars erwähnt am Kopfende zweier Doppelpunkte, ſpricht es aber nicht aus, daß er ſie für Augen hielt. Sie ſcheinen auch bei Fil. implexa ſehr unvollkommen und un⸗ deutlich zu fein. An unſerer Art treten dieſe Pigmentflecke ſehr klar hervor und ich ſtehe nicht an, ſie Augen zu nen— nen, da ſie auf einer Nervenmaſſe liegen. Man hat bisher keine Kopfkiemer mit Augen, es hat aber nichts auffallen— des, daß es deren giebt, vorzüglich wenn man erwägt, daß die Filogranen freiwillig ihre Röhren verlaſſen, alſo mehr als andere Kopfkiemer den Namen semierrantia verdienen. Die an den Klemen angebrachten Röhrendeckel fehlen meiner Species. Am belohnendſten wurde die Unterſuchung der von Ehrenberg entdeckten und in den Verhandlungen der Ge— ſellſchaft naturforſchender Freunde in Berlin (1836) kurz charakteriſirten Amphicora Sabella. Mein verehrter Lehrer hatte nur wenige Exemplare zu beobachten Gelegenheit, J. Müller ſah ſie ſpäter bei Kopenhagen, und auch die Ko— penhagner Zoologen beobachteten ſie hin und wieder, ohne in eine ſorgfältigere Zergliederung ſich einzulaſſen. So iſt es gekommen, daß man dieſen Wurm gänzlich verkannt hat. Er bildet nämlich den Stamm zu einer ganz neuen Ord— nung der Ringelwuͤrmer, er iſt ein Schwanzkiemer. Was man für den Kopf gehalten hat, iſt der Schwanz. Der Bemerkung Ehrenbergs, daß das Thier an beiden Körperenden Augen habe, hat man keinen rechten Glauben ſchenken wollen. Sie iſt vollkommen richtig; ja noch mehr. Das ausgewachſene Weibchen trägt am Kopfe zwei Augen, am Hinterende vier, und zwar hat das hinterſte Paar eine zuſammengeſetzte Structur, Hornhaut, Linſencapſel, Nerven: bulbus. Ich ſpreche vom Weibchen, denn die Geſchlechter ſind getrennt, indem die allen Individuen zukommenden und als Hoden beſchriebenen Drüſen nicht Hoden ſind, ſondern einen zum Zuſammenleimen der Höhle dienenden Stoff aus— ſcheiden. Hoden und Eierſtöcke verhalten ſich wie bei andern Ringelwürmern, indem ſie ſich durch viele Körperglieder aus— breiten. Die Entwicklung der Amphicora Sabella habe ich ohne Lücke verfolgt, von der Eibildung an bis zu dem Stadium, wo die Kiemer vollſtändig ausgewachſen ſind. Es werden dadurch meine am erwachſenen Thiere gemachten Beobachtungen und die daraus gefolgerte Behauptung über die Stellung im Syſteme erhärtet. XXIX. Blepharophora Nymphaeae. Unter dieſem Namen wurde kürzlich von Perty in Bern eine neue Alge mit automatiſchen Wimper— körpern beſchrieben ), welche ſich in weitläufigen dendri— ) Perty: Blepharophora Nymphaeae. Ein Beiſpiel automatiſcher Wimperbewegung im Pflanzenreiche. Nebſt einigen Erörterungen über Be⸗ wegung durch ſchwingende mikroſkopiſche Organe und über Spordzoidien, In⸗ fuforien, Bacillarien. Bern, 1848. 4. 143. VII. 11. 164 tiſchen Verzweigungen der Unterſeite von Nymphäenblättern anheftet. Perty rechnet dieſe Alge nach Kützings Sy— ſteme in die Ordnung Cryptospermeae, bildet aber eine beſondere Sippe Ble pharophoreae daraus, welche ihren Platz zwiſchen den Batrachoſpermeen und Liagoreen finden müſſe. Die Charaktere von Blepharophora Nymphaeae werden von Perty auf folgende Weiſe feſt— geſtellt: „Algenkörper fadenförmig, verzweigt, mit ſeitlichen knotigen Anſchwellungen, beſtehend aus einer Markſchicht von Schleimzellen, welche Büſchel glasheller, ſchwach geglie— derter Fäden (Antheridien?) und ſtärkerer aus Molecülen gebildeter, mit ſchwingenden Wimpern beſetzter Körper ein— ſchließen, und einer ſchleimig-häutigen Rinde, in welcher Bacillarien niſten. Sporen verborgen, frei im Schleime ſich erzeugend, mit deutlich zelliger Schale, ohne weitere Um— hüllung und mit moleculariſchem Inhalte, bei der Reife braun.“ Leider hat ſich der Entdecker dieſes neuen ſonderbaren Pflanzengebildes eine arge Täuſchung zu Schulden kommen laſſen, denn ein jeder, der mit der Fauna unferer ſüßen Gewäſſer vertraut iſt, wird ſich bei unbefangener Durchleſung der ſpeciellen Beſchreibung, welche Perty von feiner Ble- pharophora Nymphaeae gegeben hat, und bei der Betrach— tung der dieſer Beſchreibung zur Erläuterung beigefügten Abbildungen, ſogleich überzeugen, daß Perty gar keine Pflanze, ſondern nichts anderes als junge Colonien von Aleyonella stagnorum vor ſich gehabt und mithin einen Süßwaſſer-Polypen für eine Alge gehalten hat. Hätte Perty feinem fadenförmigen, veräſtelten und mit ſeitlichen knoͤtigen Anſchwellungen verſehenen Algenkörper nur etwas Ruhe gegönnt, ſo würde er geſehen haben, daß die im In— nern der Pflanzen verborgenen Büſchel der mit ſchwingenden Wimpern beſetzten Körper ſich allmälig an der Spitze der knotigen Anſchwellungen als die ſehr artig geordneten Arme eines Federbuſch-Polypen entfalteten, denn die von Perty auf Tab. II Fig. 9 a, b abgebildeten Körper ſind in der That nichts anderes, als die aus dem Zuſammenhange geriſſenen und zum Theil ſpiralig aufgerollten Tentakeln der Alcyo- nella stagnorum. Ferner erkenne ich in den (ebenda, Fig. 10 und 11) abgebildeten unbeweglichen und ſchwach geglieder— ten Fäden die abgeriſſenen als Zurückzieher der Tentakel— büſchel und des Verdauungscanales wirkenden Muskelbündel, deren Faſern nach dem Abreißen ſich unter Querrunzelung contrahirt und ſo ein quergeſtreiftes Anſehen bekommen haben. Eben ſo ſind die don Perty beſchriebenen und (Taf. III, Fig. 14 a bed) abgebildeten Sporen der ver— meintlichen Conferve deutlich als die Wintereier der Alcyo- nella stagnorum zu erkennen, man vergleiche nur die von Raspail gelieferten Abbildungen desſelben Gegenſtandes *). Die Bacillarien, welche Perty im Inneren der vermeint— lichen Alge angetroffen, erinnerten ihn an die ſchizonemati— ſchen Diatomeen Kützings, nur mit dem Unterſchiede, daß in der Schleimmaſſe der Blepharophora verſchiedene Arten *) Raspail: histoire naturelle de l’Alcyonelle fluviatile, in den Memoi- res de la Société d’histoire naturelle de Paris. Tom. IV. 1828. Pl. XII, Fig. 10—12. Pl. XIV, Fig. 4—8. Pl. XV, Fig. 5. 165 von Bacillarien ungeordnet beiſammen liegen, während in den Gelinröhren von Schizonema gleichartige und nach einem gewiſſen Principe geordnete Bacillarien beiſammen liegen. Offenbar beſchreibt hier Perty, ohne es zu ahnen, die verſchiedenen im Verdauungscanale der Aleyonella enthaltenen Futterſtoffe, welche hauptſächlich aus Diatomeen beſtehen 5). Dieſe letzteren finden ſich ſehr häufig in der Umgebung von Alcyonellen-Colonien und bleiben nach dem Abſterben mit ihren Schalen leicht an der äußeren Rinde der Aleponellen— gehäuſe kleben. Ich muß hier übrigens in Bezug auf die Form der Gehäuſe von Alcyonella stagnorum das beſtäti— gen, was ſchon Raspail darüber bekannt gemacht hat. Dieſe Polypengehäuſe zeigen nur in der früheſten Zeit an einer jungen Colonie eine regelmäßig veräſtelte Geſtalt, wäh— rend ältere und größer herangewachſene Colonien dieſes Süßwaſſer-Polypen, nachdem hier Generationen auf Gene— rationen ihre veräſtelten Röhren über und durch einander ausgebreitet haben, dichte und unregelmäßig geſtaltete Klum— pen, Knollen oder raſenförmige Ausbreitungen darſtellen. An friſchen und vergänglichen Pflanzentheilen, z. B. an den Blättern, Blatt- und Blumenſtielen von Nymphäen, an den Stengeln von Myriophyllum, an der Unterſeite von Lemnen u. dergl. findet man immer nur vereinzelte und ziemlich regelmäßig veräſtelte Röhren von jungen einjährigen Colonien der Aleyonella stagnorum **). In derſelben oben erwähnten Schrift macht mir Perty den Vorwurf, daß ich, nachdem ich mich des irrigen Grund— ſatzes Ehrenbergs, die Infuſorien als vollkommene Or— ganismen zu betrachten, entſchlagen, auf der anderen Seite wieder zu weit gegangen ſei, indem ich (in meinem Lehr—⸗ buche der vergleichenden Anatomie der wirbelloſen Thiere) die Organiſation der Infuſorien auf die einer Zelle zurück— geführt. Ich berufe mich zu meiner Rechtfertigung auf die allgemeinen ſowohl für die Pflanzen- wie Thierwelt gülti— gen Geſetze der Entwicklung, nach welchen das Pflanzenreich wie das Thierreich mit einfachen einzelligen Organismen beginnt. Hiernach ſtehen den Gattungen Closterium, Eua- strum, Navicula, Surirella nebſt vielen anderen Diatomeen als einzelligen Pflanzen-Organismen die Gattungen Amoe- ba, Gregarina, Euglena, Bursaria, Leucophrys und die übri— gen Protozoen als einzellige Thier-Organismen gegenüber *). Ich bin daher mit Perty ganz einverſtanden, wenn er die Infuſorien als Thier-Organismen betrachtet, bei welchen nicht nur die organiſchen Syſteme, ſondern auch das Pa— renchym nicht zur Differenzirung gekommen ſind. Um ſo weniger kann ich aber demſelben darin beiſtimmen, daß die zahlreichen Molecüle und Bläschen, welche die Subſtanz der Infuſorien ausmachen, und welche ich als den Zelleninhalt *) Vergl. Raspail a. a. O. Pl. XII, Fig. 2— 6. Pl. XV, Fig 3 k. m. ) Dergleichen junge Colonien von Alcyonella stagnorum hat bereits a Beiträge zur Naturgeſchichte der kleinſten Waſſerthiere. Taf. 4 und Röſel: Inſectenbeluſtigungen, Theil III, Taf. 73 und 74 abgebildet. ***) Henle hat übrigens ſchon früher die Exiſtenz von einzelligen Thieren vermuthet und ſich darüber in ſeinen pathologiſchen Unterſuchungen (S. 44) auf folgende Weiſe ausgeſprochen: „Der complieirteſte thieriſche oder pflanz= liche Körper fft ein Aggregat von ſolchen, nach verſchiedenen Richtungen ent⸗ wickelten Zellen, und auf der anderen Seite giebt es niedere Pflanzen und wahrſcheinlich auch Thiere, d. h. bewegliche Weſen, die nur aus einer einfachen oder wenigen an einander gereihten Zellen beſtehen.“ 143. VII. 11. 166 dieſer einzelligen Thiere betrachte, eine Combination von embryoniſchen Zellen darſtellen ſollen. Perty prophezeit ferner dem Criterium der Contrae— tilität, welches ich für das einzellige Thier zum Unterſchiede von der einzelligen Pflanze hingeſtellt habe, keinen Beſtand, und beruft ſich bereits auf die Sporen der Vaucheria und der Fucoideen, welche als einfache Pflanzenzellen wahrſcheinlich eontractil ſeien, da fie durch die engen Offnungen der Spo— rangien hervorſchlüpfen können; Perty hat hierbei ganz die Glaftieität der zarten Zellenmembran dieſer Sporen über— ſehen, mittels welcher die letzteren, durch ihre Flimmerorgane vorwärts gedrängt, ſich durch eine enge Offnung hindurch— zwängen können. Freiburg in Breisgau, d. 10. Juli 1848. C. Th. v. Siebold. XXVII. Über das Periodiſche im Wachsthume und der Entwicklung der Pflanzenorgane. Von H. C. van Hall. (Schluß.) II. Was nun die ungleiche, ſchnellere oder langſamere, normale oder abnorme Entwicklung desſelben Pflanzenorga— nes betrifft, ſo ſehen wir die radicula des keimenden Sa— mens ſich immer zuerſt verlängern und erſt, wenn ſie eine gewiſſe Größe erreicht hat, Seitenwurzeln treiben. Die Ver— längerung der radicula iſt nun meiſtens von äußern Ein— flüſſen abhängig: wenn der Same z. B. ſehr flach liegt, fo erreicht die radicula häufig eine doppelte bis dreifache Länge und hört erſt dann zu wachſen auf, wenn ſie auf eine für die Ernährung der Pflanze taugliche Erdſchicht gekommen iſt. In gleicher Weiſe richtet ſich nach der flacheren oder tieferen Lage des Samens auch die Kürze oder Länge der Stengelanlage (der cauliculus). Erſt, nachdem der Stengel an die Erdoberfläche gekommen iſt, verzweigt ſich derſelbe, das Wachsthum in die Länge ſtockt für einige Zeit; es bilden ſich aus der unterſten Knoſpe neue Wurzelfaſern und Seitenwurzeln, und die tiefer gelegenen zuerſt entſtandenen Wurzelfaſern ſterben ſammt dem älteſten Theile des unterirdi— ſchen Stengels, der jetzt ſeinen Zweck erfüllt hat, ab. Tief in den Boden gelegte Rhizome, Knollen und Zwie— beln muüſſen ebenfalls viel längere, ſchlankere Stengel als minder tief gelegte treiben und erſt, nachdem ſie die Boden— oberfläche erreicht haben, ſich nach beiden Dimenſtonen im gleichen Verhältniſſe entwickeln. Auch Kartoffeln, die in dunkeln Kellern keimen, treiben lange, dünne Ausläufer, die das ihrer Entwicklung nöthige Licht zu ſuchen ſcheinen; eben ſo ſchießen zu dicht neben einander gepflanzte Gewächſe zu geil in die Höhe. Nun hat ſchon B. C. Meeſe 1775 gezeigt, wie ſich die Pflanzen im Dunkeln verhältnißmäßig mehr der Länge nach entwickeln, eine Eigenthümlichkeit, die für den in der Erde keimenden Samen von größter Wich— tigkeit iſt, und ihre Keime dem Lichte entgegenträgt. Im allgemeinen wächſ't der Pflanzenſtengel zuerſt in der Länge 1 167 und Breite, und erſt ſpäter vermehrt ſich die letztere allein. Die Bäume bilden erſt primäres und ſpäter ſecundäres Holz; die ober- wie unterirdiſchen Ausläufer wachſen erſt der Länge nach, und halten dann ganz oder theilweiſe inne, um neue Theile, Wurzelfaſern, Zweige und Blätter zu entwickeln. Die oberirdiſchen Ausläufer von Fragaria vesca und Saxifraga sarmentosa, ſowie die unterirdiſchen Stengel don Solanum tuberosum und Tropaeolum tuberosum können als Beiſpiele dienen; auch hier beginnt die Entwicklung der Dicke nach erſt wenn die nöthige Länge erreicht iſt. Im allgemeinen verlängert ſich die Wurzel von Jahr zu Jahr und dringt ſomit alljährlich in eine neue Erd— ſchicht; im Verhältniß zu dieſer Verlängerung nimmt auch die Verdickung zu, und ſo entſtehen die kegelförmigen Wur— zeln. Auch die Blattorgane der Pflanze zeigen die beſchrie— benen Wachsthums-Verſchiedenheiten, jedoch minder deutlich; auch ſie wachſen im Dunkeln mehr nach der Länge. Die ſchnellere oder langſamere Entwicklung eines und desſelben Pflanzenorganes ſcheint dem Verf. für den Geſtalt— wechſel dieſes Pflanzentheiles von großer Bedeutung zu ſein. Die Umwandlung der Blätter in Bracteen, Kelch und Blu— menblätter geht darnach raſcher oder langſamer vor ſich. Die trägere Blattentwicklung zeigt ſich zuerſt an den immer kleiner werdenden Blättern unterhalb der Blüthen (Nicotiana Tabacum), darauf in der Bildung des Kelches, der Blumen— blätter und der Staubfäden; hört ſie für eine Zeitlang wie— der auf, ſo entwickeln ſich die letzteren mehr blattartig, und wir erhalten ſtatt der Staubfäden Blumenblätter, wie in der Mehrzahl der gefüllten Blumen, oder die Spitze der Blume entwickelt ſich nicht als Fruchtknoten, ſondern ſchießt als Stengel aufwärts. Aber nicht äußere Einflüſſe, als: Wärme und Kälte, Licht und Finſterniß u. ſ. w., allein können eine Wachs— thumsverſchiedenheit der Pflanze herbeiführen, dieſelbe ift vielmehr häufig im Weſen der Pflanze ſelbſt begründet. Der Einfluß verſchiedener Jahres- und Tageszeiten auf das Pflanzenleben iſt mehrfach erforſcht und ſeine Wirkung nach— gewieſen worden. E. Meyer ſah z. B. drei Mal am Tage eine Schnelligkeitsabnahme im Wachsthume des Kornes, die jederzeit nach dem ſchnellſten Wachsthume eintrat; auch Harting beobachtete eine ähnliche der Pflanze eigenthüm— liche Zu- und Abnahme, und Mulder gewahrte bei Cereus grandiflorus eine deutliche Periodicität der Entwicklung des Riechſtoffes. So ſehen wir das ganze Jahr hindurch im Pflanzen— reiche die größte Abwechſelung; während die eine Pflanze zu einer gewiſſen Jahreszeit in vollſter Entwicklung prangt, ſtockt ihr Wachsthum bald darauf oder ſteht ganz ſtille, um einer andern Pflanze Platz zu machen, die ihrerſeits wieder durch eine andere verdrängt wird u. ſ. w. Ein ähnlicher Wechſel der Thätigkeit zeigt ſich auch in den Organen einer und derſelben Pflanze: zuerſt iſt es die Wurzel, die am ſtärkſten wächſ't, dann kommt der Stengel mit ſeinen Blät— tern an die Reihe, ihm folgt die Blüthenentwicklung und das Reifen der Samen beſchließt den Rundlauf. Bei vielen einjährigen Pflanzen, weniger deutlich auch 143. VII. 11. 168 bei einigen perennirenden, kann man drei Perioden der Wachsthumszunahme, deren jeder eine Wachsthumsabnahme oder gar ein Stillſtand folgt, bemerken. Die Entwicklung des Keimes erfolgt meiſtens durch äußere Einflüſſe im ſchlum— mernden Samen angeregt mit Kraft und Schnelligkeit; ſo— bald aber der im Samen ſelbſt angehäufte Nahrungsſtoff vom Keime verbraucht iſt, tritt ein Stillſtand ein, der bei einigen Pflanzen Monate lang fortdauert, ſo daß ſie im erſten Jahre nicht viel mehr als ihre Samenlappen entfalten. Eine zweite Wachsthumszunahme erſcheint mit der Bildung des Stengels und der Blätter; ihr folgt eine Periode der Ruhe, die namentlich bei zweijährigen Pflanzen ſehr bemerkbar iſt; die Pflanze ſammelt neue Kräfte, um mit der Blüthenent— wicklung zum dritten und letzten Male mit erneuerter Energie zu wachſen, wie Agave americana dies beſonders deutlich zeigt. Nun aber iſt die Kraft der Pflanze erſchöpft, wenn der Same gereift, ſtirbt ſie ſelbſt ganz oder theilweiſe ab. Vielen Samen und andern Pflanzentheilen ſcheint über— dies zu ihrer fernern Entwicklung nach außen eine längere Ruhe nöthig zu fein; welche Proceſſe in dieſer Periode der Ruhe in ihrem Innern vorgehen, iſt noch nicht hinreichend bekannt; daß aber weſentliche Veränderungen Statt finden, zeigt ſich am Nachreifen des Obſtes, im Schwitzen des Kor— nes u. ſ. w., und eben ſo gewiß iſt es, daß ohne eine ſolche Ruheperiode und der in ihr vorgehenden Umwandlung verſchiedene Samen gar nicht keimen. Die reifen aber fri— ſchen Samen von Fraxinus, Acer und anderen Bäumen keimen ſelbſt unter den günſtigſten Umſtänden erſt, nachdem ſie eine gewiſſe Zeit im Boden gelegen haben, und dieſe Einrichtung iſt für das Gedeihen der Pflanzen ſehr wichtig, indem, wenn die Samen, wie ſie im Herbſte auf den Boden gelangen, ſogleich keimen würden, manche Pflanze vom Win— terfroſte vernichtet werden müßte. Bekanntlich wählt man zur Saat einiger Pflanzen lieber alten als friſchen Samen, was, wie der Verf. vermuthet, aus obigem Umſtande er— klärlich wird, wogegen der Roggen- und Kohlſame wiederum das Gegentheil zeigt und bei warmer, feuchter Witterung durch das Keimen ſeines reifen Samens an der Pflanze dem Landmanne vielen Schaden bringt. Verſchiedene Knollengewächſe, ſo die Kartoffel, bleiben, wenn ihre Knollen ausgebildet ſind, ohne ſich weiter zu entwickeln, im Boden liegen, und nur dadurch ſind wir im Stande, eine vortheilhafte Ernte zu erzielen, während, wenn fie beſtändig fortwachſen und neue Schüſſe treiben würden junge und alte, unreife und reife Knollen neben einander liegen müßten; aus demſelben Grunde muß man zur Win— terpflanzung vorjährige Kartoffeln legen. Für die meiſten Zwiebelgewächſe gilt dasſelbe, und gerade deßhalb pflegen die Gärtner die ausgewachjenen Zwiebeln aus der Erde zu nehmen und zu trocknen, und ſie erſt ſpäter, einige im Fruh— jahre, andere im Herbſte wieder zu verpflanzen. Bleiben die Zwiebeln in der Erde, ſo bleiben ſie auch dort eine Zeitlang ohne ſichtbare Veränderung liegen, und deßhalb fieht man viele Steppen Aſtens im Frühjahre von prächtig blühenden Zwiebelgewächſen bekleidet, und bald darauf die Stätte ihrer kurzen Herrlichkeit verödet, während die Zwie— 169 bein im Boden ausruhen und ſich für die Vegetation des kommenden Frühjahres vorbereiten. Auch die Knoſpen der Bäume haben ihre Periode der Ruhe: nicht alle im Frühjahre entwickelten Knoſpen werden ſchon in demſelben Jahre zu Zweigen, die meiſten verbleiben als Knoſpen, um ſich im nächſten Frühjahre zu entwickeln. Bei Tamus elephantipes, bei den Zamia- Arten und andern Gartenpflanzen wechſelt die Knoſpenentwicklung mit einem Zeitpunkte der Ruhe regelmäßig ab. Die meiſten Pflanzen unſerer Klimate bilden ſchon frühe ihre Blumenknoſpen, die erſt nach geraumer Zeit zur Entwicklung kommen und deß— halb nur ſelten zwei Mal im Jahre blühen; bei einigen Pälmen erkennt man ſchon mehrere Jahre vorher die Anlage künftiger Blüthen. Einige Organe bleiben immer, andere nur für eine Zeitlang im rudimentären Zuſtande; an demſelben Zweige ſieht man häufig vollkommene und rudimentäre Knoſpen, welche letztere ſich nur unter beſondern Verhältniſſen ent— wickeln. Bei Larix und Salisburia adianthifolia finden ſich Zweiganfänge, die jahrelang in dieſem Zuſtande verbleiben, ehe fie zu wachſen beginnen, dann aber zwiſchen den ent— wickelten Zweigen als neue Sproſſen hervortreten. Bei der Pflanze ſcheint demnach, wie beim Thiere, ein Wechſel zwiſchen Thätigkeit und Ruhe, zwiſchen Wachs— thum und Stillſtand nothwendig zu ſein. Außere Umſtände befördern dieſe Abwechſelung, die Temperaturveränderungen, der Wechſel des Lichtes mit der Dunkelheit, des Tages mit der Nacht, die verſchiedenen Jahreszeiten und die Winde ſind hier von weſentlichem Einfluſſe. Auf dieſe Abwechſelungen im Wachsthume und der Entwicklung der Pflanze wie ihrer Theile folgt endlich frü— her oder ſpäter das Abſterben derſelben, eine Erſcheinung, die trotz ihrer Allgemeinheit, ihrem Weſen nach, noch lange nicht erkannt und gehörig verſtanden iſt, und über deren 143. VII. 11. 170 Urſachen ſehr verſchiedene Anſichten herrſchen, deren nächſte Urſache uns aber gänzlich verborgen iſt. Miſcellen. 30, Eine Heuſchrecke mit röthlichen und eine andere mit gelben Unterflügeln verheerte im Jahre 1843 die Gegenden am Himalaya. Um Bennourie, an der Straße nach Almorah, bedeckte fie nach Weſtwoods Mittheilung Mitte Detobers Bäume und Sträucher in ſo ungeheurer Menge, daß ſelbſt fingerdicke Zweige unter ihrer Laſt zuſammenbrachen, und der Boden von ihnen wie von einem rothen Teppiche bedeckt war. Meilen weit ſah der Verf. dichte Züge dieſer unheilvollen Thiere das Licht der Sonne verdunkeln; ſeine Palankinträger hatten viel von ihnen zu leiden. Das junge Thier hat hellrothe, das ältere dunklere Unterflügel von der Farbe des indiſchen Roths. Im Juli des folgenden Jah: res war die Larve der gelben Heuſchrecke, die der Verf. trotz ſeines 19 jährigen Aufenthaltes in Indien niemals zuvor geſehen, in der— ſelben Gegend faſt eben ſo verbreitet, wie im Jahre zuvor das ausgebildete Inſect; die Hügel um Nuſſeerabad waren meilenweit mit ihr bedeckt. Die Larve iſt orangegelb und ſchwarz gezeichnet, der Kopf iſt hellgelb, unter und hinter den Augen dunkelwaugelb; die Hinterfüße find hellgelb und ſchwarz geſtreift, die Flügelſtum— mel (winglets) hellgelb mit matten dunklen Flecken; die Antennen ſchwarz, die beiden erſten Glieder jedoch gelb. Beide Arten ſchei— nen dem Verf., neu zu fein, doch hält er fie nur dem Geſchlechte nach für verſchieden, er hält die rothe Art für das Weibchen, beide gehören zum genus Colias. (The Annals and magazine of na- tural history, No. 2. 1848.) Die Reproduction des Volvox globator ge: ſchieht, nach Laurent, durch Körper, die ſich im Innern des Thieres entwickeln, ſich in ihm bewegen und zuletzt durch einen Riß der äußern Hülle entlaſſen werden. Dieſe Reproduetionsor— gane ſind nackt, von grüner Farbe und, wie die eigentlichen Kno— ſpen, mit Wimpern beſetzt und ſchon dadurch von einer zweiten, viel kleineren Art von Reproductionsorganen, die aus einer durchfichti- gen, homogenen, feſten Schale und einer dicken, körnigen, rothen Maſſe beſtehen, unterſchieden. Der Verf. hält die letzteren für die eigentlichen Eier, iſt aber nicht ſo glücklich geweſen, das Ent— ſtehen des jungen Thieres in ihnen zu beobachten. Ehrenberg hält den Volvox globator, in dem man dieſe rothen, eiförmigen Organe findet, für eine andere Species: Eine nähere Unterſuchung wäre ſehr wünſchenswerth. (L'Institut, No. 754. 1848.) Heilk (XIII.) Über einen Fall von tubereulöſer Ent⸗ artung der dura mater des Rückenmarks und Ver⸗ letzung des Rückenmarks am Urſprunge des achten Nervenpaares, wodurch die Functionen der verſchie— denen Verzweigungen desſelben der Reihe nach ge— lähmt worden waren. Von M. A. Toulem ouche zu Rennes. (Schluß.) Die nähere Unterſuchung der Störungen in den Fun: etionen der von dem bulbus des Rückenmarks ausgehenden oder unteren Spinalnerven iſt alſo in Bezug auf die Dia— gnoſe des Sitzes der pathologiſchen Veränderungen des unde. Rückenmarks in der Halsgegend von ſehr erheblichem Wer— the; und wenn man z. B. eine ſolche Verletzung vermuthete, aber keine Schwierigkeit beim Schlingen oder Störung in der Bewegungsfähigkeit oder dem Gefühlsvermögen der Ar— me, oder Lähmung der Hals- und Reſpirationsmuskeln Statt fände, ſo dürfte man ſchließen, daß dieſelbe ihren Sitz unterhalb des dritten oder vierten Halswirbels habe. Eine im J. 1842 in der Klinik des Hrn. Roux beobachtete Thatſache beſtätigt dieſe Behauptung vollkommen. In die— ſem Falle war der Tod durch einen Bruch der Wirbelſäule veranlaßt worden. Die Verletzung hatte an dem fünften Halswirbel mit Blutergießung außerhalb der dura mater und Zuſammendrückung des Rückenmarks Statt gefunden. Es war Lähmung der Muskeln des Unterleibs oder der Ex— 171 ſpirationsmuskeln, deren Thätigkeit durch die untern Thorar— und Lendennerven vermittelt wird, ſowie der Einathmungs— muskeln der Bruſt und Unbeweglichkeit der Rippen und des Zwerchfells eingetreten. Das Gehirn, die Sinnesorgane, das Herz, die Lungen blieben vollkommen lebensthätig, weil der n. pneumogastricus, der n. accessorius Willisii und der n. diaphragmaticus durchaus nicht verletzt waren. Indeß trat der Tod am dritten Tage durch Aſphyrie ein. Ich habe im J. 1845 in der Gazette médicale eine Abhandlung über eine Krankheit der Coſtochondral- und Coſtovertebral-Gelenke mitgetheilt, in welcher die achte Beob— achtung einen ganz ähnlichen Fall betrifft, wie der des Re— nault. Der Patient hatte ebenfalls unerträgliche Schmerzen im hintern, oberen und ſeitlichen (rechts) Theile des Halſes, die ich für rheumatiſch hielt und die ſich bei geeigneter Be— handlung verminderten, aber nach 6 Monaten wiederkehrten und alsdann der chroniſchen Form derſelben Krankheit zu— geſchrieben wurden, die ſich auf die Bänder der 3—4 erſten Halswirbel geworfen zu haben ſchien. Erſt beim Auftreten einer ſchwappenden Geſchwulſt hin— ter dem rechten Bogen des Gaumenſegels und einer zweiten teigigen, welche tief im obern rechten Theile des Halſes lag, erkannte ich die eigentliche Natur dieſes gefährlichen Leidens, welches ich für eine fungöſe Entartung der das Rückenmark einhüllenden Membranen und eine tuberculöſe Erweichung der Körper und ſeitlichen Portionen der drei erſten Hals— wirbel mit Nekroſe hielt. Etwas ſpäter wurde wirklich der Arm allmälig gelähmt; es trat Schwierigkeit beim Auswurf ein und der Kranke ſtarb an Aſphyrie. Bei der Leichenöffnung fand ich die Querfortſätze und die benachbarten Theile der Körper der drei bis vier erſten Halswirbel nekrotiſch, die dura mater dieſer ganzen Portion des Rückenmarks aber fungös und vier Mal ſo dick, wie gewöhnlich, ſo daß das Rückenmark comprimirt wurde. Außerdem war der plexus brachialis der linken Seite durch einen Eiterheerd zerſtört, der plexus der andern Seite ſtark zuſammengedrückt und das Rückenmark dem vierten Wirbel— beine gegenüber erweicht. Hier verfiel ich bei der Diagnoſe anfangs in denſelben Irrthum, wie in dem Falle Renaults. Ich ſchrieb in der That die Halsſchmerzen einem acuten Rheumatismus zu, welcher Eiterung und die Bildung der Geſchwulſt veranlaßt habe, deren eigentliche Natur ich erſt ſpäter erkannte. Was die Lähmung des Armes betrifft, ſo betrachtete ich dieſelbe allerdings als die Folge einer Zuſammendrückung des Rückenmarkes, allein es war mir unmöglich, zu beſtim— men, ob ſie durch eine Flüſſigkeit oder einen feſten Körper veranlaßt worden ſei. Die Vernichtung der Bewegungsfähig— keit des Armes, beim Fortbeſtande des Gefühlsvermögens (da der Patient Schmerzen darin empfand und auch Knei— pen lebhaft fühlte) ließ mich ferner annehmen, daß die vor— dern Wurzeln der Nerven, welche die plexus brachiales bil= den, allein zerſtört ſeien, was auch durch die Section beſtätigt ward. Nur zeigte ſich hier, außer der fungöſen Verdickung der dura mater des Rückenmarks und der ſe— cundären Erweichung des Markes, dem vierten Wirbelbeine 143. VII. 11. 172 gegenüber, eine tuberculöfe Entartung nebſt Erweichung des Körpers der 3—4 erſten Halswirbel und eine Complication mit Nekroſe ihrer Querfortſätze, was bei Renault nicht der Fall war. Hr. Longet hat alſo Recht, wenn er in einer von ihm im 1841 (vgl. Archives gen. d. Med., Mai, Juin & Juill.) veröffentlichten Abhandlung fagt: 1) daß, wenn das vordere Bündel des Rückenmarks nur auf der einen Seite vollſtändig zerſtört iſt, auf derſelben Seite eine abſolute Lähmung der ſämmtlichen unterhalb der leiden— den Stelle liegenden Theile eintrete, während das Ge— fühlsvermögen unverſehrt bleibe; 2) daß in dem Falle, wo ein einziges vorderes Bündel in der obern Region des Hal— ſes unvollſtändig verletzt iſt, der entſprechende Arm ſeine ganze Bewegungsfähigkeit einbüßen und das Bein derſelben Seite dieſelbe behalten kann. Schlußfolgerungen. ſtehender Thatſachen folgt: 1) Daß die Verletzungen des Rückenmarks in der Hals— gegend verſchieden ſind, je nachdem der obere Theil, nämlich der bei der Höhe des vierten und insbeſondere über dem dritten Wirbelbeine, oder der tiefere, d. h. der mittlere und untere Theil dieſer Gegend betheiligt ſind. 2) Daß im erſtern Falle die Symptome zu Anfang der Krankheit faſt immer trügeriſch ſind, indem ſie mit de— nen eines mehr oder weniger acuten rheumatiſchen Leidens der Halsmuskeln übereinſtimmen und die Krankheit daher gewöhnlich für ein ſolches gehalten wird. 3) Daß, ſo oft man dieſen ſcheinbaren Rheumatismus den für dieſe Art von Krankheit paſſenden Mitteln wider— ſtehen ſieht, man ein bedenkliches Leiden des Rückenmarks zu vermuthen hat. 4) Daß dieſes letztere ſich bald durch hartnäckige tief greifende Schmerzen, beſonders am hintern Theile des Hal— ſes charakteriſirt, welche ſich durch nichts beruhigen laſſen, aber gewöhnlich keine Verkürzung veranlaſſen, obgleich der Hals kürzer ſcheint und der Kopf auf die dem Sitze der Krankheit entgegengeſetzte Seite geneigt, das Kinn aber nach derſelben Seite gerichtet iſt. Denn dieſe Stellung hängt nur von der Lähmung des m. sternomastoideus und des entſprechenden m. brapezius ab. Dies war die Stellung, in welcher Renault fortwährend verharrte, während er zugleich jede Bewegung des Kopfes vermied. 5) Daß ſich zu dem letzt erwähnten Symptome bald Eingenommenſein, dann Schwäche, endlich beginnende Läh— mung des Armes der kranken Seite geſellt. Später wird die Lähmung vollſtändig und verbreitet ſich auch über den andern Arm, ſo wie ſich das Leiden des Rückenmarks aus— dehnt. Das Gefühlsdermögen beſteht indeß fort, wenn die vordern Wurzeln des Urſprungs des Nerven des plexus brachialis allein zerſtört ſind, während dagegen auch dieſes aufgehoben wird, wenn die hintern Wurzeln gleichfalls zur Mitleidenschaft gezogen find. 6) Daß die zuweilen an den Halsmuskeln wahrnehm— bare Verkürzung nur dann eintritt, wenn die von der Ent— zündung herrührende Erweichung des Rückenmarks ſich ent— Aus einer Betrachtung vor— 173 wickelt hat, und daß überdies die Kranken jede Bewegung des Halſes vermeiden. 7) Daß, wenn Symptome von Lungencatarrh mit Schwierigkeit des Auswurfs eintreten, zu vermuthen iſt, daß ſich die Verletzung auf den n. pneumogastricus erſtrecke. 8) Daß die den Tod herbeiführende Aſphyrie das Re— ſultat der von der Zerſtörung des Urſprungs des n. spi- nalis herrührenden Lähmung iſt. 9) Daß es bei dem gegenwärtigen Stande der Wiſ— ſenſchaft unmöglich iſt, zu beſtimmen, ob der Grund, welcher dieſe verſchiedenen Symptome veranlaßt, in den einhüllenden Membranen oder nur in dem Rückenmarke liegt, wenn nicht gleich anfangs deutliche Symptome von mpelitis auftreten. 10) Daß indeß das Leiden (wenigſtens nach den mir vorgekommenen Fällen zu ſchließen) gewöhnlich an der dura mater beginnt, welche fungös und ſehr verdickt wird, ſo daß ſie das Rückenmark zuſammendrückt und dieſes ſich ſecundär entzündet oder von tuberculöſer Entartung mit oder ohne krankhafte Veränderung der Wirbelbeine ſelbſt, an deren Körpern, ſeitlichen Maſſen oder Articulationen, welche zuweilen ſogar necrotiſch werden, ergriffen wird. 11) Daß die krankhaften Veränderungen, welche das Rückenmark befallen und ſich in dieſem allmälig entwickeln, den Tod viel langſamer herbeiführen, als die von äußern Unfällen, z. B. Brüchen, Verrenkungen, Zerreißungen, in derſelben obern Halsgegend herrührenden, welche den Tod faſt unmittelbar oder doch binnen wenigen Tagen her— beiführen, woraus ſich ergeben würde, daß das Ruͤcken— mark, gleich dem Gehirne, ſich an einen ſtufenweiſen Druck gewöhnen und ſeine Functionen, trotz bedenklicher Verletzun— gen, beträchtlich lange fortſetzen kann, wenn letztere ſich näm— lich allmälig entwickeln. 12) Daß bei der zweiten Form der erwähnten Krank— heit des Rückenmarks, wo dieſelbe nämlich ihren Sitz unter dem vierten Halswirbel bat, die Symptome ebenfalls auf ein rheumatiſches Leiden der hintern Halsgegend hindeuten können, während ſpäter, wenngleich die charakteriſtiſchen Zei— chen der Verletzung des n. spinalis, des n. glossopharyngeus und n. pneumogastrieus fehlen oder ſich nur theilweiſe zei— gen, dieſe Krankheit dennoch durch Lähmung der obern Glied— maßen und die immer zunehmende Schwierigkeit des Ath— mens charakteriſirt wird, beſonders wenn die Lähmung der untern Extremitäten, ſowie des Maſtdarms und der Blaſe fehlt, wenn gleich dies letztere Kennzeichen (bei derſelben Verletzung der Rücken- und Lendenportion des Rückenmarks iſt die Lähmung der untern Extremitäten ꝛc. ſtets vorhanden) nicht durchaus conſtant iſt. (Gazette médicale de Paris, No. 28, 8. Juillet 1848.) (XIV.) über die Benutzung der Stimmgabel zur Unterſcheidung der nervöſen Schwerhörigkeit. Von Schmalz. Profeſſor Weber machte die Beobachtung, daß, wenn man ein Ohr verſtopft oder verſchließt, eine angeſchlagene 143. VII. 11. 174 und an harte Theile des Kopfes mit dem Stiele angeſetzte Stimmgabel auf dem verftopften Ohre viel beſſer, als auf dem andern gehört wird. Dies läßt ſich dadurch erklären, daß der Gehörgang durch die Verſtopfung in einen ges ſchloſſenen Raum verwandelt wird, und daß dann bei un— verletztem Trommelfelle eine doppelte Verſchließung vorhanden iſt. In einem geſchloſſenen Raume wird aber ein Ton alle Mal ſtärker gehört, als in einem offenen, weil ſich in dem letzteren der Schall nach allen Seiten hin verbreitet, in dem erſteren aber durch das Zurückprallen von den Wänden, den ſogenannten Contre-Coup, verſtaͤrkt. Man muß die Gabel immer an die Mitte des Kopfes andrücken, weil man dieſelbe ſonſt bisweilen auf derjenigen Seite beſſer hört, wo man fie angedrückt hat. Es iſt dabei nöthig, die Perfon - nach dem erſten Anſetzen der Stimmgabel darauf aufmerk— ſam zu machen, daß ſich der Ton mittels der Kopfknochen durch das Gefühl dem Gehörnerven mittheilt, und daß man daher dieſe Empfindung eben ſo wohl Fühlen als Hören nennen kann. Angeſtellte Verſuche lehrten Folgendes: 1) Sind beide Ohren geſund und offen, ſo vernimmt man das Klingen der angeſchlagenen Stimmgabel beiderſeits gleich ſtark. Sobald man einen Gehörgang verſtopft, vernimmt man das Klingen auf dem verſtopften Ohre viel deutlicher; verſtopft man auch das andere Ohr, jo vernimmt man dasſelbe wieder beiderſeits gleich gut, allein viel ſtärker, als vorher, wo beide Ohren offen waren. 2) Iſt der Gehör— gang des einen Ohres krankhaft verſtopft, ſo vernimmt man, ſobald ſich der Gehörnerv des ſelben noch im gefunden Zus ſtande befindet, die Stimmgabel auf dieſem Ohre deutlicher, als auf dem andern. 3) Dies iſt auch der Fall, wenn bei gefunden Zuftande des Nerven die Ohrtrompete oder die Trommelhöhle des einen Ohres, z. B. durch entzündliche Verſchwellung, durch Bluterguß, durch abgelagerte katarrha— liſche, rheumatiſche oder andere dergleichen Stoffe verſtopft iſt, der Gehörgang mag an der Verſtopfung Theil nehmen oder nicht. 4) Es iſt wahrſcheinlich, daß ſelbſt einzelne Theile des Labyrinthes, z. B. der Vorhof durch übermäßig angehäufte Lymphe, durch Bluterguß ꝛc. bei unserletzten Nerven verſtopft ſein können, in welchen Fällen die Stimm— gabel auf dem kränkeren Ohre ſtärker vernommen wird. 5) Iſt hingegen der Gehörnerv des einen Ohres entweder durch die, die Schwerhörigkeit herbeiführende Urſache oder in Folge der langen Dauer von der Krankheit ergriffen, ſo vernimmt man die Stimmgabel auf dem leidenden Ohre weniger, als auf dem geſunden. 6) Sind beide Ohren ziem— lich im gleichen Grade erkrankt, ſo vernimmt auch der lei— dende die Stimmgabel auf beiden Ohren gleich gut. Dar— aus läßt ſich für die Praxis folgender Nutzen ziehen: 1) Das Anſchlagen der Stimmgabel iſt bei der Unterſuchung des Gehörs vorzüglich dann brauchbar, wenn nur ein Ohr leidend iſt. 2) Vernimmt der Unterſuchte die Schwingungen nur auf dem kranken Ohre, oder auf dieſem oder dem kränke— ren viel ſtärker, als auf dem geſunden oder weniger erkrank— ten, ſo kann man ſchließen, daß Verſtopfung des äußeren, mittleren oder ſelbſt inneren Ohres oder mehrerer Theile zugleich Urſache der Krankheit iſt. Findet man daher den 175 äußeren Gehörgang frei von Verſtopfung, ſo ſchließt man, daß die Verſtopfung jenſeits des Trommelfells ihren Sitz habe. 3) Vernimmt der Unterſuchte die Schwingungen auf dem kranken oder kränkeren Ohre fortwährend gar nicht, oder minder gut, als auf dem anderen, ſo läßt ſich auf ein Erkranken des Gehörnerven ſelbſt ſchließen. Beſteht die Krankheit vom Anfange an in einer Schwächung der Nerven, ſo wird die Stimmgabel auf dieſem Ohre gleich vom An— fange entweder gar nicht, oder weniger deutlich vernommen. 4) Beſteht das Weſen der Krankheit in entzündlicher An— ſchwellung oder in Ablagerung katarrhaliſcher, rheumatiſcher, gichtiſcher, ſerophulöſer oder anderer Maſſen, ſo wird die Stimmgabel auf dem kranken oder kränkeren Ohre deutlicher vernommen. Da bei längerer Dauer des Übels die Nerven in Mitleidenſchaft gezogen werden, ſo wird in ſpäterer Zeit die Stimmgabel auf dem kranken Ohre weder ſtärker noch ſchwächer, und bei noch längerer Dauer der Krankheit auf dem kranken Ohre weniger gut vernommen werden, als auf dem geſunden. 5) Wenn durch eine Krankheit, z. B. durch eine Entzündung, nicht nur eine Ablagerung von fremden Stoffen bewirkt, ſondern auch zugleich die Nerven des Oh— res geſchwächt werden, ſo wird der Kranke die Stimmgabel anfangs auf beiden Ohren ziemlich gleich gut vernehmen. 6) Leiden bloß die Hülfsnerven des Ohres, jo wird, fo lange der n. acustieus nicht daran Theil nimmt, die Stimm— gabel beiderſeits gleich gut vernommen. Die Prognoſe iſt im allgemeinen beſſer, wenn man die Stimmgabel auf dem kranken oder kränkeren Ohre ſtärker oder gleich ſtark hört, als auf dem geſunden oder weniger kranken. (Medieiniſche Zeitung vom Vereine für Heilkunde in Preußen. 1848. No. 6.) Miſceellen. (17) Ohnmacht bei Anwendung des Chloroforms. Prof. Simpſon aus Edinburg macht darauf aufmerkſam, daß bei Chloroformeinathmungen eben ſowohl als ſonſt vor einer Opera— tion Ohnmachten mit plötzlichem Blaßwerden und kleinem Puls eintreten können, und daß es bei dieſem Zufall gefährlich iſt, in— nerliche Mittel anwenden zu wollen, da die Patienten im Zuſtande der Ohnmacht nicht ſchlucken können, alſo durch Flüſſigkeit, die 143. VII. 11. 176 man ihnen einflößt, am Athmen gehindert und erſtickt werden. Dieß geſchah, wie er recht klar nachweiſ't in einem Fall, wo der Tod bei einem 15jährigen Mädchen „durch Lungencongeſtion nach Ein⸗ wirkung von Chloroform“ erfolgt war. Der Tod durch Chloroform erfolgt durch Lähmung der Herzaction und charakteriſirt ſich bei der Section durch feſte coagula in den Herzhöhlen. Bei jenem Mädchen, welchem Branntwein eingeflößt worden war, ſobald es blaß und ohnmächtig wurde, war das Blut im Herzen flüſſig, dagegen die Luftröhre voll blutigen Schaumes. Prof. Simpſon be: hauptet, daß hiernach an Tod durch Erſtickung nicht zu zweifeln ſei, — um fo mehr als nur 1 Theelöffel voll Chloroform zum Einathmen auf das vor die Naſe gehaltene Schnupftuch gegoſſen worden war. S. giebt nun den rationellen Rath, wenn bei Anz wendung des Chloroforms der Patient erblaſſe und in Ohnmacht ſinke, nichts zu thun, als das Tuch von der Naſe zu nehmen, damit die Luft frei in die Naſe eindringe, und nun der ohnmäch— tige Patient von ſelbſt wieder zu ſich komme, er warnt aber ernſt⸗ lich vor jeder Anwendung von Flüſſigkeiten, die verſchluckt werden ſollen. (The Lancet, Febr. 1848.) (18) Gutta Percha für medieiniſche und chirurgiſche Zwecke wird beſonders durch ſeine Löslichkeit in Schwefelalkohol ſehr vielſeitig anwendbar, indem der Schwefelalkohol dabei ſeine flüch— tige Eigenſchaft nicht verliert. Wenn man die darin aufgelöf’te Gutta Percha auf eine Fläche aufſtreicht, fo iſt in kürzeſter Zeit der Schwefelalkohol verdampft und der reine Überzug von Gutta Percha bleibt luft- und waſſerdicht zurück. Dr. Uytterhoeven in Brüſſel wendet dieſe Flüſſigkeit z. B. bei penetrirenden Bruft- wunden, bei offnen Gelenkwunden ꝛc. an, welche mit einem Heft— pflaſter bedeckt und dann mit Gutta Percha überzogen werden. Auch Utenſilien, z. B. Pappkäſten kann man auf dieſe Weiſe in kürzeſter Zeit waſſerdicht machen. Die mannigfaltigſte Anwendung läßt ſich von dieſer neuen Eigenſchaft dieſer vorzüglichen Subſtanz machen. Namentlich ſcheint dies auch das beſte Mittel zum Schutz der Haut bei Blaſenfiſteln. R. F. (19) Hernia durch den Muttergrund. Dieſer ſeltene und böje Fall wird in den Verhandlungen der Société med. de Toulouse mitgetheilt. Eine 60jährige Frau, Mutter von 7 Kin- dern, litt an einem ſehr großen Gebärmuttervorfall. Dr. Chap⸗ tois wurde zu ihr gerufen, weil ſich die Geſchwulſt vergrößert habe und ſehr heftige Schmerzen hinzugetreten ſeien. Er fand, daß eine große Maſſe Dünndärme und der Dickdarm durch den uterus vorgefallen war, während dieſer ganz umgeſtülpt zwiſchen den Schenkeln herabhing. In der Gegend der Einmündung der rechten tuba fand ſich ein 2 Zoll langer Riß, durch welchen die Därme vorgefallen waren. Obwohl die Repoſition gelang, ſo dauerten doch die Symptome einer Ruptur mit Ergießung in die Peritonealhöhle fort, als Schluchzen, Erbrechen, kalte Schweiße und Ohnmachten. Nachdem jedoch einige reichliche Stuhlauslee— rungen eingetreten waren, beruhigten ſich dieſe Symptome; ja! die Kranke erholte ſich vollkommen. Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Pelouze et E. Fremy, Cours de Chimie generale. Tome II. (Se.) avec un atlas (4%) Paris V. Masson 1848. Das ganze Werk in 3 Bänden mit einem Atlas von 46 Tafeln koſtet 30 Fres. Auguste de St. Hilaire Voyage aux sources du Rio de S. Francisco et dans la province de Goyaz. Tome I. et II. 8. 46 Bogen. Paris 1848 chez Arthus - Bertrand 15 fres. F. L. J. Valleix. Guide du medecin praticien ou Resume general de patho- logie interne et de therapeutique N Time X. Paris chez Baillière 1848. 52 Bogen 8½ Fres. Diefer Band enthält Krankheiten des Zellgewe⸗ bes, des Bewegungsſyſtems, der Sinnesorgane. Hautkrankhelten. Krankhei⸗ ten, die von den Thieren auf den Menſchen übertragen werden. Vergiftungen. P. A. Piorry, Traité de médecine pratique et de pathologie iatrique ou me- dicale. Tome VII. Monographies ou specialites. 80. 42 Shrek Paris chez Bailliere. 8 fres. Druck und Verlag des Landes- Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 144. (Nr. 12. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Hamel, der Dodo, die (?) Einſiedler und der erdichtete Nazarvogel. — Welker, über das Wandern der Blattläuſe. — Miſcellen. Die Tiger auf Sumatra. Reiniger, die Spurbienen. Ein Hund als Kirchgänger. Mütterliche Liebe einer Ratte zu ihren Jungen. — Heilkunde. Net⸗ wald, über das von Joh. Fuchs vorgeſchlagene Gegenmittel gegen Arſenlkvergiftung. — Hiltſcher, Chenopodium ambrosioides gegen Chorea St. Viti. — Miſcelle. Retzius, über Kriebelkrankheit. Nekrolog. — Bibliographie. Naturkunde. XXX. Der Dodo, der Einſiedler und der erdichtete Nazarvogel. Vom Akademiker Hamel. Der Verf. erinnert zu Anfang an ſeine Arbeiten über den Dinornis und Didus, zwei ausgeſtorbene Vogelgattungen, und giebt darauf die Quellen an, aus welchen er nach Kno— chenüberreſten, älteren Gemälden und Gypsabgüſſen ſeine Stu— dien über den Dodo ſammelte. In No. 149 und 150 des Bulletin de la classe physico-mathématique de St. Peters- bourg theilt er die Reſultate ſeiner Unterſuchung mit, die wir im Auszuge wiedergeben. Nach Blainville find die Vögel, die Vaſeo de Gama in einer Bucht zu Angra de San Bras geſehen hat, Dodos geweſen; nach dem Verf. gehört dieſe Bucht aber nicht der Inſel Mauritius, ſondern dem Feſtlande Africas an. In der engliſchen Überſetzung der Reiſen de Gama's von Lichfield werden fie bald Stares (Sturi vul- gares), bald Solitarii genannt; die Hottentotten nannten ſie Sotilicari. Die Geſtalt des Solitarius gleicht, nach Greens new general collection of Voyages and Travels, einer Gans, ihre Flügel indeß den Fledermausflügeln; in demſelben Satze ſpricht Green von Staaren, welche die Größe einer Ente erreichen, wie die Eſel ſchreien und Flügel ohne Federn haben. Carré giebt 1699 die erſten Nachrichten über einen Vogel, der auf der Inſel Maſcarenhas, der jetzigen Inſel Bourbon, vorkommt und den er Solitarius nennt; auch frü— her durch Zufall dorthin verſchlagene Reiſende erwähnen eines Vogels, der ſehr fett ſei, die Größe eines kalekutiſchen Hahnes beſitze, aber nur kleine, zum Fliegen untaugliche, Flügel haben ſoll. Carr«é beſchreibt den Einſiedlervogel der Inſel Bour— No. 2124. — 1021. — 144. bon als dem kalekutiſchen Hahne ähnlich, jedoch mit höheren Beinen, ſein ſchönes Gefieder ſpielt, nach ihm, ins gelbliche, ſein Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend; zwei dieſer Vögel, welche man Ludwig XIV. zum Geſchenk machen wollte, ſtarben unterwegs. Mit dieſer Beſchreibung Carré's ſtimmen die Anz gaben eines Hrn. D. B., der unter der Statthalterſchaft de la Haye's die Inſel Bourbon beſuchte, überein; der Einſtedlervogel fol, nach ihm, die Größe einer großen Gans und ein weißliches Gefieder haben; die Enden der Flügel und des Schweifes ſind nach ihm ſchwarz, der letztere gleicht dem Schweife des Straußes, der Hals iſt lang, der Schnabel wie bei den Becaſſen, nur größer, Beine und Füße wie die der kalekutiſchen Hühner. Man haſchte den Vogel im Laufe, da er nur wenig fliegen konnte. François Leguat, der zwei Jahre auf der Inſel Rodriguez lebte, berichtet über einen dortigen Vogel, den er ebenfalls Einſiedler nennt; das Männchen ſoll, nach ihm, grau oder braun, das Weibchen blond oder braun ſein, letzteres ſoll quer über die Schnabelwurzel eine Art braune Binde tragen. Das Weibchen hat außerdem einen nach vorn mit zwei Erhabenheiten vorſpringenden Kropf. Der Verf. glaubt nach einer Zeichnung Leguats, daß dieſer getheilte Kropf auch beim Männchen vorhanden geweſen. Der Schnabel gleicht dem des kalekutiſchen Hahnes; der Hals und die Beine ſind länger, wie die des genannten Vogels. Die dicht befieverten Schenkel haben muſchelförmig abgerundete Federn; das Auge iſt ſchwarz und lebhaft, der Hintertheil des Körpers wie der eines Pferdes, faſt ohne Schweif, nur mit Federn bedeckt; die Flügel ſind zu klein, um den 45 Pfund ſchweren Vogel heben zu können, ſie dienen ihm zur Vertheidigung und zur Regulirung ſeiner Bewegungen; der Kopf trägt weder Kamm noch Büſchel. 12 Leguats Einſiedlervogel (Didus solitarius), von dem es dem Verf. noch nicht bewieſen ſcheint, daß er derſelbe auf Maſcarenhas oder Bourbon gefundene Solitarius iſt, ſollte zum Andenken an den Aſtronomen Pingré, der 1761 auf der Inſel Rodriguez den Durchgang der Venus beobachtete, in die Himmelskarte aufgenommen werden; irrthümlicherweiſe ward aber, ſtatt dieſes ſtattlichen Vogels, einer kleinen, we— nige Zoll großen Droſſel (Turdus solitarius) die ihm zu— gedachte Ehre erwieſen. Etwa 100 Jahre nach Vaſco de Gama beſuchten Holländer unter Cornelius Houtmans Anführung die von den Portugieſen als Angra de San Braz bezeichnete Bucht und ſahen auf einer Inſel in derſelben eine Menge Vögel von der Größe einer kleinen Gans, die, ſtatt der Flügel, Floſſen, mit denen ſie ruderten, beſaßen, ſie wurden von ihnen Pinguyones genannt. Dieſe Vögel, welche 100 Jahre früher bei den Hottentotten Sotilicari hießen und aus denen Lichfield Staare und Solitarii macht, welche Thompſon und Blainville aber als Dodos beſchrie— ben, ſind demnach nichts anderes als Pinguine geweſen. Die erwähnte Bucht des Feſtlandes von Africa wird jetzt Muſchelbucht (Mossel- bay) genannt; die in ihr gelegene Inſel iſt keineswegs die Inſel Mauritius. Auf einer zweiten holländiſchen Erpedition im Jahre 1598 ward das Schiff des Viceadmirals Wybrand von Warwyck an eine Inſel verſchlagen, welche nach den portu— gieſiſchen Karten Ilha do Cirne hieß, von den Holländern indeß Mauritius, ſowie die Bucht, in der ſie lag, Warwycks— bucht genannt ward. Auf dieſer Inſel fanden die landen— den Holländer außer vielen großen Schildkröten verſchiedene zahme Vögel, die ſich mit den Händen greifen ließen. Unter dieſen Vögeln, die meiſtens aus Papagaien und Turteltau— ben beſtanden, war ein Vogel von der Größe eines Schwanes, deſſen Kopf von einer Haut gleichſam bekappt war; ftatt der Flügel hatte er drei oder vier ſchwarze und ſtatt des Schweifes vier oder fünf gekräuſelte Federn; die Vögel wa— ren grau gefärbt; ihr Fleiſch ſchmeckte dem Schiffsvolke ſchlechter, wie das der Turteltauben, ſie nannten ihn deßhalb Walghoogel (Ekel erregender Vogel). Dieſer Walghoogel iſt nun der wirkliche Dodo. Nach Buffon ward der Walghoogel von den Portu— gieſen Dodo genannt, auf Mauritius ſoll er, nach ihm, urſprünglich Dronte geheißen haben; die Portugieſen er— wähnen aber nirgends eines ſolchen Vogels, und als die Holländer die Inſel Mauritius beſuchten, war ſelbige un— bewohnt; Buffon irrt demnach in beiden Angaben. Das, was de Brys als Dodo abbildet, iſt kein Walghoogel, ſondern ein Caſuar. Die Holländer beſuchten auf ihren ſpäteren Fahrten nach Oſtindien verſchiedentlich die Inſel Mauritius und rich— teten, da ſie die Vögel dieſer Inſel greifen und mit Stöcken erſchlagen konnten, große Verheerungen unter ihnen an. Nach Willems Erzählung erſchlugen die Matroſen ſeines Schiffes unter vielen anderen Vögeln in einem Tage 25, auf einem andern Streifzuge 20 Dodos, die er Dronten oder Dodaarſe nennt; ſie waren ſo groß, daß die ganze 144. VII. 12. 180 Mannſchaft (wie zahlreich dieſelbe war, iſt nicht angegeben) nur zwei dieſer Vögel in einer Mahlzeit verzehren konnte. Cluſius beſchreibt den „Walghvogel“ nach den Be— richten über die erſte holländiſche Expedition; der Schnabel iſt, nach ihm, lang und dick, der obere Theil hakenförmig gebogen, der untere mit einem bläulichen Flecke in der Mitte zwiſchen gelb und ſchwarz verſehen. Der Körper des Vo— gels iſt mit kurzen Federn ſparſam bedeckt; ſtatt der Flügel ſind vier oder fünf ſchwarze Federn vorhanden; der Hinter— theil des Körpers iſt dick und fett; die Beine ſind eher dick als lang, der obere Theil bis ans Knie mit kleinen, ſchwar— zen Federn bedeckt, der untere Theil wie auch die Füße ſind gelblich. Vier Zehen, von denen die drei längeren nach vorn, die vierte kürzere nach hinten ſtehen, ſind alle mit ſchwarzen Krallen verſehen; die Kralle der hintern Zehe iſt die längſte. Cluſius ſah in der Sammlung des Prof. Pauw zu Leiden einen Fuß dieſes Vogels und beſchrieb ihn näher; Gray glaubt, daß der jetzt im britiſchen Muſeum befindliche Dodofuß derſelbe von Cluſius beſchriebene iſt. Bei Porret ſah Cluſius zwei Steine, die in dem Magen des Walghvogels gefunden fein ſollten. Das Fleiſch war ihm als zähe, die Bruſt und der Magen einigermaßen wohl— ſchmeckend beſchrieben. Der Name Dodaars oder Dronte ſcheint Cluſius nicht bekannt geweſen zu ſein. Auch in einem Berichte des Admirals Cornelis Mate— lief, der im Jahre 1606 bei Mauritius landete, wird von einem Walghvogel, der auch Dodaars oder Dronte genannt wird, berichtet; nach ihm ſoll der ganze Körper mit kleinen grauen Federn bedeckt, der Schnabel groß und die Augen lebhaft ſein. Der Vogel beſitzt ſtatt der Flügel kleine Fit— tiche, ſtatt des Schweifes vier oder fünf Federn, die mehr als die übrigen erhaben ſind. Die Beine ſind groß und dick; im Magen findet ſich gewöhnlich ein fauſtgroßer Stein. Schon 1607 berichtet ein Sandelsmann Paulus van Soldt, der mit ſeinem Schiffe nach Mauritius verſchlagen ward, daß an der Küſte der Inſel die Menge der Vögel überhaupt von Jahr zu Jahr abnehme, da ihnen zu ſehr nachgeſtellt würde, daß ſie im innern der Inſel aber noch ſehr zahlreich wären. Seine Schiffsmannſchaft lebte wäh— rend ihres 23tägigen Aufenthaltes nur von Dronten, einigen andern Vögeln und Schildkröten. Johann Verkens, ein Leipziger, der 1611 auf Mau⸗ ritius war, beſchreibt den Dodo als einen Vogel von der Größe des Schwanes, mit graulichem Gefieder, ſtarkem Schnabel und fünf bis ſechs gelben Federn ſtatt der Flügel, und vier bis fünf über ſich gekrümmten Federn ſtatt des Schwanzes; die Vögel waren im Laufe leicht zu erhaſchen, ſie vertheidigten ſich mit ihrem Schnabel. Der Name Dodo wird zuerſt vom Engländer Thomas Herbert, der 1629 auf Mauritius war, gebraucht, dieſer Name ſoll portugieſiſchen Urſprunges ſein. Der Vogel wiegt, nach Herbert, ſelten unter 50 Pfund; ſein Schnabel iſt ſehr gekrümmt, die Naſenlöcher befinden ſich in der Mitte derſelbenz die Augen ſind, nach ihm, rund und klein, ſie funkeln wie Diamanten; die eine Hälfte des Kopfes iſt flaumartig mit ſchwärzlichen Federn bedeckt, die andere nackt, 181 und wie mit einem durchſcheinenden Gewebe überzogen. Der Körper des Vogels iſt rund und außerordentlich fett, ſein Gang deßhalb nur langſam; ſtatt der Federn iſt er mit Daunen bedeckt; die Beine ſind dick und von ſchwarzer Farbe, die Krallen groß und ſcharf. Die kleinen Flügel ſind zum Fluge untauglich, der Schweif iſt dem Bart eines Chineſen ähnlich, er beſteht nur aus drei oder vier kleinen Federn. Der Magen des Dodo iſt, nach Herbert, ſo hitzig, daß er Steine und Eiſen verdauen kann. Ein junger Franzoſe, Frangois Cauche, der 1638 14 Tage auf Mauritius war, erzählt von einem Vogel, den er oiseau de Nazare nennt und woraus man ſpäter einen eigenen Nazarvogel (Didus Nazarenus) gemacht hat; die Beſchreibung desſelben ſtimmt aber ſo ziemlich mit den Beſchreibungen des Dodo überein, nur ſoll ihm wunderba— rerweiſe die Zunge fehlen. Der Verf. vermuthet, daß die Benennung oiseaux de Nazare aus einem unrichtigen Leſen oder Schreiben des Namens oiseaux de nausde, einer Über— ſetzung des urſprünglichen Namens Walgh oder Ckelvogel entſtanden iſt; ſpäter ward aus dem Worte nausée Nazare gemacht, wegen einer Inſel und Untiefe gleichen Namens unfern von Mauritius; dieſe Inſel war lange eben ſo fabel— haft und unſicher wie der Vogel, der auf ihr leben ſollte; ſie iſt jetzt von allen Karten geſtrichen. Sämmtliche Seefahrer der neueren Zeit, welche dieſe Gegend beſuchten, ſtimmen darin überein, daß ſowohl die Nazareth-Inſeln als die Nazareth— Bänke gar nicht eriſtiren; eben ſo wenig ſcheint aber ein Nazarvogel jemals gelebt zu haben, ſondern von Cauche nur mit dem Dodo verwechſelt zu ſein. Im J. 1638 ward ein lebender Dodo in London gezeigt, das Olgemälde dieſes Vogels zu Oxford ſtimmt jo ziemlich mit der Beſchreibung dieſes Vogels überein. Vielleicht kam gerade dieſer Vogel ins Tradescantiſche Muſeum und mit dieſer Sammlung ſpäter nach Orford; dort von Motten ganz zerfreſſen, ward er wahrſcheinlich mit vielen andern Vögeln im Jahre 1775 auf Befehl der Univerſitäts-Ver⸗ waltung weggeworfen. Nur der Kopf mit wenig Flaumen— ſtoppeln und ein abgehackter Fuß ſind alles, was noch von ihm vorhanden iſt. Der Verf. hat Gypsabgüſſe und pho— tographiſche Bilder von dieſen intereſſanten Präparaten an⸗ fertigen laſſen. Leguat, der von 1693 — 1696 auf Mauritius war, erwähnt des Dodo gar nicht mehr, wahrſcheinlich war er ſchon damals gänzlich vertilgt; er will indeß auf der Inſel Rodriguez ein Mal einen ſehr großen Vogel, der ſeinen Kopf 6 Fuß über der Erde trug, geſehen und ihn, da er ſchlecht zu Fuße war, ſelbſt gegriffen haben; auch auf Mau— ritius, wo er indeß meiſtens in Gefangenſchaft zubrachte, glaubt er einen ähnlichen 6 Fuß hohen Vogel bemerkt zu haben; da aber niemand vor oder nach ihm von einem ſol— chen berichtet, ſo ſcheint er ſich getäuſcht zu haben. Der von Leguat auf Rodriguez gefangene Vogel muß der Be: ſchreibung nach zum Geſchlecht der Strauße gehört haben und wahrſcheinlich jetzt, wie der Dodo, ausgeſtorben ſein. Der Holländer Pieter van den Broecke und der Engländer Th. Herbert gaben etwa um das Jahr 1630 144. VII. 12. 182 Abbildungen und Beſchreibungen eines kleinen Vogels, dem die Flügel faſt oder gänzlich fehlen, und der dem Apteryx australis, der damals vielleicht noch nicht ausgerottet war, am ähnlichſteu zu ſein ſcheint. Der Verf. ſchließt ſeine Mittheilungen mit der Be— merkung, daß nur Nachgrabungen an Ort und Stelle, wo die Vögel lebten, ſowohl über den Knochenbau des Dodo als des Einſiedlervogels und vielleicht auch über den Rieſen— vogel, deſſen Leguat gedenkt, Aufklärung geben könnten. Die Überreſte des erſteren Vogels würden namentlich an den Hafenplätzen von Mauritius, die Knochen des Einſied— lers aber auf Bourbon und Rodriguez und zwar auf letzte— rer Inſel da zu ſuchen ſein, wo Leguat wohnte. Bisher ſuchte man ſie in den Höhlen genannter Inſeln, fand dort aber nur Schildkröten-Uberreſte, während die Knochen dieſer Vögel, die durch den Menſchen verzehrt und ausgerottet wurden, auch in der Nähe der früher bewohnten Plätze auf— zuſuchen waren. Die in Anderſons Muſeum zu Glasgow befindli— chen, angeblichen Dodoknochen ſind, nach dem Verf., zum größten Theile Schildkröten-Überreſte, ſollen überdies gar nicht auf der Inſel Mauritius, ſondern auf Rodriguez ge— ſammelt ſein; auch die in Paris befindlichen Knochen, die nach Cuviers Meinung von Mauritius gekommen waren, follen auf Rodriguez geſammelt fein, und können daher dem Einfiedlersogel, aber nicht dem Dodo angehören. Die in Kupfer geſtochenen Bilder, die man vom Dodo beſitzt, ſind carricaturähnlich; ſie ſtammen von de Brys, Cluſius, Pieter dan den Broede und Thomas Herbert; zwei Olgemälde find von Roeland Savery, ein anderes Gemälde, wovon ſich das eine im British Mu- seum, iſt von unbekannter Hand gefertigt; das im Trades— cant-Aſhmoleſchen Muſeum zu Orford von Johannes Savrey. Des Verf. Nachforſchungen ergeben demnach, daß 1) der Dodo nur auf Mauritius gelebt hat, 2) daß der Soli- tarius ein ganz anderer Vogel geweſen, der auf Bourbon und Rodriguez zu Hauſe war, und daß 3) ein Nazarvogel niemals eriſtirt hat. XXXI. über das Wandern der Blattläuſe. Von Francis Walker. Der Verf. berichtet in No. 5 der Annals and maga- zine of natural history von 1848 über die periodiſchen Wanderungen gewiſſer Aphisarten von einer Pflanze zur andern. Die Aphis Rosae wandert von der Roſe zur Diftel, die A. dirhoda von der Roſe zu den Gras- und Lilien— arten, und mit der veränderten Nahrung verändert ſich auch ihre Lebensweiſe; durch den Anbau verſchiedener Roſenarten iſt mit der Nahrung auch die Zahl verſchiedener Aphisarten vermehrt worden. Die Aphis trirhoda geht von der Roſe zur Aquilegia, die A. tetrarhoda und A. Rosarum ſcheinen 12 * 183 dagegen nur auf der Roſe zu leben. Die A. Avenae er⸗ ſcheint zuerſt auf den Grasarten und findet ſpäter am Ge— traide reichlich Nahrung. Die A. Capreae wandert von der Winde zu den Doldenpflanzen, die A. Urticaria von der Neſſel zum Brombeerſtrauche. Die A. Humuli lebt urſprüng⸗ lich auf dem Schlehenbaume, nährt ſich im Sommer aber auch von Hopfen, doch immer nur, wenn Schlehenbäume in der Nähe wachſen, weßhalb man die letzteren niemals in der Nachbarſchaft des Hopfens dulden ſollte. Die A. Ul- maria lebt auf den Ginſterarten, nährt ſich im Sommer aber vom Mehlkraut (meadow-sweet), und auf Erbſen, Bohnen, Klee, Wicken und andern Schmetterlingsblumen. Die A. Lactucae iſt auf der Saudiſtel und den ihr verwandten Pflanzen gemein, ihre Lebensweiſe richtet ſich nach der Gegen: wart oder dem Fehlen des Lattichs und der ſchwarzen Jo— hannisbeere, die beide gern von ihr beſucht werden. Die A. Brassicae iſt eigentlich auf dem Meerkohle und wilden Senfe einheimiſch; mit dem Gemüſekohle, der aus Süͤd— europa eingeführt, iſt auch ihr Futter vermehrt worden. Die A. Pruni hat ſich ſeit der Cultur des Pflaumenbaumes in Europa auf dieſem angeſiedelt; da ſie urſprünglich auf dem Schilfe vorkommt, wird ſie auch A. Arundinis genannt. Die A. Mali und A. Sorbi wohnt auf dem Weißdorne, dem Apfel, Miſpel, dem Sperberbaume (Sorbus domestica) und auf der Gebirgsäſche. Die A. Persicae hat ſich, nachdem der Pfirſichbaum nach Europa gekommen, auf dieſem an— geftedelt, während ihr zweiter Name, A. Prunicola, ihren urſprünglichen Wohnſitz bekundet. Die A. Juglandis und A. Juglandicola hat den Walnußbaum auf ſeiner Wande— rung nach dem Weſten von Perſien her, dem Vaterlande des letzten Baumes und der Pfirfich und Aprikoſe, begleitet. Die A. abietina und einige andere auf den Coniferen leben— den Blattläuſe ſind wahrſcheinlich mit der Pechtanne nach England gekommen. Die A. Rubi ift auf dem Brombeer— und Himbeerſtrauche gemein, wohnt indeß im Sommer auch auf Geum urbanum, dem gemeinen Hafer und einer Epilo— biumart. Die A. Dianthi (auch A. vulgaris, A. Bapae und vastator genannt) lebt auf einer Menge Gewächshauspflan— zen. Die A. Rumieis ſcheint ihr Winterquartier auf dem Stachelginſter (kurze), auf dem ſie im Herbſte ihre Eier legt, zu haben. Im Sommer verheert fie die Bohnenfelder, nährt ſich jedoch auch vom Laburnum, von der Pappel, den Rumex Arten und andern Pflanzen. Sie war im vorigen Sommer auf dem Laburnum in großer Meuge vorhanden und zog durch ihre zuckerhaltige Ausſchwitzung die wilden Bienen herbei; auch das Sonnenkind (Coceionella septem- punctata) begleitete fie in nicht geringer Menge. Mitfcellen. 32. Die Tieger auf Sumatra find die ftärfiten in der Welt, ſie zerbrechen die Schenkelknochen des Pferdes und Buüffels mit Leichtigkeit und tragen ſelbſt die größte Beute ohne Beſchwerde 144. VII. 12. 184 in die Wälder. Zuerſt begnügen ſie ſich meiſtens mit dem Blute des von ihnen getödteten Thieres und ſchleppen dasſelbe erſt in der folgenden Nacht mit ſich fort. Die Eingebornen benutzen dieſe Gelegenheit, dem Tieger in einer ſtarken Arſeniklöſung einen Gift⸗ trank zu bereiten, den ſie neben die Thierleiche ſtellen; der dur⸗ ſtende Tieger unterliegt faſt immer ihrem Gifte. Die Bewohner Sumatras ſchreiben dem Tieger eine Zauberkraft zu, durch welche er ſeine Beute umſtricke; kommt ein Tieger unter einen Baum, auf dem viel Affen ſitzen, ſo gerathen letztere ſo in Angſt, daß ſie ſtatt ihm zu entfliehen, in ängitlichen haftigen Springen den nie⸗ drigen Aſten zueilen, wo ſie um ſo ſicherer ihm zur Beute werden. Die Eingebornen fürchten den Tieger ſehr, ſie glauben, daß ihn die Seele eines verſtorbenen Menſchen bewohne; nach ihnen giebt es ein eigenes Reich der Tieger, in einem unbewohnten Theile Sumatras wohnt der Tiegerfönig, und jeder Tieger iſt verpflichtet, von Zeit zu Zeit Nachricht über ſich und ſeine Thaten bei Hofe einzureichen. Zur nächtlichen Zeit ſieht man die Dörfer Suma⸗ tras von einem Feuerkranz umgeben, da nur die Furcht vor dem Feuer die Tieger abhält, welche ſchon mehrmals ganze Dörfer entvölkerten. Man fängt den Tieger in Höhlen, die man leicht bedeckt und in deren Grunde man ſcharfe Stacheln anbringt, oder in Fallen, wo der Tieger durch eine ſchwere über ihn fallende Laſt zerſchmettert wird. (The Zoologist, No. 66. 1848.) 33. Die ſogenaunten Spurbienen beſuchen nach Reinigers Angabe, ehe ſie einen verlaſſenen Stock beziehen, denſelben mehrere Tage vorher, reinigen ihn und führen darauf erſt den Schwarm in ſelbigen. Der Verf. ſah bei herannahender Schwarmzeit anfangs nur die Fluglöcher feiner leer ſtehenden Stöcke mit fremden Bienen beſetzt, bald darauf fand er die Stöcke voller Bienen, die mit großer Haſt und regem Eifer aufräumten, jeden Abend abzogen und Morgens wiederkehrten. Nachdem ſie etwa 8 Tage lang fleißig geordnet hatten, zog in jeden der von ihnen hergeſtellten Stöcke ein fremder Schwarm in ſchönſter Ordnung ein und gedieh in ihnen aufs beſte. — Von allen Schriftſtellern wird der Buchwaizen (Polygonum fagopyrum und tataricum) für die von den Bienen am meiſten geſuchte Nahrung bezeichnet, der Verf. kann dem nicht beipflichten, er hatte für ſeine Bienen ein Stück Landes mit ihm bepflanzt, ſah aber niemals eine Biene auf dem⸗ felben, die auf den Borago- und Reseda- Arten, auf Apfel- und Kirſchblüthen in Menge zu finden waren. (Württembergiſche na= turwiſſenſchaftliche Jahreshefte. Heft I. 1848.) 34. Ein Hund als Kirchgänger. Unfern von Bath im weſtlichen England beſitzt ein würdiger Geiſtlicher einen Hund, der feine Bratenuhr bewegte und auf den er große Stücke hielt. Unſer Pfarrer, der den Sonntag als Raſttag für Menſchen und Thiere betrachtete, begnügte ſich an ihm mit kalter Küche, auch ſein Toby war deßhalb ohne Beſchäftigung. Gewohnt, ſeinem Herrn überall zu folgen, begleitete er ihn auch eines Sonntags auf die Kanzel; er ward deßhalb am Sonntag Morgen einge⸗ ſperrt, ging aber das Fenſter durchbrechend dennoch zur Kirche. Am kommenden Sonntag ſetzte man ihn in einen Holzſtall ohne Fen⸗ fter, hier mußte er trotz alles Heulens und Bellens wohl bleiben. Die Tage der nächſten Woche war unſer Toby fo liebenswürdig wie möglich, aber ſchon am Sonnabend Mittag war der Hund verſchwunden; alle Nachforſchungen blieben fruchtlos, der Geift- liche war über den Verluſt ſeines Hundes tief bekümmert; aber nicht wenig erſtaunt, wie er am kommenden Sonntag die Kanzel betretend, in einer dunkeln Ecke desſelben ſeinen Hund hervortre— ten ſah. Toby hatte von nun an die Erlaubniß, alle Sonntag zur Kirche zu gehen. (The Zoologist, No. 64. 1848.) 35. Mütterliche Liebe einer Ratte zu ihren Jun⸗ gen. Eine große weibliche Ratte, die mit einem Vorderfuß in eine Falle gerathen war und ihre Jungen bei ſich führte, hatte mit dem andern freien Vorderfuß, vielleicht auch mit Hülfe der Hinterfüße, noch ſo viel Gras herbei zu ſcharren geſucht, um ihren Jungen ein Neſt bauen und ſie vor der Kälte zu ſchützen. (The Zoologist, No. 66. 1848.) 185 144. VII. 12. 186 Heilkunde. (XV.) über das von Joh. Fuchs vorgeſchlagene Gegenmittel gegen Arſenikvergiftung. Von J. Netwald. Am Schluß eines längeren Artikels über Behandlung der Arſenikvergiftungen in den med. Jahrbüchern des öſtrr. Staates, April 1848, in welchem dem Verf. das Eiſenoryd— hydrat allen ſonſt vorgeſchlagenen Gegengiften voranſtellt, zeigt derſelbe, daß das Eiſenorydhydrat doch durch längeres Aufbewahren in Waſſer einer chemiſchen Veränderung unter— liege, und kommt zur näheren Beſprechung eines von Joh. Fuchs, Apotheker in Wien, vorgeſchlagenen Gegenmittels, des mittelſt Magnesia ex tempore gefällten Eiſenorydhydrates. Wir laſſen das weitere wörtlich folgen. Bereitung. Man bereitet ſich zuerſt einen Liquor sulfatis ferrici (ſchwefelſaure Eiſenorydflüſſigkeit) auf fol— gende bekannte Weiſe: 16 Unzen reinen kryſtalliſirten Eiſenvitriol trägt man in einen Glaskolben von ſolchem Rauminhalte, daß er nur zum ſechsten Theile von der Geſammtmenge der darin zu behandelnden Subſtanzen erfüllt wird, ein; hier— auf übergießt man den Eiſenvitriol mit 16 Unzen deſtil⸗ lirten Waſſers, welchem früher 3 Unzen reiner concentrirter Schwefelſäure vom ſpeeifiſchen Ge— wichte 1,840 beigemengt wurden, und nachdem man noch 4 Unzen reiner Salpeterſäure vom ſpeeifiſchen Ge— wichte 1,200 hinzugeſetzt, erhitze man den ins Sandbad geſtellten Kolben ſo lange, bis keine ſalpetrigſauren Dämpfe mehr entweichen. Hat dieſe Entwicklung aufgehört, ſo über— zeugt man ſich davon, daß bereits alles Orydul in Oryd verwandelt worden, wenn ein zur Probe herausgenommener Tropfen, mit deſtillirtem Waſſer verdünnt, auf Zuſatz eines Tropfens Kaliumeiſencyanidlöſung (blauſaures Eiſenoryd— kali) keinen blauen Niederſchlag erzeugt; ſollte dies nicht der Fall, alſo noch Orydul vorhanden fein, fo ſetze man noch etwas Salpeterſäure zu und verfahre wie früher, bis ſich keine Reaction auf Eiſenorydul mehr zeigt. Die rückſtän⸗ dige Flüſſigkeit dampfe man zur ſtarken Syrupsdicke ein, welches nothwendig iſt, um alle Salpeterſäure zu entfernen. Nach dem Erkalten gieße man den Inhalt heraus, waſche das Gefäß, in welchem das Abdampfen vorgenommen wor— den war, mit etwas deſtillirtem Waſſer aus, und verdünne das Ganze bis zum doppelten Gewichte des angewendeten Eiſenvitriols, alſo zu 32 Unzen, welche Flüſſigkeit als Liquor sulfatis ferri oxydati aufbewahrt werde. Bei einem vorkommenden Vergiftungsfalle wird eine Unze dieſer ſchwefelſauren Eiſenorydlöſung mit 8 Unzen deſtillirten Waſſers verdünnt, und in demſelben Me— dieinglaſe noch 3 Drachmen leichter Atzmagneſie hinzugefügt und — das Antidot ift fertig. Erſt, wenn es dem vergifteten Individuum portionweiſe verab— reicht wird, braucht man die einzelnen Gaben mit einer reichlicheren Waſſermenge zu verdünnen, und wohl aufgerüt- telt einzugeben. Chemiſche Zuſammenſetzung dieſes Antidots. I. In 16 Unzen Eifenvitriol (ftebenfach gewäſſertes ſchwe— felſaures Eiſenorydul = Fe O + 803 + 7 H0, in 100 Theilen, beſtehend aus 25,36 Eiſenorydul, 28,98 Schwefelſäure und 45,66 Waſſer) ſind enthalten 4,058 Unzen Eiſenorydul, welche 3,16 Unzen metalliſchen Eiſens entſprechen, und dieſe liefern 4,56 Unzen (4 Unzen 4 Drachmen 3 Gran) Eiſenoryd. In einer Unze des oben beſchriebenen Li- quor sulfatis ferri oxydati iſt 0,14 Unze (S 1 Drachme 6 ¼ Gran) Eiſenoryd vorhanden. II. 16 Unzen Eiſenvitriol enthalten 4,647 Unzen (d. i. 4 Unzen 5 Drachmen 7 ½ Gran) Schwefel ſäure. Die reine concentrirte Schwefelſäure muß nach Vorſchrift der öſterreichiſchen Pharmacopöe das ſpeeifiſche Gewicht 1,840 beſitzen. Da aber die Schwefelſäure, wenn ihr ſpeeifiſches Gewicht 1,841 beträgt, nach Ure 78,28 p. c. waſſerfreier Schwefelſäure enthält, ſo ſind in 3 Unzen enthalten 2,3479 Unzen (d. i. 2 Unzen 2 Drachmen und 47 Gran). Rechnet man zum Gehalte der 16 Unzen Eiſenvitriol an Schwefelſäure renne — 4,6468 Unzen, die in 3 Unzen concentrirter Schwefel— ſäure enthaltene waſſerfreie Schwefel— ſäure . 2 Got. Us. n ſo finden wir in 32 Unzen des Liquor sulfatis ferri oxydati 6,9947 Unzen (S6 Unzen 7 Drachmen 54 ½ Gran) waſſerfreier Schwefel— ſäure, von welcher mithin auf 1 Unze Liquor sulfatis ferrici 0,218 Unzen (1 Drachme 45 Gran) entfallen. III. Setzt man einer mit 8 Unzen Waſſer verdünnten Unze ſchwefelſaurer Eiſenorydflüſſigkeit 3 Drachmen reiner Magneſie zu, ſo wirkt letztere dermaßen zerſetzend auf die erſtere ein, daß Eiſenorydhydrat nebſt Bittererdehydrat fällt und ſchwefelſaure Magneſie (Bitterſalz, ſiebenfach gewäſſerte ſchwefelſaure Magneſie = Mg 0 + SO; + 7 0 in 100 Theilen, beſtehend aus 16,26 Bittererde, 32,52 Schwefel— ſäure und 51,22 p. c. Waſſer) gelöſ't bleibt. Da nun a) zur Neutraliſation der — ſowohl im freien Zuſtande vorhandenen, als der an Eiſenoryd gebundenen 0,218 Unzen Schwefelſäure 0,109 (d. i. 52 Gran) Magneſte erforderlich find und 0,670 Unzen (= 4 Drachmen 51/8 Gran) Bitterſalz entſtehen, ferner b) bei der Voraus— ſetzung, daß das friſch gefällte Eiſenorydhydrat nach der Formel Feg O3 + 3 HO zuſammengeſetzt ſei (in 100 Theilen aus 74,28 Eiſenoryd und 25,72 p. c. Waſſer beſtehend), deſſen Menge auf 0,188 Unze = 1 Drachme 30 ½ Gran) zu berechnen iſt, endlich e) das Bittererdehydrat (nach der Formel MgO + HO) in 100 Theilen aus 69,52 p. . Ma⸗ gnefie und 30,48 Waſſer beſteht, fo hat man ſich — 2,3479 Unzen, 187 IV. die ganze zu einer Doſis dienende breiartige Maffe von 9 Unzen und 3 Drachmen (S 9,375 Unzen) auf fol- gende Weiſe zuſammengeſetzt zu denken: Unzen. Drachmen Gran Aus Eiſenorydhydrate. ie — 1 30175 Bitterſalz 4 0,670 = u Bittererdehydrat . 0,361 = 2 533% und Waſſer 8,156 —= 8 Unzen 1 44% e e eee Das aus unmittelbar gefälltem Eifenoryd= hydrat, Bittererdehydrat, Bitterſalz und Waſſer beſtehende Antidot nimmt mit außerordentlicher Schnelligkeit die freie arſenige Säure und Arſen— ſäure auf, zerſetzt eben ſo ſchnell die löslichen Salze der Arſenſäure, endlich eben ſo ſicher, nur etwas langſamer, die Salze der arſenigen Säure. Um ſich davon die Überzeugung genau zu verſchaffen, löſ'te Fuchs 5 Gran arſeniger Säure in 5 Unzen deſtil— lirten Waſſers durch längeres Kochen auf. Von der erkal— teten Löſung nahm er eine Unze, alſo einen Gran arſeniger Säure; eben ſo löſ'te er von ſyrupsdicker Arſenſäure, ferner von arſenigſaurem Kali und arſenſaurem Kali einen Gran in einer Unze Waſſers auf, goß zu jedem einzelnen eine Drachme des obigen Eiſenorydmagneſiabreies und ließ es bei gewöhnlicher Temperatur unter öfterm Umrühren ſtehen. Bei der freien Arſenſäure und beim arſenſauren Kali zeigte die ſchon nach wenigen Minuten abfiltrirte Flüſ— ſigkeit, mit ſalpeterſaurem Silberoryd und ſalpeterſaurem Silberorydammoniak verſetzt, keine Spur der genannten Säure. Eben ſo wenig, aber erſt nach einer Viertelſtunde, konnte in der abfiltrirten Flüſſigkeit jenes Gefäßes, worin die Löſung der arſenigen Säure ſich befand, eine Re— action der letzteren erhalten werden; am langſamſten ging die Zerſetzung des arſenigſauren Kalis vor ſich, wel— ches noch nach Verlauf einer Stunde eine allerdings ſehr geringe Spur zeigte, welche aber nach fernerem einſtündigen Stehen bei abermaligem Verſetzen der abfiltrirten und an— geſäuerten Flüſſigkeit ebenfalls völlig verſchwunden war. Daß bei auch nur mäßigem Erwärmen dieſe Erſchei— nungen noch ſchneller erfolgt wären, wird wohl niemand in Abrede ſtellen. Aus dem geſagten ergiebt ſich aber klar, daß das von Fuchs empfohlene Antidot viele und wichtige Vorzüge vor allen bisher bekannten beſitzt, und zwar folgende: 1) Wird durch ein eben ſo ſchnell zu bereitendes als billiges Antidot mit größter Sicherheit das erzielt, wozu früher zwei, nämlich das Eiſenoxydhydrat und das eſſig— ſaure Eiſenoxyd erforderlich waren. 2) Mit Rückſicht auf den in der Chemie ſo oft er— probten Grundſatz, daß Körper in statu nascenti doppelt große Neigung zum Eingehen neuer Verbindungen beſitzen, wird die Wirkſamkeit des Fuchſiſchen Antidotes als weſent— lich erhöht zu betrachten ſein. Da, wie vorhin erwähnt wurde, eine Drachme des betreffenden Antidotes wenigſtens einen Gran der zu neutralifirenden Arſenverbindungen voll: 144. VII. 12. 188 kommen zu binden vermochte, würde eine aus 75 Drachmen beſtehende Doſis mindeſtens eben ſo viele, d. i. 75 Gran obiger Gifte zu beſeitigen im Stande ſein. 3) Iſt die Magneſie in jeder Apotheke ſtets vorhanden und eben jo wenig als die ſchwefelſaure Eiſenorydflüſſigkeit im Laufe der Zeit einer Zerſetzung unterworfen, während es gewiß für den Apotheker eine unangenehme Aufgabe ge— weſen wäre, die mit Verluſt von Salzſäure, Atzammoniak und einer beträchtlichen Menge deſtillirten Waſſers unzer— trennlich verknüpfte Umarbeitung des Eiſenorydhydrats, wie Wittſtein und Dulk ſie halbjährlich für nothwendig er— klärten, in der That vorzunehmen, obſchon glücklicher Weiſe 50 Jahre vergehen können, ohne daß ſich auch nur ein Mal ein Fall des Bedürfniſſes einſtellen dürfte, und doch müßte der Apotheker wenigſtens ein Pfund des Eiſenorydhydrats vorräthig halten, da einerſeits große Gaben desſelben noth— wendig und andererſeits gerade bei zufälligen Vergiftungen die Fälle häufig ſind, daß gleichzeitig mehrere Individuen des Antidotes bedürfen. 4) Geſchieht die Bereitung des Antidots in ſo kurzer Zeit, daß ſelbſt in den dringendſten Fällen der daraus ent— ſtehende Aufſchub nicht in Betracht kommt. 5) In wie fern dieſes Antidot vermöge ſeines Gehal— tes an Bittererde, welche in Zukunft ſicherlich bei jedem Univerfalgegengifte als Ingredienz fungiren dürfte, auch zur Anwendung gegen andere als gegen Arſenvergiftungen ſich eigne, können nur directe Verſuche lehren. 6) Entſpricht die Wirkungsweiſe dieſes Antidots gewiß allen bei den betreffenden Intoxricationen vorhandenen An— zeigen, und namentlich wird, wie Bouchardat, Buſſy und Caventou bemerken, durch die in den Darmcanal vordringende Magneſie ſelbſt jene Menge des Giftes, welche ſchon über den pylorus hinausgelangt iſt, gebunden und ſchleunig aus dem Organismus geſchafft. Die enthal- tene ſchwefelſaure Magneſie aber ſoll und darf weder durch Ausſüßen noch durch Filtriren, noch durch Coliren entfernt werden, da ſie es iſt, welche dem Fuchſiſchen Antidot die Wirkung ſelbſt in jenen Fällen verleiht, in welchen eine Vergiftung durch ein lösliches arſenigſaures Salz herbeigeführt worden war, da weder das Eijenoryd- hydrat noch das Magneſiahydrat dieſe Fähigkeit beſitzt, wäh— rend die Darſtellung der arſenigſauren Bittererde durch Fällen einer Auflöſung von ſchwefelſaurer Magneſie mit einer Löſung von arſenigſaurem Kali (Jahrbücher für prakt. Phar⸗ macie und verwandte Fächer. Landau 1847. November, S. 308) und jene der arſenſauren Bittererde (Gme— lins Handbuch der Chemie. 4. Aufl. III. Bd. S. 731) mittelſt Fälkung einer Bitterſalzlöſung durch arſenſaures Na- tron geſchieht. Sollte ſich die a priori zu hoffende Wirkſamkeit bei Verſuchen an Thieren, wozu ich leider noch keine Gelegenheit hatte, erproben, ſo dürfte man dieſes Antidot gewiß als eine weſentliche Bereicherung unſeres Gegengiftſchatzes auf— nehmen. 189 Die ärztliche Verordnung könnte auf den Fall, daß alle Apotheken zur Vorräthighaltung der oben bezeichneten ſchwefelſauren Eiſenorydflüſſigkeit verpflichtet würden, folgen— dermaßen geſchehen: R. Liquoris sulfatis ferri oxydati . Aquae destillatae a uncias octo, Magnesiae ustae levioris . drachmas tres. M. S. Nachdem das Ganze wohl aufgerüttelt wurde, in 3 — 4 Portionen, jedes Mal mit einem Glaſe Waſſer ver: rührt, von Viertelſtunde zu Viertelſtunde zu verabfolgen. Die ärztliche Behandlung eines mit arſeniger Säure Arſenfäure, einem löslichen arſenigſauren oder arſenſauren Salze vergifteten Individuums dürfte folgendermaßen aus— zuführen ſein. Iſt das Gift in löslicher Form genommen wor— den und kein Erbrechen vorhanden, ſo befördere man es durch Reizen des Schlundkopfes, Trinken großer Mengen lauen Waſſers und ein aus 2/; Gran Brechweinſtein pro dosi beſtehendes Brechmittel, welches in einem halben Glaſe Waſſer gelöſ't, nach Zwiſchenräumen von wenigen Minuten drei oder vier Mal wiederholt wird (bei Mangel an Brechweinſtein könnten 2 bis 3 Gran Kupfervitriol in 2 Eßlöffeln Waſſer gelöſ't, verabreicht werden). Auch könnte man die Magenpumpe zweckmäßig anwenden. War das Gift in Subſtanz genommen worden, jo muß man, da vielleicht ſchon etwas in die Gedärme gelangt ſein kann, ein Brech- und Purgirmittel aus einer Löſung von 2½ Gran Brechweinſtein und 2 Unzen Bitterſalz oder Glauberſalz in 20 Unzen Waſſer gläſerweiſe und raſch hin— ter einander verabreichen. Sollte das Gift durch Cly— ſtire beigebracht worden und in den Dickdarm gelangt ſein, ſo wäre ein durch Aufgießen von 4 Drachmen Folia sennae und 1½%½ Unzen Glauberſalz mit 1 Pfund heißen Waſſers bereitetes Clyſtir, nachdem es lauwarm geworden, beizubringen. 0 Das Gegengift muß ſtets im Überſchuſſe gegeben werden; denn abgeſehen davon, daß oft große Mengen desſelben durch Erbrechen entleert werden, bevor fie noch hinreichend Zeit gehabt, das Gift zu neutralifiren, wird letztere Wirkung auch weit ſchneller erfolgen, wenn das Gift ringsum vom Antidot eingehüllt iſt. Vermuthet man, daß die Menge des verſchluckten Giftes mehrere Drachmen beträgt, ſo müßte man natürlich die doppelte oder dreifache Menge, alſo 19 — 28 Unzen Antidot bereiten laſſen. Die antidotiſche Wirkung iſt zwar meiſtens — beim Eiſenoryd— hydrate ſowohl als bei der Magneſie — mit Erbrechen ver— bunden; ſollte dieſes aber eben ſo wenig als Stuhlentlee— rung eintreten, ſo iſt es räthlich, die im Magen gebildeten relatib unlöslichen Salze mittels Erbrechen zu entfernen, was jedoch bei dem auf den Darmeanal wirkenden Fuch iſchen Antidote ſchwerlich nothwendig werden dürfte. Die Nachbehandlung erfordert, falls der Puls auf— fallend geſunken und die Haut kalt iſt, das Hervorrufen einer Reaction mittels Senfteige, warmer Bedeckung, trocke— ner Reibungen, eines kleinen Aderlaſſes und ſtimulirender Getränke. Sobald das Froſtſtadium einer normalen Tem— unciam unam, 144. VII. 12. 190 peratur gewichen und der Unterleib offen ift, befördere man auch die Entfernung des Giftes auf dem zweiten Exeretions— wege, nämlich den Harnwegen, durch Verabreichen diureti— ſcher Getränke. (Mediciniſche Jahrbücher des k. k. öſter— reichiſchen Staates, April 1848.) (XVI.) Chenopodium ambrosioides gegen Cho- rea St. Viti. Von Dr. Hiltſcher. Die Verwandten der 60jährigen Z. Thereſia, welche ſie in das Spital brachten, geben an, es habe die Kranke vor drei Monaten der Schlag getroffen, in deſſen Folge wohl keine Lähmung, jedoch ein bedeutender Schwächegrad zurückgeblie— ben ſei; aus welchem ſich nun in letzter Zeit folgender, am 28. November 1844, als dem Tage der Ankunft im k. k. all- gemeinen Krankenhauſe, erhobener Krankheitszuſtand ent— wickelte: Patientin iſt faſt ſtets bewußtlos; in freieren Au— genblicken giebt ſie jedoch auf die an ſie geſtellten Fragen Antworten, die indeß nicht verſtanden werden können, wegen Nichtarticulation der Töne, bewirkt durch immerwährende unregelmäßige und unwillkürliche Bewegungen der Zunge, welche ſie bald nach vorwärts, bald zur Seite mehr oder minder vorſtreckt, oder ſo zurückzieht, daß ſie ſelbe zu ſchlucken ſcheint. Die Zunge ſelbſt blutet an mehreren Stellen, in— dem ſie an den faſt entkronten Zähnen ſich häufig verletzt. Die Kranke windet ſich unwillkürlich und unaufhörlich im Bette, alle Muskeln des ganzen Körpers ſind nach den ver— ſchiedenſten Richtungen hin in Aetivität; es erſcheinen hie— durch die verſchiedenſten, manch Mal Staunen erregenden Stellungen. Die einzelnen Bewegungen werden mit be— deutender Kraft und Energie verrichtet, ſo daß das ge— wöhnlich vorhandene Winden oft mit einem kräftigen Schnel— len, oder einem lebhaften Sprunge wechſelt und Patientin, um im Bette erhalten werden zu können, mehrfach ge— bunden werden mußte. In Folge dieſer unwillkürlichen Kraftäußerungen erſcheint auch der ganze Körper von Blut— ſuggillationen, Contuſionen und Ercoriationen bedeckt; be— ſonders ausgebreitet ſind ſie am Rumpfe durch das im— merwährende Reiben, und an den Ertremitäten durch das beſtändige Herumſchlagen bewirkt. So weit ſich die Beſchaffenheit des Pulſes bei der angegebenen Urſache er— mitteln ließ, erſchien er fieberlos. Es wurde ein Dect. emolliens ad libram cum Tartari emetici grano uno ver⸗ ordnet. Clysmata evacuantia. Des andern Tages Morgens hatte man nach den mühe: vollſten Verſuchen ermittelt, daß die erſten unwillkürlichen Bewegungen vor acht Tagen eingetreten ſeien, und daß nach und nach immer mehrere Körperpartien in Mitleidenſchaft gezogen wurden. Seit drei Tagen jedoch nehme der Zu— ſtand mit ungeheuren Schritten zu. Patient iſt bei Be— wußtſein, es iſt ihr jedoch nur nach ſecundenlangem Stam— meln und Abmühen möglich, eine Sylbe zu Tage zu fördern, der in langen Zwiſchenräumen erſt eine zweite folgt. Sie 191 giebt zu, häufig Branntwein genoſſen zu haben. Die an— gegebenen Bewegungen des ganzen Körpers dauern fort, nur ſind zuweilen Streckungen vorwaltend, die mit den unregelmäßi— gen Bewegungen alterniren. Es waren drei Offnungen erfolgt. Nachdem der geſchilderte Zuſtand ſich im Verlaufe mehrerer Tage um nichts geändert hatte, während das Be— wußtſein dauernd ungetrübt blieb, wurde verordnet: Be. Infusi chenopodii ambrosioidis ex drachma una per ½ horae parati libram unam. S. Alle Stunden 2 Eßlöffel voll zu nehmen. Schon den andern Tag war die bedeutendſte Verände— rung im Krankheitszuſtande zu Gunſten der Patientin ein— getreten. Die Sprache war verſtändlicher, ſie konnte mit Willenskraft die Zunge aus dem Munde vorſtrecken und auf Augenblicke ſie in dieſer Stellung erhalten; ſie berichtete, daß früher jede der kraͤftigeren Bewegungen mit bedeutenden Schmerzen verbunden geweſen ſei, und pries ſich nun glück— lich, daß mit der Ruhe des Körpers auch Schmerzloſigkeit eingetreten ſei. Von Tag zu Tag ſahen wir mehr von den Muskelpartien der Willenskraft unterworfen, regelmäßigen Bewegungen vorſtehen, bis nach 15 Tagen alle Chorea -Erſcheinungen verſchwunden waren. Nur die Sprache blieb immer etwas gehemmt und erſchien ſtammelnd. Hingegen waren die Geiſtesthätigkeiten freier geworden, und ihre Wirkſamkeit erſchien gegen alle Erwartung klar und kräftig. So ſehr wir mit dieſen Erfolgen zufrieden waren und uns derſelben erfreuten, ſo unangenehm berührte uns eine nicht unbedeutende Diarrhöe, welche nach 13 Tagen mit hohem Verfall der Kräfte eintrat. Auf den Gebrauch eines Decoct. Salep cum Tinctura anodyna ſtillte fie ſich zwar auf zwei Tage; plötzlich jedoch traten heftige Schmerzen im Bauche mit erneuerten flüſſigen Stühlen auf, es geſellte ſich beſtändiges Drängen zum Stuhlgange hinzu, die Entleerun— gen erſchienen ſchleimig, mit Blutſtreifen verſehen; Patientin fieberte heftig. Das beigemengte Blut mehrte ſich noch in den folgenden Tagen, das Fieber und die Schmerzen im Bauche nahmen an Heftigkeit zu, bis am 26ſten Tage der beſtehenden Dysenterie der Tod erfolgte. Sectionsbericht. Auf der inneren Fläche der dura mater, entſprechend der ganzen linken Hemiſphäre, und in einer thalergroßen der rechten, eine ½ Linie dicke Schicht dunkelgeronnenen Blutes ertravaſirt. Die inneren Hirnhäute in hohem Grade getrübt, zäh, blutarm, die Hirnſubſtanz ebenfalls blutarm, das Mark ſchmutzig weiß, von Serum durchfeuchtet, etwas weicher, die Seitenkammern ausgedehnt, 1½ Unze klares Serum enthaltend, die Adergeflechte blaß, am Schaͤdelgrunde ½ Unze klares Serum. Die Arterien 144. VII. 12. 192 an der Gehirnbaſis ſtellenweiſe verknöchert, am linken cor- pus striatum eine etwas mehr als linſengroße, länglichrunde, mit etwas klarer Flüſſigkeit erfüllte Cyſte. In der Spitze des rechten obern Lungenlappens mehrere bohnengroße, theils braunröthliche, theils graue, theils zu Abseeſſen zerfloſſene, pneumoniſche Stellen. Im linken untern Lappen eine etwas mehr als wallnußgroße, längliche, grau hepatiſirte, in der untern Hälfte des obern Lappens dieſer Seite zahlreiche, nah an einander ſtehende erbſengroße, hepatiſirte Läppchen. Das Herz an der Spitze mit dem Herzbeutel verwachſen, in hohem Grade mürbe. Auf der Schleimhaut des Dick— darmes zahlreiche linſen- bis bohnengroße, mit dunkel ſchie— fergrau pigmentirten Rändern und einer ähnlichen Baſis verſehene ſeichte Subſtanzverluſte, die Schleimhaut gelockert, leicht abſtreifbar, die des unterſten ileum an mehreren Stel- len ſtreifenförmig nach dem Querdurchmeſſer des Darmes dunkel geröthet, zuſammengezogen und mit einem feſt haf— tenden grünlichen Erſudate überzogen. Die Section hatte mithin nachgewieſen: Apoplexia intermeningealis, dysenteria ulcerosa lentescens, pneumonia lobularis. (Oſterr. med. Wochenſchr., No. 20, Mai 1847.) Es iſt hier der Zuſtand der medulla oblongata nicht beachtet, was bei Sectionen nach chorea wohl immer der wichtigſte Punkt ſein möchte nach meinen in No. 224. d. N. Not. No. 4. des XI. Bds. mitgetheilten Beobachtungen. R. F. Miſecellen. (20) über die Kriebelkrankheit bemerkt M. Retzius nach amtlichen Berichten, daß dieſelbe in Schweden häufiger als anderwärts vorkomme, aber nicht immer in Folge von Ge— nuß des Brotes aus Mehl, dem viel Mutterkorn beigemiſcht war, auftrete, obwohl danach oft Schwindel und Leibſchmerz folge. In Calmar in Schweden iſt die Krankheit häufig, wird aber nicht vom Mutterkorn hergeleitet, ſondern von einer anderen Krankheit des Roggens, wodurch das Korn klein bleibe, eine rothe Spitze und der Länge nach ſchwarze Streifen habe. Die Krankheit heißt dort wie überhaupt in Schweden Yrsſöd, und Dr. Ekman in Calmar leitet fie trotz der Volksanſicht auch dort vom Mutterkorne her, welches aber bei Roggen, der auf neu urbar gemachtem Boden wachſe, gefährlicher ſei als bei Roggen von alten Feldern. Zuſatz von Kartoffelmehl ſoll die giftige Wirkung mutterkornhaltigen Roggenmehls aufheben. Auch die Gerſte wird von einer dem Mutterkorn ähnlichen Krankheit befallen, und ihr Gebrauch zum Bier ſoll dann nach dem Genuß des Getränkes Irreſein, Kriebeln am Körper und einen mehrere Tage anhaltenden unſichern Gang zur Folge haben. Erfolgt der Tod durch die Kriebelkrankheit, ſo gehen immer anhaltende Diarrhöen voraus. (Oppenheim, 1848, April, nach der ſchwediſchen Hygiea.) Nekrolog. — Zu Lyon iſt Dr. Alph. Dupaſquier ge⸗ ſtorben, bekannt durch ſeine Arbeiten über das Jodeiſen und deſſen Gebrauch bei der Phthiſis. Bibliographiſche Neuigkeiten. Barnard Ltnt., a three Years Cruize in the Mozambique Channel for the sup- pression of the Slavetrade. 8°. (p. 334. 10 sh. 6 d.) London 1848. Hookers Icones Plantarum. Vol. 4. new Series or Vol. 8. of the entire work 8, (p. 212. and 100 plates. 28 sh.) London 1848. Low, an Inquiry into the nature of the simple bodies of chemistry. 2d Edit. 8. (p. 352. 9 sh.) London 1848. W. Kebbell, Popular Lectures on the prevailing diseases of towns, their 18 causes and means of prevention. (p. 208. 5 sh. 6 d.) London 1848. J. Mitchell, Treatise on the falsifications of food and the chemical means employed to detest them. (p. 360. 6 sh.) London 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 145. (Nr. 13. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Henfrey, über anomale Formen dicotyledoniſcher Stämme. — Buhſe, kurzer botaniſcher Bericht über feine Reiſe durch einen Theil Ars meniens im April und Mai 1847. — Miſcelle. Ortsſinn eines Hundes. — Heilkunde. Michaur, über einen Rachenpolypen, der durch Beſeitigung des linken Oberkieferknochens, Ausreißen, Ausſchnelden und Cauteriſiren geheilt wurde. — Miſcellen. Tavignot, Hornhautflecke durch Pigmentablage⸗ rung. dan Bangevem, Neſſelung gegen vollſtändige Paraplegie. — Bibliographie. Natur kunde. XXXII. Über anomale Formen dicotyledoniſcher Stämme. Von Arthur Henfrey. Treviranus verſuchte die anomale Anordnung ver— ſchiedener dicotyledoniſcher Holzarten auf beſtimmte Geſetze zu— rückzuführen und gab zugleich eine kritiſche Überſicht aller bisherigen Beobachtungen. Der Verf. behandelt denſelben Gegenſtand; wir entnehmen ſeine Mittheilungen aus No. 2 der Annals and magazine of natural history von 1848. Der Verf. ſpricht zuerſt über die ſogenannten Embryo— knoſpen, welche von Dutrochet beſchrieben und für Kno— ſpen gehalten wurden, die, ſtatt ſich in die Länge zu ent— wickeln, allſeitig wachſen und ohne Blätter zu bekommen, nur vom Safte der Rinde leben. Treviranus hält dieſe Anſicht nicht mit der allgemeinen Annahme, nach welcher die Blätter zur Holzbildung durchaus nöthig ſind, vereinbar; aber dennoch entwickelt ſich hier und zwar hinreichend deut— lich und vom primären Holze beſtimmt geſchieden, eine ſecun— däre Holzſchicht. Dutrochets Meinung iſt überhaupt, wie der engliſche Referent bemerkt, nur, wenn man mit Gau— dichaud eine Entwicklung des Holzes von den Blättern nach abwärts zu den Wurzeln annimmt, nicht zu rechtferti— gen; der in den Blättern verarbeitete und dem cambium zugeführte Saft kann nach ſeiner Anſicht ſo gut eine Em— bryoknoſpe entwickeln, als einfach nur zur Vermehrung des Holzes dienen. Der Verf. ſpricht ferner über ſolche Stämme, wo eine centrale Holzmaſſe von drei bis zehn kleineren Holzbündeln umgeben wird, welche mit erſterer an Größe zunehmen. Mirbel wies einen ſolchen Bau zuerſt bei Calycanthus floridus und Gaudichaud bei den Sapindaceen nach. In einem jungen Stamme von Calycanthus erſchienen in der Rinde, vom eentralen Holze geſchieden, vier ſecundäre Holz— No. 2125 — 1025. — 145. bündel, die nur in den Knoten durch ſich kreuzende, einen Ring um das innere Holz bildende, Bündel mit einander in Zuſammenhang ſtehen. Mit dem Wachsthume des Stam— mes nimmt auch das Holz dieſer Bündel an ihrer inneren Seite zu: dieſelben werden ſammt der Rinde von dem wach— ſenden centralen Holze nach außen getrieben. Die neu ent— ſtandenen Holzſchichten ſind beträchtlich dicker und weiter als die früher entſtandenen, die Bündel erhalten dadurch, im Querſchnitte geſehen, eine halbmondförmige Geſtalt. Die Hörner dieſer halbmondförmigen immer mehr nach außen rückenden Holzbündel nähern ſich mehr und mehr und ſchlie— ßen einen Theil der Rinde, die alsdann eine Art von Mark zu bilden ſcheint, in ſich; das falſche Mark eines jeden Holzbündels iſt jedoch, da das Holz nach der Außenſeite immer ſchwächer entwickelt iſt, jederzeit exeentriſch. Mirbel vergleicht den Urſprung und Bau dieſer vier Bündel mit den Holzbündeln, die im viereckigen Stamme der Labiaten liegen; der Verf. zeigt dagegen, wie dieſe An— nahme nicht haltbar ſei, weil gerade dieſe vier Holzbündel des Labiatenſtammes die erſten Anfänge der Holzbildung find und ſich ſpäterhin durch neu entſtandene Holzbündel zu einem geſchloſſenen Holzringe vereinen. Der Verf. hielt die erwähnten ſecundären Holzbündel früher für Aſte der centralen Holzmaſſe, hat aber jetzt ſeine Anſicht geändert. Die Anordnung des Holzes der Bäume mit gegenſtändigen Blättern (der Eſche und Roßkaſtanie) iſt nach ihm fol— gende: Die in einem Halbkreiſe angeordneten Gefäße eines Blattſtieles bilden mit denen ihres Internodiums eine runde oder viereckige Holzmaſſe, die im nächſt untern Knoten nach beiden Seiten aus einander weicht, um die ebenfalls ge— ſchloſſenen Gefäßbündel der dort hervorkommenden Blattſtiele durchzulaſſen. Auch bei Calycanthus bildet die Faſerſubſtanz des Blattſtieles einen Halbkreis, der ſämmtliche Gefäßbün⸗ 13 195 del des Blattes mit Ausnahme der äußerſten Randnerven jeder Blattſeite enthält. Dies letzte Gefäßbündel bleibt im— mer iſolirt; es entſpringt aus den beiden einen Halbeirkel bildenden getrennten Gefäßbündeln, die ſich im Knoten mit den beiden der entgegengeſetzten Seite zu einem Ringe ver— einigen. Verfolgt man den Verlauf dieſer Holzbündel ab— wärts, jo zeigt ſich, daß nicht nur der centrale Holzkörper, ſondern auch die Holzbündel der Rinde Zweige (accessions) erhalten und beſtändig zunehmen. Bei Calycanthus floridus, wie praecox (bei letzterer Pflanze jedoch minder deutlich) verlaufen demnach die vier getrennten Gefäßbündel der Rinde bis zum Knoten, ohne ſich mit dem centralen Holze zu vereinigen; jedes dieſer Bündel tritt hier ſowohl mit dem entſprechenden, aus dem über ihm gelegenen Blatte kommen— den, als einem dem Blatte der andern Seite angehörenden Bündel zuſammen. Schon Gaudichaud hatte dieſen Verlauf bezeichnet, den Lindley jedoch, ohne ihn mit Gründen zu widerlegen, in Zweifel zieht. (Der engl. Referent beſtätigt des Verf. Angabe über Calycanthus floridus.) Bei einigen Sapindaceen mit kletterndem Stamme iſt dieſe Anordnung noch merkwürdiger, hier ſind oft mehr als zehn Holzbündel in einer gemeinſchaftlichen Rinde gebettet; ihre ganze Maſſe übertrifft an Umfang häufig den centralen Holzkörper. Dem Verf., find außer den Sapindaceen keine Pflanzen, die eine ſolche Structur beſitzen, bekannt, ſelbſt nicht ein Mal alle Sapindaceen zeigen dieſen Bau, während der Verf. ihn bei Paullinia pinnata, Serjana triternata und S. Sellowiana antraf, vermißte er ihn bei Serjana rubikolia, bei Paullinia obliqua, bei Cardiospermum, Nephelium, Koel- reutera, Sapindus saponaria und capensis. Der Verf. un— terſuchte einen lebenden Stamm von Paullinia pinnata, deſſen Länge 12 Fuß und deſſen Durchmeſſer einen deutſchen Zoll betrug. Der Stamm zeigte drei convexe Seiten, die über— dies noch verſchiedene ſtumpfe Kanten hatten; in einem jeden dieſer Vorſprünge lag ein getrenntes Holzbündel; alle dieſe Holzbündel waren in Rindenſubſtanz gebettet und rund um das centrale Holz, von dem ſie ſich im Baue nicht unter— ſchieden, angeordnet. Eine ganz ähnliche Anordnung findet ſich bei Serjana triternata, wo in jungen Zweigen drei getrennte Holzbündel in der Rindenſubſtanz des 3kanti— gen Stengels liegen; in älteren Zweigen traf der Verf. dagegen ſieben ſolcher getrennten Holzbündel an. Die Zahl dieſer Bündel nimmt demnach mit dem Alter zu; ſchon Gaudichaud fand im obern Theile einer der von ihm unterſuchten Pflanzen 9, im untern Theile des Stammes nur 5 getrennte Holzbündel, in einem andern Falle oben 7 und unten 5 dieſer Holzmaſſen; einige von ihnen mußten ſich hier entweder unter einander oder mit dem eentralen Holze vereinigt haben. Nach Juſſieu find die vier Holzbündel von Serjana cuspidata anfänglich vereinigt, trennen ſich aber alsbald in einzelne Bündel; auch der Verf. fand in den allerjüngſten Schüſſen von Paullinia pinnata nur einen ein= zigen centralen Holzkörper, von dem ſich bei der weitern Entwicklung erſt die ſeitlichen Holzbündel losſagten, in— dem ſich die in jeder Ecke des dreieckigen Holzkörpers gelegene Portion nach auswärts bog und dadurch von der 145. VII. 13. 196 inneren Portion getrennt und mit Rindenſubſtanz umge: ben ward. Im Innern der ſeitlichen Holzbündel findet ſich bei Paullinia pinnata ein zelliges Gewebe, in welches die Mark— ſtrahlen eintreten und welches der Verf. als Mark betrach— tet. Nach Juſſieu ſoll ein ſolches Mark ebenfalls in den ſeitlichen Holzbündeln verſchiedener Sapindaceen, namentlich bei Serjana cuspidata vorkommen; nach Gaudichaud ſoll das Mark des centralen Holzkörpers ein centrales, das der ſeitlichen Holzbündel ein mehr oder weniger ercentrifches fein. Obſchon das centrale wie das ſeitlich angeordnete Holz rings von einer Rindenſubſtanz umgeben iſt, in der ſich wie gewöhnlich Baſtzellen finden, konnte der Verf. dennoch keine Vermehrung dieſes Baſtes mit der Zunahme der Hol— zes bemerken. Martius overſuchte die ſeitlichen Holzbündel als un— entwickelte unter der Rinde verlaufende Zweige zu erklären; dem Verf. ſcheint aber nur die Entwicklungsgeſchichte eine genügende Aufklärung geben zu können. Er unterſuchte deßhalb einen etwa 18 Zoll langen, noch krautartigen, Zweig der Paullinia pinnata; an den drei Kanten dieſes Zweiges waren die Narben dreier abgefallener Blätter ſichtbar, wäh— rend zwei Blätter an der Spitze grünten. Jede Narbe zeigte auf ihrer runden Scheibe den faſt vollkommenen Gefäßkreis des abgefallenen Blattes; über der Narbe ſaß eine vertrock— nete Knoſpe, und unter derſelben lief eine tiefe abgerundete Rinne den Stengel hinab. An jeder Seite der Narbe be— zeichnete eine kleinere halbkreisförmige Narbe die Stelle der abgefallenen Nebenblätter; von jeder dieſer Seitennarben entiprang eine ſcharfe Rinne, die mit einer ähnlichen, vom nächſt oberen Blatte herabkommenden, zuſammenfloß. Eine Unterſuchung an der lebenden Pflanze zeigte nunmehr, daß die Gefäßbündel des Blattſtieles mit der centralen Holzpor— tion zuſammenhingen, die Gefäßbündel der Flügel des Blatt— ſtieles und der Nebenblätter aber mit den ſeitlichen Holz— bündeln communieirten. Die letzteren waren an einem Zweige ſchon unterhalb des Knotens, aus dem das Blatt entſprang, vom inneren Holze getrennt, an einem andern Zweige noch mit ihm vereinigt; der Zweig war im letzteren Falle mei— ſtens noch rundlich, während er ſpäter dreikantig ward. Die abweichende Structur des Sapindaceenholzes tritt demnach ſchon frühe auf und hängt mit der Blattentwicklung innig zuſammen; ſie beruht auf einem ſpeeifiſchen Entwicklungs— triebe des Holzes ſelbſt. Das Holz der Malpighiaceen iſt ſcheinbar dem der Sapindaceen ähnlich; aber ſchon Juſſieu bemerkt, daß den ſeitlichen Holzbündeln ein Mark fehle, und daß die vom centralen Mark ausgehenden Markſtrahlen regelmäßig auch die ſeitlichen Holzbündel, welche demnach nicht wie bei den Sapindaceen ganz für ſich beſtehen, durchſetzen. Noch bei verſchiedenen anderen dicotyledonſchen Schlingpflanzen, z. B. den kletternden Begonia- Arten fol nach Juſſieu eine ſolche Trennung des Holzes in verſchiedene Bündel vor— kommen. Die Begonia-Arten mit aufrechtem Stamme, ha— ben ein ſymmetriſches Holz; bei Begonia hirtella iſt das Holz dagegen an der einer Mauer zugewandten Seite nur 197 halb jo ſtark als an der anderen, wo es ſich frei entwickeln konnte; die Holzbündel dieſer Seite ſind entwickelter und ganz unregelmäßig; Markſtrahlen, deren Breite den Holz— bündeln gleichkommt, trennen die letzteren von einander. Der Verf. erwähnt zum Schluſſe noch einiger ranken— den Bignoniaceen, deren Holz bereits von Lindley, Gau⸗ dichaud und Schleiden unterſucht ward. Hier iſt die allgemeine Holzmaſſe durch eine andere Subſtanz, die von der Peripherie bis zum Mark das Holz durchſetzt, unter— brochen. Dieſe Subſtanz iſt vom eigentlichen Holze verſchie— den; die in ihr gebetteten Holzbündel der einen Seite ſind mit denen der anderen ſymmetriſch. Nach Gaudichaud ſoll das Holz der Bignoniaceen in Guayaquil anfänglich nur 4 ſolcher Zwiſchenpartien haben, die ſpäter zu 8, darauf zu 16, und wahrſcheinlich noch ſpäter zu 32 vorkommen. Ahnliche, wenngleich nicht ſo regelmäßige Trennungen des Holzes finden ſich in alten Stämmen von Bignonia ca- preolata; ein 2 Zoll Durchmeſſer haltender Stamm beſaß 4 ſolcher Theilungen; ein von Karſten in Columbien ge— ſammelter Stamm hatte 8 Abtheilungen, von denen 4 brei— ter als die anderen, ſymmetriſch angeordnet waren. Juſ— fieu fand in Bignonia Unguis Cati und B. grandiflora 4 ſolcher Abtheilungen, in einer andern Bignonia aus Peru 8 derſelben, mit Andeutungen einer beginnenden Theilung, die demnach 16 Holzpartien geben müßte. Dieſe das eigentliche Holz trennende Zwiſchenmaſſe be— ſteht zum größten Theil aus faſerigen Röhrenzellen (übrous tubes) und Baſtfaſern; in Bignonia capreolata traf der Verf. auch Gefäßzellen an. Dieſe Zwiſchenmaſſe geht nie— mals ganz bis zum Mark, das demnach immer von einem geſchloſſenen Holzringe umgeben iſt; ihr erſtes Auftreten zeigt ſich bei Bignonia capreolata ſchon in Schößlingen von einer Linie Durchmeſſer; wo ſie entſpringen, liegt ein gewöhn— liches, nur etwas größeres Baſtbündel, auch ſie ſtanden 4 an der Zahl, mit den Gefäßen des Blattſtiels wie bei Ca- lycanthus und Paullinia in Verbindung; es ſcheint darnach als wenn der Baſt von der Innenſeite her, wenn der Stamm in die Breite wächſ't, zunimmt. Vergleicht man das letztere Holz mit dem des Caly- canthus und einigen Malpighiaceen und Sapindaceen, ſo zeigt ſich, daß die Faſerſubſtanz, welche die Hauptmaſſe des Holzes trennt, ſich nicht außerhalb des letzteren, ſondern in und mit ihm entwickelt, ohne mit ihm zu verſchmelzen. Die Structurverhältniſſe von Phytocrene ſind noch nicht hinreichend unterſucht, um ſie mit den Bignoniaceen ver— gleichen zu können; hier würden namentlich die verſchiedenen Wachsthumsperioden nicht außer Acht zu laſſen ſein. Nach Juſſieu gehört die von der Rinde zum Mark verlaufende Zwiſchenſubſtanz nicht den Baſtbündeln an, da fie der Stru— etur nach von ihnen verſchieden iſt; ſeitdem aber Griffith gezeigt, wie verſchieden die Größe und Entwicklung der Ge— fäßzellen nach dem Orte, wo ſie ſich entwickeln, iſt, fällt nach dem Verf. auch dieſe Schwierigkeit hinweg. Bei Ne- penthes finden ſich ſowohl im Holze als in der Rindenſubſtanz, im Baſt und im Mark Spiralgefäßzellen in Menge, alſo an Orten, wo man ſie ſonſt nicht anzutreffen pflegt. 145. VII. 13. 198 Aus dem Bau der vom Verf, beſprochenen anomalen dicotyledoniſchen Stämme geht nach ihm, obſchon es ſehr an Material zur Unterſuchung fehlte, ſo viel hervor, daß die von den Blättern herabſteigenden Faſer- und Gefäßbündel ſich im allgemeinen um einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt ans ordnen und durch ihn mit einander im Zuſammenhange ſtehen; daß aber bei ihrer fortſchreitenden Entwicklung eine gewiſſe Unabhängigkeit hervortritt, indem ſich beſtimmte Portionen des Holzkörpers von ihrer Mitte trennen und unabhängig entwickeln. Aber auch dieſe aus dem Ver— bande mit dem Centrum getretenen Holzportionen bewahren ihren dicotyledoniſchen Charakter, indem ſie ſich ſtrahlig in Kreiſen um den Mittelpunkt anordnen. Ob und wie viel äußere Einflüſſe auf dieſe Wachsthumsabweichungen einwir— ken, läßt ſich, da vergleichende Beobachtungen fehlen, nicht beſtimmen. Juſſieu ſucht die Haupturſache dieſer Eigen— thümlichkeiten in der entfernten Stellung der Blätter. Die Internodien der Lianen ſind nämlich unweit größer wie bei anderen Pflanzen. Der Verf. will indeß kletternde Stämme derſelben Familien mit und ohne dieſe Holzvertheilung ge— funden haben, glaubt demnach, daß eine andere äußere Ur— ſache, welche auf den Bildungstrieb einwirkt, z. B. Druck in einer beſtimmten Richtung, welche zwar meiſtens aber doch nicht immer Statt findet, dieſe Abweichungen hervor— ruft. So behält Bignonia. radicans, da, wo ſie ſich frei ausbreiten kann, die gewöhnliche ſymmetriſche Anordnung des Holzes, während Uttewall einen an der Ecke einer Mauer emporwachſenden bandartig abgeplatteten Stamm dieſer Pflanze beobachtete, deren zahlreiche Aſte und Zweige gleichfalls bandartig entwickelt waren. XXXIII. Kurzer botaniſcher Bericht über ſeine Reiſe durch einen Theil Armeniens in den Monaten April und Mai 1847. Von Dr. Buhſe. Der Verf. will in dieſem vorläufigen Berichte nur die Reſultate ſeiner Reiſe im allgemeinen mittheilen, behält ſich aber eine gründliche Bearbeitung des von ihm Gefundenen für ſpäter vor. Wir entnehmen ſeinen Bericht der No. 151 des Bulletin de la classe physico-mathematique de St. Pe- tersbourg und theilen ihn im Auszuge mit. Die Poſtſtraße nach Eriwan, wohin der Verf. am 5. April aus Tiflis abgereiſ't war, iſt in ihrem erſten Drititheile höͤchſt einförmig und verläuft in größerer oder geringerer Entfernung vom Curafluſſe, dann erhebt ſie ſich bis zur Höhe des Eſchak-Meidan und bietet auf dieſer Strecke höchſt anziehende romantiſche Gegenden dar, denen das ſaftige Grün des jungen Laubes einen noch höheren Reiz verlieh. Als Waldbäume zeigten ſich vorherrſchend: Acer spec., Fraxinus excelsior, Fagus sylvatica, Alnus glutinosa, Corylus avellana, Ulmus campestris, Juglans und mehrere Pomaceen. Bei Iſtibulag ſtanden auf einer Höhe von etwa 3000 Fuß ſehr ſtattliche Stämme von Juniperus excelsa. Von letzterem Orte führt ein Weg bis Diliſchan durch 13 * 199 das Thal der Akſtafa, der bald dicht längs dem Ufer dieſes Fluſſes, der brauſend und ſchäumend ſein felſiges Bett durcheilt, bald in ziemlicher Höhe über demſelben ſich hinzieht. Die intereſſanten geologiſchen Erſcheinungen dieſes Thales ſind bereits von anderen beſchrieben. Jenſeits der Höhe des Eſchak-Meidan erreicht man bald den Goktſchai-See mit feinen wilden vulcaniſchen Ges birgsufern. Die, wie es heißt, ſehr reiche Flora dieſes wie des Alpenſees war leider noch nicht erwacht. Nur Pusch- kinia scilloides, Merendera caucasica, Ranunculus Ficaria, eine Gagea und ein Ornithogalum wuchſen an feinen Ufern. Von da ging der Weg über kahle Höhen und Hochebenen bis Eriwan. In dieſer Hauptſtadt Armeniens klagte man allgemein über die Rauhheit des Frühjahres; in der Mitte des Aprils ſtieg das Thermometer nie höher als + 14 R., ſtand Morgens aber nur auf + 6 bis de R. In letzten Dritt— theile des Monats nahm die Temperatur etwas zu, erreichte Morgens 14 R., Mittags + 180 R. Um dieſe Zeit ſammelte der Verfaſſer in Eriwans Umgegend Hypecoum pendulum, Fumaria parvillora, Lepidium perfoliatum, Sisym- brium Alliaria, Corispora tenella, Alyssum minimum, Mal- colmia africana, Cerastium perfoliatum, Silene inflata, Stel- laria sp., Geranium pusillum, Vicia sordida, Rochelia stel- lulata, Veronica umbrosa (?), V. agrestis, Alkanna orientalis, Echinospermum Lappula, Lamium amplexicaule, Parietaria lusitanica, Geranium radicatum, Sinapis arvensis, Brassica nigra, Sisymbrium Sophia, Lepidium Draba (die vier letzteren ſind ſehr läſtige Unkräuter), Capsella bursa pastoris, Adonis flammea, Glaucium persicum (2), Camelina microcarpa, Gold- bachia laevicola, Erysimum austriacum, Dodartia orientalis, Lathyrus sphaericus, Scandix persica, S. iberica, Lycopsis arvensis, Ajuga chamaepitys und Ixiolirion tataricum. Der Verf. ging am 22. April über den Arares, um das Arguri-Thal zu beſuchen. Sein linkes Ufer war mit Tamarix tetrandra und Salix fragilis bedeckt; beide wurden kaum 3 Fuß hoch; das rechte Ufer war völlig kahl. Außer den gemeineren Frühlingsblumen fand der Verf. in dieſem Thale Merendera caucasica, Crocus reticulatus, Puschkinia scilloides, Anemone Pulsatilla fl. taur. cauc., Draba bruniae- folia, Saxifraga muscoides, Primula farinosa, Iris pumila, Fritillaria tulipaefolia, Alopecurus Pallasii. Auf den Schutt = und Felstrümmermaſſen in und vor dem Thale finden ſich faſt noch gar keine Pflanzen, nur Tamarix tetrandra, und eine Artemisia grünt hie und da hervor. Die Vorberge der nordöſtlich von Eriwan gelegenen Höhen, namentlich des Kyſyl-Dagh (rother Berg) find nackt und ſteril, nur in Schluchten erſcheint der Rhamnus Palla- sii (2) und die ſchöne Iris foetidissima auf ſteinigen Ab— hängen. Dort jammelte der Verf. unter andern Pflanzen: Polygala andrachnoides, Astragalus sp., Moltkia coerulea, Scrophularia variegata, Androsace maxima, Euphorbia Myr- sinites, E. falcata, E. glareosa und saxatilis, ſowie Muscuri comosum. Wo der Boden bewäſſert war, fo am ſüdweſt— lichen Abhange des rothen Berges, war auch die Flora eine reichere; außer den genannten Pflanzen erſchien Glaucium 145. VII. 13. 200 persicum (2), Papaver sp. variae, Euclidium tataricum, Tra- gopogon undulatus, Leontodon sp., Nonnea picta var., Hyoscyamus pusillus, Asperugo procumbens. Im Grunde des Karne-Thales liegt das merkwürdige Klofter Keghwarth mit feinen in den Felſen gehauenen Kir— chenhallen. Die Umgebung desſelben iſt reizend und ſchön, prächtige Baumgruppen, die im waldloſen Armenien nur ſelten find, zieren die Gegend. Wallnußbäume, einige Prunus- und baumartige Salix - Arten bedecken die Ufer der Karne; Spiraea hypericifolia, verſchiedene Pomaceen, Ribes orientalis und Viburnum Lantana bekleiden die Abhänge. Tulipa Ges- neriana und ein ſchönes roſenroth blühendes Tragopogon zieren die höher gelegenen ſonnigen Orte. Aus Felsſpalten ſproſſen Scrophularia variegata, Galium persicum und Ara- bis viscosa. Caltha palustris und Cardamine amara wuchern in der Nähe des Fluſſes auf ſumpfigen Stellen in großer Uppigfeit. Auch Corydalis Marschalliana, Erysimum spec., Draba muralis, Potentilla opaca, Ajuga chamaepitys, Nepeta Mussini, Gagea bulbifera und Asphodelus taurieus find hier zu erwähnen. Am 4. Mai verließ der Verf. die Umgegend Eriwans und folgte dem Laufe des Araxes abwärts; bis Nachitſche— wan fand er wenig bemerkenswerthes; ſowie er indeß ſüd— licher kam, erſchienen Peganum Harmala, Sophora alope- curoides und Zygophyllum Fabago, drei in der Araxes- Ebene ſehr verbreitete Gewächſe, in voller Bluͤthe. Die gleich Oaſen mit ihren Baumpflanzungen aus Morus alba, Elaeagnus angustifolius, Prunus avium und Persica vulgaris in der unförmigen, aber anfangs fruchtbaren Ebene zerftreuten Dörfer ſind, ſoweit der Bezirk von Eriwan reicht, von zahl— reichen Feldern und Gärten umgeben. Sobald man aber den Bezirk von Nachitſchewan betritt, iſt alles in eine triſte, keiner Cultur fähige, Salzſteppe verwandelt; Chenopodium-, Salsola- und Artemisia- Arten bedecken den Boden, der bis zur Stadt Nachitſchewan keine Abwechſelung bietet. Der Verf. verweilte faſt vier Wochen in letzterer Stadt und ihrer Umgegend; die Temperatur war anfangs nach Sonnenaufgang + 120 R., Mittags + 19 bis 240 R. und bei Sonnenuntergang + 18 R.; vom 13. bis 17. Mai fand, während häufiger Gewitter und Regen, eine beträcht— liche Abkühlung Statt, das Thermometer ſtand Morgens auf + 6,5% R., Mittags auf + 10,0 und Abends auf + 7,30 R. Am 18. Mai kehrte die frühere Wärme wie— der, ſie erreichte am 24., wo ſich die Temperatur Nachmit— tags auf 24,9 erhob, den höchſten Grad; das Barometer hatte während dieſer Zeit verhältnißmäßig nur wenige Schwankungen gezeigt. Auf den kahlen Hügeln und in den Schluchten, welche das Salzbergwerk von Nachitſchewan umgeben, ſammelte der Verf. Silene chloraefolia, S. spergulifolia, Scabiosa rotata, Onobrychis heterophylla, Moltkia coerulea, Satice lepteroi- des, Hypericum scabrum, Crupina vulgaris, Thymus collinus, Solenanthus Biebersteinii, Pterotheca bifida und Ephedra vulgaris. Mächtige Umbelliferen, unter denen der Verf. eine Ferula erkannte, entwickelten ihre ſaftigen dicken Stengel und großen Blätter. Die von Dubois für die Umgebungen 201 der Salzwerke angegebenen Pflanzen ſah der Verf. nirgends, traf dagegen die eben erwähnten noch an verſchiedenen Or— ten bis 30 Werſt von Nachitſchewan, bis wohin ſich der Salzgehalt des Bodens ausdehnt. Durch das fruchtbare und ſtark bevölkerte Thal von Alyndſchatſchai gelangte der Verf. bis in die Nähe des Illangli-Dagh, der höchſten zuckerhutförmigen Bergſpitze der Gegend. 6000 bis 7000 F. über dem Meere iſt dieſer Berggipfel mit Eichen bewaldet. Im Schatten dieſer Eichen entfaltete ſich eine üppige Vege— tation, die eilenden Führer ließen dem Verf. indeß nicht Zeit, ſie gehörig auszubeuten. Erſt auf der Höhe des Ali— ges-Gebirges, 8000 Fuß über dem Meere, ward etwas ge— raſtet; dort fand der Verf. einige Alpenpflanzen, wie Plan- tago alpina, Saxifraga- und Arabis- Arten, auch auf den vom Schnee entblößten Stellen ein Cirsium. Auf dem nord— öſtlichen Abhange des Berges blühten Muscari comosum, Puschkinia scilloides, Ajuga spec., Primula elatior, Corydalis spec. und Iris pumila. Das ſich nunmehr eröffnende Thal von Siſian ift in ſeinem oberen Theile vortrefflich bewaldet; herrliche grüne Matten breiten ſich an den Abhängen aus, während weiter nach unten die Felder bebauet ſind; der Weizen, der in dieſen Höhen vor dem Angriffe der Heuſchrecken, welche die Thäler oftmals fürchterlich verheeren, geſichert iſt, gedeihet hier vortrefflich. Nach einer wenig ergiebigen Excurſion verließ der Verf. das Thal und wandte ſich gegen N. W. in das Baſartſchai-Thal; auch hier war nicht viel zu fin— den; dagegen öffnete ſich bei der Vereinigungsſtelle der Arekuh mit dem Baſartſchai ein Seitenthal, das den Verf. wieder auf die Höhe des Aliges-Gebirges führte. Hier wie in dem vom Verf. beſuchten Theile von Karabagh herrſcht voll— kommene Baumloſigkeit; erſt in dem Thale des Betſchinag— tſchai, oder, wie es weiter unterhalb heißt, Nachitſchewan— tſchai, welches man nach der Überſteigung des Gebirgszuges bald erreicht, erſcheinen faſt ſtrauchartige Eichen, mit ver— ſchiedenen Roſenbüſchen, Rhamnus, Crataegus, Acer, Fraxi- nus excelsior, Salix caprea und andere Weidenarten; Sorbus Arai (2), Viburnum Lantana, Evonymus latifolius und Spi- raea hyperieifolia untermiſcht. Der Militärpoſten Betſchinag liegt mitten in dieſem ſchön bewaldeten Thale, deſſen Beſuch dem Verf. reiche Beute brachte. Das ſchöne Papaver orien- tale ziert dort die Schluchten, während die Abhänge mit verſchiedenen zu den Tragacanthaceen gehörenden Astragalus- 145. VII. 13. 202 Arten, ferner mit Lathyrus rotundifolius, Verbascum rubigi- nosum, mit einer Campanula-Xrt und Ixiolirion tataricum u. |. w. geſchmückt waren. Saft bis Karababa find die Ufer des Nachitſchewan— tſchai mit Bäumen und Geſträuch, namentlich mit Weiden, Pomaceen, Roſen und Elaeagnus spinosa beſetzt; von dieſem Orte an ward die Gegend wieder nackt und kahl. Zu Ende Mai machte der Verf. noch eine Ereurfion ins Dſchagritſchai-Thal. In letzterem hoffte der Verf. die ſeit Tournefort nicht wiedergefundene Phelipaea oder das Anoplon Tournefortii wieder zu finden, und wirklich war er jo glücklich, dieſe prächtige Pflanze beim Dorfe Puſkoh, 60 Werſte von Nachitſchewan, zu ſammeln. Sie ſoll in der Nähe des pflanzenreichen Darallages ſehr häufig ſein. Hier hatte der Verf. das Ziel ſeiner Reiſe erreicht; er ſchließt ſeinen Bericht mit einer Aufzählung der 375 von ihm geſammelten Pflanzenarten nach ihren Familien; dar— nach ſind die Cruciferen der Artenzahl nach am reichſten, ihnen folgen die übrigen Familien in abſteigender Linie wie folgt: Compositae, Papilionaceae, Borragineae, Serophula- rineae, Labiatae, Caryophylleae, Gramineae, Umbelliferae, Liliaceae, Rosaceae, Ranunculaceae und Cyperaceae; das Verhältniß der Dicotyledonen zu den Monocotyledonen ſtellt ſich wie 8,5 zu 1 heraus. Die wenigen vom Verf. geſammelten und theils noch nicht beſtimmten Kryptogamen ſind von ihm hier nicht berückſichtigt worden, ihm ſcheint Armenien nur wenig Pflanzen dieſer Abtheilung zu beſitzen. Miſcelle. 36. Ortsſinn eines Hundes. Eine Familie, die zu Quedgeley, zwei Meilen von Glouceſter, lebte, ging von Briſtol nach New- Pork, um ſich in den weſtlichen Staaten Americas nie— derzulaſſen. Sie führten eine Terrier-Hündin bei ſich, welche während der Reiſe warf. Die Entfernung von Quedgeley nach Briſtol beträgt 27 Meilen; von New-Pork ging die Familie mit einem Dampfboote auf dem Hudſon nach Albany, 190 Meilen, von da mit der Eiſenbahn nach Schenectady, 15 Meilen, und weis ter mit dem Schleppbote nach Syracus (140 Meilen). An letzte— rem Orte ging der Hund beim eiligen Einſchiffen verloren. Nach der Ankunft am Orte ihrer Beſtimmung ſchrieb einer der Familie an ſeinen Vater nach Quedgeley, ihm ihre Ankunft und zugleich den Verluſt der Hündin meldend. Dieſe lag, als der Brief nach Quedgeley kam, dort ruhig vor dem Feuerheerde des Hauſes, in dem ſie bisher gelebt hatte. Wie die Hündin ihren Rückweg fand, iſt nie ermittelt worden. (The Zoologist, No. 66. 1848.) Heilkunde. (XVII) über einen Rachenpolypen, der durch Beſeitigung des linken Oberkieferknochens, Aus⸗ reißen, Ausſchneiden und Cauteriſiren geheilt wurde. Von Prof. Mich aux der ge medieiniſchen Akademie mit— getheilt Der junge Mann, welchen ich der Akademie vorführe, ward wegen eines Rachenpolypen operirt, welcher mit vie— len Organen verwachſen war, und zwar 1) oben mit der apophysis basilaris, den sinus sphenoidei, in welche er ein— drang, und den benachbarten Theilen der Baſis des cra- nium; 2) vorn mit dem hintern Theile des linken Gaumen— beines; 3) hinten mit den Körpern der erſten Halswirbel; 4) endlich nach außen und links mit den beiden obern Dritteln der inneren Fläche der apophysis pterygoidea. Die Geſchwulſt ſtieg 1½ Zoll weit in den pharynx hinab und füllte die linke kossa nasalis faft ganz aus. Nach gründlicher Unterſuchung hielten wir dafür, daß 203 es uns durch ſenkrechte Zerfchneidung des beweglichen Gau: menſegels gelingen könne, den Polypen zu erſtirpiren, indem wir die drei Operationsverfahren, das Ausreißen, das Aus— ſchneiden und die Cauteriſation in Anwendung brächten. Die Operation ward ausgeführt und der Kranke kehrte zu feiner Familie zurück; allein die Geſchwulſt wuchs bald wie— der nach und machte raſche Fortſchritte, ſo daß der Patient am 13. Nov. 1847 ins Hoſpital zurückkehrte. Nachdem wir denſelben unter Zuziehung unſerer Colle— gen, der Hrn. Baud und Craninx, genau unterſucht und mehrere Vorſtudien an Leichen angeſtellt hatten, waren wir überzeugt, daß es nur ein einziges Mittel gebe, das Übel mit der Wurzel auszurotten, nämlich uns einen weiten Weg bis zur Baſis des cranium und dem obern Theile des pharynx zu öffnen und zu dieſem Behufe den linken Ober— kieferknochen auszurotten. Dieſe vorläufige Operation war allerdings gefährlich; allein ohne dieſelbe hätte der junge Verheyde erſticken, verhungern oder durch Druck auf das Gehirn ſterben müffen; denn der Polyp verſtopfte die Luft— wege und die Speiſeröhre ſchon im hohen Grade und hatte ſich ſchon ſehr weit über die Baſis des eranjum ausgedehnt, und es war unmöglich vorauszuſehen, wie weit und in welcher Richtung er noch fortwachſen werde. Auf der andern Seite hatten wir die Exſtirpation des Oberkiefers ſchon ſieben Mal vorgenommen, ohne daß ein einziger dieſer Patienten in Folge der Operation geſtor— ben war. Dieſe Betrachtungen beſtimmten uns, dem Kranken die erwähnte Operation vorzuſchlagen, und er entſchied ſich ſo— fort für dieſelbe. Wir führten ſie am 1. Dec. 1847 unter dem Beiſtande der Profeſſoren Craninr und van Kem— pen aus. Dies iſt nicht der erſte Fall, in welchem der Ober— kieferknochen behufs der Ausrottung eines außerhalb dieſes Knochens befindlichen Polypen beſeitigt worden iſt. Herr Flaubert, Sohn, hat im Hötel Dieu zu Rouen im Jahre 1840 dieſelbe Operation vorgenommen; allein meines Wiſ— ſens iſt dieſelbe früher noch nie durch einen einzigen Ein— ſchnitt auf der Medianlinie des Geſichtes ausgeführt worden. Auf dieſe Weiſe aber bewirkten wir die Exſtirpation des ganzen linken Oberkieferknochens binnen ſehr kurzer Zeit. Es wäre unnöthig, wenn wir hier die außerordentlichen Vorzüge dieſes Verfahrens im Vergleich mit den bisher üblichen darlegen wollten. Sie ſtellen ſich bei der bloßen Beſichtigung unſeres Patienten ſehr klar dar. Die Desarticulation wurde mittels des Meißels und Schlägels bewirkt, und dieſe Inſtrumente ſcheinen uns in dieſem Falle den Vorzug vor der Kettenſäge zu verdienen, deren Anwendung ſchwierig und langwierig iſt. Das Ausreißen des Polypen hatte große Schwierigkeit. Die Zangen, welche zu dieſer Operation beſtimmt ſind, er— mangeln durchaus der nöthigen Vollkommenheit; ſie ſind zu ſchwach und biegen ſich daher bei dem geringſten Wider— ſtande; auch geſtattet ihre Geſtalt nicht, daß man die Ra— chenpolypen nach der Quere damit faßt. Wir haben uns 145. VII. 13. 204 nunmehr mit den Verfertigern chirurgiſcher Inſtrumente we— gen Verbeſſerung dieſer Zangen berathen. Das Ausſchneiden konnte unter den vorliegenden Um— ſtänden nur mit der größten Vorſicht bewirkt werden, weil die Wurzeln des Polypen mit den an der Baſis des cra- nium und an der Seite des pharynx liegenden Nerven und Gefäßen in wichtiger Beziehung ſtanden. Als wir am Tage nach der Operation die Wunde vor dem Cauteriſiren unterſuchten, beſeitigten wir aus Verſehen eine um die art. maxillaris interna gelegte Ligatur, wodurch eine Blutung entſtand, die wir nur mit Mühe ſtillen konn— ten. Dies gelang uns indeß, indem wir die art. carotis zuerſt comprimirten und dann die verletzte Arterie mehrmals mit dem Glüheiſen berührten. In den Annalen der Chirurgie finden ſich mehrere Fälle aufgezeichnet, in denen der Tod durch Blutungen veranlaßt worden iſt, die in Folge von Reſectionen von Geſichtskno— chen eintraten. Dieſes Reſultat haben indeß die von uns ausgeführten Operationen dieſer Art nie gehabt; aber wir unterließen auch nie die ganze blutende Oberfläche zu brennen. Die Details unſeres Falles find von Hrn. dan den Abeele von Brügge, einem unſerer ausgezeichnetſten Stu— dierenden, folgendermaßen aufgeſetzt worden. Beobachtung. Der 1djährige Bauernburſche, Jan Verheyde von Boortbierbeck, iſt von nervös-ſanguiniſchem Temperamente und von fehlerfreier, aber wenig männlicher Körperbildung. Die zahlreiche Familie des Patienten ge— nießt durchgehends einer trefflichen Geſundheit. Die Eltern leben noch und befinden ſich wohl. Keiner feiner Verwand— ten hat an einer ähnlichen Krankheit gelitten. Im Monat April 1847 waren es drei Jahre her, als Verheyde zum erſten Male bemerkte, daß ſeine Naſe ver— ſtopft ſei, ſo daß er nur ſchwer durch dieſelbe athmen konnte. Es ſchien ihm, als ob er den Stockſchnupfen habe. Nach einiger Zeit ſchien ihm bloß der linke Naſengang verſtopft zu ſein. Er verharrte in dieſem Zuſtande ein ganzes Jahr, ohne dadurch bedeutend beläſtigt zu werden. Alsdann zog er einen Arzt zu Rathe, welcher in der linken Naſenhöhle eine Geſchwulſt entdeckte. Bei dieſer Unterſuchung verlor der Patient viel Blut, indem die Geſchwulſt bei der min— deſten Berührung blutete. Indeß fühlte er ſich doch erleich— tert, indem die habituelle Congeſtion nach dem Kopfe ſich in Folge jenes Blutverluſtes in bedeutendem Grade legte. Einige Zeit darauf verſuchte man den Polypen auszureißen, indem man ihn durch die linke Naſenhöhle faßte. Ein Theil desſelben ward ausgeriſſen und andere Theile mit der Scheere ausgeſchnitten. Auch bei dieſer Operation fand ſtarker Blutverluſt Statt. Indeß gewann das Gewächs ſei— nen frühern Umfang bald wieder; der Kranke wandte jic) wieder an mehrere Wundärzte, die ihm jedoch, in Betracht der Bedenklichkeit des Leidens, riethen, ſich geſchickteren Hän— den anzuvertrauen, nachdem ſie mehrere fruchtloſe Verſuche gemacht, die Geſchwulſt auszureißen. Zu Ende des Monats Mai 1847 begab ſich der Patient ins Hoſpital zu Löwen, woſelbſt Prof. Michaur im Monat Juni eine vorläufige Operation an ihm ausführte, indem er das Gaumenſegel 205 mitten durchſchnitt und alle von der Mund- und Naſen— höhle zugänglichen Theile der Geſchwulſt ausriß, ausſchnitt und ausbrannte. Gegen Ende Juli ward eine zweite ähn— liche Operation vorgenommen. Der Kranke fühlte ſich er— leichtert und begab ſich zu ſeiner Familie zurück, kam aber bald wieder ins Hoſpital, wo man am 13. Nov. 1847 folgenden Zuſtand an ihm gewahrte. Die Geſchwulſt fiel dem Patienten eben nicht zur Laſt und veranlaßte durchaus keine Schmerzen. Der allgemeine Geſundheitszuſtand war durch dieſelbe in keiner Weiſe an— gegriffen. Das Außere des Geſichts war regelmäßig, und die linke obere Marillarregion trat nur ein wenig ſtärker hervor, als die rechte. In der linken kossa nasalis zeigte ſich unweit ihrer äußern Offnung eine fleiſchige Maſſe von bläulicher livider Farbe. An der innern Seite derſelben ließ ſich eine Sonde frei durchführen; dies war auch an der untern und obern Seite längs der Wandung der Naſen— höhle der Fall, wogegen die Sonde etwa bei der Mitte der äußern und untern Wandung aufgehalten wurde. Als man den kleinen Finger in die Naſenhöhle einführte, fühlte man einen ziemlich harten, elaſtiſchen, fleiſchigen Körper, welcher an der äußern Seite feſt hing, wenig beweglich war und ziemlich die ganze Höhle ausfüllte, ja ſogar die Naſenſcheide— wand nach der rechten Seite verſchob. Durch die Mundhöhle hindurch bemerkte man in der durch die Zerſchneidung des Gaumenſegels bewirkten Lücke eine unregelmäßig geſtaltete fleiſchige Maſſe, welche an eini— gen Stellen ſchwärend war. Dieſe Geſchwulſt war hart, elaſtiſch, unbeweglich, wenig ſchmerzhaft und zum Bluten nicht ſehr geneigt. Wenn man den Finger tief einführte, konnte man damit um den untern Theil derſelben, welcher aus zwei Lappen beſtand und ſich durch zwei Drittel des pharynx hinab erſtreckte, herumfahren. Sie hing an dem hintern und obern Theile der Rachenhöhle und linker Hand an dem hintern Theile des Gaumenſegels bis an die apo- physis pterygoidea feſt. Die linke Naſenhöhle war hinten noch zu fühlen, aber ſehr verengt, die rechte Naſenhöhle war, gleich den benachbarten Theilen, hinten frei. Demnach waren die Inſertionsſtellen des Polypen folgende *). Bei der Tiefe und großen Zahl der Einfügungen war es durchaus unmöglich, den Polypen durch die natürlichen Offnungen zu erſtirpiren; der einzige Weg, auf welchem man zu allen Wurzeln des Leidens gelangen konnte, ließ ſich durch Beſeitigung des Oberkieferknochens erlangen. Die— ſes Verfahren beabſichtigte Hr. Michaux auch anzuwenden, und die Profeſſoren Craninr und Baud billigten das— ſelbe. Die gute Conſtitution des Patienten, die gutartige Natur des Polypen ſelbſt, welcher lediglich aus Faſergewebe zu beſtehen ſchien, und das ſchleunige Wachſen desſelben, das dem Athmen und Schlingen bald ſehr hinderlich wer— den mußte, ſchienen den Vorſchlag zu dieſer Art von Ope— ration durchaus zu rechtfertigen, und Prof. Michaux führte dieſelbe, nachdem der Patient ohne Umſtände darein ge⸗ willigt, am 1. Dec. folgendermaßen aus. *) Dieſe find oben ſchon wörtlich angegeben, weßhalb wir fie hier nicht wiederholen. ; Der et 3 145. VII. 13. 206 Zuerſt ward ein ſenkrechter Schnitt von der Naſen⸗ wurzel bis mitten auf die Oberlippe gemacht und dieſe nach ihrer ganzen Höhe durchſchnitten. Dieſer Schnitt wich von der Medianlinie ein wenig links ab, ſo daß die Naſenſcheide— wand rechts von demſelben unverſehrt ſtehen blieb. Dann wurde der Lappen abpräparirt und links umgeſchlagen, um den gan— zen linken Oberkieferknochen auf dieſe Weiſe bloß zu legen. Nachdem die verſchiedenen Artieulationen desſelben aufgedeckt waren und man den linken mittleren Schneidezahn ausge⸗ zogen hatte, wurden die Synarthroſen des Oberkieferknochens nach einander mit dem Meißel getrennt, der Knochen dann locker gemacht und beſeitigt. Dieſes ganze erſte Tempo der Operation dauerte nicht volle 5 Minuten. 5 Man gewahrte alsdann im Grunde der fossa buccalis die vordere Fläche des Polypen; er maß von ſeinem oberen Rande bis zu ſeiner Einfügung in die Baſis des eranium faſt 172 Zoll und nahm nach der Quere über die Hälfte der Breite des pharynx ein. Der geſchickte Chirurg faßte alsdann den freien Theil des Gewächſes mit der Hand und verſuchte das ſelbe zugleich auszudrehen und auszureißen. In⸗ deß gelang es ihm nur, einzelne Portionen der Hauptmaſſe zu beſeitigen. Mittels der Muſeaurſchen Zange, die er als— dann anwandte, ließen ſich ebenfalls nur Fragmente des Polypen ausziehen. Es wurden dann mehrere dieſer Zangen zugleich in Anwendung gebracht; allein auch mit dieſen kam man nicht viel weiter, da die meiſten bei der bedeutenden Anſtrengung, die fie auszuhalten hatten, ſich verbogen. Alsdann wurden mit Scheeren mit langen Griffen mehrere bedeutende Portionen aus dem Grunde der Kehle ausge— ſchnitten, und endlich gelang es, durch Aufheber und Zan— gen die Hauptmaſſe des krankhaften Gewächſes zu beſeitigen. Dabei wurde die linke art. maxillaris interna verletzt, aber alsbald unterbunden, während ein Gehülfe die art. carotis comprimirte, ſo daß die Blutung ſchnell geſtillt ward. Dennoch waren noch immer einige Wurzeln vorhan— den, die ſich als perlmutterartig gefärbte Fäſerchen barftell- ten und an dem innern ſeitlichen Theil der apophysis ptery- goidea, fowie an mehreren Punkten der Baſis des cranium eingefügt waren. Dieſe Wurzeln zertheilten ſich in feine Fäden, die ſich ſchwer faſſen ließen und ſehr feſt ſaßen. Indeß war doch der größte Theil des Polypen ausgerottet; ein großer Theil der Baſis des cranium ſtellte ſich dem Blicke offen dar; die beiden sinus sphenoidei waren geöffnet worden, um die ſich bis in dieſelben erſtreckenden Inſertionen des Polypen zu zerſtören, ſo daß die Inſtrumente von der Schädelhöhle nur durch eine dünne Knochenplatte getrennt waren. Endlich waren durch beharrliches und geſchicktes Operiren die letzten Spuren des Polypen beſeitigt. Die Operation dauerte etwa eine Stunde, und da der Kranke ſehr matt war, ſo verſchob man das Brennen bis auf den folgenden Tag. Die Wunde ward vorläufig ver⸗ einigt, und man brachte den Patienten ohnmächtig zu Bette. Es hielt ſchwer, ihn wieder zur Beſinnung zu bringen. Durch einen beruhigenden Trank brachte man ihn jedoch wieder einigermaßen zu Kräften. Er hatte ſtarkes Kopfweh und im linken Auge ſtechende Schmerzen. 207 Am folgenden Tage wurde die Wunde wieder auf: gedeckt, und während man abermals nach den letzten Reſten des krankhaften Gewächſes ſuchte, wurde die am vorigen Tage angelegte Ligatur gezerrt und aufgelockert, ſo daß aus dem Grunde der Wunde ziemlich viel Blut ſpritzte, welches jedoch, nachdem vorläufig die blutende Offnung mit dem Finger zugedrückt worden, mit dem Brenneiſen geſtillt wurde. Mit mehreren weißglühenden Brenneiſen wurde hierauf der ganze Grund der Wunde ziemlich leicht betupft, um die Knochen des Grundes des eranium nicht zu beſchädigen. Auf dieſe Weiſe wurden die letzten Wurzeln des Polypen zerſtört, und nachdem man die äußere Wunde ein wenig aufgefriſcht hatte, vereinigte man dieſelbe mittels der gewundenen Nath. Es ſtellte ſich durchaus keine üble Folge ein, das Wundfieber war mäßig, und es blieben nur noch Kopfweh und ſchießende Schmerzen in der linken Augenhöhle zurück. In der dritten Nacht nach der Operation ſchlummerte der Patient ſchon ziemlich ruhig. Am fünften Tage war die äußere Geſichtswunde ziemlich zugeheilt, ſo daß man mehrere Nadeln herausziehen und durch Heftpflaſterſtreifen erſetzen konnte. An den erſten Tagen nach der Operation hatte das Schlingen große Schwierigkeit und der Kranke konnte nicht articuliren. Gegen den 15ten Tag hin fingen die Schorfe an ſich abzulöſen, und die letzten gingen 6 Wochen nach der Operation ab. Es trat durchaus keine ungünſtige Folge ein; der Kranke litt zwar einige Tage an der Grippe und einer leichten Ohrenentzuͤndung; allein dieſe Unpäßlichkeit ging bald vorüber. Vor etwa 14 Tagen haben ſich zwei kleine Knochenfragmente von dem vordern Theile des rechten Oberkieferknochens, an der Stelle, wo derſelbe mit dem lin— ken articulirt war, abgelöſ't *). Die Gewebe des pharynx bedeckten ſich mit geſunden Fleiſchwärzchen, und die Schleim— haut erzeugte ſich faſt auf allen Punkten wieder. Nach der linken apophysis pterygoidea hin fühlte man noch kleine Knochenfragmente, die unter dem fie bedeckenden Narben— gewebe beweglich find. Da ſich in den sinus sphenoidei vorſpringende ſchleimige Fleiſchwarzchen bildeten, jo wurden dieſelben mit dem Finger zerſtört. Seit der Operation ſind nunmehr 2 Monate verſtrichen; der Kranke befindet ſich vollkommen wohl und fängt an beleibter zu werden. Indeß haben mehrere Functionen mehr oder weniger gelitten. Das Gehör iſt im linken Ohre beinahe erloſchen, was wohl von der Zerſtörung der euſtachi— ſchen Röhre herrührt. Die Stimme hat bedeutend gelitten, zumal die Articulation der Kehltöne. Der Geruch und Ge— *) Um dieſelbe Zeit lößte ſich ein großer Theil von der linken ſeitlichen Maſſe des os ethmoideum ab. 145% VII 18. 208 ſchmack find gut erhalten; indeß iſt die Naſenſcheidewand nach rechts verſchoben und der Durchgang der Luft durch das entſprechende Naſenloch ſchwierig. Das Geſicht iſt we— nig entſtellt; außer der linienförmigen Narbe auf der Me— dianlinie ſieht man nur eine gelinde Abweichung der Ober— lippe und Naſe; die linke Wange iſt etwas mehr eingefallen als die rechte. Der sinus maxillaris des exſtirpirten Knochens war durch den Druck der Geſchwulſt auf deſſen innere Wandung be— deutend verengert. Das durch die Operation beſeitigte pa— thologiſche Product ſcheint aus einer Art von faſerig-ela— ſtiſchem Gewebe zu beſtehen und iſt hart, weißlich, faſerig, elaſtiſch. Unter dem Mikroſkop bietet es ein Geflechte von ziemlich dünnen, wellenförmigen Faſern mit deutlich markir— ten Umriſſen dar. Die Faſern anaſtomoſiren unter einander, und das Gewebe gleicht ſehr dem gelben elaſtiſchen Gewebe. Eſſigſäure greift die Faſern nicht ſtark an; das Gewebe, welches dieſelben bilden, enthält wenig Gefäße. Nerven habe ich darin nicht entdecken können. Die Schleimhaut, welche dasſelbe bedeckt, iſt dick und ſcheint mir ungewöhnlich ge— fäßreich. Ich glaube dieſes Gewebe ſteht in ſehr enger Be— ziehung zum periosteum und zumal mit dem faſerig = elaſti— ſchen Gewebe, das man vor der Wirbelſäule an der Baſis des cranium findet. (Gazette med. d. Paris, 7. et 10. Juin 1848.) Miſcellen. (21) Hornhautflecke durch Pigmentablagerung beſchreibt Hr. Tavignot in den Annales d’oculistique, Oct. 1847. Eine 70jährige Frau, welche an einem Linſenſtaar litt, wurde von Hrn. T. operirt; bei der Depreſſion wurde die iris mit berührt, es erfolgte etwas Blutung in den Augenkammern. Als das er— goffene Blut reſorbirt war, bemerkte man, daß die uvea in geringer Ausdehnung vom untern Rande der iris abgelöft war (2). Ein Theil dieſer Pigmenthaut hatte ſich an einem Capſelreſt angehängtz ein anderer Theil derſelben war in die vordere Augenkammer ge⸗ kommen und hatte ſich mit der innern Hornhautfläche verbunden. Die iris war da, wo die uvea abgelöſ't war, ganz farblos. An der innern Hornhautfläche, zum Glück tiefer als die Pupille, be⸗ merkt man 5 einzelne, intenſiv ſchwarze Flecke von der Größe eines Stecknadelkopfes, welche durchaus nicht beweglich ſind und auch ſpäter nicht reſorbirt wurden; welche aber entzündliche Reaction ebenfalls nicht veranlaßten. (22) Neſſelung gegen vollſtändige Paraplegie. In den Annales de la Société d. med. prat. d’Anvers theilt Dr. van Bangevem einen Fall mit, in welchem nach häufigem Schla⸗ fen im Freien auf feuchtem Heu allmälig eine reine, aber voll— ſtändige Paraplegie mit Aufhebung des Gefühls und der Bewe— gung entſtanden war. Jeden Abend wurde der Kranke in ein kaltes Halbbad gebracht, hierauf eine halbe Stunde lang mit trock— nem Flanell gerieben und danach mit Brennneſſeln gepeitſcht. Nach 14 Tagen war der Zuſtand weſentlich gebeſſert; es wurden nun nur noch die Halbbäder und die trocknen Reibungen fortgeſetzt und ſo in 3 Monaten eine vollſtändige Heilung zu Stande gebracht. Bibliographiſche Neuigkeiten. M. J. Schleiden, The Plant: a Biography in a Series of popular lectures, translated by Arth. Henfrey. 8. 191 374. with 5 coloured plates and 13 wood engravings. 15 sh.) London 1848. Mac @regor, Holland and the dutch Colonies. Roy. 8°, (p. 224. 16 sh. 6 d.) London 1848, F B. Courtney, The Pathology and Rational treatment of Strictures of the urethra in all their Varieties and Complications; with practical observations on tlıe use and abuse of instruments in the treatment of urethral diseases. nn whole illustrated by numerous cases. So. (p. 290 5 sh., London 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 146. (Nr. 14. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Na tu reunde, Prichard, über die Beziehungen der Ethnologie zu den übrigen Zweigen der Wiſſenſchaft. er Mifeelle. Dickie, Embryoſack der Eu- hrasia ofüeinalis. — Heilkunde. Bouchut, über den Scheintod und die Verhinderung des Lebendigbegrabens. — Hamilton, Geſichtsfehler in folge unregelmäßiger Strahlenbrechung, nebſt Nachtblindheit. — Peddie, über die Rückenmärks-Apoplexie. — Miſcelle. Mendini, Compreſſton der hydrocele. — Bibliographie. Naturkunde. XXXIV. über die Beziehungen der Ethnologie zu den übrigen Zweigen der Wiſſenſchaft. Von J. C. Prichard. Der Verf. wünſcht im Eingange dieſer Abhandlung, die fi) im Hefte Juli bis Oetober des Edinburgh new phi- losophical journal von 1847 findet, und welche wir im Aus— zuge wiedergeben, die Ethnologie auch in England als be— ſondere Wiſſenſchaft behandelt und von der Zoologie, mit der ſie dort vereinigt iſt, getrennt zu ſehen. Die Ethnologie iſt die Geſchichte der verſchiedenen Men— ſchenarten und Stämmez ſie unterſcheidet ſich don der Natur— geſchichte ſchon dadurch, daß ſie ſich nicht allein mit dem Beſtehenden, ſondern auch mit dem Geweſenen beſchäftigt; ſie forſcht der Geſchichte der Menſchenſtämme bis in die fern— ſten Zeiten nach und ſucht durch ſichere oder muthmaßliche Schlüſſe ihre urſprüngliche Verwandtſchaft oder Verſchieden— heit zu erfahren. Obſchon ſich ihre Schlüſſe zum großen Theil auf naturhiſtoriſche Forſchungen gründen, iſt ſie im allgemeinen doch der Archäologie näher als der Naturgeſchichte verwandt. Die meiſten übrigen Wiſſenſchaften ſtehen in dem— ſelben Verhältniß zur Naturgeſchichte und werden deßhalb von ihr getrennt als beſondere Wiſſenſchaften abgehandelt. Die Reſultate der ethnologiſchen Unterſuchungen fallen aber ſo wenig ins Bereich der Naturgeſchichte, daß ſie ſich vielmehr der Archäologie und Geſchichte anreihen. Die Ethnologie iſt demnach eben ſo ſehr wie jeder andere Zweig ver Wiſſenſchaft berechtigt; ſie ſteht mit der Geologie im gleichen Verhältniß und übt wie dieſe ihren Einfluß auf die übrigen Wiſſen— ſchaften. Auch die Geologie befaßt ſich nicht mit den Pro— ducten der Jetztzeit, forſcht vielmehr nach den Veränderungen unſeres Planeten in früheren Zeitperioden; ſie ſtützt ſich allerdings auf noch beſtehende Naturgeſetze und ſucht nach No. 2126. — 1026. — 146. ihnen und den Überreſten einer untergegangenen Schöpfung die früheren Umwälzungen zu erklären; ihre Forſchungen ge— hören demnach ebenfalls mehr ins Bereich der Geſchichte und Archäologie als der Naturgeſchichte. Das Studium unter— gegangener Organismen ward von Whewell Paläontologie genannt; er vereinigt die Geologie mit der Ethnologie: er— ſtere iſt die Archäologie des Erdballs, letztere die Archäologie des Menſchengeſchlechts; beide ſchöpfen aus der Naturgeſchichte, benutzen aber auch andere rein geſchichtliche Quellen. Die Geſchichte der Völkerſchaften und der Sprachen insbeſondere hat in der letzteren Zeit die Ethnologie über Erwarten ge— fördert; wie die Geologie ohne das Studium der früheren organiſirten Erdbewohner trocken und unfruchtbar ſein und keine Beziehungen der Formationen zur Erdgeſchichte liefern würde, ſo müßte auch die Ethnologie ohne die Entdeckungen der Gloſſologie mancher Stütze entbehren. Der Verf. verſucht nunmehr den Einfluß jedes einzelnen Zweiges der Wiſſenſchaften auf die Entwicklung der Ethnolo— gie zu bezeichnen: als ſolcher gedenkt er zunächſt der Anato— mie, Phyſiologie, Zoologie und der phyſicaliſchen Geographie. Der erſte Verſuch, die Menſchen nach Racen zu unter— ſcheiden, ward von Camper, einem Anatomen, gemacht; er gründete feine Unterſchiede auf die Geſtalt des Schädels. Der Winkel, den 2 Linien, deren eine vom Ohre bis zur Naſenwurzel, die andere von der Stirn bis zum Munde ge— hend, mit einander bildeten, beſtimmten feine Racen. Der Schädel des Europäers zeigte einen Winkel von 800%, der des Kalmucken nur 75%, der Negerſchädel nur 70%. Der Winkel des Affenſchädels mißt nach Camper 64, 63 bis 600, an den Bildſäulen griechiſcher Gottheiten ſtieg dieſer Winkel bis auf 900. Aus dieſem Schädelwinkel folgerte er die Übergangsſtufe des Negers vom Affen zum Europäer Dieſe Übergänge ſind aber nur vor dem erſten Zahnen vor— 14 211 handen, beim erwachſenen Troglodyten beträgt der Schädel: winkel nach Owen 350, beim Orang oder Satyr nur 300. Blum enbach war der eigentliche Begründer der Eth— nologie: im Beſitz einer reichen Schädelſammlung unterſchied er nach anatomijchen Merkmalen 5 Menſchenracen; benannte fie aber nicht, wie es wohl richtiger geweſen, nach dieſen anatomiſchen Verſchiedenheiten, ſondern nach den Volksſtäm— men oder der Weltgegend, wo die Stämme leben ſollten; ſo erhielt er die kaukaſiſche Race, welche er als das Stamm— geſchlecht aller andern betrachtet, die mongoliſche, americani— ſche, äthiopiſche und malayiſche Race. Spätere Entdeckun— gen weiſen neue Verſchiedenheiten nach, ſo daß gegenwärtig Blumenbachs 5 Nacen nicht mehr ausreichen. Die äthio— piſche Race allein, in welche Blumen bach ſämmtliche Neger vereinigt, enthält 2 Menſchenracen mit wolligem Kopfhaar, deren Schädel von dem des Negers ſehr verſchieden gebaut iſt (die Kaffern- und Hottentottenrace). Zur malayiſchen Race zählt Blumenbach alle Inſelbewohner der großen Südſee, deren Racen unter ſich fo ganz und gar verjchieden ſind u. ſ. w. So vortrefflich Blumenbach im allgemeinen die Schä— del und ihre Unterſchiede beſchrieben, hat er doch einen we— ſentlichen Punkt, die Geſtalt der Schädelbaſis gänzlich über— ſehen; auf ſelbige machte Owen zuerſt aufmerkſam, ſie liefert vortreffliche Unterſchiede ſowohl zwiſchen dem Schädel des Menſchen und Affen als den Schädeln verſchiedener Menſchen— racen unter einander. Auch Retzius ſtellte gründliche, ſcharfſinnige Unter— ſuchungen über den Bau der Schädel an und deutete auf Verſchiedenheiten derſelben nach den Nationen; aber nicht der Kopf allein giebt, wie der Verf. bemerkt, Unterſchiede für die Racen, das Verhältniß der Gliedmaßen, die Geſtalt des Beckens und anderer Körpertheile, die Haut, das Haar u. ſ. w. trennen ſie von einander. Gleich der Anatomie iſt auch die Phyfiologie dem Stu— dium der Ethnologie ſehr wichtig; hier iſt nach den Geſetzen im Lebenshaushalt und deren Abweichungen nach den Racen zu fragen; hier iſt nach der Lebensdauer, nach den verſchie— denen periodiſchen Veränderungen zu forſchen, zu ermitteln, ob ſie in äußeren Einflüſſen oder in einer ſpecifiſchen Ver— ſchiedenheit der Race ihre Urſache finden u. ſ. w. Auch die Abweichungen in Geſtalt und Farbe und deren Urſachen, ſowie ihre ererbte und ſich wieder vererbende Beſchaffenheit find für die Phyſtologie und Ethnologie wichtige Aufgaben. Das Studium der Zoologie, ſowie der Naturgeſchichte überhaupt iſt für die Entwicklung der Ethnologie ſehr be— deutſam. Die Verſchiedenheiten im Bau verſchiedener Thier— arten können uns z. B. über die Verſchiedenheiten im Bau der Menſchen aufklären und zeigen, was zufällige Abwei— chungen und was conſtant beſtimmten Racen zukommende Merkmale ſind. Auch die Beobachtungen über die thieriſche Baſtardzeugung und die angebliche Unfruchtbarkeit dieſer Ba— ſtarde ſind für die Geſchichte des Menſchengeſchlechtes von großer Bedeutung. Die phyſicaliſche Geographie, iſt für die Ethnologie nicht minder wichtig; ſie zeigt wie die Ortlichkeit und die klimati⸗ 146. VII. 14. 212 ſchen Verhältniſſe auf die lebenden Weſen überhaupt ein— wirken und ihnen Grenzen beſtimmen eine große Zahl von Thieren und Pflanzen ſind nur auf gewiſſe Breiten und locale Bedingungen angewieſen. Die dem Menſchen im Au— ßern am nächſten ſtehenden Thiere, die Affen haben nur einen kleinen Verbreitungsbezirk, während der Menſch in allen Klimaten fortkommt. Auch die Höhenverſchiedenheit der Gegen— den iſt von wichtigem Einfluß auf ihre lebenden Bewohner; in den Alpengegenden aller Länder finden wir die Cretins oder zum wenigſten rothes Haar und blaue Augen ſehr ver— breitet. Am Himalaja lebt an den Quellen der geheiligten Flüſſe Jumnotri und Gangotri ein aus Cretins beſtehender Hinduſtamm. Die Radſchputen in Radſchaſthan find bei wei— tem blonder als die übrige Bevölkerung Bengalens. Unter den Indiern neigen ſich die Euſofzyes, welche die hohen Gegenden Afghaniſtans bewohnen, mehr dem Cretinismus zu, während die Ghiljis in den niederen Gegenden dunkel— farben und die Jaunts im Flachlande Indiens beinahe ſchwarz ſind. Auf den Hochgebirgen des Hindu-Khu lebt das inter— eſſante Volk der Siah Poſch, deren Sprache dem Sanſerit verwandt iſt, und die nach Bopp und Ritter die Nach— kommen der alten Brahmarace, welche vor vielen tauſend Jahren Indien bewohnte, ſein ſollen. Eben ſo ſind nach Bruce die Bewohner der kalten Gebirge von Baddhua im weſtlichen Arabien von den übrigen Völkerſchaften ganz ver— ſchieden. Die Kabylen, die Bewohner des Berges Auraſius hinter Tunis und Algier, haben eine ſo helle Hautfarbe und blondes Haar, daß man ſie zwar ohne Grund für Nach— kommen der Vandalen gehalten hat; die Vandalen müßten alsdann aber nach allen Hochgebirgen der ganzen Welt ge— wandert ſein und dort ihren Stamm erhalten haben, was nicht wohl anzunehmen iſt, da auch in America auf dem Felsgebirge dieſelbe Erſcheinung beobachtet wird. Die Ur— ſache dieſer Haut- und Haarfarbe ſcheint dem Verf. darnach in den phyſicaliſchen Verhältniſſen dieſer Gebirgsgegenden nicht aber in der Menſchenrace ſelbſt zu liegen. Nach Robert Browns Unterſuchungen trägt die Ve— getation der ſüdlichen Hemiſphäre einen bei weitem mehr aäquatorialen Charakter als die nördliche, und eben fo find auch die Menſchenracen der großen ſüdlichen Continente bei weitem mehr den Stämmen der heißen Zone verwandt, wie die Bewohner der nördlichen Halbkugel; der Einfluß der geographiſchen Verhältniſſe iſt hieraus mehr als deutlich. Die hie und da in den Werken der alten Geſchicht— ſchreiber zerſtreuten Nachrichten über die den Griechen und Römern bekannt gewordenen Völkerſchaften, alte Traditionen, Sagen und Gedichte, desgleichen Überreſte alter Kunſt- und Architecturgegenſtände, aufgefundene Schädel und Skelette ſind ebenfalls authentiſche Beweiſe für die Racenverſchieden— heit des Menſchengeſchlechts; zu ihnen geſellt ſich als beſon— ders weſentlich die Geſchichte der Sprachen. Die Geſchichte des Menſchengeſchlechts läßt ſich indeß nicht wie die Geologie in den Tiefen der Erde ſtudiren, ob— ſchon man einzeln hie und da alte Inſchriften in Höhlen und Gräbern, ſowie ſeltene Documente findet, aus denen man für die Geſchichte Schlüſſe zu ziehen vermag. So deu— 213 ten die an verſchiedenen Küſtenorten des baltischen Meeres ausgegrabenen Münzen, welche das Gepräge der alten Chalifen von Bagdad tragen, auf eine große Handelsſtraße von Oſten nach Norden, zu einer Zeit, wo man die Völker des nörd— lichen Europas noch im vollſten Zuſtande der Wildheit glaubte. Noch wichtiger find indeß die alten Sculpturen geworden: durch ſie ſind uns die meiſten und authentiſchſten Nachrichten über frühere Völkerſchaften und den Grad ihrer Bildung ge— worden. Die ägyptiſchen Gräber mit ihren Mumien geben uns die einander folgenden Generationen von 3 Jahrtau— ſenden, die Höhlen von Teneriffa die Überreſte der alten ausgeſtorbenen Guanches, der Ureinwohner der glücklichen Inſeln wieder. Selbſt in den Wildniſſen des nördlichen Aſiens längs den Ufern des Irtiſch und jenſeits des Jeni— ſei findet man häufig vereinzelte Grabſtätten, welche die Überreſte einer alten, wahrſcheinlich längſt erloſchenen Men— ſchenrace und Spuren ihrer Kunſtfertigkeit liefern, die gerade in dieſen vom Klima ſo wenig begünſtigten Gegenden zu jener Zeit beſonders entwickelt geweſen zu ſein ſcheint. Geräthe und Schmuckſachen von edlen und unedlen Metallen, Poreglan— gefäße und andere Dinge fand man in ihren Gräbern. Ahn⸗ liche Grabſtätten desſelben oder eines minder eultivirten Vol— kes ſind über das nördliche Europa verbreitet. Eſchricht, Nilsſon und Retzius haben in Dänemark und Schwe— den die Überreſte verſchiedener Menſchenracen, welche ſie für die Ureinwohner des nördlichen Europas halten, aufgefunden. Wilde hat in Irland, Eugene Robert und Serres in Frankreich ähnliche Entdeckungen gemacht. Alle dieſe Be— obachtungen ſind aber noch zu neu, um aus ihnen Schlüſſe ziehen zu können. Die genannten ſchwediſchen Forſcher neh— men nach den im nördlichen Europa aufgefundenen Über⸗ reſten 3 verſchiedene Epochen, 3 verſchiedene Menſchenracen und 3 auf einander folgende Entwicklungsperioden der Künſte und Geſittung an. Die älteſte Race hatte nach ihnen einen runden Kopf. Der Querdurchmeſſer der Schädeldeckel war verhältnißmäßig ſehr bedeutend; die in ihren Gräbern auf— gefundenen Sachen, aus Knochen und Stein gefertigte Waf— fen, zeugten für einen Zuſtand großer Wildheit; ob dieſe alten Grabmäler der keltiſchen Race angehören, iſt noch nicht beſtimmt ermittelt; Retzius und Nilsſon halten ſie für ältern Urſprungs. Ahnliche in Frankreich aufgefundene Grä— ber werden don Robert und Serres für Grabſtätten des cymbriſchen oder welſchen Stammes der keltiſchen Raſſe ge— halten. Andere größere Schädel, die man mit metalliſchen Kunſtſachen in andern Gräbern gefunden, ſollen nach ihnen dem iriſchen oder gaeliſchen Stamm angehören; eine dritte Schädelart, in deren Gräbern ſich Sculpturüberreſte gefunden, ſoll nach Retzius dem ſchwediſchen oder ſächſiſchen oder noch einem andern Stamme der Teutonen angehören. Leider hinterließen uns die alten Nationen Europas, von denen die Deutſchen, Engländer und Franzoſen abſtam— men, keine Inſchriften, keinen Buchſtaben, der ihre Geſchichte entziffern könnte: obſchon mit den geſitteteren Maſſiliern und den römiſchen Colonien im Verkehr verſchmähten ſie die Kunſt des Schreibens; dagegen finden wir in den Theilen Aſiens und Africas, wo jetzt Cultur und Kunſt verſchwunden ſind, 146. VII. 14. 214 der alten Inſchriften die Menge. Zahlreiche und lange In— ſchriften ſind durch ganz Indien an Felswänden, in Höhlen und an Denkmälern zu finden, in Cabul, durch das alte Reich von Iran und Aſſyrien, durch Hadramaut und Oman, die fernſten Diftriete Arabiens und durch den Norden von Africa verbreitet und deuten auf cultivirte Völkerſchaften zu einer Zeit, wo Europa noch der Barbarei verfallen war. Alle dieſe Inſchriften, die von den Nachkommen derſelben Völker, die ſie geſchrieben, mit dummer Verwunderung be— trachtet wurden, die ſeit 2000 Jahren als Zeichen einer frühern Cultur bekannt ſind, wurden erſt in den letzten Jah— ren entziffert. Moungs und Champollions Bemühungen gelang es zuerſt, die ägyptiſchen Hieroglyphen zu enträthſeln und der Geſchichte ein neues Feld zu öffnen, auf deſſen Grundfeſten Bunſen die Geſchichte der alten Welt erbaute und uns die Erbauer der Pyramiden, deren Schickſal bei uns ſeit 4 Jahrtauſenden in Vergeſſenheit gerathen war, aufs neue vor die Augen führte. Mit faſt gleichem Erfolge enträth— ſelte Prinſep die Inſchriften Indiens und Afghaniſtans. Merkwürdigerweiſe enthalten die älteſten Zeichenſchriften des Oſtens keine Nachrichten über erfochtene Siege, ſondern Be— fehle des Oberhauptes zur Erbauung von Hoſpitälern für Menſchen und Thiere. Unter andern merkwürdigen Begeben— heiten hören wir durch fie von einem großen macedoniſchen Reiche, dem ein großer Theil Indiens angehörte, von einer Eroberung Ceylons durch den Herrſcher von Hinduſtan, 300 Jahre vor Chriſto. Nicht minder intereſſant ſind die In— ſchriften, deren Buchſtaben keilförmige Striche bilden und die im Reiche des großen Cyrus ſo verbreitet ſind und über die perſiſchen Könige Nachricht geben; ähnliche Inſchriften ſtam— men von den alten Aſſyriern und Babyloniern, ſie wurden durch Grotefend, Laſſen, Burnouf und Rawlinſon entziffert; der letztere las die Geſchichte der Achämeniden auf ihren eigenen Denkmälern, wo ſie in einer Sprache einge— graben war, die ſicher an den Höfen von Suſa und Perſe— polis geſprochen, aber nach dem Tode des letzten Darius nicht mehr gehört wurde. Nebuchadnezars Name findet ſich an den Mauern feiner Paläſte. Dieſe Inſchriften ſind nun für die Ethnologie von größ— ter Wichtigkeit; aus ihnen ſchließt der Verf., daß die Be— wohner Afghaniſtans Darius auf ſeinen Kriegszügen be— gleiteten und mit zu Marathon und Thermopylä fochten. Die durch Arabien und Athiopien verbreiteten Inſchrif— ten werden wahrſcheinlich die alten Bezeichnungen Aſiens zu Africa aufklären und eine Geſchichte der alten äthiopiſchen Könige liefern, die unter dem Titel der Candace herrſchten. Andere erſt eben ſo kürzlich entzifferte italieniſche In— ſchriften geben über die Völker, welche vor der Herrſchaft Roms Italien bewohnten, Auskunft; es ſcheint darnach, als wenn die alten Bewohner dieſes Landes, die Latiner, Umbrier, Opici oder Oſker, die Auſoner, Sieuler, Samniten und Sabiner, überhaupt ſämmtliche italieniſche Stämme, die Tuſker ausgenommen, keineswegs wie es einige Schriftſteller annehmen, theils keltiſchen, theils grie— chiſchen oder pelasgiſchen Urſprungs waren, ſondern einen eigenen Zweig des indiſch-europäiſchen Völkerſtammes bilde⸗ 14 * 215 ten und daß aus ihrer Sprache, dem alten Italieniſch, die lateiniſche Sprache entſtand. Eine vergleichende Analyſe der verſchiedenen Sprachen unter einander iſt für hiſtoriſche Forſchungen über die Ver— wandtſchaft der Nationen ein unſchätzbares Mittel; es ward zuerſt von Leibnitz angewandt und hat nach ihm durch Adelung, Vater, Klaproth, Bopp, Fr. Schlegel, Jac. Grimm und W. von Humboldt weiter geführt, herrliche Reſultate geliefert. Aber auch dieſe Methode ver— langt eine vorſichtige Anwendung: wir wiſſen z. B., daß Völkerſchaften, die lange unter dem Drucke einer andern leb— ten, das Eigenthümliche ihrer eigenen Sprache faſt ganz verloren und ſich dafür die Sprache ihrer Unterdrücker an— geeignet haben; eben ſo verwiſchten die Handelsverbindungen, der Wechſel der Religionen und Sitten, namentlich da, wo wilde Stämme mit civiliſirten Nationen in Berührung ka— men, die Eigenthümlichkeiten der Urſprache. Wir werden jetzt kaum eine Sprache finden, die nicht auf dieſe Weiſe von einer andern Sprache Worte empfing, weßhalb man bis auf die älteſten Zeiten zurückgehen muß, um wirkliche Verwandtſchaften zu finden. Eine ſorgfältige Analyſe der Sprachen wird indeß auch hier im Charakter der Sprache ſelbſt ihre urſprüngliche Verwandtſchaft mit einer andern Sprache auffinden; einem ſolchen in neuerer Zeit gründlich betriebenen Studium verdanken wir wichtige Aufſchlüſſe. Die Syntaris, die grammatifche Anordnung der Worte in Redeformen, iſt nach der Anſicht der jetzigen Sprach— forſcher durchaus conſtant geblieben; viele Sprachen, die gegenwärtig in ihren Worten nur wenig gemein haben, haben als Beweis eines Urſprunges dieſelbe ſyntactiſche Form unverändert behalten. Die einſylbigen chineſiſchen und indochineſiſchen Sprachen und die wohlklingenden Sprachen Hochaſiens liefern hierfür Beiſpiele. Sämmtliche Sprachen der neuen Welt haben bei aller übrigen Verſchiedenheit die— ſelben grammaticaliſchen Regeln. Die Sprachen Hochaſiens und der großen Tartarei, noch mehr die indoeuropäiſchen Sprachen zeigen ihren beſtimmten Charakter. Sprachen eines und desſelben Urſprungs unterſcheiden ſich indeß häufig durch die Bildung ihrer Worte, indem beſtimmte Claſſen ſtummer Buchſtaben ſich gegenſeitig er— ſetzen; die eine europäiſche Sprache erſetzt z. B. die Gau— menlaute der andern durch Ziſchlaute, eine dritte gebraucht ſtatt beider Lippenlaute. Wo ähnliche Erſcheinungen in den meiſten Worten zweier Sprachen vorkommen, dürfen wir für beide einen Urſprung, aber eine verſchiedene Entwicklung annehmen. Das Vorkommen ähnlicher Worte in verſchiedenen Spra- chen kann nicht über die Verwandtſchaft der Sprachen ent— ſcheiden: ſo hat die engliſche Sprache viele Worte aus der franzöſiſchen, die welſche Sprache noch mehrere der engli— ſchen entnommen: wo nun viele Worte ſich gleich oder ähn— lich ſind, kann nur die Beſchaffenheit dieſer Worte ſelbſt über eine Verwandtſchaft entſcheiden. Als ſolche Worte bezeichnet der Verf. diejenigen, welche man den Kindern zunächſt ſprechen lehrt, die Worte des Familienlebens, als Vater, Mutter, Bruder, Schweſter u. ſ. w.; ferner ſolche, 146. VII. 14. 216 welche die Theile des menſchlichen Körpers und andere von Kindern benannte Gegenſtände bezeichnen, dann Perſonal— vornamen, Zahlwörter, namentlich von 1 bis 10; Zeitwör— ter, welche ſich auf alltägliche Verrichtungen als eſſen, trin— ken, gehen, ſchlafen u. ſ. w. beziehen, und endlich die Namen der Hausthiere. Solche Worte des täglichen Lebens, die jedem Menſchenſtamme eigen find und unveränderlich die— ſelben bleiben, können nur durch eine gänzliche Vernichtung der Nationalität verwiſcht oder geändert werden; ſie weiſen deßhalb noch nach vielen tauſend Jahren den gemeinſchaft— lichen Urſprung zweier Völker nach. Nationen, die vor ihrer Trennung eine gewiſſe Stufe oder Civiliſation erreicht haben, beſitzen bei einer übrigens noch jo großen Verſchiedenheit ihrer Worte gewiſſe Bezeich— nungen für gewöhnliche Kunſtfertigkeiten, als pflügen, we— ben, ſäuern, und Kunſtgegenſtände, Waffen, Geräthe und Kleidungsſtücke gemeinſchaftlich. Der Verf. bemerkt hier, wie dieſe Bezeichnungen bei einer ſonſtigen Verſchiedenheit der Worte oftmals gleich und umgekehrt bei einer großen Übereinſtimmung der übrigen Worte oftmals verſchieden find. Nach den hier angedeuteten Grundideen wird es nun— mehr möglich ſein, über die Verwandtſchaft der Völker— ſchaften nach ihren Sprachen zu entſcheiden, und jo erhalten wir für das Feſtland von Aſien und Europa vier Arten von Hauptſprachen, die indoeuropäiſchen Sprachen, die nordaſtatiſchen Sprachen, die ſyroarabiſchen und endlich die chineſiſchen oder indochineſiſchen Sprachen. Die indoeuropäiſchen Sprachen, zu denen eine große Zahl der Hauptſprachen Europas und Aſiens gehören, zer— fallen in verſchiedene Gruppen; die erſte oder claſſiſche Gruppe umfaßt die Sprachen der alten Literatur (die Sprache des Sanſkrit, die griechiſche und lateiniſche Sprache); zur zweiten Gruppe gehören die dem Sanſkrit verwandten Spra— chen Perſtens und Mediens; zur dritten Gruppe die dem Sanſkrit ebenfalls verwandten Sprachen, die Sprache der alten Preußen mit der lettiſchen und litauiſchen Sprache; die beiden letztern Sprachen ſind, nach von Bohlen, dem Sanſkrit näher wie irgend eine europäiſche Sprache ver— wandt; zur vierten Gruppe gehört die deutſche Sprache; zur fünften Abtheilung die flaviſche oder ſarmatiſche Sprache, an ſie knüpft ſich die Sprache der Ruſſen, Polen und Böh— men und eines großen Theiles der europäiſchen Türkei. Die Geſchichte lehrt uns, daß genannte Völkerſchaften ſich im grauen Alterthume über die Länder, welche ſie gegen— wärtig bewohnen, verbreiteten; die teutoniſchen und ſcandi— naviſchen Stämme der germaniſchen Raſſe bewohnten zur Zeit des Ariſtoteles die Küſten des keltiſchen Meeres; die Brahminen, welche die Sprache des Sanffrit redeten, kannte man nur wenig ſpäter zu Megaſthenes Zeit am Hofe von Palibothra (muthmaßlich Patna). Das ganze alte Germanien, Sarmatien, Italien, Griechenland, Perſien, Me— dien und Indien war von unabhängigen Stämmen, die, zwar alle verſchieden, doch durchaus ähnliche Sprachen rede— ten, bewohnt. Nun entſteht die Frage, ob alle dieſe Völ— kerſchaften eines Urſprunges ſind? Der Verf. glaubt dieſe Frage bejahen zu müſſen; denn wenn auch durch Kriege und 27 146, VII. 14. 218 namentlich durch die Herrſchaft einer Nation über die an— dere, die unterdrückte viel von der Sprache ihrer Sieger annimmt, ſo iſt doch nicht wohl anzunehmen, daß die innere Ahnlichkeit aller dieſer Sprachen auf dieſe Weiſe entſtanden wäre, da wir zumal für die Herrſchaft eines aſtatiſchen Stammes über einen ſo großen Theil Europas durchaus keine Spuren haben. Der Verf. glaubt demnach, daß alle genannten Völkerſchaften von einem gemeinſchaftlichen Stamme entſproſſen ſind, und ſich erſt ganz allmälig in ihren Sitten ſowohl wie in ihrer Sprache die Verſchiedenheiten, die wir jetzt an ihnen beobachten, entwickelt haben. (Schluß folgt.) Miſeceelle. 37. Der Embryoſack von Euphrasia officinalis bildet, nach Dickie, an einem Ende eine halsartige Verlängerung, und ſeitlich von dieſer Verlängerung einen im Parenchym der Sa⸗ menknoſpe gelegenen ſackartigen Zweig. Die erſte halsartige Ver: längerung it an ihrem obern Ende etwas angeſchwollen; durch dieſen Theil des Embryoſackes verläuft ein dünner Schlauch, der lang aus der Samenknoſpe hängt und im Endoſperm der Samen: knoſpe verſchwindet; derſelbe ſchien dem Verf. mit dem Embryo, der innerhalb dieſes Endoſperms liegt, in unmittelbarer Verbin— dung zu ſtehen. Dickie fand dieſen dünnen Schlauch faſt aus jeder Samenknoſpe hängend, hält ihn aber nicht für das, was er nach dem Referenten wirklich iſt (für den Pollenſchlauch), ſon— dern für eine Verlängerung des Embryoträgers nach außen. (Ganz ähnliche Ausſackungen des Embryoſackes ins Parenchym des Inte- gumentes wurden längſt durch Schleiden für die Samenknoſpe von Lathraea nachgewieſen.) (The Annals and Magazine of natural history, No. 4. 1848.) Seilk (XVIII.) über den Scheintod und die Verhinde— rung des Lebendigbegrabens. Von Hrn. Bouchut. Die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften hatte bezüg— lich der Bewerbung um den von Hrn. Manni im Jahre 1837 geſtifteten Preis die Frage ausgeſchrieben, an welchen Zeichen man den Scheintod erkenne und wie ſich das Leben— digbegraben am ſicherſten verhindern laſſe. Als Beantwortung waren ſeit zehn Jahren ſechs ge— ſchriebene Abhandlungen und viele Druckſchriften eingegan— gen, von denen nur eine Arbeit, die des Hrn. Bouchut, der zur Beurtheilung beauftragten, aus den Hrn. Dumeril, ' Andral, Magendie, Serres und Rayer zuſammen— geſetzten Commiſſion des Preiſes würdig ſchien. Die Beobachtungen und Verſuche des Hrn. Bouchut haben denſelben zu dem Reſultate geführt, daß alle Schein— tode und beſonders die von Aſphyrie und Syncope herrüh— renden, ſo verſchiedenartig deren Symptome auch ſonſt ſein mögen, doch ein gemeinſchaftliches Kennzeichen, nämlich das Fortbeſtehen des Herzſchlages, darbieten, und daß ſich durch dieſes der Scheintod von dem wirklichen Tode unterſcheidet. Dieſer Hauptumſtand hat die Aufmerkſamkeit der Com— miſſion beſonders in Anſpruch genommen, und ſie hat die Erfahrungen des Verfaſſers über dieſen Punkt mehrfach geprüft. Die von der Commiſſion am Menſchen, ſowie an Thie— ren, bei denen man die Ohnmacht bis zum äußerſten Grade ſteigerte, angeſtellten Beobachtungen haben die vom Verf. angekündigte Thatſache vollkommen beſtätigt, indem ſich in allen Fällen von Syncope die Herzſchläge vermittels der Auſcultation vernehmen ließen. Hrn. Bouchut zufolge find die ſichern Kennzeichen des Todes unmittelbare oder entfernte. Unmittelbare beim Menſchen ſind: unde. 1) Die anhaltende Abweſenheit des Herzſchlages bei Anwendung der Auſeultation. 2) Die gleichzeitige Erſchlaffung ſämmtlicher Schließ— muskeln, welche von der Lähmung dieſer Muskeln herrührt. 3) Endlich das Einſinken des Augapfels und der Ver— luſt der Durchſichtigkeit der Hornhaut. Der Anſicht der Commiſſion zufolge ſind dieſe Kenn— zeichen nicht durchgehends von gleichem Werthe. Nach den in dem Berichte beigebrachten kliniſchen Beobachtungen ift fie der Meinung, daß, wenn bei der Auſcultation der Herz— ſchlag 5 Minuten lang, d. h. 50 Mal ſo lange fehlt, als die Geräuſche des Herzens während des Todeskampfes aus— ſetzen, kein Zweifel darüber obwalten könne, daß der Tod wirklich eingetreten ſei. Übrigens iſt das vollſtändige Auf— hören des Herzſchlages ſtets von zwei ſehr auffallenden und leicht zu conſtatirenden Erſcheinungen begleitet, nämlich dem Aufhören der Athmungsbewegungen und dem Verluſte des Gefühls und der Bewegung. Die Commiſſion betrachtet demnach mit dem Verf. das vollſtändige Aufhören des Herzſchlages und der Circulation, wie es durch die Aufeultation conftatirt wird, für ein um ſo ſichereres unmittelbares Kennzeichen, als das vollſtändige Ausſetzen des Herzſchlages auch dasjenige der Reſpiration und der Functionen des Nervenſyſtemes, wenn dieſelben nicht ſchon früher aufgehört haben, ſofort nach ſich zieht. Das zweite unmittelbare Kennzeichen des Todes, welches Hr. Bouchut aufſtellt, bietet aber, der Anſicht der Com— miſſion zufolge, keine gleiche Zuverläſſigkeit dar. Die Er— ſchlaffung der ſämmtlichen Schließmuskeln wäre alſo kein ganz ſicheres Kennzeichen des Todes. Das dritte Kennzeichen, die Bildung einer undurchſich— tigen Schicht auf der Oberfläche der Hornhaut und das Einſinken des Augapfels, welches Hr. Bouchut für zuver— läſſig hält, ſcheint der Commiſſion ebenfalls nicht ganz be— weiſend. Unter den drei vom Verf. aufgeſtellten Kennzeichen wäre 219 demnach nur das Aufhören des Herzſchlages als vollkommen gültig anzuerkennen. Was die entfernten ſichern Kennzeichen des Todes an— betrifft, ſo nimmt Hr. Bouchut deren drei an, nämlich die Starrheit der Leiche, die Abweſenheit der Muskelcon— tractionen beim Einwirken des Galvanismus und die Fäul— niß. Die Zuverläſſigkeit dieſer Zeichen wird von allen Ge— richtsärzten zugeſtanden und unterliegt nicht dem mindeſten Zweifel. Was nun die Leichenhäuſer anbetrifft, wie man ſie in mehreren Städten Deutſchlands findet, und deren Einrichtung ſich darauf gründet, daß es außer der Fäulniß kein ſicheres Kennzeichen des Todes gebe, jo hält die Commiſſion die— ſelben unſtreitig für ſehr nützlich, namentlich wenn darin auf die vorſtehend erwähnten Kennzeichen des Todes Rück— ſicht genommen wird. Die Commiſſion erkennt alſo an: 1) Daß das vollſtändige Aufhören des Herzſchlages, wie es ſich durch die Abweſenheit der Geräuſche des Herzens herausſtellt, ein ſicheres Kennzeichen des Todes ſei. 2) Daß die Starrheit der Leichen ebenfalls ein zuver— läſſiges Kennzeichen des Todes ſei. 3) Daß ein drittes ſicheres Kennzeichen das Fehlen der Muskelcontractionen bei Einwirkung des elektriſchen oder galvaniſchen Reizes ſei. 4) Daß, da die allgemeine Fäulniß der Leichen gewöhn— lich viel ſpäter, als die vorſtehenden Kennzeichen, eintritt, das Abwarten jenes Proceſſes nicht nöthig ſei, bevor man zur Beerdigung oder zum Einbalſamiren ſchreitet. 5) Daß jedoch, da das Aufhören des Herzſchlages, die Starrheit und die Abweſenheit der Reizbarkeit der Muskeln nur durch Arzte ermittelt werden können, auch nur dieſen geſtattet ſein dürfe, über das wirkliche Eintreten des Todes zu erkennen. 6) Daß, da ſich der Tod ſchon vor dem Eintreten der Fäulniß ſicher eonſtatiren läßt, dergleichen Leichenhäuſer, wie man ſie in manchen Städten Deutſchlands findet, unnöthig ſeien, obwohl es wünſchenswerth ſei, daß zur Aufnahme der Leichen der Armen bis zur Beerdigung paſſende Locali— täten eingerichtet würden. Die Commiſſion hat übrigens den Manni'ſchen Preis dem Dr. Bouchut, als Verf. der gelungenſten Abhand— lung über den fraglichen Gegenſtand, welche der Akademie ſeit zehn Jahren zugeſandt worden iſt, einſtimmig zuerkannt. (Gazette med. de Paris, 31. Mai et 3. Juin 1848.) (XIX.) Geſichtsfehler in Folge von unregelmäßi— ger Strahlenbrechung, nebſt Nachtblindheit. Von Hrn. R. Hamilton. Folgender Fall ſteht in der Wiſſenſchaft nicht vereinzelt da, indem man z. B. in Mackenzie's Werke über Augen— krankheiten“) drei ähnliche angeführt findet. Indeß zeichnet ſich der vorliegende dadurch aus, daß das Hauptleiden eigenthüm— *) Überſetzt. gr. 80. 1832. Landes-Ind.-Compt. zu Weimar. 146, VII. 14 220 liche Complicationen darbietet. Die von Hrn. Hamilton in Anwendung gebrachte Behandlung iſt ſchon mehrmals er— folgreich geweſen. Beobachtung. An einem 25jährigen Lackirer ſtellten ſich folgende Symptome dar. 1) Unvollſtändige Nachtblindheit. Nach Sonnenunter— gang und ſowie die Dämmerung eintritt, kann er die ihn umgebenden Gegenſtände nicht mehr ſehen. Bei künſtlicher Beleuchtung kann er jene, wenn dieſelbe kräftig genug iſt, wieder erkennen, ſo daß er ſich z. B. bei guter Gasbeleuchtung auf der Straße zurechtfinden, ja ſelbſt in der Nähe eines Gasbrenners leſen kann. 2) Der Kranke hat noch einen andern Geſichtsfehler, welcher ihm nicht weniger läſtig iſt, als der eben erwähnte, und der von einer unregelmäßigen Refraction von Seiten des dioptriſchen Apparates des Auges herzurühren ſcheint. Wenn er das Zifferblatt einer Uhr anſieht, auf welchem die Zeiger eine ſenkrechte Stellung haben, ſo kann er die Zeit nicht erkennen, wogegen er dies gut zu thun vermag, wenn ſie horizontal gerichtet ſind. Eben ſo verhält es ſich mit den Radſpeichen. Bringt er einen Gegenſtand dem Auge ganz nahe, ſo kann er ihn im ganzen, aber nicht in allen ſeinen Theilen gleich gut erkennen; in einiger Entfernung unter— ſcheidet er jedoch bloß horizontal gerichtete Gegenſtände. Er klagt auch darüber, daß, wenn er irgend ein Muſter zu zeichnen habe, bei welchem die ſenkrechten Linien vorherr— ſchen, ihm dies nie gut gelinge, ſondern daß er dieſe Linien ſtets ſchräg zeichne, während er die horizontalen genau treffe. Um dem abzuhelfen, wendet er, wenn er ſenkrechte Linien zu zeichnen hat, den Gegenſtand auf die eine Seite und ſtellt ihn hernach wieder aufrecht. Auch iſt er auf ein Mittel verfallen, dieſem Perceptionsfehler entgegenzuarbeiten; er biegt nämlich den Kopf zur Seite, ſo daß er die ſenkrechten Li— nien genau ſehen und abzeichnen kann, ſo lange er aber in dieſer Stellung verharrt, erſcheinen ihm die horizontalen Li— nien undeutlich und verworren. 3) Zu dieſen Geſichtsfeblern kommt noch ein hoher Grad von Kurzſichtigkeit, welcher auf dem einen Auge be— deutender iſt, als auf dem andern und in Folge deſſen er die Gegenſtände nicht mit ſcharfen Umriſſen ſieht. Der Patient führt an, daß, wenn ſich ein Gegenſtand ganz jenſeits der Brennweite ſeines Auges befindet und folg— lich alles um ihn her dunkel iſt, er nur den äußern Augen— liedwinkel ein wenig nach außen zu ziehen brauche, ohne den Augapfel zu drücken, um den Gegenſtand alsbald zu erkennen, als ob der Geſichtsfehler gar nicht vorhanden ſei. Bei dem linken Auge thut dieſe Manipulation die beſten Dienſte, aber noch vollſtändiger gelingt ſie, wenn ſie auf beiden Augen zugleich angewandt wird. Wenn ferner ein Gegenſtand zu winzig iſt, als daß er ſelbſt in ſehr geringer Entfernung erkannt werden könnte, ſo gelingt es ihm durch das ange— gebene Verfahren denſelben ſo genau zu ſehen, wie wohl ir— gend eine Perſon mit geſunden Augen ihn erblickt. Allein da er hierzu beider Hände bedarf, ſo nützt es ihm in Bezug auf ſeine Berufsgeſchäfte nichts. Bei der erſten Unterſuchung der Augen ließ ſich an 221 demſelben durchaus nichts abnormes wahrnehmen. Der Pa— tient litt nicht an Kopfweh oder irgend einer andern Stö— rung ſeines allgemeinen Geſundheitszuſtandes. So viel er ſich erinnern kann, ſind ſeine Augen ſtets in demſelben Zu— ſtande geweſen. Außer den erwähnten Unvollkommenheiten ſind ihm beim Copiren keine hinderlich; ſondern er kann ſowohl die Contouren der Muſter, als die Farben genau unterſcheiden und nachahmen. Als Hr. Allen Thomſon das kranke Organ aber aufmerkſamer unterſuchte, erkannte er, daß am rechten Auge, welches das fehlerhafteſte und folglich dasjenige war, deſſen ſich der Patient am wenigſten bediente, der ſenkrechte Durch— meſſer der Hornhaut etwas größer war, als der horizontale. Auch war die Geſtalt der Membran etwas unregelmäßig und ihr Durchmeſſer trat nach oben und innen etwas ſtärker her— vor. Ferner glaubte er wahrzunehmen, daß ſie in der Rich— tung des Querdurchmeſſers eine etwas ſtärkere Krümmung darbiete. Man wiederholte hierauf mehrmals den Verſuch mit einem Stecknadelkopfe und einem doppelten Loche in einem Kartenblatte, um die Brennweite der beiden Augen in ſenk— rechter und horizontaler Richtung vergleichend zu beſtimmen. Beim linken Auge wurde, wenn die Löcher horizontal waren, das Bild ein Mal bei 6 Zoll und das andere Mal bei 5½ — 6 Zoll Abſtand einfach, und wenn die Löcher ſenk— recht geſtellt waren, trat dieſelbe Wirkung ein Mal bei 8½ Zoll und ein anderes Mal bei 9 — 9½ Zoll Abſtand ein. Die Wiederholung desſelben Verſuches beim rechten Auge hatte wegen des hohen Grades von Myopie des letztern Schwierigkeit; indeß ſchien das Verhältniß der horizontalen und verticalen Brennweite ſich zu 5½ Zoll und 6 ½ Zoll zu ſtellen. Aus dieſen Verſuchen ergab ſich, daß die Abweichung der ſenkrechten Strahlenbrechung von der horizontalen beim linken Auge bedeutender war, als beim rechten, wogegen das letztere kurzſichtiger war, als das erſtere. Hr. Thomſon zeichnete nun zwei gerade Linien, die einander unter einem rechten Winkel ſchnitten, auf ein weißes Papier. Der Kranke erkannte dieſelben in einer Entfernung von 18 Zoll; allein bei 3 Fuß Abſtand konnte er die ſenk— rechte Linie nicht mehr unterſcheiden. Bei 18 Zoll Abſtand erkannte er einen Kreis von ½ Zoll Durchmeſſer; entfernte man denſelben vom Auge, ſo konnte er nur noch den obern und untern Theil desſelben ſehen, während die mehr ſenkrecht gerichteten ſeitlichen Theile desſelben unſichtbar wurden. Er ſah dieſe wieder, obwohl verworren, wenn man die Linie breiter machte. Schaute der Patient ein helles Licht, z. B. eine Gas— flamme, durch ein Stecknadelloch in einem Kartenblatte an, ſo erſchien ſie ihm nicht abgerundet, ſondern von oben nach unten etwa noch ein Mal ſo lang, als gewöhnlich. Auf dem rechten Auge war dieſe Erſcheinung etwas weniger auffallend, als auf dem linken. In beiden Fällen ſchien es ihm, als ob das untere Ende der Flamme ein wenig einwärts geneigt ſei, und dieſe Täuſchung war bei Anwendung des rechten Auges am ſtärkſten. 146. VII. 14. 222 Hr. J. Adie verſuchte nun einen Apparat zur Hebung des Geſichtsfehlers. Er hatte mehrere planconcave cylindriſche Linſen von 2 Fuß bis 8 Zoll Brennweite, und fand, daß die ſchwächſte am günſtigſten wirke, wenn er die— ſelbe in eine ſolche Lage brachte, daß die ecylindriſche Ober- fläche horizontal oder von der einen Seite auf die andere einwirkte (2). Die Wirkung dieſer Linſe beſteht darin, daß die ſtrahlenbrechende Kraft des Auges in der Querrichtung ver— mindert und ſo deſſen Quer- und ſenkrechte Krümmung wahrſcheinlich ausgeglichen wird. Man ſetzte dergleichen Gläſer in ein Brillengeſtell, ſo daß ſie auf beide Augen ein— wirkten, und erhielt dadurch einen höchſt günſtigen Erfolg. Der Kranke konnte nun eben ſo weit und deutlich ſehen, wie irgend einer der Anweſenden; kurz die Myopie und un— regelmäßige Refraction waren durchaus gehoben. Da er, wenn er ſich der Brille nicht bedient, beſſer nach der Quere ſieht und die Wirkung der cylindrifchen Gläſer in der Ver— minderung der Refractionskraft beſteht, ſo paßt ſich das Auge nach der Correction wahrſcheinlich durch eine innere Verän— derung dem deutlichen Sehen an. (Gazette méd. de Paris, 14. et 17. Juin 1848.) (XX.) über die Rückenmarks-Apoplerie. Von Hrn. Peddie. Da der Verf. Gelegenheit hatte, ein Rückenmarksleiden zu beobachten, welchem er den Namen apoplexia spinalis giebt, und das uns zu den Haargefäß-Apoplexien (apoplexies capillaires) des Hrn. Cruveilhier zu gehören ſcheint, fo nahm er davon Veranlaſſung, eine Anzahl von Fällen von Hämorrhagien in das Rückenmark oder die Membranen des— ſelben zuſammenzuſtellen, und die bei denſelben beobachteten ätiologiſchen, ſymptomatologiſchen und anatomiſchen Umſtände durch tabellariſche Anordnung zur vergleichenden Anſchauung zu bringen. Durch dieſe Art von Analyſe gelangt er dann zu nachſtehenden Folgerungen. 1) Die Rückenmarksapoplexie kann in allen Lebensal— tern vorkommen, iſt jedoch im Kindesalter ſeltener beobachtet worden, als bei Erwachſenen. 2) Die meiſten Fälle ſind beim männlichen Geſchlechte wahrgenommen worden. 3) Der Tod tritt in der Regel ſchleunig ein. Hat das Leiden ſeinen Sitz im verlängerten Marke, ſo erfolgt er faſt augenblicklich; iſt der obere Theil des Rückenmarks betroffen, ſo ſtirbt der Patient erſt nach mehreren Stunden, ja ſelbſt Tagen, und wenn die Apoplexie ihren Sitz im untern Theile der Halsgegend oder noch tiefer hat, ſo kann der Patient noch lange leben. Der Verf. berichtet über drei Fälle dieſer Art, von denen zwei den HHrn. Cruveilhier und Gri— ſolles angehören, während der dritte der von ihm ſelbſt beobachtete iſt. Im erſten Falle lebte der Patient, nachdem die Hämorrhagie eingetreten, noch 5, im zweiten J, im drit— ten 2½ Jahr. 4) Der Sitz der Hämorrhagie iſt ungemein veränder- lich; fie findet zuweilen zwiſchen den Knochen und den Rücken- 223 marksmembranen, zuweilen in dem Raume zwiſchen den Mem— branen ſelbſt, manch Mal unter der pia mater, manch Mal in der Subſtanz des Markes, beſonders in der grauen, Statt. Selten trifft man fie in der im cranium enthaltenen Por- tion des Markes, was um ſo bemerkenswerther iſt, als die Hämorrhagie in der Varols-Brücke verhältnißmäßig häufig iſt. In der Halsportion des Rückenmarkes kommt ſie ungefähr eben ſo oft vor, wie in der Rückenportion, wäh— rend ſie in der Lendenportion ſeltener iſt. 5) Die Hämorrhagie kündigt ſich gewöhnlich, jedoch nicht immer, durch einen plötzlich eintretenden Schmerz, oder, wenn ſchon längere Schmerzen vorhanden geweſen, durch eine plötzliche Steigerung derſelben in der betroffenen Gegend an. Dabei findet keine Beſchleunigung des Pulsſchlages Statt. Hierauf tritt alsbald, zuweilen unter Convulſionen, Para— plegie ein, und wenn der Tod nicht raſch erfolgt, ſo bemerkt man krampfhafte Contractionen und alle übrigen Symptome, welche der entzündlichen Erweichung des Rückenmarkes eigen ſind. 6) Wenn die Hämorrhagie nicht beſonders ausgedehnt iſt, ſo findet der Schmerz nur an einer einzigen Stelle des Rückenmarks Statt; im entgegengeſetzten Falle kann ſich der— ſelbe jedoch längs der ganzen Rückenmarksſäule erſtrecken. Hat ſich das Blut außerhalb des Marks ergoſſen, ſo daß die dasſelbe umhüllenden Membranen durch Druck gereizt wer— den, ſo iſt derſelbe ſehr acut; er verſchwindet jedoch, ſobald das Rückenmark vollſtändig comprimirt iſt und deſſen Fun— etionen aufgehoben find, wie man denſelben auch in den Fällen nicht wahrnimmt, wo ſich das Blut allmälig in die graue Subſtanz ergießt, ohne die Nervenfäden zu zerreißen oder die Membranen zu dehnen. 7) Die Lähmung erſtreckt ſich zuweilen nur über eine Seite des Körpers, und dies iſt der Fall, wenn die Er— gießung ſehr beſchränkt iſt und ihren Sitz nur in der einen ſeitlichen Hälfte des Rückenmarks hat. Die Lähmung iſt alsdann eine directe, d. h., fie betrifft dieſelbe Seite, in der die anatomiſche Verletzung Statt findet. Sie betrifft entweder die Bewegung oder das Gefühl, je nachdem das Leiden ſeinen Sitz mehr in der vordern oder mehr in der hintern Portion des Rückenmarks hat. 8) Die krampfhaften Muskelcontractionen und die te— taniſche Starrheit treten erſt nach erfolgter Hämorrhagie ein, müſſen indeß als Zeichen einer mehr oder minder bedeutenden entzündlichen Erweichung des Rückenmarks gelten. Die Hämorrhagien ſind ſowohl im Rückenmarke ſelbſt als in deſſen Membranen ſo ſelten, daß man bis jetzt deren Geſchichte noch nicht mit hinlänglicher Genauigkeit hat feſt— ſtellen können. Der Sammlung von Beobachtungen, welche der Arbeit des Hrn. Peddie zu Grunde liegt, läßt ſich der Vorwurf machen, daß ſie nicht gleichartig genug iſt, da ſich 146. VII. 14. 224 in derſelben Fälle von Hämorrhagien in die Subſtanz des Rückenmarks ſelbſt, unter die arachnoidea, in die arachnoi- dea und zwiſchen die Membranen und Wirbelbeine vereinigt ſinden. Es liegt auf der Hand, daß die in den verſchiedenen Fällen beobachteten Abweichungen in Betreff der Dauer und des Ausgangs der Krankheit, der größern oder geringern Ausdehnung der Lähmung ꝛc. dieſen Verſchiedenheiten in dem Sitze des Leidens untergeordnet ſind, ſo daß jede der vom Verf. aufgeſtellten Beſonderheiten nur für eine geringe An— zahl von Fällen, für 1, 2 oder höchſtens 3 gelten kann, welche in Anſehung des Sitzes und der Ausdehnung der Ertravaſation mehr oder weniger Ahnlichkeit mit einander haben, während ſie auf die übrigen Fälle keine Anwendung geſtattet. Auf dieſe Weiſe bleibt die Wiſſenſchaft noch ziem⸗ lich auf dem frühern Standpunkte. Wir wollen bei dieſer Gelegenheit darauf hinweiſen, daß die Extravaſationen, welche ihren Sitz zwiſchen den Wir— belbeinen und den Membranen des Rückenmarks, alſo zwiſchen den Knochen und der dura mater haben, ſich nicht wohl in die Kategorie der Rückenmarksapoplexien bringen laſſen dürfe ten. Diejenigen Hämorrhagien des Rückenmarks, welche nicht das Rückenmark ſelbſt oder das unter der Spinnewebenhaut liegende Zellgewebe betreffen, haben ihren Sitz gewöhnlich zwiſchen der dura mater und der arachnoidea. Wenn das Blut mit den Wirbelbeinen ſelbſt in Berührung tritt, möchte man auf einen pathologiſchen Zuſtand dieſer Knochen ſchlie— ßen, durch den die Ergießung veranlaßt werde, und in dieſem Falle dürfte ſchwerlich von einer ächten Apoplexie des Rücken— marks oder ſeiner Membranen die Rede ſein können. In Betreff der in die Subſtanz des Rückenmarks ſelbſt Statt findenden Hämorrhagien ſcheint uns die Erklärung, die Hr. Peddie rückſichtlich der krampfhaften Zuſammenziehun— gen der Extremitäten und der tetaniſchen Steifheit aufſtellt, nämlich daß dieſe Erſcheinungen eine Folge der bereits eingetretenen entzündlichen Erweichung ſeien, keineswegs für erwieſen gelten zu können. (Gazette med. de Paris, 14. et 17. Juin 1848.) Miſcelle. (23) Compreſſion der hydrocele empfiehlt Dr. Men⸗ dini in den Annali universali di medieina, Decbr. 1847, nach einem dadurch glücklich geheilten Falle von hydrocele tunicae pro- priae, welche ſchon mehrmals vergeblich mit Punction behandelt war. Er bedient ſich zur Compreſſion einer Bleiplatte, welche auf beiden Seiten des serotum angelegt wird, während man Samen⸗ ſtrang und Hoden von dem Drucke frei läßt. Durch den Druck entſtand Adhäſiventzündung (das iſt doch nicht ganz verſtändlich) und dadurch vollſtändige Verwachſung. — Die Sicherheit des Erfolgs iſt hier offenbar nicht beſonders groß, wohl aber empfiehlt ſich der Verſuch dadurch, daß er nicht verletzend iſt und wohl wenig Widerſtand bei waſſerſcheuen Patienten findet. Bibliographiſche Thomas Pringle, Narrative of a Residence in South Africa. 124. 2 sh. 6 d.) London 1848. M. V. Regnault , An Elementary treatise on Crystallography. 8. with 108 wood engravings. 3 sh.) London 1848. Roy. 80. (p. (p. 70. Neuigkeiten. A. Siebert, Mittheilungen aus d. mediein. Klinik zu Jena. 1846 bis 31. Aug. 1847. (Abgedr. aus Hüsers Archiv. Geh. 12 Sgr. Mauke in Jena 1848 W. Smellie, Obstetric Plates with Explanations; selected from the anatomi- cal tables of Wm. Smellie. 8%. (p. 60. 5 sh.) London 1848. Vom 1. April X. Bd.) gr. 80. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 147. (Kr. 15. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Prichard, über die Beziehungen der Ethnologie zu den übrigen Zweigen der Wiſſenſchaft. (Schluß). — Morren, über die Mapua der Peruaner, eine neue Nahrungspflanze. — Miſcellen. Blitzſchlag. Weibchen von Gastropacha quereus. — Heilkunde. Gohrand, neue Stupien über die Luxation des humerus. — Miſcellen. Schwamm an Statt der Unterbindung. — Bibliographie. Heylen, Blutſtillung bei Operationen an der Zunge. Segondi, Verſtopfung der Blutgefäße mit Naturkunde. XXIIV. Über die Beziehungen der Ethnologie zu den übrigen Zweigen der Wiſſenſchaft. Von J. C. Prichard. (Schluß.) Außer den genannten Hauptſprachen der indoeuropäi— ſchen Familie zählt man zu ihr noch einige weniger bedeu— tende, z. B. die keltiſche Sprache, die aber von einigen Forſchern für gemiſchten Urſprunges gehalten wird. Die Bewohner des öſtlichen Europas, die Skippetaren oder Ar— nauten, oder Albaneſen, die Abkömmlinge der alten Illy— rier, die Epiroten und Macedonier ſprechen ihre eigene Sprache; der Ritter von Xylander hält ſie deßhalb für einen eigenen Zweig des großen indoeuropäiſchen Stammes. Auch die Bewohner des Kaukaſus wie die benachbarten Gebirgs— bewohner, die Armenier, die eigentlichen Perſer, ſowie die Afghanen oder Patanen, welche die Puſchtu-Sprache reden, gehören zu demſelben Hauptſtamme. Die Verwandtſchaft derjenigen Sprachen, welche zur zweiten großen Stammſprache für beide Continente gehören, iſt zwar nicht ſo augenfällig, aber doch hinreichend deutlich, fie ſind mehr nach drei Himmelsgegenden über Aſien und Europa verbreitet. Einige Forſcher find der Meinung, daß die Stämme der tatariſchen Familie vor der Ankunft der indoeuropäiſchen Familie über weite Länderflächen verbrei— tet waren, aber von letzteren nach Norden, Oſten und Weſten getrieben wurden. Wie die europäiſchen Völker ihnen ſpäter nachrückten, zogen fie ſich in die entfernten Theile Scandi— naviens, ins ruſſiſche Reich jenſeits des Waldal-Gebirges, oder hinter die große Uwalli-Kette, welche eine Waſſerſcheide zwiſchen dem baltiſchen und dem Eismeere bildet, zurück; von da kamen ſie ſpäter nach dem Pontus Eurinus und dem kaſpiſchen Meere. Das Waldai-Gebirge bildete lange No. 2127. — 1027. — 147. Zeit eine natürliche Grenze zwiſchen den ſlavoniſchen Ruſſen und dieſer zweiten Menſchenraſſe, welche die Nordküſten Eu— ropas bewohnte, und zu denen die Finnen, Lappen, die Magyaren in Ungarn und verſchiedene Nationen im Norden Rußlands, vom weißen Meere bis jenſeit des Ural, gehören. Die Hochebenen Aſiens werden von einer andern Ab— theilung derſelben Raſſe, den Türken, Mongolen und Man— tſchu-Tataren bewohnt; von ihnen ſtammen ſämmtliche Völker, die ſich ſpäter vom japanifchen Meerbuſen bis zur Donau ausbreiteten. Die Verwandtſchaft ihrer Sprachen zu ein— ander war indeß viel ſchwieriger wie bei der indoeuropäi— ſchen Raſſe nachzuweiſen. Die Bewohner des Hochlandes von Aſien werden ſchlechthin Tataren genannt, die nörd— lichen dieſelbe Sprache redenden Stämme von den Ruſſen Tſchuden, Ugren oder Ogor genannt, woraus der Name Ugro-Tataren entſtanden iſt. Die nahe Verwandtſchaft dieſer Völker zeigt ſich am deutlichſten in ihren Sprachen, die aber auch hier nicht in der Gleichheit der Worte, ſon⸗ dern in der Übereinſtimmung der Conſtruction beruht. In allen dieſen Sprachen herrſcht die von Viguier in der türkiſchen Sprache nachgewieſene ſogenannte vierfache Har—⸗ monie der Lautbuchſtaben, wornach in einem und demſelben Worte nur Lautbuchſtaben einer beſtimmten Art vorkommen können. Die türkiſche Sprache und alle ihr verwandten Mundarten, von China bis Conſtantinopel, haben vier Ar— ten von Vocalen. Dieſelben find auch in der Sprache der Finnen und Lappen und durch Norris ſogar in der Sprache der Japaneſen nachgewieſen. Wie weit ſich dieſe Raſſe nach Weſten ausgedehnt, iſt nicht mit Sicherheit nachgewieſen; die Euskarier oder alten Bewohner des Südens von Frankreich und Spanien, welche vor den Kelten dieſe Länder inne hatten, ſollen, nach Raſk, zu dieſer Raſſe gehört haben; auch rl die Ureinwohner 8 227 Britanniens von einer finniſchen Raſſe zu ſtammen. Im weſtlichen Europa deuten die alten Gräber und deren Inhalt auf einen mehr wilden Völkerſtamm, die runden Schädel auf die Tatarenraſſe; die alte britiſche Legende don Gog und Magog ſcheint darnach eine mythiſche Bedeutung zu haben. Der Verf. bemerkt noch, wie unter der tatariſchen Raſſe, für deren Stammverwandtſchaft ihm geſchichtliche Beweiſe fehlen, Völker vereinigt ſind, die nach der Geſtalt des Schädels, der Beſchaffenheit der Haare und ihres Tem— peramentes ſehr von einander verſchieden ſind. Die dritte Hauptraſſe iſt die chineſiſche und indochine— ſiſche; die Sprache aller ihrer Völker hat nur einſilbige, keiner grammaticalifchen Biegung fähige Worte, die äußere Ahnlichkeit und die geographiſche Nachbarſchaft liefern fer— nere Beweiſe für ihre Verwandtſchaft. Die vierte große Raſſe iſt die ſyroarabiſche oder ſe— mitiſche; zu ihr gehören die alten Hebräer, Aſſyrer, Syrer und Araber. Die arabiſche Sprache hat ſich über alle die früher von dieſen Nationen bewohnten Länder verbreitet. Die africaniſchen Sprachen find noch zu wenig ſtudirt, um aus ihnen ſichere Folgerungen ziehen zu können, doch ſcheint man vier Hauptſprachen annehmen zu dürfen. nordafricaniſchen Sprachen ſind den ſyroarabiſchen ver— wandt; zu ihnen gehören die Sprachen von Abyſſinien, Ghiz, Tigris und Amhara. Die Sprachen der Berber, Kabylen und Schillah (Dialecte der alten libyſchen Sprache) gehören, nach Neumann, zu einem andern Zweige der ſyroarabi— ſchen Sprache, dem das Hebräiſche und Syriſche entſproſſen. Die Sprache der Hauſa-Neger in Sudan iſt, nach Neu— mann, ebenfalls der ſyroarabiſchen Sprache verwandt. Die Sprache der Kaffern bildet die zweite Hauptſprache Africas; zu ihr gehören ſämmtliche Neger mit ſchwarzem Wollhaare, ſämmtliche Kaffernſtämme, die Suahelis der Oſt— küſte und Bewohner von Congo. Einige Stämme dieſer Abtheilung beſitzen den Neger-, andere den Kaffern-Habitus, und noch andere find von beiden verjchieden. Die Sprache der Hottentoten und Buſchmänner bildet die dritte Gruppe. Die vierte Gruppe umfaßt die Negerſtämme Weſtafricas (Der Verf. benutzte zu dieſer Claſſtficirung die neueſten For— ſchungen Dr. Lathams über die africaniſchen Sprachen). Sämmtliche Sprachen Americas haben einen Typus, obſchon ihre Worte häufig ſehr verſchieden ſind, weßhalb von einigen Schriftſtellern auch verſchiedene Gruppen von Sprachen angenommen werden; Dr. Latham, der ſie gründ— lich ſtudirte, ftimmt für ihre innige Verwandtſchaft. So intereſſant es nun wäre beſtimmt zu wiſſen, ob alle ameri— caniſchen Nationen, ſelbſt diejenigen, welche durch geogra— phiſche Hinderniſſe und ihre phyſicaliſche Beſchaffenheit von einander getrennt zu ſein ſcheinen, z. B. die Eſquimaur, wirklich mit einander verwandt ſind, ſo wäre es doch noch weit wichtiger zu erfahren, ob die americaniſchen Sprachen irgendwie Ahnlichkeit mit den Sprachen der alten Welt er— kennen und darnach auf eine gemeinſchaftliche Abſtammung schließen ließen. Nun hat die euſkariſche oder alte iberiſche Die 1a W115. 228 Mundart, welche vielleicht die älteſte Sprache des weſtlichen Curopas iſt, allerdings in ihren Redeformen mit den ame— ricaniſchen Sprachen Ahnlichkeit; M' Culloch, ein ameri— caniſcher Schriftſteller, hält demnach die Bewohner der neuen Welt für europäiſchen Urſprunges. Neben großen Ahnlich— keiten kommen indeß in beiden Sprachen ſo große Verſchie— denheiten vor, daß, wie der Verf. meint, ſich keine ſolchen Schlüſſe ziehen laſſen. Die Bewohner des äußerſten Nord— oſten von Aſien, jenſeits des Fluſſes Kolyma, ſollen von den Stämmen der großen Tatarei durchaus verſchieden ſein; ihre Sprache kennt man noch zu wenig, ein Vergleich der— ſelben mit den Sprachen der von der Jagd lebenden Stämme des gegenüber liegenden Americas, namentlich mit der Sprache der Athabascas, würde vielleicht zu wichtigen Entdeckungen führen. Schon ſeit lange kennt man die nahe Verwandt— ſchaft der Sprache der Ejquimaur mit der Mundart der vom Fiſchfange lebenden Tſchuktſchi in Aſien. In der Südſee finden ſich ſehr verſchiedene Menſchen— raſſen; die wichtigſte unter dieſen iſt die polyneſiſche, von den Malayen abſtammende Raſſe. Die Papuaraſſe iſt in manchen Beziehungen den Bewohnern der Goldfüfte Africas ähnlich, in der Form des Schädels aber von allen Neger— raſſen ſehr verſchieden; einige Papua-Stämme ſprechen eine polyneſiſche Mundart, ſie ſcheinen Miſchlinge beider Raſſen zu ſein. Die Auſtralier bilden eine dritte Raſſe; ihre Spra— chen ſtehen, nach Capitän Gray's Unterſuchungen, ganz für ſich da, ſind aber alle unter einander verwandt. Norris will zwiſchen der Sprache der Auſtralier und der Sprache der Tamulier, der Ureinwohner von Dekhan, Beziehungen gefunden haben. Der Verf. glaubt mit dieſer Skizze die Methode, nach welcher ethnologiſche Unterſuchungen erfolgreich auszuführen ſind, bezeichnet zu haben. Die einzige ſichere Grundlage, nach welcher man die Nationen in Gruppen und Familien theilen kann, iſt, nach ihnen, hiſtoriſchen Urſprunges, nur auf hiſtoriſche Thatſachen darf man nach ihm die Ver— wandtſchaft oder Verſchiedenheit der Völker begründen; die Abweichungen im Habitus ſind oftmals ſchon innerhalb einer Familie fo groß, daß man auf die phyſtcaliſchen Verſchie— denheiten kein Gewicht legen darf. Zum Schluſſe bemerkt der Verf. noch, wie durch fort— geſetzte gründliche Unterſuchungen die ſcheinbar unüberſteig— lichen Trennungslinien, welche die verſchiedenen Menſchen— raſſen zu ſondern ſcheinen, ſich mehr und mehr verwiſchen und eine gemeinfchaftliche Abſtammung aller Menſchenraſſen von einer Urfamilie immer wahrſcheinlicher wird. XXXV. Über die Mayua der Peruvianer (Tro- paeolum tuberosum), eine neue Nahrungspflanze. Von Charles Morren. Der Verf. weiſ't zu Anfang dieſes Aufſatzes, den wir in No. 4 des Bulletin de l’Academie royale des sciences etc. de Belgique von 1848 finden, nach, wie faſt alle Nutz— pflanzen anfänglich in Gärten gezogen und erſt, nachdem man 229 ihre Vortheile erkannt, im großen auf die Felder verpflanzt, auch theils erſt durch Cultur veredelt wurden; als Beiſpiele gedenkt er der Runkelrübe, der Carotte, des Meerkohles und der Rhabarberpflanze; ſelbſt die Kartoffel, jetzt unſere wich— tigſte Nahrungspflanze, galt noch 1740 als Zierpflanze der Gärten. Das Tropaeolum tuberosum ward zuerſt von Ruiz und Pavon beſchrieben; nach Kunth ſoll es ſowohl wild als angebaut auf den kalten Gegenden der Anden von Po— paya, namentlich in der Nähe des Fleckens Surace in einer Höhe von 1350 Toiſen, wachſen; es blüht dort im October; ſeine Knollen werden von den Peruanern wie Kartoffeln ge— geſſen. Die Pflanze ward im Jahre 1828 nach England gebracht, und dort bis jetzt nur als Zierpflanze gezogen; ſie iſt ausdauernd, verträgt aber gleich der Kartoffel unſere Win— ter nicht. Der Verf. machte ſchon in den Jahren 1838 bis 1840 vorläufige Verſuche, ſie als Nutzpflanze zu bauen, aber erſt ſeit 1845, wo nach den Verheerungen der Kartoffelkrankheit eine neue Knollenpflanze wünſchenswerth erſchien, beſchäftigte er ſich ernſtlich mit dieſen Verſuchen. Um dieſelbe Zeit hatte ſich auch Neumann, der Ober— gewächshaus-Gärtner des Jardin des plantes zu Paris, mit unſerem Tropaeolum beſchäftigt, und ihre Knollen wie Kap— pern einzukochen verſucht; ſeine Verſuche befriedigten ihn nicht; dagegen erhielt ein Ungenannter aus ihnen ohne Zu— ſatz von Gewürzen durch dreimonatliches Liegen in Eſſig einen die Kappern an Schmackhaftigkeit bei weitem übertreffendes Zugericht und einen ſehr aromatiſchen Eſſig. Die Mayua-Knolle beſitzt demnach noch Vorzüge vor der Kartoffel, da ſie ſowohl roh einen aromatiſchen Salat als gekocht ein nahrhaftes Gemüſe liefert. Du Trieu de Terdonck baute ſie mit großem Vor— theile und empfahl ſie als Culturpflanze ſehr; ſelbſt das bel— giſche Gouvernement machte in dieſem Jahre (1848) auf ſie und andere neue Knollenpflanzen aufmerkſam, zu deren Anbau auffordernd. Das Tropaeolum tuberosum bildet, gleich der Kartoffel, knollenartige mit Stärkemehl erfüllte Wurzelanſchwellungen; du Trieu de Terdonck erhielt 12 bis 15 Knollen von einer Pflanze: er baute ſie auf dem lockeren Boden der Um— gegend von Mecheln; der Verf. war auf dem trockenen, har— ten und ſteinigen Boden von Lüttich weniger glücklich. Wie alle Pflanzen, die, aus fremden Ländern eingeführt, unter verſchiedenen Verhältniſſen eultivirt werden, leicht neue Varietäten bilden, fo zeigt auch die Mayua-Pflanze, nach— dem ſie etwa 10 Jahre in Belgiens Gärten gezogen ward, ſchon verſchiedene Varietäten, worunter die wichtigſten die mit langen und mit runden Knollen ſind. Die von du Trieu zu Bkaesveldt bei Mecheln gezo— gene Varietät mit langen Knollen brachte kreiſelförmige, einen Centimeter lange und an ihrer Baſis 6 Centimeter im Durchmeſſer haltende Knollen, die Augen waren in zwei parallelen Spiralen angeordnet. Dr. Schauer fandte dem Verf. aus Eldena bei Greifs— walde Knollen, die im Mittel 8 Centimeter lang waren und 147. VII. 15. 230 nur 1 bis 2 Centimeter Durchmeſſer hatten. Die vom Verf. ſelbſt um Lüttich gezogenen wie andere aus den Gärten von Brüſſel erhaltene Knollen waren rund, bisweilen etwas ab— geplattet oder eingedrückt; die größten hatten 6 Centimeter Durchmeſſer und 5 Centimeter Höhe. Alle dieſe Knollen haben eine gelbliche Farbe und ſind weinröthlich geflammt; von jedem Auge gehen Strahlen aus, die ſich als purpurrothe Flecken oder Pünktchen verlieren. Die aus Greifswald erhaltene Art hatte mehr linienförmige, roſenfarbene Flecke. Wegen der tiefen Lage der Augen würden die Knollen von Tropaeolum tuberosum ſchlecht zu ſchälen fein; ihre Schale iſt indeß ſo dünn, daß man ſie mit ſelbiger kochen könnte; auch glaubt der Verf., daß nicht alle Arten ſo tief liegende Augen beſitzen, da es unter den Kartoffeln Varietä— ten mit tief und flach liegenden Augen giebt. Der innere Bau der Knolle iſt ganz wie bei der Kar— toffel: ein mächtiges centrales Mark von hellgelber Farbe und dicht mit Stärkemehl erfüllt, iſt von einem Gefäß- oder Holzringe, der hier indeß nicht kreisrund iſt, ſondern ver— ſchiedentlich Ausbuchtungen bildet, umgeben; dieſem Holzringe folgt eine mehr hochgelbe Rindenſchicht und auf dieſe die epidermis. Das centrale Mark beſteht ans länglichen eiförmigen Zellen, in deren Mitte die Stärkemehlkörner liegen; ſelbige find an Größe und Geſtalt den Körnern der Kartoffelſtärke gleich; man findet große und kleine Körner neben einander; ſie ſchwimmen in einer dicken ſchleimigen Flüſſigkeit. Der Gefäßring beſteht aus lang geſtreckten ſtärkemehlfreien Paren— chym- und Gefäßzellen. Die Rindenſchicht bildet in der Nähe des Gefäßringes ein Gewebe runder Zellen, die noch mehr Stärkemehl als das Mark einſchließen; die nach außen ge— legenen Zellen dieſer Schicht ſind ſo voll Stärkemehl, daß ſich in ihnen kein freier Raum erkennen läßt. Die Amylumkörner des Tropaeolum tuberosum find ei— förmig, abgeſtumpft; ſie beſitzen eine ſehr große Kernſcheibe (disque cytoblastique) und zahlreiche, ſehr zarte, aber deut— liche concentriſche Ringe; bisweilen finden ſich Zwillingskörner. Die epidermis der Knollen beſteht aus heragonalen Zel— len, deren Wandungen verdickt und von Porencanälen durch— brochen ſind; ſie enthalten keine Stärke. Die Mahuaknolle iſt demnach ganz wie die beſten Sor— ten unſerer Kartoffel gebaut; ſie beſteht zum größten Theil aus zarten Parenchymzellen, die, wie der Verf. angiebt, nicht mit einander verbunden find (2); dieſe Zellen find reich an flüſſigem Inhalt und eben ſo reich an Stärkemehl; die Holz— und Epidermiszellen haben eine geringe Bedeutung. Wenn man die Knollen äußerlich reibt, ſo entwickeln ſie einen angenehmen aromatiſchen Geruch, riechen aber durch— aus nicht erdig, wie die Kartoffeln; im rohen Zuſtande durch— ſchnitten, tritt dieſer liebliche Geruch noch mehr hervor. Roh genoſſen, ſchmecken ſie anfangs etwas fettig, ſehr bald entwickelt ſich indeß ein piquanter, ingberartiger Geſchmack, der eine angenehme Friſche und einen lieblichen Duft im Munde zurückläßt. Der Verf. glaubt demnach, * die rohen Knollen der f 5 * 231 Mayuapflanze, als Salat zubereitet, ein beliebtes Gericht werden würde; er mit ſeiner ganzen Familie eſſen ſie unter dieſer Form ſehr gern; der Geſchmack iſt dem der Früchte des Tropaeolum majus, die von den Engländern eingemacht werden, ähnlich. Der Verf. ließ die Knollen ganz wie die Kartoffel kochen; ſie bedurften viel mehr Salz wie letztere, der piquante Geſchmack ſammt dem Parfüm war verſchwunden; die ge— kochte Knolle beſitzt nunmehr den Geruch der Tonkabohnen, ſie ſchmeckte mehlreich und fettig wie eine ſchöne blau blü— hende Kartoffel, ihr Geſchmack glich vielleicht noch mehr den gelben Kartoffeln der Cordilleren. Nach dieſen Verſuchen glaubt der Verf., daß die Knolle der Mayuapflanze eine gute Küchenpflanze abgeben wird und durch Cultur noch mehr veredelt werden kann. Man baut die Mayua wie die Kartoffeln, häufelt ſie und läßt ſie entweder an Stangen aufwärts klettern oder am Boden umherkriechen; der Verf. hält es für vortheilhafter, Stan— gen zu ſtecken, da ſie ſich an ihnen üppiger entwickelt. Man pflanzt die Knollen im Frühling, wenn der Schnee wegge— thaut iſt; die neuen Knollen reifen im October, ſie bilden ſich erſt ſpät. Die Mayua hat feit 1828, wo fie zuerſt nach Europa gebracht ward, keine Krankheit gezeigt, eine ſolche tritt über— haupt zunächſt an ſolchen Pflanzen auf, die länger der Cul— tur unterworfen waren; dagegen leidet ſie bisweilen von den Raupen des Kohlweißlings, welche die Blätter dieſer Pflanze ſo gut wie die des Kohles abfreſſen, aber durch folgendes einfaches Mittel von der Pflanzung abzuhalten ſind. Wie man nämlich die Sperlinge durch Strohmänner verſcheucht, fo verhindert man die Annäherung der Kohlſchmetterlinge durch Eierſchalen, welche man, auf Holzſtäbchen geſpießt, rund 147. VII. 15. 232 um die Pflanzung aufſtellt. Eine langjährige Erfahrung hat in der Gegend von Lüttich dies Schutzmittel bewährt. Man vermehrt die Pflanze durch Theilung der Knollen, durch Legung der Augen, ja kann ſogar die vegetirende Pflanze durch abgeſchnitttne Schößlinge vermehren. Die reifen Knollen werden wie die Kartoffeln aufbe— wahrt. Miſcellen. 38. Ein ſehr heftiges Gewitter entlud ſich am 2. April vorigen Jahres zwiſchen 6 und 7 Uhr Abends über Dünsbach, einem Pfarrdorfe an der Jaxt, wo der Tradition nach niemals ein Hagel- oder Blitzſtrahl vorgekommen war. Das Gewitter war ſo heftig, daß jeder Einwohner ſein Haus getroffen glaubte, und doch gewahrte man nirgends einen Schaden. Erſt am andern Mor- gen fand der Israelit, Simon Strauß, ſein in einer 40 Schritt von ſeinem Hauſe gelegenen Scheuer ſtehendes Pferd vom Blitze erſchlagen. Es lag mit aufgetriebenem Leibe und verbrannter Mähne da; im Dach der Scheune fand ſich eine Offnung, durch welche der Blitzſtrahl in gerader Richtung auf den Kopf des Pfer⸗ des gefahren war, ein ſtarker Schwefelgeruch erfüllte den Stall; Kette und Hufeiſen waren unverletzt, aber der Huf des rechten Vorderfußes zerſchmettert und deſſen Fleiſch und Sehnenbedeckung von ſchwarzer Farbe; die Haare des Fußes verſengt. (Württem⸗ bergiſche naturwiſſenſchaftliche Jahreshefte, Heft I. 1848.) 39. Einige Weibchen von Gastropacha quercus (dem ſogenannten Apfel), welche Plieninger aus Raupen ge⸗ zogen und gleich nach dem Auskriechen aufgeſpießt hatte, legten, während ſie auf der Nadel ſteckten, ihre Eier, von denen ein großer Theil, obſchon hier ſicher keine Befruchtung Statt gefunden hatte, fruchtbar war. Die fruchtbaren Eier unterſcheiden ſich dadurch von den unfruchtbaren, daß ſie nicht, wie letztere, zuſammenfielen, fondern ihre Rundung bis zum Auskriechen der jungen Raupe be⸗ 1815 (Württembergiſche naturwiſſenſchaftliche Jahreshefte, Hft. I. 1848.) Heilk (XXI.) Neue Studien über die Luxation des humerus. Von Dr. Goyrand, Chirurgen am Hötel-Dieu zu Air. Es giebt wenige chirurgiſche Krankheiten, die ſo ſorg— fältig ſtudirt worden find, wie es ſeit 15—20 Jahren mit den Lurationen des humerus der Fall iſt. Die alten An— ſichten ſind verdrängt worden. Die Verrenkung nach unten galt für die gewöhnlichſte. Hr. Malgaigne hat die Mög— lichkeit dieſer Ausweichung in Zweifel gezogen; indeß haben doch einige in neuerer Zeit gemachte Beobachtungen dar— gethan, daß der Kopf des humerus zuweilen nach unten verrenkt wird. Aus den Arbeiten Malgaigne's und derjenigen Chirurgen, welche die Luxation nach unten wie— der in die Noſologie aufgenommen wiſſen wollen, ergiebt ſich, daß zwei früher häufig mit einander verwechſelte Lura— unde. tionen, nämlich die Verrenkung unter die cavitas glenoidea und die Verrenkung unter die apophysis coracoidea ganz von einander getrennt werden müſſen. Durch die gründlichen Forſchungen, welchen ſich die Chirurgen unſerer Zeit hinſichtlich dieſes Punktes unterzogen haben, iſt unſtreitig unſer Wiſſen um vieles genauer gewor— den; allein auf der andern Seite haben manche Forſcher gewagte Hypotheſen aufgeſtellt, indem ſie das Feld der Beobachtung verließen oder einzeln daſtehende Faeta genera— liſirten, ſo daß wir jetzt Arten von Lurationen haben, die gegen den gefunden Menſchenverſtand verſtoßen. Ich werde mich auf meine anatomiſchen und kliniſchen Forſchungen, ſowie die in den Aunalen der Wiſſenſchaft aufgezeichneten pofitiven Thatſachen ſtützen und nur fo viele Arten von Lurationen beſchreiben und claſſificiren, als es deren dieſen Materialien zufolge giebt. Dann werde ich die 233 von dem Reſultate meiner Arbeit abweichenden Anſichten kritiſch beleuchten und dieſelbe mit einigen Betrachtungen über die Urſachen, den Mechanismus, die Prognoſe und die Behandlung der Verrenkungen des Oberarmes beſchließen. Erſter Artikel. Beſchreibung der verſchiedenen Ar— ten von Verrenkung des humerus. Erſte Art. Verrenkung unter die cavitas gle- noidea; Verrenkung nach unten. In einer Abhandlung, die ich im J. 1846 der chirurgiſchen Geſellſchaft vorlegte, und welche von dieſer günſtig beurtheilt ward, glaube ich nachgewie— ſen zu haben, daß die luxatio subglenoidea, welche übrigens ſchon Boyer“) und A. Cooper **) gut kannten und die im J. 1838 nach am Cadaver gemachten Beobachtun— gen von Hrn. Malle***), im J. 1839 von Hrn. Sédil— lot, welcher der medieiniſchen Akademie ein pathologiſches Präparat vorlegte, welches nur auf dieſe Art von Luration bezogen werden kann +), beſchrieben worden iſt, wirklich vorkomme. Die letztern beiden Chirurgen waren allerdings der Meinung, daß ſie eine ganz neue Art von Luration entdeckt hätten; allein Hr. Sédillot ſchrieb unterm 31. Juli 1838 mit Recht an die Akademie, die Malleſche Luration ſei keine andere als diejenige, welche Monteggia, Boyer und Cooper die Verrenkung nach unten nennen. Hr. Malle hätte mit vollem Rechte dasſelbe von der Sédillot— ſchen Luration ſagen können. In meiner Abhandlung brachte ich als neue Belege zu dieſer wieder in ihre Rechte einzuſetzenden Art von Lura— tion 4 unlängſt vorgekommene kliniſche Fälle bei, von denen einer durch Hrn. Robert Fr), ein anderer durch Hrn. Guepratterrr) und die beiden letzten von mir beobachtet worden waren. Durch dieſe Fälle wurde zwar die That— ſache ſchon außer allen Zweifel geſetzt; ich kann jedoch den— ſelben jetzt noch einen fünften hinzufügen. Verrenkung unter die cavitas glenoidea mittels des Motheſchen Verfahrens leicht wieder eingerichtet. Beobachtung. Eine magere Frau von 75 Jahren fiel am 10. Juni 1846 auf der Straße auf die rechte Seite. Ein Vorübergehender half ihr auf, indem er ſie am linken Arme faßte. Als dieſelbe nach Hauſe gekommen war, konnte ſie ſich des linken Armes nicht mehr bedienen, was ſie dem Schmerze zuſchrieb, der durch das Zerren am Arme beim Aufheben entſtanden war. Am 13. zog ſie indeß einen meiner Collegen, den Hrn. Blancard zu Rathe, und dieſer, welcher wußte, daß ich den Lurationen des Ober— armknochens beſondere Aufmerkſamkeit ſchenke, hatte die Ge— fälligkeit, mich zuzuziehen. Die Verrenkung war unverkennbar und bot folgende Symptome dar: Die Schulter war ſtark geſenkt; der untere Winkel des Schulterblattes ſprang vor und war der Me— dianlinie genähert; den halb gebeugten Vorarm ſtützte die Kranke mit der rechten Hand; der ein wenig hinterwärts *) Maladies chirurg., T. IV., p. 185, 3e edit. **) Trad. de Richelot et Chassaignac, p. 79 et 80. ***) Acad. nationale de Med., Seance du 17, Juill. 1838. +) Acad. nat. de Med., Seance du 29. Oct. 1839. Tt) Gaz. med. 1843, p. 31. Journ. de Chir. de M. Malgaigne, 1843, 3 83. a tt) Journ. des conn. med.-chirurgicales, 1844. 147. VII. 15. 234 geſchobene Elnbogen war vom Rumpfe nicht bedeutend ent: fernt und ließ ſich dieſem nicht mehr nähern, ohne daß die Kranke bedeutend litt. Der humerus hatte ſich um ſeine Achſe durchaus nicht gedreht. Der Stumpf der Schulter war nicht gewölbt und ließ ſich mit den Fingern tief in die leere cavitas glenoidea hineindrücken. Der Arm ſah abgemagert und gezerrt aus. Vom Winkel des acro- mion bis zum epicondylus gemeſſen, bot er eine Verlänge— rung von nur 1 Centim. dar; allein die vordere Wandung der Achſelhöhle zeigte ſich um 14 Millim. verlängert. Die regio subelavicularis war bedeutend eingeſenkt. Mit den Fingern ließ ſich die apophysis coracoidea gut fühlen. Der Kopf des humerus befand ſich weder unter- noch innerhalb dieſes Knochenhöckers. Ich konnte denſelben durch den äu— ßern Theil der Bruſtmuskeln hindurch nicht deutlich fühlen, wogegen er nach dem hintern Theile der Achſelhöhle zu, wo meine Hand von demſelben aufgehalten ward, ſehr ober— flächlich lag. Reduction mittels des Motheſchen Verfahrens. Der Oberarm ließ ſich ohne Schwierigkeit ſo heben, daß er mit dem Halſe parallel ſtrich, und beim erſten Verſuche gelang die Reduction, indem der Kopf mit einem Knack in die Ge— lenkhöhle einſchnappte, wobei die Kranke faſt keinen Schmerz empfand. Die Möglichkeit der luxatio subglenoidea haben wir nun unſeres Erachtens hinlänglich feſtgeſtellt. Wir wollen dieſelbe nun näher betrachten. Pathologiſche Anatomie. Bei dieſer Luxation bleibt die an ihrem unteren Theile zerriſſene Capſel oben unver— ſehrt. Der Kopf des humerus ruht auf einer ebenen Fläche des Schulterblattes, die oben 12— 15 Millim. breit iſt und zwiſchen dem Arillarrande des Schulterblattes und der fossa subscapularis liegt. Dieſe Fläche ſieht nach vorn und außen und erſtreckt ſich aufwärts über den Hals des Schulterblattes bis zum untern Rande der cavitas glenoidea. Es ſind ei- nige dünne Bündel des m. subscapularis an dieſelbe ange— fügt. Dort befindet ſich der Kopf des humerus unter der cavitas glenoidea vor dem Arillarrande des Schulterblattes und der obern Inſertion der langen Portion des m. tri- ceps, nach innen und vorn von der Sehne des m. subsca- pularis bedeckt. Er ſteht in dieſer Richtung mit der dritten Rippe und dem dritten Zwiſchenrippenraume in Beziehung. Zwiſchen dem ſo verſchobenen Kopfe des humerus und der apophysis coracoidea beträgt der Abſtand 2—3 Gentimeter, Der obere Theil der Capſel, das ligamentum coraco-hume- rale und der m. supraspinalis, welche ſtark angeſpannt ſind, firiren den humerus und das Schulterblatt in ihrer neuen gegenſeitigen Stellung, ſo daß dieſe beiden Knochen wie aus einem Stücke zu beſtehen ſcheinen. Auch ſteht, wenn die Luration noch friſch iſt, der Elnbogen weit vom Rumpfe ab; allein wenn dieſelbe ſchon einige Tage beſtanden hat, ſo nähert ſich der durch ſeine Schwere herabgezogene Oberarm dem Rumpfe und zieht auch das Schulterblatt mit herab, welches eine Hebelbewegung ausführt, durch welche der der cavitas glenoidea entſprechende Winkel desſelben (angle gle- noidien) geſenkt wird, während der untere Winkel desſelben 235 ſich dem Rückgrate nähert und die Hautbedeckungen hebt, wie wir es bei der oben mitgetheilten Beobachtung geſehen haben. In dem Falle, wo der obere Theil der Capſel kurz iſt, bewirkt derſelbe häufig durch ſeinen Widerſtand das Zurückſchnappen des Knochenkopfes in die cavitas glenoidea, wie ich dies an den Cadavern, mit denen ich Verſuche an— ſtellte, und bei denen die Wiedereinrichtung Statt fand, ſo— bald der feinem Gewichte überlaſſene Arm an der Seite herabfiel, häufig beobachtet habe. Hierin liegt vielleicht der Hauptgrund der Seltenheit der Verrenkungen unter die ca- vitas glenoidea. Wenn man an einer Leiche den humerus nach unten verrenkt hat, ſo läßt ſich der Kopf des Knochens auf der Knochenfläche unter der cavitas glenoidea (facette sous- glenoidienne) von hinten nach vorn und von vorn nach hinten ein wenig hin- und herſchieben. Die Symptome dieſer Luxation ſind übrigens folgende: Bedeutende Verlängerung der Extremität. Der Oberarm iſt auswärts und zuweilen ein wenig vorwärts, zuweilen ein wenig rückwärts gerichtet. Der Elnbogen iſt ſehr weit vom Rumpfe entfernt und läßt ſich demſelben mechaniſch nicht nähern, ohne daß der Kranke ſehr heftige Schmerzen empfindet *). Unter dem acromion befindet ſich eine bedeutende Lücke, über welcher der m. deltoideus ſtraff geſpannt iſt und in die ſich das Fleiſch des Schulterſtumpfs hineindrücken läßt. Die mm. deltoideus, biceps und triceps find ſtraff und ſcheinen um eben fo viel dünner als verlängert; daher rührt die Abplattung des Schulterſtumpfes und das ſteife und ab— gemagerte Anſehen der Arme. Der Schulterſtumpf iſt geſenkt; der untere Winkel des Schulterblattes, welcher dem Rückgrate genähert iſt, ragt nach hinten hervor. Die vordere Wandung der Achfelhöhle iſt geſenkt und abge— plattet und bietet eine Verlängerung dar, welche der des Ober— armes gleich iſt, wenn der Elnbogen direct nach außen getrieben iſt, während ſie bei der gewöhnlichen Art zu meſſen, näm— lich von der Baſis des acromion bis zum epicondylus be— deutender ſcheint als die des Oberarmes, wenn der Elnbogen nach außen und hinten, unbedeutender aber als die des Oberarmes, wenn der Elnbogen nach außen und vorn ge— trieben iſt. 6 Durch die Dicke des unteren Theiles dieſer Wandung hindurch kann man beim Betaſten den Kopf des humerus fühlen, welcher dieſelbe in der Regel nicht in die Höhe treibt. Der in der Achſelhöhle näher am hintern als am vor— dern Rande derſelben oberflächlich liegende Kopf des hume- rus ſteht hinterwärts mit dem obern Theile des Arillarran— des des Schulterblattes, nach innen mit der Thoraxwandung *) Dei dem Subjecte obiger Beobachtung ſtand der Elubogen nur wenig vom Rumpfe ab, weil die Luration, als ich die Patientin ſah, ſchon drei Tage beſtanden und der durch die ſchwachen Muskeln nur wenig geſtützte Arm ſich geſenkt und der Bruſt genähert hatte; allein der Arm hatte ſich nicht ſenken können, ohne das Schulterblatt mit herabzuziehen und viefen Knochen zu ei⸗ ner Hebelbewegung zu zwingen, durch welche deſſen Winkel an der cavitas glenoidea ſtark hinabgedrückt und dagegen der untere Winkel dem Rückgrate genähert worden war. 147. VII. 15. 236 in Berührung; man ſtößt mit der Hand an denſelben, wenn man dieſe in die Achſelhöhle einführen will, und er fteht von der apophysis coracoidea 2—3 Centimeter weit ab. Wenn man endlich auf den obern Theil des Oberarmes einwirkt, ſo läßt ſich der Kopf des humerus auf der unter der cavitas glenoidea liegenden Fläche des Schulterblatts ein wenig von vorn nach hinten und von hinten nach vorn hin und herſchieben. Dieſen Umſtand habe ich bis jetzt nur an Leichen wahrgenommen; er muß indeß auch bei Lebenden Statt finden, und in dieſem Falle wäre dies ein Kennzeichen von bedeutendem Werthe, indem es bei den übrigen Arten von Verrenkung des humerus fehlten müßte. Dieſe beſchränkte Verſchiebbarkeit des Oberarmbeinkopfes hat mit der außerordentlichen Bewegbarkeit nach allen Rich— tungen, welche das obere Ende des humerus bei einem Pa— tienten des Hrn. Default darbot, bei welchem angeblich eine Luxation nach unten, aber in Wirklichkeit ein Bruch des Halſes des humerus Statt fand *), durchaus nichts gemein. Dennoch haben mehrere Chirurgen, indem ſie ſich zugleich auf dieſe oder jene theoretiſche Annahme ſtützten, behauptet, daß die große Beweglichkeit des Kopfes des humerus nach vorn, nach hinten und nach der Haut der Achſelgrube zu ein pathognomoniſches Kennzeichen der Luxation nach unten ſei ). Zweite Art. Verrenkung unter die apophysis coracoidea. Dieſe Verrenkung iſt unſtreitig die häufigſte. Man hat ſie offenbar in vielen Fällen mit der Verrenkung unter die cavitas glenoidea verwechſelt. Die meiſten Lura— tionen des Oberarmbeins, bei welchen die Wiedereinrichtung nicht gelang und ſich daher ein falſches Gelenk bildete, hat man nach den noch vorhandenen Beſchreibungen für Verren— kungen unter die apophysis coracoidea zu halten. Dieſe Art von Luxation, welche von A. Cooper, der ſie für viel ſeltener als die Verrenkung in die Achſelhöhle hielt, unter dem Namen der unvollkommenen Luxation beſchrieben worden iſt, bietet folgende Kennzeichen dar. Pathologiſche Anatomie. Der aus der cavitas glenoidea durch eine am vordern Theile der Capſel entſtan— dene Zerreißung herausgetretene Kopf des humerus hat eine Lage auf der vordern Fläche des Schulterblatthalſes unter der apophysis coracoidea angenommen und ſich von der cavitas glenoidea mehr oder weniger (vollſtändige oder un— vollſtändige Luxation) entfernt. Der obere, hintere und untere Theil der Capſel und die verfchiedenen Muskeln, welche an die beiden Höcker des humerus angeſetzt ſind, zei— gen ſich in der Regel unverſehrt, und die Neigung des hu- merus nach außen und hinten, ſowie die Drehung, vermöge deren der Kopf dieſes Knochens vorwarts gerichtet iſt (welche übrigens nicht immer ſehr auffallend, ja nicht einmal con— ſtant iſt) rührt von dem obern und hintern Theile der Cap— ſel, dem ligamentum coraco-humerale und den mm. supra- spinatus, infraspinatus und teres minor her. Wir wollen hier „) Journal de Chirurgie de Desault; die von Antheaume herrührende Beobachtung. **) Malle, Academie de Med., Sitzung vom 17. Juli 1838. 237 eine Beſchreibung dieſer Verrenkung nach der Natur mit— theilen. Section, vorgenommen im Hoſpitale von Meath von Hrn. Mae Namara ). Die Luxation war von keiner Zerreißung irgend eines Muskels, auch nicht von der Ab— reißung irgend einer der an den Knochen angefügten Sehnen begleitet. Nachdem die mm. pectorales beſeitigt worden, ſah man den Kopf des Knochens auf dem Schulterblatt— halſe an der Baſis der apophysis coracoidea, aber ſehr nahe an dem Ausſchnitte des oberen Randes des Schulterblattes liegen. Er war durch einen Riß in dem Capſelligamente getreten, welcher ſich über dem obern Rande der Sehne des subscapularis gebildet, die an dieſer Stelle ſchwache An— heftung dieſes Muskels an die innere Oberfläche der sca- pula aufgehoben und deſſen Faſern abwärts geſchoben hatte, ſo daß eine den Hals des Knochens umfaſſende Schlinge entftanden war. Die mm. supra - und infraspinatus waren geſpannt, aber nicht zerriſſen. Nachdem man den Kopf des Knochens wieder eingerichtet hatte, konnte man die Offnung in der Capſel, durch welche jener herausgetreten war, deut— lich ſehen. Das Capſelligament war ſeiner ganzen Länge nach vom innern Rande der cavitas glenoidea abgelöſ't. Die ſo entſtandene Lücke war oben durch die Sehne des supraspinatns, unten durch die des subscapularis begrenzt; ſie erſtreckte ſich bis zur Baſis der tuberositas parva des humerus und war gerade ſo weit, daß der Knochenkopf hin— durch konnte. Der untere Theil des Capſelligamentes, d. h. der Theil, welcher der Achſelhöhle entſprach, war unverſehrt. Symptome. Der Arm war nur um 6—8 Milli— meter verlängert. Wegen der Neigung des Elnbogens nach hinten konnte die Verlängerung, wenn man die Arme an ihrer hintern Fläche maß, als gar nicht vorhanden erſchei— nen; allein die vordere Wandung der Achſelgrube war deut— lich verlängert. Der Oberarm war nach außen und hinten gerichtet. Der Elnbogen ſtand vom Rumpfe ziemlich weit, aber nicht jo weit ab als bei der Verrenkung unter die cavitas glenoidea. Der humerus bot eine mehr oder weniger auffallende Drehung nach außen dar. Dieſes Symptom iſt wie gejagt nicht conſtant. Die Grube unter dem acromion ſtellte ſich, zumal wenn man dieſe Region von der hintern Seite aus unterſuchte, ſehr auffallend dar. Der m. deltoideus iſt in ſenkrechter Richtung quer über die Grube geſpannt, in welche man ihn tief hineindrücken kann. Der Kopf des humerus tritt unmittelbar unter der apo- physis coracoidea vor; wenn man den Finger in die Achſel— grube einführt, ſo kann man ziemlich weit in dieſelbe ein— dringen, bevor man den Kopf des humerus fühlt, ſo daß der Finger nicht, wie bei der Verrenkung unter die cavitas glenoidea bald aufgehalten wird. Zweiter Artikel. Giebt es noch andere Luxationen *) London medical Gazette, T. XII. 147. VII. 15. 238 des humerus? Claſſification dieſer Luxationen. Kritiſche Unterſuchung der hinſichtlich dieſer wichtigen chirurgiſchen Frage aufgeſtellten Anſichten. Ich habe ſo eben diejenigen Verrenkungen des Ober— armbeines beſchrieben, welche ich für eigentliche Arten halte. Die luxatio subpectoralis des Hrn. Velpeau, bei welcher der auf dem untern Rande oder durch die untern Bündel des m. subscapularis hin gleitende Kopf des humerus zwi— ſchen dieſen Muskel und die mm. pectorales gelangen ſoll, ſo daß er in der Achſelgrube eine bald mehr hohe, bald mehr tiefe Lage annähme, kann ich nicht anerkennen ). Wenn der auf dieſe Weiſe alle unmittelbaren Beziehungen zum Schulterblatte einbüßende Kopf des humerus vor den m. subscapularis gleiten ſollte, jo müßte die Capſel voll— ſtändig und die an die beiden Höcker des humerus angefüg— ten Muskeln ebenfalls zerreißen. Ich will indeß die Möglichkeit einer ſolchen Verſchiebung, von welcher die I9fte Beobachtung A. Coopers ein Beiſpiel darbietet “*), nicht läugnen. In dieſem Falle war die Luxation durch das Herabſtürzen einer Rage auf einem Schiffe veranlaßt worden. Die Sehne des m. subscapularis war in einer bedeutenden Ausdehnung zer— riſſen und der Körper dieſes Muskels durch den auf deſſen vordere Fläche angeſtemmten Kopf des humerus ſtark com— primirt. Hr. Roſer zu Tübingen fand an einer Leiche den Kopf des humerus vor den kurzen Kopf des m. biceps verrenkt, ſo daß er das Scapularende des pectoralis parvus hob, und Hr. R. wollte hierin eine neue Varietät von Verrenkung des Oberarmbeins erkennen ***), Allein dieſe Verletzungen ſind einzeln daſtehende Thatſachen und können keine eignen Arten von Luxation begründen. Was die Be— obachtungen betrifft, auf welche ſich die Aufſtellung der luxationes subpectorales des Hrn. Velpeau ſtützt, fo läßt deren Beſchreibung viel zu wünſchen übrig, und dieſe Fälle ſcheinen mir zu den Verrenkungen unter die cavitas glenoi- dea und die apophysis coracoidea zu gehören. Die luxatio subscapularis, bei welcher der Kopf des humerus in der fossa subscapularis des Schulterblattes lie— gen und durch den m. subscapularis von der Achſelhöhle getrennt, alſo aller Beziehungen zu der apophysis coracoi- dea verluftig gegangen ſein fol +), kann ich eben jo wenig ſtatuiren. Ich habe mich Häufig bemüht, dieſe Art von Verrenkung an Leichen zu erzeugen, aber immer nur eine Luration unter die apophysis coracoidea erlangt. Die luxatio subclavieularis, ſagt endlich Sr. Velpeau, iſt diejenige, bei welcher der Kopf des humerus an der Wurzel der apophysis coracoidea oder dem Schlüſſelbeine heraufgeſtiegen iſt und unten durch den obern Rand des m. subscapularis feſt gehalten wird +7). Aus dieſer Definition geht hervor, daß Hr. Velpeau die Verrenkungen unter die apophysis coracoidea und unter das Schlüffelbein, welche doch ſehr von einander verſchieden find, in eine Art zuſam— *) Lecons orales publiees par MM. Jeaunselme et Pavillon’, T. I., p. 289. *) Überſetzung von Richelot und Chaſſaignac. ©. 80. ***) Gaz. med. de Paris, 1846, p. 325. Ausgezogen aus dem Archiv für yhyfinlogifehe Heilkunde. +) Velpeau J. c. 11) Archives gen. de Med. T. II, 3. ser., 1837, p. 280. T. I, p. 289. 239 menwirft, welche ihm noch dazu nur für eine Varietät der luxatio subscapularis gilt *). Bei der Verrenkung unter die apophysis coracoidea bleibt aber der Kopf des humerus ganz in der Nähe der cavitas glenoidea, die Capſel wird nur vorn zerriſſen und bleibt hinten, gleich den mm. supra- spinatus, infraspinatus und teres minor unverſehrt, während bei der Verrenkung unter das Schlüſſelbein die ganze Gapfel und ſämmtliche an den trochanter angefügte Muskeln zer— riſſen werden, dieſer Knochenhöcker ſich auch wohl theilweiſe ablöſ't und der Kopf des humerus ſich weit von der Gelenk— höhle entfernt. Hr. Pétrequin beſchreibt **) eine directe Luxation nach unten auf den Rand des Schulterblattes ſelbſt. Dieſer Irrthum iſt bereits ſo gründlich widerlegt worden, daß wir denſelben hier nur anzudeuten haben. Die zweite und dritte Art des Hrn. Pétrequin ſind offenbar nichts anderes als die luxatio subpectoralis und subscapularis des Hrn. Velpeau. Hr. Pétrequin beſchreibt endlich als zwei Varietä— ten einer vierten Art, die er luxatio amphicoracoidea nennt, die 1. subcoracoidea und intracoracoidea Die Anſichten des Hrn. Pétrequin weichen demnach von denen des Hrn. Velpe au nur in ſo fern ab, als der erſtere eine Verren— kung auf den Rand des Schulterblattes annimmt, welche der letztere mit Recht verwirft. *) Gaz. med. 1837, p. 305. **) Journ. des connaiss. med. chir., 1835. (Schluß folgt.) 147. VII. 15. 240 Miſeellen. (24) Zur Blutſtillung bei Operationen an der Zunge beſchreibt Hr. Heylen in den Annales de la Société de Médecine d’Anvers ein einfaches Verfahren, welches auch bei der Operation ſelbſt beſondere Erleichterung gewährt. Hr. H. durchs ſtach mit einer gekrümmten Nadel zuerſt die Zunge hinter der Krebs— geſchwulſt, die erſtirpirt werden ſollte; er führte damit einen doppelten Faden durch, mit dem er nun die Zunge vorzog, worauf in ähnlicher Weiſe von vorn nach hinten fortſchreitend 4 Doppel: fäden von unten nach oben durchgeführt wurden. Die Fäden um— ſchrieben auf dieſe Weiſe die ganze Geſchwulſt, lagen jedoch in dem gefunden Theil des Organs und dienten als ein bequemes guberna- culum während der Operation. Nach der Ausſchneidung war die Blutung ſehr heftig, ſtand aber fogleich, als 3 dieſer Fäden zur Sutur angewendet und geknüpft waren. — Dieſes Verfahren iſt alſo eigentlich nur eine Umdrehung der Ordnung der Stadien der Operation; ſtatt die Suturfäden nach der Erftirpation und wäh— rend des Blutens anzulegen, legt fie Hr. H. bereits vor der Exci— ſion ein. (25) Verſtopfung der Gefäße mit Schwamm iſt ein von Hrn. Segondi in dem Bulletino della scienze mediche vor- geſchlagenes, aber bis jetzt nur an Thieren verſuchtes Verfahren der Verſchließung von Blutgefäßen anſtatt der Unterbindung; — das Verfahren ſoll weniger gefährlich ſein, als die bisherigen Operationsweiſen. Es wird dabei eine Arterie oder Vene bloß gelegt, wie zur Unterbindung, jedoch nicht ſo weit iſolirt. Mit einem feinen Troikart ſoll man ſie anſtechen, dann durch die Röhre einen feinen Cylinder von Schwamm einführen, der zum Theil mit Wachs überzogen ſei, damit er nicht ſo ſtark aufquelle. Bei der Arterie ſoll man gegen das Herz hin, bei Venen gegen die Peripherie hin, den Pfropf einſchieben, der dann ſofort aufſchwelle und das Lumen vollſtändig verſtopfe, worauf kalte Umſchläge oder Bäder des Körpertheiles das Coaguliren befördern und die Ent: zündung verhindern ſollen. — Der Vorſchlag iſt gewiß mit äußer- ſter Vorſicht aufzunehmen, bei Varicen jedenfalls als höchſt ge— fährlich zu betrachten, und auch bei Aneurysmen wohl beſonders durch die Gefahr von Nachblutungen bedenklich, die faſt folgen müffen, da doch nichts anderes anzunehmen iſt, als daß der Schwamm als fremder Körper Eiterung veranlaßt, und durch Abs— cedirung herausgeſtoßen werden muß. Bibliographiſche Neuigkeiten. Stößner, Flora der nächſten Umgebung von Annaberg. Zum Gebrauch beim Unterricht auf Excurſtonen. 160. Geh. 2 Thlr. Rudolph u. Diete⸗ rici in Annaberg 1848. A. Schenk, Flora der Umgebung von Würzburg. 8. Geh. 1 Thlr. in Regensburg 1848. A. Garcke, Flora von Halle mit näherer Berücksichtigung der Umgegend von Weissenfels u. Naumburg u. s. w. I. Thl. Phanerogamen. 8. Geh. 2 Thlr. Anton in Halle 1848. C. Th. von Siebold u. H. Stannius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 1. Thl. Wirbellose Thiere von C. Th. v. Siebold. 3. Hft. (Schluss.) gr. 80. 12/; Thlr. — 2 Thle cplt. 7½ Thlr. Veit & Comp. in Berlin 1848. Be⸗ endigung eines ausgezeichnet brauchbaren Werkes. F. Frhr. F. Biedenfeld, Wörterbuch der Synonymen sämmtlicher Pflanzen. 2. (letzter) Bd. 120. 2¼ Thlr. Voigt in Weimar 1848. J. C. Maly, Enumeratio plantarum phanerogam. imperii Austriaci universi. gr. 8°. Geh. 2 Thlr. Braumüller u. Seidels Verlagsconto in Wien 1848. C. Bergmann, über die Verhältnisse der Wärmeökonomie der Thiere zu ihrer Grösse. (Abgedr. aus d. Göttinger Studien 1847.) gr. 80. Geh. 17½ Sgr. Vandenhöck u. Ruprecht in Göttingen 1848. H. Frey, über die Bedeckungen der wirbellosen Thiere. I. Abhandlung. (Abgedr. aus d. Göttinger Studien 1847.) gr. 8°. Geh. 17½ Sgr. Van- denhöck u. Ruprecht in Göttingen 1848. Manz A. @Griesebach, üb. die Vegetationslinien d. nordwestl. Deutschlands. (Ab- gedr. aus d. Göttinger Studien 1847.) gr. 8°. Geh. ½ Thlr. Vandenhock u. Ruprecht in Gottingen 1847. Gerichtlich-chemische Untersuchungen, ausgeführt unter G. J. Mulders Lei- tung zu Utrecht. Aus dem Holland. übers. u. bearb. v. J. Müller. gr. 160. Geh. ½ Thlr. E. H. Schröders Verlag in Berlin 1848, H. F. Kilian, Operationslehre für Geburtshelfer. 2. Aufl. 5. Lig. gr. 80. Geh. 1 Thlr. Weber in Bonn 1848. K. Meyer-Ahrens, der Stick in d. J. 1564 u. 1565 im Zusammenhange mit d. übrigen Epidemieen der J. 1562 — 1566 dargestellt. gr. 8. Geh. 18 Sgr. Schulthess in Zürich 1848. Unterwoods Handbuch der Kinderkrankheiten. Nach d. 10. Aufl. übertr. von F. W. Schulte. Bevorw. u. verm. v. F. J. Behrend. gr. 80. Geh. 3½ Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1848. A. Alerander, Beweise gegen das Ausschliessungsvermögen von knotiger Lungensucht und Wechselfiebern. gr. 8°. Geh. ½ Thlr. Perthes -Besser & Mauke in Hamburg 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitfchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 148. (Nr. 16. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Nöggerath, ein alter Bergſchlüpf durch einen Stollen entveckt. — Gilman, üb. ein v. Spencer zu Canaſtota in Newyork verfertigtes zuſammengeſetztes Mikroſkop. Mifcelle, Über die Regenzeit an der Sierra Leona-Küſte. — Heilkunde. Goyrand, neue Studien üb. d. Luratlon heiten der Vögel. — Bibliographie. 3 des humerus. — Miſcelle. Naher, üb. d. Herzkrank Jandiger Thon . Untere oder erste Rutschfläche . . Ga j Fig. II. > >) Durchschnitt . de 5 An a 2 L j RR Obere oder zweite Stoltens * ee Rutschflache. F Zehm 2 b Fig. 1 ® Maasestab von 15 Fuss. 243 148. VII. 16. 244 Naturkunde. XXXVI. len entdeckt. (Hierzu vorſtehende Abbildungen.) Es war mir die Kunde zugekommen, daß man bei dem Dorfe Keſſenich, welches eine halbe Stunde ſüdweſtlich von Bonn am ſogenannten Vorgebirge liegt, bei der An— lage eines Bierkellers den plaſtiſchen Thon des tertiären Braunkohlengebirges über dem gewöhnlichen ſchmutzig gelb— lichbraunen Lehm, der oberſten Alluvialbildung dieſer Gegend, gelagert und in dieſem Lehme Fragmente von römiſchen Ziegeln und Töpfergeſchirr gefunden habe. Folgendes iſt das Ergebniß der Unterſuchung der Localität, welche ich zwei Mal vorgenommen habe. Wie längſt bekannt, beſteht der Hügelzug bei Keſſenich zu unterſt aus ſandſteinartiger Grauwacke, welche an vie— len Stellen in aufgerichteter Schichtenſtellung entblößt zu ſehen iſt. Darauf liegt beſonders nach der Höhe hin der graulichweiße plaſtiſche Thon des Braunkohlengebirges, wel— ches bei den nahen Dörfern Friesdorf und Godesberg von mächtigen Braunkohlen- und Alaunerdelagern begleitet iſt. Die gewöhnliche Alluvialdecke bildet grober Sand oder Kies mit größern Geſchieben, welcher noch unter Löß, nach der Ebene des Rheinthales hin aber unter einer mehr oder we— niger mächtigen Lehmablagerung liegt. An der beſonderen Ortlichkeit, wo jener Bierkeller angelegt wird, zeigt ſich in— deß ein weſentlich von jenem abweichendes Lagerungsver— hältniß. Nämlich am ſüdlichen Ende von Keſſenich, ſchon etwas über dem Fuße des Hügelgebirges hatte man einen weiten Stollen zur Anlage jenes Bierkellers in das Gebirge getrieben. Er geht 40 Fuß lang in gerader Linie fort und macht dann eine Winkelwendung, welche zum Lagern der Bierfäſſer beſtimmt iſt und 100 Fuß lang werden ſoll. Der Stollen ſteht in dem hier zu Tage gehenden Lehm, welcher wie gewöhnlich einige Rheingeſchiebe einſchließt. Etwas höher am Berge ſeitwärts vom Stollen kann man die an— ſtehende Grauwacke beobachten. Es iſt nicht befremdend, daß gerade am Fuße des Gebirges der plaſtiſche Thon zwi— ſchen dem Lehm und der Grauwacke fehlt. Man hatte aber bei einigem Vorrücken in der geraden Linie des Stollens in ſeiner Firſte, für den Geognoſten ganz unerwartet, den pla— ſtiſchen Thon oder vielmehr ganz genau deſſen Begrenzung oder Gebirgsſcheide mit dem unterliegenden Lehm ange— hauen, und dieſer Thon iſt an der Decke des Stollens auf eine lange Strecke entblößt zu ſehen. Er zeigt ſich ganz zuſammenhängend und iſt an ſeiner untern Seite, an der Decke des Stollens, mit ſehr ſchönen deutlichen Rutſchflächen verſehen, welche durch tiefere oder flachere nach der Richtung des Stollens laufende Furchen ausgezeichnet ſind. Man fand nöthig, in dem Stollen zur Befeſtigung einige ge— mauerte Bogen einzuziehen, und zu dieſem Zwecke wurde am Ende ſeines geradlinichten Theiles an der Tiefe in dem Ein alter Bergſchlüpf durch einen Stol⸗ Thon ein Einbruch gemacht. Dabei ergab ſich, daß der plaſtiſche Thon an der linken Seite (auf dem linken Stoß) des Stollens ſich auskeilt, an der rechten aber mächtiger fortſetzt. Er war nämlich von einem ſandigen, ebenfalls graulichweißen Thon überlagert, welcher einzelne eckige einen halben Fuß große Stücke von Braunkohlenſandſtein (einem körnigen Quarzfels faſt ähnlich) einſchließt. Auf der ſcharf abgeſchnittenen Scheidung des plaſtiſchen mit dem ſandigen Thon fanden ſich ebenfalls wieder ſchöne gefurchte Rutſch— flächen. Ihre Furchen liefen aber nicht ganz parallel mit denen der erſt gedachten Rutſchflächen zwiſchen dem plaſti— ſchen Thon und dem Lehm, ſondern würden dieſe, wenn man ſie in ihrer natürlichen Lage zuſammenhielte, unter einem ſpitzen Winkel ſchneiden. ; In Fig. I. ift ein ungefähres Profil dargeſtellt, wie ſich die Lagerungsverhältniſſe am Ende (vor Ort) des ge— radlinichten Theils des Stollens zeigen. Zugleich ſind Fig. II. Partien der beiden Rutſchflächen gezeichnet, welche das Ver— halten der Furchen gegen einander andeuten. Mein lieber Zuhörer, Hr. Stud. med. Otto Weber aus Bremen, wel— cher mich bei meiner Unterſuchung freundlich unterſtützte, hatte die Güte, jene Skizzen zu entwerfen. Es ſcheint nach der Beſchaffenheit des Bodens über dem Stollen, daß die Thöne bis an die Oberfläche reichen und dann können ſie 15— 20 Fuß mächtig fein. In der im Winkel gewendeten Strecke des Stollens fand man im Lehme Stücke von gebrannten Ziegeln, auch von Waſſerleitungsröhren und einige Fragmente von feinem rothen Töpfergeſchirr, alles nach Form und Maſſe ganz unverkennbar römiſchen Urſprungs, wie denn auch ſonſt an— derwärts in der hieſigen Gegend oft dergleichen Römerreſte in dem Boden angetroffen werden. Die Maſſe des Lehms, in welcher der Stollen ſteht, muß alſo ſchon einſtmal, wenigſtens an der Stelle, wo ſich die Artefactenreſte gefunden haben, umgewühlt worden ſein, obgleich der Lehm ſehr feſt erſcheint. Die aufgelagerten Thone können daher nur durch einen Bergſchlüpf von der Höhe des Berges als eine auf ihrer Sohle erweichte und dadurch abgeriſſene Maſſe heruntergerutſcht und über das jüngere Alluvialgebilde, den Lehm, geſchoben ſein. Hierbei müſſen zugleich Bewegungen zwiſchen den beiden Thonlagern, dem plaſtiſchen und dem ſandigen Thon Statt gefunden haben. Die Rutſchflächen ſowohl zwiſchen dem Lehm und dem plaſtiſchen Thon als zwiſchen den beiden Thonlagern zeugen davon, und das Auskeilen des Lagers von plaſtiſchem Thon dürfte auch vielleicht für dieſe Erklärung in Anſpruch zu nehmen ſein. So, meine ich, wäre die örtliche abnorme Lagerung der beiden Formationen mit allen in ihrem Ge— leite vorkommenden Erſcheinungen vollkommen gedeutet. — Mehrere Terraſſen an andern Stellen der Oberfläche des— ſelben Hügelzuges laſſen ebenfalls Spalten, Senkungen und Abrutſchungen im Thone vermuthen, wie denn auch wirklich in den letzten zwei bis drei Decennien kleine Bergſchlüpfe 245 in der Nachbarschaft des Friesdorfer Alaunwerks und am Abhange des Kreuzberges nahe bei Bonn von mir beobach— tet worden ſind. Welchen Umfang der Bergſchlüpf über dem Keſſenicher Bierkeller hatte, läßt ſich aus den ſichtbaren Verhältniſſen nicht beurtheilen; die Trockenheit des Lehmes unter den Thonlagern deutet darauf, daß deren Verbreitung über dem Lehm nicht ganz klein fein kann. Die geologiſche Thatſache gewinnt dadurch einiges Intereſſe, daß ſich der Bergſchlüpf über einen von Menſchen umgewühlten Boden ſchon vor langer Zeit ereignet haben muß, indem ſeine Spuren auf. der mit alten Bäumen bedeckten Oberfläche gänzlich ver— ſchwunden ſind; er könnte ſelbſt beiläufig ſo alt ſein, wie unſere chriſtliche Zeitrechnung. Es war natürlich, auf der Gebirgsſcheide zwiſchen dem Lehme und dem Thone auf den Rutſchflächen im Stollen nach Pflanzenreſten zu forſchen, welche die ehemalige Ober— fläche bedeckt haben möchten. Gerade ſolche fanden ſich nicht vor und können leicht, wenn deren auf dem alten Lehmboden oder in einer dieſen überdeckenden Dammerde vorhanden waren, mit letzterer bei dem Vorwärtsſchieben des Thones fortgeriſſen und tiefer abwärts geſchoben worden ſein. Die ſtarken Reibungen, welche dabei auf der Ober— fläche Statt finden mußten, erklären dieſes genugſam. Durch die Contraction der eingetrockneten beiden erdigen Maſſen des Thons und des Lehms, welche mit einander nicht fo zuſammenhängen konnten wie jede unter ſich, waren aber ſtellenweiſe horizontale leere Spaltenräume zwiſchen beiden entſtanden, in welchen ſich Pflanzen der überall in Erdräu— men wuchernden Rhizomorpha subterranea ausgebreitet hat— ten. Ein gewiß nur ſehr ſpärlicher Zufluß von atmoſphäri— ſcher Luft, den die Rhizomorphen hier erhalten konnten, iſt Schuld, daß fie im Verhältniß ſolcher, die am Gezimmer oder an den Wänden von Strecken und Schächten vorkom— men, ſehr ſchmächtig waren. Viele der ſehr dünnen Stängel waren dabei in Folge der flachen und wenig aus— gedehnten Räume, in welchen ſie vegetirten, in einander verfilzt, und die Pflanze erſchien dadurch in einem ſo un— gewöhnlichen Habitus, daß man ſie leicht hätte verkennen können. Dieſes veranlaßte mich, meinen verehrten Collegen, den Hrn. Prof. Treviranus auch noch zu bitten, die Rhizomorphen mikroſkopiſch zu unterſuchen. Sie zeigten dabei ihre eigenthümliche Pilznatur. Aber es zogen ſich auch einige breitgedrückte, holzige wurzelartige Vegetabilien von etwa zwei Linien Dicke durch die Filze von Rhizomor— phen. Ihr Querſchnitt zeigte unter dem Mikroſkope die unverkennbarſten Gefäße. Es waren wirklich Wurzeln, welche ſich durch die Thone, wahrſcheinlich auf Spalten, ſo tief von der Oberfläche niedergezogen haben mußten. Sie wer— den auch den Rhizomorphen ihre Nahrung, nämlich in der pflanzlichen Subſtanz und durch die Luft, welche auf dem Wege eindringen konnte, den die Wurzeln ſich gebahnt hat— ten, geliefert haben, wenn auch kümmerlich genug. Durch die vorſtehenden Mittheilungen bezwecke ich we— ſentlich nur bei ſolchen Punkten, wo man ältere Formatio— nen oder deren Glieder auf jüngern gelagert findet, die ge— 148. VII. 16. 246 netiſche Nachforſchung auf Bergſchlüpfe zu lenken. Sie werden wohl ſehr oft den Schlüſſel zu ſolchen geologiſchen Räthſeln hergeben können. Rutſchflächen auf den Gebirgs— ſcheiden, in Verbindung mit andern beweiſenden Umſtänden, werden in jenen Fällen nicht ſelten entſcheidend ſein. Berg— ſchlüpfe müſſen in allen Zeiteu auf der Erdoberfläche vor— gekommen ſein. Nicht ganz unbeachtungswerthe Andeutungen dieſer Art dürfte meine Schrift: „Der Bergſchlüpf vom 20. December 1846 an den Unkeler Baſaltſteinbrüchen bei Oberwinter. Bonn, 1847. 49 enthalten. — Es bedarf übrigens wohl kaum der Bemerkung, daß ich die erwähnte Erſcheinung bei Oberwinter hinſichtlich ihrer Großartigkeit in gar keinen Vergleich mit dem gewiß viel kleinern Phä— nomen von Keſſenich bringen will. Bonn, im Auguſt 1848. Nöggerath. XXXVII. Über ein von Charles A. Spencer zu Canaſtota in Newyork verfertigtes zuſammen— geſetztes Mikroskop. Von Dr. C. R. Gilman, Prof. der Geburtshülfe u. ſ. w. zu 3 Newyork. Die große Weitläuftigkeit, ein gutes Mikroſkop aus Europa zu erhalten, machte es wünſchenswerth, in America ſelbſt einen Optiker zu beſitzen, der brauchbare Inſtrumente zu liefern vermöchte, und fo entſchloß ſich A. Spencer, ein ſehr talentooller Mann, der ſich ganz durch eigenes Studium zum tüchtigen Optiker ausgebildet hatte, nach dem Vorbilde der neueren europäiſchen Mikroſkope ein ähnliches Inſtru— ment für den Verf. zu conſtruiren. Er wählte die Einrichtung des kleineren Stativs von Chevalier; das Inſtrument kann ſo weit ſowohl in ho— rizontaler als geneigter und verticaler Stellung benutzt werden; es ruht auf einem Dreifuß, beſitzt einen Polariſa— tionsapparat und einen Lieberkühnſchen Spiegel, hat 3 Ob— jectivſyßſteme von /, ½ und ½¼2 Zoll Brennweite und 2 Oculare. Die Vergrößerung dieſer Objective beträgt mit dem ſchwachen Ocular 125, 350 und 600 Mal, mit dem ſtärkeren Ocular und dem ſtärkſten Objectioſyſteme erhielt man eine 800fache, noch hinreichend lichtſtarke Linearver— größerung. Die bedeutend größere Brennweite der Objective, die bei der ſtärkſten Vergrößerung faſt doppelt ſo groß als bei Chevalier iſt, gewährt für die Benutzung des Inſtrumentes große Vortheile, auch das Geſichtsfeld iſt doppelt ſo groß als bei Chevalier. Die definirende und penetrirende Kraft des Mikroſkops iſt ſo vortrefflich, daß der Verf. dasſelbe nach einer Prüfung mit ſchwierigen Probeobjeeten über die Inſtrumente von Chevalier, Plöſſl und Oberhäu— ſer ſtellt. Der Verf. empfiehlt die Mikroſkope ſeines Landmanns allen wiſſenſchaftlichen Beobachtern Americas und fügt zum 16 * 247 148. Schluſſe noch das Urtheil des Prof. F. W. Balley und einer Committee des Lyceums der Naturgeſchichte bei. Balley verglich das von Spencer verfertigte Mikro⸗ ſkop mit ſeinem eigenen, einem großen Inſtrumente Che— valiers. Die ſtärkeren Vergrößerungen Spencers über— trafen ſowohl durch ihre größere Brennweite als die Schärfe ihres Bildes Chevaliers entſprechende Vergrößerungen bei weitem. Mit dem Spencerſchen Inſtrumente ſah Balley ohne Schwierigkeit die Querſtreifen auf Navicula hippocam- pus, die mit dem Chevalierfchen Mikroſkope bei gleicher Be— leuchtung nur ſchwierig klar zu machen waren. Balley will indeß nicht behaupten, daß Spencers Mikroskop beſ— ſer wie die koſtbaren engliſchen Inſtrumente von Roß und Powell oder die Mikroſkope von Oberhäuſer und Plöſſl iſt, es ſcheint ihm indeß den beiden letzteren, mit denen er es freilich nicht vergleichen konnte, nicht nachzuſtehen. Er glaubt die Querſtreifen der genannten Navicula bei Kerzen— licht mit dem Spencerſchen Mikroſkope beſſer als mit mei— nem Oberhäuſer bei Tagesbeleuchtung geſehen zu haben. Zarte Linien, deren Daſein Balley bisher nur vermuthet hatte, traten mit Spencers Mikroſkop deutlich hervor. Das Urtheil der Committee, welche aus John Torrey, J. F. Holton und John L. le Conte beſtand, geht da— hin, daß die Güte eines Mikroſkopes nicht ſowohl von der Stärke der Vergrößerung und der Größe des Geſichtsfeldes als hauptſächlich von der Deutlichkeit des Bildes abhängt. Ein Mikroſkop, das bei ſchwächerer Vergrößerung dasſelbe zeigt, was ein anderes erſt bei ſtärkerer Vergrößerung ſicht— VII. 16. 248 bar macht, iſt demnach das beſſere. Nach dieſen Prineipien prüften und beurtheilten die genannten Herren Spencers Mikroſkop, es mit einem Inſtrumente von Chevalier, das einem der Herren gehörte und für das beſte Mikroſkop in America gehalten ward, vergleichend; ſie benutzten dieſelben Probeobjecte und zwar bei gleicher Beleuchtung. Spencers Mikroſkop war entſchieden vorzüglicher. (The American journal of science and arts, No. 14, 1848.) Miſeceelle. 40. Über die Regenzeit an der Sierra Leona⸗Küſte bemerkt ein Reiſender, dem wir die vorſtehenden Notizen verdanken (Hannover, Morgenzeitung No. 127) Folgendes: Man theilt die Regenzeit in drei Abfchnitte ein: die kleine, die große und aber⸗ mals die kleine Regenzeit. Die kleine (beginnt Anfangs Juni, und) dauert bis in die Mitte Julis; dann tritt die große ein. Während der kleinen haben wir zwar auch ſchon viel Regen, täg- lich unſere zwei bis drei Schauer, aber es ſind mehr Tornados (Gewitterwolken); dagegen in der großen Regenzeit regnet es in einem fort, oft zwei Wochen und länger, ohne Unterlaß. Man ſollte denken, die Hitze ſei jetzt, des vielen Regens wegen, unter ſolchen Umſtänden gelinder, aber ſie iſt im Gegentheil viel drücken⸗ der. Noch geſtern (5. Juni 1846) war es ſo heiß, daß man kaum athmen konnte, und das Thermometer (an einer Mauer im Schat⸗ ten hangend, wohin nie die Sonne dringt) zeigte gute 30 Grad (R. 2); mein College behauptet, es ſei mehr geweſen. Oben in den Flüſſen, wo gar keine Seebriſe iſt, hat die Hitze einen noch höheren Grad; es war, als ich an dem Scarcies war, oft zum Erſticken, und während der rechten Mittagshitze das Ausgehen un— möglich. (Berghaus Zeitſchr. f. Erdk., VIII. 6.) Heilkunde. (XXI.) Neue Studien über die Luxation des humerus. Von Dr. Goyrand, Chirurgen am Hötel-Dieu. (Schluß.) Hr. Sédillot ſtellt ſieben Varietäten von Verrenkung vor den Axillarrand des Schulterblattes auf 5): 1) eine theilweiſe oder unvollſtändige Verrenkung; 2) eine Verren— kung unter die apophysis coracoidea; 3) eine Verrenkung in die Achſelhöhle (uxatio axillaris); 4) eine luxatio sub- scapularis; 5) eine I. intercostalis; 6) eine J. scapulo-cla- vieularis und 7) eine J. costo-clavicularis. Die theilweiſe oder unsvollſtändige Verrenkung kann keine eigne Art bilden, ſondern iſt eine Varietät, welche bei zwei verſchiedenen Arten, der Verrenkung unter die apophy- sis coracoidea und der unter das acromion vorkommt. Man hat lange darüber geſtritten, ob bei freien Gelenken unvollſtändige Lurationen vorkommen können. Boper und deſſen Schule haben dieſen Fall geläugnet und ) Deville in den Annales de la chi i ais 6 8 J. I, p. 193. s de la chirurgie frangaise et etrangere, es für unmöglich erklärt, daß ſich eine glatte Knochenkugel auf dem ſchlüpfrigen Rande einer Gelenkhöhle feſtſetzen könne. Boyer würde Recht haben, wenn eine unvollſtän— dige Verrenkung vorausſetzte, daß die Mitte des Knochen— kopfes auf dem Rande der Gelenkhöhle aufſäße und ſich nur gegen den Kamm dieſes Randes ſtützte. Wenn die Knochen dieſe relative Lage hätten, ſo müßte der Knochen— kopf offenbar entweder in die Höhle zurück oder außerhalb derſelben abgleiten, und auf dieſe Weiſe die Verrenkung ſich entweder wieder einrichten oder vollſtändig werden; allein fo verſteht man die Sache gegenwärtig nicht. Ich nenne nicht, wie Hr. Velpeau jede Verrenkung, bei welcher der Kopf des humerus an einem Punkte ſeines anatomiſchen Halſes durch den Rand der cavitas glenoidea aufgehalten wird, eine unvollſtändige Verrenkung 8); denn wenn die Verren— kung dieſen Grad erreicht, ſo iſt ſie meiner Anſicht nach eine vollſtändige; ſondern ich betrachte nur diejenigen Luxa— tionen als unvollſtändig, bei welchen ein Theil des Gelenk— kopfes über den Rand der cavitas glenoidea hinausgerückt iſt und auf dem Rande und der entſprechenden Oberfläche 9) Archives, 1. c., p. 272. 249 des Schulterblattrandes ruht, während der dem anatomifchen Halſe benachbarte Theil der Knochenkugel ſich nicht mehr mit der Fläche der cavitas glenoidea in Berührung befindet und dieſelbe verlaſſen hat. Eine Verſchiebung dieſes Grades kommt, glaube ich, bei der Verrenkung unter die apophysis coracoidea ziemlich häufig und jedenfalls bei der unter das acromion viel häufiger vor als die vollſtändige Verrenkung. Über die luxatio subcoracoidea des Hrn. Sédillot habe ich weiter nichts zu bemerken. Er verſteht ſie in dem Sinne des Hrn. Malgaigne und ich bin damit einver— ftanden. Dasſelbe gilt von der luxatio scapulo-clavicularis, welche nichts weiter iſt als die J. intracoracoidea. Die 1. axillaris und subscapularis Sédillots fallen mit der 1. subpectoralis und subscapularis des Hrn. Vel— peau zuſammen. Bei der 1. costo - clavicularis des Hrn. Sédillot würde ſich der Kopf des humerus auf den Rippen ), folg— lich vor dem m. subscapularis und hinter den mm. pectora- les befinden. Es würde dies nur eine Varietät der J. sub- pectoralis des Hrn. Velpeau fein. Hr. Sédillot hat die Eriftenz dieſer Art von Verrenkung nicht nachgewieſen, und ich verwerfe ſie aus den ſchon oben angeführten Gründen. Eben fo wenig kann ich die merkwürdige Verſchiebung, welche Larrey nach einem im Prochaskaſchen Cabinet be— findlichen Präparate beſchrieben und aus der Sédillot ſeine Ste Varietät der Verrenkung nach vorn, die J. inter- costalis gemacht hat, als eine eigene Art gelten laſſen; auch nicht die von Hrn. Laugier **), nach einer kliniſchen Beobachtung, ſowie 8— 10 Jahre ſpäter vom Prof. Bouiſ— ſon zu Montpellier nach einem im Cabinet des Prof. Du— breuil befindlichen Präparate beſchriebene ***) ſonderbare Luration durch Drehung. Dieſe Verſchiebung entſtand durch eine halbe Drehung des humerus um ſeine Achſe, wodurch die Gelenkfläche vorwärts oder auswärts und aufwärts ge— wendet worden iſt, während die tuberositas major der ca- vitas glenoidea entſpricht. Dieſe Verſchiebung durch Drehung war nicht die ein— zige, welche der humerus in dieſen beiden Fällen erlitten hatte. In dem des Hrn. Laugier war der Kopf des humerus außerdem nach vorn und oben gerückt und mit dem äußeren und hinteren Rande der apophysis coracoidea in Berührung, der Arm aber um 3 — 4 Linien verkürzt. In dem von Hrn. Bouiſſon beſchriebenen Falle dagegen hatte das obere Ende des humerus eine geringe Verſchiebung nach hinten erlitten, die jedoch ſo unbedeutend war, daß der hu- merus in dieſer Richtung nicht über den hintern Rand des acromion hinausragte. Dieſe Verſchiebung nach vorn und oben in dem einen, ſowie nach hinten in dem andern Falle war, meines Erachtens, ganz zufällig, fiel aber den Chirur— gen, welche jene Beobachtungen veröffentlicht haben, ſo auf, daß Hr. Laugier die ſeinige „eine unvollſtändige Luration des Oberarmbeinkopfes nach oben und vorn, hinter die *) Sedillot, Nouvelles Remarques sur les luxation lo-humerales. Gaz. Med. 1837, p- 499. 5 e- **) Archives de Med., 2. ser., T. V., p. 65, 1834. 151 Annales de la Faires frangaise et etrangere, T. IX., p. 225, 148. VII. 16. 250 apophysis coracoidea“ nennt, und Hr. Bouiſſon in der feinigen „einen neuen Fall von Luration unter das acro- mion mit Verrückung der Gelenkoberfläche nach außen“ er— kannt hat. Dieſe Fälle müſſen, gleich dem Prochaskaſchen für ſehr merkwürdige Verletzungen gelten, können aber, meiner Anſicht nach, keine ächte Arten von Verrenkung bilden. Ich nehme alſo nur die in dieſer Arbeit bereits be— ſchriebenen vier Arten von Luxation an und claſſtfieire die— ſelben folgendermaßen: Geſchlechter. Arten. Varietäten. (1) unter die apophy- | vollftändige, sis coracoidea; unvollſtändige. 2) innerhalb der apo- physis coracoidea; 3) unter die cavitas 1) Verrenkung nach vorn 2) Verrenkung nach unten glenoidea. A) unter das acromion vollſtändige, 855 5 unvollſtändige. Hierher würde die luxatio infraspinata gehören, wenn deren Vorkommen nachgewiefen würde. Alle dieſe Verrenkungen treten primär ein und es iſt keine darunter, welche durch die Muskelthätigkeit in eine andere verwandelt werden könnte. Wer die Lurationen des humerus an Leichen ſtudirt hat, der muß hiervon überzeugt ſein; aber dennoch finden wir noch in ganz neuen und mit Recht geſchätzten Schriften jenen Irrthum der Deſault'ſchen Schule, daß die luxatio subelavicularis gewöhnlich aus der— jenigen nach vorn, ſowie aus derjenigen nach unten entſtehe. Allerdings gleitet der Kopf des humerus, um an die innere Seite der apophysis coracoidea zu gelangen, unter dieſer hin, allein er thut dies ohne ſich aufzuhalten. Die Ge— waltthätigkeit, welche die Luxation veranlaßt, iſt der einzige Grund des vollſtändigen Zerreißens der Capſel und der an den trochanter angeſetzten Muskeln, und damit dieſe Zerrei— ßung Statt finden könne, muß der Kopf des humerus durch den Stoß bis über die apophysis coracoidea hinaus getrie— ben werden. Wenn derſelbe aber durch den Stoß nur unter dieſe apophysis gelangt, ſo bleiben der hintere Theil der Capſel und die an den trochanter angefügten Muskeln un— verſehrt und halten den humerus an dieſer Stelle zurück, und nie könnten dieſe feſten Gewebe ſpäter durch die Mus— kelthätigkeit zerriſſen werden, und der Kopf des humerus auf dieſe Weiſe unter das Schlüſſelbein gelangen. Die Verrenkung innerhalb der apophysis coracoidea tritt alſo ſo gut, wie jede andere, primär ein, und die Verrenkung unter die apophysis coracoidea kann ſich eben fo wenig in eine luxatio intracoracoidea, als die Verrenkung unter die cavitas glenoidea in eine ſolche unter die apophysis cora- coidea oder unter das acromion verwandeln. Dieſe ſeecun— dären Verrenkungen exiſtirten nur in der Einbildungskraft der Chirurgen, welche ſich von der relativen Lage des ver— ſchobenen Kopfes des humerus und dem Zuftande der um— gebenden weichen Theile einen falſchen Begriff machten. So glaubte J. L. Petit, die Luxation nach unten finde auf die Rippe des Schulterblattes ſelbſt Statt, und dieſer ge— 3) Verrenkung 52 55 251 waltige Irrthum gab zur Theorie der ſeeundären Verſchie— bungen die Veranlaſſung. Hat man ſich nun darüber zu wundern, daß Hr. Velpeau bei ſeiner Anſicht von der luxatio subpectoralis und subscapularis an die Möglichkeit der ſecundären Verſchiebungen durch Muskelthätigkeit ge— glaubt hat? “). Die in dieſer Arbeit dargelegten Anſichten ſtützen ſich auf directe Beobachtungen am Krankenbette, auf die Unter— ſuchung der in den Jahrbüchern der Wiſſenſchaft enthaltenen genau beobachteten Fälle und das Studium der Lurationen an Leichen und ſcheinen uns daher auf Bündigkeit vollen Anſpruch zu haben. Das Verdienſt der Neuheit geht ihnen jedoch ab, und man könnte deren Urſprung ſchon im Alter— thume entdecken. Hippocrates hatte, feinen Außerungen nach, nur die Verrenkung nach unten oder in die Achſel— höhle beobachtet; allein er führte die nach außen oder nach hinten, die nach oben und die nach vorn an. Dieſe letzte war zu ſeiner Zeit anerkannt; allein Hippo— erates hielt fie nicht für möglich und glaubte, die Chirur— gen, welche dieſelbe wahrgenommen zu haben behaupteten, ſeien dadurch getäuſcht worden, daß der Kopf des humerus von Natur vor das Gelenk hervorragt. A. Bare behandelt den Gegenſtand genauer und be— ſchreibt in einer höchſt bündigen Weiſe: 1) die Luration nach unten; 2) die nach vorn, die er für ſehr ſelten hielt, aber dennoch bei einer Nonne beobachtet hatte, welche aus dem Kloſter hatte entfliehen wollen und beim Springen aus dem Fenſter auf den Elnbogen gefallen war; 3) die Verrenkung nach oben, bei welcher, wie er angiebt, der Kopf des humerus unten an das Schlüſſelbein anſtöͤßt; 4) endlich die Luration nach außen, welche unſere Verrenkung unter das acromion iſt. Die vier Arten von Verrenkung des J. L. Petit entſprechen denen des Hippoerates und des A. Paré. Petit erkannte an: 1) eine Luxation nach unten; 2) eine nach außen (hinten); 3) eine nach innen, welche derjenigen des Hippocrates, Galen und Paré nach vorn entſpricht und unſere Verrenkung unter die apophysis co- racoidea iſt; 4) endlich eine Luration nach vorn, bei welcher der Kopf des humerus zwiſchen die apophysis co- racoidea und das Schlüffelbein gelangt. Dies iſt Paré's Verrenkung nach oben oder die luxatio intracoracoidea. Allein die Anſichten Petits weichen von denen der Alten inſofern ab, als dieſer Chirurg meinte, bei der Verrenkung nach unten lege ſich der Kopf des humerus an die Rippe des Schulterblattes an, und aus dieſem erſten Irrthume entſprang ein zweiter, nämlich die Theorie der ſeeundären Verrenkungen. Da es dem geraden Urtheile Petits nicht zuſagte anzunehmen, eine glatte und mit synovia überzogene Knochenkugel könne ſich lange auf der Rippe des Schulter— blattes im Gleichgewichte erhalten, ſo verfiel er auf die Idee der ſecundären Verrenkungen, in welcher Beziehung er bemerkt: Wenn die Luxation nach unten nicht alsbald wieder eingerichtet wird, ſo gleitet bei der geringſten Be— *) Archiv. de Med., I. c., pag. 295. Obs. XII. 148. VII. 16. 252 wegung der Kopf des humerus entweder nach außen oder nach innen, mehrentheils aber nach innen. J. L. Petit war der Anſicht, die Luration nach außen rühre immer von einer Veränderung der Luxation nach unten her; auch glaubte er an eine Verwandlung der Verrenkung nach unten in eine ſolche nach innen, ſowie an eine Verwandlung der Luration nach innen in eine ſolche nach vorn, ſo daß, ſeiner Anſicht nach, die Luxation nach unten die einzige wäre, welche con— ſtant primär eintritt, und die Lurationen nach außen und nach vorn die einzigen wären, welche ſich nicht in andere verwandeln können. Die Urſachen dieſer ſecundären Verrenkungen beſtehen, nach Petit, in neuen Stürzen oder Stößen, in Muskel- contractionen, in einem Mangel an Vorſicht von Seiten des Chirurgen beim Unterſuchen der Verletzung oder bei den Verſuchen der Reduction. Auf dieſe Weiſe entſtand alſo die Theorie der ſecun— dären Verrenkungen. J. L. Petit ließ die Wiſſenſchaft in dieſer Beziehung einen Rückſchritt thun, und deſſen Irrthü— mer wurden von Default nur theilweiſe berichtigt. Die— ſer bildete ſich von der Verrenkung nach unten eine richtigere Anſicht und erkannte, daß der Kopf des humerus, wenn er in dieſer Richtung verſchoben würde, ſich vor der langen Portion des m. triceps, zwiſchen dieſer und dem m. sub- scapularis, befinde, und ſah im erſtgenannten Muskel ein abſolutes Hinderniß der ſeeundären Verrenkung nach hinten. Auch betrachtete er die Luxation nach hinten oder außen als conſtant primär, erkannte aber, mit Petit, die ſecun— dären Verrenkungen nach vorn oder innen, ſowie nach oben an. Er ging ſogar einen Schritt weiter, als Petit, denn obwohl dieſer die Luration nach vorn (J. subelavieularis) als eine ſolche betrachtete, die häufig in Folge der Verren— kungen nach unten oder innen eintrete, ſo hielt er doch dafür, daß fie auch zuweilen primär entſtehe, während De- ſault der Meinung war, fie entſtehe ein für alle Mal erſt aus den Lurationen nach unten oder nach vorn. Übrigens war Déſault mit der Lage des Kopfes des humerus bei den verſchiedenen Verrenkungen genau bekannt; er wußte, daß derſelbe bei der Verrenkung nach vorn oder innen, ſowie bei der nach oben und vorn zwiſchen der fossa und dem m. subscapularis liegt, und er hat die Beziehungen dieſes Kopfes zu dem Schluͤſſelbeine und der apophysis co- racoidea bei der letzteren Luxation genau angezeigt. Boyer bekannte ſich zu den Anſichten ſeines Lehrers, welche auch während der erſten dreißig Jahre des laufenden Jahrhunderts faſt unbeſtritten gelehrt wurden. A. Cooper verſtand die Luration nach unten, die nach hinten und die J. subelavieularis, welche er Verrenkung nach vorn nannte, wie Deſault, und beſchrieb unter dem Namen der unvollſtändigen Luration eine Verſchie— bung, deren Darlegung von mehreren franzöſiſchen Chirurgen mißserftanden worden und die nichts anderes iſt, als die Verrenkung unter die apophysis coracoidea. Um ſich hiervon zu überzeugen, braucht man nur die 106te und 107te Be— obachtung des engliſchen Chirurgen nachzuleſen. Die letztere bezieht ſich auf eine alte Verrenkung, wo die neu entſtan— 253 dene Gelenkhöhle ſich am vordern Theile des Schulterblatt— halſes und an der unteren Fläche der apophysis coracoidea gebildet hatte. Übrigens ſagt A. Cooper, die unsollſtän— dige Luration unterſcheide ſich von der nach vorn dadurch, daß der Kopf des humerus ſich gegen die untere Fläche der apophysis coracoidea anlege, während bei der vollſtändigen Verrenkung nach vorn derſelbe gegen die innere Seite dieſes Fortſatzes getrieben werde. Wie kann man ſich deutlicher ausdrücken? Der engliſche Chirurg glaubte nicht an die Verwand— lung der einen Luration in eine andere. „Die Richtung der Verrenkung“, ſagt er, „bleibt dieſelbe, wenn die Ver— letzung nicht etwa durch eine außerordentlich ſtarke Gewalt— thätigkeit erfolgt iſt, und nach dieſer noch andere Gewalt— thätigkeiten Statt gefunden haben, welcher Fall indeß un— gemein ſelten iſt.“ Auf dieſem Standpunkte befand ſich die Wiſſenſchaft, und die franzöſiſche Schule bekannte ſich fortwährend zu den Anſichten Dejaults, als Hrn. Malgaigne anfing, ſich mit dieſer wichtigen chirurgiſchen Frage zu beſchäftigen ). Dieſer Wundarzt begann ſeine Arbeiten mit Studien am Cadaver und beobachtete erſt nachher am Krankenbette. Die Reſultate, zu denen Hr. Malgaig ne gelangte, ſind von der höchſten Wichtigkeit. Durch manche derſelben wer— den die Forſchungen ſeiner Vorgänger beſtätigt; andere ſind Malgaigne eigenthümlich. Der Mehrzahl nach find fie unbeſtreitbar, obwohl ſich gegen einige manche Erinnerungen machen laſſen. Die luxatio subscapularis des Hrn. Malgaigne ent— ſpricht der Deéſaultſchen Verrenkung nach oben und vorn, ſowie der Paréſchen nach oben und derjenigen, welche wir unter dem Namen luxatio intracoracoidea beſchrieben haben. Über dieſe Art von Verrenkung hat uns Hr. Malgaig ne nichts neues gelehrt; allein die luxatio subcoracoidea, welche offenbar Paré's Verrenkung nach vorn, Petits Verrenkung nach innen und A. Coopers unvollitändige Verrenkung iſt, hat er mit ungemeiner Genauigkeit beſchrieben. Er hat den ſchon vor ihm bekannten Symptomen dieſer Luxation drei neue von bedeutendem Werthe hinzugefügt, nämlich: die Drehung des Oberarmes nach außen, welche übrigens nicht conſtant iſt; das Vorſpringen des Kopfes des humerus und der apophysis coracoidea, woſelbſt derſelbe den großen Bruſtmuskel hebt, und die merkliche Verlängerung der vor— dern Wandung der Achſelhöhle, wenn man dieſelbe an ihrem freien Rande am Schlüſſelbeine mißt. Hr. Malgaigne hat mit Recht bemerkt, daß dieſe Verrenkung unter die apophysis coracoidea die gemeinſte Art ſei, daß fie voll— ſtändig oder unvollſtändig ſein könne. Er hat die Lage des Kopfes des humerus bei den verſchiedenen Verrenkungen des— ſelben genauer beſchrieben, als dies früher geſchehen. Er hat ermittelt, daß der Kopf ohne eine vollſtändige oder ſehr ausgedehnte Zerreißung der Capſel nicht in die fossa sub- scapularis oder fossa subspinalis gelangen könne, und nach— *) Memoire sur la determination du 9205 et du diagnostic differentiel des luxations scapulo-humerales, lu ä Academie de medecine, seance du 13. Jany. 1835, und Anatomie chirurgicale, T. II, p. 411 u. ff. 148. VII. 16. 254 gewieſen, daß kein bisher beobachteter Fall von Verrenkung nach hinten auf die luxatio subspinalis bezogen werden könne, indem die ſogenannten Verrenkungen dieſer Art weniger aus— gedehnte Verſchiebungen, meiſt unvollkommene Luxationen geweſen ſeien, die er luxatio subacromialis nennt. Neben dieſen klaren Beſchreibungen hat indeß Mal— gaigne auch manche Irrthümer verbreitet. Die Lage des Kopfes des humerus, ſagt er z. B., iſt bei der luxatio sub- coracoidea nicht immer genau dieſelbe; er liegt zuweilen einige Linien unter der apophysis coracoidea, und dann be— hauptet er, die von feinen Vorgängern als Luxationen nach unten beſchriebenen Verrenkungen ſeien luxationes subcora- coideae. Hr. Malgaigne erkennt zwar eine Luration nach unten an, allein er verſteht darunter eine ganz andere Art von Verrenkung, wie ſeine Vorgänger, deren Luration nach unten nicht ohne eine faſt vollſtändige Zerreißung der Capſel Statt finden kann. Es ſind ihm davon nur drei Beiſpiele, zwei an Leichen und eine am Krankenbette vorgekommen. Das Hauptſymptom dieſer Verſchiebung, ſagt er, muß eine Verlängerung von 1½ Zoll ſein, und in dem einzigen Falle, deſſen Symptome genau beſchrieben worden, war eine außerordentliche Beweglichkeit des Armes wahrzunehmen, welche auf die vollſtändige Zerreißung der Capſel hindeutete. Hr. Malgaigne hat hier unſtreitig die Deſault'ſche Be— obachtung im Auge, von der wir bereits angegeben haben, daß dabei wahrſcheinlich ein Irrthum in der Diagnoſe vor— gekommen ſei. Hierin kann ich nun Hrn. Malgaigne nicht bei— pflichten. Allerdings iſt die luxatio subeoracoidea gewiß häufig mit der 1. subglenoidea verwechſelt worden, allein das Vorkommen der letzteren Art bei Unverfehrtheit des obern Theiles der Capſel und des ligamentum coraco - hu- merale, durch welche der verrenkte Arm eine ſtarke Neigung nach außen, und eine charakteriſtiſche Feſtſtellung in dieſer Richtung erhält, unterliegt gegenwärtig keinem Zweifel *), und ich bin überzeugt, daß Hr. Malgaigne die Verrenkung unter die cavitas glenoidea häufig für die unter die apo- physis coracoidea angeſehen hat. In dieſer Anſicht werde ich durch die bereits erwähnte Behauptung Malgaigne's beſtärkt, daß bei der luxatio subeoracoidea der Kopf des humerus zuweilen einige Linien unter dem Rabenſchnabel liege. Bei meinen anatomiſchen Unterſuchungen habe ich nun aber, wie ich bereits bei Gelegenheit der Beleuchtung der luxatio subscapularis des Hrn. Velpeau bemerkt, mich von der Unmöglichkeit überzeugt, daß ſich der Kopf des hu- merus an der vordern Fläche des Schulterblatthalfes einige Linien unter der apophysis coracoidea feſtſetze. Wenn der Kopf des humerus vorwärts verrenkt iſt, ſo befindet er ſich in dem lockeren Zellgewebe, welches die Sehne des m. sub- scapularis von dem Halſe des Schulterblattes trennt, und da der obere Theil der Capſel das Oberarmbein oben zu— rückhält, ſo gleitet der Kopf nothwendig von unten nach oben, bis er gegen die apophysis coracoidea ſtößt, und ich bin überzeugt, daß in dem Falle, wo Hr. Malgaigne *) Man ſehe den Eingang dieſer Abhandlung. den Kopf des humerus einige Linien unter der apophysis coracoidea antraf, derſelbe ſich nicht auf der vordern Fläche des Schulterblatthalſes, ſondern auf der Fläche unter der cavitas glenoidea befand. Hr. Malgaigne irrt auch darin, daß er ſagt, bei jeder Verrenkung des Oberarmbeines werde man den Arm, wenn er dem Rumpfe nahe liege, verlängert finden ). Übrigens hat er ſich in ſeinem Trait& d’Anatomie chirurgi- cale, T. II, p. 426, über dieſen Punkt weniger beſtimmt ausgedrückt. Wir haben oben geſehen, daß bei der luxatio intracoracoidea ſtets eine merkliche Verkürzung Statt findet. Die luxatio subeoracoidea war alſo dem A. Paré, dem J. L. Petit und Deſault bekannt; denn eine Ver— renkung nach vorn oder innen, welche keine luxatio intra- coracoidea iſt, muß. eine J. subcoracoidea fein; allein dieſe Verf. haben dieſelbe ungenau beſchrieben und häufig mit der 1. subglenoidea verwechſelt. Beſſer beſchrieb fie A. Coo— per unter dem Namen der unvollſtändigen Luxation, und völlig genau beſchrieb ſie Malgaigne, indem er zugleich nachwies, daß fie die häufigſte unter allen Verrenkungen des humerus ſei, und daß ſie ſowohl unvollkommen als voll— kommen ſein könne. Die luxatio subglenoidea, welche häufig mit der J. subcoracoidea verwechſelt worden, hat L. J. Petit falſch verſtanden, während Default, Boyer und A. Cooper in anatomiſcher Beziehung einen vollkommen richtigen Be— griff von derſelben hatten, aber Malgaigne ſie wieder mißverſtand, da er zwar die Möglichkeit der Luxation nach unten nicht geradezu läugnete, aber ſie doch in einem an— dern Sinne nahm, als ſeine Vorgänger und ſie als eine vereinzelt daſtehende Verletzung, nicht als eine eigentliche Art der Verrenkung betrachtete. Dieſe Verrenkung iſt erſt durch die neueſten Forſchungen **) als Art in die Nofologie aufgenommen worden. Die luxatio subacromialis, welche ſeit den älteſten Zeiten unter der Benennung: Luxation nach hinten oder nach außen aufgeführt wurde, iſt fortwährend ziemlich genau beſchrieben worden. Die neueren Chirurgen haben nur die Lage des in dieſer Richtung verſchobenen Kopfes des humerus beſtimmter nachgewieſen, und überhaupt die Symptome dieſer Verletzung ausführlicher beſchrieben. Sie haben gezeigt, daß dieſe Luxation ebenſowohl unvollkommen, als vollkommen vorkommen könne, daß der in dieſer Rich— tung verrenkte Kopf des humerus unter der Wurzel des acromion bleibe und nicht in die fossa subspinalis eindringe. Deßhalb haben wir für dieſe Luxation den ihr von Hrn. Malgaigne beigelegten Namen angenommen. Die luxatio intracoracoidea endlich war A. Paré hin— *) Memoire lu à l’Acad. de Med. ) Man ſehe die Eingangs dieſer Abhandlung erwähnte Beobachtung des Hrn. Öuepratte und die des Hrn. Robert, ſowie meine Abhandlung über die Iuxgtio subglenoidea in den Recueils de la Soc. de chirurgie, p. 21 u. ff des Iſten Bandes. 148. VII. 16. 256 reichend bekannt, aber erſt Default wies die Stelle, welche der Kopf des humerus bei ihr einnimmt, genau nach, und die Chirurgen unſerer Zeit haben nur einige nähere Um— ſtände in Bezug auf die Nebenſymptome hinzugefügt. Allein woher rührt denn, bei ſolcher Ahnlichkeit der Doctrinen, die große Verwirrung, welche wir in den Schrif— ten hinſichtlich der Lurationen des humerus finden? Dieſe Verwirrung war unvermeidlich, ſo lange man die Verren— kungen mit Namen belegte, welche die Richtung der Ver— ſchiebung andeuteten. So iſt z. B. das Schulterblatt ſchräg nach außen und vorn gerichtet, ſo daß die eine Fläche des— ſelben nach hinten und außen, die andere nach vorn und innen ſteht. Von den Rändern der cavitas glenoidea iſt der eine der vordere und innere, der andere der äußere und hintere, und die Anatomen haben dieſe Ränder ſchlechthin den vordern und hintern oder den inneren und äu— ßeren genannt. Die einen mußten alſo dieſelben Luratio— nen, welche die andern ſolche nach innen und nach au— ßen nannten, ſolche nach vorn und nach hinten nennen. So kam es, daß die luxatio subcoracoidea, welche Paré mit dem Namen Luration nach vorn bezeichnete, von J. L. Petit Luration nach innen, von Default Luxation nach vorn und innen genannt ward, und daß die luxatio subacromialis, welche Hippokrates, A. Paré und J. L. Petit Luration nach außen nannten, von A. Cooper den Namen Luxation nach hinten und von Default Luxation nach hinten und außen genannt ward. Bei der luxatio intracoracoidea verſchiebt ſich der Kopf des humerus vorwärts und aufwärts, indem er zugleich der Medianlinie näher tritt. Deßhalb konnte ſie von A. Paré recht wohl Luxation nach oben genannt werden, während J. L. Petit und A. Cooper fie Luration nach vorn und Default Luration nach oben und vorn nannten. Benennt man aber die Luxationen nach der Lage, die der Kopf des humerus bei jeder Art in Bezug auf die ca- vitas glenoidea oder die benachbarten Theile des Skelets an— nimmt, ſo wird eine ſolche Verwirrung in der Terminologie vermieden. (Gaz. méd. de Paris, 21. et 24. Juin et 1. Juil- let 1848.) g n € (26) Über die Herzkrankheiten der Vögel hat Hr. Rayer durch vieljährige Forſchungen folgendes ermittelt: 1) alle Vögel, bei denen er bis jetzt ſolche Krankheiten beobachtet hat, wa— ren Männchen, obwohl er mehr Weibchen ſecirt hat als Männchen; 2) nur bei zahmen Vögeln hat er ſolche Krankheiten getroffen, und zwar nur bei Arten, welche ſich durch die Brunſt des Begat⸗ tungstriebes auszeichnen; nämlich der Haushahn, der 20—30 Hen⸗ nen genügen kann; der Faſanenhahn, der 10—12 Hennen begattet; der Haustauber, der bekanntlich äußerſt geil iſt; endlich der Mo⸗ ſchusenterich, der ſich ebenfalls durch ungemeine Geilheit auszeich— net. Auf dieſe Weiſe ſcheint zwiſchen den geſchlechtlichen Functio— nen und den Herzkrankheiten der Vögel eine nahe Beziehung obzu— walten, die auch beim Menſchen Statt finden dürfte. (Gaz. méd. de Paris, 14. et 17. Juin 1848.) - Bibliographiſche Neuigkeiten. 3. S. L. Hausmann, Handbuch der Mineralogie. Geſchichte der Mineralkörper. 2 Bde. 2. Ausg. Vandenhöck u. Ruprecht in Göttingen 1847. 2. Thl. Syſtem und gr. 8o. Geh. 6 Thlr. M. Langenbeck, üb. die Wirksamkeit der medicin. Polizei. Göttinger Studien 1847.) gr. 8°. Geh. % Thlr. in Göttingen 1847. (Abgedr. aus d. Vandenhöck u. Ruprecht Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 149. (Nr. 17. des VII. Bandes.) Auguſt 1848. Naturkunde. Bromfield, über die Flora, das Wetter u. ſ. w. der vereinigten Staaten von Nordamerica. — Mac Queen, neue Nachrichten über bisher unbekannte Gegenden des inneren Africa. — Miſcelle. Gerſtenart mit nacktem Samen. — Heilk unde. Récamier, Behandlung des ty⸗ phöſen Fiebers durch kalte Begießungen. — Cappelletti, varicöſes aneurysma in der Armbeuge; zweimalige Galvanopunctur; Entzündung ünd Gan⸗ grän des Sackes; Heilung. — arteria subelayig welche die Abweſenheit des n. recurrens veranlaßte. des pubis durch Muskelretraction. — Bibliographie. Dupin, über die Zunahme der Lebensdauer der Bewohner Frankreichs. — De 0 Cappelletti, Bruch des aufſteigenden Aſtes des ischion, ſowie des abſteigenden Miſcellen. Demarguay, Anomalie der Naturkunde. XXXVIII. Bemerkungen über die Flora, das Wet— ter u. ſ. w. der vereinigten Staaten von Nord- america. Von Wm. Arnold Bromfield. Am Wege nach dem North Valley Hill ſah der Verf. auf dem Glimmerſchiefer zwei Zwergeichen (die Quercus Ba- nisteri und O. Chinquapin) wachſen; der Stamm der erſtern wird ſelten armsdick, der der zweiten ſelten ſtärker als ein Finger, ihre Höhe ſteht in demſelben Verhältniß. Beide Eichen kommen meiſtens mit einander und zwar geſellig vor, ſie bedecken oftmals ganze Strecken des unfruchtbarſten Bo— dens, liefern indeß weder Nutz- noch Brennholz, werden dagegen durch die ungeheure Menge ihrer Eicheln als Futter— pflanzen ſehr wichtig. Die Bäreneiche (Quercus Banisteri), deren Früchte von N Bären ſehr geſucht werden, bildet auf dürftigem Boden Er 6 Fuß hohe, auf beſſerem, feuchterem Grunde 8 bis 0 Fuß hohe Büſche; man würde fie, wenn ihre Blätter ſie nicht kenntlich machten, für einen jungen Stamm einer höher werdenden Species halten. Die Quercus Chinquapin, mit einem dünnen hin und her gebogenen Stamm, wird ſelten über 2 Fuß hoch, ihre Blätter ſind unverhältnißmäßig groß, ihre niedrige Statur, ihr ſperriger Habitus und ihr großer Fruchtreichthum beſtimmen ſie als eigene Species. Bei der Zurückfahrt war die Luft am Abende ſehr kühl geworden; Hr. Townsend verjicherte den Verf., daß in dieſem Theile der vereinigten Staaten in jedem Monate um Mitternacht ein Nachtfroſt eintrete, der vor einigen Jahren am 11. Mai ſo bedeutend geweſen ſei, daß er den Frucht— bäumen viel Schaden zufügte. Die Nacht war zwar kalt, aber angenehm und mondhell, die Vögel ſangen in den hohen Bäumen der Landſtraße. No. 2129. — 1029. — 149. Eines Morgens ging der Verf. mit Dr. Darlington nach dem Serpentine Ridge unfern von Weſt-Cheſter. Hier fand er das ſchöne Talium teretifolium auf dem nackten Serpentinſteine wachſend; es würde auf trockenem Felsboden vielleicht als Zierpflanze zu cultiviren ſein. Auf demſelben Standorte blühte auch Atheropogon apludioides; zwiſchen den nackten Serpentinbänken grünte Seirpus (Fimbrystilis) Baldwinianus in reichlicher Menge empor. Außerdem fand der Verf. noch Polygala ambigua und verticillata, Lobelia Claytoniana, syphilitica und inflata (Lobelia cardinalis war überall gemein), Convolvulus panduratus, Cyperus diandrus, Asclepias verticillata u. ſ. w. Abutilon Avicennae war ſeit⸗ lich von einem Marktflecken, wo Darlington eine Varie— tät von Aretium Lappa mit fiederſpaltig getheilten Blättern aufſuchte, gemein. Der Verf. hatte leider die Special-No— tizen dieſer Ercurſton verloren. Im Garten eines Herrn Joſua Hooper, der mit gro— ßem Eifer und nicht minderem Glücke ſowohl in- als aus— ländiſche Bäume zieht, ſah der Verf. unter anderen intereſ— ſanten Sachen eine 6 Fuß hohe Pflanze von Tripsacum dactyloides, das von einem wilden Standorte hierher verſetzt war. Dies ſchöne Gras, das in ſeiner Größe und Structur einen ganz tropiſchen Charakter beſitzt, iſt nordwärts von Connecticut nicht mehr zu finden. Der Verf. machte die Bekanntſchaft des Dr. Rivinus, eines Nachkommen des deutſchen Botanikers gleichen Namens, der in Deutſchland geboren, ſich in Weſt-Cheſter als Arzt niedergelaſſen und feines Ahnherrn Liebe für die Pflanzen- welt geerbt hatte. In ſeinem wohlbeſtellten Garten zog er zwei engliſche Immergrün-Arten, die gut zu gedeihen ſchie— nen, doch im Winter eine Strohbedeckung verlangten, unter deren Schutz auch ein Exemplar der Lagerstroemia indica ſchon mehrere der Winter Pennſylvaniens durchlebt hatte. 17 259 In den ſüdlichen Staaten iſt dieſe Pflanze eine gewöhnliche Zierde der Gärten, wird dort 12 bis 15 Fuß hoch, während ihr glatter Stamm einen Durchmeſſer von 8 bis 10 Fuß erreicht. Am 14. Auguſt fuhr der Verf. mit Hrn. Townsend nach den Armen des Brandywine; der Weg ging durch romantiſche Wälder mit üppigem Culturlande abwechſelnd, über wohlhabende Landgüter und reiche Wieſen, deren Grün bei der naſſen Witterung des Jahres nicht hinter dem eng— liſcher Wieſen zurückſtand. Überall zeigten ſich die verhee— renden Wirkungen eines Orkans, der vier Tage früher auch in Weſt-Cheſter manches Dach abdeckte und in den Wäl— dern große Bäume umgeworfen hatte. Zu Philadelphia, wo der Orkan viel ſchwächer auftrat, kam er am 9. Auguſt zwiſchen 2 und 3 Uhr Nachmittags von S. W., die Atmo— ſphäre ward ſo verdunkelt, daß man in den Gaſthöfen das Gas anzünden mußte. Die plötzlich eintretende Finſterniß, die drückende Hitze und das zu elektriſchen Strömungen ge— neigte Klima ließen den Verf. ein noch viel heftigeres Ge— witter erwarten; überhaupt beobachtete er während des ganzen ſehr drückenden Sommers nur wenige Gewitterſtürme, und dieſe waren in ihrer Dauer und Heftigkeit mit den Gewittern Englands nicht zu vergleichen. Der Verf. ſammelte auf der erwähnten Excurſion die folgenden Pflanzen: Urtica cana- densis, Arum triphyllum, Impatiens pallida und I. fulva, Michella repens, Andropogon avenaceum, Panicum capillare, Leersia virginica, Boehmeria cylindrica, Lobelia syphilitica, L. cardinalis und inflata, Cuphea viscosissima, verſchiedene Solidago- Arten, Erigeron Philadelphicum, Eupatorium age- ratoides, Anychia dichotoma, Adianthum pedatum, Aspidium acrostichoides, Hamamelis virginica , Cephalanthus occiden- talis, Tilia glabra, Fagus ferruginea, Carpinus Americanus, Ostrya Virginica, Ulmus fulva und U. Americana. An den ſeichten Stellen des Brandywine, eines hübſchen maleriſchen Fluſſes, machte Townsend den Verf. auf Vallisneria spi- ralis und Podostemon Ceratophyllum aufmerkſam; letztere Pflanze haftete mit kleinen fleiſchigen Fortſätzen des Stammes auf unter dem Waſſer liegenden Kieſeln; Blüthenexemplare waren trotz der richtigen Blüthezeit nicht zu finden. Fagus ferruginea und Epiphegus Americana waren hier wie um Philadelphia nicht ſelten. An einem dunkeln Waldabhange wuchs der wahre Ginſeng (Panax quinquefolium), war aber auch hier, ſeinem einzigen bekannten Standorte in der Graf— ſchaft, nur ſparſam verbreitet. Die Pflanze hatte beinahe ausgeblüht, ihre hell ſcharlachrothen Früchte waren faſt ge— reift, ſie iſt in den am atlantiſchen Meere gelegenen Staaten überhaupt nur ſelten, kommt aber in den nordweſtlichen Staaten in reichlicher Menge vor und wird von dort in großen Quantitäten nach China erportirt, wo ſie, wie die Specereien der Tatarei, geſchätzt wird. Die friſche Wurzel hat einen etwas ſüßlichen, ſchwach aromatiſchen Geſchmack. Am 16. Auguſt ſchreibt der Verf. von Philadelphia: Dieſer Tag war äußerſt heiß und drückend: in den kühlen Zimmern des St. Jones-Hotel ſtand das Thermometer auf 850 F., in der St. Philipps und St. Andrews Kirche fühlten ſich ſowohl die Andächtigen beiderlei Geſchlechts, als 149. VII. 17. 260 auch der zu ihnen redende Geiſtliche durch Fächer von der Geſtalt eines Handfeuerſchirmes. Hr. Thomas P. James, Secretär der naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu Philadel— phia, führte den Verf. nach dem ſüdöſtlich von der Stadt gelegenen Standorte des ſeltenen Nelumbium luteum, das hier in einigen Teichen, welche das niedrige Wieſenland am Delaware durchſchneiden, in großer Menge wächſ't. Gemein— ſchaftlich mit dem Nelumbium fanden ſich hier die Pontede- ria cordata, Sagittaria sagittaefolia var. latifolia, Sparga- nium (Americanum ?), Zizania aquatica, Isnardia palustris und andere Wafferpflanzen zum Theil in Blüthe, zum Theil mit unreifen und zum Theil mit reifen Früchten. Das Nelumbium mit ſeinen großen, ſchildförmigen, 18 Zoll bis 2 Fuß im Durchmeſſer haltenden Blättern, die zum Theil auf dem Waſſer ſchwammen, zum Theil an langen Stielen mehrere Fuß über dasſelbe hervorragten, machte einen eigen⸗ thümlichen Eindruck; die Blüthen, welche an noch längeren cylindriſchen Stielen aus dem Waſſer ſehen, waren größer wie die Blumen der Nymphaea alba und von einer zarten, eitronengelben Farbe; fie ſind ſehr empfindlich. Die Blu: menblätter einiger vom Verf. in Waſſer geſetzten, dem Off— nen nahen Blüthenknoſpen fielen ab, noch ehe ſie zum Auf— blühen kamen. Die Früchte gleichen großen Mohnköpfen; die im September reifenden Samen, die von Knaben ge— ſammelt und auf dem Markte von Philadelphia als Wa— ter-Chinquapins verkauft werden, ſind eßbar; ihre Form wie ihr Geſchmack iſt den Früchten der Castanea pumila, die faſt zu gleicher Zeit als Chinquapins zu Markte kom— men, nicht unähnlich. Der Sage nach ſoll das Nelumbium von einem in einer früheren Zeit in dieſe Teiche gepflanzt ſein; der Verf. bezweifelt dieſe Angabe, da nördlich vom Ontario-See das Nelumbium in den vereinigten Staaten nirgends vorkommt. Obſchon nun die Marſchbildung, auf der wir es finden, ein ſpäteres Erzeugniß iſt, ſo beweiſen doch ähnliche Beiſpiele, daß ſich freiwillig auf noch unbe— kannte Weiſe neue Pflanzen auf ihnen zuſagendem Boden anſiedeln, überdies ſoll es bis jetzt nicht gelungen ſein, das Nelumbium weder an anderen ähnlichen Orten um wa delphia noch in Gärten zu verpflanzen. Am 17. Auguſt beſuchte der Verf. den Navy = 10 der, wie jedes öffentliche Inſtitut in America, jederma geöffnet iſt, ohne daß aus dieſer unbeſchränkten Erlaubniß irgendwie eine Unbequemlichkeit, wie es in England der Fall ſein wird, entſteht. Der Verf. wundert ſich, daß ſowohl hier wie in andern öffentlichen Gärten Americas, obſchon der Tagelohn ſo theuer und Arbeiter ſo ſelten ſind, nicht mehr Gebrauch von Maſchinen zur Unterſtützung der Men— ſchenhände gemacht wird, um ſo mehr, da die Americaner beſſer wie irgend eine Nation die Kraft der Maſchinen und namentlich die Dampfkraft zu benutzen verſtehen. In dem Hühnergarten wuchs am Waſſer Chenopodium glaucum, der in America als Seltenheit gilt und erſt in neuerer Zeit eingeführt zu fein ſcheint. Vier andere Cheno- podium-Arten: C. album, ambrosioides, anthelminticum und botryoides und eine fünfte, unſerem C. urbicum verwandte Art, wachſen um Philadelphia. * 261 Um 8 Uhr Morgens ging der Verf. mit Hrn. James in die monatliche Abendgeſellſchaft der Pennsylvania Horti- cultural Society, die in einem ſchönen geräumigen Saale gehalten ward. Die Geſellſchaft war zahlreich, die Aus— ſtellung der Blumen, Pflanzen und Früchte reich und ge— ſchmackvoll angeordnet. Am 18. Auguſt machte der Verf. mit Hrn. James eine botaniſche Ausflucht nach Quaker Bridge, einem Orte des unfruchtbaren Nadelholzreviers von New-Jerſey, deſſen Localflora ſehr reich iſt. Sie fuhren bei Camden, einem ſehr bevölkerten Dorfe, über den Delaware, nahmen dort einen vierrädrigen Wagen, der eben ſo leicht und ähnlich gebaut, wie der ſchon früher erwähnte Rockaway, war und eben ſo ſchnell und ſicher durch den tiefen Sand und über im Wege liegende Baumſtämme hinwegrollte. Um Camden wuchs Chenopodium murale, das ſonſt in America nicht be— kannt und wahrſcheinlich eingeführt iſt. Später fand der Verf. es auch zu New-York und eben jo um Norfolk und in Virginien; es war den Exemplaren von der Inſel Wight durchaus analog. Der Weg ging über Long-a-Coming und von da durch einen wilden Tannenforſt von Sümpfen unterbrochen, nach Batſto, einem kleinen Dorfe, das mitten in der Tannenhaide liegt. (Fortſetzung folgt.) XXXIX. Neue Nachrichten über bisher unbekannte Gegenden Innerafricas hat der, um die Kunde Africas hochverdiente Geograph Me. Queen nach Ausſagen eines Africaners, Namens Thomas Wogga (in dem Journal R. G. S., vol. XV, p. 374 sg.) mitgetheilt. Wogga, der jetzt in England lebt, hat vier— zehn bis funfzehn Jahre auf einem britiſchen Kriegsſchiffe gedient, und feine Freiheit von der Selaverei ungefähr ums Jahr 1815 oder 1816 erhalten. Er iſt aus einem Lande zu Hauſe, welches er Kimcoul nennt, und das, in ſo fern die Nachrichten, die er giebt, richtig ſind, in der Nachbar— 8 ef. der Tſchadda⸗Quellen, etwa unter 10% n. Breite und — 190 öſtl. Länge von Greenwich liegen muß. Von ſeiner Heimath aus bis Calabar war er genau 68 wirkliche Reiſetage unterwegs, und zwar ſtets in der Richtung der untergehenden Sonne. Die Länge eines jeden Tagemarſches kann auf mindeſtens 10 geographiſche Meilen, wenn nicht mehr, angeſchlagen werden. Seiner Angabe zufolge liegt Donga 6 Tagemärſche zu Fuß öſtlich von ſeiner Heimath. Er iſt dort geweſen bei Gelegenheit eines Krleges, den ſeine Landsleute mit Donga geführt haben. Dieſes Land hat ſehr viele Flüſſe, große und kleine; dieſe ſind aber nicht dieſelben, welche ſein Heimathland Kimcoul bewäſſern, viel— mehr fließen ſie in entgegengeſetzter, oder richtiger in ſüd— licher und weſtlicher Richtung. Wogga wurde wegen ſeiner Kunde dieſes Landes genau befragt, und er blieb ſtets bei der Behauptung ſtehen, daß er es vollkommen kenne. Er gab auch an, von einem Lande Namens Ferttih 149. VII. 17. 262 gehört zu haben, das öſtlich von ſeinem Lande und von Donga liege. Er nannte den Namen eines jeden Platzes oder Stadt, wo er Halt gemacht hatte, auf ſeiner Reiſe nach der Küſte. Er ſagte noch von Ferttih (Ferttee), daß es daſelbſt Gold und Silber im Überfluß gebe. In ſeinem Vaterlande Kimcoul giebt es einen Fluß, Namens Ayah, der breiter als die Themſe iſt. Er kommt von Oſten her und fließt nach Weſten oder der untergehen— den Sonne entgegen *). Sein Lauf von Kimcoul dich) aus geht zuerſt nach einem Orte (place) Namens Komſe, zwei— tens Mongell, drittens Pambe und viertens Mondell. Auf ſeinem Wege weſtwärts paſſirte Wogga mehrere Flüſſe, die aber alle kleiner waren (als der Ayah), mit Ausnahme eines einzigen auf der Mitte des Weges; und ſie floſſen alle in der Richtung ſich mit dem großen Fluſſe zu vereinigen. In dieſen Fluß fallen von beiden Seiten kleinere Flüffe. In der trocknen Jahreszeit iſt der große Fluß ungefähr drei Fuß tief. Es giebt keine Kanoes auf dem großen Fluſſe; entweder ſchwimmen die Leute hinüber, oder ſie paſſiren ihn auf Flößen. In der Regenzeit fällt ſehr viel Hagel, der drei bis vier Stunden lang liegen bleibt, bevor er ſchmilzt. Es giebt viele Berge, davon einige ſo hoch ſind, daß ſie be— ſtändig weiß ſind von Schnee oder Hagel. Zuweilen regnet es das ganze Jahr hindurch; zuweilen iſt es trocken. Alte Leute machen Regen, — machen Feuer an und bringen Opfer dar, um ihn herbeizuziehen. Viele Sternſchnuppen oder Kometen, dieſe laufen wie Schlangen und explodiren. Dies ereignet ſich, bevor die Könige ſterben. Donnerwetter ſind ſehr ſchwer und ſehr häufig. Es giebt viele Elephan— ten und Affen; die Affen ſind nicht arbeitſam (do no hard work). Es giebt viele Kühe und Pferde, allein ſie werden nicht zur Arbeit gebraucht. Es giebt viele Schafe, Ziegen und Tigerkatzen; in den Flüſſen viele Fiſche, die von Män— nern und Weibern in Netzen gefangen werden, welche man aus einer Art Garn oder Hanf verfertigt. Es giebt auch viele Krokodile und Alligatoren; die Leute eſſen ſie und auch das Guana; zuweilen verſchlingt das Krokodil Leute im Fluſſe. Es giebt viele große Bäume und eine Menge Buſch— werk. Die Häuſer werden rund gemacht, aus Erde erbaut, ganz bedeckt und haben kleine Feuerheerde. Sie haben viel Federvieh, jede Art wird beſonders eingeſperrt. Es giebt Guinea- und indianiſches Korn in Menge; eben jo Yams und ſüße Knollen von einer Art, die der Runkelrübe gleicht. Sie nehmen ſo viel Weiber, als ſie wollen; der König hat zehn oder noch mehr. Auch haben ſie viele Selaven, die entweder gekauft, oder im Kriege erbeutet werden. Es giebt daſelbſt auch eine große Menge gelber und brauner Leute — Gott hat ſie eben ſo wohl erſchaffen, als die Schwarzen. Die braunen oder rothfarbigen Leute kommen mit Kameelen, Sclaven ꝛc. zu kaufen; dieſe rothen führen die Kameele mit ſich, um ſelbſt darauf zu reiten und ihre Güter darauf zu transportiren. ») Dies ſteht im Widerſpruch mit der Richtung der Donga⸗Flüſſe, daher bei dieſen wohl N. und O. zu leſen ſein dürfte. *) Die Orthographie ik die englifche. 17 * 263 Sein Vaterland, fährt Wogga fort, — auf das ſich die vorſtehenden Angaben offenbar beziehen — führt Krieg mit verſchiedenen Nationen; — eine heißt Koome, eine an— dere Korré, eine dritte Komante und eine vierte Juke. Die letzteren ſind gezeichnet, wie die Neuſeeländer, — alſo täto— wirt. Alle dieſe Nationen ſind ſchwarz und ſprechen ver— ſchiedene Sprachen. In ſeinem (Wogga's) Vaterlande macht man Bilder von Holz, die angebetet werden; auch an Steine werden Gebete gerichtet. Das gemeine Volk macht ſeine Götzenbilder aus Thon. Es giebt auch ein großes Steinbild, das aber nur vom Könige und ſeinen Höflingen angebetet wird; dieſes Bild hat die Geſtalt eines Menſchen und auf jeder Seite ein Loch, um ihm auf dieſe Weiſe Eßwaaren, wie Fleiſch, Geflügel u. ſ. w. zu geben. Thomas Wogga iſt von dunkelſchwarzer Farbe, hat aber durchaus nicht die Geſichtsbildung des ächten Negers, eine platte Naſe, dicke Lippen u, |. w. Er iſt jetzt (1845) in Jahren weit vorgerückt, muß aber in jungen Jahren ein ſchöner Mann geweſen ſein. Seine Landeszeichen (country marks) ſind zahlreich und voll. Er beſchreibt die allgemeine Beſchaffenheit ſeines eigenen Bezirks (county) und derjeni— gen Gegenden, durch die er gereist iſt, mit ziemlicher Klar— heit; allein, wie jeder andere africaniſche Schwarze, kann er keine Erläuterung über Namen von Orten geben, die uns von anderswo her bekannt ſind, auch nicht mit gehöriger Genauigkeit von geographiſchen Richtungen und Entfernun— gen, mit Ausnahme von Oſten nach Weſten, oder von der auf- zur untergehenden Sonne, oder daß die Sonne nörd— lich oder ſüdlich des Weges war. Sein Reiſeweg läuft über folgende Punkte: Tage Von Kimcoul nach Uppe .. 1 Auzilliga . 1 Ocoom .. 7 (lange Märſche) Mouſookko 4 Ungwa .. 6 Uvangah . 30 (beſtändig unter Weges) Umbliſſe . 9 Neu-Calabar 10 Zuſammen 68 Tagemärſche. Uppe liegt eine Tagereiſe von dem großen Fluſſe Ayah. Bei Auzilliga iſt ein beträchtlicher Fluß, der aber doch klei— 149. VII. 17. 264 ner, als der Ayah iſt; er fließt weſtlich, um ſich mit dieſem zu vereinigen. Bei Ocoom fließt ein Fluß, Namens Mo— niah, nicht fo groß, als der Ayah. Ocoom liegt auf der Nordſeite des großen Fluſſes und nicht weit davon. Ocoom— Fluß nicht weit vom großen Fluſſe. Es giebt viele Yams und Tabak zu Ocoom. Es giebt keinen Fluß zu Mon— fooffo, aber viel Waſſer aus Quellen. Die Weiber haben hier ſehr große Köpfe. Es giebt hier große Berge, aber nicht fo große, als in feinem (Wogga's) Vaterlande (Kim- coul). Viel Buſchwerk. Ungwa iſt eine große Stadt an einem Fluſſe, der 20 Pards breit, aber tief iſt. Es giebt keinen Fluß zu Uvangah; es iſt eine große Stadt, mit vie— lem Buſchwerke innerhalb und außerhalb; es find da viele Berge in der Nachbarſchaft, einige groß, andere klein. Zwi— ſchen Ungwa und Uvangah iſt ein Fluß, der nicht durch— watbar iſt; man ſchwamm hinüber. Zwiſchen Uvangah und Umbliſſe giebt es keinen Fluß, das Land iſt bergig mit vie— lem Waſſer aus Quellen und Bächen. Von Umbliſſe nach Neu-Calabar iſt das Land flach. Auf dieſen Reifen führten die Leute der Karawane, ein jeder, Yams als Nahrungs— mittel bei ſich. (Berghaus Zeitſchr. f. Erdk. VIII. S. 471.) Miſcelle. 41. Eine Gerſtenart mit nacktem Samen, das heißt mit Körnern, die ſich beim Dreſchen von der Hilfe trennen, ward als Tibetgerſte von Bombay an den königl. Garten zu Kew ge⸗ ſandt. Dieſe Tibetgerſte, auch Hordeum coeleste genannt, iſt im Norden von Indien ſehr geſchätzt. Mit Hordeum coeleste bezeich— net man indeß auch eine Variekät der gemeinen zweizeiligen Gerſte mit nacktem Samen, die ſich nur durch letztere von ihr unterſcheidet. Da von der Tibetgerſte keine Ahren eingeſandt wurden, läßt ſich wenig beſtimmtes über die Art angeben; der Berichterſtatter hält fie für die kürzlich von Prof. Hens low als Hordeum Himalayense beſchriebene Gerſtenart, auf welche Wallich zuerſt aufmerkſam machte, und die nach Capit. W. S. Webb von den Eingebornen Oos⸗a genannt wird. Sie wächſ't, nach letzterm, nur auf dem Hochlande Indiens, liefert die größten Körner und iſt mehlreicher als irgend eine andere Art; die kräftigen Tataren leben faſt aus— ſchließlich von ihr. Das von der Hülſe befreite Gerſtenkorn gleicht, nach Webb, keinem anderen Gerſtenkorne; er glaubt, daß es ſich auf dem Hochlande Schottlands vortheilhaft anbauen ließe. Schon vor 12 oder 13 Jahren wurde dieſe Gerſtenart einzeln in Schott⸗ lands Gärten gezogen, Verſuche im großen wurden damals nicht angeſtellt. (The London Journal of botany, No. 76. 1848.) Heilkunde. (XXII.) Behandlung des typhöſen Fiebers durch kalte Begießungen. Bekanntlich hat Hr. Récamier die heftigſten acuten Fieber mit Glück durch die heroiſchſten perturbirenden Mittel behandelt, und zu dieſen gehört unſeres Bedünkens auch die Anwendung der kalten Begießungen gegen das typhöſe Fieber. Dieſe Methode, von deren gutem Erfolge unter ſeiner Leitung wir uns mehrfach perſönlich überzeugt haben, iſt im Hötel- Dieu jetzt ziemlich allgemein anerkannt. Übri— gens müſſen wir bemerken, obwohl es ſich faſt von ſelbſt verſteht, daß ſie nur nach beſtimmten ausnahmsweiſe Stat findenden Indicationen und zwar mit aller nöthigen Vort ſicht zur Anwendung kommt. Dies iſt insbeſondere bei de— 265 atariſchen Form und im letzten Stadium des typhöſen Fie— bers der Fall, wenn es ſich darum handelt, zugleich eine heftige Perturbation in den unregelmäßigen Functionen des Organismus und eine kräftige Reaction nach den peripheri— ſchen Organen zu erzeugen. In einem Falle dieſer Art haben wir unlängſt Hrn. Teſſier durch dieſe Behandlung eine wirklich unverhoffte Cur erlangen ſehen. Unter Um— ſtänden, wo die Reaction nur ſchwierig zu erhalten ſteht, läßt Hr. Teſſier auf Bruſt und Extremitäten Crotonöl einreiben, und dieſes Hülfsmittel hat ihm bis jetzt recht be— friedigende Dienſte geleiſtet. Auch in dem nachſtehend er— zählten Falle kam es zur Anwendung. Bösartiges typhöſes Fieber von atariſcher Form; durch kalte Begießungen und Einreibung von Crotonöl behandelt; Heilung. — Beobachtung. Am 8. Juli 1846 (1848 2) wurde ein 27jähriger Mann ins Hötel-Dieu gebracht und im Saale Saint-Lazare der Behandlung des Hrn. Teſſier übergeben. Der Patient war von mittelmäßig guter Con— ſtitution und offenbar nervöſem Temperamente. Er war erſt am 1. Juli vom Lande nach Paris gekommen und gleich nach feiner Ankunft von heftigem Kopfweh, Appetit⸗ loſigkeit und ſolcher Schwäche befallen worden, daß er ſich hatte legen müſſen. Auch verſpürte er ſtarke Hitze, welche fi) Abends ſteigerte und am Schlafen hinderte. Dazu ge— ſellten ſich Leibſchmerzen; der Zuſtand des Patienten ver— ſchlimmerte ſich bis zum 7. ſo ſehr, daß man ihn ins Hötel-Dieu brachte. Am folgenden Tage, am 9. Juli, fand ihn Hr. Teſ— ſier bei ſeinem Morgenbeſuche im nachſtehend beſchriebenen Zuſtande. Rumpf und Extremitäten ſteif, der Patient hat ſich die Nacht über ſo unruhig betragen, daß man ihn hat anbinden müſſen. Der Hals und Kopf ſind rückwärts ge— bogen, die Augen ſtier und ſchräg aufwärts gerichtet; Geſicht über den Backenknochen braunroth, übrigens blaß und miß— farbig; Pupillen erweitert und unempfindlich; Naſe kalt, wie beſtäubt; aus dem Munde fließt viel zäher Geifer; Lip— pen, Zunge und Zahnfleiſch trocken, rothbraun, ſchuppig und riſſig; Zähne ſchwarz, ſtark mit Unreinigkeiten belegt; Haut am ganzen Körper livid und mit einem kalten klebri— gen Schweiße bedeckt; Puls ſchwach, aber doch nicht ſo klein, wie man nach der Bedenklichkeit der übrigen Sym— ptome hätte vermuthen ſollen; 124 in der Minute; wegen des häufigen Sehnenhüpfens ließ er ſich ſchwer zählen. Ob— gleich die Hände des Patienten angebunden waren, bewegte er dieſelben häufig flockenleſend und dazwiſchen fanden con— vulſiviſche Zuckungen der Extremitäten Statt, welche dann wieder ſteif und contraet wurden. Bauch ſtraff und auf— gebläht; wenn man ſelbſt an den Stellen, welche gemeinig— lich die empfindlichſten ſind, darauf drückte, ſchien es der Patient gar nicht zu bemerken. An den oberen Theilen des abdomen, ſowie an den unteren des thorax bemerkte man eine gewiſſe Anzahl linſenförmiger roſenfarbener Flecken, welche, wenn man mit den Fingern darauf drückte, ver— ſchwanden und dann gleich wieder zum Vorſchein kamen. Stühle dünn, häufig und gleich dem Harne, unwillkürlich abgehend. In Betracht dieſer mit augenblicklichem Tode 149. VII. 17. 266 drohenden Symptome verordnete Hr. Teſſier eine Begie⸗ fung mit 10 Eimern friſchen Waſſers von 200 Centigr. Temperatur. Da die Haut ſo kühl war, daß ſich nicht hoffen ließ, ſie werde ſich durch die bloße Anſtrengung der Natur wieder erwärmen, ſo ließ Hr. Teſſier außerdem in den Rumpf und die Gliedmaßen 4 Grammen Crotonöl ein— reiben, um dadurch eine kräftige Reaction nach der Haut zu bewirken. Am 10. Juli hatte zuſehends gebeſſert. Der ſich der Zuſtand des Patienten ganze Körper war mäßig warm und die kalten Schweiße des geſtrigen Tages völlig ver— ſchwunden. Die Stellung des Patienten war weniger fteif, die Haut weniger livid, der Blick natürlicher und, gleich den übrigen Geſichtszügen, nur den Ausdruck von Stumpfheit, wie man ihn gewöhnlich bei Typhuskranken beobachtet, dar— bietend. Es fand noch einiges Sehnenhüpfen Statt. Der Puls war etwas breit, weniger häufig (116 Schläge). End— lich war der Zuſtand des Patienten nicht mehr fo gefahr drohend, ſondern nur in dem gewöhnlichen Grade dieſes Stadiums des typhöſen Fiebers bedenklich. An den ver— ſchiedenen Regionen, wo die Einreibungen vorgenommen worden waren, bemerkte man eine lebhafte Röthung der Haut- und Sitzblätterchen, welche anfangs mit dem Pocken— ausſchlage Ahnlichkeit hatten. Man fuhr mit denſelben Mitteln fort. Am 11. war die Nacht ruhiger verſtrichen, als früher. Im Laufe des Tages zeigte ſich die Betäubung vermindert und der Kranke gegen das, was um ihn her vorging, weniger gleichgültig. Die Haut bot eine mäßige Reaction dar. Puls 106. Mit denſelben Mitteln wird fortgefahren. Den 12. gab der Patient ſelbſt über ſeinen Zuſtand genaue Auskunft. Der Leib war weit weniger ſtraff, der Durchfall weniger ſtark. Puls 100. Die Begießungen und Einreibungen wurden weggelaſſen und man beſchraͤnkte fich auf Verordnung auflöſender Tränke. Am 13. hatte die Haut ihre lidide Färbung ganz ver— loren; die Zunge war von dem braunen Überzuge frei, aber noch roth und trocken. Der Patient klagte über Schwere im Kopfe, welche dem letzten Reſte der meningitis zuzu— ſchreiben war. Kein Stuhlgang. Auflöſende Tränke. Am 14. blieb der Verlauf der Krankheit gutartig. Puls 90, ziemlich gut entwickelt. Der Rumpf und die Ertremitäten zeigten ſich mit einem Ausſchlage von nabel— förmigen Puſteln bedeckt, welche von den Einreibungen her— rührten und ſich wie Pocken ausnahmen. Dieſelbe Be— handlung. Vom 15. bis 21. verſchwanden endlich alle Symptome allmälig, und ſobald kein Fieber und keine Diarrhöe mehr vorhanden waren, konnte man dem Kranken eine etwas ſtär— kendere Koſt zukommen laſſen. Die Reconsdaleſcenz hatte einen günſtigen Verlauf. (Gaz. med. de Paris, 5. Aoüt 1848.) 267 (XXIII.) Varicoſes aneurysma in der Armbeuge; zweimalige Galvanopunctur; Entzündung und Gan— grän des Sackes; Heilung. Von Hrn. Cappelletti. Der 76jährige Salomo M. wurde bei Gelegenheit eines Aderlaſſes an der art. humeralis verletzt. Als ihn Hr. C. drei Monate ſpäter beſichtigte, fand er eine Geſchwulſt von dem Umfange eines großen Hühnereies vor. Als er die darüber befindliche Arterie comprimirte, hörte die Geſchwulſt vollſtändig auf zu pulſiren. Man vernahm deutlich das eigenthümliche Pfeifen, welches durch das Überſtreichen des Blutes aus der Arterie in die Vene veranlaßt ward. Die art. radialis und cubitalis klopften in normaler Weiſe; die Hand war ein wenig ödematös und in den Fingern wurde Ameiſenlaufen verſpürt. Die Geſchwulſt war der Sitz von ſehr acuten, ausſetzenden Schmerzen neuralgiſcher Art. Nachdem Eisumſchläge, Compreſſion nach Guattaniſcher Art, ſowie ſolche der art. humeralis mittels des Signoroni— ſchen Compreſſors vergebens angewandt worden waren, ent— ſchloß ſich Hr. Cappelletti zur Galvanopunctur. Er ſtach alſo zwei Stahlnadeln, die mit nichts angeſtrichen waren, in die Geſchwulſt ſo ein, daß der Abſtand zwiſchen ihnen etwa 1 Zoll betrug. Dann ſetzte er dieſelben mit den beiden Polen einer Voltaiſchen Säule von 24 Platten (Plattenpaaren? elements) von 2 Zoll ins Gevierte in Ver— bindung. Es entſtunden lebhafte Schmerzen; binnen zehn Minuten ſchlug der Puls um 10 Schläge langſamer. Die Geſchwulſt wurde härter und das Klopfen undeutlicher; doch hörte es nicht ganz auf. Die Haut ward um die Nadel des Zinkpoles lividroth gefärbt. Die Nadel orydirte und ließ ſich nur ſchwer herausziehen. Um die Nadel des Ku— pferpoles, welche unangegriffen blieb, bildeten ſich Bläschen. Die Strömung war 35 Minuten unausgeſetzt unterhalten worden. Acht und vierzig Stunden nach der Operation wurden Eisumſchläge angewendet. Durch dieſe erſte Sitzung wurde weder Beſſerung noch Verſchlimmerung veranlaßt; nur ſchienen die Wandungen der Geſchwulſt feſter und das Klopfen undeutlicher geworden zu ſein. Das Pfeifen ließ ſich jedoch noch vernehmen. Siebenzehn Tage ſpäter ward die Galvanopunctur in derſelben Weiſe wiederholt und die Geſchwulſt dadurch noch derber, deren Klopfen aber noch dunkler und tiefer. Die nächſten 14 Tage nach dieſer zweiten Sitzung war eine außerordentliche Beruhigung wahrzunehmen. Die Ge— ſchwulſt war zwar noch da, aber ſchmerzlos. Der allge— meine Geſundheitszuſtand ließ nichts zu wünſchen übrig. Dann änderten ſich jedoch die Umſtände. Es traten heftige Schmerzen ein; die Geſchwulſt ward, ſtatt kleiner, von Tage zu Tage größer. Es trat Fieber ein, welches gegen Abend heftiger ward. Unter dem gewaltigen Odem, welches den ganzen Arm einnahm, ließ ſich das Klopfen und Pfeifen nicht mehr wahrnehmen. Die Geſchwulſt erhielt binnen einem Monate den Umfang des Kopfes eines 7monallichen Fötus. Die dieſelbe bedeckende Haut nahm eine violette Färbung an, und endlich löſ'te ſich ein Schorf ab, worauf 149. VII. 17. 268 indeß keine Blutung eintrat, ſondern nur große Blutgerinn— ſel abgingen. Nachdem ſich der Sack entleert, ging er in Eiterung über und wurde welk. Das Odem berſchwand, der Patient genas und die Bewegungen des Elnbogenge— lenkes kehrten in ziemlicher Vollſtändigkeit zurück. Gegen— wärtig fühlt man den Puls an der art. radialis und an der art. cubitalis ſehr gut, wiewohl dies an der art. hume- ralis, am obern Drittel des Oberarmes nicht der Fall iſt. Während die medieiniſchen Journale fortwährend Bei— ſpiele von der erfolgreichen Anwendung des Petrequinſchen Verfahrens mittheilen, gebührt es ſich, auch Fälle nicht zu verſchweigen, in welchen, wie hier, die Heilung auf eine andere Weiſe herbeigeführt wurde, die der Chirurg durchaus nicht vorhergeſehen hatte, und die große Gefahr mit ſich führte. Allerdings findet ſich in der Geſchichte der hämo— plaftifchen Galvanopunctur bis jetzt nur dieſer Fall aufge— zeichnet, in welchem ähnliche Zufälle vorkamen, und obgleich derſelbe bei ſeiner Vereinzelung keinen haltbaren Einwurf gegen die Anwendung dieſes Heilverfahrens begründet, ſo läßt ſich doch nicht läugnen, daß er eine neue Gefahr des— ſelben enthüllt. Es iſt in der That nicht gleichgültig, ob die Heilung durch die Coagulation des in dem Sacke ent— haltenen Blutes oder durch die Vereiterung des Sackes er— folgt; denn im letzteren Falle findet ſtets die Gefahr einer Hämorrhagie Statt, wenn die Geſchwulſt aufbricht, bevor das Gefäß über dem Sacke obliterirt iſt. Auch iſt die nach— folgende Eiterung keineswegs gefahrlos. Wir erkennen übrigens bereitwillig an, daß die Gal— vanopunctur in dieſem Falle die Gefahr des freiwilligen Aufbrechens der Geſchwulſt durch Herbeiführung der Obli— teration der art. humeralis vermindert habe; allein demun— geachtet müſſen wir das oben ausgeſprochene Bedenken in— nerhalb der bezeichneten Grenzen für wohl begründet halten. Die Gefahr des Eintretens des angedeuteten Zufalles gehört zu den Umſtänden, welche die Galvanopunctur beſonders unſicher machen; denn wenn nach dem Urtheile des Chirur— gen die Galvanopunctur angemeſſener iſt, als das Unter— binden, ſo liegt dieſer Anſicht vielleicht öfters das vorgerückte Alter oder die Schwächlichkeit des Patienten zu Grunde, wegen deren man ihn nicht für fähig hält, eine blutige Operation zu ertragen. Im obigen Falle läßt ſich z. B. annehmen, daß Hr. Cappelletti dieſe Methode bei einem 76jährigen Greiſe nicht angewandt haben würde, wenn er vorausgeſehen hätte, unter was für bedenklichen und lang— wierigen Umſtänden die Heilung erfolgen würde. Wenn aber unter ähnlichen Conjuncturen gegen alle Vorausſicht Entzündung und Gangrän des Sackes eintreten, ſo iſt dieſer Erfolg eines wegen ſeiner Harmloſigkeit gewählten Mittels gerade um ſo bedenklicher, als ſich der Patient um ſo weni— ger im Stande befindet, dergleichen Zufälle zu überſtehen. (Gaz. med. de Paris, 29. Juillet 1848.) 269 (XXIV.) über die Zunahme der Lebensdauer der Bewohner Frankreichs. Von Herrn Charles Dupin. Der Verf. hat am 12. Juni d. J. der Akademie der Wiſſenſchaften eine Arbeit vorgelegt, welche über die Zunahme der Lebensdauer der Franzoſen von 1776 bis 1843 incl., alſo während 67 Jahren Auskunft giebt. Aus den verglei— chenden Berechnungen des Hrn. Dupin ergiebt ſich, daß dieſe Zunahme durchſchnittlich auf das Jahr 60 ½ Tage be— trägt. Er betrachtet dieſen Zeitraum in zwei Abſchnitten, den von 1776 — 1803 und den von 1803 — 1843. Da dieſe Zunahme während eines langen Zeitraumes ſtätig Statt gefunden hat, ſo läßt ſich annehmen, daß noch lange Zeit vergehen werde, ehe dieſes Wachsthum der mitt— lern Lebensdauer verſchwindet oder merkliche Verminderung erleidet. Indeß hat Hr. Dupin auffallende jährliche Schwan— kungen rückſichtlich der Lebensdauer ermittelt. In den Jahren 1803 — 1843 hat z. B. die Verlängerung der Lebensdauer im Jahre 1823 am wenigſten zugenommen. Vor dem Jahre 1813 war die Zunahme bedeutender, als die durchſchnittliche Zunahme des Zeitraumes von 1803 — 1843, von 1813 — 1836 aber geringer, als die durchſchnittliche Zunahme von 1803 — 1843. Betrachtet man das Hauptreſultat, jo ergiebt fich eine conſtante mittlere Zunahme der Lebensdauer, welche offenbar auf ein fortwährendes regelmäßiges Steigen des Wohlergehens und Geſundheitszuſtandes der Bevölkerung Frankreichs zu ſchließen geſtattet. Dieſe Verbeſſerung während 67 Jahren erzeugt eine Vermehrung der Lebensdauer, die nicht weniger als 11 Jahre beträgt. Wollte man die Lebensdauer nur nach dem Ver— hältniſſe der Totalbevölkerung zu der Zahl der jährlichen Geburten beurtheilen, fo würde deren Zunahme 9%, Jahr betragen. Man wird dieſe gewaltige Veränderung in den Lebens— verhältniſſen der Franzoſen weniger auffallend finden, wenn man fünf auf einander folgende Jahre zu Anfang des frag— lichen Zeitraumes mit dem unglücklichſten Jahre der neuern Zeit, nämlich 1832, wo die aſiatiſche Cholera in Frankreich graſſirte, vergleicht. In fünf auf einander folgenden Jahren des 18ten Jahr— hunderts, während deren keine erhebliche Seuche die Bevölke- rung Frankreichs decimirte, iſt die jährliche Zahl der Todes— fälle um 9167 auf die Million ſtärker, als im Jahre 1832. Der Verluſt an Menſchenleben zeigt ſich im 18ten Jahrhun— dert um 33 Procent ſtärker, als der im 1 ten Jahrhundert in dem böſen Cholerajahre erlittene. Vergleicht man fünf der günſtigſten Jahre des 1 8ten Jahrhunderts mit dem Jahre 1832, ſo findet ſich noch immer für die erſteren ein Überſchuß der Sterbefälle von 10 Proc. Um uns von dem Schickſale der Franzoſen im 1Sten Jahrhunderte einen noch genauern Begriff zu bilden, haben wir die Totalzahl der Sterbefälle während der 15 Jahre zu— ſammengefaßt, über welche man in den Druckſchriften der 149. VII. 17. 270 Akademie Auskunft findet und gefunden, daß auf eine Million Einwohner 33,840 Todesfälle kommen. Nachdem wir nun durch dieſe Unterſuchung die That— ſache feſtgeſtellt haben, daß ſich die Lebensdauer in Frankreich ſeit 2/3 Jahrhundert ſehr bedeutend verlängert hat, wollen wir näher unterſuchen, wie es ſich mit dieſer Zunahme von 1801 — 1845 verhält, über welchen Zeitraum wir fortlau- fende und vollſtändige ſtatiſtiſche Documente beſitzen. Im Jahre 1824 betrug die ſtufenweiſe fortſchreitende Fe ek des Lebens am wenigſten, nämlich nur 19 ½ 0 ag * Vom Jahre 1824 muß man um 11,58 Jahre, d. h. bis zum Jahre 1813 zurückgehen, um die durchſchnittliche Verlängerung der Lebensdauer während der 45 Jahre von 1801-1845, d. h. 60%, Tag zu finden. Eben ſo muß man um 11,58 Jahre, d. h. bis zum Jahre 1836 vorwärts gehen, um wieder zu der mittlern Ver— längerung der Lebensdauer während der 45 Jahre zu ge— langen. Von 1803 - 1813, ſowie von 1836 — 1843 nahm die Verlängerung der Lebensdauer weit raſcher zu, als von 1813 — 1836. Welchen phyſiſchen oder ſocialen Umſtänden ift aber die große Ungleichheit in den eben angeführten verſchiedenen Pe— rioden hauptſächlich zuzuſchreiben? Die Jahre 1801 — 1803 waren Friedensjahre. Große Schlachten kamen erſt von 1804 — 1806 vor. Der Einfluß des Krieges gehört beſonders der erſten Periode (1803 — 1813) an, während in den drei letzten faſt allgemein Friede herrſchte. Die Kuhpockenimpfung äußerte ihren ſtärkſten Einfluß auf die Verlängerung der mittlern Lebensdauer während der erſten Periode (1803 — 1813), und ſchon gegen das Ende derſelben hin mußte er ſich vermindern. Von 1813 oder, wenn man will, 1815 an, wo die großen ſtörenden Urſachen aufhörten, bemerkt man dennoch in dem Fortſchreiten der Lebensverlängerung außerordentliche Schwankungen, indem es von 1813 — 1824 von 60 auf 19 Tage fällt und dann von 1824 - 1835 wieder von 19 — 60 Tage ſteigt, ja ſich von 1836 — 1843 von 60 — 130 Tage hebt, alſo ſich binnen 7 Jahren mehr als ver— doppelt. Was für Urſachen mögen außer dem Kriege von 1803 — 1815 und außer dem Frieden von 1815 — 1824 ein- gewirkt haben? Der Verf. hat ermitteln wollen, ob die beiden Hunger— jahre 1817 und 1818 auf die Verminderung der ſtufenweiſen Zunahme der Lebensdauer von 1813 — 1824 Einfluß ge= äußert haben; allein es hat ſich gezeigt, daß die Sterblichkeit gerade in dieſen Nothjahren geringer war, als in zwei Jah— ren, wo die Lebensmittel wohlfeil waren. Hr. Dupin macht auch noch auf einen ſehr merfwür- „) Oben ift das Jahr 1823 als ſolches angeführt. Überhaupt iſt unſer Original für mancherlei Irrungen in den Zahlen verantwortlich. Der Überſetzer. 271 digen Umſtand in Betreff der Sterblichkeit in der Periode von 1824 — 1836 aufmerkſam. Schon ſeit 7 Jahren vor dem Erſcheinen der Cholera ſtieg die Sterblichkeit auffallend, was ſich aus der Verglei— chung mit den vorhergehenden 7 Jahren ſehr deutlich ergiebt. Welche Urſache lag nun dieſer ſchleunigen Vermehrung der Sterblichkeit, welche auf das Jahr ein Mehr von 51,800 beträgt, zu Grunde? In den erſten Jahren, welche auf die Revolution von 1830 folgten, haben einige hemmende Urſachen, vielleicht die politiſche Unruhe oder Verarmung, eingewirkt; aber von 1834 an waren dieſe Urſachen verſchwunden. Seit 11 Jahren blieben die politiſchen Inſtitutionen die nämlichen; Künſte und Landwirthſchaft waren in ſteigender Entwicklung, ohne daß jedoch eine wichtige Entdeckung, z. B. eines allgemein anwendbaren Nahrungsſtoffes, Statt gefunden hätte, durch welche die Lebensweiſe des Volkes tiefgreifend verändert worden wäre. Wir wenden uns nun insbeſondere an die gelehrten Arzte, um Aufſchlüſſe über die periodiſche Hemmung und Beförderung der Verlängerung der Lebensdauer zu erlangen. Entſprechen die Perioden von 11 — 12 Jahren, von denen oben die Rede geweſen, etwa einer weſentlichen Ver— änderung in dem Geſundheitszuſtande, in der Diät der Fran— oſen? Ai Haben etwa in den Perioden, wo ſich eine Verzögerung in der Zunahme der Lebensdauer herausgeſtellt hat, wichtige Krankheiten geherrſcht, deren Einfluß ſich in den Perioden, wo die Zunahme wieder raſcher fortſchritt, gelegt hat? Welche Rolle haben etwa äußere veränderliche Potenzen, . B. die Witterung und andere meteorologiſche Umſtände dabei geſpielt? Iſt dies nicht eine Forſchung, welche für die Menſchheit und im beſondern für Frankreich die wichtigſten Aufſchlüſſe liefern kann, und lohnte es nicht die Mühe, dieſelbe zu einer Preisfrage zu machen? Ich würde mich ſehr glücklich ſchätzen, wenn die Reſul— tate, zu denen ich lediglich durch Berechnung ſtatiſtiſcher Zahlenverhältniſſe gelangt bin, auf dieſe Weiſe zu Forſchungen anregten, welche für Wiſſenſchaft und Menſchenglück ſehr erſprießlich zu werden verſprechen. (Gaz. med. de Paris, 21. et 24. Juin 1848.) 149. VII. 17. 272 Miſcellen. (27) Eine Anomalie der arteriasubelavia, welche die Abweſenheit des nervus recurrens veranlaßte, hat Hr. Demarquay, Proſector der Pariſer medieiniſchen Fa⸗ cultät, beobachtet. Man hat, bemerkt derſelbe, mehrmals Abwei— chungen hinſichtlich des Urſprunges der rechten arteria subelavia beobachtet, und es kam beſonders darauf an, durch anatomiſche Präparate darzuthun, daß dieſe Arterie theilweiſe durch einen an— dern Stamm erſetzt wird, der vom linken Theile der Krümmung der aorta ausgeht, und daß dieſer Stamm entweder vor oder hin— ter der Luftröhre, ja zuweilen ſelbſt hinter der Speiſeröhre auf— ſteigt. Dieſe Anomalie zieht eine andere, nämlich rückſichtlich des Entſtehens des nervus recurrens nach ſich, für welchen dann dieſer Name nicht mehr paßt, weil er ſich nicht um das Gefäß herum— biegt, um dann in die Höhe zu ſteigen. Der n. laryngeus infe- rior ſcheint dann zu fehlen; wenn indeß dieſes Verhältniß Statt findet, jo erkennt man beim Verfolgen der Vertheilung der Ner— venfäden, daß fie wirklich in das Gewebe der Speiſe- und Luft— röhre eindringen. Wenn ſie bis zur Höhe der Baſis des Kehl— kopfes gelangt ſind, ſo geht von ihnen ein ſtärkerer Zweig ab, welcher den n. laryngeus inferior wirklich erſetzt und ſich mit den von dem n. pneumogastrieus ausgehenden nn. cardiaci verbindet. Dieſer Umſtand hat hinſichtlich der operativen Chirurgie Intereſſe, da es beim Unterbinden der urſprünglichen carotis vorkommen kann, daß eine gewiſſe Anzahl von Nervenfäden verletzt wird, die vom pneumogaſtriſchen Nerven nach den oben erwähnten Organen ſtrei— chen, und in dem Falle, wo die Ligatur um das Ende des genann⸗ ten Gefäßes gelegt würde, der den n. laryngeus inferior repräſen⸗ tirende Zweig, welcher der wichtigſte darunter iſt, weil er zur Bildung des plexus pulmonaris und cardiacus beiträgt, mit unter⸗ bunden werden konnte. (Gaz. med. de Paris, 5. Aoüt 1848.) (28) Ein Bruch des aufſteigenden Aſtes des ischion, ſowie des abſteigenden des pubis durch Muskelretrac⸗ tion iſt von Hrn. Cappelletti bei einem 54jährigen Manne beobachtet worden, welcher von einem Fuhrwerke, deſſen Pferde durchgingen, herabgeſprungen war, wobei deſſen Füße zuerſt mit dem Erdboden in Berührung gekommen waren, während ſich eines der Beine im höchſten Grade der Abduction befand. Der herbei— gerufene Chirurg fand den oberen Theil des Schenkels gewaltig geſchwollen und ſchmerzhaft, aber nachdem eine Zeit lang allgemeine und örtliche antiphlogiſtiſche Mittel angewandt worden waren, konnte der Patient ſeine Reiſe fortſetzen. Als ihn Hr. C. ſechs Monate nach dem Unfalle zu Trieſt ſah, fand er am inneren und oberen Theile des rechten Schenkels eine geringe Geſchwulſt, die gegen Berührung ſehr empfindlich war, während Druck auf die rechte tuberositas ossis ischii ebenfalls lebhafte Schmerzen veran— laßte. Man fühlte daſelbſt einen 2½ Zoll langen, fingerdicken beweglichen Knochen. Der Kranke hinkte und fühlte beim Gehen Schmerzen, welche ſich verſtärkten, wenn er den Schenkel in Ab— duction bewegte. Hr. C. erkannte bei genauer Unterſuchung in dieſem beweglichen Knochen den aufſteigenden Aſt des ischion und den abſteigenden des pubis, welche durch die Muskelcontraction vom Becken abgebrochen waren, und der kreisförmige Höcker, wel— cher ſich an der Vereinigungsſtelle beider Aſte beſindet, ließ ſich deutlich fühlen. (Gaz. med. de Paris, 29. Juillet 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. College de France. Cours sur V’histoire et la littérature des sciences me- dicales; par le docteur Ch. d’Aremberg. Deuxieme année. Cinquieme le- con. In 8° de trois quarts de feuilles, plus un tableau. Paris 1848. De l’acelimatement et de la colonisation en Algerie, au point de vue statisti- que; par M. E. Foley, médecin à l’höpital du Dey. In 8° de 3 feuilles. Alger, chez Dubos freres, Marest et Bastide 1848. Bibliotheque du medeein-pralicien, ou Resume general de tous les ouyrages de clinique médicale et chirurgicale, de toutes les monographies, de tous les memoires de medecine et de chirurgie pratiques anciens et modernes pu- blies en France et ä l’etranger; par une societe de medeeins, sous la di- rection du docteur Fabre, redacteur en chef de la Gazette des höpitaux. Tome VIII. Traite de la maladie de la peau et des ses appendices. In 8 de 41 feuilles /, Paris chez Bailliere 1018 (Prix du volume 8 fr. 25 ct.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 150. (Nr. 18. des VII. Bandes.) September 1848. Naturkunde. Whittleſey, über das Diluvium und Alluvium des Ohio Staates und des Weſtens von Nordameriea. — Miſcellen. Mallet, neues Reinigungsverfahren des Leuchtgaſes. Kilburn, dunklerer Silberüberzug für Doguerrotypplatten. — Heilkunde. Cunier, Fall von während des Gebärens eingetretener Amauroſe. — Flarer, Wiedererzeugung der Hornhaut nach Erophthalmie. — Miſcelle. Boſi und Gambari, Antagonismus zwiſchen den Wechſelſiebern, den Scropheln und der Lungenſchwindſucht. — Bibliographie. Naturkunde. XL. Über das Diluvium und Alluvium des Ohio— Staates und des Weſtens von Nordamerica, Von Charles Whittleſey. Der Verf. berichtet in dieſer Abhandlung über ſeine am Ohio und im weſtlichen America unternommenen geogno— ſtiſchen Unterſuchungen. Wir entnehmen ſeine Arbeit der No. 14 des American journal of science and arts von 1848. Im Ohio Staate liegen die Dilusial- und Alluvial- niederſchläge auf den geſchichteten Geſteinen in folgender Ord— nung. Auf das geſchichtete Geſtein folgt zuerſt ein blauer feſter Lehm (blue hard pan) in unbeſtimmter Anordnung (No. 1); ihm folgt ein gelber feſter Lehm eben ſo unregelmäßig an— geordnet (No. 2); auf dieſen Sand- und Kiesgerölle mit einzelnen großen Granitblöcken (No. 3). Auch dieſe Schicht richtet ſich eben ſo wenig nach dem unten liegenden geſchich— teten Geſtein als nach den beiden erſt genannten Schichten. Auf ſie folgt das Thalgerölle, das zum größten Theil aus Abfällen der benachbarten Felſen beſteht und die niedrigen Thalgegenden einnimmt (No. 4). Die Niederſchläge der Landſeen bilden die fünfte Schicht (No. 5), ſie bedecken das Bette der Seen; beim Erieſee trennt man ſie in blauen Mergelſand und groben Sand und Grand. Als ſechste Schicht 4 die Blöcke (No. 7) und als ſiebente das Alluvium (No. 8). Dieſe verſchiedenen Schichten treten indeß nicht überall und in gleicher Reihenfolge auf; über ausgedehnte Flächen bildet indeß der blaue Lehm (pan) die unterſte das geſchich— tete Geſtein zunächſt bedeckende Schicht. Auf den blauen Lehm folgt meiſtens der gelbe; fehlt erſterer, ſo liegt der letztere auf dem geſchichteten Geſtein; auf ihn folgt dann der angeſchwemmte Sand, der in vielen Gegenden des Staa— tes die Oberfläche bildet. Die blaue und gelbe Lehmſchicht No. 2130. 1030. — 150 wird an den niedrigen Stellen immer ſchwächer und ver— ſchwindet zuletzt gänzlich; das geſchichtete Geſtein iſt dort mit angeſchwemmten Maſſen überdeckt; dies gilt namentlich für die Grafſchaften Columbien, Stark, Wayne und Rich— land, deren lockerer warmer Boden leicht zu bearbeiten iſt und ſich zum Getraidebau vortrefflich eignet. Die Dicke der drei genannten Schichten iſt ſehr verſchie— den, ſelten beträgt die Mächtigkeit einer Lage über 100 Fuß; wo die gelbe Schicht die Oberfläche bildet, gräbt man in ihr noch Waſſer; ſie iſt in den am höchſten gele— genen Theilen des Staates am mächtigſten und erhebt ſich 600 bis 800 Fuß über den Erieſee oder 1150 bis 1350 Fuß über den Meeresſpiegel. Die mit No. 1 bezeichnete erſte Schicht iſt eine ſehr feſte aus Thon, Mergel und Sand beſtehende Maſſe, welche eine große Menge kleiner Waſſerthiere, zerſtoßener und ab— geriebener Kieſel, hauptſächlich aber Bruchſtücke von Kalk und Urgeſteinen einſchließt. In ihr finden ſich ſiluriſche und ſecundäre Felsgeſteine; ihr Kalkgehalt iſt ſo groß, daß fie mit Säuren aufbrauft und, wo fie zu Tage gefördert und über Acker verbreitet wird, eine üppige Vegetation her— vorruft. Die Schicht hat eine dunkelblaue Farbe und iſt durch das in ihr vorkommende Holz, durch Blätter und Zweige ausgezeichnet. Die Maſſe iſt ſo feſt, daß ſie kein Waſſer eindringen läßt und ſchwierig zu bearbeiten; das Waſſer ſammelt ſich, wenn es durch die über ihr liegende gelbe Thonſchicht gedrungen iſt, an ihrer Oberfläche. Die in ihr enthaltenen Kieſel ſind nur zum Theil abgerundet; ihre weder ſphäriſche noch elliptiſche Form beweiſ't, daß ſie nicht ſo lange bewegt und nicht ſo weit transportirt wur— den, wie die in No. 3 enthaltenen Kieſel. Die Schicht No. 2 iſt eine compacte dunkelgelbe Maſſe, welche weniger Stein- und Nun,; auch weniger 275 weniger Kalk, aber mehr thonartige Stoffe enthält; ſie iſt nicht ſo feſt, wie die vorhergehende blaue Schicht, wird vom Waſſer durchdrungen und enthält mehr und größere Stücke primitiver Felsgeſteine. Die iu ihr enthaltenen Granit— und Gneißfragmente werden indeß ſelten über einen Fuß groß, die Quarze und quarzartigen Geſteine erreichen eine viel bedeutendere Größe. Dieſe Schicht iſt viel ausgedehnter als die vorhergehende, doch nicht ſo verbreitet als die fol— gende; ſie bildet einen feſten für Graswuchs geeigneten Bo— den. Die Oberfläche der flachen nordweſtlichen Gegenden und der Wieſengründe des Ohio-Staates wird durch dieſe Schicht gebildet. In der dritten als Sand- und Kieſelgerölle bezeichneten Schicht iſt eine regelmäßige Schichtung kaum zu erkennen; ſie beſteht aus kleinen Stücken groben Sandes und Kieſels, die ohne beſtimmte Anordnung durch einander geworfen ſind und einen lange fortgeſetzten heftigen Waſſereinfluß bekunden. Der Sand iſt grob, aber nur wenig abgeſchliffen, weder rund noch glatt; die erdigen Stoffe ſind zur Hälfte durch einen Gehalt von Eiſenoryd röthlich oder gelb gefärbt. Sämmt— liche Felsgeſteine Nordamericas find in dieſem Grandgemenge repräſentirt: in ihm findet man Quarz, Trapp, Granit, Gneiß, Conglomerate, Kalkgeſteine jedes Alters, Eiſenerze, Schiefer, Kohle und Sandſtein. Pflanzenüberreſte ſind in dieſer Schicht nur ſelten. Die vierte Schicht, das Thalgerölle (Valley drikt) der Hauptſtröme gleicht im Außeren den Niederſchlägen der ſo eben beſchriebenen dritten Schicht; ſie gehört indeß einer ſpäteren Periode, wo ſich das Waſſer in beſtimmte Bette zurückgezogen hatte, an. Die Schicht iſt mehr ſandiger als erdiger Natur, der Grand mehr localen Urſprungs. In dem Thale des großen Miami und namentlich in dem niedrigen Theile desſelben, z. B. im Stadtbezirke von Whitewater in der Grafſchaft Hamilton im Staate Ohio, iſt dieſe Grandſchicht über 18 Fuß mächtig; die Steinchen, welche ſie bilden, gehören ſämmtlich der Kalkformation der dortigen Gegend an. Dasſelbe gilt vom Thale von Scioto. Am Muskingum, einem Strome, der die Kohlenformation durchſchneidet, beſteht der Grand aus verſchiedenen, ſämmtlich jedoch der Kohlenformation angehörenden Geſteinsarten. Ei— gentliche Sandlager ſind in dieſer Schicht ſeltener als in der vorhergehenden. Das Thalgerölle ſteigt ſelten höher als 50 Fuß über den jetzigen Meeresſpiegel, nur an der Mün— dung des Ohio erreicht es hie und da eine Höhe von etwa 100 Fuß; die Geröllſchicht dieſes Fluſſes enthält ſämmtliche Geſteine Nordamericas. Die Stadt Cineinnati iſt auf einem ſolchen Grunde, der 60 bis 120 Fuß mächtig iſt, erbaut. Dieſe Geröllſchicht iſt oft ſchwierig von den Alluvial— niederſchlägen der Jetztzeit zu unterſcheiden. Die fünfte Schicht, die Niederſchläge aus den Landſeen, enthält, ſo viel der Verf. weiß, keine foſſile Schalthiere, wohl aber Muſcheln, die auch in dem über ihr liegenden Alluvium vorkommen. Der Tertiärthon des Hudſon- und des Champlainſees gleicht im Außern ganz den beiden Arten der Niederſchläge des Erieſees. In Newyork find Meerſchal— thiere ſehr gemein, während dort keine Süßwaſſermuſcheln 150. VII. 18. 276 vorkommen. Am St. Lorenzo finden ſich in den Geröll— ſchichten um Montreal in einer Höhe von 540 Fuß über der Fluth, jedoch noch unter dem Niveau des Erieſees Meer— muſcheln in Menge. Der Dilusvialthon und das Gerölle von Newyork und am Lorenzo enthalten viele und große Blöcke von Urgeſteinen, während am Ohio nur kleinere Fragmente dieſer Geſteine vorkommen. Der blaue Mergelſand, gewöhnlich blauer Thon ge— nannt, umgürtet die nicht felſigen Theile des Erieſeeufers; ſeine Oberfläche iſt faſt horizontal, er erhebt ſich 45 bis 60 Fuß über das Waſſer. Dieſer Mergelſand iſt von hell— blauer Farbe, ſehr feinkörnig, im trocknen Zuſtande com= pact, aber bröckelig. In ihm finden ſich nur ſelten Urgeſteine oder dünne Laub- und Holzlagen; er blättert in horizon= talen Schichten und beſteht zu Cleveland aus 75 Proc. fei— nem Sande, 3 Proc. Eiſen, 6 bis 7 Proc. kohlenſaurem Kalk, 9 Proc. kohlenſ. Magneſia aus vegetabiliſchen Stof— fen und Schwefel. Seine Maſſe wird nicht von Waſſer durchdrungen, bildet ſomit eine Menge nahe der Erdober— fläche gelegener Quellen. Die Maſſe iſt nicht ſo zähe als Thon, kann deßhalb ihrem eigenen Gewicht und der Laſt des auf ihr liegenden Sandes nicht widerſtehen, ſie bildet Riſſe, gleitet auch mehr abwärts, wie dies die Küſten Ameri— cas zeigen. Dieſe Erdſenkungen, durch welche unregelmäßige Stücke von einem bis zu 4 Ruthen Umfang ſich ablöſen, ſinken oft in einer Nacht, ja ſchon in wenig Stunden um 20 bis 30 Fuß; ſie hinterlaſſen weite Rinnen, in welchen die Waſſer der Quellen abwärts laufen und die losgebro— chene Erde in den See hinabſpülen. Durch den Abſturz bildet ſich häufig nahe am Ufer eine Bank, die aus dem Waſſer hervortritt, aber nur ſelten den Wellen lange Stand hält; ein neuer Abſturz bildet eine neue Bank, die gleich— falls bald wieder verſchwindet. Der blaue Mergel, der zum großen Theil unter dem Waſſerſpiegel des Erieſees liegt, bildet mehr als die Hälfte ſeines Bettes, an dem fünlichen Ufer ſtreicht er nur eine kurze Strecke weit ins Innere fort und bildet ſo einen ſchma— len Gürtel niedrigen Landes, der längs des Sees verläuft und ſich gegen die ſüdlich gelegenen Felſen verliert. Der grobe Sand und Grand breitet ſich in horizon— taler Richtung über einen Zug niedrigen, äußerſt feuchten Landes und bedeckt die weſtliche Hälfte des Erieſees ſich weſt— wärts in die Staaten von Ohio und Michigan ausbreitend. Im Norden zieht ſich dasſelbe Gemenge über einen großen Landſtrich zwiſchen dem Erieſee und Huronſee hinweg; tritt aber nur ſelten höher als 200 Fuß über dem Spiegel die— ſer Seen auf. Derſelbe grobe Sand und Grand bildet, vom Waſſer fortgeſpült, die Wälle des Sees (lake ridges), welche mit dem Ufer parallel verlaufende natürliche Dämme vorſtellen. Ein Durchſchnitt in Cleveland zeigt folgende Verhält⸗ niſſe dieſer Abtheilung: einen grauen vom Waſſer abge— ſpülten groben Sand, der 10 Fuß mächtig über dem blauen Mergel ruht und einen 20 Fuß mächtigen Grand, aus dem anſtoßenden Geſtein entſtanden. Der erſtgenannte Sand iſt hie und da von dünnen Mergelſchichten durchſetzt. Die Quellen der Gegend ſinken bis zu einer dieſer Mergelſchichten 277 hinab. Das Waſſer der Oberfläche ſammelt ſich über der feſten blauen Mergelſchicht und bildet zahlreiche Quellen, welche in einer Höhe von 45 bis 50 Fuß über dem Erie— ſee zu Tage kommen. In den Sandlagern finden ſich ver— ſchiedene Pflanzenüberreſte. Die vorhin erwähnten Seewälle ſind nicht durchaus horizontal, ſondern von verſchiedener Höhe, 30 bis 140 Fuß hoch über dem Waſſer; ſie ſcheinen durch Strömungen unter dem Meere, nicht aber durch die Wirkung der Wellen auf die Uferlinie entſtanden zu ſein, da ſie in letzterm Falle dem Ufer parallel verlaufen müßten, während fie ſich verzweigen, unter einander durchkreuzen und oft innerhalb des Verlaufs einer Meile um mehrere Fuß ſteigen und fallen. Bereinzelte Schalſtüͤcke, die man in dieſen Uferwällen bei Cleveland gefun— den, waren ſo ſchlecht conſervirt, daß ſich nicht entſcheiden ließ, ob fie Meer- oder Süßwaſſermuſcheln angehörten. Auch die Ufer des Michiganſees ſollen nach Ste— phens's Angaben den Uferbildungen des Erieſees gleichen. Der Durchſchnitt zu Milwaukie beſteht in der Höhe des Sees aus feſtem durch das Waſſer in die Abhänge geführ— ten blauen Mergel, aus unregelmäßig geſchichteten Lagern von gröberm und feinerm Grand. Die Quellen entſpringen aus der zuerſt genannten obern Schicht; über der zweiten folgt eine aus feinem Sande beſtehende Schicht, in dem ſowohl der Lehm als die Kieſel fehlen und auf dieſe ein die Oberfläche bildendes Lager von röthlichem Thon ohne Kie— ſel und Geröllſteine. Am ſüdlichen Ufer des oberen Sees liegt über den Sandſteinconglomeraten and Trappgeſteinen eine 600 Fuß müchtige, rothe, ſandige Mergelſchicht, die homogen und horizontal geſchichtet iſt, mit Säuren aufbrauſ't, und in welche das Waſſer tiefe Rinnen ſpült. In ihr werden, je— doch nur ſelten, Blöcke von Trappgeſtein und Stücke gedie— genen Kupfers gefunden. Sowohl dieſer Mergel als der des Erieſees muß ſich aus wenig bewegtem Waſſer abgeſetzt haben. Hubbard betrachtet die Niederſchläge des oberen Sees als zur Ter— tiärformation gehörig. Südlich von dem Trapprücken und vom Ontonaganfluſſe findet man in den Waſſerriſſen und Thälern ungeheure Trapp— blöcke in Menge. Die Oberfläche, auf der ſie liegen, ſenkt ſich gleich den Niederſchlägen des Erieſees nach dem See zu ganz allmälig, woraus es wahrſcheinlich wird, daß an bei— den Orten die Niederſchläge durch einen alten höher gele— genen Süßwaſſerſee entſtanden und deſſen Bette ſind. In der Nähe von Cleveland ſenkt ſich der Boden ſo beträchtlich, daß die Seeniederſchläge mehr als 2 Meilen über das Ufer hinausgeführt werden. Aus der geringen Tiefe des Sees, die auf 10 Meilen nicht über 60 Fuß beträgt, läßt ſich überdies auf ein allmäliges Fortſchreiten des Sees, der dem Lande neues Terrain abgewonnen, ſchließen. Die Geſtalt der Küſte, welche einer breiten Bai nicht unähnlich iſt und rechts und links hohe felſige Ufer beſitzt, die 10 Meilen weit in den See hineinrücken, macht dies noch wahrſchein— licher. Die Zunahme des Sees in der Jetztzeit beträgt für 800 Jahre eine Meile. 150. VII. 18. 278 Nach Chriſty, der die weſtlichen und ſüdweſtlichen Gegenden bereiſ'te, finden die erratiſchen Blöcke im Süden und Oſten ihre Grenze. Dieſe Grenzlinie zieht ſich von Mercer in Pennſyloanien durch Zanesville in Ohio, Cin— einnati, Princeton in Indiana bis zur Mündung des Kas— kaskias in den Miſſiſippi. Die Diluvialgebilde ſüdlich von dieſer Linie beſtehen nach Chriſty ganz aus den ſiluriſchen und ſecundären Geſteinsmaſſen der weſtlichen Staaten, alle primären Kieſelgeſteine fehlen. Weiter nach Süden werden die Maſſen weniger grob, ſcheinen vielmehr durch heftigere Strömungen und einen weiteren Transport mehr zerkleinert und abgeſchliffen zu ſein. In der Nähe der ſüdlichen Grenze der Lagerſtätten erratiſcher Blöcke ſind dieſe faſt eben ſo zahlreich und groß wie im Norden von Ohio. Die Blöcke, welche vereinzelt oder in Neſtern auf Hügeln und in Thä— lern liegen, beſtehen nicht alle aus Urgeſteinen; zwiſchen Granit, Trapp, Porphyr, Gneis und Quarzblöcken finden ſich auch Sandſteinconglomerate und Klippenkalkſtein (eliff limestone). An der Bucht des Cuyahogafluſſes ſammelt man die röthlich gefärbten Kalkſteine und brennt ſie als Kalk. In dem Bezirk von Bath lag ein ſolcher Stein von Hausgröße, der augenſcheinlich vom Erieſee 60 Meilen nord— wärts gekommen war. Auf den Hügeln weſtlich und nördlich von Fulton, in der Grafſchaft Stark im Staate Ohio, liegen am Ohio— canale 600 Fuß über dem See Blöcke von Granit und Grünſtein, deren Durchmeſſer 10 bis 12 Fuß beträgt; fie ſind eben ſo wohl erhalten als die Trappblöcke am obe— ren See, die nur wenige Meilen von ihrer Lagerſtätte trans— portirt wurden. Der Verf. ſchließt hieraus, daß, die Weiſe ihrer Fortſchaffung möge geweſen ſein welche ſie wolle, die Schnelligkeit und Kraft der Fortbewegung dieſelbe geblieben ſei, bis ſie zum Orte ihres jetzigen Aufenthalts gekommen. Der blaue Mergel des Erieſees, eben ſo der blaue und gelbe feſte Lehm (pan) enthalten, ſo viel der Verf. weiß, keine Primitivblöcke, nur gelegentlich finden ſich im Sand- und Grandgerölle Blöcke eines Sandſteinconglomerats oder Ge— ſteine der Kohlenformation. Auch die zweite Gruppe der Landſeeformation enthält nur ſelten dergleichen Blöcke; aus dieſem Grunde betrachtet der Verf. dieſe Geröllblöcke als ein eigenes und zwar als jüngſte nur som Alluvium über deckte Schicht. Die oberflächlichen Schichten des Ohioſtaates ſind dem— nach ſowohl hierdurch als durch den Mangel foſſiler Scha— len von denſelben Schichten am Lorenzo, in Newyork und Newengland verſchieden. Dort ſind nach den Angaben ver— ſchiedener Geologen Blöcke von allen Größen in allen Tie— fen der Diluvialniederſchläge vorhanden. Auch in den Thierüberreſten ſind die Ablagerungsſchichten des Oſtens und Südens von denen des Weſtens und Nordens ſehr verſchie— den. Die Blöcke ſind alſo, da ſie auf der Oberfläche der Dilusialniederfihläge des Erieſees liegen, jünger als die Niederſchläge ſelbſt. Auf einer Reiſe durch die Grafſchaft Hamilton im Staate Ohio unterſuchte der Verf. etwa 60 Brunnen und fand deren Bette größtentheils mit Schlamm oder Blättern 18 * 279 und Kohlen erfüllt. Die Höhe dieſer Gruben betrug 300 bis 600 Fuß über dem Ohioſtrom bei Cincinnati, deſſen Spiegel bei niedrigem Waſſerſtande 33 Fuß unter dem Spiegel des Erieſees liegt. Der Verf. hält das Vorkom— men foſſilen Holzes in ſolcher Höhe für etwas neues und beſchreibt deßhalb die Fundorte etwas genauer. In der Nähe der Carey's Akademie, 7 Meilen nörd— lich von Cineinnati, liegen 4 bis 500 Fuß über dem Spie— gel des Erieſees und etwa 900 bis 1000 Fuß über dem Meeresſpiegel 3 Gruben, welche im Durchſchnitt einander faſt gleich ſind. Die Entfernung einer jeden von der an— deren beträgt etwa ½ Meile. Die eine dieſer Gruben be— ſteht, nach Mr. W. W. Carey's Unterſuchung, aus fol— genden Schichten: 1) einer Oberfläche von Erde und W 8 Fuß — Zoll i eee See 6 b 2 3) blauer Mergelerde .. Ar ir, 20009 4) Blättern, Holz und Zweigen 0 2 5) Vegetabiliſchem Moder 8 aa eee 6) Vegetabiliſchem Moder und Mergel. e 0R > 28 Fuß 4 Zoll Drei Meilen öſtlich von Newburlington fand man in derſelben Höhe in 3 benachbarten Gruben ebenfalls Blätter, Bäume, Moder und ſogenannte Weinranken. Ein mehr als fußdicker knorriger Stamm ward hier zu Tage geför— dert. Das 15 Fuß tiefe Bette einer der Ciſternen war mit einer Dammerde bedeckt; in der dritten, die 30 Fuß tief war, fand ſich ein Schlamm, der das Waſſer ungenieß— bar machte. Die Gegend, in der dieſe Gruben liegen, iſt hügelig, das anliegende Geſtein blauer Kalkſtein der unteren ſiluri— ſchen Formation. Drei Meilen nördlich von Newburlington und zwar 200 Fuß tiefer wie an den eben beſchriebenen Fundorten ward 30 Fuß unter der Erdoberfläche ein Lager von Stäm— men aufgefunden; eine andere, 40 Fuß tiefe, Grube enthielt auch Blätter; eine dritte gab folgenden Durchſchnitt: 1) Lehm der Oberfläche (loam) . 2) Gelber Thon (elay) e e e Sippe e ee eee un ° 4) Blauer Thon (day) 4 5) Blätter und Zweige. Noch an verſchiedenen andern Orten, z. B. in der Grafſchaft Athen, eben ſo an der Quelle des Miamifluſſes fand man im blauen feſten Thon Holzlager. Der Verf. ſah ein Stück Holz, das angeblich 300 Fuß über dem See in den öſtlichen Hügeln von Scioto gefunden worden; es war 1 Fuß lang und hatte 1½ Zoll im Durchmeſſer, war bröcklich und von harziger Natur, dunkel gefärbt und mit Lehm überzogen. Auf dem Acker des Hrn. Simpſon in der Grafſchaft Scioto, im Staate Ohio, ward ein 2 Fuß im Durchmeſſer haltender Baumſtamm in liegender Stellung gefunden. Im 150. VII. 18. 280 Bezirk von Jefferſon, in derſelben Grafſchaft, ward ein an— derer Stamm, den man für eine Ceder hielt, entdeckt. Acht Meilen öſtlich vom Oxford College ſoll, nach Chri— ſty's Angabe, auf dem Acker des Hrn. Becket im blauen feſten Lehm (pan), dreißig Fuß tief, ein aufrecht ſtehender Baumſtamm gefunden ſein, deſſen Wurzeln in dem blauen Lehmboden ſtaken, während der Stamm von Grandgerölle umgeben war. Der Verf. eitirt noch verſchiedene andere Fundorte von Baumſtämmen, die man zum Theil für Coniferen hielt. Alle dieſe Pflanzenüberreſte fanden ſich vorzugsweiſe in dem blauen Lehm; ſie beweiſen, daß vormals im Staate Ohio eine Baumart, die noch jetzt in Nordamerica zu Haufe iſt, wuchs und zur älteſten Diluvialperiode erſchüttet ward; der Verf. hält das Erdreich, in dem man hier die Überreſte findet, für ungleich älter, als die kohlenführenden unterſten Schichten des Miſſiſſippideltas. Sämmtliche Baumſtämme ſcheinen durch Waſſergewalt abwärts geſchwommen zu ſein; dasſelbe gilt von den im Alluvium dicht über dem Waſſerſpiegel großer Flüſſe auf— gefundenen Stämmen, worunter ein noch ſehr wohl erhal— tener, nur etwas humificirter Eichenſtamm, der beim Baue des Ohiocanals in einem Durchſtich an der Mündung des Scioto gefunden ward. Die Schichten beſtehen hier aus: 1) compactem Sande und Grande. 2) durch Waſſer abgeſchliffenem Grand 15 Fuß mächtig 3) feinem blauen Mergelſande mit Stämmen, Blättern und Zweigen in zahllofer Menge 3 bis 20 Fuß A) gelber Erde (elay) ohne Holz und Grand 15 bis 30 Fuß 5) ſandigem Lehme als Ausfüllungsmaſſe der Riſſe. Der blaue Mergelſand gleicht dem blauen Mergel des Erieſees, das Holz und die Zweige dieſer Lagerſtätten gehö— ren noch jetzt in den Wäldern Ohios wachſenden Baumarten an; die Stämme haben bis 15 Zoll im Durchmeſſer und zeigen bisweilen Spuren des Feuers. Das Holzlager zieht ſich unter der Stadt Portsmouth hinweg und kommt am Scioto zu Tage. An dieſer Stelle ſtand vor der Anſiede— lung der Europäer eine alte, dem Stamme der Mounds ge hörende Stadt. In der Stadt Cineinnati fand man in einer Tiefe von 93 Fuß einen ſchon zum Theil verfaulten, aufrecht ſtehenden Baumſtamm, deſſen Wurzeln noch im Boden ſaßen. Die Grube war durch das Hinabſchwemmen des Sandes ent— ſtanden; bei näherer Nachforſchung fand man dicht über dem Holze die Feſtungswerke einer bisher nicht geahnten Stadt. Thieriſche Überreſte finden ſich bekanntlich in den Ter— tiärſchichten der atlantiſchen Küſte, am St. Lorenzo, am Champlain-See, am Hudſon, in Süd-Carolina und in den niedrigen Gegenden des Miffifftppi; Knochen und Zähne des Maſtodon, des Elephanten, des Pferdes, des Mylodon, Megatherium u. ſ. w. wurden in Schichten gefunden, welche dem harten Lehme vom Ohio analog zu ſein ſcheinen. Im Weſten hat man auch wirklich in dieſen Schichten Knochen des Maſtodon, Elephanten, Bibers, Pferdes und Biſons gefunden, im Ohio-Gebiete aber, jo viel dem Verf. bekannt, 281 niemals in ihnen, wohl aber auf ihnen derartige Thier— überrefte entdeckt. Der in der Stadt Ohio aufgefundene Backenzahn des Maſtodon lag im Alluvium über der blauen Mergelſchicht, der Bucyrus mastodon lag in einer Alluvial— Kalkſchicht. Ein Fangzahn und einige Knochen wurden beim Baue der Mansfelder Eiſenbahn in einem Sumpfe neuerer Entſtehung aufgefunden. Der Kinnbacken des Cas- toroides Ohioensis lag zwiſchen Thalgerölle in einem Sumpfe; dasſelbe gilt von einem Fangzahne, der in der Nähe von Maſſillon am Ohio-Canale gefunden ward. Die von Lyell erwähnten Knochen von Cincinnati liegen in einem Thal— gerölle; das Big Bone Lick zu Kentucky iſt ein ſchwefel— haltiges, unter dem hohen Waſſerſtande des Ohio-Fluſſes liegendes und ſtellenweiſe vom Flußalluvium bedecktes Moor. Das große Knochenlager am Oſage, zu Benton County in Miſſouri, ſcheint ebenfalls ein Moorbette neueren Urſprunges zu ſein. In dem Bezirke von Deerfield, im Staate Ohio, wurden Zähne und Knochen im Alluvium eines Baches gefunden. Die zu Columbus im Ohioſtaate gefundenen Pferdezähne und Knochen lagen in der Lehmausfüllung einer Kalkſteinſpalte. Das im Jahre 1838 durch Briggs am Salzfluſſe im Ohioſtaate ausgegrabene Elephantengerippe lag in der Höhe des Waſſerſpiegels von Sand- und Erd— ſchichten überdeckt; die aufgefundenen Knochen mußten hier jüngeren Urſprunges als das Thalgerölle fein. 150. VII. 18. 282 Weitere Knochenlager find dem Verf. im Ohioſtaate nicht bekannt. Alle angegebenen liegen über dem blauen und gelben Lehme, während ſie am Champlain-See und North-River innerhalb dieſer Schichten liegen. Ob das verkohlte Holz als ein charakteriſtiſches Foſſil betrachtet wer— den darf und ob es in den öſtlichen Lagern vorkommt, will der Verf. nicht entſcheiden; auch iſt es noch nicht ausge⸗ macht, ob in den Ohio-Niederſchlägen Meermuſcheln, ja ob überhaupt in ihnen Muſcheln vorkommen. Nach obigem ſcheint dem Verf. die Diluvialthätigkeit an verſchiedenen Orten eine verſchiedene geweſen zu fein, fo daß die erwähnten Niederſchläge nicht überall in gleicher Reihenfolge und zu gleicher Zeit gebildet wurden; darnach würde die Schicht des feſten Mergels und des Grands im Ohioſtaate in einer anderen Periode als die Schicht der Blöcke entſtanden fein. Letztere mußte ſpäter gebildet ſein, da ſie nicht in, ſondern auf den Sedimenten liegt. Mit dem Abſchleifen der bewegten Maſſen und mit dem Transporte der Blöcke ſteht vielleicht die ausgefreſſene und geſtreifte Beſchaffenheit der Oberfläche der nicht beweg— ten Felſen in Verbindung. Diluvialrinnen (grooves) ſind im Ohioſtaate ſehr gemein; ihre Richtung iſt jedoch erft theilweiſe mit dem Compas, häufiger nur durchs Auge be— ſtimmt worden; der Verf. giebt für ſie folgende Tabelle. JCCCCCCCCCCCCCCC VErGTEiTand BT TE Bag VETET IT URETTE EETET Ort der Beobachtung. | Art des Geſteins. Richtung. Höhe über dem Erieſee. 1 2 4 1 0 . . e er de Klippenkalkſtein. ee 1 1219 Fuß. Lordstown, Grafſchaft Trumbull . Gonglomerat. N. 200 W. Angeblich 400 Fuß. Tallmadge, Grafſchaft Summit Kohlenſand. N. 300 nach 400 W. 625 Fuß. Canfield, Grafſchaft Mahoning Kohlenſand. N. 30e nach O. Angeblich 600 Fuß. Newburg, Grafſchaft Cuyahogan. Sand unter der Kohlenreihe. | Norden, 5 300 = Sharon, Grafſchaft Medina S Conglomerat. N. 40 W. = 600 = Copley, Grafſchaft Summit z N. 300 O. = 600 = Irvinsburg, = E a ee = N. 400 W. : 500 = F a REM IRRE A, 2 N. 450 W. E 450 = N. Hampton, Grafſchaft Summit E N. 300 nach 350 W. - 550 = Mantua, Grafſchaft Portage Kohlenſand. N. 300 nach 400 O. z 650 = Doylestown, Grafſchaft Wayne P Norden. 600 Fuß. Kelleys-Inſel im Erieſee . Klippenſandſtein. Nordoſten nach Oſten. Höhe des Waſſerſpiegels. Die Richtung der Rinnen geht hier in ſieben Fällen von Weſten nach Norden, in vier Fällen von Oſten nach Norden und in zwei Fällen mit oder doch in der Nähe des Meridians. Man kennt die Richtung noch zu wenig, um aus ihr eine feſte Mittel zahl gewinnen zu können; fort— geſetzte Beobachtungen werden indeß, wie der Verf. glaubt, ſowohl im Ohio-Staate als in Maine und Maſſachuſetts eine allgemeine Richtung von Weſten nach Norden von 10 oder 15° nachweiſen. Im weſtlichen Theile von New- Pork 445 20 mittlere Richtung von Oſten nach Norden mehr a 8 Miſecellen. 42. Ein neues Reinigungs verfahren des Leucht— gaſes wird von Mallet empfohlen, er erſetzt den gewöhnlich zu dieſem Zwecke benutzten Kalk durch eine Miſchung von Blei: oxyd mit ſchwefelſaurem Bleioryd. Die das Leuchtgas verunreini- genden Ammoniakſalze werden dadurch in doppelter Weiſe zerlegt, es entſteht ſchwefelſaures und kohlenſaures Ammoniak, Schwefel— blei und Ferrocyanblei; der freie Schwefelwaſſerſtoff und die freie Kohlenſäure verbinden ſich gleichfalls mit dem Bleioxyd. Sobald das ausſtrömende Gas auf ein mit Bleieſſig befeuchtetes Papier oder ein geröthetes Lakmuspapier einwirkt, iſt die Miſchung zer⸗ ſetzt und muß durch eine neue Quantität erſetzt werden. Mallet räth das Gas, ehe es auf die Bleimiſchung kommt, durch Holz⸗ ſägeſpäne oder andere fein zertheilte Subſtanzen ſtreichen zu lajz ſen, um es von Kohlentheer, der ſonſt mit der Zeit die Blei— miſchung überdeckt, möglichſt zu reinigen. (Comptes rendus, No. 21, 22. Mai 1848.) 43. Um einen dunkleren Silberüberzug für De: guerrotypplatten zu erhalten, ſoll man nach Kilburn nur die eine Hälfte der Kupferplatte in die Silberlöſung tauchen und ſo nur derſelben Platte einen galvaniſchen Silberüberzug geben, der, nachdem er geputzt, dafür um ſo ſchwärzer erſcheint und Bil: der liefert, deren Schatten um ſo dunkler hervortreten. (The Lon- don etc. philosophical magazine, No. 218, 1848.) 283 150. VII. 18. 284 Heilkunde. (XXV.) Ein Fall von während des Gebärens eingetretener Amauroſe. Von Hru. Cunier. Die 20jährige blonde, blauäugige, ſchwächliche und äu— ßerſt reizbare Mad. V. hat in ihrer Jugend die Maſern, das Scharlachfieber und ſpäter die Waſſerblattern gehabt. Im Alter von 154, Jahr trat die Menſtruation ein. Dieſe Function war 7 Monate lang durchaus regelmäßig, hatte aber dann mehrfache Störungen erlitten und in deren Folge war Bleichſucht eingetreten, gegen welche verſchiedene Mittel ohne Erfolg angewendet worden waren. Schon damals zeigte ſich auf dem linken Auge ein ziemlich auffallender strabismus nach außen nebſt bedeuten— der Erweiterung der Pupille und einem gewiſſen Grade von ptosis des Augenlieds. Auf dieſem Auge ſah die Patientin ſehr ſchlecht und die rechter Hand befindlichen Gegenſtände wurden, wenn beide Augen thätig waren, doppelt erblickt. Zugleich fanden Schlafloſigkeit und heftiges Kopfweh mit Ohrenbrauſen, Herzklopfen und auffallendes Blaſebalggeräuſch der Halsarterien Statt. Durch hinter die Ohren geſetzte Blutegel und ein Sy— rupklyſtir, auf welches ſogleich Stuhlgang erfolgte, ward alsbald eine bedeutende Erleichterung erlangt. Das Kopf— weh nahm ab und die Patientin ſchlief einige Stunden. Am folgenden Morgen wurden nochmals Blutegel angewen— det, worauf das Kopfweh faſt vollſtändig wich. Durch die Blaudſchen Pillen beſſerte ſich der Zuſtand der Patientin ſehr bedeutend. Dieſelbe begab ſich aufs Land und fühlte ſich nach fünf Monaten vollkommen wohl. Die Menſtruation war ſchon 2 Monate nach dem Anfang des Gebrauchs der Blaudſchen Pillen wieder eingetreten und das Augenübel war vollſtändig beſeitigt. Die Patientin ge— brauchte dann eine Saiſon die Bäder von Liebenzell und eine zweite die von Homburg und Spaa und verheirathete ſich dann. Schon zwei Monate nach ihrer Verheirathung ſtellten ſich unverkennbare Zeichen der Schwangerſchaft ein, welche bis zum fünften Monate regelmäßig verlief. Dann wurde Mad. V. durch den Tod einer Schweſter ſehr angegriffen, ſo daß ſie den Appetit verlor und blaß und trübſinnig ward. Durch eine Reiſe nach Holland gewann ſie jedoch ihre Heiterkeit und Geſundheit wieder. Am 15. März wurde ich zu der ganz in der Nähe von Brüſſel wohnenden Mad. V. gerufen, welche in Folge einer Geburt vor einigen Stunden völlig erblindet war. Als ich um 7 Uhr Abends bei ihr anlangte, theilte mir die Hebamme folgendes mit: Die Geburtsarbeit hatte gegen 6 Uhr Morgens begonnen. Die Hebamme hatte ſich ſeit halb neun Uhr bei der Gebärenden befunden. Der Mutter— hals war zu dieſer Zeit kaum merklich erweitert und die bis dahin ziemlich kräftigen Wehen traten nur noch ſchwach und mit langen Zwiſchenzeiten ein. Gegen 10 Uhr ließen ſich convulſiviſche Bewegungen in den Muskeln der untern Ertremitäten und des Geſichts wahrnehmen; die Kranke wurde unruhig und es trat eine gewiſſe Geiſtesderwirrung ein. Um die Geburtsarbeit zu begünſtigen und einem An— falle von Eklampſie vorzubeugen, hatte die Hebamme, da der herbeigerufene Chirurg lange ausblieb, einen Ader— laß von 8 Unzen vorgenommen, und gleich darauf waren die Contractionen der Gebärmutter kräftiger geworden und der Mutterhals hatte ſich erweitert. Nach anderthalb bis zwei Stunden waren die Eihäute geplatzt und nach drei Stunden die Geburt plötzlich erfolgt. Faſt unmittelbar nachher war Mad. V. von heftigen Convulſionen befallen worden, die jedoch nicht lange ange— halten, und dann war fie mit aufgedunſenem (vultueuse) Ge— ſichte bewußtlos auf das Kopfkiſſen zurückgeſunken. Man hatte ſie an flüchtigen Salzen riechen laſſen und an den Extremitäten revellirende Mittel, ſowie am Kopfe kalte Com— preſſen angewandt. Die Circulation hatte ſich hierauf bald wieder belebt, allein erſt vor einer Stunde war die Patientin wieder zum vollen Bewußtſein gelangt und hatte mit Schrecken erkannt, daß ſie völlig erblindet ſei. Die Augen ſtanden weit offen, und obwohl das Zimmer ſehr hell war, ſo ſchien es ihr doch ſtockfinſter. Die Hebamme hatte ſich jedoch da— durch nicht abhalten laſſen, den Mutterkuchen herauszuziehen, wobei eine geringe Hämorrhagie Statt gefunden hatte. Der Zuftand, in welchem ich die Kindbetterin fand, war folgender. Sie war im höchſten Grade kraftlos und hatte ihr Bewußtſein nur von Zeit zu Zeit, ſo daß ich auf die an ſie geſtellten Fragen nur ſchwer eine Antwort erhal- ten konnte. Der Kopf war brennend heiß und die Geſichts— züge leblos; die Halsvenen angeſchwollen, die Carotiden ſchwach pulſirend; Puls 80; Extremitäten kalt; Augen ſtier; Bindehäute ſtark injieirt und in den Augenwinkeln ekchymo— tiſch; Pupillen in dem Grade erweitert, daß die Regen— bogenhaut nur noch als ein ſchmaler Ring erſcheint; wenn man eine Lichtflamme vor die Augen hält, findet nicht die geringſte Perception Statt. — Zehn Blutegel auf jede Seite längs der Salsvenen; Blutung fo lange als möglich unterhalten; Eisaufſchläge auf den Kopf; Handbäder in Senfwaſſer; Ruhe. Freitag Morgens um 10 Uhr war Mad. V. ganz ru⸗ hig und antwortete ſchnell und genau. Sie hatte faſt 5 Stunden lang geichlafen und beim Erwachen einen reichlichen Stuhl gehabt. Die Bindehäute waren beinahe gar nicht mehr injieirt, die Ekchymoſen um vieles blaſſer und die Halsdenen nicht mehr ſtrotzend. Dagegen zeigten ſich die Pupillen noch ſo ſtark erweitert, wie am vorhergehenden Abend und die Kranke konnte eben ſo wenig ſehen, obwohl ſie ſeit einer Stunde einige Abnahme der ſie umgebenden allgemeinen Finſterniß wahrgenommen haben wollte. Den vorigen Abend gegen 10 Uhr als die Blutegel- biſſe aufgehört hatten zu fließen, ſtellte ſich unter beiden Seitenwandbeinhöckern ein heftiger Schmerz ein. Zugleich 285 waren beide Augen ſchmerzhaft und wie in ihre Höhlen zurückgezogen. Doch dauerten dieſe Symptome nicht lange. Beim Erwachen kehrte der Schmerz unter den Seitenwand— beinen zurück, doch bei weitem nicht ſo heftig als früher. Bei jeder Bewegung des Kopfes litt die Patientin gewaltig, und in den Augen ließen ſich nun ſchießende Schmerzen verſpüren. Hinſichtlich der ſonſtigen Folgen der Geburt kam nichts regelwidriges vor. Puls 80. — Fünf Blutegel hinter jedes Ohr; Fortſetzung der Eisumſchläge; Handbäder in Senfwaſſer. Alle zwei Stunden eines der folgenden Pul— ver zu nehmen. R Hydrargyrii muriat. mitis gr. vj. Camphorae pulv. J. gr. ij. Sacch. alb. puluryrr gr. xxx. M. divide in doses aequales No. vj. In die Schläfengegend und die Stirn iſt von Stunde zu Stunde unguentum neapolitanum, eine Quantität von dem Umfang einer Haſelnuß ſanft einzureiben. Um 7 Uhr Abends war der Schmerz unter den Sei— tenwandbeinhöckern unerträglich; das Stechen in den Augen weniger häufig. Kein Fieber. Seit dem Morgen ein Stuhl. — Der Kopf wurde in der Ausdehnung raſirt, daß auf jeden der Seitenwandbeinhöcker drei Blutegel ge— ſetzt werden konnten. Sobald dieſe ſich feſtgeſaugt hatten, verminderte ſich der Schmerz. Die Blutung wurde über 2 Stunden lang ſorgfältig unterhalten. Um 10 Uhr hatte ſich der Schmerz bedeutend gemindert und um Mitternacht gänzlich gelegt, worauf die Kranke bis 6 Uhr M. ruhig geſchlafen hatte. Freitags um 10 Uhr M. Völlige Beruhigung. Die Pupillen ſind um vieles weniger erweitert und reagiren deut— lich gegen das Licht. Die Patientin erkennt die Richtung der Fenſter und die Bewegungen meiner Hand, ohne jedoch zu wiſſen, was für ein Körper zwiſchen ihren Augen und dem Lichte hin und her bewegt wird. — Ein großes Blaſenpflaſter in den Nacken. Mit den Calomelpulvern wird fortgefahren. Um 4½ Uhr Nachm. traf ich die Familie der Mad. V. in der fröhlichſten Stimmung. Die Patientin war ge— gen 2½ Uhr eingeſchlummert, und als ſie nach einer halben Stunde erwacht war, hatte ſie ihr Sehvermögen vollkommen wiedererlangt. Sie wollte anfangs an die Wirklichkeit die— ſer Erſcheinung nicht glauben und war ſo bewegt, daß es viel Mühe koſtete, ſie zu beruhigen. Als ſie ihren Mann erblickte, brach ſie in Thränen aus. Man reichte ihr einen beruhigenden Trank. Nachdem dieſer gewirkt, konnte ich ihre Augen unter— ſuchen. Die Pupillen hatten die normale Weite und Em— pfindlichkeit. Mad. V. erkannte alle Gegenſtände, konnte jedoch die Zeit nach meiner Uhr nicht angeben. Es war ein reichlicher Speichelfluß vorhanden, von wel— chem ich am Morgen keinen Vorläufer bemerkt hatte. Das Blaſenpflaſter hatte ſtark gezogen und veranlaßte heftige Schmerzen. Ich empfahl, die Kranke in keiner Weiſe zu beunruhigen, 150. VII. 18. 286 verband die Stelle, wo das Blaſenpflaſter gelegen, mit Sei— delbaſtſalbe und verordnete Gerſtenſchleim mit Alaun zum Aus ſpülen des Mundes. Sonnabends um 9 Uhr M. Die Nacht war gut vor— übergegangen. Die Nachwehen der Entbindung und die verſchiedenen Functionen haben ihren regelmäßigen Verlauf, Um 8 Uhr hatte die Patientin mit Appetit eine Taſſe Hühnerbrühe zu ſich genommen. Seit geſtern war die Seh— kraft bedeutend erhöht worden und es war nur noch eine gewiſſe Stumpfheit derſelben zu bemerken. Erſt heute Morgens konnte ich wegen eigner Unpäß— lichkeit, Mad. V. wieder beſuchen, die ich im Bette mit Schreiben beſchäftigt fand. Auch das Leſen gewöhnlicher Druckſchrift war ihr bereits wieder möglich. Ich ließ die Stelle des Blaſenpflaſterss nunmehr mit Cerat verbinden und ein neues Blaſenpflaſter auf den Arm legen. Brüſſel, d. 20. März 1848. Herr Dr. Sichel in Paris hat über dieſen Fall nach⸗ ſtehendes Gutachten abgegeben. „Meiner Anſicht nach iſt derſelbe eine durch Hirneon— geſtion veranlaßte Amauroſe, welche ſich unter dem Ein— fluſſe der Anſtrengungen bei dem Gebären entwickelt hat, in Folge deren natürlich eine mehrentheils venöſe Hirncongeſtion eintritt. Auch während der Schwangerſchaft kommen zu— weilen dergleichen Amauroſen vor, wenn Congeſtion im Ge— hirn und Amblyopie entſteht. In meiner Praxis habe ich, wenn beim Gebären Blindheit eintrat, faſt ſtets Hirncon— geſtion, die zuweilen einen ziemlich entzündlichen Charakter annahm, beobachtet, und wenn das antiphlogiſtiſche und ableitende Heilverfahren bald und kräftig angewandt wurde, ſo gelang die Cur gewöhnlich. Im entgegengeſetzten Falle erhält die Krankheit durch Ergießung in das Gehirn den aſtheniſchen Charakter; aber man darf deßhalb doch nicht ſogleich die Curmethode verändern, da dieſe Ergießungen den antiphlogiſtiſchen und ableitenden Mitteln leichter wei— chen als den revellirenden, wenn dieſe zu frühzeitig ange— wandt werden und beſonders den Reizmitteln. Unter den Patientinnen, welche ich wegen dieſer Art von Amaurofe behandelt habe, befindet ſich eine, welche bei ſechs Schwanger: ſchaften hinter einander bald vor, bald während dem Gebä— ren, davon befallen worden iſt. Obwohl die Blindheit jedes Mal vollſtändig war, gelang es doch jedes Mal, ſie zu beſeitigen.“ Die meiſten Schriftſteller, welche über die Eklampſte geſchrieben haben, zählen die Amauroſe unter die Störungen des Nervenſyſtems, welche in Folge jener Krankheit entſtehen können. Dennoch beſitzt die medieiniſche Literatur ſehr we— nige kliniſche Beobachtungen über dieſe Art von Blindheit. Ich meines Theils kenne deren nur drei, von denen zwei in den Miscellanea Academiae Naturae curiosorum von Sie— ger (Decad. I, 1672) und Albrecht (Ebend. 1690), der dritte von. Mich. Alberti in deſſen Dissertatio de visus obscuratione a partu, Halae, 1732, zu finden iſt. Dieſe Fälle ſind indeß keineswegs geeignet, den prak— tiſchen Arzt hinſichtlich der Behandlung zu leiten. Dep: halb habe ich obige Krankengeſchichte ausführlich mitgetheilt, 287 und ich würde noch eine andere hinzugefügt haben, bei wel— cher in Folge des Gebärens Blindheit und Taubheit zugleich eintraten und durch die nämliche Behandlung gehoben wurden; allein da für die Sitzung der Akademie vom 1. April ſchon ſo viele Gegenſtände angekündigt waren, ſo habe ich dieſen Bericht für eine Abhandlung zurückgelegt, in der ich alle bekannten Fälle von während der Schwangerſchaft oder nach der Geburt eingetretener Amauroſe zuſammenzuſtellen gedenke, und durch welche ich in Betreff der Behandlung dieſer Art von Blindheit zu noch allgemeiner gültigen Reſultaten zu gelangen hoffe. Die Unſicherheit, mit welcher ſich in dieſer Beziehung Hr. Capuron (Traité des Maladies des Femmes, edit. Hoebeke, p. 273) und in neuerer Zeit Lever (Guy’s Hospital Reports, Vol. V, 1847), Ringhaud und einige Mitglieder der irländiſchen medieiniſch-chirurgiſchen Geſell— ſchaft (Dublin medical press, 9. Febr. 1840) geäußert ha— ben, ſowie die offenbaren Mißgriffe eines Beer (Lehre von den Augenkrankheiten, Bd. I, S. 572 — 575), Demours (Trait€ des Maladies des yeux, Vol. I, p. 830) und anderer laſſen die Angemeſſenheit einer ſolchen Arbeit als hinlänglich gerechtfertigt erſcheinen. (6az. med. de Paris, 29. Juillet 1848.) (XVI.) Wiedererzeugung der Hornhaut nach Exophthalmie. Von Hrn. Flarer. Dieſer Fall iſt nur in einer Beziehung merkwürdig und verdankt noch dazu ſein Intereſſe großentheils der Ge— ſchicklichkeit und Beobachtungsgabe des Chirurgen, welcher über denſelben berichtet hat. Das Subject der Beobachtung iſt ein junger Menſch, den ein Schwein umgerannt und unter die Füße getreten hatte, wobei eines ſeiner Augen halb aus der orbita ge— riſſen ward. Hr. Flarer reponirte dasſelbe jedoch und bewirkte durch fortgeſetzte Eisumſchläge und eine geeignete antiphlogiſtiſche Behandlung, daß das Organ an Ort und Stelle blieb. Vom vierten Tage an nahm die Hornhaut ein trübes Anſehen an, welches deren baldiges Abſterben verkündete. Auch löſ'te ſie ſich bald darauf in Geſtalt eines Schorfes ab, und Hr. Flarer beſeitigte am funfzehnten Tage die— ſelbe vollſtändig, da der vorſpringende Theil derſelben durch ſeine Reibung am Augenliede Schmerzen veranlaßte. Als er den beſeitigten Theil genau beſichtigte, erkannte er, daß derſelbe nicht nur aus der Hornhaut, ſondern auch aus der Regenbogenhaut und der ganzen Portion der selerotica be— 150. VII. 18. 288 ſtand, welche beim Offnen des Augenliedes bloß gelegt wird. An der vordern Oberfläche des Augapfels nahm man eine wenig ausgedehnte glänzende Membran wahr, welche weder die Kryſtalllinſe, noch der Glaskörper, ſondern ein wieder— erzeugter Theil der Hornhaut war. Obwohl der Augapfel ſein vorderes Segment vollſtändig eingebüßt hatte, ſo war deſſen Umfang dennoch bedeutender, als im normalen Zu— ſtande. Am folgenden Tage hatte ſich die junge Hornhaut etwas mehr ausgedehnt und an Glanz zugenommen, ohne daß ſich indeß eine Spur der vordern Augenkammer oder der Seecre— tion von wäſſeriger Feuchtigkeit wahrnehmen ließ. Die allgemeine Entzündungsthätigkeit nahm ſtufenweiſe ab; allein die junge Hornhaut ſchrumpfte zuſammen und die sclerotica nahm allmälig jene gelbliche Farbe an, welche gewöhnlich die beginnende Atrophie des Augapfels ankündigt. Während der folgenden 14 Tage genas der Patient in anderer Beziehung vollſtändig, und es verſchwand die junge Hornhaut nicht ganz; aber es entwickelte ſich in Folge des Gra— nulationsproceſſes ein fleiſchiges Bündel, welches quer über dieſelbe ſtrich und auf ihr drei kleine durchſcheinende Knoten bildete. Der Patient verließ das Hoſpital nach 33 Tagen in einem zufriedenſtellenden Zuſtande. Der Verf. giebt nicht an, ob jener auf dem kranken Auge geſehen habe. Übri— gens hatte man ſchon am erſten Tage conſtatirt, daß die Geſichtskraft verloren gegangen und die Regenbogenhaut unbeweglich war, obwohl der Verf. den Sehnerven für un— verſehrt hielt. (Gaz. med. de Paris, 5. Aoüt 1848.) Mifcelle (29) über den zwiſchen den Wechſelfiebern und den Seropheln, ſowie der Lungenſchwindſucht beſte⸗ henden Antagonismus haben die HHrn. Boſi und Gam⸗ bari Unterſuchungen angeſtellt, deren Reſultat ſie in folgende drei Sätze zuſammenfaſſen: 1) In den Gegenden, wo die Wechſelfieber endemiſch ſind, bemerkt man unter den Bewohnern des platten Landes ſelten Seropheln und Lungenſchwindſucht, in größeren Ort: ſchaften kommen dieſe, jedoch nicht ſo ſelten, vor, und in Städten, wo die Lufteirculation durch enge Gaſſen und dichtes Zufſammen⸗ wohnen ihren wohlthätigen Einfluß nicht äußert, find dieſe Krank— heiten ſogar ſehr häufig. 2) Was die Gegenden anbetrifft, wo die Wechſelfieber ſporadiſch auftreten, ſo hat man wieder zwiſchen Land und Stadt zu unterſcheiden. Auf dem Lande trifft man Scropheln und Lungenſchwindſucht höchſt ſelten, während ſie in den Flecken und beſonders Städten, wenngleich dieſe von Miasmen durchaus frei ſind, häufig vorkommen. 3) Die Temperamente und individuellen Leibesbeſchaffenheiten endlich üben auf die Entwicke— lung der Seropheln und Lungenſchwindſucht ſelbſtändig einen ab— ſolut bedingenden Einfluß nicht aus. (Gazette med. de Paris, 29. Juillet 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. J. C. Prichard, Naturgeſchichte des Menſchengeſchlechts. Nach ver 3. engl. Aufl. mit Zuſätzen hrsg. von R. Wagner u. J. G. F. Will. 4. Bd. Oceaniſche und american. Völker. gr. 80%, 3 Thlr. 6 Sgr. L. Voß in Leipzig 1818. Traite de physiologie generale, ou Nouvelles recherches sur la vie et la mort, considerces dans la nature, dans l’animal et dans homme; par Alcide Deprierris, docteur en medecine de la facnlte de Paris. In 8° de 36 feuilles %4. Paris 1848, chez Bailliere. (Prix 7 fr. 50 ct.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 151. September 1848. Naturkunde. d Omalius d' Halloy, über die Lager der Trümmergeſteine. — Agaſſig, zoologiſche Beobachtungen. — Miſcellen. Deco urtive, über die nartotiſche Wirkung der Cannabis indica und sativa. Namur, Beſtandtheile der Blätter von Brassica rufa. — Heilkunde. Martin, üb. die künſtliche Anaſtheſtrung bei Geburten, insbeſondere durch Chloroformdaͤmpfe. — Mijcelle. Schmidtmüller, Anwendung der cortex rad. et trunc. punicae granatorum gegen Bandwurm. — Bibliographke. Naturkunde. XII. über die Lager der Trümmergeſteine (depöts blocailleux). Von J. J. d'Omalius d' Halloy. Die Erdkruſte zeigt bekanntlich in einigen Gegenden größere oder geringere Quantitäten eckiger Fragmente, die man ſchlechthin Blöcke nennt. Dieſe Blöcke theilt man nach der Weiſe, wie ſie mit einander vorkommen, in zuſammen— hängende breccienförmige Maſſen und in unzuſammenhängende Haufen. Der Urſprung und die geologiſche Bedeutung dieſer Blöcke iſt noch nicht hinreichend aufgeklärt, die meiſten Geo— logen ſchreiben ſie dem Einfluſſe des Waſſers zu. Auch der Verf. will die Fortführung dieſer Blöcke durch das Waſſer nicht beſtreiten, ſieht indeß nicht ein, wie das Waſſer eine Trennung der Geſteine in eckige Bruchſtücke (Blöcke) veran— laſſen konnte, da es bekanntlich, ſtatt ſolche Fragmente zu bilden, nur deren Ecken abſchleift. Der Verf. glaubt, daß die Theilung des Geſteins in einzelne Stücke verſchiedene Urſachen hat, hauptſächlich aber durchs Austrocknen und Erkalten veranlaßt wurde. Wenn Maſſen, welche Waſſer eingeſogen haben, aus— trocknen, ſo bilden ſich Riſſe und Sprünge und die Sub— ſtanz zerfällt in eckige Theile: wir ſehen dies ſowohl am austrocknenden Schlamme, als an verſchiedenen Mineralien; gewiſſe Allophane ſind, wenn man ſie aus der Erde erhält, compact ohne eine Spur von Riſſen, zerfallen aber ſchon nach einigen Monaten, wenn ſie an einem trocknen Orte aufbewahrt werden, in eckige Fragmente. In derſelben Weiſe mußten nun die unter dem Waſſer gebildeten Geſteinmaſſen, wenn ſie über das Waſſer traten und austrockneten, an ihrer Oberfläche gleichfalls Riſſe und Sprünge erhalten; die ſo entſtandenen Klüfte mußten durch ſpätere Bildungen aus— No. 2131. — 1031. — 151. gefüllt werden; dieſe blieben entweder in lockerem Zuſam— menhange, oder verkitteten die Fragmente mit einander zu einer breccienartigen Geſteinmaſſe. Zu dieſen Grundurſachen der Zertheilung der Felsarten in eckige Bruchſtücke geſellen ſich ſpätere meteorologiſche Ver— änderungen im Grade der Feuchtigkeit, Trockenheit und der Temperatur, welche nach dem Feſtwerden der Felſen auf die Ortsveränderungen der Maſſen auf der Erdoberfläche von großem Einfluſſe waren. Das Waſſer führte die entſtande— nen Felsfragmente mit ſich fort, ohne, wenn der Transport nicht gar zu lange dauerte, ihre Ecken abzuſchleifen. Dieſe höchſt einfachen Erſcheinungen erklären im all— gemeinen die Entſtehung einer Menge ſolcher Felsblock-An— häufungen genügend, ſind aber wiederum zur Erklärung anderer Fälle unzureichend; dahin gehören zunächſt Locali— täten, wo die Felsfragmente in eine fo überwiegende Maſſe fremder Stoffe gebettet ſind, daß man hier eine einfache Ausfüllung der durch die Riſſe des Geſteins entſtandenen Räume nicht wohl annehmen kann; die Ihonlager um Paris, in denen ſich kleine Bruchſtücke eines harten Sand— ſteins finden, ſind hier zu erwähnen. Man hat in dieſen Fällen ſowohl die Kryſtalle, als Coneretionen, Kerne und Nieren mit Hülfe der Affinität erklären wollen; eine ſolche Erklärung iſt aber für die durchaus nicht kryſtalliſchen Maſſen, deren Geſtalt beweiſ't, daß ſie mit den Maſſen, welche ſie jetzt umſchließen, nichts gemein hatten, durchaus unzuläſſig; es ſcheint vielmehr, als wenn dieſe Fragmente, nachdem ſie durch Spaltung entſtanden waren, durch heftige Erdumwälzungen in die lockeren Maſſen, in welchen wir ſie jetzt antreffen, geworfen wurden. Auch die ſchöne, den Marmorarbeitern unter dem Na— men des Mischio di Seravezza bekannte Breccie von Toſcana läßt ſich nicht auf die angegebene Weiſe erklären. Sie be— 19 291 ſteht aus größeren oder kleineren Stücken eines weißen, zuckerartigen Kalkes, die durch eine violette Maſſe verbunden ſind; letztere iſt zwar mineralogiſch noch nicht feſt beſtimmt, nähert ſich indeß dem Pyroren, Amphibol oder dem Epidot; ſie bildet eine oder mehrere Schichten des maſſenhaften kör— nigen Kalkes (ealcaire saccharoide), der einen Theil der Apenninen ausmacht. Hier kann man in einer tief gelege— nen Schicht die Zertheilung des Geſteins durch Austrocknen oder Erkalten nicht erklären; eben ſo wenig erlaubt die er— haltene Beſchaffenheit der Ecken, ſowohl der größeren als kleineren Fragmente, die Annahme, daß dieſe Maſſen hierher geſchwemmt ſeien, beweiſ't vielmehr, daß ſie da, wo ſie ſich jetzt finden, auch gebildet wurden. Bei der heftigen vulca— niſchen Erſchütterungen ausgeſetzten Beſchaffenheit des dortigen Bodens iſt ein ſolches Zerſpringen einer Partie des Geſteins vielleicht eben ſo möglich, wie wir unter vielen Glasſcheiben bisweilen nur eine einzige in viele Stücke ſpringen ſehen, während alle übrigen unverſehrt blieben. Was nun die Maſſe, welche die Stücke verbindet, betrifft, ſo konnte ſie, die in der ganzen Umgegend nicht ihres gleichen hat, nicht von oben her kommen; ſie gleicht ohnehin mehr den pluto— niſchen als den neptuniſchen Geſteinen; ſie ſcheint demnach im flüſſigen Zuſtande von unten her eingedrungen zu ſein und ſo die Bruchſtücke mit einander verkittet zu haben. Eine andere Art der Felsblöcke beſteht aus plutoniſchen Geſteinen, Porphyren, Trachyten, Baſalten und Laven; die Zerklüftung dieſer Geſteine kann zwar recht gut durch Er— kaltung und Austrocknen entſtanden ſein, der Verf. möchte ſie indeß bei ihrer Mehrzahl anderen Naturerſcheinungen zuſchreiben. Dieſe Geſteinmaſſen haben, nach der allgemei— nen Annahme der Geologen, die feſte Erdkruſte im flüfjtgen Zuſtande durchbrochen; die Wandungen der ſo entſtandenen Canäle mußten durch die emporſteigenden glühenden Maſſen erhitzt und zerrieben werden und dadurch eben ſo gut Riſſe und Spalten bekommen, wie die äußeren zunächſt feſt wer— denden Partien der emporgedrungenen Maſſe, die ſich beim fort— dauernden Nachdrängen von unten gegen einander reiben, ſo zu vereinzelten Stücken werden und als ſolche mit der gan— zen Maſſe emporgehoben werden mußten. Ganz ähnliche Vorgänge beobachten wir noch jetzt an den Lavaſtrömen und an dem fließenden Metalle unſerer Hochöfen. Die un— ter obigen Verhältniſſen entſtandenen Fragmente müſſen demnach von zweierlei Art ſein: die einen gehören der älte— ren bereits erkalteten Erdkruſte an, während die anderen aus den hervorgedrungenen flüſſigen Maſſen entſtanden find. Ein Theil des todtliegenden Geſteins, das ſich immer in der Nähe der Porphyre findet, möchte fo entſtanden fein. Aber auch dieſe Erklärungsweiſe ſcheint für eine noch andere Art der Geſteinblöcke, nämlich für ſolche, welche Schichten bilden und nirgends einen plutoniſchen Urſprung verrathen, ſich überdies an Orten finden, wo alle ähnlichen Felsarten fehlen, nicht mehr zu paſſen; der Verf. erinnert an die Schicht des Puddingſteines von Burnot, welche zwi— ſchen der Schelde und der Roer einen Theil des Terrains ausmacht. Dieſe Maſſen beſtehen zum größten Theil aus Schiefer und Sandſtein, in welche hie und da größere Quarz— 151 J 19. 292 ſtücke, als im Sandſteine ohnehin vorkommen, gebettet ſind. Dieſe Maſſen erſcheinen in gleichlaufenden, indeß häufig ſehr gekrümmten und zurückgebogenen Schichten. Dieſe Schichten bilden, wo die großen Quarzſtücke liegen, ähnliche Erhe— bungen, wie die Anhäufungen der Mandelſteine; in der Art und Weiſe, wie ſie mit benachbarten Schichten verbunden find, erkennt man indeß, daß ſelbige Auftreibungen (renfle- mens) ſind. Liegen die Quarzſtücke in einer Grundmaſſe von Quarz oder Sandſtein, ſo ſind ſie meiſtens abgerun— det; beſteht die ganze Maſſe aber aus ſolchen Fragmenten, ſo ſind ſie eckig und gleichſam durch ihre eigene Subſtanz mit einander verſchmolzen. Im letzten Falle iſt die Natur der Fragmente ſelbſt etwas anders; der weiße Quarz iſt ſo vorherrſchend, daß man dieſe Steine als weiße bezeichnet und ihnen, da ſie weniger leicht ſchmelzbar als die durch den rothen Sandſtein gefärbten Steine ſind, zum Baue von Schmelzöfen und dergleichen den Vorzug giebt. Außer dem weißen Quarze findet ſich unter den Bruchſtücken viel Roſenquarz und ſchwarzer Phtanith. Fragmente von Sandſtein und Schiefer finden ſich meiſtens nur da, wo die weiße Maſſe ins Rothe oder in noch andere Farben übergeht. Die Entſtehungsweiſe dieſer Schichten iſt ſchwer zu ent— räthſeln; ſie ſind nicht durch eine Spaltung des Geſteins an der Erdoberfläche zur Zeit der Bildung der devoniſchen For— mation entſtanden, da man ſie in Gegenden, die ganz aus dieſer Formation beſtehen, nicht kennt; wollte man indeß einige Adern von weißem Quarze innerhalb der Formation, welche vor dem Puddinggeſteine von Burnot auftreten, an— nehmen, ſo bleibt es unerklärlich, wie die Zerſtörung des Geſteins dieſer Formation die erwähnten Maſſen bilden konnte, da in ihnen der weiße Quarz äußerſt ſelten iſt, und über— dies im Puddingſteine die Felsarten, aus denen das Geſtein der Formation beſteht, nicht vorkommen; die Zertrümmerung und Hinwegführung müßte endlich die Fragmente abgeſchliffen und abgerundet haben. Ohne ſeine Anſicht für die allein richtige zu halten, glaubt der Verf. dieſe Erſcheinung durch eine Thätigkeit vulcaniſcher Quellen, die, ähnlich wie der Geyſer auf Island, große Mengen von Kieſelſäure empor— ſchleuderten, erklären zu können; die emporgeworfene Kieſel— ſäure erſtarrte entweder in den Becken oder Rinnen, welche die ausgeworfene Maſſe aufnahmen, und zerſprang dabei, durch die Erſchütterungen der nachfolgenden Auswürfe be— günſtigt, in kleine Bruchſtücke, welche, wenn ſie nicht heftig bewegt, auch nicht weit von ihrer Stelle entfernt wurden, eckig blieben und ſogleich wieder mit einander verſchmolzen, während ſie, wenn ſie heftig bewegt und weit von ihrer Stelle getrieben wurden, ſich abrundeten und mit- fandigen und erdigen Maſſen verbanden. Der Verf. iſt keineswegs der Meinung, in den mit— getheilten Umriſſen alle Erſcheinungen, welche die Bildung der Trümmergeſteine veranlaßten, bezeichnet zu haben, hofft aber durch ſie die Geologen auf ſelbige aufmerkſam gemacht und ſie ihrer Beachtung empfohlen zu haben. (Bulletin de l’academie royale de Belgique, No. 4. 1848.) 293 XLII. Zoologiſche Beobachtungen. Von Prof. Agaſſiz. Das Januar- und Aprilheft des Edinburgh new philo- sophical journal von 1848 enthält das Bruchſtück eines Briefes, den der Verfaſſer am 30. September 1847 aus Boſton an Alexander von Humboldt geſchrieben hat. In dieſem Briefe ſpricht der Verfaſſer über verſchiedene niedere Seethiere, insbeſondere über die Aſterien, Lu— cernarien und Echini. Er verſucht ferner eine theoretiſche Entwicklung der Symmetrie, welche er bei den Echinoder— men entdeckt und an einer neuen Actinia- Art, die er aus einer Tiefe von 140 Fuß herauf fiſchte, beſtätigt zu haben glaubt. Dieſe neue Actinia nennt er, nach Capt. Davis, unter deſſen Schiffscommando er eine monatlange Unterſuchungsreiſe längs der Küſte von Nantucket machte: Rhodactinia Davisii. Genannte Aetinie iſt durch die Größe und geringe Zahl ihrer Tentakeln, die ſich am oberen Ende weit öffnen, ausgezeichnet. Der Verf. hatte bemerkt, daß der zuſammengezogene Mund dieſes Thieres eine gerade Linie bilde, und daß von den zu fünf geſtellten Tentakeln, welche ein regelmäßiges Fünfeck darſtellen, das eine immer eine Fortſetzung dieſer Linie iſt, wornach ihm die Symme— trie dieſer Polypen unzweifelhaft ſcheint. Auch die Entwicklung dieſer Actinie ward vom Verf. beobachtet; er ſah, wie ſie einen Haufen Eier legte und wie aus dieſen Eiern eine junge Brut hervorging. Die Jungen hatten bis zur unteren Scheibe, mit der ſie feſt ſaßen, eine fünfeckige Geſtalt und nur 10 Tentakeln. Der Bau der jungen Thiere war zu dieſer Zeit ſehr einfach: 10 verticale Platten zertheilten die Körperhöhle, der Magen lag über der Körperhöhle und ſtand mit ihr nach unten zu vermit— telſt einer weiten Offnung in Verbindung. Eine junge Actinie glich in dieſem Stadio einer Aleyonie, hatte indeß ftatt der acht verticalen Bänder zehn verticale Platten, welche bedeutend ins Innere der Körperhöhle hineinragten und de— nen die 10 Tentakeln entſprachen. Dieſe Platten beſtehen aus Muskelfaſern; durch fie, wie durch die Ringmuskelfaſern der Körperoberfläche, werden die verſchiedenartigſten Con— tractionen des Körpers ausgeführt. Die Eierſtöcke und Hoden, welche mit dieſen Platten zuſammenhängen, ent— wickeln ſich ſchon frühzeitig. Die neu entſtehenden Tenta— keln ſind einfache Vorſprünge der Oberfläche; ſie entſtehen nach außen von den bereits vorhandenen Tentakeln und zwiſchen ihnen. Die Wandungen der neu entſtandenen Ten— tafeln entwickeln ſich darauf in vertiealer Richtung und ge— langen ſo ins Innere des Körpers, neue Platten bildend. In der neuen Aetinie des Verf. waren die Tentakeln, wie beim ausgewachſenen Thiere, nach innen gefalten und die Muskelfaſern oder Bündel, welche fie ins Innere des Körpers fortſetzten, deutlich ſichtbar. Die Körperhöhle des Thieres war mit Waſſer erfüllt, das ſowohl durch den Mund und Magen als durch unzählige mikroſkopiſche Poren, die in verticalen Reihen über die Wandungen des Körpers und der Tenta— keln verbreitet find, eindrang. Die Verdauungsproduecte werden auf dieſe Weiſe beſtändig mit Waſſer verdünnt; da 191. WII. 19. 294 aber der Mund, Magen und die Endöffnungen der Tenta— keln beliebig geſchloſſen werden können, ſo kann die ernäh— rende Flüſſigkeit längere Zeit zwiſchen den Platten der Kör— perhöhle und in den Röhren der Tentakeln eirculiren, ehe ſie nach außen getrieben und durch Zutritt don neuem Waſ— ſer verdünnt wird. Bei dieſen Thieren dienen demnach die— ſelben Wandungen des Körpers zur Verarbeitung der Nah— rungsmittel, zur Abſonderung der ernährenden Flüſſigkeit und zur Aſſimilation derſelben; Verrichtungen, fuͤr welche die höheren Thiere eines Circulations- und Reſpirations— apparates bedürfen. Des Verf. neue Actinie (Rhodactinia Davisii) legt in— deß nicht allein Eier, ſondern gebiert auch lebendige Junge, deren Entwicklung der aus Eiern entſtandenen Brut gleich— kommt. Der Verf. beobachtete beide Arten der Fortpflan— zung zu verſchiedenen Malen und an zwei verſchiedenen Actinia-Arten und glaubt daher, daß beide Zeugungsarten ſämmtlichen Aetinien zukommen. Der Verf. trennt die Schwämme, welche nach ihm nicht zum Thierreiche gehören und eben ſo die Bryozoarien, welche ſowohl ihrer Organiſation als ihrer Entwicklung nach wahre Molluſken ſind, von den Polypen. Die Claſſe der Bryozoarien bildet nach ihm eine durchaus natürliche Gruppe, die, obſchon wir ſie in 2 Abtheilungen, in die Hydroiden und Actinoiden, trennen, dennoch die größte Über— einſtimmung zeigen. Die Hydroiden haben eine Centralkörperhöhle und über ihr den Magen, der ſich wie bei den Actinien in die erſtere öffnet. Die Wandungen der Körperhöhle ſind mit Längs— und mit Kreismuskelfaſern verſehen, die Eierſtöcke unter den Tentakeln befeſtigt; ſie münden aber dennoch wie bei den Actinien in die Körperhöhle, indem die haufenweiſe ange— ordneten Eierſtöcke ſich umbiegen. Der Magen dehnt ſich noch zwiſchen die Tentakeln aus und öffnet ſich nach unten in die Körperhöhle. Nur die Tentakeln ſind von denen der Actinia verſchieden gebaut: fie find nicht hohl, ſondern ſolid und deßhalb minder beweglich; die Baſis des Körpers ver— längert ſich in einen Stiel, mit dem das Thier am Boden feſt ſitzt. Die Unterſchiede zwiſchen den Alcyonien und Aetinien verſchwinden, je vertrauter man mit ihrer Organi⸗ fation wird, immer mehr; der Bau des Magens und der Dsarien iſt in beiden ganz derſelbe. Der Verf. ſtimmt mit Milne-Edwards darin über: ein, daß die Bryozoarien den Molluſken anzureihen wären; fie ſtimmen in der Anordnung ihrer Reſpirations- und Fä⸗ calöffnungen zum Arrangement der inneren Organe mit den Acephalen überein. Schließlich bemerkt der Verf. noch als intereſſante Neuigkeit, daß er bei einer Lucernarie acht ocelli beobachtet habe, die in den „Lücken zwiſchen den Tentacularbündeln ſaßen und die im Außern ganz mit den Augen der Echino— dermen und Meduſen übereinſtimmten. 295 Miſcellen. 44. Über die narkotiſche Wirkung der Cannabis indica und sativa wurden von Edmond Decourtive verglei— chende Verſuche angeſtellt; er fand das wirkſame Princip der in Algier gebauten Cannabis indica in einem Harze, das in einer Gabe von 0,05 Grammen dieſelbe Wirkung wie 2 Grammen des reinen Ertracts, oder 15 bis 20 Grammen des Dawameſe (einer Latwerge, die indiſchen Hanf und verſchiedene Gewürze enthalten ſoll) hervorbrachte. Der in Frankreich gebaute indiſche Hanf gab weniger und ein weniger wirkſames Harz; der in Frankreich gejo= gene gemeine Hanf (Cannabis sativa) gab ein ähnliches, noch etwas ſchwächer wirkendes, aber keineswegs unwirkſames Harz. Diefelbe Hanfart, in Italien gebaut, lieferte dagegen ein viel wirkſameres Harz; dasſelbe iſt vorzüglich in den Blättern vorhanden. Canna- bis indica und sativa ſind, nach dem Verf., durch botaniſche Cha— raktere ſo wenig verſchieden, daß man ſie kaum als zwei verſchie— dene Arten betrachten darf; er räth, das Cannabis - Harz oder die Cannabine in den Arzneiſchatz aufzunehmen, dagegen den aus Algier kommenden Madjoun, den Dawameſe aus Conſtantinopel und ähnliche mit einem Zuſatze von indiſchem Hanfe bereitete Prä— parate als höchft gefährlich zu verwerfen, indem fie häufig Opium, Canthariden, ſpaniſchen Pfeffer und Brechnüſſe enthalten. Der Verf. ſtellte ſowohl an ſich ſelbſt als an anderen Verſuche mit dem Haſchiſch (Cannabis indica) an und glaubt darnach, daß es als narkotiſches und betäubendes Mittel bei Nervenleiden und in den 15 I . 296 letzten Stadien von Krebsübeln ſehr anwendbar iſt. Zwei Hühner wurden durch den übermäßigen Genuß desſelben gelähmt. Das Cannabis -Harz bewirkt einen Starrkrampf, jedoch in geringerem Grade wie die erwähnten, aus dem Oriente kommenden Medica— mente; es ſcheint überdies auf den Geſchlechtsapparat und in eini⸗ gen Fällen auch auf die Lungen, ein Blutbrechen (engouchement) hervorrufend, zu wirken und ward deßhalb von Dr. Bere beim Keuchhuſten und Bronchialcatarrh mit Vortheil angewandt; bei Gemüthskrankheiten ſoll es überdies vortreffliche Dienſte leiſten, es erregt die Einbildungskraft in hohem Grade. (Comptes rendus, No. 19. Mai 8. 1848.) 45. Die Blätter von Brassica rufa geben, nach Namur, 0,39 Proc. Aſche, welche folgendermaßen zuſammenge— ſetzt iſt: Kieſelerde 6,144 Schwefelſäure .. 4,003 Phosphorſaures Eiſen 1,332 eee e RAT, Kali. . 29,529 Natron . 2 2,107 Phosphorſäure 1,176 Chlornatrium . 32 Kalk. . 25,510 Kohlenſäure 19,501 100,000 (Journal de pharmacie et chimie, Janvier 1848.) Heilkunde. (XXVII.) über die künſtliche Anäſtheſirung bei Geburten, insbeſondere durch Chloroformdämpfe. Von Dr. Eduard Martin, Profeſſor der Medicin und Director der Gebäranſtalt zu Jena. Die glänzende Entdeckung des nordamericaniſchen Zahn— arztes Jackſon, durch Einathmungen von Schwefeläther— dämpfen die Schmerzen von den chirurgiſchen Operationen zu bannen (1846), mußte der Natur der Sache gemäß alsbald auch in die Geburtshülfe Eingang finden. Profeſſor J. Y. Simpſon in Edinburgh theilte alsbald günſtige Erfahrungen mit, ihm folgte eine große Anzahl deutſcher und franzöſiſcher Geburtshelfer. Deſſenungeachtet erhoben ſich auch warnende Stimmen, und als der entſchiedenſte Gegner der Anwendung der Atherdämpfe bei Geburten trat Prof. W. L. Grenſer in Dresden hervor. Zwar beziehen ſich des letzteren Angaben zunächſt nur auf die Atheriſation und man könnte glauben, daß die ſpätere Entdeckung Sim p— ſons, das Chloroform zur Anäſtheſirung zu gebrauchen, ein näheres Eingehen auf die Differenz der Anſichten über die Anäſtheſie durch Schwefeläther überflüſſig gemacht habe; allein die Mehrzahl der don Grenſer und anderen vor— gebrachten Einwände trifft das Verfahren der künſtlichen Betäubung überhaupt, und in jo weit verdienen dieſe Ein— wendungen auch noch jetzt Beachtung. Um nun ein richti— ges Urtheil über die Statthaftigkeit und den Werth der künſtlichen Anäſtheſte bei Geburten zu gewinnen, ſcheint es ſachgemäß, vor allem zu unterſuchen, ob Geburten im bewußtloſen Zuſtande ohne Nachtheil für Mut— ter und Kind Statt finden können, ſodann, falls That— ſachen dafür ſprechen, ob und unter welchen Verhältniſſen Vortheile von der künſtlichen Anäſtheſie bei Geburten zu erwarten ſtehen. Erſt nach Beantwortung dieſer Fragen können die verſchiedenen Mittel einer Kritik unterworfen werden, welche zur Herbeiführung der Anäſtheſie in Vorſchlag gebracht ſind. Was die erſte Frage nach der Möglichkeit der Gebur— ten im bewußtloſen Zuſtande anlangt, ſo iſt dieſelbe durch die, insbeſondere von Gerichtsärzten, geſammelten Beobach— tungen bereits längſt außer Zweifel geſtellt, und es bleibt nur zu erörtern, ob ſolche Geburten ohne nothwendigen Nachtheil für Mutter und Kind erfolgen können. Sieht man aber ab von den Gefahren, welche bei allen einſamen Geburten ohne ſachkundigen Beiſtand drohen, wie die Damm— riſſe, das Hervorſtürzen des Kindes auf den Boden, die Zerreißung der Nabelſchnur, das Erſticken der Frucht in den unverletzten Eihäuten u. ſ. w., ſo werden, laut der Erfah— rung, die in Rede ſtehenden Geburten als ſolche von keinen beſonderen Unfällen begleitet, ſofern dieſe nicht durch die Urſache der Bewußtloſigkeit ſelbſt: Congeſtionen nach dem Hirne u. dergl. bedingt ſind, in welchem Falle ſie mit der Geburt als ſolcher in weſentlichem Zuſammenhange nicht ſtehen. Im Gegentheile erfolgen die Contractionen des uterus in der fünften Geburtsperiode, wie es ſcheint, bei Bewußtloſigkeit verhältnißmäßig ungeſtörter, als ſonſt, und lebensgefährliche Blutungen ſind gerade hier ungewöhnlich 297 ſelten; — ohne Zweifel ein Cardinalpunkt bei dieſer Frage, der ſeine Erklärung theils in dem gewöhnlich langſameren Geburtsverlaufe und in dem dadurch begünſtigten gleichmä— ßigen Vorſchreiten der permanenten und der periodiſchen Contraction des uterus, theils darin finden dürfte, daß die möglichen Störungen der Innervation von den Nervencen— tren aus in dieſen Fällen beſeitigt ſind. Die ſpontane Anäſtheſie während des Gebärens hat man aber, abgeſehen von den nicht hierher gehörigen Bei— ſpielen von Geburten nach dem Tode der Mutter, hinſicht— lich deren es zweifelhaft iſt, ob ſie durch Zuſammenziehungen der Gebärmutter oder nicht vielmehr durch Gasanhäufung in der Bauchhöhle zu Stande kommen, nur entweder als Erſcheinung der Eelampsia parturientium, oder als Folge eines ſchlafſüchtigen mit der Hyſterie nahe verwandten Zus ſtandes beobachtet. Die größere Zahl der hierher gehörigen Beobachtungen bilden Fälle der erftgenannten Art; ja wäh— rend der Anfälle von Eclampſie find ſogar künſtliche Ent— bindungen vorgenommen worden, ohne daß die Kreißende auch nur eine Ahnung davon hatte; einen Beleg dafür aus den Beobachtungen der geburtshülflichen Poliklinik kann ich nicht unterlaſſen hier beizufügen. Eine ſchwächliche zartgebaute Erſtgebärende in vorge— rückten Jahren, welche früher an Krämpfen nicht gelitten, hatte ſich in einer nicht durchheizten, bei dem plötzlich ein— getretenen Thauwetter doppelt ungeſunden Stube am Nach— mittag des 25. Januar 1847 mit Wäſchelegen beſchäftigt und war dabei von heftigem Froſte ergriffen worden. Am ſpäten Abende desſelben Tages begannen die Wehen. Gegen Mitternacht ſtellte ſich ein heftiger Krampfanfall mit voller Bewußtloſigkeit und nachbleibendem Zittern ein, und als ich einige Zeit darauf hinzugerufen wurde, war bereits ein zweiter noch heftigerer Anfall mit der bekannten Entſtellung des Geſichts und andauernder Abweſenheit der Beſinnung eingetreten. Ortliche Blutentziehungen durch Schröpfköpfe und Blutegel, Klyſtiere mit Tartarus emeticus, Senfpflaſter, der innere Gebrauch eines Aufguſſes der Brechwurzel mit Liquor ammonii acetiei brachten Beſſerung, doch kehrten noch einige leichtere Anfälle bis zum Morgen des 26. wie— der. Die Wehen wurden jetzt kräftiger, erweiterten den Muttermund völlig, ſprengten die Blaſe und drängten im Laufe des Tages den Kopf des Kindes bis zum Beckenaus— gange herab. Als der Damm ſich zu ſpannen begann, kehrten die Convulſionen mit neuer Heftigkeit wieder und die Wehen eeſſirten; deßhalb und weil von einer längeren Geburtsdauer die ſchlimmſten Folgen für Mutter und Kind beſorgt werden mußten, wurde um 8 Uhr Abends die Zange applicirt, und das Kind während eines vollkommen bewußt: loſen Zuſtandes der Mutter vorſichtig ertrahirt. Das kleine wohlgebildete Mädchen lebte, und die Mutter kam nach einer halben Stunde wieder zu ſich, wobei ſie zu ihrer Überra⸗ ſchung bemerkte, daß die Geburt bereits vollendet ſei. Ein neuer Anfall von Gonvulfionen kehrte nicht wieder, dagegen traten die Erſcheinungen einer heftigen Gebärmutterentzün— dung mit nachfolgendem Frieſel auf, welche jedoch durch geeignete Mittel glücklich bekämpft wurden, ſo daß die Mut— 151. VII. 19. 298 ter nach einigen Wochen völlig hergeſtellt war. wurde künſtlich ernährt. Minder häufig, jedoch ebenfalls hinlänglich conſtatirt, ſind die Fälle, in welchen Kreißende, ohne von Eelampſie befallen zu ſein, in einem bewußtloſen, der Ohnmacht oder der Schlafſucht ähnlichen Zuſtand glücklich geboren haben. Man beobachtet alsdann, namentlich bei hyſteriſchen Frauen, daß ſie trotz der fortſchreitenden Wehen in einen Halbſchlaf verfallen, aus welchem ſie, mit lauter Stimme angeredet, zwar aufzuwachen ſcheinen, jedoch verwirrt und ohne Zu— ſammenhang antworten. Sobald der Zuſtand beſeitigt iſt, wiſſen ſie nichts von dem, was vorgegangen iſt. Das völlige Erwachen erfolgt ganz allmälig, in der Regel mit Hinterlaſſung des Gefühles beträchtlicher Schwäche. Dr. Kloſe in Breslau beobachtete eine Erſtgebärende von zar— tem Körperbau und blaſſer Hautfarbe, welche ſpät und ſtets unregelmäßig menſtruirt, ſowie zu Ohnmachten geneigt, bei Beginn der Geburtswehen in einen Halbſchlaf verfiel, aus dem ſie zwar von Zeit zu Zeit aufwachte, ohne jedoch zum vollen Bewußtſein zu gelangen. Sie antwortete auf geſtellte Fragen unverftändlic) und verfiel dann wieder in tiefen Schlaf. Dieſer Zuſtand, unter welchem die Geburt zwar langſam vorſchritt, jedoch mit Ausſtoßung von Zwillings— knaben glücklich beendigt wurde, dauerte zwei Tage lang nach der natürlichen Entbindung fort und hinterließ gar keine Erinnerung des inzwiſchen Vorgefallenen, ſo daß die Wöchnerin nur durch Befühlen des Leibes von der vollen— deten Thatſache überzeugt werden konnte *). Trotz der hier und in ähnlichen Fällen Statt finden— den Bewußtloſigkeit fanden Störungen der fünften Geburts— periode nicht Statt, im Gegentheil verlief das Nachgeburts— geſchäft glücklich. — Die bei manchen derartigen Fällen während des Wochenbettes auftretenden Gefahren ſtammen nicht ſowohl von einer mangelhaften Contraction der Ge— bärmutter, als von einer der ſpontanen Fühlloſigkeit- bis— weilen zu Grunde liegenden anderweiten Krankheit, Blut— entmiſchung, Hirnaffection u. ſ. w. Ganz übereinſtimmend mit dem bei Geburten unter ſpontan eingetretener Bewußtloſigkeit Beobachteten haben auch die vielfachen Verſuche, welche in neueſter Zeit mit der künſtlichen Anäſtheſie gemacht wurden, die Möglichkeit des Gebärens im bewußtloſen Zuftande, ohne Nachtheil für Mutter und Kind, dargethan. Es hat ſich bei dieſen Ver— ſuchen ergeben: 1) daß das Bewußtſein aufgehoben werden kann, un— beſchadet der Thätigkeit der dem Willen nicht gehorchenden Muskeln **), insbeſondere der Gebärmutter. Das Kind *) S. Eger, Joh., de partu feminae pariundi nesciae. Vratislaviae 1837. ©. 18. Daſelbſt wird auch Behrends, Diss. de partu mirabili in somno profundo matris facto. Helmſt. 1751 citirt, welche ich leider nicht vergleichen konnte. — L. J. C. Mende (Ausführliches Handbuch der gerichtlichen Me⸗ diein, Ir Bö., Leipzig 1826. S. 625) unterſcheidet zwei Arten von mehr ſelbſt⸗ ſtändiger Bewußtloſigkeit: einen nervös⸗krampfigen und einen ſchlagflüſſigen Zuftanv; der erſtere reihe ſich bisweilen an die Starrſucht an, während deren die Geburt ungejtört vor ſich gehe. N **) Bei einem unter Anaͤſtheſirung durch Ather mit glücklichem Erfolge von mir vollzogenen Bruchſchnitt ſah ich auf das Beſtimmteſte lebhafte Con⸗ tractlonen der Muskelhaut des eingeklemmten Darmſtückes, ja dasſelbe trat 299 2) Da nun die Zuſammenziehungen der Gebärmutter unter der Geburt ſich in doppelter Weiſe äußern, und zwar als abſatzweiſe auftretende ſchmerzhafte Wehen, d. h. als Contractionen, welchen jedes Mal ein Nachlaß folgt, und als ſtete unaufhaltſam vorſchreitende Verkleinerung des Ge— hörorganes, ſo geht zunächſt die letztere, die für die Stil— lung der Blutung in der fünften Geburtszeit ſo wichtige permanente Contraction, auch im empfindungsloſen Zuſtande unaufhaltſam fort. 3) Die periodiſchen Contractionen der Gebärmutter hingegen kehren im Zuſtande der vollen Betäubung ſeltener, auch wohl erſt, nachdem fie einige Zeit ganz eeſſirt haben, wieder, bewirken aber alle diejenigen Veränderungen, welche man von ihnen zu erwarten hat. 4) Bei den geringeren Graden von Betäubung zeigen ſich ſogar auch die mit den periodiſchen Contractionen in der dritten Geburtsperiode gewöhnlich verbundenen Syner— gieen, Zuſammenziehungen der Bauchpreſſe, Anſtämmen der Ertremitäten, ſogar unwillkürliche Laute und Schreie, ohne daß jedoch die Kreißende eine Erinnerung davon hätte. Dagegen eeſſiren bei den höheren Graden von Anäſtheſie die auf Refleraction beruhenden unwillkürlichen Zuſammenzie— hungen der Bauchpreſſe ganz. 5) Für die Kinder im Mutterleibe hat man einen Nach— theil als Folge der künſtlichen Anäſtheſie bei der Geburt ſo wenig beobachtet, daß ſogar die Gegner dieſes Verfahrens keine ſchlagenden Beobachtungen dafür anzuführen wiſſen. Können alſo Geburten im bewußtloſen Zuſtande ohne Nachtheil für Mutter und Kind erfolgen, ſo fragt es ſich weiter, ob ein weſentlicher Nutzen für die Kreiß— enden aus der Bewußtloſigkeit, und zwar in welchen Fällen gezogen werde. Daß im allgemeinen Menſchen ſchmerzerregende Ein— griffe leichter und mit geringeren Nachtheilen im bewußt— loſen Zuſtande ertragen, als mit vollem Bewußtſein, bezeu— gen nicht allein die unzähligen Beiſpiele von ſchweren Ver— wundungen durch Fall, Stoß u. ſ. w., welche Trunkene in der Regel mit überraſchend günſtigen Ausgängen erdulden, ſondern auch einzelne Beobachtungen von Bewußtloſigkeit während ſchwerer Verletzungen, ohne daß geiſtige Getränke oder dergleichen genommen waren. So erzählt E. L. Heim“) neben mehreren weniger hierher gehörigen Fällen, daß ein ſchleſiſcher Leinwandhändler, der in St. Petersburg zu Folge einer ſchmähligen Denunciation durch einen Hamburger Con— currenten verurtheilt war, 175 Knutenhiebe, das Aufſchlitzen beider Naſenflügel und die Brandmarkung glücklich über— ſtanden habe, nachdem er beim Anblicke zweier vor ihm durch 30, reſp. 50 Knutenhiebe getödteter Verbrecher in einen völlig bewußtloſen Zuftand verfallen war. — Ein junger Soldat, welchen ein Lieutenant durch 50 Stockprügel nach der Erweiterung der Bruchpforte mit ungewöhnlicher Macht hervor zum großen Schrecken der Aſſiſtirenden. Die ungejtört fortſchreitende Bewegung der Darmmuskelhaut während der Anaͤſtheſie wird auch durch die von einigen bei dem Ather- und Chloroformrauſche beobachteten unwillkürlichen Auslee⸗ rungen bewieſen. 8 deſſen vermiſchte meviciniſche Schriften, herausgegeben von A. Patſch, Leipzig 1836, S. 99 ff. nach einem Auflage, welcher ſchon 1809 in Horns Archiv Band IX. abgedruckt war, n 151. VII. 19. Stande kommen. 300 zum Geſtändniß eines Vergehens zwingen laſſen wollte, bat, als er aus dem todtenähnlichen Zuſtande, in welchen er zum großen Schrecken des Corporals und Lieutenants bald nach dem Beginne der Execution verfallen war, zu ſich kam, den anweſenden Officier höflich um Verzeihung, daß er in feiner Gegenwart eingeſchlafen ſei, und wußte nichts von den erduldeten Prügeln, wie Heim an demſelben Orte be— richtet. Unter den phyſiologiſchen Vorgängen im menſchlichen Leben iſt aber der Act der Geburt ausgezeichnet durch Schmerzhaftigkeit, welche in einzelnen Fällen durch indisvi— duelle Empfindlichkeit, in anderen durch pathologiſche Zu— ſtände abnorm und gefahrdrohend geſteigert wird. Zarte, ſchwächliche Conſtitutionen, wie man ſie bei zunehmender Verzärtelung und Überbildung immer häufiger, namentlich in den Städten findet, leiden eben ſo wie ſonſt geſunde Frauen, wenn deren Gebärorgane von einem rheumatiſch— katarrhaliſchen Proceß oder dergleichen ergriffen find, ſchon unter den gewöhnlichen Geburtsanſtrengungen ſehr viel und haben davon beſtimmte Nachtheile zu gewärtigen, welche wenigſtens zum guten Theile nicht eintreten würden, wenn fie in einem Zuſtande von Fühlloſigkeit dieſen Act über— ſtehen könnten. Zu den drohenden Nachtheilen und Gefahren zähle ich zunächſt die möglichen Zerreißungen des Dammes, und die verſchiedenen Quetſchungen, welchen überempfindliche Frauen in Folge des faſt unwillkürlichen, durch Reflexaction bedingten Umherwerfens, ſowie in Folge des bisweilen all— zuſtürmiſchen Preſſens und Drängens während der Geburt ausgeſetzt ſind, Gefahren, denen Frauen mit geringerer Em— pfindlichkeit durch ruhiges Ertragen der Geburtsſchmerzen entgehen. — In anderen Fällen hingegen zeigen ſich als Folgen der übermäßigen Schmerzhaftigkeit der Wehen Zuckungen, oder eine, bisweilen mit heftigem Weinen verbundene Muthloſigkeit, welche die ſo nützliche Nach— hülfe bei den Wehen nicht zu Stande kommen läßt; auch dieſe Übelſtände werden bei gemäßigter Schmerzempfindung ausbleiben. — Von weit größerer Bedeutung dürfte aber die bei geſteigerter Reizbarkeit der Gebärenden, zumal wenn die Geburtsſchmerzen etwas länger andauern, drohende Er— ſchöpfung ſein, welche ſowohl in den ſpäteren Zeiträumen der Geburt ſelbſt, als auch im Wochenbette beſtimmte Ge— fahren mit ſich führt. Aus dieſer Erſchöpfung geht zunächſt eine mangelhafte Action der Muskelfaſern des uterus hervor, welche vor allem in der Nachgeburtsperiode die beſtimmteſten Nachtheile verurſacht. Nicht allein die Abſonderung und Ausſtoßung des Mutterkuchens und der übrigen Eireſte muß bei fehlerhafter Wirkung der Gebärmutter eine mangelhafte ſein, ſo daß Verhaltungen der Nachgeburt mit all ihren gefährlichen Folgen Statt finden, ſondern auch die Blut— ſtillung wird nur in mangelhafter Weiſe oder gar nicht zu Die letztere beruht nämlich vorzüglich auf zwei Momenten, und zwar theils auf der regelmäßigen Coa— gulabilität des Blutes, welches in den bei Abtrennung des Mutterkuchens geöffneten weiten Blutgefäßen thrombi bilden muß, theils und ganz vorzüglich auf der gehörigen Action 301 der Muskelfaſern des uterus. Die letzteren umziehen die Blutgefäße der Gebärmutter in manchfaltigſter Weiſe, und wirken bei regelmäßiger Thätigkeit Compreſſorien gleich auf die geöffneten Blutgefäße. Wenn nun einerſeits die hohe Bedeutung der Blutbeſchaffenheit für die Siſtirung der Blu— tung nach der Geburt des Kindes durch diejenigen minder häufigen Fälle bewieſen wird, in welchen gefährliche Mutter— blutungen trotz gehöriger Action der Muskelfaſern auftreten, und wie insbeſondere bei Leber- und Milzdegenerationen bis zum Tode in einem unaufhaltſamen Hervorrieſeln fortdauern, ſo iſt die Wichtigkeit einer regelmäßigen Muskelaction an— dererſeits längſt anerkannt, und geht insbeſondere aus den— jenigen Beobachtungen auf das unzweideutigſte hervor, zu Folge welcher heftige Gemüthsbewegungen wie Schrecken, Angſt, Freude oder Kummer plötzlich die heftigſten Blut- flüſſe 9), ſogar noch in den ſpäteren Tagen des Wochen: bettes veranlaſſen. Die Muskelaction kann aber in doppel— ter Weiſe geſtört werden, entweder von den Nervencentren aus, wie in den eben gedachten Fällen, oder durch ein ört— liches Erkranken der Muskelſubſtanz, z. B. durch einen ſo— genannten Rheumatismus der Gebärmutter. Beiderlei Stö— rungen treten um ſo leichter auf, je mehr die Energie des Organismus herabgeſetzt iſt, alſo nach Erſchöpfung. Alles was dieſe verhütet, wird daher die Gefahr der Blutung min— dern. — Da wir nun wiſſen, daß anhaltende Schmerzen mit Nachtwachen, vergeblicher Anſtrengung u. ſ. w. verbun— den, um ſo gewiſſer jene Erſchöpfung herbeiführen, je reiz— barer das Individuum iſt, ſo müſſen wir auch von dieſem Punkte aus ein Verfahren willkommen heißen, das durch Erſparung von Schmerzen, Verhütung von unnöthigen An— ſtrengungen und Herſtellung von temporärer Ruhe jene Ge— fahr wo nicht gänzlich beſeitigen, doch im hohen Grade beſchränken wird. Der Stand der Energie des Organismus übt ferner den mächtigſten Einfluß auf den Verlauf des Wochenbettes, indem das Zuſtandekommen der nothwendigen Puerperal— kriſen unzweifelhaft von einer regelmäßigen Thätigkeit des Nervenſyſtemes bedingt iſt. Da, wo durch ungewöhnlich heftige Geburtsſchmerzen der Organismus erſchöpft iſt, wird dieſe Thätigkeit eine abnorme ſein, und Störungen der Puerperal-Se- und Ereretionen können nicht ausbleiben. Ab— geſehen don dem epidemiſchen und contagiöſen Urſprunge des Puerperalfiebers, erſcheinen die Puerperalkrankheiten am häufigſten als Folge ſchmerzhafter Geburten, und es dürfte zugegeben werden, daß gerade der Schmerz und ſein nach— haltiger Einfluß auf die Nervenaction einen weſentlichen Einfluß auf die Entſtehung oder doch Verſchlimmerung die— ſer gefährlichen Klaſſe von Krankheiten habe, wenn auch daneben die örtlichen Quetſchungen und Verletzungen, welche *) Als ein derartiges Beiſpiel diene folgender Fall: Am 19. März 184 wurde ich eilig zu der durch einen Choleraanfall unter der Geburt im hohen Grade erſchöpften Frau R. hier gerufen, welche jo eben, am 7. Tage nach der Entbindung, nachdem ſie bereits das Bett verlaſſen, in Folge von einem 115 Schrecken Kreuzſchmerzen und bald darauf einen beträchtlichen Ge⸗ ärmutterblutfluß erlitten hatte. Die auf Atonie der Placentalſtelle beruhende Blutung brachte durch mehrmalige Wiederkehr die Wochnerin dem Tode nahe, wurde jedoch endlich nach vergeblichem Gebrauche der styptica und tonica durch Ipecacuanha und Opium dauerhaft beſeitigt. 151. VII. 19. 302 ſchon bei natürlich, d. h. ohne Kunſthülfe verlaufenen Ge— burten kaum je fehlen, als Urſachen der genannten Krank— heiten nicht zu verkennen ſind. Eine Milderung der Ge— burtsſchmerzen muß vorausſichtlich auch hier von den heil⸗ ſamſten Folgen ſein, und der bis jetzt nur hypothetiſche Einwand Grenſers, daß die Anäſtheſirung, weil ſie mit einer (vermutheten) Blutentmiſchung verbunden ſei, das Puerperalfieber begünſtigen müſſe, dürfte durch die Erfah: rung keineswegs beſtätigt werden. Im Gegentheile habe ich unter 17 am Schluſſe meiner Abhandlung ſpeciell mit— zutheilenden Beobachtungen nur einen Fall zu berichten, in welchem ein Kindbetterinnenfieber nach dem Gebrauche des Chloroforms unter der Geburt auftrat, obſchon in der Mehrzahl der Beobachtungen eingreifende Operationen Statt gefunden hatten; auch in dieſem einen Falle war ſchon vor der, von der Kreißenden dringend verlangten Anäftheftrung aus dem Allgemeinbefinden der Eintritt der Krankheit nach der Geburt vorausgeſagt. Dieſe nahm übrigens eben ſo, wie alle übrigen Entbindungen, einen günſtigen Ausgang. Ein anderes Bedenken, welches Grenſer gegen die Anäſtheſirung bei Geburten im allgemeinen vorgebracht hat, daß „man mit dem Schmerze der Mutter auch ihre erſte Freude, und Frauen überhaupt die ſonſt in dieſen ernſten Schmerzensſtunden ſo natürlich und edel ſich bewährende echte Weiblichkeit raube,“ muß meiner Meinung nach da ſchweigen, wo entſchiedene Vortheile für die Geſundheit, ja für das Leben der Mutter und des Kindes in Ausſicht ſtehen. Gerade der plötzliche Contraſt der Gemüthsſtimmungen wäh— rend und nach der Geburt, wie man ihn bei reizbaren, empfindlichen Frauen bisweilen beobachtet, iſt nach meiner Erfahrung höchſt gefährlich; ich habe ſchon mehr als ein Mal geſehen, daß Frauen, welche von den länger andauern— den und ſchmerzhaften Geburtsanſtrengungen erſchöpft, und von Beſorgniſſen um die eigene und des Kindes Erhaltung niedergedrückt, nach endlicher glücklicher Vollendung der Ge— burt uͤberglücklich Gatten und Kind in die Arme ſchloſſen, nach wenigen Stunden von heftigen Kopfſchmerzen ergriffen wurden und in Puerperalfieber der ſchlimmſten Art verfielen, während ruhigere, ermattete, ſogar bewußtloſe Frauen dieſer Gefahr entgingen. Aus dem Vorſtehenden dürfte ſich ergeben, daß die Anäſtheſie zunächſt für Zuſtände erhöhter Reizbarkeit und Empfindlichkeit unter der Geburt weſentlichen Nutzen brin— gen müſſe, und daß daher dieſe geſteigerte Empfindlichkeit, mag fie als Gonftitutionsfehler ſchon länger beſtehen, oder nur im einzelnen Falle durch Rheumatismus der Gebär— mutter u. dergl. erzeugt ſein, als eine Indication für die künſtliche Anäſtheſirung gelten könne. In einem, dem ſo eben bezeichneten ſehr ähnlichen Falle finden wir aber die ſonſt geſunde Kreißende da, wo in Folge irgend welcher Verhältniſſe eine künſtliche Vermehrung der natürlichen Geburtsſchmerzen durch eine nothwendige Ope— ration unvermeidlich erſcheint. Hier wird das Maß der Schmerzen geſteigert, während dort die geſteigerte Empfind— lichkeit auch den gewöhnlichen Schmerzen eine größere Be— deutung verleiht. Bei allen ſchmerzhaften geburtshülflichen 303 Operationen, wie Wendungen durch innere Handgriffe, Aus— ziehung des Kindes an den Füßen oder am Kopfe mit der Kopfzange, Nachgeburtslöſungen, Kaiſerſchnitt u. ſ. w., halte ich die künſtliche Anäſtheſie ſchon aus denſelben Grün— den, wie ſie ſo eben für die natürlichen Geburten bei Über— empfindlichkeit der Kreißenden geltend gemacht wurden, für angezeigt. Überall wird auch hier der nachtheilige Eindruck, welchen das Übermaß der Schmerzen auf das Nervenſyſtem hervorbringen muß, durch die erzeugte Fühlloſigkeit gemil— dert und damit den Folgen der Überreizung vorgebeugt werden. Daneben treten aber noch andere wohl zu beachtende Vortheile hervor, welche für Operationen aus der Fünftlichen Anäſtheſirung gezogen werden können. Zuerſt nenne ich als einen untergeordneten, obwohl nicht ganz zu überſehenden Vortheil die geiſtige Ruhe, in welcher die Kreißende von allen Vorbereitungen oder ſonſt aufregenden Vorgängen, z. B. von der, wenn auch noch ſo geringen Entblößung, der An— weſenheit von Gehülfen u. ſ. w. gar nichts wahrnimmt. In der That iſt für manche Operationen, bei deren Aus— führung das Auge nicht zu entbehren iſt, z. B. bei der Dammnaht, dieſer Vortheil nicht gering anzuſchlagen, und ohne Zweifel auch von beträchtlichem Nutzen für die Gene— ſung. Weit wichtiger iſt jedoch der Gewinn, welcher für die Operation ſelbſt aus der körperlichen Ruhe der Kreißen— den hervorgeht; die anäſtheſirte Kreißende wird ſich nicht, wie es bei Entbindungen mit der Zange, bei Wendungen durch innere Handgriffe und bei Grtractionen an den Fuͤßen ſo häufig der Fall iſt, ungebärdig umherwerfen, und dadurch ebenſowohl das vorſichtige Einführen der Inſtrumente er— leichtern, als auch bei der Ausziehung Verletzungen mannig— faltiger Art, namentlich des Dammes, verhüten laſſen. Der Operateur kann, da er nicht von dem Klagen und Schreien der zu Operirenden geſtört und gedrängt wird, ſeine ganze Aufmerkſamkeit ungetheilt der Sicherheit des techniſchen Ver— fahrens und der möglichſten Schonung von Mutter und Kind zuwenden ). — Daß auch für die Umgebung der *) Diejenigen Einwände, welche man vielleicht daraus herleiten mochte, daß die Frauen bei geburtshülflichen Operationen bisweilen gewiſſe Stellun⸗ gen und Haltungen einnehmen müßten, welche im Zuſtande der 4 itaNtdr keit nicht zu geben ſeien, werden theils durch die unten mitgetheilten Beobach— tungen von glücklich vollzogenen Ertractionen an den Füßen — denn nur für dieſe, wie für die vierte Geburtszeit der Geburten mit dem Beckenende voraus und für die ſeltenen Perforationen, Kephalotripſien und Embryotomien halte ich das Sitzen auf dem Querbette für nothig — widerlegt, theils dadurch im hoͤchſten Grade beſchrankt, daß man für die Mehrzahl der Falle, in welchen man die Kreißende bisher auf das Querbett oder in die Knie- und Ellenbogen⸗ lage brachte, andere bequeme Lagerungen mit den größten Vorthellen jubftitul= ren kann; jo habe ich mich überzeugt, daß Wendungen eben jo wie Nach⸗ geburtslöſungen ſogar unter den ungünſtigſten und ſchwlerigſten Verhaältniſſen u der entſprechenden Seitenlage der Kreißenden auf dem gewohnlichen Bette, Operationen mit der Kopfzange in der Rückenlage mit gehörig unterſtütztem Steiße nicht nur ohne Beſchwerde, ſondern ſogar mit entichievenem Vortheile vollzogen werden, und ich muß namentlich die Seitenlage bei Wendungen für weit ee her erflären als die immer ſehr unbequeme Knie- und Ellenbogenlage. 151. MI. 19. 304 zu Entbindenden aus der Ruhe, in welcher die Operationen vor ſich gehen, eine erwünſchte Erleichterung der ſorgenvol— len Stunden entſpringe, wird kein Verſtändiger läugnen. — Soll aber endlich eine Operation an einer überempfindlichen Kreißenden vollzogen werden, ſo muß die künſtliche Anäſthe— ſirung aus zweifachem Grunde wünſchenswerth erſcheinen; denn hier vereinigen ſich im Falle des ungeſchwächten Be— wußtſeins die Nachtheile, welche überempfindlichen Kreißen— den als ſolchen drohen, mit denjenigen, welchen zu Folge der geſteigerten Schmerzen Frauen auch ohne jene krankhafte Empfindlichkeit bei Operationen ausgeſetzt ſind. Zwei Fälle ſind es demnach, in welchen die künſtliche Anäſtheſie bei Geburten weſentlichen Nutzen verſpricht: 1) bei der bisweilen zu beobachtenden übermäßigen Em— pfindlichkeit, welche auch für die natürlichen Geburten nach— theilige Folgen beſorgen läßt, 2) bei derjenigen Vermehrung der gewöhnlichen Geburts— ſchmerzen, welche mit gewiſſen geburtshülflichen Operationen, wie die Wendung mittels innerer Handgriffe, Extraction mit der Hand oder mit der Zange, Löſung der Nachgeburt, Kaiſer— ſchnitt u. ſ. w. unvermeidlich gegeben wird. Ob außer dieſen beiden Fällen noch Vortheile von der künſtlich herbeigeführten Anäſtheſie bei Geburten zu erwarten ſtehen, muß ich für jetzt bezweifeln; namentlich kann ich nicht glauben, daß bei Stricturen und anderen krampfhaften Affectionen der Gebärmutter, ſofern dieſe nicht etwa durch Schmerzen veranlaßt ſein ſollten, ein weſentlicher Nutzen von der Anäſtheſie zu erwarten ſei, weil dieſe Zuſtände, abge— ſehen von der ſo eben erwähnten Ausnahme, auf örtlichen Fehlern des uterus beruhen, und dieſe durch anderweite Mittel zunächſt beſeitigt werden müſſen. — (Schluß folgt.) Miſecelle. (30) Für die Anwendung der cortex rad. et trunc. punicae granatorum gegen den Bandwurm hat ein holländiſcher Militärarzt Dr. Schmidtmüller in den hannover⸗ ſchen Annalen VII, 5. 1847 nach feinen zahlreichen Beobachtungen bei den Truppen in Oſtindien folgende Anwendungsweiſe empfohlen, und behauptet 148 Mal unter 150 Fällen vollkommene Erfolge erlangt zu haben. Er läßt den Kranken einen Tag hungern, Abends 2 Unzen Rieinusöl nehmen und am folgenden Morgen auf drei Mal folgendes Decoet nehmen: Be. Cort. rec. rad. pun. granat. 3 J leviter contus. ink. C. Ag. font. libr. XII. Stent per hor. XII dein coqu. leni calore per XII horas ad colat. 3 vj. D. S. auf drei Mal zu nehmen. Stammrinde verhält ſich zur Wurzelrinde wie 4: 3. Die europäische Rinde hält Dr. Sch. für unficher, und empfiehlt daher dieſelbe getrocknet aus Oſtindien kommen zu laſſen, oder von da das ätheriſche Ertraet zu beziehen, wovon ZB in 3 ] Fenchelwaſſer empfohlen werden. . Bibliographiſche Neuigkeiten. G. Her bit, die Paciniſchen Körper und ihre Bedeutung. Ein Beitrag zur Kenntniz der Nervenprimitivfaſern. gr. 8%. Geh. 1½% Thlr. Vandenhöck u. Ruprecht in Gottingen 1848. O. B. K% u, System d. anorgan. Chemie, hock u. Ruprecht in Gottingen 1848. gr. 8°. Geh. 2% Thlr. Vanden- Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 152. (Nr. 20. des VII. Bandes.) September 1848. Naturkunde. Davy, über die Vortheile der Waſſerdurchleltung und Bewäſſerung. — Miſcellen. Joly, hochſt merkwürdige Mißgebuxrt eines Ochſen. Leadbitter, Inſtinet einer Kröte. — Heilkunde. Martin, über die künſtliche 1 bei Geburten, insbeſondere durch Chloroformdampfe. 3 — n über eine freiwillig entſtandene Speiſeroͤhrenfiſtel. — Miſeelle. Melcher, galvaniſche Zerſetzung der Harnſteine in der Blaſe. — Bibliographie. Naturkunde. XIII. über die Vortheile der Waſſerdurchleitung und Bewäſſerung. Von John Davy, M. Dr., Generalinſpector der Kriegshoſpitäler. Der intereſſante Vortrag des Verf. ward in der vierten Halbjahrsſitzung der General Agricultural Society zu Barba— does am 22. December 1847 gehalten und im Januar- und Aprilheft des Edinburgh new philosophical Journal von 1848 mitgetheilt. Waſſerableitung und Bewäſſerung ſind für die Frucht— barkeit des Bodens von größter Wichtigkeit, da nur bei einem gehörigen Grade von Feuchtigkeit des Erdreichs eine vorzügliche Ernte erzielt werden kann. Die Waſſerablei— tung, mit der der Verf. ſich hier beſchäftigen wird, bezieht ſich indeß nicht auf die Oberfläche des Bodens, ſondern auf das Innere desſelben, indem ſie die Aufnahme und das Zurückhalten des überflüſſigen Regenwaſſers in und unter dem Boden in einem für die Fruchtbarkeit angemeſſenen Ver— hältniſſe bezweckt und dadurch die Zerſetzung der groben Be— ſtandtheile des Bodens und Unterbodens befördert, ſo den alten Boden verbeſſert und einen neuen fruchtbaren Boden bildet. Um die Proceſſe zu verſtehen, durch welche eine fo wich— tige Veränderung herbeigeführt wird, muß man indeß die Beſtandtheile des Bodens ſelbſt und ihr Verhalten zum Waſſer und zur Atmoſphäre kennen. Ein fruchtbarer Bo— den beſteht niemals aus einer einzigen Erdart, ſondern aus verſchiedenen Beſtandtheilen; je zuſammengeſetzter er iſt, um ſo beſſer iſt er in der Regel. Jeder gute Boden enthält eine gewiſſe Menge Lehm und Sand, der entweder Kiefel oder Kalk oder ein Gemiſch von beiden enthält, während der Lehm hauptſächlich aus Kieſelſäure und Thonerde be— ſteht. Drei Arten eines ſehr fruchtbaren Bodens in Flan— No. 2132. — 1032. — 152. dern enthielten außer den beiden zuletzt genannten Stoffen noch 18 andere, von denen der Kalk, die Talkerde, die Alkalien (mit Einſchluß des Ammoniaks), gewiſſe Säuren, als Phosphor-, Schwefel- und Kohlenſäure, und zwei oder drei organiſche Verbindungen die wichtigſten waren. Der Lehm beſitzt die wichtige Eigenſchaft, das Waſſer zurückzuhalten; je compacter der Lehm, um ſo kräftiger iſt dieſe Wirkung; durch ihn erhalten wir die Quellen, welche das Erdreich bewäſſern, während ohne ihn alles zur dürren Wüſte werden müßte. Nur die Thonerde iſt es, welche dem Lehme das Vermögen, Waſſer zu binden, verleiht; ihre äußerſt feine Vertheilung und das Zuſammenhängen ihrer Theilchen im feuchten Zuſtande bedingt die plaſtiſche Beſchaf— fenheit des Bodens, deſſen erdige Theile ohne ſie gleich dem Flugſande umhergetrieben würden. Die Thonerde iſt über— dies in reinem Waſſer, ſowie in mit Kohlenſäure geſchwän— gertem Waſſer unlöslich und deßhalb unfähig, anders als in ſelbſt unterm Mikroſkop kaum ſichtbaren Partikeln auf: zutreten. Die Kieſelſäure findet ſich im Boden hauptſächlich als Quarzſand, der durch das Zerfallen gewiſſer kryſtalliniſcher Quarzeonglomerate, fo namentlich des Granites entſtand; auch kommt die Kieſelſäure feiner zertheilt, in geringerer Menge als Zerſetzungsproduet des Feldſpathes vor. In Dies ſem Zuſtande iſt ſie bei Gegenwart von kohlenſaurem Alkali oder bei feiner Kohlenſäure, auch ſchon im Waſſer allein löslich und wird im gelöſ'ten Zuſtande von den Pflanzen aufgenommen. Die Kieſelſäure ſcheidet ſich aus ihrer Lö⸗ jung nicht wie die Thonerde in kleine Partikeln, ſondern in Kryſtallen oder unkryſtalliniſch als harte ſteinige Kru— ten ab. . Der Kalk findet ſich im Boden meiſtentheils an Koh⸗ lenſäure gebunden; ſelbſt wenn man 0 auf den Boden 0 307 bringt, wird er ſehr bald durch Aufnahme von Kohlenſäure in kohlenſauren Kalk verwandelt. Letzterer kryſtalliſirt ſehr leicht: wenn man eine Kalklöſung mit einem kohlenſauren Alkali verſetzt, ſo fällt der entſtandene kohlenſaure Kalk kry— ſtalliniſch nieder. Dieſe Kryſtalle, obgleich ſcheinbar äußerſt klein, find unterm Mikroſkop mit den Thonerdepartikelchen verglichen, von bedeutender Größe; ihnen fehlt das Ver— mögen, das Waſſer der Thonerde gleich zu binden. Auch die Talkerde hat eine innige Verwandtſchaft zur Kohlenſäure; auch ſie iſt meiſtens an ſelbige gebunden im Boden vorhanden. Die kohlenſaure Talkerde ſcheint ſich in— deß nicht kryſtalliniſch abzuſcheiden; ihre Theilchen find deß— halb feiner als die Kryſtalle des kohlenſauren Kalkes, aber dennoch viel gröber als die Theilchen der Thonerde. Die kohlenſaure Talkerde hält allerdings das Waſſer zurück, bin— det es indeß nicht jo vollſtändig wie die Thonerde. Die relative Feinheit der Theilchen dieſer drei beſpro— chenen Erden zeigt ſich am beſten durch die verſchiedene Schnelligkeit, mit der ſie ſich, im Waſſer vertheilt, aus ſel— bigem abſetzen; der kohlenſaure Kalk ſenkt ſich am erſten, die kohlenſaure Talkerde bleibt viel länger ſuspendirt und noch bei weitem langſamer ſenkt ſich die Thonerde. Dieſer Eigenſchaft verdankt die Thonerde ihre ſo weite und all— gemeine Verbreitung, indem ſie vom Regenwaſſer aus zer— ſetztem thonerdehaltigem Geſtein ausgewaſchen und in die Flüſſe und Seen geführt wird, durch Fluthen und Strö— mungen in den Ocean gelangt, ſich dort allmälig abſetzt und aus nackten Felsriffen nach und nach fruchtbare Inſeln und Länder bildet. Keine Erdart bindet ſowohl chemiſch als hygroſko— piſch ſo viel Waſſer als die Thonerde, keine Erde hält das Waſſer ſo feſt zurück, keine zieht ſich aber auch beim Verluſt derſelben in gleichem Grade zuſammen. Wenn man die an der Luft getrockneten Niederſchläge der Thonerde, der kohlenſauren Talkerde und des kohlenſauren Kalks neben einander betrachtet, ſo iſt der Niederſchlag der erſteren nach allen Richtungen geriſſen, das Talkerdepräcipitat zeigt nur wenige Riſſe und der Kreideniederſchlag hat eine glatte nicht geriſſene Oberfläche. Der Verf. beſtimmte den Waſſer— gehalt eines Thonerdeniederſchlags, der auf dem Filter kein Waſſer mehr abgab, eines Kreideniederſchlags und eines Fil— ters mit Kieſelſand, die ebenfalls kein Waſſer mehr abgaben: die feuchte Thonerde enthielt 60,8 Proc., der feuchte kohlen— ſaure Kalk 38,7 Proc. und der feuchte Sand nur 24,4 Proc. Waſſer. Die beiden erwähnten Eigenſchaften der Thonerde ſind es nunmehr, welche ſie für die Bewäſſerung der Bodentiefe ſo wichtig machen, indem das Waſſer durch die entſtandenen Riſſe in die Tiefe einzudringen vermag, nachdem es einge— drungen, aber begierig aufgeſogen und kräftig zurückgehal— ten wird. Um nun das Waſſer recht tief in den Boden leiten zu können, iſt ein Pflügen des Untergrundes, wodurch ſo— wohl dem Waſſer als der Luft mehr Zutritt gewährt wird, ohne daß der Untergrund an die Oberfläche kommt, ſehr zu empfehlen. Sollte dieſe Behandlung in einigen Fällen nicht 152. VII. 20. 308 die Koſten derſelben zu erſetzen ſcheinen, ſo räth der Verf. verſuchsweiſe mit einem kleinen Stück Landes anzufangen und den Ertrag und die Güte des von ihm gewonnenen Korns mit dem des nicht ſo behandelten Landes zu ver— gleichen. Der Verf. geht nunmehr zum Verhalten der atmo- ſphäriſchen Luft und des Regenwaſſers zu den Beſtandthei— len des Bodens, in welchen es durch die Grundbewäſſerung (thorough-draining) geführt wird, ohne in ihm zu ſtagni— ren, über. Die atmoſphäriſche Luft beſteht bekanntlich aus Sauer— ſtoff und Stickſtoff in faſt conſtanten Verhältniſſen (21 Vo— lumtheile Sauerſtoff und 79 Volumtheile Stickſtoff), zu welchen ſich etwas (½ 000) Kohlenſäure und etwas Waſſer— dampf hinzugeſellt, der in zu Tropfen condenſirtem Zuſtand die Wolken bildet und eine geringe Menge kohlenſaures Ammoniak und einige andere Stoffe gelöſ't enthält. Der Regen liefert niemals chemiſch- reines Waſſer; derſelbe ſcheint zweien Hauptzwecken zu dienen: er reinigt die Luft und macht die Erde fruchtbar; ſein Waſſer enthält Kohlenſäure, Sauerſtoff und Stickſtoff, außerdem kohlenſau— res Ammoniak und andere in der Luft verbreitete Stoffe, die es mit ſich fortnimmt. Der in den Boden eindringende Regen bewirkt nun nicht ſowohl unmittelbar eine kräftigere Vegetation, ſondern auch mittelbar, indem er zur Verbeſſerung des Bodens und Unterbodens beiträgt. Das mit Sauerſtoff geſchwängerte Waſſer bewirkt eine Zerſetzung der organiſchen im Boden enthaltenen Stoffe, aus ihnen Nahrung für die Pflanzen bildend, zerlegt überdies die zuſammengeſetzten Mineralien, aus deren Elementen eine neue Ackererde entſteht. Das Durchleiten des Regenwaſſers wirkt ſomit, wenn ſein Sta— gniren verhindert wird, ſehr vortheilhaft auf die Güte des Bodens; es erhält ihn in einer poröſen Beſchaffenheit, geftattet dadurch den Zutritt der atmoſphäriſchen Luft, die ſich theilweiſe im Boden zerſetzt, deren Stickſtoff mit dem aus verweſenden Organismen frei werdenden Waſſerſtoff Ammoniak bildet und ſo ein Alkali erzeugt, auf dem die Hauptwirkſamkeit der beſten Düngerarten beruht und aus dem ſich vielleicht ſämmtliche Proteinverbindungen entwickeln. Durch eine zweckmäßige Grundbewäſſerung wird überdies ſowohl einer Dürre als einer übermäßigen Näſſe des Bodens abgeholfen und dadurch wiederum mehr Gleichmäßigkeit ins Klima gebracht, ſowohl eine übermäßige Trockenheit als Feuchtigkeit der Luft vermieden und ſo eine mehr gleich— mäßige Lufttemperatur herbeigeführt. Die Vortheile eines ſolchen Verfahrens ſind demnach kaum zu berechnen. Der Verf. hatte ſowohl Gelegenheit den erſten Ver— ſuchen des Hrn. Smith auf Deanſton, des Erfinders dieſer Methode, als den erſten Verſuchen ſein Verfahren in den Tropen auszuführen, beizuwohnen; hier waren es die HHrn. Dr. Philipps zu Lamberts und Dr. Shier zu Demerara, welche die Verſuche ausführten. Der Zu— ſtand der Felder und Wieſen zu Deanſton war in Folge dieſes Verfahrens über alles Erwarten vortrefflich geworden. Obſchon das Jahr ein ungewöhnlich trocknes war und alle 309 benachbarten Felder wie verſengt erſchienen, prangten die Wieſen und Felder von Deanſton, deren Lage keine andere war, im ſchönſten Grün, nicht ein verdörrter Halm war auf ihnen zu finden. Die Menge des geernteten Kornes gab im Herbſte die ſchlagendſten Beweiſe für die Frucht— barkeit des mit Waſſer durchrieſelten Landes. Dr. Shiers Verſuche zu Demerara ſchienen, ſo weit die Kürze der Zeit ein Urtheil erlaubt, nicht minder erfolgreich zu ſein. Der Verf. ſah das Feld, mit dem dort experimentirt ward, im Mai nach heftigen Regengüſſen; das Waſſer floß aus den Offnungen der Waſſerrinnen reichlich ab, die Bodenfläche war feucht und im fruchtbarſten Zuſtande; ſie hatte keine offnen Spalten, wie man ſie gewöhnlich in der Colonie an— trifft, war vielmehr von einer ſolchen Beſchaffenheit, daß ſie gepflügt und geeggt werden konnte. In einem Briefe vom 3. November ſchreibt Dr. Shier über den vortrefflichen Zuſtand des durchwäſſerten Feldes. Das auf ihm gewach— ſene Zuckerrohr (canes) gab ſchon im ſechsten Monate ſei— nes Alters einen Saft von 1,070 ſpeeifiſchem Gewicht; ein Imperialgallon dieſes Saftes gab 1 Pfund und 2 Un— zen des ſchönſten Muſcovadozuckers. Die Melaſſe enthielt nur etwa ½ mehr Salze als die Melaſſe anderer Felder derſelben Plantage mit offenen Waſſerriſſen. Über die Ver⸗ ſuche zu Lamberts auf Barbadoes berichtet endlich die Lee- ward Agricultural Society. Ein Feld von 2½ Aeres, welches bisher in der naſſen Jahreszeit eine Mißernte gab, ward im April 1846 nach Smiths Methode behandelt; die naſſe Witterung ſchadete ihm jetzt nicht mehr, während ein benachbartes Feld, obſchon es höher lag, ſehr von Waſ— fer litt und im Mittel per Acre ein Orhoft weniger als das durchwäſſerte Feld lieferte, obſchon erſteres gedüngt, letzteres aber nicht gedüngt war. Spätere Mittheilungen des Hrn. Philipps benachrichtigen den Verf., daß er noch 8 Aeres Land, welche ähnlich gelegen, früher viel von Waſſer gelitten hätten, durchzogen (drained) und bepflanzt habe, und daß die ſchädlichen Folgen des Waſſers ſeitdem gänzlich ausgeblieben wären und das auf ihnen gebaute Zuckerrohr weit beſſer als auf allen übrigen Feldern ſtehe. Er berich— tet ferner, daß er gegenwärtig ſchon 15 Aeres nach dieſer Methode beſtellt habe und noch vor Ende des Jahres 5 neue Aeres herzuſtellen hoffe. Philipps bemerkt ferner, daß die durchwäſſerten Felder während der äußerſt trockenen Jah— reszeit, welche der Regenperiode vorausging, keinen Schaden litten, obſchon der Boden dieſer Felder trockner, jedoch lockerer als der des übrigen Landes erſchien; — Beobachtungen, welche, wie der Verf. bemerkt, ſehr zu Gunſten ſeiner eben mitgetheilten Theorie ſprechen. Der Verf. ſpricht, ehe er die Durchwäſſerung verläßt, noch über die Beſchaffenheit des Bodens, welcher eine ſolche Behandlung bedarf und desjenigen, für den fie überflüſſig iſt. Ein ſandiger oder mergelreicher Boden mit einem ſan— digen oder mergelhaltigen Untergrunde iſt hinreichend vo— rös, um das Waſſer hindurchzulaſſen; dasſelbe wird in ihm nur dann ſtagniren, wenn er ſehr niedrig und mit dem Waſſerſtande des Meeres beinahe in einer Höhe liegt; wo ferner der Boden nur flach, nur etwa 3 bis 4 Fuß tief 152. VII. 20. 310 iſt und auf poröſem Geſteine, z. B. auf Muſchel- oder Korallenkalke ruht, wie es in Barbadoes häufig vorkommt, iſt eine Ableitung des Waſſers ebenfalls überflüſſig. Wo aber, wie es bisweilen der Fall iſt, über dem lockern Kalk— geſteine noch eine feſte, ſowohl für die Wurzeln der Pflanze als das Waſſer undurchdringliche Kalkkruſte liegt, muß letz— tere durchbrochen werden. In Malta liegt über dem lockern poröſen Sandſteine eine ſolche Kruſte, auf der eine nur we— nig mächtige Schicht von Ackererde ruht; die fleißigen Be— wohner entfernen die letztere und bohren Gruben in die Kruſte, damit das Regenwaſſer von dem poröſen Geſtein aufgeſogen werden könne. Außerdem bedürfen die ſteifen Lehmboden und die lockeren und poröſen Bodenarten, welche auf einem Untergrunde von feſtem Lehm ruhen, einer Waſ— ſerableitung, ohne welche das Waſſer bei häufigen Regen— güſſen in ihnen ſtagnirt. Um nun zu ſehen, ob ein Boden der Waſſerableitung bedarf oder nicht, braucht man nur eine Portion des Bodens in einen Cylinder oder ein hoh— les Bambusrohr zu füllen, deſſen unteres Ende mit Lein— wand verbunden iſt und darauf Waſſer in den Cylinder zu ſchütten: läuft ſelbiges, wenn der Boden zuſammengedrückt iſt, nicht mehr ab, ſo muß man für einen künſtlichen Ab— fluß ſorgen; im andern Falle iſt dies nicht nöthig. Der⸗ ſelbe Verſuch kann auch über das Vermögen des Bodens das Waſſer zurückzuhalten, annähernd Aufſchluß geben, wor— nach ſich beſtimmen läßt, ob man dem Boden Lehm zuſetzen muß, um das Vermögen zu vermehren, oder Kalk und Sand hinzuzufügen hat, um ſelbiges zu vermindern. Die Specialitäten der Entwäſſerungsmethode finden ſich, wie der Verf. bemerkt, in Dr. Shiers öffentlichem Be— richte über ſein Verfahren, einem Berichte, der in ſeinem Ver— faſſer ſowohl einen wiſſenſchaftlich- gebildeten Chemiker und gründlichen Beobachter als praktiſch- gebildeten Landmann bekundet. (Wo dieſer Bericht zu finden, iſt leider nicht an— gegeben.) Die Ableitung des Waſſers in den Untergrund iſt ge⸗ wiſſermaßen nur eine Bewäſſerung der Tiefe, durch ſie wird das überflüſſige Waſſer vermittelſt Canäle in die Tiefe be= fördert, während bei der gewöhnlichen Bewäſſerung das Waſſer beſtändig über die Oberfläche des Landes hinweg— rieſelt und ſo, wie die Erfahrung lehrt, ein üppiges Ge— deihen der Pflanzen und eine ceiche Ernte hervorruft. Das über dem Boden hinwegffeeßende Waſſer wirkt indeß nicht allein auf ſeine Oberfläche, ſondern dringt, wenn der Acker richtig beſtellt wurde, bis in den Untergrund desſelben und bedingt fo gleistals die oben beſchriebenen Zerſetzungen, die für die Fruchtbarkeit des Bodens ſo wichtig ſind. Das mit Sauerſteff geſchwängerte Waſſer verwandelt überdies das der Veg⸗ration ſchädliche Eiſenorydul in Oryd, welches auf Jegtere nicht einwirkt; aus den Organismen bilden ſich un— ter ſeinem Einfluſſe Kohlenſäure und Ammoniak. Um alle dieſe Vortheile im vollen Maße zu erzielen, muß indeß, wo es nöthig iſt, mit dieſem Verfahren der Bewäſſerung eine Ableitung des Waſſers nach unten verbunden ſein. Je reiner das zur Bewäſſerung benutzte Waſſer iſt, um ſo mehr wird ſeine Wirkung dem Regenwaſſer gleichen; 20 * 311 wenn es viel in Zerſetzung begriffene organiſche Stoffe ent— hält, wird es die Wirkungen des Düngers mit denen des Regens verbinden; enthält es erdige Theile ſuspendirt, ſo wird ſein Einfluß ein noch anderer ſein, wie ſich überhaupt nach der Beſchaffenheit des Waſſers auch ſeine Wirkung auf den Boden richtet. Die Wahl eines ſolchen Waſſers wird wiederum von der Pflanzenart, mit der man den Acker be— ſtellen will, abhängen müſſen. Die Reißfelder der Gebirgs— gegenden Ceylons werden Jahr für Jahr mit einem Waſſer bewäſſert, das dem des Regens nahe ſteht. Die Wein— gärten von Zante und Cephalonia werden im Winter mit dem von den Hügeln herabfließenden, durch Lehm und Kalk— mergel ſtark gefärbten Waſſer überriefelt und, wie die Thal gegenden Agyptens durch die Überſchwemmungen des Nils, aͤußerſt fruchtbar gemacht. Die Wieſen in der Umgegend Edinburgs bewäſſert man endlich mit einem Waſſer, das, aus der genannten Stadt kommend, durch organiſche Ab— fälle ſtark verunreinigt iſt; der herrliche Graswuchs und die mehrmaligen Grasernten dieſer Wieſen innerhalb eines Jah— res ſind hinreichend bekannt. Auch die Art der Bewäſſerung ſelbſt iſt nach der Flä— chenausdehnung des Landes und nach der Lage desſelben verſchieden; in Gärten und auf kleineren Feldern benutzt man in einigen Gegenden das Quell- und Brunnenwaſſer und führt es in kleinen Rinnen durch den Acker; für grö— ßere Länderſtrecken benutzt man die Flüſſe und Seen und leitet ihr Waſſer über die Felder dahin. In Indien ſieht man Baſſins und Aquäducte von ungeheurer Größe, Mei— len lang und breit, Rieſenbauten, welche den ägyptiſchen Pyramiden nichts nachgeben und faſt vermuthen laſſen, daß auch ſie Waſſerleitungen geweſen. Für alle dieſe Arten der Bewäſſerung iſt eine möglichſt ebene, etwas geneigte Ober— fläche des Bodens Haupterforderniß, damit das Waſſer ge— hörig abwärts über das ganze Feld hinfließen könne. Der Verf. wendet ſich jetzt zu den Vortheilen der Be— wäſſerung für die Zuckerplantagen, wie für den Ertrag der Colonien überhaupt. Die Verſuche des Hrn. Philipps auf Barbadoes ſind vom günſtigſten Erfolge gekrönt worden. Auch auf Berbice ſollen zwei Beſitzungen, deren Ländereien durch einen nie verſiegenden Strom bewäſſert werden, ſelbſt in den trockenſten Jahren, ohne gedüngt zu ſein, nicht we— niger als 3 Oxhoft per Acre liefern. Der Verf. glaubt, daß ſelbſt da, wo eine beſtändige Bewäſſerung durch Um— ſtände unmöglich wird, noch ein periodiſches Waſſerrieſeln für die Cultur des Zuckerrohres don großem Vortheile iſt. Aus dieſem Grunde macht er auf die Benutzung verſchiede— ner Bergſtröme von Barbadoes, deren einige freilich nicht zu jeder Jahreszeit Waſſer führen, und die Hügelabhänge der Inſel, welche terraſſenförmig zu Zuckerfeldern benutzt und ohne große Mühe, vermittelſt Canäle, durch dieſe Ströme bewäſſert werden könnten, aufmerkſam. In ähnlicher Weiſe laſſen ſich, wie der Verf. glaubt, faſt alle Zuckerplantagen der Inſeln mit Waſſer verſehen und ihr Ertrag bedeutend ſteigern. Wo überdies eine Durchwäſſerung (thorough - drai- ning) eingeführt iſt, könnte das von den höher gelegenen Ländereien abfließende Waſſer mit größerem Vortheile zur 152. VII. 20. 312 Bewäſſerung (irrigation) der tiefer gelegenen Felder benutzt werden, und würde ſelbige durch die vom Boden aufgenom— menen löslichen Subſtanzen um ſo nützlicher ſein. Auf dieſe Weiſe würde zugleich der Vorwurf, den man der Durchwäſſerung gemacht hat, daß ſie dem Boden ſeine löslichen Theile unbenutzt entführe, beſeitigt werden, ein Vorwurf, der ohnehin, wie der Verf. glaubt, von keinem Belange iſt, da der Verluſt an löslichen Subſtanzen durch die Verbeſſe— rung des Bodens und den reicheren Ernteertrag weit über— wogen wird. Der Verf. glaubt, daß man durch ein Ver— fahren, wie es in Peru üblich ſein ſoll, durch eine terraſſen— förmige Anlage der Felder und eine Bewäſſerung der tiefer gelegenen Acker mit dem Waſſer, das von dem Untergrunde der höher gelegenen abfließt, eine Düngung mit Guano, ſalpe— terſaurem Natron u. dergl. überflüſſig machen würde. Die Boden- und klimatiſchen Verhältniſſe von Barba— does ſind denen von Malta ſehr ähnlich; letztere Inſel hat einen nur wenig mächtigen, aber ſehr fruchtbaren Ackerboden, der auf lockerem Sandſteine ruht; Malta leidet während der drei heißen Sommermonate und oft noch länger ſehr an Waſſermangel, weßhalb mit großem Fleiße und ungeheuren Koſten Waſſerreſervoirs erbaut find. Nicht allein jedes Haus hat ſeine in Stein gehauene Ciſterne, ſondern auch jedes Feld iſt mit einer ſolchen verſehen. Die Acker (dort campi artiſiciali genannt) haben meiſtens eine terraſſenförmige Lage. Wenn ſich die Regen einſtellen, wird die ganze Inſel von Waſſercanälen durchſchnitten, ſelbſt die Landſtraßen werden nicht verſchont, und fo die Ciſternen und Baſſins der Häu— ſer und Felder gefüllt. Tritt nun die trockene Jahreszeit ein, ſo ſetzt man dieſe Behälter in Thätigkeit und die Waſſer rieſeln, durch höchſt einfache Vorrichtungen, Heber u. ſ. w. gehoben, über die Felder dahin. Könnte man ähnliche Re— ſervoirs auf Barbadoes einführen, jo würden fie namentlich für kleinere Ackerflächen und für die Gartencultur von größ— tem Nutzen ſein. Welch ungeheuren Vortheil eine richtige Bewäſſerung verleiht, zeigt das Beiſpiel eines italieniſchen Landmannes, der ein Grundſtück Toſcanas, das für werth— los galt, dadurch auf die höchſte Stufe der Cultur verſetzte, daß er tiefe Brunnen, die beſtändig Waſſer führten, graben und mit dieſem Waſſer ſeine Ländereien überrieſeln ließ: ſo zog er das ganze Jahr hindurch die ſchönſten Gemüße. Zum Schluſſe ſpricht der Verf. über das Unmenſchliche der Sclaverei, über die geringen Vortheile bei der Arbeit durch Sclaven, da ein Sclave gegenwärtig 200 bis 500 Dol— lars koſtet und in der Regel nur 10 Jahre arbeitsfähig iſt. Er räth den Pflanzern von Barbadoes, durch eine An— nahme rationeller Culturmethoden die Arbeit durch Men— ſchenhände möglichſt zu ſparen, wo man ſie aber braucht, auch gebührend zu vergüten und dadurch Fleiß und Scharf— ſinn anzuſpornen und zweifelt keinen Augenblick, daß die Regierung ſo rühmliche Beſtrebungen kräftig unterſtützen werde. 313 Miſeellen. 46. Eine höchſt merkwürdige Mißgeburt eines Ochſen wird von Prof. Joly folgendermaßen beſchrieben. Das Thier hatte in der linea alba, am After und am thorax einen Bruch (eventration médiane, abdominale et thoracique); der Geſchlechts- und Harnapparat war ſehr unentwickelt; die Wirbel: ſäule ſehr gebogen, gewiſſermaßen um ſich ſelbſt gedreht; das Bruſtbein in zwei oder vielmehr drei ſehr von einander weichende Theile geſpalten. Die Rippen waren zum größten Theil horizon— tal, wie die falſchen Rippen des Drachen; die vier letzten Paare vereinigten ſich an der Rückenfläche der Mißgeburt, um hier eine zweite Bruſt zu bilden, welche eines der Hinterbeine kreuzte. Die Stellung und Ausbildung der drei übrigen Beine war ebenfalls abnorm. Die Unterfinnlade hatte nur ſechs Schneidezahne, wie beim Kameele. Mehrere der Rippen waren mit einander ver— ſchmolzen: ſo bildeten namentlich die dritte bis neunte Rippe der rechten Seite eine breite Knochenplatte, der Schildkrötenſchale ähn— lich. Das Gelenk zwiſchen dem humerus und Schulterblatte der rechten Seite fehlte gleichfalls. Obſchon eine Harnblaſe vorhanden war, fehlte doch der urachus; beide Umbilicalarterien waren in 152 VII. 20. 314 einen gemeinſchaftlichen Canal vereinigt, der nicht die Venen glei— ches Namens umgab. Das Daſein von zwei Zitzenpaaren, deren normal nur eines vorhanden iſt, beweiſen endlich auf das ſchlagendſte die anatomiſche Analogie zwiſchen den beiden Inguinalhöckern des Stiers und dem Euter der Kuh. Joly nennt dieſe Art der ee Dracontisome. (Comptes rendus, No. 19, Mai 8. 848.) 47. Inſtinet einer Kröte. In feinem Garten zu Sur: rey fand Leadbitter einige Büſche mit Raupen überdeckt und ſah nicht fern davon eine große Kröte ſitzen; er brach einen Zweig des Geſträuchs und trug ihn zur Kröte, um zu ſehen, ob ſie die Rau⸗ pen freſſen würde. Das Thier fiel mit großer Gier über ſelbige her und holte ſie nach einander mit ihrer langen Zunge. Der Einſender fütterte ſie wohl eine Viertelſtunde lang. Am folgenden Tage ging er um dieſelbe Zeit in den Garten, die Kröte ſaß wie— der auf demſelben Flecke, ward auch von ihm aufs neue gefüttert, ſo fand er ſie jeden Tag um die beſtimmte Zeit an der erwähnten Stelle, bis ſämmtliche Raupen verzehrt waren, und der Einſender ſie nicht mehr füttern konnte. Schon Tags darauf erſchien ſie nicht wieder. (The Zoologist, N. 64. 1848.) HSeilk (XXVII.) über die künſtliche Anäſtheſirung bei Geburten, insbeſondere durch Chloroformdämpfe. Von Dr. Eduard Martin, Profeſſor der Mediein und Director der Gebäranſtalt zu Jena. (Schluß.) Iſt ſomit im allgemeinen die Möglichkeit der Geburten im bewußtloſen Zuſtande ohne Nachtheil für Mutter und Kind, ſowie der Nutzen, welcher aus einer künſtlichen Be— täubung während der Geburt unter beſtimmten Vorausſetzun— gen zu erwarten ſteht, feſtgeſtellt, ſo bedarf es nur noch einer Kritik der verſchiedenen bisher in Anwendung ge— zogenen Betäubungsmittel. Dergleichen Arzneien, um empfindungsloſe Zuſtände künſtlich zu erzeugen, beſaß man aber ſchon längſt; ich er— innere dafür nur an das Opium und manche andere nar- cotica, an die berauſchenden Getränke u. ſ. w.; ja man darf vorausſetzen, daß bereits in früher Zeit davon zu Min— derung der Geburtsſchmerzen Gebrauch gemacht worden ſei. Allein ohne Zweifel hatte die Beobachtung ſehr bald ge— lehrt, daß deren übliche Anwendung durch Mund und Ma— gen theils wegen mancher eoncurrirenden Umſtände, z. B. Anfüllung des Magens mit Speiſen und Getränken, nur eine unſichere Wirkung und zum Theil aus demſelben Grunde, eine ſehr langſame Entſtehung der gewünſchten Fühlloſigkeit zulaſſe, theils von unvermeidlichen andauernden unangeneh— men Nebenwirkungen begleitet ſei. Die letzteren beſtanden aber, z. B. beim Opium, dem gebräuchlichſten derartigen Mittel, nicht allein in einer anhaltenden Störung der Dauungs— function, Appetitloſigkeit, Verſtopfung u. ſ. w., ſondern auch in einem tiefern Eingriff in die contractile Thätigkeit der Uterinfaſern und in daher rührenden atoniſchen Blutungen nach der Geburt; die letzteren höchſt unwillkommenen Folgen hatte man insbeſondere bei der verſuchten örtlichen Anwen— unde. dung in den Geburtstheilen wahrgenommen, und deßhalb namentlich von dem intenſiveren Gebrauch der Opiatſalbe Umgang genommen. — Mit der Erfindung, die anäſthe— ſirenden Stoffe mittels der eingeathmeten Luft auf einem, viel Directeren Wege in den Kreislauf oder ſonſt in Wirk— ſamkeit zu bringen, fiel eine große Anzahl der Einwände hinweg, welche man gegen die künſtliche Anäſtheſtrung mit— tels der früher benutzten Mittel und Wege vorbringen konnte; es war dabei zugleich der ſehr einleuchtende Vortheil gewon— nen, in möglichſt raſcher Weiſe die Anäſtheſie zu erzielen. Die Stoffe, welche man bisher mit dem beſtimmteſten Erfolg verſucht hat, reihen ſich den berauſchenden Getränken an; man bedurfte aber in Folge der neuen directen Anwen— dungsweiſe verhältnißmäßig nur ſehr geringer Mengen der— ſelben zur vollen Wirkung und zog daraus den wichtigen Vortheil, eine quantitativ viel geringere Intorication zu ſetzen als ſie beim Trinken berauſchender Dinge bis zu dem gleichen Grade der Betäubung erfolgen muß. Aus demſel— ben Grunde kann auch die Wiederausſcheidung weit leichter vollendet werden als dies bei anderweiten Berauſchungen der Fall iſt, und damit werden zu einem guten Theile die un— angenehmen Wirkungen verhütet, welche man ſonſt bei Be— rauſchungen, freilich auch wohl als Folge der örtlichen Be— leidigungen des Aufnahmeorgans wahrnimmt. — Daß man zuerſt der Einathmungen von Schwefeläther ſich bediente, habe ich am Eingange erwähnt. Simpſon ging nach den erſten befriedigenden Erfolgen bald ſo weit, zu behaupten, daß nach 20 — 30 Jahren keine Frau dieſes Mittel bei ih— ren Niederkünften würde miſſen wollen *). Außer einer nicht geringen Anzahl von Privatgeburtshelfern, welche durchſchnitt— lich günſtige Erfahrungen veröffentlichten, ſprachen ſich nach ) ©. Ed. v. Siebolds vorläufige Nachricht über die Anwendung der N des Schwefeläthers in der Geburtshülfe, in der Neuen Zeit— ſchrift für Geburtskunde. XXII. 3. Berlin 1847. S. 345. uche mehr oder weniger empfehlend Ed. o. Siebold, P. Dubois, Kilian, Roß hirt u. a. für die Atheriſation aus. Auch der Verf. machte günſtige Erfahrungen, welche am Schluſſe der Abhandlung mitgetheilt werden ſollen. — Dabei ergaben ſich jedoch als Unvollkommenheiten und Schat⸗ tenſeiten der Atherinhalationen, daß dieſelben bisweilen die Betäubung nicht hervorbringen, wohl aber andere krampf— hafte Beſchwerden, Zuckungen, heftige Delirien, oder nach erzeugter Anäſtheſie mehrere Tage lang anhaltendes Kopf— weh, Ekel, Übelkeit, andauernden Geſchmack und Geruch nach Schwefel äther, Reizung des Kehlkopfs und der Luft— röhre u. ſ. w. — Er ergab ſich ferner, daß die Wirkung oft erſt nach 15—20 Minuten lang fortgeſetzter Anwendung der Atherdämpfe eintrat, und daß eben dieſe Anwendung mit mancherlei Unbequemlichkeiten verbunden und durch künſt— liche Apparate bedingt iſt, deßhalb aber der Erfolg von dem guten und andauernden Willen der Kranken, die Atherdämpfe einzuathmen, im hohen Grade abhängt. Dieſe Mängel der Anäſtheſirung durch Schwefeläther drängten bei allem gerechten Enthuſiasmus für dieſes Mittel, den Kranken Schmerzen zu erſparen, bald zu Verſuchen mit anderen Stoffen. Dauriols *) Empfehlung eines mit den friſchen Säften von Solanum nigrum, Hyoseyamus, Co- nium maculatum, Datura Stramonium, Lactuca virosa ge— tränkten Schwammes, welchen man vor der Operation dem Kranken einige Zeit lang unter die Naſe halten ſoll, ſcheint keinen Anklang gefunden zu haben; auch bedarf es zur Ein— ſammlung der genannten Kräuterſäfte einer günſtigen Jahres— zeit (Monat Juni). Weit glücklicher muß die Wahl Simpſons *) ge— nannt werden, welcher, nachdem er das von Soubeiran 1831 und Liebig 1832 entdeckte Chloroform (0212 Cle), bereits mit Waſſer verdünnt als ein leichtes Stimulans ſtatt der Valeriana oder des Kämpfers innerlich angewendet hatte, im Herbſt 1847 Einathmungen dieſes Mittels, um Gefühlloſigkeit zu erzeugen, in Gebrauch zog. Er erkannte bald, daß die betäubende Wirkung der Einathmungen von Chloroform ſchon bei einer weit geringeren Quantität des Mittels ſicherer, ſchneller und vollſtandiger erfolge, daß die vorausgehende Aufregung weit kürzer dauere und die oft ſchon nach 1—2 Minuten dauerndem Einathmen eingetretene Gefühlloſigkeit im allgemeinen länger anhalte als dies bei den Atherinhalationen der Fall zu ſein pflegt, ohne daß unangenehme Exrſcheinungen fie begleiten, endlich, daß es beſonderer Vorrichtungen zur Anwendung dieſes Mittel nicht bedürfe, da das Anhalten eines mit dem Chloroform ge— tränkten Tuches, einer Compreſſe und dergleichen unter die Naſe genügt und der friſche fruchtähnliche Geruch den Kran— ken in der Regel angenehm iſt. — Fernere, auch von mir angeſtellte Verſuche mit Einathmungen von Chloroform— dämpfen haben die Angaben Simpſons beſtätigt und er— geben, daß der erſte Eindruck derſelben ein ſtechendes Brennen *) Aus dem Journal de Toulouse. Nr. 11. S. 275. ) Die erſte b 19 5 machte J. M. Simpſon nach dem Monthly Journal. Dec, 1847. am 10. November 1847 ver Edinburgh med.-chirurg. Soclety. S. Schmidts Jahrbücher. 1848. Nr. 3. S. 304. Jan. 1847. in Schmidts Jahrbüchern 1847. 152. VII. 20. 316 in der Geſichtshaut und namentlich in der Naſe iſt, ſo daß die Verſuchsperſonen nuch wohl ſagen, „die Dämpfe fräßen ihnen die Naſe weg.“ Andere verſpürten Stechen in den Augen und Funken, ſowie mancherlei Geſichtstäuſchungen, ſahen z. B. farbige Ringe, Feuerregen und dergleichen. Das bei wird die Haut des Antlitzes, zumal um Mund und Naſe, wenn ſie unmittelbar mit dem Chloroform berührt wird, in der Regel etwas geröthet und bleibt ſo kurze Zeit, jedoch ohne daß irgend eine ſchlimme Folge davon bekannt gewor⸗ den wäre. Nach den erſten 2—3 tiefen Inſpirationen ent— ſteht unter unwillkürlichen, bisweilen läſtigen Schlingbewe— gungen ein Gefühl von Wärme, welches von der Bruſt aus bis auf die Extremitäten ſich verbreitet, welchem bald Ohren— ſauſen, Schwindel und ein Gefühl von Schaudern und Er— ſtarren durch den ganzen Körper folgt; gleich darauf erliſcht das Gefühlsvermögen und zuletzt das Bewußſein; die Mus— keln erſchlaffen, damit verändert ſich die Haltung und der Patient beginnt zu ſchnarchen. Die Pupillen erſcheinen bald erweitert, bald zuſammengezogen, der Puls wird anfangs gewöhnlich beſchleunigt, ſpäter normal, allmälig aber auch nicht ſelten [ans ran als die Norm, ja er fol bisweilen ganz ausſetzen. Die Erſchlaffung des Muskelſyſtems betrifft eben ſo wie bei dem Atherrauſche, zunächſt nur die der Will— kür unterworfenen Muskeln; die unwillkürlichen Muskelbe— wegungen dauern ſogar ungewöhnlich lebhaft fort, z. B. der motus peristalticus der Därme, wie ſchon die unbewuß— ten Kothausleerungen, welche von einigen bei chirurgiſchen Operationen beobachtet worden ſind, beweiſen. — Daß in einzelnen Fällen, namentlich bei jungen Männern und in der ſitzenden Stellung ein Stadium der Aufregung Statt finde, giebt Chriſtiſon *) nach zahlreichen Verſuchen an; er bemerkt dabei, daß Frauen dieſe Symptome der Aufregung minder oft und in geringerem Grade zeigten, ſowie auch die horizontale Lage dagegen zu ſchützen ſcheine. — Sehr ſel— ten hat man eine kataleptiſche Erſtarrung, noch ſeltener klo— niſche Krämpfe nach Einathmungen von Chloroform wahr— genommen. Die Betäubung dauert bei verſchiedenen Individuen ver— ſchieden lang, jedoch nicht allein je nach der Individualität, ſondern auch je nach der Menge des angewandten Mittels und der Dauer dieſer Anwendung; ich habe die Gefühl— und Bewußtloſigkeit über eine Stunde anhalten geſehen und darin keineswegs eine Abänderung durch die größere oder geringere Schmerzhaftigkeit der vorgenommenen Operation bemerkt. Chriſtiſon berichtet, daß man bei einer Geburt ohne Nachtheil die Anäſtheſie während 13 Stunden erhalten und dabei 8 Unzen Chloroform verbraucht habe. — So— bald die Operirten erwachen, glauben ſie ſich oft noch derſelben Lage wie vor der Anwendung des Chloroforms; Frauen, welche indeſſen vollſtändig künſtlich entbunden wa— ren, wiſſen davon gar nichts, ſondern erwarten die Wieder— kehr der ſchmerzhaften Wehen, bis man ihnen ihr Kind vorgezeigt und ſie auf die Veränderung des Umfanges ihres Leibes aufmerkſam gemacht hat. Bei vollſtändiger Einwir— *) Lettre de M. le professeur Christison à M. Dumas sur l’emploi du Chloroforme in Annales de Chimie et de Plıysique. Paris 1648. Mars. S. 311. 317 kung des Mittels, welches mir bei genügender Doſis bisher nie verſagt hat, wiſſen die Verſuchsperſonen gar nichts von der Zwiſchenzeit, ſogar wenn ſie wegen nicht ſogleich erneuer— ter Anwendung des Mittels inzwiſchen ein Mal erwacht wa— ren und die Umſtehenden angeredet hatten, ſie glauben an— genehm und in der Regel ohne Träume geſchlafen zu haben; bei minder ausreichender Anwendung erzählen ſie von an— genehmen Träumen, die ſie gehabt, geben auch wohl an, daß ſie bei der Operation, z. B. bei Extraction des Kindes— kopfes mit der Kopfzange einen Ruck wahrgenommen, jedoch ohne daß ſie Schmerzen gefühlt hätten. Das Erwachen folgt bald raſcher, bald langſamer; ich habe Fälle geſehen, in welchen bis zur Rückkehr des vollſtändigen Bewußtſeins mehrere Stunden verliefen; die Kranken ſprachen zwar bald wieder einige Worte, öffneten die Augen, bewegten ſich, aber ſie blieben gern noch längere Zeit hindurch in einer behag— lichen Ruhe, bis ſie endlich zu eſſen oder zu trinken ver— langten und ſodann ganz klar wurden. Bei minder energi⸗ ſcher Anwendung erfolgt das Erwachen in der Regel raſcher; ſowie auch durch Beſprengen mit friſchem Waſſer, oder Hin⸗ zulaffen von friſcher Luft der Chloroformrauſch oft ſchnell verſcheucht werden kann; eine Erweckung, welche ich jedoch nur äußerſt ſelten verſucht habe, da alsdann bisweilen über ein leichtes Eingenommenſein des Kopfes, in ſeltenen Fällen auch über kurz dauernde Übelkeit und Brechneigung geklagt wird. Erbrechen habe ich nach der Chloroformnarkoſe ſo wenig geſehen, als irgend andere erhebliche unangenehme Zufälle, welche den Chloroformathmungen zugeſchrieben wer— den könnten, vielmehr genaßen die Operirten, wenn nicht ſonſt Krankheiten, z. B. Puerperalfieber in ihnen ſchlum— merten, gewöhnlich ſehr raſch nach den eingreifendſten Ope— rationen, und Chriſtiſon bemerkt am Schluſſe ſeiner intereſſanten Mittheilung über das Chloroform, daß ihm bei muthmaßlich mehr als 3000 Verſuchen, welche mit der Betäubung durch Chloroform bis zum März d. J. in Edin— burgh angeitellt worden ſeien, kein einziger irgend erheblicher Unfall als Folge davon bekannt geworden ſei. — Daß insbeſondere eine Vermehrung der Blutung durch die künſt— liche Betäubung von mir nicht beobachtet worden, ſowie daß die Contractionen der unwillkürlichen Muskeln, nament— lich des uterus, bei der Geburt im betäubten Zuſtande ganz regelmäßig vorzuſchreiten ſcheinen, während die Thätigkeit der willkürlichen Bauchpreſſe allerdings, ſo lange die volle Betäubung dauert, aufgehoben iſt, habe ich in dieſer Schrift S. 7 erwähnt. Bei leichteren Graden der Betäubung traten jedoch die Druckwehen, obſchon in etwas größeren Pauſen auf, und waren, wenn auch von geringeren, immerhin von Schmerzensäußerungen begleitet, während die Kreißenden die Wahrnehmung dieſer Schmerzen ſpäter in Abrede ſtellten. Die Befürchtungen Grenſers, welche jedoch nur von den Atherinhalationen gelten — denn nur mit dieſen hat er ſich beſchäftigt — daß, da der phyſiologiſche Zuſtand einer Krei— ßenden ſchon zu Congeſtionen nach dem Kopf und zu Blut⸗ entmiſchungen disponire, durch die Beimiſchung des Athers zum Blute Apoplerien, Manien, Puerperalfieber u. ſ. w. befördert werden dürften, ſind durch die Beobachtung bisher 152. VII. 20. 318 keineswegs beſtätigt. Doch gebe ich zu, daß bei individuell hervorſtechender Anlage, namentlich zur Apoplerie, beſondere Vorſicht dringend empfohlen werden muß. Nach dem ſo eben angeführten und durch Chriſtiſous Mittheilungen beſtätigten ») ſtehe ich nicht an, die Chloro- formdämpfe als Atheriſirungsmittel den Schwefelätherinha— lationen vorzuziehen und dieſelben für alle Fälle, in welchen nach dem obigen die künſtliche Anäſtheſie bei Geburten in: dieirt erſcheint, meinen Collegen zu empfehlen. Die An— wendung des Chloroforms fordert kaum beſondere Vorſchrif— ten. Man gießt davon auf eine Compreſſe beiläufig ſo viel, als ein kleiner Theelöffel faßt (etwa = dr. zj), hält dieſe Compreſſe, welche man auch wohl zu Vermeidung der un— mittelbaren Berührung mit einem Stick Gaze bedeckt, vor die Mund- und Naſenöffnung und erneuert die Anfeuchtung der Compreſſe ſo lange, bis die erwünſchte Wirkung erzielt *) Chriſtiſon ſagt a. a. O. S. 306: „Die intereſſanteſte Anwendung des Chloroforms bietet meiner Meinung nach deſſen Gebrauch bei Geburten. Die erſte Entbindung unter kuͤnſtlicher Anäſtheſie, bei welcher ich zugegen war, betraf eine Zwillingsgeburt bei einer Erſtgebärenden; die Kinder alten eine ungünſtige Lage. Die Ausſtoßung des erſten Zwillings erfolgte durch die We⸗ hen, der zwelte mußte mit der Zange extrahirt werden. Die Mutter befand ſich erſt wenig Stunden in der Geburtsarbeit und der Muttermund war mes nig erweitert, als man die Kreißende binnen weniger als ½ Minute durch die Chloroformdämpfe in einen tiefen Schlaf verſenkte, während deſſen die Wehen, nach der Uhr bemeſſen, hinſichtlich ihrer Dauer und ihrer Zwiſchen⸗ eiten dieſelben blieben, wie vor der Anwendung des Betäubungsmittels; der Austritt des Kindes erſchlen erleichtert, ohne daß die Zuſammenziehungen an Kraft verloren hätten. Die Geburt ſchritt raſch vor, und eine halbe Stunde nach Anwendung des Chloroforms waren beide Kinder zu Tage gefördert. Vor der Ausziehung des zweiten Zwillings hatte man das Berühigungsmittel in größerer Doſis angewandt, und erſt dann geſtattete die Erſchlaffung der Ge⸗ bärmutter (?) und das Ausbleiben der Wehen die Application der Zange ohne Mühe. Die Anwendung des Chloroforms wurde von Zeit zu Zeit eine Stunde lang erneuert, jo daß ein tiefer Schlaf erhalten ward ; man brauchte dazu 1½ Unze. Von dem erſten Augenblicke an, wo das Chloroform in Gebrauch gezogen war, gab die Kreißende kein Zeichen des Schmerzes und ſchien in ei- nem ruhigen Schlaf zu liegen, begleitet von einigen Zuſammenziehungen bei jeder Wehe. Nachdem die Entbindung während dieſes' Zuſtandes von Vewußt⸗ loſigkeit vollendet war, wurde die Entbundene umgekleidet und in ein anderes Bett gebracht; ſie lag dann noch eine Stunde lang in einem tiefen Schlafe, und als ſie allgemach erwachte, hatte ſie durchaus keine Erinnerung von dem, was mit ihr vorgegangen war, ſo daß man ſich ihre Überraſchung denken kann, als man ihr zuerſt ein Kind und dann das andere zeigte. Es ſind ſeit⸗ dem 10 Tage verfloſſen und die Mutter befindet ſich eben jo wie die Kinder e wohl, ohne daß ſich irgend ein unangenehmes Ereigniß gezeigt tte.“ — „Der zweite Fall betraf eine Geburtserſchwerung durch ein enges Becken. Das dritte Geburtsſtadium hatte bereits faſt 12 Stunden gedauert, der Kopf des Kindes war im Becken feſt eingekeilt und ſeit einiger Jeit unbeweglich ſte⸗ hen geblieben; die Vollendung der Geburt ohne Kunſthülfe ſchien unmöglich. Die Kreißende war von den häufigen ſchmerzhaften Wehen bereits ſehr er= ſchöpft. Das Chloroform verſenkte fie nach Y, Minute in einen tiefen Schlaf und da man es in großer Doſis angewendet hätte, gerieth der Körper in einen Zuſtand äußeriter rſchlaffung. Jetzt wurde die lange Kopfzange angelegt und die Extraction mit einer ſolchen Gewalt vollendet, daß ich niemals ge⸗ glaubt hätte, daß eine Frau dergleichen ertragen könne. Das ſcheintodte Kind a einen fehr verlängerten Kopf. Die Leiden der Mutter bei einer ſolchen veration müßten tödtlich geworden ſein, wenn dieſelbe im wachen Zuſtande geweſen wäre; allein ſie blieb durchaus fühllos, unbeweglich und in tiefem Schlafe. Wenig Minuten nach Vollendung der Ertraction fühlte ich den Muttergrund hinter den Bauchdecken ſich kräftig zuſammenziehen und es folgte kein übler Zufall. Die Leidende wurde ſodann während der Bewußtlosigkeit umgekleidet und in ein anderes Bett gebracht, wo fie erſt 3 Stunde nach Vollendung der Geburt erwachte. Sie war erſtaunt, ihren Leib platt a fin⸗ den, und noch mehr als ſie ihr Kind, das man mit vieler Mühe zum Athmen gebracht hatte, neben ſich liegen ſah. Es iſt heute der dritte Tag, und Mut⸗ ter und Kind befinden ſich ſehr wohl.“ — 5 4 4 „Ich glaube nicht, daß derſenige, welcher Zeuge dieſer Thatſachen geweſen iſt, daran zweifeln wird, daß Simpſon eine der ſchönſten Entreckungen in der geburtshülflichen Chirurgie gemacht hape. Alle ſeine Verſuche beſtätigen völlig feine glücklichen Erwartungen. Die Atheriſation hat er bei mehr als 100 Geburten, das Chloroform bis jetzt in 13 Fällen, und zwar ſowohl in der Hoſpital⸗ als auch in der Privatpraxis angewandt, ohne daß der geringſte Unfall für Mutter oder Kind eingetreten iſt. Bei einer der Leidenden wurde der Schlaf 13 Stunden lang während der Geburt erhalten, während deren man_8 Unzen Chloroform anwandte; am darauf folgenden Tage befand ſich die Entbundene ihrem Zuſtande angemeſſen wohl. Auch nach Verlauf einiger Tage traf ich ſie eben ſo wie das Kind geſund.“ 319 iſt, in der Regel 2— 4 Mal. Zeigt ſich die angeführte Erſchlaffung der Glieder, das ſchnarchende Athmen, ſo be— ginnt man mit der Operation. Sollte dieſelbe während der Dauer des betäubten Zuftandes nicht bereits vollendet fein und die Leidende vorher Zeichen wiederkehrenden Bewußtſeins geben, ſo verſenkt man ſie noch ein Mal in den heilſamen Schlaf durch erneuerte Auflegung einer mit Chloroform be— feuchteten Compreſſe und fährt damit fort, bis der Zweck erreicht iſt. Andere haben beſondere Vorrichtungen empfoh— len, z. B. ein becherartiges, am Boden durchlöchertes Gefäß von Gutta percha, in welchem Baumwolle mit Chloroform getränkt, ſich befindet, und welches, mit Gaze überſpannt, über Mund und Naſe des Patienten angedrückt wird. — Das Wiedererwachen kann man durch Zulaſſen friſcher Luft, Beſprengen mit kaltem Waſſer raſcher herbeiführen; für Entbundene dürfte jedoch, wie ſchon erwähnt, die auch nach Vollendung der Operation fortdauernde Ruhe heilſamer ſein, als das plötzliche Erwecktwerden. Von beſonderer Wich— tigkeit iſt es jedenfalls, ſich eines gut bereiteten, von allen Beimiſchungen freien Chloroforms zu bedienen, wenn man nicht ebenſowohl auf einen ſichern Erfolg verzichten, als das Auftreten unangenehmer Nebenwirkungen beobachten will, wie ſchon Chriſtiſon a. a. O. behauptet hat. In Dies ſer Beziehung verweiſe ich auf H. Wackenroders und L. Bleis Archio der Pharmacie. Hannover 1848. April. S. 32. und W. Artus's allgemeine pharmaceutiſche Zeit— ſchrift. III. Band. 4. Heft. Weimar 1848. S. 14. (Üb. d. künſtl. Anäſtheſie bei Geburten durch Chloroformdämpfe von Dr. Ed. Martin, Prf. d. Med. u. Director der Gebäranſtalt zu Jena, Mitgl. mehr. gel. Geſellſch. Jena, Fr. Frommann. 1848. 80. S. 1 — 28.) (XVIII.) Über eine freiwillig entſtandene Speiſe— röhrenfiſtel. Von Hrn. J. Anfiaur. Der Verf. bemerkt im Eingange ſeiner der belgiſchen medieiniſchen Akademie mitgetheilten Arbeit, er habe in ärzt— lichen Schriften nirgends eines Falles gedacht gefunden, in welchem eine Speiſeröhrenfiſtel von ſelbſt entſtanden ſei. Der 25jährige kräftige und fanguinifche Patient war an der rechten Seite des Halſes, an dem unteren Theile des von dem m. trapezius, dem Sternalbündel des m. sterno- eleidomastoideus und dem Schlüſſelbeine gebildeten Dreieckes mit einer Fiſtel behaftet, durch welche, wenn der Kranke Getränke, namentlich warme, ſchluckte, Flüſſigkeit auslief. An der bezeichneten Stelle hatte ſich zuerſt eine kleine Ge— ſchwulſt gebildet, die binnen drei Monaten den Umfang eines Hühnereies erlangte und hart und dunkelroth war, kurz ſich durchaus wie ein phlegmon ausnahm. Die Behandlung beſtand damals in erweichenden Brei— umſchlägen. Bald darauf trat Schwappen ein, und als man mit dem Biſtouri in die Geſchwulſt einſtach, drangen einige mit Luftblafen vermiſchte Blutstropfen heraus. Die Geſchwulſt fiel alsdann zuſammen, ſtieg aber am folgenden Tage wie— 152. VII. 20. 320 der in die Höhe, und es lief etwas gutartiger Eiter aus der Wunde. Einige Tage darauf bemerkte der Patient, daß, wenn er warme Getränke zu ſich nahm, ein Theil derſelben aus der Wunde entwich, während kalte Getränke und feſte Speiſen in den Magen gelangten, ohne daß etwas davon herausquoll. Es lag alſo auf der Hand, daß man es mit einer Speiſeröhrenfiſtel zu thun habe. Der früher ſehr kräftige Patient magerte ab und ver— lor feine blühende Geſichtsfarbe. Er bekam Lenden - und Hüftweh, und man bemerkte in dieſer Gegend eine Verkrüm— mung des Rückgrats zur Linken, die der Kranke jedoch will— kürlich zum Verſchwinden bringen konnte. Dieſe ſämmtlichen Symptome, deren Veranlaſſungsurſache man in Rheumatismus zu finden glaubte, wurden durch den Gebrauch des Bades Borcette gehoben. Um ſich von der Richtigkeit ſeiner Diagnoſe um ſo vollſtändiger zu überzeugen, ließ der Verf. den Patienten rothen Wein trinken. Zuerſt ward kalter gereicht und es drang keiner aus der Wunde hervor; als der Verſuch aber mit warmem wiederholt ward, kamen zwei Tropfen desſelben heraus. Der Verf. führte alsdann eine ſtumpfe Sonde in die Fiſtel und drang mit derſelben leicht 5 — 6 Centimeter tief ein. Ein Federharzkatheter von No. 3 ließ ſich ohne Schwierigkeit ſeiner ganzen Länge nach einführen, ohne den geringſten Schmerz zu verurſachen, und als man kaltes Waſſer durch denſelben einſpritzte, fühlte der Kranke, daß dasſelbe in den Magen gelangte, ſo daß alſo das Vorhandenſein einer Speiſeröhrenfiſtel ſtreng nachgewieſen war. Der Verf. iſt der Meinung, daß, da keine der gewöhn— lichen Veranlaſſungsurſachen ſolcher Fiſteln, als Stiche von frem— den Körpern ꝛc. hier, ſo viel man weiß, Statt gefunden hätten, man die freiwillige Entſtehung derſelben anzunehmen habe. Mehrere Mitglieder der Akademie beſtritten dieſe Anficht und meinten, daß eine ſolche Urſache wohl eingewirkt haben könnte, ohne daß der Kranke dies bemerkt oder ſich deſſen erinnert habe. (Gaz. méd. de Paris, 29. Juillet 1848.) Miſeceelle. 31) Galvaniſche Zerſetzung der Harnſteine in der Blaſe, ein Problem der praktiſchen Chirurgie, deſſen Löſung einen der wichtigſten Fortſchritte in der Heilkunſt darſtellen würde, iſt, nach den Oſterr. Med. Jahrb., Febr. 1848, von Dr. Meli⸗ cher zu Wien einer Reihe von 80 Verſuchen unterworfen worden, wodurch die Einwirkung einzelner Elektromotoren nach den gewöhn— lichen Gonftructionen auf Harnblaſenſteine, theils außer der Blaſe, theils in der Harnflüſſigkeit in der Harnblaſe ermittelt wurde. Alle Harnſteine ſind gute Leiter, man kann alſo den Strom durch ſie hindurchgehen laſſen, und nur dann zeigte ſich eine zerſetzende Ein— wirkung, die immer von der Anlegungsſtelle der Leitungsdrähte ausging; zugleich wird dabei der Stein erwärmt, ſeine oberfläch— lichen Schichten lockern ſich ab, namentlich wenn die Leitungs- drähte aus Platin beſtehen; die Zerbröckelung iſt alſo eine Folge 1) der Elektrolyſe, 2) der mechanifchen Cohäſionsveränderung bei wechſelnder Temperatur, 3) wirkt noch die Zerſetzung der den Stein durchdringenden Flüſſigkeiten, die damit verbundene Luftentwicklung und die davon abhängige mechaniſche Lockerung. Es find auch einige Verſuche an Kranken angeſtellt worden. Die Verſuche, die in der That ſehr gute Reſultate verſprechen, ſollen in einem be— ſonderen Werke abgehandelt werden. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 153. (Ar. 21. des VII. Bandes.) September 1848. Naturkunde. Rees, über eine Function der rothen Blutkörperchen und über die Umwandlung des venöfen in arterielles Blut. — Pouchet, über den Farbenwechſel des Laubfroſches und den mikroſkopiſchen Bau ſeiner Haut. — Heilkunde. Payen, die Sporen von Oidium aurantiacum. — % Miſcellen. manea fluviatilis. 1 x und Pferden vom pathologiſch-anatomiſchen Standpunkte. — Bibliographie. Reid, gegen den Gebrauch der Zahnbürſte. Valles, über die Anatomie der Zunge. — Miſcellen. Thwaites, Le- Müller, über den typhoͤſen Proceß im Darmcanale bei Rindern Fleury, Diabetes insipidus. — Naturkunde. XLIV. Über eine Function der rothen Blutkörper⸗ chen und über die Umwandlung des venöſen in arterielles Blut. Von G. Owen Rees, NM. D. Es iſt längſt bekannt, daß ein Zutritt von Sauerſtoff zur Umwandlung des venöſen Blutes in arterielles Blut nöthig iſt, ohne daß man bis jetzt wußte, wie der Sauer— ſtoff dieſe Veränderung bewirkt; vor einigen Jahren zeigte nun Dr. Stevens, daß auch neutrale Salze, ſelbſt beim Abſchluſſe des Sauerſtoffes, das dunkle venöſe Blut in hell— rothes, arterielles verwandeln können. Obſchon die Wir— kung beider ſo himmelweit verſchiedener Urſachen ſehr ähn— lich ſchien, war es doch zweifelhaft, ob ſie irgendwie eine Beziehung zu einander hätten; man wußte, daß die Auf— nahme von Sauerſtoff zur Erhaltung des Lebens nöthig war und glaubte, daß die neutralen Salze nur eine Wir— kung desſelben nachahmten, ohne dagegen ſelbſt zum Lebens— unterhalte nothwendig zu ſein; des Verf. Verſuche zeigten ihm indeß, daß beide Urſachen allerdings in innigem Zuſammen— hange ſtehen, und daß der Sauerſtoff die mittelbare, ein neutrales Salz, das ſich während der Reſpiration durch Aufnahme von Sauerſtoff bildet, dagegen die unmittelbare Urſache der hellen Farbe des arteriellen Blutes iſt. Der Verf. bemerkte zuerſt beim Platzen der Blutkör— perchen durch plötzlichen Waſſerzuſatz einen Knoblauchsgeruch, der ihn ein phosphorhaltiges Fett im Blute vermuthen ließ; er forſchte darauf nach demſelben und ſeinen Beziehungen zur Reſpiration. Es war nicht ſchwer, ſich die Oxydation des Phosphors wie des Fettes, der ihn gelöſ't enthielt, an der Oberfläche des venöſen Blutes als natürliche Folge der Reſpiration zu denken; als Verbrennungsproducte müßten demnach Kohlenſäure, Waſſer und Phosphorſaure entſtehen. No. 2133. — 1033. — 153. Nun wiſſen wir, daß die Lungen Kohlenſäure und Waſſer abſcheiden, daß aber mehr Sauerſtoff von denſelben aufge— nommen, als in Form von Kohlenſäure wieder abgeſchieden wird. Wird aber bei der Reſpiration wirklich das phos— phorhaltige Fett der venöſen Blutkörperchen verbraucht, ſo muß ſich durch die Aufnahme von Sauerſtoff Phosphorſäure bilden und, da ſie nicht mit ausgeathmet wird, mit dem Blute verbinden, da aber die Blutkörperchen in einer alka— liſchen Flüſſigkeit ſchwimmen, ſo muß die Blutflüſſigkeit des arteriellen Blutes ein phosphorſaures Alkali enthalten. Das venöſe Blut würde demnach in ſeinen Blutkörperchen mehr phosphorhaltiges Fett, in feinem Serum aber weniger phos— phorſaure Salze als das arterielle Blut enthalten; im Blut— kuchen des Venenblutes müßte dagegen das genannte Fett, im Serum das phosphorſaure Alkali enthalten ſein. Um durch Verſuche die Haltbarkeit ſeiner Hypotheſe zu prüfen, unterſuchte der Verf. zuerſt das Blut der vena ju- gularis externa eines Hundes, dem er gleichzeitig aus der carotis Blut entnahm; beide Blutarten wurden, nachdem ſie coagulirt waren, aufs Filter gebracht, die abfiltrirte Flüſſig— keit zur Trockne verdampft und der Rückſtand in einem Platintiegel eingeäſchert; die nicht ganz verkohlte Aſche ward darauf in deſtillirtem Waſſer gelöſ't und von neuem ein— gedampft, die erwärmte ſaure Löſung aber mit ſalpeterſau⸗ rem Silberoryd verſetzt, das einen Niederſchlag von Harn— ſilber erzeugte, der ſich nach einigem Stehen ahſetzte. Die von ihm getrennte Flüſſigkeit ward darauf mit Atzammoniak genau gefättigt; das arterielle Blut ſchied bei dieſer Behand— lung reichlich phosphorſaures Silberoryd in gelben Flocken ab, während das venöſe Blut keine Spur von Phosphor- ſäure zeigte. Ein zweiter Verſuch mit Katzenblut, der vena ju- gularis externa während der Einwirkung von Ather ent— 21 323 nommen, ward ſo angeſtellt, daß die Hälfte des Blutes bei Seite geſetzt, die andere Hälfte aber in flachen Schüſſeln der Luft ausgeſetzt ward. Das Serum beider Theile ward darauf für ſich auf Phosphorſäure und Kohlenſäure, wie beim erſten Verſuche angegeben, geprüft; das Blut, welches der Luft nicht ausgeſetzt geweſen, enthielt keine Phosphor— ſäure, während das andere einen reichlichen Niederſchlag von gelbem phosphorſaurem Silberoryde abſchied. Zum dritten Verſuche diente das Blut der mittleren Kopfvene eines epileptiſchen Mannes, der vor einer halben Stunde ſein Mittagsmahl verzehrt hatte. Das Serum die— ſes Blutes erſchien nach der Coagulation, wegen eines Chy— lusgehaltes, milchig; der Verf. fand in demſelben ein phos— phorſaures Alkali, die Aſche war reich an kohlenſauren Salzen. Der Verf. behandelte einen Theil des Blutkuchens mit Ather und fand, daß das ertrahirte Fett eine ſtark ſauer, reagirende Aſche hinterließ, während das gleichfalls mit Ather behandelte Serum ein Fett enthielt, deſſen Aſche alkaliſch reagirte. Das Blut der arteria temporalis eines an einem Au— genübel leidenden Mannes ward zum vierten Verſuche benutzt. Das Serum desſelben enthielt kein kohlenſaures Alkali, dafür aber um ſo mehr phosphorſaures Alkali. Das durch Ather extrahirte Fett des Blutkuchens hinterließ eine ſtark alkaliſche Aſche; die Aſche des Fettes vom Serum reagirte ebenfalls alkaliſch. Einem ſpaniſchen Hunde ward die vena jugularis ge= öffnet und deren Blut zum fünften Verſuche benutzt. Die Hälfte desſelben ward ſogleich in eine Flaſche gethan und luftdicht verkorkt; die andere Hälfte ward durch Hindurch— leiten von atmoſphäriſcher Luft in arterielles Blut verwan— delt. Der letztere Theil gab ein Serum, das reich an phosphorſaurem Alkali war, enthielt aber kein kohlenſaures Alkali, während das Serum des anderen Theiles kein phos— phorſaures, dagegen in feiner Aſche kohlenſaures Alkali enthielt. Demſelben Hunde, deſſen Blut zum fünften Verſuche gedient hatte, ward noch ein Mal die Jugularvene geöffnet und deren Blut zum ſechsten Verſuche verwandt. Die Hälfte dieſes Blutes ward ſogleich mit einer gleichen Quan— tität rectificirten Athers gefchüttelt, die Miſchung Darauf 24 Stunden bei Seite geſtellt und der oben ſtehende Ather abgenommen; die unter ihm ſtehende Blutmaſſe ward nun— mehr dem Einfluſſe der Luft ausgeſetzt; die Farbe hellte ſich jetzt, nachdem das Fett entfernt worden, nicht mehr auf. Verſuch 7. Das Serum der anderen Hälfte ward vom Blutkuchen getrennt und letzterer im Sandbade zerlegt; auf Zuſatz von deſtillirtem Waſſer platzte eine Menge der Blutkügelchen, eine rothgefärbte Löſung gebend. Die Mi— ſchung ward filtrirt und die klare Fluͤſſigkeit in ein Gefäß, in welchem metalliſche Zinkplatten lagen, gegeben. Das Zinkmetall ſchlug den Farbſtoff ſo vollſtändig nieder, daß die oben ſtehende Flüſſigkeit ſchon nach wenig Stunden farblos ward, während der Niederſchlag aus einer Verbin— dung von Hämatoſin mit Zinkoryd beſtand. Dieſer Nie derſchlag ward geſammelt und mit Ather ausgezogen; beim 153. VII. 21. 324 Verdampfen des Athers blieb ein fetter Stoff in ziemlicher Menge zurück. Zum achten und letzten Verſuche ward das Blut der äußeren Jugularvene und gleichzeitig das der carotis eines großen Pudels benutzt. Das Serum beider Blutarten war reich an Chylus; die Aſche des Serums beider enthielt kohlenſaures Alkali, deſſen Menge jedoch im venöſen Blute beträchtlicher war, wogegen es viel weniger phosphorſaures Alkali als das Serum des arteriellen Blutes enthielt. Die Fette des arteriellen Blutkuchens hinterließen eine alkaliſche Aſche, die Aſche des venöfen reagirte ſauer. Zu den ſo eben beſchriebenen Verſuchen benutzte der Verf. meiſtens nur kleine Mengen Flüſſigkeit; auch war es ihm zunächſt nur darum zu thun, das ungleiche Verhältniß der phosphorſauren Alkalien in beiden Blutarten nachzu— weiſen; um auch Spuren des phosphorſauren Alkalis nicht zu überſehen, nahm er mehr venöſes als arterielles Blut; 25 bis 40 Gran venöſes Blut gaben noch keine Andeutung, größere Mengen möchten indeß Spuren desſelben anzeigen. Die Reſultate obiger Verſuche entſprechen der vom Verf. erſchloſſenen Theorie vollkommen; das Serum des arteriellen Blutes enthält mehr phosphorſaures Alkali, als das Serum des venöſen, letzteres kann aber durch Einwir— kung der Luft in arterielles, d. h. in ein Blut verwandelt werden, deſſen Serum phosphorſaure Salze enthält; der Phosphor der Blutkörperchen muß demnach durch Sauerſtoff— aufnahme orydirt und von dem Alkali der Blutflüſſigkeit als Phosphorſäure aufgenommen werden. Das Fett der venöſen Blutkörperchen giebt nach dem Verſuche 3 eine alkaliſch-reagirende Aſche; das Fett der Blutkörperchen ſteht aber wiederum, wie Verſuch 7 zeigt, mit dem Farbſtoffe des Blutes in innigem Zuſammenhange; beide werden mit einander durch das Zink präcipitirt. Der Verſuch 6 zeigt überdies, wie nach der Entfernung des Fettes durch Luftzutritt keine Farbenveränderung mehr erfolgt. Der Verf. will hierauf indeß keinen zu großen Werth legen, da, wie das Mikroſkop beweiſ't, der Ather eine völlige Zer— ſetzung des Blutes, eine regelmäßige Kryftallifation feiner Beſtandtheile und ein Zerfallen feiner organiſtrten Beſchaf— fenheit herbeiführt. Die Umwandlung des venöſen Blutes in arterielles geſchieht, nach des Verf. Annahme, in folgender Weiſe: Die bläschenartigen Blutkörperchen des erſteren Blutes ent— halten ein mit dem Hämatoſin verbundenes phosphorhalti— ges Fett; in den Lungenzellen kommt ſelbiges mit dem at= moſphäriſchen Sauerſtoffe in Berührung, das Fett zerfällt, der Phosphor oxydirt ſich, es entſteht Kohlenſäure und Waſſer, welche ausgeathmet werden und Phosphorſäure, die ſich mit dem Alkali der Blutflüſſigkeit zu dreibaſiſch-phos— phorſaurem Natron, einem alkaliſch reagirenden Salze, ver— bindet. Dieſe Vereinigung erfolgt wahrſcheinlich auf Koſten eines Natronalbuminats und führt wiederum andere Zer— ſetzungen herbei, die der Verf. nicht weiter verfolgt hat; ein Zuſatz von Phosphorſäure zum venöſen Blute ſchien, ſo lange die Reaction noch alkaliſch blieb, keine beſonderen Veränderungen zu bewirken. 325 Die Entſtehung des dreibaſiſch-phosphorſauren Na— trons aus einem entſprechenden Theile des vorher mit Al— bumin oder Milchſäure verbundenen Alkalis erklärt die Um— wandlung der dunklen Farbe des venöſen Blutes in die helle des arteriellen, welche auch durch andere baſiſche Salze herzuſtellen iſt, zur Genüge; auch die Umwandlung des Phosphors ſcheint auf dieſen Farbenwechſel von Einfluß zu ſein. Der Verf. konnte leider keine quantitative Analyfe bei— der Blutarten anſtellen; auch iſt eine wechſelnde Menge des dreibaſiſch-phosphorſauren Alkalis, das durch die Reſpira— tion entſtanden iſt, nach den verſchiedenen Verhältniſſen, in denen ſich der Organismus befindet, mehr als wahrſchein— lich: ſo wird durch den Chylus eine Menge phosphorſaurer Salze ins Circulationsſyſtem eingeführt, ohne durch die Re— ſpiration erzeugt zu ſein und nur langſam wieder vom Blute abgeſchieden; unmittelbar nach gehaltener Mahlzeit findet man deßhalb ſowohl im venöſen als arteriellen Blute phos— phorſaure Salze, deren Menge jedoch nicht dieſelbe iſt (ver— gleiche Verſuch 3), während die Alkali-Lactate und Albumi— nate des Chylus, deren Aſche einen Überſchuß von kohlen— ſaurem Alkali enthält, nur ganz allmälig durch die Reſpira— tion in baſiſche Phosphate umgewandelt werden. Beide Blutarten werden ſich deßhalb nach der Mahlzeit in ihrer Farbe ähnlicher ſein, die großen arteriellen Stämme werden ein dunkleres an der Luft heller werdendes Blut als ge— wöhnlich enthalten. Dagegen werden Thiere, die lange ohne Futter blieben, ein ungewöhnlich helles Venenblut liefern, weil die Reſpiration lange ohne einen Zutritt von Chylus thätig war und die alkaliſchen Phosphate auf das Blut ein— wirken konnten. In einer Note bemerkt der Verf., daß zwar die Aſche des Serums vom venöſen Blute ein kohlenſaures Alkali ent— halte, daß aber das Serum ſammt dem Blutkuchen einge— äſchert, nicht nothwendig ein Carbonat enthalte, weil die phosphorhaltigen Fette beim Verbrennen Phosphorſäure lie— fern und letztere die Kohlenſäure austreibt. Wahrſcheinlich war nur dieſer Umſtand daran Schuld, daß Enderlin in den Blutaſchen kein Alkalicarbonat finden konnte; der aus dieſer Beobachtung gezogene Schluß fällt demnach mit ſei— nem Grunde. In einer Nachſchrift bemerkt der Verf. zur Vermeidung jedes Mißverſtändniſſes, daß er 1) keinesweges ein Vortom— men von kohlenſaurem Alkali im Blute ſelbſt annehme, ſondern nur deſſen Daſein in der Aſche des Blutes nach— gewieſen habe; ſeine Theorie der Farbenbderänderung bezieht ſich demnach nicht auf die Zerſetzung eines Carbonats im venöſen Blute, ſondern auf die Bildung von phosphor— ſaurem Natron durch eine Zerſetzung organiſcher Salze, und daß 2) die bisher vom arteriellen oder venöſen Blute gemach— ten, eine gleiche Zuſammenſetzung beider Blutarten zeigenden Analyſen keineswegs ſeinen Beobachtungen widerſtreiten, in— dem, wenn man Blutkuchen und Serum mit einander ver— brennt, der Phosphor der venöſen Blutkügelchen beim Ver— brennen in Phosphorſäure verwandelt wird. Die Verſchie— denheit beider Blutarten iſt nach dem Verf. nur durch eine 153. VII. 21. 326 Einäſcherung des Serums und des Blutkuchens für ſich zu ermitteln. Zum Schluſſe bemerkt der Verf. noch, wie er die Schwie— rigkeiten bei Anwendung des ſalpeterſauren Silbers und Ammoniaks zur Phosphorſäureermittlung wohl kennend, alle mögliche Vorſicht anwandte. Die ſehr merkliche Ver— ſchiedenheit des Serums beider Blutarten läßt ihn endlich vermuthen, daß eine viel geringere Menge Blut als man bisher angenommen, wirklich cireulire. (The London etc. philosophical Magazine, No. 219. 1848.) XLV. über den Farbenwechſel des Laubfroſches und den mikroſkopiſchen Bau ſeiner Haut. Von M. Pouchet. Der Laubfroſch (Hyla viridis) beſitzt, gleich dem Cha— mäleon, dem Leguan und andern Sauriern die Eigenſchaft, freiwillig und vorübergehend ſeine Farbe zu verändern; ſchon Dumeril, Bibron, Duges und Gervins ha— ben auf dieſe Erſcheinung aufmerkſam gemacht, aber nie— mand bat fie bis jetzt genügend erklärt; der Verf. unter: nahm deßhalb eine mikroſkopiſche Unterſuchung der Haut dieſes Thieres und theilt in No. 22 der Comptes rendus (vom 29. Mai 1848) die Reſultate ſeiner Forſchung mit. Die Haut des Rückens erſcheint nach ihm mit einer ſtarken Loupe betrachtet, netzartig; die Maſchen des Netzes ſind regelmäßig fünfeckig, ſie ſpringen etwas vor, ſind von ſchwärzlicher Farbe und haben einen Durchmeſſer von 0,015 Millimeter. Der Raum zwiſchen jeder dieſer Maſchen iſt concav und von einer kleinen gefärbten Schuppe (paillette) ausgefüllt, die gleich einem Hohlſpiegel das auf ſie fallende Licht, und zwar mit mattem Goldglanze, reflectirt. Fürs unbewaffnete Auge iſt die Haut des Rückens, deſſen Farbenſpiel von der Strahlenbrechung an den vielen kleinen Vertiefungen bedingt wird, nichtsdeſtoweniger von ſchön hellgrüner Farbe. Außer den Maſchen des Hautnetzes gewahrt man noch eine Menge ſchwarzer Punkte von größerem Durchmeſſer als dieſe Maſchen; es ſind die Ausdünſtungsporen; ſie erſchei— nen bei durchfallendem Lichte als glänzende organiſirte Punkte, den Spaltöffnungen der Pflanzen ähnlich; der Haut fehlt an dieſen Stellen jeder Farbſtoff. Ein Durchſchnitt durch die Haut zeigt 4 verſchiedene Schichten: eine Oberhaut (epidermis), eine oberflächliche und eine tiefer gelegene Far— benſchicht und ein derma. Die Oberhaut iſt äußerſt dünn, farblos, durchſichtig und glasartig, ſie beſteht aus einer zahlloſen Menge regel— mäßiger, meiſt fünfeckiger Felder, welche dem Netzwerke der Hautoberfläche entſprechen. Das Häutchen iſt überdies mit Körnern bedeckt, und in jedem dieſer Wärzchen liegt wahr— ſcheinlich das concave vorhin erwähnte Schüppchen; in be— ſtimmten Zwiſchenräumen erkennt man die ebenfalls erwähn— ten Poren als eiförmige Wülſte, deren Spalte ihrer Längs— richtung folgt; dieſe Poren ſcheinen mit dem derma im Zuſammenhange zu ſtehen; durch ſie geſchieht ſowohl die 21 * 327 Abſonderung des Schleimes als die riechende weißliche Flüſ— ſigkeit, welche die Fröſche, wenn ſie gezerrt werden, entlaſſen. Die obere Farbenſchicht, welche dem Thiere die grüne Farbe giebt, beſteht aus kleinen, hohlen polyedriſchen Schüpp— chen, deren jedes eine Maſche des Hautnetzes einnimmt; mit reflectirtem Lichte beleuchtet erſcheinen ſie als eben ſo viel kleine goldene Spiegel und erinnern an die leuchtenden Punkte der Flügeldecken des Diamantkäfers. Wo die grüne Farbe heller wird, ſieht man die kleinen Stückchen frei liegen. Die untere Farbenſchicht iſt viel dicker und dunkler; fie enthält in ſtern- oder pinſelförmigen Büſcheln, deren Verzweigungen ſich unter einander verflechten und in der Hautmaſche zu endigen ſcheinen, einen ſchwärzlichen Farbe— ſtoff. An Stellen, wo die grüne Färbung verfchwindet, ſieht man die Büſchel frei liegen. Das derma endlich beſteht aus einer dünnen Zellgewebs— ſchicht; die untere Oberfläche derſelben beſteht aus größeren Zellen, deren Regelmäßigkeit und polpedriſche Geſtalt faſt einem Pflanzengewebe gleich kommt. Die phyſiologiſche Bedeutung eines jeden dieſer ana— tomiſchen Elemente für den Farbenwechſel iſt nach dem Verf. folgende: Die ſchwärzliche Färbung wird durch eine Ausbreitung der die untere Pigmentſchicht bildenden Büſchel über die Peripherie bedingt, indem durch ihre Ausbreitung der Durch— meſſer der kleinen das Grün reflectirenden Schüppchen be— ſchränkt wird; das Maſchennetz muß dadurch viel dunkeler und ſichtbarer, der Raum zwiſchen ſeinen Maſchen viel en— ger werden und nur als goldner Punkt erſcheinen; die ſchwarze Farbe wird in dieſem Falle vorherrſchen. Die weißliche Färbung beruht auf dem Gegentheile der Urſachen, auf einer Contraction der Büſchel der untern Pig— mentſchicht. Sowie ſich die Faſern der Büſchel, welche hauptſächlich zum Hautnetze gehen, zurückziehen, erſcheinen die Maſchen des letzteren farblos, die kleinen, vorhin gold— glänzenden, hohlen Flecken haben jetzt, wahrſcheinlich weil ihnen der dunkele Untergrund fehlt, einen Perlmutterglanz angenommen. Der Farbenwechſel des Laubfroſches beruht demnach auf Vorgängen im Innern der tiefen Farbenſchicht ſeiner Haut, folglich auf denſelben Urſachen, welche, nach Milne Edwards Unterſuchungen, das Farbenſpiel des Chamäleons bedingen; nur mit dem Unterſchiede, daß die untere Pig— mentſchicht des Laubfroſches nicht wie beim Chamäleon aus Bläschen, ſondern aus ſtern- oder pinſelförmigen Büſcheln beſteht. XLVI. über die Anatomie der Zunge. Von Auguſte Valles. Schon im Jahre 1840, wo ſich der Verf. mit dem Bau und der Bluteirculation der Froſchzunge beſchäftigte, erkannte er auf der oberen Fläche derſelben zweierlei Pa— pillen, kugelförmige, die, reich an Capillargefäßen, eine ſehr 153. VII. 21. 328 lebhafte Circulation unterhielten und Eonifche, die nur an ihrer Baſis Gefäße beſaßen. Fortgeſetzte Beobachtungen zeigten ihm, daß erſtere die ſchwammförmigen, letztere die kegelförmigen Papillen wären. Jede ſchwammförmige Papille erhält einen Nerven, der mit und zwiſchen dem Capillargeflecht eintritt. Man braucht nach dem Verf. nur ein kleines Stück der Schleimhaut mit der Scheere von der Zunge zu nehmen und zwiſchen zwei Glasplatten unterm Mifroffope zu betrach— ten, um ſich über den innern Bau dieſer Theile aufs be— ſtimmteſte zu überzeugen. Die Zunge der Kröte und des Salamanders zeigt nach ihm gleichfalls die beiden beim Froſche beobachteten Arten der Papillen. Um ſie an der menſchlichen Zunge zu ſtudiren, braucht man nur ein Stück— chen Schleimhaut von ſeiner Zunge zu haben; ihr Bau iſt ganz derſelbe; ein gleiches gilt von der Zunge des Hundes, der Katze, des Schweins, der Ratte und anderer Säuge— thiere. Ob die Zunge der Vögel und Fiſche dieſelbe Stru— etur beſitzt, kann der Verf. noch nicht entſcheiden. Die ſchwammförmigen Papillen dienen nach des Verf. Anſicht dem Geſchmacke, die kegelförmigen dem Gefühle. Nur lösliche Subſtanzen werden bekanntlich vom Geſchmacke wahrgenommen; wenn nun eine ſolche Subſtanz die Ober— fläche einer ſchwammförmigen Papille berührt, ſo ſind ihr drei Mittel zu Gunſten des Geſchmacks gegeben; zunächſt dient ihm die äußerſt dünne das Ende der Papille beklei— dende Membran; darauf die Gegenwart der zahlreichen un— mittelbar unter dieſem Häutchen liegenden Nerven und drit- tens das ſehr entwickelte Gefäßſyſtem, welches die Endigun— gen dieſer Nerven berührt. (Comptes rendus, No. 22, 29. Mai 1848.) Miſeellen. 48. Die Lemanea fluviatilis Agardh it nach Th wa i⸗ tes in ihren jüngſten Zuſtänden mit Trentepohlia pulchella ß. chalybea Har»., mit welcher fie häufig vorkommt, verwechſelt wor— den. Zu Ende Novembers bedecken die Anfänge der erſten Gonfer- ven als dunkelgrüner Überzug häufig die Oberfläche der Stämme feſt an ihnen hängend. Sie beſtehen in dieſem Stadium aus linien⸗ langen, ſpärlich verzweigten Fäden, deren Durchmeſſer etwa 100 Zoll beträgt. Jeder Faden beſteht aus einer einfachen Zellenreihe, jede Zelle iſt 4 bis 6 Mal ſo lang als breit und mit einem blau— grünen, ſpiralig angeordneten Endochrom erfüllt; nur in den Terminalzellen, die reicher an dieſem Stoffe ſind, fehlt die ſpiralige Anordnung. Die Conferve gleicht in dieſem Zuſtande dem Vor⸗ keim eines Mooſes oder dem Mycelium eines Pilzes; Kütz ing hat die Anfänge von Lemanea torulosa Agardh ähnlich beſchrie— ben. Aus einer Zelle unfern der Baſis bildet ſich zuerſt ein Zweig, der ſich durch die Kürze feiner Zellen von den übrigen Zweigen unterſcheidet. Dieſer anfangs kleine Zweig wächſ't durch eine Selbſt— theilung ſeiner Zellen ſchnell in die Länge und Breite; die Baſis entwickelt gleichzeitig eine Menge Wurzelzellen, womit ſich das junge Pflänzchen feſt heftet und ſich felbitändig zur ausgebildeten Pflanze fort entwickelt. Der Verf. empfiehlt das Studium der Entwicklungsgeſchichte der Algen als ein noch wenig bebautes ſehr intereſſantes Feld, und glaubt, daß mehrere jetzt zu den Palmellae gezählten Algen nur die Anfänge anderer Arten ſind. (The an- nals and magazine of natural history, No. 6. 1848.) 329 49. Die Sporen von Oidium aurantiacum vertra⸗ gen, nach Payen, eine Hitze von mehr als 1200 C., ohne ihr Fortpflanzungsvermögen zu verlieren. Der genannte Pilz, der die innere Subſtanz des Brotes raſch in eine ſchwammige Maſſe ver— wandelt und feine Oberfläche mit einer orangerothen Fructification bedeckt, ſcheint durch Wärme und Feuchtigkeit hervorgerufen und begünſtigt zu werden. Der Pilz zerſetzt das Stärkemehl, Kohlen⸗ ſäure und Waſſer entweichen, während die ſtickſtoffhaltigen, fetten und unorganiſchen Stoffe des Brotes dem Pilze zur n e nen. Durch die Temperatur des Backofens glaubte man die Vege— tationskraft ſeiner Sporen vernichten zu können, Payens Verſuche hatten folgendes Reſultat: Sporen, die in einer Glasröhre ein⸗ geſchloſſen und eine halbe Stunde lang einer Temperatur von 1009, 153. VII. 21. 330 von 105° und von 120° C. ausgeſetzt wurden, entwickelten, über eine Brotſchnitte ausgeſtreut (in feuchter Luft bei 200 Wärme) eine dichte orangefarbene Pilzfructification, während eine Schnitte desſelben Brotes, nicht mit Oidium Sporen beſtreut, unter den— ſelben Verhältniſſen nur den gewöhnlichen weißen, braunen oder grünen Schimmel zeigte. Mit einem Zuſatze von Waſſer auf Brot⸗ teig in der Glasröhre erhitzt, ward die Vegetationskraft der Spo— ren ebenfalls nicht zerſtört; ſowie die Hitze aber auf 1409 ſtieg, verſchwand die röthliche Farbe der Sporen, ſie wurden gelb und mit dieſer Farbenveränderung war auch die Vegetationskraft zer⸗ ſtört. Die Sporen können demnach, namentlich in den inneren Theilen des Brotes, wo die Temperatur kaum auf 1000 ſteigt, der Backofenhitze widerſtehen. (L’Institut, No. 756 und 757. 1848.) Heilkunde. (XXIX) über den typhöſen Proceß im Darm— canale bei Rindern und Pferden vom pathologiſch— anatomiſchen Standpunkte. Von Dr. Franz Müller. Im Jahre 1842 gab Dr. Joſeph Engel in der öſterr. mediein. Wochenſchrift J. Quartal S. 99 kurze Notizen „über den Typhus der Pferde“, die eben ſo originell als wahr, wenn auch nicht vollſtändig ſind; und im Jahre 1845 gab ich eine kurze Überjicht des pathologiſch-anatomi— ſchen Befundes peſtkranker Rinder in der „Vierteljahrsſchrift für praftifche Heilkunde, herausgegeben von der medieiniſchen Facultät zu Prag, III. Bd. S. 134“ wo ich den typhöſen Proceß im Darmcanale der Rinder pathologiſch-anatomiſch nachwies. Da ich ſeitdem Gelegenheit hatte, Rinder und Pferde, letztere in zahlreicher Menge im k. k. Thierarznei— Inſtitute in Wien zu unterſuchen und mir manches der Be— achtung werthes aufſtieß, ſo erlaube ich mir, meine Anſich— ten und Erfahrungen bekannt zu geben, um ſo mehr, als vom anatomiſch-pathologiſchen Standpunkte aus bis jetzt noch keine ſtrenge Sichtung der verſchiedenen Krankheitspro— ceſſe im Darmcanale der Thiere eingetreten iſt. Namentlich ſcheint man die normale Anordnung der Drüſen in der Schleimhaut des Darmes bei Thieren ent— weder nicht zu kennen oder nicht gehörig zu würdigen, und ſo kommt es, daß namentlich der Typhus des Rindes eine über die Gebühr weite Ausdehnung in den Augen der Arzte erlangt hat. Da ich im gegenwärtigen Aufſatze vorzüglich auf das Verhalten des typhöſen Proceſſes bei Rindern und Pferden aufmerkſam machen will, ſo will ich auch nur bei dieſen Thiergattungen das normale anatomiſche Verhältniß der Peyer— ſchen Drüſen ins Auge faſſen. Die Peyerſchen Drüſenhaufen ſind bei Rindern und Pferden von einer weſentlich verſchiedenen Bauart und von einem ganz oerſchiedenen Verhalten in Rückſicht auf die gleichnamigen Drüſen des Menſchen. Bei Rindern ſtellen ſie lange Wülſte dar, die oft 1 bis 2 Fuß lang und etwa ½— 0 Zoll breit find; fie find im normalen Zuſtande immer etwas über die Darmſchleimhaut erhaben (in oben vorliegenden Exemplaren von ganz geſun— den Rindern ragen ſie etwa eine Linie über die Oberfläche der Schleimhaut hervor), ohne deßwegen von einer fremd— artigen Maſſe infiltrirt zu ſein; in jedem einfachen Catarrhe ſchwellen ſie noch mehr an, die Follikeln verlieren ihre dem Darmrohre zuſtehende Wand, wenn er etwas länger dauert, dadurch entſtehen Grübchen, die durch erhabene Scheidewände getrennt ſind, und ſo erſcheint dann das areolirte Ausſehen dieſer Peyerſchen Drüſenhaufen, ohne daß jedoch da von einem typhöſen Proceſſe die Rede ſein kann. Ich habe mich vollkommen überzeugt, daß ſelbſt bei ganz geſunden Rindern und Schafen die Peyerſchen Drüſen ein areolirtes Anſehen darbieten können, ſelbſt ohne irgend einen Catarrh, wenn die Drüſenkörner vorſtehen und ſo die Zwiſchenräume Vertiefungen darſtellen, und bin zu der Über— zeugung gelangt, daß man aus dem areolirten Anſehen die— ſer Peyerſchen Drüſenhaufen durchaus nicht auf einen pa— thologiſchen Proceß in einem fraglichen Falle ſchließen kann. Ich erwähne dieſes deßhalb, weil ich nicht nur ſelbſt in dieſen Fehler verfiel, ſondern weil ich auch glaube, daß Dr. Spengler von Eltville in einem Aufſatze (Prager Vierteljahrsſchrift 1847. 15. Band S. 74), in welchem er die Lungenſeuche des Rindes für einen Pneumotyphus hält, denſelben Fehler begangen hat. Ich habe mit dem ſorgſamſten Fleiße auf eigene Ko— ſten in der Umgebung von Wien lungenſeuchekranke Rinder unterſucht, und bin zu der Überzeugung gelangt, daß we— nigſtens in dieſen Fällen in Niederöſterreich von einem ty— phöſen Proceß keine Rede ſein kann. Zwar fanden ich und Dr. Buchmüller auch nach längerem Verlaufe der Lungenſeuche Catarrh des Darmcanals, in einem Falle in einer bedeutenden Ausdehnung im Dünn— darm, Dickdarm bis in den Maſtdarm, die Schleimhaut hell— roth, aufgelockert, die vorſpringenden Falten ſerös infiltrirt, die Peyerſchen Drüſenhaufen mehr vorragend, tief geröthet, allein wir können dieſes nicht als Typhus, ſondern als Dysenterie anſehen, um jo mehr, wenn man den gleichzeiti— gen Zuſtand der übrigen Organe, den Verlauf der Krank— 331 heit und das Verhalten der Krankheit bei anderen Thieren berückſichtiget. In anderen Fällen fand ſich eroupöſe Pneumonie, das croupöſe Erſudat in die Bronchialverzweigungen bis in die größeren Stämme abgelagert, Arterien und Venen mit feſt den Wandungen anhängenden Fibrinpfröpfen erfüllt; das erſte Auftreten war immer das der Pneumonie, ſo daß ich in Trautmannsdorf bei einem anſcheinend geſunden Thiere mit Beſtimmtheit durch Percuſſion und Auſcultation die Stelle der Affection in der Lunge nachweiſen konnte; der Verlauf und Ausgang war immer der der Pneumonie, zu welcher gegen das Lebensende jedoch häufig Diarrhöe hinzutrat, die jedoch in der Umänderung des eroupöſen Erſudates in der Lunge ihre beſſere Erklärung findet als durch die Annahme eines typhöſen Proceſſes überhaupt. In einem von Dr. Buch müller unterſuchten Falle am 2. Juli 1847, in welchem die Krankheit etwa 4 Mo— nate gedauert hatte, durch deſſen Güte ich die Lungen er⸗ hielt, fanden ſich zahlreiche fauſtgroße Stellen, die durchaus brandig zerſtört waren (brandige Lungenabsceſſe). Es hing ein flockiges, bräunliches, abgeſtorbenes, mit heftig ſtinken— der Brandjauche umgebenes Gewebe in die Absceßhöhlungen hinein, ja in der linken Thorarhälfte hatte der Absceß ſich einen Weg in die Pleurahöhle gebahnt, ſo daß im linken Pleuraſacke ein losgeſtoßenes, mehrere Pfunde ſchweres kopf— großes Stück Lungenſubſtanz, die durchaus grau hepatifirt war, lag und der hintere Lungenflügel nur eine einzige große Brandcaverne darſtellte. Rings um dieſen Absceß war rothe Hepatiſation, die zuweilen ſchon in die graue überging. In dieſem Falle fand ſich ein ausgebreiteter Catarrh des Duͤnndarmes und im Dickdarme das erſte Stadium der Dysenterie, alle Drüſenfollikel geſchwellt und die Peyerſchen Drüſenhaufen bedeutend hervorragend und areolirt, ſo daß der mit der normalen Structur dieſer Drüſenhaufen beim Rinde nicht vertraute einen dem Menſchentyphus ähnlichen areolirten Typhusproceß annehmen könnte; allein der Pro⸗ ceß des Darmes iſt nur ſecundär, es iſt nichts typhöſes zu ſuchen, ſondern er iſt nur ein durch Reſorption der Brand— jauche entſtandener Catarrh. Wohl kann in einem ſolchen Falle die Krankheit anſteckend wirken, ſowohl durch Lungen— erhalation als durch die colliquativen Darmentleerungen, die gewöhnlich in ſolchen Fällen getroffen werden; allein die Krankheit wirkt nicht anſteckend, weil es ein Typhus iſt, ſondern weil eben die Pneumonie dieſen Augang genom— men hat. — Die wie ſolitäre, in Verſchorfung übergehende typhöſe Infiltrationen (die dann beim Herausfallen eben das areolirte Anſehen dem Drüſenhaufen verleihen) aus— ſehenden graulichen Punkte ſind nichts als Schleimfollikel mit erweiterten Mündungen; ihr Inhalt iſt Schleim und keine Typhusmaterie und wenn derſelbe entleert iſt, ſo ſtel— len ſie Grübchen dar, woher das areolirte Ausſehen ſtammt. — Man kann dieſes bei jedem geſunden Rinde anſehen und ſich von der Wahrheit des geſagten überzeugen, ſo wie ich überbaupt glaube, daß zu wenig das normale anato— miſche Verhalten und die phyſiologiſche Bedeutung der 153. VII. 21. 332 Organe bei pathologiſchen Sectionen von Arzten beobachtet wird. Wir können in einer rationellen Diagnoſtik keine Krank— heit als beſtimmt annehmen, wenn wir nicht die ihr eigen— thümlichen Producte finden, und ſo lange nicht die Chemie im Blute ſelbſt eine gemeinſame Quelle nachgewieſen hat, dürfen wir Krankheitsproceſſe mit verſchiedenen Producten nicht ad libitum zuſammenwerfen. Ich kann daher die vorgekommenen Fälle nicht für ty— phöſer Natur halten, weil feine Produetbildung im Darm— canale angetroffen wurde und muß geſtehen, daß ich über— haupt ſeit dem Jahre 1844 und 1845 keinen Typhus beim Rinde mehr geſehen habe. Ein ganz anderes Verhalten des Typhus zeigt ſich beim Pferde. Während beim Rinde die Peyerſchen Drüſenhaufen ſo ausgezeichnet ſind, daß ſich der Typhus auf ihnen häufig localiſirt, ſind ſie beim Pferde klein, unanſehnlich, oft kaum zu erkennen, nicht über die Schleimhaut erhaben. Ihre Anzahl iſt ſehr gering, oft nur 2—3, ihre Größe unbedeutend, ihre Anordnung ganz eigen, die einzelnen Drüs— chen ſtehen weit aus einander, ſo daß ſie eigentlich hier nur näher an einander gerückte Brunnerſche Drüſen darſtellen. — Deßwegen finden wir auch, daß ſich der typhöſe Proceß auf ſie äußerſt ſelten localiſirt, fo daß ich innerhalb 2 Jah— ren nur ein einziges Mal eine typhöſe Infiltration mit Schorfbildung auf einem Peyerſchen Drüſenhaufen geſehen habe; ja ſelbſt ihre anderweitige Erkrankung iſt ſehr ſelten zu beobachten. Dagegen ſpielen im Typhus des Pferdes andere Partien des Darmcanals eine ausgezeichnete Rolle, namentlich der Zwölffingerdarm, der Pylorusantheil des Magens, der Blinddarm und der Anfangstheil des Dick— darms, ſelten die Gekrösdrüſen und die Milz. Das Auftreten des Typhus, wenn wir nur die emi— nenten Fälle als Productbildung als ſolche für jest gelten und die anderen als unentſchieden dahin geſtellt ſein laſſen, iſt beim Pferde nur ſelten. Bei der Section, unter der Leitung des Hrn. Prof. Hayne kam er innerhalb 2 Jahren, in welcher Zeit etwa 2500 Pferde zur Behandlung kamen, nur ſechs Mal zur Beobachtung und zwar ein Mal im Magen, drei Mal im Zwölffingerdarme, zwei Mal im Blind- und Grimmdarme, wo in einem der letzteren Fälle auch gleichzeitig einzelne, etwa linſengroße Schorfe auf den Peyerſchen Drüfenhaufen zu erblicken waren. Krankheitsproceſſe des Darmeanals ohne ausgeſprochene Productbildung, deren typhöſe Natur wir bis jetzt nicht mit Beſtimmtheit angeben können, waren allerdings häufiger, wir wollen ſie jedoch für jetzt nicht berückſichtigen. Bevor ich zur pathologiſch-anatomiſchen Beſchreibung des Pferdetyphus an feinen verſchiedenen Ablagerungsſtätten ſchreite, will ich die Worte des geiſtreichen Dr. Engel anführen, der ſchon im J. 1842 die Natur dieſes Proceffes erkannte. Er ſagt: „Höchſt intereſſant war mir das Erſcheinen des typhö— fen Proceſſes auf der Schleimhaut des Verdauungstractes beim Pferde. Die Qualität der abgelagerten Materie, der Ort der Ablagerung — es war der Pylorusmagen, — die 333 ſtürmiſche Reaction in Form einer bedeutenden Wulſtung und blutig ſeröſen Infiltration geben dem ganze Proeeſſe ein ei— genthümliches Gepräge. Die Schleimhaut am ganzen py- lorus iſt ſammt dem ſubmucöſen Zellſtoffe mehrere Linien geſchwellt, unter ihr zeigt ſich die graugelbe zottige Typhus— materie. Über dieſer fieht man ſogar an einigen Stellen die Schleimhaut bereits verſchorft, ſo daß umfaßt von dem oberen rundlichen Rande derſelben die Typhusmaterie in Geſtalt einer gelblichen zottigen Pulpe in die Magenhöhle hineinragt. Auf der Darmſchleimhaut ſchien der Typhus— proceß nicht localiſirt zu ſein, Milz- und Gekrösdrüſen zeig— ten keine auffallende Schwellung.“ — „Es bleibt ferneren Forſchungen überlaſſen,“ ſagt er, „ob der Typhus beim Pferde immer dieſe ſeine Eigenthümlichkeit bewahre.“ Einen ganz ähnlichen Fall beobachtete ich am 2. Der. 1846, nur war das Auftreten des Proeeſſes ſelbſt noch ſtür— miſcher als es Prof. Dr. Engel beſchreibt. In dieſem Falle fand ſich eine bedeutende Blutaustretung in der Ma— genhöhle, fo daß dieſelbe etwa 2—3 Pfund dunkles, ſchlaff geronnenes Blut enthielt. Die Schleimhaut des Pylorus— magens war dunkelroth, ſtark geſchwellt, blutreich, ſerös in— filtrirt, an einzelnen Stellen dieſelbe bedeutend verdickt in Folge von einer graugelblichen Infiltration in den ſubmu— cöſen Zellſtoff, welche Infiltrationen hin und wieder ſchon in Verſchorfung übergingen, Abſtoßung und Geſchwürbildung jedoch noch keine zu ſehen. Der Darmcanal bot nichts dar. Die Gekrösdrüſen leicht geſchwellt und blutreicher, die Milz unverändert. Mit einer ganz eigenthümlichen Beſchaffenheit tritt der Typhus des Pferdes im Zwölffingerdarme auf, wie ich den— ſelben in drei Fällen beobachtete, und zwar am 15. Juli 1847 zum erſten Male. Im feiner eclatanteſten Form iſt der ganze Zwölffingerdarm in einer Ausdehnung von 1½ — 2 Fuß ſchon von außen dunkelroth gefärbt, beim Durchſchnitt finden ſich ſeine Häute verdickt, aufgelockert und in das ſub— mucöſe ſowie ſubſeröſe Zellgewebe eine bedeutende Quantität blutiges Plasma ergoſſen. An einzelnen umſchriebenen Stel— len in zwei Fällen in der Umgebung der Einmündung des Lebergallenganges die Schleimhaut und das Unterſchleim— hautzellgewebe mit einer weißgelblichen, ſpeckigen Typhus— materie infiltrirt und zwar in verſchiedener Größe von der einer Erbſe, Bohne, bis zu der eines Handtellers. Dieſe Infiltrationen waren entweder noch roh, ohne Tendenz zur Abſtoßung, oder aber ſie fingen ſich an, ſammt der Schleim— haut von der Umgebung loszulöſen, oder aber ſie waren ſchon größtentheils losgeſtoßen und hingen in Form einer flockigen Maſſe in die Höhlung des Darmes hinein; ich be— ſitze vom 25. Juli 1847 ein Präparat, wo ein Schorf vom Durchmeſſer einiger Zolle an einer einzigen kleinen Stelle anhängt und ſonſt frei in der Darmhöhle des Zwölf— fingerdarms flottirt. Da dieſe Schorfe in der Nähe der Einmündungsſtelle des Lebergallenganges vorkommen, ſo waren ſie alle gelb gefärbt. Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung fanden ſich die— ſelben Producte, wie ſie in ähnlichen Ablagerungen beim 153. MI. 21. 334 Menſchentyphus vorzukommen pflegen, nämlich Zellen, die mit einer granulöſen Maſſe erfüllt find und amorphe Maſ— ſen ſelbſt; die Gekrösdrüſen etwas blutreicher, nicht infil— trirt; die Milz ganz normal; in den hintern untern Partien beider Lungen blutiger Lungeninfarctus; das Herz ſchlaff, das endocardium ſchmutzigroth, imbibirt, das Blut dunkel— roth, ſchnell in Zerſetzung übergehend, ohne Coagulum und Fibrinabſcheidung, das Gehirn ſchlaff und weich. Intereſſanter iſt das Vorkommen typhöſer Geſchwüre im Blinde und Anfangstheile des Grimmdarmes. Bei ei- nem am 9. Auguſt 1847 umgeſtandenen Pferde fanden ſich etwa 4— 5 kupfergroſchen- bis handtellergroße Stellen, außerdem mehrere kleinere, im Blind- und Anfangstheile des Grimmdarmes, die theils kreisrund, theils rundlich der Längenachſe des Darmes nach verlaufend waren. Dieſelben waren mit einem Schorfe, der bis in die muscularis drang, bedeckt, welcher ſich ſchon von der Peripherie loszulöſen an— fing, an welchen Stellen die Schleimhaut nach abwärts ſich ſtülpte. Dieſe Schorfe waren von ſchmutziggelber Farbe, he Linien dick, fetzig in die Darmhöhle hineinhängend; an einzelnen Stellen war ſelbſt die membrana muscularis theilweiſe von einer graugelblichen Typhusmaterie infiltrirt, bloß das peritoneum, welches jedoch gleichfalls geröthet er— ſchien, war frei von jeder Infiltration. Alle Schorfe hin— gen noch ziemlich feſt an, der Schleimhautrand rings um fie war jedoch ſchon losgelöſ't, gewulſtet, lebhafter geröthet, die Schleimhaut in der Umgebung jedoch blaß, nicht infiltrirt. Die Gekrösdrüſen zwei bis drei Mal größer als im Normalzuſtande, aufgelockert, ſehr blutreich, leicht zerreißlich theilweiſe mit einer graugelblichen Typhusmaterie infiltrirt. Im Darmcanale war eine blutige Flüͤſſigkeit in ziem⸗ lich großer Menge enthalten; die Milz ſchlaff, blutleer, die Leber jedoch ſehr blutreich, ſonſt unverändert; die Lun— gen ſchlaff, zuſammengefallen; im Herzen ſchlaffe Blut— coagula, das endocardium ſchmutzigroth imbibirt, das Blut dunkelroth gefärbt. In den anderen Fällen, die ich im October und No— vember 1847 unterſuchte, fand ſich folgender pathologiſch— anatomiſche Befund nach dem Tode: Die Thiere abgemagert, die Haut ſchlaff und welk, die Ertremitäten wenig beweglich. Unter der allgemeinen Decke in zwei Fällen ein ſulziges, gelbliches Erſudat in ziemlicher Ausdehnung, beſonders an den Extremitäten und am Kopfe abgelagert. — Das Gehirn ſchlaff, anämiſch. Die Schleim- haut der Naſenhöhle entweder ganz normal oder etwas dun— kelroth injicirt und gelockert. Eine Infiltration oder Ge— ſchwürsbildung nicht zu ſehen. Die Halsvenen ſtrotzten von dunkelrothem dickflüſſigem Blute. Die Schleimhaut des Kehl— kopfes und der Luftröhre ſchmutzigroth injieirt, jedoch nicht verdickt. — Die Lungen ziemlich ſtark ausgedehnt, blut— reicher; in den hintern untern Partien Hypoſtaſen. Herz ſchlaff und welk, ſeine Kammern enthielten eine große Menge geronnenen Blutes ohne Faſerſtoffabſcheidung. In der Bauchhöhle kein Erſudat. Die Leber ſehr ſchlaff, blutreich, braunroth. Milz an einigen Stellen dun— kelſchwarz roth aufgetrieben, ſie enthielt an dieſen Stellen 335 eine große Menge dunklen grumöſen Blutes ergoſſen; be— ſonders war dieſes an der Spitze der Fall. Nieren ſchlaff, kirſchroth, blutreicher. Der Magen un— geheuer ausgedehnt, die cardia offen. Die Schleimhaut in der Gegend des pylorus dunkelroth, aufgelockert, ſehr weich und blutreich. Im duodenum zeigte ſich nirgends eine Spur einer Infiltration oder Schorfbildung. Der Dünndarm ziemlich ausgedehnt von Gaſen; in ſeinem unteren Theile ſchon von außen dunkelroth, beim Aufſchneiden fand ſich daſelbſt ein blutiges, fluͤſſiges con- tentum, die Schleimhaut ſtark hyperämiſch, ohne jedoch be— deutend verdickt zu ſein. Die ſolitären Drüſen nirgends infiltrirt, in der Gegend der Krummblinddarmklappe waren jedoch die dort gelagerten Peyerſchen Drüſenhaufen (die im normalen Zuſtande kaum zu unterſcheiden ſind) etwas ge— ſchwollen, aufgelockert und an einer Stelle zeigte ſich ein kleiner hanfkorngroßer Schorf. Im Blinddarme und der unteren Lage des Grimmdar— mes war die Schleimhaut beſonders an den Falten dunkel— roth; dieſe Röthung war auf einige Stellen hin und wieder concentrirt, an welchen die Schleimhaut ſowie das ſubmu— cöſe Zellgewebe ſtark infiltrirt war von einer gelblichen, markähnlichen, unter dem Mikroſkope aus granulöſen Kür: nern beſtehenden Maſſe. An unzähligen Stellen war jedoch die Schleimhaut ſchon verſchorft; die Schorfe erſtreckten ſich weit in die Tiefe, hingen theilweiſe feſt an, waren von ſchmutziggelber Farbe und hatten die Größe von ½ 1 Zoll Breite und 2—3 Linien Tiefe. An einigen Stellen fingen ſie an ſich ſchon von den Rändern loszulöſen; mit Ausnahme von einigen kleinen, die ein vertieftes granulirendes Geſchwür zurückließen, war jedoch noch keiner ganz losgeſtoßen. Sie ſaßen an verſchiedenen Stellen des Grimm- und Blind— darmes in unzähliger Menge, wenigſtens einige Hundert (wovon ich viele im Präparate beſitze) immer der Längen— achſe des Darmes nach verlaufend und an der dem Gekröſe gegenüberſtehenden Seite gelagert. Das contentum des Darmes war ein mißfarbiger, mit Futterſtoffen untermiſchter dicklicher Brei. Der Maſtdarm bot nichts abnormes dar. Die Gekrösdrüſen waren geſchwollen, weich und zeigten eine in ihr Gewebe ergoſſene, gelbliche, markähnliche Exſu— dation; zugleich waren fie in ihrem von der Erſudation freien Gewebe ſehr blutreich, ſo daß ſie beim Durchſchnitt ein dunkelroth mit ſchmutziggelb abwechſelndes geſtriffeltes Aus— ſehen darboten. — Ihre Größe war ſehr verſchieden, je— doch nicht ereeſſivo, To daß die größten etwa einer Kaſtanie gleich kamen. 153. VII. 21. 336 Die Harnorgane boten nichts weſentliches dar. Wenn man das Reſultat dieſer Unterſuchungen in we— nigen Sätzen zuſammenfaßt, jo ergiebt ſich folgendes: 1) Die Ablagerungsftätte des Typhus beim Pferde (weil wir alle Krankheitsproceſſe ohne Productbildung im Darmcanale ausſchließen) iſt der Pylorusantheil des Ma— gens, der Zwölffingerdarm, Blind- und Grimmdarm, ſelten der untere Theil des Dünndarmes und die Peyerſchen Drüſen. 2) Die Gekrösdruͤſen ſind in der Regel, jedoch nur mäßig geſchwollen und infiltrirt. 3) Die Milz iſt in der Regel beim Pferde normal, oft ſchlaffer; nur in einzelnen Fällen zeigen ſich umſchrie— bene Auftreibungen mit ergoſſenem grumöſem Blute. 4) Zuweilen findet ſich eine bedeutende Lungenhypoſtaſe. 5) Unter der allgemeinen Decke fanden ſich zuweilen ſulzige, gelbliche, dünnflüſſige Exſudationen ins Zellgewebe, jedoch nicht conſtant und an den verſchiedenſten Körperſtellen. 6) Das Blut geht ſchnell in Zerſetzung über, bildet nur ſchlaffe Coagula ohne Faſerſtoffabſcheidung, iſt dunkel- roth, das Blutroth färbt ſchnell die umgebenden Häute. 7) Das Gehirn bot außer Schlaffheit und Anämie nichts abnormes dar. (Med. Jahrb. d. k. k. öſterr. Staates, Jahrg. 1848. Mai⸗Heft. S. 169.) Miſeellen. (32) Gegen den Gebrauch der Zahnbürſte erklärt ſich Dr. Reid im Monthly Journal of Med., April 1848, weil er davon bei gleichzeitigem Gebrauche ſcharfer und rauher Zahnpulver jenen häufig vorkommenden Zuſtand von Verderbniß der Zähne herleitet, wobei die Zähne an ihrem Halſe Eroſionen und nach und nach ziemlich tief gehende faſt ringförmig ausſehende Einkerbungen bekommen, die den Verluſt der Zähne herbeiführen. Man hat zwar behauptet, dieſe ringförmige Anfreſſung komme von einer ſauern Drüſenabſonderung des Zahnfleifches, Hr. R. aber iſt an- derer Anſicht, indem er behauptet, die gen. Eroſion komme nicht bei nachläfligen Leuten, ſondern nur bei ſehr häufigem Gebrauche der Zahnbürſte vor, und ſei eine mechaniſche Verletzung, weswegen ſie auch meiſtens nur die Eck- und Spitzzähne betreffe. Er empfiehlt den nur ein Mal den Tag vorzunehmenden Gebrauch der Zahn- bürſte mit ganz weichen feinen Zahnpulvern. (33) Bei einem Diabetes insipidus oder von dem Verf. Hrn. Fleury Polydipſie genannten Falle bei einer 34jäh- rigen Näherin hat derſelbe das Calomel zu ½ bis 1 Gran ſtei⸗ gend in einem ſchleimigen Tranke angewendet und dadurch eine hef— tige Salivation herbeigeführt, wodurch ſofort der Durſt und mit ihm auch die Krankheit verſchwand. Die Wirkung iſt hier ſchwer zu erklären, indeß nimmt der Verf. in d. Archiv. gen. d. méd., Mai 1848 Gelegenheit aufzufordern, mit dieſer Behandlungsweiſe jener ziemlich ſeltenen Krankheit weitere Verſuche zu machen, da bis jetzt jede Behandlung erfolglos zu bleiben pflegte. Bibliographiſche Neuigkeiten. Prineipes de Geologie, ou Illustrations de cette science empruntees aux chan- ements modernes que la terre et les habitants ont subis; par Charles hell, esg., membre de la Societe royale de Londres. Ouvrage traduit de anglais, sur la sixieme edition ete., sous les auspices de M. Arago, par Mm. Tullia Meulien. Quatrieme partie. In 12% de 21 feuilles !/;. Paris 1848. (Prix 7 fr. 50 ct.) Campagne de circumnavigation de la fregate l’Artemise, pendant les anndes 1837, 1838, 1839 et 1840, sous le commandement de M. Laplace, capitaine de vaisseau; publiee par ordre du gouv., sous les auspices du ministre de la marine. Tome IV. Livrais 7 et 8. Deux parties in 8 ensemble de 29 feuilles ½. Paris 1848, chez Arthus-Bertrand. (Prix de chaque li- vraison 7 fr.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 154. (Nr. 22. des VII. Bandes.) September 1848. Naturkunde. Bromfield, Beobachtungen über die Flora, das Wetter u. ſ. w. der vereinigten Staaten. (Fortſetzung.) — Miſeellen. Vergiftung zweier Pferde durch ſchimmeliges Brot. Bell Salter, Chloroform gegen Inſecten. Doyere das Kupferchlorid zeigt den Sauerftoffgehalt der Gasgemifche an. — Heilkunde. Froriep, zur Behandlung ver angebornen Schenkelluxation. — Koreff, Gollovium. — Menſchen von dem der übrigen Säugetbiere zu unterſcheiden. — Miſeellen. leiſtenbrüche zu reponiren. — Bibliographie. aſantl, neue Methode, das Blut des Simpſon, über dle intrauterinale peritonitis beim Fötus. Veraltete Netz— Natur kunde. XLVII. Beobachtungen über die Flora, das Wet— ter u. ſ. w. der vereinigten Staaten. Von Arnold Bromfield. (Fortſetzung.) Die unfruchtbaren Diftricte, in denen die Jerſeytanne wächſ't, ſind das Nordende der durch ihre große Ausdeh— nung, ihre Einförmigkeit in geologiſcher und botaniſcher Be— ziehung bekannten großen atlantiſchen Ebene, welche von der Mündung des Hudſon ſich abwärts nach Florida zieht, im Weſten von der großen Appalachen-Kette begrenzt wird, ſich mit dem Zurückweichen dieſes Bergrückens von der Küſte in die Breite ausdehnt und in dem Gerölllande zwiſchen dem atlantifchen Meere und dem Becken des Miſſiſippi endet. Letztere Gegend umfaßt die oberen Diſtriete von Alabama und Georgien, in welchen ſich die heißen Waſſer des Sa— vannah- und Alatamahafluſſes, ſowie des Alabama, Chatta— hoochee und anderer großer Ströme, zum Ocean oder zum Golf von Merico fließend, vereinigen. Dieſer ungeheuere Alluvialdiſtriet, ohne Zweifel das frühere Bette des atlantiſchen Meeres, der mit kaum bemerk— barer Erhebung vom Ufer bis zu den weſtlichen Gebirgen hinanſteigt, iſt nach dem Grade der Entfernung von der Küſte eben fo ergiebig und fruchtbar als ſumpfig und un: geſund. Die höher gelegenen und trockneren Gegenden ſind bei weitem geſünder als die niedrigen Seediſtricte, dafür aber minder fruchtbar. Am Fuße der Berge iſt das noch wellenförmige Land mit Eichen und Hickory bedeckt; der reiche fruchtbare Boden bringt herrliche Ernten von Wei— zen, Mais, Tabak und allen Erzeugniſſen des niederen Lan— des, die Baumwolle ausgenommen, welche in dieſer Höhe nicht mehr fortkommt. Der Weg nach Quaker Bridge führte durch elne an— No. 2134. 1034. — 154. n 8 muthige abwechſelnde Gegend. Die Reiſenden paſſirten, ehe ſie in den Tannendiſtriet kamen, mehrere hübſche Dörfer, die ganz das Anſehen der Marſchdörfer in den ſüdlichen Staaten hatten. Der Wagen ging geräuſchlos durch den tiefen Sand; wie ſie zum Tannenreviere kamen, ward die Straße beſſer, der Boden tiefer, der Weg ging Meilen weit durch Sümpfe, die von dem kürzlich gefallenen Regen noch theilweiſe unter Waſſer ſtanden. Trübe, vom Humus braungefärbte Ströme, über welche roh aus Balken zuſammengeſchlagene Brücken führten, durch— ſchnitten das Marſchland. Auf den trockner gelegenen Stel— len wuchs vorzugsweiſe die häßliche Jerſeytanne (Pinus inops), ein ſtrauchartiger, kümmerlich ausſehender Baum, deſ— ſen Holz kaum als Brennmaterial Werth beſitzt. Der Verf. erinnert ſich nicht, hier eine andere Tannenart bemerkt zu haben. Wenn dieſe Tannen, um den Grund zu lichten oder als Feuerung für die benachbarten Glas- und Eiſenhütten geſchlagen werden, wachſen an ihrer Stelle jederzeit Eichen hervor, namentlich find es folgende Arten: Quercus lincto— ria, O. Prinos, O. Castanea, O. obtusiloba, O. Banisteri, O. nigra und Q. ferruginea Mr. Die letzte dieſer Eichen tritt zuerſt in New-Jerſey und dem angrenzenden Theile von Pennſylvanien auf und ſcheint in beiden Staaten nicht über den 40ſten Breitegrad hinaus zu gehen. Der Baum wird hier nur ſelten 20 Fuß hoch; ſein Wuchs iſt unregel— mäßig, feine gekrümmten Stämme find nur wenige Zoll dick; im Süden wird er dagegen bis 40 Fuß hoch, erhält einen verhältnißmäßig ftarfen geraden Stamm und ver— zweigt ſich regelmäßig eine kegelförmige reich belaubte Krone bildend. Die Quercus nigra, deren dunkele Rinde faft wie vom Feuer verſengt ausſieht, iſt eine der merkwürdigſten und ſchönſten Eichen Americas; ihr poröſes, wenig dauer— haftes Holz kann indeß nur als eee benutzt were 339 den. Der Contraſt zwiſchen der dunkelen glänzend grünen Oberſeite und dem zarten roftfarbenen Anfluge der Unter— ſeite ihrer großen birnförmigen Blätter empfiehlt ſie dagegen zur Anpflanzung als Zierbaum, der wahrſcheinlich auf magerem Boden in England als Strauch gedeihen würde. In den ſüdlichen Staaten Americas nehmen die abgerunde— ten ungelappten Blätter ein mehr eckiges, ja ſogar gelapp— tes Anſehen an; der Hauptnerv dieſer Varietät mit breiter Blattſpitze verlängert ſich in eine pfriemenförmige Spitze, deren Länge ſehr verſchieden iſt. Unter den eben erwähnten Eichen war Quercus obtusiloba eine der häufigſten, ſie blieb hier nur klein, erreicht indeß unter ihr günſtigen Verhält— niſſen eine beträchtliche Größe und ſteht in der Härte und Dauerhaftigkeit ihres Holzes der O. virens und alba am nächſten. Die Oberſeite ihrer feſten lederartigen Blätter iſt tief grün, die Unterſeite graulichweiß. An naſſeren und minder ſterilen Stellen, eben ſo in den tiefen Sümpfen und längs den Flüſſen, welche dieſe Gegend durchſchneiden, ſahen die Reiſenden Nyssa sylvalica, Betula populifolia (ganz der europäiſchen Betula alba ähn— lich), Alnus serrulata, A. incana Willd. var.? (die von Ca— nada bis Louiſiana nur als Strauch auftritt), Ilex opaca (nur hie und da und von kümmerlichem Wuchſe), Cornus florida, Magnolia glauca (der Sumpflorbeerbaum), Kalmia latifolia, K. angustifolia, Clethra alnifolia, Lyonia panicu- lata, Hudsonia ericoides, Azalea medillora, Comptoma as- pleniifolia, Cephalanthus oceidentalis, Leiophyllum buxifolium, Aseyrum Crux Andreae? und A. stans, Gay-Lussacia (Vac- einium) frondosa? (mit reifen, meergrünen, angenehm ſchmeckenden Früchten überfüllt), Myrica cerifera und noch verſchiedene andere gemeinere holzige Pflanzen. Als kraut— artige Pflanzen erwähnt der Verf. Xyris caroliniana, Iris versicolor, Cyperus mariscoides, Eriocaulon decangulare (äußerſt gemein), Bartonia (Centaurella) paniculata, Lechea minor, eine Labbattia, ein Carex (mit reifen Samen), Oron- tium aquaticum, Pontederia cordata, Nymphaea odorata, Gratiola aurea, Hypericum angulosum, H. proliferum, H. Sarothra, H. mutilum und H. Canadense. Von Orchideen fanden fie Habenaria flava und eine Spiranthes (wahrſchein— lich cernua, die üppig auf den tiefen Sümpfen, wohin der Verf. ſich nicht wagen durfte, wuchs). Zwei ſchöne Poly- gala-Arten (Polygala purpurea und lutea) waren an man— chen Stellen ſehr häufig, die hellorangefarbenen Blüthen der letzteren bildeten dichte endſtändige Köpfchen; ſie gehört zu den ſüdlicher vorkommenden Pflanzenarten, die mit noch ei— nigen anderen an der Oſtküſte ihre eigentliche Verbreitungs— grenze weit überſchreiten; ein Überſchreiten, welches ſowohl durch das mildere Küſtenklima als die gleichförmige Be— ſchaffenheit des Bodens der atlantiſchen Ebene ſehr begün— ſtigt wird. Der Verfaſſer war über die geringe Anzahl von Thieren, welche ihnen während der ganzen Tagereiſe zu Geſichte kamen, hoch erſtaunt. Vögel waren, wie über— haupt in Nordamerica mit England verglichen, ſowohl an Individuen als Arten ſparſam; einige blaue Vögel (Motaecilla sialis) und Tetrao virginianus waren die einzigen, 154. VII. 22. 340 welche ſie hier und zwar nur ſelten ſahen. Von größeren Säugethieren ließ ſich nur hie und da ein graues Ka— ninchen (Lepus sylvaticus Bachm.) blicken; dasſelbe gleicht in ſeinen Bewegungen durchaus dem engliſchen Kaninchen, wühlt aber keine Gruben und ſcheint, wie ſchon Kalm vermuthete, den Übergang vom Kaninchen zum Haſen zu vermitteln. Gelegentlich kamen einige Kröten, Fröſche und kleine Eidechſen (Tropiolepis undulatus), letztere nur unter den Tannen zum Vorſchein; ihre Länge betrug ſelten über 8 Zoll. Die Saurier ſind überhaupt in den vereinig— ten Staaten nur auf wenige Arten beſchränkt; nach Dr. Holbrook ſollen nur 14 Eidechſenarten im ganzen Ge— biete dieſer Staaten vorkommen, von denen einige wiederum nur in den ſüdlichen und weſtlichen Theilen des weiten Ge— bietes auftreten. Unter dieſer kleinen Artenzahl finden ſich die äußerſten Ertreme, der rieſige zwölf Fuß lange Alligator und die kaum einige Zoll lange Zwergeidechſe; nirgends ſind ſie indeß ſo zahlreich, wie man ſie nach dem warmen Klima und dem ſandigen Boden der Tannenregion der at— lantiſchen Staaten vermuthen ſollte, nirgends ſchwärmen ſie in ſolcher Menge wie in Italien und im ſüdlichen Europa. In einer Bucht zur Seite der Straße trafen die Reiſenden zwei große ſchwarze Schlangen (Coluber constrictor); der Verf. wünſchte eine von ihnen zu tödten, die eine ſchlüpfte indeß ins Waſſer, die andere huſchte in einen Buſch und ſchlang ſich um denſelben mit einem mehr neugierigen als drohen— den Blick auf den Verf. herabſehend und ſeinen Angriff ruhig abwartend; auch ſie entfloh mit bewundernswürdiger Schnelligkeit als die geſchwungene Waffe ihrem Leben drohte. Der Verf. hält ſie für die auch in Weſtindien einheimiſche ſchwarze Schlange, obſchon er auf Jamaica, wo letztere ſehr häufig iſt, ſie niemals von ſolcher Länge und Stärke ge— ſehen hatte. Dr. Holbrook, ein tüchtiger Schlangenken— ner, hält fie indeß für eine von der genannten verſchiedene, nur in den vereinigten Staaten, nicht aber in Weſtindien und Südamerica einheimiſche Art. Beide Schlangen find ſich bis auf die Größe durchaus ähnlich, beide ſind kühn und äußerſt ſchnell, und wenn eine Flucht unmöglich iſt, ſogleich zur Vertheidigung bereit; doch iſt dem Verf. nicht bekannt, daß die tropiſche Schlange gleich dieſer größeren nordamericaniſchen, kaum geneckt einen Angriff wagt. Dr. Holbrook erzählte aus eigener Erfahrung, daß letztere in der Begattungszeit bisweilen von dem Baume herabkommt, um den, der ſie beunruhigt, zu verfolgen. Ihr Biß iſt zwar gleich dem der weſtindiſchen Schlange keineswegs gif— tig, aber wie der Verf. glaubt, nicht minder ſchlimm, wie bei der letzteren, deren Zähne ſehr tief eindringen. Wegen der ungemeinen Schnelligkeit, mit der ſie ihre Angreifer verfolgen ſoll, nennt man ſie in den nördlichen Staaten, wo fie häufiger vorkommt, den Renner (racer). Dr. Hol— brook widerlegt die allgemeine Annahme, daß ſie ihre Beute erdrücken ſoll. Die beiden Schlangen, welche un— ſere Reiſenden ſahen, waren 5 bis 6 Fuß lang und armesdick. Die Reiſenden wurden zu Baſto von Richards, der im Begriff war, dort eine großartige Glashütte zu errichten, 1 a a Ze 341 ſehr freundlich aufgenommen. Ein ſehr feiner äußerſt wei— ßer Sand, der dort in Menge vorkommt, iſt zur Fabrication des feinſten Tafelglaſes ſehr geeignet. Baſto ſoll nach der Sprache der indianiſchen Urbewohner einen Badeplatz be— deuten, ein Wort, das demnach mit dem angelſächſiſchen Badſtow einerlei Bedeutung hat. Dieſe Analogie ſcheint dem Verf. der Sage günftig zu fein, nach welcher dieſer Theil Americas ſchon im Mittelalter europäiſche Colonien beſaß oder zum wenigſten von nordeuropäiſchen Abentheu— rern beſucht wurde; er vermuthet darnach, daß die Angel— ſachſen dem Beiſpiele der Skandinavier, welche für die er— ſten Entdecker dieſes Feſtlandes gehalten werden, gefolgt ſein, wofür ſowohl Spuren ihrer Sprache als ihres Kunſt— fleißes und ihrer Civiliſation, die man in Töpferarbeiten und wohlgebauten Brücken, die in beträchtlicher Tiefe unter dem jetzigen Boden aufgefunden wurden, zu ſprechen ſchei— nen und die nach der Meinung der Indianer ſelbſt einer Zeit lang vor Columbus und Cabot angehören. Baſto iſt nur ein kleiner Ort, ſoll aber ohngeachtet er in Mitten der Sümpfe liegt, weniger wie irgend ein Ort des Staates New-Jerſey vom Wechſelfieber heimgeſucht werden. Das Wetter war an dieſem und dem vorhergehenden Tage ge— mäßigt und angenehm. Abends ward es ſehr kühl und ſtreifige Wolken erſchienen am Himmel; der freundliche Wirth unſerer Reiſenden erklärte letztere für Vorboten einer naſſen Witterung. Im nördlichen und mittleren Theile der vereinigten Staaten ſoll die ſtarke Hitze des Sommers nur ſelten meh— rere Tage anhalten, ſondern mit einer kühlen nebligen Luft abwechſeln, ohne jedoch ſo beträchtliche der Geſundheit nach— theilige Temperaturunterſchiede wie zu Ende des Sommers hervorzurufen, vielmehr die Erde und ihre Bewohner an— genehm erfriſchen. Im hohen Sommer iſt oftmals bei Oſt— oder Nordoſtwind ein Ofenfeuer zumal des Abends nicht zu verachten. Der Oſtwind über den Ocean kommend und folglich Waſſerdämpfe mit ſich bringend, wirkt merkwürdiger Weiſe auch hier auf das Nervenſyſtem ſolcher Leute, die in Europa ſeinen ſchädlichen Einfluß verſpürten, unterſcheidet ſich aber vom europäiſchen Oſtwinde, der ſcharf und trocken iſt und meiſtens bei wolkenfreiem Himmel auftritt, durch ſeine Feuchtigkeit und ſein Auftreten bei bewölkter feuchter Atmoſphäre. In den Staaten von Neuengland herrſchen die öſtlichen Winde längs der Küſte im Frühling noch mehr als in Altengland und werden auch dort der Vegetation ſehr nachtheilig; dringen indeß gewöhnlich nicht tief land— einwärts; ſie machen das Klima von Boſton zur Zeit, wo dieſe Winde herrſchen, für Leute, die aus dem Innern von Maſſachuſetts kommen, ſo unerträglich. Die bekannte humoriſtiſche Beſchreibung des engliſchen Sommers: „Drei heiße Tage und ein Donnerſturm“ gilt gleichfalls für die vereinigten Staaten. Das Klima der Staaten von Pennſyldanien, Maryland, Delaware, New— Jerſey und der nördlich von ihnen gelegenen Uferſtaaten ſcheint dem Verf. günſtiger als das Klima Englands zu ſein; dagegen ſteht das Klima der atlantiſchen Staaten, wo Wärme und Kälte urplötzlich mit einander wechſeln, hin— 154. VII. 22. 342 ter dem Klima Englands zurück. Die ungleich größere Wärme der Sommermonate (vom Mai bis Auguſt) wird einem aus Centraleuropa kommenden anfangs ſehr läſtig, dieſe Wärme iſt jedoch ſehr ungleich vertheilt; die Wirkung iſt nur ſelten anhaltend heiß, wechſelt vielmehr mit kühlen Tagen; letztere kommen nur ſelten bei unbewölkter Atmo— ſphäre und Sonnenſchein vor, meiſtens iſt der Himmel, wie überhaupt während des ganzen Jahres mit Wolken verſchie— dener Art und Dichte, die nach einem oder zwei klaren hei— ßen Tagen plötzlich auftreten, bezogen. Es giebt vielleicht, bemerkt der Verf., keinen Gegen— ſtand, über den ſich ſchwieriger entſcheiden läßt als das Klima. Wie bei politiſchen Anſichten traten auch hier Vor— urtheil, Intereſſe und verſönliche Eitelkeit ins Spiel, zu de— nen ſich noch phyſicaliſche Verhältniſſe geſellen. So haben verſchiedene engliſche Schriftſteller das Klima ihres eigenen Vaterlandes in einer Weiſe geſchildert, daß ſowohl deſſen Bewohner als Fremde glauben ſollten, in England herrſche beſtändige Finſterniß, die Luft ſei immer mit Dämpfen und Nebel erfüllt und Staubregen rieſele fortdauernd herab. Die Engländer, welche fremde Länder beſuchen, ſind ſchon von vorn herein durch Reiſebeſchreibungen ſo von dem beſ— ſeren Klima anderer Gegenden befangen, daß ihnen wirklich anderswo der Himmel klarer, die Luft nebelfreier, die Blumen ſchönfarbiger, die Früchte ſchmackhafter, die Bäume üppiger und tauſend andere Dinge vollkommener als in ihrem Vater— lande erſcheinen. Der Menſch glaubt nur zu leicht das zu ſehen, was er ſehen ſoll und ſo verbreitet ſich eine Menge von Irrthümern, aus falſchen Vorausſetzungen entſprungen, fort und fort, wogegen bei unbefangener Beobachtung die Dinge oftmals in einem ganz anderen Lichte erſcheinen wür— den. Der Verf. will ſich nun keineswegs von allen menſch— lichen Schwächen und Irrthümern frei ſprechen, ſeine Be— obachtungen ſollen nichts weiter als gelegentliche Bemerkun— gen uͤber die Witterung der vereinigten Staaten Nordamericas während ſeines dortigen Aufenthaltes ſein; auch will er ſich keineswegs nach der Beobachtung eines einzigen Jahres ein Urtheil über das Klima eines ſo ausgedehnten Landes, das er nur durchreiſ'te, anmeſſen. Ein genaues Thermometer, welches der Verf. für die Beſtimmung der mittleren Temperatur der Erdoberfläche (der Quellentemperatur) ausgewählt hatte, zerbrach unterwegs und konnte leider durch kein genaues Inſtrument erſetzt werden, weßhalb dieſe Verſuche unterbleiben mußten. Die transatlantiſche Atmoſphäre fol nach dem Berichte der meiſten Reiſenden viel durchſichtiger und klarer als die Atmo— ſphäre Europas oder wenigſtens Englands ſein. Der Verf. fand, daß dieſe Angabe wie in den meiſten Gegenden der gemä— ßigten Zone, eher für die kalten als für die warmen Jah— reszeiten gültig ſei, wogegen der Himmel zur anderen Zeit oft Tage, ja Wochen lang mit dichtem Nebel überzogen iſt; eben ſo wenig konnte der Verf. ſelbſt bei größter Auf— merkſamkeit, jemals im Farbentone der Atmoſphäre zwiſchen dem europäiſchen und americaniſchen Himmel irgend eine Verſchiedenheit wahrnehmen. Am 20. Auguſt gingen die Reiſenden von Baſto nach 22° r „ 343 Quaker Bridge und kamen durch eine ganz ähnliche Gegend wie die vor einigen Tagen von ihnen durchreiſ'te; auch die Pflanzen dieſer Gegend waren den dort gefundenen gleich, viele der vorzüglichſten Standörter ſtanden unter Waſſer. Mr. James fand die ſeltene Schizaea pusilla unfern von Quaker Bridge in Menge, ſie ſoll noch in Newfoundland und eine nah verwandte Art dieſes Farns auf den Falk— landsinſeln vorkommen. Am Saume eines Sumpfes ſtand Narthecium americanum (vielleicht nur eine Varietät von N. ossifragum) in Menge, das hübſche hier oftmals 2 Fuß hohe Eriocaulon decangulare war ebenfalls nicht ſelten; eine nicht im Waſſer wachſende Utricularia (U. cornuts) mit aufrechtem fadenförmigen Stengel und kleinen gelben Blüthen bedeckte die ſandigen Ränder der Sümpfe. In der Nähe des Wirths— hauſes wuchs Cyperus mariscoides auf ſumpfigem Grunde; auch Chenopodium anthelminthicum und C. Botrys, beide wahrſcheinlich eingebürgert, waren nicht ſelten. Das Wirths— haus war ein ganz hölzernes aus Tannendielen aufgeführtes Gebäude, reinlich und nett, die Bewohner desſelben waren geſittet und aufmerkſam; nur das Federbett, in dem der Verf. übernachten mußte, war ihm unerträglich; da die Witterung kühl war, hatten die Reiſenden von Moſquitos wenig zu leiden. Am 21. Auguſt traten ſie auf einem anderen Wege über Medford u. ſ. w. ihre Rückreiſe nach Philadelphia an. Das Wetter hatte ſich allmälig aufgeklärt und gewann ein günſtigeres Anſehen; aber ſchon Nachmittags bezog ſich der Himmel von neuem. Nachdem fie das Taunenrevier ver— laſſen, ging der Weg durch ein wohlangebautes Land, Dei: fen Wieſen an verfchiedenen Stellen mit der ſchönen und wohlriechenden Monarda punctata reichlich geſchmückt waren. Die Pflanze iſt hier als Pferdeminze bekannt und liefert große Mengen eines ätheriſchen Oles. Eine am Wege üppig blühende Asclepia tuberosa mit orangefarbenen prächtigen Blu— men gab der weſtindiſchen A. Curassavica an Schönheit we— nig nach, ſie wie die Aſelepiadeen überhaupt gehören zu den gemeinſten über alle Theile der Union verbreiteten Pflanzen. Auf ſandigem Grunde fand der Verf. Tephrosia virginica, Digitaria humifusa, Baptisia tinctoria (der gleich unſerm Ginſter an Waldrändern wächſ't und als wilder Indigo bekannt iſt), Diodia teres und Spermacoce Diodina Me., Andromeda mariana, Diospyros virginia und Ilex opaca. Zwiſchen Medford und Camden war ein ganzes Wieſenfeld von der niedlichen Cassia Chamaeecrista, die hier unter dem Namen der Simer Erbſe bekannt iſt, gelb gefärbt; ſie iſt eine noch elegantere Pflanze als Cassia marilandica; in der Umgegend von Philadelphia indeß minder häufig als letztere und Cassia nicticans. Allen drei Pflanzen iſt ein hoher Grad von Reizbarkeit eigen, ihre kleinen Blättchen legen ſich ſchon bei der leiſeſten Berührung zuſammen. Am Abend ward der Himmel klarer, das Waſſer kühler, die Nacht war ſternhell und kalt; ſowie die Sonne unterging und es im— mer kälter ward, verſtummte auch das Gezirpe der Locuſten, Cicaden und anderer Inſecten, die hier in großer Menge vorkommen. Die beiden folgenden Tage waren trübe und regnicht, die Nächte ſehr feucht. 154. VII. 22. 344 Als der Verf. am Morgen des 24. Auguſt den Ge— fährten ſeiner letzten Ausflucht, Mr. James aufſuchte, fand er ihn an einer bösartigen Entzündung der Hand, wahr— ſcheinlich in Folge einer Berührung des Giftſumachs leidend. Mr. James konnte ſich zwar nicht entſinnen, wo er auf ihrer letzten Reiſe mit einem ſolchen Giftbaume zuſammen— gekommen ſein könnte, kennt indeß aus mehrfachen Erfah— rungen ſeine ungeheure Empfindlichkeit gegen deſſen Wir— kungen. Ammoniak ſchien eins der beſten Gegenmittel zu ſein und bei frühzeitiger Anwendung die nachtheiligen Fol— gen einer ſolchen Berührung zu verhüten; im vorliegenden Falle ward es zu ſpät und deßhalb erfolglos angewandt. Der Handrücken war mit Blaſen bedeckt, die Haut hatte ſich theilweiſe abgelöſ't, die Wunde hatte das Ausſehen einer bösartigen Brandwunde, von der James erſt in 8 bis 10 Tagen eine Geneſung erwarten durfte. Kalm erzählt, daß einige den Rhus venenata kaum berühren, ja es kaum wagen dürfen, jemand, der ihn im friſchen Zuſtande berührte, die Hand zu geben, ſich eben ſo wenig einem Feuer nähern dürfen, das aus ſeinem Holze unterhalten wird. Der Verf. kann weder dieſe Angaben noch Kalms Behauptung, daß eine und dieſelbe Perſon nicht zu allen Zeiten für ſein Gift gleich empfänglich ſei, beſtätigen. Der Verf. machte ſowohl im Winter wie im Sommer, in ruhigem wie im erhitzten Zuſtande alle von Kalm beſchriebenen Verſuche, mit den Blättern, den Blü— then, den Samen und dem Holze aller 3 Giftbäume (Rhus toxicodendron, R. radicans und R. venenata), ohne jemals an ſich ſelbſt irgend eine Spur von Vergiftung wahrzu— nehmen. (Fortſetzung folgt.) Miſeellen. 50. Vergiftung zweier Pferde durch ſchimmeliges Brot. Am 23. Mai dieſes Jahres erhielten beide Pferde des Präſidenten Esperonnier Nachmittags 3 ſtark verſchimmelte Grobbrote mit etwas Kleie und Waſſer angerührt. Beim Durch— ſchneiden der Brote entwickelte ſich eine grünliche Wolke von Schim— melſporen, das Brot ward deßhalb mehrmals gewaſchen und der aus ihm bereitete Brei von den Pferden ohne weiteres gefreſſen. Drei Stunden ſpäter wurden beide Pferde angeſchirrt, bekamen unterwegs Durchfall und konnten nur mit Mühe weiter; in den Stall zurückgeführt, wollten ſie nicht freſſen, ſchienen vielmehr an heftiger Kolik zu leiden; der Zuſtand des einen Pferdes verſchlim— merte ſich von Stunde zu Stunde; es verſchied unter heftigen Krämpfen ſchon am folgenden Mittag. Bei dem anderen Pferde zeigten ſich zwar dieſelben Vergiftungsſymptome, doch minder hef— tig; durch Aderläſſe und ein antiphlogiſtiſches Verfahren ward es gerettet. Die von Chambert unternommene Section des gefal⸗ lenen Pferdes zeigte eine Entzündung der Schleimhäute des Ma⸗ gens und der Gedärme, mit einem Erguß blutiger feröfer Flüſſig⸗ keiten und Blutunterlaufungen verbunden. Das Gehirn ward lei- der nicht unterſucht. Ein Stück des verſchimmelten Brotes, das durch Zufall zurückgeblieben, ward von Chancel chemiſch unter⸗ ſucht, er konnte in ſelbigem keine Spur eines metalliſchen Giftes nachweiſen. — Eine mechaniſche und mikroſkopiſche Analyſe, welche Dunal übernahm, zeigte die gewöhnlichen Beſtandtheile des Bro⸗ tes, Kleie und Mehl; die Zwiſchenräume und Spalten waren mit dichtem Schimmel, der reichlich mit graugrünen Sporen bedeckt war, überzogen. Dieſer Schimmel beſtand aus Mucor mucedo 345 154. VII. 22. 346 Fries, wie Dunal glaubt, der einzigen bis jetzt im Brote ge— fundenen Schimmelart. 51. Das Chloroform wird von T. Bell Salter als Tödtungsmittel für Infeeten vorgeſchlagen; wenige Tropfen des— ſelben auf etwas Schwamm oder Fließpapier gethan und in ein Glasgefäß oder eine Blechbüchſe, welche die Inſecten enthält, ge— worfen, tödtet dieſelben in wenigen Secunden; einige Tropfen Chloroform in die dicht ſchließenden Aufbewahrungskäſten gethan, würde gleichzeitig alle den Inſectenſammlungen gefährlichen Feinde vernichten. (The Zoologist, No. 67. 1848.) 52. Das Kupferchlorid foll nach Doyere den Sauer: ſtoffgehalt der Gasgemiſche durch Abſorption bis auf Yıo,ooo Theil genau anzeigen. Verſuche, welche er 4 Monate lang fortſetzte, eigten ihm in der atmoſphäriſchen Luft ſowohl eine größere Sauer: offmenge als beträchtlichere Schwankungen derſelben, wie man bisher angenommen hatte. Das Verhältniß des Sauerſtoffs in 1000 Theilen Luft ſchwankt in der Regel zwiſchen 208 und 210, fällt und ſteigt indeß bis 205 und 212. Bedeutende Veränderun— gen traten indeß niemals plötzlich, ſondern immer ganz allmälig ein. (Comptes rendus, 14. Févr. 1848.) Heilkunde. ( XXX.) Zur Behandlung der angebornen Schenfel- luxation. Von R. Froriep. (Hierzu Fig. 9 — 18 der mit No. 1 dieſes Bandes ausgegebenen Tafel.) Die in der Überſchrift benannte Krankheit, welche wir bekanntlich vor etwas mehr als 20 Jahren zuerſt durch eine vortreffliche Arbeit Dupuytrens in dem Repertoire ge- neral d' Anatomie et de Physiologie pathologiques T. II. 1826 kennen gelernt haben, über welche ſodann Cruveil— hier in der 2. Lieferung ſeiner Anatomie pathologique durch Unterſuchung neugeborner Kinder weiter aufgeklärt hat, iſt in neuſter Zeit auch Gegenſtand praktiſcher Verſuche der Heilkunſt geweſen, namentlich haben Jalade Lafond, Humbert, Bouvier, J. Guérin und Pravaz Heilverſuche auf operativem und orthopädiſchem Wege gemacht, die haupt— ſächlich die ſchwere Aufgabe ſich ſtellten, das mangelhaft ausgebildete acetabulum, deſſen Knochenränder bei dieſer De— formation ganz fehlen, zur nachträglichen Ausbildung zu bringen, theils durch unveränderte Feſthaltung der Gelenk— köpfe über der unvollkommen gebildeten Pfanne, theils durch ſubeutane Scarificationen der Acetabulumränder. Dieſe Cur— verſuche ſind noch Anfänge, welche indeß das Intereſſe des wiſſenſchaftlichen Chirurgen in hohem Grade in Anſpruch nehmen, ſie bieten aber für die Praxis noch wenig beſtimm— ten Anhalt; ſie ſind namentlich für die Praxis vor der Hand nur in ſehr beſchränkter Weiſe aufzunehmen, weil die Vorſchläge der genannten Chirurgen ohne die Beihülfe wohl organiſirter orthopädiſcher Inſtitute noch gar nicht, nicht ein Mal verſuchsweiſe, nachgeahmt werden können. Die angeborne Schenkelluration iſt gar nicht jo ſelten als man es nach den darüber publicirten Arbeiten vermu— then ſollte, und gewöhnlich annimmt, — ſie wird gewöhn— lich ſelbſt von Arzten verkannt und es wankt mancher da— mit behaftete Patient herum, welcher nach Verſicherung ſei— ner Arzte an Rhachitis oder an einer Rückgratsverkrümmung leiden ſoll, mancher wird mit ganz widerſinnigen Curen ge— gen freiwilliges Sinfen gequält und erſt krank gemacht, und fo kommen die mannigfachſten Mißverſtändniſſe vor. Es ſind mir in meiner Praxis ſchon vor 5 Jahren in Berlin faſt gleichzeitig 2 junge Patienten mit dem dringenden 4 — Verlangen vorgeſtellt worden, etwas zu ihrer Herſtellung zu verſuchen; ich proponirte damals die Guerinſche Operations— weiſe, rieth aber, da nur ungenügende Beobachtungen dar— über bekannt gemacht worden waren, weitere Erfahrungen darüber abzuwarten und einſtweilen bei beiden Kindern von 6 und 7 Jahren ein Palliativverfahren anzuwenden, welches jedenfalls auch ſpäteren eingreifenderen Curverſuchen gut vorarbeiten werde. Dieſer Vorſchlag wurde angenommen und, ſo weit ich ihn unter Augen behielt, ſehr befriedigend gefunden. Da unmittelbar danach mich mein Lebens— weg von Berlin wegführte, ſo habe ich jene Fälle, über die ich keine ſpecielleren Notizen gemacht hatte, ganz aus dem Auge verloren. In den letzten 2 Jahren ſind mir nun wiederum 3 Fälle vorgekommen, eine doppelte und zwei einſeitige angeborne Schenkellurationen, bei Mädchen von 6, 5 und 7 Jahren. Alle drei waren bis dahin als an Corxarthrocace leidend be— handelt, eins davon durch dahin zielende Curverſuche ſehr gequält worden. Ich habe bei allen dreien das ſchon frü— her angewendete Palliatioverfahren nicht ohne beträchtliche Erleichterung angewendet. Bevor ich zu ausführlicheren Mittheilungen komme, wozu jedenfalls eine längere Durch— führung der Curen erforderlich iſt, will ich hier eine kurze Beſchreibung dieſes Palliativverfahrens geben, welches ein— fach, nicht koſtſpielig und überall zu beſchaffen iſt und wohl manchem Patienten Erleichterung gewähren könnte. Das Leiden beſteht (um daran zu erinnern) in einer durch angebornen Bildungsfehler veranlaßten unvollſtändigen Ausbildung des Gelenkkopfes des Schenkelbeins und vor al— lem in unsollfommener Bildung der Gelenkpfanne, deren Kno— chen und Knorpelränder fehlen, ſo daß ſie ſtatt einer hohlen Halbkugel nur eine ganz flache Gelenkgrube darſtellt, auf welcher der Gelenkkopf keinen feſten Gegenhalt findet. Das Gelenk iſt von der Gelenkeapſel umgeben und mit ſeltenen Ausnahmen auch mit einem ligamentum teres verſehen. Die Folge dieſer Bildungsweiſe iſt die, daß der Gelenkkopf von der normalen Stelle der Gelenkpfanne (Verbindung des ra- mus horizontalis ossis pubis mit dem ramus ascendens ossis ischii und dem vorderen unteren Theile des os ilium) bei jedem Schritt, wo die Schwere des Körpers von dem be— treffenden Beine getragen werden ſoll, hinaufrutſcht bis bei— A A u 1 2 nahe zum Rande der erista ossis ilium, jo weit es eben die Länge des Capſelbandes und runden Bandes geſtattet, das gewöhnlich eine Ausdehnung von 1½ Zoll hat; — es bildet ſich eine längliche von unten nach oben und hinten gerichtete neue Gelenkfläche aus, auf welcher der Gelenk— kopf beim Gehen fortwährend hinaufrutſcht und ſodann wie— der eben jo weit herabgleitet, — dadurch entſteht der fo höchſt charakteriſtiſche Gang ſolcher Patienten, indem nach jedesmaligem Aufſetzen des vorſchreitenden Fußes die betref— fende Hüfte auf ein Mal 1 — 2 Zoll ſich ſenkt, indem zu— gleich der krochanter um eben ſo viel dem Hüftbeinkamme ſich nähert. Dies iſt die weſentliche Folge und Störung, die von der in Rede ſtehenden Mißbildung abhängt. Außer— dem findet ſich wie es ſcheint faſt jedes Mal eine ſecondäre Störung hinzu, welche darin beſteht, daß die Beugemuskeln vielleicht auch die Faſcien des Oberſchenkels an der Beuge— ſeite etwas retrahirt ſind und eine vollſtändige Streckung des Oberſchenkels oder beider Oberſchenkel verhindern, was, namentlich bei einſeitiger luxatio femoris congenita, natür— lich das Hinken noch auffallender, das Gehen noch beſchwer— licher macht. Nach dieſen Wahrnehmungen und mit einfacher Be— rückſichtigung der mechaniſchen Störungen bei dieſem Leiden ſtellte ich mir nun 2 Aufgaben: 1) die ſecondäre Retraction (wenn ſie vorhanden iſt) zu beſeitigen; 2) das Ausweichen des Schenkelkopfes von der normalen Stelle des acetabulum gegen den Hüftbeinkamm hin auf der neugebildeten Gelenk— fläche an der äußeren Seite des Hüftbeins zu verhindern. Die Erfüllung der erſten Aufgabe iſt durch einen ein— fachen während der Nacht anzulegenden Streckapparat für den Oberſchenkel leicht zu erreichen, wozu ein gewöhnlicher mit 2 Schenkelriemen verſehener Beckengürtel, der durch Riemen an das Kopfende der Bettſtelle befeſtigt iſt und eine Kamaſche und ein über dem Knie angelegter gepolſterter Gurt, die durch Schnallriemen gegen das Fußende der Bett— ſtelle herabgezogen werden, mit Erfolg don mir angewendet worden ſind. Dies bedarf keiner weiteren Beſchreibung. Zur Erfüllung der zweiten Aufgabe war es zuerſt nö— thig, an dem Oberſchenkel einen Widerſtandspunkt nach oben, und an dem Becken einen Widerſtandspunkt in der Richtung nach unten zu finden, — und ſodann, waren dieſe gefunden, einen Verband ſo anzulegen, daß der feſte Punkt des Ober— ſchenkelbeins verhindert werde, in die Höhe der am Becken nach unten auszuweichen. Dieſe feſten Punkte, welche ihrer Natur nach die Anlegung eines Verbandes geſtatten muß— ten, waren leicht gefunden, es waren für die Oberſchenkel der obere Rand des trochanter major, für das Becken der Sitzbeinknorren. Nun entſtand die zweite Aufgabe, um trochanter und tuber ischii einen Verband herumzulegen, welcher verhinderte, daß fich erfterer von dem Sitzbeinknor— ren nicht weiter entferne als ſie bei horizontaler Lage und geſtrecktem Zuſtande des Beines entfernt ſind, — oder um dies anders auszudrücken, es mußte das Becken zwiſchen beiden Trochanteren ſo aufgehängt werden, wie eine in Rie— men hängende Kutſche an dem Geſtelle des Wagens. Ge— lang dies, ſo war der Zweck erreicht und das Hinken oder © ee. - ee 47 154. VII. 22. 348 der eigenthümlich wankende Gang des Patienten verbeſſert. Dies habe ich nun durch den Gehgürtel meiner Patien— ten in ziemlich befriedigender Weiſe erreicht, welchen ich durch Fig. 9 und 10 auf der mit No. 133 oder mit der No. 1 dieſes Bandes ausgegebenen Tafel abgebildet und nun hier noch zu erklären habe: a, a ſind die Hüftbeinkämme; b,b die Trochanteren; e die symphysis ossium pubis; d,d die Sitzbeinknorren; ee fk iſt ein Parallelogramm, welches andeuten foll, wie ſich der Oberſchenkel oder deſſen oberer durch tro- chanter, collum et caput femoris gebildeter Rand ee beim Auftreten in die Höhe bewegt bis kk, fo daß vor dem Auftreten die Entfernung des Gelenkkopfes vom Hüftbeinkamm durch ea, aber nach dem Auftreten durch fa bezeichnet wird; g ift nun ein zwiſchen dem trochanter und dem Hüft— beinkamm herumgeführter gepolſterter Ledergürtel, der vor dem Schambogen geſchnallt iſt. An dieſem Gurte ſind nun auf der kranken Seite zwei ſchmale gepolſterte Schenkelriemen hi ſo angebracht, daß de— ren Befeſtigungspunkte gerade über dem trochanter liegen, während ſie ſich unter dem Sitzbeinknorren kreuzen. Ich habe dies ſo anfertigen laſſen, daß h an dem Gurt gerade unter dem hinteren oberen Hüft— beinſtachel angenäht iſt, zwiſchen den Beinen hindurch ge— rade über den Sitzbeinknorren gelegt, an der vorderen Seite des Schenkels in die Höhe geführt und gerade jüber dem trochanter feſtgeſchnallt wird, während i vorn in der Mitte über dem ligamentum Poupartii ans genäht iſt, zwiſchen den Beinen durch nach hinten ge— führt, ebenfalls gerade über dem Sitzbeinhöcker angelegt, hinten ſchräg nach außen und oben geführt und hier ebenfalls über dem trochanter feſtgeſchnallt wird. Die Kinder gewöhnten ſich ziemlich bald an das Tra— gen des Gehgürtels und ich kann verſichern, daß die Ver— beſſerung des Ganges, die Erleichterung desſelben und die Verhütung der ſonſt ſo auffallenden Ermüdung ſehr befrie— digend war. Dies ſind die Andeutungen, die ich über meine neue und ſo höchſt einfache palliative Behandlung der angebornen Schenfelluration geben wollte, in der Hoffnung, daß ſie in den Händen anderer Wundärzte und Orthopäden noch wei— ter ausgebildet werden möge. (XXXI.) Collo dium. Unter dieſem Titel enthält die Spenerſche Zeitung vom 5. Sept. folgenden Artikel von dem Geh. Med. Rath Dr. Koreff in Paris, den wir unverändert einrücken. Seit einigen Monaten unterhielten uns die americani— ſchen Zeitſchriften von einer neuen Entdeckung, welche ein Student der Mediein in Boſton, Hr. Maynard, gemacht und die er Collodium genannt hat. Nach einer, vermuth— 349 lich mit Abſicht unzureichenden Angabe, ſollte dieſe Flüſſig— keit aus einer Auflöſung des Baumwollenpulvers in Schwe— feläther beſtehen. Der Entdecker erzählt, daß, wenn man etwas von dieſer neuen Subſtanz auf die Haut göſſe, ſich faſt auf der Stelle ein Überzug wie eine epidermis bilde, die weder von kaltem noch warmem Waſſer, weder von kaltem noch warmem Alkohol ſich auflöſen ließe. Streiche man ſie auf ein Stückchen Leder oder Leinwand, ſo wäre die anklebende Kraft ſo ſtark, daß man über 20 Pfund Kraft anwenden müßte, um dies Pflaſter loszureißen. Mehrere Chemiker bemühten ſich hier vergebens, dieſe merkwürdige Subſtanz, deren Anwendung ſo große Vortheile verſprach, hervorzubringen. Das Baumwollenpulver wollte ſich durch— aus in Schwefeläther nicht auflöſen, und ſchon zweifelten mehrere Pharmaceuten an der Exiſtenz dieſer Subſtanz und verſchrieen fie als eine neue americaniſche Myftification, woran die Zeitſchriften dieſes Landes es nicht fehlen laſſen, um die alte Welt zu necken. Endlich iſt es dem geiſtreichen Chemiker Hrn. Mialhe durch ſeine eiſerne Beharrlichkeit gelungen, das Räthſel zu löſen und Americas Schulbloſigkeit an einer ſo ſtrafbaren Myſtification darzuthun. Das ganze Geheimniß beſteht darin, das Baumwollenpulver auf eine andere als gewöhnliche Weiſe zu bereiten. Die ganze Pro— cedur beſteht in folgendem: Man taucht die Baumwolle in eine Miſchung von 3 Theilen Schwefelſäure und 2 Theilen Salpeter in folgendem Verhältniß: Schwefelſäure 300, Sal— peter 200, Baumwolle 20. Man läßt ſie darin drei Mi— nuten, drückt ſie aus und trocknet fte raſch auf warmen Metallplatten. Die ſo getrocknete Baumwolle löſ't man in Schwefeläther auf, man ſetzt einige Tropfen Alkohol hin— zu, um die Verdampfung etwas zu beſchränken. Man be— ginnt mit einer Quantität Schwefeläther, zu welcher man etwas mehr hinzuſetzt, wenn nach dem ſtarken Schütteln des Glaſes die Auflöſung zu dickflüſſig iſt. Ich entſinne mich nicht mit Beſtimmtheit der genauen Proportion des Athers. Es kommt auch gar nicht darauf an, wenn man nur im Anfange nicht zu viel davon nimmt. Die Auflöſung muß wie dicker Gummiſchleim ausſehen. Dieſes ſo bereitete Baumwollenpulver brennt nicht ſo raſch auflodernd, wie das gewöhnliche, und hinterläßt ein wenig kohligen Rückſtand. Schon haben wir im Hoſpital St. Louis dieſe Subſtanz ſeit einigen Tagen mit großem Vortheil angewendet. Hr. Jobert hat nach der Operation eines eingeklemmten Schenkel— bruchs bei einer Frau die Wundränder mit dem durch einen Pinſel aufgeſtrichenen Collodium vereinigt, welche auch bis auf einen kleinen Punkt, den die Eiterung getrennt, vereint geblieben find, was er vermuthlich hätte verhindern können, wenn er das Collodium auf Leinwand, die nicht zu fein ſein darf, oder auf Leder geſtrichen hätte. Hr. Malgaigne hat einen Leinwandſtreifen mit Collodium getränkt und mit einer kleinen Offnung verſehen, um den Eiter durchzulaſſen, auf eine höchſt ſinnreiche Weiſe vorgeſtern angewendet, um den beiden nach einer Zerſchmetterung aller Mittelhandknochen, die man herausgenommen hatte, übrig gebliebenen Zeige— finger und Daumen eine Haltung zu geben, ohne die ei— ternde Fläche der täglichen Prüfung zu entziehen. In we— 154. VII. 22. 350 nigen Minuten war der Leinwandſtreifen getrocknet und un— beweglich. Ein zollbreites Stückchen damit befeuchteten Leders, das Hr. Mielke Kute auf ſeinen Handteller geklebt, war in 3 Minuten ſo feſt, daß ich ſehr viel Kraft anwen— den mußte, um es loszureißen. Der Vortheil, den unſere Kunſt davon ziehen wird, leuchtet jedem Arzte ein. Schon hat ſein Entdecker es bei Schnittwunden, bei Blutegelſtichen, bei Froſtbeulen, bei Riſſen in den Bruſtwarzen der Ammen, beim Aufſpringen der Lippen und der Haut, mit großem Vortheil angewendet; in vielen Fällen wird es die Anwen— dung der Nadeln und der Heftpflaſter, die vorzüglich bei Kopfwunden fo oft gefährliche Eryſipelen hervorbringen, wohlthätig erſetzen. Die Augenheilkunde wird ſich vorzüg— lich dieſes neuen Heilmittels erfreuen. Bei Knochenbrüchen und Compreſſionen, wo auf ſchnelles Abtrocknen des Ver— bandes viel ankommt, kann man feine glückliche Wirkung vorausſehen. Bei Brandwunden läßt ſchon die Analogie anderer, vorzüglich in America gebräuchlicher, Volksmittel auf ſeinen Nutzen ſchließen. Wir haben beſchloſſen, es bei mehreren chroniſchen Hautkrankheiten anzuwenden, um die Berührung der Luft auszuſchließen. Kurz, ein neues Feld hat ſich der mannigfaltigſten Unterſuchung geöffnet. Auch die Induſtrie hat ſchon dieſe Subſtanz vortheilhaft in An— ſpruch genommen. Hr. Soubeiran, der gelehrte Chef der Pariſer Pharmacie, hat gefunden, daß die leichteſten Stoffe dadurch waſſerdicht werden, ſo daß man einen ſchützenden Mantel von der feinſten Seide in ſeiner Taſche wird tragen und den unangenehmen Geruch der Mackintoſh— Stoffe wird vermeiden können. Ich werde nicht unterlaſſen, Sie von den weiteren Nutzanwendungen dieſer Subſtanz in Kenntniß zu ſetzen. (XXX) Neue Methode, das Blut des Men— ſchen von dem der übrigen Säugethiere zu unter⸗ ſcheiden. Von Hrn. Caſanti. Bekanntlich hat man zu dieſem Behufe ſich bereits der Schwefelſäure bedient. Hr. Caſanti wendet Phosphorſäure von 1,18 ſpec. Gewichte, jedoch in einer Weiſe an, welche wirklich für eine neue Methode gelten kann. Zuerſt handelte es ſich um Ermittelung eines Verfah— rens, um das Blut eines Säugethieres von dem eines an— dern Wirbelthieres, z. B. eines hühnerartigen Vogels, zu unterſcheiden. Nachdem man zu dieſem Ende das Blut auf— gefangen und durch Abdämpfen in eine feſte Maſſe verwan— delt hat, behandelt man es mit einem Überſchuſſe von Phos— phorſäure. Alsdann beobachtet man, daß das Blut des Säugethieres ſich zu einer glänzenden, homogenen, zuſammen— hängenden und mehr oder weniger zähen Maſſe geſtaltet, während dem des hühnerartigen Vogels dieſe Eigenſchaft durchaus abgeht. Dieſer Zuſtand von Cohäſion unterſcheidet ſich von dem der Coagulation dadurch, daß das Blut ſich nicht wieder erweicht und flüſſig wird, ſondern ſich vielmehr 351 zuſammenzieht, ſo daß es hart und faſt lederartig wird, nicht mehr klebt und ſeine Beſchaffenheit ſogar nicht verän— dert, wenn man es bis 100% Cent. erhitzt. Nach dieſen Verſuchen bemühte ſich der Verf. das be— ſondere Verhalten des Menſchenblutes zu ermitteln. Nachdem er 6 Gran getrocknetes und fein pulveriſirtes Menſchenblut und dann 9 Gran Phosphorſäure in ein Glas gethan, be— merkte er, daß, wenn er die Miſchung in einer Glasröhre umſchüttelte, die Bluttheilchen aufliefen und ſich erweichten. Sie ziehen einander an und vereinigen ſich zu einer ſehr glänzenden leberfarbenen Maſſe von der Conſiſtenz eines ſehr dichten, nicht klebrigen, aber gut zuſammenhängenden und plaſtiſchen Ertractes. Drückt man dieſelbe mit einem Glas— ſtäbchen zuſammen, ſo weicht ſie dem Drucke, ohne ſich zu trennen; ja ſie wird vielmehr homogener und zuſammenhän— gender, je länger man ſie drückt. Sich ſelbſt überlaſſen, wird ſie härter und zäher, ohne ihren Glanz einzubüßen. Macht man denſelben Verſuch mit Pferdeblut, ſo ſtellen ſich durchaus verſchiedene Erſcheinungen dar. Die von der Säure angeſchwängerten Bluttheilchen ſchwellen anfangs an und erweichen ſich; allein ſtatt ſich zu einer zuſammenhängen— den Maſſe zu vereinigen, bilden ſie mehrere leberfarbene Klümpchen, die ſehr hart und glänzend ſind und durchaus nicht zuſammenkleben. Wenn man ſie mit einem Glasſtäb— chen drückt, fo zeigen ſie geringe Cohäſton oder Zähigkeit und faſt gar keine Plaſticität, ſo daß ſie ſich in kleinere Klümpchen trennen, und jemehr man ſie mit einander zu vereinigen ſtrebt, deſto mehr zerſtückelt man ſie in kleine Theilchen, welche ihren Glanz bald verlieren. Hr. Caſanti hat mit Rinds-, Kalbs-, Maulthier-, Stuten-, Schweine-, Reh- und Meerſchweinchenblut experi- mentirt und dasſelbe Reſultat erhalten, wie beim Pferdeblute. Das Katzenblut bietet einige Abweichungen dar; es bäckt an— fangs, wie das Menſchenblut, zu einer einzigen homogenen Maſſe zuſammen, die aber weniger Dichtheit, Cohäſton und Zähe darbietet und, wenn man ſie zuſammendrückt oder ſchief hält, ſich alsbald in mehrere Portionen trennt. Der Verf. hat dieſe Verſuche ſehr häufig wiederholt und ſtets dasſelbe Reſultat erhalten. Er hat auch bemerkt, daß das Menſchenblut, mag es nun von Perſonen verſchiede— nen Alters oder Geſchlechtes, ſowie verſchiedener Geſundheits— zuſtände herrühren, ſtets dieſelben Eigenthümlichkeiten dar— bietet. Die Anwendung dieſer Erfahrungen auf die medieina forensis und beſonders die Criminaljuſtiz leuchtet von ſelbſt ein. Nur in einem Falle, nämlich bei menſtruirten Frauen, 154. VII. 22. 352 bietet das Menſchenblut ein abnormes Verhalten dar. Der Verf. hat zwei Mal beobachtet, wie das Blut des Monats⸗ fluffes reagirt. Wenn man ihm Phosphorſäure zuſetzte, fo bildete es eine homogene Maſſe, welche dem Drucke nachgab, aber doch ſo wenig Cohäſion beſaß, daß, wenn man ſie nur kurze Zeit drückte oder ſchief hielt, fie ſich in einen Hau— fen trockner aufgelaufener Stückchen zerkrümelte, welche ſich nicht wieder zu einer einzigen Maſſe zu vereinigen fähig waren. In dieſer Beziehung iſt alſo das Menſtruationsblut allerdings von dem direct aus dem Circulationsſyſteme bezo— genen verſchieden. (Gaz. med. de Paris, 5. Aoüt 1848.) Miſcellen. (34) Über die intrauterinale peritonitis beim Fötus. Von Simpſon. — Aus den Beobachtungen des Verf. geht hervor: 1) daß die acute und tödtliche peritonitis eine ſehr häufige entzündliche Krankheit des Fötus in den letzten Monaten der Schwangerſchaft ſei; 2) daß eine große Zahl von Leibesfrüch⸗ ten, die im ſiebenten oder achten Schwangerſchaftsmonate ſtarben, deutliche anatomiſche Merkmale dieſer Krankheit zeigten, als Er⸗ gießungen gerinnbarer Lymphe, Adhäſionen zwiſchen den Gedärmen, Eiter u. ſ. w.; 3) bisweilen wurden Kinder, jedoch ſelten, mit dieſer Krankheit lebend geboren; J) meiſtens iſt das Kind todt ge= boren, und die Krankheitsgeſchichte der Mutter zeigt, daß 13 Wo⸗ chen vor ſeiner Expulſion die Bewegungen des Kindes aufhörten; 5) bevor die Kindesbewegungen ganz aufhörten, waren ſie, wie die Mütter gewöhnlich bemerken, 50 —60 Stunden vorher krankhaft und übermäßig, wahrſcheinlich während der Dauer der Krankheit; 6) die peritonitis kommt bisweilen bei mehreren Kindern einer und derſelben Mutter vor, und ſcheint bei einigen eine Folge ſyphilitiſcher Affeetion der Eltern zu fein; 7) in den meiſten Fäl— len jedoch iſt ihr Auftreten unabhängig von syphilis, befällt nicht mehrere Kinder einer Mutter nach einander, und ſelbſt nicht von Zwillingen beide zugleich. Verf. beſchreibt einen Fall von Zwil⸗ lingen, von denen eines lebend und geſund, ein Kind in Folge die— fer Krankheit geſtorben war. Während die intrauterinale perito- nitis ſehr häufig vorkommt, iſt die intrauterinale pleuritis ſehr ſel⸗ ten. (Monthly Journal 1848. Oſtr. Wochenſchr. No. 30.) (35) Veraltete Netzleiſtenbrüche zu reponiren bietet oft beträchtliche Schwierigkeiten, nicht wegen Einklemmung, ſondern wegen Anſchwellung und Verhärtung des vorgefallenen Netztheiles. Man hält ſolche Brüche dann für irreponibel und empfiehlt dafür bloß Suspenſorien oder Bruchbänder mit hohler Pelotte. Beides eine ſehr ungenügende Hülfe für die Kranken. Malgaigne wendet in ſolchen Fällen folgendes Verfahren an. Er läßt den Patienten liegen, giebt magere Koſt und kühlende ver— dünnende Getränke, bedeckt die Geſchwulſt mit Compreſſen mit einer Auflöſung von ſchwefelſaurem Zink und einem Compreſſivverband. Dabei wird der flüſſige Theil des Bruches reſorbirt, die indurir— ten Knoten werden ſchlaff und weich und die Repoſition ſoll nach 3—4 Tagen leicht gelingen. (Revue medie., Avril 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Legons de Zoologie generale, pour servir d’introduction à l’etude de l’orni- thologie, puhliee sous les auspices de M. Isid. Geoffroy Saint-Hilaire, pro- fesseur du Musce d'histoire naturelle; par Alph. Blanc, liciencie es-scien- ces nalurelles. In 8° de 9 feuilles %,. Paris chez J. B. Bailliere 1848. (Prix 3 fr.) De la salubrite des villes de France par rapport à l’approvisionnement de bonne eau fournie à domicile et ä bas prix et ä l’exploitation de la vase des egoüts comme engrais liquide; per un Anglais. In 4% de 3 feuilles. Paris chez Dumoulin 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Reg i ſt e r zum ſiebenten Bande dritter Reihe der Notizen aus dem Gebiete der Natur- A. Actinie, neue. 293. Ather und Chloroform, üb. die Abnahme der thieriſchen Wärme bei Anwendung derſ. und üb. die phyſiologiſche Wirkung beider Agentien. 65. Atzen auf Silber, verſilbertem Kupfer und Gold, neues Verfahren desſ. 72. Africa, neue Nachrichten üb. bisher unbe— kannte Gegenden des inneren. 261. Agaſſiz, zoolog. Beobachtungen. 293. Agave americana, üb. eine Blumenentwicke— lung an den Ausläufern derſ. 116. Aldehyddampf. 26. Alluvium, ſ. Whittleſey. Amauroſe, während des Gebärens eingetre— tene. 283. Ameiſe, ungeheure weiße. 88. Amphicora sabella. 163. Anäſtheſirung, künſtl. bei Geburten, insbe: ſondere durch Chloroformdämpfe. 295. 313. Aneurysma dissecans der aorta, welches mit der Lungenarterie communicirte. 96. — varicoſes aneurysma in der Armbeuge; 2malige Galvanopunctur; Entzündung und Gangrän des Sackes; Heilung. 267. Anſiaur, üb. eine freiwillig entſtandene Speis ſeröhrenfiſtel. 319. Armenien, ſ. Buhſe. Arſenikgehalt verſchieden. Mineralquellen. 42. Arſenikvergiftung, üb. das von Joh. Fuchs vorgeſchlagene Gegenmittel gegen dieſelbe. 185. Arteria subelavia, Anomalie derſ., welche die Abweſenheit des nervus recurrens ver— anlaßte. 272. Arterienentzündung, acute. 144. und Heilkunde. B. Bandwurm, cortex rad. et trunc. punicae granatorum gegen denſ. 304. van Bangevem, Neſſelung gegen vollſtändige Paraplegie. 208. Barry, üb. den thieriſchen und vegetabili— ſchen Zellkern. 113. Baſalt, intereſſantes Vorkommen desſ. in der Rheingegend zwiſchen Honnef und Rheinbreitbach. 1. van Beek, üb. die Anwendung des elekriſch. Funkens bei der mikroſkop. Unterſuchung ſich ſchnell bewegender Körper. 134. Bell Salter, Chloroform gegen Inſecten. 345. van Beneden, Unterſuchungen üb. die Or- ganiſation und Entwickelung der Zungen— würmer (Pentastoma Rudd.) und eine neue im Magen des Mandrills aufgefundene Art dieſer Thiere. 71. Bergſchlüpf, alter, durch einen Stollen ent⸗ deckter. 243. Bernard und Barreswill, üb. die Wege, auf welchen der Harnſtoff nach der Exſtirpation der Nieren ausgeſchieden wird. 48. Bernard, üb. den Magendrüſenſaft (succus pancreaticus). 55. Bernardeau, Tuberkelbildung, die Folge ei— ner gewöhnlich angeborenen Diatheſe und Beſtätigung deſſen durch die phyſiologiſch— chemiſche Unterſuchung des Blutes. 57. Blanchard, üb. Eingeweidewürmer und die Art ihrer Fortpflanzung. 81. Blattläuſe, üb. die Fortpflanzung derſ. 54. — Wandern derſ. 182. Blepharophora Nymphaeae. 163. Blindheit, Taubſtummheit und Cretinismus, üb. Verhütung und Heilung derſ. auf mediein. und pädagog. Wege. 11. — Blindheit, angeborene, bei 9 Kindern ei— ner Familie. 48. Blitzſchlag, Wirkung desſ. 232. Blüthenmißgeburten einer potentilla. 42. Blut, üb. galvaniſche Strömung in demf. 78. — ſcorbutiſches B. 73. — Faſer⸗ ſtoffarten und fibrinogene Subſtanz in demſ. 87. — ſ. Rees. — B. des Menſchen, neue Art, dasſ. von dem der Säugethiere zu unterſcheiden. 350. Blutharnen durch Atzen mit Höllenſtein ge⸗ hoben. 62. Blutkörperchen, rothe, üb. eine Function derf. und üb. die Umwandlung des venö- ſen Blutes in arterielles. 321. Blutſtillung bei Operationen an der Zunge. 210, Boa. 122. Bohrmuſchel, üb. die Entwickelungsgeſchichte derſ. 51. Boſi und Gambari, üb. den zwiſchen den Wechſelfiebern und den Seropheln, ſowie der Lungenſchwindſucht beſtehenden Anta— gonismus. 288. Botaniſcher Bericht üb. eine Reiſe durch ei: nen Theil Armeniens im J. 1847. 198. Bouchut, üb. den Scheintod und die Ver: hinderung des Lebendigbegrabens. 217. Bouillaud, üb. den Sitz des Sprechvermö— gens. 16. Brants, üb. den Aufenthalt der Fliegenma⸗ den im Körper der Raupen. 129. Brassica rufa, Beſtandtheile ihrer Blätter. 296. Brewſter und Edin, üb. das deutliche Sehen gewiſſer Gegenſtände bei Anwendung des ** 354 Polariſationsapparates unter dem Mikro⸗ ſkope. 49. Bromfield, Bemerkungen üb. die Flora, das Wetter u. ſ. w. der vereinigten Staaten von Nordamerica. 257. 337. Bruch, erweichte Faſergeſchwulſt. Bryozoarien. 294. Buche, ſelten vom Blitze getroffen. 10. Buck, chirurg. Behandlung des Oedema glottidis. 160. Buhfe, kurzer botaniſcher Bericht üb. feine Reiſe durch einen Theil Armeniens in den Monaten April und Mai 1847. 198. 127. C. Calamiten, Structur derſ. 137. Calladium destillatorium. 106. Calori, die kleine Portion des 5. Gehirn: nervenpaares. 41. Cannabis indica und sativa, üb. die narkot. Wirkung derſ. 295. Cappelletti, varicoſes aneurysma in der Arm— beuge; 2malige Galvanopunctur; Entzün— dung und Gangrän des Sackes; Heilung. 267. — Bruch des aufſteigenden Aſtes des ischion, ſowie des abſteigenden des pubis durch Muskelretraction. 272. Caſanti, neue Art, das Blut des Menſchen von dem der übrigen Säugethiere zu un— terſcheiden. 350. Chapman, neue Weiſe, das Eiſenorydul ſchon vor dem Löthrohre vom Oryde zu unterſcheiden. 122. Chatin und Bouvier, das ſcorbutiſche Blut. 73. Chenopodium ambrosioides gegen Chorea St. Viti. 190. Chloroform, ſ. Atzen. — Einige Bemerkun— gen üb. dasf. 67. — Anwendung desſ. in geringen Gaben als ſchmerzſtillendes Mittel. 79. — Unmacht bei Anwendung desſ. 175. — Chl. gegen Inſecten. 345. — Chloroformdämpfe. Collodium. 348. Cretinismus, ſ. Dolezalef. Cucurbita maxima Duch. Beobachtungen üb. das Wachſen einer Frucht derſ. 118. Cunier, Fall während des Gebärens einge— tretener Amauroſe. 283. 295. D. Daguerrotypplatten, dunklerer Silberüberzug für dieſ. 282. Darmcanal, ſ. Müller. Nei tieren. Davy, üb. die Vortheile der Waſſerdurchlei⸗ tung und Bewäſſerung. 305. Dawes, Structur der Calamiten. 137. Debrou, Beobachtung üb. die fogenannte ſenkrechte Verrenkung (Achſendrehung) der Knieſcheibe, nebſt Bemerkungen üb. dieſe Art der Luxation. 25. 41. Decourtive, üb. die narkotiſche Wirkung der Cannabis indica und sativa. 295. Demarquay, Anomalie der arteria subclavia, welche die Abweſenheit des nervus recur- rens veranlaßte. 272. Diabetes insipidus durch Calomel geheilt. 336. Diatomaceen, Betrachtungen üb. die Con— jugation derſ. 102. Dickie, Embryoſack von Euphrasia officina- lis. 218. Dicotyledoniſche Stämme, anomale Formen derſ. 193. Diluvium und Alluvium des Staates Ohio und des Weſtens von Nordamerica. 273. Dodo, Vogel. 177. Dolezalek, üb. Verhütung und Heilung der Blindheit, Taubſtummheit und des Creti— nismus auf medic. und pädag. Wege. 11. Doyere, Kupferchlorid zeigt den Sauerſtoff— gehalt der Gasgemiſche an. 346. Draper, üb. die Lichterzeugung durch chemi— ſche Thätigkeit. 17. 33. Dufour, üb. das Kiemenathmen der Larven der großen Libellen, mit dem Athmen der Fiſche verglichen. 84. Dumeril und Demarquay, üb. die Abnahme der thier. Wärme bei Anwendung von Ather und Chloroform, und üb, die phy— ſiolog. Wirkung beider Agentien. 65. Dupin, üb. die Zunahme der Lebensdauer der Bewohner Frankreichs. 269. Dura mater des Rückenmarkes, |. Toulemouche. E. Ehrenberg, rother Schnee im Puſterthale. 88. Eingeweidewürmer und die Art ihrer Fort— pflanzung. 81. Einſiedler, Vogel. 177. Eiſenorydul, neue Art, dasf. ſchon vor dem, Löthrohre vom Oryde zu unterſcheiden. 122. Elektriſcher Funke, üb. die Anwendung desſ. bei der Unterſuchung ſich ſchnell bewegen— der Körper. 134. Elephant, Exoſtoſen am Stoßzahne eines ſolchen. 104. Ethnologie, üb. die Beziehungen derſ. zu den übrigen Zweigen der Wiſſenſchaft. 209. 225 Euphrasia officinalis. 218. J. Faſergeſchwulſt, erweichte. 127. Fieber, typhöſes, Behandl. desſ. durch kalte Begießungen. 263. Flarer, Wiedererzeugung der Hornhaut nach Erophthalmie. 287. Fleury, Diabetes insipidus durch Calomel geheilt. 336. Fliegenmaden, üb. den Aufenthalt derſ. im Körper der Raupen. 129. Foſſile, ſ. Owen, Dawes, Stechfliege. Frankreich, üb. den Reichthum desf. in land⸗ wirthſchaftl. Beziehung. 70. Froriep, Gutta Percha zu medie. und chirurg. Zwecken. 176. — zur Behandlung der angeborenen Schenkelluration. 345. G. Galvanismus, Wirkungen desſ. auf Harn⸗ ſteine. 137. Gaſteropoden. 58. Gastropacha quercus. Geburten, ſ. Martin. Gefäße, Verftopfung derf. mit Schwamm an Statt der Unterbindung. 240. Gehirnnerven, die kleine Portion des 5. Paa⸗ res derſ. 41. Georgii, Kineſitherapie oder Behandlung der Krankheiten durch die Bewegung, nach Lings Methode. 77. Gerſtenart mit nacktem Samen. 264. Geſichtsfehler in Folge von unregelmäßiger Strahlenbrechung, nebſt Nachtblindheit. 219. Gilman, üb. ein von Charles A. Spencer zu Canaſtota in Newyork verfertigtes zu⸗ ſammengeſetztes Mikroſkop. 246. Goyrand, neue Studien üb. die Luxation des humerus. 231. Gruby, einige Bemerkungen üb. das Chlo— roform. 67. Gummigutt der Tenaſſerimprovinzen. 85. Gutta Percha zu medieiniſchen und chirurg. Zwecken. 76. 232. H. van Hall, üb. das Periodiſche im Wachs⸗ thume und der Entwickelung der Pflanzen⸗ organe. 149. 166. Hamel, der Dodo, der Einſiedler und der erdichtete Nazarvogel. 177. Hamilton, Geſichtsfehler in Folge von uns regelmäßiger Strahlenbrechung, nebſt Nacht⸗ blindheit. 219. Harnſteine, ſ. Melicher. — Galvaniſche Zer— ſetzung derf. in der Blaſe. 320. Harnſtoff, üb. die Wege, auf welchen derſ. nach der Exſtirpation der Nieren ausge— ſchieden wird. 48. Hautkrankheit, üb. eine zu Biskra in Africa beobachtete neue geſchwürige. 46. Heale, üb. galvaniſche Ströme im Blute. 68. Henfrey, üb. Structur und Wachsthum der Monocotyledonen. 97. üb. anomale Formen dicotyledoniſcher Stämme. 193. Henne mit männlichem Gefieder. 10. Hernia durch den Muttergrund. 176. Heylen, Blutſtillung bei Operationen an der Zunge. 240. Heuſchrecke im Himalaja. 170. Hiltſcher, Chenopodium ambrosioides gegen Chorea S. Viti. 190. Hornhaut, Wiedererzeugung derſ. nach Ex— ophthalmie. 287. Hornhautflecke durch Pigmentablagerung. 208. Humerus, ſ. Goyrand. Hund als Kirchgänger. eines Hundes. 202. Hydrocele, Compreſſion derſ. 224. 184. Ortsſinn J. Inſeeten, üb. die Luftſäcke und Tracheener— weiterungen derſ. 120. Joly, höchſt merkwürdige Mißgeburt eines Ochſen. 313. Ischion, Bruch eines aufſteigenden Aſtes des— ſelben, ſowie des abſteigenden des pubis durch Muskelretraction. 272. K. Kineſitherapie oder Behandlung der Krank— heiten durch Bewegung, nach Lings Me— thode. 77. Knieſcheibe, Beobachtung üb. die fog. ſenk— rechte Verrenkung (Achſendrehung) derſ., nebſt Bemerkungen üb. dieſe Art der Lu— ration. 25. 41. Koreff, Collodium. 348. Kriebelkrankheit in Schweden. Kröte, Inſtinct derſ. 314. Kupferchlorid zeigt den Sauerſtoffgehalt der Gasgemiſche an. 346. L. Laubfroſch, üb. den Farbenwechſel desſ. und den mikroſkop. Bau ſeiner Haut. 326. 192. Reg i ſt e K Lebensdauer, üb. Zunahme derſ. in Frank⸗ reich. 269. Lemanea fluviatilis Agardh und torulosa Agardh. 328. Leptolepis, ſ. Stechfliege. Leriche, Anwendung des Chloroforms in ge— ringen Gaben als ſchmerzſtillendes Mittel. 79. de Léſéleuc, vereinfachter Apparat für Schen— kelbeinbrüche. 73. Leuchtgas, neues Verfahren der Reinigung desſ. 281. Libellen, große, üb. das Kiemenathmen der Larven derſ., mit dem Athmen der Fiſche verglichen. 84. Lichterzeugung durch chemiſche Thätigkeit. 17. 33. Luxation des humerus, neue Studien über dieſ. 231. 247. — Angeborene L. des Schenkels, Behandl. derſ. 345. M. Mac Queen, neue Nachrichten üb. bisher unbekannte Gegenden des inneren Africa. 261. Magendrüſenſaft (succus pancreaticus). 55. Mandrill, ſ. van Beneden. Mallet, neues Verfahren der Reinigung des Leuchtgaſes. 281. Manilahanf. 154. Marion, Tabaksklyſtire, um durch Erregung von Erbrechen fremde Körper aus dem Schlundkopfe und dem oberen Theile der Speiſeröhre heraus zu bringen. 32. Martin, üb. die künſtliche Anäſtheſirung bei Geburten, insbefondere durch Chloroform— dämpfe. 295. 313. Maſon, üb. das Gummigutt der Tenaſſerim— provinzen. 85. Mayua der Peruaner (Tropaeolum tubero- sum), eine neue Nahrungspflanze. 228. Melicher, die Wirkungen des Galvanismus auf Harnſteine. 137. — galvaniſche Zer⸗ ſetzung der Harnſteine in der Blaſe. 320. Mendini, Compreſſion der hydrocele. 224. Meteorſteine in Tenneſſee. 154. Michaur, üb. einen Rachenpolypen, der durch Beſeitigung des linken Oberkieferknochens, Ausreißen, Ausſchneiden und Cauteriſiren geheilt wurde. 201. Mikroſkop, üb. ein von Charles A. Spen- cer zu Canaſtota in Newyork verfertigtes zuſammengeſetztes. 246. Milch, Säuren oder Gerinnen derſ. wird durch Zuſatz von Kaffeeinfuſion verhindert. 32. 355 Mineralquellen, Arſenikgehalt verſchiedener. 42. Mißgeburt, höchſt merkwürdige, eines Ochſen. 303. Monocotyledonen, üb. Structur und Wachs⸗ thum derſ. 97. Moreau de Jonnés, üb. den Reichthum Frankreichs in landwirthſchaftlicher Bezie⸗ hung. 70. Morren, üb. die Mayua der Peruaner (Tro- paeolum tuberosum), eine neue Nahrungs- pflanze. 228. Müller, über den typhöſen Proceß im Darm—⸗ canale bei Rindern und Pferden vom pa⸗ thologiſch-anatomiſchen Standpunkte. 329. Mulder, üb. die chemiſche Veränderung der Nahrungsmittel durch die Verdauung. 37. N. Nahrungsmittel, üb. die chemiſche Verände⸗ rung derſ. durch die Verdauung. 37. Nazarvogel, erdichteter. 177. Nekrolog. 192. Nerven, Verlauf derſ. in den Muskelbündeln und üb. dieſ. 122. Nervenſyſtem, Störungen in demſ., veran- laßt durch Albuminurie bei ſchwangeren Frauen. 61. Nervus recurrens, ſ. Demarquay. Netwald, üb. das von Joh. Fuchs vorge— ſchlagene Gegenmittel gegen Arſenikver— giftung. 185. Netzleiſtenbrüche, veraltete, zu reponiren. 352. Newport, üb. die Fortpflanzung der Blatt- läuſe. 54. — üb. die Luftſäcke u. Tra⸗ cheenerweiterungen der Inſecten. 120. Nöggerath, intereſſantes Vorkommen von Bas ſalt in der Rheingegend zwiſchen Honnef und Rheinbreitbach. 1. alter Berg⸗ ſchlüpf durch einen Stollen entdeckt. 243. Nordamerica, Bemerkungen üb. die Flora, das Wetter u. ſ. w. der vereinigten Staa= ten daſ. 257. 337. — ſ. Whittleſey. O. Oedema glottidis, chirurg. Behandlung desſ. 160. Oidium aurantiacum, Sporen desſ. 329. Oleum filieis maris aethereum gegen taenia. 128. d'Omalius d' Halloy, üb. die Lager der Trüm⸗ mergeſteine (depöts blocailleux). 289. Owen, Beſchreibung des atlas, epistropheus und der Zwiſchenwirbelkeilbeine des Ple- 356 siosaurus mit Bemerkungen üb. die Zurück— führung dieſer Knochen. 3. P. Pancreas, Krankheiten desſ. 105. 120. Pappenheim und Berthelen, Zwitterdrüſe der beſchalten Schnecken. 10. — üb. die Gaſteropoden. 58. — Verlauf der Ner— ven in den Muskelbündeln und über dieſ. 122. Paraplegie, vollſtändige Neſſelung dagegen. 208. Pauly, angeborene Blindheit bei 9 Kindern derſ. Familie. 48. Payen, Sporen von Oidium aurantiacum. 329. Peddie, üb. die Rückenmarksapoplexie. 222. Pentastoma, ſ. van Beneden. Peritonitis, intrauterinale beim foetus. 352. Pflanzenorgane, über das Periodiſche im Wachsthume und der Entwickelung derſ. 149. 166. Piequotiane, neue Nutzpflanze. 74. Pirrie, aneurysma dissecans der aorta, wels ches mit der Lungenarterie communicirte. 96. Planet, neuer kleiner. 41. Plesiosaurus, Beſchreibung des atlas, epi- stropheus und der Zwiſchenwirbelkeilbeine desſ. mit Bemerkungen üb. die Zurückfüh⸗ rung dieſer Knochen. 3. Poggiale, Aldehyddampf. 26. Poggioli, üb. eine zu Biskra in Africa bes obachtete neue geſchwürige Hautkrankheit. 46. Poitevin, ein nenes Verfahren, auf Silber, verſilbertem Kupfer und Gold zu ätzen. 72. Polariſations-Apparat, ſ. Brewſter u. Edin. Pooley, Fall von spina bifida mit Spaltung des Hinterhauptbeines. 31. Pouchet, üb. den Farbenwechſel des Laub— froſches und den mikroſkopiſchen Bau ſei— ner Haut. 326. Prichard, üb. die Beziehungen der Ethnolo— gie zu den übrigen Zweigen der Wiſſen— ſchaft. 209. 225. Proceſſiousraupe (Bombyx processionea), üb. dieſ. und die Urſache ihrer ſchädl. Einwir— kung auf die Haut. 145. Puerperalfieber. 112. Q. de Quatrefages, über die Entwicklungsge— ſchichte der Bohrmuſchel. 51. Regiſter. N. Rachenpolyp, der durch Beſeitigung des lin— ken Oberkieferknochens, Ausreißen, Aus— ſchneiden und Cauteriſiren geheilt wurde. 201. Rafflesia Patma. 105. Ratte, mütterl. Liebe einer folchen zu ihren Jungen. 184. Rayer, Herzkrankheiten der Vögel. 256. Rees, üb. eine Function der rothen Blut— körperchen und üb. die Umwandlung des venöfen Blutes in arterielles. 321. Reid, gegen den Gebrauch der Zahnbürſte. 336. Reiniger, die Spurbienen. 184. Reinſch, giftige Wirkungen des Saueram— pfers. 144. Rhinocerosarten, den Chineſen bekannte. 25. Rhodactinia Davisii, n. A. 293. Ringelwürmer. 162. Rückenmark, üb. einen Fall von tubereulöfer Entartung der dura mater desſ. am Ur⸗ ſprunge des 8. Nervenpaares, wodurch die Functionen der verſchiedenen Verzweigun— gen desf. der Reihe nach gelähmt worden waren. 153. 169. Rückenmarks-Apoplerie. 322. S. Sauerampfer, giftige Wirkungen desſ. 144. Scheintod, üb. denſ. und die Verhinderung des Lebendigbegrabens. 217. Schenkelbeinbrüche, vereinfachter Apparat für dieſ. 73. Schenfelluration, Behandl. der angeborenen. 345. Schimper, üb. eine dritte Art des europ. Steinbockes (Capra hispanica). 53. Schmalz, üb. die Benutzung der Stimmgabel zur Unterſcheidung der nervöſen Schwer— hörigkeit. 173. Schmidt, vorläufige Mittheilungen üb. meine auf den Färdern gemachten geolog. Beob— achtungen. 161. Schmidtmüller, cortex rad. et trunc. puni- cae granatorum geg. den Bandwurm. 304. Schnecken, Zwitterdrüſe der beſchalten. 10. Schnee, rother, im Puſterthale. 88. Schwerhörigkeit, ſ. Schmalz. Segondi, Verſtopfung d. Gefäße mit Schwamm an Statt der Unterbindung. 240. Sehen, deutliches, gewiſſer Gegenſtände bei Anwendung des Polariſations-Apparates unter dem Mikroſkope. 49. Semelweis, üb. die Atiologie der in Gebär- anftalten epidemiſchen Puerperalfieber. 112. Siebert, Krankheiten des panereas. 105. 121. v. Siebold, Blephanophora Nymphaeae. 163. Sierra-Leona-Kuͤſte, Regenzeit daſ. 248. Simpſon, Störungen in dem Nervenſyſteme, veranlaßt durch Albuminurie bei ſchwan⸗ geren Frauen. 61. — Unmacht bei An⸗ wendung des Chloroforms. 175. — üb. die intrauterinale peritonitis beim Fötus. 352. Smith, Toulmin, Blüthenmißgeburten einer Potentilla. 42. N Sommerfaden. 57. Sonnenfleck. 106. Soubeiran, Blutegelhandel. 64. Speicheldrüſen der Wirbelthiere fehlen faſt allen in Waſſer lebenden Thieren. 87. Speiſeröhrenfiſtel, freiwillig entſtandene. 319. Spina bilida mit Spaltung des Hinterhaupt⸗ beines. 31. Sprechvermögen, üb. den Sitz desſ. 16. Spurbienen. 184. Stechfliege, Entdeckung einer ſolchen und ei— ner neuen Species Leptolepis des oberen Lias in der Nähe von Cheltenham. 138. Steinbock, üb. eine dritte Art des europäi⸗ ſchen. 53. Stelzfuß Wagners. 160. Sterblichkeit, außerordentliche, Arzten Irlands. 80. Stern, neuer. 42. Stimmgabel, üb. die Benutzung derſ. zur Unterſcheidung der nervöſen Schwerhörig⸗ keits 178 Strudelwürmer. unter den 161. T. Tabaksklyſtire, um durch Erregung von Er- brechen fremde Körper aus dem Schlund» kopfe und dem oberen Theile der Speiſe— röhre heraus zu bringen. 32. Taenia, Mittel dagegen. 128. Taubſtummheit, ſ. Dolezalef. Tavignot, Hornhautflecke durch Pigmentab⸗ lagerung. 208. Thwaites, Betrachtungen üb. die Conjugation der Diatomaceen. 102. Tiger auf Sumatra. 183. Toulemouche, üb. einen Fall von tuberculö— fer Entartung der dura mater des Rücken⸗ marks und Verletzung des Rückenmarks am Urſprunge des 8. Nervenpaares, wodurch die Functionen der verſchiedenen Verzwei⸗ gungen bes. der Reihe nach gelähmt wor⸗ den waren. 153. 169. Tropaeolum tuberosum, ſ. Morren. 228. Trümmergeſteine, üb. die Lager derſ. 289. Tuberkelbildung, die Folge einer gewöhnlich angeborenen Diatheſe und Beſtätigung deſ— fen durch die phyſiologiſch-chemiſche Unter— ſuchung des Blutes. 57. Typhöſer Proceß im Darmcanale bei Rindern und Pferden vom pathologiſch-anatomiſchen Standpunkte. 329. V. Valles, üb. die Anatomie der Zunge. 327. Vegetation, üb. den Einfluß galvaniſcher Leitung auf dieſ. 74. Veitstanz, |. Hiltſcher. Verdauung, ſ. Mulder. Vergiftung zweier Pferde durch ſchimmeliges Brot. 344. Verrenkung, ſ. Debrou, Goyrand, Froriep. Regiſter. Virchow, Faſerſtoffarten und fibrinogene Sub ſtanz im Blute. 87. — Aeute Arterien⸗ entzündung. 144. Vögel, Herzkrankheiten derſ. 256. Volvox globator, Reproduction derſ. 170. de Vrieſe, üb. eine Blumenentwickelung an den Ausläufern der Agave americana. 116. Vrolik, Exoſtoſen am Stoßzahne eines Ele— phanten. 104. W. Wagners Stelzfuß. 160. Walker, üb. das Wandern der Blattläuſe. 182. Waſſerdurchleitung und Bewäſſerung, üb. die Vortheile derſ. 305. Wechfelfieber, Seropheln und Lungenſchwind— ſucht, Antagonismus zwiſchen denſ. 288. Weſtwood, ungeheuere weiße Ameiſe. 88. Whittleſey, üb. das Diluvium und Alluvium des Ohioſtaates und des Weſtens von Nord— america. 273. 357 Will, üb. die Proceſſionsraupe (Bombyx processionea) und die Urſache ihrer ſchädl. Einwirkung auf die Haut. 145. Williamſon, üb. ein Calladium destillato- rium. 106. Wright, Speicheldrüſen der Wirbelthiere feh⸗ len faſt allen in Waſſer lebenden Thieren. 87. 3. Zahnbürſte, gegen den Gebrauch derſ. 336. Zellkern, üb. den thieriſchen und vegetabili- ſchen. 113. Zollinger, Rafflesia Patma. 105. Zoologiſche Beobachtungen auf den Färdern. 161. — Zoolog. Beobachtungen. 293. Zunge, ſ. Heylen. — üb. die Anatomie derſ. 327. Zungenwürmer (Pentastoma Rud.), Unter: ſuchungen üb. die Organiſation und Ent⸗ wickelung derſ. und eine neue im Magen des Mandrills aufgefundene Art dieſer Thiere. 71. Bibliographische Neuigkeiten. A. Alexander, A. 240. d' Aremberg, Ch. 271. Baly, W. and W. Senhouse Kirkes. Barnard. 191. Behrend, F. J. 240. Beinert, C. Ch. 159. Bergmann, C. 239. Bibliotheque du medecin-praticien. v. Biedenfeld, F. Frhr. 239, Bird, G. G. 95. Biſchoff, G. W. 63. Blanc, A. 351. Brunot. 127. Bulletin ete. 143. Burke, T. T. 64. 128. 272. C. Campagne de circumnavigation etc. Cesar, Ach. 32. 336. Conradi, J. W. H. 32. Courtney, F. B. 208. Danzer, A. E. 16. De la salubrite etc. Deprierris, Aleide. Dove, H. W. 79. E. 352. 288. Ebrard. 16. Engelmann, W. 80. F. Fabre. 272. Fäsebeck, G. F. 159. Foley, M. E. 271. Frey, H. 239. Froriep, R. u. O. Schomburgk. G. 112. Garcke, A. 239. Gerichtlich-chem. Untersuchungen u. s. W. 240. Giebel, C. G. 15. Gray. 128. Gray, A. 144. Griesebach, A. 240. Günsburg, F. 160. v. Guttscheit, H. L. 80. Hausmann, J. S. L. 255. Henfrey, Arth. 207. Herbſt, G. 303. van der Hoeven, J. 79. Hooker. 191. I. Jurie, Th. 112. Karsten, H. 63. Kebbell, W. 192. Kiener, L. C. 31. 358 Kilian, H. F. 240. Kühn, O. B. 304. L. Langenbeck, M. 160. 256. Laplace. 336. Lebert, H. 64. Loreck, C. G. 47. Low. 191. Lyell, Ch. 335. M. Mac Gregor. 207. Maly, J. C. 239. Meray, R. F. 47. Meulien, Tullia. 335. Meyer, H. 96. Meyer-Ahrens, K. 240. v. Middendorff, A. Th. 95. Mitchell, J. 192. Monneret. 16. Müller. 128. Müller, J. 240. Regiſter. N. Nägele, H. F. 48. P. Pelouze, J. et E. Fremy. 175. Pettenkofer, M. 112. Pilz, B. 111. Piorry, P. A. 48. 176. Prichard, J. C. 287. Pringle, Th. 223. Redwood, Theoph. 128. Regnault, M. V. 223. Reichenbach, H. G. L. 127. Riecke, C. F. 48. 160. Rochoux, J. A. 16. Rosenberg, D. 31. S. de St. Hilaire, A. 175. Sallivant, W. S. 144. Schäffer, A. J. 112. Schenk, A. 239. Schleiden, M. J. 207. Schmalz, E. 32. Schulte, F. W. 240. Siebert, A. 224. v. Siebold, C. Th. u. H. Stannius. Sileſius, E. 127. Smellie, W. 224. Stößner. 239. T. Turton, W. 159. U. Unterwood. 240. V. Valleix, F. L. J. 176. Verhes, E. H. 15. Volger, G. H. O. 64. W. Wagner, R. u. J. G. F. Will. 239. 287. ae aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt a 99 von U | l | | RL CR. M. J. Schleiden, I. a ; ver Rechte, der Medicin und ver Phlloſophie Doctor, 5 | des Königl. Niederlänviſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, ; N Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, 0 der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newyork, der Kalſerl. Leopoldino⸗Caxoliniſchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Geſellſchaft der Arzte in Wien, der Societas W zu Erlangen, der naturhlſtoriſchen Geſellſchaft zu Nurnberg, der Regensburger botaniſchen Geſellſchaft, des norpdeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgiſchen naturw chaftlichen Vereins ordentlichem, correſpondirendem und Ehrenmitgliede = und Sr Dr. Nobert Froriep, des rothen Adler⸗Ordens vierter Claſſe Ritter, N Königl. Preuß. Geh. Mevicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, 2 Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de Medecine zu Paris, der Hufelandiſchen Aid einen = ofturaifhent Geſellſchaft, des Vereins für Hellkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur⸗ und Hellkunde u Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunpe zu Berlin, der Svenska Lükare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica 8. Moftwa, er K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des mier Vexeins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗ Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badlſcher Mevicinal- Beamten für die Beförderung der Staats⸗Arznelkunde, des Apotheker⸗Verelns im nörplichen Deutſchland und des natur⸗ 8 wiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes. 4 1 Dritter Reihe achter Band. ; 2 Weimar, . Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 1849. & 2 Au vr : 97 tel» Ds AH 5 PL A „ 1 * 4 16 7 5 A L 7 5 X Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von M. J. Schleiden, der Rechte, der Mediein und der Philoſophie Doctor, ves Königl. Niederländiſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newgork, der Kaiſerl. Leopolvino - Garolinifchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Geſell⸗ Em der Arzte in Wien, ver Societas physico-medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Ghaßtlichen ke botanifchen Geſell⸗ chaft, des norbreutichen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgiſchen naturwiſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, correſpondirendem und Ehrenmitgliede und Dr. Robert Froriep, des rothen Adlerordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Medicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de Medecine zu 1 der Hufelandiſchen mediciniſch⸗chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heiltunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Moſtwa, der K. K. Geſellſchaft der Arzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu- Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehrenmitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Mevicinalbeamten für die Beförderung der Staatsarznelkunde, des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Dritter Reihe achter Band. Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 18 48. 4 gun aul u 26 . 3 W * . x * h warn 9 K 1 . ae | 2 Ki 99 5 ee . 7 JVC ‚ 2 hun 4 ER 868. er 3 “an ne * } ri h h BR. yo man Kr re! TA Br vom ER 4 bree KR In En Han a ee 90 N Nn * * 1 um r N 0 * i nie . ig LK . en 1 ER IM ” 2 * 0 i hi e We Ae ER. ul ee 9 Ar N Nen, | Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 155. (Nr. 1. des VIII. Bandes.) October 1848. Naturkunde. Andral, über das ſaure oder alkaliſche Verhalten einiger Flüſſigkeiten des menſchlichen Korvers im geſunden und kranken Zuſtande. — Slater, über die Function der Artennen bei den Inſecten. — Mijcelle, Maſerncontagium. — Mijcelle. n de Quatrefages, neue Bohrmuſchelart. — Heilkunde. Blaſius, Exercierknochen. — Bibliographie. » ſch = Panum, über das Naturkunde. I. Über das ſaure oder alkaliſche Verhalten einiger Flüſſigkeiten des menſchlichen Körpers im geſunden und kranken Zuſtande. Von Andral. Verſchiedene thieriſche Flüſſigkeiten beſitzen im norma— len Zuſtande einen gewiſſen Grad von freier Säure oder freiem Alkali, der nur durch vorübergehende Einfluͤſſe geſät— tigt werden kann. Der Harn verliert, z. B., wenn der Ma— gen mit einer großen Menge Waſſer angefüllt wird, ſeine Säure und auch der ſonſt beſtändig ſaure Schweiß wird jetzt neutral; in den genannten Fällen verſchwindet die Säure nicht, wird vielmehr von der im Magen befindlichen Waſſer— menge aufgenommen und zurückgehalten. Der geſunde Or— ganismus iſt nicht im Stande, eine normal ſaure Flüſſig— keit willkürlich in eine alkaliſche und umgekehrt zu verwan— deln; wo eine ſolche Umwandlung erfolgt, iſt ſie immer durch äußere Einflüſſe auf den Organismus herbeigeführt und entweder durch Nahrungsmittel und Getränke oder durch eine Zerſetzung der Flüſſigkeit entweder an der Luft oder ſchon in ihrem Reſervoir ſelbſt veranlaßt worden. Man darf daher beim geſunden Menſchen unter allen Verhältniſ— ſen für die verſchiedenen Flüſſigkeiten des Körpers eine con— ſtante Reaction annehmen; die einen reagiren immer ſauer, während die andern ſich jederzeit alkaliſch verhalten; neutral erſchienen ſie nur dann, wenn das Blut eine große Menge Waſſer aufgenommen hat, oder wenn ſie ſelbſt in ungewöhnlich reicher Menge ſecernirt ſind. Das letztere gilt zum Theil auch von der Hautausdünſtung, welche beim ſtarken Schweiße dem Blute unverhältnißmäßig viel Waſſer entzieht. Der Einfluß der verſchiedenen Krankheiten auf dieſe Flüſſigkeiten iſt noch nicht genügend bekannt; zwar weiß man, daß gewiſſe Krankheiten die normal ſauren Flüſſig— No. 2135. — 1035. — 155. keiten alkaliſch und umgekehrt machen und hat aus die— ſer veränderten Reaction auf die nächſte Urſache und die Art der Krankheit ſelbſt geſchloſſen, weiß aber nicht, wo— durch und auf welche Weiſe die Krankheiten eine ſolche Umänderung der thieriſchen Flüſſigkeiten herbeiführen. Dies zu erforſchen war die Aufgabe, welche ſich der Verf. ge— ſtellt, und über deren Reſultate er in No. 761 des Institut von 1848 berichtet. Unter allen thieriſchen Fluſſigkeiten ſchien ihm das Blut— ſerum immer die ſtärkſte alkaliſche Reaction zu beſitzen und deren Intenſität, die Dauer und Art der Krankheit mochte ſein, welche ſie wollte, nicht beträchtlich geändert zu werden. In den Fällen, wo das Blut nur wenig Faſerſtoff enthält, ſollen zwar die alkaliſchen Stoffe vorherrſchen, dagegen bei der Zuckerruhr vermindert werden; beide Angaben ſind aber, ſo viel der Verf. weiß, nicht genügend bewieſen und durch keine Analyſe unterſtützt. Vogel gedenkt in ſeiner patho— logiſchen Anatomie eines von Scherer beobachteten Falles, wo das venöſe Blut einer an Darmfellentzündung (metro- peritoine) leidenden Frau vollkommen neutral geweſen, be— merkt aber gleichzeitig, daß ihm niemals etwas ähnliches vorgekommen ſei. Der Verf. fand ohne Ausnahme das Blut des lebenden Menſchen jederzeit alkaliſch; wenn es dagegen nach dem Tode eine ſaure Reaction bejtst, it dieſe nicht als Folge der Krankheit, ſondern als Folge einer be— reits eingetretenen Zerſetzung zu betrachten. Diejenigen Flüſſigkeiten, welche ſich aus dem Blute bilden, find im geſunden Zuſtande ſelten neutral, meiſtens ſind ſie alkaliſch oder mehr oder weniger ſauer. Will man nun aber ſehen, ob und wie ſie durch Krankheiten verän— dert werden, ſo muß man zunächſt, um ſich vor Täuſchun— gen zu hüten, bedenken, daß ſowohl die innere als äußere Körperoberfläche verſchiedene Flüſſigkeiten von ungleicher Re⸗ 1 7 155. VIII. 1. 8 Der Sinn des Gehörs wird im allgemeinen als der Sinn der gegenſeitigen Mittheilung betrachtet und meiſtens von einer entſprechenden Entwicklung der Sprache begleitet; nun lebt aber die Mehrzahl der Inſecten ungeſellig, ihnen fehlt zugleich die Stimme und vielleicht auch das Gehör. Alle Verſuche, dieſe Frage zu entſcheiden, haben bis jetzt zu keinem ſicheren Reſultate geführt. Einige Arten, z. B. Blaps mortisaga, die Cicaden und verſchiedene Orthopteren haben indeß ſicher ein Gehör, deſſen Grad der Entwicklung uns nur unbekannt iſt. Der Geruchsſinn iſt dagegen für die meiſten Thiere von großer Bedeutung, durch ihn finden ſie, vom Auge unterſtützt, die ihnen zuträgliche Nahrung. Der Hund, die Katze und das Pferd beriechen alle ihnen unbekannte Gegenſtände und ſcheinen ſich durch den Geruch über das Weſen derſelben aufzuklären; dasſelbe ſcheint von den Inſecten zu gelten, auch die Ameiſen und Weſpen fin den durch ihn den Weg zu ihrem oftmals ganz verborgenen Futter. Die Necrophaga und Geotrupidae fliegen oftmals ſchnurgerade auf Gegenſtände, die ihrem Geſichte unverbor— gen blieben; die Hymenopteren entdecken ihre Beute im ent⸗ legenſten Verſteck. Die verſchiedenen ſtarken Gerüche, welche einige Inſecten entlaſſen und durch welche ſie ihre Beute zu betäuben, auch die Ankunft ihrer Feinde zu ſignaliſiren ſchei— nen, macht es wahrſcheinlich, daß auch ſie ſelbſt mit dem Geruchsſinne begabt ſind. Die fleiſchfreſſenden Coleopteren, z. B. Calosoma sycophanta, mehrere Staphylis- und Necro- phaga- Arten, eben fo einige Meloe-Arten und viele andere geben einen mehr oder minder ſtarken Geruch von ſich. Nun findet man aber da, wo der Geruchsſinn am mei— ſten entwickelt ſcheint, auch die entwickeltſten Antennen. Der Sinn des Geſichts und Geruchs genügt den meiſten Thieren zum Auffinden ihrer Nahrung, einige folgen mehr dem Ge— ruche, andere mehr dem Geſichte, die entſprechenden Organe ſind nach dieſem Verhältniß entwickelt; die nächtlichen Thiere haben z. B. größere Augen, welche eine größere Lichtmenge aufzunehmen vermögen, ſie ſcheinen aber außerdem noch einen feinen Geruch beſitzen. Die Waſſerjungfer haſcht ihre Beute durchs Geſicht allein geleitet, ihre großen Augen ſind ſo ſehr entwickelt, daß ſie der Führung des Geruches kaum noch bedarf; ihre Antennen ſind deßhalb nur klein und verhältnißmäßig einfach gebaut. Der Necrophorus da— gegen, der ſein Futter nur durch den Geruch zu ſuchen ſcheint und keinen fo ſchnellen und gewandten Flug beſitzt, hat ungleich größere keulenförmige Antennen. Auch die nächtlichen Inſecten beſitzen außer ihren großen, wie es ſcheint dennoch nicht ausreichenden Augen noch größtentheils ſehr mächtige und complieirt gebaute Antennen. Diejenigen Inſecten, welche eine gemiſchte Nahrung zu ſich nehmen, bedürfen, um ihr Futter zu finden, keines ſo feinen Ge— ruches als andere, welche nur von einer beſtimmten Nah— rung leben; deßhalb find die Antennen der Staphylis- Arten und der Fliegen nur einfach, die der Curculoiden und La— mellicornen, welche, wie die Geotrupiden, Melolonthiden und Cetoniaden größtentheils auf ein beſtimmtes Futter angewieſen find, dagegen um ſo entwickelter. N Die Antennen des Männchens ſind in der Regel mehr entwickelt wie die des Weibchens. Der Verf. ſieht hierin einen neuen Beweis zu Gunſten der Antennen als Geruchs— organe. Das Männchen ſucht nämlich das Weibchen, wel— ches meiſtens in Büſchen und Bäumen verſteckt ſitzt, in ei- nigen Gattungen flügellos und überall in ſeinen Bewegungen ſchwerfälliger iſt, auf. Die Verſchiedenheit der Lebensweiſe iſt oftmals ſo groß, daß man die Weibchen gewiſſer In— fecten nur ſelten zu Geſicht bekommt, während die Männchen ſehr häufig ſind. Was führt nun aber das Männchen in den Schlupfwinkel, welcher das Weibchen verbirgt? Der Verfaſſer ſetzte ein unbefruchtetes Weibchen eines Nacht— ſchmetterlings unter eine Doſe und ſah, wie mehrere Männ— chen derſelben Art aus beträchtlichen Entfernungen herbei— kamen und ſich um die Doſe ſammelten; ſie konnten nicht durch das Geſicht und Gehör geleitet werden, der Geruch allein mußte ſie führen, zumal derſelbe Verſuch mit einem befruchteten Weibchen wiederholt, kein Männchen herbeilockte. Die Antennen der Larven ſind klein und rudimentär, ſie entwickeln ſich erſt mit den Geſchlechtsorganen zur vollen Größe; auch das Geruchsorgan der höheren Thiere entfaltet ſich erſt mit der allgemeinen Entwicklung des Körpers, dies gilt namentlich vom Menſchen. Wären die Antennen Ge— hörwerkzeuge, fo müßten fie bei den Inſecten, welche Töne von ſich geben, am beſten entwickelt ſein, dies iſt aber nicht der Fall; dagegen ſieht man, ſobald ein Inſeet nach Nah— rung ſucht, ſeine Antennen in großer Thätigkeit, man braucht einem Hirſchkäfer nur etwas Honig zu nähern, um zu ſehen, wie ſich ſeine Antennen ausbreiten. Einige Naturforſcher haben zwar aus der Bewegung der Antennen bei einem plötzlichen Geräuſch auf ihre Function als Gehörorgan ge— ſchloſſen, dem Verf. ſcheint dieſer Schluß nicht gerechtfer— tigt; auch der Menſch bewegt unter ähnlichen Verhältniſſen nicht ſelten krampfhaft Arme und Beine, ohne daß letztere mit dem Gehör irgend etwas zu thun haben. Die Anten— nen ſcheinen demnach wirklich Organe des Geruchsſinnes oder eines ihm nahe ſtehenden Vermögens zu ſein. (The Zoologist, No. 47, 1848.) Mifcelle 1. Eine neue Bohrmuſchelart, welche kürzlich von Quatrefages beſchrieben ward, bewahrt den ganzen Winter über ihre im Herbſt dem Ei entſchlüpften Larven im Kiemencanale. (Aus dieſem Umſtande erklärt ſich die Annahme, daß die Bohr⸗ muſchel ſowohl Eier legen als lebende Junge gebären ſoll.) Bei zwei anderen von Quatrefages unterſuchten Arten dieſer Mufchel enthielten die Geſchlechtsorgane weder Eier noch Samenfäden; dagegen fand er ſowohl in den Falten des Mantels als in den Kiemen Larven von verſchiedenem Alter. Er ſah, wie noch eine andere Art, die ihm die eigentliche Schiffsbohrmuſchel der meiſten Autoren zu ſein ſcheint, wirklich Eier legte, welche am Grunde des Waſſers blieben und ohne eine nachfolgende Befruchtung niemals zur Entwicklung kamen; dieſe Befruchtung erfolgte durch eine Sa⸗ menergießung. Der Verf., welcher 3 Monate lang lebende Bohr- muſcheln bewahrte, beobachtete ſowohl das Eierlegen als die äu— ßerliche Befruchtung derſelben zu verſchiedenen Malen. Nach ihm ſind die Bohrmuſcheln keineswegs Zwitter; niemals fand man Eier 9 155. VIII. 1. 10 und Samenfäden in einem Individuo, wohl aber ſieht man bei todten Thieren, deren Geſchlechtsorgane ſchon theilweiſe zerſetzt ſind, eine dem Inhalte des Hoden nicht unähnliche Maſſe, die bei mikroſkopiſcher Beſichtigung aus kleinen Körperchen, zerſetzten Häu⸗ ten u. ſ. w. beſteht und deren kleinere Theilchen die Browyſche Molecularbewegung zeigen, aber keineswegs Samenfäden, ſondern nur ein Zerſetzungsproduet ſind. Dieſe Maſſe erfüllt ſowohl die Zellen, indem ſich beim Weibchen die Eier bilden als den Hoden des Männchens, kann aber keineswegs als Beweis für den Herma— phroditismus gelten. (L'Institut, No. 755.) Heilkunde. (I) Beobachtungen über das Maſerncontagium. Von P. L. Panum, prakt. Arzte in Kopenhagen. Aus dem Archiv für pathol. Anatomie und Phyſtolo— gie von Virchow und Reinhardt, 3. Heft, geben wir eine werthvolle Unterſuchung über einen praktiſchen Gegen— ſtand unverändert, da nicht leicht die Gelegenheit ſich bietet, fo methodiſch die Contagioſitätsfrage über eine Krankheit zu löſen. b „Im Jahr 1846 graſſirte vom April bis October auf den Färöern, jener Inſelgruppe zwiſchen Schetland und Is— land, eine Maſernepidemie, welche über 6000 der 7782 Einwohner befiel. Dieſe faſt beiſpielloſe Ausbreitung er— langte die Epidemie dadurch, daß Maſern ſeit 1781, alſo in 65 Jahren, auf den Inſeln gar nicht vorgekommen wa— ren, ſo daß faſt ſämmtliche Individuen ohne Rückſicht auf das Alter für das contagium empfänglich waren. Folgende Umſtände erklären dieſe Sonderbarkeiten. Die Färöer ſind nicht nur durch ihre geographiſche Lage, ſondern noch weit mehr durch ein Jahrhunderte lang beſtehendes Handelsmonopol von der übrigen Welt iſolirt. Die Einwohner dürfen ihre Producte nur an die Königl. Färöiſche Handlung verkaufen und ſind auf gleiche Weiſe genöthigt, ihre Bedürfniſſe aus dieſer Handlung zu beziehen, indem jeder andere Verkehr auf das ſtrengſte verpönt iſt. Nur die königlichen Handels— ſchiffe können daher den Färöbern anſteckende epidemiſche Krankheiten zuführen, etwas das durch Quarantainegeſetze, die bis vor wenig Jahren die Maſern mit umfaßten, noch erſchwert wird. Dieſe unnatürliche Iſolation hat auf ſolche Weiſe für die Einwohner doch den Vortheil, daß ſie we— niger von dieſen Krankheiten heimgeſucht werden und deß— halb durchſchnittlich ein hohes Alter erreichen. Während nämlich die durchſchnittliche Lebensdauer für Rußland zu 21,3, für Preußen zu 29,6, für die Schweiz zu 34,6, für Frankreich zu 35,8, für Dänemark zu 36 und für England zu 38,5 Jahren angegeben wird, habe ich für die 11 Jahre von 1835—45 ineluſide auf den Färöern dieſelbe zu 44,6 Jahren berechnet, und während in Dänemark die größte Mortalität mit Ausnahme des erſten Lebensjahres, zwiſchen dem 60ſten und 70ſten Lebensjahre ſich findet, ſo ſterben auf den Färöern ebenfalls mit Ausnahme des erſten Lebens— jahres, bei weitem mehr Menſchen zwiſchen dem 80ſten und 90ſten Jahre als in irgend einem anderen Lebensdecennium. Da nun die klimatiſchen ſowie die diätetiſchen Verhält— niſſe, wie ich ausführlich in Bibliothek for Läger, 3den Räkke 1fte Bds. 2det Heft nachgewieſen habe, weit eher ungünſtig als günſtig genannt werden müſſen, ſo glaube ich annehmen zu dürfen, daß es beſonders die in andern Län— dern fortwährend herrſchenden anſteckenden epidemiſchen Krank— heiten ſind, welche anderswo die Mortalitätsverhältniſſe un— günſtiger machen als auf den Färöern. Der genannte viel— leicht einzige Vortheil, den die unnatürliche Iſolation auf dieſe Weiſe herbeizuführen ſcheint, wird aber vollſtändig aufgehoben durch das unſägliche Elend, das ſich über das Land verbreitet, wenn endlich ein Mal eine ſolche Krank— heit ausbricht. Statt daß z. B. die Maſern bei uns nach und nach die Kinder befallen und daher die Erwachſenen gewöhnlich verſchonen, wurden auf den Faröern oft ſämmt— liche Hausbewohner ſo zu ſagen, auf ein Mal krank, ja ich traf Dörfer mit 100 Einwohnern, von denen über 80 auf ein Mal bettlägerig waren. Überall, wohin die Krankheit kam, lag der Erwerb danieder, und die Noth der Einwoh— ner war fo groß, daß die däniſche Regierung ſich veranlaßt fühlte, 2 Arzte, Hrn. Manicus und mich, nach dieſen fernen Eilanden abzuſenden, damit den Bewohnern es an ärztlicher Hülfe nicht fehlen und dem Übel wo möglich eine Grenze geſetzt werden möchte. Bei dieſer Gelegenheit mach— ten die eigenthümlichen Verhältniſſe, die auf dieſer merk— würdigen Inſelgruppe obwalten, es mir möglich, über die Natur des Maſerncontagiums einige Beobachtungen anzu— ſtellen, die vielleicht nicht ohne theoretiſches Intereſſe ſind und unter Umſtänden auch vom praktiſchen Arzte einige Be— rückſichtigung verdienen. Die bewohnten Inſeln, 17 an der Zahl, ſind durch Meerengen, deren Strömungen zum Theil ſehr gefährlich ſind, von einander ſo getrennt, daß die Bewohner einer In— ſel bei ihrer höchſt beſchränkten Weltkunde ſich oft für ein ſelbſtändiges Völkchen halten. Die gebirgige Beſchaffenheit der Inſeln, die faft alle eine Höhe von 1000 — 2000 Fuß erreichen, erlaubte den im Iten Jahrhundert aus Norwegen eingewanderten Einwohnern nicht, ſich an einem jeden be— liebigen Orte anzuſiedeln, ſondern nöthigte ſie, die hier und dort an den Küſten befindlichen Bergthäler zu Wohnſitzen zu wählen. So entſtanden kleinere oder größere Dörfer, von denen die kleinſten kaum 20, die größten kaum über 200 Einwohner haben. Nur in Thorshaon, dem Sitze der adminiſtrativen Beamten, leben gegen 800 Menſchen bei— fammen.: Die Bewohner jedes Dorfes oder Dörfchens bil— den gewiſſermaßen eine Familie, die oft lange Zeit auf ſich ſelbſt angewieſen iſt; ja es giebt Dörfer, die oft Monate lang von keinem Fremden beſucht werden und deren Be— wohner eben ſo lange Zeit ihren Wohnort nur des Fiſch— 11 155. fangs oder der Schafzucht wegen verlaſſen, ohne mit irgend einem Menſchen aus einem andern Orte zuſammentreffen. Faſt nur wenn ſie ihre Bedürfniſſe an einem der Handels— plätze für ihre Producte eintauſchen oder wenn ein allgemei— ner Aufruf an die Männer ergeht, um ſie zum Fange einer Schaar von Grinden *) bei Hunderten zu verſammeln, jteht man Leute aus verſchiedenen Dörfern in größerer Anzahl beiſammen. Dieſe Iſolation der einzelnen Wohnplätze und ihrer Bewohner macht ferner, daß jede Berührung mit Ein— wohnern anderer Ortſchaften einem jeden bekannt iſt und als etwas merkwürdiges oft im Kalender notirt wird und noch nach langer Zeit allen erinnerlich iſt. Dieſes war während der Maſernperiode wegen der großen Furcht, die ſie vor anſteckenden Krankheiten nähren, noch mehr als ge— wöhnlich der Fall; ich konnte daher faſt in jedem Dorfe ganz genaue Auskunft über den erſten Urſprung und die weitere Verbreitung der Krankheit erhalten. Da hierzu noch kam, daß es mir zufiel, während der Epidemie bei weitem die Mehrzahl (13) der Inſeln faſt ohne Unterbrechung in einer Zeit don mehr als 4 Monaten zu bereiſen, ſo iſt es einleuchtend, daß die Umſtände fuͤr die Beobachtung des Contagiums mir ſo günſtig waren, wie ſie ſich nur ſelten einem Beobachter darbieten. Über die Dauer des Ineubationsſtadiums der Maſern hatte man, ſo viel mir bekannt iſt, bis dahin keine genauen und befriedigenden Beobachtungen, indem einige Verfaſſer die Länge desſelben zu 8, andere zu 10—14 Ta: gen anſchlagen und wieder andere gar kein beſtimmtes sta- dium contagii latentis annehmen. Dieſes kann indeß nicht befremden. In einer Hauptſtadt z. B. wird man äußerſt ſelten verſichern können, daß ein Maſernkranker an einem beſtimmten Tage und zu einer beſtimmten Stunde angeſteckt wurde, weil man faſt nie wird beweiſen können, daß er durchaus nicht, weder früher noch ſpäter, ohne es zu wiſſen, der Einwirkung des Maſerncontagiums ausgeſetzt war. Kurz, es find ähnliche Verhältniſſe, wie ich fie auf den Färöern vorfand, nöthig, um Erfahrungen hierüber zu erwerben, die etwas beweiſen. Der erſte, der auf den Färöern von den Maſern be— fallen wurde, war ein jetzt in Thorshavn wohnhafter Tiſch— ler. Er verließ Kopenhagen den 20. März und kam den 28. in Thorshaon an; unterwegs hatte er ſich vollkommen wohl befunden, aber an einem der erſten Tage des April erkrankte er an den Maſern. Kurz vor ſeiner Abreiſe hatte er in Kopenhagen Maſernkranke beſucht. Ungefähr 14 Tage ſpäter wurden feine beiden vertrauteſten Umgangsfreunde er— griffen. Dieſe, obgleich ungenau beobachteten **) Fälle, die mir vor meiner Abreiſe aus Thorshaon mitgetheilt wurden, *) Der Grind, eine große Delphinart, umſchwärmt wahrend des Som⸗ mers in großen Schagren von 100 — 1000 Stück das Land; verirrt ſich ein ſol⸗ cher Haufe in eine Meerenge, jo verfammelt ſich eine große Anzahl Männer aus verſchiedenen Gegenden, um ihn an einem geeigneten Platze zu erlegen. Ein ſolcher Grindfang iſt das größte Feſt, das der Färing kennt, und nur de kalten Nothwendigkeit vermag ihn von der Theilnahme an demſelben abzuhalten. **) Landchirurg Regen burg, der Hausarzt des Tiſchlers, war ſelbſt krank, als die Krankheit zn Mannes am heftigſten war, fo weit Herr R. ſich er- innern kann, am 4. April. VIII. 1. 12 beſtimmten mich, auf meinen Reiſen der Dauer des Ineu— bationsſtadiums einige Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Das erſte Dorf, das ich auf meinen Reiſen am 2. Juli erreichte, war Tjörnevig auf Nordſtrömö, wo 80 der 100 Einwohner auf ein Mal daniederlagen. Am 4. Juni hat— ten 10 Männer aus Tjörnevig in einem Boote an einem Grindfange zu Weſtmannhaon Theil genommen und gerade am 14. Tage danach, am 18. Juni, brach das Maſern— eranthem bei allen dieſen 10 Männern aus, nachdem fie fit) 2—4 Tage unwohl befunden und an Huſten und Schmer— zen in den Augen gelitten hatten. Dieſe 10 Männer waren nirgends beiſammen geweſen als bei dem berührten Grind— fange, und keiner von ihnen war an einem anderen Orte geweſen, wo man im entfernteſten eine Anſteckung, die ſie ſehr fürchteten und ſorgfältig zu vermeiden geſucht hatten, hätte vermuthen können. In Weftmannhaun dagegen hatten ſie nicht nur mit vielen Männern verkehrt, die kurz vorher der Maſern halber das Bett hatten hüten müſſen, ja die vielleicht noch friſches Exanthem hatten, ſondern fie hatten ſich auch längere Zeit in Häuſern aufgehalten, wo Leute am Tage nachher wegen Ausbruchs des Maferneranthems ſich zu Bette legen mußten. 12 — 16 Tage nachdem dieſe 10 Männer Maſern bekommen hatten (nach dem Ausbruche des Exanthems zu rechnen), brach faſt bei allen übrigen Ein— wohnern des Dorfes das Maſernerxanthem aus, mit Aus— nahme einiger weniger Perſonen, die erſt 12— 16 Tage nach der zweiten Niederlage angegriffen wurden. Dieſe Erfahrung weckte die Vermuthung, daß das Ma— ſerncontagium während längerer Zeit, gewöhnlich 10 — 12 Tage, nachdem es in den Organismus aufgenommen iſt, keine ſichtbare Wirkung hervorbringe, da das katarrhaliſche stadium prodromorum erſt nach Verlauf dieſer Zeit ſeinen Anfang nahm, und daß das Exanthem erſt am [Aten Tage nach der Aufnahme des Anſteckungsſtoffs zum Vorſchein komme. Wenn dieſe Vermuthung ſich beſtätigte, ſo würde die Beobachtung, daß die 2te und Zte Reihe von Erkran— kungen jedes Mal nach einem Zwiſchenraume von ungefähr 14 Tagen erfolgte, es wahrſcheinlich machen, daß die Ma— fern während des Eruptions- und Effloreſcenzſtadiums und nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, während der De— ſquamation ihre größte Anſteckungskraft haben. Um zu unterſuchen, in wiefern dieſe Vermuthungen gegründet ſeien oder nicht, beſchloß ich in jedem Dorfe, wo— hin ich kam, ein kleines möglichſt genaues Verhör über den Urſprung, die Veranlaſſung und Ausbreitung der Krankheit aufzunehmen. Auf dieſe Weiſe habe ich in 52 Dörfern die Namen der Perſonen, die zuerſt Maſern bekamen, die Ver— anlaſſung, wodurch und das Datum, da ſie der Anſteckung ausgeſetzt waren, das Datum, da das Eranthem bei ihnen zum Vorſchein kam, und wie lange Zeit nachher andere Einwohner Eranthem bekamen, notirt. Es würde indeß zu ermüdend werden, dieſes für jedes einzelne Dorf durchzu— gehen, um ſo mehr, da ich überall die oben ausgeſprochenen Vermuthungen beſtätigt fand und kein Fall mir vorkam, welcher hätte darthun können, daß es Ausnahmen von der Regel giebt. Ich will daher hier nur einige Fälle anfüh— 13 ren, wo ſich dieſe Verhältniſſe auf eine recht auffallende Weiſe bekräftigten. In Welberſtad auf Südſtröms erhielt ich Angaben, die gegen meine Vermuthung über eine beſtimmte Dauer des Incubationsſtadiums ſtritten, inſofern bei einer Kranken von dem Augenblicke, da die Kranke ein einziges Mal der An— ſteckung ausgeſetzt war, bis zu dem Tage, da das Granthem zum Vorſchein kam, nur 10 Tage verfloſſen fein ſollten. Da es ein ſehr glaubwürdiger Mann war, der mir dieſe Angaben machte, und die Kranke überdies ſeine eigene Frau (2 V.) war, ſo glaubte ich hier eine Ausnahme von der Regel gefunden zu haben. Aber etwa 14 Tage ſpäter ließ derſelbe Mann mir durch ſeinen Neffen, den Hrn. Paſtor D. ſagen, daß ſeine Angabe unrichtig geweſen ſei und daß wirklich gerade 14 (nicht 10) Tage zwiſchen dem Augen— blicke verfloſſen ſeien, da ſeine Frau ſich der Anſteckung aus— ſetzte und da das Eranthem zum Vorſchein kam. Der Mann hatte kurz vor meiner Ankunft gleichzeitig eine theure Gattin und ſeine Schweſter an den Maſern verloren, und ſeine Trauer hatte ihn zerſtreut gemacht. Der zweite Fall, wo ich eine Ausnahme von der Re— gel zu finden glaubte, war in Hatterwig auf Fuglö. Ein junger Mann, der erſte, welcher dort die Maſern bekommen hatte, erzählte, daß er mit Ausnahme des zweiten Pfingſt— tages, 1. Juni, Hatterwig gar nicht verlaſſen hätte. An dieſem Tage ſei er nämlich mit einem andern Manne in Arnefjord auf Bordé geweſen, wo die Maſern damals zwar noch nicht ausgebrochen waren, wo er aber ſpäter erfahren hätte, daß ein Mann am 3. und 2 andere am 8. Juni Eranthem bekommen hätten *). Dieſer junge Mann ver— ſicherte nun, daß das Exanthem bei ihm ſich ſchon am 11. Juni, bei ſeinem Begleiter erſt am 14. Juni gezeigt hätte. Obgleich ich ihm vorſtellte, daß es für andere Menſchen ſehr wichtig ſei, daß er mir die Wahrheit ſagte, und daß von einer Verantwortlichkeit für ihn nicht die Rede ſei, ſo wollte er doch nicht einräumen, daß er ſich früher irgendwo der Anſteckung ausgeſetzt hätte. Am Abend aber, da ich mich in färöiſcher Nationaltracht in der Rauchſtube **) auf: hielt, kam er zu mir und bat mich um Verzeihung, daß er vorhin nicht recht nachgedacht hätte; er ſei nämlich auch am 30. Mai am Handelsplatze in Klakswig geweſen und habe ſich in berauſchtem Zuſtande in mehrern Häuſern, wo die Maſern waren, aufgehalten. Die etwas verhörmäßige Form, die ich meiner Examination gegeben hatte, hatte den jun— gen Mann auf dem iſolirten Fuglö ängſtlich gemacht und ihn veranlaßt, die Wahrheit zu verhehlen. In Selleträd auf Ofterd ſagte man mir, daß ein jun— ger Mann am 4. Juni beim Grindfange zu Weſtmannhavn angeſteckt worden ſei und daß er am 9. Juni Exanthem be— kommen habe, ſowie daß ſein jüngerer Bruder und andere *) Dieſes war richtig. Der eine Mann war am 20. Mai am Handels- platze Klakswig geweſen, wo die Maſern raſſirten, und er bekam Exanthem am 3. Junt; die 2 andern waren am 25. Mai ebendaſelbſt geweſen und ihr Eranthem zeigte fih am 8. Juni. **) Die Rauchſtube iſt ein Zimmer ohne Fenſter, nur mit einem vlereckt⸗ en Loche im Dache verſehen, wodurch das Licht hineinfällt und der Rauch en e Dieſes Zimmer iſt zugleich Küche, Schlafzimmer für die Dienſt⸗ oten, Speiſe-, Arbeits- und Verſammlungszimmer. 155. VIII. 1. 14 Leute im Dorfe von ihm angeſteckt wurden und am 17. Juni Eranthem bekamen. Ich verlangte den Kalender und fragte, wo der ältere Bruder am 26. Mai (14 Tage, ehe das Eranthem bei ihm ausbrach) ſich aufgehalten habe. Man ſagte mir dann, daß er gerade an dem Tage in Nord— Ore, wo die Maſern graſirten, geweſen ſei, und an dem— ſelben Tage unterwegs in Sydre-Göthe in einem Bette mit dem Knecht der Wittwe P. Johnſen gelegen habe, daß er aber in Nord-Ore in keinem Hauſe angeſprochen habe und in Sydre⸗Göthe damals keine Maſern geweſen ſeien. Beim Durchſehen meiner Notizen fand ich indeß, daß der Knecht in Sydre-⸗Göthe, bei dem er geſchlafen hatte, der erſte war, der dort die Maſern bekam und daß ein Paar Tage ſpäter das Eranthem am ganzen Körper bei demſelben ausgebro— chen war. Demnächſt erfuhr ich, daß gerade die Leute im Dorfe, die gleichzeitig mit dem jüngſten Bruder Maſern— eranthem bekommen hatten, im Verein mit den beiden Brü— dern am Grindfange in Weſtmannhaon Theil genommen hatten. Es war mir nun klar, daß der älteſte Bruder am 26. Mai in Sydre-Göthe (oder vielleicht in Nordöre) und der jüngſte gleichzeitig mit den andern Bewohnern in Weſt— mannhaon am 4. Juni angeſteckt worden war. Als ich zum erſten Mal in Fuglefjord auf Oſterö war, hatte die Tochter meines Wirths, des Bauern J. Hanſen, eben die Maſern gehabt, aber ſchon das Bett verlaſſen und befand ſich bis auf etwas Huſten, woran ſie noch litt, voll— kommen wohl. Alle 9 andern Perſonen im Hauſe fühlten ſich völlig wohl und äußerten ihre Hoffnung, von der Krank— heit verſchont zu bleiben. Ich fragte, an welchem Tage das Eranthem ſich bei der Tochter gezeigt hätte, verlangte darauf den Kalender und zeigte ihnen in dieſem den Aten Tag danach mit dem Bemerken, daß ſie den Tag mit einem ſchwarzen Strich bezeichnen möchten, denn ich fuͤrchtete, daß er andern Hausbewohnern die Maſern bringen würde; ge— ſchähe das nicht, ſo könnten ſie ſich einige Hoffnung ma— chen, verſchont zu bleiben. Zufälliger Weiſe wurde ich etwa 10 Tage ſpäter nach Fuglefjord geholt, und man kam mir mit dem Ausruf entgegen: „Du hatteſt recht, wie Du ſagteſt! an dem Tage, den Du uns zeigteſt, kamen die Ma— ſern mit ihren rothen Flecken bei allen 9 Bewohnern des Hauſes zum Vorſchein.“ Als ich auf meiner erſten Reiſe meine Vermuthungen in den 13 Dörfern, die ich auf derſelben beſuchte, beſtätigt gefunden hatte, hielt ich es für meine Pflicht, ſie meinen Collegen, namentlich Hrn. Landchirurg Regenburg in Thorshabn und Hrn. Manieus auf Suderöb mitzutheilen. Beide haben mir ſpäter geſagt, daß auch ſie dieſelben in ihrer Praxis beſtätigt gefunden haben, ohne jedoch überzeugt zu ſein, daß ſich keine Ausnahmen von der Regel finden. In feinen in Ugeſkr. f. Läger Aden Räkke VI. No. 13—14 mitgetheilten Beobachtungen führt Hr. Manieus indeß keinen gegen die beſtimmte Dauer des Incubationsſtadiums beweiſenden Fall an, wohl aber für meine Vermuthungen ein ſehr ſtringentes Beiſpiel aus feiner Praxis, das ich nicht umhin kann, mitzutheilen. Der große Dimon iſt eine ſehr kleine, von ſenkrechten Felswänden und höchſt gefähr— 15 155% WII. I. 16 licher Brandung umgebene Inſel, die nur von einer aus 18 Perſonen beſtehenden Familie bewohnt iſt. Die Bewohner dieſer Inſel hatten in mehreren Monaten durchaus mit kei— nem andern Menſchen verkehrt als eine Bootsmannſchaft fi) nach dem Handelsplatze Toeraa auf Suderö begab, wo die Maſern graſſirten. Sie hielten ſich nur wenig Stunden daſelbſt auf, kehrten nach ihrer Inſel zurück und verkehrten auch ſpäter mit niemand. Mehr als 10 Tage lang war die ganze Bootsmannſchaft geſund, da aber fingen ſie auf die gewöhnliche Weiſe zu kränkeln an und vor Ablauf des 14ten Tages hatten fie alle Exanthem bekommen. Grit nach Verlauf anderer 14 Tage zeigte das Exanthem ſich bei dem übrigen Theil der Familie. — Der practicirende Arzt Hr. Nolſöe in Thorshaon verſicherte mir ebenfalls, überall die angeführten Beobachtungen beſtätigt gefunden zu haben, nur in Skaalevig auf Sands hielte die allgemeine Regel nicht Stich und es ſei dort unmöglich, ein beſtimm— tes Incubationsſtadium oder irgend eine Regel für die Aus— breitung der Krankheit zu entdecken. Am 24. September kam ich indeſſen ſelbſt nach Skaalevig, wodurch es mir möglich wurde, genauere Erkundigungen einzuziehen. Hr. Nolſöe war vor Pfingſten drei Mal nach Staalevig, wo damals eine heftige Influenza-Epidemie herrſchte, geholt worden, das erſte Mal am 5., das zweite Mal am 12. und das dritte Mal am 18. Mai. Am 19. Mai bekam einer der Männer, die das erſte Mal (am 5. Mai) den Arzt hol— ten, Maſerneranthem und am 25. Mai einer derer, die ihn zum zweiten Mal (am 12. Mai) holten. Der erſte Mann, der die Maſern bekam, hatte eine Schweſter, die dem reichen Bauern J. Dahlsgaard diente. Sie hatte, obgleich es ihr verboten war, den Bruder beſucht und bekam am 2. Juni (14 Tage nach dem Bruder) Maſernexanthem; eine andere Magd desſelben Bauern hatte den zweiten Mann, der am 25. Mai Exanthem bekommen hatte, beſucht und bei ihr zeigte das Maſerneranthem ſich am 7. Juni. Darauf be— kam die Frau des Bauern Exanthem am 16. Juni (14 Tage nach der erſten Magd) und am 20. Juni (13 Tage nach der zweiten Magd) 3 Kinder und 2 Knechte; der Bauer ſelbſt bekam es am 30. Juni (14 Tage nach der Frau), die älteſte Tochter am 4. Juli (14 Tage nach den Geſchwi— ſtern) und der älteſte Sohn am 7. Juli. In mehreren Häuſern, wo ich über den Urſprung der Maſern Erkundi— gungen einzog, erfuhr ich, daß erſt ein Knecht oder eine Magd, deren Familie die Maſern hatte, angeſteckt und 14 Tage nachher die Krankheit bei einem oder mehreren ande— ren Bewohnern des Hauſes zum Ausbruch gekommen war. Die nähere Uuterſuchung zeigte hier alſo, daß Skaalevig, weit entfernt eine Ausnahme von der Regel zu machen, im Gegentheil ein ſehr vollſtändiges Beiſpiel für die conſtante Dauer des Incubationsſtadiums und für die größte Anz ſteckungsfähigkeit der Maſern im Effloreſcenzſtadium abgab. Die langſamere Ausbreitung der Krankheit in Skaalevig und namentlich im Hauſe des J. Dahlsgaard erklart ſich leicht daraus, daß Skaalevig vielleicht unter allen färöiſchen Dörfern am weitläuftigſten gebaut iſt, indem die meiſten Häuſer ganz iſolirt mitten im Felde liegen, und daß das Haus des genannten Bauern ſehr geräumig iſt, ſo daß die Schlafzimmer weit mehr von einander abgeſondert ſind als es in den färöiſchen Wohnungen ſonſt gewöhnlich iſt. Ge— gen das Ende der Epidemie kam, wie es ſcheint, auch die Abnahme der Intenſität des Contagiums in Betracht. Eben ſo wie hier, griff gegen das Ende der Epidemie die Krank— heit langſam um ſich in Kund, Midtvaag und Sandevaag. Statt daß während des Kraftſtadiums der Epidemie, z. B. in Thörnevig, und 14 Tage nachdem eine oder mehrere Perſonen die Maſern bekommen hatten, die Mehrzahl der Bewohner des Dorfes angegriffen wurde, während nur eine verhältnißmäßig kleine Anzahl bis 14 Tage nach der gro— ßen Niederlage verſchont wurde, jo wurden in den letztge— genannten Dörfern die Leute nach und nach krank, ſo daß nur einige wenige 14 Tage nach den erſt Erkrankten Er— anthem bekamen, andere nach anderen 14 Tagen, etwa 14 Tage ſpäter wieder andere u. |. w., fo daß die Krank- heit ſich länger in den ſpäter als in den früher angegrif— fenen Dörfern conſervirte. Dabei bewahrten doch die Ma— fern ihr beſtimmtes Inecubationsſtadium, und ich weiß kei— nen Fall, wo ſich die Maſern nach einer mehr als IAtägi— gen Pauſe wieder in einem Dorfe gezeigt hätten, ohne daß eine neue Anſteckung anderswoher Statt gefunden hätte. Doch kann man nicht die Möglichkeit abläugnen, daß das contagium längere Zeit nach Aufhören der Maſern ſich z. B. in Wolle, Kleidern oder dergleichen conſerviren könnte. (Schluß folgt.) Miſeceelle. (1) Exereierknochen hat Hr. Prof. Blaſius jetzt auch bei Cavalleriſten aufgefunden, nämlich am Oberſchenkel über dem condylus internus in dem Zwiſchenraume zwiſchen dem m. vastus internus und dem semimembranosus; es fand ſich bei einem Manne an beiden Schenkeln an der genannten Stelle eine ziemlich ſtarke gegen 4 Zoll lange Knochenplatte, welche nach dreijährigem Dienjt bei den Cüraſſieren entſtanden fein, ſeitdem aber ſich nicht weiter verändert haben ſollte. Es fragt ſich nun, ob dieſe Knochenbildungen ſich bei Cavalleriſten öfters finden, wie ſich bekanntlich Exercier⸗ knochen bei Infanteriſten an der linken Schulter, wo das Gewehr aufliegt, häufig genug gefunden haben. (Med. Zeit. d. Vereins f. Hlkde. in Pr. No. 19.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Essai anatomique et physiologique sur les secretions; par M. G. L. Duver- noy, membre de l'Institut. In 80 de 3 feuilles /. Paris 1848. C. Müller, Synopsis muscorum frondosorum. Fasc. II. gr. 8. Geh. 1 Thlr. Forstner in Berlin 1848. : O. Berg, Charakteristik der wichtigsten Pflanzengenera. 10. Lfg. gr. 4°. ½% Thlr. Plahnsche Buchh. in Berlin 1848. Histoire naturelle des mollusques terrestres et d’eau douce qui vivent en France; par l’abbe D. Dupuy, professeur d'histoire naturelle. Second fascicule. In 4° de 17 feuilles !/,. Paris 1848, chez Masson. Trepanation par evulsion; par le docteur Jules Rouæ (de Toulon). In 8d de 2 feuilles. Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. * Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. . Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 156. (Nr. 2. des VIII. Bandes.) October 1848. Naturkunde. Will, über das Gift im Wehrſtachelapparat der Hymenopteren und in den Oberkiefern der Spinnen. — Da vy, über das ſpeeifiſche Ge⸗ wicht des Seewaſſers an der Küſte des britiſchen Guiana. — Reuault, über die Organiſation der Trilobiten. — Klinsmann, Isoötes lacustris in Weſtpreußen. — Miſcellen. Flemming, über vie . der Algen. Beobachtungen über das Maſerncontagium, (Schluß.) — 2 weiterung des Geſchaͤftskreiſes der Militärärzte. — Bibliographie. Thorel, der Indigo aus Polygonum tinctorium. — Heilkunde. Panum, iſcellen. Higginbottom, Behandlung des erysipelas mit Höllenſtein. Eigenthümliche Er⸗ f Natur kunde. III. Über das Gift im Wehrſtachelapparat der Hy⸗ menopteren und in den Oberkiefern der Spinnen. Während ich meine Unterſuchungen über die Raupen von Bombyx processionea anſtellte, lag es ziemlich nahe, die Beobachtungen auch auf andere ſcharfe Seerete verſchie— dener Inſecten auszudehnen. Beſonders wünſchenswerth mußte es erſcheinen, über das ſogenannte Gift derjenigen Inſecten etwas näheres zu wiſſen, von welchen nicht ſelten Menſchen geſtochen oder gebiſſen werden. Zunächſt waren es Bienen, Hummeln, Weſpen, Horniſſen und Spinnen, de— nen ich meine Aufmerkſamkeit zuwenden zu müſſen glaubte *). Ich habe mich bei dieſen Unterſuchungen auf die gewöhn— lichſten Arten beſchränkt (ſo namentlich bei den Spinnen beſonders auf Epeira diadema) ohne jedoch die Hauptoerſuche bei allen Hymenopteren, deren ich überhaupt habhaft werden konnte, zu vernachläſſigen. Es wird ſich auch weiter unten Gelegenheit finden, einzelnes hervorzuheben; im ganzen aber waren die Reſultate immer dieſelben, jo daß von dieſer Seite wenig Aufklärung in der Sache zu erwarten war. Deſto öfter und ſorgfältiger wurden die Verſuche mit den gewöhnlichſten Arten angeſtellt, um es zu einem möglichſt hohen Grade der Sicherheit zu bringen. Meine Verſuche aber waren folgende: 1) Läßt man eine Hummel, Weſpe, Biene u. f. f. in ein Lakmuspapier ſtechen, ſo färbt ſich die Umgebung um den Stich auf der Stelle roth; noch deutlicher wird die Röthung, weil ſie einen größeren Raum einnimmt, wenn es gelingt, eines der genannten Thiere ſo zu packen, daß es zu ſtechen verſucht, aber weder die Pincette, noch irgend At 3 ! ah . nen Nea de Ae n abe 2 ies gen ER den daß das Gift der Scorpionen höchſt wahrſcheinlich in dieſelbe Kategorte ge⸗ hört, wie das der Spinnen. No. 2136. — 1036. — 156. einen anderen Gegenſtand erreichen kann; denn dann findet man an der Spitze des Stachels ein ganz helles Tröpfchen, welches auf Lakmuspapier die deutlichſte Röthung erzeugt. Die Bienen laſſen bekanntlich den Stachel leicht ſtecken und reißen ſich mit dem Stachel zugleich den ganzen Giftap— parat heraus. Zerquetſcht man den Giftapparat auf dem Lakmuspapier, ſo wird es natürlich in großer Ausdeh— nung roth und zwar ſehr intenfiv roth. Läßt man eine Kreuzſpinne in mehrfach gefaltetes Lakmuspapier beißen, ſo färbt ſich die Bißſtelle nicht nur an den äußeren, ſondern an allen Blättern des Papieres ſchön roth. Auch bei den Spinnen kann man am Klauengliede der Oberkiefer ein Tröpfchen Gift hängen ſehen, wenn man ſie zum Beißen reizt, ohne ſie beißen zu laſſen. Die herausgenommene Gift— drüſe wirkt, wie der Giftapparat der Bienen, nur noch ſtärker. 2) Sammelt man die Tröpfchen Fluſſigkeit, welche wie oben angegeben, zuweilen an dem Stachel der Hymenopte— ren oder an den Klauengliedern der Oberkiefer der Spinnen hängen, auf einem Glasplättchen oder kürzer, läßt man die Hymenopteren auf das Glas ſtechen und die Spinnen ſo lange darauf beißen, bis ein Tröpfchen Gift an dem Glaſe hängen bleibt und nimmt dazu eine Löſung von ſalpeter— ſaurem Silberoryd oder ſalpeterſaurem Queckſilberorydul, To bildet ſich in beiden Fällen faſt augenblicklich ein weißer Niederſchlag und beide Metalle werden in kuͤrzeſter Zeit re— ducirt. Ich muß jedoch dabei aufmerkſam machen, daß man ſich leicht täuſchen kann, indem bei den Bienen und Hum— meln nicht ſelten ein Tröpfchen Fluͤſſigkeit aus dem After kommt, bevor das Gift durch den Stachel entleert wird, zumal wenn die Thiere ſtark gedrückt werden. In manchen Fällen habe ich die Thiere durchaus nicht dahin bringen können, auf das Glas Gift zu entleeren. Auch bei den Spinuen können Täuſchungen ee, indem dieſelben 19 156. VIII. 2. 20 häufig anjtatt aus den Klauengliedern der Oberkiefer aus dem Munde einige Tröpfchen Flüſſigkeit entleeren. Daß unter den bezeichneten Umſtänden die Reduction des Metalls nicht eintritt, verſteht ſich wohl von ſelbſt. Sollten ſich mit bloßem Auge die reducirten Metall: kügelchen oder Klümpchen nicht erkennen laſſen, ſo ſind ſie doch unter dem Mikroſkope ſicher erkennbar. Um ja keiner Täuſchung unterworfen zu ſein, habe ich von mehreren Hymenopteren (Biene, Weſpe, Horniß, Poli- stes gallica) und von verſchiedenen Spinnen den Giftappa— rat herausgenommen und mit ſalpeterſaurem Silberoryd er— wärmt; die Reduction trat immer auf der Stelle und zwar ſehr deutlich ein. 3) Läßt man auf einem Glasplättchen an einer und derſelben Stelle wiederholt ein Tröpfchen des Giftes von Hymenopteren oder von Spinnen verdampfen, was ſehr ſchnell geſchieht, ſo bleibt ein fettiger, weißlicher Rückſtand, der befeuchtetes Lakmuspapier, aber nur in ſehr geringem Grade röthet. Bringt man denſelben auf die Zunge, be— ſonders auf die Zungenſpitze, ſo ſchmeckt er bitter, nicht ſauer. Bei einem Anthidium war dieſer Rückſtand fo bit— ter, daß ich den Geſchmack über eine Stunde nicht von der Zunge bringen konnte und ſelbſt ſpäter, nachdem ich Bier und Brot genoſſen hatte, noch Andeutungen des bitteren em— pfand. An der von den Ameiſen (Formica rufa, nigra und obsoleta) ausgeſpritzten Ameiſenſäure habe ich dieſelbe Beobachtung gemacht. Legt man nämlich eine größere Glas— tafel auf einen Ameiſenhaufen, ſo iſt ſie bald ganz von Ameiſenſäure befeuchtet, die aber ſchnell verdampft und nur einen weißlichen, ſchwach ſauer reagirenden Rückſtand hinter— läßt, welcher ziemlich bitter ſchmeckt. Eine eigentlich ätzende Einwirkung des bezeichneten Rückſtandes auf die Zunge habe ich aber nicht finden können. 4) Bringt man das auf dem Glasplättchen aufgefan— gene Gifttröpfchen unmittelbar auf die Zunge, beſonders etwas weiter nach rückwärts, ſo hat man immer deutlich den ſaueren Geſchmack und wegen der Flüchtigkeit der Säure auch den ſaueren Geruch; beide Empfindungen ſind aber nicht vollkommen rein, indem ich wenigſtens bei den Bienen einen bienenwachsartigen, bei den Hummeln einen eigen— thümlich ſcharfen, bei den Ameiſen den ſpeeifiſch ameiſen— artigen Geſchmack und Geruch empfand. Bei anderen Hy— menopteren und Spinnen konnte ich in Bezug auf Neben— geſchmack und Nebengeruch zu keinem beſtimmten Reſultate kommen. Die erſte Empfindung nach der Application des Gifttröpfchens iſt immer eine etwas bittere. 5) Die ätzende Einwirkung des Giftes auf die Zunge war ſehr unbedeutend. Zuerſt empfand ich einige flüchtige, in beſtimmten Entfernungen von einander auftretende Stiche, die ſich mehrmals wiederholten, dann in ein kratzendes und endlich in ein pelziges Gefühl übergingen. Niemals war die Einwirkung von langer Dauer, ſelbſt nicht bei der Säure der Formica rufa. Auf der äußeren Haut brachte weder das Gift der Bienen, Hummeln, Weſpen, Horniſſen, noch das der Spinnen, noch auch die Säure der Ameiſen irgend eine Wirkung hervor. Ich ließ verſchiedene Ameiſen in meine Hände beißen und die Säure an unterſchiedlichen Stellen der Haut, ſelbſt an die Lippen ſpritzen. So lange es den Thieren nicht gelang, durch die Oberhaut durchzu— beißen, fo lange hatte ich auch nicht die geringſte Empfin— dung von der Säure. Hr. Dr. Roſenhauer theilte mir jedoch mit, daß ihm ein Mal von der Formica rufa Säure in das Auge geſpritzt und dadurch ein nicht unbedeutender Schmerz veranlaßt worden ſei. Eben ſo wurde mir mehr— fach verſichert, daß die ausgeſpritzte Säure von Formica rufa, wenn dieſelbe große Haufen gebaut hat und beſon— ders an ſehr heißen Tagen gereizt wird, auf den entblößten Armen Schmerz verurſache. Ob im letzteren Falle eine größere Menge Säure oder eine bedeutendere Goncentration der Säure die Urſache ſei, müſſen erſt weitere Erfahrungen lehren. Nach den vorliegenden Verſuchen und Beobachtungen haben wir es ſowohl bei den Ameiſen als bei den Bienen, Weſpen u. ſ. w., als auch bei den Spinnen mit einer aus verſchiedenen Beſtandtheilen gemiſchten Flüſſigkeit zu thun. Es ſind hauptſächlich zwei Subſtanzen, die unſere Aufmerk— ſamkeit verdienen, die flüchtige Säure, welche ſich nach den Verſuchen unter No. 1 und 2 als Ameiſenſäure charakteri— ſirt, und der weißliche, fettige, bittere Rückſtand. Ob der ſpecifiſche Geruch, welcher an dem Seerete mehrerer Thiere beobachtet wurde, durch eine eigene Subſtanz (vielleicht ein flüchtiges Ol) veranlaßt, oder ob er durch den fettigen Rück— ſtand bedingt wird, läßt ſich bei ſo kleinen Mengen auch nicht ein Mal annähernd zur Entſcheidung bringen. Für unſeren Zweck iſt dies aber von keiner Bedeutung, da wir nur unterſuchen wollen, welcher Stoff die bekannten Fol— gen eines Bienenſtiches oder eines Spinnenbiſſes hervor— ruft. Auf dieſe Frage müſſen wir aber unbedenklich ant— worten, daß die Ameiſenſäure der eigentlich wirkſame Gift— ſtoff ſei; denn wenn auch der fettige Rückſtand ſehr bitter iſt und keineswegs einfaches, reines Fett, ſo iſt doch einer— ſeits eine ätzende Einwirkung desſelben auf die Zunge nicht beobachtet worden; andererſeits ſind die Folgen eines Bie— nenſtiches den Wirkungen einer ätzenden Subſtanz ſo ähnlich und gleich, daß wir annehmen dürfen, es muß durch den Stich der Bienen und durch den Biß der Spinnen ein ätzen— der Stoff in die Wunde gelangen, welcher den heftigen Schmerz, die Entzündung und die übrigen Erſcheinungen hervorbringt. Zwar röthet der bezeichnete Rückſtand Lak— muspapier in geringem Grade, aber dies kommt doch wohl nur von einer geringen Menge Ameiſenſäure her, die ihm anhängt. Es bleibt daher nur übrig, die Ameiſenſäure als denjenigen Stoff anzuſprechen, welcher hier als deleterer Körper wirkt. Man könnte dagegen wohl anführen, daß die giftige Flüſſigkeit auf die Haut angewendet, gar keine, auf die Zunge nur ſehr geringe Wirkungen zeigt; allein abgeſehen davon, daß wenigſtens bei den mit einem Wehr— ſtachel verſehenen Hymenopteren und bei den Spinnen der Giftapparat ſo conſtruirt iſt, daß das Gift tiefer und jeden— falls unter die ſchützende Decke des zu verletzenden Organis— mus gebracht werden kann, läßt ſich durch das Experiment nachweiſen, daß verdünnte reine Ameiſenſäure, welche wegen 21 156. VIII. 2. 22 ihrer großen Verdünnung auf die äußere Haut keine Wir— kung ausübt, mit einer Nadel oder noch beſſer mit dem Stachel von Horniſſen oder Weſpen unter die Haut gebracht, dieſelben Wirkungen hat, wie der Stich von einem der fraglichen Thiere. Ich habe Stacheln von Welpen, Hum— meln, Horniſſen ſowohl mit Weingeiſt als mit Waſſer be— handelt, um jede Spur eines allenfalls anhängenden Giftes zu tilgen. Mit ſolchen Stacheln, ſowie mit einer Nadel habe ich mir an verſchiedenen Stellen der Hand und des Vorderarmes Stiche beigebracht, wobei die Stacheln und die Nadeln entweder mit verdünnter, reiner Ameiſenſäure be— feuchtet oder ganz rein waren. Im erſten Falle machten die Stiche denſelben Schmerz und hatten dieſelben Nachwir— kungen, wie der Stich einer Hummel oder einer Biene, im zweiten aber verurſachte der Stich einen höchſt unbedeutenden Schmerz und hatte gar keine Nachwirkungen. Aus allen dieſen Verſuchen und Beobachtungen geht nun hervor, daß die in Wehrſtachelapparat der Hymeno— pteren und die in den Oberkieferdrüſen der Spinnen ſecer— nirte Flüſſigkeit wegen der in ihnen enthaltenen Ameiſenſäure giftig, oder beſſer geſagt, ätzend wirkt, d. h. den Schmerz und die bekannten Erſcheinungen beim Bienenſtich oder Spin— nenbiß veranlaßt. Erlangen, am 10. September 1848. Prof. Dr. Friedrich Will. IV. über das ſpeeifiſche Gewicht des Seewaſſers an der Küſte des britiſchen Guiana. Von John Davy, Generalinſpector der Kriegshoſpitäler. In einem Briefe von Prof. Jameſon, den das Oe— tober- bis Januarheft des Edinburgh new philosophical Journal von 1847 und 1848 mittheilt, berichtet der Verf. über ſeine auf einer Reiſe längs den Küſten des britiſchen Guiana (in der erſten Woche des Juni) unternommenen Gewichtsbeſtimmungen des Seewaſſers in verſchiedenen Ent— fernungen vom Lande. Die Probe No. 1 ward am Geſtade von George Town, wo ſich der Demerarafluß in die See ergießt und das Waſ— fer kaum ſalzig ſchmeckt, geſchöpft. Das ſpeeifiſche Gewicht dieſes Waſſers ſtand bei 36% Fahrh. mit dem Gewichte des Regenwaſſers von gleicher Temperatur im Verhältniß von 10,036 zu 10,000. Die Probe No. 2 ward als das Dampfboot eine Vier— telmeile vom Ufer vor Anker lag, geſchöpft, die ſpeeifiſche Schwere betrug 10,991. Die Probe No. 3, eilf Meilen vom Ufer der See ent— nommen, hatte ein ſpeeifiſches Gewicht von 10,210. Die Probe No. 4 ward 19 Meilen vom Ufer gefchöpft, ſpec. Gewicht. 10,236 „A e , ” 55 10,2495 vr win, ee Bo 7 n 10,236 [7 [73 „ 0 77 43 77 173 7 10,2495 N ee 1 15 10,258 EN nenen „ v 10,266 Die letzte Probe ward in einer Gegend geſchöpft, wo das Meerwaſſer ſchon die eigenthümlich blaue Farbe des Oceans annahm. Die größte ſpeeifiſche Schwere, ein Ge— wicht von 10,273 beobachtete der Verf. an der Küſte von Antigua zu Ende der ungewöhnlich trocknen Jahreszeit, das niedrigſte Gewicht des Meerwaſſers (10,260) dagegen an der Küſte von Barbadoes, nachdem in den letzten Monaten reich— lich Regen gefallen war. Mit Ausnahme der Proben 6 und 7 zeigt ſich eine proportionale Zunahme der ſpeeifiſchen Schwere des Waſ— ſers mit der Entfernung vom Landez die Abnahme des Ge— wichts der Probe 6 und die gleiche Schwere der Probe 7 mit der Probe 5 findet, wie der Verf. glaubt, in einem anhaltenden Strichregen, der als das Dampfſchiff dieſe Meeresgegend durchſchnitt, herabfiel, ſeine Erklärung. Der Verf. hält es im Intereſſe der Schifffahrt für ſehr vortheilhaft, zahlreiche Beobachtungen über die ſpeeifiſche Schwere des Meerwaſſers an der Küfte von Britiſch-Guiana und zwar mit möglichſter Genauigkeit, mit Berückſichtigung ſowohl der Jahreszeit als der Lage und Entfernung vom Ufer, anzuſtellen. Würde ſich bei dieſen Beobachtungen zu allen Jahreszeiten eine beſtimmte und mit der Annäherung zum Ufer im Verhältniß ſtehende Verminderung des Ge— wichts herausſtellen, ſo würde man ſelbſt in der dunkelſten Nacht vermittelſt des Hydrometers und Senkbleies jederzeit die Lage des Schiffes mit ziemlicher Genauigkeit beſtimmen können, und nicht wie es jetzt häufig der Fall iſt, aus Un— gewißheit über die Entfernung vom Lande bisweilen noch 60 Meilen von ihm entfernt vor Anker gehen muüffen. Die Packetdampfboote würden namentlich von dieſer Beſtim— mungsmethode großen Nutzen ziehen, zumal die flache Küſte des ausgedehnten Allusialdiftrietes in dunkeln Nächten oder beim Nebel, wo ſelbſt der Leuchtthurm von George Town nicht weit geſehen wird, ſchwer zu erkennen iſt. Der Verf. glaubt, daß wenn das Hydrometer überhaupt die Nähe des Landes durch eine Abnahme des ſpeeifiſchen Gewichts des Meerwaſſers, das durch die Süßwaſſerſtröme des Landes verdünnt wird, anzeigt, dasſelbe Inſtrument bei Entdeckungsreiſen an unbekannten Küſten die Nähe großer Ströme nachweiſen müffe. Das Hydrometer würde z. B. das Forſchen nach einem Fluſſe an den Küſten Neuhollands ſehr erleichtert haben. Die Küſte des britiſchen Guiana iſt freilich durch die Zahl der großen Fluͤſſe, welche dieſelbe durchbrechen, ausgezeichnet; die Abnahme des ſpeeifiſchen Ges wichts iſt deßhalb an dieſer Küſte ſo beträchtlich, wird aber, wo weniger und kleinere Flüſſe zum Meere gehen, verhält— nißmäßig auch geringer ſein. Auch die Farbe der See iſt in gewiſſen Entfernun— gen von der Küſte des britiſchen Guiana verſchieden: in der Nähe des Landes iſt ſie hellbraun, wie die Themſe an der Londonbrücke; je weiter man ſich vom Ufer entfernt, um ſo grüner erſcheint ſie, und erſt 80 Meilen vom Lande zeigt ſich das reine blau des Oceans. Alle vom Verf. aufbe— wahrten Proben hatten mit Ausnahme der No. 8 und 9, einen geringen Niederſchlag (die Haupturſache dieſer Farben— verſchiedenheit) abgeſetzt, deſſen Menge mit der Entfernung . 2 * — U der Kranken hätte annehmen ſollen, daß ſie nur in Berüh— rung mit Leuten geweſen wären, die Prodrome, aber noch kein Exanthem hatten. Die mitgetheilten Beiſpiele vom Manne auf Fuglö, der in Arnefjord und dem Manne in Selleträd, der in Göthe angeſteckt wurde, könnten z. B. dafür ſprechen. Aber theils wollten manche eine offenbare Unvorſichtigkeit nicht geſtehen, theils war es nicht ganz ſel— ten, daß Leute ein deutliches Exanthem im Geſichte erſt be— merkten, wenn ich ſie darauf aufmerkſam machte und den Ausſchlag erſt beobachteten, wenn er ſich nach dem Verlaufe eines Tages über den ganzen Körper verbreitet hatte. Da— her darf ich nicht behaupten, daß die Maſern im katarrhali— ſchen Vorläuferſtadium anſtecken können, kann aber auch das Gegentheil nicht verſichern. Man hat allgemein behauptet, daß die Maſern wäh— rend der Deſquamation am anſteckendſten ſind. Ich weiß nicht, worauf dieſe Behauptung ſich gründet, bin aber ge— neigt anzunehmen, daß man dadurch zu dieſer Meinung kam, daß man beobachtete, wie die angeſteckten Umgebungen ei— nes Maſernpatienten erſt Exanthem bekamen, als der Kranke ſich im Deſquamationsſtadium befand. Iſt nun dem Beob— achter die verhältnißmäßig lange Dauer des Incubations— ſtadiums nicht bekannt, ſo iſt es natürlich, wenn er annimmt, daß die Anſteckung bei einem ſpäteren stadium vom erſten Kranken ausging als wirklich der Fall war. Das Beiſpiel von Selleträd zeigt dieſes. Es iſt mir nicht möglich ge— weſen einen Fall zu finden, der beweiſen könnte, daß das Deſquamationsſtadium wirklich contagium abgeben kann, aber eben ſo wenig kann ich beweiſen, daß es nicht anſtecken kann. In einigen Dörfern blieben einzelne jüngere Indi— viduen, die nicht früher die Maſern gehabt und fortwährend der Anſteckung, ſowohl von Kranken mit Exanthem als von ſolchen, die deſquamirten, ausgeſetzt waren, gänzlich von der Krankheit verſchont. So viel glaube ich indeß, indem ich mich auf die conſtante 13 — 14tägige Länge des Incuba— tionsſtadiums beziehe, verſichern zu können, daß die An— ſteckung in den allermeiſten, wenn nicht in allen Fällen von den Maſernkranken zu der Zeit ausging, da das Eranthem ausbrach oder eben zum Vorſchein gekommen war, und daß mir kein Fall bekannt iſt, wo Jemand ſpäter als 14 Tage, nachdem das Exanthem bei den Perſonen, die ihn hätten anſtecken können, verſchwunden war, die Maſern bekommen hätte. Es iſt nicht unmöglich, daß die Urſache hierzu zum Theil darin zu ſuchen iſt, daß die für das contagium em— pfänglichen Umgebungen des Kranken ſo zu ſagen immer ſchon von ihm angeſteckt wurden als er noch das Exanthem hatte und daher nicht von ihm angeſteckt werden konnten, während er deſquamirte; gewiß iſt es aber, daß die Ma— ſern während des Ausbruchs und der Blüthe des Erxanthems ſehr anſteckend find, wogegen die Anſteckungsfähigkeit ſowohl im stadio pro- dromorum als desquamationis zweifelhaft bleibt. Inwiefern dieſes den Ausdünjtungen des Kranken zuzuſchrei— ben, die während des Ausbruchs und am erſten Tage der Blüthe am ſtärkſten ſind und deren eigenthümlicher ſäuer— licher Geruch zu dieſer Zeit am meiſten charakteriſtiſch iſt, 27 156. VII. 2. 28 darf ich nicht mit Beſtimmtheit behaupten, aber es iſt mir höchſt wahrſcheinlich. h Auf einer meiner Reifen vaccinirte ich circa 60 Kin— der, zunächſt um zu ſehen, inwiefern das leichte Fieber, das durch die Entwickelung der Kuhpocken hervorgerufen wird, in irgend einem feindlichen Verhältniß zu den Maſern ſtände oder nicht. Ich kam aber zu dem Reſultat, daß zwiſchen Kuhpocken und Ma ſern gar kein Verhältniß Statt findet, ſondern daß ſie ſich gleichzeitig neben einander entwickeln können. Mit der Ein⸗ impfung der Maſern ſtellte ich keine Verſuche an, da ich bei Leuten, die dem Maſerncontagium offenbar ausgeſetzt waren, kein Reſultat erwarten konnte und bei Perſonen, die der Anſteckung nicht ausgeſetzt geweſen waren, eher erwar— ten mußte, Schaden anzurichten als Nutzen zu ſtiften. Es iſt bekanntlich allgemein angenommen, daß die Ma- ſern in einigen Fällen zwei oder mehrere Male dasſelbe In— dividuum befallen können. In der Beziehung iſt es indeß merkwürdig genug, daß auf den Färöern unter den vielen noch lebenden alten Leuten, die 1781 die Maſern hatten, ſo viel ich durch die genaueſte Nachfrage habe in Erfahrung bringen können, auch kein einziger zum zweiten Mal an— gegriffen wurde. Ich allein habe 98 ſolche alte Leute ge— ſehen, die verſchont blieben, weil fie in ihrer Jugend die Krankheit überſtanden hatten. Dieſes iſt um ſo mehr auf— fallend, als ein hohes Alter keineswegs die Empfänglichkeit für Maſern ſchwächte, indem, jo viel ich weiß, alle die al— ten Leute, die nicht früher die Maſern hatten, angegriffen wurden, wenn ſie der Anſteckung ausgeſetzt waren, während doch einzelne jüngere Individuen, obwohl ſie in fortwähren— der Berührung mit den Kranken waren, verſchont blieben. Wenn der Umſtand, daß Jemand die Maſern vor 65 Jah— ren überſtanden hat, ihn vor einer zweiten Anſteckung be— ſchützen kann, ſo ſollte man glauben, daß Jemand, der ſie vor kürzerer Zeit überſtanden hat, noch beſſer beſchützt iſt, und ich bin deßhalb geneigt, anzunehmen, daß die Fälle, in denen man die Maſern zwei Mal bei demſel— ben Individuum will beobachtet haben, auf ei— ner unrichtigen Diagnoſe beruhen, oder wenig— ſtens höchſt ſelten ſind. Man iſt über den Grad der Intenſität, die man dem Maſercontagium zutrauen könnte, in Zweifel geweſen. Als Beiträge zur Beantwortung dieſer Frage ſcheinen mir fol— gende Fälle nicht ohne Intereſſe zu ſein. Am 2. Juni ging ein Boot von Funding nach Klaks— vig ab, um Waaren zu holen. Die Käufer konnten indeß nicht Waaren erhalten, wenn ſie nicht beim Ausladen von Korn aus dem neulich aus Thorshaon angekommenen Trans: portſchiffe behülflich ſein wollten. Auf dem Schiffe waren Leute, die kürzlich die Maſern überſtanden hatten, und die Handlungsdiener in Klaksvig lagen gerade an der Krankheit danieder. Die Leute aus Funding, welche im Schiffsraum und in den Packhäuſern geweſen waren, aber übrigens kein Haus betreten hatten, warfen nach ihrer Heimkehr das Pa— pier, worin ihre Waaren eingewickelt waren, weg, kleideten ſich in einem zum Trocknen der Fiſche eingerichteten Hauſe 29 156. VIII. 2. 30 um, wuſchen ſich über den ganzen Körper mit Waſſer, zo— gen reine Kleider an und legten die Kleider, die ſie ange— habt hatten, in Waſſer. Keiner dieſer Leute erkrankte vor dem 3. Juli, da bereits das ganze Dorf angegriffen war, an den Maſern. Am 3. Juni ging ein anderes Boot aus Funding, gleichzeitig mit einem Boot aus Nordre-Gjosd, nach Klaksbig ab. Die Mannſchaft dieſer Boote mußte, um Waaren zu bekommen, das Schiff mit getrockneten Fi— ſchen laden. Ein Mann aus Funding fühlte ſich unwohl und mußte ſich in ein Haus, ja in ein Zimmer begeben, wo mehrere Maſernpatienten lagen; die andern Männer aus Funding und die Leute aus Nordre-Gjov waren nur im Schiffsraum und im Packhauſe, wo ſie mit andern Leuten (worunter ſich ein Mann aus Nord-Ore, wo die Maſern graſſirten, befand) dicht zuſammengedrängt ſtanden. Nach ihrer Heimkehr beobachteten die Fundinger dieſelben Vor— ſichtsmaßregeln wie ihre Vorgänger — und keiner von ih: nen erkrankte, ehe das ganze Dorf angegriffen war. Die Leute aus Nordre-Gjov, welche keine ſolche Reinigung nach ihrer Heimkehr vornahmen, bekamen alle fünf Exanthem 14 Tage nachher. Am 8. Juni war ein drittes Boot aus Funding in Klaksvig; die Handlungsdiener hatten da eben die Maſern überſtanden und waren im Geſchäft; es waren auch aus Leervig Leute, welche neulich die Maſern überſtan— den hatten, in Klakssig, um Einkäufe zu machen. Die Fundinger waren fortwährend in naher Berührung ſowohl mit den Handlungsdienern als mit den Leuten aus Leervig— Obgleich ſie dieſelben Vorſichtsmaßregeln bei ihrer Heimkehr trafen, wie ihre Vorgänger, ſo wurden ſie doch alle, mit Ausnahme eines Frauenzimmers, angeſteckt und bekamen circa 14 Tage nachher Exanthem. Koalvig auf Nordſtrömö war eins der Dörfer, wo man die Maſern am meiſten fürchtete. Wie willig die Färinger ſonſt waren, mich weiter zu befördern, und wie gefällig ſie ſich auch ſonſt gegen mich bezeigten, ſo verweigerte man mir in Koaloig fat Beförderung, und als ich fie bekam, hielten die Leute, die mein Zeug trugen, ſich in gehöriger Entfer— nung von mir; der Mann, der mein Pferd führte, hatte den Kopf in ein großes Tuch eingewickelt und hielt ſich mit ſichtbarer Angſt immer in einem möglichſt großen Abſtande von mir. Dieſes war auffallend, weil die Färinger ſonſt immer überzeugt ſind, daß der Arzt keine Anſteckung mit ſich führen kann, aber die Urſache ihrer Furcht lag in der Veranlaſſung, wodurch die Maſern nach einem Theile von Kvalvig ſchon damals verpflanzt waren. 3 Wochen vor Pfingſten wurde nämlich der Landchirurg nach Kvalvig geholt, wo eine ſtarke Influenzaepivemie graſſirte, und er mußte im Dorfe übernachten. In dem Hauſe nun, wo der Landchirurg die Nacht zugebracht hatte, zeigten ſich gerade 14 Tage ſpäter die Maſern mit Exanthem. Man konnte durchaus keine andere Veranlaſſung zum Ausbruch der Krank— heit angeben, da kein Bewohner Koalvigs und namentlich keiner aus dem angeſteckten Hauſe an einem verdächtigen Orte geweſen war, und da kein anderer Fremder aus einem angeſteckten oder verdächtigen Orte im Dorfe geweſen war. Nach Midtoaag auf Waagö behauptete man, wurde die Krankheit durch eine Hebamme verpflanzt, die auf Ste— gaard mehrere Tage bei Maſernkranken zugebracht hatte. Die Frau ſelbſt hatte während ihres Aufenthaltes in Kopenhagen die Maſern überſtanden. In allen den Häuſern, die die Hebamme betreten hatte, ſagte man, zeigten ſich ungefähr 14 Tage ſpäter die Maſern, und ein Mädchen, das gleich nach der Ankunft der Hebamme das Zeug derſelben ge— waſchen hatte, war die allererſte, welche in Midtvaag die Maſern bekam. Dieſe Beiſpiele, welche darzuthun ſcheinen, daß das Maſerncontagium in Kleidern, die von Leuten, welche feloft fuͤr die Anſteckung nicht empfänglich ſind, getragen werden, weiter gebracht werden kann, ſprechen für einen fo hohen Grad von Contagioſität, wie man ſie den Ma— ſern ſonſt nicht würde zugetraut haben. Man würde z. B. gewiß geglaubt haben, daß das contagium, womit die Kleider des Arztes imprägnirt waren, auf einer 4 Meilen weiten Reiſe in offenem Boot hätte verweht ſein müſſen, um ſo mehr als das Wetter auf ſeiner Reiſe ſtür— miſch und regneriſch war. Der in mancher Beziehung ſon— derbare Fall mit den Bewohnern von Funding ſcheint zu zeigen, daß eine prophylaktiſche Reinigung, nachdem Jemand der Anſteckung ausgeſetzt war, ihn bisweilen beſchützen kann, obgleich es ja immerhin möglich iſt, daß der Zufall hier eine Rolle geſpielt hat. ' Ganz unzweifelhaft iſt es indeß, daß Abfv errung das ſicherſte Mittel iſt, um die Ausbreitung der Maſern zu verhindern. So gelang es in manchen Dörfern durch eine Hausſperre, die weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. So wurden in Saxen 2 Häuſer, in Midtoaag 10, in Sandevaag 10, in Gaaſedahl 2, in Glibre 2, in Funding 1, in Fundingboten 1, in Nordſkaale 1, in Selleträd 4 Häuſer, die Hälfte von Thorsoig und Lambavig, der größte Theil von Koaloig und Skaapen und ein Theil von Skaalevig von den Ma— ſern verſchont. Durch eine Ortsſperre gelang es den Bewohnern folgender Plätze, den Maſern ganz und gar zu entgehen: Haldersvig mit 102 Einwohnern, Eldevig mit 85, Andafjord mit 121, Viderö mit 101, Mygledahl mit Trollenäs mit 29, Huſum mit 54, Blankeſkaale mit 51, Skare mit 26, Skaaltofte mit 19, Myggenäs mit 99, Sfud mit 61, Sands mit 240, Huſevig mit 52, Skarve— näs mit 26 Einwohnern. Dadurch, daß fie Quarantäne hielten, wurden circa 1500 der Bewohner Färös von den Maſern verſchont. Wenn unter 6000 Fällen, von denen ich über 1000 ſelbſt geſehen und behandelt habe, nicht ein einziger ſich fand, wo man irgendwie zur Annahme eines miasmatiſchen Urſprungs berechtigt geweſen wäre, weil es überall klar war, daß die Krankheit ſich von Mann zu Mann und von Dorf zu Dorf durch contagium (ſei es durch unmittelbare Berüh— rung mit einem Kranken oder durch infieirte Kleider und dergl.) verbreitet hatte, ſo iſt man gewiß berechtigt, wenig— ſtens einen bedeutenden Zweifel gegen die miasmatiſche Na— tur der Krankheit zu nähren. Wenn man überall ſo zu ſagen, der Krankheit die 31 156. VIII. 2. 32 Thür verfihließen könnte, fo ift man meiner Meinung nach nicht nur in theoretiſcher Beziehung berechtigt, die Krankheit überall als eine contagiöfe zu betrachten, ſondern man iſt in praktiſcher Beziehung ſogar dazu verpflichtet. Glaubt man nämlich, daß die krankmachende Potenz allgemein in der Atmoſphäre verbreitet iſt, fo hat man keine Hoffnung, ſich gegen dieſelbe beſchützen zu können und wird auch nicht geneigt ſein, in dieſer Abſicht Anſtalten, die man doch als fruchtlos betrachten mußte, zu treffen; ſieht man es aber als ausgemacht an, daß die Maſern nur ſolche In— dividuen befallen, die etwas von dem Anſteckungsſtoff, den jeder Maſernkranke hervorbringt (einerlei ob dieſer Stoff in der den Kranken zunächſt umgebenden Luft ſuspendirt iſt oder in Kleidern u. dgl. aufbewahrt wird) in ſich aufneh— men, ſo kann man hoffen, der Ausbreitung der Krankheit Grenzen zu ſetzen und wird die in ſolcher Beziehung nöthi— gen Veranſtaltungen treffen, mit gegründeter Hoffnung eines günſtigen Erfolges. Die zwei Arzte, welche auf den Färbern wohnen, ſa— hen anfangs die Maſern als eine mias mati ſch-contagiöſe Krankheit an, und viele Collegen theilen gewiß noch dieſe Anſicht. Weil ſie alſo überzeugt waren, daß die Krank— heitsurſache ſich durch die Luft von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf und von einer Inſel zur andern verbreiten würde, ſo fand man es nicht der Mühe werth, zeitig eine Sperre anzuordnen, wodurch die Krankheit wahrſcheinlich auf einige ganz wenige Häuſer hätte beſchränkt werden kön— nen. Die Erfahrung hatte indeß 1781 einem Theil der Einwohner gezeigt, daß die Ausbreitung der Maſern durch eine Orts-, ja durch eine Hausſperre gehemmt werden konnte, und die alten Leute, welche die Erinnerung hieran aus ihrer Jugend bewahrt hatten, veranſtalteten an einigen Orten, wie oben angeführt iſt, auf eigene Hand eine Qua— rantaine, wodurch die betreffenden Ortſchaften ganz oder zum Theil verſchont wurden. Erſt ſpäter, als die Erfah— rung auch die Arzte des Landes gelehrt hatte, daß die An— ſteckung offenbar durch Menſchen don einem Ort zum an— dern gebracht wurde und keine Sprünge machte, fingen auch ſie an, vom Verkehr mit den angeſteckten Häuſern und Dörfern abzurathen — aber da hatte die Krankheit ſich ſchon über das ganze Land verbreitet und es war zu ſpät, von Seiten der Obrigkeit ernſtliche Anftalten zur Sperrung zu treffen. Die Erfahrung über die nicht miasmati— ſche, ſondern rein contagiöſe Natur der Maſern wurde auf den Färöern fo theuer erkauft, daß man wohl mit uns einig ſein wird, wenn wir meinen, daß es wenig— ſtens in der Praxis am richtigſten iſt, die Maſern als eine contagiöſe, nicht als eine miasmatiſche oder miasmatiſch— contagiöſe Krankheit zu betrachten. Eine andere Frage iſt es, ob die Mafern unter ganz beſonderen Umſtänden ſpontan, durch eine Art generatio aequivoca entſtehen können. Auf den Färöern geſchah dies nicht, obgleich die katarrhaliſchen Krankheiten dort recht zu Hauſe ſind, und wenn es überhaupt geſchieht, etwas, deſſen Möglichkeit von einem theoretiſchen Standpunkte aus (in Analogie mit Typhus) wohl nicht geläugnet werden kann, fo find doch ſolche Fälle jo ſelten, daß fie, mit Rückſicht auf die Maßregeln, die man unter gewiſſen Verhältniſſen (wie ſie auf den Färöern, Island und andern iſolirten Or— ten obwalten) gegen die Ausbreitung der Krankheit zu tref— fen ſich veranlaßt finden möchte, gar nicht in Betracht kom— men können.“ — Mifcellen. (2) Die Behandlung des erysipelas mit Höllen⸗ ſtein hat in Frankreich und England ſich ſehr bewährt und iſt faft allgemein aufgenommen. Dr. Higginbottom giebt dafür im Edinb. Med. and Surg. Journ. Jan. 1848 folgende Regeln: Man reinigt die entzündete Hautſtelle ſorgfältig von jeder Salbe, wäſcht ſie ab und bringt darnach ein oder mehrere Mal folgende Solution: Argenti nitr. fusi Ziß Acidi nitriei Gtt. 7. Ag. de- still. 36 auf die entzündete Hautſtelle und zwar ſo, daß man 2—3 Zoll ringsherum über ihren Rand hinausgeht. Nach 12 Stunden unterſucht man, ob die ganze Fläche vollkommen cauteri- ſirt iſt, und holt nach, wo dies nothwendig ſein ſollte. Schreitet in einzelnen Fällen die Roſe doch über die Grenze der Cauteriſa— tion hinaus, jo hat dies nichts zu ſagen, weil dies gerade die leichte— ſten Fälle find. Beſonders wichtig iſt es, die Cauteriſation über die Grenze der ſchon entzündeten oder ödematös ausſehenden Partie auszubreiten, wenn man der Siſtirung des erysipelas ſicher fein will. (3) Eine eigenthümliche Erweiterung des Ge: ſchäftskreiſes der Militärärzte iſt in der britiſchen Armee eingeführt, nach einem Armeebefehl, worin geſagt wird: da das bisherige Zeichen der Deſertion, wie es ſeit 1822 eingeführt ſei, ſich nicht unzerſtörbar erwieſen habe, fo ſei das Einätzen eines D mittels Nadeln, alſo ein Tätowiren eingeführt. Dieſe Operation werde im Spital unter Aufſicht eines Arztes geführt, welcher da— für verantwortlich gemacht werde, daß das in die Haut eingeätzte D unauslöſchlich ſei. — Eine widerwärtige und überdies ſehr be— denkliche Aufgabe, jedenfalls nicht zum Dienſte des Askulap gehörig. Bibliographiſche Neuigkeiten. F. A. L. Thienemann, Fortpflanzungsgeschichte der gesammten Vögel. 3. Hft. Imp. 4. In Mappe 4 Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1848. G. A. Pritzel, Thesaurus literaturae botanicae. Fasc. IV. gr. 40. Geh. 2 Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig. L. Pfeiffer, Monographia Heliceorum viventium. Fasc. IV. gr. 8. Geh. 1½ Tulr. F. A. Brockhaus in Leipzig. W. Turton, Conchylia dithyra insularum Britannicarum. The bivalve shells of the British islands systematically arranged. gr. 4%. In engl. Einb. Fischer in Cassel, 1848. 16 Thlr. Hrsg. von Geilner u. Vollmar. Magazin für Pflanzenliebhaber und Maler. 5 Geh. ½ Thlr. Godschesche Buchh. Bd. 2. Lig. Mai 1848. Lex. 80. in Schneeberg 1848. J. L. v. Uslar, über einige Mineralreichthümer der cimbrischen Halbinsel zwischen der Elbe und dem Limfiord. gr. 8. 1847. In Comm. Geh. 12 Sgr. Nestler & Melle in Hamburg 1848. E. O. Schmidt, die rhabdocölen Strudelwürmer 1 rhabdocoela) des süssen Wassers. gr. 80. Geh. 24 Sgr. Mauke in Jena 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 157. (Nr. 3. des VIII. Bandes.) October 1848. Naturkunde. Heldenreich, phyſiologiſche Wirkung des elektriſchen Stromes auf die Sinnesnerven. — Miſcellen. Die Kupferminen zu Burra -Burra in Neuholland. Cap, zum Keimen der Samen iſt Waſſer die erſte Bedingung. birien. — Heilkunde. Martin, die geburtshülfliche Poliflinik in Jena. — Miſcellen. Gu on, africaniſcher Feuerſchwamm. Goldausbeute im Ural und in Si- Koreff, nachtraͤglicher Zuſatz zur Bereitung des Gollo- dium. Demarquay, über die Behandlung der Wunden mit falten Umſchlägen. — Bibliographie. Naturkunde. VII. Phyſiologiſche Wirkung des elektriſchen Stro— mes auf die Sinnesnerven. Weil die Wirkung der Electricität von den verſchiede— nen Sinnesorganen verſchieden wahrgenommen wird, vom Auge als Licht, vom Gehör als Geräuſch, in der Naſe als Geruch, auf der Zunge als Geſchmack u. ſ. w., ſo hat man dieſe Erſcheinungen dahin gedeutet, als ob die Eleetriei— tät das Einfache, dagegen aber ihre Wahrneh— mung das Vielfache ſei, und die Theorie von der Spe— cificität der Sinnesnerden, oder die ſogenannten Sinnesener— gien, daß nämlich der Seenero nur für das Licht, der Ge— börners nur für den Ton ꝛc. empfänglich ſei, haben darin eine bedeutende Stütze gefunden. Als aber Schönbein das Ozon entdeckt hatte und nachwies, daß der Geruch, der bei ſtarker geſpannter Electri— eität wahrgenommen wird, nicht von der Electricität, ſon— dern von dem durch ſie gebildeten Ozon ausgehe, hielt ich es für natürlicher anzunehmen, daß die Eleetrieität verſchie— den auf die verſchiedenen Sinnesnerven wirke, ſomit die Electrieität das Vielfache und die Function der Nerven das Einfache ſei, und es läßt ſich dieſes aus der chemiſchen, mechaniſchen, lichtbildenden u. ſ. w. Wir— kung der Gleetrieität auch leichter und natürlicher er— klären. Die Säule, mittels welcher erperimentirt wurde, war eine Voltaſche Zinkkupferſäule, beſtehend aus 10 Elementen, alſo 10 Zink- und 10 Kupferplatten, an welchen mit Tuchſcheiben, die von verdünnter Schwefelſäure getränkt waren, der elektriſche Strom erregt wurde. Berührte ich mit den beiden Polenden dieſer Säule meine Zunge, ſo empfand ich einen ſauern und einen ätzen⸗ den Geſchmack, letzteren bei weitem ſtärker hervorſtechend als erſteren. 8 No. 2137. — 1037. — 157. An die Enden der Leitungsdräthe klemmte ich erſt ein Streifchen Reactionspapier, an den poſitiven Pol blaues, an den negativen Pol geröthetes Lakmuspapier, ſpäter ge— ſtaltete ich die Papierſtückchen zu einer kleinen Rolle, welche ich mit deſtillirtem Waſſer befeuchtete; im erſten Falle bil— deten nun die Papierſtreifchen, die mit dem Drathe zugleich die Zunge berührten, im zweiten Falle die benetzten Röll— chen, die allein die Zunge berührten, die Polenden der Elektroden. Sobald ich nun damit die Zunge berührte, entfärbten ſich die Papierſtreifchen, das blaue Papierchen wurde blaſ— ſer, matter (freilich noch nicht roth zu nennen), das rothe aber wurde raſch und ausgezeichnet bläulich. Dieſes erklärt ſich nun dadurch, daß meine Mundflüſſigkeiten ſchon für ſich ſchwach baſiſch reagirten und, wie oben ſchon angegeben, die Wirkung des negativen Säulenpoles ſtärker hervortrat als die des poſitiden. Es wurde die Entfärbung des Re— actionspapierchens auch ohne Wirkung der Säule durch die Mundflüſſigkeiten allein beobachtet, aber ſtets viel ſchwächer gefunden, ſo daß die entfärbende, d. i. zerſetzende Wirkung der Säule conftatirt war. Auch harmonirte die ſtärkere Entfärbung mit dem ſtärkeren Geſchmacke des negativen Poles. Wurden die Röllchen Reactionspapier ohne zugleich mit dem Drathe an die Zunge gebracht, ſo daß ſie allein die Zunge berührend die Polenden bildeten, ſo erfolgte die Entfärbung, alſo der chemiſche Proceß der Säule, ohne Ge— ſchmacksempfindung. Es iſt alſo klar, daß die Säulenwirkung auf der Zunge den chemiſchen Proceß einleitet und es wird nichts im Wege liegen, den ſonſt der Electricität für ſich allein zugeſchrie⸗ benen ſauern und ätzenden Geſchmack lediglich ihrer chemi⸗ ſchen Wirkung, d. i. der Zerſetzung der Mundflüſſigkeiten in baſiſche und ſaure beizulegen. 3 35 157. VIII. 3. 36 Daß neben der Geſchmacksempfindung auch die gewöhn— liche Empfindung des Überganges des Stromes, wie ſie an einer Schleimhaut oder der Oberhaut entblößten Stelle ſtär— ker gefühlt wird, nicht zu überſehen ſei, iſt für ſich ſelbſt klar. Johannes Müller zwar (Handbuch der Phyſiologie 3. Aufl. I. Bd. S. 629 und II. Bd. S. 493) ſcheint die⸗ ſer Erklärung der Geſchmacksempfindung durch chemiſche Zer— ſetzung der Mundflüſſigkeiten entgegen zu ſein und mehr an die Erregung des Geſchmackes durch die Electricität unmit— telbar zu glauben. Er führt einen Verſuch von Pfaff an, daß, wenn man einen zinnernen Becher mit Lauge füllt, ihn mit feuchten Händen berührt und die Zungenſpitze in die Lauge taucht, ein ſaurer Geſchmack aufgefunden werde. Hier ſoll nun eine Säure nicht möglich und der empfundene Geſchmack durch eine ſpeeifiſche Reaction des Geſchmackner— ven zu erklären ſein. Wäre dieſe Beobachtung von Pfaff richtig, ſo ließe ſie ſich dahin erklären, daß die Lauge und das Zinn die Erreger ſind, der menſchliche Körper der Zwiſchenleiter. Würde das Zinn den poſitiven, die Lauge den negativen Strom ent— ſenden, ſo würden ſich an dem minder gut leitenden Zwi— ſchenleiter Zwiſchen-(Interferenz-) Pole wie Folgepuncte bilden, an den das poſitive Zinn berührenden Händen ein negativer, an der die negative Lauge berührenden Zungen— ſpitze ein poſitiver, und der ſaure oder ſalzige Geſchmack wäre erklärt, — — ehe ich aber theoretiſirte, habe ich den Verſuch wiederholt und jedes Mal nur laugenhaften Ge— ſchmack gefunden. Ein zinnerner Becher, 24 Unzen haltend, wurde mit deſtillirtem Waſſer gefüllt und eine halbe Unze aus Asftein bereiteter Kalilauge zugeſetzt. Bei dem Eintauchen der Zun— genſpitze empfand ich einen laugenhaften Geſchmack, der nur verſtärkt wurde, wenn ich den Becher mit befeuchteten Hän— den feſt faßte. Nun erkläre ich folgendermaßen: die ele— ctropoſitive, d. i. den negativen Strom entſendende Lauge führt mit dieſem das Kali gegen die Zungenſpitze und der Strom verläuft in dieſer Richtung von der Lauge durch Zunge und Hände zum Zinn, weil die Zungenſpitze beſſer leitet als die Hände. Sei dem nun auch wie ihm wolle, dieſes Pfaffſche Experiment ſtimmt nicht gegen meine Behauptung über die Art der Entſtehung des Geſchmackes durch den elektriſchen Strom, beweiſ't nicht für und nicht wider, alſo gar nichts, und ich habe die Sache nur angeführt, weil ein ſo aus— gezeichneter Phyſiolog, wie Joh. Müller, ſich darauf beruft. Valentin (Lehrbuch der Phyſiologie, 1. Aufl. II. Bd. S. 557) hält die Geſchmacksempfindung durch Clectricität für objectiv durch Zerſetzung, welche unmittelbar eintritt, und dieſes habe ich durch meine Verſuche zu beweiſen mich auch bemüht. Es dürfte alſo bei der Geſchmackserregung durch Electri— eität lediglich die chemiſche Wirkung, d. i. Zerſetzung zu Grunde liegen. Dicke Bleidräthe mit den Elektroden verbunden, mur- den in die Ohren gebracht und tief in die äußeren Gehör— gänge eingeſchoben. Sie verurſachten ein ſtoßweiſes Tönen wie ein ſchwirrendes Summen oder Brauſen und zwar wie— der am negativen Pole ſtärker als am poſitiven. Es ge- reichte dieſes zum Beweiſe, daß dieſe Erregung von Schall— empfindung von der Gfectrieität veranlaßt wurde, weil bisher überall der negative Pol ſich wirkſamer gezeigt hatte. Als ich aber dieſe Bleidräthe von den Elektroden getrennt, für ſich allein in die Gehörgänge einſchob, erfuhr ich ein ähnliches Tönen. Es iſt alſo die Urſache dieſer Schall— erregung nur eine mechaniſche. Anfangs glaubte ich, dieſes Tönen rühre von der Zerſetzung zwiſchen den Plattenpaaren her, indem nur das kniſternde Geräuſch bei der Gasentwick— lung und Austreten der Gasblaſen durch die Leitungsdräthe fortgeleitet und ſo dem Ohre zugeführt würde. Da dieſe Entwicklung auf den Zink- und Kupferplatten eine verſchie— dene iſt, ſo glaubte ich dadurch erklären zu können, wie Ritter vom poſitiven Pole andere Erſcheinungen erhielt als am negativen; bald aber überzeugte ich mich, daß die— ſes nicht der Fall ſei und das Tönen überhaupt nur durch die von der Electrieität erzeugte Erſchütterung veranlaßt werden. Auch Volta hörte bei einer Säule von 40 Plat- tenpaaren nur ein ſtoßweiſes Geräuſch, welches ich ſchon bei 10 Plattenpaaren beobachtete. Die verſchiedenen Tonerſchei— nungen, die Ritter gehört haben will, konnte ich nicht finden, nur aber fand ich ſo viel, daß das vom negativen Poldrathe erzeugte Tönen ſtärker war als das vom poſtti— ven Pole hervorgerufene. Ich fand alſo hier nichts weiter, als daß durch die im äußern Gehörgange in der Nähe des Trommelfells von der Electricität hervorgerufene Erſchütterung das Tönen er— zeugt werde. Am Auge wird es nun noch klarer, daß die von der Electricität hervorgerufenen Lichterſcheinungen eben nur Reiz auf das Organ ſind, die als Lichtperception wahrgenommen werden. Brachte ich den einen Poldrath an die Zunge, den andern befeuchtet an die Augenlieder, namentlich die Augen— winkel, ſo ſah ich Lichterſcheinungen wie feurige Streifen, Blitze u. ſ. w. Da nun aber die Lieder feſt geſchloſſen waren, alſo ein möglicherweiſe von der Electrieität erzeugtes Licht durch die brechenden Medien auf dem gewöhnlichen Wege nicht in das Auge eindringen konnte, auch der ele— ktriſche Strom von der Zunge zum äußeren Augenwinkel quer durch das Auge verlief, ſo kann auch hier nur die mechaniſche Erſchütterung ſubjective Lichtbilder erzeugen, wie bei Druck, Reiben, Stoß, Schlag u. ſ. w. des geſchloſſenen Auges eben auch Photopſien erſcheinen. Hier kommt ſelbſt Joh. Müller in ſeiner Erklärung der vorliegenden Anſicht näher, indem er ſagt, die Licht— empfindungen ſeien Reaction des Sehnerven, der auf alle Reize, mechaniſche wie elektriſche, Licht als den Zuſtand ſeiner ſelbſt empfinde. Auch Valentin erklärt das durch Electricität erzeugte Licht für fubjective Lichtempfindung. Ich kann nun auch beim Auge wie beim Ohre, wenn durch Electricität Sinneserſcheinungen hervorgerufen werden, nichts anderes erkennen, als daß durch die Electricität das 37 157. VII. 3. 38 Sinnesorgan in einen Zuſtand verfegt wird, den der Nero, ſtatt einer wirklichen Sinneserſcheinung weiter leitet und zum Bewußtſein bringt. Ich verband die Elektroden mit ſpitzigen Platinnadeln und führte ſie in kleiner Entfernung von einander in die Haut meines Oberſchenkels, welche ich aufritzte. Der nega— tive Pol brannte und ſchmerzte ſogleich wieder ſtärker als der pofitive und die Secretion, das Bischen ausgetretenes Blut und Lymphe war unverzüglich in ſeiner chemiſchen Qualität der elektriſchen Polarität entſprechend, d. h. am Einſtichpunkte des negativen Poles wurde geröthetes Lakmus— papier davon blau, am poſitiven Pole blaues geröthet. Die normale Reaction der Fluſſigkeiten aus ſolchen kleinen Wun— den iſt baſiſch, d. i. geröthetes Lakmuspapier bläuend. Die Empfindung und das Gefühl der auf dieſe Weiſe angewendeten Electrieität iſt etwas ſchmerzhaft, faſt möchte ich ſagen ſchwingend, wie kleine Schläge mit kurzen Inter— vallen, ähnlich, wie wenn elektriſche Funken in größeren Zwiſchenräumen überſpringen oder an eleftromagnetijchen Apparaten (Hellerſcher), wo man die Impulſe abſichtlich langſamer eintreten läßt. Das Gefühl der Acupunctur iſt ganz in derſelben Art, ein Überſpringen kleiner nur ſehr raſch ſich folgender Funken oder Schläge, nur die Interval— len ſo kurz, daß das Gefühl beinahe ein continuirliches, höchſtens ein ſchwingendes iſt. Daß der Schmerz hier im Empfindungsnerven nur durch dieſe Erſchütterungen erzeugt werde, wobei möglicherweiſe die zerſetzende chemiſche, die wärmebildende u. ſ. w. Wirkung der Electricität beitragen kann, iſt wohl klar. Auch ſcheint es keinem Zweifel unterworfen, daß in dieſem Falle (bei der Acupunctur) die Wirkung der Eleetrieität auf den Gefühls— nerven eine unmittelbare iſt, während ſie, wie oben gezeigt, auf Gehör- und Geſichtsnerven ſich nur mittelbar äußert. Es iſt nun wohl dargethan, daß die Perception, die Leitung der Eindrücke durch die Nerven zum Be— wußtſein eine einfache, die Wirkung der Ele: etrieität aber auf die Sinneswerkzeuge eine verſchiedenartige, eine vielfache ſei. Sei es mir aber erlaubt, ehe ich einige Reſultate bezüglich der Function der Sinnesnerven ziehe, vorerſt noch eine kleine Digreſſion zu machen über den elektriſchen Strom und über die Be— ziehung der Eleetrieität der menſchlichen Haut zu den Ex— anthemen, wovon ich in dieſen Notizen zweiter Reihe Bd. X S. 222 und Bd. XI S. 313 ſchon geſprochen habe. Es iſt meine Anſicht, daß Wärmedifferenz das Weſen der Clectricität überhaupt und ſo auch des elektriſchen Stro— mes, daß die negative Electricität die urſprüngliche, und die poſitive ihr erſt gegenüber hervorgerufen ſei, fo auch der Strom nur von dem mehr durch die Wärme erregten Kör— per als negativer ausgehe, dem der poſitive ſich erſt als ſecundärer gegenüber ſtellt. Sehr ſchön hat dieſes Peltier an der atmoſphäriſchen Electricität nachgewieſen, indem er zeigte, wie die Electri— cität in der Nähe der Erde ſelbſt faſt immer eine negative gegen die in höheren Luftſchichten und den Wolken vorhan— dene poſitive ſei, und wie nur durch Temperaturdifferenzen in den verſchiedenen Schichten der Atmoſphäre ſelbſt ſich die Wolken, Gewitter u. ſ. w. bilden. Über den elektriſchen Strom iſt viel geſchrieben und ich muß geſtehen, daß ich in neueſter Zeit mehr die phyſtologi— ſche und therapeutiſche Wirkung desſelben als ſein Weſen und ſeinen Urſprung ſtudirt habe, ſo daß ich die neueſten Anſichten darüber nicht kenne, ich glaube aber immer, daß es nur einen elektriſchen Strom gebe und zwar den ne= gativen, der im Widerſpruche mit den bisherigen Anſich— ten vom Zinke ausgeht. Conſtruirt man eine Säule: Kupfer, Zink, Leiter, K. Z. L. und fo fort und ſchließt fie mit Zink, jo verläuft durch die Elektroden vom Zinke her der poſitive, vom Kupfer her der negative Strom, oder es hat der vom Zinke her— kommende Leitungsdrath den poſitiven, der vom Kupfer herz kommende den negativen Pol an ſeinem Ende. Conſtruirt man aber eine Säule in anderer Reihenfolge, Kupfer, Lei— ter, Zink und fo fort, oder Zink, Leiter, Kupfer, jo ver— läuft durch die vom Zink ausgehende Elektrode der negative Strom, hat den negativen Pol an ſeinem Ende (Kathode), durch die vom Kupfer ausgehende Elektrode verläuft aber der poſitive Strom, hat den poſitiven Pol an ihrem Ende (Anode). Nun ſagt man im erſten Falle, wenn die Säule in der Reihe: Kupfer, Zink, Leiter erbaut iſt, das durch den Contact, chemiſchen Proceß u. ſ. w. erregte Zink gebe ſeine poſitive Electricität durch den Zwiſchenleiter der Kupferplatte des nächſten Paares ab, dieſe Kupferplatte theile ſie dem nächſten Zinke mit u. ſ. w. und ſchließt die Säule mit Leiter, Kupfer, Zink, ſo ſei deshalb das oberſte letzte Zink poſitiv. Iſt es in dieſem Falle nun aber nicht leichter anzuneh— men, das erregte Zink theile feine negative Electrieität rück— wärts der unmittelbar unter ihm liegenden Kupferplatte mit, dieſe dem metalliſch mit ihr verbundenen Leitungsdrath und es werde dieſer dadurch negativ? Da die unterſte Zinkplatte die unterſte Kupferplatte ohne Zwiſchenleiter unmittelbar mit ihrer ganzen Flache me— talliſch berührt, und dieſe Kupferplatte eben ſo unmittelbar metalliſch in die Elektrode übergeht, To iſt es unzweifelhaft, daß der vom erregten Zinke ausgehende negative Strom doch leichter durch das metalliſche Kupfer und den Leitungs— drath verlaufe als durch die den Zwiſchenleiter bildende mit verdünnter Schwefelſäure getränkte Tuchſcheibe, weil Metall doch offenbar beſſer leitet als Waſſer, Tuch und Schwefel⸗ ſäure. Der zweite Fall, in welchem die Säule in der Reihen⸗ folge: Zink, Leiter, Kupfer, oder was dasſelbe iſt, Kupfer, Leiter, Zink aufgebaut wird, iſt noch beweiſender. Hier ſoll nun wieder das Zink feine Poſitivität durch den Zwiſchenleiter (bei der Daniellſchen Säule durch ver— dünnte Schwefelſäure, Thoncylinder, Kupfervitriolſolution) dem Kupfer mittheilen und dieſes feine Negativität auf dem⸗ ſelben Wege dem Zinke zukommen laſſen. Iſt es nun nicht klarer und einfacher anzunehmen, daß jedes dieſer erregten Metalle eben nur ſeine Electrieität, ſtatt durch den compli— 3 * 39 157. VIII. 3. 40 eirten Zwiſchenleiter, lieber durch den unmittelbar mit ihm metalliſch verbundenen Leitungsdrath fortgehen laſſe? Es iſt aber ein allgemeines Naturgeſetz, daß jeder wär— mere Körper gegen den kälteren ſich negativ elektriſch ver— halte, und ich glaube, daß eben durch dieſen Gegenſatz die geſammte Electricität hervorgerufen werde. Die geſammte Berührungselectricität würde aber hiergegen in einem großen Widerſpruche ſtehen, wenn es ſich nicht ſo verhielte, wie angegeben, das Kupfer pofitiv und das Zink negativ wäre. Erſt verſuchte ich eine Erklärung durch die ſpeeifiſche Wärme. Dieſe iſt am Zink 0,0927, am Kupfer 0,0949. Erzeugt nun der chemiſche Proceß in den mittelſt verdünnter Schwefelſäure getränkten Tuchſcheiben oder überhaupt im Zwiſchenleiter eine gewiſſe Wärme, ſo muß wohl, wenn ſich dieſe gleichmäßig verbreitet, das Zink um ſeiner gerin— gern ſpeeifiſchen Warme willen ſtärker erwärmt werden als das Kupfer und das Zink alſo negativ werden. Dieſes Verhältniß der ſpecifiſchen Wärme paßt zwar zwiſchen Ku— pfer und Zink, iſt aber nicht auf alle Metalle anwendbar. Ich verſuchte aber durch das Erperiment. Ein Zink— und ein Kupferblechſtreifen don möglichſt gleicher Größe und Dicke wurden in zwei gleiche Gläschen gebracht und mit einer gleichen Menge verdünnter Schwefelſäure übergoſſen. Die Wärme der Flüſſigkeit zeigte ſich beim Zinke um 19 höher als am Kupfer. Ein zweiter Verſuch wurde längere Zeit hindurch fortgeſetzt und es ergab ſich bei jedes Mal gleichzeitiger Unterſuchung: das Kupfer 22 20 ¼ 19 Grad das Zink 22½ 26½ 23 ½ Grad. In einem dritten Verſuche, bei welchem die zwei Ther— mometerkugeln in die verdünnte Schwefelſäure eintauchten, zugleich aber die Metallftreifen berührten, blieb das Ther— mometer beim Kupfer bei 18 ¼ R. ſtehen, während es am Zinke bis 320 R. ſtieg. An einer Daniellſchen Säule von 12 Elementen, welche im Gange war und bei welcher bekanntlich ein Zinkeylinder in einem poröſen Thoneylinder mit verdünnter Schwefelſäure begoſſen und um dieſen herum der Kupfereylinder im Glaſe in einer Kupfervitriolſolution ſich befindet, zeigte das Thermometer in der Schwefelſäure 13½ und in der Kupfervitriolſolution 120 R. Alſo war auch hier das Zink wärmer. Unter dieſen Verhältniſſen wäre alſo auch hier das Naturgeſetz gültig, daß der wärmere Körper ſtets negativ elektriſch gegen den kälteren iſt; die Erklärung wäre verein— facht und das Geſetz in ſeiner Allgemeingültigkeit nach— gewieſen. Auf die Bedeutung der Hauteleetricität bei Krankheiten habe ich wiederholt aufmerkſam zu machen geſucht, man hat aber nicht darauf geachtet. Man hat es in Müllers Ar— chiv und Valentins Phyſiologie, im Andrals und Ga— varrets Schriften nachgeſchrieben, aber nur mit zweifel— erregenden ??! verſehen. Wer es weiß, wie ſchwer es dem praktiſchen Arzte fällt, der kein Spital hat, ſolche Beobach— tungen in der Privatpraxis zu ſammeln, der muß es wohl unrecht finden, wenn man ſolche Angaben bezweifelt, futi— liſirt (Gavarret), ohne die Experimente und Unterſuchun— gen, die zu Grunde liegen, zu wiederholen. Weiteres findet ſich im 10. und 11. Bande der neuen Notizen. Um aber zu der Wirkung der Electricität auf die Sin— nesnerven zurückzukehren, ſo glaube ich dargethan zu haben, daß die Eleetricität in ihren verſchiedenen Er— ſcheinungen und Wirkungen verſchieden auf die Sinnesnerven wirkt, alſo nicht die Sinnesner— ven das Vielfache ſind, ſondern die Wirkung der Electricität es iſt, und wenn die Wirkung der Electricität bei ihrem unmittelbaren Übergange und Einwir— kung bei der Acupunctur als prickelnder Schmerz, bei ihrer chemiſchen Zerſetzung der Mundflüſſigkeiten als Geſchmack, die Wirkung ihrer Luftzerſetzung als Geruch erſcheint, ſo liegt dieſes in der Electrieität, und wenn endlich die durch die Electricität veranlaßten Erſchütterungen im Ohre die Em— pfindung von Ton, im Auge von Licht erzeugen, ſo liegt dieſes in der Gonftruction des Sinnesorganes, des Oh— res, Auges, nicht im Sinnes nerven und das iſt es ei— gentlich, was ich beweiſen wollte. Dadurch aber, daß die Sinnesnerven die Eindrücke der Sinnesorgane oder den Zuſtand dieſer Organe zum Be— wußtſein leiten, ſind ſie einfache Vermittler, eben Leiter dieſer mehr oder minder mittelbar oder unmittelbar von der Außenwelt erhaltenen Eindrücke, und es liegt darin nichts ſpeeifiſches. Die Sinnesnerven find nicht unmittelbare Lei— ter der Qualitäten der Außenwelt, fondern nur Leiter der Zuſtände ihrer Organe, d. h. der Sinnesorgane. Die Leitung der Sinnesnerven iſt von der der übrigen Empfindungs- oder ſenſibeln Nerven daher nicht ver— ſchieden, was ſchon daraus hervorgeht, daß dort, wo die Sinnesorgane nur unvollkommen oder gar nicht entwickelt ſind, die Erſcheinungen mit den Empfindungen der übrigen ſenſibeln Nerven zuſammenfallen und z. B. Schmerz vom Taſtorgan bei Berührung heißer, kalter, ſpitziger, ſchneiden— der Dinge faſt eben ſo empfunden wird, wie wenn Schmerz aus innerlichen Urſachen Rheumatismus, Entzündung u. ſ. w. entſteht. Hiemit hätte nun die namentlich von Magendie begründete Theorie der Wirkung der Sinnesnerven, der auch Joh. Müller großentheils zugethan iſt und welche er un— ter der Bezeichnung Sinnesenergien vertheidigt, daß nämlich z. B. der Sehnerv fuͤr keinen Schmerz, für keinen Ton, für keinen Geſchmack, — der Gehörnero für kein Licht, keinen Schmerz, keinen Geſchmack, — der Geſchmacksnerv für keinen Ton, kein Licht u. ſ. w. empfindlich ſein ſoll, und der Sehnerv nur das Licht, der Gehörnerv nur den Ton, der Geſchmacksnerv nur den Geſchmack zum Bewußt— fein leite, einen mächtigen Stoß erlitten. Nun iſt aber davon doch ſo viel wahr, daß eben wir mit dem Auge ſehen, mit dem Ohre hören u. ſ. w., alſo doch der Sehnero das Licht, der Gehörnerv den Schall lei— tet u. ſ. w. Hier mache ich auf ein Schriftchen aufmerk— ſam, welches von der Mediein überſehen ſcheint, weil es von einem Phyſtologen iſt: George: die fünf Sinne, als Grundlage der Phyſiologie. Berlin, Reimer 1846, wo manche geiſtreiche Bemerkung zu finden iſt. 41 157. VIII. 3. 42 Hier iſt dargethan, wie die Erſcheinungen des Lichtes, des Schalles u. ſ. w. auf Oſeillationen, Schwingungen be— ruhen und wahrſcheinlich gemacht, daß es bei andern Sin— nesempfindungen eben ſo ſei. So ſchwebt der Ton zwiſchen 15 Schwingungen in der Zeitſecunde und 48000, die Farbe zwiſchen 458 Billionen Schwingungen in derſelben Zeit und 727 Billionen. Es beſtände demnach die geſammte Speeificität oder Energie der Sinnesnerven nur darin, ver— ſchiedene Schwingungszahlen 15 — 48,000 für den Ton, 458 Billionen — 727 Bill. in der Secunde zu leiten. Welche Lücken noch zwiſchen dieſen Differenzen liegen, iſt klar. Dabei wäre aber die geſammte Speeificität als Em— pfindungsfähigkeit nur für das Licht, nur für den Ton be— ſeitigt, und dieſe qualitative Empfänglichkeit nur auf eine quantitative Leitungsfähigkeit für mehr oder minder Schwingungen in der Seeunde redueirt. Man hat es gefühlt, wie ſchwierig es ſei, die ſpeeifi— ſche Empfindungsfähigkeit der Sinnesnerven zu erklären und darzuthun, wie der eine nur für das Licht, der andere nur für den Ton u. ſ. w. qualifieirt ſei. Nach vorliegender Anſicht iſt es gelungen, dieſe bisher geglaubte Specificität auf ein Mehr oder Minder der Leitungsfähigfeit zu bringen. Wie ſehr dieſes der Einfachheit der Sache und Leichtigkeit der Erklärung zuſage, iſt einleuchtend. Ich habe es mir zur Aufgabe meines Lebens gemacht, wenn ich frei von praktiſchen Geſchäften für die Wiſſen— ſchaft wirken kann, die Geſetze der Erſcheinungen in Phyſik und Phyſiologie zu vereinfachen und verallgemeinern. Ich habe hier einen Beitrag dazu geliefert. Sollte ich irren, ſo wird das Beſtreben complieirte Erſcheinungen auf die einfachſte Weiſe zu erklären und erkannte Naturgeſetze in ihrer vollen Allgemeingültigkeit darzuſtellen, Entſchuldigung verdienen. Heidenreich. Mifcellen 4. Die Kupferminen zu Burra⸗Burra auf Neu: Holland (etwa 100 Meilen von Adelaide) find vielleicht die er: giebigſten aller jetzt bekannten Kupfergruben. Sie haben auf ihrer gegenwärtigen Betriebsſtrecke 29 Schachte, deren tiefſter 140 Fuß mißt und die zuſammen 1860 Fuß tief ſind, außerdem 70 Gallerien, die zuſammen 7292 Fuß oder mehr als 1½ Meilen ausmachen. Der Ertrag dieſer Minen war in den erſten 12 Mo⸗ naten ihres Betriebes nach der Angabe des Directoriums 7900 Tonnen reiches Erz, wozu noch 1462 Tonnen eines geringern Erzes, das auf der Grube ſelbſt verſchmolzen wird, hinzu— kommen; die ganze Ausbeute von 13 Monaten iſt demnach ſicher auf 10,000 Tonnen Erz anzuſchlagen. Die Tonne Burra⸗ Burra⸗Erz wird zu Swanſea mit etwa 23 Pf. St. 16 Schilling bezahlt; zieht man davon für Arbeitslohn, Fracht und Betriebs- unkoſten 8 Pf. St. 16 Schilling ab, ſo bleibt für die bisherige in 13 Monaten beſchaffte Ausbeute der Minen ein Gewinn von 150,000 Pf. St. Dieſer ungeheure Ertrag iſt aber keineswegs das Marimum und wird ſich, da immer reichere Erze zu Tage kommen, ſicher auf 300 Tonnen für die Woche ſteigern laſſen, der Gewinn muß demnach ein ungeheurer werden. Die große Bedeut— ſamkeit dieſer Minen für den Handel Südauſtraliens ergiebt ſich aus der Abrechnung des Unternehmens für die erſten 13 Monate des Betriebes der Minen; ſie zahlten während dieſer Zeit für den Transport der Erze mehr als 10,000 Pf. St., für Arbeitslohn und Betriebsunkoſten 20,000 Pf. St., für Continentalfracht 15,000 Pf. St. (Athenaeum, No. 1072. 1848.) 5. Zum Keimen der Samen iſt Waſſer die erſte Bedingung. Die verſchiedenen das Sameneiweiß zuſammen⸗ ſetzenden Stoffe bleiben nach Caps Unterſuchungen, ſo lange Waſſer fehlt, unverändert und ohne Einfluß auf einander; das Waſſer iſt nach ihm die Urſache der phyſtologiſchen Thätigkeit. Der Einfluß des Waſſers auf die Beſtandtheile des Sameneiweißes äußert ſich auf dreierlei Weiſe; feine erſte Wirkung ift phyſiologi⸗ ſcher Art, fie beſteht in der endoſmotiſchen Abſorption des Waf- ſers; die zweite Wirkung iſt phyſicaliſcher Natur und beſteht in der Auflöfung der löslichen Stoffe; die dritte iſt chemiſcher Art, fie zerſetzt das Waſſer und vertheilt feine Elemente, bildet neue Verbindungen und leitet durch ſie die Vegetation ein. Dieſe Re— action erzeugt im Samen nach der Art desſelben verſchiedene vor her im Sameneiweiß nicht vorhandene Stoffe. Licht und Wärme find, obſchon fie den Einfluß des Waſſers begünſtigen, zum Beginn der Keimung nicht nothwendig. Die Wärme allein übt, wenn ſie nicht gewiſſe Grenzen, wo ſie zerſtörend einwirkt, uͤberſchreitet, keinen Einfluß auf den trocknen Samen. — Durch die chemiſchen Veränderungen im Samen ſelbſt wird ſowohl Wärme als Cleetri— cität in Freiheit geſetzt und durch fie wiederum die Keimung bes günftigt. (Comptes rendus, No. 24, 12. Juin 1848.) 1 6. Africaniſcher Feuerſchwamm. Nach Guyons Mittheilungen findet man auf den Hochebenen Nordafricas an Ar- temisia odoratissima haſelnußgroße Anſchwellungen, welche durch— ſchnitten eine unregelmäßige, von einer Rinde umgebene fadenför- mige Verlängerung zeigen, von welcher ftrahlenartig weiße zarte Faden ausgehen und dem Ganzen das Ausſehen eines Fadenknäuls geben. Dieſe Anſchwellungen, welche in reichlicher Zahl die ge— nannte Pflanze bedecken, entſtehen durch den Stich einer Hymeno— ptere, die eine neue Species der Gattung Eurytoma bildet. Die Araber benutzen die erwähnten Faſerknäule als Feuerſchwamm und nennen ſie Caho; ſie zünden, gleichgültig wie weit ſie entwickelt ſind, vortrefflich und ſind, da die Pflanze, welche ſie trägt, uberall verbreitet iſt und fie auf ihr reichlich vorkommen, für Nordafrica, dem alle übrigen leicht zündenden Subſtanzen fehlen, von nicht ge— ringer Bedeutung; man benutzt fie wie Zunder zum Feuerſtahl. Dieſe Auswüchſe der Artemisia odoratissima erinnern an ähnliche Producte von Artemisia chinensis oder moxa, die nur hinſichtlich ihrer Farbe von ihnen verſchieden ſind; letztere Pflanze wächſ't wie die africaniſche Artemisia auf hoch gelegenen Steppen. (Comptes rendus, No. 3, 17. Juillet 1848.) 7. Die Goldausbeute der kaiſerlichen wie der Privat⸗ Minen des Ural und Sibiriens betrug nach einer amtlichen Mit⸗ theilung des ruſſiſchen Finanzminiſters im Jahre 1846 1722, Pud oder 62,792 ſchwere engliſche Pfunde, während fie im Jahre vor⸗ her nur 1371,8% Bud oder 49,522 Pfund ergab. Der Ertrag hatte demnach im Jahre 1847 um 351 Pud zugenommen, während er in den beiden vorhergehenden Jahren ſich nur um 47 und um 30 Pud vermehrt hatte. Im Jahre 1843 betrug die Ausbeute um 323, Pud mehr als im Jahre vorher. (Ermans Ruf. Archiv 1847, Band VI.) 43 157. VIII. 3. 44 Heilkunde. (al.) Die geburtshülfliche Poliklinik. Von Prof. Dr. Ed. Martin zu Jena. In dem erſten Heft der „Beiträge zur Gynäkologie“, wel— ches ſo eben ausgegeben worden iſt, giebt der Verf. zunächſt eine geſchichtliche ſtatiſtiſche und endlich über den jetzigen Zuſtand berichtende Schilderung der geburtshülflichen Lehr— anſtalten bei der Univerſität zu Jena. Sodann giebt er eine Schilderung der geburtshülflichen Poliklinik, welche auf vielen anderen Univerſitäten noch nicht eingeführt iſt, allerdings auch ihre eigenthümlichen Schwierigkeiten hat, aber ganz beſonders doch als ein Mittel zu praktiſcher Vor— bildung betrachtet werden muß. Wir laſſen deßhalb das, was darüber geſagt iſt, hier folgen. „Die ſtationäre Klinik zeigt dem jungen Arzte die Vor— gänge erhöhten weiblichen Geſchlechtslebens unter Verhält— niſſen, wie ſie ſein ſollen; alles iſt eingerichtet, den natür⸗ lichen Verlauf zu fördern, die nöthigen Hülfen zu erleich— tern; — ganz anders iſt die Privatwohnung. Hier ges langt das ſchwangere Weib, bis zum letzten Augenblick von anſtrengender Arbeit ermüdet, von Sorgen und Nachtwachen erſchöpft, Erkältungen und Diätfehlern bloßgeſtellt in den niederen Ständen, durch unzweckmäßige Erziehung und durch fehlerhafte Verweichlichung uͤberreizt in den höheren, zu dem für fein Leben, für feine Geſundheit bedeutungsvollſten Act: zur Geburt; dort vielleicht noch von einem der möglichen Gefahren unkundigen Manne und unverſtändigen Frauen be= rathen, hier von übertriebener Fürſorge geängſtigt; in bei— den Fällen fehlt beim entſcheidenden Momente nur allzu oft die rechte Hülfe! Bis der Arzt herbeigeſchafft wird, erreicht der Fehler eiue Ausbildung und Höhe, welche ſelbſt den Erfahrenen an Rettung von Mutter und Kind verzweifeln laſſen möchten; und nun erſt der Jüngere, Unerfahrene! Bis dahin nur in den kliniſchen Sälen der Gebäranſtalt unter den günftigften Verhältwiffen mit dem Geburtsgeſchäft bekannt geworden, gleich bei ſeinem Eintritt in das Kreiß— zimmer mit mißtrauiſchen Blicken empfangen, von einer, über das Mißlingen ihrer Bemühungen ärgerlichen, unwiſ— ſenden oder lügenhaften Hebamme über das Vorhergegangene falſch unterrichtet, durch ängſtliche Verwandte und neugierige Freundinnen gedrängt, und von all den Förderungsmitteln, wie er ſie in der Anſtalt gewohnt war, wie paſſende Lagerſtätte, gewandte Gehülfen, taugliche Medicamente u. ſ. w. verlaſ— ſen, — ſollte ihn, den mit dieſen Hinderniſſen gar nicht Bekannten, die dringende Gefahr des Augenblicks nicht über— raſchen? Sollte ihm da nicht ein einziger Unfall die Luft zur Ausübung der Kunſt Lueinens für immer verleiden? — Gewiß iſt es manchem tüchtigen Arzte ſo ergangen, und mancher gewiſſenhafte, darum aber ängſtlichere Jünger iſt dem Fach durch die Unkenntniß dieſer Außenſeite der ge— burtshülflichen Praxis entfremdet worden. — Dieſer in der Erfahrung begründeten Befürchtung kann meiner Weis nung nach wirkſam nur dadurch begegnet werden, daß der junge Arzt, bevor er in die eigene Praxis eintritt, eine un— befangene Anſchauung der Verhältniſſe, wie ſie außer der Gebäranſtalt ſich darbieten, erhält, daß er vertraut wird mit all den Schwierigkeiten und Hinderniſſen, welche der Ausübung der Geburtshülfe dort entgegentreten. Eine noch ſo reiche ſtationäre Klinik reicht dazu nicht hin, kann die— ſen Zweck nicht erfüllen. — Für die anderen Zweige des medieiniſchen Studiums war in dieſer Hinſicht auf der Uni— verſität Jena längſt geſorgt, ja die medieiniſche Klinik be— ſtand früher faſt ausſchließlich in der ambulatoriſchen oder Poliklinik. Für die Geburtshülfe fehlte dieſe Gelegenheit, ſofern nicht der eine oder andere unter den Practicanten als ſogenannter Famulus des Lehrers der Geburtshülfe in deſ— ſen Privatpraxis an das Kreißbette in Privatwohnungen geführt wurde, ein Vortheil, der immerhin nur einer ſehr kleinen Anzahl die nöthige Ausbildung gewähren konnte. Außer dem eben gedachten drängenden allgemeinen Be— dürfniſſe lag in Jena noch ein anderer Umſtand vor, wel— cher Abhuͤlfe verlangte, nämlich die geringe Anzahl patho— logiſcher Fälle, welche im Gebärhauſe zur Beobachtung ka— men, und welcher ohne eine ſehr erhebliche Steigerung des Etats dort nicht beſeitigt werden konnte. Sehr viel leichter ſchien dieſem Mangel, zugleich mit Gewinnung der oben ge— dachten eigenthümlichen Vortheile, durch Hinzuziehung von dergleichen Fällen im gewöhnlichen Leben in Stadt und Land abgeholfen zu werden. Überdies erreichte man dabei eine Gelegenheit, welche ſogar in den ſehr reich dotirten Gebäranſtalten immer fehlen wird, nämlich dem Practican— ten auch Störungen der früheren Schwangerſchaftszeit, wie Mißfälle, Zurückbeugung der Gebärmutter u. ſ. w., nicht weniger als Krankheiten während der Säugungszeit und bei Säuglingen, in hinreichender Anzahl vorführen zu kön— nen, — Beobachtungen, welcher es nicht allein zu einer vollſtändigen Kenntniß der Zuſtände erhöhter weiblicher Ge— ſchlechtsthätigkeit, ſondern auch zu der nöthigen Sicherheit des Anfängers in der ärztlichen Praxis bedarf. So legte ich, durchdrungen von der Überzeugung, daß gerade für den Arzt als Geburtshelfer eine möglichſt allſei— tige praftifche Ausbildung nothwendig ſei, im Jahre 1841 dem Großherzoglichen Staatsminiſterium zu Weimar einen Entwurf zu Errichtung einer geburtshülflichen Poliklinik in Verbindung mit der ſtationären Klinik im Gebärhauſe vor, und erhielt hierauf die Genehmigung dazu mit Zuſicherung einer Unterſtützung von jährlich 150 Thalern, einer Summe, die ſich freilich bald als ungenügend erwieſen hat, auch nur die mit dem Unternehmen verbundenen Baarausgaben zu decken. Denn es bedurfte, falls der Zweck der Poliklinik erreicht und dazu, wie in einer kleinen Stadt unerläßlich, die Praxis auf dem Lande in den Kreis der Beobachtung gezogen werden ſollte, der Haltung von Equipage, außer dem Aufwand für Medicamente u. ſ. w. — 45 157. Vill. 3. 46 Die Einrichtung dieſes neuen Inſtitutes, das mit dem 1. Januar 1843 ins Leben trat, und ſeitdem eines ſteten Aufſchwunges ſich zu erfreuen gehabt hat, iſt folgende. Arme Schwangere, Kreißende und Wöchnerinnen, ſo— wie Säuglinge, d. h. Kinder bis zur erſten Dentition, er— halten in ihren Wohnungen ſowohl in der Stadt als in der näheren und entfernteren Umgegend von Jena unent— geltlich ärztlichen Beiſtand und Medicamente, ſie haben deshalb in der Wohnung des Directors, zu welcher Tages— zeit immer, Meldung zu machen. Zufolge einer ſolchen be— giebt ſich der Director, oder in deſſen Abweſenheit deſſen Aſſiſtent in Begleitung eines der Praeticanten unverweilt in die Wohnung der Leidenden. Dort angelangt, wird die nöthige Unterſuchung vom Director und Practicanten vor⸗ genommen, die Diagnoſe des Leidens feſtgeſtellt, der Heil— plan entworfen und zur Ausführung gebracht. Die etwa angezeigten Operationen werden in der Regel vom Director ſelbſt ausgeführt, theils weil die hier zur Beobachtung kom— menden Fälle meiſt zu den complicirteren, ſchwierigeren ge— hören, theils weil die Nachbehandlung nicht in demſelben Maße in der Gewalt der Klinik ſteht, als dies in der Ge— bäranſtalt der Fall iſt, theils endlich auch, weil das Publi— cum einen Anſtoß daran nehmen würde, wenn hier von den Practicanten operirt werden ſollte. Für das Gedeihen dieſes neuen Inſtitutes war der letzte Grund ein vorzugs— weiſe zu beachtender. In der Regel wird bei jedem Falle nur ein Practicant hinzugezogen, nur bei beſonders wich— tigen und ſeltenen Fällen kommen mehrere hinzu. Der jedesmalige Practicant hat, wenn die Geburt ſich in die Länge zieht, die Kreißende nicht zu verlaſſen, bis die Ge— burt vollendet iſt, und neben der beſtändigen Beobachtung dafür zu ſorgen, daß die Arzneien u. ſ. w. gehörig in Anwendung kommen, und die nöthige Pflege Statt finde. Auch nach Beendigung der Geburt bleibt ihm die regelmäßige Beobachtung der Wöchnerin, falls dieſelbe etwa erkranken ſollte. — Die zweckmäßige Verbindung der Poliklinik mit der Entbindungsanſtalt geſtattet in ſolchen Fällen, wo we— gen ſehr ungünſtiger häuslicher Verhältniſſe der Schwange— ren oder Kreißenden ein glücklicher Ausgang vorausſichtlich nicht erzielt werden dürfte, die Leidende in die Anſtalt zu ſchaffen und dort derſelben alle denkbare Pflege angedeihen zu laſſen. — Um jede Verzögerung der Hülfe zu vermeiden, wird zu den auswärtigen Fällen eine portative Apotheke im Wa— gen des Directors mitgeführt, in welcher ſich die gebräuch— lichſten Medicamente befinden, wie Acidum tartaricum, Ae- ther sulphuricus, Borax, Castoreum moscoviticum, Liquor ammonii causticus, Liquor Ammonii suceinicus, Liquor Ferri muriatici, Natron bicarbonicum, Nitrum, Pulvis Doveri, Pul- vis radicis Ipecacuanhae, Secale cornutum, Solutio Tartari emetici, Spiritus sulphurico-aethereus, Tinctura Chinae, Tin- etura Cinnamomi, Tinctura Ferri sulphurico-aetherea, Tin- etura Opii erocata, Tinctura sulphurico-acida, Tinctura Va- lerianae. — Zu gleichem Zwecke habe ich mir folgende Inſtrumente in einem geburtshülflichen Etui zuſammen⸗ geftellt. 1) Die (in demſelben Hefte beſchriebene und abgebil— dete) von mir conſtruirte Geburtszange. 2) Der von mir im Jahre 1843 angegebene und be— reits mehrfach erprobte Kephalotribe. Derſelbe iſt eine un— gefenfterte, mit ſchwacher Kopf- aber ſtarker Beckenkrüͤm— mung verſehene, 17¾“, reſp. 18 ½“ lange Zange, an deren unterem Ende eine quer laufende Schraube beweglich angebracht iſt, welche durch einen in ihre Oſe zu ſteckenden Knebel gedreht wird. — Das rechte Blatt iſt wegen eines flachgedrückten, 1“ langen Canales für die Schraube um 3/4‘ länger als das linke, in deſſen unterem Ende die Schraubenmutter ſich befindet. Die oben und unten mit gerieften ſchwachen Holzplatten belegten Griffe ſind 7“, reſp. 7/4“ Zoll lang, 6““ dick, 7“ breit; an deren Schloßende find nach außen mit Holz unterlegte, 9 lange Wider— haken, ganz wie an meiner Zange angeſchraubt. Der hin— länglich ſtarke, 1¼“ lange Schloßtheil iſt eben fo einfach, wie an meiner Zange conftruirt: engliſches Schloß mit doppeltem Backen. Die 9“ langen Löffel ohne Fenſter be— ginnen mit einem Vorſprunge über dem Schloſſe, um das Auf- und Niederſchieben zu mäßigen, ſind matt hohl ge— ſchliffen, an ihrer breiteften Stelle (etwa 3/4” von dem ab— gerundeten Ende entfernt) 1¼ “ breit und daſelbſt 1,8“ dick, über dem Schloſſe hingegen 11“ dick. Die Kanten ſind überall vollkommen abgerundet und fein polirt. Die Kopfkrümmung beträgt, 1½“ vor den nur 1’ von ein— ander ſtehenden Enden, 1“ und verliert ſich allmälig gegen das Schloß. Die Beckenkrümmung der Löffel beträgt 3“ 6, fie zieht ſich aber durch die Griffe fort, fo daß das unterſte Ende derſelben 1½“ über den Horizont ſich erhebt. Die mit doppeltem Gewinde verſehene, 4,7“ im Durch⸗ meſſer haltende Schraube iſt mit ihrem 1“ 10 langen Kopfe 6“ 8““ lang, der Kopf derſelben iſt durchbohrt, um einen 4½“ langen, reichlich 5°” ſtarken abgerundeten Knebel von Horn beim Gebrauch des Inſtrumentes hindurch zu ſtecken. Der ganze Kephalotribe wiegt 2 Pfund 29 Loth, und iſt daher leichter als alle bisher bekannt gemachten Inſtrumente dieſer Art (Baudeloeque's des Neffen Ke— phalotribe wiegt 7½ —4 Pfund, Ritgens Kopfzerſchel⸗ ler wiegt 3 Pfund, Buſchs Kopfzerſcheller wiegt 4 Pfund, Kilians Kephalotribe wiegt A Pfund, Hüters Embryo⸗ thlaſt wiegt 3½ Pfund, Trefurts Kopfquetſcher mit dem Compreſſorium wiegt wenig über 4 Pfund), dennoch aber durch eine zweckmäßige Vertheilung des Metalls ſolid genug, um die Aufgabe, den Kopf des Kindes zufammen- drücken zu können, mit Sicherheit zu löſen. Außer dieſer Eigenthümlichkeit, durch welche allein ſchon das Inſtrument für die alltägliche Praxis ſich empfiehlt, wird dasſelbe noch durch die Einrichtung des Schraubenapparates geeignet, in dem gewöhnlichen Beſteck des praktiſchen Geburtshelfers Auf— nahme zu finden. Dieſer iſt nämlich ſo einfach als möglich hergeſtellt, und auch hierdurch einem dritten Requiſit der Ein— führung in die Praxis entſprochen, nämlich der Billigkeit. Das ganze Inſtrument, beſtehend aus 4 Theilen, den beiden Blättern, der Schraube und dem Knebel, wird von dem hie— ſigen Inſtrumentenmacher Beſemann für 11 Thaler geliefert. 47 157. VIII. 3. 48 3) Das in dem polikliniſchen Etui befindliche ſcheeren— förmige Perforatorium iſt das Smellieſche, um bei etwa vorkommenden Embryotomieen für alle Eventualitäten ge— ſichert zu ſein. 4) Das trepanförmige Perforatorium nach Fr. Wesſcheck, welches ſich durch die tulpenförmige Scheide, in welcher der Trepan mittels einiger Schraubengewinde feſtgeſtellt werden kann, von dem Joörgſchen unterſcheidet. Es gewährt den Vortheil, daß der ſchwächere Stiel tiefer in den Damm hineingedrängt und dadurch die Krone mehr ſenkrecht auf den Kopf applieirt werden kann. 5) Der ſcharfe und ſtumpfe Haken nach Smellie. 6) Der eiſerne Maßſtab mit Gabel zur Repoſition der Nabelſchnur mit den nöthigen Schwämmchen nach Roß— hirt, welcher auch als Führungsſtab beim Gebrauch der Wendeſchlingen dient. 7) Zwei verſchiedenfarbige Wendeſchlingen. 8) Ein weiblicher Katheter. 9) Der Kephalo-Pelykometer nach Dan. Meyer. Die in der Poliklinik gemachten Beobachtungen erhal— ten dadurch für ſämmtliche Practicanten eine nützliche Ver— wendung, daß dieſelben in einer dazu beſtimmten kliniſchen Stunde von dem jedesmaligen Practieanten den übrigen mitgetheilt und von einem Vortrage des Directors über den einzelnen Fall mit Benutzung eigener und fremder Erfah— rungen und Anſichten begleitet werden. Dieſe Vorträge ge— ſtatten auf einzelne Punkte der Diagnoſe, wie der Therapie näher einzugehen, und namentlich den im Leben ſo häufigen Complicationen der Fälle mehr Zeit zu widmen als dies im dogmatiſchen Vortrage des Faches möglich iſt.“ Miſecellen. (4) Nachträglicher Zuſatz über Bereitung des Collodium. Vergleiche No. 22 des vorigen Bandes. — Um eine ganz helle, durchſichtige Auflöſung zu erhalten, muß man nach Soubeyrans Vorſchlag waſſerfreie Schwefelſäure und Salpeter anwenden. Zum medieiniſchen Gebrauche iſt jedoch con— centrirte Schwefelſäure und gewöhnlicher reiner Salpeter voll— kommen genügend. Herr Sbubeyran hatte die Bemerkung gemacht, daß, wenn man das Baumwollenpulver (Xyloidine sul- furique) ein wenig mit Waſſer anfeuchtete, es ſich ſchneller im Ather auflöfe, aber es entging ihm nicht, daß das fo bereitete Collodium eine klebende Eigenſchaft beſitze, und daher für den chi— rurgiſchen Gebrauch ganz untauglich ſei, was man während eini⸗ ger Tage in den Hoſpitälern, zu unſerm peinlichen Befremden, zu beobachten Gelegenheit hatte. Man ſei alſo ſehr aufmerkſam bei ſeiner Bereitung, alle Berührung mit Waſſer zu vermeiden, und ja bei ſeiner Anwendung dafür zu ſorgen, daß die organiſchen Gebilde, auf die man es aufträgt, von aller Feuchtigkeit bis zur völligen Verdampfung des Athers frei erhalten werden. Dieſe, aus dem Verfahren des geiſtreichen Mialhes abſtrahirten, nach der Theorie von ihm ſelbſt feſtgeſtellten Regeln müſſen ſtreng beobachtet werden, um Erfolg zu haben. Die Adhäſionskraft ift uͤbrigens deſto ſtärker, je feiner und nachgiebiger das Gewebe iſt, auf welches man das Collodium aufträgt. So wollte z. B. ein berühmter Operateur vor einigen Tagen eine noch etwas blutende Wunde im Geſichte vereinigen, was natürlich nicht gelingen konnte. Die Schnittwunde der am eingeklemmten Bruche von Jobert operirten Frau iſt jetzt völlig geſchloſſen. Der Verband des an der Zerſchmetterung der Handwurzel und Mittelknochen Verwunde—⸗ ten hat nicht allein eine ſehr raſche Heilung herbeigeführt, ſondern hat einem Schwefelbade von einer Stunde ſo gut widerſtanden, daß man heute verſuchen wird, eine Dampfdouche darauf zu geben, und man ſchmeichelt ſich, daß man nicht nöthig haben werde, ihn zu erneuern. Geſtern wurde es im Hopital Beaujon von Hrn. Robert bei einer Operation, wo nach einer neuen von Jules Roux angegebenen Methode der Fuß desarticulirt und die Weich— gebilde der Ferſe als Stützpunkt erhalten wurden, mit dem größten Vortheile angewendet. Heute früh hat es Malgaigne im Ho⸗ ſpital St. Louis bei einer durch einen Bajonetſtich arg gemißhan— delten Ferſe, wo man kein Sparadrap wegen eryſipelatöſer Dis— poſition gebrauchen konnte, zu großer Erleichterung des Verwunde— ten angelegt. Schließlich bemerke ich noch, daß nach Hrn. Mia l-⸗ hes Angabe die in meiner Notiz nur ungefähr angegebene ‘Pros portion folgende iſt: Alkohol 1, Baumwolle 1, Ather (gut berei⸗ teter) 15. Eine bis jetzt noch nicht entfernte Unbequemlichkeit für den Operateur iſt die außerordentliche Schwierigkeit, ſeine Hände von dieſem Klebeſtoffe zu befreien. Das Mittel, ſich mit Ather zu waſchen, was bis jetzt einzig uns geholfen, iſt auf die Länge viel zu koſtſpielig. Wir beſchäftigen uns, ein wohlfeileres Waſchmittel zu finden. 13. September. (Spen. Ztg.) Dr. Koreff. (5) Über die Behandlung der Wunden mit kalten Umſchlägen hat Hr. Demarquay zu Paris Verſuche an Thies ren gemacht, welche das, was eine rationelle Erfahrung auch fonit ſchon gelehrt hatte, vollſtändig beſtätigen, daß nämlich kein Grund ſei, kalte Umſchläge anzuwenden, wenn die erſte Entzündungsreaction vorüber iſt. Hr. D. fand nämlich, daß bei einer ſchweren Ver— wundung der Theil dieſelbe Temperatur hat, wie der der andern Seite, bis die Entzündung mit dem ſymptomatiſchen Fieber eintritt und die allgemeine Körpertemperatur um 1—2 Grad ſteigt; zu dieſer Zeit bemerkt man eine Steigerung der Temperatur in der Wunde. Sobald aber die Eiterung und Granulationsbildung ein= tritt und das Fieber nachläßt, ſo zeigt auch die Wunde keine Tem— peraturerhöhung mehr in Vergleich zu demſelben Körpertheil auf der nicht verwundeten Seite. Dies entſpricht nicht ganz dem, was man bis jetzt nach Hunters Anſichten als Erfahrungsſache an— nahm und es ergiebt ſich daraus zugleich, daß Eisumſchläge bei Wunden immer nur nach Eintritt der Reaction bis zur Eiterung indieirt fein können, oder alſo während des traumatiſchen Fiebers. (Gaz. Med. No. 34.) Es iſt dabei indeß doch beſonders darauf aufmerkſam zu machen, daß die Eisumſchläge oft bei Wunden we— gen begleitender oder ſecondärer Zuſtände während aller Stadien der äußern Wunde ſelbſt indicirt fein können; man denke z. B. nur an Kopfwunden, an Wunden in der Nähe ſtraffer g ꝛc. Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Gifford, The Marine Botanist: an Introduction to the Study of Algology containing Descriptions uf the Commonest British Sea Weeds. 12%. (pp. 150. cloth, 5 sh.) London 1848. J. Ch. Döll, zur Erklärung der Laubknospen der Amentaceen. Eine Beigabe zur rheinischen Flora. gr. 8” Geh. J% Thlr. Brönner in Frankfurt a/M. 1848. C. G. Giebel, Fauna der Vorwelt. 1. Bo Wirbelthiere. 3. Abth. Fiſche. gr. 8%. Geh. 2%, Thlr. F. A. Brockhaus in Leipzig 1848. J. A. Frankl, de la cure aux eaux et de l’emploi convenable des eaux mi- nerales en boisson et en bain. gr. 8%. Geh. 16 Sgr. T. 0. Weigel in Leipzig 1848. A. E. Danzer, Topographie von Marienbad. Für Badegäste. Geh. 1 Thlr. 18 Sgr. Ign. Jackowitz in Leipzig 1847. gr. 80. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 158. (Nr. 4. des VIII. Bandes.) October 1848. Naturkunde. Davy, üb. die Harnabſonderung gewiſſer Thiere und deren Zuſammenhang mit der Körperwärme und der Nahrung derſelben. — Davp, üb. die Temperatur der Spinne und die Harnabſonderung des Scorpions und Tauſendfußes. — Bouchardat, üb. die Nahrungsmittel der Landbewohner Frankreichs in der jetzigen Zeit, mit den Nahrungsmitteln derſelben vor 150 Jahren verglichen. — Guvon, f ß 5 Heilkunde. den Bau der Vaginalſchleimhaut. Henle, üb. die Unterrrückung der Hautausdünſtung. Kaffee gegen Cholera infantum. — Bibliographie. Pferd. Herz der Spinnen. Über die Größe der Inſel Helgoland. — Miſcellen. Wildes Mandl, über 9 üb. die Schawia. — Gerlach, über Oſteobidgeſchwülſte. — Miſcellen. Naturkunde. VIII. Über die Harnabſonderung gewiſſer Thiere und deren Zuſammenhang mit der Körperwärme und der Nahrung derſelben. Von John Davy, Ned. Dr., Gen. Inſpector der Kriegshoſpitäler. 1) Die harnartigen Exeremente vieler Vögel (deren Körperwärme bekanntlich alle ubrigen Thiere übertrifft) be— ſtehen zum größten Theil aus harnſaurem Ammoniak. Der Verf. fand dieſe Beobachtung in allen Fällen beſtätigt, ſelbſt da noch, wo die Vögel in der Gefangenſchaft und nur von Pflanzennahrung lebten. Eine Taube, die er in Guinea mit Mais und ein Papagei, den er mit Brot und Piſang— früchten fütterte, entließen dieſelben Harnereremente, wie Papageien, welche einige Jahre früher von ihm auf Ceylon nur mit Reiß und Piſangfrüchten genährt wurden. 2) Die Inſecten mit einer veränderlichen Temperatur, die, wie es ſcheint, nach dem Grade ihrer Aufgeregtheit, nach ihrer Beſchäftigung, ihrer Reſpiration und ihrer thie— riſchen oder vegetabiliſchen Nahrung verſchieden iſt, entlaſſen nach des Verf. Verſuchen ähnliche Ereremente wie die Vö— gel; fie beſtehen zum größten Theil aus harnſaurem Am— moniak und Harnſäure. 3) Die Spinnen mit einer niedrigen Körperwärme und beträchtlicher Lebendigkeit, nur von Inſecten lebend, ſecerni— ren einen ganz anders zuſammengeſetzten, aus Kanthicoryd beſtehenden Harn. 4) Die Schlangen, deren Körperwärme nur um wenige Grade höher als die Temperatur ihrer Umgebung iſt, die aber gleich den Spinnen eine große Muskelthätigkeit ent— wickeln und wie dieſe nur von animaliſcher Nahrung leben, aber auch lange der Nahrung entbehren können, liefern Harnereremente, die zum größten Theil aus harnſaurem Ammoniak beſtehen. Fo. 2138. — 1038. — 158. 5) Die Eidechſen, deren Temperatur den Schlangen gleichkommt und welche wie dieſe nur von thieriſcher Nahrung leben, liefern, ſo weit des Verf. Verſuche mit 3 bis 4 ver— ſchiedenen Arten dieſer Thiere reichen, dem Schlangenharn analoge Exeremente. 6) Der Froſch und die Kröte, welche ebenfalls eine niedere Körperwärme beſitzen und nur von thieriſcher Nah— rung leben, auch lange Zeit faſten können, haben dennoch einen von allen übrigen bisher beſprochenen Thierarten ver— ſchiedenen Harn. In allen vorerwähnten Fällen ſcheint der Harn ſchon im halbflüſſigen Zuſtande (als Körnchen von harnſaurem Ammoniak in wenig Waſſer vertheilt) von den Nieren abgeſchieden und, noch ehe er entlaſſen wird, durch Abſorption der wäſſerigen Theile in der Kloake, die als Reſervoir der Ereremente dient, feſt zu werden, oder bald nach ſeinem Entlaſſen durch Waſſerverdunſtung an der Luft zu erhärten. Bei den genannten Batrachiern wird er da— gegen im flüſſigen ſehr verdünnten Zuſtande von den Nie⸗ ren ſecernirt und in die Kloake übergehend, von einer con— tractilen ſehr ausdehnbaren Blaſe, welche durch eine große mittelſt einer Klappe verſchloſſene Längsöffnung mit dem untern Theile des Darmeanals (der Kloake) in Verbindung ſteht, aufgenommen. Der dünnflüſſige Harn dieſer Thiere beſteht hauptſächlich aus einer wäſſerigen Löſung von Harn— ſtoff und einer geringen Menge anderer Salze, nähert ſich demnach dem Harne des Menſchen. Der Verf. machte ſchon vor Jahren an einer großen Froſchart und einer Kröte, die er auf Ceylon unterſuchte, dieſe Beobachtung und beſtätigte dieſelbe an einer auf Barbadoes einheimiſchen, der europäi— ſchen Rana bufo gleichkommenden Kröte. Aus dieſen Beobachtungen folgert der Verf., daß die Beſchaffenheit des Harns weder von der Körperwärme noch von der Activität und der Nahrung des Thieres, mithin 4 51 158. VIII. 4. 52 nicht von den phyſiologiſchen an die Reſpiration, Muskel— thätigkeit, Verdauung u. ſ. w. geknüpften Bedingungen ab— hänge, Sondern hauptſächlich vom innern Bau der Secre= tionsorgane bedingt werde. Zwar herrſchen über die beim Froſche und der Kröte beſchriebenen Blaſe noch verſchiedene Anſichten: von einigen Forſchern wird ſie für eine wirkliche Harnblaſe gehalten; andere nehmen ſie für den Behälter einer nicht von den Nieren, ſondern von der Haut ſecernirten Flüſſigkeit; Prof. R. Jones hält fie für ein Überbleibſel der alantois. Wenn ſie nun auch wirklich dieſen Urſprung hätte, aber mit dem Wachsthume des Thieres ſich vergrößerte und ſo entwickelte, daß ſie zur Aufnahme und nöthigen Entleerung des Harnes dienen könnte, ſo müßte ſie, wie der Verf. meint, doch im— merhin als Harnblaſe betrachtet werden. Nun enthält ſie aber wirklich eine Flüſſigkeit, die genau dem von genannten Thieren entlaffenen Harn entſpricht; auch ſcheint dem Verf. eine Abſorption der Flüſſigkeit durch die Membran dieſer Haut, die ſehr arm an Blutgefäßen iſt, nicht recht wahr— ſcheinlich; das endoſmotiſche Vermögen der Membran ſcheint ihm gleichfalls ſehr beſchränkt zu ſein, da eine ſolche Blaſe, die unmittelbar, nachdem ſie dem Thiere entnommen, im leeren zuſammengefallenen Zuſtande in Waſſer gelegt ward, nicht wieder aufquoll. Der Verf. bemerkt zum Schluſſe, daß, obſchon er die Beſchaffenheit des Harnes hauptſächlich von der Structur der für dieſe Abſonderung beſtimmten Organe ableitet, er dennoch den zwar geringeren Einfluß der Umſtände, z. B. der Nahrungsmittel und der Temperatur auf dieſe Abſon— derung, namentlich beim Menſchen, nicht verkennt. In einem kalten Klima und bei hauptſächlicher Fleiſchnahrung enthält der menſchliche Harn verhältnißmäßig viel Harnſäure und harnſaures Ammoniak; in einem heißen Klima iſt dies bei gleicher Nahrung nicht der Fall; unter den Tropen, wo die Reſpiration am wenigſten Sauerſtoff verbraucht, ſind deshalb Stein- und Grandbeſchwerden fat ganz unbekannt. Auch bei den Thieren bängt die Menge des ausgeſchiedenen Harnes zum großen Theil von der Menge des genoſſenen Futters ab; dies gilt auch für die Vögel und Inſecten, die von gemiſchter, theils animaliſcher, theils vegetabiliſcher Nahrung leben: die Menge des von ihnen entlaſſenen halb— flüſſigen ſtickſtoffreichen Harnes ſteht jederzeit mit der ge— nofjenen Nahrung im Verhältniß. An dieſe Arbeit reiht ſich paſſend der folgende Aufſatz desſelben Verfaſſers: IX. Über die Temperatur der Spinne und die Harnſecretion des Scorpions und Tauſendfußes. Die Spinnen werden im allgemeinen zu den kaltblü— tigen Thieren gezählt, ohne daß, ſo viel dem Verf. bekannt, dieſe Annahme durch genaue Unterſuchun gen gerechtfertigt iſt; ſeine Beobachtungen, die er gleich dem vorhergehenden Aufſatze im October- bis Januarheft des Edinburgh new philosophical Journal von 1847 und 1848 mittheilt, beſtäti— gen indes obige Annahme. Ein kleines Thermometer, das der Verf. an den Hinterleib einer großen, auf Barbadoes nicht ſeltenen, zum Genus Mygala gehörenden Spinne befeſtigte, hielt ſich be— ſtändig auf 86, 25% Fahrenheit, während ein ähnliches Ther— mometer, das unter der Glocke, in welcher die Spinne ge— halten ward, aufgeſtellt war, auf 86“ Fahr, ſtand. Der Unterſchied zwiſchen beiden Thermometern war am folgenden Tage etwas größer, dasjenige, welches die Spinne berührte, ftand auf 88, 5%, das andere auf 88d. Der Verf. hatte bei dieſen Verſuchen die Spinne in Baumwolle geſetzt und die Kugel des Thermometers, welche den Hinterleib des Thieres berührte, mit dieſem ſchlechten Leiter rings umgeben. Die Spinne hatte während der Nacht die weichen Theile eines Käfers verſchlungen und eine beträchtliche Menge harnartiger Greremente, die faſt nur aus Kanthicoxyd beſtanden, abge— ſchieden. Der Verſuch mit dem Thermometer ward zu ver— ſchiedenen Zeiten und immer mit demſelben Erfolg wiederholt. Mr. Longmore, der als Arzt des 19. Regiments auf Trinidad ſtationirt war, ſtellte auf des Verf. Wunſch Verſuche mit einer noch größeren, dort und auf einigen andern weſtindiſchen Inſeln einheimiſchen Spinne an. Ein kleines Thermometer, deſſen Kugel von dieſer Spinne (A. avicula- ria L. 2) umfaßt ward, ſtieg ſehr bald von 85 auf 86, 5%; in einem anderen Falle von 83 auf 85%. Ward das Ther⸗ mometer ſo angebracht, daß ſeine Kugel die untere Seite des Hinterleibes der Spinne unmittelbar berührte, ſo ſtieg das Queckſilber desſelben einen halben bis ¼ Grad höher als es in der Glocke, welche die Spinne enthielt, ſtand. Der Erfolg blieb bei verſchiedenen Lufttemperaturen derſelbe. Um die Menge der Kohlenſäure, welche eine Spinne in einer gegebenen Zeit bildet, zu ermitteln, ward die große Spinne, welche zum erſten Verſuche diente, vom Verf. unter eine mit Waſſer abgeſperrte Glocke geſetzt, welche 23 Cubik— zoll atmoſphäriſcher Luft enthielt. Nach 24 Stunden, wäh- rend welcher ſich die Temperatur im Innern der Glocke nicht verändert hatte, ward der Verſuch unterbrochen: das Luft— volumen hatte nach einer Behandlung mit Kalkwaſſer 2,11 Cubikzoll verloren, demnach mußte eine entſprechende Quan— tität Kohlenſäure gebildet worden fein. Eine nur halb fo große Spinne einer andern Mygala-Art blieb drei Tage unter einer Glocke mit 13,6 Cubikzoll atmoſphäriſcher Luft und bildete während dieſer Zeit nahebei 0,97 Cubikzoll Koh— lenſäure. Das Thier war zu Ende des Verſuchs noch mun— ter und lebendig. Die Menge des von dieſen Spinnen zur Bildung von Kohlenſäure verbrauchten Sauerſtoffs ſteht dem— nach mit der ihnen eigenthümlichen Körperwärme im Ver— hältniß. Nach des Verf. wiederholten Beobachtungen lebt die Spinne und der Scorpion nicht, wie man bisher glaubte, nur von den flüffigen Säften der von ihnen getödteten Thiere, verzehrt vielmehr alle weichen Theile derſelben; eben ſo irrig iſt die Angabe vom Selbſtmorde des Scorpions, der ſeiner Freiheit beraubt worden. Der Scorpion ſtirbt allerdings häufig in der Gefangenſchaft, aber nur weil er beim Ergrei— fen verletzt ward; nicht aber weil er ſich ſelbſt tödtete. Ein Scorpion, der unverletzt vom Verf. gefangen gehalten ward, 53 158. VII. 4. 54 befand ſich lange Zeit ſehr wohl und lebte von Fliegen und andern Inſecten, die er tödtete und ihre weichen Theile verzehrte. Die Ereremente dieſes Thieres (des Scorpionus ameri- canus) wurden wie bei der Spinne im halbflüſſigen Zu: ſtande entlaſſen, und bald an der Luft durch Waſſerverdun— ſtung zu einer feſten graulichen Maſſe, die unter dem Mi— kroſkop faſt ganz aus runden, 8000 bis ¼12000 Zoll großen Körnchen zu beſtehen ſchien und ſich chemiſch wie Kanthie— oryd verhielt. Faſt ſämmtliche Ereremente dieſer Thiere werden als Harn abgeſchieden, in welchem der Verf. ſelbſt bei verſchiedenen Seorpionarten niemals Spuren von Harn— ſäure entdecken konnte. Der Scorpion und die Spinne ſcheiden oft und reichlich Erxeremente ab, der Tauſendfuß ſcheint ſie ſparſamer zu entlaſſen. Ein großes, 6 Zoll lan— ges Thier der letzten Art (Scolopendra morsitans) ſtarb, nachdem es 14 Tage in Gefangenſchaft geſeſſen und nichts gefreſſen hatte, auch beim Einfangen etwas verletzt war. Es ließ während dieſer Zeit zwei Mal Exeremente fallen, die aus einer kleinen, dunkelfarbenen cylindriſchen Maſſe be— ftanden, welche zum Theil mit einer weißen Incruſtation bedeckt war. Der letztere Überzug für ſich unterſucht, be— ſtand aus harnſaurem Ammoniak, unterm Mikroſkop erſchien er aus Körnchen von ¼8000 Zoll Durchmeſſer zuſammen— geſetzt, mit Salpeterſäure erhitzt, gab er die bekannte Re— action der Harnſäure, das purpurfarbene Murerid. Die größere dunkle Maſſe der Exeremente beſtand mikroſkopiſch unterſucht, aus einem Gemenge von Abfällen, Sand, klei— nen Körnern u. ſ. w.; offenbar aus unverdauten Sub— ſtanzen. X. über die Nahrungsmittel der Landbewohner Frankreichs in der jetzigen Zeit, mit den Nahrungsmit⸗ teln derſelben vor 150 Jahren verglichen. Von Bouchardat. Des Verf. Unterſuchungen beziehen ſich größtentheils auf den alten Bezirk von Vezelay, für den ihm Vaubans treffliche ſtatiſtiſche Beſchreibung dieſes Bezirks vor 150 Jah— ren zur Grundlage diente. Er forſchte ſowohl nach den Veränderungen in der Nahrung als in der Lebensweiſe, Kleidung und in den Sitten der Landbewohner und der Winzer und theilt in No. 1 der Comptes rendus vom 3. Juli 1848 das Reſultat ſeiner Forſchungen mit. Um ſich einen richtigen Begriff von den Lebensmitteln der Landbewohner zu machen, muß man nach ihm zwiſchen der gewöhnlichen und außergewöhnlichen Koſt, welche durch die übermäßigen Anſtrengungen der Korn- und Weinernte nöthig wird, unterſcheiden. Nur die alltäglichen Nahrungs— mittel beſchäftigen den Verf.; er unterſcheidet: 1) die ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmittel; 2) die ſtärkemehlhaltigen Nahrungsmittel; 3) die Gemüße; 4) die fetten Stoffe und 5) die nahrhaften Getränke. Die ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmittel. — Das Fleiſch gehörte nach Vauban zu den ſeltenen Nah— rungsmitteln der Landbevölkerung, nur drei Mal im Jahre ward es von ihnen genoſſen, wogegen es jetzt einen höhe— ren Rang einnimmt und mindeſtens zwei Mal wöchentlich auf dem Tiſche der Arbeiter und Winzer erſcheint. Sie ge— nießen größtentheils nur geſalzenes Schweinefleiſch und ſel— ten in einer Mahlzeit mehr als 100 bis 150 Gramm, während ein franzöſiſcher Cavalier täglich etwa 285 Gramm Fleiſchſpeiſen verzehrt. Stärkemehlhaltige Nahrungsmittel. — Zu ihnen zählt der Verf. alle diejenigen, in denen das Stärke— mehl vorherrſcht, das Stärkemehl der Cerealien und des Buchweizens, die Hülſenfrüchte, Kartoffeln u. ſ. w. Die in dieſen Nahrungsmitteln enthaltenen ſtickſtoffhaltigen Sub⸗ ſtanzen ſind zwar für die Ernährung der Landbewohner nicht unweſentlich, können aber keinesweges den Stickſtoffgehalt der nicht gebräuchlichen Fleiſchſpeiſen ausgleichen. Das Weizenbrot war den Bauern und Winzern vor etwa 150 Jahren faſt gänzlich unbekannt, ſie nährten ſich von einem aus Hafer und Gerſte bereiteten Brote, von dem die Kleie nicht entfernt ward; jetzt findet man auf ihren Tiſchen nicht ſelten grob geſiebtes reines Weizenbrot, häu⸗ figer aber ein aus Weizen mit Zuſatz von Roggen oder Gerſte bereitetes Brot. Die ſtärkemehlhaltige Nahrung der Land— bewohner hat ſich überhaupt ſeit 150 Jahren ſehr verbeſſert; die Kartoffel iſt ihre gewöhnliche Speiſe geworden. Gemüßepflanzen. — Die alten Landbewohner des Bezirks von Vezelay nährten ſich außer dem Gerſten— brote, nach Vaubans Berichte, vorzugsweiſe von wilden Früchten, Wurzeln und Kräutern, nur wenige Gemüßepflan⸗ zen wurden in ihren Gärten cultisivt. Sie genoſſen ſelbige in Waſſer gekocht, mit einem Zuſatze von Nuß- oder Rüb⸗ ſamenöl, meiſtens ſchwach oder gar nicht geſalzen. Jetzt, wo die Gartencultur fo große Fortſchritte gemacht hat, und die Landbewohner dieſer Gegend jährlich in den Ge— müßegärten um Paris Arbeit ſuchen, ſind auch bei ihnen die wilden Früchte und Kräuter meiſtens durch nahrhaftere und wohlſchmeckendere Culturgewächſe verdrängt worden. Die fetten Stoffe können nicht gleich den ſtärke⸗ mehlhaltigen Nahrungsmitteln, dem magern Fleiſch und den Gemüßen, ohne entſchiedenen Nachtheil für die Ernährung entbehrt oder durch andere Stoffe erſetzt werden, ſie gehörten deshalb ſchon vor 150 Jahren zur täalichen Koſt der Land⸗ bewohner. Dieſelben benutzten damals das Wallnuß- und Rübſamenöl, das auch noch jetzt von ihnen an Suppen und Gemüßen gebraucht wird; andere fette Stoffe, als But⸗ ter, Sahne u. ſ. w., die damals nur in den Städten be— kannt waren, werden jetzt auch auf dem Lande in großer Menge verbraucht; zu ihnen geſellt ſich der Speck und das Schweineſchmalz. Vor 150 Jahren ſchlachtete man auf dem Lande noch wenig Schweine; nur in Dörfern, die in der Nachbarſchaft der Waldungen gelegen, durch Eicheln und Buchnüſſe eine gute Maſt abgaben, war die Schweine- zucht bedeutend; die gemäſteten Schweine wurden indes mei⸗ ſtens in den Städten und nur eine ſehr geringe Zahl in 4 * 55 158. VIII. 4. 56 den Dörfern verzehrt. Jetzt wird dagegen der Speck und das Schmalz der Schweine von den Landbewohnern mindeſtens fünf Mal in der Woche zur Bereitung der Speiſen gebraucht. Seit der Kartoffelbau ſo allgemein geworden, hält ſelbſt der kleinſte Bauer Schweine; und gerade als Nahrungsmittel der Hausthiere wird die Kartoffel indirect für das Gedeihen und den Wohlſtand der Bevölkerung ungleich wichtiger, wie direct als Nahrungsmittel für die Menſchen ſelbſt, die ohne Fleiſchſpeiſen nur ſchwächlich und ungeſund bleiben würden. Nahrhafte Getränke. — Die Landbewohner der Vorzeit, welche die Reben noch nicht gehörig anbauten, tran— ken wenig Wein, und auch die jetzigen äußerſt fleißigen Winzer Frankreichs gebrauchen für ſich und ihre Familien nicht ſo viel Wein, wie ihrer Geſundheit zuträglich ſein würde; der Verf. hofft indeß, daß wechſelſeitige? Verbeſſerun— gen im Weinbau auch ihnen bald einen reichlicheren Genuß ihres eigenen Productes geftatten werden. Allgemeine Beobachtungen. — Die von den Landbewohnern verzehrten ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmittel betragen mit Einſchluß des in den Pflanzenſtoffen enthalte— nen Stickſtoffs lange nicht die Menge von 154 Gramm trockner ſtickſtoffhaltiger Subſtanz, oder 22,5 Gr. Stickſtoff, welche der franzöſiſche Cavalier täglich verbraucht; dagegen beträgt die Menge des Waſſerſtoffs und Kohlenſtoffs der genoſſenen Pflanzennahrung um 328 Gramm Kohlenſtoff mehr als die normale tägliche Ration; dieſer Überſchuß muß demnach den fehlenden Stickſtoff erſetzen. Früher vom Verf. angeſtellte Verſuche zeigten ihm nun, daß erſtere Stoffe viel ſchneller als die ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen verbrennen; er ſchließt daraus, daß den Landbewohnern, welche mehr der Luft und der Sonne ausgeſetzt leben, leichter orydirbare Nahrungsmittel nothwendiger als dem Städter ſind. Die Wohnungen der Landbewohner waren vor 150 Jahren äußerſt roh und in ihren Räumlichkeiten ſo beſchränkt, daß häufig Menſchen und Thiere neben einander wohnten; auch jetzt laſſen ſie noch viel zu wünſchen übrig, die Räum— lichkeiten ſind auch jetzt noch ſehr beſchränkt; doch ſieht man deutlich, wie dieſelben don Jahr zu Jahr ſelbſt bei den Tage— löhnern zweckmäßiger und netter eingerichtet werden. Die Kleidung war vor 150 Jahren nicht beſſer als die Wohnung; drei Viertheile der Landbevölkerung klei— dete ſich damals Winter und Sommer in ſchlechte Leinwand; jetzt tragen ſie größtentheils dauerhafte wollene, auf dem Lande ſelbſt, wo die Schafzucht nicht unbedeutend iſt, an— gefertigte Stoffe; auch die Kinder ſind meiſtens beſſer wie vormals bekleidet. Die Kleidung der Frauen wird mit je— dem Jahre ausgewählter. Die Arbeiter in den franzöſiſchen Städten würden, be— merkt der Verf. am Schluſſe ſeiner Abhandlung, weder mit der Nahrung noch Wohnung der jetzigen Landbewohner zu— frieden ſein; dagegen iſt die Arbeit der letztern durch aus— ländiſche Concurrenz weniger gedrückt, minder angreifend. Das Schickſal der kleinen Eigenthümer und Arbeiter Frank— reichs iſt mit dem Geſchicke der engliſchen Arbeiter verglichen, überhaupt ein günſtiges; zu Liverpool leben 40,000 Men— ſchen in 8000 Kellern, dort wird nach neueren Berichten ein Arbeiter ſelten über 17 Jahre alt. Vor 150 Jahren lebten auch in Frankreich (zu Vezelay) 8486 Perſonen aufs elendeſte, ſtarben wohl gar vor Hunger und Kälte, wo jetzt 17,124 Men ſchen mit dem Zuſtande der Vorzeit verglichen, behaglich leben, und doch zeigt ein ſorgfältiger Blick auf ihre jetzigen Verhältniſſe, wie viel noch zu wünſchen übrig bleibt und wie manches ſich noch verbeſſern ließe. XI. Über die Schawia. Von Guyon. Die Schawia verbreiten ſich über einen weiten Landſtrich, ſie bewohnen das Gebirge Aures (Auraſius der Alten) und die benachbarten ausgedehnten Ebenen; ſie bilden einen Zweig des großen Kabylen- oder Ber— bernſtammes, welcher die Gebirge der Küſte vom Königreich Tripolis nach Oſten und Weſten bis an den Ocean bevöl— kert. Die Schawia ſind meiſtens lange Menſchen von wei— ßer Hautfarbe und mit blondem Haar; man hielt ſie deß— halb für Abkömmlinge der Vandalen, die zur Zeit der Er— pedition des Beliſar in den Gebirgen der Küſte und des Innern Schutz ſuchten. Zu den genannten Charakteren, welche fuͤr eine nörd— liche Abſtammung ſprechen, geſellt ſich noch ein neuer vom Verfaſſer auf ſeiner letzten Reiſe durch den Aures auf— gefundener Grund; dem Schawiaſtamme fehlt nämlich gleich dem Stamme der Cagots in den Pyrenäen, die ſicher go— thiſcher Abſtammung ſind, das Ohrläppchen. Das Fehlen des Ohrläppchens, obſchon bei den Schawia im allgemeinen vorkommend, iſt dennoch bei den Bergbewohnern häufiger als bei denen, die in der Ebene leben; ſowohl dieſes Kenn— zeichen als die übrigen aus der Haut- und Haarfarbe, ſo— wie der Größe entnommenen verlieren ſich, je weiter man ins flache Land hinabkommt, mehr und mehr und ſprechen für eine allmälige Vermiſchung mit den Arabern. Ein Mann des Schawiaſtammes ohne Ohrlappen, den der Verf. zeichnete, war mit einer Frau aus Conſtantine, welche ein normal gebildetes äußeres Ohr beſaß, verehelicht; er hatte 2 Kinder, und nur dem einen derſelben fehlten die Ohr— läppchen; das Kind ohne Ohrläppchen war auch im Auge und Haar ſeinem Vater ähnlich. Im allgemeinen waltet indes bei Kindern ſolcher Ehen der Typus der Mutter vor. In einer guten Anzahl von Familien ſcheint ſich das nördliche Blut unvermiſcht erhalten zu haben, und gerade dieſe Familien ſind die geachtetſten des Landes, aus denen die Oberhäupter gewählt werden. Zwei ſolcher Häuptlinge wurden dem Verfaſſer bekannt: der eine war der Kaid des Aures zu Wad Schemura, der andere der Kaid zu Bathna, der zu gleicher Zeit als Marabut gleich einem Heiligen verehrt wird und ſowohl bei ſeinem Volke als bei den Arabern im größten Anſehen ſteht. Beide kommen aus weiten Entfernungen, um dem Kaid aus Bathna die Hand oder das Gewand zu küſſen. 57 Dieſer Kaid iſt ein ſehr ſtarker Mann von mehr als mittlerer Größe, durchaus weißer Hautfarbe und mit einem Ohr ohne Ohrläppchen. Er empfing den Verf. und ſeinen Begleiter, deren Durchreiſe ihm von der Militärbehörde zu Conſtantine vorher gemeldet war, aufs zuvorkommendſte, und gab ihnen einen Häuptling ſeines Stammes, ſo weit ſein Gebiet reichte zur Sicherheitsbegleitung mit. Die Schawia beſchäftigen ſich vielfach mit Ackerbau, ſie bewäſſern ihre Felder, ſind überhaupt nicht minder kunſt— verſtändig als die ihnen benachbarten Araber; wie bei den letzteren wird auch bei ihnen den Frauen die Feldarbeit überlaffen. Die Schawia ſprechen die Sprache der Kabylen oder Berbern, der Verf. konnte in ihr keine Worte gothi— ſchen oder vandaliſchen Urſprungs bemerken; dagegen beſitzen ſie allerdings einige Worte, die in der Sprache der ſüdlich von Budſcha und Dellys wohnenden Kabylen nicht vorkom— men ſollen. Bei den Schawia find die Seropheln und die Syphi— lis ſehr verbreitet, ſchon neugeborene Kinder ſind mit letz— terer behaftet. Eben ſo häufig iſt dieſe Krankheit bei den Bewohnern von Ziban, wo man überall durch ſie verſtüm— melten Subjecten begegnet; die Syphilis iſt überhaupt eine der Hauptplagen des nördlichen Africas bis weit ins Innere hinein. Wollte man ihr ein Vaterland anweiſen, ſo müßte man Nordafrica als ſolches bezeichnen. 158. VIII. 4. 58 Bei den Frauen der Schawia ſcheinen überdies krebs— artige Übel der Brüſte ſehr verbreitet zu ſein. (Comptes rendus, No. 1, 3. Juillet 1848.) Miſcellen. 8. Ein wildes Pferd (Equus hemionus), das auf den Hochebenen von Tibet (15,000 Fuß über dem Meere) jung ein⸗ gefangen und gezähmt ward, iſt jetzt nach England unterwegs. Das Thier iſt gegenwärtig etwa 18 Monate alt und mehr als 12 Hände (4 Fuß) hoch. Wenn es, wie zu vermuthen ſteht, Eng: land geſund erreicht, wird es neben dem kürzlich von Rußland ges kommenen Auerochſen eine Zierde des Regents Park werden. (The Edinburgh new philosophical Journal. April to July 1848.) 9. Das Herz der Spinnen iſt nach Pappenheims Unterſuchungen von einem Herzbeutel, der ſeitlich nicht durchbohrt iſt, umgeben; das frei gelegte Herz zeigt keine Spur eines ſeitlich abgehenden Gefäßes; es beſteht aus 2 Syſtemen von Musfelfafern, die einen verlaufen der Länge nach, die anderen ſpiralig gegen die erſteren. Nur an beiden Enden des Herzens treten Gefäße ein und aus. (L'Institut, No. 762. 1848.) 10. Die Inſel Helgoland iſt nach Wiebels Angaben zur Zeit Adams von Bremen und Karls des Großen nur we— nig größer als gegenwärtig geweſen; Meyers Karte des alten Helgolands, nach welcher die Inſel 9 Pfarreien beſeſſen, iſt nach ihm ein Werk der Einbildung. Mit einer von Weſſel, einem däniſchen Ingenieur, aufgenommenen Karte verglichen, hat die In— ſel nach Wiebels neuerlich angeſtellten Vermeſſungen durch das Anſpülen der See nur 3 Fuß an Größe verloren. (Geological Journal, No. 14.) Seilk (II.) über Oſteoidgeſchwülſte. Von Dr. Gerlach“). Zu den noch immer räthſelhaften pathologiſchen Neu— bildungen gehören gewiß jene Geſchwulſtformen, für welche Joh. Müller den Namen Ofteoide ſchuf. Eine nähere Betrachtung derſelben dürfte ſchon deßwegen von Intereſſe ſein, da es ſicher iſt, daß unſere größten pathologiſchen Ana— tomen denſelben Namen ganz differenten Geſchwülſten bei— gelegt haben, wovon ſich jeder Überzeugen kann, welcher ſich die Mühe giebt, Joh. Müllers Abhandlung über oſſifi— eirende Schwämme oder Oſteoidgeſchwuͤlſte **) und den Ar- tikel Oſteoid in Rokitanſky's ***) Handbuch der pa— thologiſchen Anatomie nachzuſehen. Wir ſchicken unſeren Bemerkungen über die Natur der in Frage ſtehenden Geſchwulſtform die Geſchichte eines Fal— les voraus, welcher uns dazu die nächſte Veranlaſſung gab. Die Krankengeſchichte verdanken wir den Mittheilungen meh— rerer Collegen, da der Kranke raſch aus einer Hand in die andere kam; den Seetionsbericht aber Hrn. Dr. Wenzel, *) Aus Henle und Pfeufers Zeitſchr. VI. 3. **) Müllers Archiv, Jahrg. 1843. S. 396. *) Bd. II. S. 209. unde. welcher die Leiche im Auftrage der hier beſtehenden anatomi— ſchen Geſellſchaft *) öffnete. J. K. ... . ein ziemlich robuſter Jüngling von 17½ Jahren, war früher ſtets geſund mit Ausnahme eines im vorigen Jahre überſtandenen Trippers, welcher mit Anſchwel— lung der Leiſtendrüſen verbunden war, wogegen die Inun— ctionsur in Anwendung gebracht wurde. Zu Anfang Juli dieſes Jahres bemerkte K. ein Gefühl von Schwäche und Steifheit im rechten Kniegelenk, wozu ſich bald ein ſchmerz— haftes Ziehen im Verlaufe des Oberſchenkels geſellte, wel— ches allmälig in heftigere von der Hüfte nach dem Kniegelenk ſchießende Schmerzen überging. Dieſe Schmerzen kamen hauptſächlich nach längerem Gehen und hielten 15—20 Mi— nuten an. Dabei bemerkte man eine mäßige Anſchwellung an der inneren Fläche des unteren Dritttheils des Oberſchen— *) Die anatomiſche Geſellſchaft zu Mainz ward zu Anfang dieſes Jahres auf meine Anregung gegründet, und es nehmen an derſelben die meiſten hie⸗ ſigen Arzte Theil; durch vieſe vereinten Bemühungen iſt es möglich, daß bie meiſten Leichen, in der Woche gewöhnlich 3 —6, geöffnet werden. Die inter⸗ eſſanteren DObjecte der Leichenunterſuchung werden in einer Solution von Ar⸗ ſenik bis zur Sitzung, welche wöchentlich ein Mal Statt findet, aufbewahrt; in der Sitzung ſelbſt werden dieſelben vn gelangt der Sectionsbericht wird ver⸗ leſen und der behandelnde Arzt giebt eine kurze Geſchichte des darauf bezüg- lichen Falles. Discuſſion aber findet keine Statt. Es leuchtet von ſelbſt ein, wie nutzhringend eine ſolche Vereinigung ſowohl für die Wiſſenſchaft als auch für die Erhaltung des guten Vernehmens unter den Arzten einer Stadt iſt. 59 158. VIII. 4. 60 kels. Dieſer Zuſtand dauerte 14 Tage; da machte der Kranke eine ſogenannte Turnfahrt mit und in Folge der damit verbundenen Anſtrengungen nahmen die Schmerzen ſo überhand, daß derſelbe das Bett nicht mehr verlaſſen konnte. Dabei wuchs die Geſchwulſt außerordentlich raſch; die Haut— venen über derſelben ſchwollen an und der Fuß und Unter— ſchenkel wurden ödematös; die Temperatur der Geſchwulſt war nicht erhöht und die Farbe der ſie bedeckenden Haut ziemlich blaß. Bei der Unterſuchung war dieſelbe leicht geſpannt, etwas elaftifih und in der Tiefe das Gefühl von Fluctuation, was zur Eröffnung derſelben einlud, welche durch Kali caustienm bewerkſtelligt wurde; aus der Offnung floß zuerſt nur Blut und ſpäter bräunliche Jauche, jedoch in geringer Quantität. Hierzu geſellten ſich Fiebererſchei— nungen, Appetitmangel, Abmagerung, eingefallene Geſichts— züge mit umſchriebener, dunkler Röthe der Wangen, asei— tes. Nach der Eröffnung nahm die Geſchwulſt noch mehr zu und aus der Offnungsſtelle kam ein ſchwammartiger Körper von blauröthlichem Ausſehen zum Vorſchein, welcher öfters zu Blutungen Veranlaſſung gab; die Schmerzanfälle wurden außerordentlich heftig und erſtreckten ſich nach ab— wärts bis in die Ferſe. In der neunten Woche bemerkte der Kranke ein platzendes Geräuſch in der Geſchwulſt, wor— auf ein Schoppen blutig gefärbter ſchlecht riechender Jauche aus der beſtehenden Offnung ſich ergoß. Die Geſchwulſt nahm darauf etwas ab und es trat einige Erleichterung in den Schmerzen ein. Dagegen mehrten ſich Schwäche und Abmagerung immer mehr. Schüttelfröſte ſtellten ſich ein, Zunge und Lippen wurden trocken und ſchwarzbräunlich, die Reſpiration ward etwas beengt bei öfterem trocknen Huſten. Zu Anfang der zehnten Woche kamen dazu noch heftige Schmerzen im epigastrium, gefolgt von Würgen und Er— brechen, klebrige Schweiße, unwillkürliche blutige Stühle — Erſchöpfungstod. Leichenunterſuchung. Außerordentlich abgemager— ter Körper mittlerer Größe; rechter Unterſchenkel ſtark öde— matös. An der unteren Hälfte des Oberſchenkels befand ſich mehr nach Innen eine zehn Zoll lange und acht Zoll breite Geſchwulſt, welche oben offen war, aus welcher Off— nung eine blumenkohlartige Wucherung hervorragte. Das Kniegelenk war mit Jauche angefüllt, die Knorpel dunkel ſchmutzigroth, übrigens glatt und von normaler Gejtalt, wie auch die Bänder. Die Gelenkhöhle war von oben, von dem Schleimbeutel des rectus femoris aus von einem Theile der Aftermaſſe erreicht und durchbrochen worden. Die Geſchwulſt ſelbſt war durch den ſehr abgemagerten rectus femoris, wel: cher über ihre Höhe weglief, in der Mitte etwas eingedrückt und bildete ſo oberflächlich zwei Hauptpartien, welche den äußern und innern vastus verdrängt und ſich überall bis unter die Haut vorgeſchoben hatten. Der oberflächliche Theil der Geſchwulſt war weicher und theilweiſe durch die einge— tretene Fäulniß in einen jauchigen Brei verwandelt, in wel— chem jedoch deßhalb um fo deutlicher lockere, ſchwammige, unregelmäßige Knochenbildungen, welche vielfach in zackige Spitzen ausliefen, zu entdecken waren. Der tiefer gelegene Theil der Geſchwulſt beſtand aus einer gelbröthlichen, fa— ſerigbrüchigen, ziemlich reſiſtenten Maſſe, welche großentheils aus Knochenfaſern, Nadeln und Blättchen beſtand. Mit einiger Gewalt konnte man die von der Mitte des Ober— ſchenkelbeins bis zu deſſen Condylen ſich erſtreckende Ge— ſchwulſt vom Knochen lostrennen, welcher letztere dann we— nig verändert, nur von einzelnen langen Furchen in der Längsrichtung durchzogen erſcheint. Die Conſiſtenz desſelben iſt unverändert, in der Dicke aber hat er etwas zugenommen, ohne hierdurch jedoch eine unregelmäßige Geſtalt zu erhalten. Der ſtrahlige Bau des Aftergebildes verliert ſich in verſchie— dener Entfernung vom Knochen in ein mehr ſchwammiges Gefüge, in welchem die Knochenbildung weniger ſtark aus— geſprochen iſt. Gefäße und Nerven durch die Geſchwulſt gedrückt, aber unverletzt. Der Schenkelknochen gegen das Becken hin von ſeinem gerötheten Perioſt namentlich auf der vorderen Seite leicht zu befreien, was durch den Erguß einer geringen Quantität braunröthlichen Serums zwiſchen Knochen und Perioſt erklärlich wird. Die Inguinaldrüſen nicht bedeutend geſchwollen. Der Schädel wurde nicht geöffnet. Bruſt. Beide Lungen frei; in der linken Pleurahöhle mehrere Schoppen rothbraunen Serums. Die linke Lungen— oberfläche von einzelnen Bohnen- bis Nuß -großen gelblichen Krebsknoten beſetzt; die Rippenpleura unverſehrt; die Lunge blutleer, luftreich, nach hinten und unten leicht ödematös. Auf der rechten Lungenpleura zeigen ſich zahlreichere Krebs— knoten, von welchen einige plattgedrückt, andere ihre An— ſatzſtelle überragend, wie geſtielt erſcheinen. In der tieferen Lungenſubſtanz ſind wenig größere aber mehr kleinere, erb— ſengroße Knötchen eingeſprengt. — An der rechten Seite der trachea drängt ſich aus dem mediastinum anterius in dem oberen Theile des Bruſtkorbs eine Gänſeei-große weiß— gelbliche Geſchwulſt von weichfafrigem Bau hervor, welche mit dem Pleuraüberzug des oberen Lungenlappens durch lockeres Bindegewebe verbunden iſt. Herz normal; in beiden Ventrikeln große derbe Coa— gula und wenig flüſſiges Blut enthalten. Unterleib. Magen ſehr groß: dickhäutig; Leber gelb, fetthaltig, blutleer; Milz geſpannt, mürbe; im Darm die ſolitären Drüſen ziemlich entwickelt; Meſenterialdrüſen etwas geſchwollen; Nieren ſehr groß, 5 — 6 Schoppen hel- len Serums im Peritonealſacke. Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung der Geſchwulſt des Unterſchenkels fand ich in den äußeren Partien derſel— ben eine große Menge Zellen, darunter viele ziemlich große mit endogener Kernbildung (Mutterzellen); außerdem eine ziemliche Anzahl freier Kerne und Elementarkörner; das Fa— ſergewebe nur wenig entwickelt; ſparſam fanden ſich Knochen— nadeln und Knochenplättchen vor, welche wenig Knochen— körperchen und dieſelben nur als ovale Hohlräume ohne Ausſtrahlung angedeutet enthielten. Bei Unterſuchung der tiefer liegenden Theile der Geſchwulſt nahmen die knöchernen Beſtandtheile derſelben immer mehr zu; dagegen waren we— niger Zellen zu finden; in der Nähe des Knochens verſchwan— den die Mutterzellen ganz. 61 158. VIIL 4. 62 Die Anordnung der Elementartheile in den verſchiede— nen Geſchwülſten der Bruſthöhle war ſich ziemlich gleich. Sehr zahlreich waren die großen Mutterzellen und die Zellen— kerne vorhanden und die rahmartige Maſſe, welche man aus einem Durchſchnitt eines ſolchen Krebsknotens preſſen konnte, beſtand faſt nur aus dieſen Formelementen. Das faſerige Gerüfte dieſer Geſchwülſte war ſehr zurückgedrängt, obwohl vorhanden; dagegen bemerkte man häufig Zellen und Kerne, die im Übergang zur Faſerbildung begriffen waren (ge— ſchwänzte Körper). Von Knochenbildung keine Spur vor— handen. In der größeren Geſchwulſt des mediastinum an einzelnen Stellen kleinere Blutherde ſichtbar, mit Blutkugeln gefüllt, welche ſich von den normalen in nichts unter— ſchieden. Dieſer Fall ſchließt ſich eng an den, welchen Müller als Nachtrag zu den neun erſten liefert, um dadurch die Verwandtſchaft der Oſteobide und Careinome darzuthun; nur findet ſich in unſerem Falle keine Spur mehr von Knochen— bildung in den ſecundären Geſchwülſten der Bruſthöhle, wäh— rend in Müllers zehntem Falle neben entſchiedenen Mark— ſchwammgeſchwülſten auch eine Geſchwulſt in der linken Bruſthälfte ſich vorfand, welche von einem feinen Netzwerk zarter Knochenmaſſe durchzogen war, ohne mit einem Kno— chen des Bruſtkaſtens in Verbindung zu ſtehen. Man könnte glauben, daß unſer Fall nicht zu den Oſteoiden Müllers zu zählen ſei, ſondern einfach zu den Careino— men, da ein Umſtand, welchen Müller mit in die Defini— tion des osteoides aufnahm, die Knochenbildung in den ſecundären Geſchwülſten, in unſerem Falle fehlte. Allein einerſeits fehlte dieſelbe auch in den meiſten ſecundären Geſchwülſten des zehnten Falles von Müller, andererſeits muß man bedenken, daß in unſerem Falle ſowohl die Pro— duction der primären Geſchwulſt am Knie, wie auch höchſt wahrſcheinlich der ſecundären in dem kurzen Zeitraume von zehn Wochen vor ſich ging. Den dritten Fall Müllers“) kenne ich aus eigner Anſchauung, indem ich während des Winters 1842/43 die Klinik von Jüngken beſuchte, und ich bin feſt überzeugt von der Unmöglichkeit, eine Verſchie— denheit in dem Gefüge der primären Geſchwulſt unſeres und des Ruffmannſchen Falles zu conſtatiren. Müllers zehnter Fall und der oben beſchriebene ſchei— nen demnach dafür zu ſprechen, daß kein hinreichender Grund vorhanden iſt, die Oſteoide von den Careinomen zu trennen. Für dieſe Anſicht können wir auch Rokitanſky **) als Gewährsmann anführen, welcher in dem jüngſt erſchienenen erſten Bande ſeines Handbuchs dem Müllerſchen Oſteoid ſeine Stelle unter den Krebſen anweiſ't. Derſelbe nennt die in die Maſſe dieſer Geſchwülſte eingehende Knochentertur eine höchſt merkwürdige Erſcheinung, allein er geſteht derſelben keine andere Bedeutung zu, als die eines Stromas von gutartiger Natur für ein krebſiges Weichparenchym. Die beiden Umſtände, welche nach Müller für jetzt eine Identificirung der Oſteoide mit den Careinomen nicht *) Von Ruffmann in feiner Inauguralabhandlung beſchrieben: Tumo- ris osteoidis casus singularis. i 1847. Berolini 184 ) Rokitanſky's pathol. Anatomie, Bd. I. S. 268 u. 370. zulaſſen: der Mangel der Erweichung als nothwendiges Ent— wicklungsſtadium der Krebſe, ſowie der Abwechflung der Diteoide, als Aquivalente, mit anderen Careinomen, können nach den neueren Anſichten über Krebs nicht mehr als voll— gültig angeſehen werden. Die Doctrin, den Krebs als eine heterologe Ontologie aufzufaſſen, verliert jeden Tag mehr an Boden. Alle Bemühungen, in demſelben eigenthümliche Formelemente, ſowie beſondere im Organismus ſonſt nicht vorkommende chemiſche Beſtandtheile aufzufinden, ſind fehl— geſchlagen. Wir können eben in dem Krebſe nicht mehr ſehen, als ein in ſehr raſcher Organiſation begriffenes Er— ſudat, welches die Tendenz hat, in anderen Theilen desſel⸗ ſelben Organismus ähnliche Formen zu wiederholen, mag man nun zur Erklärung dieſer Tendenz eine gewiſſe Blut— kraſe, welche übrigens noch nicht nachgewieſen iſt, oder die Lymph- und Blutgefäße zu Hülfe nehmen. Nach dieſer Anſicht kann die Erweichung als nothwendiges Entwicklungs— ſtadium in der Definition des Krebſes keinen Platz mehr finden; fie mag in ſehr raſch ſich organifirenden Erſudaten vorkommen, ſogar häufig ſein, aber ein für Krebſe charak— teriſtiſcher Übergang kann ſie nicht mehr ſein, ſeitdem Fälle ſpontan *) geheilter Krebſe nicht mehr geläugnet werden können. Gegen den zweiten Grund, welcher nach Müller die Oſteoide von den Carcinomen trennen ſoll, ſpricht die Com: bination dieſer Geſchwülſte mit Medullarkrebs in Müllers zehntem und in unſerm Falle. Der Umſtand, daß „nach Erftirpation von Krebsgeſchwülſten Oſteoide als Aqui— valente noch nicht beobachtet wurden, mag wohl in der no— toriſchen Seltenheit der letzteren ihren Grund haben. Es ſcheint demnach, daß man die Müllerſchen Oſteoide als wirkliche Careinome betrachten müſſe, worin zugleich die Aufforderung liegt, für dieſelben den Namen Oſteoid auf⸗ zugeben und letzteren einer gewiſſen Claſſe gutartiger Ge— ſchwülſte nach dem Vorgange von Rokitanſky zu re⸗ ſerviren. Soll man nun die Oſteoide einfach als Knochenkrebſe betrachten, oder iſt ihre Structur ſo eigenthümlich, daß fte die Aufſtellung einer neuen Krebsſpecies rechtfertigt? Kei⸗ nes von beiden ſcheint uns das richtige zu ſein. Schon Müller bemerkt **), daß die Oſteoide ſich unverkennbar zuerſt an und aus der Beinhaut entwickeln; der oben mit— getheilte Fall kann nur zur Bekräftigung dieſer Anſicht die— nen; denn der Knochen war bis auf wenige rauhe Streifen und eine geringe Dickenzunahme an der Stelle, wo die Ge— ſchwulſt ſaß, nicht verändert und letztere konnte mit leichter Gewalt von demſelben abgelöſ't werden. Die Beinhaut da— gegen war ſelbſt oberhalb der Geſchwulſt geröthet und zwi— ſchen ihr und dem Knochen war ein flüſſiges Erſudat er— goſſen. Das Oſteoid iſt alſo eigentlich kein Knochenkrebs, indem es den Knochen erſt ſecundär verändert, ſondern ſein Ausgangspunkt iſt das Perioſt, und wie wir gleich ſehen werden, verdankt es ſeiner innigen Beziehung zur Beinhaut über Oppolzers geheilte Leberkrebſe, Prager Vierteljahrsſchrlft, Bd. VI. S. 59 und Vochva ke Bb. M. S. . *) S. 424. 63 158. VIII. 4. 64 das in feine Tertur eingehende knöcherne Gefüge. Das Pe— rioſt hat bekanntlich in ſeinem phyſiologiſchen Verhalten eine beſondere verwandtſchaftliche Beziehung zu jenen Stof— fen des Blutes, aus welchen der Knochen gebildet und er— nährt wird. Die Verſuche an Thieren von B. Heines), ſowie die ſchönen Beobachtungen, welche der ältere Textor an Kranken, bei welchen er Reſectionen vorgenommen, zu machen Gelegenheit hatte, beweiſen zur Genüge, welch gro— ßen Antheil das Perioſt an der Erzeugung von Knochen— ſubſtanz hat. Nach dem Geſetze der analogen Bildung, wie es Vo— gel**) nannte, hat ein Gewebe die Eigenſchaft, dem um und in dasſelbe pathologiſcher Weiſe ergoſſenen Blaſteme bis zu einem gewiſſen Grade im feineren Bau ſeinen eige— nen Typus zu verleihen. ö Machen wir von dieſem Geſetze Anwendung auf die Müllerſchen Oſteoide, ſo iſt es nicht ſchwer, den Grund der in die Structur der primären Geſchwülſte eingehenden Kno— chenbildung einzuſehen. Ein ähnliches Verhältniß hat ſchon Bruch bei den Epithelialkrebſen angedeutet ***). Schwie— riger freilich iſt die Erklärung in den ſeeundären Geſchwül— ſten, wenn dieſelben mit keinem Knochen in Verbindung ſtehen; doch fehlt es auch hier nicht an bemerkenswerthen Analogien. Der melanotiſche Krebs hat bekanntlich eine beſondere Vorliebe für jene Organe, welche ſchon im nor— malen Zuſtande Pigment enthalten; daher ſeine Frequenz am Auge. Als ſecundäre Formen ſetzt derſelbe gerne wies der melanotijche Geſchwülſte aber in Organen, welche phy— ſiologiſch kein Pigment enthalten. Hierher gehört auch der Fall von Rokitanſky +), welcher den Epithelialkrebs im Parenchym der Leber beobachtete. Völlig räthſelhaft iſt die Vorliebe der Müllerſchen Oſteoide für die großen Röh— renknochen, namentlich den kemur und die der ſecundären Geſchwülſte für die ſeröſen Häute der Bruſthöhle. Miſeellen. (6) Über die Structur der Vaginalſchleim⸗ haut giebt C. Mandl in Henle u. Pfeufers Zeitſchrift VII. *) B. Heine über die Wiedererzeugung neuer Knochenmaſſe in Gräfe und Walthers Journal, Bd. XXIV. Heft 4. Kajetan Textor über Wie⸗ dererzeugung der Knochen nach Reſeetlonen beim Menſchen, S. 5 u. fi! Würzburg 1842. Some über die Kraft des periosteum, neue Knochen zu erzeugen. Edinburg 1837. *) Pathol. Anatomie, S. 88. ſchwülſte. S. 323. ) A. a. O. S. 434. 7) Bd. I. S. 386. C. Bruchs Diagnoſe der bösartigen Ge— 1. Hft. als Reſultat vielfältiger Unterſuchungen an, daß er nirgends Drüschen in der Schleimhaut gefunden habe, ſondern daß die Scheideſchleimhaut eine Papillenfläche zeigt, wie ſie Berres in feinem Atlas der mikroſkop. Gebilde des menſchlichen Körpers be= ſchreibt. Jedes Wärzchen hat wie die Zungenpapillen einen Epi⸗ theliumüberzug. Schleimdrüschen ſind nicht vorhanden. Die ſ. g. Hallerſchen Flecke im oberen Theile der Scheide hält dagegen Mandl doch für Drüschen von der vergänglichen Art, wie fie Henle in ſ. allg. Anat. beſchreibt und zu welchen auch die Nabothſchen Bläschen zu rechnen ſind. Die Scheidenabſonderungen ſind daher nach Mandl auch entweder Abſonderung der Cowperſchen Drüſen (beim coitus), oder aber bei krankhaften Abſonderungen Eiter, kein eigentlicher Schleim. Die granulöfe Entartung der Scheidenfläche endlich iſt als Hypertrophie der Papillen zu betrachten. Ob dieſe Hypertrophie Folge chroniſcher Entzündung ſei, will der Verf. zwar nicht läugnen, doch ſpricht das Vorkommen in der Schwangerſchaft und das nachherige Verſchwinden der granulöfen Beſchaffenheit mehr dafür, daß eine Erſchwerung des Rückfluſſes der Säfte durch die Venen oder Lymphgefäße die Urſache ſein möge. (7) Über die ſ. g. Unterdrückung der Hautausdün⸗ ſtung als Folge von Erkältung und als Urſache der Erkältungs— krankheiten findet fi) in Henle's Handb. der rationellen Pathol. II. Thl. folgende Zuſammenſtellung. Über die Folgen einer wirk— lichen, completen und allgemeinen Unterdrückung der Hautausdün⸗ ſtung hat man ſich bis jetzt nur bei Thieren unterrichten können. Fourcault, Ducros, Becquerel und Breſchet, Gluge und Magendie haben auf die Weiſe meiſt an Kaninchen, Gluge auch an Froͤſchen experimentirt, daß fie die Haut der Thiere mit einem undurchdringlichen Firniß oder einer Leim- oder Eiweiß— löſung beſtrichen, oder mit Metallplatten (Stanniol ?) belegten oder auch die Thiere bis an den Hals in Kautſchukmäntel ein- hüllten. Der Ausgang war in allen Fällen töͤdtlich; bei Ka- ninchen in 3—6 Tagen (Gluge), eher bei Fröſchen. Von dem Augenblicke, wo die Haut imperſpirabel wird, ſinkt die Temperatur allmälig und zuletzt ſehr tief, um 18% und mehr, unter die nor— male (Breſchet und Beeguerel, Magendie); die Thiere ſterben wie aſphyktiſch (Magendie). In den Leichen iſt das Blut zuweilen flüffig, gerinnt aber an der Luft (Gluge), die Herzhöhlen und großen Gefäßſtämme find von Blut übermäßig ausgedehnt (Fourcault, Magendie), die Lungen und andere innere Organe im Zuſtande der Congeſtion (dieſelben), die Höhle des Herzbeutels und bei Fröfchen alle Körperhöhlen und ſelbſt die Zwiſchenräume der Muskeln von wäſſerigen Erſudaten erfüllt. (Gluge). Die Leichen treiben meteoriſtiſch auf und faulen ſchnell (Ducros). Ein Froſch, welchem Gluge nur die Bauchſeite und die Schwimmhäute firnißte, blieb geſund; nach Foureault dagegen bildeten ſich, wenn auch nur ein größerer Theil der Haut überzogen war, chroniſche Irritationen, Tuberkeln u. dgl., und nach Dueros ſteht die Zeit, binnen welcher der Tod eintritt, mit der größeren oder geringeren Ausdehnung, innerhalb welcher man die Hautausdünſtung aufhebt, in Proportion. (8) Kaffee gegen Cholera infantum empfiehlt Dr. Pickfort in Henle und Pfeufers Zeitſchrift VII. 1. nach Dewees Vorgang und feinen Erfahrungen und zwar Di mit Zii infundirt und Zi Syr. emulsivi ſtündlich einen Kaffeelöffel voll. Es wurde das Mittel beſonders für Kinder von 10—14 Wo⸗ chen, wo ſo haufig die andern Mittel erfolglos bleiben, erprobt ge— funden. L. Büchner, Beiträge zur Hallschen Lehre von e, excito motorischen Nerven- system. gr. 8°. Giessen. geh. 6 gr. 2 A. A. Bertholds Lehrbuch der Phyſiologie für Stupirente und Arzte. 3. Aufl. 2. Thl. in 1. Bd. Göttingen 1848. gr. 80, 5 Thlr. F. C. Knapp, die Nahrungsmittel in ihrer chem. und techn. Beziehung. gr. 8%. Braunfchweig. geh. 1 Thlr. J. Liebig, Unterſuchungen über einige Urſachen der Säftebewegung im thie— riſchen Organismus. gr. 8%. Braunſchweig 1848. Geh. 2 Thlr. H. Joachim, die Traubencur zu Dürkheim a. d. Hardt. gr. 80. a. d 5 Neuſtadt H. 1847. Geh. ½ Thlr. J. Hunters sümmtliche Werke prakt. Inhalts, deutsch bearb. von F. Bra nis s. II. Bd. gr. 80. Leipzig 1848. Geh. 1 Thlr. G. Weber, Theorie und Methodik der physical. Untersuchungsmethode bei Krankheiten der Athmungs- und Kreislaufsorgane. gr. 80%. Nordhausen 1848. Geh. %, Thlr. G. Wucherer, die Inhalation und örtliche Anwendung des Schwefeläthers Wee als Heilmittel. gr. 8%. Freiburg im Br. 1848. Geh. % Thlr. C. G. Rüele, Beitrag zur Physiologie des Fiebers. gr. 8°. Göttingen 1848. Geh. ½ Thlr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Meimar. 9 d Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 159. (Nr. 5. des VIII. Bandes.) November 1848. Naturkunde. Parchappe, über den Bau des Herzens beim Stör und Rochen. — de Saint⸗Hilaire, über die Adventioknoſpen der Cardamine la- tifolia. — Banner, über den Einfluß der Lunge auf die Blutcirculation. — Payen, über ſaure, neutrale und alkaliſche Pflanzenſäfte. — Mijcellen. Menge des Kochſalzes und anderer Minerale in fſmmtlichen Meeren. Glänzendes Meteor. — Heilkunde. Bürkner, Behanvlung des Scharlachs mit kaltem Waſſer. — Heiden reich, Zeichen des Todes. — Bibliographie. Zucker im Auswurfe eines Diabetiſchen. — Seidel, über den Vipernbiß. — Miſcelle. Bouchut, über die ſichern Naturkunde. XII. über den Bau des Herzens beim Stör und Rochen. Von Parchappe. Das Herz des Störs iſt nach Morgani mit Drü— ſen verſehen, welche eine ſchwarze Flüſſigkeit in die Herz— kammer abſondern; Kuhl, Kölreuter und Bär fanden an der Oberfläche der Herzkammer, des bulbus arteriosus und der Vorkammer zahlreiche lappenförmige Erhebungen, die inwendig hohl waren, aber mit der Herzkammer und dem bulbus in keiner Verbindung ſtanden. Der Verf. über— zeugte ſich, daß dieſe lappigen Erhebungen den äußern freien Theil der Blutzellen (cellules sanguines) bilden, welche der äußern Oberfläche des Kammes und des bulbus anhängen; er fand, daß dieſe Blutzellen zwar mit den Höhlungen des Herzens in keiner Verbindung ſtehen, wohl aber unter ſich und mit den venöſen und arteriellen Gefäßen des Herzens zuſammenhängen, daß ihre Wandungen mit Musfelfajern verſehen ſind, und daß die Gefäße, die aus ihnen hervor— gehen oder in ſie ausmünden, ſich im Niveau der Kreis— furche ins Herz ergießen oder aus ihm entſpringen, durch den Herzbeutel gehen und ſich darauf mit den venöſen und arteriellen Stämmen verbinden und ſo dieſelben Fäden bil— den, die der Verf. beim Aal nachgewieſen hat und die frü— her nur für einfache Ligamente gehalten wurden. Dieſe contractilen Blutzellen der Oberfläche des Stör— herzens dienen, wie der Verf. annimmt, gleich den gewöhn— lichen Herzhöhlen ſowohl als Behälter als auch zum Fort— treiben des Blutes, ſie entſprechen einerſeits, indem ſie das Blut aus den Gefäßen aufnehmen, der Vorkammer, ande— rerſeits, indem ſie dasſelbe forttreiben, der Kammer; ſie erhalten das durch die Reſpiration der Kammer verbeſſerte Blut aus den arterüs coronariis und treiben dasſelbe durch No. 2139. — 1039. — 159, die gleichbenannten Venen bis zum sinus venosus. Die Ar— terien und Venen des Störherzens bilden nach dem Verf. nicht nur den gewöhnlichen einfachen Kreislauf, der das ar— terielle Blut in das Capillarſyſtem zum Zwecke der Er— nährung treibt und als venöſes Blut zur Vorkammer zurück— führt, ſondern betheiligen ſich auch bei einem andern Kreis— lauf, wo die contractilen Blutzellen ſelbſt den Dienſt der Capillargefäße verſehen, und ein beträchtlicher Theil des in den Kiemen verbeſſerten Blutes durch die Arterien in dieſe Zellen gelangt und durch ſie in die venöſen Gefäße bis in den sinus getrieben wird, der das venöſe Blut zur Vorkam— mer zurückführt. Der Zuſammenhang der Höhle des Herzbeutels mit der Bauchhöhle beim Rochen und mehreren andern Knorpelfiſchen ward von Monro und einigen anderen Anatomen für et⸗ was außerordentliches gehalten. Der Verf. überzeugte ſich, daß der Herzbeutel des Rochen (raie bouelee) wie bei den höher entwickelten Thieren durch eine Taſche ohne Offnung gebildet wird und ſowohl der Bau dieſes Organs als die Anordnung des sinus venosus ganz anders ſind als bis— her von den Schriftſtellern angenommen ward. Der sinus venosus, der beim Rochen unmittelbar in die Vorkammer des Herzens ausmündet, liegt unter dem Herzbeutel; er entſteht aus der rechtwinkligen Vereinigung zweier großen Gefäße, die an der Baſis der Herzkammer entſpringend an ihrer hinteren Wandung herablaufen und dort von einander weichen; bis zum unteren Rande des Kammes gelangt, blieben ſie an einer Seite durch eine Mem— bran, die zwiſchen ihnen auch mit der Herzkammer zuſam— menhängt, verbunden; dieſe Membran begleitet ſie nach ab⸗ wärts bis zu der Stelle, wo fie den Herzbeutel verlaſſen, d. h. bis zum rechten und linken Winkel der Baſis dieſer durch das Zwerchfell unterſtützten Böhle, Durch dieſe An⸗ 67 159. VII. 5. 68 ordnung wird der Herzbeutel in feiner unteren Hälfte in 2 Theile getheilt und eine vordere und hintere durch eine dreieckige Scheidewand getrennte Hälfte gebildet. Die zwi— ſchen beiden Gefäßen befindliche Haut bildet die Baſis des am Herzbeutel haftenden Dreiecks, die beiden Gefäße ſelbſt dagegen die freien Seiten desſelben innerhalb der Höhle des Herzbeutels; die Herzkammer vervollſtändigt dieſe Scheide— wand, deren Spitze mit dem sinus venosus zuſammenhängt, nach oben und nach der Mitte. Die beiden rechts und links gelegenen Taſchen der Vor— kammer, die wie ein Querſack über der Baſis der Herz— kammer hinter dem bulbus arteriosus liegen, find zu beiden Seiten an ihrem unteren Ende auf der Vorderſeite der Scheidewand befeſtigt. Hinter der letzteren liegt die hintere Abtheilung, welche nach oben oberhalb der venöſen Geſäße mit der vorderen Abtheilung communieirt, nach unten aber in einen Blindſack, der auf dem Zwerchfelle ruht, endigt. Die hinter der Herzkammer innerhalb der Höhle des Herzbeutels Statt findende Vereinigung beider venöſen Ge— fäße bildet einen horizontalen sinus, der in die Höhlung der Vorkammer mündet und den man als oberen und mittleren sinus bezeichnen könnte. Beide Gefäße bilden unter dem Herzbeutel zwei noch bedeutendere sinus, welche durchaus ſymmetriſch angeordnet ſind und die man als untere und ſeitliche sinus bezeichnen könnte. Aus dem oberen, Theile eines jeden derſelben entſpringt mit einer runden Offnung der obere Venenſtamm, während der nach außen gelegene Theil eines jeden mit einem Canal, welcher die Knorpel— maſſe der Kiemenbogen durchbricht, zuſammenhängt und der untere Theil mit der veng hepatica in Verbindung ſteht. Die beiden Lebervenen ſind, ehe ſie in einen sinus münden, beträchtlich angeſchwollen, fie bilden zwei ſich an das Zwerch— fell und um die untere Wand des sinus ſchmiegende eiför— mige Taſchen; jede derſelben communieirt mit dem entſpre— chenden sinus durch eine runde, kaum 2 Millimeter weite Offnung, welche durch die häutige Scheidewand des sinus und der Taſche geht und von einem Wulſt, der Bündel weißer Fäden an die Scheidewand ſtrahlig ausſendet, um— geben iſt. Der Klappenapparat an der ohrförmigen Mündung des sinus venosus beim Rochen. — Der obere und mittlere sinus öffnet ſich nach dem Verf. unter und hinter dem oriſicium auriculo-ventriculare an der Vereinigungsſtelle beider, Taſchen der ohrförmigen Höhle in die Vorkammer. Die Offnung ſelbſt bildet eine lange, von der vorderen zur hinteren Wandung der Vorkammer verlaufende mit 2 halb— mondförmigen Klappen verſehene Spalte. Die obere Klappe bildet die obere Lippe dieſer Spalte, ſie ruht auf der Baſis der Herzkammer und verläuft mit ihrem langen Horne über die hintere Seite, mit ihrem kurzen dagegen über die vor— dere Seite. Die untere Klappe bildet die untere Lippe der Spalte; ihr Verlauf iſt der Art, daß die Enden ihrer Hör— ner mit denen der oberen Klappe zuſammentreffen und an jeder Seite eine Nath bilden. Dieſe beiden Winkel oder Näthe der Klappenſpalte liegen auf einem mächtigen Mus— kelbündel, von dem an die vordere und hintere Seite der Vorkammer Muskelfaſern ausſtrahlen; jede Klappe enthält überdies in ihrer Subſtanz der Länge nach verlaufende Mus— kelfaſern. Dieſe Anordnung deutet, wie der Verf, glaubt, mit Sicherheit auf ein Schließen der gedachten Klappen des sinus venosus beim Zuſammenziehen der Vorkammer in der Weiſe, wie ſich ein Knopfloch verengert, wenn ſeine beiden Ecken nach zwei entgegengeſetzten Richtungen aus einander gezogen werden. (Comptes rendus, No. 1, 3. Juillet 1848.) XIII. über die Adventivknoſpen der Cardamine latifolia. Von Auguſte de Saint-Hilaire. Die Adventivknoſpen der Pflanzen erſcheinen bekannt— lich entweder als Folge einer Verletzung oder bei gewiſſen Pflanzen auch ohne dieſelbe und zwar alljährlich; eine dritte Art dieſer Knoſpen, die indeß nur ſelten auftritt, erſcheint ohne erweisliche Veranlaſſung und ohne periodiſche Wie— derkehr auf den Blättern. Naudin ſah aus einem Blatte von Drosera intermedia zwei kleine Pflanzen derſelben Art hervorwachſen, Henri de Caſſini an der Baſis der Blättchen von Cardamine pratensis Adventivknoſpen ent⸗ ſtehen. Der Verf. fand am Fuße des Canigou in den Pyre— näen ein Blatt von Cardamine latikolia, deſſen untere Seite durch das Waſſer eines Bächleins beſpült ward; die obere Seite dieſes Blattes trug nicht weniger als 8 junge Pflan— zen derſelben Art jedoch von verſchiedener Größe; jede dieſer Pflanzen entſprang aus einem der Blattnerven, ſie waren ohne eine beſtimmte Anordnung über das Blatt vertheilt, auf dem ſie gewiſſermaßen eine Waldung en miniature vor⸗ ſtellten. Das kleinſte, offenbar eben entſtandene, dieſer Brut— pflänzchen bildete, unter der Loupe betrachtet, einen ſtum— pfen durchſichtigen Cylinder von 3 Millimeter Höhe und kaum ½ Millimeter Durchmeſſer; der Cylinder der übrigen Pflänzchen war ſtärker und grün gefärbt; aus ihm entwickelte ſich ſpäter ein Blättchen, das bei einem derſelben bereits 3 Centimeter lang war, der Cylinder (die Achſe) hatte in dieſem Falle die Geſtalt einer Knolle. Dieſes erſte Blatt beftand aus einem langgeſtielten bis 1½ Centimeter langen Terminalblatte und 2 Seitenblättern, welche den Blättern der Mutterpflanze durchaus gleich kamen. Die knollenartige Baſis erhob ſich in der Achſel dieſes erſten Blattes zu einer längli— chen Knoſpe, aus der ein zweites noch aufgerolltes Blatt her— vorging. Unterhalb des erſten Blattes bildete ſich bald dar— auf um den Knollen ein Kreis weißlicher horizontaler Wärz— chen, die ſich in Wurzelfaſern verlängerten, ſich abwärts bogen und über das Mutterblatt ausbreiteten. Dieſe zum Theil 2 Centimeter lang werdenden Faſern waren mit ein— zelnen Haaren bedeckt; ſie waren von weißlicher Farbe, während das Blatt ſelbſt dasſelbe grün wie die Blätter der Mutterpflanze beſaß. Sowohl das Blatt als die Wurzeln gingen ſcheinbar aus einer Art von Coleorhiza hervor, die 69 159. VII. 5. 70 aber in der Wirklichkeit fehlte und nur durch eine Erwei— terung des Zellgewebes der Baſis und eine dadurch entſtan— dene geringe Anſchwellung zum Schein vorhanden war. Der Verf. hält die Knolle ſelbſt für kein beſonderes Organ, ſondern für die Baſis des Stammes, aus der wie bei vielen Rhizomen und rankenden Stämmen die Wurzeln (Neben— wurzeln) hervorgehen und die etwas über dieſen Wurzeln Blätter hervorſchickt. Der Verf. legte das beſchriebene Blatt der Cardamine latifolia auf naſſe Erde; die meiſten der jungen auf ihm entwickelten Pflänzchen verfaulten nach einander; nach 4 Wochen vegetirte nur noch eines derſelben. Der Verf. zieht aus den mitgetheilten Beobachtungen folgende Schlüſſe: 1) Die Blätter ſowohl als die Zweige der Pflanzen können, obſchon fie im allgemeinen ſowohl in ihrer Geftalt als Anordnung ſehr von einander abweichen, möglicher Weiſe auch ohne Verletzung neue der Mutterpflanze entſprechende Pflanzen erzeugen; 2) da jedes Pflänzchen aus einem Blattnerven hervorging, ſcheint es, als ob die Vegetationskraft im Gewebe, das ſel— bigen umgiebt, am meiſten entwickelt iſt; 3) die weiße Farbe der Wurzelfaſern kann nicht durch das Medium, in dem ſie leben, ſondern nur durch ihre in— nere Organiſation ſelbſt bedingt werden; die Wurzeln ſo— wohl wie die Blätter unſerer Cardaminenbrut waren dem Lichte und der Luft ausgeſetzt und doch waren erſtere weiß, letztere grün gefärbt; 4) ſcheint die Gattung Cardamine, da auch Caſſini an einer andern Species dieſer Gattung eine freiwillige Knoſpenentwicklung aus dem Blatte beobachtete, zu einer ſolchen ungewöhnlichen Fortpflanzungsart disponirt zu ſein. Übrigens hält der Verf. dieſe Knoſpenbildung auf dem Blatte der Cardamine latifolia für etwas ungewöhnliches, da er auf anderen Blättern derſelben Pflanze, die gleichfalls auf dem Waſſer treiben, niemals etwas ähnliches beobachtete. (Annales des sciences naturelles, Janvier 1848.) XIV. über den Einfluß der Lunge auf die Blut⸗ cireulation. Von Vanner. Die Überſicht der Arbeit des Verf., in No. 4 der Come ptes rendus vom 24. Juli 1848 mitgetheilt, hebt folgende Hauptpunkte hervor: 1) Das Herz übt nur einen ſecundären Einfluß auf die Bluteirculation; 2) die Quelle der Blutbewegung liegt in den Lun— gen und iſt eine Folge der Sauerſtoffaufnahme der Blut— kügelchen; 3) das Herz wirkt wie ein Stoßhammer, welcher das arterielle Blut in die engen Räume der Capillaren treibt, und durch deſſen verdoppelte Schläge zugleich die verſchie— denen Beſtandtheile des Blutſerums und des Blutfaſerſtoffs, nachdem ſie durch die Wandungen der Capillaren geſchwitzt, in das Innere der verſchiedenen Gewebe weiter getrieben werden; 4) der Einfluß des Herzens auf den Blutlauf iſt viel größer als man bisher angenommen hat; durch ſeine Con— tractionen wirkt er indes immer nur auf die eine Hälfte der Circulation. Der arterielle Blutlauf geht von der lin— ken Kammer bis in die zarteſten Capillaren, der venöſe Blutlauf von der rechten Kammer bis in die kleinſten Ve— nen im Gewebe der Lungenlappen; 5) die Kraft, welche durch die Contractionen des Her— zens veranlaßt, die Blutwellen weiter treibt, wird durch die Kleinheit der Capillaren beſchränkt; in ihnen bewegt ſich das Blut langſamer, die Blutkügelchen geben dabei Sauer— ſtoff ab, und das Blutſerum ſchwitzt durch die Wandungen der Capillaren. Durch einen Austauſch, eine Zerſetzung und neu entſtehende Verbindungen der Beſtandtheile des Blutes ſowohl als der Gewebe wird endlich die arterielle Blutbewegung ganz vernichtet und eine viel langſamere und conftantere Rückwärtsbewegung des venöſen Blutes ver— anlaßt; 6) dieſer ſynthetiſche und analytiſche Aet, der in den Capillaren vor ſich geht und durch den der Stoffwechſel und die Umwandlung des arteriellen Blutes in venöſes ein— geleitet wird, bedingt allein das Zurückſtrömen des letzteren Blutes zur rechten Herzkammer; ohne denſelben wäre weder eine Veränderung des Blutes noch ein Zurückſtrömen des— ſelben zum Centralorgan der Circulation, zu den Lungen möglich. XV. über ſaure, neutrale und alkaliſche Pflanzen⸗ ſäfte. Von Payen. Ein Aufſatz von Andral über die alkaliſche und ſaure Beſchaffenheit thieriſcher Flüſſigkeiten veranlaßte den Verf. zur Mittheilung von Beobachtungen über die ſaure oder alkaliſche Beſchaffenheit der Pflanzenſäfte in No. 1 der Comptes rendus vom 3. Juli 1848. Die gemiſchten Säfte verſchiedener Pflanzentheile zeigen nach ihm in der Regel eine mehr oder weniger ſaure Re— action. Um das Verhalten jedes einzelnen Pflanzentheils zu ermitteln, iſt es jedoch nöthig, den Saft der einzelnen Gewebe oder Zellen ſelbſt zu unterſuchen; hier zeigt ſich nun, wie die verſchiedenen Organe der Pflanze auch ganz verſchiedene reagirende Säfte enthalten. Die Blätter verſchiedener Pflanzen aus der Familie der Urticeen enthalten z. B. in Zellen, welche 10 bis 20 Mal größer als die benachbarten Zellen ſind, eine warzenförmige Kalkeoneretion, die von zarten Häuten umhüllt und durch einen Stiel an die Wand der Zelle befeſtigt iſt; der Saft dieſer Zellen reagirt neutral oder ſchwach alkaliſch. Nur aus einem ſolchen Safte konnte ſich überhaupt der obige 5 * 71 159. VIII. 5. 72 Kalkniederſchlag bilden, wogegen, wie der Verf. bereits in einer fruͤhern Mittheilung nachwies, die Nachbarſchaft von Zellen mit ſauren Säften, wenn keine freiere Communication Statt findet, auf dieſe Seeretion ohne Einfluß bleibt. Die Bläschen, welche die Blätter und den Stengel an Mesembrianthemum erystallinum bedecken, enthalten gleichfalls einen alkaliſchen Saft, während das Zellgewebe des Inne— ren durchaus ſauer reagirt; die Peripherie der Pflanze färbt hier das rothe Lakmuspapier blau, das Innere derſelben das blaue Lakmuspapier roth. Ein Tropfen des Saftes der peripheriſchen Zellen durch einen Nadelſtich entlaſſen, ſchießt unter dem Mikroſkop als vralfaures Kali in deutlichen Pris— men an, zu dem ſich ſpäter auch einige Kryſtalle von oral— ſaurem Natron geſellen. Der Verf. glaubt durch dieſe kurze Notiz auch für die Pflanze die verſchiedene Function wie den verſchiedenen In— halt der einzelnen Organe derſelben nachgewieſen zu haben, wie ſie von Andral in gleicher Weiſe für den thieriſchen Organismus dargethan wurden. Miſecellen. 11. Die Kochſalzmenge ſämmtlicher Meere ſchätzt Schafhäutl auf 3,051,342 geographiſche Cubikmeilen, eine Maſſenausdehnung, die mehr als fünf Mal ſo viel wie die Alpen und nur ½ weniger wie die Maſſe des Himalaja betragen würde. Die Menge des ſchwefelſauren Natrons ſchätzt er auf 633,64438s Cubikmeilen, etwa ſo viel als die Maſſe der Alpen; die Menge des Chlormagneſium nimmt er zu 441,811 Cubikmeilen, die Kalkſalze zu 109, 33944 Gubifmeilen an. Bei dieſen Berechnun⸗ gen iſt die mittlere Tiefe des Meeres nach Humboldts Schätzun⸗ gen auf 300 Meter zu Grunde gelegt, würde man aber mit La⸗ place die Mitteltiefe des Meeres auf 1000 Meter annehmen, ſo würden die obigen Zahlen noch um 3½ Mal größer werden. (The american journal of science and arts, No. 16, 1848.) 12. Ein glänzendes Meteor ward in der Nacht des 15. April 1848 zu Whitesville in Miſſouri geſehen; es fiel mit einem lauten Getöſe, dem Knalle eines Sechspfünders ähnlich, herab, ſchien nach dem Berichte mehrerer Augenzeugen einige Zoll Durchmeſſer und einen mehrere Fuß langen Schwanz zu haben. Es ward in verſchiedenen Ortſchaften der Gegend geſehen und ge— hört und war ſo hell, daß dunkele Gegenſtände wie beim Mond— ſcheine einen Schatten warfen. Die Meteormaſſe ſelbſt iſt, wie Phares berichtet, bis jetzt noch nicht gefunden worden. (The american journal of science and arts, No. 16, 1848.) Heilkunde. (IV.) Behandlung des Scharlachs mit kaltem Waſſer. Von Dr. Bürkner. Den 1. Januar theilte Hr. Dr. Bürkner in der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Cultur aphoriſti— ſche Bemerkungen über die methodiſche Anwendung des kal— ten Waſſers in verſchiedenen Formen des Scharlachs mit. In allen Formen des Scharlachs kann die methodiſche An— wendung des Waſſers das Mittel ſein, wodurch die Krank— heit zur Geneſung übergeführt wird. In einzelnen Fällen des bösartigen Scharlachs iſt ſie das einzige Mittel, das den Kranken vom Tode retten kann. Auch in den Nach— krankheiten des vernachläſſigten Scharlachs zeigt fte ſich hülf— reich. Die äußerliche Anwendung des kalten Waſſers beim Scharlach iſt nicht ganz neu, ſchon bei älteren Arzten finden wir häufig ſeinen Gebrauch. Es genüget, die Namen: Currie, John Armſtrong, Müller in Münden, Hahn in Schweidnitz, Rogys in Breslau aus dem ver— floſſenen Jahrhundert, und vom Anfange des jetzigen: Mas— mann, Hubertus, Kolbang, Fröhlich, Horn, Reiche, Naſſe zu nennen. Die Jetztzeit, namentlich durch V. Priesnitzens zu Gräfenberg Veranlaſſung, hat aber in größerer Ausdehnung das Waſſer angewendet. Soll ein Mittel, hier das Waſſer, gegen die verſchie— denartigen Formen einer Krankheit angewendet werden, ſo muß dies Mittel mannigfaltige Formen der Anwendungs— weiſe zulaſſen, wodurch dann auch ſeine verſchiedenen Wir— kungen erklärbar werden. Das Waſſer wird innerlich und äußerlich gebraucht. Innerlich wirkt das Waſſer a) durch ſeine Temperatur, b) durch ſeine Maſſen. Man denke hier— bei aber nicht an das Übermaß, in dem es bisweilen von Laien und oft zum großen Nachtheil getrunken wird. Au— ßerlich wirkt es: a) Wärme entziehend, alſo die Thätigkeit der Haut herabſtimmend; b) Wärme erzeugend, die Lebensthä— tigkeit der Haut erhöhend. Beide Wirkungen können wies derum in verſchiedenen Abſtufungen erlangt werden: 1) durch die Temperatur des angewendeten Waſſers; 2) durch die Maſſe des Waſſers; 3) durch die Ausdehnung, in welcher dasſelbe angewendet wird, oder beſſer: je nachdem ein Theil oder der ganze Körper der Einwirkung des Waſſers aus— geſetzt wird, und 4) durch die Zeit oder die Dauer, wäh— rend welcher der Körper oder Körpertheil der Einwirkung des Waſſers, den naſſen Einwickelungen oder Umſchlägen unterworfen bleibt. — Sinſichtlich der Temperatur iſt zu bemerken, daß das directe Einwirken des kalten Waſſers ſelten der eigentliche Zweck, ſondern nur das Mittel zu demſelben iſt, das heißt: der Theil des menſchlichen Körpers, auf welchen gewirkt werden ſoll, muß ſo gereizt werden, daß er durch vermehrte Kraftäußerung dieſen An— griff zurückweiſ't, weshalb auch die Kälte des Waſſers nie ſo groß ſein darf, daß das örtliche Leben durch ſie etwa allzuſehr beeinträchtigt würde, daher nie unter + 50 R. Durch ſeine Maſſe wirkt das Waſſer: 1) indem es die äu— ßere Luft von der kranken Stelle abhält, und 2) indem es durch Berührung der Oberfläche des Körpers, deſſen Eigenwärme größer iſt als die Temperatur des Waſſers, jenem die in dem einzelnen Falle nachtheilige Wärme ent— 73 159. VIII. 5. 74 Je nachdem das Waſſer längere oder kürzere Zeit kann es die zieht. mit dem Körpertheile in Berührung bleibt, verſchiedenartigſten Heilwirkungen hervorbringen. Die Form der Anwendung des Waſſers als kühlende und erwärmende Umſchläge, kühlende oder ſchweißerzeugende Einwickelungen, Abwaſchungen, Voll-, Halb- oder partielle Bäder, Begießung, Douche, iſt ſehr verſchieden und danach auch ſeine Wirkung verſchieden. Nach Verſchiedenheit des Fiebercharakters unterſcheiden wir vier Hauptarten des Schar— lachs ). Einfaches Scharlachfieber oder erethiſches Scharlach. Man reiche zum Getränk in kleinen Portionen ſo viel Waſ— ſer, als die Befriedigung des Durſtes erfordert. Den Leib erhalte man durch Waſſerklyſtiere offen, ſchreite aber ſonſt Direct nicht ein, weil die Krankheit ihren normalen Verlauf nimmt; ſelbſt die dabei vorkommende leichte angina bedarf der ärztlichen Thätigkeit nicht, da ſie nur gelind auftritt und in wenigen Tagen ohne weitere Beihülfe vorübergeht. Bei Kindern, welche an die Abwaſchungen gewöhnt ſind, ſetzt man dieſelben fort, ohne auf das Exanthem Rückſicht zu nehmen. Entzündliches Scharlach. In der Periode kurz vor dem Ausbruche des Eranthems iſt ein ſogenanntes antiphlogiſti— ſches Verfahren indieirt; bei mäßiger Fieberhitze reichen wiederholte Abwaſchungen hin, entweder mit, in ſogenann— tes abgeſchrecktes Waſſer (von + 12 bis 140 R.) getauchten, Schwämmen oder Tüchern. In höheren Graden der synocha ſind naſſe Einwickelungen unentbehrlich. Der Kranke wird nämlich, je nachdem das Athemholen mehr oder weniger beengt ift, vom Halſe oder von der Achſelhöhle ab bis zu den Fuͤ— ßen in mäßig ausgerungene Leintücher eingewickelt, ſo daß dieſelben überall dicht an dem Körper anliegen, und hier— über wird eine wollene Decke geſchlagen und endlich das gewöhnliche Bett aufgelegt. So bleibt Patient eine Vier— tel= bis eine halbe Stunde liegen, je nachdem ſich Zunahme von Hitze zeigt; beim Eintritt derſelben wird er aus dieſer Einwickelung herausgenommen und aufs neue, aber ganz auf gleiche Weiſe wie vorher, eingewickelt, was ſo oft wie— derholt wird, als ſich die Hitze ſteigert, und erſt dann da— mit nachgelaſſen, wenn der Kranke, ohne aufgeregt zu ſein, zu dünſten anfängt. Nach halbſtündigem Dünſten wird er mit abgeſchrecktem Waſſer von 12 bis 160 R. abgewaſchen, je nach Verſchiedenheit des Alters. Da mit dem Eintritte des Exanthems das Fieber ſich mäßigt, fo entferne man auch gleichzeitig die Einwickelungen, wiederhole aber dieſel— ben, ſobald das Fieber eracerbirt, aber auch nur eben ſo lange. Am meiſten Beachtung verdienen die Complicationen. 1) Die angina iſt fo heftig, daß fie den ununterbrochenen Wechſel der örtlichen antiphlogiſtiſchen Tücher erfordert. Bei höherem Grade werden dabei noch ableitende Einwickelungen der Füße in naſſe, aber ſtark ausgewundene Tücher, welche mit Wolle bedeckt werden, nöthig. Iſt das Übel noch wei— ter vorgeſchritten, dann müſſen, ſtatt der kühlenden, mäßig ausgerungene Tücher um den Hals gelegt werden, welche *) Um die Aufzählungen der Krankh eitserſcheinungen hier zu umgehen, verwies Herr Dr. B. auf Schönleins Pathologie und Therapie. dreiſtündlich zu wechſeln und ſorgfältig mit trockenen Tü— chern zu bedecken find. Die höchſten Grade fordern Ein: wickelungen des ganzen Körpers in ausgewundene Tücher mit nachfolgendem Baden oder Begießungen. 2) Delirien aber, die nur mit der Fiebereracerbation eintreten und mit ihr verſchwinden, bedingen die antiphlogiſtiſche Compreſſe, kalte, naſſe, nicht ausgewundene Tücher, aber nur ſo lange als jene dauern. 3) Die ſchlimmſten Erſcheinungen, welche daher auch ein energiſches Verfahren erfordern, find die Er- ſcheinungen der meningitis oder Gehirnmarkentzündung. Dieſe ſind wohl zu unterſcheiden von den das Fieber gewöhnlich begleitenden Delirien, welche meiſt in der Nacht als Folge heftiger Fieberagitationen erſcheinen. Es ſind Sinnesſtörun— gen, Sauſen vor den Ohren, Erweiterung oder Verengerung der Pupille ohne Eracerbation und Intermiſſton, höchſtens Remiſſion. Hier find naſſe Einwickelungen mit ausgewun— denen Tüchern, welche drei bis ſechs Mal wiederholt wer— den müſſen, dabei von fünf zu fünf Minuten zu wieder: holende, kalte, naſſe Umſchläge von nicht ausgewundenen Tüchern auf den Kopf, Abwaſchung des Körpers mit abge⸗ ſchrecktem Waſſer (von + 12 bis 140 R.) und Überſchüt⸗ tungen (milderer Grad von Begießungen) des Kopfes mit vielem kalten Waſſer (+ 6 bis 80 R.) öfters wiederholt nöthig, und es muß fo lange damit fortgefahren werden, bis das sensorium frei wird. Erfolgt dies nicht, dann müſſen Halbbäder mit Waſſer von + 100 R. angewendet werden, wozu allmälig kühleres Waſſer gegoſſen wird und worin der Körper ſo lange verweilen muß, bis Schüͤttelfroſt eintritt. Auf den Kopf müſſen die kalten Umſchläge oft erneuert oder ab und zu Begießungen gemacht werden. Iſt nach drei Viertel- bis einer Stunde kein Schüttelfroſt zu erzielen, dann iſt der Kranke verloren, weil die durch Aus- ſchwitzung bedingten Zerſtörungen ſchon zu bedeutend ſind. Nach dem Bade wird Patient ins Bett gelegt, und wenn ſich deſſen Körper etwas erwärmt hat, wieder in naſſe, aber ausgewundene Tücher und wollene Decken gewickelt und bis zum Dünſten liegen gelaffen, worauf dann abermals eine Waſchung oder ein Bad oder eine Begießung erfolgt, je nach der Dringlichkeit der Umſtände. Nervöſes oder torpides Scharlachſieber, scarlatina ner- vosa sive torpida, mit zwei Unterabtheilungen. a) Einfach neroöſes Scharlach. Die torpide Form kann hervorgegan— gen ſein aus Übermaß oder Mangel von Reaction. Dort iſt die Haut am Körper brennend heiß bei kühlen oder kal— ten Extremitäten. Iſt das Eranthem zum Vorſchein ge⸗ kommen, ſo hat es eine violette Farbe. Hier ſind Sturz⸗ bäder nöthig mit nachfolgenden antiphlogiſtiſchen Einwicke— lungen, aber erſt zehn bis fünfzehn Minuten nach jenen, wenn ſich der Kranke wieder erholt hat und eine gleichmäßige Wärme der Haut zurückgekehrt iſt. Bei fehlender Reaction erſcheint dieſes Exanthem gar nicht oder nur an einzelnen Stellen, iſt bleich, Lisid, oder es erſcheint allgemein, verſchwindet aber wieder. Hier ſind nach den Sturzbädern erwärmende Ein— wickelungen erforderlich. Bei gutem Erfolge verlangſamt und hebt ſich der Puls, die ganze Haut bekommt eine gleichmäßige Temperatur, das Eranthem tritt mit lebhafter 79 159. VIII. 5. 80 der Vipern wurde gegen Hornhautflecken ins Auge geſtrichen, und in Ungarn iſt die Viperngalle ein Volksmittel gegen Epilepſie. Der Vipernbiß iſt gegen Hydrophobie empfohlen. Gewöhnlich tödtet der Biß der Viper nicht, aber zuweilen iſt dies doch der Fall. Im Jahre 1845 ſtarb in Lomnitz (im Hirſchberger Thale) eine Beerenleſerin an Vipernbiß. Im Auguſt 1846 wurde eine robuſte Fleiſchersfrau aus Agnetendorf, welche an einem heißen und ſchwülen Tage oberhalb Giersdorf in einem Thale zwiſchen Saalberg und Silberlehne, wo beſonders viele giftige Schlangen ſind, baar— fuß Himbeere ſammelte, in den Rücken des rechten Fußes gebiſſen. Die Frau band ſogleich ein Tuch feſt über den Knöcheln des gebiſſenen Fußes und wuſch ſich die Wunde mit kaltem Waſſer aus. Schon während des Gehens nach ihrer Wohnung, wo ſie ungefähr Stunden ſpäter an— kam, wurde der Fuß bläulich und ſchwoll bis über das Knie an. Ungefähr vier Stunden ſpäter ſah Hr. Dr. S., der von Hermsdorf gerufen war, die Kranke. Die Geſchwulſt der gebiſſenen Ertremität hatte jetzt die Inguinalgegend er— reicht; die Bißwunde war nur an einer bläulichrothen Fär— bung zu erkennen und ſehr ſchmerzhaft; die Haut des ge— ſchwollenen Gliedes war gelblichweiß, geſpannt, glänzend, kalt, ſtellenweiſe große livide Flecke zeigend. Das Geſicht war entſtellt, aufgedunſen, die Kranke fühlte ſich matt, war ſehr ängſtlich, klagte über Fröſteln; von Zeit zu Zeit trat Würgen und Erbrechen einer ſchleimigen Flüſſigkeit ein. Der Puls war ſehr frequent, aber regelmäßig, die Tempe— ratur allgemein vermindert. Hr. Dr. ©. legte ein Empla- strum Cantharidum auf die Bißwunde, ließ Bähungen des geſchwollenen Gliedes mit einer Miſchung von Salmiakgeiſt und Terpenthinöl anſtellen, gab innerlich Schwefeläther, Cam— phor und Tinctura Opü. Indeſſen ſtiegen die krankhaften Erſcheinungen. Nach einigen Stunden war der rechte Fuß doppelt ſo dick als der linke, der Durſt war unerträglich, der Puls betrug hundert und vierzig Schläge in der Mi— nute, allgemeiner Icterus trat ein, die Temperatur ſank tie— fer, ſo daß die Kranke ſich kalt anfühlte wie ein Froſch; mit Auftreibung des Unterleibes traten vermehrte Stühle ein, die höchſte Angſt ging in einen Zuſtand paſſiver Gleichgül— tigkeit über, wobei aber das Bewußtſein blieb. Das Bla— ſenpflaſter blieb ohne Wirkung. Es wurden große Gaben von Camphor, Tinctura Opii und Wein gereicht. Doch trat keine merkliche Reaction ein. Länger als zwei Mal vier und zwanzig Stunden blieb die Kranke in dem erwähn— ten Zuſtande. Dann runzelte ſich die epidermis, die Tem— peratur der Haut ſtieg, der Puls ſank auf hundert Schläge, der leterus ſchwand, in der Wunde trat Eiterung ein und unter Anwendung von Analeptieis und Roborantibus genas die Frau in acht Tagen. Die epidermis der gebiſſenen Er⸗ tremität fchälte ſich vollſtändig ab. Mi ſcelle. (9) Über die ſicheren Zeichen des Todes. Von Bouchut. — Auf vielfältige Unterſuchungen geſtützt, glaubt der Verf. eine Reihe von ganz zuverläſſigen Zeichen des eingetretenen Todes aufſtellen zu können. Er theilt dieſe Zeichen in ſolche, welche unmittelbar nach dem Tode wahrnehmbar ſind, und ſolche, die ſich erſt nach Verlauf einiger Zeit kund geben. Zu den erſte⸗ ren zählt er 1) die durch länger als 5 Minuten andauernde Ab⸗ weſenheit jedes Herzgeräuſches. Zahlreiche Verſuche lehrten ihn nämlich, daß in dem Zuſtande des Scheintodes und der Ohnmacht immer noch Herzgeräuſche deutlich wahrnehmbar ſeien, wenn fie auch weniger ſtark und nach längeren Zwiſchenzeiten als im Nor⸗ malzuſtande hörbar ſind. Eine 5 Minuten lange Abweſenheit des Herzgeräuſches, oder, was dasſelbe iſt, ein fo langes Ausſetzen des Herzſchlages muß nothwendigerweiſe den Tod herbeiführen, um ſo mehr, als gleichzeitig mit dem Herzſchlage die Athmungsbewegun⸗ gen und die Nerventhätigkeit aufhören. Dieſes Zeichen des Todes iſt alſo als ein ganz zuverläſſiges zu betrachten. 2) Ein anderes unmittelbar uach dem Tode eintretendes Zeichen iſt das plötzliche Erſchlafftwerden ſämmtlicher Schließmuskeln, deren Lähmung, und 3) eine Abplattung des Augapfels und die Entwickelung eines ſchleimigen Überzuges über die getrübte Hornhaut. — Als ſichere, aber fpäter auftretende Zeichen des Todes erklärt der Verf. 1) die Todesſtarre, 2) die Unempfindlichkeit der Bewegungsnerven ge⸗ gen galvaniſche Ströme, und 3) die Fäulniß. — Eine zur Prü⸗ fung dieſer Behauptungen von der Akademie beauftragte Commiſſion wiederholte an Thieren und Meuſchen die von dem Verf. angeſtell- ten Verſuche, und erflärte das längere Ausſetzen des Herzſchlages und ſofortige längere Unhörbarbleiben der Herzgeräuſche als ein vollkommen ſicheres, für ſich allein hinreichendes Zeichen, welches das Abwarten der gleichfalls zuverläſſigen, aber erſt längere Zeit nach dem Tode auftretenden Erſcheinungen zum Behufe der Er⸗ kenntniß des eingetretenen Todes ganz unnothig macht. Gegen die Zuverläffigfeit des zweiten und dritten Punktes, das iſt der Er— ſchlaffung ſämmtlicher Schließmuskeln und des Auftretens eines ſchleimigen Überzuges über die getrübte, abgeplattete Hornhaut als Zeichen des Todes glaubten fie begründete Zweifel hegen zu müſ— ſen. (Gazette méd. de Paris 1848, Nr. 23.) Bibliographiſche Neuigkeiten. A. Young. Natural history and habits of the Salmon. 18. (pp. 48, 1 sh. 6 d.) London 1848. Public Health Act. 11 and 12. Viet. cap. 63. The act for Promating the pu- blie health; with a full abstract and detailed Review of the Statute, ad- apted for general use, indicating the cases and showing the modes, in which its various important provisions may be applied; together with a copivus Index. By James J. Scott. 12%. (pp. 170, 5 sh.) London 1848. Sur la vente des substances veneneuses. Rapport fait par une commission composee de MM. Orfila, Hoyer Collard, Adelon Robinet et Bussy, rapp, 80. 1 f. Paris 1848. Bathing. Treatise on the advantages and necessity uf frequent Bathing, as a means of health and a Preventive of disease; with drawings of the va- rious kinds of baths manufactured by E. Perry. Se. (pp. 42, 1 sh. 6 d.) London 1848. H. C. Deshon. Cold and consumption; or consumption, its prevention and eure by Cold as a constitutional and inhalation as a local Agent. (p. 162, 3 Sh. 6 d.) Exeter 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 160. (Nr. 6. des VIII. Bandes.) November 1848. Naturkunde. Leſtiboudois, Unterſuchungen über die organiſchen Urſachen der verſchiedenen Blattſtellungen. — Phyſicaliſche Beobachtungen bei der totalen Mondfinſterniß vom 19. März 1848. — Miſcelle. Schnelles Wachſen der Fiſche. — Heilkunde. Zillner, ein Beitrag zur Lehre von der Ruhr. — Miſcellen. Verneuil, über eine Blutgeſchwulſt im ſchiffförmigen Beine der Fußwurzel. Nelaton, die Formen des Knochenkrebſes. Sie— bert und Schneider, von der Wirkung der Gitronjäure in der Waſſerſucht. — Bibliographie. „ Naturkunde. IVI. Unterſuchungen über die organiſchen Urſachen der verſchiedenen Blattſtellungen. Von Th. Leſtiboudois. Die verſchiedene Anordnung aller Blattorgane beruht nach dem Verf. auf der Vertheilung der Gefäßbündel im Stengel. No. 25 der Comptes rendus vom 19. Juni 1848 giebt einen Auszug ſeiner Arbeit. Blätter dieotyledoniſcher Pflanzen. — Die Samenlappen dieſer Pflanzen bilden in der Regel zwei ſym— metriſch gegenüber geſtellte blattartige Ausbreirungen, weil die Gefäßbündel der Achſe des Embryos 2 gleiche Gruppen, die ſich gleichſeitig ausdehnen, darſtellen. Euthält die Achſe 4, 6 oder 8 getrennte Gefäßbündel, ſo ſind dieſe immer in 2 gleiche Gruppen mit 2, 3 oder 4 Bündeln angeordner— Jedes äußere Gefäßbündel der einen wie der anderen Gruppe bildet einen Gefäßſtrang, der ſich in dem Zwiſchenraume bei— der Gruppen mit dem des benachbarten Bündels vereinigt und ſo den Mittelnerven des entſprechenden Samenlappens bil— det. Dieſe Erſcheinung zeigt ſich an beiden Seiten der Samenachſe, die Samenlappen werden dadurch gegenſtändig, ſie entſpringen auf gleicher Höhe in den ſymmetriſchen Zwi— ſchenräumen der beiden Gruppen von einander. In den andern Zwiſchenräumen der Gefäßbündel können ähnliche Bündel entſtehen, aus denen gleichfalls durch eine Vereini— gung zweier ein Gefäßſtrang hervorgeht, der den Seitennerven des Samenlappens bilder; die Nerven der Samenlappen find deshalb nicht den Gefäßbündeln der Achſe gegenüber, ſon— dern correſpondiren mit den Zwiſchenräumen, die die Gefäßbün— del der Achſe trennen; alle ſind durch eine Vereinigung zweier entſtanden. Die Zahl der Gefäßbündel, welche die Seiten— nerven bilden, iſt an jeder Seite gleich, die Zahl der Blatt— nerven iſt deshalb immer eine ungerade, die Keimblätter ſelbſt ſind dadurch immer gleichſeitig und gegenſtändig. No. 2140. — 1040, — 160. Bei vielen Coniferen bleiben die aus den Gefäßbündeln der Samenachſe hervorgehenden Gefäßſtränge unvereinigt, jeder der letzteren bildet einen Samenlappen; die Stellung dieſer Samenlappen zu einander entſpricht einem Wirtel. Die wirtelſtändigen Samenlappen der Coniferen laſſen ſich ſomit als Keimblätter betrachten, deren Theile nicht wie bei den eigentlichen Dicotyledonen mit einander vereinigt wur— den; ihre Anordnung iſt meiſtentheils nur wenig regelmäßig. Die Primordialblätter der Dicotyledonen ſind bald ge— genſtändig, mit den Keimblättern ein Kreuz bildend, bald vereinzelt, eine Reihe abwechſelnder Blätter anzeigend. Sie find kreuz-gegenſtändig, d. h. kreuzen ſich mit den Keim— blättern, wenn die Gefäßbündel, welche den Holzring bilden, ſymmetriſch bleiben und ſymmetriſch verlaufende Gefäßſtränge zur Bildung des zweiten Blattpaares ausſchicken. Der Mittel— nero dieſer Blätter entſpricht der Mitte jeder Gefäßgruppe, wenn die Zahl der Bündel in den Gefäßgruppen eine ge— rade iſt und der Mittelnerv, wie bei den Samenlappen, dem Zwiſchenraume der Gruppen entſpricht; in dieſem Falle wird die Stellung der noch folgenden Blätter geändert, weil die Blattnerven in beſtimmten Zwiſchenräumen entſpringen, aus denen ſchon früher Blätter hervorgingen; wenn aber die Zahl der Gefäßbündel eine ungerade iſt, ſo entſprechen der Mittelnerv und die Seitennerven den Primitiobündeln, die ſich verdoppeln. Bei dieſer Anordnung bleiben die Blätter gegenſtändig und kreuzen ſich mit den Samenlappen, die ge— genüber den Zwiſchenräumen der beiden Gruppen entſpringen. Wenn die Symmetrie im Gefäßringe abwechſelt, werden auch die Primordialblätter wechſelſtändig, bleibt dage— gen die urſprüngliche Symmetrie ungeſtört, ſo bleiben auch die Stengelblätter gegenſtändig und neue Gefäßbündel gehen in gleicher Anordnung aus den alten hervor, um ſich im Blatte auszubreiten; nach dieſer Anordnung muß jedes Blatt- paar ſich mit dem vorhergehenden im rechten Winkel kreu— 6 83 160. VIII. 6. 84 zen und fo eine vierzeilige Blattſtellung entſtehen; durch eine Drehung des Stengels wird dieſer Winkel manch Mal ver— ſchoben und die Stellung der Blätter zu einander weniger enau. i Durch die zur Entſtehung der gekreuzten Blätter und zur allmäligen Ergänzung der in die Blätter übergegangenen Faſern nothwendige Theilung der Urgefäßbündel wird im Gefäßkreiſe der Stämme mit gegenſtändigen Blättern die Zahl der Gefäßbündel 4 Mal ſo groß als ſie zur Bildung eines Blattpaares nöthig wäre. Ein Viertheil dieſer Gefäßbündel gehört dem nächſten Blattpaare an, ein zweites Viertheil, das mit dem erſten alternirt, dem darauf folgenden Blatt— paar, die beiden letzten Viertheile bilden Ergaͤnzungsbündel und ſind zwiſchen die Blattgefäßbündel vertheilt. Durch Verwachſungen oder Theilungen ändert ſich die Zahl der Gefäßbündel; die Ergänzungsbündel können ſich mit dem Blattgefäßbündel des nächſten oder des darauf folgenden Kreiſes verbinden; ſie entweichen aus jedem Knoten, um ſich entweder mit den Bündeln, aus denen ſie entſprungen, wie— der zu vereinigen, oder vereinzelt zu bleiben. Wenn der Gefäßkreis, ſtatt aus 2 ſymmetriſchen Grup— pen zu beſtehen, deren drei oder mehrere hat, ſo entſtehen die wirtelſtändigen Stengelblätter; ihre Anordnung bleibt un— verändert dieſelbe, die Blätter des zweiten Wirtels entſpre— chen dem Zwiſchenraume der Blätter des erſten, die Blät— ter des dritten Wirtels wiederum dem Zwiſchenraume der Blätter des zweiten u. ſ. w. Die Zahl der Blattreihen iſt hier immer doppelt ſo groß wie die Zahl der Blätter jedes Kreiſes; bei einem Zzähligen Winkel entſtehen 6 Blatt: reihen; der Winkel, welchen die Blätter zweier Wirtel mit einander bilden, beträgt ¼ eines rechten Winkels oder 600. Die Zahl der ſcheinbaren Blätter eines Winkels iſt nicht immer die wirkliche, da häufig blattartige Nebenblätter zwi— ſchen die wirklichen Blätter treten. Die Zahl dieſer Neben— blätter iſt verſchieden; ſie kommen ſelbſt bei gegenſtändigen Blättern vor, unterſcheiden ſich aber von den wahren Blät— tern durch das Fehlen der Knoſpen in ihren Achſeln und durch den Urſprung ihrer Gefäßbündel, die nicht aus dem Stamme, ſondern aus den Blattgefäßbündeln, welche ſich häufig zu einer bogenförmigen Anaſtomoſe vereinigen, entſpringen. Die Stengelblätter werden abwechſel d, wenn der Gefäßring des Stengels in ſeinen Elementen eine Anderung erleidet. Dieſe kann verſchiedener Art ſein: 1) ohne die Symmetrie des Gefäßringes ſelbſt zu verändern, nur auf einer Anderung im Austrittspunkte der Gefäßbündel beru— hen; die Blätter jedes Wirtels ſind dadurch nur in ihrer Höhenſtellung verrückt, ſie entſpringen über einander, ohne indes eine Spirale zu bilden und laſſen ſich leicht auf den gegenſtändigen Typus zurückführen; 2) kann gleichfalls, ohne die Symmetrie zu ſtören, in den Elementen eines gegenſtän— digen, ja ſogar kreuzſtändigen Blattes eine Anderung vor ſich gehen und die Stellung eine zweizeilige mit einer Divergenz, die dem Halbkreiſe entſpricht, werden; 3) kann durch ein Verwachſen oder Abortiren die Zahl ber zum Ge— fäßringe gehörenden Bündel vermindert oder durch eine Ver— doppelung vermehrt werden; in allen dieſen Fällen wird die Symmetrie des Gefäßringes geſtört, die Zahl der Bündel wird ungleich, ſie laſſen ſich nicht mehr in zwei gleiche Gruppen theilen. Sind im Stengel 3 Gefäßbündel vorhanden, ſo wird die Blattſtellung dreitheilig, die Spirale beſchreibt eine Win: dung um den Stamm; der Divergenzwinkel beträgt 1200; ſind dagegen 5 Gefäßbündel zugegen, ſo erhält man eine Heilige Blattſtellung, die Spirale dreht ſich, um mit dem ſechsten Blatte von neuem zu beginnen, zwei Mal um den Stamm; die erſte Windung der Spirale umfaßt 3 Blätter, die zweite nur 2, das vierte Blatt ſteht zwiſchen dem erſten und zweiten, das fünfte zwiſchen dem zweiten und dritten. Der Divergenzwinkel beträgt / von 2 Umkreiſen oder 2/, eines Kreiſes, mithin 1440. Die Anordnung der Gefäßbündel dieſer Blätter iſt von der beim Stamme mit gegenſtändigen Blättern ſehr verſchie— den; die Zahl der Gefäßbündel iſt nicht mehr das vierfache der zur Bildung eines Blattpaares nöthigen Gefäße, ſondern doppelt ſo groß als die Blattzahl einer Spiralwindung. Die Blattgefäßbündel wechſeln im Gefäßkreiſe mit den Er— gänzungsgefäßbündeln ab, ſind auch bisweilen mit einander verbunden; jedes Blattgefäßbündel bildet entweder den Mit— telnerven oder einen Seitennerven des Blattes. Unter den zwei-, drei- und fünfzeiligen Blättern be— merkt man häufig noch eine andere Art der Blattſtellung, deren Urſachen ſecundär find: fo trifft man 1) eine Blattſtellung mit 2 Reihen fortlaufender Blät— ter, das dritte Blatt erſcheint ſeitlich neben dem erſten, das vierte ſeitlich neben dem zweiten u. ſ. w.; es entſtehen zweierlei Reihen, die eine mit geraden, die andere mit un— geraden Zahlen. Jeder Cyelus enthält nur 2 Blätter, der Divergenzwinkel nähert ſich 1809, die ganze Anordnung ge— hört zum zweizeiligen Typus; “ 2) eine Blattſtellung mit 3 fortlaufenden Reihen u . vierte Blatt nähert ſich dem erſten, das fünfte dem zweiten, das ſechste dem dritten u. ſ. w. Jeder Wirtel enthält 3 Blätter, der Divergenzwinkel nähert ſich 1200, die ganze Anordnung gehört zum dreizeiligen Typus; 3) eine Blattſtellung, wo der Cyelus abwechſelnd drei und zwei Blätter enthält, ſie gehört zum fünfzeiligen Typus. Die häufigſten Blattſtellungen dieſer Art ſind ſolche, wo die Spirale 8, 13, 21, 34, 55 u. ſ. w. Blätter zählt; die Bruchzahlen, welche den Divergenzwinkel der Blätter be— zeichnen, machen mit den Bruchzahlen der zwei-, drei- und fünfzeiligen 7 75 50 eine Sl die ſich in folgender Weiſe als Y,, 1 2/5 /, 5/13, ½1 %, 2/69 des Umkreiſes 1 läßt jeder Nenner und Zähler dieſer Brüche entſpricht der Summe der Nenner und Zähler der beiden vor ihm ſtehenden Brüche. Dieſe regelmäßige Anordnung deutet auf eine eben ſo regelmäßige als ſucceſſive Theilung der Urgefäßbündel; jede dieſer Spiralen erſcheint, wenn ſich die Gefäßbündel der vorvorletzten Spirale unter den Gefäßbundeln der vorher— gehenden Spirale nochmals theilen. Dieſe zweite Theilung erfolgt bei der fünfzeiligen Spirale durch die größere Leiche tigkeit, mit der ſich die 3 Gefäßbündel der erſten Windung 85 160. VIII. 6. 86 der Spirale entwickeln und welche auf die folgenden Spiralen übergeht. Der Verf. konnte ſowohl dieſe Theilung der Ge— fäßbündel als das Hervortreten der Blätter nach der ange— gebenen Regel direct beobachten und glaubt durch dieſe Beob— achtung die Stellungsverhältniſſe der zum fünfzeiligen Typus gehörigen Blätter hinreichend erklären zu können. Die zu zwei geftellten Blätter entſtehen nach ihm aus dem fünfzähligen Kreiſe durch Abortiren eines Gefäß— bündels oder durch Verwachſung desſelben mit einem be— nachbarten. Die Blattpaare ſind unregelmäßig zweizeilig, weil durch das Verſchmelzen eines Gefäßbündels mit einem der andern die beiden Hälften des Gefäßkreiſes ungleich werden; dieſe Blätter werden durch ein Verſchmelzen der beiden Gefäßbündel jedes Blattpaares leicht zweizeilig. Die buſchelförmig geſtellten Blätter der Coniferen ſind nichts anderes als unentwickelte, meiſtentheils aus der Achſel eines ſchuppenförmigen Blattes entſpringende Zweige, deren Blätter ſich frühzeitig entfaltet haben; ſie entſtehen bei Pi- nus canariensis in der Achſel gewöhnlicher Blätter und ent— wickeln ſich zur gewöhnlichen Zeit. Bei Cedrus noch mehr bei Laryx, verlängern ſich dieſe Zweige. In der beſchränk— ten Entwicklung der Arillarknoſpen der Nadelhölzer liegt die Urſache, weshalb ihre Stämme ſich nicht gleich den Stäm— men anderer Dicotyledonen veräſteln können und nur Sproſ— ſen treiben. Monocotyledoniſche Blätter. — Das Keimblatt der Monocotyledonen entſpringt wie bei den Dieotyledonen aus einem regelmäßigen Gefäßkreiſe, doch ſcheint der einen Seite des Stammes die Lebensthätigkeit zu fehlen; alle Blattfaſern verlaufen nach der einen Seite, der ganze Ge— fäßkreis entwickelt deshalb nur einen Samenlappen und über ihm ſpäter eine Reihe abwechſelnder Blätter. Die Nerven des Keimblattes entſprechen den Zwiſchenräumen der Gefäßbündel der Keimachſe, welche ſich wie bei der Bildung des dicotpledoniſchen Keimblattes paarweiſe vereinigen. Die Zahl der Zwiſchenräume und die Zahl der Gefäßbündel find gerade, der Mittelnerv fehlt. Die Faſern des zweiten Peimordialblattes der mono— cotyledoniſchen Pflanze alterniren mit denen des Keimblattes, ſie entſprechen demnach den Gefäßbündeln der Keimachſe. Das zweite Blatt ſteht dem Keimblatte nicht genau gegen— über, auch ihm fehlt der Mittelnerv; dagegen entwickelt ſich in den folgenden Blättern ein Nerv vorwaltend, wodurch ein falſcher Mittelnerv entſteht und die Seiten des Blattes, da die Zahl ſämmtlicher Blattnerven eine gerade iſt, etwas ungleich werden; je mehr Blätter erſcheinen, um ſo mehr verwiſcht ſich die Ungleichſeitigkeit derſelben. Die Gefäßbündel der auf einander folgenden Blätter vereinigen ſich nicht; niemals ſieht man irgend ein Blatt der folgenden Spiralen mit dem erſten Blatte aus demſelben Gefäßbündel entſpringen. Die Blattſtellung richtet ſich hier nach der Anordnung der ſich neu bildenden Gefäßbündel, fie iſt zwei-, drei-, ſelten fünfzeilig. Das dritte Blatt nähert ſich bisweilen dem erſten, das vierte dem zweiten, ſo entſtehen 2 fortlaufende Reihen (der zweizeilige Typus); manch Mal nähert ſich das vierte Blatt dem erſten, das fünfte dem zweiten, das ſechste dem drit— ten, ſo entſtehen 3 fortlaufende Reihen (der dreizeilige Ty— pus.) Die fortlaufenden Blattreihen der Monocotyledonen ſind unbegrenzt, ſie umkreiſen den Stamm, ohne daß jemals ein Blatt genau über einem frühern zu ſtehen kommt und ohne daß eine Reihe, da ſie in gleicher Richtung verlaufen, der anderen begegnet. Dieſe Anordnung iſt eine Folge der vereinzelten Stellung, bisweilen auch der ſpiraligen Richtung der Gefäßbündel. Die Anordnung des Gefäßkreiſes im Blüthenſtiele der Monocotyledonen entſpricht, wenn eine einfache oder dop— pelte Blüthenhülle vorhanden iſt, der Anordnung im Blü— thenſtiele der meiſten Dicotyledonen. Der Verf. nimmt nach feinen Beobachtungen für die Monocotyledonen zwei auf ein— ander folgende Spiralwirtel (einen Kelch und eine Blumen— krone) eben ſo zwei Staubfadenwirtel an; in jedem dieſer Wir— tel herrſcht die Dreizahl. XVII. Phyſicaliſche Beobachtungen während der to— talen Mondfinſterniß vom 19. März 1848. Die Aſtronomen halten das vom Monde während ſeiner Verfinſterung ausgehende Licht nicht mehr für eine Phospho— reſcenzerſcheinung, find indes über die Urſachen desſelben noch lange nicht einig. Die rothe Färbung des Mondes ſchreibt man dabei gewöhnlich einer Abſorption der mehr brechbaren Sonnenſtrahlen während ihres Durchgangs durch die Erdatmoſphäre zu und vergleicht dieſe Erſcheinung mit der Färbung der Wolken beim Sonnenuntergang. Eine Berechnung zeigt aber, daß, wenn wirklich eine ſolche Ab— ſorption durch in der Atmoſphäre verbreitete Dünſte erfolgte, fein jo intenſives Licht an den Mond gelangen würde, um, von ihm zurückgeſtrahlt, auf der Erde ſichtbar zu ſein; auch bleibt die röthliche Färbung des Mondes während einer Mondfinſterniß gleichgültig, ob ſich der Mond in der Erd— nähe oder Erdferne, alſo etwa 8000 Meilen näher oder ferner befindet, ganz dieſelbe. F Babinet hielt über dieſen Gegenſtand am 20. März dieſes Jahres vor der Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris folgenden Vortrag: Das Bild des Mondes verſchwindet bekanntlich bei eis ner totalen Mondfinſterniß nicht gänzlich; das Licht, welches den Schatten der Erde durchbricht, kann nunmehr dreierlei Urſachen haben: Es kann 1) von dem Theile der durch die Sonne erleuchteten Erdatmoſphäre, die an der Stelle, welche der Mond einnimmt, geſehen wird, herrühren; ein ſolches Licht iſt weiß gefärbt; 2) von einem im Schatten durch die gewöhnliche Brechung der Atmoſphäre abgelenkten Licht abſtammen, das in den untern Luftregionen durch eine horizontale Brechung noch mehr abgelenkt wird (étant dou- ble), und deſſen gebrochene Strahlen die Achſe des Schat— tenkegels der Erde an einem Orte erreichen, deſſen Entfer- nung von der Erde geringer iſt, wie die des gegenüber- ſtehenden Mondes; ein ſolches Licht muß wegen der Ab⸗ ſorption ſeiner minder brechbaren Strahlen eine indigblaue 6 * 87 160. vm. 6. 88 Färbung beſitzen. Es kann 3) ein gebogenes Licht ſein, das in den Schatten der Erde dringt. Ein ſolches Licht iſt um ſo röther oder orangefarbener, je näher man es vom Mittelpunkte des Schattens wahrnimmt, weil bei einer Beu— gung ſich die weniger brechbaren Lichtſtrahlen in dem Maße weiter fortpflanzen als man ſich von der geraden Linie der Fortpflanzung entfernt. Die letztere Färbung iſt immer die vorherrſchende; am 19. März war ſie allein wahrnehmbar. Die Färbung des verdunkelten Mondes iſt indes niemals eine gleichmäßige; die dem Erdſchatten zunächſt gelegene Seite iſt immer dunkeler als die andere; die Färbung und Intenſität des Lichtes entſpricht durchaus einem abgelenkten der Beugung unterworfenen Lichte. Zu Ende der Mondfinſterniß som 19. März erſchien der Mondrand, welcher von der Sonne wiederum directes Licht erhalten ſollte, im ſchönſten Glanze, und doch war dieſe Erſcheinung nur eine Täuſchung, dadurch veranlaßt, daß die bisher vom Mond erleuchteten Gegenſtände keinen ſichtbaren Schatten warfen, ſowie indes der kleinere Theil der Mond— oberfläche von der Sonne direct beleuchtet ward, auch dieſe Schatten um ſo ſtärker hervortraten. Das Verſchwinden und Wiedererſcheinen dieſer Schatten bezeichnet, wie Babinet glaubt, den Anfang und das Ende der Verfinſterung am genauften. (Bibliotheque universelle de Geneve, Tome VIII. 1848.) Miſcelle. 13. Schnelles Wachſen der Fiſche. Zwei Zitterfiſche (Gymnotus electricus) wurden vor 6 Jahren in die Adelaide Gal- lery gebracht, wo ſie in einem kleinen Raume aufbewahrt und täg⸗ lich mit friſchem Waſſer von ihnen zuträglicher Temperatur wie mit gutem Futter reichlich verſorgt wurden. Die Fiſche wogen, als man ſie erhielt, jeder etwas über 1 Pfund, der eine war le— benskräftiger als der andere; der ſtärkere wiegt jetzt zwiſchen 40 und 50 Pfund, der ſchwächere etwa 40 Pfund. Die electrifchen Schläge des erſteren find ſtärker wie die des letztern. (The Zoo- logist, No. 78 1848.) Heilkunde. (VII.) Ein Beitrag zur Lehre von der Ruhr. Nach Beobachtungen während der Ruhrepidemie des Jahres 1846 im St. Johannſpitale zu Salzburg vom Aſſiſtenten und Secundar⸗ arzte Dr. F. Zillner. Die Grundlage nachſtehender Angaben bilden 70 Er— krankungsfälle, woson 50 im Hoſpitale behandelt wurden. A. Umriß der Epidemie. 1. Witterungs- und Krankheitszuſtände. Die Ruhr erſchien und gedieh unter nachſtehenden at— moſphäriſchen Veränderungen: a) Beträchtliche Wärmeſchwankungen, wie ſolche durch folgende Mittagstemperaturen ausgedrückt werden: Am 9. Juni 19,7“ R. Am 6. Juli 22,4 R. ee e 8 e e eee e, e lo 212 l ale 1268 nenn DD len 10,6 MED nn 1019 „„ 1 M b e 200 e e „ A ee „ 26.30. 12,0 Am 7. Auguſt 22,40 R. [7 7 „ 14,4 arme 2 DU il „ 12. Sept. 16,1 [23 14. [23 710 50 b) Schnell abkühlende Hochgewitter am 1., 6% 10, 17 20% 25. Juli, am 2., 8, N18, 19% 239 24. Auguſt. c) Hochwäſſer und Überſchwemmungen am 2. Juli, 9., 20. und 24. Auguſt. d) Starke, ſtoßweiſe auftretende Winde aus NO. und NW., zu Ende Juli und im Auguſt. d) Der Barometerſtand erlitt vom Juni bis Sep— tember nur zwei Mal, vom 16.— 17. Juli, und vom 20. bis 23. Auguſt einen bedeutenderen Fall von 3—3½ P.“ Außerdem wich er wenig von ſeiner mittleren Höhe von 321. 298 P. = 269.2“ ab. Die Monate Mai und September hatten eine ziemlich gleichmäßige Witterung. Stehende Krankheitsbeſchaffenheit. Bezeich⸗ net man mit dem vielfach mißhandelten und daher in Miß— achtung gerathenen Namen der constitutio stationaria vor der Hand den Inbegriff jener allgemeinen, durch die Häufig— keit ihres Vorkommens ausgezeichneten Erſcheinungen, welche man bei nüchterner Anſchauungsweiſe mehrere Jahre lang in den krankhaften Zuſtänden einer gewiſſen Menſchenzahl wiederkehren ſieht, ſo können bei einer Beobachtungsunter— lage von nahe 3000 Kranken folgende Merkmale der hier— orts beſtehenden Krankheitsverfaſſung aufgeſtellt werden: 1) Seit 2½ Jahren liefern die Ausſchwitzungen vor— herrſchend eiweißhaltige Producte, mochten ſelbe nun in den Lungen, in der Bruſthöhle, Bauchhöhle oder in den Nieren erzeugt worden ſein. Man erſchloß ſie am Lebenden durch das häufige Vorkommen von Lungenentzündungen mit ſehr zähem Auswurfe bei äußerſt ſparſamen Fibringerinnungen, durch das Vorkommen eiweißhaltiger Urine und conſtatirte ſie unzweifelhaft an der Leiche. 2) Die Hautkrankheiten: Herpes, Erysipelas, Eczema mit eiweißreichen Erſudaten bildeten ¼8 aller Hautkrankhei— ten. Insbeſondere waren die Ekzeme ſehr ausgebreitet und hartnäckig. 89 160. VIII. 6. 90 3) Im Herbſte 1845 und dem darauf folgenden Win⸗ ter herrſchte eine ſehr heftige Scharlachepidemie (130 Gr: krankte, 25 Todte) mit maſſenhaften Ausſchwitzungen auf der Haut, im Zellgewebe, in den Drüſen, Hirnhäuten und eiweißhaltigem Urine. Gegen das Ende der Ruhr erſchien der Scharlach wieder in Geſellſchaft mit Variola. 4) Unter oben genannter Krankenzahl wurden binnen 2½ Jahren S acute Tubereulofen und 6 ſelbſtändige Bright— ſche Krankheiten beobachtet. 5) Im Winter und Frühjahre 1845 kamen ungemein viele Hyſterien, Fallſuchten, Krämpfe und Schmerzen, ſelbſt bei Männern, vor. 6) Im Jahre 1846 erſchienen zahlreiche, ſehr aeut verlaufende Anſchwellungen der parotis, der Speichel-, Hals - und Schilddrüſen, der Milz, und zwei Mal des geſammten Drüſenſyſtems. 7) Die Herrſchaft der Ruhr ſelbſt endlich und ihre Beziehung zu den gleichzeitig mitentftandenen einheimiſchen Wechſelfiebern ſchließt die Summe der Merkmale. Jahresconſtitution von 1846. a. Frühling. Einheimiſche Wechſelfieber, — eine große Seltenheit. — Viele Ekzeme. b. Sommer. Durchfälle, Coliken, häufige Cholera— fälle (dem Verf. ſind 17 bekannt), worunter mehrere tödt— liche, die Drüſenanſchwellungen, Melänen, Ruhr, gaſtroen— teriſche Fieber, Keuchhuſten. c. Herbſt. Darmfieber, Scharlach, Blattern, Ruhr, Phlebektaſtien, Furunkeln, Ekzeme. Die Ruhrconſtitutionen zu Zeiten Sydenhams und Hurhams, auch die, welche Siebert beſchreibt, haben, ſo weit ſich dies aus den Angaben erkennen läßt, mit der fo eben beſchriebenen ziemliche Ahhlichkeit. 2. Eigenſchaften der Epidemie. a. Dauer. Es erkrankten: im Juli 4 im Sept. 13 „ Auguſt 25 „ Oct. 7 Summe der ins Hoſpital gekommenenen Fälle 50. Darunter waren Männer 32, Weiber 18. b. Tödtlichkeit. im November 1 Von den im Juli erkrankten ſtarben 2 [23 7 Auguſt 7 [73 5 [23 „ Sept. „ [23 2 7 2 October 77 PN „ Novemb. 5 1 c. Alter der Kian ken. Von 10 — 20 Jahren waren 8, ſtarben — 57 20 — 30 57 77 18 7 3 7 30 — 40 „ [7 7 „ Tor „ 0 — 5007, ee — [7] 50 — 60 77 7 7 7 2 „ 60 — 70 [2 7 6 „ 5 Mit 73 „ [7 1 77 * Summe 50 „ 10. Der Tod erfolgte in allen Zwiſchenräumen vom 8. bis 42. Tage, die länger dauernden Fälle genaſen. d. Ausdehnung. Die Epidemie bewirkte 13 % aller Erkrankungen während der ganzen Zeit, im Auguſt aber allein 25 %. 3. Eigenſchaften der einzelnen Fälle. a. Dauer. Dieſelbe erſtreckte ſich: 5 Mal auf 5 — 8 Tage, 4 Mal auf 5 Wochen, 16 „ 5 77 2— 7 6 77 10— „ 21 — 28 „ 8— „ 6—12,, b. Complicationen. Die Ruhr kam vor: mit Herzfehlern und Klappenkrankheiten 11 Mal“) „ Lungentubereuloſe * 1 55 langjährigen Unterſchenkelgeſchwüren 1 bei Säufern . ebene SI d „ Melancholia altonitd X 1 nach dreiwöchentlichem Jodgebrauch 1 Summe 18 „ Hiervon ſtarben 5; alſo die Hälfte aller Todesfälle. c. Krankheitserſcheinungen. ca. Wandelbare; hierher find insbeſondere die beliebten vier Hauptmerkmale der Ruhr zu rechnen, und zwar: 1) Das Fieber. Dasſelbe fehlte oftmals, erſchien oft erſt in der dritten bis vierten Woche; manch Mal wurde ſogar bis auf den letzten Tag ein langſamer Puls beobachtet. 2) Colikſchmerzen, fie mangelten noch häufiger als das Fieber. 3) Stuhlzwang wurde in nicht beobachtet. 4) Diarrhöe. Bisweilen erfolgte nur Morgens ein breiiger Stuhlgang, und es ereigneten ſich mehrmals Stuhl— verſtopfungen, die 2—3 Tage dauerten. BB. Beſtändige. Als ſolche können nur die Eigen— ſchaften und Beſtandtheile der Et Stuhlentleerun— gen angeſehen werden. 1) Die Conſiſtenz der (dothfreien oder wenigſtens kotharmen) war ſchleimig, kleiſterig durchſcheinend, gallertig, gummiartig zuſammenhängend. 2) Die Farbe derſelben wechſelte von dem grauweiß des Reißwaſſers durchs röthlichgraue ins blutrothe und roth— braune, nach den Zeiträumen des Proeeſſes. 3) Der Geruch war nach friſchem Dunſt geſchlach— teter Thiere, nach Hühnereiweiß. 4) Die Menge jedes einzelnen Stuhlganges ſowohl als die Geſammtmenge aller, war mannigfaltigem Wechſel unterworfen. 5) Den Beſtandtheilen nach bemerkte man: c. Eine Veränderung in der wechſelſeitigen Häufigkeit der gewöhnlich die Entleerungen zuſammenſetzenden Beſtand— theile, und zwar: acht Fällen durchaus „) Die große Zahl von Herzfehlern ift eine Eigenthümlichkeit der hier⸗ ortigen endemiſchen Conſtitution. 91 160. VIII. 6. 92 1) Verminderung der Speiſereſte, die ſich wohl auch zu gänzlicher Abweſenheit derſelben ſteigerte. 2) Vermehrung des Darmſchleimes und des mit demſelben 3) gemengten Eiweißes. Beide zuſammen bildeten ungefähr 8 —9 Zehntel des Geſammtquantums, und mit dem Ablaufe des Proceſſes ſank auch ihre Ziffer. Durch die gewöhnlichen Erkennungsmittel wurde der Eiweißreich— thum in allen Fällen ohne Ausnahme dargethan. 4) Vermehrte Anzahl Epithelzellen der Schleimhaut. Bisweilen jedoch waren auffallend we— nig zu entdecken. Waren ſie vielleicht durch Anquellen ge— borſten? 5) Galle. Sie kam vor: a) als Gallengemenge, wie ſelbes in der Blaſe enthalten iſt. Die Menge ſtieg und ſank in unbeſtimmten Zeiträumen von ½ — 3 Tagen, ja ſchien oft gänzlich zu fehlen, ſo daß dadurch eine große Verſchiedenheit der Färbung ſelbſt in zwei auf einander fol— genden Entleerungen veranlaßt wurde. Es herrſchten be— ſonders zwei Grundfarben vor, rothgelb (Bilifulvin?) und ſpangrün (Biliverdin 2). b) In einzelnen eryſtalliſirten Be— ſtandtheilen, als: Gallenharz, Gallenfett, deren Mengen ziem— lich beſtändig waren. 6) Über die Menge der außerdem noch vorkommenden Tripelſalz- und anderer Cryſtalle konnte, wegen mangeln— der Bekanntſchaft mit den diesfälligen Verhältniſſen in nor— malen Entleerungen, nichts gewiſſes ermittelt werden. 6. Neue Beſtandtheile. 1) Blutkugeln, und zwar: a) entweder zerſtreut oder reihenweiſe im eiweißreichen Darmſchleime eingetragen. oder b) zu Haufen geballt und mit Gallenfett- und phos— phorſauren Ammoniakmagneſia-Kryſtallen gemengt, oder c) reihenweiſe und parallel in 2) ſtreifigen, blätterig-ſcholligen, durchſcheinenden, gal— lertig= brüchigen Maſſen (Exſudatkörpern) auftretend und ſelbe bis zur Hälfte durchſetzend. 3) Glugeſche Estzündungskugeln (Körnchen— zellen). 4) Zellen mit 2—3 Kernen (Eiterzellen 2). 5) Geſchwänzte Zellen mit 1—2 Kernen. 6) Blutroth, auf den obengenannten Eryftallen als dunkelrothe Körperchen aufſitzend. Alle dieſe Beſtandtheile, obwohl die Erzeugniſſe ver— ſchiedener Krankheitszeiten, erſchienen oft in einer Entleerung, weil die Schleimhaut ſich an verſchiedenen Stellen in ver— ſchiedener krankhafter Entwicklung befand. Gelang es, den erſten Anfang zu beobachten, ſo erblickte man bei ſtarker Vergrößerung nur eine zuſammenhängende Menge faſt gleich großer Kugeln (mit einzelnen Darüber oder darunter liegen— den Cryſtallen), die ſich nach der Einwirkung von Salpeter— ſäure zu Reihen formirten, durch Atzkali aber unſichtbar wurden. d. Todesurſachen. Die 10 angeſtellten Leichenſchauen ließen folgende Zu— ſtände erkennen; Säfte⸗ und Blutverluſt 5 Mal Darmoerſchwärung und Giterblut 3 , Hirnhautentzündung .. 2, e. Nachkrankheiten. Haut- und Baud 3 mit — des Harnes . 4 Mal Hirnhautentzündung . 315 Blattern Kell 5 % Verdauungsbeſchwerden 2 eee eee Wechſel fiebern .. 2, Nach den Beobachtungen des Se Stadtphyſteus Dr. Schwarz ging der Ruhr bisweilen ein Wechſelfieber un— mittelbar voraus, und herrſchten zur Zeit der Höhe der Epidemie Wechſelfieber und Melänen. 4) Leichenbefund. Er läßt ſich in folgende Beobachtungen zuſammenfaſ— ſen: Die Kranken ſtarben in allen Zeiträumen von dem der beginnenden Geſchwürbildung an bis zur Darmver— ſchwärung oder dem ſchleppenden Geſchwürszuſtande. In einigen Leichen fanden ſich die warzenförmigen Er: habenheiten oder Bläschen, welche dicht gedrängt ſtehend, von ihrer Spitze aus das Epithel verloren und dann weiter zu Geſchwüren zerfloſſen. In anderen dagegen waren es die großen oft 2—3 Zoll langen erhabenen Ausſchwitzungs— flecke (plaques), welche unmittelbar in die Geſchwürsform übergingen. Bezüglich des räumlichen Vorkommens ſind fol— gende zwei Fälle zu erwähnen. 1) Gleichzeitige dysenteriſche Erkrankung des Dick- und Dünndarmes, des letzteren in einer mehr als ellenlangen Strecke. Im Dickdarme dysenteriſche Geſchwüre; im Dünndarme die warzenförmigen Höcker des zweiten Stadiums, die hie und da ſchon ihre Deckhaut ver⸗ loren hatten. Tod am zehnten Tage. 2) Geſchwüre des Dünndarmes mit Wulſtung der Schleimhaut des Dickdarms. Die wunden Stellen wa— ren am oberen und unteren Ende des Dünndarmes am häu— figſten, die mittleren zwei Viertheile waren völlig frei. Die Geſchwüre waren 1—2½ Zoll lang, umfaßten bisweilen die ganze Peripherie des Darmſchlauches, waren an ihrem obern Ende mit aufgewulſteten Rändern verſehen, reichten bis auf den reinpräparirten unterliegenden Zellſtoff mit Aus— nahme einiger wohlerhaltener Schleimhautinſeln. Tod durch Meningitis; der Blutkuchen zeigte 1½““ Faſerſtoffgerinnſel. Der Fall kam im Anfange der Epidemie vor. Was den Zuſtand der übrigen Organe betrifft, ſo ſtellt ſich nur heraus, daß in jenen Fällen, in welchen die Krantheit raſch ein tödtliches Ende erreichte, die Milz größer und blutreicher war, während in den länger dauern— den Fällen Runzelung der Milzeapſel mit Welkheit der Sub— ſtanz beobachtet wurde. Ein einziges Mal fand ſich Schwellung der Schleim— haut des gemeinſchaftlichen Gallenganges und des Blaſen— halſes. In drei Fällen ergoß ſich aus der Durchſchnittsfläche der Rindenſubſtanz der Nieren ein trübes, weißröthliches 93 Fluidum. Es war aber entweder Alkoholgenuß vorausge⸗ gangen oder eine Herzkrankheit zugleich vorhanden. Im Gehirne, mit Ausnahme der zwei Fälle von Me- ningitis, ſonſt nichts bemerkenswerthes. Ein beſonderer Fall, deſſen Rubrieirung zweifelhaft iſt, ereignete ſich auf der Höhe der Epidemie. Ein wohlgewach⸗ ſenes, gut menſtruirtes Mädchen entleerte Blut durch Brechen und Stuhlgang. Die Menge desſelben betrug bis zu dem am eilften Tage erfolgten Tode wohl an 10 Pfunde. Die Beſchauung ergab eine 33% Pfund ſchwere, auf das ſiebenfache vergrößerte, ſehr morſche Milz. Die Schleimhaut des Ver⸗ dauungscanales vom Magengrunde bis zum After dunkel— ſchwarzroth, mit einer 2 Linien dicken, breiigen, graurothen, ſtellenweiſe braunrothen und blutigen Durchſchwitzungsſchicht bedeckt, wie bei Ruhrleichen; außerdem aber faſt ununter— brochene, 2—3 Zoll lange, linienhohe, den ganzen Umfang einnehmende hämorrhagiſche Strecken, die entweder mit der ganzen Dicke der ſchwarzrothen Schleimhaut, oder bloß mit Epithel bedeckt waren, an unzähligen Stellen aber hämor— rhagiſche Eroſionen darboten, während die Muskelhaut ganz 160. VIII. 6. 94 frei geblieben war. Große Blutarmuth in den übrigen Or— ganen, Waſſer in den Hirnhöhlen, Bluterguß in den rechten Eierſtock und in viele Gekrösdrüſen. 5) Behandlungsweiſe. Die mit den verſchiedenartigſten Arzneikörpern angeftell- ten Heilverſuche ließen folgende Schlüſſe als begründet er— ſcheinen: 1) Es läßt ſich in Bezug der Blutmiſchung keine An— zeige ſtellen. 2) Es bleibt daher bloß ein gegen die einzelnen Zu— fälle gerichtetes Seilserfahren vor der Hand einzuſchlagen. In dieſer Rückſicht kann man verſuchen: a) die Schmerzen zu lindern, b) den vermehrten Darmbewegungen als offen— bar ſchädlich, Einhalt zu thun, e) das Wundwerden der Schleimhaut zu verhüten, um ſowohl den Blutungen als dem erſchöpfenden und mit bleibenden Nachtheilen verbun— denen Heilungsproceſſe der Geſchwüre einiger Maßen zu be— gegnen. Die arzneilichen Eingriffe aber, mittels welcher dieſe Ergebniſſe erzielt wurden, waren nachſtehende: Zahl d | Zeit der Angewendete Mittel. Se Krankheit. Form und Gabe. Erfolg. Tage. 8 3 10 Infus. gr. vj Ohne ſichtbare Wirkung. Ipecacuanha. \ 11 14 p. D. 1 Gr. täglich | s | 3 648 d Dowen 1 Gr. tägl. | Bei leichten Fällen ſtyptiſch. F — —4 Gr. tägli Ohne Wirkung. Alaun mit Bolus und Ipecacuanha | 3 7 Sara Styptiſch. 4 3—14 2—3 Gr. täglich Ungewiß, Mohnrauſch. 48 3—28 aa. gr. j—jv mit Sacch. Opium Saturni Styptiſch, paregoriſch. ö 5 10—28 als Laud. lig. in Klyſtier | Ungewiß. 3 7 mit Mixt. oleos. Ohne Erfolg. Theriaca veneta . | 5 — 7 — Kaffeelöffelweiſe Brechreiz. W 8 Extr. / Gr. täglich Ungewiß. Man ee I iR 5 in Kloſtier 1 Serupel mit ! | % Dr. Tinct. Opii 1 Mal ſtyptiſch. Extr. Ratanhiae . 4 10—28 mit Inf. Cinnam. Ohne ſichtbare Wirkung. Vinum hungaricum . 7 20—42 Dig. mit 1 Dr. Cinnam. Mehrmals ſtyptiſch. Oleum ricini Ser 3 14—28 Emuls. c. Tr. Cinn. Ungewiß. Elix. Vitr. Mynsichti e 5 1 Ser. in mixt. gumm. | Ohne Wirkung. Lig. min. Hofmanni | 3 = 4 75 Zweifelhaft. N Calomel ! 8 5—10 mit Extr. hyosc. aa. gr. jp] Ohne ſichtbare Wirkung oder ver: 8 mehrte Stuhlgange. Spiritus camphoratus 4 9— 8 ½ Dr. in M. gumm. Schmerz und Stuhlgang hörten auf, leichte obwohl Tags vorher 15 — 20 Fälle Stuhlgänge waren. aa 4m \ 2 10—15 getrunken Stuhlgänge vermehrt. eg | 5 gr in Klyſtier Schneidende Schmerzen. Rif > — 8 |6-8 Unzen Zweifelhaft. Emuls. amygd. cum Nitro | 6 8—16 Y—l Dr. Nitr. „ 2 Hirudines aan. UN? | 5 5—10 10—20 Schmerzen weniger. . ad abdomen . 2 810 — Unruhe und Schmerzen vermehrt. esicantia . 2 = Cataplasmata . 8 816 — Ohne gewiſſen Erfolg. Eisumfchläge . 2 „ — Unruhe und Schmerzen vermehrt. Tra. Colchiei x 1 21-34 1—2 gtt. täglich Ohne Wirkung. „ Aconiti 2 6—10 2 gtt. abwechſelnd mit gtt. 1 2 . j. Trae. Belladonnae tägl. 47 55 „ Rhois Toxicodendi . . . . . 1 5—10 oo Gr. täglich „ „ Zu bemerken iſt, daß ein und derſelbe Kranke oft mehrerlei Mittel nach einander erhielt. 99 161. VIIl. 7. desſelben Individuums nach der Altersfolge von 5 auf 8, von 8 auf 13 übergehend; eine beſtimmte Anzahl der Sei— ten theilte ſich zu gleicher Zeit auf gleicher Höhe, mithin in derſelben Entwicklungsepoche der Pflanze. Eine große Zahl junger Pflanzen, die ſeit 12 bis 15 Jahren in den Gewächshäuſern des Muſeums zu Paris gezogen wurden, desgleichen aus Mexico eingeführte alte Echinocactus- Stämme zeigten von den gegenſtändigen Keimblättern und den erſten ihnen folgenden Blättern an bis zu den Längsreihen von 2 alle auf einander folgenden Veränderungen in der Zahl der zur Spirale gehörenden Glieder. Mehrere alte Stämme von Echinocactus plicatus hatten eine Spirale mit 34 Gliedern. Die Zahlen der gedachten Längsreihen: 5, 8, 13, 21, 34 entſprachen den ſpiraligen Blattſtellungen mit 2/3, 3/s, 5/13, 8/1, 1½ Divergenz. Schon aus dieſer Beobachtung zeigt ſich, daß die geradreihige Inſertion nicht, wie Bra⸗ vais annahm, von der krummreihigen oder eigentlich ſpi— raligen verſchieden wäre, daß die krummlinige Blattſtellung keinesweges nur einem einzigen und zwar irrationalen Di— vergenzwinkel von 1370 30728“ angehöre, von dem die verſchiedenen Fälle nur leichte Abweichungen darſtellten, daß fie vielmehr, wie Schimper und Braun annehmen, durch verſchiedene geradreihige Anordnungen mit verſchiedenem Di— vergenzwinkel hervorgerufen würde und ſo die Spiralen von 2½, Ya, 13 u. |. w. entſtänden, daß endlich die verſchie— denen ſpiraligen Blattſtellungen, welche die Längsreihen von 5, 8, 13, 21, 34 hervorrufen und ſich dadurch auszeichnen, daß jede Zahl der Summe der beiden vorhergehenden gleich kommt, durch eine Spaltung oder Verdoppelung einer ge— wiſſen Zahl der vorhergehenden entſteht und zwar ſo, daß die Zahl der ſich verdoppelnden Theile der Zahl der vor— hergehenden Reihe entſpricht, daß z. B. eine Reihe mit 8 Gliedern eine neue Reihe mit 13 Gliedern bildet, indem die Zahl der ſich verdoppelnden Glieder der Zahl der vor— hergehenden Reihe (5) entſpricht. Der Verf. glaubt dies bei den Cacteen aufgefundene Geſetz auch bei allen andern Pflanzen, an denen man, wenngleich minder deutlich, beſtimmte Längsreihen von 5, 8, 13 u. ſ. w. wahrnehmen kann, annehmen zu dürfen; er bemerkt, wie die genannten Zahlen, welche bei den Echino- cactus-Arten fo genau eintreffen, bei andern Pflanzen nicht immer ſtimmen, glaubt aber dieſe kleinen Abweichungen auf ein Abortiren der fehlenden Seiten oder auf ein Unterbleiben der Theilung derjenigen Seiten, welche ſich verdoppeln mußten, ſchieben zu können; in einem ſolchen Falle findet ſich ein Glied zu wenig, ſtatt 13 Glieder ſind nur 12, ſtatt 21 nur 20, ja ſogar manch Mal nur 19 vorhanden; ſind dagegen mehr Glieder vorhanden als der Regel nach ſein ſollten, z. B. ſtatt 13 14, ſtatt 21 22 oder 23, ſo nimmt der Verf. eine Theilung der vorhergehenden Seiten an, welche ſich der Regel nach nicht theilen ſollten. Noch andere mehr abweichende Zahlen, die man nur ſelten an— trifft, entſtehen vielleicht durch Abweichungen von der ge— wöhnlichen Regel der Theilung, indem ſie ſich der urſprüng— lichen kreuzgegenſtändigen Blattſtellung nähern; auch kommen noch Zahlen vor, die wie die mehr erwähnten, beſtimmte 100 arithmetiſche Reihen bilden und wie der Verf. glaubt, aus einem andern urſprünglichen Wirtel als dem gewöhnlichen zweigliedrigen hervorgegangen ſind. Die gedachten Beobachtungen an den Cacteen wurden ſchon in den Jahren 1838 und 1839 vom Verf. unter⸗ nommen und mit Beobachtungen an vielen andern Pflanzen im Jahre 1840 publicirt; einige Jahre ſpäter (1843) machte Naumann ſeine Arbeiten über die geometriſchen Verhältniſſe der Blattſtellung bekannt, auch er war bei den Familien der Cacteen zu ähnlichen Reſultaten ge— kommen, auch er hatte den Übergang einer alternirenden Reihe in eine andere mehrgliedrige, ſowie die Theilung oder Verdoppelung der vorhergehenden Glieder wahrgenommen. Der Verf. hielt es ſeitdem, um der Sache auf den Grund zu kommen, fär nothwendig, bis zu dem Urſprunge der einfachſten Spiralreihen und auf den Übergang der ge— genſtändigen Blattſtellung (der urſprünglichen Blattſtellung aller Dicotyledonen) in die alternirende Blattſtellung nach verſchiedenen Spiralen, wie ſie bei Dicotyledonen häufig vorkommt, zurückzugehen und eben ſo dem Übergange der zweizeiligen abwechſelnden Blattſtellung, die urſprünglich den Monocotyledonen eigen iſt, in verſchiedenen ſpiraligen An— ordnungen, die ſpäter bei denſelben Pflanzen häufig auftre⸗ ten, nachzuforſchen. Beide Fragen beſchäftigen den Verf. Jahre lang aufs lebhafteſte, für die Monocotyledonen ward die Löſung derſelben durch die Organiſation des Stammes und der Blätter dieſer Pflanzen ſehr erſchwert und deshalb kein dem Verf. genügendes Reſultat gewonnen; die Mitthei— lungen des Herrn Leſtiboudois über denſelben Gegen— ſtand bewogen ihn indeß zu einer baldigen Veröffentlichung, auch glaubte er für die Dicotyledonen die Frage entſcheiden zu können. Der Verf. geht da, wo es von letzt genanntem Forſcher bereits geſchehen und er mit ihm übereinſtimmt, auf anatomiſche Details nicht näher ein, verweilt ſich da— gegen da, wo er nicht mit ihm harmonirt, um ſo länger. Bei vielen dicotyledoniſchen Pflanzen verbleibt die gegen- ſtändige Blattſtellung, welche den Keim- und Primordial⸗ blättern dieſer Pflanzen eigen iſt, während der ganzen Le— bensdauer bis zur Entwicklung der Blüthen, deren Blatt— organe alsdann ein anderes Stellungsverhältniß annehmen; andere Pflanzen behalten die gegenſtändige Blattſtellung nur eine Zeit lang bis zum zweiten oder dritten Blattpaare und nehmen von da ab eine alternirende Blattſtellung an. Manch Mal erfolgt dieſer Übergang ſo allmälig, daß ſich die Weiſe, in der er Statt findet, ermitteln läßt; häufig werden die Blätter dagegen ſo unmittelbar über den gegenſtändigen Keimblättern wechſelſtändig, daß der Zuſammenhang beider Blattſtellungen nur ſchwierig zu verfolgen iſt. Die Pflanzen, bei welchen ein Übergang der einen Blattſtellung in die andere vorkommt, zeigen manch Mal nur wenig zahlreiche, ſcharf geſchiedene und durch größere Zellgewebsraume getrennte Faſer- und Gefäßbündel; dieſe Gefäßbündel anaſtomoſiren nur in großen Zwiſchenräumen, ſie laſſen ſich von einem Blatte zum andern verfolgen und weiſen fo den Zuſammenhang der Blätter unter einander entſchie⸗ den nach. Günftige Fälle dieſer Art ſind übrigens ſelten; die 101 Balſaminen⸗, Kürbis- und Tropaeolum - Arten, desgleichen einige ſehr krautartige Leguminoſen waren die einzigen Pflan— zen, an denen der Verf. den Gefäßbündelzuſammenhang der Blätter auf anatomiſchem Wege deutlich verfolgen konnte. Die Mehrzahl derſelben war wiederum, theils durch den plötzlichen Übergang der einen Blattſtellung in die andere, theils durch eine von der gewöhnlichen Spirale der Dicoty- ledonen abweichende Blattſtellung des Verf. Unterſuchungen keineswegs günſtig. Bei noch andern Pflanzen war der Holzring zu undurchſichtig (dense), waren die Gefäßbündel zu zahlreich, ſie lagen zu dicht neben einander oder ana— ſtomoſirten zu häufig, ſo daß die Verbindungen der Blatt— gefäß bündel unter einander unmöglich zu ermitteln waren, in dieſem Falle erkannte man häufig an den äußeren Ecken des Stammes, die entweder dem Inſertionsmittelpunkt eines je— den Blattes oder deſſen Seiten entſprachen, die Beziehungen der Blätter zu einander. Endlich giebt es noch glatte Stämme, bei denen nur die Entwicklungsgeſchichte über die Blattſtellungsverhältniſſe Aufſchluß geben konnte. Durch verſchiedene Methoden der Beobachtung zum Ziele gelangt, erkennt man, wie der Verf. bemerkt, bei allen die— ſen Pflanzen eine und dieſelbe Weiſe des Übergangs der re— gelmäßig gegenſtändigen Blattſtellung in eine wechſelſtändige. Als Beiſpiel wählt der Verf. junge Pflanzen, deren Stengel vorſpringende der Länge nach verlaufende Kanten, aus denen die Blätter wie beim Echinocactus hervorgehen, beſitzt, oder, wo die Seiten des Blattes weit am Stengel hinablaufen und jo den Zuſammenhang mit dem tiefer ge— legenen Blatte, wie bei mehreren Chenopodeen und Amaran— taceen deutlich kund thun. Dieſe Pflanzen beſitzen oftmals 2 oder 3 gegenſtändige Blattpaare, welche den Keimblättern regelmäßig folgen; häufig ändert ſich dagegen die Stellung der Blätter ſehr bald, indem ſie, ohne ihre Richtung gegen einander zu ändern, nicht mehr mit einander auf gleicher Höhe entſpringen. Dieſer Anfang eines Übergangs der ge— genſtändigen Blattſtellung zur abwechſelnden zeigt ſich, wie bereits Dutrochet bemerkte, ſchon an den Zweigen vieler Bäume, deren Blätter noch gegenſtändig ſind, kann aber, wie der Verf. glaubt, nicht die alleinige Urſache einer re— gelmäßigen abwechſelnden Blattſtellung ſein, indem die auf einander folgenden Divergenzen ungleich, / und ½ find und über dem erſten Blatte das fünfte, nicht aber das ſechste ſteht und ſelbſt in dem Falle, den Dutrochet „secus-al- terne“ nennt, keine wirklich regelmäßige Spirale vorhanden iſt. Die Blätter eines ſolchen nicht mehr auf gleicher Höhe entſpringenden Blattpaares verlieren manch Mal ihre gegen— ftindige Stellung, der Kreisabſchnitt, welcher ſie nach einer Seite von einander trennt, beſitzt etwa 2/, oder 3/5; To ent⸗ ſteht allmälig aus der regelmäßig gegenſtändigen Blattſtel— lung die fünfzeilige Blattſtellung, deren Übergang bei eini— gen Impatiens-Arten (I. fulva, mierantha u. f. w.) deutlich zu beobachten iſt. Die regelmäßig fünfzeilige Blattſtellung der meiſten Pflanzen entwickelt ſich indes keinesweges auf die eben beſchriebene Weiſe. Beachtet man das Keimen von Echinocactus platyceras, ingens, cornigerus u. ſ. w., ſo ſieht man wie die beiden Sa— 161. VIII. 7. 102 menlappen und die nächſtfolgenden zwei Blattpaare regelmäßig kreuzſtändig ſind. Das erſte Blattpaar kreuzt ſich mit den Keim⸗ blättern im rechten Winkel, die Inſertionspunkte ſeiner Blät— ter liegen übrigens nicht mehr auf gleicher Höhe; das dritte Blattpaar über den Samenlappen, das ſich mit letzteren kreuzen und genau über dem erſten ſchon etwas von ſeinem Platze gerückten Blattpaare ſtehen müßte, wird abweichend entwickelt und beſitzt 3 Blätter, die auf ungleicher Höhe entſpringen; eins dieſer Blätter ſteht genau über dem nie— drigſten Blatte des erſten Blattwirtels, während die beiden andern der gabelig-getheilten Seite des höchſten Blattes aus dem erſten Wirtel entſprechen. Die beiden durch eine Thei— lung oder Verdoppelung dieſer Reihen entſtandenen Blätter entſpringen auf ungleicher Höhe: das eine ſteht unter dem andern über dem Punkte, aus welchem der Regel nach ein gegenſtändiges Blatt hervorgehen mußte. Statt der zwei Blätter dieſes Wirtels ſind alſo drei, die auf ungleicher Höhe entſpringen, entſtanden, zwei derſelben ſind durch eine Spal— jung hervorgerufen; der folgende, über den Keimblättern lie— gende Blattkreis beſteht wieder aus zwei Blättern, die indes auf verſchiedener Höhe entſpringen. Durch die Bildung von zwei Blättern aus einem unter ihm gelegenen Blatte iſt ſomit die Seite des Stammes, wo dieſe Spaltung vor ſich ging, erweitert worden; die beiden ſich mit ihnen kreuzenden Blät— ter liegen deshalb nicht mehr auf gleicher Längsfläche. Die vier Reihen, aus welchen jetzt fünfe wurden, ſind ſtatt eines Winkels von ½ durch einen Winkel von ½ des Umkreiſes getrennt; die Blätter, welche in der Höhe über einander ſte— hen, find immer durch eine Zwiſchenreihe (cote) getrennt; ihr Divergenzwinkel beträgt demnach 2/5. Dieſer Fall be— zeichnet die durchaus regelmäßige fünfzeilige Blattſtellung, wo kein Blatt mehr dem andern gegenſtändig iſt, und wo ein Kreis von fünf Blättern zwei Mal eine Schneckenwindung um den Stamm beſchreibt, folglich einer Spirale von 2% entſpricht und zwei ſich kreuzende Blattpaare vorſtellt, die nicht mehr mit einander auf gleicher Höhe entſpringen und von denen ein Blatt ſich verdoppelt hat. Wie bei den Cacteen läßt ſich der Urſprung der be— ſchriebenen ⅛ Spirale auch bei Pflanzen mit eckigem Sten— gel deutlich nachweiſen; bei vielen Amarantus-Arten, insbe— ſondere bei ganz jungen Exemplaren von A. speciosus, wo außer den Samenlappen erſt etwa zwölf Blätter vorhanden ſind, zeigt ſich genau derſelbe Vorgang, dasſelbe Von— einanderweichen der Blätter in der Höhe und dieſelbe Ver— doppelung wie bei Echinocactus; das erſte Blattpaar kreuzt ſich auch hier mit den Samenlappen, entſpringt indes ſchon auf ungleicher Höhe; ein zweites Blattpaar, das in der Höhe feiner Inſertionspunkte noch mehr abweicht, fteht über den Keimblättern; ihm folgt ein drittes Blattpaar, deſ— ſen höher gelegenes Blatt ſich in zwei Blätter getheilt hat, welche auf ungleichen Höhen, das eine unter, das andere über dem Blatte, dem fie diametral entgegengeſetzt find, entſpringen. Der Stamm hat ſich an der Seite, wo die Blattverdoppelung Statt fand, ausgedehnt; die herablaufenden Blattränder der beiden Blätter zeigen deutlich, daß ſie den Platz eines einzigen Blattes ausfüllen. Der Verf. fand, daß 7 * 103 bei den verſchiedenen Amarantus-Arten immer dasſelbe Blatt— paar (das dritte über dem Samenlappen) dieſe Theilung eingeht. Bei verſchiedenen Chenopodium-Arten erfolgt der Über: gang der gegenſtändigen Blattſtellung in die abwechſelnde auf dieſelbe Weiſe: bald iſt es das dritte, bald das fünfte Blattpaar über dem Samenlappen, immer jedoch ein ſolches, das ſich mit dem letzteren kreuzt. Die Verdoppelung trifft immer die Reihe, zu der das höchſt gelegene Blatt des von einander gerückten Blattpaares gehört und das unter dem Blatte liegt, in dem Verdoppelung vor ſich geht. Bei den Chenopodeen dauert bisweilen paarweiſe die Anordnung von Blättern, die nicht mehr auf gleicher Höhe entſpringen, ohne Verdoppelung lange, ja bis zum Blüthenſtande, fort. Bei Tetragonia expansa erfolgt die Verdoppelung ſchon beim dritten Blattpaare; bei anderen Pflanzen, z. B. bei Borago offieinalis und mehreren Crueiferen, trifft fie ein Blattpaar, das mit dem Samenlappen correſpondirt; hier folgen die Blätter ſehr nahe auf einander, und iſt ihr gegenſeitiges, Verhalten ſehr deutlich. Die fo häufige 2/ Spirale, die, wie ſchon bemerkt, ſpäter ſelbſt wieder in 8, 5/13 u. ſ. w. Spiralen übergeht, entſteht ſomit in den meiſten Fällen aus der gegenſtändigen Blattſtellung durch ein Voneinanderrücken ihrer Glieder in der Höhe und einer Verdoppelung derſelben. Viele Pflanzen zeigen dagegen bei ihrem Keimen noch eine andere Erſcheinung, ein Abortiren oder Fehlſchlagen von zwei Blattreihen der gegenſtändigen Blattſtellung und ein Von— einanderrücken der Glieder der beiden noch übrigen Blatt— reihen in der Höhe; fo entſteht die zweizeilige Blattſtellung der Dicotyledonen. Beachtet man endlich das Keimen der Leguminoſen mit zweizeiliger Blattſtellung, der Linde u. ſ. w., ſo ſieht man, wie meiſtens unmittelbar nach dem Keimblattpaare die ab— wechſelnden zweizeiligen Blätter perpendicular über den Keim— blättern beginnen; die Blattreihen, welche gewöhnlich, ent— weder in regelmäßigen oder von einander gerückten Paaren über den Keimblättern liegen, oder durch ihre Verdoppelung die 2¾ Spirale hervorbringen mußten, fehlen hier voll— ſtändig; die zweizeiligen Blätter entſprechen den ſich mit den Samenlappen kreuzenden Blättern, entwickeln ſich indes auf verſchiedenen Höhen. Ein ſolches Fehlſchlagen gewiſſer Längsreihen zeigt ſich auch bei einigen Cereus-Arten, die aus einer Blattſtellung von 2¾ in ein Verhältniß übergehen, wo ſich nur zwei Seiten gegenüberſtehen, ihr Stamm glatt und ihre Blattſtellung zweizeilig wird, beſonders deutlich; der Cereus phylanthoides mit an der Baſts cylindriſchem Stamme, der ſich bald abplattet, liefert ein treffliches Beiſpiel. Das Fehlſchlagen der übrigen Blattreihen bis auf zwei, die ſich gegenüberſtehen, aber in der Höhe abwechſeln, kann ſchon das erſte auf die Keimblätter folgende Blattpaar treffen; die Stellung der zweizeiligen Blätter entſpricht als— dann der Keimblätterreihe, er findet ſich bei den Bohnen (haricots). Die dreizeilige Blattſtellung mehrerer Legumino— ſen, der Trigonella, Glycyrrhiza, Genista ſcheint dem Verf., obſchon ihm directe Beweiſe für dieſe Vermuthung fehlen, durch die Verdoppelung einer Reihe urſprünglich zweizeiliger 161. VIII. 7. 104 Blätter entſtanden zu ſein; er glaubt, daß auch die ur— ſprünglich abwechſelnden zweizeiligen Blätter der Monocoty— ledonen ſpäter durch die Verdoppelung einer Blattreihe drei— zeilig werden. Beim Keimen mehrerer Alosarten bemerkt man anfangs zweizeilige und erſt ſpäter dreizeilige Blätter, eine der drei nunmehr vorhandenen Blattreihen muß demnach die eine der zweizeiligen Blattreihen fortſetzen, während der Raum zwiſchen den beiden vorderen der anderen jetzt nicht mehr vorhandenen Reihe entſpricht. Endlich ſieht man bei vielen monocotyledoniſchen Pflanzen aus der urſprünglich zwei— zeiligen Blattſtellung die zuſammengeſetzteſten Spirale der 2 „/, 8/13 Ordnung u. ſ. w. hervorgehen; doch iſt es bei dieſen ſtengelumfaſſenden, mit zahlreichen Gefäßbündeln ver: ſehenen Pflanzen unmöglich, die Art der Fortbildung zu verfolgen. Die Vermehrung der Blattreihen durch Verdoppelung einer ihrer Reihen, wodurch aus der gegenſtändigen vier— zeiligen Blattſtellung eine ſpiralige fünfzeilige Blattſtellung entſteht, bleibt, nach des Verfaſſers Beobachtungen, nicht auf dieſer erſten Stufe ſtehen, ſie geht vielmehr durch eine Ver— doppelung von drei ihrer Reihen in eine ‘8 Spirale und wiederum durch eine Verdoppelung von 5 ihrer Reihen in eine 5/13 Spirale u. ſ. w. über. Dieſe ſowohl durch ihre Re— gelmäßigkeit und ihr conftantes Auftreten merkwürdige Art der Fortbildung, bei der die aus der Theilung einer Blatt— reihe hervorgegangenen beiden Blattreihen jederzeit auf ver— ſchiedenen der Spirale angemeſſenen Höhen entſpringen, läßt ſich, wie der Verf. zum Schluſſe nochmals bemerkt, am beſten und deutlichſten bei unſeren in Gärten eultisirten Echinocactus-Arten beobachten. Der Verf. verſpricht ſeine Beobachtungen fortzuſetzen und auf die Stellungsverhältniffe der Blätterpaare in den Blüthen auszudehnen. XIX. über den Farbenwechſel des Chamäleons. Von P. Gervas. Für den Farbenwechſel des Chamäleons hat man bis auf Milne-Edwards die verſchiedenartigſten Erklärungen hervorgeſucht, ihn theils von dem Grade der Reſpiration, von dem Aufblähen des Körpers durch die Lungen- und Luft⸗ ſäcke, welche dem Bluteapillarſyſtem der Haut bei Vögeln ähn— lich ſind, theils von der Galle abhängig gemacht und deren beliebigen Aus- und Eintritt angenommen; andere ſuchten den Farbenwechſel durch einen Refler äußerer Gegenſtände zu erklären. Milne-Edwards zeigte zuerſt, wie der Farben— wechſel in einem Spiele verſchiedener Pigmente, welches durch einen eigenthümlichen Mechanismus in Thätigkeit geſetzt wird, feine Urfache findet. Der Verfaſſer beſchäftigte ſich gleich⸗ falls mit dieſem Gegenſtande; No. 763 des Institut a das Reſultat feiner Forſchungen mit. Nach ihm muß man ſowohl beim Chamäleon als bel vielen anderen Thieren ein Farbenſyſtem und eine Farbe von größerer oder geringerer Sättigung unterſcheiden; nur 105 die letztere iſt veränderlich, während das Farbenſyſtem ſelbſt unveränderlich dasſelbe bleibt. Zu den unveränderlichen Flecken des Chamäleons gehören nach ihm die Querſtreifen am Kopfe und über den Augen, die Zickzackflecken am Rückgrate, die Flecken am Schwanze und an den Flanken, ferner die Streifen der Füße und Zehen, welche meiſtens eine hellgelbe, goldgelbe oder rothgelbe Farbe beſitzen und durch ein unter der Haut befindliches Pigment hervorgebracht werden und ſowohl beim lebenden als beim kürzlich geſtorbenen Chamäleon immer vorhanden ſind, aber im Leben, nach der Färbung des Grundes, mehr oder weniger hervortreten. Die gewöhn— liche Grundfarbe der Haut iſt eine weißliche, grünliche, hell— oder dunkelbraune; eine jede dieſer Farben kann local oder mehr oder weniger allgemein verbreitet ſein. Die weißliche Färbung iſt ein Folge der Abweſenheit oder Verſtecktheit des Braunes; ſie iſt an der Rückenlinie, wo die letztere Farbe fehlt, conſtant; die Hautfarbe ſelbſt iſt eine weißliche. Wenn man ein Chamäleon, deſſen Farbe vom Weiß— lichen ins Grüne oder Braune übergeht, mit der Loupe betrachtet, ſo ſieht man an der Oberfläche des derma, unter der epidermis, eine Menge kleiner ſchwärzlicher Punkte auf— treten. Dieſe Pünktchen zeigen ſich an den Schuppen oder ſchuppenförmigen Wärzchen in größter Zahl. Sind ſie nur in kleiner Anzahl vorhanden, ſo geht die vorhin weißliche Grundfarbe in eine gelbgrüne oder grüne über; find fie dagegen in Menge vorhanden, und werden durch ihre Zahl, wie ſich von ſelbſt verſteht, die weißen Zwiſchenräume ver— mindert, ſo wird die allgemeine Farbe eine braungrüne, violette, oder ſchwärzliche. Dieſes Phänomen der Färbung iſt entweder ein allgemeines oder partielles, durch dasſelbe entſtehen ſowohl Streifen als Flecken und andere Zeich— nungen, desgleichen einſeitige Färbung u. ſ. w. Selbſt der an einigen Stellen dicht unter der Oberhaut verbreitete gelbe Farbeſtoff verhindert das Erſcheinen hirſeartiger ſchwarzer Flecken nicht; eine Vermiſchung des Gelbs mit dem Schwarz in verſchiedenen Verhältniſſen bedingt vielmehr eine neue Urſache der Farbenveränderungen und veranlaßt die Schat— tirungen der feinen Flecken. Der ſchwarze oder braune Farbeſtoff des derma des Chamäleons bildet nicht, wie die Schleimkörper des Negers, eine mit der epidermis zuſam— menhängende Schicht, liegt vielmehr in Form kleiner vereinzelter Körner in den Maſchen des derma. Letzteres iſt mit Faſern verſehen die ſich im rechten Winkel kreuzen und beſitzt dadurch eine der inneren Haut des Hodenſacks gleichkommende Contractilität. Dieſe Contractilität iſt ge— rade das Hauptagens, welches die Pigmentkörner an die Oberfläche treibt, oder ins Innere der Haut zurückführt, und nach der Menge, in welcher ſie an die Oberfläche treten, eine hellere oder geſättigtere Farbe hervorruft. Der Farbenwechſel des Chamäleons iſt von einigen Schriftſtellern für eine Folge der Umgebung, von anderen dagegen überhaupt für eine Fabel gehalten worden. Des Verf. Verſuche bewieſen ihm, daß allerdings die Farbe der Umgebungen auf die Farbe des Chamäleons von ent— ſchiedenem Einfluſſe iſt und von ſelbigem angenommen wird. Dieſer Farbenwechſel hat indes ſeine Grenzen, nicht alle 161. VIII. 7. 106 Farben find in ihm repräfentirt, nur Weiß, Braun und Grün ſind ihm eigen; ſie wechſeln auch keineswegs plötzlich, obſchon ſie meiſtens ziemlich bald den Farbenton des Gegen— ſtandes auf dem das Thier verweilt, annehmen. Ein Chamäleon, welches der Verf. wochenlang auf einem Orangenbaume ſeines Gartens beobachtete, blieb faſt be— ſtändig grün wie die Blätter, auf denen es verweilte; auf der Erde oder am Boden des Zimmers ſitzend, nahm es dagegen eine bräunliche oder mehr oder weniger gefleckte Farbe an. Der Ton der Farbe entſprach dabei ſo ziemlich dem Farbentone der Umgebung, ſo daß man das Thier nur ſchwierig von dem Gegenſtande auf dem es ſaß, unterſcheiden und auf den Blättern finden konnte. Das Chamäleon iſt ein ſich langſam bewegendes Thier, das ſeinem Feinde nicht entlaufen und eben ſo wenig durch Schnelligkeit feine Beute erhaſchen kann. Der Farbenwechſel und die durch ihn hervorgerufene Schwierigkeit, das Thier von ſeiner Umgebung zu unterſchieden, verbirgt es dagegen ſowohl ſeinen Verfolgern als den Thieren, welche von ihm zu fürchten haben und iſt deshalb für das Thier ſelbſt von größter Wichtigkeit. Mifcellen 14. Ein Delphin mit 2 Köpfen ward in der Nähe der Antillen von einem Seemanne gefangen. A. Valeneiennes er hielt den Doppelkopf mit der Haut vom Vordertheile des Körpers. Die Größe der Köpfe ließ auf einen ziemlich ausgewachſenen Zu— ſtand des Thieres ſchließen, dasſelbe mußte demnach längere Zeit gelebt haben. Der rechte Kopf war etwas größer wie der linke, ihm fehlte indes das Spritzloch, von dem bis auf einige Hautfal⸗ ten keine Spur vorhanden war; der linke kleinere Kopf hat ein großes Spritzloch an der gewöhnlichen Stelle in der Mittellinie. Leider war nicht zu erkennen, wie weit der Apparat der rechten hintern Nafenlöcher (narines) verändert oder obliterirt war. Die normale Stellung des linken Spritzloches deutete auf eine verän- derte Stellung der Augen beider Köpfe; die Augenhöhlen waren nach der Seite, wo beide Köpfe mit einander verwachſen waren, gerichtet. Das Thier beſaß nur ein Paar Vordergliedmaßen. Eine derartige Monſtroſität iſt, wie Valenciennes glaubt, bei den Cetaceen noch nicht beobachtet worden. (L'Institut, No. 766 1848.) 15. Der Kopf der Gliederthiere wird nach New⸗ port aus einer beſtimmten Anzahl urſprünglich getrennter im Ems bryo vorhandener Segmente gebildet. Die ſecundären Verände⸗ rungen, die Metamorphoſen dieſer Thiede werden nach ihm nicht durch die Hautbedeckung ſelbſt, ſondern durch die Muskeln hervorgeru⸗ fen. Was zunächſt ihre Thätigkeit bedingt, kann er zwar nicht an⸗ geben, glaubt indes, daß es die Ausdehnung und Zuſammenziehung des wachſenden Muskelgewebes ſelbſt ſei. Die Kraft der Muskeln iſt es ebenfalls, durch welche ein aus dem Puppenzuſtande hervor⸗ gehendes Inſeet feine künftigen Fluͤgel und Beine ausbreitet und in kurzer Zeit verlängert. (The Annals and Magazine of natural history, No. 8 1848.) 16. Die Keimkraft verſchiedener Samen, die man in alten Gräbern Frankreichs fand, wo fie viele Jahrhunderte ge— legen hatten, war keinesweges erlofchen ; fie keimten vielmehr ſchon an der Luft. Die meiſten dieſer Samen entwickelten ſich zu Pflan— zen von Heliotropium europaeum, Medicago lupulina und Mer- curialis annua. (The Annals and Magazine of natural history, No. 8 1848.) 107 . 161. VIII. 7. 108 Heilkunde. (VII.) Ein Beitrag zur Lehre von der Ruhr. Nach Beobachtungen während der Ruhrepidemie des Jahres 1846 im St. Johannsſpitale zu Salzburg von dem Secundararzte Dr. F. Zillner. (Schluß.) B. Betrachtungen und Folgerungen. 1) Die Ruhr iſt ein eiweißreicher Ausſchwitzungspro— ceß auf der Darmſchleimhaut. 2) Sie erſcheint zu Zeiten, in welchen eiweißhaltige Ausſchwitzungen häufig vorkommen; daher ſind Scharlach, Blattern, Ekzeme, Cholera, Keuchhuſten, gaſtroenteriſche Fie— ber, ihre Vorläufer, Begleiter oder Nachfolger. 3) Da fie ein raſcher und maſſenhafter Erſudatiopro— ceß iſt, fo ſcheint ſelber durch den größern Follikelreichthum des Dickdarmes (das Weſpennetz), durch die vermehrte Tiefe der Lieberkühniſchen Bälge und durch die zunehmende Dichte des intermediären Maſchennetzes daſelbſt vorzugsweiſe zu Wege gebracht zu werden. 4) Es widerſpricht jedoch nicht, wenn wegen großer Menge des durchſchwitzenden Stoffes und bei tumultuariſcher Entladung desſelben bisweilen auch eine Strecke des Dünn— darmes in Anſpruch genommen wird. 5) In dieſem Falle geſtaltet ſich der Ausſchwitzungs— heerd ſo, wie es nach dem anatomiſchen Baue des Dünn— darmes möglich iſt, und man kann daher im ileum nicht völlig dieſelben pathologiſchen Veränderungen erwarten, wie im Dickdarme oder rectum. 6) Hiernach erhielte auch die Angabe jener Beobachter eine einfache Erklärung, welche von Complication des Ty— phus mit Ruhr aus dem Grunde ſprechen, weil ſich Ge— ſchwüre im Krummdarme finden. 7) Die ausgeſchwitzten Stoffe lagern ſich ſowohl in der Dicke der Schleimhaut, als unter deren Deckhaut, als auch aus den Follikeln unmittelbar auf ihr ab, ähnlich wie bei Ekzema, Eryſipel, seborrhoea. 8) Die Schleimhaut wird wund durch Berſtung des Epithels, oder durch Verflüſſigung des Erſudates in ihrer Dicke und folgeweiſe Maceration mit Abſtoßung alles In— filtrirten. 9) Es heilen daher auch nicht alle dysenteriſchen Ge— ſchwüre mittels fibröſer klappiger Narben. 10) Außer der Umwandlung des noch anhängenden Erſudates, kann man daher auch noch den Heilungsproceß der Wunden mittels Eiterung unterſcheiden. 11) Die Blutmiſchung kann während der Ruhr fol— gende Veränderungen erleiden: a. Sie kann in die faſerſtoffige Kraſis umſetzen; nach— weisbar durch die Faſerſtoffgerinnſel im Herzen und den gro— ßen Gefäßen der Ruhrleichen; b. Umwandlung in die ſeröſe Miſchung, nachweisbar durch Odem der Haut, der Lungen und durch ſeröſe Aus⸗ ſchwitzung auf dem peritonaeum; c. in Eiterblut, durch Zerfallen des Exſudates und Aufſaugung. 12) Durch das gleichzeitige Vorkommen der Anſchwel— lungen der parotis, der Schilddrüſe, Milz, der Melänen, Blutaderausdehnungen, der Plethora ſcheint der Schluß von der Gegenwart der eiweißreichen Miſchung auf die ihr zu Grunde liegende Hauptkraſis, die venöſe, gerechtfertigt. 13) Es giebt Ruhren, deren anatomiſche Veränderun— gen und Producte dem hämorrhagiſchen Exſudatioproceſſe auf der Darmſchleimhaut (Melänaarten) ſehr nahe kommen. 14) Die Ruhr befällt vorzugsweiſe die Altersclaſſen bis 30 Jahre, nimmt dann an Häufigkeit ab, an Tödtlich— keit aber zu. 15) Dieſes Verhältniß hat ſie mit dem Typhus, dem gaſtroenteriſchen Fieber, der Cholera, dem Rothlauf und leterus gemein. 16) Daraus folgt, daß die Blutmaſſe des Knaben— und Jünglingsalters viel leichter zu eiweißreichen Ausſchei— dungen geneigt iſt und ſelbe leichter erträgt als die ſpätern Lebensalter. 17) Die Ruhr entſteht vorzüglich im Gefolge der er— ſten größeren Abkühlungen nach einer anhaltend ſchönen und heißen Sommerzeit; eben ſo, wenn ein ſehr warmer Vorfrühling mit einem naßkalten Frühjahre endigt. 18) Ahnliche Temperaturſchwankungen haben auch Ery— ſipele, innere Ekzeme und den Morbus Brightii in ihrem Gefolge. Es ſcheint dies demnach ein Umſtand zu ſein, wodurch Albuminoſen zur Ausſcheidung veranlaßt werden. 19) Aus dieſem ergiebt ſich von ſelbſt, was von der Meinung jener zu halten ſei, welche das Entſtehen der Ruhr dem Genuſſe unreifen Obſtes zuſchreiben. Es ſpricht da— gegen ſowohl das Vorkommen der Ruhr im Frühjahre als die große Zahl derjenigen, die bei herrſchender Epidemie mit großer Angſtlichkeit ſich vor dem Genuſſe desſelben hü— ten, und fie hat nur das Zuſammentreffen der Seuche mit der Zeit der Reife des Frühobſtes in Folge der Sommer— hitze für ſich. 20) Ruhr, bei welcher durch Zufall das Ende des Dickdarms verſchont bleibt, hat keinen Stuhlzwang. 21) Nicht jede Ruhr hat blutige Stuhlgänge. 22) Der Blutgehalt der Entleerungen hat in der lae- sio continui der Schleimhaut und den sub No. 13 ange— deuteten Verhältniſſen ſeine Erklärung. 23) Die Anſchwellung der Grimmdarmklappe in Folge des vom Dickdarme heranziehenden Proeeſſes beeinträchtigt wohl die Verbindung zwiſchen Dünn- und Dickdarm; den— noch ſteigert ſie ſich nie bis zur Verſchließung, wie neuere behaupten. Deren Beweis aus dem Mangel von Speiſe— reſten in den Ruhrexerementen wird geſchwächt durch die Scheu der Kranken vor feſten Speiſen wegen darauffolgen— 109 der Schmerzen und Stuhlgänge, und zerfällt gänzlich vor der mikroſkopiſchen Unterſuchung, abgeſehen davon, daß ja ſonſt bei jedem ſolchen Ruhrfalle Ileus auftreten würde. 24) Es giebt keine ſicheren Merkmale der Ruhr an Lebenden als die der Entleerungen. 25) Die Kranken ſterben in allen anatomiſchen Sta= dien; die Anweſenheit der Ruhrgeſchwüre iſt daher zur Dia— gnoſe an der Leiche nicht nothwendig. 26) Die Therapie der Ruhr bleibt auch noch ferner ſymptomatiſch. 27) Die Wirkungen der angewendeten Heilkörper (des Opiums und Bleizuckers) erklären ſich aus ihren Wirkungen am Auge. (Med. Jahrb. d. öſtr. Staates, April 1848.) (VIII.) über Behandlung des Krebſes mit Opium. Hierüber giebt Dr. F. Grävell in feinen eben er— ſchienenen „Notizen für praktiſche Arzte“ eine kurze Zuſammen— ſtellung. Tanchou (Note sur Emploi de l’opium dans le traite- ment des ulceres cancereux. Compt. rend. T. XXII.) hat der Pariſer Akademie eine Mittheilung über die Anwendung des Opiums in der Behandlung der Krebsgeſchwüre vorge— legt, indem er verſichert, deutlich krebshafte oberflächliche Geſchwüre damit geheilt oder doch in ihrer Entwicklung zum Stillſtand gebracht, in allen Fällen wenigſtens die Schmer— zen damit beſeitigt zu haben. T. wendet hierzu eine dicke Auflöſung des praparirten Opiums, welche durch 24 ſtündige Digeſtion desſelben in einer hinreichenden Waſſermenge bei 24 — 250 C. erhalten wurde, an, indem er dieſelbe 2—3““ ſtark auf das Geſchwür auflegen und das ganze mit einem Stück Wachspapier oder Gummitaffet, um die Verdunſtung zu verhindern, bedecken ließ. — Hinſichtlich der günſtigen Wirkung der Narcotica gegen Fungus medullaris theilt Ino— ſemtzeff (Gaz. méd. 1845. 37) zwei Fälle mit, in denen ihm die Beſeitigung eines Markſchwammes des Auges und der Milz in dem einen, ſowie des rechten Eierſtockes in dem anderen Falle, durch Anwendung narkotiſcher Mittel gelang. Dieſe Mittel ſind nach ihm, da ſie durch Beſänftigung der Schmerzen nützlich werden, in allen Fällen angezeigt, wo heftige Schmerzen das Hauptſymptom bilden. Das Morphium aceticum nebſt dem Amygdalin ſind die nach ſeinen Er— fahrungen wirkſamſten Mittel dazu. Von der Vorausſetzung, daß die nächſte Urſache der fungöſen Entartung in einer krankhaften Thätigkeit des Nervenſyſtems zu ſuchen ſei, ausgehend, findet J. eine Analogie zwiſchen ihr und den Hyper— trophien, welche während intermittirender Fieber entſtehen, und hält die durch Anwendung der narkotiſchen Mittel ge— heilten Entartungen für eine durch Reizung des Cerebro— ſpinalſyſtems bedingte Phyſkonie, ſowie die dem Gebrauche des Chinins weichenden Phyſkonien der Leber und Milz als der Ausdruck eines eigenthümlichen krankhaften Zuſtandes des Ganglienſyſtems zu betrachten ſein dürften. (Schmidt's Jahrbuch 1. 94. — Frorieps Notizen 18.) Die Erfolge der Anwendung des Morphium in der Krebskrankheit hat 161. VIII. 7. 110 Inoſemtzeff auch in v. Walth. und v. Ammons Journ. 1846 1. Heft bekannt gemacht, wobei die beigegebenen Abbildungen nicht allein die beträchtliche Größe jener Geſchwülſte, deren Beſeitigung J. gelang, zeigen, ſondern auch die krebsartige Natur derſelben zu beweiſen ſcheinen. — (Durch eine ähn— liche Anſicht vom Krebsleiden geleitet, daß die Entſtehung desſelben hauptſächlich durch einen eigenthümlichen Reizzu— ſtand des Nervenſyſtems bedingt ſei, ſah ich von einer auf dieſe Anſicht geftügten Behandlung mit Morphium aceticum und Jodqueckſilber in drei Fällen günſtigen Erfolg. Da ich jedoch dieſe geringe Zahl von Fällen um ſo weniger als einen Beweis für die Nützlichkeit dieſes Verfahrens betrachten kann, da mir die Beobachtung des weiteren Verlaufs in zwei Fällen nicht verſtattet war, ſo halte ich eine nähere Mittheilung derſelben für überflüſſig, und beſchränke mich daher bloß auf die Bemerkung, daß die drei Fälle einen Zungenkrebs, einen Leberkrebs und einen Darmkrebs betrafen, daß die Diagnoſe derſelben nicht von mir allein, ſondern von mehreren Collegen übereinſtimmend geſtellt war, und daß ich das Morphium aceticum innerlich, das Jodqueckſilber in Verbindung mit Opium nur äußerlich, beide Mittel in geringen Doſen, bei ausſchließlicher Milchdiät, anwendete. Ein ähnliches Verfahren iſt das des Hofraths Dr. Schwan hierſelbſt, nur mit dem Unterſchiede, daß S. Morphium aceticum und Hydrarg. bijod. rubr. in nicht unbeträchtlichen Doſen (letzteres zu ½ Gr. p. d.) innerlich, und gleichzeitig ſtarke Jodbäder, möglichſt warm, anwendet. Zwar weiß die ärztliche Welt nicht, was fie von den eigenthümlich ſtyliſirten Dankſagungen, welche dem Herrn Hofrath Schwan in den hieſigen Zei— tungen wiederholt zu Theil werden, zu halten hat, doch betrachte ich es nicht für unwahrſcheinlich, daß von S. durch dieſes Verfahren in einzelnen Fällen Erfolge erreicht worden ſind. Wir ſahen, wie das mehr auf eigene Er— fahrungen als auf die neueſten mikroſkopiſch-chemiſchen Forſchungen geſtützte Werk von Gandolfi, ebenfo wie das durch die reichſte Literaturkenntniß und die genaueſten Unterſuchungen ausgezeichnete von Walſhe und die Aus— ſprüche des gewiß auf dem neueſten Standpunkt der Wiſſen— ſchaft ſtehenden Gluge in Hinſicht der praktiſchen Folgerun— gen im weſentlichen zu demſelben Ergebniſſe führten, daß die Malignität des Krebſes und die geringe Ausſicht für die Er— folge irgend eines Heilverfahrens dabei hervorgehoben wurden. Es möchte hieraus ſo viel hervorgehen, daß für die Therapie des Krebſes durch die mikroſkopiſch-chemiſchen Unterſuchungen bis jetzt nicht ein Jota gewonnen wurde. Nach den Be— merfungen von Sédillot, mit denen die von Gluge zum Theil übereinſtimmen, wird es ſogar zweifelhaft, ob jene Art der Unterſuchung ſelbſt für die Diagnoje fo viel leiſtet, als eine ſcharfe Beobachtung des Geſammtorganismus und ſeiner Functionen zu leiſten vermag. Aus dieſem Grunde möchte es vielleicht nicht überflüſſig ſein, um einen etwas ficherern. Anhalt für die Behandlung des Krebſes zu ges winnen, an einige einfache Thatſachen zu erinnern. Es iſt eine ziemlich allgemein als Erfahrung aufgeſtellte Behauptung, daß Reizung des Nervenſyſtems, ſeien es phyſiſche, mes chaniſche oder chemiſche (durch Dyskraſien, Verhaltungen nc.) 111 die gewöhnliche Veranlaſſung zur Entſtehung des Krebſes darbieten. Möchte dieſe Behauptung wohl der Gründe nicht ganz entbehren, eben weil ſie ſich auf eine wiederholte Er— fahrung beruft, ſo kann dieſe Berufung doch noch nicht als entſcheidender Beweis dafür, daß der Krebs durch Reizung des Nervenſyſtems entſtehe, angeſehen werden, ſo daß jene Behauptung vorläufig nur als eine hypothetiſche gelten muß. Wenn daher die Art der Entſtehung des Krebſes durch ein primäres Leiden des Nervenſyſtems zweifelhaft bleibt, To iſt es dagegen eine ebenſo unbezweifelte und unwiderlegliche Thatſache, daß bei dem Krebſe ein eigenthümlicher und ganz beſonderer Leidenszuſtand des Nervenſyſtems vorhanden iſt. Um dieſe Thatſache wahrzunehmen, braucht man kein Mikroſkop, ſondern nur geſunde Augen, da die Natur den Stempel dieſes Leidens dem Geſichte der Krebskranken deut— lich genug aufgeprägt hat. Eine ebenſo unumftößlicye That— ſache iſt es, daß der Krebs bei den weichen Formen der Kind— heit ebenſo ſelten iſt, als er im Alter, wo die Safer ſtarr wird, an Häufigkeit zunimmt, daß er in heißen Klimaten, welche einen raſchen Stoffwechſel begünſtigen, wenig ange— troffen wird, während das Maximum ſeines Vorkommens in jene Gegenden fällt, deren klimatiſche Verhältniſſe einen trägeren Kreislauf bedingen. Welche Combination dieſer angedeuteten Bedingungen vielleicht den günſtigſten Boden für die Entſtehung des Krebſes darbieten mag, müſſen wir hier dahingeſtellt ſein laſſen, ſoviel aber ſcheint erſichtlich, daß die erfahrungsgemäß bei Krebs noch als die wirkſamſten befundenen Mittel mit den angeführten Thatſachen einiger— maßen in Einklang ſtehen, die Narcolica, welche die Rei— zung des Nervenſyſtems Direct herabſtimmen, die Milchdiät, welche von der Natur für die weichen Formen der Kindheit beſtimmt iſt, die Resorbentia, in specie als das kräftigſte dieſer Mittel das Jodqueckſilber, welche durch Bethätigung der Aufſaugung den Stoffwechſel beſchleunigen. In den Er— fahrungen, welche in den vorſtehenden Notizen mitgetheilt wurden, finden wir jedes dieſer Mittel vertreten. Walſhe empfiehlt das Jod, Pruner die Milchdiät, Inoſemtzeff die Narcotica. Ob einem dieſer Mittel der Vorrang gebührt, ob ihm mehr als ein bloß palliativer Werth zukommt, das kann nur durch weitere Beobachtungen ermittelt werden. Bis dahin kann die Annahme als keine grundloſe gelten, daß die Combination dieſer therapeutiſchen Elemente wohl 161. VIII. 7. 112 noch die meiſte Ausſicht darbiete, als Palliativ den Ver— lauf jenes traurigen Leidens wenigſtens einigermaßen zu verzögern. Zur Verwunderung aber muß es allerdings ge— reichen, daß, jener Menge von Thatſachen gegenüber, welche ſämmtlich die Nachtheile des operativen Verfahrens beim Krebſe auf das Schlagendſte beweiſen, manche Collegen noch immer keinen Anſtand nehmen, durch einen unzeitigen Operationgeifer die Unglücklichen, welche dieſem Leiden ver— fielen, noch raſcher zum Tode zu befördern. Miſcelle. 13. Über den Gang der Cholera in Algerien giebt Dr. Audouard, Militärarzt der franzöſiſchen Armee, folgende Mittheilung: Die im Jahre 1835 in Conſtantine herrſchende Cho— lera, welche ½ der Bevölkerung dahinraffte, ward durch Kaufleute eingeſchleppt; während der Eroberung dieſer Stadt im Jahre, 1837 zeigte ſich die Krankheit zum zweiten Male, aber dies Mal nur in der franzölifchen Armee. Das zweite Linienregiment, das von Marſeille kam, wo ſie zum zweiten Male graſſirte, hatte ſie mit herüber gebracht. Das Heer ging mit feinen Kranken und Verwundeten nach Bone zurück, wo letztere ius Hoſpital d' Alger gebracht wurden. Die Cholera verbreitete ſich hier auch über die bereits im Hoſpitale vorhandenen Kranken, die Stadt ſelbſt, wo ſchon im Jahre 1835 die Cholera gewüthet hatte, blieb gänzlich verſchont. Auch in Conſtantine und Algier war die Cholera für die Bevölkerung nicht mehr anſteckend, wonach es ſcheint, als wenn ein Ort, in dem ſie ein Mal gewüthet, falls ſeine Bevölkerung nicht durch fremde Elemente vermehrt wurde, für ihren Angriff geſichert iſt. Ein merkwürdiges Beiſpiel zeigte ſich auf dem Tri⸗ ton, einem der dienſtthuenden Linienſchiffe; ein Soldat desſelben, der in Roſes, wo die Krankheit herrſchte, übernachtet hatte, kam von Bord und ſtarb am folgenden Tage. Der Triton ging ſogleich unter Segel, aber ſchon nach wenigen Tagen hatte er, obſchon auf hohem Meere bleibend, 88 Cholerakranke, von denen 45 ftarben. Die Cholera ging in Algerien von Weſten nach Oſten; ſie machte in einem Jahre 150 Lieues längs der Küſte und ſchritt hier wie an der Küſte Spaniens und Frankreichs von Orte zu Orte weiter, war aber in Frankreich immer um einen Monat voraus. Aus die— ſem Verhalten ſchließt der Verf., daß ſie durch die Verbindungen des Seehandels zwiſchen Frankreich und Algerien eingeſchleppt wurde. Er endigt ſeinen Bericht mit der aus der Erfahrung ge— machten Bemerkung, daß die Cholera, ähnlich der Peſt und dem gelben Fieber, im allgemeinen dasſelbe Individuum nicht zum zweiten Male befalle. (Comptes rendus, No. 29, 28. Aoüt 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. William Stenhouse Kirkes assisted by James Paget. Handbook of Physio- logy. 12%. pp. 712. With illustrations on steel and wogd. London 1848. (12 sh. 6 d.) A. Gray. The genera of the Plants of the united States. Illustrated by figures and analyses from Nature by Isaac Sprague; superintended and with Descriptions by Asa Gray, M. D. Vol. I. 80. Newyork 1848. pp. 230. With 100 plates. (L. 1 11 sh.) H. T. Chapman. On the treatment of ulcers on the Leg without Confine- ment; with an inquiry into the best mode of effecting the permanent cure of varicose veins. Post 8%. p. 168. London 1848. (5 sh.) R. Lee. Clinical Midwifery; comprising the Histories of 545 Cases of dif- ficult, preternatural and complicated Labour, with Commentaries. 2d Edit. 120. pp. 236. London 1848. (5 sh.) J. Neill and F. G. Smith. An analytical compendium of the various bran- ches of medical science for the use and examination of Students. Post 80. pp. 880. London 1848. (18 sh.) A. Nicholson. A treatise on vegetable Diet with practical results, or a Leuf from Natures own Book; illustrated hy facts and experiments of many years practice. 12%. pp. 100. Glasgow 1848. (6 d.) Pharmacopoeia ad usum Nosocomii Phthisicorum et Pectoris morbis aegro- tantium accomodata. 32%. pp. 36. London 1848. (2 sh. 6 d.) Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 162. (Nr. 8. des VIII. Bandes. November 1848. Naturkunde. Wilkes, über die Tiefe und den Salzgehalt des Weltmeeres. — Violette, über die Verkohlung des Holzes durch erhitzte Waſſer⸗ daͤmpfe. — Miſcellen. Hardy, 1 Taylor, über die Verhinderung der Gaserploſtonen in Häuſern. — Art des Eierlegeus des psocus quadripunctatus. Randall, Kochſalz als Gift für Pflanzen. \ rpl e 0 Weiſcellen. genden Wirkung des weiblichen Katheters. Simpſon, arzneihaltige Peſſarien. — Bibliographie. R — Heilkunde. Fairbrother, Verlängerung der Harnröhre als Grund der ungenü— Naturkunde. XX. über die Tiefe und den Salzgehalt des Weltmeeres. Aus den Verhandlungen der neunten Jahresſitzung der Geſellſchaft americaniſcher Geologen und Naturforſcher zu Boſton, gehalten im September 1847, mitgetheilt im April- und Juliheft des Edin- burgh new philosophical magazine von 1848. Capt. Wilkes, von dem die Geſellſchaft bei ihrer letzten Zuſammenkunft eine Mittheilung über dieſen Gegen— ſtand begehrt hatte, erklärte, daß es ihm zur Zeit bei der geringen Anzahl bekannter Thatſachen unmöglich ſei, einen genügenden Bericht über ein ſo wichtiges Thema abzugeben, er ſich deshalb begnügen müſſe, das wenige bis jetzt be— kannte mitzutheilen, in der Hoffnung, dadurch zum wenig— ſten das Intereſſe für einen ſo wichtigen Gegenſtand anzu— regen und zu ferneren Forſchungen anzuſpornen. An die Tiefe des Weltmeeres knüpfen ſich nach ihm manche inter— eſſante Verhältniſſe; die gegenwärtige Tiefe desſelben, feine Mitteltemperatur und Dichtigkeit, das Eindringen der Son— nenſtrahlen, in der Tiefe vorkommende Strömungen, der Salzgehalt und die ſpeeifiſche Schwere des Waſſers ſtehen mit der Tiefe im innigen Zuſammenhange. Obbſchon vielfache Verſuche, die Tiefe des Weltmeeres zu beſtimmen, unternommen ſind, ſind wir über die größte Tiefe desſelben doch noch in gänzlicher Unwiſſenheit. Die größte durchs Senkblei ermittelte Tiefe betrug nach Capt. J. Clarke Roß 4600 Klafter oder 27,600 Fuß, der Grund des Meeres ward dabei nicht erreicht, die Meſſung ward im 15. Grade ſüdl. Breite und 23. Grade weſtl. Länge unter— nommen; verſchiedene an andern Punkten des Oceans und ſcheinbar in ſeiner Mitte unternommenen Verſuche ergaben eine Tiefe von 12,000 bis 18,000 Fuß, das Senkblei er— No. 2142. — 1042. — 162. reichte hierbei den Grund des Meeres. Solche Beobachtun— gen ſtehen indes, wenn man die ungeheuere Flächenausdeh— nung des Oceans betrachtet, noch ganz vereinzelt da, ein ungeheures Feld, von dem die Geologie die ſchätzenswerthe— ſten Aufſchlüſſe erwarten darf, iſt noch der Unterſuchung offen; nur ſo viel iſt bis jetzt bekannt, daß die Oberfläche des Meeresbodens weit größere Ungleichheiten als die Ober— fläche des Landes zeigt. . Man wird ſich wundern, daß wir in dieſem Punkte noch ſo unwiſſend ſind; die Seefahrer, in deren Bereich dieſe wichtige Frage fiel, haben ſich wenig um ſelbige bekümmert, und nur da, wo die Sicherheit der Fahrt es verlangte, Meſ— ſungen angeſtellt; die verſchiedene Farbe des Waſſers war für ſie ein Zeichen der verſchiedenen Meerestiefe. Man darf ihnen dieſe Vernachläſſigung indes nicht zu hoch anrechnen: der Theorie ſcheint eine Tiefenmeſſung allerdings ſehr leicht zu ſein, in der Ausführung iſt ſie es keinesweges, erfordert vielmehr Zeit und günſtige Umſtände. Das gewöhnliche Senkblei dient noch jetzt größtentheils zu dieſen Vermeſſungen. Man hat andere zum Theil recht ſcharfſinnige Methoden einzeln mit Erfolg verſucht und iſt durch ſie allerdings zu genaueren Reſultaten gekommen, ohne jedoch die mit dieſen Meſſungen verbundenen Schwierigkeiten beſeitigen zu können. Nicht jeder weiß vielleicht, daß zu einer einzigen Meſſung einer Tiefe von 1500 bis 2000 Klaftern 2 bis 3 Stunden gehören und dazu obendrein das Wetter ſelten günſtig, der Wind ſelten ſtill und die See ruhig genug iſt. Mehrere britiſche Seeofficiere benutzten in neuerer Zeit ein Gewicht von mehreren Hundert Pfunden, das an einer dünnen Saite oder einem gedrehten Strick be— feſtigt war, als Senkblei; der Strick war um eine Rolle gewickelt und rollte ſo lange ab, bis das Gewicht den Mee⸗ resgrund erreicht hatte; dann ward es wieder heraufgezogen 8 115 und die Länge des abgerollten Theiles beſtimmt. Da die Leine aber haufig zu ſchwach war, um ein jo großes Ge— wicht heben zu können, war die Methode ſowohl koſt⸗ ſpielig als unzuverläſſig; das Gewicht bedurfte zum Herab— rollen etwa einer halben Stunde; es ward, um die Ver— ſuche genauer zu machen, nicht vom Schiffe ſelbſt, ſondern von einem Boote aus hinabgelaſſen und ſo die durch das Fortgehen des Schiffes unvermeidliche Unrichtigkeit beſeitigt. Für ein gewöhnliches Schiff iſt es demnach faſt unmöglich, eine genaue Tiefenbeſtimmuug auszuführen, es müßte, um ſelbige überhaupt, wie ſehr zu wünſchen wäre, häufiger an— ſtellen zu können, erſt eine Methode erſonnen werden, welche weniger zeitraubend und weniger von günſtigen Umſtänden abhängig wäre. Man hat zu dieſem Zwecke das Echo vorgeſchlagen und nach der Fortpflanzung des reflectirten Schalls einer an der Meeresoberfläche platzenden Bombe die Tiefe berechnen wollen. Capt. Wilkes hält es für zweck— mäßiger, die directen Schallwellen zu benutzen, die Bombe mit Zündſtoff zu füllen und ſo einzurichten, daß ſie im Augenblicke, wo ſie den Meeresboden berührt, erplodirt. Die größte Schwierigkeit für die Ausfuhrung dieſes Vorſchlages ſcheint ihm in dem ungeheuren Drucke der Waſſermaſſe auf die herabſinkende Bombe, deren Ladung dadurch gefährdet wird, zu liegen. Derartige Verſuche würden überdies zu intereſſanten Beobachtungen über den Fall und die Bewe— gung der Körper im Waſſer führen und deren Geſetze, die bis jetzt nur theilweiſe bekannt ſind, feſtſtellen. Schon die wenigen und noch dazu ohne irgend einen geregelten Zuſammenhang unternommenen Meſſungen ſind indes nicht ohne Bedeutung, ſtellen vielmehr intereſſante Re— fultate in Ausſicht; zu dieſen gehört der Verlauf unter dem Meere befindlicher Thäler, die mit den großen Gebirgsketten Americas einen rechten Winkel bilden. Es, ſcheint nach die— ſen Meſſungen, als ob in der Nähe des Aquators ein ſol⸗ ches Thal vorkomme, da parallel dem 5. Grade ſüblicher Breite ein Rücken verläuft; parallel dem 15. Grade zeigt ſich ein anderes Thal und 10 Grad ſüdlicher wiederum ein Rücken; der Meeresgrund vertieft und erhebt ſich darauf gegen den Pol zu noch zwei Mal. Nur auf vereinzelte Beobachtungen gegründet ſoll das geſagte indes kaum auf etwas mehr als eine Vermuthung Anſpruch machen, die vielleicht durch künftige ausgedehntere Verſuche widerlegt werden kann. Der Verf. (Capt. Wilkes) will damit nur auf das noch der Forſchung offne ungeheure Feld des Mee— res aufmerkſam machen und zugleich zeigen, wie eine Reihe gut ausgeführter Verſuche, der mangelhaften Methoden un— geachtet, die vom Meere bedeckten Berge und Thäler nach— weiſen und eine Kenntniß des Meeresbettes herbeiführen würde. Der Verf. glaubt, daß die Befehlshaber der Kriegs— ſchiffe, wenn ſie nach entfernten Stationen abgehen oder von dort zurückkommen, oftmals Gelegenheit hätten, derartige Beobachtungen anzuſtellen, und daß der Marineminiſter der vereinigten Staaten gern die dazu nöthigen Verordnungen treffen würde. Man hätte alsdann die Meeresgegenden zu beftimmen, wo die Meſſungen muthmaßlich am günſtigſten ausfallen würden, könnte vielleicht auch die Führer fremder 162. VIII. 8. 116 Schiffe bewegen, ſich dem Unternehmen anzuſchließen und würde auf dieſe Weiſe in wenig Jahren im Stande ſein, vollſtändige Durchſchnitte des Weltmeeres und der Binnen— ſeen zu liefern und manche dem Ocean eigenthümliche Er— ſcheinung aufzuklären. Obgleich die wirkliche Tiefe des Oceans noch kaum bekannt iſt, ſo haben die zahlreichen ihretwegen unternom— menen Verſuche zum wenigſten die mittlere Temperatur und Dichtheit des Meeres außer Zweifel geſtellt. Die erſtere beträgt nach des Verf. eigenen und zahlreichen Verſuchen anderer 390, 5“; Lenz will zwar unter den Wendekreiſen in einer Tiefe von 1000 Klaftern nur 360 und 370 ges funden haben, der Verf. iſt dagegen feſt überzeugt, daß un— ter den Wendekreiſen in keiner Tiefe eine jo niedrige Tem— peratur herrſche, und wenn ſie vorkomme, nur Folge einer untermeeriſchen Strömung ſei. Ein Gürtel der mittleren Temperatur umgiebt nach Capt. Roß zwiſchen dem 54.0 und 60.9 ſüdl. Breite die Erde; hier iſt nach ihm die Tem— peratur der Oberfläche und der Tiefe gleich; künftige Ver— ſuche werden die Grenze dieſes Gürtels näher beſtimmen und eine entſprechende Zone für die nördliche Halbkugel nachzuweiſen haben. Die mittlere Temperatur des Meeres herrſcht ſowohl an den Polen wie am Aquator. In den über 600 hinaus gelegenen Breiten nimmt die Temperatur mit der Tiefe des Meeres ſo lange zu, bis ſie die, Mittel— wärme erreicht hat, während fie in der Nähe des Aquators mit der Tiefe bis zu dieſem Punkte abnimmt. Dieſe Tem⸗ peraturabnahme beträgt über die Wendekreiſe hinaus für je— den Grad der Breite mehr als 23 Klafter. Innerhalb der Wendekreiſe nimmt die Temperatur auf jede 13 Klafter um 10 ab, in einer Tiefe von 400 Fuß jedoch erſt mit 200 bis 300 Klaftern. Nach den Beobachtungen des Admiral d' Urville ſcheint es, als ob die Waſſer des mittelländiſchen Meeres nicht demſelben Geſetze der Temperaturabnahme, das für den at—⸗ lantiſchen und ſtillen Ocean gilt, folgten: er ſchätzt die mittlere Temperatur der See in einer Tiefe von mehr als 200 Klaftern auf 350, weil er in einer Tiefe von 100 Klaftern noch eine ſolche Wärme antraf. Wenn dieſe Beobachtung richtig iſt, entſteht die intereſſante Frage, ob nicht unterirdiſche Feuer, welche bekanntlich in den Ländern, die das Mittelmeer umgürten, vorkommen, die Urſache die— ſer Temperaturerhöhung find: Die Penetration des Sonnenlichts oder die Tiefe, in welcher ſelbiges vollſtändig abſorbirt wird, iſt eine andere nicht unwichtige Frage. Die Methode des Verſuches beſteht darin, daß man einen etwa 18 Zoll im Durchmeſſer hal— tenden weißbemalten Topf mit dem Boden nach oben ge— kehrt, an der Leine herabſinken läßt und ſich die Tiefe merkt, wo der Topf dem Geſicht entſchwindet, dann wiederum die Tiefe notirt, wo er wieder ſichtbar wird und das Mittel beider Meſſungen, die ſelten um mehr als eine Klafter dif— feriren, als Reſultat annimmt; das Auge muß dabei 5 Fuß von der Oberfläche des Meeres entfernt ſein und in gerader Richtung auf den hinabſinkenden Gegenſtand blicken. Man könnte hier zunächſt glauben, daß die Tiefe, in welcher ein 117 Gegenſtand geſehen wird, ſowohl von der Intenſität als von dem Winkel, in welchem die Lichtſtrahlen auf die Mee— resoberfläche fallen, abhängt; und ſicher iſt beides nicht ganz ohne Einfluß, bringt aber ſelten mehr als eine Differenz von 1½ Klaftern zu Wege; dagegen zeigen ſich in ver— ſchiedenen Breiten und bei verſchiedenen Temperaturen weit größere Abweichungen, die ſicher andere Urſachen haben. Die Temperatur des Waſſers übt auf den Durchgang der Licht— ſtrahlen oder auf ihre Abſorption großen Einfluß; in ei— nem Waſſer von 78 bis 80% bleibt ein weißer Gegenſtand bis auf 180 Fuß tief ſichtbar, wogegen er in einem Waſ— ſer von 36“ ſchon in einer Tiefe von 40 Fuß dem Auge entſchwindet. Der herabſinkende Gegenſtand wird immer kleiner und iſt endlich gar nicht mehr zu ſehen. Die Ver— ſuche wurden zu jeder Tageszeit vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend angeſtellt und die Höhe des Sonnenſtandes bei jedem Verſuche beſtimmt; ſie wurden bei ruhiger faſt glatter See unternommen. Die größte Tiefe, bis zu welcher der Gegenſtand ſichtbar blieb, betrug 30 Klaftern oder 180 Fuß. Die nächſte mit der Meerestiefe verbundene Erſchei— nung ſind die unter der Oberfläche vorkommenden Strö— mungen, die in verſchiedenen Gegenden durch ihre niedere Temperatur nachgewieſen ſind. Wie tief dieſe Strömungen hinabgehen, iſt noch nicht ermittelt worden; man findet ſie 500 bis 600 Fuß unter der Oberfläche. Der Salzgehalt und die ſpecifiſche Schwere des See— waſſers find häufig unterſucht worden; auch die Expedition ließ ſelbige nicht unbeachtet, die in verſchiedenen Breiten ge— ſchöpften Waſſer wurden bei der Zurückkunft von Dr. C. T. Jackſon in Boſton, einem in America rühmlich bekannten Chemiker, unterſucht. Die vollſtändigen Reſultate dieſer Unterſuchung können erſt ſpäter in dem Berichte über die Erpedition ausführlich veröffentlicht werden, weshalb hier nur die Methode der Analyſe und einige Reſultate derſelben gegeben werden. a Die ſpecifiſche Schwere des Waſſers ward in einer klei— nen Flaſche mit einem Halſe, der / Zoll Durchmeſſer hatte, beſtimmt. Eine Waſſermenge, die 1000 Gran deſtillirten Waſſers entſprach, ward in einer Platinſchale langſam zur Trockne verdampft, die Hitze bis 3000 Fahr. geſteigert, der Rückſtand gewogen und mit abſolutem Alkohol behandelt, um das Chlorcalcium und Magneſium zu löſen, darauf fil— trirt, der Rückſtand getrocknet und wieder gewogen. Die weingeiſtige Auflöſung ward in Platin verdampft, gewogen und in angeſäuertem Waſſer gelöſ't, der Kalk mit oralſau— rem Ammoniak gefällt, auf dem Filter geſammelt, getrocknet und mit etwas kohlenſaurem Ammoniak verſetzt, geglüht; aus der gewogenen Menge des kohlenſauren Kalks ward die Quantität des Chlorealeiums berechnet. Die noch in der Flüſſigkeit vorhandene Talkerde ward mit phosphorſaurem Natron und Ammoniak gefällt; aus dem geglühten Biphos— phate der Talkerde ward das Chlormagneſium berechnet. Die in abſolutem Alkohol unlösliche Maſſe ward dar— auf mit heißem deſtillirtem Waſſer behandelt, der unlösliche Rückſtand geglüht, in Säure gelöſ't, filtrirt und der wäſſe— rigen Löſung zugefügt. Aus letzterer wurden die phosphor— 162. VIII. 8. 118 ſauren Salze durch Ammoniak gefällt, der Niederſchlag ge— trocknet und geglüht. Aus der filtrirten Flüſſigkeit ward darauf der Kalk durch oralſaures Ammoniak geſchieden und aus dem geglühten kohlenſauren Kalk der Kalkgehalt be— rechnet. Die zurückgebliebene Flüſſigkeit ward, um die Talk— erde zu fällen, mit phosphorſaurem Natron und Ammo— niak verſetzt; aus dem geglühten Niederſchlage ward die Menge der Talkerde berechnet. Ferner ward eine beſondere Menge des Waſſers zur Beſtimmung der Schwefelſäure, der Kohlenſäure und des Chlors benutzt; die beiden genannten Säuren wurden durch Barytlöſung gefällt, der Niederſchlag ward ſchnell getrocknet und mit Zuſatz einiger Tropfen kohlenſauren Ammoniaks geglüht und darauf gewogen, dann mit Salzſäure behandelt, welche den kohlenſauren Baryt auflöſ'te; der getrocknete und wieder geglühte Rückſtand gab die Menge des ſchwefelſauren Baryts, der Verluſt die Menge des kohlenſauren Baryts; aus beiden Salzen wurde der Säuregehalt berechuet. Die Flüſſigkeit, aus welcher beide Säuren gefällt werden, ward darauf zur Sättigung des überſchuͤſſigen Baryts mit einigen Tropfen Salpeterſäure und dann mit ſalpeterſaurem Silber— oxyd verſetzt; das entſtandene Chlorſilber ward mit geſäuer— tem Waſſer ausgewaſchen, getrocknet und gewogen; aus dem Chlorſilber ward das Chlor berechnet. Die Menge des Natrons und Natriums ward durch eine Subtraction der Summen ſämmtlicher direct beſtimmter Gewichte der übrigen Beſtandtheile von dem Gewichte der zuerſt beim Verdampfen erhaltenen Salzmaſſe gefunden. Vier bis fünf Arten von Waſſer wurden auf Jod, Brom und Kali unterſucht, von allen drei Elementen ward keine Spur gefunden. Zum Filtriren ward feines indiſches Papier benutzt; für jeden Verſuch wurden zwei gleich große und gleich ſchwere Filter gemacht; auch das nicht benutzte ward für ſich in einem Platinſchälchen gleich dem benutzten, verbrannt und gewogen. Das benutzte deſtillirte Waſſer war in Gefäßen von böhmiſchem Glas deſtillirt worden, es war, wie ſämmt— liche Reagentien, die in Dr. Jackſons Laboratorium ſelbſt dargeſtellt wurden, chemiſch rein. Die benutzte Wage war von Chémin in Paris gefertigt und zog /100 Gran. Waſſer in 630,18“ ſüdl. Breite und 559 weſtl. Länge, in einer Tiefe von 100 Klaftern und bei einer Temperatur, die an der Oberfläche 31“ unter dem Waſſer 300 betrug, geſammelt, hatte bei 600 über dem Gefrierpunkt und einem Barometerſtande von 30,05 ein ſpeeifiſches Gewicht = 1,026. Eine Menge dieſes Waſſers, deren Volumen 1000 Gran deſtillirten Waſſers entſprach, gab, zur Trockne verdampft, einen Rückſtand, der nach der angegebenen Methode analy— ſirt, folgendermaßen zuſammengeſetzt war: i Gewicht der Salzmaſſe (Gran) = 36,00 Gran. Chlor, in ihr enthalten .. 20,73 Schwefelſäure 1,29 Kohlenſäure . £ 1,29 Phosphorſäure + - 0,06 Natron und Natrium. 10,12 Talferde . 1,64 Kalk 0,83 Eiſenoryd. Spuren 236,00 Gran. 119 Ein anderes Waſſer ward in der Tiefe von 450 Klaf— tern geſammelt; die Temperatur des Waſſers betrug in der Tiefe 44,5“, an der Oberfläche 740. (Südl. Breite 17,54, weſtl. Länge 1120,53“ 29. Juli 1839.) Die ſpecifiſche Schwere dieſes Waſſers betrug bei 60 und einem Barometerſtande von 30% 5 — 1,0275. Eine Menge, welche dem Volumen nach 1000 Gran deſtillirten Waſſers entſprach, gab beim Verdampfen einen Salzrückſtand von .» 37,9 Gran. Derſelbe beſtand aus: Gran Chlor . 9 20,40 Schwefelfäure 2,43 Kohlenfäure . 0,68 Phosphorſäure 0,09 Natron und Natrium. 10,76 Talkerde 5 2,48 Kalk 1,06 Eifenoryd .. Spuren. = 237,90 Gran. Eine Tabelle ſämmtlicher von Jackſon ausgeführter Meerwaſſeranalyſen wird dem Berichte über die Expedition beigegeben werden. Etwa 300 Tafeln naturhiſtoriſcher Ab— bildungen, die ebenfalls zu dem Berichte gehören, ſind bereits fertig, während viele andere noch im Stiche begriffen ſind. Capt. Wilkes zeigte dieſelben als Beweiſe des großen Fort— ſchrittes, welchen die Kunſt in America gemacht; Prof. Agaſſiz meinte ſogar, daß ſie von den beſten europäiſchen Kupferſtichen in keiner Weiſe übertroffen würden. Die Re— ſultate der Expedition ſind nach des letzteren Anſicht von größter Wichtigkeit. XXI. Über die Verkohlung des Holzes durch er— hitzte Waſſerdämpfe. Von Violette. Die zur Schießpulverbereitung und namentlich zum Jagdpulver benutzte Kohle iſt keineswegs reiner Kohlenſtoff, ſondern enthält immer noch andere Beſtandtheile des Holzes; das Verhältniß dieſer Beſtandtheile und ſomit die Güte der Kohle iſt nach dem Grade ihrer Verkohlung verſchieden. Man mußte bisher die ſogenannten rothen Kohlen aus den ſchwarzen, mehr verbrannten, herausleſen, da mein Ver— fahren eine gleichmäßige beliebig ſtarke Verkohlung zu er— zielen nicht bekannt war. Der Verf. gedenkt zunächſt ſeiner Verſuche Holz in ge— ſchloſſenen Gefäßen zu verkohlen: eine Temperatur von 2000 genügte dazu nicht, bei 2500 erhielt er nur eine ſogenannte Zündkohle (brülot), bei 3000 bildete ſich rothe Kohle und bei 350» und darüber ſchwarze Kohle. Die zur Verkohlung richtige Zeit ſchwankte don 3 Stunden bis zu einer halben Stunde; die Producte derſelben gingen allmählig von der rothen Kohle in die ſchwarze über. Je langer die Ver— kohlung fortgeſetzt ward, um ſo geringer war die Ausbeute von Kohlen. Die Verſuche von Thomas und Laurent zur Be⸗ reitung des Beinſchwarzes durch erhitzte Waſſerdämpfe brach— ten den Verf. auf den Gedanken, dasſelbe Verfahren zur 162. VIII. 8. 120 Bereitung der Holzkohle zu verſuchen. Schon beim erſten Verſuche in einem kleinen Apparate erhielt er eine Kohle, deren Ausbeute ſehr ergiebig und die ein Pulver von un— gleich größerer Tragkraft lieferte. Das franzöſtſche Kriegs— miniſterium bewilligte darauf 5000 Francs zur Anſchaffung eines größeren Apparates; derſelbe wird ſeit einem Jahre in der Pulvermühle zu Esquerdes mit großem Vortheil und faſt allein zur Kohlenbereitung für das Jagdpulver benutzt. Der Dampf, aus einem gewöhnlichen Dampfkeſſel entwickelt, tritt in ein ſchneckenförmig gewundenes 0,020 Metres weites und 20 Metres langes Dampfrohr und wird in ihm durch ein Heerdfeuer auf eine beſtimmte Temperatur erhitzt; das Rohr umgiebt einen horizontalen Cylinder, der das zu ver— kohlende Holz enthält. Der erhitzte Dampf tritt darauf in dieſen Cylinder, verkohlt das Holz und entweicht mit den Producten der Deſtillation beladen. Bei einer Temperatur von 3000 lieferte der beſchriebene Apparat 33 bis 37 Procent rothe Kohle, im Mittel 35 Procent der letztern und 2 Procent Zündkohle (brülot), aber niemals eine Spur von ſchwarzer Kohle. Die Ausbeute an rother Kohle ſtieg bisweilen auf mehr als 39 Procent. Nach dem älteren Verfahren erhielt man im Mittel 18 Pro— cent rothe und 14 Procent ſchwarze Kohle; die neue Methode liefert demnach mehr als das Doppelte an rother Kohle. Da man vermittelſt eines Hahnes das Zuſtrömen des Dampfes und dadurch wiederum die Temperatur beliebig reguliren und auf einer conſtanten Höhe, welche für ein vorzügliches Product nothwendig iſt, erhalten kann, iſt, man im Stande, mit demſelben Apparat bei einer Temperatur von mehr als 3000 auch ſchwarze Kohle herzuſtellen. Ein etwas verbeſſerter, nach des Verf. Angaben auf der Pulver— mühle zu Saint-Chamas zu erbauender Apparat wird noch größere Vortheile gewähren. Die Zuſammenſetzung des Pulvers iſt nach dem Grade der Verkohlung ſeiner Kohle ſehr verſchieden, und nament— lich kann der Gehalt an flüchtigen Stoffen in letzterer ſehr verſchieden fein und bis / der Kohle betragen. Das Ver— hältniß der Beſtandtheile des Schießpulvers iſt, obſchon der Vorſchrift nach auf allen Pulverfabriken dasſelbe, in der Wirklichkeit nach der Art der Kohle ſehr verſchieden; auf der Güte der letzteren beruht auch die Güte des Schieß— pulvers. Aber nicht allein zur Kohlenbereitung, ſondern auch zu vielen anderen Induſtriezweigen ſind erhitzte Waſſerdämpfe mit Vortheil anwendbar. Der Verf. benutzte den Apparat zu Esquerdes zum Backen des Brotes und der Schiffszwie— backe, wozu eine Temperatur von 2000 erforderlich war; ebenſo zum Braten des Fleiſches; er glaubt durch derartige Kücheneinrichtungen im Großen den ſo gefährlichen papinia— niſchen Topf erſetzen zu können. Die in ſeinem Apparat erhitzten Waſſerdämpfe haben eine nur ſehr geringe Spannung, die ſelten mehr als 1½ bis 1½ Atmoſphären Druck be— trägt, ſind deshalb durchaus gefahrlos; der Apparat würde überdies einen Backofen abgeben, in dem ſich ohne Unter— brechung backen ließe. Die Producte der Deſtillation und unter ihnen die 121 Eſſigſäure werden ſämmtlich und zwar ohne Verluſt von den ſich verdichtenden Waſſerdämpfen aufgenommen; der Apparat muß demnach zur Bereitung des Holzeſſigs ſehr anwendbar ſein und bei einer Regulirung der Temperatur das Maximum der Eſſigſäure, vielleicht ſogar einen von brenzlichem Ole freien Eſſig liefern können. Zur Bereitung des Holzgeiſtes würde er ebenfalls brauchbar ſein, auch zum Trocknen des Holzes mit Leichtigkeit benutzt werden können. Über die neuen, noch unbekannten, Zerſetzungsproducte verſchiedener Hölzer bei Anwendung einer Temperatur von 1000 bis 250 seripricht der Verf. in einer künftigen Arbeit zu berichten. (Comptes rendus No. 25, 19. Juin 1848) Miſceellen. 17. Über die Art des Eierlegens des Psocus qua- dripunctatus und die Anfertigung eines ſchützenden Geſpinſtes über dieſelben berichtet James Hardy folgendermaßen: Zu Anfang Juli fand er an der Unterſeite der Blätter von Quercus sessilillora mit Eierlegen beſchäftigte Weibchen dieſer Thierart; er ſah, wie ſie zuerſt 3 Eier legten, deren Lage zu einander einem Dreiecke ent⸗ ſprach; nachdem dies geſchehen, ging das Weibchen einige Mal über die gelegten Eier hin und her, legte dann nochmals 3 Eier u. ſ. w., bis ſie die nöthige Menge erreicht hatte; dann ruhte ſie ein Weilchen auf ihnen, wie von der Arbeit erſchöpft, um bald darauf mit deſto größerer Kraft eine neue Procedur zu beginnen: der Verf. ſah das Thierchen unter den wunderlichſten Geberden über die gelegten Eier in der größten Eile bald nach der einen, bald nach der anderen Seite laufen, er ſah, wie es bald zurück⸗ ging, bald ſich rund umſchwenkte, am Ende jedes Ganges aber mit einer raſchen Wendung des Kopfes ſein Maul zwei oder drei Mal gegen das Blatt wandte und ſo ſcheinbar einen ländlichen Hochzeitreigen ausführte. Der Verf. beobachtete das Thierchen wohl eine halbe Stunde; die Bewegung des Kopfes galt der Be feſtigung des Fadens am Blatte, durch das Hin= und Herlaufen ent⸗ ſtanden die verſchiedenen Maſchen des Gewebes. Die Eier lagen 162. VIII. 8. 122 gewöhnlich in einer Vertiefung des Blattes zwiſchen deſſen Nerven, ſie fanden ſich häufiger an der Unterſeite des Blattes. Das fer⸗ tige Gewebe bildet weiße, eiförmige, von ferne einer Fiſchſchuppe nicht unähnliche Flecke. Die Eier find länglich eiförmig, klein und von weißer Farbe, ihre Zahl iſt verſchieden, der Verf. zählte 5, 7, S und 16. (The Zoologist, No. 69 1848.) 18. Kochſalz als Gift für Pflanzen. In einem gro- ßen Gartenetabliſſement kränkelten und ſtarben, wie Randall berichtet, plötzlich ſowohl im Freien wie in den Gewächshäuſern ſämmtliche Topfpflanzen; die Wurzeln waren faul und zwiſchen den Fingern zerreibbar; die Stämme junger Pflanzen hatten das An⸗ ſehen abgeſtorbenen Holzes, die Blätter wurden zuerſt an der Spitze, darauf an den Rändern und zuletzt über ihre ganze Fläche braun; die ganze Pflanze ſtarb dahin. Man wußte aufangs keinen Grund für dieſes plötzliche Erkranken, das ſowohl Nadelhslzer als Gera- nien, Fuchſien, Roſen und viele Hundert andere Pflanzen des ver⸗ ſchiedenſten Alters ergriff, kam jedoch fpäter auf den Gedanken, das Waſſer einer Quelle, womit beſagte Pflanzen begoſſen worden, u unterſuchen. Dies Waſſer enthielt in 20 Unzen 9% Gran fe: er unorganiſcher Beſtandtheile, welche beſtanden aus: kohlenſaurem Kalk 0,600 ſchwefelſaurem Kalke. 0,462 Chlorcalcium 0,200 Chlormagneſium 1,252 Chlornatrium . E In der die Pflanzen umgebenden Erde wie in ihren abgeftorbenen Stämmen und Blättern ließ ſich gleichfalls ein großer Kochſalz⸗ gehalt nachweiſen. Weitere Nachforſchungen zeigten, daß der Brunnen mit dem Meere in Verbindung ſtand. Die Pflanzen wa⸗ ren ſeit einigen Wochen etwa zwei bis drei Mal wöchentlich mit ſeinem Waſſer begoſſen worden. Ein Verſuch, den man mit 12 Fuchſien, wovon 6 mit dem beſprochenen Waſſer, die 6 andern mit Regenwaſſer begoſſen wurden, anſtellte, beſtätigte die Vermuthung: ſchon nach 8 Tagen wurden die 6 erſten Pflanzen ſchwarz; ſie ſtar⸗ ben, während die andern üppig gediehen. Da man, wie der Ein⸗ ſender glaubt, vorausſetzen darf, daß hier das Chlornatrium als vorwaltender Beſtandtheil vergiftend wirkte, ſo wäre es wichtig und intereſſant zu erfahren, welche Quantität dieſes ſo allgemein ver⸗ breiteten Salzes zuerſt ſeinen ſchädlichen Einfluß auf die Vegeta⸗ tion offenbarte. (L'Institut, No. 769 1848.) Heilk (IX) über die Verhinderung der Gaserploſionen in Häuſern. Von Alfred S. Taylor. Über die in Bergwerken vorkommenden Erploſtonen iſt viel geſchrieben worden, während den durch das Leuchtgas veranlaßten verhältnißmäßig wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt worden iſt. Allerdings ſind die letztern von weniger furcht⸗ baren Umſtänden begleitet geweſen; obgleich unlängſt in Al⸗ bang Street eine Gaserploſion vorgekommen iſt, welche in ihren Wirkungen höchſt bedenklich war. Leider herrſcht in Beziehung auf dieſen Gegenſtand unter dem Publicum noch viel Unwiſſenheit. Viele Leute wollen nicht glauben, daß das Gas, deſſen Verbrennung ihre Woh⸗ nungen erleuchtet, dasſelbe iſt, wie das, welches die ſchlagen⸗ unde. den Wetter in den Steinkohlenbergwerken erzeugt, daher ſie auch nicht begreifen können, daß durch jenes große Gefahr veranlaßt werden könne. Ja viele Gebildete haben in Zwei⸗ fel ziehen wollen, daß die Erploſion in Albany Street durch Steinkohlengas veranlaßt worden ſei und behaupten, ſie müſſe von Schießbaumwolle oder Schießpulver herrühren. Durch dergleichen Anſichten kann nur neuen Unfällen der Art Vor⸗ ſchub geleiſtet und die Aufmerkſamkeit des Publicums von der wahren Urſache abgelenkt werden. Schießbaumwolle und Schießpulver wirken nur dadurch, daß ſie Gaſe erzeugen und im Vergleich mit einer erplodirenden Gasmiſchung ſind deren Wirkungen, caeteris paribus, viel weniger plötzlich und furcht⸗ bar. Die vollſtändige Zerſtörung eines ausgedehnten Koblen⸗ bergwerks mit Hunderten von Arbeitern durch eine einzige Erploſion beweiſ't dies hinlänglich. Und eine ganz ähnliche 123 Knallgasmiſchung wird in Häuſern dadurch erzeugt, daß Steinkohlengas aus einem offenen Brenner, aus einer lecken Gasröhre unbemerkt ausſtreicht und ſich mit der atmoſphäri— ſchen Luft vermiſcht. Chemiſche Zuſammenſetzung des Brenngaſes. Das zur Beleuchtung der Häuſer dienende Steinkohlengas bietet ſehr verſchiedene chemiſche Beſtandtheile dar. Es be— ſteht aus einer Anzahl brennbarer Gaſe und Dünſte, welche ſämmtlich in gewiſſen Verhältnißtheilen mit der atmoſphäri— ſchen Luft gemiſcht, ein furchtbar ſtark explodirendes Gas bilden. Das gewöhnliche gereinigte Steinkohlengas beſteht aus leichtem Kohlenwaſſerſtoffgas, ölmachendem Gas, Kohlenſtoff— orydgas, Waſſerſtoffgas, Stickgas, Naphthadämpfen und Koh— lenſtoffbiſulphuretdämpfen ?). Bei dem Procefje des Reinigens mit Kalk büßt das Gas großentheils, doch nicht ganz, das in demſelben urſprünglich enthaltene Schwefelwaſſerſtoffgas und die Kohlenſäure ein. Ein Pfund Steinkohle liefert 4½ Cubikfuß Gas. Die Zuſammenſetzung des letztern iſt je nach den verſchiedenen Perioden der Deſtillation verſchieden. Anfangs. Nach 5 Stunden. a Stunden. Leichtes Kohlenwaſſerſtoffgas 82,5 56,0 0 Olmachendes Gase. . 13,0 7,0 0 Waſſerſtofftgasss. 0,0 21,3 60 Kohlenſtofforydgas .. 3,2 11,0 10 Sticks 1½3 4,7 10 100 100 100 Speeifiſches Gewicht 0,65 0,5 0,34 Der Verhältnißtheil des Waſſerſtoffes vermehrt ſich, je länger der Proceß dauert und die Exploſionskraft des Gaſes wird dadurch verſtärkt “'). Es iſt auch bemerkenswerth, daß das Gas ſelbſt anfangs nur wenig mehr als halb ſo ſchwer als die atmoſphäriſche Luft iſt. Deshalb ſteigt es in den Zimmern ſtets an die Decke. Das Gas, welches nach zehn— ſtündiger Deſtillation geſammelt wird, iſt am leichteſten. Verhältnißtheile des Knallgaſes. Wir haben bereits bemerkt, daß die ſämmtlichen Gaſe, aus denen das Steinkohlengas beſteht, mit Ausnahme des Stickgaſes, ſehr ſtark erplodiren, wenn fie in gewiſſen Verhältnißtheilen mit der atmoſphäriſchen Luft vermiſcht ſind. Die Naphthadämpfe und das Kohlenſtoffbiſulphuret erplodiren unter dieſen Um— ſtänden ebenfalls, und wenn das Steinkohlengas in einem verſchloſſenen Zimmer durch eine Luftſchicht in die Höhe ſteigt, jo bildet ſich dieſe erplodirende Miſchung ſchnell. In einem wohlverſchloſſenen Zimmer, welches nicht ſehr groß iſt, wird *) Der Geruch des Steinkohlengaſes rührt von der Anweſenheit dieſer Daͤm⸗ pfe und einigen Schwefelwaſſerſtoffgaſes her. Das leichte Kohlenwaſſerſtoffgas, olmachende Gas und Waſſerſtoffgas find, wenn fie rein, ganz geruchlos. Das Leuchtgas läßt ſich vom Schwefelwaſſerſtoffgas nicht ganz befreien, ohne bes deutend an Leuchtkraft zu verlieren, und es iſt noch kein Proceß bekannt, durch welchen ſich die Dämpfe des Kohlenſtoffbiſulphurets ganz abſcheiden ließen. Wegen der Auweſenheit dieſer Körper bildet ſich beim Verbrennen des Steine kohlengaſes ſchwefelige Säure, die nicht nur beim Einathmen widerlich, ſon⸗ dern auch den Möbeln hoͤchſt nachtheilig iſt. Die Bibliothek des Athenäum- Clubs litt vor einigen Jahren durch die von den Gasbrennern entwickelte ſchwefelige Säure, dle ſich ſpäter in Schwefelſäure verwandelt, ſehr bedeutend, und deshalb erfand Faraday eine ſehr ſinnreiche Vorrichtung, durch welche die Producte der Verbrennung mittels einer Röhre hinweggeführt werden. .) Nach einer von Hrn. Tourdes angeſtellten Analyie ves Steinkohlen⸗ gajes, das zu Straßburg den Tod von + Perſonen veranlaßt hatte, beſtand tasjelbe aus 31 Th. Waſſerſtoffgas, 22,5 leichtem Koblenwaſſerſtoffgas, 21 Kohleuſtofforydgas, 14 Stickgas und 6 slmachendem Gas nebſt etwas Kohlen⸗ ſaure. 162. VIII. 8. 124 durch Vermiſchung mit leichtem Steinkohlengas die Luft ſehr bald in Knallgas verwandelt. Nach dem Geſetze der Zer— ſtreuung der Gaſe haben dieſelben, ungeachtet der großen Ver- ſchiedenheit ihres ſpecifiſchen Gewichtes, eine ſtarke Neigung ſich in den verſchiedenſten Verhältnißtheilen mit einander zu vermiſchen. Dies ergiebt ſich in Betreff des Steinkohlengaſes daraus, daß deſſen Geruch in jedem Theile des Zimmers gleich bemerkbar iſt. Der genaue Verhältnißtheil der zur Erzeugung einer möglich ſtarken Exploſion erforderlichen atmoſphäriſchen Luft iſt nicht genau ermittelt worden. Gewöhnlich bezieht man ſich auf die Experimente des Sir H. Davy mit leichtem Kohlenwaſſerſtoffgas; allein da dieſer Beſtandtheil im Stein— kohlengaſe in jo verſchiedener Quantität vorkommt und letz⸗ teres noch andere brennbare Gaſe und Dämpfe enthält, ſo laſſen ſich die Erfahrungen jenes ausgezeichneten Chemikers offenbar auf Miſchungen von Steinkohlengas und atmoſphäri— ſcher Luft nicht ſtreng anwenden. Indes kommen ſie wohl für alle praktiſche Zwecke der Wahrheit nahe genug. Wenn das Gas in zu ſtarker oder zu geringer Proportion vorhan— den iſt, fo findet keine Exploſion Statt. Sir H. Davy fand, daß, wenn ein Volumtheil Gas mit 1, 2 oder 3 Vo— lumtheilen atmoſphäriſcher Luft innig vermiſcht worden, die Miſchung nicht explodirte, ſondern nur verbrannte oder ſich verzehrte. Bildete das Gas ¼15 — ¼0 der Miſchung mit atmoſphäriſcher Luft, ſo explodirte jene nicht, aber eine Licht⸗ flamme brannte darin heller. Explodirendes Gas entſteht, wenn das Gas ½ — ½¼4 der Miſchung bildet und die hef— tigſte Erplofion erfolgte, wenn 1 Volumtheil Gas mit 7 oder 8 Volumtheilen atmoſphäriſcher Luft vermiſcht war. Das von Hrn. Tourdes unterſuchte Steinkohlengas mußte man, um es exploſionsfähig zu machen, mit 11 Volumtheilen atmoſphäriſcher Luft vermengen. Bedingungen, welche die Erxploſionskraft modificiren. Sinſichtlich der Exploſionskraft hängt viel von der vollſtändigen Miſchung der Gaſe ab, und dieſe rich— tet ſich wieder nach der Zeit, während deren dieſelben mit einander in Berührung geweſen ſind. Ich habe ohne Gefahr eine Miſchung von 50 Cubikzoll Sauerſtoffgas und ölmachen— dem Gas in einem gläſernen Gefäße angebrannt, wenn die Miſchung erſt vor wenigen Minuten bereitet worden war; allein bei einem Verſuche, der angeſtellt wurde, nachdem die Gaſe mehrere Stunden gemiſcht geweſen waren, ward ein großes 100 Cubikzoll haltendes gläſernes Gefäß, als man der Mündung eine brennende Kerze näherte, zu Staub zer— ſchmettert. Die größte Scherbe, die ſich auffinden ließ, hatte nicht über / Zoll im Durchmeſſer. Die Erploſionskraft des durch eine mehrere Stunden anhaltende Deſtillation gewonnenen Steinkohlengaſes wird we— gen des darin enthaltenen freien Waſſerſtoffgaſes um vieles bedeutender. Im Gaſe, welches nach 10 Stunden geſammelt wird, beläuft ſich der Verhältnißtheil des Waſſerſtoffgaſes nach Mitſcherlich auf nicht weniger als 60 Proc. Die ge— fährliche Exploſionseigenſchaft dieſer Art von Steinkohlengas, welche man meiſt zu aeroſtatiſchen Zwecken anwendet, läßt fi) aus Davy's Angabe entnehmen, daß 50 Cubikzoll 125 Steinkohlengas von der größten Exploſionskraft (d. b. 8 Vo⸗ lumtheile atmoſphäriſche Luft auf 1 Volumtheil Gas) keinen ſo lauten Knall verurſachten, als 5 Cubikzoll einer Miſchung von 2 Th. atmoſphäriſcher Luft und 1 Th. Waſſerſtoffgas. Auch entdeckte Davy, daß die Anweſenheit von Kohlenſäure und Stickſtoff in einer Miſchung von leichtem Kohlenwaſſerſtoff— gas und atmoſphäriſcher Luft die Kraft der Erplofion verminderte. Bei denjenigen Miſchungen, wie ſie ſich zufällig in Häuſern bilden, dürfte dieſe Verminderung jedoch in einem nur ſehr geringen Grade eintreten. Grad der Temperatur, welcher zum Explo— diren erforderlich iſt. Sir H. Davy fand, daß ein im höchſten Grade der Rothglühhitze befindlicher eiſerner Stab erplodirende Miſchungen von ſchlagenden Wettern aus Koh— lengruben und atmoſphäriſcher Luft nicht zum Verpuffen brachte, während eine Flamme dies ſogleich bewirkte. Was das verkäufliche Steinkohlengas betrifft, ſo habe ich mich durch wiederholte Verſuche davon überzeugt, daß es ſich durch glimmendes Papier, welches mit Salpeter geſättigt iſt, nicht zum Explodiren bringen läßt, während dies durch ein roth— glühendes Schüreiſen ſogleich der Fall iſt ). Dieſer Unter— ſchied rührt wohl von der Anweſenheit von Waſſerſtoffgas, ölmachendem Gas und Naphtha- und Kohlenſtoffbiſulphuret— dämpfen her, welche ſämmtlich ſchon bei einem Hitzgrad in Brand gerathen, welcher die Entzündung einer Miſchung von Gas der ſchlagenden Wetter mit atmoſphäriſcher Luft nicht bewirken könnte. Urſache der Exploſion. Die Urſache der Explo— ſion iſt die plötzliche Erſchütterung der Luft. Wenn irgend eine dieſer Miſchungen mit Hülfe des elektriſchen Funkens im Recipienten einer Luftpumpe entzündet wird und das Glas irgend ſtark iſt, ſo zuckt eine helle Flamme durch das ganze Gefäß; allein man hört keinen Knall oder doch nur einen ganz ſchwachen Ton. Den Chemikern iſt bekannt, daß Waf- ſer und Kohlenſäure die Hauptproducte einer ſolchen Ver— brennung ſind. Der Kohlenſtoff und der Waſſerſtoff des Gaſes und die entzündlichen Dämpfe verbinden ſich plötzlich mit dem Sauerſtoff der atmoſphäriſchen Luft und zugleich wird das Stickgas frei. Durch die plötzliche Ausdehnung der Miſchung während dieſes chemiſchen Proceſſes entſteht die durch den Knall bekundete furchtbare Erſchütterung der Luft“). Wenn man z. B. eine mit Knallgas gefüllte, in der Luft ſchwebende Seifenblaſe zum Explodiren bringt, ſo wird durch die Ausdehnung des Gaſes eine Kerze in ziemlicher Entfer— nung ausgelöſcht. Läßt man die Miſchung in einer locker zugeſtöpſelten Flaſche verpuffen (ein gefährliches Experiment), *) Dieſer Verſuch dient auch zum Darthun der außerordentlichen Leichtig⸗ keit des Steinkohlengaſes, beſonders wenn dasſelbe eine Zeit lang geſtanden hat. Man muß ven Glascylinder, in welchem ſich dasſelbe befindek, mit nach unten gerichteter Mündung öffnen und ein glimmendes Stück Salpeterpapier allmälig in denſelben in die Höhe bewegen. Der dicke Rauch verhält ſich dann ana unten im Cylinder, während das leichte Gas die hoͤhern Theile desſel⸗ en füllt. **) Dieſes Experiment läßt ſich ohne Gefahr ausführen, indem man aus einer Blaſe 50—100 Cubitzoll der erplodixenden Miſchung in ein weites Becken mit Seifenwaſſer drückt. Das Becken muß aber bis an den Rand mit Flüſſig⸗ keit gefüllt ſein, weil eder über dieſer befindliche Theil desſelben abgeſprengt werden und jo ein Ungluck veranlaſſen kann. 162. VII. 8. 126 fo. fliegt der Stöpſel immer heraus ). Dieſe geräuſchloſe (2) Ausdehnung der Gaſe während ihrer Verbindung läßt ſich in zu dieſem Zwecke graduirten Glasröhren leicht mit anſehen und meſſen. Verſuche über den Grad der Ausdehnung während der Exploſion laſſen ſich nur im Kleinen ausführen und man hat gefunden, daß im Augenblick der ſtärkſten Ausdehnung das Volumen verdreifacht iſt. Übrigens unterliegt es keinem Zweifel, daß die Ausdehnung verhältnißmäßig weit bedeuten— der iſt, wenn ein großes Volumen Knallgas explodirt. Der neuliche Unglücksfall. Das Zimmer, in welchem ſich das Unglück ereignete, hatte einen räumlichen Inhalt von 1,620 Cubikfuß. Wenn das Steinkohlengas ganz aus leichtem Kohlenwaſſerſtoffgas beſtände, jo würde die Quantität, welche dazu gehörte, um dieſer Luftquantität die größtmögliche Exploſionskraft zu ertheilen, 100 —200 Cubikfuß betragen. Bei der zuſammengeſetzten Natur des Steinkohlen— gaſes läßt ſich aber unmöglich beſtimmen, wie viele Cubikfuß davon entwichen ſein müſſen, damit die Luft in einem ſolchen Zimmer explodirbar werde. Wäre das Zimmer kleiner ge⸗ weſen oder nur ein Theil der in demſelben befindlichen Luft in Knallgas zu verwandeln, ſo würde natürlich ſchon durch das Entweichen einer geringern Gasquantität jenes Nefultat erreicht worden fein. Enthielt das Steinkohlengas viel Waſ— ſerſtoffgas, ſo war die erforderliche Quantität, welche während der Nacht, wo der hydroſtatiſche Druck gewöhnlich fortwirkt, entwich, ebenfalls um vieles geringer, da die Miſchung von Waſſerſtoffgas und atmoſphäriſcher Luft eine zehn Mal ſtärkere Exploſionskraft beſitzt als die vom gewöhnlichen Steinkohlen— gas und atmoſphäriſcher Luft. Wie das Gas in das Zim— mer entwichen ſei, kann hier ganz ununterſucht bleiben. Die Entzündung eines Volumens von 500 — 1000 Cubikfuß einer Miſchung dieſer Art erklärt die bei dieſer Gelegenheit angerichteten Zerſtörungen vollkommen. Wer die Verpuffung von 100 Cubikzoll Knallgas mit angeſehen hat, wird dem durchaus beipflichten. Anzeigen von dem Vorhandenſein ſolcher gefährlichen Miſchung een. Der Geruch des Steinkoh— lengaſes zeigt deſſen Anweſenheit zum Glück ſehr deutlich an, und man bemerkt an dieſem Kennzeichen dieſelbe viel früher als die Luft explodirbar wird; denn der Geruch iſt ſchon ſehr auffallend, wenn das Gas nur ¼50 der Miſchung bildet und wird ſogar wahrgenommen, wenn der Verhältnißtheil des Gaſes 00 iſt. Erreicht der Verhältnißtheil des Gaſes den Betrag, bei welchem die Luft erplodirbar wird, fo riecht man es ſo ſtark, daß die Warnung vor Gefahr ſehr nachdrücklich iſt. Wenn man irgend Geruch bemerkt, ſo ſind die Gasröh— ren nicht luftdicht und wenn die Nacht über der hydroſtati— ſche Druck zu wirken fortfährt, während das Gas nicht zur Beleuchtung benutzt wird, ſo kann viel Gas ausſtrömen. Man darf nicht überſehen, daß das Steinkohlengas, auch wenn es in geringerer Menge vorhanden iſt als zur Bildung einer explodirbaren Miſchung gehört, als ein Gift wirkt, in fo *) Bei chemiſchen Vorleſungen können dergleichen Unfälle leicht vorkom⸗ men. Mir iſt ein Fall bekannt, in welchem ein Stöpſel ſammt einer Glas- röhre durch die Erploſton nur weniger Cubikzoll Knallgas, das ſich in einer Glasflaſche befand, 15 Fuß hoch geſchleudert wurde. 127 fern es mehrere Stunden lang eingeathmet wird. Man kennt bis jetzt 6 Sterbefälle, welche dadurch veranlaßt wurden, daß Leute in Gemächern ſchliefen, in welche Leuchtgas entwich. Hr. Tourdes fand, daß eine Atmoſphäre, welche 0, ja nur 150 Steinkohlengas enthielt, Thiere bedeutend afficirte. Denen, welche ſich des Gaſes zur Beleuchtung bedienen, kann man nicht zu nachdrücklich bemerklich machen, daß, ſobald ſie irgend einen Geruch wahrnehmen, die lecke Stelle augenblicklich geſucht und verſtopft werden muß. Wenn auch nur ſehr wenig Gas entweicht, ſo kann doch das Leben von Perſonen, welche in der Nähe des Leckes ſchlafen, gefährdet ſein und wenn viel davon ausſtreicht, jo entſteht die Gefahr einer Erplofion. Verhinderung der Unglücksfälle. Durch Beob— achtung einiger einfachen Regeln kann jedem Unglücke wirkſam vorgebeugt werden: 1) es müſſen zwei genau ſchließende Hähne, einer an dem Hauptſpeiſerohre, der andere an dem Brenner angebracht ſein; 2) man darf, ſobald das Gas ab— geſchlagen iſt, keinen Geruch danach im Zimmer verſpüren. Iſt dieſes verſchloſſen, ſo wird das geringſte Entweichen des Gaſes ſich bald bemerklich machen und dann muß man au— genblicklich darzuthun, daß der Übelſtand abgeſtellt werde. Das Gas entweicht übrigens durch die winzigſten Ritzen; 3) man hat der Luft durch Offnen der Thüren freien Zutritt zu ge— ſtatten, oder ein Fenſter theilweiſe offen zu halten, während ein im Laden angebrachtes Loch die Communication mit der äußern Luft geſtattet. Daß ein Zimmer, in welchem Gas gebrannt hat, gehörig gelüftet werde, iſt unter allen Umſtänden rath— ſam, indem dadurch die durch den Verbrennungsproceß ver— derbte Luft beſeitigt wird. Sollte eine Röhre oder ein Bren— ner Gas entweichen laſſen, ſo kann ſich, wenn beſtändig fri— ſche Luft von außen in das Zimmer einſtreicht, doch keine erplodirende Miſchung bilden. Fände man es unbequem, die Lüftung durch Thüren und Fenſter zu bewirken, ſo ließe ſich in der Nähe der Decke eine Offnung im Schornſtein mit einer Klappe anbringen, welche man aufziehen würde, ſowie man die Gashähne ſchlöſſe, ſo daß ſich durchaus keine ge— fährliche Anhäufung von Gas im Zimmer bilden könnte, wenn auch eine Röhre leck wäre, da das leichte Gas großen— theils durch den Schlot entweichen würde; 4) wenn in oder bei einem mit Gas erleuchteten Zimmer Geruch bemerkt würde, ſo thäte man ſtets wohl, alle Lichter auszulöſchen und durch das Offnen von Thüren und Fenſtern erſt gründlich zu lüf— ten, bevor man ſich mit einem brennenden Lichte in die Nähe der Gasröhre wagte. Aus obigem ergiebt ſich alſo, daß das Hauptſicherungs— mittel in der gehörigen Lüftung der mit Gas beleuchteten 162. VIII. 8. 128 Zimmer beſteht. Wenn ſolches in einem kleinen Zimmer durch einen Ritz in dem Apparate entweicht und Thüren und Fenſter nur wenige Stunden hinter einander feſt verſchloſſen bleiben, ſo bildet ſich natürlich Knallgas, welches, wenn man mit einem brennenden Lichte in das Zimmer tritt, explodirt und furchtbare Zerſtörungen anrichten kann. Man hat dann ein ſchlagendes Wetter im Kleinen; doch während der Berg— mann das Ausſtrömen der mephitiſchen Luft aus den Kohlen— flötzen nicht verhindern und zugleich keine hinreichend wirk— ſame Lüftung bewerkſtelligen kann, hat es der, welcher Gas brennt, in ſeiner Gewalt, beide Bedingungen der Sicherheit zu erfüllen. Was die Kaufläden betrifft, ſo iſt in dieſen der Luftwechſel faſt durchgehends ſo bedeutend, daß eine Exploſion nicht zu befürchten ſteht. Dr. Arnott, welcher ein Gutachten über die Urſache des in Albany Street Statt gefundenen Unglücksfalles abzu— geben hatte, ſtimmt in ſeiner Anſicht mit mir vollkommen überein. (London med. Gaz., Aug. 1846.) Miſeceellen. (14) Verlängerung der Harnröhre als Grund der ungenügenden Wirkung des weiblichen Katheters führt Hr. Fairbrother in the Lancet an. Eine Frau von 30 Jahren kam mit heftigem Reizfieber in ſeine Behandlung. Er fand eine bis zum Nabel in die Hohe reichende fluctuirende harte Geſchwulſt; mit dem weiblichen Katheter waren aber ſchon 2 Tage zuvor nur we⸗ nige Tropfen Urin abgefloſſen. Bei dem erſten Beſuche des Verf. floß durch dasſelbe Inſtrument gar kein Urin, und doch ließen die Symptome nur eine Harnverhaltung annehmen. Verf, erklärte fi) die Sache dadurch, daß er annahm, die Harnröhre ſei durch in die Höhe ſteigen der überfüllten Blaſe nach oben gezogen und dadurch verlängert, ſo daß der weibliche Katheter nicht bis in die Blaſe reiche. Er nahm einen gewöhnlichen Kautſchukkatheter von 10 Zoll Länge und entleerte ohne weitere Schwierigkeit die über⸗ füllte Blaſe vollſtändig. \ (15) Arzneihaltige Peſſarien hat nach dem Monthly Journal of Med. June 1848 Hr. Simpſon in Edinburgh bei localen Affectionen der Scheidenſchleimhaut und des Mutterhalſes vielfältig angewendet, und legt dabei außer der pharmacentiſchen Wirkung auch noch beſonderen Werth auf das mechaniſche Aus- einanderhalten der einander gegenüber liegenden Schleimhautflächen. Die Arzneiſubſtanzen wurden in Salbenform mit dem vierfachen Gewicht Wachs gemiſcht und zu wallnußgroßen Peſſarien geformt (1 Peſ⸗ ſarium zu 2 Drachmen). So wendete er Zink-, Blei-, Queckſilber⸗, Bleijodid⸗, Tannin-, Alaun- und Belladonnapeſſarien an. Die Formel für die Alaunpeſſarien z. B. iſt folgende: B Aluminis 31 Pulv. Catechu Zi Cerae flavae Zi Axung. 3 vi. M. div. in part. quatuor fiant Pessaria. — . Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Rules. The british Desmidieae. The drawings by Edw. Jenner. 80. pp. 248. With 35 coloured plates. London 1848. (36 Sh.) Transactions of the d society. Vol. 3. Part. 4. With 3 plates. 80. London 1848. (2 sh. 6 d.) 5 F. W. Sargent. On Bandaging and other Operations of minor Surgery. Post 8°. pp. 416. London 1848. (9 sh.) Roy. * C. West. Lectures on the diseases of infancy And childhood. 80. pp. 512. London 1848. (14 sh.) C. Wilson. Observations on Gout and Rheumatism, their nature, cure and revention; including an account of a speady, safe and eflectnal Remedy vr 8 150 diseases. With numerous cases. 12%. pp. 214. London 1848. (5 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 163. (Nr. 9. des VIII. Bandes.) November 1848. Naturkunde. Quetelet, über die Verhältniſſe des menſchlichen Körpers. — Miſcelle. Regenmenge engliſcher Gebirgsgegenden. — Heilkunde. Canton, über die Juterſtitialabſorption des Schenkelbeinhalſes in Folge von Quetſchung der Hüfte. — Miſeellen. France, Augenkatarrh von Ver⸗ ſtopfung. Herapath, Operation varicöfer Hautvenengeſchwülſte. — Bibliographie. Naturkunde. XXII. Über die Verhältniſſe des menſchlichen Körpers. Von A. Quetelet. Der Verf. beklagt ſich im Eingange dieſer Abhandlung, die wir der No. 6 und 7 des Bulletin de l’Academie ro- yale des sciences etc. de Belgique von 1848 entnehmen, über die gänzliche Vernachläſſigung der Verhältniſſe des menſchlichen Körpers zu einander. Während man die fei— nere Anatomie bis in die kleinſten Details verfolgte, ſuchte erſt in neuſter Zeit die Oſteologie die erwähnte Lücke aus— zufüllen; die Naturgeſchichte wie die Ethnographie ſchweigen über dieſen für die Kenntniß des menſchlichen Körpers To wichtigen Punkt noch gänzlich. Will man zunächſt wiſſen, ob und worin die Verhältniſſe des menſchlichen Körpers in der Vorzeit und der jetzigen Zeit verſchieden waren, ſo muß man ſich an die ältern Kunſtwerke halten; die Künſtler und namentlich die Bildhauer fühlten ſchon früher das Bedürfniß, den menſchlichen Körper genau zu kennen, ſie begnügten ſich nicht, denſelben möglichſt na— turgetreu abzubilden, mehrere von ihnen ſchrieben vielmehr vortreffliche Werke, in denen ſie Meſſungen der verſchiedenen Theile des Körpers mittheilen. Leider wiſſen wir meiſtens nicht, wie dieſe Zahlen erhalten wurden; ob ſie nach einer mehr oder weniger ſchwankenden Annahme der Schönheit oder durch directe Beobachtung an Lebenden gewonnen wor— den ſind. Der Verf. iſt durch ein langes Studium des menſch— lichen Körpers zu dem, wie er glaubt nicht unwichtigen Re— ſultat gekommen, daß bei der europäiſchen Raſſe die Ver— No. 2143. — 1043. — 163 hältniſſe der Theile des Körpers zu einander conſtant find; dieſe Beobachtung bildet die Grundlage für die Entwicklung dieſes Zweiges der Wiſſenſchaft. Die Menſchen als Individuen betrachtet, ſind allerdings unter ſich ſo verſchieden, daß es faſt fruchtlos ſcheinen möchte, unter ihnen ein Modell ihres Normalzuſtandes heraus zu finden und doch iſt ein ſolches Modell, ein ſolcher Nor: maltypus vorhanden und braucht man, um dasſelbe zu fin— den, nicht gar vieler Individuen; eine genaue Unterſuchung einzelner Menſchen genügt, um die Eigenthümlichkeiten, welche fie charafterifiren und von andern unterſcheiden, aufzudecken; ja der menſchliche Körper iſt vielleicht in ſeinen Formen und Verhältniſſen viel beſtimmter als irgend eine Schöpfung der Natur. Die Künſtler, welche über die Verhältniſſe des menfch- lichen Körpers ſchrieben, Léon Baptiſte Alberti und Albrecht Dürer begnügten ſich Individuen, die fie für ſchön hielten, zu beſchreiben; ſie ſuchten nach keinem von wiſſen⸗ ſchaftlichen Prineipien getragenen Typus, ſprachen ſich auch nicht über die Methode, nach welcher ſie die Meſſungen aus— führten, aus. Der Verf. verglich deshalb ſeine Beſtimmun— gen mit denen anderer; ſeine Reſultate waren die folgenden. Der Verf. maß 30 Männer chommes) im Alter von 20 Jahren; er theilte ſie nach ihrer mittleren Größe in 3 Gruppen, jede zu 10 Individuen und konnte ſo die Ver⸗ hältnißzahlen ohne Reduction benutzen. Die mittlere Größe war darnach für alle 3 Gruppen dieſelbe und zum großen Erſtaunen des Verf. waren auch die 3 mittleren Individuen, welche gewiſſermaßen die 3 Gruppen repräſentirten, nicht allein in der Höhe, ſondern auch im Verhältniß aller ihrer Kör— pertheile durchaus gleich, ja dieſe EN ging fo 131 weit, daß die Meſſungsverſchiedenheiten eines und desſelben drei Mal hinter einander gemeſſenen Menſchen größer waren als die Differenzen der genannten drei zu einander, Eine Meſſung mit 3 anderen Gruppen von 25 Jahren ergab dasſelbe Reſultat, die beigegebene Tabelle zeigt dieſe große Übereinſtimmung für drei Lebensperioden, von 18 bis 20 Jahren, von 20 bis 25 Jahren und von 25 bis 30 Jahren; man ſieht daraus, daß dieſe Verhältniſſe auf die— ſelbe Einheit, die Totalhöhe des Individuums zurückgeführt, faſt durchweg dieſelben ſind. Um nun zu ſehen, wie die von ihm gewonnenen Verhältnißzahlen mit den Angaben der Künſtler harmonir— ten, ſah ſich der Verf. zunächſt nach den griechiſchen Kunſt⸗ werken um und wählte Claude Audrans Werk: les pro- portions du corps humain mesurées sur les plus belles sta- tues de Pantiquité. Paris 1683 zum Führer. Die dort an— gegebenen Zahlen ſcheinen dem Verf. aber keinesweges ge— nau zu ſein; ſchon die Höhe der Statuen des Apollo und Antinous, welche er ſelbſt nach zwei Copien im königli⸗ chen Muſeum zu Brüſſel nachmeſſen konnte, wich von der durch Audran für dieſelben Statuen gegebene Höhe mehr ab, wie die 3 Gruppen lebender Menſchen unter ſich in der Höhe variirten. Dieſe Abweichungen können nun wie der Verf. glaubt, verſchiedene Urſachen haben: erſtens ſind die Punkte, zwiſchen denen das Maß genommen ward, meiſtens ſchlecht gewählt; die Länge des Beines oder Armes wird ſelten, zumal wenn ſeine Lage eine Thätigkeit ausdrückt, von zwei verſchiedenen Beobachtern, ja von demſelben Beob— achter bei zweimaliger Meſſung dieſelbe ſein. Zweitens konnte man nur ſelten das Original ſelbſt vermeſſen und mußte ſich mit mehr oder minder guten Copien begnügen. Daß Audrans Angaben indes nicht überall richtig find, beweiſen feine Meſſungen von Antinous und Apollo; dort ſind die Augen, der Mund und die Entfernung der Naſenlöcher von einander viel zu klein, auch die Entfernung der Brüſte iſt bei beiden Statuen geringer, wie nach der Meſſung des Verf.; im letzteren Falle, wo ein genauer Grenzpunkt kaum vorhanden, iſt eine Meſſungsverſchiedenheit wohl zu erklären; dasſelbe gilt für die Entfernung der Hüf⸗ ten von einander, Audran maß letztere von der Leiſtengegend (pli de Paine), der Verf. maß fie mehr auswärts, vom os ili; Audran beſtimmte die Entfernung der Hüfte zum Knie von der Hüftbeuge, ab, während der Verf. vom Kamme des ilium ausging. Ahnliche Differenzen finden ſich zwiſchen Audrans Meſſungen und den Beſtimmungen von Scha— dow für die mediceiſche Venus. Die Meſſungen einiger modernen griechiſchen Statuen ſtimmen dagegen mit des Verf. Meſſungen an lebenden Menſchen viel beſſer überein. Die zwiſchen den jetzigen Belgiern und den alten Grie— chen vorkommenden Abweichungen ſcheinen demnach auf Meſ— 163. VIII. 9. 132 ſungsfehlern zu beruhen, nur einige, z. B. die Verhältniſſe des Kopfes möchten dagegen wirklich etwas abweichen: ſo ſcheint der Raum zwiſchen Mund und Naſe beim jetzigen Belgier etwas größer wie bei dem Griechen des Alterthumes zu ſein, wogegen die Entfernung vom Scheitel bis zu der unterhalb der Naſe angenommenen Horizontallinie bei beiden dieſelbe iſt. Auch die Entfernung der Naſe am Orbitalrande iſt viel größer als nach Audrans Angaben; ſie ſcheint indes von einem etwas unter dem Augenhöhlenrande gelegenen Punkte gemeſſen zu ſein. Die Entfernung des Scheitels von der Stelle, wo das Kopfhaar anfängt, iſt überhaupt unſicher und bei der Statue des Antinous, deſſen Haar die ganze Stirn bedeckt, zumal nicht zu beſtimmen. Auch die Höhe des Rumpfes konnte nicht genau über— einſtimmen: der Verf. ging von der über dem Bruſtbeine gelegenen Vertiefung, Audrans Ausgangspunkt lag etwas tiefer. Die ſchönen Verhältuiſſe der Bruſt, die wir an den antiken Bildſäulen bewundern, finden in den körperlichen Übungen der Alten und in der freien durch enge Kleidun— gen nicht beſchränkten Muskelentwickelung ihre Erklärung; unſere engen Kleider und unſere Lebensweiſe allein verhin— dern ihre normale Ausbildung. Die Hand und der Fuß der alten Griechen und der jetzigen Belgier ſind wenig verſchieden; bei den erſteren ſind ſie ein wenig kleiner; bei beiden jedoch viel größer als ſie nach den Angaben der Künſtlerſchulen ſein ſollen. Man nimmt hier gewöhnlich für Kopf und Fuß gleiche Länge an; nun mißt der Kopf des Belgiers aber 0,135, der Fuß 0,154; der Kopf der griechiſchen Statuen 0,130, ihr Fuß 0,149; die Differenz zwiſchen Kopf und Fuß iſt darnach bei beiden genau dieſelbe, 0,019 und merkwürdiger Weiſe der Ausdruck für die innere Entfernung der Augen von einander. Der Menſch unſerer Klimate unterſcheidet ſich demnach im Körperbau nicht weſentlich von dem Menſchen, der den griechiſchen Statuen zum Vorbilde diente. Die zarte Schön— heit der Züge, der Geſichtsausdruck, wie die Eleganz der Formen könnten nicht dieſelben ſein, wenn die Verhältniſſe verſchieden waren; der Menſchentypus unſerer Klimate iſt ſomit dem Typus, welcher den griechiſchen Antiken zum Grunde liegt, identiſch. Dieſe genaue Übereinſtimmung macht es außerdem wahr— ſcheinlich, daß die griechiſchen Künſtler ſich nicht, wie es gegen— wärtig nur zu oft geſchieht, auf ihr Augenmaß verließen, daß ſie vielmehr genaue Meſſungen der einzelnen Theile anſtellten und ſich überhaupt möglichſt genau an die Natur hielten. Auch ſcheint es als wenn ſie gewiſſe Normalbeſtimmungen für die Verhältniſſe des menſchlichen Körpers beſaßen und ſich nach dieſen richteten. 133 163. VIII. 9. 134 Tabelle über die Verhältniſſe der weſentlichen Theile des menſchlichen Körpers. Nach W in Bel⸗ gien lebenden Menſchen. Theile des Körpers. SIT BL UM usa v cz 81903 NO usage ot 9g dn | 1,000 | Totalhöhe . 1,000 1,000 Dom Scheitel bis zum Anfang der Haare 0,024 | 0,025 | 0,023 7 5 bis zum Orbitalrande 0,059 0,057 0,058 1 3 bis zur Baſis der Nafe . 0,097 0,094 | 0,096 * 75 bis zum Munde 0,109 | 0,108 | 0,109 bis zum Kinn (Kopf. 0,136 0,133 0,136 Vom Kinn bis zu den Schlüſſelbeinen (Hals) 0,037 0,039 | 0,034 Von den Schlüſſelbeinen bis zum Babes 0,098 | 0,108 | 0,109 Vom Bruftbein bis zum Nabel 0,128 | 0,118 | 0,114 Vom Nabel bis zum Schambein . 0,094 | 0,092 | 0,097 Vom Schlüſſelbein bis zum Schambein (Rumpf) 0,320 0,320 | 0,320 Von dem Schambein bis zur Mitte d. Knieſcheibeſ 0,222 0,228 0,224 Von der Mitte der patella bis zum Bar 0,226 0,228 0,232 Vom Knöchel bis zur Erde. 0,050 | 0,052 | 0,051 Von dem Schambein bis zur Erden. 0,498 | 0,508 | 0,507 Vom Daum bis zur Knieſcheibe 0,191 | 0,197 | 0,197 Von der Hüfte bis zur palellaa . 0,309 0,300 0,305 Von der Knieſcheibe bis zur Erde (Bein)! 0,276 | 0,280 | 0,283 Von den Schlüſſelbeinen bis zu den Brüften | 0,102 | 0,103 | 0,111 Entfernung beider Vrüſte von einander 0,114 | 0,114 | 0,119 Innere Entfernung der Augen von einander | 0,020 | 0,020 | 0,021 Außere Entfernung der Augen von einander | 0,056 | 0,054 | 0,057 Außere e e Swen gen einander) 0,021 | 0,020 0,022 Mund Ia 0,030 | 0,030 | 0,031 Entfernung von einem acromion zum andern 0,234 | 0,226 | 0,236 Entfernung der Achſelhöhlen von einander 0,176 0,172 0,179 Entfernung der falſchen Nippen von einander - 2 Entfernung der Hüften von einander 0,137 |. 0,139 | 0,140 „Ader beiden Trochanteren von einander | 0,195 | 0,188 | 0,192 Durchmeſſer des Fußes über den Zehen 0,057 0,057 0,057 „ des Armes in der Nähe der Hand 0,057 | 0,037 | 0,057 „ der Hand. » . 1J 0,52 0,053 0,055 Länge des Fußes 0,155 0,152 0,154 Dicke des Halſes vu 0,065 | 0,070 | 0,071 Vom acromion bis zum Ellenbogen! 0,192 | 0,196 | 0,200 Vom Ellenbogen bis zur Serbe w 0,144 | 0,148 0,144 Länge der Hand 0,112 0,111 | 0,115 Die Griechen, fährt der Verf. fort, erlernten die Bild— hauerkunſt von den Agyptern; nach Diodorus von Si— eilien waren es die Statuen des Telekles und der Theodora, welche der griechiſchen Bildhauerkunſt eine bisher nicht ge— kannte Richtung gaben. Die Agypter waren es, die zuerſt nach beſtimmten Normalserhältniſſen arbeiteten; ihre Statuen mochten groß oder klein ſein, das Verhältniß der Körper— theile zu einander blieb immer dasſelbe, und dies Verhält— niß iſt wiederum genau dasjenige, was wir in den griechi— ſchen Bildſäulen wiederfinden. Jomard giebt die Verhältnißzahlen mehrerer ägypti— ſchen Statuen; bringt man ihre Totalhöhe mit der griechi— ſcher Bildſäulen und den vom Verf. gemeſſenen Belgiern Nach alten griecijchen Statuen. —' ä — . UU—hüU—O—½————— TL— S 5 E =» 5 SS Pythiſcher abe. Antinous. 2 “ — 2 S S 2 2 8 8 3 No. 1. No. 2. We No 2 85 855 E * 1,000 | 1,000 | 1,000 | 1,000 | 1,000 | 1,000 | 1,000 | 1,000 1,000 0,032 | 0,029 | 0,033 | 0,033 0,025 | 0,030| 0,024 0,063 0,060 | 0,067 | 0,066 | 0,066 | 0,059 0,064 0 058 0,095 | 0,092 | 0,100 | 0,102 | 0,098 | 0,092 0,096 0 096 0,105 10,101 | = 0,114 0,100 0,105 0,109 0,127 | 0,127 | 0,133 | 0,136 | 0,131 | 0,133 | 0,122 | 0,130| 0,135 5 „0,041 0,0333 0,037 0,037 0,095 0,102) 0,094 0,097 = | 0,100 0,098 0,105 0,111 | 0,121 - | 0,118 | 1,115 | 0,106 | 0,114 |0,114| 0,120 0,085 |0,081 | = 0,096 | 0,097 | 0,100 | 0,106 |0,094| 0,094 0,291 | 0,304 | = „0,308 | 0,309 | - 0,320 0,306 0,320 0,233 | 0,237 0,236 0,230 | - 5 0,234 0,224 0,222 0,240(( 0,2333 a - [0,232] 0,229 0,048 | 0,048 | 0,044 | 0,047 | = 10,050] - 0,048) 0,051 0,503 0,5255 0,510 = 0,513 0,504 0,219 |0,186 | „0,204 - = 0,203 0,195 0,278 | 0,290 | 0,266 | 0,303 | 0,276 | - 0,283 0,305 0,270. | 0,288 | 0,275 | 0,280 | 0,276 0,2788 [0,279 0,280 0,110 | 0,113 | 0,100 | 0,113 | 0,097 | 0,103 | 0,099 0,105 0,105 0,115 | 0,159 | 0,133 | 0,160 | 0,136 | 0,125 | 0,138 0,116 0,016 | 0,019 | 0,014 | 0,021 8 0,016 0,017 0,020 0,048 0,049 | 0,041 0,054 - | 0,046 |0,048| 0,056 0,019 | 0,019 | 0,016 | 0,021 - | 0,018 | 0,019) 0,021 0,024 | 0,024 | 0,022 | 0,028 | - 0,020 |0,024| 0,030 E 0,241 0,238 - - 0,239 0,232 0,192 | 0,192 0,1999 |0,173 | 0,184 0,188 0,176 0,159 | 0,159 | 0,167 | 0,167 | 0,153 | 0,167 | 0,144 0,1590 0,130 | 0,122 | 0,106 | 0,128 | 0,115 | 0,125 | 0,111 |0,120) 0,139 = 10,187 | 0,181 | 0,194 0,175, | 0,167 0,181 0,192 - 10,047 | 0,053 | 0,055 | 0,055 0,058 0,054 0,057 0,035 | 0,038 | „0,039 | 0,035 | 0,033 0,036 0,037 „0,0555 0,046 0,055 0,052 0,053 0,143 0,145 0,144 | 0,149 0,156 0,1555 „0,149 0,154 0,063 | 0,071 | 0,061 | 0,073 | 0,066 | - | 0,059 0,067 0,069 0,198 | 0,196 0,207 | 0193| - 0,198 0,196 0,146 0,156 | 0,146 | 0,162 | 0,133 0,148 0,145 2, AN ner nl Orklenl, = - 0,109| 0,113 auf gleichen Werth zurück, fo iſt der Kopf einer ägyptiſchen Bildſäule 0,132 M., der Fuß 0,160 M.; bei den griechi⸗ ſchen Statuen mißt ver Kopf 0,130 M., der Fuß 0,149 M. Des Verf. Meſſungen gaben für den Kopf 0,135, für den Fuß 0,154 M. Es iſt demnach, wie der Verf. bemerkt, ein großet Irrthum, den noch jetzt einige Künſtler hegen, daß Kopf und Fuß dieſelbe Größe beſitzen ſollen; man muß ſich überhaupt wohl hüten, gewohnheitsmäßig angenommene Schätzungen von natürlichen Verhältniſſen zu unterſcheiden; ſolche Schätzungen ſind häufig ſehr ungenau. So hat Newton, wie Jomard angiebt, die Länge des Fußes mit der Ent- fernung vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers in ein Verhältniß wie 5 zu 9 gebracht, ein Verhältniß, was etwas 9 * 135 zu klein ift, während das gewöhnlich angenommene 2 zu 3 zu groß ausfällt; das genaue Verhältniß entſpricht 4 zu 7; die beiden erſt genannten Verhältnißzahlen können demnach nicht der Natur entnommen ſein. Auch die Größe des Fu⸗ ßes iſt ebenfalls ungenau: für eine Statur von 1,73 M. beträgt die Länge des Fußes, an verſchiedenen Individuen gemeſſen, 0,263 bis 0,265 M., für mittlere Statuen iſt ſie verhältnißmäßig kleiner. Die Länge des ganzen Körpers entſpricht ungefähr dem 6½ fachen der Länge des Fußes; eben fo beträgt die Länge vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers etwa 2/7 der ganzen Länge des Menſchen, nicht aber /, der Fuß nicht ½ dieſer Länge, wie es die ägyptiſchen Bildſäulen zum Theil angegeben. Dieſe Ver— hältniſſe ſind nicht natürlich, ſondern wie es ſcheint, nur der bequemern Eintheilung wegen angenommen. Das natur— gemäße Verhältniß zwiſchen Fuß, Ellenbogenlänge (coudee) und dem ganzen Körper iſt 4, 7 und 26, das Verhältniß nach dem Syſteme der alten Agypter 4, 6, 24. Nach Jomards Meſſungen beträgt die Entfernung vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers beim Men— ſchen unſerer Klimate, deren Totallänge zu 1,73 M. ange⸗ nommen, 0,464 M., die Länge des Fußes 0,263 bis 0,265 M.; die angenommene Totallänge als Einheit angenommen, giebt 0,257 und 0,152 bis 0,153 M.; des Verf. Meſſungen gaben 0,257 und 0,154 M., Zahlen, die faſt genau dieſel— ben ſind. Der Verf. verfuchte Jomards Angaben für die Statuen des Oſymandias und eines in derſelben Gruppe befindlichen Rie— ſen mit den Meſſungen an belgiſchen und griechiſchen Modellen zu vergleichen, nur wenige Zahlen erlaubten indes einen ſolchen Vergleich. @ & Nach dem 22 83 Normaltypus i örpers. ee a ee Theile des Körpers == | 38 i Bein Gre > 2 gien. ſchenland M. Statue des Oſymandias ) 1,847 | 0,000 | 1,000 | 1,000 Höhe des Kopfes | 0,247 | 0,134 | 0,135 | 0,130 Vom Arm bis zum Ellenbogen . | 0,280 | 0,151 | 0,143 972 Durchmeſſer des Fußes über den Zehen 0,110 | 0,059 | 0,057 | 0,054 Der umgeftürzte Rieſe .. 1,850 | 1,000 | 1,000 | 1,000 Länge des Auges AUT 0,029 | 0,016 | 0,018 | 0,016 „ des Ohres 0,054 | 0,029 | 0,037 „, „ des Mundes 0,049 | 0,027 0,030 0,024 | Die von Audran als Normalverhältniſſe für ägyptiſche Kunſt⸗ werke angegebenen Zahlen verhalten ſich zu den Meſſungen des Verf. an lebenden Belgiern, wie zu den Statuen der Griechen folgendermaßen: „) Die Statue iſt 12 Mal fo hoch, nur von Jo mard auf die angegebene Zahl zurückgeführt worden. 163. VIII. 9. 136 2 2 22 d 8 3 Theile des Körpers. S S |E& S = : . 3 Totalhöhe .. 29 7 1,000 1,000 | 1,000 Rot PER 3 3:44 0,132 | 0,135 | 0,130 Vom Scheitel bis zum Orbitalrande 1 10 | 0,062 | 0,059 | 0,058 Von den Schlüſſelbeinen bis zu den Brünn,. een e u 3 5 [0,115 0,105 | 0,105 Entfernung beider Brüftevon einander 4 0 | 0,135 | 0,116 | 0,138 Vom Scheitel bis zu den Echlüffel- Beinen ch, e . 4 11 | 0,166 | 0,172 | 0,167 Entfernung beider Achfelhöhlen von einander... eu. / eee Eutfernung beider Trochanter . 5 4 0,180 | 0,192 | 0,181 Durchmeſſer des Schenkels, oben 3 3 0100 % s 95 des Schenkels, unten 39 2: 08 5 5 A der Hand . 1 5 | 0,048 | 0,053 | 0,152 „ des Vorderarmes . . 1 1½ 0,038 | 0,037 | 0,036 Vom Nabel bis zur Kniefcheibe . |9 6 | 0,321 | 0,318 | 0,328 Von der Knieſcheibe bis zur Erde | 8 4 | 0,281 | 0,280 | 0,279 Höhe des Knöchelss . .. 1 6 0,051 | 0,051 | 0,048 Von dem Damme bis zur Erde. 14 4 | 0,484 | 0,475 | 0,482 Von der Schulterhöhe bis zur Hand—⸗ wurzel „e e e eee eee Länge des Fußes. 2020. | 4 4 ¼½½ 0,148 | 0,154 | 0,149 Vom Scheitel bis zur Naſenwurzel | 2 10 | 0,099 | 0,096 | 0,096 Durchmeſſer des Fußes über den Zehen] 1 7 | 0,054 | 0,057 | 0,054 Vom Ellenbogen bis zur Handwurzell 4 1 | 0,138 | 0,145 | 0,148 Die große Übereinftimmung aller drei Zahlenreihen tritt auf den erſten Blick hervor und doch iſt es kaum wahr— ſcheinlich, daß die Griechen die ägyptiſchen Normalverhält— niſſe kannten, vielmehr viel wahrſcheinlicher, daß die Künſt— ler beider Länder ein natürliches genau gemeſſenes Modell zur Richtſchnur nahmen. Aus dieſer letzteren Annahme würde wiederum eine vollkommene Gleichheit in den Ver— hältniſſen der Körpertheile ſowohl für die Griechen und Agypter als für die Bewohner unſerer Gegenden folgen. Nur die Bruſt iſt bei den alten Statuen vollkommener ent— wickelt; unſere Kleidung und Lebensweiſe allein trägt, wie ſchon erwähnt, die Schuld ihrer geringeren Ausbildung. Die Bildhauerkunſt war bei den Römern nicht eigent— lich national, ſie ſetzten die griechiſche Kunſt gewiſſermaßen nur weiter fort, ließen häufig ſogar durch griechiſche Künſt— ler arbeiten. Aus dieſem Grunde zählt der Verf. die Sta— tue des Antinous, die aus den Zeiten Hadrians zu ſtammen ſcheint, — unter die griechiſchen Kunſtwerke. Kann man nun auch die römiſche Schule nicht als eine durchaus ſelb— ſtändige betrachten, ſo hält der Verf. es doch nicht für über— flüſſig, das, was Vitrus in feinen Werken über Architeetur von den Verhältniſſen des menſchlichen Körpers ſagt, zu be— rückſichtigen. Vitruss Angaben ſcheinen dem Verf. nur approrimativ zu fein, einige Meſſungen find ſogar unrichtig. Die von Vitrus gegebenen Verhältniſſe harmoniren mit des Verfaſſers Meſſungen an lebenden Belgiern folgender— maßen: 137 Verhältniſſe des Körpers. Theile des Körpers. G 5 v Nach Vitruv. Belgier. Länge des Geſichts, vom Kinn bis zum Ende der Stirn. 70 | 0,100 | 0,111 Länge der Hand 70 0,10 0,111 „des Kopfes, vom Kinn bis zum Scheitel | / 0,120,135 Vom erſten ſichtbaren Wirbel bis zum Scheitel| / | 0,125 | 0,139 Von der Höhe der Bruſt bis zum Anfang des Kopfha ares Us 0,167 | 0,148 Von der Mitte der Bruſt bis zum Schei: tel des Kopfes.. 7 0,250 0,172 Vom Grunde des Kinnes bis zur Naſe. %% | 0,033 0,039 Von der Naſenwurzel bis zu den Augenbrauen | / | 0,033 | 0,038 Von der Mitte der Augenbrauen bis zum Anfange der Haare G 50 | 0,033 | 0,034 Länge des Fußes Y 0,67 | 0,154 Vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingerrrt s. ½% 0,250 0,257 eee eee enen 7 0,250 — Vom Nabel bis zu den Extremitäten . 5½ 0,500 — Die Hauptfehler liegen hier in den beiden letzten An— gaben; die gewölbte Bruſt macht nicht /, ſondern nur etwa 7 des ganzen Körpers aus; auch bildet der Nabel, wie ſchon Varro bemerkt, nicht den natürlichen Mittelpunkt des Körpers. Für die Kunſtwerke der aſiatiſchen Völkerſchaften haben wir nur wenig genaue Proportionalbeſtimmungen; Scha= dow gedenkt jedoch in ſeinem Polyklet eines alten, in der Sanſerit-Sprache geſchriebenen Buches, Silpi sastri, zu deutſch, ſchöne Künſte, betitelt, aus dem er verſchiedene Angaben entlehnte. Der Verf. vergleicht die von Schadow entlehn- ten Verhältnißzahlen in folgender Tabelle mit ſeinen Bel— giern und Griechen. Zahlen Zahlen Theile des Körpers. auf gleichen] .- 7 9 ’ Original- Wekth zu⸗ In: hie Hi die ruͤckgeführte. ger riechen. Das Kopfhaar 15 Theile 0,031 0,024 0,031 Das Gefidht 1. nun ee 55 = 0,115 0,111 0,098 SER eee 2⁵ 5 0,052 0,037 0,037 Die Bruſt it - E72) 11% 55 5 0,115 0,105 0,097 Von der Bruft bis zum Nabel | 55 = 0,115 0,120 0,112 Der Unterleib 53 = 0,110 0,094 0,097 Bis zum Knie 0% = 0,187 — — rs eee ee l 0,062 — — Das Beinen. . 102 = 0,213 — a Statur (Totalhöhe) 480 Theile | 1,000 Die erſten Zahlen entfernen ſich entſchieden von den Beſtimmungen für Belgien und Griechenland; das genaue Zuſammentreffen der 3 für das Geſicht, die Bruſt und die Entfernung von ihr bis zum Nabel geltenden Zahlen ſpre— chen überdies nicht für die Genauigkeit der Meſſungen, deu— ten vielmehr auf approrimative für die Praxis bequeme Be— ſtimmungen. Die Höhe des Kopfes zu 0,146 M. angege— ben, während in Belgien ſeine Höhe 0,135 M. beträgt und bei den Griechen nur 0,130 betrug, läßt für die Indier einen ſtärkeren Kopf, der mehr als ½ der ganzen Statur betrug, dermuthen. Die Entfernung vom Scheitel bis zum Nabel iſt 0,428 M., demnach viel größer wie bei den Bel— 163. VIII. 9. 138 giern und vor allem wie bei den Griechen, wo ſie von der Mitte der patella ausgehend, nur 0,397 M. und 0,375 M. beträgt. = zum = Theile des Körpers. S 388 i BES 8 8 2 u 8 2 * Vom Unterleib bis zur Mitte der patella 0,218 0,224 | 0,235 Von der Mitte der patella bis zur Erde 0,243 0,280 | 0,275 Vom Unterleib bis zur Erde 0,461 0,504 | 0,510 Die beiden letzten Reihen ſtimmen hier unter ſich ganz anders, wie mit der erſten überein. Die Verhältniſſe, wie fie Vitrud mittheilt und wie ſie in der Sanſerit— Schrift angegeben find, zeigen, wie ſich die wahren Propor— tionen des menſchlichen Körpers nicht in einfachen Verhält— nißzahlen ausdrücken laſſen; jo gewählte Proportionen wür— den von der Statur ſchon fo bedeutend abweichen, daß ein geübtes Auge noch ohne eine Meſſung das Mißsverhältniß gleich entdecken würde. Mit den Proportionen des menſchlichen Körpers geht es, bemerkt der Verf. zum Schluſſe, wie mit den Perſpectiven, man iſt noch kein Künſtler, wenn man ſie kennt; um ein Künſtler zu ſein, muß man ſie indes kennen. Die berühm— teſten Künſtler, vor allen die der Vorzeit, waren überhaupt Männer von ausgebreiteten Kenntniſſen; manche von ihnen förderten außer ihrer Kunſt noch verſchiedene Zweige der Wiſ— ſenſchaft: ſo waren namentlich Albrecht Dürer und Leonardo da Vinei die größten Mathematiker ihres Zeitalters. In einem Briefe von Carus in Dresden, den dasſelbe Heft des Bulletin etc. mittheilt, ſpricht der Verf. über den eubifchen Umfang des menſchlichen Körpers; ein 1,75 M. großer Menſch wiegt nach ihm im Mittel 76 Kilogramm; wäre das ſpeeifiſche Gewicht des Menſchen dem Waſſer gleich, fo würde dieſe Gewichtsmenge 76 Cubikeentimeter oder 2½ Cubikfuß rheiniſch entſprechen. Nun iſt das ſpecifiſche Ge— wicht aber nicht bei allen Menſchen gleich, im allgemeinen aber etwas höher als das des Waſſers; man wird deshalb, ohne ſehr zu irren, 2¼ Cubikfuß rheiniſch als ſeinen cubi— ſchen Umfang bezeichnen können. Miſcelle. 19. Die Regenmenge in den Gebirgsgegenden von Lancaſhire, Cheſhire und Derbyſhire iſt allerdings nach Homers⸗ ham an demſelben Orte nach der Höhe verſchieden; feine Beobad)- tungen ſtehen indes mit Millers Angaben für die Gegend der Seen von Cumberland und Weſtmoreland in directem Widerſpruche, harmoniren dagegen mit den früheren Beobachtungen von Dal⸗ ton, Daniell und Sabine. Nach Miller ſcheint die Regen⸗ menge, je mehr man ſich vom Thale entfernt, bis zu einer Höhe von 2000 Fuß zuzunehmen, ſich aber von da ab ſchnell wieder zu vermindern. Vom Januar 1846 bis März 1848 fiel in den Thä⸗ lern der genannten Gegenden weit mehr Regen als auf den Hö⸗ hen derſelben Gegend unter 2000 Fuß; die Menge desſelben ver⸗ minderte ſich ſogar faſt im genauen Verhältniſſe mit der Höhen⸗ zunahme. (L'Institut, No. 771 1848.) 139 163. VII. 9. 140 Heilkunde. (X) über die Interſtitialabſorption des Schenkel⸗ beinhalſes in Folge von Quetſchung der Hüfte. Von Edwin Canton, Demonſtrator der Anatomie an der Me— dieinalſchule des Hoſpitals Charing-Croß. (Hierzu Fig. 17 der mit No. 10 dieſes Bandes ausgegebenen Tafel.) Wenn die Verletzung im jugendlichen Alter Statt findet. Wir beſitzen keine Erfahrungen, nach wel— chen ſich bei einem gegebenen Falle als wahrſcheinlich be— zeichnen ließe, daß das Glied durch Interſtitialabſorption des Schenkelbeinhalſes nach Beſchädigung der Hüfte bei ei— nem noch jungen Subjecte verkürzt werde. Die krankhafte Veränderung kann bei jedem der beiden Geſchlechter vor— kommen, und es läßt ſich nicht nachweiſen, daß in ſol— chen Fällen eine beſondere Körperconſtitution conſtant vor— handen ſei. Schläge auf andere Knochen oder Gelenke haben eine ähnliche Erſcheinung nicht zur Folge. Die Atrophie kann ſich nach der Verletzung früh oder ſpät ein— ſtellen, die Verkürzung mit größerer oder geringerer Ge— ſchwindigkeit fortſchreiten, und das allmälige ſchleichende und in manchen Fällen faſt vollſtändige Schwinden des Schenkelbeinhalſes erfolgt, ohne erkennbare Zeichen von Ent— zündung, ohne eine allgemeine Mitleidenſchaft des Orga— nismus und vielleicht ſogar ohne bedeutende örtliche Be— ſchwerde. Der Anfang der Verkürzung kann mit der Zeit der Verletzung zuſammenfallen, aber auch erſt einige Wochen oder Monate ſpäter eintreten. Hr. B. Bell behandelte im Jahre 1825 eine Dame, welche einige Tage nach dem Un— glücksfalle, den ſie erlitten, ſchon wieder mit Hülfe einer Dienerin gehen konnte und bei der im Laufe der nächſten 10 Monate das Glied um 1 Zoll kürzer ward. Wir dürfen bei einer Quetſchung der Hüfte nie außer Acht laſſen, daß nach derſelben die fragliche Interſtitialabſorption eintreten könne; denn der Arzt, welcher erklärt, daß die Be— ſchädigung nichts weiter auf ſich habe, und daß ein ruhiges Verhalten, nebſt einigen örtlichen Mitteln, dieſelbe vollſtändig beſeitigen werde, wird ſich dem Tadel des Patienten und der Verwandten ſtets bloß ſtellen, wenn er ſie nicht zugleich darauf aufmerkſam macht, daß möglicherweiſe eine ſolche an— ſcheinend unbedeutende Beſchädigung auch unheilbares Hinken zur Folge haben könne. Man wird ihm in einem ſolchen ungünſtigen Falle ſtets Schuld geben, daß er in einen gewaltigen Irrthum der Dia— gnoſe verfallen ſei, indem er einen Bruch im Schenkelbein— halſe oder dicht an dieſem, oder eine Verrenkung über— ſehen und folglich die Einrichtung und das dauernde Anein— anderhalten der Knochenenden verabſäumt habe, wodurch dem Patienten die volle Länge und Brauchbarkeit des Gliedes er— halten worden ſein würde. Übrigens iſt ein ſolcher Irrthum keineswegs wahrſcheinlich, da die Beſchädigung von durch— aus keinem Symptom begleitet iſt, welches auf Bruch oder Verrenkung des Knochens hindeutete. Dennoch kann den Arzt, wenn er nicht auf ſeiner Hut iſt, der Verdacht der Unwiſſenheit treffen. Auch inſofern iſt die Bekanntſchaft mit Fällen dieſer Art, meiner Anſicht nach, vortheilhaft, weil man ſonſt das Leiden bei weiterem Fortſchreiten mit jener bedenklicheren und öfters unheilbaren Krankheit, dem morbus coxarius, ver— wechſeln könnte, welche nicht ſelten eine vollſtändige Desorga— niſation des Gelenkes, ſo wie Ankyloſe herbeiführt oder einen tödtlichen Ausgang hat, während das hier in Rede ſtehende Leiden keineswegs durch eine ferophuldfe Diatheſe bedingt iſt, ſondern nur zufällig mit dieſer zuſammentrifft und mit dem Verluſte des Schenkelbeinhalſes endigt, ohne irgend eine con— ſtitutionelle Störung zu veranlaſſen, und ohne daß ulcerative Abſorption oder Eiterbildung eintritt. Allerdings wird dabei der Knochenkopf und das acetabulum mehr oder weniger zur Mitleidenſchaft gezogen, allein das Gelenk bleibt zuletzt immer faſt ſo beweglich, wie vorher. Es iſt mir nicht gelungen, außer den ſo gründlich von Hrn. Gulliver beſchriebenen ), ausführlich mitgetheilte Fälle aufzufinden, in denen der Schenkelbeinhals bei jungen Perſonen in Folge einer über dem Theile vorgekommenen Beſchädigung dieſe eigenthümliche Veränderung erlitten hätte. Daß durch eine äußere Verletzung dann und wann auch bei jungen Leuten dieſe Erſcheinung eintreten kann, iſt erwieſen; allein die Thatſache ſcheint nicht ſo bekannt, als es zu wünſchen wäre, und ich wünſche deshalb darauf aufmerkſam zu machen. Hin und wieder findet man allerdings in Schriften Andeutungen hinſichtlich des Vorkommens dieſer krankhaften Veränderung bei noch verhältnißmäßig jungen Perſonen, z. B. in folgender Stelle des B. Bell'ſchen Werkes ). „Mir ſind Fälle vorgekommen, in denen bei Perſonen von 13, 30 und 40 Jahren der Schenkelbeinhals der einen Seite durch Inter— ſtitialabſorption angegriffen wurde. Bei Leuten von mittleren Jahren ſcheint das Leiden in der Regel nicht idiopathiſcher Natur, ſondern die directe Folge einer Erkältung oder eines Falles, Schlages oder einer Verletzung des trochanter major zu ſein.“ Die dem Hrn. Gulliver vorgekommenen Sub— jecte waren ſämmtlich männlichen Geſchlechts und reſp. 15, 19, 30, 32 und 45 Jahre alt. Erſter Fall. — Mary Betton, 19 Jahr alt, im Arbeitshauſe St. Martins wohnhaft, iſt von ſerophulöſer Conſtitution, hyſteriſch, unregelmäßig menſtruirt und leidet oft an Verſtopfung. Im März 1847 glitt ſie, als ſie Treppe hinauftrug, aus und kam mit eine Kanne die dem Fußgelenke zwi— *) Edinb. med. and surg. Journal, Vol. XLVI. ) On the Discases of (lie Bones. 141 ſchen zwei Stäbe des Treppengeländers. Sie fiel drei Stu— fen herab und ſchlug dabei auf den linken Unterſchenkel und den linken trochanter major. Der Unterſchenkel blieb dem- zufolge 2— 3 Wochen lang geſchwollen und ſchmerzhaft. Am äußeren Theile der verletzten Hüfte zeigten ſich geringe, nicht ſcharf begrenzte Ekchymoſen und einige Geſchwulſt. Mehrere Wochen war dieſe Stelle durchgehends empfindlich, weshalb die Patientin das Bett hüten mußte. Die ge— ringſte Bewegung des Gelenkes veranlaßte heftige Schmerzen, welche, der Beſchreibung der Patientin nach, ſtechender, ſchießender Art waren und an der einen Seite des Schenkels bis zum Knie hinabfuhren. Bis vor drei Jahren war ſie fortwährend geſund geweſen. Damals war ſie von einem Cabriolet überfahren worden, wobei ein Rippenbruch und eine Quetſchung des Unterleibs, aber keine Beſchädigung der Hüfte vorgekommen war. Seitdem war ſie an verſchiedenen Körpertheilen öfters von Rothlauf befallen worden; auch hatte fie an ſerophulöſer Augenentzündung und Ausſchlag im Geſichte gelitten, und war überhaupt ſeit der Zeit nie wieder recht geſund geworden. Wegen der oben erwähnten Verletzung an der Hüfte mußte ſie drei Wochen lang das Bett hüten, und während dieſer Zeit fühlte ſie beſtändig Schmerzen im Gelenke, welche faſt ohne Ausnahme des Abends, ſo wie ſtets bei Bewegung des Gliedes an Heftigkeit zunahmen. Salben und Bähungen kamen häufig, doch ohne Nutzen, zur Anwendung. Als die Kranke nach Ablauf der drei Wochen das Bett verließ und umherzugehen verſuchte, bemerkte ſie, daß das linke Bein kürzer war, als das andere, ſo daß ſie beim Gehen hinkte. Der Betrag der Verkürzung wurde damals nicht ermittelt, allein ſie hat ſich ſeitdem vermehrt. Der Schmerz iſt Abends am bedeutendſten, ſteigert ſich bei feuchter Witterung und durch Bewegung und wird auch ein wenig vermehrt, wenn man die Ferſe aufwärts oder den trochanter einwärts drückt. Auch klagt die Patientin über klopfenden Schmerz an der inneren Seite des Knies, doch nur bei Bewegung der Hüfte. Das Knie iſt frei von Geſchwulſt, Röthung oder Empfindlichkeit gegen Druck, und ſeine Beweglichkeit hat in keiner Weiſe gelitten. Sie kann das linke Bein dem rechten nicht völlig nähern und eben ſo wenig den linken Schenkel in Abduction bringen oder ſtrecken, ohne den Schmerz zu verſtärken, welcher indes unter allen dieſen Umſtänden nicht heftig zu ſein ſcheint. Die Beugung des Hüftgelenkes ver— urſacht keine Schmerzen. Beim Gehen wird der linke Fuß etwas vorwärts geſchleudert und die Ferſe gehoben, und beim Stehen ſtützen die Zehen des linken Fußes die Körper— laſt theilweiſe. Die Sohle kann nicht auf den Boden ge— ſetzt werden, ohne daß ſich der Körper ein wenig links neigt. Wenn man die Patientin in die horizontale Lage bringt, ſo erkennt man an dem Rumpfe und den Extremitäten wohlproportionirte Formen, und die linke Hälfte der nates iſt nur wenig abgemagert. Über den Hüften und in der Umgegend zeigt ſich keine Röthung, und es läßt ſich auch keine abnorme Hitze daſelbſt verſpüren. Die linke Ferſe ſteht wenigſtens 1½ Zoll höher, als die rechte. Der Abſtand der spina anterior superior des os ilei vom oberen 163. VIII. 9. 142 Rande des trochanter major iſt auf der kranken Seite um 3/4 Zoll geringer, als auf der gefunden. Der trochanter liegt dem Knochenkopfe weit näher, als im normalen Zu— ſtande, was ſich durch vergleichende Meſſung ermitteln läßt, indem man eine Schnur von der Mitte des os pubis bis an den Spalt der nates führt und zwar ſo, daß dieſer Theil des femur mit eingeſchloſſen wird. Die Patientin gab an, daß ſie nie an Rheumatismus gelitten habe. Wenn die Verletzung im hohen Lebensalter Statt findet. Unterſucht man den Schenkelbeinhals eines ältlichen Subjectes, ſo bemerkt man häufig eine beſondere Veränderung in deſſen Richtung, und ſtatt daß derſelbe an den Knochenkörper unter einem Winkel von 450 angeſetzt iſt, findet man, daß er eine mehr oder weniger horizontale Rich— tung angenommen hat. Übrigens glaube ich nicht, daß dieſe Veränderung bei alten Perſonen ſo conſtant und in ſolchen Grade angetroffen werde, wie man gewöhnlich annimmt, und ich habe mich vielfach bemüht, dieſe Anſicht zur Gewißheit zu erheben, indem ich viele Leichen von Perſonen von 60 — 90 Jahren unterſuchte. „Ich möchte allen denen, die dazu Gelegenheit haben, rathen, den Zuſtand dieſes Theiles im höheren Lebensalter zu unterſuchen, damit wir in den Stand geſetzt werden, die Erſcheinungen, welche man als eine natür— liche Folge des hohen Alters betrachtet hat, von denen zu unterſcheiden, welchen eine pathologiſche Urſache zu Grunde liegt“, ſagt Gulliver J. e. Seitdem meine Aufmerkſamkeit auf dieſen Gegenſtand gelenkt worden iſt, habe ich häufig Gelegenheit gehabt, dieſen ſchätzbaren Rath bei Unterſuchung von Cadavern zu benutzen und mich davon zu überzeugen, daß viele Exemplare, welche man als ausgemachte Fälle von atrophia senilis mit Veränderung der Richtung des Schenkel— beinhalſes betrachten könnte, in der That Beiſpiele von dem Einfluſſe einer Krankheit, nämlich der chroniſchen rheuma— tiſchen arthritis, ſind, welche überdies ſchon in den früheren Stadien ihres Verlaufes gewiſſe Krankheitserſcheinungen dar— bietet, die, meiner Anſicht nach, bei gehöriger Erwägung deutlich auf den beſonderen Charakter der Krankheit hin— weiſen. Nichtsdeſtoweniger bietet der Schenkelbeinhals nach dem Alter von 50 Jahren einen Zuſtand dar, wel— cher jenen Theil dazu prädisponirt, durch äußere Gewalt— thätigkeiten bedeutende Veränderungen zu erleiden, und dies geht beſonders aus den Folgen hervor, welche ein Bruch des Theiles ganz innerhalb des Capſelbandes veranlaßt. Die abſorbirenden Gefäße treten dann zur Beſeitigung des Schen— kelbeinhalſes in kräftige Thätigkeit, und vollenden ihr Werk oft binnen wenigen Wochen. Dies kann ſelbſt dann vor— kommen, wenn vor dem Bruche keine Veränderung in der Richtung des Halſes Statt fand. Ich unterſuchte neulich einen Bruch innerhalb der Capſel bei einer 60jährigen Frau, zwei Monate nach dem Unfalle, und fand, daß der Hals völlig verſchwunden war, während auf der anderen Körper- ſeite dieſer Theil die dem Alter des Subjects angemeſſene ſchräge Richtung darbot. Ahnliche Fälle würden gewiß häufig wahrgenommen werden, wenn man an Leichen beide Gelenke unterſuchte, ſtatt daß man für ausgemacht annähme, daß 143 wegen des Alters der Patienten eine faſt horizontale Rich- tung des Halſes als prädisponirende Urſache des primären Leidens Statt finde. Hr. Howſhip hat einen Fall be— ſchrieben, in welchem der Hals in der dritten Woche nach dem Unfalle durch Abſorption um ½ Zoll kürzer geworden war. Präparate, die dergleichen Thatſachen erläutern, findet man in den meiſten Cabinetten. Wenn der Kopf und Hals des kemur durch einen hef— tigen Schlag auf den trochanter major nur erſchüttert wer— den; wo in der That dieſe Theile eine vorübergehende Com— preſſion zwiſchen dem ſtoßenden Körper und dem Widerſtand leiſtenden acetabulum erleiden, kann die eben erwähnte Ver— änderung gleichfalls eintreten, und man bringt dieſe Mög— lichkeit bei der Prognoſe auch ſehr allgemein in Anſchlag. Neigt ſich der Hals bereits der horizontalen Richtung zu, ift der Patient bettlägerig, weiblichen Geſchlechts oder die rheu— matiſche Diatheſe vorhanden, ſo ſteigert ſich, meiner Anſicht nach, die Wahrſcheinlichkeit des Eintretens der Interſtitial— abſorption in Folge der Erſchütterung des trochanter major einer Perſon, welche das Alter von 50 Jahren überſchrit— ten hat. „Aus den zahlreichen pathologiſchen Unterſuchungen, die man in Betreff des Zuſtandes des Schenkelbeinhalſes ange— ſtellt hat, ſcheinen ſich deutlich zwei Thatſachen zu ergeben: 1) daß dieſe Portion des Knochens weniger fähig iſt, ihre Gefäße zu conſerviren, als die übrigen Theile des Knochen— ſyſtems; 2) daß das dem höheren Alter eigene Schwinden der Knochen in dieſem zuerſt beginnt.)“ Dieſe inter— eſſanten Thatſachen ſcheinen mir auf die hier in Rede ſte— hende Frage Bezug zu haben. Wenn z. B. eine Gewalt— thätigkeit in einer beſonderen Richtung einwirkt, und dadurch wahrſcheinlich eine Zerreißung oder Quetſchung eines der längs des ligamentum teres hin nach dem Kopfe und Halſe des femur ſtreichenden Gefäße veranlaßt, alſo die dieſen Theilen zugehende Blutquantität vermindert worden iſt, ſo wird die Ablagerungsthätigkeit noch weniger als vorher im Stande fein, gegen die ſchon im Übergewicht vorhandene Abſorptionsthätigkeit anzukämpfen, und der Schenkelbeinhals, welcher ſchon von Natur weniger, als die anderen Theile des Knochenſyſtems, im Stande ift, feine Gefäße zu con— ſerviren, geht in dem ungleichem Kampfe feiner Vernichtung langſam, aber ſicher, entgegen, während das im höhern Le— bensalter hier zuerſt eintretende Schwinden der Knochen dieſen Ausgang weſentlich beſchleunigt. „) B. Curling, med. chir. Trans., Vol. XX 163. VIII. 9. 144 Die Anſicht, daß durch die äußere Gewaltthätigkeit wahr⸗ ſcheinlich einige Gefäße des ligamentum leres leiden, wird durch die von Hrn. Gulliver in dem Falle von Mae Gruth beobachteten Erſcheinungen an deſſen Leiche beftätigt. Die Gelenkceapſel zeigte ſich unverſehrt, allein das ligamen- tum teres war, wie es ſchien, von dem Knochenkopfe abge— riſſen worden und in der Nähe der urſprünglichen An— hefteſtelle wieder an denſelben feſtgewachſen. (Schluß folgt.) Miſeceellen. (16) Den Augenkatarrh behandelt Hr. France, wenn er nicht, wie in den meiſten Fällen, ein rein örtliches Leiden, wel: ches gelinden Abführungsmitteln weicht, ſondern, wie häufig bei ſäugenden Frauen, von Verſtopfung begleitet iſt, durch eine aus 10—15 Gran kohlenſaurer Magneſia, 6 Drachmen Columbainfuſion und eben ſo viel Minzewaſſer bereiteten Mixtur. Als örtliches Mittel wendet er eine Auflöfung von I—1Y, Gran ſalpeterſauren Silbers in 1 Unze Roſenwaſſer an, von welcher man täglich drei Mal 2 Tropfen auf die entzündete Membran fallen läßt. Iſt das Leiden noch neu, ſo wird es durch dieſe Behandlung mehrentheils unglaublich ſchnell gehoben. In der Regel wirkt dies Augenwaſſer nicht günſtig, wenn die Augen gegen das Licht ſehr empfindlich ſind; allein dies iſt nur bei ſolchen Augenkatarrhen der Fall, welche ſerophulöſer Natur find, und gegen dieſe iſt obiges collyrium aller⸗ dings nicht zu empfehlen. Die Gefahr einer Mißfärbung der conjunctiva findet nur bei dem lange fortgeſetzten Gebrauche einer Auflöſung von der obigen Stärke Statt, iſt aber hier, wo es nur wenige Tage in Anwendung kommt, nicht zu befürchten. In chro⸗ niſchen Fällen zeigt ſich das ſalpeterſaure Silber weniger wohlthä⸗ tig. (Lectures on Diseases of the Eye, by John Morgan, p. 25.) (17) Zur Operation varicöfer Hautvenenge⸗ ſchwülſte empfiehlt ein Hr. Herapath zu Briſtol ein neues Ver⸗ fahren, welches jedenfalls minder gefährlich iſt als andre Verfah⸗ rungsweiſen und in der That einen neuen Weg für viele Fälle zu eröffnen ſcheint. Er fand nämlich, daß die Spannung der Faſcien häufig die Urſache der Zurückhaltung des Blutes in den Hautvenen fei. Die Fälle z. B. (wie Verf. einen anführt), find nicht ſelten, wo Va⸗ ricen am Beine beim Liegen ſogleich ſchlaff und ſchmerzlos wer: den, bei aufrechter Stellung aber ſogleich ſtrotzen und die heftigſten Schmerzen verurſachen. Unterſucht man dann näher, ſo findet ſich, daß die Anfchwellung der Vene gerade bis zu der Offnung in der Faſcie reicht, durch welche die Vene hindurchtritt; dies iſt am auffallendſten bei der vena saphena, am processus faleiformis fasciae latae der Fall. Bei einem Kranken dieſer Art legte der Verf. den proc. lalcikormis bloß, brachte die Vene zur Abſchwel⸗ lung, indem er ſie unterhalb comprimirte, führte eine Hohlſonde unter den Sehnenrand und trennte dieſen, wie bei der Operation des eingeklemmten Bruches. Der Erfolg war vollſtändig und ließ auch nachher nichts zu wünſchen übrig. (The Lancet, August 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. G Boccius. Fish in rivers and streams. A treatise on the production and management of Fish in fresh waters by artificial spawning, breeding and rearing; shewing also the cause of the deplelion of all rivers and streams, 8%. (pp. 46. 5 sh.) London 1848. Kew Gardens; or a popular guide to the royal hotanic Gardens at Kew by Sir W. J. Hooker. 3d Edit. Square 8%. (pp. 60. with numerous illustra- tions. 6 d.) London 1848. Observations upon the polatve disease of 1845 & 1846 being an attempt to disclose the causes of that disease, and, of possible, the cure by Donald Bain. Se. (pp. 180. 2 sh. 6 d.) Edinburgh 1848. S. Ashwell. A practical treatise on the diseases peculiar to women: illu- strated by cases derived from hospital and private practice. 3. Edit. 89, pr 792. 21 sh.) London 1848. J. C. Atkinson. Change of air: Fallacies regarding it. 120. (pp. 86. 2 sh.) London 1848, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 164. (Nr. 10. des VIII. Bandes.) December 1848. Naturkunde. Mittheilungen aus dem Journal des phyſtolog. Inſtituts zu Jena. — Nöggerath, merkwürdige Formen von Baſaltſäulen im Sieben⸗ gebirge. — Miicellen. Das entſprungene Rhinoceros. Duchaſſaing, üb. das Erdbeben zu Guadeloupe. — Heilkunde. Canton, üb. die Interſtitial⸗ abjorption des Schenkelbeinhalſes in Folge von Quetſchung der Hüfte. (Schluß.) — Lorinſer, Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. — Miſcellen. Reclamation wegen des Gollovium. Prus, üb. eine zweifopfige Mißgeburt. — Bibliographie. Naturkunde. XXIII. Mittheilungen aus dem Journal des phyſiologiſchen Inſtituts zu Jena. (Hierzu Fig. 1—7 der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) IJ. Im Sommer 1847 wurde in einem Süßwaſſerkalk— bruche zwiſchen Weimar und Oberweimar ein Mammuth— ſchädel ausgegraben, welcher im Sommer dieſes Jahres durch die Güte des Oberbibliothekars Dr. Preller an das phy— ſiologiſche Inſtitut zu Jena gelangte. Die genauere Unter— ſuchung ergab, daß der Schädel ſchon durch einen ſtarken Druck zerquetſcht in fein Lager gekommen war; die Knochen— theile waren von einer Schicht ſehr feſten Süßwaſſerkalkes überzogen, welche ſich theilweiſe leicht losſprengen ließ, theilweiſe aber auch ſo feſt den Knochen anhing, daß der Verſuch, ſie zu entfernen, die Zerſplitterung der Knochen zur Folge hatte. Die übrige Gangmaſſe war ein ſehr bröcklicher faſt zerreiblicher Kalk. Prof. Schmid reinigte den Schä— del möglichſt, ſtellte die Bruchſtücke zuſammen, und der ſpäter an das Großherzogl. Muſeum zu Jena abgelieferte Schädel iſt vielleicht eines der ſchönſten und vollſtändigſten foſſilen Exemplare, welche vorhanden find. Die Stoßzähne ſind in der Krümmung gemeſſen 7 Fuß lang. — Nach der Beſtimmung don Hermann von Meyer iſt es Elephas pri- migenius und zwar ein ausgewachſenes Exemplar mit dem ſechsten Backzahne. — Die in der Gangmaſſe aufgefunde—⸗ nen Felſenbeine gaben zu der genauen Unterſuchung des Gehörorgans Veranlaſſung, welche von Hrn. Dr. Clau— dius ausgeführt und mitgetheilt iſt und um ſo mehr das Intereſſe der Naturforſcher in Anſpruch zu nehmen ge— eignet ſcheint, da dem Gerüchte zufolge die Sammlungen des Profeſſor Hyrtl, welche allein bis jetzt Präparate über das Gehörorgan des Mammuth enthielten, in den letz— ten Wiener Gräuelſcenen zu Grunde gerichtet ſind. Folgen— des iſt der Bericht des Dr. Claudius. No. 2144. — 104. — 164. Der Schädeltheil des Mammuth ſteckte, in unzählige Fragmente zerbrochen, in mehreren Kalkſteinmaſſen, die zu— ſammen wohl den Raum mehrerer Cubikfuß einnahmen. Bei genauerer Beſichtigung der Maſſen zeigten ſich auf der Bruchfläche eines Knochenſtückchens ein Paar Gänge der ge— öffneten Schnecke, und als das darauf paſſende Stück auf— geſucht ward, die übrigen Theile des Labirynthes, die un— terſte Schneckenwindung, das ovale, Fenſter, durch welches man in den Vorhof ſehen und die Offnung der Bogengänge zum Theil darin unterſcheiden konnte. Später wurde nach dem andern Felſenbeine geſucht und auch dieſes ganz unver⸗ letzt aufgefunden. Von letzterem wurde ein Wachsguß an- gefertigt, das erſtere nach einer paſſenden Spaltung zur ſup— plementären Unterſuchung benutzt. Beide Präparate werden auf dem phyſtologiſchen Inſtitute zu Jena aufbewahrt. Über die Lage des Felſenbeins im Schädel ließ ſich nichts genaues ermitteln; nur ſo viel iſt ſicher, daß es, wie bei den jetzt lebenden Elephanten mit dem Paukenknochen oder der Schläfen ſchuppe verwachſen war. Es ſaß nämlich das Stück Fig. 1 mit der Grenzfläche A auf einer mit gro= ßen zelligen Räumen erfüllten Knochenplatte auf, welche wahrſcheinlich die unterſte Partie der Schläfenſchuppe war. Es war hier nirgends eine mit Kalk gefüllte Spalte zu ent- decken, ſondern die Knochenmaſſe ging in Continuo bis an die Grenzen fort, wo die allgemeine Zertrümmerung auch die— ſen Knochen getroffen hatte. — Auch über die Paukenhöhle war keine Sicherheit zu erlangen; dem promontorium und eirunden Fenſter gegenüber ſteckten in dem Steine einzelne flache mit Zellen und rundlichen Vertiefungen verſehene Knochen, doch ohne in ihrer normalen Lage erhalten zu fein; indem fie mannigfach verſchoben oder mit ſlüſſig ein— gedrungenen, jetzt aber ſteinharten wurmförmigen Kalkmaſ— fen erfüllt waren. Nur die innere vom Felſenbeine gebildete Wand der Paukenhöhle iſt erhalten. Man bemerkt auf der— 10 147 ſelben das promontorium, über ihm weglaufend den canalis Fallopiae und die beiden Fenſter, von denen das Schnecken— fenſter bei beiden Exemplaren freilich größtentheils zertrüm— mert iſt. Das promontorium beſteht aus gelblicher, ſehr harter Knochenmaſſe und ragt wenig hervor, ſondern bildet eine allenthalben gleichmäßig abgerundete Erhöhung. Längs der zweiten Hälfte der erſten Schneckenwindung dringt von der in= neren Seite des Felſenbeins der canalis Fallopiae durch und erſcheint als ein anfangs 1 Linie breiter, ſich aber bald ſehr erweiternder Halbeanal. So weit er ganz im Knochen verläuft, iſt er an beiden Präparaten eben ſo wie der meatus aud. internus ganz von hartem Kalk erfüllt. In der Paukenhöhle läuft er wie bei faſt allen Säugern offen. Ein anderer ſcheinbarer Canal läuft (Fig. 1. 17) gegen das eirunde Fenſter hin und enthielt wahrſcheinlich ein Blut— gefäß. Das eirunde Fenſter hat in ſeinem längſten Durchmeſ— fer 6 Mm. und wenn man ſich die Conturen desſelben, da, wo die eine Begrenzung theilweis ausgebrochen iſt, in der— ſelben elliptiſchen Linie verlängert denkt, 3,5 Mm. Seine Lage iſt ſo, daß ſeine große Achſe verlängert, die Spindel ungefähr im Anfange des zweiten Schneckenganges trifft; ſeine Begrenzung beſteht aus einer ſehr dünnen ſpröden Knochenplatte. Was das Schneckenfenſter betrifft, ſo fehlen freilich / ſeiner Begrenzung, doch gab das zur Injection des Labyrinthes verwendete Felſenbein einige Andeutungen, wonach ſeine Lage derjenigen der jetzt lebenden Elephanten ſehr ähnlich wäre. Hier liegt es bekanntlich in einem re- cessus der Paukenhöhle ſo verborgen, daß man es von der Paukenhöhle aus gar nicht gewahr wird, weshalb man Das: ſelbe auch dem Elephanten ganz hat abſprechen wollen. Die Bruchflächen des Knochens gehen nun auch hier ſo nah um das Fenſter herum, daß nur ein ſehr kleiner Luftraum um dasſelbe frei fein konnte. Das erhaltene Stück feiner Be— grenzung iſt ziemlich ein Bogen eines Kreiſes. Innerhalb desſelben im Schneckengange läuft ein tiefer ſchmaler Ein— ſchnitt, der Falz für die membrana secundaria längs desſel— ben, ſo daß der Rahmen auch ſehr dünn und zerbrechlich iſt. Der Vorhof iſt eine längliche mit mehreren Sinuoſttä— ten verſehene Höhle, in der die drei Ampullen, zwei am— pullenloſe Offnungen der Canäle und eine Andeutung des aquaeductus zu bemerken ſind. Er iſt in den längſten Durchmeſſern 10 Mm. lang, 4 breit und 4,5 Mm. tief. Seine in das Innere, des Schädels ſehende Seite iſt die kürzeſte, da hier die Offnungen des oberen Bogenganges nah an einander rücken, und in der Mitte ſanft ausgebuchtet. Die vordere Seite, die gegen die Schnecke hin liegt, geht unmerk— lich in die Vorhofstreppe über. Da das Spiralblatt fehlt, und an der Stelle, wo es ſich im Vorhofe anſetzt, eine kleine Kalkmaſſe abgelagert iſt, deren Entfernung man nicht verſuchen wollte, um das Präparat nicht zu gefährden, ſo muß die Art und Weiſe dieſes Anſatzes dahin geſtellt blei— ben. Über der kenestra ovalis läuft eine kleine ſtumpfe Er— höhung gegen die Schneckenöffnung hin und theilt ſo den Vorhof in den recessus hemisphaericus und hemiellipticus. 164. VIII. 10. 148 In dieſen und zwar in der äußern Wand öffnen ſich die Bogengänge. „Die obere und untere Wand gehen größten— theils in den Offnungen der Canäle verloren. Die beiden Vor— höfe waren glatt und rein bis auf die erwähnten Ablagerun— gen und einen äußerſt feinen Überzug von Kalkkryſtallen, die nur bei heller Beleuchtung an dem glimmernden Licht— refler erkennbar waren, vielleicht Überbleibſel der Otolithen. Die Anordnung der Bogengänge und ihrer Ampullen iſt die conſtant vorkommende bei den Säugern. Der can. superior liegt wie bei Elephas africanus faſt horizontal und iſt mit feinem hinteren Schenkel mit dem obern des poste- rior vereinigt. Dieſe Strecke beträgt faſt ½ ſeiner Länge. Die Linie, die er beſchreibt, iſt kreisförmig elliptiſch, doch bildet fie nicht eine Ebene, ſondern weicht an dem Ampul— lenſchenkel etwas ſeitwärts aus, ſo daß ſie ſchwach ſpiralig wird. Er iſt auf dem Querdurchſchnitt nicht rund, ſondern ſeitlich zuſammengedrückt. Der canalis posterior bejchreibt über 3/4 eines Kreiſes und liegt in einer Ebene, doch iſt er höher als breit. Bei weitem der kleinſte iſt der externus. Er iſt ſeitlich zuſammengedrückt und beſchreibt die Hälfte einer Ellipſe und ſeine Schenkel öffnen ſich zwiſchen den freien Schenkeln der beiden anderen. Die wichtigſten Zahlenverhältniſſe der Canäle find fol— gende. Entfernung Länge der Off⸗ der Dicke derſelben nung. Ampullen. in den Scheitelpunkten. Oberer 33 Mm. 11 Mm. 5 Mm. 7 Mm. 2 Mm. 1 Mm. Hinterer 32 „ F eee nee Außerer 22 „ 7 „ 4,5% 5 % 1½ % 08, Von dieſen Angaben ſind jedoch nur die zweite und die beiden letzten Rubriken einer genauen Beſtimmung fä⸗ hig, da die Übergaugspunkte der Offnung in den Vorhof nur ſchätzungsweiſe angenommen werden können. Die Waſſerleitung des Vorhofs läuft wie gewöhnlich längs des gemeinſamen Stückes der Schenkel der beiden inneren Bogengänge. Ihre innere Offnung iſt rundlich und kaum 0,5 Mm. im Durchmeſſer: weiter nach außen hin geht ſie in eine Spalte über, die ſich gegen die äußere Offnung hin allmälig erweitert und hier 1 Centim. in der längſten Dimenſion hat. Am Injectionspräparate ſieht man ihre Einmündungsſtelle als eine enge ſich raſch erweiternde Maſſe an der Außenlinie des gemeinſamen Bogenſtückes. Die Belegungsmaſſe der Bogen iſt ſehr dick, an ver— ſchiedenen Stellen I—2 Centim.; die Knochenmaſſe jedoch weich, ſo daß ſie den Eindruck des Nagels annimmt. Im Gegentheil iſt die Belegungsmaſſe der oberſten Schnecken— windung ſehr dünn, kaum 1 Millim., aber im höchſten Grade hart und ſpröde. Bei der Unterſuchung der Schnecke diente, die allgemei— nen Lagerungsverhältniſſe abgerechnet, nur das erhaltene Felſenbein, da der Guß kein genaues Abbild derſelben lie— fern konnte. Es waren nämlich beſonders in der erſten Windung kleine, wohl durch das runde Fenſter eingedrun— gene Kalkmaſſen abgelagert, welche das Wachsmodell natür— lich um den Raum, den fie einnahmen, zu klein gerathen ließen. Auf der Zeichnung, die ein getreues Bild des Prä— Höhe Lange. . Höhe. 149 parates giebt, ſieht man deshalb die erfte Schneckenwindung kaum ſtärker als die zweite und die Spitze kaum über das Ende der zweiten hinaus verlängert. — Die Schnecke hat 2½ Windung und bildet einen Kegel, deſſen horizontaler Durchſchnitt ein Kreis iſt. Die Höhe derſelben iſt ſehr ge— ring, nicht über ein Drittel des Durchmeſſers der erſten Windung, welcher 15 Mm. beträgt. Die Gänge derſelben ſind etwas von oben nach unten zuſammengedrückt. Die Höhe der erſten Windung am Anfang hinter dem Fenſter iſt 3,5 Mm., ihre Breite 4,5 Mm. Von da ab iſt die Verengerung allmälig und regelmäßig. Von der lamina spiralis iſt keine Spur vorhanden; der modiolus dagegen iſt nebſt einem Stück der columella erhal= ten. Er ragt als ein 5 Mm. dicker Kegel in die Schnecke hinein und zeigt in der lamina modioli eine Menge kleiner haarfeiner Löchelchen. Die columella ſchließt ihn mit einem ſtumpfen Ende ab. Der innere Gehörgang war bei beiden Felſenbeinen vollſtändig mit Kalk gefüllt und deshalb der Unterſuchung un— zugänglich. Er liegt dicht am Ende des Felſenbeines, der Schnecke gegenüber. 2 Aus der vorliegenden Unterſuchung geht die große Ahn— lichkeit hervor, die das Gehörorgan der ausgeſtorbenen spe- cies Eleph. primigenius mit dem der jetztlebenden hat. Um die Vergleichung zu erleichtern, iſt in Fig. 4. das Labirynth von Eleph. africanus aus den Hyrtlſchen Abbildungen auf feine normale Größe redueirt, unſern Zeichnungen hinzu— gefügt. Bis in die feinſten Verhältniſſe der Bewegungen der Bogenlinie ſtimmen die Figuren überein. Die einzige Ab— weichung hat ihren Grund auffallender Weiſe in einem Feh— ler der Hyrtlſchen Abbildungen. Es ſind nämlich hier der untere Schenkel des hintern und der hintere des äußern Ca— nals vereinigt gezeichnet, wie es bei mehreren Digitigraden unter den Raubthieren und unter den Pachydermen bei Tapir und beim Nilpferde vorkommt. Nach der Angabe auf S. 109 des Werks findet dieſe Verſchmelzung aber bei Elephas nicht Statt und die Zahl der Offnungen im Vorhof iſt 5. Der ſchon erwähnte Mangel in unſerm Präparate, die Dicke der erſten Schneckenwindung betreffend, ergiebt keine Abweichung von der Form, die wir beim Eleph. akricanus vor uns ſehen, in— dem das erhaltene Felſenbein einen anſehnlichen Durchmeſſer derſelben zeigt, wie beim jetztlebenden Elephanten. Erklärung der Figuren. Fig. 1— 3. Anſichten des erhaltenen linken Felſen— beins. Fig. 1 giebt eine Anſicht desſelben, wie es in der Bruchfläche des Kalkſteins zu ſehen war. Fig. 2 und 3. Die Durchſchnittsflächen des ſelben, nachdem es ſenkrecht auf die in Fig. 1 gezeichnete Fläche durch den Vorhof hindurch geſpalten war. Fig. 4. Das abgeſprengte Stück der Schnecke. Fig. 5 und 6 geben Anſichten des Wachsguſſes des rechten Felſenbeins von 2 Seiten. Fig. 7. Das Labirynth des Eleph. africanus aus Hyrtls Werk über das Labirynth der Säugethiere. Es iſt auf die natürliche Größe zurückgeführt, um die Vergleichung zu erleichtern, indem es bei Hyrtl zwei Mal vergrößert gezeichnet iſt. 164. VIII. 10 150 Die Bezeichnungen ſind: Fig. 1 — 3. Die Schneckenwindungen. Fig. 4. Mo- diolus und columella. Fig. 5. Schneckenfenſter, wovon hier nur eine Spur zu ſehen iſt. Fig. 6. Vorhofsfenſter. Fig. 7 oberer, Fig. 9 hinterer Bogengang. Fig. 8. Gemeinſchaft⸗ liches Stück ihrer beiden Schenkel. Fig. 10. Ampulle des obern, Fig. 11 Ampulle des äußern Bogenganges. Fig. 12. Vertiefung des Vorhofs, worin die ampullenloſen Schenkel des hintern und äußern Bogenganges münden. Fig. 13. Vorhof. Fig. 14. Vorſprung, der die beiden recessus theilt. Fig. 15. Canalis Fallopiae. Fig. 16 u. 17. Halbeanal in der Paukenhöhle, deſſen Bedeutung nicht zu ermitteln iſt. Fig. 18. Vertiefung, ob mit der Paukenhöhle communi— eirend? Fig. 19. Kalkmaſſe, welche ſich um die Kante des Felſenbeins herumziehend, den innern Gehörgang ſchließt. Fig. 20. Aquaeductus vestibuli. Fig. 21. Eingedrungener Kalk. Fig. 22. Innere Offnung des aquaeductus vestibuli. Die Fläche A ſaß auf einer mit weiten Zellenräumen durchzogenen Knochenmaſſe auf. . XXIV. Merkwürdige Formen von Bafaltfäulen im Siebengebirge. (Hierzu die Fig. 8 und 9 der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) In den geographiſchen und geologiſchen Werken ſind bereits ſehr reichliche Bilder von Abſonderungen baſaltiſcher Maſſen aus den verſchiedenſten Ländern und Gegenden gege— ben. Indes habe ich doch kürzlich Gelegenheit gehabt, For— men von Baſaltſäulen zu beobachten, wie ganz ähnliche wohl in Abbildungen noch nicht geliefert worden ſind. Das vor— ſtehende Bild kann dieſe Geſtalten beſſer verſinnlichen als ein ſehr beredter Tert. Beide gezeichneten Baſaltformen rühren aus den Baſalt— brüchen bei Oberkaſſel (eine Stunde von Bonn) im Sieben— gebirge her. Früher waren an der großen Baſaltmaſſe, welche in dieſer Gegend an die Oberfläche getreten iſt, vor— züglich nur Steinbrüche am ſogenannten Rückersberge er— öffnet. Es iſt dieſes jener Baſaltberg, aus welchem ich ſchon vor vielen Jahren eine ſehr merkwürdige Abſonderungs— weiſe des Baſalts, welche ein ganz coloſſales, aus concen— triſchen Schalen zuſammengeſetztes Ei darſtellt, beſchrieben und abgebildet habe. Göthe fand jene Beſchreibung mit dem beigehörigen Bilde ſo anziehend, daß er denſelben aus meinem Werke: „Das Gebirge in Rheinland-Weſtphalen, 2. Band“ den Wiederabdruck in ſeinen Heften: „Zur Na— turwiſſenſchaft überhaupt, beſonders zur Morphologie, 2. Band, 2. Heft“ vergönnte. Ich erwähne dieſes beſonders deshalb, damit man dort ſich näher über die Localität im allgemeinen belehren könne, von welcher unſere jetzt abgebil—⸗ deten Baſaltſäulen herrühren. Die Steinbrüche in dieſer Gegend ſind in neuerer Zeit in der Zahl und in der Ausbreitung bedeutend vermehrt worden. An der ſogenannten Kaſſeler Ley, dem höhern Baſaltberge, welcher ſüdlich als Fortſetzung des Rückersber— 10 * 151 ges hervortritt, waren ſonſt keine Baſaltbrüche geöffnet, wäh— rend jetzt ſeine ganze dem Rheine zugekehrte Wand entblößt erſcheint. Von dieſer rühren die in Fig. 8 abgebildeten Säulen her. Eben ſo hat man neue Baſaltbrüche in der Ebene, mitten im beackerten Lande nördlich des Dorfes Ober— kaſſel angelegt. In ihnen, jedoch nur in einer ſehr be— ſchränkten Localität finden ſich die Baſaltſäulen Fig. 9. Die Säulen Fig. 8 erreichen eine Länge von 30 bis 40 Fuß, ſie ſind 5, 6, 7 Zoll dick und in ihrer Stellung faſt ſenkrecht, wenig gegen den Horizont geneigt. Ihre Ge— ſtalt iſt höchſt eigenthümlich: man könnte ſie mit halbfertig geſchmiedeten Eiſenſtäben vergleichen, an welchen die Schläge des Hammers an den ein- und ausſpringenden Winkeln der Seitenflächen zu erkennen ſind. Bei den neben einander ſte— henden Säulen paſſen die ausſpringenden Winkel der einen Säule immer ganz genau in die einſpringenden Winkel der unmittelbar daneben ſtehenden. Nach einer andern Be— trachtungsweiſe könnte man die Säulen anſehen, als wären ſie aus lauter vielſeitigen, oben und unten abgeſtumpften doppelten Pyramiden zuſammengeſetzt, welche in der Achſen— richtung auf einander ſtehen. Völlig regelmäßig ſind dieſe abgeſtumpften Doppelpyramiden aber auch nicht, ſondern die Neigung ihrer Seitenflächen iſt eben ſo oft verſchieden, wie die Höhe derſelben, und auch ſonſt finden ſich mancherlei kleinere Unregelmäßigkeiten dabei ein. Eine einzelne aus der Gebirgswand herausgenommene Säule zeigt ſich daher oft ſehr abweichend gegen den allgemeinen hier vorherrſchen— den Geſtaltungstypus, welcher aber ganz überraſchend hervor— tritt, wenn man an Ort und Stelle die ganze Säulenreihe, ſowie ſie entblößt iſt, ins Auge faßt. Die Säulen Fig 9, etwa 8—9 Zoll dick, gleichen im allgemeinen regelmäßigen Baſaltſäulen; ſie haben aber auf der Oberfläche der Seitenflächen, die übrigens ziemlich rauh und verwittert ſind, Einkerbungen ſenkrecht gegen die Hauptachſe der Säulen. Beim Zerſchlagen der Säulen zerſpringen ſie nach der Richtung dieſer Einkerbungen in dünne Platten, aber mit einem ſchönen, friſchen, nicht verwitterten Querbruche. Dieſe Theilungsrichtung iſt alſo nicht im Innern der Säu— len durch Verwitterung angedeutet. Es bedarf wohl nicht mehr des näheren Beweiſes, daß die verſchiedenen Abſonderungen der Baſalte und verwandter Geſteine nur Producte der Contraction beim Feſtwerden ſind. Locale Einflüſſe erzeugten die verſchiedenen Formen, unter welchen die hier beſchriebenen die Zahl der bereits bekannten vermehren. Die Ermittelung der localen Einflüſſe, welche in jedem einzelnen Falle den Plaſticismus modificirt haben, dürfte oft ſchwierig oder unmöglich ſein. Intereſſant iſt ſchon die einfache Auffaſſung der Form. Es ſchließen ſich aber dieſe neuen Formen, ſo eigenthümlich ſie auch erſchei— nen, welches namentlich von Fig. 8 gilt, doch auch wieder durch Übergänge an andere an, welche häufiger vorkommen und längſt bekannt ſind. Jeder damit vertraute wird den Verband aller dieſer Geſtalten unter einander leicht erkennen. 164. VIII. 10. 152 Von den beiden abgebildeten Formen der Baſaltſäulen habe ich Exemplare in dem naturhiſtoriſchen Muſeum der Rhein-Univerſität im ſogenannten Grottenſaale des Schloſſes zu Poppelsdorf aufſtellen laſſen. Bonn, 17. October 1848. Nöggerath. Miſcellen. 20. Das entſprungene Rhinoceros. — Das ſtille Dorf Galaway in America ward am Morgen des 23. Juli 1848 durch die Flucht eines Rhinoceros aus der Menagerie der Harn. Raymond und Warring in großes Schrecken ver— ſetzt. Der Elephant Columbus hatte ſich Nachts das Vergnügen gemacht, mit ſeinem Rüſſel die ſtarken Eiſenſtäbe vor dem Käfig des Nashorns auszuheben und letzterem, das ihm kampfmuthig ent⸗ gegentrat, mit ſeinem Rüſſel 2 bis 3 ſo derbe Schläge verſetzt, daß es eine Zeit lang wie todt am Boden lag. Der Elephant ſchien es mit ſeinen Füßen vollends vernichten zu wollen, erhielt aber bald von dem erwachten Feinde fo heftige Stöße feines Hornes in den Unterleib, daß er den Kampf aufgeben mußte. Das wüthende Rhinoceros war jetzt nicht mehr zu bändigen, die Wärter boten die ganze Bevölkerung des Dorfes zur Huͤlfe auf. Obſchon fie ihnen bereitwillig geleiſtet ward, bahnte ſich das Ungeheuer dennoch den Weg ins Freie und kühlte ſeine Wuth an den Viehheerden, unter denen es große Verwüſtung anrichtete. Kaum hatte das Thier indes einen benachbarten Sumpf entdeckt, als es ſich in ſel⸗ bigen ſtürzte und ſich in ihm wie in den Moräſten ſeines Vater⸗ landes Japan heimiſch zu fühlen ſchien. Nachdem man lange, aber vergebens das Thier zu fangen verſucht hatte, beſchloſſen die Be⸗ ſitzer dasſelbe zu tödten; man holte Muffeten, aber ihre Kugeln prallten von ſeinen Flanken wie von einem Eiſenpanzer ab. Noch am 2. Auguſt war das Rhinoceros, obſchon mehr als 500 Men⸗ ſchen es verfolgten und ein hoher Preis auf ſeinen Einfang ge— ſtellt war, nicht gefangen. Der Elephant war fo gefährlich vers wundet, daß man an ſeiner Geneſung zweifelte. (The Zoologist, No. 70 1848.) 21. Aus dem Erdbeben zu Guadeloupe vom 3. Fer bruar 1843 zieht A. Duchaſſaing folgende Schlüſſe: 1) Gua⸗ deloupe erhebt ſich über den Spiegel des Meeres; 2) fein Hervor— treten macht ſchnelle, alljährlich bemerkbare Fortſchritte; 3) die Erhebung geſchieht durch dieſelben Kräfte, welche die Erderſchüt— terungen veranlaſſen; 4) fie iſt nicht an allen Punkten der Inſel von gleicher Bedeutung; 5) die beobachteten Senkungen ſind ſo gering, daß man fie rein localen Urſachen, dem Feſterwerden des Bodens, dem Zuſammenfallen kleiner unterirdiſcher Höhlen u. ſ. w. zuſchreiben muß; 6) Guadeloupe iſt ein erſt ganz neuerlich aus dem Meeresſchooße hervorgetretenes Land; die foſſilen dort in Menge vorkommenden Muſcheln gehören nicht allein ſämmtlich noch im antilliſchen Meere lebenden Arten an, ſondern find auch zum größ— ten Theil nicht verſteinert, beſitzen vielmehr noch ihre urſprünglichen Farben. Dieſelben Thatſachen und ihre Folgerungen gelten nach dem Verf. auch für die kleinen Antillen und ſelbſt für einen Theil der americaniſchen Küſten; die Kraft, welche ſie aus dem Meere emporhob, iſt auch dort noch nicht erloſchen. Der Verf. hat den jetzigen Meeresſtand an den Felſen verſchiedener Orte genau bezeich- net und verſpricht über den künftigen Stand und ſomit über die Hebungen der Länder genaue Mittheilungen. (Comptes rendus, No. 7, 14. Aoüt 1848.) 154 hnlichen handen, Raume he und bedeckt ſubſtanz haring⸗ hreiben. chenkel⸗ yeil von n Kno⸗ ie zwi⸗ umzieht, ſeinem Dieſe fel des t abſte⸗ it, daß gt, ob⸗ arbietet. b, daß n Pilze ſehen. der po⸗ ich dem „aber nd ent⸗ r 1 Kopfe tes be⸗ einhalſe erungen hätigkeit n, und zu der ied ſehr n Folge Schlages t ſelten, bedeu⸗ Ver⸗ nd eine ur die m all- tt fin⸗ geben nkheit. Notizen HR_N®164 oder N 10 des IH. Bandes. 153 164. VIII. 10. Heilkunde. (X.) Über die Interſtitialabſorption des Schenkel⸗ beinhalſes in Folge von Quetſchung der Hüfte. Von Edwin Canton, Demonſtrator der Anatomie an der Me— dieinalſchule des Hoſpitals Charing-Croß. (Schluß.) (Hierzu die Abbildung Figur 17 auf beiliegender Tafel.) Nachſtehendes habe ich aus dem Manual des verſtorbe— nen Hrn. Howſhip wörtlich abgeſchrieben. Zweiter Fall. — D. 23. Juli 1828. Mary Hyde, 72 Jahre alt. Im harten Winter vor 15 Jahren fiel ſie mit dem oberen Theile des rechten Schenkels auf das Pflaſter, und als ſie ſich an einem Geländer aufgerichtet hatte, zum zweiten Male auf denſelben Schenkel, welcher taub wurde, und ſie lag eine Zeit lang hülflos da. Sie brauchte zwei Stunden, von Sackville Street nach Bond Street zu gehen. Das Bein war auswärts verdreht und iſt es noch. Etwa 1 Monat nach dem Unfalle war fie im Stande, an einem Stocke herumzuhinken, und ſie kam in dem Oxfordſchen Krankenſaale im St. Georg-Hoſpitale unter Hrn. Heaviſi— de's Behandlung. Viele Wochen lang wurde die Hüfte ge— bäht und dadurch einige Erleichterung erlangt. Sie ward auf einem Wagen aus dem Hoſpitale geſchafft, war ſehr ſchwach, und das rechte Bein verkürzte ſich nach und nach, beſonders in dem letzten Jahre. Es ſchien mir, als die Kranke ging, daß es um volle 2 Zoll kürzer ſei, als das andere, und die Kranke war derſelben Meinung. Wenn ſie ſich auf dasſelbe ſtützt, ſo fühlt ſie im Hüftgelenke einen Schmerz, als ob ihr jemand auf den Hüftknochen einen Schlag verſetzte; nach Anſtrengung verſpürt ſie darin Ziehen und Klopfen, und ein unangenehmes Gefühl iſt beſtändig vorhanden. Wenn ſie durch das Zimmer geht, ſo ſcheint ihr das Bein ein wenig taub und als ob ſie im Knochen keine Kraft habe. Wenn ſie lange gegangen iſt, ſo hat der Schmerz ſeinen Sitz durchaus im Schenkelbeinhalſe. Als ich mit einer Schnur vom Boden der Hacke bis zur spina anterior superior des Darmbeins maß, fand ich das rechte Bein um 2 Zoll kürzer, als das linke. Der trochanter ſchien voluminöſer und liegt weit höher, als auf der entgegengeſetzten Seite; die Bewegungen des Knochen— kopfes beweiſen, daß ſich dieſer Theil an der normalen Stelle befindet; allein der Hals ſcheint außerordentlich ver— kürzt und ſeine Richtung verändert. Juni 1831. Ich unterſuchte die Patientin wieder, ſie konnte ganz gut gehen. Das Bein konnte den Körper ſtützen, ohne daß Schmerzen entſtanden, und die Verkürzung veranlaßte nur einige Unbequemlichkeit. D. 30. Januar 1832. Der Tod erfolgte nach ſtufen— weiſer Abnahme der Kräfte. Als ich die rechte Hüfte be— ſeitigte, fand ich den Schenkelbeinhals ſo verkürzt, daß der Rand des Kopfes (hart hinter welchem die Capſel rings herum angewachſen war) ſich faſt mit den beiden Trochan— teren in Berührung befand. Eine ganz kurze dünne Schnur, der Überreſt des ligamentum teres, von dem gewöhnlichen Anſehen und der Structur des letzteren, war noch vorhanden, und in dem gewöhnlich mit Synovialdrüſen angefüllten Raume im Grunde des acetabulum fand ich zwei ſehr rothe und gefäßreiche Knochenmaſſen, die theilweiſe mit Knorpel bedeckt und, wie es ſchien, eine Verknöcherung der Fettſubſtanz waren. Ich werde die im Cabinette des Hoſpitals zu Charing⸗ Croß aufbewahrten Hüftgelenkknochen etwas näher beſchreiben. Weniger als ½ Zoll von dem unteren Theile des Schenkel⸗ beinhalſes iſt noch vorhanden, während der obere Theil von der Zerſtörung noch mehr gelitten hat und von einem Kno— chenwulſte überragt wird, der von der vorderen Linie zwi⸗ ſchen den Trochanteren entſpringt, indem er ſich herumzieht, allmälig dünner wird und die Grenze des Kopfes mit ſeinem oberen, hinteren und ſeitlichen Rande bezeichnet. Dieſe Hervorragung liegt in gleicher Höhe mit dem Gipfel des trochanter major und von dieſem nur ¼ Zoll weit abſte— hend. Der Kopf ſelbſt iſt niedergedrückt und ſo breit, daß er 2½ Zoll mißt, während ſeine Höhe 3 Zoll beträgt, ob⸗ gleich er noch einen gewiſſen Grad von Converität darbietet. Er hängt ſo ſtark über den Hals des Knochens herab, daß er denſelben faſt verbirgt und beide zuſammen einem Pilze mit dickem und verkürztem Strunke nicht unähnlich ſehen. Der ineruſtirende Knorpel fehlt ſtellenweiſe, ſo daß der po— röſe Knochen bloß liegt. Der ganze Knochen iſt, gleich dem entſprechenden os innominatum, leicht und ſchwammig, aber demungeachtet feſt. Das acetabulum iſt erweitert und ent— ſpricht in Breite und Höhe den angegebenen Maßen. Der Knorpel fehlt an den Stellen, welche den Lücken am Kopfe des kemur gegenüberliegen. Die Weite des Ausſchnittes be— trägt 13/5 Zoll. Ich habe bereits gezeigt, daß die am Schenkelbeinhalſe in Folge des vorgerückten Alters eintretenden Veränderungen nicht mit den durch Krankheit oder äußere Gewaltthätigkeit veranlaßten Veränderungen verwechſelt werden dürfen, und es finden ſich in Schriften häufig Angaben, welche zu der Anſicht berechtigen, daß in beiden Fällen der Unterſchied ſehr gering iſt. So ſagt z. B. Prof. Miller ): „In Folge einer äußeren Gewaltthätigkeit, z. B. eines heftigen Schlages oder Falles auf den trochanter major, findet man nicht ſelten, daß der Schenkelbeinhals durch Interſtitialabſorption bedeu— tende Veränderungen erleidet, und eine ähnliche Ver— änderung kann auch von ſelbſt, d. h. ohne irgend eine bekannte Urſache eintreten, ſo daß ſich dadurch nur die in Folge des höheren Alters, nicht nur im all— gemeinen, ſondern auch im beſondern Statt fin— dende Aufreibung des Organismus kund zu geben ſcheint.“ Analoge Veränderungen durch Krankheit. *) Principles of Surgery. 155 Es ift intereſſant zu bemerken, wie ähnlich die durch äußere Gewaltthätigkeit eintretenden krankhaften Veränderungen der Hüfte denjenigen ſind, welche man in Fällen von chroniſcher rheumatiſcher arthritis wahrnimmt. Wir finden hier dieſelbe Abſorption des Halſes, welche eine größere oder geringere Verkürzung des Beins zur Folge hat, das Verſchwinden des Knorpels, die Abführung (eburnation) der dem Drucke aus— geſetzten Oberfläche an den Stellen, wo derſelbe am ſtärkſten einwirkt; die Abplattung, Ausbreitung und Niederdrückung des Kopfes und die Entſtehung eines knochigen Gürtels, ge— wöhnlich da, wo der Kopf ſich an den Hals anſchließt; die Erweiterung des acetabulum, das Verſchwinden des ligamen- tum teres, nebſt Verdickung der Capſel und unregelmäßiger Ablagerung neuer Knochenſubſtanz. Auch können loſe Knor— pel in dem Gelenke vorkommen und fi) das ligamentum transversum in einen knochigen Steg verwandeln, u. ſ. Dergleichen Erſcheinungen ſind, meines Wiſſens, wenn über die Geſchichte des Falles nichts bekannt war, öfters als ein vorzüglich hoher Grad derjenigen Atrophie des Theiles be— trachtet worden, welche eine natürliche Folge des hohen Alters iſt. Bei meiner eigenen Unterſuchung des Hüftgelenkes vieler männlichen und weiblichen Subjecte von 60, 70, 80 Jah- ren bin ich aber nie im Stande geweſen, irgend eine andere Veränderung zu beobachten, als eine Senkung des Halſes, und zwar im geringeren Grade, als ich ſie, nach der Be— ſchreibung, welche die meiſten Schriftſteller von der characte— riſtiſchen horizontalen Richtung dieſes Theiles bei alten Perſonen machen, erwartet hätte. Zu dem muß ich noch bemerken, daß die Verdünnung der Rinde dieſes Theils und ein mehr offener Zuſtand der cancelli gewöhnlich wahrzunehmen war. Bei drei weiblichen Subjecten, von denen jedes über 90 Jahr alt war, fand ich den Hals von feiner normalen ſchrägen Richtung nur un— bedeutend abgewichen. Indes ſind mir zuweilen Hüftgelenke vorgekommen (und zwar hatten gewöhnlich beide Seiten ge— litten), an denen die oben erwähnten krankhaften Erſcheinun— gen zu bemerken waren, während ähnliche Veränderun— gen in andern Gelenken auf das eigentliche Weſen des Leidens beſtimmter hindeuteten, wenngleich es einer ſolchen Beſtätigung kaum bedurfte. Hr. Adams hat in ſeinen Bemerkungen über das rheu— matiſche Erkranken des Hüftgelenks auf die Ahnlichkeit der Veränderungen mit denen des oben erwähnten Leidens hin— gewieſen. Er ſagt: „Wir haben auch Grund anzunehmen, daß Stürze auf ven trochanter major die erſten Symptome dieſer Krankheit veranlaßt haben.“ Mit Beziehung auf dieſe Angabe bemerkt Dr. Todd '): „Dies iſt keineswegs unwahr— ſcheinlich und ſtreitet keineswegs mit der Anſicht über die Krankheit, welche dieſer einen rheumatiſchen Urſprung zuſchreibt; denn die durch den Sturz veranlaßte Störung des Ernährungsproceſſes kann unſtreitig, wie dies bei der Gicht häufig der Fall iſt, eine ſtärkere Anziehung des rheumatiſchen Stoffes nach dem verletzten Gelenke veranlaſſen.“ Ich habe bereits aus Hrn. Bells Werke eine Stelle citirt, welche ſich *) Practical Remarks on Gout, Rheumatic fever, and chronie Rheumatisın of the Joints. 164. VIII. 10. 156 theilweiſe auf den vorliegenden Gegenſtand bezieht: „In den— jenigen Fällen, welche im mittlern Lebensalter vorkommen (es iſt von der Interſtitialabſorption des Schenkelbeinhalſes die Rede), ſcheint das Leiden in der Regel nicht idiopathiſcher Natur, ſondern das directe Reſultat einer Erkältung, eines Falles, Schlages ꝛc. auf den trochanter major zu fein.’ Hr. Smith zu Dublin bemerkt: „Das Bein wird ver— kürzt, der Fuß auswärts gekehrt, und nicht ſelten finden wir in ſolchen Fällen alle Symptome der chroniſchen rheumati— ſchen arthritis ).“ Nicht nur die Erſcheinungen an Cadavern ſind denen, welche man bei Subjecten, welche an der rheumatiſchen Krank— heit des Hüftgelenkes gelitten haben, wahrnimmt, ganz ähn⸗ lich, ſondern dieſelbe Übereinftimmung findet ſich auch bei Lebzeiten der Patienten. In beiden Fällen ſind Steifheit, Beſchränkung der Bewegung in gewiſſen Richtungen, dumpfer läſtiger Schmerz im Gelenke, welcher ſich am Schenkel hinab— zieht und Abends, ſo wie nach körperlicher Bewegung, auch durch feuchtes und kaltes Wetter und durch Biegung des Beines nach beſonderen Richtungen an Stärke zunimmt, vor⸗ handen. Das Bein wird verkürzt und die Muskeln um die Hüfte ſchwinden ein wenig; ſtützt man das Körpergewicht mit dem kranken Beine, ſo entſteht im Gelenke ein dumpfer Schmerz; Röthung und Hitze fehlen, ze. (London med. Gaz., Aug. 1848.) (XL) Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. Von Friedrich Lorinſer, Primar-Wundarzt im Bezirkskranken⸗ hauſe Wieden in Wien. (Hierzu die Figur 16 auf beiliegender Tafel). Für Fracturen des Oberſchenkels find ſchon fo vielerlei Verbandmethoden erfunden und bekannt gemacht, angenom— men und wieder verlaſſen worden, daß mir faſt bangen müßte, den ſo großen und mannigfaltigen chirurgiſchen Apparaten bei derartigen Knochenbrüchen einen neuen hin— zufügen, wenn nicht die Menge derartiger Verbände gerade als Beweis angeſehen werden müßte, daß die Vortheile, welche ſie gewähren ſollen, nicht immer in der That ſo erreicht worden ſind, wie man ſich eben verſprochen hat. Wenn wir einen einzigen Verband beſäßen, der alle Vor— theile in ſich vereinigte und ſomit ganz vollkommen wäre, wer ſollte noch das Bedürfniß fühlen, einen zweiten zu er— finden? Obwohl es ein bloßer frommer Wunſch bleiben dürfte, die Chirurgie durch Vereinfachung ſo zu vervoll— kommnen, daß ein einziger Apparat fur alle möglichen Fälle von Oberſchenkelbrüͤchen hinreichen ſollte, jo find denn doch bei der Behandlung der gewöhnlichſten derartigen Fälle eine unverhältnißmäßig große Menge von einander ganz verſchiedener Wege eingeſchlagen worden. Aber gerade dieſe Mannigfaltigkeit der Ideen, die Verſchiedenartigkeit der Mittel zu einem und demſelben Zwecke, hat eine Reaction in dem Thun und Laſſen der Wundärzte zu Stande ge— *) A Treatise on Fractures in the Vieinity of the Joints. 157 bracht, aus welcher ſich nach und nach nur verbeſſerte, ge— diegenere Grundſätze entwickeln mußten. — Wer könnte bei Betrachtung der ganzen Reihe von Apparaten bei Ober— ſchenkelbrüchen von den älteſten bis auf die neueſten Zeiten — den allgemeinen Fortſchritt läugnen? Von einem Zeit— punkte zum anderen tauchten neue Grundſätze und mit ihnen neue Mittel auf, welche, wenngleich anfangs ſchwerfällig und complicirt, doch nach und nach verbeſſert und verein— facht wurden. So glaube auch ich in der mitzutheilenden Verbandmethode ein Verfahren gefunden zu haben, durch welches man ſich der Vortheile, die man durch die ver— ſchiedenartigſten, oft ſehr complieirten Verbände zu erreichen geſucht hat, auf eine einfachere und zweckmäßigere Weiſe verſichern kann. Einer der größten Übelſtände bei den Ver— bänden für ſchiefe Schenkelbeinbrüche beſteht offenbar in den zu umfangreichen und zu koſtſpieligen, oft auch zu compli— eirten oder ſchwer anzuwendenden Apparaten. Angenommen übrigens, daß ſolche Apparate in ihrer Wirkung ganz zweckmäßig ſeien, und daßſelbe in größeren Spitälern für einzelne Fälle vorräthig gehalten werden können, ſo bleiben dieſe doch für den Privatwundarzt, namentlich für jenen auf dem Lande, meiſtens unzugänglich. Wie ſehr man übrigens trotz aller Apparate mit der Verkürzung der Glied— maße zu kämpfen hat, wird ſelbſt jeder Spitalarzt, der ſich die Mühe genommen, die einzelnen Verbandmethoden genau zu unterſuchen und zu prüfen, hinlänglich erfahren haben. Die Hinderniſſe, die ihrer Anwendung und zweckmäßigen Wirkung entgegenſtehen, zeigen ſich aber hauptſächlich erſt bei ihrer Application am Kranken; es findet ſich, daß bei dem einen der Verbände die Ausdehnung nicht ‚hinreicht, um die Verkürzung der Gliedmaße zu beſeitigen, bei einem anderen iſt die Lage des Schenkels, bei einem dritten die Firirung des Beckens mangelhaft, bei den meiſten die Ex— tenfion an ſolchen Stellen und auf eine ſolche Weiſe ange— bracht, daß dieſelbe nicht vertragen wird, oder ſie wirkt nur einige Zeit lang, und nach Ausdehnung der Verbandſtücke iſt dieſelbe wirkungslos und erfordert eine oftmalige Er— neuerung des Verbandes. Daher ſind denn auch die meiſten der früheren, mitunter ſehr gangbaren Verbandmethoden wieder verlaſſen worden, und viele Wundärzte ſind endlich, der vielen getäuſchten Hoffnungen und nutzloſen Verſuche müde, zu der Anſicht gelangt, der Wundarzt fahre viel beſſer, wenn er den Kranken ſo wenig als möglich mit Verbandapparaten beläſtiget, und es bei einer geeigneten Lage der Gliedmaße und einem einfachen Schienenverbande bewenden läßt. Nichtsdeſtoweniger iſt es denn doch immer ein großer Übelſtand, ja eine Gewiſſensſache der Arzte ge— blieben, einen mit einem einfachen ſchiefen Bruche des Ober— ſchenkels behafteten Kranken mit einem verkürzten Fuße aus der Behandlung entlaſſen zu müſſen. Beſſer und ſicherer, als bei allen bisherigen Verbandmethoden der Fall war, wußte Mojſiſovies *) auf die gebrochenen Knochenenden einzuwirken, und ſeine Aquilibrialmethode ſteht ohne Zwei— *) Darſtellung der Aquilibrialmethode zur ficheren Heilung der Ober⸗ ſchenkelbrüche ohne Verkürzung. Wien 1843. 3 1 7 i ir. Kupfer⸗ sareln, Oft. 94. Taf 477, 9 Vergl. Frorieps Chir. Kupfer 164. VIII. 10. 158 fel in Bezug auf Stärke und Sicherheit der Ertenſion unter allen übrigen oben an. Demungeachtet glaubte ich die— ſelben Vortheile mit einem einfacheren Apparate und einer für den Kranken weniger läſtigen Lage erreichen zu können, weshalb ich bereits im Jahre 1843 auf der chirurgiſchen Abtheilung des Bezirkskrankenhauſes Wieden einen beſonders eingerichteten Ertenſtonsapparat bei einem Schenkelhalsbruche außerhalb der Capſel in Anwendung zog, deſſen praktiſche Brauchbarkeit ich in der Folge bei mehreren anderen Fällen conſtatirte, und welchem ich im Verlaufe der Zeit einige für nothwendig erachtete Verbeſſerungen hinzufügte, ſo daß ich gegenwärtig keinen Anſtand nehme, mein Verfahren der Offentlichkeit zu übergeben, und es meinen Herrn Collegen zur gefälligen Prüfung und Beurtheilung zu empfehlen. Da der dabei nothwendige Apparat ein ſo einfacher iſt, daß er ohne viele Koſten und Mühe unter allen Verhältniſſen leicht herbeigeſchafft werden kann, ſo dürfte ich hoffen können, daß dieſes Verfahren vielleicht auch unter ſolchen Umſtänden angewendet werden könnte, unter denen oft die Anlegung eines Ertenſionsapparates wegen Mangel an Gelegenheit und Mitteln unterbleiben mußte, wie dies fo häufig in der Landpraxis zu geſchehen pflegt. Nachdem hierauf von dem Verf. die Bedingungen der Nothwendigkeit eines Ertenſtonsapparates bei Oberſchenkel— brüchen durchgegangen ſind, geht er zu ſeinem Apparat über. Plan des Zugverbandes bei Oberſchenkelbrüchen. Der Plan, den ich bei dem von mir in Anwendung gebrachten Zugverbande verfolge, beſchränkt. ſich lediglich auf folgende Punkte: 1) Der gebrochene Oberſchenkel iſt ſo zu lagern, daß er zu dem etwas erhöhten Rumpfe — ebenſo wie der Unterſchenkel zu dem Oberſchenkel in halber Beugung ſich befinde. 2) Durch Anlegung einer leinenen Rollbinde ſollen die Muskeln des Oberſchenkels gelinde comprimirt und erſchlafft, zugleich der Oberſchenkel in ſeiner ganzen Ausdehnung be— deckt und geſchüͤtzt, und gleichzeitig mittelſt derſelben eine rings um den unteren Theil des Oberſchenkels anzulegende nach abwärts graduirte Compreſſe befeſtigt werden. 3) Das Becken ſoll in der gedachten Lage mittelſt zweier um dasſelbe angelegter Gurten oder lederner Wülſte, welche mit ſtarken, gegen den Kopftheil des Bettes laufenden und dort mit Gewichten behängten Schnüren in Verbindung ſtehen, fixirt werden. 4) Um den unteren Theil des Oberſchenkels gerade über den Schenkelknorren iſt eine ftarfe lederne, mit Roß⸗ haar gepolſterte Schnürbinde anzulegen, an welche der gegen den Fußtheil des Bettes in der Richtung des Oberſchenkels hinlaufende Zug angebracht iſt, welch' letzterer ebenfalls durch Schnüre und Gewichte bewerkſtelligt wird. 5) Um die ſeitliche Verrückung der Bruchſtücke (wenig⸗ ſtens bei Brüchen am Körper des Oberſchenkels) um jo ſicherer zu verhuͤten und die Verbandſtücke am Oberſchenkel gut zuſammenzuhalten, iſt am Oberſchenkel noch ein leichter Schienenverband anzulegen. 159 Anzeigen für dieſen Zug verband bei Ober: ſchenkelbrüchen. Im allgemeinen dürfte dieſer Zugverband für alle Fälle von Oberſchenkelbrüchen, welche entweder am Halſe desſelben vorkommen oder ſchief durch den Körper des Schenkelbeines verlaufen und mit Verkürzung der Gliedmaße verbunden ſind, geeignet ſein, vorausgeſetzt, daß nicht ſehr wichtige Compli— cationen die Anlegung der den Zug vermittelnden Verband— ſtücke verhindern. In dieſer letzteren Beziehung wären vor— züglich große Quetſchung der Weichtheile mit Bluterguß und ſtarker Anſchwellung, ſo wie auch Wunden am Ober— ſchenkel ſowohl, als in derjenigen Gegend des Beckens, welche dem Zuge der beiden Beckengurten ausgeſetzt iſt, wohl zu berückſichtigen. — Starke Quetſchungen mit Anſchwellung und Bluterguß erfordern vor allen den mehrtägigen Gebrauch von Eisumſchlägen, ſtrenge Ruhe und entſprechende Diät. Hat ſich hierauf die Empfindlichkeit der Theile und die An— ſchwellung derſelben, namentlich am unteren Theile des Oberſchenkels, in ſo weit gelegt, daß ein mäßiger Druck ver— tragen wird, ſo ſteht der Anwendung des Verbandes weiter— hin kein Hinderniß entgegen. Bei mitbeſtehenden Wunden am mittleren Theile des Oberſchenkels müßte der Verband in jo fern modifieirt werden, daß die verwundeten Stellen von allen Binden, Schienen und von jedem Drucke frei blieben, damit dieſelben täglich beſichtigt, gereinigt und über— haupt entſprechend behandelt werden könnten, ohne daß der Verband ſelbſt geandert oder erneuert werden müßte. Eben ſo ließen ſich vielleicht verwundete Stellen in der oberen inneren Gegend des Oberſchenkels oder in jener Gegend des Beckens, an welcher die Beckengurten angelegt werden ſollten, durch eine geringe Modification in Anlegung dieſer letzteren Verbandſtücke vermeiden; nur bei Verwundungen am unteren Theile des Oberſchenkels, woſelbſt die Schnuͤrbinde angelegt werden ſoll, könnte man von dieſem Verbande keinen Ge— brauch machen, da gerade dieſe Gegend, welche dem meiſten Drucke ausgeſetzt wäre, in ſolchem Falle frei gehalten wer— den muß. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in derlei Fällen die Aquilibrial-Methode von Mojſiſowies allen übrigen Verbandmethoden bei weitem vorzuziehen ſein wird. (Fortſetzung folgt.) 164. VIII. 10. 160 Miſcellen. (18) Reclamation wegen des Collodium. (vergl. Not. No. 154 und 157 oder Bd. VII. No. 22 und Bd. VIII. No. 3). Eine verdienſtvolle Erfindung eines deutſchen Forſchers iſt durch eine jener nur zu häufig vorfallenden Irrungen in Ge— fahr, dem wahren Verdienſte entzogen zu werden, um ſo dasſelbe der Frucht und des Lohnes ſeiner Arbeit und Mühe zu berauben. Als eine americaniſche Erfindung wird unter dem Namen Collo— dium eine klebende Flüſſigkeit, die Schießbaumwolle in Ather auf— gelöſ't enthalten ſoll, vielfach geprieſen und empfohlen. Nicht un⸗ verdient iſt das Lob der Sache. Die Flüſſigkeit iſt aber bereits im Jahr 1846 von dem berühmten Entdecker der Schießbaumwolle Hrn. Prof. Schönbein in Baſel erfunden und dargeſtellt wor— den. Im Frühjahr 1847 ſind in Baſel in dem daſigen Spital von den Arzten und beſonders vielfach von Hrn. Prof. Jung, fodann von den Hrn. Prof. Demme und Mieſcher kliniſche und therapeutiſche Verſuche damit angeſtellt worden, welche die Vortrefflichkeit des Mittels als eine waſſerdichte, zuſammenziehende Hautdecke ins klarſte Licht ſtellten und deſſen Anwendung genau beſtimmten. Das Reſultat iſt der naturforſchenden Geſellſchaft in Baſel den 24. März 1847 vorgelegt; bis jetzt nur kurz in den Verhandlungen der ſchweizeriſchen naturforſchenden Geſellſchaft in Schaffhauſen im Jahr 1847 im Drucke veröffentlicht worden. Seit⸗ dem iſt das Mittel vielfach bei Verwundungen, Excoriationen, mit beſonders gutem Erfolg auch gegen Froſtbeulen angewendet worden und hat ſich als ſehr zweckmäßig bewieſen. Dasſelbe iſt auch ſeit einiger Zeit in Baſel durch ein Materialwaarenhaus Geygi und Bernvalli zu beziehen, unter dem einfachen Namen „Prof. Schönbeins Klebäther.“ Dem Americaner bleibt ſomit das Verdienſt den Namen Collodion der Erfindung des Hrn. Prof. Schonbein gegeben zu haben. Baſel, den 25. November 1848. (19) Über eine zweiköpfige Mißgeburt, bei welcher der eine Kopf ſchwarz und der andere weiß iſt, hat Hr. Prus an die mediciniſche Akademie zu Paris berichtet. Das monstrum wurde zu Alexandria todt geboren. Die an demſelben Rumpfe ſitzenden beiden Köpfe waren wohl gebildet; der weiße ſchien einem acht— monatlichen, der ſchwarze einem völlig ausgetragenem foetus anzu- gehören. In andern Beziehungen war dieſe männliche Leibesfrucht normal gebildet nnd weiß von Farbe. Die Färbung des ſchwarzen Kopfes begann am Halſe mit braun, welches allmälig in tiefes ſchwarz überging. Hr. Prus überzeugte ſich davon, daß dieſe Schwärze nicht von naeyus, Bluteongeſtion oder irgend einer krank⸗ haften Veränderung herrührte, denn im rete Malpighii fand ſich eine ſtarke Schicht ſchwarzen Pigmentes. Auch bot der ſchwarze Kopf den Negertypus dar. Die Eltern waren Fellahs, die Mutter 25 bis 30, der Vater, ein Hafenarbeiter, etwa 30 Jahre alt und die Hautfarbe der Eltern war gelblichbraun. Die Mutter hatte früher 5 wohl geſtaltete Kinder geboren. Im Hafen von Alexandria ar— beiten auch viele Neger, ob die Frau aber mit einem derſelben vertrauten Umgang gepflogen habe, konnte Hr. Prus nicht ermit⸗ teln. (London med. Gaz., Aug. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. W. Lawrence. Lectures on comparatiçe anatomy, physiology, zoology and the natural history of man. 120. London 1848. (pp. 406. with 12 engra- vings. 3 sh. 6 d.) R. Pattersons Zoology. No. 1. Animals. On a Sheet each. Invertebrate Animals. No. 2. Vertebrate London 1848. (1 sh. 6 d.) T. Dunhill. A selection from papers on sanitary reform published in the journal of public health and other periodicals; together with minutes of evidence given before the select committee of the house of commons ap- pointed to enquire into the expediency of abolishing Smithfield cattle mar- ket and establishing publie abattoirs etc. 8%. London 1848. (pp. 4. 1 sh.) Druck unv Verlag des Landes-Induſtrle-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 165. (Nr. 11. des VIII. Bandes.) December 1848. Naturkunde. Betz, üb. den Primorvialſchädel des Menſchen. — Miſcellen. Johnſton, fruchtbare Eier, dem Weibchen des Smerinthus ocellatus nach deſſen Tode entnommen. Senkungen des Landes. — Heilkunde. valenta arabica. — Bibliographie. Lorinſer, Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. (Fortſetzung.) — Miſcelle. Re- Naturkunde. (XXV.) Über den Primordialſchädel des Menſchen. Ein Beitrag zur Entwickelungsgeſchichte von Friedrich Betz in Tübingen. (Hierzu Fig. 14 und 15 der mit No. 10 vieſes Bos, ausgegebenen Tafel.) Der menſchliche Körper ſchafft in ſeinem Entwickelungs— gange Gebilde, deren Beſtimmung es iſt, nur eine kurze Zeit als ſolche zu exiſtiren, um entweder einem anderen Ge— bilde zur Metamorphoſe zu dienen, oder aber, um wieder ohne weitere Veränderung als ſolche unterzugehen. Solche Ge— bilde und Erſcheinungen finden ſich, außer anderen Orten, auch an dem Schädelgehäuſe. Jacobſon *) hat zuerſt deut— licher über dieſen Entwickelungsgang des Schädels geſprochen, und den Schädel in ſeinen erſten Formen Primordialeranium genannt. Seither hat ſich zwar der Primordialſchädel ver— ſchiedener Unterſuchungen erfreut; allein leider ſind die Re— ſultate derſelben nicht ſo ausgefallen, wie man hätte er— warten ſollen. Sie haben, ſtatt zu erhellen, nur Veran— laſſung zu Controverſen gegeben. Freilich hat Jacob ſon den Begriff des Primordialſchädels zu unbeſtimmt gelaſſen und ihn nur beſchrieben, wie er zu einer gewiſſen Zeit der Entwickelungsgeſchichte iſt, wenn und wie er aber beginnt und aufhört, Primordialſchädel zu ſein, nicht angegeben. Ich begreife unter dem Primordialſchädel die ganze Reihen— folge von Zuſtänden von der erſten Bildung des Schädels bis zum Verſchwinden der Fontanellen, bis zu einer Zeit, wo der Schädel nur von Knochen gebildet iſt. Wir finden alſo noch Spuren der Umwandlung, d. h. des Primordial— cranium, einige Zeit nach der Geburt. — Unterſucht man nun ein Primordialeranium, fo wird man dreierlei Gebilde finden, welche es zuſammen ſetzen, nemlich eine knorpelige, — Ze * *) Müllers Archiv für Anatomie und Phyſiologie, Jahrgang 1841. No. 2145. — 1015. — 1665. r knöcherne und häutige Subſtanz. Die knorpelige liegt mehr am Grunde des Schädels und in der Mitte der Geſichts— knochen. Dieſer knorpelige Theil iſt als Fortſetzung der Wirbelſäule zu betrachten, die einzelnen Abtheilungen des knorpeligen Primordialeraniums als modificirte Wirbel. Der knorpelige Theil des Primordialeraniums hat nun fol- gende Beſtimmungen: 1) er wird in Knochen umgewandelt, offifieirender Knorpel; 2) er geht wieder unter, wird als ſolcher reſorbirt, proviſoriſcher Knorpel; und 3) er bleibt knorpelig, permanenter Knorpel. — Dieſe Beſtimmungen des knorpeligen Primordialeranjum fallen aber nicht in eine beſondere Zeitreihenfolge, ſo daß zuerſt der proviſoriſche Knorpel reſorbirt ſein müßte, ehe ein anderer Theil verknöchert, ſondern ein Theil verknöchert, während ein anderer reſorbirt wird. Auch kommt der Fall vor, daß ein proviſoriſcher Knor— pel verſchwindet, und verſchwunden iſt, während ein anderer proviſoriſcher Knorpel noch fortwächſt, z. B. der proviſoriſche Knorpel auf den Orbitalplatten des Stirnbeins iſt ſchon längſt verſchwunden, da der proviſoriſche Knorpel der proc. ensiformes oss. sphenoid. noch fortwächſ't, oder die proviſoriſchen Knorpel— bogen, processus arcuati, auf welchen die Naſenbeine aufliegen, wachſen noch fort, nachdem die meiſten Knorpel des Kopfes oſſifieirt oder reſorbirt worden ſind. Es wächſ't alſo das knorpelige Fundament noch eine Zeit lang mit dem knöchernen fort und die proviſoriſchen Knorpel werden zu verſchiedenen Zeiten reſorbirt. — Ein anderer Theil des Schädels bildet ſich aus einer häutigen Grundlage heraus. Dieſe häutige Grundlage wird zum Perioſt der Knochen, indem dieſe ſich in dem häutigen Gewebe entwickeln. Zwiſchen der knorpe— ligen und häutigen Subſtanz liegt eine ſtructurloſe Mem⸗ bran, die aber bald verſchwindet und zwar mit der Reſorption oder Oſſification des Knorpels. Dieſe häutige Grundlage ſtellt die Fontanellen dar mit n der Hinterhaupts⸗ 163 fontanellen, die knorpelig find. Nach dem gefagten kann man das Primordialeranium in einen knorpelig-knöchernen und einen häutig- knöchernen Theil eintheilen. J. Knorpelig-knöchernes Primordialeranium. Das knorpelig-knöcherne Primordialeranium iſt von der unregelmäßigſten Form. Man unterſcheidet einen dickeren Theil, der in der Baſis des Schädelgehäuſes liegt und einen dünneren, welcher an dem Körper nach außen an den Schädel hinauf ſteigt. Der dünnere Theil hat mehr eine plattenartige Form und belegt mehr oder weniger dick die cerebrale Seite des häutig-knöchernen Primordialeraniums. Es legen ſich alſo die Knochen mit häutiger Grundlage um die Platten des knorpeligen Primordialeraniums. In Folge des Auftre— tens der Oſſificationspunkte muß man drei Theile unter— ſcheiden, nämlich einen Theil, der mehr dem hinteren Theile des Schädels angehört, einen, der dem mittleren und endlich einen, der dem Vorderhaupte und dem Geſichte angehört. Die Verknöcherungspunkte treten nur an dem Körper des knor— peligen Primordialſchädels auf, und ein jeder Oſſificationskern hat eine mehr oder weniger dicke Schicht von Knorpel vor ſich. Zwiſchen dem Hinterhauptstheile und dem Mittelhaupte finden ſich Knorpel, welche gleichſam eingeſchaltet ſind, aber in organiſchem Zuſammenhange ftehen: es find dies die Knor— pel, aus denen ſich das Gehörorgan entwickelt. 1) Der Occipitaltheil. Man muß an dem knorpelig— knöchernen Occipitaltheile den Körper, die Bogentheile und die Schuppe unterſcheiden, wie an dem knöchernen Hinter— hauptsbeine. Der Körper ſtellt die pars basilaris des Hinter— hauptbeines ſpäter dar; er iſt ſehr früh der Verknöcherung unterworfen und iſt durch eine Knorpelſchicht in früherer Zeit von dem verknöchernden zweiten oder Mittelhauptskörper ge— ſchieden. Obwohl die Verknöcherung ſehr früh in dem Kör— per beginnt, ſo ſchreitet ſie doch langſam fort und zwar von der Mitte nach der Peripherie. Es findet nämlich nicht vorher, ehe die Oſſification beginnt, eine vollkommene knor— pelige Ausbildung des Körpers Statt, ſondern während die Verknöcherung vom Mittelpunkte des Körpers beginnt, legt ſich im Umfange immer noch neue Knorpelmaſſe ab. Die Abdachung des Körpers iſt um ſo ſteiler, je jünger der Fötus iſt, welche Erſcheinung von der Geſichtskopfbeuge herzurühren ſcheint. — Nach hinten vom Körper ſtrahlen die Bogen— theile aus, die künftigen partes condyloideae. Die Bogen— theile dehnen ſich beſonders nach hinten gegen die Schuppe ſehr aus, ſind nach vorn mit dem knorpeligen Felſenbeine verbunden, commissurae petrosae. Die innere Com— miſſur iſt viel ſchmäler als die äußere, welche übergeht in die Knorpelmaſſe der Bogentheile, ſo daß das Felſenbein als Anhang des Primordialtheiles der Bogentheile erſcheint. Bogentheile ſind an ihrem äußeren Umfange ſehr lange knor— pelig, ſo daß wir noch nach der Geburt in den Hinterhaupts— fontanellen den knorpeligen Reſt finden. Die Hinterhaupts— fontanellen unterſcheiden ſich durch die knorpelige Querlage von den Fontanellen zwiſchen dem Mittel- und Vorderhaupt. Dieſe Fontanellknorpel, welche alſo den Bogentheilen an— gehören, verknöchern nicht, ſondern werden nach und nach Die 165. VIII. 11. 164 reſorbirt. — Die Schuppe iſt nur in einer frühen Periode des Fötuslebens zu ſehen. Sie beſteht in einem dünnen knorpeligen Anfluge, welcher auf der Schuppe des aus einer häutigen Grundlage ſich hervorbildenden Theiles des Hinter— hauptbeins innen aufliegt. — Wir haben nun an dem Hinterhauptstheile des knorpelig-knöchernen Primordialeraniums einen oſſificirenden Knorpel, Körper und theilweiſe die Bogen— theile und einen reſorbirenden oder proviſoriſchen Knorpel, Schuppe und ein Stück von den Bogentheilen. Spöndli“) hat Unrecht, wenn er behauptet, daß beim Menſchen die un— tere Hälfte der ſpäteren squama oss. oceipit., alſo die Gru— ben für das kleine Gehirn knorpelig Horgebildet ſei. Dieſer Irrthum beruht wohl darauf, daß die Bogentheile außen und hinten das koramen magnum ſchließen und eine Strecke nach oben gegen die häutig- knöcherne squama hinauf reichen. Al- lein dieſer Theil wird reſorbirt, je mehr ſich die häutig⸗ knöcherne squama nach unten gegen das koramen magnum ausdehnt. Es haben alſo die Gruben für das kleine Gehirn keine knorpelige, ſondern eine häutige Grundlage. 2) Mittelhaupt- oder Sphenoidaltheil des knorpelig— knöchernen Primordialcraniums. Er beſteht aus einem Körper und Seitenplatten, unterſcheidet ſich aber ſchon weſentlich von dem Hinterhauptstheile dadurch, daß er nicht wie jener das Nervencentrum kreisförmig umgiebt, ſondern nur noch theil— weiſe. Er zeigt überhaupt ſchon eine größere Abweichung von dem Wirbeltypus. Der Körper liegt zwiſchen den Kör— pern des Hinterhaupt- und Vorderhaupttheiles des knorpelig— häutigen Primordialeraniums und von beiden durch eine Knorpelſchicht getrennt. Er verwächſ't früher mit dem Kör— per des Vorderhauptwirbels als mit dem Hinterhauptswirbel. Die vor feinem Körper liegende Knorpelſchicht iſt beim Men— ſchen ſehr dünn und ſehr früh verſchwunden; doch will Bid— der “) eine deutliche Trennung bei Vögeln zwiſchen dem Vorder- und Mittelhauptwirbel geſehen haben. Der Körper des Sphenoidaltheils des knorpelig-knöchernen Primordial⸗ craniums gehört dem Theile des ſpätern corp. oss. sphe- noid. an, welcher der sella tureica entſpricht, während der den proc. ensiform. angehörende Theil als Wirbelkörper des Vorderhaupts- oder Geſichtswirbels zu betrachten iſt. Dieſe Annahme gründet ſich auf den anfangs getrennten Verknöche— rungsproceß, der allerdings beide Wirbelkörper bald mit ein— ander verſchmilzt. Spöndli dagegen zählt deshalb mit Unrecht das ganze corpus oss. sphenoideum , wie es ſich im ausgewachſenen Zuſtande zeigt, zum Körper des Mittelhauptwirbels. Der Körper des Sphenoidaltheils hat ſonſt nichts bemerkenswerthes, die Verknöcherung geht wie bei den andern vor ſich. Zu ſeinen beiden Seiten bilden ſich bald Knochenpunkte, aus denen die alae magnae entſtehen. Diefe Knochenpunkte treten in einer knorpeligen Grundlage auf, von welcher auf jeder Seite ein dünner knorpeliger Anflug als Seitenplatten ausgeht und auf einer ſchwachfaſerigen Haut liegt, welche die Stelle der ſpätern alae magnae vertritt. Dieſe Seitenplatten werden ſehr früh reſorbirt und ſtoßen nach hinten an das knorpelige Felſenbein. Die Knochenpunkte ») Über den Primordialſchädel u. ſ. w. Zürich 1846. **) De cranii conformatione etc. Dorpati MDCCCXLVII. 165 der alae magnae entfprechen den Bogentheilen des Hinter— haupttheils, die ſehr früh verſchwindenden Seitenplatten dem Schuppentheile des Hinterhauptswirbels. Wir haben nun am Mittelhauptswirbel oſſificirendes und proviſoriſches knor— peliges Primordialeranium. 3) Stirn- oder Antlitztheil des knorpelig-knöchernen Pri- mordialcraniums. Er trägt an allen Schädelwirbeln am we— nigſten den Wirbeltypus an ſich, hat die unregelmäßigſte Form, umzieht den vordern Gehirnlappen an der untern Fläche und greift mit einem Fortſatze in die Geſichtsknochen ein, welche ſich um ihn herumlagern. Er unterliegt allen Umwandlungen des knorpelig- knöchernen Primordialeraniums, denn ein Theil verknöchert, ein anderer wird reſorbirt und ein dritter bleibt knorpelig. Man unterſcheidet an ihm einen Körper, die Stirnplatte und den Geſichtsfortſaz. — Der Körper beſteht in dem vorderen Theile des corpus oss. sphe- noidei, aus welchem die processus ensiformes abgehen. Er verknöchert vollſtändig, aber ſeine Verknöcherung iſt et— was langſamer als die der übrigen Körper. Von ihm er— heben ſich nach außen und vorn die Stirnplatten. Sie lie— gen auf den partes orbitales und dehnen ſich nach hinten bis zu den processus ensiformes aus, welche noch zu ihnen ge— hören, da keine Unterbrechung Statt hat. — Die Stirn- platten werden ſehr früh und größtentheils reſorbirt. Die Stirnplatten ſind an einer Stelle, dort, wo ſpäter die part. orbital. an die processus ensiformes anſtoßen, ſehr dünn und im früheren Zuſtande durchbrochen, welche Lücke ſich aber im Verlaufe des Wachsthumes ſchließt. Man kann dieſe Lücke aber nicht beim Menſchen als ein Loch annehmen, wie es Spöndli bei dem Schädel einiger Wirbelthiere gethan hat. Spöndli hat es foramen spheno- frontale genannt. Die Stirnplatten nehmen zwiſchen ſich den Ethmoidaltheil des Ge— ſichtsfortſatzes auf. Sie reſorbiren ſehr früh und vollſtändig, eben jo wird ein großer Theil des ſpäter ſich aus dem bin— teren Rande der Stirnplatten hervorbildenden proc. ensiform, reſorbirt. Dieſe knorpeligen alae parvae ſind im Primor— dialſchädel äußerſt groß und reichen mit ihrem ſchmalen Fort— ſatze ſehr weit nach oben an die sutura coronalis. Dieſer ſchmale Fortſatz wird zum größten Theile reſorbirt. — Der Geſichtsfortſatz des Vorhauptes des knorpelig-knöchernen Pri— mordialeraniums beſteht aus einem Naſen- und Ethmoidal— theile, die aber ein ununterbrochenes Ganze bilden und nicht ſcharf geſchieden werden können. Der Ethmoidaltheil bildet den Schluß von dem knorpelig- knöchernen Primordialſchädelgrund und repräſentirt die Labyrinthe des Siebbeines. Die Laby— rinthe drängen ſich zu beiden Seiten in die Naſenhöhle hin— unter. Um dieſe knorpeligen Partien legen ſich die Bele— gungsknochen an, nämlich die Oberkieferknochen, die Thränen— beine. Er verknöchert vollſtändig und ſehr ſpät, aus ihm bilden ſich die Labyrinthe und die unteren Naſenmuſcheln. Der Naſentheil beſteht aus der lämina perpendicularis des künftigen os ethmoideum und aus den Bogenfortſätzen. Er verknöchert zum Theil, ein anderer bleibt knorpelig, per— manenter Knorpel, der einzige Fall, wo im Primordialknorpel keine Verknöcherung eintritt. Die Bogenfortſätze gehen am oberen Rande ab, biegen ſich nach außen um und fließen mit 165. VIII. 11. 166 dem Labyrinthe zuſammen. Die Bogenfortſätze werden ſehr ſpät reſorbirt, ſie exiſtiren noch einige Zeit nach der Ge— burt und dienen den Naſenbeinen zur Unterlage. Die Naſen— beine ſind die Belegungsknochen der Primordialſcheidewand der Naſenhöhle von oben, von unten iſt es das Pflugſcharbein. Die Entſtehung des knorpelig-häutigen Primordialera— niums hängt mit der Bildung des knöchernen Rückenmark— canales innig zuſammen. Die chorda spinalis nämlich iſt von der übrigen Bildungsmaſſe von einer Schicht Zwiſchen— ſubſtanz geſchieden. Dieſe Zwiſchenſubſtanz dehnt ſich nach oben und unten aus und kommt in Berührung der allgemei— nen Umhüllungshaut. Dadurch entſtehen zwei Röhren, der tubus spinalis und visceralis, welche gleichſam über einander liegen. Zwiſchen dieſen Röhren tritt nun eine neue Schicht auf, die als Scheidewand zwiſchen den beiden Röhren liegt. Die neue Zwiſchenlage der Röhren iſt die Urmaſſe der künf— tigen Wirbelkörper und belegt nicht nur den vordern Theil des ſpätern Rückenmarkscanales, ſondern auch den der Gehirn— capſel. Dieſe Gehirncapſel, welche ſich aus einer Erweiterung des tubus spinalis hervorgebildet hat, bekommt allmälig wie— der drei Ausbuchtungen, die ſogenannten drei Gehirnbläschen darſtellend. Die erſte Erweiterung nimmt das Vorder- und Hinterhirn, die zweite das Mittelgehirn und die dritte das Hinter- oder Nachhirn auf, welches ſpäter in das kleine Ge— hirn und verlängerte Mark umgewandelt wird. Dieſen drei Abtheilungen entſprechen die drei Schädelwirbel. Das Vor— derhirn oder das rechte Gehirnbläschen liegt aber nicht in gerader Richtung mit dem Mittelgehirn oder zweiten Gehirn— bläschen, ſondern bildet eine ſtarke Beugung, Knickung, die Geſichtskopfbeuge nach Reichert. Zur Zeit nun, wo ſich die Erweiterungen in dem Kopftheile des tubus spinalis bil- den, bekommt die Intertubularſubſtanz ein dickeres Ausſehen, beſonders an der Stelle der Geſichtskopfbeuge, ſetzt ſich aber noch über die Geſichtskopfbeuge hinaus fort an die untere Wand des Vorderhirns. Von der Geſichtskopfbeuge ſteigt ein dickerer Fortſatz, Rathke'ſcher Balken, nach aufwärts und drängt ſich zwiſchen das Vorder- und Mittelhirn ein. Die— ſer Balken gehört dem hinteren Theile des Keilbeinkörpers an. Wir ſehen alſo dieſelbe Maſſe, aus welcher ſpäter die Wirbelkörper hervorgehen, ſich in ununterbrochener Richtung an den untern Theil des Gehirns fort erſtrecken bis zum Vorderrande des Geſichtes. — Dieſe Belegungsmaſſe, welche den vordern Umfang des Nervenſyſtems umgiebt, hat anfangs ein matt glasartiges Ausſehen ohne alle Structur und Vaſeulariſation, wodurch ſie ſich deutlich von dem übrigen Bildungsſtoffe unterſcheidet. Später bilden ſich ovale und rundliche Kügelchen, die ſich ſpäter zu Kernzellen umwandeln und zeigt jetzt ſchon eine knorpelige Textur. Dieſe Kügelchen, welche ſich zu Kernzel— len, in denen ſich weiter die Kernkörperchen bilden, reifen aber nicht zu vollſtändigen Knorpelzellen, wie wir ſie z. B. in den Rippenknorpeln finden, ſondern bleiben auf der Stufe von Kernzellen ſtehen. Wenn nun ein Knorpeltheil reſorbirt wird, ſo wird er trockener, bröcklicher, verliert die Elaſticität. Die Kernzellen zerklüften, und man ſieht nur noch Kernkör— perchen, welche zuletzt verſchwinden. Gefäße ſieht man äu— 11 * 167 ßerſt wenige. Was die Verknöcherung des primordialen Schädelknorpels betrifft, ſo ſieht man anfangs nur eine grau— liche krümliche Knochenſubſtanz ohne Knochenzellen und ohne weitere Vaſeulariſation des Knorpels; es ſcheint, daß der Knorpel zuerſt von den Knochenſalzen infiltrirt, incruſtirt werde. Später wird die Knochenmaſſe lockerer, und jetzt erſt bemerkt man eine Gefäßbildung und normale Knochenzellen; ganz anders verhält es ſich mit der Verknöcherung der häu— tigen Theile des Primordialſchädels. Die Grenzlinie der Ver— knöcherung iſt eine ſehr ſcharfe und hier bricht der knorpelige vom knöchernen Theile äußerſt leicht ab. Die Kernzellen der Knorpel bekommen gegen die Verknöcherung hin ein geſtreck— tes Anſehen, gehen aber auf ein Mal, ohne weitere Form— veränderungen zu erleiden, in der Knochenſubſtanz unter. Die Verknöcherungspunkte gehen von den drei Körpern der Schä— delwirbel aus; die Bogentheile des Hinterhauptswirbels er— halten aber auch ſehr früh ihre Verknöcherungspunkte. II. Häutig⸗knöchernes Primordialeranium. Das häutig-knöcherne Primordialeranium bildet ſich an der äußern Seite des knorpelig-knöchernen, fo daß man letz— teres als Schlußtheil des ganzen Schädelgehäuſes anſehen kann. Einzelne Partien des häutig-knöchernen Primordial— eraniumd treten aber durch die Reſorption des knorpelig— knöchernen in unmittelbaren Zuſammenhang; ſie verwachſen mit einander, wie die Schuppen des Hinterhauptbeins mit den Bogentheilen, oder ſie treten mittelbar in Verbindung. Dies geſchieht am häufigſten, nämlich durch eine Schicht Perioſt, wie bei den Näthen zwiſchen den kleinen Flügeln des Keilbeins und der partes orbitales der Stirnbeine. Zwi- ſchen dem häutig⸗knöchernen und dem knorpelig-knöchernen Pri⸗ mordialeranium findet ſich aber eine Haut, welche ziemlich dick, aber ſtructurlos iſt. Man erkennt ſie äußerſt leicht, wenn man einen proviſoriſchen Knorpel, z. B. über den Or- bitaltheilen der Stirnbeine, ablöſ't; unter dieſer Haut liegt dann erſt die innere Platte des häutig-knöchernen Primor— dialeraniums. Dieſe Haut verſchwindet ſpäter ebenfalls. Das häutig⸗ knöcherne Primordialcranium muß feiner phyſiologi— ſchen Beſtimmung gemäß ebenfalls nach den drei Schädel— wirbeln eingetheilt werden. 1) Häutig⸗ knöcherner Theil des Hinterhauptswirbels. Er beſteht aus der Schuppe des Hinterhauptbeines und be— ginnt ſehr früh zu verknöchern. Die Oſſification tritt mit einem Knochenpunkte auf, der ſich ſtrahlenförmig ausdehnt. 2) Häutig⸗ knöcherner Theil des mittleren Schädelwir— bels. Zu ihm gehören die Scheitelbeine und die Schuppe des Schläfenbeines. Die Verknöcherung beginnt ebenfalls von je einem Knochenkerne aus. 3) Häutig- knöcherner Theil des Vorderhirnwirbels oder Geſichtswirbels. Er ſchließt nach vorn die Gehirncapſeln, er bildet aber auch das Geſicht; die einzelnen Knochen liegen um den Geſichtswirbel herum. Die Knochen, welche ihm angehören, find: das Stirnbein, Naſenbein, Thränenbein, Oberkiefer, letzterer mit ſeinen acceſſoriſchen Knochen, dem Joch⸗ und dem Gaumenbeine, und das Pflugſchar des bäu- tig⸗knöchernen Primordialeraniums entſteht zu gleicher Zeit 165. VIII. 11. 168 mit dem knorpeligen, aber nicht aus der Belegungsmaſſe zwi⸗ ſchen dem tubus visceralis und spinalis. Die Verknöcherung des häutigen Primordialeraniums beginnt aus einer häutigen Subſtanz. Es bildet ſich in einer ſtructurloſen Maſſe ein Capillargefäßnetz mit rhomboidalen Maſchen. Dieſes rhom⸗ boidale Gefäßnetz erſcheint am früheſten an der Stelle, wo ſich ſpäter die Scheitelbeine bilden. Zwiſchen dieſen Maſchen bemerkt man ſehr bald oblonge Knochenkörperchen mit einem röthlichſchillernden Ausſehen, dieſe bekommen ſpäter ihre Fort— ſätze, canaliculi chalicophori. Indem nun die Knochenſub⸗ ſtanz zwiſchen das häutige Primordialeranium abgelagert wird, bekommt ſie ihre Perioſten, das innere und das äußere. Das Perioſt hängt um ſo feſter an dem Knochen, je näher man an Knochenrändern es ablöſ't. An den Knochenrändern fließen beide zuſammen und zwar ſo feſt, daß ſie nicht als zwei beſondere Blätter getrennt werden können. Dieſes ge— meinſchaftliche Perioſt ſpannt ſich über die noch nicht ver— knöcherten Stellen des Schädelgehäuſes her und bildet ſo die Fontanellen. Die häutigen Fontanellen find alſo nichts an— ders als das fortlaufende Perioſt der Knochen. Sind die Knochen einander ſo nahe gerückt, daß ſie ſich durch Näthe verbinden, ſo lagert ſich das Perioſt zwiſchen dieſelben ein und bildet den Nathknorpel. Dieſer Ausdruck iſt aber un⸗ richtig, indem der ſogenannte Nathknorpel gar keine knor— pelige Textur zeigt, ſondern die, welche jedes Perioſt hat. Man ſollte ſtatt Nathknorpel den Ausdruck Nathperioſt wäh— len. Das Perioſt der Fontanellen, das Nathperioſt entleh— ren aber alle Knorpelkörperchen; eben ſo findet man an der Peripherie des Oſſificationsproceſſes keine Knorpelkörperchen. Ich kann deshalb der Anſicht Bidders nicht beiſtimmen, wenn er fagt, daß die Grundlage des Schädels eine knor— pelige ſei, und daß alle Knochen aus einer Grundmaſſe, d. h. knorpeliger ſich herausbilden, denn das Perioſt beſteht aus einer feſten zähen Subſtanz, die unter dem Mikroſkop eine hyaline Grundmaſſe mit mehr oder weniger deutlicher Faſerung zeigt; deshalb iſt eine Trennung der Kopfknochen in ſolche, welche aus einer häutigen, und in ſolche, welche aus einer knorpeligen Grundlage ſich herausbilden, nicht nur nicht zu billigen, ſondern ſogar nothwendig. — Was die Zeit der beginnenden Verknöcherung betrifft, ſo kann ſie nicht genau angegeben werden. Sie beginnt aber im häutigen Theile ſo früh als im knorpeligen. Ich habe bis jetzt die Morphologie der Schädelknochen mit Ausnahme des Unterkiefers erörtert. Auch bei dieſem finden wir dieſelbe Anordnung, wie wir ſie bei den Schädel— knochen geſehen haben, nämlich, daß ſich der Knochen mit einer häutigen Grundlage um einen verſchwindenden oder blei- benden Knorpel bildet. Die Gehörknöchelchen haben eine knorpelige Grundlage. Von dem Kopfe des Hammers geht ein langer knorpeliger Fortſatz, der ſogenannte Meckelſche Fort- ſatz ab zum Unterkiefer und legt ſich an die innere Fläche desſelben an. Er geht unter dem annulus tympani hindurch zum Winkel des Unterkiefers und legt ſich an die innere Fläche in der Nähe des unteren Randes an. Er iſt von einer eigenen Haut von dem Unterkiefer getrennt, welche er mit aus der Trommelhöhle herausgenommen hat, gerade wie 169 ich oben ſchon zeigte, wo die proviſoriſchen Knorpel von dem nach außen liegenden Knochen mit häutiger Grundlage durch eine eigene Haut getrennt ſind. Um den Meckelſchen Fortſatz herum bildet ſich der Unterkiefer aus einer häutigen Grund— lage und verhält ſich ſomit ganz in der Eigenſchaft eines Belegungsknochens. Der Meckelſche Fortſatz gehört zu dem proviſoriſchen Theile des Primordialeraniums. Er reicht bei einem 12 Wochen alten Fötus bis zur Vereinigungsſtelle der beiden Unterkieferſtücke, wird allmälig reſorbirt und geht end— lich vollſtändig unter. Erklärung der Abbildungen. Figur 14 zeigt die processns arcuati bei einem neu— geborenen Kinde; auf denſelben liegen die Naſenbeine als Be— legungsknochen, welche ich weggenommen habe. Die proces- sus arcuati gehen oben über in das knorpelige Siebbein, von dem man zugleich den Hahnenkamm ſieht. Die Bogenfort— ſätze verſchwinden ſpäter vollſtändig. a. a. processus arcuati; b. septum narium; c. processus frontalis maxillae superioris; d. erista galli. Figur 15 ſtellt den Meckelſchen Fortſatz dar, wie er in dem unteren Rande des Unterkiefers ſich hinzieht. Der Unter— kiefer iſt am Winkel abgeſchnitten und der Verlauf des Meckel— ſchen Fortſatzes durch Punkte angedeutet; das Trommelfell mit dem annulus tympani iſt weggenommen. a. Kopf des Hammers; b. Meckelſcher Fortſatz; c. Unterkiefer; Heilk (XL) Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. Von Friedrich Lorinſer, Primar-Wundarzt im Bezirkskranken⸗ hauſe Wieden in Wien. (Fortſetzung.) (Hierzu Fig. 16 der mit No. 10 dieſes Bes. ausgegebenen Tafel.) Erforderniſſe bei Anlegung dieſes Zugver— bandes. Der bei dem Verbande nothwendige Apparat beſteht in folgenden Stücken: 1) Ein gewöhnliches, jedoch feſtes Bett mit Matratze und Kopfkiſſen von Roßhaar. 2) Ein Kniekiſſen von Roßhaar, welches derartig zu— ſammengelegt und geheftet ſein muß, daß dasſelbe eine dop— pelte ſchiefe Ebene bildet, um dem Ober- und Unterſchenkel in der nothwendig gebeugten Lage zur Unterſtützung zu dienen (Fig. 16 f.). Statt deſſen könnte auch eine doppelt ſchiefe Ebene von Holz angewendet werden, nur müßte die— ſelbe ſehr gut gepolſtert ſein. 3) Eine hölzerne Leiſte, welche am Fußtheile des Bet— tes entſprechend dem kranken Oberſchenkel befeſtigt werden 165. MII. 11. 170 d. Handgriff des Hammers; e. knorpeliger Griffelfortſatz, durch die Trennung ſeiner Verbindung mit dem Winkel des Unterkiefers zurück⸗ gedrängt; Warzenfortſatz; Steigbügel; Körper des Amboßes. E d Mifcellen. 22. Fruchtbare Eier, dem Weibchen des Smerin- thus ocellatus nach deſſen Tode entnommen. — Es herrſcht im allgemeinen, berichtet F. Johnſton, die Anſicht, daß Eier, die einem bereits geſtorbenen Inſeet entnommen wurden, nicht zur Entwicklung kommen. Der Einſender fand im Mai ein träch⸗ tiges Weibchen des genannten Smerinthus, dem er zwei Tage nach deſſen Tode einige Eier entnahm; dieſe Eier kamen ſämmtlich, aber etwa 40 Stunden fpäter aus, wie diejenigen Eier, welche das Weibchen kurz vor ſeinem Tode gelegt hatte. Der Einſender wiederholte denſelben Verſuch mit einem Weibchen vom Liguſter und vom Lindenſchwärmer, aber ohne Erfolg; die beiden letzteren Eremplare waren ſehr ſchön conſervirt und wie der Einſender des⸗ halb glaubt, noch nicht begattet. (The Zoologist, No. 70 1848.) 23. Senkungen des Landes. In der Umgebung des Kloſters der Capuziner zwiſchen Neapel und Pozzuoli hat ſich das Land ſo weſentlich geſenkt, daß das Waſſer bereits jetzt die Flur des Gebäudes häufig überſchwemmt, während ſich früher zwiſchen dem Gebäude und dem Strande ein Weingarten hinzog. Die Zeit, wo dieſer Weingarten noch grünte, liegt keineswegs ſo weit hinter der Gegenwart, indem jetzt noch ein Mönch im Kloſter lebt, welcher ſich da Trauben gepflückt, wo jetzt Fiſcherboote die See durchfurchen. (Athen. No. 1052.) unde. muß, und dazu dient, die Rollen aufzunehmen, über welche die Schnur des nach abwärts gerichteten Zuges verläuft. In der Noth kann jede beliebige hölzerne Leiſte hierzu verwen— det werden, welche dann an das Bett, oder falls dieſes ge— ſchont werden ſollte, an den Fußboden angeſchraubt oder angenagelt werden muß; an die Spitze desſelben wird ſo— dann eine Rolle angeſchraubt, welche in einer ſolchen Höhe angebracht ſein muß, daß dieſe Stelle von einer Linie, die man ſich in der Richtung der Längenachſe des Oberſchenkels verlängert denkt, getroffen wird. Ich benütze der Bequem— lichkeit wegen eine Leiſte mit folgender Einrichtung: an ihrem oberen Dritttheile iſt dieſelbe nach der Länge der breiten Flächen mit einer Spalte (Fig. 16. a) verſehen, in welchem ſich eine einfache in der Mitte durchbohrte Rolle (Fig. 16. b) befindet, die mittelſt eines Querſtiftes befeſtigt wird. Da— mit aber dieſe Rolle und ſomit auch der Querſtift in ver— ſchiedener. Höhe angebracht werden kann, iſt die Leiſte mit mehreren quer durch die größte Breite der Leiſte verlaufen— den Bohrlöchern verſehen, die zum Durchſtecken des Stiftes dienen. Zur Befeſtigung dieſer Leiſte an das Bett dienen zwei hölzerne Zwingen, die mit hölzernen Schrauben ver: 171 ſehen ſind, und eine Beſeſtigung der Leiſte geſtatten, ohne die Bettſtätte im geringſten zu beſchädigen. 4) Drei meſſingene mit Schraubenſtiften verſehene Rollen, und, wenn man ſich der von mir angegebenen durchbroche— nen Leiſte bedient, noch eine vierte einfache, in der Mitte bloß mit einer Offnung verſehene Rolle (Fig. 16. b), welche mittelſt des Querſtiftes befeſtigt wird. Von den übrigen Rollen werden zwei am Kopftheile (Fig. 16. d, e) und eine am Fußtheile des Bettes (Fig. 16. e) angebracht, um die Schnüre des Zuges über ſich hinweggleiten zu laſſen und gleichzeitig die Schnüre und Gewichte am Bettgeſtelle in einer ſolchen Entfernung zu halten, daß keine Reibung Statt findet. 5) Drei längere (bei 3 Wiener Ellen lange) und drei kürzere (bei 1½ Wiener Ellen lange) ſtarke, gut gedrehte Schnüre. 6) Drei leinene ſtarke Säcke mit Gewichten, wovon der eine ungefähr doppelt ſo groß und ſchwer ſein ſoll, als jeder der beiden anderen. 7) Zwei aus mehrfachen Flanellſtreifen beſtehende und mit Sämiſchleder überzogene Schenkelgurten, an deren beider— ſeitigen Enden ein meſſingener Ring zur Aufnahme der Schnüre befeſtigt iſt. Dieſe Gurten müſſen bei 24 Zoll lang und 1½ Zoll breit, in der Mitte dick, gegen die End— theile hin nur flach gepolſtert ſein. Im Nothfalle laſſen ſich dieſe beiden Gurten auch durch gewöhnliche Handtücher, welche nach der Länge mehrfach zuſammengelegt werden, er— ſetzen. 8) Eine 12— 16 Ellen lange und 1½ —2 Zoll breite Leinwandbinde. 9) Eine aus Flanell verfertigte graduirte Compreſſe, welche um das Kniegelenke angelegt werden ſoll. Dieſe Com— preſſe hat, wie bereits erwähnt, bloß den Zweck, das Vo— lumen des Gelenkes in der Gegend der beiden Schenkelknorren zu vergrößern; ſie muß daher mit einem unteren dickeren und einem oberen dünneren Theile verſehen und ſo lang ſein, daß dieſelbe beinahe rings um das untere Ende des Oberſchenkels herum reicht. Ihre Breite kann ungefähr 4 Zoll betragen. Sie wird aus Flanellſtreifen verfertigt, welche dergeſtalt zugeſchnitten und geheftet werden, daß die— ſelben an der einen Längenſeite alle genau über einander liegen, während ſie an der anderen Längenſeite und an den beiden (ſchmälern) Querſeiten von unten nach aufwärts ſtufen— weiſe an Größe abnehmen. Nachdem dieſe Compreſſe mehr— mals gut durchgeheftet iſt, kann dieſelbe ebenfalls, des gefälligeren Anſehens wegen, mit Sämiſchleder uͤberzogen werden. 10) Eine gut durchnähte, mit Roßhaar gepolſterte und mit Sämiſchleder überzogene Schnürbinde. Dieſes Verband— ſtück, auf deſſen zweckmäßige Anfertigung alles ankommt, hat ungefähr dieſelbe Breite und Länge wie die graduirte Compreſſe, ſo daß es bei der Anlegung über dieſe Com— preſſe nicht ganz um den Oberſchenkel herumreicht, ſondern daß zwiſchen den beiden mit Schnürlöchern verſehenen Enden noch ein Zwiſchenraum von 1—2 Zoll übrig bleibt, welcher natürlich für das Zuſammenſchnüren dieſer Binde nothwendig 165. VIII. 11. 172 iſt. Durch die Polſterung mittelſt Roßhaares gewinnt dieſe Binde eine Dicke von ½—⁰ Zoll, nur gegen die Schnür— löcher hin nimmt dieſe Dicke allmälig ab. An dem oberſten Schnürloche der einen Seite muß ein ſchmales, mit einem Schnürſtifte verſehenes Bändchen angebracht werden. Von dem unterſten Rande dieſer Binde gehen zwei Verlängerungen aus, an deren Spitze ein meſſingener Ring zur Aufnahme der Schnüre für die Extenſion gut eingenäht wird. Der zwiſchen dieſen beiden Verlängerungen befindliche Ausſchnitt iſt für die Kniekehle beſtimmt und muß beſonders gut und dick gepolſtert ſein. 11) Drei oder vier gut gepolſterte hölzerne Schienen, mehrere Leinwandbändchen und Leinwandeompreſſen. Anlegung des Verbandes. Vor der eigentlichen Anlegung des Verbandes nimmt vor allem andern die Zubereitung eines zweckmäßigen Lagers unſere Sorgfalt in Anſpruch und bildet einen eben ſo wich— tigen Theil der ganzen Cur, wie der Verband ſelbſt. Die Zubereitung des Bertes muß daher gleich anfangs mit aller Genauigkeit und Vorſicht unternommen werden, indem es im Verlaufe der Behandlung weit ſchwerer und umſtändlicher iſt, die ungünſtige Lagerung des Kranken zu verbeſſern oder zu verändern, als ein etwa locker gewordenes oder verſchobe— nes Verbandſtück wieder in Ordnung zu bringen. Bei einem vollkommen zweckmäßigen Bette für derartige Bein— bruchkranke iſt es faſt unerläßlich, daß zu unterſt ein feſt geſtopfter und gehefteter Strohſack gelegt werde; über dieſen wird quer Uber die Mitte des Bettes ein breites und feſtes Stroh- oder Roßhaarkiſſen gegeben, wodurch bezweckt wird, daß der Kranke in der Mitte des Bettes, da wo er mit dem Steiße aufliegt, nicht unter das Niveau der Matratze eins ſinken kann. Über dieſen Polſter kommt die Roßhaar— Matratze zu liegen, dergeſtalt, daß dieſelbe auf keiner Seite abſchuͤſſig iſt, in der Mitte jedoch wegen des unterliegenden Polſters eine leichte Erhöhung bildet. Statt der Roßhaar— matratze könnte in der Noth bei armen Kranken auch ein zweiter, ſehr feſt geſtopfter und gehefteter Strohſack benützt werden; in keinem Falle aber darf die Matratze oder der geheftete Strohſack die Fuß- und Kopfwand des Bettes über: ragen. Über die Matratze kommt ein gewöhnlicher, der Länge nach zuſammengelegter Bettkotzen zu liegen, über welchen dann das Leintuch geſpannt wird. Die Kopfkiſſen, wo mög⸗ lich mit Roßhaar gefüttert, dürfen nicht der Quere, ſon— dern müſſen der Länge nach aufgelegt werden, ſo daß die— ſelben die an den beiden Seiten gegen den Kopftheil des Bettes hinlaufenden Schnüre in ihrer Wirkung nicht beeinträch— tigen koͤnnen. Große Genauigkeit erfordert die behufs der gebeugten Lage des Kranken nothwendige Lage des Knies, welche eine doppelte ſchiefe Ebene bilden muß. Um dieſe zweckmäßig anzufertigen, iſt es am beſten, ein ſchmales aber dickes Polſter oder eine ſogenannte Wurſt, die nach Umſtänden auch doppelt zuſammengelegt werden kann, zur Unterlage zu benutzen und über dieſe ein Roßhaarpolſter dergeſtalt zu legen, daß dasſelbe die gewünſchte doppelte Ebene bildet. Je nachdem nun der Oberſchenkel in mehr 173 oder weniger gebeugter Stellung gelagert werden fol, muß nun auch der Winkel, unter dem dieſe beiden ſchiefen Ebenen des Polſters zuſammenſtoßen, ein mehr ſpitziger oder ſtumpfer ſein, und damit das Polſter auch in dieſer Lage verbleibe, iſt es nothwendig, daß dasſelbe genau in derſelben Lage durchgenäht oder geheftet werde. Als Anhaltepunkt, ob nun der Oberſchenkel in mehr oder weniger gebeugter Stel— lung gelagert werden ſoll, gilt in der Regel der Umſtand, ob ſich der Bruch an einer tieferen oder höheren Stelle des Oberſchenkels befindet. Je tiefer der Bruch am Oberſchen— kel vorkommt, deſto weniger hat unter übrigens gleichen Umſtänden das obere Bruchſtück in die Neigung nach auf— wärts zu treten, und daher kann auch die Lagerung des Schenkels in einer weniger gebeugten Stellung geſchehen, während im umgekehrten Falle ganz das Gegentheil Statt findet. Jedoch vernachläſſige man nie die Stellung des obe— ren Bruchſtückes, in ſo fern dieſes nämlich möglich, genau zu ermitteln, um den ganzen Oberſchenkel in der Richtung des obern Bruchſtückes, und überhaupt auf eine Weiſe zu lagern, daß die beiden Bruchſtücke in einer möglichſt genauen Berührung und in gleicher Richtung ſich befinden. Nachdem nun dieſes Kniekiſſen auf eine Zweck ent— ſprechende, der Individualität des Falles angemeſſene Weiſe hergerichtet iſt, wird dasſelbe mit Compreſſen oder einem mehrfach zuſammengelegten Leintuche bedeckt. Vorausgeſetzt, daß alle bereits angegebenen Complicationen, welche die vor— läufige Anwendung anderweitiger zweckmäßiger Mittel noth— wendig gemacht bätten, gehoben und der Oberſchenkel über— haupt in einer für den Zugverband tauglichen Verfaſſung wäre, wird nun der Kranke vorſichtig auf das für ihn zu— bereitete Lager übertragen, falls er nicht gleich anfangs auf ein derartig hergerichtetes Bett gelegt worden wäre. Während nun ein Gehülfe das Becken durch Nieder— drücken firirt, faßt ein anderer den Unterſchenkel unmittelbar unter dem Kniegelenke und Hält’ unter einer mäßigen Er— tenſion den Oberſchenkel in halber Beugung dergeſtalt, daß letzterer zugleich von allen Seiten frei und zugänglich iſt. Nun beginnt man die Einwickelung des Oberſchenkels mit— tels der leinenen Binde. Dieſe Binde muß, falls dieſelbe neu wäre, durch ſorgfältiges Waſchen und Reiben von aller Stärke oder Schlichte befreit, weich und linde gemacht und darf nach dem Trocknen durchaus nicht geglättet wer— den. Man macht mit derſelben zuerſt einige Gänge um den unterſten Theil des Oberſchenkels, legt hierauf die graduirte Compreſſe von der Kniekehle her dergeſtalt um den Schen— kel, daß der dickſte Theil nach abwärts in die Kniekehle und über die beiden Knorren des Oberſchenkels, der dünnere hin— gegen nach aufwärts zu liegen kommt, und befeſtigt dieſelbe in dieſer Lage durch wiederholte aufwärts ſteigende Gänge mit der Binde. Man vergefje nicht, beim Anlegen der gra— duirten Compreſſe die beiden Enden derſelben gut anzuſpan⸗ nen, um alle Falten, die ſich etwa bilden ſollten, genau auszugleichen, auch die Compreſſe überhaupt etwas genauer und feſter um den Schenkel anzulegen, damit bei dem nach— träglichen Zuſchnüren nicht fo leicht Falten entſtehen können. Iſt dieſe Compreſſe befeſtigt, ſo ſteigt man mit der Binde 165. VIII. 11. 174 allmälig bis zum höchſten Theile des Oberſchenkels und von da allenfalls wieder nach abwärts, wobei man jedoch immer im Auge behalten muß, daß der Umfang in der Gegend der Schenkelknorren immer etwas größer ſein muß als in dem nächſt höher gelegenen Theile des Oberſchenkels. Nun ſchreitet man zur Anlegung der Schenkelgurte behufs der Firirung des Beckens. Um alle Verunreinigung und den zu großen Druck dieſer Verbandſtücke zu vermeiden, iſt es zweckmäßig, ſtatt der gewöhnlich untergelegten und eben deshalb leicht verſchiebbaren Leinwandeompreſſen, dieſe Gurte ihrer ganzen Länge nach mit einer mehrfachen Lage von Leinwand zu umgeben und dieſen Überzug mit einigen Stichen zuſammenheften zu laſſen. Dieſe Schenkelgurte wer⸗ den nun dergeſtalt angelegt, daß jeder derſelben von der Reiz ſtengegend der entſprechenden Seite gegen das Mittelfleiſch nach abwärts und von hier aus unter der Hinterbacke der- ſelben Seite wieder nach aufwärts geführt wird. Damit nun der Kranke durch den unter der Hinterbacke liegenden Theil dieſer Gurte nicht beläſtigt werde, iſt es nothwendig, daß dieſer Theil des Verbandſtückes auch mehr flach gear⸗ beitet ſei. Bisweilen hat jedoch das obere Bruchſtück die Neigung nach außen zu ſtehen, und es könnte durch den auf ſolche Weiſe angelegten Schenkelgurt, der zunächſt auf das obere Bruchſtück einwirkt, in dieſer Neigung unterſtützt, d. h. noch mehr nach außen hingedrückt werden. Abgeſehen davon, daß der ſpäter anzulegende Schienenverband hierbei zur Verbeſſerung dieſer Stellung viel beitragen kann, falls nicht der Bruch am Schenkelhalſe ſelbſt wäre, ſo iſt es doch in ſolchen Fällen gerathen, dieſe beiden Schenkelgurte auf eine andere Weiſe anzulegen, um den Druck, der auf den innern Theil des an das Mittelfleiſch angrenzenden Schen— kels ausgeübt wird, zu vermeiden. Demgemäß lege man die beiden Schenkelgurte dergeſtalt an, daß ſich dieſelben am Mittelfleiſche kreuzen, d. h. man führe den einen Gurt von der linken Leiſtengegend nach abwärts gegen das Mittelfleiſch und von hier unter der rechten Hinterbacke wieder nach auf⸗ wärts; den andern lege man auf gleiche Weiſe um die rechte Leiſtengegend und die linke Hinterbacke. Die an den Enden der beiden Schenkelgurte befindlichen Ringe dienen zur Auf— nahme der gegen den Kopftheil des Bettes hin verlaufenden kürzern Schnure, an welche ſich dann beiderſeits die längere Schnur anſchließt. Die kürzere Schnur wird an der ent— ſprechenden Seite mit ihren beiden Enden an die beiden Ringe des Schenkelgurtes durch Knoten oder durch einen Klang befeſtigt, und um ihren mittleren Theil die längere Schnur mittels eines Klanges dergeſtalt geſchlungen, daß die beiden Schnüre mit einander in beweglicher Verbindung bleiben, d. h. daß der Klang der längeren Schnur ganz frei auf dem Mittelſtücke der kürzeren hin und her geſchoben werden kann. Indem man nun durch Anziehen der länge— ren Schnur die beiden Schenkel der kürzeren Schnur und ſomit auch die beiden Enden des Schenkelgurtes anſpannt, läßt man die längere Schnur etwas nach außen und gegen den Kopftheil des Bettes hin verlaufen, und leitet dieſelbe über eine dort ſchräg eingeſchraubte Rolle nach abwärts, um ſie ſpäter mit einem Gewichte zu beſchweren. Dieſes 175 hat auf beiden Seiten zu geſchehen, fo daß bei gleichmäßi— ger Lage der Schenkelgurte (Fig. 16 h, i,) und der Ver— bindungsſchnüre das Becken gleichmäßig nach aufwärts firirt werden kann. Die beiden am Kopftheile einzuſchraubenden Rollen müſſen eine ſolche Höhe haben, daß die Schnüre über den obern Bettrand hinweglaufen und müſſen mit ih— rem Stiele dergeſtalt ſchief gegen die obere Bettwand gerich— tet ſein, daß die Gewichte von letzterer fern gehalten wer— den; die Rinne der Rolle ſelbſt muß genau die Richtung der Schnur bekommen (Fig. 16 d,e). Wenn man in Er— mangelung von Schenkelgurten ſich bloß gewöhnlicher, der Länge nach zuſammengelegter Handtücher bedient, ſo müſſen dieſelben in der Mitte mit Compreſſen gut unterlegt und ihre Enden zu beiden Seiten zuſammengebunden oder ge— näht werden, jedoch ſo, daß die gleichmäßige Anſpannung derſelben durch den Knopf oder die Naht nicht beeinträch— tigt wird. Ehe noch die Gewichte an die oberen Schnüren ange— bracht werden, ſchreitet man zur Anlegung der Schnürbinde, welche bei dem ganzen Verbande die meiſte Aufmerkſamkeit erfordert. Dieſe Schnürbinde wird dergeſtalt um das un— tere Ende des Oberſchenkels angelegt, daß der Ausſchnitt zwiſchen ihren beiden lappigen Verlängerungen in die Knie— kehle, die beiden Lappen ſelbſt an die Schenkelknorren und die Schnürlöcher an den vordern Theil des Schenkels ober— halb der Knieſcheibe zu liegen kommen. Hierbei muß Be— dacht genommen werden, daß der untere dicke Rand der graduirten Compreſſe, der ohnehin bereits die Kniekehle deckt, etwas tiefer herabreiche als der Rand am Ausſchnitte der Schnürbinde, damit jeder übermäßige Druck auf die Gefäße und Nerven dieſer Gegend ſorgfältig vermieden werde. Hat der untere Rand dieſer Schnürbinde die gehörige Lage, ſo werden die beiden mit Schnürlöchern verſehenen Seitentheile um den Schenkel herum ziemlich feſt angezogen, um alle Falten auszugleichen, von einem Gehülfen in dieſer Lage gehalten und endlich mit dem Schnürbändchen zuſammenge— ſchnürt. Bei dieſer Zuſammenſchnürung muß wieder die Vorſicht gebraucht werden, daß die Binde in der Gegend der oberen Schnürlöcher feſter und ſtärker angezogen werden muß als an ihrem unteren, gegen die Knorren hin gerich⸗ teten Theile, da es ſich darum handelt, der Schnürbinde in ihrem ganzen Umfange eine nach aufwärts etwas kegelför— mige Form zu geben, um das Hinabgleiten derſelben über die dickeren Schenkelknorren deſto ſicherer zu verhüten. Auch müſſen die beiden Enden der Binde noch einen Zwiſchen— raum zwiſchen ſich übrig laſſen, um ſpäterhin etwas mehr angezogen und feſter zugeſchnürt werden zu können; die Schnürung ſelbſt muß genau der Mittellinie des Schenkels entſprechen, die beiden ſeitigen Lappen der Binde genau an 165. VIII. 11. 176 den Knorren liegen, ihre Ringe in gleicher Höhe ſich befin— den und vom Unterſchenkel ſo weit entfernt ſein, daß ſie an demſelben nicht aufliegen. (Fig. 16 g.) In die beiden Ringe werden eben ſo wie bei den Schenkelgurten die bei— den Enden einer kurzen Schnur befeſtigt, mit deren mittle— rem Theile die längere gegen den Fußtheil des Bettes hinab— ſteigende Schnur auf eine ſolche Weiſe (mittelſt eines Klan— ges) in Verbindung zu ſetzen iſt, daß ſich die beiden Schnü— ren über einander leicht bewegen können und ſich ſomit bei beginnender Extenſion gleichmäßig anſpannen müſſen. Iſt das eine Ende der längeren Schnur mit dem Mittelſtücke der fürzeren auf dieſe Weiſe in Verbindung geſetzt, fo muß nun die Leiſte am Fußtheile des Bettes angebracht werden, welche beſtimmt iſt, in einer gewiſſen Höhe die Rolle aufzunehmen, über welche die Schnur nach abwärts laufen ſoll. Wenn man eine durchbrochene Leiſte beſitzt (Fig. 16 a), fo kann dieſe ſchon früher an das Bett befeſtigt werden, da man an dieſer die obere Rolle (Fig. 16, b) nach Belieben höher oder tiefer ſtellen kann, nur muß man dabei beachten, daß dieſelbe entſprechend der Seite des gebrochenen Schenkels angebracht werde, ſo daß ſelbe bei einem Bruche des rechten Schenkels etwas mehr gegen die rechte Seite, bei einem Bruche des rechten Schenkels etwas mehr gegen die linke Seite der Fußwand des Bettes befeſtigt werden müßte. Die Befeſtigung geſchieht, wie bereits erwähnt, entweder durch gewöhnliche Schrauben (im Nothfalle auch Nägel) an die Bettwand oder den Fußboden, oder durch hölzerne Zwingen, die ebenfalls mit hölzernen Schrauben verſehen ſind, um die Leiſte am obe— ren und unteren Theile der Bettwand feſtzuhalten. (Schluß folgt.) Miſcelle. (20) Unter dem Namen Revalenta arabica, welche ein höchſt nährendes und heilſames Stärkemehl ſein ſoll, das aus ei— ner africaniſchen Pflanze bereitet wird, verlauft man jetzt zu enor— men Preiſen eine Subſtanz, von welcher man 2 Unzen in 1½ Nöſel Waſſer unter beſtändigem Umrühren bei gelindem Feuer eine Viertelſtunde lang kochen läßt, worauf man Honig oder den beiten Rohzucker zum Verſüßen oder etwas Salz zuſetzt, da dann das Getränk fertig iſt. Wirkt es nicht gehörig auf den Stuhl⸗ gang, fo bedient man ſich ſtatt des Honigs oder Rohzuckers, eini⸗ ger Löffel „unſeres präparirten Syrups.“ Das Wort Revalenta it offenbar eine Verdrehung von Ervalenta, und unter der letzte⸗ ren Benennung wurde ſchon vor mehreren Jahren ein Geheimmit⸗ tel ausgeboten, welches nichts weiter als Linſenmehl iſt, aber drei Mal ſo viel koſtet als dieſes. Der präparirte oder cochinchineſiſche Syrup iſt gewöhnlicher Syrup zum fünffachen Preiſe des letztern. Aus der mikroſkopiſchen Unterſuchung der Revalenta hat ſich mit Beſtimmtheit ergeben, daß auch ſie nur Linſenmehl iſt, und da die Linſe in Agypten ſtark gebaut wird, fo hat der Erfinder des Ge⸗ heimmittels in ſofern allerdings recht, wenn er fie eine africani— ſche Pflanze nennt. (The Lancet, Aug. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. C. Fr. Förſter, Handbuch der Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange ze. fehlen. S. Leipzig 1846. 2 Thlr. Namentlich dem Blumiften zu em⸗ en. Die eplvemiſche Cholera, ein neuer Verſuch über ihre Urſache, Natur und Behandlung, ihrer Schutzmittel und die Furcht vor derſelben. Von Dr. C. J. Heidler (in Marienbad). 1. Fa Furcht, Schutzmittel und Urſache. 8. 176 S. Lelpzig 1848. 1 Thlr. Auf dem Wege der Analo⸗ gien ein Verſuch zur Erreichung des Zieles. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 166. (Nr. 12. des VIII. Bandes.) December 1848. Naturkunde. Turner, Beobachtungen über die Unterſchlede zwiſchen den Hals- und Rückenwirbeln der Säugethiere. — Schnetzler, über die Wirkung der Chloroformdämpfe auf die Inſecten. — Dunal, über den Einfluß der mineralogiſchen Beſchaffenheit des Bodens auf die Vegetation. — Miſcellen. Nemophila insignis. Rinde des Odaſſibaumes. — Heilkunde. Lorinſer, Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. (Schluß.) — Schultz-⸗Schultzen⸗ ſtein, Unterſuchuug des Cholerablutes. — Miſcelle. Wilmot, über den Starrkrampf. — Bibliographie. Naturkunde. XXVI. Beobachtungen über die Unterſchiede zwiſchen den Hals- und Rückenwirbeln der Säugethiere. Von H. N. Turner. (Hierzu die Figuren 10—13 der mit No. 10 dieſes Bos, ausgegeb. Tafel.) Die Halswirbel werden bekanntlich durch ein foramen vertebrale und das Fehlen einer articulirten Rippe von den Rückenwirbeln unterſchieden; nun fehlt das erſtere indes bei vielen, ja, wie der Verf. angiebt, bei den meiſten Säuge— thieren, dem ſiebenten oder letzten Halswirbel: ſo bei den niederen Vierhändern, den Cebi und Lemures, bei faſt allen Fleiſchfreſſern und Nagethieren, die Haſen ausgenommen, den Wiederkäuern, verſchiedenen Pachydermen und Edentaten. Beim Chimpanzee iſt das foramen nur noch durch zwei kleinere, nicht mehr vereinigte Hervorragungen, von denen die eine dem Querfortſatze, die andere dem Körper des ſiebenten Halswirbels entſpringt, angedeutet. Dem Skelet eines halbausgewachſenen Cynocephalus leucophaeus fehlte das foramen vertebrale an der einen Seite, war an der anderen dagegen ſehr klein, jedoch vollkommen geſchloſſen. Bei einem Orang -Utang hatte der ſiebente Halswirbel kein, und der ſechste nur an einer Seite ein ſolches Gefäßloch, während beim langhälſigen Lemur (Indri brevicaudatus) auch der ſiebente Halswirbel deutlich durchbohrt war, wonach das Vorhandenſein oder Fehlen dieſer Offnung für den letzten Halswirbel in zoologiſcher und phyſtologiſcher Beziehung unweſentlich ſcheint. \ Das foramen vertebrale des ſechsten Halswirbels wird durch zwei Fortſätze ohne beſondere Knochenpunkte, die dia- pophysis und parapophysis, gebildet, die bei den warmblüti— gen Thieren durch ein drittes Element mit eigenem Knochen— punkt, die pleurapophysis oder Wirbelrippe, und zwar in der erſten Entwickelungsperiode, vereinigt werden. Ein von No. 2146. — 1046. — 166. Gray beſchriebener Halswirbel des Walfiſches beſitzt die beiden Fortſätze ohne das dritte verbindende Element. Bei dem ſiebenten Halswirbel iſt nur der obere Quer— fortſatz vorhanden; auch die kleine Rippe fehlt in der Regel; kommt indes ein foramen vertebrale vor, fo ſcheint es unten nur durch eine kleine, aus der unteren Seite der diapophysis zum Körper des Wirbels verlängerte Knochen— ſpitze geſchloſſen zu ſein, gerade ſo wie ſich der Hals einer wahren Rippe zwiſchen den Punkten, wo ihr capitulum und tuberculum articuliren, ausbreitet; ob die beſchriebene Kno— chenſpitze aber einen eigenen Knochenpunkt beſitzt, blieb dem Verf. unentſchieden. Am Skelet eines Iltis (Mustela putorius) ſah der Verf. zuerſt dieſe rudimentalen Rippen des ſiebenten Hals— wirbels, die mit den Querfortſätzen derſelben beweglich articulirten; fie waren ½ Zoll lang, durchaus verknöchert und nur an der Spitze mit einem kleinen Wurzelanfang ver- ſehen. Bei einem anderen, ebenfalls männlichen Iltisſkelet von gleicher Größe waren ſie nicht vorhanden. Der Verf. wandte ſich deshalb zum Bradypus bridactylus, der bekanntlich neun Halswirbel beſitzt, und bei dem Prof. Bell an dem achten und neunten dieſer Halswirbel ſolche Rippenrudimente nachgewieſen hat, und deshalb die beiden letzten Wirbel als Rückenwirbel betrachtet. Das vom Verf. genau unterſuchte Bradypus-Skelet des Museum of the Royal College of Surgeons ſcheint völlig ausgewachſen, denn alle Epiphyſen ſind, mit Ausnahme der ulna und des radius, mit ihren Knochen verwachſen; auch die charakteriſtiſche Verſchmelzung der Fußknochen iſt bereits vollſtändig erfolgt; die Bruſtbeinrippen ſind alle völlig verknöchert, die vier erſteren mit ihren Wirbelrippen, und folglich die erſte von ihnen auch mit dem manubrium sterni verſchmolzen, wodurch die Reſpiration dieſes trägen Thieres ſehr beſchränkt werden mußte. 12 x 179 Die Unterſchiede zwiſchen dem erſten und neunten Halswirbel von den vorhergehenden ſind von Prof. Bell ſcharf und deutlich beſchrieben; vergleicht man indes ſeine Beſchreibung, oder das Skelet ſelbſt mit dem eines anderen vierfüßigen Säugethieres, ſo wird man leicht gewahr, wie ganz dieſelben Merkmale, welche beim Faulthiere den achten und neunten von dem ſiebenten Halswirbel unterſcheiden, hier den ſechsten und ſiebenten von dem fünften Halswirbel trennen. Nach Bell iſt der Querfortſatz des achten Hals— wirbels (ſeines erſten Rückenwirbels) in einen vorderen glatten, nach vorne gebogenen und einen wahren Quer— fortſatz, der die articulirte Rippe trägt, getheilt; dieſer Querfortſatz iſt zugleich ſchmäler, aber länger, auch mehr feitlich gerichtet, wie an den wahren Rückenwirbeln. Ganz dasſelbe gilt nun, wie der Verf. bemerkt, für den ſechsten Halswirbel faſt aller Säugethiere, mit dem einzigen Unter— ſchiede, daß die kleine Rippe fehlt. Der achte Wirbel des Faulthieres beſitzt überdies ein koramen vertebrale, deſſen Prof. Bell gar nicht gedenkt, und charakteriſirt ſich dadurch um ſo mehr als Halswirbel. Der ſiebente Halswirbel des Faulthieres bildet in der Form ſeines Querfortſatzes genau denſelben Übergang zu dem ihm vorangehenden, wie ihn der fünfte anderer Säuge— thiere zeigt, und ebenſo genau harmonirt der Bau des neunten Faulthierwirbels mit dem ſiebenten anderer Säuge— thiere, indem die Querfortſätze einfach und ſtumpf ſind, die Gelenkoberfläche leicht ausgehöhlt iſt. Dem vom Verfaſſer unterſuchten Faulthierſkelet fehlten, wahrſcheinlich durch Zufall, die Rippenrudimente des achten Wirbels, wogegen ſie vom neunten Wirbel ganz ſo wie abnormer Weiſe beim Iltis vorkamen, aber auch hier mit dem Ende des ſie tragenden Querfortſatzes verſchmolzen waren, wornach ſie alſo nicht, wie es bei Prof. Bell's Eremplaren der Fall geweſen, in allen Perioden des Lebens beweglich bleiben. Der letztgenannte gedenkt in ſeiner Be— ſchreibung und Abbildung dieſes Wirbels keines koramen vertebrale, das von ihm für den Durchgang der Intercoſtal— gefäße angegebene Loch muß vielmehr die Rippe ſelbſt durch— bohrt haben. Bei dem vom Verf. unterſuchten Eremplare war das für die arteria vertebralis beſtimmte Loch des neunten Wirbels, ganz ſo wie bei dem ſiebenten Halswirbel anderer Wirbelthiere, durch eine kleine, vom Querfortſatze zum corpus vertebrale verlaufende Knochenſpitze geſchloſſen, deren Geſtalt dem Halſe einer wahren Rippe ſehr ähnlich war; da nun dieſe Knochenſpitze mit dem von Bell ent— deckten Rippenrudiment, das hier nur mit dem Querfortſatze verſchmolzen war, zuſammen vorkommt, ſo erweiſ't es ſich wirklich als der obere Theil einer wahren Rippe, deren Hals etwas dünner als gewöhnlich iſt. Dieſe Beobachtung ſcheint allerdings für des Verf. Anſicht nicht günſtig zu ſein, wogegen die große Übereinſtimmung des neunten Wirbels beim Faulthier mit dem ſiebenten der meiſten übrigen! Säuge— thiere, wo entweder dieſe Rippe fehlt, oder vorhanden iſt, und doch in beiden Fällen das foramen vertebrale vermißt wird, ſehr zu ſeinen Gunſten ſpricht, und überdies durch einen ihm von Prof. Owen mitgetheilten Fall, wo an einem 166. VIII. 12. 180 menſchlichen Skelet der ſiebente Halswirbel zu beiden Seiten mit Rippen, deren capitulum und tuberculum {mit dem Wirbel articulirten, verſehen war, bekräftigt wird. Auch der Körper des neunten Faulthierwirbels und des ſiebenten Halswirbels anderer Säugethiere ſind ſich der Form nach ähnlich; er iſt nach unten zu nicht rund wie die Rückenwirbel, ſondern viereckig und platt, letzteres, weil an jeder Seite der unteren Oberfläche eine Längsrinne vor— kommt, welche ein Rudiment der vorderen flachen Fort— ſätze des vorhergehenden Wirbels zu ſein ſcheint, welche dem neunten Wirbel des Faulthieres und dem ſiebenten ande— rer Säugethiere jederzeit fehlen. 6 f Durch obiges glaubt der Verf. die Unvollkommenheit der bisherigen Unterſcheidungsmerkmale der Hals- und Rüden wirbel nachgewieſen und gezeigt zu haben, wie zu einer naturgemäßen Eintheilung des Rückgrats ein Vergleich durch ſämmtliche Klaſſen der Wirbelthiere durchaus nothwendig ſei. Die bisherige künſtliche Eintheilung in Hals-, Rücken— und Lendenwirbel überhaupt paßt wohl für die Säugethiere, iſt aber ſchon für die übrigen Klaſſen unbrauchbar, weil die Vögel keine Lendenwirbel haben, vielmehr ein Wirbel zugleich Rücken- nnd Kreuzbeinwirbel iſt, den Fiſchen die Halswirbel und, wenn der Abdominaltheil Rippen hat, auch die Lenden- und Heiligenbeinwirbel fehlen. Die Halswirbel der Säugethiere laſſen ſich demnach eben jo wenig durch das Daſein oder Fehlen einer articu— lirten Rippe, als durch das koramen vertebrale, von den Rückenwirbeln unterſcheiden; nur ein ſorgfältiger Vergleich ihrer weſentlichen Charaktere mit anderen Säugethieren kann hier zum ſicheren Ziele führen; ſo aber läßt ſich der achte und neunte Wirbel des Faulthieres nur auf den ſechsten und ſiebenten der übrigen Säugethiere zurückführen, wogegen der atlas und epistrophaeus dem der anderen Thiere gleich— kommt, auch die folgenden nicht verſchieden, nur um zwei vermehrt find, wornach denn das Bradypus tridactylus aller= dings neun Halswirbel beſitzt. Bemerkung zu den Figuren. Fig. 10. Hintere Anficht des ſiebenten Halswirbels vom Opoſſum (Didelphus Virginiana), mit einem foramen ver- tebrale, um die Art ſeines unteren Verſchluſſes zu zeigen. Fig. 11. Der ſechste und ſiebente Halswirbel, jo wie die beiden erſten Rückenwirbel des Iltis mit dem Rippenrudi⸗ ment des letzten Halswirbels. - Fig. 12. Die Reihe der ſieben Halswirbel des Iltis, das Fehlen des Rippenrudiments und die verſchiedene Geſtalt der Querfortſätze zeigend. Fig. 13. Perſpectiviſche Anſicht des letzten Halswirbels von demſelben Thiere (von hinten geſehen), um das Fehlen des koramen vertebrale, jo wie die flache Geſtalt der unteren Oberfläche dieſes Wirbels zu zeigen. (The Annals and Maga- zine of natural history. No. 136, 1847.) 181 XXVII. über die Wirkung der Chloroformdämpfe auf die Inſecten. Von J. B. Schnetzler. Erſte Beobachtung: Ein mit Flügeldecken verſehenes Weibchen dom Lucanus cervus wird in einer kleinen Flaſche Chloroformdämpfen ausgeſetzt. Das Thier befand ſich, als die mit 24 oder 30 Tropfen Chloroform benetzte Baumwolle ins Gefäß geworfen ward, in deſſen oberem Theile und ſuchte von dort aus eifrig den ihm gefährlichen Dämpfen zu entfliehen. Nach und nach wurden ſeine Anſtrengungen ſchwächer, ſeine Bewegungen langſamer; nach Verlauf von 1,5 Minuten war das Thier ohne Gefühl und Bewegung. An die Luft gelangt, zeigten die Beine ſchon bald eine unfreiwillige, zuſammenziehende Bewegung, das Gefühl war noch ganz abgeſtumpft. Erſt nach 10 Minuten kehrte die Bewegung der Antennen wieder; das Thier konnte ſich indes nicht von der Stelle bewegen, die Beine und nament— lich deren letztes Paar ſchienen vollſtändig gelähmt zu ſein. Nach 25 Minuten verſuchte das Inſect weiter zu ſchreiten, die Beine bewegten ſich, die Flügeldecken hoben ſich, aber die Muskeln der Beine waren noch unthätig; erſt nach 1½ Stunde gelang es ihm ſich weiter zu bewegen, ward aber auch jetzt noch durch eine Schlaffheit der Glieder im Gehen behindert; die noch keineswegs normal zurückgekehrte Mus— kelthätigkeit ließ es häufig auf die Seite fallen. Zweite Beobachtung: Ein kräftiges Exemplar des Carabus auratus ward in dasſelbe ſo eben beſchriebene Ge— fäß gebracht; man bemerkte, ſobald die Chloroformdämpfe einwirkten, eine ſtarke Entleerung des Afters, der letztere verlängerte ſich beträchtlich. Nach 1 Minute und 50 Se— kunden lag das Thier unbeweglich und gefühllos da. Der Luft ausgeſetzt, traten ſchon nach 3 Minuten die ſo eben beim Hirſchkäfer beſchriebenen krampfhaften Zuckungen der Beine ein. Nach 25 Minuten war das Gefühl voll— ſtändig zurückgekehrt, die freie Bewegung aber noch unvoll— kommen. Dritte Beobachtung: Ein ſtarkes Exemplar von Calosoma inquisitor blieb 5 Minuten lang den Chlorodämpfen aus⸗ geſetzt; es zeigte ſich alsbald ein wahres delirium tremens, dann eine ſo anhaltende Unbeweglichkeit, daß man das Thier für todt halten mußte; nach Verlauf einer Nacht hatte es ſich indes vollſtändig erholt. | Vierte Beobachtung: Mehrere Individuen der Musca domestica wurden Chloroformdämpfen ausgeſetzt und ſchon nach 1 bis 3 Seeunden gefühl- und bewegungslos. An die Luft gelangt, zeigte ſich bald ein leichtes krampfhaftes Zucken der Beine, auf welches die frühere Unbeweglichkeit wiederkehrte. Nach 15 Minuten verſuchten ſie zu fliegen, konnten es aber nicht; nach 35 Minuten flogen ſie, vollſtän— dig geneſen, davon. Fünfter Verſuch: Eine Locusta viridissima wurde nach Verlauf einer Minute unbeweglich. Ehe das Gefühl zu— rückkehrte, zeigten ſich krampfhafte Bewegungen der Antennen und der Beine, die unterdrückte Reſpiration ward wieder ſchneller; nach 8 Minuten war das Gefühl zurückgekehrt; 166. VIII. 12. 182 ein durchſichtiger Saft ward jetzt vom Munde ausgeſchieden. Nach 20 Minuten bewegten ſich einzelne Beine, dieſer Be⸗ wegung fehlte jedoch jede Übereinſtimmung, eine geregelte Bewegung kehrte erſt nach 1½ Stunde zurück; erſt jetzt war das Thier in ſeinen normalen Zuſtand zurückgekehrt. Nach dieſen Beobachtungen wirkt das Chloroform alſo, augenblicklich alle dem thieriſchen Leben weſentlichen Ver— richtungen hemmend, auf dasjenige Syſtem, das dieſe Thä— tigkeiten beherrſcht, mit anderen Worten auf das Nerven— ſyſtem. Da nun erſt lange nach dem Wiedererſcheinen des Gefühls eine geregelte Bewegung zurückkehrt, ſo ſcheint, wie der Verf. bemerkt, das Nervenſyſtem der Inſeeten aus zweierlei Elementen zu beſtehen, von denen die einen der Be⸗ wegung allein dienen, während die anderen das Gefühl ver— mitteln und auf die Bewegung im allgemeinen Einfluß üben. (Bibliotheque universelle de Geneve, Aoüt 1848.) XXVIH. Über den Einfluß der mineralogiſchen Be⸗ ſchaffenheit des Bodens auf die Vegetation. Von Dunal. Der Verfaſſer beginnt mit dem Einfluß der minerali— ſchen Beſtandtheile des Bodens und der phyſicaliſchen wie klimatiſchen Verhältniſſe auf die geographiſche Verbreitung der Pflanzen. Der Kaſtanienbaum, welcher nach anderen vom Boden unabhängig iſt (Castanea vulgaris Lam.), dient gerade als Beiſpiel zu Gunſten der Bodenbeſchaffenheit; er zeigt, daß derſelbe überall, wo man ihn antrifft, eine ges wiſſe, für fein Gedeihen nöthige Menge von Kieſelſäure verlangt. Der Kaſtanienbaum gedeiht deshalb auf Talk⸗ ſchiefer, der ihm die Kieſelſäure reichlich liefert, ganz vor— trefflich. Allerdings begegnet man ihm am Fuße der Jura auf Kalkgeſteinen, aber immer nur in Sand-Oaſen, die von der Kalkformation umſchloſſen werden. Zu Saint⸗-Guillen le Defert, im Departement Hérault, kommt der Kaſtanien— baum auf dolithiſchem Kalke vor, hier liefern ihm im Kalk verbreitete Kieſelnadeln die nöthige Kieſelſäure; faſt das— ſelbe gilt für die Umgegend von Murviel bei Montpellier; dort wächſt die Kaſtanie zwar auf einem kieſelfreien volithi— ſchen Kalkboden, wird aber durch ein herabfließendes Waſſer reichlich mit Kieſelſäure verſehen. Zu Banquiere, zu Cour⸗ pouirant und anderen Orten des Departements Seérault wächſt die Kaſtanie auf Hügeln von Geröllſteinen, die zum größten Theil aus Quarz beſtehen. Der Kaſtanienbaum gedeiht demnach auf ſehr verſchiedenem Boden, wenn in dem— ſelben nur der zu feinem Gedeihen nothwendige Beſtandtheil, die Kieſelſäure, vorhanden iſt. Der Verf. gedenkt darauf eines ähnlichen Verhaltens von Lecidea geographica, worauf ſchon Fries aufmerkſam machte und zu denſelben Schlüſſen gelangte. Dasſelbe gilt für Bupleurum fruticosum, das auf dem dolithiſchen Dolomit zwiſchen Saint-Jean de Fos und Saint-Guillen le Deéſert und auf den Bergen um Cette ſehr gemein iſt, aber auch auf den kalkhaltigen Säßwaſſergeſteinen von Montredon 125 183 bei Sommieres und auf verſchiedenen anderen Geſteinen, ſobald ſie nur Talkerde enthalten, vorkommt. Der Lorbeerbaum (Laurus nobilis L) wächſt um Mont— pellier in verſchiedenen Höhen, 600 M., 200 M., ja faſt bis zur Höhe des Meeres herab wild, findet ſich aber jeder— zeit nur auf Orfordkalk. Der Meerſand ernährt eine ganze Reihe von Pflanzen; Plantago arenaria, Silene conica, Statice echioides u. ſ. w., die auch fern vom Meere im Sande wachſen; nicht die feine Vertheilung der Sandkörner, ſondern die mineraliſchen Elemente, aus denen ſie beſtehen, beſtimmen die Pflanzen, auf ihnen zu wachſen. Eine große Zahl von Flechten bewohnt Kalkgeſteine aller Art, einige, z. B. Parmelia ocellata, crassa, lentigera u. ſ. w., finden ſich dagegen nur auf rauhen Oberflächen (auf Puddingſteinen und Orfordmergel); andere, z. B. Parmelia calcarea, eircinata, murorum u. ſ. w., kommen nur auf glatten Flächen, gleichgültig von welcher Art und For— mation des Geſteins, vor; in dieſem Falle bedingt die Beſchaffenheit der Oberfläche des Geſteins, nicht das Geſtein ſelbſt, den Standort der genannten Pflanzen; in anderen Fällen übt die klimatiſche Verſchiedenheit ihren Einfluß. Die Lavendula vera und spica wachſen beide auf Korallen und Oxfordkalk, die erſtere findet ſich jedoch nur 400 bis 800 M. über dem Meeresſpiegel, während die andere nur auf Hügeln unter 100 M. vorkommt. (Institut No. 762. 1848.) Heil k (XL) Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. Von Friedrich Lorinſer, Primar-Wundarzt im Bezirkskranken— hauſe Wieden in Wien. (Schluß.) (Hierzu Fig. 16 der mit No. 10 dieſes Bos. ausgegebenen Tafel.) Nach Befeſtigung dieſer durchbrochenen Leiſte handelt es ſich darum, die Höhe zu beſtimmen, in welcher die Rolle angebracht werden muß. Um dies zu ermitteln, muß der gebrochene Schenkel genau in die Lage gebracht werden, welche er durch die ganze Zeit der Heilung beibehalten ſoll. Man ſchiebt zu dem Ende das bereits vorbereitete Kniekiſ— ſen unter den gebeugten Schenkel und beachtet nun nochmals genau die Lage der Bruchſtücke, um den Ober- und Unter— ſchenkel unter jenem Grade von Beugung auf dem Knie— kiſſen zu lagern, welche der Vereinigung der Bruchſtücke ſowohl als der bequemen ruhigen Lage des Kranken am beſten entſpricht. Wäre am Kniekiſſen behufs der ſtärkeren oder geringeren Beugung des Oberſchenkels etwas zu ver— ändern, ſo muß dies jetzt geſchehen. Auf das Kniekiſſen kommt jedoch nicht nur die kranke, ſondern auch die geſunde 166. VIII. 12. 184 Miſeceellen. 24. Die Nemophila insignis ſcheint für die Katze, ähn⸗ lich dem Baldrian, etwas anziehendes zu haben. — George Laws ſon hatte in ſeinem Garten eine Gruppe dieſer Pflanze; ehe ſie ihre lieblich-blauen Blumen entfaltete, war ſie Nachts zertreten; zurückgelaſſene Haare wie das zerdrückte Anſehen der Pflanze zeig— ten, daß ſich Katzen auf ihr gewälzt hatten. Der Beſitzer half ſeiner Lieblingsblume ſo gut er konnte wieder auf die Beine, aber ſchon am folgenden Morgen fand er dieſelben Spuren des nächt— lichen Katzenbeſuches, dieſelbe Zerſtörung. Er fuchte die Urſache dieſer Anziehung in etwas, das in der Erde verborgen ſein mochte, grub deshalb rund umher auf, ohne jedoch etwas beſonderes zu finden. Er umzäunte jetzt den Platz, umſtellte ihn auch mit Blu— mentöpfen, aber ſchon am anderen Morgen waren die Blumentöpfe umgeworfen, der Zaun überſtiegen; die Sache wie vorhin. Ber: ſchiedene andere Schutzverſuche waren eben ſo erfolglos. Um nun zu ſehen, ob es die Pflanze ſelbſt oder nur die Stelle des Bodens fei, welche die Katzen herbeiführte, grub Lawſon ſämmtliche Ne: mophilapflanzen heraus und ebnete den Grund. Keine Katze be: ſuchte ihn wieder; dagegen ward eine Nemophilapflanze, die in einem andern Theile des Gartens zwiſchen anderen Gewächſen ſtand, bald von den Katzen ausgeſpürt und auch ihr nächtliche Beſuche abgeſtattet. Der Verf. bemerkt, wie er weder an den Blättern noch an der Blüthe der Nemophila einen Geruch wahrnehmen könne; er vermuthet deshalb, daß der Geruchsſinn, deſſen Feinheit ſchon bei Menſchen ſo verſchieden iſt, bei Thieren in noch viel höherem Grade abweichen könne und die Nemophila insignis für die Katze einen Wohlgeruch beſitzen müſſe. (The Zoologist, No. 70, 1848.) 25. Die Rinde des Odaſſibaumes, in Aſſam einhei⸗ miſch, hat nach Matthew Herring äußerſt ſtarke und lange Baſt⸗ faſern und wird deshalb von den Eingebornen beim Fang des wil— den Elephanten benutzt. (The Athenaeum, No. 1050, 1847.) unde. Extremität in gleicher Weiſe zu liegen. Genau in der Rich— tung des auf ſolche Weiſe gelagerten Oberſchenkels wird nun die mit der Schnürbinde bereits in Verbindung ge— brachte Schnur angeſpannt und nach der am Fußtheil des Bettes befeſtigten Leiſte hingeleitet. Da, wo die Schnur auf die Leiſte trifft, iſt der Ort, wo die Rolle angebracht werden muß (Fig. 16 b). Nun leitet man die Schnur über dieſe Rolle hinweg und nach abwärts; damit jedoch das an die Schnur zu befeſtigende Gewicht nicht an die Bettwand anſtreife, wird es nothwen— dig, noch eine andere mit einem Schraubenſtiele verſehene Rolle (Fig. 16 c) in die Leiſte einzuſchrauben, über welche die Schnur von der Bettwand entfernt hinabgeleitet wird. Dies iſt, wie geſagt, die Manipulation mit der von mir beſchriebenen durchbrochenen Leiſte; wenn man ſich jedoch eine ſolche nicht leicht verſchaffen kann, ſo genügt eine ganz gewöhnliche hölzerne Leiſte ebenfalls, nur muß in dieſem Falle vor ihrer Befeſtigung die Höhe, in der ſich die Rolle befinden ſoll, durch das bereits beſchriebene Verfahren ge— nau ermittelt, die Rolle an die Spitze der Leiſte ſchräg an— geſchraubt, und dann erſt die Leiſte ſelbſt an die Bettwand 185 in der gehörigen Höhe befeſtigt werden. Da man die Rolle ſelbſt (bezüglich auf die Richtung der Leiſte) ſchief einſchrau— ben kann, wie dies bereits bei den Rollen am Kopftheile des Bettes der Fall war, ſo hält man dadurch ſchon das Gewicht von der Bettwand entfernt und erſpart ſomit eine zweite Rolle; auch geſtattet der mit einem Schraubengewinde verſehene Stiel der Rolle, daß man letztere nach Belieben mehr oder weniger tief in das Holz einſenken und dadurch eine etwa ſpäter nothwendig werdende geringe Veränderung in der Höhe der Rolle ſehr leicht bewerkſtelligen kann. Nachdem nun alle bei dem Verbande nothwendig ge— wordenen Rollen ihre gehörige Stellung und Richtung ha— ben, leitet man über ſie die ihnen entſprechenden Schnüren und befeſtigt an letzteren die Gewichte. Dieſe Gewichte be— ſtehen aus leinenen Säcken, die mit Kieſelſteinen gefüllt werden; das am Fußtheile des Bettes angebrachte ſoll dop— pelt ſo ſchwer ſein als jedes der beiden oberen, ſo daß die Stärke des Zuges nach abwärts der Stärke des oberen Zu— ges gleichkommt. Die beſtimmte Schwere dieſer Gewichte variirt natürlich nach dem Alter des Kranken, dem Grade der Verkürzung des Schenkels und nach dem Widerſtande der Muskeln; doch dürften für gewöhnliche Fälle 4—8 Pfund für das untere, 2—4 Pfund für jedes der oberen Gewichte genügen. Damit jedoch in ſolchen Fällen, wo eine Ver— minderung oder Vermehrung des Gewichtes erforderlich wird, das Herausnehmen oder Zufüllen der Steine leicht bewerk— ſtelligt werden könne, iſt es zweckmäßig, die Säcke nicht mit den ertendirenden Schnüren zuzubinden, ſondern fie bloß mittels einer Schlinge anzuhängen, ſo daß die obere Off— nung frei und zugänglich bleibt. Erſt, wenn die Gewichte an allen drei Schnüren befeſtigt ſind, wird der Zug allmä— mälig, aber gleichzeitig, an allen Schnüren zugleich in Thä— tigkeit geſetzt, indem die Gewichte frei herabgelaſſen werden. Man beobachtet nun ſorgfältig die Wirkung und Richtung des Zuges. Bezüglich der Wirkung des Zuges iſt es nicht nothwendig, daß ſchon in den erſten Augenblicken die nor— male Länge der Extremität hergeſtellt werde, es genügt für den Anfang, daß der Schenkel mäßig angezogen wird, ja wenn der Zug zu ſtark wäre, ſo daß der Kranke über hef— tigen Schmerz zu klagen anfinge, müßte ſogar das Gewicht in den Säcken verhältnißmäßig vermindert werden. Bezüg— lich der Richtung des Zuges gilt die ſchon früher erwähnte Vorſchrift, daß der abwärtige Zug genau in der Richtung der Längenachſe des Oberſchenkels Statt finden müſſe; da ſich jedoch bei dem Beginne der Wirkſamkeit des Zuges bis— weilen einige Unbequemlichkeiten ergeben, ſo müßten die etwa nothwendigen Veränderungen in der Lage der Knie— kiſſen oder in der Stellung und Höhe der Rolle an der Leiſte vorgenommen werden. Um nun eine ſeitliche Verſchiebung der Bruchſtücke (we— nigſtens bei Brüchen am Körper des Schenkelbeines) zu ver— hüten und überhaupt die Verbandſtücke am Oberſchenkel mehr zuſammenzuhalten und zu ſchützen, iſt es gerathen, über die am Schenkel angelegte Binde und Schnürbinde einen gewöhnlichen Schienenverband anzulegen, zu welchem Ende 3 — 4 feſte, aber mittels Compreſſen gut gepolſterte 166. VIII. 12. 186 Schienen an den Schenkel gut angepaßt und mittels einiger Bändchen befeſtigt werden müſſen. Befindet ſich der Bruch hoch oben am Schenkelbeine, ſo iſt es nothwendig, die äu— 1 Schiene über den großen Trochanter hinaufreichen zu aſſen. Weitere Behandlung des Kranken. Die Abſicht bei Anbringung der Ertenſion geht dahin, die Muskeln des Oberſchenkels, welche die Übereinanderſchie— bung der Bruchſtücke und ſomit die Verkürzung der Glied— maße veranlaſſen und unterhalten, durch einen ununterbro— chenen Zug allmälig in ihrer Contraction zu ermüden und zum Nachgeben zu zwingen. Eben deshalb, daß der Zug anhaltend iſt, reicht auch ein verhältnißmäßig geringer Zug hin, um die beabſichtigte Wirkung hervorzubringen. Es erfolgt ſomit die Wiederherſtellung der normalen Länge der Gliedmaßen auch nur allmälig, und in den erſten Tagen der Wirkſamkeit des Verbandes laſſen ſich die ſtufenweiſen Fort— ſchritte genau beobachten und bemeſſen. Gewöhnlich erſcheint nach 6—8 Tagen die normale Länge des Oberſchenkels wie— der hergeſtellt, woson man ſich durch die Meſſung vom vor— deren oberen Darmbeinſtachel bis zum oberen Rande der Knie— ſcheibe an beiden gleichgelagerten Extremitäten ſehr leicht über— zeugen kann. Sollte die Ausdehnung zu langſam erfolgen, ſo kann in den erſten Tagen das Gewicht vermehrt werden; ſollte bei fortſchreitender Ertenſion das untere oder das obere Bruchſtück eine beſondere Neigung nach aufwärts beibehalten, ſo kann die Rolle an der Leiſte etwas höher geſtellt, das Kniekiſſen erhöht werden; hat das untere Bruchftüc die Neigung nach abwärts, oder ſollte der Druck vom Ausſchnitte der Schnürbinde auf die Kniekehle zu ſtark ſein, ſo müßte die Rolle an der Leiſte etwas tiefer geſtellt werden. Zur Elevation des unteren Bruchſtückes kann man auch die Schwere des Unterſchenkels benutzen, indem man die Ferſe frei legt, ſo daß dieſelbe das Bett nicht berührt und die Schwere des Unterſchenkels frei wirken kann. — Beim Gebrauche der Leibſchüſſel muß dieſe dem Kranken von der gefunden Seite aus behutſam untergeſchoben werden. Wenn ſich die Verkürzung der Ertremität ausgeglichen hat, iſt es nicht mehr nothwendig, den Zug in gleicher Stärke fortwirken zu laſſen, da man ſouſt bei ſchiefen Brü— chen am Körper des Schenkelbeines ſogar eine abnorme Ver— längerung herbeiführen könnte. Man vermindert demnach die Gewichte bis zu dem Punkte, daß die Extenſton genau dem Widerſtande der Muskeln gleichkommt und ſomit eine indifferente Wirkung hat. Beim Feſterwerden des callus verſchwindet die Neigung zur Verkürzung gänzlich, und des⸗ halb kann bei Brüchen am Körper des Schenkelbeines ſchon nach 14 Tagen bis 4 Wochen (je nach dem Alter und der Körperconſtitution des Kranken) der ganze Zugapparat ent— fernt und der Oberſchenkel in ſeiner früheren Lage mit ei— nem gewöhnlichen Schienenverbande bis zu Ende der Heilung liegen gelaſſen werden. Nur bei Brüchen des Schenkelhalſes iſt es gerathen, die Ertenſion, wenn auch in der letzten Zeit mit verringerteß Gewichten, bis zu Ende der achten Woche fortbeſtehen zu laſſen. 187 Erklärung der Abbildung. Fig. 16. Der Zugverband in ſeiner Wirkſamkeit bei einem Knaben mit einem ſchiefen Bruche in der Mitte des Oberſchenkels. a Die durchbrochene Leiſte, in der ſich die Rolle b befin— det, über welche die Schnur des unteren Zuges läuft; ce eine Rolle, welche die Schnur und das Gewicht von der Bettwand entfernt hält; d und e die zwei ſchräg eingeſchraubten Rollen, über welche die beiden Schnüre des oberen Zuges von der Bettwand entfernt verlaufen; 1 das Kniekiſſen, deſſen beide ſchiefe Ebenen in dieſem Falle unter einem ſtumpfen Winkel zuſammenſtoßen; die Schnürbinde, welche über eine gewöhnliche Lein— wandbinde und eine nach abwärts graduirte Comvreſſe angelegt iſt. — Über dieſe Schnürbinde iſt ein Schie— nenverband angebracht; und i die beiden Schenkelgurte zur Befeſtigung des Beckens. gg — = (XII.) Unterſuchung des Cholerabluts. Vom Prof. Dr. Schultz-Schultzenſtein in Berlin. 1) Princip der Unterſuchung. Es iſt in Be— ziehung auf den Standpunkt der Wiſſenſchaft wichtig, mit welchen Augen man an die Unterſuchung geht, und des— halb müſſen wir uns zuvor über das Princip verſtändigen. Man hat bisher immer noch an chemiſchen und anatomi— ſchen Vorbildern und Gewohnheiten gehängt, und nach den Prineipien dieſer in Stoffveränderungen oder in Mengen— verhältniſſen der Stoffe den Charakter des kranken Bluts geſucht. Man ſagt a. das Blut ſoll in der Cholera verdickt ſein; Bluteindickung, Verminderung des Serums Statt finden, da das Blut in der Cholera eine zähe Flüſſigkeit, die ſchwer aus der Ader fließt, bildet. Nichtsdeſtoweniger iſt aber keine chemiſche Verdickung vorhanden. Wittſtock, Simon haben 20 — 24 Proc. feſte Theile im Cholerablut angegeben. Ich ſelbſt habe nur 18 — 19 Proc. gefunden. Wenn wir aber auch jene Zahlen als richtig annehmen, ſo liegt darin nichts ungewöhnliches, da bei geſunden Schwange— ren, Plethoriſchen, ſogar im Fötus 20 — 26 Proe. feſte Theile gefunden werden, wobei das lebende Blut dennoch ganz flüſſig bleibt. Die lebendige Flüſſigkeit rührt nicht vom Mengenserhältniß des Waſſers, ſondern von dem Fluß des organiſchen Lebens- und Verjüngungsproceſſes her. Das ſcorbutiſche Blut iſt dick bei 16—20 Proc. feſten Theilen, das plethoriſche Blut iſt bei 26 Proc. noch flüſſig. Man ſagt: b. Eiweiß und Salze ſollen im Cholerablut verringert, durch die Seerete entleert ſein; aber bei gefunden kommen noch ſtärkere Verringerungen beider vor, als ſie in der Cholera gefunden werden. c. Harnſtoff findet ſich auch im Blute geſunder und noch mehr bei Nervenfieber, Gicht, kann alis den Cholera— charakter nicht bilden. 166. VIII. 12. 188 d. Putride Infection wird jetzt allgemeiner angenommen. Unter den Begriff von Anſteckung werden viel dunkele, ſonſt nicht erklärliche Zuſtände vereinigt, aber auch nicht erklärt. Cholerablut zeigt nichts putrides und riecht wie geſundes Blut, nicht faul, ammoniacaliſch, wie doch im Scorbut. Es fault ſelbſt nach dem Tode nicht ſo ſchnell, wie in Nervenfieberleichen. Wenn alle dieſe Veränderungen aber auch wirklich da wären, jo würden fie nur Folgen, nicht Urſachen des kranken Zuftandes ſein, wie in allen den ſogenannten Dyskraſieen. Chemiſche Unterſuchungen ſind nicht überflüſſig; man muß ſie kennen, aber wiſſen, was davon zu halten iſt, und ſie nicht mißverſtehen. Ich ſelbſt habe in meinen Unterſuchungen über das Pfortaderblut viel chemiſche Verſuche, insbeſondere über die Mengenverhältniſſe von Farbſtoff, Eiweiß, Faſerſtoff ange— ſtellt. Dieſe Unterſuchungen find ſogar ſpäter von Andral und Gavarret bei ihren Blutunterſuchungen nachgeahmt worden, indem ſie die Mengenverhältniſſe der genannten Stoffe in den kranken Blutarten ganz in der Weiſe beſtimmt haben, wie ich es mit dem Pfortaderblut gemacht hatte. Indeſſen liegt ein großes Mißverſtändniß meiner Unterſuchungen über das Pfortaderblut darin, daß man glaubt, ihr ganzes We— fen beruhe in der Beſtimmung der Mengenverhältniffe jener Stoffe. Ich habe vielmehr außer den chemiſchen Verhält— niſſen der Stoffe, insbeſondere auf die Lebensverhältniſſe der organiſchen Beſtandtheile des Bluts Rückſicht genommen und aus dieſen die chemiſchen Stoffverhältniffe zu erklären geſucht, indem ich die organiſchen Zuſtände als die Quelle der chemi— ſchen Stoffveränderungen, z. B. das Abſterben der Bläschen als Urſache der Löſung ihres Farbſtoffs im Plasma erkannt habe. Ich bin alſo keineswegs bei den chemiſchen Unter— ſuchungen ſtehen geblieben, wie Andral und Gavarret und die neueren chemiſchen Blutpathologen. Die rein chemi⸗ ſchen Unterſuchungen bleiben auch für die praktiſche Mediein ohne allen Werth. Man kann die Mengenverhältniffe, die chemiſchen Blutbeſtandtheile durch chemiſche Mittel nicht än— dern, nicht Farbſtoff, Eiweiß, oder Faſerſtoff zufügen, wo es fehlt, ſondern die therapeutiſchen Mittel liegen allein in der Anderung der Lebensverhältniſſe und Verjüngungsaete, und auf die Kenntniß dieſer kömmt es an. Die wahren Urſachen des Krankſeins liegen in orga— niſchen Veränderungen, von denen die chemiſchen nur Folgen und Wirkungen ſind. Dieſe organiſchen Zuſtände müſſen wir ſtudiren. Dies ſetzt aber überhaupt eine organiſche Blutphyſiologie voraus. Daß im Blute Leben ſitzt, wird jetzt offen nicht mehr beſtritten, wie zu Browns und Blu— menbachs Zeiten; aber man giebt es nur ſtillſchweigend zu, ohne in die Art der Lebensthätigkeit und Lebensäußerung einzugehen. Nebenher macht man die Unterſuchungen immer wieder mit chemiſchen Augen, man ſucht die Lebensver— änderungen mit chemiſchen Brillen im todten Stoff. Worin ſitzt das Blutleben? Wenn wir darüber einig ſind, werden wir uns auch über die kranken Veränderungen verſtändigen. Daß die Unterſuchungen hierüber wichtig ſind, wird man auch dann zugeben, wenn man den Urſprung und das Weſen der Krankheit nicht im Blute, ſondern in 189 den Nerven, oder in örtlichen Leiden des Darmcanals fucht; denn die Veränderungen der Lebenseigenſchaften des Bluts in der Cholera ſind ſo groß und auffallend, daß man ſich wundern muß, wie etwas ſo Auffallendes in organiſcher Weiſe nicht zu ergründen geweſen iſt. Das Blutleben ſitzt in ſeiner organiſchen Entwickelung und beſtändigen Regeneration nach dem periodiſchen Ab— ſterben. Es ſitzt in den Lebensactionen ſeiner organiſchen Beſtandtheile, in dem Plasma und den Blutbläschen. So lange man das Plasma als eine chemiſche Auflöſung von Faſerſtoff in Serum und die Blutbläschen als ein für alle Mal fertige Kügelchen ohne beſtimmte Lebenseigenſchaften anſieht, iſt das geſunde und kranke Blutleben nicht zu be— greifen. Jene alten Vorurtheile muß der Arzt zuerſt auf— geben, das Prineip der Unterſuchung ändern, dle Sache mit organiſchen Augen anſehen. Dann wird ſich auch finden, daß die Veränderungen, welche den pathologiſchen Charakter des Cholerabluts bilden, nicht in chemiſchen Stoff⸗ oder anatomiſchen Formveränderungen, ſondern in veränderten Lebenseigenſchaften der organiſchen Beſtandtheile des Bluts beſtehen. 2) Die organiſchen Veränderungen und der pathologiſche Charakter des Cholerabluts. Ich hatte in den früheren Epidemieen nur Blut von Cholera— leichen unterſucht, und die Ergebniſſe der Unterſuchung in den Schriften über Verjüngung und allgemeine Krankheits— lehre angedeutet. Die jetzige vergleichende Unterſuchung des Cholerablutes von noch lebenden Kranken hat aber den Ge— ſichtskreis ſehr erweitert, da die Veränderungen beſonders der Blutblaſen nach dem Tode ſo bedeutend ſind, daß deren Beobachtung kein ganz vollſtändiges Bild von dem Zuſtande im Leben giebt. Wir müſſen die Veränderungen der Bläschen und des Plasma unterſcheiden. a. Um die Veränderungen der Bläschen richtig zu beurtheilen iſt zu berückſichtigen, daß die Lebenseigen— ſchaften derſelben im geſunden Blute vorzüglich in der orga= niſchen Reizbarkeit und Contractilität ihrer Blaſenmembra— nen liegen, wodurch ſie ſich bei Berührung mit Salzen und Sauerſtoffgas contrahiren und röthen und beinahe ihr glei— ches Volumen Sauerſtoffgas abſorbiren, was im todten Blute nicht mehr geſchieht. Betrachtet man das Cholera— blut, welches auf der Höhe der Krankheit im aſphyktiſchen Zuſtande aus der Ader genommen iſt, mit bloßen Augen, ſo findet man es noch nicht theerartig und kirſchbraun durchſcheinend, wie in den Leichen, ſondern im Gegentheil flüſſig und undurchſichtig trübe, zuweilen faſt molkig. Ein Zuſatz von Küchenſalz oder Glauberſalz röthet es durch— aus nicht, ſo wie es mit geſundem Blut geſchieht, auch wird es durch Schütteln mit atmoſphäriſcher Luft oder Sauerſtoffgas nicht geröthet, wobei auch nur eine unmerk— liche Menge Sauerſtoff abſorbirt wird. Dagegen hat das Cholerablut eine große Neigung zu ſchäumen, indem es den Überreſt von Kohlenſäure und Sauerſtoffgas aus den Blaſen fahren läßt. Dieſe Gasentwickelung kann durch einen kleinen Zuſatz von Salz ſehr beſchleunigt und erhöht werden, wodurch dann ein ſtarkes Schäumen durch Aus— 166. VIII. 12. 190 treiben der Luft aus den Blaſen eintritt, indem das Salz noch den letzten Reſt von Blaſencontraction hervorruft. Durch's Mikroſkop angeſehen zeigen ſich die Blutbläschen des trüben Cholerabluts zunächſt ſehr verſchieden an Größe und Geſtalt, ſo daß dieſes Gemenge verſchiedener Formen ſehr auffallend vor Augen tritt, und keinen Zweifel läßt, daß ſich hier bedeutende Veränderungen in ſehr verſchiedenen Graden und Entwickelungsſtufen finden. Die Bläschen find meiſtens durchſcheinend, beinahe ſo blaß wie im Froſchblut, einige faſt ganz entfärbt, ſo daß die im allgemeinen großen Kerne ſehr deutlich ſichtbar ſind, was im geſunden Blute nicht der Fall iſt. Am größten ſind die Veränderungen in den Formen der Bläschen, von denen faſt kein einziges die normale plattrunde, turgeſeirende Form zeigt. Vielmehr erſcheinen faſt alle mit gekerbten, gebuchteten, eingefalle— nen Rändern, aufs mannigfaltigſte nach der platten Seite umgebogen und gefaltet, ähnlich den Formen, die entſtehen, wenn man mit Waſſer ausgewaſchene Bläschen geſunden Bluts mit Salz vermengt, oder wie ſie bei Zerſetzung des Bluts nach dem Tode entſtehen. Die Bläschen des Cholera— blutes im Ganzen bieten daher eckige, knollige, geſchrumpfte Formen dar; die turgeſcirenden, gerundeten Formen des geſunden Blutes fehlen faſt ganz. Die Membranen der Cholerablutbläschen haben faſt alle Lebenserregung und Con— tractilitat verloren, und ein Zuſatz von Salz oder Waſſer ändert daher die abnormen Formen wenig oder gar nicht. Dagegen werden ſie ſchon von einem geringen Waſſerzuſatze gänzlich entfärbt, ſo daß der Farbſtoff nur ſehr ſchwach in den Membranen feſtgehalten wird, daher dieſer auch zum Theil ſchon im Leben im Plasma aufgelöſ't iſt. Sogar Salzwaſſer löſ't den Farbſtoff aus den Cholerabläschen auf, was bei den Bläschen des geſunden Blutes niemals geſchieht, weil dieſe ſich durch Salz fo ſtark contrahiren, daß ſie den Farbſtoff noch feſter einſchließen und ganz unlöslich machen. Hiermit hängen nun die Veränderungen des Cholera— blutes nach dem Tode und die Beſchaffenheit des Blutes in den Leichen zuſammen. Das ausgebildete Cholerablut findet ſich bekanntlich theerartig dick, von kirſchbrauner Farbe, und nicht undurchſichtig trübe, ſondern durchſchei— nend und faſt klar. Dieſe Veränderungen hängen davon ab, daß der Farbſtoff der Blaſen ſich gänzlich im Plasma oder im Serum auflöſ't, wodurch dieſes eine durchſcheinende chemiſche Solution von braunrother Farbe bildet, in der dann die entfärbten, ebenſo durchſcheinenden Bläschen ſchwim— men, während die undurchſichtigen Blutbläschen im lebenden Blute dieſes trübe machen. Dieſe Veränderungen geſchehen gradweiſe, nach und nach, find aber an dem aus der Ader gelaſſenen Cholerablut meiſt ſchon nach 12—16 Stunden vollendet. Durch die Auflöſung des ſämmtlichey Farbſtoffes der Bläschen im Plasma oder Serum erhälf dieſes ſeine Dickflüſſigkeit, und dadurch wird das Blut theerartig, bei demſelben Serumgehalt, jo daß das Theetartige nicht von einer Serumveränderung herrührt. Mon kann dieſe Er— ſcheinung an jedem aus der Ader gelaſſenen Blute ſogleich nachahmen, wenn man etwas verdünnte Schwefelſäure oder eine Auflöſung von Weinſteinſäure oder einem Kupferſalz 191 zum Blut ſetzt, wodurch ſofort der Farbſtoff aus den Bläs— chen gezogen und im Plasma aufgelöſ't wird. Setzt man daher zu dem trüben aus der Ader des Kranken gelaſſenen Cholerablut etwas Säure, To bildet ſich auch hier ſogleich der theerartige Zuſtand, wie er ſich ſpäter in Leichen findet. Die Frage iſt nur, warum das theerartige Blut nicht eben ſo gut in jeder anderen als in der Choleraleiche entſteht. Dies hat offenbar ſeinen Grund darin, daß die im Kranken ſchon gelähmten Bläschen des Cholerablutes den Farbſtoff nicht mehr feſthalten, ſondern bei dem gänzlichen Abſterbeu ſogleich an das Serum abgeben, während bei der Gerinnung des nicht gelähmten Bluts in anderen Leichen, die Bläschen noch im Abſterben ſich ſo ſtark contrahiren, daß ſie den Farbſtoff von ſelbſt nicht fahren laſſen. Dieſe Verhältniſſe habe ich in den Werken über Circulation und Verjüngung ausführlich auseinandergeſetzt. Die Auflöſung des Farbſtoffs aus den gelähmten Cho— lerabläschen geſchieht, ohne daß dieſe ihre platte Geſtalt dabei änderten. Dies iſt deshalb anzumerken von Wichtigkeit, weil die auf ſolche Art entfärbten Blutblaſen von den urſprünglich farbloſen Bläschen, welche aus der Lymphe in das Blut kommen, ſehr verſchieden ſind. Wir müſſen daher unterſcheiden: 1) urſprünglich farbloſe Blaſen. Dieſe ſind noch kugelrund aufgeſchwollen, wie in der Lymphe. 2) Entfärbte ältere Bläschen. Dieſe ſind immer platt. Ich erwähne dieſe Unterſchiede, weil neuerlich mehrere Be— obachter erwähnt haben, daß ſich iu Cholerablute viel farb: loſe Bläschen finden. Man hat dies irriger Weiſe ſo ver— ſtanden, daß im Cholerablute viel Lymphbläschen vorhanden wären, und das Blut lymphartig genannt werden könnte. Dies iſt aber nicht richtig. Im Cholerablute finden ſich vielmehr nicht farbbloſe (jüngere), ſondern nur ent— färbte (ältere) platte Bläschen, was für die Beſtimmung des Charakters dieſes Bluts von großer Wichtigkeit erſcheint. Hieraus ergiebt ſich, daß der organiſche Entwickelungs— und Verjüngungsproceß der Bläschen im Cholerablute gänz— lich ſtockt, und daß die Bläschen auf ihren vor der Krank— heit vorhanden geweſenen verſchiedenen Entwickelungsſtufen ſtehen geblieben ſind und von da aus ihre Veränderungen erlitten haben. Dieſe Veränderungen beſtehen weſentlich in der Biolyſe der Erregung, die auf der höchſten Stufe in Lähmung des Blaſenlebens übergeht, wodurch die Reſpira— tion ſowie die weitere Verarbeitung der Kerne und die nor— male Bildung und Metamorphoſe des Farbſtoffes aufgehoben 166. VIII. 12. 192 werden, der Farbſtoff ſelbſt ſich aber aus den Blaſen in das Plasma oder das Serum zieht. Zu dieſen Veränderungen disponirt ſchon der ganze Blutzuſtand der Cholerakranken vor dem Ausbruch der Krankheit, den man mit dem Namen des herbivoren Blutes bezeichnen kann. Ich habe das Blut mehrerer Perſonen, die von leichteren Choleraanfällen wieder geneſen waren, unterſucht. Dieſes Blut hat ganz den Charakter des Bluts, welches ich in den Werken über Verjüngung und über Krankheitslehre als herbivores beſchrieben habe: nämlich zarte, dünnhäutige Bläschen, die wenig Farbſtoff enthalten, ſchwache contractive Kraft beſitzen, ſo daß ſie den Farbſtoff wenig feſthalten, in Folge deſſen überhaupt nur kurzlebig ſind und bald abſterben. Schwäche der Digeſtionsorgane, lange fortgeſetzter Genuß überwiegend vegetabiliſcher Nahrung bilden die Quellen dieſes Blutzuſtandes, der oft erſt nach Monaten als Nachwirkung vegetabiliſcher Lebensart erſcheint, und welcher leicht in den Choleracharakter umſchlagen kann. (Schluß folgt.) Miſeelle. (21) Rückſichtlich des Starrkrampfes gelangt Hr. Samuel G. Wilmot, Chirurg am Steevens Hoſpitale zu Dublin, in einem dem Dublin Quarterly Journal of med. Science, Aug. 1848 einverleibten Artikel zu nachſtehenden Folgerungen: 1) der tetanus entſteht durch directe oder indirecte Reizung des Bewegungsnervenſyſtems oder des eigentlichen Rückenmarkſtranges, wodurch dieſes Syſtem mit Bewegungskraft überladen wird; wäh⸗ rend Entzündung des Rückenmarkſtranges ꝛc. oder irgend eine er⸗ hebliche Verletzung nicht zu den weſentlichen Bedingungen des Lei⸗ dens gehört; 2) während wir genügende phyſiologiſche und prakti⸗ ſche Zeugniſſe darüber beſitzen, daß Opium die Indication beim tetanus, nämlich die Verminderung der Reizbarkeit des eigentlichen Rückenmarkſtranges nicht zu erfüllen vermag, fo dürfen wir, bis wir ein ſpecifiſch antitetaniſches Mittel beſitzen, dennoch dem Opium nicht ganz den Abſchied geben; 3) unſer Hauptaugenmerk bei der Behandlung des tetanus muß darauf gerichtet fein, durch reizende Arzneimittel und kräftige Nahrung die Kräfte des Patienten zu unterſtützen und ihm den durch die heftigen Muskelcontractionen veranlaßten Abgang an Lebenskraft zu erſetzen; 4) da die Befeiti- gung der erregenden Urſache, nachdem die Reizung ſich ein Mal bis zum Rückenmarkſtrange fortgepflanzt hat, das Fortſchreiten des tetanus in keiner Weiſe hemmt und die Heftigkeit der Symptome durchaus nicht vermindert, ſo ſind alle Operationen in Fällen von Wundſtarrkrampf gewöhnlich nicht nur unnütz, ſondern ſogar ſchaͤdlich. Bibliographiſche Neuigkeiten. Theorie und Methodit der phyſtcaliſchen Unterſuchungsmethode bei den Krank heiten der Athmungs und Kreislaufsorgane. In ihren Grundzügen dar⸗ goſtellt von Dr. Beber (in Kiel). 8. 128 S. Nordhauſen 1848. 22½ Sgr. Durch Auffrirung über die Gründe eine recht nützliche Schrift, Gerichtlichschemiſche Unterſuchung, ausgeführt unter Prof. G. J. Mulders Leitung im Laboratorium zu Utrecht. Aus dem Hollänviſchen für deutſche Juriſten, Arzte und diejenigen bearbeitet, welche ſich mit dieſem Zweige der Chemie bejchäftigen müſſen. Von Dr. Joh. Müller, Fürftl. Waldeckſchen Mepicinalrathe. 12%, 121 S. Berlin 1848. 7½ Sgr. Sehr unterrichtend, klar und bequem. Druck und Verlag des Landes- Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 167. (Nr. 13. des VIII. Bandes.) a Naturkunde. December 1848. Griffith, über die Befruchtung der Dischidia. — Meteorologiſche Beobachtungen zu Buitenzorg auf der Inſel Java angeſtellt. — Mo ly— neux, über den Jordan und das todte Meer. — Planchon, über die Sumenfnofve und ven Samen der Acankhaceen. — Blanchard, über die Circula⸗ tion der Arachniden. — Miſcellen. Brewſter, die ſcheinbare Entfernung eines Gegenſtandes richtet ſich nach deſſen Farbe. Longley, Zwitter von Serminthus Popnli. — Heilkunde. Schultz⸗Schultzenſtein, Unterſuchüug des Cholerablutes. (Schluß.) — Sir Ph. Crampton, über den Stein- ſchnitt an Frauen. — Miſcelle. Morgan, Anwendung des Höllenfteins bei granulirter conjunctiva. — Bibliographie. Naturkunde. XXIX. über die Befruchtung der Dischidia “). Von Griffith. In einem vom 7. März 1835 aus Mergui datirten Berichte, den Robert Brown der Linné'ſchen Geſellſchaft zu London mittheilte, ſpricht der Verf. über ſeine im Januar des genannten Jahres an Dischidia Rafflesiana Wall. und einer anderen, der Dischidia Bengalensis Colebr. nahe ſtehen— den Art gemachten Beobachtungen. Wir entnehmen den Be— richt über dieſelben dem Januarheft der Annales des Sciences von 1848. Die Samenknoſpen der Dischidia treten zuerſt als rundliche Hervorragungen an der Oberfläche des Samen— trägers auf, die ſich zunächſt an ihrer Baſis verſchmälern, nach und nach einen funiculus bildend. Nach dieſem funi- eulus erſcheint zur ſelben Zeit an der oberen, das heißt der Spitze des Fruchtfaches zugewandten Seite der Samen— knoſpe eine rundliche wenig tiefe Höhle. Die nunmehrigen Veränderungen erfolgen ſehr raſch; die rundliche Höhle ge— winnt das Anſehen einer tiefen Spalte mit erhabenen Rän— dern. Die Spalte vergrößert ſich mehr und mehr, und ihre Ränder nehmen gleichfalls zu; in ihrer Mittellinie er— ſcheint an der organiſchen Spitze der Samenknoſpe eine kleine anfangs unbeſtimmte Maſſe von körnigem Ausſehen (der erſte Anfang des Knoſpenkerns). Dieſer Knoſpenkern entwickelt ſich mehr und mehr, eine rundliche Geſtalt an— nehmend. Bei der entwickelken Samenknoſpe iſt die Spalte ſehr groß, fie geht von der Baſis der Samenknoſpe bis etwa zum dritten Theil ihres oberen converen Randes und bildet eine mit klaffenden Rändern verſehene tiefe Höhle, die ſich an ihrem Grunde mehr und mehr verengert. Zu dieſer Zeit iſt die körnige Maſſe (der Knoſpenkern) deutlich ſicht— ») Vergl. Bd. 4 S. 57 ff. No. 2147. — 1047. — 167. bar, und man erkennt in ihrem Umfange den Anfang einer Aushöhlung. Wenn die entwickelten Samenknoſpen nicht befruchtet werden, vergrößert ſich dieſe Höhlung, die körnige Maſſe gewinnt ein unregelmäßiges Anſehen, und ſcheint häufig zu verſchwinden. Die Blume der Dischidia, deren Corolle zum Theil durch ein Verwachſen ihrer Theile verſchloſſen und bei Dischidia Rafllesiana überdies inwendig mit Haaren beſetzt iſt, kann, wie der Verf. glaubt, nicht durch fremde Hülfe befruchtet werden. Die Pollenmaſſen ſind gedreht, ſie haben keine durchſichtigen Ränder und öffnen ſich der Länge nach an der inneren Seite der Antherenfächer. Dieſe Seite zeigt in ihrem Bau keine bemerkenswerthe Verſchiedenheit, cor— reſpondirt aber, wie ſchon B. Brown bemerkte, mit dem Dehiſcenzrande der hängenden Pollenmaſſen. Die Baſis der Narbe iſt bei Dischidia Rafflesiana, noch mehr aber bei der anderen Art, etwas papillös; die Communicationsſpalten ſind bei der erſten geöffnet, bei der zweiten dicht verſchloſſen. Weder bei der einen noch der anderen fand Griffith jemals Pollenmaſſen in dieſen Spalten; ſelbige hingen entweder an den Vorſprüngen oder waren in den Grund der Corolle gefallen; in beiden Fällen ſchickten ſie Pollenſchläuche aus, die, durch die Zahl der ſchlauchtreibenden Pollenkörner zu Strängen vereinigt, in die ihnen zunächſt gelegene Spalte eindrangen und in derſelben ein undurchſichtiges körniges Anjehen gewannen. Das Pollenſchlauchbündel ging alsbald über die Baſis des Stigma's hinweg, kehrte längs derſelben um, bis es die Verbindungsſtelle der Narbe und des Staubwegs erreichte und fenfte ſich hier in einen der letzteren, manch Mal auch in beide, um in ſelbigen bis zum Samenträger hinab zu ſteigen. Die Pollenſchläuche traten alsdann aus einander, umflatterten die Samenknoſpen nach allen Richtungen und legten ſich feſt an diefelben. Ihr körniger, reichlich vor» 13 195 handener Inhalt pflegte ſich an ihrem geſchloſſenen Ende noch mehr anzuhäufen. Der Verf. bemerkte nur eine oſeillirende Bewegung (Molecularbewegung) dieſes Inhaltes, keineswegs aber einen auf- und abſteigenden Saftſtrom. Die Pollenſchläuche ſind einfach, jeder ſcheint zu einer beſonderen Samenknoſpe zu verlaufen, an welcher er, jeder— zeit durch den Mittelpunkt der Spalte (den Knoſpenmund) gehend, ſo feſt ſitzt, daß eher ein Zerreißen des Pollen— ſchlauchs als eine Trennung desſelben von der Samenknoſpe erfolgt. Griffith konnte zuerſt das Ende des Pollenſchlauchs innerhalb der Samenknoſpe nicht entdecken, fand es aber ſpäter am Grunde der Spalte im Inneren eines mit Körn— chen angefüllten Blindſacks. Ganz ähnliche Körnchen ſind vor und nach der Befruchtung im Zellgewebe der Samen— knoſpe vorhanden; ihre Zahl vermindert ſich noch ehe die Pollenſchläuche die Samenknoſpe erreichen. Das Herabſteigen der Pollen ſchläuche an die Samen— knoſpen ſcheint keine unmittelbare Veränderung der letzteren zu Folge zu haben; wohl aber ſcheint ſich die Höhlung bald darauf zu vergrößern und gegen die Eintrittsſtelle des Pollen— ſchlauchs auszudehnen; dieſes Zunehmen dauert ſo lange, bis die granulöſe Maſſe (der Knoſpenkern) gänzlich ver— ſchwunden iſt; der größte Theil der Samenknoſpe beſteht dann aus einer weiten Höhle. Die Samenknoſpe vergrößert ſich nunmehr, ohne ſich fernerhin zu verändern; die Rudi— mente des Schopfes zeigen ſich, noch ehe die Anlage zum Embryo auftritt. XXX. Metereologiſche Beobachtungen zu Buiten- zorg auf der Inſel Java angeſtellt. Vor etwa 30 Jahren veranlaßte die Schädlichkeit des Klimas von Batavia den damaligen Gouverneur der hol— ländiſchen Beſitzungen auf Java (Baron van der Ca— pellen), alle Verwaltungsbehörden, deren Obliegenheiten nicht die Nähe des Meeres nöthig machten, weiter landein— wärts nach einem geſünderen Orte zu verlegen. Man wählte Buitenzorg, 13 Meilen ſüdlich don Batavia in einer frucht— baren, von Flüſſen bewäſſerten und durch Waſſerfälle ver— ſchönerten Ebene gelegen, zur neuen Reſidenz des Statt— halters. Aus dem Schoße der Wälder erhebt unfern des Ortes der majeſtätiſche Vulcan von Gere fein aller Wege: tation beraubtes Haupt. Der Palaſt des Statthalters iſt mit einem herrlichen botaniſchen Garten und einem wohl einge— richteten Obſervatorium, auf dem die folgenden Beobachtungen gemacht wurden, verſehen. Der Ort liegt im 60,3?“ ſüdlicher Breite und 106, 48,30“ öſtlicher Länge nach dem Meri— dian von Greenwich, die Höhe desſelben beträgt 267,2 Meter über dem Meeresſpiegel. Die Beobachtungen wurden in den 6 letzten Monaten des Jahres 1845 und den 6 erſten Mo- naten des folgenden Jahres unternommen. Die Temperatur ward um 6 Uhr und um 9 Uhr Morgens, um 3½ Uhr Nachmittags und um 9 Uhr Abends mit einem hunderttheiligen Thermometer beſtimmt. Vom 167. VIII. 13. 196 April bis September betrug ſie um 6 Uhr im Mittel 200,8 Celſ., dom October bis März 21,6. Die mittlere Wärme des März allein war 230. Vom April bis Sep- tember ſchwankte die Temperatur um 9 Uhr Morgens zwi— ſchen 26,4 bis 290,9, vom October bis März war die mittlere Temperatur 270; um 3½ Uhr Nachmittags war die Mitteltemperatur vom April bis September 270,9, in den 6 anderen Monaten 270,4. Die Mitteltemperatur eines jeden dieſer Monate ſchwankte im ganzen Jahre nur von 230,2 auf 249,3, woraus man die Gleichförmigkeit der Temperatur der Aquatorialgegenden zur Genüge erkennt; dieſelbe iſt in den 5 Monaten vom October bis Februar am deutlichſten, hier ändert ſich die Temperatur von Morgens 6 bis Nachmit— tags 3½ Uhr nur um 2 Grade (ſie ſteigt von 220 auf 240); wogegen ſie in den Monaten Juni, Juli und Auguſt um etwa 10 zunimmt. Dieſelbe Gleichförmigkeit giebt ſich in 5 Tabellen, auf welchen die Temperatur zur Sonnenwende und Agquinoctialzeit und eben fo zu Ende Mais von Stunde zu Stunde notirt iſt, kund. Am 22. December betrug das Minimum: das Marimum: 210,25 260,5 am 21. März 239,75 299,4 am 21. Mai 220,0 290,6 am 22. Juni 190,8 270,9 In der Nacht kühlte es ſich nur wenig ab, die Tempe— ratur ſank von 10 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens nur um 2 Grad, häufig nicht ein Mal ſo viel. Das Minimum der Temperatur war unveränderlich zwiſchen 4 bis 5 und 6 Uhr Morgens; das Marimum um Mittag; bis 2 Uhr Nachmittags hielt ſich die Temperatur ohne abzunehmen, von da bis 3½ Uhr verlor fie 1 bis 2 Grade. Die nie⸗ drigſte Temperatur des ganzen Jahres war am 7. Auguſt 1846, fie betrug 189, die höchſte am 22. desſelben Monats, fie betrug 330,7. Das benutzte Barometer hing, wie ſchon erwähnt, 267,2 Meter über dem Meeresſpiegel, ſeine Angaben wurden auf eine Temperatur von 09 zurückgeführt. Nach einer Berechnung für das ganze Jahr war der mittlere Stand des Barometers um 6 Uhr Morgens 736,5 Millimeter; um 9 Uhr Morgens ſtieg es auf 737,1 Millimeter, ſeine höchſte Höhe, fiel dann um 2 Millimeter, ſtand um 3½ Uhr auf 735,2 Millimeter, hob ſich darauf wieder und ſtand um 9 Uhr Abends auf 736,9 Millimeter. In keiner einzigen Jahreszeit war ſein Stand verſchieden; ſein höchſter Stand war im Januar und Juni (738,5 Millimeter), ſein tiefſter am 17. April 1846 (732,25 Millimeter ). Die größten täglichen Schwankungen betrugen 2 bis 3 Millimeter, am 17. April 1846 war ſie 4,6 Millimeter. Die Zahl aller Regentage des ganzen Jahres war 233; 216 Mal fiel der Regen am Tage, und nur 80 Mal während der Nacht. Die während der Nacht gefallene Re— genmenge war viel unbedeutender, wie die am Tage gefallene, erſtere maß 868 Millimeter, letztere 4489 Millimeter, zu— ſammen 5357 Millimeter oder 198 Zoll. Die zu Genf fallende Regenmenge hat nur eine Höhe von 30 Zoll, ſie beträgt dagegen auf St. Helena 44½ Zoll, Zahlen, die 197 mit der ungeheuren Regenmenge von Buitenzorg kaum vers gleichbar ſind. In den Monaten Juni, Juli und Auguſt fällt der wenigſte, in den Monaten December, Januar und Fe— bruar der meiſte Regen. Im December allein fielen 695,3 Millimeter; im Auguſt dagegen nur 97,7 Millimeter. Die Regenmenge von 24 Stunden betrug nicht ſelten 70 Milli- meter; am 8. März fielen 104 Millimeter, am 28. Januar 112 Millimeter und am 2. Februar gar 149 Millimeter. (Nieuwe Verhandelingen der eerste klasse van het Koninglijk- Neederlandsche Institut van wetenschappen etc. XIIIde deel. Amsterdam 1848.) XXXI. über den Jordan und das todte Meer. Aus den Papieren des verſtorbenen Lieutenant Molyneux. Am Morgen des 20. Auguſt vorigen Jahres verließ der Verf., von dem Schiffscadetten und einem Dolmetſcher begleitet, nachdem er Pferde und Kameele, ſowie eine Be— deckung gemiethet hatte, Aere und ſchlug den Weg nach Tiberias ein. In den beiden erſten Stunden war der Weg vortrefflich, in der Nähe des Dorfes Abilin ward die Gegend hügelig und der Weg hin und wieder beſchwerlich. Im Dorfe Taran ward übernachtet. Am folgenden Tage ge— langten die Reiſenden nach Tiberias, wo ſie außerhalb der Stadt am Ufer des todten Meeres übernachteten. Unge— heure Kameelheerden weideten auf allen Triften. Von den Hügeln herab genoß man einer köſtlichen Ausſicht; links ſah man den Djebel Scheikh in Wolken gehüllt, vor ſich das blaue Waſſer des Tiberias, von Hügelketten umkränzt und links vom Djebel Scheikh die weißen Ruinen von Safed. Am 23. befuhr die Geſellſchaft den See, der größer iſt wie man gewöhnlich annimmt; von Tiberias bis zum öſtlichen Ufer mißt er 8 oder 9 Meilen, vom Eintritt des Jordan im Norden bis zu deſſen Austritt am Südende 18 Meilen; das Nordende des Sees liegt im 320 49° 9“ der Breite, alſo 3½ Meile ſüdlicher als gewöhnlich angegeben wird. Der Jordan wird als ſeicht von zahlloſen Bänken durch— kreuzt und dadurch kaum für Boote ſchiffbar beſchrieben; an einigen Stellen kann man ihn allerdings, von Stein zu Stein ſpringend, trocknen Fußes überſchreiten; ſein Waſſer iſt ſchlammig und reich an Fiſchen, ſein Lauf ſehr geſchlängelt, hie und da durch Waſſerfälle unterbrochen. Die Eingeborenen boten alles auf die beabſichtigte Reiſe des Verf. den Fluß hinunter zu verhindern; die Scheiks forderten zum Theil enorme Summen für die Erlaubniß, durch ihre Provinzen zu reiſen. Der Streit und Zank konnte ge— wöhnlich erſt durch die Drohung, die Feuergewehre gegen ſie zu gebrauchen, geſchlichtet und die Erlaubniß zur Weiterreiſe erzwungen werden. Am 3. Sept. befuhr die Geſellſchaft das todte Meer. Der Wind hob ſich allmälig, der See ging ziemlich ſtark. Von Süden nach Weſten ſteuernd, paſſirten ſie hin und wieder große mit einem weißen Schaume bedeckte Strecken; auf die Höhe des Sees gelangt, hörten ſie ein eigenthümliches, dem 167. VIII. 13. 198 Murmeln einer Quelle ähnliches Geräuſch. Als ſie am 4. Sept. Morgens das Südende des Sees zu erreichen glaubten, hatte der Wind ſie gegen die weſtlichen Gebirge getrieben; bei Tagesanbruch waren fie 5 Meilen von der Halbinſel entfernt. Von Ras el Feſhkah im Norden bis in die Nähe der Halbinſel im Süden erheben ſich die weſtlichen Berge wie fat ſenkrechte Wälle auf 1,200 bis 1,500 Fuß Höhe. Die Halbinſel iſt nur durch einen ſchmalen Landſtrich mit dem Feſtlande verbunden und erſcheint daher in der Ferne als Inſel. An die angeblich tiefſte Stelle des Sees gelangt, ließ der Verf. das Senkblei fallen; die Tiefe betrug 225 Klafter, die Leine brachte keine Unreinigkeiten herauf, nur einige Stücke Steinſalz hafteten an ſelbiger. Zwei Meſ— ſungen an anderen Stellen gaben 178 und 183 Klafter, ein bläulicher Schlamm oder Lehm ward mit heraufgezogen. Das Waſſer des todten Meeres iſt von ſchmutzig röthlicher Farbe, es gleicht dem Waſſer des Jordan; es wirkt auf alles, was mit ihm in Berührung kommt, zerſetzend, na— mentlich greift es Metalle an; auf der Hand verdunſtet bewirkt es ein unangenehmes fettiges Gefühl der Haut, auch der Geruch des Waſſers iſt ſehr unangenehm. Am Mittag des 5. Sept. landete die Geſellſchaft an demſelben Orte, von dem ſie ausgefahren war. Das Boot und alle Dinge in demſelben waren mit einer ſchmutzigen glänzenden Subſtanz überzogen; alles Eiſen war angefreſſen und mit einem ſchwarzen Überzug, gleich Steinkohlentheer, bedeckt. Kein Fiſch noch irgend ein lebendes Thier ward im ganzen See gefunden. Ein breiter Streifen weißen Schaums zog ſich von Süden nach Norden über die ganze Länge des Sees, begann aber nicht dort, wo ſich der Jordan in ſelbigen ergießt, ſondern um einige Meilen weſtwärts. Der See ſchien beſtändig in wallender Bewegung zu ſein, in beiden Nächten ſchwebte eine weiße Wolkenlinie weit über der Oberfläche des Waſſers. Die Geſellſchaft ging über Jeruſalem nach Jaffa. Lieutenant Molyneux ſtarb bald darauf am Bord ſeines Schiffes. Aus dem Mittel von Bertou's, Moore's und Beet's wie Schuberts Vermeſſungen nimmt Cailler die Lage des todten Meeres um 185 M. unter dem Spiegel des mittelländiſchen Meeres an. Bertou beſtimmt fie auf 419,6 M., David Wilkie auf 365 M., Lymonds auf 427 M. und Ruſſegger auf 434 M. Deleros erhielt aus allen Meſſungen 426,3 M. Das Senkblei erreichte nach Moore und Beet an einer 300 Klafter langen Leine den Grund des Sees nicht. (The American Journal of science and arts. No. 16. 1848.) XXXII. über die Samenknoſpe und den Samen der Acanthaceen. Von J. E. Planchon. Die zweifächerige Capſel von Acanthus mollis enthält in jedem Fache zwei etwas längliche Samen, deren An— heftungspunkt an dem einen ihrer Enden liegt. Der Em⸗ 13 199 bryo, welcher die von einer dünnen Samenſchale umſchloſſene Höhle einnimmt, hat zwei planconvere Samenlappen von ellipſoidiſcher Geſtalt; zwiſchen beiden Cotyledonen liegt die kleine koniſche radicula, und zwar nicht parallel der Längs— achſe des Samens, ſondern ſich mit dieſer Richtung kreuzend. Im reifen Samen ſucht man vergebens nach dem Knoſpen— munde, nur die Entwickelungsgeſchichte der Samenknoſpe kann über denſelben Auskunft geben. Der jüngſte vom Verf. beobachtete Zuſtand entſprach einem Kegel mit abgerundeter Spitze; die Baſis der Samen— knoſpe war, wo ſie in den Knoſpenträger überging, durch eine leichte Kreisfurche bezeichnet. Von einem Knoſpen— mund war auch hier (lange vor dem Offnen der Blüthe) nichts zu ſehen; dagegen zeigte ſich am Umkreiſe der Baſis eine erhöhte Stelle, die der Verf, für die organiſche Spitze der Samenknoſpe hielt. Ein Längsſchnitt, der letztere in zwei Hälften theilte, beſtärkte ihn in dieſer Anſicht; er ſah, wie das Gefäßbündel des Knoſpenträgers in der Gegend der Kreisfurche aufhörte, das Zellgewebe des letzteren aber in das der Samenknoſpe überging; der Verf. ſah ferner nur eine Zellenreihe, welche die Samenknoſpe als Epidermis umkleidete, und ſchließt daraus, daß keine Knoſpenhüllen vorhanden ſind, der nucleus ſomit ein nackter iſt. Referent kann dieſen Grund nicht für genügend halten; um über das Daſein eines nackten Kerns entſcheiden zu können, muß man viel jüngere Zuſtände, als wie der Verf. benutzte, unterſuchen; auch kann ein Zuſtand nur ſelten über das Vorhandenſein und die Zahl der Knoſpenhüllen Aufſchluß geben, dazu bedarf es ganzer Entwickelungsreihen. Allen Pflanzen aus der Gruppe der Perſonaten, ſoweit Re— ferent ſie unterſuchte, iſt ein einfaches, anfangs ſehr flei— ſchiges Integument eigen; der als kegelförmiger Zapfen auf— tretende nucleus wird ſehr bald vom Embryoſack reſorbirt und iſt in einem stadio, wie der Verf. für Acanthus ab— bildet, vom Embryoſack vollſtändig verdrängt. Würde man bei Pedicularis, Euphrasia, Martinia u. ſ. w. die früheren Zuſtände nicht kennen, ſo würde man in einem ſolchen Stadio, wie es vom Verf. für Acanthus benutzt ward, mit demſelben Recht auch für die genannten Pflanzen einen nackten nucleus und in deſſen Mitte den langen röhren— förmigen Embryoſack annehmen können, während letzterer doch in der Wirklichkeit vom einfachen ſehr fleiſchigen Inte— gument umſchloſſen wird. In der Mitte dieſes nackten nucleus liegt nach dem Verf. der Embryoſack, eine lange Röhre von faſt gleichem Durchmeſſer bildend, halbkreisförmig gekrümmt; ſein hinte— res Ende iſt nur durch wenige Zellenreihen vom Gefäß— bündel des Knoſpenträgers getrennt, während ſein Vorder— ende in der vorhin erwähnten erhöhten Stelle nahe dem Befeſtigungspunkt der Samenknoſpe an dem Knoſpenträger liegt. Der ſchlauchförmige Embryoſack beſteht aus einer zarten Haut, ſein Inhalt iſt eine klare Flüſſigkeit. Das Zellgewebe des nucleus bildet zwei concentrifche ſich durch verſchiedene Färbung charakteriſirende Schichten; der Verf. dergleicht beide mit einem Stückchen Zucker, deſſen eine Hälfte trocken, die andere naß iſt; die letztere Hälfte ſchmilzt 167. VIII. 13. 200 allmälig dahin, und ebenſo verflüſſigt ſich auch die innere Hälfte dieſes Zellgewebes, auf deſſen Koſten ſich der Em— bryofa mehr und mehr entwickelt. Der hintere Theil des Embryoſacks verliert bald ſeine Schlauchform, welche der vordere Theil berührt; er vergrößert ſich auf Koſten des ihn umgebenden Zellgewebes; da, wo ſeine Entwickelung be— ginnt, zeigt ſich zuerſt der Embryo. Mit dem Wachsthume des letzteren gewinnt auch der Theil des Embryoſacks, der zu ſeinem Aufenthalt dient, an Größe; der vordere jetzt un— thätige dem Anheftungspunkt zugerichtete Theil bleibt röhren— förmig. Der Keim liegt ſpäter in der campulitropen Sa— menknoſpe, ſo wie es oben beim reifen Samen angegeben wird; ſeine radicula ſolgt dem Querdurchmeſſer der Samen— knoſpe; das Endoſperm iſt bald ganz verſchwunden; auch der röhrenförmige Theil des Embryoſacks iſt durch die Entwickelung der Cotyledonen zuſammengedrückt und kaum noch ſichtbar. Dieſelbe ungewöhnliche Lage des Würzelchens zeigt ſich nach dem Verf. noch bei Justieia und verſchiedenen anderen Acanthaceen. (Annales des Sciences naturelles. Février 1848.) XXXIII. über die Circulation der Arachniden. Von Blanchard. Die Lungenſpinnen beſitzen ein ſehr entwickeltes Gefäß— ſyſtem; ihr Herz, das ſchon von Treviranus und Duges genau unterſucht ward, liegt in dem oberen Tbeile des Unterleibs; ſeine Herrſchaft über den Verdauungs- und Ge— ſchlechtsapparat iſt ſchon von den genannten Herren nachge— wieſen, wogegen das Gefäßſyſtem in ſeiner ganzen Anord— nung bis jetzt nicht bekannt war. Newport hat freilich über die Circulation der Scorpioniden treffliche Beobacht— ungen geliefert; die Araneiden und ſpinnenden Arachniden bilden jedoch einen von jenen durchaus verſchiedenen Thier— typus, auf deſſen Circulation der Verf. fein Augenmerk richtete. In No. 764 des Institut von 1848 iſt ſeine Arbeit mitgetheilt. Der Verf. injieirte die Gefäße der Kreuzſpinne (Epeira diadema L.) vom Herzen aus mit einer gefürbten Flüſſigkeit und war ſo glücklich, den Verlauf derſelben durch alle Theile des Körpers verfolgen zu können. Die aorta entſpringt, wie es ſchon Dugés geſehen hatte, aus dem vorderen Theile des Herzens, ſie geht in gerader Linie durch den Stiel des Unterleibs in den thorax; über die zwiſchen beiden Magentheilen befindliche Offnung gelangt, bildet ſie zu jeder Seite eine Arterie, die zurück— ſteigt und den Magen wie ſeine Darmverlängerungen ver— ſieht. Die beiden mächtigſten Stämme, die der aorta über: haupt entſpringen, wenden ſie nach der unteren Seite des thorax; fie geben nahe an ihrem Urſprunge die arteriae opticae ab und ſondern, wenn fie die Magengegend paſſirt find, einen Aſt zu jeder Patte, wie zu den großen Palpen oder Kinnladepatten; auch zu den Giftdrüſen verläuft von ihm eine Arterie, deren zierliche Verzweigungen durch die Injection aufs ſchärfſte hervortreten. 201 Wie den meiſten wirbelloſeu Thieren fehlen auch den Arachniden die eigentlichen Venen; das von den Arterien durch alle Körpertheile geführte Blut ſammelt ſich zuletzt in Lacunen, d. h. in leeren zwiſchen den Körperorganen befindlichen Räumen. In den Patten gehen die Arterien bis ans Ende dieſer Gliedmaßen; ein Canal führt das Blut von dort zurück, dieſen Canal ſieht man bei vielen Spinnenarten ſchon durch die Tegumente. Das in alle Höhlungen des Körpers verbreitete Blut gelangt zu den Lungen, tritt dort zwiſchen die Lungenblätter und kommt, wenn es durch ſie mit Sauerſtoff verſehen iſt, durch ein Syſtem von ausführenden Gefäßen zum Herzen. Dieſe den Kiemenherzgefäßen der Molluſken und Cruſtaceen analogen Gefäße könnten, wie der Verf. glaubt, paſſend Lungenherz— gefäße (vaisseaux pulmocardiaques) genannt werden; ſie wenden ſich nach dem Hintertheil und den Seiten des Körpers, um über die Zeugungsorgane hinweg von jeder Herzkammer in den Herzbeutel zu gelangen. Dieſe zahl— reichen und ſehr verzweigten Gefäße wurden, ſchon von Trebiranus und Duges geſehen, da beide aber nicht injieirt hatten, in ihrem Verlaufe nicht ganz richtig beſchrieben; auch ihre Bedeutung ſcheint ihnen entgangen zu ſein. Verſchiedene andere Organiſationsverhältniſſe ließen den Verf. ſchon eine nahe Verwandtſchaft der Arachniden mit den Cruſtaceen vermuthen; die gleiche Organiſation des Circu— Heilk (XII.) Unterſuchung des Cholerablutes. Vom Prof. Dr. Schultz Schultzenſtein in Berlin, (Schluß.) b. Die Veränderungen des Plasma im Cho— lerablute liegen hauptſächlich in der veränderten organiſchen Gerinnbarkeit desſelben. Wir haben nämlich hier die orga— niſche Selbſtgerinnung des Blutes, wodurch ſich wahres organiſirtes Faſergewebe bildet, von der chemiſchen Gerinnſel— bildung, die ſich wie ein Präcipitat auch noch im abge⸗ ſtorbenen Blute, entweder durch Zerſetzung oder durch che— miſche Mittel, wie Gerbſäure, Metallſolutionen, erzeugen kann, zu unterſcheiden. Die chemiſchen Gerinnſel und Prä— eipitate haben gar nicht die Eigenſchaften und Bedeutung des wirklichen organiſchen Faſergewebes (vergl. Allg. Krank— heitslehre II. 478.), und es hat zu großen Mißverſtändniſſen geführt, daß beide in der neueren chemiſchen Blutpathologie überall verwechſelt und ununterſchieden unter dem Namen Faſerſtoff vermengt worden ſind. Der Charakter des Cholerablutes iſt nun, daß die le— bendige Plaſticität des Plasma und die organiſche Faſer⸗ 167. VIII. 13. 202 lationsapparates hebt dieſe Verwandtſchaft noch mehr her— vor; beide Thierklaſſen beſitzen ein Herz und ein ſehr ent— wickeltes Circulationsſyſtem, bei beiden wird das Blut durch Ausführungsgefäße zum Herzen gebracht, bei den Arach— niden beſitzen die letzteren Gefäße indes eigene Wandungen, verzweigen ſich auch vielfach, während ſie bei den Cruſta— ceen nicht ſo vollkommen entwickelt ſind. Miſcellen. 26. Die ſcheinbare Entfernung eines Gegenſtandes richtet ſich nach deſſen Farbe. Brewſter zeigte, daß ein mehrfarbiger Gegenſtand Bilder erzeuge, deren Entfernung von der Netzhaut nach ihrer Farbe eine verſchiedene ſei. Man braucht nach ihm nur eine Landkarte, auf der die Grenzen zweier ſich be— rührender Länder mit roth und blau bezeichnet find, aufmerkſam zu betrachten: beide Farben werden ſich alsbald ſcheinbar trennen, das roth wird dem Auge näher kommen, das blau ſich von ihm ent— fernen. (L'Institut, No. 768. 1848.) 27. Ein Zwitter von Serminthus Populi wird von Longley folgendermaßen beſchrieben. Die rechte Seite dieſes Eremplares beſaß die Charaktere des Weibchens, die linke die Kenn— zeichen des Männchens, die linke Seite des Leibes war um ½¼ Zoll länger als die rechte, dieſe war dafür um ſo dicker, der linke Flü— gel war dunkel gefärbt und ½ Zoll kürzer, der rechte hell gefärbt, die Antennen waren eben fo verſchieden. (The Zoologist, No. 70. 1848.) un de. gewebebildung vermindert und auf der höchſten Krankheits— ſtufe gänzlich aufgehoben iſt. Es fehlt zwar nicht an Be— obachtern, welche von ziemlich großem Faſerſtoffgehalte des Cholerablutes ſprechen, wie Simon und Wittſtock; al— lein Simon hatte nur Blut von ſporadiſcher Cholera unter— ſucht, und Wittſtock ſagt, daß das von ihm beobachtete Blut, was ihm als Cholerablut gebracht war, ganz das Ausſehen geſunden Blutes hatte, ſo das es keinem Zweifel unterliegt, daß beide kein wahres ausgebildetes Cholerablut vor ſich hatten. Sonſt iſt auch nur eine Stimme darüber, daß in dem theerartigen Blute der Choleraleichen ſich kein wahrer Blutkuchen und keine normale Gerinnung zeigt, viel mehr nur einzelne weiche Gerinnſelklumpen ſich finden. Ich habe in den von mir unterſuchten Blutportionen verſchiede— ner Kranken in den Graden und Mengen dieſer Gerinnfel große Verſchiedenheiten gefunden, die von den verſchiedenen Graden der Erkrankung abhängig waren, doch immer ſo, daß auf den höchſten Graden des aſphyktiſchen Cholerablutes ſich nur wenig oder gar keine mit bloßen Augen ſichtbaren Ge— rinnſelklumpen bildeten, wohl aber noch unter dem Mikro- ſkope zerſtreut umherſchwimmende kleine Gerinnſelſtückchen ſich bemerken ließen. Beim Auswaſchen bilden dieſe Gerinne 203 ſel immer noch ſtark gefärbte bröckliche Maſſen, die von dem wahren organiſchen Faſergewebe geſunden Blutes gänzlich verſchieden find und mehr Ahnlichkeit mit den durch Metall— ſalze (Silber-, Kupfer- Spießglanzſalze) im Blute bewirk— ten chemiſchen Präcipitationen haben, ſich alſo mehr den Eiweißgerinnſeln nähern. Man könnte daher ſagen, daß das Faſergewebe im Cholerablute in Eiweiß rückgebildet werde. Das Cholerablutplasma bildet ſchon im noch leben— den Kranken ein mehr eiweißhaltiges Serum, wenngleich von zäher Conſiſtenz, doch ohne organiſche Plaſticität, und nähert ſich in dieſem Betracht dem Pfortaderblutplasma, wie ich es in meinen Unterſuchungen über das Pfortaderblut bes ſchrieben habe. Man ſieht hiernach leicht ein, daß es auf die Menge der Gerinnſel des Cholerablutes nicht ſowohl als auf die beſonderen Eigenſchaften derſelben ankömmt, wonach es todte chemiſche Gerinnſel ſind, während wahres organiſches Faſer⸗ gewebe entweder fehlt, oder doch im hohen Grade verändert iſt. Im übrigen bilden ſich die Eiweißgerinnſel im Cholerablute nicht in ſo kurzer Zeit als die organiſche Gerinnung im geſun— den Blute erfolgt, ſondern in dem aus der Ader gelaſſenen Cholerablute entſtehen ſie erſt nach mehreren, oft erſt nach 12-16 Stunden. Wollen wir hiernach den pathologiſchen Charakter des Cholerablutes im ganzen ausſprechen, ſo müſſen wir ſa— gen, daß er in einer Lähmung der Blutblaſen und des Plasma zugleich begründet iſt. Alle weiteren Ver— änderungen ſind Folgen und Wirkungen dieſer doppelten Lähmung. Mit der Blaſenlähmung hängt zunächſt die ge— hemmte Reſpiration und das dunkle venöſe Anſehen des Cholerablutes zuſammen, und davon iſt weiter die mangelnde Erregung und Belebung des Nerven- und Muskelſyſtemes, wie andererſeits die mangelnde Wärmebildung abhängig. Bei einer Lähmung der Blaſenmembranen können dieſe den Farbſtoff nicht mehr feſthalten und dieſer löſ't ſich daher leicht im Plasma auf, indem die Blaſen ſich entfärben, ähnlich wie im Pfortaderblute. Da nun gleichzeitig die Plaſtieität des Plasma gelähmt iſt, wobei das Faſergewebe ſich in Eiweiß rückbildet, ſo bildet die ganze Blutflüſſigkeit eine chemiſche Solution von ſchwarzem Farbſtoff im Serum, in der die faſt lebloſen bleichen Blutbläschen ſchwimmen. Die lebendigen Beſtandtheile des Blutes ſind alſo in der Cholera abgeſtorben oder im Abſterben begriffen und damit ſtockt der Bildungs- und Mauſerproceß, alſo beide Verjün— gungsacte des Blutes zugleich, ſo daß nicht nur keine wei— tere Blutorganiſirung (Hämatoſe) Statt findet, ſondern zu— gleich die Mauſerreſiduen, wie Harnſtoff, Ammoniakſalze, Gallenſtoff im Blute zurückgehalten werden, wodurch der Todesproceß ſeinen höchſten Gipfel erreicht. Die Verän— derungen des Blutes in der Cholera geſchehen übrigens ſchnell und der paralytiſche Zuſtand entſteht oft in wenigen Stunden. Ich habe das Blut eines Kranken des Morgens beim Beginn des Durchfalls nnterjucht, aber außer dem her— bivoren Charakter kaum merkliche Unterſchiede vom geſunden Blute gefunden. Die Krankheit verſchlimmerte ſich an dem— ſelben Tage Abends bis zur Aſphyrie, und jetzt zeigte das 167. VIII. 13. 204 durch einen Schröpfkopf entleerte Blut alle Charaktere der ausgebildeten Blaſen- und Plasmaparalyſe. Man könnte dies eine Blutapoplexie nennen. Daß bei einem ſolchen Blutzuſtande die Blutbewegung, zuletzt die ganze Circulation ins Stocken gerathen muß, iſt leicht erſichtlich. In dem peripheriſchen Syſteme der Lunge muß Stockung der Bewegung eintreten, weil die Luftaſſimi— lation und Blutbelebung bei der Blaſenlähmung unmöglich iſt; in der Körperperipherie wird Stockung eintreten, weil mit der Lähmung des Plasma der Bildungsproceh ſtockt und gleichzeitig der Erregungsproceß mit dem Mangel an Arterioſität aufhört, in Folge deſſen das ſchnelle Schwinden der Kräfte eintritt. Der ſchwarzſüchtige Zuſtand beſonders der Haut der Cholerakranken iſt eine directe Folge der peri— pheriſchen Blutſtockungen. Bei dieſem Zuſtande der Stockung der Blutbewegung in beiden peripheriſchen Gefäßſyſtemen (der Lunge und des Körpers) würde das Herz auch mit der geſundeſten Thätigkeit den Mechanismus der Circulation nicht mehr zu unterhalten fähig ſein; aber auch das Herz ſelbſt ermangelt der geſunden Erregung durch wiederbelebtes Blut, ſeine Bewegung iſt wie die aller Muskeln und der Nerven geſchwächt und es bedürfte der vollſtändigen Herzlähmung nicht ein Mal, um den aſphyktiſchen Zuſtand in der Cho— lera zu erzeugen. Der Tod erfolgt durch wahre Ohnmacht. Der dargeſtellte pathologiſche Charakter des Cholera— blutes behält ſeine ganze Bedeutung auch bei derjenigen An— ſicht, nach welcher der Urſprung der Cholera nicht im Blute, ſondern im Nervenleiden geſucht wird, wobei dann die ſo— genannte „abnorme Miſchung“ des Blutes eine Folge des Nervenleidens ſein ſoll. Der allgemeinen Redensarten von ganz unbeſtimmten „abnormen Blutmiſchungen“ ſollte man ſich jetzt ganz entſchlagen, weil ſie eben ſo nichts ſagend ſind, als wenn man von abnormer Gehirn- oder Magen— miſchung ſprechen wollte. Dann würde ſich bei einem nä— heren Eingehen auf die organiſchen Zuſtände, die man ab— norme Miſchung nennt, bald zeigen, wie unmöglich es iſt, den inneren Verlauf ihrer Entſtehung aus Nervenwirkungen zu erklären. Aber ſelbſt dieſe Möglichkeit zugegeben, ſo iſt doch nicht zu verkennen, daß der ein Mal vorhandene ab— norme Zuftand, wie er auch entſtanden fein mag, auf das Nerven- und Muskelleben zurückwirken muß, da das Nerven— ſyſtem der belebenden Bluteinwirkung immerfort bedarf. Da wir nun den inneren Verlauf der Thätigkeiten bei der Ein— wirkung des Blutes auf das Nervenſyſtem ganz genau zer— gliedern können, ſo würden wir uns eines großen Mittels zum pathologiſchen Verſtändniſſe begeben, wenn wir nichts deſto weniger bei der geheimnißvollen Wirkung der Nerven— einflüffe ſtehen bleiben wollten, die eine völlig unbeſtimmte, ja im Grunde ganz unbekannte abnorme Blutmiſchung her— vorbringen ſollten. Die anorganiſche chemiſche Blutpatholo— gie der neueren Zeit in Verbindung mit dem Mechanismus der neueren Nervenphyſik hat uns in ein Labyrinth von Erklärungsverſuchen geführt, aus dem man ſich nur mit dem Zuſammenſturze des ganzen Gebäudes wird befreien können, um einer organiſchen Analyſe der Lebenserſcheinun⸗ gen freien Lauf zu laſſen. 205 Niemand zweifelt daran, daß das Blut der unmittel— bare Quell der Ernährung und Bildung des Körpers iſt, daß geſundes Blut eine geſunde Ernährung zur Folge hat, ſo wie, daß kranke Ernährung und Bildung von einem kranken Blutzuſtande bedingt iſt. Niemand hält die Sero— pheln, die Bleichſucht, den Durchfall, die Ruhr für Nerven— krankheiten, ſondern alle ſind einig, daß ihr Quell in kran— ken Blutzuſtänden ſitzt, auch dann, wenn man einen wech— ſelſeitigen Einfluß des Blutes und Nervenſyſtemes zugiebt. Warum ſoll es mit dem Durchfall, der veränderten Harn— feeretion, der geſtörten Hautfunction, der Ernährung in der Cholera anders ſein? Wir ſind alſo unter allen Umſtän— den aufgefordert, die Natur der kranken Blutzuſtände in ih— ren Urſachen und Wirkungen tiefer zu verfolgen als es durch die alte Humoral- und die neue chemiſche Blutpathologie möglich iſt. Die Kenntniß der organiſchen Verjüngungs— acte bietet uns dazu die Hand, und die dadurch gewonnenen pathologiſchen Thatſachen, erhalten uns zugleich auf dem Wege, der uns zu einer Übereinſtimmung der pathologiſchen und therapeutiſchen Principien führen kann. Ohne mich in eine weitere Begründung des Verfahrens einzulaſſen, bemerke ich nur, daß ich nach einer paſſenden Vorbereitung des Kranken von der Anwendung warmer Fleiſchbrühe, des Weins und der China immer die beſten Erfolge und beſon— ders niemals als Nachkrankheit der Nervenfieber geſehen habe. (Vorgeleſen in der Sitzung der Hufelandſchen Geſellſchaft am 17. November 1848.) (XIII.) Über den Steinſchnitt an Frauen entlehnen wir nachſtehendes aus einer längern Abhandlung über den Steinſchnitt, welche Sir Philip Crampton im Februarhefte des Dublin quart. Journal of Medical Science veröffentlicht hat. Bei der Leichtigkeit, mit welcher die Harnröhre der Frau ſich unter gewiſſen Umſtänden ausdehnen und Steine ſich in der Blaſe ſelbſt zertrümmern laſſen, möchte die Li— thotomie bei dieſem Geſchlechte als eine nur in höchſt ſel— tenen Fällen nöthige Operation erſcheinen. Dies iſt ſie jedoch keineswegs; denn die Lithotritie iſt nur in einer ſehr beſchränkten Anzahl von Fällen zuläſſig, und häufig läßt ſich auch die Harnröhre der Frau nicht ohne größern Schmerz, ja ſelbſt nicht ohne größere Gefahr bedeutend ausdeh— nen als deren mit dem Steinſchnitt verknüpft ſind. In vielen, vielleicht den meiſten Fällen, beſonders bei jungen 1 rühren die Blaſenſteine von in die Blaſe eingeführ— ten fremdartigen Körpern her. Man hat den Kern von Steinen, die man aus der Blaſe von Frauen gezogen, aus Haarnadeln, Zahnſtochern und Nadelbüchſen beſtehend gefunden. In ſolchen Fällen wäre die Lithotritie natürlich unanwendbar, indem der Kern nach der Puloeriſirung der In cruſtation wahrſcheinlich in der Blaſe zurückbleiben würde. Iſt die Patientin noch nicht mannbar oder hat fie noch nicht geboren, ſo würde eine Ausdehnung in dem Grade, daß ſich ein großer Stein oder ein langer fremder Körper „ 167. VIII. 13. 206 ausziehen ließe, ſo unerträgliche Schmerzen und ſo bedenk— liche conſtitutionelle Störungen veranlaſſen, daß dieſe Be— handlungsart höchſt unangemeſſen erſcheinen müßte. Bei Frauen dagegen, die Kinder geboren haben, beſonders bei ſolchen, die ſchon ältlich und bei denen die Muskelfaſern ſchlaff ſind, ſcheint die Harnröhre an der durch das Gebären erzeugten Dehnbarkeit der Geſchlechtsorgane Antheil zu neh— men, und bei dieſen läßt ſich dieſelbe binnen wenigen Stun— den, ja zuweilen wenigen Minuten durch den Weißſchen Dilatator in hinreichendem Grade erweitern. Es giebt in— des eine Claſſe von Patientinnen, bei welcher auf dem ge— genwärtigem Standpunkte der Wiſſenſchaft, in der Lithoto— mie die einzig mögliche Hülfe gefunden wird. Allein — der Steinſchnitt von dem Mittelfleiſche aus ſoll, wie man denſelben auch ausführe, wenn der Stein groß iſt, jedes Mal inconti- nentia urinae zur traurigen Folge haben. Dieſer Anſicht find wenigſtens zwei der allsgezeichnetſten Wundärzte unferer Zeit). Ich darf aber behaupten, daß eine Operation nach demſel— ben Principe, wie diejenige, welche ich für Mannsperſonen empfohlen habe, auch bei Frauen ausgeführt werden kann, ſelbſt wenn der Stein über 1½ Unze wiegt, ohne daß da— nach incontinentia urinae im geringſten Grade entſteht. Ich mache in Betreff dieſes Vorſchlags keine Anſprüche auf Priori— tät; denn das Princip iſt längſt bekannt geweſen und ſo— wohl von Sir B. Brodie als von Hrn. Liſton in prakti— ſche Anwendung gebracht worden. Es beſteht in einer Ver— bindung der Ausdehnung der Harnröhre mit dem Ein— ſchneiden in dieſelbe. Sir B. Bro die ſagt, er habe eine Operationsmethode verſucht, welche, wie man ihm ge— ſagt, ein ausgezeichneter Chirurg in der Provinz angewandt, und welche keine incontinentia urinae zur Folge gehabt habe. Die Operation beſtehe darin, daß man mit dem verdeckten Biſtouri, das jo geſtellt ſei, daß die Schneide nur ¼ Zoll weit hervorrage, einen Einſchnitt mache und das Biſtouri dann mit gerade aufwärts gerichteter Schneide herausziehe, fo daß die Membran der Harnröhre hart unter der sym- physis ossis pubis durchſchnitten, das benachbarte Zellgewebe aber durchaus nicht verletzt werde. Der nächſte Schritt bei der Operation ſei dann, die Harnröhre mittels des Weiß— ſchen Dilatators ſo auszudehnen, daß man erſt den Finger und dann die Zange in die Blaſe einführen könne. Die Erweiterung ſei in dem in Rede ſtehenden Falle binnen we— nigen Minuten leicht bewirkt und der Stein ausgezogen worden. Die Patientin leide in Folge der Operation nicht an incontinentia urinae, allein ſie könne den Harn auch nicht länger als 2 Stunden zurückhalten. Hrn. Liſton zufolge beſteht das beſte Verfahren, um fremde Körper aus der Blaſe zu ziehen, darin, daß man *) „Wenn der Stein groß it, fo dürfte er ſich auf keine Weiſe aus der Harnblaſe der Frau ausziehen laſſen, ohne daß in Folge der Operation in- eontinentia urinae im höheren oder geringeren Grade entſteht.“ Brodie’s Lectures on Diseases of the uringry organs 1842. „Es liegt auf der Hand, daß die Cyſtotomie bei der Frau ftets weniger gefährlich iſt als beim Manne; allein wenn fie das Leben nicht in gleichem Grade bedroht, jo hat fie dagegen, wenigſtens bei allen Methoden des Schnitts vom perinaeum aus, viel leichter incontinentia, urinae zur Folge. Deshalb hat man ſich auch des Einſchnei⸗ dens durch die Harnröhre, von welcher Richtung aus es auch geſchehen ſolle, in allen Fällen zu enthalten, ausgenommen bei kleinen Steinen, welche bei⸗ nahe von ſelbſt ausgetrieben werden könnten.“ Dupuytren, Dictionnaire de Medecine et de Chirurgie pratiques. T. XVI, p. 130. T 207 die Harnröhre mittels des Schraubendilatators ſtufenweiſe erweitere, dann ein gerades, geknöpftes Biſtouri einführe und den Blaſenhals nach beiden Aſten des Schambeins zu ein we— nig aufſchlitze, ſo daß das denſelben umgebende dichte faſerige Band gelöſ't werde. Hierauf habe man die Ausdehnung fortzuſetzen und nach wenigen Minuten könne man den Fin⸗ ger einführen. Der Stein laſſe ſich dann leicht mit der Zange faſſen und es ſei zum Verwundern, was für einen großen Körper man auf dieſe Weiſe ausziehen könne. Nach der Operation könne allerdings, wegen der Ausdehnung des Schließmuskels der Blaſe, incontinentia urinae eintreten; allein nach einigen Wochen höre dieſelbe in der Regel auf *). Die von mir vorgeſchlagene Methode der Anwen— dung der Ausdehnung in Verbindung mit dem Einſchnei— den unterſcheidet ſich in mehrern Beziehungen von denen, welche dieſe ausgezeichneten Wundärzte empfehlen, und in den Fällen, wo ſie Hr. Cuſack und R) ausgeführt haben, iſt fie mit vollſtändigem Erfolg gekrönt worden *). Das Inſtrument, welches ich anwende, hat die Einrich— tung, daß ſich die Harnröhre der Frau damit bequem aus— dehnen und zugleich gerade ſo weit aufſchneiden läßt, daß die Erweiterung bis zu dem erforderlichen Grade ge— trieben werden kann, ohne daß eine Zerreißung zu befürch— ten ſteht. Man bedient ſich des Inſtrumentes auf folgende Weiſe. Die Spitze des Zapfens wird in die Harnröhre eingeführt und ſanft vorwärts geſchoben, bis er durch die Enge der Harnröhre einigen Widerſtand findet. Man hebt dann die Schneide des Meſſers etwa um ½ Zoll, ins dem man mit dem Daumen auf den Sperrkegel am Hinter— theile des Inſtrumentes drückt, und ſchiebt den Dilatator ges linde weiter. Auf dieſe Weiſe werden nur diejenigen Faſern durchſchnitten, welche die Erweiterung verhindern würden ***), Die Erweiterung läßt ſich dann ungehindert ſo weit treiben, daß man den Finger in die Blaſe einführen kann. Nächſt— dem führt man die Zange ein und zieht den Stein auf die gewöhnliche Weiſe heraus. Auf dieſe Weiſe gelang es mir unlängſt, einen faſt 1½ Zoll im Durchmeſſer haltenden Stein auszuziehen, der ſich über einer doppelten Haarnadel *) Listons practical Surgery, A. ed., p. 525. 0 *) Dubois war der erſte, welcher das Einſchneiden oben in die weibliche Harnröhre empfahl und Callot der erſte, welcher dieſe Operation ausführte. ***) Der Zapfen dieſes Inſtrumentes, deſſen ausdehnender Theil eine Ab ener e des Welßſchen Dilatators iſt, hat 4½% Zoll Länge und an der dick⸗ ſten Stelle einen Umfang von 1%, Zoll. Die Wände ſind von Fiſchbein und die von Sir P. Crampton hinzugefügte Meſſerklinge liegt in der obern Wandung vollkommen verborgen, bis fie durch die mittels des Sperrkegels niedergehaltene Feder gehoben wird. Da dieſer Sperrfegel von einer Schraube durchſetzt wird, jo läßt ſich der unter ihm befindliche Theil der letztern vers längern und verkürzen und auf dieſe Weiſe die Breite des aus dem Zapfen vorkretenden Theils der Klinge reguliren. D. Herausg, des Dublin quart. journ. — Der Abbildung zufolge zieht offenbar die an den Griff des Inſtrumen⸗ tes geſchraubte und mittels eines Gelenkes mit dem kurzen Hefte des Meſſers verbuntene Fever das letztere nieder und in den Zapfen zurück, während durch den Druck auf vie Stellſchraube ein kleiner Schwengel bewegt wird, deſſen kür⸗ zerer Arm den Zug der Feder überwindet und das Meſſer ſo weit aus dem Zapfen hebt als der unter dem längern Arm des Schwengels befindliche Theil der Schraube, welcher bis zum Griffe des Inſtrumentes ee ene wird, es geſtattet. D. Überſ. 167. VIII. 13. 208 von Drath, deren Länge 3½ Zoll betrug, gebildet hatte. Die Steinmaſſe wurde, indem ſie von der Nadel abbröckelte, in Fragmenten herausgeholt, die Nadel ſelbſt aber, deren einer Schenkel gebogen und feſt in den Blaſenhals einge— ſenkt war, bei der erſten Operation nicht entdeckt, ſondern durch eine zweite, welche 2—3 Wochen ſpäter vorgenommen wurde, ausgezogen. In beiden Fällen leiſtete mir Hr. Cu— ſack Beiſtand. 6 Wochen nach der letzten Operation er— langte ich die Gewißheit, daß die Patientin, eine junge Dame, den Harn 8 Stunden lang zurückhalten konnte. Hr. Cuſack operirte mit demſelben Inſtrumente eine junge Frau im Steevens's Hoſpitale, um eine metallene Nadelbüchſe von 3½ Zoll Länge aus der Blaſe zu ziehen. Ehe die Zange eingeführt werden konnte, mußte der fremde Körper, welcher in dem untern Blaſengrunde ſehr feſt ſaß, unter be— deutender Kraftanwendung mit dem Finger locker gemacht worden. Dennoch verließ die Frau das Hoſpital ſchon 8—10 Tage nach der Operation, indem fie damals die Fä— higkeit, den Harn zurückzuhalten, vollſtändig wiedererlangt hatte. Die Wirkung des oben beſchriebenen ſchneidenden Di— latators beſteht, wenn er in der angegebenen Weiſe ange— wandt wird, lediglich in dem Aufſchlitzen der äußern Mün— dung der Harnröhre, ſowie der zunächſt an die Mündung grenzenden 1½ Zoll langen Portion der Schleimmembran, während der Blaſenmund unverletzt bleibt. In dieſer Be— ziehung wirkt das Inſtrument ganz anders als das verdeckte Biſtouri, welches ſeiner Conſtruction zufolge, erſt, wenn auch in noch jo geringem Grade, in den Blaſenhals und dann in die innere Membran der Harnröhre nach ihrer ganzen Länge einſchneiden muß. Bei der Liſtonſchen Methode wird der Blaſenhals auf beiden Seiten leicht aufgeſchlitzt, die Mündung der Harnröhre aber lediglich mittels des Schrau— bendilatators erweitert. Zeit und Erfahrung müſſen darüber entſcheiden, durch welches dieſer drei Verfahren der incon- tinentia urinae am ſicherſten vorgebeugt wird. Miſcelle. (22) Rückſichtlich der Anwendung des Höllenſteins bei granulirter conjunctiva bemerkt John Morgan in ſeinen Lectures on Diseases of the Eye, daß man, es werde das Mittel nun in feſter oder flüſſiger Form oder als Salbe benutzt, zuerſt das kranke Augenlied auswärts zu kehren und gehörig von dem Augapfel zu entfernen, dann die Oberfläche der conjuneliva mit ei⸗ nem leinenen Läppchen abzutrockenen und hierauf ſchnell das ört— liche Mittel darauf zu bringen habe. Gleich darauf trocknet man die Bindehaut wieder ab und beſtreicht die conjunetiva mit einer milden, nicht reizenden Salbe. Dieſe wiſcht man auf dem Augenlied ab und ſtreicht dann die Salbe noch ein Mal auf. So fi n ziemlich ſicher ſein, daß das auf die Bindehaut des Augenli ge⸗ brachte adſtringirende Mittel mit der Bindehaut des Augapfels nicht in Berührung kommen werde; und dies iſt ſehr wichtig, da es ſehr bedenklich fein würde, ſtarke Reizmittel an die Oberfläche einer ge— ſunden Membran zu bringen. (London med. Gaz. Aug. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. story, aflinities and osteolosy of the „Dodos, „Solitaire and other ex- tincet birds of the islands Mauritius, Rodriguez and Bourbon. 4%. (pp. 152. with 18 lithogr. plates. 21 sh.) London 1848. J. B. Simonds. A practical treatise on the small-pox in sheep, deseribing its nature and treatment and the means of its prevention: also the experi- ments instituted to ascertain its peculiar features and the best means to arrest its fatal consequences. Se. (pp. 168. with 5 col’d plates. 6 sh.) London 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 168. (Nr. 14. des VIII. Bandes.) December 1848. Naturkunde. Owen, über die Überbleibſel der muthmaßlich ausgeſtorbenen Rieſenvögel Neuſeelands (Dinornis und Palapteryx) nebft Andeutungen über zwei andere Gattungen (Notornis und Nestor). — Meiſcelle. Rouault, Trilobiten der Bretagne. — Heilkunde. Mackneß, dysphonia clericorum. — Brierre de Boismont, über den Einfluß der Pariſer Revolutionen im Februar und Juni auf die Entwickelung des Wahnſinnes. — Miſcelle. Meigs, über ein Symptom des beginnenden Uterusyorfalles. — Bibliographie. Naturkunde. XXXIV. über die überbleibſel der muthmaßlich ausgeſtorbenen Rieſenvögel Neuſeelands (Dinornis und Palapteryx) nebſt Andeutungen über zwei andere Gattungen (Notornis und Nestor). Von Prof. Owen. Der Verfaſſer beſchreibt und vergleicht in dieſer Arbeit, welche die No. 7 der Annals and magazine of natural hi- story 1848 im Auszuge enthält, die Schädel- und Geſichts— knochen der von Walter Mantell im vuleaniſchen Sande zu Waingongoro in Neuſeeland geſammelten Vogelüberreſte. Die ſehr werthvolle Saumlung findet ſich jetzt im Beſitze des Dr. Gideon Mantell. Die Knochen gehören folgenden Arten an: Dinornis giganteus, casuarinus, didiformis, cur- tus, Palapteryx ingens, dromioides, geranoides. Ein dabei gefundener Tarſometatarſal-Knochen, der eine ſtarke Hinter: zehe getragen hatte und im allgemeinen dem des Didus ähn— lich, aber kürzer und dicker war, gehört wahrſcheinlich einem von Dinornis und Palapteryx verſchiedenen genus Apterornis an. Sonſt fanden ſich Überreſte von Robben aus dem ge- nus Arctocephalus Fr. Cuvier, einige Knochen von Hun— den und Menſchen. Letztere waren gebrannt und wahrſchein— lich Überbleibſel eines Kannibalenfeſtes der Eingeborenen. Die Seehundsknochen waren in demſelben Zuftande wie die Vögelknochen, nicht gebrannt, zerbrechlich und von gelbbrau— ner Farbe. Zahlloſe Eierſchalen verſchiedener Arten, deren größte die Straußeneier an Umfang übertrafen, fanden ſich ebendaſelbſt. Die gefundenen Kopfknochen find von 4 Gattungen. Der größte Schädel mit ſtarkem, breitem, ziemlich langem hakenförmig gekrümmtem Schnabel, gehört dem genus Di- nornis, der ihm an Größe folgende, deſſen Schnabel dem des Emu am ähnlichſten iſt, dem Palapteryx an. Der dritte No. 2148. — 1048. — 168. Schädel, deſſen Schnabel an den des Porphyrio und Bra- chypteryx erinnerte, wurde zu den Ralliden geſtellt, bildet aber, der eigenthümlichen Bauart des Schädels wegen, das neue genus Notornis, der vierte endlich die Gattung Nestor unter den Pfittacinen. Die charakteriſtiſchen Merkmale fuͤr den Schädel von Dinornis ſind große Breite und eine Einbiegung nach vorne an der Hinterhauptsregion; Stellung des kor. magnum in einer ſenkrechten Fläche und ſtarke Hervorragung und Geſtieltſein des Gelenkhöckers. Das Baſilarſtück des Hinterhaupt- und Keil— being (os basioceipitale und basisphenoideum) find mehr nach abwärts entwickelt als bei Palapteryx, da die basis eranii, welche 2½ Zoll Länge hat, 1 Zoll weit ſenkrecht unter dem foramen magnum herabſteigt. Der condylus iſt hemiſphä— riſch, wie bei Otis, nicht ein Viertel einer Kugel, wie bei Struthio und Palapteryx oder wie bei Didus quer nierenför— mig mit einer Rinne über die Mitte. Das koramen magnum iſt eine ſenkrecht ſtehende Ellipſe durch zwei ſeitliche Vor— ſprünge vergrößert, wie bei Didus, bei welchem letztern aber die obere Hälfte verſchmälert und oben faſt zugeſpitzt iſt. Bei Apteryx und Palapteryx iſt die große Achſe in die Quere geſtellt. Der Rand des Loches iſt bei Dinornis, Otis und Didus breit und ausgehöhlt, endet aber bei letztern oben jederſeits mit einem Tuberkel. Bei Didus exiſtirt ein kleines mittleres und zwei ſeit— liche Supravecipitallöcher; fie fehlen bei Dinornis, Otis und Palapteryx; die ſeitlichen allein finden ſich bei Apteryx. Bei den ausgeſtorbenen Gattungen, wie bei Otis, iſt eine deutlich markirte erista supraoceipitalis zu bemerken; ſie ent= ſteht aber weniger durch die Erhebung der Hinterhaupts— ſchuppe über die Fläche der Scheitelbeine als umgekehrt durch das Zurücktreten derſelben. Bei keinem Vogel iſt die e ee ſo breit 211 oder fo rauh von Höckern und Leiften zum Anja von Mus— keln wie bei Dinornis. Die Ausdehnung der dicken breiten Maſſe des (basi- oceipito-sphenoidal) Hinterhaupt-Keilbeinkörpers und ihrer breiten ſeitlichen nach hinten vorſpringenden Leiſten iſt dem Dinornis ganz eigenthümlich. Eine Annäherung an dieſe Structur macht Otis in den Leiſten, welche die Seiten der flachen Baſiſphenoidal-*) mit Paroccipitalfortſätzen verbin— den. Bei Palapteryx ift der Knochen flach und viereckig, bei Didus bildet er einen länglichen Canal, begrenzt durch zwei ſeitliche parallele Leiſten; die Seiten des Baſiſphenoi— dalbeins, welche dieſen Leiſten nahe liegen, ſind leicht aus— gehöhlt und haben zwei Löcher, eins oben, ein kleines mehr nach vorne und ſchließen die Paukenhöhle nach vorne und innen. Das Grundbein endet bei Didus und Palapteryx in zwei dicken ſtumpfen Fortſätzen, von denen Muskeln zu den nach innen gebogenen Winkeln der Unterkiefer gehen. Nach innen von dieſen Knoten ſitzen zwei kleinere Knötchen. Jederſeits am condylus oceipitalis finden ſich bei Dinornis drei kleine Löcher; bei Didus zwei, von denen das äußere das größte iſt. Zwei Löcher, das obere für den hypoglossus, das un— tere für die Cerebralcarotide öffnen ſich bei Dinornis, Otis und Didus, äußerlich in einer elliptiſchen Vertiefung. Enorm iſt das Paroccipital-Bein bei Dinornis entwickelt; hier ſendet es von ſeiner untern Partie einen rauhen dicken Fortſatz gegen die ſeitliche Baſioceipital-Leiſte, wo er mit dem stylohyoi- deus (processus) articulirt nnd zuweilen ankyloſirt. Bei Palapteryx und Didus endet es mit einer gekrümmten dicken Leiſte; ſeine innere Fläche dicht an der Paukenhöhle iſt beim Dodo zellig. Die Euſtachiſchen Trompeten öffnen ſich bei Dinornis und Otis über einer Transverſalleiſte, welche den Grundkeilbeinkörper (basi - sphenoid) vorne abſchließt: dieſelbe fehlt bei Apteryx und Palapteryx. Letzterer unter— ſcheidet ſich auch von Dinornis durch die höhere Lage der vorderen Gelenkhöckerlöcher (for. condyl. anter.), ihren äuße— ren Abſtand von den Carotideallöchern, die geringere Ent— faltung der Hinterhauptsſeitentheile (paroceipitales) die grö— ßere Entwickelung der Zitzentheile und den großen ellipti— ſchen Eindruck unter dem Zitzenbein für den einfachen obern condylus des Quadratbeins. Bei Dinornis iſt die Schläfen— grube weit und tief, bei Didus eng und tief. Das Flügel— keilbein (alisphenoid) iſt concads, wo es ſich erhebt, um ſich zur Bildung der orbita mit dem Zitzen-, Scheitel- und Hinterſtirnbein zu verbinden. Durch eine ähnliche Verwach— ſung ſind auch die Grenzen des Orbitoſphenoidalbeines ver— wiſcht. In dieſer Schädelregion liegen bei Dinornis und Didus vor dem foramen ovale zwei kleinere Löcher und vor dieſer das große Sehloch. Die Scheitelbeine ſind breit und kurz in beiden erloſchenen Gattungen; doch eriftirt bei Di- nornis an der Stelle der Pfeilnath eine Leiſte, während Di- dus eine Rinne und ein Loch hier beſitzt. Das Zitzenbein *) Vergl. Notizen No. 20 Bd. 1. S. 305. Der Verf. weiſ't auf die Re- port on the Homologies of the Vertebrate Skeleton in Report of British As- sociation 1846 zurüd, wo viefe und ähnliche Bezeichnungen erklart werden, Die meiſten derſelben find auch ohne Erklärung verſtändlich. 168. VIII. 14. 212 hat ſowohl bei Otis wie bei Dinornis zwei Fortſätze, einen kurzen den process. tympanicus und einen langen den ei— gentlichen proc. mastoideus, welcher mit dem Poſtfrontal— Knochen bei Dinornis, aber nicht bei Otis verwächſ't. Die Baſis des Zitzenbeines hat zwei Gelenkvertiefungen für die obern Condylen des Quadratbeins. Bei Didus iſt die äu— ßere Seite des Zitzenbeins conver, glatt, aber mit einer leichten ſchräg verlaufenden Erhöhung verſehen. Es tritt über die Paukenhöhle und ſchickt einen kurzen zuſammen— gedrückten ſpitzen Zitzenfortſatz nach vorne von der Vertiefung für den vordern obern Gelenkhöcker des Quadratbeins. Das os praesphenoideum iſt eine tiefe Platte, an ih— rer untern Seite verdickt und abgerundet; die Gaumenbeine ſchließen ſich daran, wie bei Didus, wo die Vorderpar— tien der Flügelbeine auch theilweis auf dem Präſphenoidal— beine aufliegen. Die Stirnbeine von Dinornis bilden eine breite, ſechseckige, mäßig gewölbte Platte, in denen die gro— ßen Hemiſphären durch leichte Erhöhungen angedeutet ſind. Die ossa postfrontalia bilden die ſeitlichen Winkel, die vor— dere Grenze iſt ausgerandet und verwächſ't mit den Naſen— beinen und Oberkiefern, ohne ſich über ſie zu erheben. Bei Palapteryx ſind ſie vorne mehr ausgezogen, ehe ſie mit der Schenkelbaſis verwachſen. Bei Otis iſt die pars interorbita- lis tief und weit ausgebuchtet. Bei Didus ſind die Stirn— beine breit und conver und erheben ſich über die Schädel— enden der Nebenbeine und Oberkiefer, mit denen ſie auch verwachſen. Die Supraorbitalplatte zeigt am Vorderrande eine rauhe Furche, bei Dinornis nur einen ſeichten Eindruck. Bei Dinornis iſt eine flache Vertiefung mit Gefäßfurchen an der Außenſeite der Baſis der Poſtfrontalſtücke, deutlich ge— trennt von der Schläfengrube; bei Didus erſtreckt ſich letz— tere nach vorne über die ossa postkrontalia und bildet hier eine nierenförmige Vertiefung, entweder für eine Drüſe, oder, was weniger wahrſcheinlich, als eine Verbreitung des Anſatzes des Schläfenmuskels. Das postkrontale iſt hier ein ſtarker, dreieckiger ſtumpfer Fortſatz, der frei wie bei Palapteryx, nicht mit dem Zitzenfortſatze verbunden iſt, wie bei Dinornis. Die orbito-sphenoidalia, angedeutet durch die Sehlöcher, vollenden die Bildung des Daches an der Scheide— wand der Augenhöhlen, indem ſie mit den ali-sphenoidalia hinten, den Stirnbeinen oben, den praefrontalia vorne und den praesphenoidalia unten serwachfen. Nach oben und au— ßen läuft von ihnen eine crista zum unteren Theile der postfrontalia, ſie zeigen aber nicht das dem Didus eigen— thümliche geſchwollene Anſehen. Eine ähnliche, wie eine Geſchwulſt ausſehende Protuberanz beſitzen bei demſe e genus auch die praefrontalia. Die knöcherne Schei iſt vollſtändig bei Dinornis und Didus; in letzteren zackig und mehr als einen Zoll dick, ähnlich der Structur bei Apteryx. Die Augenhöhlen find bei Dinornis kleiner als bei Otis und den jetzt lebenden Straußen, größer als bei Apteryx. Die Riechhöhlen der Gattung Dinornis find we— niger entwickelt als bei Apteryx und Palapteryx. Die Naſenknochen bei Dinornis und Otis convergiren, wie fie über das praefrontale — Cuviers ethmoideum — hinweggehen, um ſich mit dem Stirnbeine zu verbinden, 213 168. VIII. 14. 214 ſchließen den untern Theil des Stachelproceſſes des os prae- maxillare ein, gehen dann unter den Fortſatz hinunter, verwachſen mit ihm und endigen bei Dinornis in einem Punkte. Ein ähnliches Verhältniß wird bei Didus durch zwei auf der Schenkelbaſis verlaufende Rinnen angedeutet. Der Naſenfortſatz des os praemaxillare iſt eine breite quergewölbte Platte, wo er ſich mit den Maxillarproeeſſen vereinigt, um den vordern oder Schnabeltheil des prae- maxillare zu bilden. Vor den äußern Naſenlöchern iſt die— ſer Knochen 2½ Zoll breit, in ſeiner ganzen Länge hat er 4 ½ Zoll. Die Höhe des obern knöchernen Schenkels nimmt von der Baſis, wo ſie 1 Zoll 9 Linien beträgt bis zur Spitze, die 1 Linie hoch iſt, ab; die Breite beträgt hier aber 8 Linien, da die äußerſte Spitze zu fehlen ſcheint. Das ganze hat die ſanfte Krümmung eines Böttcherham— mers. Die Gaumenfläche iſt breit, ſehr wenig ausge— höhlt und ſeitlich durch deutliche Alveolareinſchnitte be— grenzt. Die Gaumennaſenöffnung beginnt vorne 1 Zoll 10 Linien vor der Vordergrenze des praemaxillare. Bei Didus findet ſich da, wo die Naſenbeine und Maxillar— fortſätze aus einander laufen, eine tiefe Grube, die ſich in einen Canal fortſetzt, der in den Schnabeltheil oder Körper des Prämaxillarknochens eindringt. Dieſer Theil iſt ſchwach gebogen, rauh und mit Gefäßlöchern verſehen, hat jederſeits eine ſcharfe Kante und eine mehr concave Gaumenfläche als Dinornis. Die langen und ſchlanken Gaumenbeine bei Di- nornis ſind hinten mit dem vomer, vorne mit dem Oberkiefer verwachſen, unten und beſonders hinten concav, weil hier die innere Kante ſich herabbiegt. Bei Didus wölben ſich die Gaumenbeine auswärts von ihrer hintern Verbindungs— ſtelle, ſind breit und glatt, mit zwei (durch eine Vertiefung getrennten) glatten Leiſten, einer nach außen und einer nach unten laufenden, verſehen. Die Gaumenbeine bilden den Umfang des for. nasopalatinum und nähern ſich einander an ihren En— den, berühren ſich aber nicht. Die Grenzen des Oberkiefers ſind leichter bei der Dronte als beim Dinornis zu erkennen; bei beiden aber ſind ſie hinten mit dem Gaumen- und Thränen— beine und os malare, vorne mit dem Marxillarfortſatze des praemaxillare verwachſen. Bei Didus bilden fie längliche, oben und unten gerundete Knochenplatten und berühren ſich faſt, indem ſie eine tiefe ſchmale Spalte, zwiſchen der Naſen— grube oben und dem Gaumen unten, laſſen, da doch die Gaumenmembran geſchloſſen iſt. Das Quadratbein des Dinornis hat wegen der ungewöhn— lichen Größe ſeines untern Gelenkfortſatzes eine mehr drei— eckige als quadratiſche Geſtalt; der Orbitalfortſatz iſt eine zuſammengedrückte ſubrhomboidale Platte. Beim Trappen iſt der untere condylus nicht fo lang wie bei Dinornis, der obere eben jo wie hier zweitheilig; bei Palapteryx und Apteryx iſt er einfach. Bei Didus iſt das Quadratbein vier— eckig, indem die vier Winkel vorgezogen ſind und der obere und hintere zweifach iſt. Auch bei Dinornis iſt der condylus mastoideus doppelt; bei beiden liegt hinter ihm ein Luftloch. Der vordere Winkel bei der Dronte iſt abgeſtumpft. Außen iſt der Knochen glatt und ſeine Innenfläche trägt eine ſcharf hervorragende von oben und hinten herablaufende Linie. Der Durchmeſſer des untern Gelenkhöckers von vorne nach hinten iſt gering, an ſeiner äußern Abtheilung am ſtärkſten, da er hier in die fünfte nierenförmige Vertiefung des Unterkiefers fällt; ſeine innere Partie ruht auf der tie— fern quer geſtellten Articulationsfläche des Knochens. Das Quadratbein des Dinornis unterſcheidet ſich hauptſächlich durch den ſtarken ungetheilten untern condylus, der auch eine Ge— lenkfläche für den bei Otis fehlenden proc. mastoideus au- ßen, und für den pterygoideus innen außer der kleinen aus ßen und unten befindlichen Vertiefung für das ſchlanke zy- goma beſitzt. Der innere Winkel des Gelenkeanales des Unterkiefers endet bei Dinornis in einem kurzen, ſtumpfen, bei Otis und Didus in einem ſtarken dreikantigen Fortſatz. Die hintere Fläche iſt glatt und leicht concav, halb oval bei Dinornis, tiefer und dreiſeitig bei Didus. Die Außenſeite des Articularrandes am Unterkiefer bei Dinornis iſt glatt und conver, bei Didus läuft eine Kau— muskelleiſte von der äußern Partie (überhängenden) der Gelenkhöhle nach dem hintern und tiefern Winkel des Zahnſtücks (dentary piece) und begrenzt eine hohle mit Grübchen bedeckte Fläche. Das superangulare bei Dinornis hat einen kurzen dicken Kronenfortſatz und außen daran eine rauhe ovale Fläche; bei Didus findet ſich ein ſehr kleiner proc. coronoideus, deſſen Vorderſeite tief eingeſchnitten iſt; ein zweiter tiefer mehr gebogener Einſchnitt trennt das os angulare vom superangulare und nimmt außen die tiefere Gabel des Zahnſtückes das Ende des spleniale innen auf. Dieſe Einſchnitte exiſtiren bei Dinornis nicht; bei beiden aus— geſtorbenen Vogelgattungen ſind das superangulare, angulare und articulare verwachſen. Wo ſie ſich mit dem hinteren Zweige des Zahnſtückes verbinden, bleibt eine lange enge Spalte offen, welche bei Dinornis von einer langen Knochen— lamelle durchſetzt wird, die vom os angulare ausläuft, das superangulare aber nicht ganz erreicht. Bei Didus trifft der obere Zweig des Zahnſtuͤcks den obern vordern Theil des superangulare; der Einſchnitt zwiſchen den hintern Gabeln begrenzt vorne das erwähnte Loch, welches 15 Millimeter lang und 3 hoch iſt. Eine Vertiefung trennt auch äußerlich das os symphyseos von dem Fortſatze des dentale. Dinor- nis beſitzt dieſe nicht. Die dem Palapteryx zugeſchriebenen Schenkelknochen bes ſtehen aus dem vorderen Ende des os praemaxillare und der Symphyſe und einen Theil beider Zweige des Unter— kiefers. Die Naſenlöcher liegen an der Spitze des os prae- maxillare und gleichen ſowie auch die Naſengruben denjeni— gen der jetzt lebenden Struthioniden und bei der Schlank⸗ heit der Naſenfortſätze des praemaxillare und dem Winkel, wie fie fie von den breiten flachen Maxillarfortſätzen ab— heben, fperiell dem des Emu. Das Schnabelende war indeſſen ſtumpfer als bei dieſem und die kurze Symphyſe des Unterkiefers oben tiefer ausgehöhlt; es zeigt aber die beiden länglichen parallelen Vertiefungen, wie Strauß und Caſuar. Nach den Reſten eines Aſtes ſcheint die Unter— kinnlade 5 bis 5½ Zoll lang und höher und breiter als bei den jetzt lebenden geweſen zu ſein. Die größere Breite und 14° 219 bedient, indem unter den von ihm beigebrachten Fällen nur einer unter fünfen an einem öffentlichen Redner vorkam; und ein Erkranken der Schleimbeutelchen der Luftwege, durch welches Aphonie oder Dysphonie veranlaßt wird, kommt wohl in England, wie in America, vollkommen eben ſo häufig bei Perſonen vor, die nicht öffentlich zu reden haben, als bei ſolchen, deren Geſchäft dies iſt. Die Haupturſache der Krankheit iſt, des Dr. Mackneß Anſicht zufolge, die Dyspepſie, ein Leiden, welchem ſowohl Geiſtliche als Rechtsgelehrte, wegen ihrer ſitzenden Lebens— art beſonders unterworfen ſind; allein die gewöhnliche nächſte Veranlaſſungsurſache iſt unſtreitig die allzuſtarke An— ſtrengung der Stimmorgane. „Nicht ſowohl, ſagt Dr. Mackneß, eine übertrieben ſtarke, aber vorübergehende Anſtrengung, ſondern eine lange, anhaltende, durch welche die muskulöſen und ſehnigen Theile dieſer Organe fortwährend in Spannung gehalten werden, ohne daß, wie bei dem gewöhnlichen Geſpräche, Pauſen der Erholung eintreten. Wir wiſſen alle, wie ſchwer es iſt, den Arm ſelbſt wenige Minuten hinter einander horizontal ausgeſtreckt zu halten; wie ſchmerzhaft dies ſchon nach Ab— lauf geringer Zeit wird. Die Stimmmuskeln unterliegen natürlich denſelben Geſetzen, wie die übrigen willkürlich beweglichen Muskeln. Es iſt alſo leicht begreiflich, wie nöthig es zum Wohlbefinden und zum gehörigen Fortgange jeder körperlichen Function iſt, daß Ruhe mit Thätigkeit abwechſele. Die bloße Thätigkeit irgend eines Körpertheils, alſo auch natürlich der Stimmorgane, ſelbſt wenn dieſelbe in einem hohen Grade Statt findet, wird an ſich nicht leicht ſchädlich, vorausgeſetzt, daß nach jeder Anſtrengung ein an— gemeſſener Zeitraum der Raſt Statt findet. Nur dann wird die Thätigkeit ſchmerzhaft, wenn dadurch dieſelbe Mus— kelpartie und deren Sehnen ununterbrochen angeſtrengt wird, jo daß die Seeretionen der fie bekleidenden Membra— nen ihren lindernden und ſchützenden Fortgang nicht haben können.“ S. 32. Was die Pathologie der Dysphonia clericorum betrifft, jo kann dieſes Leiden, wie Dr. Mackneß ganz richtig be— merkt, ein rein nervöſes ſein, folglich nur die Function betheiligen, oder auch von einer Structurveränderung in den das Stimmorgan bildenden Theilen herrühren. Im erſten Falle erſcheint es zuweilen plötzlich, in Folge einer Gemüths— bewegung, häufiger aber in Folge längerer gemüthlicher Be— ängſtigung; zuweilen iſt es jedoch auch der Vorbote irgend einer bedenklicheren Nervenkrankheit. Wenn es durch eine Structurveränderung veranlaßt wird, ſo kann es von bloßer Reizung der Schleimmembran oder auch von Verän— derungen ſchlimmerer und anhaltenderer Art herrühren. Die letzteren claſſifieirt der Verf. folgendermaßen: 1) Ein Zuſtand von erethismus der Schleimmembran in Folge des Strotzens der gereizten Capillargefäße. 2) Congeſtion, wodurch das Caliber der Capillargefäße auf die Dauer ver— ſtärkt wird. 3) Ergießung von serum aus den ſtrotzenden Capillargefäßen. 4) Entzündung, als Ausgang lange fort— geſetzter Congeſtion. 5) Ablagerung krankhafter Stoffe in den benachbarten Theilen oder gelblichen käſeartigen Stoffes in 168. VIII. 14. 220 den Beutelchen der Luftwege. 6) Hypertrophie der Schleim— drüſen. 7) Verhärtung der Folliculardrüſen. 8) Krank: hafte Seeretion der Folliculardrüſen. 9) Ulceration der Folliculardrüſen. 10) Chroniſche Entzündung, durch welche Erſchlaffung und Congeſtion in der Schleimmembran ver— anlaßt wird. 11) Alle dieſe Veränderungen auf das un— mittelbare Organ der Stimme, den larynx, beſchränkt. In Dr. Greens Schrift ſind nur die ſechste, ſiebente, achte und neunte Form der Krankheit beſchrieben. Dr. Mackneß legt mit Recht großen Nachdruck auf die Diagnoſe, durch welche zu ermitteln iſt, welcher dieſer Urfachen eine vorhandene Dysphonie zuzuſchreiben iſt, da man nur ſo rückſichtlich der Prognoſe und Behandlung eine bündige Anſicht ſich bilden kann. Im fünften Capitel be— ſchreibt er die einer jeden obiger Krankheitsformen eigens thümlichen Symptome mit großer Klarheit. Im ſechsten Capitel werden die Prognoſe und Be— handlung der Krankheit abgehandelt. Diejenige Behandlung, welche ſich in den Fällen, wo die Dysphonie lediglich in einer Störung in den Functionen der Nerven oder Muskeln des Stimmorganes beſteht, am wirkſamſten bewährt hat, iſt folgende: „Tägliche Bewegung im Freien; vegetabiliſche oder mi— neraliſche toniſche Mittel, und unter dieſen Eiſenmittel, müſ— ſen eine Hauptrolle ſpielen; Baldrian und Asa foetida (ſtinkende Gummiarten), reizende Einreibungen über dem Kehlkopfe; das Einathmen von Waſſer-, Jodine- oder Chlorinedämpfen; Einblaſen von Alaun oder Benzoin; kalte Seebäder oder kalte Regenbäder. Sollten dieſe Mittel nicht anſchlagen, ſo hat man Strychninpräparate, Galvanismus, Blaſenpflaſter oder Haarſeile an die Kehle anzuwenden. Wenn die Aphonie von Anämie herrührt, vorzüglich bei durch nervöſe Beängſtigung veranlaßter belegter Stimme, hat man die Anwendung von Crotonöl ſehr empfohlen. Rührt die Aphonie lediglich von Schwäche her, jo muß ſich der Patient des öffentlichen Redens durchaus enthalten; allein wenn Ge— muͤthsbewegungen oder bloße nervöſe Reizbarkeit der Grund derſelben ſind, und keine Röthung der Rachenhöhle Statt findet, ſo thut man wohl, das öffentliche Reden fortzuſetzen, bis die Nervenſchwäche ſich verloren hat, denn die Organe werden mit der Zeit ihren rechten Ton wieder gewinnen, und der Patient wird, indem er das Vertrauen zu ſeinen Kräften nicht verliert, beſſer mit ſeiner Simme haushalten lernen. Man darf indes nicht vergeſſen, daß dieſes nervöſe Mißtrauen in die eignen Kräfte zuweilen nur ein Begleiter der allgemeinen Schwäche iſt. Es befällt beſonders junge Männer von ängſtlichem Temperamente, welche ſich, vielleicht ohne hinreichende Vorubung, plötzlich zu einer zahlreichen Gemeinde verſetzt ſehen, wo ſie Kranke beſuchen, Kinder unterrichten, Sonntags eine Predigt halten müſſen, deren Ausarbeitung und Vortrag nicht wenig Anſtrengung koſtet, wozu noch die große moraliſche Verantwortlichkeit kommt, die dem geiſtlichen Stande obliegt. Durch mannigfaltige und oft mit einander unverträgliche Berufspflichten in An— ſpruch genommen und niedergebeugt, ſteht ihnen immer dieſes oder jenes vor Augen, was ſie, trotz aller Anſtrengung, 221 nicht haben ausführen können, und fo reiben ſie ſich kör⸗ perlich und geiſtig auf, während ſie bei Ausübung ihrer öffentlichen Berufspflichten leicht in nervöſe Zaghaftigkeit gerathen. Da ihre Stimmorgane dabei vorzugsweiſe in Anz ſpruch genommen werden, ſo zeigt ſich die Abnutzung der Geiſteskräfte bald durch deren unregelmäßige Thätigkeit. Wenn man in ſolchen Fällen die Wirkung zu beſeitigen ſucht, bevor man die Urſache beſeitigt hat, ſo bemüht man ſich vergebens. Man muß dem Patienten die übermäßige Geſchäftslaſt abnehmen, wenn ſein Nervenſyſtem nicht ſo tief angegriffen werden ſoll, daß zu deſſen Kräftigung viel— leicht Jahre nöthig find.“ Wenn das Erkranken der Schleimbeutelchen der Grund der Dysphonie iſt, empfiehlt Dr. Mackneß, nach Dr. Greens Vorgange, die Anwendung des ſalpeterſauren Sil— bers; allein er wendet dasſelbe nicht in der nämlichen Stärke und auch nicht direct auf das Innere des Kehlkopfes an. Wir ſelbſt haben vielfach das Greenſche Recept (2 Serupel bis 1 Drachme ſalpeterſauren Silbers auf die Unze deſtillirten Waſſers) mit dem beſten Erfolge verordnet, und überhaupt bedienen wir uns bei der Behandlung des chro— niſchen böſen Halſes nie einer ſchwachen Auflöſung. Direct auf die den Kehlkopf auskleidende Schleimmembran haben wir jedoch das Mittel ebenfalls nie angewandt, und dies ſcheint uns überhaupt nicht nöthig zu ſein; denn wenn man den mit der Auflöſung getränkten Schwamm hinten gegen den Schlundkopf drückt, fo entſteht eine krampfhafte Thä— tigkeit jener Theile, und durch dieſe gelangt eine hinreichende Quantität der Solution in die Höhle des Kehlkopfes. Im ſiebenten und letzten Capitel handelt Dr. Mackneß von den Mitteln, durch welche ſich der Krankheit vorbeugen läßt. In dieſem Capitel findet man treffliche Bemerkungen aus dem Gebiete der Geſundheitslehre und Diätetik, ſo wie über die Ausbildung der Stimme ꝛc. (Dublin Quarterly Journal of Medical Science, Aug. 1848.) (XV.) über den Einfluß der Pariſer Revolu— tionen im Februar und Juni auf die Entwickelung des Wahnſinns. Dr. Brierre de Boismont, Arzt an einer der beſten Privat⸗Irrenanſtalten zu Paris, hat in die Union Medicale folgenden, ſowohl hinſichtlich der darin mitgetheilten That— ſachen, als der humanen und vernünftigen Anſichten, die da— rin ausgeſprochen ſind, intereſſanten Brief einrücken laſſen. Kaum waren im Februar d. J. die letzten Schüſſe gefallen, als ſchon mehrere Opfer dieſer Revolution, welche, wie Hr. Goudchaux, der Finanzminiſter, treffend bemerkte, viel zu ſchnell gemacht worden war, in meine Anſtalt ge— bracht wurden. Dieſe erſten Patienten waren meiſt traurig, melancholiſch und niedergeſchlagen. Ihre firen Ideen waren gräßlicher Art, indem ſie beſtändig gemordet zu werden fürchteten. Einer darunter, ein ſehr gelehrter Mann und Verfaſſer mehrerer wiſſenſchaftlichen Werke, ſaß bewegungs— los da, blickte ſtarr vor ſich hin und ſprach kaum ein Wort; 168. VIII. 14. 222 er glaubte feſt, man würde ihn in eine Kloake werfen und dort erwürgen. Ein anderer rief beſtändig: „Da ſind ſie; ſie ſchlagen die Thür ein und wollen mich packen und er— ſchießen!“ Andere bildeten ſich ein, ſie hätten drohende Stim— men gehört, die ihnen zugerufen, ſie würden ſammt ihren Familien, guillotinirt und erwürgt werden, oder ſie hörten beſtändig Flintenſchüſſe. Die Patienten dieſer Klaſſe waren meiſt ehrbare Profeſſioniſten, und manche hatten ſich durch Fleiß und Sparſamkeit einiges Vermögen geſammelt, das ſie gern in Frieden genoſſen hätten. Um dem gefürchteten Un— glücke zu entgehen, ſuchten manche dieſer Patienten ſich das Leben zu nehmen, und ſie mußten aufs genaueſte bewacht werden, damit ſie dieſes Vorhaben nicht ausführen konnten. Einige darunter, welche dieſe ſtrenge Bewachung merkten, beſchloſſen Hungers zu ſterben und beharrten mit wilder Energie auf ihrem Vorſatze. Unter ſechs von dieſen, welche ſich alle für große Verbrecher, oder von ihren Nachbarn ruinirt oder verrathen hielten, ſtarben zwei trotz der An— wendung des Schlundrohres. Einer dieſer beiden litt an einer der auffallendſten Täuſchungen, die mir je vorge— kommen ſind. Er hatte ſich überredet, daß ſeine Speiſe— röhre verſtopft und keine Speiſe durch dieſelbe hinabzubringen ſei. „Wie ſoll ich leben, pflegte er zu ſagen, wenn mir das Eſſen in die Luftröhre gefreckt wird; Sie erſticken mich, und ich werde bald todt ſein.“ Einige Zeit ſpäter erhielten wir indes eine andere Art von Patienten, deren Geiſtesſtörung eher von der Einwirkung der neuen politiſchen Ideen herzurühren ſchien. Dieſe waren nicht niedergeſchlagen und traurig, hatten vielmehr ein ſtolzes, heiteres, enthuſiaſtiſches Anſehen und waren ungemein ge— ſchwätzig. Sie ſchrieben beſtändig Abhandlungen, Conſtitu— tionen, u. ſ. w., gaben ſich für große Männer, Vaterlands⸗ befreier je. aus und legten ſich den Rang von Generälen, Miniſtern ꝛc. bei. Man hat ſchon lange beobachtet, daß der Wahnſinn häufig das Gepräge des Stolzes an ſich trägt; nie habe ich die Richtigkeit dieſer Bemerkung ſo ſehr beſtätigt ge— funden, als bei den durch die Februarrevolution in Wahn— ſinn verfallenen Perſonen, namentlich ſolchen, welche, durch ſocialiſtiſche, communiſtiſche und reformirende Ideen erhitzt, ſich für berufen hielten, eine hervorragende Rolle in der Welt zu ſpielen. Als ich vor wenigen Tagen mit einem meiner Collegen die Krankenſäle durchwanderte, hielten wir uns bei einem dieſer Patienten auf, der urſprünglich von milder und friedlicher Gemüthsart, nun unruhig und enthuſiaſtiſch geworden war, da ihn die aufgeregte Zeit von ſeinen gewöhnlichen Beſchäftigungen abgezogen und auf die Straßen, in die Clubs und unter die Arbeiter getrieben hatte. Er äußerte folgendes: „Ich bemerke, daß die Leute mich für wahnſinnig ausgeben; allein ich bin ſtolz auf den Ruhm, der meinen Namen umſtrahlen wird, wenn mir die Nachwelt einſt Gerechtigkeit widerfahren läßt und fragt, wie es mög— lich war, daß der Urheber ſo nützlicher und menſchenfreund— licher Anſichten für wahnſinnig gelten konnte. Warum ſollte ich mich aber über ſolche Ungerechtigkeit betrüben? Iſt es doch Taſſo nicht beſſer ergangen.“ 223 Die furchtbare Junirevolution hat bereits ihre Früchte zu tragen begonnen. Mir ſind ſchon mehr als 20 Patienten zugeſchickt worden und andere haben verhältnißmäßig ebenſo viele aufgenommen. Unter dieſen befanden ſich mehrere Ra— ſende, welche jedermann zu erſchießen und todt zu ſchlagen droh— ten. Sie riefen ſtets Mord und Hülfe und befanden ſich überhaupt in der unbeſchreiblichſten Aufregung. Ein ver— wundeter Raſender dieſer Art, der in einem Hoſpitale lag, ſagte: „Ich möchte das Fleiſch eines Nationalgardiſten in das Blut eines Mitgliedes der mobilen Garde tauchen und freſſen.“ Obwohl ich mich für die Wahrheit dieſer Rede nicht verbürgen kann, ſo habe ich doch in meiner Anſtalt Dinge gehört, die um nichts beſſer waren. Die durch das Feuern des kleinen und ſchweren Geſchützes veranlaßte Auf— regung ergriff ſelbſt die Weiber. Eines derſelben, welches von einer Barricade, wo ſie wüthend declamirt hatte, zu mir geſchafft wurde, ſagte mir, ſie habe ihren Mann ver— laſſen, ohne ihm zu ſagen, was ſie vorhabe, und ſie wiſſe weder von den ihr zugeſchriebenen Reden, noch Handlungen etwas. Dieſe ſehr gebildete Dame, welche treffliche Gedichte macht, ſchien mir unter der Einwirkung einer fieberiſchen Überreizung geweſen zu fein, welche bei ihrer reizbaren und nervenſchwachen Conſtitution durch die gräßlichen Ereigniſſe herbeigeführt worden war. Bei der Mehrzahl dieſer Patien— ten gehört indes die Krankheit zu der melancholiſchen Art, und ſie reden, gleich den Februarpatienten derſelben Kategorie, vom Tode, der Guillotine, von Verderben, Plünderung, Brand ꝛc. Die gräulichen Scenen, die ſie mit angeſe— hen, haben ſie in eine Art von Betäubung verſetzt. Eine Dame in meiner Anſtalt ſagte mir geſtern: „Vor dieſer furchtbaren Revolution hatte ich eine heitere Gemüthsart; allein wie iſt es möglich, nicht wahnſinnig zu werden, wenn man beſtändig wegen des Lebens ſeiner Kinder und ſeiner Habe in Gefahr ſchwebt, ja ſogar ſicher iſt, daß man alles verlieren muß. Dieſe gräßlichen Ereigniſſe haben mich in dieſen elenden Zuſtand verſetzt. Ich erſchrecke beſtändig; die ge— ringſte Bewegung, das kleinſte Geräuſch macht mich ſchaudern. Ich bemühe mich in einen ruhigen Zuſtand zu gelangen, aber es gelingt mir nicht.“ Es darf nicht überſehen werden, daß nicht bei allen dieſen Patienten unſere bürgerlichen Zwiſte den Grund zum Wahnſinn gelegt haben. Einige darunter hatten ſchon früher Zeichen von Geiſtesverwirrung zu erkennen gegeben, und die Revolution hat das Übel nur zum völligen Ausbruch gebracht. Andere hatten ſchon früher Anfälle gehabt; allein etwa die Hälfte derſelben waren im vollen Beſitz ihrer geiſtigen Fähig— keiten geweſen, und ihr Wahnſinn war lediglich durch unſere gräßlichen politiſchen Stürme veranlaßt worden. Die Wirkungen dieſer gewaltigen Eindrücke zeigten ſich 168. VIII. 14. 224 nicht ſogleich; im Anfange traten nur wenige vereinzelte Fälle auf; bei den meiſten zeigten ſich die Folgen erſt etwa 3 Wochen bis 1 Monat ſpäter. Dies rührt wahrſcheinlich daher, daß die Incubationsperiode von den Familiengliedern nicht bemerkt wird, oder auch die Krankheit von ihnen ſo lange zu Hauſe bekämpft wird, bis ſie ſich durchaus an den Arzt wenden müſſen. Allein es kann nicht oft genug wieder holt werden, daß die Cur um ſo beſſer gelingt, je früher die Behandlung beginnt. Faſt alle diejenigen, welche zeitig gebracht wurden, gelang es binnen wenigen Tagen durch unſere lange fortgeſetzten Bäder und Begießungen zu curiren, während bei denen, welche zu Hauſe gehalten und dort ſchon mit Arzneien behandelt worden waren, die Cur weniger gut anſchlug. Eine der traurigſten Folgen dieſer Ereigniſſe iſt, daß viele derjenigen, deren Geiſt unter dem Einfluſſe deprimirender Ideen gelitten hatte, und die beſtändig beklagten, daß ſie zu Grunde gerichtet ſeien, bei der Geneſung finden werden, daß dies wirklich der Fall iſt. Jedes Jahr ſehen wir uns ge— nöthigt, die Regierung darum anzugehen, daß ſie Irre, deren Mittel erſchöpft find, in die öffentlichen Irrenanſtalten auf nehmen möge. Seit der Februarrevolution iſt kein Monat vergangen, ohne daß wir dergleichen Anträge hätten ſtellen müſſen, und unlängſt ſind in einem Monate ſo viel Irre ausgewieſen worden, wie ſonſt in einem Jahre. Wenn die- jenigen, welche Revolutionen veranlaſſen, nur all das ſchreck— liche Unglück ſehen könnten, was daraus entſpringt, fo wür⸗ den ſie gewiß darnach trachten, die dem Fortſchreiten des Menſchengeiſtes entſprechenden Reformen durch alle ihnen zu Gebote ſtehenden geſetzlichen Mittel zu erlangen, ſtatt zur rohen Gewalt zu greifen und Blut in Strömen zu vergießen. Wenn die politiſchen Anſichten eine gewiſſe Reife erlangt haben, ſo werden ſie trotz alles Widerſtandes ſicherlich durch— dringen, während die, welche mit Treibhaushitze foreirt wer— den, bald dahinwelken und vergehen. (The Lancet, Aug. 1848.) Miſeceelle. (23) In Betreff eines Symptoms des beginnen⸗ den Uterus vorfalls bemerkt Dr. Meigs (Females and their Diseases. Philadelphia, p. 130), es ſeien ihm bereits über dreis ßig Falle vorgekommen, in denen die furchtbarſte Neuralgie des ganzen Unterleibes und eine Empfindlichkeit, wie bei acuter Bauchfellent⸗ zündung, durch einen ſehr geringen Grad von Uterusvorfall vers anlaßt worden ſeien. „Während ich, ſagt Dr. M., durch den leiſe⸗ ſten Druck der Fingerſpitzen auf das abdomen die heftigſten Schmer⸗ zen verurſachte, konnte, ſobald ich den uterus mit dem Zeigefinger ftügte und weniger als einen halben Zoll weit hinaufſchob, die Frau den Unterleib ohne Schmerz zu fühlen, nicht nur berühren, ſondern ſelbſt heftig auf denſelben drücken. Hieraus ſchließe ich, daß ein großer Theil des bei prolapsus uteri Statt findenden Schmerzes von der durch das Niederſinken dieſes Organes veranlaß⸗ ten Zerrung und Streckung der Nervenfädchen herrühre.“ Bibliographiſche Neuigkeiten. e de la carte géologique de France, redigee par MM. Dufrenoy et "lie de Beaumont, inspecteurs-generaux des mines, et publice par ordre de M. le ministre des travaux publics. Tome deuxicme. In 8e de 103 feuilles . Paris 1848. Sixieme rapport sur le service des alienes; par L. F. E. Renaudin, Compte udministratif de l’exereice 1847. Projet de budjet de l’exereice 1849. (De- partement de la Meuse.) In 8° de 6 feuilles 1½, plus 5 tableaux. Bar-sur- Ornain 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Welmar, Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 169. (Nr. 15. des VIII. Bandes.) December 1848. Naturkunde. Milne Edwards, über die natürliche Claſſification der Gaſteropoden. — Mifcelle. Owen, über die Seeſchlange. — Heilkunde. Mearsley, über eine neue Behandlungsart der Harthörigteit. — Miſcelle. Pfeufer, Mundhöhlenkatarrh. — Bibliograpbie. Naturkunde. XXXV. Über die natürliche Claſſification der Gaſteropoden. Von Milne Edwards. Die verſchiedenen nach einander für die Gaſteropoden verſuchten Syſteme laſſen noch ſämmtlich viel zu wünſchen übrig, nicht eins derſelben ſcheint dem Verf. ſicher genug be— gründet, alle aber zu Reſultaten zu führen, die mit der na— türlichen Verwandtſchaft dieſer Thiere in Widerſpruch ſtehen. Lamarck zählt bekanntlich nur die mit einem Kopfe verſehenen Malacozoen zu den Molluſken und theilt ſie wie— derum in 5 Ordnungen, die Pteropoden, Gaſteropoden, Tra— cheliopoden, Cephalopoden und Heteropoden. Die allgemeine Körperform diente ihm zum Leitfaden, die nackte Schnecke wird demnach von der behauſ'ten getrennt. Sämmtliche Zoo— logen ſtimmen darin überein, daß Lamarcks Gaſteropoden, Tracheliopoden und Heteropoden nicht getrennt werden dür- fen, ſondern zu einer und derſelben natürlichen Gruppe ge— bören und von den Gephalopoden durch ungleich wichtigere Merkmale als unter ſich getrennt ſind. Wie künſtlich La— marcks Gruppe der Gaſteropoden iſt, erſieht man ſchon daraus, daß die Aplyſien neben den Calvyptreen, die Patellen zwiſchen den Dorien und Pleurobranchen ſtehen, während die Haliotiden ſich den Helices- und Planorbis- Arten anreiben. In der Gruppe der Tracheliopoden ſtehen die Helices, aber weder die Teſtacellen noch die Limax - Arten. Im Cuvierſchen Syſteme iſt zwar die natürliche Ver- wandtſchaft der Kopfmolluſken mit fleiſchigem Fuß nicht wie im Lamarckſchen Syſteme verkannt, auch dieſe natürliche Gruppe in Cuviers Claſſe der Gaſteropoden einigermaßen vertreten; dagegen ſcheinen die Unterabtheilungen dieſer Claſſe dem Verf. nicht annebmbar zu fein. Das Entwicklungs⸗ princip gründet ſich hauptſächlich auf die Anordnung des No. 2149. — 1049. — 169. Reſpirationsapparates und trennt dadurch nabe verwandte Arten, ohne die viel wichtigeren Abweichungen im Typus dieſer Molluſken aufzuklären. Nach der Cuvierſchen Anord— nung müßten die Patellen den Käfermuſcheln (Oscabrions) näher als den Fiſſurellen oder Haliotiden verwandt ſein; nach ihm würden ſich die Aplyſien von den Triton - nnd Helix- Arten, die Phyllidien von den Pleurobranchen, die Firolen von den Trochus-Arten weſentllch unterſcheiden. De Blainville benutzt die Anordnung des Geſchlechts— apparats als Eintheilungsprineip für die Gaſteropoden: er glaubte bald einen weiblichen Apparat allein, bald ſowohl einen männlichen als einen weiblichen Geſchlechtsapparat in einem Individuo vereinigt, und endlich männliche und weib— liche Organe, aber bei verſchiedenen Individuen, gefunden zu haben. Er theilt die Gruppe der Gaſteropoden, die er Para⸗ cephalophoren nannte, in drei Unterclaſſen: in eingeſchlechtige, vereinigt-zweigeſchlechtige und getrennt-zweigeſchlechtige. Es hat ſich aber bald gezeigt, daß die vermeintlich eingeſchlechti— gen Gaſteropoden in der Wirklichkeit zweierlei getrennte Ge— ſchlechter baben und damit ſind die Grundpfeiler dieſer Claſſi— fication geſunken. Auch die Unterabtheilungen des Blain— villeſchen Syſtemes kann der Verf. nicht natürlich finden. Nach bereits früher mitgetbeilten Beobachtungen glaubt der Verf. die Hauptcharaktere einer natürlichen Claſſification ſowohl im Thier- als Pflanzenreiche der Entwicklungsgeſchichte entlebnen zu müſſen; glaubt, daß die Beſchaffenheit des Em- bryos hier mehr wie der ſpätere Bau des Thieres entſcheiden könne. Bei ſeinen Ausflüchten ans Geſtade des mittelländiſchen Meeres hatte der Verf. Gelegenheit, den Embryozuſtand der Ga— ſteropoden zu beobachten, hält jedoch ſeine bis jetzt gewonnenen Reſultate für ungenügend, um auf die Entwicklungsgeſchichte allein eine Claſſification der Gaſteropoden gründen zu können. Wenn eine zoologiſche Claſſificirung überhaupt eine rich⸗ 15 227 tige Anſicht der verſchiedenen zwiſchen den Thieren vorkom— menden Verwandtſchaftsgrade geben, gewiſſermaßen eine ſyn— optiſche Tabelle der mehr oder minder wichtigen Abweichun— gen darſtellen ſoll, ſo iſt es durchaus nothwendig, die Reihe der Unterabtheilungen, durch welche man von der Claſſe zur Art übergeht, in einem viel höheren Grade als es bis jetzt geſchehen iſt, zu vermehren. Wenn man z. B. ſämmtliche Gaſteropoden, mit Ausnahme der Käfermuſcheln, von denen der Verf. ſpäter handelt, unter einander vergleicht, ſo wird man unter ihnen nicht ſogleich die von den Naturforſchern aufgeſtellten Gruppen herausfinden können, wird vielmehr ſehen, daß ſich die Mehrzahl dieſer Molluſken der allgemeinen Körperbildung nach ſehr ähnlich find, während ſich wieder andere auffallend von ihnen unterſcheiden. Bei den eigent— lichen Gaſteropoden, der behauſ'ten Schnecke, der Trompeten— muſchel u. ſ. w. bildet, die Fleiſchmaſſe des Fußes eine breite und abgeplattete zum Feſthalten geeignete Baſis, über welcher die Eingeweidemaſſe liegt. Bei den abnormen Gaſteropoden, den Firolen und Carinarien oder den Heteropoden nach Cu— vier und Lamarck bildet das Bewegungsorgan dagegen einen dünnen, abgerundeten, verticalen Zweig, iſt der Unter— leib nur rudimentär, ſind Kopf- und Bruſttheil übermäßig entwickelt. Die erſteren Thiere ſind zum Kriechen an der Erde oder am Meeresboden, die anderen zum Schwimmen beſtimmt und deshalb recht eigentlich auf die See angewieſen; bei den einen liegen endlich die Gehirn- und Fußganglien nahe bei einander, die Speiſeröhre als engen Ring umgebend, während die Fußganglien der anderen von den Gehirnganglien weit entfernt ſind und die Verbindungsfäden, welche beide Nervencentren vereinigen, faſt mit der Speiſeröhre parallel verlaufen. Der Verf. kann es zwar nicht durch directe Be— obachtung erweiſen, hält es jedoch für wahrſcheinlich, daß alle ſchwimmenden Gaſteropoden ſchon vom jüngſten Zuſtande an von allen eigentlichen Gaſteropoden weit mehr abweichen als dieſe irgend unter ſich verſchieden ſind. Bei einer natür— lichen Eintheilung der Gaſteropoden müßten demnach beide als zwei beſtimmte und gleich berechtigte Gruppen geſchieden werden; die eine dieſer Abtheilungen würde gewiſſermaßen die Claſſe in der ganzen typiſchen Reinheit ihrer Formen präſentiren, die andere ſich dagegen durch abweichende Charaktere hervor— heben; beide gehören jedoch entſchieden nur einem Fundamen— taltypus an und die Verſchiedenheiten, welche fie von ein— ander trennen, find von viel geringerer Bedeutung, wie die, welche die eine ſowie die andere dieſer Gruppen von den Acephalen ſcheiden. In Lamarcks Syſteme iſt die Verwandtſchaft zwiſchen den Firolen und Carinarien mit den gewöhnlichen Gaſtero— poden nicht nachgewieſen. De Blainville ſcheint dagegen in den umgekehrten Fehler gefallen zu ſein, wenn er die ſchwimmenden Gaſteropoden nur als eine Familie ſeiner Neu— chobranchen betrachtet. Cuviers Anordnung kam der Wahr— heit am nächſten, ſeine Heteropoden bilden eine beſondere Ordnung der Gaſteropoden, ſind jedoch unter ſich nicht nach ihrer natürlichen Verwandtſchaft zu einander angeordnet. Der Verf. hält es demnach für beſſer, die Claſſe der Gaſteropoden in zwei Unterclaſſen zu trennen. 169. VIII. 15. 228 1) In die eigentlichen Gaſteropoden (Gasteropodes or- dinaires), wozu die Pulmonen, die Nudibranchen, die Infero— branchen, die Tectibranchen, die Pectinibranchen, die Scuti— branchen und Cuviers Cyclobranchen gehören. f 2) Die abnormen Gaſteropoden (Gasteropodes abnor- maux) oder Heteropoden nach Cuvier. Die Unterclaſſe der eigentlichen Gaſteropoden iſt, wenn— gleich an Arten reich, dennoch eine durchaus natürliche Gruppe, in der jedoch bedeutende Organiſationsverſchiedenbeiten, die fi) bisweilen, namentlich beim Entwicklungsgange heraus⸗ ſtellen, zu weiteren Unterabtheilungen auffordern. Die Larve der einen beſitzt eine kreiſelförmige Schale, deren Offnung mit einem Deckel verſchloſſen wird; ſie trägt am Vordertheile des Kopfes ein großes häutiges, mehr oder weniger tief zwei— lappiges Segel, das mit Wimperfäden, die als Bewegungs— organe dienen, umrandet iſt; endlich beſitzt ſie kein Organ, das mit einer Nabelblaſe vergleichbar wäre. Die Larve des andern iſt nackt, ihrem Kopfe fehlt das Schwimmſegel ſammt feinen Wimpern; dagegen iſt im Vordertheile der Rückengegend eine Art Nabelblaſe vorhanden. Die Gaſteropoden, deren erſte Entwicklungsſtadien in dieſer Weiſe verſchieden ſind, zeigen auch, wenn ſie ihre voll— kommene Entwicklung erreicht haben, bedeutende anatomiſche und phyſiologiſche Verſchiedenheiten: die einen athmen durch Lungen, die andern durch Kiemen. Die erſteren ſind ſeit langer Zeit von den letzteren getrennt geweſen, ſie bilden Cuviers Pulmones, die innige Verwandtſchaft, welche die, letzteren mit einander verbindet, iſt jedoch von keinem Schrift- ſteller aufgefaßt, in keinem ihrer Syſteme ausgedrückt wor- den; keiner erkannte in ihnen eine ganz beſondere Gruppe und doch ſind ſie in ihrer Jugend ſich ſo ähnlich, daß man nur ſchwierig die Larven der Aoliden oder Aphyſien wird von den Larven der Seetrompeten (Buceins) oder der Vermets unterſcheiden können. Die eigentlichen Gaſteropoden mit Kiemen unterſcheiden ſich erſt im entwickelten Zuſtande weſentlich von einander: hier iſt es die Anordnung eines erſt ſpäter wie bei höheren Thieren erſcheinenden Organs, das ſie wiederum in zwei na— türliche Gruppen theilt, welche der Verfaſſer zu Ordnungen erhebt. In der einen dieſer Abtheilungen, die der Verf. Ophiſto— branchen bezeichnet, gelangt das Blut in mehr oder weniger ſchiefer Richtung von hinten nach vorne zum Herzen; die Vorkammer liegt gewöhnlich hinter der Herzkammer; die Re— ſpiration erfolgt durch baum- oder büſchelartige, niemals in einer beſondern Höhle eingeſchloſſene Kiemen, die meiſtens mehr oder weniger frei am Hintertheile des Körpers auf dem Rücken oder an den Seiten liegen; die Halsgegend iſt immer nackt; es ſind Zwitter; und endlich iſt die bei der Larve ſehr entwickelte Schale beim ausgebildeten Thiere nur rudi mentär oder gänzlich verſchwunden. Dieſe Gruppe umfaßt 3 von Cuvier aufgeſtellte Ord— nungen, die Nudibranchen, Inferobranchen und Tectobranchen. Lamarck bringt ſie in die erſte Abtheilung ſeiner Gaſtero— poden, wo ſie jedoch mit den Patellen und Käfermuſcheln, die ſich ganz anders verhalten, zuſammenſtehen. Nach Blain⸗ 229 ville's Syſtem werden fie ganz von einander geriffen. Die Ophiſtobranchen bilden indes eine fo natürliche Gruppe, die Charaktere, welche die Arten derſelben vereinigen und von den Arten anderer Gruppen trennen, ſind ſo weſentlich und wichtig, daß ſie, wie der Verf. glaubt, ſehr wohl eine eigene Unterabtheilung bilden können. Bei der zweiten Abtheilung der mit Kiemen verſehenen Gaſteropoden bleibt der Unterleibstheil des Körpers nicht wie bei den Ophiſtobranchen rudimentär, entwickelt ſich vielmehr im Verhältniß zum übrigen Körper; er bleibt immer von ei— ner Schale bedeckt, die ſo groß iſt, daß ſie auch die übrigen Körpertheile aufnehmen und ihnen Schutz gewähren kann. Der Mantel iſt immer nach vorne gerichtet, er bildet über der Halsgegend der Thiere eine mehr oder minder geräumige gewölbte Kammer, in der die natürlichen Offnungen und meiſtens auch die Branchien liegen; letztere beſtehen aus ein— fachen, parallelen Platten, die kammartig längs einem Ge— fäßſtamme verlaufen; gewöhnlich liegen ſie vor dem Herzen, wenn fie ſich indes auch bis in den Hintertheil des Körpers hinabziehen, verlaufen die Kiemen-Herzgefäße doch immer von vorne nach hinten; die Richtung ihres Blutlaufs iſt demnach gerade die umgekehrte der Ophiſtobranchen; auch die Geſchlech— ter ſind nicht wie dort vereinigt, ſondern getrennt. Nach Cuviers Claſſification find die zu dieſer Ab— theilung gehörenden Gaſteropoden in die Ordnungen der Pectini— branchen, Tubulibranchen, Scutibranchen und Cyclobranchen zerſtreut. Lamarck ſtellt einen Theil derſelben unter die Gaſteropoden und die anderen in die Ordnung der Trachili— poden, wo fie mit den Pulmonen vermiſcht werden. Blain— ville macht aus ihnen ſeine erſte und dritte Unterclaſſe der Paracephaloporen und ſchaltet zwiſchen beide alle übrigen Gaſteropoden ein. Der Verf. hält es für zweckmäßiger, fie als beſondere Ordnung, die er Proſobranchen nennt, aufzu— ſtellen. Die richtige Stellung der Käfermuſcheln (Oscabrions) iſt nach dem jetzigen Stande der Wiſſenſchaft ſchwer zu be— zeichnen: während Cu vier und Lamarck fie als Gaſteropoden neben die Patellen ſetzen, ſind ſie nach Blainville gar keine Molluſken, bilden vielmehr eine eigene Abtheilung der Anneliden. Blainville zeigte, daß die Kalkſtückchen, die ihren Rücken bedecken, in ihren Charakteren an die Glieder der Anneliden erinnern, die keiner einzigen Molluſke eigen ſind; der Verf. bemerkt, wie auch ihr Geſchlechtsapparat von dem aller Gaſteropoden abweiche, aber dem der Anneliden ähnlich ſei. Bei den Gaſteropoden ſind die Zeugungsorgane ſelbſt wie ihre Offnungen nach außen jederzeit unpaarig und aſymmetriſch, bei den Käferſchnecken wiederholen ſie ſich dage— gen ſymmetriſch an jeder Seite der Mittellinie; auch ſind bei ihnen wie bei den Cruſtaceen paarige Geſchlechtsöffnungen vorhanden. Die Anordnung des Circulationsapparates ent— fernt ſie gleichfalls von den Gaſteropoden, giebt ihnen dage— gen einige Ahnlichkeit mit den Gliederthieren. Das Herz entſpricht einem Rückengefäße, es zeigt einen ganz andern Bau wie das Herz aller eigentlichen Gaſteropoden. Die Anord— nung des ganzen Körpers zeigt endlich eine Tendenz, ſich von einer Mittellinie aus nach zwei Seiten zu entwickeln, wäh— 169. VIII. 15. 230 rend der Körper der Gaſteropoden einer gewundenen Linie zu folgen ſcheint. Nach obigen Reſultaten entſcheidet ſich der Verf., die natürliche Verwandtſchaft der Käfermuſcheln betreffend, mehr für Blainville's als für Cuviers Anſicht. Nur die Entwicklungsgeſchichte wird dieſe Frage beſtimmt entſcheiden können; ſie allein kann nachweiſen, ob dieſe Thiere einem modifieirten Typus der Molluſken oder einem molluſkenähn— lichen Typus der Anneliden angehören. Dem ſei indes wie ihm wolle, ſo ſcheint es dem Verf. doch unmöglich, ſie län— ger mit den eigentlichen Gaſteropoden zu vereinigen; er hält es vielmehr, bis ihre Vereinigung mit den Molluſken defini— tiv gerechtfertigt iſt, für zweckmäßiger, ſie als Nebengruppe, die mit der typiſchen Gruppe nichts gemein hat, anzuhängen. Der Verf. möchte in zweifelhaften Fällen ein ſolches Ver— fahren mehrfach angewandt wiſſen; ihm ſcheint das Thierreich in ſeiner ganzen Ausdehnung nicht mit einem wohl geordne— ten Heere, wo jede Brigade, jedes Regiment und jede Com— pagnie ſeine beſtimmte Stellung hat und jeder Soldat ſich um ſeine Fahne ſammelt, vergleichbar; wohl aber ſcheint ihm der Sternhimmel, an dem eine Menge von Sternen hie und da auf einem beſchränkten Raume zahlreiche größere oder kleinere Gruppen bilden, zwiſchen denen andere zu keinem großen Syſteme gehörende Sterne vereinzelt ſtehen, ein paſ— ſendes Gleichniß zu ſein. Die Claſſen und Ordnungen des Thierreiches entſprechen den Sternbildern: in dem Raume, der ſie trennt, ſtehen häufig Arten, die eben ſo ſehr von al— len dieſen Gruppen abweichen als letztere ſelbſt unter ſich ver— ſchieden ſein können, die aber, weil die Zahl ihrer Arten nur klein iſt, nicht gewürdigt ſind, eine gleich hohe Stelle wie die an Arten reichen Gruppen in unſeren Syſtemen einzu— nehmen. Eine wahrhaft natürliche Claſſification müßte auf dieſe Vertheilung der Weſen Rückſicht nehmen und in ihre Claſ— ſen, Ordnungen, Geſchlechte und Familien nur ſolche Arten auf— nehmen, die wirklich einen entſprechenden Grad der Verwandtſchaft zu einander beſitzen, dagegen kleinere Abtheilungen von Arten, die in ihrer Organiſation von den übrigen abweichen, vom Syſteme ſelbſt ausſchließen, ohne deshalb für ſie eben ſo viel Abtheilungen von gleichem Werthe wie die Hauptgruppe zu bilden. Dieſer Anſicht treu, betrachtet der Verf. die Gruppe der Käfermuſcheln, wenn ſie wirklich dem Weichthier— typus angehören, als Seitenfamilie der Claſſe der Gaſtero— poden, wornach die letztere in folgende Abtheilungen zerfällt. Claſſe der Gaſteropoden. Kopfmolluſken mit fleiſchigem als Bewegungsorgan die— nendem Fuße, der durch einen hinteren Lappen des Kopfes gebildet wird, mit unpaarigen und unſymmetriſchen Geſchlechts⸗ organen. Die Geſammtorganiſation entſpricht ſowohl im Larvenzuſtande als während des ganzen Lebens einer Spirallinie. Topiſche Gruppe oder erſte Unterclaſſe. Eigentliche Gaſteropoden. Mit fleiſchigem, abgeplattetem und ſehr großem Fuße mit entwickeltem Unterleibe u. ſ. w. 157 231 Erſte Abtheilung — Lungengaſteropoden. Die Larve mit nacktem Kopfe u. ſ. w., die Gefäße des kleinen Blutlaufs netzartig angeordnet, männliches und weibliches Geſchlecht in einem Individuo vereinigt. Zweite Abtheilung — Kiemengaſteropoden. Die Larve am Kopfe mit einem Schwimmapparate verſehen u. ſ. w. Die Gefäße des kleinen Blutlaufs büſchelartig angeordnet. Ordnung der Ophiſtobranchen. Die Halsgegend unbedeckt u. ſ. w. Ordnung der Proſobranchen. einer gewölbten Hülle überragt u. ſ. w. Die Halsgegend von Abweichende Gruppe oder zweite Unterclaſſe. Schwimmende Gaſteropoden oder Heteropoden. Mit aufrechtem fleiſchigem Fuße; mit rudimentärem Unterleibe u. ſ. w. Seitengruppe der Gaſteropoden (ſich den Proſobranchen annähernd). Familie der Chitonien. Mit einem Kopfe verſehene Weichthiere (2), deren Bewegungsorgan ein fleiſchiger Fuß, der Körper etwas gegliedert, die Geſchlechtsorgane paarig und ſymmetriſch, ein in der Mitte liegendes Rückengefäß u. ſ. w. (Annales des Sciences naturelles, Février 1848.) 29. über die Seeſchlange. Prof. Owen hat einen Brief über die Seeſchlange veröffentlicht. Bei der ihm zugegangenen Originalmittheilung befand ſich eine Abbildung von dem Kopfe des vom Capitän Mae Quhae geſehenen Thieres. — „Dieſe Skizze, ſagt Prof. Owen, giebt mir die Beantwortung Ihrer Frage, ob nicht etwa das vom Dädalus aus geſehene Thier etwas anderes als ein Saurier geweſen ſei? an die Hand. Iſt dieſe Anſicht die richtige, ſo verliert die Sache alles romanhafte, was freilich denen, die lieber Nahrung für ihre Phantaſie als für ihr nüchternes Urtheil haben wollen, nicht angenehm fein wird. Ich habe auch Freude an der Entdeckung eines neuen und ſeltenen Thieres; ehe ich dieſelbe aber genießen kann, muß ich mich von der Wirklichkeit der Entdeckung überzeugt. haben. Ferner will ich das Zeugniß, welches Capitän Mac Quhae als Augenzeuge ab— legt, nicht herabſetzen; allein das, was ich vom Thierreiche weiß, zwingt mich, andere Schlüſſe daraus zu ziehen. Er hat offenbar ein großes Thier geſehen, welches ſich ſchnell durchs Waſſer bes wegte und von allen ihm bekannten Thieren verſchieden zu ſein ſchien. Es konnte kein Walfiſch, kein Haifiſch, kein Alligator ac. ſein. Er ſagt: „als wir den Gegenſtand näher betrachteten, ent— deckten wir, daß er eine ungeheure Schlange (ſollte heißen „Thier“ ſei, deren Kopf und Hals fortwährend gegen 4 Fuß über dem Waſſer blieben. Der Durchmeſſer der Schlange (des Thieres) be— trug hinter dem Kopfe 15—16 Zoll. Die Farbe war dunkelbraun, an der Kehle gelblichweiß. Floſſen waren nicht zu ſehen (der Capitän ſagt, das Thier habe keine gehabt; allein aus ſeinem Be— richte geht hervor, daß er nicht genug vom Thiere ſah, um dies zu behaupten). Am Rücken ſah man etwas hin und her wedeln, was einer Pferdemähne oder vielmehr einem Buͤſchel Seetang glich. Der ſichtbare Theil des Körpers war bei dem Schwimmen des Thieres nicht thätig, indem er weder ſenkrechte noch horizontale Biegungen ausführte. Auf die Schätzung der Länge des Thieres hatte offenbar die vorgefaßte Meinung, daß es eine Schlange ſei, großen Einfluß. Von dem Kopfe wird geradezu geſagt, es ſei un— ſtreitig ein Schlangenkopf geweſen, und dennoch wird kein Natur— forſcher die vom Capitän Mac Quhae der Admiralität zugeſandte Abbildung desſelben für die eines Schlangenkopfes erkennen. Daß der über dem Waſſer ſichtbare Theil des Körpers durchaus keine 169. VIII. 15. 232 ſchlängelnden Bewegungen ausführte, wie es doch bei allen ſchwim— menden Schlangen der Fall iſt, beweiſ't ebenfalls gegen des Capi⸗ täns Anſicht. Dieſe äußerte jedoch ihren Einfluß, als er die Länge des Thieres auf wenigſtens 60 Fuß ſchätzte. Für ziemlich ſicher können jedoch folgende Charaktere gelten: Kopf mit einem converen, ziemlich geräumigen cranium; kurze ſtumpfe Schnauze, Mundſchlitz ſich nicht weiter als bis unter das Auge erſtreckend, welches ziem— lich klein und rund iſt und die Offnung der Augenlieder genau ausfüllt; Farbe oben dunkelbraun, unten gelblichweiß; Oberfläche glatt, ohne Schuppen oder Schilder oder andere deutliche Abwei— chungen von einer harten nackten Oberhaut. Ferner ſagt der Ga: pitän: Ich ſah das Thier ſo nahe, daß, wenn es ein Bekannter geweſen wäre, ich mit bloßem Auge leicht ſeine Geſichtszüge hätte unterſcheiden können. Von den Naſenlöchern iſt nicht die Rede; allein in der Abbildung ſind ſie am Ende der Schnauze halb— mondförmig angegeben. Alle dieſe Charaktere ſtimmen mit denen eines warmblütigen Säugethieres, nicht mit denen eines kaltblüti— gen Reptils oder Fiſches überein. Körper lang, dunkelbraun, ſich nicht wellenförmig biegend, ohne Rücken- oder andere ſichtbare Floſſen, wogegen etwas wie eine Pferdemähne oder vielmehr ein Büfchel Seetang auf dem Rücken hin und her wedelte. Die Be— ſchaffenheit der Integumente würde für den Zoologen rückſichtlich der Beſtimmung der Claſſe, zu welcher das Thier gehörte, ungemein entſcheidend ſein. In ſo weit uns obige Angaben überhaupt in den Stand ſetzen, die Natur der Integumente zu beſtimmen, hätte man anzunehmen, das Thier habe Haare gehabt, die auf dem Ko— pfe zu kurz und dicht geweſen, als daß man ſie hätte erkennen können, während ſie auf der Medianlinie der Schultern und des Vorderrückens, wo ſie bei vielen Thieren am längſten ſind, ſichtbar geweſen ſeien und ſich dadurch als Haare charakteriſirt hätten, daß ſie nicht wie Fiſchfloſſen aufrecht ſtanden, ſondern hin und her we— delten. Deshalb hat man in dem Thiere keinen Wal, ſondern eine große Robbe zu vermuthen. Allein welche große Robbe oder Robbe überhaupt hat man unter 24% 44° f. Br. und 90 227 5. L., d. h. etwa 300 engl. Meilen von der weſtlichen Küſte der Süd— ſpitze Africas zu ſuchen? Am wahrſcheinlichſten iſt, daß man dort eine der größten Robben, z. B. Anſons Seelöwen oder den See— elephanten (Phoca proboseidea), welcher 20 — 30 F. lang wird, antreffen werde. Dieſe großen Robben ſind auf gewiſſen Inſeln der ſüdlichen und antarctiſchen Meere häufig und zuweilen wird ein Eremplar von dort auf einem Eisberge fortgeflößt. Der letz— tes Frühjahr zu London gezeigte ſog. Seelöwe, ein junges Ex⸗ emplar der Phoca proboseidea war auf dieſe Weiſe in die Nähe des Vorgebirges der guten Hoffnung gelangt. Wahrſcheinlich war es auch ein ſolches verſprengtes Eremplar, welches auf dem Wege nach ſeiner ſüdlichen Heimath dem Dädalus begegnete und vielleicht an dem Schiffe einen Ruheplatz ſuchte, während es ſeinen langen ſteifen Körper neben jenem vorbei ruderte. Unter ſolchen Umſtän— den reckte es natürlich den Kopf (welcher der Beſchreibung des Ca— pitäns Mac Quhae entſpricht) empor, fo daß der Hals, deſſen Stärke ebenfalls die vom Capitän angegebene iſt, weit hervorragte und das lange grobe Haar auf dem Vorderrücken (namentlich wenn es ein Seelöwe, Phoca leonina war) ſichtbar ward und ſich in der vom Capitän beſchriebenen Weiſe ausnahm. Die Locomotions— organe würden unſichtbar geblieben ſein; da die Bruſtfloſſen des Seelöwen ꝛc. ſehr tief angeſetzt ſind, während die am ſtärkſten ru— dernde Schwanzfloſſe weit hinten einen langen Strudel erzeugte, welchen jemand, der die Erſcheinung unter der vorgefaßten Mei⸗ nung betrachtete, er habe eine Seeſchlange vor ſich, leicht für eine unbegrenzte Verlängerung des Körpers nehmen konnte. Wahrſchein— lich hat keine der auf dem Dädalus befindlichen Perſonen je vorher eine rieſige Robbe frei im Meere ſchwimmen ſehen, und eine ſolche ſich in der gewaltigen Waſſerwüſte plötzlich darbietende Erſcheinung mußte ſich allerdings wunderbar ausnehmen; ſo daß auch hier, wie es in fo vielen frühern Fällen mit ſpielenden Delphinen oder Hai— fiſchen der Fall geweſen ſein mag, Pantoppidans alte Seeſchlange mit der Mähne in der Einbildungskraft der Zuſchauer auftauchte. Die Wirbelbeine der Seeſchlange, welche in den Wernerian Traus- actions beſchrieben und abgebildet find, und von denen ſich zwei im Muſeum des Collegiums der Wundärzte zu London befinden, 253 find ganz gewiß die eines großen Haifiſches der Gattung Selache und laſſen ſich von denen der Species, die man den ſich ſonnen— den Hai (basking shark) zu nennen pflegt und die eine Länge von 35 Fuß erreicht, nicht unterſcheiden; und dennoch hatten die Fiſcher der Inſel Stronſa (einer der Orkneys) beſchworen, daß ſie die Seeſchlange, der dieſe Wirbelbeine angehörten, geſehen hätten. — Was übrigens die Frage betrifft, ob die ſogenannte rieſige Seeſchlange wirklich eriftirt, fo gebe ich folgendes zu beden— ken. Wenn ſie vorhanden iſt, ſo muß ſich die Species offenbar ſeit ihrem erſten Auftreten fortgepflanzt haben und eine Unzahl von Eremplaren geſtorben fein. Da nun die Schlangen mit Lungen athmen und nur mit Anſtrengung untertauchen, ſo würden ihre 169. VIII. 15. 231 Cadaver wahrſcheinlich bis zur vollſtändigen Auflöſung auf der Oberfläche des Meeres geſchwommen haben. Aber noch nie hat einer der unzähligen Seefahrer, die den Ocean nach allen Rich— tungen durchkreuzt, ein ſolches Cadaver getroffen, und eben ſo we— nig iſt eines irgendwo an eine Kuſte geſchwemmt worden. Nicht ein Mal Wirbelbeine einer ſolchen rieſigen Schlange hat die Fluth irgendwo ausgeworfen; denn dies wäre wohl zur Kenntniß der Zoologen gekommen, da die Wirbelbeine der Ophidier fo charakteri— ſtiſch gebildet find. In keinem Naturaliencabinet Europas findet ſich aber ein Schlangenwirbelbein, welches größer wäre als die des gewöhnlichen Python oder der Boa.“ (Galignanis Messenger, 23. Nov. 1848.) Seilkunde. (XVI.) Über eine neue Behandlungsart der Hart- hörigkeit. Von James Pearsley. Meine frühere Mittheilung beſtand großentheils in Be— obachtungen über den theilweiſen oder vollſtändigen Verluſt des Trommelfells, welcher Zuſtand des Ohres unerläßlich iſt, wenn es ſich um erfolgreiche Anwendung der Baumwolle han— delt. Bei der inneren Otorrhöe oder dem Ausfluſſe aus der Paukenhöhle durch den Gehörgang iſt dieſes Mittel ebenfalls angemeſſen, und ich werde nunmehr über dieſen Gegenſtand einige Bemerkungen mittheilen. Die innere Otorrhöe kann in Folge von acuter oder chroniſcher Entzündung der Schleimmembran der Trommelhöhle entſtehen. Der Sitz des Ausfluſſes iſt in der Regel die die Paukenhöhle auskleidende Schleimmembran; allein zuweilen rührt derſelbe auch von den tiefer liegenden Structuren des Ohres her; auch kann das Ohr nur der Canal ſein, durch welchen Eiter aus dem Gehirne oder dem Rückenmark ent— weicht, und zuweilen hat derſelbe ſogar aus der parotis oder den Muskeln in der Nähe des Ohres hergerührt. In den allermeiſten Fällen wird der Ausfluß durch den äußeren Ge— hörgang ausgeleert; allein zuweilen geht er auch durch die euftachifihe Röhre in den pharynx oder in Folge von Ulce— ration durch den processus mastoideus. Den Ausdruck Otorrhöe beſchränkt man gewöhnlich auf Ausflüſſe durch den äußeren Gehörgang; allein ich ſehe keinen Grund, weshalb er nicht auf alle Ausflüſſe angewandt werden ſollte, die in dem Ohre ſelbſt entſpringen, mögen ſie übrigens durch den oder jenen Canal entweichen. Übrigens ſchlagen auch diejenigen, welche anfangs durch die euſtachiſche Röhre oder den processus mastoideus gehen, ſobald die mem- brana tympani angegriffen wird, zuletzt den Weg durch den äußeren Gehörgang ein. Was die Beſchaffenheit der Aus— flüſſe anbelangt, ſo bin ich der Anſicht, daß die Krankheit nicht nach der Verſchiedenheit der aus dem Ohre abgehen— den Materie claſſificirt werden ſollte, und ich billige daher auch nicht die gewöhnliche Unterſcheidung zwiſchen ſchleimiger und eiteriger Otorrhöe. Faſt alle nach acuter Entzündung eintretenden Ausflüſſe aus den Ohren ſind anfangs eiterför— mig, und werden ſpäter, wenn dieſelben den chroniſchen Character annehmen, ſchleimig. Rübrt dagegen die Otor— rhöe von chroniſcher Entzündung her, ſo daß ſie ſehr all— mälig eintritt, ſo iſt der Ausfluß zuerſt faſt immer ſchleimig oder ſchleimig-eiterig, während er ſpäter rein eiterförmig wird. Wenn wir einen Fall zuerſt ſehen und der Ausfluß zu dieſer Zeit gerade aus Eiter, Schleim, oder wäſſeriger Feuchtigkeit beſteht, ſo dürfen wir nicht der Natur des Ausfluſſes entſprechend ein beſonderes Heilverfahren anwenden, indem der Ausfluß binnen wenigen Tagen, entweder durch äußere oder innere Potenzen, ſeine Beſchaffenheit durchaus verändern dürfte. In allen gewöhnlichen Fällen wird der Ausfluß von der Schleimmembran des tym- panum oder der entarteten auskleidenden Haut des meatus gerade in derſelben Weiſe ſecernirt, wie bei der Bronchorrhöe oder bronchitis. Ulceration der ſecernirenden Oberfläche fin— det weder nothwendig, noch gewöhnlich Statt. Bekanntlich können aber die Schleimmembranen, auch ohne daß ſie eine mechaniſche Verletzung erlitten haben, jede Art von Materie vom Eiter bis zum gewöhnlichen Schleim ſecerniren. Der Zuſtand der membrana tympani und der Ohren- knöchelchen iſt bei Ausflüſſen aus dem Ohre jederzeit ein wichtiger Punet. Kramer war der Anſicht, die membrana tympani könne nur in Folge eines ſelbſtändigen Erkrankens derſelben vereitern, allein mir ſcheint dieſe Meinung keines— wegs ausgemacht wahr. In ſehr vielen Fällen erfolgt die Durchbohrung des Trommelfells lediglich durch Anſammlung von Eiter oder anderer Materie in der Paukenhöhle, ſo wie die Haut durch ein unter derſelben eiterndes Schwären auf— bricht. Bei der Otorrhöe kann das Trommelfell durch denſelben Grad der inneren Krankheit entweder durchbohrt oder ganz zerſtört werden. Die Membran kann, meinen Erfahrungen zufolge, ſelbſt nachdem große Portionen der— ſelben durch Ulceration verloren gegangen ſind, wieder ver— narben. Der Zuſtand der Membran übt nothwendig einen bedeutenden Einfluß auf die Gehörknöchelchen; denn wenn dieſelbe gänzlich geſtört iſt, ſo verlieren letztere die Unterſtützung, welche aus der Anheftung des Hammerſtiels entſpringt, daher können fie. im Verlaufe der Otorrhöe ſich von einander ab— löſen und durch den äußeren Gehörgang ausgeführt werden. Das Trommelfell kann gänzlich verſchwinden, der Hammer und Amboß von der Membran und dem Steigbügel abgelöſ't und dennoch in manchen Fällen dadurch keine größere Stö— 235 rung des Gehörs veranlaßt werden, als bei einfacher Otor— rhöe; allein der Verluſt des Steigbügels iſt bei deſſen Ver— bindung mit dem Labyrinth rückſichtlich des Gehörſinns von der größten Wichtigkeit und erzeugt in Bezug auf alle Töne, welche nicht durch mit den feſten Theilen des Kopfes in un— mittelbarer Berührung befindliche Körper erzeugt werden, vollſtändige Taubheit. Der Umſtand, daß das Hören mög— lich iſt, ſo lange der Steigbügel an Ort und Stelle bleibt, wirft auf eine ſchwierige Frage hinſichtlich der Phyſiologie des menſchlichen Ohres Licht. Man hat darüber geſtritten, ob die Membran der fenestra rotunda dazu beſtimmt ſei, den Schall zu dem Gehörnerven fortzupflanzen oder den Ge⸗ genſtoß der Schallwelle, nachdem dieſe mittelſt der Knöchel— chen und der Membran der fenestra ovalis nach dem Laby— rinth geſtrichen iſt, aufzunehmen. Wäre aber die membrana fenestrae rotundae nicht fähig, tönende Schwingungen, die von der Außenſeite des Labyrinths an dieſelbe gelangen, zu überliefern, fo könnte, wenn der Steigbügel an der fenestra ovalis ohne irgend eine Anheftung nach der äußeren Seite ſitz, kein Hören Statt finden, und zwar nach dem akuſtiſchen Geſetze, daß Schwingungen durch die Luft einem feſten Kör⸗ per wie der Steigbügel nur in höchſt unbedeutendem Grade mitgetheilt werden können. Daraus ſcheint unvermeidlich zu folgen, daß in dieſen Fällen nicht der Steigbügel, ſondern die geſunde Membran den Schall fortpflanzt. Betrachtet man den Steigbügel unter ſolchen Umſtänden lediglich als ein mechaniſches Schutzmittel der aquula, fo haben die Überreſte des Gehörorganes, welche in einer einfachen ſchwingenden Membran (der membrana fenestrae rotundae) beſtehen, die eine mit den Enden des Gehörnerven in Berührung befind— liche Flüffigkeit bedeckt, mit dem Gehörorgane mancher niedrig organiſirten Thiere die größte Ahnlichkeit. Andere Schriftſteller haben dieſe Krankheit als äußerſt gefährlich geſchildert und behauptet, ſie werde durch Aus⸗ dehnung auf das Gehirn ſehr leicht tödtlich. Hier zu Lande widerſpricht zum Glück die Erfahrung dieſer trüben Anſicht, indem ein ſolcher Ausgang faſt nur bei ſerophulöſen oder ſehr unregelmäßig lebenden Patienten vorkommt. Die Behandlung der inneren Otorrhöe muß weſentlich die nämliche ſein, wie die der äußeren Otorrhöe, und die hauptſächliche Rückſicht, welche hinzutritt, betrifft die Gefahr einer Reizung des Gehirns oder des Erkrankens dieſes Or— ganes durch Unterdrückung des Ausfluſſes. So oft in den inneren Theilen des Ohres Schmerzen eintreten oder das Einführen einer Sonde heftige Pein veranlaßt, müſſen wir durch Blutegel oder Schröpfköpfe hinter den Ohren eine örtliche Blutentziehung bewirken. Iſt der Ausfluß übermäßig ſtark oder übelriechend, jo kann man, wie bei otorrhoea externa, eine ſchwache Auflöſung von ſchwefelſaurem Zink einſpritzen; allein ſo lange man das Mittelohr irgend mit Arzneimitteln behandelt, kann man über dem processus mastoideus mit Vortheil einen Gegenreiz anwenden, um die Neigung der inneren Structuren zur Entzündung zu ver— mindern. Auch gelinde abführende Mittel find zu empfehlen. Über Nacht werden Breiumſchläge über das Ohr ſehr gut wirken. Bei Kindern reichen einfache Mittel oft hin, den 169. VIII. 15. 236 Ausfluß zum Stehen zu bringen und die Vernarbung der Membran zu begünſtigen; allein bei Erwachſenen oder wenn der Ausfluß eingewurzelt iſt, hält es ungemein ſchwer, den— ſelben zu beſeitigen. Wenn die innere Otorrhöe chronifch geworden und die membrana tympani bedeutend erkrankt iſt, fo befindet ſich der Patient, ſo lange der Ausfluß mäßig ſtark iſt und die tiefer liegenden Structuren des Ohres nicht angegriffen ſind, meinen Erfahrungen nach, in Betreff des Gehöres in einer ziemlich günſtigen Lage. Die adſtringirenden Mittel, mögen ſie nun den Ausfluß vermindern oder nicht, machen die Hart— hörigkeit ſtets ſchlimmer und veranlaſſen häufig unausgeſetztes Ohrenklingen. Selbſt wenn der Ausfluß von ſelbſt aufhört, was zuweilen geſchieht, iſt die Harthörigkeit immer ſtärker, als während er im Gange iſt. Dieſe Umſtände, ſo wie die Möglichkeit einer Gehirnentzündung und die Erfahrung, daß die meiſten Patienten ohne ſonſtige Gefahr für ihre Geſund— heit und ohne völlig taub zu werden, bis ans Ende ihres Lebens an Otorrhöe leiden können, müſſen uns beſtimmen, unſer Hauptaugenwerk auf den allgemeinen Geſundheitszuſtand des Patienten und die Erhaltung ſeines Gehörs in möglich gutem Stande, nicht aber auf die Unterdrückung des Aus⸗ fluſſes zu richten. Wenn der Geſundheitszuſtand gut bleibt und man gegen die Veranlaſſungsurſachen zur Verſtärkung des Gehörleidens auf ſeiner Hut iſt, ſo hat man von der Ausdehnung der Krankheit auf das Gehirn nicht leicht etwas zu befürchten. Allein mit fortſchreitendem Alter findet eine natürliche Hinneigung zur Unterdrückung von Ohrenausflüſſen aller Art Statt, und ſelten hat das freiwillige Verſchwinden derſelben gefährliche Folgen, obwohl dasſelbe keineswegs wünſchenswerth iſt, weil die Harthörigkeit dadurch geſteigert wird. Glücklicherweiſe beſitzen wir in der befeuchteten Baum— wolle jetzt ein Mittel gegen ſolche Fälle, und meiner Er— fahrung nach kann ich behaupten, daß bei geſchickter Anz wendung desſelben in den allermeiſten Fällen der Ausfluß bedeutend vermindert und doch das Gehör des Patienten ge— ſtärkt wird. In Bezug auf die Fälle, in denen mir dies Mittel gute Dienſte leiſtete, will ich nur bemerken, daß in allen das Trommelfell theilweiſe oder ganz verloren gegangen und mehr oder weniger ſtarke Otorrhöe vorhanden war, obwohl das letztere Symptom nicht ſchlechterdings exiſtiren muß. Wenn das Trommelfell durchbohrt und das Ohr vollkommen trocken iſt, fo kann man das Mittel mit beſonderem Vertrauen ans wenden. In welchem Grade kann nun aber das Gehör durch ein ſo einfaches Mittel verbeſſert werden? Behufs der genauen Erledigung dieſer Frage ſcheint es mir zweckmäßig, die Fälle zu claſſificiren, und zwar in ſolche, welche den dauernden Erfolg, und in ſolche, welche die augenblickliche Wirkung des Mittels erläutern. Rückſichtlich der Inſtrumente deren ich mich bediene, will ich kürzlich bemerken, daß zu denſelben eine kleine Zange mit ſchwacher Federkraft gehört, deren Blätter ſich folglich durch den geringſten Druck zuſammenſchließen laſſen. Auch müſſen 237 letztere ganz glatt und jo abgerundet fein, daß ſie, wenn ſie an einander ſchließen, als Sonde dienen können, Dieſe Zange dient zum Einbringen der feuchten Baumwolle in den Grund des Gehörgangs, und ſobäld dies geſchehen, wird das In— ſtrument von der Baumwolle abgelöſ't und herausgezogen. Dann kann man es als Sonde anwenden, um die Baum— wolle ſo zurecht zu legen, das das Hören ſo gut als möglich Statt finden kann. Übrigens bedient man ſich zum letzteren Zwecke noch paſſender einer ſilbernen Sonde, an deren einem Ende ein Knöpfchen, und an deren anderem Ende eine Schraube angebracht iſt, mit welcher letzteren man die Baum— wolle bequem berausziehen kann. Dieſe Inſtrumente ſind bei den Hrn. Weiß auf dem Strand, fo wie bei Hrn. Thom— pfon, Windmill-Street, Haymarket zu London ſtets zu finden. Noch will ich über die Einbringung der Baumwolle ei— nige Worte ſagen. Der Arzt muß das tympanum beſichti⸗ gen und ſich von der Art und Ausdehnung der Desorgani— ſation überzeugen. Dies kann mit Hülfe meines Ohrſpiegels geſchehen, von welchem im Septemberhefte 1839 des Lancet eine Beſchreibung mitgetheilt iſt und der ſich von anderen specula auris vorzüglich dadurch unterſcheidet, daß um Ende jedes Blattes auf der äußeren Seite eine ½ Zoll lange rauhe Oberfläche angebracht iſt. Dieſer rauhe Theil des Blattes legt ſich an den Gehörgang feſt an, ſo daß der Be— obachter dieſen ſowohl gerade ziehen, als erweitern kann und dadurch ein weit deutlicheres Sehen ermöglicht wird. Ein kleines Bäuſchchen feiner Baumwolle, deſſen Volumen ſich nach den Umſtänden richtet, wird mit Waſſer gründlich be— feuchtet, dann durch den Spiegel auf den Grund des Ge— hörgangs eingeführt und je nach der Stelle der Durchbohrung und den übrigen mit dem Fall in Verbindung ſtehenden Um— ſtänden, oben, unten, vorne oder hinten eingelegt. Übrigens darf nicht die ganze Offnung bedeckt ſein, indem ſonſt der Verſuch mißlingt. Auch muß die Baumwolle feucht erhalten werden. ’ Fälle. Erſter Fall. — D. 13. April 1845. Mi.. conſultirte mich wegen Harthörigkeit, welche, ihrer Ausſage nach, ſchon in ihrer Jugend durch eine Erkältung entſtanden war. Erbliche Anlage zu dem Übel war nicht vorhanden, und obgleich die Patientin etwas ſchwächlich, war ſie doch nie ernſtlich krank geweſen. Zu der Zeit, als ſie mich be— ſuchte, befand ſie ſich wohl, obgleich ſie ſehr nervenſchwach und reizbar war. Die Harthörigkeit war ſo bedeutend, daß ſie eine Uhr nur hören konnte, wenn ſie dieſelbe ans Ohr hielt, und ſelbſt das laute Picken des Metronoms vernahm fie nur undeutlich. Das tympanum war durchaus desorgani— ſirt; nirgend ließ ſich eine geſunde Stelle der Membran auf— finden, und ſeit dem Beginn der Krankheit hatte ein Aus— fluß aus dem Ohre Statt gefunden. Nachdem die Gehörgänge vorerſt von der darin ange— ſammelten ſchleimig-eiterigen Secretion gereinigt worden waren, ward das Baumwollenkügelchen eingeführt, und nach— dem dasſelbe gehörig angebracht worden, hörte die Patientin in einem fo bedeutenden Grade beſſer, daß ſie ganz erftaunt- war. Die ſie begleitende Dame unterhielt ſich mit ihr ohne 169. VIII. 15. 238 Schwierigkeit. Töne, welche fie früher nie gehört, wurden für ſie vernehmbar; allein uns, die wir fie beobachteten, fiel beſonders die Veränderung auf, welche in ihren Geſichts— zügen eintrat. In das nicht durch die Zeit, ſondern die von dem Gehörleiden erzeugte ängſtliche Spannung vor der Zeit alt gewordene Geſicht zog gleichſam eine neue Jugend ein. Die Baumwolle ward beſeitigt, und alsbald hörte die Patientin wieder ſo ſchlecht, wie vorher. Da der gute Er— folg des Mittels nun ausgemacht war, ſo rieth man ihr, ſich täglich einzufinden, damit ſie ſich ſelbſt behandeln lerne. Nach 3 Wochen hatte ſie dies vollkommen inne, worauf ſie ſich an die Seeküſte begab, von wo aus ich einen Brief von ihr erhielt, welcher folgende Stelle enthält: „Es freut mich Ihnen mitzutheilen, daß ich gegenwärtig die kleine tägliche Operation ganz ohne Schwierigkeit und Unbequemlichkeit vor— nehmen kann. Ich habe mein Gehör jetzt völlig in meiner Gewalt und fühle mich gleichſam in einer neuen Welt. Meine Schweſter und Verwandten halten mich für vollſtändig geheilt, da ich ſo gut höre, wie andere Perſonen. Die einzige Un— annehmlichkeit, welche ich gegenwärtig verſpüre, iſt, daß manche Töne mir zu gellend ſind, und daß manches Geräuſch, das mir früher ganz entging, mich ſtört.“ Im letzten Ja— nuar ſah ich dieſe Dame zu Bath, wo ſie gegenwärtig ver— heirathet lebt. Sie befand ſich noch im Genuſſe ſämmtlicher Vortheile des Mittels. Zweiter Fall. — Miß J. J., 28 Jahre alt, iſt ſeit ihrer Kindheit harthörig geweſen und erinnert ſich der früheren Umſtände ihres Leidens nicht. Sie glaubt vor vielen Jahren an einem geringen Ausfluſſe aus dem Ohre gelitten zu haben; allein während der letzten 3 Jahre iſt dieſes Sym— ptom fortwährend vorhanden geweſen. Sie hat beobachtet, daß, wenn der Ausfluß am ſtärkſten iſt, ſie am beſten hört. Zuweilen, namentlich nach Erkältungen, verſpürt ſie etwas Ohrenſchmerz. Vor etwa 4 Jahren trat eine bedeutende Verſchlimmerung der Harthörigkeit ein, und damals zog ſie mich zum erſten Male zu Rathe. Ich richtete meine Be— handlung vorzüglich auf den Zuſtand ihres Halſes, der ſich bedeutend beſſerte. Im letzten April confultirte fie mich aber— mals, und ich fand alsdann, daß ſich ihre Ohren in einer meiner neuen Behandlung günſtigen Verfaſſung befanden. Das Trommelfell war auf beiden Seiten faſt vollſtändig ver— ſchwunden. Die feuchte Baumwolle wirkte ſogleich günſtig, und als man das Mittel einen Tag ausſetzte, war die Hart- hörigkeit wieder im früheren Grade vorhanden. Heute am 26. April trat die Patientin ohne Baumwolle in den Ohren ins Zimmer (ich hatte die Subſtanz ohne der Patientin Vor— wiſſen weggelaſſen) und ſagte mir verdrüßlich, ſie ſei ſo harthörig, wie vorher. Ich brachte das Metronom in Gang und bat ſie, die Stärke der Schläge genau wahrzunehmen. In der Entfernung von 4 Schritten hörte ſie dieſelben, aber nicht das Glöckchen, welches den Anfang eines neuen Tacres anzeigt. Sie ging dicht an das Inſtrument und konnte das Glöckchen nicht hören. Nun wurde Baumwolle in das rechte Ohr eingeführt, und alsbald hörte ſie das Glöckchen ſo deut— lich, wie vorher den Schlag. Sie hört jetzt, ohne daß ich meine Stimme verſtärke, jedes Wort, das ich ſpreche. 1 N] — Am 25. Juli ſah ich die Patientin wieder und fand zu meiner Freude, das ſie das Mittel noch immer und mit ſtets zunehmendem Erfolge anwende. Dritter Fall. — Das Subject dieſes Falles iſt die Haushälterin einer auf Glouceſter-Place wohnenden Familie und hat mein Mittel nunmehr ſeit 3 Jahren mit demſelben guten Erfolge angewandt. Auf meine Veranlaſſung hat ſie im letzten Februar ihre Erfahrungen niedergeſchrieben, und zwar wie folgt: „Es ſind nunmehr drei Jahre, daß ich das akuſti— ſche Inſtitut oder die Gehör-Heilanſtalt in Sackville-Street zum erſten Male beſuchte. Meine Harthörigkeit wurde, als ich erſt zwei Jahre alt war, durch das Scharlachfieber ver— anlaßt. Gegenwärtig bin ich 36 Jahre alt. Auf dem linken Ohre hörte ich eine Zeit lang wieder gut, allein ich verlor das Gehör ſpäter wieder, und zwar in dem Grade, daß ich kein Wort verſtehen konnte. Ich zog einen Arzt zu Rathe, und da dieſer mir ſagte, die Trommelfelle ſeien zerſtört, ſo gab ich natürlich alle Hoffnung auf, bis man mir rieth, Hrn. Mears ley zu conſultiren. Dieſer ſagte mir beim erſten Beſuche, er glaube mir helfen zu können. Er wandte ſein neues Mittel an, und ich verſpürte alsbald einen großen Unterſchied. Als ich nach Hauſe ging, machte mich das Geräuſch auf den Straßen ganz verwirrt. Auf dem Hinwege hatte ich die Wagen nur leiſe raſſeln hören; auf dem Rückwege hörte ich den Tritt der Fußgänger und was die Leute im Vorbeigehen redeten. Ich lebe nun weit angenehmer, da man ganz bequem mit mir reden kann, wäh— rend ich ſonſt ſelten ein Wort verſtand.“ Noch will ich eines Falles gedenken, welcher ſich auf die unmittelbare Wirkung des Mittels bezieht. Am 9. Juni beſuchte mich Hr. M. in Geſellſchaft des Chirurgen Hrn. Maskelyne von Farringdon. Er war ſeit 20 Jahren auf dem linken Ohre faſt völlig taub ge— weſen, und ſeit zwei Jahren war auch das rechte Ohr in bedenklichem Grade angegriffen worden. Er conſultirte mich wegen des rechten Ohres, da er es für ganz unmöglich hielt, etwas für das linke zu thun. Die Congeſtion der Schleim— haut des Rachens, welche ſich unſtreitig über diejenige des rechten Ohres erſtreckte, reichte großentheils hin, das Leiden des Gehörs auf dieſer Seite zu erklären. In dem linken Ohre war jedoch das Trommelfell ſchon lange zerſtört und 169. VIII. 15. 240 Otorrhöe vorhanden. Das letztere Ohr behandelte ich zuerſt. Ich fand, das der Schall der Worte auf demſelben aller— dings noch gehört wurde, der Kranke aber nur mit Hülfe des Geſichts im Stande war, deren Articulation zu ermitteln. Den lauten Schlag des Metronoms hörte er gar nicht. Als Baumwolle in das Ohr gelegt worden, hörte er alsbald das Glöckchen, und Hr. Maskelyne und ich konnten mit ihm ohne Schwierigkeit ſprechen. Man las ihm vom anderen Ende des Zimmers aus vor, und er verſtand das Geleſene deutlich. Die Baumwolle ward beſeitigt, und alsbald war Hr. M. ſo harthörig, wie vorher. Später hat er das Mittel mit ſehr gutem Erfolg ohne fremde Beihülfe anzuwenden gelernt. \ In obigem glaube ich die Wirkſamkeit meines neuen Mittels genügend dargethan zu haben, und in meinem näch— ſten Artikel, der von der künſtlichen Durchbohrung des Trommelfells handeln wird, werde ich Gelegenheit haben, noch mehr darüber zu ſagen. (The Lancet, Aug. 1848.) Miſcelle. (24) Auf den Mundhöhlenkatarrh macht Prof. Pfeu⸗ fer im neuſten Hefte (VII. Bd. II. Heft) der Zeitſchrift für ratio: nelle Mediein beſonders deswegen aufmerkſam, um ſich dabei gegen den ziemlich allgemeinen Irrthum auszuſprechen, als ſehe man an der Zunge den Zuſtand der Magenſchleimhaut. Gaſtricismus und belegte Zunge find für viele faſt gleich bedeutende Begriffe. Be— legte Zunge iſt für viele ohne weiteres Indication von Brech- und Abführmitteln, beides mit eben ſo viel Unrecht als die Anſicht, reine Zunge beweiſe, daß der Magen von Krankheit frei ſei. Bei Magenkrebs, gutartigem Magengeſchwür, chroniſcher Magenentzün⸗ dung iſt die Zunge rein, der Appetit oft gut, die Folge jeden Ge— nuſſes von Speiſe hoͤchſt läſtig. Bei eigentlichen Gaftricismen, wobei nach dem Eſſen Magendrücken, Übelkeit, Auftreibung 4—6 Stunden lang anhalten, die Zunge aber rein iſt, hilft ein Brech— mittel ſogleich. — Dagegen giebt es dick belegte Zungen und Ap— petitloſigkeit, wobei das erſte doch keine Beſchwerde macht, dies iſt der falſche Gaſtrieismus, eigentlich ein Katarrh der Mundhöhle, in Folge von Gemüthsbewegungen oder örtlichen Reizen in der Mundhöhle. Hier genügt Ausſpülen mit kaltem Waſſer (am be⸗ ſten, wenn etwas Eſſig zugeſetzt iſt. R. F.), Beſeitigung des lo— calen Reizes. Pfeufer empfiehlt ein Mundwaſſer aus 1—2 Grau Sublimat auf 1 Pfund Wafler, f Bibliographiſche Neuigkeiten. Annuaire de chimie comprenant les applications de cette science à la médeeine et à la pharmacie, ou Repertoire des decouvertes et des nouveaux travaux en chimie faits dans les diverses parties de Europe; par E. Millon et J Heise, avec la collaboration de M. J. Nickles. In 8° de 34 feuilles . Paris 1848 chez J. B. Bailliöre. Prix 7 fr. 50 ct. Conseil de salubrite du departement des Bouches du Rhüne. Compte-rendu des travaux, présente au eitoyen prefet de la republique frangaise, dans le departement des Bonches-du-Rhöne; par Marius Raug, membre et se- eretaire du conseil de salubrite. Aoüt 1848 à juin 1848. In 8° de 15 feuil- les. Marsellle 1848. i Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 170. (Nr. 16. des VIII. Bandes.) Januar 1849. Planchon, über die Familie der Droferaceen. — Meyer, Mannafall in Lithauen. Naturkunde. ber elatior. Blutkörperchen der Lepidoſiren. Miſcellen. Leighton, Unterſcheidungsmerkmale von Primula vulgaris 2 L 1 u a T veris und — Heilkunde. Ridge, längere Zurückhaltung eines todten Eies im ute- rus ohne Fäulniß. — ‚Graigie, über die Arctation oder Obliteration der Bronchenröhren. — Armſtrong, Abzapfung eines Waſſerkopfes. — Miſcellen. Vergiftung durch unreines Calomel. Morgan, Wiedereinrichtung des verenkten humerus. — Bibliographie. Naturkunde. XXXVI. Über die Familie der Droſeraceen. Von J. E. Planchon. Die Droſeraceen ſind meiſtens ausdauernde Kräuter, deren Blätter entweder eine Wurzelroſette bilden, oder ge— drängt um einen verkürzten Stengel oder endlich zerſtreut um einen ſchlanken gebogenen Stengel ſtehen. Nur zwei Arten (Roridula und Drosophyllum) enthalten niedrige Sträu— cher. Die Blätter der Droſeraceen zeigen mit ſehr wenigen Ausnahmen die den Farnkräutern eigenthümliche krumm— ſtabartig aufgerollte Knoſpenlage, ein Charakter, der ver— ſchiedenartig modifteirt in Verbindung mit den faſt überall vorkommenden Drüſenhaaren die Gruppe beſſer als alle üb— rigen Merkmale bezeichnet. Schon Linné vereinigte die verſchiedenen Gattungen, ſeinen eigenen Grundſätzen un— treu werdend, nach dem Habitus und auch Juſſieu's Familie der Droſeraceen vereinigt Pflanzen von den übri— gens verſchiedenartigſten Charakteren. Die Mehrzahl der ihr angehörenden Pflanzen beſitzt z. B. einen einfächerigen Fruchtknoten mit wandſtändigen vielſamigen Samenträgern; dagegen hat Drosophyllum und Dionaea gleich den Portu— laceen, grundſtändige Samen; Byblis hat eine Capſel mit zwei unvollſtändigen Fächern und achſenſtändige Samenträ— ger wie Cheiranthera (ein Genus der Pittoſporeen), und Roridula endlich beſitzt eine dreifächrige und dreiſamige Cap— ſel, wo jeder Same im innern Winkel ſeines Faches be— feſtigt iſt. Der Bau des Staubweges und der Narbe ift nicht minder verſchiedenartig. Selbſt der Embryo, der bei Drosera, Drosophyllum und Dionaea zum größten Theil aus dem Würzelchen beſteht und nur mit dem Ende ſeines ab— geſtutzten Samenlappens das Sameneiweiß berührt, iſt bei Roridula und Byblis cplindriſch und rings von Sameneiweiß umgeben. Selbſt unter den Drosera-Arten beſitzen die einen No. 2150. — 1050. — 170. Stipeln, die den andern gänzlich fehlen; bei Drosera uni- flora und einer unbeſtimmten Drosera-Art (von der Inſel Auckland) ſind die Staubfäden ſogar im Widerſpruch mit allen übrigen perigyniſch. Es bleibt demnach, wenn man die aestivatio imbricata des Kelches, die freien Blumenblät— ter und Staubfäden von unbeſtimmter Zahl, den einfachen freien Fruchtknoten und den eiweißhaltigen Samen abrech— net, außer der Ahnlichkeit des Habitus für die Gattungen der Droſeraceen kein allen gemeinſames Merkmal als die aufgerollte Blätterlage, von der nur Dionaea und Aldro- vanda eine Ausnahme machen; dieſe iſt aber mit der eigen— thümlichen Bekleidung weicher mit einem Tröpfchen kle— briger Flüſſigkeit endigender Haare, die unſerer Drosera faſt in allen europäiſchen Sprachen den Namen Sonnenthau vers lieh, für die Droſeraceen durchaus charakteriſtiſch. Die Blätter der Droſeraceen wirken bald durch die ſchleimige Abſonderung ihrer Haare, bald durch das mehr oder minder ſchnelle Spiel ihrer Wimper oder des ganzen Randes, bald durch beide Urſachen als lebendige Fallen für kleine fliegende Thiere; ihre Geſtalt iſt wunderbarer Weiſe den Molluſken und Zoophyten ſehr ähnlich. Die Drosera zonaria entfaltet ihre ſaftige Blattroſette auf Auſtraliens dürrem Sande; fie gleicht in ihrer Blattform den Zonarien⸗ büſcheln, die das Meer ans Ufer treibt; die Drosera binata entrollt ihre langen ein oder zwei Mal gabelig getheilten Blätter, gewiſſen Fucus- Arten ähnlich; andere und zwar ſämmtlich auſtraliſche Arten, tragen längs dünnen glänzen— den Stengeln, die den Aſten gewiſſer Georginen gleichen, ſcheibenförmige concade Blätter, deren ſtrahlenförmig aus— gebreiteter Wimperrand ſich, ſobald ein Inſeet das Blatt berührt, um ſelbiges wie die Arme eines Polypen zuſammen⸗ legt. Die prächtigſte aller Droferaceen, die Roridula gor- gonias trägt am Ende ihrer holzigen Zweige Blätterbüſchel, 16 243 die fich gleich eben fo viel Schlangen winden und ſowohl durch ihre Geſtalt als durch die ſitzenden Drüſen, welche ſie bedecken, an die Arme des Nautilus mit einziehbaren Drüſen erinnern. Endlich iſt noch die Ahnlichkeit der Blätter von Dionaea mit einer zweiſchaligen Muſchel und ihr Zuſammen— ſchlagen bei der leiſeſten Berührung hinreichend bekannt. Die Droſeraceen find demnach durch ihre Blatter das, was die Orchideen durch ihre Blüthen ſind; beide ahmen die Formen des Thierreiches nach. Die Reizbarkeit der Blätter ſcheint nach den Arten und den äußern Verhältniſſen, in denen die Pflanze lebt, ſtärker oder ſchwächer zu ſein. So hält man unſere europäiſche Drosera für ſo wenig reizbar, daß man die von ihr gefan— genen Inſecten nur der Klebrigkeit ihrer Blätter zuſchreibt, während ſich nach Roths Beobachtung die Blätter der Drosera rotundifolia bei warmem heiterem Wetter wirklich um den ſie berührenden Körper zuſammenlegen, ſobald aber der Reiz aufhört, in ihre frühere Lage zurückkehren. Die au— ſtraliſche Drosera pallida ſoll ihre Blätter mit großer Schnel— ligkeit zuſammenlegen; dasſelbe gilt von der Dionaea, deren Blätter nicht klebrig find. Andere Drosera- Arten, desglei— chen Byblis, Drosophyllum und Roridula gorgonias, deren Blätter pfriemen- oder ſchwertförmig ſind, fangen die In— fecten vielleicht nur durch ihre Klebrigkeit; es wäre ſehr wünſchenswerth geweſen, daß Reiſende dieſen Punkt genauer erforſcht hätten. Auch die untergetauchten drüſenloſen Blät— ter der Aldrovanda würden für dieſen Punkt Beachtung verdienen, ihr Verhalten könnte vielleicht eben ſo merkwür— dig ſein als ihr Bau eigenthümlich iſt. Die aufgerollte Knoſpenlage der Blätter der meiſten Droſeraceen zeigt ſich auch an den oberen Blättern der Pinguicula heterophylla Benth., ein Zuſammentreffen, welches mehr wie irgend ein anderes an die Verwandtſchaft der Droſeraceen und Utricularieen erinnert. Beide Gattungen wachſen überdies auf Torf- und dürrem Sandboden; und beide, ſowohl die ſaftigen Blätter der Drosera wie Pingui- cula werden von den Lappländern zum Coaguliren der Milch benutzt. Pinguicula elongata Benth. von Purdie auf den Anden von Neu-Granada geſammelt, beſitzt die linienför— migen Blätter der Drosera graminifolia. Die Ahnlichkeit der Genlisea mit Rossolis iſt ſchon von A. de Saint Hi— laire nachgewieſen; endlich wiederholt ſich auch die eigen— thümliche Blattform der Aldrovanda in den ſchwimmenden Blättern der Utricularia stellaris. Der Verf. will damit aber keineswegs die directe Ahnlichkeit beider Familien be— haupten, vielmehr nur eine Analogie in den Vegetations— organen nachweiſen, die nicht vom Blüthencharakter, der ge— wöhnlich die natürliche Verwandtſchaft beſtimmt, abhängig iſt. Eine vom Verf. beobachtete Monſtroſität von Drosera intermedia ſpricht, wie er glaubt, für die Stellung der wandſtändigen Samenträger an den Rändern der Carpell—- blätter. Der normale Blüthenbau der genannten Pflanze iſt folgender: ein tief eingeſchnittener fünftheiliger Kelch, fünf mit den Kelchabſchnitten alternirende Blumenblätter, eben ſo viele mit letztern abwechſelnde Staubfäden, ein läng— licher einfächriger Fruchtknoten mit drei ſeitlichen vielſamigen 170. VIII. 16. 244 Samenträgern und drei zweitheiligen Narben, deren etwas erweitertes Ende die Stigmapapillen trägt. Der erſte Grad der Monſtroſität dieſer Blüthen zeigte ſich in der ungewöhn— lichen Verlängerung des Fruchtknotens, der keulenförmig weit über die Blumenblätter hinausragte, vollkommen ge— ſchloſſen und mit ſeinen Narben gekrönt war. Der ſchon nach außen veränderte Fruchtknoten zeigt in ſeinem Innern noch bedeutendere Abweichungen; ſtatt der Samenknoſpen waren an den Stellen, wo man eine Verwachſung der Car— pellblätter mit einander annehmen konnte, wunderlich ge— formte Körperchen befeſtigt; der untere engere Theil des Fruchtknotens, der, wie der Verf. glaubt, aus den verwach— ſenen Blattſtielen entſtanden ſein konnte, trug ſelbige nicht. Jeder dieſer Körper beſtand aus einem kurzen geſtielten Körperchen, deſſen Rand ſich in drei bis vier Arme oder cylindriſche Fäden, die mit einer länglichen Anſchwellung endigten, verlängerte. Die Höhlung des Becherchens war nicht immer deutlich, in dieſem Falle konnte man letzteres für eine Anſchwellung durch die Vereinigung der drei oder vier Arme entſtanden halten. Das Ausſehen dieſer Arme und deren Endanſchwellung erinnerte ſogleich an die weichen Drüſenhaare der Pflanze ſelbſt, man konnte dieſelben auch dreiſt als ſolche, die vorzugsweiſe den Rand des Blattes zieren, betrachten; andererſeits glaubte der Verf. in ihnen einen beſondern Zuſtand der Samenknoſpen zu erkennen, indem er das Becherchen als Blattſcheibe, feinen Stiel als Blattſtiel und die Arme desſelben als die Randwimpern des Blattes auslegt. In der Höhlung des Becherchens fand ſich hin und wieder ein länglicher Kern, der die Stelle des nu- cleus einnahm. Referent bedauert, daß man die Entwick— lungsgeſchichte dieſer abnormen Samenknoſpen nicht kennt. Es zeigen ſich außerdem Zwiſchenformen vom beſchrie— benen Zuftande der Samenknoſpen bis zum einfachen Drü— ſenhaar; dieſer Übergang zeigt ſich da, wo die Blüthe ſelbſt mehr dem Zuſtande einer Blattknoſpe entſpricht, am Deuts lichſten; die Samenknoſpen nehmen auch hier an der rück— ſchreitenden Metamorphoſe der übrigen Blüthenorgane Theil; in einem ſolchen geſchloſſenen, aber noch mehr aufgeblaſenen Frucht— knoten iſt faſt die ganze innere Fläche mit den genannten Körperchen, die zum Theil ihre vorhin beſchriebene Geſtalt bewahren, zum Theil aber nur zweitheilig geworden ſind, einzelne ſogar nur einen ungetheilten Faden bilden, beklei— det. Wo endlich nur die Seitenwände des unteren Theils der Carpellblätter verwachſen find, zeigt die innere und obere Fläche nur noch Drüſenhaare, die denen der Wurzel: blätter gleich kommen. Die Spitze eines jeden Carpell⸗ blattes wird hier von zwei längeren und ſtärkeren Wimpern, wie diejenigen, welche den Rand bekleiden, überragt; letz— tere repräſentiren die Staubwege, ſelbige ſcheinen hier als Terminalhaare, die Samenknoſpen als Randhaare der Car: pellblätter entwickelt zu ſein. Der Verf. ſieht in dieſen Monftrofitäten eine Beſtätigung der von Rob. Brown, Decandolle, 8. o. Mohl und Ad. Brongniart ausgeſprochenen Anſicht, daß auch der Blattrand der Gare pellblätter ſelbſt ohne das Hinzukommen eines Achſen— organs Samenknoſpen bilden könne. 245 Dem Verf. wurden von einem Freunde, deſſen Urtheil ihm gewichtig ſcheint, verſchiedene Einwendungen gegen die von ihm aus dieſen Monſtroſitäten gezogenen Schlüſſe ge— macht; er giebt deshalb in einer Anmerkung eine nähere Beſchreibung der einzelnen metamorphoſirten Samenknoſpen, die Referent für zu wichtig hält, um fie übergehen zu dür— fen. Es handelt ſich hier um metamorphoſirte Samen— knoſpen, die in einem geſchloſſenen Fruchtknoten in der Mitte der Klappe, d. h. da ſaßen, wo die beiden Hälften zweier Carpellarblätter mit einander verwachſen waren. (Ob der Verf. über dieſen Punkt, den nur die Entwicklungsgeſchichte entſcheiden kann, hinreichend geſichert iſt, muß Ref. als frag— lich hinſtellen). An dieſer Gegend der Klappe fanden ſich nun alle einzelnen Stufen von einfachen vierarmigen Becher— chen bis zur entwickelten Samenknoſpe. In den meiſten Fruchtknoten fanden ſich, zwiſchen ungetheilten Drüſenhaa— ren zerſtreut, geſtielte Becherchen, die als kleines ſchildförmi— ges Blatt das äußere Integument einer orthotropen Samen— knoſpe zeigten; ein Längsſchnitt durch ein ſolches Becherchen zeigte von dieſem äußern Integument umſchloſſen die innere Knoſpenhülle, beide trugen an ihrem Rande etwa vier Drü⸗ ſenhaare. Sämmtliche Übergänge dieſer orthotropen meta— morphoſirten Samenknoſpe zur homotropen Richtung waren vorhanden. Andere näherten ſich dagegen mehr dem Blatt- charakter: ſo fand der Verf. vier Drüſenhaare in einer ge— ſtielten fleiſchigen Anſchwellung vereinigt, deren Spitze eine Knoſpe von drei kleinen Blättern trug. In einem andern Falle waren dieſe Blättchen (vier an der Zahl) ſchon mehr entwickelt, die Anſchwellung, aus der ſie hervorgingen, da— gegen kaum an dem Stiele, der ſelbige trug, zu unterſchei⸗ den, aus ihr hatten ſich drei Drüſenhaare entwickelt. Hier waren demnach die Blattrudimente auf Unkoſten des Be— cherchens und ſeiner Drüſenhaare reichlicher entwickelt wor— den. In noch andern Fällen ward das Becherchen zum ſchildförmigen ausgehöhlten Blatte; aus der Mitte feiner Blattfläche erhob ſich das erwähnte Blattknöſpchen. Außer: dem kamen noch Zuſtände vor, wo das äußere Integument normal entwickelt war, an ſeinen Knoſpenmunde aber ein klei— nes, häutiges, ſitzendes Blättchen trug, die ganze Samen— knoſpe dadurch genau das Anſehen der Blatturne von Ne- penthes erhielt. Der Verf. hält hier den unteren als In⸗ tegumente entwickelten Theil für den Blattſtiel, der an ſei⸗ nen beiden Rändern zuſammengewachſen, einen hohlen Sack bildete, den deckelartigen Theil aber für die Blattſcheibe. Durch die eigenthümlichen bei Dionaea und ſogar bei einigen Dro- sera-Arten vorkommenden Ausbreitungen des Blattſtiels wird ihm dieſe Anſicht noch wahrſcheinlicher. Ein Längsdurch— ſchnitt dieſer orthotropen Samenknoſpe zeigte im Innern der— ſelben auf einem kleinen Stiele drei Blattrudimente. Die randſtändigen Samenträger entfernen nach des Verf. Anſicht die Drosera weit von der Parnassia, die von vielen Schriftſtellern noch zu den Droſeraceen gezählt wird. Bei Parnassia hat man mit Recht die Samenträger als an den Mittelnerven jedes Carpellarblattes befeſtigt angenommen; eine Stellung, die auch nach Salisbury, A. Saint: Hilaire und Rob. Brown bei großen Mesembryanthe- 170. VIII. 16. 246 mum-Arten, bei Vasconcellea, den Réaumurieen, den Pu- nica-, den Pternandra- und Lepuropetalon- Arten vorkom— men ſoll; letztere Gattung hält der Verf. überhaupt für der Parnassia nahe verwandt, welche nach ihm unter die Saris frageen und zwar in die Abtheilung Hirculus gehört. Durch die ſchon oben erwähnte merkwürdige Verſchie— denheit in den Charakteren ſtehen von den ſechs Gattungen der Droſeraceen drei derſelben ganz vereinzelt da: Roridula wird durch die dreifächrige und dreiſamige Frucht, Byblis durch ihre nach Innen ſich öffnenden Antheren und Aldro- vanda durch ihren Standort und ihre wirtelſtändigen Blät— ter von allen übrigen geſchieden. Man könnte demnach glauben, daß dieſe Genera andern Familien näher ſtänden, aber auch dies iſt nicht der Fall; zwar nähert ſich Drosera, Drosophyllum und Dionaea den Calandrinia- und Talinum- Arten (zu den Portulaceen gehörig) und eben jo den Ré— aumurieen und Tamariſeineen, zwar erinnern die bisweilen ungleichen nach innen gerichteten ()) und bisweilen mit Lö— chern aufſpringenden Staubfäden der Byblis an Cheiranthera (zu den Pittoſporeen gehörig); dies ſind aber auch die ein— zigen begründeten Verwandtſchaften. Die Roridula gorgo- nias erinnert außerdem durch ihr Wachsthum an die Luxemburgia, ſcheint auch im allgemeinen den Sausageſieen, von denen Luxemburgia kaum zu trennen iſt, nahe zu ſtehen. Die folgende Verwandtſchaftstabelle zeigt deshalb mehr noch auszufüllende Lücken als ausgemachte Thatſachen. Die geſperrt gedruckten Namen bezeichnen die Genera der Fa— milie der Droſeraceen, die kleiner gedruckten Namen die ih— nen verwandten Familien oder Gattungen; die punctirten Linien deuten auf eine directe Verwandtſchaft, die neben ge— ſtellten Namen dagegen auf gegenſeitige Ahnlichkeit. Cisteae See e eee ee Roridula Cheiranthera (Pitta- Byblis ...... sporeae) Pigea (Violarieae) Reaumurieae ..... Tamariscineae ... { Drosophyllum ...... Drosera .... Portulaceae....... Turneraceae Garyophylleae. „ne eneeaer nn Linneae .... Dionaea Aldrovanda Die Gattung Drosera allein enthält ſehr verſchiedene Organiſationstypen, die in taufend andern Fällen zur Bil: dung eigener Genera zwingen würden; hier aber, wo die auffallendſten Verſchiedenheiten jo allmälig in einander über- gehen, dennoch keine ſcharfe Trennung erlauben. Die fol— genden vom Verf. gewählten Abtheilungen ſind das Reſul⸗ tat ſorgfältiger Unterſuchungen und reiflicher Überlegungen, die von ihm gewählten Gruppen find, wie er glaubt, durch— aus natürlich. Wir begnügen uns, hier die Namen der Unterabthei— lungen und die typiſchen Species, wie die Zahl der Arten aufzuzeichnen, da eine ausführliche Mittheilung der Charak— tere ſelbſt den Raum dieſer Blätter überſchreiten würde. Der Verf. theilt die Gattung Drosera in folgende 13 Unterabtheilungen: 18 * x 247 Sect. I. Psychophila. D. uniflora Nd. (mit 2 Arten.) Sect. II. Arcturia. Species.) Sect. III. Thelocalyx. (mit 2 Species.) Sect. IV. Rossolis. Spec. typ. D. maritima, D. rotundifolia, D. spiralis (mit 29 Species.) Seet. V. Cripterisma. Spec. typ. (nur 1 Art.) Sect. VI. Ptyenostigma. Spec. typ. flora Banks (mit 4 Arten.) Sect. VII. Arachnopus. Spec. typ. D. Indica L. (mit 3 Arten.) Sect. VIII. Phycopsis. Spec. typ. D. binata Lab. (nur eine Art.) Sect. IX. Coelophylla. Spec. typ. D. glandulifera Lehm. (nur eine Art.) Spec. X. Lamprolepis. Spec. typ. D. platystigma Lehm., D. pulchella Lehm. (mit 9 Arten.) Spec. XI. Bryastrum. Spec. typ. D.pygmaea Dec. (nur eine Art.) Spec. XII. Lasiocephala. Spec. typ. D. petiolaris Dec. (mit 3 Arten.) D. Banksii Dec. (mit 30 Arten.) Spec. XIII. Ergallium Dec. Series A. Scutelliferae. Spec. typ. D. Menziezii R. Brown. D. macrantha Endl. Series B. Luniferae. Buchan. Series C. Erythrorhizae. Subseries I. Stoloniferae. Spec. typ. D. stolonifera Endl., D. ramellosa Lehm. Subseries II. Rosulatae. Spec. typ. D. bulbosa Hook. Nur die Pflanzen der letzten dieſer 13 Abtheilungen beſitzen wahre unterirdiſche Knollen, ihr Vorkommen iſt hier ſo innig an die übrigen weſentlichen Charaktere geknüpft, daß der Verf. beinahe verſucht ward, die Drosera-Arten in zwei große Gruppen, die eine mit Faſerwurzeln, die andere mit Knollen zu theilen; da jedoch die Abtheilung Phycopsis die Blüthencharaktere und den Blüthenſtand der Ergallium- Arten mit der Art des Wachsthums, der Stipeln und Fa— ſernwurzeln der Rossolis vereinigt, ſchien ihm eine ſolche Trennung, die ohnehin zur beſſeren Bezeichnung jeder Ab— theilung wenig beitrug, dagegen die Ergallium-Arten weiter als naturgemäß von den übrigen Drosera - Arten entfernte, nicht zweckmäßig zu ſein. Ohne deshalb über den Werth des aus der Wurzel gezogenen Charakters entſcheiden zu wol— len, hielt der Verf. es jedenfalls für zweckmäßig, den Bau der beiden typiſch verſchiedenen Wurzeln zu unterſuchen: für die Faſerwurzel wählte er Drosera rotundifoha, für die Knollenwurzel Drosera gracilis. Der unterirdiſche Stamm einer einjährigen Pflanze von Drosera rotundifolia beſteht aus einem kurzen Cylinder, der nach oben mit einer Blätterroſette endigt, nach unten aber eine dünne nahe ihrer Baſis in mehrere wenig verzweigte Faſern getheilte Wurzel bildet. Ein Jahr ſpäter unterſuchte der Verf. denſelben Stamm, deſſen vorjährige Blätter ver— gangen waren und deſſen neue Blätterkrone dem Terminal— triebe des zweiten Jahres angehörte; die alte Wurzel war noch vorhanden. Noch ein Jahr ſpäter war letztere ver— ſchwunden, nur ein Stengel oder aufrechtes Rhizom war noch vorhanden, zwiſchen den Blattüberreſten des zweiten und dritten Jahres traten ſeitlich einige Wurzelfaſern hervor. Die ganze Wurzel entſprach jetzt einer Radix praemorsa; Spec. typica. Spec. typ. D. Arcturi Hook. (die einzige Spec. typ. D. sessilifolia, D. Burmanni D. hilaris Cham. et Schl. D. cistiflora L., D. pauci- Spec. typ. D. peltata Lm., D. lunata D. erythrorhiza Lindi. 170. VIII. 16. 248 dasſelbe ſcheint der Faſerwurzel anderer Drosera -Arten zu gelten. Die Wurzelfaſern ſelbſt ſind mit einem dichten Haar— überzug, einer Art von ſchwammigem Filz, der für die Ab— ſorption von Flüſſigkeiten ſehr geeignet iſt, bekleidet. Die Blätter dieſer Arten ſind beinahe alle von gleicher Geſtalt, ihr Rand abortirt niemals. Unterſucht man dagegen den untern Theil der Drosera gracilis Hooker zur Zeit ihres erſten Blühens, fo ſieht man den oberirdiſchen ſchlanken, mit zerſtreuten Blättern und einer endſtändigen Blüthentraube geſchmückten Stamm aus einer unterirdiſchen Knolle hervorgehen, die aus ihrem Hals— theile einige Wurzelfaſern treibt, deren Oberhaut, ſchon welk geworden, eine unebene trockne Fläche zeigt. Die fleiſchige Maſſe der Knolle ſelbſt iſt zu dieſer Zeit ſchon zur Ernäh— rung verbraucht worden und nur die Oberhaut derſelben zurückgeblieben; an der Stelle, wo die etwas angeſchwollene Baſis des Stammes ſich mit der Knolle vereinigt, erſcheint eine Art eylindriſcher Faſer, die ſich ſchief von oben nach unten richtet und mit einer zweiten Knolle endigt. Die Ge— ftalt dieſer letzteren gleicht der erſteren Knolle; ſie iſt indes viel kleiner, ihre Oberhaut iſt glatt und krautartig, ſie um— hüllt ein feſtes ſaftiges Gewebe. Das Stielchen, welches ſie trägt, iſt mit einigen häutigen Scheiden, die aus ſeiner Baſis entſpringen und dort ſchiefe Falten bilden, bekleidet; dieſe Blattſcheiden find dem Verf. ein Beweis für die ächte Zweignatur des Stielchens, deſſen Endanſchwellung die junge Knolle bildet. Über der letzteren erblickt man an der Seite, wo ſie am Stielchen befeſtigt iſt, eine leichte Erhöhung, die ſich beim Längsſchnitt als Knoſpe kund thut und das Ru— diment des im künftigen Jahre blühenden Stengels vorſtellt. Die Entwicklung dieſer Knollen entſpricht ſomit der Knollen⸗ bildung vieler europäiſchen Orchideen. Bei Drosera gracilis ſchien es zuweilen, als ob ſich die Knollen in dem Maße als ſie fortwachſen, tiefer in den Boden ſenkten; ein ſol— ches Fortſchreiten beſtimmt möglicherweiſe die Lebensdauer der Pflanze, indem innerhalb einer gewiſſen Tiefe die Ent— wicklung der Knollen gehemmt werden möchte. Dieſe und viele andere die Drosera-Arten Auſtraliens betreffende wich— tige Fragen können indes, wie der Verf. ſehr richtig be— merkt, nur durch ein genaues Studium an Ort und Stelle entſchieden werden. Zu dieſen nicht unwichtigen Fragen ge— hört auch die mehrſchalige Oberhaut, die den äußeren Scha— len einer Zwiebel entſpricht; hier frägt ſich, ob anfangs nur eine Oberhautſchicht vorhanden war und ſich erſt ſpäter con— centriſch vermehrte; ferner die Anhäufung der ſich kreuzen— den Faſern, welche die Baſis dieſer Pflanzen und ihre lange und dicke Scheide umgeben. Außerdem iſt der prächtige rothe Farbeſtoff, den dieſe Knollen enthalten, für die induſtrielle Chemie vielleicht von Wichtigkeit. Die Droſeraceen wachſen meiſtens an feuchten Orten, es iſt deshalb nicht unintereſſant, zu erfahren, wie weit ſie den bekannten Grundſatz, daß Sumpfpflanzen weniger den Tem— peraturverhältniſſen unterworfen ſeien, rechtfertigen und wie weit ſie don ihm abweichen. Einige Droſeraceen ſind aller— dings ſehr weit verbreitet, führen, wie ſich der Verf. aus: drückt, ein Nomadenleben, während andere Arten derſelben 249 Gattung nur beſtimmten Gegenden angehören. So bewohnt die Drosera intermedia ſowohl Europa als Nordamerica, Guiana und Braſilien, während die Dionaea in einem be— ſtimmten Theile von Carolina zu Hauſe iſt. Die Drosera intermedia kommt in Europa häufig mit Drosera rotundi- folia zuſammen vor, in Braſilien und Guiana findet man letztere nicht. Woher kommt es nun, fragt hier der Verf., daß die meiſten Abtheilungen der Gattung Drosera ein ſo be— ſchränktes Gebiet haben, während die Abtheilung Rossolis, für welche unſere europäiſchen Arten typiſch find, in allen Theilen der Erde ihre Repräſentanten findet? Warum fin— det ſich die Drosera Burmanni unter den Tropen, ſowohl in Indien als China, wie an der Oſt- und Weſtküſte Neu— hollands, während von allen zahlreichen Arten Auſtraliens auf beiden gegenüberliegenden Küften auch nicht eine einzige gefunden wird? Die angeführten und noch viele andere Fälle der Art beweiſen, wie der Verf. glaubt, daß die Pflan— zen weniger von den allgemeinen Einflüſſen der Temperatur wie der Gegenden als von gewiſſen innern Eigenthümlich— keiten, welche den weiten oder engen Kreis ihrer Verbrei— tung beſtimmen, beherrſcht werden. Ein Tabelle über die geographiſche Verbreitung der Arten unſerer Familie begleitet des Verf. Arbeit, die mit einer ſyſtematiſchen Überſicht der Familie endigt. Letztere übergehen wir, theilen jedoch aus der erwähnten Tabelle die weſentlichſten Data mit. Man erſieht aus derſelben, daß die Familie der Droſeraceen bis jetzt 99 Arten zählt, wovon auf die Gattung Drosera allein 88 Arten kommen, während Drosophyllum und Dionaea nur eine einzige Species, Al- drovanda und Roridula zwei Arten und Byblis 5 Arten zählt. Europa hat nur 5 Arten: Drosera rotundifolia, D. Anglica, D. intermedia, Drosophyllum Lusitanicum und Al- drovanda vesiculosa. Marokko hat 1 Species, Syrien eben— falls eine, Sibirien 2, Nordamerica 8, Mittel- und Süd— america 14, Magellansland 1, die Inſel Auckland 1, Neu— ſeeland 3, van Diemens Inſel 9, der außerhalb der Wende— kreiſe liegende Theil von Neuholland 43, das tropiſche Neu— holland 7, das tropiſche Aſien 7, das weſtliche tropiſche Africa 2, Madagascar 1, das öſtliche Südafrica 2 und das Vorgebirge der guten Hoffnung 9 Arten. (Annales des Sciences naturelles, Février 1848.) 170. VIII. 16. 250 Mifcellen. 30. Die Geſtalt der Capſel und Samen als Unter: ſcheidungsmerkmale für unſere 3 wilden Primula Arten. W. A. Leighton zog alle 3 Arten, um ihre Eigenthümlich— keiten genau kennen zu lernen und mit einander vergleichen zu können, in feinem Garten. Die Capſel von Primula vulgaris Hudson it nach ihm eiförmig und nur halb fo lang als der ſtehen bleibende Kelch, die Samen find kugelig, ihre Oberfläche warzig-papillös, der Staub— weg glatt, die pfriemenförmigen Kelchſpitzen gegen einander ges neigt. Bei Primula veris L. iſt die Capſel elliptiſch, kaum halb fo lang als der Kelch, die Samen bilden abgevlattete Scheiben, ihre Oberfläche iſt abgerundet-papillös, die Pupillen find nicht fo lang wie bei der vorigen Art, der Staubweg iſt behaart, die kur— zen dreieckigen Kelchzähne find gegen einander gekrümmt, berühren ſich jedoch mit ihren Spitzen nicht. Die Capſel von Primula ela- tior Jacg. endlich iſt linear-oblong, fo lang oder länger als der Kelch, die Samen bilden runde abgeplattete Scheiben, ihre Ober: fläche iſt wie bei der letzten Art papillos, der Staubweg iſt uns behaart, die eilancettförmigen Zehen des Kelches find nach aus— wärts gebogen. (The Annals and magazine of natural history, No. 9, 1848.) 31. Die Blutkörperchen der Lepidoſiren entſpre⸗ chen den Blutkörperchen der ſchuppenloſen Amphibien; der Größe nach ſtehen ſie zwiſchen denen des Siren und des Triton. Nach Meſſungen von Andrew Smith und George Gulliver ange⸗ ſtellt, beträgt ihr längjter Durchmeſſer Ysro, ihr kürzeſter e eng- liſche Zoll, der Längsdurchmeſſer des Kernes ass, ſein Breiten— durchmeſſer "anno engliſche Zoll. Nun kennt man bei keinem Fi⸗ ſche Blutkörperchen von ſolcher Größe, wogegen ſelbige für einige Amphibien charakteriſtiſch ſind. Die genannten Beobachter glau— ben daher auch hierin die nahe Verwandtſchaft der Lepidoſiren mit den Amphibien zu erkennen. (The Annals and magazine of na- tural history, No. 10, 1848.) 32. Ein Mannafall, von dem mehrere ruſſiſche Zeitungen im vorigen Jahre Nachricht gaben und der ſich zu Sawel im Gouvernement Wilna am 22. März 1846 Abends während eines ſtarken Gewitters zutrug, möchte nach den Unterſuchungen von C. A. Meyer eine ſehr natürliche Erklärung finden. Auf einer 3 bis 4 Quadratruthen meſſenden Wieſenſtrecke, auf der am Tage Waſche gebleicht worden, fand ſich die angebliche Manna in Form kleiner weißlicher Körner, die ganz das Anſehen an der Oberfläche angetrockneter Kleiſterſtückchen hatten und ſich auch bei genauer Unterſuchung ganz wie ein aus Kartoffelſtärke bereiteter, durch Lein⸗ wand gepreßter Kleiſter, wie er zum Steifen der Wäſche ſo häufig benutzt wird, verhielten. Es war keine Spur irgend einer Organi— fation zu entdecken. Die ſogenannte Manna von Sawel möchte demnach wohl ſchwerlich vom Himmel gefallen ſein. (Bulletin de la classe physico-mathematique etc. de St. Petersbourg, Tom. VI, No. 15.) Heilkunde. (XVII) Längere Zurückhaltung eines todten Eies im uterus ohne Fäulniß. Von Benj. Ridge, I. D. Die angebliche Seltenheit dieſer Erſcheinung dürfte mehr darin ihren Grund haben, daß man dieſelbe gewöhnlich überſieht, als darin, daß fie nur unter außerordentlichen Umſtänden vorkommt. Neuerdings iſt mir wieder ein in- tereſſanter Fall dieſer Art vorgekommen. Mad. —, 27 Jahre alt, Mutter zweier Knaben von 4 Jahren und 2¼ Jahr, war von mir bei beiden Nieder— kunften behandelt worden. Nachdem das letzte Kind entwöhnt worden, hatte ſie einer guten Geſundheit genoſſen und die Menſtruation war bis zum Aug. 1847 regelmäßig geblieben. 251 Am 20. Sept. kam ſie zu mir und klagte über allgemeine Unbebaglichkeit, jo wie über Schmerz in der regio pubis, wel⸗ cher durch eine Behandlung mit ſchmerzſtillenden alkaliniſchen Mitteln binnen wenigen Tagen gelindert ward. Am 29. Sept. kam ſie abermals, mit heftigem Geſichtsſchmerz und einer Geſchwulſt behaftet, was von einem cariöſen Zahne, Erkältung und Rheumatismus herrührte. Ich fragte ſie, ob ſie ſich für ſchwanger halte; ſie ſagte, es ſei gerade jetzt die Zeit, wo die Menſtruation, welche den letzten Monat regel— mäßig geweſen, hätte eintreten ſollen, und da dieſelbe aus— geblieben, ſo habe ſie wohl Grund anzunehmen, ſie ſei ſchwanger. Da das Geſicht und das Zahnfleiſch ſehr ent— zündet waren, fo rieth ich ihr, ſich den Zahn nicht aus- ziehen zu laſſen und verſchrieb ihr einige innere Mittel. Am 30. October zog ich den Zahn aus. Da ſie etwas ſtärker geworden zu ſein ſchien, ſo erkundigte ich mich deshalb, und erfuhr, daß ſeit dem Auguſt die menses nicht wiedergekehrt ſeien. Sie betrachtete ſich um ſo mehr als ſchwanger, da ſie ſich in der letzten Zeit ſehr unwohl gefühlt hatte. Am 15. Nov. trat etwas Menſtruation ein, und da zugleich Schmerzen Statt fanden, kam ſie wieder zu mir. Nach 24 Stunden war alles vorbei. Den 14. Dec. fand ſie ſich wieder ein. Die Menſtruation war ſtärker eingetreten und blieb 10 Wochen beſtändig und übermäßig ſtark im Gange. Ihr Leib war bis dahin regelmäßig ſtärker geworden, und alle Symptome waren wie bei den früheren Schwangerſchaften; auch ſecernirten die Brüſte Milch. Nach zehn Wochen ſetzten die Catamenien eine volle Woche lang ganz aus, worauf ſie wieder erſchienen und von Zeit zu Zeit ausſetzten, bis ſie Ende Februar wegblieben und auch bis zum 5. Juni nicht wieder kamen. Gegen Ende Aprils kam ſie wieder zu mir, und ihr Leib hatte offenbar an Stärke verloren; auch die Brüſte waren kleiner geworden. Sie hatte lediglich den Zweck, mit mir über den Zuſtand im allgemeinen zu ſprechen, da ſie ihr Kind nie fühlte und deshalb ſehr beſorgt war. Auch über die muthmaßliche Zeit ihrer Niederkunft, ob Anfang Mai oder Anfang Juni, war ſie im Zweifel. Sie vermuthete, die Conception habe um die Zeit Statt gefunden, wo ſie mich wegen des Geſichtsſchmerzes um Rath gefragt (Ende Septembers). Indem ich dieſe Zeit als Ausgangspunkt an— nahm und bis Ende Auguſts, wo ſie damals zum letzten Male menſtruirt geweſen, 28 Tage zurückrechnete, ſtellte ich fol⸗ gende Überſicht zuſammen. Sause 30 Tage 29 Tage, 20 Sa., October 31 „ = 28 „ = 26.9 Keims des Eies folgte, November 30 „„ f 28 „ 2 23. Ney. 510 un En 5 © Ser E ‘ talportion ihre tta= December 31 „ 8 2 J 8 21. Dec. een behielt. = 0 — Placentalportion no Januar 31 „ 8 28 „ Ei 18. Jan. lebensthätig, von ſtar⸗ Februar 29 „ 5 28 „ 3315. Febr. ten Gatamenien be⸗ = S gleitet. 3 0 2 8 Von Zeit zu Zeit ges März 31 „ 5 28 „ 5714 März / ſchlechtliche Erregung April n I eri REN Ber eier ; . 25 5 ; öde, ohne ir, Mai 1 „ 8 28 Ude, 9. Mai. nen Ausfluß. Niever⸗ Juni —D * 28 „ 5 6. Juni J kunft am 5. Jun um halb elf Uhr Abends. 280 280 170. VIII. 16 252 Nach dieſer Berechnung ſchloß ich, daß ſie gegen den 6. Juni hin ihrer Niederkunft entgegenſehen könne. Auf ihre dringende Frage, ob ſie ein Kind gebären würde oder nicht und in welchem Zuſtande ſie ſich eigentlich befinde, ſagte ich ihr, da ich eine verſtändige Frau vor mir hatte, daß ſie wohl ein todtes Ei im uterus haben könne, und ſie verließ mich durchaus beruhigt. Nun hörte ich bis zum 5. Juni um halb elf Uhr Abends nichts weiter von ihr, wo ſie mich wegen heftiger Schmerzen, die ſie den ganzen Tag von Zeit zu Zeit gehabt, holen ließ. Eine halbe Stunde vor meiner Ankunft hatte ſie, während des Abend— eſſens eine ſcharfe Wehe verſpürt, wobei etwas abgegangen war, was ſich als ein welkes Ei auswies. Dabei hatte keine Hämorrhagie Statt gefunden, und die Flüſſigkeit, welche zum Vorſchein gekommen war, zeigte ſich faſt farblos. Als ich ankam, erinnerten ſie und ihre Mutter mich an meine Prognoſe hinſichtlich des 6. Juni und fragten mich, ob der Körper, den ſie mir zeigten, das ſei, was ich erwartet habe. Das Ei war rein, blutlos und feſt, etwa noch ein Mal ſo groß, wie ein gewöhnlicher unbefruchteter uterus, durchaus nicht faulig. Der Geruch desſelben war in der That der nämliche, wie der des reinſten Monatfluſſes, und hielt zwiſchen dem friſch gemolkener Milch und friſchen Rind» fleiſches die Mitte. Ich ſchnitt das Ei mit der Scheere auf und fand darin etwa 2 Theelöffel hellen Waſſers. Als ich es mit dem Grunde nach unten hinlegte, befand ſich der Fötalauswuchs zur Linken etwa bei einem Drittel der Höhe. Auch dieſen Auswuchs ſchnitt ich auf. Das Integument war dick und perlenweiß. Der darin befindliche Keim war feſt— weich und von dem Umfange einer ſehr großen Haſelnuß. Von einem foetus zeigte ſich keine Spur, außer eine kleine derbere Stelle, wie an einer Bohne, indem ſich dort näm— lich eine kleine blutige Scheibe befand. Ich brauchte das Ganze nur drei Mal zu waſchen, um allen Farbeſtoff zu be— ſeitigen, ehe ich es in Spiritus ſetzte. Es bildet ein ſehr hübſches Präparat. Der Fall bietet inſofern eine intereſſante Beſonderheit dar, als das Ei volle 9 Monate im uterus verblie— ben war, ohne die geringſte Spur von Fäulniß darzubieten. Meiner Anſicht nach hatte dasſelbe faſt unmittelbar nach der Befruchtung und ſeinem Herabſteigen in den uterus feine Vitalität eingebüßt. Dadurch wurde indes die Ent» wickelung des Mutterkuchens nicht gehemmt, und die erſte Anzeige der Fruchtloſigkeit dieſes Proceſſes war der 10 Wochen hinter einander Statt findende Fluß der Catamenien. Dies war wohl das einzige Auskunftsmittel der Natur, um ſich eines Übermaßes von Lebenskraft, welches keinen weitern Zweck hatte, zu entledigen. Als der Blutfluß aufhörte, hatte der Proceß wohl ſeine volle era erreicht, ſo daß das Ei ganz abſtarb. Zunächſt hörte zwiſchen dem Ai und 5. Monate, mo der foetus gewöhnlich die erſten Bewegungen macht (the usual average period of quickening), alle Verbindung zwiſchen der Mutter und dem Eie allmälig auf, und der fremde Körper blieb völlig ſo lange, wie ein normaler koetus, im uterus, welches Organ während dieſer Periode, bis auf eine gewiſſe Reizung, ganz unthätig blieb. 253 Schließlich will ich noch bemerken, daß Dr. Tyler Smith in ſeinen Vorleſungen von den Beziehungen zwi— ſchen Eierſtocksreizung, Geſchlechtsreizung und coitus handelt. Nach meinen Erkundigungen bei dem Ehemanne war nun die Geſchlechtsreizung, als der Blutfluß aufgehört hatte, zu— weilen ſehr ſtark. Die Tage, an denen dies der Fall war, konnte er mir natürlich nicht genau angeben; allein ich bin überzeugt, daß ſie mit der Eierſtocksreizung der Menſtruations— periode zuſammentrafen, und daß dieſe letztere Reizung auch die Niederkunft veranlaßte. (The Lancet, Aug. 1848.) (XVIII.) über die Arctation oder Obliteration der Bronchenröhren. Von Dr. Craigie. Dieſes Leiden wird öfters mit phthisis verwechſelt und deſſen genaue Characteriſirung iſt daher um ſo wichtiger. Dr. Craigie bemerkt über dasſelbe in der zweiten Ausgabe ſeiner Elements of Pathological Anatomy, Edinburgh 1848, folgendes. „Die Arctation oder Verengerung der Bronchenröhren iſt eine Folge wiederholter Bronchenentzündungen, welche zu— letzt die chroniſche Form annehmen. Unter ſolchen Umſtänden werden die Wandungen dieſer Röhren durch Ergießung, ent— weder von Blut oder Lymphe oder von beiden, in das ſchleim— hautartige Gewebe auffallend verdickt und im gleichen Ver—⸗ hältniſſe das Kaliber der Röhren vermindert. Übrigens kommen auch Fälle vor, in denen dünnere Bronchenröhren durch benachbarte verhärtete oder von Blutergießung ſtrotzende Lungenportionen zuſammengedrückt und auf dieſe Weiſe ver— engert werden. Dieſe Art von Obliteration, welche manchen Lungen— leiden zu Grunde liegt, kann entweder die ganze Lunge oder eine ausgedehnte Portion derſelben betreffen oder auch local, nur an einer oder wenigen Bronchenröhren vorkommen. Im erſten Falle wird die vorher ſchwammige Lunge feſt, derb und für die Luft undurchgänglich. Mit der ebenerwähnten krankhaften Veränderung ver— bindet ſich eine andere, welche die Oberfläche der Lunge be— trifft und die Obliteration ankündigt. Dieſe beſteht in einer größeren oder geringeren Verſchrumpfung der Lungenoberfläche an der der Obliteration entſprechenden Stelle, und deshalb rechtfertigt ſich die Folgerung, daß die Verſchrumpfung ge— wiſſermaßen eine Wirkung der Obliteration ſei. Es läßt ſich auch leicht begreifen, wie die Obliterationen eines der Lungenoberfläche benachbarten bronchus, welche die ſeiner Zweige zur Folge hat, durch die dadurch entſtehende Zu— ſammenziehung das Verſchrumpfen der Lungenſubſtanz und das Einfallen der Oberfläche des Organes an der entfprechen- den Stelle veranlaßt. Dieſe verſchrumpften Stellen laſſen ſich leicht wahrneh— men. Die pleura wird an mehreren Punkten in eine An— zahl undeutlich ſtrahlig geordneter Runzeln gezerrt; die Obers 170. VIII. 16. 254 fläche fällt merklich ein, und wenn man die Stelle berührt, jo fühlt man, daß fie derb, angewachſen und unelaſtiſch iſt. Der gewöhnlichſte Sitz dieſer Obliteration iſt der obere Lungenlappen und beſonders deſſen Gipfel, welcher Umſtand nicht überſehen werden darf, indem ſich auf dieſe Weiſe der— gleichen Oblitergtionsſtellen von ausgeheilten Tuberkelhöhlen unterſcheiden. Übrigens find fie auch in dem unterſten Lap- pen angetroffen worden. Reynaud fand ſie zwei Mal in dieſer Lage. Die Blutgefäße ſind nicht obliterirt, ausgenommen in den ſich in der verhärteten Portion verzweigenden winzigen Aſten. Die feſten Schnuren, welche als Überreſte der obliterirten Röhren zurückbleiben, ſind gewöhnlich dunkelſchwarz von Farbe. Die Urſachen der Obliteration der Bronchenröhren hat man noch nicht ſicher ermittelt. Man weiß nur, daß von dieſem Leiden ſolche Perſonen betroffen werden, welche an heftigen und wiederholten Bronchenentzündungen gelitten haben und bei denen gewöhnlich dieſes Leiden chroniſch geworden iſt. Auch kann die Obliteration in Folge von chroniſcher Pneumonie eintreten. Reynaud iſt geneigt, die Entſtehung des Leidens von diphtheriſcher oder eiweißſtoffausſcheidender Bronchenentzün— dung herzuleiten, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bronchenmembran dieſer Form der Entzündung unterworfen ſei, und daß letztere die fragliche Krankheit veranlaſſen könne. Er geſteht auch ein, daß ihm Fälle von acuter Pneumonie, nebſt Hepatiſirung der Lunge, vorgekommen find, bei denen durch die Entzündung in allen kleineren Bronchen falſche Membranen erzeugt worden waren, welche deren Höhlung mehr oder weniger vollſtändig ausfüllten.“ (XIX.) Abzapfung eines Waſſerkopfes. Von Charles Armſtrong, M. D. zu Cork. Johanna Murphy, 7 Wochen alt, von jungen, geſun— den Altern, wurde 3 Tage nach der Geburt, wie ihre Altern ſich ausdrückten, „von einer Trennung der Kopfknochen be— fallen“, welche ſchnell zunahm, ſo daß ſich der Kopf ſowohl nach den Seiten, als nach hinten und vorne, ungeheuer aus- dehnte. Die Fontanellen traten hervor, und der Kopf mußte, wegen feiner gewaltigen Schwere, beſtändig geftügt werden. Der Ausdruck des Geſichts war ſonderbar und un— natürlich, weil der obere Theil des Kopfes mit dem Geſichte durchaus in keinem richtigen Verhältniſſe ſtand. Die Fune— tionen waren natürlich und weder Convulſionen, noch Läh— mung vorhanden. Pupillen thätig, aber die Augen beſtändig umherrollend. Das Kind ſaugte ziemlich gut und ſchien keine Schmerzen zu leiden. Am 16. Februar 1840 zapfte ich den unteren Theil der hinteren Fontanelle an, und es floſſen 14 Unzen einer klaren ſtrohgelben Flüſſigkeit aus. Obgleich noch viel von 255 derſelben im Kopfe war, fo zog ich doch, weil das Kind ohnmächtig wurde, die Canüle heraus. Die Ohnmacht (collapse) dauerte, bis die Knochen gehörig zuſammengepaßt worden und durch einen Verband dauerhaft unterſtützt waren. Als dies geſchehen war, hörten die Augen auf zu rollen; das Geſicht verlor den fremdartigen Ausdruck, und das Kind ſaugte kräftiger, als vorher. Gleich nach der Operation war der Zuſtand des Kopfes höchſt eigenthümlich, indem er ſich ausnahm, wie eine große naſſe Blaſe, in welcher ſich eine Anzahl Knochen locker und frei bewegten, während das Hinterhauptbein auf den Nacken hinabfiel. Am dritten Tage nach der Operation befand ſich das Kind beſſer; ſeine Mutter ſagte, es habe feſter geſchlafen, wie früher, und ſauge mit mehr Appetit. Der Kopf wurde wieder ſtärker, und am 5. des fol genden Monates zapfte ich 17 Unzen derſelben Art von Flüſſigkeit ab. Auf die Operation folgte eine bedeutende Ohnmacht (collapse), welche wiederum dauerte, bis die Kno— chen an einander gepaßt waren. Etwa 14 Tage ſpäter ſtarb das Kind, ohne irgend von Convulſion oder Lähmung be— fallen worden zu ſein. Wie es ſchien, war, da der Verband nicht gehörig feſt erhalten wurde und ſich wieder Flüſſigkeit im Kopfe anſammelte, Gangrän der Hautbedeckungen einge— treten. Ich befand mich außer Stande, den Fall bis zum Ende zu beobachten, da ich auf mehrere Wochen verreiſen mußte. Wegen meiner Abweſenheit konnte der Behandlung nicht die gehörige Aufmerkſamkeit geſchenkt werden, und ſo trat das Abſterben der Integumente ein, während bei ſorg— fältiger Abwartung der Fall wahrſcheinlich einen günſtigen Ausgang genommen haben würde. Dublin Quarterly Jour- nal of Science, Aug. 1848.) 170. VIII. 16. 256 Mifcellen. (25) Eine Vergiftung durch unreines Calomel iſt unlängſt in Frankreich vorgekommen. Einem Herrn wurde von ſeinem Arzte 12 Gran (mittels Dampf bereiteten) Calomels in einer Gummiemulſion verordnet, von der er ſtündlich einen Eßlöffel voll nehmen ſollte. Auf den erſten Löffel erfolgte ein Stuhlgang, auf den zweiten der Abgang vielen Schleimes und ein furchtbarer Anfall von Convulſionen. Durch den dritten wurde der eonvulſivi⸗ ſche Zuſtand hartnäckig und am folgenden Tage um 12 Uhr war der Patient todt. Die ganze Mixtur ward ſogleich chemiſch unter⸗ ſucht und man fand darin 3— 4 Gran Queckſilberbichlorid. Nun analyſirte man 15 Gran von dem Calomel der Apotheke, wo das Recept bereitet worden war und erhielt denſelben Werhältnißtheil des Sublimats. Ein ſehr einfaches Verfahren, das Calomel zu prüfen, beſteht darin, daß man etwas davon auf ein blankes Kupferblech legt und es dann mit Ather behandelt. Reibt man dann das Metall an der Stelle, wo die Verdunſtung Statt findet, ge— linde, fo bildet ſich ein glänzendes Amalgama, wenn das Calomel ein auflösliches giftiges Queckſilberſalz enthielt. (The Lancet, August 1848.) (26) Eine Methode zur Wiedereinrichtung des verrenkten humerus, welche ſich im Hoſpital zu Briſtol be⸗ währt hat, theilt Hr. Morgan im Provincial Journal mit. Man ſetzt den Patienten ohne alle vorläufige Behandlung ſeitwärts auf einen feſten Stuhl, ſo daß der Arm über die wohl gepolſterte Lehne hängt. Das eine Ende eines doppelten oder Haſpelhandtuchs (reel-towel) wird durch das andere geſteckt, ſo daß es eine Schlinge bildet, welche man hart über dem Ellbogen um den Arm legt. Der loſe herabhängende Theil des Handtuchs bildet einen Steig—⸗ bügel, in welchen der Chirurg den Fuß ſetzt und ſo läßt er nach und nach ſein ganzes Körpergewicht als Ausdehnungskraft wirken. Ein Paar Gehülfen find nützlich, um das acromion zurückzudrücken und den Patienten auf dem Stuhle feſtzuhalten. Die Reduction wird faſt augenblicklich bewirkt, und wenn man dafür ſorgt, daß der Stuhl und der Arm, da, wo das Handtuch angelegt wird, gehörig gepolſtert und wattirt iſt, ſo verurſacht der Druck wenig oder kei⸗ nen Schmerz und Nachwehen. (The Lancet, Aug. 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. 5 de chimie agricole professees en 1847 par F. Malayıti, professeur e chimie à la Faculté des sciences de Rennes. Grand in 18 de 13 feuil- les, plus un tableau. A Rennes, chez Verdier. Paris chez Allouard & Käppelin 1848. Prix 4 fr. Dictionnaire universelle d'histoire naturelle. Ouvrage par MM. Arago, Buu- dement ete.; dirige par M. Charles d’Orbigny. Tome XI. Series 127 — 132. Fenilles 53— 102. (Sch— Ste.) In 8° de 30 feuilles, plus 12 pl. — Idem. Tome XII. Series 133—134. Feuilles 1 à 16. Fanx-titre et titre. (Stellion- . . .) In 8% de 8 feuilles '/,, plus 4 pl. Paris 1849. chez Re- nard & Martin, et chez Langlois & Leclereq, chez V. Masson. Prix de la serie 1 fr. Considerations sur les anciens lits de déjection des torrents des Alpes et sur leur liaison avec le phenomene erratique; par M. Seipion Gras, ingenieur en chef des mines. In 8° d'une feuille /. Grenoble 1848. Recherches sur la structure des organes de 'hamme et des animanx les plus connus; par C. F. Boucher, docteur-medecin à Amiens; avec 10 figures. 2 Pen 7 feuilles ½, plus 22 pl. Paris 1848, chez Germer-Bailliere. rix 6 fr. Repertoire des etudes medicules. Exposé analytique et complet de toutes les matieres de l'enseignement officiel et des cours partieuliers. par une so- ciete de medecins, chimistes, sous la direction de M. E. Razin, médecin de l’höpital Saint-Louis. Sixieme livraison. Tome I Feuilles I à 8. In 8 de 8 feuilles. Paris 1848. Prix de la livraison 1 fr. 25 et. Etat actuel de la médecine. Premiere partie. Traite sommaire de pathologie generale; par E. Colas (de Sourdan). In 8° de 14 feuilles. Paris 1848, chez l’auteur et chez les libraries. Quelques considerations sur la reduction des hernies etranglees, et en par- ticulier sur le prorede de taxis, de M. Amussaf, suivies d’observations à P’appui, par le docteur Wignolo. In 8° de 2 feuilles !/,. Paris 1848. Recherches theoriques et pratiques sur les purgatifs. Memoire lu a !’Acade- mie de medeeine, dans la sennce du II. Avril 1848. Par M. Hialhe. In 8° de 2 feuilles ½. Paris 1848, chez V. Masson. Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 171. Januar 1849. (Nr. 17. des VIII. Bandes.) Naturkunde. v. Heßling, hiſtologiſche Beiträge. — Miſcellen. Eis leitet den Galvanismus. Nekrolog. — Heilkunde. Über die Krankheiten der Arbeiter in den Queckſilberminen von Almaden. — Diron, über einen Fall, in welchem ein fremder Körper ſehr lange im Auge verweilt hatte. — Über böſe Folgen einer Cur mit Kali hydrojodicum. — Miſcellen. Dendy, über Pharyngealſäcke. Heilanſtalt für ſchwachſinnige Kinder zu Mariaberg Naturkunde. verleiten laſſen. Jedenfalls ſcheint mir die Behauptung, (XXXVII.) Hiſtologiſche Beiträge. Von Dr. v. Heßling in Jena. (Fortſetzung von No. 3. des VI. Bandes.) Kurze Zeit nach der Abſendung meiner Unterſuchungen der Nieren an den Druckort erſchienen zwei neue Arbeiten über denſelben Gegenſtand, von Gerlach in Müllers Archiv Jahrg. 1848. S. 102 — 112 und von Günther in deſſen Lehrbuche der Phyſiologie des Menſchen, S. 286 ff. Während dieſer Zeit habe ich, theils durch reichhaltiges Material, welches mir die neue deutſche Freiheit aus den Wäldern abſonderlich viel lieferte, aufgefordert, theils durch die Reſultate genannter Hiſtologen ermuntert, dieſer Sache meine wiederholte Aufmerkſamkeit gewidmet und werde die Ergebniſſe dadon meinen früher ausgeſprochenen Behauptungen anſchließen. Was die Angaben Günthers betrifft, ſo glaubt er ſich durch ſeine Unterſuchungen an den Nieren der Kröten, Fröſche, Salamander, Kaninchen, Hunde, Pferde und Men— ſchen veranlaßt, eine Einſtülpung des glomerulus in das zu einer Blaſe angeſchwollene Ende des Harncanälchens, ähnlich den übrigen im Organismus vorkommenden Ein— ſtülpungen zu ſtatuiren. Für die untern Claſſen der Wir— belthiere mag dieſe Annahme ihre Richtigkeit haben; ich forſchte hier der Sache nicht weiter nach; bei den Säuge— thieren aber, deren Nieren ich in letzter Zeit ausſchließlich unterſuchte, iſt mir niemals weder eine ſolche Einſtülpung, noch irgend etwas, was nur auf die entfernteſte Weiſe daran erinnern könnte, trotz allen Fleißes und aller Übung im mikroſkopiſchen Sehen, welche nach vieljähriger Praxis zu be— ſitzen ich mir ſchmeichele, vorgekommen. Ich glaube, Günther hat bei den höhern Wirbelthieren dieſe eingeſtülpte Membran ebenfalls nicht geſehen und ſich durch eine plauſible Ana— logie zur Annahme eines allgemeinen Vorkommens derſelben No. 2151. — 1051. — 171. das Harncanälchen endige blind oder fei gar zu einem Bläs— chen angeſchwollen, wie auch Huſchke angiebt, unrichtig, denn ich ſah niemals ein ſolches Ende; das Canälchen kehrt im Gegentheile immer an der Peripherie der Niere um, geht in die Tiefe und verbindet ſich mit einem andern, ſo daß keine Unterbrechung der Röhren Statt findet; man kann ein ſolches umbiegendes Canälchen nicht ſelten weit tiefer von der Peripherie nach dem Innern des Organs verfolgen, als die malpighiſchen Körperchen überhaupt gelagert ſind. Wer aber noch über die Umbiegung der Canälchen irgend einen Zweifel hegt, den verweiſe ich an die Nieren von Lutra vulgaris, welche von allen mir vor— gekommenen Thieren den beſten Beleg dazu geben. Von weit größerer Wichtigkeit und einer genauern Be— ſprechung bedürftig ſind die neuſten Unterſuchungen von dem unermüdlichen, Gerlach. Er wiederholt nach einem kurzen ge— ſchichtlichen Überblicke über die gegenwärtig herrſchenden Anſichten feine ſchon früher (Müllers Archiv, Jahrg. 1845. S. 378 ff.) ausgeſprochene Behauptung, daß der Zus ſammenhang zwiſchen Harncanälchen und Capſeln der mal— pighiſchen Körperchen wirklich eriſtire, und bringt als Bez weiſe dafür ein Mal gelungene Injectionen der Capſel vom Urether aus, welche er competenten Richtern, wie Vogt, Pappenheim, Henle vorlegte; zweitens, Anfüllung der Harncanälchen mit Injectionsmaſſe bei Injectionen der Nieren— arterie; drittens das unzweifelhafte Vorkommen des Zu— ſammenhängens bei niedern Wirbelthieren, z. B. den Myri⸗ noiden. Meine früher erwähnte Anſicht, daß der Weg zur Ergründung der obwaltenden Zweifel mittels Injectionen ſehr mißlich und gefährlich ſei, findet ſchon zum Theil ihre Beſtätigung in dem Geſtändniſſe Gerlachs, unter zahlreichen und mühevollen Einſpritzungen nur zu wenig ſchlagenden 17 259 Beweiſen gelangt zu fein. Aus dieſem Grunde habe ich mich niemals dieſer Methode bedient, jedoch durch die ent— ſchieden ausgeſprochenen, allerdings Vertrauen errregenden Reſultate Gerlachs mich beſtimmen laſſen, meine frühere Präparationsweiſe mit dem Doppelmeſſer zu verlaſſen, in der Hoffnung und feſten Überzeugung, daß die Wahrheit der Sachlage ſich ebenfalls durch eine andere Methode als durch Injection müſſe herausſtellen laſſen. Zu dem Ende reiße ich die geſpannte Oberfläche des Organs ein, ſchneide eines von den feinen Fädchen, welche zwiſchen den Rißflächen ausgeſpannt bleiben oder abreißen, zertheile es ſo viel als thunlich und bringe ein fo bereite— tes Object unter eine 30fache Vergrößerung des Doublets. Bei der fernern nöthigen Präparation unter dem ein— fachen Mikroſkope treten noch mancherlei Unbequemlichkeiten ein, welche, wie ich mir einbilde, meine Geduld in nicht geringerem Grade, als die Gerlachs auf die Probe ſetzten. Das Gelingen eines paſſenden Präparates hängt vorzüglich von dem richtigen Verhältniſſe des Waſſerzuſatzes ab; denn ohne Waſſer trocknet jenes bald ein, man hat alsdann ein zähes, ſchmieriges, am Objeetträger klebendes Klümpchen vor ſich, mit welchem nichts weiter anzufangen iſt; bei einem Minimum zuviel beigefügten Waſſers bleibt ein oft viel verſprechendes Präparat in einem Waſſertröpfchen an der aufgehobenen Nadel hängen. Hat man die richtige Quan— tität des Waſſers glücklich getroffen, ſo laſſen ſich allerdings die Canälchen mit ſo fein wie möglich geſchliffenen Nadeln von den Körperchen abtrennen, die verſchiedenen Knoten und Knäuel, welche jene bilden, auflöſen, aber die leiſeſte Bewegung des Körpers verurſacht ein Zerreißen der zu— ſammengehörenden Theile. Hat man dieſe nur zu häufig vorkommenden Hinderniſſe endlich überwunden, ſo ſtellt ſich die Sache theilweiſe anders dar, als ich ſie früher beſchrieb und ich muß zu meiner großen Freude offen bekennen, daß Gerlach das Verhalten der Harncanälchen zu den malp. Körperchen und ihren Capſeln vollkommen richtig beſchrieben hat. Die Schilderung der vielfachen Windungen und Ver— ſchlingungen der Canälchen um ihre Körperchen brauche ich in nichts zu verändern; irrig war dagegen meine Aus— ſage, dieſelben lägen in keiner Capſel, ſondern frei in den ſie umgebenden Canälchen. Zwei Gründe entſchuldigen meinen begangenen Fehler, einmal die Art der Präparation mit dem Doppelmeſſer und dann das leichte, beſonders bei ge— nanntem Verfahren Statt findende Einreißen der Capſel, wodurch der glomerulus frei in dem Convolute von Ca— nälchen liegt: dabei rollt ſich die Capſelmembran zuſam— men, legt ſich an die Canälchen, von welchen ſie ſchwer zu unterſcheiden iſt, oder bleibt an andern, bereits ent— fernten Theilen hängen; wie es beſonders bei der Rinds— niere, deren Körperchen ſehr groß ſind und die ſchon bei der geringſten Trennung der Continuität ihre Capſel ver— laſſen, häufig ſich ereignet. Die Verbindung des glomerulus und ſeiner Capſel mit den Harnröhrchen habe ich beim Schweine, Schafe, Kalbe, der Fiſchotter und beſonders bei Kalbs- und Schafsembryonen unzweifelhaft beobachtet. Die hier noch zu erwähnenden Punkte ſind folgende. 171 M. 17 260 1) Die Capſel ſitzt entweder der einen Wandung des Canälchens wie eine Blaſe mit einem kleinen trichterartigen Stiele auf, durch welchen die Communication zwiſchen bei— den hergeſtellt wird, oder das Harnröhrchen dehnt ſich während ſeines Verlaufes zu einer Blaſe aus, wobei ſich die beiden dadurch gebildeten Schenkel desſelben unter einem mehr oder weniger ſtumpfen Winkel einander nähern können. Daß die Capſel von dem blinden angeſchwollenen Ende des Canälchens gebildet werde, darüber ſprach ich ſchon meinen Zweifel aus; auch zeigte ſich, wo es der Anſchein hatte, bei genauerer Nachforſchung, daß entweder der eine Schenkel umgebogen und vom andern verdeckt, oder ganz abgeriſſen war. Die Gefäße des glomerulus durchbrechen bei der erſten Art die Capſel ihrem Anſatzpunkte gegenüber; einige Mal ſchien es mir, als ob ſie in dem Winkel zwiſchen Canälchen und aufſitzender Capſel ſich einſenkten; bei der zweiten Art durchdringen ſie gewöhnlich die Mitte des zur Blaſe aus— gedehnten Röhrchens. Gelingt es, die Capſel mit Nadeln einzureißen und aus einander zu falten, ſo erſcheint fie ſtrueturlos, nicht aus Bindegewebefaſern beſtehend, wie man feine Faltungen fälſchlich dafür annahm; ſie gleicht der Wandung des Canälchens, iſt glatt, an ihrer innern Fläche mit feinen Molecülen beſäet, wie beſtäubt, und enthält ſpär— lich zerſtreute, wandſtändige, theils ſenkrecht, theils horizontal gelagerte Kerne von 0,002“ Breite, ovaler, zugeſpitzter, 3— eckiger, bohnenförmiger Geſtalt. Ihre Dicke beträgt z. B. bei einem Kalbsfötus 0,001’, deſſen Canälchen eine ebenfalls 0,001“ dicke Wandung beſaßen. Der ausgetretene glomerulus iſt gewöhnlich von einem, ſeine Schlingen ausfüllenden Blaſteme umgeben, in welchem zahlreiche runde, mit 1 — 2 Kernkör— perchen verſehene Kerne von 0,004“ z. B. bei der Fiſchotter, ſtecken, während die den 0,0045 — 0,0072’ breiten Ges fäßſchlingen angehörigen ovalen Kerne 0,002—3““ in die Breite und 0,0042 in die Länge maßen. 2) Das malpighiſche Körperchen in feiner Capſel liegt niemals frei, ſondern iſt immer vielfach und mannigfaltig von den Canälchen umwunden, wie ich früher ausführlich beſchrieben habe; nicht ſelten legen ſich die beiden Schenkel an einander, wodurch die Capſel als kolbiges Ende erſcheint, und um ſie wickeln ſich andere Canälchen. Sie werden durch eine blaſtemartige Maſſe ziemlich feſt zuſammen ge— halten, welche die Iſolirung ſehr erſchwert und häufig das Zerreißen zuſammengehörender Theile bewirkt, während andere, nur angelagerte, hängen bleiben und fo die Vers ſchiedenartigkeit der Bilder und ihre falſche Erklärung ver— urſachen. 3) Will ich noch in Kürze der Beſchaffenheit des Ca⸗ nälchens in der Nähe der Capſel gedenken, da es bisweilen ein verſchiedenes Anſehen zeigt. Im allgemeinen kann man drei mögliche Fälle anführen. 3) Die Canälchen ſind nur mit einer aus Enchymkörnern beſtehenden Maſſe von gelb— grauer Färbung angefüllt, in welcher einzelne Kerne von 0,0011 im Durchmeſſer eingeſtreut liegen; zerreißt ein ſolches Canälchen, ſo ſieht man die Körnchen in ein zähes Bindemittel eingehüllt und erſt nach längerer Einwirkung des Waſſers ſich bewegen. b) Der eine Schenkel des Ca: 261 nälchens iſt mit Enchymkörnern angefüllt, der andere ent— hält nur Kerne von 0,0025 —0,0038““ mit Kernkörperchen 0,00 13—15““, dicht an einander gedrängt, bisweilen in 3—4 Reihen hinter einander geſtellt, wodurch die Enchym— körner mehr verſchwinden. Auf Zuſatz von Waſſer und zum Theil von Harnfluͤſſigkeit ſchon im lebenden Organis— mus treten verſchiedene Diffuſionserſcheinungen auf. Der körnige zähe Inhalt bleibt unberührt im Canälchen liegen und zu beiden Seiten hebt ſich die Wandung ab; oder von den Kernen entfernt ſich die früher unſichtbare Zellenwand, welche ſich von 0,008 bis 0,01’ im Durchmeſſer ausdeh— nen kann. Die Zellen bekommen dadurch ein milchweißes, von dazwiſchen und darauf liegenden Enchymkörnern ſtaubiges Anſehen, haben im Innern ſcharf conturirte Kerne von 0,002 —3“ mit Kernkörperchen von 0,001’, werden durch die Nebeneinanderlage polyedriſch und lagern ſich zu beiden Seiten der Canälchenwand dachziegelförmig über einander, während in ſeiner Mitte die Kerne ihre frühere Geſtalt nicht verändern; bisweilen erhebt ſich aber von den in der Mitte liegenden Kernen die Zellenwand und die an der Wan— dung des Canälchens gelegenen Kerne bleiben in ihrem körnigen Blaſteme intact. c) Die Harncanälchen in der Nähe der Capſel zeigen in ihrem Inhalte gar keine Veränderung, ſind angefüllt mit gewöhnlichen Epithelialzellen von 0,007 —8““, welche manch Mal, z. B. beim Rehfötus, viele Fetttröpfchen enthalten. Der verſchiedene Durchmeſſer der Harncanälchen, auf welchen von manchen Siftologen ein beſonderer Werth ge— legt wird, ſcheint mir auch jetzt noch von mehr zufälligen Verhältniſſen herzurühren, als mit irgend einem ſpeciellen phyſiologiſchen Zwecke in Verbindung zu ſtehen; er iſt weder in der Nähe der Capſeln, noch in andern Theilen der Niere conſtant, er iſt ſowohl bei den mit Enchymkörnern, als auch mit Kernen angefüllten Canälchen bald kleiner, bald größer. Die Capſeln ſelbſt haben entweder nur wenig gewöhn— liche Epithelialzellen, indem ihre Wandung den glomerulus enge umfaßt; oder Kerne, von welchen ſich ebenfalls auf Zuſatz von Fluſſigkeit eine Zellenwand abhebt, jo daß dann kern— haltige Zellen palliſadenförmig um das Gefäßknäuel geftellt ſind; oder die Capſel ſtrotzt ganz von Kernen, wodurch die Contouren der Gefäßſchlingen ganz verdeckt werden und nur die äußerſte Bewegungshaut als ein heller, mattweißer Saum zu ſehen iſt. Die blaſtemartige Maſſe iſt in den Capſeln nur ſpärlich mit Enchymkörnern verſehen; dieſe reichen faſt ausſchließlich nur vom Canälchen bis zum Eingange in die Capſel. — Günther giebt durch ſeine oben ausgeſprochene Anſicht von einer Einſtülpung des Gefäßes in das Harncanälchen zugleich eine Andeutung zu den Entwickelungsvorgängen genannter Theile. Verhielte ſich die Sache wirklich auf die angegebene Weiſe, ſo wäre ſie allerdings ſehr einfach; allein die darüber gehegten Zweifel werden nach Unterſuchungen an Embryonen keineswegs gehoben. Die Schwierigkeit des Problems rechtfertigt, wie ich glaube, jeden Verſuch einer Erklärung von nur ſelten gelingenden und überzeugenden 171. VIII. 17. 262 Präparaten. Was ſich mir bei Schafsembryonen als einige Anhaltspunkte darſtellte, läßt ſich etwa in folgendem zuſammen— faſſen. Größere Embryonen, ſchon von 2“, haben bereits ausgebildete Nieren; ſie gewähren durch ihre Weichheit nur den Vortheil einer leichtern Präparation und dadurch einer ungetrübteren Einſicht in die ganze Sache. Bei einem 1“ langen Embryo fand ich aber folgendes: Beſchaut man die kleine Niere mit der Loupe, ſo ſieht man an ihrer Oberfläche zarte Gefäßinjectionen, nach Art eines Netzwerkes, deſſen Knötchen den malpighiſchen Körperchen entſprechen. Dieſe letztern zeichnen ſich durch ihren noch ein Mal ſo großen Durchmeſſer, als bei Erwachſenen aus, wozu die Breite der einzelnen Schlingen etwas beitragen mag; ſie ſind weniger rund oder oval, ſondern mehr herzförmig, doppellappig, und von einer ziemlich dicken Schicht eines zähen Blaſtems umgeben, in welchem alle Formen von Zellenbildung anzu— treffen ſind. Die Harncanälchen ſind ihrer Geſtalt nach am beſten mit den Fingern eines Handſchuhes zu vergleichen, von dunkler grauer Farbe, mit einem äußerſt feinkörnigen Inhalte und an ihren Rändern mit weißer Einfaſſung. Bei näherer Betrachtung zeigt es ſich, daß letztere durch an einander gereihte, zarte kernhaltige Epithelien gebildet wird. Nach der Peripherie der Niere endigen ſie blind; manch Mal rollen ſie ſich ein, ſo daß zwei weiße Säume neben einander und der graue innere Theil nach außen zu liegen kommt; bisweilen treten an ihrer Seite kleine Knoſpen auf, die ſich als neue Canälchen zu erkennen geben. Zwiſchen zwei ſolchen Harncanälchen kommt nun ein großes Gefäßknäuel mit ſeiner zellenhaltigen Hülle, welche bei der Präparation ſich leicht abſchält, zu liegen. Es drängt ſich hier unwill— kürlich die Frage auf, ob die blinden Enden von je zwei Harncanälchen mit der Hülle des glomerulus ſich vereinigen, die Zwiſchenwände durchbrechen und ſomit eine Communi— cation mit der Hülle, als der ſpätern Capſel und den Harn— canälchen, hergeſtellt werden kann, wofür etwa die in der Capſel noch einzeln vorkommenden Kerne ſprächen, während ſie den Wandungen der Canälchen fehlen. Herr Meckel erwähnt in ſeiner „Mikrographie einiger Drüſenapparate der niedrigen Thiere“ (J. Müllers Arch., Jahrgang 1846. S. 14 ff.), daß die Nierenzellen der Lungenſchnecken in ihrer Höhle Niederſchläge von harn— ſauren Salzen enthielten. Ein ähnliches Vorkommen ge— hört bei den Höheren Thieren zu den Seltenheiten; ich bes obachtete es nur ein Mal bei der Fiſchotter: die Harneanälchen von 0,011 0,088“ im Durchmeſſer find hier theils voll— ſtändig, theils nur in ihrer Mitte mit Haufen, ſelbſt Cy⸗ lindern von körnigen Niederſchlägen angefüllt, welche je nach der ſtärkern oder geringern Anhäufung eine blaßgelbe bis vorange- ja dunkelgelbe Farbe haben. Dieſe Conglomerate beſtehen theils aus amorphen Körnchen, theils aus ſchönen rhomboedriſchen Kryſtallen und werden durch ein zähes Binde— mittel zuſammengehalten, bisweilen ſo zuſammengebacken, daß eine mechaniſche Trennung ſchwer zu erzielen iſt. Außer— dem enthalten auch die Harnzellen von 0,0080 —0,0084““ im Durchmeſſer ſolche Körner oder Kryſtällchen, meiſt um den Kern (0,003) gelagert, ihn zum Theil bedeckend, 17* 263 welche durch die bekannten Reactionen ſich als Harnſäure und ihre Salze erwieſen. Dieſes Vorkommen von Harn— niederſchlägen führt mich zu den Harnſäure-Abſcheidungen in den Nieren der Neugeborenen, eine im früheſten kindlichen Alter häufige Erſcheinung, welche die praktiſchen Arzte noch lange nicht hoch genug anſchlagen, trotz des großen Intereſſes, welches ſie durch ihre innige Wechſelwirkung mit den wich— tigſten phyſiologiſchen Proceſſen des zarten Organismus er— regen muß. Schneidet man die Niere eines neugeborenen Kindes quer ein, ſo ſieht man die Pyramidalſubſtanz, welche durch bläßere Färbung von der mehr oder weniger dunkelrothen, faſt an Hyperämie grenzenden Corticalſubſtanz abſticht, vor— züglich an den Papillen von chamois oder goldgelben bis rothbraunen, dem geraden Verlaufe der Canälchen folgenden Strahlen durchzogen, während ſie in der Rindenſubſtanz zu fehlen ſcheinen. Fährt man mit einem Scalpell über die Papille leiſe hin, fo ſickert aus ihr eine Flüſſigkeit von ge— nannter Farbe, und ein Tropfen davon unter das Mifrojfop gebracht, läßt folgende Elemente erkennen. Ein Mal frei herumſchwimmende Moleküle, amorphe Körnchen, denen des harnſauren Ammoniaks gleichend; Körnchen von rundlicher Geſtalt, theils durchſichtig, theils dunkelbraun gefärbt, von 0,0004 —0,0015““ im Durchmeſſer; ferner zuſammengeballte Stücke in der Form von Harncanälchen, gleichſam Abgüſſe davon, bisweilen ihr Durchmeſſer dem der letzteren ziemlich gleich kommend, 0,026, gewöhnlich nur 0,004 — 0,009 dick; ſie haben ein druſiges Anſehen, ſind meiſt ganz un— durchſichtig, nur die an den Rändern einzeln hervorragenden Körner beſitzen eine bräunliche Färbung; nicht ſelten iſt der ganze Inhalt des Harncanälchens, wie bei Brights Krankheit, ausgetreten und hält in ſeiner Mitte dieſe abgelagerten Maſſen, von denen die äußern, ſie umgebenden Theile, wie Epithelien, Kerne, ſchwer abzuſpülen ſind; in Bezug auf ihre Dicke verhalten ſich dieſe Schläuche zu ihren eingeſchloſſenen Goneretionen wie 0,015: 0,004. Zerdrückt man ſolche Conglomerate, ſo ergiebt ſich, daß ſie aus oben genannten bräunlichen Körnern beſtehen und durch irgend eine Binde— maſſe zuſammen geleimt werden. Außerdem kommen, wenn— gleich ſeltner, einzelne Kryſtällchen von Rhomben- oder Faß— form vor, wie von der Harnſäure allbekannt iſt. Sal— peterſäure löſ't die Concretionen raſch auf, weniger ſchnell cauſtiſches Kali: dieſer Löſung zugeſetzte Eſſigſäure läßt augen— blicklich ſchöne rhomboedriſche Tafeln von Harnſäure auf— treten. Endlich freie Epithelien der Harncanälchen; ſie ent— halten in ihrem Innern feine Körnchen von verſchiedener Lichtbrechung, vom Hellbraunen bis faſt ins Schwarze, welche gewöhnlich um den Kern abgeſetzt ſind oder ihn ganz un— kenntlich machen, von 0,0001 —2“7; nicht ungewöhnlich iſt die Zelle von den Körnchen fo angefüllt, daß ihre Wandung gerade noch an einem weißen, ſchmalen Saume zu erkennen iſt. Außerdem finden ſich noch Zellen, deren Inhalt Körn— chen von unmeßbarer Kleinheit enthält, wodurch man keinen Unterſchied zwiſchen ihnen und gewöhnlichen Pigmentzellen auffinden kann. Noch anderer Formen von Epithelialzellen muß ich gedenken, da ſie ihres nicht ſeltnen Vorkommens 171. VIII. 17. 264 und ihrer eigenthümlichen Geſtalt halber vielleicht einen Aufſchluß über die Bildung dieſer Concretionen geben können. Es ſpitzen ſich ſolche mit Körnchen angefüllte Zellen nach entgegengeſetzten Seiten zu, werden ſpindelförmig; der in der Mitte gelegene Kern iſt von jenen bedeckt, die ſich bis— weilen bis in die äußern Spitzen fortſetzen. Dabei ſchnürt ſich die Zelle an ihrer Spitze ab, und ein kleines, mit einigen Körnchen gefülltes Bläschen ſitzt auf der länglichen Haupt— zelle. Dieſe Geſtalten kommen zu häufig vor, um ſte für Täuſchung nehmen zu können, und man kann ſich bei ihrem Anblicke des Gedankens nicht erwehren, die Zelle entleere an ihrer Spitze die Körnchen nach außen zwiſchen die übrigen Epithelialzellen; ſolche frei gewordene Körnchen ballen ſich zuſammen und werden durch irgend eine organiſche Sub— ſtanz, vielleicht die aufgelöſ'ten Wände der Epithelialzellen, an einander gekittet. Daß dieſe Körnchen, welche dieſelben Reactionen auf harnſaure Verbindungen zeigen, wie die frei vorkommenden, wirklich innerhalb der Zellen ſich be— finden und nicht bloß ihnen aufſitzen, ſieht man unzweifel— haft beim Rollen freier Epithelialzellen im Waſſer. Alle dieſe beſchriebenen Formen finden ſich endlich nicht allein in den Canälchen der Pyramidalſubſtanz, ſondern auch in gleicher Menge in denen der Rinde, nur ſind ſie hier nicht ſo in die Augen ſpringend. Ahnlich, wie bei den Neuge— bornen ſieht man auch in den Nieren Erwachſener die Pa— pillen nicht ſelten mit weißlichen Streifen durchzogen. Die mikroſkopiſche Unterſuchung ergiebt jedoch, daß die Harn— canälchen nicht mit niedergeſchlagenen Harnbeſtandtheilen, ſondern nur mit angehäuften Epithelialzellen überfüllt ſind; Gleiches trifft man faſt regelmäßig in der Niere des Fuchſes. Über genanntes Thema hat in neueſter Zeit Virchow (Verhandl. der Geſellſchaft für Geburtshülfe in Berlin 1847. Jahrg. II. S. 170 — 204) uns mit einer vortrefflichen Ab— handlung beſchenkt; es liegt hier nicht in meiner Abſicht, ſpecieller auf dieſelbe einzugehen, da ohnedies jeder, welcher mit genanntem Gegenſtande ſich beſchäftigt, Kenntuiß davon zu nehmen hat: ich will nur in Kürze einige Punkte daraus erwähnen, in ſo ferne ſie mit unſern Erfahrungen harmoniren, oder nicht. Virchow erzählt, er habe, wie vor ihm Schloßberger, dieſen Harnſäure-Infaret nur bei ſolchen Kindern angetroffen, welche geathmet haben, und zwar vom 2ten bis ohngefähr 20ten Tage nach der Geburt. Was den erſten Punkt anlangt, ſo kam auch mir weder in un— ausgetragenen Früchten, noch todt geborenen Kindern irgend jemals ein Infaret zu Geſicht; in Betreff der Angabe des 2ten Tages als des beſtimmten Termines, von welchem an ſich jener einſtellt, muß ich entgegnen, daß derſelbe nach den Liſten des hieſigen Entbindungshauſes, welche mir Herr Prof. Martin gefälligſt mittheilte, bei einem ſchon 18 Stunden nach der Geburt geſtorbenen Kinde gefunden wurde. Ich lege in phyſiologiſcher Beziehung gerade keinen beſondern Werth darauf, ob die Harnſäure-Ausſcheidung, welche mir ebenfalls nur für einen phyſiologiſchen Act gilt, ein Paar Stunden früher oder ſpäter eintritt, glaube aber, deshalb des Termines erwähnen zu müſſen, weil Virchow ihn der gerichtlichen Mediein zur Benützung in Vorſchlag bringt. 265 Im weitern Verlaufe feiner ſchätzbaren Arbeit gedenkt Vir— chow auch der Gelbſucht der Neugebornen und nimmt ſie, gleich den harnſauren Niederſchlägen für einen mit den erſten Lebensproceſſen des Neugebornen enge verknüpften phyſio— logiſchen Vorgang, drückt ſich aber nicht entſchieden aus, ob beide Proeeſſe zugleich auftreten oder in einem alternirenden Verhältniſſe ſtehen; er läßt bloß den Harnſäure-Infaret aus den metamorphoſirten Beſtandtheilen des Blutplasma's, die Gelbſucht aus einer Verwandlung untergehender Blutzellen in Gallenfarbeſtoff hervorgehen. In dieſer Beziehung be— ſtätigen unſere Erfahrungen, daß diejenigen Kinder, in deren Nieren die harnſauren Niederſchläge gefunden wurden, immer auch die Gelbſucht hatten. Endlich glaubt Virchow, daß die Ausſcheidung dieſer Harnconeretionen auch während des Lebens vor ſich gehen müſſe, den Nachweis davon zu liefern ihm bis jetzt noch nicht gelungen ſei, was bei dem reich— haltigen Materiale, wie es ihm zu Gebote ſteht, zu bewun— dern iſt, denn die goldgelben, bisweilen röthlichen, wie Blut ausſehenden Flecke in den Windeln ſind bei uns, namentlich in Franken, eine häufige, jeder Hebamme bekannte Erſcheinung. Bei meinem Mädchen, welches nebenbei gallige Ausleerungen hatte, unterſuchte ich am Zten Tage nach der Geburt dieſe bräunlichen Flecken in den Windeln und fand fie aus Harnſäureeryſtällchen und harnſauren Salzen nebſt vielen abgeſtoßenen Epitheliumzellen und Kernen beſtehend. Durch die Güte des Herrn Dr. Falk wurde mir der Eiter eines rotzkranken Pferdes in der hieſigen Thierarznei— ſchule, ſowohl aus der Naſenhöhle, als auch von geöffneten Muskelabsceſſen (Wurmbeulen) zur Unterſuchung überſchickt, welcher folgende Beſtandtheile zeigte: a. Eiter von der Schleimhaut der Naſe. 1) Der Eiterfaft, Blaſtem, beſtand aus einem fein— körnigen, gelblichgrauen, ſtaubartigen Niederſchlage, deſſen Pünktchen oder Körnchen auf etwas Zuſatz lebhafte Molecü— larbewegung äußerten. Zuſatz von Eſſigſäure bewirkte durch einen Niederſchlag von feinen Flöckchen eine Trübung der Flüſſigkeit; Ather ließ Fetttröpfchen, welche zuſammenfloſſen, erkennen. Zwiſchen dieſen kleinen Partikelchen befanden ſich 2) größere Körnchen von 0,0007 —0,00 1“ von glänzen— dem Anſehen mit ſcharfen, ſchwarzen Rändern; auf Zuſatz von Eſſigſäure waren in ihnen eine kleine Vertiefung und zackige Ränder zu erkennen; deſtillirtes Waſſer machte fie größer, bläschenartig. 3) Runde, glashelle, beim Rollen im Waſſer als Bläschen erſcheinende Zellen von 0,005“ mit einem ſcharf contourirten Kerne von 0,002, welcher in der Mitte einen Eindruck hatte. 4) Runde Zellen von demſelben Anſehen und derſelben Größe, wie die vorigen, aber mit 2— 6 Kernen, welche eine verſchiedenartige Lage einnahmen, bald neben einander, bald einander gegenübergeſtellt, in Form von Roſetten, Kreuzen zuſammengereiht; da, wo mehrere Kerne vorhanden waren, zeichneten ſich immer einer oder zwei durch beſondere Größe und Glanz vor den übrigen aus; auf Eſſigſäure wurden ſie kleiner, ſtärker markirt, mit napfförmigen Eindrücken ver⸗ ſehen. Sie maßen 0,0007 — 0,0023,“ im Durchmeſſer. 171. VIII. 17. 266 Längere Einwirkung des Waſſers dehnte die Zellen bis zum Platzen aus, wobei die Kerne heraustraten. 5) Zellen von granulirtem, körnigem Ausſehen, wie die gewöhnlichen Eiterkörperchen, weder Kern noch Zellen— wand zeigend; auf Waſſerzuſatz hob ſich die Membran ring— förmig mit milchweißer Färbung ab, ſo daß die Zelle ohn— gefähr 0,005, der zurückbleibende ſcheinbare Kern 0,004 mißt; bei länger andauernder Einwirkung wird dieſer Kern, welcher ganz wie das frühere Eiterkörperchen ausficht, kleiner, an den Rändern eingekerbt, 2— 3 kleinere dunkle Pünkt— chen ſcheinen durch, bis er endlich ganz aufgelöſ't 3 Kör— perchen Platz macht, welche dieſelben phyſicaliſchen und che— miſchen Eigenſchaften, wie die Kerne der obigen Zellen haben. Der ganze Vorgang beſtand alſo in der allmähligen Auflöſung des Inhaltes der Zelle, welcher die eigentlichen Kerne eingeſchloſſen hatte. Außerdem kommen auch Kerne vor, von welchen 2—3 mit einander zu einem verſchmolzen zu ſein ſcheinen, ſind eingekerbt, lappig und haben in jedem, früher als einzelner Kern getrennten Theile kleine Pünkt— chen; Eſſigſäure macht ſie dunkler, nach längerer Zeit ein— ſchrumpfend, ohne ſie aufzulöſen. 6) Epitheliumzellen, theils jüngere, theils ältere; erſtere von 0,0075“ im Durchmeſſer haben einen Kern von 0,0035,“ und laſſen in ihrem Innern einen beginnenden Niederſchlag von Fettmolecülen erkennen; die letztern von 0,01 — 0,015 im Durchmeſſer von verſchiedener Geſtalt, ſind mit Fetttröpfchen vollgepfropft, welche mitunter die Contouren des Kernes noch zeigen, gewöhnlich aber ihn ganz verdecken; die Fetttröpfchen erreichen eine bedeutende Größe bis zu 0,004““, fließen endlich in einander, fo daß förmliche Fettzellen auftreten, deren Wandung man nur durch Einreißen oder Faltung nach dem Austritte des Fettes bei Behandlung mit Ather ſehen kann. In dieſen Epithelium— zellen kommen bisweilen neben den Fetttröpfchen kleine Kry⸗ ſtalle von der Form des oralſauren Kalks vor; Waſſer, Al— kohol laſſen ſie intact, Eſſigſäure löſ't bloß die Wandung der Zellen, wohl aber verſchwinden ſie auf Zuſatz von Chlorwaſſerſtoffſäure. Bei der Vermuthung, daß dieſe Zellen durch die Fütterung des Thieres dem Pflanzenreiche ange⸗ hörten, in welchem die Kryſtalle des oralſauren Kalkes ſehr verbreitet ſind, z. B. in den Parenchymzellen der Cactus— arten, Orchideen ꝛc. als Raphiden, in den Kartoffeln als Octaeder, richtete ich mein beſonderes Augenmerk darauf, fand aber keinen paſſenden Vergleich mit pflanzlichen Zellen, zumal die Epitheliumzellen alle ihre characteriſtiſchen Eigen⸗ ſchaften aufwieſen. 7) Amylonhaltige Zellen des Hafers. b) Im Eiter der Wurmbeulen war nicht viel Ab— weichendes zu ſchauen; er enthielt viel freies Fett in größern und kleinern Tropfen, runde helle Zellen, mit einem ſie bald mehr, bald weniger ausfüllenden Kerne, und dunklere, körnige Zellen, deren Wand lange Zeit der Einwirkung ſelbſt von concentrirter Eſſigſäure widerſtanden; letztere zeigten 2 —3 Kerne in ihrem Innern. Von den Gerberſchen Eiterzellen kam nirgend eine Spur vor. (Fortſetzung folgt.) 267 Miſeellen. 33. Eis leitet den Galvanismus. — C. Dewey erperimentirte kürzlich mit einer Grooveſchen Batterie von 18 Ele— menten, die Batterie blieb Nachts mit unterbrochener Stromleitung ſtehen, Morgens war deshalb in allen Elementen keine Waſſerſtoff— entwicklung bemerkbar. Plötzlich trat Froſtwetter ein, die Flüſſig— 171. VIII. 17. 268 keit war eines Morgens in allen Elementen gefroren; zugleich fand eine lebhafte Gasentwicklung Statt, die fo lange fortdauerte, bis alles Eis ſorgfältig vom Platinblech entfernt war. (The Ameri- can Journal, No. 17, 1848.) Nekrolog. — In Berlin iſt der verdiente Erichſon, einer unſerer thätigſten Zoologen und fpec. Entomologen nach kur— zem Krankenlager geſtorben. Heilkunde. (XX.) über die Krankheiten der Arbeiter in den Queckſilberminen von Almaden. (Aus dem Correspondent of l’Union médicale No. 116.) Schon Juſſieu bemerkte, wie die freiwilligen, in Al— maden anſäßigen Arbeiter, die nach vollbrachtem Tagewerke ihr Leinenzeug wie ihre Kleider wechſeln, ſo geſund wie an— dere Leute blieben; wogegen die Gefangenen und Sclaven, welche gezwungen arbeiten und in den Minen Mittag hal— ten mußten, für deren Reinlichkeit überdies wenig geſorgt ward, an geſchwollenen Parotiden, Aphthen, Salivation und über den Körper verbreiteten Geſchwüren litten. Gegen— wärtig arbeiten zwar weder Gefangene noch Sclaven in den Minen Almadens, dagegen zeigt ſich der jammervolle Zuſtand, dem jene unterlagen, an ſolchen Arbeitern, die nur von Zeit zu Zeit dort Dienſte nahmen; überhaupt iſt der Geſundheitszuſtand der in oder um Almaden geborenen und wohnhaften Arbeiter und ſolcher, die aus andern Gegenden kamen, ein ſehr verſchiedener. Die dort geborenen Arbeiter kommen jung in die Gruben und gewöhnen ſich allmälig; ſie lernen an ihren Eltern die Gefahren, die ſie zu mei— den haben; ſie haben endlich, da ihre Familien im Orte leben, beſſere Pflanzen und Nahrung als die Fremden. Nur unter den dort Geborenen trifft man, wenngleich ſel— ten, Leute, die 40 Jahre lang in den Gruben arbeiteten, bei guter Geſundheit. Lopez de Arebado, der 23 Jahre lang Phyſicus von Almaden war, erzählt, daß Knaben, ſo— bald ſie eine Laſt von 12 @ zu tragen vermögen, mit in die Grube fahren, um dem Vater zu helfen, und daß ſich nach dem Maße ihrer Kräfte auch ihre Arbeit mehrt. Nach Arebado werden die Arbeiter ſelten über 60 Jahre alt, nur etwa 12 Perſonen erreichten während ſeines langen Aufenthalts ein Alter von 70 Jahren. Zwei wurden 75 Jahr alt, waren geſund und nur in ſehr geringem Grade von Queckſilber affieirt. Dergleichen Beiſpiele ſind aber von Fremden nicht aufzuweiſen. Meiſtens ſind es unglückliche Geſchöpfe, die Noth und Elend, um nur das Leben zu fri— ſten, aus den Provinzen la Mancha, Eſtremadura, nament— lich aus Gallicien und Portugal nach Almaden trieb. Sie halten entweder aus Unbekanntſchaft mit der Gefahr, oder aus Gleichgültigkeit für ihr Leben, wenig auf ſich; ſtatt ſich ſorgfältig, ſowie ſie die Gruben verlaſſen, zu reinigen und Leinenzeug wie Kleider, ehe ſie eſſen oder zum Schlafen gehen zu wechſeln, halten ſie mit ungewaſchenen Händen und Ge— ſicht in unterirdiſchen Gruben Mittag, beſitzen nur ſelten ſo viel Kleider, um ſie wechſeln zu können, gehen vielmehr ungereinigt, ſowie ſie aus den Graben kommen, Haar, Haut und Kleidung mit Queckſilbertheilchen bedeckt, einher, ſuchen überdies ihr Elend durch Sinnenluſt, Trunk und alle mög— lichen Ausſchweifungen zu betäuben. Bei ihnen findet der ſchädliche Einfluß der Queckſilberminen den günſtigſten Bo— den, wirkt auch deshalb bei ihnen um fo unheilsoller. Der Charakter, wie die Heftigkeit der Krankheitserſchei— nungen ſind nach den Umſtänden verſchieden. Lopez de Arebado verſichert, daß ſich die Krankheit bei einigen Ar— beitern nur als Zittern, bei andern nur als Salivation äußere; unmäßige, hagere Subjecte leiden nach ihm häufiger an dem erſtern, Leute mit ungeſunden Säften mehr an dem zweiten Übel. Dieſe Bemerkungen finden noch jetzt ihre volle Beſtätigung; auch die Beſchaffenheit des Temperamen— tes wie des Gemüthes ſcheint von großem Einfluß auf das Übel zu ſein. Starke ſanguiniſche Männer erliegen im all— gemeinen ſchneller als hagere nervöſe Subjecte; eben fo aus— gemacht iſt es, daß Leute, die von jung auf in den Queck— ſilbergruben arbeiten, weniger empfindlich gegen ihre ſchäd— lichen Einflüſſe ſind und niemals ſo plötzlich und heftig erkranken, wie Neulinge, die nur zu häufig arbeitsunfähig werden. Nicht alle Theile der Minen ſind übrigens gleich un— geſund, die tiefer gelegenen, das reichſte Erz enthaltenden Gallerien, die überdies weniger gut gelüftet ſind, ſcheinen am nachtheiligſten zu ſein. Wie aber die Orte in den Gruben, ſo iſt auch die Arbeit in ihnen nicht gleich gefähr— lich; die ſchädlichſte Arbeit iſt das Losbrechen des Erzes und das Treiben des Pumpenwerks. Die bei den Pumpen be— ſchäftigten Arbeiter, außer den ſchädlichen Einflüſſen des Queckſilbers noch der Näſſe preisgegeben, leiden außer den Queckſilberkrankheiten noch an Gliederſchmerzen und Bruſt— entzündungen. Aber auch die außerhalb der Minen arbei— tenden empfinden mehr oder weniger den ſchädlichen Einfluß des Queckſilbers. Am ſchlimmſten von allen ſind die mit der Deſtillation des Queckſilbers beſchäftigten Arbeiter, die fortwährend in einer mit Queckſilberdämpfen erfüllten At— moſphäre leben, geſtellt; dagegen empfinden die Bewohner der Stadt Almaden, über welche der Wind nicht ſelten die Dämpfe der Ofen hinweg treibt, durchaus keine nachtheiligen Folgen; es ſcheint demnach als wenn die Queckſilberdämpfe, noch ehe ſie die Stadt erreichen, verdichtet werden. Bei Thie— 269 0 ren, die auf den Wieſen neben den Ofen graſen, zeigt ſich ſehr häufig Queckſilberzittern. Die Maulthiere, deren 8 die Zinnobermühle treiben, ſind in der Regel geſund; ein Minen— beamter behauptet dagegen, daß man in ihren Knochen dennoch Queckſilber gefunden habe. (!) (Fortſetzung folgt.) (XXI) über einen Fall, in welchem ein fremder Körper ſehr lange im Auge verweilt hatte. Von James Diron. Der nachſtehende Fall, in welchem ein ſreuider Körper, nachdem er acht Jahre in der vorderen Augenkammer verweilt, ausgetrieben ward, beweiſ't, daß die Bildung einer faſerigen Cyſte um dergleichen Metallfragmente den Patien— ten nicht gegen die Wiederkehr einer Entzündung ſicher ſtellt, daher man, wenn dies ohne ernſtlichen Nachtheil für das Organ geſchehen kann, das Ausziehen ſolcher fremden Kör— per nie verſchieben ſollte *). P. G., 25 Jahre alt, ein Schuhmacher, von ſchwäch— lichem Körperbau und blaſſer ungeſunder Geſichtsfarbe, kam am 10. Januar 1848 in das Londoner Augenhoſpital und klagte darüber, daß er auf dem rechten Auge nicht recht ſehe, gegen das Licht ſehr empfindlich ſei und auch Schmer— zen fühle. Die Hornhaut war rein; die sclerotica bot einen gefäßreichen Gürtel dar; die iris bewegte ſich, wenn das Licht auf dieſelbe einwirkte, ſehr träge; die Pupille war etwas niederwärts und einwärts gezogen. Am untern und innern Theile der iris, in der Mitte des Abſtandes der Ci— liaranheftung von dem Rande der Pupille, lag eine kleine rundliche Maſſe von dem Umfange eines Senfkornes, welche ein dunn mit Fibrine überzogener fremder Körper zu fein ſchien. Der Patient konnte große Buchſtaben noch erkennen, war aber noch vor drei Tagen im Stande geweſen, mit die— ſem Auge feinen Druck zu leſen. Er gab an, vor acht Jahren ſei ihm von einem nur wenige Schritte von ihm entfernt geweſenen Manne eine Schrote ins Auge geſchoſſen worden. und er habe deshalb ſich an einen Arzt gewandt, der ihm eine Arznei verſchrieben, von welcher ihm der Mund wund geworden ſei. Die Sehkraft wurde damals nicht beſonders geſchwächt und blieb auf dem kranken Auge etwa 3 Jahre lang faſt ſo gut als auf dem geſunden. Die Entzündung kehrte dann zurück und der Patient zog zum zweiten Male einen Arzt zu Rathe. Er erhielt Queckſilber und befand ſich nach vierzehn Tagen um ſo viel beſſer, daß er zu me— dieiniren aufhörte. Nun blieb alles bis Anfang des lau— fenden Jahres in gutem Stande. Gleich als er ins Hoſpital aufgenommen ward, ſetzte man Blutegel und verordnete ein Abführungsmittel; dann erhielt er Morgens und Abends Calomel nebſt Opium. Nach drei Tagen war der fremde Körper feiner Faferftoff- ) Der verſtorbene Hr. Walker bemerkte, 5 Kupfer ſich im Auge nle auflöſen könne. Oculist's Vade Mecum 1843, p. 171. VIII. 17. Das Auge ſei ſchmerzhaft und roth geworden, 270 hülle mehr als halb beraubt, und es zeigte ſich, daß der— ſelbe eine dünne platte Schuppe ſei, welche ein Fragment von einem Zündhütchen zu fein ſchien. Bald trat eine neue Ablagerung von Fibrine ein, und bis Ende Juni (Januar 2) dauerte die Entzündung bald mehr bald weniger heftig fort; allein der fremde Körper war nie frei genug von Fibrine, daß man ihn ohne Gefahr für die Kryſtalllinſe, welche durchaus geſund blieb, hätte ausziehen können. Im Laufe des Februars fanden von Zeit zu Zeit neue Ablagerungen von Fibrine Statt, die dann wieder abſorbirt wurden. Um die Mitte März war die Ausſchwitzung von Fibrine an der hintern Oberfläche der Hornhaut ſo reichlich, daß die untere Hälfte der Pupille dadurch bedeckt ward und man ſah feine rothe Gefäße in dieſe Fibrine übergehen. Am 10. April erſchien in der Mitte des Fibrinefladens auf der Hornhaut eine kleine weiße Erhöhung mit einem ſchwarzen Punkte in der Mitte, ſo daß es ſchien, als ob die Subſtanz der Hornhaut erweicht ſei und ſich von ein— ander gebe. Drei Tage ſpäter ragte eine feine ſchwarze Spitze hervor. Sie ließ ſich leicht faſſen und man zog ein Metallſchüppchen heraus, res ſich bei näherer Unter— ſuchung als Kupfer auswies. Von der wäſſerigen Feuchtig— keit floß nach der Ausziehung nichts aus, da der fremde Körper ganz in Faſerſtoff eingebalgt war, der hinten eine Scheidewand bildete, während vorn die Abſorption der cor- nea Statt fand. Den 5. Juni. Dichte Verdunkelung verbirgt die in— nere Hälfte der Pupille, und abgeſehen von einer geringen Adhäſion der iris war durch die Verletzung keine weitere nachtheilige Folge zu bemerken. Die iris iſt thätig, die Kryſtalllinſe durchaus durchſichtig und die Sehkraft gut. (Dublin Quarterly Journal of Med. Science, Aug. 1848.) (XXII.) Über böfe Folgen einer Cur mit Kali hydrojodieum berichtet ein belgiſches Journal folgendes. Ein 55 Jahre alter Soldat, welcher an der Stirne mit einem Ausſchlag von acne indurata behaftet war, wurde 5 Monate lang mit Kali hydrojodicum behandelt und dadurch eurirt. Allein dieſes Arzneimittel erzeugte eine Art von Berauſchung, über welche der Regimentschirurg nachſtehendes mittheilt. Als ſich der Soldat in der letzten Zeit zu Löwen befand, ver— ſpürte er in den Füßen einen brennenden Schmerz, welchen er anfangs ſeinen Schuhen zuſchrieb; nach wenigen Tagen nahm derſelbe aber zu und es ſtellte ſich ein Zittern der Füße und eine Art von Berauſchung ein. Er ging ſchwan— kend, und es fanden Schwindel, Trübung des Sehens, Ge— ſichtsſchwäche und oft Doppelſehen Statt. Alles ſchien dem Patienten ſich im Kreiſe zu drehen und dieſe ſämmtlichen Erſcheinungen hielten mehrere Wochen an. Bald darauf verlor er die Kraft, ſeine Lippen und Kiefer zu bewegen, ſo daß er nicht mehr kauen konnte. Auch hatte er unbe— 271 ſtimmte Gefühle im Kopfe, Rücken und in den Extre— mitäten. Ein Paar Tage ſpäter, am 1. April, war der Gang noch unſicher, auch Schwindel, Geſichtsſchwäche, Läh— mung der iris vorhanden. Sein Geſicht hatte den Ausdruck, wie bei einem Säufer; die Sprache war undeutlich, die Augen hervortretend, der Appetit fehlte. Man ließ ihm zur Ader; allein das Blut wurde leider nicht chemiſch unter— ſucht. Es gerann durchaus nicht. Der Harn wurde nach dem Mialheſchen Verfahren analyſirt, indem man ihn mit % feines Volumens Stärkewaſſer vermiſchte und Sal— peterſäure eintröpfelte, um das Kali hydrojodicum zu ent— decken. Auf dieſe Weiſe fand man Jodine, obwohl der Kranke ſeit 6 Wochen jenes Arzneimittel nicht mehr genom— men hatte. Obwohl man ſchweiß- und harntreibende und abführende, ſpäter ſedative, krampfſtillende und toniſche Mit— tel und kalte Bäder anwandte, fo beftanden doch obige Symptome in ihrer ganzen Stärke fort und die acne kehrte ſogar in ihrer früheren Bösartigkeit zurück. Der Patient ge— rieth darüber in ſolche Verzweiflung, daß er ſich aus dem Fenſter eines hohen Stockwerks auf die Straße ſtürzte und an den Folgen dieſes Sturzes gegen Ende Novembers ſtarb. Sonderbarer Weiſe trat in dieſem Falle coryza, dieſe fo gewöhnliche Folge der Behandlung mi t Kali hydrojodi- cum nicht ein. Faſt jedem praktiſchen Arzte werden Bei— ſpiele vorgekommen fein, daß in Folge einer beſondern Idio— ſynkraſie ſchon nach kurzem Gebrauche von kleinen Doſen dieſes Mittels coryza, mit Schläfrigkeit, Kopfweh, Schwäche in den Gliedern und bedeutender Störung der Verdauung eingetreten iſt. Im obigen Falle ſcheint ſich die Subſtanz im Organismus angehäuft zu haben und allerdings iſt der 5 Monate lang fortgeſetzte Gebrauch derſelben in keiner Weiſe zu rechtfertigen. (The Lancet, Aug. 1848.) Miſcellen. (27) Über Pharyngealſäcke. Von Dendy. — M. S., der ſeit feiner Jugend an häufigen Anfällen von asthma spast. litt, nahm vor ungefähr 8 Jahren, wegen einer Affection an der uvula und den Tonſillen ein Pfefferkorn in den Mund, welches ſogleich rückwärts ſchlüpfte und in der Kehle mehr als eine Woche lang verblieb, dabei beſtändigen Reiz und Huſten verurſachte, wo— durch es endlich ausgetrieben wurde. Seit der Zeit bemerkte er, daß öfters ein fremder Körper an jener Stelle ſich aufhielt, nach und nach blieben ſelbſt größere ſtecken und die Speichelabſonderung war profus und beläſtigend. Nach Verlauf eines Jahres brachten Wein und andere Reizmittel eine ſo heftige Irritation im Schlunde hervor, daß öfters ein hyſteriſcher Huſten mit Blutandrang zum 171. WII. 117. 272 Kopfe und Schwindel entſtand. Auch die Reſpiration wurde be— ſchwerlicher. Vor zwei Jahren wurde die uvula herausgeſchnitten, das Leiden nahm jedoch zu. Jetzt iſt der Mann genöthigt, feinen Sack im pharynx mit weichen Stoffen von 2 Unzen Gewicht aus⸗ zufüllen, bevor er eine Nahrung verſchlingen kann. Auch kann er die contenta des Sackes, Speichel oder Nahrungsſtoffe ohne Mühe durch Verwärtsbeugen des Körpers auswerfen. Die Function des Kehlkopfes iſt gehemmt; ſobald er leſen will, fließt viel Speichel über den Schlund und es erfolgt ein heftiger Huſten. Eine Ur: ſache dieſes allmälig zunehmenden Leidens ließ ſich nicht ermitteln. In dieſem, ſowie in einem anderen ähnlichen Falle fanden Stö— rungen des Reſpirationsproceſſes Statt. Wie Verf. glaubt, ver⸗ tieft ſich ein ſolcher Sack gewöhnlich zwiſchen den Wirbeln und der Speiferöhre und nimmt die Stelle des oesophagus ein, welche gegen den Kehlkopf gedrückt und durch dieſen Druck in ihren Wan: dungen verdünnt iſt. Theils durch den verſchiedenen Grad von Tractionen, theils durch die Schwere der ingesta vergrößert ſich der Sack allmälig; zuletzt bildet ſich eine klappenartige Communication zwiſchen dem Sacke und der Speiſeröhre, unmittelbar unter dem Ringknorpel und gegenüber dem fünften und ſechsten Halswirbel, und es wird nicht nur die Deglutition gehindert oder unmöglich ge— macht, ſondern auch die Einführung einer Bougie oder Schlund: röhre erſchwert. Verf. glaubt, daß ſolche Säcke anderen Erweite⸗ rungen und Divertikeln nicht bloß in den Gedärmen, ſondern auch in anderen röhrenförmigen Organen analog ſind, wo eine abwech— ſelnde Contraction und Dilatation Statt findet. Fremde oder uns verdauliche Körper können ſelbſt im Magen einen ſolchen Sack bilden; im colon fanden durch harte seybula ſolche Erweiterungen und Aus⸗ buchtungen nicht ſelten Statt, und manche Fälle von Stricturen mögen, wie Verf. vermuthet, hieher gehören. Solche Säcke ſchei— nen bloß aus verdickter Schleimhaut zu beſtehen; der fortgeſetzte und progreſſive Druck, verftärft durch den Huſten, ſcheint die Mus⸗ kelfaſern aus einander gedrängt und ſo eine Hernie der Schleim— haut bewirkt zu haben, auf ähnliche Weiſe, wie es bei der Bil— dung der Aneurysmen der Fall iſt. In Fällen, wo die Einfüh: rung einer Bougie ſchwer iſt, kann man den Kranken auf den Rücken legen laſſen, ſo daß der Sack auf der Wirbelſäule ruht und dann die Bougie nach vorne gegen die trachea drückt. Hinz ſichtlich der permanenten Cur oder Obliteration kann Verf. aus Erfahrung wenig ſagen. Er empfiehlt jedoch die Anwendung ei— ner Canüle und eines mit einer ftarfen Löſung von Nitras argenti getränkten Schwammes nebſt Beibringung der Nahrung durch eine elaſtiſche Röhre; fo könne der Sack, wenn er leer bleibt und com: primirt wird, entweder einſchrumpfen und ſich contrahiren oder durch Adhäſion feiner Wände ganz obliteriren. (The Lancet 1848. Vol. I. Nr. 25. Oſtr. Med. Wochenſchr. 42.) (28) Eine Heilanſtalt für ſchwachſinnige Kinder, ähnlich der Anſtalt des Dr. Guggenbühl auf dem Abendberge in der Schweiz, iſt im Jahre 1847 in Wuͤrtemberg, wo bekannt⸗ lich der Cretinismus ebenfalls an vielen Orten endemiſch vorkömmt, in Folge der Anregung des Dr. Roſch zu Urach, theils durch frei⸗ willige Beiträge, theils durch Unterſtützung aus Staatsmitteln in dem ehemaligen Frauenkloſter Mariaberg auf der ſchwäbiſchen Alp errichtet und hat guten Fortgang. Ein intereſſanter Bericht findet ſich in dem Med. Correſpondenzblatt des würtembergiſchen ärztlichen Vereins. XVII. No. 37. Bibliographiſche Neuigkeiten. Copgres scienlifique de France. Quatorzieme session, tenue ä Marseille, en scptembre 1846. Deux volumes in 8%, ensemble de 68 feuilles !/,. 1848 Marseille, au secretariat general. Paris, chez Derache. Prix 15 fr. Memoires de physique mecanique; par Guill. Wertheim. In 8° de 26 feuilles / plus 5 pl. 1848. Paris, chez Pagnerre. Ampnutation tibio-tarsienne; par le ducteur Jules Ruur. In 8° de 2 feuilles. Paris 1848 Recherches sur la propagation, les causes, la nature et le traitement du cholera-morbus epidemique; suivies d'une statistique de l’epidemie obser- vee en 1832, dans l’arrondissement de Saint- Menehould 1848, — Saint- Menehould, chez Poignee, Darnauld, et chez l'auteur. De la gangröne par congelation, et des avantages de la temporisation dans les amputations qu'elle, necessite; par le docteur Ad. Ladureau. In de 6 feuilles. Lille 1848, chez Vanackere, Prix 3 fr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrle-Comptolrs zu Welmar. m Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 172. (Nr. 18. des VIII. Bandes.) Januar 1849. Naturkunde. Me! ji auf naſſem Wege zerlegt. — Heilkunde. Marſhal, Calau und Meyer, über die Ginſengwurzel. — Thompſon, die Jagd in Rußland. — e L 3 nde. R Hall, über die Typen der Krankheiten des Rückenmarkſyſtems, durch Experimente erläutert. — Miſcellen. Übermäßiger Haarwuchs ftört die Geſundheit. Cholera in Unteragypten. Eine Austrocknungsgeſellſchaft. — Bibliographie. Miſcellen. Singende Molluſken. Diamant Naturkunde. (XXXVIM.) über die Ginſeng-Wurzel. Eine ruſſiſche Zeitſchrift (Gaugers Repert. f. Pharmacie etc. vom Jahre 1842) enthält zwei Aufſätze über dieſe Wurzel, einen vom Apotheker Friedr. Calau, den andern von Dr. C. A. Meyer; wir faſſen beide in einem Auszuge zuſammen. Der Ginſchen, chineſiſch Jinſchen (menſchliche Kraft) iſt ein perennirendes Gewächs, das in Mandſchurien auf der Bergkette Schauntan, in Daurien, Korea und einigen andern Gegenden China's, nur auf der Nordſeite der Berge und zwar an feuchten Stellen wächſt und 1 bis 2 Fuß hoch wird. Die Wurzel bildet einen Wurzelſtock von 2 bis 4 Zoll Länge und einen Zoll Dicke; ihre Geſtalt entſpricht der Wurzel von Daucus carota, mit der Quere nach rund— um verlaufenden graubräunlichen Streifen. Der gerade, un— getheilte Stengel iſt ſtreifig und in der Nähe der Wurzel roth gefärbt; die Blattſtiele, die zu 4 bis 6 quirlförmig den Stengel umgeben, ſind an der Baſis mit Scheiden ver— ſehen; ihre Blätter ſind einfach und unpaarig gefiedert; die Blättchen, deren 5 an jedem Blattſtiel ſtehen, find eiförmig mit vorgezogener Spitze, am Rande ſägeförmig gezähnt und von hellgrüner Farbe; der lange Blumenſtiel iſt grun, der Blüthenſtand eine einfache Dolde, deren dünne Stielchen roth gefärbt find. Kelch und Blumenkrone find gleichfalls roth. Die Frucht iſt eine zweiſamige, rothge— färbte Kapſel von der Größe eines Senfkorns. Nur die Wurzel dieſer Pflanze iſt offieinell; in Korea und China iſt ſie im friſchen Zuſtande weiß, getrocknet runzlich, mit einer weißen, pulverigen Maſſe bedeckt, in Mand— ſchurien und Daurien iſt ſie dagegen gelb, glatt, getrocknet durchſcheinend, dem Bernjtein ähnlich. Die mandſchuriſche ſoll die wirkſamſte ſein, ſie wird mit Gold aufgewogen, insbeſondere werden die Wurzeln, deren Wurzelhals ſich No. 2152. — 1052. — 172. nach unten in 2 Theile ſpaltet, ſehr hoch geſchätzt; ſie ſind ein Regale des Kaiſers von China. Man glaubt, daß eine ſolche Wurzel dem Hauſe, wo man ſie bewahrt, ein ewiges, ungeſtörtes Glück bereite, ſie vererbt ſich daher nach dem Tode des Familienvaters auf das würdigſte Glied der Familie. Die friſch ausgegrabene Wurzel ſoll gegen Wind ſehr em— pfindlich ſein und durch ihn viel an ihrer Kraft verlieren; ſie wird im Backofen vorſichtig getrocknet. An der ruſſiſchen Grenze, wo ſich Schilka und Ar— gun vereinigen und den Amur bilden, graben die Mon— golen nach Ginſengwurzeln und ſenden ſelbige nach China. In China wird die Ginſeng-Wurzel als Stärkungs— mittel gebraucht; man giebt ſie als Abkochung mit andern Mitteln, auch wohl mit Hühner- oder Hammelbrühe. Kranke, die aus Schwäche nicht das Zimmer verlaſſen, ſollen ſchon nach einer Gabe weite Fußtouren machen, Sterbende durch ſie um 5 bis 6 Tage länger hingehalten werden. Ein Kaufmann in Kiachta, den die dortigen Arzte bereits aufs gegeben hatten, ſoll von einem chineſiſchen Arzte durch Gin— ſeng in wenigen Tagen geheilt ſein; bei Fiebern und Entzün— dungen ſoll ihr Gebrauch nachtheilig, ja ſogar tödtlich wir— ken. Es wäre zu wünſchen, daß man mit einer ächten Wurzel neue Verſuche anſtellte. Soweit Calau. Dr. Meyer hatte ſelbſt Gelegenheit ein ſehr ſchönes Eremplar einer mandſchuriſchen Ginſchen zu unterſuchen; ebenſo ſtanden ihm mehrere Exemplare der koreaniſchen Pflanze, desgleichen Wurzeln des Panax Pseudo- Ginseng und des Panax quinquefolius, die theils in den Sammlungen der kaiſerlich ruſſiſchen Academie, theils in Privatſammlungen aufbewahrt wurden, zu Gebote, die japaniſche Ginſchen kennt er dagegen nicht aus eigener Anſchauung. Die Ginſchenwurzel ſcheint um das Jahr 1610 zuerſt nach Europa gekommen zu ſein; Martinius und Worm, 18 N 275 deren Werke 1655 erſchienen, haben zuerft eine kurze Be— ſchreibung der Wurzel gegeben. Eine Menge von Schrift— ſtellern, die nach ihnen auftraten, erwähnen zwar der Nin— ſing oder Ginſing-Wurzel, aus ihren Nachrichten und Ab— bildungen läßt ſich aber wenig ſchöpfen und nur ſo viel erſehen, daß vielerlei Wurzeln unter dieſem Namen gingen und auch die Stammpflanze der ächten Wurzel ſehr verſchie— dentlich beſchrieben ward. Erſt Fartour, der im Jahre 1709 auf Befehl des Kaiſers Cang-bi, die chineſiſche Tar— tarei (Mandſchurei) bereiſte, brachte genaue, auf eigener Anſchauung begründete Nachrichten; faſt alle ſpätern Schrift— ſteller haben von ihm geſchöpft, ſeine gründliche Arbeit benutzt. Lafitau, Miſſionär bei den Irokeſen, fand bald darauf in den Wäldern Canada's den Panax quinquefolius, den man mit dem ächten Ginſchen für identiſch hielt; auch überrafchte ihn die Übereinſtimmung des, Namens; Ginſchen ſoll nämlich bei den Chineſen die Ahnlichkeit mit dem Menſchen bezeichnen, der Name Charent-oguen der Irokeſen bedeutet dagegen zwei Beine. Faſt um dieſelbe Zeit ſchrieb Kämpfer über den japanſchen Sju-ſjin, oder Nindſin; er bildet für dieſe Wurzel, die er für den ächten Ginſchen hielt, eine dem Sium Sisarum ähnliche Schirmpflanze ab. Nach v. Siebold wächſt auf Japan keine ſolche Pflanze, dagegen bildet Cleyer genau dieſelbe Pflanze für die ja— paniſche Ninſing ab. Kämpfers Zeichnung hat mit einer Panax keine Ahnlichkeit. Nachdem durch Fartoux, Lafitau und du Halde die Mutterpflanze der Ginſchen beſtimmt ermittelt ſchien, gab ein Dolmetſcher Kamenſky 100 Jahr ſpäter die Orchis Nina L. als die Mutterpflanze der ächten Ginſchen aus; Linné hat indes, fosiel dem Verf. bekannt, niemals eine ſolche Orchis beſchrieben, er leitet den Ginſchen von Panax quinquefolius, den Ninsi von Sium Ninsi ab. v. Siebolds neue Arbeit über den japaniſchen Ginſchen blieb dem Verf. unbekannt. Nees v. Eſenbeck beſchreibt zwei Arten, die americaniſche von Panax quinquefolius und die aſiatiſche von Panax Schinseng; vereinigt aber unter letz— terem Namen die chineſiſche Ginſchen mit der japaniſchen und mongoliſchen; alle 3 Arten ſcheinen dem Verf. ſehr ver— ſchieden zu ſein. Die Wurzel der chineſiſchen Ginſchen iſt ſenkrecht, einfach, fleiſchig, walzenförmig, fingerdick, unterhalb in mehrere ſtielrunde Faſern von der Dicke eines Gänſekiels getheilt und mit feinen Wurzelzaſern beſetzt. Der Wurzelhals iſt kurz, aufrecht; man erkennt an den Narben die Stellen, wo vormals Stengel ſtanden; dieſe Narben ſtehen dicht über einander, jede hat an der untern Seite eine dicke, fleiſchige Schuppe, die ganz die Conſiſtenz und Farbe der Wurzel hat und jahrelang ſtehen bleibt. Der Verf. ſah Wurzeln, die mehrere Wurzelhälſe beſaßen und folglich mehrere Stengel, doch immer für jeden Hals nur einen zur Zeit getrieben hatten. — Die Wurzel der americaniſchen Ginſchen iſt der chineſiſchen ähnlich und wie dieſe am untern Theile meiſtens in 2 Aſte getheilt; bisweilen, jedoch ſelten, geht dieſe Theilung bis zum Wurzelhalſe; der letztere iſt, wie bei der chineſiſchen Wurzel, mit Narben bedeckt; ſtatt der fleiſchigen, ſtehen bleibenden Schuppe iſt hier eine häutige, 172. VIII. 18. 276 leicht abfallende, vorhanden. Die Wurzel von Panax Pseudo- Ginseng iſt nicht einfach, büſchelig, und unmittelbar vom Wur— zelhalſe entſpringen mehrere dicke möhrenförmige Wurzelfaſern; ſie gleicht der Wurzel von Sium Sisarum. Noch abweichen— der iſt die Wurzel der japaniſchen Ginſchen geſtaltet; ſie bildet, nach Nees v. Eſenbeck, ein langes, kriechendes, kno— tiges Rhizom, das ſeiner ganzen Länge nach mit Wurzelzaſern beſetzt iſt und ſeitlich eine dicke, ſpindelförmige Wurzelfaſer treibt; Narben deuten auch hier die Stelle früherer Stengel an, allein die Schuppen an der Baſis der Stengel ſind nicht fleiſchig. Bei der chineſiſchen Ginſchen entſpringt an der Spitze der Wurzelhalſes, die ſich mit jedem Triebe etwa um eine Linie verlängert, ein einzelner Stengel, an deſſen Baſis ſeitlich eine dicke, fleiſchige, eiförmige, ſtehen bleibende Schuppe vorkommt; er iſt aufrecht, unbehaart, etwas eckig, gefurcht, ganz einfach und von der Wurzel bis zu der Stelle, wo der einfache Blattquirl entſpringt, nackt, d. h. ohne Blätter und Schuppen. Etwa 1 Fuß von der Wurzel ſteht ein Quirl von 3 bis 4, nach Fartour von 2 bis 7 Blättern; die Blattſtiele find 2½ Zoll lang, unbehaart, dünn, ſtiel— rund, auf der oberen Seite tief gefurcht und an der Baſis nur wenig verdickt; ſie tragen auf ziemlich langen, faden— förmigen Stielen 5 Blättchen von verſchiedener Geſtalt und Größe; das Endblättchen iſt das größte, etwa Al, Zoll lang und 2¼ Zoll breit, eiförmig, elliptiſch nach oben und unten zugeſpitzt, an der Spitze undeutlich ſägezähnig. Die beiden oberen ſeitlichen Blättchen ſind dem Endblättchen ähnlich, nur etwas kleiner, überdies ungleichſeitig; die beiden äußerſten Blättchen find die kleinſten, kaum 2 Zoll lang und 1 ½ Zoll breit; fie find einförmig, ſtark zugeſpitzt und ungleichſeitig; ſämmtliche Blätter ſind, bis auf einige Borſten an der Oberfläche, unbehaart; alle ſind ſcharf geſägt, jeder Zahn läuft in eine Borſte aus; an dem untern Blatttheile haben die Zähne ein ganz kleines (höchſt ſelten 2) zuge— ſpitztes Sägezähnchen; auf dem oberen Blattheile ſind ſie immer ganzrandig, zwiſchen je zwei Sägezähnchen ſteht eine Borſte, die oft nach innen gebogen iſt. — Bei den drei andern Arten ſind die Stengel, die Stellung der Blätter und Blättchen, ſowie deren Zahl ebenſo, die Geſtalt der Blättchen und deren Rand unterſcheidet ſie zur Genüge. Bei Panax Pseudo-Ginseng find die Endblättchen meiſtens länglich und in einer längern Spitze vorgezogen, auch iſt die obere Seite der Blättchen mit zahlreichen Bor— ſten beſetzt; der Rand iſt ziemlich gleichförmig und doppelt geſägt; die großen Sägezähne ſind am obern und untern Theile des Blattrandes wieder mit mehreren kleinern ein Spitzchen tragenden Sägezähnchen beſetzt. — Die Blätter der amerieaniſchen Ginſchen find umgekehrt eiförmig, nach der Spitze zu am breiteſten; ſie endigen plötzlich in eine lange Spitze; ſie ſind glatt oder nur an der oberen Fläche mit wenigen Borſten beſetzt; nach der Baſis ſind ſie klein und einfach geſägt, nach der Spitze zu mit tiefen, großen, doppelten Sägezähnen verſehen, die am untern Rande mehrere kleine ſpitzige Sägezähnchen haben, am obern Rande aber durchaus ungezähnt find. In der Abbildung hat die japa= 277 nifche Ginſeng Blätter, die dem Panax Pseudo - Ginseng ähnlich ſind. Der obere Theil des Stengels hat beim chineſiſchen Ginſchen vom Urſprung des Blattſtiels bis zur Dolde etwa die Länge der Blätter, er iſt einfach ſchwach gefurcht und trägt eine aus 30 bis 35 einfachen etwa 5 bis 6 Linien langen Blumenſtielen beſtehende Dolde. Auch beim japani— ſchen und nepaliſchen Ginſchen iſt der doldentragende Stiel meiſtens länger, als der Blattſtiel, bei dem americaniſchen Ginſchen dagegen meiſtens kürzer; bei Panax Pseudo - Gin- seng wird er bisweilen nur 2 Zoll lang, und, jedoch nicht immer, äſtig. Die Kelchzähnchen geben kein gutes Merkmal, ſie ſind beim chineſiſchen, americaniſchen und nepaliſchen Ginſchen bald etwas ſtumpf, bald ſpitzig: Die Blumenblätter des chineſiſchen Ginſchen ſollen abgerundet und roth gefärbt ſein, beim americaniſchen ſollen ſie ſtumpf, beim nepaliſchen ſpitz ſein; der Verf. fand bei beiden Pflanzen die grünlichen Blumenblätter von faſt gleicher Geſtalt. Die Frucht aller vier Arten iſt gleich, eine rothe, nierenförmige, zweiſamige Beere, bisweilen iſt fie bei Panax Pseudo-Ginseng Zfächrig Zſamig: dasſelbe gilt vom americaniſchen Ginſchen. Die Eremplare der koreaniſchen Pflanze ſtimmen, nach dem Urtheile des Verf., mit dem mandſchuriſchen Exemplare überein, nur waren fie etwas niedriger, die Blättchen etwas kleiner, die Kelchzähne etwas ſpitziger. Die 4 Panax-Arten unterſcheiden ſich demnach hauptſächlich durch die Geſtalt der Wurzel, die Form der Blättchen und deren Sägezähne. Der Panax Ginseng Meyer, der den ächten mandſchu— riſchen Ginſchen liefert, wächſt in der Mandſchurei und in Korea. Panax Pseudo - Ginseng Wallich auf dem Gipfel des Berges Sheopore. Panax japonicus Meyer iſt in Japan zu Hauſe. Panax quinquefolius L. bewohnt die Walder Nord— america's (Penſylvania, Canada, Maryland u. ſ. w.) Die unpräparirte Wurzel der mandſchuriſchen Ginſchen iſt gelblich mit zarten, ſchwärzlichen Querſtreifen; ſie hat einen ſcharf aromatiſchen, ſehr eigenthümlichen Geſchmack, der einen ſüßlichen Nachgeſchmack hinterläßt; der Geruch ähnelt der Serpentaria, iſt jedoch ſchwächer. Die präparirte Wurzel iſt faſt hornartig, durchſcheinend, bernſteinfarben; fie löſ't'ſich im Munde faſt vollftindig auf, ſchmeckt ſcharf bitterlich, etwas aromatiſch, hat einen ſüßlichen Nachge— ſchmack und iſt faſt geruchlos. — Die weißen Wurzeln der Ginſchen haben die Geſtalt der kleinen, bernſteinfarbenen Wurzeln; ſie ſind kreideweiß, durchſcheinend und wie aus lauter Amylum zuſammengeſetzt, ihr Geſchmack iſt dem bern— ſteinfarbenen Ginſchen ähnlich, doch ſchwächer; gekäut hinterlaſſen ſie viel Faſerſtoff, die Wurzel iſt geruchlos. — Die von Tileſius als Ginſeng verbreitete Wurzel, die Kunze als ächten Ginſchen beſchrieb, iſt eine völlig verſchiedene, vielleicht einer Valeriana angehörende Wurzel Der Preis der ächten Ginſchen iſt jetzt viel höher, als vor 150 Jahren. Martinius giebt ihren Werth auf das Dreifache des Silbers au. 1709 als Fartour die Mandſchurei beſuchte, wächſt in Nepal 172. VIII. 18. 278 waren 10,000 Mann mit dem Einſammeln der Wurzel be— ſchäftigt; man berechnete, daß damals 20,000 Pfund Gin— ſchen eingeſammelt wurden. Jeder Mann mußte 2 Unzen der beſten Wurzeln dem Kaiſer geben und ihm den Reſt gegen das gleiche Gewicht feinen Silbers abliefern. Da— mals wurde ſie von der kaiſerlichen Behörde mit dem 3 bis Afachen Gewichte Silbers verkauft. Ritter giebt ihren Werth auf das 7fache, Barton auf das 8 und Ifache des Silbers an. 1751 koſtete, nach Osbeck, in Canton ein Loth des weißen Ginſchen 30 bis 40 Loth Feinſilber; nach Timkowſky ward 1820 die allerbeſte Wurzel in Peking mit dem 350fachen Gewichte von feinem Silber, der koreaniſche Ginſchen dagegen mit dem 250fache Silber— gewichte bezahlt. Wurzeln, die einer menſchlichen Geſtalt ähneln und ſehr ſelten ſind, werden noch höher geſchätzt und wie Talismane aufbewahrt. Nach Thunberg wurde 1776 das Pfund ausgeſuchten Ginſchens in Japan mit 600 Imperiales bezahlt; v. Siebold ſah dort ein Schach— telchen mit etwa 10 Stück Ginſchenwurzeln, das 600 Fl. koſten ſollte; das Pfund der beſten korenaiſchen Ginſeng ward nach ihm mit 4000 Fl. bezahlt. Die Wurzel des americaniſchen Panax quinquefolius iſt mehr gelbbraun als der ächte Ginſchen, der Quere nach tiefer gefurcht, auch reicher an Faſern und Zellgewebe; ihr Geſchmack it unangenehm, ſcharf, weniger aromatiſch, mit einem ſtark füßen Nachgeſchmack, weshalb fie in America als Surrogat der Liquiritia gebraucht wird. Kunze und Mar— tinius haben, wie der Verf. glaubt, dieſe Wurzel als Radix Ninsi abgebildet und beſchrieben. Der americaniſche Ginſchen iſt ungleich wohlfeiler als der chineſiſche, er ward bald nach ſeiner Entdeckung vielfach nach China und Japan gebracht und dort mit Gold aufgewogen, gerieth aber bald in Mißeredit und ward in beiden Ländern verboten; er fol lange nicht die Wirkſamkeit der chineſiſchen Wurzel beſitzen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurde er deshalb von neuem auf chineſiſche Weiſe zubereitet, nach China ausgeführt; man bezahlte eine präparirte Wurzel in Philadelphia mit 6 bis 7 Piaſter und verkaufte ſie in Canton für 70 bis 100 Piaſter. 1830 wurde das Pikul (125 Pfund) rohen americaniſchen Ginſchens mit 40 Dollars bezahlt. XXXIX. Die Jagd in Rußland. No. 70 des Zoologist von 1848 theilt unter obigem Titel einige Bemerkungen aus Edward P. Thompſons Like in Russia mit, die auch unſern Leſern vielleicht nicht unwillkommen ſind. Der Wolf, heißt es in dieſem Buche, wird auf ver⸗ ſchiedene Weiſe erlegt; entweder eilen 2 Reiter raſch und laut über den hart gefrornen Schnee dahin und ſtrecken den Wolf, ſobald er den Pferden zur Seite kommt, durch eine Piſtolenkugel nieder; oder man pflegt im Schlitten auf ſeine Jagd zu fahren. Mau läßt alsdann ein Strohbund an einem langen Seile dem Schlitten nachſchleppen, während - 18 * 279 ein Schwein im Schlitten zum Lockvogel dient. Der vom Hunger gepeinigte Wolf verfolgt, vom Geſchrei des Schwei— nes angelockt, das Strohbündel und wird derweil vom Schlit— ten aus durch einen Flintenſchuß zu Boden geworfen. Dieſe Art der Jagd iſt übrigens nur in mondhellen Nächten aus— führbar und, wenn mehrere Wölfe den Schlitten verfolgen, gefährlich. Das Elennthier und der Bär werden nach der dortigen Jagdſprache heraus gelautet. Wenn Holzarbeiter im Schnee die friſche Spur dieſer Thiere finden, verfolgen ſie ſelbige bis in das Dickicht des Waldes, umkreiſen darauf den Fleck, um zu ſehen, ob die Thiere wirklich dort weilen; mehrere Tage hinter einander wiederholen ſie dieſe Rundſchau, wenn alsdann keine neuen Fährten das Fortgehen der Thiere be— zeichnen, beſteigt ein Bote den Schlitten und eilt nach St. Petersburg, ſelbſt wenn er 100 Meilen entfernt wäre, um von dort her Jäger zu holen und ihnen den Ort zu bezeich— nen. Eine ſolche Botſchaft wird, wenn es einem Bären gilt, mit 100 Rubel bezahlt. Sind die Jäger angekommen, ſo umſtellen die Bauern den Platz und auch die erſteren nehmen ihre Stellung ein, die Hunde werden losgelaſſen, der Bär erhebt ſich, um den Ring zu durchbrechen, ſelbſt ein Fehlſchuß jagt ihn zurück und treibt ihn nach der an— dern Seite, wo er gewöhnlich einer zweiten oder dritten Ku— gel erliegt und nur in ſehr ſeltenen Fällen entkommt. Bis— weilen kommt er aber nicht hervor und die Jäger müſſen ihn in ſeinem eigenen feſten Baue aufſuchen; eine ſolche Jagd iſt mit Gefahr verknüpft, hier wird der Bär oftmals der angreifende Theil. Ein Bekannter des Verf. entging nur durch ſeine Kraft und ſeinen Muth der tödtlichen Ge— fahr. Ein verwundetes Elennthier verfolgend, ſtieß er auf eine Bärin mit 2 einjährigen Jungen, er feuerte auf ſie und fehlte; noch ehe er an Selbſtvertheidigung denken konnte, warf ihn die Bärin zu Boden, ließ ihn aber aus Sorge für ihre Jungen wieder fahren; er ſprang auf und feuerte zum zweiten Male auf das Thier; die verwundete Bärin kehrte um, warf ſich zum zweiten Mal auf ihn, zerriß ihm den Schenkel, zerfleiſchte ihm Arme und Hände und ſtellte ſich ihn niederhaltend auf ihn. In dieſer verzweiflungs— vollen von Schmerzen und Anſtrengung erſchöpften Lage zog der Jäger ſein Waidmeſſer und ſtieß es dem Thiere in die Herzgegend. Faſt in demſelben Augenblick erſchien, von ſei— nen Schüſſen aufmerffam geworden, fein Jagdgefährte und ſtreckte mit einer Kugel, die den Schädel durchbohrte, die Bärin zu Boden; ſie ſank entſeelt über ihrer ohnmächtigen Beute zuſammen. Nur ſelten geht ein ruſſiſcher Jäger allein auf die Jagd; ein Engländer dagegen, der im ruſſiſchen Heere diente, trieb ſich Wochen lang allein im Walde umher. Im Winter 1841 ſchoß er nach zweitägiger Verfolgung einen 600 Z ſchweren Bären. Ein ander Mal fand er unter einem ge— fällten Baumſtamme einen ſchlafenden Bären; um ſich ihm geräuſchlos nähern zu können, zog er Schuhe und Strümpfe aus und ſchlich ſich auf dem eiſigen Schnee bis zum Baume; hier fand er den Bären in einer ſolchen Stellung, den Kopf von den Beinen bedeckt, daß ein entſcheidender Schuß un— 172. VIII. 18. 280 mögkich war; er faßte ſich kurz, gab dem Bären einen Kolbenſchlag und ſchoß ihn im Momente des Aufſpringens durch den Kopf. Das Elennthier iſt ſehr furchtſam, lebt in den nie— drigen ſumpfigen Orten des Waldes und kommt meiſtens nur in kleinen Heerden von 7 bis 8 Individuen vor. Auch ſeine Lagerſtätte wird wie die des Bären umſtellt. Die Jagd des Elennthieres verlangt aber mehr Gewandtheit und Aufmerkſamkeit, ſeine Schnelligkeit iſt unglaublich, mit Blitzeseile fährt es vorüber, nur das Rauſchen der Bäume kann feine Ankunft verkünden. Das Elennthier iſt deshalb ſehr ſchwer tödtlich zu verwunden; iſt die Wunde nicht auf der Stelle tödtlich, ſo hat das Thier noch meiſtens Kraft genug, um weite Strecken zurückzulegen, ja häufig ganz zu entkommen; ſobald es aber am Kopfe oder am Vorderblatte verwundet iſt, ſchlägt es mit ſeinen Rieſenbeinen in die Luft und fällt zuſammen. Ein ausgewachſenes Elennthier iſt 17 Hand hoch. Im Sommer 1839 ward ein Elennthier 2 Meilen von Petersburg von Schiffern lebend gefangen, als es durch die Newa ſchwimmend dem finnländiſchen Ufer zu— eilte. Durch ſeine ungeheure Schnelligkeit und Ausdauer würde das Elennthier als Zugthier ſehr geeignet ſein. Ver— brecher haben es wohl ein Mal zur Flucht benutzt und ſind mit ihm ihren Verfolgern entgangen. Das Zähmen des Elenn— thieres iſt ſowohl in Rußland als Schweden ſtreng verboten. In den letzten Jahren ſah man in Rußland Rehe in kleinen Rudeln, auf ſie wurde nicht gejagt. Der Luchs iſt nicht ſelten, wird aber wegen ſeiner Schlauheit nur ſelten gefangen; nur ein Mal ſah der Verf. dies Thier, das in einer Falle erwiſcht war; in kalten Wins tern ſoll der Luchs häufig die Gärten der Vorſtädte von Petersburg beſuchen. Dieſer ächte Felis Lynx war etwa 3 Fuß lang, ſein Schwanz maß 6 bis 7 Zoll; der Haar— büſchel an der Schwanzſpitze und an den Ohren find für ihn durchaus bezeichnend. Der weiße Fuchs der Polarländer (Vulpes arcticus) ward nur ein einziges Mal in Pilna, 30 Meilen von Peters— burg geſchoſſen. Dr. Brand am kaiſerlichen Muſeum hielt dieſen einzigen Fall für etwas ganz außergewöhnliches, da die nächſte Gegend ſeines Aufenthaltes mehr als 1000 Meilen nördlich im 68. bis 70. Breitengrade liegt. Das befpro- chene Thier ward im Winter erlegt; im folgenden Sommer zeigte ſich ein vollkommen ſchwarzer Fuchs, der das Junge des getödteten zu ſein ſchien, da ſeine Jungen immer einen ſchwarzen Balg beſitzen. - Der gemeine Fuchs ift ſehr häufig; fein langhaariger dichter Pelz wird zum Beſatz von Damenmänteln ſehr ge— ſchätzt. Er wird nur in der Nähe von Petersburg, wo ei: nige Engländer ihn mit Hunden hetzen, als Jagdthier ver— folgt. Das Terrain um Petersburg iſt übrigens für eine derartige Fuchsjagd ſehr wenig geeignet. Der weiße Haſe und eine große Abart des gemeinen Haſen ſind ſehr verbreitet; der erſtere hat in den Sommer— monaten einen grauweißen Pelz, erſt gegen Ende Octobers bekommt er fein Winterkleid, nur einzelne graue Haare bleiz ben zurück. Der Winterpelz des Haſen iſt vom reinſten Weiß 281 mit einem ſchwarzen Fleck an jeder Ohrſpitze. Die andere Haſenart hat ſehr lange dünne Hinterbeine und wird über 15 FJ ſchwerer. Tetrao bonasia und Tetrao saliceti find ſehr gemein, die erſtere iſt ſchwer zu ſchießen und nur bei Tagesanbruch zu erwiſchen. Die Jagd auf beide beginnt mit dem 1. Juli. Wilde Enten und andere Waſſervögel werden zu Anfang des Frühlings, wenn ſie vom Süden zurückkommen, gejagt. Für den Naturforſcher bietet Rußland in allen Zweigen der Naturgeſchichte die reichſten Schätze, ohne bis jetzt ge— nügend durchforſcht zu ſein. Auf den Vogelmärkten zu St. Petersburg trifft man viele in England höchſt ſeltene Vögel; die Exemplare find leider ſelten unbeſchädigt. Der große ſchwarze Specht (Picus martius), der gar nicht ſelten iſt, wird wegen eines Volksaberglaubens immer ohne Schnabel zu Markte gebracht; eben ſo fehlen der langſchwänzigen Ente (Anas glacialis) jederzeit die Schwanzfedern. Der Verf. ſah unter andern auf den Vogelmärkten Loxia enucleator, Strix nyetea, Strix passerina, Strix bubo, Strix funerea, Loxia pityopsittacus, Emberiza nivalis, Alauda alpestris, Sylvia suecica und Tetrao medius, den man fälſchlich für einen Baſtard von Tetrao bonasia mit dem Auerhahn (black cock) gehalten. Dompfaffen und Seidenſchwänze werden als geſchätzte Leckerbiſſen häufig zu Markte gebracht. Die zum Kauf aus— geſtellten Singvögel bleiben Winter und Sommer im Freien, ihre Trinknäpfe ſind oft ſtatt des Waſſers mit Schnee ges füllt. Übrigens liebt der Ruſſe die Singvögel ſehr, und da es ihrer Gegend an denſelben fehlt, werden alljährlich mit den zuerſt einlaufenden deutſchen Schiffen Tauſende von Ler— chen und Kanarienvögeln eingeführt; der Garten des Zoll— hauſes, wo ſie zu Kaufe ſtehen, ertönt von ihrem Geſange. 172. VIII. 18. 282 Miſcellen. 34. Singende Molluſken. — Taylor bemerkte, wie er Nachts in der Nähe des Forts Bathcaloa auf Ceylon luſt— wandelte, melodiſche Töne, welche dem Waſſer entſtiegen. Dieſe Töne wurden angeblich durch eine ungeheure Anzahl von Muſcheln, welche die Eingebornen ſingende Muſcheln uennen, hervorgebracht. Taylor will nicht entſcheiden, ob dem ſo ſei, bemerkt jedoch, wie er dieſelben Töne wiederholt und zwar ſehr deutlich gehört habe; die Tone gleichen denen einer Aolsharfe, überhaupt eines Saiten⸗ inſtrumentes, und ſind fo laut, daß fie der Wellenſchlag nicht über- tönt. Auch Helix apertus ſoll nach Lieut. Portlock, wenn fie gereizt wird, Tone von ſich geben. Das Thier iſt auf Corfu an den Blättern der Meerzwiebel im Frühjahr ſehr gemein. Wenn man dasſelbe mit einem Strohhalme leicht berührt, giebt es einen murrenden oder klagenden Ton von ſich. Die Töne wiederholen fi) bei jeder Berührung. Roßmäsler hat dieſe Eigenthümlich— keit des Helix apertus ausführlich beſchrieben, Portlock bemerkt deshalb nur, daß er auch bei Helix aspera einen ähnlichen, wenn⸗ gleich n Ton beobachtet habe. (Athenaeum, No. 1089, p. 915. 35. Der Diamant, der bisher nur durch Verbrennen bei ſtarker Hitze in Kohlenſäure verwandelt werden konnte, ward von den Profeſſoren R. E. und W. B. Rogers in Virginien auch auf naſſem Wege zerlegt, indem ſie auf den fein zerriebenen Diamanten eine Miſchung von doppelt chromſaurem Kali und Schwe— felſäure bei mäßiger Wärme einwirken ließen; die Chromſäure oxydirt demnach den Diamant. Die Verf. benutzten ½ bis einen ganzen Gran Diamantpulver zu ihren Verſuchen, ſchon /e Gran genügten indes, um eine Orydation mit Sicherheit nachzuweiſen. Die ſich bildende Kohlenfäure wird in Kalkwaſſer aufgefangen; von einem halben Gran erhielten die Verf, faſt genau fo viel Fohlen- ſauren Kall als die Menge des orydirten Kohlenſtoffs geben mußte. Etwa vorhandene organiſche Subſtanzen, ſowie eine ſelbſt geringe Verunreinigung des chromſauren Kalis mit kohlenſaurem Kali, welche das Reſultat des Verſuchs unrichtig machen, find möglichft zu ver: meiden. (The American Journal of Science and Arts. Second Series, No. 16, July 1848.) Heil k (XXIII.) über die Typen der Krankheiten des Rückenmarkſyſtems, durch Experimente erläutert. Von Marſhall Hall, M. D. Einer der großen Vortheile, die man bei Verſuchen mit dem Spinalſyſtem erlangt, iſt, daß man dabei häufig Typen der Krankheiten desſelben kennen lernt, und dadurch gewinnt man wieder den Vortheil, daß man die Natur dieſer Krankheiten genauer ergründet und auf Heilmittel dagegen geleitet wird. Die Krankheiten des Rückenmarkſyſtems bieten ver⸗ ſchiedene Formen dar, welche ſich bei den zu dem oben an— gegebenen Zwecke angeſtellten Verſuchen reproduciren laſſen. Im allgemeinen treten dieſe Krankheiten unter der Form von Krampf, von Lähmung oder von Krampf und Lähmung zu— unde. gleich auf. Es ſind alle urſprünglich Leiden des die Bewegung der Muskeln erregenden und nicht des Gefühls- oder Cerebral- ſyſtems, und dadurch wird der phyſiologiſche Satz, daß beide Syſteme durchaus von einander geſchieden ſind, auf eine merkwürdige Weiſe beſtätigt. Im allgemeinen beſteht der Krampf in einer Reizung des Nervengewebes, welches ſeine normale Structur noch hat, während die Lähmung eine Verletzung dieſer Structur vorausſetzt. Allein die Structur des Nervenſyſtems kann in ſehr verſchiedener Weiſe verletzt ſein. So kann dieſelbe an irgend einer beſtimmten Stelle zerriſſen oder gequetſcht ſein. aber auch ebenſowohl an einer beſtimmten Stelle durch einen heftigen Eindruck, eine Erſchütterung, verletzt ſein, welche nicht direct dort eingewirkt hat. Auf dieſe Weiſe kann der Krampf die Lähmung herbeiführen; denn dieſes Leiden gründet ſich 283 auf einen höchſt innerlichen und atomiſtiſchen Zuftand, mel: cher der Trennung der Atome durch eine Zerreißung ıc. durchaus nicht analog iſt. Die fo veranlaßte Lähmung oder spasmo-paralysis iſt weniger anhaltend, als die durch Zer— reißung herbeigeführte. Dies bringt mich auf die nähere Betrachtung der die Bewegung der Muskeln erregenden Kraft ſelbſt, durch welche alle von dem Spinalſyſtem abhängigen Bewegungen erzeugt werden. Dieſelbe kann geſchwächt oder ganz aufgehoben, aber auch ſehr geſteigert ſein, in welchem Falle eine ver— hältnißmaßig vermehrte Erregbarkeit durch Eindrücke und durch die von dergleichen Eindrücken erregten Bewegungen und Thätigkeiten vorhanden iſt. Der erſte Zuſtand wird durch alle Potenzen veranlaßt, welche ſo heftig einwirken, daß ein Stoß oder eine Gr: ſchütterung entſteht; der letztere durch eigenthümliche Potenzen chemiſcher oder phyſiologiſcher Art, welche weniger derb auf das Nervengewebe einwirken. Ja, die nämliche Potenz kann, je nach ihrem Grade, die eine oder die andere dieſer beiden Wirkungen veranlaffen. So vernichtet eine ſehr ſtarke Doſis Strychnin ſchnell alle Erregbarkeit, während dagegen eine ſehr kleine höchſt außerordentliche Erſcheinungen von geſteigerter Erregbarkeit erzeugt. Die elektriſche Strömung wirkt ganz ähnlich; eine ſehr gelinde Strömung erzeugt rein phyſiologiſche Wirkungen, eine zu ſtarke zerſtört die Erreg— barkeit des betroffenen Theils des Nervenſyſtems ſchnell. Wenn man einen Froſch köpft, ſo beſteht die erſte Wirkung dieſes Stoßes in der Aufhebung der die Bewegung erregen— den Kraft, die zweite oder Nachwirkung aber muthmaßlich in einer geſteigerten Empfindlichkeit und Thätigkeit dieſer Kraft. Electricität, Wärme und alle ſogenannten Reizmittel oder stimuli können ſo zur Anwendung kommen, daß ſie die die Bewegung erregende Nervenkraft entweder ſteigern oder aufheben. a Zur Erläuterung dieſer Wirkung will ich für die, welche das Experiment nicht ſelbſt angeſtellt haben, bemer— ken, daß, unmittelbar nachdem ein Froſch geköpft worden, beim Reizen des Fußes desſelben keine reflectirte Thätigkeit Statt findet, indem die Erregbarkeit durch den Stoß auf— gehoben iſt. Wenn man dem Thiere dagegen eine winzige Doſis Strychnin beigebracht hat, fo erzeugt ſchon die Ber rührung mit einer Federfahne eine reflectirte Thätigkeit von tetaniſcher Stärke und Art. Die Experimente belehren uns darüber, daß dieſe ver— mehrte Erregbarkeit der Kraft nach eriſtiren kann, ohne ſich durch Thätigkeit zu äußern. Es kann ein Froſch ſich unter dem Einfluſſe des Strychnins befinden und doch, wenn er nicht wirklich gereizt wird, ruhig und in einer ſchlaffen Stellung bleiben; er iſt dann tetanodiſch, aber nicht tetaniſch, und liefert uns ſo einen ſehr intereſſanten Typus oder einen Begriff von gewiſſen Krankheiten des Spinal— ſyſtems; ſo daß wir über die Theorie der Symptome und die durch unſere Heilmittel zu erfüllenden Indicationen die werthvollſten Aufſchlüſſe erhalten. Von dieſem Geſichtspunkte aus betrachtet bietet nun die Wirkung des Strychnins auf den Froſch den Typus der 172. VIII. 18. 284 Waſſerſcheu dar. In beiden Fällen iſt das Syſtem in dem Zuſtande außerordentlich geſteigerter Erregbarkeit, ohne daß es nothwendig erregt ift. Man vermeide jede Reizung und der Froſch erholt ſich. Man wende eine Reizung der gelindeſten Art andauernd an und der Froſch ſtirbt ſchnell. Hier wird durch ein Experiment nicht nur der Typus der Krankheit, ſondern auch der der Behandlung genau dargelegt. Bei dieſem Verſuche haben wir, wie bei der Waſſer— ſcheu ſelbſt, zwei Zuſtände, einen der Erregbarkeit, und einen der wirklichen Erregung, je nachdem keine Reizung oder Reizung Statt findet. Den erſtern Zuſtand ſchlage ich vor durch die Endung odiſch, den andern durch die Endung iſch zu bezeichnen. Der ungereizte Froſch iſt demnach tetanodiſch, der ge— reizte wird tetaniſch. Der mit der Waſſerſcheu behaftete Patient iſt hydrophobodiſch; iſt er aber nothwendig hydrophobiſch? Der erſte Zuſtand läßt die Geneſung zu; der letztere führt bald zum Tode. Aus dieſem Geſichtspunkte laſſen ſich auch andere Krank— heiten des Spinalſyſtems betrachten. Der mit Tetanus be— haftete Patient iſt nicht nothwendig tetaniſch, wohl aber te— tanodiſch. Wird er gereizt, ſo ſtirbt er. Was würde aber erfolgen, wenn man ihn vor aller Reizung vollſtändig fügen könnte und ſchutzte? Der Tod wird durch heftige und erſchöpfende Krämpfe herbeigeführt; dieſe find re— fleetirte Thatigkeitsäußerungen; reflectirte Thätigkeit kann nur durch Reizung entſtehen; man beſeitige alſo alle Wei: zung, und die Krämpfe, d. h. die Urſache des Todes wer— den nicht eintreten. Eben ſo iſt eine friſch geköpfte Schlange voller Er: regungs- und Bewegungskraft; aber ohne Bewegung, wenn nicht ein Reizmittel angewandt wird. So verhält es ſich auch mit gewiſſen Formen von con— vulſiviſchen Krankheiten von Kindern und Erwachſenen. Die Patienten find ſpasmatodiſch oder ſpasmodiſch, je nachdem ſie gereizt oder vor Reizung bewahrt werden. Der Unterſchied beſteht durchgehends darin, daß ent— weder nur Geneigtheit zum Krampfe vorhanden iſt oder Krampf wirklich Statt findet; daß entweder Erregbarkeit oder Erregung exiſtirt. Die erſtern können nachlaſſen, die letztern werden tödtlich. Zwiſchen der Waſſerſcheu und dem Starrkrampfe bes ſteht ferner, wie mein Freund Hr. Simpſon es auf der vierten Tafel meines New Memoir ſo deutlich dargeſtellt hat, der Unterſchied, daß die erſtere vermittels des Blutes, der letztere vermittels eines einfallenden (incident) Nerven ver— anlapt wird. Den Typus der erſtern ſtellt der von Strych— nin afficirte Froſch genau dar; daß wir vom letztern bei irgend einem Erperimente einen genauen Typus beſitzen, mochte ich bezweifeln. Man hat bis jetzt meines Wiſſens noch keinen Der: ſuch angegeben, durch den ſich die Erregbarkeit des Spinal— ſyſtems vermittels eines oder mehrerer einfallenden Nerven oder irgend eines Theiles des Spinalſyſtemes ſteigern ließe. Man behauptet, der geköpfte Froſch ſei reizbarer als das unverſehrte Thier; allein ich halte dies für einen Irrthum. 285 Die Wirkungen der Erregung werden beim unverſehrten Thiere durch Willensanſtrengungen controllirt, welche beim geköpften Thiere wegfallen. Der Unterſchied iſt mehr ſchein— bar als wirklich. 0 So glaube ich behaupten zu können, daß wir vom Wundſtarrkrampfe noch keinen durch ein Experiment dar— geſtellten Typus beſitzen. Dies iſt um ſo mehr zu bedauern, da ſich viele Fragen darbieten, deren ſchnelle Erledigung ſich nur durch Experimente erreichen läßt. So fragt es ſich z. B., ob die Krämpfe im Verlaufe der Krankheit je ganz nachlaffen. Der trismus ſcheint unausgeſetzt vorhanden; iſt dies wirklich der Fall? Oder hört derſelbe auf und kehrt er bei jeder Reizung durch den Willen, durch innere Erregung oder durch reflectirte Thätigkeit zurück? Kann ein Willensact, ohne daß zugleich Reizung durch innere Erregung oder re— flectirte Thätigkeit Statt findet, Krampf veranlaſſen? Wie beim Stotterer der Verſuch zum Sprechen in gereizte Thä— tigkeit übergeht, ſo werden beim trismus die Kiefer durch den Verſuch, ſie zu öffnen, nur noch feſter geſchloſſen. Der Wille geht in gereizte Thätigkeit über. Ich fürchte, daß in extremen Fällen die Reſpirations- und Schlingthätigkeit in allgemeinen Krampf übergehen könne, ſo daß die Vermeidung aller krankhaften Thätig— tigkeit und ihrer Folgen unmöglich ſein dürfte. Dennoch ſind der Typus der Krankheit in ihrer geſteigerten Erregbar— keit und das Princip, welches uns bei deren Behandlung leiten muß, durch jene Experimente deutlich; und wenn— gleich der Krampf nie völlig aufhören dürfte, ſo wird es deshalb nicht weniger weſentlich ſein, alle Urſachen der Ver— ſchlimmerung desſelben zu vermeiden. Wir dürfen auch nicht überſehen, daß bei allen mit Ba— trachiern angeſtellten Experimenten nur die allgemeinen Typen und Prineipien zur Anſchauung gebracht werden, welche wir dann richtig auszulegen ſuchen müſſen, zu welchem Behufe vielleicht fernere Verſuche nöthig werden. Durch ein Er— periment an einem Froſche wurde ich auf die einzige nicht ganz hoffnungsloſe Methode der Behandlung der Waſſerſcheu und des Starrkrampfes geleitet. Beim Zahnen haben wir es mit einem Zuſtande ge— ſteigerter Erregbarkeit und wirklicher Erregung zu thun, wel— cher, wie beim tetanus, durch Verletzung eines Nerven ent— ſteht. Ich habe, wie geſagt, noch bei keinem Experimente, welches in der Verletzung eines Nervengewebes beſtand, ge— ſteigerte Erregbarkeit beobachtet. Ich wende mich nun zu einer neuen Reihe von Ty— pen von Krankheiten des Spinalſyſtems. Dieſe beſtehen in der wirklichen Erregung oder Reizung ſeiner verſchiedenen Theile, der einfallenden Nerven, des Spinaleentrums und der Muskelnervden, wie ich es in einer der Royal Society vorgelegten Reihe von Verſuchen über die elektrogeniſchen Zuſtände dieſer lebenden Gewebe dargelegt habe, wiewohl die Mitglieder jener Geſellſchaft, welche ſich unterfangen ha— ben, ein Urtheil über die Sache zu fällen, dieſelbe nicht be— griffen hatten. Der elektrogeniſche Zuſtand iſt derjenige Zuſtand, wel— cher in einem Nervengewebe mittels einer gleichförmig durch 172. VIII. 18. 286 dasſelbe ſtreichenden galvaniſchen Strömung von derjenigen Stärke, welche zu der Reizbarkeit des Thieres in dem ge— hörigen phyſtologiſchen Verhältniß ſteht, erzeugt wird, und die Erſcheinungen desſelben treten hervor, ſobald der Gal— vanismus zu wirken aufhört. Die Wirkung dieſes elektrogeniſchen Zuſtandes auf die einfallenden Nerven ſtellt ſich in verſchiedenartigen reflectir— ten Thätigkeiten dar. Der Verſuch liefert uns den Typus derjenigen convulſiviſchen Krankheiten, welche in erregten re— flectirten Thätigkeiten beſtehen, wie wir ſie beim Zahnen, ſowie bei gaſtriſcher Reizung oder bei Reizung des Darm— canals und des uterus finden. Der elektrogeniſche Zuſtand des Rückenmarks ſelbſt iſt der Typus derjenigen Claſſe von gewiſſen consulſiviſchen Leiden, welche aus arachnitis an der Baſis des Gehirns, aus arachnitis des Rückenmarks ꝛc. entſpringt. Endlich iſt der elektrogeniſche Zuſtand der Muskelner— ven der Typus derjenigen Fälle von ſpasmodiſchen Leiden, welche aus neuritis oder Entzündung des neurilemma ent— ſpringen. Einen ſolchen Zuſtand haben wir im zweiten oder Reconvaleſcenzſtadium der Geſichtslähmung. Nachdem ſich die Geſchwulſt des neurilemma geſetzt hat, wird die Neurine (Nervenſubſtanz?) gereizt, während fie früher comes primirt ward und dadurch entſteht Krampf. Bei dem Ver— ſuche, wo man einen Muskelnerven in den elektrogeniſchen Zuſtand verſetzt, bringt die häufige Entladung des elektro— geniſchen Zuſtandes eine ähnliche Wirkung auf die Muskel— nervenfaſer hervor. Durch unſere Erperimente wird noch eine andere Claſſe der Typen von Krankheiten des Nervenſyſtems zur An: ſchauung gebracht. Wenn man bei einem Hunde das große und kleine Hirn beſeitigt, ſo werden durch Reizung der dura mater an verſchiedenen Stellen außerordentlich ſtarke reflectirte Thätigkeiten erzeugt. Nach Beſeitigung des Kopfes und Bruſtbeines bei ei— ner Schildkröte entſtehen beim Ausreißen der Eingeweide reflectirte Bewegungen. Es liegt auf der Hand, daß die Reizung der innern Membranen und Gewebe auf dieſe Weiſe die Veranlaſſung zu reflectirten convulſiviſchen Krankheiten werden kann. Die Reizung der Gehirnmembranen erzeugt mancherlei convul— ſiviſche und ſtarrkrampfartige Leiden, und dieſelbe Wirkung hat die Reizung der innerhalb des thorax und abdomen befindlichen ſeröſen Membranen, beſonders des Herzbeutels. Von dieſen Leiden iſt nur ein Schritt bis zu den von Reizung des Rückenmarks, Magens, Darmeanals und uterus abhängenden, die ſo häufig vorkommen. Eben ſo nahe liegt die Betrachtung der eigenthümlichen Wirkungen, welche das Einbringen einer Bougie, eines Ka— theters, die Reizung des äußern Gehörganges, der Durch— gang eines Blaſen- oder Nierenſteines ꝛc. erzeugt. Mancher Patient wird von einer Art Schüttelfroſt und einer un— widerſtehlich tiefen Einathmung befallen, wenn er den Harn läßt, nachdem dieſer Act zu lange unterlaſſen worden iſt. Einige dieſer Krankheitserſcheinungen ließen ſich gewiß durch Erperimente nachahmen. Ich will dieſe Bemerkungen damit ſchließen, daß ich eine Frage vom höchſten Intereſſe zur Sprache bringe. Eine gewiſſe Claſſe von Krankheiten, welche ihren Sitz innerhalb der Schädelhöhle und zwar, meiner Anſicht nach, an der Baſis und in der, Nähe des verlängerten Markes haben, er— zeugt anhaltende Übelkeit und Erbrechen, tetanoidiſchen oder epileptoidiſchen Krampf, wohl auch Priapismus und ge— ſchlechtliche Reizung. Welches iſt aber genau der Theil oder das Organ, das in ſolchen Fällen gereizt iſt? Dies können wir nur durch Verſuche ermitteln. Ich ſchlage vor, Thiere, z. B. Hunde, durch Chloroform gefühllos zu ma— chen und an ihnen eine Reihe von Experimenten anzuſtel— len, um dieſe und andere wichtige Fragen zu erledigen und fo mancherlei diagnoſtiſche und folglich praktiſch wichtige Punkte aufzuhellen. Nur auf dieſe Weiſe wird es gelingen, die Reizung des großen Hirns, des kleinen Hirns, des verlängerten Marks, gewiſſer innerhalb der Schädelhöhle befindlichen Nerven, z. B. der Nerven der beſondern Sinne, des n. trifacialis, n. facialis etc., der verſchiedenen Membranen und ihrer einzelnen Re— gionen beſtimmt und deutlich nachzuweiſen. Hat man ſie aber ſo ermittelt, ſo wird deren Anwendung als Typen auf die Diagnoſe der Krankheiten eben ſo ſicher als wich— tig ſein. Ein ſolches Experiment habe ich ſchon vor langer Zeit ausgeführt *); allein meine Abneigung gegen Thierquälerei verhinderte mich daran, es je zu wiederholen, fo werthsoll deſſen Reſultate auch erſchienen. Die Entdeckung der an— äſthetiſchen Wirkungen des Schwefeläthers und Chloroforms gewährt nunmehr das Mittel, dieſe phyſtologiſchen Verſuche ohne Quälerei fortzuſetzen. Noch eines ſehr intereſſanten Experimentes will ich ge— denken. Wenn ich die Circulation in der Schwimmhaut des Froſches vom Rückenmarke unabhängig darſtellen wollte, fand ich immer, daß vollkommen forgfältige Zerſtörung des verlängerten Markes auch jedes Mal die Aufhebung jener Circulation zur Folge hatte. Dieſes Organ äußert alſo auf die Thätigkeit des Herzens einen ſehr bedeutenden Einfluß. Liegt hierin etwa der Grund, daß eine Ohnmacht ähnliche *) Vergl. meine Observations and Suggeslions, Ser. II., p. 64. 287 172. VIII. 18. 288 Bläſſe bei vielen Anfällen apoplektiſcher oder epileptiſcher Art, bei der Seekrankheit, bei andern Formen der Übelkeit ꝛc. eintritt. Dies alles gehört ins Gebiet der wiſſenſchaftlichen Me— diein und Chirurgie. Meiner Anſicht nach iſt unſer größter Wundarzt nur dadurch zu dem geworden, was er iſt, daß er frühzeitig experimentirte. Er ſieht die Symptome im Lichte der Phyſiologie und verſteht ſie! Mancheſter-Square, im Auguſt 1848. (The Lancet, Aug. 1848.) Miicellen. (29) übermäßiger Saarwuchsftört die Geſundheit. Ein dreijähriges geſundes, ſehr niedliches Mädchen hatte in weni⸗ gen Monaten ein außerordentlich langes Haar bekommen; plötzlich ward fie, ohne daß ihre Eltern irgend eine Urſache anzugeben ver- mochten, niedergeſchlagen, theilnahmlos, verlor den Appetit und war jeder körperlichen Anſtrengung unfähig. In den Carotiden war das Blaſegeräuſch der Anämie hörbar. Stärkende Mittel, desgleichen Bäder blieben ohne Erfolg; endlich ward ihr, auf den Rath eines Freundes, das Haar abgeſchnitten und von dem Augen— blicke an erholte fie ſich und gewann ihre frühere Kraft und Fä— higkeit wieder. Es ſcheint demnach als wenn die übermäßige Haar⸗ entwicklung hier zu viel Nahrungsſtoffe für ſich in Anſpruch nahm. Frederique, der dieſen Fall mittheilt, glaubt, daß namentlich zur Bildung des Farbeſtoffs im Haare viel Blutbeſtandtheile ver— braucht würden. (Revue Medico-Chirurgicale.) (30) Die Cholera wählte in Unterägypten ihre Opfer ganz anders als ſie gewöhnlich zu thun pflegt. — Zu Bulak herrſchte ſie namentlich im nördlichen gut gebauten Theile der Stadt, dem Wohnſitze der Reichen; dagegen blieb der ärmlich gebaute ſchlecht gelüftete ſüdliche Stadttheil, den die arme Volksclaſſe bewohnt, wo gewöhnlich anſteckende Krankheiten herrſchen, verſchont. In Cairo zeigte ſich dasſelbe Verhältniß: der nordweſtliche an Paläſten reiche Stadttheil ward heftig ergriffen, im äußerſt ſchmutzigen Judenquartier kamen nur wenig Erkrankungen vor. (Acad. de Medec., 17. Oct. 1848.) (31) Eine Austrocknungsgeſellſchaft it zu Lyon ge: bildet, welche ſich die in ſanitätspolizeilicher Beziehung ſehr wich— tige Aufgabe geſtellt hat, feuchte Wohnungen, feuchte Mauern und ſelbſt feuchte Baumaterialien auszutrocknen. Es geſchieht dies mit zwei verſchiedenen Apparaten: 1) einem mit Koaks und Flamm⸗ kohle gefüllten Ofen, welcher durch einen Aufſatz mit Zuleitungs⸗ röhren die feuchte Luft, die durch die angewendete ſtrahlende Hitze raſch entwickelt wird, aufſaugt und in die Mitte des Feuers hin— einleitet, wo ſie zur Steigerung der Hitze beiträgt; 2) einem Reverberofen, deſſen concentrirte Strahlhitze in weniger zugängliche Ecken wirkt. Bibliographiſche Neuigkeiten. H. C. Taylor. Statistics of Coal: the Geographical and Geological Distri- hution of Fossil Fuel. or Mineral Combustibles employed in the Arts and Manufactures; their Production, Consumption, Commercial Distribution, Prices, Duties, and International Regulations in all parts of the World; including 400 Statistical Tables, and 1,100 Analyses of Mineral Bituminous Substances, With Incidental Statements of Iron Manufactures etc. Deri- ved from Official Reports and accredited Authorities. Illustrated with co- loured Maps and Diagrams. Se. (pp. 902.. cloth. 30 sh.) 1848. I. Tanquerel. — Lead Diseases: a Kreatise from the French of L. Tan- gueref des Planches; with Notes and Additions on the use of Lend Pipe and its Substitutes. By Samuel L. Dana. M. D. L. L. D. Royal 8. (pp- 442. cloth.) 1848. Note sur les operations galvanoplastiques. These de physiques; par Adol- phe Demoly. In 8° d'une feuille !,,. Besangon 1848, G. A. Walker. — Treatise on the Cure of Ulcers by Fumigation; in which a rational Treatment is deduced from the Physiology of Ulceration, and Proofs afforded that the New Method produced more Speedy, certain, and permanent Effects than any other in general use. With and Analysis of the Modes of Cure hitherto emploged and an Exposition of the decided Advantages possessed hy the new treatment. 8%. (pp. 122. 6 plates cloth Surgeon) 1848. 6 sh. Choix d’observations sur le coryza chronique, la punaisie , sur quelques ma- ladies des voies urinaires chez l’liomie, et sur la lithotritie; par J. J. Cazenave, A Bordeanx. In 8° de 6 feuilles. Bordeaux, chez l’auteur. Paris chez Bailliere 1848. Considerations physiologieo-pathologiques sur le systeme dentaire; par John Maltan. In 8° de 6 feuilles . Paris 1847, chez l’autenr chez tous les libraires de province. Druck und Verlag des Landes -Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 173. (Nr. 19. des VIII. Bandes.) Januar 1849. Naturkunde. Daſſen, über den Palmenſtengel. — Miſeelle. Agaſſiz und Gould, Zahl der Thierarten. — Heilkunde. Arnott, Ver⸗ dauungsſchwaͤche und deren n apa durch örtliche Anwendung feuchter Wärme. Arnotts Methode zur Anwendung der Kälte und Wärme. — Miſcelle. Frederleg, rothe Linie am Zahnfleiſche bei Phthiſikern. — Bibliographie. Naturkunde. XL. über den Palmenſtengel. Von Dr. Daſſen. Der Verf. bemerkt im Eingange, wie der Bau des Pal— menſtengels, der ſo viel Intereſſantes darbietet, bisjetzt erſt wenig oder gar nicht unterſucht worden ſei; die Reiſenden, die Gelegenheit hatten, Palmen in ihrem Vaterlande zu beobachten, beſchränkten ſich meiſt auf die Beſchreibung äußerer Merk— male; die von ihnen mit herübergebrachten trocknen Exemplare waren, da ihnen die Blätterkrone fehlte, zur Unterſuchung in Europa wenig tauglich; auch die Gewächshäuſer ziehen nur wenig Palmen, die noch überdies in ihnen ſelten zur vollen Entwickelung kommen. So herrſchen denn bis heuti— gen Tages über den Bau des Palmenſtengels die verſchieden— ſten Anſichten. Der Verf. will es verſuchen, dieſelben durch Reſultate eigener Beobachtung zu ſichten und feſt zu begrün— den, glaubt aber, um richtig verſtanden zu werden, einige Worte über das Leben der Palmen vorausſchicken zu müſſen; als Typus dieſes Lebens wählt er die Cocospalme. Im zwei— ten Stücke des dritten Jahrganges des Nieuw Archief voor binnen- en buitenlandsche Geneeskunde etc, findet ſich feine ausführliche Arbeit. Der Stengel der Cocospalme richtet ſich gleich dem aller Palmen, nicht, ſo wie er dem Keimling entſproßt, ſondern erſt dann in die Höhe, wenn ſein unterer Theil die Stärke erreicht hat, deren er überhaupt fähig iſt. Bis zum dritten Jahre ſind die Blätter klein, erſt von da an erreichen ſie ihre volle Größe; in Oſtindien werden ſie 12, in Weſtindien 20 Fuß lang. In dieſer Periode wächſt der Stengel raſcher wie in den ſpäteren Jahren, die Triebe dieſer Periode ſind demnach am längſten. In der Regel erſcheint monatlich ein Blatt, das zur vollen Entwickelung 3 Monate bedarf; im Durchſchnitt ſind 18 bis 20 ſolcher Blätter jederzeit zugegen, No. 2153. — 1053. — 173. jedes Blatt muß demnach 1¼ bis 2 Jahre ausdauern. Auf der Küſte von Malabar erſcheinen zwiſchen dem 3. und 10. Jahre, überhaupt ſobald der Stengel ſich nach aufwärts rich— tet, die erſten Früchte. Auf Ceylon erſcheinen ſie durchſchnitt⸗ lich im 6., auf den Molucken im 12. oder 13. Jahre. Der Baum trägt jetzt beſtändig Blumen und Früchte zugleich und bringt auf Java neun Mal im Jahre, jedes Mal 10 bis 12 Nüſſe, die zuſammen 18 Flaſchen Ol liefern. Vergleicht man den jährlichen Olertrag der Cocospal— men mit dem unſeres Rapſes, ſo zeigt ſich, daß ein Bünder Landes, mit Rübſamen bepflanzt, im günſtigſten Falle 5 Ohm Ol liefert, während derſelbe Flächenraum mit Cocospalmen, wie in Java 16 Fuß aus einander, bepflanzt, alſo von etwa 487 Bäumen beinahe 50 Ohm Ol, alſo zehn Mal ſo viel, geben würde. Die Früchte junger Bäume läßt man nicht gern zur Reife gedeihen; man quetſcht die Fruchtſtiele, um aus ihnen den Palmwein, der eine berauſchende Kraft beſitzt, zu be— reiten; der Saft muß demnach zuckerhaltig ſein. Schon die äußere Stellung der Blüthen und der Blätter zeigt, daß ihr Urſprung ein verſchiedener fein muß; die Blü⸗ then entſpringen ſämmtlich aus dem Stengel, die Blätter aus der Mitte der Krone; die Gefäßbündel der letztern müſſen demnach geradlinig verlaufen, während die den Blüthen an⸗ gehörenden unter einem Winkel abgehen. Daraus erklärt ſich die Verſchiedenheit der Angaben bei Mohl und Meyen, mit denen von Adanſon und Desfontaines verglichen. Erſt mit dem 25. oder 30. Jahre erreicht die Cocos⸗ palme ihre volle Kraft; von da an nimmt ſie wieder ab, ihre Blätter werden kleiner, ihre Früchte ſparſamer, letztere bleiben zuletzt ganz aus und ſpäter hört auch die Entwid- lung neuer Blätter auf; mit dem 60. bis 100. Jahre ſtirbt die ganze Pflanze ab. Warum, e der Verf., er⸗ 291 reicht die Cocospalme ſchon fo früh ihr Lebensziel? — Ihr Wachsthum erfolgt, wie ſich ſpäter zeigen wird, durch eine Terminalknoſpe; dieſe, ſchon in den erſten Jahren ihres Le— bens vorhanden, treibt Blätter und Früchte. Wenn nun dieſe Terminalknoſpe in ſpätern Jahren weniger entwickelt, weniger lebenskräftig wird, ſo müſſen auch Blätter und Früchte ſparſamer erſcheinen und endlich, wenn die Terminalknoſpe zu leben aufhört, auch ihre Entwickelung unterbleiben. Dieſe von einem gewiſſen Alter ab alljährlich ſich vermindernde Entwicklungsfähigkeit der Terminalknoſpe muß, wie der Verf. glaubt, in der alljährlich zunehmenden Länge des Stammes beruhen, indem der Weg, den die Nahrungsſäfte von den Wurzeln bis zur Terminalknoſpe zu nehmen haben, ein immer weiterer wird und dadurch die Ernährung dieſer Knoſpe langſamer von Statten geht. Überdies bleibt die Zahl der Blätter wie der Faſerwurzel dieſelbe; eine ächte, den Dico— tyledonen-Bäumen eigenthümliche Stammwurzel fehlt gänz— lich; während die letzteren Bäume nach unten neue Wurzel— zweige und nach oben neue Blattzweige entwickeln und ſich durch dieſe mit jedem Jahre die Quelle der Ernährung mehrt, bleibt ſie bei den Palmen unverändert dieſelbe; die Palme muß deshalb von einer beſtimmten Zeit an in ihrer Ent— wickelung abnehmen und verhältnißmäßig früh ihr Lebensziel erreichen. Das Alter der Palmen iſt jedoch der Art nach ſehr verſchieden: Areca catechu, deren Stamm die Höhe der Cocospalme erreicht, wird gewöhnlich nur 50 Jahre alt, ſie bringt im 5. Jahre die erſten, im 30. die letzten Früchte; Corypha umbraeulifera, die eine Höhe von 60 bis 70 Fuß erreicht, ſtirbt ſchon im 40. Jahre ab. Vergleicht man die Lebensdauer der Cocos nucifera, der Areca catechu und der Corypha umbraculifera unter einander, jo gewahrt man eine Verſchiedenheit von 40 — 80 und 100 Jahren; vergleicht man dagegen ihre Höhe unter einander, ſo findet ſich durchaus kein Unterſchied, es ſcheint darnach eine gleiche beſtimmte Höhe das Ziel dieſer Palmen zu ſein. Die Corypha, welche in kurzer Zeit einen ſo un— geheuern Stengel treibt, bringt erſt Früchte, wenn ſie ihre volle Länge erreicht hat; während die anderen viel früher Früchte tragen und gerade die Cocospalme, die am längſten wächſt, am erſten Blüthen und Früchte entwickelt. Frucht— bildung und Wachsthum in die Länge ſtehen ſomit in enger Verbindung, die erſte beſchränkt die andere. Bei der Co- rypha vernichtet die Fruchtbildung, die, wie ſchon erwähnt, erſt wenn der Längswachsthum des Stammes beendigt iſt, erfolgt, das Leben der Pflanze; ſie treibt einen Fruchtſtengel, der 30 Fuß lang iſt und deſſen niedrigſte Zweige 20 Fuß erreichen. Zu dieſer ungeheuern Production genügen drei bis vier Monate, aber ſämmtliche Säfte werden durch ſie ver— braucht; ſchon bei anfangender Fruchtbildung werden die Blätter kleiner, ſpäter kommen ſie gar nicht mehr zur Ent— wickelung. Für Sagus farinifera gilt dasſelbe, hier werden die Nahrungsſtoffe im Marke, das unaufhörlich bis zur Blü— thenperiode zunimmt, aufgehäuft; ein ſolcher Stengel liefert zu dieſer Zeit bis 1200 Pfd. Sago. Iſt die Blüthezeit vorüber, ſo verhärtet das Mark, ſein Amylumgehalt ver— mindert ſich; iſt endlich nach 22 Monaten die Frucht ge— 173. VIII. 19. 292 reift, ſo iſt faſt aller Sago verſchwunden, das Innere des Stengels holzig-trocken geworden. — Sowohl bei der Cocos— und der Catechupalme als bei der Corypha und dem Sagus iſt die Lebensdauer des Stengels eine beſtimmte; beſonders günſtige Umſtände können indes bisweilen einen größeren Wachsthum des Stengels zulaſſen, fo erreicht Chamaerops humilis, die in ihrem Vaterlande nicht über einen Fuß hoch wird, in unſeren Treibhäuſern bei ſorgfältiger Pflege eine Höhe von 14 Fuß. Im allgemeinen liegt die Urſache der beſchränkten Entwickelung des Palmenſtengels, wie ſchon er— wähnt, darin, daß ſich der Stamm nur aus der Spitze fort— bildet, auch ſeine Wurzeln nicht mit dem Alter zunehmen. Nur ausnahmsweiſe ward ein Mal eine Cocospalme mit zwei Knoſpen beobachtet; dagegen theilt ſich Hyphaene co- riacea an ihrer Spitze regelmäßig, und da ſich dieſe Theilung mit jedem neuen Triebe wiederholt, entwickeln ſich immer mehr Zweige. Der Stamm der Hyphaene beſitzt ein un— begrenztes Wachsthum nach der Dicke, unterſcheidet ſich ſomit durchaus von allen übrigen Palmenſtämmen. Alle Forſcher, die über den Palmenſtengel geſchrieben, haben in demſelben einen Holzring und in deſſen Mitte eine markartige Subſtanz, mit Holzfäden durchwebt, gefunden. Die Analogie mit dem Dracaena-Stengel lehrt das erſte als ſecun— däres, das andere als primäres Holz erkennen. Das äußere Holz iſt aber niemals wie beim Stamme der Dicotyledonen ein zuſammenhängendes Ganzes, ſondern wird, nach der ein— ſtimmigen Angabe aller Naturforſcher immer aus für ſich beſtehenden Gefäßbündeln gebildet; wo nun auch das Mark ſehr gefäßreich iſt, laſſen ſich beide (Mark und Holz) nicht ſcharf unterſcheiden. Die Stärke des ſecundären Holzes iſt bei den verſchie— denen Palmen ſehr verſchieden. Es iſt bei Borassus flabel- lifer nur drei Finger dick, während der Stamm zwiſchen 2 bis 3 Fuß Durchmeſſer hat; bei Sagus farinifera, deſſen Stamm kaum von einem Menſchen umſpannt werden kann, iſt es nur zwei Finger dick, dagegen bei Areca glandiformis, deren Stengel nur 4 bis 6 Zoll Durchmeſſer hält, 1¼ Zoll ſtark. Die in Treibhäuſern gezogenen Palmen ſcheinen nur ſparſam Holz zu bilden; bei einem Exemplar von Ra- phis flabellifer, das ſchon eine Reihe von Jahren Früchte trug, ſah der Verf. nur weit von einander ſtehende, von Mark umgebene Gefäßbündel. Moldenhawer hat übri⸗ gens bei der Dattelpalme denſelben farbloſen zwiſchen Rinde und Mark gelegenen Ring, den der Verf. bei Dracaena und den vollkommenen Stengeln der Monocotyledonen nachgewieſen, beobachtet. Außer der Stellung unterſcheiden ſich die primären Holz⸗ bündel noch durch ihre Gewebe von den ſecundären; die er— ſten enthalten eine Menge Spiralgefäße, während die anderen mehr Parenchym und ſchwächer verdickte Gefäßzellen enthalten. Um die Verlängerung des Palmenſtengels kennen zu lernen, muß man drei Theile desſelben genau unterſcheiden: 1) den Theil, der nicht mehr Blätter trägt, 2) den Theil, der noch Blätter trägt, und endlich 3) die neue Knoſpe, die zwiſchen den Blättern her— vorſchießt. 293 Die Knoſpe beſteht etwa zu 2/ aus Blätteranlagen, während ½ dem Gewebe der Stengelfortſetzung angehört. Die Knoſpe wird von dem ausgehöhlten Blattſtiel eines noch nicht vollkommen entwickelten Blattes umſchloſſen, und der Stiel dieſes Blattes ſammt der Knoſpe noch überdies von einer Scheide umgeben, die ihrerſeits wieder von einem Fa— dennetz umſponnen iſt. Die letztern erweitern ſich nur, um der ſich entwickelnden Knoſpe Raum zu laſſen, ſind aber, wenn die Blätter, die ſie früher in ihrem Knoſpenzuſtande umſchloſſen, längſt abgefallen ſind, noch vorhanden; die Scheide und das Fadennetz umhüllen ſo nicht nur die Baſis der Blätter, ſon— dern auch den unbeblätterten Theil des Stengels. Außer dieſer Scheide umgeben auch noch die Stiele der anweſenden Blätter, die, aufrecht ſtehend, von dem erwähnten Fadennetze zuſammengehalten werden, die Knoſpe. Letzte bedarf, ihrer zarten Beſchaffenheit wegen, ſehr wohl eines ſolchen Schutzes; ihr Gewebe gleicht mehr dem Marke einer ſaftigen Frucht, als dem eines Blattes und Stengels. Der junge Stengel der Knoſpe, wie die bereits angelegten Blätter derſelben, waren äußerſt zart und zerbrechlich. Unter dem Mikroſkope fand der Verf. die weiche Maſſe der Knoſpe aus kleinen, in einer klebrigen Flüſſigkeit ſchwimmenden Zellen und ſehr feinen zu Fäden verbundenen Spiralgefäßen beſtehend. Dieſe Knoſpe entwickelt ſich nicht wie die Knoſpen der Dicotyledonen auf ein Mal, ſondern ganz allmälig; die Blätter treten nach ein— ander hervor, und in dem Maße, wie ſie nach unten abfallen, entwickeln ſich nach oben zu neue. Das Klima, in dem die Palmen wachſen, macht dieſe ſtätige Entwickelung möglich; ſie ſind das ganze Jahr hindurch einer gleichen Temperatur und einem faſt gleichförmigen Lichte ausgeſetzt, auch ſtimmt alles, was man bisjetzt über die Lebensweiſe der Palmen kennt, damit überein, daß ſie während ihrer ganzen Lebens— dauer nur eine ſich ſtetig fortentwickelnde Terminalknoſpe beſitzen müſſen. Der ganze Stamm einer Palme, die ihr natürliches Ende erreicht, iſt alſo einer einzigen Knoſpe entſprungen, und der Tod dieſer Knoſpe iſt auch der Tod des Stammes. Aus dieſem Entwickelungsprincip, das, wie der Verf. bemerkt, bisher überſehen wurde, erklärt es ſich auch, warum die Holz— faſern im Stamme gerade und höchſtens etwas ſchräg ver— laufen; wenn der Stengel dagegen aus einer Entwickelung mehrer Knoſpen hervorgegangen, ſo müßten die Gefäßbündel einen anderen Verlauf beſitzen, ſie müßten ſich, wie bei den Dicotyledonen, theilen und unter einander verflechten. Die Palmknoſpe bildet nach oben zu Blätter, während ſie ſich nach unten zu verdickt und ihre Gefäßbündel an Feſtig— keit und Dicke zunehmen; ganz beſonders vergrößern ſich aber die Zellen des Markes, die Körner verſchwinden im ſchleimi— gen Safte, um Zellen Platz zu machen. Nach dem Wachs— thume dieſes unteren Theiles der Knoſpe richtet ſich auch der ſchnellere oder langſamere Längswachsthum des Stammes. Bei einigen Arten ſcheint die Knoſpe nur Blätter zu bilden, in dieſem Falle bleibt der Stamm ſehr kurz (Nypa fruticans, Licuala horrida und pumila), die Blattbildung iſt überhaupt das Vorherrſchende, ſie dauert, ſelbſt wenn der Stamm krän— kelt, fort. Phoenix dactylifera bildet, z. B., in unſern Treib- 173. VIII. 19. 294 häuſern nur ſelten einen Stamm, entwickelt dagegen reichlich kräftige Blätter; andererſeits werden andere Palmen unter beſonders günſtigen Verhältniſſen in unſern Treibhäuſern hoch— ſtämmiger, wie in ihrem Vaterlande. Das Zellgewebe der Knoſpe wächſt durch Zellenvermeh— rung und Vergrößerung; ſeine Entwickelung entſpricht dem des Markes der dicothledoniſchen Pflanzen; auch hier liegen die größten Zellen in der Mitte, die kleineren mehr nach außen. Schon Meyen hat dies beobachtet. Dieſe Entwickelung des inneren Zellgewebes bedingt die gleichmäßige Verbreitung der Gefäßbündel und ihre ſpätere peripheriſche Anordnung; in demſelben Maße, wie ſich nämlich das innere Zellgewebe aus— bildet, werden die Gefäßbündel nach außen gedrängt. Da nun die Entwickelung des Stammes von der Spitze her unaus— geſetzt fortdauert, ſo muͤſſen die Gefäßbündel im ganzen un— beblätterten Stengel eine gleiche, d. h., eine ſenkrechte Stel lung erhalten. Auf einem Längsſchnitte durch den Stamm bemerkt man außer dieſen ſenkrecht verlaufenden Bündeln immer noch einige, welche etwas ſchräge laufen. Dies gilt namentlich für den unteren Theil des Stengels und rührt von den primären Gefäßbündeln her, die zu den Blattſtielen gehen und, da dieſe im entblätterten Theile mehr nach außen liegen, etwas ſchräg verlaufen müſſen. Ihr vollſtändiger Verlauf iſt übrigens in der Natur, weil niemals ein ganzes Gefäßbündel, ſondern immer nur ein kleiner Theil desſelben zum Blatte geht, ſchwierig zu verfolgen. In der Knoſpe, ſo wie bei den oberſten Blättern iſt dieſer Verlauf anfangs ein gerader. Ein ähnliches Richtungsverhältniß der Gefäß— bündel findet ſich auch bei Zweigen monocothledoniſcher Ge— wächſe, die von einer einzigen Knoſpe entwickelt werden; was hier von innern Zweigen gilt, bedingt bei den Palmen die Entwickelung des ganzen Stengels. Bei den Palmen verläuft dasſelbe Gefäßbündel von der Spitze der Knoſpe bis in das unterſte Ende der Wurzel; weil aber jeder Theil des unbeblätterten Stengels früher ein Theil derſelben Knoſpe war, ſo müſſen auch Gefäßbündel, die zu den bereits abgefallenen Blättern verlaufen, zugegen ſein. Nun iſt aber jedes Gefäßbündel im obern Theile der Knoſpe viel zarter und von ſchwächerem Umfange, als im unbeblätterten Theile des Stengels; man ſieht daraus, daß mit dem Fortwachſen der Knoſpe auch die Gefäßbündel fort— wachſen. Um aber aus dem Stengel in die Knoſpe, die ſich bedeutend verſchmälert, überzugehen, müſſen ſie ſich nach innen biegen, erhalten daher erſt ſpäter, wenn ſich der Theil, dem ſie angehören, von ſeiner Mitte aus erweitert, ihre nachherige ſenkrechte peripheriſche Stellung. Nur einige Bündel verblei— ben in der Mitte, aber auch dieſe verlaufen wie alle übrigen zu den Blättern, ſie ſind es, welche ſpäter die ſchräg von innen nach außen verlaufenden Faſern bilden. Molden— hawer, der ſchon auf dieſen Verlauf aufmerkſam machte, glaubt, daß die älteſten Blätter aus dieſen innerſten Bün— deln hervorgehen, bedenkt aber nicht, daß jedes Blatt ein Mal das jüngſte war und andererſeits das älteſte der Blatt- krone wird. Jedes Blatt müßte, wenn ſeine Beobachtung richtig wäre, zu Anfange mit den äußern Gefäßbündeln zuſam— menhängen und erſt ſich ſpäter mit dem innern verbinden; 9 295 wäre dem alfo, jo müßte jedes Blatt fein eigenes Bündel haben, die Zahl der Bündel müßte ſich demnach mit der Zahl der Blätter vermehren; nach unten müßte man die Gefäß- bündel aller überhaupt entſtandenen Blätter und, mit dem Stamme aufwärts gehend, immer weniger Gefäßbündel an— treffen; dem iſt aber, wie die Cocospalme beweiſ't, nicht alſo. Bei dieſem Stengel kommen etwa auf 3 Fuß ſeiner Länge 20 Blätter; bei einem Stengel von 30 Fuß müßte demnach das oberſte Ende von 3 Fuß Länge die Gefäßbündel der oberſten 20 Blätter enthalten, der folgende Theil von 3 Fuß Länge müßte doppelt ſo viele und endlich die unterſte Ab⸗ theilung die Gefäßbündel von 200 Blättern enthalten. Die Gefäßbündel müßten ſich alſo in arithmetiſcher Progreſſion vermehren. Vergleicht man dagegen die primären Bündel im unbeblätterten Stengeltheile, ſo wird man ihre Zahl unten und oben gleich finden, ein Längsſchnitt beweiſ't dasſelbe; ſie vermehren ſich demnach nicht. Eine Verwechſelung der primären Bündel mit den ſecundären iſt aber nicht wohl möglich, wenn das ſecundäre Holz, wie bei Dracaena capen- sis und Alo& arborescens, unten anfängt und weit von der Krone aufhört. Fände das Umgekehrte Statt, finge das ſecundäre Holz oben im beblätterten Theile an, oder dauerten die Blätter nur ſo lange fort, bis es, von unten her auf— ſteigend, dieſen Theil erreichte, fo könnte Moldenhawers Anſicht einige Wahrſcheinlichkeit erhalten. Der Verf. be— dauert, den Vorgang der Holzbildung nicht im Vaterlande der Palmen verfolgen zu können; die aus den Tropen herüber— gebrachten Stämme ſind, wie ſchon erwähnt, für dieſe Unter— ſuchung nicht mehr brauchbar, da die oberen mehr weichen Theile meiſtens ausgefault ſind. Angenommen, das ſecundäre Holz ſtiege bei normaler Entwickelung des Palmenſtammes bis zu der Blattkrone hinauf, ſo müßten die Gefäßbündel der Blätter dieſes Holz, wie es bei Xanthorrhoea hastilis geſchieht, um ins Innere des Stammes zu kommen, durchſchneiden. Nun ſollen, nach Mohl und Meyen, die neuen Bündel, welche die Stengel verdicken, von den Blättern kommend, erſt nach innen laufen, ſpäter aber wieder nach außen gehen. Der Verf. konnte dieſen bogenförmigen Verlauf im beblätter— ten Theile des Stengels, wo man ihn doch am deutlichſten ſehen müßte, nirgends finden. Der Verf. glaubt, daß dieſe Anſicht Mohls und Meyens von vielen Pflanzenanatomen nur deshalb angenommen wird, weil ſie die Verdickung des Palmenſtengels erklärt, nicht aber, weil auch ſie dieſen bogen— förmigen Verlauf beobachteten. Die Verdickung iſt aber, wie der Verf. behauptet, einzig und allein dem ſecundären Holze, nicht aber den Bündeln des primären Holzes zuzuſchreiben; der Verf. glaubt dies durch ſeine Beobachtungen am Dra— chenbaume und an der Aloe beweiſen zu können. Wenn ſich das ſecundäre Holz, was der Verf. übrigens bezweifelt, bis zum beblätterten Theile des Stengels hinaufzieht, ſo iſt der nach innen gerichtete Verlauf der Gefäßbündel hinreichend er— klärt; findet dies aber nicht Statt, ſo können die bogenför— mig nach innen verlaufenden Bündel nur den Blumenſtengeln, die fi) immer unterhalb der Blätter bilden, angehören. Da Mohl, ſo wie Meyen halb verfaulte Stengel zu die— ſer Unterſuchung benutzte, ſo würde ſich, glaubt der Ver— 173. VIII. 19. 296 faſſer, ihr Reſultat mit der letzten Anſicht wohl vereinigen laſſen. Zum ſecundären Holze des Palmenſtengels übergehend, bemerkt der Verf., daß er nicht, wie bei Dracaena und bei Aloe den Reſt vom Holze trennen, zwiſchen beiden kein wei— ches, feuchtes Gewebe, wie es Moldenhawer wahrgenom— men, beobachten konnte; für dieſe Erſcheinung würden, wie er glaubt, lebenskräftigere Stämme wie die unſerer Treibhaus— palme, nöthig ſein. Bei den Palmen kann, da die jüngeren Theile bald den Umfang der älteren erreichen, die ſecundäre Holzbildung nur von kurzer Dauer ſein und niemals wie bei dicothledoniſchen Bäumen überall Statt finden. Das ſecundäre Holz charak— teriſirt ſich dadurch, daß es die primären Theile des Stengels überzieht und dieſe ſehr bald an Härte und Dauer übertrifft. Die Verwendung von Palmenſtämmen zu Dachrinnen und Dachlatten ſpricht für die Bildung eines feſten Holzringes aus dieſen ſecundären Holzbündeln. Das ſecundäre Holz von Borassus flabellifer, aus dem man kleine Doſen anfertigt, ift durch ſeine Härte, wie durch ſeine Farbe dem Ebenholze ähn— lich, durchläuft auch dieſelben Veränderungen wie dieſes. Anfangs als weiches, weißes Holz auftretend, nimmt es erſt während ſeines Erhärtens Farbeſtoffe auf. Seine Bildung erfolgt aber nicht wie beim Holze der Dicotyledonen durch Jahresringe, ſondern durch eine Entwickelung getrennter Gefäß— bündel. In einem gewiſſen Alter erſcheint es als braunes Holz mit ſchwarzen Bündeln durchſetzt. Doch nur wenige Palmen ſcheinen ein ſo feſtes und vollkommenes Holz zu liefern, bei vielen, ja ſogar bei der majeſtätiſchen Königs—⸗ palme, iſt dasſelbe zu jeder techniſchen Verwendung unbrauch- bar. Übrigens ſcheint die größere oder geringere Menge des harten Holzes der Palme ähnlich wie bei unſern Bäumen mit vom Boden abhängig zu ſein: der Stamm der Cocospalme iſt auf Java zu jeder Benutzung untauglich, während er auf Sumatra zu Pfeilern, welche die Häuſer tragen, ſehr brauch— bar iſt. Das Holz der langſam wachſenden Palmen iſt im- mer ungleich härter und vollkommener, wie das der ſchnell wachſenden Stämme. Borassus flabellifer, mit äußerſt har⸗ tem Holze, braucht 20 Jahre, ehe ſie Früchte trägt, und 200 Jahre um 20 bis 25 Fuß hoch zu werden, während Cocos nueifera, die 8 bis 9 Mal ſo ſchnell wächſt, meiſtens unbrauchbares Holz liefert. Der an Parenchym ſo reiche Stamm von Sagus karinikera hat gleichfalls ein ſehr weiches Holz. So wie man die Jahresringe unſerer dicothledoniſchen Bäume theilweiſe unterbrechen darf, ohne dem Wachsthume des Baumes zu ſchaden, ſchneidet man auch aus dem Stamme der Cocospalme, ohne ihrem Wachsthume zu ſchaden, Stücke heraus, um dieſen Baum bequemer beſteigen zu können. Das ſeeundäre Holz des Palmenſtengels zeigt niemals Jahresringe; der Verf. vergleicht es mit dem einzigen geſchloſ— ſenen Holzringe des einige Wochen oder Monate alten Trie— bes unſerer Bäume; er glaubt das Fehlen der Jahresringe aus dem Fehlen aller Knoſpen, außer der einen ſich ſtätig entwickelnden, erklären zu können. Wie die Holzbildung in Zweigen dicotyledoniſcher Pflanzen von oben herab Statt findet, ſo iſt auch das ſecundär Holz 297 der Cocospalme je höher nach oben um fo weicher und heller, je weiter nach unten im Stamme um ſo härter und dunkeler; im beblätterten Theile fehlt es ganz. Dieſe Entwickelungs— weiſe erklärt zugleich die größere Dicke des Palmenſtengels im unteren Theile; bei Borassus flabellifer iſt das untere Stammende faſt noch ein Mal ſo dick, als das obere; auch Areca catechu und Pinanga Javana ſollen einen an der Baſis etwas dickern Stamm beſitzen; bei Corypha umbra- eulifera iſt dieſe Erſcheinung weniger deutlich. Schon un— ſere Treibhauspalmen liefern für dieſe Thatſache genügende Beweiſe, etwa 30 Stämme von Chamaerops humilis, die der Verf. an verſchiedenen Orten ſah, waren an ihrer Baſis am dickſten. Die ſecundäre Holzbildung ſcheint, ſo wie die pri— mären Theile vollendet ſind, zu beginnen. Der Palmenſtengel iſt demnach das Product einer ein— zigen terminalen Knoſpe, deren Blattgefäßbündel ſich nicht, wie bei unſern dicotyledoniſchen Bäumen verzweigen, ſondern gleich den Gefäßbündeln junger Zweige ungetheilt in gerader Richtung abwärts laufen. Die terminale Knoſpe der Palmen bildet, indem ſie nach oben ſtätig fortwächſt, nach unten neues Holz, das nur eine beſtimmte Dicke erreichen kann; das Abſterben der Terminalknoſpe bedingt, da ihr die Fähig— keit neue Knoſpen zu bilden, fehlt, den Tod des ganzen Stammes. Den Mangel dieſer Fähigkeit glaubt der Verf., wenn er überhaupt erklärbar iſt, aus dem monocothledoniſchen Charakter der Palme, dem Mangel eigentlicher Wurzeln er— klären zu können. Nur von Nebenwurzeln, denen das fecun= däre Holz fehlt und die ſich auch nicht weiter entwickeln kön— nen, deren Zahl überdies, ſobald der untere Theil ſeine be— ſtimmte Dicke erreicht hat, begrenzt iſt, ernährt, kann die 173. VIII. 19. 298 Palme die Quantität ihrer Nahrung nicht nach Bedürfniß vermehren, folglich auch keine neuen Knoſpen bilden. Beim Drachenbaum wachſen dagegen die Nebenwurzeln, indem ſie ſich mit ſecundärem Holz bekleiden, zu Wurzelſtämmen aus, es entwickeln ſich neue Knoſpen, der Stamm verzweigt ſich. Miſcelle. 36. Artenzahl der Wirbelthiere, Weichthiere, Glieder- und Strahlthiere. — Agaſſiz und Gould geben in ihren Grundzügen der Zoologie die Zahl der Wirbelthier— arten auf etwa 20,000 an. Mehr als 1500 Arten der Säugethiere find genau bekannt; mit Wahrſcheinlichkeit laſſen ſich 2000 anneh— men. Der bekannten Vogelarten find 4000 bis 5000, die Wahr: ſcheinlichkeitszahl iſt 6000. Von den Reptilien kennt man 1500 Arten, die Verf. nehmen auch hier 2000 Arten an. Von den Fi: ſchen kennt man 5000 bis 6000 Arten, darf aber für ſie wohl 8000 bis 10,000 Arten mit Wahrſcheinlichkeit annehmen. Die Zahl der bekannten Weichthiere wird auf 8000 bis 10,000 geſchätzt. Es giebt Sammlungen von Seemuſcheln mit 5000 bis 6000 Arten und Sammlungen von Fluß- und Landſchnecken mit mehr als 2000 Arten. Die Familie der Molluſken möchte demnach auf 15,000 Arten zu veranfchlagen fein. Bei den Gliederthieren hat die nu— meriſche Beſtimmung der Arten beſondere Schwierigkeit. Es giebt Sammlungen von Coleopteren mit 20,000 bis 25,000 Arten; die Verf. halten es demnach nicht für unmöglich, daß die Inſecten allein 60,000 bis 80,000 Arten beſitzen. Die ganze Abtheilung der Gliederthiere, die Cruſtaceen, Cirrhipeden, Inſeeten, die Wir: mer mit rothem Blute, die Eingeweidewürmer und die Infuſorien, ſo weit fie in dieſe Abtheilung gehören, wird ſicher 100,000 Arten umfaſſen, ihre Artenzahl jedoch wahrſcheinlicher Weiſe doppelt ſo groß fein. — Fügt man zu dieſen noch 10,000 Arten für Räder⸗ thiere, Seeigel, Seeſterne, Quallen und Polypen hinzu, ſo erhal— ten wir 250,000 Arten lebender Thiere; nimmt man nun die Arten— zahl der untergegangenen foſſilen Sauna als eben fo groß an, fo zählt das Thierreich nach mäßiger Berechnung eine halbe Million Arten. Heilk (XXIV.) Verdauungsſchwäche und deren Behand— lung durch die örtliche Anwendung der Wärme und Feuchtigkeit. Bericht über eine neue Methode der Anwendung von Wärme und Kälte gegen ent— zündliche Krankheiten. M. D. Dr. Arnott iſt dem ärztlichen Publicum ſchon durch die Erfindung mancher zweckmäßigen Apparate vortheilhaft bekannt, und in dieſer Abhandlung bewährt er ſich wieder als ſcharfſinnigen Forſcher. Da ihm die Vortheile einleuch— teten, welche die locale Anwendung von Wärme und Kälte bei vielen Krankheiten gewährt, wenngleich man bis jetzt keine wirkſamen Mittel benutzt hatte, um bei längerer Ein— wirkung der einen oder der andern den Temperaturgrad zu regeln, ſo erfand er ein Verfahren, durch welches ſich eine beſtimmte Doſis von Temperatur zuverläſſig zur Anwendung bringen läßt, und die von ihm erlangten Reſultate hat er nunmehr veröffentlicht. Von James Arnott, unde. „Nachdem ich, ſagt er, auf dieſe Weiſe in den Beſitz eines gewiſſermaßen neuen Heilmittels gelangt war, wandte ich dasſelbe in ſehr vielen Fällen an, da ich fand, daß es in der Therapeutik eine bedeutende Lücke ausfüllt, indem es nämlich die Entzündung der Gefäße kräftig vermindert, ohne daß man dabei Gefahr läuft, den ganzen Organismus zu ſchwächen oder örtliche Reizung zu erzeugen, ſo daß man darin alſo ein eben ſo kräftiges als unſchuldiges antiphlo— giſtiſches Mittel beſitzt. Ich habe bei Reizung oder Ent— zündung in den großen Körperhöhlen Wärme in Verbin— dung mit Feuchtigkeit; bei Hautkrankheiten und Leiden der Gelenke, ſowie bei Geſchwüren und äußerlichen Entzündun— gen, Kälte, gewöhnlich in Verbindung mit hydroſtatiſchem Drucke in Anwendung gebracht. Diejenige Krankheit, gegen welche ich indes das erſte Mittel vorzugsweiſe verordne, iſt die Verdauungsſchwäche. Sie iſt unter allen Leiden, gegen welche dieſes Heilmittel ſich bewährt hat, das häufigſte und die Behandlung dieſer Krankheit bedurfte der Vervollkomm— nung am meiſten. Da andere Heilverfahren gegen dieſelbe ſo wenig ausrichteten, ſo zeigte ſich die Wirkſamkeit der Wärme und Feuchtigkeit bei ihr am auffallendſten, und ich 299 habe mich hier faſt ausſchließlich auf die Betrachtung der Verdauungsſchwäche beſchränkt, weil ich annahm, daß, wenn ſich der praktiſche Arzt mit dem gehörigen Gebrauche der von mir empfohlenen Methode bei einer ſo häufig vorkom— menden Krankheit, gegen die er mit ſeinen gewöhnlichen Mitteln ſo wenig ausrichtet, vertraut gemacht hat, er die— ſelbe dann um ſo beſſer auch bei andern ähnlichen Leiden in Anwendung bringen könne. In Betreff der Dyspepſie wird er ſeine Patienten durchaus nicht abgeneigt finden, auf dieſe Cur einzugehen; denn keine kann denſelben an— genehmer ſein. Überdies wird er durch dieſes äußerliche Mittel in der Anwendung der innerlichen, entweder direet gegen das Magenleiden oder gegen die zahlreichen aus die— ſem entſpringenden ſympathiſchen Leiden, auf keine Weiſe gehindert.“ P. IV. Bevor der Verf. den von ihm erfundenen Apparat be— ſchreibt, giebt er eine hiſtoriſche Überſicht der Anwendung von Wärme und Kälte als antiphlogiſtiſche Mittel, und weiſ't nach, daß der Grund, weshalb beide ſo ſehr außer Gebrauch gekommen, lediglich darin liege, daß man die be— queme und geeignete Anwendung derſelben nicht verſtanden habe. Hierin wird ihm jeder Arzt beipflichten, und in der That werden dieſe Mittel heut zu Tage ſelten anders als zur Unterſtützung irgend eines andern Heilverfahrens ange— wandt. In einer Form bedient man ſich allerdings der Kälte als des Hauptheilmittels, nämlich in der von kaltem Waſ— fer, welches man bei coma und Convulſionen von einer ge— wiſſen Höhe herab auf den Kopf des Patienten gießt. Wie gut es in ſolchen Fällen wirkt, iſt jedem Arzte bekannt, und bis jetzt war kein anderes Verfahren bekannt, wie man die Kälte unausgeſetzt zur Anwendung bringen konnte. Obwohl die auf den Kopf einwirkende Kälte bei Fieber an— erkanntermaßen günftig wirft, jo wendet man fie doch nur felten an, weil es beinahe unmöglich ift, die Temperatur fo zu regeln, daß der Theil beſtändig unter der Normaltem— peratur des Körpers gehalten wird, und wenn dies nicht geſchieht, ſo wirkt das Mittel geradezu nachtheilig. Die angeſehenſten Schriftſteller, die vom Fieber gehandelt, ſind hiervon fo überzeugt, daß fie ſtatt deſſen warme Bähungen verordnen. „Ich habe deshalb, ſagt Dr. Graves in feinen Clinical Lectures, den Gebrauch der kalten Waſchungen, mit Ausnahme weniger Fälle, aufgegeben, indem ich warme Bähungen von gleichen Theilen Weineſſig und heißem Waſ— fer vorziehe, welche ich auf die Schläfen und die raſirte Schopfhaut aufſchlage und häufig erneuere.“ Die unzweckmäßige Art, wie man ebenfalls die Wärme heut zu Tage zur Anwendung bringt, wird von Dr. Ar— nott folgendermaßen erörtert. „Bei dem medieiniſchen Gebrauche der Wärme hat man ſich hinſichtlich der gleichförmigen Einwirkung derſelben fait bloß darauf beſchränkt, die Umſchläge häufig zu erneuern. Der Verſuch, die Wärme der Breiumſchläge, Schwämme ꝛc. dadurch zuſammenzuhalten, daß man ſie äußerlich mit Fla— nell, Wachstuch ꝛc. bedeckt, muß offenbar theilweiſe mißlin— gen, da ſie nach innen ſo leicht entweichen kann. Auf dieſe Weiſe läßt ſich, wie durch warme Kleidung, faſt nur 173. VIII. 19. 300 erreichen, daß die natürliche Körperwärme zufammengehals ten wird. Eine ſchädliche Folge der ſchnellen Verkühlung der Brei— umfchläge und Baähungen iſt, daß man, um wenigſtens eine Zeit lang den erforderlichen Wärmegrad aufrecht zu erhalten, dieſelben zu heiß auflegt. So wird oft eine nachtheilige Reizung erzeugt, welche mehr Schaden ſtiftet, als der Breiumſchlag unter den günſtigſten Bedingungen Nutzen ge— währen kann; denn ein zu hoher Grad von Wärme iſt in Fällen, wo warme Bähungen ꝛc. angezeigt find, gerade fo nachtheilig, wie eine Temperatur unter 0 R. es in denen ſein würde, wo Kalte augezeigt iſt. Da es in den meiſten Fallen ſchwer hält, in andern unmöglich iſt, einen heilſamen Warmegrad durch Brei— umſchläge u. dergl. aufrecht zu erhalten, ſo hat man, wie geſagt, dieſes Mittel vielfach bei Seite geſetzt, und in den Fällen, wo man fruher häufig erneuerte Breiumſchläge verordnet haben würde, begnügt man ſich gegenwärtig meiſt damit, die natürliche Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Man legt jetzt Scharpiebäuſche oder dünne Schich— ten Waſchſchwammes mit warmem Waſſer getränkt, auf, bedeckt dieſe mit Wachstaffet und läßt ſie ſo fortwährend liegen. Wenn Feuchtigkeit nützlich wirkt und ein höherer Wärmegrad nicht erforderlich iſt, können dieſe ſogenannten Waſſerverbände oft mit großem Nutzen die Stelle von Sal— ben oder Pflaſtern vertreten; allein es werden in dieſer Be— ziehung leider oft Mißgriffe gemacht. Viele glauben, ſie wirkten ganz wie warme Bähungen und man hat fie ſogar ganz unpaſſender Weiſe ſo genannt. Ebenſowohl könnte man ein Glas Waſſer eine Purganz nennen. Warme oder heiße Bähungen ſetzen eine Fluſſigkeit von weit höherer Temperatur als die des Theils, auf welchen man ſie an— wendet, voraus. Die gewöhnliche Vorſchrift rückſichtlich des Wärmegrades, welchen Breiumſchläge oder Bähungen haben ſollten, iſt die vom Präſidenten des Collegiums der Wund— ärzte gegebene, nämlich daß das Waſſer 2c. jo warm ſein muſſe als der Kranke, nach deſſen Gefühle es vertragen kann. Dieſe Temperatur dürfte zwiſchen 110 und 1150 Fahrh. ſtehen, alſo wenigſtens 15“ mehr betragen als die die Temperatur des Waſſerverbandes. Obwohl nun aber die bloße Aufrechterhaltung der naturlichen Wärme gewiſſermaßen nützlich fein kann, jo wurde es doch lächerlich ſein, wenn man von dieſem Mittel die Heilkraft der warmen Bähungen, entweder der Art oder dem Grade nach erwarten wollte. Ebenſowohl dürfte man ſich von 2 Tropfen Laudanum dieſelbe einſchlä— fernde und ſchmerzſtillende Wirkung verſprechen als von 20 Tropfen. Ein ſolches negatives Verfahren darf man auch keineswegs ſo betrachten, als laſſe man der Natur ihren Lauf und als vertraue man lediglich ihrer Heilkraft. Denn die Natur giebt die Anwendung dieſer Heilmittel an die Hand, und die unmittelbar lindernde Wirkung, ſowie die dauernden Vortheile, welche durch warme Bähungen erreicht werden, bezeugen, wie wohl man daran thut, wenn man die Winke der Natur befolgt. Dasſelbe läßt ſich gegen eine zu niedrige Temperatur in Fällen, wo warme Bähun— gen angezeigt ſind, einwenden, was ſich, in denen, wo Kälte 301 angezeigt ift, gegen laue Waſchungen erinnern läßt. Der Patient wird dadurch ſowohl deſſen, was ihm Linderung gewährt, als deſſen, was ihn heilt, beraubt.“ P. 33. Nachdem der Verf. in dieſer Weiſe von der Unwirkſam— keit der gegenwärtig hinſichtlich der Anwendung zweier an ſich ſehr werthvoller therapeutiſcher Mittel befolgten Me— thoden geurtheilt hat, beſchreibt er das von ihm empfoh— lene Verfahren, welches er bereits ſeit vielen Jahren an— gewandt hat. „Ein Waſſerſtrom von der geeigneten Temperatur wird durch ein dünnes waſſerdichtes Kiſſen oder eine Blaſe, die ſich mit dem Körper dicht in Berührung befindet, getrieben. Das Waſſer fließt in das Kiſſen aus einem darüber befind— lichen Behälter durch eine lange biegſame Röhre und aus dem Kiſſen durch eine andere Röhre in einen Kübel. Das Kiffen hat eine dem Körpertheile, auf den das Waſſer ein- wirken fol, angemeſſene Geſtalt und Größe, und vermittels einer beſondern Vorrichtung wird jeder Druck von Seiten desſelben verhindert. Der mit dem Kiſſen in Berührung be— findliche Theil wird entweder dadurch feucht gehalten, daß man das Kiſſen vorher benetzt, oder daß man naſſe Scharpie, naſſen Flanell oder ſonſt eine poröſe Subſtanz dazwiſchen legt. Es liegt auf der Hand, daß durch die Anwendung die— ſes Strömungsapparates die Temperatur ſich vollkommen reguliren läßt. Neue Waſſertheile ſtreichen fortwährend über die Körperoberfläche, indem ſie entweder Wärme entziehen oder mittheilen, gerade wie (was die Entzie— hung anbetrifft) die Hand abgekühlt wird, wenn man ſie einem kalten Luftſtrome ausſetzt oder ſie in einen kalten Waſſerſtrom hält, obwohl ſelten ein ſchnellerer Ortswechſel der Waſſertheilchen nöthig iſt als der durch die Veränderung ihres Gewichts in Folge der Veränderung ihrer Temperatur veranlaßte. Die dazwiſchen befindliche Membran oder das Tuch macht keinen Unterſchied, oder doch nur einen ſolchen, welchen eine dickere epidermis veranlaſſen würde, nämlich daß eine etwas höhere oder niedrigere Temperatur des Waſ— ſers oder ein ſchnellerer Fluß desſelben über die Oberfläche nöthig iſt, um dieſelbe Wirkung hervorzubringen. Die Vorzüge dieſer Methode vor den bisher ange— wandten ſind folgende: Erſtens ſetzt ſie den Arzt in den Stand, jede beſtimmte und angemeſſene Temperatur beliebig lange in Anwendung zu bringen. Zweitens kann man auf dieſe Weiſe Kälte auf jeden Körpertheil einwirken laſſen, ohne daß man irgend einen anderen Theil abkühlt, wie man denn überhaupt die Ein— wirkung des Mittels auf jede beſondere Oberfläche genau beſchränken kann. Drittens läßt ſich der Apparat mit der größten Leichtig— keit und Bequemlichkeit für den Patienten handhaben und ſelbſt der Wärter kann ihn, wenn er die Sache ein Mal inne hat, ohne alle Mühe beſchicken. Wer die menſchliche Natur kennt, der wird den letzten Umſtand keineswegs für unbe— deutend halten. Wenn der Patient ſchläft, ſo wird er durch den Fortgang des Proceffes durchaus nicht in feiner Ruhe geſtört. 173. VIII. 19. 302 Viertens geſtattet dieſe Methode eine ſtufenweiſe Steiger rung und Verminderung der Wärme und Kälte, ſo daß man zu Anfang und zu Ende der Einwirkung oder auch während deren Fortſetzung, wenn die Umſtände eine Ver— änderung in der Temperatur erheiſchen, jeder Reizung oder Reaction vorbeugen kann. Fünftens läßt ſich auf dieſe Weiſe ein gleichförmiger Druck bei vollſtändiger Regulirung der Temperatur in An— wendung bringen. Dieſe bisher unausführbare Verbindung iſt bei der Behandlung der meiſten Krankheiten, bei denen ſich Druck als heilſam bewährt hat, von der höchſten Wich⸗ tigkeit, und man hat dieſelbe bei eczema und anderen hart⸗ näckigen Hautkrankheiten angewandt, bei denen man den Druck, wahrſcheinlich wegen der durch Binden verurſachten Hitze bisher noch nie hat benutzen können. Allein durch dieſe Verbindung erreicht man größere Vortheile, als das Wegfallen eines ungünſtigen Umſtandes. Die Zuſammen— drückung durch eine Flüſſigkeit beſitzt den großen Vorzug einer vollſtändigen Gleichförmigkeit, während ein Verband einen ungleichen und ſich leicht verrückenden Druck ausübt. Viele Krankheiten weichen der vereinigten Wirkung des Druckes und der Kälte, welche jeder dieſer beiden Potenzen für ſich widerſtehen. Die einzige Modification, welche zur Erreichung dieſes wichtigen Zweckes am Apparate vorge⸗ nommen werden muß, iſt, daß das Waſſerkiſſen nur mit dem zuſammenzudrückenden Theile in Berührung ſein darf und der Waſſerbehälter ſich ſo hoch befinden muß, daß der er— forderliche Grad von Druck Statt findet.“ P. 38. Der Verf. begegnet einem Einwurfe, welcher gegen dieſen Apparat erhoben werden dürfte, nämlich daß er zu complicirt ſei, indem er uns verſichert, daß er nicht weniger einfach, als wirkſam, ja weit einfacher ſei, als viele der gegenwärtig bei der Behandlung dieſer Krankheiten ange— wandten Verfahren, z. B. das Schröpfen. Er macht ferner darauf aufmerkſam, daß wir die wohlthätigen Wirkungen der ſo angewandten Wärme und Kälte nicht nach denen des gewöhnlichen Anwendungsverfahrens dieſer Potenzen er— meſſen dürfen, und daß ſich die Arzte in der Alternative befinden, ſich entweder dieſes Apparates zu bedienen oder ein höchſt kräftiges und unſtreitig ungefährliches Heilmittel, was beſonders zur Beſeitigung von Entzündung höchſt wirk— ſam iſt, zu entbehren. Im dritten Abſchnitte ſeiner Abhandlung beſchreibt der Verf. die Anwendung feines Strömungsapparates bei Be— handlung verſchiedener Krankheiten und bei deſſen Anwendung auf verſchiedene Körpertheile ausführlich, worauf er eine genaue Erklärung der Conſtruction mittheilt. Conſtruetion des Strömungsapparates. „Der Waſſerbehälter. Wenn es von Wichtigkeit iſt, daß der im Kiſſen wirkende Druck ſich ſtets gleich bleibe, was jederzeit der Fall iſt, wenn ein gleichmäßiger Druck die Heilung befördert, oder daß die Waſſerſtrömung ſtets dieſelbe ſei, muß der Waſſerbehälter nach dem Prineip eines Tintenfaſſes eingerichtet ſein, ſo daß die etwa 1 Zoll weite Mündung ſich dicht an dem gewölbten Boden befindet. Davor 303 befindet ſich eine drei Zoll tiefe Pfanne und im Bauche des Gefäßes, etwa 1 Zoll unter der Mündung, ein Hahn. Der Behälter iſt von lackirtem Weißblech und faßt etwa 4 Gal— lonen. Wird er zu warmem Waſſer gebraucht, ſo muß er mit dickem Flanell oder einer anderen die Wärme ſchlecht leitenden Subſtanz überzogen, oder es kann eine kleine Lampe unter demſelben angebracht ſein. Der Waſſerbehälter zur Bewirkung einer unterbrochenen Strömung beſteht in einem 6 Pinten (7 Nöſel) haltenden Blecheylinder, deſſen Hahn ſich in der Nähe des Bodens befindet. Das Waſſerkiſſen oder die Blaſe. Eine dünne oder präparirte Blaſe wird, wenn dichte Berührung mit der Haut wünſchenswerth iſt, das beſte Waſſerkiſſen bilden. Die Meſſingſtücke, welche dieſelbe mit dem Speiſe- und Abzugsrohre verbinden, ſind mit einem Halſe verſehen, damit die Blaſe nicht abgleiten könne. Sie werden jo leicht als möglich gearbeitet, und derjenige Theil, welcher in die Blaſe hineinragt, muß ſowohl an den Seiten, als am Ende mit Löcherchen verſehen ſein. Die beſondere Art von Mackintoſh-Tuch, welche haupt— ſächlich zu Waſſerkiſſen benutzt wird, iſt das ſogenannte Zephyrtuch. Es iſt dünn und doch gehörig ſtark und dauer— haft. Der Arzt kann ſich dieſe Kiſſen ſelbſt anfertigen, da ſich bei den Blechbüchſen, in denen das aufgelöſ'te Federharz verkauft wird, eine Anweiſung über die Anwendung des— ſelben befindet. Bequemer iſt es allerdings, ſie aus einer Fabrik zu beziehen. Behufs des Strömungsapparates muß jedes Kiſſen wenigſtens zwei meſſingene Mundſtücke haben, welche an den für den beabſichtigten Zweck geeigneten Stellen in denſelben befeſtigt ſind. Bei den Kiſſen, welche zur Be— handlung der Dyspepſie benutzt werden, iſt z. B. das eine Mundſtück bei / des langen Randes von deſſen Ecke, das andere bei der Mitte des kurzen Randes eingefügt. Wenn der Apparat mit unterbrochener Strömung benutzt wird, ſo reicht man mit einem Mundſtücke am langen Rande aus. Die Kiſſen müſſen, je nach deren Beſtimmung, von verſchiedener Geſtalt ſein. Für den Kopf muß ein ſolches einer doppelten Nachtmütze ähneln, und für die Extremi— täten können ſie in Geſtalt doppelter Strümpfe und Sand: ſchuhe angefertigt werden. Die Kiſſen von Mackintoſh-Tuch ſind ſehr dauerhaft, und wenn ſie leck werden, läßt ſich dem leicht abhelfen indem man ein Stück der äußeren Lage von der inneren ablöſ't, nachdem man es mit Terpenthinöl befeuchtet hat, worauf man die lecke Stelle ausſchneidet und dieſelbe durch ein neues Stück Federharztuch erſetzt. Das Speife- und Abzugsrohr. Das beſte Material zu dieſem iſt das neuerfundene ſogenannte vulcani— ſirte Federharz. Sie müſſen aber ſtarke Wandungen haben und im Lichten wenigſtens ¼ Zoll weit fein. Das Speiſe— rohr hat etwa 4 Fuß Länge. Das eine Ende wird durch 173. VIII. 19. 804 eine meſſingene Büchſe an den Hahn des Waſſerbehälters befeſtigt, und an derſelben hängt ein kleiner Korkſtöpſel, mittelſt deſſen ſie ſich verſchließen läßt, wenn ſie vom Waſſer— behälter abgenommen worden iſt. In das andere Ende wird eines der Mundſtücke des Waſſerkiſſens eingeſchoben oder eingeſchraubt. Die Länge des Abzugrohres iſt, je nach der Entfernung der Abzugswanne vom Patienten, verſchieden, und es iſt, beſonders wenn Druck zur Anwendung kommen ſoll, am äußeren Ende mit einer Meſſingſchraube verſehen, die den Dienſt eines Hahns leiſten kann. Wenn das Ende des Abzugsrohres durch ein Statis geſtützt wird, fo iſt, ſtatt der meſſingenen Schraube, ein Stück Zinnrohr daran angebracht. Der Stützer. Dies iſt ein ſehr weſentlicher Theil des Apparates, welcher verhindert, daß die Laſt des Waſſers auf kranke Theile drückt oder dieſelben zerrt, oder Höhlen mit geſchmeidigen Wandungen comprimirt, und welcher zu— gleich das Kiffen in enger Berührung mit der Haut hält. Ein bequemer Stützer für das Kiſſen bei Dyspepſie iſt ein Stück mit Kattun überzogenes Rollenblei, welches etwas kleiner iſt, als das Kiſſen ſelbſt. Für den Kopf wird ein Stück Rollenblei trogförmig gebogen und oben ringsherum ein Stück Kattun angenäht, um das Obertheil des Kiſſens zu ſtützen. Für den thorax und das abdomen habe ich zus weilen eine Art von hölzernem Trog benutzt, deſſen Wan— dungen ſich durch daran angebrachte Zapfen, ſo wie Rei— hen von Löchern im Boden enger und weiter ſtellen laſſen. Die großen Kiſſen, welche die Bruſt oder den Bauch um— geben, müſſen oft mit Schnuren an den Stützer angebunden werden, damit kein Schwappen Statt finden könne. Unter gewiſſen Umſtänden ſind andere Vorrichtungen zum Stützen vorzuziehen; z. B. für den Fußknöchel ein Blechſtiefel, der ſich mittelſt Scharniere öffnet, über und unter dem Gelenke anſchließt, aber am Mittelſtücke viel weiter iſt.“ P. 86. Da es uns hier hauptſächlich darauf ankam, den Leſer mit den zur Anwendung dieſes wichtigen therapeutiſchen Mittels von Dr. Arnott erfundenen Apparaten bekannt zu machen, ſo ſchließen wir hier, ohne dem Verf. in deſſen Erörterungen über die beſondere Anwendbarkeit desſelben gegen die Verdauungsſchwäche zu folgen. (Dublin Quarterly Journal of Med. Science, Aug. 1848.) Zu23 43 & U Miſcelle. (32) Eine rothe Linie am Zahnfleiſche bei Pthi⸗ ſikern betrachtet Dr. Frederieg nach der Union médicale, Avril 1848 als ein conſtantes Zeichen. Schon im Jahre 1844 war er darauf aufmerkſam geworden. Seitdem, behauptet er, hat er auf dieſes Zeichen geachtet und bei allen Phthiſikern eine ziegelrothe ſchmale an der Schneide- und Eckzaͤhnen allein hinlaufende Linie am Zahnfleiſchrande bemerkt, bei einzelnen nur am Unterkiefer. Ob dieſe Linie bei andern Krankheiten nicht vorkomme, iſt nicht gefagt. Bibliographiſche Neuigkeiten. Outlines of Botany By W. Mateer, M. D. Professor of Botany, Royal Bas Zargen: Part I. 12%, (cloth pp. 40, and 6 plates.) 1848. 2 sh. 6 d. De l'espece des races dans les étres organises de la periode geologique ae- tuelle; par D. A. Godron, docteur en médecine etc. In 8d de 7 feuilles. Nancy, chez Mm. Ve. Ray bois, chez Grimblot 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Frorſep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 174. (Nr. 20. des VIII. Bandes.) Januar 1849. Naturkunde. Morren, über die Lebensweiſe der Proceſſionsraupe und über die Krankheiten, welche dies ſchädliche Inſect bei Menſchen und Thieren veranlaßt. — Wertheim, über die Fortpflanzungsſchnelligkeit des Schalles in Flüſſigkeiten. — Graſſi, über die Zuſammendrückbarkeit der Flüſſigkei⸗ ten. — Miſcellen. Dalton Hooker, baumartige Rieſentange des antarktiſchen Meeres. Derter Marſh, die Fußſpuren urweltlicher Thiere in Ame⸗ rica. — Heilkunde. Stromehy er, von den Nervencontuſionen. — Burguieres, über die Reaction der Flüſſigkeiten des menſchlichen Körpers wäh- rend der Cholera morbus. — Miſcellen. riſchen Muſcatnußöles auf den thieriſchen Organksmus. — Bibliographie. und, über Schönbeins liquor sulphurico-aethereus constringens. Mitſcherlich, über die Wirkung des äthe⸗ Naturkunde. XLI. Beobachtungen über die Lebensweiſe der Pro— ceſſionsraupe und über die Krankheiten, welche dies ſchädliche Inſeet bei Menſchen und Thieren veranlaßt. Von Charles Morren. Die Raupe der Bombyx (Gastropacha) processionea I., die glücklicherweiſe nicht alljährlich in Belgien erſcheint, war im vorigen und letzten Sommer dort ſehr häufig; ſie verheerte 1847 einen Theil des Waldes von Hertogenbuſch, griff aber nicht, wie Réaumur angiebt, nur die am Wald— rande ſtehenden Bäume, ſondern alle Eichen, vorzugsweiſe aber die ſtämmigen Bäume an, während das Unterholz ver— ſchont blieb. Die Eichen von Hertogenbuſch beſtehen größ— tentheils aus Quercus robur. Das Auftreten der Raupe im genannten Walde und ihre Verbreitung über andere Theile Belgiens ließen für das Jahr 1847 auf eine Einwanderung aus Deutſchland nach Belgien, überhaupt auf eine Wanderung von Weſten nach Oſten ſchließen. In dieſem Jahre (1848) war im Monat Mai noch nichts von ihnen zu ſehen; am 19. Juni, wo der Verf. eine botaniſche Ausflucht in die Umgebungen von Maſtricht machte, ſah er und ſeine Begleiter die ſchädliche Proceſſionsraupe von Baum zu Baum wandern. Sie fan— den ſich in Haufen von der Größe eines Menſchenkopfes geſellig bei einander und wanderten in 15 bis 20 Fuß lan— gen geordneten Zügen wie ein Kriegsheer zum Angriff eines neuen Baumes. Der Verf. iſt empört über die Sorgloſig— keit der Landleute, die ſie ruhig ohne Hinderniß wandern ließen. Hier ward die weiße Eiche (Quercus pedunculata), die längs den Feldern gepflanzt war, von ihnen heimge— ſucht. — Der Verf. fragte einen Landmann, warum er die ungeheuren Neſter dieſer nicht allein für die Bäume, ſondern auch für Menſchen und Vieh ſo ſchädlichen Raupen No. 8154. — 1054. — 178. nicht zerſtörte? Ihm ward die kaltblütige Antwort, die Rau— pen ſeien vom Himmel geſandt, um die Bäume zu vernich— ten, welche die Eigenthümer der Ländereien zum Nachtheile ihres Miethsmannes längs der Felder gepflanzt hätten; er würde ſich deshalb wohl hüten, dieſe Raupe zu vertilgen. Aus dieſer Antwort und dem ihr zum Grunde liegenden Aberglauben erklärt ſich, wie der Verf. bemerkt, der ſchlechte Erfolg der Geſetze über die Raupenvertilgung; ſowohl die Obrigkeit wie die Eigenthuͤmer der Ländereien hätten auf deren Befolgung ſtreng zu achten. Da Réaumur ſchon die Lebensweiſe der Proeeſ— ſionsraupe beſchrieben, begnügt ſich der Verfaſſer, nur kleine Irrthümer zu berichten und das von jenem berühm— ten Forſcher beobachtete zu ergänzen. No. 8 des Bulletin de académie royale de sciences etc. de Belgique von 1848 enthält ſeine Arbeit. Nach Réaumur beginnt jeder Trupp der wandern— den Proceſſionsraupe mit einer Reihe, wo eine Raupe hin— ter der andern marſchirtz auf dieſe folgt eine Reihe, wo zwei neben einander gehen, darauf eine Reihe von dreien, dann von vieren u. ſ. w., bis der Trupp zuletzt mit einer Co— lonne von acht oder noch mehr Raupen ſchließt. Die Truppe von etwa 20 Fuß Länge, denen der Verf, bei Langeken in der Umgegend von Maſtricht begegnete, wurden immer von einer einzigen Raupe angeführt, die ihr folgenden Reihen, wo eine hinter der andern, darauf 2, 3 u. ſ. w. neben einander gingen, waren indes nur kurz, ſo daß ſich ſchon bald nach dem Anführer Pelotons von 10, 12, 15 und 20 Raupen in jeder Colonne bildeten. Ein ſo geordnetes Armeecorps beſtieg eine unglückliche Eiche, deren Blätter nur noch das Gefäßgerüſte zeigten, wäh— rend ein anderes denſelben Baum verließ; das eine dieſer Raupenheere ging über das andere hinneg, ohne daß ſich 307 irgend eine Raupe in ihrem Marſche irre machen ließ. Wenn die Eichen eines Feldrandes von ihnen entlaubt waren, mar— ſchirten ſie nach benachbarten Bäumen; ein ſolcher Trupp ging in der Furche eines Brachackers weiter. Der Verf. und ſeine Begleiter nahmen eine Menge der Raupen mit ſich; wie ſie am andern Morgen auf den Tiſch geſchüttet wurden, bildeten ſie einen kugeligen Haufen; nach— dem ſie etwa 10 Minuten ruhig in dieſer Lage verblieben, trat eine Raupe an die Spitze, ihr folgte eine zweite, die— ſer eine dritte u. ſ. w. Die Armee marſchirte in der Reihe auf; eine Raupe, die krank zu ſein ſchien, richtete ſich dar— auf ſo, daß ihr Hintertheil dem Hintertheile der benachbar— ten zugewandt war; ſie marſchirten ſeitwärts; nach einem Zwiſchenraume folgte ihr eine andere und dieſer eine ganze Reihe; das Heer theilte ſich ſo unter zwei Anführer, die nach entgegengeſetzten Richtungen marſchirten; ſämmtliche Raupen bildeten alsbald eine Reihe mit zwei Anführern und zwei cee— resmaſſen von ungleicher Stärke, deren eine ſich nach rechts, die andere nach links wandte; beide Züge wurden endlich durch zwei Raupen geſchloſſen, die mit dem Hinterleibe ein— ander berührten; ſobald dies geſchah, hielt plötzlich das Heer inne, kein Schritt ward rechts noch links gethan. Dieſe Ruhe dauerte faſt eine Stunde und ward nur durch gewaltſame Störung vom Verf. unterbrochen. Ein anderer Umſtand verdient nicht mindere Erwägung. Unter den zu Lanaefen geſammelten Raupen befand ſich eine, die ein kränkliches Anfehen hatte, klein und verkrüppelt ſchien; das arme Weſen marſchirte mit ſeinen Cameraden in Reihe und Glied, plötzlich unterbrach ſie den Zug und ward zur Unteranführerin einer neuen Colonne. Bald dar— auf ſtand die ganze Armee ſtille, ſchien aber bald, indem fie hin und her ſchwankte, ungeduldig zu werden. Dies Schwan— ken nahm überhand, die Linie brach, eine kräftige Raupe ſtellte ſich als Unteranführerin an die Spitze des neu gebil— deten Zuges, dem die meiſten Raupen folgten; eine kleine Anzahl, die dem kranken Granführer treu geblieben waren, gingen bald rechts bald links, bis ſich die kranke Raupe endlich zwiſchen zwei andern Raupen gehend, dem gemein— ſamen Zuge anſchloß. Die durchaus geraden Linien, in der die Raupen mar— ſchiren, iſt vielfach bewundert und verſchiedenartig erklärt worden. Da die Raupen ſo dicht hinter einander gehen, daß der Kopf der folgenden Raupe dem behaarten Hinter— theile der vorausgehenden nahe iſt, hat man geglaubt, eins der Endhaare des letzteren ſtecke im Munde des folgenden. Der Verf. ſowohl wie ſein Sohn überzeugten ſich indes, daß dies nicht der Fall ſei, daß die Raupen durchaus frei gehen, daß dagegen die ſehr langen Haare des Hinterleibes eine Art Bürſte oder Wedel bilden, deren Haare ſich ſchief nach zwei Seiten richten; zwiſchen dieſen Haaren befindet ſich nun der Kopf der folgenden Raupe und jedes Schwan—⸗ ken der Proceſſton verurſacht eine ſeitliche Berührung des— ſelben mit den Haaren. Dieſe Berührung ſcheint gleich einem Zügel zu wirken und den ganzen langen Zug in Ordnung zu erhalten. Schon Réaumur empfand, als er die Lebensweiſe 174. VIII. 20. 308 der Proeeſſionsraupe ſtudirte, an den Händen und im Geſicht, namentlich aber an den Augen die ſchädlichen Wirkungen dieſer Thiere; er konnte die Augenlieder nicht öffnen, die Haut war ihm geſchwollen, bekam rothe Flecke und Puſteln; dieſer Zuftand dauerte 4 bis 5 Tage. Vier Damen, die mit ihm, jedoch von fern, die Raupen beobachtet hatten, bekamen ähnliche Hautent— zündungen am Halſe und an den Schultern. Alle Natur— forſcher, die bis jetzt dieſe ſchädlichen Raupen ſelbſt beob— achteten, empfanden ähnliche nachtheilige Folgen. Wenn Schäfer und Hirten ihr Vieh an Orte trieben, wo die Pro— ceſſionsraupe niſtet, erging es den Thieren nicht beſſer. Schon wenn man mit einem Stabe ihr Neſt in den Bäu— men berührt, empfindet man übele Folgen; Holzhauer, welche die Gefahr nicht kennend, von der Raupe befallene Eichen fällten, mußten ſchwer dafür büßen. Nicolai erzählt ſo— gar, daß Pferde, die in ihrem Bereiche weideten, im Wuthzuſtande ſtarben. Derſelbe Schriftſteller berichtet trau— rige Beiſpiele von Leuten, die unter Eichen ſchliefen, auf welchen dieſe Höllenraupe niſtete; ſie ſoll nach ihm im Zu— ſtande des Überganges zum vollkommnen Inſect am gefähr— lichſten ſein. Borckhauſen geht noch weiter, er findet, daß auch Bombyx pitycampa eben ſo ſchädlich wirkt wie Bombyx processionea; wenn ihr nachtheiliger Einfluß die Lungen oder die Speiſeröhre berührt, ſoll nach ihm der Tod erfolgen. Sehen wir nun, was dem Verf. und ſeiner Familie begegnete. Wie der Verf. am 19. Juni mit ſeinen Begleitern bei Langeken die Proceſſionsraupen beobachtete, verſpürte keiner von ihnen das mindeſte Unwohlſein. Ein Knecht, der das Gepäcke trug und die Raupenneſter ausnahm und in des Verf. Capſel legte, erkrankte nicht; an ſchwerer Ar— beit im Freien gewöhnt, ſchützte ihn, wie der Verf. glaubt, die Dicke ſeiner Haut. Auch des Verf. Sohn und einige ſeiner Zöglinge berührten am folgenden Tage einige Rau— pen, die in einem Treibhauſe aufmarſchirt waren, ohne daß es ihnen ſchadete. Die Raupen wurden darauf eingeſperrt und machten ihre Coccons. Am 31. Juli hatte ſich das Blatt gewendet. Des Verf. Sohn brachte ihm am Morgen dieſes Tages ein Gefäß, worin ein Schmetterling ausge— krochen war; er lüftete das Gefäß, in welchem das Inſeet ganz ruhig ſaß, nur ein wenig und nur für einen Augen— blick und doch hatte er ſchon eine halbe Stunde darauf ein geſchwollenes mit rothen entzündeten Flecken überſäetes Ge— ſicht; die Augenlieder litten am meiſten; Hals, Hände und Arme waren gleichfalls angeſchwollen; ein brennendes Jucken verbreitete ſich über die ergriffenen Theile. Auch der Verf. verſpürte an Arm und Hand der linken Seite, welche dem Gefäße im Augenblicke des Lüftens genähert waren, dieſel— ben ſchädlichen Einflüſſe. Des Verf. älteſter Sohn wollte deſſenungeachtet die Urſache des Übels wie deſſen Wirkung an ſich ſelbſt erfahren und ſetzte ſich freiwillig ſeinem Ein— fluſſe aus; ſchon eine halbe Stunde nachher ward er am Kinn, Halſe und an den Händen ergriffen. Wenn man das Gefäß öffnete, ſah man demſelben einen flockenartigen Dunſt entſteigen, von dem ſchon Réaumur ſpricht und den er für die Urſache des Übels hält. Des Verf. Frau 309 die bisher verſchont geblieben, fing verſuchsweiſe mit dem Vorderarme eine dieſer in der Luft ſchwebenden Flocken auf; ſchon nach einer halben Stunde empfand ſie Jucken, die Haut der affieirten Stelle röthete ſich, aber auch Kinn und Hals wurden, wenngleich im geringeren Grade entzün— det: zwei Tage blieb das Übel nur local, am dritten Tage war der ganze Körper mit rothen Flecken bedeckt und ein fieberhafter Zuſtand eingetreten. Am fünften Tage nach der Anſteckung waren die Krankheitserſcheinungen ohne Zuthun verſchwunden. Man hat gegen dieſe eigenthümliche Krankheit Einrei— bungen von Ol oder Milch, auch wohl Bäder empfohlen; die Erfahrung hat aber gezeigt, daß ſie unwirkſam ſind. Reéaumur heilte ſich auf der Stelle durch Reiben mit Pe— terſilie. Der Verf. und ſeine Familie überließen alles der Natur; die Entzündung dauerte bei ihnen im allgemeinen 2 bis 3 Tage, die Puſteln verurſachten während dieſer Krankheit ein unerträgliches Jucken. Schon Réaum ur zeigte, daß nicht die großen Haare der Raupe, obſchon, ſie mit kleinen ſeitlichen Spitzen ver— ſehen wären, dies Übel verurſachen, daß es vielmehr die— jenigen Haare ſind, welche dicht an der Haut ſitzen und ſich erſt, wenn die Raupe in den Puppenzuſtand übergeht, ab— löſen. Derſelbe Beobachter bildete eines dieſer Haare und mit demſelben 2 Schuppen des Schmetterlinges ab, die er irrthümlicherweiſe für die eigentlichen Giftorgane der Haare hielt. Der Verf. fing eines der ſchädlichen Wölkchen, die nach Borckhauſen eingeathmet tödtlich werden ſollen, auf und brachte es etwas befeuchtet unter das Mikroſkop; er ſah ei— nen Haufen von Haaren, ſowohl der Form als Länge, Breite und Farbe nach ſehr verſchieden. Einige Haare wa— ren glatt, andere fein punctirt; letztere waren gelb, die mei— ſten zeigten einen inneren Canal, der mit Unterbrechungen von einer Subſtanz ausgefüllt war; hie und da lagen Bruch— ſtücke von Haaren, auch einzelne keilförmige Schuppen vom Flügel des ausgekrochenen Schmetterlinges. Der entwickelte Schmetterling, gleichgültig ob Männchen oder Weibchen, kann unbeſchadet in die Hand genommen werden, ſeine Flügelſchuppen ſitzen ſehr loſe, aber dennoch verurſachten ſie niemals irgend eine übele Folge; die Flügel— ſchuppen des Schmetterlings können demnach nicht die Brenn— organe ſein; da man aber in den ſchädlichen Flocken außer ihnen nur die beſchriebenen Haare findet, ſo müſſen dieſe ſelbſt die beſprochene Entzündung veranlaſſen. Der Verf. glaubt, daß dieſe Haare brechen und in die Haut eindrin— gen. Réaumur will in jeder Puſtel ein ſolches Haar ge— ſehen haben; der Verf. haͤlt es zwar nicht für unmöglich, er wie ſeine Familie konnten indes trotz aller Mühe nichts ähnliches entdecken. Nicolai hält die Urſache der Ent— zündung für keine ſo materielle. Es iſt jedoch ſehr wahr— ſcheinlich, daß die Haarfragmente ſelbſt das Übel hervor— rufen, da Mobilien und andere Gegenſtände, die mit den Brennflocken in Berührung kamen, nach dem einſtimmi— gen Zeugniß aller Beobachter, für längere Zeit die Eigen— ſchaft behalten, ähnliche Entzündungen hervorzurufen. Der 174. VIII. 20. 310 Verf. glaubt, daß ſich dieſe Eigenſchaft erhält, ſo lange das Haar überhaupt vorhanden iſt, und daß vielleicht der im Innern ſeiner Röhren befindliche Stoff das Brennen ver— anlaßt. Wie dem aber auch ſei, ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß nur dieſe nahe der Haut der Raupe gelegenen Haare das Übel erzeugen. Die für Menſchen wie Thiere gleich gefährliche und überdies dem Wachsthume der Eichen höchſt ſchädliche Bom byx processionea müßte demnach von Seiten der Behörde auf alle Weiſe verfolgt und, wo man ſie fände, vernichtet werden. Das Weibchen legt nach Ratzeburg ſeine Eier in Vertiefungen der Rinde, wo ſie ſchwer zu finden ſind. Da die Raupe indes geſellig lebt, ſo würde man ſie am beſten, wenn ihre Haufen, Neſter oder Truppe in voller Entwick— lung ſind, durch Feuer zerſtören, wobei man dennoch vorſichtig zu Werke gehen müßte, da die Bewegung einer ſolchen Menge von Individuen gefährliche Krankheiten erzeugen könnte. Der Verf. halt es am beſten, die Raupenneſter in ein Strohfeuer zu werfen. Nicolai bezeichnet die Mitte des Mais als die Jah— reszeit, in der die Raupen erſcheinen; der Verf, ſah fie am 19. Juni in vollſtändiger Entwicklung; ſie verpuppten ſich in den erſten Tagen des Juli und verließen ſchon am 31. desſelben Monats, wie in den erſten Tagen des Auguſts ihre Coccons. Nach Réèaumur kriechen fie erſt am 15. Auguſt aus der Puppe. Es würde, ſchließt der Verf., von Intereſſe ſein, um dieſe Zeit die Wanderung des ſo ſchäd— lichen Inſectes zu verfolgen. XLII. über die Fortpflanzungsſchnelligkeit des Schalls in Flüſſigkeiten. Von G. Wertheim. Schon im vorigen Jahre berichtete der Verf. der Pari— fer Akademie über einen Verſuch, den er mit einer in Waſ- ſer getauchten Orgelpfeife anſtellte, deren Mündung ein Waſſerſtrom mit zunehmender Schnelligkeit berührte und da— durch eine Reihe von Tönen veranlaßte, die mit dem Grund— tone verglichen, der Länge der Waſſerſäule und ſeinen ſue— ceſſiven harmoniſchen Tönen entſprach. Der Verf. hat jetzt zwei Apparate conftruirt, deren einer mit 200 Liter, der andere mit 7 bis 8 Liter Waſſer arbeitet; mit dieſen forſchte er nach den Geſetzen der Schallſchwingungen wie nach der Schnelligkeit der Schallverbreitung in der Luft und in ver— ſchiedenen Flüſſigkeiten. In den Comptes rendus vom 7. Auguſt 1848 theilt er die Folgerungen ſeiner Verſuche mit. 1) Wenn die Schnelligkeit des Schalles in einer Luft— ſäule und in einer unbegrenzten Luftmaſſe dieſelbe iſt, ſo läßt fie ſich nach dem Grundtone einer Orgelpfeife mit Ges nauigkeit beſtimmen, wenn man die Störungen (perturba- tions) an der Mündung der geöffneten und wieder geſchloſ— ſenen Röhre und am offenen Ende der Röhre berechnet. 20, * 31¹ 2) Durch Anwendung geknickter Röhren findet man die Correctionen dieſer Störungen und kann nunmehr die wahre Länge der Schallwellen beſtimmen. Der Werth die⸗ ſer Correctionen ſteigert ſich mit dem Durchmeſſer der Röhren. 3) In Flüſſigkeiten kann man mit einer Orgelpfeife, deren Mündung zweckmäßig verändert iſt, nicht nur den Grundton, ſondern eine große Zahl harmoniſcher Töne her— vorrufen; die Schallgeſchwindigkeit beſtimmt man hier auf die— ſelbe Weiſe, wie in der Luft. 4) Die Schallgeſchwindigkeit derſelben Flüſſigkeit in unbegrenzter Maſſe verhält fi) zur Schallgeſchwindigkeit in einer Flüſſigkeitsſäule wie 9% f. 5) Iſt nun aber der Grad der Zuſammendrückbarkeit für eine Flüſſigkeit gegeben, ſo laſſen ſich aus ihm beide Geſchwindigkeiten und umgekehrt berechnen. 6) Die Schwingungen einer Flüſſigkeitsſäule ſind mit den Schwingungen einer feſten Stange von gleicher Länge, deren Stoff denſelben Grad der Zuſammendrückbarkeit wie die Flüſſigkeit beſitzt, iſochrom. Das Geſetz der Gleichheit des Druckes im allgemeinen gilt nicht für die Schallſchwin— gungen; endlich iſt auch das Moleculargeſetz bei Flüſſigkeiten und feſten Körpern dasſelbe. Sich auf die in 4 und 5 entwickelten Geſetze ſtützend, gewann der Verf. aus ſeinen Verſuchen folgende Reſultate: —————————————fepᷓ̃ m ˙ ——— Schall⸗ geſchwindigkeit —— — Sams 1 ; 8 E uſammendrück⸗ Name der Flüſſigkeit. 8 S. in einer in einer 3 nen 5 = = Säule. |unbegrenz- = F ten Maffe. Grad. 15,0 M. M. 0,999611173,4|1437,1/0,0000491 Waſſer der Seine. Dasſelbe 30,0,0,9963 1250,9| 1528,5|0,0000433 Dasjelbe 40,0,0,9931|1324,8| 1622,5/0,0000388 Dasjelbe 50,0|0,9893|1349,0| 1652,2)0,0000375 Dasſelbe 60,00, 984101408, 21724, 70,0000346 Meerwaſſer (künſtliches) 20,01,0264/1187,0 1453, 80,0000 467 Auflöſung v. Chlornatrium |18,0|1,1920)1275,0| 1561,6|0,0000349 „ v. ſchwefelſ. Natron |20,011,108911245,2]1525,1|0,0000393 Dieſelbe 18,8 1,16021292,91583,50,0000348 „ von kohlenſ. Natron 22,2 1,1828130 1,801594,4 0,0000337 „ v. ſalpeterſ. Natron 20,91,20661363,51669, 90,0000 301 „von Chlorcalcium 22,54,43221616,301979,600,0000 181 Gewöhnlicher 36grädiger e e Abſoluter Alkohol. Terpenthinöl Schwefeläther 20,0|0,8362|1049,9| 1285,9/0,0000733 23,0[0,7960| 947,0|1159,8|0,0000947 24,0[0,8622] 989,8| 1212,3)0,0000800 0,0[0,7529| 946,3|1159,00,0001002 (2) Von den Zahlen der vorletzten Colonne konnten nur zwei, das Waſſer der Seine bei 15 und das Waſſer des Meeres durch directen Verſuch gefunden werden. Die für das Waſſer der Seine von 150 berechnete Schallſchnclligkeit ſtimmt mit der von Colladon und Sturm für das Waſ— fer des Genfer Sees von 99 Direct gefundenen fo ziemlich überein. Die Fortpflanzungsſchnelligkeit des Meerwaſſers iſt bis jetzt noch nicht mit genügender Schärfe beſtimmt, wir wiſſen nur, daß ſie etwas bedeutender wie die des ſüßen Waſſers iſt. Der Grad der Zuſammendrückbarkeit liefert 174. VIII. 20. 312 dagegen ein leichtes und allgemein ausführbares Mittel, dieſe Schallgeſchwindigkeit zu ermitteln. Mit 6 der er— wähnten Flüſſigkeiten, mit dem Flußwaſſer, dem Meerwaſſer, dem gewöhnlichen und dem abſoluten Alkohol, dem Terpen— thinöl und dem Schwefeläther wurden directe Compreſſtons— verſuche angeſtellt und mit Ausnahme des Terpenthinölsl nahe: bei die durch Rechnung gefundenen Zahlen erhalten. Durch die Schallgeſchwindigkeit würde man auch die Zuſammen— drückbarkeit anderer Flüſſigkeiten controliren können. Dieſem Auffage ſchließt ſich der folgende von Graſſi paſſend an. XIIII. über die Zuſammendrückbarkeit der Flüſſigkeiten. Von Graſſi. Der Verf. beſchäftigt ſich ſeit einem Jahre in Re— gnaults Laboratorium mit dieſen Verſuchen, mit deren Ver— öffentlichung er noch gewartet haben würde, wenn ihm nicht Wertheim die durch Rechnung gefundenen Zahlen für die Zuſammendrückbarkeit mitgetheilt hätte und es ihm deshalb intereſſant ſchien, die berechneten Zahlen mit den direct ge— fundenen vergleichen zu können. Dasſelbe Heft der Com- ptes rendus (vom 7. Auguſt 1848) enthält auch dieſen Aufſatz. Beſonders auffallend erſchien dem Verf. das Verhalten des Waſſers bei verſchiedenen Temperaturen: ſeine Zuſam— mendrückbarkeit verminderte ſich, ſowie ſich die Temperatur vermehrte. Die folgenden Zahlen ſind die Mittelwerthe ſehr vieler Beobachtungen. Deſtillirtes luftfreies Waſſer. Temperatur. Zuſammendrückbarkelt. 0⁰ r ee 10, 000900 80 13,4 0,0000483777 49,50 0,0000477446 25,9° 0,0000458425 34,8° 0,0000455727 43,0° 0,0000444137 53,30 e e eee Die nachſtehenden Beſtimmungen find an denſelben Auflöſungen gemacht, die Wertheim benutzte und die er ſelbſt dem Verf. überſandte. Auflöſung von falpeterfaurem Natron . p = 0,0000 306565 75 „ kohlenſaurem Natron p = 0,0000303294 Künſtliches Meerwaſſer .. p = 0,0000445029 Geſättigte Chlorcalciumlöſung p = 0,0000209830 Unter den Fluͤſſigkeiten, mit welchen der Verf. erperis mentirte, befanden ſich auch Alkohol und Ather; ihr Ver— halten war den Beobachtungen von Colladon und Sturm gerade entgegengeſetzt: nach letzteren ſoll ſich die Zuſammen— drückbarkeit beider Flüſſigkeiten für eine Atmoſphäre mit dem Grade des Druckes vermindern, während ſie ſich nach dem Verf. mit dieſem Drucke vermehrt., Die Zuſammendrückbarkeit des Athers beträgt bei einem Drucke von 2589 Millim. für eine Atmoſphäre 0,000 11137, 313 bei einem Drucke von 5945 Meter dagegen 0,00013070. Die Zuſammendrückbarkeit des Alkohols ſchwankt für eine Atmoſphäre bei einem Drucke von 1748 Millim. oder einer Queckſilberſäule von 7158 Meter zwiſchen 0,0000824516 und 0,00008587. Für das Chloroform, den Eſſigäther u. ſ. w. gilt das— ſelbe. Der Verf. hofft ſeine ſämmtlichen ausgedehnten Ar— beiten über dieſen Gegenſtand mit nächſtem vorlegen zu können. Miſecellen. 37. Baumartige Rieſenalgen des antarktiſchen Meeres beſchreibt Dr. Joſeph Dalton Hooker in feiner Flora antarctica, die 1847 erſchien. Sie wachſen gleich Bäumen im Meere, und ihre Stämme werden bei Lessonia fuscescens und ovata 5 bis 10 Fuß lang und mehr als armsdick, ihre dichotomen Zweige tragen linienförmige hängende 3 Fuß lange Blätter. — Wenn man, ſagt der Verf., bei ruhigem Wetter zu Schiffe dieſe untermeeriſchen Wälder der antarktiſchen Zone (in der Gegend des Feuerlandes) durchſchneidet, genießt man eines eben ſo ergötzenden Anblicks wie über den Korallenbänfen der Tropen. Die Blätter der Algen find mit Sertularien, Mollusken oder Fluſtraarten be— deckt, die Stämme tragen paraſitiſche Algen, nebſt Chiton- und Patellaarten, die Wurzeln wimmeln von Cruſtaceen und Strahl— thieren, während Fiſche mancherlei Arten zwiſchen den Zweigen und Blättern ſpielen. Die Stämme, die beim Trocknen ſehr zuſammen⸗ ſchrumpfen, ſind im friſchen Zuſtande knorpelartig und glatt, ſie zeigen auf einem Querſchnitte deutlich elliptiſche Schichten, welche den Jahresringen des dicotyledoniſchen Baumes nicht unähnlich ſind; dieſe concentrifchen Linien umgeben einen helleren lancettförmigen Streifen, welcher die Achſe des etwas zuſammengedrückten Stam— mes einnimmt; der Verf. glaubt, daß ſie mit dem Alter der Stämme im Zuſammenhange ſtehen, etwas ähnliches beobachtete er bei einer großen Flechte, der Usnea melaxantha; ſpäter nimmt er dagegen einen Zuſammenhang dieſer Schichten mit den Theilungen in ſogenannte Blätter an, weiſ't denſelben auch bei einem jungen Er— emplare von Lessonia ovata nach; das ſchnelle Wachsthum dieſer Algen und die große Zahl ihrer Theilungen machte die Beobachtung ſehr ſchwierig. Bei Lessonia Sinclairi, die bei Californien einheimiſch iſt, und nur eine blattartige Ausbreitung beſitzt, zeigte der Stamm wiſchen der Rinde und der Centralachſe zwei Schichten. — Die Analogie des Wachsthums dieſer Algen mit dem dicotyledoniſcher 174. VIII. 20. 314 Bäume iſt, obſchon nur unvollſtändig, dennoch nicht wenig in die Augen fallend: beide verdicken ſich durch neue Schichten, welche zwiſchen Rinde und Centralachſe entſtehen, bei beiden wird, ob— ſchon den Algen die Markſtrahlen fehlen, das Gewebe der Central— achſe (des Markes) nur wenig verändert. — Die längſten Algen ſah der Verf. in der Nähe der Crozet-Inſeln; der einzeln ſtehende Fuß einer Macrocystis pyrifera Agardh erhob ſich am Meeres— grunde in einer Tiefe von 40 Faden im Winkel von 45e; die Pflanze hatte, nach der Länge der Schiffe gemeſſen, eine Ausdehnung von etwa 700 Fuß. Der Verf. glaubt, daß dieſe Rieſenalgen ſich ur— ſprünglich näher der Küſte entwickelt haben und erſt allmälig in eine ſo bedeutende Tiefe des Meeres, in der man nur ſelten Algen findet, gelangt ſind. 38. Die erſten foſſilen Fußſpuren antediluviani⸗ ſcher Thiere wurden in America von Derter Marſh in der Nähe ſeines Hauſes zu Greenfield (Maſſachuſetts) gefunden. Der— ſelbe berichtet jetzt über die in den letzten Jahren von ihm gefun— denen Fußſpuren. In ſeiner Sammlung bewahrt er über 800 Spu⸗ ren vierfüßiger Thiere und Vögel; die ſchönſten Exemplare ſam— melte er bei den Turners Falls, ſie zeigen nicht nur das genaue Verhältniß der Zehen zu einander, ſondern geben ſogar vollkommene Abdrücke der Haut ſelbſt. Südlich von Montague fand er nur Vogelſpuren; die größten Vogelſpuren, die er überhaupt geſehen, fand er am öftlichen Abhange des Mount Tom in der Nähe der South Hadley Falls. Nach der Größe des Fußes zu ſchließen, müſſen dieſe Vögel über 20 Fuß hoch geweſen fein. Derter Marſh verfolgte die Spuren bisweilen 30 Fuß weit und ſah, wie ſie im— mer deutlicher, immer tiefer eingedrückt erſchienen; er ſchließt dar— aus, daß die genannten Vögel ins Waſſer gingen und wie der Boden immer weicher ward, auch immer tiefere Eindrücke hinter— laſſen mußten, bis endlich der Schlamm zu weich ward und die Spuren verwiſcht wurden. Ganz natürlich fand derſelbe eifrige Forſcher an der Mündung des Fall River in den Connecticut Ri— ver eine Bank, in deren Schichten er etwa 200 bis 300 Vogel- und Vierfüßerſpuren entdeckte, worunter mehrere neue Fußſpuren. Unter dieſen möchten die Spuren eines Vierfüßers die meiſte Auf— merkſamkeit verdienen; ihrer Stellung nach mußten ſie einem ſchrei— tenden, nicht ſpringenden Thiere angehört haben; jede Fußſpur deutet auf 4 ſtarke weit von einander ſtehende, mit einer ſtarken Kralle endigende Zehen; von beiden Vorderfüßen, deren Zehen nur etwa den dritten Theil der Zehen des Hinterfußes meſſen, iſt nichts weiteres zu ſehen; die Hinterfüße haben dagegen den Eindruck ei— ner langen Hacke zurückgelaſſen, die nicht ſo tief wie die Zehe liegt. Die Spur des Hinterfußes iſt etwa 2 Zoll lang; die Spur des Vorderfußes iſt von der des Hinterfußes kaum 1½ Linien ent- fernt, während die Schrittweite 3 bis 3½ Zoll beträgt. (The American Journal, No. 17. 1848.) Heilk (XV.) Von den Nervencontuſionen. Vom Prof. Dr. Louis Stromeyer. Aus dem reichhaltigen Handbuche der Chirurgie des Prof. Stromeper, von welchem ſo eben die 3. Lieferung ausgegeben worden iſt, heben wir als ein Beiſpiel der Be— bandlung des Stoffes in demſelben folgenden praktiſch be— deutenden Artikel aus. Die Nervencontuſionen ſpielen in der Chirurgie eine viel beträchtlichere Rolle als man ihnen bis jetzt eingeräumt hat, da ſie kaum erwähnt worden find, Ich brauche nur, um dies zu beweiſen, daran zu erinnern, wie oft nach unde. Schlüſſelbeinbrüchen, nach Lurationen der Schulter Läh— mungen zurückbleiben, wie oft durch ſchwere Niederkünfte Schmerzen in den Extremitäten, beſonders im nerv. ischia- dieus, entſtehen und un vollkommene Lähmungen zurückblei— ben. Der Umfang der bei ſolchen Veranlaſſungen entſtande— nen Verletzung wird anfangs oft gar nicht geahnt und erſt erkannt, wenn es zu ſpät iſt, zu helfen. Man ſchiebt die verminderte oder aufgehobene Bewegung des Theils auf die Fractur, legt einen Verband an und nachdem der Bruch geheilt iſt, verſucht man meiſtens vergebens der Lähmung abzuhelfen. Wenn Contuſion eines Nerven immer eine lebhafte und ſchmerzhafte Entzündung desſelben herbeiführte, 315 fo könnten dieſe Zuſtände nicht fo leicht verkannt werden. In einzelnen Fällen ſtellt ſie ſich bald ein, z. B. bei den Quetſchungen des nerv. ischiadicus durch eine ſchwere Nies derkunft entſtehen bald äußerſt heftige Schmerzen, die ſich nach dem Verlaufe des nerv. ischiadicus ausbreiten und bis zur Kreuz- und Lendengegend hinauf erſtrecken, mit Kräm— pfen in den Wadenmuskeln und den Fleroren des Unter— ſchenkels verbunden ſein können und meiſtens von Fieber begleitet ſein werden. In manchen Fällen treten dieſe Sym— ptome von neuritis erſt einige Wochen nach der Niederkunft auf. Werden dieſe Zufälle nicht antiphlogiſtiſch behandelt, ſo bleibt ſehr leicht eine lebenslängliche Schwäche der Mus— keln und unvollfommene Gefühlslähmung zurück. Viel weniger deutlich find oft die Symptome der neu- ritis nach Quetſchungen des plexus brachialis, wie ich ſie bei Fracturen und Lurationen des Schlüſſelbeins öfter ge— ſehen habe und einige Male bei Handwerksburſchen, die bei heißem Wetter einen ſchweren Ranzen auf dem Rücken ge— tragen hatten, deſſen Riemen die Achſel fortwährend gedrückt hatte. Auch durch Liegen auf dem Arme während eines feſten Schlafes im berauſchten Zuſtande entſteht eine Läh— mung des Vorderarms, die man nur dem anhaltenden Drucke auf das Armgeflecht zuſchreiben kann. Bei den durch Frae— turen und Lurationen entſtandenen Quetſchungen des Arm— geflechts iſt mehr oder weniger die Bewegung des ganzen Arms geſtört, bei den durch Tragen eines Ranzens und durch Schlafen auf dem Arme entſtandenen Lähmungen iſt vorzüglich die Hand gelähmt. Auffallend iſt es, daß in der Regel nur Bewegungs- und nicht Gefühlslähmung vor— handen iſt, und darin liegt wohl der Beweis, daß dieſen Zuſtänden weder eine Zerreißung oder Zermalmung der Pri— mitisfafern zum Grunde liege, noch daß neuritis dabei eine weſentliche Rolle ſpiele. Nur durch genaue Unterſuchung erkennt man in manchen Fällen die Schmerzhaftigkeit der gequetſchten Nerven. Aus dieſen Umſtänden, nämlich der Bewegungslähmung bei erhaltenem Gefühle und der geringen oder oft ganz fehlenden entzündlichen Reaction, möchte ich den Schluß ziehen, daß dieſe Zuſtände oft wahre Nerven— apoplexien find, blutige und ſeröſe Ergüffe in das Neurilem, von dem die Lähmung abhängig iſt. Finden wir doch ganz etwas Ahnliches bei den Hirnapoplexien, bei denen der Druck des Extravaſates viel leichter und länger die Bewegung auf: hebt als das Gefühl, und ebenfalls nur ausnahmsweiſe entzündliche Reaction erregt. Eine heftige Entzündung ſah ich nach Quetſchung des nervus ulnaris entſtehen, deren ich hier erwähne, weil fie ein gutes Bild der neuritis überhaupt giebt. Ein junger Mann fiel mit der inneren Seite des Ellenbogengelenks auf eine ſteinerne Treppe und hatte im Augenblicke der Ver— letzung den eigenthümlichen Schmerz von Quetſchung des nerv. ulnaris, wobei derſelbe von dem kleinen Finger und dem Ringfinger ausſtrahlt. Dieſer Schmerz machte aber ſofort einem anderen Platz, welcher an der getroffenen Stelle ſelbſt ſeinen Sitz hatte und zu dem ſich bald eine mäßige Geſchwulſt hinzugeſellte. Es wurden kalte Umſchläge angewendet. Am folgenden Tage hatten ſich an der Hand 174. VIII. 20. 316 der leidenden Seite ſämmtliche Finger krampfhaft flectirt. Der geiſtreiche Hausarzt verordnete ölige Einreibungen in die Volarſeite und geiſtige Einreibungen in die Dorſalſeite des Vorderarms. Am 2. Tage wurde ich zu Rathe gezogen, die krampfhafte Beugung der Finger hatte ſo zugenommen, daß ſich die Nägel tief in die Haut eingruben. Ich erkannte die Entzündung des nerv. ulnaris, der in einer Strecke von ungefähr 1½ Zoll oberhalb und unterhalb des Ellenbogen— gelenkes gegen Druck ſehr empfindlich war. Schmerzhafte Empfindungen in den peripheriſchen Enden des Nerven waren nicht vorhanden, und das Gefühl im kleinen Finger und der äußeren Seite des Ringfingers eben ſo deutlich wie an allen anderen Punkten der Hand. Ich ließ 12 Blutegel am Ellenbogengelenke anſetzen und gab eine ab— führende Salzmirtur. Am folgenden Tage konnten die Finger wieder etwas geöffnet werden, der Nerv war aber noch in derſelben Ausdehnung gegen Druck empfindlich. Mit der Salzmixtur wurde fortgefahren. Am Nachmittage hatte der junge Mann ſich einer Erkältung ausgeſetzt, indem er in Hemdärmeln längere Zeit vor einem offenen Fenſter geſeſſen hatte. Es war darauf in der Nacht bedeutende Verſchlimmerung eingetreten, die Finger waren wieder feſt geſchloſſen am folgenden Morgen und es ließ ſich nun nicht bloß bis in die Achſelhöhle hin eine gegen Druck ſehr em— pfindliche Linie verfolgen, die der Lage des nerv. ulnaris entſprach, ſondern auch die vier unteren Halswirbel waren gegen Druck ſehr empfindlich. Ich ließ deshalb 12 Blut- egel auf dieſe Wirbel appliciren, die ſehr günſtig wirkten, denn es folgte darauf ein viel bedeutenderer Nachlaß des Fingerkrampfes. Die Beſſerung ſchritt nun fort und durch eine wiederholte Application von Blutegeln am Ellenbogen— gelenke und Warmhalten des Arms erfolgte in 10 Tagen völlige Heilung. Da in dieſem Falle ſämmtliche Finger ſtark flectirt waren, ſo geht daraus deutlich hervor, daß dies eine Reflexerſcheinung war, deren Heftigkeit es vielleicht erklärt, daß ungeachtet der intenſiven neuritis doch keine entſprechend heftigen Schmerzen vorhanden waren, welche von den peripheriſchen Enden des entzündeten Nerven aus— ſtrahlten. Die vermehrte Innervation des entzündeten Nerven firirte ſich durch Erregung eines reflectirten Krampfes im Rückenmark, anſtatt zum Sitze des Bewußtſeins im Gehirn zu gelangen. Gar nicht ſelten iſt eine neuritis ulnaris durch Mit— theilung der Entzündung von dem Schleimbeutel, welcher über dem condylus internus humeri liegt. In dieſen Fällen iſt der Schmerz oft außerordentlich heftig, vom kleinen Finger an ausſtrahlend, und bringt beſonders des Nachts zuſammenſchnürende Empfindungen in der Bruſt und ſelbſt ähnliche Schmerzen in dem anderen Arme hervor, ſo daß außer der entſprechenden antiphlogiſtiſchen Behandlung große Doſen Opium erforderlich ſind. Niemals ſah ich in dieſen Fällen, die beſonders bei rheumatiſchen und gichtiſchen Per— ſonen vorkommen, ſolche toniſche Gontractionen der Finger, wie bei dem oben erwähnten Fall von neurilis ulnaris, durch Quetſchung entſtanden. Behandlung. Bei den durch Contuſtonen entjtande: 317 nen Blindheiten, deren apoplektiſche Natur oft zu Tage liegt in den Blutergüſſen, die ſich im Auge bilden, iſt es längſt anerkannt, daß nur ein raſch eingeleitetes antiphlogiſtiſches Verfahren die Sehkraft in einzelnen Fällen wiederherſtellen kann, und daß, wenn die Antiphlogoſe nicht ſchon ent— ſchieden Beſſerung herbeiführt, alle Reizmittel nichts mehr helfen. Bei den Nervencontuſionen der Glieder hat man daran noch kaum gedacht und beginnt, da man oft keine Entzündung entdeckt, gleich mit den Reizmitteln. Sehr oft wird die Berückſichtigung der vorhandenen Lähmung ver— ſchoben, bis der eben vorhandene Schlüſſelbeinbruch geheilt iſt, obgleich eine ſolche Fractur eine wahre Kleinigkeit iſt gegen eine Contuſion des plexus brachialis. Robuſten Perſonen muß man unter ſolchen Umſtänden zur Ader laſſen, ſonſt wiederholt Blutegel ſetzen, Abfüh— rungen geben, ganz wie man einen Schlagfluß behandeln würde, ſpäter Mercur innerlich oder äußerlich und Blaſen— pflaſter in die Nähe der afficirten Nerven. Erſt nach Wo— chen darf man zu den Reizmitteln übergehen. Auf dieſe Art bin ich in der Behandlung ſolcher Zuſtände ſehr glücklich geweſen, wärend ich dieſelben bei Vernachläſſigung frühzeitiger Antiphlogoſe faſt immer unheilbar habe werden ſehen. Bei Quetſchungen des plexus ischiadieus durch eine ſchwere Geburt muß man wiederholt Blutegel auf die Kreuz— und Lendengegend appliciren laſſen. (XXVI.) über die Reaction der Flüſſigkeiten des menſchlichen Körpers während der Cholera morbus. Von Burguieres. Eine Arbeit von Andral, die wir bereits in Nr. 1 dieſes Bandes mittheilten, und welche die conftante Beſchaffen— heit der Reaction der thieriſchen Flüſſigkeiten ſowohl im ge— ſunden als kranken Zuſtande zu beweiſen ſchien, veranlaßte den Verf., der in Smyrna die Choleraepidemie beobachtete, Verſuche über denſelben Gegenſtand bei an der Cholera Erkrankten anzuſtellen. Nr. 770 des Institut von 1848 enthält das Reſultat ſeiner Beobachtungen. Das ſowohl den noch Lebenden als den Verſtorbenen, einige Stunden nach ihrem Tode, entzogene Blut ſchien in dem Grade feiner Reaction, die indes jederzeit entſchieden alkaliſch war, zu variiren. In dem erſten Stadio der Cholera war der Schweiß faſt unterdrückt, in der Periode der Cyanoſe bildete er einen kalten und ſchleimigen Überzug des Körpers; dieſer Schleim— ſchweiß hatte ſeine normale Säure verloren, er war immer durchaus neutral; in der Periode der Reaction ward der Schweiß wieder ſauer; dieſe Erſcheinung war in der Regel ein gutes Zeichen. Die Flüſſigkeit des Magens, wie die Schleimhaut, welche dies Organ bekleidet, zeigten eine ſehr abweichende Reaction. Andral fand ſowohl das beim Erbrechen Aus- 174. VIII. 20. 318 geworfene wie die Schleimhaut des Magens ſelbſt von ſau— rer Reaction, nur ſelten ſchien ihm die letztere neutral, nie— mals alkaliſch zu reagiren. Nach Burguieres war das durchs erſte Erbrechen Ausgeworfene auch bei der Cholera noch deutlich ſauer; es enthielt jederzeit Überreſte halbver— dauter Nahrungsmittel. Nachdem ſich die Kranken 3 bis 4 Mal übergeben hatten verſchwand die natürliche Säure der verdauten Stoffe; das Ausgeworfene ward entſchieden alkaliſch; erſt jetzt hatte es das für die Cholera charak— teriſtiſche weißlich-flockige Anſehen. — Die nach dem Tode im Magen enthaltenen Flüſſigkeiten hatten, obſchon ſich zwi— ſchen ihnen bisweilen noch Überreſte von Speiſen vorfanden, eine alkaliſche Reaction; die Magenſchleimhaut verhielt ſich nicht anders; auch ſie reagirte entſchieden alkaliſch. Der Speichel wie die nach der Leichenöffnung in den Gedärmen enthaltenen Flüſſigkeiten waren, an den verſchieden— ſten Stellen der Gedärme unterſucht, überall alkaliſch. Die Harnſecretion iſt bekanntlich bei der Cholera faſt immer unterdrückt. Der Verf. unterſuchte den Harn aus der Blaſe eines Todten, er beſaß ſeine normale alkaliſche Reaction. In einem Falle enthielt das letztere Organ ſtatt des Harns eine kleine Menge einer ſchleimigen weißen Materie, von neutraler Reaction. Der Verf. fand demnach bei der Cholera die normale ſaure Reaction der Hautoberfläche aufgehoben und im Magen durch eine alkaliſche Reaction erſetzt, und hierin den Be⸗ weis für eine außerordentliche Störung im Gleichgewichte der Secretionen, eine Störung, wie fie in keiner anderen Krankheit aufzutreten ſcheint. Der Verf. will hieraus aber weder eine chemiſch-pathologiſche Theorie, noch aus dieſer ein beſtimmtes Heilverfahren ableiten, glaubt übrigens, daß ſaure Getränke für Cholerakranke geeignet ſeien. Er hält die Veränderungen, welche eine andere Reaction der thieri= ſchen Flüſſigkeit hervorrufen, nur für ſecundäre Folgen der Krankheit ſelbſt. Die Veränderungen, die der Verf. im Magen antraf, laſſen ſich nach ihm phyſiologiſch erklären: Die Cholera iſt eine Krankheit des geſammten Verdauungs- apparates; die jedem Theile desſelben eigenthümlichen Se— eretionen wurden durch ſie aufgehoben und durch die Aus— ſcheidung einer überall gleichartigen Flüſſigkeit erſetzt; dieſe Flüſſigkeit iſt vielleicht nichts anderes als das Blutſerum ſelbſt, und deshalb alkaliſch. In derſelben Sitzung der Académie des sciences wird ein Brief mitgetheilt, deſſen Unterſchrift unleſerlich war; in dieſem Briefe ward, ganz gegen Burguieres Anſicht, doppelt⸗kohlenſaures Natron bei der Cholera empfohlen. Zwei bis drei Gramme des genannten Salzes in einem Glaſe Waſſer hatten in Iſpahan im October 1847 einem Cholera— anfalle, der ſchon bis zur Froſtperiode gekommen war, Ein⸗ halt gethan. Miſcellen. (33) Über den Schönbeinſchen Liquor sulphurico- aethereus constringens. Von Prof. Jung. — Dieſer Liquor bildet eine farbloje, waſſerhelle, ſehr flüchtige Flüſſigkeit, von dem eigenthümlichen durchdringenden Geruche des Schwefel: 319 äthers, die bei gewöhnlicher Temperatur nicht ganz fo ſchnell wie Ather verdunſtet, eben fo ſchnell wie dieſer kocht und mit einer oben hellweißen, unten blauen Flamme verbrennt. Zu Ende der Verbrennung entwickelt ſich ein weißer Dampf in der Glasröhre, der wie Eſſigſaure, mit Atherdunſt verbunden, riecht und eingeath— met zum Huſten reizt. Die Flamme ſetzt bei der Verbrennung Ruß ab. Auch nach vollendeter Verbrennung wird der ſaure Ge— ruch noch längere Zeit hindurch wahrgenommen. Verdunſtet der Athergehalt des Liquors, ſo bleibt entweder eine weißliche, kreidige, perlmutterartige Subſtanz zurück, wenn die Verdunſtung raſch, z. B. unter Einwirkung von Wärme Statt gefunden hat, oder der Rück⸗ ſtand ſtellt eine glatte, glänzende, firnißartige Subſtanz dar, wenn der Liquor auf einer ziemlich glatten und ganz trockenen Fläche verdunſtet iſt. Auf die Haut aufgetragen, verdunſtet der Ather⸗ gehalt der Fluͤſſigkeit binnen 40—50 Secunden, und es bleibt eine glatte, glänzende, durchſichtige Decke zurück, unter der ſich die Haut etwas vertieft, während die angrenzenden, von dem Liquor nicht berührten Hautſtellen ſich wulſten und ſo rings um die von dem Firniß gebildete Decke einen Kreis von ſehr feinen Fältchen bil— den. Die von dem Firniſſe bedeckte Hautſtelle vertieft ſich um fo mehr, wenn mehrere Schichten des Liquors darauf aufgetragen worden ſind. Wird der Liquor ringförmig um einen Finger öfters und zwar immer an derſelben Stelle aufgetragen, fo wird die Ver⸗ tiefung oder vielmehr Zuſammenſchnürung der bedeckten Hautſtelle ſehr deutlich ſichtbar unter der Form einer kreisförmigen Furche. Die beſtrichene Hautſtelle wird bald ganz blaß, blutleer, und war ſie geſchwollen, ſo ſchwindet die Geſchwulſt in kurzer Zeit. Die durch Vertrocknung der Flüſſigkeit gebildete firnißartige Decke ſpringt manch Mal nach 24— 30 Stunden in der Mitte, gewöhnlich aber löſ't fie ſich von den Rändern los und ſchilfert ſich nach und nach ab. Auf feuchten, aber nicht tropfnaffen Stellen der Haut wird die Flüſſigkeit zu einem milchweißen, rauh ausſehenden, wie ſtau— bigen Häutchen, unter dem die Haut nur wenig aber doch zuſam⸗ mengeſchnürt iſt. Wird der Liquor auf ganz feines Loſchpapier, ſogenanntes Seidenpapier aufgeſtrichen, ſo bilden ſich nach Ver⸗ dunſtung des Schwefeläthers keine Falten, ſondern es zeigt ſich nur rund um das Häutchen eine deutliche Furche. Auf ſo zuberei— tetem Papier kann man gut ſchreiben, ohne daß die Tinte fließt, auch löſ't ſich das Häutchen im Waſſer nicht auf. Der Liquor iſt namlich im Waſſer durchaus nicht loslich, er miſcht ſich nicht mit ihm, ſondern bildet nach der Mengung mit Waſſer gallertartige Klümpchen, welche unter Einwirkung von Hitze zuerſt den Schwe— felathergehalt vollſtändig fahren laſſen, und bei fortgeſetzter Ko⸗ chung nach Ausſcheidung des Waſſerinhaltes dicke feſte Klumpen bilden, die an das Licht gebracht, mit heller, gleichmäßiger Farbe ſehr ſchnell abbrennen. Allem dem geſagten zu Folge bildet der Schönbeinſche Liquor eine Subſtanz, die auf die Haut aufgeſtri— chen, eine zuſammenhängende, luftdichte, für wäſſerige Feuchtigkei⸗ ten undurchdringliche und die unterliegenden Theile zuſammenſchnü— rende Decke bildet, ſich daher ſehr wohl zu gewiſſen therapeutiſchen Zwecken eignet, denn er ſchnürt nicht nur und preßt den unterlie— liegenden Theil ein und ſchließt denſelben vollkommen ab, ſondern wirkt wegen ſeines Gehaltes an Schwefeläther auch belebend, ſtär⸗ Fond und aufregend. Wegen feiner Unverträglichkeit mit Waſſer läßt er ſich nur äußerlich anwenden. Der Verf. empfiehlt ihn 1) gegen Froſtbeulen, Froſtgeſchwülſte, aufgeſprungene Haut in Folge einer Erfrierung ꝛe. Nur muß bei der Anwendung dieſes Mittels gegen Froſtübel die kranke Stelle mehrmals und in ſehr großem Umfange beſtrichen werden; offene Stellen müſſen erſt ab— getrocknet, mit Höllenſtein geätzt oder aber mit einem Eihäutchen 174. VIII. 20. 320 überlegt werden. Der Erfolg ſoll ein überraſchender fein. 2) Ge— gen decubitus, wo dasſelbe zu beobachten iſt, nur muß hier der Liquor mehrmals des Tages aufgeſtrichen werden, damit ſich die Decke volljtändig erhalte. 3) Gegen Brandwunden, wo er außer: ordentliches leiſten ſoll. Der Eutzündung im Umkreiſe der Ver⸗ brennung kann man mit Kälte begegnen. 4) Gegen chroniſche Fußgeſchwüre; ein um das Geſchwür gezogener breiter Ring foll bei geeigneter Nachbehandlung binnen kürzeſter Zeit ſolche Ge: ſchwüre zur Heilung bringen. 5) Gegen naſſende kleine Hautſtel⸗ len im allgemeinen, um dieſelben zu bedecken und vor weitern Schädlichkeiten zu wahren. (Aus den Verhandlungen der med. Section der Verſammlung der Schweizer naturforſch. Geſellſchaft zu Schaffhauſen 1847, in der ſchweizer. Zeitſchrift f. Med. Chir. Ge⸗ burtshülfe 1848. 1. u. 2. Heft.) (34) Über die Wirkung des ätheriſchen Muſcatnuß⸗ öles auf den thieriſchen Organismus hat Prof. C. G. Mitſcherlich in Berlin Verſuche angeſtellt, die ſich an frühere Verſuche über mehrere andere ätheriſche Ole anreihen. Die Ver⸗ ſuche ergaben: 1) daß das Muſcatnußöl ein ſtarkes Gift ſei, indem 6 Drachmen davon ein etwas weniger als mittelgroßes Kaninchen in 13½ Stunden, 2 Drachmen ein ſehr ſtarkes innerhalb 5 Tagen, 1 Drachme ein kleines in ungefähr 30 Stunden ködteten, während dieſelbe Gabe bei einem großen Thiere mehrtägiges Erkranken, aber nicht den Tod zur Folge hatte. Es iſt ſchwächer als Senf, Sadebaum- und Kümmelol, ſtärker als Fenchel, Citronens, Ter⸗ penthin⸗, Wachholder ⸗, Copaivabalſamöl und mit dem Zimmtöl ungefähr von gleicher Stärke; 2) das Mufcatnußöl wird reſorbirt und im Blute vielleicht verändert. In der Bauchhöhle war es un⸗ mittelbar nach dem Tode durch den Geruch leicht zu erkennen: der Harn hingegen hatte in allen Verſuchen einen eigenthümlichen aro⸗ matiſchen Geruch, der durchaus verſchieden von dem des angewand- ten Oles war. Im Blute war der eine wie der andere Geruch nicht mit Sicherheit zu erkennen und ebenfalls nicht in der aus— geathmeten Luft; 3) das Muſcatnußol bringt eine ähnliche Stru⸗ cturveränderung im Magen und Dünndarme hervor, wie das Küm— mel=, Fenchel-, Citronen-, Terpenthin-, Wachholder, Copaiva⸗ balſam-, Bittermandel- und Zimmtol. In der Schleimhaut des Magens war Bluterguß mit Bildung von Blutblaſen zu ſehen, welche letztere zum Theil noch ganz, zum Theil ſchon geplatzt wa⸗ ren; in einem Falle war die dieſe Blaſen umgebende Schleimhaut ſtellenweiſe erweicht und blutleer, aber nicht entzündet. Im Dünn⸗ darme war das epithelium ſtark abgeſtoßen und jener daher mit Schleim angefüllt. In einem Falle war Magen und Dünndarm ſehr blutreich. Außerdem fand man das Blut ſehr dunkel und wenig geronnen und die Nieren ſowie die Leber ſehr blutreich; 4) die wichtigſten Symptome der Vergiftung waren folgende: frequenter und ſtarker Herzſchlag, geringe Beſchleunigung des Ath⸗ mens, anfangs Unruhe, ſpäter Muskelſchwäche, aber eine viel ge⸗ ringere als beim Zimmtsl, geringe oder gar keine Verminderung der Senſibilität, Entleerung der harten Faces des Dickdarmes, Abgang eines eigenthümlich riechenden blutigen Harnes, beſonders bei wenig großen Gaben, jedoch keine vermehrte Harnabſonderung, Abnahme der Starke des Herzſchlages, beſchwerliches Athmen, Bauchlage, verminderte Wärme in den äußeren Theilen und Tod ohne Krämpfe. Der Tod iſt durch Aufnahme des Oles in das Blut bedingt. In einem Falle, wo das Thier am Leben blieb, folgte hartnäckige Stuhlverſtopfung. — Auf die Haut eines Men⸗ ſchen aufgetragen, bewirkt das Muſcatnußöl Brennen, mit Röthung und mitunter nachfolgender Abſchilferung der Oberhaut. (Preuß. Vereinszeitung. 1848. No. 29. Oſtr. Wochenſchr. 48.) Bibliographiſche Neuigkeiten. C b. Meigs. — Females and their Diseases; a series of Letters to his Class. Hoy al 8%. (pp. 684. cloth.) Newyork 1848. 18 sh. J. L inden. — Glossary ot Technical Terms used in Botany, 8%. (p. 100. cloth.) 1848. 5 sh. Physiologie, médecine et metaphysique du magnetisme; par J. Ckarpignon. In 8° de 30 feuilles. Paris, chez Germer-Baillicre 1848. Prix 6 fr. De la syphilis eonstitntionelle chez l’adulte et chez l’enfant. Causes, Sym- ptömes et traitement; par le docteur Thomas G@alenzi (de Constantinople). In 8° de 3 feuilles. Paris 1848 Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Cemptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 175. 0 (Nr. 21. des VIII. Bandes.) ü Januar 1849. Naturkunde. Martins, über die Pflanzencoloniſation der britiſchen Inſeln, wie der Schetlands-Inſeln, der Farser und der Juſel Island. — Miſcellen. Mitchell, der Morgen in Auftralien. Warlomont, Gewitter in den Ardennen Abſorvtion der Schwefelſaure. — Heilkunde. Herrich und Popp, Flüſſigbleiben des Herzblutes in der Leiche. — Miſcellen. Guerard, kauſtiſches Ammoniak als Mittel gegen Verbrennungen. Donders, Res generation der Hornhaut. — Bibliographie. Naturkunde. XIIV. über die Pflanzencoloniſation der britiſchen Inſeln, wie der Schetlands-Inſeln, der Faröer und der Inſel Island. Von Ch. Martins. Ob jede Pflanze der Gegend, wo wir ſie jetzt finden, auch urſprünglich angehörte, oder ob es gewiſſe Centra der Schöpfung gegeben, von denen die Vegetation ſich ſtrahlen— artig ausbreitete, ſind zwei bei den Naturphiloſophen noch ſtreitige Fragen. Die einen glauben, jede Pflanze ſei da, wo ſie noch jetzt vegetirt, auch von Alters her heimiſch ge— weſen, die andern nehmen dagegen, ähnlich den Völker— wanderungen, eine Verbreitung der Pflanzen über beſtimmte Theile der Erde an; ſie ſtützen ſich auf die Geologie der Vor— zeit und auf die phyſicaliſchen und meteorologiſchen Erſchei— nungen der Gegenwart; ſie ſuchen in der geographiſchen Ver— theilung der Pflanzenarten mehr als eine Sache des Zufalls; fie erkennen in ihr die Spuren früherer Erdumwälzungen oder den Einfluß der zahlreichen ſo verſchiedenartigen Kräfte, welche noch jetzt die Samenverbreitung begünſtigen oder ver— hindern; ſie verſuchen ſogar den Weg, auf dem die Pflan— zenheere gewiſſe Länder überſchwemmten, während andere Gegenden ihre Urflora behielten, auf der Karte zu bezeichnen. So neu dieſe Studien noch ſind, ſo wichtig ſcheinen ſie zu werden. Bald nach dem Hervortreten des Feſtlandes wie der Inſeln mußte die Schöpfung der noch jetzt lebenden Pflan— zen gewiſſermaßen als letzter Act der geologiſchen Erdgeſchichte erfolgt fein; viel ſpäter entſtand erſt der Menſch und mit ihm begann die Tradition. Den Botanikern war ſchon ſeit lange bekannt, daß ge— wiſſe Inſeln eine ganz für ſich daſtehende Flora beſitzen, wäh⸗ rend andere keine Pflanzen haben, die nicht im nächſten Feſt⸗ No. 2155. — 1055. — 175. lande auch gefunden werden. Die britiſchen Inſeln find in dieſem Falle; der Verf. begnügte ſich nicht, die Vegetation Eng— lands, Schottlands und Irlands zu ſtudiren, zog vielmehr die größeren und kleineren Juſelgruppen des britiſchen Archi⸗ pels, die Orcaden, Schetlandsinſeln, die Farber und Island als Verbindungskette für Mitteleuropa mit Nordamerica in den Kreis ſeiner Unterſuchungen. Wir entnehmen ſeine Ar⸗ beit dem Junihefte der Bibliotheque universelle de Geneve von 1848. Die vortrefflichen Werke von Hewett Watſon über die geographiſche Verbreitung der britiſchen Pflanzen und Edward Forbes ſchätzbare Unterſuchungen über die Fauna und Flora der britiſchen Inſeln in Bezug auf geologiſche Umwälzungen dienten dem Verf. als ſichere Führer. Aus ihren Arbeiten zeigte ſich mit entſchiedener Gewißheit, daß genannte Inſeln auch nicht eine einzige Pflanze beſitzen, die ihnen eigenthüm— lich iſt und dem Feſtlande Europas mangelt. Die britiſchen Inſeln können demnach keine Vegetationsmittelpunkte geweſen ſein; da aber nicht alle Pflanzen, die ihnen jetzt angehören, ſich auch in denſelben Gegenden Europas wiederfinden, ſo nimmt der Verf. mit Watſon und Forbes eine Reihe von Pflanzenwanderungen an, die nach einander die britiſchen Inſeln heimſuchten. Irlands mildem Winter, fährt der Verf. fort, verdan⸗ ken wir die letzten Überreſte einer aſturiſchen Flora. Im ſüdweſtlichen Theile der Inſel finden ſich noch etwa 12 für dieſe Provinz Nordſpaniens charakteriſtiſche Pflanzen im Zu— ſtande der Wildniß, während die öſtlichen Gegenden Irlands keine von ihnen beſitzen. Die wahrſcheinliche Urſache dieſer älteſten aller Pflanzenwanderungen, die eine von der heutigen Zeit durchaus verſchiedene Temperatur und eine ganz andere Land- und Meeresvertheilung vorausſetzt, will der Verf. ſpä⸗ ter mit Forbes Hülfe aufzuklären verſuchen. 21 323 Der ſüdweſtliche Theil von England und der Südoſten von Irland zeigen eine der Bretagne und Normandie entſprechende Vegetation. Viele mittägliche Arten ziehen ſich längs Frankreichs Küſten bis zu einer Höhe, wo das immer rauher werdende Klima ihr weiteres Vordringen beſchränkt, hinauf. Einige von ihnen dringen faſt bis Cherbourg vor, wo ſie trotz des lauen Sommers durch die Milde des Win— ters ausdauern. Von hier verbreiten ſie ſich über das ſüd— weſtliche England, längs den Küſten von Devonſhire und Cornwallis, gehen von da an die gegenüberliegenden Ufer Irlands, wo ſie in den Grafſchaften Cork und Waterford einheimiſch ſind. Von denſelben Küſten kamen aber ehemals unter Wilhelms des Eroberers Anführung die Normannen, um England einzunehmen. Den Menſchen wurde indes nicht wie den Pflanzen durchs Klima ein Ziel ihres Vordringens geſteckt, erſtere blieben nicht wie letztere auf den Süden der Inſel beſchränkt. Die Gebirge von Schottland, Cumberland und Wallis bieten eine vom Flachlande Englands ganz verſchiedene, der Schweizer Alpenflo ra ähnliche Vegetation, die jedoch der Flora der aretiſchen Länder, als Lappland, Island und Grönland noch bei weitem näher ſteht. Die meiſten Pflanzen, welche die Gipfel der ſchottiſchen Hochgebirge bewohnen, wachſen auf den Inſeln des Eismeeres im Niveau des Meeres, wäh— rend viele von ihnen auf den Schweizer Alpen nicht gefunden werden. Bei weitem die Mehrzahl von ihnen iſt aber beider— wärts, ſowohl an den Ufern des Polarmeeres als auf dem ewigen Schnee der mitteleuropäiſchen Alpen zu Haufe. Der Typus der deutſchen Flora endlich iſt der in England vorherrſchende: vom Norden Frankreichs und von Deutſchland kommend, verbreiteten ſich dieſe Pflanzen, als vor— mals die Sachſen das Land der Angeln einnahmen und ſich dort anſiedelten, über den größten Theil von England, Schott— land und Irland. Wenn es wahr iſt, daß die früheren Herren dieſer Länder durch dieſe Invaſion zu Grunde gingen, ſo iſt es auch eben ſo wenig unmöglich, daß die deutſchen Pflanzen die urſprüngliche Vegetation dieſer Inſeln unter— drückten. Nach Verlauf von Jahrhunderten iſt der deutſche Typus ſo vorherrſchend geworden, daß die meiſten engliſchen Botaniker ihn als den britanniſchen Typus bezeichnen, und doch überſchreitet eine gewiſſe Anzahl dieſer Pflanzen die Meerenge, welche England von Irland ſcheidet, nicht, wäh— rend die übrigen ſich in ibrer Wanderung durch dies Hinder— niß nicht ſtören ließen. Pflanzenarten, die an der engliſchen Küſte des Canals St. Georges gemein ſind, fehlen der gegen— überliegenden irländiſchen Küſte gänzlich. Zoologiſche Beob— achtungen beſtätigen die hier aus der Landesflora entlehnten Schlüſſe; gewiſſe in Deutſchland ſehr verbreitete Thierarten ſcheinen auch hier nur ſo weit vorzukommen, als die eigent— lich deutſche Flora reicht. Der Haſe, das Eichhörnchen, das Murmelthier, der Marder, der Maulwurf u. ſ. w. ſind nur auf England beſchränkt und in Irland nicht mehr zu finden; letztere Inſel hat nur 5 Reptilien, während England 11 und Belgien, von dem die deutſche Invaſion ausging, 22 Arten dieſer Thierelaſſe beſitzt. Die noch lebenden Molluſken find in ähnlicher Weiſe vertheilt. 175. VIII. 21. 324 Die Fauna und Flora des Meeres gehorchen denſelben Geſetzen, welche die Vertheilung der Thiere und Pflanzen des Landes beſtimmen; gewiſſe den ſüdlichen Gegenden angehörende Meeresalgen finden ſich nur an den Weſtküſten Englands, wo man Fiſcharten antrifft, die niemals die Meerenge von Calais oder von St. Georges überſchreiten. Sie repräfen- tiren für das Meer den Typus Aſturiens und der Norman— die, wogegen der Häring, die Muräne und der ſchwarze Mer— lan, die in der Nordſee häufig ſind, längs den Oſtküſten, wo die Flora Deutſchlands vorwaltet, zu Hauſe ſind; endlich ſchei— nen ſogar die großen Cetaceen, der Wallfiſch, Pottfiſch und Delphin im Schooße des Meeres die ideale Grenze, welche die nördliche Vegetation Schottlands und Englands von der mehr ſüdlichen Flora von Cornwallis und dem mittäglichen Theile von Irland trennt, zu reſpectiren. Die Naturforſcher haben in dieſer Vertheilung der le— benden Weſen über beſtimmte Gegenden nur eine natürliche Folge der allmäligen Einflüſſe des Klimas und der Boden— beſchaffenheit erblickt. Das Vorkommen aſturiſcher Pflanzen im Süden Irlands erklärt ſich nach ihnen durch den milden Winter und den für das Reifen ihrer Samen genügenden, wenngleich kühlen Sommer Irlands. Die Pflanzen der Bretagne und Normandie finden nach ihnen in Cornwall und Devonſhire das Klima ihres Vaterlandes wieder; dasſelbe gilt nach ihnen für die ſtämmigen Pflanzen Deutſchlands, für welche der Süden von Schottland und der Norden von Irland ähn— liche Verhältniſſe wie der Norden von Deutſchland und Frank— reich darbieten und die aus dieſem Grunde über den größten Theil der britiſchen Inſeln verbreitet ſind. Die Felſen, die bewachſenen Abhänge, die Torfmoore und Sümpfe Schott- lands bieten endlich den arctiſchen Pflanzen durch ihre kühlen Sommer und langen Winter, wie durch den ewigen Schnee der Polarländer die paſſenden Standörter. Forbes konnte ſich mit einer ſolchen Erklärungsweiſe nicht begnügen, ihm ſchien in dem fremdartigen Charakter der Fauna und Flora der britiſchen Inſeln eine viel tiefere Be— deutung zu liegen. Er hat in ihnen die Spuren einer unter— gegangenen Schöpfung, Beweiſe für ein viel heißeres wie für ein viel kälteres Klima als das jetzt herrſchende und Andeu— tungen eines Zuſammenhanges der Länder und Meere, den uns die Waſſer der letzteren verheimlichen, zu finden geglaubt. So, wenngleich mit großer Genialität und tüchtigem Scharf— ſinn einen ganz neuen Weg verfolgend, konnte und mußte er dennoch nicht ſelten auf Irrwege gerathen. Die Geſchichte des Erdballs, wie alle Reiche der Natur für ſeine Idee be— nutzend, förderte er demnach ſelbſt, wenn ſein Reſultat ein irriges war, indem er die imaginäre von den Gelehrten wie durch die Tradition zwiſchen dem jetzigen Zuſtande der Erde und ihren geologiſchen Epochen gezogene Scheidewand zer— riß, die Naturwiſſenſchaften nicht wenig. Die zwölf aſturiſchen Pflanzen, welche das ſüdweſtliche Irland bewohnen, find nach Forbes die letzten Über— reſte der allerälteſten Pflanzencolonie der britiſchen Inſeln; unter allen ihnen gegenwärtig angehörenden Pflanzen ſind keine dem Boden, auf dem ſie wachſen, ſo fremdartig. Die Entfernung von Aſturien, der weite Meerbuſen, der jetzt die 325 kleine Colonie von ihrem Mutterlande trennt, die Elimatifche Verſchiedenheit und die kleine Zahl der noch vorhandenen Pflanzenarten deuten auf einen ſehr fernen Urſprung und eine bedeutende Umwälzung. Forbes geht in der Reihe der zoologiſchen Formationen bis auf die Epoche zurück, wo ſich die letzten Tertiärbildungen am Grunde eines Meeres niederſchlugen, das einen großen Theil des ſüdlichen Europas und nördlichen Africas bedeckte. Das vormalige Daſein eines ſolchen Meeres wird durch foſſile Muſcheln, die von den griechiſchen Inſeln bis nach Südfrankreich vielfach gefunden werden, bewieſen. Als ſich dies neu gebildete Land über das Meer erhob, bildete es ein großes Feſtland, zu dem Spanien, Irland, ein Theil von Nordafrica, die Azoren und die canariſchen Inſeln gehörten. Die Erhebung des gedachten Feſtlandes iſt wie der Verf. bemerkt, keine unbegründete Vermuthung. Forbes fand im Taurus auf einer Höhe von 1800 Meter über dem mittel- ländiſchen Meere die Muſcheln desſelben. Die große ſchwim— mende Algenbank, die jenſeits der Azoren vom 15. bis 45. Breitengrade einen Halbkreis bildet, könnte vielleicht die Um— riſſe dieſes verſchwundenen Landes bezeichnen; ſeine Ufer ſind zwar untergegangen, aber der Algengürtel, der ſie umgab, ſchwimmt noch auf dem Spiegel des Meeres. Das Auftreten der für die Normandie charakteriſtiſchen Pflanzen in Devonſhire, Cornwallis und dem Südoſten von Irland iſt nach Forbes gleichfalls an das untergegangene Land geknüpft. Der ſüdliche Charakter dieſer Pflanzen it für ihn der Beweis eines früher mehr gemäßigten Klimas. Ihr Erſcheinen konnte gleichzeitig mit einer deutſchen Invaſion zu einer Zeit erfolgt ſein, wo England und Frankreich noch vereinigt waren. Das große Feſtland ſenkte ſich und dieſes Sinken hatte nach Forbes eine weſentliche Anderung der Temperatur zur Folge; aus dieſer Zeit, deren Klima kälter wie das jetzige war, ſtammen nach ihm die arctiſchen Pflanzen, die auf Schottlands und Englands Gebirgen ihren Wohnſitz behielten. Für eine ſolche der gegenwärtigen Periode unmittelbar vor— ausgehende Eisperiode liefert der Norden Europas hinrei— chend Beweiſe. Die zahlreichen Spuren alter Gletſcher in Englands, Schottlands und Irlands Gebirgen übergehend, hält ſich der Verf. nur an Beweiſe, dem Thierreich entlehnt. Der größte Theil der britiſchen Inſeln iſt von einem mürben aus fortgeſchwemmten Stoffen gebildeten Erdreiche, welches die engliſchen Geologen als drift (Angeſchwemmtes) bezeichnen, bedeckt. In den beiden nördlichen Dritttheilen von England und Irland, wie in ganz Schottland, enthält dies angeſchwemmte Erdreich Thierüberreſte, die jetzt nur noch im Eismeere an den Küſten von Island und Grönland lebend gefunden werden. Verſchiedene Cetaceen und Fiſchüberreſte ſind mit einer Menge dem jetzigen Eismeere angehörender Muſcheln in dieſem Erdreiche begraben. Zu dieſer Zeit mußte ein Theil Großbritanniens von einem Meere, deſſen Tem— peratur ſich der des Eismeeres näherte, bedeckt ſein. Nicht nur die Ebenen, ſondern ſogar die niedrigen Theile der Ge— birge bildeten den Grund oder die Ufer dieſes Meeres; in Wallis fand man in einer Höhe von 450 Meter über dem 175. VIII. 21. 326 jetzigen Meere Lager von Grand, Sand und Muſcheln. Zu dieſer Zeit hing England nicht mit Schottland zuſammen, beide Länder bildeten nur größere und kleinere Inſelgruppen; nur die Gebirge von Schottland, Cumberland und Wallis tauchten hervor; ein Klima von Island beherrſchte dieſe In— ſeln; die Bergesgipfel waren gleich dem Hekla mit ewigem Schnee bedeckt und zahlreiche Gletſcher ſtiegen ins Meer hinab. Die auf Island, Grönland und Norwegen einheimi— ſchen Pflanzen wurden durch Strömungen und Treibeis an dieſe Inſeln geführt und fanden dort ein günſtiges Klima. Auch dieſe Art des Transports iſt, wie der Verf. bemerkt, keine leere Hypotheſe; noch jetzt begegnen den Schiffern im Polarmeere nicht ſelten ſchwimmende mit Erde und Grand bedeckte Eisberge, auf denen wie auf den Moränen der Alpen— gletſcher Pflanzen vegetiren, und die an einer entfernten Küſte landen, dort gewiſſermaßen ihre Pflanzen abſetzen. Dieſe arctiſche Vegetation iſt nun, wie Forbes annimmt, nicht untergegangen, lebt vielmehr noch auf den Hochgebirgen von Cumberland, Wallis und Schottland. Zu Ende dieſer Eisperiode traten die britiſchen Inſeln allmälig hervor, überall findet man an ihren Küſten noch Terraſſen oder alte Uferlinien, Beweiſe für Perioden der Ruhe, welche dieſe allmälige Hebung unterbrachen. Um dieſe Erſcheinung zu begreifen, muß man nicht eine einfache Er— hebung der Küſten allein, ſondern ein allmäliges gleichartiges Erheben des Meeresgrundes über ſein altes Niveau anneh— men; ein derartiges Emporſteigen beſtimmte die jetzige Geſtalt der britiſchen Inſeln und die Tiefe der ſie umgebenden Meere. Das Meer ward weniger tief, fein Hochgrund trat hervor; mit der Tiefe des Meeres mußte ſich auch ſeine Fauna än— dern, ſeine Temperatur ſtieg; die Thierwelt der Jetztzeit be— völkerte ſeine Ufer. Da nun in größeren Tiefen die Tem— peraturveränderungen weniger bedeutend ſind, ſo konnten ſich dort die Thiere der Eisperiode erhalten, und wirklich brachte das Senkblei aus Tiefen von 160 bis 200 Meter lebende Muſcheln herauf, wie ſie im Diluvium der Eisperiode foſſil vorkommen. Dieſe Muſcheln ſtammen nach Forbes gleich den Pflanzen des ſchottiſchen Hochlandes aus jener Eis— periode. Während der ganzen Dauer beider ſo eben beſprochenen Epochen war England mit Frankreich vereinigt, der Canal la Manche und die Meerenge von Calais waren noch nicht vorhanden. Dieſe Trennung Englands vom Feſtlande iſt eine wiſſenſchaftlich begründete Thatſache, dieſelbe iſt nach dem einſtimmigen Urtheile aller Geologen erſt ſpäter, vielleicht zu einer Zeit, wo ſchon Menſchen lebten, erfolgt. Conſtant Prevoſt und d' Ar chiac haben dies zur Genüge bewieſen; der erſtere zeigte die Übereinſtimmung der Kreideſchichten beider Ufer des Canals la Manche, der letztere die Identität der Geröllhaufen, die dieſe Kreide bedecken. Dieſe Geröllan häu— fungen, welche dem Gerölle der jetzigen Flüſſe und Ströme entſprechen, bilden die oberſte Schicht des Bodens, ſie haben ſich demnach zuletzt abgeſetzt; da ſie nun für beide Ufer ganz dieſelben ſind, ſo müſſen ſie durch dieſelbe Strömung zu einer Zeit entſtanden ſein, wo beide Länder noch vereinigt waren. Die Trennung erfolgte erſt viel ſpäter durch eine Hebung 2° 327 der Kreideſchichten, die an beiden Seiten in die Erde tauchen und an der Seite des Meeres gehoben zu ſein ſcheinen. Zu Anfange der jetzigen Epoche bildete England eine Halbinſel wie Dänemark, das Klima und der Boden waren wie ſie noch ſind; die Pflanzen Frankreichs und Deutſchlands ſchmückten das aus dem Meere entſtandene Land. Die ſtäm— migen Pflanzen des nördlichen Europas bekleideten den größten Theil der britiſchen Inſeln. Wälder, den ſchattigen Hainen Deutſchlands zu vergleichen, bedeckten das Inſelland, ſumpfige Waſſer ſtagnirten in tiefen Gründen, aus ihnen entſtanden die Torfmoore, in denen wir Holz und Knochen rieſiger Hirſch— thiere finden. Erloſchene Arten des Ochſen, des Bären, des Wolfes und Fuchſes waren die Bewohner dieſer Einöden. Die Aufgabe der Natur war jetzt gelöſ't, der Menſch erſchien, die Wälder ertönten vom Schalle feiner Art, die ſtehenden Waſſer wurden durch ihn abgeleitet; die Cultur griff um ſich; die wilden Thiere verſchwanden; die Bevölkerung wuchs, und der Boden verbeſſerte ſich im gleichen Maße, wie die Civili— ſation immer größere Fortſchritte machte. Verſucht man jetzt mit dem Verf. die Ideen der HHrn. Watſon und Forbes über den Urſprung der Fauna und Flora des britiſchen Archipels zu reſümiren, ſo ſieht man, daß ſeine Inſeln ſeit der Epoche der mittleren Tertiärbildun— gen nach einander von verſchiedenen Theilen des europäiſchen Feſtlandes aus mit Thieren und Pflanzen verſorgt wurden. Als ſich von den Ländern des mittelländiſchen Meeres bis zu den jetzigen britiſchen Inſeln ein großes Feſtland erſtreckte, wurde der Süden von England und Irland durch Pflanzen Aſturiens und der Normandie bevölkert. Auf dieſe gemäßigte Temperaturperiode folgte die Eisepoche, in welcher die früheren über dem Waſſer gelegenen Länder bis zu einer Höhe von 450 Meter vom Meere bedeckt wurden; dieſe Zeit brachten die aretiſchen Pflanzen, die noch jetzt Schottlands Hochgebirge bekleiden. Wie das Land ſich zum zweiten Male aus dem Waſſer erhob, war England mit Frankreich verbunden, das Klima war das noch jetzt herrſchende. Um dieſe Zeit erfolgte die große Invaſion deutſcher Pflanzen, die gewiſſermaßen die ganze frühere Flora bis auf ſpärliche Überreſte erſtickten. Die aſturiſchen wie überhaupt die ſüdlichen Pflanzen wurden im Südweſten von Irland auf wenige Arten beſchränkt; des Nor— dens ſtämmige Pflanzen ſiegten, in den von ihnen gebildeten Wäldern zeigte ſich ſpäter ein kriegeriſches Geſchlecht, das aus denſelben Gegenden ſtammte. Nachdem Englands Colo— niſation vollbracht war, trennte es ſich vom Feſtlande und dieſes im Vergleich zu den früheren Umwälzungen unweſent— liche geologiſche Ereigniß ward für das Weltgeſchick von un— geheurem Einfluß. Weniger iſolirt würde England wahr— ſcheinlich weniger eigenthümlich (personelle) geworden ſein, ſeine im Walde lebenden Völker würden ſich vielleicht mit einer andern großen Völkerſchaft des Continentes, von der auch ſie abſtammten, vermiſcht haben. Während Watſon und Forbes dem Urſprunge der Fauna und Flora der drei großen britiſchen Inſeln nach— forſchte, ſtudirte der Verf. die Pflanzenanſiedelung der Schet— landsinſeln, der Faröer und der Inſel Island. Dieſe Inſeln bilden gewiſſermaßen eine fortlaufende Kette, welche das Nord— 175. VIII. 21. 328 ende von Schottland mit der Oſtküſte von Grönland verbin⸗ det. Sie ſind der einzige Landſtrich, der Europa uit Ame— rica vereinigt. Der Verf. war 1839 auf den Farbern. Mitten im Nordmeere gelegen, beſteht ihre Flora theils aus Pflanzen, die im Flachlande des mittlern Europas, theils auf den Schweizer Alpen zu Hauſe ſind, außerdem aus einigen Arten, die Schottland und Grönland angehören. Auch die Faröer und Island haben keine ihnen eigenthümliche Vegetation, alle ihre Pflanzen gehören dem Feſtlande an. Dasſelbe Re— ſultat, was Watſon für Großbritanniens Flora gewann, ergiebt ſich auch für genannte Inſeln, nur wird es hier frag— lich, ob dieſe Pflanzeninvaſion von Europa oder America gekommen. Die Mehrzahl der hier gefundenen Pflanzen ge— hört dem Norden beider Welttheile gemeinſchaftlich an; unter ihnen fand der Verf. mehr als 100 Arten, auf die Europa allein Anſpruch machen darf, woraus der überwiegende Ein— fluß des letzteren Welttheils auf die Vegetation dieſer Inſeln hervorgeht; eine große Pflanzenwanderung verfolgte ihren Weg über England, Schottland, die Orkaden, Schetlands— inſeln, die Farber nach Island. Einige Pflanzenarten kamen auch direct von Norwegens n Die arctiſchen Pflanzen kamen dagegen auf umgekehrtem Wege von Grönland über Island, die Farber, die Schetlandsinſeln nach Schottland, auf deſſen Hochgebirge ſich ihnen ein weites Vaterland eröffnete. Dieſe doppelte Wanderung offenbart ſich in dem Zahlenver— hältniß der Pflanzenarten am deutlichſten: die nur Europa angehörenden Pflanzen der Schetlandsinſeln bilden etwa den vierten Theil ihrer Flora; auf den Faröern machen fie nur 1/; aller dort vorkommenden Pflanzenarten und auf Island nur Yo derfelben aus. Je mehr man ſich alſo von Europa entfernt, um ſo geringer wird die Zahl der nur Europa an— gehörenden Arten, während das Verhältniß der grönländiſchen Pflanzen in gleichem Grade zunimmt. Die Vegetation der Inſeln des Nordmeeres unterſtützt ſomit die allerdings kühne und durchaus neue von Forbes für Großbritannien aufgeſtellte Hypotheſe. Ohne indes die frühere Geſchichte der Erde zu befragen, findet der Verf. ſchon in den noch heut zu Tage fortbeſtehenden Urſachen eine plauſible Erklärung für die Übertragung der Pflanzenſamen von einer Inſel zur andern, von England bis nach Island. Der Golfſtrom, der im Meerbuſen von Mexico ent- ſpringt und längs der Küſte von Nordamerica bis zur Höhe von Neufundland verläuft, dann durchs atlantiſche Meer geht und die Oſtküſten von Schottland beſpült, trägt noch jetzt keimfähige Samen von Mexico bis an dieſe Küften, durch ihn kam das Nordamerica angehörende Eriocaulon sept- angulare, die einzige britiſche Pflanze, die nicht europäiſchen Urſprungs iſt, nach den Hebriden. An Schottlands Ufern die von den Flüſſen und Strömen ins Meer geführten Sa— men gleichſam ſammelnd, ſetzt der Golfſtrom dieſelben auf den Sanddünen der Schetlandsinſeln, der Farber und auf Island ab. Dieſer Strom ſcheint dem Verf. ſomit die Haupt⸗ urſache der Verbreitung europäiſcher Pflanzen über genannte Inſeln zu ſein. Winde und verſchiedenartige Luftſtrömungen ſind gleich— falls für die Samenverbreitung von nicht geringer Wichtigkeit, 329 aber auch ihr Einfluß entgeht, gleich dem der Strömungen des Meeres, der directen Beobachtung. Die heftigen und lang anhaltenden Winde ſind, wie der Verf. glaubt, allein im Stande, leichte, zumal geflügelte Samen von einer Inſel zur andern zu tragen. Eine Thatſache kann dieſe Anſicht kräf— tig unterſtützen. Am 2. September 1845 fand um 9 Uhr Morgens eine heftige Eruption des Hekla Statt. Am 3. Sept. fielen die von ihm ausgeworfenen Aſchen auf den ſüd— lichen Inſeln der Farbergruppe nieder; noch am ſelben Tage erfolgte dasſelbe auf den Schetlandsinſeln und den Orcaden; die Aſchen wurden ſogar auf der Schiffbrücke zwiſchen Eng- land und Irland geſammelt. 5 Es giebt aber noch einen andern Weg der Samenverbreitung, der, wie der Verf. glaubt, bis jetzt noch unberückſichtigt blieb, die Verbreitung durch Zugvögel. In jedem Frühling ver— laſſen Millionen von Küſtenvögeln die Ufer Spaniens, Frank— reichs und Englands und ziehen nach Norden, um auf Schet— lands unwirthlichen Felſen Eier zu legen und zu brüten; ſie kehren im Herbſt mit ihrer Brut nach Süden zurück. Dieſe Vögel führen die Samen einer Inſel zur andern, ſie ſind es hauptſächlich, durch welche americaniſche Pflanzen, deren Samen zu Ende des Sommers, wo ſie nach dem Süden zurückgehen, reifen, verbreitet werden. Die Schetlandsinſeln dienen ihnen gewiſſermaßen als Stapelplatz, als Ort der Ruhe, auf ihnen verblieben daher die Samen, welche ſie durch die Luft ent— führten. Wenn man bedenkt, daß alle dieſe Urſachen ſeit Jahr— tauſenden vereinigt wirkten, ſo wird man den ungeheuren Einfluß derſelben nicht verkennen; ehe man deshalb, um die Verbreitung der organiſirten Weſen über der Erdoberfläche zu erklären, zu den geologiſchen Zeiten und ihren Umwäl— zungen ſeine Zuflucht nimmt, müßte man, wie der Verf. ſehr richtig bemerkt, zuerſt das ungenügende der noch thätigen Urſachen für eine falſche Erklärung nachweiſen. Dieſe Me— thode iſt für alle Aufgaben der Geologie anwendbar und hat fie in der neueren Zeit wunderbar gefordert. In der theologi— ſchen Periode dieſer Wiſſenſchaft verlor man ſich in wunder— liche Träumereien: da, wo man Naturkräfte (causes) nicht kannte, vermuthete man plötzliche Umwälzungen, fürchterliche Umſtürze, ungeheure Kräfte, unbekannte Einflüſſe und geheim— nißvolle Urſachen. Jetzt ſucht der menſchliche Geiſt die geo— logiſchen Thatſachen durch noch jetzt thätige Naturkräfte zu erklären, und nimmt erſt dann zur Hypotheſe ſeine Zuflucht, wenn ihn die Wirklichkeit im Stiche läßt. 175. VIII. 21. | 330 Miſeellen. 39. Der Morgen iſt in Auſtralien beſonders an⸗ muthig. Nur ein kleiner Vogel, der hier die Stelle der Baryta oder der Orgelelſter vertritt, und deſſen Geſang den lieblichſten Tönen der Flöte gleicht, unterbricht die feierliche Stille. Das Er— wachen der Natur ergötzt hier alle Sinne, der Duft der Sträucher, die kürzlich verbrannt wurden, wie die Tinten und Töne der Land⸗ ſchaft harmoniren koſtlich mit den melodiſchen Klängen. Die hell— rothe Färbung der Anthistiria, das glänzende Grün der Mimosa, die weißen Stämme des Eucalyptus und die dunkelgrauen Schat— ten des frühen noch über dem Walde ſchlummernden Morgens ver— miſchen ſich oder contraſtiren in der fchönften Harmonie. Die Ge— ſtalten der ſanften Landſchaft ſind nicht minder anziehend; wilde phantaſtiſch geformte Eucalyptus-Büſche mit zierlichen herabhän— genden Blättern grünen zwiſchen gefallenen Stämmen alter Bäume, den mächtigen Ruinen der Pflanzenwelt. Statt einer nur herbſt⸗ lichen Färbung miſchen ſich hier beſtändig die goldenen Tinten des Herbſtes mit dem lichteſten Grün des Frühlings, während ſowohl die willkommenen Strahlen der hellen Sonne eines Wintermorgens ſich mit dem kühlen Hauche des Waldes an einem Sommermorgen vereinigen, um den Reiz ſolcher Scenen zu erhöhen. Dieſe Reize der Natur feſſeln den Wilden an ſeine Wälder, ſie ſind im Stande, Verbrecher auf den verlorenen Pfad der Tugend zurückzufuͤhren. (Aus den Journal of an Expedition into the Interior Tropical Australia etc. by Lieut.-Col. T. L. Mitchell. — The literary ga- zelte, No. 1625. 1848.) 40. Über ein Gewitter, das am 29. Auguft vorigen Jah⸗ res über die Stadt Marche in den Ardennen losbrach, berichtet Warlomont folgendermaßen. — Es war bei unbewölktem Him— mel ein heißer Tag geweſen, um 6 Uhr Abends überzog erſteren ein gleichmäßig graues Gewölk, um 6 Uhr 45 Minuten fielen, von ſchwachem Regen begleitet, Schloßen von ungeheurer Größe herab, die aus einem opaken Kerne, wie gewöhnlicher Hagel, umgeben von einer durchſichtigen, unregelmäßig angehäuften Eismaſſe mit war— zenförmiger Oberfläche beſtanden. Das mittlere Volumen dieſer Schloßen war größer als eine große Walnuß; ein ſolches Hagel— korn war ellipſoidiſcher Geſtalt, maß in feinen Hauptachſen 7, 6 und 4 Centimeter. 3 ſolcher Hagelkörner in ein Bierglas gethan brauchten 3 Stunden, um bei der herrſchenden Temperatur zu ſchmelzen, geſchmolzen gaben ſie 213 Gramm Waſſer, demnach im Mittel für jeden Schloßen 71 Gramm (71 Cubikeentimeter). Das Herabfallen dieſer Rieſenſchloßen dauerte mehrere Minuten, ſie waren nicht zahlreich, etwa in der Entfernung eines Meters von einander über den Boden verbreitet. Das Gewitter wüthete mit großer Heftigkeit gegen 9 Stunden, nahm dann allmälig ab, wäh— rend der Regen von neuem in Strömen herabfloß. (Bulletin de l’academie royale etc. de Belgique, No. 9810, 1848.) 4. Die Schwefelſäure von gewöhnlicher Dichte abſor— birt, nach R. E. W. B. Rogers, bei gewöhnlichem Luftdruck etwa 94 bis 100 ihres Volumens an Kohlenſäuregas, mithin fait doppelt fo viel als Sauſſure angegeben; eine fo reichliche Ab- ſorption erfolgt aber nur, wenn die Säure in einer Kohlenſäure— atmoſphäre von gleicher Tenſion beſtändig bewegt wird. (L’Insti- tut, No. 779, 1848.) a Seilkunde. (XXVII.) Flüſſigbleiben des Herzblutes in der Leiche. Einem Werke voll intereſſanter Mittheilungen, und reich an noch weiterem Material, welches unter dem Titel: „Der plötzliche Tod aus inneren Urſachen. Beobachtungen, und Unterſuchungen von Karl Herrich und Karl Popp, Arzten in Regensburg. Regensb., Friedr. Puſtet, 1848. ſchmal 40.“ vor kurzem erſchienen iſt, entlehnen wir ein Capitel, welches einen Punkt behandelt, der unendlich häufig zu ganz verkehr— ten Schlüſſen bei der Section Veranlaſſung giebt. S. 364. heißt es: Eine Vergleichung des Blutes plötzlich Geſtorbener ſei— nen einzelnen Eigenſchaften nach mit dem Blute Geſunder, verſchiedenartig Erkrankter, oder in anderer Weiſe Geſtor— bener wäre ohne Zweifel für den Zweck unſerer Arbeit wün— ſchenswerth. 331 Vor allem käme hier die Menge des Blutes überhaupt, wie des im Herzen enthaltenen in Betracht; allein da ihre Beſtimmung, beſonders der erſteren immer nur eine ſehr zweifelhafte und im beſten Falle annäherungsweiſe ſein kann, ſo enthalten wir uns einer größeren Zuſammenſtellung um ſo mehr, als wir glauben annehmen zu dürfen, daß die Ergebniſſe einer ſolchen wohl wenig von jenen der $$. 183 bis 189 abweichen würden. Was die Miſchungsverhältniſſe des Blutes betrifft, iſt zur Unterſuchung derſelben vor dem Tode in den uns vor— gekommenen plötzlichen Sterbefällen nie Gelegenheit dagewe— fen, eine derartige Unterſuchung nach dem Tode aber wäre in hohem Grade unzuverläſſig; — man bedenke nur jene Veränderungen, welche in dem zwiſchen Tod und Leichen— öffnung inneliegenden mehr oder minder langen Zeitraum, insbeſondere durch Lagerung, verſchiedene Wärmeverhältniſſe und andere äußere Einflüſſe, ſodann in Folge von Durch— ſchwitzen des Blutwaſſers, nicht ſelten auch des Farbſtoffes, endlich durch die immer mehr oder minder ungleichartige Gerinnung im Leichenblute vorgehen. Ohnehin ließen ſich ſchon von vorne herein beſonders wichtige Aufſchlüſſe über unſere nächſte Frage hiervon kaum erwarten, da bei der großen Verſchiedenartigkeit der zu Grunde liegenden krank— haften Vorgänge auch eine entſprechende Mannigfaltigkeit der Blutmiſchung vorausgeſetzt werden darf. Wir heben eben daher von allen Eigenſchaften des Blutes nur jene hervor, welche uns ſowohl vermöge der Häufigkeit ihres Vorkommens nach plötzlichem Tode als rückſichtlich ihrer Zuverläſſigkeit beſondere Beachtung zu ver— dienen ſcheint. Es iſt dies der vollkommen flüſſige Zuftand, in wel— chem das Herzblut bei der Leichenöffnung gefunden wird, und in welchem es länger fortgeſetzter Beobachtung gemäß in der Regel zu verharren pflegt *). Wir betrachten in der folgenden Zuſammenſtellung die— ſes Vorkommniß vorzugsweiſe in ſeiner Beziehung zu den hauptſächlichen krankhaften Veränderungen und zur Todes— art, und ſchließen größerer Beſtimmtheit halber alle Fälle aus, in denen das Herzblut als „faſt durchaus oder größ— tentheils flüſſig“ bezeichnet iſt (obwohl eben dieſe Fälle, hätten wir ſie mit benutzt, in den meiſten Rückſichten nur zur Beſtätigung der weiter unten erhaltenen Ergebniſſe bei— getragen haben würden). „) Von Polli wurde behauptet, daß Nichtgerinnen von Aderlaßblut in der gewöhnlichen Zeit keinen Schluß auf Nichtgerinnbarkeit desſelben über— haupt erlaube, Gerinnung vielmehr oft noch in einem ſehr ſpäten Zeitraume eintrete. Daß dieſe Annahme für nicht geronnenes Leichenblut in der Regel ſich nicht geltend machen laſſe, haben uns nicht wenige Fälle gezeigt, in wel— chen dergleichen Blut bis zur entſchiedenen Faͤulniß aufbewahrt, zwar honig— artig eingedickt wurde, aber keine Spur von Gerinnung zeigte. Auch Hen— le's Vermuthung (rat. Pathologie II. S. 45), daß bereits vorhandenes Ge— rinnſel durch frühen Eintritt der Faulniß bisweilen wieder aufgelöſ't fein könne, findet auf unſere Fälle keine Anwendung, da in denſelben die Leichen— öffnung faſt immer vor dem Eintritte deutlich ausgeſprochener Merkmale von Fäulniß vorgenommen worden iſt. 175. VIII. 21. 332 | Die Tovesart Die veichenöffnung Die Menge ) Es findet ſich | war hier jergab völlig flüſſi- d. völlig ftüſſigen elne ges Herzblüt vel“) Herzblutes war wo S z = 5 = = 3 2 = Todesart oder Befund z & S 3 2 =| eläöl=s|e ſich darſtellte 2 2 F 2 = 2 3 2 2 Sal ki —— Der Mangel bed. krankh. Veränderungen. Mangel k. Erſchein. 12 1 51 Alterstod . 21 174 Tod nach Zuckungen 14 — — Gewaltſamer Tod . 15 = ur) Hirnhaut u. Hirnleiden Bluterguß in d. Hirn⸗ heut 8 21 Bluterguß, friſcher, im Großhirn . 25 N Bluterguß, friſcher, im Kleinhirn . 8 112 — Bluterguß, alter, im Gehirn 5 37 3 1131 — Erweichung des Hirns 15 2 — I | Fremdbild. und Waſ— ſerkopf l. v. 22 30 3 2| 1 Waſſerkopf r. V. 91 11 8 21 8 3 Bruſtdrüſe übergroß 12 10 — Alva Kreislaufitörungen Herzbeutel, Bluterg. 8 3. Aeg „bildſ. Ausſchw. 9 112 2 Herzbildungsfehler 6 222 — | ea Herzfehler nach Um⸗ fang, Dicke und ſonſt. Beſchaffenheit ſeiner Wandungen 52 1610 1 Herzklappen und Aor⸗ tenfehler . 46 31 Alte Gerinnſel in der Lungenſchlagader 21 ke Bruſtfell, bildſ. Ausſchwitzung 16 — Lungenentzdg., kindl. 28 114 „ Erwachſener 657 ß F Bauchfellausſchwitzg. auch Bluterguß . 40 2 Leberverhärtung 39 all Magenerweichung . 12 — 2 Nierenentartung, kör— nige 5 N 62 2 3 — Typhus 93 111 3) — Eiterabfag oder Sen— fung. en 0% 48 | 16 —| 2] — ze Scharlach 45 le Bösart. Ablagerungen 121 > Knotenablagerung 125 5 6 — 1386 1182 11608852 36 | 21/109 44 50] 6 u — mal. 204 | 57 | *) Wir haben hier die raſche Todesart geſondert und im folgenden häufig gemeinſam mit der plötzlichen aufgeführt, weil beide Todesarten rückſichtlich der Häufigkeit flüſſigen Herzblutes bei gewiſſen krankhaften Veränderungen, z. B. Krelslaufſtörungen, eine große Übereinſtimmung zeigen. *) In 9 Fallen iſt die Menge des Herzblutes nicht angegeben. Die Menge des Herzblutes wurde als ſehr gering angenommen, wo ſie bei bis 2jährigen Kindern nicht mehr als 1 Quent, bei Erwachſenen unter 1 Unze, als groß, wo fie bei dieſen mehr als 3 Unzen betrug. 333 Weder völlig flüſſiges Herzblut noch plötzlicher Tod kamen vor: nach lange währenden Seelenſtörungen (8 Fälle), bei friſcher Hirnhautausſchwitzung (14 Fälle), Hirnblutergüſſen äl⸗ terer und neuerer Entſtehung zugleich (13 Fälle), häutiger Bräune (23 Fälle), Luftwegeentzündung im Greiſenalter (9 Fälle), Lungenbrand (9 Fälle) und bildſamer Ausſchwiz⸗ zung auf der Darmſchleimhaut (15 Fälle). Der vorſtehenden Überſicht gemäß trifft 1 Fall von vollkommener Flüſſigkeit des Herzblutes in der Leiche auf 13 Sterbefälle im allgemeinen; insbeſondere aber wird ſie am häufigſten vorgefunden bei gewaltſamen raſchen Todes— fällen; ferner trifft je 1 Fall völlig flüſſigen Herzblutes auf 2 Fälle plötzlichen Todes ohne bedeutende krankhafte Ver— änderung, faſt auf eben fo viele von Bluterguß im Klein- hirn, auf 3 von Übergröße der Bruſtdrüſe, 4 von Hirnhaut⸗ blutergüſſen, auf 5 Fälle von Zuckungen und Fremdbildun⸗ gen im Gehirne, 6 von Typhus, Magenerweichung, alten Hirnblutergüſſen und Waſſerkopf raſchen Verlaufes (ſo wie von Hirnleiden im allgemeinen), 7 von Hirnerweichung, 9 von Herzbeutelausſchwitzung, ſodann auf 10—17 Fälle von Alterstod, körnigem Nierenleiden, kindlicher Lungenentzün— dung (auch Kreislaufſtörungen im allgemeinen); noch ſelte— ner (je 1 Mal unter 25—40 Fällen) findet ſich Mangel von Blutgerinnung im Herzen bei friſchen Blutergüſſen im großen Gehirn, Leberverhärtung, Knoten- und bösartiger Ablagerung. Während von ſämmtlichen Fällen, in welchen die Be— ſchaffenheit des Herzblutes überhaupt erwähnt iſt, faſt nur der 7te auf raſche oder plötzliche Todesart trifft, kömmt hin— gegen mehr als die Hälfte aller Fälle, in welcher völliges Flüſſigbleiben des Herzblutes ſich aufgezeichnet findet, auf die letztgenannte Todesart. Stellen wir nun unſere Fälle von Flüſſigbleiben des Herzblutes zugleich nach dem Hauptbefunde und zugleich nach der Art des Todes zuſammen, ſo fand ſich völlig flüſſiges Herz⸗ nach blut, wo der Hauptbefund ſich raſcher od. plötzlicher, langſamer ergab als Todesart Kreislauflörungen N Übergröße der Bruſtdrüſe . Magenerweichung Nierenleiden . Lungenentzündung Hirnleiden Knotenablagerung Typhus Leberverhärtung . Schaängahßh Bösartige Ablagerung. . Zmal. Zur näheren Würdigung der Nichtgerinnung des Lei— chenblutes glauben wir folgende Geſichtspunkte hervorheben zu müſſen. 1) Kaum der Erwähnung bedarf es, daß die nächſte Urſache der Nichtgerinnung des Blutes jedes Mal in den Miſchungsverhältniſſen desſelben geſucht werden muß. Nach dem jetzigen Stande der Kenntniſſe von den Geſetzen der Blutgerin⸗ nung beruht das eigenthümliche die Nichtgerinnung bevin: 175. VIII. 21. 334 gende Mißverhältniß entweder auf Mangel, vielleicht auch bloß auf Armuth an Faſerſtoff oder auf einem Uberſchuſſe des Salzgehaltes, insbeſondere der kohlenſauren Alkalien. (Ob auch fremdartige Beimiſchungen gleichfalls im Stande ſind, den Faſerſtoff ſeiner Gerinnungsfähigkeit zu berauben, iſt zwar zur Zeit noch nicht nachgewieſen, jedoch wahrſcheinlich.) Im folgenden handelt es ſich alſo um Erforſchung nicht der nächſten, ſondern der entfernten Bedin- gungen der Nichtgerinnung des Leichenblutes. Betrachten wir die oben angeführte Reihe von krank⸗ haften Vorgängen, fo iſt unter denſelben Faſerſtoff— armuth des Blutes ſchon während des Lebens nur bei Ty⸗ phus als ein häufiges, bei Zuckungen *) als ein nicht fel- tenes Vorkommniß ausgemittelt. Die urfächliche Beziehung dieſes Miſchungsverhältniſſes in beiden genannten Vorgängen zur Nichtgerinnung des Leichenblutes wird noch wahrfchein- licher durch die im Gegenſatze Statt findende Seltenheit völligen Flüſſigbleibens des Herzblutes nach ſolchen Krank— heiten, denen (wie z. B. bildſamen Ausſchwitzungen) Faſer⸗ ſtoffreichthum vorzugsweiſe zukömmt. 2) Die geringe Menge des Herzblutes erklärt ſich in mehreren der obigen Fälle aus der Art des tödtlichen Ein⸗ fluſſes oder Vorganges; — ſo bei Schußwunden in den Kopf oder Blutſturz durch den großen Verluſt, bei Typhus durch den bedeutenden Verbrauch von Blut. Ob die auch bei anderen Fällen ſo große Häufigkeit geringer Menge des Herzblutes in naher Beziehung zu deſſen Flüſſigbleiben ſtehe, iſt eine Frage, die wir nicht zu löſen vermögen. 3) Bei Erwägung der auffallend großen Häufigkeit von Nichtgerinnen des Herzblutes bei ſolchen, welche während des Vorganges der Verdauung plötzlich geſtorben ſind (F. 244), ließe ſich etwa folgendes bemerken: a. Wie flüſſiger Zuſtand des Blutes im lebenden Kör— per, ſo iſt Blutgerinnung außerhalb des lebenden Körpers und in der Leiche das gewöhnliche und als Regel anzuneh— mende Verhalten (wiewohl ſich die Gerinnung des Leichen— blutes von jener des Aderlaßblutes durch Ungleichartigkeit und Unvolftändigfeit unterſcheidet). Aber dieſe der Gebühr entſprechende Gerinnungsfähigkeit des Leichenblutes wird noch geſteigert durch gewiſſe krankhafte Vorgänge, beſonders in— ſofern dieſelben (etwa mit Ausnahme des Typhus) bedeu— tende und verbreitete krankhafte Ablagerungen bedingen. Folg— lich iſt in Fällen, wo dergleichen krankhafte Vorgänge nicht vorkommen, wie z. B. bei der Mehrzahl unſerer Fälle plötz⸗ lichen Todes, während der Verdauung die Gerinnungs⸗ fähigkeit des Blutes wenigſtens eine verhältnißmäßig gerin⸗ gere. Es iſt klar, daß auf dieſe Weiſe dem Vorgange der Verdauung durchaus noch kein Einfluß auf das Flüſſigblei⸗ ben des Leichenblutes zuerkannt iſt; vielmehr ſoll dadurch nur geſagt ſein, daß in dergleichen Fällen keine Umſtände vorzukommen pflegen, welche die gewöhnliche Gerinnungs— ) Bekanntlich wird Nichtgerinnung des Blutes bei zu Tode gehetzten Thieren häufig beobachtet. Wenn die Urſache hiervon in ungewöhnlich großem Faſerſtoffverbrauche in Folge der gewaltſamen und lange fortgeſetzten Muskel⸗ anſtrengung geſucht werden darf, ſo läßt ſich vielleicht auch bel den Zuckungen eine ähnliche Wirkung annehmen. 335 fähigkeit des Blutes über die Gebühr ſteigern (ſiehe auch $$. 70 und 77). b. Weiter unten werden wir finden, daß Flüſſigblei— ben des Herzblutes nach bedeutendem Hirnleiden verſchiedener Art ganz beſonders häufig vorkömmt. Nun iſt bekanntlich während der Verdauung die Hirnthätigkeit — wenigſtens nach der geiſtigen Richtung hin — bedeutend gemindert. Wie gewagt es auch erſcheinen möge, ſo iſt auf einem ſo dunk— len Gebiete doch wohl die Muthmaßung geſtattet, daß waͤh— rend der Verdauung das Hirnleben vielleicht auch in jener Richtung eine Herabſtimmung *) erfahren könne, in welcher es zur Gerinnungsfähigkeit des Blutes etwa in Beziehung ſtehen mag. 4) Außere Einflüſſe. Zerſtörung des Gehirns **), völlige Abhaltung athembarer Luft und vielleicht auch (bei manchen Fällen von Erdroſſelung) raſche Unterbrechung der Wechſelwirkung zwiſchen Hirn und Herz ſtimmen ſowohl rückſichtlich der Ortlichkeit als Raſchheit ihrer Einwirkung mit nicht wenigen der ſogleich zu erwähnenden krankhaften Veränderungen großentheils überein. 5) Ortlichkeit der hauptſächlichen krankhaften Verände— rung oder Ausgangsſtelle der vorherrſchenden Verrichtungs— ſtörungen während des letzten Lebenszeitraumes. Hier ſteht Hirnleiden obenan, ſo Druck auf das verlängerte Mark (Blut— ergüſſe im Kleinhirn) oder auf die Geſammtmaſſe des Ge— hirns (Hirnhautblutergüſſe), ſo Ergriffenſein des Gehirns bei Zuckungen und Typhus. Dann gehört auch wohl Über— größe und Schwellung der Bruſtdrüſe und die hierdurch be— dingte Unterbrechung der Nervenleitung hierher. Ungleich ſeltener iſt Flüſſigbleiben des Leichenblutes, wo das Haupt— leiden in dem Kreislauf — und noch mehr, wo es in den Athmungswerkzeugen ſeinen Sitz hat. 6) Raſchheit der Einwirkung, Entſtehung oder Fort— entwicklung der den Tod zunächſt bedingenden äußeren Ein— flüſſe, krankhaften Veränderungen und Ablagerungen. Un— zweifelhaft gehören hierher der Tod nach äußerer Gewalt, nach friſchen Blutergüſſen innerhalb der Schadelhöhle, nach Zuckungen und nach Schwellung der Bruſtdrüſe (eben jo der Tod durch elektriſchen Schlag, welchem der allgemeinen Annahme zufolge gleichfalls Fluͤſſigbleiben des Herzblutes zukömmt). — Für die Wichtigkeit dieſer Beziehung ſpricht noch der Umſtand, daß bei gewiſſen krankhaften Veränderun— gen, z. B. Kreislaufsſtörungen, Nichtgerinnung des Herz— *) Wir erinnern hier an den Umſtand, daß Magenerweichung, welche nach Rokitanſty (ſiehe auch $. 389) vorzüglich haufig mit Hirnleiden gleich⸗ zie annita wird, von anderen, namentlich Elſäſſer (I. auch $. 246) als die alleinige Wirkung des Vorganges der Verdauung erklärt wird. Be ah Naſſe bevingt auch plötzliche und vollkommene Zerſtörung des Rückenmarkes Flüſſigbleiben des Herzblutes. Hand (the) Phrenologically considered. Being a Glimpse at the Relation 0 eee the Organisation of the Body. Post 8°. (pp. 84 cloth.) 485. 1 175. VIII. 21. 336 blutes nur nach plötzlicher, oder raſcher Todesart von uns geſehen worden iſt. Siehe auch §. 193-195. Da bei Zuſammenfaſſung des bisher geſagten ſich er— giebt, daß das Fluͤſſigbleiben des Leichenblutes vorzugsweiſe häufig zuſammenfällt mit raſch eintretender (ob auch ſehr verſchiedenartiger) Störung oder Aufhebung des Hirnlebens, ſo darf hieraus wohl gefolgert werden, daß das gehörige Verhalten des Hirnlebens in Beziehung ſteht zur Gerin— nungsfähigkeit des Blutes überhaupt. Sowohl die Verſchiedenartigkeit der dem Flüſſigbleiben des Leichenblutes vorangehenden äußeren Einflüſſe und der ihm gleichzeitigen krankhaften Veränderungen als auch die ziemliche Häufigkeit der Nichtgerinnung nach anderweitigen Todesarten beſeitigen die Vermuthung, daß Verluſt der Ge— rinnungsfähigkeit des Blutes den urſächlichen Bedingungen plötzlichen Todes beizuzählen ſei. Mifcellen (35) Kauftifhes Ammoniak als Mittel gegen Ver⸗ brennungen. Von Guerard. — Auf zahlreiche Erfahrungen geſtützt, glaubt der Verf. die concentrirte Löſung von Atzammoniak gegen Verbrennung des erſten und zweiten Grades empfehlen zu dürfen. Er läßt das verbrannte Glied in die Flüſſigkeit tauchen, oder belegt die verbrannte Stelle mit in die Löſung getauchter und öfters damit angefeuchteter Scharpie und deckt zur Verhütung des Ausrauchens trockene Linnenflecke darüber. Alſogleich nach der Auwendung dieſes Mittels hört der Schmerz auf, und die Schmerzr loſigkeit dauert um fo länger an, je concentrirter die Flüſſigfeit war. Um eine dauernde Wirkung hervorzubringen, muß der Atz— ammoniak wenigſtens durch eine Stunde angewendet werden; bei ausgedehuten Verbrennungen noch länger, worauf man die ver— brannte Stelle ganz offen ohne Verband laſſen kann. Etwa wie⸗ derkehrende Schmerzen und Hitze ſind durch Wiederholung des Ver⸗ fahrens zu bekämpfen. Es entwickeln ſich in Folge dieſer Behand⸗ lung keine Blaſen auf der verbrannten Stelle; die Oberhaut trock⸗ net ein und löſ't ſich endlich ſtückweiſe los. (Nach Repertoire pharmacien, 1848. Oſtr. Wochenſchrift 44.) (36) Verſuche über Regeneration der Hornhaut ſind nach den holländ. Beitr. z. d. anatom. u. phyſ. Wiſſenſchaften von Dr. Donders angeſtellt worden. Aus denſelben ergiebt ſich, daß, wenn die Hornhaut von Kaninchen Y— 4 dick abgeſchält wurde, gar keine Entzündung erfolgte und ſelbſt in der Hornhaut keine Ver— änderung vor ſich ging, indem ſich ſchon nach einigen Tagen ein neues epithelium bildete, unter welchem die Hornhaut ſofort ſich regenerirte und allmälig zu ihrem früheren Zuſtande zurückkehrte. — Dieſe höchſt auffallenden Ergebniſſe find ſehr beachtenswerth, — ein fruchtbares Thema für eine recht ſchöne Doctordiſſertation, — da ſich, zumal jetzt, wo das Chloroform ſolche künſtelnde Opera- tionen an der Hornhaut möglich macht, die ſchönſten praktiſchen Erfolge daraus weiter ableiten laſſen werden. 5 895 6555 Physiologie. Essai sur le mecanisme des sensations, des idées et des senti- ments; par Ch. Girun de Buzareingues et le docteur Louis Girun de Bu- zareingues. In 8° de 6 feuilles !/,. Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 176. (Nr. 22. des VIII. Bandes.) Januar 1849. Naturkunde. de Quatrefages, über die künſtliche Befruchtung der Fiſcheier. — Über den Metallreichthum der malaliſchen Halbinſel. — Lexe⸗ boullet, Beobachtungen über das Herz und die Circulation der Limnadien und Daphnien. — Frémont, Notizen über Obercalifornien. — Miſcellen. Siljeftröm, über das Nordlicht in Norwegen. Rogers, neue Prüfungsaxt des Graphites. — Heilkunde. andere e Veränderungen der Darmfollikel beim Scharlach. — Grötzner, Zerreißung des colon in Folge mechaniſcher Verſtopfung. — Göppert, Blaufäure altige Liqueure in Ber zug auf ihre Gefährlichkeit. — Miſcelle. Biejenthal, zur Behandlung des Group. — Bibliographie. Naturkunde. XLV. über die künſtliche Befruchtung der Fiſcheier. Von A. de Quatrefages. Der Verf. erinnert im Eingange dieſer, in No. 775 des Institut von 1848 mitgetheilten Abhandlung an die große Fruchtbarkeit der Fiſche. Ein Barſch mittlerer Größe ſoll 69,216 Eier enthalten, ein 10 Kilogramm ſchwerer Hecht deren 166,400, ein etwas über 1 Kilogramm ſchwerer Karpfen 167,400 Eier beſeſſen, ein anderer, 4½ Kilogramm ſchwerer Karpfen dagegen 621,600 Eier enthalten haben. Beim Stör giebt Rouſſeau die Zahl der Eier auf 7,635,200 an, auch Leuwenhoeck zählte bei einer einzigen Muräne 9,344,000 Eier. Trotz dieſer ungeheuren Zahl kommen verhältnigmäßig nur wenig Eier zur Entwicklung; dies liegt, wie der Verf. glaubt, zunächſt darin, daß bei den meiſten Fiſchen keine eigentliche Begattung Statt findet. Zur Zeit des Laichens ſuchen zwar allerdings, ſowohl Männchen als Weibchen, die zur Entwickelung der Eier günſtigen Orte, aber die Be— fruchtung der Eier ſelbſt iſt dennoch gänzlich dem Zufalle überlaſſen; eine Unzahl von Eiern bleibt unbefruchtet, außer— dem wird der Rogen häufig den Raubfiſchen zur Beute, ja nicht ſelten von den eigenen Eltern gefreſſen; endlich gehen die Eier vielfach am Ufer der Flüſſe und Seen, wenn ſich der Stand des Waſſers verändert, zu Grunde. Bei einer künſtlichen Befruchtung, die überdies leicht ausführbar iſt, werden alle dieſe Hinderniſſe beſeitigt wer— den. Man bringt zu dem Ende die reifen Rogen einiger Weibchen in ein geräumiges Gefäß, fügt ſoviel Waſſer hin— zu, daß die Eier nach fleißigem Umrühren frei ſchwimmen und giebt jetzt, bei fortgeſetztem Rühren, die reife Samen— flüſſigkeit eines Männchens hinzu. Schon nach wenigen Augenblicken ift die Befruchtung an ſämmtlichen Eiern vol: No. 2156. — 1056. — 176. zogen. Um ſich zu überzeugen, ob die zum Verſuch zu be— nutzenden Fiſche brünſtig ſind, braucht man den Unterleib nur leiſe von vorn nach hinten zu ſtreichen, wo, wenn dies der Fall iſt, die Producte der Geſchlechtsorgane leicht ab— fließen werden. Die nunmehr befruchteten Eier müſſen fo= dann an einen ihrer Entwicklung günſtigen Ort, deſſen Be— dingungen nach der Art der Fiſche verſchieden ſind, gebracht werden. Die in ſtehenden Waſſern lebenden Fiſche bedürfen keiner großen Fürforge, für fie genügt ein Ort, deſſen Grund mit Wafferpflanzen bewachſen, deſſen Waſſer ruhig und nicht tief iſt; man ſchützt ſie durch Gitterwerke vor dem Angriffe ihrer Feinde. Die im fließenden Waſſer lebenden Fiſche ſind etwas ſchwieriger zu erziehen; man bewahrt die Salmeneier am beſten, nach dem Beiſpiel des Grafen Gol— ſtein, in einem etwa 4 Meter langen und 30 bis 35 Centimeter breiten Kaſten mit beweglichem Deckel; an beiden Enden des Kaſtens muß eine 16 bis 17 Centimeter im Quadrat haltende, mit einem engen Drathgitter verſchloſ⸗ ſene Offnung befindlich ſein. Auf den Boden dieſes Kaſtens bringt man eine Lage reinen Kieſelſandes, ſenkt ihn alsdann ſo tief in einen Bach, daß deſſen Waſſer etwa einen Zoll hoch langſam über den Sand wegfließt. Nunmehr bringt man die befruchteten Eier hinein, verſchließt den Kaſten und ſieht von Zeit zu Zeit nach ſeiner Brut, indem man mit einem Federbart leiſe die Eier umrührt, um den ihnen an— hängenden, ihre Entwicklung ſtörenden Schleim zu entfernen. Nach 30 bis 40 Tagen, je nachdem die Temperatur geringer oder höher iſt, kommen die jungen Salme aus ihren Eiern; ſie leben noch eine Zeit lang im Brutkaſten und werden erſt ſpäter in einem benachbarten Bache, der in einen Fiſch⸗ teich oder Weiher mündet, geſetzt. Graf Golſtein erhielt von einem einzigen Verſuche 430 Salme, mit denen er mehrere Fiſchteiche bevölkerte. Dasſelbe Verfahren wird, wie der 22 339 Verf. glaubt, auch für die übrigen Flußfiſche anwend— bar ſein. Der Verf. glaubt, daß dieſe Art der Fiſchzucht in Frankreich zu einem ganz neuen Gewerbszweige werden könne; die kleinen Salme befinden ſich bis zum zweiten und dritten Jahre im ſüßen Waſſer ſehr wohl; in dieſem Alter, wo ſie 35 bis 40 Centimeter meſſen, ſind ſie wegen ihres zarten Fleiſches gerade am meiſten geſchätzt. In Schottland, wo man nun ſehr wohl die Vortheile dieſer Salmenzucht kennt, hat man zum Theil koſtbare Anlagen gemacht, fließende Bäche mit größeren Flüſſen in Verbindung gelegt, Waſſerfälle und Schleußen gebaut, um die laichenden Salme in Bäche zu führen, wohin ſie früher nicht kommen konnten, um in dieſen Bächen die junge Brut zum Verkauf zu erziehen. Durch künſtliche Befruchtung würde man alle dieſe Koſten ſparen und auch in Gegenden, die von dem natürlichen Aufenthalte der Salme weit entfernt ſind, mit Vortheil dieſe Fiſche ziehen können. Zum Gelingen der Befruchtung bedarf es nicht ein Mal lebender Fiſche: Golſtein befruchtete die Eier einer ſchon vor 4 Tagen getödteten Forelle mit beſtem Erfolge; der männliche Same wird, wie der Verf. glaubt, eben fo lange ſeine befruchtende Kraft bewahren; bei wirbelloſen Thieren hatte er häufig Gelegenheit, ſich von dieſem Factum zu über— zeugen. Die kleinen, den Eiern entſchlüpften Fiſche nähren ſich längere Zeit auf Koften der in ihrem Eingeweide ent— haltenen Dottermaſſe; die jungen Salme ſcheinen bis zum Alter von 4 bis 6 Wochen keiner Nahrung zu bedürfen. Man hat bisher, obſchon alle Verſuche günſtig aus— gefallen ſind, erſt wenig verſucht, fremde Fiſche in Europa einheimiſch zu machen; durch künſtliche Befruchtung könnte man, wie der Verf. glaubt, unſere Flüſſe, Bäche und Seen mit köſtlichen Fiſchen fremder Länder bevölkern. Der in China einheimiſche Gourami ward zuerſt auf Ile de France und ſpäter in Cayenne gezogen; unſere Rothfiſche (Cyprinus auratus) ſtammen ebenfalls aus China; der durch ganz Europa verbreitete Karpfen iſt wahrſcheinlich in Perſien zu Hauſe. Vom ſüdlichen Deutſchland kam er um die Zeit des Mittelalters nach Preußen und erſt im 16. Jahrhundert nach England und Dänemark, noch ſpäter nach Schweden und Rußland, wo er gar nicht ſeine volle Größe erreicht, im Übrigen den Winter ſehr wohl verträgt. Da man aus Erfahrung weiß, daß ein abgelaſſener und ſeiner großen Fiſche beraubter Fiſchteich mindeſtens 3 Jahre gebraucht, um ſich von neuem zu bevölkern, ſo ſchlägt der Verfaſſer die Anlage eines Fiſchteiches vor, der in 4 Abtheilungen zu theilen wäre. Die erſte Abtheilung ſoll nach ihm für ganz junge durch künſtliche Befruchtung gezogene Fiſche beſtimmt ſein, die zweite einjährige, die dritte zweijährige und die letzte dreijährige Fiſche enthalten. Wenn man die letztere Abtheilung abgelaſſen und ihre Fiſche geſammelt hat, öffnet man die folgende Abtheilung und treibt ihre Fiſche in die ſoeben entleerte, wo ſie bis zum nächſten Jahre verweilen; die Fiſche der zweiten Abtheilung kommen darauf in die dritte, die Fiſche der erſten in die zweite; worauf die erſte zur paſſenden Zeit durch neue Brut 176, WII 22. 340 bevölkert wird. Zur Seite angebrachte Behälter könnten dazu dienen, Fiſche von jedem Alter zu ziehen. Der Verf. glaubt, daß man auf dieſe Weiſe mit großem Vortheil Fiſchzucht treiben müſſe. XLVI. über den Metallreichthum der malayiſchen Halbinſel. Das Journal of the Indian Archipelago and Eastern Asia giebt in No. 2 des zweiten Bandes folgende Mittheilung. Die Formation der Halbinſel, wo plutoniſche Maſſen mit neptuniſchen Geſteinen verbunden vorkommen, ließ ſchon im voraus einen großen Metallreichthum erwarten, und wirk— lich iſt das Land mit Erzen aller Art im größten Über— fluß verſehen. Die Eiſenerze ſind überall verbreitet, namentlich aber in den ſüdlichen Gegenden angehäuft: hier trifft man Orte, deren Boden förmlich mit Eiſen geſättigt iſt. Die nackte, mit ſchwarzem Schlacken-Sande und Blöcken überſäete Ober— fläche ſolcher Gegenden, die mit ihrer von üppiger Vegetation ſtrotzenden Umgebung gewaltig contraſtiren, ſcheint don einem unterirdiſchen Feuer verheert zu ſein. Viele der minder reichen Eiſenerze ſind ſo gemein und ſo wenig im Werthe, daß man zu Singapore ein etwa 60 pCt. Eiſen enthaltendes Erz zum Straßenbaue verwendet. Die Übereinſtimmung, ja, man darf wohl ſagen, völlige gleiche geologiſche Beſchaffenheit der ganzen Halbinſel läßt eine allgemeine Verbreitung des Zinnerzes über die ganze Halbinſel, auch da, wo man bis jetzt noch nicht auf Zinn gegraben, mit Sicherheit vorausſetzen. An beiden Enden der Halbinſel zu Junk-Ceylon und Banka iſt Zinnſand in ſolcher Menge verbreitet, daß es nicht an Erz, wohl aber an Leuten zu ſeiner Gewinnung fehlt. Zu Junk- Ceylon und Phunga, die noch im Beſitze der Eingebornen ſind, werden jährlich etwa 13,000 Piculs (1 Piecul entſpricht 133% Pfd. engl.) Zinnſand ausgegraben. In Banka, wo eine europäiſche Regierung herrſcht, ward, obſchon keine Verbeſſerungen im Verfahren des Berg- und Hüttenbaues eingeführt wurden und man den in China üblichen Bau fortſetzte, die jährliche Production, die 1812, als Banka in die Hände der Engländer kam, 25,000 Piculs betrug, auf 60,000 Piculs geſteigert. Viele im Innern der Halbinſel gelegene Gegenden führen gleichfalls Zinn und dennoch muß man ſich dieſes Reichthums ungeachtet, über die Menge des an den Markt gelangenden Zinnes wundern, da die deſpotiſche, habſüchtige und oftmals graufame Regierung der Eingebornen alle Ver- ſuche mit europäiſchem oder chineſiſchem Capital den Zinn— bau zu betreiben, vereitelt, und die wenigen Anſiedelungen armer Chineſen, die jetzt den ganzen Betrieb in Händen haben, von Zeit zu Zeit durch räuberiſche Anfälle der Ein— gebornen zerſtört werden. In den zu Siam gehörenden Ländern, nördlich von Kedah und in Kedah, das lange im Zuſtande völliger Anarchie lebte, ſelbſt iſt nur wenig Zinn 341 gegraben worden. Von Perak wurden früher jährlich 9000 Piculs ausgeführt; dieſe Production hat ſich, wegen der jämmerlichen Verwaltung des Landes, gegenwärtig bedeutend vermindert. Selagor liefert jährlich 9000 Piculs, die öſt— lichen Gegenden von Kalantan bis Pahang 11,000 Piculs Zinn. Die Gefammtproduetion der ganzen Halbinſel, mit Einſchluß der Inſel Sinkep und Linga, der beiden einzigen im Johore-Archipel, wo man bis jetzt noch Zinn gejucht hat, beträgt alljährlich etwa 40,000 Piculs; fügt man zu dieſer Menge die Ausbeute von Banka hinzu, ſo erhält man einen jährlichen Ertrag son etwa 100,000 Pieuls, ein Er— trag, der dem von Cornwall (6000 Tons) gleichkommt, ja ihn faſt überſteigt und ſich wahrſcheinlich künftig bedeutend vermehren wird. Die ganze Halbinſel ſcheint, da überall auf ihr, wo man bis jetzt nach Zinn ſuchte, dasſelbe gefunden ward, ein großes, ja vielleicht das größte Zinnlager der Erde zu ſein. Johore, deſſen geologiſche Verhältniſſe denen von Banka entſprechen, ſcheint eine Ausnahme zu machen, nun hat man aber auch dort hier und da Zinnoryd, ja in Malacca beträcht— liche Mengen desſelben gefunden; die ſchwache Bevölkerung und ſchlechte Verwaltung des Landes ſcheint demnach die einzige Urſache zu ſein, weshalb hier nicht auf Zinn gebaut wird. Die letzten Jahre haben dieſe Vermuthung außer Zweifel ge— ſetzt; im Jahre 1845 produeirte Malacca nur etwa 450 Piculs Zinn, ein Jahr ſpäter ſtieg dieſe Production, von einigen chineſiſchen Capitaliſten in Angriff genommen, auf 1400 Piculs, die meiſtens aus 39 in einem einzigen Thale gelegenen Gruben gewonnen wurden; 1847 betrug der Er- trag zwiſchen 4000 und 5000 Piculs, in dieſem Jahre wird er wahrſcheinlich bis auf 7000 Piculs ſteigen. Die Revenüen dieſes Zinnbaues betrugen in Malacca für die beiden letzten Jahre 1020 und 3344 L. St. Es iſt unbegreiflich, wie der Metallreichthum der Inſel Singapore, wo die Verbindungslinie der plutoniſchen und neptuniſchen Geſteine eine Ausdehnung von 20 Meilen er— reicht, und in früheren Zeiten an zwei verſchiedenen Orten Zinn gegraben ward, auch dasſelbe Eiſenerz, welches in Banka den Zinnſtein begleitet, ſowohl das plutoniſche als geſchichtete Geſtein in Menge durchſetzt, ſo ganz überſehen werden konnte und nicht ſchon früher reiche Speculanten dort Minen errichteten. N Sowohl auf der malayiſchen Halbinſel als auf Banka findet ſich das Zinn im Alluvium; es kommt dort meiſtens mit Quarzſtückchen vermengt, in Form eines feinern oder groben Sandes vor; in Banka findet man es auch von Eiſen— erz begleitet in Granit eingeſprengt. Ein holländiſcher Schrift: ſteller beſchreibt dort aus Granit beſtehende Berge, deren Centrum größtentheils aus Sandſtein und Quarz mit Adern von Eiſenerzen gebildet wird. In den rein granitiſchen Bergen ſcheint das Zinnerz da vorzukommen, wo der Granit von einer eiſenerzführenden Sandſteinſchicht bedeckt wird: dies gilt namentlich für die Landenge von Kra. In Cornwall findet ſich das Zinn im Granit. Das beſte Zinnerz von Banka enthielt über 80 Proc. Metall, die gewöhnlichen Sorten 40 bis 60 Proc. Die 176. VIII. 22. 342 Erze der Halbinſel ſind weniger genau erforſcht, ihr höchſter Zinngehalt ſcheint 70 Proc. zu betragen. Die Ausbeute an Gold iſt für die malayiſche Halb— inſel nicht ſo bedeutend, wie der Ertrag auf Sumatra und Borneo: ob hieran nur der ſchlechtere Betrieb des Goldbaues oder ein ſpärlicheres Vorkommen dieſes edeln Metalls ſchuld iſt, möchte ſchwer zu entſcheiden ſein; der jährliche Betrag iſt etwa 20,000 Unzen. Das Gold iſt überall in kleine Blättchen und Adern im Quarz zerſtreut; man hat es, gleich dem Zinnerze, bis jetzt nur in verwittertem Geſtein ge— funden. XLVII. Beobachtungen über das Herz und die Circulation der Limnadien und Daphnien. Von Lereboullet. Das Herz der Limnadien iſt ein langes am vorderen Dritttheile um ſich ſelbſt gebogenes, an ſeinem Ende ver— engertes Gefäß, deſſen vorderer Theil ſehr weit, deſſen Hintertheil dagegen ſpindelförmig iſt. Dieſes Herz beſitzt an ſeiner Rückenſeite 5 Offnungen, die als Querſpalten auf— treten und mit klappenförmigen, ins Innere der Röhre hineinragenden Falten verſehen ſind. Die 3 hinteren Off⸗ nungen liegen gleich weit von einander, die beiden vor— deren ſind weiter von einander entfernt. Am Grunde jeder dieſer kleinen Queröffnungen liegt ein ſehr dünnes Faſerbündel, das einerſeits am Rande der Offnung, andrer— ſeits nahe der Schale befeſtigt iſt. Dieſe Faſerbündel, die bei den Inſecten als Herzflügel, beſchrieben ſind, ſcheinen dem Verf. zur Erweiterung der Offnungen zu dienen. Die Durchſichtigkeit des Körpers ließ die Blutkügelchen durch— ſcheinen; ſie ſind kugelig, von unregelmäßiger Geſtalt und Größe, eckig oder buckelig, durchſcheinend; ſie meſſen im Durchſchnitt 0,002 bis 0,003 Millimeter. Die Circulation geht innerhalb der Schalbedeckung vor ſich; um ſie zu ſehen, braucht man nur den Theil der Schale, der über den Körper und die Patten hinausragt, von unten beleuchtet, aufmerkſam zu betrachten, und man wird in dem Höhlenſyſteme der Schale alsbald das Weitergehen der Blutkörperchen beobachten. Der Verlauf des Blutes erfolgt nicht in gerader Linie, er ſchlängelt ſich vielmehr zickzack— artig hin und her. Die Schale ſcheint demnach aus 2 Blättern, die in ſehr vielen Punkten mit einander verbunden ſind, und zwiſchen denen ſich die Lacunen befinden, zu be⸗ ſtehen, gerade fo wie es bei den Bronchial-Lamellen vieler Cruſtaceen der Fall if. Die Blutkügelchen ſteigen im unteren Körpertheile am freien Rande der Schale hinab und theilen ſich bald darauf nach zwei Richtungen: ein Strom geht zum vorderen, der andere zum hinteren Ende des Her⸗ zens. Am Rückentheil der Schale bemerkt man 2 gegen einander gerichtete Hauptſtröme; bis zur mittleren Herzöff— nung gelangt, gehen die Ströme plötzlich nach abwärts und ergießen ſich, zuvor vereinigt, ins Herz. Die Circulation in den Bronchial-Patten konnte der Verfaſſer nicht Deut- 22 343 lich genug wahrnehmen, ihm ſchienen 2 ſich entgegenlaufende Ströme vorhanden zu ſein. Der Herzſchlag iſt nach dem Individuum ſchneller oder langſamer, im Mittel erfolgt er 130 bis 150 Mal in der Minute, bisweilen jedoch 170 Mal; während der Herz— erweiterungen treten die Faltenklappen der Offnungen aus einander, bei der Serzeontraction ſchließen fie ſich. In dieſer Lacunencirculation im Inneren der Schale liegt ein ganz entſchiedener Unterſchied zwiſchen der Schale der Lim— nadie und der Schale der ebenfalls zweiſchaligen Muſcheln. Auch die Daphnien beſitzen innerhalb der Wandungen ihrer Schale eine Lacuneneireulation. Bei Daphnia longispina ſieht man die Blutkörperchen bis in die dornförmige Ver— längerung der Schale verlaufen und wieder zurückgehen. Das Herz iſt nur kurz, aufgeblaſen und ellipſoidiſch; es beſitzt an ſeiner Rückenſeite nur eine einzige, in der Mitte gelegene, Offnung, die übrigens ganz ſo iſt, wie ſie vorhin bei der Limnadia beſchrieben wurde. Das Herz ſchlägt mehr als 200 Mal in der Minute. Am Rücken ſind zwei ent— gegengeſetzte Ströme vorhanden, die beim Herzen zuſam— menfließen. Der Verf. ſah die Blutkügelchen häufig, ins— beſondere wenn die Circulation langſamer wird, durch die Klappenſpalte ins Herz gelangen. Ihr Verlauf war ſtoß— weiſe, in einer kleinen Entfernung von der Offnung ſtockte er für einen Augenblick, worauf die Kugeln langſam ins Herz hinabglitten; kaum hatten ſie indes die Höhle des letzteren erreicht, ſo wurden ſie gewaltſam weiter geſchleudert und verſchwanden den Blicken. Ahnliche Klappenſpalten ſcheinen am Herzen der nie— deren Cruſtaceen ganz allgemein vorzukommen; der Verf. beobachtete fie bei noch im Ei befindlichen Cloporten, ebenfo bei jungen, noch durchſichtigen Exemplaren dieſer Thier— gattung. Im ziemlich weit vorgerückten Embryozuſtande liegt das Herz bei dieſen Thieren als durchſichtiges Gefäß in der Rückengegend; zur Seite dieſes Gefäßes zeigen ſich in beſtimmten Entfernungen Querſpalten von der Form eines Knopfloches, deren Lippen ſich bei jedem Herzſchlage öffnen und wieder ſchließen; der Verf. zählte 4 ſolcher Offnungen: die letzte derſelben lag in der Gegend des zweiten oder dritten Abdominalringes, die erſte derſelben entſprach dem vierten Thoraxringe. Die Blutkügelchen ſtrömten vom Hintertheile des Körpers durch die letzte Herz— öffnung zum Herzen; die Schläge des letzteren erfolgten 120 bis 140 Mal in der Minute. Bei den jungen Clo— porten kann man, ehe ſich die Schale mit Pigment anfüllt, die hintere Klappenöffnung ſehr wohl unterſcheiden; die übrigen ſind wegen des Darminhalts nicht ſichtbar zu machen. Schließlich erinnert der Verf. noch an die Analogie dieſer Klappenſpalten mit den von Verlozen am Herzen der Inſecten nachgewieſenen Offnungen. An dieſen Aufſatz knüpft ſich paſſend eine in derſelben Nummer des Institut von unſerem Verf. niedergelegte Be— merkung über die Reſpiration einiger Gruftaceen vermittelſt des Afters. Bei kleinen, eben dem Ei entkrochenen Krebsthieren ſah der Verf. beide Afterklappen 176. VIII. 22. 344 rhythmiſche Bewegungen ausführen; er brachte die Thierchen in ein mit Carmin gefärbtes Waſſer und ſah mit Hülfe der Loupe, wie die Carmintheile ins Rectum eintraten, um, bis zu einem beſtimmten Orte gelangt, zurückgetrieben zu werden; in der Minute fanden 15 bis 17 Aſpirations— bewegungen Statt. Unter dem Mikroſkope beobachtete er in der Nähe des Darmes eine ſehr lebhafte Bewegung der Blutkörperchen. Ganz dasſelbe ſah der Verf. bei der Limnadie und ver— ſchiedenen Daphnia-Arten: bei der erſteren öffnet und ſchließt ſich der After 25, 30 bis 40 Mal in der Minute; dieſe Bewegungen wiederholen ſich in durchaus gleichen Zwiſchen— räumen; es treten nicht, wie es beim Auswerfen der Er: cremente der Fall iſt, Pauſen ein. Bei den Daphnien war dieſelbe Reſpirationsbewegung ebenſo ſichtbar; ſie erfolgte 40 Mal in der Minute. (L’Institut Nr. 773. 1849.) XLVIII. Notizen über Ober - Californien. Von J. C. Fremont. Dem an den Senat der vereinigten Staaten gerich— teten Berichte des Verf. über Californien entnimmt das Septemberheft des American Journal of science and arts von 1848 folgende Notizen. Die große, von Norden nach Süden, 100 bis 150 Meilen längs der Küſte durch Oregon und Californien ſtreichende Bergkette wird in Ober-Californien die Sierra Nevada genannt. Die Bergſpitzen ſind mit ewigem Schnee bedeckt. Sie theilt die Gegend in das Küſten- und das Binnenland; beide unterſcheiden ſich durch ihr Klima ſehr von einander. Das Küſtenland empfaͤngt die warmen, feuchten Winde des ſtillen Meeres und mit ihm für einen Theil des Jahres fruchtbaren Regen. Das Binnenland empfängt die kalte Luft ſeiner beeiſten Berge. Dieſe öſtlich von der Sierra gelegene Gegend wird das große Becken (Great Basin) ge= nannt; es iſt etwa 300 Meilen lang und ebenſo breit, liegt 4 bis 5000 Fuß über dem Meeresſpiegel; es iſt, von allen Seiten von Bergen eingeſchloſſen, reich an Seen und Flüſſen, die keinen Abfluß haben. Der größere Theil dieſer Gegend iſt wüſte, nur wenige Stellen ſind bebaut. Das Land iſt bergig, mit zwiſchen gelegenen Ebenen; die Berge ſind bewaldet und bewäſſert, an ihrem Fuße und auf ihren niedrigen Höhen mit Gras bedeckt; die Ebenen ſind trocken und unfruchtbar; das Gebirge des Innern ſtreicht, mit den Hauptzügen der Rocky Mountains und der Sierra Nevada parallel, von Norden nach Süden; die Berge werden 2000 bis 5000 Fuß hoch, ihre Gipfel ſind den größten Theil des Jahres mit Schnee bedeckt. Der große, etwa 70 Meilen lange Salzſee (Great Salt Lake) und der etwa 35 Meilen lange Utah liegen in dieſem Becken. Der letztere See ent— hält ſüßes Waſſer, er liegt 100 Fuß über dem erſtern oder 4300 Fuß über dem Meere. Beide Seen bewäſſern eine Fläche von 10,000 bis 12,000 Quadratmeilen. Der Land— ſtrich zwiſchen den Seen iſt fruchtbar, ihn bewohnen die Mormons. Südlich von Utah liegt noch ein anderer 345 See, von dem man wenig mehr als durch Humboldts Karte von Mexico kennt. Die weſtliche Seite des großen Beckens enthält noch viele andere Seen, worunter der 35 Meilen lange, 4000 bis 5000 Fuß über dem Meere ge— legene Pyramiden-See. Unter den Flüſſen, die ſich ſeitlich entweder in einen See ergießen, oder ſich im Sande ver— lieren, iſt der Humboldt-Fluß der längſte. Dieſer Humboldt: Fluß, auch Mary's oder Ogden's-Fluß genannt, entſpringt weſtlich vom großen Salzſee, er fließt 50 Meilen weit in die Sierra Nevada. Der Fluß iſt ſtattlich, hat hie und da fruchtbare Uferſtriche, ſein Verlauf führt den Reiſenden am beſten durch das große Becken; er endigt in der Sierra dem Engpaſſe gegenüber, der in das Thal von Sacramento führt. Die Anſiedelungen der Mormons am großen Salzſee haben guten Fortgang; am erſten April hatten ſie 3000 Acres mit Weizen beſäet, 7 Säge- und Getraide-Mühlen und 700 Säufer von einem feſten Walle umgeben; das Ganze zeugte vom Wohlftande der Niederlaſſung. Das große, zwar meiſtentheils unfruchtbare Becken hat einzelne ſehr wohl des Anbaues fähige und würdige Gegenden. Weſtlich von der Sierra Nevada zwiſchen den Bergen und der See liegt eine 150 bis 200 Meilen weite Ebene, die vom 32. Breitengrade, wo ſie die Halbinſel Califor— nien berührt, bis zum 42. Grade über 100,000 Quadrat⸗ meilen umfaßt. Hier liegen die weiten Thäler von Sacra— mento und Joaquim, welche außer kleinern Flüſſen 2 Haupt— ſtröme in die Bai von San Franeiſeo ſenden. Der Boden iſt fruchtbar, das Klima mild. In der Winterzeit fällt 3 bis 4 Monate lang häufiger Regen, das Korn gedeiht als— dann vortrefflich; in der übrigen Zeit des Jahres regnet es 176. VIII. 22. 346 nicht, die ganze Gegend zeigt dann, mit Ausnahme ſchmaler Uferſtriche und einiger Thalgründe, kaum ein grünes Blatt. Der Boden bedarf nur einer Bewäſſerung, die an den meiſten Stellen leicht zu erzielen wäre. Mit der Regenzeit erwacht die ſcheinbar vernichtete Vegetation, mit der trocknen Jahres— zeit verſchwindet ſie wieder. Miſcellen. 42. Über das Nordlicht in Norwegen während der Winter 1847 und 1848. Nach Siljeſtröms Beobachtungen in Finnmark unter dem 70» der Breite laſſen ſich im Gange des Nordlichts zwei magnetiſche Perioden unterſcheiden, wo die magne— tiſchen Störungen in einem durchaus entgegengeſetzten Sinne Statt finden, wo ſich die entgegengeſetzten magnetiſchen Elemente fucceffiv vermehren und vermindern. Die gleichzeitigen Veränderungen die— ſer Elemente folgen nach ihm, mit einigen Ausnahmen, dieſem ein— fachen Geſetze; in dem Grade, wie ſich die Declination nach We— ſten vermindert, vermehrt ſich gleichzeitig die Inelination. Was nun die Lufterſcheinung ſelbſt betrifft, ſo gelang es ihm, nur ſo viel feſtzuſtellen, daß während der erſten Periode das Nordlicht im allgemeinen nur den nördlichen Theil des Himmels einnahm, wäh— rend es ſich in der zweiten Periode mehr nach Süden ausbreitete; es ſcheint demnach, daß die erwähnten magnetiſchen Veränderungen mit einem Übergange des Lichtes von Norden nach Süden in Ver— bindung ſtehen. (L'Institut, No. 778, 1848.) 43. Eine neue Prüfungsmethode ſowohl des natür⸗ lichen als künſtlichen Graphites ward von R. E. und W. B. Rogers aufgefunden. — Man bringt den Graphit in eine Miſchung von doppelt chlorſaurem Kali und Schwefelſäure, wodurch er ſchnell und vollftändig in Kohlenſäure verwandelt wird, und beſtimmt auf dieſe Weiſe den wirklichen Kohlenſtoffgehalt desſelben bequem und ſicher. (L'Institut, No. 779, 1848.) Heilkunde. (XXVIII.) Veränderungen der Darmfollikel beim Scharlach. Den 3. April 1846 hielt Herr Hoſpitalarzt Dr. Günsburg der ſchleſiſchen Gef. für vaterländiſche Cultur einen Vortrag über die Affection der Darmſchleimhaut im Scharlach. Nachdem er auf die exanthematiſchen Krankheiten in ihrer Beziehung zu den Schlauchapparaten und der Schleimhaut des Darmcanals hingewieſen, berührte er zuerſt geſchichtlich die Data früherer Epidemien und ging dann zu den Erfahrungen über, die er in der Scharlachepidemie 1844 bis 1845 gemacht, insbeſondere zu der Darſtellung derjeni— gen Veränderungen in der Darmſchleimhaut, welche er in etwa 30 Leichen beobachtet hat. Erſte Formveränderung. Schwellung der ſoli— tären Follikel und Peyerſchen Plaques, Röthung und Schwel— lung der Darmſchleimhaut; die Zotten, welche an den Stellen der ſolitären Follikel dicht gedrängt ſtehen, find von injicirten Blutgefäßen erfüllt. Die Peyerſchen Plaques zeigen unter einer dünnen Schicht von Cylinderepithel Zellkerne, denen der Exſudatzellen fibrinöſer Kraſen vergleichbar. Mitten im Cylinderepithel liegen zwiſchen den leeren, meiſt rankenförmig endenden Zotten traubenförmige Drüſen, deren einzelne einen ſenkrecht ſtehenden mit Körnern gefüllten Epithelialeylinder in der centralen Achſe enthalten. In der höchſten Entwicklung dieſer Form iſt die Schleimhaut gleichmäßig hoch- oder dunkel⸗ roth und geſchwellt. Die Zotten ſind in mehrfach über einander liegenden Schichten Cylinderepithels eingebettet. Die Neubildung iſt durch die integrirende Form, die Kernbildung geſichert; daß ſie mit einer Exſudation von Blutwaſſer erfolgt, beweiſ't das Vorkommen einzelner Faſerzellen in den Epithe— liallagen. Die Blutgefäße ſind am Grunde der Zotten mit geſchwellten Blutkügelchen erfüllt. Im Leben bekunden ſich dieſe pathologiſchen Vorgänge in folgender Art: 1) Zunge am Rande und an der Spitze hochroth, in der Mitte mit Schleim- belag. Am vorderen Dritttheile die Papillen als hanfkern— große, hochrothe, ſpitzige Wärzchen. Die Epidermis iſt von der Oberfläche der Papillen abgelöſ't. Dies Hervortreten 847 der Papillen bezeichnet auch in anderen, z. B. typhöſen For— men, die Schwellung der ſolitären Follikel und Peyerſchen Plaques, während Röthe der Ränder und der Spitze für Blut— überfüllung und Gefäßinjection der Schleimhaut ſpricht. 2) Weicher Gaumen (Segel und Zäpfchen), oberſter Theil des Rachens ſind angelaufen, von intenſiver Röthe. Die Blutgefäße find injieirt, die Epithelialſchichten durch Neu— erzeugung verdickt und geröthet, Functionsſtörung, Schling— beſchwerden. 3) Die Darmfunction iſt gehindert, Stuhlver— ſtopfung. Die Ereremente ſind feſt, gallicht. Sie zeigen un— verdaute Maſſen von Pflanzenſtoffen, Gallenpigment, kryſtalli— ſirte Blutſalze und rundliche Kügelchen, in Ather ſich aus— dehnend, in Eſſigſäure löslich. Sie ſind aus dem Blutwaſſer ausgeſchiedenes, übriges Bildungsmaterial. Epithelialzellen kommen zu der Zeit nicht im Stuhle vor. 4) Mehrtägige Stuhlverhaltung und. ſchmerzhafte Stuhlentleerung. Die mechaniſche Belaſtung der Darmmuskelſchicht durch Blutüber— füllung und krankhaftes Product hindert eben ſo die typiſche Innervation des Darmeanals wie der Rachenmuskeln. Zweite Form veränderung. Ablöſung des epithe— lialen Überzugs der Schleimhaut: gleichmäßige Röthung und Wulſtung derſelben, gleichſam wundes Ausſehen der inneren Darmoberfläche. Die Schleimhaut iſt im untern Theile des Krummdarms in große Falten gewulſtet, hellkarminroth, von ſammetartig erſcheinendem Glanze, an einzelnen Stellen von kleinen, dunkelſchwärzlichen, membranöſen Gerinnſeln bedeckt. Die Peyerſchen Plaques ſind leicht über die umgebende Schleimhaut erhaben, von netzartiger Oberfläche. Die mem— branöſen Gerinnſel beſtehen aus Convoluten zahlloſer Zellen des Cylinderepithels neuer Bildung, Blutkügelchen, faden— ziehendem Schleim und oktaedriſchen Kochſalzkryſtällchen. Die Schleimhaut iſt frei von der epithelialen Decke, die Zotten ragen wie ein Convolut dicht erfüllter Blutgefäße empor; nur hier und da hafteten noch Stücke ſich ablöſenden Epithels. Die Gefäße darin ſind ausgedehnt, blutreich, aber zeigen nur hier und da ausgebildete Blutkügelchen. Aus mechani— ſchen Gründen ſieht man die Verminderung feſter Stoffe im Blute. Bisweilen hafteten noch ganze Strata Cyhlinder— epithels an den Stoffen. Die ſubmucbſe Faſerſchicht war in einigen Fällen von geſchwänzten, länglich-ovalen und kug— lichen Erſudatzellen durchlagert; die ſolitären Follikel zeigten ebenfalls geſchwollene Zotten und an deren Grunde zahlreiche Erſudatzellen. — Zeichen der zweiten Form im Leben: 1) Zunge roth und trocken, bisweilen geſchwellt; ſtets ohne Schleimbelag; die Papillen ſind ſichtbar, verſchwinden beim Feuchtwerden, dem Zeichen des Abſtoßens des Darmepithels und größeren Erguſſes von Blutwaſſer. Bisweilen zeigt bei ſtürmiſcher Abſchuppung des Darmepithels die dürre, roth— braune Zunge umſchriebene linſengroße Schorfe. 2) Die Schwellung der Mandeln nimmt ab, die deckende Schleimhaut iſt tiefer roth, ſehr ſelten geht ſie in Vereiterung über. Die Schleimhaut des weichen Gaumens und des Rachens wird von ſchaumigem, weißlichem Seerete bedeckt, bei gleichbleiben— der Röthe. 3) Der Stuhl iſt dünnflüſſig, erſt dunkelbraun und fetter, ſpäter mit flockigen Maſſen, in ſehr acut ver— laufenden Fällen oft lichtgelb, gallertähnlich, (Evacuations 176. VIII. 22. 348 glaireuses der Franzoſen) von roſtfarbenem Ausſehen. Ent— leerung häufig, oft unwillkürlich. Epithelialzellen einzeln und in continuirlichen Platten, Reſte von Zotten, Blutkügelchen, welche den roſt- bis pflaumenbraunen Farbenton geben; Erd— phosphate und häufig Spulwürmer und Aſcariden. Mit Losſtoßung des Schleimhautepithels erfolgt Blutaustritt aus den bloß gelegten Gefäßen. Häufige und heftige Erregung der motoriſchen Darmnerven in Lähmung endend und Austritt der nicht mehr ernährbaren paraſitiſchen Thiere ſind die pathognomoniſchen Kennzeichen dieſer Periode. In den meiſten Fällen war die Loßſtoßung des Pflaſterepithels auf der äußeren Haut in umgekehrtem Verhältniß mit der inteſtinalen Abhäutung. Dritte Formveränderung. Vereiterung der Darm ſchleimhaut, Geſchwürbildung. Es iſt eine ſeltene Form. Die Schleimhaut des unterſten Dünndarmtheils iſt dunkel— purpurroth, gefaltet. Die Schleimhaut fehlt an bohnen— bis thalergroßen Stellen, der Saum des ſo gebildeten Ge— ſchwürgrundes wird von der hellroth injieirten submucosa gebildet; in zwei Fällen durchbrach das Geſchwür alle Darm—⸗ häute und endete mit enterobrosis. Wenn die submucosa den Geſchwürgrund bildet, iſt das unregelmäßige Netz elaſti— ſcher Faſern von dicht erfüllten Blutgefäßen durchzogen; am Geſchwürrande iſt eine dicht gedrängte Reihe bluterfüllter Zotten ohne epitheliale Umkleidung. Vielleicht ift die Geſchwür— bildung nur abnorme Form des zweiten Proceſſes, bedingt durch Veränderung in den noſogenetiſchen Grundbedingungen. Als Anomalien der erſten Form wurden Fälle von früher Rückbildung der Peyerſchen Plaques, von Beſchrän— kung des pathologiſchen Products in der Fläche, als Ano⸗ malien der zweiten Form ungewöhnliche Localiſation und früher Übergang in Atrophie der Schleimhaut aufgeführt. Die Darſtellung lehnte ſich durchgängig an das Detail der Thatſachen. Folgerungen über die Pathologie des Cylinder— epithels, in specie über die der Darmſchleimhaut im Schar— lach und die Ergebniſſe für die Praxis machten den Schluß. (Überficht der Arbeiten u. Veränderungen der ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Cultur im J. 1846. Breslau 1847. S. 199. ff.) (XXIX.) Zerreißung des colon in Folge mechani— ſcher Verſtopfung. Herr Dr. Grötzner beſchreibt in den Aeten der ſchle— ſiſchen Gef. für vaterl. Cultur 1847 S. 196. ff. einen ſeltenen Krankheitsfall mit ſteinichter Infareten-Bildung und ſpontaner Ruptur des intestinum colon bei einer zweiundſechzigjährigen Wittwe, die in ihrer zwanzigjährigen Ehe ſechs Kinder ge— boren hatte, früher ziemlich kräftig geweſen, dann ſchwäch— lich geworden war, und auch einen Schenkelbruch an der rechten Seite bekommen hatte, häufig an Stuhlverſtopfung, Flatulenz und Hämorrhoidalbeſchwerden litt. Schmerzen traten in der linken Nierengegend ein, die nach Abgang von Nierenſteinen verſchwanden. Im Jahre 1841 erlitt ſie ein rheumatiſches Fieber, das nach reichlichen Schweißen ge— hoben wurde. Aber Schmerzen in der Cardialgegend und im linken Leberlappen, öfteres Erbrechen nach leichten Getränken und Speiſen, Aufſtoßen, ſaurer Geſchmack, Speichelfluß, 349 denen dann ein ſehr ſtarker', heftiger, wäſſeriger, ſehr an— greifender Durchfall folgte, blieben noch längere Zeit zurück. Doch erholte ſie ſich im Laufe des Sommers vollkommen. Im Jahre 1843 wurde ſie durch den Verluſt ihrer beiden letzten Töchter körperlich und geiſtig ſehr berabgeſtimmt. Im Jahre 1844 gebrauchte fie mit Erfolg Maria Kreuzbrunn gegen Stuhlverſtopfung und Hämorrhoidalbeſchwerden mit Beklemmung, doch trat im Herbſte wieder Stuhlverſtopfung ein, wobei die Hämorrhoidalknoten immer ſtärker und ſchmerzhafter wurden und eine ſeirrhöſe Härte erlangten. Im December trat heftiger Stuhlgang ein mit vielem Blutabgang und fäculenten ſchleinigen Abſonderungen, ſo daß die Kranke kaum ihre Wohnung verlaſſen konnte. Im Februar 1845 ſuchte die Kranke gegen Stuhlverſtopfung und Übelkeit Dr. Grötzners Hülfe nach, der ſie bis zum 22. December pflegte, an dem ſie ſtarb. Während dieſer Zeit ſteigerten ſich allmälig alle Krankheitserſcheinungen, die Stuhlverſtopfung wurde hart— näckiger, es traten Schlafloſigkeit ein, verminderter Appetit, Fieberbewegungen und ſichtbare Abmagerung. Die hartge— ſchwollenen varices nahmen den ganzen Umfang des Maſt— darms ein. Auf der Oberfläche des großen und kleinen Leberlappens und an verſchiedenen anderen Stellen des Unter— leibs wurden durch die Bauchdecken Knoten von der Größe welſcher Nüſſe gefühlt, die von Dr. Grötzner und dem zugezogenen Herrn Geheimrath Benediet für Seirrhoſitäten erklärt wurden. Wurden Stühle erzielt, ſo waren ſie theils blutig, ſchleimig, braun oder grün, wenig fäculent, ent— hielten aber öfters harte Knoten, in denen ſandige Concre— mente, mehrere den Senf- und Mohnſamen und Pfefferkörnern ähnliche Körperchen, auch kryſtalliniſche Gebilde ſich befanden, die theils eckig, theils ſtachlicht waren, den Maſtdarm zum höchſten Schmerzgefühl reizten und oft in nicht geringer Menge wie Streuſand auf dem Bettuche gefunden wurden. Im Auguſt gebrauchte die Kranke während 3 Wochen ander— weitig ihr gerathene Pillen aus Gummi Ammoniacum, Gal- banum, Rheum, Extractum Taraxaci, Chelidonium und Lac- tuca virosa in ſtarken Doſen, und eine Mixtur von Kali tartaric., Extractum Lactuc. viros., Extractum Taraxae auch in größeren Doſen, und eine Salbe aus Unguent. Navum, Ol. Papaver. alb., Bals. peruv. und Extract. Opü, die in der Größe einer Erbſe in den Maſtdarm gebracht wurde. Es gingen jetzt täglich bald mehr knotenartige, bald mehr breiige, flüſſige Maſſen mit den früher erwähnten ſteinichten Concrementen durch den After ab, in denen Dr. Grötzner Kümmel- und Senfſamen und ein Mal ein Stück einer grünen Bohne erkannte. Aber der Schmerz im Maſtdarme blieb, die wallnußgroßen Geſchwülſte mehrten ſich, ſo daß ſie allmälig im ganzen Umfange des Unterleibs gefühlt wur— den, die Kräfte ſanken, der Appetit, der Schlaf ſchwand. Traten Momente ein, in denen die Kranke vorübergehend ſich leidlicher fühlte, ſo verfiel ſie doch ſichtbar mehr und mehr; es trat Fieber ein, das vom zweiten December ab täglich Abends Exacerbationen machte, die mit Schweiß en— deten. Am 17. December zeigte ſich große Flatulenz und Auftreibung des Unterleibs. Am 21. Abends gegen 12 Uhr, als die Kranke auf dem Unterſchieber verſuchte mit großer 176. VIII. 22. 350 Anftrengung wie gewöhnlich die Exeremente zu entleeren, fühlte ſie plötzlich, daß ihr im Leibe etwas platze. In der benachbarten Stube wurde ein lauter Schrei und ein Knall gehört, wie wenn ein Flaſchenpfropf gewaltſam ausgeſtoßen wird. Dr. Grötzner, der jetzt gerufen wurde, fand die Kranke pulslos mit ſtöhnendem Athem, Schluchzen, heftigem Schmerzgeſchrei, quälendem Durſt, über fruchtloſes ſchmerz— haftes Drängen zum Urin klagend und unter kalten Schweißen. Es ſtellten ſich bald Würgen und Erbrechen ein, der Athem wurde leiſe, die Extremitäten und der Unterleib kalt, das Bewußtſein ſchwand, und um 4½ Uhr ſtarb die Kranke. Bei der 28 Stunden nach dem Tode angeſtellten Section kam aus der geöffneten Unterleibshöhle eine höchſt ſtinkende Luft. In der Unterleibshöhle lag frei ein großer Koth— klumpen von grüner Farbe. An der llexura iliaca befand ſich eine Offnung von der Größe eines Thalers, deren Umgebung weder gangränös, noch mürbe oder überhaupt mißfarbig war. Der übrige Theil des colon descendens war von venöſem Blute geröthet, enthielt mehrere große ſteinichte Infareten, deren ſich auch noch viele im colon trans- versum und adscendens fanden. Der übrige Darm war ſtark von Luft ausgedehnt, der Maſtdarm erſchien jetzt frei von allen varicöſen Ausdehnungen. An der Oberfläche der ſehr blutreichen Leber befanden ſich mehrere Krebsgeſchwülſte. Das pancreas war in feiner Subſtanz etwas verfümmert, fein Hauptgefäß (wahrſcheinlich die arteria lienalis) verknöchert. (XXX) Blauſäure haltige Liqueure in Bezug auf ihre Gefährlichkeit.) Laut einer in der Breslauer Zeitung den 3. December 1846 erwähnten abſichtlichen Vergiftung hat die Inculpatin, die Tochter eines Brennereibeſitzers, ätheriſches Bittermandelöt aus dem Magazin ihres Schwagers, eines Brennereibeſitzers in Waldenburg, entwendet und, mit deſſen giftigen Eigen— ſchaften wohl bekannt, ihr neugebornes Kind getödtet. Der auffallende Geruch nach bitteren Mandeln, welcher aus dem Munde des todten Kindes kam, erregte zuerſt Verdacht, durch den man nun weiter geleitet, den oben angeführten, durch das Bekenntniß der Mutter ſelbſt conſtatirten Thatbe— ſtand ermittelte. Jenes ätheriſche bittere Mandelöl wird von den Brennereibeſitzern benutzt, um damit Pfirſichblüthen— branntwein, Perſico, oder Baſeler Kirſchwaſſer, oder Maras— kino durch einfache Löſung des Alkohols zu fabrieiren, wozu ſie eine ihnen beliebige Quantität verwenden. Da geſetzliche Vorſchriften hierüber nicht eriſtiren, ſo geſchah es nicht ſel— ten, daß ſchon in älterer wie auch neuerer Zeit die bedenk— lichſten Zufälle, ja auch der Tod nach größeren genoſſenen Quantitäten Perſico eintraten, die, wohl bemerkt, nur auf Rechnung jenes giftigen, Blauſäure haltenden ätheriſchen Oles, nicht etwa auf den Weingeiſtgehalt des in Rede ſtehen— den Liqueurs zu ſetzen waren. Fälle dieſer Art werden ſich noch oft ereignen, wenn man nicht auf Abhülfe zu denken *) Aus der Überf. d. Arb der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſcher Cultur 1847, S. 217. * N = 351 bemüht ſein wird, was ſich, wie Herr Prof. Dr. Göppert ſchon im Jahre 1831 öffentlich ausgeſprochen und gezeigt hat, ſehr leicht ins Werk ſetzen läßt. Jene ätheriſchen, Blauſäure haltigen Ole können nämlich auf ſehr einfache Weiſe durch Deſtillation über eine Baſis, am leichteſten kohlenſaures Kali, vollſtändig von der Blauſäure befreiet werden, ohne dadurch an Geruch und Geſchmack, alſo an Brauchbarkeit zu dem oben genannten, allgemein angeführten techniſchen Zweck zu verlieren. Daß das auf dieſe Art be— handelte Ol wirklich keine Blauſäure enthält und alſo nicht ſo giftig, ſondern nur ſcharf, wie andere ätheriſchen Ole, Citronen- oder Orangenöl iſt, hat Herr Prof. G. nicht bloß durch Verſuche an Thieren, ſondern auch durch an ſich ſelbſt angeſtellte Verſuche ebenfalls ſchon früher, bereits im Jahre 1829, bewieſen. Er nahm nämlich von dem, durch Atzkali von Blauſäure befreiten, ätheriſchen Bittermandelöl innerhalb einer Viertelſtunde 20 Tropfen (4 — 5 Tropfen ätheriſche Blauſäure haltenden Oles tödten alsbald einen Er— wachſenen) ohne eine andere Wirkung, als erhöhte Tempe— ratur, vermehrten Pulsſchlag und Reiz zum Huſten zu ver— ſpüren ). Es werden jedoch die Perſico-Liqueure nicht bloß durch einfache Löſung des Oles in Alkohol, ſondern auch durch Deſtillation von Pfirſichkörnern oder gar wohl auch von bitteren Mandeln, oder die Kirſchwaſſer eben ſo durch Deſtillation über Kirſchkörnern und Zwetſchen gewonnen, die alle, wenn ſie nur einigermaßen concentrirt ſind, reichlich genoſſen, wegen ihres Gehaltes an Blauſäure, gefährliche Zufälle hervorrufen können und öfter ſchon gewiß hervorge— rufen haben, als eben nur zur amtlichen Ermittelung oder Kenntniß der Behörde gekommen iſt. Wenn alſo nur be— fohlen würde, alles Bittermandelöl vor der Anwendung durch Rectification über Kali von der Blauſäure zu befreien, oder die Fabricanten angewieſen würden, bei der Deſtillation jener Liqueure aus den angeführten Subſtanzen eine kleine Quantität gereinigter Pottaſche oder Kali carbonicum zuzu— ſetzen, von welchem ein Quentchen mehr als hinreichend iſt, um aus einem, über ein Pfund Pfirſichkörner oder mehrerer Pfunde Kirſchkörner überzogene Deſtillate jede Spur von Blauſäure zu entfernen, ſo könnten einerſeits nicht mehr ſo traurige Vorfälle wie der in der Einleitung zu dieſer Ab— handlung angeführte vorkommen, und ſo würde denn auch jedem Nachtheil vorgebeugt werden, der aus etwaigem Genuß der eben angeführten Blauſäure haltigen Liqueure entſtehen muß. Bereits im Jahre 1831 hat Herr Prof. G., wie *) Vergleiche: Über die wirkſamen Stoffe in der Blaufäure. Neue Ber- liner Sammlung aus dem Gebiete der Heilkunde. 1829. S. 417. und Über⸗ ſicht der Arbeiten und Veränderungen der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vater⸗ ländiſche Cultur im Jahre 1829. S. 64. 176. VIII. 22. 352 ſchon erwähnt, in einem in Ruſts Magazin der Heilkunde niedergelegten Aufſatze dieſen ſo leicht in Ausführung zu bringenden Vorſchlag bekannt gemacht und im Jahre 1843 in feiner Schrift: „Über die chemiſchen Gegengifte.“ Bres— lau, 1843. S. 75 ihn abermals der Aufmerkſamkeit unſerer hohen Bdeinden empfohlen, jedoch hat man ihm keine Berückſichtigung zu Theil werden laſſen. Durch den oben angeführten traurigen Fall, welcher nun bald unſere Criminalbehörden in Thätigkeit ſetzen wird, fühlt ſich Herr Prof. G. jedoch dringend aufgefordert, nicht abzulaſſen und ihn zum dritten Male zur Kenntniß zu bringen. Vielleicht läßt man ihn dies Mal nicht der Vergeſſenheit übergeben. Selbſt in Frankreich, welches bekanntlich rückſichtlich feiner medicinal-polizeilichen Anſtalten Deutſchland ſehr nachſteht, wird der Wunſch rege, daß die Medieinalbehörden dieſem Gegenſtande Aufmerkſamkeit ſchenken möchten. Journal de Chimie med. 2. Ser. VI. 92.) Dort iſt der Verbrauch des Bittermandelöls ganz ungeheuer. Ein einziger Fabricant in Paris, Namens Planche, verarbeitet jährlich 1000 Unzen desſelben und zwar nicht bloß zur Bereitung der Liqueure, ſondern auch zu Pomaden, Parfümerien, zu welchem Zwecke auch bei uns eine nicht unbedeutende Quantität ohne alle weitere Controlle oder Beaufſichtigung der Medieinalbehörden verbraucht wird. In Rußland iſt das von Herrn Prof. G. in Preußen nachgeſuchte Geſetz ſchon publicirt. Es wurde vor einiger Zeit eine große Quantität Blaufäure haltendes Bittermandelöl dort im Hafen von Kronſtadt confiſcirt. Miſcelle. (37) Zur Behandlung des Croup macht Dr. Bieſen⸗ thal in dem Journ. f. Kinderkrkh. X. 6. einige praktiſche Bemer⸗ kungen, die davon ausgehen, daß man bis jetzt beim Croup immer nur die Entzündung der Reſpirationswege im Auge hatte, wäh⸗ rend durch Section doch nie eine vollſtändige Verſtopfung der Bron⸗ chialwege nachgewieſen ſei. (Hier muß der pathol. Anatom doch ein 2 beifügen). Verf. leitet daher die Athmungsbehinderung von einem Stimmritzenkrampfe her, welche er als eine Reflerthätigkeit betrachtet (in Folge abdomineller Reize, Cerebralaffection, Druck der Bronchialdrüſen auf die reſpiratoriſchen Nerven, oder entzünd⸗ liche Reizung des Kehlkopfes). Nach dieſer Betrachtungsweiſe des Leidens empfiehlt nun der Verf. außer der antiphlogiſtiſchen und überhaupt radicalen Behandlung des Croups gleichzeitig und vor allem gegen den conſenſuellen Stimmritzenkrampf zu wirken, und zwar durch Brechmittel aus Ipecacuanha, warmes Verhalten und eine Mixtur aus Pulv. rad. Valerianae Zii Oxym. Seillae Zi Tinet. Opii gtt. x. Aq. dest. 3ß. M. Ds. ſtündlich oder halbſtündl. 1 Theeloffel. Als vortreffliches Unterſtützungsmittel wird noch der Salzwaſſerüberſchläge um den Hals erwähnt, welche in Form ei- ner naſſen Cravatte umgelegt werden. Bibliographiſche Neuigkeiten. Abrege de chimie; par J. Pelouze, membre de l'Institut etc. et E. Fremy, professeur de chimie à l’ecole polytechnique. In 12 de 24 feuilles ½, plus 6 pl. Paris chez Var. Masson 1848. Prix 4 fr. Cholera de Toulon. Appreciation des causes qui le rendirent si terrible, et moyens d'en attenuer les funestes eſtets en cas de reapparition; par M. 3 docteur en médecine. In 8° de 5 feuilles. Paris chez Bailliere 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptolrs zu Welmar. | BRegifler zum achten Bande dritter Reihe der Notizen aus dem Gebiete der Natur- A. Acanthaceen, üb. die Samenknoſpe und den Samen derſ. 198. Agaſſiz und Gould, Zahl der Thierarten. 298. Algen, üb. die Wurzeln derſ. Ammoniak, kauſtiſches, Verbrennungen. 336. Andral, üb. das ſaure oder alkaliſche Ver— halten einiger Flüſſigkeiten des menſchli— chen Körpers im geſunden und kranken Zuſtande. 1. Antennen, üb. die Function derſ. bei den Inſecten. 6. Arachniden, üb. die Circulation derſ. 200. Armſtrong, Abzapfung eines Waſſerkopfes. 254. Arnott, Verdauungsſchwäche und deren Be— handlung durch die örtliche Anwendung der Wärme und Feuchtigkeit. Bericht üb. eine neue Methode der Anwendung von Wärme und Kälte gegen entzündliche Kranf- heiten. 297. Audouard, üb. den Gang der Cholera in Algerien. 112. Auge, ſehr langes Verweilen eines fremden Körpers in demſ. 269. Augenkatarrh, üb. Behandlung desſ. 144. Auſtralien, Schönheit des Morgens daſelbſt. 330. Austrocknungsgeſellſchaft zu Lyon. 25. als Mittel gegen 288. und Heilkunde. B. Babinet, phyſicaliſche Beobachtungen wäh⸗ rend der totalen Mondfinſterniß vom 19. März 1848. 86. Banner, üb. den Einfluß der Lunge auf die Bluteireulation. 69. Baſaltſäulen, merkwürdige Formen davon im Siebengebirge. 150. Betz, üb. den Primordialſchädel des Men— ſchen. 161. Bieſenthal, zur Behandlung des Croup. 352. Blanchard, üb. die Circulation der Arachni— den. 200. Blaſius, Exereirknochen. 16. Blattſpiralen, üb. den Urſprung der ver⸗ ſchiedenen. 97. Blattſtellungen, Unterſuchungen üb. die or: ganiſchen Urſachen der verſchiedenen. 81. Blauſäure haltige Liqueure in Bezug auf ihre Gefährlichkeit. 350. Blutgeſchwulſt im ſchiffförmigen Beine der Fußwurzel. 95. Bohrmuſchel, neue Art derſ. 8. Bouchardat, üb. die Nahrungsmittel der Landbewohner Frankreichs in der jetzigen Zeit, mit den Nahrungsmitteln derſelben vor 150 Jahren verglichen. 53. Bouchut, üb. die ſicheren Zeichen des Todes. 80. Brewſter, die ſcheinbare Entfernung eines Gegenſtandes richtet ſich nach deſſen Farbe. 202. Brierre de Boismont, üb. den Einfluß der Pariſer Revolutionen im Februar und Juni auf die Entwickelung des Wahnſinnes. 221. Bronchenröhren, üb. die Arctation oder Ob- literation derſelben. 253. Brongniart, üb. den Urſprung der verſchie— denen Blattſpiralen. 97. Bürkner, Behandlung des Scharlachs mit kaltem Waſſer. 71. ’ Burguieres, üb. die Reaction der Flüſſig⸗ keiten des menſchlichen Körpers während der Cholera morbus. 317. C. Calau und Meyer, üb, die Ginſengwurzel. 273. Calomel, Vergiftung durch unreines. 256. Canton, Interſtitialabſorption des Schenfel- beinhalſes in Folge von Quetſchung der Hüfte. 139. 153. Cap, Waſſer die erſte Bedingung zum Kei⸗ men der Samen. 42. Cardamine latifolia, üb. die Adventivknoſpen derſ. 68. Chamäleon, üb. den Farbenwechſel desſelb. 104. * 354 Chloroformdämpfe, üb. die Wirkung derſ. auf die Inſecten. 181. Cholera, üb. den Gang derſ. in Algerien. 112. — Ch. in Unterägypten. 288. — |. Burguieres. — Cholera infantum. 64. Cholerablut, Unterſuchung desſ. 187. 201. Citronſäure, Wirkung derſ. in der Waſſer— ſucht. 96. Collodium, nachträglicher Zuſatz üb. Berei— tung desſ. 47. — Reclamation wegen des Collodium. 160. — ſ. Jung. Colon, Zerreißung desſelben in Folge me— chaniſcher Verſtopfung. 348. Conjunctiva, granulirte, ſ. Morgan. Craigie, üb. die Aretation oder Obliteration der Bronchenröhren. 253. Crampton, Sir Phil., üb. den Steinſchnitt an Frauen. 206. Croup, zur Behandlung derſ. 352. D. Daphnien, ſ. Lereboullet. Darmfollikel, Veränderungen derſelben beim Scharlach. 345. Daſſen, üb. den Palmenſtengel. 289. Davy, üb. das fpecififche Gewicht des See— waſſers an der Küſte des britiſch. Guiana. 21. — üb. die Harnabſonderung gewiſſer Thiere und ihren Zuſammenhang mit der Körperwärme und der Nahrung derſelben. 49. — üb. die Temperatur der Spinne und die Harnabſonderung des Scorpions und Tauſendfußes. 51. Delphin mit zwei Köpfen. 106. Demarquay und Froriep, Behandlung der Wunden mit kalten Umſchlägen. 48. Dendy, üb. Pharyngealſäcke. 271. Diabetiſcher, Zucker im Auswurfe desſelben. 76. Diamant auf naſſem Wege zerlegt. Dinornis. 209. Dischidia, üb. die Befruchtung derſelben. 193. Dixon, ſehr langes Verweilen eines fremden Körpers im Auge. 269. Donders und Froriep, üb. Regeneration der Hornhaut. 336. Droſeraceen. 241. Duchaſſaing, Erdbeben zu Guadeloupe am 3. Februar 1843. 152. Dunal, üb. den Einfluß der mineralogiſchen 282. Ne g i ſt e r. Beſchaffenheit des Bodens auf die Vege— tation. 182. Dysphonia Clericorum. E. Ei, längere Zurückhaltung eines todten im uterus ohne Fäulniß. 249. Eis leitet den Galvanismus. 267. Elektriſcher Strom, phyſiologiſche Wirkung desſelben auf die Sinnesnerven. 33. Entfernung, ſcheinbare, eines Gegenſtandes richtet ſich nach deſſen Farbe. 202. 217. Entzündliche Krankheiten, ſ. Arnott. Erdbeben zu Guadeloupe am 3. Februar 1843. 152. Erysipelas, Behandlung desſelben mit Höl— lenſtein. 32. Erereirknochen. 16. F. Fairbrother, Verlängerung der Harnröhre als Grund der ungenügenden Wirkung des weiblichen Katheters. 128. Feuerſchwamm, africaniſcher. 42. Fiſche, ſchnelles Wachſen derſ. 88. Fiſcheier, üb. die künſtliche Befruchtung der— ſelben. 337. Flemming, die Wurzeln der Algen. 25. Flüſſigkeiten des menſchlichen Körpers, üb. das ſaure oder alkaliſche Verhalten einiger im geſunden und kranken Zuſtande. 1. — Fl. des menſchlichen Körpers, üb. die Re— action derſelben während der Cholera. 317. — üb. die Zuſammendrückbarkeit der Fl. 312. Foſſile Fußſpuren urweltlicher Thiere in Ame— rica. 314. France, üb. Behandlung des Augenkatarrhes. 144. Frederieg, rothe Linie am Zahnfleiſche bei Phthiſikern. 304. Fréderique, uͤbermäßiger Haarwuchs ſtört die Geſundheit. 288. Frémont, Notizen üb. Oberealifornien. 344. G. Gaserplofionen in Häuſern, üb. die Ber hinderung derſ. 121. Gaſteropoden, üb. die natürliche Claſſifica— tion derſ. 225. Geburtshülfliche Poliklinik. 43. Gerlach, üb. Oſteoidgeſchwülſte. 57. Gervas, üb. den Farbenwechſel des Chamä— leons. 104. Gewitter zu Marche in den Ardennen. 330. Gift im Wehrſtachelapparat der Hymenopte⸗ ren und in den Oberkiefern der Spinnen. 17. Ginſengwurzel. 273. Gliederthiere, üb. den Kopf derſ. 106. Göppert, Blauſäure haltige Liqueure in Ber zug auf ihre Gefährlichkeit. 350. Goldausbeute im Ural und in Sibirien. 42. Grävell, üb. Behandlung des Krebſes mit Opium. 109. Graphit, neue Prüfungsart desſ. 346. Graſſi, üb. die Zuſammendrückbarkeit der Flüſſigkeiten. 312. Griffith, üb. die Befruchtung der Dischidia. 193. Grötzner, Zerreißung des colon in Folge mechaniſcher Verſtopfung. 348. Günsburg, Veränderungen der Darmfollifel beim Scharlach. 345. Guerard, kauſtiſches Ammoniak als Mittel gegen Verbrennungen. 336. Guyon, africaniſcher Feuerſchwamm. 42. — üb. die Schawia. 56. H. Haarwuchs, übermäßiger, ſtört die Geſund— heit. 288. Hall, Marſhall, üb. die Typen der Krank: heiten des Rückenmarkſyſtems, durch Ver— ſuche erläutert. 281. Hardy, üb. die Art des Eierlegens des Pso- cus quadripunctatus. 121. Harnabſonderung gewiſſer Thiere und ihr Zuſammenhang mit der Körperwärme und der Nahrung derſ. 49. — H. des Scor⸗ pions und Tauſendfußes. 51. Harnröhre, Verlängerung derſ. als Grund der ungenügenden Wirkung des weiblichen Katheters. 128. Harthörigkeit, üb. eine neue Behandlungs— art derſ. 233. Hautausdünſtung, Unterdrückung derſelben. 64. Hautvenengeſchwülſte, varicöſe, neues Ver— fahren bei Operation derſ. 144. Heidenreich, phyſiologiſche Wirkung des elek— triſchen Stromes auf die Sinnesnerven. 33. — Zucker im Auswurfe eines Dia: betiſchen. 76. Heilanſtalt für ſchwachſinnige Kinder zu Ma⸗ riaberg auf der ſchwäbiſchen Alp. 272. Helgoland. 58. : Henle, üb. die Unterdrückung der Hautaus— dünſtung. 64. Herapath, neues Verfahren bei Operation varicöſer Hautvenengeſchwülſte. 144. Herrich und Popp, Flüſſigbleiben des Herz: blutes in der Leiche. 329. Herring, Rinde des Odaſſibaumes. 184. Herz, üb. den Bau desſelben beim Stör u. Rochen. 65. Herzblut, Flüſſigbleiben desſelben in der Leiche. 329. v. Heßling, hiſtologiſche Beiträge. 257. Higginbottom, Behandlung des erysipelas mit Höllenſtein. 32. Hiſtologiſche Beiträge. 257. Höllenſtein, Anwendung desſelben bei gra— nulirter conjunctiva. 208. Holz, üb. die Verkohlung desſelben durch erhitzte Waſſerdämpfe. 119. Hooker, Dalton, baumartige Rieſentange des antarktiſchen Meeres. 313. Hornhaut, üb. Regeneration derſ. 336. Humerus, Art der Wiedereinrichtug des ver— renkten. 256. Hymenopteren, ſ. Will. 0 Jagd in Rußland. 278. Indigo aus Polygonum tinctorium. Inſecten, ſ. Slater. Johnſton, fruchtbare Eier, dem Weibchen des Smerinthus ocellatus nach deſſen Tode ent: nommen. 170. Jordan, üb. denſelben und das todte Meer. 197. Isoötes lacustris in Weſtpreußen. 24. Jung, üb. Schönbeins Liquor sulphurico- aethereus constringens. 318. 26. K. Kaffee gegen Cholera infantum. 64. Kali hydrojodicum, böſe Folgen einer Be— handlung mit demſelben. 270. Klebäther, ſ. Collodium. Klinsmann, Isoötes lacustris in Weſtpreu⸗ ßen. 24. Knochenkrebs, Formen desſelben. 96. Kochſalz als Gift für Pflanzen. 122. Körper, menſchlicher, üb. die Verhältniſſe desſelben. 129. Koreff, nachträglicher Zuſatz üb. Bereitung des Collodium. 47. Regiſter. Krebs, Behandlung desſelben mit Opium. 109. Kupferminen zu Burra-Burra auf Neuhol- land. 41. L. Lawſon, Nemophila insignis. 184. Lepidoſiren, Blutkörperchen derſelben. 250. Lereboullet, Beobachtungen üb. das Herz und die Circulation der Limnadien und Daphnien. 342. Leſtiboudois, Unterſuchungen üb. die organi— ſchen Urſachen der verſchiedenen Blattſtel⸗ lungen. 81. Limnadien und Daphnien, Beobachtungen üb. das Herz und die Circulation derſel— ben. 342. Longley, Zwitter von Serminthus Populi. 202. Lorinſer, Zugverband bei Oberſchenkelbrüchen. 156. 169. 183. Lunge, üb. den Einfluß derſelben auf die Bluteirculation. 69. M. Mackneß, Dysphonia Clericorum. 217. Malaiiſche Halbinſel, Metallreichthum ver: ſelben. 340. Mammuthſchädel, ſ. phyſiologiſches Inſtitut. 145. Mandl, üb. die Structur der Vaginalſchleim— haut. 63. Mannafall zu Sawel. 250. Marſh, Derter, foſſile Fußſpuren urweltlich. Thiere in America. 314. Martin, geburtshülfliche Poliklinik. 43. Martins, üb. die Pflanzencoloniſation der britiſchen Inſeln, wie der Schetlands-In—⸗ ſeln, der Faröer und der Inſel Island. 321. Maſerncontagium, Beobachtungen darüber. 95255 Meer, das todte, 197. Meere, Menge des Kochſalzes, des ſchwefel— ſauren Natrons und Chlormagneſiums in ſämmtl. 72. Meigs, üb. ein Symptom des beginnenden Uterusvorfalles. 224. Meteor, glänzendes, in Miſſouri. 72. Meteorologiſche Beobachtungen zu Buiten⸗ zorg auf der Inſel Java angeſtellt. 195. Meyer, Mannafall zu Sawel. 250. 355 Militärärzte, eigenthümliche Erweiterung ih- res Geſchäftskreiſes. 32. Milne Edwards, üb. die natürliche Claſſtfi⸗ cation der Gaſteropoden. 225. Mißgeburt, zweiköpfige. 160. Mitchell, Schönheit des Morgens in Auftra= lien. 330. Mitſcherlich, üb. die Wirkung des ätheriſchen Muſcatnußöles auf den thieriſchen Orga— nismus. 320. Molluffen, ſingende. 282. Molyneux, üb. den Jordan und das todte Meer. 197. Mondfinſterniß, phyſicaliſche Beobachtungen während der totalen vom 19. März 1848. 98. Morgan, üb. Anwendung des Höllenſteines bei granulirter conjunctiva. 208. — Art der Wiedereinrichtung des verrenkten hu- merus. 256. Morren, Beobachtungen üb. die Lebensweiſe der Proceſſionsraupe und üb. die Krank heiten, welche dies ſchädliche Inſeet bei Menſchen und Thieren veranlaßt. 305. Mundhöhlenfatarrh. 240. Muſcatnußöl, ätheriſches, üb. die Wirkung desſelben auf den thieriſchen Organismus. 320. N. Nahrungsmittel der Landbewohner Frank— reichs in der jetzigen Zeit, mit den Nah— rungsmitteln derſelben vor 150 Jahren verglichen. 53. Nekrolog. 268. Nelaton, die Formen des Knochenkrebſes. 96. Nemophila insignis. 184. Nervencontuſionen. 313. Nestor. 209. Newport, üb. den Kopf der Gliederthiere. 106. Nieren. 257. Nöggerath, merkwürdige Formen von Bafalt- ſäulen im Siebengebirge. 150. Nordlicht in Norwegen. 346. Notornis. 209. O. Obercalifornien. 344. Oberſchenkelbrüche, ſ. Lorinſer. Odaſſibaum, Rinde desſelben. Oſteoidgeſchwülſte. 57. Owen, üb. die Überbleibſel der muthmaßlich 184. 356 ausgeſtorbenen Rieſenvögel Neuhollands (Dinornis und Palapteryx) nebſt Andeu— tungen üb. zwei andere Gattungen (Not- ornis und Nestor). 209. — üb. die Eee: ſchlange. 231. P. Palapteryx. 209. Palmenſtengel, üb. denſelben. 289. Panum, Beobachtungen üb. das Maſern— contagium. 9. 25. Pappenheim, üb. das Herz der Spinnen. 58. Parchappe, üb. den Bau des Herzens beim Stör und Rochen. 65. Payen, üb. ſaure, neutrale und alkaliſche Pflanzenſäfte. 70. Peſſarien, arzneihaltige. 128. Pferd, wildes, in Tibet. 58. Pfeufer, Mundhöhlenkatarrh. 240. Pflanzencoloniſation der britiſchen Inſeln, der Schetlands-Inſeln, der Faröer und Islands. 321. Pflanzenſäfte, üb. ſaure, neutrale und alka— liſche. 70. Pharyngealſäcke. 271. Phyſiologiſches Inſtitut zu Jena, Mitthei— lungen aus dem Journal desſelben. 145. Pickfort, Kaffee gegen Cholera infantum. 64. Planchon, üb. die Samenknoſpe und den Samen der Acanthaceen. 198. — üb. die Familie der Droſeraceen. 241. Primordialſchädel des Menſchen. 161. Primula vulgaris, P. veris und elatior, Ge: ſtalt der Capſel und Samen als Unter— ſcheidungsmerkmale für dieſ. 250. Proceſſionsraupe, Beobachtungen üb. die Le— bensweiſe derſelben und [die Krankheiten, welche dies ſchädliche Inſect bei Menſchen und Thieren veranlaßt. 305. Prus, üb. eine zweiköpfige Mißgeburt. 160. Psocus quadripunctatus, üb. das Eierlegen desſelben. 121. Q. de Quatrefages, neue Bohrmuſchelart. 8. — üb. die künſtliche Befruchtung der Fiſch— eier. 337. Queckſilberminen von Almaden, über die Krankheiten der Arbeiter daſelbſt. 267. Quetelet, üb. die Verhältniſſe des menſch— lichen Körpers. 129. Regiſter. N. Randall, Kochſalz als Gift für Pflanzen. 122. Regenmenge in einigen engliſchen Gebirgs— gegenden. 138. Revalenta arabica. 176. Rhinoceros, entſprungenes. 152. Ridge, längere Zurückhaltung eines todten Eies im uterus ohne Fäulniß. 249. Rieſentange, baumartige, des antarktiſchen Meeres. 313. Rieſenvögel, üb. die muthmaßlich ausgeſtor— benen Neuſeelands (Dinornis und Pal- apteryx) nebſt Andeutungen üb. zwei an— dere Gattungen (Notornis und Nestor). 208. Rochen, ſ. Parchappe. Rogers (R. E. u. W. B.), der Diamant auf naſſem Wege zerlegt. 282. — neue Prüfungsart des Graphites. 346. Rouault, üb. die Organiſation der Trilo⸗ biten. 23. — üb. die Trilobiten der Bretagne. 218. Rückenmarkſyſtem, üb. die Typen der Krank— heiten desſelben, durch Verſuche erläutert. 281. Ruhr, Beitrag zur Lehre von derſelben. 87. 107. S. Säugethiere, Beobachtungen üb. die Unter— ſchiede zwiſchen den Hals- und Rüden: wirbeln derſ. 177. de Saint-Hilaire, Aug., üb. die Adventiv— fnofpen der Cardamine latifolia. 68. Samen, Waſſer die erſte Bedingung zum Keimen derſelben. 42. — Keimkraft ver— ſchiedener S. 106. Schädel des Menſchen, f. Betz. Schafhäutl, Menge des Kochſalzes, des ſchwefelſauren Natrons und des Chlor: magneſiums in ſämmtlichen Meeren. 72. Schall, üb. die Schnelligkeit der Fortpflan— zung desſelben in Flüſſigkeiten. 310. Scharlach, Behandlung desſelben mit kal— tem Waſſer. 71. Schawia, Volk in Africa. 56. Schenkelbeinhals, Interſtitialabſorption des⸗ ſelben in Folge von Quetſchung der Hüfte. 139. 153. Schnetzler, üb. die Wirkung der Chloroform— dämpfe auf die Inſeeten. 181. Schönbeins Klebäther, ſ. Collodium. — Schönbeins Liquor sulphurico - aethereus constringens. 318. Schultz-Schultzenſtein, Unterſuchung des Cholerablutes. 187. 201. Schwefelſäure, Abſorption derſelben. 330. Scorpion, ſ. Spinne. Seeſchlange. 231. Seewaſſer an der Küſte des britiſchen Gui— ana, üb. das ſpeeifiſche Gewicht desſelben. 21. Seidel, üb. den Vipernbiß. 78. Senkungen des Landes. 170. Serminthus Populi, Zwitter dieſer Art. 202. Siebert, Wirkung der Citronſäure in der Waſſerſucht. 96. Siljeſtröm, üb. das Nordlicht in Norwegen. 346. Simpſon, arzneihaltige Peſſarien. 128. Sinnesnerven, ſ. Heidenreich. Slater, üb. die Function der Antennen bei den Inſecten. 6. Smerinthus ocellatus, fruchtbare Eier dem Weibchen desſelben nach deſſen Tode ent- nommen. 170. Spinne, üb. die Temperatur derſelben und die Harnabſonderung des Scorpions und Tauſendfußes. 51. Spinnen, ſ. Will. — ſelben. 58. Starrkrampf. 192. Steinſchnitt an Frauen. 205. Stör, ſ. Parchappe. Stromeyer, von den Nervencontuſionen. 313. üb. das Herz der—⸗ T. Tange, ſ. Algen. Tauſendfuß, ſ. Harnabſonderung. Taylor, üb. die Verhinderung der Gasexplo— ſionen in Häuſern. 121. Thierarten, Zahl derſelben. 298. Thiere, urweltliche, ſ. Marfh. Thompſon, die Jagd in Rußland. 278. Thorel, Indigo aus Polygonum tinetorium. 26. Trilobiten, üb. die Organiſation derf. 23. — üb. die T. der Bretagne. 218. Turner, Beobachtungen üb. die Unterſchiede zwiſchen den Hals- und Rückenwirbeln der Säugethiere. 177. u. Uterusvorfall, üb. ein Symptom des begin- nenden. 224. . V. Vaginalſchleimhaut, üb. den Bau derſelben. 63. Valenciennes, Delphin mit 2 Köpfen. 106. Vegetation, üb. den Einfluß der mineralo⸗ giſchen Beſchaffenheit des Bodens auf die— ſelbe. 182. Verbrennungen, ſ. Guerard. Verdauungsſchwäche und deren Behandlung durch die örtliche Anwendung der Wärme und Feuchtigkeit. Bericht üb. eine neue Methode der Anwendung von Wärme und Kälte gegen entzündliche Krankheiten. 297. Vergiftung durch unreines Calomel. 256. Verneuil, üb. eine Blutgeſchwulſt im ſchiff⸗ förmigen Beine der Fußwurzel. 95. Regiſt er. Violette, üb. die Verkohlung des Holzes durch erhitzte Waſſerdämpfe. 119. Viperbiß. 78. W. Wahnſinn, üb. den Einfluß der Pariſer Re— volutionen im Februar und Juni auf die Entwickelung desſelben. 221. Warlomont, üb. ein Gewitter zu Marche in den Ardennen. 330. Waſſerkopf, Abzapfung desſelben. Waſſerſucht, ſ. Siebert. Weltmeer, üb. die Tiefe und den Salzgehalt desſelben. 113. Wertheim, üb. die Fortpflanzungsſchnelle des Schalles in Flüſſigkeiten. 310. Will, üb. das Gift im Wehrſtachelapparat 254. 357 der Hymenopteren und in den Oberkiefern der Spinnen. 17. Wilmot, üb. den Starrkrampf. 192. Wunden, Behandlung derſelben mit kalten Umſchlägen. 48. Y. Pearsley, üb. eine neue Behandlungsart der Harthörigkeit. 233. 3. Zahnfleiſch, rothe Linie an demſelben bei Phthiſikern. 304. Zillner, ein Beitrag zur Lehre von der Ruhr. 87. 107. Zugverband bei Oberfchenfelbrüchen. 169. 183. 156. Bibliographische Neuigkeiten. A. Agassiz, L. and A. A. Gould. 95. Amussat. 256. Arago, Baudemont etc. dirige par M. Char- les d’Orbigny. 255. Ashwell, S. 144. Atkinson, J. C. 144. Bain, Donald. 144. Bazin, M. E. 256. Berg, O. 15. Berthold, A. A. 63. Boccius, G. 143. Boggie, J. 96. Boucher, C. F. 255. Braniss, F. 64. Broderip, W. J. 95. Büchner, L. 63. C. Carson, J. 96. Cazenave, J. J. 288. Chapman, H. T. 111. Charpignon, J. 320. Colas, E. 256. Congres scientifique etc. 271. Danzer, A. E. 48. Demoly, Ad. 287. Deshon, H. C. 80. Dictionnaire universel etc. Döll, J. Ch. 47. Dufrenoy et Elie de Beaumont. Dunhill, T. 160. Dupuy, D. 16. Duvernoy, M. G. L. 15. 255. 223. F. Förſter, C. Fr. 175. Frankl, J. A. 48. G. Galenzi, Thom. 320. Geitner u. Vollmar. 32. Gerichtlich-chemiſche Unterſuchung ꝛc. Giebel, C. G. 47. Gifford, J. 47. Giron de Buzareingues, Ch. et Louis. 336. Godron, D. A. 304. Gras, Scip. 255. Gray, Asa. 111. 192. H. Hand, the, etc. 335. Heidler, C. J. 176. Hooker, Sir W. J. 143. Hunter, J., bearbeitet von F. Braniss. 64. I. Joachim, H. 63. Kirkes, W. Stenhouse, assisted by J. Pa- get. 111. Knapp, F. C. 63. L. Ladureau, Ad. 272. Lawrence, W. 159. Lee, R. 112. Liebig, J. 63. Lindley, J. 319. M. Malaguti, F. 255. Maltan, J. 288. Martineng. 352. 358 Mateer, W. 303. Meigs, C. D. 319. Mialhe. 256. Millon, E. et J. Reiset, avec la collabora- tion de M. J. Nickles. 239. Müller, C. 15. Müller, Joh. 192. N. Neill, J. and F. G. Smith. 112. Nicholson, A. 112. 0. Orfila, Royer Collard, Adelon Robinet et Bussy. 80. P. Patterson, R. 159. Pelouze, J. et E. Fremy. 351. Perry, E. 80. Nie g iu: e Pfeiffer, L. 31. Pharmacopoeia etc. Pritzel, G. A. 31. 112. R. Rales, J. 127. Recherches etc. 272. Renaudin, L. F. E. 224. Roux, Jul. 16. 271. Roux, Mar. 240. Rüete, C. G. 64. S. Sargent, F. W. 127. Schmidt, E. O. 32. Scott, J. J. 79. Simonds, J. B. 208. Strickland, H. and A. G. Melville. 207. T. Tanquerel des Planches, L., übersetzt von Sam. L. Dana. 287. Taylor, R 0 287. Thienemann, F. A. L. Transactions etc. Turton, W. 31. 127. U. v. Uslar, J. L. 32. Pignolo. Walker, G. A. V. 256. (2.) W. 288. Weber, G. 64. 191. Wertheim, West, C. Wilson, C. Guill. 128. 128. 271. Wucherer, G. 64. Young, A. 79. 1. 31. Allgemeiner literariſch - artiſtiſcher Monatsbericht für Deutſchland. No. 3. März. 1848. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur⸗ und Heilkunde, den Fortſchritten der Geographie und Naturgeſchichte und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz ⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 95. oder 7 A. berechnet. ö Ueuigkeiten. I. II. Für Aerzte, Wundärzte und Juristen! Sy ſt e m Bei IGN. JACKOWITZ in Leipzig ist erschienen und durch jede Buchhandlung des In- und Auslandes zu beziehen: der Gerichtliche Sectionen des menschlichen Körpers. Zweite, bedeutend vermehrte und verbesserte zum Gebrauche für Aerzte, Wundärzte und Juristen bearbeitete Auflage von Prof. Dr. C. E. Bock zu Leipzig. Mit 4 colorirten Kupfertafeln. gr. 8. . geheftet in Umschlag. Preis: 1 Thlr. 10 Sgr. = 2 Fl. 24 Kr. Rhein. — 2 Fl. C.-Mze. => Von diesem wichtigen Werke ist bereits eine holländische Übersetzung erschienen. Von K. G. Carus. Zweite, völlig umgearbeitete und ſehr vermehrte Auflage. Erſter Theil. Gr. 8. Geh. 4 Thlr. Mit dem ſoeben ausgegebenen vierten Hefte iſt der erſte Theil dieſes trefflichen Werks in der neuen Auflage vollſtändig; der zweite Theil wird ebenfalls vier Hefte umfaſſen, die in raſcher Folge geliefert werden ſollen. Ferner: Leipzig, im Februar 1848. Med. pract. C. D. Leichsenring A. Brockhaus. physikalische Exploration der Brusthöhle zur sicheren Erkenntniss des gesunden sowohl als des krank- haften Zustandes der III. Bei J. C. B. Mohr in Heidelberg ist erschienen und durch alle Buchhandlungen auf feste Bestellung zu beziehen: Zur Methodologie der Geburtshülfe. Von Franz Carl Nägele. I. Lieferung. Auch mit dem Titel: Zur Methodologie der Geburtshülfe. Grundzüge der all- gemeinen Pathologie und Therapie der Geburt als Manuscript für seine Zuhörer dem Druck übergeben von F. C. Nägele. Erste Lieferung. Preis geh. 9 gGr. oder 40 kr. Athmungs- und Circulations - Organe. Bevorwortet von Dr. Fr. Julius Siebenhaar, Stadtbezirks-Arzte und ausübendem Arzte in Dresden etc. 2 Mit 1 Tafel Abbildungen. gr. S. eleg. geh. in Umschlag. 1 15 Sgr. = 54 Kr. Rhein. —= 45 Kr. C.-M. Prosect: Dr. A. C. Bock's P b y fi o f 0 g t e. 3 — IV. So eben erschien im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig und ist durch alle Buchhandlungen zu erhalten: Thienemann (Dr. F. A. L.). Die Fortpflanzungsgeschichte der ge- sammten Vögel nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft, mit Abbildung der bekannten Eier. Mit 100 colorirten Tafeln. Drittes Heft. (Singvögel.) Bogen 13 — 18 und Tafel XXI - XXX. Gr. 4. Preis 4 . Das erste und zweite Heft (Strausse und Hühnerarten, Flug- vögel, Steigvögel, Saugvögel) erschienen zu demselben Preise 1845—46: das Ganze Wird in 10 Heften vollständig sein. In Carton. V Bei uns ist erschienen und in allen Buchhandlungen vor- räthig: Lebert, Hermann, Abhandlungen aus dem Gebiete der praktischen Chirurgie und der pathologischen Physiologie nach eigenen Untersuchungen und Erfahrungen und mit besonde- rer Rücksicht auf die Dieffenbach’sche Klinik in Berlin. 1848. gr. 8. 39. Bog. 3 %. 10 I. Berlin, April 1848. Veit & Comp. VI. Im Verlage des Landes- Industrie- Comptoirs in Weimar ist erschienen: Der nördliche Sternenhimmel, eine Wand- und Deckenkarte, ausgeführt von Robert Froriep. Vier Blätter im grössten Kartenformat. 1848. Preis 2 N. = 3% Ie Rh. = 3 f Conv. Es ist durch diese Darstellung des Himmels einem doppelten | bis jetzt nie zugleich befriedigten Bedürfniss genügt, indem die- selbe sowohl ein naturtreues Bild des Sternenhimmels ohne alle Störung durch die conventionellen Zeichen und Bilder giebt, als auch diese dem Beobachter des Himmels und demjenigen, welcher sich mit wissenschaftlichen Hülfsmitteln orientiren will, unent- behrliche Zeichen und Bilder vollständig enthält. Dieser schein- bare Widerspruch ist dadurch gelöst, dass in dem tiefblauen Grund die Sterne mit deutlicher Angabe ihrer Grösse weiss ein- getragen sind, so dass bei entfernterer Betrachtung nur die hellen Sterne in dem dunkeln Himmel bemerkbar sind, — wäh- rend die Milchstrasse, die einzelnen sogenannten Sternenbilder und sogar alle Buchstabenbezeichnungen der einzelnen Sterne in dem blauen Grund mit Schwarz auf eine geschmackvolle Weise so eingetragen wurden, dass das Gesammibild dadurch nicht ge- stört wird, aber bei näherer Betrachtung doch diese einzelnen Bezeichnungen vollkommen und deutlich hervortreten. Dass die neuesten Arbeiten über den Sternenhimmel, namentlich auch Ar- gelander's Atlas, berücksichtigt sind, versteht sich von selbst. 15 Erſchienene Neuigkeiten. 16 Diese Karte befriedigt alle Ansprüche, die man an eine solche machen kann. vollkommen und besser als alle früher erschienenen. Zur besonderen Empfehlung wird es ihr noch dienen, dass Klö- den’s neuestes Werk: „Der Sternenhimmel. Eine vollständige populäre Sternenkunde mit besonderer Beziehung auf die grosse Sternwandkarte des Landes-Industrie-Comptoirs,“ sich unmittelbar auf diese schöne Wand- und Deckenkarte bezieht. An var. nad über die leichteste und bequemste Methode, die Bahn eines Cometen zu berechnen, Lung von Dr. Wilhelm Olbers. Mit Berichtigung und Erweiterung der Tafeln und Fortsetzung des Cometen - Verzeichnisses bis zum Jahre 1847, von Neuem herausgegeben von J. F. Encke, Director der Berliner Sternwarte. 18 Bogen Lex. 8. Mit dem Bildniss von Olbers und einer Figuren- tafel. Geh. 2 Re. = 3% . Rh. = 3 fh Conv. Im Verlage des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs iſt er⸗ ſchienen und wegen ſeiner hiſtoriſchen und ſtatiſtiſchen Überſichten über alle einzelnen Staaten der Erde in jetziger Zeit ganz beſonders zu empfehlen: Genealogiſch-phiſtoriſch⸗ſtatiſtiſcher Almanach für das Jahr 1848. A2öſter, oder der neuen Folge Z3ter Jahrgang. X. und 845 Seiten gr. 80. 3 Ro. | Inhalt: I. Die Großmächte von Europa und die ſouveränen Staaten. T. Überblick der Geſchichte jedes Staats. — II. Genealo⸗ gie der Regenten. — III. Das regierende Haus. — IV. Statiſtiſche Überſicht der Bevölkerung und der Fläche, mit den Verhältniſſen der Bevölkerung in Bezug auf Geſchlecht und Beſchäftigung, Re⸗ ligion, Univerſitäten, Finanzen, Land- und Seemacht. — V. Staats⸗ verfaſſung. — VI. Der Hof. — VII. Titel der Regenten oder der vollziehenden Gewalt. — VIII. Wappen. — IX. Ritterorden. — X. Staatsverwaltung. — XI. Diplomatiſches Corps. — II. Vor⸗ mals Neichsunmittelbare Fürſtliche und Gräfliche Häuſer oder jetzt Standesherrliche Familien. III. Die Außer⸗ europäiſchen Staaten. IV. Regiſter. EUROPA, von C. 8. Weiland und Y. Kiepert. Vier Blätter im grössten Imperial - Format. 1848. 2½ Ap. Auf Leinwand: 3% M. n. d Diese Karte bildet das Seitenstück zu Deutschland in 4 Blät- tern und eignet sich ebenso wie jene zur Wandkarte und als Zierde für höhere Schulen und zum Bureaugebrauch. Allgemeiner literariſch-artiſtiſcher Monatsbericht für Deutſchland. Ne, 5. September. 1848. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur⸗ und Heilkunde, den Fortſchritten der Geographie und Naturgeſchichte und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 83. oder 7 A. berechnet. Erſchienene Ueuigkeiten. I. Bei Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen ist er- schienen: Bergmann, Carl, über die Verhältnisse der Wärme- ökonomie der Thiere zu. ihrer Grösse. gr. 8. geh. 5 ARE a 4 gr Frey, Heinrich, über die Bedeckungen der wirbel- losen Thiere. I. Abhandl. Mit einer Kupfertafel. gr: Se gebhen ol; a 14 h. Grisebach, A., über die Vegetationslinien des nord- westlichen Deutschlands. gr. 8. geh. à 12 %. Herbſt, Dr. G., die Paeiniſchen Körper und ihre Be— deutung. Mit 16 Tafeln Abbildungen. gr. 8. ge⸗ F „„A 1 . 79 Langenbeck, Max, über die Wirksamkeit der me- dicinischen Polizei. gr. 8. geh. a 4 e. Kühn, Dr. Otto Bernh., System der anorganischen Chemie als Leitfaden zum Studium der theoreti- schen Chemie. gr. 8. geh. à 2 Ab. 20 gar . II. N In meinem Verlage erſchien ſoeben und iſt durch alle Buchhand— lungen zu beziehen: Dr. Underwood's Handbuch der Kinderkrankheiten. Nach der 10. Ausgabe ins Deutſche übertragen von Dr. F. W. Schulte. Bevorwortet und mit neuen Zuſätzen verſehen von Dr. F. J. Behrend. Gr. 8. Geh. 3 Thlr. 15 Nat. Leipzig, im Juni 1848. F. A. Brockhaus. III. Naturhiſtoriſche Anzeige für Bibliotheken! Schreber's Säugethier-Werk hat mit dem fo eben ausgegebenen Doppelhefte No. 136 u. 137 ſeinen voll⸗ ſtändigen Abſchluß erreicht. Privat- und öffentliche Biblio⸗ theken, welchen die Ergänzungshefte noch abgängig ſind, und dieſe ſowie etwaige Defecte aus früheren Lieferungen zu beſitzen, oder die erforderliche Aufklärung zur Comple= tirung der früher erſchienenen Theile zu erhalten wünſchen, wollen ſich mit ihren gefälligen Anfragen an Herrn Leopold Voß in Leipzig oder an die unterzeichnete Expedition wenden. . Erlangen, den 24. Dec. 1847. Die Expedition von Schreber's Säugethier⸗ und Esper's Schmetterlings-Werken. IV. In der Stahel'ſchen Buchhandlung in Würzburg iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Schmidt, Dr. J. Chr., über Lage und Anord- nungen der menſchlichen Organismen, Organe und Organentheile nach mathemat. und rein phyſikaliſchen Grundſätzen. Ein dritter Beitrag zur Entwickelungs-Geſchichte des Menſchen. Erſte Abtheilung: Der Organismus ein Mikrokosmus. Mit einer Steindrucktafel. gr. 8. broch. Preis 3 2 36 &. oder 2 g. Derſelbe: Authentiſcher Bericht über die Vor⸗ gänge bei der Philoſophen-Verſammlung in Gotha am 23., 24. und 25. Februar 1847. gr. 8. geh. Preis 30 4 oder 10 Nor. 5 19 Ve Vor Kurzem hat die Prefie verlaſſen und iſt durch alle Buch⸗ handlungen zu beziehen: Handbuch der allgemeinen und ſpeciellen Gewebelehre des menſchlichen Körpers, von Dr. J. Gerlach. Afte Lief. gr. 8. mit zahlreichen, in den Tert eingedruckten Holz: ſchnitten. Preis 1 N. oder e 1. 48 2. Rh. Das ganze Werk wird aus einem Bande von circa 34 Druck⸗ bogen beſtehen und in 3 Lieferungen ausgegeben werden. Der unterzeichnete Verleger hat die Genugthuung, dem verehrten ärztlichen Stande keine gewöhnliche Arbeit, ſondern ein von den bis jetzt competenteſten Richtern dieſes Faches als etwas Ausge— zeichnetes anerkanntes Werk zu übergeben. Die bereits mehrfach in deutſchen, ſowie franzöſ. und engliſchen Journalen (von Letzteren z. B. in dem British & Foreign medical Review, Lancet etc.) er⸗ ſchienenen Recenſionen bürgen ebenfalls für deſſen Werth. Mainz, im Auguſt 1848. 7 Ed. Janitſch. — —— — — — VI. Bei E. Kummer in Leipzig iſt ſoeben erſchienen: Giebel, C. G., Gaca exeursoria germanica. Deutſch⸗ lands Geologie, Geognoſie und Paläontologie als unentbehrlicher Leitfaden auf Excurſionen und zum Selbſtſtudium. Mit 24 lithogr. Tafeln. [Iſte Lief. Mit 12 Tafeln. Geheftet Thlr. 1. 26 Nar. Rabenhorſt, Dr. L., Deutſchlands Kryptogamen- Flora. An Bds. te Abth. Leber-, Laubmooſe und Farren. lte Lief. Geh. 27 Nr. VII. Im Verlage von A. D. Geisler in Bremen ist so eben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Beiträge zur Behandlung der Ruhr und einiger ent- zündlicher Krankheiten. Drittes Sendschreiben an den Herrn Hofrath Holscher in Hannover. Von Hofmedicus Elwert. gr. 8. geh. 9 ggr. Auch in diesem dritten Sendschreiben hat sich der Herr Hofmedicus Elwert freimüthig und klar über die Vorzüge der Homöopathie, der Allopathie gegenüber, ausgesprochen; das Buch ist daher allen, die sich für diesen Gegenstand interessiren, mit Recht zu empfehlen. Erſchienene Neuigkeiten. 20 VIII. Im Landes Induſtrie-Comptoir zu Weimar ift erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Darſtellung des Cand- und Seekriegs für Dilettanten bearbeitet N von J. C. Mathieu. Erſte Abtheilung: Organiſation der Heere. Waffenlehre. Taktik. Strategie und Verpflegung. 14½ Bogen gr. 8. mit 19 Holzſchnitten, 1 Chemitypie und 2 Litho⸗ graphien. geh. 1 . 9 IP. Nationalitätskarte von Deutschland mit historischer Erläuterung und Tabellen. Von H. Kiepert. Ein Blatt Karte und 1½½ Bogen Erläuterung und Tab. Roy. Format 12 8%. llistorisch- geographischer Schulatlas der alten Welt. Sechzehn, nach den besten Quellen neu gezeichnete Karten mit 6½ Bogen erläuterndem Texte. Achte durchaus neu bearbeitete Auflage von H. Kiepert. Royal 4. Geh. 1¼ RB. = 2½ % Rh. = 1 ½ 52 22 Cv. Ein Blatt ohne Text 2½ 9%. — 9 X Rh. = 8 A Cony. Inhalt: 1. Erdansichten der Alten. — 2. Das Persische Reich und das Reich Alexanders des Grossen. — 3. Das Parthische Reich, India und Arabia. — 4. Aegyptus und Arabia Petraea. — 5. Palästina und Jerusalem. — 6. Asia minor, Syria und Ar- menia. — 7. Griechenland mit den Inseln, den asiatischen Colonien, Macedonien und Thracien. — 8. Hellas, Peloponnesus und Athen. — 9. Rom und Carthago oder Italien, Hispanien, Africa zur Zeit der Punischen Kriege. — 10. Mittel -Italien vor der Römischen Herrschaft, Latium und Rom zur Zeit der Republik. — 11. Rom unter den Kaisern. — 12. Italien und Africa propria. — 13. Hispanien und Mauretanien. — 14. Gal- lien und Britannien. — 15. Die römischen Donauprovinzen, Germanien und Sarmatien. — 16. Übersicht des römischen Reichs. — Memoranda der speciellen Physiologie des Menschen. Ein Leitfaden für Vorlesungen und zum Selbstunter- richt von Dr. Julius Budge, Professor an der Universität zu Bonn. 10 Bogen gr. 12. 1848. mit 9 Kupfertafeln, cartonnirt 1 #6. Allgemeiner berg - artiftifcher Monatsbericht für Deutſchland. Ne. 6. 5 October. | | 1848. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie⸗ Gomptolr zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, den Fortſchritten der Geographie und Na kurgeſchichte und den chirurgiſchen Kupfertafeln als ö 1 N Intelligenz Slate . beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile e einer Spalte wird 2 %95. oder 7 A, berechnet. N 1 Erfgienene neuigkeiten 0 Er 4 . jr ' und Rlitirung von Deutſchland in Bezug auf Thüringen. Mit . ] eeinem überſichtskärtchen. 72 Seiten gr. 8°. geh. 12 Sp. 15 Ueuigbeiten Heß, Dr. Mendel, Predigten, Confirmations⸗, Trau- und Schul⸗ . Einführungs-Reden. Dritte Sammlung, 202 Seiten 8. geh. 0 1 des % N. 5 Klöden, Dr. K. F., der Sternenhimmel. Eine vollständige po- La a U d E 8: J n d uſt ri e⸗ E. o m pt t D 1 1 8 puläre Sterrieirkunde‘ mit besonderer Beziehung auf die grosse Sternwandkarte des Landes - Industrie- Comptoirs. 576 Seiten und des Aal gr. 8°, geh. 3.96. PR . Mathieu, J. C., Darſtellung des Land- und Seekriegs, für Dilet⸗ Ges graphiſchen Inſtituts ö tanten bearbeitet. Erſte Abtheilung: die Organiſation der Heere, ar Waffenlehre, Strategie und Verpflegung. 14'/ Bogen. gr. 8. mit in Weimar ; 51 e 1 Chemitypie und 2 Küthographien., geh. 1 Kg. . . * N im Jahre 1848 BR aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, dritte Reihe von Dr. M. J. Schleiden und Dr. R. Froriep, 5. bis 8. eh 8 ve j Band. Jeder Band von 24 Bogen in , von 2 — 3 Bg. A. 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Karten: und Abbildungen. Jeder Band 3 N f n BR. Froriep, Dr. Robert, chirurgiſche K Kupferkafeln, eine auserleſene Der nördliche Sternenhim mel, eine Wand- und Decken- Scammlung der nöthigſten Abbildungen von äußerlich ſichtbaren karte, ausgeführt von R. Froriep. 4 Blatt Imper. - Format. Krankheitsformen, anatomifchen Präparaten, ſowie Inſtrumenten,, 2 K. . g welche auf Chirurgie Bezug haben, zum Gebrauch für praktiſche Atlas, historisch - geographischer, der alten Welt. Ste Auflage, Chirurgen. 96. Heft oder die Tafeln 483 — 487 mit Erläuterungen. in 16 nach den besten Quellen neu gezeichneten Karten mit gr. 4. ½ Ro. 6 ½ Bogen erläuterndem Texte, neu bearbeitet von II. Kie- Göthe's Briefe an Frau von Stein in 7 Jahren 1776 bis 1826. | pert. Royal 4°. geh. 1½ W. Zum erſtenmal herausgegeben durch A. Schöll. Erſter Band, 5 vom Austral-Contigent oder Neu- He ffn, ent- mit dem Bildniß der Frau von Stein. XXIV und 382 Seiten worfen von C. F. Weiland, vervollständigt von H. Kie- 8. geh. 2 Kg. pert. Auch zum grossen Handatlas in 71 Karten gehörig. Groß, Frhr. v., über die Ergänzung der wöpogzäbhiſchen Aufnahme |. Imper.-Format. 10 95. 7 — “ 6 23 Kiepert, II., Karte von Amerika, auch zum grossen Handatlas in 71 Karten gehörig. Ein Blatt Imper.-Format. ½ Ng. Kiepert, H., Karte von Australien, auch zum grossen Hand- atlas in 71 Karten gehörig. Karte von Deutschland und der Schweiz in 4 Blättern, gez. von C. F. Weiland, durch ein ötes Blatt im Osten und Nor- den ergänzt von II. Kiepert. Imper.-Format. 2½ Rp. Kiepert, H., Karte von Deutschland, auch zum kleinen Handatlas in 61 Karten gehörig, Ein Blatt Roy.-Format. % Ng. l Kiepert, II., Karte des Königreichs Hellas, oder Griechen- lands und der Republik der Sieben Jonischen Inseln. Mit Plan von Athen und Umgebung. Ein Blatt Imper. - Format. % Ro. Kiepert, H., Karte der Indusländer und Afghanistans zur Übersicht der Kriegsbegebenheiten. Ein Blatt Imper.- Format. % Ng. Kiepert, H., Nationalitätskarte von Deutschland mit historischer Erläuterung und Tabellen. Ein Blatt Karte und 1½ Bogen Erläuterung und Tab. Roy.-Format. 12 8%. Karte des östlichen und westlichen Planiglobs der Erde in 8 Blättern, neue, durchaus verbesserte Ausgabe von II. Kie- pert. 3 . Kiepert, II., Karte der Vereinigten Staaten von Nord- amerika, auch zum grossen Handatlas in 71 Karten gehörig, Ein Blatt Imper.-Format. ½ #9. Kiepert, II., Karte der Vereinigten Staaten von Nord- amerika, auch zum kleinen Handatlas in 61 Karten gehörig. Ein Blatt Roy.-Format. ¼ . * Karte vom Rhein, von seinem Ursprunge bis zu seiner Mün- dung, mit den angrenzenden Landestheilen und genauer Be- zeichnung der Kunststrassen, gezeichnet von C. F. Weiland, durchaus verbessert von H. Kiepert. Zwei aneinander ‚passende Blätter im grössten Imper.-Format. 1 R6. 8 2 II. . Im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig ist neu erschienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: Günsburg, (F.), Studien zur speciel- len Pathologie. Zweiter Band. — A, u. d. T.: Die pathologische Gewebelehre. Zweiter Band: Die krankhaften Formveränderungen in den Geweben und Organen des menschlichen Körpers. Grundriss der pathologischen, Entwickelungsge- schichte, Mit 2 Tafeln. Gr. 8. Geh. 2 Thlr. 15 Ngr. Der erste Band erschien 1845 und führt den Titel: Die Krankheitsproduete nach ihrer Entwiekelung, Zusammensetzung und Lagerung. in den Gewe- ben des ‚menschlichen Körpers. Mit 3 Tafeln, Geh, 1 Thlr. 15 Igr. Ein Blatt Imper.-Format. ½ g. Erſchienſene Neuigkeiten. . allen Buchhandlungen zu haben: 5 24 III. Bei C. W. Leske in Darmſtadt iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: N . Naturgeschichte ” der für die Heilkunde wichtigen Thiere, mit besonderer Rücksicht auf Pharmacologie, Pathologie und Toxicologie entworfen von * Dr. med. Eduard Martin. 3 Mi 222 grossentheils eolorirten Abbildungen in einem be- sonderen Atlas. 7 f gr. 8. geh. Preis 5 Ng. oder 9 Obgleich der vielfachen und hohen Wichtigkeit, welche die auf Heilkunde und Pharmacie angewandte Naturgeſchichte hat, allgemeine Anerkennung geworden iſt, ſo iſt bisher doch nur durch Bearbeitung der Botanik vieles Gute gefördert worden, während es noch an einer vollſtändigen mediciniſchen Zoologie fehlte. Dieſem Übelſtande ſoll obiges Buch begegnen. Bei Bearbeitung deſſelben hatte der Verfaſſer beſonders vor Augen, angehenden Arzten und Apothekern einen Leit⸗ faden zum Erkennen der Thiere und thieriſchen Stoffe zu geben, welche pharmgcologiſch, pathologiſch und toxricologiſch te intereſſiren, und depen genaue Kenntniß für fie eine unumgängliche Nothwendig⸗ keit iſt; dann aber ſoll es auch Praktikern als ein Werk zum Nach⸗ ſchlagen dienen. Der Verfaſſer hat geſucht, es zu einem Compen⸗ dium für Vorleſungen geeignet darzuſtellen, da die medieiniſche Zoo⸗ logie ſelbſt eine Wiſſenſchaft iſt, welche ein beſonderes Studium nöthig macht. . , * ’ 1 '» 3 IV. | Bei E. J. Karow, Univerſitätsbuchhändler in Dorpat, erſchien ſo eben und iſt in ſämmtlichen Buchhandlungen des In- und Aus- landes vorräthig: Lehrbuch der Pharmacie zum Selbſtunterricht für Pharmaceuten und Arzte 4 von . Dr. Carl Friedr. Eduard Siller, 5 ordentl. Profeſſor der Pharmacie an ver kalſerl. Univerſität zu Dorpat, Collegienrath, Ritter ꝛe . * Ste vermehrte und gänzlich umgearbeitete Ausgabe mit in den Text eingedruckten Holzſchnitten. 4 Erſter Band gr. 8. 50 Bogen Preis geh. 4 RG. Preuß. Cour. V. N Bei F. W. Otto in Erfurt ist soeben erschienen und in — Becquerel, M., Elemente der Electro-Chemie, in ihrer Anwendung auf die Natur wissenschaften und die Künste. A. d. Franz. Mit 3 Kupfert, 2te Ausgabe. gr. S. Geh. Preis nur 1% . 15 Allgemeiner literariſch-artiſtiſchen Monatsbericht für Deutſchland. Med... - October. 32 1848- Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge⸗ biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als | Intelligenz⸗Blatt 5 N beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 995. oder 7 A. berechnet. j Erſchienene Ueuigkeiten. f 5 - III. Heute ocz usgegeben Nr. 7 von | Stuttgart. Im Verlage von Ebner & Seubert ist BEER Near s erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Medizinisches Neformblatt pie südafricanischen Mollusken. für Ein Beitrag zur Kenntniss der Mollusken des Kap | und Natallandes und zur geographischen S a ch f en. | Verbreitung derselben. Herausgegeben in Leipzig | Mit Beschreibung und Abbildung der neuen Arten von | von 25 2 5 2 „ Prof. Dr. Ferd. Krauss Prof. G. B. Günther, Dr. Millies, Dr. Clotar Mül⸗ nee RN ler, Dr. Hugo Sonnenkalb u. Dr. Winter. e eee e | Mit sechs. Steintafeln. Organ des Ausſchuſſes ſächſiſcher Arzte. gr. 4. (18 Bogen Text) geh. Preis . 3. 12 A. oder g. 2. Dasselbe fein colorirt. cart. Preis %. 5. oder g. 3. enthaltend: Glückwunſch zum Mediziniſchen Reformblatte für Sach⸗ ſen an die Herausgeber des erſteren und an das Medizinalperſonal g IV. des letztern gerichtet vom Medizinalrathe Dr. Unger in Zwickau. 4 . on! Preis für die Monate October bis December 20-Ngr. — Jede Woche Bei L. Fr. Fues in Tübingen iſt erſchienen und durch erſcheint 1 Nummer, einen Bogen ſtark. — Durch alle Buchhandlungen alle Buchhandlungen zu beziehen: und Poſtämter zu beziehen. Quenstedt, F. A., Prof., Petrefactenkunde Leipzig, 1. Octbr. 1848. Deutschlands, 1— ötes Heft. 1846 1847. Otto Klemm. | ap 2. 42.22. od. Wie. 1. 20 Ngr. Quenstedt, F. A., Prof., Über Lepidotus im Lias Württembergs. Mit 2 Tafeln Abbildungen. 1847. II. f 44. 2 1. od. 18 Ner. Bei Bauer & Raspe in Nürnberg iſt ſo eben erſchienen und in jeder Buchhandlung zu haben; . 7 2 4 m Zur Bibel. Im Verlage von Adolph Büchting in Nordhausen Naturhistorische, anthropologische und medizini- erschien soeben und ist durch alle Buchhandlungen zu erhalten: sche Fragmente Weber, Dr. G., prakt. Arzt in Kiel, Theorie Von N und Methodik der physikalischen Untersuchungs- 5 J. B. Friedreich. methode bei den Krankheiten der Athmungs- gr. 8. 2 Theile, elegant broschirt. Preis 3½ 96. oder 5 ff und Kreislaufs-Organe. gr. 8. 8½ Bogen 1849. 30 A. Rhein. eleg. geheftet. Preis 22½ 9%. 7 * Erſchienene VI. So eben erschien in unserm Verlage und ist in allen Buch- handlungen zu haben: Flora der Provinz Preussen von C. Patze, E. Meyer, L. Elkan. 1. Lief. S. 11 Bogen broch. 21 95. Das ganze Werk wird ungefähr 36 Bogen ſtark und deſſen Preis genau nach Maßgabe der 1. Lieferung berechnet werden. Zur Empfehlung desſelben Etwas hinzuzufügen würde überflüſſig ſein, indem es in allen Buchhandlungen zur Anſicht zu haben iſt. Preis: Königsberg. Gebr. Bornträger. VII. Neuigkeiten. | | | | unter Redaction des Dr. erscheint. In meinem Verlage erschien so eben und ist in allen Buch- handlungen vorräthig: Lehrbuch der Physiologie des Men- schen für Arzte und Studirende von Dr. Aug. Friedrich Günther. Zweiter Band, 1. Abtheilung. Auch unter dem Titel: Lehrbuch der speciellen Physiologie von Dr. Aug. Friedrich Günther, königl. sachs. Regimentsarzte, Professor der Anatomie Physiologie an der chirurgisch medicinischen Akademie Thierarzneischule und Mitgliede der Prüfungsdeputation zu Dresden. I. Abtheilung, enthaltend die Physiologie der vegetativen Function. Mit zwei Tafeln in Stahlstich und mehreren Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis 1¼ Re. Der erste, früher erschienene Band: „Lehrbuch der allgemeinen Physiologie“ kostet 31/, Ag. September 1848. und und Leipzig, B. G. Teubner. VIII. Bei E. Kummer in Leipzig iſt ſoeben erſchienen: Giebel, C. G., Gaea excursoria germa- nica. Deutſchlands Geologie, Geognoſie und Paläontologie als unentbehrlicher Leitfaden auf Er- curſionen und zum Selbſtſtudium. Mit 24 lithogr. Ta⸗ feln. 2te Lief. Mit 12 Tafeln. Geh: Thlr. 1. 25 Ngr. (Beide Lief. vollft. koſten Thlr. 3. 21 Ngr.) 28 IX. Durch alle Buchhandlungen ist zu erhalten: Geschichte der Mediein, bearbeitet von Dr. E. Morwitz. Erster Band. Gr. 12. Geh. 2 Dieses Werk bildet den ersten Band der vierten Abtheilung der „Encyklopädie der medicinischen Wissenschaften”, welche A. Moser bei dem Unterzeichneten Die vorhergehenden Abtheilungen enthalten: ' I. Handbuch der topographischen Anatomie. Von Dr. L. Roehmann. 3 #6 II. Handbuch der speeciellen Pathologie und Therapie. Von Dr. L. Posner. Drei Bande. 7 K. Der erste Band umfasst die acuten Krankheiten (2 Thlr.); der zweite und dritte Band die chronischen Krankheiten (5 Thlr.). Die medieinische Diagnostik und Semiotik. Von Dr. A. Moser. 2 g. - Leipzig. im Sept. 1848. F. A. Brockhaus. Xi Bei Eduard Kretzschmar in Leipzig erscheint und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Handbuch ef Men Anne von Dr. Eduard d' Alton, Professor der Anatomie und Physiologie an der Universität Halle. RB. III. Nit in den Text eingedruckten Abbildungen, nach der Natur auf Holz gezeichnet vom Verfasser, geschnitten von Eduard Kretzschmar. _ Erster Band: Anatomie der Bewegungswerkzeuge. In 5—6 Lieferungen, Hoch 4. Jede Lieferung 1 Kg. Nach dem Plane des Verfassers soll dieses wichtige Werk in drei Bänden erscheinen, von denen der erste Band die Anatomie der Bewegungswerkzeuge.'der zweite die Eingeweide, der dritte die Nerven umfassen wird. Jeder Band hat ein selbständiges, in sich abgeschlos- senes Ganzes. Die erste Lieferung (mit 50 Abbildungen) ‚ist bereits ausgegeben. XI. 5 Im Verlage des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs in Wei⸗ mar iſt im Herbſte 1845 erſchienen und durch alle Buch- und Kunſt⸗ handlungen zu beziehen: Die Pferderacen, zuſammengeſtellt von Robert Froriep. Zweite vermehrte und verbeſſerte Auflage, enthaltend 117 Abbildungen von Pferden aller Racen, mit einer Darſtellung der Anatomie, des Alters, det Hufe und Sporen ꝛc. (Kupferſtich). Mit charakterifivendem Texte. Ein Blatt im größten Imperialformat. 1 8g. = 1½ g Conv. = 1% e Rh. n. Allgemeiner literarifch- artiſtiſcher Monatsbericht für Deutſchland. No. 8. N November. 1848. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge⸗ biete der Natur⸗ und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz⸗ ch beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. * Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht tiefes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 95. oder 7 A. berechnet. Erſchienene Ueuigkeiten. I. | II. In der Dieterich'ſchen Buchhandlung in Göttingen ;jift Bei Chr. E. Kollmann in Leipzig ist mit der 13. nun vollſtändig erſchienen: | Lieferung, à 1 , nun vollstandig erschienen: Lehrbuch I | Dr. Grisolles, Vorlesungen über die specielle der ſperiellen Hofologie und Therapie, Pathologie und Therapie der inneren Krank- herausgegeben von C. H. Fuchs. heiten des 1 Menschen. Deutsch unter Redaction 2. Bände in 4 Abtheilungen. des Dr. Fr. J. Behrend. 3 Bände mit alphabet. Bd. 1. Klaſſen und Familien. | Sachregister. gr. 8. 10 . Bd. 2. Abth. 1—3. Gattungen und Arten. | win Band wird auch einzeln zu 31% Ng. verkauft. Sie : g ar 2 enthalten: 469 Hog. ing, . 4 14 . 20. Ker | Erster Band: Die Fieber und Entzündungen. Es haben ſo zahlreiche Beurtheilungen der früheren Bände dieſes Zweiter Band: Die Er N di Werkes, welches wir dem Publicum vollendet vorlegen, feine großen Nutritionsstörungen. Eu, MR 'ergiftungen, 55 Vorzüge anerkannt, daß wir uns jeder weiteren Empfehlung enthal⸗ ‚ Dritter Band: Die krankhaften Um- und Neu- ten können. Wir bemerken nur, daß ſich daſſelbe nicht allein als Lehrbuch durch Vollkommenheit, ſyſtematiſche Ordnung und Präcifton auszeichnet, ſondern daß es auch (um die Worte eines competenten Richters zu gebrauchen) allen denen, welche das Handwerksſtudium bereits hinter ſich haben und ſich vom Fortſchritte der Wiſſenſchaft Latham, Dr. P. M., Vorlesungen über die und von den Einflüſſen der Phyſtologie und Hülfswiſſenſchaften auf Herzkrankheiten. Aus dem Englischen von Dr. dieſelbe überzeugen wollen, als Führer dienen kann, und daß nament⸗ G. Krupp. 2r. und letzter Band 1½ Thlr. (beide lich der praktiſche Arzt kaum in einem andern ähnlichen Werke ſo B 1½ UI 8 N a ande 24, Thlr.) ſcharfe und naturgetreue Schilderungen der verſchiedenſten Formen des Krankſeins und ſo beſtimmte und klar nachgewieſene Regeln für e 5 5 die einzuſchlagende Behandlung finden wird. Das ausführliche Re- Orfila, M., Lehrbuch der gerichtlichen Me- giſter und Synonymenlexicon, welches dem 4. Bande beigegeben iſt, diein. Nach der vierten verbesserten und bedeutend zeugt einerfeits von dem reichen Inhalte des Buches und erleichtert vermehrten Auflage aus dem Französischen über- andererſeits ſeinen Gebrauch. Die typographiſche Ausſtattung wird 5 2 ; nichts zu wünſchen übrig laſſen. 50 setzt von Dr. G. Krupp. Ir. Band. 3½ Thlr. bildungen, die Neurosen und die Speeialkrankheiten besonderer Structuren. g Ferner ist in unserm Verlage erschienen: Kritisch - etymologisches medicinisches Lexicon oder Erklärung des Ursprungs der aus dem Griechischen, dem Lateinischen und aus den Orientalischen Sprachen in die Medicin und in die zunächst damit verwand- III. In Ferd. Dümmler's Buchhandlung in Berlin ist er- schienen: Müller, Joh., Uber die Larven und die Meta- ten Wissenschaften aufgenommenen Kunstausdrücke, morphose der Ophiuren und Seeigel. Mit 7 Kupfer- zugleich als Beispielsammlung für jede Physiologie tafeln gr. 4. 1848. 2 Thlr. 10 Sgr. der Sprache entworfen von L. A. Kraus. 3zie Wagner, Dr., Spatulariarum Anatomia. Mit 1 stark vermehrte und verbesserte Auflage. Lex. 8. Kupfert. (Schluss zu J. Müllers System d. „Ganoi- 137 Bogen à 6 . den.“) fol. 20 Sgr. 8 31 IV. In unserm Verlage sind so eben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Die Ichneumonen der Forst-Insecten in forstlicher und entomologischer Beziehung. Ein Anhang zur Beschreibung und Abbildung der Forst- Insecten von J. T. C. Ratzeburg. 2 Bände in gr. Quart, mit 7 sauber in Stahl gestochenen Tafeln. Gebunden 6 Thlr. Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Entomologie während des Jahres 1846, ä von Dr. W. F. Erichson. Geheftet, Preis 1 . Naturgeschichte der Insecten Deutschlands von W. F. Erichson. Erste Abtheilung. COLE OPT E RA. Dritter Band. Geheftet 5 Kg. Die ersten beiden Bände, welche den Theil der Coleopteren enthalten werden, die in des Verfassers früherem Werke, „die Käfer der Mark Brandenburg“ schon abgehandelt waren, sollen später, neben den folgenden Bänden, erscheinen. Nicolai sche Buchhandlung in Berlin. V. Anzeige für Inſectenſammler. E. H. Reclam sen. in Leipzig offerirt nachſtehende natur— hiſtoriſche Werke und ſieht Geboten darauf entgegen: Hahn, C. Wilh., die wanzenartigen Inſec⸗ ten. 1— 3. Band. Nürnberg, 1831—35. Daſſelbe fortgeſetzt von G. A. W. Herrich⸗ Schäffer. 4 — 6. Bd. Ebend. 1839 — 42. Daſſelbe fortgeſetzt von G. A. W. Herrich-⸗ Schäffer. VII. Bd. 1—3 Heft. Ebend. 1842. Zu⸗ ſammen Ladenpreis 32 ¼ Thlr. Schönherr, Curculionidum disposita methodiea cum generum charaet. etc. Pars. IV. Lips. 1826. Laden- preis 2 Thlr. Vorſtehende Werke find zwar gebunden, aber ganz gut gehalten und ohne allen Makel. VI. Im Verlage des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Wei⸗ mar iſt 1848 erſchienen: Predigten, Confirmations-, Trau- und Schuleinführungs-Reden von Dr. Mendel Heß. Dritte Sammlung. 202 Seiten 8%. geh. 20 9/5. n. Die dritte Sammlung des in dem Gebiete der jüdiſchen Kanzel— beredtſamkeit rühmlichſt bekannten Großherzogl. Sächſiſchen Landrabbi⸗ ners, mit Kraft dem Scheine entgegentretend, und einer tiefen geiſt— vollen Auffaſſung des Gottesdienſtes entſprechend. Erſchienene Neuigkeiten. 32 N Historisch - geographischer a Schulatlas der alten Welt. Sechszehn neu gezeichnete Karten mit 6'/; Bogen erläuterndem Texte. Achte, durchaus neu bearbeitete Auflage von H. Kiepert. Royal 4. Geh. 1½ Ng. 2¼ f Rh. = 1 52 X? Conv. Ein Blatt ohne Text 2½ 9%. = 9 X. Rh. = 8 A. Conv. Inhalt: 1. Erdansichten der Alten. — 2. Das Persische Reich und das Reich Alexanders des Grossen. — 3. Das Parthische Reich, India und Arabia. — 4. Aegyptus und Arabia Petraea. — 5. Palästina und Jeru- salem. — 6. Asia minor, Syria und Armenia. — 7. Griechenland mit den Inseln, den asiatischen Colonien, Macedonien und Thracien.— 8. Hellas, Peloponnesus und Athen. — 9. Rom und Carthago oder Italien, Hispanien, Africa zur Zeit der Punischen Kriege. — 10. Mittel -Italien vor der Römi- schen Herrschaft, Latium und Rom zur Zeit der Republik. — 11. Rom unter den Kaisern. — 12. Italien und Africa propria. — 13. Hispanien und Mauretanien. — 14. Gallien und Britannien, — 15. Die römischen Donau- provinzen, Germanien und Sarmatien. — 16. Übersicht des römischen Reichs. Dieſe neue und ſehr ſchön ausgeftattete Auflage unſeres Schul⸗ atlas der alten Welt, ein ganz neues Werk, zeichnet ſich ebenſoſehr durch die zweckmäßige Eintheilung als durch die vollſtändige und kri⸗ tiſche Berückſichtigung aller über die alte Geographie vorhandenen Materialien aus. Einen beſonderen Werth giebt derſelben der von H. Kiepert gearbeitete Text, den wir ohne Bedenken als die beſte gedrängte Darſtellung der alten Welt bezeichnen, welche überhaupt eriſtirt, während die Karten in ſchönſtem Kupferſtich ſo klare und an⸗ ſchauliche Bilder der alten Welt geben, wie man fie nur von H. Kie— pert's Hand in neueſter Zeit erhalten hat. Der Sternenhimmel. Eine vollständige populäre Sternenkunde mit besonderer Beziehung auf die grosse Sternwandkarle des Landes-Industrie-Comploirs. Von Dr. K. F. Klöden. 576 Seiten gr. 8. geh. 3 Re. Der nördliche Sternenhimmel, eine Wand- und Deckenkarte ausgeführt von R. Froriep. 4 Blatt. Imper.-Format. 2 g. Während bei dem ersten der hier aufgeführten Werke der Name des Verfassers wie der Titel des Buches vollkommen genügt, um demselben als einem populären Handbuch der Sternenkunde bei dem gebildeten Publikum eine günstige Aufnahme zu ver- schaffen, so ist über das zweite, die Sternwandkarte, zu bemerken, dass in derselben mit Benutzung der neuen „Uranometrie“ von Argelander in einer eleganten und ansprechenden Weise in tief- blauem Grunde die weissen Sterne so dargestellt sind, dass bei entfernterer Betrachtung nur die Sterne, wie man sie am Nachthimmel erblickt, — bei näherer Betrachtung dagegen auch die Eintheilung des Sternenhimmels in einzelne Bilder und die Bezeichnung der einzelnen Sterne durch Buchstaben dem Auge deutlich hervortreten; es wird daher 1 47 diese Karte einem doppelten, bis jetzt nie zugleich befriedigten Bedürfnisse genügt. S f * > ® un * 17 aus dem | Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt der Rechte, der Medieln und der Philoſophie Doctor, des Königl. Niederlänviſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, Ro. a Ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, \grieultural Society zu Newhorf, ver Kalferl. Leopolvino⸗Caroliniſchen Geſellſchaft der Naturforſcher, en, der Societas physico-medica zu Erlangen, ber naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der ſchen Geſellſchaft, des norpdeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgifchen naturwiſſenſchaftlichen Vereins orventlichem, correſpondirendem und Ehrenmitgliede M. J. Schleiden, x der Linnean Society zu London, d MN der K. K. Geieltieaft der Arzte in \ L Regensburger botanı ID es 7 105 und 0 ; Dr. Robert Froriep, 9 des rothen Adler-Ordens vierter Claſſe Ritter, | Königl. Preuß. Geh. Medleinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, | der Fuel und Correſpondenten der . Akademie emeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de e arts, u der 7 8 medieiniſch⸗chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Hellkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur⸗ und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunve zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico-medica zu Moſkwa, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des 1 en Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Großherzogl. Bädliſcher Medleinal⸗ Beamten für die Beförverung der Staats ⸗Arznelkunde, des Apothefer- Vereins im nördlichen Deutſchland und des natur⸗ wiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes. N Weimar, * Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs. MS ( 1 1 f 1849. | | 8 e | - Dritter Reihe neunter Band. 162 a e aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von M. J. Schleiden, der Rechte, der Mediein und der Philoſophie Doctor, des Königl. Niederländiſchen und Großherzogl. Luxemburgiſchen Ordens der Eichenkrone Ritter, ordentlichem Honorarprofeſſor zu Jena, der Linnean Society zu London, der Agricultural Society zu Newgork, der Kaiſerl. Leopolvino ⸗Caroliniſchen Geſellſchaft der Naturforſcher, der K. K. Geſell⸗ ſchaft der Arzte in Wien, der Societas physico- medica zu Erlangen, der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft zu Nürnberg, der Regensburger botaniſchen Geſell⸗ ſchaft, des norddeutſchen Apothekervereins, des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes, des Hamburgiſchen naturwiſſenſchaftlichen Vereins ordentlichem, correſpondirendem und Ehrenmitgliede und Dr. Nobert Froriep, des rothen Adlerordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Medicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, . Mitgliede und Correſpondenten der Königl. Akademie gemeinnütziger 1 zu Erfurt, der Academie nationale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen medieiniſch⸗chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde iu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare -Sällskap zu Stockholm, der Societas physico- medica zu Moſkwa, der K. K. Geſellſchaft der 11 Pei in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗ Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehrenmitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medieinalbeamten für die Beförderung der Staatsarzneikunde, des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Dritter Reihe neunter Band. Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 1849. 1] * 5 ! Al ı 5% D * .. Dis A) k ut Ft. 5 ; 1 2 5 eg Het "Rt HE UBER ee 5 5 * $ r & 7 - 8 = . . I u 1 1 ; e 2 u 1 . ain 0 B ) 1 1 ' 8 1 i BIN Til. er u ie ar a g 2 7, BEL NFFRTIE DR LAGERN RE EI A 1 in . 2 0 N e eee Le N y i 2 . 4 nn LITE WM Ge er er een e A? 1 . ) | f ) 7 eie 2 RER u #777 14 „ 9 7 wein 791 a inen \ 1 . BAHR + 13 4 0 We. DR e N Wire N nr W ee .. vi 50 1 er I en Se e Maker 9 l * 198 1 1 ’ ar M. 2 h g einen eien e nie ru. nnen „rd e N eee, ee ee MI BETT ARE EUR nt nern ar na ne N Il rh „un ER le bg E Wein eee Mi a * eee We W ra ie n Aland auf, M eng N ech een. ltr e Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 177. (Nr. 1. des IX. Bandes.) Januar 1849. Naturkunde. v Heplin „eine hiſtelogiſche Neuigtett. — über die Infuſorien. — iſcellen. Fortpflanzung der Palmella- Arten. 1 der een (melaena infantum). — Miſcelle. v. Heßling, biſtologiſche Beiträge. — Art des Goöppert, ein Schlunddivertikel. — Oscar Schmidt, einige neue Beobachtungen Bohrmuſcheln. — Heilkunde. Rilliet, über die Bibliographie. Bohrens der Naturkunde. J. Eine hiſtologiſche Neuigkeit. Einen nicht unintereſſanten Beitrag zu den hiſtologi— ſchen Verhältniſſen der geſtreiften Muskeln liefert die Unter— ſuchung derſelben am penis der Schmetterlinge. Es finden ſich hier in großer Anzahl und conſtant zahlreiche Theilun— gen der Primitiobündel. Von einem ſolchen gehen entweder von der Seite ein oder mehrere Aſte ab, welche ſich in wei— terem Verlaufe wieder gabelförmig theilen, oder das Primi— tiobündel ſchwillt an und von dieſer knopfartigen Erweite— rung laufen nach verſchiedenen Richtungen 2 — 4 Aſte aus, welche ſich ebenfalls wieder theilen können. Die abgehenden Aſte behalten bald die Dicke des Hauptſtammes bei, bald nehmen ſie um ein Drittel oder Viertel an derſelben ab. So beträgt z. B. bei Botys limbalis der Hauptſtamm 0,012, der abgehende Aſt 0,007’; bei Orthosia stabilis erſterer 0,0076“, letzterer 0,0056 —0,0072““ im Durchmeſſer. An den Abgangsſtellen erleiden gewöhnlich die Querſtreifen keine Veränderung, gehen ohne die geringſte Unterbrechung in die Nebenäſte über; bisweilen wird auch die Querſtreifung theils unkenntlich, theils modificirt, indem die Primitiofaſern ſich verſchieben und tritt erſt in den Aſten wieder deutlich her— vor. Außer bei den genannten Thieren fand ich an der be— zeichneten Stelle die Theilung bei Miselia conspersa und Orthosia instabilis, welche ich jedes Mal ſogleich nach dem Hervorkriechen aus der Puppenhülle unter ſuchte; an andern Gegenden des Körpers, z. B. bei den Muskeln der Bruſt, der Antennen, des Rückenſchildes, verliefen die Primitiobün— del immer continuirlich, ohne nur die geringſte Andeutung einer Theilung. Ferner findet man in dieſen Muskeln der Geſchlechts— theile die von K. Wagner eutdeckte Theilung der Nerven— primitiofafern in einem viel auffallendern und großartigern No. 2157. — 1057. — 177 Grade, als es mir jemals bei irgend einem andern Thiere gelungen iſt. Ich erwähne derſelben, weil ich aus Erfah— rung weiß, wie es, namentlich für den Unterricht, ſehr wün— ſchenswerth iſt, ein derartiges Präparat auf eine leichte und in die Augen ſpringende Weiſe ſich verſchaffen zu kön— nen, und um zugleich noch ein eigenthümliches Verhalten bekannt zu machen. Es kommt hier nämlich vor, daß ſich eine PBrimitivfafer in zwei Aſte ſpaltet, die eine Strecke parallel neben einander herlaufen und ſich dann wieder zu einer einzigen Faſer verbinden. Ferner findet ſich hier zu— weilen, daß zwei offenbar verſchiedne neben einander ver— laufende Nervenprimitivfaſern durch einen kurzen rechtwink— lich abgehenden Queraſt mit einander verbunden ſind. Beide angeführte Eigenthümlichkeiten ſind bisher noch nicht beob— achtet worden. Eine nähere Darſtellung genannter Theile nebſt Abbildung werde ich in meiner demnächſt erſcheinen— den Hiſtologie verſuchen. Januar 1849. ! Dr. von Heßling. Jena, 21. Nach ſchrift. Herr Dr. son Heßling war jo freundlich, mir die oben erwähnten Präparate zu zeigen, und ich hatte Gelegen— heit, mich vollkommen von der Richtigkeit dieſer Beobachtun— gen zu überzeugen. Ich erwähne dies hier nur deshalb, weil vielleicht nicht Jeder weiß, daß Dr. von Heßling ſeinen Freunden als ein eben ſo gewandter als gewiſſenhaf— ter Beobachter länger bekannt, eigentlich einer Beſtätigung ſeiner Beobachtungen durch einen Andern nicht bedarf. Dr. M. J. Schleiden. 1 8 177. II. Hiſtologiſche Beiträge. Von Dr. v. Heßling in Jena. (Fortſetzung von No. 17. des VIII. Bandes.) Über die Art der Entſtehung der Pigmentzellen haben ſich die Anſichten der Hiſtologen noch nicht vereinigt. Va— lentin (B. Wagners phyſ. Handwörterbuch I. S. 648) ſchildert ihre Geneſis folgendermaßen: „Zuerſt entſtehen um ihre verhältnißmäßig großen Kerne die noch farbloſen, jungen Pigmentzellen und bilden bald in ihrer Abplattung ein zier— liches Moſaik. Nicht nur entſteht aber die Zellenmembran beim Hühnchen früher, als die Pigmentmolecüle, ſondern es zeigt ſich, ehe dieſe auftreten, ein Inhalt, deſſen unter ſtärkern Vergrößerungen gelblich erſcheinende Körnchen von den Pigmentmolecülen wohl zu unterſcheiden ſind, und die eher an die farbloſeren Körnchen, die auch in den Pig— mentzellen Erwachſener bisweilen vorkommen, erinnern. Die Ablagerung der Pigmentmolecüle erfolgt vorzüglich um den hellen Kern, ſo daß dieſer, von der Fläche geſehen, in der Mitte hell, an der Peripherie dunkel erſcheint.“ Vermehrt ſich die Anhäufung der Molecüle, ſo füllen ſie die ganze Zelle aus und verdecken endlich den Kern ganz.“ Eine ähnliche Schilderung giebt Günther (Lehrbuch der Phyſio— logie I. S. 267); er fand bei Schweins, Schafs- und Rindsembryonen auf dem vordern Theile der choroidea neben Pigment haltenden Zellen noch andere, die ſich durch— aus nicht von den gewöhnlichen Zellen des Embryo's unter— ſcheiden. Die Ablagerung des Pigments folge erſt ſpäter, wenn die Zelle ſo weit ausgebildet ſei, daß ſie die ihr eigenthümlichen Lebensfunetionen beginnen könne; zuerſt er— ſcheinen einzelne Körner, die ſich zu drei oder vier an einan— der reihen, bis ſie ihn gänzlich verdecken. Dieſen Reſultaten genannter Forſcher, nach welchen die Bildung der Zelle der— jenigen des Pigments vorangehe, ſo wie letzteres innerhalb der erſtern entſtehe, ſind die Erfahrungen von Bruch (Unter— ſuch. zur Kenntniß des körnigen Pigments der Wirbelthiere S. 47) entgegenzuſtellen. Er fand nur iſolirte Kerne in einer gleichförmigen Pigmentmaſſe eingeſtreut; nicht ein ein— ziges Mal gelang es ihm, notoriſche Zellen zu iſoliren. Unter dem Pigmente lagen zahlreiche, freie, runde und ovale Kerne, dte durch ein zähes Mittel verbunden waren. Überdies findet man bei Erwachſenen ſehr häufig auf der choroidea Kerne inmitten von Pigmentklümpchen, nie— mals aber leere Zellen zwiſchen den eigentlichen Pigment— zellen, was Bruch als Beweis gelten läßt, daß die Bildung des Pigments nicht innerhalb der Zellenmembran Statt finden kann. Gleiches führt auch Kölliker in ſeinen Unterſuchungen über die Entwicklung sgeſchichte der Cephalopoden S. 71 an. In der eutis der sepia lagern ſich ebenfalls die Pig: mentmolecüle um den Kern (Embryonalzelle), ohne von einer wahrnehmbaren Membran umgeben zu ſein, welche erſt im erwachſenen Thiere deutlich hervortritt. Gerlach (Handb. der Gewebelehre d. menſchl. Körpers S. 59) giebt wohl an, daß der Entſtehung der Pigment— molecüle immer jene der ſie einſchließenden Zellen nach— IX. 1. 1 folge, drückt ſich aber gleich darauf nicht beſtimmt aus, wenn er fortfährt: „Zuerſt bilden ſich ziemlich große Kerne von 0,003 — 0,004” Durchm., welche ſich mit farbloſen Hüllen umgeben, die jetzt ſchon durch gegenſeitige Abplattung eine polygonale Geſtalt annehmen; die Pigmentmolecüle entſtehen immer zuerſt um den Zellenkern, von hieraus erfolgt die Ablagerung derſelben nach allen Richtungen, bis ſie endlich den ganzen Zellenraum mehr oder weniger ausfüllen, wo— durch oft ſelbſt die Kerne vollkommen unſichtbar gemacht werden. Alſo entſtehen die Molecüle doch in fertigen Zellen? Gerlach ſcheint dieſes anzunehmen, da er dieſer nach ihm normalen Bildungsweiſe die von Bruch als pathologiſch angegebene gegenüber ſtellt, nach welcher ſich erſt die Hülle bildet, wenn der Kern ſich mit Körnern umgeben hat. Aus meinen Unterſuchungen über die Entwicklungsge— ſchichte des Auges, welche ich an einem andern Orte nieder: zulegen gedenke, kann ich in Betreff dieſes Punktes folgen— des hier zur Mittheilung bringen. Bei den von mir unter: ſuchten Schafsembryoͤnen von 15° — 23/4 Länge traf ich an dem vordern Theile der Aderhaut bereits Pigmentab— lagerungen an, aber nirgend eine Spur von Zellen, die hieher bezüglich wären. Die Pigmentſchicht beſteht aus Körnern, zwiſchen welchen theils runde, theils ovale Kerne eingeſtreut liegen. Von den Pigmentkörnern kann man kleinere, hellere von 0,0008 — 0,001” und größere, dunk— lere von 0,002 — 0,003““ unterſcheiden, dieſelben ſind dunkelbraun, nicht ſelten pechſchwarz mit ſcharfen Rändern verſehen, gewöhnlich rund, zuweilen oblong, zugeſpitzt, ſpindel— förmig und auf der Kante ſtehend gleichen ſie feinen Strichen; ſie umgeben entweder die Kerne einzeln zu drei bis fünf kranzförmig, oder verdecken ſie gänzlich, indem ſie ſich zu unregelmäßigen Klümpchen zuſammenballen. Die Kerne ent- halten ein bis zwei Kernkörperchen, haben ein ſchwach gra— nulirtes Ausſehen, meſſen 0,002—0,0035 im Durchm. und geben ſich nach Anwendung der Eſſigſäure als wahre Kerne zu erkennen. Während Eſſigſäure eine ſolche Pig— mentſchicht leichter auflockert, wobei die Kerne kleiner, gelb- licher werden und die Pigmentkörner Molecularbewegung bekommen, bedarf es bei Zuſatz von Waſſer einer geraumern Zeit zu dieſer Erſcheinung, woraus wohl der Schluß ge— zogen werden kann, daß Kerne und Pigmentkörner in einem Blaſteme eingebettet ſind, auf welches die Eſſigſäure durch Auflöſung eine ſchnellere Einwirkung äußert. Von Zellen, welche Pigment einſchließen, kam mir nichts zu Geſicht, ſelbſt nicht an den Stellen, wo ſchon durch die Lage der Kerne und ihre Einhüllungen mit Pigmentkörnern eine Anz ordnung zu einem ſchönen Moſaikbilde getroffen war, wie z. B. in den Falten der Ciliarfortſätze. Auch hier ließ weder Waſſerzuſatz, noch der Gebrauch des Compreſſoriums eine Zellenwand erkennen. Ich halte demnach das Auf— treten von Pigment haltenden Zellen für eine ſpätere Ent— wickelungsſtufe, in welcher ſich erſt aus dem erwähnten Bla= ſteme um die ſchon in ihre regelmäßige Lage gebrachten Kerne und Pigmentkörner die Zellenwand niederſchlägt, und trete hiermit den Ausſprüchen von Bruch und Kölli— ker vollkommen bei. Rathloſer wird man, wenn man Beobachtungen über die Entwicklung der Pigmentkörner ſelbſt angeben und nicht bloße Hypotheſen machen will. Ich wählte zu dieſem Zwecke den hintern Theil der choroidea, welcher ſchon dem unbe— waffneten Auge gänzlich farblos erſcheint. Gelingt ein gutes Präparat, ſo ſieht man, wie die ganze Membran aus Ge— fäßen von verſchiedenen Bildungsſtufen und jungen Binde— gewebefaſern zuſammengeſetzt iſt. Man trifft hier zum Theil noch große, ſternförmige Zellen, welche ſich mit ihren Aus— läufern mit einander veräſteln und zu Gefäßröhren ausziehen, gerade wie Schwann und Kölliker den Vorgang be— ſchrieben, theils ſchon fertige Capillaren, deren Durchmeſſer im Mittel von mehrern Meſſungen 0,012 betrug. Sie enthalten größtentbeils ſchon fertige kernloſe Blutzellen, manch Mal zeigen ſich aber noch blaßrothe Blutkörperchen, theils mit deutlich granulirten, weißen, theils mit mehr aufge— löſ'ten, in dunklere Körnchen zerfallenden Kernen. Zwiſchen und auf dieſen Capillaren und den jungen Bindegewebe— faſern liegen Kerne in beſtimmter Ordnung an einander ge— reiht, welche mit den oben beſchriebenen in ihren Eigen— ſchaften übereinſtimmen. Von eigentlichen, ſich an dieſer Stelle vorfindenden Pigmentkörnern iſt nirgends etwas wahrzu— nehmen, zumal wenn man die durch die Präparation des Auges von andern Stellen hierher gebrachten in Abrechnung bringt; aber auf den Kernen finden ſich feinkörnige Nieder— ſchläge don grauem, ſtaubartigem Anſehen und beſonders die Wandungen der Gefäße ſind ſtellenweiſe dicht davon umhüllt. Aus welchen Theilen dieſe feinkörnige Subſtanz, welche alle Nüancen vom Gelbgrauen bis in die ſchönſte Goldfarbe durchgeht, zuſammengeſetzt wird, iſt ſchwer zu beſtimmen; wahrſcheinlich hat ſie ihren Urſprung in dem Blaſteme, welches durch ſeine Verbindung mit dem aus— tretenden Blutfarbeſtoffe aller möglichen Umwandlungen bis zum eigentlichen Pigment fähig gemacht wird; wofür aller— dings die dichte Anlagerung der Maſſe um die Gefaäßröhren zu ſprechen ſcheint, jo wie auch in der choroidea des er— wachſenen Thieres die meiſten und ſtärkſten Ablagerungen der Pigmentzellen in der. Gegend der Gefäße Statt finden. III. Einige neue Beobachtungen über die Infuſorien. Die Kenntniß der Infuſorien iſt in den letzten Jahren ſo wenig durch wirkliche Beobachtungen gefördert worden, man hat im Gegentheil an der Glaubwürdigkeit früherer Unterſuchungen ſo viel gerüttelt, daß die Anſichten über die Stellung dieſer Thiere im Syſtem, über ihre verwandt— ſchaftlichen Beziehungen zu anderen Claſſen jetzt mehr als je aus einander gehen möchten. So hält man es jetzt im allgemeinen noch für unthunlich, fie einem der Cuvierſchen Thiertypen unterzuordnen, obgleich die Entſcheidung wohl nur zwiſchen Strahlthieren und Würmern ſchwanken kann. Früher, in Ehrenbergs unmittelbarer Nähe, mit dem Studium der Infuſorien beſchäftigt, wendete ich mich ſpäter zu den Würmern; in jüngfter Zeit, nach Veröffentlichung meiner fürdifchen Unterſuchungen, bin ich wieder auf die 177. IX. 1. 6 Infuſorien hingewieſen worden, um die gelegentlich geltend gemachten, zwiſchen ihnen und den Turbellarien obwaltenden Beziehungen weiter zu verfolgen und zu begründen. Nachdem ich die allgemeine Verbreitung der ſogenannten ſtabförmigen Körperchen in der Hautbedeckung der Turbel— larien gezeigt, durfte es von nicht geringem Intereſſe ſein, zu erfahren, daß eben dieſe Gebilde bei den Infuſorien ſich finden. Ich machte dieſe Beobachtung zuerſt an der großen Bursaria leucas, die mir im November und December in großer Anzahl zu Gebote ſtand. Bei ſehr heller Beleuch— tung ſieht man gewöhnlich nichts; dämpft man aber das Licht ab, ſo erſcheint bei den meiſten größeren Individuen die Haut ganz dicht mit länglichen, an beiden Enden zuge⸗ ſpitzten Körperchen geſpickt, von 0,0003 P. 3. Länge. Von einer Täuſchung iſt nicht die Rede, weil beim Zerdrücken des Thieres die Körperchen in großer Menge iſolirt werden und ſich meſſen laſſen, wovon ich mehrere meiner Zuhörer zu überzeugen Gelegenheit hatte. Außer bei Bursaria leucas habe ich die Körperchen zur Zeit allerdings nur noch bei Paramaecium caudatum und Paramaecium aurelia gefunden, bei denſelben Vorkehrungen für die richtige Beleuchtung, wahrend verſchiedene Vorticellinen nichts dem ähnliches er— kennen ließen; allein jene unzweifelhaften Beiſpiele genügen auch vollkommen als Anknüpfungspunkt zwiſchen den beiden fraglichen Thiergruppen. Bei jener Burſarie und den Para— maecien wurde häufig, wenn fie beengt wurden, ein faden— ziehender Schleim abgeſondert, welches Seeret in einigen Fällen aus den ſtabförmigen Körperchen ſeinen Urſprung zu nehmen ſchien. Sollte ſich dies beſtätigen, ſo würde dadurch die von R. Leuckart in der Anzeige meiner Schrift über die Ahabdocoelen ausgeſprochene Anſicht (Gött. gel. Anz. 1848. Nr. 153.), es ſeien die ſtabförmigen Körperchen Giftorgane, befeſtigt werden. Eine zweite und, wie mir ſcheint, wichtigere Ent— deckung wurde von mir ebenfalls an Bursaria leucas ge⸗ macht. Wer die Jufuſorien-Literatur verfolgt hat, weiß, wie ſehr man ſich von verſchiedenen Seiten abgemüht hat, die Function der durch Ehrenberg bekannten contractilen Bla— ſen phyſiologiſch richtig zu deuten, um fo mehr, da, außer der Erſcheinung der in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abſtanden erfolgenden Zuſammenziehung, bisher jede Be— obachtung über die Natur der Thätigkeit jener für das Leben der Infuſorien offenbar höchſt wichtigen Organe mangelte. Man mag ſich nun bei Bursaria leucas davon überzeugen, was ich wohl an hundert Eremplaren ge— ſehen (genommen aus dem Teiche im ſogenannten Prin— zeſſinnengarten in Jena), daß die contractile Blaſe eine con= ſtante Mündung nach außen hat, daß ſie, ſich nach dieſer Mundung hin zuſammenziehend, ihren waſſerklaren In— halt durch dieſelbe entleert, und daß ſie ſich wieder von außen füllt, mit einem Worte, daß fie ein Reſpira— tionsorgan iſt mit ihren zahlreichen Strahlen und gefäß— artigen Anhängen, gleichwerthig mit dem von mir bei den Turbellarien nachgewieſenen Waſſergefäßſyſtem, ein neuer Beleg für die angeregte Verwandtſchaft. Um den Gegen- ſtand befriedigend zu erledigen, ſind freilich noch ausgedehnte 1 2 7 177. und genaue Unterfuchungen nöthig, ich hoffe aber wenig— ſtens einen Weg angebahnt zu haben. Bei vielen Infu— ſorien wird man deshalb äußerlich keine Offnung der con— tractilen Blaſe finden, weil dieſelbe möglicher Weiſe in die Mundvertiefung geht, wie mir dies z. B. bei einigen Stentoren wahrſcheinlich geworden. Schließlich muß ich eine vereinzelte Beobachtung meines Freundes C. Eckhard (über das Lebendiggebären von Stentor caeruleus) beſtätigen (Wiegm. Arch. 1846); auch ich ſah kugel- und kegelförmige Junge aus dem Körper größerer Stentoren hervortreten, wenngleich dieſer Fall mir der ſeltenere zu ſein ſcheint, analog etwa dem, wenn junge Diſtomen ausnahmsweiſe alle Stadien ihrer Entwicklung im Wohnthiere durchmachen. Denn ungleich häufiger geht die Entwicklung des Stentor caeruleus aus ſehr kleinen Keimen frei im Waſſer vor ſich, in der Art, daß man alle Zwi— ſchenglieder von der durchſichtigen, kaum einen leiſen blauen Anflug zeigenden und mit langen Wimpern verſehenen Larve, an der ſich ſpäter der Mund und ſeine Wimper— ſpirale bildet, bis zum ausgewachſenen Thiere verfolgen kann. Vielleicht aber auch iſt jenes Lebendiggebären eine be— ſondere Form der Fortpflanzung und es ſteht mit ihr die perlenſchnurförmige, aus 12 oder 13 Gliedern zuſammen— geſetzte Drüſe in näherem Zuſammenhange. Oscar Schmidt. Miſcellen. 1. Über die Fortpflanzung der Palmella- Arten. — Die gallertartige Maſſe dieſer Algen enthält eine Menge ver— zweigter Fäden, deren wahre Natur bis jetzt nicht ermittelt war; Jena. IX. 1. 8 Haſſall Hält fie für zufällige Pilzfäden; C. E. Broome fand da⸗ gegen bei Palmella botryoides Grenitle, daß die fpäter in die Gallerte gebetteten Zellen dieſer Alge in einem früheren Zuſtande den En— den der erwähnten Faͤden, welche mit Endochrom erfüllte verzweigte Röhren bilden, aufſitzen, während die verzweigten Röhren ſelbſt ſtrahlenartig aus der Mitte einer großen unregelmäßig geſtalteten Zelle hervorkommen; er fand, daß die Zellen erſt ſpäter frei wer— den und dann, ſowie es Haſſall beſchrieb, neben den Fäden lie= gen. Thwaites beſtätigt die Broomefche Beobachtung an der— ſelben Pflanze, außerdem an Coccochloris rubescens Brebisson, einer Alge, bei welcher Brébiſſon eine Conjugation beobachtete. Thwaites glaubt, daß letztere allen Palmellen eigen ſei. Er vergleicht, weil er die ganze Maſſe der Palmella als ein Pflanzen⸗ individuum betrachtet, die beſprochenen Fäden mit den Vorkeimen der Laubmooſe oder dem Pilzlager der vollkommneren Schwämme; die ſich von den Fäden ablöſenden Zellen hält er nicht für Sporen, ſondern für Brutzellen; letztere vermehren ſich nach ihm durch Thei— lung. (The annals and magazine of natural history, No. 11, 1848.) 2. Über die Art des Bohrens der Bohrmuſcheln ſtimmten in der Juniſitzung der britiſchen Geſellſchaft der Wiſſen— ſchaften von 1848 nicht aller Anſichten mit Haneocks überein. (Siehe unſere Notizen Bd. VIII. No. 155, S. 8.) — Owen glaubt, daß Pholas navalis mit ihrer Schaale bohrt. — Forbes konnte bei den Saricaven kein Kieſelpartikelchen, deren Vorkommen und Beſtimmung er bei Clavagella keinesweges läugnet, auffinden; Forbes glaubt demnach, daß die verſchiedenen Bohrmuſcheln ſich ſehr verſchiedener Mittel zu ihrem Zwecke bedienen. Charpen-⸗ ter ſah am Rande des Mantels der Terebratula kieſelhaltige Stachelvorſprünge, er glaubt, daß jede harte Subſtanz hier zum Bohren dienen könne. Jeffreys beſtätigt Sancods Beob- achtungen; auch er ſah, wie bei einer großen Zahl Molluffen die Oberfläche des Fußes ſammt ihren Kieſelkörnchen beſtändig erneuert ward. Dillwyn erinnerte dagegen an einen von Osler be— ſchriebenen Fall, wo eine Saxicava rugosa in ihrer Bohrarbeit durch eine Thonſchicht, welche das Kalkgeſtein durchſetzte, aufgehal- ten ward; er glaubt dieſen Fall durch ein Auflöſungsmittel erklä— ren zu müſſen. (L'Institut, No. 776, 1848.) Heilkunde. (J.) über die Darmblutungen der Neugeborenen (melaena infantum). Von Dr. Rilliet aus Genf. Die anatomiſche Structur ebenſo, wie die mannigfal— tigen neuen Verhältniſſe zur Außenwelt, in welche die Neu— geborenen auf ein Mal bei ihrer Geburt eingetreten ſind, prädisponiren ſie zu mehreren Arten von Blutungen, die ihnen eigenthümlich ſind, und zwar — mehr durch die Urſachen als durch die Symptome und Folgen eigenthümlich. Die am häufigſten vorkommenden ſind die der Hirnhäute (Apo— plerie), die des Rückgratscanals (tetanus), endlich eine ſeltenere Form, die des Darms und Magens (melaena). Dieſe letzte Krankheit iſt von den Alten nicht beachtet worden, erſt Storch (1750) erwähnt ſie; die erſte Mono— graphie darüber iſt von Heſſe (1825); ſpäter ſchrieb darüber Rahn⸗Eſcher zu Zürich (1835) und einige andere ge— legentlich, beſonders Kiwiſch, der die Krankheit die Unter— leibsapoplerie der Neugeborenen nennt und fie vom Blut— brechen und der melaena unterſcheidet, ohne daß dieſe Trennung nach ſeinen Beobachtungen doch gerechtfertigt erſchiene. Bil— hard trennte die primären und ſecundären Blutungen nicht hinreichend und iſt daher bei dieſem Capitel ſehr unge— nügend. Gendrin hat nur die anatomiſche Seite der Frage beleuchtet. Unter den Engländern ſind mir nur einige Beobachtungen von Dorington und Gairdner bekannt geworden. Aus vorſtehenden literariſchen Hülfsmitteln und aus einer Beobachtung dieſer Krankheit bei Zwillingen, welche ich weiter unten mittheilen werde, habe ich nun folgende genauere Geſchichte der Krankheit zuſammengeſtellt. Die Urſachen der Krankheit ſind noch wenig aufge— klärt. Es ſind die verſchiedenſten Urſachen angeführt wor— den, ſie haben mich nicht befriedigt; doch der Leſer möge ſelbſt urtheilen. 9 7. 1) Alter. Geſchlecht. Nach den Beobachtungen, die ich aufgefunden habe, wären Knaben der Krankheit mehr unterworfen als Mädchen; die Mehrzahl aller Fälle ergiebt ein Alter von 1— 4 Tagen, doch hat man fie auch vom 6 — Iten Tage (Gairdner) ımd ſelbſt nach 15— 20 Wochen (Etlinger) beobachtet. 2) Erblichkeit. Beſonders der Dr. Rahn-Eſcher legt großes Gewicht auf dieſe Urſache. Die Mütter der Kinder, bei denen er die Krankheit beobachtet oder beſchrieben gefunden hat, hatten ſelbſt an einer Reizung des Ganglien— ſyſtems, an Störungen der Unterleibseireulation und an Vers dauungsſtörungen während oder ſelbſt außer der Schwanger: ſchaft gelitten. Er ſchließt daraus, daß dieſe Dispoſition auf den Fötus übergegangen ſei und eine Störung in dem Abdominalkreislaufe und eine Gefäßatonie veranlaßt habe, wodurch es ſchon während des Lebens im uterus zu einer krankhaften Seeretion in den Därmen gekommen ſei, was ſich aus der dunkleren Färbung des meconium ergebe. In— dem man die nachtheilige Einwirkung krankhafter Zuſtände der Mutter auf die Kinder zugiebt, ſo muß man doch gegen vorſtehende Anſicht geltend machen, daß jene Zuſtände bei den Müttern außerordentlich häufig vorkommen, die melaena bei den Kindern dagegen äußerſt ſelten iſt. Dieſer Einwurf hat indes, dies will ich gern zugeben, weniger Gewicht in den Fällen, wo die Mutter oder Eltern ſelbſt an Darm— blutungen leiden, oder wo mehrere Kinder derſelben Familie zugleich oder hinter einander daran erkranken. — Nimmt man aber hiernach einen Einfluß der Erblichkeit bei dieſer Krankheit an, ſo muß man doch zugeben, daß dieſelbe in ſehr enge Grenzen einzuſchränken iſt. 3) Geben die Umſtände bei der Entbindung, das Alter des Kindes bei der Geburt und die erſte Pflege, welche es erhält, mehr Aufſchluß über dieſe Blutungen? — Man hat behauptet, daß der Aufenthalt in einem zu engen Becken, Langſamkeit der Geburtsarbeit, ſchwere Geburt die melaena bewirkten. Analyſirt man die, übrigens ſehr unvollſtändigen, Beobachtungen in dieſer Rückſicht weiter, ſo ergiebt ſich nur, daß das Verhältniß der ſchweren Entbindungen zu den leichten nur um weniges größer war, was überdies nichts auffallendes hat, da die Mehrzahl der Mütter primiparae waren und der Unterſchied übrigens ſo gering iſt, daß er kaum der Rede werth erſcheint. — Man hat auch behauptet, daß die voreilige Unterbindung des Samenſtranges eine der wirkſamſten Urſachen ſei. Ich will das Nachtheilige einer ſolchen Praxis namentlich bei plethoriſchen Kindern nicht leugnen, muß aber doch bemerken, daß nur Kiwiſch in ſeinen Beobachtungen davon ſpricht. Bei zwei Kindern unter vieren war der Samenſtrang zu früh unterbunden worden und bei einem dritten hatten Symptome von Cya— noſe die Hebamme genöthigt, die Ligatur wieder zu löſen. — Nach Billard war unter 15 an Darmblutungen geſtorbe— nen Neugebornen die Mehrzahl ausgezeichnet durch allge= meinen plethoriſchen Zuftand und allgemeine Hauteongeſtion. Andere ſprechen von Plethora nicht. Unter 16 Kindern waren 8 zart und ſchwach, 7 geſund, 1 aſphyktiſch. — Zu— rückhaltung von meconium iſt nicht als Urſache anzuſehen, 1X 1. 10 denn die Ausleerung war der Blutung häufiger vorausge⸗ gangen, als daß die Blutung früher erfolgt wäre. 4) Die Anſicht von Brebis, wornach in einer Gefäß⸗ zerreißung der Grund liege, wird durch die pathologiſche Anato— mie nicht unterſtütztz man hat nie eine eingreifendere Verletzung, in vielen Fällen ſogar nicht ein Mal eine merkliche Blutin— jection in der Schleimhaut des Magens oder des Darmtheils gefunden, wo das Blut extravaſirt wurde. In einigen Fällen waren (nach Billard) die Gefäße der größeren Einge⸗ weide der Bauch- und Bruſthöhle von Blut ſehr überfüllt, namentlich die Meſenterialbenen; nur Helmbrecht hat Ausdehnung der Capillargefäße mit Verdünnung der Schleim: haut bemerkt; Dorington und Rahn-Eſcher Erwei— chung, Ungleichheit und Röthe der Schleimhaut. Die eigentlich prädisponirenden Urſachen ſind wohl zu ſuchen: 1) in der den Neugebornen (nach Billard) eigenthümlichen Injection des Darmeanals, wobei alsdann jede Steigerung durch Atonie der Gefäße oder Hemmung der Abdominaleirculation, durch Anhalt des Blutes in der Pfort⸗ ader oder durch Vergrößerung der Leber und Milz, zu einer Blutung prädisponirt. 2) In der Schwierigkeit, mit wel— cher ſich die Reſpiration vollkommen einſtellt, wobei die nicht genügend ausgedehnte Lunge alsdann auf den anderen Eingeweiden und namentlich auf dem Darme, der ohnehin der Sitz einer Congeſtion iſt, aufliegt und fo die Erſuda— tion vermittelt. Schilderung der Krankheit. Das Beſte, um ein gutes Bild von der Krankheit und ihrem Verlaufe zu geben, wird wohl ſein, daß ich die von mir gemachten Be— obachtungen vorlege, welche vollſtändiger ſind, als die Be— ſchreibungen anderer. Erſter Fall. — Am 30. Januar 1846 wurde ich um 1 Uhr Mittags zu einem neugeborenen Kinde gerufen, welches in größter Gefahr ſein ſollte. Folgenden Bericht erhielt ich aus dem Munde der Wärterin; er wurde aber ſpäter durch Herrn Mauno ir beſtätigt. Der Knabe war Tags zuvor, Morgens 4 Uhr, geboren; er war ein Zwilling. Die Entbindung war nicht ſehr ſchwer geweſen, indes hatte Herr Maunpir doch die Zange anwenden müſſen. Die Placenten waren getrennt, die Amniosfluſſigkeit nicht ſehr reichlich. Die Nabelſchnur war normal und wurde zur gewöhnlichen Zeit unterbunden. Das Kind war reif, nicht ſehr dick, aber wohlgebaut und ſchien kräftig. Alle Functionen ſchienen normal. Das meconium war wenige Stunden nach der Entbindung ab— gegangen, nachdem der Knabe ½ Theelöffel voll Rieinusöl erhalten hatte. Darnach ruhte das Kind ein wenig, wor— auf es mit Begierde die Bruſt nahm; kurz man hatte nicht im mindeſten Veranlaſſung, irgend etwas Übles zu vermuthen, als die Wärterin beim Wechſeln der Windel bemerkte, daß mit einem Reſt meconium auch etwas Blut abgegangen war. Zwei Stunden ſpäter ging eine reichliche Menge rei— nes flüſſiges Blut, mit Gerinnſeln gemiſcht, ab; 1 Uhr Nachmittags zum dritten Mal. Da wurde ich gerufen. Als ich das Kind unterſuchte, fand ich Todtenbläſſe, und die Wärterin verſicherte, daß es ſich ſehr bedeutend 11 17 7. verändert habe. Der Puls war nicht zu fühlen, Beine und Arme waren kalt; Augen und Mund waren in der Regel geſchloſſen. Es konnte oder wollte nicht ſchlucken, deſſen— ungeachtet war Bewegung und Stimme nicht weſentlich ge— hemmt. Der Leib war weich, nicht aufgetrieben, fur Druck nicht ungewöhnlich empfindlich, — kein Erbrechen oder Auf— ſtoßen, der Mund war ohne Verletzung, Nerveuſymptome waren nicht zugegen. Ich ließ auf den Unterleib Compreſſen mit kaltem Eſſig legen und die Extremitäten in warmen Flanell wickeln; ich verordnete 2 Lavements mit einer Lö— fung von 12 Gran Extractum Ratanhiae; ſie gingen aber ſogleich in Begleitung von ziemlich viel Blut wieder ab. Um 4 Uhr Nachmittags war das Kind noch in dem— ſelben Zuſtande; ich ſah es mit Dr. Maun dir zugleich, und wir verordneten Umſchläge mit Compreſſen, die in eine ſtarke Abkochung von Ratanhia (Zjj auf libr. J) getaucht waren, über den Unterleib und Lavements mit 12 Gran Extr. Ratanhiae. Letztere gingen abermals faſt unmittelbar wieder ab und brachten eine Menge flüjjiges und geronnenes Blut heraus. Die ſechste Ausleerung erfolgte Abends um 6 Uhr und wir beſchränkten uns nun auf die Umſchläge. Der Puls von 120 hat ſich ein wenig gehoben; das Kind hat ein leichtes Zittern der Hände und eine Oſeillation der Augapfel, aber keine eigentlichen Zuckungen. Der Unterleib war nicht aufgetrieben. Von 10 Uhr Abends bis zum folgenden Morgen (am 31. Januar) erhält das Kind 8— 10 Löffel kalte Milch, welche es gut ſchluckte. Um 10 Uhr Morgens wird es angelegt und nimmt die Bruſt ſogleich ohne alle Schwie— rigkeit zu mehreren Malen. Der Puls wird regelmäßig und gut fühlbar. Mittags erfolgen zwei Darmausleerungen, grünlich, verdaut, ohne Blutklumpen oder Käſe. Um 1 Uhr iſt das Ausſehen gut, der Puls fühlbar, 104, die Bläſſe nicht ſehr bedeutend, das Kind ſaugt leicht und begierig. Das Zittern der Arme und Augen hat aufgehört, aber die Abmagerung iſt beträchtlich und das Fleiſch ſehr ſchlaff. Am 1. Februar 8 Uhr Morgens gehen zwei gelbliche Darmausleerungen ab. In der Nacht hatte das Kind mehr— mals zwei bis drei Minuten lang geſaugt. Der Puls iſt klein, aber die Stimme und die Bewegungen ſind kräftig und lebhaft. Das Geſicht iſt ſehr klein geworden und von der den Blutungen eigenthümlichen gelben Blaffe. Der Unter— leib zeigt nichts ungewöhnliches als einen matten Pereuſ— ſionston, drei Finger breit im linken Hypochondrium, ohne daß jedoch die Milz über den Rippenrand hervorragte. An dieſem Tage konnte die Herſtellung als geſichert betrachtet werden, und in der That hielt ſie ſich auch. Das Kind nahm raſch zu, die Verdauung ging normal vor ſich, nur die Bläſſe hielt lange an. Mit 6 Wochen wurde das Kind geimpft, wobei die Haut kaum geritzt, dennoch ziem— lich viel Blut gab. Jetzt iſt das Kind blühend und kräftig. Eine äußere oder innere Urſache irgend einer Art war nicht aufzufinden geweſen. Zweiter Fall. — Das erſte Kind war noch in einem beunruhigenden Zuftande, als um 6 Uhr Abends ich wegen des zweiten Kindes in größter Eil geſucht wurde. Die— . N. 12 ſes hatte Blutbrechen und unmittelbar darauf mehrere Darm— ausleerungen von flüſſigem Blute mit dunkeln Blutgerinn— ſeln gemiſcht, welche ſo reichlich waren, daß beide Hände damit gefüllt wurden, als man ſie von der Windel weg— nehmen wollte. Ich verordnete Ratanhiaklyſtiere, dieſe ver— anlaßten aber wie bei dem anderen Kinde reichliche Blut— ausleerungen; ich beſchränkte mich daher auf Application kalter Umſchläge mit Ratanhiadecoct auf den Unterleib und Einwickelung der unteren Extremitäten in Flanell, welcher in einem heißen aromatifchen Aufguß ausgedrückt worden war. Es folgten dieſelben Symptome wie bei dem erſten Falle: Bläſſe, Kälte, kleiner Puls, Zittern der Glieder und des Rumpfes, Oſeillation der Augen, keine Auftreibung des Unterleibes. Die Blutausleerungen wiederholten ſich in der Nacht, aber in geringerer Quantität; eine, jedoch nicht reich— liche Ausleerung fand am 31. Vormittags um 11 Uhr Statt, es war ein Gemiſch von Blut und meconium. Um 1 Uhr war das Kind in einem übleren Zuſtande als fein Bruder, der Puls ſchwächer, 112, Betäubung ziemlich ſtark; das Kind ſaugt weniger gut, hat am Morgen einige Löffel voll Milch verſchluckt, iſt aber beträchtlich abgemagert. Am 1. Febr. 9 Uhr Morgens. Seit Tags zuvor was ren noch zwei ſpärliche Blutausleerungen, die letzte Mor— gens 6 Uhr erfolgt. Es hat noch keine normale Darm— ausleerung gehabt; die Bruſt hat es mehrmals und ziemlich kräftig genommen, namentlich am Morgen bei meinem Be— ſuch; Puls 120. Die Haut iſt überall gleichmäßig warm, die Functionen bieten ſonſt nichts ungewöhnliches dar. Im Laufe dieſes Tages erfolgen gelbe Stühle. Das Kind nimmt nun die Bruſt mit Begierde. Am 2. Febr. Puls 104. Das Kind ſieht bereits beſſer aus, das Geſicht iſt weniger mager, die Hautwärme gut. Die Herſtellung erfolgte eben ſo raſch und vollſtändig wie bei dem Bruder. Ich habe ſchon bemerkt, daß meine Beobachtung ein— zig in der Wiſſenſchaft ſei; es iſt mir in der That nicht bekannt, daß ſonſt jemals 2 Zwillinge zu gleicher Zeit von einer jo ſeltenen Krankheit wie die melaena befallen worden waren. Ich glaube nicht, daß die Zwillingsſchwangerſchaft als Urſache zu betrachten ſei, aber es erinnert dies daran, daß man auch ſonſt beobachtet hat, daß, wenn ein Zwilling erkrankt, der andere dadurch zu derſelben Krankheit prädis— ponirt iſt. Es iſt alſo ohne Zweifel die Gleichheit der anatomiſchen Organiſation, welche die Krankheit herbeige— führt hat. Welche andere Urſache wäre dafür anzuführen? Die Eltern waren ganz geſund, es hatte nur die Mutter 3 Monate vor der Hochzeit an Amenorrhöe gelitten. Kei— nes der beiderſeitigen Familienglieder war Hämorrhagien unterworfen. Die Schwangerfchaft war gut verlaufen, die Entbindung ein wenig ſchwer, wie gewöhnlich bei Erſt— gebärenden. Die Zwillinge waren bei ihrer Geburt weder blaß noch plethoriſch. Nachgeburt, Nabelſtrang, Unterbin— dung desſelben, Eintritt der Reſpiration, Zuſtand der Kräfte, Bewegung, Stimme, alles war normal, auch war das me- conium nicht ungewöhnlich lange zurückgehalten worden. Mit einem Worte, es ließ ſich keine prädisponirende oder 13 veranlaſſende Urſache auffinden als etwa eine wahrſcheinlich vorhandene Steigerung der anatomiſchen Dispoſition, die in dem Zuſtande des Gefäßnetzes der Darmſchleimhaut liegt, — vielleicht auch die bei dem einen Kinde durch die Pereuſſion nachgewieſene Anſchwellung der Milz. Der Verlauf zeigte bei den beiden Zwillingen die größte Ahnlichkeit; der einzige Unterſchied war, daß der älteſte Knabe nur an Darmblutungen von ganz kurzer Dauer, der jüngere dagegen an Magen- und Darmblutungen von län— gerer Dauer gelitten hat. Auffallend iſt, wie raſch ſich die Kinder nach jo beträchtlichen Blutverluſten erholen konnten, und wie bald der Darm zu ſeiner normalen Function zurück— kehrte, was namentlich gegen eine Gefäßverletzung ſpricht; — aus demſelben Umſtande hat man übrigens die Regel abzu— leiten, daß bei dieſer Krankheit die Darreichung der Bruſt nicht unterbrochen zu werden braucht, was bei der Ge— fahr, daß die Kinder an Erſchöpfung ſterben, ſehr wich— tig iſt. j Die Heilung beider Kinder war vollſtändig, — nur die Bläſſe dauerte längere Zeit an. Nicht unwichtig iſt die Bemerkung, daß das eine Kind aus der kleinen Impf— wunde reichlich blutete; es deutet dies darauf hin, daß ſich eine Bluter-Dispoſition entwickeln kann, die nicht unbeachtet bleiben darf; deswegen glaube ich, daß man bei Kindern, welche die melaena überſtanden haben, mit noch mehr Sorg— falt als bei anderen Kindern ſich vor Verletzungen, Quet— ſchungen, Anlegen von Blutegeln und Veſicatoren, Ausziehen von Zähnen ꝛc. hüten müſſe. Es iſt ſchwer, zu ſagen, warum bei einzelnen Kindern die Heilung vollkommen iſt, bei andern Chloroſe und Schwäche zurückbleiben. Mit Rückſicht auf die beobachteten Fälle iſt ein chronischer Verlauf beſonders bei Kindern zu fürchten, welche ſchwach — oder von kranken Eltern geboren, und welche ſchlecht genährt waren. In dieſe Kategorie gehören die Fälle des Hrn. Rahn-Eſcher, in denen die Kinder ſehr zart, ſchlecht genährt, aufgepäppelt waren. Symptome. Die Krankheit zeigt ſich bald vor Aus— leerung des meconium (¾0), bald erſt nachher (¼10). Nur ſelten ſind Vorläufer der ſich einſtellenden Blutungen zu be— merken (3/12), meiſtens iſt der Blutabgang das erſte bemerk— bare Symptom (12). Häufiger beginnt die Krankheit mit blutigen Stühlen (¼14) als mit Blutbrechen (¼14), am ſel— tenſten mit beiden Abgängen zugleich (2/14). Die Symptome, welche als Vorläufer zu betrachten ſind, hat nur der Dr. Rahn-Eſcher aufgezeichnet; es ſind folgende: — Ein Kind ſchlief am Tage ſeiner Geburt fortwährend, wechſelte oft die Farbe und hatte Krämpfe in den Muskeln des Geſichts und der Gliedmaßen; das Schluk— ken war ſchwierig und bewirkte Übelkeit, — Tags darauf trat die Blutung ein. — In einem anderen Falle zeigte ſich etwas Unruhe, öfterer plötzlicher Wechſel der Farbe des ganzen Körpers und beſonders des Geſichtes. — Ein an— deres Kind hatte am vierten Tage nach der Geburt zuerſt wäſſerige gelbe Darmausleerungen, große Aufregung mit Conoulſionen, Bläſſe des Geſichtes und äußerſte Hinfälligkeit; das Athmen war krampfhaft, der Bauch etwas aufgetrieben, 177. I 1. 14 aber ohne Hitze oder Spannung, er ſchien etwas empfindlich, beſonders vor jeder Ausleerung. Die Blutung trat am Abend dieſes Tages ein. Die Blutung, wenn ſie ein Mal eingetreten iſt, zeigt ſich faſt immer (13/,5) ſehr reichlich; die Kinder liegen ganz in der Flüſſigkeit, die Windeln werden ganz durchdrungen und die Ausleerungen erfolgen in kurzen Zwiſchenräumen; fie enthalten eine große Quantität Blut, meiſtens ſtark ge⸗ färbt und reich an cruor, bald flüſſig, bald reichlich mit Blutklumpen gemiſcht. Die erſten Stuhlausleerungen be— ſtehen in der Regel aus meconium und Blut, die folgenden aber ſind immer reines Blut. Das Blutbrechen, ſeltener als die blutigen Stühle, kann ebenfalls ſehr beträchtlich ſein; man hat bis zu 8, ja ſelbſt 12 Mal wiederholtes Blutbrechen gezählt. Etlinger führt ſogar einen Fall an, wo der kleine Kranke mehr als ein Pfund Blut mit Brechen und Stuhlausleerung verloren hat. Meiſtens iſt die Blutung gleich von Anfang an reich— lich, bisweilen jedoch hat man auch einfache Blutſtreifen oder Flecke in den Windeln 1—2 Stunden lang bemerkt. Brechen mit Stuhlausleerung iſt etwas häufiger (8/15) als die Blutausleerung durch Stühle allein (7/15); in den Fällen, die mir bekannt worden ſind, iſt aber niemals Blut— brechen allein dageweſen; einige Mal war es ſtärker als die blutige Darmausleerung, es hat dieſelbe aber jedes Mal begleitet. Heſſe theilt 2 Fälle mit, bei denen nur ein ein— ziges Mal Blut gebrochen wurde. Die Blutung erreicht in der Regel ihre Höhe in den erſten 24 Stunden und ſteht ſodann, doch hält fie biswei⸗ len auch 4 — 5 Tage an, in ſeltenen Fällen bis zu 10 Tagen. Reichliche und ſo lange anhaltende Blutungen können bei einem ſo zarten Weſen nicht ohne große Gefahr ſein. 41 Gleich nach Eintritt der Blutung werden die Kinder blaß, und Brebis hat ausdrücklich bemerkt, daß ſolche Kinder auch nicht die ſonſt bei gut gefärbten Kindern ein— tretende gelbe Hautfarbe bekommen. Die Bläſſe iſt von Kälte der Ertremitäten, Schwäche, Magerkeit, kleinem Puls, Ungleichheit der Reſpiration und in ſehr ſeltenen Fällen von Conovulſionen begleitet. Schlaff— heit des Fleiſches tritt ſofort ein und beträchtliche Abma— gerung folgt bald nach. Man ſieht, es ſind dies alles ei— gentlich nur die Symptome von Blutverluften, locale Sym⸗ ptome ſind faſt gar nicht vorhanden, — allenfalls das, daß die Kinder zu ſchwach werden, um zu ſaugen. Im Munde oder Bauche iſt aber nichts ungewöhnliches zu bemerken, na— mentlich iſt der letztere weder ſchmerzhaft noch aufgetrieben. 2 Hr. Rahn⸗Eſcher hat auf eine andere Reihe von Symptomen großes Gewicht gelegt, welche die Folgen des ungeheuren Blutverluſtes ſind. Die Kinder ſind mager, blaß, gedunſen, ſchwach, ſchlaff, zu Diarrhöe oder Ver— ftopfung ſehr geneigt und Convulſionen unterworfen. Eins zeigte die Erſcheinungen der Rhachitis, ein anderes iſt im erſten Jahre dem Waſſerkopfe erlegen, ein drittes erholte ſich erſt nach einem Jahre und blieb auch dann noch todtenblaß. Die Prognoſe iſt nicht ſo ſchlimm als es wohl ſchei— 15 177. LN. . 16 nen möchte; unter 23 Fällen war der Ausgang 12 Mal ein günſtiger, 9 Mal erfolgte der Tod raſch, 2 Mal durch Erſchöpfung. Die Diagnoſe ſcheint nicht ſchwierig; man möchte meinen, daß, wenn Blut bei Neugeborenen durch Mund und After abgeht, die Natur der Krankheit ſich ausgeſprochen habe. Dies iſt nicht ſo; die Krankheit kann innerlich ſein (ohne äußeren Blutabgang) und dann erklären ſich die allgemeinen Symptome nur aus Erforſchung der Urſache. Die plötzliche Bläſſe, der kleine Puls, die Schwäche geben den Verdacht, daß eine Blutung Statt gefunden habe, aber nichts beweiſ't noch, daß ſie im Darme ihren Sitz habe; ebenſo kann man ſelbſt bei Blutabgang nach außen daraus noch nicht ſchlie— ßen, daß dieſelbe von einer Ausſchwitzung aus der Darm— fläche herrühre. Heſſe hat dieſen Punkt am beſten be— handelt; er unterſcheidet zwei Arten von Blutungen, je nach der Quelle, woraus das Blut hervorgeht, eine me- laena vera und eine melaena spuria. Die erſte Form iſt die bereits beſchriebene, bei der zweiten Form kommt das Blut aus dem Theile des Nahrungscanales über dem Zwerchfell. Dieſe letztere Krankheitsform, d. h. die ſecundäre An— ſammlung des Blutes im Magen und Darme kann von verſchiedenen Urſachen herkommen: 1) von chirurgiſchen Operationen im Munde, Naſe oder pharynx, z. B. Haſen— ſcharten, Löſung des Zungenbändchens ꝛc.; 2) von freiwil— ligen Blutungen in Naſe und Mund oder Lungen; nur das Naſenbluten kömmt bei ſo jungen Kindern häufiger vor, namentlich nach ſchweren mit lang dauerndem Druck auf den Kopf verbundenen Geburten; 3) von Verſchlucken einer gewiſſen Quantität Blutes während der Entbindung; 4) von Blut aus der Bruſtwarze der Mutter oder Amme, bei zu heftigem Saugen oder bei Excoriationen der Bruſtwarzen. Die Diagnoſe beruht nun auf Berückſichtigung der hier aufgezählten Quellen für Blut, welches von dem Kinde verſchluckt ſein kann; ſodann ſind die begleitenden Symptome auf das genauſte zu berückſichtigen: bei wahrer melaena ſind ſolche, wie oben bemerkt wurde, in der Regel gar nicht vorhanden, während ſie bei der melaena spuria nicht wohl zu überſehen ſind. Behandlung. Die Beobachtungen, welche ich mei— nem noſographiſchen Berichte über die melaena neonatorum zu Grunde gelegt habe, ſind ſehr unvollſtändig in Betreff der Behandlung. Bei mehreren Fällen hat man ſich dar— auf beſchränkt, milde, beruhigende oder leicht abführende Mittel, z. B. Süßmandelöl, Manna, zu geben; man iſt alſo von der Idee ausgegangen, daß eine Reizung der Darm— ſchleimhaut zu Grunde liege, und daß ſcharfe Stoffe weg— geſchafft werden müßten; in andern Fällen hat man über— haupt die Mittel gebraucht, welche gegen Blutungen in Ge— brauch ſind, als Mineralſäuren, Kälte, ieh So hat Dr. Rahn-Eſcher einem kleinen Patienten Acid. sulphuricum dilutum mit Zimmtwaſſer gegeben, — bei andern eine Emulſion mit Alaun und Moſchus, bei noch anderen Fomentationen mit Eſſig und China. — Fer: ner hat man auch kalte Compreſſen auf den Unterleib und adſtringirende Klyſtire angewendet. So z. B. habe ich bei meinen kleinen Kranken nur dieſe Mittel angewendet. Im Ganzen glaube ich, daß man in Rückſicht darauf, daß es faſt unmöglich iſt, durch innere Mittel eine ſo be— deutende Blutung zu hemmen, ſich darauf beſchränken ſollte, das Kind in friſche oft erneute Luft zu bringen, kalte Um— ſchläge auf den Unterleib recht oft zu erneuen und die Er— tremitäten dagegen in paſſender Wärme zu erhalten. Kly— ſtire ſcheinen mir unnütz, ſie greifen die Kräfte des Kindes an, veranlaſſen öftere Stuhlgänge und würden, ſelbſt wenn man annehmen wollte, ſie blieben bei dem Kinde, nur in großer Entfernung von dem Sitze des Unterleibes bleiben, da der Sitz der Blutausſchwitzung im Dünndarme iſt. Schwindet der Puls und droht Ohnmacht, ſo giebt man einige Tropfen Wein, Hoffmannstropfen, Ag. Menthae, Zimmtwaſſer ꝛe. In ſolchen Fällen wäre vielleicht die Ur— tication von Vortheil. In allen Fällen muß man die Kräfte der Kinder aufrecht erhalten, indem man einige Löffel kalte Muttermilch giebt und dem Kinde die Bruſt reichen läßt, ſobald es zum Saugen Kraft genug hat, ſelbſt wenn die Blutung noch nicht ganz aufgehört haben ſollte. Es ver— ſteht ſich von ſelbſt, daß man einſtweilen die Flaſche ge— ben läßt. Stellen ſich die Symptome der Anämie nach den Blut— verluſten ein, jo unterwirft man Kind und Amme einer Behandlung mit Eiſenmitteln einige Zeit hindurch. (Gaz. Med., 30. Dec. 1822 Miſcelle. (1) Ein Schlunddivertikel. Profeſſor Dr. Göppert in Breslau theilte der ſchleſ. Geſ. die Krankheitsgeſchichte eines S0jährigen Mannes mit, der vor 26 Jahren mit einem Stückchen Rindfleiſches ſich den Schlund verbrannt hatte. In Folge dieſer Verbrennung zeigte ſich in der Tiefe des Schlundes ein Hinderniß beim Schlingen und öfters trat Erbrechen ein. In den letzten zwei Jahren wurden die Beſchwerden bedeutender, ſo daß wenig Speiſen beim Verſuch zum Schlingen hinuntergingen. Seit dieſer Zeit trat ſichtbare Abmagerung ein. Beſonders verſchlimmerte ſich das Übel ſeit dem April dieſes Jahres; die Schwäche und Ab— magerung ſtiegen aufs höchſte. In den letzten acht Tagen konnte der Kranke gar nichts mehr verſchlingen und wurde nur durch Kly⸗ ſtire von Fleiſchbrühe erhalten. Durch eine biegſame in den Ma— gen eingebrachte Röhre wurde zwar auch Fleiſchbrühe in den Ma— gen gebracht, die auch nicht ausgebrochen wurde, aber den Tod auch nicht aufhielt. Die Section zeigte ein im Leben ſchon dia— gnoſtieirtes ſehr großes diverticulum pharyngis, welches durch Compreſſion den Schlund verſperrte. Der Magen war im höchſteu Grade der Contraction enger als der Dünndarm. Sibliegrabhiſche Neuigkeiten. R. Deakin. — Florigraphia Britannica. Vol. 4., Ferns and their Allies. 8°. (pp. 140. cloth, plain.) 1848. 14 sh., coloured 16 slı. Menue de pathologie et de clinique medicales; par Ambroise Tardieu. In 8° de 21 feuilles. Paris chez Germer-Bailliere 1848. Prix 6 fr. Druck und Verlag ves Landes- Induſtrie⸗ Comptolrs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 178. (Nr. 2. des IX. Bandes.) Februar 1849. Naturkunde. Stoocks, Bemerkungen während einer botaniſchen Ausflucht nach Schah Bilawal geſchrieben. — Hopkhns, über den inneren Druck, dem die Geſteinmaſſen unterworfen waren, und deſſen muthmaßlichen Einfluß auf die Erzeugung der blätterigen Structur. — Über das Nordlicht vom 17. Nov. 1848. — Mijcellen. 0 Baur, über den therapeutiſchen Werth des phosphorfauren Ammoniaks. Abbott, über den Austritt des Indus im Jahre 1842. Nekrolog. — Heilkunde. 1 Tavignot, dle Paracenteſe des Augapfels. — Bibliographie. Baumgärtner, die Cholera. — Miſcellen. Natur kunde. IV. Bemerkungen während einer botaniſchen Aus⸗ flucht nach Schah Bilawal geſchrieben. Von F. E. Stoocks, Med. Dr. Schah Bilawal iſt ein Dörfchen in Beludſchiſtan, das von den Muhamedanern als Grabſtätte eines Heiligen in großer Verehrung ſteht; es liegt in einem engen, von dem Halagebirge umſchloſſenen und von einem kleinen Bergſtrome bewäſſerten Thale. Es hat eine Moſchee mit einem Gottes— acker, die auf dieſem Begrabenen ſollen, nach dem Glauben der Landbewohner, einer beſonderen Seligkeit genießen. Der Ort liegt in 25,49“ der Breite und 67,5“ der Länge. Das Schreiben des Verf. iſt aus Karatſchi vom 20. April 1848 datirt und in Nr. 82 des London Journal of bo- tany von 1848 mitgetheilt. Der Verf. verließ Karatſchi am 17. März; er ritt nach dem etwa 10 Meilen entfernten Magar Pir, einem lieblichen, von Hügeln umgebenen, 1 Meile langen und breiten Thale, in welchem herrliche Datteln wachſen, aus deren Blattkronen eine weiße Moſchee hervorſieht. Hier lebte und ſtarb ein muhamedaniſcher Eremit, deſſen Heiligkeit ſogar die fürchterlichen Alligatoren zähmte, welche, der Sage nach, ſich während ſeines Lebens um ihn verſammelten und nach ſeinem Tode fein Grab und ſeine Eremitage hüteten und ihm dadurch zu dem Geruch der Heiligkeit verhalfen. In einem mit hohen Grasbüſcheln beſetzten Sumpfe, der von einer 1109 Fahrenh. heißen Quelle, die über weiße Kreidewände herabrieſelt, ernährt wird, leben noch jetzt etwa 100 Alliga— toren von der verſchiedenſten Größe; man findet hier den 13 Fuß langen Magar King, Alligatorkönig, wie eben aus dem Ei hervorgekrochene Junge. Träge und unthätig ſonnen ſich dieſe fürchterlichen Thiere am Ufer, oder ſehen mit ihren Schwänzen zwiſchen Grasbüſcheln aus dem Waſſer No. 2158. — 1058. — 178. hervor, ſchwimmen auch wohl langſam dahin oder wat— ſcheln ungelenkig umher. Sobald ein Schaf geſchlachtet wird, oder ſich ſonſt ein Geſchrei vernehmen läßt, wird alles lebendig; ſie ſchwimmen, ſtoßen und drängen ſich gegen einander, bilden zuletzt um den Fütterer einen Halbkreis, dieſer wirft ihnen große Fleiſch— ſtücke herab, ſchlägt ſie auch wohl auf die Naſe, wenn ſie unruhig und ungeduldig ſind. Die Dattelbäume dieſes Thales blüheten gerade; ein Mann kletterte hinauf und holte einen männlichen Blüthen— ſtand mit noch geſchloſſener Blüthenſcheide herab; der dicht gedrängte weiße Blüthenſtand glich einem Blumenkohlkopf, der faſt reife Pollen fiel beim Schütteln ſtaubartig heraus; der Mann zerhieb den Blüthenſtand in kleine Stücke, kletterte darauf an einer weiblichen Palme hinauf, lichtete mit ſeiner Art den noch von 1847 ſtehenden Blattkreis und ſchüttete den zerkleinerten männlichen Blüthenſtand über den weiblichen Blüthenſtand, den er etwas aus einander bog, um 2 bis 3 Stücke des männlichen in ihn zu befeſtigen. Der Mann wußte ſehr wohl, was er that, er nannte die eine Pflanze das Männchen, die andere das Weibchen und erzählte dem Verf., wie fein Vater auf den Gedanken der künſtlichen Be— ſtäubung des weiblichen Dattelbaums gekommen ſei, weil er erfuhr, daß eine weibliche Dodonaea im Commiſſariats⸗ garten zu Karatſchi erſt Früchte brachte als ein anderer Baum, den man für die mäunliche Pflanze hielt, in ihrer Nähe gepflanzt ward. Am folgenden Tage ging der Verf. zum Hubbfluſſe, welcher Sindh von Beludſchiſtan trennt; hier traf er eine Karawane aus Afghaniſtan, die gerade mit Asa foetida und Wolle angekommen war. Die Kaufleute ſagten, die Asa foetida käme aus Herat, Asa foetida von Khelät würde nicht ausgeführt; die Pflanze wächſt, nach ihnen, ſüdlich von Khe⸗ 2 19 lät, etwa 200 Meilen von Karatſchi. Die Männer waren von großer, robuſter Statur, trugen lange Bärte und hatten muthige Geſichter. Am anderen Tage ging der Verf. durch die Engpäſſe des hohen Lakhi-Gebirges, wo ihn eine von der bisher geſehenen Flora ganz verichiedene Vegetation überraſchte. Die grau blühende Euphorbia, hoch wie ein Heuſchober chaycock), ſtand gerade in Blüthe, ihre dicken, bedornten Zweige glichen dem Arm eines Candelabers, die Enden der— ſelben waren mit kleinen, fleiſchigen Blumen bedeckt; außer— dem blüheten Balsamodendron faggots und Capparis aphylla, die hohe Büſche bildeten. Der Verf. ging über den Verabfluß, der den Fuß des Lakan umſchlängelt; Sand und Geröllſteinmaſſen, von dich— tem Geſträuch durchwachſen, deuteten auf die Gewalt des Stromes, ſobald ihn die 2000 bis 3000 Fuß herabkom— menden Bergwäſſer anſchwellen. Der Fluß enthält jetzt nur Waſſertümpel, von reichlichen Regengüſſen herſtammend; ungeheure Grasbüſchel und ausgedehnte Flächen, mit der Fächerpalme bewachſen, wie Haufen der lieblich duftenden Gibsonia, füllten das ſchmale Waſſerbette. Überall hörte man das Geläute der weidenden Heerden; Ziegen, Ochſen und Schafe bedeckten die flachen Seiten des Hügels, wo alles von Leben ftroßte. Die ſchöne Acacia farnesiana, welche auf den Hügeln die Acacia arabica erſetzt, füllte die Luft mit ihrem Wohlgeruch; das Laſtkameel ſchnaubte vor Freude über fo reichliches Futter, es ſtreckte feinen langen Hals während des Gehens zur Erde, um hie und da des letzteren zu genießen; Salvadora indica ſchien ihm beſonders zu be— hagen. Plantago, Reseda, Oligomeris, Ochradenus, Dides- mus, Anticharis, Trichodesma, Envolvulus, Convolvulus, Gypsophila, Arnebia und andere Pflanzenarten beſchäftigten den Verf. auf feinem Wege bis Schah Bilawal. Schah Bilawal iſt eine enge, 1½ Meilen lange und nur 40 Fuß bis 40 Pards weite Thalſchlucht, die ſich am oberen Ende etwas erweitert. Dies Thal gleicht einem Trichter, von 2000 Fuß hohen Felſen umgeben, an denen kühle Quellen herabrieſeln, um ſich im Thale zu einem plätſchernden Bach zu vereinigen. Die Fakir haben mit viel Geſchmack hier Bäume aller Art gepflanzt: man findet hier Mangoes, Tamarindenbäume (von 25 Fuß Umfang), Azadirachta, Albizzia Lebbes, Cordia Myxa, den Granat— baum, Parkinsonia, Acacia arabica, Ac. farnesiana, Rott- lera, Populus euphratica, Pandanus odoratissimus, Eugenia und mehrere Palmenarten; der Weinſtock und Caesalpinia Bonduccella umranken dieſe Bäume. Wie zu Magar Pir die Alligatore (Magars), fo werden hier Pfauen gehegt, weil der Heilige, welcher hier lebte, dieſem Vogel ſehr ge— wogen war. Bei der weißen Moſchee, die am Ende der Thalſchlucht liegt, findet man 80 bis 100 Pfauen, die, von Baum zu Baum fliegend, ihr prächtiges Gefieder entfalten und ſo zahm ſind, daß ſie auf den Ruf ihrer Wärter hören. Die Bäume dieſes tiefen Thales haben eine ungeheure Höhe und Ausdehnung erreicht; es fehlt ihnen niemals an Feuchtigkeit, indem die Fakir den Boden um ſie in ſtets veränderter Richtung durchrieſeln laſſen. Der Verf. 178. 2, 20 verweilte hier 7 Tage und ſammelte reiche Beute; er fand unter anderen Arten vor: Oligomeris, Trichodesma, Anticharis Didesmus, Hyoscyamus, Forskoelea, Pieridium, Talinum; es zeigte ſich hier der Übergang zur Vegetation der höheren Berge um Beludſchiſtan. Caragana polyacantha, Chamaerops, Umbelliferenarten, Tecoma, Olea, Punica, Lawsonia und Azadirachta blüheten hier ſchon im März; die Vegetation verſprach für die kommenden Monate noch ungleich mehr. Von Schah Bilawal machte der Verf. einen Abſtecher nach dem Lahutberge, wo ſich eine Tropfſteinhöhle befindet; das Waſſer ſintert beſtändig durch das Dach dieſer Höhle, aus welcher, der dortigen Sage nach, Adam und Eva dem Scope der Erde entſtiegen. Hyoscyamus muticus wucherte neben dieſer Höhle. Der Verf. beſchreibt als Beiſpiel, wie man in Indien reiſt, die kleine Karawane, mit der er von Schah Bilawal abreiſte. Sein munterer Terrier eilte auf dem engen, von gro= ßen herabgeſtürzten Felsblöcken häufig unterbrochenen Fuß— pfade munter voran, ſich oft von einem Stein herab nach dem ihm langſam folgenden Zuge umblickend; dieſer beſtand aus vier Kameelen, auf indiſche Weiſe geziert; die drei erſten trugen das Gepäck des Reiſenden, der vierte ihn felbft; zwei Steinſammler, zwei Pflanzenſammler, fünf Männer zur Bedienung der Kameele, ſämmtlich mit dicken Stöcken bewaffnet, gingen zur Seite der Thiere, ſie durch gur— gelnde Laute zum Gehen antreibend. Darauf folgte der Diener des Verf. mit dem Führer, einem handfeſten Ein— wohner von Beludſchi, der mit einer Luntenflinte und einem Schwert bewaffnet, den kleinen Zug beſchloß. Als Zünder für feine Flinte benutzte der Führer die in Sal— peterlöſung getauchten Blätter der Chamaerops Ritchiana. Der Verf. hofft im Herbſt das fo pflanzenreiche Thal noch— mals beſuchen zu können. V. über den inneren Druck, dem die Ge⸗ ſteinmaſſen unterworfen waren und deſſen muth⸗ maßlichen Einfluß auf die Erzeugung der blät⸗ terigen Structur. Von W. Hopkins. Wenn eine Ebene von unbeſtimmt kurzer Ausdehnung durch einen beſtimmten Punkt im Inneren einer durch und durch feſten, einem Druck unterworfenen Maſſe geht, ſo wird der gegen dieſe Fläche wirkende Druck oder die Span— nung nach dem Neigungswinkel der Fläche verſchieden und ſeine Richtung nicht, wie bei flüſſigen Stoffen, ſenkrecht gegen die Fläche ſein. Nun giebt es aber drei geneigte Stellungen, in welchen die Richtung des Druckes mit dem auf die Fläche gezogenen Perpendikel zuſammenfällt. Dieſe drei Stellungen werden die Hauptrichtungen genannt; und die Arten des ihnen entſprechenden Druckes die Arten des Haupt⸗ druckes. In dieſen Stellungen der Fläche findet keine tangentiale Wirkung auf dieſelbe Statt, der Geſammtdruck läßt ſich vielmehr in zwei Theile, in einen normalen und einen tangentialen Druck, zerlegen. In gewiſſen Stellungen 21 ; der Fläche erreicht der Druck das Marimum oder Minimum ſeines Werthes; die normale Wirkung erreicht ihr Maximum, wenn ein auf die Fläche gezogenes Perpendikel mit einer der drei Hauptrichtungen zuſammenfällt, ſein Minimum da— gegen, wenn er mit einer anderen Richtung zuſammentrifft; eine dritte Richtung entſpricht weder dem Maximum noch Minimum des Werthes. Dieſe Schlüſſe ſind von Poiſſon, Cauchy und anderen aufgeſtellt worden; der Verf. hatte es ſich nunmehr zur Aufgabe gemacht, die Lagen der kleinen Fläche, wo die Tangentialkraft auf ſie im Maximum wirkt, aufzuſuchen. Zwei dieſer Stellungen find perpendicular zu einander, in jeder derſelben geht die Fläche durch die Haupt— richtung, welche weder dem Maximum noch dem Minimum des Werthes der Normalkraft entſpricht und den entſprechen— den rechten Winkel zwiſchen den beiden anderen Haupt— richtungen des Marimums und Minimums der Normalkraft theilt. Nachdem der Verf. die relative Lage der Flächen von größter normaler und größter tangentialer Wirkung beſprochen, verſuchte er nachzuweiſen, wie weit die verän— derten Formen organiſcher Überreſte den Schluß rechtfertigen, daß dieſe Kräfte auf die Lage der Schichtungsflächen der Geſteine, in welchen ſelbige vorkommen, von Einfluß geweſen. Man denke ſich eine Schicht über der andern liegend, ſo daß die obere eine ſchwache Neigung beſitzt, auf der unteren hinweg zu gleiten; hier wird eine bedeutende tangen— tiale Kraft zwiſchen den Schichten thätig werden; ein zwi— ſchen denſelben befindlicher Gegenſtand wird an der unteren Seite der Richtung der unteren Schicht, an der oberen Seite der entgegengeſetzten Richtung der oberen Schicht folgen müſſen, der Gegenſtand wird ſo ſeine urſprüngliche Geſtalt verlieren. Dieſer Gegenſtand ſei eine gleichſeitige Muſchel, die mit der Verbindungsfläche beider Schalen parallel der Oberfläche beider Schichten, zwiſchen denen ſie vorkommt, liegt; die Mittellinie beider Schalen bilde mit der Richtung, in welcher die obere Schicht über die untere hinwegzugleiten geneigt iſt, einen rechten Winkel. Die Muſchel wird unter dieſen Umſtänden nicht mehr gleichſeitig bleiben, die eine Hälfte jeder Schale wird faltig werden und einen kleineren Raum einnehmen, während die andere Hälfte ſich ausdehnen wird; wenn an der Schale Längsfalten vorkommen, werden dieſelben in der erſten Hälfte mehr zuſammengepreßt, in der letzten Hälfte dagegen nur aus einander gezogen ſein; das ſelbe wird für beide Schalen gelten, doch jo, daß die zu— ſammengedrückte Hälfte der einen der aus einander gezoge— nen Hälfte der anderen gegenüber liegt. Nimmt man dagegen an: daß die Schichten parallel ihrer Oberfläche auf einander drückten, jo wird auch die Muſchel in dieſer Richtung zuſammengedrückt werden; das Verhältniß der Länge zur Breite der Schale wird geändert, die Schale indes nicht, wie im vorhergehenden Falle, ver⸗ ſchoben werden. Die Richtung des Druckes wird hier mit einer der oben erwähnten Hauptrichtungen zuſammentreffen und folglich das Maximum des Normaldruckes ſein. In dem vorhergehenden Falle wird die Oberfläche beider Schich— ten die Fläche der größten tangentialen Wirkung ſein. 178. N. 2. 22 Wenn wir nun in irgend einer geſchichteten Maſſe die urſprüngliche Geſtalt der organiſchen Überreſte in der oben beſchriebenen Weiſe verſchoben finden, ſo können wir an— nehmen, daß die Schichtungsflächen mit den Flächen der größten tangentialen Wirkung nahebei zuſammentrafen; wenn dagegen die Geſtalt der Schale nur nach einer Richtung längs der Oberfläche der Schicht, auf der ſie ſich finden, durch Druck verändert wurde, ſo läßt ſich annehmen, daß die Richtung des größten Normaldruckes nahebei mit der Richtung dieſes Druckes zuſammentraf und folglich den geſchichteten Flächen parallel war. Die Maſſen, in denen man verſchobene Überreſte findet, ſind meiſtens ſehr ver— worfen; die Verwerfung geſchah durch dieſelben Kräfte, welche die Verſchiebungen bewirkt. In ſolchen Fällen kön— nen, wie der Verf. bemerkt, die Richtungen des Maximums und Minimums des Druckes vielleicht an irgend einem Punkte mit der Streichungsrichtung der gehobenen Schichten einen rechten Winkel bilden; die Flächen der größten tangentialen Wirkung, welche die Winkel zwiſchen dieſen Richtungen theilen, werden alsdann nahebei in derſelben Richtung wie die Schichten ſelbſt verlaufen. Die Anwendung dieſer Schlüſſe auf die blätterige Structur der Schichten iſt leicht gemacht; geſetzt, die Blätter flächen träfen beinahe mit den Schichtungsflächen zuſammen, und die urſprüngliche Geſtalt der vorkommenden organiſchen Überreſte wäre verſchoben, dann iſt, wenn die Lage der Spaltungsflächen dem inneren Druck, dem die Maſſen unter— worfen waren, folgen, eine tangential wirkende Kraft, aber kein directer Druck, thätig geweſen. Wenn die Spaltungs— flächen aber faſt ſo wie die Schichten ſtreichen und mit ihnen einen Winkel von etwa 450 bilden, während die organiſchen Überreſte nur durch directen Druck verändert wurden, ſo müſſen die Spaltungsflächen mit den Flächen der größten tangentialen Wirkung zuſammengefallen ſein; aus dieſem wie aus dem vorigen Falle läßt ſich dieſelbe Folgerung ziehen; die Richtung des Druckes auf die orga— niſchen Körper muß nämlich ſenkrecht auf die Durchſchnei— dungslinie der Spaltungs- und der Schichtungsflächen ein⸗ gewirkt haben. Sharpe hat kürzlich im Pournal of the Geological Society alle über dieſen Gegenſtand bekannt gewordenen Thatſachen geſammelt, wornach es ſcheint, als ob die ur— ſprungliche Geſtalt der organiſchen Körper meiſtens in den Fällen, wo die Spaltungsflächen mit den Schichtungsflächen zuſammentreffen, verſchoben iſt; daß ſie dagegen in Fällen, wo die Spaltungsflächen mit den Schichtungsflächen einen Winkel von 40 bis 500 bilden, einen directen Druck und keine Formveränderung erlitten. Daraus folgt nach dem früher mitgetheilten, daß die Spaltungsflächen nahebei mit ſolchen Flächen zuſammentreffen, welche früher der größten tangentialen Wirkung angehörten. Der Verf. betrachtet dieſe mechaniſche Wirkung nicht, als die nächſte Urſache der blätterigen Structur, vielmehr nur als eine ſecundäre, welche die Richtung der Spal— tungsflächen beſtimmte. (The Edinburgh new philosophical Journal, April to July 1848.) 3 2 u 2 * 23 178. IX. 2. 24 VI. Über das Nordlicht vom 17. November 1848. über dieſe auch in Deutſchland beobachtete Erſcheinung entnehmen wir der Nr. 777 und 779 des Institut von 1848 die folgenden Mittheilungen. Das Nordlicht ward in Cirey, Havre, Grenoble, Montpellier, Bordeaur, Venedig, Florenz, Piſa und Ma— drid geſehen. Um 9 Uhr Abends hatte es zu Montpellier ſeinen Culminationspunkt erreicht: ein etwa 500 breiter Lichtſtreifen, der ſich ein wenig nach Oſten neigte, nahm den nördlichen Theil des Horizonts ein und glich dadurch der erſten Mor— genröthe. In einem Augenblicke brach ein intenſio rothes Licht von 500 bis zu 900 aus den Wolken hervor. Der Glanz des Lichtſtreifens nahm bis gegen 9½ Uhr zu, er machte das Sternbild des großen Bären, wie ſämmtliche Sterne zwiſchen dem Polarſtern, der Lyra und dem Fuhr— mann (cocher) unſichtbar. Die rothe Wolke, in deren Mitte die Wega in weißem Lichte glänzte, ſchien ſowohl ihre Stellung als ihre Intenſität zu wechſeln; die Lichtſtrahlen oder Streifen, die zu beſtimmten Zeiten in faſt verticaler Richtung daherſchoſſen und verſchwanden, um wenige Minuten ſpäter an anderen Orten wieder zu erſcheinen, ſchienen wäh— rend ihres Auftretens vollkommen unbeweglich zu ſein. Dieſe mit dem magnetiſchen Meridian parallel verlaufenden Strahlen reichten bis zum Zenith; einige waren lebhaft roth und contraftirten dadurch um fo mehr mit anderen, deren Licht ein weißes war. Um 10 Uhr folgte dies Strah— lenſchießen in kurzen Zwiſchenräumen auf einander, ſtatt indes parallel zu verlaufen, ſchienen die Strahlen von einem unter dem Horizont gelegenen Punkte aus zu divergiren. Das weiße Licht hatte an Intenſität verloren, die rothen Wolken hatten ſich nach Oſten ausgebreitet und umfaßten einen Raum von 1500, 500 nach Oſten und 100% nach Weſten. Das Sternbild des Adlers glänzte durch das rothe Licht, das faſt bis zum Fuhrmann vorgedrungen war. Während der ganzen Erſcheinung ward die Magnetnadel fleißig beobachtet, es zeigte ſich eine Abweichung von mehreren Graden nach Oſten; die Nadel zeigte indes keine plötzlichen Erſchütterungen, wohl aber langſame und unregelmäßige Veränderungen; das Nordlicht hielt ſich bis zur Morgen— röthe, die erſt ſeine letzten Spuren zerſtörte. Matteucei beobachtete dieſelbe Erſcheinung zu Piſa; er ging bei hellem Sternenſchein durch die Stadt zum Bureau des elektriſchen Telegraphen, der außerhalb derſelben an der Eiſenbahn liegt; unterwegs beobachtete er drei Sternſchuppen, die in verſchiedenen Richtungen herabfuhren; nach Norden ſtützte ſich eine leichte Wolkenſchicht auf den Horizont und er— hob ſich, immer dünner werdend, bis zu 15 bis 20%. Um 9½ Uhr wunderte man ſich auf dem Bureau über das Stillſtehen der elektromagnetiſchen Maſchine, welche den ganzen Tag über richtig ihren Dienſt verſehen hatte; ganz dasſelbe erfolgte um dieſelbe Zeit auf der telegraphiſchen Station zu Florenz. Man verſuchte, obſchon vergeblich, ſie ſowohl durch Verſtärkung des Stromes als durch Einwir— kung auf die Maſchine und die Regulatoren (manipulataires) wieder in Gang zu bringen. Die Nadel ging bon Zeit zu Zeit ſtoßweiſe, ſtand dann aber plötzlich wieder ſtill, während der Anker auf dem Elektromagneten ruhte. Dieſe Erſcheinungen glichen vollkommen denjenigen, die ein Ge— witter veranlaßt. Matteucci ging gegen 9 Uhr 55 Mi— nuten hinaus, um nach dem Himmel zu ſehen: er war heiter, ein röthliches Licht hatte ſich über die erwähnte Wolken bank im Norden ausgebreitet; er erfuhr, daß ſelbiges ſeit einer Viertelſtunde ſichtbar war. Das Licht nahm bis um 10½ Uhr an Intenſität zu, um dieſe Zeit erſchien es dunkelblutroth. Statt einer bogenförmigen Verbreitung, wie ſie gewöhnlich beim Nordlicht beſchrieben wird, zeigten ſich große, mehr oder weniger intenfio roth erleuchtete Wolken, die, bald getrennt, bald vereinigt, ſich von Norden nach Oſten ausbreiteten und ſich manch Mal bis zum Zenith erhoben. Zwei Mal beobachtete der Verf. einen langen, eitronengelben Lichtſtreifen, der, durch die rothe Wolke gehend, ſich mit ſeiner Spitze im magnetiſchen Meridian befand. Dieſer Lichtſtreifen ſchien während ſeiner 2 bis 3 Minuten langen Dauer ſich durch ſucceſſive Verlängerung und Verkürzung zu bewegen. Nur Sterne erſter Größe waren im rothen Lichte des Nordlichts ſichtbar, eine glänzende Sternſchnuppe fuhr durch die Luft in der Richtung von Norden nach Oſten, faſt mit den Horizont parallel. Das rothe Licht ward all— mälig ſchwächer, breitete ſich mehr nach Oſten aus, um 10 Uhr 50 Minuten war es vollſtändig verſchwunden. Um Mitternacht war der Himmel mit einem leichten Gewölk bedeckt. Während des Phänomens ſtand das Barometer auf 776,35 Millim., das Thermometer auf + 40,80 C., das Sauſſureſche Hygrometer auf 890, der Wind war Südoſt. Das atmoſphäriſche Elektrometer, welches der Verf. zu Anfang des Nordlichts auf der Terraſſe des Obſervato— riums aufſtellen ließ, gab mehrere Minuten lang ſehr deut— liche Beweiſe poſitiver Electrieität. Das Blättchen legte ſich an die negative Säule, verließ ſie nur, um ſie von neuem zu berühren und jo fort. Nach Mitternacht war die Elec— trieität kaum nachweisbar; die elektromagnetiſchen Ma— ſchinen, die bis um Mitternacht unthätig geblieben waren, begannen wieder, ohne daß irgend eine Veränderung mit ihnen vorgenommen ward, ihre gewohnte Thätigkeit. Nell de Breaute bejchreibt dieſelbe Erſcheinung, wie er ſie zu la Chapelle bei Dieppe geſehen. Am 17. November war der Himmel Tags mit großen ſchwarzen Wol- ken bedeckt, ein ſtarker Oſtwind wehte; von 7 bis 9 Uhr Abends fiel heftiger Regen. Der Barometerſtand, der Thermometerſtand Millim. um 9 Uhr Morgens 756,15 6% um Miiteg 759/80 8ů⁰„2 um 3 Uhr Nachmittags 751,90 . .. 8⁰„7 um 9 Uhr Abends. 749,55 8,6 Um 9½ Uhr Abends, wenige Augenblicke ſpäter als die Nacht äußerſt finſter geworden, ſchien der Himmel, ob— ſchon er bedeckt war und es gelinde regnete, erleuchtet; wenige Minuten ſpäter war die ganze Himmelskuppel gleich- ſam durch Rothfeuer erhellt, das rothe Licht ſchien 10 bis 150 ſüdlich vom Zenith ſeine höchſte Intenſität zu erreichen. 25 178. IX. 2. 26 — Der Himmel war in der Umgegend von Dieppe fo er— leuchtet, daß viele Leute an eine entfernte ungeheure Feuers— brunſt glaubten. — Der Mond erhob ſich erſt um 11 Uhr 24 Minuten, der Himmel war wie vorhin bedeckt geblieben, um 10½ Uhr war das Nordlicht vollſtändig verſchwunden. Nell de Bréauté ſah keinen Theil des Horizonts dunkel, er vernahm kein Geräuſch, er ſah keine wechſelnden Nüancen des Lichtes. — Von Paris, wo das Nordlicht auch geſehen ward, hat man leider keine genauen Beobachtungen auf— zuweiſen. Miſeellen. 3. Über den Austritt des Indus im Jahre 1842 theilt Capitain J. Abbott die intereſſante Erzählung eines Au— genzeugen, des Aſchraf Khan, Zemindar von Torbaila (am Austritt des Judus aus dem Himalaja in die Ebene des Pandſchab) mit. Der Indus, ſagt dieſer, war im December 1841 nur ſeicht, im Januar und Februar hatte er nur ſo wenig Waſſer, daß man ihn durch— waten konnte. Im März ſtieg das Waſſer nur um ſo viel, daß men den Fluß nicht mehr durchwaten konnte; bis zum Mai blieb dieſer Waſſerſtand. In der Mitte dieſes Monats war die Atmo— ſphäre eines Tages ungewöhnlich dick, die Luft ſchwül und ruhig. Um 2 Uhr Nachmittags hörte man aus den weſtlichen Gebirgen ein murmelndes Getöſe, das immer ſtärker ward. Einige hielten es für fernen Kanonendonner, andere für Gewehrfeuer, noch an— dere für das Rollen eines Gewitters. Plötzlich ſchrie jemand: Der Fluß kommt! Ich blickte hin und ſah, wie ſich bereits die trocknen Canäle gefüllt hatten und der Fluß mit raſender Gewalt einen Wall von Schlamm vor ſich her treibend herabſtürzte. Wer ihn zeitig genug kommen ſah, konnte leicht entfliehen, wer nicht ent— floh, war verloren. Es war ein fürchterliches Gericht! Männliche und weibliche Leichen, Pferde, Kameele, Maulthiere, Bäume, Woh— nungen und Hausgeräthe wurden vom ſchlammigen Waſſer gewalt⸗ ſam fortgeriſſen und zerſchellt. Radſchah Ghulab Singh hatte feine Armee oberhalb Torbaila im trocknen Bette des Indus gelagert, um Painda Khan im Zaume zu halten; ein Theil ſeines Heeres ver— folgte zum Glücke den Feind, ſonſt wäre der Verluſt noch weit großer geweſen. Die im Lager befindlichen Soldaten flüchteten ſich, wie ſie den Fluß kommen ſahen, theils auf Bäume, theils auf benachbarte Felſen; die Bäume wurden bald vom Waſſer ent⸗ wurzelt und ſammt den auf ihnen Schutz ſuchenden Unglücklichen von den Fluthen fortgeriffen, die gleichfalls die Felſen überſpülten und auch dort ihre ſichere Beute fanden. Nur die Krieger, welche den Bergen zuflüchteten, entfamen. Etwa 500 Soldaten wurden ſo mit einem Male vernichtet. Das Unglück war fürchterlich; viele hundert Acres fruchtbaren Landes wurden vom Waſſer losgeriſſen und mit fortgeſchwemmt. Alle Siſſobäume, welche die Brücke des Fluſſes zierten, wurden fortgeriſſen; ſogar der berühmte viel- ſtämmige Burguttbaum (Baobab), der ſeit undenkbaren Zeiten den Reiſenden Obdach gewährte, war ſammt den Menſchen uud Thies ren unter ihm in einem Augenblick verſchwunden. Ghazi gegen⸗ über lagen 2 Dörfer auf einer Inſel; ein Einwohner derſelben kehrte von Srikota zu ſeinem Dorfe zurückz als er ins Thal hinab⸗ blickte, war ſein Haus, ja das ganze Dorf verſchwunden, er ſah nichts als ein weites fluthendes Schlammmeer. Sein Haus, ſeine ganze Familie, alles was ihm lieb und theuer, war dahin. Tödt: lich erſchrocken, rieb er ſeine Augen, ſich ſelbſt nicht mehr trauend, hoffte er zu träumen, aber er träumte nicht, es war eine nur zu fürchterliche Wirklichkeit; er war der einzige Bewohner beider Dör— fer, der ihren Untergang überlebte. — Capt. Abbott bemerkt, wie kaum Tauſende von Jahren den Schaden dieſer fürchterlichen Stunde wieder auszugleichen vermögen. Die Revenüen von Tor⸗ baila ſind von 20,000 Rupien auf 5000 geſunken, dürrer Sand bedeckt jetzt die fruchtbarſten Felder. Der Baum, den die Indier ſchon zu des großen Aleranders Zeiten als geheiligt verehrten, iſt verſchwunden und durch ganz Haſara kaum ein mäßig großer Siſſo⸗ baum zu finden. Als dürftige Entſchädigung brachte der Fluß mit dem Sande auch Goldkörnchen herab, zu deren Gewinnung ſeit einigen Jahren Goldwaſcherei betrieben wird. Man glaubt, daß der Einſturz eines Erdwalles, welcher den Eingang ins Thal verſperrte, die fürchterliche Überſchwemmung veranlaßte. (Journal of the Asiatie Society of Bengal. New Series, No. 188.) Nekrolog. Dr. Wilh. Mahlmann in Berlin, ein eifri- gangen tg der geographiſchen Geſellſchaft daſelbſt, iſt dort ge⸗ ſtorben. Heilkunde. (I.) Die Cholera. Von Dr. K. H. Baumgärtner, Prof. in Freiburg. Von dem ſchon allgemein bekannten Handbuche der ſpeciel— len Krankheits- und Heilungslehre des genannten Verf. in zwei Bänden iſt die vierte Auflage erſchienen, welche ſich vor den früheren beſonders dadurch auszeichnet, daß darin die nähere Beziehung der Chemie zur Diagnoſe und Behandlung überall anerkannt und ſo der neuſten Richtung auch in dieſem Hand— buche ihr Recht zugeſtanden iſt; ſonſt zeichnet ſich das Buch durch Einfachheit, Klarheit, Kürze und Vollſtändigkeit aus. Am beſten wird der mit dem Buche nach den früheren Aus- gaben noch nicht vertraute Leſer die Behandlungsweiſe des Stoffes erkennen, wenn wir ein Capitel mittheilen, welches ohnehin zeitgemäß iſt und jedem Leſer eine nützliche Necapitu- lation des bedeutenden Stoffes gewährt. „Die Cholera tritt unter ſehr mannigfachen Formver— ſchiedenbeiten auf, und andererſeits giebt es Krankheits- zuſtände, die oft nicht von der Cholera unterſchieden werden können und doch gewöhnlich nicht zu ihr gerechnet werden, wie z. B. gewiſſe Vergiftungen, und es iſt daher nicht wohl möglich, eine genau bezeichnende, deſeriptive Definition von der Cholera zu geben; ihrer gewöhnlicheren Form nach ſtellt übrigens die Cholera eine Krankheit dar, die ſich vorzüglich durch ſtürmiſch eintretende krampfhafte Schmerzen im Unter— leibe, Erbrechen, Durchfälle, Krämpfe in den Gliedern und ſchnelle Erſchöpfung der Lebenskräfte ausſpricht. Man unterſcheidet gewöhnlich die ſporadiſche oder bei uns einheimiſche von der epidemiſchen oder oſtindiſchen Cho— lera, und es muß auch angenommen werden, daß der aſtati— ſchen Cholera andere urſächliche Momente als der bei uns vorkommenden zum Grunde liegen, ſo wie auch das Krank— heitsbild der höhern Grade der oſtindiſchen Cholera ſich wohl von dem der gewöhnlichen Fälle der ſporadiſchen unterſchei— det; doch kennt man die Urſachen der oſtindiſchen Cholera nicht, und es kann die Verſchiedenheit der entfernteren Ur⸗ 97 178. IX. 2. 28 ſachen keinen Grund zur Annahme verſchiedener Krankheits⸗ arten geben; auch giebt es bei Epidemien der oſtindiſchen Cholera eine große Anzahl von Krankheitsfällen, die der ſpo— radiſchen Cholera vollkommen gleich ſind, und auf der andern Seite beobachtet man einzeln vorkommende Cholerafälle, die ſo heftig ſind, wie ſelbſt bedeutendere Fälle der epidemiſchen (oſtindiſchen) Cholera; es iſt daher zweckmäßig, die ſogenannte ſporadiſche und epidemiſche Cholera nicht als zwei verſchie⸗ dene Krankheitsarten abzuhandeln, ſondern die verſchiedenen Grade der Cholera zu beſchreiben, von denen die niedern die ſog. ſporadiſche Cholera darſtellen, aber auch zugleich die nie— dern Grade und häufig die erſten Stadien der oſtindiſchen Cholera ſind. Bricht die oſtindiſche Cholera in einer Gegend aus, ſo geſchieht dieſes häufig, nachdem ſchon einige Zeit vorher ſich mit der Cholera verwandte Krankheitszufälle, insbeſondere Fälle von ſporadiſcher Cholera gezeigt haben; auch wird bei vollkommenem Ausbruch der Epidemie ein großer Theil der Bevölkerung von Krankheitszufällen befallen, die nicht die Form der ausgebildeten Cholera haben, aber offenbar aus der nämlichen Kraukheitsconſtitution entſpringen und ſich oft wie Anfänge und Bruchſtücke der vollendeten Krankheit darſtellen. Dieſe verſchiedenen Krankheitszuſtände, die die Epidemie darſtellen, können in drei Reihen geordnet werden, von denen ich die erſte unter dem Namen Cholera- Regungen, die zweite unter dem Namen Cholerine, und die dritte unter dem der ſchweren Cholera beſchreiben will “). 1) Die Cholera-Regungen. Bei ſehr vielen In— dividuen erſcheinen, während die Cholera herrſcht, folgende Zufälle, ohne daß ſich die Cholera weiter bei ihnen ausbil⸗ det: vermehrte Neigung zum Stuhlgange und wirkliche Durch— fälle, Aufblähen und Kollern im Leibe, etwas Leibweh, ein ſchmerzhaftes Gefühl im Magen, Aufſtoßen von Blähungen, Mangel an Appetit und ein beſonderes Gefühl von Mattig— keit. Wenn in den dünnflüſſigen Stuhlentleerungen weiß— liche Flocken wahrgenommen werden, ſo wird dieſes als ein näheres Zeichen der bevorſtehenden Cholera angeſehen. 2) Die Cholerine. Oft, nachdem die ſo eben an— gegebenen Erſcheinungen einige Zeit vorhergegangen ſind, oft aber auch ſehr ſchnell werden die Kranken von häufig wie— derkehrendem Erbrechen und Durchfällen befallen, wodurch meiſtens eine weißliche, dem Reißwaſſer ähnliche Flüſſigkeit ausgeleert wird, welche Beſchaffenheit der Entleerungen mehr der ſog. aſiatiſchen als der bei uns ſporadiſch vorkommenden Cholera eigenthümlich iſt; doch kommen auch bei der aſiati— ſchen Cholera grünliches und bräunliches Erbrechen und bräunliche Stuhlentleerungen vor; es haben die Kranken da— bei das Gefühl von großer Zerrüttung in den Gedärmen und insbeſondere von heftig klemmenden Schmerzen, vorzüglich im Magen, auch in der Herzgrube die Empfindung von großer Hitze und Feuer, wobei meiſtens dieſe Stelle bei einem Druck auf dieſelbe eine krankhafte Empfindlichkeit zeigt. Es iſt großer Durſt vorhanden, die Urinſecretion ſparſam, der Puls etwas 97ich gebe, das Krankheitsbild der Cholera größtentheils nach eigenen Beobachtungen, die ich im Fruhjahre 1832 jzu Paris geſammelt habe, wohin ich mich begab, um die daſelbſt ausgebrochene Epidemie zu fturiven. klein und zuſammengezogen. Hierzu geſellen ſich ſchmerzhafte Krämpfe in den Füßen, wobei die Waden ganz hart und die Zehen nach dem Rücken des Fußes gezogen werden, und eine mehr ſchmerzloſe Verdrehung der Arme, ſo daß die Arme gerade geſtreckt erſcheinen und der radius um die ulna gedreht iſt und wobei die Finger gerade geſtreckt, aber einwärts gegen die Fläche der Hand gezogen ſind. Meiſtens iſt Schwindel vorhanden und das Gefühl von großer Kraftloſigkeit. 3) Die ſchwere Cholera. Indem die genannten Er— ſcheinungen fortdauern und zum Theil zunehmen, namentlich das Gefühl von Feuer in der Herzgrube, was die Kranken noch einige Zeit unruhig macht und zu wimmern veranlaßt, oder auch ein Theil dieſer Zufälle, namentlich das Erbrechen, die Durchfälle und die Krämpfe, nachläßt, wird der Körper marmorkalt, insbeſondere im Geſichte, den Händen und den Füßen und es wird ſelbſt der Athem kühl; die Augen ſinken tief in ihre Höhlen zurück und werden von einem breiten, bleifarbenen, dunkeln, oft ins ſchwärzliche oder violette ge— henden Ring umzogen; in geringerm Grade färbt ſich oft auch mehr oder weniger der ganze Körper, insbeſondere die Hände und Füße, auf eine ähnliche Weiſe und in ſeltnern Fällen werden einzelne Hautſtellen, z. B. die Haut der Fin— ger, die Naſe ꝛc. ganz dunkelviolett und ſelbſt brandig; eben ſo wird in ſeltenen Fällen die Haut der Hände und Füße runzlich, wie die einer Wäſcherin, es iſt die Haut teigig an⸗ zufühlen und verzieht ſich (nach Caſper) in eine Falte ge— legt, nicht oder nur zum Theil. Die Zunge iſt platt, breit und kalt, die Stimme der Kranken wird heiſer, fein und ſchwach (vox cholerica), der Harnabgang fehlt meiſtens gänzlich, der Puls wird immer ſchwächer und verliert ſich zuletzt ganz und die Athemzüge geſchehen immer langſamer und mit großer Anſtrengung. Die Kranken können nur noch ihre Hände und Füße regen, ihr Rumpf wird unbeweglich, wie wenn er von Stein oder Holz wäre, ſie ſinken nun in einen Zuſtand von Bewußtloſigkeit, ſie liegen gerade ausge— ſtreckt auf dem Rücken, die Augenlieder halb geſchloſſen und die Augen nach oben gedreht, wie bei Gichtern der Kinder, die Oberlippe etwas in die Höhe gezogen, ſo daß man die Zähne ſehen kann, ſie ſind pulslos und kalt und lange Zeit ohne Athemzug, einer Leiche gleich (cholera asphyetica), doch kann man fie bis kurz vor dem Tode durch raſches Anxreden noch zu ſich bringen. Nach Dieffenbachs Verſuchen blu— tet die Haut nicht, wenn man ſie einſchneidet, und ſelbſt aus geöffneten großen Arterien (der Armarterie) fließt kein Blut aus). Manch Mal erfolgen noch, nachdem das Leben ſchon lange erloſchen zu ſein ſcheint, Zuckungen in einzelnen Muskeln. Die Krankheitszufälle treten entweder in der Reihen— folge, in welcher ich ſie hier beſchrieben habe, auf, ſo daß die leichteren Grade der Cholera ſich zuerſt zeigen und die ſchwereren ſich aus dieſen entwickeln, oder es bricht die Krank— heit ſogleich in ihrer ganzen Heftigkeit aus. — Der Über- gang in Geneſung erfolgt meiſtens unter allmäligem Nachlaß ») Ich habe ebenfalls bei Offnung der Armarterie bel einem aſphyktiſchen en beobachtet, daß nur wenige Tropfen eines bräunlichen Blutes ausfloſſen. 29 178. IX. 2. 30 der Erſcheinungen, zuweilen unter einer ſtärkeren Rückwir⸗ kung der Natur (Reactionsſtadium), wobei der Puls voll, die Haut roth und warm wird und Schweiß eintritt und in ſeltneren Fällen durch den Übergang in das Choleratyphoid. Nach dieſen Verſchiedenheiten kann die Geneſung in wenigen Tagen und auch erſt nach einigen Wochen erfolgen. — Zum Tode führt die Cholera oft ſchon nach 2 — 3 Stunden, mei— ſtens im Verlaufe von 1, 2—4 Tagen, nach einigen Erzäh— lungen, zuweilen faſt augenblicklich, wie wenn der Kranke vom Blitze getroffen worden wäre, oft aber erſt ſpäter durch den Übergang in eine andere Krankheitsform. Meiſtens er— folgt der Tod unmittelbar durch den aſphyktiſchen Zuſtand, zuweilen, nachdem noch Darmblutungen hinzugekommen ſind und häufig durch den Übergang in das Typhoid. Es tritt nämlich eine Reaction ein, der Puls erhebt ſich wieder, die Haut wird wieder elaſtiſch und warm, es entwickelt ſich aber ein fieberhafter Zuſtand, wobei die Zunge trocken wird, der Kranke in Delirium verfällt ꝛc. und zuletzt bilden ſich alle Symptome eines leicht tödtlich werdenden Nervenfiebers aus. — Nachkrankheiten find außer dem ſchon erwähnten Typhoid, verſchiedene Störungen in den Verdauungsorganen, ſowie Harnverhaltung, Lähmungen, Waſſerſucht ꝛc. Das Blut ſcheint im Anfange der Krankheit und in den leichteren Graden derſelben kaum eine erkennbare Ver— änderung darzubieten; in der cholera asphyetica kann es beim Lebenden nicht mehr entleert werden, und es iſt daher vorzüglich das in der Leiche ſich vorfindende Blut Gegenſtand der Unterſuchung geworden. Dieſes Blut iſt ſehr dunkel ge— färbt und erſcheint ungewöhnlich conſiſtent. Die Menge des Waſſers iſt vermindert, denn während auf 100 Theile nor— males Blut 79 Theile Waſſer und 21 Theile feſte Stoffe angenommen werden können, fand Lecanu nur 74,66, ja nur 48 Theile Waſſer. Das ſpeeifiſche Gewicht des Serums iſt im Anfange der Krankheit beinahe normal — 1027, ſpäterhin aber 1044 — 1086 (nach Hermann, Wittſtock und Thomſon). Der Faſerſtoff ſoll in der Regel vermin— dert, dagegen die Blutkügelchen vermehrt ſein. Ein eigen— thümlicher Beſtandtheil des Cholerablutes iſt Harnſtoff (nach Marchand, Rainy, Simon), ſowie auch Bilin und Biliverdin (Simon). Nach Wittſtock enthalten 1000 Theile Cholerablut: Waſſer 740 und feſte Beſtandtheile 260, nämlich Fibrin 11,00; Albumin 110,42; Blutkörperchen 124,46; extractive Materie und Salze 14,10. — Den Choleraſtühlen fehlt der Fäcalgeruch. Nach Dulk, Vogel u. a. reagiren fie alkaliſch; nach O'Shaugneſſy beſtehen ſie aus Waſſer, kohlenſaurem Natron, Eiweiß und Caſein. — Der Harn, unmittelbar nach einem ſchweren Choleraanfalle gelaſſen, reagirte neutral, ließ kleine Mengen von phosphor— ſauren und chlorwaſſerſtoffſauren Salzen und Ammoniakver— bindungen erkennen und gab mit Salpeterſäure Kryſtalle von ſalpeterſaurem Harnſtoff. Er hatte nur ein ſpecifiſches Ge— wicht von 1,006 (Sermann). — Bei dem Athmen wird nach Davy weniger Orygen abſorbirt und weniger Kohlen— ſäure ausgehaucht. Ergebniß der Leichenöffnungen. Bei Offnung der Bauchhöhle fällt insbeſondere in die Augen, daß die Venen ſtark mit einem ſchwarzen Blute angefüllt ſind, wie wenn fie mit ſchwarzer Maſſe eingefprigt wären; der Magen und der Darmcanal ſind meiſtens mit einer großen Menge jener weiß— lichen flockigen Flüſſigkeit erfüllt, die auch durch Erbrechen und die Stuhlgänge ausgeleert wird; die Schleimhaut des Magens iſt zuweilen mit einem eiweißartigen Überzuge be deckt, ſie iſt etwas aufgelockert und meiſtens gleichförmig blaß⸗ roth gefärbt, oft zeigt ſie dunkelrothe und bräunliche Flecke von überfüllten kleinen Gefäßchen, zuweilen iſt ſie auch ganz blaß; ebenſo iſt die Schleimhaut des Darmcanals meiſtens geröthet, oft mehr blaßroth, oft aber in großen Stellen dun— kelroth, wie ein Schwamm, der in ſchwarzes Blut getaucht iſt, zuweilen aber auch von normaler Farbe, was vorzüglich, von dem Stadium herrührt, in welchem der Kranke geſtor⸗ ben iſt; die Peyerſchen Drüſen ſind beſonders im untern Theile des Dünndarmes aufgeſchwollen und ſtellen Platten von granulirter Oberfläche und von ovaler oder länglicher Form von 1—3 Zoll Länge und 3—10 Linien Breite dar; ebenſo ſind die Brunnerſchen Drüſen an mehreren Stellen aufgeſchwollen, welche aber nur ein einzeln ſtehendes Korn bilden. — Die Leber iſt nicht verändert, bloß oft von ſchwar⸗ zem Blute überfüllt, die Gallenblaſe iſt von dunkel gefärbter Galle oft ſehr ausgedehnt. — Die Milz iſt oft ſehr mit Blut angefüllt. Die Nieren find ebenfalls blutreich, in den Nierenbecken uud Kelchen iſt oft etwas weißer Schleim. 5 Die Blaſe iſt zuſammengezogen und leer. — Die Lunge iſt in der Regel geſund, doch mehr zuſammengefallen als ge— wöhnlich, nur ſelten mit Blut überfüllt, zuweilen emphyſe— matiſch. — Das Herz iſt mit dunklem Blute angefüllt. — In den Hirnhäuten ſind die Venen mit ſchwarzem Blute über- füllt. — Die großen Arterien und Venenſtämme ſind faſt gleichmäßig mit Blut angefüllt, während das Blut in den Arterien der dritten Ordnung, z. B. der axillaris, faſt im⸗ mer fehlt. Geſchichte der Krankheit. Schon von Hippokra— tes und Celſus ſind Krankheitsformen beſchrieben worden, die im weſentlichen mit der Cholera übereinſtimmen, und Sydenham ſchildert eine Epidemie, die im Jahre 1669 in England geherrſcht hat und zum Theil ſo heftig war, daß die Kranken innerhalb 24 Stunden ſtarben. Nach Living⸗ ſtone ſoll die Cholera in der heftigſten Art ſchon früh in China vorgekommen ſein. In den Jahren 1782 und 83 herrſchte zu Madras eine Epidemie, die von Curtis gut beſchrieben worden iſt, und die nämliche Krankheit, wie die gegenwärtige große Epidemie geweſen zu ſein ſcheint. Eine ſo furchtbare und allgemein verbreitete Choleraepidemie, wie die, welche wir nunmehr geſehen haben, ſcheint aber noch nie den Erdboden heimgeſucht zu haben. Dieſe große Krankheit zeigte ſich zuerſt im Jahre 1817 in Jeſſore, erſchien ſodann in Caleutta und durchlief inner- halb 15 Monaten ganz Oſtindien, wo ſie vorzüglich dem Marſche der Truppen gefolgt ſein ſoll; auch brach ſie auf den meiſten Inſeln des Oceans aus, wohin ſie durch die Schifffahrt gebracht worden fein ſoll; 1820 war fie in China. Nachdem die Krankheit fünf Jahre in Judien an verſchiedenen. Orten geherrſcht hatte, erſchien fie 1821 an den Ufern des perſi— 31 178. IX. 2. 32 ſchen Meerbuſens, wo ſie bald nach der Ankunft von Schif— fen aus Bombay ausgebrochen ſein ſoll. Sie durchzog nun Perſien und Arabien, wie man angiebt, vorzüglich auf den Karavanenſtraßen und erſchien nun in Aleppo und an den Küſten Syriens. Im Jahre 1823 herrſchte die Krank⸗ beit in Aſtrachan und ſchritt nun langſam im ruſſiſchen Reiche vorwärts, 1829 war ſie in Orenburg, 1830 in Mojtau, 1831 in Polen, in Gallizien, in Ungarn und zugleich auch in Danzig und St. Petersburg, und ſodann in Wien und Berlin und einem großen Theil des öſtlichen und nördlichen Deutſchlands. Hierauf erſchien ſie in England, und im Früh— jahr 1832 plötzlich in Paris; ſie brach nun in vielen Orten „von Frankreich aus, und in den Jahren 1833 und 1834 in den Niederlanden, Spanien, Portugal und in America. 1835 zeigte ſich die Krankheit von neuem im ſüdlichen Frankreich, trat noch in demſelben Jahre nach Italien über und ſuchte in den Jahren 1836 und 1837 die meiſten Städte die⸗ ſes Landes, ſowie auch des nördlichen Africas, auf eine furchtbare Weiſe heim (z. B. Palermo, wo innerhalb ſechs Wochen mehr als der ſechste Theil der Bevölkerung, 26,000 Menſchen, ſtarb). Auch herrſchte die Krankheit 1836 eine geraume Zeit, jedoch in einem milderen Grade in Mün⸗ chen, dem ſüdlichen Theile von Baiern und Tyrol und er⸗ ſchien im Sommer 1837 von neuem in Berlin, Breslau und andern Orten des öſtlichen Deutſchlands. Hierauf ver— ſchwand die Krankheit aus Europa und ſo viel bekannt iſt, aus America gänzlich. — In Oſtindien übrigens erhob ſich die Krankheit mehrmals von neuem und hat nunmehr eine zweite Wanderung angetreten. Bis zum Jahre 1846 hat ſie ſich über Perſien verbreitet und iſt von da an in das ruſſi⸗ ſche Reich gedrungen. Gegenwärtig (am Ende des Jahres 1847) herrſcht fie in St. Petersburg. Urſachen der Cholera. Die Krankheit befällt Per⸗ ſonen von jedem Alter, Geſchlecht und Conſtitution; die aſiatiſche Cholera kommt ſelten bei Kindern vor, häufig aber erſcheint die ſporadiſche bei denſelben. Die Gelegenheitsurſachen der ſporadiſchen Cholera find: der Genuß fehlerhafter Nahrungsmittel, namentlich er⸗ kältender Obſtarten, fetter Kuchen, verdorbenen Käſes, fau— lichter Stoffe, jungen Weines, unausgegohrenen Bieres, und bei ganz jungen Kindern, der eines ſchlechten Breies, fehler— hafter Milch ꝛc. und ein ſolcher von giftigen Stoffen, wie giftiger Schwämme, des Arſeniks, des Sublimats, des zu⸗ weilen im Mehle enthaltenen Secale cornutum, der Samen von Lolium temulentum, Agrostemma Githago etc.; auch Verkältung, Metaftafen dc. Die Gelegenheitsurſachen der wandernden Cholera kennt man nicht. Iſt an einem Orte die Krankheit ausgebrochen, fo können alle Urſachen, welche ſchwächend auf den Körper, namentlich auf die Unterleibsorgane wirken, den Anſtoß zum Ausbruch der Krankheit bei einem Individuum geben, z. B. grobe Diätfehler, Ausſchweifung in Venere, Verkältung, Nachtwachen, große Furcht vor der Krankheit ꝛc.; was aber die Urſache der wandernden Weltſeuche iſt, liegt noch gänz— lich im Verborgenen. Thatſachen, welche in dieſer Beziehung in Betrachtung gezogen werden müſſen, ſind folgende: Die Cholera zog, wie einige andere allgemeine Weltſeuchen, na: mentlich wie einige Influenzen, von Oſten nach Weſten ge— hend, um die Erde herum und nimmt jetzt wiederum den nämlichen Weg. Sie geht hierbei im allgemeinen einen re— gelmäßigen Gang, macht aber oft auch ſehr weite Sprünge und geht auch theilweiſe ſeitwärts und rückwärts. Sie ſchrei⸗ tet durch alle Erdzonen hindurch, herrſcht im Winter wie im Sommer und bei jeder Witterung, und ſchreitet über das Meer und über große Höhen, z. B. in Aſien von 8000 Fuß. Es geht ihr oft ein beſtimmter genius epidemicus voraus und es zeigt ſich ein ſolcher in einem weiten Umkreiſe um ſie. Es verweilt die Krankheit nur eine beſtimmte Zeit an einem Orte, von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten und verſchwindet ſodann gänzlich aus demſelben. Sie iſt in den erſten Tagen ihres Erſcheinens hinſichtlich der Gefähr— lichkeit am furchtbarſten und nimmt nach und nach einen milderen Charakter an.“ (Schluß folgt.) Mi ſeellen. (2) Über den therapeutiſchen Werth des harnſau⸗ ren Ammoniaks hat Dr. Baur zu Tübingen in Schmidts Jahr⸗ büchern 1848 No. 7 feine ſeit 3 Jahren angeftellten Beobachtungen mitgetheilt. Derſelbe ſchreibt dem Mittel einen bedeutenden Werth bei Leiden der Schleimhäute, des Athmungs- und Verdauungs⸗ ſyſtemes und bei Hautkrankheiten zu. Er warnt dagegen vor An⸗ wendung desſelben bei gaſtriſchen und typhöſen Krankheiten, ferner bei Entzündungen und Scorbut. — Das bedeutendſte bei dieſen Verſuchen möchte wohl ſein, daß bei Krampfhuſten, bei welchem je— doch nicht wie jo häufig eine leichte confecutive bronchitis ſich ges ſellt hat, alſo bei rein nervoſem Huſten das Mittel beſonders ge⸗ eignet iſt, die Krankheit zu coupiren. Bei Brechruhr zeigen ſich Klyſtiere mit 3— 4 Gran harnſauren Ammoniaks außerordentlich günftig, fie ſtopften nicht, ſondern ſtellten die Normalabſonderung her. — Bei chroniſchem impetigo wird das Mittel zu 1 Gr. täg⸗ lich als ſicher und raſch wirkend gerühmt. (3) Die Paracenteſe des Augapfels unterwirft Hr. Tavignot in der Gaz. des höpit. No. 64. 47. einer Kritik in Bezug auf praktiſche Bedeutung, deren Reſultat iſt, daß ſie als Unter⸗ ſtützungsmittel der Behandlung innerer Entzündungen des Auges ſehr brauchbar ſei, als therapeutiſches Mittel im Ganzen wenig leiſte, obwohl gerechtfertigt ſei bei Hornhautſtaphylom, Augen⸗ waſſerſucht (beſonders acuter), nur ausnahmsweiſe bei Hypopyon (nie bei Bluterguß ins Auge). (Schmidts Jahrb.) Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Mall. — Paleontology of New-York, Vol. I, containing Descriptions of the Organic Remains of the Lower Division of the New York System (eqni- valent of the Lower Silurian Rocks of Europe). 40. (Albany) (pp 450, with 100 plates, cloth.) 1848. 48 sh. Recherches sur les causes de la depopulation du village de Piorry (eommune de Josserand, Puy-de-Dime), et sur les moyens propres A nenlraliser leur action; par J. J. Hippulyte-Auguilkon, duct. medec. etc. In 85 d’une feuille /. Clermont-Ferrand 1848. Druck unt Verlag des Landes-Induſtrle-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No-. 179. (Nr. 3. des IX. Bandes.) a Februar 1849. Naturkunde. Taylor, über die jcheinbare Bewegung der Figuren blauer und rother gewirkter Muſter. — Portlock, über das Fehlen der Aerolithen, wie aller Spuren einer Einwirkung von Eis, in den Schichten, die ſchon vor der letzten großen Erdumwaälzung beſtanden. — Dixon, über die Menge der unorganiſchen Beſtandtheile im Ale und Porter. — Sidney, über phanerogame Paraſiten. — Mifeellen. Jomard, über das Verhältniß des menſch⸗ lichen Körpers. Dufour, Osmylus maculatus. — Heilkunde. aorta durch ein Knochenſtück. — Bibliographie. Baumgärtner, die Cholera. (Schluß.) — Miſcelle. Keyſer, Durchbohrung der Naturkunde. VII. über die ſcheinbare Bewegung der Figuren blauer und rother gewirkter Muſter. Von Henry Taylor. Der Verf. macht in dieſem Aufſatze, den wir der Nr. 223 des London etc. philosophical magazine von 1848 entnehmen, auf eine lange bekannte, aber noch keineswegs genügend erklärte Erſcheinung aufmerkſam. Wenn man blau und roth gewirkte Muſter bei Kerzenlicht betrachtet, ſo ſcheint es, wenn man die Muſter umdreht, als ob ſich die Figuren ſchneller als der Grund bewegten, die Figuren ſcheinen zu zittern. Nur Roth und Blau zeigen dieſe Ei— genthümlichkeit, die überdies nicht für alle Perſonen wahr— nehmbar iſt. Die gewöhnlichen Muſter der Art haben roth und blaue Figuren auf einem Grunde der entgegengeſetzten Farbe; um die Erſcheinung in ihrer vollen Einfachheit zu ſehen, benutzte der Verf. dagegen rothe Flecke auf blauem Grunde, oder umgekehrt blaue Flecke auf rothem Grunde; wurde ein ſolches Muſter vor dem Auge auf und ab gezogen, ſo zeigte ſich, wenn man den rothen Fleck genau beob— achtete, am Saume der Farbe ein ſtarker Schatten, der von der einen Seite zur anderen überging. Bei aufmerkſamer Beobachtung ergab ſich, daß dieſer Schattenſaum, wenn das Muſter aufwärts gezogen ward, nur am oberen Rande, wenn es abwärts ging, am unteren Rande des Fleckens, in beiden Fällen aber nur für einen Augenblick ſichtbar ward. Eine ſeitliche Bewegung bewirkte dieſelbe Erſchei— nung mit dem Unterſchiede, daß der Schattenſaum hier links und rechts auftrat. Ward der blaue Fleck in derſelben Weiſe zum Verſuche benutzt, ſo trat bei übrigens gleichem Verhalten ſtatt des Schattenſaums beim Roth hier ein Lichtſaum auf, indem das dort beſchattete Thier hier heller No. 2159. — 1059. — 179. wie der Überreſt des blauen Fleckes erſchien. Die Farben— nuancen ſind in beiden Fällen nur ſo momentan, daß man um fie zu ſehen feine volle Aufmerkſamkeit nörhig hat. Am beſten verfährt man nach dem Verf., wenn man das Muſter in einiger Entfernung von Lampen- oder Kerzenlicht, anfangs nur langſam, hin und her bewegt. Der Verf. glaubte aus dieſer Wahrnehmung die ganze Illuſion der beweglichen Figuren erklären zu können; er glaubte, daß der helle und dunkle Saum auf das Geſicht denſelben Eindruck mache, den Licht und Schatten eines körperlichen von einer Seite erleuchteten Gegenſtandes her— vorrufen, und daß ein ſolcher Gegenſtand, wenn Licht und Schatten plötzlich wechſeln könnten, ſich gleichfalls ſcheinbar bewegen würde. Ein einfacher Verſuch mit einer weißen Kugel und zwei Lichtern, die in angemeſſener Entfernung auf einem Tiſche ſtehen, beweiſ't ihm die Richtigkeit ſeiner Vermuthung; wenn man abwechſelnd bald die eine bald die andere Seite der ruhenden Kugel durch eines der Lichter er— leuchtete, ſchien dieſe ſich hin und her zu bewegen. Ganz dasſelbe gilt nun für die gewirkten Muſter; ſehen wir die Flecken mit ihren hellen und dunkeln Säumen von Seite zu Seite huſchen, während die Quelle des Lichtes feſtſteht, fo ſcheint es allerdings als wenn die Flecken ihren Platz verändern und ſich ſchneller als ihr Grund bewegen, ja in einigen Fällen erhabenen Gegenſtänden gleich hin und her rollen. Um ſich zu überzeugen, daß der Wechſel der Schat— tirung am Rande der Figuren die wirkliche Urſache dieſer Täuſchung ſei, conſtruirte ſich der Verf. folgenden einfachen Apparat. Ein blauer und ein rother Fleck wurden auf einer weißen Karte fo befeſtigt, daß man hinter ihnen Schattenränder anbringen konnte, die in einer Weiſe hin und her gezogen wurden, wie vorhin die Schattenſäume am 3 35 179. IX. 3. 36 gewirkten Muſter auftraten. Perſonen, welche mit dem ver— änderten Vorgange nicht bekannt waren, bemerkten hier keinen Unterſchied zwiſchen beiden Verſuchen: auch hier ſchienen ſich die Flecken zu bewegen, wenn ihr Schatten allein bewegt ward. Ward dagegen die Bildung heller und dunkler Säume dadurch aufgehoben, daß man die Flecken mit einem weißen Rande umgab und ſo das Blau durch Weiß vom Roth trennte, ſo hörte auch die ſcheinbare Bewegung auf. Nun iſt es eine längſt bekannte phyſiologiſche Thatſache, daß der Eindruck eines Gegenſtandes nach deſſen Entfernung noch eine wahrnehm— bare Zeit im Auge verweilt, und daß demnach, wenn eine Reihe von Gegenſtänden in raſcher Folge am Auge vorüber— ziehen, das Bild des einen ſich mit dem des anderen auf der retina vereinigt; ſind nun verſchiedene Farben zu— gegen, ſo müſſen auch dieſe ſich zu einer Zwiſchenfarbe vermiſchen. Sobald darauf das vom erſten Gegenſtande entworfene Bild ſchwächer wird als das gegenwärtige Bild, tritt auch des letzteren Farbe bekanntlich als vorherrſchend auf. Nun war, wie vorhin erwähnt, der rothe Fleck dunkel umſäumt, der blaue hell begränzt; der Saum des rothen Flecks ward durch ein blaues Spectrum, dem Grunde an— gehörig, geſehen und erſchien deshalb purpurfarben, wäh— rend der Rand des blauen Flecks, durch ein rothes Spee— trum geſehen, lavendelfarben auftrat. Verſuche mit ge— färbtem Glaſe zeigten dem Verf., wie Roth eine dunklere Färbung annahm, ſobald es durch ein hellblaues Medium geſehen ward, Blau dagegen, durch rothes Glas geſehen, heller erſchien. Dieſe Erſcheinungen dürfen, bemerkt der Verf., nicht mit denen der ſogenannten zufälligen oder ſubjectiven Farben, durch welche man bereits die ſcheinbare Bewegung der Fi— guren zu erklären verſuchte, verwechſelt werden. Der Verf. ſucht die Urſache, warum nur Roth und Blau dieſes eigenthümliche Phänomen hervorrufen, darin, daß die Zwiſchenfarben, welche aus einer Vermiſchung beider hervorgehen, das Purpur und die Lavendelfarbe, mit beiden Grundfarben hinreichend ſcharf contraſtiren, um die Wirkung von Schatten und Licht zu erzeugen; was bei keiner Com— bination der Grundfarben der Fall iſt. Das Orange, durch ein Zuſammenfallen von Roth und Gelb erzeugt, contraſtirt mit ſeinen Grundfarben viel zu wenig, um irgend einen Effect von Licht und Schatten hervorzurufen; dasſelbe gilt vom Blau und Gelb. Warum dieſe Täuſchung endlich nur bei künſtlicher Be— leuchtung beobachtet wird, glaubt der Verf. aus der Un— beſtimmtheit des künſtlichen Lichts, mit dem Sonnenlichte verglichen, erklären zu können. Er fand, daß, wenn man die Farben ſo dicht dor ein Lampen- oder Kerzenlicht hielt, daß ſie von ihnen ſtark beleuchtet wurden, auch die erwähnte Erſcheinung aufhörte, dagegen, je unbeſtimmter die Er— leuchtung ward, um ſo deutlicher hervortrat; wenn er die Muſter unter einen Tiſch, auf dem die Lampe ſtand, hielt, wurde der Schattenſaum des Roth äußerſt dunkel, während der Lichtſaum des Blau ein faſt phosphoreſeirendes An— ſehen gewann. Aus demſelben Grunde iſt, ſobald die Muſter indirect geſehen wurden, der Effect viel ſchlagender als wenn man ſie direct betrachtet. Der Verf. erwähnt zum Schluß noch einer merkwür— digen Erſcheinung; der blaue Fleck erſcheint, wenn man ihn indirect betrachtet, jederzeit heller als er wirklich iſt; richtet man nun das Auge vollſtändig auf ihn, ſo gewinnt er wie mit einem Sprunge ſeine wahre Farbe; der rothe Fleck erſcheint dagegen bei indirectem Sehen viel dunkler und wird, wenn ſich das Auge gerade auf ihn richtet, plöß- lich heller. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieſe Farben— veränderung die Illuſton einer ſcheinbaren Bewegung er— höht, wenn das Auge über oerſchiedene Theile eines zu— ſammengeſetzten Muſters hinwegſtreift. Der Verf. glaubt dieſe Erſcheinung durch das von Brewſter aufgeſtellte Ge— ſetz, nach welchem das Auge nur ſolche Gegenſtände, die genau in ſeiner Sehachſe liegen, genau zu ſehen vermag, während alle indirect geſehenen Gegenſtände undeutlich bleiben, erklären zu können; er vermuthet, daß alle in letzter Weiſe auf die retina gelangende Bilder nur diffus erſcheinen. Der rothe und blaue Fleck erſcheint demnach bei indirecter Betrachtung durch den Grund, auf dem er liegt, gefärbt, der rothe Fleck wird in der Nähe des blauen Grundes dunkler, der blaue Fleck durch den rothen Grund heller; während ein ſolcher Fleck auf weißem Grunde nicht geſäumt erſcheint. VIII. über das Fehlen der Aerolithen wie aller Spuren einer Einwirkung von Eis in den Schichten, die ſchon vor der letzten großen Erdumwälzung beſtanden. Von Lieutenant-Colonel Portlock. In keiner Wiſſenſchaft, ſo beginnt der Verf. dieſen Artikel, den wir der Nr. 223 des London etc. philosophical Magazine von 1848 entnehmen, hat ſich der Segen einer richtigen inductoriſchen Methode mehr bemerkbar gemacht, wie in der Geologie, die durch ſie ſeit etwa 50 Jahren von dem Felde der Speculation und Hypotheſe auf einen ſicheren Boden zurückgeführt und auf dieſem mehr und mehr entwickelt ward. Seitdem man die noch beſtehenden Natur— kräfte auch zur Erklärung früherer Erdveränderungen be— nutzte, ſeitden man das Vorkommen und den Bau unter: gegangener und noch lebender Thier- und Pflanzenarten ſtudirte, die Wirkungen des Wellenſchlages der See am ſandigen und felſigen Geſtade bis in die früheſten Epochen verfolgte, konnte man nicht länger an einem gleichzeitigen Vorhandenſein von See und Land zur Periode der jetzt metamorphoſirten Schiefergebilde wie der ihnen folgenden Epochen zweifeln, ja möchte gar zu gern, wenn es möglich wäre, die Decke der ſpäter entſtandenen Erdſchichten lüften, um auch die, dieſen Perioden vorangegangenen Bildungen zu enträthſeln. Während wir aber mit Recht nur ſolchen Grundurſachen, deren Wirkung wir zu würdigen verſtehen, Gewicht beilegen, dürfen wir nicht vergeſſen, daß noch mancherlei Thatſachen für uns nur unvollkommen und theil= 37 weiſe zu begreifen find; die Aſtronomie giebt uns z. B. volles Recht, an die Möglichkeit, daß noch jetzt neue Ge— ſtirne entſtehen und bereits vorhandene vergehen können, und fomit an ein keineswegs durchaus conſtantes Gleich— gewicht der Weltkörper zu glauben; ſie zeigt uns dadurch, daß wir keineswegs ein Maß für die Wirkſamkeit einer gegebenen Kraft zu jeder Zeitperiode beſitzen, da gleichzeitig ihr entgegenwirkende oder ſie unterſtützende Urſachen ihren Einfluß vermindern oder vermehren könnten. Der Verf. wird durch eine Mittheilung des Marquis von Northampton über neuerlich gefallene Aerolithen, und eine andere des Decans von Weſtminſter, der an der Snow— donkette in North Wales die Spuren alter Gletſcher ent— deckte, auf dieſe Betrachtungen geleitet. Es war dem Verf. bekannt, daß man bis heute in den alten Schichten der Erde weder Aerolithen noch Spuren einer Eisfluth ge— funden hatte; er hält es demnach für wichtig genug, die Geologen auf dieſen Umſtand aufmerkſam zu machen. Die Zahl der bekannten Meteorſteinfälle iſt zwar nur gering, die Zahl der wirklich gefallenen Aerolithen kann deſſenunge— achtet weit beträchtlicher ſein. Das Studium dieſer inter: eſſanten Körper iſt überhaupt erſt neu; ſie ſind uns noch viel zu wenig bekannt, nur der Zufall ließ ſie hie und da entdecken, während fte vielleicht an manchen Orten unbe— achtet vom Pfluge mit Erde überſchüttet wurden. Gehört nun das gegenwärtige Vorkommen der Aerolithen auch zu den Seltenheiten, ſo dürfte man doch erwarten, daß ſie in den vielen Steinbrüchen und Gruben, den vielen natür— lichen Durchſchnitten, die in der ganzen Welt zu Tage liegen, hie und da ein Mal gefunden würden, was bisher nicht der Fall war. Schon Olbers machte 1838 darauf aufmerkſam, daß, während man gegenwärtig alljährlich einige hundert Meteor— ſteinfälle beobachtet, in den ſecundären und tertiären Schich— ten bis jetzt keine Aerolithen gefunden wurden; er ſchließt daraus, daß vor Jahrtauſenden keine ſolchen Steine auf die Erde fielen. Olbers glaubt, daß, wenn die Aerolithen ſich auch nicht ſo vollſtändig wie die thieriſchen, uns in dieſen Schichten aufbewahrten Überreſte erhalten hätten, die— ſelben doch jedenfalls nachweisbar ſein müßten; ihm ſcheint das Factum für die Geologie und Kosmologie von großer Bedeutung zu ſein. Obſchon Beiſpiele beweiſen, daß hie und da Bruch— ſtücke von Aerolithen durch das Liegen in feuchter Erde zer— ſetzt und in eine graue eiſenorydhaltige Maſſe verwandelt wurden, darf man doch, wie der Verf. glaubt, hieraus nicht folgern, daß alle Meteorſteine auf ſolche Weiſe unter— gehen konnten, da wir ähnliche Beiſpiele der Zerſetzung auch für Muſchel- und andere foſſile Thierfragmente auf— zuweiſen haben. Humboldt ſpricht zwar von zwei Maſ— fen, die man für Aerolithen hielt; es läßt ſich aber nirgends nachweiſen, ob dieſe Steine in Sand gefunden wurden, oder ob ſie vormals in Felſen eingebettet waren; der Verf. glaubt demnach annehmen zu müſſen, daß man bis jetzt kein ausgemachtes Beiſpiel für irgend einen Meteorſteinfall vor der Periode der letzten Erdumwälzung, nämlich der Eisperiode beſitze. 179. IX. 3. ? 38 Der Verf. geht nunmehr zu feiner zweiten Aufgabe, zum Fehlen jeglicher Spur einer Eiswirkung auf die alten Schichten, über. Man braucht ſich hier nur an die noch jetzt ankommenden ſchwimmenden Eisinſeln, die, mit Fels— blöcken beladen, von den Polarländern nach den Tropen ziehen und bei ihrem Schmelzen noch alljährlich ungeheure Felsblöcke ins Meer verſenken, zu erinnern, um alle Eis— erſcheinungen der Vorzeit durch eine größere Ausdehnung der Gletſcher, die jetzt auf unſere Hochgebirge beſchränkt ſind, erklären zu können. Zu dieſen Erſcheinungen einer großen Eisperiode gehören die ungeheuren, weithin zerſtreuten erratiſchen Blöcke, die von dem Geſteine, auf dem ſie jetzt ruhen, durchaus unabhängig ſind; dieſe fehlen nun der Secundärformation ganz und gar und beweiſen dadurch, daß zur Zeit, wo dieſe Formation entſtand, das Eis nicht gleichzeitig einwirkte, ja nicht vorhanden war. Der hier durch Negation geführte Beweis ſcheint dem Verf. der An— nahme einer der Eisperiode vorangehenden, aus den Thier— und Pflanzenüberreſten erſchloſſenen allgemeinen Erdtempe— ratur, wie ſie jetzt nur noch in den Tropen zu Hauſe iſt, günſtig zu fein. Aus den jüngeren Tertiärbildungen ſcheint ihm ein Übergang zur jetzigen Eistemperatur einzu— leuchten, der jedoch von dem plötzlichen Sinken der Wärme während der Eisperiode noch weit entfernt war. Hier würde demnach die Frage entſtehen, wie ſich eine ſo ungeheure Temperaturveränderung erklären laſſe? Einige Geologen haben ſich mit der Erklärung, die Lyell verſuchte, begnügt und mit ihm die Veränderungen der relativen Lage von Land und Meer als Urſache dieſes Temperaturwechſels angenommen, den andere außerhalb des Erdballs aſtronomiſchen, d. i. allgemeinen phyſtealiſchen Kräften zuſchreiben. Der Verf. will hier kein Urtheil fällen, ſich vielmehr damit begnügen, auf das gleichzeitige Auftreten zweier wichtiger Phänomene, den Meteorſteinfall und die Wirkung des Eiſes, aufmerkſam gemacht zu haben, indem er den Aftronomen die Entſchei— dung überläßt, in wie fern nach der jetzt allgemein ange— nommenen Theorie, nach welcher die Aerolithen verdichtete Nebelſtoffe (nebulous matter) oder Fragmente von Himmels⸗ körpern, die ſich im Kreiſe bewegen, ſind, beide Erſchei— nungen möglicher Weiſe mit einander in Zuſammenhang ſtehen; ob die Bildung der einen das Entſtehen der andern zur Folge hat, oder ob beide eine gemeinſame Grundurſache beſitzen. IX. über die Menge der unorganiſchen Beſtandtheile im Ale und Porter. Von Thomas Dixon, Aſſiſtent am chemiſchen Laboratorium zu Edinburg. Der Verf. unternahm die folgende Reihe von Analy- fen, um durch fie einen Aufſchluß über die nährenden Kräfte der Ales und Porters zu gewinnen und ihren wahren Werth als Nahrungsmittel würdigen zu können. Seine Analyſen zeigen, wie ſich erwarten ließ, eine große Verſchiedenheit im Verhältniß der Stoffe, die von der verſchiedenen jedem Brauer 3 * 39 179. theils durch locale Verhältniſſe aufgedrungenen, theils willkürlich gewählten Art der Bereitung abhängt. Die Aſchen dieſer Biere enthalten den in Waſſer löslichen Theil des Getraides und der ſonſt benutzten Ingredienzien; das Verhältniß dieſer löslichen Theile kann nun nach dem ver— ſchieden angewandten Verhältniß des Malzes zum Waſſer, nach der Dauer und der Temperatur des Aufguſſes, nach der Con— centration, auf welche die Flüſſigkeit eingekocht wird und nach IX. 3. 40 dem Grade der Gährung beträchtlich variiren. Die Analy— fen wurden nach der von Freſenius und Will angege— benen Methode ausgeführt. Das Eiſen, das in den meiſten Fällen nicht nachzuweiſen war, ward überſehen; ſeine Menge war, wo ſie ſich zeigte, ſo unbedeutend, daß ſie nur als zufällige Verunreinigung erſchien. Wir haben die Analyſen, die wir No. 223 des London etc. philosophical magazine entnehmen, tabellariſch zuſammengeſtellt: Schottiſch Ale, verſchiedene Sorten und zu verſchiedenen Preiſen. Sorte te | Sorte | Sorte | Sorte Sorte | = Sorte | Sorte | Sorte | Sort No. 14 Aſchenbeſtandtheile Nen eh e e e , Ke Du, | 0.9, 2 | 90.1. B. 4 d ne zum ür- 8 . Sch. Sch. Sch. zu 2 Sch.] Den ed Sch. zu 1 Sch. zu 1 Sch. Sch. Sch Sch vort b. Gallon b. Gallon b. Gallon once. ene zu 2 Sch. zu 2 Sch. Pence. Pencr. 6 Pence. Meer zu 1 Sch. zu 1 Sch. ele auon. Kali 24,547 26,603 20,925 22,1190 15,9130 23,7100 10,484 27,564] 3,162 29,828 31,907 17,570 11,635] 19,418 Natron 34,429] 35,715 53,0830 33,480 42,7580 46,085 48,394 40,520 58,5080 38,390 20,871 31,2850 24,862] 37,131 Kalk 1,203 0,555) 0,172) 0,862 0,707 1,979 0,257 1,3410 0,8744 0,740 6,694] 1,536) 0,646 1,242 Talkerde 0,3990 0,232] 0,331) 4,642] 0,963] 5,650 2,269] 1,633] 1,032] 0,505 1,5580 2,163] 0,064 0,528 Chlor 5,095] 9,754] 4,283] 6,925 10,085] 3,052 6,649 8,121 6,450] 5,557 9,454 8,802 18,255 6,559 Scwefelfäure . 2,1310 2,272 1,615] 3,214| 4,657 0,130 5,562 7,014| 6,277 2,773 2,665] 7,072 14,566 19,160 Phosphorſäure 25,657 20,005 12,5130 24,172 16,346 12,049 15,3330 7,9230 17,622 16,827 16,851 16,657 10,925 5,984 Kieſelerde . 6,5390 4,864 7,078 4,5860 8,5710 7,345 11,052] 5,884] 6,075 5,380 10,000 14,915 19,047 9,978 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000,100, 000 100 000 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000 Porter verſchiedener Sorten zu verſchiedenen Preiſen. onen Bor, Node, | Ro | Döblin Re. | 0.20. | 22 | mo 2 A8 Aſchenbeſtandtheile. . Andere F in Pur = ottiſch, London Por⸗ x ndere „Dublin Bor-| „0 i wer Galen | | Men |" Pence. Sling. der zu 2 Sch. Sehrücte, ber zu r Sch. M Schill S d Kali 26,357 | 31,140 11,938 32,042 20,883 16,032 22,879 21,382 18,861 Natron 21,007. 32,933 24,330 42,722 38,766 50,820 30,521 24,008 33,765 Kalk 6,893 1,514 3,868 1,543 1,623 1,306 1,335 0,833 1,344 Talkerde . 0,394 0,122 0,659 0,512 0,166 0,097 1,272 1,187 1,386 Chlor 9,133 6,459 14,528 6,777 0,151 7,420 10,919 10,097 11,386 Schwefelſäure 6,615 4,637 12,198 1,574 6,358 4,526 4,973 2,763 2,177 Phosphorfäure 20,576 9,261 19,545 7,893 18,773 10,279 12,859 19,987 12,480 Kieſelſäure 8,255 | 13,934 | 12,934 6,937 | 13,280 9,520 | 15,242 | 19,743 | 18,601 100,000 | 100,000 | 100,000 | 100,000 | 100,000 | 100,000 | 100,000 | 100,000. | 100,000 Aſchengehalt des trocknen Rückſtandes. Bei No. N. A. 570% % Bei No. 1. 4,800 pCt. en e 6,050 „ 75 5 2. x 2 395 „ „ 20 9.001 „ 1 77 nn “. . „ 7 nu 3. 3,797 „ e 1: : 14,579 „ 707 04115 5,475 „ 00... 11,113 we 55 3,500 7 5 „ Bam: 6,054 2 ee 4,621 „ Dar el hen: 37995 4,7 . OR „ 7 „ 10 1 X. Uber phanerogame Paraſiten. 7 7 us 2 7 7 1 PN 13 ia: 7,626 „ Von E. Sidney. 1 0 . 180550 U In der Sitzung vom 19. Mai hielt der Verf. in der 15 7,863 „ royal institution einen Vortrag über Saftbewegung phanero— n nB 5 8,822 „ gamer Pflanzen und deren Zuſammenhang mit der Ernäh- 41 179. IX 8. 42 rung der phanerogamen Paraſiten, dem wir aus No. 1636 der literary gazette von 1848 das folgende entlehnen. Seitdem man neuerlich gefunden, daß auch Euphrasia auf den Wurzeln verſchiedener Gräſer und anderer Pflanzen wächſ't, ja ſich nicht anders eultiviren läßt, als wenn ihr Same auf fremden Wurzeln gekeimt hat, ſeitdem alſo auch dieſes Pflänzchen zu den Paraſiten gezählt werden muß, iſt, ſo beginnt der Verf., die bis dahin herrſchende Anſicht, daß allen Paraſiten grüne Blätter fehlen, entkräftet worden. Sich zunächſt mit den Paraſiten der Bäume und Zweige beſchäftigend, bemerkt er, daß jene vom aufſteigenden, dieſe vom abſteigenden Safte des Baumes ernährt werden. Als Beiſpiele der erſten gedenkt er der Miſtel (Viscum album) und des Myzodendron lorantheae; es giebt nach ihm 23 Genera ſolcher Paraſiten mit 412 Arten. Die Beeren der Miſtel beſchreibt er als klebrig, in Waſſer und Alkohol unlöslich; die Pflanze kann nach ihm durch ihren eigenen Stamm kein Waſſer abſorbiren, wohl aber ſolches durch den Stamm, auf welchem ſie wächſ't, aufnehmen; ihre Samen keimen erſt, wenn ſie durch den Magen der Vögel gegangen ſind; die grünen, nicht weißen Wurzeln wenden ſich den Zweigen, nicht aber dem Mittelpunkte der Erde zu, ſie ſcheinen ſich vom Lichte abzukehren. Die Miſtel gedeiht auf 48 verſchiedenen Bäumen. Das Myzodendron wächſ't auf den antarktiſchen Buchen; feine reifen, don einem peri- carpium umſchloſſenen Samen werden von Vögeln verſchleppt und hängen ſich durch ihre klebrigen Fäden feſt. Die Wür: zelchen ſuchen und finden die nächſte Rinde, in welche ſie ein— dringen, um ſich von ihrem desorganiſirten Zellgewebe zu nähren; unterhalb der durch den Paraſiten entſtandenen Höhlung der Rinde leidet der Zweig von ihnen keinen Scha— den, wohl aber nach oben, indem der Paraſit nur von dem aufſteigenden Safte lebt. Die Cuscuta iſt dagegen ein Schmarotzer, dem das Vermögen, ſeine Säfte zu verarbeiten, fehlt; ſie hat keine Blätter, ihre Würzelchen erſcheinen gleich Dräthen, ſie win— den ſich hin und her um einen Klee- oder Leinſtengel zu erhaſchen; fie ſterben ab, ſobald fie die cuticula genannter Pflanzen, in welche ſie Eindrücke verurſachen und ſich von dem abſteigenden Safte derſelben nähren, erreicht haben. Den Wurzelparaſiten fehlt ſowohl das Vermögen der Abſorption als der Verarbeitung der Säfte. Der Verf. ge⸗ denkt der Lathraea, welche auf den Wurzeln der Ulme wächſ't und umgekehrt, wie bei andern Pflanzen im Lichte Sauerſtoff abſorbirt und in der Dunkelheit Kohlenſäure abſcheidet. Zu den pilzartigen Paraſiten, deren einige wegen ihrer adſtrin— girenden Eigenſchaften, andere wegen ihrer Benutzung zur Wachsfabrication bekannt ſind, übergehend, erwähnt der Verf. der Rafflesia; ſie wächſ't umgekehrt wie die übrigen, indem ſie im Innern des Stammes entſpringt und deſſen Holzkörper durchbricht. Miſecellen. 4. Das Verhältniß des menſchlichen Körpers be⸗ treffend, ſchreibt Jomard vom Institut de France an Quetelet, deſſen Arbeit über dieſen Gegenſtand wir unlängſt (Bd. VIII. No. 9 S. 129 der Notizen) mittheilten, daß die Ver— hältniſſe, welche die ägyptiſchen Künſtler anwandten, wenn auch nicht in den Proportionen der Theile, ſo doch in der Geſammtgröße die wirkliche Statur der Völker des Nilufers überſtiege. Die Agypter entwarfen ſich ein Modell nach einer metriſchen Zahl, welche den Divifor mehrerer großen Maße bildete und multiplieirten die Länge vom Ellenbogen bis zur Fingerſpitze, wie die Länge des Fußes beſtimmte. Eine ſolche metriſche Statur von 1,847 Meter findet ſich in allen ihren Bildſäulen wieder, ſie ward zur Norm erhoben. Die Verhältnißzahlen gingen im allgemeinen in 12 und 60 auf; fo erhielten fie für verſchiedene Theile des menſchlichen Körpers folgende Zahlen: als 2, 3, 4, 6, 12 u. ſ. w. alle Facto⸗ ren von 12 bis 60. — Ein anderer Brief von Schadow aus Berlin, erklärt die von Quetelet angegebenen Verhältnißzahlen als vollkommen mit den von ihm in ſeinem Polyelète geſammelten übereinſtimmend. (Bulletin de Pacadémie royale etc. de Belgique, No. 9 et 10, 1848.) 5. Beim Osmylus maculatus fand Léon Dufour ein längliches, flaches, am Ende der Bauchhöhle gelegenes Organ, das nur beim Männchen vorhanden iſt, aber mit dem Geſchlechtsappa— rate in keiner Verbindung ſteht. Auch bei dem Männchen einer andern Neuroptere beobachtete der Verf. ein ähnliches Organ. Ein Studium der Lebensweiſe des Osmylus möchte vielleicht über die Function dieſes unbekannten Organes einigen Aufſchluß geben. (Comptes rendus du 17. Juillet 1848.) Heilkunde. (II.) Die Cholera. Von Dr. K. H. Baumgärtner, Prof. in Freiburg. (Schluß.) Es wird die Verbreitung der oſtindiſchen Cholera von vielen Arzten einer Anſteckung zugeſchrieben und für dieſe Annahme angeführt, daß die Cholera von Oſtindien aus von Land zu Land ſich nach Europa gezogen habe, daß ſie hier— bei vorzüglich den Karavanenſtraßen gefolgt ſei, und daß ſich öfters die Fortpflanzung von einem Kranken und von einem Orte zum andern genau nachweiſen laſſe. — Unter den zur Unterſtützung dieſer Behauptungen angeführten Thatſachen giebt es nun allerdings ſolche, die die Fortpflanzung von ei- nem Kranken auf den andern zu beweiſen ſcheinen; doch hat man Grund, die Richtigkeit vieler in Zweifel zu ziehen, z. B. die angebliche Thatſache, daß die Krankheit auf den Karavanen— ſtraßen zu uns gekommen ſei, indem wohl hier die Krankheit geherrſcht haben mag, aber wahrſcheinlich zugleich in unzäh— ligen andern Orten, von denen die Reiſenden nichts zu er zählen wiſſen, und für viele der angeführten Thatſachen läßt ſich eine andere Erklärung als die Anſtecknng geben, fo z. B. kann das Erkranken mehrerer Glieder einer Familie ebenſo— wohl als durch Anſteckung, durch eine andere, auf alle wir- kende Gelegenheitsurſache erfolgen, und ſelbſt die Wanderung von Aſien über Europa und America kann durch andere Ur— ſachen bedingt ſein. 43 179. IX. 3. 44 Unter den Gründen, die gegen die Verbreitung der Cho— lera durch die Anſteckung allein angeführt werden, ſcheint mir der der wichtigſte zu ſein, daß ſich häufig in den Orten, in welchen die Cholera ausbricht, einige Zeit vorher eine mit der Cholera verwandte Krankheitsconſtitution zeigt und na— mentlich die Cholerine vorkommt, daß ferner in ſolchen Orten oft beinahe die ganze Bevölkerung von gaſtriſchen Beſchwerden befallen wird, und daß zu gleicher Zeit in vielen Orten, in welchen die Cholera nicht zum Ausbruche kommt, zur Zeit der Choleraepidemien häufig ſich Krankheiten zeigen, die mit der Cholera die nächſte Verwandtſchaft haben, namentlich die ſogenannte ſporadiſche Cholera, Magenkrämpfe, Durchfälle, Ruhr ꝛc. Dieſer, oft in weiten Landſtrecken ſich zeigende Krankheitsgenius kann unmöglich der Anſteckung zugeſchrieben werden. Außerdem werden gegen die contagiöſe Natur der Krankheit angeführt: die Unzulänglichkeit ſelbſt der beſten Sperrmaßregeln (von Oſterreich und Preußen), die geringe Mortalität der Sanitätsbeamten und der Krankenwärter, die Unähnlichkeit der Krankheit mit den contagiöſen Krankheiten, und ſelbſt einige Fälle, in welchen die Cholera auf Schiffen ausgebrochen ſein ſoll, die längere Zeit in keine Berührung mit dem Lande kamen. Die ſo eben vorgebrachten Gründe beſtimmen mich, an— anzunehmen, daß die Haupturſache der Verbreitung der Cho— lera nicht in einem Contagium zu ſuchen ſei, ſondern in ei— nem allgemeiner verbreiteten ſchädlichen Einfluſſe, deſſen Na— tur uns übrigens gänzlich unbekannt iſt. — Nicht unmög— lich iſt allerdings ein telluriſcher Einfluß. Was iſt die Ur— ſache, warum heute dichte Nebel aufſteigen und Wolken ſich ſammeln, während geſtern ein herrlicher Tag war und warum oft plötzlich auf die mildeſte Frühlingswärme heftiger Winter- froſt eintritt? Können wir hier nicht Veränderungen, die in der Erde vorgehen, beſchuldigen? Sind wir nicht ſelbſt Theile der Erde? Können nicht abnorme Vorgänge in der Erde unmittelbar ſtörend auf unſere Lebenskräfte, wie auf die Beſchaffenheit der Atmoſphäre wirken, und können nicht ſolche telluriſche Vorgänge in gewiſſen Richtungen ſich fort— pflanzen, wodurch der Zug mancher Epidemien bedingt wird? — Ich behaupte nicht, daß ſolche Vorgänge der Cholera wirklich zum Grunde liegen, halte es aber für eine ober— flächliche Weiſe der Naturanſchauung, wenn man die unmit- telbaren kosmiſchen Einwirkungen auf unſer Leben gar nicht der Aufmerkſamkeit werth hält. Es iſt nicht nothwendig, hierbei ein Choleramiasma anzunehmen, welches durch die Vorgänge in der Erde erzeugt werde, ſondern es können dieſe Vorgänge auf und in uns ſelbſt wirken. Ich halte es z. B. für möglich, daß durch eine plötzliche contractive Bewegung der elektro- magnetiſchen Erdſtrömungen die ganze Thierwelt in dem Rahmen eines Augenblickes (unter Krampfſymptomen) endige und halte es ebenfalls für möglich, daß in gewiſſen Linien Erdſtrömungen Statt finden, z. B. von Oſten nach Weſten, in welchen unordentliche Bewegungen eintreten kön— nen, welche ja in uns ſelbſt, wie in jeder Erdſcholle vor— gehend, bei den hierzu geneigten Individuen die organiſche Bewegung in dieſe allgemeinere Bewegung hineinziehen und dadurch Krankheit, namentlich Krämpfe veranlaſſen kann. Hierdurch kann die Cholera ohne alle Vergiftung entſtehen “). — Wenn ich bloß nach meinen eigenen, in Paris im Früh— jahr 1832 geſammelten Beobachtungen mich über die An— ſteckungsfähigkeit der Cholera entſcheiden ſoll, ſo kann ich ſie nicht zu den eigentlichen contagiöfen Krankheiten, wie die Blattern, die Peſt ꝛc. find, rechnen; ja bei der aſphhktiſchen Cholera, bei welcher auch meiſtens das Erbrechen und die Durchfälle aufhören, ſcheint mir eine Einwirkung des Kran- ken auf die Geſundheit eines andern Individuums, mit Aus- nahme des pſychiſchen Eindrucks, in den meiſten Fällen kaum möglich zu ſein, da meiſtens durchaus keine Ausdünſtung Statt findet, ſondern der Körper kalt iſt, wie eine Leiche und nicht ein Mal ein warmer Hauch aus dem Munde des Kranken dringt. Nur die Ausdünſtungen der durch Erbrechen und die Stuhlgänge ausgeleerten Maſſen ſcheinen mir, wenn ſie in gehöriger Menge einwirken, zur Entſtehung der Cho— lera beitragen zu können, wie auch die Ausdünſtung anderer Fäcalmaſſen nachtheilig auf den Darmeanal wirkt, und die Galle auf die Leber, der Harnſtoff auf die Nieren und der Naſenſchleim auf die Schleimhaut der Naſe als Reize wirken. Weſen. Es läßt ſich zwar einiges über das Weſen der einzelnen Krankheitsvorgänge angeben, ſo lange aber die erregende Urſache nicht bekannt iſt, der Zuſammenhang des Ganzen nicht erklären. Dieſe Proceſſe ſind vorzüglich Krampf im Magen und Darmcanal und in den Muskeln der will— kührlichen Bewegung, theilweiſe Entzündung der Schleimhaut des Darmeanals, vermehrte und veränderte Abſonderung der Darmſäfte, Anziehen des Blutes nach den centralen Körper⸗ theilen, insbeſondere den großen Gefäßſtämmen und den Ge— fäßen der Unterleibsorgane, Verminderung oder völliger Stillſtand der Wechſelwirkungen zwiſchen den Geweben und dem Blute in den peripheriſchen Theilen, chemiſche Ver— änderung des Blutes „vielleicht unmittelbar durch die ein— wirkende Schädlichkeit, jedenfalls aber auch durch den Still— ſtand des Blutlaufes und den gehemmten Athmungsproceß hervorgebracht), baldige Zernichtung der Lebenskräfte. Vorherſage. Die ſogenannte ſporadiſche Cholera iſt meiſtens leicht zu heben, wird jedoch zuweilen auch tödtlich. Die oſtindiſche Cholera ſoll, wenn der Kranke ſich ſelbſt überlaſſen bleibt, beinahe immer tödten; durch die Kunft wird eine große Anzahl der Kranken gerettet, doch kommt es auf den Grad der Krankheit an, indem die aſphhktiſche Cholera doch in der großen Mehrzahl der Fälle tödtlich endet. Behandlung. a) Nach den Anzeigen aus den Urſachen. Bei der ſporadiſchen Cholera bat man, wenn ſchädliche Stoffe im Magen enthalten ſind und nicht durch Erbrechen ausgeleert werden, auf die Weiſe zu verfahren, die in den Kapiteln von dem Magenkrampf, der Magenentzündung und den Vergiftungen angegeben worden iſt. Auch bei der oſtindiſchen Cholera wenden viele Arzte, wenn kein gehöriges Erbrechen eintritt, Brechmittel an, ſo wie auch bei nicht gehörig erfolgenden Stuhlentleerungen abführende Mittel, „) Ein ziemlich deutliches Beiſpiel, welches zeigt, daß Thiere ple elektri⸗ ſchen Erpſtrömungen wahrnehmen, wahrend andere fie nicht empfinden, ge⸗ währen die Wandervögel, welche, bei veraͤnderter Stellung der Erde zur Sonne, die hierdurch veränderte elektriſche Strömung empfinden und in der Richtung dieſes Stromes fortzichen. 45 179. IX. 3. 46 insbeſondere das Ricinusöl. Vorzüglich find wiederholt ge— reichte Brechmittel aus Ipecacuanha empfohlen worden, welche, außer der Entleerung der Stoffe, auch durch Er— ſchütterung des Nervenſyſtems nützlich ſein können. Um die vorhandenen ſchadhaften Stoffe weniger ſchädlich zu machen, ſind auch einhüllende Mittel zweckmäßig. b) Nach den Anzeigen aus dem Weſen der Krankheit. Es ſcheinen mir vorzüglich folgende Anzeigen Berückſichtigung zu verdienen: 1) Milderung der krampfhaften Zuſtände, insbeſondere des Darmeanals; 2) Bekämpfung der Entzündung und des heftigen Blutandranges nach den inneren Theilen; 3) Wiederherſtellung der Lebensproceſſe in den äußeren Theilen, und 4) Unterſtützung der Lebenskräfte zur geeigneten Zeit. In den leichtern Fällen der Cholerine hat man nur die erſtere Anzeige zu erfüllen, und es genügen gewöhnlich einige Gaben Opium, z. B. von 10 Tropfen, das Auflegen von einem erwärmten irdenen Deckel auf den Magen, ein ſchweiß— treibender Thee, z. B. aus Hollunderblüthen, und die übri— gen, in dem Capitel von dem Magenkrampf angegebenen Mittel. In einigen ſchweren, durch das Gefühl von Feuer und zuſammenſchnürendem Schmerz im Magen, Krämpfe und Kälte des Körpers ausgezeichneten Fällen von Cholera, die zwar nicht in einer eigentlichen Epidemie, aber während die oſtindiſche Cholera in Deutſchland und Frankreich herrſchte, bei uns vorkamen, und ganz dasſelbe Krankheitsbild dar— ſtellten, wie viele, ſchon bedeutendere Cholerafälle, die ich in Paris ſah, wandte ich, nachdem ich in einem ſolchen Falle ohne Nutzen die engliſch-oſtindiſche Methode zu Hülfe gezogen hatte, folgendes Verfahren mit auffallend günſtigem Erfolge an. Ich ließ abwechſelnd Opiumtrepfen und große Stücke Butter, die vorher in Eiswaſſer gelegt waren, nehmen, ſo daß die Kranken innerhalb eines Tages etwa 3/4 Pfund Butter gebrauchten. Zugleich ließ ich den Körper durch ſehr warme Sandſäckchen, die auf den Unterleib des Kranken und die Füße gelegt waren, erwärmen und wandte auch einige Mal Blutegel, auf die Magengegend geſetzt, an. — Durch dieſes Verfahren werden die Wandungen des Magens und des Darmcanals gegen ſchadhafte Stoffe möglichſt geſchützt, die Butter wirkt beſtändig auf den gereizten Darmcanal, und die Kälte (die ſchon früher in Deutſchland in Form von Eispillen und Eiswaſſer, ſpäter beſonders von Brouſſais, gerühmt worden ift) bekämpft die Entzündung und die Blut⸗ congeſtion nach inneren Theilen. Ja, da ſelbſt ein Theil dieſer großen Menge Fettes ohne Zwäfel durch die Reſor— ption aufgenommen wird, und der Alutmaſſe dadurch eine eigene Beſchaffenheit geben kann, fo kun es noch ſeine be— ſänftigende Wirkung im inneren des Körpers ausüben. — Mit dieſen Mitteln können verſchiedene andere in Verbindung geſetzt werden, z. B. die Eispillen, de von Caſper mit Erfolg in Anwendung gebrachten Begießungen und douche— förmigen Anwürfe mit kaltem Waſſer, Hautreize ıc. Die Unterſtützung und Erregung der Lebenskräfte ſcheint in der Regel erſt dann angezeigt zu ſein, wenn der Ent— zündungs- und Congeſtionszuſtand in den inneren Theilen bekämpft iſt; doch können die zu dieſim Zwecke dienlichen Mittel, wie z. B. erregende Getränke, zuweilen neben der beſänftigenden Methode in Anwendung gebracht werden. Nach denſelben Anzeigen können auch verſchiedene andere Mittel gebraucht werden: Aderläſſe, einhüllende Getränke, z. B. Reißabkochung mit arabiſchem Gummi, reichliches Getränk von kaltem Waſſer, Olmirturen, die Ipecacuanha in kleinen Gaben, die Aufgüſſe von Chamillen, Meliſſe, Pfeffer- münze, ſehr verdünntes Ammonium, Campher, das warme Waſſerbad, Dampfbad, Bad von heißer Luft, Reibungen des Körpers mit Schnee, Einreibungen mit aromatiſchen Geiſtern und Ammonium oder Cantharidentinctur, Blaſen⸗ pflaſter ꝛc. Von den vielen, gegen die oſtindiſche Cholera in An— wendung gebrachten Heilmethoden und den empfohlenen ſpeei— fiſchen Mitteln erwähne ich folgende: Die engliſch-oſtindiſche Methode: Allgemeine und ört— liche Blutentleerungen, Opiumtinetur, zu 60 Tropfen mit 20 Tropfen Pfeffermünzöl und 2 Unzen Waſſer, welche Doſis ſelbſt manch Mal wiederholt wird, oder jede Viertel— ftunde 10 bis 15 Tropfen Opiumtinctur, zugleich das Calo— mel in Serupeldoſen (Annesley, Johnſon), in Zwi— ſchenräumen von 2—3 Stunden ein Paar Mal gegeben, auch nach Umſtänden Naphthen, Champher, Arak mit Waſſer, das Erwärmen des Körpers durch heiße Aſcheſäckchen und das Kneten des Körpers. Caſpers Methode: Der Kranke wird, wenn die Haut trocken und welk iſt, in eine leere, wenn dieſe aber weich, mäßig dünſtend oder mit klebrigem Schweiße bedeckt iſt, in eine bis zum Nabel des Kranken mit lauwarmem Waſſer ge— füllte Badewanne geſetzt, und hierauf mit 4 bis 5 Eimern eiskaltem Waſſer übergoſſen, und auch mit kaltem Waſſer aus einem Topf auf Bruſt und Magengegend geworfen, dieſes wird alle 2 bis 5 Stunden wiederholt; nach dem Bade wird derſelbe ins Bett gelegt, erhält eiskalte Umſchläge auf Kopf, Bruſt und Unterleib, die Füße werden aber in naßheiße wollene Tücher eingeſchlagen und zuweilen auch heiße Fußbäder angewandt. Zum Getränke wird kaltes Waſſer oder kaltes Bier gegeben. Wenn die Stuhlauslehrungen ſtocken, werden Klyſtire von gleichen Theilen kaltem Waſſer mit Eſſig angewandt. Nicht immer wird die Kälte in dieſer vollen Ausdehnung in Gebrauch gezogen, Blumenthal ließ bei großer Reizbarkeit des Magens, heftigem Erbrechen und großem Durſt Eispillen alle 5 Minu- ten nehmen. Gräfe empfiehlt das Chininum sulphuricum. Leo rühmt das Bismuthum nitricum, zu drei Granen auf die einzelne Gabe. Gumbert und Behrens gaben das Extractum nueis vomicae. Brouſſais wandte innerlich Eis und zuweilen Opium an, ſetzte Blutegel auf die Magengegend, ließ zur Ader und ſuchte den Körper zu erwärmen. Magendie läßt Reizmittel, insbeſondere den Punſch, gebrauchen. Chabert in Mexieo wandte zuerft das Guaco an, welches vortreffliche Dienſte leiſten ſoll. In den leichtern 47 179. IX. 3. 48 Fällen giebt man alle ½ Stunde eine Taſſe Guacoabkochung (2 Drachmen Stengel und ½ Drachme Blätter mit 1½ Fla— ſchen Waſſer auf 1 Flaſche eingekocht), bis allgemeiner Schweiß und gehörige Wärme eintritt, welche man einige Tage unterhält. Zum Löſchen des Durſtes giebt man die Abkochung mit zwei Dritteln oder der Hälfte Waſſer. In den gefährlichen Fällen läßt man von der weingeiſtigen Tinctur von Guaco einen Löffel voll mit 6 oder 8 Löffel Waſſer miſchen, und alle Y, Stunde abwechſelnd einen Löffel von dieſer Mixtur und eine kleine Taſſe des Decoctes nehmen. Bei Beſſerung der Zufälle läßt man bloß die Abkochung und in größeren Zwiſchenräumen fortgebrauchen. Neben dem Guaco wendet man auch allgemeine und örtliche Blutent— ziehungen und verſchiedene äußere Mittel an. Recamier wandte das ſchwefelſaure Natron in ſtark abführenden Gaben an. Biett verordnete die thieriſche Kohle zu einer halben Drachme ſtündlich, und ſteigend bis zu einer halben Unze. Hope empfiehlt die Salpeterſäure (Re. Acid. nitric. fumant. 5 Ag. menth. s. mixt. camph. 5 Tinctur. Op. gutt. 40. D. s. alle 3 — 4 Stunden den 4. Theil in einer Taſſe dünnen Haferſchleim). Levers verſuchte das ſalpeterſaure Silber in ſtarken Gaben. Badden rühmt ſehr: 1 Gran Phosphor mit 3 Gran Bienenwachs zu einer Pille gemacht und des Tages wieder— holt gegeben. Die Ipecacuanha wurde vielfältig, nicht allein als Brechmittel, ſondern auch als alterans in fortgeſetzten klei— neren Gaben im Aufguß und im Pulver gegeben. Blatin läßt die Kranken mit großer Beharrlichkeit große Portionen kaltes Waſſer trinken; von Anfang jede Stunde 5 bis 6 Litres, gläſerweis, und ſpäter eine ge— ringere Menge. c) Nach den Anzeigen aus den Zufällen. Gegen das heftige Erbrechen dienen viele der gegen den gereizten Zu— ſtand im allgemeinen anzuwendenden Mittel. Die Durchfälle darf man nicht zu ſchnell ſtillen; übrigens ſind gegen die— ſelben die gewöhnlichen Mittel, namentlich Columbo, in Ge— brauch gezogen worden. Zuweilen iſt es nothwendig, Off— nung zu bewirken, wozu man ſich des Rieinusöls, des Glauberſalzes oder der Rhabarber bedienen kann; gegen den Durſt giebt man kaltes Waſſer, Selterſer Waſſer, warme Milch ꝛc. Prophylaxis. Die Sperrmaßregeln und Desin— fectionsanſtalten haben bis jetzt keine Vortheile gewährt und können, wenn die Verbreitung der Cholera auf eine andere Weiſe als durch Anſteckung geſchieht, auch von keinem Nutzen ſein; ebenſo ſcheinen das Riechen an Chlorkalk oder aromatiſchem Eſſig, die wachstaffetnen Mäntel und andere Schutzmittel gegen die Anſteckung für den einzelnen über— flüſſig zu ſein; nur eine reine Luft in dem Krankenzimmer iſt erforderlich, um Verbreitung der Krankheit durch Kranke zu verhüten, daher ſchnelle Entfernung der Entleerungen des Kranken, häufiges Auslüften des Zimmers ze. Zur Vor⸗ ſicht kann man auch Chlorräucherungen vornehmen und nach Berührung des Kranken die Hände mit einer Auflöſung von Chlorkalk waſchen. — Auch die übrigen, gegen die Cholera empfohlenen praeservativa ſind großentheils ohne Nutzen und zum Theil ſelbſt nachtheilig; dahin gehören der anhaltende Gebrauch ätheriſcher Ole (des Cajeput-, Cha- millen-, Pfeffermünzöls) und anderer erregender Mittel, das Tragen von Pechpflaſtern, das vesicatorium perpetuum u. dgl., Seifen- und Laugenbäder, das Tragen von Campher und anderen Stoffen in Säckchen und Gürteln ze. Das, was allein zur Vermeidung der Cholera zu thun iſt, läßt ſich wohl auf folgendes zurückführen: Vermeidung von Exceſſen in der Diät und Vermeidung der Speiſen und Getränke, die leicht die Verdauung in Unordnung bringen und Durchfälle veranlaſſen, Vermeidung der Verkältung, ins— beſondere des Unterleibes, weshalb wohl eine leichte Flanell— binde um den Unterleib angelegt werden mag, Vermeidung von Erſchöpfung der Kräfte durch zu ſtarke Körperanſtrengung, des Beiſchlafes ꝛc. und, wo möglich, Beſeitigung der Furcht vor der Krankheit, wozu angemeſſene Beſchäftigung und Zerſtreuung und Unterlaſſung aller überflüſſigen Vorſichts—⸗ maßregeln, die nur beſtändig die Aufmerkſamkeit auf die Krankheit hinlenken, im allgemeinen die beſten Mittel ſind. Die beſten Maßregeln, welche der Staat und die Gemeinden gegen die Cholera ergreifen können, find: Herbeiſchaffung der Mittel zu einer ſchleunigen ärztlichen Hülfeleiſtung und guten Krankenpflege, und Unterſtützung der Armen mit guter Nahrung, Kleidungsſtüken und im Winter mit Brennholz. (Hand. d. ſpec. Krankheits- u. Heilungslehre f. prakt. Arzte u. Studirende, 4. Aufl. 2. Bd. Stuttgart 1847.) 1 Miſcelle. (4) Eine Durchbohrung der aorta durch ein Kno⸗ chenſtück ift von Hrn. Dr. Keyſer in der Hygiea, sjunde Ban- det 1848, mitgetheilt. Eine Frau hatte einen Knochen geſchluckt, den fie tief hinter dem unteren Ende des Bruſtbeins fühlte. Tags darauf begann Reizfieber mit den heftigſten Unterleibsſchmerzen, die Erſcheinungen einer peritonitis mit Perforation; ſtarke Anti⸗ phlogoſe beſſerte den Ziſtand, aber in 6 Tagen erfolgte der Tod plötzlich. Bei der Section fand ſich der linke Pleuraſack mit Blut gefuͤllt, die linke Lunze comprimirt und im Hintergrunde der Pleurahöhle ein Loch, durch welches man mit dem kleinen Finger in die aorta eingehen künnte, 1½ Zoll über dem Zwerchfell. Die— ſem Loche gegenüber faıd ſich in dem oesophagus ein quer liegen⸗ des, feſt ſteckendes 1 Zoll langes Knochenplättchen, deſſen beide Enden in die Häute det Speiferöhre eingedrungen waren und Ver⸗ ſchwärung derſelben veranlaßt hatten. (Oppenheims Zeitſchr. Juni 1848.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Memoire sur un nouveau procede de traitement de la fistule lacrymale, par ae docteur Reybard de Lyon. In 8° de trois quarts de feuille. Paris Notice sur la nouvelle methode depurative de M. Delaut, et particulierement sur la maniere d’employer les purgatifs dans le traitement des maladies chroniques. In 12% d'une feuille Y/,. Paris 1848. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 180. (Nr. 4. des IX. Bandes.) dh mo Februar 1849. Naturkunde. W. B. Rogers und R. E. Rogers, über die Zerfegung und theilweiſe Auflöfung der Geſteine und Mineralien durch reines wie durch mit Kohlenſäure geſchwangertes Waſſer. — Davy, Beobachtungen über den Tauſendfuß (Scolopendra morsitans) und die große weſtindiſche Landſchnecke (Helix oblonga). — Miſcellen. Lereboullet, ver Eierſtock von Cypris ſcheint Aufſchluß über die Entſtehung der Eier zu geben. Dechamps, normale Gegenwart des Kupfers im menſchlichen Blute. beim Wahnſinne im Zuſammenhange mit allmäliger Abnahme des Gehirnes. — Heilkunde. Blüthen von Rosa centifolia. Fenzl, zwei monſtröſe Parchappe, allmälige Abnahme des Verſtandes Bretſchneider, Neuralgia hydrogyrosa s. mercurialis. — Miſcellen. Levinſteins jtetboffopiiches Zeichen einer Magendarmfiſtel. Waddy, Milch in der Bruſt einer alten Frau ohne vorhergegangene Schwan— gerſchaft. Tuſon, Proteine gegen caries. — Bibliographie. Naturkunde. XI. Über die Zerſetzung und theilweiſe Auflöſung der Geſteine und Mineralien durch reines wie durch mit Kohlenſäure geſchwängertes Waſſer. Von W. B. Rogers und R. E. Rogers, Profeſſoren an der Univerſität Virginia. Die Verf. glauben, daß eine kurze Mittheilung der Hauptreſultate einer ausführlichen, 4 Monate hindurch fleißig betriebenen Unterſuchung genügen wird, den Zweck derſelben zu rechtfertigen und das Wichtige ſolcher Unterſuchungen für die chemiſche Geologie, für die Lehre der Bodenbildung und der Pflanzennahrung nachzuweiſen. Auch die Verf. wundern ſich, gleich Davy, daß man bisher das Verhalten des reinen wie des Kohlenſäure haltigen Waſſers jo wenig berückſichtigt hat; nur Struve, Forchhammer, wie Pols- torf und Wiegmann, beſchäftigten ſich mit dieſem ſo wichtigen Gegenſtande; aber auch ihre Verſuche waren zu wenig ausgedehnt, um eine beſtimmte Anſicht, eine ſichere Baſis gründen zu können, nach welcher man die Zerſetzung der Geſteinmaſſen, die Bildung der Chaleedone, Zeolithe und anderer Mineralien aus einer Auflöſung, ſowie die Aufnahme unorganiſcher Stoffe in den Pflanzen erklären konnte. (Die Beobachtungen des Verf. find in No. 15 des American Journal of Sciences and Arts vom Mai 1845 mitgetheilt.) Nach dem Verf. iſt zunächſt die Frage zu entſcheiden, ob reines oder mit Kohlenſäure geſchwängertes Waller das allgemeine Zerſetzungs- und Löſungsvermögen, was ihm die Chemiker ohne genügende Beweiſe zugeſchrieben haben, wirk— lich beſitzt, oder ob dies Vermögen nur für die wenigen Subſtanzen, auf welche ſich die bisherigen Verſuche bezogen und welche ſämmtlich Alkalien enthalten, wirklich vorban— den iſt. No. 2160. — 1060. — 180. Die Enticheidung dieſer Frage war der Hauptzweck der Unterſuchung, und die Verf, freuen ſich mit Beſtimmtheit angeben zu können: daß die löſende und zerſetzende Kraft des reinen ſowohl, wie des mit Kohlenſäure geſchwängerten Waffers für alle wichtigen Mi⸗ neralverbindungen, ſowohl mit als ohne Alka-⸗ lien gültig iſt. Die Verſuche wurden auf zweierlei Weiſe angeſtellt, zuerſt nach einer Schnellmethode und dann durch längere Digeſtion bei gewöhnlicher Temperatur. Nach der erſten Weiſe ward eine kleine Menge (5 bis 10 Gran) des feinſten Pulvers einige Augenblicke auf einem Filter von gereinigtem Papier gelaſſen, ein klarer Tropfen des abfließenden Waſſers auf einem Platinbleche aufgefangen, zum Trocknen verdampft und vor wie nach dem Glühen unterſucht; nach der zweiten Methode wurden etwa 40 Gran des feinſten Pulvers in etwa 10 Cubikzoll Waſſer gebracht, von Zeit zu Zeit geſchüttelt; nach einer beſtimmten Zeit ward die Flüſſigkeit filtrirt, das Filtrat in einer Platinſchale zum Trocknen verdampft, der Rückſtand qualitatis und, wenn ſeine Menge es erlaubte, quantitativ unterſucht. Nach beiden Methoden wurden jederzeit zwei vergleichende Verſuche, der eine mit reinem luftfreiem Waſſer, der andere mit einem Waſſer angeſtellt, das bei 60“ mit Kohlenſäure geſättigt wurde. Bei der zweiten Methode wurden die aus dem Glaſe, in dem der Verſuch angeſtellt ward, aufgenomme— nen Subſtanzen, Alkali, Kalk u. ſ. w., durch vergleichende Verſuche in Gefäßen von gleicher Größe und gleichem Glaſe mit reinem ſowohl, als Kohlenſäure haltigem Waſſer, Mineralpulser bei gleicher Dauer und Behandlung der ſuche, beſtimmt. Folgende Mineralien wurden ſowohl mit Koblenſäure baltigem Waſſer Ape Ka 2 51 180. IX. 4. 52 Varietäten) Lithionfeldſpath, glaſiger Feldſpath, Labradorit, Glimmer (2 Varietäten), Leueit, Analeim, Meſotype, Sco— lerit, Schörl (2 Varietäten), Grünſtein (2 Variet.), Chal— cedon, Obſidian, Lava, Gneiß, Hornblendeſchiefer, Erdarten, Chlorit (2 Variet.), Talk (2 Variet.), Serpentin, Steatit, Olivin, Hyperſthen, Hornblende (2 Variet.), Aetinolit, Tremolit, Augit, Aſbeſt (2 Variet.), Coccolit, maſſiger Epi— dot, kryſtalliſirter Epidot (2 Variet.), Arinit, Prehnit, brauner Granat, Dolomit, Flintglas, grünes Bouteillen-Glas, grünes, deutſches Glas, hartes, weißes, böhmiſches Glas, Wedge— woodmaſſe, chineſiſches Porcelan, Anthracit, Pechkohle, Lig— nit, Steinkohle (ehareoal), Aſche von Kohle und Holz, Holz— arten. Bei dem Schnellproceſſe beobachteten die Verf. eine theilweiſe Zerſetzung und Auflöſung aller genannten Mi— neralien und Glasarten ſowohl in Kohlenſäure haltigem als meiſtens auch in reinem Waſſer. Wenn die Subſtanz, ehe ſie mit dem Waſſer gemiſcht wird, recht fein gepülvert iſt, ſo geben meiſtens ſchon die erſten durch Filter gehenden Tropfen beim Verdunſten einen Flecken, der etwas Alkali oder alkaliſche Erde enthält. Auf dieſe Weiſe kann man in weniger als 10 Minuten die löſende Kraft des kohlen— ſauren Waſſers nachweiſen und wenn man das durchgelaufene Waſſer aufs Filter zurückgiebt, die Auflöſung noch concen— trirter machen. Bei Anwendung von reinem Waſſer iſt das Reſultat geringer, verlangt auch, um nachgewieſen zu wer— den, ein öfteres Zurückgießen; eine Löslichkeit faſt aller genannten Subſtanzen in reinem Waſſer iſt dagegen ganz unzweifelhaft, bei einigen iſt ſie ſogar ziemlich bedeutend. Intereſſant iſt es, auf dieſe Weiſe in einem einzigen Tropfen der klar filtrirten Flüſſigkeit die Gegenwart der Alkalien, des Kalks und der Talkerde entſchieden nachweiſen zu können; die letztere erkennt man ſowohl an der milchigen Beſchaffenheit des auf Platinblech verdampfenden Tropfens, als durch den Umfang und die weiße Farbe des zurück— bleibenden Fleckens. Eine Prüfung des letzteren vor dem Glühen und nach Anwendung berſchiedener Hitzegrade giebt noch feinere Aufſchlüſſe, fe zeigt, daß die drei fixen Alkalien und deren Carbonate viel flüchtiger ſind, als man bisher glaubte. Das Löthrohr und Curcumapapier leiſtete den Verf. für dieſe Verſuche vortreffliche Dienſte, dasſelbe wies ihnen in den erwähnten Flecken ſowohl Alkalien als alkaliſche Erden nach. Die Verf. glauben deshalb, daß dieſe Methode für die quantitative Analyſe der Mineralien wichtig werden könne; ſie iſt die leichteſte und ſchnellſte Manier, die Ge— genwart eines Alkalis oder einer alkaliſchen Erde nachzu— weiſen und wird demnach mit den übrigen Löthrohr-Reae— tionen dem Mineralogen ein brauchbares Hülfsmittel werden. Nach der zweiten Methode blieb das gepülverte Mineral mit dem Kohlenſäure haltigen Waſſer 48 Stunden, mit dem reinen Waſſer eine Woche in Berührung; die ſo er— tene Flüſſigkeit gab in manchen Fällen ein hinreichendes aterial für eine quantitative Analhſe. Aus der Hornblende, dem Aetinolit, Epidot, Chlorit, Serpentin, Feldſpath, Me— ſotyp u. ſ. w. ſchieden die Verf. den Kalk, die Talkerde, das Ei d, die Alaunerde, die Kieſelſäure und das Alkali; von der angewandten Menge der Mineralien hatten ſich 0,4 bis 1 Procent gelöſ't. Der Kalk, die Talkerde und die Alkalien fanden ſich an Kohlenſäure gebunden, das Eiſen der Hornblende, des Epidots u. f. w. ging beim Verdampfen aus dem kohlenſauren Orydul- in Peroryd über und bildete mit der Kieſelſäure und Thonerde am Boden der Platinſchälchen braune Flocken. 40 Gran Hornblende 48 Stunden lang mit Kohlenſäure haltigem Waſſer von 600 behandelt und öfters umgeſchüttelt, gaben eine Flüſſigkeit, die 0,08 Kieſelſäure, 0,05 Eiſenoryd, 0,13 Kalk, 0,095 Talkerde und eine Spur Mangan enthielt. Die meiſten der oben erwähnten Subſtanzen zeigten, nachdem ſie in einem Achatmörſer fein gepülvert und mit reinem Waſſer in einer Platinſchale befeuchtet wurden, gegen Reagenspapier eine entſchiedene alkaliſche Reaction; letztere war namentlich beim Serpentin, Chlorit, Tremolit, Asbeſt, Glimmer, bei der Hornblende, dem Felsſpath und dem Glaſe ſehr beträchtlich. Gepülvertes Glas reagierte am ſtärkſten. Bemerkenswerth iſt, daß die Talkerde und Talkerdekalk-Silicate eine ſtärkere Reaction als die Feldſpathe und die meiſten alkaliſchen Mine— ralien geben. Bei den beſprochenen Verſuchen hat man deshalb noth— wendig darauf zu achten, daß dem zum Verſuche benutzten Mineral kein kohlenſaurer Kalk oder keine kohlenſaure Talk— erde anhängt, da beide ſchon eine alkaliſche Reaction her— vorrufen würden; ferner darf man zum Pülvern des Mine— rals keinen Steingut- oder Glasmörſer anwenden, da die ſich abreibende Maſſe ſchon dem Waſſer eine alkaliſche Reae— tion ertheilt. Die Leichtigkeit, mit welcher verhältnißmäßig die Talk: erde und Kalktalkerde-Silicate ſowohl in Kohlenſäure haltigem als reinem Waſſer zerſetzt und gelöſ't werden, erklärt das ſchnelle Zerfallen der hauptſächlich aus Hornblende, Epidot, Chlorit u. ſ. w. beſtehenden Mineralien ohne Zuthun eines Alkalis und zeigt, wie Geſteine dieſer Art durch meteorolo— giſche Einflüſſe ſchneller wie die Feldſpathe ſelbſt zerlegt werden. Von dieſen im Boden enthaltenen leicht löslichen Silicaten empfangen auch die Pflanzen den nöthigen Kalk und die Talkerde, ohne daß man eine geheimnißvolle, zer— ſetzende, den Wurzeln innewohnende Kraft anzunehmen braucht. Die Unterſuchung führte ferner zu der intereſſanten Thatſache, daß Anthracitkohle, Pechkohle und Lignit, nach der erſten Methode behandelt, deutliche Anzeichen von Alkali gaben, während die Aſche dieſer Subſtanzen, auf gleiche Weiſe behandelt, keine Spur von Alkali enthielt. Hieraus erhellt, daß das Fehlen des letzteren in den Aſchen kein Beweis für das wirkliche Nichtvorhandenſein der Alkalien in dieſen Subjtanzen, vielmehr nur Folge der hohen Tempe— ratur, ducch welche die Aſchen entſtanden iſt, und fo erklärt ſich zugleich eine Thatſache, die mit dem vegetabiliſchen Ur— ſprunge der Kohle bisher nicht vereinbar ſchien. Nicht minder wichtig iſt es, daß Kohlenſäure halti— ges Waſſer aus fein gepülvertem Holze kohlenſaures Kali ausziebt. Verſchiedene Holzarten, das Holz der Eiche, des Ahorns, der Haſelnuß u. ſ. w., geben eine deutlich alkaliſche Reaction, während man bisher glaubte, erſt nach dem Ein— 53 180. N. 4. 54 äſchern der Vegetabilien die Alkalien oder ihre Verbindungen mit Kohlenſäure ausziehen zu können. Die Verf. ziehen aus der Schnelligkeit, mit welcher ſich Kali und Natron wie deren Verbindungen mit Kohlen— ſäure bei ſtarker Rothglühhitze verflüchtigen, den Schluß, daß die Menge dieſer Subſtanzen, wie man ſie bisher aus den Aſchen der Pflanzen berechnete, lange nicht die wirk— liche iſt und nur in wenigen Fällen die Hälfte von dem beträgt, was in den Pflanzen vor der Einäſcherung vorhan— den war. Dieſe Folgerung wird die Correction der vielen und ſorgfältigen Aſchen-Analyſen nöthig machen und, wie die Verf. hoffen, von den Chemikern wohl berückſichtigt werden; ſie wundern ſich, wie überhaupt eine Fehlerquelle, welche die Reſultate der Analyſe ſo weſentlich verändert, bisher ver— borgen bleiben konnte. XII. Beobachtungen über den Tauſendfuß (Sco— lopendra morsitans) und die große weſtindiſche Landſchnecke (Helix oblonga.) Von Dr. John Davy, General-Inſpector der Kriegs-Hoſpitäler. Der Verf. erinnert an ſeine frühern Mittheilungen über den Harn des Tauſendfußes, der faſt ganz aus harnſaurem Ammoniak beſteht. Damals wußte er noch nicht, wovon das Thier ſich nähre; kürzlich ward ihm Gelegenheit einen durchaus unverlegten Tauſendfuß längere Zeit zu beobachten; derſelbe ward in einer Porcelanſchale mit übergeſtülptem Bierglaſe aufbewahrt. Der Verf. überzeugte ſich, daß er nur von Juſecten lebe; leider entſchlüpfte er, nachdem der Verf. ihn einen Monat lang gefüttert und ſorgfältig bes obachtet hatte. Das Thier war ſehr gefräßig; am erſten Tage ſeiner Gefangenſchaft verzehrte er 2 Stubenfliegen, und in den folgenden Tagen eben ſo viele, wenn nicht noch mehrere; eines Tages verſchlang er neun Fliegen, von denen nur wenige Theile der Flügel zurückblieben. Das Thier war ſo auf ſeinen Fraß erpicht, daß er ſich beim Freſſen um äußere Einflüſſe wenig kümmerte, und ohne ſich ſtören zu laſſen, die unſanfteſten Berührungen ertrug; nach dem Freſſen ſchien er unluſtig und träge zu ſein. Die geſammelten Grerenente waren nicht unbedeutend, fie glichen den Er: erementen kleiner Eidechſen, bildeten kleine eylindriſche Maſſen, die zum Theil reinweiß aus harnſaurem Ammoniak, zum Theil dunkelgrau, meiſtens aus unverdauten Subſtanzen be— ſtanden. Der Tauſendfuß wog, nachdem er 2 Tage in der Gefangenſchaft gelebt und 9 Fliegen verzehrt hatte, 24,46 Gran; die Ereremente, die er während dieſer Zeit entlaſſen, wogen im lufttrocknen Zuſtande 0,44 Gran, ſie beſtanden zum größten Theile aus harnſaurem Ammoniak. Der letztere ſchien während der Dauer der Gefangenſchaft nicht ab-, viel— mehr zuzunehmen, er ſtand mit der Menge der genoſſenen Nah: rung im Verhältniß. Der Verf. bemerkte, wie gewöhnlich nach dem Verſchlingen einer Fliege die Ausſonderung einer kleinen Exerementmaſſe erfolgte. Vom 12. bis 25. Juli betrug die Menge dieſer Ereremente im trocknen Zuſtande 2,55 Gran. Der Verf. macht auf die große Aetivität der Verdauung und Aſſimilation dieſes Thieres, ebenſo auf die ſchnelle und reichliche Bildung des harnſauren Ammoniaks aufmerkſam; dieſe Aotivität der Functionen ſcheint mit dem raſchen Wachsthume des Tauſendfußes in Verbindung zu ſtehen. Die große weſtindiſche Landſchnecke, zu der der Verf. jetzt übergeht, ſcheint mit der Helix oblonga I. identiſch zu ſein. Sie iſt auf der Inſel Tabago ſehr gemein, kommt dagegen auf St. Vincent ſchon ſeltner und auf Barbadoes gar nicht vor. Während der trocknen Jahreszeit lebt ſie in Höhlen unter der Erde, wo ſie auch ihre Eier ablegt; nur in neblichten Nächten oder bei feuchtem Wetter kommt ſie zum Vorſchein; ſie ſcheint nur von Vegetabilien zu leben. Ihre Eier waren, als der Verf. ſie ſah, etwa 2 Zoll lang und ¼10 eines Zolles breit; ſie beſitzen eine glänzende, halbdurchſichtige Schale, die aus kohlenſaurem Kalke, etwas thieriſcher Materie und einer Spur phosphorſauren Kalkes be— ſteht. Der Inhalt eines jungen Eies beſtand aus einer klebrigen Flüſſigkeit von gleichmäßig weißer, etwas ins Gelbe ſchim— mernder Farbe; es war kein Dotter zu finden. Die weiße Flüſſigkeit hatte ein ſpeeifiſches Gewicht don 1060; ſie coa— gulirte beim Erwärmen, ward durch Sublimat und Sal— peterſäure getrübt, ganz ſo wie das Eiweiß der Hühnereier; das Coagulum war aber weniger feſt, ließ ſich jedoch nach dem Erhitzen nicht mehr gießen. Die Schnecke ſondert reichlich Experimente ab; dieſe bilden feſte, eylindriſche Maſſen, die hauptſächlich aus zweier— lei Stoffen beſtehen; der größere grün gefärbte Theil ent— hält die unverdauten Überbleibſel der vegetabiliſchen Nahrung, der andere Theil iſt jederzeit weiß, anfangs weich, von gleich— förmigem Anſehen: er beſteht unter dem Mikroſkope aus Ringelchen mit untermiſchten Epithelialzellen, mit Salpeter— ſäure erhitzt, zeigt ſich das Daſein der Harnſäure, die der Verf. im vorliegenden Falle mit Ammoniak, vielleicht auch mit thieriſcher Subſtanz verbunden annimmt. Daß die Harnſäure hier nicht frei vorkommt, ſchließt der Verf. aus der Größe der vorhandenen Kügelchen (/ 000 Zoll im Durchmeſſer) und aus der minder intenſiv rothen Färbung beim Erhitzen mit Salpeterſäure, wie ſie reines harnſaures Ammoniak liefert. Noch findet ſich gelegentlich ein dritter graufarbiger Stoff, der aus erdigen Subſtanzen, kohlen— ſaurem Kalke und Kieſelſande beſteht; dieſe Subſtanzen wurden entweder inſtinetmäßig, wie von den Hühnern zur Bildung der Eierſchale, genoſſen oder nur zufällig mit an— dern Nahrungsmitteln aufgenommen. Dieſe mineraliſchen Stoffe waren bisweilen mit den dunkeln grünen Inteſtinal— Grerementen vermiſcht; die weiße, Harnſäure enthaltende Maſſe war dagegen niemals mit den Inteſtinal-Ererementen vermengt, wohl aber, wie beim Tauſendfuße, mit ihr ver— klebt; ſie ſcheint demnach einer Harnſeeretion zu entſprechen; dieſes Harnſeeret macht nur einen ſehr kleinen Theil der ganzen Ererement-Maſſe aus. Sollte, wie man wohl annehmen darf, in allen Schnecken eine geringe Menge Harnſäure vorhanden ſein, ſo würden 4 * 55 180. IX. 4. 56 ſie, wie der Verf. glaubt, in Gegenden, wo ſie in Menge vorkommen, ein gutes Düngmittel abgeben. Die langſame Zerſetzung des harnſauren Ammoniaks müßte dem Wachs— thume der Pflanzen ſehr förderlich ſein. Der Verf. benutzte zwei dieſer großen Schnecken, die ihm von Tabago nach Barbadoes geſchickt waren, zur Tem— peratur-Beſtimmung; die Thiere hatten während der Reiſe, wo man ihnen Blätter vorgeſetzt hatte, die ſie nicht fraßen, 2 Tage lang gefaſtet; ſie wurden in einen Glasbehälter, zu dem die äußere Luft freien Zutritt hatte, geſetzt; ein ſehr empfindlicher Thermometer mit vorſtehender Kugel, welche die weichen Theile der Thiere berührte, gab die Temperatur der Schnecken an, während zu gleicher Zeit die Temperatur der ſie umgebenden Luft und die Wärme einer in die Nähe geſtellten Flaſche mit Waſſer beſtimmt ward. = atur Zeit der Beobachtung. er ge SIETUDELGENE eb ungern benden Luft. Waſſers. der einen Schnecke. Juli 27.3 Uhr Nachmittags 85° 85,250 85° si 9% „Abends 800 81⁰ 81,50 „ 28.6 „Morgens 795 80° 81° &1,25° 70 3½ „ Nachmittags 85“ 8⁵⁰⁰ 85,5% 85,5 „ 29.6 „ Morgens 79⁰ 80⁰ 80,5“ 80,5% „ 30. 3½ „„ Nachmittags 830 82,75 83,250 83,25% Die Temperatur der Schnecke ſcheint darnach immer um ein wenig höher, als die der ſie umgebenden Luft zu ſein. Das Volumen beider Schnecken entſprach 10 Cubikzollen; ſie wurden am 2. Auguſt unter ein Gefäß, das 240 Cubik— zoll faßte, mit atmoſphäriſcher Luft gefüllt und mit Waſſer abgeſperrt war, gebracht. Die Schnecken befanden ſich am erſten Tage in dieſer feuchten Atmoſphäre ſehr wohl; ſie krochen, ohne ſtill zu ſitzen, hin und her, ſchon am zweiten Tage wurden ſie träger, am dritten Tage waren ſie todt. Die Luft im Gefäße war reich an Kohlenſäure, Kalkmilch abſorbirte 32 Cubikzoll dieſes Gaſes; es ſcheint demnach, als wenn nahe bei 2¾ des Sauerſtoffes der Luft von der Schnecke verbraucht und durch Kohlenſäuregas er— ſetzt wurde. Die verhältnißmäßig kurze Lebensdauer beider Schnecken in der abgeſperrten Luft glaubt der Verf. durch die große Feuchtigkeit dieſer Luft, welche eine größere Activität der Lebensfunctionen, dadurch aber eine frühzeitigere Erſchöpfung des Sauerſtoffs zur Folge hatte, erklären zu können. Auch Pflanzen, die man in Waſſer ſetzt, ſchießen zu Anfang üppig empor; ſobald aber das ftagnirende Waſſer feines Sauer: ſtoffs beraubt iſt, ſtockt dieſes Wachsthum; die Pflanze vergeht. (The Edinburgh new philosophical Journal. July to October 1848.) Miſcellen. 6. Der Eierſtock von Cypris ſcheint nach Lereboullet über die Entſtehung der Eier einigen Aufſchluß zuge: ben. Dieſer Eierſtock, doppelt und ſymmetriſch, bildet einen über der Verdauungsröhre durch die ganze Länge des Körpers gelegenen blind endigenden Schlauch. Beide aus einer ſehr dünnen Membran beſtehende Schläuche ſind meiſtentheils mit Eiern ſehr verſchiedener Entwicklung erfüllt. Das blinde Ende, der Anfang des Cierſtocks iſt durch eine aus Elementarkörnchen von äußerſter Feinheit beſtehende Maſſe ganz ver⸗ ſtopft. In dieſer Maſſe liegen vereinzelt kleine, durchſichtige, mit einem undurchſichtigen verhältnißmäßig ſehr entwickelten Kern verſehene Bläschen. Etwas weiter nach hinten zu nimmt die körnige Maſſe ab; dagegen werden die mit einem Kerne verſehenen Bläschen im⸗ mer zahlreicher und deutlicher. Noch etwas weiter nach hinten ſieht man andere drei bis vier Mal ſo große Bläschen; dieſe umſchlie— ßen ihrerſeits jedes ein Bläschen, das an Größe meiſtens den vor— hin erwähnten entſpricht. Die großen Bläschen bilden jetzt fertige Eier; ſie beſtehen aus einer noch ganz durchſichtigen Dotterkugel, die aber noch keine Spur des eigentlichen Dotters enthält, einem Keimbläschen und einem Keimfleck. Die Elementarkörnchen ſcheinen demnach der Grundſtoff zu fein, aus dem ſich die kleinen Blafen bilden; ferner ſcheint das Ei, ehe es vollſtändig entwickelt iſt, als Keimbläschen aufzutreten. Wagner hat bei mehreren Inſeeten (Achetes campestris und Agrion virgo) dasſelbe nachgewieſen. Die letzten der Mündung des Gierftorfs zunächſt gelegenen Eier find bei Cypris elliptiſch; die hier vorhandenen Dotterkörnchen ſcheinen fich vom Umkreis gegen den Mittelpunkt zu entwickeln; bei den meiſten ſieht man um die Keimbläschen einen durchſichtigen ganz von Dotterförnchen freien Hof. Das Keimbläschen iſt klar und durch» ſichtig. Eines dieſer Eier maß in der Länge 0,09 Millim., in der Breite 0,07, fein Keimbläschen maß 0,02 Millim., der Keimfleck 0,007 Millim. Das Praparat ward einige Zeit in mit Carmin ges färbtes Waſſer gelegt; das Ei blieb farblos, während das Keim- bläschen eine lebhaft rothe Farbe annahm. (L'Institut, No. 773, 1848.) 7. Zwei monftröfe Blüthen von Rosa centifolia wurden von Dr. Fenzl im dritten Hefte der Sitzungsberichte der Wiener Akademie von 1848 beſchrieben. — Bei der einen waren die 5 Kelchblätter, einen Wirtel bildend, ganz wie die gewöhnlichen Laubblätter entwickelt; die Blüthenachſe erhob ſich ¼ Zoll über dieſelben und bildete dann erſt einen Wirtel von 5 ziemlich normal entwickelten Blumenblättern, welche mit den Kelchblättern alters nirten; die übrigen 10 Blumenblätter waren an der ſich noch weis ter verlängernden Blumenachſe fo befeſtigt, daß zwiſchen dem erſten und vierten Blumenblatte des Cyelus die folgenden fehlten. Die Blüthenachſe von den Kelchblättern bis zur Spitze maß 4 Zoll; von einer Antheren- und Fruchtknotenan lage war nichts zu beob⸗ achten. Die oberſten Blumenblätter waren an einer Seite mehr krautartig entwickelt und druſig behaart. Bei der zweiten Mon⸗ ſtroſität war der Blüthenwirtel ebenfalls ganz laubblattartig ent⸗ wickelt, unmittelbar auf ſelbigen folgten zwei ögliederige Blumenblatt— wirtel und über denſelben an einer centralen, 2“ A’ langen, am Grunde 2“ dicken glatten Achſenverlängerung in einem Abſtande von 1“ ein dritter Hgliederiger Cyclus ungleich aus einander ge⸗ rückter Blumenblätter mit verkümmerten Arillarknoſpen, über wel⸗ chen hinaus der mit Stachelborſten beſetzte Terminaltrieb noch 3 fiederſpaltige Laubblattpaare ſammt Laubknoſpe entwickelt hatte. Von den Blumenblättern des zweiten Kronenwirtels bildeten 4 einen regelmäßigen Quirl, während der fünfte mehr als 2 Linien am Stengel hinaufgerückt war; 7 Linien über demſelben folgte der dritte Kronenwirtel, deſſen Blätter in ungleichen Abſtänden von ein— ander entfernt waren; jedes trug in ſeiner Achſel eine rudimentäre Knoſpe. 7 Linien über dem oberſten dieſer Blumenblätter folgte das erſte der 3 Laubblattpaare, deſſen Blattabſchnitte ſowohl die roſenrothe Färbung als Textur des Blumenblattes beſaß; von dem zweiten Laubblattpaare bildeten ſich nur die zwei unteren Blatt⸗ abſchnitte blumenblattartig aus, die übrigen waren grün und unter ſich vollkommen frei. Andeutungen für Staubfäden und Frucht⸗ knoten fehlten auch hier vollſtändig. 8. Die normale Gegenwart des Kupfers im menſchlichen Blute ward von Dechamps unzweifelhaft nach⸗ gewieſen. — Die benutzten Säuren wie das deſtillirte Waſſer waren durchaus metallfrei; die aus kupferfreiem Papier bereiteten Filter wurden vor ihrem Gebrauche mit Salpeterſäure ausgewa⸗ ſchen und fämmtliche Glas- und ſonſtige Gefäße zuvor mit Konigs⸗ waſſer, ja in einigen Fällen mit fochender Salpeterſäure gereinigt. 57 180. Zu den Verſuchen wurden 162, 200, 300, 315, 380 und 472 Sram: men Blut benutzt; dasſelbe ward in einer Porcelanſchale vorſich— tig zur Trockne verdampft und in einem Porcelantiegel verbrannt, die Aſche mit Salpeterſäure oder Königswaſſer behandelt, die Löſung mit deſtillirtem Waſſer verdünnt, filtrirt und mit Schwefels waſſerſtoffwaſſer verſetzt. Nach 18ſtündigem ruhigem Stehen ward der Niederſchlag auf dem Filter geſammelt, ausgewaſchen und in einer kleinen Porcelanſchale, in welche einige Tropfen Salpeter— ſäure getröpfelt wurden, ſo lange gelinde erhitzt, bis es eine Schwefelfarbe annahm; jetzt ward der Filter ausgewaſchen und die erhaltene Löſung verdampft. Der geglühte Rückſtand ward nach dem Erkalten mit zwei Tropfen Salpeterſäure behandelt; die fo ge— wonnene Löſung gab alle Reactionen eines Kupferſalzes, mit Am— moniak eine ſchöne blaue Färbung, mit Kalium-Eiſeneyanür einen braunrothen Niederſchlag, mit blankem Eiſen einen metalliſchen Kupferüberzug. Das Dafein des Kupfers im normalen Blute iſt demnach nicht weiter zu bezweifeln und auf dasſelbe bei gericht— IX. 4. 58 lichen Unterſuchungen Acht zu nehmen; ſeine Gegenwart im Blute ſtammt, wie der Verf. glaubt, von vegetabiliſcher Nahrung her, indem die Pflanzen ihrerſeits das Kupfer dem Boden entnehmen. (Comptes rendus, No. 16, 16. Oct. 1848.) 9. Die allmälige Abnahme des Verſtandes beim Wahnſinne ſteht nach Parchappe mit einer allmäligen Abnahme des Gehirns im Zuſammenhang. Aus 782 von ihm beobachteten Fallen erhielt er folgende Mittelzahlen: bei Maͤnnern, bei Frauen Bei nur geſchwächtem Verſtande wog die Kilogr. Kilogr. Gehirnmaſſe SS en N 1,227 Bei der Manie, chroniſchen Melancholie. 1,381 1,235 Bei einem unzuſammenhängend gewordenen Denkvermögen ane 1,358 1,208 Bei gewöhnlichem Stumpffinne . .. 1,281 1,139 (Comptes rendus du 31. Juillet 1848.) (III.) Neuralgia hydrargyrosa s. mercurialis. Von Dr. H. Bretſchneider. In einem verdienſtlichen und ſehr fleißig gearbeiteten Werke „Verſuch einer Begründung der Pathologie und The— rapie der äußeren Neuralgieen“, alſo auf einem Felde, auf welchem noch ſehr viel zu thun iſt, hat der Verf. unter anderen dieſer ſeltenen Form der vielbeſprochenen Queck— ſilbervergiftung ein Capitel gewidmet und dasſelbe mit einem neuen Falle bereichert. Er handelt dieſes, wie ſeinen ganzen Gegenſtand, in ſtreng methodiſcher Form ab, wie folgt: Atiologie. Das Leiden iſt ſtets durch eine Queck— ſilbervergiftung bedingt. Am bäufigſten entſtehen ſolche Neuralgien nach der Anwendung derjenigen Queckſilber— präparate, welche eine beſondere Wirkung auf das Nerven— ſyſtem mit ausüben, namentlich des Queckſilberſublimats, des rothen Präeipitats und des Calomel, ingleichen der Ruſtſchen Schmierkur. Reizbares Nervenſyſtem mit allgemeiner Neigung zu Erkrankung in deſſen Sphäre überhaupt (Neigung zu Kräm— pfen), reizbares Hautorgan mit Neigung zu Rheumatismen gelten im allgemeinen als prädisponirende Urſachen. Ge— legenheitsurſachen ſind: übermäßiger Gebrauch des Merkurs, unzweckmäßiges Verhalten während einer Merkurialkur, na— mentlich Erkältung während des Sublimatgebrauches und der Schmierkur, Gemüthsbewegung, geiſtige Anſtrengung während derſelben, Gebrauch kalter Bäder kurz nach Been— digung derſelben. Von Handwerkern ſind namentlich die Feuerarbeiter, und ſolche, welche mit Queckſilber umgehen müſſen, Spie— gelbeleger und Bergleute Merkurialneuralgien ausgeſetzt. Die Merkurialneuralgie entſteht in ſeltenen Fällen plötz— lich; meiſtens entwickelt ſie ſich allmälig und zwar auf fol— gende Art. Wenn der Merkur lange Zeit in kleinen Gaben auf den Organismus einwirkt, ſo werden dieſe lange Zeit von demſelben wieder ausgeſchieden, bis endlich der Orga— nismus dies nicht mehr vermag, vielmehr der Wirkung der Queckſilberdoſis theilweiſe unterliegt. Das Blut, im gefunden Zuſtande negativselectrifch, bekommt durch den an— haltenden Queckſilbergebrauch einen Überſchuß an poſitiver Eleftrieität. Der Organismus im Beſtreben zur Erhaltung ſeiner Integrität ſucht dieſen Elektrieitätsüberſchuß durch die Nerven abzuleiten, welche jedoch die ſich ſtets von neuem aus dem Blut erzeugende Elektricität nicht zu bewältigen vermögen, und überdies durch den mit der Merkurialintori— kation gegebenen geſtörten Vegetationsproceß geſchwächt und in ihren normalen organiſch-chemiſchen Verhältniſſen geän— dert, der Übermacht der Queckſilberwirkung in der Art unterliegen, daß fie ebenfalls einen Überſchuß von poſttiver Elektricität annehmen. „Daher empfindet das der Queck— ſilberwirkung ausgeſetzte Individuum an der Stelle, welche ſpäter von der Neuralgie heimgeſucht werden ſoll, anfangs ein leiſes Ziehen, das bald wieder aufhört, nach ein Paar Wochen wiederkommt, ſo endlich immer kürzere Intermiſ— ſionen bildet, und endlich als ausgebildeter Nervenſchmerz erſcheint.“ Seltener entſteht dieſe Form der Merkurial— krankheit von ſchnell auf einander folgenden großen Gaben Merkur, ſondern meiſtens von kleinen, längere Zeit hindurch gegebenen. Noſographie. Der Kranke empfindet nach dem Verlauf des ergriffenen Nerven ziehende, reißende Schmerzen, welche ſeltener auf eine beſtimmte Stelle beſchränkt, meiſtens an mehreren Stellen in der Bahn des leidenden Nerven auftreten. Die Schmerzen machen Intermiſſionen, ohne ſich jedoch an einen beſtimmten Typus zu halten. Der Schmerz ſpringt häufig, namentlich bei längerer Dauer der Krankheit, von einem Nerven auf den anderen über, be— ſonders bei ſtarken Schwankungen des Barometers. Ein geringer kühler Luftzug, Erhitzung des Kranken, Gemüths— bewegung, leiſe Berührung der vorzüglich leiden— 59 den Stelle, oder auch nur geringe körperliche Anſtrengung reichen aus, um den Schmerzanfall in ſeiner Heftigkeit her— vorzurufen. Solche Kranke vertragen nur trockene Wärme und trockene Kälte; Näſſe erregt augenblicklich einen Anfall. „Die elektriſche Thätigkeit derſelben iſt ſo verändert, daß ſie in der größten Hitze ſich behaglich fühlen, und wenn andere Leute bei 280 R. den Schatten fuchen, ſo ſtellen ſich jene mit dem größten Vergnügen den heißen Sonnen— ſtrahlen bloß.“ Die Nächte der Kranken ſind ruhig, im Digeſtionsgeſchäfte, ſowie bei allen Se- und Excretionen findet ſich nichts regelwidriges. Fieber wurde bei der neur- algia mercurialis nie wahrgenommen, Complication. Eine ſolche findet mit Rheumatis— mus, Syphilis, Gicht Statt. Eine Complication mit rheu- matismus muscularis verleitet den ungeübten Diagnojtifer wohl leicht zu einem Irrthum. Am ſeltenſten möchte die Complication einer neuralgia mercurialis mit einer neuralgia syphilitica beobachtet werden. Diagnoſe. Den wichtigſten Anhaltpunkt wird hier in den meiſten Fällen die Anamneſe geben müſſen. Da dieſe jedoch nicht in allen Fällen zu ermitteln iſt, ſo müſſen noch andere Anhaltpunkte aufgeſucht werden, welche den Arzt hier vor Irrthum bewahren. Solche ſind: die übrigen Erſcheinungen einer Hydrargyroſe, als Salivation, Glieder— zittern, das leichte, bequeme Ertragen eines ſehr hohen Wärmegrades, Ausfallen der Zähne, der Haare, geſtörte Verdauung; dabei wird die chemiſche Unterſuchung des Harns und Schweißes die Diagnoſe noch bedeutend ſichern. Bei Complieation mit Rheumatismus muß das Ausſetzen des heftigeren neuralgiſchen und das Zunehmen des rheumatiſchen Schmerzes durch Bettwärme und bei Nacht in Verbindung mit den anderen Symptomen des Rheu— matismus den Arzt leiten. Bei Complication mit Arthritis, welche ähn— liche Symptome hervorbringt, iſt zu bemerken, daß außer dem Schmerz, welcher dem Verlauf des Nerven folgt, noch andere Schmerzen in den Gelenken, namentlich denen der unteren Extremitäten, Anſchwellen einzelner oder aller Ge— lenke und Röthung der ſie bedeckenden Hautpartien vor— handen ſind. Complication mit Syphilis wird theils aus der Anamneſe, theils aus dem Fortbeſtehen der ſyphiliti— ſchen Affectionen ſich ohne Schwierigkeit erkennen laſſen. Zu den verzweifeltſten Fällen in Bezug auf Diagnoſe ſowohl als Therapie, aber auch zu den ſeltenſten gehört der, wenn neben einer mercuriellen Neuralgie eine ſyphilitiſche in einem anderen Nerven beſteht. Hier muß ein richtiger Blick, eine genaue ſorgfältige Unterſuchung und anhaltende Beobachtung allein dem Arzte Licht geben. Verlauf. Dieſe Neuralgie gehört zu den hartnäckig— ſten und martert den Kranken oft Jahre lang. Bei Com— bination mit anderen Krankheitsproceſſen, namentlich Rheu— matismus und Gicht, läßt ſie oft in der Heftigkeit ihrer Erſcheinungen nach, um nach dem Verſchwinden derſelben mit erneuerter Stärke aufzutreten. Die atmoſphäriſchen, namentlich aber elektriſchen Verhältniſſe üben auf die Mer— 180. IX. 4. 60 kurialneuralgie einen entſchiedenen Einfluß aus; ingleichen üben einen ſolchen Lebensweiſe und Gemüthsſtimmung auf Exacerbation und Remiſſion des Leidens. Finden Combi— nationen Statt, ſo beſteht nach Beſeitigung derſelben die Neuralgie allein fort: doch findet hierbei eine große Anlage zu Recidiven Statt, namentlich bei Complication mit Rheu— matismus und Gicht, durch die Witterungseinflüffe bedingt. Ausgänge. 1) In vollkommene Geneſung, meiſtens ohne kritiſche Erſcheinungen, zuweilen durch Haut— und Harnkriſen. 2) In theilweiſe Geneſung. Es bleibt eine be⸗ ſtändige Schwäche und Reizbarkeit der ergriffen geweſenen Nersenpartien, welche nicht zu beſeitigen iſt, zurück; oder andere Folgen der Hydrargyroſe, als ſchwache Verdauung, ſchlechte Ernährung; nicht ſelten hinwiederum die höheren Grade der adiposis. 3) In eine andere Form der Merkurialkrank— heit, als hypochondria mercurialis, tremor mere, amau- rosis mercurialis; es treten auch Gonvulfionen, bald an— haltend oder in Parorysmen erſcheinend, als Nachkrankheit auf. 4) In den Tod. Die neuralgia mercurialis wird ſo wenig wie andere Formen der Neuralgie an und für ſich gewiß nur äußerſt ſelten tödtlich werden, wohl aber durch Combination mit cachexia mercurialis und dadurch bedingte kebris nervosa lenta oder hectica; durch apoplexia oder epilepsia mercurialis. Prognoſe. Sie iſt verſchieden nach dem Alter des Übels, nach der Individualität und dem Kräftezuſtande des davon Befallenen, und nach den etwa Statt findenden Combinationen. Kommt die Merkurialneuralgie noch friſch zur Behandlung, jo iſt die Prognoſe günftiger als im ent— gegengeſetzten Falle; ebenſo iſt ſie günſtiger bei jüngeren Jahren und gutem Kräftezuſtande des Kranken. Die Com— bination mit Rheumatismus läßt eine günſtigere Prognoſe zu als die mit Arthritis; am ungünſtigſten geſtaltet ſie ſich bei Combination mit Syphilis, oder einer neuralgia mercuri- alis mit einer neuralgia syphilitica. Von beſonderer Wichtig— keit ſind aber auch die äußeren Verhältniſſe des Kranken. Therapie. Die Hauptindication wird ſtets die ſein, die mercurielle Dyskraſie zu rilgen; iſt dieſes geſchehen, ſo wird auch in den meiſten Fällen die Neuralgie ſchweigen, die ja doch nur als ein Lautwerden der Hydrargyroſe in der Sphäre des Nervenſyſtems zu betrachten iſt. Vor allen Dingen iſt daher das Ausſetzen aller Merkurialpräparate nothwendig, und Individuen, welche ihres Gewerbes halber mit Queckſilber umgehen, muͤſſen wenigſtens auf lange Zeit, wenn nicht fur immer, ihre Beſchäftigung damit aufgeben. Bei reiner mercurieller Neuralgie iſt vor allem die Anwendung des Schwefels indieirt, theils innerlich als Flores Sulphur., Lac Sulphur., theils äußerlich als Schwe— felraucherungen, Einreibung von Schwefelſalben über den ganzen Körper, theils Verbindung dieſer Schwefeleinreibun— gen mit einer Schwitzkur, nach Art der gegen Krätze ge— bräuchlichen. Ebenſo iſt der Gebrauch der Species lignorum, des Decoct. Zittmanni ohne Calomel, des Quajakpulvers und Harzes, der Dulcamara und dergleichen anzurathen. 61 180. IX. 4. 62 Unerläßlich iſt dabei ein fortwährend ſehr warmes Verhalten des Kranken im Bette. Sind die Schmerzparorysmen ſehr heftig, ſo kann mit dieſen Mitteln Opium, Pulv. Doweri und Lactucarium verbunden werden. Saliniſche Abführ— mittel zwiſchendurch zu reichen, iſt räthlich. Ebenſo ver— dient nach Dieterich die Anwendung der Eleetrieität be— ſondere Berückſichtigung. „Am beſten wird es wohl ſein, ſie in Funken auf den ergriffenen Nerven ſelbſt einſtrömen zu laſſen. Man darf ſicher ſein, daß nach ihrer Anwen— dung die Schmerzen ſich ſehr vermehren werden. Das iſt das erwünſchteſte, was man erleben kann; denn einige Zeit darauf laſſen die Schmerzen nach und bilden eine deutliche Intermiſſion.“ Bei Complication mit Rheumatis— mus dürfte außer dem antimercuriellen Verfahren wohl der innerliche Gebrauch von Tinet. semin. Colchie. mit Tinct. Aconit. am meiſten zu empfehlen fein, während der Anwendung der von Valleix empfohlenen fliegenden Veſi— catore wohl ernſtliche Bedenken entgegenſtehen möchten. Complicationen mit Gicht werden die Anwendung des Schwefels innerlich und äußerlich mit Quajac. und Antimon. erud. indieiren. Gegen Complication mit Syphilis oder neuralgia syphilitica dürfte aber wohl kein Mittel bedeu— tenderes leiſten als das Kali hydrojodie. in großen Gaben, verbunden mit einer ſtrengen Entziehungskur. Als Nachkur iſt die innere Anwendung der Tonica und Adstringentia, als namentlich des Eiſens, des Calamus, der Ratanhia, der China, der Tormentilla zu empfehlen, des Chinin. sulphuric. mit Calam. aromatic., des Leberthrans, der Gebrauch der ſchwefelhaltigen Thermen, der kohlen— ſauren Mineralwäſſer und der eiſenhaltigen Wäſſer. Er— lauben die Verhältniſſe des Kranken den Gebrauch der letzte— ren nicht, ſo müſſen Soolbäder, Malzbäder und künſtliche Stahlbäder dieſelben zu erſetzen ſuchen. Erſter Fall — mitgetheilt von Kramer (1830). Ein Tagelöhner von ſechsunddreißig Jahren erhielt gegen Rheumatismus und Katarrh, der don dem Chirurgen feines Wohnortes für veneriſchen Urſprungs gehalten wurde, einen Monat lang Queckſilber, in Folge deſſen Salivation eintrat. Einen Monat darauf bekam der Mann heftige reißende Schmerzen im Unterſchenkelknochen und im Geſicht, die, von den Zähnen ausgehend, ſich über das os parietale und frontale erſtreckten. Er wurde durch Anwendung des Morph. acetic. mit Calam. aromat., des Decoctum Zitt- manni in halber Doſis und durch Einreibungen ſchmerz— ſtillender Salben wieder hergeſtellt. Zweiter Fall — mitgetheilt von Dieterich (1837). Ein Mann in den mittleren Jahren, der mehrere Merkurialkrankheiten ausgeſtanden hatte, wurde von in den unteren Ertremitäten herumwandernden Schmerzen in ſpä— terer Zeit befallen. Dieſe folgten immer dem Laufe der Nerven, erſchienen bald auf dieſer, bald auf jener Seite und waren namentlich heftig bei Witterungsveränderungen. Alle gegen das Übel verſuchten Mittel blieben ohne Erfolg und der Kranke ging nach einigen Jahren durch das hekti— ſche Fieber zu Grunde. Dritter Fall — mitgetheilt von Dieterich (1837). Seit zwei Jahren habe ich einen Mann hoch in den drei— ßiger Jahren an einer ſolchen neuralgia mercurialis, welche bald in den Extremitäten, bald im Geſicht nach dem Verlauf einzelner Nervenſtämme und Verzweigungen herumſpringt, bald wieder bis in ein Gelenk ſchießt, zu behandeln, ohne daß ich derſelben nur im mindeſten Herr würde, obſchon ich alle zweckdienlichen Mittel verſucht habe. Er hatte früher zwei Mal die große Schmierkur und ein Mal eine Sublimatkur, während welcher letzten er binnen acht Wochen 26 Gran Sub— limat erhielt, überſtanden und ſein nervöſes Übel zum erſten Male nach einem gewöhnlichen warmen Bade empfunden. Vierter Fall — beobachtet vom Verfaſſer (1844). H. G., 35 Jahre, aus dem Mittelſtande, war in früheren Jahren mehrmals veneriſch angeſteckt geweſen und von ver— ſchiedenen Arzten an verſchiedenen Orten behandelt und (an— ſcheinend) hergeſtellt worden. Vor anderthalb Jahren bekam er eine Rauheit des Halſes, welche ſich binnen wenigen Tagen zu einer vollkommenen angina ausbildete. Da er damals gerade auf einer Reiſe begriffen war, ließ er das Übel gehen und ſuchte erſt bei ſeiner nach wenigen Tagen erfolgten Rückkehr ärztliche Hülfe. Der behandelnde Arzt fand Schankergeſchwüre im Halſe, welche er mit einem ſtar⸗ ken Sublimatgurgelwaſſer bald zur Heilung brachte. Allein ein veneriſcher Hautausſchlag ſowohl als das Wiederauf— brechen der kaum geheilten Geſchwüre überzeugten den Arzt bald, daß er es hier mit einer syphilis universalis inveterata (Patient läugnete eine neue Anſteckung durchaus) zu thun habe, und er ſuchte nun durch eine eingreifende Mercurial— kur den Kranken herzuſtellen, was auch binnen zweier Mo— nate geſchah. Der Kranke war dadurch ſehr heruntergekom— men, hatte mehrere Zähne und viel Haare verloren; ſeine Verdauung lag gänzlich darnieder und fein Kräftezuſtand war ſehr geſunken. Am 26. December 1842 trat er in meine Behandlung. Er klagte über einen äußerſt heftigen Schmerz im rechten Beine, welcher ihn täglich mehrere Male befalle und der bei jedem neuen Anfalle an Stärke zuzu— nehmen ſchien und ihn ſehr beunruhigte. Seiner Beſchrei— bung nach folgte der Schmerz genau dem Verlaufe des ner- vus ischiadicus im Oberſchenkel, erſtreckte ſich jedoch zuwei— len von da aus auch, entſprechend dem Verlaufe des nervus tibialis, bis zum Fuße. Die Nacht über fanden keine An— fälle Statt, überhaupt nicht bei warmem, ruhigem Verhal— ten; allein außer Bett reichte oft der Zugwind, welcher beim Offnen einer Thür entſteht, hin, den Anfall hervorzu— rufen, ſowie auch die mit dem Sitzen unvermeidliche Rei— bung der unteren Schenkelfläche oft den Anfall hervorgerufen hatte. Eine Complication ſchien durchaus nicht vorhanden zu ſein. Der Schlaf war ziemlich ruhig, der Appetit ge— ring, der Stuhl etwas angehalten. Ich verordnete dem Kranken Lac Sulphur. (J8 pr. dos.) mit Rheum, außerdem jeden Morgen zwei Pulver von Morph. acetic. (gr. / 8 pr. dos.). Bei dem dreiwöchentlichen Gebrauche dieſer Mit— tel und einem ruhigen, äußerſt warmen Verhalten gelang es mir, die Schmerzanfälle zu lindern und ſeltner zu machen. Dabei erhielt der Kranke regelmäßig Offnung, mehr Appe— tit und fing an ſich zu erholen. Am 20. Januar 1843 63 180. IX. 4. 64 aber klagte er, als ich ihn beſuchte, über einen ähnlichen heftigen Schmerz im Verlaufe des neryus infraorbitalis, der am vorhergehenden Tage mit Blitzesſchnelle ohne die geringſte Veranlaſſung eingetreten ſei, ſich die Nacht mehrmals wie— derholt habe und den er „nicht aushalten könne.“ Der Schmerzanfall dauere einige Minuten und ſei dann eben ſo plötzlich wieder vorbei. Die örtliche Unterſuchung ergab weiter nichts als das augenblickliche Entſtehen eines Schmerz— parorysmus. Ich ſuchte den Kranken ſo viel als möglich zu beruhigen, und verordnete ihm eine Veratrinſalbe zum Einreiben in die Umgegend der ſchmerzenden Stelle, außer— dem den Fortgebrauch der genannten inneren Mittel; allein ohne Erfolg. Nach acht Tagen klagte der Kranke über Schmerz im Halſe; die neuralgia ischiadiea quälte ihn bei Tage und die infraorbitalis bei Nacht. Er war ſehr ent— kräftet, ganz appetitlos; der Leib war etwas aufgetrieben, doch nicht ſchmerzhaft und es gingen viele Blähungen ab. Bei der Unterſuchung des Gaumens fand ſich ein kleines Schankergeſchwür gerade in der Mitte des Zäpfchens, und als ich den penis beſichtigte, zeigte ſich auch hier ein Schan— ker von der Größe einer Linſe. Ich entſchloß mich daher zur Anwendung des Kali hydrojod. (36 auf Zjv Ag. de- still.), wobei ich innerlich einen Thee von Quassia und Sar- saparilla trinken ließ. Nach vierzehn Tagen hatten ſich die Geſchwürchen im Rachen und am praeputium geſchloſſen und die Anfälle der neuralgia ischiadica waren faſt gänzlich ver— ſchwunden. Nachdem ich das Jod noch acht Tage lang in ſteigender Gabe erfolglos angewendet hatte, entſchloß ich mich zur Hungerkur mit ſtarken ſaliniſchen Abführungen. Nach ſechs Wochen war der Schmerz im nervus infraorbi- talis gänzlich verſchwunden, und der Kranke, obgleich einem Skelett ähnlich, hatte ruhigen Schlaf und ftarfen Appetit bekommen, welcher letztere längere Zeit, auch während der Hungerkur gefehlt hatte. Ich ſchritt nun zur Anwendung ſtärkender Mittel, der Cort. Quere, China mit Syrup. cort. Aurant. und Zingiber., ſpäter zum Eiſen, zuerſt als Tinet. ferr. pom., dann als Ferr. carbonic. (Di pr. dos.) , wobei ſich Patient vollkommen erholte, ſo daß am 4. Juni die Kur als vollendet beſchloſſen wurde. Gern hätte ich den Kranken noch Pyrmonter Waſſer trinken laſſen; allein er hatte einen ſolchen Widerwillen gegen alles, was einer Arz— nei ähnlich ſah, bekommen und fühlte ſich ſo geſund, daß er ſich durchaus nicht dazu entſchließen konnte. Ein Rück- fall iſt nicht gekommen. Miſcellen. (5) Ein n ſtethoſkopiſches Zeichen einer Mage n⸗ darmfiſtel erwähnt Dr. Levinſtein in Berlin in der Med. Vereinszeitung 1848. No. 26. Derſelbe hatte ſchon vor einigen Jahren eine fistula ventriculocolica durch Auſeulation diagnoſti— cirt; im vorigen Jahre kam ihm eine Frau von 48 Jahren vor, die vor 2 und vor ½ Jahre an Unterleibsentzündung gelitten hatte. Seit der letzten Zeit hatte ſie fäculente Abgänge durch Mund und After, überhaupt waren die Erſcheinungen die einer eingeklemmten inneren Hernie da. Als das Stethoffop auf die empfindlichſte Stelle in der regio iliaca sinistra aufgeſetzt wurde, hörte man alle 30 bis 40 Secunden einen Ton, wie wenn ein Waſſertropfen in eine Flaſche fällt (tintement métallique); dieſes Geräuſch blieb bis zum Tode der Kranken. Die Sectionsergebniſſe waren folgende: im peritoneum Spuren alter Entzündung, das linke ovarium war um das fünffache vergrößert, in einen leeren Sack umgewandelt, der hinten durch eine ½ Zoll weite Offnung mit dem S romanum com: municirte; die Ränder der Offnung waren glatt und ſchienen ſchon längere Zeit beſtanden zu haben. Dr. Levinſtein iſt der Anſicht, daß durch jenes Zeichen jede innere Viſceralfiſtel ſchon beim Leben der Patienten zu erkennen ſein müſſe, wenn man auch die Organe nicht beſtimmen könne, zwiſchen denen die Fiſtelverbindung zu Stande gekommen ſei. Darüber wird man noch weitere Erfahrung hören müſſen. (6) Milch in der Bruſt einer alten Frau ohne vor⸗ hergegangene Schwangerſchaft. Dieſe in the Dublin Medical Press mitgetheilte Beobachtung des Dr. Wad dy iſt beſonders dadurch bemerkenswerth, weil ſich wenigſtens nach der Verſicherung der 61jährigen Frau die Milchſeeretion eingeſtellt hatte, ohne daß durch irgend einen künſtlichen äußern Reiz dazu Veranlaſſung gegeben worden wäre. Die Frau hatte in zwei Ehen 15 Kinder gehabt, deren jüngſtes zur Zeit der Beobachtung 18 Jahr alt war. Eine ihrer Töchter war geſtorben und hatte ein Kind von 10 Monaten hinterlaſſen, deſſen ſich nun die Großmutter annahm; ſie ließ das⸗ ſelbe auch bei ſich ſchlafen, verſicherte aber, daß ſie dasſelbe nie angelegt habe, ſondern daß ſie ganz ohne Veranlaſſung gefühlt habe, wie ſich ihre Brüſte füllten, worauf erſt ihr Mann (dies als einen Fingerzeig des Himmels anſehend) ſie aufgefordert habe, das Kind anzulegen und zu nähren, was ſie nun bereits 8 Wochen ge— than hatte. Die Milchabſonderung war ſehr reichlich, die Milch aber zu ſchwer. (7) Proteine gegen caries. Dr. Tuſon theilt in den Medical Times ſeine Beobachtungen über die guten Wirkun⸗ gen der Proteine als Arzneimittel mit. Er ging von der Anſicht aus, die Proteine, einer der Elementarbeſtandtheile der meiſten Gewebe, müſſe bei manchen organiſchen Krankheiten von gutem Gr: folg fein. Gangränödſe Geſchwüre wurden günſtig umgewandelt, auch bei den Scrophelgeſchwüren ſah er günſtige Wirkungen. Ein Knabe, der ein großes Metatarſalknochengeſchwür hatte, erhielt zwei Mal täglich 10 Gran Proteine und weiter wurde nichts ans gewendet, obwohl bereits die Amputation beſchloſſen geweſen war; in 2 Monaten war der Knabe vollkommen geheilt. So war es auch bei andern Fällen von caries. — Auch gegen Rhachitis rühmt Hr. Tuſon das Mittel, nicht weniger aber auch bei une genügender Milchſeeretion. Bibliographiſche Neuigkeiten. Description des oursins fossiles du département de l’Isere, precedee de no- tions elementaires sur l’organisation et la glossologie de cette classe de zoophytes, et suivie d’une notice zoologique sur les divers terrains de l’Isere; par M. Albin Gras, docteur &s-sciences ete. In 8° de 6 feuilles 307 plus 6 pl. Grenoble chez Vellot; Paris chez Var. Masson 1848. Prix r. Repertoire des études medicales. Exposé analytique et complet de toutes les matieres de l'enseignement officiel et des cours particuliers; par une so- ciete de médecins chirurgiens, chimistes , sous la direction de M. E. Ba- zin, medeein de l’höpital Saint-Louis. Trois cahiers in 8°, ensemble de 24 feuilles ½. Paris, chez Blosse. 1848. Cours elementaire de chimie à l’usage des facultés, des etublissements d’en- seignement secondaire, des ecoles normales et des ecoles industrielles; par M. V. Regnault, membre de l’Academie des sciences. Deuxieme partie. Metaux. P. 387 — 782. In 18° de II feuilles, plus une pt. et des figures intercalees dans le texte. Paris chez Var. Masson, chez Langlois & Le- clereg 1848. — 6. Fin du tome Ir. L'onvrage aura 2 volumes qui parai- tront en quatre parties. Prix complet 15 fr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 181. Maͤrz 1849. (Nr. 5. des IX. Bandes.) Naturkunde. XIII. über das intermediäre Capillarſyſtem. Von Bourgery. Des Verf. Arbeit über dieſen Gegenſtand bildet ge— wiſſermaßen eine Fortſetzung früherer, im Jahre 1847 von der Pariſer Akademie gehaltener Vorträge; die Ergebniſſe ſeiner Beobachtungen wurden von ihm in No. 767 des Insti- tut von 1848 folgendermaßen mitgetheilt: 1) Das Capillar-Blutſyſtem, das man bis jetzt für einfach und nur für eine Art der Cireulation beſtimmt hielt, iſt ein doppeltes und wird von zwei durchaus verſchiedenen Arten der Circulation belebt. Das eine dieſer Capillarſy— ſteme entſpringt am Verbindungsknoten zweier großen Ge— fäßſtämme durch peripheriſche Anaſtomoſen der kleinen Ter— minal-Arterien mit den Anfangsbläschen (vesicules initiales) ; das andere Capillarſyſtem wird durch die jedem Organe oder jedem Gewebe eigenthümlichen Haargefäße gebildet. 2) Die Anaſtomoſen zwiſchen Arterien und Venen liegen außerhalb oder im Umkreiſe von eigenthümlichen functionellen Geweben und ſind, ehe ein Gefäß in die Sub— ftanz eines Organs eindringt, allen Theilen des Organis— mus gemein, nur nach dem Grade des Gefäßreichthums der Zahl nach für jedes Organ verſchieden. Dieſe Anaſtomoſen bilden durch ihre Vereinigung die peripheriſchen Schlingen des allgemeinen Kreislaufes und beſchreiben für jedes Organ oder jedes Gewebe ein beſonderes diverticulum der großen Circulation. Das Circulations-Caliber jedes Diverticulums iſt bedeutend größer, als das der eigenen Gefäße, der kleinen Arterien und Venen, welche ſie mit dem gemeinſamen großen Gefäßſyſteme verbinden, weshalb fie dem vom Arterienftamme zum Venenſtamme übergehenden Blute einen leichten Durch— gang gewähren und ſomit dasſelbe ſowohl in die Gewebe eindringen als an ihnen vorbeigehen kann. Es folgt daraus, No. 2161. — 1061. — 181. daß in jedem Geſundheitszuſtande ein beſtändiges Überftrömen einer bedeutenden Menge rothen Blutes in das ſchwarze Blut durch die arterio-venoſen Anaſtomoſen an der Grenze der einzelnen Organe Statt findet. 3) Jedes Organ oder Gewebe wird durch ein Zuſammen— treten verſchiedener kleinerer Organe, welche die anatomiſchen Grundlagen feiner beſonderen Textur und das phyſiologiſche Agens ſeiner Function enthalten, gebildet. Dies ſind nun die functionirenden Organe, deren Blut- und Lympheapillaren ſelbſt wiederum zu eben fo vielen ſpeciellen Syſtemen ange— ordnet, die Apparate partieller Circulation bilden. 4) Die Syſteme dieſer Functionscapillaren zeigen ſich in der Form mikroſkopiſcher Netze, die ſelbſt aus kleinen anaſtomoſirenden Gefäßen zuſammengeſetzt werden, anſcheinend von gleichem Durchmeſſer. Die ſpeciellen Formen dieſer Netze ändern ſich nach ihrer Lage im Organe, ebenſo auch die Functionen der verſchiedenen Theile derſelben. An die Ge— fäßnetze der gleichförmigen Capillaren ſchließen ſich zwei andere Gattungen noch engerer Gefäßnetze an, die denſelben Fune— tionsſyſtemen angehören: a) Blutgefäße, die ſo enge ſind, daß ſie nur die Hälfte, den dritten oder ſelbſt den vierten Theil eines Blutkörperchens im Durchmeſſer halten, weshalb ſie nur Plasma führen können, b) ſehr enge Lymphgefäß— netze, welche ſich in die Venen einſenken und zeigen, daß ſich unzählige Verbindungswege von unendlicher Kleinheit zwi— ſchen den Venen- und Lymphgefäßen finden. 5) Das wichtigſte Reſultat dieſer Arbeit läßt ſich dem— nach folgendermaßen zuſammenfaſſen: A) Nach der von Harvey ſowohl für die große als für die kleine Circulation aufgeſtellten Theorie, die noch jetzt wiſſenſchaftliche Geltung hat, nimmt man an, daß mit jedem Kreisumlaufe in allen Theilen des Organismus noth— wendig die ganze Blutmaſſe vom Arterienſtamme durch das 5 67 181. N. b. 68 mikroſkopiſche, ſogenannte Intermediär-Gefäßnetz in den Venenſtamm zurückkommt; daraus folgt, daß der Durchgang durch letzteres Gefäßnetz ebenſo ununterbrochen als die große Circulation, der es angehört, fortdauert. Ohne Harvey's Theorie der Haupteirculation zu bez ſtreiten, vielmehr ſie beſtätigend und vervollſtändigend, zeigen die Injeetionen und mikroſkopiſchen Unterſuchungen, daß der vollſtändige Kreisumlauf der Circulation, ſoweit er bis jetzt be— kannt iſt, aus zwei ſich parallelen und einander ergänzenden, aber ihrer Lage, ihrer Zeit, ihrem Mechanismus und auch ihren Wirkungen nach verſchiedenen Circulationsarten beſteht: 1) Dem ganzen Organismus gehört eine große, allge— meine Circulation, welche der Fortdauer der großen Ge— ſammtfunction des ganzen thieriſchen Körpers dient, ſein Leben im allgemeinen erhält und deshalb permanent und in allen Theilen ſeines Kreislaufes vollſtändig iſt. Dies iſt die all— gemeine Circulation wie ſie Harvey nachgewieſen hat. Da— gegen hat man irrthümlicherweiſe, aus Mangel einer gründ— lichen Kenntniß dieſer großen Cireulation, ihr alle chemiſchen Wirkungen zugeſchrieben; der Hauptkreislauf erzeugt aber durch ſich ſelbſt gar nichts, er verbindet nur die beiden gro— ßen Wege des Kommens und Zurückgehens, die allen Thei— len des Organismus gemeinſchaftlich ſind. 2) Nach des Verf., insbeſondere auf die Bildung und die Verwendung der Blutbeſtandtheile, auf die verſchiedenen Seeretionen, Erzeugniſſe und organiſchen Umbildungen aller Art gerichteten Unterſuchungen, geſellt ſich zum Hauptcir— culations-Syſtem an allen Orten des Organismus eine be— trächtliche Anzahl partieller oder Functions-Circulationen, d. h. ſolcher, die den beſondern Stoffumbildungen der Or— gane und Gewebe an jedem Orte dienen und, zuſammen— genommen, eine weit größere Gapacität als die der Haupt: circulation beſitzen. Im Gegenſatze zu der Haupteirculation find die partiellen Circulationen der Organe in ihren Ver— laufe mehr oder weniger unvollſtändig, in ihren Erzeugniſſen verſchieden, und in der Zeit ihres Verlaufes ſueceſſiv und temporär; alle, wahrſcheinlich durch ihre Verrichtungen unab— hängig, ſind anatomiſch von einander getrennt, aber wiederum mit dem Ganzen des Organismus verbunden und gewiſſer— maßen in gleichförmiger Weiſe der vollſtändigen und perma— nenten Saupteireulation angefügt. Nur die Lungen machen hier eine Ausnahme; die Lungeneirculation, zur Bildung des rothen Blutes aus ſchwarzem Blute, iſt aber an und für ſich nur ein Theil der Saupteireulation und zwar derjenigen, welche den Kreislauf ſchließt und folglich, wie jene, perma— nent und vollſtändig. XIV. über die freiwillige Cohäſton der Thonerde— theilchen. Von Richard Philipps. Wenn der Niederſchlag von Eiſenſulfid oder Chlorid erhalten längere Zeit mit Waſſer in Berührung bleibt, ſo verliert er, wie Wittſtein beobachtete, allmälig ganz die Eigenſchaft von Eſſigſäure gelöſ't zu werden. Dieſe Beob— achtung erinnerte den Verf. an eine ſchon früher von ihm über die Thonerde gemachte Bemerkung; auch dieſe aggre— girt ſich und zwar in einer verhältnißmäßig kurzen Zeit, ohne indes, wie es Wittſtein für das Sesquioryd des Eiſens angiebt, Kryſtallgeſtalt anzunehmen. Bekanntlich wird ſowohl friſch gefälltes Eiſenoryd als friſch gefällte Thonerde ſchon von Eſſigſäure und folglich auch von den ſtärkeren Säuren gelöſ't; ſobald die Thonerde aber, bemerkt der Verf., nur zwei Tage feucht ſteht und mit der Löſung, aus der ſie niedergeſchlagen ward, in Berüh— rung bleibt, wird ſie von Schwefelſäure nicht mehr augenblick— lich aufgelöſ't. Der Verf. beſchreibt feinen Verſuch folgendermaßen. Er fällte die Thonerde vermittelſt eines Überſchuſſes von Ammoniak aus dem Alaun, ließ ſie darauf 14 Tage lang in feuchtem Zuſtande ſtehen, wuſch ſie fleißig aus und be— handelte einen Theil des gereinigten Niederſchlages mit ei— nem Überſchuſſe verdünnter Schwefelſäure. Der durch letz— tere gelöſ'te Theil ward von dem ungelöſ't zurückbleiben— den durchs Filter geſchieden. Dieſer Rückſtand wog, nach— dem er ausgewaſchen und geglüht war, 20½ Gran, wäh— rend die Löſung mit Ammoniak gefällt einen Niederſchlag gab, der nach dem Auswaſchen und Glühen nur 8 Gran wog. Innerhalb 14 Tagen hatten ſich demnach 72 pCt. der Alaunpartikelchen ſo feſt vereinigt, daß ſie der augen— blicklichen Einwirkung der Schwefelſäure widerſtanden. Der Verf. bemerkt indes, daß dieſelbe Säure bei längerer kalter Einwirkung mehr die Thonerde auflöf't; eben fo zeigte ſich, daß derjenige Theil, den die Schwefelſäure in der Kälte nicht augenblicklich löſ'te, von ihr beim Kochen vollſtändig ges löſ't ward; wogegen andererſeits eine Thonerde, die ſehr lange Zeit geſtanden hatte, auch in kochender Schwefelſäure unlöslich blieb. Sobald eine Alaunlöſung durch kohlenſaures Natron oder kohlenſaures Ammoniak gefällt ward, war der Erfolg ein ganz anderer; der Niederſchlag war dichter und ſtatt wie im vorigen Falle halbdurchſichtig und gallertartig zu fein, undurchſichtig und pulverig; dieſen Niederſchlag, der augenſcheinlich eine ganz andere Zuſammenſetzung hatte, konnte man hinſtellen ſo lange man wollte, er verlor ſeine augenblickliche Löslichkeit in kalter verdünnter Schwefelſäure niemals. Wäre es nicht ganz allgemein angenommen, daß Alaunerde ſich nicht mit Kohlenſäure verbände, ſo würde man ſchon hieraus zu dem Schluſſe geführt werden, daß hier eine kohlenſaure Thonerde entſtanden ſei, und daß die Kohlenſäure die Cohäſion der Thonerdepartikelchen verhin— dert und dadurch die Löslichkeit in Säuren bewahrt habe. Die folgenden Verſuche ſcheinen wirklich eine Bildung koh— lenſaurer Thonerde zu fein. Der Verf. löſ'te nämlich 200 Gran Alaun und fällte ihn durch uͤberſchüſſiges kohlenſaures Ammoniak; der Niederſchlag ward ſo lange ausgewaſchen, bis jede alkaliſche Reaction verſchwunden war; nachdem er noch 14 Tage geftanden hatte, ward er in einen Apparat gebracht, ähnlich dem, wie er zur Prüfung von Pottaſche von Freſenius und Will vorgeſchlagen ward. Der Nie— 69 181. X 5. 70 derſchlag löſ'te ſich in Schwefelſäure mit Aufbrauſen, es wurden 20 Gran Kohlenſäure entbunden. Die in ſolchem Niederſchlag enthaltene Kohlenſäure ſcheint demnach die Co— häſion der Thonerdetheilchen zu verhindern. Schon durch mäßige Wärme ſcheint die kohlenſaure Alaunerde zerſetzbar; ein ſolcher Niederſchlag, im Waſſerbade getrocknet, hatte ſchon größtentheils ſeine Kohlenſäure und mit ihr auch ſeine Löslichkeit verloren; es erfolgte nur ein ſehr ſchwaches Aufbrauſen. Der Verf. fand ferner, daß, wenn man heiße Löſungen von Alaun und kohlenſaurem Natron vermengt, der ſich bildende Niederſchlag nur theilweiſe augenblicklich in ver— dünnter Schwefelſaure löslich iſt. Die Gegenwart anderer Stoffe verhindert gleichfalls die Cohäſion des Thonerde— niederſchlages. Ein Zuſatz von ſchwefelſaurer Talkerde zur Alaunlöſung gab nach dem Fällen mit Ammoniak einen Niederſchlag, der, nachdem er lange Zeit geſtanden, in ver— dünnter Schwefelſäure noch vollſtändig und faſt augenblick— lich löslich war. Der Verf. zieht aus ſeinen Verſuchen folgende Schlüſſe: 1) Die Alaunerdetheilchen beſitzen, wenn ſie im feuch— ten Zuſtande erhalten werden, gleich dem Eiſenoryd das Vermögen, ſich an einander zu lagern und dadurch dem che— miſchen Einfluſſe zu widerſtehen. 2) Es bildet ſich allerdings kohlenſaure Thonerde, wird aber ſchon bei verhältnißmäßig geringer Wärme wieder zerſetzt. 3) Die Gegenwart der Kohlenſäure oder der Talkerde verhindert die Thonerdetheilchen, ſich an einander zu hängen. Dies eigenthümliche Verhalten der Thonerde iſt, bemerkt der Verf., für die chemiſche Analyſe ſehr wichtig, zumal da die in Schwefelſäure unlösliche Thonerde auch von kohlen— ſaurem Natron in der Kälte durchaus nicht gelöſ't ward. Der Verf. verknüpft mit dem obigen noch eine andere Bemerkung. Bei einer Bodenanalyſe behandelte er einen Theil der Erde mit Salzſäure, einen andern Theil mit Sal— peterſalzſäure; beim Zuſatz von Ammoniak zu beiden Lö— ſungen entſtand in der ſalzſauren Löſung ein dicker Nieder— ſchlag, der ſichtbarlich aus Eiſenorydul beſtand oder doch ſelbiges enthält, während die andere Löſung einen verhältniß— mäßig geringen aus Eiſenorpd beſtehenden Niederſchlag gab. Die weitere Analyſe zeigte, daß das Gifenorydul eine be— trächtliche Menge Talkerde, entweder mit ihm gemiſcht oder gebunden, niedergeſchlagen hatte. Der Verf. wiederholte den Verſuch in etwas veränderter Weiſe: er miſchte 1 Aquivalent ſchwefelſaurer Talkerde mit ½ Aquivalent ſchwefelſauren Eiſenoryduls, fügte der Löſung 1 Aquivalent Salmiak hinzu, um den theilweiſen Nieder— ſchlag der Talkerde durch Ammoniak zu verhindernz letzteres ward darauf im Übermaß hinzugefügt, um alles, was über: haupt fällbar war, niederzuſchlagen. Der ſorgfältig aus— gewaſchene Niederſchlag ward in Salpeterſalzſäure gelöf't, um das Eiſenoryd zu orydiren, dann abermals mit Sal: miak verſetzt und darauf das Eiſenoryd durch Salmiak ge— fällt. Die filtrirte Flüſſigkeit ward darauf mit phosphor⸗ ſaurem Natron verſetzt, wodurch ein fo bedeutender Nieder— ſchlag von phosphorſaurer Ammoniaktalkerde entſtand, daß mindeſtens ½ der angewandten Talkerde mit dem Eiſen— orydul gefällt fein mußte. 1 Es iſt ferner bekannt, daß ein Überſchuß von Ammo— niak einen Theil des Eiſenoryduls wieder auflöſ't, der erſt ſpäter durch Orydation von der Luft abgeſchieden wird; bei Gegenwart von Talkerde findet dies niemals Statt, die ganze Menge des Eifenoryduls wird mit der Talkerde vollſtändig gefällt. (The London etc. philosophical Magazine, No. 223, 1848.) XV. über das Reifen der Früchte wie der gallert- artigen Pflanzentheile. Von M. C. Fremy. Der Verf. hebt als Ergebniß ſeiner Beobachtungen in den Annales de Chimie et de Physique vom September 1848 folgende Punkte hervor: 1) In den Pflanzengeweben, namentlich in der Pulpa der Früchte und Wurzeln iſt eine in Waſſer unlösliche Sub— ſtanz, die er Pectoſe nennt, enthalten; ſelbige wird dadurch charakteriſirt, daß ſie durch Einwirkung ſchwacher Säuren in Pectin übergeht; ſie unterſcheidet ſich von der Celluloſe bedeutend. 2) In den Säften reiferer Früchte iſt Pectin enthal— ten; man erhält es künſtlich durch Kochen der Pectoſe mit ſchwachen Säuren. Das Pectin wird durch neutrales eſſig— ſaures Bleioxyd nicht gefällt; lösliche Baſen verwandeln es in Pectinſäure. 3) Wird das Peetin eine Zeit lang mit kochendem Waſ— ſer behandelt, ſo erlangt es die Eigenſchaft, neutrales eſſig— ſaures Bleioryd zu fällen; es verwandelt ſich in eine neue Subſtanz, das Parapectin, das ſich gegen Reactionspapiere neutral verhält und in den Säften vollkommen reifer Früchte vorkommt. 4) Das Parapectin wird unter dem Einfluſſe von Säu— ren in eine Subſtanz verwandelt, die der Verf. Metapectin nennt; ſie verhält ſich wie eine ſchwache Säure, röthet Lak— mustinctur und giebt mit Chlorbaryum einen Niederſchlag; man könnte ſie Metapectinſäure nennen. 5) Die erwähnten Subſtanzen bilden Verbindungen, die in gewiſſen Säuren, namentlich in Schwefel- und Oral- ſäure löslich ſind; dieſe Verbindungen ſind kryſtalliſirbar; ſie bilden mit Alkohol gallertartige Niederſchläge. a 6) Die Pectoſe wird in den Pflanzengeweben von ei— nem Ferment begleitet, das Fremy Pectaſe nennt. Das letztere beſitzt die Eigenſchaft, das Pectin allmälig in zwei gallertartige Säuren, die pectoſige und die pectiſche Säure uͤberzuführen. Der Übergang findet ohne Luftzutritt und ohne Gasentwickelung Statt; er bildet die pectiſche Gährung, die mit der milchſauren Gährung vergleichbar iſt. Pectaſe kommt in den Pflanzen in zweierlei Formen, löslich und unlöslich vor. . 7) Wenn man Pectin der Einwirkung der Pectaſe über⸗ läßt, ſo bildet ſich zuerſt eine neue Säure, die pectoſige 5 * 71 181. IX. 5. 72 Säure, welche ſich von der peetiſchen Säure durch ihre voll— kommene Löslichkeit in kochendem Waſſer unterſcheidet. 8) Die pectoſige Säure geht bei langer Einwirkung der Pectaſe wieder in pectiſche Säure zurück. Die pectofige und pectiſche Säure werden gleichfalls gebildet, wenn man Pectin zu einem freien oder an Kohlenſäure gebundenen Alkali fügt; auch Kalk, Baryt und Strontian bewirken dasſelbe. 9) Die pectiſche Säure iſt in neutralen Alkaliſalzen und zwar vorzugsweiſe in Ammoniakſalzen mit organiſcher Säure in großer Menge auflöslich; es bilden ſich gallertartige Dop— pelſalze mit ſaurer Reaction, welche durch Alkohol gallert— artig gefällt werden. 10) Pectiſche Säure ſtundenlang mit kochendem Waſſer behandelt, löſ't ſich vollkommen; ſie iſt zu einer neuen Säure, der parapectiſchen geworden. 11) Die parapectiſche Säure geht, lange mit Waſſer behandelt, in noch eine andere ſtarke Säure, die metapecti— ſche Säure über. Die beiden letzteren Säuren bilden ſich unter verſchie— denen Verhältniſſen, insbeſondere wenn Säuren oder Alkalien auf Pectaſe, Bectin und pectiſche Säure einwirken; ſie zer ſetzen beim Kochen, ähnlich der Glücoſe, das Doppelſalz von Kali und Kupfer mit Weinſteinſäure. 12) Die gallertartigen Subſtanzen, einer Temperatur von 3929 Fahrh. ausgeſetzt, entwickeln Waſſer und Kohlen— ſäure und werden dabei in eine ſchwarze brenzliche Säure verwandelt, welche der Verf. pyropectifche Säure nannte. 13) Die gallertartigen Subſtanzen haben insgeſammt den Charakter einer Säure; ihre Sättigungscapaeität und ihre Stärke vermehren ſich, je ferner ſie der Pectoſe ſtehen; fie ſcheinen ſämmtlich ein ternäres Radical (Cs I 02) zu ent: halten und nur durch ihren Waſſergehalt unter einander verſchieden zu ſein. 14) Die Eigenſchaften der gallertartigen Pflanzenſtoffe erklären ſowohl die Veränderungen im Innern der Früchte durch Wärme als die Bildung der Pflanzengallerte. Pflanzengallerte kann nämlich entſtehen: a. durch eine Um: wandlung des Pectins in pectoſige und peetiſche Säure Die unter Einfluß der Pectaſe; b. durch eine Verbindung von pectiſcher Säure mit den organiſchen in den Früchten ent— haltenen Säuren. 15) Die in grünen (unreifen) Früchten enthaltene Pectoſe wird während des Reifens nach einander in Bectin, Metapectin und metapectiſche Säure umgewandelt. Dieſe Veränderungen werden durch Säuren und Pectaſe hervor— gerufen. Dem Verf. ſcheint aus ſeinen Verſuchen hervorzugehen, daß die weichen Beſtandtheile gewiſſer Früchte, überhaupt die gallertartigen Pflanzenſtoffe im allgemeinen durch Reagentien in derſelben Weiſe verändert werden, wie ſie während der Vegetation in den Pflanzen ſelbſt Umwandlungen erleiden. Miſeellen. 10. Die ätheriſchen Ole, insbeſonders das Terpen⸗ thinöl, gewähren ein treffliches Mittel zur Vertil⸗ gung der Muſkardineſporen. — Ein großes Seidenraupen- gerüfte, auf welchem im Jahre vorher die Muffardine bedeutende Verheerungen angerichtel hatte, ward von Guérin-Meéneville mit Terpenthinöldämpfen, welche den Raupen ſelbſt nicht ſchädlich ſind, durchräuchert. Der Verf. erhielt von 25 Grm. Eier 53½ Kilogr. Coccons, während die andern nicht fo behandelten Gerüſte alle von der Mufſkardine heimgeſucht wurden und ſelbſt der beſte Ertrag von 25 Grammen Eier nur 20 bis 25 Kilogr. Coccons betrug. Die Verſuche wurden an verſchiedenen Orten mehrfach und immer mit dem günſtigſten Erfolge wiederholt; das Terpenthinöl ward ent- weder in flüſſiger Form zum Beſtreichen oder in Dampfform zum Räuchern benutzt. (Comptes rendus, No. 17, 23. Oct. 1848.) 11. Das Ampo oder Tanahampo iſt eine Erdart, die zu Samarang auf Java gegeſſen wird. — Diefe Erde findet ſich nach Mohnike an mehreren Orten in einer Höhe von 4000 Fuß in den Kalkgebirgen der ſecundären Formation, die ſich von Norden nach Süden über die Inſel Java ausbreiten. Die Erde iſt im all⸗ gemeinen feſt, plaſtiſch und klebend; man knetet fie und rollt fie in kleine Stangen, die an einem Kohlenfeuer ausgetrocknet werden und verzehrt fie darauf als Leckerbiſſen mit großem Wohlbehagen. Bei einer Unterſuchung dieſer Erde fanden ſich in ihr 3 bis 4 po— lygaſtriſche Infuſorien und 13 Phytolitharienarten, welche auf eine Thonerde aus der Tertiärperiode und eine Bildung aus ſüßem Waſſer zu deuten ſcheinen. (L’Institut, No. 780, 1848.) Heilkunde. (IV.) über Chloroſis. Von J. Henle. In der zweiten Lieferung des ſpeciellen Theiles des Handbuchs der rationellen Pathologie von Henle, eines Buches, welches mehr als irgend ein anderes den prak— tiſchen Arzt zur Prüfung und zum Selbſtdenken ſowohl über das Buch als über das, was bisher die Schule gelehrt hat, auffordert, iſt ein Capitel der Chloroſe gewidmet, einer Krank— heit, welche der Praktiker, je mehr er in der Ausübung der Heilkunſt fältigerer vorſchreitee, um fo mehr und unter um ſo viel— Form zu behandeln bekömmt. — Eine wiſſen— ſchaftliche Auffaſſung dieſer Krankheitsform iſt wirkliches Be— dürfniß. Henle ſagt darüber S. 285 u. f. folgendes: Chloroſis iſt eine bezüglich ihrer äußeren Urſachen, wie des inneren Zuſammenhanges ihrer Factoren gleich räthſelvolle, und ſelbſt bezüglich der Beſtändigkeit, des Werthes und Charakters der einzelnen Symptome nur unvollkommen erkannte Krankheit. Der Miſchungsfehler des Blutes, welchen die chemiſche Analyſe nachgewieſen hat, beſteht in einer Verminderung der 73 farbigen Körperchen (38—114 A. und G.), 86 im Mittel B. und R. ), 31 — 70 Corneliani !“). Nach Andral und Gavarret ſteht ſie im Verhältniß zur Entwicklung der charakeriſtiſchen Krankheitsſymptome; nach Becquerel und Rodier iſt dies nicht der Fall; vielmehr bilde ſich die Ano— malie erſt im Verlaufe der Krankheit aus; ja in zwei aud- gezeichneten Fällen kam die normale Ziffer (126. 130) vor. Dem Mangel an Blutkörperchen entſpricht die Verminderung des fpeeififchen Gewichtes des geſchlagenen Blutes und die Ab— nahme des Eiſens in der Blutaſche. Über die Farben des Aderlaß— blutes fehlen die Angaben; aus dem bleichen Anſehen der ſonſt blutigen Ausſcheidungen, der Menſtrualflüſſigkeit, der Hämorrha— gien aus der Naſe u. a. läßt fich nichts ſchließen, bevor man weiß, ob ihnen nicht andere ſchleimige Seerete beigemiſcht ſind. Wünſchenswerth ſind mikroſkopiſche Unterſuchungen über die Zahl der farbloſen Körperchen im chlorotiſchen Blute; ſo wahrſcheinlich eine Vermehrung derſelben an ſich iſt, ſo muß man ſie zur Zeit, nach den Angaben von Donné in Ab— rede ſtellen. Das Blutplasma kann in Chloroſe ganz normale Ver— hältniſſe darbieten. Wenn daher in einzelnen Beobachtungen der Faſerſtoff-, in anderen der Waſſergehalt erhöht gefunden wurde, ſo verdient dies um ſo mehr als Folge einer Com— plication angeſehen zu werden, da dieſe zufälligen Verände— rungen zu der weſentlichen der Abnahme der Körperchen in einem durchaus wechſelnden Verhältniſſe ſtehen. An der Neigung des chlorotiſchen Blutes zur Speck— hautbildung hat die Verminderung der Körperchen einen we— ſentlichern Antheil als die Vermehrung der eiweißartigen Be— ſtandtheile. Sehen wir einſtweilen ab von den erwähnten ſeltenen Ausnahmen, betrachten wir den Cruormangel als ein weſent— liches Element der Chloroſe: ſo iſt die nächſte Frage, ob derſelbe abſolut oder relativ ſei. Die erwähnte Beſchaffenheit des Blutes muß nämlich eben ſo gewiß zu Stande kommen, wenn die Blutkörperchen das normale Quantum nicht errei— chen, als wenn die Quantität des Plasma für fich allein über das Normal ſteigt. Haben wir zwiſchen dem einen oder anderen dieſer einfachen Zuſtände die Wahl (denn allerdings könnten beide, abſolute Verminderung des Blut— körperchens und abſolute Vermehrung des Plasma, mit einander vorkommen, und es könnte ſelbſt eine gleichzeitige, aber ungleichmäßige Vermehrung oder Verminderung beider Beſtandtheile des Blutes dasſelbe Reſultat liefern), ſo hängt die Entſcheidung allein davon ab, ob die Symptome der Krankheit auf Verminderung oder Vermehrung der Blut— maſſe deuten. Für Verminderung der Blutmaſſe führt man hauptſächlich die zweideutige Erſcheinung des Nonnen— geräuſches in dem Herzen und den Gefäßſtämmen an, zwei— deutig, weil man über die phyſicaliſchen Bedingungen die— ſes Geräufihes keineswegs im Reinen iſt. Kopfſchmerz, Schwindel, Müdigkeit und Kraftmangel, Herzklopfen und „ A. a. O. S. S. 308. N **) Unterf. S. 97. Neue Unterſ. S. 62. *) Canſtatts Jahresbericht 1844. Bd. IV. S. 275 181. IX. 5. 74 Neigung zu Ohnmachten hat die Chloroſe mit den Zuftänden gemein, die ſich aus Säfteverluſten entwickeln, aber auch mit dem Krankheitszuſtande, welchen man als Folge einer Über— füllung des Gefäßſyſtems betrachtet und mit dem Namen Plethora bezeichnet, wie denn anerkannter Maßen dieſer Über— einſtimmung wegen, die Unterſcheidung der beiden diametral entgegengeſetzten Verfaſſungen der Anämie und Plethora, mit— unter zu den ſchwierigeren Aufgaben der diagnoſtiſchen Kunſt gehört. In Verbindung aber mit dem Habitus der Chloroti— ſchen, die meiſt gut genährt und oft ſogar fettreich ſind, mit den Congeſtionen, Hämorrhagien und (feröfen) Erfudationen und mit dem Verhalten des Pulſes, welchem man im all— gemeinen die Fülle nicht abfpricht*), geben jene Symptome ein Bild, welches der ächten Plethora näher ſteht als der Anämie und von Beau, Colombat““), Duchaſſaing“ ), Beequerel und Rodier, Hannover 4h) u. a. als ſeröſe Plethora bezeichnet wurde Fr). Hannover ſtützt ſich hierbei noch auf die Thatſache, daß chlorotiſche Frauen mehr Koh— lenſäure aushauchen als geſunde, während bei eigentlicher Anämie mit der Maſſe des Blutplasma auch die Menge der ausgeathmeten Kohlenſäure vermindert ſei. Hinſichtlich der übrigen Seecretionen fehlt es an zuverläſſigen Unterſuchungen, ſowie an den Anhaltspunkten zur Vergleichung. Die Harn— menge Chlorotiſcher fand Beequerel+rF) innerhalb der phy— ſiologiſchen Grenzen, die feſten Beſtandtheile des Harns etwas vermindert (24 im Mittel von 15 Beobachtungen, während das Mittel bei geſunden Frauen 34 betrage). Ich habe aber ſchon bei früherer Gelegenheit auf die Unſicherheit dieſer Becquerelſchen Normalzahlen aufmerkſam gemacht. Wir haben indes, indem wir fo den Symptomencompler der Chloroſe an den der Plethora anreihen, unſere Kenntniß ) Abweichender Meinung iſt Gorneliani, dennfufgla der Puls wäh— rend des Eiſengebrauchs an Frequenz abnimmt und zugleich weicher und größer wird. ») Canſtatts Jahresbericht für 1841. Bd. I. Gynäkologie. S. 3. ***) Ebendaſ. 1844. Bd. IV. S. 274. +) De quantitate aeidi carbon. p. 79. 1) Hamernjfk (phyſiologiſch-patholog. Unterſ. S. 45. 107) findet eine Zunahme des Umfanges der Arterien, glaubt dieſe aber allein aus einem Ver- luft ihrer Elaſticität erklären zu können und nimmt daneben die Verkleinerung des Herzens und der Milz, die Verringerung des Körpergewichtes (?) und die allgemeine Bläffe als Beweiſe, daß zugleich die Maſſe des Blutes abgenom= men habe. Wie aber ſollen, da das Blut nicht expanſibel iſt, die erweiterten Gefäße ſich füllen ohne Vermehrung der in ihnen enthaltenen Flüſſigkeit? Ich ſehe nur eine Möglichkeit, wie Erweiterung der Arterien und Anämie neben einander beſtehen können: es müßte ſich namlich das Geſammtealiber der Ve⸗ nen und Lymphgefäße und etwa auch der Capillargefäße um fo viel oder mehr verengt haben, als das der Arterien ſich erweitert haͤtte, das Blut alſo mit relativ verminderter Geſchwindigkeit in den Arterien, mit relativ vermehrter in den Venen fließen. Einiges ift dieſer Vorausſetzung günſtig. Die allge⸗ meine Bläffe iſt in der That ſchwer verträglich mit der Annahme, daß alle Theile des Gefäßſyſtems durch ein, wenn auch eruorarmes Blut ausgedehnt feien; ſie würde verſtändlicher, wenn man behaupten dürfte, daß nur die Ar⸗ terien weit, die Capillar- und venöſen Gefäße dagegen enger ſeien als ge— wohnlich. Selbſt das Übergewicht an Plasma im venofen Blute (und nur an dieſem iſt ja die Miſchungsänderung erwieſen) könnte die Folge verminderter Ausſchwitzung aus den Gapillarien fein, jo daß das Plasma, welches ſonſt durch Saugadern dem Blute wieder zugeführt wird, hier, auf Koſten der Lym⸗ phe, dem venöſen Blute verbliebe. Denn es darf als gewiß angenommen werden, daß mit Erſchlaffung der Arterienſtämme und mit Verminderung des Druckes, den ihre Wände auf das eingeſchloſſene Blut ausüben, die Erſudation aus den Haargefäßen abnehmen muß. Die geringe Energie der Muskels und Nerventhaͤtigkeit, das Unterbleiben der typiſchen blütigen Ausſcheidungen (Men⸗ ftruation), die ohne einen gewiſſen Druck des Blutes nicht zu Stande kommen, laſſen ſich mit vieſer Hypotheſe wohl vereinigen. Was aber nicht mit derſel⸗ ben in Einklang gebracht werden kann, ift die ſelbſt bis zu waſſerſüchtiger In- filtration fortſchreitende Turgeſcenz der Äußeren Körpertheile. Auch iſt eine allgemeine Erſchlaffung der arteriellen Gefäßſtämme, die ſich nicht auf den arteriellen Theil des Capillargefäßes fortſetzen ſollte, ohne Beiſpiel. +++) Zeichenlehre des Härns, S. 259. 75 181. IX. 5. 76 des erſteren nur wenig gefördert, ſo lange uns eine Einſicht in das Weſen und die äußeren Urſachen der Vollblütigkeit im allgemeinen und in dieſem beſonderen Falle fehlt. Ohne den ſpäteren Erörterungen hierüber vorzugreifen, will ich hier nur ſo viel bemerken, daß die Symptome ſich aus zweierlei Gründen erklären laſſen, indem ſie entweder von Vermehrung der Blutmaſſe oder von Erſchlaffung der Gefäße ausgehen könnten. Eine gewiſſe Nachgiebigkeit der Arterienwände muß auch im erſten Falle hinzukommen, ſonſt würde trotz der Zu⸗ nahme der Blutmenge der Puls, wie in der Bleikolik, zu— ſammengezogen ſein und das Blut vorzüglich in den Venen angehäuft werden. Im zweiten Falle begünſtigt die Gefäß— erweiterung den Übergang der Lymphe in das Blut und fo die Aufſaugung neuer Flüſſigkeiten durch die Lymphgefäße. In welche dieſer beiden Kategorien die chlorotiſche Plethora gehöre, darüber wäre ein beſtimmtes Urtheil nur zu fällen, wenn man ihre Entſtehung von den äußeren Urſachen an zu verfolgen im Stande wäre. Primär vermehrt ſich die Maſſe des Blutes faſt nur durch Unterdrückung typiſcher oder ge— wohnter Seeretionen; die Chloroſe kann man nicht von eis nem ſolchen Zufalle herleiten. Zwar ſind bekanntlich Un— regelmäßigkeiten und Störungen der Menſtruation bei Chlo— rotiſchen etwas ſehr gewöhnliches und oft iſt daher die Chloroſe als Wirkung mangelhafter Geſchlechtsentwicklung betrachtet worden. Aber 1) iſt die Verbindung der Bleich— ſucht mit Amenorrhöe bei Frauen keineswegs conſtant und bei Männern kann von dieſer Veranlaſſung ohnehin nicht die Rede ſein; 2) würde durch Unterdrückung des Menſtrual— fluſſes Blut in Subſtanz zurückgehalten und es würde hier— durch alſo die einſeitige Vermehrung des Plasma nicht be— greiflich; 3) endlich ſind die Folgen einer wirklichen Unter— drückung der Menſtruation häufig genug zu beobachten; ſie haben keine Ahnlichkeit mit Chloroſe, und ich glaube nicht, daß es einen authentiſchen Fall giebt, wo der Symptomen— complex der Bleichſucht von der zufälligen Ceſſation der Re— geln anhob. Steigt demnach die Wahrſcheinlichkeit der an— dern Alternative, daß nämlich die erſte Bedingung der chlo— rotiſchen Plethora im Gefäßſyſteme liege, ſo halte ich dies vorläufige Ergebniß der Analyſe doch nicht für hinreichend geſichert, um auf Grund desſelben weiter, d. h. nach den Urſachen der allgemeinen Expanſion des Gefäßſyſtems zu forſchen “). Vor allem hat die therapeutiſche Wirkſamkeit des Ei— ſens dazu beigetragen, die Bleichſucht als primitive Blut— krankheit erſcheinen zu laſſen. Wenn die Zufuhr von Eiſen, indem ſie die normale Blutmiſchung herſtellt, zugleich die Symptome des Leidens hebt, iſt da nicht der Schluß gerecht— fertigt, daß der Mangel an Eiſen zuerſt die Blutkrankheit, dieſe die Krankheitsſymptome erzeugte? Zur Begründung dieſer einfachen Theorie muß aber andererſeits wenigſtens ei— nigermaßen erſichtlich werden, durch welche Veranlaſſungen * . (Canſtatts Jahresbericht 1845. Bd. IV. S, 198. 1846. Bv. IV. ©. 150) glaubt an eine ſchleichende und chroniſche Entzündung der inneren Haut der Arterien und des Herzens, die von den Uteringefaäßen aus ſich auf die übrigen verbreite. dem Blute das Eiſen vorenthalten bleibt. Nur bei der en— demiſchen Chloroſe könnte von mangelhafter Zufuhr des Ei— ſens durch Nahrung und Getränke die Rede fein ); bei uns aber bildet ſich die Krankheit aus unter den Einflüſſen und bei einer Diät, bei welcher der Körper bis dahin ganz wohl beſtehen konnte und ſich nach der Geneſung wieder wohl befindet; wir wiſſen weder von Störungen der Verdauung, welche den Übergang des Eiſens der Nahrungsmittel in das Blut hindern könnten, noch den anderweitigen Seeretionen, in welchen dasſelbe erſchiene; vielmehr ſoll ſogar nach Donné während der Chloroſe das Eiſen aus dem Harne verſchwin— den, welches, was freilich Becquerel“) beſtreitet, im nor» malen Harne eriſtire. Wer vermag zu ſagen, ob der Eiſen— gehalt des Plasma die Bildung von Blutkörperchen beſtimmt oder ob nicht umgekehrt die Entwickelung der Blutkörperchen das Mittel iſt, das Eiſen in Combinationen einzuführen, in welchen es am beſten feiner Beſtimmung im Organismus ges nügen, am leichteſten aſſimilirt werden kann? Ob alſo nicht die Vermehrung des Eiſens im Blute bloß deshalb zweck— mäßig iſt, damit der Verluſt gedeckt werde, den der Körper durch die anderweitig, gleichviel wie, bedingte Unterbrechung der Hämatinbereitung erleidet? In ganz anderer Weiſe hat man aber auch ſchon die heilſame Kraft des Eiſens aus deſſen toniſch-adſtringirenden Eigenſchaften erklärt; in dieſen und in der Wiederherſtellung des Tonus der Gefäße ſind die Be— dingungen der Heilung enthalten, wenn der Grund der Krank— heit in Atonie des Gefäßſyſtems liegt. Es läßt ſich nicht errathen, warum die Chloroſe vor— zugsweiſe beim weiblichen Geſchlechte und zur Zeit der Pu— bertätsentwicklung auftritt. Vor allem müßte man in Er⸗ fahrung bringen, ob bei der chlorotiſchen Amenorrhöe der innere Vgrgang der Menftruation, die Reifung und Ablöſung der Eier, oder nur das äußere Zeichen derſelben, die Blut— ausſcheidung mangelt. Die bei Grubenarbeitern zuweilen endemiſch ſich entwickelnde Chloroſe “““) erlaubt, auf einen An— theil der Luft, vielleicht auch des Lichtes an der Entſtehung dieſer Krankheit zu ſchließen. (V.) Harnröhrenblutung durch Adſtringentien geheilt. Von Dr. Leroy Dupré. Eugene ..., Fourier bei einem Dragonerregiment, 21 Jahr alt, von athletiſchem Bau und ſanguiniſchem Tem- perament, hatte vor einigen Jahren eine Gonorrhoe, welche nach 3 Monaten durch den Gebrauch der Kubeben geheilt wurde. Ein halb Jahr darauf zog er ſich die Krankheit aufs neue zu, welche dadurch in den chroniſchen Zuſtand überging; 5 hielt mehrere Jahre an, war aber leicht und *) Little in Si Jahresbericht 1846. Bd. III. S. 18. ee ee BR) ea, 77 1 Anatomie. A. d. F. von Becker. Bd. I. S. 64. Hal ae Tanquerel des Planches, Canſtatts Jahresbericht. 1843, Br. IV. S. 312 12 181. IX. 5. 78 äußerte ſich nur durch einen blaßgelben Tropfen, welcher je— den Morgen aus der Mündung des meatus urethrae abging, die eigentliche ſ. g. goutte militaire. Nach einem neuen Umgange ging dieſer Zuſtand in das acute Stadium über, wurde vernachläſſigt und es bildete ſich nun ein Zuſtand aus, bei welchem nach jeder geſchlechtlichen Erregung Blutharnen eintrat. Am 12. Novbr. machte er eine Tour zu Wagen, trank Bier und Wein und hatte in dieſem Zuſtande, der mehrere Tage immer wieder herbeigeführt wurde, öfters ge— ſchlechtlichen Umgang. Am 14. Novbr. hat er Schmerzen in der Leiſtengegend, Beſchwerden beim Gehen und Blutver— luſt nach jedem Urinlaſſen. Deſſenungeachtet thut er ſeinen Dienſt, bis endlich eine tropfenweis fortdauernde Blutung aus der Harnröhre eintrat, welche bis zum Nachmittag fort- dauerte und bis dahin mehr als 4 Pfund eines leicht coagulirenden Blutes ergeben hatte. Bei dieſem bedenklichen Zufalle wurde nun horizontale Lage, abſolute Ruhe, kalte Umſchläge über die Hypogaſtrien und das perinaeum; Limo⸗ nade mit verdünnter Schwefelſäure und ein Trank mit Y, Drachme Extr. Ratanhiae verordnet. Die Blutung nahm darauf etwas ab, aber nur um kurz nachher um ſo heftiger wiederzukehren. Die Blutung dauert noch Abends 8 Uhr fort, der Kranke iſt bereits ſehr blaß, klagt über allgemeine Schwäche, Übelkeit und Schmerz in der Magengrube. Sein Geiſt iſt klar, die Pupillen aber erweitert, der Puls auf 53 Schläge geſunken; die Blutwelle iſt breit, aber ſehr weich, leicht nachzudrücken; die Herzſchläge ſind regelmäßig und an den Carotiden iſt ein Blaſegeräuſch nicht zu bemerken. Das perinaeum iſt ſehr heiß, die regio hypogastrica nicht ſchmerzhaft und nicht aufgetrieben. Bald erfolgte nun durch die wiederholte Application der kalten Umſchläge ein allgemeines Zittern und Vorübergehen der Ohnmacht. Ich verordnete aufs neue einen Trank mit Extr. Ratanhiae und öfters wiederholte Injectionen in die Harn— röhre, von 38 Tannini in Zij Ag. font. Erſt gegen 9 Uhr Abends hörte die Blutung auf, nachdem der Kranke über 5 ½ Pfund Blut verloren hatte. Gleich nach den Tannineinſpritzungen folgte unwider— ſtehlicher Drang zum Uriniren, wodurch aber nur die Tan— ninlöſung ohne Urin oder Blut wieder ausgeleert wurde. 2 Stunden, nachdem die Blutung zum Stehen gebracht war, ſtellte ſich allmälig wieder Hautwärme ein, der Puls ſtieg auf 73, und der Kranke fühlt ſich beſſer und faßt wieder Muth. Deſſenungeachtet verordnete ich, um die Nervenzufälle nach einem ſo bedeutenden Blutverluſte zu mäßigen, eine Mixtur mit ½ Drachme Ather ſtündlich löffelweis zu nehmen. Nach 11 Uhr Abends erfolgte wieder und von ſelbſt eine Urinausleerung, welche ebenfalls keinen Blutabgang ver— anlaßt. So ergab ſich daher, daß, ſo lange die Harnröhren— blutung gedauert hatte, der sphincter dennoch durch feine kräftige Contraction verhindert hatte, daß ſich Blut in die Blaſe ergießen konnte. Die kalten Umſchläge wurden die ganze Nacht hindurch fortgeſetzt; die Ruhe, in der ſich Pa— tient fühlte, verſchaffte ihm auch eine halbe Stunde Schlaf. Am 15. Nov. befand ſich der Kranke viel beſſer, er fühlte ſich wohl, Puls 60; es iſt nur noch etwas Bläſſe und Schwäche zu bemerken, es ſtellt ſich Hunger ein und er erhält kalte Fleiſchbrühe und Speiſen mit Eſſig. Die Schwe— felſäure-Limonade wurde noch 24 Stunden fortgeſetzt. Am 16. Nov. war der Kranke vollſtändig hergeſtellt. Die Erklärung des fo gefährlich gewordenen Zufalles liegt in der Überreizung durch Exceſſe und Anſtrengungen jeder Art, wodurch eine heftige Bluteongeſtion gegen die Par- tie, welche bereits Sitz einer acuten Entzündung war, be— dingt wurde; der ſchleimigeitrige Ausfluß wurde plötzlich unterdrückt, wie ja die Eiterung immer verſchwindet, wenn eine eiternde Fläche einer zu beträchtlichen Reizung ausgeſetzt wird. Die zufällig eintretende Blutung heilte die urethritis ganz nach Art antiphlogiſtiſcher Behandlung und zwar um ſo erfolgreicher als die Blutabgänge an der gereizten Stelle ſelbſt Statt fanden. Noch iſt zu bemerken, daß nach den Erfahrungen des Berichterſtatters in der Gaz. med. de Paris, 19. Fevr. 1849 dies ein Fall war, wo die Behandlung der urethritis durch Einſpritzung einer ſtarken Auflöſung von Höllenſtein (nach Dr. Debeney 0,6 Argent. nitr. fusi aufgelöſ't in 60 Gram⸗ men Waſſer [ungefähr gr. x auf 5ij]), die bei lymphatiſchen Subjecten und chronifchen Fällen fo gut iſt, — dies Mal ſehr nachtheilig geweſen wäre. (VI.) Ein Verfahren zur Anlegung von Gegen- öffnungen. Von Diday zu Lyon. Gegen alle bisher üblichen Verfahrungsweiſen, um durch Gegenöffnungen Eiterſenkungen und deren Folgen zu vermei— den, laſſen ſich gegründete Einwendungen erheben (welche der Verf. in feinem Aufſatze, Gazette med. de Paris 6. Jan. 1849, ausführlich durchgeht), denen ſämmtlich der Fehler zu Grunde liegt, daß bei ihnen die Gegenöffnung immer von außen nach innen gemacht wird. Der Verf., Diri— gent eines Spitales für ſyphilitiſche Kranke, hat bei den Patienten mit eiternden Bubonen oft Gelegenheit gehabt, die verſchiedenen Operationsarten zu prüfen. Er macht nun einen neuen Vorſchlag. Es handle ſich z. B. um einen bereits geöffneten Eiter— heerd in der Leiſtengegend, an welchem jedoch die Wand noch an einer tieferen Stelle durchbohrt werden ſoll, um Eiterſtagnationen zu verhüten. Nachdem mit der Kopfſonde Richtung und Länge des Eiterganges erforſcht iſt, nimmt man einen kleinen Trokart, eine ſ. g. Explorationsnadel, welche etwa 2½ Millimeter Dicke hat, ein Inſtrument, welches bei jedem ſorgfältigen und vorſichtigen Wundarzte in Ge— brauch ſein muß. Das Stilet bleibt in der Canüle, ohne jedoch ganz vorgeſchoben zu ſein, ſo daß die Spitze nicht hervorragt. Das Inſtrument wird gut eingeölt und nun wie eine Unterſuchungsſonde geführt. Hat man das Ende des Eiterganges erreicht, ſo überzeugt man ſich erſt, daß die Spitze der Sonde wirklich am äußerſten Punkte des fiſtu⸗ 79 181. IX. 5. 80 löſen Absceſſes angekommen iſt und ſtößt ſodann das Sti— let vor, indem man dabei auch noch den Grad der Schräg— heit, in welcher durchgeſtochen wird, ſorgfältig ins Auge faßt. Das Vorſtoßen muß mit einem kurzen raſchen Drucke ausgeführt werden, ſo daß dadurch die Spitze ſicher an dem beſtimmten Punkte zum Vorſchein kommt; es muß dabei mit den Fingern der andern Hand ein Gegendruck geübt werden, damit die Haut nicht von der Nadel emporgehoben werden könne. Iſt dies geſchehen, ſo zieht man das Stilet in die Röhre zurück. Der auf dieſe Weiſe vorgezeichnete Weg iſt in der Re— gel nicht weit genug; es muß noch dilatirt werden (bis hierher glich das Verfahren der Anwendung der Langenbeck— ſchen Trokartnadel, der letzte Act aber iſt neu. Anm. d. Red.) Behufs der Erweiterung der Offnung fügt man die Spitze eines geraden Biſtouris in die vordere Offnung der Röhre, welche über die durchbohrte Haut hervorragt; indem man nun beide Inſtrumente zuſammen bewegt, das Biſtouri vorſchiebt, ſowie man die Röhre zurückzieht, ſo erweitert man die Stichöffnung und ſpaltet fo den ganzen Gang, durch welchen die Sonde durchgeführt wurde. Die Größe der Einſchnitte werden nach der Natur des Leidens beſtimmt, und es iſt klar, daß ſie ganz von der Willkür des Wund— arztes abhänge. Nun muß noch die Meſche eingeführt werden und zwar durch die ganze Länge des neu gebildeten Ganges. Dieſe wichtige Ergänzung der Operation, die aber doch gewöhnlich ſo unvollſtändig ausgeführt wird, geſchieht mittels der Röhre ohne die mindeſte Schwierigkeit oder Unſicherheit. Man ſchiebt die Röhre wieder vor, ſteckt die Meſche in das vor— dere Ende der Röhre hinein und befeſtigt ſie darin, indem man die Spitze des Stilets von derſelben Seite ebenfalls hineinſteckt und einige Millimeter vorſchiebt; nun zieht man die Röhre mit der Meſche zurück, indem man mit dem Sti— let nachſchiebt und dadurch zugleich verhindert, daß die Me— ſche aus der Canüle nicht herausgehe; es geſchieht dies mit derſelben gleichzeitigen Bewegung beider Inſtrumente, wie es ſo eben erſt rückſichtlich der Einführung des Biſtouris ge— fagt worden iſt. Iſt die Meſche tief genug eingeführt, ſo hält man ſie hinten mit zwei Fingern feſt, während man zugleich die Röhre noch weiter gegen die alte Fiſtelöffnung zurückzieht und das Stilet durch die neue Offnung wegnimmt. Dieſes Verfahren iſt, wie ſich von ſelbſt verſteht, ſehr raſch und leicht auszuführen. Es iſt von dem Verf. ſeit 2 Jahren immer angewen— det worden. Bei leichten Fällen empfiehlt es ſich durch die Einfachheit und Schnelligkeit der Ausführung, bei ſchwierigen Fällen dagegen durch die Sicherheit und Leichtigkeit der Aus— führung. Auch darf ein Vortheil nicht aus den Augen ge— laſſen werden; dadurch, daß man gleich an der rechten Stelle die Offnung macht, erſpart man die Nothwendigkeit, meh— rere Gegenöffnungen zu machen, wodurch man ſo außer— ordentlich häufig die Fälle complicirt und in die Länge zieht. Miſcellen. (8) Eine veränderte Methode für den hohen Steinſchnitt giebt Prof. Günther aus Leipzig in Wal: theus Journ. VIII. Der Kranke wird mit erhöhtem Becken ge: lagert und nur durch Ausleerung des Maſtdarmes vorbereitet. Der Hautſchnitt über der linen alba iſt 3 Zoll lang und endet am li- gamentum suspensorium penis; ſodann macht man einen 2 Zoll langen Querſchnitt gerade über dem horizontalen Schambeinaſt; nun geht man an der hinteren Fläche der symphysis mit dem Fin⸗ ger bis zum Blaſenhalſe hinab und ſpannt die vordere Blaſenwand mit den Fingern. Man ſticht nun ein leicht converes Biſtouri mit nach unten gerichteter Schneide raſch durch die vordere Blaſenwand und verlängert den Schnitt nach unten, bis man mit hakenförmig gekrümmten Fingern hineinkommen und die Blaſe erheben kann. Die Blaſenwunde wird 1 Zoll lang gemacht. War die Blaſe nicht mit Urin gefüllt, ſo fließt dieſer auch nicht aus und man kommt ſofort auf den Stein. Nun wird der Stein mit den Fingern, mit der Zange oder mit einem Haken herausgenommen, was dadurch erleichtert werden kann, daß ihn ein Gehülfe vom Maſtdarme aus in die Höhe drückt. Bei der Nachbehandlung enthalte man ſich aller fünitlichen Mittel zur Ableitung des Urins; man bedeckt die Wunde mit einer feuchten Compreſſe und verfährt ſtreng antiphlogiſtiſch. Erſt wenn kein Urin mehr durch die Wunde ausfließt, zieht man die Hautränder mit Heftpflaſtern zuſammen. (9) Für die Behandlung der Warzen durch Eſſig⸗ ſäure, welche Cloquet empfohlen hat, giebt Dr. Neucourt zu Verdun in Malgaigne's Journ. de Chir, prat. ein genaueres Verfahren an. Man ſchält die Hernſchicht behutſam ab, ohne daß Blutung entſteht und legt nun in Weineſſig getauchte Compreſſen auf, die man wechſelt, ſo oft ſie trocken ſind. Hat der Kranke dazu nicht die Zeit, ſo thut man es die Nacht über, dann dauert es aber länger. Dadurch verwandelt ſich die Warzenmaſſe in eine graue ſchwarzpunctirte Schicht; die ſchwarzen Punkte ſind Blut⸗ gefäße, in denen das Blut durch die Eſſigſaure coagulirt iſt. Nun ſchabt man die Maſſe ab, ätzt wieder mit Eſſigſäure und fährt ſo⸗ fort (mit Vermeidung jeder Blutung) 6—8 Tage lang. Man darf nicht eher aufhören, bis auch die kleinſte Partei der Warze ver— ſchwunden iſt, weil ſie ſonſt wieder wächſ't. Hat man richtig ver- fahren, ſo bleibt nicht die geringſte Spur oder Narbe. — Gegen Hühneraugen wird auf ähnliche Weiſe verfahren. (10) Die Cholera als verwandt mit dem Wechſel⸗ fieber nachzuweiſen, iſt die Aufgabe einer kleinen Schrift, die vor kurzem von Dr. C. A. Steifenſand unter dem Titel: die aſiatiſche Cholera auf der Grundlage des Malaria-Siechthumes, herausgegeben worden iſt. Dieſe Verwandtſchaft wird zunächſt aus dem Gange und Verhalten der Cholera bei ihren epidemiſchen Wanderungen nachgewieſen, es werden endlich daraus prophylakti⸗ ſche und therapeutiſche Regeln abgeleitet, und der Verf. ſchließt mit den Worten: Mein Vorſchlag geht demnach dahin, bei vor— handenem oder drohendem Ausbruche der indiſchen Cholera allen denjenigen Individuen, die an Wechſelfieber leiden oder ein Mal daran gelitten haben, überhaupt allen, die einer Malariadyskraſie verdächtig und daher zur Cholera disponirt ſind, das Chinin, etwa zu 3—4 Gran täglich während der Dauer der Gefahr als Präſer⸗ vativmittel zu geben. Bibliographiſche Neuigkeiten. Autor⸗ und Sachregiſter zu ſämmtlichen 69 Bänden des Schweiggerſchen Journals für Chemie und Phyſik (1811 — 1833), bearbeitet von G. C. Witt⸗ ftein. gr. 8%. 297 S. München 1848. Dr. E. Harleß, Tabellen zur Aufeultation und Percuſſion als Beitrag zur f en Diagnoſtik ver Bruſtorgane. 5 Bogen. Imp. Fol. Exiangen Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 182. (Nr. 6. des IX. Bandes.) Maͤrz 1849. Naturkunde. Owen, Bemerkungen zu Jules Verraurs Beobachtungen über den Ornithorhynchus. — le Jolis, über eine neue Art des Genus Phor- mium. — Einfluß des Chlorxoforms auf Mimosa pudica. — Heilkunde. ten der Gelenke, Gelenkmäuſe, corpora mobilia articulorum. — Reali, ein volvulus durch Gaſtrotomie geheilt. — Miſcelle. als das vorzüglichſte Mittel bei der Cholera. — Bibliographie. Pouchet, über dle Verdauungs⸗ und Girculationsorgane der Infuſorien. — Über Pflanzenmonſtroſitäten. — Miſcelle. Marcet, über den Kindt, Chinin und Cinchonin als Fiebermittel. — Stromeyer, von den Concremen⸗ Einathmen von Sauerſtoffgas Naturkunde. XVI. Bemerkungen zu Jules Verrauxs Be obachtungen über den Ornithorhyn chus. Von Prof. Owen. Das Nationalmuſeum für Zoologie in Frankreich wie der Jardin des Plantes entſenden alljährlich naturwiſſen⸗ ſchaftliche Reiſende, die, mit den nöthigen Kenntniſſen aus— gerüſtet, alle Theile der Welt beſuchen. Schon der Beruf dieſer Männer führt ſie dahin, die Lebensweiſe ſeltener Thiere in ihrer Freiheit zu ſtudiren; durch Studien dieſer Art er— warben ſich Diard, Duvaucel, Delalande, ſämmtlich Sammler des genannten Inſtituts, einen bedeutenden Namen, auch Jules Verraux, ein Neffe Delalandes, der einige Jahre für Rechnung des Jardin des Plantes in Auſtralien verweilte, machte ſich in gleicher Weiſe um die Wiſſenſchaft ſehr verdient. Während eines 15monatlichen Aufenthaltes in Tasmania beſchäftigte ſich Verraux vielfach mit der Lebensweiſe des Ornithorhynchus, den er im Zuſtande der Wildniß beobachtete. Das Reſultat ſeiner Forſchungen wird im Maiheft der Revue zoologique von 1848 mitgetheilt; der Verf, legt auf feine Beobachtungen ein um fo größeres Gewicht als ſie von ſeiner Unbekanntſchaft mit den neueren Verſuchen, die myſteriöſe Fortpflanzungsweiſe dieſes ſeltſamen Thieres zu erklären, zeugen. Der Verf. vergleicht in fol— gendem Verraurs Beobachtungen mit dem, was bisher über den Ornithorhynchus bekannt war. Nr. 11 der Annals and Magazine of natural history von 1848 enthält feine Arbeit. VBerraur fand den Ornithorhynchus im New Norfolk— fluſſe (Tasmania) in großer Anzahl; ſogar noch in beträcht⸗ licher Höhe am Mount Wellington erlegte er einige Exemplare. Er beſchreibt ihre Wohnungen, gleich George Bennett, als in lehmigen Boden gegrabene Höhlen mit mehreren No. 2162. — 1062. — 182. Ausgängen, von denen einer jeder Zeit unter oder mit dem Waſſerſpiegel des Stromes in gleicher Höhe liegt; ein ein— ziges, aus Schilf und anderen Waſſerpflanzen gebautes Neſt liegt in dem vom Waſſer entfernteſten Theile der Höhle; es iſt ſo geräumig, daß 3 bis 4 Thiere bequem in ihm Platz finden und dicht genug, um ſie vor Näſſe zu ſchützen. Der Ornithorhynchus gräbt vortrefflich, Verraux ſah ein ſolches Thier innerhalb weniger als 10 Minuten ein zwei Fuß tiefes Loch in einen äußerſt feſten Grandboden wühlen. Während des Grabens hatte das Thier die Schwimm— haut, welche, wenn es ſchwimmt, über die Nägel vorragt, zurückgezogen, dafür aber die Nägel vorgeſteckt; bei dieſer Beſchäftigung würde man nach ihm den Ornithorhynchus eher für einen Maulwurf als für ein ſchwimmendes Thier halten. Während des Grabens gebraucht er den Schwanz, um die herausgeworfene Erde wegzuſchaffen und die Seiten der Höhle zu befeſtigen. Der Ornithorhynchus iſt kein durchaus nächtliches Thier, wohl aber iſt er bei Nacht am thätigſten; es ſchwimmt als⸗ dann mit der Schnelligkeit eines Fiſches, bewegt ſich aber auch auf dem Lande mit nicht geringer Behändigkeit. Das trächtige Weibchen verläßt dagegen vorzugsweiſe in warmen Nachmittagen ſein Neſt und ſchwimmt umher. Eine Unterſuchung der Geſchlechtsorgane dieſes Thieres, insbeſondere das Verhalten des Cierſtocks und der ovula, ließ den Verf. vermuthen, daß der Ornithorhynchus wie die Marſupialien ein ovoviviparum ſei. Nur eine Zeitbe- ſtimmung der Schwangerſchaftsperiode, ein Auffinden des Fötus in der Gebärmutter und eine Unterſuchung der Häute des erſteren könnte dieſe Frage entſcheiden. Verraux ſcheint dieſelbe nicht gelöſ't zu haben; er ſagt zwar, daß der Or⸗ nithorhynchus keine Eier legt, daß er vielmehr ein animal ovo- viviparum iſt. Schon die Eierſtöcke, welche er mit herübergebracht, ; 6 87 XVIII. über die Verdauungs- und Circulations⸗ organe der Infuſorien. Von Pouchet. Die innere Organiſation der Infuſorien iſt noch immer ein ſtreitiger Punkt, der durch die Schnelligkeit, mit welcher die Thierchen dem Auge des mikroſkopiſchen Forſchers enteilen, erklärt wird. Der Verf. ſuchte dieſem Übelftande dadurch abzuhelfen, daß er ein Stückchen des allerfeinften Batiſtes auf die Objectplatte legte. In den Maſchen desſelben, die 0,10 bis 0,12 Millimeter maßen, wurden bei Anwen— dung des Compreſſoriums die Thiere gefangen gehalten; jede Maſche gewährte meiſtens nur einem Thiere Platz. Auf dieſe Weiſe gelang es ihm, die Aufnahme der Nahrungsmittel, ihre Vertheilung in die verſchiedenen Magenbläschen und endlich das Austreiben der Ereremente zu beobachten; er ſah ferner die Contractionen der für die Circulation beſtimmten Bläschen und ermittelte ihre Intervalle wie ihre Ausdehnung. Eine Überficht des Verf. über feine Beobachtungen in Nr. 776 des Institut von 1848 lautet folgendermaßen: 1) Die von Ehrenberg als polghgaſtriſche Infuſorien beſchriebenen Thierchen beſitzen eine größere oder geringere Zahl von Magenbläschen. 2) Die Zahl, wie der Durchmeſſer, dieſer Magenbläs— chen iſt bei jeder Species, ſobald das Thier vollſtändig ent— wickelt iſt, unveränderlich. 3) Bei den Vorticellen zählt man 30 bis 40 Magen- bläschen, deren Durchmeſſer, wenn ſie mit Nahrung an— gefüllt find, 0,008 bis 0,010 Millimeter beträgt. Bei den Kolpoden findet man immer 20 bis 30 Magenbläschen, die im gefüllten Zuſtande 0,010 Millimeter meſſen. 4) Die Magenbläschen fließen bei gegenſeitiger Be— rührung nicht zuſammen, ihre Wandungen ſind vielmehr deutlich ſichtbar. Die angebliche Rotation dieſer Magen— bläschen iſt eine Täuſchung geweſen; ſie entfernen ſich nicht weiter von dem ihnen angewieſenen Orte als die Claſticität ihrer Wandungen erlaubt. 5) Die Nahrung wird nicht in Klumpen auf ein Mal verſchlungen, vielmehr ganz allmälig aufgenommen; man ſieht, wie die Magenbläschen zuerſt nur wenig von ihr auf— nehmen und ſpäter ganz mit ihr erfüllt werden. 6) Die contractilen Bläschen der Mikrozoen ſind die Organe der Circulation, ſie vertreten das Herz der hoheren Thiere. Man kann ſie unmöglich, wie es bisher mehrfach geſchah, für Reſpirations- oder Geſchlechtsapparate halten. 7) Dieſe contractilen oder Herzbläschen ſind in der Regel einzeln, ſie enthalten eine dem Blute analoge Flüſſig— keit, haben eine gelbe Färbung und ſind ganz durchſichtig, laſſen ſich demnach leicht unterſcheiden. 8) Bei den Vorticellen findet ſich nur ein Herzbläschen, das hier eine enorme Größe erreicht; bei Vorticellen von 0,080 Millimeter Durchmeſſer mißt das vollſtändig erwei— terte Herzbläschen 0,020 Millimeter. Es ſcheint bei dieſen Thieren ſeine eigenen Wandungen zu haben und ſich nach vorn in einen gelblich gefärbten Canal zu endigen. — Auch bei den Kolpoden kommt nur ein Herzbläschen vor, deſſen Durch— 182. IX. 6. 88 meſſer jedoch bei einem 0,10 Millimeter großen Thiere nur 0,0 15 Millimeter beträgt. Bei den Glaucomaarten mißt er ebenfalls nur 0,010 Millimeter. Bei den Dileptasarten giebt es zwei Herzbläschen, die ſich nach einander contrahiren, das eine liegt in der Mitte, das andere im Hintertheile des Körpers. 9) Bei den Vorticellen füllt ſich das Herzbläschen ſehr langſam und entleert ſich erſt in langen Zwiſchenräumen, dann aber plötzlich. Es zieht ſich nach der Temperatur und Lebensfriſche des Thieres alle 2 bis 6 Minuten zuſammen. — Bei den Kolpoden und Glaucomen entſpricht die Be— wegung des Bläschens der Herzbewegung, die Contractio— nen folgen raſch auf einander; ſowie ſich das Bläschen er— weitert, füllt es ſich mit der Blutflüſſigkeit. Bei einer Temperatur von 209 erfolgt alle 7 bis 10 Seeunden eine Contraction. Obige Beobachtungen wurden an folgenden Thieren ge— macht: Vorticella infusionum Daj., Kolpoda cucullus Muld., Glaucoma seintillans Ehr., und Dileptas folium Da. XIX. Über Pflanzenmonftrofitäten. In der Juniſitzung der britiſchen Geſellſchaft der Wiſ— ſenſchaften von 1848 legte Lankeſter verſchiedene Pflan— zenmonſtroſitäten vor, über welche ſich eine nicht unin— tereſſante Discuſſion entfpann. Nr. 778 des Institut von 1848 berichtet über dieſelbe. Die vorgelegten Monſtroſitäten waren: 1) Eine gemeine Heide, deren normal ſtachelförmige Blätter ſich der Breite nach ſehr entwickelt hatten. 2) Zwei Plantagoarten, wo die Bracteen am Grunde der Blüthen zu Laubblättern gewor— den waren. 3) Ein gemeiner Rettig, wo Kelchblätter, Blumen— blätter und Staubfäden in Laubblätter verwandelt waren. 4) Ein Tragopogon, wo der Pappus, die Blüthenröhre (Neuron) und der Staubweg zu Blättern geworden waren. 5) Eine Mohncapſel, aus deren innerem 4 Blätter, die zum Theil wieder eine Capſel bildeten, hervorgingen. 6) Johannisbeeren, deren Früchte an ihrer Oberfläche kleine Bracteen oder Blätter trugen. Lankeſter glaubt, daß eine überreichliche Er— nährung, durch Cultur, oder durch Inſectenangriffe verans laßt, die Urſache ſolcher Monſtroſitäten iſt. Babington iſt mit dem Verf. einerlei Anſicht; er erinnert an eine eigenthümliche Vervielfachung der Blüthen— theile bei Atriplex, wenn ſie auf Culturland wächſt; bei der vorgelegten Heidemonſtroſität hält er die breiten Blätter für Ausdehnungen des Stengels, aber nicht für wirkliche Blatt organe; am intereſſanteſten erſcheint ihm der Fall mit Tragopogon, wo ſtatt des Haarpappus kleine Blätter ent⸗ ſtanden ſind. Henfrehy theilt die Monſtroſitäten, je nachdem fie den Vegetations- oder den Fructificationsorganen angehören, in zwei Claſſen; die letzten find für die Deutung der Blüthen— organe febr wichtig. Die erwähnte Mohnmonſtroſität ſcheint ihm den Beweis zu liefern, daß Samenträger und Knoſpen 89 vom Fruchtblatte gebildet werden, nicht aber von dieſem unabhängig find. Bei Trifolium repens fand Lankeſter am Rande einer vollſtändig als Blatt entwickelten Schote Samenknoſpen. Wallich glaubt die von R. Brown aufgeſtellte Anſicht, daß die Samenknoſpen Erzeugniſſe der Fruchtblätter find, durch die Sterculiaceen beweiſen zu kön— nen, wo ſich das Carpellarblatt nach oben blattartig ent— wickelt, während an ſeinem Grunde die Samenknoſpen oder Samen befeſtigt ſind. Nach Bentham giebt es zweierlei Monſtroſitäten, durch Inſecten oder Pilze veranlaßt und durch innere Ur— ſachen (eirconstances naturelles) hervorgerufen. Die letzten ſind ihm die wichtigſten; er hält es überdies für möglich, daß Samenträger und Samenknoſpen bei einigen Pflanzen Bildungen der Carpellarblätter, bei anderen dagegen, von dieſen unabhängig, Producte von Achſenorganen ſind. Die abnorm entwickelten Blätter der vorgelegten Mohncapſel betrachtet er als Arillar-Placenten. Forbes erinnert zum Schluſſe an eine von Bron— gniart beſchriebene Monſtroſität von Primula sinensis, deren Samenknoſpen auf einer von den Carpellarblättern unabhängi— gen Achſe entwickelt wurden. Die geringe Zahl der Blätter, welche den Pappus der vorgelegten Tragopogonblüthe erſetzen, laffen ihn in dem Pappus ſelbſt nicht den Vertreter eines Blattes, ſondern nur ſeiner Nerven vermuthen. Miſcelle. 12. über den Einfluß des Chloroforms auf Mi- mosa pudica. — Prof. Marcet ließ einen Tropfen Chloro⸗ form auf das Ende des gemeinſchaftlichen Blattſtieles der genann— ten Sinnpflanze fallen und ſah, wie ſich jeder Zeit der Blattſtiel 182. IX. 6. 90 augenblicklich ſenkte und ſeine Blättchen ſich paarweiſe nach ein⸗ ander von den Endblättchen beginnend, zuſammenlegten, während ein Tropfen Waſſer in derſelben Weiſe vorſichtig applicirt, keine derartige Wirkung hervorrief. Nach 1 bis 2 Minuten ſenkten ſich allmälig von dem chloroformirten Blatte abwärts auch die folgen⸗ den Blattſtiele nach einander, während ſich ihre Blättchen zu⸗ fammenlegten, was meiſtens in vollſtändigerer Weiſe, wie bei dem direct chloroformirten Blatte erfolgte. Nach einiger Zeit, die je nach dem kräftigen Wuchſe der Pflanzen verſchieden war, er⸗ holten ſich die Blätter, zeigten ſich jetzt aber gegen den Reiz der Berührung faſt unempfindlich und ihre Blättchen ſchloſſen ſich, wenn fie berührt wurden, nicht mehr. Erſt nach mehreren Stunden ver: lor ſich dieſer Zuſtand der Empfindungsloſigkeit, während desſelben jedoch eine neue Einwirkung des Chloroforms ganz dieſelben Er: ſcheinungen hervorrief; nur eine oftmals hinter einander verfuchte Chloroformirung konnte die Pflanze auf etwa 24 Stunden auch für das Chloroform unempfindlich machen. Je reiner das letztere war und je üppiger die Pflanze vegetirte, um ſo auffallender war die Erſcheinung. Wurde das Chloroform ſtatt auf die Baſis des Blatt— ſtiels, auf die Endblättchen eines Zweiges getröpfelt, fo ſchloſſen ſich die Blättchen paarweiſe nach einander; der gemeinſame Blattſtiel ſenkte ſich; nach 2 oder 3 Minuten erfolgte dasſelbe beim nächſten gegen⸗ ſtändigen Blatte, und wenn die Pflanze recht kräftig war, folgten auch die tiefer geſtellten Blätter des Stammes feinem Beifpiele. Wenn ſich die Blätter nach einiger Zeit wieder erholt hatten, was ren ſie gegen Berührung wie oben faſt unempfindlich geworden. Merkwürdig iſt bei dieſer Erſcheinung die Mittheilung des durch das Chloroform verurſachten Reizes von oben nach unten; obſchon das letztere ſo ſchnell verdampft, ſah der Verf. nur ſelten die über dem chloroformirten Blatte gelegenen Blätter des Stammes erregt werden, während die Verſuche von Decandolle mit Salpeter und Schwefelfäure angeftellt, gerade das entgegenſetzte zeigten. — Verſuche mit Ather hatten einen ähnlichen, jedoch geringeren Er— folg, meiſtens ward nur das Blatt, welches vom Ather benetzt wurde, afficirt, während bei der Anwendung des Chloroforms ſich deſſen Einwirkung auf die meiſten tiefer gelegenen Blätter über— pflanzte. Des Verf. Verſuche mit Ather wurden jedoch in einer ſpäteren Jahreszeit angeſtellt, ſo daß eine geringere Empfindlichkeit der Pflanze ſelbſt vielleicht Haupturſache der geringeren Wirkung war. (Bibliotheque de Geneve, Novembre 1848.) SHeilk unde. (VII) Chinin und Cinchonin als Fiebermittel. Über die Wirkſamkeit der in den Chinarinden ent— haltenen Alkaloide, vorzüglich bei Wechſelfiebern, iſt das Urtheil aller practiſchen Arzte gewiß ein einſtimmig günſti— ges. Der Verbrauch des fihwefeljauren Chinins iſt ſehr beträchtlich, beſonders in ſolchen Gegenden, wo jährlich die Fieber zu herrſchen pflegen. Aber faſt nur das Chinin— ſalz wird benutzt, das Cinchonin und ſeine Salze fo gut wie gar nicht. Im ganzen ſind nur wenige Verſuche angeſtellt, um die Wirkſamkeit dieſer beiden Alkaloide vergleichend zu prü— fen. Wenigſtens find die der Offentlichkeit übergebenen Er: fahrungen gewiß nicht genügend, um durch ſie eine Über— zeugung gewinnen zu können, ob eins das andere an Heil— kraft überträfe. Bedenkt man, daß früher, bevor dieſe Baſen bekannt waren, vorzugsweiſe die Kronchina (China loxa) Verwendung fand und den größten Ruf als fieber— vertreibendes Mittel genoß, und erinnert man ſich, daß dieſe faſt nur Cinchonin enthält, ſo iſt der Grund, wes— halb dieſes ſo wenig angewandt wird, gewiß nicht in ge— nauer Erforſchung der Wirkſamkeit dieſes Alkaloids zu ſuchen und in genügender Erfahrung, daß es dem Chinin an Heilkraft nachſtehe. Die Urſache ſcheint vielmehr darin zu liegen, daß zur Zeit der Entdeckung dieſer beider Baſen, die vorzugsweiſe Cinchonin haltigen grauen Chinaſorten, eben weil ſie für die kräftigſten gehalten wurden, auch die theuerſten waren. China loxa koſtete im Jahre 1819 in Hamburg 112 Schillinge, China regia dagegen nur 25 Schillinge, und in dieſem Jahre war es, daß das Cinchonin und faſt gleichzeitig das Chinin entdeckt wurden. Im Durchſchnitte giebt die China regia einen etwas größeren Ertrag an letzterem, wie die Kronchina an erſterem; es war mithin damals das Chinin um den vierten Theil des Preiſes herzuſtellen, wie das Cinchonin. Dies veranlaßte, daß der Fabricant den wohlfeileren Rohſtoff, der Con— ſument natürlich das billigere Product vorzog: jo kam bei- nahe nur dieſes in Gebrauch und jenes wurde faſt here geſſen, oder doch ganz vernachläſſigt. 91 182. IX. 6. 92 Das reine kryſtalliſirte Cinchonin hat aber noch den Vortheil vor dem bitteren Chinin voraus, daß es ganz ge— ſchmacklos iſt. Dieſe Eigenſchaft beſitzt es indes nur wegen ſei— ner Unauflöslichkeit in Waſſer; wird es mit ſpirituöſen, oder ſauren Flüſſigkeiten gemiſcht, ſo ſtellt ſich augenblicklich der bittere Geſchmack ein. Die Sättigungscapacität desſelben iſt aber fo gering, daß im Magen ſich gewiß immer hin— reichend Säure findet, um das, in Pulverform genommene, Alkaloid in ein auflösliches Salz zu verwandeln. Der große Verbrauch des Chinins hat den Preis der China regia nach und nach ſo geſteigert, daß das Verhält— niß desſelben zu den der grauen Chinaſorten gerade um— gekehrt iſt, wie zur Zeit der Entdeckung der Chinaalkaloide. Iſt es alſo nun nicht an der Zeit, das Cinchonin und deſſen Salze, namentlich das ſchwefelſaure, auf ihre Heil— kraft ernſtlich zu prüfen? Ihr Preis, ſie ſind um den dritten bis vierten Theil desſelben zu haben, wie die Chi— ninſalze, fordert doch gewiß dringend dazu auf, da alle Wahrſcheinlichkeit dafür ſpricht, daß das Cinchonin dem Chinin an Wirkſamkeit nicht nachſteht. Kindt in Bremen. (VIII.) Von den Concrementen der Gelenke, Ge- lenkmäuſe, concrementa, corpora mobilia articulorum, mures in articulis. Von Dr. Louis Stromeyer. Wie in den ſeröſen Säcken, ſo bilden ſich auch inner— halb der Synovialmembranen feſte Concremente, welche ent— weder ganz frei liegen, oder mit der Synovialmembran in Verbindung ſtehen. Sie find von verſchiedener Beſchaffen— heit, entweder fibrös-gallertig oder cartilaginös, oder theils cartilaginös, theils knöchern. Die gallertig-fibröſen ſtehen mit der Synovialmembran in Verbindung und find als die ſchon früher erwähnten Producte einer chroniſchen Entzündung der Synovialmembran zu betrachten, analog der bei cor villosum vorkommenden Auswüchſe der ſeröſen Haut des Herzens und des Herzbeutels. Die ganze Oberfläche der Synovialmembran iſt zuweilen mit ſolchen weichen oder halbknorpeligen Auswüchſen bedeckt, welche in das Innere des Gelenks hineinragen, zum Theil ſehr klein ſind, zum Theil die Größe einer Haſelnuß und darüber erreichen. Zum Theil iſt ihre Oberfläche ganz glatt, zum Theil ſind ſie franfenartig, beſonders wo die Synovialmembran an die Knorpel grenzt. Ihr Anſatz iſt entweder breit oder geſtielt, mitunter fadenförmig, jo daß fie durch leichte Gewalt ab— getrennt werden können. In der Regel iſt ein chroniſcher Entzündungszuſtand noch deutlich vorhanden und die Capſel durch vermehrte Secretion von Synovia fluctuirend ausge— dehnt. Durch das ausgedehnte Capſelband fühlt man wohl die größeren Exereſcenzen deutlich hindurch und beweglich, aber ſie ſind nicht ganz von ihrer Stelle zu entfernen. Der Gebrauch des Gliedes wird durch dieſe Zuſtände ſehr beein— trächtigt; bei Anſtrengungen ſchwillt es mehr an und wird ſchmerzhaft. Der Ausgang iſt zuletzt gewöhnlich Eiterbildung, Nefors ption der Knorpel, Aufbruch und Verluſt des Gliedes oder des Lebens. Die kleinen, glatten, platten, loſen, weich-cartilaginöſen Körper ſind offenbar ein Niederſchlag der synovia ſelbſt und geben ganz das Gegenſtück ab zu den zahlreichen melonen— kernförmigen Körpern, die ſich in Schleimbeuteln und Seh— nenſcheiden zuweilen in großer Anzahl bilden. Sie beſitzen durch und durch dasſelbe cartilaginöſe Gefüge, find an den Rändern abgerunder und kommen öfter in großer Anzahl vor. Auch dieſe cartilaginöſen Körper können in Verbindung mit der Synovialmembran ſtehen, wobei es ungewiß ſein kann, ob ein filamentöfes Fibrine-Erſudat den Kern zu ihrem Anſatze gegeben hat, oder ob ſie ſpäter durch ihre Gegenwart Entzündung erregten und ſich anhefteten. In der Scheidenhaut des Hodens findet man auch, wenn die— ſelbe übrigens völlig geſund iſt, öfters mehrere kleine, ganz loſe, cartilaginöſe, platte Körper, während ein größerer der Scheidenhaut anhängt. Was zu ihrer Entſtehung Veran— laſſung giebt, iſt ungewiß. Von zweifelhafterem Urſprunge ſind die knöchernen, die feſteren und größeren cartilaginöſen, und die cartilaginöſen Körper mit knöchernem Kerne, die nicht ſelten an einer Seite von Knorpel überzogen ſind und an der andern eine rauhe Knochenvberfläche zeigen, und von verſchiedener Form, zus weilen rundlich, zuweilen eckig, zuweilen genau von der Form des Raumes ſind, welchen ſie einnehmen. Es iſt nicht zu bezweifeln, daß ſie nicht ein Niederſchlag der synovia fein können, weil ihr Gefüge ſonſt homogen fein müßte und nicht ungleichmäßig, wie namentlich die— jenigen, von denen ich mehrere geſehen habe, die an der einen Seite knöchern, an der andern Enorpelig find. Die Mehrzahl dieſer Körper ſind vermuthlich das Re— ſultat einer partiellen krankhaften Knorpel- oder Knochen— bildung im extraſynovialen Zellgewebe, da man mitunter eine ſolche Gelenkmaus frei im Gelenke findet, während eine andere auch außerhalb der Synovialhaut liegt, oder eine dritte dieſelbe ſchon theilweiſe durchbrochen hat, in die Gelenkhöhle hineinragt oder an einem Stiele hängt. Sie bilden alſo das Gegenſtuck zu Oſſificationen der Arterien, deren Producte oft auch in das Caliber des Gefäßes hinein— ragen, oder ſich Na en Auf der andern Seite kann man ſie vergleichen mit den ſogenannten Exereir— knochen im Zellgewebe und in den Muskeln an der Sihul: ter durch oft wiederkehrende Contufionen mit dem Gewehre. Es ſind deshalb auch wohl mehr die täglich wiederkehren— den Anſtrengungen eines Gliedes und öfter vorkommende Contuſionen, welche zu ihnen die Veranlaſſung geben, als allgemeiner mitwirkende Anläſſe, wie Rheuma, Gicht ꝛc. Die Oſſificationen des ertraſynovialen Zellgewebes kommen übrigens zuweilen in ſehr ausgedehnten Maße vor. In der Meckel' ſchen Sammlung in Halle befindet ſich ein ſchönes trockenes Präparat einer ſolchen baumförmigen Oſſi— fication am Kniegelenke. In Gräfes Klinik ſah ich von ihm einen Oberſchenkel amputiren wegen großer Auftreibung und gänzlicher Unbrauchbarkeit des Kniegelenks, wobei das— 93 182. ſelbe nach allen Richtungen hin paſſiv beweglich war, aber eigenthümlich bei der Bewegung crepitirte. Bei der Section zeigte es ſich, daß ein großer Theil des unter der Synovial— haut liegenden Zellgewebes ſtellenweiſe ofjifieirt war; die Synosialhaut war verdickt, aber eben fo wenig ulcerirt, wie der Knorpel. Es iſt bekannt, daß bei Pferden ſolche Oſſtficationen unter dem Namen Spath ſehr häufig ſind und durch zu große Anſtrengungen herbeigeführt werden. Noch zweifel— haft iſt es, ob dieſe knöchernen Gelenkmäuſe auch durch Abſtoßen eines Stücks vom Gelenkende oder durch ſeitliche Eroſtoſen derſelben, welche durch einen Zufall abgetrennt wurden, entſtehen können. Das erſtere iſt mir ſehr wahr— ſcheinlich geworden durch einen Fall bei einem jungen Manne, der, über einen Graben ſpringend, mit großer Heftigkeit auf das Knie gefallen war. Es trat Geſchwulſt ein, die indes nach einigen Tagen durch kalte Umſchläge und Ruhe ſich wieder verlor. Als der Patient wieder aufzuſtehen verſuchte, empfand er plötzlich einen heftigen Schmerz und konnte das Knie nicht gerade ſtrecken. An der äußeren Seite der patella trat ein haſelnußgroßer feſter Körper her— vor, der ſich indes durch einen gelinden Druck wieder zu— rückdrücken ließ, worauf das Glied wieder geſtreckt werden konnte und der Schmerz aufhörte. Indeß ſchwoll das Glied zum zweiten Male an und erforderte Blutegel und kalte Umſchläge. Es wurde ſpäter eine Binde angelegt, einige Wochen Ruhe beobachtet und ſpäter nichts wieder bemerkt. Es war in dieſem Falle nicht zu verkennen, daß durch die Contuſion ein Stück der tibia abgebrochen war. Es würde übrigens gefehlt fein, wenn man jede nach einer erlittenen Gewaltthätigkeit ſich bemerklich machende Gelenkmaus für ein abgebrochenes Knochenſtück halten wollte, da die Ge— waltthätigkeit vielleicht nichts weiter gethan hat, als den Stiel abreißen, der eine ſchon vorhandene Gelenkmaus noch an dem Capſelbande feſthielt. Gelenkmäuſe kommen am häufigſten im Kniegelenke vor, außerdem im Ellenbogen- und Schultergelenke. Auch im Kiefer- und Handgelenke ſind ſie gefunden worden. Die Beſchwerden, welche Gelenkmäuſe erregen, ſind ſehr bedeutend, wenn ſie frei beweglich ſind und gelegent— lich zwiſchen die Gelenkflächen ſchlüpfen können. Es ent: ſteht dann oft ein ſo heftiger Schmerz und eine ſolche Un— fähigkeit, das Glied zu gebrauchen, daß z. B. wenn das Kniegelenk affieirt iſt, der Menſch gezwungen iſt, ſchnell ſich niederzuſetzen, wo er ſich auch befinden möge. Gewiſſe Bewegungen veranlaſſen dieſe Lagerung des beweglichen Körpers, andere Bewegungen, Streichen und Drücken am Gelenke bringen ihn dann wieder in eine an— dere Lage. Zuweilen ſchwillt nach einem ſolchen Zufalle das Gelenk auf und füllt ſich mit synovia. Bewegliche Körper von mittlerem Umfange ſind am meiſten geneigt, Beſchwerden zu erregen, große weniger. In München be= obachtete ich einen beweglichen Körper des Kniegelenks von der Größe eines Taubeneies, der durchaus nicht firirt war, aher nie Beſchwerden machte. In der Regel weiß der Patient ſelbſt genau um ſein Übel Beſcheid; nur im An— IX. 6. 94 ſange werden die Schmerzen wohl für rheumatiſch gehalten. In manchen Fällen kommen dieſe ſchmerzhaften Einklemmungen des beweglichen Körpers ſehr häufig, faſt bei jeder Bewegung vor, in andern Fällen wiederholt es ſich nur von Zeit zu Zeit. Die Prog noſe der gallertig-faſerigen Wucherungen der Synovialmembran iſt durchaus ungünſtig, da dieſe De— generation ſich ſelten zurückbildet. An eine Ausſchneidung darf man dabei nicht denken und ſollte ſich davor warnen laſſen durch die geringere Feſtigkeit dieſer Körper beim An— fühlen, durch die verdickte oder von synovia aufgetriebene Beſchaffenheit des Gelenks. In Ruſts Klinik in Berlin machte ich als Student eine ſolche Operation bei einer Frau von 41 Jahren. Die vorhandene Gelenkwaſſerſucht wurde als conſecutiv betrachtet, obgleich ſie auch bei längerer Ruhe im Bette noch fortbeſtand. Ich brachte den Körper leicht hervor, er war gallertig-faſerig, von der Größe einer Haſel— nuß. Ruſt glaubte, der rechte Körper ſei verfehlt worden, und inſultirte das geöffnete Gelenk durch langes Sondiren und Drücken. Die synovia entleerte jich vollſtändig, das Gelenk ging in Eiterung, über und die Frau ſtarb, da ſie ſich einer Amputation nicht unterwerfen wollte. Wenn in ſolchen Fällen die gegen chroniſche Entzün— dung der Synovialmembran geeignete Behandlung keine Beſſerung herbeiführt, fo find nur drei Ausgänge möglich. Erſtens ſucht man durch temporiſirende Behandlung den Zuſtand hinzuhalten, wobei gehörige Ruhe des Gliedes eine Hauptſache iſt. Ich kenne einen Mann, der ein ſolches waſſerſüchtiges, mit beweglichen Auswüchſen der Synovial⸗ membran behaftetes Kniegelenk ſchon eine ganze Reihe von Jahren conſervirt hat durch einen Apparat von eiſernen Schienen, welche am Becken ihren feſten Punkt haben, das Kniegelenk geſtreckt erhalten und die Laſt des Körpers tragen, wie ein künſtliches Bein. Droht der Aufbruch eines ſolchen Gelenkes, ſo räth Jäger zur Reſeetion, die indes am Kniegelenke zu lebens— gefährlich iſt und nur am Ellenbogen- oder Schultergelenke rathſam fein möchte. In andern Fällen ſcheint mir die Amputation indieirt zu ſein. Eine beſſere Prognoſe geſtatten die feſten beweglichen Körper, welche nicht mit Entartung der Synovialmembran und Waſſerſucht verbunden ſind, oder wo die Anſchwellung und Anhäufung von synovia, welche mitunter auf eine tem— poräre Einklemmung der Gelenkmaus folgen, durch Ruhe ſich bald wieder verlieren. In einzelnen Fällen gelingt es, durch eine paſſende Lederbandage den beweglichen Körper jo zu firiven, daß er nicht zwiſchen die Gelenkflächen ge— rathen kann. Durch längeres Tragen derſelben befeſtigt ſich manch Mal der fremde Körper ſo, daß der Verband unnöthig wird. Wo dies nicht gelingt, bleibt in Fällen, wo der Gebrauch des Gliedes völlig geſtört wird und der Lebens— unterhalt des Patienten davon abhängt, nichts anderes übrig, als die operative Entfernung der Gelenkmäuſe, die, mit den gehörigen Cautelen ausgeführt, einen guten Erfolg hat, zuweilen jedoch zur Eiterbildung im Gelenke und zur Amputation führt. Gegen die ausgebreiteten Oſſificationen 95 182. IX. 6. 96 des ertrafynovialen Zellgewebes ift, wenn dadurch das Glied zu einer unnützen Laſt wird, nichts als die Amputation zu unternehmen, wenn das Kniegelenk, wie in den von mir beobachteten Fällen, der Sitz derſelben iſt. (Handbuch der Chirurgie, bearb. von Dr. Louis Stromeyer. I. 3. Liefe— rung S. 521 ff.) (IX.) Ein volvulus durch Gaſtrotomie geheilt. Von Dr. Reali. Der folgende Fall aus dem Auguſtheft 1848 des Racco- glitore Medico giebt ein ſehr intereſſantes und ſchlagendes Beiſpiel dafür, daß durch eine rechtzeitig und richtig ange— wandte chirurgiſche Hülfe bei Krankheiten Rettung gebracht werden kann, bei denen das Vertrauen auf eine indirecte medieiniſche Behandlung ſicher zum Tode geführt haben würde. Es iſt indes zu bedauern, daß die Operation nicht mit der Genauigkeit beſchrieben worden iſt, daß ſie zugleich als Anlei— tung für das Handeln in einem ähnlichen Falle dienen könnte. Fall. Luigi Stella, ein ſtarker und kräftiger Mann von 30 Jahren, hatte eines Abends viel Kirſchen gegeſſen und die Kerne mit geſchluckt, und war Tags darauf genöthigt, ſehr ſchwere Laſten zu heben. (Er litt ſchon lange an einem Leiſtenbruch der rechten Seite, den er nur höchſt ungenügend zurückhielt.) Bei jenen Anſtrengungen fühlte er nun auf ein Mal einen lebhaften Schmerz im Un— terleibe, welcher, von der rechten Seite ausgehend, ſich bald über den ganzen Unterleib ausbreitete und nicht mehr nachließ. Pat. wurde in das Spital von Orvieto gebracht, wo Herr Reali ſogleich erkannte, nicht daß eine Brucheinklem— mung, ſondern daß in der rechten Leiſtengegend eine hühnerei— große Geſchwulſt vorhanden war. Obwohl noch kein Koth— brechen und keine vollſtändige Verſtopfung zugegen war, ſo vermuthete Hr. Reali doch einen volvulus. Es fanden noch zwei mäßige Stuhlausleerungen Statt, nachher aber brach— ten die ſtärkſten Mittel 5 Tage hindurch nicht die mindeſte Ausleerung zu Stande. Pat. brach ſchleimig-gallige Maſſen und Spulwürmer aus; die qualvollen Schmerzen hielten an, die Schweiße wurden zäh, die Kraftloſigkeit erreichte einen hohen Grad, und der Puls wurde klein und faͤden— förmig. Als nun Kothbrechen eingetreten war, jo gab der Verf. dem Wunſche nach, auch die Wirkung des Schwefel— aͤthers zu ſehen und entſchied ſich für die Gaſtrotomie. Nachdem die Atheriſation zu Stande gekommen war, wurde 1 Zoll unter dem Nabel ein 4 Zoll langer Ein— ſchnitt in die linea alba bis zum Schambein gemacht, und ſchichtweiſe endlich mit Vorſicht auch das peritoneum ge— öffnet. Die Därme waren ungeheuer ausgedehnt und wurden nach links zurückgedrängt. Die Geſchwulſt, zu deren genauer Erforſchung die ganze linke Hand des Ope— rateurs in den Unterleib eingeführt werden mußte, war durch das unterſte Stück des Dünndarms gebildet, und ihre Ver— wachſungen mit dem Bauchfelle hinderten, die Geſchwulſt bis in die Wundöffnung in den Bauchdecken zu erheben. Eine Dünndarmſchlinge von 1½ Zoll Länge, welche einen Kirſchkern enthielt, war eingeſchnürt, indem ſich eine andere kreisförmig ſo darum herumlegte, daß ſie weder von der einen noch von der anderen Seite herausgezogen werden konnte, obwohl durch Hin- und Herziehen die Schlinge lockerer gemacht werden konnte. Da es dem Operateur nicht gelang, dieſen unerklär— lichen Knoten zu löſen, ſo entſchloß er ſich, ihn zu durch— ſchneiden. Er machte deswegen 3 Einſchnitte in den Darm— ring, bewirkte die Reduction der Schlinge und ſchloß die Darmwunde mittelſt der Darmnaht, worauf das ganze Bündel der Därme in die Unterleibshöhle zurückgebracht wurde. Die Operation hatte 11 Minuten gedauert. Man ſchloß endlich die Bauchwunde mit der um— wundenen Naht und Heftpflaſterſtreifen. Hierauf wurden Eisumſchläge über den Unterleib mehrere Tage lang an— gewendet und innerlich Eis und einige Doſen Rieinus und Bittermandelöl gegeben. Vom erſten Tage nach der Ope— ration gingen Blähungen nach unten ab, und Tags darauf ſtellten ſich feſte Ausleerungen mit einer großen Menge von Kirſchkernen ein. Das darauf folgende Fieber dauerte, trotz den ſofort angewandten Blutentziehungen, 10 Tage mit allen Sympto— men einer heftigen entero -peritonitis. Die Wundränder wurden in ziemlichem Umfange brandig. Es löſ'ten ſich brandige Zellgewebslappen, unter denen man ſogar ein Stück peritoneum zu erkennen glaubte, — ja es gingen ſogar Fäcalmaſſen durch die Wunde ab. Trotz dem und trotz eines Diätfehlers, der ſpäter nochmals das Leben des Kranken in Gefahr brachte, ward der Operirte nach 4½ Monat vollſtändig geheilt aus dem Spitale entlaſſen. Miſcelle. (Al) Das Einathmen von Sauerſtoffgas wird von de Smyttere als das vorzüglichſte Mittel bei der Cholera empfohlen: er wandte dasſelbe ſchon 1832 zu Ende der Epidemie in Paris und zwar nach Umſtänden als reines Sauerſtoffgas, oder mit Luft gemiſcht, in der Froſt- und Erſchlaffungsperiode der Krank⸗ heit mit günſtigem Erfolge an und hält dasſelbe für das am ra⸗ ſcheſten in die geſammten Inteſtinal- und Hautfunctionen eingreifende aller bisher angewandten Mittel. (Comptes rendus, No. 16. 16. Oct. 1848.) Martin Saint⸗Ange, welcher dasſelbe Mittel zu Anfang der Epidemie in Paris 1832 und Foy, der es 1831 in Polen auwandte, können den Erfolg desſelben nicht rühmen. Saint⸗ Ange glaubt die Verſchiedenheit ſeiner Wirkung dadurch erklären zu müſſen, daß er und Foy das Mittel zu Anfang der Epidemie anwandten während de Emyttere dasſelbe zu Ende derſelben benutzte. (Comptes rendus, No. 18, 30. Oct. 1848.) Die zweite Stufe des naturgeſchichtlichen Unterrichts. Ein Leitfaden für Ge⸗ werbſchulen, Gymnaſien, Realſchulen; von Dr. W. Schwaab, ordentl. Lehrer am Gymnanum zu Caſſel. Syſtemkunde. 2. Aufl. Caſſel. 1847. . 317 S. — Für den Schulunterricht im richtigen Maße gehalten. Dr. K. G. Neumann, Heilmittellehre nach den bewährteften Erfahrungen und Unterſuchungen in alphabetiſcher Ordnung bearbeitet. I., Abtheilung. 364 S. gr. 80. Erlangen 1848. Ein namentlich die meiſten Erfahrungen nicht übergehendes Repertorium, mit praktiſcher Kenutniß geſchrieben. g Druck und Verlag des Landes -Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 183. (Nr. 7. des IX. Bandes.) Maͤrz 1849. Naturkunde. Verſuche über die raſche Mittheilung des Rotz- und Pockengiftes. Weber und Lehmann, Beiträge zur Anatomie und Phyſtologie des Bibers. — Miſcellen. Schwimmende Eisberge. Renault, Unger, Verſuche über die Abſorption gefärbter Flüſſigkeiten durch lebende Pflanzen. — Heilkunde. Swoboda, etwas über Pneumonie des Pferdes. — Boudein, Unterſuchungen über phyſtologiſche und pathologiſche Unterſchiede der Menſchenracen. — Smith, über die Beſchaffenheit der Luft und des Waſſers der Städte. — Miſcelle. des Sitzbeines und des abſteigenden Aſtes des Schambeines durch Muskelzuſammenziehung. — Bibliographie. Gapelletti, ein Bruch des aufſteigenden Aſtes Naturkunde. XX. Beiträge zur Anatomie und Phyfiologie des Bibers. Von E. H. Weber, nebſt einer vergleichenden Analyſe der Ca- storeum- Arten von Lehmann. Der Verf. hatte die ſeltne Gelegenheit, ſowohl einen kurz zuvor getödteten trächtigen weiblichen Biber als einen jungen männlichen Biber anatomiſch unterſuchen zu können. Das Ergebniß ſeiner Forſchungen, von dem wir einen kur— zen Auszug wiedergeben, iſt im Bericht der Verhandlungen der Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Leipzig von 1848 mitgetheilt. Das Bibergeil iſt nach ihm eine Hautſalbe des prae- putium penis und clitoridis, welches zwei ſackförmige, gefal— tete Erweiterungen hat, die man die Caſtorbeutel nennt. Das Bibergeil wird nicht von Druͤſen, ſondern von der gefäßreichen Lederhaut des praeputium abgeſondert, es ent— hält die ſich allmälig aufhäufenden, ſich abſchuppenden Oberhautzellen des praeputium, von denen fortwährend neue entſtehen, während die äußeren abfallen. Der ftarfe Geruch des Bibergeils rührt von kleinen, das Licht ſtark bre— chenden fetthaltigen Kügelchen her, welche urſprünglich in den Elementarzellen entſtehen, aus welchen die Oberhaut gebildet wird, aber zum Theil durch die Wände der ab— gefallenen Oberhautzellen ſchwitzen und ſich zu größeren Kugeln vereinigen. Kalkartige Subſtanzen, die der Verf. ein Mal im Beutel eines kürzlich getödteten Bibers fand, ſchreibt derſelbe dem Harne zu, welcher die Vorhaut be— netzen muß. Die canadiſchen und moſkowitiſchen Castoreum- Beutel ſind im weſentlichen ganz ſo gebaut, wie die Beutel unſeres einheimiſchen Bibers; die canadiſchen Beutel enthalten in der Regel mehr kalkartige Maſſen, die im getrockneten Zuſtande einer harzartigen Subſtanz gleichen. No. 2163. — 1063. — 183. Die ungefähr ⅝ Zoll lange Eichel des männlichen Gliedes war bei einem jungen Biber von einer Vorhaut umgeben, die nach dem Aufblaſen 2 Zoll lang war und 3 Zoll im Querdurchmeſſer hatte. Dieſer Vorhauteanal, in welchen die Eichel hineinragt, öffnete ſich vor dem After mit einer Offnung, die im ausgedehnten Zuſtande 3½ Linie im Durchmeſſer hatte. Der Canal der Vorhaut, wie der penis ſelbſt, ſind an den Maſtdarm angewachſen; an feiner unteren Seite hat der Vorhautcanal einen hohlen häutigen Anhang, der ſich in zwei längliche Beutel theilt, deren Wand vielfach gefalten iſt und aus derſelben Haut als das praeputium beſteht. Durch den von der Vorhaut gebildeten Canal fließt der Harn des Thieres aus; da aber dieſer Canal mit den beiden ſeitlichen Säcken in Verbindung ſteht, ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß immer etwas Harn in ſelbige dringen müſſe. Die beiden beutelförmigen Enden maßen im aufgeblaſenen Zuſtande 21/4 Zoll in der Länge und 13 Linien in der Breite. Zu beiden Seiten neben dem Canale der Vorhaut liegen unter dem Maſtdarme, dem After etwas näher als der Caſtorbeutel, zwei große, birn— förmige Drüſen, die ſogenannten Fettbeutel, deren ſpitze Enden ſich auf zwei mit einigen ſteifen Haaren beſetzten Warzen mit einer engen Offnung münden, ohne ſich unter einander zu vereinigen. Die beiden Warzen liegen in der Cloake nahe an der Vorhautöffnung vor dem After; fie find reichlich 2 Zoll lang und an ihrer dickſten Stelle 1 Zoll breit. Dieſe Drüſen beſtehen aus einer unzähligen Menge von Drüſenſchläu— chen; der Inhalt der Drüſe iſt eine fettige Hautſalbe, deren Geruch jedoch vom Bibergeil verſchieden iſt. Die glans penis kann nur dadurch entblößt werden, daß der Maſtdarm ſammt dem ihm angewachſenen Theile der Vorhaut nach dem kleinen Becken hingezogen wird, zu 99 183. IX. 7. welchem Zwecke der Maſtdarm mit ſehr ſtarken Längsfaſern und der penis mit einem Knochen verſehen iſt. Die Eichel der clitoris, welche bei einem ausgewachſe— nen, trächtigen Weibchen 1 Linie lang und 2 Linien dick war, ragte dicht vor der Harnröhrenöffnung in die Höhle einer großen Vorhaut, die einen 10 Linien langen und 9 Linien breiten Canal bildete, der ſich mit einer 4 Linien Durchmeſſer habenden Offnung im vorderſten Theile der Cloake mündete. Dieſer von der Vorhaut gebildete Canal liegt unter dem Ende der Scheide und iſt an ihr angewachſen. An ſei— ner unteren Seite hat er einen hohlen Anhang, der ſich in 2 Beutel von birnförmiger Geftalt theilt, don denen jede faſt 3 Zoll lang und 2 Zoll breit iſt. Die Harnröhre öffnet ſich dicht hinter der Eichel des clitoris in das hintere Ende des von der Vorhaut gebildeten Canals, mit welchem an der— ſelben Stelle auch die Scheide eommunicirt. Das Endſtück— der Scheide hat nämlich, 3/4 Zoll bevor fie ſich in die Cloake mündet, an ihrer unteren Wand eine Offnung, die aus der Scheide in den Vorhauteanal führt. Auch hier ergießt ſich der Harn vorzugsweiſe in den Vorhauteanal und muß durch ihn auch in den Castoreum- Beutel gelangen können; ein anderer Theil des Harns ſcheint dagegen durch die erwähnte Offnung in das Ende der Scheide übergehen und durch die vulva in die Cloake ausfließen zu können. Die Casto- reum-Beutel des Weibchens ſind aus derſelben Haut wie das praeputium, deſſen Anhang ſie ſind, gebildet. Die innere Oberfläche des Vorhauteanals iſt beim Männchen wie beim Weibchen mit Bibergeil überzogen. Der Verf. unterſuchte das castoreum des weiblichen Beutels mikroſkopiſch; er fand, daß es der Hauptſache nach aus faſt ½00 Linie langen Oberhautſchüppchen von ver— ſchiedener Geſtalt, die keinen Zellkern beſaßen, und gelb— lichen Fettküͤgelchen beſtand; die Maſſe läßt ſich durch Auf— weichen in mehrere zarte Lamellen theilen. Unterſucht man die Haut des Caſtorbeutels ſelbſt, ſo findet man auf ihr genannte Epithelialzellen als ein geſchloſſenes Gewebe und unter demſelben, dicht auf der gefäßreichen Haut liegend, ein anderes, dem rete Malpighi entſprechendes Gewebe, aus rundlichen Elementarzellen mit deutlichem Zellkerne beſtehend. Die gelblichen Kügelchen find von verſchiedener Größe, 8528 bis ½64 Par. Linien im Durchmeſſer; fie brechen das Licht ſehr ſtark, find von einer dunfelen Contour umgeben und zeigen im Inneren ziemlich concentriſche Ringe, die durch die allmälige Zunahme der Kugeln nach außen entſtanden zu ſein ſcheinen. Wie das Daſein von Drüſen an der menſchlichen Vor— haut noch ſtreitig iſt, ſo kann man auch über deren Vor— kommen am Caſtorbeutel zur Zeit nicht entſcheiden; an einem kleinen Theile des letzteren ſah der Verf. allerdings ſehr einfache, runde, linſenförmige Drüſen, deren größter Durchmeſſer ½3 Linie betrug. Sie bildeten einfache, runde Höhlen und hatten eine weite Offnung, welche unmittelbar auf die Oberfläche mündete; ſie waren demnach nur Ver— tiefungen der Oberhaut, ſtanden dabei ſo dicht, daß ihr Abſtand von einander etwa ihrem Durchmeſſer gleichkam. Aus der lamellöſen Structur des Bibergeils geht indes ge— 100 nügend hervor, daß ſelbiges nicht ausſchließlich das Secret dieſer Drüſen iſt, ſondern daß die Haut durch die Ab— ſchuppung von Zellen und Lamellen das castoreum hervor— bringt. Das smegma praeputii des Menſchen und Pferdes zeigen, wie der Verf. bemerkt, ebenfalls einen lamellöſen Bau: auch es beſitzt einen eigenthümlichen Geruch; beim Pferde wird es in ſolcher Menge abgeſondert, daß eine chemiſche Analyſe wohl ausführbar wäre. Über den Zweck und Nutzen der ſackartigen Vorhaut— verlängerung, wie der fie in Maſſe anfüllenden Hautſchmiere für den Biber ſelbſt, laſſen ſich nur Vermuthungen auf— ſtellen; vielleicht ſoll der ſtarke Geruch des Secrets die Thiere zur Begattung reizen, oder das Secret die Vorhaut vor dem nachtheiligen Einfluſſe des Harns ſchützen, oder endlich auf den Samen und die Erhaltung ſeiner befruchtenden Eigen— ſchaft einwirken. Der trächtige, weibliche Biber, den der Verf. am 19. April 1845 unterfuchte, maß vom Scheitel bis zur Schwanzſpitze 39 Zoll, bis zur Cloake 27 Zoll. Der uterus bejtand aus einem unpaaren Mittelſtücke und zwei langen Hörnern, von welchen das linke einen Embryo, das rechte zwei Embryonen in kugelförmigen Erweiterungen ein— ſchloß. Die Placenta iſt jo gebildet, daß der Embryotheil und der Muttertheil unter einander verwachſen ſind; vom Ende jedes Mutterhorns ging eine äußerſt enge kuba aus. Das ovarium lag in einer von der Bauchhaut gebildeten Taſche; das ligamentum uteri latum ſchloß in feiner Dupli— catur ein ſehr elegantes Netz von Fleiſchbündeln ein, die theils Fortſetzungen der Fleiſchbündel des uterus, theils derer der Harnblaſe waren, In der Cloake befanden ſich hinter einander drei große Offnungen, 1) die Afteröffnung, 2) die Scheideöffnung und 3) die Vorhautöffnung. Die beiden letzteren wurden nur durch eine ſchmale Scheidewand getrennt. Zu beiden Seiten der Scheideöffnung mündete der Ausführungsgang der ſogenannten Fettdrüſe. Der Ge— ruch nach dem castoreum war durch den ganzen Körper des Thieres verbreitet, namentlich rochen die Gedärme nach ihm. Der Verf, fand im Magen des Bibers beträchtliche Mengen Holz, zum Theil in größeren Stücken; der Ver— dauungsapparat und namentlich die chemiſche Einwirkung der Verdauungsſäfte dieſes Thieres muß demnach, um ſo ſchwer verdauliche Sachen zur Aufnahme geeignet zu machen, ganz beſonders eingerichtet ſein; wirklich fand der Verf. auch die Speicheldrüſen wie das panereas von ungeheurer Größe. Die Speicheldrüſen eines nicht trächtigen weiblichen Bibers betrugen Yııs des Körpergewichts, während fie beim Men— ſchen ½89s des Körpergewichts ausmachen. Die Bauchſpeichel— drüſe (panereas) eines anderen Bibers war 18 Zoll lang, wogegen die Leber, in 5 Lappen getheilt, im Verhältniſſe zum Körpergewicht kleiner wie beim Menſchen war. Außer den unzähligen kleinen Drüſenſchläuchen der Schleimhaut des Magens beſitzt der Biber noch eine ſehr große Magendrüſe, die ſich in dieſer Weiſe bei keinem Säugethiere findet; ſelbige liegt rechts neben der Einmün— dung der Speiſeröhre in den Magen; ſie hatte im unaus— gedehnten Zuſtande 2½ Zoll Durchmeſſer und öffnete ſich 101 mit mehr als 20 Offnungen in den Magen. Aus ſelbiger läßt ſich eine große Menge einer ſchleimartigen, gelblichen, trüben, im äußeren Anſehen dem Eiter ähnlichen Materie hervorpreſſen, die ſehr abgeplattete, mit einem Kerne ver— ſehene Zellen enthält. Der Verf. füllte die Magendrüſe vom Magen aus durch eine erſtarrende Injectionsmaſſe und fand darauf, daß dieſe Drüſe aus einer Menge kurzer und weiter Gänge beſtand, welche ſich in mehrere kurze, ge— ſchloſſene, knoſpenartige Enden theilten; letztere hatten einen Durchmeſſer von 1½ bis 2 Par. Linien; dieſe Drüſe zeigte demnach im großen Maßſtabe das, was viele andere nur durchs Mikroſkop erkennen laſſen. Der weibliche nicht trächtige Biber wog faſt 24 Pfund franz. Gewicht (12940 Gramme). Die Länge des Speiſecanals pflegt bei Thieren, die eine ſehr unverdauliche Nahrung genießen, zumal wenn ihr Magen ein einfacher iſt, ſehr beträchtlich zu ſein; beim Biber iſt er zwar lang, doch nicht in dem Grade, wie man es bei einem holzfreſſenden Thiere erwarten ſollte; er mißt etwa das Zehnfache der Länge des Thieres vom Schei— tel bis zur Cloake. Die Speiſeröhre iſt mit Längsfaſern und darunter liegenden Querfaſern, die gleich den amnidi— ſchen Muskeln Querſtreifen beſitzen, verſehen; der Magen iſt einfach, der Form nach dem menſchlichen Magen ähnlich, hat jedoch in der Mitte eine Einſchnürung. Die linke Hälfte des Magens beſitzt, wie bei den Vögeln, zwei Seh— nenplatten, welche einander gegenüber an den beiden Magen— rändern liegen, während die große und kleine Curvatur ſehr musculös ſind. Die Speiſeröhre endigt an der cardia mit einem zackigen Rande, der die Stelle eines Ventils vertritt. Der Zwölffingerdarm war gleich dem pancreas von ungeheurer Größe, bei einem der Biber 21 Zoll lang; das 132 Zoll lange ileum ſenkte ſich in ein ſehr weites eoecum, deſſen Durchmeſſer etwa 7 Mal fo groß als der des ileum und doppelt fo groß wie der des colon war. Der weite Theil des coecum war durch eine quere Einſchnürung in zwei Abtheilungen getheilt; in dieſer Ein— ſchnürung trat das ileum zwiſchen beide Abtheilungen in dasſelbe ein. Das ganze coecum war 17 ½ Zoll lang, das Stück von der Einſenkungsſtelle bis zur blinden Spitze maß 13 ½ Zoll, der Dickdarm dagegen von der Einſenkungs— ſtelle bis zum After 72 Zoll. Die Milz war ſchmal und länglich. Im ganzen Dünndarme bis zum duodenum hin— auf finden ſich die Peyerſchen Drüſen; zwiſchen den Zot— ten lagen die Lieberkühnſchen Drüſen. Die Zotten ſelbſt ſind lang, ſchmal und ſehr platt; manche ſind im jejunum über 1 Linie lang. Die Chylusgefäße der Dünndärme waren jo vollſtändig mit Chylus gefüllt, wie man es ſelten beobachtet; die dichteſten continuirlichen Netze bedeckten die Oberfläche der Gedärme; am Magen und Dickdarme waren dagegen keine Chylusgefäße ſichtbar. In mancher Zotte ſah der Verf. ein centrales Chylusgefäß, das in einem Falle zu einer in der Nähe des freien Endes der Zotte gelegenen großen Zelle, die mit einer durchſichtigen ölähnlichen Flüſſigkeit erfüllt war, verlief; oftmals bemerkte er jedoch zwei und drei Chylusgefäße in einer Zotte, ja in manchen 183. IX. 7. 102 liefen ſo viele und ſo dünne Chylusgefäße neben einander, daß der Verf. ſie nicht zählen konnte. Die Lymphdrüſen des mesenterii waren gleichfalls mit Netzen weißer Chylus— gefäße bedeckt. Die Thymusdrüſe eines anderen Bibers war ſehr aus- gebildet; im Unterleibe dieſes Thieres fand der Verf. zu beiden Seiten der aorta und vena cava inferior, 1½¼ Zoll über dem promontorio, an der inneren Seite des ureter, noch zwei andere, ihr ſehr ähnliche Drüſen, wovon die rechte 4 Zoll lang, die linke kleiner war. Dieſe Drüſen beſtan— den aus weißen, runden Bläschen von ½ Linie Durchmeſſer mit einer trüben Flüſſigkeit und vielen Kügelchen oder Zellen erfüllt; einen Ausführungsgang konnte der Verf. nicht wahrnehmen. Die Luftröhre wird von Kugeln umgeben, welche voll— ſtändige Ringe bilden; auch die Luftröhrenäſte ſind von ihnen rings umſchloſſen; die Ringe find indes nicht regel— mäßig, ſondern häufig mit einander verwachſen. Die Schwimmhaut der Zehen iſt ſo angebracht, daß ſie ſchon durch die Bewegung des Fußes allein regulirt wird, indem, ſowie der Winkel zwiſchen Fuß und tibia durch Streckung ſtumpfer wird, ſich auch die Zehen ausſpreizen. Das friſche castoreum eines der vom Verf. unters ſuchten Biber ward von Herrn Lehmann einer ver— gleichenden chemiſchen Analyſe unterworfen. In dem mit Ather und Alkohol extrahirten Rückſtande des friſchen castoreum erkannte Herr Lehmann durchs Mikroſkop dreierlei Kryſtalle, die ſich als ſchwefelſaurer, koh— lenſaurer und oralſaurer Kalk ergaben; Harnſäurekryſtalle, die Brandes betrachtet haben will, konnte er nicht wahr— nehmen. Das zur Unterſuchung benutzte castoreum ward im luftleeren Raume über Schwefelſäure entwäſſert. Aus dem ätheriſchen Extract ſchieden fi) nach längerem Stehen, durch das Mikroſkop erkennbar, rhombiſche Tafeln (Choleſterin) ab. Ein Theil des ätheriſchen Ertracts war in Waſſer löslich und gab mit Schwefelſäure und Zucker eine prächtig purpur— farbene Löſung (Pettenkofers Gallenprobe). Lehmann glaubt, daß dieſe Färbung nicht der Galle allein, ſondern wahrſcheinlich auch gewiſſen harzähnlichen Stoffen eigen fei. In dem ätheriſchen Extracte fand ſich auch ein der Fellin— ſäure ähnlicher Körper; die eſſigſaure Löſung zeigte durch Blut— laugenſalz geringe Mengen eines eiweißartigen Körpers an. Die Analyſen des friſchen deutſchen, des ruſſiſchen, ge— räucherten und des canadiſchen Bibergeils gaben folgende Zahlen: Atherertract . der Aohelertrat e Deutſches Ruſſiſches Canadiſches 7,4% 2,5% 8,249 % 67,7 „, 64,3 % N En eee eit 109 . or 5 Al ohlenfaurer Ka 5 Gſſigſaure⸗Ertract] Eiweißart. Substanz 2,4, 3,47, 5,811) Epithelium und membranöfe Theile 5,7, 9,4 % 18,410 , Im ruſſiſchen wie im „canadiſchen Biebergeil zeigen ſich nach der Extraction mit Ather und Alkohol nur ſelten deutlich kryſtalliſirte Kalkſalze; der wäſſerige Auszug des ruſſiſchen castoreum gab eine minder prächtige Gallen⸗ + * 103 reaction, des canadiſchen Bibergeils nur eine kirſchrothe Fär— bung. Die Nahrung des Bibers ſcheint demnach auf die Zuſammenſetzung des castoreum von großem Einfluſſe zu ſein; der deutſche Biber nährt ſich (nach ſeinem Darminhalte zu ſchließen) vorzugsweiſe von Weidenholz, der ſiberiſche von Birken und der canadiſche Biber von dem Holze der Pinusarten. Bei Menſchen verurſacht das smegma praeputii bis— weilen eine Entzündung der Vorhaut; Herr Lehmann unterſuchte das bei der Operation des Phimoſis von drei Subjecten geſammelte smegma, zu gleicher Zeit analyſirte er auch das smegma praeputii des Pferdes. Beide wurden im vacuo über Schwefelfäure getrocknet; von dem erſteren benutzte er 1,214 Gramm, von dem letzten 2,252 Gramm trockner Subſtanz. Smegma praeputii des Menſchen des Pferdes. Atherextract NG, 2); 52,8 % 49,9 % ee eee e ee ee ee . 9655 Wafferertract . * + ande . an 17 00 77 Ur rdſalze J Eſſigſaure⸗Ertract | Eiweipnrtige Subſtanz 5,6 2 2,9 5 Unlösliches S eee ARE 10 65 26,8 „ Das ätheriſche Extract beider enthält verſeifbare Fette, Choleſterin, ein nicht verſeifbares, nicht kryſtalliſirbares Fett und eine Gallenſubſtanz; das Extract des menſchlichen smegma hatte einen ſüßlich ſtechendeu Geruch, der des Pferdes roch nur ſehr ſchwach. In dem smegma des letzteren wurden nur oralfaure Kalkkryſtalle gefunden; im menſchlichen smegma ward weder orxalſaurer noch kohlen— ſaurer Kalk, dafür aber phosphorfaure Ammoniaktalkerde kryſtalliniſch gefunden. Der wäſſerige Auszug des letzteren enthielt weder Eiweiß noch Caſein. Die beſprochenen Vorhautſeerete beſitzen demnach eine ziemlich große Analogie; ſie enthalten ſämmtlich: 1) einen in Ather und Alkohol und Waſſer löslichen Stoff, der mit Schwefelſäure und Zucker die bekannte Reaction des Gallen— ſtoffs giebt; 2) verſeifbares Fett; 3) unverſeifbares, im Waſſer lösliches, oder vertheilbares Fett (Caſtorin); 4) fettſaure oder harzſaure Alkalien, deren Säuren durch ſtärkere Säuren ausgefällt werden; 5) kein wahres Eiweiß eiweißartige Subſtanz mit allen Charakteren des ſog. Proteins; 6) gewiſſe nur in Secreten ſich anſammelnde Stoffe (Hip: purſäure, Benzoeſäure oder Harnſäure; oralſaure, kohlen— ſaure, oder phosphorfaure Kalk- und Talkerde; endlich 7) Epithelialgebilde. Die Unterſchiede, die ſich in der chemiſchen Conſtitution jener Seerete zeigen, können lediglich von den verſchiedenen Nahrungsmitteln der Thiere hergeleitet werden; der Harz— reichthum des Bibergeils läßt ſich durch den Harzreichthum der von ihm genoſſenen Holzrinden erklären, auch die Carbolſäure iſt ein Zerſetzungsproduct dieſer Harze u. |. w. Um das Seeret der haarloſen Talgdrüſen der Vor— haut mit dem der Haartalgdrüſen der Oberhaut vergleichen zu können, analyſirte Herr Lehmann die ſog. vernix caseosa eines ziemlich ausgetragenen Fötus; dieſelbe verlor beim 183. IX. 7. 104 Austreten im vacuo jo viel Waſſer, daß er nur 0,756 Gramm zur Analyſe behielt. Atherertract . „ e 0,359 Grm. 47, % Alfohn en iE „ 15,0 „ Waflerertract . n. 985 5 2 5 7 0815 Erdphosphate 0 5 Eſſigſäureertraet] Ciweißart. Subſtanz 0,030 „, 40 „ Epithelium und lanu o 0,178 „ 27 „ Die unterſuchte Subſtanz war demnach allerdings den Secreten der Vorhaut ſehr ähnlich, dagegen wurde bei ihr die Gallenreaction durchaus vermißt; auch dem ſog. Ohren— ſchmalz fehlt dieſelbe; die Abfonderung einer ſolchen Sub— ſtanz ſcheint demnach nur der Vorhaut eigen zu ſein. Miſecellen. 13. Schwimmende Eisberge zeigten ſich ſchon am 16. März 1847 im 46.“ nördlicher Breite und 51.“ weſtlicher Länge von Paris, während ſie ſonſt in dieſen Breiten erſt im Mai er⸗ ſcheinen. Deſor ſah ſie am Bord der Sylvie; ihr Längsdurch⸗ meſſer betrug im Mittel 15 bis 20 Meter, ihre Höhe 8 bis 10 Meter über dem Waſſer, einzelne Eisberge waren dagegen 60 Me— ter lang und 25 Meter hoch. Die größeren waren eckig und maſſiv, die kleineren angefreſſen und von den wunderlichſten Formen; ſie hatten eine matte blaue fi) ins Grüne ziehende Farbe. Ein fol: cher Eisberg kam dem Schiffe fo nahe, daß der Verf. feine Stru— etur genau erkennen konnte; er beſtand aus parallelen Eisſchichten, die zum Theil ein mattes, zum Theil ein durchſichtiges Anſehen hatten. Sowohl die geſchichtete Beſchaffenheit als die Dicke der Eisberge beweiſ't, daß fie nicht das Eis der Flüſſe, ſondern Trüm⸗ mer der Polargletſcher ſind. Die Temperatur des Meeres war + 2°, die Lufttemperatur + 0%. Die erwähnten Eisberge zogen nicht in gerader Richtung weiter, ſchwankten vielmehr hin und her, Deſor folgert hieraus, daß fie, wenn ihre Unterfläche mit ſchar⸗ fem Grand bedeckt, den Boden berührt, keine geraden, vielmehr hin und her gebogenen Vertiefungen ausſchleifen müſſen, was für das Studium der erratiſchen Blöcke von Wichtigkeit iſt, indem darnach die geradlinigen Furchen, die man in Scandinavien ſo häufig fin⸗ det, eine andere Urſache haben müſſen. Am 20. März ſah der Verf. im 42.0 der Breite und 49.“ weſtlicher Länge von Greenwich keine Eisberge mehr, wohl aber Eisſchollen, deren größte nicht über 5 Fuß lang und 1 Fuß dick waren, ſelbige hatten ganz das Anſehen des Flußeiſes; das Meer war Meilen weit mit ihnen be- deckt. Die Meerestemperatur betrug am 20. März um 7 Uhr Morgens außerhalb dieſer Eisſchollen — 1%½5 Gelf., um 8 Uhr in Mitten der Eisſchollen — 2,5; an einer eisfreien, jedoch mit Eisfeldern umgebenen Stelle — 2°, die Lufttemperatur betrug — 1; um Mittag, wo das Schiff nicht mehr von Eis umgeben war, betrug die Temperatur — 26; am Abend um 6% Uhr — 1“; die Lufttemperatur war — 2%. Je mehr ſich das Schiff von der Bank von Neufoundland entfernte, um ſo mehr hob ſich die Temperatur; die Lufttemperatur war am 21. März um 8½ Uhr in einer Breite von 42,54 und einer Länge von 570,46 — 19,8; das Meer hatte 0; um 1 Uhr zeigte die Luft — 1%½5; das Meer + 1%. Der Capitain des Schiffes hält die zuletzt erwähnten Schollen für ſogenanntes Grundeis, das ſich im Meere an den Bänken von Neufoundland gebildet hatte. (Bulletin de la societe Geologique de France, Serie II. Tome IV.) 14. Verſuche über die raſche Mittheilung des Rotz⸗ und Pockengiftes von Renault. — Der Verf. erperimentirte mit 13 Pferden, denen das Rotzgift eingeimpft ward; zweien dieſer Pferde wurden 96 Stunden nach der Impfung um die vergiftete Stelle die Haut entfernt und die fo erhaltene Wunde cauteriſirt; 105 das eine dieſer Pferde ſtarb 8, das andere 12 Tage nach der Im⸗ pfung am Rotze. Die elf noch übrigen Pferde wurden 50, 24, 10, 8, 6, 5, 4, 4, 3, 2 und 1 Stunde nach der Impfung cauteri⸗ ſirt, ſie ſtarben ſämmtlich 6 bis 10 Tage nach der Impfung am Rotze. — 22 Hammel wurden mit dem Pockengifte der Schafe in gleicher Weiſe behandelt; die Cauteriſation ward 11 Stunden, 10½, 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 5, 1 Stunden, 36, 30, 25, 20, 15, 13, 12, 10, 8 und 5 Minuten nach der Impfung angenom⸗ men, ohne daß ſie auch nur in einem einzigen Falle die Ausbil— dung der Puſteln verhinderte; dieſe erſchienen und entwickelten fich nicht allein in normaler Weiſe, ſondern lieferten ihrerſeits einen Eiter, der auf anderen Individuen neue Puſteln derſelben Art er— zeugte, während die geimpften und cauteriſirten Hammel bei aber: maliger Impfung von Pockengift nicht infieirt wurden. Aus die— HSHeilk (X) Etwas über Pneumonie des Pferdes. Von Med. Dr. Guſtav Swoboda, k. k. Prof. der Thierheil— kunde zu Innsbruck, ehemaligem Correpetitor am k. k. Thierarznei— Inſtitute zu Wien. ' In Wien und der nächſten Umgegend dieſer Stadt, wo man die Leiſtungsfähigteit der Pferde, des Vortheils oder des Vergnügens wegen auf den höchſt möglichen Grad zu bringen ſucht, und wo aus verjchiedenen Rückſichten die Pferde einen äußerſt anſtrengenden Dienſt nicht ſelten unter den ungünſtigſten Verhältniſſen verſehen müſſen, ſind die Pneumonien unter ihnen viel häufiger, als in anderen weniger bewegten Landſtrichen. Die Zahl der Fälle richtet ſich freilich nach der Jahreszeit und dem vorherrſchenden Genius, jo daß in den Winter-, Frühlings- und Herbſt⸗ monaten und bei auftretenden Epizootien die Zahl derſelben um ein beträchtliches ſteigt. Will man daher ein richtiges numeriſches Verhältniß haben, ſo muß die Rechnung eine Durchſchnittszahl angeben, vermöge welcher ungefähr 30 % von der Pneumonie ergriffen werden. Dieſe Ziffer geht aus einem gründlich gemachten Galcul hervor, dem die ges nau aufgezeichneten Fälle in einem Zeitraume von 10 Jah— ren mit größeren oder geringeren Schwankungen als Baſis dienen. In der Regel befällt ſie ſchlecht gepflegte und ge— nährte, aber ſonſt robuſte Thiere in mittleren Jahren; aus dem einfach erklärlichen Grunde, in Folge deſſen von der einen Seite zu wenig Reaction, von der anderen hingegen zu viel Bewegungsenergie vorhanden iſt. Race und Ge— ſchlecht hat hier weniger entſcheidendes Gewicht und trägt nur zu einem mehr oder minder markirten Auftreten bei, ſo daß edles Blut reinere, auffallendere Symptome und raſcheren Verlauf kund giebt, als es bei gemeinen Thieren geſchieht; ebenſo wie bei gefunden und ſtarken Individuen die Pneumonie eine normalere Form annimmt, und um— gekehrt bei ſchwächlichen Stücken. Insbeſondere hart her— genommen werden Blendlinge und Wallachen, deren Leben bei ſcheinbarer Vorzüglichkeit ohne eigentlichen Kern iſt. Die beinahe ausſchließlich vorkommende Form iſt die croupöſe Pneumonie, worunter abermals die lobäre, weniger 183. IX. 7. 106 ſen Verſuchen erhellt, daß das Rotzgift ſchon in weniger als einer Stunde, das Pockengift der Schafe in weniger als 5 Minuten, mit der abſorbirenden Oberfläche der Haut in Berührung gebracht, auf— genommen wird. (L’Institut, No. 781. 1848.) 15. Verſuche über die Abſorption gefärbter Flüſ⸗ ſigkeiten durch lebende Pflanzen, von Prof. Unger an⸗ geſtellt, ergaben, daß dieſe Flüſſigkeiten nicht von den Gefäßen, fondern von den fie umgebenden lang geſtreckten Zellen aufgenom- men und weiter geführt wurden. Bei der weißblühenden Hyacin— the glückte es dem Verf., den rothen Saft der Kermesbeere bei der unverſehrten Pflanze bis in das Perigon hinauf gelangen zu ſehen. Genaue mikroſkopiſche Unterſuchungen ließen über dieſes Factum keinen Zweifel. (Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wiſ— ſenſchaften, Heft 3. 1848.) unde. die lobuläre und am wenigſten die veſiculäre Form Platz greift. Sie erſcheint insbeſondere gern als rothe Hepati— ſation, geht aber nicht ſelten in graue über. Abseeßbil— dung hingegen und Cavernen gehören ſchon mehr zu den pathologiſch-anatomiſchen Seltenheiten; mehr aber noch die typhöſe Pneumonie. Lungenapoplexien, Brand und Er: weichung giebt es wenige. Die catarrhaliſche Pneumonie habe ich nicht beobachtet, ſie wird eher in Geſtüten zu ſehen ſein, insbeſondere, wo eine größere Anzahl von Fohlen zu— gegen iſt. Die interſtitielle Pneumonie iſt bei den Pferden eine wahre Rarität; nicht ſo beim Rinde, wo die ſoge— genannte Lungenſeuche gewiß denſelben Proceß darſtellt. Ich erlaube mir vorläufig nur auf den Verlauf der Lungen— ſeuche, auf das marmorirte Anſehen der Lunge, auf das filzige Erſudat, auf die comprimirte Lunge, auf die hier zu treffenden Bronchialerweiterungen aufmerkſam zu machen, und hoffe in einer eigenen Abhandlung über dieſen Gegen— ſtand die Gründe für dieſe Behauptung zu finden ). Nachhaltige Umwandlung des Lungengewebes in Folge von Pneumonie zur Induration iſt eben auch eine beſondere Seltenheit. Die lobäre Pneumonie ergreift gewöhnlich bei den Pferden einen größeren oder kleineren Lappen des linken Lungenflügels und zwar insbeſondere gegen den ſcharfen Rand nach vorne zu, ſetzt ſich aber manch Mal bloß in dem kleinen dreieckigen oder gemeinſchaftlichen Lappen feſt und nimmt weniger häufig einen größeren oder kleineren Theil beider Lungen ein. Sie iſt diejenige Form, welche am häufigſten vorkommt. Rückſichtlich der einzelnen Stadien und ihres Vorkommens ſtellt ſich folgendes heraus: Rothe Hepatiſation ſpielt die Hauptrolle, hierauf macht ſich die graue Hepatiſation, dann der blutige Infaretus und bie Hyperämie geltend. An dieſe reiht ſich die eiterige Ber: fließung. Betrachten wir nun etwas näher die pathologiſchen „) Die Mehrzahl der Fälle ſtellen primäre Pneumonien dar, während die ſerundäre bei der Reh, beim Starrkrampf ꝛc. ebenfalls vorkommt. 107 Veränderungen und die hiedurch geſetzten Producte, fo er— giebt ſich bei der rothen Hepatiſation nachſtehender Befund: Die Lunge iſt braunroth gefärbt, derb, brüchig; ſie kniſtert beim Durchſchneiden nicht und ſinkt im Waſſer zu Boden. Beim Durchſchnitte und näherer Unterſuchung der Lunge bemerkt man entweder die Subſtanz wie marmorirt oder gleichfarbig, und bei aufmerkſamerer Beſichtigung nimmt man eine deutlich granulirte Schnittfläche wahr. Die Kör⸗ nung daſelbſt erſcheint gleichförmig und die einzelnen Körner rundlich. Bei ſchwachem Drucke ſickert auf der Oberfläche der Schnitt- oder Bruchfläche eine braunröthliche, mehr oder minder trübe, mit verſchiedenen Flecken gemiſchte, blutig ſeröſe Flüſſigkeit aus. Die Lunge iſt dabei in der Regel nicht voluminöſer, wie im Zuſtande der völligen Juſpiration. Ihre Oberfläche iſt glatt, ohne Rippene indrücke und Er— weiterung des thorax. Nur bemerkt man auch hier an der Oberfläche einige Läppchen, die andere überragen. Ein derartig verändertes Lungengewebe erlangt hierdurch nicht ſelten das namhafte Gewicht von 40 — 50 Pfund und darüber. Ganz ſo verhält es ſich auch mit der von der Natur verſuchten Löſung des vorhandenen Productes und der Zu⸗ rückführung des veränderten Gewebes zur Normalität. Auch hier ſchwitzt ein anfangs klebriges, ſpäter dünnflüſſigeres Serum aus, welches nach Maßgabe des Eintrittes von Luft in die Lungenzellen ſchaumig wird, die in den Zellen befindlichen Pfröpfchen in ihrer Vereindung mit den Wän— den lockert, ſelbe durchfeuchtet, um ſie dann ſtellenweiſe gänzlich der Aufſaugung zu übergeben, da bei den Pferden ein Aushuſten durch ausgeworfene sputa weniger möglich iſt. Aus dieſem Grunde werden die aufgeſogenen Producte von der Natur auf dem Wege der Harnabſonderung zur Ausſcheidung gebracht. Dieſe heilſamen Naturbeſtrebungen, die Producte zu ſchmelzen, werden häufig an Cadavern wahrgenommen, ohne den beabſichtigten Erfolg gehabt zu haben. Nicht fo oft kommt Zurückführung der grauen Hepati— ſation zur Normalität vor, weil das Thier früher in Folge zu lange geſtörter Hämatoſe, als Hauptvehikel zu ſeiner Exiſtenz, eingeht. Bei übrigens wirklich eintretender eitri⸗ ger Zerfließung und den mitunter, aber ſeltener, ſich bilden— den Cavernen in Folge von Absceſſen läßt der Tod nicht lange auf ſich warten, deſſen Vorboten in der Regel bei anfcheinend nicht ſehr großer Gefahr durch den Ausfluß einer ſtinkenden, mehr oder minder blutigen und mißfarbi— gen Flüſſigkeit aus der Naſe ſich ankündigen. Von der Hyperämie und dem blutigen Infarctus iſt die Rückkehr zum urſprünglich gefunden Zuftande am leichteſten möglich, insbeſondere dann, wenn die Kunſt zeitig und kräftig genug einwirkt; da hingegen bei Vernachläſſigung, verkehrter Behandlung und großer Intenſität des Leidens Hepatiſation ſchnell, ja mitunter ungeſtüm erfolgt. Merk— würdig bleibt übrigens die Thatſache, daß bei Pferden oft— mals ein im Verhältniß kleines Stück zu der großen vor— handenen Lunge, von der Pneumonie ergriffen, eine hin— reichende Todesurſache abgiebt: wovon der Grund gewiß in nichts anderem zu ſuchen iſt, als weil dieſes viel Luft 183. IX. 7. 108 benöthigende Thier unter individuellen Umſtänden auch nicht den Mangel der geringſten Portion zu ertragen vermag. Dieſe Gleichheit der pathologiſchen Veränderungen und die materiellen Producte, welche ſich durch Sectionen an den Cadavern unumſtößlich nachweiſen laſſen, findet ſich allenthalben bei den Proceſſen in derſelben Art vor, und könnte bei verſchiedenen anderen Gelegenheiten ebenſo zwei— fellos dargeſtellt werden. Ich werde die nächſte Zeit dazu benutzen, um die vielen von mir beobachteten Krankheiten, deren Sectionsergebniſſe ich mir getreulich aufgezeichnet habe, auf dieſelbe Weiſe zu behandeln, und mich beſtreben, in das Gewirre von Krankheitsbegriffen und Benennungen, wie es noch heutigen Tages hie und da in der Thierheilkunde beſteht, Entwickelung und Gewißheit zu bringen. Um die— ſes Ziel jedoch ſicherer zu erreichen, wird meine Tendenz dahin gehen, jede einzeln zu beſprechende Krankheit nach ihren anatomiſch-pathologiſchen Merkmalen zu beſchreiben, darnach ſie einzureihen, und ihr die entſprechende Benen— nung zu geben. Nur auf dieſe Art gelingt es, mehr Ein— heit in die Wiſſenſchaft zu bringen, der Thierheilkunde einen höheren Aufſchwung zu geben, und ihr den verdienten Rang in der Wirklichkeit wieder zu erwerben, welchen ſie mitunter und mit Unrecht verloren zu haben ſcheint. Meine nächſte Aufgabe, deren Löſung ich verſuchen will, ſollen die Krankheiten des Darmcanales bilden. Ich werde mit der größten Genauigkeit bei der Aufzählung der Sectionsarten verfahren, damit jeder Unparteiiſche erfahren möge, in wie weit meine daraus gefolgerten Behauptungen und Anſichten Glauben verdienen, oder nicht. Es wird mir mitunter um fo leichter werden, eine naturgetreue Schil— derung mancher pathologiſchen Proceſſe und ihrer einzelnen Stadien zu geben, in ſo weit es mir nämlich gelang, einige davon dem Originale ſo ziemlich ähnlich zu copiren. Es iſt daher naturlich, daß ich meine ganze Aufmerkſamkeit auf deren wahrheitsgemäße Auffaſſung verwenden mußte, ein Umſtand, der mich ſo manches ſehen ließ, was andere vielleicht nicht fo ſehr berückſichtigt haben. Aus eben dieſem Grunde habe ich ſo mancher Section mitunter ſcheinbar gleichgültig beigewohnt, mich aber ſtets dabei eifrig bemüht, auf die Hauptſache mein Augenmerk zu lenken. Spitzfindige Diſtinetionen und kleinliche Unterſcheidungen waren mir hierbei eben ſo widerwärtig, als arrogantes Gelehrtthun; Eigenſchaften, welche die Wiſſenſchaften in der That um kein Haar breit fördern. Eben ſo, wie die pathologiſche Anatomie, thut die Cultivirung der phyſicaliſchen Beſtimmungsmethode Noth, weil ſie nur vor Verirrungen ſchützt, die ſonſt häufig un— vermeidlich ſind. So iſt ohne ihre Anwendung nichts leichter möglich, als eine Verwechslung von Enteritis mit Pneumonie, und wieder einer Carditis mit Pneumonie, eine Verwechslung, die auch häufig und zum Nachtheil des er— krankten Individuums vorkommt. Warum ſcheut man ſich denn, dieſe Methode in der Thierheilkunde tüchtig in An— wendung zu bringen, als ob man fie nicht ſchon längſt theil⸗ weiſe ausgeübt hätte? Ich erinnere hier nur an die Pereuſſion des Schädels bei drehkranken Schafen, um den Sitz des Wurmes 109 zu entdecken; an die Unterſuchung von Eiterbeulen in Be— zug auf ſchon vorhandenen Eiter oder nicht. Es läßt ſich hier noch unendlich viel leiſten, ſobald der gute Wille mit Ernſt und Ausdauer gepaart iſt. (Medie. Jahrbücher d. öſterreich. Staates. Jahrg. 1848. October S. 51 ff.) (XI.) Unterſuchungen über phyfiologifche und pathologiſche Unterſchiede der Menſchenracen. Von Boudin. Schon in mehreren früheren Aufſätzen hat der Verf. den Beweis geliefert für die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit der Acclimatiſirung der Europäer auf verſchiedenen Punkten des Erdballs. Es fragt ſich nun, ob dieſelben Schwierig— keiten bei anderen Menſchenracen ebenfalls obwalten. Er— wieſen iſt, daß die verſchiedenen Racen in Bezug auf das Verhältniß der Geburt und der Sterblichkeit, ſo wie in Anbetracht ihrer Krankheitsanlagen ganz verſchiedenen, eigen— thümlichen Geſetzen gehorchen, deren Erkenntniß die Fran— zoſen und Engländer vortheilhaft benutzten, um die gräß— lichen Verluſte in den Truppenbeſatzungen ihrer auswärtigen Beſitzungen zu vermindern, indem ſie ſolche für Europäer ungeſunde Länder zum Theile mit Hülfstruppen aus Racen beſetzten, die dem Klima zu trotzen vermögen. So unter— hält Frankreich in Guyana und am Senegal Negercompag— nien, England ſendet Neger, Hottentotten, Cipayas, Caffern, Ceyloneſen als Soldaten in die verſchiedenen Beſitzungen, und ſteht im Begriffe, die engliſche Beſitzung von Hong⸗-kong, die jährlich 28,5 % bloß durch das Clima verliert, durch Malayen zu erſetzen. England verlor auf den Antillen 1817 bis 1836 von europäiſchen Truppen jährlich 8 %, an Negerſoldaten 4% . Man kam nun auf den Gedanken, die Beſatzungstruppen größtentheils aus Negern zu veerutiven, und der Erfolg war ein über alle Erwartung günſtiger, denn während vor 1836 auf Jamaica jährlich 12,86 %, auf den kleinen Antillen und in Guyana 8,25 % der Be— ſatzungstruppen ſtarben, ſank 1844 und 1845 die Sterb— lichkeit auf Jamaica auf 2,96 % , auf den kleinen Antillen und in Guyana auf 5,91% herab. Kleber reerutirte 1801 die ägyptiſche Armee nicht bloß aus Europäern, ſon— dern auch aus in Darfour gekauften Negern. Frankreich verlor vor 1838 jährlich an franzöſiſchen Truppen am Senegal 12,3 % , in Guadeloupe 10,1%, in Martinique 10,2%, in Guyana 3, 2 % q auf Reunion (Bourbon) 2,5%, während von 1836 bis 1842 an Negerfelaven jedes Alters jährlich in Guadeloupe 2,4%, auf Martinique 3,1%, in Guyana 3,3% , auf Reunion 3,2 % ſtarben. Reunion, auf der die Weißen ſehr gut leben (freilich gehören ſie nicht zur Claſſe der Arbeiter), kann alſo nicht als Maß: ſtab dienen. Ein ganz ähnliches Verhältniß ſtellt ſich heraus bei Vergleich der Sterblichkeit der engliſchen Truppen in ihren verſchiedenen auswärtigen Beſitzungen mit der Sterblichkeit der dort dienenden einheimiſchen Truppen, oder ſolcher Truppen, die aus Ländern genommen wurden, deren Clima mit jenem der Nation verwandt iſt. Aber nicht bloß in Bezug auf das Sterblichkeitsverhältniß im allgemeinen, 183. IX. 7. 110 ſondern auch rückſichtlich der Urſachen des Todes ſtellen fich bei den verſchiedenen Racen Verſchiedenheiten heraus. So ſtarben jährlich auf Sierra Leone von 1 5 von Neger⸗ Soldaten ſoldaten an Fiebern 3 41,02 0,24 7 Ausſchlagsfiebern 5 0,69 „ Krankheiten der Athmungsorgane 0,49 0,63 75 77 eee 0,11 15 5 des Darmcanals 4,13 0,53 75 75 „Nervenſyſtems 0,43 0,16 „ Waſſerſuchten 3 0,43 0,03 _ „ andern Krankheiten 1 0,62 Zuſammen 48,3 3,01 Auf Gibraltar hingegen geſtaltet ſich das Verhältniß gerade umgekehrt. Es ſtarben dort ſeit 1817 von weißen von Neger« Soldaten ſoldaten an nicht ſpeeifiſchen Fiebern 0,93 15 „ Krankheiten der Athmungsorgane 0,53 4,3 7 = „ Leber 8 0,04 0,05 1 15 des Darmeanals . 0,21 1,5 „ epidemiſcher Cholera > 0,22 * „ Krankheiten des Dersenffteme 0,05 0,05 „ Waſſerſuchten 0,03 0,15 „ andern Krankheiten. Sr BUNT 0,15 Zuſammen 2,14 6,2 Gehen die Neger in Gibraltar in fo gräßlichem Wer: hältniſſe zu Grunde, ſo dürften ſie ſich in Agypten wohl ſchwerlich anders als durch beſtändige Einwanderung er— halten können, und man hat alles Recht zu bezweifeln, daß ſie in Algier ſich acelimatiſiren können. — Die nachher mitgetheilten Tabellen geben das Verhältniß der auf Madras erkrankten und geftorbenen engliſchen und eingebornen Sol— daten, und zwar für die engliſchen während der Jahre 1831—1838 und für die eingebornen während des Zeit— raumes von 1829— 1841. Es geht daraus im allgemeinen hervor, daß bei den Europäern die Krankheiten viel häufiger und das Sterbeverhältniß ein viel höheres ſei als bei den Eingebornen. Beſonders häufig, aber ſelten tödtlich für beide Racen find die Wechſelfieber. Leberkrankheiten und Krankheiten des Darmeanald find bei Europäern im Ver— gleiche zu den Eingebornen ungemein häufig, ja es iſt das Verhältniß wie 100 : 1 und noch höher. Auch Krankheiten der Athmungsorgane ſind um das ſechs- und mehrfache häufiger bei den Engländern als bei den Eingebornen. Be— züglich der Nervenkrankheiten it das Verhältniß ungefähr wie 4 bis 5: 1. Nur die Waſſerſuchten ſind bei den Ein— gebornen um ein geringes häufiger als bei den Engländern, und dieſes rührt her von der Häufigkeit der Beriberikrank— heit bei den Eingebornen, beſonders den aus den Küſten— ländern oder aus den Ebenen ſtammenden. Während ent— zündliche und catarrhaliſche Leiden der Athmungsorgane ſechs Mal ſo viele und mehr Engländer befallen als Ein— geborne, ergreift die Lungenphthiſe auf gleiche Weiſe beide Racen, als Beweis, das die letztere Krankheit keineswegs 111 in einer chroniſchen Lungenentzündung begründet fei. Be— merkenswerth iſt ferner, daß die engliſche Armee in dem vereinigten Königreiche 5— 12 Mal mehr Leute an Lungen— ſucht verliert als auf Madras, und daß beſonders die In— fanteriſten es find, die dieſe Krankheit verheert. Merkwüͤr— dig iſt endlich die Seltenheit der Lungenſucht auf Madras im Vergleiche zu der enormen Häufigkeit der Sumpffieber. (Gazette med. de Paris 1848. Nr. 29.) (XII.) über die Beſchaffenheit der Luft und des Waſſers der Städte. Von Smith. Die Luft und das Waſſer der Städte ſind, nach dem Verf., von der Luft und dem Waſſer des Landes ſehr ver— ſchieden; er gedenkt der vielen Urſachen, durch welche beide in Städten verunreinigt werden, dahin gehören vornämlich die großen Fabriken und die Verhältniſſe des Zuſammen— lebens vieler Menſchen ſelbſt. Läßt man die Luft der Städte durch Waſſer ſtreichen, ſo bemerkt man eine gewiſſe Quan— tität organiſcher von den Lungen abgeſchiedener Materien; der Verf. ſetzte den Verſuch 3 Monate lang fort und entdeckte, mit Hülfe von Schwefelſäure, Chlor und eine dem unreinen Albumin nicht unähnliche Subſtanz. Dieſe Stoffe ver— dichten ſich an kalten Gegenſtänden, der eiweißartige Stoff geht bei einer warmen Atmoſphäre ſchnell in Fäulniß über und entwickelt unangenehm riechende Gasarten. Der Verf. unterſuchte die Veränderungen dieſes Stoffes durch Dry: dation, er fand, daß ſich Kohlenſäure, Ammoniak, Schwe— felwaſſerſtoff, vielleicht auch noch andere Gasarten, ent— wickelten. Der Verf, forſchte nach dem Einfluſſe des Atmo— ſphäredruckes auf die Ausdunſtungen der Abflußcanäle und fand, daß ſich die Ausdünſtungen mit dem Abnehmen des Luftdruckes vermehrten. Indem er das hygrometriſche Waſſer eines Geſellſchaftszimmers vermittelſt kalter Gläſer ſammelte und mit dem im Freien geſammelten Thauwaſſer verglich, fand er, daß erſteres eine größere Dichtigkeit beſaß, ölartig war, nach Schweiß roch, in Fäulniß überging, Infuſorien und Conferven entwickelte, während das Thauwaſſer klar und unverändert blieb. Er ſammelte ferner große Quanti— täten Regenwaſſer und fand, daß ſie jeder Zeit Staubpar— tikelchen, die in England meiſtens aus Steinkohlenaſche beſtanden, enthielten; daraus erklärt ſich nach ihm die große Menge der Sulphide und Chloride wie der Kohle dieſes Waſſers. Das Regenwaſſer zu Mancheſter iſt ungefähr 2¼ Mal härter als das Regenwaſſer der benachbarten Hügel, eine Erſcheinung, die ſich nur aus den in der Luft über der Stadt ſuspendirten Stoffen erklären läßt. Am auffallend— 183. IX. 7. 112 ſten iſt das conſtante Vorkommen organiſcher Stoffe im Regenwaſſer der Städte, ſelbſt wenn es Tage lang geregnet hat. Die Beſchaffenheit der Luft iſt mit der des Waſſers innig verknüpft, was die erſtere enthält, kann von dem letzteren abſorbirt werden, die löslichen und abſorbirten Stoffe werden vom Waſſer der Luft entzogen. Die ungeheuren Un— rathmengen, die in einer großen Stadt auf ſehr verſchiedene Weiſe dem Boden zugeführt werden, müſſen indes ſehr viele unterirdiſche Abflußquellen haben, indem der Boden ſelbſt keine ſo ungeheure Anhäufung derſelben, wie man vermuthen ſollte, nachwies. Der Sand der Waſſerwerke von Chelſea enthielt, nachdem er mehrere Wochen lang zur Filtration des Waſſers diente, nur 1,43 Proe. organiſcher Stoffe. Liebig fand in etwa 12 Brunnen zu Gießen ſal— peterſaure Salze, vermißte dieſelben indeß in 200 bis 300 Meter von der Stadt entfernten Brunnen. Der Verf. fand ebenfalls in etwa 30 Brunnen von Mancheſter ſalpeterſaure Salze, auch in den Brunnen von London traf er dieſelben, bisweilen in nicht geringer Menge, an. Die Salpeterſäure bildete ſich durch Oxydation ſtickſtoffhaltiger Stoffe im Bo— den, ihre Salze verhindern jegliche Vegetation, ein ſolches Waſſer bildet auch nach langem Stehen keine Organismen. Das Waſſer der Themſe wird, je weiter es in die Stadt hinein fließt, um jo unreiner. Die Luft großer Städte ent⸗ hält demnach außer Kohlenſäure immer noch organiſche Stoffe, die vom Waſſer aufgenommen werden; das Waſſer reinigt ſich von ihnen durch verſchiedene Mittel, vorzugs— weiſe durch Umwandlung dieſer Stoffe in ſalpeterſaure Salze. (Institut Nr. 779, 1848). Mifcelle. (12) Ein Bruch des aufſteigenden Aſtes des Sitz⸗ beines und des abſteigenden Aſtes des Schambeines durch Muskelzuſammenziehung. Von Capelletti. — Ein 54jähriger Mann fprang von einem Fuhrwerke, deſſen Pferde durchgingen. Er fiel mit den Füßen zuerſt auf, wahrend ſich eines der Beine im höchſten Grade der Abziehung befand. Bald darauf ſchwoll der obere Theil des Schenkels gewaltig an und wurde höchſt ſchmerzhaft. Durch Anwendung örtlicher und allgemeiner entzün— dungswidriger Mittel wurde der Kranke binnen kurzem in ſo weit hergeſtellt, daß er feine Reiſe fortſetzen konnte. Sechs Monate darnach ſah ihn der Verf. Er fand am inneren und oberen Theile des rechten Schenkels eine geringe, gegen Berührung ſehr empfind— liche Geſchwulſt, in der bei dem Drucke auf den Sitzbeinknorren, ſowie durch Gehen und durch Abziehen, des Schenkels lebhafte Schmerzen erregt wurden. Der Kranke hinkte; der Verf. erkannte bei genauerer Unterſuchung daſelbſt einen 2½ Zoll langen, finger dicken Knochen, der ſeiner anatomiſchen Lagerung zu Folge nur der oben bemerkte Theil des Sitz- und Schambeins ſein konnte. Auch konnte man an dem beweglichen Knochen ſehr deutlich den an der Vereinigungsſtelle beider Knochen bemerklichen kreisförmi⸗ gen Höcker fühlen. Der Verf. glaubt dieſen Bruch durch Muskel⸗ wirkung erklären zu müſſen. (Gaz. med. de Paris 1848, Nr. 31.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Prothese oculaire. Instructions et moyens de formuler les demandes d’yeux artificlels BE correspondance , avec un apergu touchant divers coups-d’oeil etc,; par A. Boissonneau pere. — Yeux artificiels mobiles de M. M. Bois- sonneau pere et fils, d’apres la methode theorique d’appropriation de A. En pere. — Emaux d base resistante etc. In 180 de 2 feuilles. aris 1848, Dr. Marc Aurel Höfle, Chemie und Mikroſkop am Krankenbette. Ein Beitrag zur mepieiniſchen Diagnoſtik, mit beſonderer Rückſicht auf das Ber dürfnip des praftifchen Arztes bearbeitet. 482 S. und ein Anhang Anmer⸗ kungen 200 S. gr. 80. Erlangen 1848. Elne bedeutende Hülfe auf dem Wege moderner Diagnoſtik. = Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 184. (Nr. 8. des IX. Bandes.) Maͤrz 1849. Naturkunde. d'Hombres⸗Fir mas, über den Nutzen eines Gartens zur Pflanzenacclimatifirung. — Bourgery, zweite Denkſchrift über das Ca⸗ pillargefäßſyſtem. — Dureau de la Malle, über den Morgengeſang einiger Tagvögel. — Miſcellen. Bernard und Barres wil, die Leber enthält viel Zucker. Kartoffelkrankheit. — Heilkunde. Boulſſon, über die Gefahr der Atheriſation. — Miſcellen. Roux, Ather, Aldehyd und Chloroform als ſchmerzſtillendes Mittel bei der Heilung von Wunden angewandt. Künſtliche Anäſtheſie bei den Chineſen. — Bibliographie. Naturkunde. XXI. über den Nutzen eines Gartens zur Pflanzen⸗ acelimatiſirung. Von d'ßHombres-Firmas. Der Verf. beſchreibt in Nr. 19 der Comptes rendus vom 19. November 1848 zunächſt die Lage dieſes Gartens, den er vor 30 Jahren zum Verſuch im Departement du Gard, zu Saint Hippolyte de Caton, anlegte. Der thon— haltige Kalkboden, tertiärer Formation, zwar feſt und trocken, nahm das Regenwaſſer ſehr wohl auf; anfangs wenig fruchtbar ward er durch tiefes Umgraben, Düngung u. ſ. w. nach und nach verbeſſert; es war ein Grund, der für Cerealien, wie für den Maulbeerbaum und den Wein— ſtock ſehr geeignet war, auf dem ſelbſt der Olbaum an geſchützten Orten gedieh. Auf den Anhöhen machte ein kalkhaltiger Sand den Boden lockerer, Regenrinnen wie der Fluß, der im Winter bisweilen ſeine Ufer überſchritt, trugen gleichfalls zur Verbeſſerung desſelben bei; der Verf. ließ überdies in ſeinen Garten Baumerde, Schlamm, Aſche, gebrannte Erde, verſchiedene Arten thieriſchen und pflanzlichen Düngers, ja ſogar Bauſchutt bringen, obſchon die Beſtand— theile des letzteren für den dortigen Boden nicht recht ge— eignet ſind; ferner ließ er, da es dem Lande an Waſſer fehlte, indem der Fluß im Sommer trocken lag, um dieſem Mangel abzuhelfen, große Ciſternen graben. Die Bäume und Pflanzen dieſes Gartens ließ der Verf. zum Theil alljährlich durch neue erſetzen; er hatte dabei zum Zweck, das Wachsthum derſelben auf demſelben Boden und unter übrigens gleichen Verhältniſſen vergleichen zu können, wobei er jedoch nicht unterließ, auch auf den Ein— fluß einer anderen Localität, eines veränderten Bodens, wie ſonſtiger Umſtände aufs Wachsthum gewiſſer Pflanzen zu achten. No. 2164. — 1064. — 184. Starb ein Baum unter feiner Pflege, fo ward er mehre Mal hinter einander durch einen neuen derſelben Art ergänzt, ehe er über den Einfluß der Wärme, des Froſtes, der Bodenbeſchaffenheit u. ſ. w. für dieſen Baum zu ur— theilen wagte. Waren Verſuche in freier Erde erfolglos, ſo ward der Baum oder Strauch in einen Topf gepflanzt und während des Sommers in Schatten, im Winter in ein Ge— wächshaus geſtellt; die Erde dieſer Töpfe ward alle 2 Jahre erneuert; auch die jungen Bäume wurden häufig umgepflanzt, die Wurzeln der ältern dagegen mit einem Kranze neuer und guter Erde umgeben. Einige Bäume ſandten ihre Wurzeln noch über dieſe Erde hinaus in den thonhaltigen Kalkgrund, welcher den meiſten nicht zuträglich war. Für den Tulpen— baum, die Magnolie und die Cypreſſe war dieſer Grund zu feſt, für den Lärchenbaum, die Hudſons-Pappel und die Napoleons-Weide zu trocken; die Myrten von Tarent und Andaluſien, der Rhamnus hispanicus und das Pittosporum konnten den Froſt nicht vertragen. Noch verſchiedene andere Bäume kränkelten mehrere Jahre hindurch und ftarben endlich aus verſchiedenen Ur— ſachen; dagegen gediehen etwa 500 Arten, bei einer Some merwärme von 30 bis 350 und einer Winterkälte von 4 bis 50, den Ertremen der Temperatur eines mittleren Jahres, im Freien. Eine große Anzahl der ſo gewöhnten Pflanzen konnten auf gewöhnliches Acker-, ja ſogar auf Heideland gepflanzt werden, das ſonſt nur Kermeseichen, Buchsbaum oder andere Sträucher trägt; einige ſchnellwachſende Bäume lieferten bald Reiſig und verſprachen, den Enkeln des Verf. treffliches Nutzholz mancherlei Art zu gewähren. Als exotiſche Pflanzen, welche den Anbau vertrugen, erwähnt der Verf. der Abies alba, argentea, nigra und rubra, der Broussonetia papyrifera, des Diospiros Kaki, lotus, virginiana, der Fraxinus americana, florifera, ju- 8 115 glandifolia und simplicifolia, der Koelreuteria paniculata, der Maclura aurantiaca, der Aesculus pavia, flava, macrostachia, rosea und rubra, der Pinus altissima, halepensis, maritima, mitis, pinea, silvestris und strobus, der Petelea trifoliata, der Prunus lusitanica, der Sophora japonica, der Staphillea pinnata, der Sterculia platanifolia, der Thuja occidentalis, orientalis und tatarica, des Viburnum pyrifolium u. |. w. Faft alle in China und Japan einheimiſchen Pflanzen wurden vom Verf. acclimatiſirt: Ailanthus glandulosa, die Aucuba-, die Berberis-, die Cidonia-Arten, Crataegus glabra, Lagerstroemia, Ligustrum, Mespilus, Prunus sinensis und andere blühten und trugen Früchte. Schon vor 18 Jahren berichtete der Verf. über die Einflüſſe der Kälte auf ſeine Baumſchule; er ſammelte ſeit— dem ſowohl über den Einfluß der Kälte als der Wärme und Trockenheit neue Beobachtungen; er fand dabei, daß das Klima zu Saint Hippolyte etwa in der Mitte zwiſchen dem Küſtenklima Frankreichs und dem ſeiner Gebirge ſtehe. Bei Anlegung ſeines Gartens verfolgte der Verf. noch einen anderen Zweck: er wünſchte den Grad des Wachs— thums, die Zeit der Belaubung, der Blüthe u. ſ. w. bei allen verſchiedenen Bäumen zu ermitteln, ferner Verſuche mit Stecklingen, Pfropfreiſern, mit künſtlicher und mit Baſtardbefruchtung zu machen. Er ſtellte ferner Verſuche über die Zeit der Keimung wie über die Wachsthumsfort— ſchritte des Keimlings, die er von Tag zu Tag, ja bisweilen von Stunde zu Stunde, verfolgte, an; zu dieſem Zwecke waren eigene Beete eingerichtet; desgleichen verglich er ver— ſchiedene Arten und Varietäten der Kartoffel, ſowohl in Bezug auf die Zeit ihrer Reife, als auf die Zahl, Größe und Nahrhaftigkeit ihrer Knollen; er ließ zu dieſem Zwecke ein Viereck einrichten, wo jede Varietät eine Reihe bildete; das Beet war ſo beſtellt, daß immer die eine Hälfte jeder Reihe gedüngt, bewäſſert war, bejätet und gehäufelt ward, während die anderen Hälfte jeder Cultur entbehrte. Um noch beſſer über den Einfluß der Bodenbeſchaffenheit auf das Gedeihen der Kartoffel urtheilen zu können, ließ der Verf. eine Anpflanzung derſelben Art auf dem Moorgrunde von Gardon bei Mais und auf dem Glimmerſchieferboden von Sauvages anlegen. Auch für Verſuche über die Färbung des Holzes, die Vermehrung feiner Elaſtieität, fein Geſchütztſein vor dem Angriffe der Thiere, ſowie über die Aufnahme gewiſſer dem Boden mitgetheilter Stoffe u. ſ. w. iſt ein ſolcher Gar— ten ſehr geeignet. Der Verf. zog ferner in ſeinem Garten die verſchiedenſten Maulbeerarten und Varietäten; er be— obachtete wie die Blätter von Acer tartaricum von den Seidenraupen gern gefreſſen wurden, während die zarten Knoſpen und die abgeſchnittenen Blätter der Broussonetia von ihnen, gegen die Behauptung einiger Theoretiker, un— berührt blieben. Die weißen Streifen und Flecken der Blätter gewiſſer Pflanzen werden im allgemeinen für eine Krankheit gehalten; der Verf. zieht Stechpalmen, den Spindelbaum, Buchsbaum, Flieder, Schilf und andere Pflanzen, die bei ſcheinbar guter Geſundheit gefleckte Blätter zeigen. Die Kunſtgärtner pflegen ſolche Pflanzen durch 184. IX. 8. 116 ein Pfropfreis, durch Ableger und Stecklinge zu vermehren; der Verf. bemerkte, wie ſolche Pfropfreiſer auf einem Baume, dem man noch völlig grünblättrige Zweige läßt, niemals ſo kräftig als die letzteren werden, ja zuletzt ganz abſterben. Stecklinge ſolcher Pflanzen brachten häufig völlig grüne Blätter; ein Buchsbaumſtrauch, der anfangs gefleckte Blätter trug, hat jetzt nur grüne Blätter. Der Verf. verſuchte ſowohl die Fleckenkrankheit zu heilen als fie willkürlich hervorzurufen. An Broussonetia cucullata bemerkt man öfters Schöß— linge und Zweige mit flachen, ftatt kahnförmigen Blättern: dies iſt dann der Fall, wenn die kahnförmige Varietät auf— gepfropft iſt. Der Verf. kehrte den Verſuch um und ſuchte dadurch den Einfluß des Stammes auf die Blattgeſtalt der Pfropfreiſer zu erfahren. Der Verf. will ſich mit den allgemeinen Umriſſen, auf welche er hindeutete, begnügen; dieſelben zeigen, wie er glaubt, ſchon genugſam, wie fördernd ſowohl für die Be— lehrung ſeines Beſitzers, als zum Vortheil des Landes der— artige lange fortgeſetzte Verſuchsgärten find; durch fie würde der Wiſſenſchaft mancherlei Aufſchluß, dem heimathlichen Boden manche neue Nutz- und Culturpflanze gegeben wer— den. Ein ſolcher Garten würde überdies mit dem Nutzen zugleich das anmuthige verbinden können; Hügel und Thäler, ſonnige Plätze und ſchattige Orte müßten ohnehin mit einem Boden der verſchiedenſten Art, mit Felſen, Bächen, Wieſen und Sümpfen abwechſeln, um den verſchiedenen Pflanzen die ihnen zuträgliche Lage und den ihnen paſſenden Boden zu gewähren. XXII. Zweite Denkſchrift über das Capillar⸗ gefäßſyſtem. & Von J. M. Bourgery. Dieſe der Pariſer Academie eingereichte Denkſchrift be— handelt die Verſchiedenartigkeit der Capillarnetze zwiſchen den Organen und den Geweben und die Beziehungen dieſer Gefäßnetze zum Nervenſyſtem. Nr. 16 der Comptes rendus vom 16. October 1848 theilt des Verf. Reſul— tate mit. 5 1) Der Verf. zeigte ſchon in feinem erſten Memoire (ftehe Not. Nr. 5 dieſes Bds.): daß das Capillarſyſtem bei mikro— ſkopiſcher Unterſuchung aus drei Gefäßelementen, arteriellen, venöſen und lymphatiſchen Gefäßen, beſteht, was ſich ſowohl durch Injection als durch den allgemeinen anatomiſchen Bau, obgleich ſich dieſer in verſchiedenen Organen etwas verändert, überall nachweiſen läßt. Dieſe zweite Denkſchrift ſoll nunmehr die Abhängigkeit dieſer ſowohl in Form als Zahl in den verſchiedenen Geweben verfchieden entwickelter Gefäßelemente vom Nervenſyſteme nachweiſen. 2) Das Verhältniß wie die relative Capaeität der drei Gefäßelemente im geſammten Circulationsapparate iſt ſehr ungleich. In allen Geweben iſt das venöſe Blutgefäßſyſtem das vorherrſchende; das Lympheapillarſyſtem kommt feiner 117 Capacität nach dem venöſen Syſteme ſehr nahe; es ſcheint das letztere gewiſſermaßen durch gegenſeitige Beziehungen und unzählbare äußerſt kleine Verbindungswege zu unterſtützen. 3) Wenn man den Organismus im ganzen betrachtet, fo verhält ſich die Capaeität des venöſen Syſtems in den großen Venen der Hauptcirculation zu den entſprechenden Arterien wie 2 oder 2½ zu 1, im Capillarſyſteme dagegen wie 5 oder 6 zu 1. Fügt man jetzt das Lymphſyſtem als Hülfsſyſtem der Venen hinzu, jo ſteht die Geſammteapaei— tät des Venen⸗Lymphſyſtems zum arteriellen Syſteme im Verhältniſſe von 8 bis 10 zu 1. Das venös-lymphatiſche Element iſt demnach in allen Geweben vorherrſchend. 4) Wird nun ein Reichthum an venöſen Elementen, der vom chemiſchen Geſichtspunkte aus zur Ernährung aller Gewebe nöthig ſcheint, in allen Functionscapillaren als Factum angenommen, ſo zeigt ſich zugleich ein höchſt merk— würdiges anatomiſch-phyſtologiſches Verhältniß zwiſchen der relativen Menge der arteriellen Elemente und den Elementen der Cerebroſpinal-Nerven eines jeden Gewebes; wogegen das Übergewicht der venöſen Gefäßelemente in den Functions— capillarnetzen um ſo größer iſt, je mehr dieſe Gewebe von den Eingeweidenerven abhängig ſind. Es folgt daraus, daß zwiſchen der Arterie und den Cerebroſpinal-Nerven und andrerſeits zwiſchen den Venen und dem nervus splanchnicus eine Verbindung oder ein inniger Zuſammenhang Statt findet. Hin Übereinſtimmung mit dem vorhergehenden iſt von allen Geweben die Nervenmaſſe, ſowohl des Gehirns als Rückenmarks, das einzige, wo eine Injection der dort vorhandenen Capillargefäße durch die Arterie ſo vollkommen gelingt, daß ſelbſt Gefäße, deren Durchmeſſer nur dem vierten Theil eines Blutkörperchens entſpricht, gefüllt werden, während das eigentlich venöſe Element, obſchon ſehr reich— lich vorhanden, hier erſt da recht ſichtbar wird, wo es das eigenthümliche Gewebe (das Markgewebe) verläßt; von da ab iſt das Verhältniß der kleinen Venen zu den kleinen Arterien ſchon in den Ganglien und Neroen = 1:1, in der pia mater und im Neurilem dagegen S 2 oder 3:1. In denjenigen Organen, welche der Verdauung und Chylus— Bereitung dienen, bilden dagegen die venöſen und lymphati— ſchen Elemente das ganze Functionscapillarnetz; das arterielle Element erreicht da, wo das dem Organ eigenthümliche Gewebe beginnt, ſeine Endſchaft; was ſich beſonders ſchön an der Gaſtrointeſtinal-Schleimhaut nachweiſen läßt. Zwi— ſchen dieſe beiden Extreme reihen ſich alle Organe, Muskeln, Häute, Drüfen u. ſ. w. nach dem relativen Übergewichte des arteriellen oder venös-lymphatiſchen Elements, das ſeinerſeits wieder mit einem Übergewichte der Cerebroſpinal— Nerven oder der Eingeweidenerven in Verbindung ſteht. 6) Die große Capaeitätsungleichheit zwiſchen beiden Circulationsapparaten erklärt ſich aus der Verſchiedenheit ihrer Functionen; die Arterien beſitzen nämlich nur ein einziges Functionsgewebe, in welchem fie als Capillaren endigen, während die Venen und Lymphgefäße ihre Capil⸗ laren über alle übrigen Gewebe ausbreiten. Das arterielle Capillarſyſtem, einem viel directeren Einfluſſe des Cerebro= ſpinal⸗Nerven unterworfen, ſcheint, indem es mit dem 184. IX. 8. 118 rothen Blute allen Geweben die zu ihrer Ernährung und Verarbeitung nöthigen Stoffe zuführt, gleichzeitig durch ſeine Functionscapillaren in der Nervenmaſſe als Erreger der höchſten Funetionen, nämlich des Seelenlebens, des Gefühls und des tberiſchen Lebens, zu wirken, wogegen das venöſe und lymphatiſche Gefäßſyſtem unter dem Einfluſſe der Eingeweidenerven in ſeinen Functionscapillaren chemiſchen Zwecken dient; das letztere Gefäßſyſtem iſt demnach das Hauptagens der Ernährung, Seeretion und Säftebereitung, mit einem Worte das Agens aller chemiſchen Thätigkeiten im ganzen Organismus. ö 7) Die Phyſiologie findet in dem großen Reichthume an Functionscapillarſyſtemen eine Erklärung für die theil— weile Unabhängigkeit (demi-dependence) der Capillarcircu— lation von der allgemeinen Circulation, wofür die Ohn— machten Beiſpiele geben; andrerſeits zeigen ſowohl die un— unterbrochenen Anaſtomoſen der venös-lymphatiſchen Capil- larnege als der überall im ganzen Umkreiſe des Organs, und zwiſchen benachbarten Organen hervorgehenden kleinen Venen, die immer näher an einander rücken, eine endloſe über den ganzen Organismus ausgedehnte, durch Injection nachweisbare Kette, durch welche ſich die große Schnellig— keit der Abſorptionserſcheinungen, wie der raſche Übergang gewiſſer Stoffe von einem Theile des Körpers in den ans dern, Schon ohne Hülfe der Saupteireulation erklärt. Für die Pathologie wird das arterielle Syſtem bei nervöſen Congeſtionen, bei fieberfreiem Wahnſinn (vesanie) und beim Nervenfieber, bei welchen Übeln keine Desorganiſation Störungen im chemiſchen Proceſſe nachweiſ't, ſehr wichtig, wogegen das venös-lymphatiſche Syſtem bei bösartigen Ge— ſchwülſten, bei der Seeretion und Reſorption unreiner Säfte, überhaupt bei allen Anſteckungen durch Reſorption, die ſämmtlich den Charakter chemiſcher Veränderungen der Säfte an ſich tragen, wohl zu beachten iſt. Über den Morgengeſang einiger Tagvögel. Von Dureau de la Malle. Des Verf. Beobachtungen beſchränken ſich auf 8 Sing— vögelarten; ſie wurden vom 1. Mai bis zum 6. Juli 1846 im Garten ſeines Hauſes zu Paris, vom 7. bis 23. Juli desſelben Jahres aber auf ſeinem Landgute bei Mortagne, im Departement de l’Orne, angeſtellt. Die kleinen Sänger ſtimmten ihren Morgengeſang in folgender Weiſe an: Der Buchfinke ließ ſich zuerſt, um 1 oder 1½ nach Mitternacht hören, die Grasmücke 2 Uhr, die Wachtel um 2½ bis 3 Uhr, die ſchwarze Amſel um 3½ bis 4 Uhr, ; das Rothſchwänzchen (rossignol de murailles) um 3 bis 3½ Uhr, 2 pouliot) um 4 Uhr, der Hausſperling um 5 bis 5½ Uhr und die Kohlmeiſe ebenfalls um 5 bis 5½ Uhr Morgens. 8 * XXI. mit ſchwarzem Kopfe erwachte um 119 Der Verf. hat ſich feit 30 Jahren daran gewöhnt, im Sommer um 7 Uhr Abends ſchlafen zu gehen und um Mitternacht aufzuſtehen; ſein Arbeitszimmer liegt nach dem Garten hinaus, die Fenſter desſelben blieben im Mai und Juni 1846 beſtändig geöffnet, er hegte überdies die Vögel feines Gartens, ſchützte fie vor Katzen und ſonſtigem Un— gemach, ſorgte dafür, daß ihre Neſter ungeſtört blieben und konnte, indem er dieſelben häufig unterſuchte, ſich über das Vorhandenſein von Eiern oder Jungen in denſelben Auskunft geben. Am 4. Juni ſtimmte die Grasmücke und Amſel ſchon um 2½ Uhr nach Mitternacht ihr Morgenlied an; verwun— dert über dieſe bisher nicht vorgekommene Ausnahmen, unter— ſuchte der Verf. das Neſt beider Vögel; ihre Jungen waren aus dem Ei gekommen, der Verf. glaubte in dem früh— zeitigen Geſange einen Ausbruch älterlicher Freude zu ver— nehmen, fand aber bald eine andere Urſache; Sorge für die Nahrung ihrer nunmehr vergrößerten Familie kürzte den Schlaf ihrer Eltern um 1½ Stunden; der Verf. ſah beim hellen Mondenſchein, wie ſowohl Männchen als Weibchen anfing nach Inſecten zu ſuchten, um ſie als Futter für ihre Familie ins Neſt zu tragen. Am 26. Juni ſangen ſchon um 2 Uhr Morgens alle Wachteln um ihn her; der Verf. glaubt ihr frühes Er— wachen, 2 Stunden vor Sonnenaufgang, aus derſelben Sorge für die Nahrung ihrer Jungen erklären zu müſſen, konnte ſich indes auf ſeinem Landgute nicht ſo directe Be— weiſe für ſeine Vermuthung wie in ſeinem Garten zu Paris verſchaffen. Am 11. Juni war der Verf. nach ſeiner Gewohnheit um Mitternacht aufgeſtanden; ſeine Lampe erhellte beim offenen Fenſter einen Acacienbaum, in welchem eine Gras— mücke niſtete; um 12½ Uhr ertönte der Geſang des Vogels, verſtummte indes nach einer halben Stunde wieder; nicht Sorge für Nahrung erweckte das Thierchen, die Eier im Neſte hatten die Jungen noch nicht entlaſſen, das Licht der Lampe mußte die kleine Sängerin anfänglich getäuſcht haben. Der Portier des Verf. beſaß eine Amſel, deren Käfig am Tage nahe dem Fenſter der Bibliothek in den Hof ge— ſtellt, Abends jedoch in einem Zimmer mit einem dunklen Kaſten bedeckt ward; am 8. Juni war die Amſel im Hofe vergeſſen worden. Um 12½ Uhr Nachts erweckte der Ge— (III.) über die Gefahren der Atheriſation. Von Prof. Bouiſſon zu Montpellier. Als Schluß einer längeren Arbeit über den Gebrauch des Schwefeläthers und des Chloroforms giebt der Verf. ein Capitel über die mit der Atheriſation überhaupt ver— bundene Gefahr, welches wir hier folgen laſſen, da es nicht zu verkennen iſt, daß ſowohl im Intereſſe der Wiffen- ſchaft als in unabweislicher Berückſichtigung der Forderungen 184. IX. 8. 120 fang der durch das Lampenlicht aus der Bibliothek ge— täuſchten Amſel alle Hausbewohner, mit voller Kehle ſang ſie alle ihr gelehrten Melodien, während die wilden Amſeln ſie nach ihrer Weiſe zu begleiten ſich bemühten; das Concert dauerte von 12½ Uhr Nachts bis 7 Uhr Morgens; nicht der Schein der Lampe konnte hier die Amſeln, die weiter in der Tiefe des Gartens niſteten, erweckt haben, der Ge— ſang der getäuſchten Sängerin des Käfiges mußte ſie erweckt haben. Die wilde Amſel behält, wenn ſie erwachſen iſt, ihre urſprüngliche Art zu ſingen, ſie iſt nicht mehr gelehrig. Im Garten des Verf. befand ſich ein ſolches Paar, das nach einander dort drei Generationen erzeugt hatte, die alle mit einander ein einziges Neſt in einer Linde bewohnten. Als letzteres 15 erwachſene Vögel beherbergte, mußte es der ganzen Familie zu enge ſein, die Umgegend ihnen zu wenig Nahrung gewähren, die jungen Schützlinge des Verf. ver— ließen den Garten; vom 10. März bis zur Mitte des Juni harrte der Verf. mit Sehnſucht auf ihre Zurückkunft; end— lich hörte er am 18. und 20. Juni um 4 Uhr Morgens die beiden erſten Strophen der Melodie eines Volksliedes pfeifen: die wilden Sänger waren zurückgekehrt, ſie pfiffen die Melodie, welche ſie in ihrer Jugend tagtäglich von der gefangenen und abgerichteten Amſel gehört hatten. Miſcellen. 16. Die Leber enthält nach Cl. Bernard und Ch. Bar⸗ res wil beträchtliche Mengen Zucker. — Es gelang ge: nannten Herren zwar noch nicht, dieſen Zucker rein darzuſtellen, wohl aber erhielten ſie aus ihm durch Gährung Alkohol. In keinem anderen Organe findet ſich jemals im normalen Zuſtande des Kör⸗ pers Zucker; in der Leber fehlt er dagegen niemals, ſelbſt wenn den Thieren alle zucker- und mehlhaltigen Nahrungsmittel entzogen und ſelbige nur mit Fleiſch gefüttert werden; ſeine Bildung muß demnach auf einem phyſiologiſchen, von der Art des Nahrungsmit⸗ tels unabhängigen Proceſſe beruhen. Die Verf, verſprechen ihre Beobachtungen weiter zu verfolgen. (Comptes rendus, No. 20, 13. Novembre 1848.) 17. Die Kartoffelkrankheit zeigte ſich auf einem Lande, das mit Dünger, welcher ſchwefelſaures Eiſenorydul enthielt, ge⸗ düngt war, nicht, während die übrigen in gewöhnlicher Weiſe be= handelten Felder zu Poir im Marnedepartement, beſonders wenn fie mehrmals hinter einander Kartoffeln trugen, viel von der Krank⸗ heit litten. Der Berichterſtatter (Bouquet) glaubt, daß der Mangel ſchwefelſaurer Salze im Boden die Haupturſache der Kar: toffelkrankheit ſei. (Comptes rendus, No. 20, 13. Nov. 1848.) der Menſchlichkeit eine Aufklärung über dieſen Punkt im höchſten Grade von Wichtigkeit iſt. „Es iſt ſehr nützlich, ſich über die Nachtheile und Ge— fahren der Anwendung der Mittel zur Aufhebung des Ge— fühlsvermögens nicht zu täuſchen: ſind nämlich die Gefahren wirklich vorhanden, ſo wäre es nächſte Aufgabe der Kunſt, alle Mittel dagegen anzuwenden, und erwieſen ſich dieſe erfolglos, ſo würde die Anwendung jener Agentien um ſo mehr zu fürchten ſein, als ſie unter dem Scheine einer 121 r Wohlthat uns dargeboten find. Ich (der Verf.) glaube für meinen Theil, daß die Mittel zur Anäſtheſie für immer in der chirurgiſchen Praris aufgenommen werden müſſen, und daß die Vortheile, die Dienſte, die ſie davon erlangt, ſo klar und ſo bedeutend ſind, daß ihre Annahme ganz unerläßlich iſt. Weder der Ather noch das Chloroform können mit den mannigfachen Mitteln zuſammengeworfen werden, die nach einer vorübergehenden Mode ſpäter nur noch eine hiſto— riſche Bedeutung haben. Sie ſind bereits allgemein einge— führt, und wenn der tägliche Gebrauch derſelben auch einige Gefahren nachgewieſen haben ſollte, ſo kann dieſe unange— nehme Entdeckung doch nicht wichtig genug ſein, um ihre Beibehaltung oder gänzliche Verwerfung in Frage bringen zu können. Wir können nur nach den Urſachen dieſer Gefahren forſchen, um ſie zu vermeiden oder zu neutraliſiren. Zunächſt iſt daher zu erforſchen, ob die Gefahren nur einem der Mittel oder aber beiden in gleichem Maße eigen ſeien. Das Material zu einer ſolchen Parallele liegt vor, und zwar in einer Weiſe, daß es dadurch einen ganz be— ſonderen Werth erlangt. Es ſind jetzt zwei Jahre her, daß man anäſthetiſche Mittel in die Praxis eingeführt hat, und es hat im 1. Jahre ausſchließlich der Schwefeläther, im 2. vorzugsweiſe das Chloroform Anwendung gefunden. Nimmt man nun an, daß in jedem Jahre ziemlich dieſelbe Anzahl Operationen unter Beihülfe der Anäſtheſie gemacht worden ſind, ſo kann man ſchon danach und nach den in dieſer Zeit vorgekommenen und ihnen zur Laſt gelegten Todesfällen die verhältnißmäßige Gefährlichkeit des einen und des ande— ren Mittels ermeſſen. — Dieſe Zählungsweiſe hat indes keinen beſonderen Werth, weil die Zahl der beobachteten ſchlimmen Fälle verhältnißmäßig ſo äußerſt gering iſt, daß eine ſtatiſtiſche Berechnung danach kaum zuläſſig iſt. Im— merhin iſt aber dieſe Betrachtungsweiſe ein Element zur Be— urtheilung, und deswegen iſt es zu bedauern, daß Hr. Malgaigne bei ſeiner Beurtheilung dieſes Element nicht berückſichtigt hat; und wenn Hr. Velpeau in der Dis— 184. IX. 8. 122 euffton über dieſen Gegenſtand vor der Akademie behauptet, daß die Zufälle, welche man dem Chloroform Schuld giebt, eben ſo dem Ather zur Laſt fallen, ſo hätte er ſich über— zeugen können, daß der Nekrolog bezüglich des letzteren weit weniger belaſtet iſt als der des anderen anäſthetiſchen Mittels. Eine Vergleichung hätte überdies nachgewieſen, daß die Todesfälle nach Ather nicht allein weit weniger zahlreich, ſondern auch in anderer Beziehung weniger be⸗ denklich (wenn man fo ſagen darf) find als die in Folge des Gebrauches des Chloroforms. Um eine Parallele von practiſchem Werthe ziehen zu können, ſcheint es nöthig, die tödtlichen Fälle, welche man den anäſthetiſchen Mitteln zur Laſt legt, auf die zu beſchrän— ken, in denen der Tod während ihrer Anwendung oder kurze Zeit darnach eingetreten iſt, damit man der Beziehung von Urſache und Wirkung beſſer nachkommen könne. Des⸗ wegen wollen wir von der nachfolgenden Überſicht die Fälle ausſchließen, in denen der Tod mehr als 48 Stunden nach der Einathmung erfolgt iſt, weil ein ſolcher Zwiſchen— raum hinreicht, um noch andere Todesurſachen theils aus der chirurgiſchen Operation, theils aus irgend anderen Urſachen noch herzuleiten, ſo daß der Antheil der anäſthetiſchen Mit— tel an dem üblen Ausgange dadurch ganz problematiſch wird. So namentlich ſcheint es mir ganz ungerecht, dem Chloroform Todesfälle anzurechnen, welche 6—7 Tage nach Anwendung des Mittels erſt erfolgt find, ac. ꝛc. Der Zeitraum, den ich aufſtelle, iſt mehr als genügend, um die Sicherheit zu geben, welche die Wiſſenſchaft bei einer ſolchen Unterſuchung wohl verlangen darf. A. Die Todesfälle nach dem Gebrauche des Schwefel— äthers ſind nicht zahlreich, obwohl ſie ſowohl von der Gazette des höpitaux als von der London Medical Gazette, welche beide bekanntlich die Entdeckung der anäſthetiſchen Einathmungen nur mit dem größten Mißtrauen aufgenom— men haben, auf das pünktlichſte regiſtrirt worden ſind. Fälle und Namen der Chirurgen. Name des Kranken und ſein Zuſtand. Dauer der Atheriſation und Art der Operation Zeitpunkt und Art des Todes. Erſter Fall von Hrn. Roger Nu a. Thomas Herbert, 52 Jahr alt, mager, kleinmüthig, mit Vorgefühl des Todes. Anne Parkinſon, 21 Jahr Zweiter Fall von Hrn. Robbs. g alt, von zarter Geſundheit. Dritter Fall in the Medical Press of Dublin von Hrn. Newman. Albin Burfitt, 11 Jahr alt, ſehr geſchwächt durch einen Uns glücksfall, wobei beide Schenkel gebrochen waren, mit beträcht— licher Zerreißung der Weich— theile. Wird 10 Minuten lang ätheri- | Tod 50 Stunden nach der Oper ſirt und dann dem Stein— ration. ſchnitte unterworfen; ſtarke Blutung. Zwei Probeeinathmungen. Ein- | Beträchtliches Zuſammenſinken athmung 10 Minuten lang vor der Abtragung einer enor— men Krebsgeſchwulſt d. Schen— kels. Langdauernde Operation. Athereinathmung von 4 Minuten und wiederholt von 3 Minus ten. Amputation des linken Oberſchenkels. der Kräfte; Tod 40 Minuten nach der Operation. Erſchöpfung; Delirien; Ohn⸗ macht; Tod 3 Stunden nach der Operation. Vierter Fall von Hrn. Noel zu Madrid. Fünfter Fall, im Hötel- Dieu zu Auxerre beobachtet. Dolores Lopez, 50 Jahre alt, von ſehr ſchwacher Conſtitu⸗ tion, an Trunkenheit gewöhnt, ſchon lange krank. Ein baieriſcher Arbeiter, 55 Jahr alt, welcher an Krebs der linken Bruſt litt. Probe-Atheriſation; — nach einer halbſtündigen Einath⸗ mung Abtragung einer kreb⸗ ſigen Bruſtgeſchwulſt, welche 37½¼% Pfund wog. Athereinathmung von 10 Minu: ten mit dem Charriereſchen Apparat. Kaltwerden; dann stupor; der Tod erfolgt 7 Stunden nach der Operation. Tod unmittelbar beim Beginne der Operation; mit den unverkenn⸗ baren Zeichen der Aſphyrie. 123 Dies find Die Todesfälle, welche man der Anwendung der Athereinathmungen Schuld gegeben hat, und welche meiner Anſicht nach angeführt werden können, — nicht, weil fie an und für ſich den Beweis in ſich trügen, daß bei ihnen der Tod durch die Athereinathmung bewirkt war, ſondern nur, weil dies wenigſtens den Anſchein hat, und überhaupt, weil zwiſchen der Atheriſation und dem Tode nicht viel Zeit verſtrichen war. Wir können dabei nicht überſehen, daß man auch noch andere Beiſpiele von der nachtheiligen Wirkung des Athers angeführt hat, ſo z. B. Fälle im Spitale des Hrn. Jo⸗ bert, in dem Spitaldienſte des Hrn. Giraldes und ei— nige erſt nach 3 Tagen eingetretene Todesfälle. Aber wenn ſchon bei den oben angeführten Fällen Zweifel über den Cauſalnerus zwiſchen der Atheriſation und dem erfolgten Tode zuläſſig waren, ſo iſt dies in weit höherem Grade möglich bei dieſen letztern. Iſt es z. B. zu rechtfertigen, auf Rechnung der Atheriſation einen Todesfall zu bringen bei einem Kranken, bei dem ſich der tetanus bereits voll— ſtändig ausgebildet hat und den Hr. Rour mittels der Atheriſation behandeln ließ? Darf man einen Fall von Hrn. Piedagnet nur anführen, wo der Kranke 14 Tage nach der Atheriſation ſtarb, oder den Fall, wo Hr. Richet während des Atheriſationsſchlafes einen Oberarm exarticulirte und der Kranke 14 Tage danach ſtarb? Dieſe Fälle, ſo— wie einige andere, welche Hr. Lach in ſeiner Inaugural— diſſertation zu Paris aufgeführt hat, ſind offenbar ganz außer Frage. Man muß offenbar eine Kritik zulaſſen. Man wird übrigens zugeben müſſen, daß wir bei der Aufnahme der Fälle in obiger Tabelle in der That nicht zu ſtreng verfahren ſind, und daß die Fälle, welche als die am meiſten feſtſtehenden und als die beweiſendſten angeführt ſind, in der That gar noch nicht über alle Zweifel erhaben daſtehen. Im erſten Falle handelt es ſich um einen Stein— ſchnitt bei einem bereits erſchöpften Menſchen, — wie oft hat man nicht nach derſelben Operation ſelbſt in viel kür— zerer Zeit den Tod durch nervöſe Erſchöpfung ohne Atheri— ſation eintreten ſehen! Der zweite Fall der Anne Par— kinſon ſchien durch beſondere Umſtände mehr Beweiskraft zu beſitzen; der Fall kam vor einen Gerichtshof, einige (durchaus incompetente) Geſchworene ſprachen das Schuldig 184. IX. 8. ‘ 124 über den Ather, — aber ein medieiniſches Urtheil, welches den Schwächezuſtand der Kranken, die Länge der Operation und die nachfolgenden Symptome berückſichtigen würde, könnte ein ſolches Urtheil nicht beſtätigen. Beim dritten Falle, ei— nem Bruch beider Oberſchenkelbeine mit bedeutender Zerreis ßung der Weichtheile, giebt die Überzeugung, daß die durch ſolche Verletzungen bedingte Erſchütterung des Nervenſyſtems als Todesurſache eine weit größere Wichtigkeit habe, als die noch hinzugekommene Atheriſation. Dasſelbe gilt vom vier— ten Falle, Operation einer enormen Geſchwulſt bei einer ſchon ſehr geſchwächten Frau, bei welcher allerdings die Probe-Atheriſation von ½ Stunde die ſchon vorher be— ſtehende Krankheitsſchwäche noch vermehrt haben möchte, ohne deswegen jedoch die weſentliche Todesurſache zu werden. Es bleibt daher nur der fünfte Fall, bei welchem offenbar eine Aſphyrie mit den Athereinathmungen ſich verband, als ein— ziger Beweis für die tödtliche Wirkung des Athers. Aber — ohne hervorzuheben, daß die Mittheilung überhaupt ſehr unvollſtändig ſei, iſt man doch berechtigt, etwas von der tödtlichen Einwirkung in dieſem Falle wieder abzuziehen, da der Berichterſtatter nicht den mindeſten therapeutiſchen Ver— ſuch zur Bekämpfung der Aſphyrie anführt. Alſo — wenn man die aufgeführten Fälle etwas ſtrenger analyfirt, jo kömmt man faſt nothgedrungen dahin, die für den Ather nachthei— ligen Folgerungen zu beſchränken, während ohnehin ſchon die ſo geringe Zahl der Fälle, der unermeßlichen Anzahl von Fällen, die die Unſchädlichkeit beweiſen, gegenüber ganz winzig erſcheint; — es muß dadurch die Überzeugung entſtehen, daß man — vorausgeſetzt, daß man überhaupt die erforderlichen Vorſichtsmaßregeln anwendet, ohne alles Mißtrauen zu der Anäſtheſtrung durch Ather ſeine Zuflucht nehmen dürfe. Unterſuchen wir nun, ob dieſelbe Sicherheit von der Anzahl und dem Charakter der unglücklichen Fälle nach Anwendung des Chloroforms abgeleitet werden könne. B. Todesfälle bei ſolchen, die behufs chirurgiſcher Oper rationen chloroformiſirt worden find, wurden ebenſo wie die vorhergehenden in Frankreich und England beobachtet und bekannt gemacht. Auch dieſe ſtellen wir in einer kurzen Tabelle zuſammen, welche die Vergleichung erleichtert. Fall und Name des Arztes. Name und Zuſtand des Kranken. Erſter Fall von Hrn. Meggiſ- Hannah Greener, 15 Jahralt, ſon. große Angſt vor der Einath⸗ mung des Chloroforms. Zweiter Fall von Hrn. Bear | Ms. Simmons, 35 Jahr alt, fon. von guter Gefundheit, obwohl nervös; reichliche Mahlzeit und ein etwas weiter Marſch vor der Operation. Eine junge Frau, welche eine Verletzung des linken Mittel: fingers erlitten hatte. Dritter Fall, mitgetheilt von Ben Wundarzte zu Hyder⸗ abad. Dauer der Atheriſation und Art der Operation. Zeitpunkt und Art des Todes. Tod auf der Stelle, trotz der angewendeten Hülfsmittel. Einathmen des Chloroforms, welches auf ein Schnupftuch gegoſſen war; Unempfindlich— keit nach ½ Minute; Beginn einer Erſtirpation eines Nagels. Chloroformirung während weni⸗ ger Augenblicke, worauf einige Zahnſtifte ausgezogen werden. Tod 2 Minuten nach Beginn der Einathmung. Einathmung einer Drachme Chlo— forms, das auf ein Schnupf⸗ tuch gegoſſen war, Beginn der Amputation des Fingers. Plötzlicher Tod in demſelben Au⸗ genblick. 125 184. IX. 8. ee 0 — — 126 Fall und Name des Arztes. Vierter Fall von Hrn. Robin⸗ ſon, Zahnarzt. Fünfter Fall von Hrn. Gorre zu Boulogne ſur Mer. Sechster Fall von Hrn. Ro⸗ bert. Siebenter Fall von Hrn. Mal⸗ gaigne. Achter Fall im Hötel-Dieu zu Lyon. Neunter Fall im Hötel-Dieu zu Paris auf der Abtheilung des Hrn. Roux. Zehnter Fall, von Hrn. J. Gu é⸗ rin als im Bicetre Septbr. Name und Zuſtand des Kranken. Walter Badger, 23 Jahr alt, an einer Herzkrankheit und Le⸗ berhypertrophie leidend. Mille. Stock, 30 Jahr alt, Herzklopfen und Bleichſucht; fie litt an einem confecutiven Absceß in Folge einer ober— flächlichen Verwundung am Schenkel. Daniel Schlyg, 24 Jahr alt; es war ihm in den Junitagen der Schenkelknochen durch eine Flintenkugel zerſchmettert wor— den; große pſychiſche und mo⸗ raliſche Niedergeſchlagenheit. War im Juni verwundet; es war ihm der Oberarmkopf durch eine Kugel zerſchmettert; Schwäche in Folge des Blutverluſtes, Brand der Wunde. Charles Desnoyers, 22 Jahr alt, ferophulös, leidet an tu- mor albus des linken Hand⸗ gelenkes. Eine Frau mit Bruſtkrebs. Ein Mann mit einer Verletzung am Schenkel. Dauer der Atherlſation und Art der Operation. Chloroformirung mit einem Ap- parate 1 Minute lang; der Operateur entfernt ſich / Mi⸗ nuten, um die Chloroformfla⸗ ſche zu holen. Einathmung von Chloroform nicht ganz eine Minute lang; dieſe Zeit genügte, um bedenk⸗ liche Symptome hervorzurufen, während deren Dauer der Abs— ceß aufgeſchnitten wurde. 3—4 Minuten lang Einathmung von Chloroform; Erarticula— tion des Oberſchenkels; wäh— rend der Operation nochmalige Einathmung. Chloroformirung; Grarticula= tion im Schultergelenk; neue Einathmung, um die Kugel aufzuſuchen. Chloroformirung mit einem Ap⸗ parate 5 Minuten lang; Cau⸗ teriſation durch das Gelenk hindurch. Chloroformirung und Amputa⸗ tion der Bruſt. Chloroformirung; Grarticula= tion im Hüftgelenk. Zeitpunkt und Art des Todes. Walter Badger ſtarb während der Abweſenheit des Opera- teurs, der vergebens verſchie⸗ dene Belebungsmittel anwen⸗ dete. Tod in demſelben Augenblick. Tod während der Operation. Tod während der letzten Schnitte. Tod bei beginnender Operation. Tod noch ehe die Kranke aus dem Operationsſaale gebracht iſt. Tod vor Beendigung der Oper ration. ; 1848 vorgekommen angeführt. Vergleicht man die in den beiden Tabellen zuſammen⸗ geſtellten Thatſachen, ſo ſieht man, daß man nicht bloß aus dem Zahlenergebniß ableiten darf, daß das Chloroform ge— fährlicher iſt als der Schwefeläther. Überdies haben wir in der erſten Tabelle mehrere Todesfälle, die man dem Ather zuſchrieb, aufgenommen, die ſich recht wohl hätten zurück— werfen laſſen, während wir der Reihe der Todesfälle durch Chloroform noch mehrere Fälle von plötzlichem Tod nach der Einathmung des Chloroforms hätten beifügen können, die nicht in die Reihe der chirurgiſchen Operationen gehö— ren. Wir haben aber mit gleicher Sorgfalt die Fälle von nur conſecutivem Tode ausgeſchieden. Der Zahlenunterſchied zwiſchen den durch Ather und durch Chloroform bedingten Todesfällen ſteht an Wichtigkeit einem anderen Unterſchiede nach, welcher ſich durch Vergleichung der beiden Tabellen von ſelbſt ergiebt. Dieſer Unterſchied gründet ſich auf die Plötzlich— keit der tödtlichen Wirkung. Wir haben darauf aufmerk— ſam gemacht, daß nach Athereinathmungen der Tod immer erſt mehrere Stunden, ja Tage darnach eintrat, ein einziges Mal nur erfolgte der Tod ſogleich und zwar unter Erſchei— nungen, welche an Aſphyrie oder dem Erſtickungstode nicht zweifeln ließen. Nach Chloroformeinathmungen aber iſt der Tod mit einer verzweiflungsvollen Schnelligkeit einge— treten: zwei Minuten genügten, um das Leben zu enden. Und — es iſt nicht eine aſphyrirende Complication, welche dieſes Reſultat herbeigeführt hat; — nein, es liegt gar nicht ein Mal in der Natur der Aſphyrie, dem Leben ſo mit einem Schlage ein Ende zu machen; überdies ſprachen auch die von den Operateuren bemerkten Symptome nicht dafür. Nur durch eine unmittelbare giftige Einwirkung des Chlbroforms kann man ein ſo plötzliches Ende, wie es nach dem Choroformathmen beobachtet worden iſt, erklären. So rechtfertigen ſich die Vorwürfe, welche dem Chloroform von den Anhängern des Athers gemacht worden ſind. Die Lobpreiſer des Chloroforms haben die ganze Wichtigkeit dieſes Vorwurfs eingeſehen und ihn zu ſchwächen geſucht. So hat Malgaigne bei der akademiſchen Die: cufſion die üblen Wirkungen ignoriren, er hat nur drei Todesfälle anerkennen wollen. Dies iſt vergeblich. Zur Milderung des Urtheils kann man nur zugeſtehen, daß die nach Chloroformeinathmung geſtorbenen Perſonen ſchon früher ſehr geſchwächt, alſo der Anäfthefie mehr unter— worfen waren; die Patienten, bei denen der Schenkel und der Oberarm erarticulivt wurden, waren in einem Zuſtande äußerſter Schwäche; ein anderer zeigte die Symptome der ſerophulöſen Kacherie; der Operirte zu Boulogne war chlo— rotiſch und hatte noch dazu Blutverluſt gehabt; H. Greener war im Zuſtande größter Furcht, und Ms. Simmons hatte ſehr ſtark gegeſſen und einen ſehr weiten Weg zurück⸗ gelegt, bevor es zur Anwendung des Chloroforms kam, jc. c. Wenn man alſo die Gefahr des Chloroforms nicht 127 leugnen kann, fo zeigen dieſe Fälle, welche Zuſtände die Gefahr beſonders herbeiführen. Der Ather übt aber ſelbſt bei dieſen Zuſtänden nicht eine ſo zerſtörende Kraft wie das Chloroform. Hiernach wird man alſo durch den voraus— gehenden Zuſtand des Kranken ſich in Betreff der Indication und Contraindiaction für Ather oder Chloroform leiten laſ— ſen müſſen. Ganz für das Chloroform ſind Simpſon und die meiſten Pariſer Chirurgen; ganz für den Schwefeläther Petrequin und Rodet zu Lyon und Cantu zu Turin, ſo wie Herr Diday. Eklektiſch verfahren außer dem Verf. dieſes Aufſatzes die Hrn. Guérin und Sedillot. Die bezüglichen Indicationen der beiden Subſtanzen, welche für die Fälle, wo die Anwendung der Anäſtheſie be— ſchloſſen iſt, den Vorzug verdienen, ſind nun endlich folgende: 1) Das Chloroform bietet ſich mit allen ſeinen Vor— zügen, wenn die Anäſtheſie angewendet werden ſoll, bei Perſonen von guter Conſtitution ohne Anlage zu Herz- und Lungenleiden, welche zu Aſphyrie disponiren könnten. Der Schwefeläther verdient dagegen den Vorzug, wenn die Patienten durch frühere Krankheiten, Blutverlüſte, lange Eiterungen, Faſten, Übermaß körperlicher oder pfpchiſcher Leiden ſehr geſchwächt ſind. 2) Das Chloroform verdient den Vorzug bei kurz— dauernden Operationen, wo eine Wiederholung der Anäſthe— ſirung nicht wahrſcheinlich iſt; — der Ather paßt dage— gen bei langdauernden ſchweren Operationen, bei denen die Anäſtheſirung längere Zeit unterhalten werden muß. 3) Wir ſtellen die Indication des Athers auch bei allen Fällen der erſten Kindheit oder hohen Alters, ſo wie bei nervöſen und beſonders hyſteriſchen Subjecten, bei denen das Chloroform beſonders gefährlich erſcheint. Nach dieſen Anſichten alſo iſt die Chloroformein— athmung als allgemeine anäſthetiſche Methode angenommen und die Athereinathmung für die Ausnahmen vorbehalten. Dieſe Ausnahmen ſind aber ſo häufig und wichtig, daß fie eine ernſte Beachtung ſehr verdienen. Man vergefje nicht, daß während der künſtlichen Anäſtheſie der Tod auf drei Arten erfolgen kann, durch Hemmung der nervöſen Ausſtrahlung, durch Aſphyrie und durch Ohnmacht. Da ſich nun dieſe drei bedenklichen disponirenden Zuſtände durch das Chloroform vermehren, ſo muß man auf das 184. IX. 8. 128 letztere jedes Mal verzichten, wo irgend eine conftitutionelle Dispoſition zu einem jener drei Zuſtände zu bemerken iſt. Krankheiten der Luftwege, Aſthma, Lungenemphyſem und chroniſche Katarrhe disponiren zur Aſphyrie; Krankheiten des Herzens und der großen Blutgefäße, Anämie, Erſchö— pfung durch bedeutende Verletzungen und Operationen dis— poniren zur Syncope; Neuroſen, überhaupt nervöſes Tempe— rament, große nervöſe Schwäche, wie bei manchen Frauen, ſehr jungen Kindern und kachektiſchen Greiſen, und endlich moraliſche Niedergeſchlagenheit disponiren zu dieſer anäſthe— tiſchen Nervenſtrahlung. Die Pflicht des Operateurs iſt es, die gefahrvollen Möglichkeiten im Auge zu behalten. In ſolchen Fällen erinnere man ſich, daß das Chloroform in ſeiner Wirkung über das Ziel hinaus geben kann; dann beſchränke man ſich auf den weniger energiſchen, aber auch weniger gefährlichen Schwefeläther. (Gazette Medicale 17. Fevr. 1849, Nr. 7). Miſcellen. (13) Ather, Aldehyd und Chloroform als ſchmerz⸗ ſtillendes Mittel während der Heilung von Wunden angewendet. — Jules Rour, Oberwundarzt der franzöſiſchen Marine, berichtet über ſeine Verſuche mit genannten Mitteln, nicht allein während der Operation, ſondern auch im Verlaufe der Hei— lung; in letzterem Falle war ihre Anwendung eine locale: er brachte ſie entweder mit einem Pinſel oder auf Charpie oder Schwamm, auch wohl in Dunſtform mit der Wunde in Berüh⸗ rung und ließ ſie 5, 10 bis 15 Minuten auf ſelbige einwirken. Die flüffige unmittelbare Anwendung auf die Wunde ſchien ihm die vorzüglichere zu ſein; er benutzte bisher nur die drei genannten Mittel und zwar mit erfreulichem Erfolg; ihre Anwendung iſt je doch noch zu neu und zu wenig erprobt, um ſie unbedingt empfeh— len zu können, wohl aber möchten ſie der Beachtung und des Ver⸗ fuches werth fein. (L’Institut, No. 778, 1848.) (14) Künſtliche Anäfthefie bei den Chineſen. Als ein die Schmerzloſigkeit bei chirurgiſchen Operationen ſicherndes Verfahren iſt nach einer Mittheilung des berühmten Kenners der chineſiſchen Sprache Stanislas Julien in der Akademie der Miffen- ſchaften zu Paris ſchon im 3. Jahrhundert eine Präparation des Hanfes angewendet worden. Nach dem Gebrauche dieſes Präpara— tes wurde der Kranke fogleich „ſo unempfindlich, als wenn er in der tiefſten Trunkenheit liege oder ganz leblos ſei.“ Nach der Be- ſchreibung wurden nun in dieſem Zuſtande die Operationen aus⸗ geführt und die Verbände angelegt und der Kranke wurde geheilt, ohne daß er den mindeſten Schmerz von der Operation gehabt hätte. (Sitzung vom 12. Febr.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Rudolf Kner, Lehrbuch der Zoologie zum Gebrauch für höhere Lehranſtalten. 484 S. 80. Wien 1819. In populärer Weiſe, doch ganz und gar den all gemeinen wiſſenſchaftlichen Standpunkt feſthaltend. E. Bryant, What I saw in California; a Description of its Soil, Climate, Productions and Gold Mines. (pp. 144.) London 1849. 1 sh. 6 d. M. Furaday, Experimental Researches in Electricity. 2. Edit. (pp. 582.) London 1849. 18 sh. P. H. Gosse, Popular British Ornithology; containing a familiar and techni- cal 11 een, of the Birds of the British Isles. (pp. 320.) London 1849. (Plain 7 sh., coloured 10 sh.) Vol I. 80. J. R. Jackson, Minerals and their Use, in a series of letters to a Lady. 17. (pp. 480.) London 1849. 7 sh. 6 d. T. H. Burgess, Eruptions of the face, head and hands, with the latest im- provements in the treatment of diseases of the skin. 8. (pp. „with coloured plates.) London 1849. 14 sh. W. I. Gairdner, Contributions to the pathology of the Kidney. 8e. (pp. 54. with woodeuts.) London 1849. 2 sh. 6 d. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 185. (Nr. 9. des IX. Bandes.) April 1849. Naturkunde. Nöggerath, über den Gagat. — Miſcellen. Keller, Urſache der haufigen Schiffbrüche. Ormancey, die Geſchlechtsorgane der Inſecten wichtig zur Claſſification. Cochinellezucht in Antigua. — Heilkunde. Pleiſchl, über die Bleiglaſur der Töpfergeſchirre. — Simpſon, über den Luftzieher als Erſatz für die Geburtszange. — Miſcellen. Erklarung der vermeintlichen Blutflecke auf mehligen Subſtanzen. Naſſe, der Spiro⸗ meter von Hutchinſon. Flourens, über das Nichterbrechen der Pferde. — Bibliographie. Naturkunde. XXIV. über den Gagat. Vor ein Paar Jahren ſind in Köln viele ſchöne aus Gagat geſchnittene größere römiſche Schmuckſachen iu zwei Todtenkiſten gefunden worden. Nach den Darſtellungen dar— an dürften die Perſonen, denen jener Trauerſchmuck in das Grab gegeben wurde, entweder Prieſter der Cybele oder Ein— geweihte in ihre Myſterien geweſen ſein. Styl und Aus— führung deuten auf das 4. Jahrhundert. Dieſe merkwürdi— gen römiſchen Anticaglien find von einer kunſtſinnigen Frau, S. Mertens Schaaffhauſen in Bonn, welche dieſelben be— ſitzt, für die „Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreun— den im Rheinlande XIII.“ genau beſchrieben und nach ihrer Bedeutung gewürdigt worden. Hr. Geh. Bergrath und Prof. Nöggerath hat einige mineralogiſche, techniſche und anti— quariſche Bemerkungen über den Gagat im allgemeinen hinzu— gefügt, welche wir nach einem uns zugegangenen Aushänge— bogen hier folgen laſſen. „Die merkwürdigen römiſchen Schmuckſachen, aus Gagat beſtehend, welche in dem vorſtehenden Aufſatze von einer kunſt— ſinnigen Frau genau beſchrieben und nach ihrer Bedeutung gewürdigt ſind, geben mir die angenehme Veranlaſſung, einige mineralogiſche, techniſche und antiquariſche Bemerkungen über jenen Stoff beizufügen. Unter dem Namen Gagat, franzöſiſch jayet, auch jais oder jai, engliſch gayet oder jet, von den deutſchen Mine— ralogen häufig Pechkohle genannt, auch unter dem Trivial namen ſchwarzer Bernſtein, begreift man gewiſſe mineraliſche Kohlen, welche dasjenige mit einander gemein haben, daß ſie dicht von einem vollkommen muſcheligen Bruche, ſammet⸗ oder pechſchwarz (in Frankreich iſt die Redensart gebräuchlich: „noir comme jais“) und fo feſt und wenig ſpröde find, daß ſie ſich ſchneiden, feilen und drechſeln laſſen ohne zu zer— No. 2165. — 1065. — 185. ſplittern oder leicht auszuſpringen und dann eine ſchöne Po— litur von einem ſtarken Fettglanze annehmen. Der Gagat iſt eine mit Erdharz (Bitumen) ſehr reichlich durchdrungene Braunkohle, welche im Innern noch zu— weilen die Spuren der Holztertur zu erkennen giebt, dieſe im Außern aber oft in der Geſtalt als Stamm- oder Aſt⸗ ſtücke zeigt. In dieſen Fällen iſt ſeine Entſtehung aus vor⸗ weltlichen Vegetabilien ſelbſt für das Auge außer allem Zwei— fel. Mancher Gagat iſt indes ſo homogen, daß von der vegetabiliſchen Textur ſich auch nicht mehr das mindeſte mehr nachweiſen läßt. Dies gilt insbeſondere von demjenigen Ga— gat, welcher in dünnen Schichten in den Gebirgsbildungen des Lias und des Grünſandes vorkömmt, und dieſer iſt es vorzüglich, welcher verarbeitet wird. Anderer findet ſich häu— figer in den Braunkohlengebilden des tertiären Gebirges; in dieſem iſt das Holzgefüge meiſt beſſer erhalten. Von letzterm dürfte wenig Anwendung zu Schmuckſachen oder zur Drechs— lerarbeit gemacht werden. In England wird aber auch eine eigentliche Steinkohle (Schwarzkohle), die Kännelkohle (cannel oder candle-coal), welche mit dem Gagat eine große Ahnlichkeit hat und häufig damit verwechſelt wird, nur etwas weniger intenſiv ſchwarz, nicht ſo ſtark glänzend und ſchwerer wie dieſer iſt, auch keine ſo vollkommen glänzende Politur annimmt, zu Vaſen, Trink- gefäßen, Tabatieren, Tintenfäſſern, Knöpfen u. ſ. w. gedreht und geſchliffen. Der Chor der Kirche zu Litchfield in der Grafſchaft Stafford iſt damit decorirt. Viele Theile der Kirche ſind mit Platten von dieſer Kohle bekleidet, welche mit Platten von weißem Marmor abwechſeln ). In früherer Zeit und noch gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts bildete die Verarbeitung des Gagats in Lan⸗ *) Brard, Mineralogie appliquee aux arts III. Paris 1821. P. 374. 151 gueboe im Departement der Aude ein bedeutendes Gewerbe. Der Gagat, welcher hier im Grünſandgebirge vorkömmt, wird zu Halsſchmuck, Ohrgehängen, Kreuzen, Roſenkränzen, Doſen, Knöpfen u. ſ. w. verarbeitet. Beſonders werden Gegenſtände daraus gefertigt, welche zum Trauerſchmuck' dienen. Die geringe Schwere, die ſchöne ſchwarze Farbe und der vortreffliche Glanz empfiehlt den Gagat für ſolche Arbeiten vorzüglich. Seitdem aber dieſe ſchwarzen Schmuck— gegenſtände ſehr aus der Mode gekommen ſind, hat jener Induſtriezweig bedeutend verloren. Er befindet ſich in den drei Gemeinden Sainte-Colombe, Payrat und Baſtide, an dem kleinen Fluſſe Lers, wo er ſich aber ſeit der erſten franzöſiſchen Revolution zum großen Theile in die Ver— arbeitung des Buchsbaumholzes zu Kämmen umgewandelt hat. Im Jahre 1786 waren in dieſen drei Gemeinden noch 1200 Arbeiter mit der Verfertigung von Gagatwaaren beſchäftigt, es wurden jährlich 1000 Centner Gagat ver— arbeitet. Man verkaufte nach Spanien allein für 180000 Livres Waare jedes Jahr, und daneben gingen noch be— deutende Sendungen nach Italien und der Levante. Nach Nachrichten aus dem Jahre 1821 ſoll indes der reine Er— trag der Fabrication des Gagats im Aude-Departement noch 35000 Franes betragen haben. Die Fabrication der Gagatwaaren beſteht hier ſeit undenklichen Zeiten, und es wäre nicht unmöglich, daß die römiſchen Anticaglien, welche die gegenwärtige Notiz her— vorgerufen haben, auch ſchon in dieſer Gegend gefertigt ſein könnten. Wenigſtens deutet das Ausſehen des Mate— rials derſelben nicht auf Gagat hin, welcher aus der ter— tiären Braunkohlenformation gewonnen iſt. Es wird aber auch Gagat in Galizien, in Aſturien, im Kloſter Gölette in Georgien und zu Nürtingen in Schwaben und an eini— gen anderen Orten noch jetzt verarbeitet. Die größte Meiſter— ſchaft darin beſteht gewiß in jener Gegend von Frankreich, beſonders im Poliren. Auch die mehrgedachten Anticaglien haben, ungeachtet der langen Zeit, welche ſie vergraben waren, noch eine ſchöne Politur. In dem Departement der Aude findet ſich der Gagat zu Montjardin bei Chalabre an dem Berge Commo-Escuro, dann in der Gemeinde Bugarach am Berge Cerbeiron. Ganze Stücke davon don 15 Pfund Gewicht ſind Selten— heiten, meiſt erhält man ihn nur in kleinen, koͤrnigen Stücken. Der Bergbau wird ſehr unregelmäßig betrieben; die ſehr alten Gruben ſollen faſt erſchöpft ſein. Daher be— zogen die Fabriken in Languedoc ſchon früher ſehr bedeu— tende Quantitäten unverarbeiteten Gagat aus Aragonien in Spanien. Dieſes Material ſoll beſſer ſein als dasjenige, welches ſich noch in Languedoe findet. In Spanien heißt der Gagat azabache. Zur Verarbeitung können nur Stücke gewählt werden, welche frei von Schwefelkies ſind, der nicht ſelten im Gagat vorkömmt. Nachdem die Stücke im groben in die erfor— derliche Form mit dem Meſſer und der Feile bearbeitet ſind, werden ſie gedrechſelt und geſchliffen. Im Departement der Aude verrichtet man dieſe Arbeit auf horizontal umlaufenden, vom Waſſer getriebenen Schleifſteinen von Sandſtein, welche 185. IX. 9. 132 nach ihrer Peripherie hin rauh behauen, in der Mitte aber eben ſind, ſo daß man die Stücke auf demſelben Steine ſchleifen und poliren kann. Bei dem Schleifen muß der Gagat häufig in Waſſer getaucht werden, damit er ſich nicht zu ſtark erhitze und ſpringe. Auch Tafeln und dünne Streifen zum Fourniren für die Tiſchler werden daraus geſägt. Nach Blum *) giebt man dem Gagat die Politur mit Tripel oder Eiſenſafran und Ol auf Leinwand oder Buffelleder, und dann mit Steinmehl. Den letzten Glanz bekommen die Gegenſtände mit demſelben Pulver, oder trocken mit dem Ballen der Hand. Ob dieſes aber genau die Weiſe des Polirens im Aude-Departement iſt, weiß ich nicht, indem die Schriftſteller, welche ſich über das dortige techniſche Verfahren ausſprechen **), die dortige Methode des Polirens gänzlich mit Stillſchweigen übergehen. Der alte Name Gagat iſt von Georg Agricola in ſeinem Werke de natura fossilium, deſſen Zueignungsſchrift an den Kurfürſten Moritz von Sachſen vom Jahre 1546 datirt, zuerſt in dem beſtimmten Sinne gebraucht worden, der dieſer Benennung gegenwärtig überall unterlegt wird und in welchem auch ich denſelben vorſtehend gebraucht habe. Agricola war bekanntlich der Vater der deutſchen Mineralogie im allgemeinen nach dem Wiederaufleben der Wiſſenſchaften. Er ſammelte zuerſt die Nachrichten der Alten über mineralogiſche Gegenſtände und ſuchte ſie zu deuten, indem er ſein eigenes, für die damalige Zeit ſehr umfaſſendes Wiſſen und ſeine reichen Erfahrungen dabei zu Hülfe nahm. Nachdem dieſer Schriftſteller in dem Ca— pitel ſeines genannten Werkes, welches im allgemeinen vom Bitumen (Erdharz) handelt, von den Steinkohlen geſprochen die er nicht von den Braunkohlen trennt und als ein foſ— files erdiges Bitumen anſieht, fährt er fort e): „Wenn dasſelbe Bitumen ſo feſt iſt, das man es poliren und ſchleifen kann, wird es Gagat genannt, nach dem Fluſſe Gaga in Lyeien, an deſſen Mündungen es ſich erzeugt, und der ſich, wie Dioseorides erzählt, nicht weit von Plagiopolis ins Meer ergießt.“ Er ſagt ferner 1): „Den Gagat, ſo nennt man, wie geſagt, eine Abänderung des Bitumens, den Gagat, z. E., rechneten die Alten zu den Steinen; auch die Deutſchen halten ihn für einen Stein. Denn ſein deut— ſcher Name Aidſtein oder Agdſtein iſt aus den beiden Wor— ten Gagat und Stein zuſammengeſetzt. Daß er zum ver⸗ härteten Bitumen gehöre, iſt aus der Beſchreibung desſelben leicht abzunehmen. Denn er iſt ſchwarz, tafelartig FL), ſehr leicht verbrennlich, von bituminöſem Geruche.“ Die Kritik über die eitirten Stellen der Alten, welche vom Gagat handeln, iſt im allgemeinen beim Agricola nicht gerade ſehr ſcharf und treffend: aber nach dem, was ich hier über desjenige, was er Gagat nennt, ausgehoben habe, *) Deſſen Handbuch der Edelſteinkunde. Stuttgart 1833. S. 313. **) Nämlich: Journal des mines. Vol. I. No. 4. S. 35 ff. Daraus im Auszuge im Neuen bergmänniſchen Journal von Köhler und Hofmann. II. S. 302 ff. und Brard, Mineralogie appliquee aux arts III. S. 372 f. 8) Nach der Überſetzung von G. Agrieola's mineralogiſchen Schriften von Ernſt Lehmann. III. Bd. Freiberg 1809. S. 211. +) A. a. O. S. 214. N ++) Der Gagat koͤmmt oft in plattenartiger Abſonderung oder in dünnen Schichten vor. 133 kann es auch nicht dem mindeſten Zweifel unterliegen, daß der Gagat des Agricola genau mit dem Gagat der heu— tigen Mineralogen zuſammenfällt, und daß alſo Agricola den Begriff des Namens eben ſo beſtimmt feſtgeſtellt hat, wie dieſes von ihm noch für viele andere Mineraliennamen geſchehen iſt, welche eine ganz durchgreifende Annahme bei den neueren gefunden haben. Fragen wir indes nach dem Urſprunge des Namens Gagat, und ob dasjenige, was die Alten mit dieſem Namen belegt haben, mit dem Gagat des Agricola, folglich mit dem unſerigen, identiſch ſei, ſo ergiebt die Kritik für die letzte Frage ein negatives Reſultat. Was nun den Namen betrifft, jo beruft ſich Agricola, wie erwähnt, auf Dios— corides, in welchem wir aufgezeichnet finden, daß der Gagates an einem Orte bei der Stadt Plagiopolis, welcher Gagas, wie der dabei ins Meer mündende Fluß heiße, erzeugt oder gefunden werden). Plinius Secundus **) ſagt hierüber noch beſtimmter, daß der Stein Gagat von ſeinem Fundorte, dem Fluſſe Gagas in Lyeien, den Namen führe. Galenus***) wiederholt, unter Beziehung auf Dioseorides, dieſelbe Ableitung des Namens Gagates, und fügt nur hinzu, daß er den Fluß Gagates (sic) an der Küſte von Lyeien nicht habe auffinden können. Strabo t) ſagt, wo er von Meſopotamien ſpricht, daß dieſes Land Naphtha und den Stein Gangites hervor— bringe, welcher die Schlangen verjage. Da Strabo hier von Naphtha und Gangitis zuſammen redet, ſo dürfte man daraus ſchon ſchließen, daß ſein Gangitis mit dem Gagates des Plinius und anderer dasſelbe geweſen ſei, indem nicht allein beide bituminöſe Subſtanzen find, ſondern auch von Plinius und anderen angeführt wird, daß der Rauch des Gagates die Schlangen verjage. Auch bei Nifanderrr), den Plinius nach ſeiner eigenen Angabe benutzt hat, und in den Scholien zu dieſem kömmt der durch die angegebenen Cha— raktere, als mit dem Gagates identiſch, genugſam erkennbare Stein unter dem Namen Gangitis vor. Die Scholien nen— nen auch die Stadt in Lyeien, wo ſich der Gangitis finden ſoll, Gangae. Hiernach bleibt es allerdings zweifelhaft, ob überhaupt Gagates oder Gangitis das Richtige ſei, oder ob man nach einer zweifachen Schreibart des Namens der Stadt beide Namen für richtig dürfe gelten laſſen, was aber für meinen Zweck von keiner belangvollen Bedeutung iſt. Beim Plinius kömmt indes auch noch an einer ganz anderen Steller) ein Gangites vor. Der römiſche Natur— hiſtoriker führt nämlich an, daß der Aetites, der von man— chen Gangites genannt würde, ſich in dem Neſte einiger Adlerarten finde. Daß hier nur eine abergläubiſche Mei— nung mitgetheilt wird, bedarf wohl keiner Ausführung. Von dem Steine Aetites ſpricht Plinius auch an zwei *) Dioscorides L. V. c. 146. **) Lib. XXXVI. 34. ***) De Fi. p. —— facult. L. IX. 17 L. XVI. +) Theriach, Ace 35. 7 44H) Lib. 185. IX. 9. 134 anderen Stellen *), jedoch ohne irgend weiter den Namen Gangites zu erwähnen. Er theilt noch manchen anderen Aberglauben darüber als thatſächliches mit, der ſich auch in ſpätere Schriftſteller fortgepflanzt hat und ſelbſt noch hin und wieder bei uns im Volke lebt. Der Aetites ſoll näm— lich gegen den abortus ſchützen; zwei ſolcher Steine, ein mäunlicher und ein weiblicher, fänden ſich immer zuſammen im Neſte der Adler, ohne welches ſie keine Jungen erzeugen könnten. Plinius erwähnt zugleich mehrere Orte, wo er ſich auf der Erde, namentlich in Flüſſen, finde. Aetites, Adlerſtein, Eiſenniere, iſt aber ein genau bekannter Eiſen— ſtein mit klapperndem loſem Kerne, wie ihn auch Plinius unter dem Beifügen beſchreibt, daß er nichts im Feuer verliere. Salmaſius **) glaubt, das man nach jener Stelle des Plinius den Gangitis des Strabo nicht mit dem Gagates des Plinius für gleichartig halten dürfe. Es iſt freilich nicht mit Beſtimmtheit zu entſcheiden, ob wirklich der Aetites auch noch nebenbei Gangites genannt worden ſei: aber die Wahrſcheinlichkeit gewinnt nach meinen obigen Bemerkungen ein weit größeres Gewicht, daß der Gangitis des Strabo und Nikander der Gagates des Plinius geweſen fein müſſe. Bei Plinius mag nun der Aetites nur durch eine Verwechſelung Gangites genannt worden ſein. Plinius giebt uns unter allen übrigen römiſchen und Belechifägen. Schriftſtellern die vollſtändigſten Nachrichten vom Gagates ). Er erzählt davon: er ſei ſchwarz, eben oder platt (planus), leicht, porös (pumicosus, bimsſteinartig), nicht ſehr vom Holze abweichend. Beim Reiben rieche er ſtark. Die Striche, welche er auf Töpfergeſchirr hervor— bringe, wären unauslöſchbar. Beim Verbrennen verbreite er einen ſchwefeligen Geruch. Weiter führt Plinius an, daß Waſſer ihn entzünde (brennender mache), Ol ihn aber auslöſche. Entzündet ſoll er die Schlangen vertreiben. Dann folgt noch meiſt unverkennbar aberglüubijches von feinen Heilkräften, welches für unſern Zweck keine Bedeutung beſitzt. Dioscorides jagt vom Gagates +), daß man denjenigen vorzüglich (für den Arzneigebrauch) auswählen müffe, welcher ſich leicht entzünde und beim Brennen einen bituminöſen Geruch verbreite. Die Subſtanz wäre ſchwarz, gewöhnlich unrein, uneben (squalidus) und ſehr leicht. Dioscorides und Galen führen noch einen thraci— ſchen Stein auf, der mit dem Gagates eine große Ahnlichkeit gehabt haben muß, wenn er nicht mit ihm faſt ganz gleich— artig war. Erſterer ſagt davon FF): daß derſelbe vom Pontus in Scythien komme und die nämliche Wirkung wie der Ga— gates habe: man ſage, daß Waſſer ihn entzünde, Ol ihn auslöſche. Dasſelbe führt Galen von dem thraeiſchen Steine nach Nikander an 1), und fügt hinzu, daß man von ihm in der Arzneikunde keine Anwendung machen könne; Nikander 131. V. b. 147 rt) De simpl. med. facult. L. IX. 135 lege ihm keine andere Eigenſchaft bei, als die, daß der Geruch ſeines Rauches die wilden Thiere verſcheuche. Wichtig iſt, daß Galen ſeine Bemerkungen über den thraciſchen Stein unmittelbar an feine Bemerkungen über das Erdharz vom todten Meere anreiht, was auf Verwandt: ſchaft des erſteren mit dem letzteren um ſo mehr hinweiſ't, als die Beſchreibungen beider ſehr gut auf einander paſſen. Die ſo von Plinius, Dioscorides und Galen aufgeführten Eigenſchaften des Gagates ſtimmen aber, in ihrer Geſammtheit aufgefaßt, ſehr ſchlecht mit denjenigen unſeres heutigen Gagats überein. Die poröſe oder, wie Plinius ſagt, die bimsſteinartige Beſchaffenheit iſt gar nicht mit unſerm Gagat zu vereinigen. Die leichte Entzündlichkeit kömmt ebenfalls in dem Maße, wie man ſie nach der Schil— derung des Dioscorides annehmen muß, unſerm Gagat nicht zu. Sie verträgt ſich aber ganz gut mit einer reineren bituminöſen Subſtanz, dem Erdharz oder Erdpech (Aſphalt). Das poröſe Gefüge würde zugleich auf gewiſſe Varietäten davon beſſer wie auf unſeren Gagat paſſen. Endlich iſt die von Plinius erwähnte Ahnlichkeit des Gagats mit Holz gewiß nicht auf die meiſt verſteckte Holztertur unſeres Gagats zu beziehen, ſondern nur auf die poröſe Beſchaffenheit und die geringe ſpecifiſche Schwere feines Gagats. Dioscorides hätte dann auch den ſtarken bituminöſen Geruch, den der Gagates beim Verbrennen entwickeln ſoll, beſſer charakte— riſirt, wie Plinius, der dieſen einen ſchwefeligen nennt und eben ſo wenig genau dabei unterſchieden haben mochte, wie dieſes auch noch heut zu Tage bei vielen nicht geſchieht, welche den bituminöſen Geruch im allgemeinen mit dem ſchwefeligen verwechſeln. Allerdings müßte der Geruch des verbrennenden Gagates ſtark geweſen ſein, wenn er wilde Thiere hätte vertreiben können, welche Mittheilung doch in der Wirklichkeit nur andeuten mag, daß dieſer Geruch von den Thieren verabſcheuet werde, welches vom Erdharz oder Erdpech ſehr denkbar iſt. Das angeführte Verhalten im Feuer gegen Waſſer und Ol iſt offenbar nur ein Mährchen, wie wir deren viele beim Plinius und auch bei den griechiſchen Arzten antreffen, welche in dem Schatze der mitgetheilten Wahrheiten eingeſtreut ſind. Der Volks— aberglaube läuft überall unter und iſt oft don dem Realen ſchwer zu ſcheiden. Auch noch einige andere Mineralien der Alten, hat man mit ihrem Gagates für gleichartig oder wenigſtens als damit ſehr nahe verwandt anſehen wollen. Dahin gehört zunächſt der Stein Sagda, den Plinius in der alphabeti— ſchen Überſicht von Gemmen aufführt, welche ſich gegen das Ende feines Buchs: origo gemmarum *) vorfindet. Hier jagt er: „Der Sagda kömmt aus Chaldäa, wo er den Schiffen ſich anhängt; er iſt von lauchgrüner Farbe (prasini eoloris). Die Inſel Samothrace liefert auch eine Gemme desſelben Namens, ſchwarz, leicht, dem Holze ähnlich.“ Das iſt alles, was über den ſchwarzen Sagda bekannt iſt, und dieſes iſt viel zu wenig, um darauf die Identität desſelben *) Lib. XXXVII. 67, 185. IX. 9. 136 mit dem Gagates irgend gründen zu können. Die bitumi— nöſe Natur des Sagda iſt nirgend angegeben, auch bei einem Steine, den Plinius unter die Gemmen einordnete, ſchwer zu vermuthen. Agricola hat daher eine ſehr kühne und gewiß unrichtige Conjectur gewagt, wenn er unter Anfüh— rung jener Stelle des Plinius jagt *): „Auch der Samo— thraciſche Edelſtein ſcheint weiter nichts zu fein als ge— ſchliffener, glänzender Gagat. Plinius giebt ihm dieſelbe Farbe, dieſelbe Leichtigkeit, dieſelbe Ahnlichkeit mit dem Holze u. ſ. w.“ Agricola hat die plinianiſche Einordnung des Sagda unter den Gemmen gewiß gerne in Anſpruch genommen, weil er dadurch eine alte Stelle für die Ver— muthung der Anwendung des Gagates zu Schmuckſachen gewann. Pin ius würde es gewiß, bei der Ausführlichkeit, womit er den Gagates abhandelt, nicht unerwähnt gelaſſen haben, daß er zu Schmuckſachen verarbeitet werde, was ihn zu einer Gemme im plinianiſchen Sinne gemacht haben könnte, wenn eine ſolche Anwendung desſelben wirklich Statt gefunden hätte, die aber wahrſcheinlich bei der poröſen und ſonſtigen Beſchaffenheit der Subſtanz ganz unmöglich war. Boetius de Boot und Wallerius haben ſich ebenfalls durch Agricolas Autorität verführen laſſen, den Sagda für Gagat zu halten. Endlich war es ein grober Irrthum von Agricola, daß er auch den Obſidian des Plinius für Gagat gehalten hat. Er ſagt nämlich *): „daß der Obſidian ein Gagat geweſen, kann man daraus ableiten, weil derſelbe vollkommen ſchwarz (ſammtſchwarz) iſt, weil er nicht die Bilder der Gegenſtände, ſondern nur die Schatten derſelben, zurückwirft— Und gerade dieſe Merkmale ſind es, nächſt einigen anderen, welche den Gagat von den übrigen Steinen unterſcheiden.“ Agricola theilt ſogar die Stelle des Plinius wörtlich mit, worin gelegentlich von dem Obſidianſteine aus Aethio— pien die Rede iſt. Dieſe Stelle ***) handelt aber vorzüglich von Gläſern, zu denen Plinius eine Art rechnete, welche mit dem Steine Obſidian Ahnlichkeit hatte. Er giebt vom Steine Obſidian die oben von Agricola angeführten Kennzeichen an, fügt aber hinzu, daß er zuweilen auch durchſcheinend ſei, ſpricht ferner von Obſidian-Spiegeln, Gemmen und Statuen, dann von gemachtem (künſtlichem) Obſidian als Tafelgefäße von rother und weißer Farbe; man bilde darin die murrhiniſchen Gefäße, den Hyazinth, den Saphir und überhaupt alle Farben nach. Der Stein Ob— ſidian des Plinius war alſo offenbar ein Körper von glasartiger Natur, der auch in wirklichem Glaſe nachgemacht wurde, folglich kein bituminöſer Körper, wie der Gagates, und es kann leicht ſein, daß das vuleaniſche Glas, welches die heutige Mineralogie Obſidian nennt, identiſch mit dem plinianiſchen Steine gleiches Namens iſt. Jedenfalls kann der letztere mit dem Gagates in keine verwandtſchaftliche Beziehung gebracht werden. So vereinigt ſich denn alles bisher mitgetheilte dahin, daß der Gagates und Gangitis oder Gangites der ältern „) Vergl. vle oben ane Lehmannſche Überſetzung. III. S. 215. **) Vergl. die mehrangeführte Überſetzung. III. S. 216. % Cap. XXIV. 137 römiſchen und griechiſchen Schriftſtellen ein Erdharz, Erdpech oder Aſphalt geweſen ſein müffe, und ſelbſt die Nachricht, welche ein ſpäterer Autor wahrſcheinlich aus dem dritten Jahrhundert, Solinus, darüber giebt, widerſpricht dieſer Annahme keineswegs, wenn man das feſte, ſogenannte ſchlackige Erdharz mit in die Betrachtung zieht. Solinus ſagt nämlich: daß der Gagates, ein in Britannien häufiger und ſehr werthvoller Stein, ſchwarz und gemmenartig (nigro gemmeus) ſei. Er pflichtet übrigens dem plinianiſchen Aberglauben bei, daß dieſer Stein im Waſſer brenne und durch Ol ausgelöſcht werde, und erwähnt die auf unſere Annahme gut paſſende Wahrheit, daß er, gleich dem Bern— ſteine, wenn er durch Reiben erwärmt werde, andere Körper aus feiner Nähe anziehe *). Der noch jüngere griechiſche Arzt Aetius **), aus dem ſechsten Jahrhundert, bringt das unverkennbarſte Erdharz, ohne gerade dieſen oder einen verwandten Namen zu ge— brauchen, indem er aber ſogar, wie Galen auch gethan hat, deſſen allgemein bekannten Fundort vom todten Meere anführt, in einer ſolchen Weiſe mit dem Gagates in Ver— bindung, daß er beide Subſtanzen nur für identiſch gehalten haben kann. Beide werden auch von ihm genugſam cha— rakteriſirt, und alles, was er darüber ſagt, ſelbſt die Heil— kräfte, welche er dem Gagates beilegt, ſprechen für die we— ſentliche Gleichartigkeit dieſes mit dem feſteren Erdharze ***), Agricolas Feſtſtellung des Namens Gagat für das— jenige, was wir jetzt noch ſo nennen, iſt indes durch den unabgeändert während dreier Jahrhunderte durchgeführten Gebrauch eben ſo anerkannt, wie deſſen Benennung Baſalt, welche ebenfalls auf irrigen Annahmen beruhet +), und niemand wird den einen oder den anderen dieſer Namen in der angenommenen Bedeutung ändern wollen oder können, ſo ſehr auch die Unrichtigkeit ihrer Anwendung bewieſen werden mag. Beide Namen ſind mit ihrer heutigen Bedeutung ein Eigenthum der Sprache, des Lebens und der Wiſſenſchaft geworden. Bonn. Dr. Nöggerrath, Geh. Bergrath und ord. Profeſſor. Mifcellen. 18. Eine Urſache der häufigen Schiffbrüche if nach Keller die Strömung der Fluth und Ebbe an den Küften; durch ſelbige wird das Schiff von feinem ihm beſtimmten Laufe abgelenkt und in eine Zickzackbahn gebracht. Das Segel: ſchiff, welches nur mit der Fluth in den Hafen laufen, mit der Ebbe ihn verlaſſen kann, iſt der Gefahr weniger wie das Dampf— *) C. 22. *) Tetrabibl. I. Serm. II, 24. ) Die Stellen der Alten über den Gagates und die damit in Verwandt⸗ ſchaft gezogenen Steine finden ſich fleißig geſammelt in Launay Mineralogie des anciens T. II. Paris 1803. Diejenigen von Nikander und Aetius hat er inneijen nicht beigebracht. Y { ) Vergl. den gelehrten Aufſatz über die Benennung einiger Mineralien bei den Alten, im Muſeum der Alterthums Wiſſenſchaft von Wolf und Buttmann. 2. Bd. 133 ſchiff ausgeſetzt, das gegen den Waſſerſtrom, durch feine Räder ge= trieben, ſich fortarbeitet. Hier kommt es nun nicht ſelten, daß ein ſolches Schiff, ſeinen Führern unbewußt, in eine andere Bahn, wie die ihm durchs Steuer beſtimmte, geräth und ſo ſich an einem anderen Orte befindet, wie ſeine Führer wähnen. Der Untergang des Grönland am 26. Auguſt 1844, der mit der Ebbe Mogador verlaſſen hatte, des Papin am 5. December 1845 vor dem Hafen von Cadix war die traurige Folge einer ſolchen Täuſchung. Der Narval, der mit dem Papin zugleich den Hafen von Cadix verlaſ— fen hatte, fand, als er 6 Stunden ſpäter feine Stellung unters ſuchte, ſich weit von der vermeinten Bahn und entging nur durch die Kenntniß ſeiner Lage der Gefahr des Schiffbruches. Der Caraibe ward am 11. Januar 1847, ſeinen Führern unbewußt, durch die Fluthſtrömung an die Senegalküſte getrieben, nachdem man erſt Tags zuvor ſeine Lage ermittelt hatte. Die Meduſa, die Fregatte Gloire und die Corvette Vietorieuſe ſcheiterten durch eine gleiche Täuſchung. Der Verf. macht, um ferneres Unglück zu vers hüten, darauf aufmerkſam, wie man nach einer genauen Beſtimmung der Lage des Schiffes durch eine gründliche Kenntniß der Ebbe und Fluth-Richtung, wie der Zeit ihres Eintritts an jedem gegebenen Orte leicht die wirkliche Bahn des Schiffes ermitteln könne. (Comptes rendus, 4. Decbr, No. 23, 1848.) 19. Die Geſchlechtsorgane find nach Ormancey für die Claſſification der Inſecten von gleicher Wichtigkeit, wie die Zähne für die Beſtimmung der Säugethiere. Die Lage des penis am Unterleibe, wie die Beſchaffenheit ſeiner einzelnen Theile ſind bei jeder Gruppe durchaus und zwar eonſtant verſchieden; bei eini— gen iſt die Penisröhre ſehr groß und complicirt gebaut, bei andern klein und einfach, was jederzeit mit den Schwierigkeiten, die bei der Begattung zu beſiegen find, zuſammenhängt: fo unterſcheiden ſich die Carabiden durch die Armirung des männlichen Gliedes, die Hydrocantharen durch ihre Sonde, die Lamellicornen durch ihren Stiel und die Melaſomen durch die Länge des Canals. Selbſt die Gattungs- und Artcharafktere laſſen ſich beſſer aus der ungleich con= ſtanteren Beſchaffenheit dieſer Theile als aus den mehr in die Au— gen fallenden Organen ermitteln: ſo iſt namentlich die Armirung des männlichen Apparates bei jeder Species conſtant verſchieden. Der Haken iſt nämlich bald mehr oder weniger warzig; der Sta— chel (armure) iſt entweder an verſchiedenen Stellen angeſchwollen oder ganz eylindriſch und gewunden, ſeine Offnung iſt bald groß bald klein, fein Ende zurückgebogen, abgeplattet, ſpitzig oder ſpatel— förmig. Auch die Geſtalt der Klappen iſt nach jeder Art verſchie— den, fie wachſen bald nach rechts, bald nach links; ihre Anhängfel ſind bald ſpitzig, bald hakenförmig, bald gerade, bisweilen auch behaart. (Comptes rendus, No. 24, 11. Dec. 1848.) 20. Die Cochinellezucht iu Antigua bringt nach Salle jährlich etwa 1200 Seronen (zu 150 Pfund) Co⸗ chenille in den Handel. Die letztere wird auf etwa 6 verſchie— denen Cactusarten, mit denen das Land auf weite Strecken be— pflanzt iſt, gezogen. Außer verſchiedenen anderen Inſeeten hat die Cochenille namentlich von der Larve einer Syrphide, welche unter ihnen viel Schaden anrichtet, zu leiden. Guérin-Méneville, welcher dieſe Nachricht mittheilt, macht zugleich darauf aufmerk— ſam, daß vorzugsweiſe ſolche Thiere und Pflanzen, deren Zucht und Anbau ſeit langer Zeit und in einem ſehr ausgedehnten Maße betrieben wurden, von Inſecten beläſtigt werden, was um fo mehr der Fall iſt, wenn lange weite Landſtrecken nur mit einer Pflan⸗ zenart bedeckt ſind; er glaubt aus dieſem Umſtande das folgende Geſetz ableiten zu können: Wenn irgend ein Thier oder eine Pflanze durch künſtliche Mittel geſchützt, ſich übermäßig vermehrt, ſo fallen andere Thiere über dasſelbe her und ſtellen dadurch das Gleichgewicht, das zur beſtändigen Fortdauer aller Arten der We— fen nöthig iſt, wieder her. Der Verf, erinnert dabei an die Feinde des Getraides, des Weinſtockes, des Olbaumes, der Kartoffeln, der Runkelrüben, der Seidenzucht u. ſ. w. (Comptes rendus, No. 20, 13. Novbr. 1848.) 139 185. IX. 9. 140 Heilkunde. (XIV.) über die Bleiglaſur der Töpfergeſchirre. Von Prof. Dr. Pleiſchl. In einem durch mehrere Nummern der öſterreichiſchen medie. Jahrbücher fortlaufenden längeren Aufſatze handelt der Verf. mit großer Sachkenntniß über die Beſchaffenheit der Bleiglaſuren und die Beobachtungen über Fälle gefährlicher Einwirkung derſelben. Er kömmt zuletzt zu dem ſanitäts— polizeilichen Punkte ſeiner Unterſuchung, und wir theilen die beiden letzten Fo, feiner Abhandlung hier mit. Der Ver— faſſer ſagt: - Da nach dem bisherigen an der nachtheiligen Gin: wirkung der mit ſchlechter Bleiglaſur verſehenen irdenen Töpfe nicht gezweifelt werden kann, ſo wird man natürlich nach Mitteln fragen, dieſes ſchlecht glaſirte Geſchirr leicht, ſchnell und ſicher zu erkennen. Bisher kannte man nur das Verfahren des Kochens von reinem Eſſig in ſolchen Geſchirren, wo die erhaltene ſaure Flüſſigkeit dann weiter auf Bleigehalt chemiſch geprüft wurde, von Sachoerſtändigen, Doctoren, Apothekern oder Chemikern. Dieſe Unterſuchungsmethode iſt umſtändlicher und er— fordert einige Zeit und Hülfsmittel. Es war daher wünſchenswerth, ein Verfahren zu finden, wodurch der wichtige Zweck ſchnell und ſicher zu erreichen wäre. Es gelang mir, ein ſolches zu ermitteln. Ich habe hierüber an einem anderen Orte (öſterr. medie. Wochenſchrift Nr. 35) umſtändlich abgehandelt; hier muß ich der Vollſtändigkeit wegen auch davon erwäh— nen, verweiſe aber hinſichtlich des Näheren auf die genannte Wochenſchrift. Die 52 Stück Geſchirre dom Jahre 1845 wurden dabei wieder vortheilhaft benützt, da ihre Beſchaffenheit ſchon auf einem anderen Wege ausgemittelt und daher ſchon bekannt war. Ich hatte hier das Vergnügen, zu ſehen, daß in den allermeiſten Fällen dieſe Reactionen mit einander übereinſtimmen, was ihren Werth beſtimmt und feſtſetzt. Bekanntlich konnten bisher keine ſinnlichen Merkmale aufgefunden werden, ſchlechte von gut glaſirten Töpferge— ſchirren zu unterſcheiden, ja es ſind mir Fälle vorgekommen, wo die ſachverſtändigen Töpfermeiſter Geſchirre für gut und anſtandlos erklärten, welche bei der chemiſchen Unterſuchung als ſchlecht verworfen werden mußten. Das gegenwärtige Verfahren iſt einfach und gründet ſich auf das Verhalten der Schwefelſäure, der Salzſäure und des hydrothionſauren Ammoniaks zu dem Bleiorpde. Schwefelſäure bildet damit einen weißen Körper, ſchwefel— ſaures Bleioryd, die Salzſäure giebt ebenfalls eine weiße Verbindung, Bleichlorid, ſalzſaures Bleioryd, Horublei, und das Hydrothion-Ammoniak verwandelt es in Schwefelblei, welches braunſchwarz oder ſchwarz iſt. Man braucht hierzu nur einige kurze Glasſtäbe und obige drei Flüſſigkeiten, und zwar: 1) verdünnte Schwefel— ſäure; 2) verdünnte Salzſäure; 3) hydrothionſaures Am- moniak, alle drei nach Vorſchrift der öſterr. Pharmacopbe bereitet. Verfahrungsweiſe. 1) Man bringe mittelſt eines Glasſtabes oder ſonſt auf ſchickliche Weiſe durch Auftropfen einige Tropfen von der verdünnten Schwefelſäure auf die innere Seite des Randes des Geſchirres und laſſe fie einige Mi- nuten einwirken. Iſt die Glaſur ſchlecht, ſo wird die be— tropfte Stelle bald weiß erſcheinen, was noch deutlicher hervortritt, wenn die Flüſſigkeit vom Rande in den Topf hinabfloß, wo dann weiße Streifen erſcheinen und die be— netzten Stellen ſichtbar bezeichnen. 2) Eben ſo verfährt man an anderen Stellen des Topfes mit der verdünnten Salzſäure. Bei ſchlechter Glaſur kommt auch hier bald ein weißer Fleck oder Streif zum Vorſchein. 3) Bei weiß oder gelblich-weiß glaſirten Töpfen könnte es geſchehen, daß durch die beiden Säuren keine ſichtbare Veränderung wäre bewirkt worden; in einem ſolchen Falle nimmt man noch die dritte Flüſſigkeit zu Hülfe, das hydrothionſaure Ammoniak und betropft eben— falls die innere Oberfläche des fraglichen Geſchirrs an meh: reren Stellen. Werden ſie ſchwarz oder grauſchwarz, ſo iſt das Geſchirr verwerflich; färbt ſich die beſchriebene Stelle nur etwas grünlich, jo iſt das Geſchirr brauchbar; verändert ſich die Farbe gar nicht, um ſo beſſer. Geſchirre, welche an den mit Schwefelſäure oder Salzſäure beſtrichenen Stellen ſtark weiß werden, ſind, als der menſchlichen Geſundheit nachtheilig, zum Verkaufe nicht zu geſtatten; erſcheint an den betropften Stellen nur ein weißer Hauch, ſo kann der Verkauf derſelben Statt finden. Geſchirre, welche durch die genannten Flüſſigkeiten gar keine Veränderung erleiden, ſind als gut zu betrachten. Wenn nun auch nicht behauptet werden kann und will, daß bei dieſer Verfahrungsmethode keine Täuſchung, kein Fehler mehr Statt finden könne, ſo muß doch ſo viel zugeſtanden werden, daß die ſchlechteſten Geſchirre, d. h. diejenigen, welche das Bleioryd am loſeſten gebunden ent: halten, es an Speiſen und Getränke abgeben und eben dadurch die menſchliche Geſundheit benachtheiligen, auf dieſe Weiſe aufgefunden und beſeitigt werden können. Es iſt auch in dieſer Abhandlung durch Verſuche er— wieſen, daß es möglich ſei, mit Bleioryd eine der Ge— ſundheit ganz unſchädliche Glaſur darzuſtellen, allein der Umſtand, daß unter 52 Stücken nur 10 ganz brauchbare gefunden wurden, iſt ſehr betrübend, und macht es ſehr w ü nſchens w erth, daß die Bleiglaſur gänzlich verdrängt und durch eine bleifreie erſetzt werde. 141 Insbeſondere wäre das Volk hierüber zu belehren und ihm begreiflich zu machen, daß die wenigen Kreuzer oder Groſchen, um welche ſolche mit bleifreier Glaſur verſehene Geſchirre theurer zu ſtehen kommen, bei einem fo wichtigen Gegenſtande, wie die Geſundheit jedes einzelnen iſt, gar nicht in Betracht kommen ſollten, indem dieſe Wichtigkeit leicht auf anderen Seiten erſpart werden kann. Endlich ſollte auch hier der römiſche Grundſatz nicht vergeſſen werden: Salus publica suprema lex esto. (Med. Jahrb. d. kaiſerl. königl. öſterr. Staates. Jahrgang 1848.) (XV.) Über den Luftzieher (airtractor) als Erſatz für die Geburtszange. Von Prof. Simpſon in Edinburg. Wird zwiſchen zwei genau an einander paſſenden Flächen alle Luft entfernt, ſo werden die Körper, welchen jene Flä— chen angehören, durch den äußeren Luftdruck mit der Kraft von 15 Pfund auf den Zoll an einander gedrückt. Eine runde Scheibe von 2 Zoll Durchmeſſer wird daher bei voll— ſtändiger Beſeitigung der Luft einer paſſenden Fläche mit der Kraft von 47 Pfund anhängen, oder, mit anderen Worten, um dieſe Flächen zu trennen, wäre eine Zugkraft nöthig, welche dem Gewichte von 47 Pfund gleichkäme. Eine runde Scheibe von 2½ Zoll würde eine Kraft von 73 Pfund, eine Scheibe von 3 Zoll 105 Pfund, und eine Scheibe von 3½ Zoll die Zugkraft des Gewichtes von 143 Pfund erfordern. In der Phyſiologie findet ſich dieſes Princip oft in Anwendung gebracht, indem die Thätigkeit aller Saug— apparate darauf beruht. In der Chirurgie bedient man ſich des Prineips des atmoſphäriſchen Luftdruckes beim Schröpfen, — bei einer Art der Befeſtigung künſtlicher Zähne, 2. (Dahin gehört auch die Repoſition eingeklemmter Brüche mittelſt der Luft— pumpe nach Haug. Der Red.) Ambroſ. Par«é rieth Ein- drücke der Schädelknochen, beſonders bei Kindern, mit einem Sauginſtrument in die Höhe zu heben, und vor ungefähr 30 Jahren hat Dr. Neil Arnott zu London auf die Möglichkeit hingedeutet, dieſes Princip auch auf die Ge— burtshülfe anzuwenden. Die Kraft, welche ein Luftzieher von 2½ — 3 Zoll Durchmeſſer, wenn er an dem Kopfe eines Kindes angelegt würde, geſtattet, iſt das höchſte an Kraft, was nach theo— retiſchen Gründen bei ſchweren Zangengeburten wohl je er— forderlich ſein wird. Bei Verſuchen über die gewöhnlich mit der Geburtszange angewendete Kraft hat Dr. S. gefunden, daß dieſelbe in der Regel 25—35 Pfund nicht überſchreitet; doch mag man in ſeltenen Fällen bis zu 50 Pfund an— gewendet haben. Dieſe Verſuche wurden mit der Zange, die an Salters Spiralwage befeſtigt und als Dynamometer eingerichtet war, angeſtellt. Dr. S. hat nun ſehr verſchiedene Formen von Luft: ziehern zu geburtshülflichen Zwecken angewendet. Die paſſendſte 185. IX. 9. 142 Form ſchien ihm eine dünne kurze, (1 — 2 Zoll lange) Meſſingſpritze mit doppeltklappigem Piſton (wie eine Milch— pumpe), an deren unterem Ende ein Saugnapf von ½ Zoll Tiefe und 1½ Zoll Breite angebracht war. Über dieſen inneren Napf iſt ein zweiter aus vulcaniſirtem Kautſchuk übergezogen, welcher den Rand des erſten Napfes um 6—8 Linien überragt. Die Mündung dieſes zweiten Napfes war mit einem Diaphragma von Drathgaze überfpannt und dieſes mit einem dünnen Schwammüberzuge bedeckt, ſo daß alſo eine Verletzung der Kopfhaut eben ſowohl als ein zu tiefes Ein— ziehen derſelben in den Saugnapf verhindert wird. Die Theile, welche auf dieſe Weiſe mit dem Kopfe des Kindes in Berührung kommen, beſtehen nur aus Kautſchuk und Schwamm. Solch ein Inſtrument an die Hohlhand angelegt, hob mit Sicherheit 30 oder 40 Pfund. Ja ein Luftzieher von 3 Zoll Durchmeſſer hob 60—80 Pfund. Der innere Napf kann rund oder oval ſein; der äußere Kautſchuknapf iſt aber noch zu verbeſſern; wird derſelbe verdoppelt, ſo wird das Inſtrument ſtärker; das Vacuum iſt daher immer noch unvollkommen. Der Luftzieher ſcheint vor der Zange bedeutende Vor— züge zu haben; er iſt für die Mutter weniger gefährlich, da er nur an den vorragenden Theil des Kindskopfes an— gelegt wird, während die Zange höher hinauf geſchoben werden muß; auch iſt das Material (Kautſchuk und Schwamm) viel weniger beleidigend als das Material der Zange (Stahl). Die Zange nimmt immer noch einen Theil des ohnehin engen Raumes ein; dies thut der Luftzieher nicht; letzter iſt auch weit weniger voluminös; er läßt ſich auch feſt genug anlegen, um damit eine Rotationsbewegung zu machen und dadurch die Stellung des Kopfes im Becken zu ändern; ja man würde ſelbſt die Lage ändern können, z. B. das Hinterhaupt herab bringen können, wenn der Kopf in einer Stirnlage eingetreten iſt. — Vielleicht wird man den Luft— zieher eben ſo gut anwenden können, wenn der Kopf noch über dem Beckeneingange ſteht, als wenn er ſchon am Aus— gange angekommen iſt. Wenn ſich die Anwendung ſo leicht zeigt, ſo wird man vielleicht ſogar die treibende Kraft jeder Wehe durch einen Zug von wenigen Pfunden ver— mehren können, in Fällen, wo es langſam geht und wo man durch Beſchleunigung jedenfalls die Gefahr mindert. Beſonders aber bei Unthätigkeit des uterus, wo die Zange am häufigſten erforderlich wird, wird das Inſtrument an— wendbar ſein; hier wäre dieſes nicht verletzende Zuginſtru— ment gewiß ſicherer, als das Secale cornutum. Dr. Simpſon hat übrigens das Inſtrument in der Praris bereits angewendet und gefunden, daß es ſeinen Erwartungen entſpreche. Doch geſteht er gerne zu, daß noch Verbeſſerungen möglich ſeien. (Monthly Journal of med. Science. March 1849.) Es iſt nicht zu uͤberſehen, daß Darmriſſe auch bei, weitem am häufigſten bei Zangenoperationen vorkommen. 143 185. Miſcellen. (15) Die Erklärung des Blutwunders, oder der vermeintlichen Blutflecken auf mehligen Subſtanzen, welche in früheren Heren- und Ingquiſitionsproceſſen jo oft das Beweismittel abgaben, iſt in der Februarſitzung der niederrheini— ſchen Geſellſch. f. Nat.- und Heilkunde zu Bonn zur Sprache ges kommen. — Geh. Bergrath und Prof. Nöggerath zeigte das ſeit alter Zeit bekannte Prodigium des Blutes in einem Stücke Weißbrot vor. Es war ihm dasſelbe für das naturhiſtoriſche Mu— ſeum der Nheinuniverfität vom Hrn. Prof. Ehrenberg in Ber⸗ lin mitgetheilt worden. Die Erſcheinung war im vorigen Jahre in Berlin vorgekommen, und es iſt dem Hrn. Prof. Ehrenberg durch Inficirung von gekochten Kartoffeln, Käſe und Brot gelun⸗ gen, die Erneuerung und Fortpflanzung derſelben zu bewirken. Die Speiſen, welche damit bedeckt oder erfüllt ſind, gewinnen ganz und gar das Anſehen, als wären oft mehrere Zoll große Blutflecken darauf und darin verbreitet. Die mikroſkopiſchen Unterſuchungen von Ehrenberg, welche derſelbe der konigl. Akademie der Wiſ⸗ ſenſchaften zu Berlin vorgelegt hat, haben gelehrt, daß dieſe ſchein⸗ baren Blutflecken aus keiner Pflanze beſtehen, wofür man ſie früher gehalten hat, ſondern daß es ½000 — "/sooo Linie große, oval-rund⸗ liche Körperchen find, welche ſich zuweilen unregelmäßig und daher willkürlich bewegen. Er hat ſogar ihren Rüſſel erkannt, ſo wie ihre Fortpflanzung durch Theilung. Es iſt alſo ein Thier, eine Monade, welche Ehrenberg Monas prodigiosa, Purpur-⸗Monade, genannt hat. Ehrenberg hat in ſeiner Abhandlung die ges ſchichtlichen Nachrichten über das Vorkommen dieſer Erſcheinung geſammelt, welche bis in das graue Alterthum hinauf reichen. Vielfache Sagen von Wundererſcheinungen und Befürchtungen nit: pfen ſich daran. Das Vorkommen des ſogenannten Blutes an Hoſtien, auf welchen die Fortpflanzung der Purpur ⸗Monade vor⸗ zuglich gut gedeiht, iſt oft in alteren Zeiten ſchon Gegenſtand der Beobachtung, aber nicht der Erklärung geweſen. So wurden im Jahre 1510 zu Berlin 38 Juden hingerichtet und zu Pulver ver⸗ brannt, wie es im Urtheil heißt, weil fie geweihte Hoſtien fo lange gemartert hatten, bis Blut kam. Das Factum an den Hoſtien, wurde, wie es ſchien, erwieſen, und ſomit die Schuld. Im Jahre 1821 iſt das Blutigwerden von Mehlſpeiſen, vorzüglich von gekoch— ten Kartoffeln, auch in der Rheinprovinz, zu Enkirch an der Mo— ſel, während einiger Zeit in bedeutender Verbreitung beobachtet worden und hat dort nicht unbedeutendes Aufſehen erregt. Die Sache iſt damals von Arzten und Beamten ziemlich genau beob— achtet worden, ohne daß man aber den eigentlichen Schlüſſel ge— funden hätte. Einen vollſtändigen Auszug aus den betreffenden Acten hat der Referent ſeiner Zeit in Schweiggers Journal für Phyſik und Chemie abdrucken laſſen, wodurch die von Ehrenberg gelieferte hiſtoriſche Überſicht verwandter Thatſachen noch zu be: reichern wäre. Bei der Enkircher Erſcheinung dachte man an einen Pilz. Im Jahre 1819 waren die Blutflecken ebenfalls in bedeu— tender Frequenz in Padua auf der Polenta (dicker Brei aus Mais: mehl) vorgekommen. Dr. Sette hat darüber in einer eigenen Schrift feine Beobachtungen zuſammengeſtellt und nannte den vers meintlichen Pilz Zaogalactina imetrofa. Die Ehrenbergſche Vor— leſung über die Monas prodigiosa iſt ein neuer, intereſſanter Bei— trag zu ſeinen vielfachen und glänzenden Forſchungen über das kleinſte Leben. (16) Der Spirometer von Hutchinſon, über welchen wir bereits im III. Bde. der Notizen dritter Reihe No. 45. Beſchreibung IX. 9. 144 und Abbildung gegeben und die wichtigſten Reſultate mitgetheilt ha⸗ ben, iſt in der Februarſitzung der niederrheiniſchenGeſellſch. f. Nat. - und Heilkunde zu Bonn Gegenſtand weiterer Mittheilungen gewor— den. Dr. W. Naſſe (Sohn) nämlich machte auf das große phyſiologiſche und pathologiſche Intereſſe des von Hutchinſon erfundenen Spirometers aufmerkſam, der zur Beſtimmung des Luftgehaltes der Lungen dienen ſoll, welcher nach dem Luftquan⸗ tum gemeſſen wird, das durch eine möͤglichſt vollſtändige Erſpira⸗ tion nach vorheriger moͤglichſt tiefer Inſpiration gewonnen wird, und zeigt einen nach den Angaben von Prof. J. Vogel in Gie⸗ ßen, der im vorigen Jahre eine Diſſertation über das Inſtrument mit Verſuchen von G. Simon ſchreiben ließ, gefertigten Ap⸗ parat vor. Nach den von Hutchinſon und Simon mit Hülfe des Spirometers erhaltenen Reſultaten ſolle ſich die Reſpirations— große einer Lunge vornehmlich nach Körpergröße und Zuſtand des Lungengewebes, weniger nach Alter, Gewicht und Bruſtumfang rich⸗ ten. Namentlich ſei der diagnoſtiſche Werth des Spirometers für Erkenntniß von Bruſtkrankheiten, beſonders der tuberceulöfen Lun⸗ genſchwindſucht, ſehr beachtenswerth, indem die Reſpirationsgröße ſchon im Beginne dieſes Leidens beträchtlich, noch tiefer aber im weiteren Verlaufe desſelben ſinke. (So betrage ſie nach H. im Beginne 1499, an Statt 22400“, in vorgeſchrittener Periode nur 8300“¼, in einem Falle nur 3400“, an Statt 2129.) Dar: aus ergäbe ſich die Bedeutung ſolcher ſpirometriſchen Meſſungen für den Arzt, beſonders wo ihn die gewöhnlichen Unterſuchungs⸗ mittel der Bruſt noch im Stiche ließen. Die in Bonn bis jetzt angeſtellten Unterſuchungen hätten im allgemeinen die Reſultate von H. und S. beſtätigt; nur ſchiene nach ihnen eine genauere Beſtimmung der normalen Nefpirationsgröße für weitere Forſchun⸗ gen vor allem nothwendig zu fein, da die bis jetzt befolgte Berech⸗ nung der Lungencapacitat nach dem Verhältniſſe der Körperlänge in der praktiſchen Anwendung oft auf Widerſprüche ſtoßen laſſe. Eine genaue Meſſung des Bruſtkaſtens nach Umfang und Durch- meſſer und ſeiner Ausdehnungsfähigkeit führe vielleicht, mit den Verhaltniſſen der Körperlänge verglichen, zu ſicheren Anhaltspunk⸗ ten. Überhaupt ſei zu wünſchen, daß fernere Meſſungen fowehl recht zahlreich und genau, als mit möglichiter Rückſichtnahme auf alle übrigen Körper- und Lebensverhältniſſe der zu unterſuchenden angeſtellt würden, indem nur dadurch ſich ihr wirklicher Werth für Phyſiologie und Pathologie herausſtellen könne. Als intereſſante phyſtologiſche Thatſache führt N. noch die nach feinen Meſſungen auffallende Steigerung der Körperwärme (in mehreren Fallen bis auf 33 — 33½ R. unter der Achſelhöhle) bei Phthiſiſchen an, de— ren Lungen doch zur größeren Hälfte, nach ihrer bedeutend vermin⸗ derten Reſpirationsgroße zu ſchließen, in unwegſamem Zuſtande ſich befanden. (17) Über das Nichterbrechen der Pferde, welches ver⸗ ſchiedenen Urſachen zugeſchrieben wurde, die ſich indes bei näherer Prüfung nicht ſtichhaltig erwieſen, hat Hr. Flourens eine Reihe von Verſuchen an Pferdeleichen angeſtellt, welche ſämmtlich bewei⸗ ſen, 1) daß das Hinderniß des Erbrechens beim Pferde in der oberen Mündung des Magens liegt, 2) daß es in dieſer Mündung allein liegt, 3) daß das Hinderniß in dieſer Mündung dadurch be⸗ gründet it, daß ein sphincter an derſelben vorhanden iſt, und daß zugleich die Mündung eine ſchräge Richtung hat. — Es find dadurch die früher von Bertin gegebenen beiden Erklärungsgründe vollkommen beſtätigt. (Gaz. Medic. de Paris, 3. Feyr. 1849.) Bibliographiſche Neuigkeiten. J. D. Forbes. The Danger of superficial knowledge: an introductory Lecture to the course of natural Philosophy in the University of Edinburgh. 8°. (pp. 82.) Edinburg 1849. 2 sh. R. Patterson. First Steps to Zoology. Part I. Invertebrate animals with 132 illustrations sg. (pp. 128. 1 sh. 6 d.) Part II. Vertebrate animals with 152 illustrations sq. (pp. 252. 1 Sh. 6 d.) — 2 parts in 1, 244 illustr. (pp. 380.) London 1849. 3 sh. J. Pereira. Elements of materia medica and therapeuties, comprehending the natural history, preparation, properties, composition, affects and uses of Medicines. 3d. Edit. Part I. containing the General Action and Clas- sification of Medicines aud the mineral Materia medica. 8. (pp. 912.) London 1849. 25 sh. Ch. Lane. Dietetics: an Endeavour to ascertain the Law of human nutri- ment. 120. (pp. 48.) London 1849. 6 d Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 186. (Nr. 10. des IX. Bandes.) April 1849. Naturkunde. v. Heßling, Veräſtelung der Primitiofaſern der Gehirnſubſtanz. — Henry, über die Zuſammenſetzung des in Californien gefundenen Goldes. — Uſiglio, Analhſe des Waſſers des Mittelmeeres an Frankreichs Küſten. — Miſcellen. Stammpflanze des Patchouly. Brunner, elektriſche Lichterſcheinungen ohne Donner. ſyphilitiſcher Anſteckung. — Stevens, Heilung einer spina bifida durch die Operation. — Zahnſchmerz. Nekrolog. — Bibliographie. Weld, das Nordlicht vom 17. Nov. 1848. — Heilkunde. Fall von Atrophie der Geſchlechtstheile nach mehrfacher Miſcellen. Pigeolet, Chloroform im hohlen Zahne gegen Naturkunde. XXV. Veräſtelung der Primitivfaſern der Gehirn⸗ ſubſtanz. Von Dr. Th. v. Heßling. Die von R. Wagner entdeckte Theilung der Primi— tiofafer der peripheriſchen Nerven, wie z. B. in den Mus— keln, der Nickhaut der Fröſche u. ſ. w. wird von keinem Phyſiologen mehr bezweifelt. Gleichen, wenn freilich zuerft nur hiſtologiſchen Werth bietet der Nachweis von der Ver— äſtelung der Primitivfaſern in den centralen Gebilden des Nervenſyſtems. Dieſer begegnet man nach Abzug der vielfälti— gen, durch die Eigenthümlichkeit der Nervenſubſtanz bedingten Täuſchungen und bei möglichſt zarter Behandlung des Präpara— tes unzweifelhaft im Gehirne von Cyprinus alburnus. Andere begonnene hiſtologiſche Forſchungen geſtatten mir gegenwärtig kein ſpecielleres Eingehen in dieſes wichtige Verhalten der Hirnfaſern; ich bringe dieſe Entdeckung beſonders deshalb zur Veröffentlichung, um ſie den übrigen Fachgenoſſen zur weitern Unterſuchung gerade bei dieſem Thiere dringend zu empfehlen, zumal ich der feſten Überzeugung lebe, daß noch manche erſprießliche Thatſache hier aufzufinden ſei. Schneidet man behutſam einen der mittleren Gehirn— lappen — lobi optiei nach Carus, Tiedemann — ein, ſo trifft man unter einem dünnen, dem unbewaffneten Auge faſerig erſcheinenden Dache eine ziemlich geräumige Höhlung an, deren innere Wände mit einem zierlichen Capillarnetze ausgekleidet ſind. Auf dem Boden dieſer Höhle befinden ſich zwei in die Länge gezogene ovale Ganglien, von wel— chen das nach der Mitte des Hirns gelegene das nach außen liegende an Größe übertrifft. Die Faſern genannten Daches, welche ſich bis zum chiasma nerv. opt. bequem verfolgen laſſen, zeigen, beſonders bei jungen Thieren von etwa 1½ bis 2“ Länge, eine Schlingenbildung auf unverkennbare No. 2166. — 1066. — 186. Weiſe. Zu bemerken habe ich, daß das Auffinden derſel— ben ſehr erleichtert wird, wenn man den mit der Scheere möglichſt dünn geführten Schnitt ſo auf den Objectträger bringt, daß die äußere Oberfläche des Mittellappens nach unten, die Schnittfläche nach oben zu liegen kommt. Denn im entgegengeſetzten Falle ſieht man nur eine graue, fein— körnige, von zarten Capillaren durchzogene Maſſe, in wel— cher mehr oder weniger deutlich freie Kerne mit etwaigen Anhängſeln der Grundmaſſe, kleine Zellen mit Kernen dicht an einander eingebettet ſind, ſowie helle runde Bläschen von 0,009 — 0,01“ P. Durchmeſſer, welche theils am Schnitt— rande der Maſſe hervortreten, theils frei herum ſchwimmen und nach ihrer Lichtbrechung zu ſchließen, einen fettigen Inhalt haben, zum Vorſcheine kommen. Legt man aber den Schnitt um, ſo trifft man faſt immer auf Faſern von 0,000 1—0,0008““ Dicke. Sie laufen in ſich ziemlich gleich bleibenden Entfernungen zu größern Bündeln vereinigt, in denen ſie ſich häufig kreuzen, nach der Peripherie und bil— den daſelbſt Bogen von verſchiedener Größe und Geſtalt. Es gelingt gar nicht ſelten, einer Anzahl ſolcher ab⸗ und zugehender Bündel mit ihren Bogen neben einander zu be⸗ gegnen. Über der Umbiegungsſtelle der Bündel macht ſich eine Demarcationslinie zwiſchen der äußern umhüllenden grauen Subſtanz und der weniger dichten und weniger grauen feinkörnigen Maſſe, in welcher die Faſern verlgufen, bemerk⸗ bar. Die Capillaren von den verſchiedenſten Durchmeſſern begleiten die letztern und bilden mit ihnen dieſelben Bogen. Anaſtomoſen oder Theilungen der Faſern hier aufzufinden iſt äußerſt ſchwierig, und namentlich bei jüngern Thieren giebt es der täuſchenden Bilder zu viele, als daß ein ent⸗ ſcheidender Ausſpruch darüber gewagt werden dürfte. Leichter wird die Sache bei den beiden auf dem Boden der Höhle liegenden Ganglien. Es ſcheint mir nicht un— 10 147 paſſend, an ihnen drei Schichten anzunehmen. Die äußerſte in die Höhlung ragende Lage beſteht aus der eben geſchil— derten grauen Subſtanz. Die nächſt darauf folgende Schicht wird von gedrängt an einander liegenden Ganglienkugeln ge— bildet. Dieſe haben gewöhnlich eine ovale Geſtalt von 0,012““ Längedurchmeſſer mit einem deutlichen Kerne von 0,00 15““ Düurchm. und find mit einer feinkörnigen Maſſe angefüllt. Den Abgang einer Faſer von der Ganglien— zelle habe ich oft gefunden, und es wird ihn jeder ſehen, der ſich die Mühe zur Unterſuchung nimmt; den von zwei Faſern konnte ich niemals ſicher feſtſtellen, wenngleich manche darauf hindeutende Bilder vorkamen. Vielleicht gelingt dies einer glücklichern Hand, denn der meinigen! Endlich die dritte Schicht beſteht aus Faſern, welche weniger regelmäßig und ſeltner zu Bündeln vereinigt, mehr vielfache Netze unter ſich bilden als Bogen. In den Zwiſchenräumen von jenen liegen ebenfalls Ganglienzellen. Verfolgt man vor— züglich bei erwachſenen Thieren eine ſolche zarte, gerade, ſtellenweiſe von Varicoſitäten unterbrochene Faſer, fo ſieht man ihr Ende ſich gabelförmig in 2—3 Aſte ſpalten, welche wieder in feinere Faſern theilbar ſind. Nicht ſelten laufen ein oder mehrere Aſte von der Seite zu einer andern ent— fernt liegenden Faſer, wodurch bogenartige Anaſtomoſen ent— ſtehen, von welchen neue Stämmchen entſpringen, die aher— mals einer Spaltung fähig ſind. Die abgehenden Aſte behalten bald die Dicke ihrer urſprünglichen Faſer bei, bald werden ſie zuſehends zarter und dünner. Ich verkenne keineswegs die vielen 1 von denen bei Unterſuchungen ſolcher Art ſelbſt der geübteſte Mikroſkopiker heimgeſucht werden kann; die lockenden Bil— der, durch welche das Inſtrument bei der Betrachtung der Nervenſubſtanz auch den gewiſſenhafteſten Forſcher verführt und ſchon verführt hat, find mir nicht unbekannt; aber ich muß offen bekennen, daß, wenn bei ſo unzweifelhaften, kei— ner andern Deutung fähigen Objecten dennoch eine Täu— ſchung unterliefe, ich überhaupt das Vertrauen zum Mikro: ſkop verliere. Bei dem erſten Auffinden der Faſern wagte ich kein entſcheidendes Urtheil; meine hieſigen, im phyſiologi— ſchen Inſtitute arbeitenden Freunde, die wahrlich keine Anfänger im mikroſkopiſchen Beobachten ſind, überzeugten ſich gleichfalls von der Richtigkeit der Deutung. In glei— cher Abſicht habe ich eine getreue Abbildung einem compe— tenten Richter, R. Wagner, überſendet und lebe der an— genehmen Hoffnung, daß er die Sache zur Spruchreife brin— gen werde. Fragt man mich nach der Art der Präparation, ſo läßt, die Wahrheit zu ſagen, jede Methode noch ſehr viel zu wünſchen übrig. In vielen Fällen fand ich es zuträg— lich, dem Nervenpräparate eine Miſchung von einem Theile lauwarmen Waſſers und zwei Theilen Hühnereiweißes oder das reine Eiweiß, wie man es ſich von bebrüteten Eiern leicht verſchaffen kann, beizuſetzen. Jedenfalls iſt die Ein— wirkung davon nicht ſo ſchädlich, wie die von friſchem Waſ— ſer allein. Iſt der Schnitt gehörig dünn, ſo iſt jede Tren— nung und Zerrung mit Nadeln um ſo nöthiger; die feinen Oberhäuſerſchen Deckgläschen bringen dem Präparate keinen 186. IX. 10. 148 erheblichen Schaden. Für den möglichen Fall, daß auch der leiſeſte Druck des Deckgläschens eine Störung des Lage— verhältniſſes der Theile bewirken könne, habe ich auch Prä— parate ohne dasſelbe unterſucht und dasſelbe Bild, wenn auch nur auf kurze Momente, deutlich geſehen. Aus glei⸗ chen Gründen ließ ich niemals ſolche ſich ſpaltende Faſern, die von Varicoſitäten ihren Urſprung nahmen, als bewei— ſend gelten, ſondern nur die Theilung einer einfachen, ſcharf conturirten, in ihrem Verlaufe nirgends verletzten Faſer. Jena, den 25. März 1849. XXVI. über die Zuſammenſetzung des in Cali⸗ fornien gefundenen Goldes. Von T. H. Henry. Das Gold, wie es in der Natur gefunden wird, iſt niemals rein, enthält vielmehr wechſelnde Mengen von Sil— ber mit Spuren von Eiſen und Kupfer, bisweilen auch et= was Palladium und Tellurium. Der Silbergehalt des colum- biſchen Goldes wechſelt nach Bouſſing aults vielfach wiederholten Analyſen zwiſchen 2 und 35 Proeent; letzterer zog daraus den Schluß, daß beide Metalle in einem chemi— ſchen Verhältniſſe mit einander verbunden wären; das 35 pCt. Silber haltende Gold ſah er als eine Verbindung von 1 Atom Silber und 2 Atomen Gold, das 2 PCt. Silber enthaltende dagegen als eine Verbindung von 1 Atom Sil— ber und 12 Atomen Gold an. Da Guſtas Roſe aber fpä- ter den Iſomorphismus des Goldes und Silbers nachwies, ſo war ſchon hierdurch die Bouſſingaultſche Anſicht, noch mehr aber durch den directen Verſuch, der im reinſten Golde vom Ural 98,96 pCt. Gold und nur 0,16 pCt. Silber, in andern Sorten dagegen 60 bis 94 pCt. Gold nachwies, widerlegt. Der Verf. erhält von Hrn. Tennant eine kleine Probe californiſchen Goldes, ſelbige ward aus einer 60 J ſchweren Menge ausgeleſen. Der größte Theil der letztern beſtand aus flachen Körnern und Flittern, deren Gewicht ½0 bis 2 und 3 Gran betrug, nur ein Stück wog über 30 Gran. Die Oberfläche dieſer Körnchen war rauh und unregelmäßig; die Vertiefungen derſelben waren mit einer kieſelhaltigen Maſſe ausgefüllt. Das ſpeeifiſche Gewicht einer kleinen An: zahl Körner betrug 15,96. Die für die Analyſe beſtimmte Goldprobe ward in Königswaſſer gelöſ't, aus der verdünnten Löſung ward das Chlorſilber durchs Filter geſchieden, gut ausgewaſchen, ge— trocknet und gewogen, dann in Ammoniak gelöſ't, wo aller— dings ein weißer aus Kieſelſäure beſtehender Rückſtand, aber kein Gold hinterblieb. Die Goldlöſung ward, nachdem die überſchüſſige Salpeterſalzſäure durch Verdampfen entfernt war, ſo lange mit Oralſäure digerirt, bis ſich alles Gold metalliſch abgeſchieden hatte. Die ſaure uͤber dem Golde ſtehende Flüſſigkeit ward darauf mit Schwefelwaſſerſtoff bes handelt; der entſtandene Niederſchlag von Schwefelkupfer 149 wird ſtark geglüht und das Kupfer nach dem rückſtändigen Oryd berechnet; eine kleine Menge des letzteren gab vor der Reductionsflamme des Löthrohres metalliſches Kupfer. Nach der Trennung des Kupferniederſchlages ward die Flüſ— ſigkeit zur Trockne verdampft; die Oxalſäure ward durch Hitze verjagt; nur eine kleine Menge Eiſenoryd blieb zurück; ſie ward in mit Salzſäure eingeſäuertem Waſſer gelöſ't und durch Ammoniak gefällt. Das durch die Oralſäure nieder— geſchlagene Gold war in Königswaſſer ohne Rückſtand löslich. Die procentiſche Zuſammenſetzung der unterſuchten Pro— ben war demnach folgende: Nach Abzug der kieſelhaltigen Beimiſchung El... enen „ 88,75 90,01 e BE 9,01 Kupfer mit Spuren von Eiſen . 0,85 0,86 Kieſelhaltiger Rückſtand . 1,40 99,88 99,88 Das große 30,92 Grm. ſchwere Goldſtück (nach der Landesſprache pepite genannt) hatte ein ſpecifiſches Gewicht von 15,63. Nachdem es auf einem polirten Stahlamboße plattenförmig gehämmert worden, ſchien es von fremden Beimiſchungen frei zu ſein; gelinde gegluͤht wog es 30,24 Grm.; fein ſpeeifiſches Gewicht war nunmehr 16,48. 10,96 Grm. dieſer Goldplatte wurden in der ſo eben beſchriebenen Weiſe analyſirt; die procentiſche Zuſammen— ſetzung war folgende: Gold. 86,57 Silben 12,33 Kupfer 00,29 Eiſen . 00,54 99,73 0,688 Grm. dieſer großen Goldmaſſe, nach der von Plattner angegebenen Weiſe vor dem Löthrohre behan— delt, gaben 86,33 pCt. Gold; ein ganz dünnes Flitter 0,483 Grm. ſchwer, gab nach der Trennung von der 0,461 pCt. betragenden Kieſelmaſſe 85,03 pCt. reines Gold. Der Verf. konnte in dem aus Californien gekommenen Golde weder Platin noch Palladium und eben ſo wenig irgend eines der das letztere gewöhnlich begleitenden Metalle, als Osmium, Iridium u. ſ. w. auffinden; nach der geringen Menge, die ihm zur Verfügung ſtand, will er jedoch über ihre wirkliche Abweſenheit keineswegs entſcheiden. Die von Dumas ) aufgeſtellte Behauptung: das Ver— hältniß des Goldes zum Silber in dem Metall desſelben Fund— ortes ſei ſo conſtant, daß man mit dieſem Fundort gleichzeitig den genauen Gehalt des Metalls an reinem Golde kenne, wird durch des Verf. Analyſen nicht beſtätigt; nach ihm ſchwankt der Goldgehalt des ealiforniſchen Goldes zwiſchen 85 und 90 pCt.; auch G. Roſe's Analyſen von 4 Gold— proben, demſelben Fundort (Boruſchka) entnommen, wider— ſprechen genannter Behauptung: in dieſen 4 Proben fand Roſe 5,23; 8,35; 9,02 und 16,15 pCt. Silber. Das aus Californien gekommene Gold hatte beinahe die Farbe des reinen Goldes; nach dem Schmelzen nahm *) Traite de Chimie appliquee aux Arts, tome IV, p. 434. 186. IX. 10. 150 es eine erzgelbe (brass - yellow) Färbung an; letzteres Ver: halten wie das Ausſehen der Körner unter dem Mikroſkop, bringen den Verf. auf die Vermuthung, daß die Oberfläche der Körner ein reineres Gold als deren Mitte iſt, daß dem— nach der Oberfläche durch chemiſche Einflüſſe ein Theil des Silbers entzogen ward. G. Roſe widerſpricht zwar der ſowohl am Ural als in St. Petersburg herrſchenden Anz ſicht, daß das Gold der Goldwäſchereien reiner als das aus den Minen gewonnene ſei; er widerlegt zugleich, und wie es ſcheint mit Erfolg, die von Féruſſae ausgeſprochene Vermuthung, daß erſteres Gold durch die Einwirkung des Seewaſſers gereinigt worden; der Verf. erſucht ſeinen Leſer, die Gründe, deren ſich Roſe bedient, aus der Quelle ſelbſt zu ſchöpfen. (The London etc. philosophical Magazine etc. No. 228, March 1849.) XXVII. Analyſe des Waſſers des Mittelmeeres an Frankreichs Küſten. Von J. Uſiglio. Das vom Verf. zur Analyſe benutzte Waſſer ward am Fuße des Berges Saint-Clair, etwa 4000 Meter vom Hafen von Cette, geſchöpft. Vorläufig angeſtellte Beob— achtungen hatten gezeigt, daß die Zuſammenſetzung des Meerwaſſers längs der Küſte bis zu einer gewiſſen Ent fernung veränderlich iſt: ſo zeigte im Monat Juni das Waſſer des hohen Meeres 3,5 nach Baumes Aräometer, während das Waſſer, 500 Meter von der Küſte entfernt, 40 bis 4,5 angab. Die Reſultate der Analyſen des Waſ— ſers, in einer ſolchen, ja einer noch weit beträchtlicheren Ent— fernung vom Ufer geſchöpft, ſtimmten niemals mit einander überein; erſt in einer ungleich größeren Entfernung von der Küſte wurden die Reſultate mit einander vergleichbar. Der Verf. unterſuchte zweierlei Arten des Meerwaſſers: das eine ward 3000, das andere 5000 Meter vom Ufer bei Nacht geſchöpft; ihre Dichte war dieſelbe; ſie betrug, mit allen von Regnault vorgefchlagenen Vorſichtsmaß⸗ regeln ermittelt, bei 21“ elf. 1,0258, deſtillirtes Waſſer derſelben Temperatur zu 1 angenommen. 100 Theile dieſes Waſſers hinterließen beim Verdampfen 30,581 feſte Bes ſtandtheile, in denen etwas freie Magneſia enthalten war; wenn man die Menge der letzteren auf das, was ſie urſprüng— lich war, auf Chlormagneſtum zurückführte, jo erhielt man 3,765 Proeent feſter Stoffe. Es ward eine doppelte Analyſe gemacht, die Reſultate beider ſtimmten genau überein. Der kohlenſaure Kalk und das Eiſenoryd wurden aus dem Verdunſtungsrückſtande beſtimmt, alle übrigen Stoffe direct aus dem Waſſer ſelbſt abgeſchieden, Das Chlor und Brom ward mit ſalpeterſaurem Silberoryd gefällt; der Niederſchlag ward mit Schwefelſäure und Zink behandelt, und aus dem Gewichte des reducirten Silbers die Menge des zerſetzten Chlor- und Bromſilbers berechnet. Die Talkerde ward in der gewöhnlichen Weiſe als phosphor⸗ ſaure Ammoniaktalkerde gefällt. Die äußerſt kleine Kalk— 10 * 151 menge ward mit oralfaurem Ammoniak gefällt und in Fohlen: ſauren Kalk verwandelt. Zur Beſtimmung der ebenfalls nur geringen Kalimenge ward das durch Platinchlorid er— haltene Doppelſalz durch Glühen zerlegt und von neuem durch Platinchlorid, jetzt frei von Kochſalz, gefällt. Die Beſtimmung des kohlenſauren Kalks durch Aufkochen des Waſ— ſers hält der Verf. für ungenau; erfolgt die Verdampfung im Waſſerbade, ſo iſt, ſelbſt wenn das Waſſer auf die Hälfte ver— dampft wird, noch nicht aller kohlenſaure Kalk niedergeſchla— gen; ſetzt man die Verdampfung weiter fort, ſo ſcheidet ſich 186. IX. 10. 152 ſchwefelſaurer Kalk, mit kohlenſaurem Kalk vermengt, ab; erſt wenn das Aerometer auf 179 ſteht, ſcheidet ſich reiner ſchwefelſaurer Kalk ab. Die Menge des Natrons ward durch Subtraction der übrigen direct beſtimmten Elemente vom Gewichte des Verdunſtungsrückſtandes gefunden. Vergeblich verſuchte der Verf. das Vorkommen von Erde nachzuweiſen, die Gegenwart des Broms machte jede entſcheidende Reaction unſicher. Das Waſſer des mittelländiſchen Meeres iſt demnach folgendermaßen zuſammengeſetzt: DZ . m BE eat bund eise, Ge 10 eee vn | PETE Vemerfungen. | Gr. Gr. Eifenoryp . 0 855 Er er 00050 0,0003 0,003 Der ſchwefelſaure Kalk würde als Hydrat ohlenfäure | mit 2 Aquivalenten Waſſer entſprechen: R | Kalk 0,0061 N 07017 0,1716 Gr., für 1 Liter 1,76 Gr. Schwefelſaurer Kalk F 909559 0,1357 1,392 Die ſchwefelſaure Talkerde als Hydrat mit Sch Schwefelſäure | 0,1635 3 5 | 7 Aquivalenten Waſſer würde entſprechen: Schwefelſaure Talkerde Talkerde 0,6842 0,2477 2,54 0,5051 Gr., für 1 Liter 5,181 Gr. 1 5 | 5 Chlormagneſium .. ö Magneſtun | 90815 0,3219 3,302 Das Chlormagneſium als ſalzſaure Talkerde 1 Chlor 0,0240 2 berechnet 0,3822 Gr. für 1 Litre 3,910 Gr. Chlorkalium .» Kalium 0,0265 0,0505 0,518 Der Kaliumgehalt des Chlorkalium als Kali 8 Brom 0,0432 4 berechnet: 0,032 Gr., für 1 Liter0,328 Gr. Bromnatrium . Darin 0,0124 0,0556 0,570 Der Natrumgehalt des Brom- und Chlor: 4 . Fh 10778 1 natriums als Natron berechnet: Chlornatrium . - | Sl a 1550 2,9424 30,182 1,577 Gr., für 1 Liter 16,177 Gr. = | U Po > Big: ’ 3,76 55 38,625 Waſſer . 96,2345 987,175 Totalgewicht 100,000 | 1025,800 (Comptes rendus, No. 17, 19. Oct. 1848.) Miſcellen. 1 e 0 105 nee 0 er malayiſchen Halbinſe eſonders in der Provinz Wellesle 21. Die Stammpflanze des ſo weit verbreiteten wild. Die Araber gebrauchen und erxportiren es mehr als ir— Patchouly iſt bis jetzt noch nicht mit Sicherheit ermittelt. Tenore beſchreibt ſie als Pogostemon suavis, Sautelet als Pogostemon Patchouly zu den Labiaten gehörig. Auch über das Geburtsland der Pflanze herrſchen verſchiedene Auſichten: nach einem ſoll ſie in den Gärten Oſtindiens gebaut werden, nach andern auf Mauritius an feuchten Orten wachſen; auf letzterer Inſel kommt jedoch nach Bojer nur ein Pogostemon (P. paniculatum Beuth.) und zwar als Gartenpflanze vor. Die Art der Zubereitung des Batchoulyertracts endlich, wie das Volk, durch welches dieſe Zu— bereitung geſchieht, ſind gänzlich unbekannt. — Nach Wallich findet man das Puchä Pät oder Patchouly in jedem Laden In⸗ diens; Rajah Radhakant Deb Bahadur verſicherte ihm, daß für die Pflanze im Sanſerit kein eigener Name vorhanden ſei, daß ſie lehmehr durch die Kaufleute der Mogul überall verbreitet wor— den. Man benutzt das Patchouly in Indien als Zuſatz zum Ta⸗ bak; ein aus ihm bereitetes Ol dient zum Parfümiren der Haare und wird von den höhern Claſſen der eingebornen Frauen vielfach benutzt; die Blätter legt man zwiſchen Kleider. Bei feiner Zurück kunft nach Europa fand Wallich dieſelbe Drogue als Patchouly im europäiſchen Handel, erfuhr zugleich, daß fie von Penang er— portirt war. Er wandte ſich deshalb an Mr. Page Porter va= ſelbſt und erhielt von ſelbigem im Februar 1834 mehrere lebende Pflanzen, die ſich durch Stecklinge leicht fortpflanzen laſſen und wie es ſcheint, in unſeren Gärten gut gedeihen. Nach Porter gend eine Nation; ſie führen jährlich große Maſſen aus; benutzen die Blätter zum Ausſtopfen der Matratzen und Kiſſen und glauben dadurch Geſundheit und Leben zu verlängern, Man ſammelt das Kraut und trocknet es ohne weitere Zubereitung an der Sonne, hütet ſich jedoch, es all zu ſtark zu trocknen. Auf dem Markte zu Penang wird das Packet mit 1 bis 1½ Dollar bezahlt; der Preis ſteigt und fällt jedoch bisweilen. Man ſah die Pflanze dort nie⸗ mals blühend; eben fo wenig blühten die im Garten zu Calcutta und die fpäter von Wallich in England cultivirten Pflanzen je⸗ mals, vermehrten ſich jedoch ſehr leicht durch Stecklinge. Saͤmmt⸗ liche grünen Theile der Pflanze beſitzen den eigenthümlichen kräftigen Geruch. Baron Hügel will in Canton dieſelbe Pflanze im wilden Zuſtande geſehen haben. Ob Marrubium odoratissimum Betoni- cae folio nach Burmanns Flora Indica die Stammpflanze der Puchä Pät fei, will Wallich, obſchon beide Pflanzen einander ſehr ähnlich ſind, nicht entſcheiden. Dr. O' Shaugneſſy ſchreibt endlich vom April 1841 aus Calcutta, daß ſämmtlich Patchouly- Pflanzen des dortigen Gartens noch keine Blüthenanlagen zeigten; eben fo wenig kamen die von Ten ore gezogenen Pflanzen jemals zur Blüthe. (The London Journal of Botany, January 1849.) 22. Elektriſche Lichterſcheinungen ohne Donner. Von C. Brunner. — Schon von vielen Phyſikern ſind Blitze von keinem Donner begleitet, beobachtet worden; ein Freund des Verf., Dr. Erlach, ſah ſolche Erſcheinungen zu Meyringen im Berner Oberlande. 153 Wenn der von den Bergen herabkommende Wind dem weſtlichen Winde im Thale von Hasle begegnet, bemerkt man nach ihm im Winter nicht ſelten elektriſche, von keinem Donner begleitete Entladungen. Dr. Erlach beobachtete dies Phänomen im Winter 1847 und 1848 wei Mal, ein Mal am 7. Januar um 9 Uhr Abends vom Kirchet⸗ Berge, der das Thal von Oberhasle verſperrt; das andere Mal gleichfalls am Abend von einem hoch gelegenen Punkte in der Nähe Meyringens, die Zube genannt. — Elektriſche Entladungen dieſer Art find indes nicht der Alpenkette allein eigen. ler. v. Hum⸗ boldt beobachtete fie am Drinoeco vor Sonnenaufgang in einer Höhe von 40% Bladh bemerkt, daß auf Sumatra faſt allnächt⸗ lich elektriſche Entladungen ohne Donner Statt finden; auch Bran⸗ des ſah einen Blitz ohne Donner aus einer kleinen Wolke fahren; de la Rive machte in einer Auguſtnacht ähnliche Beobachtungen. Kämtz ſpricht von Blitzen ohne Donner an der Oſtküſte der Ver⸗ einigten Staaten, welche er im Jahre 1817 in einer Januarnacht beobachtete; die Blitze folgten nach ihm ſchnell auf einander, wur⸗ den jedoch nur ſelten von Donner begleitet. Ein Fall, den Bu r⸗ chell am Vorgebirge der guten Hoffnung beobachtete, hat mit den Angaben des Dr. Erlach die nächſte Ahnlichkeit, nach ihm ſchoß in einer dunkeln Nacht, während große Regentropfen aus einer dicken Wolke fielen, aus dem Zenith ein Blitz auf den Ort, wo Burchell ſtand, herab, ohne daß er irgend ein Geräuſch wahrnahm. — Der Verf. betrachtet den lautloſen Blitz als eine langſame elektriſche Entladung, ähnlich derjenigen, welche bei Nä— herung einer Spitze an einen elektriſirten Körper erfolgt; da ſich nämlich alle elektriſirten Körper durch eine Diffuſion ausgleichen können, ſo ſcheint ihm eine ähnliche Ausgleichung zweier Elektri— eitäten auch für die Wolken möglich zu fein. Wenn nun eine ders artige Ausgleichung im Finſtern erfolgt, wird fie von einer Lichterſchei— nung, deren Daſein man am hellen Tage nicht wahrnimmt, beglei— tet. Nur in der Nacht oder während der Dämmerung wurden bis jetzt Blitze ohne Donner beobachtet. Schon Muſchenbroeck gab für die donnerloſen Blitze wie für das Elmsfeuer dieſelbe einfache Erklarung, nach welcher die Berührung zweier Wolken mit ent⸗ gegengeſetzter Elektrieität zu ihrer langſamen Ausgleichung hinrei— chend ſcheint. (Bibliothéque universelle de Geneve, Decembre 1848.) 23. Das Nordlicht vom 17. November 1848 ward von A. Weld vom Obſervatorium des Honge-hurst-College durch alle feine Phaſen beobachtet. — Um 6 Uhr 45 Minuten erſchien der nordöſtliche Himmel leicht geröthet; ein Lichtbogen, eine Menge blaſſer Strahlen ſchießend, ging von NN. W. nach NW. Dieſe Heilk 186. IX. 10. 154 ganze Himmelsgegend war bald darauf mit Strahlen, die theils vom Horizont, theils von höheren Regionen ausgingen, erfüllt. Das im Nordoſten ſtehende Roth wurde bald zum feurigen Purpur, mit ihm veränderten ſich auch die zwiſchen Norden und Nordweſten ſichtbaren Lichtmaſſen. Um 7 Uhr war von NW. bis SO. der ganze Himmel bis zum 30.“ oder 40.0 mit ſchönen carmoiſinrothen Lichtfeldern (nappes) bedeckt; eine wellenförmige Bewegung ſchien die ganze Erſcheinung zu beleben. Um dieſelbe Zeit ſchienen drei Punkte, der eine in NO., der andere in NW. und der dritte in SD. beſonders hell zu glänzen. Um 8 Uhr ſah man nur zwiſchen NO. und W. noch einige Lichtſpuren; um 8 Uhr 15 Minuten erſchien in dieſer Himmelsgegend ein Lichtbogen, mit dem die rothe Färbung in NW. von neuem hervortrat. Um 9 Uhr war der Anblick großartig: die Lichtſtrahlen gingen bis über den Zenith hinaus, um ſich in einem Punkte zu vereinigen; der Himmel glich einem care moiſinrothfunkelnden Fächer über einer hellen gleichförmigen Licht— fläche ausgebreitet, auf welcher durch einen Wechſel der Schatti— rungen in Carmoiſin und Weiß ſchwingende Bewegungen der Strah— len ſichtbar wurden, während gleichzeitig dann und wann helle Lichtwellen mit Blitzesſchnelligkeit vorüberzogen. Der Himmel war um dieſe Zeit durch eine ſcharfe Linie in zwei Hälften getheilt; die größere Hälfte glänzte in vollſtem Lichte, während die kleinere ſo verfinſtert war, daß ſie, wenn nicht die Sterne funkelten, von dichten Wolken überzogen ſchien. Um 9 Uhr 15 Minuten erreichte das Nordlicht feinen höchſten Glanz; der Himmel glich jetzt einer erleuchteten Kuppel, nur noch ein Viertheil desſelben von SSW. nach O. war dunkel; dieſer dunkele Theil reichte in SO. nur bis zum 30.9, der ganze übrige Himmel ſchien in Feuer zu ſtehen. Die Spitze der Kuppel veränderte ſich mehrfach, bald trafen hier die Strahlen regelmäßig auf einander, bald ſah man große Licht⸗ maſſen ſich über den ganzen Umkreis ausbreiten, bald entſtand endlich ein deutlicher Luftkreis um eine dunkle Mitte. Die eben beſchriebene Lichtkrone änderte, ſowie die Nacht weiter hereinrückte, ihre Stellung zu den Sternen, blieb jedoch in derſelben Höhe und in demſelben Azimuth. Um 9 Uhr 30 Minuten hatte ſich der Glanz bereits vermindert; um 10 Uhr 30 Minuten war das Car- moiſinroth verſchwunden; eine leichte Färbung des Himmels erhielt ſich noch mehrere Stunden. Die Lichtkrone ſchien etwa 180 ſüdlich vom Zenith zu liegen, ihr Azimuth lag 41 nach Weiten. Am 19. und 20. Februar zeigten ſich wiederum Spuren eines Nordlichtes, an beiden Tagen ward die Magnetnadel zu Grenwich afficirt. Schon einen Monat früher, am 18. October 1848, ward im Norden von England, aber auch nur dort ein Nordlicht beobachtet. (The Phil. Magaz., Novemb. 1848.) unde. (XVI.) Fall von Atrophie der Genitalien nach mehrfacher ſyphilitiſcher Infection. Carl Pr., 33 Jahre alt, aufgenommen in das Spi— tal du Midi, 11. Sept. 1843. Der Kranke bis zu 19 Jah- ren, einen Anfall von Krätze im 9. Jahre ausgenommen, ſtets geſund, zog ſich damals 2 Schanker an der glans pe- nis zu, gegen welche er 8 Wochen hindurch ungefähr 60 Pillen von Queckſilberprotojodür gebrauchte und 20 — 25 Mercurialfrietionen an der innern Seite der Schenkel machte. Bei ſeiner Entlaſſung waren die Geſchwüre vernarbt und nur etwas Röthe an der Stelle derſelben zurückgeblieben. Ungefähr 15 Tage ſpäter wurde das Zahnfleiſch etwas roth, jedoch bald beſſer. Im Juli 1830 Gonorrhöe ohne Uleera— tion, ziemlich ſchmerzhaft, 14 Tage hindurch mit ſtarker chorda, welche durch einen von einem Kameraden auf die Ruthe verſetzten Fauſtſchlag, in deſſen Folge gegen 2 Glä— ſer Blut abfloſſen, ſehr gemildert wurde. Außerdem wurden 2 Monate hindurch Sitzbäder, Bals. Copaivae, Einſpritzun— gen von Zinc. sulphur., Abführmittel u. ſ. w. angewendet und der Kranke vollſtändig geheilt. Im März 1831 nach einem verdächtigen coitus Geſchwüre auf der Vorhaut und der corona glandis, binnen 3 Tagen durch örtliches Baden mit Urin, Extr. Saturni und Cerat. Mercur. beſeitigt. Ei— nige Zeit darauf Anſchwellung in der rechten Leiſte, Be— handlung mit Lig. Swietenii, Einreibungen auf die Arme und der Tiſane von Feltz, nach 14 Tagen Eröffnung des bubo, am 50. Tage war derſelbe vernarbt; heftige stoma- 155 titis mit Verluſt von 4 Backzähnen erſt nach 3—4 Wochen beſeitigt. Im Nov. 1832 Geſchwüre im Halle, dagegen uns gefähr, 40 Pillen aus Mercurprotojodür, Touchiren mit einer Atzflüſſigkeit, Heilung nach 6 Wochen. In der Mitte des J. 1833 Condylome am After, Abſchneiden derſelben, innerlich eine Tiſane von Gentiana 4 Wochen lang. Einige Zeit darauf kleine Geſchwüre um die Baſis der Eichel und einige Schuppen am Kopfe, namentlich an der Wurzel der Haare — wahrſcheinlich bald nach einem coitus. Einrei⸗ bungen von Ung. Merc. auf den Kopf, Heilung nach 14 Tagen. In der Mitte des J. 1834 eine kebris tertiana, welche trotz der Anwendung des Chin. sulph. und anderer Mittel 6 Monate lang dauerte und zuletzt von allgemeinem Odem und großer Schwäche begleitet war; lange Recon— valeſcenz. Im Mai 1835 Eruption von großen Knoten auf der ganzen Haut, namentlich an den Schenkeln, Lenden und auf der behaarten Oberhaut, welche eiterten, vertrockneten und von kleinen Schuppen bedeckt wurden. Schwefelbäder, Syrupus und Tisana Gentianae, halbe Portion, örtlich eine dem Kranken unbekannte braune Salbe ſtellten ihn binnen 6 Wo— chen her, nur blieben noch lange an der Stelle der Puſteln gelbe Flecken auf der Haut zurück. Im Anfange des Jah— res 1838 heftige Kopfſchmerzen, beſonders in der Nacht, 8 Aderläſſe, Blaſenpflaſter auf den Kopf, Haarſeil im Nacken, eine Mora hinter jedem Ohre, Milderung der Schmerzen nach einer Dauer von 2½ Monaten, Diarrhöe, große Schwäche, Heilung nach 3½ Monaten. Alle Haare am ganzen Körper waren abgefallen. Im Januar 1839 hef— tiger Schmerz in der linken Schläfe, Eroſtoſe an dieſer Stelle, beginnende Atrophie der Geſchlechtsorgane. Sarsa— parilla, Einreibungen mit Ung. eitrinum, dann fuscum, faſt vollſtändige Herſtellung im Juni dieſes Jahres. Der Kranke konnte nun beim coitus nur mit großer Anſtrengung und nach langer Anreizung eine waſſerige Slüfjigteit ejaculiren. Neue Exoſtoſe am Hinterkopfe, lebhafte Schmerzen längs der Schienbeine, Behandlung vom 31. October bis zum 31. Dec. mit der Tiſane von Feltz, 60 Dampfbäder und 2 bis 4 Pillen (von Vallet 2). Am 19. Sept. 1840 von neuem in Behandlung we— gen einer Anſchwellung an der Naſenwurzel, einer Eroſtoſe nahe an der rechten fossa krontalis und einer zweiten am Hinterkopfe und endlich einer Erweichung des Stirnbeines. Die Behandlung beſtand in erweichenden Fumigationen in die Naſenhöhlen, Dunſtbäder und Einreibungen der Naſe mit Ung. mercuriale. Die Kopfſchmerzen mit nächtlicher Eracerbation waren nun wiedergekommen und verſchwanden nur ſehr langſam. Der Kranke verließ erſt nach 6 Mo⸗ naten das Spital. Das Allgemeinbefinden wurde aber nun immer ſchlechter, die Kräfte nahmen ab, die Haut wurde feiner und weißer, die Kopfhaare allein wuchſen wies der, waren aber weniger dunkel als früher, die Atrophie der Genitalien ſchritt fort. Anſtrengende Arbeiten konn— ten nicht mehr ausgeführt werden. Gegen das Ende des Jahres 1841 kehrten die Kopfſchmerzen wieder, wiewohl nicht in hohem Grade, dabei ein ſchleimig-eitriger Ausfluß mit kleinen Knochenſtücken aus dem rechten Naſenloche und 186. IX. 10. 156 und Schwindel mit einem Gefühle von Erſchütterung am Hinter— haupte beim Bücken. Der Kranke gebraucht mehrere Monate hindurch den lig. antisyph. des Hrn. Buche (aus Kalijodhy⸗ drargyret 1, Jod 1, Kalijodür 100 und deſtillirtem Waſſer 398 beſtehend) und wurde im Laufe des Jahres von den Schmerzen und der ozaena befreit. Im Sommer dieſes Jahres hatte er ein Mal während eines laſeiven Traumes eine Ejaculation von einer wäſſerigen Materie mit etwas Vergnügen, die einzige ſeit Mitte 1839. Am 4. Febr. 1843 von neuem ins Spital aufgenommen wegen allgemei— nen Unwohlſeins und allen Symptomen von Schwäche und Anämie; die Pillen von Ballet und eine möglichſt kräf— tige Nahrung ſtellten ihn ziemlich wieder her; bald nach ſeiner Entlaſſung mußte er von neuem aus derſelben Urſache 3 Monate hindurch behandelt werden. Ende Auguſts Stei— gerung derſelben Symptome, Schmerzen auf dem Scheitel und in der Stirn, Aufnahme ins Spital am 11. Septem⸗ ber in folgendem Zuſtande: die Haut durchweg von auf— fallender Weiße und Zartheit, von dünnen, bläulich durch— ſchimmernden Venenſträngen durchzogen, die Glieder weiblich gerundet, die Haare allenthalben dünn und wie aus ſchlaf— fem Zellgewebe gebildet. Die Extremitäten klein und von weiblicher Form, Bruſt und Bauch von einem Fettlager umgeben, der Geſichtsausdruck gleich dem einer Frau von 45— 50 Jahren, traurig und matt. Der Kranke kann nicht mehr ½ der Laſt tragen, die er ſonſt tragen konnte. Ap— petit ſchlecht, Stuhlgang nur alle 3 — 4 Tage, zuweilen ſelbſt nur ein Mal in 8 Tagen; Leib der weiblichen Form ſich annähernd. Puls 70; wenig entwickelt, Herztöne nor— mal, nur etwas dumpfer als gewöhnlich, Herzklopfen bei jeder Anſtrengung; Blaſegeräuſch in den Carotiden, Bruſt geſund. Alle 2—3 Tage fließt aus dem rechten Naſenloche eine kleine Menge halb conereten Schleimes ab, nachdem vorher etwas Athembeſchwerden eingetreten ſind. Die Stimme iſt ſchwach und etwas rauh, Naſenknochen eingedrückt. Das scrotum anhaltend retrahirt, wie bei einem Kinde von 4 Jahren, von demſelben Umfange und derſelben Weiße wie in dieſem Alterz die Hoden erſcheinen als zwei kleine weiche durchaus nicht reſiſtirende Maſſen von dem Umfange ge— wöhnlicher Haſelnuſſe. Die Ruthe von denſelben Dimen— ſionen wie bei einem Kinde von 10 — 12 Jahren, ſie iſt ſtets ſchlaff; die Vorhaut adhärirt an der oberen Hälfte der Eichel, welche demzufolge nur theilweiſe entblößt werden kann. Dieſe Adharenz ſoll nach Ausſage des Kranken ſich ohne vorgängige Ulceration gebildet haben. Seit der oben angefuhrten Ejaculation hat keine Erection Statt gefunden, die Geſchlechtsluſt iſt völlig erloſchen, Intelligenz ziemlich ſtumpf, der Kranke giebt an, daß ſein Gedächtniß ſehr ge— litten habe. Der Hinterhauptshöcker iſt völlig abgeflacht. Der Kranke erhielt von ſeiner Aufnahme an Jodkali in der Gabe von 1 — 3 Grammen, dabei doppelte Portion, Wein und eine Hopfentiſane. Nach 14 Tagen waren Die, Kopf: ſchmerzen fait vollſtändig verſchwunden; 1 Monat darauf waren kaum einige Spuren davon vorhanden. Der Appe⸗ tit war etwas beſſer geworden und der Kranke konnte 3 Portionen genießen, ſonſt iſt der Zuſtand derſelbe geblieben. 157 Man hat jetzt das Jod ausgeſetzt, um den Kranken einige Zeit ausruhen zu laſſen und ihn dann einer tonifirenden Behandlung zu unterwerfen. (Ann. des maladies de la peau.) * (XVII.) Einen Fall von Reſection der fibula mit glücklichem Ausgange theilte Gra ur der medicinifchen Akademie zu Brüſſel mit. — Die Reſection der kibula wurde von mehreren Chirurgen bei verſchiedenen Gelegenheiten unternommen. So bei com— plicirten Fracturen, wo die einzelnen Knochenſtücke auf andere Weiſe nicht eraptirt werden konnten (Scultet, Boyer, Dupuytren, Gavard); bei Oſteoſarcom (Default); bei Caries oder Necroſe (Perey, Laurent, Beelard, Rour und Seutin). Velpeau erzählt, daß Rheden einem Kranken mit Caries der fibula 3 Zoll dieſes Knochens entfernt hat, ohne eine Heilung zu erzielen; der Kranke ftarb einige Zeit darauf; dagegen reſecirte Ouvrard einem Kranken einen Zoll der fibula mit glücklichem Erfolge. Da nun nur wenige Fälle von Reſection der fibula bei Caries bekannt ſind, ſo wird folgende Beobachtung nicht ganz ohne Intereſſe ſein. Die 52jährige G., von ſanguiniſch-nervöſem Tempera- mente und Mutter mehrerer Kinder, leidet öfters an ziemlich heftigen Anfällen von Migräne. Vor ungefähr 18 Monaten (Mai 1843) ſtieß ſie ſich an das linke Bein; der dadurch entſtandene Schmerz verſchwand bald, und einige Stunden ſpäter war nur noch eine leichte Ekchymoſe wahrzunehmen, die am folgenden Tage wich. Drei Monate ſpäter ſtellte ſich Schmerz an der vom Stoße getroffenen Stelle des Unter— ſchenkels ein, an der äußeren unteren Seite nämlich, der allmälig heftiger wurde. Hierzu geſellte ſich Geſchwulſt, Hitze und Röthe, es bildete ſich ein Absceß, der von ſelbſt aufbrach und fiſtulös wurde. Nachdem verſchiedene Mittel zur Beſeitigung des Übels fruchtlos angewendet worden, kam man zu der Überzeugung, daß Caries zugegen ſei und verſuchte unter anderem auch die Cauteriſation. Zu dieſem Zwecke wurde ein 2½ Zoll langer Schnitt an der Außen— ſeite der fibula gemacht, dieſe bloß gelegt und wiederholt cauteriſirt, ohne indes den gewünſchten Zweck zu erreichen. Da alle Verſuche zur Heilung mißlungen waren, entſchloß ſich Patientin zu einer Operation. Es war nun zweifelhaft, ob hier die Amputation oder nur die Reſection der fibula indieirt ſei. Da der früher gemachte Einſchnitt nicht bis zum äußeren Knöchel hinuntergeführt war, und die Theile in Folge der früheren Operations— verſuche noch ſtark angeſchwollen erſchienen, ſo konnte man den Zuſtand des unteren Theils der fibula, jo wie der an— grenzenden tibia nicht beurtheilen, die, wenn fie mit erkrankt wären, die Amputation unbedingt nöthig gemacht hätten; während andrerſeits bei Verſchontgebliebenſein dieſer Theile die Reſection des erkrankten Theiles des Lendenbeins die Heilung mit Erhaltung des Beines hoffen ließe. Es wurde demnach beſchloſſen, den Schnitt bis zu dem Knöchel herab 186. IX. 10. 158 zu verlängern, um ſich über den Zuſtand des Knochentheils zu vergewiſſern. Die Operation wurde am 19. Mai mit Hülfe des Dr. Renard und Bongard unternommen. Nachdem der Schnitt bis über den unteren Theil des Wadenbeins verlängert worden, fand ich den Knöchel geſund; um nun die Reſection des ganzen kranken Knochentheiles beſſer vornehmen zu können, ſpaltete ich die Weichtheile auch nach oben, iſolirte das Wadenbein, indem ich mit dem Biſtouri die dasſelbe umgebenden Weichgebilde abſchabte, und ſetzte ſodann die Trepankrone oberhalb des Knöchels auf, wodurch die Trennung des Knochens ohne Mühe ge⸗ ſchah. Zur Reſection des oberen Knochentheils mußte ich mich der Gliederſäge bedienen, die wegen der bedeutenden Anſchwellung der fibula ſich nur ſehr ſchwer in den Raum zwiſchen tibia und fibula einführen ließ. Die Durchſchnei— dung des Knochens ſelbſt geſchah leicht. Die ligamenta interossea, durch welche das Knochenſegment ſehr feſt an die tibia angeheftet war, wurden ſpäter, wiewohl nach vieler Mühe, getrennt. Das entfernte Stück betrug ungefähr 4 Zoll. Da der obere Theil der zurückgeblicbenen fibula noch in einer Strecke von 6 Linien krank ſchien, ſo entfernte ich noch ein Segment von ungefähr 8—10 Linien. Die Kranke verlor wahrend der Operation nur wenig Blut, da keine bedeutende Arterie verletzt wurde. Die Wunde wurde mit Heftpflaſterſtreifen verbunden und darüber ein leichter Compreſſtonsverband gemacht. Diät, kühlende Getränke. — Am folgenden Tage trat plötzlich heftige Migräne ein. Un⸗ bedeutendes Gerauſch, Lichtſtrahl riefen peinliche Kopf: ſchmerzen hervor. Dieſe Erſcheinungen hielten auch in den folgenden Tagen an und ſchienen auf die Wunde un— günſtig einzuwirken; dieſelbe ſah ſchlaff, blaß aus und ſonderte einen ſchlechten Eiter ab. Am 23. tritt Steigerung des Kopfſchmerzes ein; die Kranke klagt über Ohrenſauſen und Schlafloſigkeit; das Geſicht erſcheint geröthet, der Puls frequent, Schmerz beim Drucke auf die Magengegend, weiß belegte Zunge, Verſtopfung. — 12 Blutegel auf die Magengegend, Diät, kühle Getränke, Klyſtier, Kataplasmen. — Es erfolgt dar⸗ nach einige Beſſerung, die auch in den ſpäteren Tagen an⸗ hält; der Grund der Wunde fängt zu vernarben an; der Kopfſchmerz iſt indes noch immer vorhanden. — Am 26. 10 Blutegel an die proc. mastoid. Vom 27. Mai bis zum 1. Juni ſchwinden die allgemeinen Krankheitserſchei— nungen faſt ganz; die Wunde vernarbt an allen Stellen, mit Ausnahme des unteren Winkels, wo die Weichtheile den Knochen nicht bedecken; ſpäter treten indes auch hier reichliche Granulationen ein und der Vernarbungsproceß ſchreitet vor. In den erſten Tagen des Juni ſieht man noch die alten Fiſtelgänge ſtationär bleiben. Es werden äußerlich Fomentationen aus toniſchen Mitteln verſchrieben, innerlich ein Dec, Chinae mit Kampher. Vom 5. zum 10. kommen noch aus den Fiſtelgängen einige Knochenſplitter heraus. Am 20. iſt die Wunde vollſtändig vernarbt. Die Kranke verſucht mit Krücken zu gehen; die Bewegungen des Tibiotarſalgelenkes ſind vollkommen unbehindert, es entſteht indes bei dieſen Gehverſuchen Anſchwellung in der Gegend 159 der Knöchel. Dieſer Umſtand, durch den langen Aufenthalt der Kranken im Bette veranlaßt, hat indes auf die friſche Narbe durchaus keinen nachtheiligen Einfluß. Jetzt, 6 Mo— nate nach der Operation, behält der Fuß ſeine normale Richtung, der äußere Knöchel zeigt keine Neigung, nach außen zu weichen und ſcheint beim Auftreten nicht zu leiden, ſo daß wir das Fußgelenk faſt für eben ſo ſolid als im Normalzu— ſtande zu halten berechtigt ſind. — Seutin erwähnt bei dieſer Gelegenheit eines Falles von Reſection der übula gegen Caries dieſes Knochens, die er 1829 mit glücklichem Erfolge verrichtet hat und nimmt ſonach die Priorität für ſich in Anſpruch. Gleichzeitig macht er auch auf die Gefahren der Operation aufmerkſam, die be— ſonders in den Fällen vorhanden ſind, wo Dyskraſien dem Knochenleiden vorausgingen. Man muß daher außer dem örtlichen Leiden noch beſonders die allgemeine Krankheit be— rückſichtigen, da das Übel ſonſt nach der Operation recidivirt. (XVIII.) Heilung einer spina bifida durch die Operation. Oct. 17. 1837. Ein Kind von 8 Monaten wurde an dieſem Tage vom Dr. Stevens wegen einer spina bifida operirt. Die Geſchwulſt hatte ihren Sitz oberhalb des oberen Theiles des Kreuzbeines, war ungefähr 3½“ breit von einer Seite zur andern und faſt eben ſo lang und erhob ſich 2“ weit über die umgebende Fläche, längs der Mittel— linie vertical von einer dicken unregelmäßigen Decke durch— zogen. Die Bedeckung des Tumors war keine geſunde Haut, ſondern eine eigenthümliche dünne Membran von röthlicher Farbe, von zahlreichen Gefäßen gleich varicöſen Capillar— venen durchzogen. Die geſunde Haut bildete einen harten Rand an ihrer Vereinigungslinie mit der Bedeckung des Tumors. Die ganze Geſchwulſt war etwas hangend, ſchmäler an der Baſis als in der Mitte und verhielt ſich in ihrem Umfange zur Größe des Kindes wie zur Zeit der Geburt. Sie war ein Mal mit einer Nadel punctirt worden, als das Kind nur wenige Wochen alt war. Die Wunde, welche nie ganz vernarbte, war von einer Art Schorf bedeckt. Bei der heutigen Operation wurde ſie mit einem Iris— Meſſer punetirt und gegen 4 Unzen klares Serum, mit eini— gen Tropfen Blut tingirt, floſſen aus dem Stichpunkte ab. Das Kind ſchien von der Entleerung des Serums keine Unbequemlichkeit zu dulden, und ein leichtes Einſinken an der vorderen Fontanelle war die Folge. Das Allgemein— befinden iſt gut. An der äußeren Portion der Baſis der Geſchwulſt zeigt ſich kein Mangel des Knochens. 186. IX. 10. 160 Oct. 20. Die Geſchwulſt wird von neuem auf der rechten Seite punetirt, und 1 Unze Serum fließt ab. Det. 21. Neue Punction an 3 Stellen längs des unteren Randes der Geſchwulſt an der Grenze der geſunden Haut, Abfluß von 4 Unzen Serum. Der Tumor iſt jetzt etwas gerunzelt, allein die Verkleinerung desſelben ſteht nicht im Verhältniſſe zur Quantität der entleerten Flüſſtgkeit. Oct. 30. Die Flüſſigkeit fuhr fort, faſt 24 Stunden hindurch nach der letzteren Punctur langſam abzuſickern. Seitdem iſt das Kind ſchreckhaft, mit einigen fieberhaften Symptomen, vielleicht in Folge des Zahnens. Der Sack der Geſchwulſt entzündet ſich, und nach 2 Tagen hält das Kind das linke Bein in die Höhe gezogen und ſchreit, wenn man es anrührt. Es hat nun etwas Magneſia bekommen. Die Geſchwulſt wird mit Spiritus gewaſchen; die vordere Fontanelle iſt bedeutend eingeſunken. Die Geſchwulſt wurde ſpäter nicht mehr punetirt. Die fieberhaften Symptome und der Muskelkrampf verſchwanden bald, und nach wenigen Tagen kehrte die kleine Kranke mit ihren Eltern aufs Land zuruck. Im nächſten Sommer, als das Kind wieder herbeigeſchafft wurde, war der mit Waſſer angefüllte Sack verſchwunden und nur etwas harte und gerunzelte Haut zurückgeblieben. Zu bemerken iſt noch, daß die Flüſſigkeit ſehr langſam entleert, leichter Druck auf die Geſchwulſt nach jeder Ent— leerung ausgeübt und das Kind ſtets in der Rückenlage erhalten wurde. Ein Mal, als nach Entleerung des Sackes der Kopf plötzlich in die Höhe gehoben wurde, zeigte ſich eine Neigung zur Ohnmacht und Krampf, welche ver⸗ ſchwand, ſobald man den Kopf wieder niederlegte. (New- York Journal of med. science 1844.) Mifcellen. (18) Chloroform in den hohlen Zahn gegen Jahn ſchmerz hat Dr. Pigeolet in Brüſſel mit entſchiedenſtem Er⸗ folge angewandt bei einer jungen ſehr nervöſen Dame, welche ſchon öfter in einem hohlen Backzahne die heftigſten Schmerzen gehabt, dieſelben aber jedes Mal ſofort durch Opium oder Mor⸗ phium hatte heben können. Dies Mal wollte nichts helfen und endlich ſchickte man nach Dr. Pigeolet; dieſer brachte 1 Tropfen Chloroform in den hohlen Zahn, und auf der Stelle fühlte die Kranke, wie ſich der Schmerz in eine Wärme (ſo drückt ſie ſich aus!) umwandelt, bald darauf ſchlummert ſie ein, und iſt von ih⸗ rem Schmerze ganz befreit. (Journ. de Med. etc. de Bruxelles. Aoüt 1848.) Nekrolog. — In Würzburg ift der Profeffor der Anatomie Münz und in Jena der berühmte Chemiker Döbereiner, der feines Namens rühmliches Gedaͤchtniß durch viele nützliche Ente deckungen geſichert hat, im März geſtorben. — In Rom ſtarb der berühmte Sprachkenner Cardinal Mezzofanti. Bibliographiſche Neuigkeiten. A rudimentary treatise on Geology for the use of beginners by Lieutn. Colonel Portlock. 12%. (pp. 190.) London 1849. 10 d. A. Pritchard. Notes on Natural history selected from the microscopic ca- binet. a Edit. 120. (pp. 98.) with coloured plates. London 1849. 2 sh. 6 H. W Dodd. Cholera or Orotra: an Essay on the Use of the Liquor Potassae and Liquor Alkalinus in the treatment of Malignant Cholera; with numerous cases. 3d. Edit. 8. (pp. 34.) London 1849. 1 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 187. (Nr. 11. des IX. Bandes.) April 1849. monart, Fall von Beckenverengerung, wobei der Vanhalevelſche Beckenmeſſer allein als genau ſich erwies. — Valette, merkwürdiger Fall von ange⸗ borenem Bildungsfehler des Herzens. — Sanders, Verſchiedenheit der Behandlung der Neuralgien je nach ihrem Sitze. — Miſcelle. Graves, Natur kunde. XXVIII. Einige Worte über den Tarwas, Tarwaha, Tarwahalla der Runenſagen. Von Victor von Motſchulſky. (Aus deſſen Reifejournal.) In der Juniſitzung 1847 der Akademie der Wiſſen— ſchaften in Berlin wurde über das in einem finniſchen Runo vorkommende zweifelhafte Thier: Tarwas, Tarwaha und Tarwahalla genannt, durch Hrn. Prof. Schott Er— läuterungen gegeben und dieſes Tarwaha als die aſiatiſche Wühlratte (Mus Bobac) gedeutet. Vers 29—31 dieſes Runo lautet: Pohjla porolla kynti Nordland pflüget mit dem Rennthier Etelä emähewolla Südland mit dem Mutterpferde Takalappi tarwaholla Tafalappi mit dem Tarwas. Prof. Schott ſagt: Takalappi bedeute wörtlich Hinter— Lappland und ſei eben ſo unbekannt als das Thier Tarwas oder Tarwaha. Es iſt ſchwer zu behaupten, daß Takalappi durchaus ein arktiſches Land geweſen ſei, und wahrſcheinlicher dürfte es ſein, daß die Finnen zu jener Runenzeit viel ſüdlicher ihre Wohnſitze ausbreiteten, als irgend einer ihrer Stämme jetzt. Die Geſchichte zeigt, daß die Finnen oder Lappen des Rund noch zu Römerzeiten alle Ufer der Oſtſee inne hatten und an die wendiſchen oder ſlaviſchen Völkerſchaften unmittelbar grenzten. Es könnte daher in jenem Takalappi oder Hinter— Lappland der ſüdlichſte Saum der damaligen finniſchen Länder oder vielleicht ſelbſt ſlaviſche Länderſtrecken gemeint ſein. Der im Süden von Finnland in uralter Zeit le— bende Slavenſtamm war der der Krivitſchen oder Kriveten, deſſen Überbleibſel nicht ſo viel in den livländiſchen Krivingen als vielmehr in den lithauiſchen Dſchamaiten zu ſuchen Fo. 2167. — 1067. — 187. ſind, da hier das noch bis jetzt erhaltene uralte Sprichwort: „Krive Kriveites Dschamaite diveites“, d. h. Krive-Kriveites iſt der Dſchamaiten Gottheit, offenbar den Schlüſſel zur Benennung Krivitſchen abgiebt. Die jetzigen Lithauer über— haupt und insbeſondere die mit den Letten verwandten Dſchamaiten oder Samogitier gehören, wohl theilweiſe wenigſtens, zu jenem Complex von Völkerſchaften, die Tacitus als Suiones erwähnt, und die aus einer viel ſüdlicheren Gegend, namentlich von den Ufern des Fluſſes Don, an die Grenzen der Finnen gewandert waren. Aus der geographiſchen Verbreitung der Thiere iſt es bekannt, daß das Rennthier, nächſt dem Hunde, wohl das nördlichſte Zugthier iſt und als ſolches bis zum 650 N. Br. gebraucht wird. Südlicher tritt das Pferd auf, das in Rußland bis zum 520 N. Br. vorzugsweiſe zum Pflügen dient. Von dieſer Breite ſüdwärts tritt dann der Ochſe als Hauptzugthier bis zum 420 N. Br. auf, wo der Büffel ihn wieder verdrängt. Wenn alſo der finniſche Dichter im Nordlande das Rennthier, im Südlande das Pferd als die Hauptzugthiere ſein läßt, ſo könnte nach obengeſagtem der Tarwas, Tarwaha oder Tarwahalla nichts anderem als dem Zugochſen um ſo mehr entſprechen, da es namentlich Dſchamaiten, die früheren Grenzbewohner der Finnen, ſind, bei denen hin und wieder jetzt noch der Ochſe zum Pflügen gebraucht wird und dies Land wohl auch die nörd— lichſte Grenze der Verbreitung des Ochſen als Arbeitsthier ſein mag. Das Vaterland der Auerochſen oder Tur liegt unterhalb des 540 N. Br. und unmittelbar in der Nähe, wo einſt die Finnen lebten. Es konnte ihnen daher dieſes Thier eben ſo wenig als deſſen ſlaviſche Benennung Tur unbe⸗ kannt bleiben. Bekannt iſt es, daß der Büffel erſt im 6. Jahrhundert nach Europa eingeführt wurde. Es wäre 11 163 demnach mehr als wahrſcheinlich, daß der Zugochſe in die Nachbarſchaft der Finnen ebenfalls erſt ſpät gekommen und ſie ihn, als vom lange bekannten, in ihren Grenzwäldern einheimiſchen Auerochſen *) abſtammend, betrachteten. Der lithauiſche Name Zubr **) trat viel ſpäter auf, da die Lithauer erſt im 5. Jahrhundert, zur Oſtſee ziehend, die nördlichen Slaven verdrängten und dabei auch die Finnen weit nach Norden warfen. Odin, aus den Gegenden des Caucaſus und Kleinaſiens kommend, wo der Auerochſe oder Taur, Tur, Aur, Ur noch bis jetzt wild vorkommt und wo er in vorhiſtori— ſcher Zeit die Urſache der Benennung Taurus für das dortige Hauptgebirge geweſen ſein mag, brachte nach dem Norden mit vielen ſeythiſch-flaviſchen Gebräuchen, als z. B. der Errichtung der tumuli, wahrſcheinlich auch die Nachricht vom Ackern der Felder durch Ochſen. Da den Finnen der Auerochſe unter dem Namen Tur bereits bekannt ſein und fie aus den Verbindungen mit ſlasviſchen Völkerſchaften eben fo gut auch deren Benennung für Zugochs: Wol (bean) polniſch wol, kennen konnten; dieſe beiden Thiere aber als eins betrachteten, ſo war es ihnen oder wenigſtens jenem Runendichter leicht, daraus einen Tur-Wol, Turwal, Tarwa- halla, Tarwaha und Tarwas zu machen. Mir ſcheint es wenigſtens ſehr unnatürlich, dem finni— ſchen Dichter eine ſo grobe Lüge, wie das Pflügen mit der aſiatiſchen Wühlratte, in den Mund zu legen. Als er ſchrieb, muß das Thier Tarwas doch den Finnen bekannt geweſen ſein, was für den Ochſen wohl, nicht aber für die viel weniger nordwärts und von der Finnengrenze noch ungemein weit vorkommende Wühlratte unbedingt gelten kann. Oder, wenn die letztere wirklich den Finnen bekannt war, es, ſelbſt bei den roheſten Völkern, unmöglich an— zunehmen iſt, daß fie dergleichen monſtröſen Fabeln Glauben geſchenkt und zu deren Überlieferung auf ſpätere Zeit Ge— ſchmack gehabt hätten. Dagegen nennt man jetzt im ruſſiſchen die Dipusarten Tarpagantschik, was offenbar einen mongoliſchen Urſprung hat und von Tarpan, wie die Kalmücken das wilde Pferd nennen, herſtammt. Hierin liegt auch ein ganz natürlicher Zuſammenhang, da der Springhaſe der mongoliſchen Imagination ſehr leicht als Springpferdchen vorkommen konnte. Dieſer Tarpan bewohnte ſchon zu Herodots Zeiten die Steppen des ſüdlichen Rußlands um den Fluß Hypanis, unſern jetzigen Bug, wo er auch jetzt noch vorkömmt ***) und ſich dann längs dem 470 N. Br. durch den Fl. Manytſch ) Höchſt wichtig iſt vie jetzt noch in Rußland verbreitete Sage, daß der lithauifhe Tur aus den großen Wäldern des ſmolenſtiſchen Gouvernements ſtamme, von wo vor einigen hundert Jahren (ob vielleicht zur Zeit der Jagel⸗ loneneroberung?) ein polniſcher Magnat 10 Kälber desſelben in fein Vaker⸗ land mitnahm und fie dann in dle Bialyftoder Haide verpflanzte, wol die Art bis jest ſich erhalten hat. **) Nach Herberſteins Zeichnung ſoll der Tur ohne Mähne und ohne Bart und Schwanz und dadurch vom Zubr unterfchieven fein. Merkwürviger Weiſe nennen die jetzigen Ruſſen den bebarteten kaukaſiſchen Steinbock Tur. und den bebarteten fiberifchen Hirſch Izubr. Dieſer Izubr giebt das berühmte Hirſchhorn, das in Ching mit Gold aufgewogen wird und für jede Braut, a mat eme für den künftigen Dann, die unumgaͤngliche Mitgift ausmacht. — ) ch habe viele glaubwürdige Leute geſprochen, die ſolche wilde Pferde ſelbſt geſehen und in den Steppen am Bug ſowohl, als um den Manhtſch in neueſter Zelt gejagt haben. Als der Thronfolger von Rußland 1837 in Tſcher⸗ kaſk war, wurde ein lebendiger Tarpan eingebracht. 187. IX. 11. 164 in die Kirgiſenſteppe und weiter in das Land Tarpa-gatai oder Tarpa-hatai, namentlich durch dieſelben Regionen hinzieht, wo der Dipus jaculans einheimiſch iſt. Tarpa-hatai wäre demnach nicht das Land der Murmelthiere, wie Herr Schott es ableitet, ſondern das der wilden Pferde, was es auch wirklich iſt. *) Für die Benennung des Steppenmurmelthiers mag wohl Tä-rh oder ein ähnlicher Laut von den Chineſen oder beſſer irgend einem der Völkerſtämme Chinas, da ein Chineſe ſchwerlich ein ſolches Wort auszuſprechen im Stande ſein wird, angewandt werden; daß es aber neben dem tatarisch= mongoliſchen Namen desſelben, Baibae, noch einen anderen, Tarwaha, geben ſollte, wäre nur dadurch erklärlich, daß dies Wort zu den Mandſchu aus dem chineſiſchen oder irgend einer anderen Sprache herübergekommen wäre. Die Endigung waha iſt eigentlich altkumaniſch und ſcheint ſo viel wie Gegend oder Ort zu bedeuten; Tarwaha alſo dem Ausdrucke „Tar-Gegend“ gleichkommen. Dieſe Endigung kommt vielfach im ſüdlichen Rußlande, wo einſt die Po— lowzen oder Cumanen hauſeten, vor, ſo z. B.: ein Hügel Gribo-waha (Pilzgegend), ein Bach Kupie - waha (Bade⸗ gegend), ein Bach Kamysch-waha (Schilfgegend), ein Fluß Grusche- waha (Birnengegend). Ein Beweis mehr, daß die Finnen als Tſchuden einſt das ganze Oberaſien bis an das kaſpiſche Meer einnahmen, und daß die Polowzen ein finniſcher Stamm, von den aus Süden drängenden Mongolen zerſprengt und in Siberien ſelbſt dem Namen nach ganz ausgerottet wurden. Höchſt merkwürdig und wichtig für die Kenntniß des Urſprungs der Völker iſt, daß dieſelbe Endi— gung waha oder waka vielfach in America vorkömmt und zwar ebenfalls bei den Namen von Bergen und Flüſſen. Es möchte vielleicht nicht mehr fern liegen, wo gelehrte For— ſchungen jenes in America verloren gegangene Volk, mit den verſchwundenen Tſchudenſtämmen Sibiriens, den Seythen und den Tschud (use) der neueren Ruſſen oder unſeren jetzi— gen Finnen, in nähere Verwandtſchaft bringen werden. Jenes räthſelhafte Volk ging aus America nach Aſten, nicht aber umgekehrt, wie man es bis jetzt geglaubt hatte. Fürs erſte giebt es mancherlei Anhaltspunkte, fürs letzte gar keine! **) Zum Schluſſe muß ich noch der ſibiriſchen Volksſage von dem dort hauſenden unterirdiſchen Ungeheuer erwähnen, da man ſie ebenfalls auf die aſiatiſche Wühlratte bezogen hat. Der Bobac kommt aber in den Gegenden, wo jene Sage herrſcht, gar nicht vor und iſt den dortigen Stämmen eben ſo unbekannt, wie das wilde Pferd und der Spring— haſe. Umgekehrt iſt in den Steppen ſüdwärts, ſeiner eigentlichen Heimath, von unterirdiſchen wühlenden Un— geheuern nichts zu hören und die ganze Sage beſchränkt ſich bloß auf die nördlichen Bewohner Sibiriens, meift von vorherrſchend-finniſcher Abſtammung, die Samojeden, ) Die Kalmücken (Olöt), aus jenem Tarpagatai (der Songarel) ſelhſt ſtammend, haben AS: den ne Dei des Wortes Tarpan rein he während die übrigen Aſiaten damit meiſt auch das Dschigiltai ver⸗ wechſeln. %) Später hoffe ich über dieſen Gegenſtand genauer mich ausſprechen zu können. 2 165 Oſtiaken, Tunguſen. Sie beſteht lediglich darin, daß fie glauben, der Mammuth ſei dies unterirdiſche Ungeheuer, das nie an die Luft kommen darf und das, ſobald es mit feinen Gängen nahe an die Erdoberfläche gelangt oder die- ſelbe mit ſeinen langen Hauern durchſticht, augenblicklich ſtirbt. Dieſes ſei auch, ſagen ſie, die Urſache, warum alljährlich dergleichen Mammuthshauer, die von jenen Völkern ſehr geſucht werden und einen ergiebigen Handelsartikel bilden, aus der Erde zum Vorſchein kommen. So viel man bis jetzt weiß, exiſtirt im Norden kein Thier, das in der Erde an— ſehnliche Gänge macht oder mehr als flache, neſterartige Behältniſſe an der Erdoberfläche gräbt und auf welches jene Sage ſonſt bezogen werden könnte. Tſchugueff, den 10. Jan. 1849. XXIX. über die Organiſation nnd Entwickelung der Nicothoe. Von P. J. van Beneden. Unter den Kiemen des Hummers (Homarus vulgaris) lebt eine Lernaea, die rechts und links flügelartige Anhängſel trägt, zwiſchen denen zwei lange Eierſäcke herabhängen; Kopf und Rumpf dieſes Thieres ſind kaum ſichtbar. Die Thiere gehören alle zu einem Geſchlechte. Audouin und Milne-Edwards, die nur die Weibchen kennen, nannten dieſes Thier Nicothoe. Der Verf. war ſo glücklich, ſich dies noch wenig be— kannte Geſchöpf in ſehr verſchiedenem Alter lebend verſchaffen und ſeine Entwickelungsphaſen verfolgen zu können, die ihm um ſo intereſſanter erſchienen als man bis jetzt über die Entwickelung der Lernäen noch wenig oder gar nichts weiß. No. 11. des Bulletin de l’academie royale etc, de Belgique von 1848 enthält ſeine Arbeit. Das Männchen dieſes eigenthümlichen Paraſiten, welches der Verf. auffand, lebt frei an den Theilen des Strandes, wo ſich die Hummer aufhalten; ſeine durchaus verſchiedene Geftalt ſtimmt mit der Schnelligkeit feiner Bewegungen überein; auch hier iſt das Männchen, wie bei den übrigen Lernäen, ſo klein, daß man es für einen Paraſiten des eigenen Weibchens halten könnte. Einer der ſtreitigſten Punkte der Embryo-Entwickelung, fährt der Verf. fort, iſt die Theorie der Dotterfurchung man weiß bis zur Stunde noch nicht, welche Rolle dem durchſichtigen Bläschen, welches man häufig den Dotter ver— laſſen ſah, obliegt; weiß nicht, ob die Furchungskugeln des Dotterd mit einer Membran verſehen find oder nicht; nicht, ob der weiße Kern, den man im Mittelpunkte dieſer Kugeln beobachtet, die Urſache oder ein Product der Furchung iſt, und doch ſind es dieſe Fragen, auf denen die Löſung des ganzen Räthſels beruht. Die Naturforſcher bilden hier vornämlich zwei Parteien, die ſowohl in den Thatſachen, wie in ihrer Auslegung, durchaus verſchieden ſind. Nach Reichert erſcheint zu Anfang der Furchung, uns mittelbar nach der Befruchtung im Mittelpunkte des Dotters 187. N. 11. 166 ein einziger transparenter Kern, der bald darauf wieder verſchwindet; darauf theilt ſich der Dotter in zwei gleiche Hälften, in dieſen beiden Hälften zeigt ſich ein weißer Kern; der Dotter fährt darauf fort ſich in vier, dann in acht Theile und ſo fort zu theilen; in der Mitte jedes dieſer Dotter— Segmente erſcheint wiederum ein weißer Kern, bis auch dieſer ſein anfängliches Anſehen wieder angenommen hat. Der Kern beſitzt, nach Reichert, keine eigene Membran; er iſt durch die Theilung entſtanden, hat ſie aber nicht her— vorgerufen; dagegen wird jeder Dotterabſchnitt (segment) von einer eigenen Membran umgeben. Nach Kölliker geſchieht die Dottertheilung durch ſich bildende Scheidewände, die immer tiefer vorrücken; der weiße Kern iſt vor der Theilung gegenwärtig, er veranlaßt die Dotterkugeln, ſich um ihn zu gruppiren; dieſer durchſichtige Kern iſt ein wirklicher Zellkern, von einer eigenen Membran umgeben, während den Segmenten eine ſolche fehlt. Zu Anfang bildet ſich ebenfalls im Mittelpunkte des Eies ein weißer Kern, um den ſich die Dotterkugeln anordnen; dieſer Kern bildet durch endogene Zellbildung zwei neue Kerne; die Dotterkugeln, die ſich um ſie vertheilen, bilden jetzt eine Dotter mit zwei Segmenten. Jeder dieſer Kerne theilt ſich ſeinerſeits wieder, die Dotterkugeln ordnen ſich um die neu— entſtandenen Kerne und ſo fort bis zur Bildung des erſten Embryo-Rudiments. Es iſt, bemerkt hier der Verf., demnach die Frage zu beantworten, ob der weiße Kern der Bildung der Dotter— kugel (bosselure) vorhergeht oder ob er ihr folgt; ferner ob der Kern den Dotter beſtimmt ſich um ihn zu gruppiren, oder ob er das Product der Theilung des Dotters iſt? Nach des Verf. Meinung geht der Kern der Bildung der Dotterkugel nicht voran, erſcheint vielmehr erſt nach der Bildung der Dotterſegmente. Der weiße Kern oder die Kerne des Dotters ſcheinen ihm darnach dem Zellkerne nicht analog zu ſein; ſtatt für die Entwickelung von Bes deutung zu ſein, ſcheint er vielmehr bei ihr nur eine ganz ſecundäre Rolle zu ſpielen. Wenn man die erſten Erſchei— nungen, welche die Entwickelung begleiten, beobachtet, ſo ſieht man, daß ſich der Dotter verdichtet und um ſo mehr Conſiſtenz gewinnt, je weiter die Furchung vorſchreitet; aus einem flüffigen Zuſtande iſt er in einen an der Oberfläche häutigen Zuſtand übergegangen; es hat eine Sonderung Statt gefunden, ein flüſſiger Theil hat ſich getrennt, um den Mittelpunkt jeder Kugel einzunehmen; dieſe Flüſſigkeit iſt der vermeintliche Kern. In dem Grade, als ſich der Dotter in Segmente theilt und in demſelben Augenblicke, wo der Furchungsproceß beginnt, erſcheinen nach innen und manch Mal nach außen ein oder mehrere Tröpfchen Flüſſig— keit, die ſich nach außen in's Albumen, wenn ein ſolches vorhanden iſt, ausbreiten; der Verf. glaubt, daß dieſe Er— ſcheinung dasjenige bezeichnet, was man als transparente Bläschen, die aus dem Dotter hervortreten, beſchrieben hat. Seit lange hat man dieſe Bläschen gekannt, ohne ſte deuten zu können; man hat ſie bei verſchiedenen Thierclaſſen geſehen, aber hat, ſo viel dem Verf. bekannt, noch nicht verſucht, ihren Urſprung wie ihre Bedeutung zu erklären. n 167 Dieſe Bläschen erſcheinen vor allem zu Anfang der Furchung; in einer ſpäteren Zeit iſt, wie ſich von ſelbſt verſteht, die Oberfläche des Dotters zu feſt und conſiſtent geworden; die Flüſſigkeit, welche anfangs nach außen ent— weichen konnte, wird jetzt nach innen, nach dem Mittelpunkte jedes Segments, gedrängt. Dieſe Erklärung harmonirt auch mit der Theilung der weißen Kerne, welche den Kugeln entſprechen und deren fucefjiser Theilung. Der Verf. glaubt ferner, daß diejenigen Zellen, welche die Kugeln bilden, zu Anfang keine eigene Membran be— ſitzen, die erwähnten Flüſſigkeitströpfchen könnten ſonſt nicht ins Albumen gelangen; die Kugeln können ſich nach ihm, gleich den Zellen, ohne eigene Außenmembran bilden. Der Verf. glaubt ſomit, daß der weiße Kern, ſtatt die erſte Urſache der Dottertheilung zu ſein, im Gegentheil das Reſultat derſelben iſt; daß dieſer Kern keine eigene Mem— bran beſitzt, daß die weißen Bläschen, welche ins Albumen uͤbertreten, wie die centralen Kerne der Kugeln, das Pro— duct der Dotterverdichtung, d. h. nichts weiter als durch— ſichtige Tröpfchen, die nach außen entweichen können, ſind. Der Embryo der Nicothoe, zu welchem der Verf. jetzt zurückkehrt, durchläuft nicht, wie man vermuthen ſollte, die— -jelben Entwickelungs-Phaſen, wie die meiſten anderen Ler— näen, feine Entwickelungsgeſchichte iſt von der der genera Cyclops, Ergasilus, Achteres, Lernaea und Tracheliastes ſehr verſchieden. Während der Periode ſeines freien Lebens hat das Thier, gleich dem Cyclops, nur ein Auge, während es im ausgewachſenen Zuſtande zwei von einander entfernte Augen beſitzt, was überdies bei den Lernäen eine Ausnahme iſt. Die Anhängſel ſind nach den beiden Hauptperioden des Lebens wenig verſchieden; man ſieht vorn am Munde 3 Paar Freßfüße und außerdem 4 Paar zweiarmige Füße; die letzteren liegen unter dem Hinterleibe, und zwar gegen die bisherige Annahme dicht neben einander, in gleicher Ent: fernung von einander. Es giebt wenige Hummer, welche nicht einige dieſer Paraſiten ernähren. Miſeellen. 24. Beiſpiele eines merkwürdigen Inftinctes bei Thieren. Dr. Warwick beſuchte eines Tages im Parke zu Durham den Fiſchbehälter; ein etwa 6 Pfd. ſchwerer Hecht ſchoß bei ſeinem Herannahen ſo heftig gegen einen an einer Pfoſte zur Verhütung des Fiſchdiebſtahls angebrachten Klammerhaken, daß er die Schädeldecke bedeutend verletzte, der Fiſch rannte mit fürchter— lichem Ungeſtüm in die Tiefe, ſeinen verwundeten Kopf in den Schlamm bohrend, ſchlug und wirbelte darauf wüthend umher und ſchob ſich endlich ſelbſt aufs Land. Dr. Warwick näherte fich ihm, unterſuchte ſeine Wunde und brachte das wenige aus derſelben hervorſehende Gehirn in ſeine Lage zurück. Der Fiſch verhielt ſich eine Zeit lang ruhig, ſchwamm darauf im Waſſer umher, ſchob ſich aber ſpäter wieder aufs Land, was ſich noch mehrmals wieder holte; der Doctor legte endlich eine Compreſſe um die Wunde und der Fiſch blieb im Waſſer. Wie er am folgenden Morgen den Fiſchbehälter beſuchte, kam ſein Hecht zu ihm heran, ſchob ſich ans Ufer, den Kopf auf feinen Fuß legend; er unterſuchte die Wunde und ging dann am Fiſchteiche auf und ab, der Hecht folgte allen ſeinen Bewegungen. Am nächſten Morgen beſuchte er wie— 187. IX. 11. 168 derum ſeinen Patienten, der Hecht kam auf ſein Pfeifen und fraß aus ſeiner Hand; verhält ſich jedoch gegen andere Perſonen ſo ſcheu wie andere Fiſche. Aus dem Umſtande, daß der Hecht auf Warwicks Pfeifen jederzeit herbeikam, folgert der letztere, daß die Fiſche hören können; der Hecht blieb an der verwundeten Seite blind. — Derſelbe Verf. erzählt eine Aneedote von dem vor eini— gen Jahren toll gewordenen und erſchoſſenen Elephanten; derſelbe war ſo abgerichtet, daß er mit ſeinem Rüſſel einen Schilling vom Boden aufnahm und ihn in die Weſtentaſche desjenigen, der ihn hingeworfen, ſteckte. Dr. Warwick legte abſichtlich einen Schil⸗ ling ſo in eine Ecke, daß der Elephant ihn nicht erreichen konnte; letzterer ſchien ſich eine Zeit lang zu beſinnen, blies dann aber mit ſeinem Rüſſel ſo mächtig gegen die entgegengeſetzte Wand, daß der von ihm hervorgebrachte Luftzug nach wiederholtem Blaſen den Schilling aus der Ecke trieb, worauf er ihn in gewohnter Weiſe mit dem Rüſſel erfaßte. Derſelbe Elephant ſollte, ſo erzählt Dr. Booth, als man die erſten Spuren ſeines Tollwerdens bemerkte, vergiftet werden: man reichte ihm das Gift in einer Orange, die er vorzüglich liebte, er verſchlang ſie, erkrankte, ſtarb aber nicht, die Doſis war zu ſchwach geweſen. Man wollte ihm eine ſtärkere Gabe in derſelben Weiſe reichen, er nahm ſie nicht, fraß überhaupt keine Orange wieder, ohne ſie vorher auf der Erde hin und her— gerollt und vielfach berochen zu haben. (The Annals and Maga- zine of Natural history, January 1849.) 25. Über den Maisbau in Central-America und die Benutzung ſeiner Producte, insbeſondere über die Bereitung der Tortilles und des Totoposte. Von J. Roſſignon. — Der Mais liefert für die Bewohner Central— Americas das hauptſächlichſte Nahrungsmittel; unter den vielen dort gebauten Sorten zeichnet ſich eine durch ihren raſchen Wachs⸗ thum, die weiche Beſchaffenheit ihrer Körner, ihre Schönheit und ihren Ertrag befonders aus, dieſe Sorte (Zea guatemalensis) hat weiße, ſelten violett-bunte Fruchtkolben. — Die Tortille, eine Art Brot aus Mais bereitet, wird langſam getrocknet und kann an einem feuchten Orte lange bewahrt werden; es wird leicht trocken, hart und bröcklich und könnte jo als Zwieback benutzt wer⸗ den. Die Indianer bereiten eine Art ſolchen Zwiebacks, den ſie Totoposte nennen, und der bei geringem Volumen und Gewicht viel Nahrungsſtoff enthält. — Die Reiſenden erwähnen bisweilen eines bei verſchiedenen americaniſchen Volksſtämmen gebräuchlichen, aus Mais bereiteten Getränkes Atol; der Verf. kennt unter dieſem Namen fein ſolches Getränk, wohl aber einen Brei. Das Wort Atol bes zeichnet in Mittel-America nichts weiter als Brei, gleichgültig, ob dieſer aus Mais-, Caſſava- oder Batatasmehl bereitet wurde. Aus den noch nicht vollkommen reifen, noch weichen und milchigen Maiskörnern bereiten fie einen Brei, den fie Atol de helove nennen und beſonders hoch ſchätzen. — Die Indianer enthülſen den Mais, um ihn zur Bereitung der Tortilles geſchickt zu machen; fie laſſen ihn zu dem Ende etwa 2 Stunden in Waſſer einweichen, kochen ihn dann in großen irdenen Töpfen, indem fie auf 20 Kilogrammen Maisforner 500 Grammen Atzkalk oder in deſſen Ermangelung Holz— aſche hinzufügen; nach einſtündigem Kochen hat ſich die hornartige Schale überall gelöſ't. (Comptes rendus, No. 18, 30. Octobre 1848.) 26. Eine neue eßbare Nuß, Zabucajo, ward von Purdie, der letzthin eine wiſſenſchaftliche Erpedition nach Neu⸗ Granada begleitete, nach England gebracht; es fand ſich zwar ſpäter, daß dieſe Nuß ſchon früher auf dem Handelswege von Para nach Glasgow geführt und vielfach als Deſert verſpeiſt war, man wußte jedoch nicht, von welcher Pflanze ſie ſtammte. Die Nuß gleicht an Größe und Form dem Samen von Bertholletia excelsa, iſt wie dieſe mit einer harten Schale bedeckt, aber unregelmäßiger geſtaltet und der Länge nach gefurcht. Sie ſtammt von Lecythis Cabucajo und wird von den Coloniſten des franzofifchen Guiana gern gegeſſen, ja ſogar unſern Mandeln vorgezogen. Der große Nutzen dieſes Baumes veranlaßte die franzöfifche Regierung, ihn vor etwa 100 Jahren auf Mauritius anpflanzen zu laſſen, Au⸗ blet ſah dieſe Pflanzungen im Jahre 1761 in vollſter Blüthe; es wäre demnach wünſchenswerth, auch auf den weſtindiſchen Inſeln 169 Lecythis Cabucajo zu cultiviren. Die Frucht ift etwa 6 Zoll lang und 4 Zell breit, dick und holzig; fie ſpringt an der Spitze gleich einer Büchſe mit einem Querdeckel auf; die Samen oder Nüſſe find an einem holzigen centralen Samenträger befeſtigt. Die Frucht iſt im franzöſiſchen Guiana als marmite de singe (Affentopf) be⸗ kannt, weil die Affen den Samen der Frucht begierig freſſen, letz— terer auch zum Fange der Affen benutzt wird. Da nämlich die Offnung der Frucht enger als die innere Höhle iſt, ſo füllt man die letztere nach Entfernung des Deckels mit Zucker und legt die fo zugerichteten Früchte an Orte, die von den Affen häufig bes ſucht werden; letztere bemüht, mit ihren Händen den Zucker her— vorzuſcharren, können ſelbige nicht aus der engen Fruchtöffnung zurückziehen und werden derweil von den lauernden Negern mit Leichtigkeit gefangen. (The London Journal of botany, January 1849. 2. Das Licht der leuchtenden Fiſche erhält ſich nach Matteucci's Beobachtungen noch längere Zeit in ſolchen Me— dien, welche das Leuchtvermögen des Phosphors zerſtören; die Fi— ſche leuchten in ſauerſtofffreien Gasarten und in Atherdampf. Das Waſſer, in dem man die Fiſche abſpült, wird milchig und leuchtet 187. IX. 11. 170 nun gleichfalls im Dunkeln, verliert aber nach und nach an Licht; leuchtet jedoch bei der geringſten Bewegung von neuem; ganz fo verhält es ſich im luftleeren Raume oder unter einer Slſchicht. Ein lebender Fiſch leuchtet in ſauerſtofffreien Gasarten, ſelbſt wenn er mehrere Tage in dem Gaſe verweilt, nicht; bringt man ihn jetzt an die Luft, fo leuchtet er eben fo wenig; alle Spuren ge⸗ wöhnlicher Verweſung fehlen. Es ſcheint demnach, als wenn das Licht der phosphorefeirenden Fiſche von einem ſich bei der Ver⸗ weſung bildenden Stoffe abhängig iſt, welcher zu ſeiner Bildung Sauerſtoff erfordert, deſſen Leuchten jedoch vom Sauerſtoffzutritte unabhängig, gewiſſermaßen eine phyſicaliſche Erſcheinung iſt. Das Leuchten des Meerwaſſers verhält ſich beinahe eben ſo, zeigt je⸗ doch zwei nicht unwichtige Abweichungen. Bei 2 oder 3 Hört nämlich das Leuchten der Fiſche auf, während das auf 3 bis 40 erkaltete Meerwaſſer am ſtärkſten und nachhaltigſten glänzt. Schüt⸗ tet man ferner Ammoniaf, Alkohol oder Säuren ins Meerwaſſer, ſo wird ſein Glanz erhöht, während dieſelben Mittel das Leuchten der Fiſche vernichten. Obige Verſuche ſcheinen für einen verſchie⸗ denen Urſprung beider Lichterſcheinungen zu ſprechen. (Annales de Chimie et de Physique, Novbr. 1848.) Heilkunde. (XIX.) Fall von Beckenverengerung, in welchem die äußere Meſſung mittels des Baudelocqueſchen Cirkels, ſowie die innere mittels des Zeigefingers ſich als unrichtig ergaben, während der Vanhuevelſche Beckenmeſſer allein als genau ſich erwies. — Kaiſer⸗ ſchnitt; Tod; Section. Von Dr. Simonart. Barbe V., 25 Jahre alt, rhachitiſch, wurde in der Nacht vom 26. Febr. 1845 als Erſtgebärende in das hos- pice de la maternite zu Brüſſel aufgenommen. Die Ges burtswehen, die ſeit geſtern eingetreten waren, bewirkten gegen Morgen den Blaſenſprung; bei der Unterſuchung fand ſich der Muttermund wie ein Zweifrankſtück geöffnet; der Kopf in der erſten Scheitellage; der Herzſchlag des Kindes war am unteren Theile des Leibes links genau zu hören; der gerade Durchmeſſer des Beckeneinganges zeigte eine be— trächtliche Verengerung. Die Meſſung mittels des Zeigefingers wies 3 Zoll 2 Linien nach, woraus, 6 Linien abgerechnet, ein Durchmeſſer von 2 Zoll 8 Linien ſich ergab. — Der Baudelocqueſche Cirkel ergab 6 Zoll 3 Linien, oder nach Abzug 3 Zoll 3 Linien. Dagegen wies die drei Mal wiederholte Meſſung mittels des Vanhuevelſchen Becken— meſſers nicht mehr als 1 Zoll 9 Linien nach. — Das promontorium war etwas nach links gerichtet. — Die Durchmeſſer des Beckenausganges faſt normal, nur ſtand der tuber ischii der linken Seite etwas niedriger als der der rechten, die Höhe der Symphyſe fat 24. Das ganze Becken, ſo wie die Wirbelſäule war nach der rechten Seite hin gekrümmt; die Oberſchenkel nach vorne conver; die Unterſchenkel, beſonders der linke, nach innen concav. — Das Allgemeinbefinden befriedigend. — Von der Genauigkeit ſeines Beckenmeſſers überzeugt, entſchloß ſich Vanhuevel zur sectio caesarea, da der Durchmeſſer unter 2 Zoll und das Kind lebend war. Nachdem Darm und Blaſe durch Klyſtier und Katheter entleert worden, wurde die Gebärende im Bette auf den Rücken gelagert und ein dom Nabel zur Symphyſe ver— laufender Hautſchnitt gemacht. Der Schnitt wurde alsdann links vom Nabel nach oben verlängert, die verſchiedenen Lagen bis auf das Bauchfell getrennt. Letzteres, geſpannt und durchſichtig, wurde durch eine vor der Gebärmutter ge⸗ legene Darmſchlinge ſtark vorgedrängt, die nach Einſchneidung des Bauchfells hervortrat und ſich nur mit Mühe in der Bauchhöhle zurückhalten ließ. Bei der Ineiſion des Gebär— mutterkörpers, ſcheinbar in, der Mitte feiner vorderen Wand, entſtand ſogleich eine heftige Blutung. Die placenta, in deren mittlere Inſertionsſtelle der Schnitt fiel, wurde rechts abgelöſ't, das Kind an den Beinen gefaßt und herz vorgezogen, was indes erſt nach mehreren ſtarken Tractionen möglich war, da die Gebärmutter trotz des gewaltſamen Auseinanderziehens der Wundränder von Seiten der Aſſiſtenten ſich krampfhaft um den Kindes kopf zuſammenzog. Kaum waren dieſe Schwierigkeiten überwunden, als ſich andere, weit gefährlichere einſtellten: es trat anhaltendes krampfhaftes Erbrechen und Huſten auf, wodurch Eingeweide, ja ſogar Magen und uterus aus der Bauchhöhle herausgeworfen wurden. Dieſe konnten nur nach langen, mühſeligen Manipulationen zurückgebracht werden, worauf man ſogleich ohne weitere Rückſicht die Suturen anlegen mußte und die Wunde mittels Heftpflaſterſtreifen und einer feſten Bauch— binde ſchloß. Nach einem dargereichten Opiat trat Ruhe und Schlaf ein. — Das aſphyktiſch zur Welt gekommene Kind wurde durch ein warmes Bad, durch Frictionen des Rückgrates und der Extremitäten u. |. w. ins Leben zuriick 171 gerufen. Es befand ſich in den ſpäteren Tageu wohl und wurde am 5. Tage einer Amme übergeben. — Den 27. Febr. Die Entbundene hat in der Nacht einige Stunden geſchlafen; Fieber; der Leih angeſchwollen, beim Drucke nicht ſchmerzhaft; Lochialabfluß, Übelkeit, Huſten, Dyspnöe. — Einſpritzungen in die Scheide, Mercurial— einreibungen an den unteren Extremitäten, Opiat. — Den 28. Febr. Zunahme des Fiebers, Meteorismus und Schmerz des Leibes beim Drucke; blutig ſeröſer Abfluß aus dem unteren offen erhaltenen Wundwinkel. — 2 Gran Calomel alle zwei Stunden; mit den anderen Mitteln wird fortgefahren, mit Ausnahme des Opiums. — Den 1. März. — Entzündung und Fieber bedeutend geſteigert, ſtarke Dyspnöe, aus der Wunde fließt ſtinkende, mit Gas gemiſchte Jauche ab. Die durch Erbrechen ent— leerten Maſſen werden braun, ſpäter Koth enthaltend; der Tod tritt in der Nacht ein. — Sectionsbefund, 56 Stunden nach dem Tode. — Der Leib ſo geſpannt, daß die Wundränder aus einander ſtehen und zwiſchen ihnen die ſchwärzlichen trockenen Darm⸗ ſchlingen trotz der Suturen ſich vordrängen. Bei Hinweg— nahme der Bauchwand zeigen ſich in der Umgegend der Wunde Adhäſionen zwiſchen den Eingeweiden und der Bauch— wand; eine große Menge ſchwärzlich-brauner Flüſſigkeit, ſerös⸗ eiteriges Erſudat, mit Blut gemiſcht, in dem Peritonäalſacke. Die Gebärmutter zeigt an ihrer vorderen Wand ganz in der Nähe des linken Randes eine ſchwärzliche, offen ſtehende, jauchige Wunde; die Wände derſelben ſind ſchlaff, die innere Haut ſammtartig, ſchwärzlich gefärbt; der Muttermund halb geöffnet. Der obere Theil des Rectums iſt zwiſchen Ge: bärmutter und promontorium zuſammengedrückt, was als Urſache des Kothbrechens und der hartnäckigen Verſtopfung anzuſehen iſt. Am intereſſanteſten ſind die Ergebniſſe der jetzt vorge— nommenen Beckenmeſſungen. — Die directe Meſſung mittels des gewöhnlichen zwiſchen promontorium und oberer Wand der Symphyſe eingeführten Zirkels ergiebt 2 Zoll, wovon 3 Linien für die Dicke der Vaginalwände abgerechnet, 1 Zoll 9 Linien bleibt, was genau mit dem Reſultate des Van— huevelſchen Beckenmeſſers übereinſtimmt. Der Zeigefinger, in die Scheide eingeführt, mißt wie vor der Operation 3 Zoll 2 Linien. — Als Grund der Unzulänglichkeit der üblichen Meſſungs— methoden betrachtet Verf. für den Zeigefinger die Höhe der Symphyſe, wodurch nicht der gerade, ſondern der ſchräge Durchmeſſer, der vom Vorberge durch alle Becken— aperturen zum unteren Rande der Symphyſe verläuft, ge— meſſen wird. Dieſe Meſſung bleibt alſo immer fur den geraden Durchmeſſer des Beckeneinganges nur annähernd, keineswegs genau. Der Baudelocqueſche Beckenmeſſer ergiebt darum kein genaues Reſultat, weil das promontorium in manchen Fällen nach der Seite hin verſchoben iſt, ohne von außen bemerkt zu werden; hierzu kommt nun noch die un— beſtimmte Länge der processus spinosi des Kreuzbeins, die verſchiedene Dicke dieſes Knochens ſelbſt, die Contraction der Sacrolumbalmuskeln, wodurch die unmittelbare Anlegung 187. IX. 11. 172 des Knopfes auf die Baſis des Kreuzbeins verhindert wird, endlich die mannigfaltigen Knochenveränderungen der Becken⸗ höhle. Das einzige ſichere Inſtrument bleibt daher das Vanhuevelſche Beckenmeſſer. — Blicken wir endlich auf die traurigen Reſultate der Operation zurück, ſo können wir nicht umhin auf die große Gefahr derſelben, namentlich in der Privatpraxis auf- merkſam zu machen, wo der Arzt nicht alle nöthigen Hülfs— mittel und eine gehörige Anzahl von Aſſiſtenten bei der Hand haben kann, und die Beckenmeſſung nach der üblichen Methode, von welcher die Indication abhängt, ſo unſicher iſt, wie wir es oben nachgewieſen haben. — (Eneyclograph. d. sciences med. Mars 1848.) (XX.) Ein merkwürdiger Fall von angebornem Bildungsfehler des Herzens, das aus einem Ven— trikel und einem Vorhofe beſtand. Von Valette. Julie Rieder war das Kind geſunder Eltern. Nach— dem ihre Mutter einen wohlgebildeten, bis jetzt geſun— den Knaben geboren hatte, wurde ſie zum zweiten Male ſchwanger und gebar nach regelmäßig verlaufener Schwanger⸗ ſchaft ein ſcheinbar wohlgeſtaltetes Mädchen, das bis zur ſechsten Lebenswoche nichts Anomales wahrnehmen ließ. Plötzlich wurde das Athmen ſchwer und die Haut blau. Im ſechsten Lebensmonate traten bei dem Kinde Con— vulſionen ein, die in Hemiplegie der rechten Seite über— gingen. Die Lähmung nahm nach und nach ab und ver— ſchwand endlich faſt ganz. Im Alter von fünf Jahren durchſchnitt ihr Scoutteten, eines pes equinus wegen, die Achillesſehne, wonach das Kind mit Leichtigkeit gehen konnte. Es muß indes bemerkt werden, daß die Bewegung der rechten Seite immer weniger frei war, als die der linken. Die Cyanoſe beſtand immer fort, nur trat fie bei etwas ſchnellerem Gehen deutlicher hervor. Ganz beſonders ver— dient noch der Umſtand hervorgehoben zu werden, daß die blaue Färbung der Haut viel ausgeſprochener auf der rechten Seite war als auf der linken. Die Dyspnoe war faſt anhaltend. Bei der Auscul⸗ tation der Herzgegend hörte man ein doppeltes Blaſegeräuſch. Die körperliche und geiſtige Entwickelung ging, dieſer Erſcheinungen ungeachtet, regelmäßig von Statten. Im November vorigen Jahres trat nach einer Er— kältung eine bronchitis auf, bei welcher das Athmen ſehr erſchwert wurde. Bald ſteigerten ſich die Symptome der Lungencongeſtion bis zu einer ſolchen Heftigkeit, daß der Tod erfolgte, und zwar im Alter von 6 Jahren 12 Tagen. Seetionsbefund. Die Lage des Herzens war nor— mal; im Herzbeutel etwas klare, ſeröſe Fluſſigkeit. Das Herz ſelbſt war 10 Centimeter lang und 7 breit. An der vorderen Herzfläche ſah man 1) nach unten die vordere Fläche der Ventrikel; 2) höher hinauf die vor— dere Fläche der Vorhöfe und 3) ganz nach oben den Ur- 173 fprung der aorta und der arteria pulmonalis, die unter dem Herzvorhofe und den in dasſelbe ſich mündenden Venen vers ſteckt waren, ſo daß der Vorhof nicht mit der Baſis, ſon— dern mit der vordern Fläche des Ventrikels zuſammenhing. An der hintern Herzſeite bemerkte man zuerſt eine dreieckige, mit der Spitze nach unten, der Baſis nach oben und ſchief von rechts nach links gerichtete Fläche, die ganz dem Ventriculartheil des Herzens angehörte. An der Baſis dieſes Dreiecks, gerade an der Verbindungsſtelle des linken Drittels mit den zwei rechten, befanden ſich die Ur— ſprünge der Arterien, die in normalem Verhältniſſe zu einan— der ſtanden. Endlich ſah man in einem etwas tieferen Ni— veau die hintere Vorhofwand. Durch zwei Längenineiſionen zu den Seiten des Herzens wurde das Innere der Ventrikel bloß gelegt. Die Kammerwandungen waren 3—4 Millimeter dick und durch drei Muskelſchichten, wie im Normalzuſtande, gebildet. Beide Ventrikel communieirten mit einander durch eine weite Off: nung, und nur nach unten war eine Spur von einer Scheide— wand wahrzunehmen. Die Höhe dieſer unsvollkommenen Scheidewand war höchſtens ein Centimeter, ſo daß man durch die von glatten, abgerundeten Rändern umgebene Offnung, an der keine Spur von Klappe ſich befand, den Daumen durchführen konnte. An dem oberen, inneren Theile des linken Ventrikels bemerkte man die mit Klappen verſehene, durchaus normale Aortenmündung. Die von dem obern, innern Theile des rechten Ventrikels abgehende Lungenarterie war von der Aortamündung nur durch eine ſchmale Falte geſchieden, die den obern Theil des Umfanges der erwähnten Interventri— cularöffnung bildete. Die Mündung der arteria pulmonalis war normal, nur war der Durchmeſſer derſelben halb ſo groß als der der aorta. Hinter der aorta und der arteria pulmonalis, an der Baſis, der Ventrikel befand ſich zwiſchen dieſen und den Vorhöfen nur eine einzige Offnung, die von dem Ru- dimente des septum ventriculare, wenn man es ſich ver— längert dachte, in zwei ziemlich gleiche Hälften getheilt wor— den wäre. Durch dieſe Offnung konnte man in das Innere der Vorhöfe hineinſehen, die durch eine dünne, nicht bis zur Offnung hinabreichende Scheidewand getrennt waren, Alle Herzhöhlen communieirten alſo unter einander: ein Ventrikel mit dem andern, dieſe mit den Vorhöfen, ein Vor— hof mit dem andern. Geſchloſſen war das oriſicium auri- culo-ventrieulare durch eine weite, dreieckige Klappe, die mit ihrer Baſis an den vordern drei Vierteln der Offnung feſt ſaß, mit ihrer Spitze an der hintern Ventricularwand mittels mehrerer Fleiſchbündel angeheftet war, unter denen einige von dem rechten wie von dem linken Ventrikel entſpringende ſich auch an die Seiten der Klappen inſerirten. Durch einen an der rechten Seite des rechten Vorhofs gemachten Einſchnitt, der die untere Hohlvene, die Ventri— cularwand und die obere Hohlvene ſpaltete, wurde das Innere der Vorhöfe ſichtbar. Das koramen Bottali fand ſich noch offen, ſo daß die Vorhöfe durch zwei Offnungen mit einander communicirten: 1) durch das foramen Bottali 187. IX. 11. 174 und 2) durch die unterhalb der unvollkommenen, beide Vor: höfe von einander trennenden Scheidewand befindliche Off⸗ nung, durch die man den kleinen Finger durchführen konnte. Faßt man nun alle Anomalien dieſes Herzens » zu⸗ ſammen, ſo findet man 7 1) ein unregelmäßiges Lageverhältniß zwiſchen Vor— höfen und Ventrikeln; — 2) eine ſehr weite Offnung zwiſchen einem Ventrikel und dem andern; 3) zwei Communicationsöffnungen izwiſchen den Vor— höfen; und 4) ein einziges orificium auriculo-ventriculare. Dieſes Herz kann demnach, ungeachtet der Spuren von vier Herzhöhlen, als ein einfaches, aus einem Ventrikel und einem Vorhofe beſtehendes betrachtet werden, welche Herzform an die der Batrachier erinnert. Beſonders iſt es die einzige Auriculo-Ventricularöffnung, die dieſe Anſicht beſtätigt. Das Präparat befindet ſich jetzt in der pathologiſch⸗ anatomiſchen Sammlung des Militärhoſpitals zu Straßburg. Die Blutmengung während des Lebens war hier offen⸗ bar doppelt: ein Mal in den Vorhöfen, dann in den Ven— trikeln. Aus dieſer Herzanomalie erklären ſich leicht die cyanotiſchen, ſo wie die andern die Reſpirationsorgane be⸗ treffenden Erſcheinungen; dieſer Fall zeichnet ſich übrigens vor anderen ähnlichen durch eine längere Lebensdauer aus. So erfolgte der Tod nach 10½ Monaten (Beobachtung von Mauran), nach 6 Monaten (Ramsbotham), nach 4 Monaten 12 Tagen (Thore), nach 1½ Monaten (Brechet), nach 9 Tagen (Valeir). Nur in zwei von de Paſſis und Lanzoni mitgetheilten Fällen, deren Authentieität indes noch zweifelhaft iſt, ſoll der Tod erſt ſpäter eingetreten ſein. Die von mir früher erwähnte eigenthümliche Erſcheinung während des Lebens, die deutlicher hervortretende Cyanoſe der rechten, gelähmten Seite nämlich, hatte, wie ich glaube, in der langſamer vor ſich gehenden Blutbewegung der Ca— pillargefäße dieſer Körperhälfte ihren Grund. Iſt dieſe An- ſicht richtig, ſo kann jene Erſcheinung als Beweis mehr für die Behauptung gelten, daß die Gyanofe bei ähnlichen Herzanomalien mehr aus der Richtung des venöſen Blutes, als aus der Miſchung beider Blutarten entſteht. — (Gazette med. de Paris 1845. No. 7.) (XXI.) Verſchiedenheit der Behandlung der Neu- ralgien je nach ihrem Sitze. Von Dr. Sandras. In dem Journal des connaissances medico-chirurgicales (Juillet 1848) giebt Herr Sandras einen längeren Ar— tikel über die Behandlung der Neuralgien, worüber er ſchon ſeit mehreren Jahren ſeine Beobachtungen und Mittheilungen fortſetzt; er ſtellt namentlich zwei Indicationen auf, all— gemeine (nach der Natur der Krankheit) und locale (nach ihrem Sitze). Namentlich dieſe zweite Reihe iſt bis jetzt ſehr wenig beachtet worden, ihr iſt die neuere Abhandlung 175 des Verf. gewidmet, welche wir in ganz kurzem Auszuge hier mittheilen wollen. Die Neuralgie des 5. Paares weicht leichter als irgend eine andere der Anwendung des Extr. Belladonnae in der Doſis von ½ Gran, nach einer Viertelſtunde wieder— holt, oder / Gran auf ein Mal. Dieſe Subſtanz verdient den Vorzug vor dem Extr. Hyoseyami (in den Meglinſchen Pillen) und ſelbſt vor dem Morphium, innerlich oder ender— matiſch angewendet. Indes nähert ſich doch die letzte Art der Anwendung mehr als die erſte rückſichtlich der Wirkſamkeit dem inneren Gebrauche des Extr. Belladonnae. Der Verf. hat auch gute Erfolge von dem Pflaſter des ſchwarzen blauſauren Kali's geſehen. Die Strychninpomade da— gegen leiſtete nur ein Mal etwas, wo nach einer Neuralgie eine unangenehme Empfindlichkeit der Haut zurückgeblieben war; gegen die Neuralgie ſelbſt leiſtete ſie nichts. Der Elektricität und dem Magnet geſteht der Verf. keine Wirk— ſamkeit zu. Dagegen hat ihm ein Mittel ganz vortrefflich geſchienen, um ſofort Erleichterung zu geben, das war die Compreſſion der Arterie, welche zu der ſchmerzhaften Stelle hinführt. Was nun die noch ſpecielleren Indicationen betrifft, welche aus der verſchiedenen Vertheilung des Schmerzes in den Abtheilungen des 5. Paares abzuleiten ſind, ſo beſtehen ſie ganz kurz in folgenden: Bei der Temporal-Neuralgie iſt neben dem inneren Gebrauche des Extr. Belladonnae die Compreſſion der arteria temporalis und die möglichſte Unbeweglichkeit des Kiefers von beſonderem Vortheil. Bei den Neuralgien des oberen oder unteren Augenlides find endermatiſche Anwendung des Morphium hydrochloricum und des Kali hydrocyanicum von beſſerem Erfolg als bei den Temporal-, Ocular- und Cervicalneu— ralgien. Die Neuralgie des Ober- oder Unterkiefers weicht der Belladonna beſſer als irgend eine andere Varietät. Von gutem Erfolg iſt auch die Compreſſion der carotis möglichſt hoch oben, oder noch beſſer die der arteria maxil- laris externa, da wo ſie ſich über den Rand des Unterkiefers herüberwindet. Faſt dieſelbe Sicherheit der Wirkung der Belladonna rühmt er bei den Neuralgien des Auges, bei denen man das Mittel kühn anwenden muß, ſelbſt wo eine Com— plication mit Amblyopie vorhanden iſt Die Neuralgien des Ohres und der Gervical- gegend werden beſſer durch örtliche Anwendung der Opiate 187. . 176 und des Morphiums geheilt als durch die Anwendung der Belladonna. Die Compreſſion leiſtet bei Cervicalneuralgien wenig, während ſie bei Ohrneuralgien ſehr günſtig wirkt, — was wohl hauptſächlich durch die anatomiſche Dispoſition der carotis zu erklären iſt. Ein und dasſelbe Mittel leiſtet am meiſten gegen die Neuralgien des plexus brachialis in allen ſeinen Ver— zweigungen: es iſt dies die endermatiſche Anwendung der Morphiumſalze. Die Art der Anwendung iſt dabei ſehr mannigfaltig und verlangt practiſchen Tact von Seiten des Arztes. Dieſelbe Behandlungsweiſe wird auch gegen die Inter— coſtal-, Jleoſerotal-, Ileovulbar-, Crural- und Iſchiadiealneuralgien empfohlen. Dabei iſt beſonders auf zwei Bemerkungen des Verf. aufmerkſam zu machen. Die erſte iſt: daß Intercoſtal- und Iſchiadicalneuralgien (ohne Zweifel, weil ſie meiſtens durch Erkältung hervor— gerufen werden) nicht ſelten mit neuritis, d. h. Entzündung der Nervenſcheide, verbunden ſind, ſo daß die Behandlung mit einigen Blutegeln oder Schröpfköpfen begonnen werden muß. Die zweite Bemerkung, nur auf die Intercoſtalneuralgie ſich beziehend, beſteht darin, daß, da dieſes Leiden be— ſonders die Reſpiration beeinträchtige, dafür geſorgt werden müſſe, daß dieſe Function weniger ſchmerzhaft von Statten gehe; dies erreicht man mit Pillen von 1 Gran Extr. Bel- ladonnae und eben ſoviel Extr. Daturae Stramonü, 1 oder 2 Pillen täglich. Miſcelle. (19) Uber den Puls bei pericarditis macht Dr. Gra⸗ ves die praktiſch wichtige Bemerkung, daß beim Beginn dieſer Krankheit der Puls ſchwach, unregelmäßig und intermittirend fein könne, daß derſelbe unter die normale Frequenz ſinken könne und — daß dennoch antiphlogiſtiſche Behandlung nothwendig ſei. — Gr. jagt, nach feiner Erfahrung dürfe man bei carditis und peri- carditis mit ſchwachem, unregelmäßigem und ausſetzendem oder krankhaft langſamem Puls niemals allgemeine Blutentziehungen anwenden; in ſolchen Fällen wendet man Blutegel in der Herz⸗ gegend, Schröpfföpfe, Blaſenpflaſter, Calomel mit Opium bis zur Akme der Krankheit an; tritt dieſer Puls dagegen gegen das Ende der Krankheit ein, jo wendet man große Blaſenpflaſter über der Herzgegend, Verband mit Mercurialſalbe und innerlich kleine Doſen Opium und wo nöthig Wein an. — Digitalis und colchicum leiſten bei dieſer Krankheit nichts und können bei größeren Gaben ſelbſt gefährliche Folgen haben. Bei lange ſich hinziehenden Fäl: len von Herzbeutelentzündung indeſſen leiſtet colchieum mit Mereur und Opium die beſte Hülfe und bei ganz chroniſchem Verlauf hilft oft nur das Kali hydrojodicum. (Graves Clinical Lectures. Vol. II. 163.) Bibliographiſche Neuigkeiten. A. Lavocat. Traité complet de anatomie des animaux domestiques. Ein- uieme Livr. Angiologie et Nevrologie. 8%. 26 feuilles. Paris 1848. de des ganzen Werkes, welches von We. Rigot begonnen war. 20 Fres. Exposé de quelques modifications apportees à la methode naturelle de A. L. Jussieu par Ch. Parguy. 8%. 2½ feuilles. Amiens 1848. Nouveau manuel complet des falsifications des drogues simples et composces Bar, M. P. M. Pedroni fils. 180. 8'/, feuilles, 1 tableau, 1 planche. Paris 848. 2 fes. 50 ct. G. Andral. Cours de pathologie interne publie par M. A. Latour. Deusieme Edit. Paris 1848. 18 fres. Druck und Verlag des Landes = Inpujtrie= Gomptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 188. (Nr. 12. des IX. Bandes.) April 1849. Naturkunde. Ladame, über elektriſche Lufterſcheinungen. — Über Chlorops lineata, eln dem Getraide höchſt ſchädliches Inſect. — Miſeellen. Eine Salvigart aus Mittelamerica. Drüfenartige Körper in der Epidermis mehrerer Labiaten und anderer Pflanzen. — Heil kunde. Peacock, aneurysma der Kranzarterien des Herzens. — Miſcellen. Graves, über die Anwendung des Calomels bei akuten Entzündungen. Bowling, Behandlung des prurigo senilis. — Bibliographie. Naturkunde. XXX. über elektriſche Lufterſcheinungen. Von Prof. Ladame zu Neufchatel. Des Verf. Aufſatz, den wir dem Decemberheft der Bibliotheque de Geneve von 1848 entnehmen, beginnt mit einer am 6. Februar 1847 gemachten Beobachtung. An dieſem Tage war der Wind Nordoſt, der Himmel von einigen Wolken bedeckt, das Wetter ſchien zu Verſuchen über elektriſche Spannung ſehr geeignet; deſſen ohngeachtet gab die Maſchine nur ſehr kurze Funken, eine Leidener Flaſche nahm nur eine ſchwache Ladung an, auch alle übrigen elektriſchen Apparate wirkten eben ſo gering. Eine Er— neuerung der Amalgams und ein Abtrocknen der die Ma— ſchine tragenden Glasfüße änderte nur wenig. Am ſelben Abend überzog ſich der Himmel gleichförmig, das Thermo— meter, welches am Morgen auf — 2,2 Celſ. ſtand, zeigte am Abend 0 und am folgenden Morgen bei ftarfem Weſtwind, von Schnee und Regen begleitet, + 20,5. Die ſchwache Tenſion der Elektrieität ſcheint nach dieſem Verſuche in dem elektriſchen Zuſtande der Luft, welcher durch die Art der Wärmevertheilung in der Atmoſphäre her— vorgerufen wird, ihre Urſache zu finden. Die Luft erwärmt ſich überall, wo ſie mit dem Erd— boden in Berührung kommt, während die Sonnenſtrahlen, die zum Erdboden gehen, die Atmoſphäre paſſiren, ohne ſelbige bedeutend zu erwärmen; erſt die erhöhte Bodenwärme wirkt ihrerſeits auf die Luft. Thermoelektriſche Verſuche zeigen nun, daß, wenn ein Körper Wärme abgiebt, er ne— gative Elektricität annimmt, während der Körper, welcher die Wärme empfängt, poſitio elektriſch wird. Im vor— liegenden Falle wird nun die den Boden berührende Luft No. 2168. — 1068. — 188. poſitiv elektriſch; je nach dem Grade ihrer Erwärmung und je nach dem ſie wiederum Wärme an höhere Luftſchichten abgiebt, werden darauf die letzteren poſitiv, während die unteren Luftſchichten negative Elektricität annehmen. Die dem Erdboden nahen Schichten der Atmoſphäre ſtreben ſo— mit, einerſeits unter dem Einfluſſe des Bodens poſttiv, andererſeits durch die Einwirkung der höheren Luftſchichten negativ-elektriſch zu werden; wenn der Einfluß des Bodens vorwaltet, ſind fie poſitio, negativ dagegen, wenn die höheren Luftſchichten kräftiger einwirken; eine Ausgleichung beider Elektricitäten, ein neutraler Zuftand findet nur dann Statt, wenn ſich beide Einwirkungen das Gleichgewicht halten. Nun iſt aber die Intenſität dieſer Wirkungen von Tempe— raturverſchiedenheiten abhängig, woraus die Abhängigkeit des elektriſchen Zuſtandes der Luftſchichten von der Wärme— vertheilung hervorgeht. Die obige Anſicht, von de la Rive aufgeſtellt, hat vieles für ſich, wogegen die übrigen Hypotheſen über die Quellen der Luftelektrieität, die in den Verdampfungen des Meeres und in der Vegetation geſucht wurden, durch Ver— ſuche von de Sauſſure, Pouillet, Reich und Rieß ſehr zweifelhaft geworden ſind. Die von de la Rive aufgeſtellte Hypotheſe iſt reich an Folgerungen: er ſelbſt ver— ſuchte durch ſie die Bildung des Hagels zu erklären; der Verf. folgt ſeinem Beiſpiele für noch wichtigere atmo— ſphäriſche Erſcheinungen. Während des Sommers herrſcht nach ihm zwiſchen der Temperatur der unteren und oberen Luftſchichten große Verſchiedenheit; die Wärme bewegt ſich immer in derſelben Weiſe, ſie ſteigt beſtändig von unten nach oben; die Ab— nahme derſelben erfolgt in der Regel und namentlich in den 12 179 unteren Schichten ſehr plötzlich, und gerade deshalb ent— wickelt ſich in ihnen Elektricität, die Erde wird ſomit ne— gativ-elektriſch, während die Luft bis in die höchſten Re— gionen poſitive Elektricität annimmt. Da nun die trockne Luft ein ſchlechter Leiter und der Druck, den ſie auf die niedrigen Regionen ausübt, bedeutend iſt, ſo zeigt ſich die Elektricität im Zuſtande kräftiger Spannung, deren Folgen die Blitze und Gewitter der heißen Jahreszeit ſind. Letztere ſind bei ruhiger Luft, weil keine horizontalen und verticalen Ströme die kältere Luft der höheren Schichten mit der wärmeren der tieferen Region miſchen, ungleich ſtärker. Aus demſelben Grunde treten die Gewitter an heißen, ruhi— gen Tagen am häufigſten auf und iſt ihnen nicht der Zeit— punkt, wo die Temperaturungleichheit der unteren und obe— ren Luftſchichten das Marimum erreicht hat, ſondern, weil die Wärme zu ihrer Übertragung einige Zeit verlangt, ein etwas ſpäterer Zuſtand am günſtigſten. Als zweite nicht minder wichtige Bedingung erſcheint dann das Erkalten der höheren Schichten durch Ausſtrahlung bis zu dem Grade, wo ſich die Waſſerdünſte niederſchlagen. Dieſe beiden Be— dingungen beſtimmen das Auftreten der Gewitter am Nach— mittage, am Abend und, in ſeltenen Fällen, während der Nacht. Wenn das Wetter ſehr beſtändig, die Luft ſehr ruhig iſt, ſo bricht das Gewitter täglich um dieſelbe Stunde und an demſelben Orte los, es verläuft auch, weil die Beſchaf— fenheit des Erdbodens auf die Wärmevertheilung einen großen Einfluß übt, in derſelben Weiſe, es bleiben mit anderen Worten, wenn ſich die Urſachen nicht ändern, auch die Wirkungen unverändert. So erklärt ſich ohne Mühe ſo— wohl das periodiſche der Gewitter heißer Zonen als ähnliche Erſcheinungen in höheren Breiten während des Sommers. Volta, der ſchon auf das periodiſche und örtliche Auftreten der Gewitter aufmerkſam machte, erklärt dasſelbe aus dem Vorhandenſein eines gleichſam gährenden, während der Nacht entſtandenen Stoffes (comme un levain resultant de l’action de la veille). Der Verf. geht jetzt zu Thatſachen über, welche in den vorhergegangenen Betrachtungen ihre Erklärung finden. Im Jura beobachtet man häufig längs den Spitzen der Berge drohende Wolken, die bald mit Schnelligkeit ins Thal hinabziehen, man hört den Donner lebhaft brüllen, bisweilen erhebt ſich jedoch ein kräftiger Bergwind, dort Joran genannt, und das Gewitter kommt in dieſem Falle, obſchon der Wind aus derſelben Himmelsgegend, aus welcher das Gewitter heranzieht, bläſ't, nicht zum Ausbruch. Der kalte von den Bergen herabkommende Luftſtrom führt näm— lich die Luft der oberen Schichten den unteren Schichten zu und ſtellt dadurch das Gleichgewicht der Wärme und Elektricität längs der ganzen Gegend feines Bereiches her; er hebt die Urſache der elektriſchen Spannung und damit zugleich den Ausbruch des Gewitters auf. Der Joran dringt kaum bis in die Schweizer Thaler vor; einige Meilen vom Juragebirge iſt er kaum fühlbar, da— gegen am Fuße der Berge oftmals ſo heftig, daß er die Bäume knickt und mancherlei Verheerungen anrichtet. Die 188. IX. 12. 180 Schweizer Ebene, welche nicht im Bereiche dieſes Windes liegen, wird häufig von ſtarken Gewittern heimgeſucht, wäh— rend die am Fuße der Jura gelegene Gegend meiſtens von ihnen verſchont bleibt. Auch die ſo verſchiedene Höhe, in welcher ſich die Gewitter entladen, läßt ſich ſehr wohl nach de la Rives Hypotheſe erklären; dieſe Höheverſchiedenheit der Gewitter entſpringt nämlich aus der Vertheilungsweiſe des Dampfes in der Atmoſphäre und aus Temperaturverhältniſſen, welche den Gewittern vorangingen. Leider fehlen uns gute Be— obachtungen über dieſen Gegenſtand. Im Monat Mai 1847 entluden ſich am Genfer See mehrere ſehr hoch ſtehende Gewitter; Tags zuvor war es ſowohl zu la Chaux de Fonds als zu Neufchätel, deren Höhenverſchiedenheit 562 Meter beträgt, um Mittag gleich heiß geweſen. Die Lufttemperatur war hier demnach bis zu einer beträchtlichen Höhe dieſelbe geweſen, erſt in den hohen Regionen fand eine Abkühlung Statt, erſt dort konnte ſich Elektrieität entwickeln, daher der fo hohe Stand der Gewitter. Die Temperatur und ihre Verſchiedenheit auf Bergen und in Thälern iſt aber theils von den Jahreszeiten, theils von der größeren oder geringeren Klarheit der Luft und einem mehr oder weniger bewölkten Himmel abhängig; dieſe Temperaturverhältniſſe bedingen mittelbar wiederum die Höhe der Gewitter. Während des Winters iſt der Boden kalt, die Tempe— raturabnahme der Luft mit der Entfernung dom Boden erfolgt deshalb nur langſam; bisweilen iſt ſogar die höhere Luft wärmer wie die den Boden berührenden Schichten, erſt in einer gewiſſen Höhe zeigen ſich beträchtliche Temperatur— unterſchiede. Die Elektricität entwickelt ſich deshalb nur in den hohen Luftregionen und folglich unter ſchwächerem Druck; die elektriſche Spannung erreicht deshalb nur ſelten einen hohen Grad, um als ein Gewitter aufzutreten, zeigt ſich viel— mehr in leuchtenden Strömungen, indem ſie Nordlichter bildet. Wenngleich die unteren Luftſchichten wegen ihrer feuch— ten Beſchaffenheit im Winter gleich dem Boden negativ- elektriſch fein müſſen, fo nimmt dieſe Eleftricität, der großen Leitungsfähigkeit der Luft und der heftigen nur ſelten fehlenden Winde halber, dennoch keine große Spannung an. Nun iſt es einleuchtend, daß die Art der Elektrieität, welche in der Luft verbreitet iſt, auf die elektriſchen in ihr in Thätigkeit geſetzten Apparate von Einfluß ſei, deren Wirkung ſomit in Bezug auf Wärme und Clektrieität an die Atmoſphäre geknüpft ſein muß. Dieſer Schluß giebt nützliche Fingerzeige. Der Verf. erzählte zu Anfang, wie am 6. Februar feine Verſuche, obſchon das Wetter ihnen günſtig ſchien, mißlangen; er ſchließt daraus, daß die höheren Luftſchichten wärmer wie gewöhnlich, dagegen die allmälige Temperaturabnahme in den tieferen Schichten un⸗ bedeutend war. Zu dieſem Zwecke verglich der Verf. die meteorologiſchen Beobachtungen von la Chaux de Fonds mit den Beobachtungen des 562 Meter tiefer gelegenen Neufchätel. Obſchon die Höhendifferenz nicht beträchtlich iſt, beweiſ'tt ein Vergleich der Temperaturen beider Orte dennoch die Richtigkeit der vom Verf. aufgeſtellten Theorie. 181 Neufchätel. Chaur⸗de⸗Fonds. 8 Gebr. Stunde e 1847. Wind [Himmel] Tem- Wind Himmel] Tem: 38 8 peratur eraturf WR 5. 9 Uhr Morgens NO. bedeckt —0,5 N. bedeckt — 6 5,5 Mitta O. bedeckt +0,5 | N. bedeckt — 5 | 5,5 JUhr Nachmittag O. bedeckt +0,2 | N. bedeckt — 6 6,2 9 Uhr Abends Q. bedeckt — 0,75 N. bedeckt — 5 | 4,25 6. 9 Uhr Morgens NO. bedeckt — 2,2 | N. bedeckt — 7 4,8 Mittags rnhig klar +10 N. klar — 5 6 3 Uhr Nachm. ruhig klar —10 N. klar — 9 Uhr Abends ruhig bedeckt 0 W. bedeckt — 33. 7. 9 Uhr Morgens W. bevedt | +2,5 W. Schnee — 1 | 3,5 Mittag W. wolkig 3,5 W. | beredt 15 2 3 Uhr Nachm. W. bedeckt +3,0 | W. Schnee 12 9 Uhr Abends W. bedeckt +3,0 | W. Schnee 0 3 8. 9 Uhr Morgens W. bedeckt +0,5 W. Schnee — 5 5,3 Mitta, W. wolkig +1,5 W. bedeckt | — 3,55 3 Uhr Nachm. | NM. klar +15 | W. Schnee | — 3,55 9 Uhr Abends ruhig klar — 3,0 W. bedeckt — 65 9. 9 Uhr Morgens NW. | wolfig | —1,0 W.] Schnee | — 65 Mittag W. wolkig | +06 W. | Schnee | — 4 | 46 3 Uhr Nachm. W. wolkig | +1,0 W. Schnee — 5 |6 9 Uhr Abends W. bedeckt — 2,0 W. Schnee — 6 4 Aus obiger Tabelle erſieht man, daß vom Mittag des 6. bis zum Abend des 7. Februar der Temperaturunter— ſchied beider Orte am geringſten war; genau in derſelben Zeit erſchien die Wirkung des elektriſchen Apparats ge— ſchwächt; ferner erſteht man aus ihr, wie der Weſtwind ſich auf der Höhe früher wie im Thale zeigte. Jene Störung der gewöhnlichen Verhältniſſe mußte demnach einen conftan= ten, negativen, von den höheren Regionen herkommenden elektriſchen Strom erzeugt haben, welcher die poſitive von der Maſchine entwickelte Elektrieität gleich bei ihrem Auf— treten vernichtete, wodurch die ſchwache Spannung und der beträchtliche Verluſt von Elektricität leicht ſeine Erklä— rung findet. Die von de la Rive über den Urſprung der atmo= ſphäriſchen Elektricität aufgeſtellte Hypotheſe führte den Verf. ſomit auf verſchiedene Schlüſſe, die zur Erklärung der folgenden Thatſachen dienen können. Der Verf. erklärt durch ſie: 1) das häufige Auftreten der Gewitter im Sommer, die Urſachen, welche fie hervorrufen oder fie verſchwindend machen, die Höhe, in der ſie Statt finden, und endlich ihre Vertheilung über den Erdboden, welche, nach Berg hauſes Unterſuchungen, mit der Vertheilung des Waſſers und Landes und mit den zufälligen Beſchaffenheiten des Bodens im Zuſammenhange ſteht; 2) das Fehlen der Gewitter im Winter, ihrer das Nordlicht erſcheint; 3) den Zuſammenhang zwiſchen der Wärmevertheilung in der Luft und dem Zuſtande der elektriſchen Apparate an der Erde, ſo daß man durch letztere den elektriſchen Zu— ſtand der höheren Luftſchichten erfahren und demnach das Wetter vorherbeſtimmen kann. Das Auftreten ausgedehnter Nordlichter, mit Einwir— kung auf die elektriſchen Apparate verbunden, deutet 4) auf eine bedeutende Störung in der Vertheilung der atmo= ſphäriſchen Wärme. Ein ſolches Nordlicht deutet auf eine Störung des Gleichgewichtes in der Atmoſphäre, durch welche, indem die oberen Luftſchichten in die unteren ge— wo ſtatt 188. IX. 12. 182 führt werden, ſtarke Kälte, heftige Winde, ſtarker Regen und Schneegeſtöber hervorgerufen werden kann. Obige Schlüſſe, welche allerdings erſt durch directe Beobachtungen auf verſchiedenen Höhen gerechtfertigt wer⸗ den müſſen, haben an ſich viel Wahrſcheinlichkeit und ver— dienen jedenfalls die volle Beobachtung der Meteorologen. XXX. Bericht der Pariſer Academie über eine Note von Iſidore Pierre ein dem Getraide höchſt ſchädliches Inſect (Chlorops lineata) betreffend. Die Waizenfelder von Caen, dem Wohnorte des Verf., wurden in dieſem Sommer, von einem Inſecte verheert. Der Academie eingeſandte Ahren hatten größtentheils nur wenig gelitten: einige von ihnen zeigten die Spuren des Angriffs einer kleinen Fliege, der Chlorops lineata, die den Landleuten ſchon lange als dem Getraide ſchädlich bekannt iſt. Das etwa 4 Millimeter lange Inſeet iſt von grün— licher Farbe mit ſchwarzen Flecken auf Kopf und Thorax, es erſcheint in der Regel gegen Ende Mai oder Anfang Juni. Das Weibchen legt alsbald ihre Eier, eines zur Zeit, auf den unteren Theil der Waizen- oder Roggen— ähre. Dieſen Eiern entſchlüpfen nun wurmförmige Larven, welche den Halm annagen und ſich in ihm eine Längs— furche aushöhlen, deren Größe mit dem Wachsthume der Larve zunimmt und auch der Länge nach immer weiter greift. Bis zum letzten Knoten des Halms gelangt, hört die Raupe auf zu freſſen; ſie benutzt nunmehr das Trieb— blatt als ſchuͤtzendes Obdach, um in feiner Vertiefung ihre Metamorphoſen zu durchlaufen; nachdem ſie zur kahnförmigen Puppe geworden, fliegt ſie ſpäter als vollſtändiges Inſeet davon. Die Fliegen leben mehrere Wochen; die Weibchen dieſer zweiten Generation legen ihre Eier auf den neu ge— ſäeten Waizen und Roggen; die jo im Herbſt infieirten Kornfelder leiden mehr wie die im Frühjahre von den Weibchen der erſten Generation beſuchten; der don dem Inſect infieirte Halm des Winterkorns bleibt viel kleiner wie die geſunde Pflanze; die Frucht reift nicht mit der der letzteren zur gleichen Zeit, es erſcheint oft kaum eine Ahre, und wenn ſie erſcheint, ſind ihre Körner klein, die Ahrchen der angefreſſenen Seite ſchlagen gänzlich fehl. Nach einem Berichte von Olivier richtete dasſelbe Inſect 1812 um Paris und in anderen Gegenden Frank— reichs große Verheerungen an. In den Jahren 1839 und 1840 ward es zu Verſailles, zu Chalons-ſur-Saône, zu Metz und in Lothringen von verſchiedenen Naturforſchern beobachtet; im Herbſte dieſes Jahres erſchien es in unge— wöhnlich zahlreicher Menge in verſchiedenen Gegenden Frankreichs, um Nemours, um Montereau, am ſchlimmſten aber, nach des Verf. Angabe, in den Gemeinden von Touſſon und Buno, zwiſchen Fontainebleau und Etampes. Die Felder um Paris ſchienen verſchont zu ſein, dagegen trat das Übel in einigen Gemeinden von Calvados um ſo heftiger auf. Aus den Nachrichten, welche die Commiſſion aus den übrigen Theilen Frankreichs eingezogen, ſind die 2 183 durch Chlorops lineata veranlaßten Kornſchäden dieſes Jahres nicht gar bedeutend, die Kornernte Frankreichs iſt im all- gemeinen ſehr ergiebig geweſen. Die vom Verf. bezeichneten Thatſachen ſind demnach keineswegs der Art, daß ſie für dieſes Jahr einen Kornmangel befürchten laſſen; ob ſie indes, wenn nichts geſchieht, um die Vermehrung des ſchädlichen Inſeets zu hemmen, nicht ein Mal von großem Nachtheil werden können, iſt eine andere Frage. Zum Glücke hat die Natur ſchon ſelbſt dafür geſorgt, daß keine allzu große Vermehrung dieſes ſchädlichen Inſeets Statt finde, indem verſchiedene Arten der Gallweſpen (Ichneumoniden) ihre Eier auf den Körper der Dipteren— Larve legen. Die auskriechende Brut der Gallweſpe nährt ſich von ihren Säften, und das dem Getraide ſchädliche In— ſect kommt um. Wo indes, wie in dieſem Jahre, das Übel verbreiteter iſt und die Vertilger des Chlorops nicht gez nügend zahlreich ſind, würde man auf Mittel zu ihrer Vertilgung denken müſſen. Unter den vorgeſchlagenen Mitteln beſtimmt ſich die Commiſſion für das Verbrennen der Stoppeln im Herbſt und für das Ausreißen der kranken Pflanzen im Frühjahre. Durch erſteres würde man viele im Larven- oder Puppen- zuſtande vorhandene Inſecten zerſtören; durch das zweite Mittel aber mit den inficirten Halmen, die gleichfalls ver— brannt werden, die erſte Generation des vollſtändigen In— ſectes vernichten und dadurch eine zweite Generation un— möglich machen. Sollte ein einmaliges Gäten (zu Ende April) noch nicht alle erkrankten Pflanzen entfernt haben, ſo würde man zum zweiten Male, etwa 14 Tage bis 3 Wochen vor der erſten Ernte, gäten müſſen. Um dieſem Verfahren einigen Erfolg zu ſichern, müßte es indes über große Strecken ausgedehnt werden, die Landesobrigkeit hätte aber die Ausführung zu wahren, da, wenn es nicht allge— mein ausgeführt wird, das fliegende Inſect, das nicht auf dem Acker, wo man ſeiner Larve oder Puppe nicht nach— ſtellte, verbleibt, alle Bemühungen des einzelnen vereitelt. Seile 188. IX. 12. 184 Wenn ſich die Larven des erwähnten Inſectes nur von Waizen nährten, ſo würde die Commiſſion den Landleuten, deren Acker von ihnen heimgeſucht würden, rathen, ſelbige ſtatt mit Waizen mit Roggen zu bepflanzen; da es ſich aber auch mit letzterem begnügt, ſo würde dieſer Verſuch nicht helfen; ſelbſt wenn man die inficirten Felder der ganzen Umgegend ſtatt des Korns mit Gemüſe bepflanzen wollte, ſo würde dadurch das Inſect kaum zu vernichten ſein, da das geflügelte Weibchen die paſſenden Localitäten für ſeine Brut ſchon finden würde. (Comptes rendus, Aoüt 14. 1848.) Miſeellen. 28. Eine Salviaart, wie Roſſignon glaubt, Salvia chio Ruiz et Pavon, deren ſchleimige Samen in Centralamerica gegen chronifche Übel des Darmcanals benutzt werden, iſt in Mexico als Chilla bekannt; am grünen Donnerstage findet man mit ihr die Marktplätze, Kirchen und Altäre umwachſen. Man läßt zu dem Ende die Chillaſamen in Gläſern keimen, die ſich raſch ent⸗ wickelnde Pflanze überzieht, unſerem Lepidium sativum ähnlich, bald die Wände des Glaſes und anderer Gegenſtände ohne ihrer Form Abbruch zu thun, mit üppigem Grün. Vallot ſäete die Pflanze in Frankreich; ſie ging auf, blühete aber nicht, ſchien ſich überhaupt nicht leicht cultiviren zu laſſen. Die in Waſſer einge: weichten Samen entwickeln bald einen äußerſt dicken, dem Froſch⸗ laich ähnlichen Schleim, der getrocknet ein durchſichtiges Gummi lieferte. (Comptes rendus, No. 24, 11. Decembre 1848.) 29. In der Epidermis verſchiedener Labiaten und noch einiger Pflanzen fand Murchiſon drüſenartige Kör⸗ per von verſchiedener Geſtalt, aus kernführenden Zellen beſtehend; ſie entwickelten ſich gleich andern Pflanzenzellen durch Theilung des Zellkerns in zwei Hälften und vergrößerten ſich durch fortgeſetzte derartige Theilung. Ihr Inhalt war in Waſſer unlöslich, ward jedoch von Ather gelöſ't. Bei Melissa, Thymus, Mentha u. ſ. w. erſcheinen ſie als durchſichtige Mutterzellen, welche einen runden Körper, der über Kreuz in 4 Theile getheilt iſt, einſchließt; bis— weilen zeigen ſich 12 Abtheilungen, dann liegen 4 derſelben in der Mitte und 8 im Umkreiſe regelmäßig angeordnet. Sanderſon hält die fraglichen Organe für abortirte Haare. (The Annals and Magazine of natural history, No. 13, January 1849.) unde. (XXII.) Aneurysma der Kranzarterien des Herzens. Von Dr. Th. B. Peacock. Aneurysma der Kranzarterien ſcheint eine ſehr ſeltene Krankheitsform, denn in der ganzen medieiniſchen Literatur habe ich nur zwei vollſtändig und zwei ſehr unvollſtändig beſchriebene Fälle gefunden, und in den großen anatomiſchen Muſeen Londons iſt kein einziges Präparat dieſer Krankheit. In den folgenden Zeilen will ich nun die zwei früher be— obachteten Fälle wiedergeben und dann die Einzelheiten eines Falles beſchreiben, den ich ſelbſt beobachtet habe. Der erſte Fall iſt von Hrn. Bougon in der Biblio- theque médicale, tome XXXVII. 1812 beſchrieben, wie folgt: Ein alter Soldat, ſeit vielen Jahren einem unregelmäßigen Leben ergeben, welcher lange an ſchleichendem Fieber und Rheumatismus gelitten hat, litt nach ſchwerem häuslichem Kummer 4 Jahre, ehe er unter die Beobachtung des Dr. Bougon kam, an Schmerzen in der Bruſt mit einem Gefühl von Erſtickung und Unfähigkeit zu ſchlafen. Die Schmerzen nehmen den Rücken und die Mitte der Vorber- ſeite der Bruſt ein; die Anfälle begannen gegen 11 oder 12 Uhr in der Nacht und dauerten bis zum Morgen. Man⸗ nigfache Mittel blieben ohne allen Nutzen und das Leiden nahm allmälig zu. Allgemeine Blutentziehungen ſteigerten Schmerz und Herzklopfen, während Blutegel Erleichterung brachten. Während der Anfälle konnte ſich der Patient durch raſches Gehen und dadurch Erleichterung ſchaffen, daß er ſich an den Armen aufhing. Sechs Wochen vor ſeinem 185 Tode, nach einer langen und ermüdenden Reiſe, hatte er einen Fieberanfall mit einem Schmerz in der linken Wade, und während dieſes Unwohlſeins verſchwanden die Herz— ſymptome ganz und gar, kamen aber nach ſeiner Geneſung mit größerer Heftigkeit wieder. Während der ganzen Krankheit bis zu ſeinem Ende war er frei von Huſten oder Auswurf, hatte aber Schmerz in der Mitte des linken Armes. Herz- und Radialpuls waren iſochroniſch, bisweilen ſchwach, bisweilen aber auch ſtark und intermittirend. Livides An— ſehen des Geſichts oder Oedem der Füße fehlten. Eines Abends, als er eben zu Bett ging, wurde er von einem raſch längs des Rückgrates bis zum Hinterkopf verlaufenden Schmerz befallen, worauf er bald verſchied. — Bei der Leichenöffnung fand ſich, daß der Herzbeutel etwa zwei Pinten Blut enthielt, welches zum Theil fluͤſſig, zum Theil coagulirt war. Das Herz war von normaler Größe und ſeine Höhlen leer. Die aorta-Mündung war durch Wu— cherungen an den Semilunarklappen ſo verengt, daß der kleine Finger nicht durchgeführt werden konnte. Die aorta war von normaler Größe und frei von krankhafter Verände— rung, aber die rechte Kranzarterie war aneurysmatiſch etwa 1 Zoll weit von ihrem Urſprunge und war überhaupt ſo erweitert, daß man einen weiblichen Katheter darin ein— führen konnte; die Häute dieſer Arterie, ſo wie das um— gebende Zell- und Fettgewebe und das pericardium waren in eine fettige Maſſe mit knorpligen Plättchen und Körnern verwandelt. In dem aneurysmatiſchen Sacke befand ſich eine ovale Offnung, welche einen Gänſekiel durchließ, un— gleich zerriſſene, geröthete und ſehr mürbe Ränder hatte und die Höhle des aneurysmatiſchen Sackes mit dem Herz— beutel in Verbindung ſetzte. Der zweite Fall iſt 1843 von Hrn. Peſte in den Archives générales de Médecine, 4. Serie, tom. II. p. 472 mitgetheilt. Ein alter Gärber, 77 Jahre alt, wurde 1843 im Bicetre in die Abtheilung des Herren Rochour aufgenom— men. Er hatte mäßig gelebt und bis zwei Jahre vorher eine gute Geſundheit genoſſen; damals erlitt er einen Anfall von Apoplerie mit Lähmung der linken Körperſeite. Während der 8 Monate, die er im Spitale zubrachte, war fein Geiſtes— vermögen nicht geſtört, und er klagte über keinen Schmerz, obwohl er beſtändig zu Bette bleiben mußte. Am 18. Juni nahm er ſeine gewöhnliche Mahlzeit, bekam aber nachher Erbrechen und gab ſämmtliche Speiſen wieder von ſich. Seit dieſer Zeit fühlte er ſich unwohl, hatte Athembeſchwerden und Schmerz in den Präcordien, welcher bisweilen ſehr heftig wurde. Sein Tod erfolgte plötzlich, ohne daß andere Symptome vorausgegangen wären, am Morgen des 19. Bei der Section fand ſich der Herzbeutel von bluti— gem Serum ſehr ausgedehnt und das Herz in ein feſtes coagulum eingehüllt. An der vorderen Fläche des linken Ventrikels, ziemlich in der Mitte, zeigte ſich ein Riß von 14 Millimeter Länge, welcher durch die Wände des Ventrikels in der Quere, jedoch etwas von oben nach unten geneigt, durchging. Das Herz war von einer Lage Fett bedeckt, die beſonders an der Baſis dick war. Nahe bei dem Urſprunge 188. IX. 12. 186 der linken Kranzarterie fand ſich ein Fleck von ertravaſirtem Blute, welches bis zu einem Riſſe in den Wänden eines kleinen Aneurysmas hinging. Eine Sonde drang durch die Rißöffnung in dem Ventrikel zwiſchen zwei Muskelbündeln hindurch in den Ventrikel und von da in den Sack des Aneurysmas. — Die linke Kranzarterie war ihrer ganzen Länge nach erweitert bis zur Dicke einer art. brachialis; ihre Häute waren mit Knochenplättchen beſetzt. Das aneu- rysma lag an einer Stelle, wo ſich die Arterie in zwei Aſte theilte, und hatte die Größe einer Wallnuß. Nach unten fand ſich an dem Sack eine Offnung, durch welche das Blut ausgefloſſen war, und die Wände um dieſe Stelle herum waren außerordentlich dünn. Der Sack enthielt geſchichtete Gerinnſel, wie man ſie gewöhnlich in Aneurysmen findet. Die rechte Kranzarterie war von krank— hafter Veränderung frei, und die Subſtanz des Herzens war weder erweicht, noch ſonſt verändert; die Klappen waren normal. Die Höhle des linken Ventrikels enthielt etwas Blut, welches zum Theil flüſſig, zum Theil coagulirt war, und ein faſt farbloſes Coagulum hing an ſeiner inneren Membran an der Stelle, welche der äußeren Offnung ent⸗ ſprach. — Die Häute der aorta waren ſehr mürbe und zeigten hie und da Knochenplättchen. Eine apoplektiſche Ablagerung, von einer Pſeudomembran umgeben, fand ſich im Gehirne, in der Nähe des corpus striatum. Herr Peſte iſt der Anſicht, daß der Riß am linken Ventrikel, welcher die nächſte Todesurſache iſt, bei dem Erbrechen, 4 Tage vor dem Tode, mit einem Einriſſe in die Häute des Aneurysmas entſtanden ſei, wodurch ſich eine Offnung des linken Ventrikels bildete (2). Er nimmt ferner an, daß die inneren Faſern der Häute des Ventrikels auf dieſe Weiſe zerriſſen und durch den Druck des Blutes endlich das pericardium auch durchbrochen worden ſei. Von den beiden andern Fällen von aneurysma der Kranzarterien, auf welche ich hingedeutet habe, iſt der eine von Hedland angeführt und von Otto in ſeinem Handb. d. pathol. Anatomie eitirt; der Kranke war 40 Jahr alt und ſtarb durch Berſten des Aneurysmas und Ergießung des Blutes in das pericardium. Der letzte Fall wird von Hrn. Merat (Art. Coeur. — Pathol. — Diet. des Sciences med. tom. V. p. 484) kurz angeführt, welcher ſagt, er habe eine Erofion der Kranz— arterie beobachtet, durch welche eine Taſche in der Dicke der Wände des linken Ventrikels von der Größe einer Haſel— nuß gebildet worden ſei. Der Kranke hatte niemals an Symptomen einer Herzkrankheit gelitten und die krankhafte Veränderung ſchien auch mit der Todesurſache in keiner Ver— bindung zu ſtehen. Wir kommen nun zu den Einzelheiten des von mir ſelbſt beobachteten neuen Falles. Aneurysma der linken Kranzarterie; Erweite— rung des Herzens; peri- und endocarditis; bron- chitis. — Richard Appleton, 51 Jahre alt, wurde in das Royal Free Hospital während der epidemiſchen Influenza am 2. Deebr. 1847 aufgenommen. Durch Erkundigung wurde ermittelt, daß er früher in ſehr guten Verhältniſſen geweſen 187 war, aber ſehr unregelmäßig gelebt und ſich feit dem letzten Monat ſo übel befunden hatte, daß er ſich nichts mehr verdienen konnte und deswegen ſtädtiſche Almoſen erhielt. Er hatte an rheumatiſchen Schmerzen, aber ſo viel er ſich erinnern konnte, nie an rheumatiſchem Fieber gelitten. Obwohl er nie ſehr ſtämmig ausgeſehen hatte, ſo rühmte er ſich doch, wie große Laſten er habe tragen können. Seit längerer Zeit hatte er nun an einem heftigen Huſten und an Athem— noth gelitten. — Am Tage feiner Aufnahme war er ſehr ſchwach, hatte aber in Folge eines anodynum eine ſehr gute Nacht, worauf er ſich weniger hinfällig, wenngleich immer noch ſehr ſchwach fühlte. Er hat nun heftigen Huſten, be— ſchleunigten Athem, er iſt ſehr abgemagert und iſt wegen des torpiden Zuſtandes, in welchem er ſich geiſtig befindet, außer Stande, über fein früheres Befinden Auskunft zu ge— ben. Der Puls iſt 144 und äußerſt ſchwach; die Zunge iſt an der Spitze und an den Rändern roth und in der Mitte mit einem weißbraunen, der damaligen Epidemie eigen— thümlichen Beleg bedeckt. Die außerordentliche Hinfälligkeit feiner Kräfte geftattet nicht, den Zuſtand feiner Bruſt voll— ſtändig zu unterſuchen; indes findet ſich doch ein Mangel an Reſonanz bei der Perecuſſion der rechten Rückengegend und eine leiſe Crepitation an derſelben Stelle, während ſich in allen übrigen Theilen der Bruſt ein trocknes ſonores Raſ— ſeln bemerken läßt. Pat. liegt auf dem Rücken, ſein Ge— ſicht iſt nicht geröthet noch livid. Die Leber reicht ftarf in den Unterleib hinein und fühlt ſich hart an. Bei ſeiner Auf— nahme wurde er zwiſchen den Schultern bis zum Betrag von 5 Unzen geſchröpft, und es ſoll ihm nun ein Blaſen— pflaſter auf die Bruſt aufgelegt werden; er erhält eine Mir— tur mit Vinum Ipecacuanhae, Tinct. Camphorae compos. und Spir. Ammoniat. in öfteren Zwiſchenräumen; auch werden 2 Unzen Branntwein verordnet. 4. December. Puls 136; von beſſerer Beſchaffenheit. Zunge an Spitze und Rändern roth, in der Mitte braun belegt. Er klagt über Huſten und hat einen grünlichgelben ſehr zähen Schleim, jedoch in nur geringer Quantität aus— geworfen. Er iſt ſehr ſchwach und unbehülflich, man kann ihn nur mit Schwierigkeit im Bette herumlegen. Die Mir: tur und der Branntwein werden fortgeſetzt. 8. Decbr. 3 Tage lang ging es etwas beſſer, der Puls wurde minder häufig und obwohl noch ſchwach, doch von beſſerer Beſchaffenheit; Pat. war kräftiger und geiſtig klarer; geſtern aber trat an die Stelle dieſer Beſſerung eine Zunahme an Schwäche und größerer torpor des Geſichtes. Der Puls iſt nun 120, äußerſt ſchwach und ungleich ſowohl an Kraft als an Frequenz. Er hat einen läſtigen, jedoch nicht ſehr heftigen Huſten, ſpärlichen, grüngelben, ſehr zähen Aus— wurf, welcher kleine Luftbläschen enthält. Er athmet ſchwach und mit Anſtrengung und iſt im Geſicht nicht livid, bleibt auch in jeder Lage, die man ihm giebt, ohne daß er durch Dyspnöe zu leiden ſcheint. Er iſt äußerſt ſchwach, kann ſich nicht bewegen und liegt in einem halb comatöſen Zu— ſtande, aus welchem er nur ſchwer zu erwecken iſt. Stuhl— und Urinausleerungen ſind regelmäßig und nicht unbewußt. Geſtern war ein Blaſenpflaſter in den Nacken gelegt wor⸗ 188. IX. 12. 188 den; ſtatt der früheren Mixtur erhielt er eine aus Infusum Serpentariae, Spir. ammoniae aromat., Aether sulphur. comp, und Tinct. Camph. comp. Die Ration des Branntweins wurde auf 4 Unzen erhöht. Dieſe Behandlung wird fort— geſetzt und ein Blaſenpflaſter auf die Bruſt gelegt. 12. Deebr. Nachdem ziemlich derſelbe Zuſtand unver- ändert fortgedauert hatte, klagte er geſtern über Schmerz in der linken Seite der Bruſt, der Puls wurde ſehr ſchwach und ausſetzend, 120. Der Huſten war weniger häufig und der Auswurf reichlicher und ſchleimig-eitrig. Die Haut war kühl und feucht. Er hatte etwas Durchfall gehabt und mit den Stühlen Blut verloren. Überall in der Bruſt findet ſich lautes ſonores Schleimraſſeln, längs des Bruſtbeins und in der Herzgegend aber hörte man einen Ton, wie wenn an ein Ei mit einer Gabel angeſchlagen würde; in der Ge— gend der Herzſpitze war dieſes Geräuſch ſehr unvollkommen, in der Mitte und rechts vom Bruſtbeine war es ſehr deut— lich. Das Geräuſch war von doppelter Art und ſchien die normalen Töne eher zu erſetzen, als noch außer ihnen vor— handen zu fein. Ein Blaſenpflaſter wurde an die ſchmerz— hafte Stelle gelegt. Heute klagt er noch über Schmerz in der Herzgrube und in der linken Seite, wo auch eine rauhe Crepitation, ſowie ein gleiches ſonores Raſſeln in der Rückengegend der— ſelben Seite zu bemerken iſt. Der eigenthümliche Ton, welcher Tags zuvor bemerkt worden war, iſt jetzt nicht auf— zufinden. Die Herztöne ſind kaum hörbar. Seit geſtern iſt zwei Mal mit dem Stuhl Blut abgegangen, und Pat. iſt ſehr collabirt, der Puls ſehr ſchwach und flatternd, die Zunge trocken, in der Mitte braun, an Rändern und Spitze roth. Es iſt wenig Huſten zugegen und der Auswurf iſt zum Theil eiterig-ſchleimig und zum Theil zäh. Am Abend erfolgt der Tod. Die Section wurde am folgenden Nachmittage vor— genommen. Das Gehirn war mit undurchſichtiger und auf der oberen Wölbung der Hemiſphären verdickter arachnoidea bedeckt; der Betrag der Flüſſigkeit in den Ventrikeln war ſehr unbedeutend, die Subſtanz des Organes normal, das Gehirn wog 39½ Unze, das kleine Gehirn 4½ Unze und die pons Varolii und medulla oblongata 1 Unze; das ganze Gehirn alſo 45 Unzen. Beide Lungen, beſonders die rechte, waren vorn em— phyſematös und bedeckten das pericardium faſt vollſtändig; an den oberen Spitzen waren beide Lungen etwas angewach— ſen; der hintere und untere Theil der Lungen waren mit einem dunkelen, aber ſchaumigen Blute überfüllt, fo daß fie kaum noch erepitirten. Die Bronchialröhren waren erwei— tert und enthielten viel eitrig-ſchleimige Flüſſigkeit und ihre Schleimhaut war geröthet. Die Injection eben ſo wie die Menge des Seeretes ſteigerte ſich, je mehr ſich die Röhren verminderten, am meiſten in den tiefer liegenden Theilen der Lungen. Die linke Lunge war beträchtlicher überfüllt als die rechte. Der Herzbeutel war von einer reichlichen Menge blaß— gelber (ſeropurulenter) Flüſſigkeit ausgedehnt und die Ober: fläche der ſeröſen Haut war überall mit Schichten einer weis 189 chen, gewebartigen Lymphe überzogen; auf der Oberfläche der Vorhöfe war dieſe Ablagerung mehr flockig, auf den Ventrikeln von feſterer Beſchaffenheit. Das ſubſeröſe Ge— webe war auf der ganzen Oberfläche des Herzens in weiter Ausdehnung mit Serum und Eiter infiltrirt und die Mus— kelſubſtanz war erweicht und leicht zerreißbar. An dem oberen und äußeren Theile der Vorderſeite des linken Ven— trikels fand ſich eine Seroorragung von der Größe einer hal— ben Wallnuß, welche eben ſo wie die übrige Oberfläche von einer Lymphſchicht bedeckt war und außerdem auch noch einen alten weißen Fleck zeigte. Bei einem Durchſchnitt ergab ſich, daß dieſe Hervorragung ein aneurysma der linken Kranz— arterie war. Das aneurysma ſaß auf dem vorderen Aſte der Arterie 13° vom Urſprunge des Gefäßes aus dem sinus Valsalvae und 10° von der Stelle, wo ſich die Arterie in ihre zwei Hauptäſte theilt; es war ziemlich kugelförmig und hatte einen Durchmeſſer von 8½““. Außerlich war es von dem pericardium und einer Schicht Pſeudomembran überzogen, nach innen war es in die Wand des linken Ventrikels ein— gelagert. Die Höhle des Aneurysmas war von Blutgerinnſeln angefüllt, welche ſchichtweis abgelagert und theilweis ent— färbt waren. Die Häute des Sackes waren an der inneren Seite außerordentlich dünn und mit den äußerlich darauf gelagerten Schichten innig verbunden, ſo daß ſie nicht von einander getrennt werden konnten. Der Sack war übrigens unverſehrt und communieirte an feiner hinteren Seite mit der Arterie und zwar in etwas ſchräger Richtung, da das untere oder entferntere Stück des Gefäßes durch den Druck der Geſchwulſt etwas auf die Seite gedrängt war, ſo daß eine Sonde von dem Stuck der Arterie über dem aneurysma nicht unmittelbar in das unterhalb desſelben liegende Stud eingeführt werden konnte. Die Mündung der linken Kranz— arterie war beträchtlich erweitert; ihre Haute waren in be— trächtlichem Maße verknöchert, ſo daß das ganze Gefäß in einen hohlen Knochencylinder verwandelt war; über das aneurysma hinaus war das Gefäß in geringerem Maße krank— haft verändert; die rechte Kranzarterie war etwas erweitert und ihre Häute waren hie und da mit kreideartigen Platten beſetzt. Das Herz wog 13 Unzen med. Gew. und war von eigenthümlich länglicher Form. Der rechte Ventrikel war erweitert und ſeine Wände hypertrophiſch, 3 — 4 Linien dick; äußerlich waren fie von einer müßigen Fettſchicht bedeckt. Die Tricuſpidal- und Pulmonalklappen waren normal. Der linke Ventrikel war auch erweitert und ſeine Wände dünner als im normalen Zuſtande, an der Baſis 5“ in der Mitte 3““ und an der Spitze 2“, dick. Die Höhle des Ventri— kels war verlängert und gegen die Spitze hin ausgedehnt und die Muskelſubſtanz war daſelbſt außerordentlich weich und zerreißbar und ein zum Theil entfärbtes coagulum hing feſt am endocardium. Die Aortenklappen waren etwas ver— dickt und an ihren Winkeln adhärent, aber ſie ſchloſſen und die Mitralklappe war normal. Die Aortenmündung hatte 36““ und die Mündung der Lungenarterie 39“ Umfang. 188. IX. 12. 190 Die innere Haut des linken Vorhofs war etwas verdickt und undurchſichtig. Die aorta war von einer deutlichen Schicht Lymphe in dem aufſteigenden Theile überzogen und die ſeröſe Haut war beträchtlich geröthet. Mehrere Atheromflecke lagen um die Mündung der Kranzarterien herum und auch an anderen Stellen der Aortenhäute. Die Leber war ſehr groß, grobkörnig und mit Blut überfüllt. Die Milz war vergrößert und mit Knorpelſchich— ten bedeckt; die Nieren waren feſt und blutreich, aber nicht krankhaft verändert; die Darmſchleimhaut ward nicht unter— ſucht, jedoch zeigten die Därme äußerlich durchaus nichts krankhaftes. Der Fall, den ich hier mitgetheilt habe, zeigte alle Er— ſcheinungen der epidemiſchen Influenza des Jahres 1847; die eigenthümliche geiſtige Beſchränktheit, die große Proſtration der Kräfte, die Muskelſchwäche bezeichnen ganz ſpeciell jene Epidemie und die Complication der ausgebreiteten Capillar— bronchitis mit Peri- und Endocarditis war in den heftigeren Fällen überhaupt nicht ſelten. Es iſt daher wohl der Zweifel erlaubt, ob hier das aneurysma der Kranzarterie großen oder überhaupt nur einigen Einfluß auf den tödtlichen Aus— gang geübt habe. Die Anſammlung von Gerinnſel in dem aneurysmatiſchen Sacke und die Verſtopfung der Arterie, in Folge davon, hat wahrſcheinlich erſt in der letzten Zeit des Lebens Statt gefunden. Die Dispoſition der verſchiedenen Arterien zu Erz weiterung ſteht in der Regel in direetem Verhältniſſe zu ihrer Stärke. Im aufſteigenden Theile und im Bogen der aorta und in den von da entſpringenden Arterien find Aneu— rysmen beſonders häufig, während in den kleineren Arterien, welche äußeren Verletzungen nicht ausgeſetzt ſind, dieſelben verhältnißmäßig ſelten vorkommen. Man ſollte aber kaum erwarten, daß dieſes Geſetz auch für die Kranzarterien des Herzens gelte; fie entſpringen aus dem Anfange der aorta, ſind mehr als andere Gefäße beträchtlichen Veränderungen der Ausdehnung oder Spannung unterworfen, und ſo ſollte man glauben, Aneurysmen müßten hier beſonders häufig vorkommen; dennoch werden deren ſehr wenige angeführt, und da es nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie vorkommenden Falles bei Sectionen überjehen werden könnten, jo müſſen wir dies als Beweis annehmen, daß ſie ſehr ſelten vor— kommen. Fragt man nach den wahrſcheinlichen Urſachen dieſes Freibleibens von dieſer Krankheit, ſo iſt wohl die eigenthümliche Art, in welcher die Gefäße aus der aorta entſpringen, ihr Verlauf in einem etwas ſpitzen Winkel von dieſem Gefäße aus in Rechnung zu ziehen; doch genügt dies noch nicht zur Erklärung, eine wirkſamere Rolle muß man wohl der eigenthümlichen Reſiſtenz der Häute dieſer Arterie zugeſtehen. Dr. Norman Chevers (Guy’s Hospital Reports 2. Series Vol. I. p. 103 1843) hat auf eine eigen= thümliche Anordnung der elaſtiſchen Faſern in der mittleren Haut der Kranzarterien aufmerkſam gemacht, welche der Blutſäule beſonders gut Widerſtand zu leiſten im Stande wäre. Bei allen Arterien hat er eine Schicht fibröſer Längsfaſern zwiſchen dem ſeröſen Überzug und der gewöhnlich 191 als mittlere Haut beſchriebenen Kreisfaſerhaut nachgewiefen. In der aorta (ibid. Vol. V. p. 40) bilde dieſe Längsfaſer— ſchicht einen weſentlichen Schutz des Gefäßes, während die— ſelbe bei den Arterien der Extremitäten nur in geringer Anzahl von Faſern vorhanden ſei. Anders aber verhält es ſich mit den Kranzarterien: hebt man bei dieſen die innerſte auskleidende Haut in die Höhe, ſo zeigt ſich ein ſtarkes Band von Längsfaſern, welches rings um alle Theile des Gefäßes anzutreffen iſt, und zwar auf Koſten der Kreisfaſern. Dadurch wäre die Bildung ſackförmiger Aneu— rysmen verhindert, die begreiflicherweiſe nur vorkommen können, wenn die Schicht der Längsfaſern getrennt iſt; und ſo erklärt ſich, daß während die ſpindelförmigen Erweiterungen vom Anfange der Kranzarterien an nicht ſelten vorkommen und während bei lang fortgeſetzter Verſtopfung der rechten Herzhälfte die Kranzarterien ihrem ganzen Verlaufe nach be— trächtlich erweitert ſein können, dennoch wahre umſchriebene Aneurysmen nur drei oder vier Mal beobachtet worden ſind. Wenn zur Bildung ſolcher Aneurysmen immer eine Zerreißung der inneren Häute vorausgehen muß, ſo erklärt ſich auch die geringe Ausdehnung des Sackes, welcher in den 3 Fällen den Umfang einer Wallnuß nicht überſchritt. Denn obwohl auch hier durch Reizung und Entzündung der Herzoberfläche Exſudation und Verdickung und endlich Verwachſung beider Blätter des pericardium herbeiführen müffen, jo wird doch bald die Haut des aneurysmatiſchen Sackes nachgeben müſſen und ein tödtliches Blutextravaſat veranlaſſen. Dies erfolgte in dem Falle des Hrn. Peſte, wo das aneurysma ein ſackförmiges war, — in dem Falle von Hrn. Bougon, wo der Sack nicht ſo deutlich um— ſchrieben geweſen zu ſein ſcheint, und in dem Falle von Hrn. Hedland, über den genauere Angaben fehlen. In dem von mir mitgetheilten Falle würde, wenn das aneurysma nicht mit Gerinnſel gefüllt geweſen wäre, bei Fortdauer des Lebens des Patienten der Sack gewiß bald zerriſſen ſein, und da die Blätter des Pericardium nicht mit einander verwachſen waren, ſo würde eine tödtliche Blutergießung in die Höhle des Herzbeutels gefolgt ſein. Die Diagnoſe des aneurysma der Kranzarterien habe ich hier nicht ſpecieller berührt, Gendrin hat in einer Vorleſung in der Ecole Pratique 1843 Anweiſung gegeben, wie man dieſe Krankheit noch während des Lebens unter— ſcheiden könnte; da aber in den wenigen Fällen, die be— obachtet worden ſind, die phyſikaliſchen Zeichen ganz un— erwähnt geblieben ſind, ſo iſt dies wohl eine Voreiligkeit, wie wir ſie bei Gendrins Landsleuten ſchon öfters erfahren 188. IX. 12. 192 haben. Der eigenthümliche Ton, den ich bei meinem Falle am Tage vor dem Tode beobachtet habe, rührte wohl davon her, daß das Herz in einer beträchtlichen Menge dicklicher Flüſſigkeit in dem Herzbeutel ſchlug; auch war die emphyſe— matöſe Lunge, welche ſich vorgelagert hatte, bei der Hervor— bringung des Tones wohl mit betheiligt. Die Ausbreitung der Entzündung von dem pericardium durch die Herzſubſtanz bis auf das endocardium der Spitze des linken Ventrikels, wodurch eine Verlängerung und Aus— dehnung der Herzkammerhöhle in dieſer Richtung veranlaßt wurde, iſt bemerkenswerth als ein Beiſpiel für die Art, wie nach Rokitansky (Handb. d. path. Anatomie, Bd. II. S. 450) partielle Herzaneurysmen entſtehen können. (Monthly Journal, March 1849.) Miſeellen. (20) über die Anwendung des Calomels bei acu- ten Entzündungen ſagt Prof. Graves in ſeinen Clinical Lectures 2d. Edit.: zugleich mit dem Aderlaß müſſe man das Calo⸗ mel ſo anwenden, daß es möglichſt raſch den Organismus voll— kommen durchdringe; man müſſe daher nicht kleine Doſen öfters wiederholt, ſondern eine große Gabe von 1 Scrupel ein oder ſelbſt zwei Mal am Tage geben. In den meiſten Fällen iſt eine ſolche Gabe genügend; doch nöthigen ſehr bedenkliche Fälle bisweilen zur Wiederholung der Doſis nach 12 Stunden; auf dieſe Weiſe iſt man in ſehr kurzer Zeit im Stande, den Organismus vollſtändig zu „mercurialiſiren“, wodurch nicht bloß gefährliche Entzündungen raſch gehoben, ſondern auch ohne alle Leibſchmerzen ꝛc. geheilt werden. Man kann dabei die Frage aufwerfen, ob nicht vielleicht dieſe Anwendungsweiſe an und für ſich gefährlich ſeiz Dr. Gr. dagegen antwortet mit größter Zuverſicht, daß dies nicht der Fall ſei. Er verſichert, nie den mindeſten Nachtheil in einem Falle ge— ſehen zu haben, wo durch ſeine Anwendung eine heftige Entzündung ſofort beſeitigt worden iſt; und in der That man kann kaum an⸗ nehmen, daß ein und dasſelbe Mittel zugleich helfen und ſchaden ſollte. Queckſilber, wo es Entzündung beſchwichtigt, reizt nie— mals; — überhaupt was eine Entzündung kurz abſchneidet, fann das Allgemeinbefinden nicht gefährden, denn die Nachwirkungen des Mittels beſeitigen noch die Nachwirkungen des Übels. (21) Die Behandlung des prurigo senilis, welche oft fo große Schwierigkeit bietet, empfiehlt Dr. Bowling, ein americaniſcher Arzt als ganz unfehlbar in folgender Weiſe: der leidende Theil wird etwa eine Minute lang mit gutem Apfeleſſig mittelſt eines Schwammes befeuchtet, dann läßt man ihn trocknen; hierauf ſtreicht man das Unguentum eitrinum darüber (Ungt. hy- drargyri nitrici). Dieſe Applicationen werden zwei Mal täglich gemacht; die Eur iſt gewöhnlich in einer Woche beendet. Erre⸗ gung von Ptyalismus ſoll in einer ſehr großen Anzahl von Fällen nur ein einziges Mal und auch dieſes nur ſehr leicht vorgekommen fein. (Watson Lectures on the principles and practice of phy- sic., p. 840.) Bibliographiſche Neuigkeiten. W. J. Hooker, A century of orchidaceous Plants selected from the botanical magazine, with an introduction and practical instructions on their culture a 4%. (pp. 80. with 100 coloured plates.) London 1849. . Sh. J. H. Bennett, On cancerous and cancroid „ with 190 illustrations copied from nature and drawn on wood by the author. 80. (pp. 272.) London 1849. 12 sh. R. B. Grindrod, Bacchus; an Essay on the nature, causes, effects and cure of intemperance. 2d. Edit. 8°. (pp. 388.) London 1849. 16 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 189. (Nr. 13. des IX. Bandes.) April 1849. Naturkunde. v. Struve, Bemerkungen über weiße Mäuſe. — Tulasne, über Phosphoreſcenz des Agaricus olearins L., der Rhizomorpha subterranea Pers. und der abgeſtorbenen Eichenblaätter. — Mijeellen. Blanchard, das Nervenſyſtem der meiften wirbelloſen Thiere. Thierneſſe und Gluge, über den Flug der Vögel. — Heilkunde. Racle, allgemeine fender cutanea. — Simpſon, über die freiwillige Austreibung und die künſt⸗ liche Ausziehüng der placenta vor dem foetus in den Fällen von vor veterfäure bei Hämorrhoiralknoten. — Miſcellen. miſchung. Nekrolog. — Bibliographie. iegender placenta. — Ringland, Fall von hyſteriſchem Krampf des Zwerchfells. — Hyvatiden in den Beckenknochen. — Carlisle, Verſtopfung des Harnleiters durch ein diverticulum. — f Popham, über die Behandlung des acuten Rheumatismus mit der Chinarinde. Houſton, über die äußere Anwendung der Sal⸗ Graves, Brauſe⸗ Natur kunde. XXXII. Bemerkungen über weiße Mäuſe. Mitgetheilt von G. R. v. Struve. Caſſel im Sommer 1811. Nach der am 17. Mai und darauf am 6. Juni 1811 erfolgten Entbindung eines weißen Mäuſepaars mit 6 Jungen, wovon jedes Mal eines todt zur Welt gekommen war, trennte ich die wieder hochſchwangere Alte von den ſchon ziemlich erwachſenen, völlig ausgebildeten Jungen in den erſten Tagen des Juli. Sie erhielt ein geräumiges bauchichtes Glas zu ihrer Wohnung, deſſen Boden mit Kleie und etwas Moos bedeckt war. Ihre Beleibtheit nahm immer mehr zu. Man ſah an beiden Seiten des Leibes ihre Bürde ſehr deutlich. Sie hielt ſich den 2. Juli faſt un⸗ beweglich ſtille unter dem Mooſe verborgen und kam nur ans Tageslicht, um ſich Nahrung zu holen. Man konnte ſie leicht haſchen, da ihr jede Bewegung beſchwerlich fiel. Am 3. Juli des Morgens, alſo den W. Tag nach der letzten Entbindung, war ſie wieder von 8 lebendigen Mäu— ſen umgeben. Sie hatte ihnen in der Kleie eine Vertiefung zubereitet und ſich mit Moos bedeckt. Faſt den ganzen Tag lag ſie unter dem Mooſe auf dem kleinen Haufen, der ſehr begierig ſog. Die Kleinen waren ohne den Schweif, der 3/4 Zoll be— tragen mochte, etwa anderthalb Zoll lang, nackt, fleiſchroth, blind und ſehr regſam, ihr Kopf unförmig und unverhältniß⸗ mäßig groß zu dem übrigen kleinen Körper, die Haut, be— ſonders am Unterleibe, äußerſt zart, faſt durchſichtig. Die Alte ſchien ſehr ſorgſam und reichte ihnen den ganzen Tag Nah— rung. Nur um ſich von Zeit zu Zeit ſelbſt Nahrung zu holen, verließ fie die Kleinen. Sie erwärmte fie und ſchien ſehr ängſtlich, wenn die Moosdecke, die fie umhüllte, ab- genommen wurde. Um der Neugierde zu entgehen, traf No. 2169. — 1069. — 189. ſie ſogar einige Mal Anſtalt, ein Junges in Sicherheit zu bringen, indem ſie es im Maule wegtrug, und würde un— ſtreitig, wenn ſie ferner beunruhigt worden wäre, nach früher gemachten Erfahrungen, die ganze Brut auf dieſe Weiſe an ein anderes Sicherheitsplätzchen getragen haben. Während dem Stillen nahm die Alte eine breite, ge— ſtreckte Lage ein, ſo daß die zahlreiche Nachkommenſchaft von ihr gänzlich bedeckt wurde und den Kleinen die ganze Fläche des Unterleibs dargeboten war. Ihre körperliche Wärme war auffallend; fie theilte ſich ſogar dem Theil des Glaſes, wo fie mit den Jungen lag, mit und kann auf 18 — 200 Reéaum. angeſchlagen werden. Von Zeit zu Zeit vernahm man einen feinen, pfeifenden Ton, ohngefähr wie das Zwitſchern der Vögel, wahrſcheinlich der Ausdruck des Wohlgefallens, der Sorge oder irgend einer anderen Gemüthsbewegung der Kleinen oder der Mutter. Mach fpäteren Erfahrungen iſt es höchſt wahrſcheinlich, daß dieſer Laut von den Kleinen kommt.) Übrigens war die Alte ruhig; ſelten vernahm man dieſen einförmigen Ton. Sie ſorgte ſehr für Reinlichkeit; das kleine Neſt war von allem Unrath befreit; ſie trug denſelben im Munde an die eine Seite des Glaſes. Eben ſo wenig bemerkte man Feuchtigkeit im Glaſe, anderswo als an der dem Neſte entgegengeſetzten Seite, wohin fie ſich dieſes Bedürfniſſes wegen begiebt. Das Wachſen und Zunehmen der Kleinen war ſichtbar. Jeden Morgen hatten ſie in den verfloſſenen 24 Stunden an Größe und Regſamkeit zugenommen; aber ihre Kräfte reichten noch nicht hin, ſich von der Alten zu entfernen. Sie waren am 8. Tage noch vollkommen blind und außer Stande, fertig zu kriechen, ſo lebhaft auch die Bewegung ihrer Füße war. Am 7. und 8. Tage war übrigens ſchon das Hervorkommen feiner, zarter, en Haare be⸗ 195 merklich. gedeutet. Am 9. und 10. Tage waren ſie ſchon vollkommen weiß, nur die Füße und der Schwanz faſt unbehaart. Die Alte trug ſie wieder, wenn man die Jungen lange betrachtete, weg, indem ſie ſie bei den Ohren, Füßen oder Nacken faßte und wegſchleppte. Dunkele Striche deuteten ſchon ſehr ſichtbar die Augen an. Den 14. Juli, alſo am 11 Tage nach ihrer Geburt, nahm ich mit den Jungen die Amputation der Schwänze vor, da fie dadurch ein weniger mauſeartiges Anſehen be— kommen und für die meiſten Liebhaber eine äſthetiſchere Form erhalten. Ich hielt ſie feſt, indem ich den Schweif auf ein Bretchen legte, und ſchnitt mit einem Raſirmeſſer, das mit Mandelöl beſtrichen war, dicht am Körper durch einen herzhaften Druck dieſen Theil ab. Der Schnitt erregte, wie natürlich, eine ſchmerzhafte Empfindung. Sie ließen einen leiſen, pfeifenden Ton hören. Die Alte beroch ſie nach ihrer Rückkehr, ſchien ängſtlich, leckte die Wunde und war mit ihnen beſchäftigt, nebenbei aber mit ihrer Toilette, denn ſie putzte ſich zwiſchendurch fleißig. Der Schmerz der Jungen ſchien indes nicht anhaltend; ſchon in den erſten 10 Mi— nuten ſchmiegten ſie ſich unter der Alten und ſogen, ohne auf die Wunde, wie es ſchien, zu achten. Dieſe war zwar etwas blutig, aber heilte, ohne Geſchwulſt zu veranlaſſen, ſehr bald zu. Am 15. Juli ſchien die Heilung ſchon vollendet. Am 16. öffneten die Jungen die Augen, wenigſtens zur Hälfte. Ihre Regſamkeit hatte ſehr zugenommen. Ihre Größe im ruhenden Zuſtande war ungefähr die eines Mai— käfers. Ausgeſtreckt waren ſie um die Hälfte größer. Der Kopf ſchien noch unverhältnißmäßig ſehr groß. Die beiden vorderen Nagezähne waren ſchon ausgebildet und ſichtbar, aber noch immer ſogen ſie ſehr begierig. Den 18. (den 15. Tag nach ihrer Geburt) waren die Jungen vollkommen ſehend. Ihr gänzlich ausgebildeter ſchneeweißer Pelz gab ihnen ein ſehr niedliches Anſehen. Alle acht waren von gleicher Größe und ſchienen gleichmäßig ſchnell ſich zu ent— wickeln. Mit dem Sinne des Geſichts bildete ſich in wenig Tagen auch ein ſicherer Gang und beſtimmtere Bewegung. In den erſten Tagen hielten ſie ſich noch immer auf einem Haufen beiſammen, und verließen die Mutter nur, wenn dieſe beunruhigt wurde und ſchnell ihre Brut verließ, in wel— chem Falle ſie gewöhnlich ein Paar Junge, die ſich an ihr feſtgeſogen hatten, eine Strecke lang mit ſich fortzog. Bald wagten dieſe aber auch ohne die Mutter einen Ausgang im Glaſe umher; ſie fanden auch hie und da Broſamen und erlangten bald die Geſchicklichkeit, ſelbſt zu freſſen. Die kleine herabhängende Kette, die zum Drathdeckel führte, wel— cher mit Brot in Milch geweicht belegt war, blieb ihnen nicht unbemerkt, ſie verurſachten daran hinanzuklettern; ihre Verſuche wurden immer glücklicher, und ſchon am zweiten Tage erreichten ſie den Deckel und waren nun im Stande, ihr Futter ſelbſt zu ſuchen und zu finden. Den Tag über blieben ſie gewöhnlich ruhig, und die Mutter reichte ihnen fortwährend noch die mütterliche Milch. Gegen Abend hingegen erwachten ſie zu ihrer nächtlichen Die Augen waren durch dunklere Striche an— 189. IX. 13. 196 Thätigkeit, alles lebte und bewegte ſich dann im Glaſe; ſie liefen und ſprangen hin und her, leckten und putzten ſich, liefen die Kette hinan und herab und unterhielten durch ihre munteren Bewegungen den Beobachter. Acht Tage waren ſie nun ſehend und in allen Mäuſekünſten geübt, als ich glaubte, fie von der Mutter trennen zu dürfen. Letztere ward daher den 28. Juli in ein anderes Glas mit einem Männchen zuſammengeſetzt. Ein anderes altes Weib— chen nebſt einem Jungen dom 6. Juni wurde in demſelben Glaſe gleichfalls verpflegt. Die den 6. Juni geborene Maus hielt ihr erſtes Wo— chenbett den 18. Aug. Nun ward ſie mit den Jungen von dem Männchen getrennt und in ein eigenes Behältniß geſetzt. Sie gebar 4 lebendige Junge; von denen in der Folge wieder eines ſtarb. Die Reſte eines — wie es ſchien — an— gefreſſenen Jungen fanden ſich gleichfalls. Schon bei den früheren Würfen hatte ich faft jedes Mal blutige Überbleibſel, gewöhnlich den Hintertheil einer neugeborenen Maus, ge— funden. Eine ſonderbare Erſcheinung! Die Natur weicht zwar hier von dem allen Thieren eingepflanzten Geſetze der Mutterliebe ab (wiewohl Hunger, d. h. der Selbſterhaltungs— trieb) zuweilen ſolche Ausnahmen veranlaßt; es ſcheint aber, daß ſie zuweilen auch ihre Rechte reclamirt und Thiere, denen im freien Zuſtande auch Fleiſchnahrung angewieſen iſt, die aber im zahmen anders genährt werden, an das Naturgeſetz erinnert. Zu bemerken iſt noch, daß ſie beim erſten Wurfe ge— wöhnlich nur 4 — 5 Junge gebären, erſt in den folgenden ſteigt die Zahl bis auf 8. Die am 3. Juli entbundene Alte brachte in der Nacht auf den 21. Auguſt wieder 6 Junge zur Welt. Seit dem 28. Juli war ſie mit dem Männchen zuſammen geweſen, alſo ohngefähr ſeit 24 Tagen trächtig. Es war übrigens unter den geworfenen kein verſtümmeltes oder angefreſſenes zu bemerken. Die beiden Mütterchen mit ihren Jungen wurden in ein gemeinſchaftliches Behältniß gethan und ihnen Moos zur Bedeckung gegeben. Sie ſchienen anfangs in ihrer neuen Wohnung ſehr fremd, ſchüchtern und furcht— ſam. Die Alte nahm ſich ihrer Jungen mit mütterlicher Sorge an; die Junge hingegen, weniger zahm, lief voll Unruhe in dem Kiſtchen umher und verließ Stunden lang ihre Jungen. Ich ſetzte dieſe zu der Alten, und ſie verſorgte dieſelben wie ihre eigene Brut. Sie hatte deren alſo 9 zu ſäugen, während die junge Mutter, unbekümmert um ihre Kleinen, herumſchweifte. Am 1. October ward die ſchon erwähnte alte Mutter von neuem mit mehreren Jungen entbunden. Von den erſten 3, die ſie zur Welt brachte, kam eines in der Kleie um; die andern 2 waren von der Alten aufgefreſſen worden, wenigſtens fanden ſich nur Fragmente. Vielleicht waren es todtgeborene Junge, die ſie ſich auf dieſe Weiſe vom Halſe ſchaffte. Dennoch fanden ſich am 2. October 4 wohl: gebildete Junge unter ihr. In den erſten 8 Tagen blieb das Männchen von dem Weibchen nicht getrennt; ich ſonderte es aber nachher ab. 197 Den 30. October, nachdem ich mehrere Tage die junge Familie nicht mehr beſichtigt hatte, war ich daher ſehr überraſcht, neben den am 2. October geborenen, ſchon völlig herangewachſenen 4 Jungen, noch 5 blinde ſchon mit zarten weißen Haaren bewachſene Junge zu finden, die etwa 6 — 8 Tage alt fein mochten. Die Alte hatte alſo in ohngefähr 3 Wochen 2 Mal geworfen und 9 Junge in die Welt geſetzt. Den ganzen Winter hindurch war Stillſtand. Ohn— geachtet das Pärchen beiſammen blieb, brachte das Weibchen keine Jungen, bis ich den 17. März 1812 zum erſten Male wieder 2 Junge fand, allein ſie waren in der Kleie erſtickt und ſchienen blutige Spuren an ſich zu haben. XXXIII. über die Phosphoreſcenz des Agaricus olearius L., der Rhizomorpha subterranea Pers. und der abgeſtorbenen Eichenblätter. Von L. R. Tulasne. Dieſem ausführlichen, im Juniheft der Annales des sciences von 1848 mitgetheilten Aufſatze entnehmen wir in Kürze, mit Weglaſſung der ſämmtlichen Literatur, nur des Verf. eigene Beobachtungen. Der Agaricus olearius phosphoreſeirt nur, jo lange er noch wächſt; in der Regel beginnt das Leuchten des Hyme— niums, ſobald der Pilz eine ziemliche Größe erreicht hat, und dauert, ſo lange ſich die goldgelbe Farbe erhält, fort; bisweilen verſchwindet dieſe Erſcheinung jedoch ſchon ehe ſich die Blättchen bräunen. Wenn der Pilz ſpäter zu faulen anfängt, bedecken ihn mehrere Schimmelarten, aber weder dieſe noch der Pilz ſelbſt phosphoreſeiren. Bisher ſchrieb man die Phosphoreſcenz dem Hymenium zu; der Verf. fand indes, daß die ganze Pilzſubſtanz im friſchen Zuſtande phosphoreſeirt; nur die äußere Fläche des Hutes, die er eutieula nennt, ſchien ihm dieſe Eigenſchaft nicht zu beſitzen. Das Phosphoreſeiren ſcheint zwar, wie ſchon erwähnt, nur zur Zeit des lebhaften Wachsthums Statt zu finden, iſt aber auch da nicht zu immer beobachten, ſcheint vielmehr von verſchiedenen noch dunkelen Urſachen unabhängig zu ſein. Bei einer großen Anzahl junger Pilze leuchteten zum Bei— ſpiel nur die Lamellen, bei anderen nur das Hymenium und bei noch anderen nur der Stiel; manch Mal leuchtete eine Partie von Lamellen, oder eine Stelle des Stieles mehr als die anderen, ohne daß der Verf. irgend einen Grund dieſer Verſchiedenheit wahrnehmen konnte. Am Stengel leuchtete häufig nur die Oberfläche; der innere Theil nahm dann jedoch, wenn er eine Zeit lang an der Luft gelegen, dieſelbe Eigenſchaft an. Der Verf. zerriß einen Stiel, ſein innerer fleiſchiger Theil leuchtete nicht; am kommenden Abend jedoch funkelte auch dieſer; andere durchſchnittene Schwämme leuchteten am Morgen, in einen dunkelen Raum gebracht, an ihrer Schnittfläche nicht, ver— breiteten jedoch am Abend ein glänzendes Licht; bisweilen war nur die Schnittfläche leuchtend, während das unter ihr 189. IX. 13. 198 liegende Gewebe, wenn ein neuer Schnitt geführt ward, dunkel blieb. Das Fleiſch eines in ſeiner Mitte durchriſſenen Pilzſtiels leuchtete 3 Abende hinter einander; der Glanz des Lichtes verlor aber raſch von außen nach innen an Intenſität; am dritten Abend glänzte nur noch das innerſte des Stiels. Luftzutritt ſcheint demnach durchaus nothwendig zu ſein, um eine Phosphoreſcenz hervorzurufen, wogegen wiederum in anderen Fällen ein verlängerter Luftzutritt die Erſcheinung zu zerſtören ſcheint. Der Verf. zerbrach einige ſchön leuch— tende Pilzſtücke und ſah wie ſie nach einigen Augenblicken in ſeiner Hand zu phosphoreſeiren aufhörten; einige der— ſelben wurden erſt allmälig dunkler, während andere plötz— lich alles Licht verloren. Wenn der Verf, leuchtende Lamellen des Pilzes in das Waſſer tauchte, jo phosphoreſeirten fie unter Waſſer jo gut wie in der Luft, ließ er ſie jedoch bis zum nächſten Abend im Waſſer liegen, ſo war kein Leuchten mehr zu beobachten; das Waſſer ſelbſt hatte ſich alsdann gelblich gefärbt. Al— kohol zerſtörte das Leuchten nicht, ſchwächte es jedoch augen— blicklich. Die weißen Sporen, in dicken Lagen auf eine Porce— lanplatte geſtrichen, leuchteten niemals; ob ſie auf dem Hymenium phosphorefeiren, möchte ſchwer zu entſcheiden fein. Während ſich der Verf. mit den obigen Verſuchen be— ſchäftigte, war das Wetter trocken; der Thermometer ſtand am Mittag auf 18 bis 20 Celſ.; am 13. November rege nete es Abends, der Verf. ſammelte während des Regens einige der Pilze, die im Dunkeln eben ſo ſchön wie bei trockner Witterung leuchteten. Delille behauptet, unſer Pilz leuchte niemals am Tage, ſelbſt wenn man ihn in dunkle Räume bringt; der Verf. bedauert, dieſen Verſuch verſäumt zu haben; wenn er die Pilze bei Sonnenuntergang, wo es noch zu hell war, um die Erſcheinung ſehen zu können, ins Dunkle brachte, leuchteten ſie immer. Schmitz fand dagegen, daß die üppig vegetirende Rhizomorpha ſowohl bei Nacht als am Tage im Dunkeln leuchtet. Der Verf. wiederholte den Verſuch mit ganz anderem Erfolg: dieſelben Stücke, die bei Tage im Dunkeln nicht leuchteten, brillirten am Abend im ſchönſten Glanze. Nun ſollen bekanntlich einige Leuchtkäfer nur dann Nachts leuchten, wenn ſie am Tage Sonnenlicht aufgeſogen haben; bei der Rhizomorpha ſcheint dies nicht der Fall zu ſein; der Verf. bewahrte ſie vor jedem Lichte geſchützt und ſah, wie dieſelben Stücke dennoch mehrere Abende hinter einander phosphoreſeirten. 1 Im Monate Juni fand der Verf. die Rhizomorpha subterranea Pers., deren lange Zweige unter der Erde als Schmarotzer auf den Wurzeln alter Eichenſtämme leben; die jüngeren Zweige waren glatt und braun, die alten mit einer ſchwarzen runzlichen Rinde bekleidet; letztere war hart und kruſtenartig, während das innere der Zweige aus langen, weißen parallellaufenden Fäden beſtand; der Durchmeſſer der innerſten Fäden betrug 0,0035 Millim., derjenige der mehr nach außen gelegenen 0,015 Millim. Der Thermometer ſtand am Abend, wo der Verf. die Rhizomorpha fand, auf 220 Celſ. Schon alle jungen Zweige, deren Rinde 13 * 199 ſelbſt noch kaum gebräunt war, glänzten von oben bis unten, während die alten Zweige häufig nur an einigen Stellen phosphorefeirten, und noch andere nur da, wo die Rinde abgeftoßen war, leuchteten. Der Verf. ſpaltete und zerriß ſolche Aſte, ihre innere Subſtanz blieb jedoch dunkel; am anderen Abend glänzten dieſelben an der Luft gelegenen Stücke ſo ſchön wie die Rinde. Derſelbe Verſuch ward mit ſtets gleichem Erfolg ſowohl an jungen als alten Eremplaren wiederholt. Man hat für den erwähnten Agaricus, wie für Rhizo- morpha, die Zeit der Fruchtbildung und den Ort der letzte— ren als den Zeitpunkt und Heerd der Phosphoreſcenz be— trachtet; der Verf. iſt jedoch überzeugt, daß die bisher für Fruchtorgane der letzteren Pflanze gehaltenen Theile nicht als ſolche zu betrachten ſind, man vielmehr die letzteren noch gar nicht kennt. Ein Reiben der leuchtenden Stücke der Rhizomorpha zwiſchen den Fingern ſchwächte die Phosphoreſcenz, die bei einem gewiſſen Grade des Austrocknens ganz aufhörte, ohne daß ſich den Fingern ein leuchtender Stoff mittheilte. Die leuchtenden Stücke konnte man in Waſſer tauchen, ohne daß ſie ihr Leuchten aufgaben; wenn man ſie am Licht einer Kerze erwärmte, gaben ſie im Dunklen noch einen ſchwachen Schein; dasſelbe geſchah, wenn ſie einige Augenblicke in Waſſer von 300 Celſ. gelegen hatten; tauchte man fie da— gegen in Waſſer von 350, fo verſchwand ihre Phosphore— ſcenz augenblicklich. Stücke, welche man längere Zeit in den Mund genommen, leuchteten nicht mehr, verbreiteten jedoch, wenn ſie wieder an der Luft gelegen, ein ſchwaches Licht; der Verf. glaubt demnach, daß hier nicht ſowohl die Mundwärme als der nicht zureichende Luftzutritt die Phos— phoreſcenz vernichtete. Ein junges Exemplar ward der Länge nach geſpalten und mehrmals in Olivenöl getaucht, es verbreitete deſſen ungeachtet noch lange Zeit ein ſchwa— ches Licht. Die im Feuchten aufbewahrten Exemplare der Rhizo- morpha leuchteten mehrere Abende hinter einander; nach einem Monate waren ſie vertrocknet; der Verf. tauchte ſie nunmehr in Waſſer und ſie vegetirten von neuem; ſchon nach wenigen Tagen hatten ſich nun Zweige gebildet; nur die letzteren leuchteten, in ganz ſeltenen Fällen auch wohl der Theil der alten Exemplare, dem die neuen Schößlinge entſproßten, niemals aber die alten ein Mal vertrockneten Eremplare ſelbſt. Wie bei Agaricus olearius leuchteten demnach auch bei der Rhizomorpha subterranea alle Theile der Pflanze, und zwar dort wie hier nur zu einer Zeit, wo ſelbige kräftig vegetirt. Das Licht des Agaricus und der Rhizomorpha entſpricht an Weiße dem des Phosphors; der erſtere würde ſich ſeiner Größe und ſeines intenſiven Lichtes halber vortrefflich zu phyſtealiſchen Verſuchen über die Phosphoreſcenz eignen; ſein Gewebe iſt das gewöhnliche ſtark verfilzte Pilzgewebe, von größeren verzweigten, mit einem dunkelgelben Safte erfüllten Schläuchen regelmäßig durchſetzt. Mit der Rhizomorpha hatte der Verf. zufällig abge— fallenes Eichenlaub, in welches er die Exemplare bettete, 189. IX. 13. 200 mit nach Hauſe gebracht; auch dieſe Blätter leuchteten im Dunkeln. Das Gewebe derſelben war noch feſt und elaſtiſch; keins der Blätter leuchtete auf ſeiner ganzen Fläche, den meiſten Glanz entfalteten die ſchwach braun oder grau gefärbten, vor— züglich aber die weißlichen Stellen; vertrocknete und zerſtörte Knoſpen, ja ſogar junge Triebe der Eichen leuchteten gleich— falls. Die Oberfläche dieſer Gegenſtände war überall feucht; ein Druck oder ein Reiben zwiſchen den Händen zerſtörte die Phosphoreſcenz augenblicklich, ohne daß die Finger leuchtend wurden. Man legte die Blätter in Waſſer, einige leuchteten noch nach drei Tagen, andere ſchon am zweiten Tage nicht mehr. Die in der Hand trocken gewordenen Blätter leuchteten, nachdem ſie in Waſſer gelegen, nicht wieder. Der Verf. beweiſ't mit dieſem Beiſpiele, daß nicht allein faulendes Holz, ſondern auch andere in Zerſetzung begrif— fene Pflanzentheile unter gewiſſen Umſtänden phosphore— ſciren; hier wie im Thierreiche ſcheint das Licht durch einen Zerſetzungsproceß bedingt zu werden. Sehen wir nun, wie ſich die Lichterſcheinungen der letzteren Art mit den an le— benden Pflanzen beobachteten vereinbaren laſſen. Nach den Verſuchen des Verf., wie anderer Autoren, verſchwindet das Leuchten im luftleeren Raume oder in einer Atmoſphäre irreſpirabeler Gasarten; ſchon ein leichtes Austrocknen hemmt die Phosphoreſcenz, dagegen ruft Luft— zutritt, ſowohl bei Rhizomorpha als Agaricus, das Leuchten der zerriſſenen Flächen hervor. Nach Macaires Ver— ſuchen wird auch das Licht des Laternenträgers (lampyre) im luftleeren Raume oder in Kohlenſäuregas und ſchweflig— ſaurem Gas mehr oder weniger ſchnell vernichtet, ohne daß Wärme und Elektricität, die, wenn das Thier von Luft umgeben iſt, ſeinen Glanz erhöhen, den letzteren her— zuſtellen vermögen. Außer dem Luftzutritte verlangen ſo— wohl das faulende Holz als das in Zerſetzung begriffene Fleiſch und ſonſtige Speiſen, um leuchten zu können, einen gewiſſen Grad der Feuchtigkeit und Wärme; dasſelbe gilt, wie oben gezeigt, von den beiden lebenden Schwämmen; Luft, Waſſer und Wärme ſcheinen demnach die Hauptbe— dingungen der Phosphoreſcenz und letztere ſelbſt, ſowohl bei lebenden Thieren und Pflanzen als bei verweſenden Organismen, eine Erſcheinung zu ſein, welche eine beſtimmte chemiſche Reaction, einen beſtimmten langſamen Verbrennungs— proceß begleitet. Das Leuchten organiſirter Weſen iſt dem: nach von dem Leuchten unorganiſcher Körper, welche ein von außen aufgeſogenes Licht wieder ausſtrahlen, verſchieden. Die Bildung von Kohlenſäure durch Einfluß des Sauerſtoffs ſcheint für die Organismen die Hauptbedingung zur Phos⸗ phoreſcenz zu fein; da nun letzterer auf die gefärbten Pflan⸗ zentheile und die Thiere bei Tag und bei Nacht in gleicher Weiſe einwirkt, ſo müſſen bei dieſen auch die Lichterſcheinun— gen zu jeder Tageszeit dieſelben ſein, während die grünen Pflanzentheile nur Nachts phosphoreſeiren können. Der Verf. geſteht gerne, daß die erwähnten Urſachen keineswegs zur Erklärung dieſer Lichterſcheinung genügen, bemerkt jedoch, daß die Annahme einer ſchleimigen leuchtenden Subſtanz, welche mehrfach aufgeſtellt iſt, ſich nicht vertheidigen läßt, da beide von ihm unterſuchten Pilze frei von ſolchem Schleime 201 waren. Über das Selbſtleuchten der Blätter oder Blumen gewiſſer lebender phanerogamiſcher Pflanzen will der Verf., da ihm die Beobachtungen fehlen, nicht entſcheiden. Miſecellen. 30. Das Nervenſyſtem der meiſten wirbelloſen Thiere beſteht nach Blanchard wie bei den Wirbelthieren aus zwei beſtimmt geſchiedenen Theilen, einem dem animaliſchen Leben angehö- renden und einem dem organiſchen Leben gebietenden Nervenſyſteme, deſſen Studium bei kleinen Thieren ſehr ſchwierig wird. Wenn man nur einen Theil des organiſchen Nervenapparates bei verſchiedenen Thie— ren unter einander vergleicht, ſo erhält man nur beſchränkte Unter⸗ ſchiede; wenn man dagegen das Ganze vergleicht, ſo bekommt man gewichtige Verſchiedenheiten. Das animale Nervenſyſtem liefert nach Blanchard treffliche Gruppencharaktere, welche bisweilen 189. IX. 13. 202 mehrere Claſſen vereinigen, wogegen das organiſche Nervenſyſtem vorzügliche Unterſchiede für Claſſen und Ordnungen liefert. Die verſchiedenen Grade der Centraliſation des animalen Nervenſyſtems geben zugleich gute Familiencharaktere; eine Unterſuchung dieſer Theile erlaubt uͤberdies eine genaue Beſtimmung des Werths oder Unwerths der bisherigen zoologifchen Gruppen; das Nervenſyſtem bietet mit einem Worte das trefflichſte Mittel zur natürlichen Claſ⸗ ſification der Thiere. (L'Institut, No. 781, 1848.) 31. Der Flug der Vögel wird nach Thierneſſe und Gluge, ſobald man die Bruſtmuskeln des Vogels durchſchneidet, unmöglich gemacht, wogegen die Durchbohrung der Röhrenknochen, den Angaben von Jobard widerſprechend, das Flugvermögen nicht aufhebt. Die Verf. durchbohrten nach einander den tarso- metatarsus-Knochen, den kemur und den humerus einer Taube, die deſſenungeachtet fliegen konnte. Der Flug der Vögel wird demnach nicht durch ein Aus- und Einpumpen der Luft in den Körper des Thieres, ſondern durch den Flügelſchlag, welchen die Ta regieren, bedingt. (Bibliotheque de Geneve, Novembre 1848. Heilkunde. (XXIII.) Allgemeine hyperaesthesia cutanea. Von Hrn. Racle. A., 43 Jahre alt, Zimmermaler, jedoch nur mit Beauf— ſichtigung der Arbeiter, nie mit der Handhabung der Farben ſelbſt beſchäftigt, aufgenommen in das St. Louis-Spital 7. Febr. 1844. Der Kranke früher ſtets geſund, zog ſich in dem Alter von 20 —25 Jahren 3 — 4 Mal eine Gonorrhde zu, welche völlig beſeitigt wurde; Schanker verſichert er nie— mals gehabt zu haben, aber wohl zwei Bubonen, welche ge— öffnet werden mußten. Sein jetziges Übel beſteht ſeit 5 Jah— ren, zu welcher Zeit er nach einer Gemüthsaufregung plötz— lich beim Herabſteigen von einer Treppe lebhafte Schmerzen in einem Knie empfand, die 2 — 3 Stunden andauerten und in den nächſten Tagen bald am Tage, bald in der Nacht wiederkehrten. Am achten Tage verſchwanden die Schmerzen in dem einen Knie und erſchienen in dem anderen, worauf fie ihren Charakter veränderten und in ein unerträgliches Jucken übergingen, welches der Kranke durch kalte Umſchläge linderte. Das Übel dauerte länger als einen Monat an, in— dem es unaufhörlich von einem Beine zum andern überging. Um dieſe Zeit bedeckte ſich die Haut plötzlich mit rothen juckenden Papeln, einem einfachen fieberloſen Neſſelausſchlage, und von da an kehrte dieſe Eruption alljährlich gewöhnlich im Frühling und Winter und meiſt dann, wenn die Haut- ausdünſtung unterdrückt war, wieder. Im Sommer kam der Ausſchlag nicht zum Ausbruch, indem der Kranke ſtark ſchwitzte. Zwei zu Rathe gezogene Arzte hielten das Übel für ſyphilitiſch und gaben dem Kranken den Syrup von Larrey, die Tiſane von Peltz, wodurch ſich das Übel aber eher verſchlimmerte und nun entſchieden als pruriginöſes auf- trat, indem die Neſſeleruption ausblieb. Bei feiner Auf- nahme war der Zuſtand des Kranken folgender: die Sen— ſibilität der ganzen äußeren Haut iſt bedeutend geſteigert, mit einziger Ausnahme des Kopfes und der Füße; in der Lendengegend ſind wirkliche Schmerzen vorhanden. Die er— höhte Empfindlichkeit iſt am ſtärkſten an den Beinen ausge— ſprochen und geht bald von einem Beine zum andern über, bald verläßt ſie dieſelben, um die Bruſt, den Rücken und die Schulter einzunehmen. Die Affection iſt nicht fortwährend vorhanden, ſondern befällt den Kranken ſtoßweiſe unter einem Gefühle von Hitze und Brennen, welchem dann die Empfin— dung eines brennenden Feuers und endlich Schmerz folgt. Starker Druck lindert den Schmerz, leichte Berührung dage— gen iſt unerträglich und ruft ſelbſt Wadenkrämpfe und fpad- modiſche Contractionen hervor. Das Übel verſchwindet ge— wöhnlich in der Wärme und kehrt mit der Kälte wieder; es tritt zuweilen Abends ein, dauert die erſte Hälfte der Nacht hindurch und verſchwindet dann, um am nächſten Morgen auf einige Stunden wiederzukehren; an manchen Tagen tritt es ſtark, an anderen ſchwach hervor. Auf der Haut ſonſt keine Eruption als einige ſehr kleine Papeln des lichen pi- laris an den Beinen. Außer der äußeren Haut ſind auch einige Schleimhäute von der erhöhten Senfibilität affieirt; die Naſenſchleimhaut empfindet gewiſſe Gerüche, beſonders des Eſſigs, der Säuren, ſtark riechenden Käſes ſehr unangenehm; Salz bringt eine ſehr ſchmerzhafte Empfindung auf der Mund- ſchleimhaut hervor und erzeugt einen wahren Krampf; endlich wird auch die Magenſchleimhaut durch gewiſſe Speiſen und Arzneien gereizt. Allgemeinbefinden ſonſt gut, alle Func⸗ tionen ungeſtört. Da das Übel als rein nervös erſcheint, fo wird Chin. sulph. gegeben, welches anfangs einige Beffe- rung verſchaffte, die aber nicht von Dauer iſt. Der Kranke mußte wegen Familienangelegenheiten das Spital verlaſſen. (Ann. des mal. de la peau.) 203 (XXIV.) über die freiwillige Austreibung und die künſtliche Ausziehung der placenta vor dem foetus in den Fällen von vorliegender placenta. Von Dr. James Y. Simpſon, Profeſſor der Geburtshülfe zu Edinburgh. Alle Geburtshelfer ſtimmen darin überein, daß es keine bedeutenderen und gefährlicheren Complicationen giebt als die aus der vorliegenden placenta entſpringenden Hämorrhagien. Die therapeutiſchen Hülfsmittel, welche in ſolchen Fallen vor— geſchlagen ſind, können auf zwei Hauptmethoden bezogen wer— den, die Entleerung des Fruchtwaſſers und die Wendung. Hr. S. iſt der Anſicht, daß es eine gewiſſe Zahl von Fällen giebt, wo man weder die eine noch die andere dieſer Metho— den mit günſtigem Erfolg anwenden kann, z. B. wenn der Abfluß des Fruchtwaſſers die Hämorrhagie nicht unterbrochen hat oder wo die Wendung nicht ausführbar iſt; und er ſchlägt eine neue Methode vor, welche darin beſteht, die pla- centa ſofort völlig zu löſen und ſelbſt, wenn es nöthig iſt, ſie vor dem Kinde herauszuziehen. Nach ihm ſtellen genü— gende Gründe und Thatſachen es feſt, daß die Blutung aus dem uterus für die Mutter weniger gefährlich iſt, wenn die Löſung der placenta vollſtändig, als wenn ſie nur partiell iſt. Auf der anderen Seite ergiebt ſich aus 141 Fällen, welche er zuſammengeſtellt hat, daß eine ziemlich beträchtliche Zwiſchenzeit verlaufen darf zwiſchen der Austreibung der pla- centa und der des Kindes. Unter dieſem letzten Geſichtspunkt hat er jene Thatſachen in vier Gruppen geſtellt: 1) die, in welchen ein verſchiedentlicher Zwiſchenraum von 10 Minuten bis zu 10 Stunden verlaufen iſt von der Austreibung der placenta bis zum Austritt des Kindes (an der Zahl 47 Fälle); 2) die, in welchen der verfloſſene Zeitraum kürzer iſt (24 Fälle); 3) die, wo das Kind faſt unmittelbar gefolgt iſt oder ſich zugleich mit ihr geſtellt hat; 4) endlich diejeni— gen, in welchen man den verfloſſenen Zeitraum nicht ange— geben findet, obgleich alles darauf hindeutet, daß der Zwiſchen— zeitraum wahrſcheinlich beträchtlich geweſen iſt (40 Fälle). Aus dieſen Thatſachen ergiebt ſich, daß von 113 Kin— dern 33, oder faſt ein Dritttheil lebend gekommen ſind, daß von 141 Frauen 10 oder nur ½14 unterlegen haben; und daß in 70 Fällen, wo man die Variationen, welche die Hä— morrhagie nach dem Austritte der placenta erlitten hat, no— tirte, ſie 44 Mal gänzlich aufhörte, 19 Mal faſt gar nicht oder nur unbedeutend vorhanden war, und nur in 7 Fällen übermäßig blieb. Der Verf. hat nun aus ſeiner Abhandlung folgende Schlüſſe gezogen: I) die freiwillige Austreibung des koetus im Falle ſtar— ker Hämorrhagie iſt nicht ſo ſelten, als die Geburtshelfer es gemeiniglich zu glauben ſcheinen; 2) dieſe Austreibung iſt nicht eine ſo gefahrvolle und bedenkliche Complication, als man es a priori annehmen möchte; 3) 19 Mal unter 20 Fällen iſt dieſe Austreibung durch völliges Aufhören der Hämorrhagie oder wenigſtens durch merkliche Minderung der Hämorrhagie bezeichnet; 189. IX. 13. 204 4) die Gegenwart oder Abweſenheit des blutigen Aus- fluſſes nach der völligen Löſung der placenta ſteht keines- wegs in directem Verhältniß mit der Zeit, welche zwiſchen dieſer Löſung und dem Austritte des Kindes verflicht; 5) 10 Mal von 141 Fällen oder 1 Mal von 14 haben die Frauen unterlegen in dem Falle von völliger Aus— treibung oder Ausziehung der placenta vor dem foetus; 6) in 7 oder 8 dieſer letzteren Fälle ſcheint der Tod der Mutter nicht das Reſultat der vollſtändigen Löſung der placenta oder deren Folgen geweſen zu fein; und wenn man die drei anderen Fälle als beweiſende Thatſachen betrachtet, ſo würde man ein Verhältniß von 3 zu 141 oder von 1 zu 47 haben; 7) auf der anderen Seite geben die gewöhnlichen Me⸗ thoden 134 Todesfälle auf 399 Vorlagen der placenta oder 1 auf 3 Fälle. (Lond. and Edinb. Monthly Journ., March 1845.) (XV.) Fall von hyſteriſchem Krampf des Zwerchfells. Von Dr. Ringland. Eine junge Dame, wider ihren Willen verheirathet, be— kam in der Brautnacht heftige hyſteriſche Convulſionen, welche nach einigen Stunden nachließen und mit einem ruhigen Schlafe endeten; doch war die Kranke erſt nach Verlauf von ſechs Wochen Reconvaleſcentin. Vier Wochen ſpäter wurde ſie von einem Erſtickungsfalle befallen, als wenn der Hals von einem Bande feſt zuſammengeſchnürt würde; der geringſte Verſuch, ſelbſt den Speichel herunterzuſchlucken, verurſachte die größten Beſchwerden. In der Magengegend war ein faſt unerträglicher Schmerz vorhanden, welcher vom serobieulo cordis nach der Wirbelſäule ſich hinzog, dann an derſelben hinablief und am unteren Theile des Kreuzbeines aufhörte, Dieſer Schmerz war am heftigſten in der Gegend des Zwerch— fells und wurde von da an immer geringer. Die Kranke beſchrieb ihn, als wenn die Theile mit glühenden Zangen gezwickt würden; beim Drucke empfand ſie auch heftigen Schmerz über den Lendenwirbeln. Das Athmen war ſehr erſchwert, ſo daß die Kranke aufrecht ſitzen mußte; mehr als 60 Athemzüge in der Minute, die Erſpiration länger dauernd und weniger ſchmerzhaft als die Inſpiration, bei der letzteren wurden Rippen und Schlüſſelbein convulſiviſch in die Höhe gehoben. Anfallsweiſe trat in kurzen Zwiſchenräumen ein höchſt läſtiges Aufſtoßen ein, welches die Kranke faſt athem— los machte. Der Leib war leicht tympanitiſch aufgetrieben, beim Drucke unſchmerzhaft, ausgenommen wenn man denſel— ben aufwärts gegen das Zwerchfell hin ausführte, worauf eine leichte Verſchlimmerung der oben angegebenen Symptome eintrat; die Extremitäten waren kalt; Urin reichlich und blaß. Die Kranke klagte außerdem über Kopfſchmerz und Verluſt des Sehvermögens (Aceli Opii git. xxxv mit Spirit. nitr. aeth. 3j, Tinet. Menth. piperit. gtt. x, Ad. Menth. pip. 33; Wärmflaſchen auf den Leib und an die Extremitäten), große Erleichterung, Abgang von vielen höchſt übelriechenden latus. 205 Die Kranke ſchlief 4 Stunden hindurch, wiewohl ziemlich un⸗ ruhig, worauf ſie laut aufſchreiend erwachte und wild um ſich her blickte, Rückkehr des Anfalls mit derſelben Heftigkeit und ohne tympanitis; hyſteriſches Schluchzen und Krämpfe im m. buceinator (dieſelben Mittel mit Tinct. Valerian. ammoniat. 3j; Wärmflaſchen). Ruhiger Schlaf. Drei Tage darauf neuer Anfall, durch dieſelben Mittel beſeitigt. (Ink. rad. Valer. c. Tinet. ammon. ejusd. et Opio; Asa foetida in Pillen und Klyſtiren; Sinapismen an die Wirbelſäule.) Neun Tage nach dem erſten Anfalle war die Kranke Recon— valeſcentin und hatte ſeitdem keinen Rückfall mehr. Der Verf. berichtet noch drei ähnliche Fälle, von denen der eine bei einer früher ganz geſunden Dame während des Stillens, der zweite bei einem 14jährigen Mädchen mit dem Beginn der Menſtruation, der dritte bei einer 25jährigen Dame vor Eintritt der menses vorkam. Die bereits oben angegebenen Mittel zeigten ſich auch hier wirkſam, mußten aber mehrere Tage lang fortgebraucht werden, um vollſtän— dige Heilung herbeizuführen. (Dublin Journal.) (XXVI.) Hydatiden in den Beckenknochen. Ein Arbeitsmann, 42 Jahre alt, hatte in feiner Ju— gend an ſerophulöſen Drüſenanſchwellungen und vor 5 Jah— ren an ſyphilitiſcher Infection gelitten; 1833 zeigten ſich periodiſche Schmerzen in der linken Hüfte; ſie nahmen in dem Maße zu, daß er nicht den leiſeſten Druck ertragen konnte; beſonders heftig waren ſie in der Nacht. Im März 1834 wurde er in das Wiener Krankenhaus aufgenommen. Sein Ausſehen bezeichnete heftige Schmerzen, der Puls war beſchleunigt, er litt an Appetit- und Schlafloſigkeit. Die linke Hüfte war angeſchwollen, es zeigten ſich mehrere un— bewegliche Geſchwülſte von der Größe eines Hühnereies. Der Schenkel war gegen das Becken gebeugt, und jeder Verſuch, ihn zu ſtrecken, ſowie jede Bewegung im Bette, waren von beträchtlicher Zunahme der Schmerzen begleitet. Kalte Um— ſchläge, Blutentziehungen und drei Moren bewirkten einige Verminderung der Geſchwulſt und des Schmerzes; es folgte Diarrhöe und der Kranke ſtarb hektiſch im Mai 1834. Bei der Section wurde der linke Hüftknochen angeſchwollen und weich gefunden; der obere Theil des Darmbeins war in einen länglichen knöchern-fibröſen Sack umgewandelt, welcher mit Knochenfragmenten und Hydatiden gefüllt war; letztere variirten von der Größe eines Hanfkornes bis zu der einer Wallnuß. Selbſt die Zellen in den Knochenfragmenten was ren noch mit Hydatiden gefüllt. Auf den Beckenknochen fanden ſich Hervorragungen von der Größe einer Wallnuß bis zu der eines Hühnereies, welche ebenfalls Höhlen waren, die durch Ausdehnung des Knochens oder des verdickten Pe— rioſtes entſtanden. Einige derſelben ragten auch in die Höhle des Beckens binein und bildeten Säcke, die durch größere oder kleinere Offnungen mit dem zelligen Knochengewebe in Verbindung ſtanden; ſie enthielten unregelmäßige Knochen— blättchen und frei ſchwimmende Hydatiden von der Größe 189. IX. 13. 206 eines Sandkornes bis zu der einer Haſelnuß. Bisweilen füllte eine einzige Hydatide die ganze Knochenzelle, bisweilen waren mehrere gruppirt und durch eine feine Haut in der— ſelben Höhle vereinigt. Das Hüftgelenk war angeſchwollen und ein Einſchnitt in die Capſelmembran zeigte, daß Hydati⸗ den darin enthalten waren. Dieſer Fall ſoll in Verbindung mit ähnlichen von Fricke und Cullerier es wahrſcheinlich machen, daß die Krankheit ſyphilitiſcher Natur ſei. (Op— penheims Zeitſchr.) Ich verweiſe in Betreff der Hydatiden in den Beckenknochen auf meine Beobachtungen im 87. und 94. Hft. der Chirurgiſchen Kupfertafeln. R. F. (XXVII.) Verſtopfung des Harnleiters durch ein diverticulum. Dr. Carlisle zeigte in der pathol. Geſellſch. zu Du— blin die Niere, den ureter und die Blaſe einer Frau vor, welche in das Hoſpital in einem vorgerückten Stadium von Pneumonie gekommen und zwei Tage nachher geſtorben war. Bei der Unterſuchung der Baucheingeweide fand ſich der ureter der linken Seite mit Flüſſigkeit angefüllt und fo aus— gedehnt, daß er anfänglich irrthümlicherweiſe für einen Theil des Dünndarms angeſehen wurde. Die Niere bot die ge— wöhnlichen Erſcheinungen von Ausdehnung durch den Druck einer Flüſſigkeit dar; die Kelche waren ſehr erweitert und ein Theil der Subſtanz dieſes Organes war in eine mit Flüſ— ſigkeit angefüllte Cyſte umgewandelt. Die Blaſe war klein und contrahirt und zeigte alle Erſcheinungen eines ſeit lan— ger Zeit beſtehenden entzündlichen Zuſtandes. Das meiſte Intereſſe bot aber der Zuſtand des Harnleiters dar. Als er durch Luft vermittelſt eines tubulus ausgedehnt wurde, hatte er einen Durchmeſſer von 1 Zoll. Dr. C. bemerkte, daß während des Lebens irgend eine Urſache dageweſen ſein müſſe, den freien Durchgang des Harnes zu verhindern und ſo große Ausdehnung hervorzubringen, und doch fand ſich bei der Unterſuchung, daß der Harnleiter mit der Blaſe communieirte. Als man eine Sonde von der Blaſe aus in den Harnleiter einführte, entdeckte man die Urſache der Verſtopfung. Am untern Ende des Harnleiters und dicht an der Stelle, wo er in die Blaſe eintritt, hatte ſich ein Anhang oder Beutel an der einen Seite des Harnleiters gebildet, welcher, wenn mit Flüſſigkeit angefüllt, auf die klappenförmige Mündung des Harnleiters drückte und die Flüſſigkeit nicht in die Blaſe treten ließ. Außerdem war noch eine Ablagerung von einer Materie, anſcheinend tubereulöfer Natur, am unteren Theile des Harnleiters vorhanden; Dr. C. konnte nicht ſagen, ob dieſe zur Bildung des Beutels beigetragen hatte. (Dublin Journal, March 1842.) (XXVII.) über die äußere Anwendung der Sal⸗ peterſäure bei Hämorrhoidalknoten. Von Dr. John Houſton. Der Verf. giebt hier eine neue Reihe von Fällen als Zeugniſſe für die Wirkſamkeit des Acidum nitricum als Atzmittel 207 bei den von ihm ſogenannten vasculären Geſchwülſten oder inneren Hämorrhoidalknoten. Die Knoten waren, in allen Fällen mit prolapsus ani complicirt, welche beide Übel durch die Anwendung der Säure beſeitigt wurden. Wir wählen einen Fall aus, in welchem indes das Acid. nitr. nicht voll— kommen ausreichte und das Glüheiſen applieirt werden mußte. Mary Johnſton, 41 Jahre alt, Wäſcherin, Mutter von 5 Kindern, aufgenommen 9. Jan. 1844. Die erſte Entbindung vor 19 Jahren ſehr ſchwer, nach derſelben hart— näckige Verſtopfung, durch drastica beſeitigt. Seitdem Blut- abgang beim Stuhlgang, ſeit den letzten 2 Jahren prolapsus ani, welcher ſchwer zu reponiren iſt; faſt vollſtändige in- continentia alvi. Bei der Unterſuchung trat die Schleimhaut des Afters, ſobald die Kranke drängte, mehr als 1“ hervor; der sphincter ani war ſehr erweitert und erſchlafft; auf der Schleimhaut zeigten ſich 4 hervorragende vasculäre Geſchwülſte. Die Salpeterſäure wurde auf die Knoten applieirt und die Blu— tung ſtand einige Tage, aber nach dem Abfallen des Schorfes trat keine Vernarbung ein und die Hämorrhagie ſtellte ſich von neuem ein. Am 23. neue Application der Salpeterſäure, wodurch die Blutung beſeitigt wurde; aber der Vorfall unverändert Statt fand. Verf. applicirte daher das Glüheiſen durch ein eingeführtes speculum ani und die Kranke verließ am 12. Februar geheilt das Hoſpital. — Verf. macht noch darauf aufmerkſam, daß vor der Application der Säure die Knoten gut abgetrocknet werden müſſen, und widerlegt durch ſeine Erfah— rung die Beſorgniß vor der Gefährlichkeit der raſchen Hei— lung alter Hämorrhoidalknoten. (Dublin Journal, Sept. 1844.) Miſeellen. (22) Über die Behandlung des acuten Rheuma⸗ tismus mit der Chinarinde ſtellte Hr. John Popham im North Infirmary zu Cork mehrfache Verſuche an und kam dabei zu folgenden Reſultaten: 1) es iſt wichtig, vor Anwendung der China für gehörige Stuhlentleerung zu ſorgen, ausgenommen, wenn der Kranke durch allgemeine Schwäche oder durch die lange Dauer des Übels ſehr heruntergekommen iſt; — 2) China wirkt ſchneller 189. IX. 13. 208 wohlthätig, wenn das Übel früh durch ausleerende Mittel bekämpft wird, als wenn man dasſelbe im Anfange lau behandelt und im Organismus tiefere Wurzeln faſſen läßt; — 3) die Chinarinde vermag daher leichter die Affection zu beſeitigen und chroniſche Leiden zu verhüten bei nicht complicirten erſten Anfällen, als wenn bereits wiederholt Rückfälle Statt gefunden haben; — A) die entweder dem Anfalle eigenthümliche oder durch die Be— handlung bewirkte Periodieität des Übels, ſowie die Dauer und Apyrerie der Intervalle find wichtige Anzeigen für den Gebrauch der Chinarinde; — 5) dieſelbe iſt beſonders in den Fällen indi— eirt, wo eine vollſtändige Atonie der Hautgefäße Statt findet, fo daß der Kranke in ſauren colliquativen Schweißen zerfließt, wäh⸗ rend zu gleicher Zeit die Schmerzen gemildert ſind und der Puls klein und ſchwach iſt; — 6) zur Erzeugung ihrer Wirkungen braucht die China hier nicht in den Quantitäten wie beim Wechſelfieber gereicht zu werden und große Gaben beſonders von Chininum sulph. beläſtigen in vielen Fällen den Magen und bringen das Fieber wieder zurück; — 7) es iſt angemeſſen, die China zur Zeit der Remiſſion zu reichen und ſie bei der Rückkehr der Exacerbation auszuſetzen; — 8) das Mittel iſt dann nachtheilig, wenn wichtige Viſceralleiden vorhanden find, und iſt namentlich bei Complication mit Hirnleiden oder im acıten Stadium von Herzleiden contra— indicirt; — 9) die China ſteht endlich bei Synovialrheuma ande⸗ ren Mitteln an Wirkſamkeit nach; bei Perſonen jedoch von rheu— matiſcher Diatheſe, deren Kräfte durch die lange Dauer des Übels gelitten und bei denen Deformationen der Gelenke ohne tiefere Zerſtörung ſich gebildet haben, dient die Anwendung der China mit Schwefel ꝛc. oft dazu, die Wiederkehr ſubacuter Anfälle zu verhüten und befördert die Reſorption der ergoſſenen Synovia. — Zum Schluſſe iſt noch zu bemerken, daß die Fälle, in welchen China angewendet wird, ſorgſam zu bewachen ſind und das Mittel ſogleich auszuſetzen iſt, ſobald es gaſtriſche Störungen verurſacht. (Dublin Journal.) (23) Brauſemiſchung. Wir geben dazu Ammonium carb. in Überſchuß, etwa 2½ Gran jedes Mal, nach folgendem Recept: Aq. font. Zvß Syrupi Zingiberis 38 Carbonatis Ammoniae 33 signetur. No. 1. Der Syrup verſteckt den Geſchmack des Ammo⸗ niums und verlängert das Aufbrauſen, da jeder Syrup die zu ra⸗ ſche Entweichung der Kohlenſäure hemmt. Wollte man die Säure und die alkaliniſche Solution nur mit Waſſer machen, ſo iſt das Aufbrauſen ſo raſch vorüber, daß der Kranke das Glas noch nicht bis zu den Lippen gebracht haben kann, wenn bereits alle Kohlen: fäure entwichen iſt; deswegen ift der Syrup bei No. 1 nöthig. Dazu gehört dann die zweite Verſchreibung Acidi eitrici 31 Ag. font. 3iij sign. No. 2. D. S. cochlearia duo ampla ex No. 1 cum cochleare uno amplo ex No. 2. (Graves Clinical Lectures.) Nekrolog. — In Wien iſt der um die Botanik viel ver⸗ diente in jeder Beziehung ausgezeichnete Prof. Endlicher geſtorben. Bibliographiſche Neuigkeiten. L. Frasers Zoologia typica; or figures of new and rare mammals and birds described in the proceedings or exhibited in the collections of the Zoologi- cal Society of London. 20 parts. Part 1—13 folio each pp. 10 and 5 plates. London 1848. 10 sh. 6 d. D. FP. Gardner, Medical Chemistry for the use of Students and the profes- sion; being a Manual of the Science with its applications to Toxicology, Ehnsiolog? » Therapeutics, Hygiene etc. post 8b. (pp. 396.) Philadelphia . 9 sh. e Natural History. Mammalia. 8. (pp. 310.) London 1848. sh. h Lectures on the social and physical condition of the people especially in Large Towns. By various Ministers of Glasgow. 12°. 196.) Glas- gow and London 1848. 1 sh. J d. = (pp ) A. Gray, A Manual of the Botany of the northern united States, arranged according to the nalural System. 8%. (pp. 782.) Boston 1848. 14 sh. J. Reid, On infantile Laryngismus; with observations on artificial feeding as a frequent cause of this complaint and of other convulsive diseases of infants. 8%. (pp. 208.) London 1849, 5 sh. 6 d. h J. Coles, Spinal Affections and the Prone system of treating them; being an Inquiry into the nature, causes and different Methods uf treating Disea- ses and distortions of the spinal column, with a view to illustrate the great advantages of the Prone System for the cure of those maladies; with nu- merous cases and plates. 3d. Edit. 8°. (pp. 340.) London 1848. 2 sh. 6 d, E. D. Silver, Observations on the diseases of the rertum and Anus and ren the urethra. Ich. Edit. 8°. (pp. 168. with plates) London 1 5 sh. Druck un Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 190. (Nr. 14. des IX. Bandes.) Mai 1849. Naturkunde. Dolmatow, über den Auerochſen und deſſen Fang. — Rals, über die Art des Wachsthums der Dfeillatorien wie der verwandten Algen⸗ arten. — Miſcellen. Maſon, Liquivambarbaum der Tenaſſerimprovinzen. Überreſte eines neuen Dickhäuters. — Heilkunde. Hamilton, einige Fälle von ſchmerzhaften des n. trigeminus. — Miſcellen. Lalle mand, Peterſilienſaft gegen Blennorrhagie. Evreſt, Vergiftung eines neugeborenen Kindes durch anderthalb Tropfen Laudanum. — Bibliographie. Naturkunde. XXXIV. über den Auerochſen und deſſen Fang. Von Dimitri Dolmatow. Der Verf., Infpector der kaiſerlichen Wälder des Gou— vernements Grodno (master of the forests), hat ſchon vor einigen Jahren über dem Urwald von Bialowicza, in dem noch jetzt der Auerochſe (Bos Urus Bodd.) weilt, geſchrieben; damals konnte er ſich nicht auf ſeine eigenen Beobachtungen allein ſtützen, ſeine Arbeit iſt deshalb, wie er offen geſteht, nicht von Irrthum frei; gerade dies bewog ihn, ſeine ſpäter geſammelten Erfahrungen aufs neue mitzutheilen. Wir ent— nehmen ſeinen Bericht der Nr. 14 der Annals and magazine of natural history von 1849. Gilibert und nach ihm Baron de Brinvers er— zählen, daß die Biſonjungen nicht durch unſere zahme Kuh geſäugt werden können. Nach Gilibert weigerten ſich zwei, ſieben Wochen alte, eingefangene Biſonkälber, die Zitzen der Kuh zu berühren, ließen es ſich indes gefallen, von einer Ziege ernährt zu werden; wenn ſie geſogen hatten, ſchüttelten ſie den Kopf mit ſichtbarem Widerwillen; ſie wurden wüthend, ſobald man ſie zu einer Kuh brachte. De Brinvers hatte niemals Gelegenheit, den Biſon ſelbſt zu beobachten; die Geſchichten, welche er von den Bewohnern der Umgegend des Waldes gehört haben will, ſind ziemlich werthlos, da, wie der Verf. verſichert, kein Bauer wegen der ungeheuren Strafe, die auf den Fang oder das Tödten eines Biſon ſteht, es gewagt haben würde, ſelbſt ein ver— laufenes Biſonkalb aufzunehmen. Der Verf. hatte dagegen auf Befehl des Kaiſers, welcher der Königin Victoria zwei lebende Auerochſen für den zoologiſchen Garten in London verſprochen hatte, Gelegenheit, durch eigene Beobachtungen dieſen Irrthum aufzuklären. Der über die kaiſerlichen Do— mainen geſtellte Miniſter Graf Kiſſelew überbrachte eigen— No. 2170. — 1070. — 190. händig den Befehl. Die Jagd ward auf den 20. Juli feſtgeſtellt. Am Morgen dieſes Tages verſammelten ſich mit Tages Anbruch 300 Treiber und 80 Jäger des Wald— bezirkes, ihre Vogelflinten waren nur mit Pulver geladen; man ſuchte zunächſt die nächtliche Fährte der Biſons. Es war ein heiterer, windſtiller Tag; die 300 Treiber hatten, von 50 Jägern begleitet, in aller Stille das einſame Thal, in dem ſich die Biſonheerde aufhielt, umſtellt. Von 30 bewährten Jägern unterſtützt, drang der Verf. mit ſeinen Begleitern Schritt fuͤr Schritt in größter Stille, ſelbſt den Athem anhaltend, ins umſtellte Dickicht. Als ſie die Grenze des Thales erreichten, ſahen ſie die Biſonheerde auf einem Hügel gelagert; die Kälber hüpften und ſprangen, den Sand mit ihren flinken Füßen hoch aufwerfend, munter umher, kehrten bisweilen zu ihren Müttern zurück, ſcheuer— ten ſich an ihnen, leckten ſie und hüpften dann wieder eben ſo munter davon. Ein Stoß ins Horn änderte urplötzlich die ganze Scene; von paniſchem Schrecken ergriffen ſprang die ganze Heerde auf die Füße und ſchien durch Gehör und Geſicht den Feind erkundſchaften zu wollen; die Kälber ſchmiegten ſich furchtſam an ihre Mütter. Als das Gebell der Hunde erſchallte, ordnete ſich die Heerde eiligſt in ge— wohnter Weiſe, die Kälber wurden vorangeſtellt, der ganze Trupp bildete die Nachhut, erſtere vor dem Angriff der Hunde ſchützend. Als der Trupp an die Treiberlinie kam, wurden ſie mit gellendem Geſchrei und blinden Schüſſen empfangen; die alten Biſons durchbrachen wüthend die Treiberlinie, ſie ſtürzten weiter, ohne ſich um die Treiber, die ſich ängſtlich gegen die Bäume drückten, viel zu kümmern. Die Jäger waren ſo glücklich, zwei Junge zu fangen: ein 3 Monat altes Kalb ward ſogleich genommen, ein anderes, 15 Monat alt, warf 8 Mann zu Boden, entfloh, ward aber, von den 14 211 Hunden verfolgt, im Garten eines Förſters zum zweiten Male gefangen. Noch 4 andere Kälber, | Männchen und 3 Weibchen, wurden in einer anderen Gegend des Waldes erhaſcht. Eins dieſer weiblichen Jungen war erſt einige Tage alt, es ward ſogleich zu einer Hauskuh, deren Reh— farbe dem Felle des Biſon entſprach, geführt; die Kuh nahm ſich des wilden, bärtigen Jungen mit vieler Zärt— lichkeit an; das Junge ſog zum allgemeinen Erſtaunen vor— trefflich, ſtarb aber leider nach 6 Tagen an einer Geſchwulſt im Nacken, die es ſchon, als es gefangen ward, beſaß und die ſich ſchnell vergrößert hatte. Die übrigen Kälber nahmen am erſten Tage ihrer Gefangenſchaft keine Nahrung zu ſich; das 3 Monat alte Junge begann am folgenden Tage, einer Kuh zugeführt, zu ſaugen, es war munter und lebendig. Die übrigen gefangenen Kälber, mit Ausnahme des 15 Mo— nat alten, ſchlürften zuerſt die Milch aus der Hand eines Mannes und tranken ſie darauf begierig aus einem Eimer, wenn dieſer leer geworden, ſo leckten ſie ſich gegenſeitig die Mäuler. Binnen Kurzem verlor ſich ihr wilder Blick (look), ftatt wie anfangs ſcheu zu fein, wurden fie munter und muthwillig. Wurden ſie aus dem Stall in den ge— räumigen Hof gelaſſen, ſo freute ſich jedermann über die Schnelligkeit ihrer Bewegungen, ſie ſprangen mit der Leich— tigkeit einer Ziege oder eines Hirſches umher, ſpielten aus freiem Antriebe mit den Kälbern zahmer Kühe, kämpften mit ihnen und ſchienen, obwohl ſtärker, ihnen großmüthig den Sieg zu überlaſſen. Der männliche 15 Monat alte Biſon behielt längere Zeit ſeinen wilden, abſchreckenden Blick, er ward, ſobald ſich jemand nahete, gereizt, ſchüttelte den Kopf, leckte mit der Zunge und wies ſeine Hörner. Nach 2 Monaten war auch er ziemlich zahm, zeigte Neigung zu dem Manne, der ihn bisher gefüttert hatte und ward von nun an freier gehalten. Die Biſons ſcharren gern mit den Füßen auf die Erde, werfen die letztere in die Höhe und bäumen ſich wie Pferde; ſie zeigen eine große Zuneigung zu demjenigen, der fie füttert, ſie ſehen ihm nach, kommen zu ihm, ſcheuern ſich an ihm, lecken ihm die Hand und hören auf ſeine Stimme. Läßt man ſie aus dem Stall, ſo werden ſie muthig, erheben ſtolz den Kopf, öffnen ihre Nüſtern, ſchnauben und machen die luſtigſten Sprünge: ſie merken bald, daß ſie eingeſperrt ſind, blicken bald nach den ungeheuren Waldungen, bald nach den grünen Wieſen, es ſcheint als wenn ſie ſich nach ihrer wilden Freiheit ſehnten; geſenkten Hauptes kehren ſie traurig zum Stall zurück. Die 7 auf der beſchriebenen Jagd eingefangenen Biſon— kälber wurden an zwei von einander entfernten Orten auf— gezogen. Die beiden auf der erſten Jagd gefangenen Männ— chen vertrugen das ihnen gereichte Futter ſehr gut, die übrigen, welche die Milch, ſtatt zu ſaugen, tranken, litten eine Woche lang an Durchfall. Der Verf. hält es für mög— lich, daß die etwas ſaure Beſchaffenheit der aus einiger Entfernung herbeigeſchafften Milch die Schuld dieſes Übels trägt, da, nachdem für jeden Biſon zwei friſchmelkende Kühe herbeigeſchafft wurden und ſie die friſche noch warme Milch erhielten, ſich auch der Durchfall legte. Die beiden 190. IX. 14. 212 Männchen gewöhnten ſich, Salz zu lecken, was die übrigen nicht anrührten. Der 15 Monate alte Auerochſe verſchmähete die Milch, er bekam vom erſten Tage an Hafer mit Heckſel gemengt, Heu aus den Waldwieſen, Rinde und Blätter der Eſche, wilde Birnen, und verfchievdene Waldkräuter; ſobald die übrigen Biſonkälber nicht mehr mit Milch ge— nährt wurden, erhielten ſie dasſelbe Futter. Sie tranken ſowohl Quell- als Flußwaſſer, und zwar im Sommer mehr: mals am Tage; die jüngeren Thiere tranken das Waſſer erſt, wenn es mit etwas Milch verſetzt war. Wenn ſie hungerten oder durſteten, ſo grunzten ſie ähnlich wie die Schweine. Reichliches und abwechſelndes Futter, ein Stall, der im Winter vor Kälte, im Sommer vor Inſecten ſchützte, war dem Gedeihen der jungen Biſons ſehr günſtig; ſie gediehen ſo vortrefflich, daß ein junges Weibchen, welches im Januar 1847 zum Erſatz für ein anderes, das geſtorben war, eingefangen ward, nur halb ſo groß als ihre im Jahre vorher gefangenen Genoſſen gleichen Alters war. Da man nun ſchon von wilden Biſons ungeheurer Größe erzählt, auch angiebt, daß ſie in ihrem Ausſehen ſehr von einander ab— weichen, ſo wäre es intereſſant, zu erfahren, welche Größe ein durch Menſchenhaud aufgezogener Biſon erreichen könne; England, wo die Pflege der Hausthiere die höchſte Stufe erreicht hat, würde ſich zu dieſem Verſuche am beſten eignen. Noch wichtiger würde es ſein, ein Biſonmännchen mit einer zahmen Kuh zu paaren; der Verf. hält nach der Zuneigung, welche der junge, jetzt 2 Jahr und 3 Monate alte, Biſon— bulle den zahmen Kühen ſchenkte, den Verſuch keineswegs für unmöglich. Es ließe ſich auf dieſe Weiſe vielleicht eine neue Rindviehrace, welche große Kraft mit Schnelligkeit und Gelehrigkeit verbände und Anhänglichkeit an den Men— ſchen bewieſe, erzielen. — Das eine der Biſonpaare iſt für London, ein anderes für St. Petersburg beſtimmt, das dritte Paar bleibt in feinem Geburtslande; vergleichende Be— obachtungen über dieſe 3 Paare würden über den klimati— ſchen Einfluß auf das Gedeihen der Thiere treffliche Auf— ſchluſſe geben. Die gezähmten Biſons wurden von Bialowieza nach Grodno, 20 deutſche Meilen, gebracht; das für St. Peters— burg beſtimmte Paar (2 Männchen) befand ſich in einem länglichen Käfig, der mit Stroh bedeckt und in 2 Abthei— lungen getheilt war, ſo daß ſich die Thiere niederlegen konnten, ohne ſich von einander zu wenden. Der neue Käfig und das Schaukeln des Wagens ſchien ſie mit Furcht zu erfüllen, ſie verhielten ſich zwar ruhig, fraßen aber in den erſten 24 Stunden nicht, legten ſich auch nicht nieder; ſchon am zweiten Tage kehrten ſie zu ihren gewöhnlichen Sitten zurück. Dieſe Reiſe dauerte 3 Tage. Das für London beſtimmte Paar ward in einem geräumigeren Käfig, der nicht bedeckt war, transportirt, das Männchen war während der ganzen Reiſe in größter Unruhe, es brüllte gleich dem Bullen; 15 Monat alt maß dieſes Männchen 4 Fuß 1 Zoll in der Höhe und 5 Fuß 6 Zoll in der Länge; das Weibchen war 4 Fuß hoch und 5 Fuß 3 Zoll lang. Zu Grodno wurden beide Paare in einen geräumigen Stall gebracht, anfangs trennte man fie nur durch Quer— 213 balken, fie fielen fo wüthend über einander her, zertrüm— merten die Scheidewand, man mußte ſie trennen. Merk— würdiger Weiſe griffen die 3 Männchen gleichzeitig das einzige Weibchen an und würden, ohne Hinzukommen der Wärter, dasſelbe getödtet haben; allmälig gewöhnten ſie ſich an einander. Der Verf. glaubt, die Biſons würden in einem ge— räumigen Park, wo ſie nach Gefallen leben könnten, am beſten gedeihen; da ihnen ſcheinende Farben zuwider ſind und namentlich Roth ſie in Wuth verſetzt, ſo würde es rathſam ſein, ihren Wärtern eine dunkle Kleidung zu geben. Auch Hunde ſind ihnen fürchterlich; ſie werden wüthend, wenn ein Hund ſie jagt. XXXV. über die Art des Wachsthums der Oſeilla— torien wie der verwandten Algen-Arten. Von John Ralfs. Die niederen Algen wachſen bekanntlich durch wieder— holte Theilung ihrer Zellen; bei den Desmidieen und Pal— melleen iſt dieſe Theilung meiſtens vollſtändig, durch ſie ent— ſtehen 2 Individuen. Die Individuen der letztern Familien ſind meiſtens in eine gemeinſame Gallertmaſſe gebettet und von ihr zuſammengehalten; man hielt die letztere deshalb für das Laub der Pflanze, und die Zellen ſelbſt nur für Theile derſelben. Bei den Desmidieen zeigt ſich ein ähn— liches Verhältniß, nur iſt die Gallertmaſſe hier ſehr dünn und oft kaum ſichtbar, die leiſeſte Berührung treibt die Zellen aus einander; hier wurde jedes Individuum als frons betrachtet. Bei Tiresius und einigen andern einfachen Faden-Algen blieben die getheilten Zellen mit einander zu einem Faden vereinigt, der, ſo lange der Zellentheilung fort— dauert, ſich ſtetig verlängert. Der Verf. glaubt, daß bei Oscillatoria eine beide Ertreme vermittelnde Vermehrungsweiſe der Zellen Statt findet. Manche Arten ſind mit einem ſehr raſchen Wachs— thume begabt, das aber weder durch Zooſpermen noch durch in beſtändiger Folge fortwachſende Kügelchen (granules) veranlaßt wird, indem zwar die Länge der Fäden ſehr un— gleich, ihre Breite aber immer durchaus dieſelbe iſt. Dieſe Verlängerung iſt auch ebenſo wenig Folge einfacher Aus— dehnung der Filamente; bei vielen Arten bleiben die Fila— mente jederzeit kurz, obſchon die Maſſe ſelbſt bedeutend zu— nimmt. Die Beobachtung des Wachsthums der Oſeillatorien wird durch ein ſcheinbares Zuſammenfließen ihrer Zellen, oder durch eine kaum merkliche, durch zarte Querſtriche an— gedeutete Theilung derſelben erſchwert; daß aber auch hier eine Theilung der Zellen wie bei den übrigen Algen vor ſich geht, möchte kaum zu bezweifeln ſein, da man oftmals Querſtreifen in einer Zelle findet, die ſich auf's Doppelte ihrer gewöhnlichen Größe ausgedehnt hat. Im allgemeinen ſind die Zellen durch mehr oder weniger deutliche gerade Querſtreifen bezeichnet; in gewiſſen Abſtänden rundet ſich indes die Randverbindung der Zellen ab, der Faden theilt ſich ſo in beſtimmte Portionen. Sämmtliche 190. IX. 14. 214 Oſeillatorien-Fäden liegen in einer Scheide, wenn ſich dieſe Scheide gleichzeitig mit dem Faden theilt, ſo entſtehen aus dem einfachen Mutterfilamente zwei getrennte Tochterfilamente; dauert nun dieſer Weggang weiter fort, ſo erklärt ſich aus ihm die immer wachſende Zunahme des stratum. Der Verf. bemerkt, wie eine ſelbſtändige Theilung der Fä— den von einem zufällig veranlaßten Zerreißen derſelben leicht zu unterſcheiden ſei: die Theilungsenden der Fäden ſind immer glatt und abgerundet, was die Zerreißungsſtelle niemals iſt. Wenn eine vollſtändige Trennung der Fäden ohne eine Theilung der Scheide erfolgt, ſo liegen die getrennten Fäden in einer ge— meinſamen Scheide. Lyngbja ferruginea kann hier als treff— liches Beiſpiel dienen; die ungemein derbe Beſchaffenheit ihrer Fäden macht ſie überhaupt für die Beobachtung ſehr geeignet. Unterſucht man das Stratum dieſer Pflanze, ſo wird man ein Gewirre von Fäden ſehr verſchiedener Länge, aber durchaus gleicher Breite finden, ja wird hie und da Fäden beobachten, die nicht länger als breit ſind. Die getrenn— ten, in einer gemeinſamen Scheide liegenden Fädenſtücke ſind hier meiſtens durch einen kleinen Zwiſchenraum von einander geſchieden; ob dieſer Zwiſchenraum in Folge einer Längs— ausdehnung der Scheide oder durch ein gegenſeitiges Ab— ſtoßen der Fädenſtücke hervorgerufen wird, will der Verf. nicht entſcheiden; obſchon ihm das letztere am wahrſchein— lichſten iſt, und er dasſelbe durch einen elektriſchen Strom, der im Moment der Theilung frei wird, erklären möchte. Bei Microcoleus liegen die zahlreichen, kurzen, den Os— eillatorienfäden durchaus ähnlichen Filamente in einer ent— weder einfachen oder etwas verzweigten, aufgeblaſenen Hülle, welche das einzige Unterſcheidungszeichen beider Genera iſt, indem die Fäden wie die Art ihrer Theilung ganz mit den Oseillatorien übereinſtimmen; die getrennten Fäden der Os- eillatoria werden nur durch den fie umhüllenden Schleim zuſammengehalten; ſie können ſich deshalb weiter von einander entfernen, wie es bei Microcoleus, wo die Geſtalt der feſteren Hülle ihre parallele bündelförmige Anordnung beſtimmt, der Fall iſt. Das ſogenannte Laub der letzteren Pflanze enthält anfangs, wie es ſchon Haſſall richtig angegeben, nur einen oder zwei Fäden; dieſe theilen ſich bei Oseillatoria, das aufgetriebene Laub füllt ſich mehr und mehr mit Fäden und platzt zuletzt, die Fäden kreten heraus und bilden ihrer— ſeits die Grundlage zu neuem Laube. In einem künftigen Aufſatze will der Verf. die Seiten— äſte der Rivularia, Calothrix und anderer Genera beſprechen und nachweiſen, daß ſelbige nur Modificationen des hier beſchriebenen Wachsthums ſind. (The Annals and Maga- zine of natural history, Nr. 13 January 1849.) Miſcellen. 32. Der Liquidambarbaum der Tenaſſerim⸗ Provinzen, welcher angeblich den Tolubalſam liefern ſoll, iſt nicht, wie man bisher annahm, Myrospermum toluiferum, ſondern Liquidambar altingia; er liefert indes keinen Tolubalſam, ſondern füſſigen Storar. Nach F. Maſon wächſ't der genannte Baum längs der Küſte in ſolcher Menge, daß eine Gegend der Provinz 14 * 215 Mergui nach ihm benannt ift. Ein zu Rangun wohnender katho— liſcher Prieſter berichtete vor einigen Jahren zuerſt über dieſen Baum, den er als Myrospermum peruiferum beſchreibt, deshalb fein Product für Perubalſam hält und als ſolchen gegen verſchie— dene Übel empfiehlt; der Baum gehört indes nicht ein Mal in dies ſelbe Familie, auch iſt fein Product vom Perubalſam verſchieden und doch hat man aus Unkenntniß dieſen vermeintlichen Perubal—⸗ ſam da angewandt, wo man den wahren anzuwenden pflegt und mit demſelben vortreffliche Curen gemacht. Die Braminen nennen den Liquidambarbaum Nan-ta-rouk ; der flüſſige Storar des Hans dels iſt, wie Maſon glaubt, nur ein Kunftproduct. (The Annals and Magazine of natural history, No. 12, 1848.) 190. IX. 14. 216 33. Überrefte eines neuen Dickhäuters (Elotherium magnum) wurden kürzlich im Becken der Gironde aufgefunden. Das Thier muß ſeinen Zähnen nach dem Nilpferde ähnlich ge⸗ weſen fein; feine vorderen Mahlzähne erinnern an das Anthra- cotherium, wogegen der Reißzahn und der letzte Mahlzahn ganz anders gebaut ſind, indem der letzte Zahn, der bei den lebenden Pachydermen mehr oder weniger dem vorhergehenden gleicht, hier, wie bei den foſſilen Dickhäutern überhaupt, noch einen dritten Höcker erhält. Das Elotherium entſpricht dem Nilpferde, wie der Tapir und das Rhinoceros dem Lophiodon und Palaeotherium entſprechen. (Bulletin de la société Geologique de France, Tom. IV. 1846— 1847.) Heilkunde. (XXIX.) Einige Fälle von ſchmerzhaften Affectionen des n. trigeminus. Von Dr. John Hamilton. Erſter Fall. — Schmerzhafte fubeutane Knoten in der Schläfe oberhalb des ramus temporo - auricularis des n. maxillaris superior. Charles Dale, 25 Jahre alt, ein Schuhmacher, von blei— cher Geſichtsfarbe und zarter, aber nicht magerer Leibesbeſchaf— fenheit, klagte über ungemein heftige Schmerzanfälle, welche von der Schläfe aus rund um die rechte Seite des Kopfes aufwärts zum Scheitel hin, hinten nach dem Hinterhaupte und vorn nach der Mitte der Stirn hin ſchoſſen; von derſelben Stelle zuckten Schmerzen gleich Feuerſtrahlen nach dem rechten Auge hin, mit der Erſcheinung von rothen Punk— ten vor dem Auge und Trübung des Sehvermögens. Zu gleicher Zeit trat Taubheit auf dem rechten Ohre ein, das Auge ſchwoll an und wurde mißfarbig; der Schmerz nahm auch die Wange ein, aber nie die Kinnbacken und die Zähne, Die ganze Kopfhaut dieſer Seite befindet ſich in einem gleichſam wunden Zuſtande, der Kranke aber führt den Urſprung aller ſeiner Leiden auf eine kleine Geſchwulſt an dem Theile der Schläfe, von welchem die ſchmerzhaften Empfindungen aus— gehen, zurück. Bei der Unterſuchung entdeckte ich vor und dicht über dem helix auris an der Wurzel des os zygo- maticum, da, wo die Schläfenarterie entſpringt, einen klei— nen Knoten, ungefähr von der Größe eines Schrotkügelchens; er war beweglich, lag allem Anſcheine nach ziemlich tief und verſchwand nach wenigen Berührungen, als wenn er in die Subſtanz der darunter gelegenen Theile eingeſunken wäre; ſobald der Kranke die Action des Kauens ausführte, ward er wieder ſichtbar. Der Kranke hatte ſtets ein ſchmerzhaftes Gefühl in demſelben, welches durch Druck oder durch die Thätigkeit der Schläfenmuskeln beim Eſſen geſteigert wurde. Die Stöße des Schmerzes begannen gleich dem Schlage eines ſchweren Stockes an dieſer Stelle und dann pflegte der Kno— ten größer zu werden. Der Kranke litt an dieſem Übel 11— 12 Jahre; es hatte mit Parorysmen von Schmerz an— gefangen, welche ungefähr ein Mal alle Monate, zuweilen öfters, zuweilen mit Zwiſchenräumen von 3 Monaten ein— traten und an Heftigkeit zunahmen, bis er endlich einen epi— leptiſchen Anfall bekam, welcher mit einer plötzlich von dem Sitze des Knotens aus — von deſſen Vorhandenſein er damals nichts wußte — ausgehenden Empfindung (aura epileptica) be= gann, dabei Empfindungsloſigkeit und Convulſionen. Der Kranke hatte 18 ſolcher Anfälle, von denen der letzte, deutlich aus— geſprochene, ungefähr vor 7 Jahren eintrat. Der Gebrauch des Terpentins beſeitigte damals dieſe Anfälle und hat ſie ſeitdem, wenn auch nicht vollſtändig verhütet, da er ſpäter noch Anwandlungen empfand, die den Anfällen ſehr ähnlich waren. Dieſe ganze lange Periode hindurch aber blieb er niemals frei von bisweilen eintretenden Schmerzanfällen, welche jüngſt an Heftigkeit und Häufigkeit zugenommen haben und zwar in ſolchem Grade, daß jetzt kaum ein Tag ohne einen Anfall vorübergeht und in der Zwiſchenzeit iſt er nie frei von einem dumpfen, ſchweren, lähmenden Schmerze in der rechten Seite des Kopfes; ganz vor kurzem hat er auch einige Anfälle gehabt, welche an Epilepſie grenzen, kurze Zwiſchen— räume von Bewußtloſigkeit, denen eine aura vom Tuberkel aus vorangeht. Das Allgemeinbefinden hat bedeutend gelitten, der Kranke iſt düſter und muthlos und unfähig, ſein Ge— ſchäft zu verrichten; das unbedeutendſte erſchreckt und beun— ruhigt ihn, er leidet an Herzklopfen, nervöſen Bruſtſchmerzen und einer ziemlich heftigen Neuralgie der Leber; er hat eine Menge Mediein ohne Nutzen genommen und befand ſich nach der Application von Schröpfköpfen an den Nacken entſchieden ſchlechter. Ich rieth zur Ereifion des Knotens als dem einzigen Erleichterungsmittel, worein er auch ſogleich willigte. Ein Einſchnitt wurde auf der Geſchwulſt gemacht, worauf ein kleiner dunkelgefärbter Knoten zum Vorſchein kam, welcher mit Leichtigkeit entfernt wurde; aber nach der Exſtirpation des— ſelben verurſachte ein auf die Seiten der Stelle, an welcher er geſeſſen hatte, angebrachter Druck unangenehme Empfin⸗ dungen, ähnlich denen, welche er gefühlt hatte, wenn man auf die Geſchwulſt drückte. Ich entfernte deshalb zwei kleine an dieſer Stelle befindliche Körperchen, welche unter dem Mir kroſkope betrachtet, das Ausſehen von Nervenportionen dar- u Ten un, De A Miu a Den ee 217 boten. Der Knoten ſelbſt war rund, von brauner Farbe, aus einer vollſtändigen Cyſte beſtehend, welche eine kleine, harte, kalkartige Subſtanz von Chocoladenfarbe enthielt; die Oberfläche des Knotens war ganz glatt und nichts der Ner— venſubſtanz ähnliches an derſelben angeheftet. Die braune kalkartige Maſſe beſtand, wie die Unterſuchung ergab, vor— nehmlich aus kohlenſaurem Eiſenoryd mit etwas kohlenſau— rem Kalk ). Einige Tage nach der Operation blieb der Kranke von den früheren Schmerzen frei und ſein Befinden beſſerte ſich merklich; aber 14 Tage nachher, als die Wunde vollkommen vernarbt war, kam er wieder zu mir mit der Klage, daß die früheren Symptome zurückkehrten; er hatte mehrere Tage hindurch Schmerzen in der rechten Seite des Kopfes gehabt und am Tage zuvor waren die Kopfſymptome ſo heftig ge— worden, daß er aus Beſorgniß vor einem Anfalle Terpentin genommen hatte. Bei der Unterſuchung fand ich eine kleine bewegliche Geſchwulſt an der Stelle der früheren, und ich war ungewiß, ob dieſes ein zweiter Knoten wäre oder nicht. Beim Einſchneiden konnte ich nichts beſtimmtes entdecken, es zeigte ſich nur ein kleines, weißliches, verdichtetes Zellgewebe, welches ſchmerzhaft beim Drucke war. Dieſes nahm ich als Führer und entfernte jeden Theil der Subſtanz, welche beim Drucke die eigenthümliche Empfindung verurſachte. Als ich dieſes bis zu einer gewiſſen Tiefe gethan hatte, unterſchied ich deutlich den Aſt eines Nerven, welcher quer über den Boden der Wunde verlief; als ich denſelben mit dem ſtum— pfen Ende einer Hohlſonde berührte, wurde ein eigenthümli— ches unangenehmes Gefühl hervorgebracht, welches den Kran— ken ausrufen ließ, daß er überzeugt wäre, ich berührte einen Nerven. Ich ſah nun ein, daß der zweite Eintritt der ſchmerzhaften Symptome durch den Druck der in Folge der erſten Operation gebildeten Narbe hervorgerufen worden ſei, indem dieſelbe die Stelle des Knotens einnahm und dieſel— ben mechaniſchen Wirkungen hervorbrachte. Da an den Rän— dern des Schnittes eine krankhafte Senſibilität ſich zeigte, ſo touchirte ich fie leicht mit Kali causticum und füllte dann die Wunde aus. Drei Wochen nachher war die Wunde voll— ſtändig durch Granulation verheilt; der Kranke klagte durch— aus über nichts und ſein Allgemeinbefinden iſt jetzt vortreff— lich. Es ſind jetzt 8 Monate ſeit der Entfernung der Ge— ſchwulſt verſtrichen und der Kranke befindet ſich vollkommen wohl. Dieſer Fall iſt in mehrerer Hinſicht bemerkungswerth: 1) durch die lange Dauer der Symptome, ohne daß die Urſache derſelben aufgefunden wurde; 2) aus dem Sitze des Knotens zu ſchließen, war der von demſelben afficirte Nerv höchſt wahrſcheinlich der ramus temporo-aurieularis oder temporalis superficialis des zweiten Aſtes des trigeminus. Dieſe Annahme wird durch die That— ſache beſtätigt, daß diejenigen Theile vom Schmerze affieirt wurden, welche vorzüglich von jenem Nerven oder den mit demſelben reichlich anaſtomoſirenden wie der ramus oceipitalis vom zweiten Halsnerven und der n. lacialis verſorgt werden. ) Nach einem mir von Dieffen bach mitgetheilten Falle möchte ich dieſen Knoten als Venenſteinchen betrachten. R. F. 190. IX. 14. 218 Die Reflexactionen, welche durch die Reizung des Nerven hervorgebracht wurden, waren auffallend heftig und verurſach— ten die epileptiſchen Anfälle; allein noch auffallender iſt es, daß dieſe Reflerwirkungen durch Terpentin zum großen Theile ermäßigt wurden, obgleich die reizende mechaniſche Urſache noch fortbeſtand; 3) durch die Zuſammenſetzung des Knotens beſonders aus kohlenſaurem Eiſenoryd, während die Structur des ſubeutanen Knotens im allgemeinen beſchrieben wird als „ein homogenes Gewebe von ſchmutzig weißer Farbe, ohne eine Spur von Höhlen oder Abtheilungen, von fibröſer, fibrös-cartilaginöſer oder cartilaginöſer Conſiſtenz“ (Dupuytren Legons orales). Der junge Mann läugnete die Möglichkeit der Einführung irgend eines fremden Körpers. Ich habe nur einen Fall ge— funden, welcher eine Analogie mit dem vorliegenden darbietet. Hr. Winders giebt im Edinb. Med. and Surg. Journal 1811 an, daß er einen Knoten von dem Vorderarm einer Frau erftirpirte, der aus einer Cyſte beſtand, welche zahl— reiche kleine Körner enthielt, die ſich wie Sandkörnchen oder erdige Theilchen anfühlten 4) durch den Sitz des Knotens. Subcutane Kno— ten ſind nicht ſehr ſelten an den Extremitäten oder am Stamme und finden ſich zuweilen auch im Geſichte. Ich er⸗ innere mich einen Fall der letzteren Art an der Innenſeite der Oberlippe rechts geſehen zu haben, von wo aus heftige Schmerzen nach der rechten Augenbraue, dem Ohre und der rechten Naſenſeite hinſchoſſen. Dieſe hörten auf nach der Entfernung des kleinen Knotens, welcher 5 Jahre hindurch jene Leiden verurſacht hatte, nachdem zahlreiche Einſchnitte in denſelben gemacht und eine Menge von allgemeinen Heilmit— teln ohne Erfolg angewendet worden waren. Aber kein Schriftſteller hat meines Wiſſens einen Fall von ſubeutanem Knoten am Kopfe angeführt. Zweiter Fall. 12. Mai 1837. — Eine 25jäh⸗ rige Dame hatte ſeit 8 Jahren an der linken Seite des Kopfes, ungefähr 2 Zoll nach oben und etwas nach hinten vom rechten Ohre eine kleine ſchmerzhafte Geſchwulſt von der Größe und Härte eines Schrotkorns bemerkt; dieſelbe war beweglich und von derſelben aus ſchoſſen Schmerzen in verſchiedenen Richtungen nach dem Ohre, längs des Kopfes zum Auge hin und abwärts am Nacken. Die Kranke litt ſehr an nervöſem Kopfweh und ſehr heftigen Ohr- und Ge— ſichtsſchmerzen, dann, wenn auch die von der kleinen Geſchwulſt ausgehenden Schmerzen am heftigſten waren. Die Geſchwulſt war ſehr empfindlich beim Drucke, indem ſie ein Gefühl von Unbehagen erzeugte und für einige Zeit nachher ſchmerzhaft blieb. Hr. P. Crampton machte einen Einſchnitt in den tumor und fand bei der Beſichtigung der Schnittränder eine kleine, weiße, ſpeckige, hirſekornähnliche Maſſe in der Haut eingebettet, welche nicht wie vor dem Schnitte beweg lich war. Man legte in die Schnittwunde Scharpie ein. Während der 3 oder 4 folgenden Tage litt die Kranke ſehr an Schmerzen in und an der leidenden Stelle; ſie hatte heftiges ner— vöſes Kopfweh mit Lichtſcheu und Reizbarkeit des Gehörs, ſowie Abgeſchlagenheit und Muthloſigkeit. Am zweiten Tage wurde die Scharpie herausgenommen und am vierten Tage 219 ward die Wunde vereinigt. In den 4 Jahren nachher hatte ſie nie wieder einen Anfall von Schmerz, noch litt ſie wäh— rend dieſer Zeit an ee oder nervöſem Kopfweh. Dritter Fall. Catharine Dunfield, 25 Jahre alt, war wegen einer ſrophulsſen Halsentzündung und einer leichten Affection von lupus superficialis an der Stirn, die ſich in der Form von zahlreichen kleinen ſehr ſchmerzhaften Geſchwüren, welche raſch und tief in die Haut einfraßen, zeigte, in meiner Behandlung geweſen. Sie hatte auch häufig an einer ungewöhnlich ſchmerzhaften ischias gelitten. 1. Mai 1840. Sie ging ganz wohl zu Bette, er— wachte aber in der Nacht mit einem äußerſt heftigen Schmerze am Hinterkopfe, welcher durch die Ohren hinzuckte. Er war ungemein acut und hielt bis zum Morgen an. Ich ſah ſie erſt eine Woche darauf. Während der Zwiſchenzeit hatte ſie jede Nacht einen Schmerzparorysmus, welcher am Morgen verſchwand. Sie hatte einen zweiten Anfall um 3 Uhr Nach- mittags und litt auch in Zwiſchenräumen an Schmerzen wäh— rend des Tages. Die Anfälle nahmen an Heftigkeit zu; ſie war nervös, verſtimmt und mißmuthig; Puls 76, Zunge leicht belegt; kein Magenweh; Verſtopfung. Abführmittel, Chinin, Merkur bis zur leichten Saliva— tion, colchieum, einige Schröpfköpfe am Nacken und ein Bla— ſenpflaſter am Hinterhaupte verſchafften keine Erleichterung, ſondern ſie wurde im Gegentheil ſchlechter, beſonders nach dem Schröpfen, wiewohl nur 4 Unzen Blut entzogen wur— den. Bis dahin war fie auf geweſen, aber am 11. fand ich ſie im Bette und ſie theilte mir mit, daß ſie in der Nacht vorher die wüthendſten Schmerzen gehabt habe. Der Schmerz hatte ſeine Richtung verändert, indem er ſich nach dem Scheitel, der rechten Schläfe, den Wangenbeinen und der Seite des Geſichtes, ſowie nach dem oberen Theile des Halſes der einen Seite hin erſtreckte, kurz er nahm den ramus temporo-facialis, facialis und cervico-facialis vom n. facialis ein. Alle dieſe Theile waren empfindlich bei der Berührung. Ich hatte die Kranke früher befragt, ob keine wunde Stelle an irgend einem Theile des Kopfs vorhanden ſei und mich mit ihrer Verſicherung, daß keine da ſei, begnügt. Jetzt ſtellte ich jedoch eine genaue Unterſuchung an und fand an der rechten Seite an dem oberen und hinteren Theile des Scheitelbeins eine kleine grindige Kruſte; als dieſe entfernt war, zeigte ſich ein kleines Lupusgeſchwür von dem Um— fange eines Viergroſchenſtücks, tief, an den Rändern unter— minirt, die Umgegend angeſchwollen und empfindlich. Jetzt erkannte ich erſt die wahre Beſchaffenheit des Übels; dieſes Geſchwür war tief genug eingedrungen, um das perieranium und ſodann einen der hinteren oberen Aſte des n. facialis und die Zweige des n. oceipitalis, welche reichlich mit einander communiciren, anzugreifen. Bei einem weniger reizbaren Individuum wären die Wirkungen des Geſchwüres vielleicht rein örtlich und auf den Theil des in das Geſchwür hinein— gezogenen Nerven beſchränkt geweſen; aber bei dieſer nervö— ſen, leicht erregbaren Conſtitution hatte ſich die krankhafte Reizung über alle Ramificationen des Nerven verbreitet. Da es augenfällig war, daß nur eine gegen das Geſchwür ge— 190. IX. 14. 220 richtete Behandlung Erleichterung verſchaffen könne, ſo machte ich einen ſchrägen Einſchnitt durch dasſelbe bis auf den Kno— chen. In der darauf folgenden Nacht fühlte ſich die Kranke erleichtert, war frei von Schmerz und ſchlief. Der Schmerz trat nicht wieder ein und die völlige Wiederherſtellung erfolgte in kurzer Zeit. Vierter Fall. December 1840. — Ellen Whe— lan, 40 Jahre alt, verheirathet, Mutter von 8 Kindern, war ſonſt geſund geweſen, ſieht aber nun bleich und abge— magert aus und leidet an furchtbaren Schmerzen in der lin— ken Geſichtshälfte, welche vom Oberkiefer oberhalb der Backen— zähne ausgehen, an der Seite des Kopfes hinauf und nach außen durch das Ohr hin ſich erſtrecken und ſo heftig ſind, daß die Thränen die Wangen hinunterrollen und die Be— rührung ſo empfindlich machen, daß die Kranke nicht die Nähe eines Fingers ertragen kann. Die Schmerzen treten nur dann und wann und nicht acut während des Tages ein; ſie werden gewöhnlich heftig um 11 Uhr Abends und halten die Kranke wach bis zum Tagesanbruch, wobei ſie unter gro— ßen Qualen durch das Zimmer auf und abgeht. Sie iſt ein wenig taub auf dem linken Ohre, woran ſie ſchon zu— weilen ſeit einigen Jahren gelitten hat, aber an dem Schmerze im Geſichte leidet ſie erſt ſeit 4 Monaten. Sie hatte eine Menge von Mitteln gebraucht, drei Blaſenpflaſter applicirt und ſich mehrere Zähne ohne Erfolg ausziehen laſſen. Bei der Unterſuchung des linken Ohres fand ich dasſelbe mit un— gemein hartem Ohrenſchmalz angefüllt. Ich entfernte dieſen nicht ohne Schmerz und ſpritzte dann das Ohr gehörig aus. Unmittelbar darauf fiel die Kranke in Ohnmacht und blieb in einem leichenähnlichen Zuſtande eine halbe Stunde hindurch. Nachdem ſie ſich erholt hatte, war nicht nur die Taub— heit, ſondern auch jeglicher Schmerz an der Seite des Kopfes und Ohres verſchwunden und es war nichts weiter zurückgeblieben, als die ſchmerzhafte Affection des ra- mus dentalis des n. maxillaris superior. In der nächſten Nacht ſchlief ſie gut, ruhig, was ſeit 3 Wochen nicht der Fall geweſen war; in der darauf folgenden Nacht kehrte der Schmerz in der Kinnbacke zurück. Da eine gaſtriſche Stö— rung ſich als vorhanden erwies, ſo verordnete ich abwechſelnde Doſen von blauen Pillen und Abführmitteln; einige Tage nachher gab ich ihr Cort. Chin. 38, Ferr. carbon. Dj drei Mal täglich und nach 8 Tagen war ſie vollkommen her— geſtellt. Fünfter Fall. 22. April 1837. — Hr. N. bekam Schüttelfroſt, Schmerzen und Empfindlichkeit in den Knochen mit großer prostratio virium, Bläſſe, einer unangenehmen Empfindung im Kopfe und einen zuweilen eintretenden Schmerz— anfall im rechten Ohre. Gegen Mittag trat Fieber hinzu, die Haut wurde heiß, das Geſicht geröthet, Durſt; Puls 132, voll, aber weich und leicht zu comprimiren; Zunge weiß an den Rändern, trocken und bräunlich in der Mitte. Der Schmerz im Ohre nahm etwas, aber nicht ſehr bedeutend zu. Nacht ſchlaflos, der Schmerz im Ohre wurde heftiger. 23. Schmerzen im Ohre ſehr heftig, ſowie auch an der Seite des Geſichtes, an der Schläfe, am Unterkiefer herab bis zu den Zähnen mit gelegentlichen Stößen gleich elektri⸗ a a 2 a: 221 ſchen Schlägen, die jo heftig find, daß fie die ganze Seite des Körpers erſchüttern. Reaction bedeutend, Puls 120; Zunge ganz weiß belegt, Haut heiß, aber feucht, Durſt, pro- stratio virium. Der Schmerz wurde durch die Application von Blutegeln etwas gemildert; ſie wurde in der Zahl von 20 wiederholt; Calomelpillen und pulvis Doweri. 24. Der Kranke frei von Schmerz am Morgen, Nacht erträglich; um 2 Uhr neuer Schmerzanfall, der bis 3 Uhr bedeutend an Heftigkeit zunahm. Milderung desſelben durch Blutegel; die Doſe des pulv. Doweri erhöht. Schlaf nach der Application der Blutegel; in der Nacht kein Schmerz; Puls 80; Zunge noch ganz weiß. 25. Nacht gut, am Morgen kein Schmerz, der aber gegen Mittag mit Heftigkeit und in Stößen auftrat; Puls 96; Haut heiß. 26. Mund afficirt; Schmerz nur ſelten und dann dumpf und ſchwach. An den drei folgenden Tagen kein Schmerz und der Kranke erſchien ganz wohl; Puls 72, Schlaf ohne Anwendung des Pulvers; aber Tags darauf am Abende raſte er, ſprach mit ſich ſelbſt und ſagte, als er be— fragt wurde, daß etwas im Zimmer wäre, was ihn beläſtige; es dauerte einige Zeit, bevor er wieder vernünftig ſprach. 30. Puls 88; bisweilen Durchfahren von Schmerzſtößen; der Kranke fühlt ſich nicht ſo wohl; am Abende Puls 96. 1. Mai. Zuweilen zuckende Schmerzen, die gegen Mit— tag heftiger wurden; Puls 108. Blutegel und ein Blaſen— pflaſter ſchafften vollſtändige Erleichterung. (Puly. Doweri gr. x vor Schlafengehen.) 2. Schlaf gut, kein Schmerz; Puls 88; Zunge von beſſerem Ausſehen und gelblich belegt. 3. Wohl; Puls 80; Zunge faſt ganz rein. Seit dieſer Zeit trat nicht der geringſte Schmerz im Geſichte mehr ein. Die Wirkung reichlicher örtlicher Blutentleerung und des Mercurs war für die Hemmung des Fortſchreitens der acuten Affection ſehr befriedigend. Bei der Behandlung von mehr chroniſchen Affectionen des n. trigeminus hat man in neueſter Zeit nach meiner Anſicht viel zu ausſchließlich em- pfohlen, das Übel durch eine rationelle allgemeine Behandlung zu bekämpfen, welche gaſtriſche und hepatiſche Störungen beſeitigen ſoll, welche Störungen in der Mehrzahl der Fälle als die Urſachen des idiopathiſchen tie douloureux angenom- men worden ſind. Waren ſie dieſes in der That, ſo würde jene Behandlung weit ſeltener fehlſchlagen als es wirklich der Fall iſt. Aber diejenigen, welche viele Beiſpiele von Affee— tionen des n. trigeminus oder anderer Nerven geſehen haben, werden zugeben, daß dieſe in der größeren Zahl von Fällen nicht auf gaſtriſche Störungen zurückgeführt werden können, und daß in den Fällen, wo Magen und Leber bedeutende Functionsſtörungen darbieten, die Beſeitigung derſelben nicht oder ſelbſt nicht gewöhnlich die Neuralgie zu heilen vermag. In vielen Fällen wiederum folgt das gaſtriſche Leiden und die allgemeine Störung der meiſten Organe des Körpers auf den Schmerz im Nerven und in ſolchen Fällen reinigt ſich oft die Zunge unter dem Gebrauche des Opiums. Oft iſt jedoch eine Behandlung, deren Zweck es iſt, die Seeretion E u Zi 190. N. 14. 222 der Leber und des Darmkanals zu verbeſſern, die beſte Vor— bereitung zu toniſchen oder narkotiſchen Mitteln und legt die beſte Grundlage für eine vollſtändige Heilung. Da, wo ich dieſen Heilplan für angemeſſen halte, gebe ich gewöhnlich 3 bis 4 Gran Rhabarber und eine eben ſo große Doſis der blauen Pillen vor Schlafengehen, ſowie Magn. sulphur. Acid. sulphur, und ein Inf. Rosarum am nächſten Morgen für drei oder vier Abende und Morgen; nach dieſem fühlt ſich der Kranke im allgemeinen beſſer, aber der Schmerz iſt gewöhn— lich nur wenig gemildert. Ich gebe dann Cort. Chinae 3j, Ferr, carbon. 9j 3 Mal täglich und wo der Schmerz heftiger gegen Abend wird Extr. Hyoseyami gr. ij, Opii puri gr. j vor Schlafengehen gereicht, im Nothfalle mitten in der Nacht zu wiederholen. Dieſe Behandlung nützt ſehr oft weit mehr als ſogleich mit China, Chinin oder Ferr. carbon. anzufan⸗ gen, ohne den Zuſtand der Verdauungsorgane zu berückſich— tigen. Ortliche Blutentziehung beſonders bei florider Con— ſtitution und Blaſenpflaſter wirken ſehr wohlthätig, aber in den meiſten chroniſchen Fällen wird der Schmerz durch Blut— entziehung geſteigert. Es giebt jedoch Fälle, in welchen man nur Zeit verſchwendet und die Leiden des Kranken verlängert, wenn man nicht ſogleich mit tonicis und narcotieis den Anz fang macht, die oft eine raſche und faſt unerwartete Gur bewirken. Zum Beweiſe hiervon gebe ich die zwei folgen— den Fälle. Sechster Fall. — Mad. N., die Dame, welcher der fubeutane Tuberkel an der Seite des Kopfes erftirpirt wurde, und welche ſeitdem nie an nervöſen Schmerzen gelit— ten hatte, ließ mich plötzlich am 14. Februar 1842 rufen. Sie war von der Grippe geneſen und hatte vor zwei Tagen die heftigſten Schmerzen an der rechten Seite des Kopfes, an der Augenbraue, im Geſichte, an der Stelle des n. infra- orbitalis und in den Zähnen bekommen. Die Schmerzen waren jeden Tag um 11 Uhr mit ſolcher Heftigkeit eingetre— ten, daß ſie wild durch das Zimmer lief. Es war 4 Uhr als ich ſie ſah und der Schmerz war im Nachlaſſen, aber ſie erſchien matt und unwohl; Puls fre— quent; Zunge leicht belegt; der Darmcanal war durch eine Sennamirtur, wiewohl ohne Erleichterung reichlich eröffnet worden, da an dieſem Tage der Parorysmus heftiger als zu— vor geweſen war; ſtarker Ausfluß aus der Naſe. Ich verordnete: R Mixt. Camphor. Züjß Syr. Croei Zij Liquor. Hoffmanni 3j Gutt nigr. gti. xij. M. D. S. 3j zu nehmen, fo oft der Schmerz eintreten würde. Der Schmerz trat am Abend ein, wurde aber nach dem eigenen Ausdrucke der Kranken wie durch einen Zauber durch die Mixtur beſeitigt und ſie brachte eine ruhige Nacht zu. Am nächſten Tage trat der Schmerz nach einem heftigen Huſtenanfalle ein, wurde aber durch eine Unze der Mixtur beſchwichtigt. Zwei Mal während des Tages traten Andeu— tungen des Parorysmus ein, die aber jedes Mal auf dieſelbe Weiſe beſeitigt wurden. Am nächſten Tage dieſelben Erſchei— nungen; am vierten Tage war ſie ganz wohl. 227 XXXVII. über das einfache und doppelte Sehen der Gegenſtände mit beiden Augen und über optiſche Täu— ſchungen hinſichtlich der Entfernung der Gegenſtände. Von John Locke. Der Verf. beſchäftigte ſich ſchon im Jahre 1816 als Student mit dieſen Unterſuchungen, er griff den unterbrochenen Faden ſpäter wieder auf und theilt in Nr. 19 des Ameri- can Journal of science and arts von 1849 feine Beob— achtungen mit. Es iſt eine ganz bekannte Erſcheinung, daß wir mit beiden offenen Augen, je nachdem die Augenachſen convergiren, auf oder vor dem Gegenſtande zuſammentreffen, denſelben einfach oder doppelt ſehen können. Im Beſitze der Fähigkeit, die optiſche Achſe ſeiner Augen ohne Beihülfe eines nahen Gegenſtandes beliebig convergirend zu machen, ſchritt der Verf. zu folgenden Verſuchen. Erſter Verſuch. — Der Verf. ſah ein brennendes Licht aus einer Entfernung von etwa 8 Fuß, die Augenachſen kreuzten ſich oder waren doch ſehr convergirend; der Verf. ſah zwei Bilder, deren Entfernung von einander nach dem Grade der Convergenz der Augenachſen beliebig vermehrt oder vermindert werden konnte. Der Verf. ſchloß, während er zwei Bilder ſah, eines ſeiner Augen, und augenblicklich verſchwand das Bild der Seite des geſchloſſenen Auges: ſchloß er das rechte Auge, ſo verſchwand das rechte, ſchloß er das linke, ſo ver— ſchwand das linke Bild. Aus dieſem Verſuche zieht der Verf. folgende Schlüffe: 1) Da die Achſe des rechten Auges auf die linke Seite des Gegenſtandes, die, wenn er gedachtes Auge ſchloß, ver— ſchwand, gerichtet war, ſo mußte das vorhin erhaltene Bild ein ſchiefes, wie man es bei ſeitlicher Betrachtung eines Ge— genſtandes erhält, geweſen ſein. Es ſcheint demnach als wenn das ſchiefe Bild im rechten Auge, während die Augen auf einem leeren Raume convergirten, die Stelle eines mit dem linken Auge direct geſehenen Bildes einnahm, wobei für das linke Auge dasſelbe Verhältniß in umgekehrter Weiſe Statt fand. Auf dieſe Weiſe ſchien jedes Auge in ſeiner Achſe ein Bild zu haben, das in der Wirklichkeit dem anderen Auge angehörte. 2) Die beiden ſchiefen Bilder auf der relina mußten an einem Orte, welcher der Naſe oder der Mittellinie des Körpers näher als die Hauptachſe des gewöhnlichen Sehens liegt, entſtanden ſein. 3) Die Bilder erſcheinen in einer ſolchen Stellung wie Gegenſtände, welche ein Bild auf dieſelben Theile der retina entwerfen: die Augenachſen waren parallel oder zum wenigſten der parallelen Richtung nahe. 4) Da wir mit beiden Augen einen ſeitlich gelegenen Gegenſtand, zumal wenn er mit dem Hauptgegenſtande, auf den das Sehen gerichtet iſt, in gleicher Entfernung liegt, ge— wöhnlich einfach ſehen, ſo folgt hieraus, daß die beiden Bilder, von denen jedes Auge eins empfängt, auf Theile der retina fallen, welche außerhalb der Mittellinie des Körpers liegen und deshalb einfach geſehen werden. Geſetzt, man ſieht nach einem Manne, der 10 Pards entfernt ſteht, ſo wird auch das Bild eines andern, der 2 Pards rechts von ihm ſteht, als 191. IX. 15. 228 einfaches, wenngleich undeutlich gezeichnetes Bild auftreten. Das Bild dieſer zweiten Perſon muß hier an der linken Seite beider Augen entſtanden ſein; nur in einer ſolchen Anordnung auf der retina kann das Bild dem inneren Sinne als einfach übertragen werden. 5) Aus obigem folgt der Grundſatz: daß gewiſſe Stellen der retina des einen Auges beſtimmten Stellen der retina des anderen Auges in einer ſolchen Weiſe entſprechen, daß, wenn identiſche Bilder auf die correſpondirenden Stellen der Netzhaut fallen, ſelbige als einfache Bilder geſehen werden. Die einander entſprechenden Stellen der Augen liegen immer auf gleicher Seite; nun iſt es wohl möglich, daß die Nervenfafern dieſer correſpondirenden Stellen weiter verlaufen und ſich da, wo ſich die nervi optiei vor ihrem Eintritt ins Gehirn kreuzen, vereinigen, und ſich aus dieſer Vereinigung das einfache Bild erklärt. Legt man den Finger ſo an den unteren Theil des Aug— apfels, daß man den letzteren aufwärts rollt, ſo ſcheint das Bild abwärts zu ſteigen, ein Doppelſehen wird deſſen Folge. Beim Aufwärtsſchieben des Augapfels fällt das Bild auf den oberen Theil der retina, demnach in eine Gegend, wohin es der normalen Stellung nach nicht gehört. Zweiter Verſuch. — Zwei Lichter von gleicher Größe und Höhe werden neben einander auf einen Tiſch geſtellt; richtet man die Augenachſen convergirend auf ſie, ſo entſtehen 4 Bilder. Je mehr die Convergenz zunimmt, um ſo mehr rückt jedes Bilderpaar von dem urſprünglichen Platze des einfachen Bildes; das zweite und dritte Bild nähern ſich ſo lange einander, bis ſie endlich ganz zuſammenfließen und nur 3 Bilder ſichtbar ſind. Denſelben Verſuch kann man mit zwei Buchſtaben oder Figuren von gleicher Größe in folgender Weiſe machen: 1 A. Natürliches einfaches Sehen. 2. AA AA. Sehen mit etwas convergirenden Augenachſen. 3. A A A. Sehen bei größerer Convergenz der Seh: achſen, die beiden mittelſten Bilder fallen in ein Bild zuſammen. Wenn man jetzt plötzlich ein Auge ſchließt, ſo ver— ſchwindet das mittlere ſich deckende Bild, daß auf zwei ent⸗ ſprechenden Stellen der relina entſtand, nicht, zwei Bilder wurden hier als ein Eindruck vermittelt. Die bisjetzt mitgetheilten Verſuche wurden vom Verf. ſchon 18 16 angeſtellt, die folgenden wurden 1843 ausgeführt. Dritter Verſuch. — Der Verf. wählte ſich zwei einander nahe ſtehende Figuren ſeiner Stubentapete und ſah auf ſie mit convergirenden Augenachſen, ſo wie er im vorigen Verſuche mit den zwei Lichtern gethan. Als er das Bild beider Figuren in der vorhin erwähnten Weiſe erhalten hatte, ſchien ihm plötzlich die ganze Wand aus einer Entfernung von 10 Fuß bis auf ½ Yard entgegenzukommen, er ſah die Details der Tapete in einem ſehr verkleinerten Maßſtabe, die Zeichnung ſelbſt war äußerſt ſcharf. Ein Bild wie das eben erwähnte, das zwiſchen dem Beobachter und dem Ge— genſtande liegt und auf welches der Verf. ſpäter zurückkommen wird, nennt derſelbe ein Illuſtonsbild. 229 Wie der Verf. nunmehr das rechte Auge auf das linke Bild, dagegen das linke Auge auf das rechte Bild richtete (beide Bilder waren von gleicher Größe und Breite), ſo entſtand nur ein einziges im Durchſchnittspunkte beider Sehachſen ge— legenes Bild. Die ſich ſchneidenden Sehachſen bilden hier demnach zwei Dreiecke, deren eines durch eine von einem Auge zum anderen gedachte Linie begrenzt wird, während das andere eine der letzteren parallele, beide Gegenſtände vereinigende Linie zur Baſis hat. Auf nebenſtehender Figur be— zeichnen A und B die beiden Augen, € D und D die beiden Gegenſtände, A und D die Sehachſe des Auges A; B und C die Sehachſe des Auges B; E den Punkt, wo ſich die Achſen durchſchneiden und ſich das Illuſionsbild entwirft. Da beide Dreiecke gleiche Winkel haben, folglich einander ähnlich ſind, ſo läßt ſich durch ſie die erwähnte optiſche Erſcheinung genügend erklären. Die Entfernung der Illuſions— bilder vom Auge (A E) wird ſich zur Ent— fernung desſelben vom Gegenſtande (D E) verhalten, wie ſich die Entfernung beider Augen zu einander (A B) zur Entfernung beider Gegenſtände von einander (C D) verhält. Nicht nur zwei nahe gelegene, in die direete Sehachſe fallende Gegenſtände, ſondern alle ſich berührende, in ſchiefer Richtung geſehene Objeete werden ein ähnliches Illuſionsbild hervorrufen. Das Illuſionsbild iſt jo vollſtändig, daß man es ſehr leicht für einen wirklichen Gegenſtand, der ſich da, wo es erſcheint, befindet, halten kann; die Geſtalten ſind in dem Verhältniſſe, in welchem ſie dem Auge näher liegen, kleiner als die Originale. Da die Umgrenzungen durch die ſich nicht vollſtändig deckenden Bilder etwas markirt erſcheinen, ſo überſteigt das Illuſionsbild ſein Original an Eleganz und Sicherheit. Wenn man den Kopf zur Seite, nach oben oder unten bewegt, ſo bewegt ſich auch das Illuſtonsbild, jedoch langſamer; wendet ſich der Kopf nach rechts oder links, ſo gleiten die ſich deckenden Bilder von einander, das eine geht aufwärts, das andere abwärts. Das Illuſionsbild und der Ort, an dem es erſcheint, zeigen uns deutlich, daß wir nicht eigentlich die Gegen— ſtände ſelbſt ſehen, ſondern uns nur eines Bildes derſelben auf der retina bewußt werden. Wenn nun unter Umſtänden ein ſolches Bild ohne Gegenſtand erzeugt wird, ſo wird es uns dennoch immer als von einem Gegenſtande kommend er— ſcheinen. Im dritten Verſuche erzeugten die beiden Gegen— ſtände CD jeder in den Augen A und B ein genaues Bild, das ſo groß war, als ob es von einem einzigen Objecte in E entworfen würde; beide Gegenſtände wirkten hier auf die retina wie ein einziger in E befindlicher kleinerer Gegenſtand. In beiden Fällen entſtanden auf den entſprechenden Stellen der retina beider Augen identiſche Bilder; der Eindruck beider Objecte wird ſo als ein einziges vermittelt. 191. IX. 15. 230 Um ein Illuſionsbild beliebig hervorzurufen, braucht jemand, der über die Richtung ſeiner Sehachſen frei dis— poniren kann, nur zwei nahe gelegene Figuren einer Tapeten— wand zu fixiren; ſobald die Doppelbilder auf einander treffen, ſo wird die Illuſion vollſtändig ſein. Jemand, der ſeine Augen nicht ſo in der Gewalt hat, wird, wenn er ſich 10 Fuß von einer Wand, deren Figuren 20 Zoll von einander entfernt find, ſtellt, fobald er auf einen 15 Zoll vom Geſicht gehaltenen Finger blickt, dasſelbe wahrnehmen. Scheinbare Entfernung der Gegenſtände. — Es ſcheint, als ob wir die Entfernung der Gegenſtände durch eine Art Triangulirung, wo die Entfernung beider Augen von einander die Grundlinie abgiebt, beſtimmen. Um dieſe Anſicht deutlicher zu machen, erwähnt der Verf. der folgenden von ihm angeſtellten Verſuche. Nachdem er die Entfernung ſeiner Augen gemeſſen und auf 2,6 Zoll, die Entfernung der Figuren auf der Wand zu 21 Zoll, und die Entfernung ſeines Standpunktes von der Wand auf 10 Fuß beſtimmt hatte, berechnete er das Illuſionsbild zu 14,7 Zoll, während eine Meſſung desſelben etwa 14,5 Zoll ergab. Bei einem zweiten Verſuche wünſchte der Verf. aus der Größe des Bildes ſeine Entfernung von der Wand zu berechnen. Die Entfernung zwiſchen beiden Augen betrug 2,6 Zoll. Die Entfernung beider Figuren von einander 214 „ Die Entfernung der Illuſionsbilder vom Auge 16,75, Die berechnete Entfernung der Wand 12,5 Fuß. Die gemeſſene Entfernung der Wand 13:19 Bedenkt man, daß der Sehende, während er die Ent- fernung des Luftbildes beſtimmt, ſeinen Triangel der Länge nach zu conſtruiren hat und deſſen Grundlinie nur 2,6 Zoll beträgt, ſo läßt ſich kaum ein genaueres Reſultat erwarten. Sowohl Brewſter als der Verf. bemerkten, daß, wenn man einen Streifen der Tapete ſo anbringt, daß ein Theil der einen Figur von dem Reſte derſelben getrennt wird, das Illuſionsbild nicht auf derſelben Stelle erſcheint, einige Streifen treten etwas vor, andere weichen ein wenig zurück, genau ſo wie es die Conſtruction des Triangels erheiſcht; ſogar 16 Zoll iſt hier erkennbar. Die obigen Verſuche wurden 1845 von des Verf. Aſſiſtenten Th. K. Becker wiederholt und beſtätigt. Beide berechneten die Entfernung eines Gegenſtandes zuerſt nach den Triangeln, und überzeugten ſich dann durch directe Meſſung von der Richtigkeit ihrer Beſtimmungen. Daß zwei Figuren, die dichter als die beiden Augen neben einander ſtehen, ein Illuſionsbild auf der Netzhaut entwerfen, das viel ferner als die Gegenſtände zu liegen ſcheint, hielt der Verf., obſchon er keine Verſuche hierüber anſtellte, für ausgemacht. Zwei kleine Figuren können nach ihm eine ſolche Stellung annehmen, als wenn ſie das Bild eines einzigen größeren, von der retina entfernteren Gegenſtandes wären. Wenn man zwei durchaus gleiche Figuren von ver— ſchiedener Farbe fo aufſtellt, daß man ein einfaches Illuſions⸗ bild erhält, ſo ſind auf letzterem, wie ſich vorherſehen ließ, die Farben beider Gegenſtände vermiſcht; je nachdem man eben auf das eine oder das andere Auge ſeine beſondere Auf— 19° 231 merkſamkeit richtet, wird die eine oder die andere Farbe vorherrſchend; das Bild wechſelt ſomit nach dem Belieben des Beſchauers ſeine Farbe. In Bezug auf Brewſters neueſte Entdeckungen über das Sehen der Körper, bemerkt der Verf., daß, wenn man die Hand, nach der Kante gerichtet, 3 Zoll von der Naſe hält, das eine Auge das Bild der Innenhand, das andere das Bild des Handrückens empfängt; beide Bilder ſind durchaus unähnlich, ſie können ſchon deshalb keine correſpondirenden Stellen der Netzhaut treffen und ein einfaches, vollkommenes Bild erzeugen. Ganz dasſelbe gilt von jedem körperlichen Gegenſtand, deſſen Seiten ein verſchiedenes Ausſehen haben, die Unvollkommenheit des Bildes wird, je kleiner der Körper und je mehr es dem Auge genähert wird, um ſo größer ſein. Die Verſuche über dieſe wichtigen Fragen laſſen ſich ohne einen weiteren Apparat als unſer Auge ſelbſt noch ſehr vervielfältigen und verändern: ſie ſcheinen ſehr leicht aus— führbar, ſind es aber nicht für jeden, da man um die Ver— ſuche mit Erfolg zu löſen, die Richtung der Augen durchaus in ſeiner Gewalt haben muß. Der Verf. gedenkt zum Schluſſe noch eines Verſuches: er hing ein großes Bild eines Reiters an die Wand und ſtellte eine in halber Größe genommene genaue Copie dieſes Bildes in der halben Entfernung des großen Bildes vom Beobachter ſo auf, daß beide vom letzteren genau neben einander geſehen werden konnten. Wurden die Augenachſen ſo gerichtet, daß beide Bilder ſich deckten, ſo ſah man nur ein gemeinſchaftliches Bild, deſſen Umriſſe nur hie und da durch kleine Unvoll— kommenheiten der Copie an Schärfe verloren; es ſchien hier, als ob das Auge ſelbſt die kleinen Mängel der Copie aus— geglichen hätte. XXXVIII. Bemerkungen über das Wetter, die Flora u. ſ. w. der vereinigten Staaten, auf einer Reiſe in den Jahren 1846 und 47 geſammelt von Dr. Arnold Bromfield. (Fortſetzung des Aufſatzes S. 257 u. 337 des 7. Bos. d. Bl.) Am 24. Auguſt beſuchte der Verf. den ſchön gelegenen Kirchhof von Laurel Hill, der etwa 4 Meilen von Phila— delphia entfernt am Ufer des Schuylkill liegt, und wäh— rend des Sommers, wo in kurzen Zwiſchenräumen Om— nibus dorthin abgehen, von den Städtern fleißig beſucht wird. Der nicht ſehr große Kirchhof iſt in geſchmackvolle Anlagen und anmuthige Spaziergänge getheilt; das Ufer ſchießt ſteil in den Fluß hinab. Eine der hier, wie überhaupt in den nordamerikaniſchen Gärten beliebte Zierpflanze iſt Evonymus atropurpureus, der wegen ſeiner im Herbſt feurigglänzenden Samen der brennende Buſch (burning bush) genannt wird. Er erſetzt in Amerika den Evonymus latifolius, ebenſo wie der E. Americanus den E. verrucosus Europas vertritt, iſt jedoch größer und ſtärker als der erſtere. Evonymus Ameri- canus wird häufig mit unſerem E. Europaeus angepflanzt; beide gedeihen ſehr gut. 191. IX. 15. 232 Von Laurel Hill ging der Verf. nach Mount Peace, dem lieblichen Wohnſitze ſeines Freundes R. Ralſton; auf den ſchön arrangirten Anlagen ſtanden zwiſchen anderen Bäumen einige prächtige Tulpenbäume, die Überbleibſel des vormaligen durch die Art verſchwundenen Urwaldes. Der Verf. ſah hier das größte Exemplar der Nyssa sylvatica, eines der engliſchen Waldeultur faſt unbekannten und doch ſehr beachtenswerthen Baumes, deſſen Holz wegen ſeiner ſchweren Spaltbarkeit zum Schiffsbau ſehr geeignet iſt. Die Stämme der größeren Bäume waren auf Mount Peace häufig von Rhus radicans umrankt. Ralſton ver⸗ ſicherte, kein Bewohner der dortigen Gegend würde ſich den ſo umrankten Bäumen nähern, noch weniger ihnen die anmuthige Umrankung rauben, ſo ſehr fürchte man dort den giftigen Hauch der Pflanze. Tricuspis sesleroides war hier und in der Umgegend auf Grasplätzen gemein; ein ſtarkes Büſchel bildendes Gras (Glyceria Sclerochloa) glich ſeinem Blüthenſtande nach einer Poa, im übrigen aber einer breitblätterigen Festuca. Die Nacht wie der Morgen des 24. Auguſts waren friſch, ein nordöſtlicher Wind war, wie in dieſer Gegend regelmäßig, der Vorläufer eines nebligen, dunklen Wetters; in 4 Tagen kam die Sonne kaum zum Vorſchein, die Atmoſphäre hellte ſich allmälig auf; die beiden letzten Tage des Mönats waren heiter. Die Lage Philadelphias zwiſchen zwei Flüſſen mit feuchten, ſumpfigen Ufern macht das Klima der Gegend im Sommer für Fremde zu einem erſchlaffenden, man hält es für das heißeſte und ungeſündeſte der vereinigten Staaten, und doch iſt zum Theil nur die ſchlechte Einrich- tung der Häuſer, denen meiſtens Marquiſen und andere Schutzmittel gegen die Sonnenhitze fehlen, an dieſer An— klage Schuld. Statt unſerer farbigen Tapeten ſind die Wände hier faſt überall mit weißer Leinwand überzogen, oder mit Gyps überworfen, wodurch ſchwerlich die Hitze vermindert, das Übel vielmehr im Sommer durch ein Zurüd- ſtrahlen der Wärme von den weißen Wänden noch ver— größert wird, während letztere im Winter niemals das Comfortable und Warme farbiger Tapeten erreichen. Über⸗ dies fehlt ſelbſt den Gemächern der Wohlhabendern ſo man— cherlei, das zur Zierde und Wohnlichkeit eines Hauſes fo viel bei— trägt; die Zimmer erſcheinen leer, die Wände kahl. Man pflegt hier, wie in den übrigen großen Städten der vereinigten Staaten, vom frühen Morgen bis zum ſpäten Nachmittage die Fenſterladen zu ſchließen; man ſitzt deshalb, um Kühlung zu erreichen, faſt den ganzen Tag im Dunkeln; die Stadt er— ſcheint dadurch am Tage wie ausgeſtorben, erſt nach Son— nenuntergang öffnen ſich die Fenſter, um friſche Luft einzu— laſſen; jetzt erſt wird die Todtenſtille des Tages von menſch— lichen Stimmen unterbrochen. Am 27. Auguſt ging der Verf. nach Woodlands, dem früheren Beſitzthume Wm. Hamiltons, der hier eine bedeu— tende Baumſchule, von der noch verſchiedene herrliche Bäume ſtehen, anlegte; das Beſitzthum wie das Haus ſchien im vernachläſſigten Zuſtande; die Anlagen waren geſchmackooll. Auf den Grasplätzen ſtand Cuphea viscosissima; unter den Bäumen Spiranthes tortilis in voller Blüthe. Letztere Pflanze 233 ift dem S. autumnalis ſehr ähnlich; ihre Ahre iſt jedoch weniger gedrängt, die ganze Pflanze iſt überhaupt kleiner, die Wurzelblätter verſchwinden ſchon vor dem Aufblühen der Pflanze; ſie wächſt an ähnlichen Orten wie unſer Spi- ranthes. Unter anderen Pflanzen ſah der Verf. hier Tricuspis sesleroides, Andropogon nutans, A. scoparius, verſchiedene Panicum-Arten, Cyperus strigosus, ein Cardium (horridulus ?) und Cassia nictitans; hie und da kroch Convolvulus pandu- ratus, ſeine großen weißen Blüthen mit purpurfarbener Röhre über das Gras erhebend. Woodlands ſtand wie viele der Beſitzungen am Schuyl⸗ kill in dem Rufe eines in den Sommermonaten ſehr un— geſunden Klimas. Der Verf. glaubt, hieraus den Verfall des Gutes und deſſen in Ausſicht geſtellten Verkauf zur Anlage eines Gottesackers erklären zu müſſen. Auch viele andere Beſitzungen längs des Fluſſes, die früher ein ge— ſundes Klima hatten, ſtehen ſeit den letzten Jahren, wo ſich das intermittirende und remittirende gallige Fieber ſo ſehr verbreitete, leer; zum Glück beſchränken ſich dieſe bös⸗ artigen Fieber auf die ſchönen, bewaldeten Flußufer; der Stadt Philadelphia und deren Umgebungen fehlen im all⸗ gemeinen die Urſachen dieſer und anderer Krankheiten. Die Ufer des Delaware, obſchon niedrig und Marſchbildungen, ſollen zu jeder Jahreszeit geſund ſein; übrigens iſt der Delaware auch ein raſch fließender Strom mit Ebbe und Fluth, dazu ungleich breiter, mit weniger bewaldeten Ufern als der Schuylkill; ſeine Ausdünſtungen können ſchon des freieren Luftzugs wegen nicht ſo nachtheilig ſein. Einige ſchreiben die ungeſunde Beſchaffenheit des Ufers des Schuyl— kill der Erbauung der Waſſerwerke von Fair Mount, welche, den wirklichen Lauf des Fluſſes hemmend, gewiſſermaßen ein Stagniren des Fluſſes hervorrufen, zu; ob dieſe Ver— muthung gegründet, will der Verf. nicht entſcheiden; er bemerkt jedoch, wie auch in anderen Gegenden der ver— einigten Staaten, wo man früher zu keiner Jahreszeit die böſen Fieber kannte, ſelbige jetzt, nach der Lage und dem Klima des Ortes, mehr oder weniger bösartig auftreten. Die Waſſerwerke von Fair Mount wurden zum Schutze Philadelphias gegen die Fluthen des Schuylkill erbaut; ſie liegen an der Nordoſtſeite der Stadt; von der Höhe der Baſſins erhält man einen prächtigen Blick auf die Stadt mit ihrer fruchtbaren Umgegend. Die Gebäulich— keiten ſelbſt ſind großartig und geſchmackvoll, im Erdgeſchoß ſteht das Maſchinenwerk aus 6 mächtigen Waſſerrädern, welche 12 ungeheure horizontal gerichtete Pumpen mit langen Röhren treiben; durch ſelbige wird das Waſſer in ein ge— räumiges Reſervoir getrieben, zu dem bequeme, leicht an— ſteigende, mit Gebüſch und Bäumen geſchmückte Pfade führen. Unter dieſen Gebüſchen erſcheint die paraſitiſche Tecoma radi- cans, hier Trumpet vine genannt; aus ihrem halbwilden Vorkommen ſchließt der Verf., daß ſelbige Pflanze in den etwas ſüdlich gelegenen Wäldern einheimiſch iſt, wie ſie um Waſhington im 38953 der Breite auftritt und wahrſcheinlich erſt etwas nördlicher die Grenze ihrer Verbreitung findet. Catalpa cordifolia wächſt unterhalb Fair Mount an den Hügeln zu beiden Seiten der Columbia-Eiſenbahn; ob— 191. N. 15. 234 ſchon ſie in Pennſyloanien nicht heimiſch iſt, erſcheint ſie hier vollkommen verwildert; ihre Samen reifen in Menge. Die Catalpa wird in Amerika ungleich größer und ver— zweigter, wie in England. In Virginia gedeiht dieſer Baum am üppigſten; zu Richmond (37034“ nördl. Breite und 77027“ weſtl. Länge) ſah der Verf. auf einem rothen Sandſteinboden Bäume von 50 bis 60 Fuß Höhe, deren Stamm mindeſtens 4 Fuß im Durchmeſſer hatte und ſich in eine Menge ſtarker, horizontaler Aſte theilte, welche eine ſchöne, runde, ſymmetriſch geordnete Krone bildeten. In Süd: und Nord⸗Carolina, wie in Georgien, bleibt die Catalpa nur ein mäßiger Baum; um New⸗Pork läßt ihn die Winter⸗ kälte nicht aufkommen, ſeine Endzweige verfrieren dort meiſtens. Die eigentliche Heimath dieſes Baumes iſt, da man ihn vorzugsweiſe in der Nähe alter indianiſcher Nieder— laſſungen findet, noch zweifelhaft. Michaur fand ihn an den Flußufern von Carolina und Georgien; der Verf. ſah ihn am Oakmulgee im letzteren Staate in Menge; dort ſtand er fern von menſchlichen Wohnungen an uncultivirten Orten, immer jedoch in der Nähe der Flüffe; fein Stamm erreichte nur eine geringe Dicke, ſeine Höhe betrug nicht über 12 Fuß. Dr. Bachmann verficherte dem Verf., daß die Catalpa längs den Flüſſen Virginiens überall vorkomme; er glaubt jedoch, daß ſie dort nicht urſprünglich zu Hauſe ſei, vielmehr eingeführt und durch die Leichtigkeit, mit der ihre kriechenden Wurzeln Ableger bilden, versviel— facht werde. Am 27. Sept. verließ der Verf. Philadelphia; er ging um 7 Uhr Morgens an Bord des Niagara, eines zwiſchen New⸗York und Albany fahrenden Dampfers. Die kühle Luft des großartigen Hudſons erquickte ihn ſehr; zwiſchen 4 und 5 Uhr Nachmittags landeten ſie zu Albany, hatten demnach bereits 151 Meilen zurückgelegt; das Schiff hatte, des vielfachen Aufenthalts ungeachtet, gegen den Strom arbeitend, in der Stunde etwa 17 Meilen gemacht. (The London Journal of Botany, January 1849.) Miſeellen. 34. Die entſchwefelte Steinkohle (coke) tigt nach J. Nasmyth das Glas; der Strich, den fie auf letzterem macht, iſt dem Diamantſtriche durchaus gleich, er iſt eben fo ſcharf und ſpielt auch wie dieſer mit prismatiſchen Farben. Die entſchwefelte Steinkohle ward bisher für einen weichen Körper gehalten, aller dings iſt ſie auch leicht zerreiblich; dagegen ſind die kleinen flachen Kryſtalle, aus welchen ſie beſteht, von äußerſter, dem Diamant gleichkommender Härte. Die Entdeckung des Verf. hat nicht als lein wiſſenſchaftlichen, ſondern auch praktiſchen Werth: man wird in vielen Fallen da, wo man bisher den Diamant benutzte, jetzt die entſchwefelte Steinkohle benutzen können. (The Edinburgh new philosophical Journal, Oct. 1848 to January 1849.) 35. Das Kino der Tenaſſerimprovinzen ſtammt von einem von den Eingeborenen Pa-douk genannten Baume. Dieſer Name kommt nach F. Maſon mehreren Pterocarpus-Arten (P. Dalbergoides, P. Indicus und vielleicht auch P. marsupium) zu; die beiden erſteren Bäume ſind zum Verwechſeln ähnlich. Wahr⸗ ſcheinlich liefern alle 3Z Bäume, welche dichte Wälder bilden, das genannte Gummiharz. Von Maulmain wurden bereits mehrere 1000 Pfd. des letzteren nach London verſandt. (Journal of che Asiatic Society of Bengal, Aug. 1848.) 235 191. IX. 15. 236 Heilkunde. (XXX.) Exſtirpation eines Polypen in den Stirnhöhlen. Von Bouger. Ein kräftiger 28 jähriger Hufſchmiedt erhielt im Jahre 1835 von einem Pferde mit dem Kopfe einen Schlag über die Naſenwurzel, worauf ſogleich eine entzündliche Anjchwel- lung folgte, die zwar geheilt wurde, jedoch eine tete Em⸗ pfindlichkeit der betroffenen Stelle zurückließ. Im Jahre 1837 zeigte ſich in der Mitte des arcus supraorbitalis sinister eine Geſchwulſt, auf welcher die Haut exulcerirte und die bald als ein Polyp der Stirnhöhle erkannt wurde. Zu gleicher Zeit bildete ſich eine fiſtulöſe Offnung an der Stirn, dem oberen Theil der Stirnhöhlen entſprechend. Im Jahre 1837 wurden 3 Operationen gemacht: 1) ein Verſuch, den Polypen bis auf den Knochen zu entfernen; 2) die fiſtulöſe Offnung auf der Stirn zu erweitern, und 3) wurde ein Knochenſplitter ausgezogen. Seit dieſer Zeit wurde nichts wichtiges vorgenommen; daher füllten polypöſe Maſſen nach und nach beide Naſenhöhlen aus, an der Stelle des entfernten Polypen erſchien ein anderer, und zu Anfang des Jahres 1841 zeigte ſich eine rundliche Geſchwulſt am arcus supra— orbitalis dexter, welche, ohne die Haut zu durchbrechen, dieſelbe in die Höhe hob und endlich das ganze Auge be— deckte. Vf. ſah den Kranken Ende Juni 1841 zum erſten Male; ein rundlicher tumor von 5 — 6 Centimeter Durch— meſſer bedeckte das rechte Auge völlig, ſelbſt die Cilien waren verſteckt, und ſeit 3 Monaten hatte das Auge nicht geöffnet werden können. Auf dem linken Auge, deſſen Pupille er— weitert war, Jah Pat. noch die ihn umgebenden Gegenſtände, doch iſt das obere Augenlied dieſer Seite von einem ſchwam— migen, rothen, feſt am Knochen anhängenden Polypen durch— bohrt und eine an deſſen äußerer Seite eingebrachte Sonde folgte der Decke der Augenhöhle, welche in bedeutender Aus— dehnung rauh war. An der Stirn beſtand immer noch die fiſtulöſe Offnung, durch welche wenige Tage vorher ein zweites Knochenſtückchen abgegangen war. Zur Operation entſchloſſen, gab Verf. am 28. Juni früh 7 Uhr dem Kranken 15 Tropfen Laudanum und um 9 Uhr wurde die Erſtir— pation ſelbſt vorgenommen. Verf. machte zuerſt einen verti— calen Schnitt, der durch die Fiſtelöffnung bis zur Naſen— wurzel ging, dann einen Querſchnitt, der von dem äußeren Ende der rechten Augenbraue zu dem linken ging; darauf ſchälte er den tumor am rechten Auge aus und fand in ihm einen, gelben, ſchleimigen Polypen, deſſen Wurzel durch eine Offnung des Knochens in die Stirnhöhle eindrang; in derſelben Offnung lag auch ein elfenbeinartiges, abge— rundetes Conerement von 2 Centimeter Durchmeſſer und einer ſolchen Dicke, daß er es nur durch Abbrechen der vorderen Wand der Stirnhöhle frei machen konnte. Als Vf. am linken Auge den Polypen entfernte, fand er die— ſelbe Communication mit der Stirnhöhle; ferner unter dem arcus subraorbitalis ebenfalls ein Knochenconerement von 15 Grammen Schwere, 35 Millimeter Länge und 20 Milli⸗ meter Dicke, nach vorne war es breit, nach hinten ſpitz; es konnte nur nach Entfernung des areus ausgezogen wer— den. Die obere Fläche desſelben war von dem aus der Stirnhöhle abfließenden Eiter rauh, die untere aber glatt. Nun wurden durch Trepanation der vorderen Wand die Stirnhöhlen geöffnet und alle in denſelben befindlichen Polypenwurzeln auf das ſorgfältigſte, ſelbſt durch Abſchaben des Knochens, ausgerottet, und zuletzt wurden noch die in der Naſe liegenden, auch mit der Stirnhöhle zuſammen— hängenden gelben, weichen Polypen zerſtört, wodurch natür— lich die Reſpiration ſogleich frei wurde. Die äußerſten Enden der Querwunde wurden durch Hefte vereinigt, in der Mitte aber die Lappen entfernt von einander gehalten, damit ſich die ganze Wunde durch Granulation ausfülle. Die beiden Augen haben ſogleich ihre volle Sehkraft wieder erhalten. Nachdem der Kranke auf fein Bett zurückgebracht war, er— hielt er wieder 15 Tropfen Laudanum, und ſpäter bei ein- tretender Reaction wurde ein Aderlaß gemacht. Es traten keine üblen Zufälle ein; am 10. Tag arbeitete der Kranke ſchon wieder, die Wunde füllte ſich gut aus, und nach 7 Wo— chen war die Vernarbung vollendet. — In den hierauf folgenden Betrachtungen ſtellt der Verf. die Meinung auf, daß die beiden einzelnen Knochenſtücke in den Augenhöhlen durch frühere Entzündung der Knochenhaut veranlaßt worden ſeien, indem dieſe, dadurch zu einer widernatürlichen Thätig⸗ keit umgeſtimmt, mehr Knochenmaſſe als gewöhnlich ab— geſondert hätten. (Annal. de la chir. Oet. 1847.) (XXXI.) Ein Fall von Punetion des Gehirns. Von Dr. Richard G. Herbert Butcher. Maria Burns nahm ärztliche Hülfe im South Infirmary zu Cork in Anſpruch. Sie gab an, daß ſie 3 Kinder gehabt habe, von denen zwei an Waſſer im Gehirne geſtorben wären, und in der Beſorgniß, daß das dritte auf ähnliche Weiſe affieirt fein könnte, bat ſie, daß etwas zur Rettung desſelben gethan werden möchte. Bei der Unterſuchung des kleinen Kranken, eines Knaben von 16 Monaten, zeigte ſich ſein Kopf faſt durchſichtig und bot verſchiedene Stellen dar, an welchen keine Knochenmaſſe abgelagert war und an der Stelle derſelben ſich nur die allgemeinen Bedeckungen vorfanden. Die Suturränder waren bedeutend von einander getrennt und ſtanden /2— 3/4 Zoll von einander ab. Der Kopf maß im Durchmeſſer von der Stirn zum Hinterhaupte 13½ Zoll, von einem Ohre zum anderen quer über den Scheitel 9“, rund um das Kinn und quer über den Scheitel 9¾“, die Pupillen waren ſehr erweitert und reagirten nicht auf den Reiz des Lichtes. Dann und wann ſchrie das Kind auf die heftigſte Weiſe und wurde dann ſogleich von Con— 237 vulſionen ergriffen, welche, nach der Ausſage der Mutter, die erſten 4 Tage hindurch, bevor ſie ſich an das Hoſpital wandte, ſehr häufig eingetreten waren. In dieſem Falle konnte nichts von der gewöhnlichen Behandlungsart erwartet werden, und Dr. Woodroffe entſchloß ſich daher, das Waſſer abzulaſſen. Nachdem die Bedeckungen mit einer Lancette getrennt worden waren, wurde ein Troikar ungefähr ¼ Zoll nach außen von der Mittellinie nahe der Vereinigung des Randes der Fontanelle mit dem des Scheitelbeins eingeführt. Indem das Inſtrument etwas nach innen geneigt wurde, leitete man es in den rechten Seitenventrikel, und kaum war das Stilett zurückgezogen, als die Flüſſigkeit in Menge durch die Canüle abfloß. Die abgelaſſene Quantität belief ſich auf 11 Unzen. Nach dem Ausfluß einer ſo großen Menge Flüſſigkeit verlor der Kopf ſeine Spannung und Kugelform und wurde ſo ſchlaff, daß die zurückgebliebene Quantität Waſſer ſich rückwärts ſenkte, wodurch der Kopf ein läng— liches Anſehen bekam. Zur Unterſtützung der Theile wurde ein zweiköpfige Rollbinde loſe umgelegt, nachdem die Ränder der Inciſion vorher durch Heftpflaſter an einander gebracht waren. Das Kind ſank gleich nach der Operation ſehr zu— ſammen, nach einiger Zeit jedoch wurden die dringenden Symptome beſeitigt. Von dieſer Zeit an bis 4 Wochen nachher ging alles recht gut; dann aber füllte ſich der Kopf wieder, erreichte aber nicht die Hälfte ſeines früheren Um— fangs. Die Operation wurde von neuem auf der linken Seite an derſelben Stelle wie auf der rechten ausgeführt. Das Kind beſſerte ſich zuſehends; nach der Operation traten durchaus keine Convulſionen ein, und der Umfang des Kopfes hatte ſo bedeutend abgenommen, daß eine fernere Operation für eine ſpätere Zeit aufgeſchoben wurde. Um dieſe Zeit waren 10 Wochen vergangen, das Kind war frei von Convulſtonen, die Augen reagirten auf die Ein— wirkung des Lichtes, und der kleine Kranke zeigte keine Symptome von Schlafſucht. Vier Tage nachher fing er an, unruhig und ſchlaflos zu werden; nach anderen 3 Tagen wurde er von Consvulſtonen ergriffen, die mit dem Tode en— deten. Die Mutter geſtand daß ſie dem Kinde 5 Tage vorher Wein gegeben habe, um, wie ſie meinte, die Cur zu be— ſchleunigen. Bei der Unterſuchung des Kopfes nach dem Tode fanden ſich die verſchiedenen Stellen, an denen die Knochenmaſſe gefehlt hatte, von einer Membran ausgefüllt, die faſt gänzlich in Knochen umgewandelt war. Die Suturen waren faſt ganz geſchloſſen und ſtanden nur /“ von einander ab. Alle Seiten innerhalb der Seitenventrikel er— ſchienen im geſunden Zuſtande, weder war eine Erweichung der Gehirnſubſtanz, noch eine Überfüllung der Blutgefäße vorhanden. In dieſem Falle verdienen mehrere Punkte beſonders unſere Aufmerkſamkeit. Erſtens traten von der erſten Ope— ration an bis 11 Wochen nachher keine Convulſionen ein; zweitens war das Kind 4 Wochen nach der erſten Operation gegen das Licht empfindlich, und endlich geſtattete der relaxirte Zuſtand der Bedeckungen einen raſchen Fortgang des Ver— knöcherungsproceſſes. Die Behandlung nach der Operation 191. IX. 15. 238 beſtand vorzüglich in der Application von Kälte an den Kopf, localen Blutentleerungen und Purgirmitteln aus Ca⸗ lomel und Kalk. In dieſem Falle wurde ohne Zweifel der Tod durch die Verkehrtheit der Mutter herbeigeführt. 4 (Dub lin Journal, March 1843.) (XXX) Fall von erfolgreich ausgeführter Amputation einer Verſchwärung des Beines mit Krebsgeſchwür, wobei die Leiſtendrüſen bereits angeſchwollen waren. Von Dr. J. S. Veſey. William Ray, 64 Jahre alt, ein großgewachſener, kräftig gebauter Mann, confultirte mich am 21. Auguſt, indem er an folgenden Symptomen litt: die vordere und ſeitliche Fläche des rechten Beines waren von einer Ulceration bedeckt mit einem Rande von dunkelrother, unbeweglicher Haut, welche nach oben bis auf eine Handbreite von der tuberositas tibiae reichte und unten den vorderen Theil des Knöchels bedeckte. Das Geſchwür ſelbſt war gegen 4“ lang und 2½“ breit, die Ränder desſelben ſehr hart und erhaben, an einigen Stellen nach innen, an anderen nach außen umgeſtülpt; die Oberfläche zeigte abwechſelnde Er: höhungen und Vertiefungen mit hie und da iſolirten großen, ungeſunden Granulationen, aus denen dicke, weiße Materie herausgepreßt werden konnte. Das Secret war dünn und braun, reichlich und von dem eigenthümlichen Geruche, des Carcinoms. Der Kranke hatte vom Beginne ſeines Übels an einen brennenden, ſtechenden Schmerz in dem Geſchwüre empfunden, welcher ſich bis zu den Füßen hinab verbreitete; aber in den letzten 3 Wochen hatte derſelbe einen ſo hohen Grad erreicht, daß der Kranke ſehr elend geworden und des Schlafes gänzlich beraubt worden war. Das Übel be— ſtand nun ſeit 4 Jahren, und er hatte während dieſer Zeit mehrere Arzte conſultirt und viele Mittel ohne Erfolg an— gewendet. An dem Oberſchenkel derſelben Seite befand ſich 2“ vom lig. Pouparti entfernt mit einem, dem Laufe der Gefäße parallelen Längsdurchmeſſer, eine Geſchwulſt größer als ein Hühnerei, welche bei einer genaueren Unterfuchung durch die Vereinigung von 3 unregelmäßigen Drüſenge— ſchwülſten gebildet erſchien. Die Baſis derſelben konnte mit der Hand umfaßt werden, und ſie ließ ſich leicht nach allen Richtungen bewegen; ſie fühlte ſich feſt an, war jedoch keines— wegs ſteinhart; ſie war unſchmerzhaft, und die Haut über der: ſelben nicht mißfarbig. Sie beſtand ſeit 12 Monaten und hatte mit einem kleinen, beweglichen, ſchmerzloſen Knoten angefangen. Auf der linken Bruſt, dicht bei der Warze, befand ſich eine feſte Geſchwulſt von der Größe einer Haſel— nuß, und gleich der an der Hüfte ohne Schmerz oder Miß— färbung der Haut. Dieſe war vor 3 Mongten erſchienen. Auf dem Rücken des Metacarpalknochens des rechten Daumens war ein ungeſundes Geſchwür, ungefähr 1“ lang, mit er⸗ habenen Rändern und von dunkelfarbiger Haut umgeben. Es beſtand ſeit 5 Wochen, der Ausfluß war ſpärlich, und in demſelben war ein anhaltender, brennender Schmerz, 239 der in der Nacht zunahm, jedoch nicht die ſcharfen und flüchtigen Stiche, wie in dem Geſchwüre am Beine. Huſten war nicht vorhanden, die Reſpiration regelmäßig, der Bauch weich, unſchmerzhaft, Puls normal. Auf den eigenen Wunſch des Kranken amputirte ich am 2. Sept. 1842 das Bein unterhalb der tuberositas tibige und dem Kopfe der fibula. Die oberflächlichen Ge— fäße bluteten bedeutend; das Tourniquet konnte wegen der angeſchwollenen Drüſen im oberen Dritttheile des Oberſchenkels nicht feſt genug angelegt werden, und mein Aſſiſtent übte nicht den gehörigen Druck auf die Arterie zwiſchen dem lig. Pouparti und der drüſigen Maſſe aus. Die Unterbin- dung der Schienbeingefäße koſtete viel Mühe und Zeit, und die arterielle Blutung war daher ungewöhnlich ſtark. Eine beunruhigende Ohnmacht war die Folge, und Wein mußte in gehöriger Menge innerlich angewendet, ſo wie kaltes Waſſer auf das Geſicht geſpritzt werden, um den Kranken wieder zu ſich zu bringen. Ins Bett gebracht, gebärdete er ſich gleich einem Verrückten, indem er laut ſchrie und ſich umherwarf. Eine Mixtur, welche Opium: tinerur enthielt, wurde gereicht. Da nach einer halben Stunde keine weitere Blutung eingetreten war, ſo wurde der Stumpf mit Heftpflaſter und einer Binde verbunden (Wein und Hühnerbrühe.) Am 3. Tage hatten ſich die Wundwinkel auf eine Ausdehnung von 1“ vereinigt, die Mitte war offen bis zu dieſem Tage, und die beiden fol— genden litt der Kranke an ſtarker nervöſer Aufregung mit großer Bläſſe des Geſichtes, ſchwachem und ſchnellem Pulſe und gehemmter und beſchleunigter Reſpiration. Vom 6.— 12. September hatte der Stumpf keinen Fortſchritt in der Heilung gemacht, im Gegentheile ſah der Mittelpunkt des— ſelben ſehr ungeſund aus und war von einem aſchfarbenen Überzuge bedeckt, ſo wie auch flüchtige Schmerzen in dem⸗ ſelben vorhanden waren. (Wein und Suppe; Pillen aus Kampher und Hyoscyamus,) Am 12. Sept. trat Morgens um 9 Uhr eine fecundäre Blutung ein, und bevor ich anlangte, hatte der Kranke wenigſtens 20 Unzen arteriellen Blutes verloren. Ich fand ihn im Bette aufrecht ſitzend, ruhig und geſammelt das Schlimmſte erwartend. Nach Abnahme der aufgelegten Leine— wand fand ich, daß die Blutung aufgehört hatte, ließ daher den Stumpf frei liegen und mit Weingeiſt und Waſſer feucht erhalten. 16. Sept. Keine Rückkehr der Blutung. Die Wund— fläche ſieht weit beſſer aus, und geſunde Granulationen haben ſich gebildet; die Stiche waren noch vorhanden. Die Haut über dem ſcharfen Ende der übia war etwas ange⸗ 191. IX. 15. 240 ſchwollen und geröthet. Trockene Charpie wurde in die Höhle gelegt, und darüber Charpie, in Tinet. Myrrhae getaucht. 21. Oct. Die letzte Ligatur wird entfernt, welches etwas Mühe koſtete, da fie durch die Granulation feit- gehalten wurde; die Wunde nicht größer, als ein Sechſer und geſund. 10. Dec. Wunde geheilt, Allgemeinbefinden ſehr gut. Die angeſchwollenen Drüſenmaſſen am Oberſchenkel zugleich verſchwunden, ſo wie auch der tumor auf der Bruſt; — das Geſchwür an der Hand war geheilt. 20. März 1844. Es ſind jetzt 18 Monate ſeit der Operation verfloſſen; der Mann iſt ſtark geworden und, be: findet ſich ganz vortrefflich; der Stumpf iſt geſund und brauchbar. (Dublin Journal.) Miſcelle. (26) überſicht der Lebensdauer und des Geſchlechtes von 180 an der Blauſucht verſtorbenen. 1 Ae 1 em e echte na Der Tod erfolgte bei bei unbe⸗ männl. weibl. ſtimmt. In den erſten 24 Stunden . A — 2 2 eee, TMArKageır 16 8 3 5 Vor Ende des erſten Monats. 4 1 2 1 Im Alter von 1— 2 Monaten 7 1 1 5 7 1 [23 2— [73 6 3 1 2 „ [23 „ 3— 6 8 4 1 3 1 e ee Jahre 12 u nit 5 7 [23 „ 1— 2 „ 7 2 2 3 [73 „ [23 2— 3 7 9 6 1 2 77 7 [2 3— 6 17 11 5 6 3 7 7 177 0 8 „ ® 11 4 6 1 [72 [23 [23 8—11 [2 13 8 4 1 „ „ „ 113 „ 1145 5 1 77 7 7 13—16 „ 12 6 5 1 „ „ „ 1620 „ 8 3 2 er „ „ 2 20—25 „ 10 6 4 FE: „ 77 7 25—30 „ 6 5 1 an mE i 30—35 mr 5 4 1 Fa In van 39 AD, m, » 5 5 = 7 r e 2 5 len eres Weib — 1 — Bei unbeſtimmtem Alter 5210 5 2 3 Summa 180 87 58 35 (Von Prof. Dr. Aberle im öſterr. Jahrb., Febr. 1844.) Bibliographiſche Neuigkeiten. J. E. Bowman, An Introduction to practical Chemistry. 8°, with numerous illustrations un. wood. London 1848. 6 sh. 6 d Th. Moore, A Handbook of british Ferns, intended as a Guide and companion in Fern Culture and comprising a scientific and popular description with engravings of all the species indigenous to Britain, with remarks on their History and Cultivation. 180%. (pp. 168.) London 1848. 5 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. C. A. Harris, The principles and practice of dental surgery. 3d. Edit. roy. 8%. (pp. 776 with 156 illustr.) Newyork 1848. 30 sh. J. M. Veligan, The diagnosis and treatment of eruptive diseases of the scalp. (pp. 55.) Dublin 1848. 2 sh. 6 d. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 192. (Nr. 16. des IX. Bandes.) Mai 1849. Naturkunde. Courty, über den Bau und die Verrichtungen der Dotteranhängſel der vesicula umbilicalis des Huhns. — Miſcelle. Madden, über das Himalajagebirge. — Heilkunde. Baly, über die Verhütung des Scorbuts in Gefängniſſen, Urmenirrenhäufern u. ſ. w. — Paterſon, ein frem⸗ Brookes, erfolgreiche Anwendung des Aconitins bei neuralgia facialis. — der Körper in der Speiſeröhre veranlaßt eine Offnung nach der trachea. — Simeon, über die Geſundheit der Tabaksarbeiter. — Miſcellen. Stratton, galvanifirte Bruchbänder. Mercier, Incontinenz im Alter durch Hy⸗ pertrophie der Vorſteherdrüſe bedingt. Irving, Behandlung der Ruhr mit Warmwaſſer-Klyſtiren.— Bibliographie. Natur kunde. XXXIX. über den Bau und die Verrichtungen der Dotteranhängſel der vesicula umbilicalis des Huhns. Von A. Courty. (Hierzu Fig. 1—4 der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) Die vorliegende Arbeit ward am 14. December 1846 der Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris vorgelegt und im Januarheft der Annales des sciences abgedruckt. Der Verf. bemerkt im Eingange, wie man bisher zum größten Theil nur den Embryo, deſſen Anlage und Entwicklung im Auge gehabt, wie man die Bildung des Nerven ſyſtems, der Kno— chen, Muskeln und Hautbedeckungen, desgleichen die Ent— wicklung des Verdauungs- und Geſchlechtsapparates, wie der Gefäßſyſteme mit hoher Sorgfalt und Genauigkeit verfolgt und bis auf unweſentliche Nebenſachen faſt ergründet habe, wie dagegen die tranſitoriſchen nur dem Fötusleben ange— hörenden, von der Eiſchale oder dem Mutterkuchen umſchloſ— ſenen Organe faſt unbeachtet blieben. Eine ſolche Ver— nachläſſigung erklärt unſere geringe Bekanntſchaft mit den Functionen des Embryolebens, mit der Ernährung des Fö— tus und den Verrichtungen verſchiedener, kaum dem Namen nach bekannter, dem Embryoleben dienender Apparate. Unter allen dieſen Organen ſind nur die Wolffiſchen Körper ſo— wohl ihrer Structur als Verrichtung nach genau, alle übri— gen aber, ſowohl beim Menſchen, den Säugethieren als bei den Vögeln, nur beiläufig unter ſucht worden. Die Entwicklungsgeſchichte der Vögel und namentlich des Huhnes iſt allerdings genauer wie die der Säugethiere bekannt; ſchon Ariſtoteles kannte das punctum saliens des bebrüteten Hühnereies; ſchon Malpighi und ſpäter Haller beſchrieben die Bildung des Herzens wie der we— ſentlichen Organe des Huhnes. In neuerer Zeit hat man durch großartige Verbeſſerungen des Mikroſkops kräftig unterz No. 2172. — 1072. — 192. ſtützt, die Eilehre der Vögel durch vielfache Beobachtungen bereichert und dennoch ſind Verhältniſſe, die bei der Entwick— lung des Säugethiereies bekannt ſind, beim Eie der Vögel gänzlich überſehen worden. Es genügt, uns an die Bildung des Eies ſelbſt, die Entwicklung und Beſchaffenheit der Dot— terzellen, an die Bildung der Dotterhöhle, des cumulus, der eicatricula und an das Entſtehen des Blaſtoderms u. ſ. w. zu erinnern. Mehrere dieſer Verhältniſſe ſind für das Ei des Hundes, des Kaninchens, des Schafes und anderer Säuge— thiere aufgeklärt, für das Ei des Huhnes liegen ſie noch im Dunkeln. Die Schwierigkeiten, die ſich hier der Beobachtung entgegenſtellen, erklären vielleicht theilweiſe dieſe Lücken in der Wiſſenſchaft; damit läßt ſich indes die Nichtkenntniß vieles anderen dem Embryoleben angehörenden, wie der tranſitoriſchen Organe, keinesweges entſchuldigen. Das Vor- urtheil, im Embryo ſelbſt die Rudimente und Anlagen ſämmt— licher Organe ſuchen zu müſſen, war Schuld an der gänz— lichen Vernachläſſigung der für die Entwicklung des Embryo weſentlichſten, d. h. ſolcher Organe, die ſein Fötusleben unterhalten. In jedem Keime, der die verſchiedenen Phaſen der Em— bryoentwicklung durchläuft, ſind Thätigkeiten verſchiedener Art, die ſich in zwei Claſſen gruppiren laſſen, wirkſam; die einen beleben den Keim, die andern fördern ſeine Entwicklung. Wenn ſich nun dieſe Thätigkeiten in ihren Wirkungen oder Kräften vereinigen (se conkondent), ſo gilt dasſelbe von den Organen, die zu ihrer Ausführung dienen. Nun ſind aber diejenigen Apparate, welche dem Leben des vollſtändig ent— wickelten Thieres dienen, noch in der Bildung begriffen und folglich für das Leben des Thieres ſelbſt unthätig, wogegen während dieſer Periode andere Organe ſowohl zur Erhal— tung des Lebens wie zur Fortentwicklung derjenigen Appa⸗ rate thätig ſind, die erſt, wenn das Embryoleben aufhört, 16 243 ſelbſt in Wirkſamkeit treten. Es giebt aber nur einen Ap— parat, der ſowohl im Embryozuſtande als in allen ſpäteren Lebensperioden in gleicher Weiſe thätig iſt, das Nerven— ſyſtem. Im Circulationsapparate iſt nur ein einziges Organ (das Her,) in allen Entwicklungsphaſen immer vorhanden, wird jedoch nach den verſchiedenen Formen der Circulation ſelbſt vielfach verändert. Ungleich größeren Veränderungen ſind dagegen die zum Ernährungsapparate gehörenden Or— gane unterworfen. Die zur Nahrungsabſorption und Blut— bildung beſtimmten Organe des Embryos ſind von den einem gleichen Zwecke dienenden des ausgebildeten Thieres durch— aus verſchieden. So reſpirirt das Huhn während einer großen Zeit ſeines Fötuslebens durch das chorion und nimmt vom Eie ſeine Nahrung, die aus dem Eiweiß, namentlich aber aus dem Dotter beſteht; das Organ, welches dieſe Nah— rung enthält, iſt das Nabelbläschen; als Abſorptionsorgan dient ein beſonderer tranſitoriſcher Apparat, die Dotter— anhängſel. Das chorion und der Dotterſack find lange ſammt dem amnion und der Schale als Hüllen des Fötus, als Anhäng— ſel des Eies beſchrieben worden und doch ſind gerade dieſe Organe für den Embryo die wichtigſten und einzigen, mit deren Hülfe er leben und ſich entwickeln kann. Durch zahl— reiche Beobachtungen ſuchte der Verf. ſowohl ihren Bau als ihre Verrichtung aufzuklären; die vorliegende Arbeit iſt das Reſultat ſeiner Unterſuchungen. Der Verf. beſchäftigt ſich hauptſächlich mit dem Dot— terſacke und der Organiſation ſeiner temporären Anhängſel; an die Beſchreibung der Dotteranhängſel und ihrer Gefäße knüpft ſich die Abſorption der Dotterelemente, die ſchlauch— artige Beſchaffenheit des Blaſtoderms und einige allgemeine Fragen, z. B. über die Ernährung des Fötus, die Bildung des Gefäßſyſtems und die urſprüngliche Entwicklung der Gefäße. Sämmtliche Eier wurden von einer Truthenne bebrü— tet; der Verf. giebt der natürlichen Bebrütung den Vorzug vor der künſtlichen, erſtere hat jedoch das unangenehme, daß nicht alle Eier einerlei Temperatur erhalten, deshalb nicht alle auf demſelben Entwicklungsſtadio ſtehen; aus dieſem Grunde läßt ſich die Stunde, in der das eine oder andere Phänomen auftritt, nicht genau beſtimmen. Der Verf. be— merkt, wie mit dem Grade der Bebrütung die Schalenhaut an Weiße gewinnt und immer undurchſichtiger wird. Bei einem friſch gelegten Eie iſt dieſe Haut überall durchſichtig oder richtiger durchſcheinend; nach dem zweiten oder dritten Tage der Bebrütung nimmt ſchon die Durchſichtigkeit ab; am ſechsten Tage iſt die Haut weit undurchſichtiger und am achten Tage faſt ſchon ſo opak, wie am Tage, wo das Hühnchen auskroch. Dieſe Erſcheinung iſt zwar dem Grade nach veränderlich, im übrigen aber conftant; fie iſt überdies ein treffliches Erkennungsmerkmal für die Entwicklung des Keimes im Eie. Der Grund dieſer Veränderung liegt nicht, wie man vermuthen könnte, in einem Zuſammenziehen die— ſer Membran, an die ſich Kalktheilchen der Schale hängen, ſie zeigt ſich vielmehr auch am dicken Ende des Eies, wo ſich die beiden Blätter der Haut theilen, um die Luftblaſe 192. IX. 16. 244 aufzunehmen; ſowohl das innere wie das äußere Blatt ſind hier opak. Bedenkt man nun, daß dieſe Veränderung na— mentlich dann hervortritt, wenn ſich die alantois rund um das Ei herumſchlägt und die Reſpiration des Huhns be— ſonders thätig wird, ſo kann man kaum daran zweifeln, daß der beſtändige Durchgang der Luft und der Gasarten, die zur Blutbildung dienen, allmälig ein Trockenwerden die— ſer Membran und dadurch ihr Undurchſichtigwerden herbei— führen müſſen. Die Structur desjenigen Theils des Blattes der Keim— haut, aus der die Nabelblaſe und deren zahlreiche klappen— förmige Anhängſel hervorgehen, iſt bis jetzt faſt unberück— ſichtigt geblieben; nur wenige Phyſiologen haben überhaupt der Anhängſel gedacht, noch weniger aber deren Bedeutſam— keit für die Ernährung des Embryos erkannt. Malpighi gab zuerſt in ſeiner Entwicklung des Huhns eine kurze Beſchreibung und Abbildung dieſer Organe; Hal— ler, dem vielleicht nichts entgangen iſt, was mit den da— maligen Beobachtungsmitteln zu ſehen möglich war, entwarf etwa 100 Jahre ſpäter eine eben ſo genaue als ſchöne Zeich— nung des Ganzen wie der einzelnen Theile dieſer tranſitori— ſchen Organe; von Baer gedenkt dieſer Anhängſel bei den Erſcheinungen am achten oder elften Tage der Bebrütung. Die ſpäteren Embryologen haben weder über die Anordnung noch über den Bau und die Function dieſer Organe irgend etwas hinzugefügt; der Verf. geht deshalb zu ſeinen eigenen Beobachtungen über. Wenn in der Area vasculosa die Gefäße erſcheinen, ſteht man zu gleicher Zeit körnige Kugeln oder kugelige Maſſen des Blaſtoderms gewiſſe Gruppirungen eingehen und Haufen, Reihen, wie baumartige Verzweigungen bilden, die mit Lücken, Canälen, Gefäßaͤſten und Zweigen correſpondi— ren, welche den Raum zwiſchen beiden Blättern der Haut, in deren Mittelpunkt der Keim liegt, durchſetzen. Hier wird es, wie der Verf. bemerkt, gut ſein, zunächſt eine genaue Vorſtellung von dieſen kugeligen Maſſen zu er— halten und ſie mit denjenigen Maſſen zu vergleichen, welche bei der Umwandlung des Hahnentritts zum Blaſtoderm auf— treten. Während der ganze Dotter aus großen Zellen (vesi- cules) mit äußerſt dünnen Wandungen und einem ſehr fein= körnigen Inhalte beſteht, Fig. 1, wird der Hahnentritt zum größten Theil von einem Körnerhaufen mit dunklen viel brei— teren Umriſſen gebildet; die Körner ſind meiſtens in mehr oder minder große dunkle Haufen vertheilt. Mehrere durch— ſichtige Kugeln, die zum Theil eiweißartiger, zum Theil fet— ter Natur zu ſein ſcheinen, ſind zwiſchen die Körnerhaufen vertheilt; einige bilden den Mittelpunkt der kleinen zu einer Gruppe gehörenden Maſſen. Ein wenig ſpäter umkleiden ſich dieſe Kugel- und Kör— nerhaufen mit einer häutigen Coagulation, ſie bilden Bläs— chen, die ſehr wichtig werden, weil ſich durch ſie die ſchlauch— artige oder zellige Organiſation der Blätter des Blaſtoderms entwickelt. Dieſe Bläschen ordnen ſich in mehr oder minder dicken Lagen reihenweiſe neben einander; ihr Inhalt löſ't ſich auf und wird allgemach reſorbirt, ſo daß zuletzt nur 245 die häutige Wandung zurückbleibt; dieſe plattet ſich ab und wird zu einer Zelle des Blaſtoderms, in deren Mittelpunkte noch Spuren einer Zellkernmaſſe, um welche ſich die oben beſchriebenen Kugeln und Elementarkörner entwickelt hatten, zu bemerken ſind. Fig. 2 und 3 giebt ein Bild dieſer ver— ſchiedenen Elementartheile; das Wort Zellkern und Zellkern— maſſe wird vom Verf. immer nur im Sinne Schwanns gebraucht. Während der Primitioſtreifen auftritt und ſich um ſel⸗ bigen im Laufe der Entwicklung die erſten organiſchen Stoffe des Keimes anhäufen, erfolgt die Reſorption des Inhalts dieſer Zellen mit ſolcher Schnelligkeit, daß um den Embryo alsbald ein durchſichtiger Raum, den man die area lucida nannte, entſteht. Derſelbe Proceß dauert noch weiter fort; um alle neuen Phaſen dieſer Zellenbildung zu ermitteln braucht man nur verſchiedene Punkte der Haut, aus welcher nunmehr das Blaſtoderm beſteht, von dem durchſichtigen Fruchthofe bis zu dem Umkreiſe, der ihn begrenzt und bis in die Halonen, wo ſich die Elemente dieſer Organiſation vorzubereiten ſcheinen, zu verfolgen. Man trifft außerdem im Hahnentritte noch einige an— dere minder zahlreiche, nur mit einem Zellkern, der nicht immer einen nucleolus zeigt, verſehene Bläschen; ſelbige find mit einer durchſichtigen Flüſſigkeit erfüllt und häufig nur Über⸗ gangsſtufen der erſtgenannten Zellen, deren feſterer Inhalt ſich aufgelöſ't hat und reſorbirt iſt, die aber noch nicht zuſam⸗ mengefallen ſind. Man darf dieſelben nicht mit den Zellen, die in der Dotterhöhle vorkommen und auch hier mit ihnen vermengt fein können, verwechſeln. In letzterer Höhle (la- tebra vitelli) und in allen nur mit einem durchſichtigen Stoff erfüllten, mit dieſer Dotterhöhle communicirenden Theilen des Eies findet man Zellen von ſehr verſchiedener Ausdeh— nung, die alle aus einem Zellkern mit oder ohne nucleolus und einer Membran, welche ſich um erſteren bildet und all— mälig durch eine klare Flüſſigkeit von ſelbigem getrennt wird, zu beſtehen ſcheinen, bisweilen auch einige, in ihrem flüſ— ſigen Inhalte zerſtreute, oder um den Zellkern angeordnete Körnchen enthalten. Dieſe Zellen ſcheinen dem Verf. nur Übergangszuſtände der großen Dotterzellen zu ſein, die ſich wahrſcheinlich in analoger Weiſe bilden. Der Verf. will ſich indes nicht all zu weit vom Wege verlieren, hält es je— doch für nöthig, auf die Verſchiedenheit beider Zellenarten aufmerkſam zu machen, weil Reichert anzunehmen ſcheint, daß die in der Dotterhöhle vorhandenen Zellen für die Bil— dung des Blaſtoderms von großer Bedeutung ſind, ja aus ihnen ſelbſt die Zellen des Blaſtoderms entſtehen. Wenn man die Entwicklungsgeſchichte des Dotters im Eierſtocke kennte, würde auch dieſe Frage zu entſcheiden ſein. Die Elemente des Hahnentritts zeigen außerdem noch einige nicht unintereſſante Eigenthümlichkeiten: ſo ſieht man häufig einige der vorhin beſchriebenen Kugel- und Körner— haufen ſowohl frei als von einer Zelle umſchloſſen, am Rande gefurcht oder mit Eindrücken verſehen, Fig. 3 a, b, od. In dieſem Zuſtande erinnern ſie an den Dotter vieler Thiere in dem Moment, wo ſich derſelbe zuſammenzieht, zähe wird und die Theilung, welche dem Auftreten der zahlreichen Ent— 192. IX. 16. 246 wicklungsphaſen, die der Bildung des, häutigen Blaſtoderms vorangehen, erfolgt. Dieſe äußere Ahnlichkeit ſcheint dem Verf. noch kein Beweis für eine dem Furchungsproeeſſe des Dotters der meiſten Thiere analoge Entwicklungsweiſe zu ſein; er betrachtet ſie als unweſentlich. Die Körner und Kugeln, die mit einander den Hahnen— tritt des noch nicht bebrüteten Eies bilden, ordnen ſich in kleine Maſſen; dieſe Häufchen erhalten eine ſie umkleidende Membran und werden Zellen; der Inhalt der letztern wird zur Ernährung des Embryos reſorbirt, die Zellen ſinken zus ſammen, ihre Wandungen verkleben, während ſich auf ihrer Oberfläche und in ihrem Umkreiſe neue Körnerhaufen bil— den. Dieſer Art ſind die Elemente, die ſich längs den erſten Gefäßen des Gefäßhofes anordnen: ſo entſteht das Blaſto— derm, das nach und nach einen immer größeren Theil der Dotterkugel mit einer fortlaufenden Membran umgiebt. Der Durchmeſſer der Körnerhaufen und der Bläschen, die ihnen folgen, ſteigt in dem Gefäßhofe eines zweitägigen Embryos nicht über 16/490 Millim.; die Zellen, die aus den verklebten Bläschen, die nach der Reſorption ihres Inhaltes etwas zuſammengeſchrumpft ſind, hervorgingen, meſſen nicht über %% bis 100 Millim.; ihr Zellkern mißt nur ¼00 bis ¼00 Millim. im Durchmeſſer. Die Zellen dieſer Epoche ſind ſchon bedeutend größer wie die, welche ihnen voraus— gingen und zur erſten Bildung des Blaſtoderms beitrugen; die noch ſpäter verſchiedenen Zellen werden größer wie die, welche die Gefäße des Dotterſackes bekleiden. Hier entwickeln ſich demnach auf gleiche Weiſe Elementarzellen, deren Größe der Funetion, die ihnen obliegt und dem Volum des Or— gans, zu deſſen Bildung ſie beitragen, verſchieden iſt. Die erſten Gefäße entwickeln ſich zwiſchen den beiden Blättern des Blaſtoderms. Durch endosmotiſche Wirkung ſcheint eine noch farbloſe Flüſſigkeit zwiſchen beide Blätter zu dringen, ſie von einander zu löſen und, indem ſie ſich an gewiſſen Stellen ſammelt, höchſt unregelmäßig angeord— nete Seen und Canäle von verſchiedener Ausdehnung zu bil— den. Dieſe kleinen Seen und Canäle verlängern ſich, ihr bisher getrennter flüſſiger Inhalt vermiſcht ſich da, wo zwei oder mehrere derſelben auf einander ſtoßen: ſo entſteht zuerſt in den betreffenden und bald darauf in allen Canälen eine Circulation. Zur ſelben Zeit bilden ſich in den, nicht mit der Flüſſigkeit, die ſich bald in Blut umwandelt, erfüllten Zwiſchenräumen Zellen; noch andere entſtehen um die Ca— näle oder kleinen Seen, ſchließen dieſelben ab und werden ſpäter die eigentlichen Wandungen der Gefäße. Der Verf. will dieſe Verhältniſſe nur kurz beleuchten, um in einer künftigen Arbeit ausführlicher von ihnen zu handeln, kann jedoch nicht umhin, ſchon hier die folgenden drei Schlüſſe zu ſtellen: 1) wenngleich es vorkommen mag, daß ſich durch ein Aneinanderreihen der Zellen und durch Reſorption der ſich berührenden Scheidewände Gefäße bilden, ſo iſt dieſer Fall doch ungleich ſeltener, wie er von Schwann angenommen wird und keinesweges die allgemeine Weiſe ihrer Bildung; 2) noch weniger entſtehen die Gefäße, wie es neuerlich von Kölliker bei den Batrachiern . ward, durch 6 * 247 eine Entwicklung ſternförmiger, den Pigmentzellen ähnlicher Zellen, deren Verlängerungen mit einander anaſtomoſiren; 3) giebt es nicht, wie angegeben wird, ein urſprüng⸗ liches Gefäßblatt, d. h. eine zwiſchen dem ſeröſen und mu— cöſen Blatt des Blaſtoderms befindliche Hautſchicht. Nach Prevoſt und Lebert ſoll ein ſolches Blatt vor dem Auf— treten der Gefäße vorhanden ſein, ſich aber an beſtimmten Stellen in zwei ſecundäre Schichten ſpalten und auf dieſe Weiſe die Gefäße bilden; je nach der Größe der Zwiſchen— räume, wo beide Schichten nicht getrennt ſind, ſoll ſich die Weite der Gefäße richten. Zwiſchen den beiden Blättern des Blaſtoderms iſt aber nur ein organiſirbares Plasma, eine Flüͤſſigkeit mit fortbildungsfähigen Zellen vorhanden. Das Auftreten der Gefäße ſelbſt beſtimmt die Organiſation des Gefäßblatts, nicht aber das letztere die Bildung der Gefäße; das Gefäßblatt iſt demnach nicht früher, ſondern ſpäter wie die Gefäße entſtanden. Die erſten Beobachter, welche dieſes Phänomen beſchrieben, Pander und von Baer ſtimmen im weſentlichen mit dem Verf. überein. Die in dem Gefäßhofe wie in dem durchſichtigen Hofe ſich bildenden Gefäße richten ſich ſogleich nach vier Haupt— punkten; zwei dieſer Hauptpunkte liegen an den Endpunkten des Embryos, die beiden anderen zu beiden Seiten desſelben. Die beiden erſten erzeugen zwei Venen, eine obere und eine untere, die im Herzſinus zuſammentreffen; die letzteren zwei Arterien: ſo entſteht die erſte Circulation. Während dies geſchieht, iſt die ganze innere Oberfläche des Gefäßhofes mit kugeligen Maſſen und körnigen Zellen bedeckt, während der helle Hof keine ſolche enthält; dieſer Inhalt verdunkelt das Gefäßfeld und macht die Beobachtung des Blutlaufs ſo ſchwierig. Die Körnerzellen (vesicules agminées), die Kür: ner⸗ und Kugelgruppen find längs des Gefäßcanals und ihrer Verzweigungen haufenweiſe angeordnet. Ihr Durch— meſſer beträgt, wie ſchon erwähnt, 0%00 bis 15/4, Millim., Fig. 2. ; So iſt das Blaſtoderm am Ende des zweiten und wäh— rend des dritten Tages der Bebrütung beſchaffen. Während des vierten Tages beginnen die Gefäße an die innere Ober— fläche der Membran hervorzutreten; die Arterien treten da— bei faſt in demſelben Grade als die Venen vor, was ſich vielleicht dadurch erklären läßt, daß einige der letzteren viel ſpäter als die Arterien entſtanden ſind. Die beiden ur— ſprünglichen Venen, welche die erſte Circulation einleiteten, haben bereits ausgedient und find durch die venae omphalo- mesentericae, die über den Arterien gleiches Namens ent— ftanden find, erſetzt worden; mit dem Verlöſchen der erſten Circulation iſt ſomit eine zweite Circulation entſtanden. Bald darauf, nämlich am fünften Tage, ragen die Ve— nen an der Oberfläche des innern Blaſtodermblattes deutlich in den Dotter hinein. Wenn man jetzt dieſe Gefäße ab— 192. IX. 16. 248 löſ't und in Waſſer abſpült, fo trennen ſich die fie um⸗ gebenden Kugeln und man findet an einzelnen Punkten wahre Knoſpen, die Anfänge neuer Gefäße, Fig. 4. (Schluß folgt.) Miſcelle. 36. Das Himalayagebirge iſt nach Major Maddens Bericht in No. 18 des Journal of the Asiatic-Society of Bengal, der Cultur unfähig. Der Boden iſt im allgemeinen, mit Ausnahme der niedrigen Thaler, in denen ein Europäer nicht leben kann, ſteril, zudem ſchon häufig von den Eingebornen in Beſitz genommen und durch unzweckmäßige Behandlung erfchöpft; letztere würden nur mit äußerſtem Widerſtreben den aus Europa einwandernden dieſen Boden abtreten. Die üppigen Wieſen längs der Schneeregion lie⸗ gen für den Anſiedler zu hoch; ihr Klima iſt auch zu kalt, um das Getraide reifen zu laſſen. Die Gegend iſt überdies nichts weniger als geſund, unter den Eingeborenen ſieht man überall jämmerliche Geſchöpfe; in einer Höhe von 5500 bis 6000 Fuß erkranken zumal die Europäer. Vom April bis October brennt die Sonne auf allen Höhen von 9 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags in einer fol: chen Weiſe, daß ſich ein Europäer nicht ungeſtraft ihren Strahlen ausſetzen darf. In einer Höhe von 7500 Fuß gleicht allerdings die mittlere Jahrestemperatur dem Klima von London, aber ſchon der Umſtand, daß nur wenige in dieſen Höhen einheimiſche Bäume einen engliſchen Winter ertragen, deutet auf eine ganz andere Ver⸗ theilung der Wärme und Feuchtigkeit. Dr. Royle's Beobachtun⸗ gen zeigen, daß von Norden nach dem Aquator vorrückend, die Sonne im erſten Monat 12°, im zweiten 8° und im dritten nur 3½ durchläuft, und daß deshalb durch das längere Verweilen der Sonne und die größere Länge des Tages die Hitze des Wende- kreiſes bedeutender wie die der Aquatorialgegend iſt, indem die Sonne hier nur etwa 6 Tage lang einen verticalen Stand ein⸗ nimmt, unter dem Wendekreiſe aber nahebei 2 Monate ſenkrecht ſteht. — Nun iſt die Entfernung des Himalaya vom nördlichen Wendekreiſe nicht groß, namentlich an der Südſeite fallen deshalb die Sonnenſtrahlen faſt ſenkrecht mit einer unerträglichen Kraft herab, die letztere vermehrt ſich, je höher man ſteigt, man ver⸗ ſengt, indem man den Gletſcher hinanklimmt. — ährend 8 bis 9 Monaten iſt der Himmel am Himalaya faſt unausgeſetzt heiter und unbewölkt, die Atmoſphäre äußerſt trocken; wer aus Englands Nebelatmoſphäre kommt, wird dieſen Unterſchied nur zu empfindlich merken. Sowie die Sonne in den Wendekreis des Krebſes tritt, beginnt die 3 Monate dauernde Regenperiode; die bis dahin trockene Luft füllt ſich plötzlich mit Waſſerdünſten, die Sonne iſt dabei ſo ſtechend, daß ſie ſelbſt Ochſen niederwirft. Während dieſer Zeit leidet man innerhalb 12 Stunden bald von der fürchterlichſten Hitze, bald von der bitterſten Kälte. Dieſer plötzliche Temperatur- wechſel beſchränkt ſich nicht allein auf die engen Thäler, ſondern gilt in gleicher Weiſe von den Hochebenen. Für dieſe Regenzeit iſt deshalb kaum eine paſſende Kleidung zu finden; die Thäler ſind übrigens noch ungeſunder als die Höhen. — Der Verf. ſchließt ſeine Schilderung mit der Bemerkung, daß es ihm durchaus un⸗ thunlich ſcheint, den Himalaya von Europa aus zu bevölkern, keine europäiſche Colonie wird dort jemals gedeihen, keine jemals ihre Rechnung finden; ſchon die Entfernung vom Meere, der faſt gänz⸗ liche Mangel aller Landſtraßen und die geringen Hülfsquellen des Landes, die ſich ſchwerlich vermehren laſſen, machen, von dem tödt⸗ lichen Klima abgeſehen, eine Anſiedelung in dieſem Lande nichts weniger als rathſam. .. Notizen MRN2192 oder N°16 des IN. Bandes. * N RR 249 192.. IX. 16. 1 [271 — Heilkunde. (XXXIII.) über die Verhütung des Scorbuts in Gefängniſſen, Armenirrenhäuſern u. ſ. w. Von Dr. William Baly. Zum Beweiſe der kräftigen antiſcorbutiſchen Wirkſamkeit der Kartoffel wird folgendes angeführt. Im Frühlinge 1840 fand ich, daß Scorbut ziemlich häufig bei einer Claſſe von Gefangenen im Milbank-Gefäng⸗ niſſe, nämlich bei den Militärgefangenen, vorkomme, während derſelbe bei der weit zahlreicheren andern Claſſe der Ver— urtheilten niemals geſehen wurde. Dieſer Umſtand führte mich zu einer Vergleichung der für die verſchiedenen Claſſen der Gefangenen gebräuchlichen Koſt, woraus denn hervorging, daß die Militärgefangenen eine Nahrung bekamen, von wel— cher ſaftige Vegetabilien faſt ganz ausgeſchloſſen waren, wäh: rend die anderen Gefangenen dieſe Koſt reichlich erhielten. Folgendes war die wöchentliche Koſt der Militärge— fangenen: Die eriten Die folgenden über 3 Monate 3 Monate 6 Monate Brot at: 10½ @ 10 ½ & 10½ @ Fleiſchchhche 12 Unzen 18 Unzen 24 Unzen Haferſchleim 17 Pinten 15 Pinten 14 Pinten Reißſuppe ohne 2 2 2 Vegetabilien . A A 4 Erbſenſuppe mit 1 1 Vegetabilien . 15 4 4 Kartoffellnn — „ — „ 5 Kl Die wöchentliche Diät der anderen Gefangenen war: Männer Frauen i ee 11 c 8 @ 10 Unzen ak ie ee 20 Unzen 16 Unzen er er , ZINN Haferſchleinwm 11 Pinten 7 Pinten Fleiſchbrühe NN — „ Wit . „ al e L. , 5¼ Erbſenſuppe mit Vege⸗ ren 1 innen; \ zur 8 enn 3675 5 K* Zwie bern 7% 19 Faſt alle Fälle von Scorbut kamen bei den Soldaten vor, welche die zweiten 3 Monate ihrer Gefangenſchaft im Gefängniſſe zubrachten. Während dieſes Zeitraumes ihrer Gefangenſchaft hatten, wie obige Tabellen zeigen, die Soldaten nicht nur faſt eben ſo viel animaliſche Koſt als die anderen Gefangenen, Männer wie Frauen, ſondern auch ebenſoviel Suppe, mit Vegetabilien gemiſcht, wie die weiblichen Ge— fangenen, welche, obwohl weit länger im Gefängniſſe, doch von Scorbut frei waren. Dieſes Freiſein der Gefangenen von der Krankheit konnte daher nur dem Umſtande zugeſchrieben werden, daß ſie wöchentlich 5 Pfd. Kartoffeln und eine Zwiebel erhielten. Um den Militärgefangenen mehr vegetabiliſche Nahrung zukommen zu laſſen, wurde auf meinen Vorſchlag im Winter 1840 — 41 die Reißſuppe, welche keine friſchen Vegetabilien enthielt, mit der mit Vegetabilien gemiſchten Erbſenſuppe vertauſcht. Die Quantität der ſaftige Vege— tabilien enthaltenden Suppe wurde für dieſe Claſſe von Ge— fangenen auf 3 Pinten wöchentlich erhöht, alſo eine größere Menge, als die anderen Gefangenen erhielten. Dennoch zeigte ſich noch der Scorbut unter ihnen. Im Jahre 1840 wurden 9 an Scorbut leidende Soldaten in das Hoſpital aufgenom- men, 1841 wurden 10 eingebracht. Ich ſchlug nun vor, daß die Soldaten, ebenſogut wie die übrigen Gefangenen, 1 Pfd. Kartoffeln zu jeder Fleiſchmahlzeit haben ſollten, 11 2 Pfd. in den erſten 3 Monaten ihrer Gefangenſchaft, 3 Pfd. in den zweiten 3 Monaten, und 4 Pfd. nach 6 Mo- naten. Dieſe Anderung in der Diät der Militärgefangenen wurde im Januar 1842 vorgenommen, und ſeitdem iſt kein einziger Fall von Scorbut vorgekommen. Einen genügenden Beweis für den Einfluß der Kartoffeln, den Organismus vor dem Scorbut zu ſchützen, liefert die frühere Geſchichte des Gefängniſſes. Im Jahre 1822 wurde die Diät der Gefangenen dahin verändert, daß die Quantität der zur Suppe verbrauchten Vegetabilien erhöht, die früher verabreichten 6 Pfd. Kartoffeln gänzlich weggelaſſen wurden. Bis dahin hatte ſich nie Scorbut im Gefängniſſe gezeigt, aber in dem darauf folgenden Herbſte litt die Geſundheit der Gefangenen bedeutend. Im Februar 1823, 6 Monate nach jener Anderung der Diät, zeigten ſich Spuren von Scorbut, und Anfang März war die Hälfte der Gefangenen (858) davon ergriffen. Das Übel wurde ſchnell durch die von Dr. Latham und Dr. Roget angenommene Behandlungs— art beſeitigt. Jeder Gefangene erhielt außer der gewöhnlichen Nahrung täglich 3 Orangen. Bei der Unterſuchung des Gefängniſſes vom 12. bis 19. März fand man das Ausſehen der Ge— fangenen im allgemeinen merklich gebeſſert. Bei der allge— meinen Unterſuchung des Gefängniſſes vom 31. März bis zum 4. April fand man nicht mehr als 50 Individuen von beiden Geſchlechtern, bei welchen noch eine Spur von Scorbut übrig geblieben war, und zwar bei der Mehrzahl ſo leicht, daß ſie kaum entdeckt werden konnte. Die Koſt der Gefangenen enthielt ſeit dieſer Zeit eine hinlängliche Menge Kartoffeln, und Scorbut hat ſie nie wieder befallen, obwohl andere Krankheitsformen, wie Typhus, Dysenterie und nervöſe Affectionen, oft wieder erſchienen. Aus den Berichten über die Gefängniſſe geht hervor, daß in denjenigen, in welchen Kartoffeln gar nicht oder nur ſehr ſelten dargereicht wurden, der Scorbut eine herrſchende Krank— heit war, während die Gefängniſſe, in denen eine hinlängliche Menge Kartoffeln verabreicht worden, ganz davon frei blieben. In mehreren Gefängniſſen verſchwand der Scorbut gänzlich, ſo wie nur mehrere Pfunde Kartoffeln der wöchentlichen Diät 251 192. hinzugefügt wurden. (Im Originale werden die einzelnen Gefängnißberichte aufgeführt.) Aus allem dieſem geht hervor, daß, da andere ſaftige Vegetabilien verhältnißmäßig koſtſpielig und ihre Anſchaffung ſchwierig iſt, in allen Gefängniſſen, Arbeitshäuſern, Armen— irrenhäuſern und ähnlichen Inſtituten, Kartoffeln in gehöriger Menge einen Theil der Koſt ausmachen müſſen. Eine Betrachtung der chemiſchen Analyſe der Kartoffel erklärt die antiſcorbutiſche Kraft derſelben. Die verſchiedenen Früchte, ſucculenten Wurzeln und Kräuter, welche die Eigen— thümlichkeit haben, Scorbut zu verhüten und zu heilen, ent— halten alle eine in ihren Säften aufgelöſ'te organiſche Säure oder deren mehrere, wie Citronen-, Weinſtein- und Apfelſäure. Zuweilen ſind dieſe Säuren im freien Zuſtande vorhanden, meiſt aber ſind ſie mit Kali oder Kalk oder mit dieſen beiden Baſen verbunden. Nun ſind Kartoffeln einer ſehr genauen chemiſchen Unterſuchung von Einhof und Vauquelin unterworfen worden, und beide Chemiker haben gefunden, daß ſie eine vegetabiliſche Säure in beträchtlicher Quantität enthalten. Nach Einhoff (Gehlens Journal, Bd. 4. ©. 455) iſt dieſe Säure Weinſteinſäure, verbunden mit Kali und Kalk. Nach Vauquelin (Journal de Physique, T. LXXXV. p. 113) iſt es Citronenſäure, zum Theil verbunden mit jenen Baſen, zum Theil in freiem Zuſtande. Die mehligen Samen, wie Weizen, Gerſte, Hafer und Reiß, welchen die antiſcorbu— tiſche Kraft fehlt, enthalten keine organiſchen oder vegeta— biliſchen Säuren. (London med. Gazette, Febr. 1843.) (XXXIV.) Ein fremder Körper in der Speiſe⸗ röhre veranlaßt eine Offnung nach der trachea. Von Rob. Paterſon. Fremde Körper, die ein Mal bis unter den constrictor pharyngis gelangt ſind, bleiben in der Speiſeröhre nicht ſtecken, außer wenn ſie durch vorſpringende oder ſcharfe Ecken darin feſtgehalten werden; die Größe der fremden Körper iſt in dieſer Beziehung von geringerem Einfluſſe als die Geſtalt. Sind die Ränder und Winkel ſcharf, ſo bohren ſie ſich ein, veranlaſſen Erulcerationen und bilden Offnungen nach andern benachbarten Organen. Dr. Duncan erzählt (Edinb. Med. and Surg. Journ. May 1844) einen Fall, wo ein Gold— plättchen mit 2 falſchen Zähnen hinuntergeſchluckt wurde, Ulcerationen e und endlich den arcus aortae öffnete. Die untere Offnung des pharynx iſt übrigens bei ver— ſchiedenen Perſonen von ſehr verſchiedener Weite; einzelne Perſonen verſchlucken große Körper ohne Schwierigkeit, wäh— rend bei anderen erwachſenen Perſonen ſchon mäßige Münzen, Knöpfe u. dgl. ausgezogen werden mußten. Körper mit rauhen oder winkeligen Rändern ſind aber weit gefährlicher, ſie bleiben in den Falten des Schlundkopfs, oder in dem constrietor pharyngis inferior oder in irgend einer Stelle der Speiſeröhre ſtecken; die eckigen Ränder gleiten nicht über die Schleimhaut hin; dann ſchwillt dieſe entzündlich an und durch die Muskelcontraction wird der fremde Körper nun immer feſter eingedrückt und giebt endlich Veranlaſſung IX. 16. 252 zu bedenklichen Offnungen und weitern Folgen. hört folgender Fall. Ein kräftiges 6jähriges Mädchen ſpielte im November 1847 mit mehreren andern Kindern mit zinnernen Spiel⸗ ſachen, worunter kleine Schüſſelchen, Täßchen ꝛc. mit abge⸗ rundeten, aber zahnartig eingebogenen Rändern waren. Die Kleine nahm ein kleines Saucennäpfchen in den Mund, er— hielt einen Stoß unter das Kinn und verſchluckte das Näpf— chen. Sie lief gleich, ſagte es ihren Eltern und es wurde nach einem Arzte geſchickt. Noch ehe dieſer kam, ſtellte ſich Erbrechen ein, bei Unterſuchung des Schlundes wurde nichts gefunden, das Kind erhielt daher ein Brechmittel, welches raſch wirkte. Das Kind aß nachher ohne Beſchwerde, und gegen Abend erzählte es ſeiner Mutter, jetzt glaube es, daß das Schüſſelchen vollends hinunter gegangen ſei, wenigſtens habe ſie ſo etwas gefühlt. Es folgten einige fieberhafte Tage, der Hals blieb aber frei, das Kind ſchluckte ohne Beſchwerde und klagte nur über etwas Empfindlichkeit in der Magen⸗ grube; dies ſchrieb man der Einwirkung des fremden Körpers zu, der vielleicht in dem Zinkamalgam auch etwas Arſenik enthalten konnte. — Vier Monate lang befand ſich nun das Kind ganz wohl, war munter, ging in die Schule und aß mit Appetit und ohne Beſchwerde. Mit den Stuhlausleerungen, welche immer unterſucht wurden, war der fremde Körper nicht abgegangen. Am 22. Febr. 1848 bekam das Kind plötzlich einen Croup-Anfall mit Fieber. Die Symptome waren charak⸗ teriſtiſch. Es wurden Blutegel, Brechmittel und ein warmes Bad angewendet und ein Blaſenpflaſter gelegt, worauf die Croup⸗Symptome ſich verloren. Am zweiten Tage erſt wurde ich davon in Kenntniß geſetzt, daß das Kind aushuſtete, was es hinunterzuſchlucken verſuche; dies ſchrieb ich erſt der Entzündung am oberen Theile des larynx zu; Tags darauf aber ſah ich ſelbſt, wie das Kind feſtes und flüſſiges zu ſchlucken verſuchte; es geſchah dies mit einer gewiſſen Haſt, ſobald aber die Subſtanzen einen gewiſſen Punkt erreichten, entſtand Huſten und es folgte ſofort Auswurf von einem Mund voll der verſchluckten Speiſen. Obwohl die Sym— ptome des Croups ganz verſchwunden waren und Athem und Stimme frei und ohne alle Rauhigkeit war, ſo blieb der Puls doch beſchleunigt und die Haut heiß. In und am Halſe konnte bei genauer Unterſuchung auch nicht das mindeſte ungewöhnliche bemerkt werden. — Bei einer Conſultation wurde, nachdem auch durch Einführung des Fingers nichts zu ermitteln geweſen war, eine Schlundröhre eingeführt; dieſe drang leicht bis zu einer gewiſſen Tiefe ein, wurde aber dann plötzlich angehalten und als ſie dennoch ſanft vorwärts gedrückt wurde, jo drang Luft aus der Röhre her- vor. Danach war nicht mehr zu verkennen, daß eine Offnung zwiſchen dem oesophagus und der trachea vorhanden ſei; doch war nicht zu ermitteln ), ob dieſe von einer einfachen Ulceration oder von einem fremden Körper herrühre; die einzige Indication, die hiernach blieb, beſtand in Erleichterung DA Reizung und Unterftügung der Kräfte der kleinen Kranken. ») Wäre eine metallene Sonde eingeführt worden, fo würde das wohl moglich geweſen ſein. D. Überſ. Dahin ge⸗ 253 Deswegen wurden nährende Klyſtiere mit kleinen Gaben Morphium wiederholt angewendet, während auch nicht ein Biſſen Speiſe oder ein Tropfen Getränk hinuntergebracht wurde. Anfangs ſchien das Kind gut ernährt zu werden, aber bald ſanken die Kräfte und es trat raſche Abmagerung ein. Der Tod erfolgte durch Erſchöpfung, ruhig, am 20. März 1848, alſo 26 Tage nach dem Croup-Anfalle und ziemlich 5 Monate nach dem Verſchlucken des fremden Körpers. Die Section ergab, daß der fremde Körper 5 Zoll in der Speiſeröhre hinabgegangen war und hier in einer Offnung zwiſchen Speiſeröhre und trachea ſtack. Der oesophagus wurde von hinten geöffnet. Bima glottidis und Obertheil der trachea waren ganz normal; eine kurze Strecke in der Speiſeröhre hinab fand ſich der fremde Körper, von welchem etwa ¼ in eine Geſchwürſpalte hineinragte, die in die trachea führte. Die Spalte war 1 ½ Zoll lang und hatte entzündete Ränder; die Schleimhaut um den fremden Körper herum war überall mehr oder minder entzündet und die Speiſeröhre unterhalb war viel enger als oberhalb. — Das Zinnnäpfchen war mit ſeiner Höhlung nach oben gerichtet, füllte die Speiſeröhre ganz aus und lag ſo, daß wenn man Flüſſigkeit in ſeine Höhlung ſchüttete, dieſe ſogleich nach der trachea abfloß. Die innere Fläche des Näpfchens war ineruftirt und nament- lich am unterſten Theile mit einem weißen, kreideartigen Niederſchlage überzogen, ſehr ähnlich den phosphatiſchen Urin— niederſchlägen. Die Wirkungsweiſe des fremden Körpers braucht nicht beſonders erklärt zu werden; wir übergehen des Autors Re— flerionen darüber und, bemerken nur, daß er ſelbſt an— führt, daß man auf zwei Wegen das Kind hätte retten können, entweder dadurch, daß man mit einer Ofophagus- zange eingegangen wäre und den fremden Körper ausgezogen hätte, oder dadurch, daß man die Oſophagotomie ausgeführt hätte, wenn erſtere Operation nicht von Erfolg geweſen wäre. (Edinb. Med. and Surg. Journal, January 1849.) (XXXV.) Erfolgreiche Anwendung des Aconitin bei neuralgia facialis. Von Dr. W. P. Brookes. Fräulein N., 17 Jahre alt, von nervöſem, hyſteriſchem Temperamente, litt ſeit mehreren Monaten an heftigen Schmerz- anfällen in der linken Geſichtshälfte. Jetzt klagt ſie über einen Schmerz, welcher ſich über die ganze linke Seite des Geſichtes verbreitet, indem er gerade unterhalb der Augen— höhle beginnt und bis zu den Naſenflügeln und zur Ober- lippe hin ſchießt. Die linke Seite der Lippe iſt ſehr nach oben gezogen. Der Schmerz iſt nicht von der geringſten an— dauernden Entfärbung der Haut begleitet, aber beim Beginne eines jeden Parorysmus wird die Haut der afficirten Seite weiß, während die der andern Seite ihre normale Färbung beibehält. Dieſes Weißwerden der Haut ift von einer Em- pfindung begleitet, als ob kaltes Waſſer an der Backe herab- fließe; der Puls iſt in dieſer Periode etwas intermittirend. Selbſt ein leichter Fingerdruck verurſacht heftigen Schmerz, 192. IX. 16. 254 auch iſt die affieirte Seite etwas angeſchwollen. Zuweilen hat die Kranke mehrere Anfälle an einem Tage, zuweilen aber tritt eine Intermiſſion von 8—14 Tagen ein. Sobald fie ſich nur im geringſten erkältet, ift fie ſicher, daß die Anfälle eintreten werden. Wenn fie in ihrer größten Intenſität aufs treten, ſo wird ſie gewöhnlich hyſteriſch, und eine Rigidität des Halſes und der Arme erfolgt. Während dieſer Paroxys⸗ men enthält ſie ſich zu ſprechen oder feſte Nahrung zu ſich zu nehmen, da beides heftige Schmerzen verurſacht. Die Functionen der Verdauungsorgane ſcheinen nicht geſtört zu ſein, und das Allgemeinbefinden iſt befriedigend. Belladonna, Veratrin, Strychnin und Jod wurden ins⸗ geſammt ohne Erfolg angewendet. Ein Blaſenpflaſter im Nacken verſchaffte auf einige Zeit Ruhe, aber nach wenigen Stunden kehrten die Symptome mit ihrer urſprünglichen Hef— tigkeit wieder. Chinin und andere nervina halfen gleichfalls nichts. Endlich entſchloß ich mich, Aconitin und zwar in folgender Formel anzuwenden: R Aconitini gr. ij. Spir. vini rectilicat. q. s. ut f. cum Axung. porc. Zij Unguentum D. S. eine Erbſe groß während des Anfalles in das Geſicht einzu- reiben. Die Application der Salbe verurfachte eine ſtechende Empfindung in der Haut, und nach wenigen Verſuchen nahmen die Anfälle ſowohl an Häufigkeit als an Heftigkeit ab. Das Mittel wurde faſt 3 Monate hindurch 6 Mal und öfter täglich mit entſchiedenem Erfolge angewendet, und dann in längeren Zwiſchenräumen applieirt. Der Schmerz iſt jetzt faſt ganz verſchwunden und tritt nur nach Erkältung wieder ein. Sobald er wieder erſcheint, wendet ſie die Salbe an, die augenblicklich Erleichterung verſchafft. (Lancet. Jan. 1844.) (XXXVL) über die Geſundheit der Tabaks⸗ arbeiter. Von Simeon. In Frankreich hat die Regierung das Tabaksmonopol und beſchäftigt 5000 Arbeiter dabei. Aus dem dem Miniſter der öffentlichen Bauten überreichten Berichte geht hervor, daß die Beſchäftigung mit dem Tabake nicht nur nicht ſchäd⸗ lich iſt, ſondern daß ſogar diejenigen, welche dieſelbe betreiben, weniger als andere den vorherrſchenden Epidemien, und ſelbſt der Schwindſucht, unterworfen ſind. So wurden zu Morlair, wo eine epidemiſche Ruhr unter den Einwohnern wüthete, nur 1 — 2 von derſelben befallen, und dieſe führten einen ausſchweifenden Lebenswandel; ſie genaſen jedoch. Zu Lyon, wo das Typhoidfieber ſtark herrſchte, wurde nicht einer wäh— rend des Jahres 1842 befallen. Dasſelbe war in Tonneins der Fall, wo die Influenza 1 auf je 25 Einwohner befiel. Von 286 bei der Tabaksfabrication beſchäftigten Arbeitern wurden nur 2 von der Krankheit ergriffen. 255 Was die Schwindſucht betrifft, ſo ſind die Thatſachen in Bezug auf das Freiſein der Arbeiter von derſelben auf— fallend. Dieſes iſt um ſo bemerkenswerther, als die Ver— fertiger des Schnupftabaks fortwährend eine mit Tabaks— ſtaub geſchwängerte Atmoſphäre einathmen. Dieſe Leute leiden daher oft an Katarrhen, welche aber gewöhnlich leicht ſind und bald beſeitigt werden. Wenn ſie häufig davon befallen werden oder urſprünglich eine ſchwache Bruſt haben, ſo kom— men zuweilen organiſche Veränderungen der Athmungs— organe vor, was aber keineswegs gewöhnlich iſt. Die an— gegebenen Thatſachen ſcheinen der Theorie zu widerſprechen, daß Tabaksarbeiter der Schwindſucht unterworfen ſind, und ſie beweiſen im Gegentheil, daß jene dieſer Krankheit weniger ausgeſetzt find, als die Einwohner des Diftriets, in welchem ſie leben. : Zu Bordeaur ift Schwindſucht felten unter den Arbeitern, und wenn ſie vorkommt, fo macht fie weniger ſchnelle Fort— ſchritte als bei anderen. Zu Havre, wo Phthiſis die Be— wohner deeimirt, iſt fie fo ſelten bei den Tabaksarbeitern, daß bis jetzt noch kein Fall beobachtet worden iſt. In Straß— burg iſt noch keine Schwindſucht bei den Arbeitern beobach— tet worden, wiewohl ſie unter ihren Familien vorkommt und in der Stadt vorherrſcht. In Morlaix und Lille kommt ſie weit ſeltener bei den Arbeitern, als bei einer gleichen An— zahl von Perſonen irgend eines anderen Standes vor. Herr S. glaubt dieſes Geſchütztſein der Arbeiter gegen Krankheiten den narkotiſchen Eigenſchaften des Tabaks zu⸗ ſchreiben zu können, wünſcht aber die Aufmerkſamkeit der Arzte auf dieſen Gegenſtand zu lenken, da aus dieſer ſchätzbaren Eigen— ſchaft des Tabaks irgend ein Vortheil zur Erleichterung oder Verhütung des Übels gezogen werden könnte. (Annales d’Hygiene publique 1843. 4. Ausg.) Miſeellen. (27) Galvaniſirte Bruchbänder empfiehlt Dr. Thomas Stratton in dem Edinb. Med. and Surg. Journ., Jan. 1849, nicht etwa wegen ihrer vorgeblich magnetiſchen oder andern Heil— kraft, ſondern um das Roſten zu verhüten und dadurch der Feder mehr Dauer zu geben, da es Erfahrungsſache iſt, daß die Bruch— bänder in der Regel an der Stelle brechen, wo ſie am meiſten dem Roſten ausgeſetzt ſind. In London beſteht eine beſondere Geſellſchaft für das Galvaniſiren des Eiſens, welches beſonders an Ankern, Ket— ten, Eiſenblech zu Dächern ꝛe. angewendet wird. Bei dieſer Geſell— ſchaft gab Dr. Stratton eine Bruchbandfeder ab, um ſie zu galvaniſiren; da in der Regel nur Eiſen, nicht Stahl galvaniſirt wird, ſo war er neugierig, wie dieſer Proceß auf die Federkraft gewirkt haben werde. Es ergab ſich, daß die Feder etwas ſchwächer 192. IX. 16. 256 geworden war (danach hätte man ſich alſo bei der Auswahl der Bruchbandfeder zu richten). Die Säure in dem Schweiße greift den galvaniſirten Stahl noch etwas, jedoch nur ſehr wenig an. Das Galvaniſiren koſtet etwa ½ des Preiſes der Feder. — Ein Arbeiter braucht alle 2 Jahre ein neues Bruchband, in 30 Jahren alſo 15; während ein galvaniſirtes Bruchband, da es durch Roſt nicht leidet, 30 Jahre dauert; die Koſten find alſo wie 15 zu 1½, ein Vortheil, der namentlich für öffentliche Anſtalten und Unter⸗ ſtützungscaſſen von großer Bedeutung iſt. Die Bruchbandhändler allerdings werden ſich etwas beklagen, weil bei allgemeiner Ein— führung dieſer Verbeſſerung (durch welche übrigens auch die Ela— ftieität geſteigert wird) der Bruchbandhandel auf etwa ½2 ſänke. Für die Kranken wäre dabei noch der Vortheil erreicht, daß die Gefahr, die bei einem zufälligen Bruche des Bruchbandes für ſie eintritt, dadurch größtentheils umgangen wird, wenn man ſie ſicher ſtellt, daß kein Bruchband mehr durch das Roſten zu Grunde geht. (28) Incontinenz im Alter durch Hypertrophie der Vorſteherdrüſe bedingt. In feinen recherches anat. patholog. et therap. sur les maladies des organes urinaires et genitaux chez les hommes ages ſucht Hr. Dr. Aug. Mercier be⸗ ſonders die Anſicht zu bekämpfen, daß die retentio et incontinen- tia urinae bei Greiſen, welche unabhängig von irgend einer Com⸗ plication von Seiten des Rückenmarks und der Harnröhre einzu- treten pflegen, einer weſentlichen Schwäche zuzuſchreiben ſei, welche durch das Alter in der Contractilität der Blaſe eintrete. Er ſucht den Grund derſelben in einer Hypertrophie der prostata, was auch die Thatſache erklärt, daß die Frauen faſt ganz von dieſen Af⸗ fectionen verſchont bleiben. Der Verfaſſer führt zum Beweiſe ſei⸗ ner Theorie zahlreiche Falle an, in welchen am Cadaver dieſe Nu⸗ tritionsanomalie der Vorſteherdrüſe conſtatirt wurde. Der Verf. ordnet nach folgenden Schlußfolgen ſeine Ideen über den einfachen Mechanismus, nach welchem die Hypertrophie der prostata die ver⸗ ſchiedenen Anomalien der Urinereretion hervorbringt. Je mehr die Vorſteherdrüſe auf eine gleiche und regelmäßige Weise in allen ihren Theilen hypertrophiſch ſein wird, um ſo mehr wird Dispoſi⸗ tion zur incontinentia urinae Statt finden. Je mehr im Gegen— theile die Hypertrophie theilweiſe oder unregelmäßig iſt, deſto mehr iſt eine retentio zu befürchten. In den zwiſchen dieſen beiden Kategorien mitten inne ſtehenden Fällen ſieht man am häufigſten den Urin durch Überlaufen abfließen. (Bulletin general de thera- peutique, t. XXIII.) (29) Die Behandlung der Ruhr mit Warmwaſſer⸗ Klyſtiren iſt nach einer Mittheilung des Dr. Irving in the Edinburgh Med. and Surg. Journal, January 1849, in Oſtindien jetzt allgemein in die Praxis eingeführt. Der Vorſchlag iſt von Dr. O' Beirne zu Dublin ſchon 1822 gemacht. Annesley in feinen Researches on the diseases of India hat nachgewieſen, daß die Anſammlung der Kothmaſſen im Dickdarme vorzugsweiſe geeignet iſt, die Ulcerationen hervorzurufen und zu vermehren. Um dieſe Methode bei acuter oder chronischer Ruhr anzuwenden, legt ſich der Kranke auf den Bauch, eine biegſame Röhre wird bis zur flexura sigmoidea eingebracht und nun pumpt man mittelſt der Weiß⸗ ſchen Magenpumpe 3—6 Nöſel warmes Waſſer ein, läßt den Kranken ſich auf die linke Seite legen, um die Flüſſigkeit möglichſt lange zurückzuhalten. Bei chroniſchen Fallen wird etwas Tinct. theb. und Bleizucker beigefügt; Dr. Hare empfiehlt in dieſem Falle am meiſten 15 Gran Argent. nitr, in 3 Noöſeln Waſſer. Chroniſche Fälle waren ſchon nach dem dritten Klyſtire geheilt. Biblivgrapbifche Neuigkeiten. Episodes of Insect Life, by Acheta Domestica. 8°. (pp. 358.) London 1849, cloth 16 sh.; coloured 21 sh. The letters of Rusticus on the natural history of Godalming, extracted from the magazine of natural history, the entomological magazine and the En- tomologist. 8%. (pp. 174.) London 1849. 8 sh. 6 d. J. Miller, Surgical experience of chloroform, 80. (pp. 60.) Edinburgh 1849. 1 sh. 6 d. W. Pym, Observations upon Bulam Vomita Negro or Yellow Fever; with a Review of a Report upon the diseases of the African Coast by William Burnett and Dr. Brysson , n its highly Contagious powers, by Sir Wm. Pym, post 8. (pp. 328.) London 1848. 6 sh. Druck und Verlag des Landes ⸗Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 193. (Nr. 17. des IX. Bandes.) Mai 1849. Naturkunde. Courty, über den Bau und die Verrichtungen der Dotteranhängfel ver vesicnla umbilicalis des Huhns. (Schluß.) — ſter, merkwürdige Lufterſcheinung. Die Ausfuhr der Bleis und Kupferminen von Südauſtralien. — Heilkunde. Miſcellen. For⸗ Heidler, über die Cholera. — Simpſon, Unterſuchungen, ob Luft in dle Uterusvenen bei der Entbindung eindringen könne. — Graves, Weinſteinconeremente im Darmcanale nach dem Gebrauche der flüſſigen Magneſia. — Neligan, über die Anwendung des Conium maculatum bei ſchmerzhaften Übeln. — Miſcellen. Ryba, Haar⸗ balggeſchwülſte der orbita. Über Dampf bei Pferden. — Bibliographie. Natur k unde. XXXIX. über den Bau und die Verrichtungen der Dotteranhängſel der vesicula umbilicalis des Huhns. Von A. Courty. (Schluß.) (Hierzu Fig. 5 bis 12 der mit No. 16 dieſes Bos. ausgegebenen Tafel.) Bis zu dieſem Zeitpunkte erfolgt die Bildung der Ge— fäße zwiſchen den beiden Blättern des Blaſtoderms in mehr oder minder tiefen, zahlreiche Verzweigungen bildenden und an vielen Punkten communieirenden Lücken, die von Reihen großer kugeliger haufenweiſe angeordneter Zellen ihrer ganzen Länge nach begrenzt werden. Die ſich entwickelnden Wandungen der Gefäße entſtehen gleich beiden Blättern des Blaſtoderms aus Zellen. Die Wandungen der Gefäße von mittlerem Caliber entſtehen ge— wöhnlich aus zwei neben einander liegenden zuſammenhän— genden Zellenreihen. Je nachdem die Gefäße älter werden und ſich verdicken, häufen ſich auch dieſe Zellen, drücken gegenſeitig auf einander, verlängern ſich und geben ſo der Wandung eine häutige Conſiſtenz und Textur, Fig. 5. Dieſe Gefäße ſind für die Ernährung des Embryos ſehr wichtig; an allen Punkten ihrer noch dünnen zarten Flüſ— ſigkeiten durchlaſſenden, aus Zellen, die noch nicht durch Druck in eine feſte Membran übergegangen ſind, beſtehenden Wandungen, findet zwiſchen dem Dotter und den ſie um— gebenden großen körnigen Zellen eine beſtändige Endoſmoſe Statt. Das junge Huhn iſt zu dieſer Zeit noch ſo wenig entwickelt, daß ihm ein reichlicher Zufluß nährender Stoffe nur fchaden könnte; während es ſelbſt nur einen Theil der bildenden Flüſſigkeit des Dotters zu feinem Wachsthume verbraucht, wird ein anderer Theil zur Entwicklung der be— reits entſtandenen, wie zur Bildung neuer Gefäße und eines ſehr entwickelten Abſorptionsapparates benutzt. Der letztere No. 2173. — 1073. — 193. verbreitet ſich über ſämmtliche Venenſtämme des Blaſtoderms und liefert dem Embryo die zu ſeiner raſchen Entwicklung, die gerade für die folgenden Perioden der Bebrütung ſo charakteriſtiſch iſt, nöthigen Stoffe. Sehen wir nun, woraus dieſer Gefäßapparat beſteht, wie er geordnet iſt und ſich zum Embryo wie zum Dotter— ſacke verhält. Während der Embryo einerſeits durch das Umwachſen des amnion um den Körper desſelben vom äuße— ren Blatte des Blaſtoderms getrennt iſt und die ſich ent— wickelnde alantois durch ihr Dazwiſchentreten ihn noch wei— ter von dieſem Blatte entfernt hat, wird andererſeits durch das allmälige Schließen des Bauches eine deutliche Trennung der Inteſtinalfläche und des innern Blaſtodermblattes herbei— geführt. Das innere Blaſtodermblatt bildet ſomit eine bes ſondere Taſche und dieſe bildet wiederum die Dotterhöhle, den Dotterſack und die Nabelblaſe; ſie communieirt durch einen anfangs ſehr weiten, ſich nach und nach verengenden und in die Länge wachſenden Canal, der vom Nabel um- ſchloſſen wird, mit der Bauchhöhle. Von dieſer Zeit an werden die Gefäßverbindungen die— ſer den Ernährungs- oder Abſorptionsapparat des Embryos bildenden Blaſe nicht weiter geändert. Dieſe Verbindungen werden durch die ſehr verlängerten, vom Bauchtheile der aorta zum Dotterſacke verlaufenden und ſich auf letzterem verzwei— genden arteriae omphalo-mesentericae und durch die Venen gleiches Namens unterhalten, die an derſelben Wandung des Dotterſacks entſpringen und mit den Arterien durch die Nabelöffnung gehend, ſich als ein urſprünglich doppelter, ſpäter vereinigter Stamm nach dem rechten Leberlappen be— geben, durch die Leber gehen, um ſich in den sinus venosus und dann in die untere Hohlvene zu ergießen. Die genannten Venen, deren Durchmeſſer weit beträcht⸗ licher wie der der Arterien iſt, ſind Bin die Ernährung des 259 Embryos ungleich wichtiger; ihre Entwicklung an den ver— ſchiedenen Stellen des Dotterſacks verdient deshalb eine be— ſondere Aufmerkſamkeit. Schon Haller erkannte ihre große Bedeutſamkeit und beſchrieb ihren Verlauf ausführlich. Nach dem fünften Tage, wo ſich die Venen in die Haut (calotte) des Dotters verlängern, nach und nach den Terminalſinus verwiſchen und ſich über einen immer größe— ren Raum des Dotterſacks ausbreiten, treten ſie gleichzeitig an der inneren Seite der Nabelblaſe immer mehr hervor Die Oberfläche der neben einander verlaufenden noch nicht verzweigten Venen und Arterien iſt bei den erſteren mit einer ungleich größeren Menge von Kügelchen und deren Anhäufungen bedeckt. Bald darauf ſpringen die Venen nicht nur durch ihre eigene Stärke und die ſie bedeckenden Kugel— häufchen, ſondern vorzugsweiſe durch die Verlängerungen, die an allen Stellen der ſecundären Zweige gegen die Höhle der Nabelblaſe erſcheinen, vor. Iſolirt man einen ſolchen Zweig und ſpült ihn mit Waſſer ab, ſo ſieht man aus ſeinen Wandungen ſich eine Menge Gefäßknoſpen bilden. Fig. 6 giebt mehrere dieſer Knoſpen, die ſchon eine be— ſtimmte Länge erreicht haben, ſowie andere, die bereits mit den ihnen nahe liegenden anaſtomoſiren und neue Ge— fäße bilden; nach unten zu iſt der Gefäßſtamm noch mit den Körnerzellen bekleidet, die an allen übrigen Stellen ent— fernt ſind. Die Fig. 7 zeigt ein ähnliches Präparat, wo ſowohl der Gefäßzweig als die Knoſpe noch mit den Zellen bekleidet ſind. Sich ſo fort und fort entwickelnd, bilden die Gefäßknoſpen alsbald eine Menge neuer Gefäße, die, weil ſie ſich nicht an der Oberfläche des Dotterſacks ausbreiten können, ſich gegen ſeine Höhle wenden, dort unter einander anaſto— moſirend, Gefäßbogen bilden, von denen ſich mehrere zu einem Zweig von beträchtlicher Größe vereinigen und ſo zu großen Venen werden, die mit dem Venenſtamme, dem ſie entſprun— gen, parallel verlaufen, mit ihm an ſehr vielen Punkten communiciren und ihrerſeits wiederum neue Knoſpen, neue Bogen und neue Gefäße bilden. Alle dieſe Gefäßbildun— gen wie die Räume zwiſchen ihnen ſind mit den viel be— ſprochenen Zellen bekleidet und erfüllt, ſo daß eine jede die— ſer venöſen Haupt- und Nebengruppen ein Anhängſel und ein Syſtem von Anhängſeln bildet, die 3 bis 7 Millimeter tief in den Dotter hineintauchen. Der Verf. wählt für dieſe Bildungen die Bezeichnung „Anhängſel“ (appendice), weil dieſelben keinen falſchen Begriff einſchließt; Haller nannte dieſelbe Organe, ſie mit den gegen einander geneigten Darm— zotten vergleichend, valvulae. Die Bildung dieſer Dotteranhängſel beginnt mit dem fünften Tage, am achten und neunten Tage iſt ihre Ent— wicklung vollendet; ſie ſind alsdann in zahlreichen, mehr oder minder engen, an ihrem freien Rande Schlingen bildenden Reihen angeordnet. Mit der Zunahme des Fötus und Bil— dung dieſer Anhängſel in der Nabelblaſe dehnt ſich auch der Theil dieſer Blaſe, den man auch ferner durchſichtigen Hof im weiteren Sinne des Worts nennen kann, aus. Die— ſer durchſichtige Theil iſt überall von Gefäßſtämmen durch— zogen; ſelbige entwickeln indes nur in den dom Embryo entfernten Theilen des Gefäßhofes Zweige und Anhängſel, 193. IX. 17. 260 gehen auch nicht über ſelbigen hinaus; weshalb ſie der Calotte des Dotters, die im ſpitzen Ende des Eies liegt, fehlen; erſt viel ſpäter organiſirt ſich dieſer Apparat auch über die entfernten Punkte des Dotterſacks. Fig. 8 giebt den Totalanblick der Anhängſel vom zehnten Tage mit ſämmtlichen Verzweigungen der einen vena omphalo-mesenterica und der ſie begleitenden Arterien. Nach— dem dieſe Gefäße den durchſichtigen Raum des Dotterſackes bis zu einer beſtimmten Stelle, ohne ſich zu verzweigen, durchlaufen ſind, bildet die Vene in kurzen Abſtänden vier Hauptſtämme, welche wieder einige Millimeter weit laufen, ehe ſie ſich von neuem theilen. Der ſtärkſte dieſer vier Hauptſtämme zerfällt in zwei oder drei fecundäre Zweige. Dieſe Hauptvenenzweige theilen ſich unregelmäßig in zwei oder mehrere Zweige oder ſie laufen, ſeitlich Venen abgebend, weiter. Mit dem Entſtehen dieſer Venen dritter Ordnung treten auch die Anhängſel auf. Der Vorſprung, den ſämmtliche Anhängſel in die Dot— terhöhle bilden, iſt keinesweges unbedeutend; die neu ent— ſtandenen Venen ſind zahlreich und lang, ſie ſchlingen ſich darmförmig um den mehreren gemeinſchaftlichen Stamm; eine Menge kleiner Zweige breiten ſich von ihnen abwärts in die mehr oder weniger engen Zwiſchenräume, welche dieſe Lamellen trenuen. Weiterhin werden dieſe Hauptgefäße we— niger vorſpringend und treten zuletzt nicht mehr über die innere Oberfläche des Dotterſackes hervor. Die letzten Venen— zweige endigen ſämmtlich mit kleinen, geraden, ausgefäſelten Canälen, die in großer Anzahl und ſehr nahe bei einander liegen und ſich an der Peripherie der Bedeckung des Dot— ters, welche die Gefäßhaut des Blaſtoderms nicht mehr über— zieht, unmerklich in ſehr ſpitze Blindſäcke (eul-de-sac) um- wandeln. Die Dotteranhängſel breiten ſich immer mehr nach dieſer Gegend aus, ſie werden länger und breiter und neh— men zuletzt am fünften Tage die ganze Oberfläche des Dot- ters in Beſitz. Die anfänglich neben den Venen verlaufenden arteriae omphalo-mesentericae trennen ſich, ſobald ſie gleich dieſen drei bis vier Hauptſtämme bilden, von den Venen. Dieſe Ar— terienſtämme gehen in die eckigen Zwiſchenräume der Venen— äſte, theilen ſich dort nochmals, doch weniger regelmäßig als die Venen; die kleinen Arterienzweige vertheilen ſich und bilden zuletzt ſo viel tertiäre Zweige als Gruppen von An— hängſeln vorhanden ſind. Dieſe letzten arteriellen Zweige verlaufen zwiſchen zweien der größeren Anhängſel und erreichen hier, ohne ſich irgend wieder zu verzweigen, das Ende des Gefäßhofes: ſo kommt gewöhnlich auf zwei oder drei Endvenen nur eine Endarterie. Ihre durchaus gerade Richtung und ihr geringer Durchmeſ— fer contraſtiren ſehr gegen die Venen der Anhängſel. Sie entleeren ſich auch ihres Inhaltes viel ſchneller als die Ve— nen. In ihnen trifft man ſchon einige Augenblicke nach dem Offnen des Eies, wenn alle Venen noch von Blute ſtrotzen, kein Blut mehr an. Jemehr die Entwicklung zunimmt, um ſo mehr ſchlän— geln ſich die Dottervenen um den Stamm des Anhängſels, welchen ſie bilden und bieten ſo der Abſorption eine große 261 Fläche dar. Auf Fig. 9 iſt dieſe Anordnung in fehr ent: wickeltem Zuſtande an Lappen der Nabelblaſe vom funf— zehnten Tage abgebildet. In dieſer Zeit bilden ſich aus den Gefäßenden neue Venenbogen und zwiſchen ihnen neue Ana— ſtomoſen, die bald den noch freien Raum des ganzen Bla— ſtodermblattes einnehmen. Wenn dieſer Zeitpunkt, bis zu welchem die Abſorption durch dieſe Gefäße ſehr thätig war, erreicht iſt, treten alsbald Reſorptionserſcheinungen ein und der ganze ſo eben beſchriebene Ernährungsapparat verſchwin— det nach und nach. Ehe der Verf. dieſes allmälige Rück— ſchreiten behandelt, gedenkt er zunächſt der Structur der Dot— teranhängſel in ihrer größten Entwicklung, ſowie der Art, in welcher ſie aus den Elementen des Blaſtoderms her— vorgehen. Schon bei ſchwacher Vergrößerung ſieht man, wie ſämmtliche Anhängſel zunächſt aus Knoſpen der Dottervenen entſpringen; es bliebe demnach zu ermitteln, wie ſich dieſe Knoſpen bilden. Wir haben geſehen, daß alle Anhängſel von einer dicken Schicht Körnerzellen bedeckt ſind. Dieſe über die ganze innere Oberfläche des Dotterſacks verbreiteten Zellen entſtehen auf dieſelbe Weiſe wie anfangs im Hahnen— tritt Zellen entſtanden, ſpäter in dem Gefäßhofe und zuletzt im Blaſtoderm Zellen entſtehen; nur ihre Größe iſt weit beträchtlicher, wie ſie in den erſten Entwicklungstagen war. Jede Knoſpe eines Gefäßes beſteht aus weichen, noch blaſenförmigen Zellen, die weder zuſammengedrückt noch über einander geſchichtet ſind; neben und um dieſe Zellen erſter Ordnung liegen Körnerzellen, deren Inhalt hier ſchon aufgelöſ't und reſorbirt iſt; um dieſe reihen ſich Zellen der— ſelben Art, deren Inhalt noch erhalten iſt mit nur geringer Regelmäßigkeit und über die letzteren häufen ſich wiederum Zellen und Körner in mehr oder minder großen Gruppen. Um dieſe Anordnung zu ſehen, entfernt man von einem knoſpentreibenden Gefäße einen Theil der dasſelbe bedecken— den Zellen, Fig. 10. Wenn man hier von innen nach außen oder von der Dotterhöhle nach den Gefäßen zu geht, ſieht man zuerſt nur neuentſtandene Körnerzellen, ja verfolgt gewiſſermaßen ihr Entſtehen; den vollkommnen, ſchon mit einem häutigen coagulum bekleideten Zellen folgen ſolche, deren Inhalt ſchon reſorbirt iſt und die nur noch aus der Zellenmembran be— ſtehen; dieſe find nunmehr zur Bildung und Fortſetzuug der ſchon vorhandenen Gefäße tauglich. Die Knoſpenhöhle einer Dotterpapille dehnt ſich nunmehr, ihre Terminalzellen von einander ſchiebend oder reſorbirend, in die ſie umgebende Maſſe aus, findet dort hinreichend Zellen, die zur Verlän— gerung ihrer Gefäßwandungen tauglich find und verlängert ſich durch deren Zuſammentreten jo lange, bis zwei Gefaß— knoſpen auf einander ſtoßen und ſich mit einander als Ana— ſtomoſe vereinigen. Aus dieſen neuentſtandenen Venenbogen bilden ſich in gleicher Weiſe neue Knoſpen u. ſ. w. Die Wandungen der Gefäße ſelbſt und die Schichten der Blaſtodermhaut, welche ſie enthalten, bilden ſich auf die— ſelbe Weiſe. Kugelige und körnige Anlagerungen, ein haut— artiges Coaguliren um ſelbige zur Bildung der Zelle, ſpä— ter ein allmäliges Auflöſen und Reſorbiren des Zellinhalts; 193. IX. 17. 262 ein Aneinanderlegen und Verkleben der zurückgebliebenen Zell— membranen, bezeichnen die verſchiedenen Phaſen dieſer Or— ganiſation. Über die Bedeutung der Dotteranhängſel erklärt ſich ſchon Haller, nachdem er ihre Anordnung beſchrieben, da— hin, daß ſie nicht zur Bereitung der für den Embryo nö— thigen Flüſſigkeiten, ſondern zu deren Abſorption dienen. Die großen ihre Mitte durchlaufenden Venen wie die Ahn⸗ lichkeit der Anhängſel mit den Darmzotten führen ihn zu dieſer Anſicht. „Da, ſagt er, der Inteſtinaleanal des Dot— ters eine Fortſetzung der Gedärme und der Dotter ein An— hängſel desſelben iſt, ſo ſind die Zotten des Dotterſacks nichts anders als natürliche, aber ungeheuer große Darmanhängſel. Die wurmförmigen Röhren ſcheinen die Abſorptionsorgane zu ſein; ſie treten erſt dann auf, wenn der Fötus mehr Nahrung zu bedürfen ſcheint; ſie ſind wahrſcheinlich hohl und tauchen in das Ol des Dotters.“ Die Offnungen die— ſer Röhren (der Venen), ſowie die Art, in welcher ſie den Dotterinhalt aufſaugen, konnte Haller nicht enträthſeln. Auch Baer vergleicht die Dotteranhängſel mit den Darm— zotten, ohne jedoch über ihre Function ein Urtheil abzugeben. Wenn man nun, bemerkt der Verf., den von Haller und Baer aufgeſtellten Vergleich dieſer Organe mit den Darmzotten weiter führt, ſo wird man in den Knoſpen, welche ſie fortbilden, die Analoga der Papillen, in welchen die Wurzeln der Chylusgefäße entſtehen, finden können. Durch die zarten ſehr permeabeln Zellen, welche ſowohl die Wandungen dieſer Papillen als die Wandungen aller hier vorkommenden Venen bilden, wird nur durch Endoſmoſe allein eine beſtändige Abſorption der umgebenden Flüſſigkeit und deren Eindringen in die Höhle der Gefäße veranlaßt; von dort gelangt ſie in die großen Venenſtämme und durch dieſe zum Herzen des Embryos. Wahrſcheinlich erleidet der Dotterinhalt bei feinem Durchgange eine Umwandlung, es iſt nämlich nicht die Dotterflüſſigkeit ſelbſt, welche abſorbirt wird, ſondern der Inhalt der Körnerzellen. Nachdem nun durch Coagulation der Körnerkugeln eine Membran entſtan— den ſind, löſen ſich erſtere ganz allmälig auf und dieſe Auf— löſung iſt es, welche die Wandungen der um die Papillen und Venen angehäuften Zellen durchdringt und zuletzt bis in die Höhle der Gefäße gelangt. Die Bildung von Ku— geln, deren Anordnung, das Entſtehen der Zellen und die Auflöſung ihres Inhaltes ſind demnach nur verſchiedene Stadien, welche die Dottermaſſe ſucceſſiv durchläuft, bevor ſie wirklich abſorbirt wird. Der Dotterinhalt ſelbſt wird zu Anfang zäher, darauf aber flüſſiger und heller; dieſe Veränderungen erfolgen vom Umkreiſe aus nach dem Mittelpunkte der Dottermaſſe. Die chemiſchen Veränderungen, welche wahrſcheinlich die phyſicali— ſchen begleiten, kennen wir leider noch gar nicht; nur ſo viel iſt gewiß, daß der Dotter nicht als ſolcher abſorbirt wird, dieſe Abſorption aber nur durch die erwähnten Zellen und Venen und zwar einzig in der Nabelblaſe erfolgt. Der ductus vitello- intestinalis verengert ſich nämlich, ſobald der Darm geſchloſſen iſt; er wird nunmehr zu einem Organ, das mehr als Stiel des Dotterſacks wie als Ver⸗ 7 * 263 bindungscanal zwiſchen der Höhle des Dotterſackes und dem Innern des Darmes dient. Geſetzt, er könnte auch die Dot⸗ terflüſſigkeit durchlaſſen, ſo iſt ſein Durchmeſſer doch zu eng (faft herzförmig), um eine für die Ernährung des Embryos genügende Menge dieſer Flüſſigkeit hindurchzulaſſen. Mit der größten Aufmerkſamkeit und bei der vielfachſten Wiederholung gelang es dem Verf. niemals, im Innern des Darmes Dot— terzellen zu finden. In den letzten Tagen der Bebrütung und nach dem Austritte des Huhnes fand der Verf. in der Dottermaſſe harte Kugeln von eigenthümlichem Anſehen, die, dem Drucke ausgeſetzt, in zwei, drei oder vier regelmäßige Stücke zerfielen; einige ſchienen aus zwei oder drei in einander geſchachtelten Kugeln zu beſtehen. Sie ſind auf Fig. 11 abgebildet. Nach Prevoft und Lebert kommen im Hahnentritte Zellen vor, die ſich ſpalten; der Verf. hält die von ihm beſchriebenen nicht für dieſelben. In dem Grade, wie ſich das Huhn entwickelt und die Dottermaſſe geringer wird, faltet ſich auch der Dotterſack, theilt ſich gewiſſermaßen in Lappen und dringt in die Bauch— höhle; dort dauert die Abſorption des Dotters in derſelben Weiſe fort, ſie kann ſogar noch einige Tage nach dem Aus— kriechen des Jungen für ſeine Ernährung genügen. Wenn der Nahrungsſtoff des Dotters verzehrt iſt, erfolgt die Ab— ſorption auf Koſten der Körnerkugeln; die in den Zwiſchen— räumen der Venenbogen angehäuften verſchwinden zuerſt, jeder dieſer Vorſprünge erhält durch ihr Verſchwinden das An— ſehen einer Stickereiſpitze; wenn auch dieſer Vorrath er— ſchöpft iſt, werden die Gefäße und zuletzt die Nabelblaſe ſelbſt reſorbirt. Bei einem Huhne, das 3 Tage nach ſeiner Geburt aus Mangel an Nahrung geſtorben war, fand ſich eine drei— lappige Nabelblaſe von der Größe einer Nuß. Das Innere dieſer Blaſe war voll von Anhängſeln, welche das Anſehen eines durchbrochenen Maſchengewebes hatten. Die Venen— bogen, welche die Gewebe bildeten, waren ihrer Kugeln faſt beraubt, ſie glichen den auf Fig. 12 abgebildeten künſtlich frei gelegten. Dieſer Zuſtand des Rückſchritts zeigt demnach den innern Bau der Dotteranhängfel beſſer wie alle künſt— lichen Präparate und beſtätigt zugleich das über die Art ſeines Entſtehens beobachtete. Nachdem der Verf. ſo die Entſtehung, den Bau, die Verrichtung und das allmälige Verſchwinden der Dotter— anhängſel, durch welche ſich das Huhn im Eie entwickelt, ab— gehandelt, beſchließt er ſeine Arbeit mit folgender Überſicht: 1) es giebt einen ſehr entwickelten Venenapparat, der an der innern Oberfläche der Nabelblaſe Anhängſel, die in die Dotterflüſſigkeit tauchen, bildet; 2) die Venen dieſes Apparates entſtehen durch Knoſpen— bildung aus den Venen des Blaſtoderms; 3) dieſe Knoſpen entſtehen und entwickeln ſich durch eine Umbildung der Körnerkugeln in durchſichtige Zellen, aus denen ſich die Wandungen der Knoſpen bilden; 4) aus der Verbindung dieſer Knoſpen oder Venen— papillen unter einander entſtehen die anaſtomotiſchen Bogen und neuen Venen, die wiederum ſo lange von neuem 193. IX. 17. 264 Knoſpen entwickeln, bis die Dotterzotten und Anhängſel ihre größte Größe erreicht haben; 5) durch dieſe Knoſpen und Venen, die eine weite Fläche einnehmen, wird vom achten bis einundzwanzigſten Tage, ja ſogar noch nach der Geburt des Huhnes eine ſehr lebhafte Abſorption unterhalten; 6) die Abſorption wirkt zwar auf den Dotter, aber nicht in direeter Weiſe. Der Fötus wird niemals direct von der Dottermaſſe ernährt; ſelbige dringt niemals in das Innere der Darmröhren, wird auch eben ſo wenig von den Venen der Zotten unverändert aufgenommen; 7) die Beſtandtheile des Eigelbs dienen zur Vermeh— rung der Kugeln und Körner, die wohl ihrem Baue, aber nicht ihrer Größe nach den im Hahnentritt und Blaſtoderm vorkommenden Kugeln und Körnern gleichen. Selbige ord— nen ſich in kleine Maſſen; durch ein häutiges coagulum um letztere entſtehen die Körnerzellen, die als dicke Schicht die Venen der Anhängſel umkleiden. Der Inhalt dieſer Kugeln oder Zellen löſ't ſich auf und gelangt durch Endoſmoſe in das Innere der nebenliegenden Zellen und von da in die Venenpapillen und in die Venen. Endlich bilden ſich in ihrem Umkreiſe neue Zellen, durch deren Vermittlung ſich die Gefäße weiter entwickeln; 8) wenn die Dottermaſſe verbraucht iſt, werden zuerſt die Körnerkugeln abſorbirt, dann die Zellen und Gefäße ſelbſt reſorbirt, bis zuletzt die ganze Nabelblaſe vollſtändig verſchwindet. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Fig. 2. Eine der großen körnigen Zellen, aus denen die Dottermaſſe beſteht. Körnerkugeln (globules agminés), Zellen und andere Elemente des Gefäßhofes eines zweitägi— gen Embryos. Körnerkugeln, Zellen und andere über die innere Fläche des Blaſtoderms und über die Wandun— gen der Gefäße und Dotteranhängſel verbreitete Elemente vom vierten bis einundzwanzigſten Tage. Ein Zweig der Dotterſackbenen mit Knoſpen— bildung. Ein Gefäß des Blaſtoderms, um die beiden Zel— lenreihen, die ſeine Wandungen bilden. Die Höhle des Gefäßes enthält mit einem Kerne ver— ſehene Zellen, die nichts anders als Blutkügel— chen ſind. Eine Vene, von der die Zellen- und Kugelſchicht entfernt iſt, wodurch die Knoſpen und ihr Ver— halten zu einander deutlich wird. Eine noch von den Zellen und Kugeln bedeckte Venenknoſpe. Totalanſicht der Dotteranhängſel der Nabelblaſe am zehnten Tage der Bebrütung. Ein Lappen der Nabelblaſe, um die Entwicklung der Dotteranhängſel nach dem funfzehnten Tage zu zeigen. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. 265 Fig. 10. Die Knoſpe einer Dotterſackdene, die noch von einigen der Körnerzellen und Kugeln umgeben iſt; im Innern des Gefäßes wie der entſtehen— den Knoſpe erblickt man Blutkügelchen. Harte Kugeln von unbekannter Natur, die in den letzten Tagen der Bebrütung im Dotter vorkommen. Ein Dotteranhängſel aus der Reſorptionsperiode; die Zellen und Kugeln, welche die Gefüße um— kleideten, ſind theilweiſe entfernt, ſo daß die Bogen und Anaſtomoſen frei liegen. Fig. 11. Fig. 12. Miſcelle. 37. Eine merkwürdige Lufterſcheinung ward von Dr. Forſter zu Brügge beobachtet. — In der Nacht des 13. Novembers vorigen Jahres trat zwiſchen 10 Uhr und 1 Uhr 5 Mi— 193. IX. 47. 266 nuten eine für die Obſervation geeignete klare Beſchaffenheit des Himmels ein. Forſter ſah zahlreiche, wie es ihm ſchien, nach NNW. ziehende Meteore vorüberſchießen; während der 3½ Stun: den, wo er den Himmel beobachtete, mußten mehrere Hundert Me: teore vorübergezogen ſein; letztere waren nur klein, hatten einen weißen Schein und hinterließen in der Regel einen langen Lichtſtrei⸗ fen. Ein Meteor, das ungleich größer war als die übrigen, bewegte ſich in entgegengeſetzter Richtung langſam vorwärts; es ging in ſüdöſtlicher Richtung durch den Zenith. Forſter hält die Geſammt⸗ erſcheinung für atmoſphäriſchen, unter elektriſchem Einfluß ſtehen— den Urſprungs, nur ſcheint ihm die Bewegung der Meteore in der Richtung der magnetiſchen Pole allen Hypotheſen über Elektrieität zu widerſtreiten. Einige ähnliche Meteore ſah man am 10. Aug. und 20. December vorigen Jahres. (The London etc. philoso- phical magazine, No. 228, March 1849.) 38. Die Ausfuhr der Blei- und Kupferminen von Südauſtralien betrug im Jahre 1847 nach officiellen Berichten über 180,000 15. Auch die Silber- und Bleiminen von Glen Osmond wurden mit Erfolg betrieben, die Gruben von Wheal Watkins und Wheal Gawler waren nicht minder ergiebig. (Adelaide Observer.) Heilkunde. (XXVII.) über die Cholera. Von Dr. C. J. Heidler zu Marienbad. Herr Dr. H. hat ein Werk über die epidemiſche Cholera, einen neuen Verſuch über deren Urſache, Natur und Behand— lung, ihre Schutzmittel und die Furcht vor derſelben, heraus— gegeben. (Leipz. 1848, 28 Bogen 89.) Der Verf. giebt ſelbſt ein Reſumé ſeines Werkes in einer am Schluß zuſammengeſtellten Reihe von Sätzen über „die weſentlichſten Punkte des Inhaltes, in wiffenfchaftlicher Rangordnung,“ welche wir hier als die dem Sinne des Autors am meiſten entſprechende Charakteriſtik folgen laſſen. „Die Cholera iſt eigentlich eine miasmatifch = epide- miſche Krankheit; eine contagiöſe nur uneigentlich: durch Verſchleppung des Miasma in ſeltenen Fällen; gegen die Ge— ſetze ſeiner gewöhnlichen Verbreitung durch die Luft. Die vergleichende Beobachtung dieſer Geſetze, im Großen, hat es ſo gelehrt. Das Cholera-Miasma kann nicht dem anorganiſchen und nicht dem vegetabiliſchen Naturreiche angehören. Beide be— ſitzen weder die Geſetze, noch die Analogieen zur widerſpruchs— loſen Erklärung der factiſchen Eigenthümlichkeiten des Cho— lera-Miasma, feinen Außerungen nach. Das Cholera-Miasma muß dem animaliſchen Naturreiche angehören. Dieſes beſitzt die Geſetze und Analogieen jener Eigenthümlichkeiten; ſowohl vereinzelt genommen, als auch ſummariſch. S. 168: Gewiß bleibt hier noch eines. Findet die nicht-mikroſkopiſche Wiſſen— ſchaft ihre ſchuldiggebliebenen Gründe gegen ein infuſoriell— animaliſches Cholera-Miasma nicht: fo find jetzt ſchon alle Räthſel und Widerſprüche der Epidemie zwanglos gelöſ't und vereint. Alles iſt erklärt! Findet aber die Wiſſenſchaft dieſe Gründe: ſo bleibt höchſt vermuthlich immerdar — alles un— gelöſ't, unvereint und unerklärt! Ein Menſchen epidemiſch vergiftendes Luftinfuſorium war das ungeſuchte Reſultat. Das Organ der unmittelbaren Aufnahme, oder doch der eigenthümlichen Einwirkung des Miasma, bis zur kurzen Entſcheidung über Leben und Tod, im gewöhnlichen Falle, iſt: der Digeſtionscanal. Zu dieſer Annahme drängen alle herbezüglichen Erſcheinungen der Krankheit. Der wahre Cholera-Typhus allein vermöchte, als die Ausnahme von dieſer Regel, noch auf ein anderes Verhältniß hinzudeuten. Die Thatſache des ſogenannten Mutterbodens aus der Naturge— ſchichte dient hier zur Erläuterung. Der Verdauungscanal iſt folglich zugleich der gewöhnliche Sitz oder nächſte Vermittlungsherd des Krankheitsproceſſes der erquifiten Cholera. Die geſtörte Empfindung, Function und Tertur desſelben ſprechen, im Cholerakranken und in der Choleraleiche, für dieſen Sitz und Herd. Die geſteigerte und der Art nach veränderte Empfindung des Magens und der Gedärme — als eine gewöhnliche oder beſtändige, iſt zugleich die deutlichſte. Die Functionsſtörung des Digeſtionscanals — als die unmittelbarſte, iſt zugleich die beträchtlichſte und eigenthümlichſte. Seine Texturveränderung — als eine aus— ſchließliche und ebenſo eigenthümliche, iſt zugleich eine faſt ausnahmslos vorhandene. Die zweifelloſe größere Empfänglichkeit vieler Menſchen für die eigentlichen Choleragrade der Erkrankung erweiſ't die vergleichende Beobachtung: als einen Zuſtand von krankhafter, venös⸗congeſtiver Reizbarkeit und Reizung im Pfortadergebiete; insbeſondere wieder des Magens und der Gedärme; denn Das allein bewährte Schutzmittel iſt: die Vermeidung alles deſſen, was den genannten Zuſtand unmittelbar oder mittelbar erzeugt und ſteigert. Die Furchtloſigkeit namentlich iſt dieſes Schutzmittel nicht; denn Die Furcht iſt erfahrungsgemäß kaum eine indirecte Bedingung zur Erkrankung, und die öffentliche Warnung vor derſelben war bloß unklug und ſchädlich. Die Diagnoſe, von Seite der achtſamſten, erfahrenſten, 267 rationellſten und zugleich neuwiſſenſchaftlich gebildetſten Praf- tiker jedes Landes, würde, wenn dieſe vor ihren derartigen erſten Kranken zufällig noch ohne Kenntniß von einer epi— demiſchen Cholera geweſen wären, ebenſo gewiß als aus— nahmslos, dieſelben erklärt haben: für Vergiftete durch ein verſchlucktes heftiges Gift eigenthümlicher Art. Alle patho— gnomiſchen Erſcheinungen ſowohl des Krankenbettes als des Leichenbretes hatten nur auf dieſe Diagnoſe geführt, d. i. mit Ausſchluß jeder andersartigen analogen Affection. Das Weſen des Krankheitsproceſſes der epidemiſchen Cholera beruht auf einem gleich rapiden und intenſiven, als durchaus eigenthümlichen Zuſtande von fer und ercretoriſch congeſtiver Reizung des Magens und der Gedärme; auf einer ſelbſt erſchöpfenden Concentration aller Lebensenergie in dieſe Organe, zunächſt von der Blutſeite aus, und zwar in heil— thätiger Intention; auf einer ebenſo rapiden als intenſiven Hemmung a. des Kreislaufes (von daher), b. der normalen Blutbereitung (von daher) und (durch beide) c. der lebens— fähigen (functionellen) Blutbethätigung aller wichtigen (und unwichtigen) Organe; die Nervenherde darunter am wenigſten zu vergeſſen. Daran, an dieſer allſeitigen (primären) Hemmung des Blutlebens (und ſecundären des Nervenlebens) — in Folge jener heilthätig intendirten Concentration — ſtirbt unmittel— bar der erquifite Cholerakranke, in der Regel; denn er lebt, wir retten ihn in der Regel dadurch, ja faſt in dem Augen— blicke, daß und wann wir ſo glücklich find, in feine eis— kalten Extremitäten und in ſein ſonſtiges Außeres die natür— liche Blutvölle, Blutfarbe, Blutwärme und Hautthätigkeit, ſammt einem entwickeltern Pulsſchlage künſtlich wieder zurück— zuführen; — kurz, wenn es uns oder auch der Natur allein gelingt, den äußerſt gehemmten Kreislauf des Blutes (ſo un— zweideutig von der Bauchhöhle aus) wieder frei zu machen, und die gänzliche Unterdrückung der peripheriſchen Lebens— thätigkeit zu bemeiſtern. (Prognoſe.) Die Behandlung der exquiſiten Cholera berückſichtige die nachſtehenden fünf radicalen oder Hauptindicationen. Sie floſſen von ſelbſt und nothwendig aus allem Geſagten. 1. Das aufgenommene Miasma zu indifferenciren (durch das noch unbekannte Antidotum); 2. dasſelbe, ſammt ſeinen ſecretoriſchen Producten im Digeſtionscanal, als vermuthlichen theilweiſen Vehikeln, zu entfernen; 3. der congeſtiven Rei⸗ zung des Magens und der Gedärme direct zu begegnen; 4. indirect durch Hervorrufung einer inneren heilthätigen Reaction gegen die (nächſturſächliche) Lebenshemmung in Folge dieſer Reizung; 5. mit der Hülfe möglichſt zu eilen. Die beiden letzteren dieſer Heilanzeigen ſind, nach dem bisherigen Stande unſeres therapeutiſchen Wiſſens und Könnens in der Cholera, die deutlichſten und dringendſten. Die naturgemäßen Heilmethoden und Mittel in der Cholera ſind diejenigen, welche nach ihren erprobteſten und bekannteſten allgemeinen Eigenſchaften und Wirkungen, außer— halb der Cholera, den vorſtehenden Indicationen zu entſpre— chen vermögen, ſomit in deren Sinne helfen können. Der empiriſche Beweis aber ſowohl davon, als von der Ratio— nalität der aufgeſtellten Indicationen, iſt der: daß diejenigen 193. WA 268 Methoden und Mittel, welche in der Cholera als nutzreich erprobt am wenigſten widerſprochen ſind, ſomit am meiſten bereits geholfen haben, den obigen Heilanzeigen, im ange— deuteten Sinne, auch wirklich entſprechen.“ (XXXVIII.) Unterſuchungen, ob Luft in die Uterus⸗ venen bei der Entbindung eindringen könne. Von Dr. Simpfon. Eine Reihe von Fällen, welche Dr. Simpfon als con- ſultirter Arzt ſah, und welche ihm in den letzten 6—8 Jahren raſch hinter einander vorkamen, brachten ihn auf die Idee, ob wohl Luft in das Venenſyſtem der Mutter, nach der Ent⸗ bindung, eindringen könne, und ob nicht eine gewöhnliche Folge dieſes Ereigniſſes ein rother, ſcharlachähnlicher Aus— ſchlag auf der Hautfläche der Patientin ſein könnte. Der erſte Fall kam in dem großen Entbindungshauſe zu Edinburg vor. Die Frau hatte Zwillinge geboren und Dr. Zeigler war zu ihr gerufen worden; es zeigten ſich wiederholt Nachblutungen mit abwechſelnden Contractionen und Erſchlaffungen des uterus; ſie erholte ſich ſehr unvollſtändig von dem Blutverluſte; deswegen ſah ſie Dr. S. eine oder zwei Stunden danach; der Puls war damals ſehr raſch und ſchwach, faſt nicht zu fühlen. Der Geſichtsausdruck war ſehr ängſtlich und hie und da zeigte ſich auf dem Körper ein ver— ſchwindender ſcharlachähnlicher rother Fleck. Die Kranke ſtarb nach einigen Stunden. Die Leichenöffnung wurde kurz nach dem Tode vorgenommen, weil es wünſchenswerth erſchien, ſich nicht der Täuſchung dadurch auszuſetzen, daß bereits Luft durch Zerſetzung des Blutes ſich entwickelt habe. Um die Unterſuchung noch ſicherer zu machen, wurde die Offnung der Bauchhöhle unter Waſſer vorgenommen: die vena cava inferior, beſonders aber die venae uterinae und hypogastricae, waren durch ſchaumiges Blut ausgedehnt und die Luft drang in aufſteigenden Luftblaſen durch das Waſſer in die Höhe ſobald eins dieſer Gefäße geöffnet wurde. Die größeren Venen in den Extremitäten befanden ſich in demſelben Zu— ſtande. Es wurde übrigens in der Literatur der Fälle von Luft⸗ eindringen in Halsvenen bei chirurgiſchen Operationen nach— geſucht, ob eben ſolche verſchwimmende ſcharlachähnliche rothe Flecken auf der Haut beobachtet worden ſeien. Dr. Warren zu Boſton erwähnt in einem Artikel der American Cyelopaedia of practical Medicine zwei Fälle, welche ihm ſelbſt vorge— kommen waren; der erſte Patient war einige Zeit bewußtlos und ohne Gefühl, erholte ſich aber wieder, während er noch comatös da lag, „nahm die Bleifarbe der Wangen eine röth— liche Färbung an und die Gefahr war offenbar vermindert.“ Der zweite Fall endete mit dem Tode; bevor dieſes Ende eintrat, bemerkt Dr. W. bei ſeiner Beſchreibung: „die livide Färbung der Wangen machte einer Unterlaufung von Zin— noberröthe Platz und kein Erröthen einer jungen Schönen konnte reizender ſein als dieſe aufſteigende Röthe, die indes bald vorüber war. 269 Wenn die ſcharlachähnlichen Flecken bei dem erwähnten Geburtsfall von Eindringen von Luft in die Uterusvenen herrührten, kann man dies wohl fo erklären, daß die unmittel- bar mit dem Blute gemiſchte Luft das Blut in den Capillar— gefäßen orygenirt habe? Nach dem obigen Falle wurde Dr. Simpſon noch zu drei oder vier anderen Fällen gerufen, in welchen eine ähnliche Folge von Symptomen Statt fand: nämlich große De— preſſion nach der Entbindung, ſchneller, kaum zu fühlender Puls und Flecke einer ſcharlachähnlichen vorübergehenden Röthe auf der Haut. Alle dieſe Patienten ſtarben innerhalb 2— 3 Tagen nach der Entbindung. In einem Falle, welchen er mit Dr. Kerr beobachtete und wo der Tod noch raſcher er— folgte, zeigten ſich keine rothen Flecke, obwohl die übrigen Symptome ähnlich waren. Der erſte Fall blieb übrigens der einzige, in welchem eine Section möglich war. Zwei oder drei dieſer Fälle waren als Fälle von bösartigem Scharlach angeſehen worden, eine Krankheit, welche von den ausgezeich— netſten Geburtshelfern immer als höchſt gefährlich für Wöch— nerinnen betrachtet wird, welche aber in manchen Fällen auch wohl mit der Krankheit verwechſelt worden iſt, von welcher hier geſprochen wird. Nimmt man an, daß die in Rede ſtehenden Symptome von der in die Venen des uterus eingedrungenen Luft her— rühren, ſo iſt der Mechanismus dieſes Vorganges nicht ſchwer zu verſtehen. In der Regel freilich nehmen die Wundärzte an, Luft könne nur in Venen eingezogen werden, die dem Herzen nahe liegen, aber — die Luft kann auch in Venen eingetrieben werden, wenn die offenen Mündungen derſelben fern vom Herzen ſind und Umſtände hinzukommen, durch welche die Luft veranlaßt werden kann, in dieſe offenen Ge— fäße einzudringen. Ein dazu geeigneter Mechanismus findet im uterus nach der Entbindung Statt. Die innere Fläche des Organs, be— ſonders da, wo die placenta aufſaß, zeigt offene Gefäßmün⸗ dungen. Nimmt man nun an, daß ein Mal Luft in die Uterushöhle, durch die abwechſelnde Zuſammenziehung und Ausdehnung ihrer Wände, eingedrungen wäre (wie bei Nach- wehen, Blutungen zc.), und nimmt man ferner an, daß bei der Wiederzuſammenziehung das Herausdringen der Luft durch ein Blutcoagulum ze. im Muttermunde verhindert ſei, fo wird die nunmehr zuſammengedrückte Luft recht wohl durch die offenen Gefäßmündungen entweichen. Der Vorgang iſt ganz wie bei einer Saugpumpe und könnte durch eine Kaut— ſchukflaſche mit venenähnlichen Canälen in ihrer Wand nach— geahmt werden, wenn eine Klappe jedes Mal die Mündung, durch welche Luft bei der Erweiterung der Flaſche eindringt, verſchlöſſe, ſo bald die Compreſſion der Flaſche beginnt. (Edinburgh Obstetrie Society, Meeting of 10. January 1849.) (XXXIX.) Weinſteinconeremente im Darmeanale nach dem Gebrauche der flüſſigen Magneſia. Von Prof. Dr. Graves. Weinſtein, und beſonders calcinirte Magneſia, iſt zu allen Zeiten bei dyspeptiſchen Leiden ſehr empfohlen worden, 193. N. 17. 270 beſonders bei Dyspepſie mit gichtiſcher Grundlage. Da man aber immer fürchtete, es möchte dadurch leicht Verſtopfung und Anſammlung von abgelagerten erdigen Theilen veranlaßt werden, ſo verband man den Gebrauch gewöhnlich mit Laranzen; am gebräuchlichſten iſt die Verbindung der Magneſia mit Rhabarber und etwas Ingwer. Später wurde es nament- lich durch Sir Everard Home und Brande ein allgemein angenommener Satz, daß Magneſia ohne ein kräftiges Ab- führmittel immer ein gewagtes Mittel ſei. Da nun aber das angeführte Pulver vielen Patienten unangenehm war, ſo kam die flüſſige Magneſia, nach Sir James Murray, in Gebrauch und man hielt ſie für ganz unbedenklich und wer nur (in England) an Sodbrennen litt, der nahm ohne Be— denken zu dieſem Getränke ſeine Zuflucht. (Es iſt zu be⸗ merken, daß in England der Verbrauch dieſer solutio Mag- nesiae percarbonica in der That außerordentlich ſtark ift.) Prof. Graves iſt nun der Anſicht, daß in der That der Gebrauch der flüſſigen Magneſia die Bildung von Magneſia⸗ eonerementen im Darme ziemlich beſeitigt hat, da dieſelbe in neueren Zeiten außerordentlich ſelten geworden ſeien. Indes warnt er dennoch, da ihm zwei Fälle bewieſen haben, daß auch nach der flüſſigen Magneſia ſich feſte Coneremente bil— den können. Ein Arzt nahm etwa drei Jahr hindurch, ſo oft er etwas dyspeptiſche Leiden verſpürte, ein Weinglas voll Mag- neſiawaſſer; bei jeder Erkältung bekam er Schmerzen in der rechten Leiſtengrube und dieſe verſchwanden, ſo oft er das Waſſer nahm. — Ein Rückfall dieſer Schmerzen machte ein Mal den Gebrauch von Blutegeln nöthig. Der letzte Anfall fand im März 1843 Statt. Pat. ſaß in ſeinem Zimmer und las; er fühlte ſich nicht ganz wohl; da auf ein Mal bekam er einen heftigen Schmerz in der rechten Leiſtengegend, fühlte ſich etwas ohnmächtig und ging deswegen ins Bett, machte warme Umſchläge und ſchickte nach Dr. Graves. Da der Zuſtand ſehr ängſtlich erſchien, ſo ſchickte die Frau nach allen Seiten um ärztliche Hülfe aus und in etwa 1, Stunde waren 5 Arzte da, welche Terpenthinfomentationen verordneten, die auf der durch die Warmwaſſerumſchläge weich gewordenen Haut ein empfindliches Brennen verurſachten. Danach wurden Blutegel angewendet und eine reichliche Doſis Terpenthin- und Rieinusöl verordnet; dieſe Mixtur wurde nach 10 Stunden wieder ausgebrochen. — Die weitern Details der Behandlung ſind nicht mehr zu geben, — aber es folgte Reconvaleſcenz und die wahre Natur des Leidens n weder von dem Kranken, noch von irgend einem der Arzte vermuthet worden zu ſein. Dr. Graves rieth ihm nur noch jeden Morgen 1 Theelöffel voll Rieinusöl in warmer Milch zu nehmen, was auch einige Zeit lang geſchah. Patient rüſtete ſich zu einer Reiſe nach London, con— ſultirte aber zuvor Dr. Houſton, weil er glaubte, er leide an inneren Hämorrhoidalknoten; dieſer aber fand, daß er eine fissura ani habe, welche mit Höllenſtein cauterifirt werden mußte. Darauf folgte bedeutende Reizung und eine hart- näckige Verſtopfung, weswegen ein ſtarkes Abführmittel ver- ordnet wurde. — Als dieſes gewirkt hatte, fanden ſich in dem Nachtſtuhle eine Menge runder und weißlicher Körper, 271 die in einer rahmähnlichen Flüſſigkeit ſchwammen und darunter ein Concrement von der Größe und Geſtalt einer Roß— Kaſtanie in ihrer Schaale. Dieſes letztere wurde von Dr. Aldridge chemiſch unterſucht und es fand ſich, daß es aus Magnesia carbonica mit etwas thieriſchen und vegetabiliſchen Stoffen beſtand. — Die Ausleerung enthielt auch einen ganzen Traubenſtiel, welcher, nach der Meinung des Kranken, mindeſtens 6 Monate im coecum hinter jenen Conerement— maſſen gelegen haben muß, da er ſeit ſo lange keine Trauben mehr gegeſſen hatte. Aus den angeführten Thatſachen folgerte der Kranke ſelbſt: 1) daß von dem getrunkenen Magneſiawaſſer ſich ein Niederſchlag gebildet hatte, welcher ſich im Blinddarme feſt— ſetzte und daſelbſt ziemlich lange Zeit verblieb; 2) daß nach feiner ſchweren Krankheit, die ohne Zweifel von dieſem Niederſchlage herrührte und nach welcher Dr. Graves jeden Morgen eine kleine Doſis Ricinusöl nehmen ließ, dieſes letztere mechaniſch gewirkt habe, indem es zwiſchen die Con— cremente eindrang und ſie zu einer Maſſe vereinigte. Seitdem hat der Kranke von den Schmerzen in der rechten Leiſtengrube nichts wieder gefühlt; er hat aber auch kein Magneſiawaſſer mehr genommen. (Dr. Graves, Lectures on clinical Medicine. Vol. II. p. 223.) (XI.) über die Anwendung des Conium macu- latum bei ſchmerzhaften Übeln. Von Dr. J. M. Neligan. Die Verſchiedenheit der Anſichten über die ſchmerz— ſtillenden Eigenſchaften des Schierlings erklärt ſich aus der leichten Zerſetzbarkeit des Mittels bei einem ſelbſt mäßigen, einige Zeit lang fortgeſetzten Hitzegrade, wodurch das Conium, namentlich das gewöhnlich angewendete Extract desſelben, ganz oder faſt ganz unwirkſam wird. Vor der Anwendung irgend eines Präparates des Schierlings iſt es daher erforder— lich, dasſelbe auf ſeinen Coniingehalt zu prüfen, welches auf folgende einfache Weiſe geſchieht. Man reibt das zu unter— ſuchende Präparat mit einer kleinen Menge cauſtiſchen Kalis in einem Mörſer zuſammen, worauf binnen wenigen Minuten das Coniin, wenn es vorhanden iſt, einen eigenthümlichen, durchdringenden, ſehr unangenehmen, etwas alkaliſchen Geruch von ſich giebt, welcher ſich leicht von dem Mäuſegeruche der Pflanze ſelbſt unterſcheiden läßt. — Das vom Verf. unter dem Namen succus Conii in den folgenden Fällen angewendete Präparat wird auf folgende Weiſe bereitet: Nimm friſche Schierlingsblätter, drücke den Saft in einer Tincturpreſſe aus, laſſe denſelben 48 Stunden lang ſtehen, ſchöpfe die klare Flüſſigkeit ab und füge ½ reetifieirten Weingeiſt hinzu. Dieſes Präparat hält ſich zwei Jahre lang gut und hat 193. N. . Dieſe Erfahrung läßt ſich übertragen. 272 durch ſeine gleichförmige Stärke, ſowie die Leichtigkeit, mit welcher man die darzureichende Gabe erhöhen oder erniedrigen kann, einen entſchiedenen Vorzug vor dem Extract oder dem Pulver der Früchte oder Blätter. Die beſte Zeit, die Blätter zu ſammeln, iſt die, wenn die Pflanze in voller Blüthe ſteht, und vor dem Auspreſſen derſelben pflücke man ſorgfältig die Stengel ab. — Der Schierling mildert, in Medieinalgaben gereicht, nervöſe Reizbarkeit, und die Stärke und Frequenz der Herzaction nimmt ab. Wird das Mittel lange Zeit fort— gegeben, oder ſteigt man ſchnell mit den Doſen, ſo klagen die Kranken gewöhnlich über eine unangenehme Trockenheit im Schlunde mit einem Gefühle von Zuſammenſchnürung und erſchwertem Schlucken, worauf dann das Mittel auf einige Tage ganz ausgeſetzt oder in kleinerer Gabe gereicht werden muß. Die Krankheiten, gegen welche ſich das Conium nach der Erfahrung des Verf. entſchieden wirkſam gezeigt hat, ſind ſubacut, wie chroniſche Rheumatismen, beſonders, wenn von heftigen Schmerzen begleitet, Neuralgien und Gangraena senilis. Verf. gab suceus Conii von 30—60 Tropfen u. m. 3 — 4 Mal täglich; er berichtet 4 Fälle von ſubacutem und chroni— ſchem Rheuma, in welchen das Conium vollſtändige Heilung herbeiführte; ein Fall von chroniſchem Rheumatismus, wo es den Kranken nur erleichterte, nicht heilte, und einen Fall von neuralgia facialis mit glücklichem Ausgange. In zwei Fällen von Gangraena senilis zeigte ſich das Mittel von ausgezeichneter Palliativwirkung. (Dublin Journal.) Miſeellen. (30) Haarbalggeſchwülſte der orbita ſcheinen nach Dr. Ryba zu Prag durch tief unter der Haut vorkommende und in verkehrter Richtung wachſende Haarkeime bedingt zu fein; das wachſende Haar reizt, es bildet ſich ein Balg, der ſich allmälig mit Serum und Haarabfällen füllt, während neue Haare nachwach— ſen; es muß daher bei der Erſtirpation der ganze Haarboden mit weggenommen werden. Die Geſchwulſt, welche zu der Unterſuchung Gelegenheit gab, ſaß unter der linken Augenbraue unmittelbar auf der Beinhaut auf; in dem zarten Sacke von der Größe einer Has ſelnuß fand ſich gelbliches Serum, Schleimflocken und eine Menge lofer Haare. Nach vorn war der übrigens dünne Sack fehr dick und war hier an ſeiner inneren, weniger glatten weißen Fläche mit einigen daraus hervorwachſenden Haaren beſetzt. (v. Wal⸗ thers Journal II. 1.) (31) über Dampf bei Pferden. Ein brauner Vollblut: hengſt wurde für völlig unbrauchbar gehalten, weil er ausgemacht dämpfig war. Der Ton war zuweilen ſo laut, daß der Beſitzer des Thieres ſich ſchämte, auf ihm auszureiten und ſich mit jeder Art von Behandlung einverſtanden erklärte. Nach einer genauen Unterſuchung ſchien der Sitz des Übels auf den larynx beſchränkt zu ſein. Die Behandlung, welche eingeſchlagen wurde, beſtand in der Einreibung des Ungt. Jodi compos. in den Kehlgang 3 Mo⸗ nate hindurch. Der Dampf ward dadurch vollſtändig beſeitigt und das Thier wird jetzt wieder zum Ziehen und Reiten gebraucht. — (Veterinarian Journal.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Quekett Esg. Practical treatise on the use of the microscope. post 8, (pp. 2 2 with 8 steel plates and numerous wood engravings.) an 1849. sh. J. F. Duncan, Clinical Lectures delivered in the Theatre of Mercer’s Ho- spital during the session 1847/48. 8%. (pp. 126.) Dublin 1849. 5 sh. Drud und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, eine von dem Gr. © „Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 194. (Nr. 18. des IX. Bandes.) Mai 1849. Naturkunde. Methode, das Jod und Brom nachzuweiſen. — Heilk Meiſcelle. unde. Marſhall Hall, über die Wirkung einiger phyſicaliſchen und chemiſchen Agentien auf das Nervenſyſtem. — Miſeelle. Vincent, Wichtigkeit des Perioſteums für die Heilung von Knochenverletzungen. — Erſtixpation zweier Geſchwülſte des G — Bibliographie. Cantu, neue Naturkunde. XL. über die Wirkung einiger phyſicaliſchen und chemiſchen Agentien auf das Nervenſyſtem. Von Marſhall Hall. (Hierzu Fig. 13—20 der mit No. 16 dieſes Bandes ausgegebenen Tafel.) Erſter Abſchnitt. Über den electrogeniſchen Zuſtand der Mus ketmesuem Dieſe Abhandlung, die wir dem Juli- und Octoberhefte des Edinburgh new philosophical Journal von 1848 ent⸗ nehmen, beginnt mit derjenigen electriſchen Beſchaffenheit des Nervenſyſtenis, die ſich, nachdem ein voltaiſcher Strom auf ſelbiges eingewirkt hat, aber bereits unterbrochen iſt, erhält. Der Verf. nennt dieſen Zuſtand einen electrogeniſchen. J. Einleitende Beobachtungen. Die unmittelbaren Wirkungen der voltaiſchen Säule auf die Nerven und Muskeln des Froſches find von Matteuceci vortrefflich beobachtet und beſchrieben worden; die fecundäre Wirkung, die electrogeniſche Beſchaffenheit des Nerven ſyſtems iſt dagegen, wie der Verf. glaubt, noch von keinem Forſcher genau und erſchöpfend unterſucht worden. Der Verf. bes ſchäftigte ſich vorläufig mit beſtimmten Theilen des Rücken— markſyſtems, feinen zufälligen oder Erregungsnerven und deren Mittelpunkte, dem eigentlichen Rückenmarke, ebenſo mit den Reflerions- oder Muskelnerven und ſuchte für alle dieſe Theile die eleetrogeniſche Beſchaffenheit und die Erſcheinungen, die ſie in ihnen hervorruft, zu erforſchen. Anfänglich behandelte der Verf. eine ſchon früher von ihm nebenbei behandelte Frage über die ereitomotoriſche Eigenſchaft der Muskelnerven und die Irritabilität der Muskel— faſer ſelbſt, wenn der Einfluß des Gehirns oder Rückenmarks auf irgend eine Weiſe aufgehoben wird. Der Verf. fand, daß die Erſcheinungen nach den verſchiedenen Umſtänden, No. 2174. — 1074. — 191. unter denen ſie Statt fanden, verſchieden waren; der Ein— fluß dieſer Umſtände mußte demnach, ehe man eine Löſung der Hauptfrage ſelbſt erwarten durfte, ermittelt werden: ſo ward der Verf. unvermerkt auf verſchiedene neuere Wege der Unterſuchung geleitet. In der vorliegenden Abhandlung befaßt ſich der Verf. nur mit den Muskelnerven; die eleetrogeniſche Beſchaffen— heit der übrigen Nerven wie des Rückenmarks wird er in einer ſpäteren Arbeit berückſichtigen. Die Verſuche wurden, unter Mitwirkung des Herren Henry Smith, in folgender Weiſe angeſtellt. Einem lebenden Froſche (Rana temporana L.) ward in der Nähe des Gehirns das Rückenmark durchſchnitten, und dadurch ſowohl das Gefühl wie der Einfluß des Willens auf die Bewegungen aufgehoben; alle Gewebe längs der Rückenmarksſäule wurden bis auf diejenigen, welche die vorderen Extremitäten mit den hinteren verbinden, durch— ſchnitten, alle Eingeweide und Hautbedeckungen entfernt, ebenſo wurden die Knochen und Muskeln der Brachial-Lenden— und Beckengegend herausgelöſ't, die beiden Oberſchenkelbeine wurden von einander getrennt, die Brachial- und Lenden— nerven völlig frei gelegt und der Froſch ſo auf einer Glas— platte ausgebreitet, daß er dieſelbe mit ſeinen frei liegenden Nerven nicht berührte. Fig. 15 giebt eine Abbildung eines ſo zugerichteten Froſches. Der ſo zugerichtete Froſch ward eine Zeit lang mit dem vom Silberpol ausgehenden Platindrathe einer voltaiſchen Säule am oberen Theile der Nerven in der Nähe des Rücken— marks berührt, während der vom Zinkpol ausgehende Drath den unteren Theil des Nerven in der Nähe des Oberſchenkel— beins berührte, ſo daß ein voltaiſcher Strom entſtand, welcher der Richtung der Nerven nach abwärts, d. h. von ihrem Urſprung im Rückenmark ausgehend, bis zu ihren 18 275 Verzweigungen in den Muskeln verlief; darauf wurde die Stellung der Dräthe geändert und ein Strom in umge— kehrter Richtung hervorgerufen. Beim Schließen der Kette erfolgten heftige Muskelzuſammenziehungen. Man ließ die Dräthe 5, 10 bis 15 Minuten lang in abwechſelnder Weiſe einwirken und entfernte darauf allen voltaiſchen Einfluß. Jetzt traten die ſecundären oder electrogeniſchen Erſcheinungen als krampfhafte Zuckungen und Starrkrämpfe in beiden Ertremitäten hervor, verſchwanden aber, fo wie die Kette von neuem einwirkte, augenblicklich. Dieſer Verſuch liefert die einfachſte Art electrogeniſcher Induction auf die Nerven; von voltaiſchem Einfluſſe, der nur erregend einwirkte, unabhängig erhält ſich die electro— geniſche Beſchaffenheit eine beſtimmte Zeit; das Zucken, ſo wie der Starrframpf während dieſer Periode find von den oftmals energiſchen Muskelbewegungen während der Ein— wirkung der galvaniſchen Säule ſehr wohl zu unterſcheiden. Der benutzte Apparat beſtand, wenn ein kräftiger Strom nöthig war, aus 10 bis 20 Cruikſhankſchen Trögen, die vermittelſt Kupferdräthe verbunden und mit Waſſer gefüllt waren; wo ein ſchwacher Strom genügte, wurden zwei vol— taiſche Elemente mit Zink- und Silberplatten in Verbindung geſetzt; endlich ward nur ein einfacher Zink- und Silber— bogen mit den Nerven oder dem von ihnen durchwachſenen Gewebe in Verbindung geſetzt. Die für die folgenden Verſuche benutzten Fröſche wurden von Herrn Smith hin und wieder in etwas verſchiedener Weiſe präparirt, allen ward jedoch das Rückenmark durchſchnitten. In manchen Fällen iſt es durchaus nothwendig, die Haut, welche als ein unvollkommener Leiter wirkt, zu entfernen; in anderen wird eine völlige Iſolirung der Nerven von allen Muskeln und Geweben, die gute Leiter ſind, nöthig; insbeſondere iſt darauf zu ſehen, daß die Nervenſcheide (neurilemma) und die Nervenmaſſe ſelbſt nicht trocken wird, wogegen ſich andrerſeits wiederum, längs der äußeren Oberfläche der Nerven, keine Feuchtigkeitsſchicht bilden darf. II. Vorſichtsmaßregeln. — Wirkungen des Eintrock⸗ nens der äußeren Feuchtigkeit und der Größe der Berührungsflächen. Mancherlei Umſtände erſchweren und verwickeln die Verſuche, namentlich find es die 3 ſoeben genannten, deren Einfluß der Verf. deshalb vorerſt unterſuchen will. Nicht ſelten gelang ein Verſuch, der, in ganz gleicher Weiſe wiederholt, kein Reſultat gewährte; ein Mal mißlang ſogar ein Verſuch, als der vorhin benutzte kupferne Schließungs— drath durch einen feineren Platindrath erſetzt ward. Ein wie oben (Fig. 15) zugerichteter Froſch, dem Kopf, Eingeweide und Haut genommen war, und deſſen Brachial— und Lendennerven ſo frei gelegt wurden, daß die Luft auf ſie einwirken konnte, ward ſo auf eine Glasplatte gelegt, daß ſeine frei liegenden Nerven nirgends das Glas oder einen Gegenſtand, der Feuchtigkeit zurückhalten konnte, berührten; die Vorderbeine wurden ſeitwärts, die Hinterbeine nach hinten gerichtet und wenn dies geſchehen, der Zeitpunkt abgewartet, wo die Nerven durch allmälige Verdunſtung den nöthigen Grad der Feuchtigkeit erreicht hatten. In 194. IX. 18. 276 mäßigen Zwiſchenräumen bemerkte man leichte Bewegungen der vorderen, namentlich aber der hinteren Ertremitäten, und leichte Zuckungen der Muskeln ſelbſt, die ſich, ſo wie die Nerven bei fortſchreitender Verdunſtung ein dunkleres An— ſehen gewannen, vermehrten. Wenn man jetzt die Nerven, indem man ſie mit den vorhin entfernten Eingeweiden be— deckte, wiederum feucht werden ließ, hörten die vorigen Bewegungen auf, erneuerten ſich aber, ſobald die Nerven wieder trocken wurden; durch abwechſelndes Trocken- und Feuchtwerden wiederholten ſich dieſe Erſcheinungen zu ver— ſchiedenen Malen an demſelben Präparate. Sobald nun die Lendennerven wieder ſchwach vertrockneten und die Be— wegung der hinteren Extremitäten deutlich hervortrat, wurden die Nerven zuerſt dicht am Rückenmark durchſchnitten, es zeigte ſich keine Veränderung; ſo wie aber dieſelben Nerven dicht an den unteren Extremitäten durchſchnitten wurden, hörte augenblicklich jede Bewegung auf. Die Einwirkung des Austrocknens muß demnach ſorgfältig beobachtet und von dem electrogeniſchen Einfluſſe der voltaiſchen Säule genau unterſchieden werden. Ein anderer Froſch ward fo präparirt, daß feine Lendennerven mit den weichen und feuchten Theilen des Rückens im Zuſammenhange blieben. Es war jetzt beim Offnen der Kette durchaus unmöglich, electrogeniſche Er— ſcheinungen hervorzurufen, obſchon das Präparat hinreichend lange dem Einfluſſe des Galvanismus ausgelegt geweſen; die Nerven wurden durch das unter ihnen liegende feuchte Gewebe iſolirt. Ein anderer Froſch, deſſen Nerven ſo gelegt waren, daß ſie in einer Waſſerſchicht auf der Glastafel lagen, zeigten, man mochte 5, 10 oder 20 Minuten den Galvanismus einwirken laſſen, wenn die Kette unterbrochen ward, keine eleetrogeniſchen Erſcheinungen. Ein vierter Froſch ward wie Fig. 16 zubereitet; doch ſo, daß ſeine feuchten Eingeweide nur über den Nerven einer Seite lag; jetzt zeigte nur dasjenige Bein, deſſen Nerv frei lag, krampfhafte Zuckungen und Starrkrampf, während der andere, deſſen Nero feucht gehalten ward, keine dieſer Erſcheinungen verrieth. Auch wenn die Platinbleche, auf denen die Extremitäten ruheten, in Contact gebracht wurden, änderte ſich die Sache nicht, und dennoch waren beide Nerven nicht entladen, denn ſobald man die Eingeweide entfernte und nunmehr die Platten in Contact ſetzte, zogen ſich die Muskeln beider Schenkel mit Energie zuſammen. Aus dieſen Verſuchen erhellt, daß man, um die electro= geniſche Beſchaffenheit der Nerven durch Verſuche zu erfahren, ſich ſowohl vor äußerer Näſſe als Trockenheit huͤten muß: die erſtere führt als Leiter die Electricität weiter, verhindert dadurch das heftige Zuſammenziehen und den Starrkrampf der Muskeln, der nur dann erfolgt, wenn die Nerven iſolirt ſind. Außer dieſen beiden iſt noch ein dritter ſehr wichtiger Umſtand nicht außer Acht zu laſſen. Ein Froſch ward, wie es Fig. 15 angiebt, präparirt, auch ebenſo lange wie ſonſt dem Galvanismus preisgegeben; doch ward ftutt des bisherigen kupfernen Schließungsdrathes ein Platindrath benutzt. Der Verſuch war ganz erfolglos, 277 fein Zucken und kein Starrkrampf, nachdem der Strom unterbrochen worden. Der bisher benutzte Kupferdrath war dicker, als der jetzt angewendete Platindrath. Die Verf. ver— mutheten, daß eine Verminderung der Berührungspunkte durch den dünneren Drath die Urſache des Nichtgelingens ſein könne; ſie verbanden deshalb 5 Platindräthe mit flachen Platinplatten von etwa ¼ Zoll Durchmeſſer und berührten mit dieſen die Nerven. Der Erfolg beſtätigte ihre Ver— muthung: ſo wie der Strom unterbrochen ward, traten augenblicklich und mit großer Energie electrogeniſche Er— ſcheinungen hervor. Es iſt demnach außer einem gewiſſen Feuchtigkeitsgrade der Nerven eine gewiſſe Anzahl von Be— rührungspunkten für den galvaniſchen Strom zum Gelingen der Verſuche nothwendig. Viele andere Verhältniſſe, die Lebenskräftigkeit, das Geſchlecht der Thiere, die Jahreszeit u. ſ. w. mögen außerdem noch hier, wie überhaupt bei phyſiologiſchen Unterſuchungen, in Frage kommen. III. Der electrogenifhe Zuſtand der Nerven und ſeine Entladung. Bei einer Stromleitung, wie ihn die Pfeile auf Fig. 13 und 20 angeben, war kein electrogeniſcher Zuſtand bemerk— bar; der Verf. glaubt, daß hier der Galvanismus von den weichen Theilen fortgeleitet ward; dagegen waren die Er— ſcheinungen nach einer Stromrichtung, wie ſie auf Fig. 15 und 16 bezeichnet iſt, am ausgezeichnetſten. Erſter Verſuch. — Auf einen nach Art der Fig. 15 ſorgfältig präparirten Froſch ließ man 15 Minuten lang den galvaniſchen Strom von a nach b gehen, ohne daß er Nerven berührte; die Verf. glaubten, dadurch im Rückenmarke ſelbſt einen electrogeniſchen Zuſtand hervorzurufen; indes beim Offnen des Stromes traten keine Zuckungen ein, der Galvanismus mußte vom feuchten Gewebe fortgeführt ſein. Der Strom ward jetzt von e nach d ſo fortgeführt, daß er die Brachial- und Lendennerven berührte; als er nach drei Minuten unterbrochen ward, traten in allen Extremi— täten, vorzugsweiſe aber in hinteren, lebhafte Zuckungen ein, die mit dem Schließen der Kette augenblicklich aufhörten, aber, nachdem der Strom nochmals drei Minuten eingewirkt hatte, bei deſſen Unterbrechung von neuem eintraten. Der— ſelbe Verſuch ward mit gleichem Erfolge oftmals wiederholt. Die Zuckungen dauerten fort, wenn auch der Lenden— nero bei e durchſchnitten ward; ſobald man ihn dagegen bei k durchſchnitt, verſchwanden ſie augenblicklich. Dieſer wie der auf Fig. 13 abgebildete Verſuch ſtimmen mit dem überein, was man alternirenden Voltaismus nennt; ſie zeigen, wie umgebende Feuchtigkeit die electrogeniſche Beſchaffenheit der Nerven aufhebt. Zweiter Verſuch. — Ein Froſch ward, wie Fig. 13 angiebt, präparirt: Kopf und Eingeweide wurden entfernt, dagegen Brachial- und Lendennerven mit dem feuchten Ge— webe in Contact gelaſſen; ein Platindrath wurde nahe dem Rückenmark, der andere nahe dem Oberſchenkelbeine angebracht. Dieſe Dräthe wurden zu Anfang nicht mit der voltaiſchen Säule verbunden, ſondern erſt unter ſich durch ein quer über ſie gelegtes Stück Platindrath in ver— 194. IX. 18. 278 ſchiedenen Entfernungen vom Thiere in gegenſeitigen Contact gebracht, wobei keine deutlichen Erſcheinungen auftraten. Die Dräthe wurden nunmehr mit der voltaiſchen Säule zuſammengebracht, und wenn jetzt beide Dräthe durch einen Querdrath verbunden wurden, erfolgte eine kleine Bewegung der Glieder. Sobald die Kette vollſtändig ge— ſchloſſen war, waren die Bewegungen lebhaft; dieſelben verloren nichts an Intenſität, wenn auch der Strom unter— brochen ward, fobald nur die Dräthe durch einen Querdrath verbunden wurden; ſie wurden mehrmals durch ein Trennen und Wiederverbinden der Dräthe, ohne erneuerten Einfluß der voltaiſchen Säule, von neuem hervorzurufen. Ward die Verbindung beider Dräthe lange unterhalten, ſo verſchwanden die Erſcheinungen. Der Verf. ließ jetzt die voltaiſche Kette zwei Minuten lang einwirken, unterbrach und erneuerte darauf verſchiedent— lich den Strom, jedoch mit wenig Erfolg; ward dagegen der Strom unterbrochen und beide Dräthe in Verbindung gebracht, ſo traten lebhafte Zuckungen ein, die, wenn die Dräthe länger vereinigt blieben, bald aufhörten; ward die Verbindung nach zwei Minuten unterbrochen, ſo fand bei ihrer Wiederher— ſtellung noch ein mäßiger Erfolg Statt. Die Verf. ließen den voltaiſchen Strom nochmals vier Minuten einwirken, unterbrachen ihn, verbanden dagegen beide Dräthe, und der Erfolg war ganz ſo wie vorhin. Ebenſo war es gleichgültig, ob die voltaiſche Kette ge— ſchloſſen war oder nicht, wenn nur die beiden Dräthe unter ſich verbunden waren; bei einer vollkommen geſchloſſenen Kette bewirkte die zufällige Berührung des Zinks mit dem Silber in einem der beiden Tröge dieſelben Erſcheinungen. Bei keinem die— ſer Verſuche zeigten ſich heftige Zuckungen, letztere erfolgten erſt, wenn die Nerven von dem feuchten Gewebe gehoben und dadurch iſolirt wurden, nachdem der Strom längere Zeit eingewirkt hatte, bei deſſen Unterbrechung. Die Feuchtigkeit bewirkte eine allmälige, verhinderte dagegen ein plötzliche und heftige Entladung. Übrigens war, wie der Verf. be— ſonders hervorhebt, der Einfluß des Schließens und Unter— brechens der Kette auf die Muskeln dem Grade nach ſehr verſchieden. Dritter Verſuch. — Ein Froſch ward, wie Fig. 16 angiebt, zugerichtet. Das Ende der von zwei voltaiſchen Elementen (eouronne de tasses) ausgehenden Dräthe war mit Stückchen Platin verbunden, die Dräthe ſelbſt aber mit zwei blanken Silbermünzen, auf denen die Hinterfüße ruheten, in Contact gebracht. In demſelben Augenblicke, wo dieſer Contact eintrat, zeigten ſich lebhafte Muskelbewegungen; der Contact ward nach zwei Minuten unterbrochen, es traten Zuckungen (electrogeniſche Erſcheinungen) ein. Nachdem der Contact wieder zwei Minuten gedauert hatte, traten nach ſeinem Aufheben dieſelben Erſcheinungen ein, erhielten ſich aber in dem mit b bezeichneten Beine länger, als in dem a ges nannten. Sobald die Kette wieder geſchloſſen ward, be— wirkte die bloße Berührung eines kameelhaarnen Pinſels, mit dem die Nervenſcheide feucht erhalten ward, namentlich, wenn der Pinſel Nerven und Muskeln gleichzeitig berührte, 18 * 279 deutliche Muskelcontractionen; ein gekrümmter Platindrath, welcher den Nerven an zwei Punkten berührte, hatte einen ähnlichen Erfolg; dieſer vermehrte ſich, ſobald zwei Platin— bleche auf entfernte Theile der Nerven gelegt und durch einen Platindrath, wie er in e abgebildet iſt, verbunden wurden; die Zuckungen beſchränkten ſich in dieſem Falle häufig nicht auf das eine Bein, ergriffen vielmehr auch das andere. Wenn die Dräthe der Silbermünzen, auf denen die Füße lagen, getrennt, dagegen beide Münzen durch einen gekrümmten Drath verbunden wurden, ſo zeigten ſich heftige Bewegungen; dieſelben wiederholten ſich vier bis fünf Mal, dann ſchien die electrogeniſche Beſchaffenheit entladen zu fein. Ward nach fünf Minuten die Verbindung hergeſtellt, ſo zeigten ſich, ohne daß der voltaiſche Strom von neuem eingewirkt hatte, ſchwache Erſcheinungen. In dieſem electro— geniſchen Zuſtande traten, ſobald die beiden Oberſchenkel— knochen an feuchten Stellen in Contact geſetzt wurden, Zuckungen ein; dasſelbe zeigte ſich, wenn die angefeuchteten Nerven durch Platinplatten in Contact gebracht wurden; eine Verbindung durch Platindräthe war hier unzureichend. Wenn die Reizbarkeit des Froſches abnahm, ward bei der Stromunterbrechung das Bein a, beim Schließen der Kette dagegen das mit b bezeichnete Bein mehr als das andere erregt. Die Unterbrechung des Stromes, wie die Verbindung und Trennung der Dräthe von einander, hatte jeder Zeit eine durchaus beſtimmte Muskelthätigkeit zur Folge. Vierter Verſuch. — Die Füße eines, wie auf Fig. 13 zubereiteten Froſches wurden auf Silbermünzen gelegt. Das Schließen des Stromes äußerte nur einen geringen Einfluß, die Unterbrechung machte ſich gar nicht bemerkbar. Der Froſch ward darauf in die auf Fig. 16 bezeichnete Lage gebracht und mit ihm ganz wie im dritten Verſuche verfahren; krampfhafte Muskeleontractionen erfolgten, ſowie der Strom unterbrochen ward, ſie verſchwanden, ſowie man ihn erneuerte. Sobald man die Nerven mit den feuchten Gedärmen bedeckte, hörten ſowohl die auf das Schließen und Unter— brechen des galvaniſchen Stromes, als auf dem Contact— wechſel der Dräthe beruhenden Erſcheinungen auf, traten dagegen, wenn die Gedärme entfernt waren, wieder hervor; die Berührung der Oberſchenkelknochen mit einander wirkte faft eben jo, wie der Contact zwiſchen den beiden Silberplatten. Ein wie Fig. 16 zugerichteter Froſch, auf den der galvaniſche Strom nicht eingewirkt hatte, zeigte ſchon beim Contact der Silberplatten ſchwache, aber deutliche Muskel— eontractionen; ſobald hier das Silber durch Platin erſetzt ward, traten keine oder nur ſehr ſchwache Bewegungen ein. Die Platinplatten wurden beibehalten, die Kette aber, wie in Fig. 16, geſchloſſen; nachdem die Induction fünf Minuten eingewirkt hatte, ward der Strom unterbrochen; die Platinplatten wurden dagegen von neuem verbunden und kleinere Platinbleche an verſchiedenen Punkten auf die Lendenmuskeln und die Platindräthe gelegt, was jeder Zeit eine Zuckung zur Folge hatte. Fünfter Verſuch. — Bei einem, wie Fig. 16 an⸗ 194. IX. 18. 280 giebt, zugerichteten Froſche wurde, nachdem der Strom unterbrochen war, einer der Nerven mit den feuchten Ge— därmen bedeckt und mit den Platinplatten in Contact geſetzt, wobei ſich nur das eine Bein, deſſen Nerven unbedeckt blieben, bewegte. Die Gedärme wurden darauf entfernt, die Platinplatten von neuem in Contact gebracht, beide Beine bewegten ſich. Es ſcheint demnach, als wenn auch da, wo keine deutlichen Wirkungen mehr hervortreten, weil die Electrieität fortgeleitet iſt, dennoch keine vollſtändige Entladung Statt gefunden hat. Sechster Verſuch. — Auf den Nerven eines, wie auf Fig. 16 zugerichteten Froſches ward ein Platindrath gelegt, während der Fuß desſelben Froſches auf einem anderen Platinbleche ruhete; die Kette ward geſchloſſen; ſobald ſie unterbrochen ward und beide Platten verbunden wurden, trat in beiden Beinen Bewegung ein. Es ſcheint demnach, als wenn die electrogeniſche Beſchaffenheit des einen Nerven bei der Entladung beide Beine in Bewegung ſetzen könne. Achter Verſuch. (über den ſtebenten Verſuch iſt nichts angegeben.) — Statt der bisher benutzten beiden vol— taiſchen Elemente ward ein Bogen aus Zink und Silber, der gewiſſermaßen die Nerven mit einem voltaiſchen Strom umgab, benutzt. Der Froſch ward, wie auf Fig. 13, zugerichtet; die Unterſuchung der Kette hatte keine Zuckungen zur Folge. Wenn dagegen der Zinktheil des Bogens, wie in Fig. 16, unter dem Lendennerven des Froſches und der Silbertheil über den Muskeln des Oberſchenkelbeins lag, zugleich ein voll— ſtändiger Contact Statt fand, zeigten ſich, bei Unterſuchung des Stromes, die lebhafteſten Zuckungen, die, ſobald der Strom wieder geſchloſſen ward, verſchwanden. Wenn man den Silbertheil auf die Nerven, den Zinktheil auf die Muskeln eines anderen Froſches legte und dadurch einen Strom in umgekehrter Weiſe hervorrief, blieben die eleetro— geniſchen Erſcheinungen wie vorhin. In beiden Fällen wurden die Nerven zuerſt in der Nähe des Rückenmarks durchſchnitten, die electrogeniſchen Erſcheinungen blieben ungeändert; ſowie dagegen die Nerven in der Nähe der Oberſchenkelbeine durchſchnitten wurden, hörte jede Zuckung auf. Neunter Verſuch. — Wenn man, anſtatt des Zinks auf die Nerven, des Silbers auf die Muskeln, beide Metalle, wie in Fig. 19, auf die Nerven wirken läßt, bleibt der Erfolg genau derſelbe. Zehnter Verſuch. — Wenn man dem Froſche, ohne weitere Vorrichtung, nur das Rückenmark durchſchneidet und ihn jo aufſtellt, daß ſeine beiden Hinterbeine in zwei mit reinem Waſſer faſt gefüllte Gläſer tauchen, darauf das Waſſer beider Gläſer mit den beiden Poldräthen eines Cruikſhankſchen Trogapparates von 10 bis 20 mit Waſſer gefüllten Zellen in Berührung bringt, ſo wird ſich die erſte Einwirkung des Stromes durch lebhafte Mus kelbewegungen offenbaren. Läßt man den Strom 5 bis 10 Minuten ein- wirken, unterbricht und erneuert ihn darauf, ſo zeigen ſich ähnliche, jedoch viel ſchwächere Bewegungen; nach einiger Zeit hören ſie ganz auf, das Schließen und Unterbrechen des Stromes iſt jetzt auf die Muskeln ganz ohne Einfluß. 281 Kehrt man jetzt die Richtung des Stromes um, ſo zeigt ſich, daß die Nerven allerdings im electrogeniſchen Zuſtande waren, indem beim Schließen der Kette ganz ſo, wie vorhin, Muskel— contractionen Statt fanden; auch dieſe dauerten, wie jene, nur eine Zeit lang. Dieſer Verſuch wurde zuerſt von Volta angeſtellt, feine Reſultate wurden als alternirender Voltaismus be— ſchrieben; Matteuc ei beſchäftigte ſich viel mit ihnen. Durch eine metalliſche Verbindung des Waſſers, in den die Beine des Froſches, den der Verf. in einen electro— geniſchen Zuſtand verſetzt hatte, tauchten, ließ ſich, nachdem die Kette unterbrochen war, keine Zuckung hervorrufen; ſchwache Bewegungen zeigten ſich nur dann, wenn einer der Poldräthe mit dem Platingentlader berührt wurde. Dies beweiſ't, daß die Muskelfaſer entweder nur durch Vermittelung ihres Nerven erregbar iſt, oder daß fie, wenn— gleich nicht wahrſcheinlich, eine gleiche Weiſe und einen gleichen Grad der Empfänglichkeit für electrogenifche In— duction wie der Nero beſitzt. Wie ſich beide Beine nicht immer im gleichen Grade bewegen, zeigt ſich beſonders im folgenden Verſuche. Elfter Verſuch. — Ein Froſch ward, wie Fig. 16, zugerichtet; ſeine Beine wurden, wie in Fig. 17, in zwei Gläſer mit Waſſer getaucht; der Strom von 5 Zellen des Cruikſhankſchen Trogapparates ging von einem Glaſe zum anderen, und zwar fo, daß er von a abwärts nach b verlief. Wie die Kette zuerſt geſchloſſen ward, zeigten ſich energiſche Bewegungen in beiden Beinen; als ſie nach 5 Minuten unterbrochen ward, zeigte nur das Bein a einen Starrkrampf. Bei Wiederherſtellung des Stromes bewegte ſich nur das mit b bezeichnete Bein, dagegen ward das Bein a plötzlich ſchlaff. Jetzt wurden die Dräthe gewechſelt und die Kette von neuem geſchloſſen; als fie nach 5 Minuten unterbrochen ward, trat in b Starrkrampf ein; beim Schließen der Kette bewegte ſich a. Die Richtung des Stromes ward wieder geändert und mit ihr auch die Wirkung von neuem umgeſetzt. Sobald die Richtung des Stromes verändert ward, war er bei ſeiner Unterbrechung jeder Zeit der abwärts— gehende Strom, welcher die Muskelbewegungen hervorrief. Ward der Froſch jetzt aus ſeiner vorigen Lage genommen und auf eine Glasplatte gelegt, während die Füße auf einem Platinbleche ruhten: fo traten, wenn ein Bein mit dem vom Kupferpol der Batterie ausgehenden Drathe berührt ward, in ſelbigem beſtimmte Bewegungen ein, dieſelben ent— ſtanden durch einen aufwärtsgehenden Strom. Während der Froſch ſo ausgebreitet dalag und die Kette geſchloſſen war, zeigten ſich, ſobald ein Waſſertropfen an den Nerven, der den Strom aufwärts führte, gelangte, lebhafte Bewegungen, wogegen der andere Nerv unter gleichen Verhältniſſen keine Zuckungen hervorbrachte. IV. Einige beiläufige Verſuche. Wenn der voltaiſche Strom, der, wie in Fig. 14 und 15, um die Lendennerven ging, für einige Minuten geſchloſſen war und die Platindräthe an irgend einer Stelle ihres Verlaufes mit einander verbunden wurden: ſo waren 194. IX. 18. 282 die Muskelcontractionen ungleich energiſcher, als beim einfachen Schließen und Unterbrechen des Stromes; dabei blieb es ſich gleich, ob der Strom zuerſt unterbrochen und dann erſt die Dräthe in Verbindung geſetzt wurden, oder ob dieſe Ver— bindung noch während des Stromes hergeſtellt ward. Ein, wie Fig. 15 angiebt, zugerichteter Froſch ward mit den Poldräthen ſo verbunden, daß der Strom, welcher die Lendennerven einſchloß, geſchloſſen war. Nach 2 Mi— nuten ward der Strom unterbrochen, dagegen beide Dräthe mit einander in Contact gebracht; es erfolgten krampfhafte Zuckungen der Beine. Die Dräthe wurden nunmehr ſo— wohl vom Zink als vom Silber getrennt, aber mit einander verbunden: die Zuckungen waren etwas ſchwächer wie vorhin. Beide Dräthe wurden jetzt durch zwei neue erſetzt, auf die noch niemals ein voltaifcher Strom gewirkt hatte: die Zuckungen dauerten fort, wurden jedoch noch ſchwächer. Die Dräthe wurden noch mehrmals mit ähnlichem Erfolge gewechſelt. Durch eine Reihe neuer und ſorgfältiger Verſuche wäre jetzt, bemerkt der Verf., noch der rationale Werth, ſowie der Einfluß des electrogenifchen Zuſtandes auf die Nerven nachzuweiſen; dieſe Fragen will der Verf. für eine ſpätere Zeit verſchieben. In welcher Entfernung von der Batterie oder vom Froſche die Dräthe verbunden werden, iſt für den Verſuch durchaus gleichgültig; ganz dieſelbe Wirkung erfolgt auch, wenn ſich das Zink und Silber in einer der Zellen berühren; eben ſo gleichgültig iſt es, ob die Berührung zwiſchen jedem Drathe und Nerven zwiſchen beiden Dräthen, oder über oder unter oder gar ſeitlich von ihnen Statt findet. Ganz ähnliche Erſcheinungen offenbarte der folgende, zwölfte Verſuch. Die Lenden- und Oberſchenkelbeinnerven wurden, wie es Fig. 20 darſtellt, über dem Silber- und Zinkbogen angebracht. Sobald zwiſchen a und e ein Contact hergeſtellt ward, kamen Contractionen des Beines zum Vor— ſchein. Schon ein ſehr ſchwacher galvaniſcher Strom be— wirkte ſolche Bewegungen, weshalb ein ſo zugerichtetes Bein ſehr wohl als Galvanoſcop benutzt werden kann. Mat— teuceis galvanofcopifcher Froſch ward genau ſo zugerichtet. Die Wirkung wird, ſobald der Contact hergeſtellt iſt, be— deutend vermehrt, wenn man durch Platindräthe eine Ver— bindung zwiſchen a und b, c und b oder gar zwiſchen e oder k und g, oder i und h und k, g und k herſtellt, die ſchon ganz außerhalb des gewöhnlichen Stromes liegen. Dieſe Verſuche führen indes zu mancherlei Fragen, ſo— wohl über die Wirkungen des electrogenifchen Zuſtandes, als über die Erſcheinungen des umgekehrten Stromes und der neuentſtandenen Ströme: Fragen, die der Verf. mit anderen, ihnen verwandten, zum Gegenſtande ſeiner nächſten Mittheilung machen will. Miſeelle. 39. Eine neue Methode, das Jod und Brom nach⸗ zuweiſen, ward von Pr. C. L. Cantu angegeben. — Er verdampft das zu unterſuchende Waſſer bis auf eine kleine Menge, 283 fällt dann die Erdſalze mit durchaus reinem kohlenſaurem Kali, kocht die Flüſſigkeit ein Weilchen, filtrirt und verdampft ſie zur Trockne. Der zerrinnbare Rückſtand wird mit Alkohol von 0,830 ſpecifiſchem Gewicht, der die vorhandenen Jodide und Bromide voll- ſtändig auszieht, digerirt. Die alkoholiſche Löſung wird darauf zur Trockne verdampft und um etwa vorhandene organiſche Stoffe zu zerſtören, gelinde geglüht; jetzt werden einige Tropfen verdünn— ter Eſſigſäure hinzugefügt, um das wenige von Alkohol mit auf— genommene kohlenſaure Kali zu neutraliſiren; die Maſſe wird noch— mals vorſichtig, um eine Zerſetzung des eſſigſauren Kalis zu ver— meiden, zur Trockne verdampft, dann in ſehr wenigem Waſſer ges löſ't und mit 2 bis 3 Tropfen einer dünnen friſch bereiteten Klei— 194. IX. 18. 284 ſterlöſung verſetzt. Dann giebt man eine geringe Menge einer Miſchung von 10 Theilen einer Schwefelfäure von 66° (1,767 ſpecif. Gewicht) und 1 Theil Salpeterſäure von 25° (1,197 ſpeeif. Gewicht) in ein nach unten zu ſehr enges Glas und läßt darauf die erwähnte zu unterſuchende Auflöſung vorſichtig an den Wänden des Gefäßes hinab in die Säuremiſchung fließen, ohne mit ſelbiger vermiſcht zu werden; waren Jod- und Bromſalze im Waſſer, ſo werden ſogleich zwei Zonen, eine topasgelbe, zuweilen etwas grün— liche (bromhaltige) Schicht und eine blaue über ihr ſchwimmende (jodhaltige) Zone entſtehen. Nach dieſer Methode fell man auch die allerkleinſte Menge beider Stoffe ſicher auffinden können. (Che- mic. Gazette, Oct. 1848.) Heilkunde. (XII.) Wichtigkeit des Perioſteums für die Heilung von Knochenverletzungen. Von J. P. Vincent), Senior Surgeon to St. Bartholomews- Hospital zu London. Die filzähnliche Haut, das Perioſteum, welches im nor— malen Zuſtande von niedriger Organiſation ſcheint, bei Ver— letzungen kaum eine Empfindung zeigt, iſt nach Beſeitigung aller, den Wiedererſatz hemmenden Bedingungen, eins der am höchſten organifirten Gewebe des Körpers, ſobald der Reiz zur Erſatzthätigkeit gegeben iſt. Es iſt alsdann ſehr gefäß— reich, ſehr empfindlich und durchaus fleiſchig in ſeiner Sub— ftanz; es zeigt die größte Thätigkeit für den Zweck, für welchen es in dieſen Zuſtand übergegangen iſt. Wenn aber der Wundarzt auf dieſe bewundernswürdige Weiſe unterſtützt wird, ſo muß er darin auch die Aufforderung erkennen, alles mögliche zur Unterſtützung dieſer productiven Thätig— keit zu thun und alles zu vermeiden, was dieſen heilbringen— den Proceß unterbrechen könnte. Aber wie wenige betrachten dieſe richtige, aber wirkſame Thätigkeit mit einiger Sorgfalt? Wie viele Fälle werden durch unruhige Einmiſchung geſtört! Die Fälle von Knochenkrankheiten, die ſich in einem Spitale darbieten, ſind ſehr zahlreich. Es iſt möglich, ſie nach den Bedingungen in dem Zuſtande der Theile in be— ſtimmte Claſſen zu theilen. Necroſis indeſſen iſt, wie es ſcheint, weſentlich eine Affection des Perioſteums in ſeinen verſchiedenen Zuſtänden und in dem Reſultate dieſer Ver: änderungen für die Knochen. Der Einfluß, welcher mir das größte Gewicht zu haben ſcheint, um Perioſtitis herbeizuführen, iſt Kälte und Feuch— tigkeit, wenn die Theile, welche uͤber dem Knochen liegen, dieſen Einfluſſen direct ausgeſetzt werden. Ein Herr hatte für ſich ſelbſt ein Haus gebaut und neben ſeinem Arbeitszimmer ein Badezimmer angelegt; ſein Vergnügen war es, zu baden, ſelbſt bei feuchtem Wetter; das Badezimmer war nicht ganz zugfrei, und eines Tages, bei kaltem Wetter, fühlte er ganz deutlich, wie, als er naß und unbedeckt daſtand, ein Zugwind ſeine rechte Schulter traf. Er bekam darauf ſehr heftige Schmerzen im obern ) Aus Observations on some of the Parts of surgical Practice. 8°. pp. 364. London 1847. — S. 137. fi. Theile des Oberarms, mit allgemeiner Geſchwulſt des Theiles und mit noch größerem Schmerze, wenn die tiefe— ren Theile einem Drucke ausgeſetzt wurden. Er zog nun gleich nach ſeinem Hauſe in London und erholte ſich end— lich und ſogar ohne daß es zu einer Absceßbildung ges kommen wäre; eine Verdickung des Perioſtes, welche zu— rückblieb als die allgemeine Anſchwellung beſeitigt war, ſetzte aber die wahre Natur des Leidens außer Zweifel. Eine ältliche Dame ſetzte ſich, nach einem Regen, auf einen Gartenſtuhl; danach bekam ſie heftige Schmerzen in den Geſäßtheilen; einige Monate ſpäter ſah ich ſie und fand ein ſinuöſes Geſchwür, in deſſen Grunde ein kleines nekroti— ſches Stück vom Sitzbeine ſich befand. Ahnliche Anfälle habe ich ſehr oft bei Kindern von Bauern geſehen, weil dieſe ſo häufig im feuchten Graſe liegen. Der Anfall beſteht jedes Mal in einer acuten Ent— zündung, iſt aber von ſehr verſchiedenem Grade und die allgemeinen Symptome ſind dabei bisweilen ſo heftig, daß dadurch die wahre Natur des Leidens zweifelhaft wird. Der Verlauf der ſehr acuten Form endet immer mit Eiterung, und es kann ſich dabei der Eiter unter dem Perioſt, bis— weilen aber auch nur zwiſchen den Muskeln, jedenfalls aber unter der fascia bilden. Ich bin nicht im Stande zu entſcheiden, ob der ſehr acute Anfall auch am leichteſten mit der gefunden Erſatz— thätigkeit ende. Jedenfalls aber giebt es zwei Zuſtände von periostitis, welche auch die Beſchaffenheit des Knochens auf zwei verſchiedene Arten verändern; die eine, wobei die ganze Energie des Perioſtes in Anſpruch genommen iſt, wo die geſteigerte Thätigkeit in einen Übergangszuſtand dieſer Haut ſich löſ't, durch welchen die bildende Kraft ungenirt und raſch dem Gliede ihren erhaltenden Schutz gewährt. Die Schönheit und Wirkſamkeit dieſes Proceſſes muß jedermann mit Bewunderung erfüllen. Dies iſt der Zuſtand, wel— chen man ganz ſpeciell mit dem Namen „Neeroſis“ bezeich- net. Der urſprüngliche Knochen iſt todt und das Perioſt beginnt feine neue Function dadurch, daß es einen Erſatz dadurch gewährt, daß es den todten Knochen mit einer lebenden Hülle umſchließt, welche zu gleicher Zeit ein neuer und vollkommener Knochen und ein unmittelbarer Erſatz des alten wird. Die Schnelligkeit dieſer Bildung wird durch 285 die faſt plötzlich erfolgende Verſchiebung der Muskelanſätze bewieſen. Die maſſigen Muskeln des Gliedes, welche in dem einen Moment noch an den alten Knochen angeheftet waren, ſind in dem nächſten Moment ſchon mit dem neuen Gebilde in Verbindung (2), und es giebt nicht die kleinſte Zwiſchen— zeit, in welcher ſie nicht feſt anſaßen. Die Muskeln ſind auch nicht einen Moment außer Fähigkeit, das Glied zu bewegen oder zu halten. Alle Anſätze bleiben vollſtändig in Ordnung und Integrität. Dies iſt derjenige Zuſtand von Necrofe, wobei alle Anſtalten zur endlichen vollkommenen Herſtellung des Gliedes gemacht werden. Die äußere Hülle wird bald ſtark genug, um das Gewicht, des Körpers zu tragen. Bei ihrer Bildung werden gleich Offnungen in der Knochenwand und in den äußern Bedeckungen gelaſſen, durch welche der Eiter abfließt, ſo daß der Kranke vor jenem überwältigenden Schmerze ſicher geſtellt wird, den jeder Tropfen Eiter, der in einem Knochen zurückgehalten wird, zu verurſachen pflegt. Unter Mitwirkung dieſer Erſatzthätigkeit wird der Sequeſter allmählig abgelöſ't und dazu bedarf es etwas längerer Zeit. Trotz ſo energiſcher Erſatzthätigkeit bewirkt ein unpaſſendes Eingreifen des Wundarztes doch oft, daß das Werk nicht vorſchreitet. Ich habe öfters Operatio— nen ausführen ſehen, welche nichts bewirkten, als heftige Schmerzen und Blutverluſt bei Durchſchneidung des Perioſtes. Es iſt klar, daß es ganz unnütz iſt, eine Operation zu unter— nehmen, außer wenn der Sequefter ganz abgelöſ't iſt, denn wenn noch der kleinſte Theil mit dem lebenden Knochen in Verbindung iſt, ſo wird dadurch ziemlich eben ſo viel Reizung unterhalten, als wäre der ganze Sequeſter noch in Verbindung. Aber die Erſatzthätigkeit iſt mit der Ablöſung des Sequeſters von den lebenden Theilen nicht zu Ende, ſie führt das Werk fort bis zur Ausſtoßung des abgelöſ'ten Theiles aus ſeiner Hülle. Als ich der Cloaken Erwähnung that, hätte ich anführen können, daß man annehmen kann, dieſe werden ſich an den Stellen finden, wo die Muskeln nicht anſitzen. Dieſelbe Vorſicht bemerkt man auch am Schädel, wenn ſich Eiter langſam auf der dura mater bil— det; bei ſyphilitiſcher Neerofe ganz beſonders wird der Knochen von mehrfachen Offnungen durchbohrt, ſo daß der Kranke nichts von den Zufällen zu leiden hat, die eintreten, wenn der Eiter raſcher abgelagert wird. Zur Befreiung von dem bereits gelöſ'ten und in der Nähe der Offnung liegenden Sequeſter habe ich geſehen, wie zugleich mit Gr= weiterung der Offnung das Ende des abgeſtorbenen Knochens in dieſelbe hineinragte, allmälig von ſelbſt hervortrat und endlich ganz aus ſeiner früheren Lage entfernt wurde. Man kann in ſolchen Fällen tägliche Lageveränderungen beobach- ten, und zugleich vermindert ſich der neue Knochen eben fo raſch an Umfang als der Sequefter entfernt wird. Soll vor ſolchen Beweiſen von der Naturthätigkeit der Wundarzt nicht ihrer beſſeren Hülfe manches überlaſſen? Dieſe Fälle beweiſen zugleich, daß es eine Kraft giebt, welche, abgeſehen don Muskelthätigkeit, auch die Theile des thieriſchen Gebäudes in Bewegung bringen kann. Ich habe, wie geſagt, ſehr oft geſehen, wie ein nekrotiſcher Knochen 194. IX. 18. 286 Tag für Tag mit jo überraſchender Schnelligkeit hervortritt, daß man jedes Tagewerk ganz gut bemerken konnte; ich habe den größeren Theil der tibia, ſobald er ein Mal in eine Offnung eingetreten war, raſch vollends hinaustreten ſehen. Ich hatte noch vor kurzer Zeit ein etwa vierjähriges Kind in dem Spitale, bei welchem der ganze kemur von den Con— dylen bis zum Schenkelkopfe ganz abging. Es iſt in der That befriedigend zu ſehen, wie, ſobald der kranke Knochen an dem einen Ende aus ſeiner Hülle hervortritt, der neue Knochen an dem andern Ende raſch zu den früheren nor— malen Dimenſionen zurückkehrt. Das erwähnte Kind konnte ſehr raſch, nachdem der ganze Sequefter abgegangen war, in dem Krankenſaale herumgehen. Es ift kein Zweifel, daß kräftige Agentien vorhanden find, wodurch die thierifchen Structuren verbeſſert und ſchädliche fremde Körper ausge: trieben werden, ohne daß die Muskelbewegung dadurch ge— ſtört würde. Es giebt verſchiedene Beiſpiele dafür in der Pathologie; ſelbſt bei bloßer Erfoliation der Knochen, wo dieſelben tief liegen, ſieht man, wie ſich der abgeſtoßene Theil erhebt und an der Oberfläche der Wunde zum Vorſchein kommt. Seine Gegenwart ſelbſt iſt der Reiz zur Austreibung, ganz ebenſo wie bei einem fremden Körperchen unter dem Augenliede. Bisweilen kommt eine Form vor von langwieriger und hartnäckiger Natur. Dies iſt die Form, wo der Knochen außen nur in geringer Ausdehnung erkrankt ſcheint, aber bei der Unterſuchung mit der Sonde ſich zeigt, daß in gleicher und ſelbſt größerer Ausdehnung die zelligen Theile des Knochens erkrankt find und der ganze Theil ſehr ſchmerz— haft iſt. Hierbei zeigt dann der Krankheitsproceß in ſeinem Verlaufe keine Andeutung deſſen, was ich als eine Function zur Wiederherſtellung bezeichnet habe. In ſolchen Fällen kann die Krankheit unverändert Jahre lang fortdauern und keine Heilthätigkeit zeigen. Weil aber der Schmerz alsdann ohne Unterbrechung fortdauert, ſo leidet die Conſtitution des Kranken nach einiger Zeit. Es giebt ferner Fälle, wo die Wirkung der Perioſtitis die war, daß der nekrotiſche Knochen nicht vollſtändig ein⸗ geſchachtelt worden iſt; dies iſt z. B. der Fall, wenn die Krankheit ihren Sitz in einem beträchtlichen Theile der hinteren Fläche des femur oder der tibia hat, welche man alsdann mit der Sonde von dem Perioſt ganz entblößt antrifft; dieſe Haut nimmt alsdann nicht die Thätigkeit an, welche erforderlich wäre, um eine knöcherne Hülle zu bilden, ſondern ſie bleibt unverändert und unthätig. Die Offnungen zum Abfluſſe des Eiters werden alsdann durch finudfe Gänge durch die Faſeien und Hautbedeckungen hindurch erſetzt. Die Vorderfläche des Knochens, der krankhaften Partie entgegengeſetzt, zeigt ſich verdickt und angeſchwollen, wodurch die allgemeine Starke des Theiles erhalten wird. Da der nekrotiſche Knochen nicht durch eine Neubildung umſchloſſen wird, ſo iſt auch wahrſcheinlich der Reiz zur Austreibung geringer; die Zeit der Ausſtoßung iſt alsdann, ſo viel ich bemerkt habe, ſehr ungewiß. Ich glaube, daß, wenn dieſer abgeſtorbene Knochentheil ſich abblättert oder abgelöſ't wird, der Verluſt nicht erſetzt iſt, ſo daß in ſolchen Fällen ein ge— wiſſer Grad von Deformität des Knochens zurückbleibt, weil 287 die Verdickung der andern Seite desſelben Knochens beſtehen bleibt. Vielleicht iſt, da der Knochen zu allen Functionen der Gliedmaßen ganz geeignet iſt, auch weniger Thätigkeit zur Vervollſtändigung an der Stelle des Verluſtes vorhanden. Die Veränderungen in dem Perioſt, von denen ich ge— ſprochen, haben vollſtändiges Abſterben des Knochens zur Folge gehabt. Ich Habe; nun noch einen Zuſtand der Knochen: haut zu erwähnen, welcher nur inſoweit den Knochen ver— ändert, daß der Anſchein einer Krankheit desſelben eintritt, während eine ſolche in der That nicht vorhanden iſt. Dies iſt ein Zuſtand, der, meines Wiſſens, noch von niemand er— wähnt worden iſt. Es iſt ein Zuſtand des Perioſtes, der in einer Veränderung beſteht, die ganz verſchieden von der iſt, wobei Alles Leben und Belebung bedeutet. Es iſt eine Verminderung des Gefäßreichthums, die Structur iſt ver: dickt und wird unempfindlich und giebt beim Einſchneiden das Gefühl von Pergament. In allen Fällen, die ich zu behandeln gehabt habe, war der Zuſtand die Folge von Schlägen, jedoch von nicht großer Heftigkeit. Dieſe Schläge oder Stöße waren nicht ſo bedeutend, daß der Kranke große Rückſicht auf ſie nahm, indes doch ſtark genug, daß er ſich ſpäter ihrer erinnern konnte. Die Krantheit entwickelt ſich langſam und iſt anfangs kaum von einem Schmerze be⸗ gleitet, doch ſteigert ſich derſelbe allmälig bis zu ziemlicher Heftigkeit, obwohl die Verletzung an und für ſich jo leicht ſcheint. Späterhin fühlt man eine leichte Geſchwulſt und der Schmerz wird durch Druck geſteigert. Die Störung in dem Theile aber ſelbſt, ſcheint kaum bedeutend genug um die Erſatzthätigkeiten anzuregen. Vor einigen Jahren kam ein Herr zu mir wegen einer geringen Anſchwellung an der Stirn, welche allmälig ſehr ſchmerzhaft geworden war, und zwar ſo bedeutend, daß er endlich ganz unfähig war, auf irgend etwas ſeine Aufmerk— ſamkeit zu ſammeln. Er erinnerte ſich, daß er 3 Jahre zuvor in einer Poſtkutſche umgeworfen worden war, wobei er ſich nicht weiter verletzte, aber an die Stirn geſtoßen hatte. Einige Monate ſpäter fühlte er etwas Schmerz an derſelben Stelle; allmälig klagte er immer mehr über den Schmerz, und nun begann eine leichte Anſchwellung. Er war nur zwei Jahr in ärztlicher Behandlung. Ich machte einen Einſchnitt durch die Verdickung, welche den Umfang eines Achtgroſchenſtücks hatte. Das Perioſt war verdickt und hing ſehr feſt mit dem Knochen zuſammen, welcher ſelbſt ſehr höckerig und voller Vertiefungen war. Ich be— trachte ihn als bis zu einer gewiſſen Tiefe ganz abgeſtorben. Der Schmerz hörte nach dem Einſchnitte auf der Stelle auf, und in 3 Tagen begann der Knochen ſich mit Granulationen zu bedecken; in 14 Tagen war die Wunde geheilt und es erfolgte keine Erfoliation. Der Kranke befand ſich nun in jeder Beziehung vollkommen wohl. Dieſer Fall machte großen 194. IX. 18. 288 Eindruck auf mich, da ich Erfoliation erwartet hatte und die ganze Langwierigkeit dieſes Proceſſes fürchtete. Ein Advocat hatte auf einer Sommerreiſe ſein Töchter⸗ chen, ein Kind von 12 Jahren, mitgenommen; er hatte fie auf ſeinen Knieen, da ſtieß ſie ihn zufällig mit ihren auf dem Lande gemachten ſchwerfälligen Schuhen an das Schien- bein; im Moment fühlte er nur wenig Schmerz, aber einige Monate ſpäter entwickelten ſich Schmerzen in dem Theile, welche ſich ſo ſteigerten, daß er weder ſchlafen, noch auch feine ſehr zahlreichen Geſchäfte beſorgen könnte. Ich ent— deckte eine leichte Verdickung des Perioſtes von der Dicke einer Pferdebohne und macht einen Einſchnitt durch dieſelbe hindurch. Ich fand dabei das Perioſt verdickt und mit dem Knochen feſt verbunden, den Knochen aber rauh und mit Vertiefungen verſehen. Ich konnte hiernach dem Kranken die Verſicherung geben, daß keine Exfoliation Statt finden, daß vielmehr der Knochen granuliren und die Wunde bald heilen werde. Der Schmerz war nach dem Einſchnitte ſogleich verſchwunden, ſo daß der Kranke ſofort ſeine Geſchäfte bei dem Gerichtshofe wieder antreten konnte. Im Spitale behandelte ich ein Mal einen Kranken, deſſen Klage darin beſtand, daß er ſeit langer Zeit heftigen Schmerz im Kopfe habe. Als ich die Schädelfläche unterſuchte, fand ich daſelbſt mehrere Stellen, welche äußerſt empfindlich waren, und an denſelben Stellen war zu bemerken, daß das peri- cranium, allerdings nur ſehr wenig, aufgetrieben war. Bei genauerer Nachfrage theilte er mit, daß er vor einigen Monaten auf den Kopf Schläge erhalten habe; danach er— kannte ich ſofort den Zuſtand und machte ohne Verzug einen Einſchnitt durch alle die aufgetriebenen Stellen; da— durch wurde Pat. ſofort von allem Schmerze befreit. An jeder Stelle war der Knochen rauh und das Perioſt perga— mentartig. Am nächſten Tage bezeichnete er mir am Kopfe noch mehrere kleine Stellen, und da er den raſchen Er— folg in Beſeitigung der Schmerzen bereits erfahren hatte, ſo bat er, ich möchte ihm auch dieſe Stellen einſchneiden. Dies geſchah, und da alle Wunden ſehr raſch heilten, ſo verließ er in weniger als 14 Tagen das Spital, ganz her⸗ geſtellt. (Schluß folgt.) Miſcelle. (32) Exſtirpation zweier Geſchwülſte des Eier⸗ ſtocks. Eine Frau von ungefähr 30 Jahren litt an ascites, wer gen deſſen 4 Mal die Paracenteſe vorgenommen worden war. Nach der dritten Wiederholung derſelben erkannte man, daß die Urſache des ascites zwei Eierſtocksgeſchwülſte waren. Hr. Atlee ſchlug die Erſtirpation vor, welche angenommen wurde. Er machte in der linea alba einen Einſchnitt von ungefähr 9“ und drang in die Bauchhöhle ein. Die beiden Geſchwülſte wurden erfaßt und von ihren Verbindungen mit dem Cierſtocke ohne Blutfluß getrennt. Nach 7 Wochen war alles verheilt und die Kranke befand ſich ganz wohl. (Aus New- Vork Journal of Medicine.) Bibliographiſche Neuigkeiten. The Homologies of the human Skeleton by, Holmes Cote, Demonstrator of human Anatomy at St. Bartholomew’s Hospital. 8°. pp. 108.) London 1819. 4 sh. 6 d. (5p. 108.) Ü Elements of Electro Biology or the Voltaic Mechanism of Manz of Electro- Pathology, especially of the Nervous System, and of Electro -therapeutics by Alfred Smee. 8°. (pp. 178.) London 1849. 10 sh. 6 d. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 195. (Nr. 19. des IX. Bandes.) Mai 1849. Naturkunde. Heller, über den Staat Tabasco, den Staat Chiapas und Soconusco in der Republik Mexico. — Miſcellen. Mancheſter, Schwefel⸗ ſäure macht leicht Feuer fangende Stoffe unverbrennlich. Piassaba. — Heilkunde. Vincent, Wichtigkeit des Perioſteums für die Heilung von Kno⸗ chenverletzungen. (Schluß.) — Graves, eine ſchmerzhafte Krankheit der Füße, entſprechend der ſ. g. Akrodynie. — Miſcelle. Ivonneau, Collodium bei einer Speichelfiftel. — Bibliographie. Naturkunde. XII. Über den Staat Tabasco, den Staat Chiäpas und Soconusco in der Republik Mexico. Von Karl Heller. Brieflichen Mittheilungen des Verf., die nur Teap a vom 8. December 1847 und vom 12. Februar 1848 datirt und im dritten Hefte der Sitzungsberichte der Wiener Aka— demie der Wiſſenſchaften von 1848 veröffentlicht ſind, ent— nehmen wir dasjenige, was uns in naturhiſtoriſcher Be— ziehung beſonders intereſſant erſcheint. Der Staat Tabasco grenzt in Süden an Chiapas, im QOſten an Yucatan, im Weiten an den Staat Vera-Cruz und nördlich an den mericaniſchen Meerbuſen; er liegt zwiſchen dem 929 und 949 weſtlicher Länge von Greenwich und mit feiner Oſthälfte ungefähr zwiſchen dem 170 48“ und 180 45% mit feiner Weſthälfte zwiſchen dem 179 und 180 10° nörd⸗ licher Breite. Seine wahre Ausdehnung nach Süd und Weſt iſt weder der mericaniſchen Regierung noch den unter— richteten Einwohnern bekannt, ſeine Grenzen und Bezeichnungen auf den Karten ſind deshalb höchſt unzuverläſſig. Der Lauf feiner Hauptflüſſe, des Uſamaſinta, Grijalba und Tulpa iſt auch nur theilweiſe genau bekannt; ſelbige bilden mit einer Anzahl von Nebenfluſſen zur Regenzeit im Flachlande eine ſolche Menge kleiner Seen, daß Tabasco von Juli bis März von der Meeresküſte an bis 18 oder 20 Leguas landeinwärts in einen einzigen See verwandelt ſcheint, wo— durch das Land, mit Ausnahme einiger höher gelegener Orte, für 6 Monate im Jahre unbewohnbar und culturunfähig wird. Der Staat Tabasco ſoll, nach einer Schätzung, hoͤchſtens 1100 Quadratleguas Flächeninhalt beſitzen (26,4 Quadrat⸗ leguas auf einen Grad gerechnet); die Zahl ſeiner Ein— wohner betrug nach dem neueſten Cenſus 63,580, oder etwa 63 Einwohner auf 1 Quadratlegua. Die Ein: No. 2175. — 1075. — 19. wohner ſind Creolen, Meſtizen, reine Indianer, Europäer und wenige Negerabkömmlinge, welche die ſpaniſche und 5 indianiſche Sprachen reden. Ihre vorzüglichſten Cultur— und Handelsartikel ſind Cacao, Zucker, Rum, Kaffee, Tabak, Reiß, Mais und Bauholz. Der Cacaobaum wird unter dem Schatten der Erythrina corallodendron mit größter Sorgfalt an den Ufern der Flüſſe gezogen; die jährliche Ernte Tabascos, welche übrigens für den Bedarf nicht ausreicht, beläuft ſich auf 50 bis 70,000 Cargas (a 60 Pfund), d. i. 30 bis 40,000 Centner, im Werth von 500,000 bis zu einer Million Thalern. Der Cacaobaum (Theobroma Cacao) trägt das ganze Jahr hin— durch Blüthen und Früchte, jedoch jo ſpärlich, daß man ſelbſt bei guter Ernte durchſchnittlich nicht mehr als 10 Früchte im Jahre erhält, deren 100 auf eine Carga gehen; für den oben erwähnten Erntebetrag ſind ſomit 800,000 Bäume nöthig, und doch deckt ihr Ertrag nicht den Cacao— bedarf der Republik, die ſich noch anderweitig durch Ein— fuhr von Guyaquil mit dieſer Frucht verſorgen muß. Die Gacavernte fällt in die Monate April, Mai und October. Den übrigen Culturzweigen widmet man weniger Aufmerk⸗ ſamkeit, indem hier die Natur mehr als die Menſchen thut. Der Mais, der 300 bis 500 fach trägt, giebt 3 und 4 Ernten. Das Zuckerrohr erreicht eine Höhe von 2 und 30, Kaffee und Tabak, vorzüglich der Tabasco del Coral, in der Nähe der Hauptſtadt Chontalpa gebaut, ſind von vorzüglicher Güte. Unter den vielen anderen, faſt ohne alle Cultur gewonnenen, Naturproducten verdienen noch fol— gende erwähnt zu werden. Die Potaſte von Bubroma tomentosa, welche wie Cacao bereitet und genoſſen wird; die Vanille, von mehreren Epidendronarten ſtammend; die Färberſamen von Bixa Orellana, der Tabascopfeffer von Eugenia Pseudo- caryophyllus Dec., der Copal von Rhus copalina und Hymenaea 19 291 Courbaril und das Gummielaſticum von Castiloa elastica. Außerdem trifft man alle tropiſchen Früchte, eine Menge edler Nutz- und Farbhölzer, ferner Wachs und Honig im Überfluß. Auch in jeder anderen Beziehung erſcheint die Vegetation Tabascos als eine der reichſten und üppigſten der nördlichen Tropengegenden. Wälder von Rhizophora Mangle, mit Ficus-Arten gemiſcht und mit zahlreichen Loran— thaceen und Lianen beſetzt, bedecken die niedrigen, meiſt überſchwemmten Theile des Staates und bilden theilweiſe undurchdringliche Dickichte. Bambuſen, Cyperaceen und eine Art verwilderten, 5 bis 6“ hohen Zuckerrohrs, Canna brava genannt, ſchmücken die Ufer der Flüſſe, die mit ſchönen Salix-Arten beſetzt ſind; dagegen findet man nur ſelten Orchideen und Bromeliaceen, denen das allzufeuchte Klima nicht zuzuſagen ſcheint. Dieſe Gegenden dienen einer unglaublichen Anzahl von Sumpf- und Seevögeln, welche in Maſſen die Bäume bevölkern, zum Aufenthalt. Man glaubt, indem man ſcheinbar ſchwimmende Wälder und Wieſen in einem kleinen Nachen durchſchneidet, in einem verzauberten Lande zu ſein. Je weiter man ins innere des Landes, das ſich über das Niveau der Flüſſe erhebt, gelangt, um ſo reicher ent— faltet ſich die Vegetation, um ſich am Fuße der Gebirge Chiapas, 2 bis 300“ über der Meeresfläche, in ihrer größten Pracht zu zeigen. Betritt man jene Wälder, in welchen man ſich mühſam mit dem Beile in der Hand einen Weg durch das Geflecht der Lianen und anderer Schling— pflanzen bahnen muß, ſo befindet man ſich wie in einem Pflanzenmeere begraben. Rieſenbäume aus der Familie der Mimoſeen, Moreen, Sapoteen, Terebinthaceen, Laurineen, Myrtaceen, Anonaceen, Euphorbiaceen und Byttneriaceen bilden ein, durch ihre lang und weit verzweigten Aſte im blauen Ather ſich wiegendes Laubdach. Lianen aus der Familie der Malpighiaceen, Sapindaceen, Cucurbitaceen, Aſelepiadeen, Bignoniaceen, Ampelideen, Smilaceen, Con: volvulaceen und Paſſifloreen umgürten tauſendfach ihre Stämme und Zweige und verſchlingen ſich zu einem nur ſchwer zu durchbrechenden Netze. Mächtige Dracontien und Pothosarten, Bromeliaceen, Orchideen, Piperaceen und Farnkräuter, Mooſe und Flechten füllen die noch leeren Räume der rieſigen Baumſtämme aus, deren Unterholz, aus Seitamineen, Palmen, Cycadeen, Bixineen, Malvaceen, Solaneen, Euphorbiaceen, Piperaceen, Sarnen und Gräfern beſtehend, den Boden überall bedeckt und völlig den Blicken entzieht. In demſelben Maße als hier das Pflanzenreich ſeine Schätze entfaltet, bevölkert auch das Thierreich dieſe nur wenig betretenen Wälder. In jeder Spalte entdeckt man der Ameiſe, der Weſpe und der Vögel künſtliche Bauten, an den luftigen Aſten der Bienen honigreiches Zellenhaus, in hohlen Bäumen und unter der Erde den Käfer, zwiſchen den Blumen gaukelt der Mücken Heer, und am Boden birgt ſich unter Blättern der Schlangen reiches Geſchlecht. Zahl— loſe Vögel erfüllen mit Geſang die Lüfte und ſtören die majeſtätiſche Ruhe des Urwaldes; entzückt lauſcht man dem Schlage des Zinzantli (Turdus polyglotta), dem Meiſter 195. IX. 19. 292 der Sänger, während geſchäftig der Baumhacker an die Rinde hämmert, den dort verborgenen Wurm herauszuholen. Der Affen drolliges Geſchlecht bewirft muthwillig den Späher mit Früchten und Zweigen, ſein Zetergeſchrei mengt ſich mit dem der buntbefiederten Aras und Papageien. Auch der Caguar und die Unze fehlen nicht, ſind vielmehr ſo häufig und dreiſt, daß ſie nicht ſelten Hausthiere aus den Woh— nungen der Menſchen fortſchleppen. Kaimane bevölkern die ſtillfließenden Gewäſſer, während niedliche Fiſche die über Felſen hinbrauſenden Ströme erfüllen und der Tapir lang— ſamen Schrittes einherwandert. Bei dieſer Fülle von Leben, Uppigfeit und Reichthum der Schöpfung, könnte man verſucht werden, Tabasco für das glücklichſte Land der Tropen zu halten, erinnerte nicht die ſpärliche Bevölkerung und das fahle, krankhafte Ausſehen ſeiner Bewohner an das menſchenfeindliche Klima, das der Erforſchung und Urbarmachung dieſes Landes gleich hin— dernd in den Weg tritt. Mit Ausnahme des Diſtrictes Teäpa, am Fuße der Gebirge Chiapas, iſt ſein Klima eines der ungeſundeſten der mericaniſchen Republik. Tritt gleich an dieſer Küſte das vomito (gelbe Fieber) nur ſelten auf, ſo leidet doch die Bevölkerung des ganzen Staates an intermittirenden und remittirenden Fiebern, die ſchnell in faule und typhöſe Fieber übergehen. In den Niederungen, z. B. in San Juan Bautiſta, der Hauptſtadt der Provinz, erzeugt die große Feuchtigkeit ſo bösartige Miasmen, daß kürzlich von 12 Europäern 10 hinter einander ſtarben, ja viele oft ſchon nach 2 und 3 Tagen ein Opfer des Klimas werden. Selbſt die Eingebornen und Aeclimatiſirten haben ein fahles, ungeſundes Ausſehen. Den Ufern des Grijalva entlang herrſcht überdies eine Hautkrankheit, tinna genannt, die, wenngleich nicht beläſtigend, durch weiße, rothe und bläuliche Flecken die Eingebornen entſtellt, und zuweilen ſelbſt die Fremden ergreift. In dem gebirgigen Diſtriete Teapas ſind Kröpfe allgemein, das Wechſelfieber gleichfalls nicht ſelten. Andrerſeits hat die Natur für die leidende Menſch— heit durch einige in den Flötzgebirgen bei Teapa vorkommende Schwefelquellen geſorgt, deren mehrere allgemein bekannt und geſchätzt find. Die Regierungsform Tabascos iſt die föderaliſtiſche der anderen mexicaniſchen Staaten; ein vom Volke ge— wählter Gouverneur ſteht unter dem Congreſſe der vereinigten Staaten von Mexico, er verwaltet das Land nach ſeinem Gutdünken. Da gewöhnlich Leute von geringen Kenntniffen dieſen Poſten bekleiden, ſo wird für das Beſte des Landes und die Erziehung ſeiner Bewohner ſchlecht geſorgt, weshalb große Unwiſſenheit, geringe Moralität und Mangel aller bürgerlichen Tugenden die niedern Claſſen und die Indianer⸗ bevölkerung durchgehends charakteriſiren. Die Hauptſtadt, San Juan Bautiſta Tabasco oder Villa hermoſa hat 6 bis 7000 Einwohner; ihre Straßen ſind unregelmäßig, die Häuſer meiſtens einſtöckig, klein und obgleich meiſtens aus Mauerſteinen aufgeführt, feucht und dem Klima wenig entſprechend. Teapea, ein freundlicher Ort, in einer prachtvollen Gebirgsgegend gelegen, hat 6000 Einwohner. Eine Stadt, Namens Victoria oder Vittoria, 293 vielleicht das heutige Guadalupe de la Frontera, exiſtirt nicht mehr in Tabasco, am wenigſten aber in der Nähe der La— gung de Terminos, wohin ſie Arrowſmith verlegt. In der Nähe von Teapea liegen die Schwefelquellen von Ha— eienda del Oſufre, Eſperanza und Puyucatengo. Die Staaten Chiapas und Soconusco liegen zwiſchen dem 150 und dem 17 187 nördlicher Breite und dem 919 und 940 weſtlicher Länge von Greenwich; ihr Flächeninhalt beträgt, nach dem Cenſus von 1838, 7,500 Quadratleguas (25 auf den Grad gerechnet) mit 160,083 Einwohnern, wovon 147,925 auf Chiapas und nur 12,158 auf Soco— nusco kommen. Die Geſammtbevölkerung zählt 132,185 reine Indianer, die übrigen ſind Weiße und Meſtizen (Ladinos). Die politiſchen Grenzen bilden im Norden Tabasco, im Weſten Oaxaca, im Südoſten der ſtille Ocean, im Oſten Centralamerica; die Grenzen ſind jedoch keineswegs genau beſtimmt und, wie die Lage der Orte, auf den Karten häufig unrichtig angegeben. Drei Gebirgsketten durchſchneiden das Land von Oſt nach Weſt, deren mittlere ſich in die Cordillera de la Sierra madre fortzuſetzen ſcheint. Eine ihrer höchſten Spitzen iſt der Berg Hueitepec, öſtlich von San Chriſtoval, auf 8,500“ über der Meeresfläche geſchätzt; dieſe Gebirge ſchließen die fruchtbarſten Thäler mit dem herrlichſten Klima ein und bilden das Paradies der Republik. Die drei Hauptflüſſe find der Chiapa, der, in den Gebirgen von Cuchumatlanes in Centralamerica entſpringend, anfangs von Oft nach Weſt, ſpaͤter von Süd nach Nord verläuft und ſich in der Provinz Tabasco, unter dem Namen Grijalva, bei Guadalupe de la Frontera in den Golf ergießt; der Oſumaſinta, in den Gebirgen von Peten und aus dem See Panajachel entſpringend, theilt ſich in drei Arme, deren einer ſich in die Laguna de Termino, der andere bei San Pedro y Pablo in den Golf und der letzte in den Tabasco ergießt; und endlich der Tulij, der, ſüdlich vom Dorfe Bachajon entſpringend, unter dem Namen Puscatan den Golf erreicht; noch drei andere gleichfalls aus den Gebirgen kommende Flüſſe vereinigen ſich ſämmtlich mit dem Grijalva und Tabasco. Außerdem zählt man noch 30 kleinere, nur zum Theil ſchiffbare Flüſſe. Die Dependenz Soconusco, am ſtillen Ocean liegend, zählt 27 ſich in letztern ergießende Flüſſe. Das Land iſt außerdem reich an Seeen verſchiedener Größe, die zum Theil durch das Austreten der Flüſſe ge— bildet werden. Die Eingebornen (indigenas) theilen ſich ſelbſt in zwei Claſſen, in Indianer, welche das Bürgerrecht beſitzen (ave- ciudados) und freie Indianer (lacandones); die erjten ge⸗ hören vielen Stämmen an und ſprechen 11 Sprachen. Über den erſten Urſprung dieſer Stämme herrſcht ein undurch— dringliches Dunkel: einige wollen ihn von Nephtim, dem Sohne Noahs ableiten, und wirklich ſollen ſie noch jetzt eine Tradition beſitzen, die mit der moſaiſchen Erzählung der Sündfluth und dem Thurmbau zu Babel viel Ahnlichkeit hat. Eine reiche Sammlung wichtiger Sculpturen und Ma— lereien, welche über die frühere Geſchichte des Landes Aus— kunft gaben und von den Indianern ſorgfältig bewahrt 195. IX. 19. 294 waren, wurde im Jahre 1691 durch den fanatiſchen Biſchof Nunnez de la Vega völlig vernichtet, die angeblichen Ab— kömmlinge der alten Stammväter aber dem Zul fie gerichte überwieſen. Die Lebensweiſe und der Charakter der Gbispansct indianer iſt von dem der übrigen Indianerſtämme Mericos wenig verſchieden; ihre Beſchäftigung iſt der Feldbau, ihr Abgott der ſie nach und nach vertilgende Branntwein. Nur die Bewohner Chamuläs und alle übrigen Zotziles machen eine rühmliche Ausnahme. Der Körperbau der letzteren iſt ſchön, kräftig, ihr Charakter mild und zu gleicher Zeit kräftig, ihre Geſchicklichkeit und Fähigkeit zur Erlernung von Künſten groß. Die Bewohner Chamuläs ſind es, welche den Staat größtentheils mit gegerbten Fellen, Schuhen, Töpfen, Har— fen, Violinen, Guitarren verſehen und die beſten Baumfäller, Maurer und ziemlich gute Schreiner abgeben. Sie ſind als der älteſte Stamm des Landes bekannt und wahrſcheinlich Abkömmlinge der Tultecas. Die freien Indianer (lacandones) bewohnen das heiße, aber fruchtbare Land an den Ufern des Uſamaſinta gegen Centralamerica hin; ſie trotzten allen bisber gemachten Civiliſationsverſuchen. Ihre vorzüglichſte Beſchäftigung iſt die Jagd, der Fiſchfang, der Maisbau und die Tabakscultur. Sie ſind ſtets mit Bogen und Pfeil, den ſie mit großer Geſchicklichkeit führen, bewaffnet. Ihr Körper iſt wohl— gebaut, ihre Haare ſind ſtraff und, vielleicht aus Mangel einer Kopfbedeckung, frühzeitig ſpärlich; ihre Haut iſt etwas lichter, wie die der übrigen Indianer. Die Kleidung der Männer beſteht in einer Art von bis zur Mitte des Schen— kels gehendem Hemde, unter welchem fie um die Hüften einen aus Waldſeide geflochtenen Gürtel tragen. Die Weiber tragen einen um den Leib gewundenen Wollſtoff, der von den Hüften bis an die Beine reicht (enagua) und zuweilen auch noch ein kleines Hemd über die Bruſt (huepil). Die Kinder gehen nackt. Die Lacandones verachten den Brannt- wein und kommen nur in die Dörfer, um Waldwachs, Honig und Thierfelle zu verkaufen oder gegen andere Sachen zu vertauſchen. Der älteſte der Familie, zuweilen auch der ſtärkſte, Neguate oder Nagutlat genannt, regiert das Haus; feinen Befehlen gehorchen Alle unbedingt und ehrfurchtsvoll. Man hält ſie für Sonnenanbeter; ihre Sprache ſcheint die Zendal und Chol zu ſein; man glaubt, daß ſie von den Chichimecas, welche gleichfalls Sonnenanbeter waren, ab— ſtammen. Die Weißen und Ladinos endlich, welche ſpaniſch ſprechen, 27,898 an der Zahl, tragen den Charakter der ſpaniſchen Race; ſie ſind die Herren der Handels und der meiſten Landgüter und leben in ſolcher Indolenz, daß Ackerbau, Gewerbe und Volksbildung unmöglich gedeihen und fortſchreiten können. Chiapas und Soconusco, unter dem beſten tropiſchen Himmelsſtriche gelegen, begünſtigt durch ſeine Lage zwiſchen zwei Meeren, mit einem durch ſeine Gebirge auf das mannigfaltigſte gearteten Klima und einem äußerſt frucht— baren Boden geſegnet, bieten einen Reichthum an Natur- producten, wie man ihn auf einem anderen Punkte der 19 * 295 neuen Welt in einem gleichen Areale kaum vereinigt findet. Die wichtigſten Landesproducte des Pflanzenreichs ſind: Mais, Reiß, Waizen, Gerſte, Oliven, Crotonlac, Mahagony, Campeche- und Braſilholz, nebſt anderen Farbſtoffen der Indianer, der Drachenbaum, Copal, Liquidambar, Fichten: harze, Courbaril, Guajak, Wachholder, Agaven (Maguey) wilder und cultivirter Wein, Tabak, Baumwolle, Cacao der beſten Sorte, Vanille, Zucker, Kaffee, Gummi elaſticum, Copite, Saſſaparille und eine Unzahl aromatiſcher, purgirender und adſtringirender Pflanzen; desgleichen alle Arten Bau— holz von der Fichte und Eiche bis zum feinſten Caobaholze. Das Thierreich liefert alle Hausthiere Europas, ferner Hirſche, Rehe, wilde Schweine, Hafen, Tapire, den Dachs, die Fiſchotter, den Fuchs, den Waſchbären und den Affen; die mit dem Conguars, Unzen, wilden Katzen, zahlloſen Reptilien und Inſecten die Wälder bewohnen. Außerdem giebt es Faſanen, viele Arten Rebhühner, Tauben, pracht— voll gefiederte Raub- und Seevögel, in den Flüſſen Fiſche, Krebſe und Schildkröten in Geſellſchaft furchtbarer Kaimane; am ſtillen Ocean alle Meeresproducte; auf der Opuntia die Cochenille. Das Mineralreich liefert Kochſalz, Soda, Schwefel, Erdharz frei und in Quellen; in neuerer Zeit fand man auch edle Metalle. Die Induſtrie Chiapas, noch in ihrer Kindheit liegend und verwahrloſ't, hat bis jetzt alle dieſe Produete kaum zu benutzen gewußt, obgleich ſie ohne Pflege und Verviel— fältigung ſchon allein hinreichten, den Wohlſtand des Staates, der zu den reichſten Centralamericas gehört, zu begründen. Das größte Hinderniß für den Handel liegt in dem faſt abſoluten Mangel an Wegen und der grenzenlos ſchlechten Beſchaffenheit der wenigen vorhandenen; ſo daß aller Waaren— transport nur auf dem breiten Rücken der Zoqueindianer be— trieben werden kann. Induſtrie, Bildung, Künſte und Wiſſenſchaften ſtehen auf der niedrigſten Stufe, noch ſchlechter iſt es aber um die Moralität beſtellt, die von der Geiſtlich— keit gänzlich verwahrloſ't wird; die herrſchende Religion iſt ein Gemiſch des Glaubens der verſchiedenen Stämme mit dem Katholicismus; der ganze Staat hat nur 15 Schu— len, die ſich überdies im traurigſten Zuſtande befinden. Die Hauptſtadt San Criſtoval hat 6,912 Einwohner; Comitlan 5,056; Papachula in Soconusco 3,605 und Turtla 4,568 Einwohner. Die Regierungsform iſt wie in den übrigen Staaten von Mexico. 195. IX. 19. 296 Miſeellen. 40. Die Schwefelſäure macht nach Dr. Manche⸗ ſters Verſuchen Holz, Kleidungsſtücke und andere leicht Feuer fangende Stoffe unverbrennlich. Die Schwe⸗ felſäure wirkt hier als ein überorydirter Körper, indem ſie ein Atom Sauerſtoff mehr beſitzt als der Schwefel beim Verbrennen aufnehmen kann; fie erfordert überdies zu ihrer Verflüchtigung eine bedeutende Hitze und bildet alsdann einen dicken ſchweren Dampf, welcher die Flamme erſtickt. Die Schwefelſäure zerſtört indes ſo⸗ wohl Pflanzengewebe als Holz, fie kann daher nicht im freien Zuſtande als Schutzmittel gegen die Flamme benutzt werden; der Verf. erſetzte fie deshalb durch ſchwefelſaures Ammoniak: er tränkte die Stoffe mit einer Löſung dieſes Salzes; hier ward die Schwefelſäure erſt durch die Hitze des Feuers in Freiheit ge⸗ ſetzt, das entweichende Ammoniak war mit Stickſtoff und ſchwef— liger Säure gemengt, welche Gasarten ebenfalls die Flamme er⸗ ſtickten. Erſt bei 536° wird die Schwefelſäure frei und kann jetzt auf das Holz, es vor dem Feuer ſchützend, wirken; ſie wird an⸗ fangs nur die Außenſeite desſelben und dadurch den innern Theil des Holzes ſchützen, wenn aber das Feuer lange anhält, wird auch im Innern das Ammoniakſalz zerſetzt, die Schwefelſäure frei wer⸗ den und letztere, wie der Verf. glaubt, dann in zweierlei Weiſe wirken, indem fie einestheils das Holz unverbrennlich macht, an⸗ derntheils durch ihre Dämpfe die Flamme erſtickt. Die Schwefel⸗ ſäure wirkt hier, indem ſie ſchwefligſaure Dämpfe ausgiebt, dem Schwefel ähnlich, den man früher zum Löſchen brennender Schorn= ſteine benutzte. Der Verf. glaubt, daß ein Haus, deſſen Holz- werk mit ſchwefelſaurem Ammoniak getränkt ward, vor jeder Feuers⸗ gefahr geſichert ſei, er empfiehlt ſein Verfahren namentlich für den Schiffsbau. Verſuche mit Chlorammonium, und mit Chlorzink hatten einen weniger günſtigen Erfolg; ein Überzug von phosphor⸗ ſaurer Ammoniaktalkerde oder einem löslichen Kaliſilicate waren noch weniger anwendbar, beide wirken nur gleich Steinen, die man ins Feuer wirft, ſie nehmen Wärme in ſich auf, ohne ſelbſt Wärme zu geben; ihr Überzug ſchützt überdem, da er leicht pulverartig ab⸗ fällt, nicht vor dem Luftzutritte und ſomit auch nicht vor der Flamme. (The London etc. philosophical Magazine, February 1849.) 4. Als Piassaba ward neuerlich von Bahia, Pernambuco u. ſ. w. eine Faſer nach London gebracht und dort zu mancherlei Geweben verarbeitet. Dr. Arnott, der dieſe Faſer unterſuchte, giebt eine Palme, Attalea funifera Martius, als ihre Stammpflanze an; dieſelbe Palme iſt in den Reiſen des Prinzen Marimilian von Neuwied als Cocos de Piaçaba aufgeführt. Sie erreicht eine Höhe von 20 bis 30 Fuß, ihre gefiederten Blätter werden 15 bis 20 Fuß lang. Die Baſtfaſern des Blüthenſtiels und der Blüthenſcheide werden nach der Maceration zu Stricken verarbeitet, ſelbige ſind ſtark und vertragen das Seewaſſer gut. Das ſchwarze, dem Fiſch⸗ bein ähnliche Faſergewebe (die Holzzellen) des Blattſtiels wird zu Bürſten benutzt. Die Frucht dieſer Palme wird als Coquillanuß erportirt, ihr pericarpium iſt dick und hart, aus ihr werden Schirm⸗ und Stockknöpfe verfertigt. Die verdickten Zellen dieſes Gewebes gleichen unter dem Mikroſkope den Knochenzellen, die Verdickungs⸗ maſſe iſt ſchichtenweiſe abgelagert. Die Samen haben ein ölhal— tiges Eiweiß, das zu Palmöl benutzt wird. (The Annals and Magazine of Natural history, No. 14, 1849.) Heilkunde. (XLI.) Wichtigkeit des Perioſteums für die Heilung von Knochenverletzungen. Von J. P. Vincent, Senior Surgeon to St. Bartholomew's- Hospital zu London. (Schluß.) Dies iſt nun weſentlich eine Veränderung in der Strue— tur des Perioſtes allein, da der Knochen nur durch ſeine Verbindung mit dieſem gelitten hatte. Iſt dieſe Veränderung der Knochenhaut von größerer Ausdehnung, ſo verliert aller— dings der Knochen auch an einzelnen Stellen ſeine weitere Lebensfähigkeit. Übrigens habe ich dieſe Affection nie ge— ſehen, wenn die Verletzung mit einer Hautwunde complieirt war. Es iſt dies etwas, das öfters vorkömmt; die Kraft einer feindlichen Einwirkung macht ſich bisweilen nur an 297 einzelnen Stellen in der Richtung der Gewalteinwirkung geltend, während andere davon nicht affieirt werden. Wenn nun ein noch lebendiges Gewebe locker über einem abgeſtorbenen oder doch ſeiner Thätigkeit beraubten Organe liegt, ſo giebt dies immer Veranlaſſung zu ſehr hef— tigen Schmerzen, und da dies ein Schmerz iſt, welcher nicht von Heilbeſtrebungen der Natur herrührt, ſo iſt es ein auf— fallend angreifender und für das allgemeine Befinden nach— theiliger Schmerz. Ich habe z. B. öfters geſehen, daß noch lebendige Haut, welche locker über torpiden Geſchwüren lag, außerordentlich ſchmerzhaft war; wenn ich aber dieſen Haut— iſthmus, der über das Geſchwür herübergeſpannt war, trennte, ſo war der Schmerz auf der Stelle gehoben. So wurde durch Trennung eines über ein nekrotiſches Stück der tibia hinlaufenden Hautſtückes der Schmerz auf der Stelle gehoben. Dieſe kleine Operation erklärt in der That auch die große Erleichterung, welche man dadurch erlangt, wenn man die Haut über einem Karbunkel durchſchneidet; außerdem liegt aber noch ein anderes Princip in der Wirkſamkeit der Be— handlung dieſer Fälle. Übrigens giebt es auch noch einen anderen Zuſtand des Perioſtes, auf welchen ich aufmerkſam machen muß. Ich habe ſehr oft eine chroniſche Perioſtitis zu behandeln ge— habt, welche bei ihrem Eintritte kaum zu bemerken iſt und ſehr langſam ſich weiter entwickelt. Der gewöhnlichfte Sitz derſelben ift im femur, unmittelbar über den Condylen, und ebenſo auch am humerus über denſelben Knochentheilen. Dieſe Affection kann für ein Leiden der benachbarten Ge— lenke gehalten werden, beſonders die Perioſtitis am kemur, welche nicht ſelten für eine Krankheit des Kniegelenkes ge— nommen wird. Ich habe keinen Grund das Leiden für ein ſyphilitiſches zu halten; ſehr oft habe ich mich ſogar über— zeugt, daß dies nicht der Fall war. Das Allgemeinbe— finden des Kranken wird dabei weit mehr geſtört als es nach der Wichtigkeit des angenommenen Localleidens ver— muthet werden könnte. Selten iſt es, daß das Leiden nicht der Anwendung des Jods und einer mäßigen Quantität blauer Pillen (bekanntlich Pillen aus lebendigem Queckſilber mit Syrup und Süßholzpulver.) Beſonders das letzte Mittel habe ich ſehr nützlich befunden; vor der Anwendung des Jods habe ich ſolche Fälle auch immer der Anwendung des Mercurs allein weichen ſehen; deswegen behalte ich es bei der Behandlung bei. (XLII.) Eine ſchmerzhafte Krankheit der Füße, entſprechend der ſ. g. Akrodynie. Von Prof. Dr. Graves). Prof. Müller und Dr. Houſton haben nachzuwei— ſen geſucht, daß in den Venen und Arterien Vorrichtungen angebracht ſind, welche den raſchern Zufluß des Blutes zu erectilen Geweben begünſtigen. Ihre Erklärungen find aber ungenügend für eine Erſcheinung, die auf eine auffallende Weiſe die Kraft beweiſ't, welche die Nersen und Arterien ) In feinen Lectures on clinical Medicine Vol. II. Lect. XVIII. p. 510. (Dublin 1848.) 195. IX. 19. 298 haben, in einem Körpertheile eine große und plötzliche Ver— änderung der Circulation auch unabhängig vom Herzen zu bewirken; dieſe Thatſache läßt ſich nur dadurch erklären, daß man annimmt, jeder Theil beſitze in ſeiner vitalen Kraft auch hauptſächlich das Mittel, ſeine eigene Capillareirculation zu verändern. Die Fälle, welche ich nun kurz mittheilen will, führen alle auf dieſen Schluß hinaus. 1. Der erſte Fall iſt der einer jungen Dame, deren Katamenien im ſechzehnten Jahre unterdruͤckt worden wa— ren und welche danach einige Zeit hindurch in einem üblen Geſundheitszuſtande geweſen war. Nach einer zufällig ein⸗ getretenen Diarrhöe, die fie ſehr ſchwächte, wurde fte einer ſehr merkwürdigen Affection der Füße und Beine unterwor— fen. Der Anfall trat in der Regel in der Nacht ein, be— traf Fuß, Knöchelgelenk und Unterſchenkel bis halbwegs zum Knie in die Höhe. In der Regel iſt die Affection auf einen Fuß auf ein Mal beſchränkt und beginnt, wenn ſie in dem einen Beine nachläßt, in dem anderen wieder. Das Leiden beginnt mit Hitze und Prickeln in der Fußſohle, dann am innern Fußrande, Knöchel und Beine bis zur Hälfte der Wade. Dieſe Symptome ſteigern ſich einige Zeit, das Ge— fühl von Hitze wird äußerſt heftig und der Schmerz im höchſten Grade quälend. In Verhältniß der Zunahme die— ſer Symptome nimmt auch die Gefäßeongeſtion und Fülle des Beines zu; die kleinſten Venen werden deutlich und die größeren ragen hervor. Dieſer Zuſtand dauert 8 bis 9 Stunden und das Gefühl von Sitze und Schmerz iſt in dieſer ganzen Zeit faſt unerträglich. Die davon abhängige Congeſtion der Hauteapillar— gefäße veranlaßt eine Veränderung in der Haut, welche, ſowie der Anfall fortſchreitet, zuerſt roth wird, allmälig ein immer mehr und mehr blutunterlaufenes Anſehen an— nimmt, endlich ganz dunkel iſt, anſchwillt, glatt und glän— zend wird und endlich einer beinahe reifen ſchwarzen Herzkirſche in der Farbe gleichkommt. Wenn der Gitzean— fall nachläßt, jo ſetzt ſich auch die leichte Anſchwellung, die Mißfarbigkeit läßt nach, und die affieirten Theile bleiben während des nächſten Stadiums blaß, todtenkalt und ver— hältnißmäßig frei von Schmerz. Während das eine Bein in dem Hitzeſtadium ſich befindet, iſt das andere Bein kalt und blaß, aber ſchmerzfrei; ſobald aber Schmerz und Sitze in dem einen Beine nachgelaſſen haben, beginnt dieſelbe Reihe von Erſcheinungen in dem anderen Beine und dauert eben ſo lange; danach ſind beide Beine in demſelben Zu— ſtande und die Kranke iſt 2 bis 3 Stunden verhältnißmäßig frei von Leiden, obwohl noch ein Mißbehagen darin zurück— bleibt, welches die Kranke mit einem Stumpfſein oder etwas dem ähnlichen nicht recht zu bezeichnenden vergleicht. Dieſe Krankheit nahm im Jahre 1837 ihren Anfang und die Parorysmen ſind ſeitdem täglich wiedergekehrt. An— fangs war der Schmerz unerträglich und täglich hatte fie höchſtens 3 Stunden freie Zeit, welche ganz regelmäßig eintrat und von 4 bis 7 Uhr Morgens dauerte, wahrend welcher Zeit ſie 3 Stunden Schlaf genoß. Im October 1840 trat die Intermiſſion um 11 Uhr Vormittags ein und dauerte bis 7 Uhr Abends. Im Jahre 1837 konnte 299 die Kranke durchaus nicht ſchlafen, ſo lange noch Hitze im Beine war; 1840 konnte ſie ziemlich ruhen, auch in der Nacht, obwohl ein oder das andere Bein während der gan— zen Zeit, daß ſie im Bette war, in dem Hitzeſtadium ſich befand. Sie war bedeutend gebeſſert wie es ſchien, und iſt, obwohl von zartem ſchlankem Bau, doch ziemlich wohl ges nährt geworden, und da fie übrigens von liebenswürdigem Tem⸗ peramente und großer Schönheit iſt, ſo würde niemand, der ſie ſcheinbar in der vollkommenſten Blüthe der Geſundheit im Geſellſchaftsſalon ſieht, ahnen, daß ſie eine ſolche Dul— derin iſt. Auch jetzt noch muß ſie den ganzen Tag ſitzend oder auf dem Sopha liegend zubringen, denn wenn ſie viel im Zimmer herumgeht, ſo tritt der Hitzeanfall gleich ein. Die Unterdrückung der Katamenien, wovon das Ganze aus— gegangen war, ließ uns den Zuſtand zuerſt für einen An⸗ fall von Hyſterie anſehen, aber nach etwa einem halben Jahre nahmen die Regeln ihren normalen Fortgang, ohne daß dadurch die mindeſte Erleichterung der Symptome ber: beigeführt geweſen wäre. — Die Fortdauer der Krankheit konnte auch einem allgemeinen Conſtitutionsfehler nicht zu— geſchrieben werden, denn, obwohl ſie zart gebaut war, ſo war doch ihr Ausſehen gut und ihr Allgemeinbefinden beſ⸗ ſer, als irgend erwartet werden konnte, wenn man den faſt unaufhörlichen Schmerz und die anhaltende Störung des Schlafes bedenkt. Am 10. Januar 1837 hatte ſich wenig geändert. Der Appetit war verſchwunden, das Ausſehen ſehr ſchwach, die Füße waren ungewöhnlich heiß und entzündet und es dauerte dies während der ſehr kalten Witterung ſo fort. Da Froſt und Schnee Wochen lang angehalten hatten, ſo war die Kranke auch längere Zeit nicht aus dem Hauſe gekommen. Zu dieſer Zeit beſtand das einzige Linderungsmittel in Ap— plication von kaltem Waſſer. Tücher in eiskaltes Waſſer getaucht, wurden die ganze Nacht hindurch auf Füße und Beine gelegt, und die größte Heftigkeit des Schmerzes wurde bisweilen durch leichtes Reiben des affieirten Theiles mit der Hand und durch leichtes Klopfen vermindert. Am 23. März 1838 wurde mir gemeldet, daß die Beine ohne Unterbrechung in einem ganz beſonders quälen— den Zuſtande von Geſchwulſt und kalt oder heiß immer gleich ſchmerzhaft ſeien. In der That war nun das kalte und heiße Stadium des Leidens von heftigen Schmerzen und großer Mißfarbigkeit begleitet, mehr als dies in Dublin der Fall geweſen war. Die Haut glänzte damals wie bei einem erysipelas und die Empfindlichkeit gegen Berührung war größer als je zuvor. Die Nacht war immer noch ſchlimmer und am Tage war dann Erſchöpfung und Er— ſchlaffung zu bemerken. Die Periode war in der letzten Zeit ohne allen Einfluß geblieben, der Appetit nahm ab. Am 26. April 1838 war noch keine Milderung ein- getreten. Der Blutzufluß war wie früher nach den Füßen eingetreten; der Anfall trat plötzlich ein und reichte ſogleich bis zu den Zehen, während er früher beim Fußrücken und der Ferſe ſich abzugrenzen pflegte. Die Hitze war noch eben jo heftig wie früher in Dublin, aber das Kälteſtadium war weniger ſchmerzhaft. Die Kälte und Taubheit des Fußes 195. IX. 19. 300 reichte damals durch das ganze Bein in die Höhe. Wenn die Kranke ſich während des Kälteſtadiums ins Bett oder auf ein Sopha niederlegte, ſo war die Empfindung beim Aufſtehen beſonders qualvoll. Die Venen waren jeden Morgen beim Aufſtehen ſehr ausgedehnt. Eine livide Färbung verbreitete ſich wie früher in Dublin und beim Kaltwerden über den Fuß. Es wurde jetzt nur Milch und Waſſer und häufiges Klopfen und Rei— ben angewandt, wiewohl dies nicht mehr ſo ſtark angewen— det werden konnte wie früher, da die Theile zu empfindlich waren. Die Anſchwellung der Füße dauerte oft den ganzen Tag hindurch, meiſtens war der Hitzeanfall von längerer Dauer als früher, niemals weniger, oft mehr als 12 — 14 Stunden. Die Kranke ſpürte nun eine Neigung zu Herzklopfen ohne irgend eine Veranlaſſung, obwohl fie daran früher nie gelitten hatte. Tritt das Herzklopfen ein, ſo zeigt ſich ein ähnliches Gefühl in den Beinen, beſonders von den Waden nach unten, als wenn auch da die Palpitation Statt fände; dies wird durch Treppenſteigen nicht veranlaßt oder vermehrt. Die Thätigkeit des Darmeanals mußte zu dieſer Zeit eben ſo wie früher unterſtützt werden, aber es war dazu nur etwas Magneſia nöthig. Aufſteigen von Röthe im Ge— ſicht war häufig und nach einem mit Waſſer verdünnten Glas Wein am Mittag trat Schläfrigkeit ein. Im Ganzen war das Ausſehen der Kranken gebeſſert, obwohl ſie nicht corpulenter geworden war als zu Dublin. Die Patientin hegte zu jener Zeit ſelbſt keine Hoffnung, daß ſie jemals von dieſer ungewöhnlich ſchmerzhaften Krankheit des Fußes befreit werden werde. Am 7. Mai 1838 wurde mir berichtet, daß die Nächte ſchlaflos und in Schmerzen hingebracht wurden, und die Tage nur um wenig beſſer, da Sitze und Geſchwulſt ſelten nachließen. Die Mißfarbigkeit und Geſchwulſt war über den Fuß, die Knöchel und den Fußrücken gleichmäßig verbreitet; an der Rückſeite des Unterſchenkels gleich unter den Waden ſchien ſich ein Knoten zu bilden, von welchem bis zu den Knieen in die Höhe die Theile ungewöhnlich hart ſich an— fühlten. Die Haut des Fußes und der Zehen war immer noch glänzend. Die Beine waren ſowohl bei heißem als bei kaltem Zuſtande ſehr ſchwer und die Kälte eben ſowohl wie das Gefühl von brennender Hitze hatten den äußerſten Grad er— reicht. Bei der geringſten Annäherung von Wärme begann der Schmerz. Appetit und Kräfte waren nicht gebeſſert; die Urin- abſonderung war ſpärlich, von röthlicher Farbe und trüb; das Sediment weiß und röthlich. Die Darmthätigkeit mußte jeden vierten oder fünften Tag unterſtützt werden; auf den Gebrauch von Magneſia aber folgte heftiges Übelſein und jedes Mal nach der Wirkung derſelben folgte eine Ohnmacht. Am 25. Mai 1838 waren die Symptome ziemlich die⸗ ſelben. Gleich beim Aufſtehen aus dem Bette hatte ſie das Gefühl, als ob die Venen auf dem Rücken des Beines bis zur Wade mit einem ſcharfen Inſtrumente aus einander ges 301 ſchnitten würden. Beim Gehen fteigerte ſich die Congeſtion nach unten und der Schmerz und die Geſchwulſt wurden ſtär⸗ ker als bei irgend einer anderen Veranlaſſung und dennoch wäre Spazierengehen ihre liebſte Bewegung geweſen, wenn ſie dieſelbe nur irgend bis zu einem comfortablen Grade hätte ertragen können. Beim Ausfahren bekömmt ſie jedes Mal große Schmerzen in ihrer linken Seite. In den letz— ten 14 Tagen hat ſie öfters Kopfſchmerz gehabt und ihr Ausſehen war ſehr wechſelnd geweſen. Stuhlgang iſt nur auf Abführmittel erfolgt und auf den Gebrauch von Ma— gneſia am letzten Mittwoch folgte heftiger Schmerz, Übelſein und der Abgang vieler verhärteter Klumpen. Der Appetit iſt nicht gut, der Durſt iſt ſtark, aber Wein im Laufe des Tages genoſſen, erregt ſogleich Hitze und Neigung zum Schwitzen an Händen, Geſicht und Hals. Sie hat öfters das Gefühl, als ob ein Strom eiskalten Waſſers ihr durch die Glieder fließe und wenn ſie ſich während des Kälte— ſtadiums aus ihrem Stuhle erhebt, ſo iſt es ihr, als wenn ſie im Schnee ſtehe. Es iſt merkwürdig, daß die Krankheit der Füße nicht im mindeſten von Circulationsſtörungen oder von irgend einer Veränderung in der übrigen Haut begleitet war. Dieſe junge Dame haben Sir William Crampton, Hr. Colles und Hr. Cu ſack oft geſehen und ihr Zus ſtand erregte deren größtes Intereſſe, da ſie nie etwas ähn— liches geſehen hatten. Zuerſt vermutheten ſie eine chroniſche Entzündung der Arterien der Beine, aber dieſe Vermuthung wurde bei der langen Dauer und dem weiteren Verlaufe der Krankheit wieder verlaſſen. Keine Behandlungsmethode, allgemein oder topiſch, welche die leiſeſte Ausſicht auf Erfolg gab, blieb unverſucht. Jedes Waſchmittel, kalt und warm, reizend oder narko— tiſch, jede Form von Salben, Cataplasmen, Aufſchlägen ward nach und uach verſucht, Blutegel wurden im Sites ſtadium oft angelegt, aber alles blieb ohne Erfolg. Inner: lich wurde China, Arſenik, Jod, Kali hydrojodicum, Eiſenmittel, Abfuͤhrungen, diuretica und Mercurialiſation, alles vergeblich angewendet; anodyna ſind immer ohne al— len Nutzen geblieben: ſo war es auch mit dem Mutterkorne. Merkwürdig iſt es, daß dieſe lange fortgeſetzte Störung in der Circulation der unteren Extremitäten und der außeror— dentlich heftige Schmerz, welchen die Kranke täglich 6 Jahre lang duldete, nicht irgend eine Paralyſe, eine Verminderung der Muskelkraft, eine Verdickung der Haut oder des Unter⸗ hautzellgewebes oder eine Steifheit der Gelenke zurück— gelaſſen hat. Berückſichtigt man, wie heiß, roth und ge— ſchwollen ein beträchtlicher Theil jedes Beines mehrere Stun— den lang täglich war, ſo iſt es ſtaunenswürdig, daß keine merkliche Structurveränderung daraus folgte. Dieſe That: ſache iſt in phyſiologiſcher und pathologiſcher Beziehung außerordentlich intereſſant, da ſie den Beweis liefert, daß Terturveränderungen von Urſachen abhängen, die von dem Zuſtande der localen Circulation ganz unabhängig ſind. Im allgemeinen bemerken wir, daß vermehrte Nerven— empfindlichkeit irgend eines Theiles, wenn ſie lange dauert und heftig iſt, endlich zu verhältnißmäßiger Gefühlslähmung 195. IX. 19. 302 führt; in dem vorliegenden Falle aber waren die Fußhaut⸗ nerven Jahre lang ſehr empfindlich und doch war nicht die leiſeſte Andeutung von Gefühls- oder Bewegungslähmung zu bemerken. Im Jahre 1843 als Dr. Graves die erſte Ausgabe ſeiner kliniſchen Vorleſungen herausgab, fügte er in einer Note folgenden Bericht über den Zuſtand der jungen Dame bei. Die Krankheit dauert noch ohne Intermiſſion fort, wie zuvor; im Winter iſt ſie viel ſchlimmer, aber im Ganzen iſt der Schmerz nicht ſo heftig als früher und die täglichen Parorysmen find von kürzerer Dauer. In demſelben Ver— hältniß als Schmerz und Sitze etwas abgenommen haben, hat ſich auch das Ausſehen und Allgemeinbefinden gebeſſert. Seit jener Zeit hat er von den verſchiedenſten Theilen der Welt, aus England, America u. ſ. w. zahlreiche Mit— theilungen erhalten, worin die verſchiedenartigſten Behand⸗ lungsmethoden und die verſchiedenſten Anſichten über die Urſache der Affection ausgeſprochen werden. Aber obwohl faſt jedes Mittel in der Pharmacopöe verſucht worden iſt, ſo ſcheint doch faſt keins nur den leiſeſten Erfolg gehabt zu haben; allmälig ging es ihr beſſer, man könnte ſagen, trotz aller Mediein und jetzt iſt fie bereits über 12 Monate von ihrem Leiden ganz frei. Obwohl Dr. Grades keinen ganz ähnlichen Fall je⸗ mals beobachtet hat, ſo ſind ihm doch einige Male locale Affectionen vorgekommen, welche analoge Symptome darboten. Einer von dieſen, welchen er mit Mr. Moore und Sir Zenn enen geſehen hat, iſt der folgende. rs. — 82 Jahre alt, von robuſter und geſunder Conſtitution und blühendem Ausſehen, erlitt im Februar 1839 einen leichten paralytiſchen Anfall des linken Armes und Beines, wobei Kopfweh, Schwindel, Lichterſcheinungen vor den Augen ic. zugegen waren. Etwa feit einem Monat klagte ſie über ein Gefühl von Kälte im rechten Fuß, wel— ches, nachdem die Stelle gerieben worden war, einem Ge— fühle von Hitze und Jucken Platz machte. Bei Unterſuchung der Stelle fand ſie die vordere Hälfte des Fußes geſchwollen und roth. Etwa 3 Wochen nach dem erſten Anfalle wurde das Kältegefühl, welches immer noch andauerte, ſehr ſchmerz⸗ haft und nun wendete ſie ſich zuerſt an einen Arzt. Am 1. Auguſt 1839. Klagen über heftigen Schmerz im vorderen Theile des rechten Fußes, welcher roth und ge— ſchwollen iſt, dabei beträchtliches Odem der Knöchel und des unteren Theiles des Beines; die Zehen waren dunkelroth und etwas livid. Das Allgemeinbefinden iſt gut mit Aus⸗ nahme von Schwindel und Kopfweh. Der Darmcanal iſt frei, der Appetit gut, der Puls regelmäßig. Es wurde ein reizendes Liniment und innerlich Kali hydrojodicum in kleinen Gaben verordnet. 5. Das Liniment erleichtert fehr. Das Odem hat ab— genommen, aber die Geſchwulſt des vorderen Theiles des Fußes bleibt unverändert. 13. Die große Zehe hat einen eigenthümlichen Glanz und ein „blutiges“ Ausſehen; die vierte Zehe iſt an ihrer Spitze livid. Die zweite und dritte ſind roth, aber nicht livid. 4 Blutegel werden an die große Zehe angeſetzt und 303 darauf Breiumſchläge von Brot, Milch und Ol über den Fuß gelegt. Es war unmöglich, die Blutegel an den andern Zehen zum Anbeißen zu bringen, weil kurz zuvor Belladonnaſalbe gebraucht worden war. 15. Die Zehe, an welche die Blutegel geſetzt worden waren, iſt vollſtändig gebeſſert, aber die vierte Zehe iſt im⸗ mer noch livid; die zweite und dritte erſcheinen ſehr geſchwol— len und ſchmerzhaft. Es ſollen an jede Zehe 2 und an die vierte 1 Blutegel angeſetzt werden. 17. In der letzten Nacht hat Pat. beträchtlichen Schmerz gelitten. Wir glaubten nun, daß der Schmerz, die Röthe und Geſchwulſt Eracerbationen bezeichneten, die jeden zweiten Tag einträten und verordneten deswegen China in kleinen Doſen und ſetzten nochmals Blutegel an die Zehen. Da die China den Magen beſchwerte, ſo wurde ſie jeden Abend mit einem Stärkeklyſtir mit einigen Tropfen Laudanum verordnet und eine Woche lang fortgeſetzt, während an die am meiſten afficirten Zehen wiederholt Blutegel angeſetzt und verſchie⸗ dene ſchmerzſtillende und beruhigende Mittel verſucht wurden. Der Schmerz war von ſehr quälendem Charakter und ſeine Eracerbationen, obwohl fie nicht regelmäßig periodiſch wa— ren, zeigten doch eine entſchiedene Tendenz, jeden zweiten Morgen zu einer beſtimmten Stunde wieder einzutreten. Bisweilen litt eine Zehe, bisweilen zwei oder mehrere zu— gleich und in Verhältniß zu der Heftigkeit des Schmerzes waren die leidenden Theile dann roth, geſchwollen und end— lich von glänzender Purpurfarbe. Dies war der Verlauf der Krankheit vom 1. Auguft bis 15. September. — An dieſem Abend ſah Sir Philip Crampton die Kranke und empfahl 3 Mal täglich einen Trank aus 20 Tropfen Safranwein mit 1 Unze Kamphermirtur und einen Umſchlag von ½ Unze Hyoscyamusextract mit 10 Tropfen wäſſerigen Opiumertractes und 1 Pinte Abkochung von weißen Mohnköpfen. Am nächſten Tage war der Schmerz erleichtert; der Safrantrank wurde wiederholt. 13. Septbr. Der Fuß iſt ſeit dem letzten Bericht von normalem Ausſehen geworden und es iſt nur noch wenig Geſchwulſt und livide Färbung vorhanden. Der Schmerz iſt in der letzten Zeit nicht ſo heftig und etwas anders als früher, indem er von dem Stechen begleitet iſt, wie es Statt findet, wenn in einem eingeſchlafenen Fuße die Circulation wieder eintritt. Die Anfälle ſind jetzt am Abend, indem fie eine Zeit lang immer um 1 Stunde anteponirten. Ap— plicationen, die früher ſehr große Erleichterung brachten, find jetzt ſehr ſchmerzhaft und z. B. das linim. anodynum wird nicht mehr ertragen; das Auflegen des friſchen zer— quetſchten Bilſenkrautes iſt jetzt auch nicht mehr wohlthätig. Am beſten thun erweichende Umſchläge und Cataplasmen aus Milch und Brot. Das Allgemeinbefinden iſt gut; die 195. IX. 19. 304 Kranke braucht jetzt Brauſemiſchungen mit Pommeranzen— tinetur. Am 7. Oct. berichtet die Frau, daß fie keinen Schmerzan- fall mehr gehabt habe und ihr Ausſehen iſt nun ganz normal. Bald darauf traten mehrere raſch auf einander folgende apoplektiſche Anfälle ein, woran fie am 25. Nov. ſtarb. Es iſt klar, daß der gute Erfolg des colchicum auf eine gichtiſche Grundlage des Leidens hindeute; dennoch iſt die allmälige Entſtehung, die auffallende Heftigkeit und die Farbeveränderung des affieirten Theiles bei jedem Paroxys⸗ mus ſehr eigenthümlich und deutet auf eine Ahnlichkeit mit dem zuvor angeführten Falle der jungen Dame hin, ſo daß ich es paſſend fand, beide Fälle hier zuſammenzuſtellen. Der Mangel an Dyspepſie und an allen localen und allgemeinen Symptomen von Gicht bis zu dem 82. Jahre, der Mangel aller gichtiſchen Ablagerungen in dem Urin wäh— rend der ganzen Krankheit u. a. m. machen die Hypotheſe einer gichtiſchen Grundlage der Krankheit mehr als zweifel⸗ haft, und dieſer Zweifel wird vermehrt, wenn wir berück⸗ ſichtigen, wie allmälig die Krankheit dem Gebrauche des colchicum wich und ihren Tertiancharakter bis zum letzten Tage feſthielt. Die Affection des Fußes und der Zehen war ſo ſchmerz— haft und die Mißfarbigkeit und Purpurfarbe der Haut ſo ſtark, daß die Arzte natürlich auf den Verdacht kamen, daß der Fall als eine gangraena senilis enden werde. Miſceelle. (33) Collodium bei einer Speichelfiſtel. Dr. Svonneau zu Blois erzählt in der Union médicale, Dec. 1848 folgenden Fall. Ein kleines Mädchen hatte in Folge eines nach außen aufgebrochenen Absceſſes in der Wange eine offene Wunde in der Nähe des Mundwinkels. Ober- und Unterkiefer waren cariös, die Wunde trichterförmig und durch ihren tiefſten Punkt floß fort während Speichel und auch die in den Mund genommene Flüſſig⸗ keit heraus; bei dieſem Zuſtande wurde der Appetit geſtört, der Athem ſehr übel riechend und das Kind magerte ab. Die Opera- tion wurde unter Beihülfe des Chloroforms gemacht; es wurde ein Stück Kieferknochen entfernt und an die angefriſchten Wundränder 4 umwundene Näthe angelegt, die durch Heftpflaſterſtreifen und eine Rollbinde unterſtützt wurden. Am dritten Tage drangen in⸗ des die in den Mund genommenen Flüſſigkeiten wieder durch; die Nadeln waren durchgeeitert und die Fiſtel größer als zuvor. Nun wendete er Collodium an. Das Kind wurde durch Chloroform ganz ruhig gemacht, es wurden über die genau an einander gedrückten Wundränder Heftpflaſterſtreifen übergelegt und dann das ganze mit⸗ telſt eines Pinſels mit Collodium überſtrichen. Drei Tage danach mußte der Verband abgenommen werden, weil das Kind einen Pflaſterſtreifen losgezupft hatte; dabei ergab ſich, daß die Fiſtel durch gute Granulationen bis auf 1 Linie verkleinert war. Der⸗ ſelbe Verband mit Collodium wurde wieder übergelegt und erſt nach 5 Tagen wieder abgenommen, wobei ſich fand, daß das Ganze eine linienförmige Narbe bildete. Bibliographiſche Neuigkeiten. 3 = Opties by Humphrey Lloyd DD. 8°. (pp. 122.) Dublin 1849. Sh. . Richard Owen, On the nature of Limbs; a discourse delivered at the royal Institution of Great Britain. Se. (pp. 120.) London 1849. 6 sh. W. Addison, On healthy and diseased Structure and the true Principles of treatment for the cure of disease especially Consumption and Serotula foun- ded on Microscopical Analysis. 8°. (pp. 320.) London 1849. 12 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitichrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 196. (Nr. 20. des IX. Bandes.) Mai 1849. Naturkunde. Baumgärtner, über die Wirkungen der natürlichen Elektricität auf die elektro⸗magnetiſchen Telegraphen. — Martin, über den Orcan, der am 14. Febr. 1849 in Bedfordſhire wüthete. — Über einige weniger befannte auständiſche Pflanzenfaſern. — Miſcellen. Weiße, über die Lichtſcheu der Cryplomonas curvata. Skelett eines Krokodils von ungeheurer Größe. — Heilkunde. Burow, Behandlung der Beinbrüche mittels einfacher Gutta-percha- Schienen. — Miſcellen. Fauvel, Catarrhus sufocativus bei Kindern und Erwachſenen. Walker, Schwefel- und Jodräucherungen bei Fuß⸗ geſchwuͤren. Evans, Hydatidenbalggeſchwülſt in der Subſtanz des Herzens. — Bibliographie. Naturkunde. XLII. über die Wirkungen der natürlichen Elek— trieität auf die elektro-magnetiſchen Telegraphen. Von Baumgärtner. Die Elektrieität, welche, durch die Dräthe der Telegra— vhen fortgeführt, mit Blitzes ſchnelle die Signale in weite Entfernungen trägt, iſt eine künſtlich hervorgerufene; nun kann man leider nicht verhüten, daß auch die natürliche Elektricität ſich desſelben Drathes bedient, und jo kommt es, daß ſich oft ein Strom der letzteren in unſere telegraphiſche Correſpondenz miſcht, uns ins Wort fällt, unſere Sprache undeutlich macht, ja, bei unverhältnißmäßiger Starke ſogar die telegraphiſche Leitung beſchädigt und den Sprechapparat zu fernerem Dienſte untauglich macht. Der Verf. hat, im Intereſſe der Wiſſenſchaft, die Wirkungen der natürlichen Elektricität, ſoweit ſie auf den öſterreichiſchen Telegraphen— linien beobachtet ſind, geſammelt und referirt über ſie im 3. Hefte der Sitzungsberichte der Wiener Akademie von 1848. Es iſt laͤngſt bekannt, daß nicht nur zur Zeit, wo ſich ein Gewitter bildet oder zum Ausbruche kommt, ſich Elektrieität in der Luft befindet, ſondern daß ſogar bei heiterem Himmel dieſelbe niemals fehlt und Strömungen von der Luft zur Erde oder umgekehrt, wenn ſie ſich auch nicht durch zer— ſtörende Wirkungen kund geben, doch immer vorhanden ſind, wovon man ſich bei telegraphiſchen Verrichtungen leicht über— zeugen kann, wenn man, ſtatt der gewöhnlichen, zum Tele— graphiren beſtimmten Indicatoren, andere beſonders empfind— liche Multiplicatoren in die Leitung einſchaltet und die bei— den Enden der Leitung in die Erde verſenkt. Der Verf. beobachtete die elektriſche Luftbeſchaffenheit zum erſten Male, als er auf der Linie von Wien nach Prag, einer Leitung von beinahe 61 Meilen Länge, einen empfindlichen Differen— tial⸗Multiplicator einſchaltete; es geſchah im März zu einer No. 2176. — 1076. — 196. Zeit, wo die Luftwärme noch geringe war und ſich weder eine Neigung zur Gewitterbildung, noch ein Überbleibſel früherer Gewitter vernehmen ließ. Um die Erſcheinungen näher zu ſtudiren, ward auch auf der ſüdlichen Telegraphen— linie, von 40 Meilen Länge, ein Multiplieator, nach No— bili's Einrichtung, angebracht. Die Beobachtungen auf der nördlichen Linie, mittelſt des beſonders empfindlichen Multiplicators, zeigten ein faſt beſtändiges Schwanken der Magnetnadel, das nur von kurzen Pauſen der Ruhe unter— brochen wurde; die Schwankungen ſelbſt waren ungleich, es folgten ſtärkere auf ſchwächere in ungleichen Zeitabſchnit— ten (die Nadel war vor jedem Luftzuge aufs ſicherſte ge— ſchützt.) Die auf der ſüdlichen Linie dauernd, wenngleich mit minder empfindlichen Inſtrumenten, angeſtellten Beobach— tungen laſſen über die Dauer und Richtung der Ströme Folgendes entnehmen. 1) Nur äußerſt ſelten ſpielt die Nadel auf den Punkt ein, welcher durch die Torſion der Aufhängefedern und ihren nicht vollkommen aſtaͤtiſchen Zuſtand beſtimmt wird, ſondern faft immer weicht fie von dieſem ſtets um mehr oder weniger ab, zum Beweiſe, daß fie von einem elektriſchen Strome afficirt wird. 2) Die beobachteten Abänderungen ſind von zweifacher Art, größere, die ſelbſt 500 erreichen und kleinere, von ½0 — 80; erſtere treten ſeltener ein und wechſeln an Richtung und Stärke ſo ſehr, daß ſich daran kein Geſetz wahrnehmen laßt, während letztere an ein einfaches Geſetz gebunden zu ſein ſcheinen. Die Beobachtungen in Wien und Gratz, ſo weit ſie bisjetzt reichen, zeigen, daß der elektriſche Strom bei Tage von Wien nach Gratz und dem höher gelegenen Semmering hinzieht, während ſeine Richtung bei Nacht eine umgekehrte iſt. Der Wechſel der Stromrichtung ſcheint nach Sonnen- Auf- und Untergange Statt zu Win, 307 3) Bei trockner Luft und heiterem Himmel wird der regelmäßige Strom durch andere unregelmäßige weniger ge— ſtört, als bei kühlerer Zeit und regnichtem Wetter. 4) Der bemerkte elektriſche Strom iſt in der Regel ſtärker, wenn die Leitung in einer geringeren Entfernung vom Beobachtungsorte geſchloſſen wird, als wenn dieſer Schluß in einer großen Entfernung erfolgt, ja oft iſt der Strom in der langen Kette dem in der kurzen gar entgegen— geſetzt. Da, wo ein Unterſchied in der Stromſtärke Statt findet, iſt derſelbe weit größer, als daß er von dem größe— ren Leitungswiderſtande im längeren Leiter hergeleitet wer— den könnte. Bei bewölktem Himmel, beſonders bei Beginn eines Strichregens oder gar, wenn ein Gewitter am Himmel ſteht, zeigen ſich oft elektriſche Ströme im telegraphiſchen Leitungs— drathe, die ſtark genug find, um die keinesweges beſonders empfindlichen telegraphiſchen Indicatoren zu affleiren. Mehrere Mal beginnt die Magnetnadel zu ſpielen, ſo daß man die Vor— anzeige einer Mittheilung von einer entfernten Station erwartet; allein die Zeichen haben keine Bedeutung, wechſeln unregel— mäßig und erfolgen meiſtens nur nach einer Richtung hin; nur ſelten ſtellt ſich die Nadel eine Weile in die Lage der größten Abweichung. Durch dieſe Einwirkungen wird indes oft der Magnetismus der Nadel vernichtet und deren Pola— rität umgekehrt, fo daß man fie neu magnetiſtren muß. Auf der ſüdlichen Linie, wo die elektriſchen Erſcheinungen eine viel größere Rolle als auf der nördlichen ſpielen, war häufig am Morgen, ehe der Nachtdienſt eingeführt ward und man die Indicatorkaſten über Nacht geſperrt hatte, der Magnetismus der Nadel völlig zerſtört, ohne daß man an eine Vernichtung desſelben durch abſichtlich erzeugte künſt— liche Ströme denken konnte. Schon beim Einziehen der Leitungsdräthe auf der nörd— lichen Bahn klagten die As beiter häufig über Krämpfe, die ſie beim Anfaſſen der Dräthe zu fühlen vorgaben; in der höher gelegenen Steiermark kam man bald zu der Über— zeugung, daß dieſer Krampf von elektriſchen Entladungen herrühre; ſie unterblieben auch, als man die Dräthe nicht mehr mit bloßen Händen anfaßte. Einer der Arbeiter er: hielt bei Kranichfeld in Steiermark einen jo heftigen Schlag, daß er zuſammenſank und den rechten Arm nicht bewegen konnte; auch der Unterinſpeetor Schnirch, der die Be— obachtungen auf der ſüdlichen Linie leitete, erzählt, daß er beim Auslöſen der Dräthe, das man wegen eines heran— nahenden Gewitters für nöthig hielt, mehr oder weniger heftige Stöße empfunden habe. Die Wirkungen der natürlichen Elektrieität müſſen, wie leicht einzuſehen, vor und während eines Gewitters am hef— tigſten ſein; ſie erreichen oftmals ſolche Stärke, daß ſie ſo— wohl für den telegraphiſchen Apparat als für das ſelbigen bedienende Perſonal höchſt gefährlich werden; man mußte demnach auf eine Ablenkung der Elektricität bedacht fein und ſuchte dieſelbe durch einen an der Tragſäule hinab in die Erde laufenden Drath abzulenken. Das obere Ende dieſes Drathes ſtand dem telegraphiſchen Leitungsdrathe an der Stelle gegenüber, wo dieſer den Iſolator verlaſſen hatte und 196. IX. 20. 308 darum keiner Schwankung unterlag, ſo daß der Abſtand beider nur / — 1 Linie betrug. Die Wirkung der Gewitterwolken auf die telegraphi— ſchen Indicatoren zeigt ſich in folgender Weiſe. Ziehen ſelbige, ſelbſt in bedeutender Entfernung, längs der Linie hin, ſo wird der Zeiger des Indicators bleibend abgelenkt; die Richtung dieſer Ablenkung iſt nach dem elektriſchen Charak— ter der Wolke und der Richtung ihres Zuges zur Telegra— phenlinie verſchieden. Nähert ſich die Wolke der Telegra— phenſtation, ſo dauert die Ablenkung des Zeigers ſo lange als dieſe Annäherung beſteht; ſobald aber die Wolke an— fängt ſich zu entfernen, geht auch die Ablenkung in die entgegengeſetzte über. Erfolgt in der Nähe der Station eine Entladung, fo wird mit jedem Schlage auch der Zeiger mit Heftigkeit 5 8 u auch der Magnetismus der Nadel zerſtört. Schlägt der Blitz in den telegraphiſchen Leitungsdrath, fo läuft der elektriſche Strom im Drathe oft eine ſehr be— deutende Strecke fort, oder er verpflanzt ſich längs der höl— zernen Stützen in die Erde. In letzterem Falle werden die Stützen meiſtens beſchädigt. So pflanzte ſich zum Bei— ſpiel die Wirkung eines am 17. Aug. 1847 in Olmütz losgebrochenen Gewitters bis nach Triebitz, d. h. 10 Meilen weit fort; ein an letzterem Orte mit der Drathſpannung beſchäftigter Arbeiter erhielt beim Anfaſſen des Drathes einen ſo ſtarken Schlag, daß er einige Schritte zurücktaumelte und in den Fingern, welche mit dem Drathe in Berührung ka— men, das Schmerzgefühl des Verbrennens empfand. Zu dieſer Zeit war in Triebitz der Himmel ganz heiter. Am 25. desſelben Monats kam zu Olmütz um 5 Uhr Nachmit- tags ein heftiges Gewitter zum Ausbruch, es zerſchmetterte auf der Strecke gegen Brodeck hin eine Tragſäule. Ein Theil des elektriſchen Stromes fuhr an dieſer Säule zur Erde, ein anderer ging in der Richtung gegen die Prager Bahn im Drathe fort und in die dahin führende Luftlei— tung über. Da dieſe aber damals noch unsdollendet war und der Drath in einer Wagenremiſe unter einer blechernen Rinne endete, jo iſt die Elektricität wahrſcheinlich auf dieſe Rinne übergeſprungen; der Drath war dort ſo abgeſchmol— zen, daß ſein Ende eine kleine Kugel bildete. In der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1847 entlud ſich zwi⸗ ſchen Brünn und Raigern ein ſchweres Gewitter; dasſelbe zerſchmetterte 2 Tragſäulen vollſtändig und beſchädigte 9 andere mehr oder weniger. Am 9. Juli desſelben Jahres ſchlug der Blitz zwiſchen Kindberg und Krieglach in Steier— mark in den Telegraphendrath und zerſchmetterte 3 hölzerne Tragſäulen, ohne den Drath ſelbſt zu beſchädigen. Am 19. Juli traf der Blitz um 2 Uhr Nachmittags die Telegraphen— leitung in der Nähe von Kindberg auf der ſüdlichen Staats— bahn; 3 Tragſäulen mußten ſogleich ausgewechſelt werden, 12 waren ſtark beſchädigt; die in der Nähe der Bahn be— ſchäftigten Arbeiter wurden zwar betäubt, aber nicht beſchä— digt. Zwei Beamte, welche 5 Klafter davon entfernt ſtan— den, bemerkten an einer der zerſchmetterten Säulen ein Feuerbüſchel und vernahmen einen Schall, als ob ein Zünd— hütchen abgebrannt wurde. Am Telegraphendrathe wurde 309 nirgends eine Beſchädigung wahrgenommen, doch waren die Spitzen der Ableiter überall abgeſchmolzen. An demſelben Tage erfolgte um 7 Uhr Abends, etwa 800 Klafter unter- halb Bruch an der Mur, eine zweite elektriſche Ladung, welche 3 Tragſäulen völlig zerſplitterte und 17 andere beſchädigte. Der Ableiter einer Säule, die ſelbſt unbeſchädigt blieb, war dermaßen abgeſchmolzen, daß das Porcelan des Iſolators einen ſchillernden Überzug erhalten hatte; auch der Ableiter einer faſt 3 Meilen entfernten Säule bei Marein und einer andern bei Mirniz waren abgeſchmolzen und ins Porcelan eingebrannt, ſo daß es keinem Zweifel unterliegt, der Strom habe einen ſo weiten Weg im Leitungsdrathe zurückgelegt. An demſelben Tage ward auch der Indicator in der Station Mürzzuſchlag dienſtuntauglich; bei näherer Unterſuchung fand man auch hier den Drath abgeſchmolzen. Wahrſcheinlich war auch in der Nähe dieſer Station ein Blitzſchlag erfolgt. Im April 1848 fand man alle an den Trägern des Tele— graphendrathes über dem Semmering angebrachten Ableiter mit dem Ende an den Iſolator angeſchmolzen. Am 12. April bemerkte man an der Drathklammer des ſüdlichen Te— legraphen in Wien eine zwei Zoll lange Flamme, die mit Schnalzen überſprang; dabei blieb der Zeiger der Magnet— nadel eine halbe Stunde lang an der Glocke hängen. Einige der vom Blitze getroffenen Tragſäulen waren ſo zerſplittert, daß ſie faſt in Faſern aufgelöſ't erſchienen; bei einigen waren die Blechdächer abgeriſſen und die Iſolatoren geſchwärzt. Caſſelmann erwähnt eines Blitzſchlages an der Taunus bahn, der einige Tragſäulen zerſplitterte, andere beſchädigte; an den letzteren zeigten ſich die Zerſtörungen des Blitzes in einer um den Stamm fortlaufenden Spirale. Dieſelbe Erſcheinung beobachtete auch der Verf. auf der ſuͤd— lichen Linie; die Säulen beſtehen dort aus Lerchenholz, das beim Austrocknen eine ſtarke Neigung zeigt, ſich in ſchrau— benförmigen Windungen zu drehen. In der Richtung, nach welcher dieſe Drehung beim Trocknen erfolgte, lief auch die ausgeſplitterte Spirale herunter; dieſe Erſcheinung ſcheint demnach in der Anordnung und Verbindung der Holzfaſern, nicht aber in der Natur der Elektricität ihren Grund zu finden. Wichtig iſt dagegen die Bemerkung, daß niemals unmittelbar auf einander folgende Tragſäulen vom Blitze zerſchmettert werden, ſondern daß ſich zwiſchen den beſchä— digten immer einige unbeſchädigte befinden. Zwiſchen Brünn und Raigern ward dies zuerſt wahrgenommen. Bei einem am 9. Juli 1847 zwiſchen Kindberg und Krieglach erfolg— ten Blitzſchlage, der 3 Säulen zerſchmetterte, ſtand eine der— ſelben diesſeits, die zwei anderen jenſeits der Wartburger Brücke; die auf der Brücke ſelbſt befindlichen Säulen blie— ben unbeſchädigt. Die Entladung vom 19. Juli bei Kind- berg zerſchmetterte die Säulen No. 101, 106 und 109 und beſchädigte die Säulen No. 100, 103, 104, 105, 107, 108, 110, 141, 112, 113, 115 und 118; die dazwiſchen gelegenen Säulen No. 102, 106, 114, 116 und 117 blie⸗ ben durchaus unverſehrt. Die Entladung bei Bruck zerſtörte an demſelben Tage die Säulen No. 174, 175 und 176 und beſchädigte die Säulen 172, 173, 177 und 178, an der Säule No. 209 ward noch der Ableiter weggeſchmolzen. 196. IX. 20. 310 Bei der Entladung zwiſchen Brünn und Raigern wurden 11 Säulen theils zerſtört, theils beſchädigt; zwiſchen ihnen blieben jedoch mehrere durchaus unverſehrt. Aus dem Umſtande, daß am Tage ein beſtändiger elektriſcher Strom von der Erde in die Luft nach der höher gelegenen Gegend zu Statt findet, folgert der Verf., am Schluſſe feiner Arbeit auf die Luftelektricität zurückkommend, daß die Erde in ſich ſelbſt eine Quelle elektriſcher Erregung beſitze, wie dies zwar ſchon mehrfach vermuthet, aber noch nicht hinlänglich bewieſen iſt. Dieſer Strom verbindet ſich häufig mit anderen durch Induction der Lufteleftrieität her— vorgebrachten und daher mag es kommen, daß man in einer langen Kette oftmals einen ſchwächeren, ja bisweilen ſogar einen entgegengeſetzten Strom bemerkt. Wenn demnach ein Blitzſtrahl von einer Wolke zur Erde herabfällt, ſo wird dies nicht immer dadurch verurſacht, daß die betreffende Stelle durch Induction von der Luftelektrieität einen Sprung er: halten hat, ſondern es iſt noch öfter die Folge einer ſelb— ſtändigen elektriſchen Erregung; die Stelle, wo der Schlag erfolgt, befindet ſich dann in demſelben Zuſtande wie eine geladene Leidener Flaſche, deren eine Belegung die Erde, die andere die elektriſche Luftſchicht vorſtellt, während ſich zwiſchen beiden eine gewiſſermaßen indifferente Luftſchicht bes findet, welche die Stelle der Glaswand der Flaſche vertritt. Weiter fortgeſetzte Beobachtungen der Telegraphen werden hierüber hoffentlich mehr Licht verbreiten. XIII. über den Orcan, der am 14. Februar 1849 in Bedfordſhire wüthete. Von John Martin. Der Verf. verdankt die Schilderung dieſes Sturmes zum großen Theil den Mittheilungen des Herrn Thomas Bennet, Gutsyerwalter des Herzogs son Bedford. Wir entnehmen ſelbige der Nr. 15 der Annals and Magazine of natural history von 1849. Der Orcan zog, von einem ſtarken Regen begleitet, am Sonntag den 14. Februar um 2½ Uhr Nachmittags, von Nordweſten nach Suͤdoſten gehend, über Woburn Park; er ſchien ſich in der Breite nur über eine Viertelmeile aus— zudehnen. Der Verf., am Ende des Parks, kaum eine halbe Meile von dem Hauptort der Sturmverheerung wohnend, bemerkte nichts don dem, was ſich in ſeiner nächſten Nähe zutrug. Die Sonne ſchien noch wenige Minuten vor dem Ausbruche des Sturmes; der Wind ging zwar heftig, doch nicht ſtärker, wie mehrere Tage zuvor. Die größte Wuth des Sturmes war ſchon nach einer Viertelſtunde erſchöpft; man gewahrte den Orcan zu Fenny Stratford und Bow Brickhill, an der Grenze von Bed— fordſhire, zuerſt; hier warf er verſchiedene Bäume um und zerſtörte einige alte Gebäude. Zu Bow Brickhill Heath, wo ſich eine dem Herzog von Bedford gehörige Baumſchule befindet, wurden einige Föhren entwurzelt; von da zog der Orcan über Wavendon Heath und Fullersearth Lodge, wie 20 * 311 über die hochgelegene, nach Northampton führende Land— ſtraße nach Woburn Park. Auf ſeinem Wege hatte er die größten Bäume, namentlich die Pechtannen, entwurzelt oder zerbrochen. Bon da zog ſich der Orcan durch eine Schlucht der Baumſchule von Crawley Dean Hills und vernichtete hier alles, was ihm im Wege war, richtete dagegen im Freien nur geringen Schaden an. 5 Meilen weiter, zu Flitwick, riß der Orcan eine Windmühle um, ihr Kopf wie ihre Flügel wurden zerſchmettert, ein halber Flügel ward 60 Pards weit fortgetrieben, dann nochmals aufgefaßt und noch 10 Pards weiter geführt, ein eiſerner, mit Segel— tuch überſpannter Rahmen ward 100 Pards von der Mühle wiedergefunden; verſchiedene Häuſer und Scheuern des Dorfes wurden entdacht. Von da ſchien ſich der Sturm nach Hitchin, an der Grenze von Hertfordſhire, zu wenden; ſeine Wuth hatte, nachdem ſie ſich an den Beſitzungen des Her— zogs son Bedford gekühlt, ſehr nachgelaſſen. Die Zahl der in den Beſitzungen des Herzogs um— geworfenen und zerbrochenen Bäume betrug mehr als 500; am meiſten hatten die Nadelhölzer, in deren belaubten Zweigen ſich der Wind fing, gelitten. Ein Mann, der während des Sturmes auf dem Wege nach Brickhill war, erzählt: daß die Kieſelſteine der Landſtraße ge— hoben und Dornbüfche mehrere hundert Yards fortgetrieben wur— den, mehrere Bäume ſtürzten dicht vor ihm nieder, die Fenſter— laden eines Hauſes wurden ausgehoben, und alles das ge— ſchah in der kurzen Zeit von anderthalb Minuten; es regnete heftig. Ein anderer Mann ging von Crawley nach Woburn; als er das Haus verließ, dachte er an keinen Regen, und doch war er kaum 10 Minuten ſpäter ſchon bis auf die Haut durchnäßt; er wollte den Fußpfad längs der Park- mauer einſchlagen, der Sturm ließ es nicht zu; er mußte umkehren. Als er an die Tannenanpflanzung in Grange Belt, durch welche er erſt vor einigen Minuten gegangen war, kam, fand er ſämmtliche Tannen am Boden liegend. Es ſchien, als wenn der Sturm ſie wieder heben wollte, wirklich trieb er auch große Aſte hinweg; die Luft um ihn her war durch Baumzweige und fortgetriebenes Heu beinahe verfinſtert; das Geheul des Windes war ſo groß, daß er den Fall der nahen Bäume übertönte. Ein Gig mit drei Perſonen, das wenige Minuten früher dieſen Ort paſſirte, entkam nur mit großer Gefahr. g Eine neben einem Hauſe ſtehende große Weymouthtanne brach, zum Glück für das Haus, dicht über der Wurzel ab. Ein zu Caſtle Thorpe, zwei Meilen ſüdlich von Hans— lape in Northamptonſhire, wohnender Mann erzählt, daß der Himmel den ganzen Tag über bis 1½ Uhr Nachmittags hell und klar geweſen ſei; um dieſe Zeit ſtieg, von Weſten kommend, die Sturmwolke auf und überzog, oſtwärts gehend, in einer Viertelſtunde den Himmel. Zu Briſtol traf der Sturm zwiſchen 12 und 1 Uhr, zu Cheltenham etwas ſpäter ein; welchen Weg er von dort nahm, um nach Fenny Stratford und den anderen genannten Orten zu gelangen, iſt dem Verf. nicht bekannt; zu Colcheſter zeigte er ſich gegen drei Uhr. Wahrſcheinlich ging er, im Canal entſpringend, quer über die britiſche Inſel in die Nordſee; verfolgt man 196. IX. 20. 312 ſeinen Lauf auf der Karte, ſo beſchreibt derſelbe einen Halb— kreis, eine Erſcheinung, die mit dem vom Col. Reid auf— geſtellten Geſetze übereinſtimmt. XIV. über einige weniger bekannte ausländiſche Pflanzenfaſern. Das London Journal of botany giebt im Januarheft 1849 eine Zuſammenſtellung einiger zu Geweben und ſonſti— gen techniſchen Zwecken benutzten ausländiſchen Pflanzen— faſern, deren wenngleich nicht unbedeutender Verbrauch den Flachs- und Hanfverbrauch kaum vermindert hat. Vor 10 Jahren wurden zuerſt als Jute aus Indien eine lange, glänzende Faſer und aus ihr roh gearbeitete Stoffe nach England gebracht, während jetzt von dieſer Faſer all— jährig fuͤr 300,000 Pfund Sterl. eingeführt werden. Ge— trocknete Pflanzen, wie Samen, welche aufgingen, wurden mit dieſer Faſer zuerſt von Heathfield-Factorei geſandt, die Mutterpflanze läßt ſich danach als Corchorus capsularis Willdenow beſtimmen. Dieſer Corchorus darf jedoch nicht mit dem gelbblühenden ſogenannten Corchorus unſerer Gär— ten, einer zu den Roſaceen gehörenden Pflanze, verwechſelt werden, er gehört vielmehr zu den Tiliaceen, deren Baſt von der majeſtätiſchen Linde bis zum einjährigen Corchorus brauchbare Faſern liefert. Die Stoffe aus ſogenanntem chineſiſchen Gras, die zuerſt in Form von Taſchentüchern nach Europa kamen, ſpäter aber in großen Stücken von China erportirt wurden, werden, nach Wallichs und G. Stauntons Forſchun— gen, wahrſcheinlich aus der Baſtfaſer der Boehmeria nivea (Urtica nivea L.), einer zu den Urticeen gehörenden Pflanze, gewonnen. Die ganze Familie der Neſſeln iſt durch die Stärke ihrer Faſer ausgezeichnet; die gemeine Brennneſſel, noch mehr aber Urtica cannabina und heterophylla, wie die folgende Boehmeria, geben hierfür hinreichend Belege. Die Fafer der letzten Pflanze, als Pooah oder Puya von Nepal und Sikkin bekannt, ſtammt von Boehmeria Puya und Urtica frutescens Rob., einer der Boehmeria nivea nah verwandten Pflanze. Sie wird in Indien allgemein benutzt und ſoll bei richtiger Behandlung dem beſten euro— päiſchen Flachs nicht nachſtehen; fie liefert von allen Pflanzen— falern Indiens die beſten Segeltücher. Aus ihr verfertigte Seile wurden, nach den Verſuchen im Arſenal, zu allen Zwecken vollkommen ſo gut wie die aus ruſſiſchem Hanf verfertigten Stricke befunden. Leider benutzen die Ein— gebornen zur Darſtellung der Faſer Schlamm, der ſich an ſelbige hängt, ihre reine Farbe zerſtört und ſie ſchwierig ſpinnen läßt. William Rownee bemerkte, daß eine Anwendung von Pottaſche ſtatt des Schlammes oder Lehmes, wie beim ruſſiſchen Hanf und Flachs, die Farbe der Faſer nicht beeinträchtigt und ſie zur Verarbeitung viel ge— ſchickter macht. Die Pflanze iſt durch ihre an der Unterſeite weiß angeflogenen Blätter und ihre dicken Blüthenknäuel aus— 313 gezeichnet, möchte übrigens mit der vorigen Neſſelart, welche das chineſiſche Gras liefert, vielleicht identiſch ſein; ſie wird ſicher, wenn ihre Faſer ſo ſorgfältig, wie es in China geſchieht, behandelt wird, Gewebe von gleicher Vortreff— lichkeit liefern. Die Faſer von Sterculia villosa, in Oſtindien unter dem Namen Oadal bekannt und ſehr verbreitet, iſt, wie es ſcheint, noch nicht nach Europa gekommen; ſie wird in Indien nicht zu Kleidungsſtücken, ſondern nur zur Dar— ſtellung von Stricken, deren Stärke unſeren beſten Seilen nichts nachgiebt, benutzt. Der Baum iſt in Oſtindien ſehr gemein; aus den inneren Schichten ſeiner ſich von unten bis oben leicht ablöſenden Rinde werden ſchöne, ſehr bieg— ſame Stricke verfertigt, während die äußeren Schichten der— ſelben Rinde eine ſchlechtere Qualität liefern; die Stricke ſind ſtark und elaſtiſch, Näſſe ſchadet ihnen nicht; die Elephantenjäger fertigen ihre Schlingen aus dieſen Stricken. Die Familie der Sterculiaceen ſteht zwiſchen den Malsaceen und Tiliaceen und iſt wie dieſe durch die Stärke ihrer Baſt— faſern ausgezeichnet. Auf den Malabaren wird die Faſer der Sterculia guttata Rozb. zur Anfertigung von Kleidern benutzt; man fällt den Baum, entfernt ſeine Zweige, ſägt den Stamm in 6 Fuß lange Stücke; jedes dieſer Stücke wird der Länge nach eingeſchnitten, die Rinde als ein Ganzes abgeſchält, geklopft, gewaſchen und in der Sonne getrocknet; ohne weitere Zubereitung kann ſie jetzt zu Klei— dungsſtücken verarbeitet werden. Die als Manilla-Taſchentücher und Manilla-Schürzen bekannten und ſehr geſchätzten feinen Gewebe werden nicht wie man bisher geglaubt, von der Faſer einer Pflanze aus der Familie der Bromeliaceen, ſondern von einer Ba— nane, die auf den philippiniſchen Inſeln zu Hauſe iſt und von Don Luis Nee zuerſt als Musa textilis beſchrieben wurde, verfertigt. Die inneren Tbeile dieſer Pflanze ent— halten vielleicht die zarteſten aller Pflanzenfaſern; köſtliche Proben der Faſer ſind im britiſchen Muſeum zu finden. Miſcellen. 42. Über die Lichtſcheu der Cryptomonas curvata. Dr. J. F. Weiße hatte eine Menge genannter Infuſorien in einer Seil (XLIII.) Behandlung der Beinbrüche mittels ein— facher Gutta-percha-Schienen. Von Dr. Burow, Prof. an der Univerſität Königsberg. Seit etwa einem Jahre habe ich bei der Behandlung der Knochenbrüche ein ſo weſentlich verändertes und einfaches Verfahren mit ſo günſtigem Erfolge in Anwendung gebracht, daß ich es für meine Pflicht halte, durch die nachſtehende Notiz das ärztliche Publicum davon in Kenntniß zu ſetzen. 196. IX. 20. 314 Flaſche nach Hauſe gebracht; nachdem ſelbige einen halben Tag auf dem Tiſche geſtanden, bemerkte er, wie ſich ſämmtliche Thiere nach dem beſchatteten Theile der Flaſche begeben hatten. Er goß das Waſſer ſammt den Infuſorien in einen Teller und ſtellte ihn ſo, daß nur die eine Seite vom Tageslichte erhellt ward; ſchon nach wenigen Stunden fand er den beſchatteten Theil des Tellers durch einen ſchmutziggrünen Saum, der zum größten Theil aus der genannten Thierart beſtand, bezeichnet: ſämmtliche Infuſorien hat⸗ ten ſich nach dieſer Seite begeben; das Waſſer der Lichtſeite er⸗ ſchien vollkommen klar. Weiße wendete jetzt den Teller vorfich- tig und wartete mit einer ſcharfen Loupe bewaffnet auf die Ber wegungen der Thiere. Anfänglich konnte er nur ein Durcheinander— wühlen des aus Myriaden beſtehenden Schwarmes bemerken, bald aber ſetzte ſich derſelbe nach der Richtung zur Schattenſeite des Tellers, längs dem Rande des Waſſers in Bewegung; nach und nach entſtand wieder ein ſchwärzlicher Saum, während die entge⸗ gengeſetzte Seite immer lichter ward; nach 3 bis 4 Stunden be fand ſich die ganze Maſſe der Thiere an der Schattenſeite. In den frühen Morgenſtunden war der erwähnte Saum verſchwunden; ſowie der Tag heraufrückte, bildete er ſich wieder; es ſcheint dem— nach, als wenn ſich die Thierchen zur Nachtzeit über das ganze Feld zerſtreuten. Drei Tage hindurch zwang der Verf. die Lichte ſcheuen Thiere zu wiederholten Wanderungen; endlich beharrten ſie zu feinem Erſtaunen auf der Lichtſeite; das Räthſel löſ'te ſich bald, die Thiere waren, wie das Mikroſkop zeigte, theils ermattet, theils geſtorben. Der Verf. beobachtete nebenbei eine ſchiefe Querthei— lung der Cryptomonas curvata, während Ehrenberg eine Längs⸗ theilung angiebt; die ſich abſchnürenden Stücke ſind von unglei⸗ cher Größe. (Bulletin de la classe physico-mathématique de St. Petersbourg, No. 164, Tome VII, No. 20.) 43. Das Skelett eines Krokodils ungeheurer Größe ward kürzlich in New⸗Jerſey ausgegraben; man fand es zu Eaton⸗Town 6 Fuß unter der Erdoberfläche in Grünſand gebettet. Das Skelett maß 30 Fuß; unter demſel⸗ ben fand man wunderbarer Weiſe eine alte Münze, die gleichſam aus dem vermoderten Magen des Thieres gefallen ſchien. Das Metall der Münze war reich an Silber, die eine Seite zeigte das Bild eines Löwen mit den arabiſchen Zahlen 6—48, die andere Seite zeigte zwiſchen unleſerlichen Buchſtaben die abgekürzten Worte Arg. Procon. Latia Mo“; in der Mitte befanden ſich zwei größere Buchſtaben, ein griechiſches U und ein R. Die Münze ward mit allen nöthigen Mittheilungen einer archäologiſchen Geſellſchaft über— geben. Der Einſender glaubt, das hier ſeit nahe an 2000 Jahren verſchüttete Krokodil habe an einem africaniſchen Fluſſe einen römi— ſchen Soldaten verſchlungen, ſei darauf mit ſeiner Beute im Leibe nach America gekommen; der Soldat verweſ'te im Magen des Thie⸗ res, die mit ihm verſchluckte Münze blieb zurück und ward mit dem Krokodil im Sande begraben. Den Geologen wie Archäologen iſt dieſer Fund jedenfalls ſehr intereſſant; noch kürzlich ward ein todter Alligator von ungeheurer Größe in der Bai von New- Pork aufgefiſcht. (New-Vork Literary World.) Die Reſultate meiner Beobachtungen gründen ſich auf 17 Falle von Knochenbrüchen, von denen 2 Fracturen des Oberarms, 8 * „ Vorderarms, 3 5 „ Oberſchenkels, 4 2 „ Unterſchenkels waren. In dem Augenblicke, da ich dieſes niederſchreibe, ſtehen zwei derſelben, ein Bruch des Oberſchenkels und ein Bruch 315 des Vorderarms noch in Behandlung, laſſen aber eine gute Prognoſe ſtellen, obgleich anderweitige Umſtände, die ich hier ſpeciell zu erwähnen nicht Gelegenheit nehmen werde, in dem einen Falle den Krankheitszuftaud auf eine bedenkliche Weiſe complieiren. Zwar habe ich zu wiederholten Malen meine Collegen am hieſigen Orte erſucht, von der von mir in Anwendung gebrachten Behaudlungsweiſe Notiz zu nehmen; leider ſind aber nur zwei, die DDr. Elkan und Möller ſo freundlich geweſen, meine nach der von mir angegebenen Methode Be— handelten in Augenſchein zu nehmen, ſo daß ich mich nur auf das Urtheil dieſer beiden Arzte würde beziehen können. Indeſſen bemerke ich, daß ein größerer Theil der in Rede ſtehenden Kranken von meinen akademiſchen Zuhörern ge— nauer beobachtet iſt, deren jeder wohl die weſentlichen Vor— züge der Behandlungsweiſe anerkannt haben dürfte. Es beſteht aber dieſe Behandlungsweiſe eben darin, daß mit Weglaſſung aller Binden und Verbandſtücke die Retention einzig und allein mittels paſſender Gutta-percha- Schienen bewerkſtelligt wird. Das Verfahren, das ich beim Anlegen befolge, ift folgendes. Die Gutta percha iſt bekanntlich in Form von Riemen von verſchiedenen Breiten käuflich. Bei Erwachſenen bedient man ſich am beſten der Riemen von 4“ Breite, bei kleinen Kindern wählt man vortheilhafter ſchmälere bis zu 2½ und 2, Breite herab. Da das Material aber in kochendem Waſ— ſer erhitzt mit Leichtigkeit in jede beliebige Form gebracht wird, jo kann man natürlich ſich auch mit jeder vorhande— nen Breite behelfen. Man hat dabei im Auge zu behalten, daß bei dem Er— hitzen von ſelbſt das im heißen Waſſer behandelte Stück auf Koſten ſeiner Länge breiter und gleichzeitig dicker wird, ſo daß es mit Leichtigkeit bis zur doppelten Breite gebracht werden kann. Sind demnach die vorhandenen Riemen zu den indicirten Schienen nicht breit genug, ſo hat man ſie in dem Verhältniß länger zu ſchneiden als ſie in der Breite gewinnen ſollen, während es ſich von ſelbſt verſteht, daß zu breite Riemen durch methodischen Zug ſchmäler gemacht wer— den können. Die Enden bleiben dabei, da ſie dem Zuge eben weniger ausgeſetzt ſind, etwas breiter, was in Bezug auf den anzulegenden Verband von Vortheil iſt, da ſie auf dieſe Weiſe an den Epiphyſen eine feſte Anlage finden. Die durch die Hitze erweichte Schiene läßt man ſo viel erkalten, daß ſie auf der Haut nicht mehr ſchmerzhaftes Brennen erregt, bei welchem cohäſiven Zuftande das Percha- Gummi einen gewiſſen Grad von Klebrigkeit beſitzt, ſo daß es auf der Haut zuletzt ſich nicht mehr leicht verſchieben läßt. Sind an dem fracturirten Gliede durch die Gehülfen die Enden coaptirt, jo legt man je nach dem Bedürfniſſe 2 oder 3 Schienen in einem ſolchen Abſtande von einander in der Richtung der Längenachſe um das Glied, daß zwiſchen den Rändern derſelben 1—2 Finger breit die Haut frei bleibt. In den zuerſt von mir behandelten Fällen kühlte ich die Schienen mittels Aufgießen von kaltem Waſſer oder Be— decken mit Eis ſchnell ab, wodurch fie dann hart und feſt 196. IX. 20. 316 wurden und dem Gliede feſt anſchloſſen. In dieſer Lage erhielt ich fie mittels 2 oder 3 Bänder, wie fie zum Befe— ſtigen der Schienen oder Strohladen bei den frühern Bruch— verbänden benutzt wurden. Cs ſtellte ſich indeſſen bei dieſer Behandlungsweiſe ein weſentlicher Nachtheil heraus. Durch die plötzliche Einwir— kung der Kälte erhielten die Schienen zwar im Anfange eine dem Gliede vollkommen entſprechende Form und Bie— gung; da aber eben dieſe Abkühlung unmöglich gleichmäßig durch die ganze Dicke der Schienen hindurch wirken konnte, ſondern vielmehr im Innern das Gummi noch in einem hö— heren Temperaturgrade blieb, jo trat nach etwa 24 Stun: den durch das Ausgleichen der verſchiedenen Temperatur eine andere Biegung der Schienen ein, ſo daß ſie nun nicht mehr abſolut genau anſchloſſen. Sehr bald aber fand ich einen Weg, dieſen Übelſtand zu umgehen. Nachdem nämlich die Schienen angelegt wa— ren, wickelte ich loſe eine Flanellbinde um das Glied herum und ließ dieſelbe 24 Stunden liegen. Wurde nun die Binde entfernt, ſo war die Schiene feſt erhärtet, gleichmäßig ab— getuhlt und veränderte ihre Form durchaus nicht mehr. Die auf dieſe Weiſe hergeſtellten Schienen ſind ſo feſt und unbiegſam, daß ſie einen heftigen Hammerſchlag aushal⸗ ten würden, ohne ihre Geſtalt zu ändern oder Einbiegungen zu erleiden, ſchließen nicht nur dem Gliede ſo abſolut genau an, daß ſie jede, ſelbſt die kleinſte Hervorragung und Ver— tiefung an demſelben wiedergeben, ſondern drücken noch ge— nauer als der Gypsguß die Oberfläche der Haut ab, ſo daß ſich jedes Härchen, die feinſten Hautfalten, Riſſe und ſelbſt die Ausführungsgänge der Schweißcanälchen durch die Lupe daran erkennen laſſen. Man ſollte glauben, daß die Schie— nenränder auf dieſe Weiſe ſich in die Weichtheile ein— drücken, ſie reizen und zur Entzündung, Blaſenbildung und Brand Veranlaſſung geben könnten. Dem iſt aber nicht jo; im Gegentheil zeigen die Ränder immer eine entſchiedene Tendenz, ſich nach außen umzubiegen, ſo daß ſie nie mit ſcharfer Kante reizen können, und wenn man eine Schiene, die längere Zeit unverrückt gelegen hat, vom Gliede entfernt, markirt ſich der Eindruck, der von ihrem Rande herrührt, kaum durch eine ſeichte, faſt gar nicht geröthete Einſenkung, die gleichzeitig als bequemer Fingerzeig beim Wiederanlegen benutzt werden kann. Hat das fracturirte Glied die Neigung ohne eine Unter— ſtützung aus ſeiner durch die Coaptation herbeigeführten normalen Lage zu weichen und bietet die noch warme und weiche Schiene nicht Feſtigkeit genug, um dieſes Ausweichen zu verhindern, ſo iſt es zweckmäßig, nach der Umwickelung einen Strom kalten Waſſers auf die Schiene zu leiten und in der Manualhuͤlfe zur Coaptation nicht eher nachzulaſſen als bis die Schienen zum nöthigen Grade der Feſtigkeit ab— gekühlt ſind. Wenn am folgenden Tage nach Abnahme der Binde die Schienen mittels Bänder zuſammengehalten ſind, ſo iſt die Retention ſo vollkommen, wie bei keinem andern Ver— bande, ſo daß der Kranke bei gebrochenem Vorder- und Oberarm ohne die geringſte Beſchwerde leichte Bewegungen 317 machen kann und der mitella jo gut wie gar nicht bedarf. Beim Bruche des Unterſchenkels gelingt die Vereinigung ſo vollſtändig, daß ich zu wiederholten Malen das geſchiente Glied 12—18“ von der Matratze erhoben habe und es ſei— ner Schwere folgend niederfallen ließ, ohne daß durch die Erſchütterung dem Kranken Schmerz an der Bruchſtelle er— zeugt wurde. Ehe ich auf die Verfahrungsweiſe bei den einzelnen Arten der Brüche mit Rückſicht der von mir behandelten Fälle übergehe, ſei es mir erlaubt, die Vorzüge der Behand— lungsweiſe im allgemeinen hervorzuheben. Da wir unleugbar in Bezug auf die Heilung der Knochenbrüche, namentlich ſeit der allgemeinen Einführung der Kleiſterverbände, hinlänglich ſichere Vorſchriften in den Lehren der Chirurgen finden und man leicht erſichtlich mit den frühern Verfahrungsweiſen überall ausreicht, ſo können ſich die Vortheile, die eine neue Methode überhaupt zu bie— ten im Stande wäre, nur beziehen: 1) auf die Leichtigkeit in Bezug auf die Anwendung; 2) auf die Bequemlichkeit für den Kranken; 3) auf die Mühewaltung in Bezug auf den Verlauf der Behandlung; 4) auf den Koſtenpunkt. Was die erſte Rückſicht betrifft, ſo gehört allerdings zum Anlegen eines Percha-Verbandes eben fo gut eine ges wiſſe manuelle Gewandtheit, wie ſie überhaupt die Ausübung jeder Hülfsleiſtung der praktiſchen Chirurgie fordert; es darf dieſelbe aber nicht eben wie bei jedem andern Verbande vergeſellſchaftet ſein mit irgend einer Schulgelehrſamkeit. Jeder, der im Stande iſt, zu beurtheilen, ob die Coaptation des gebrochenen Knochens gelungen, wird ohne weiteres den in Rede ſtehenden Verband anlegen können. Was die Ap- plication ſelbſt anbetrifft, ſo iſt dieſelbe mit weniger Um— ſtänden verknüpft, wie bei jeder andern Methode, da, wie ich zeigen werde, ſelbſt bei Brüchen des Unterſchenkels es keines andern Apparates, ja nicht ein Mal des Hechſelkiſ— ſens und der Schwebe zur weitern Lagerung des Kranken bedarf. Eine Rollbinde und die nur ungefähr der Form des Gliedes entſprechenden Schienen reichen für alle Fälle aus. Daß alſo der Vortheil in dieſer Rückſicht auf Seiten der neuen Methode liegt, leuchtet zu klar ein, um noch einer Erörterung zu bedürfen. Was die Bequemlichkeit für den Kranken betrifft, ſo halten die ältern Methoden entſchieden keinen Vergleich mit der vorliegenden aus. Vergleicht man allein das Gewicht, das beim Kleiſterderbande an dem gebrochenen Gliede haftet, mit dem Gewichte der Percha-Schienen, fo dürfte ſchon hierin eine große Erleichterung für den Patienten liegen, und was ich bereits über die Beweglichkeit der geſchienten Glieder und über die Leichtigkeit, mit der ſie paſſive Bewegungen und ſelbſt Erſchütterungen ertragen, erwähnt habe, dürfte wohl ausreichend darthun, wie viel leichter und wohler der Kranke ſich in den Percha- Schienen in Vergleich zu allen andern Verbandarten fühlen muß. Hierzu kommt noch, daß die Schienen jeden Augenblick ohne Schwierigkeit entfernt wer— den können, ſo daß der Arzt die freie Anſicht der Bruch— 196. IX. 20. 318 ſtelle und gleichzeitig Gelegenheit hat, Haut und Schienen zu ſäubern und etwa in den Verband gerathene Staubtheil— chen und ſonſtige fremde Körper zu entfernen. Der letzt erwähnte Umſtand iſt von beſonderer Wich— tigkeit in Bezug auf diejenigen Fälle, in denen der Bruch gleich viel ob mit bereits vorhandenen oder gleichzeitig mit der Verletzung erzeugten äußern Verletzungen compli⸗ eirt iſt. Wären die vorhandenen Wunden irgend beträchtlich, ſo würde man an der entſprechenden Stelle Offnungen einſchnei— den können und jo cine ungehinderte Anſicht der verletzten Stelle behalten. Einer der von mir behandelten Fälle von Fractur des Oberarms betraf eine ältere Frau, welche ſeit längerer Zeit eine Fontanelle an dem gebrochenen Arme trug; ich machte über der Fontanellwunde eine Offnung in die Schiene, ließ jene, indem ich ſie einfach verband, ver— heilen und etablirte während deſſen dieſelbe Ableitung auf dem geſunden Oberarm. Die Fontanelle auf dem gebrochenen Arme fortbeſtehen zu laſſen, was übrigens leicht möglich geweſen wäre, hielt ich nicht für angemeſſen; ich würde fie auf die andere Seite verlegt haben, auch wenn der Bruch am Vorderarme Statt gefunden hätte, da ich mich überzeugt halte, daß durch die— ſelbe der Callusbildung Säftezufuhr abgeſchnitten werde, eben ſo wie man das Fortwachſen des Nagels im Verhältniß zu den Nägeln des Nachbarfingers beträchtlich retardirt ſieht, fo lange an der Fingerwurzel eine eiternde Wunde ſich befindet. Der weſentlichſte Vortheil aber ſcheint ſich wohl in Be— zug auf den dritten Punkt in Betreff der Mühewaltung des Arztes im Laufe der Behandlung des Kranken herauszuſtel— len. In den bei weitem meiſten Fällen wird es nach dem erſten Verbande keiner eigentlichen Nachbehandlung mehr be— dürfen. Iſt derſelbe vor eingetretener Geſchwulſt angelegt, ſo wirkt die gleichmäßige Compreſſion, welche die Schienen ausüben, in ſo fern günſtig, als ſie dem ſtärkern Zuftande- kommen derſelben weſentlich entgegenarbeitet. Bildet fie ſich überhaupt nicht ſehr bedeutend aus, ſo weichen die Schienen während des Beſtehens der Anſchwellung etwas aus einander und nähern ſich wieder bei ihrem Sinken. Möglicher Weiſe könnte die Geſchwulſt und der auf ſie ausgeübte Druck der Schienen ſo heftig werden, daß der Verband entfernt, neu angelegt und zum dritten Male er— neuert werden müßte, wenn der Umfang des fracturirten Gliedes ſich wieder auf die normale Dicke verkleinert hätte. Eben ſo müßte ein zweiter Verband angelegt werden, wenn man aus irgend einem Grunde ſich bewogen gefühlt, zur Zeit der beſtehenden Geſchwulſt den erſten Verband zu ma— chen; es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß es keines neuen Verbandes bedarf, wenn der erſte nach Ablauf der entzünd— lichen Reaction applicirt iſt. Immer hat man vorzugsweiſe darauf zu achten: daß die Bänder nicht zu feſt angezogen ſind, dennoch aber einen gleichmäßigen Druck auf die Schienen ausüben. Ich machte den Verſuch, die Schienen mittels Ringen von vulcaniſirtem Gummi zuſammenzuhalten; indeſſen be— währte ſich das Verfahren nicht, da dieſe Ringe auf eine 319 unangenehme Weiſe drückten, ohne die nöthige Reſiſtenz zu gewähren. Was endlich den Koſtenpunkt anbetrifft, ſo iſt aller— dings die erſte Anſchaffung der Schienen vielleicht etwas koſt— barer, als ein Verband mit einer Roll- oder vierköpfigen Binde *). Wenn man aber bedenkt, daß dieſelben Schienen bei den verſchiedenſten Kranken immer wieder und wieder benutzt werden können, jo würde demnach der Gutta-percha-Verband als ſehr viel billiger zu erachten ſein. Es iſt nämlich durchaus nicht nothwendig, daß die Schienen jedes Mal der Größe und Stärke des einzelnen Individuums entſprechend zuge— ſchnitten werden; einerſeits dürfte es durchaus nicht nach— theilig ſein, wenn ſie eine Strecke hin auf das nebenan liegende Glied hinüber ragen, andererſeits kann man will— kuͤrlich, wie ich oben gezeigt, durch längeres Einwirken des heißen Waſſers die etwas zu langen Schienen verkürzen. (Schmidts Jahrb. d. in- und ausländ. geſammten Med., red. von Aler. Göſchen, Jahrg. 1849. No. 2, S. 228 ff.) Miſcellen. (34) Über Catarrhus suffocativus bei Kindern und bei Erwachſenen giebt Hr. Fauvel im zweiten Bande der Memoires de la société médicale d’observation de Paris 1844 eine umfangreiche Abhandlung, wonach er die Krankheit als eine Capillarbronchitis bezeichnet. Das Reſultat des pathologiſchen Theiles feiner Abhandlung ift, daß die bronchitis capillaris suflo- cativa bald eine primäre, bald eine confeentive Krankheitsform ſei. Den Ausdruck primär nimmt er nicht ganz abſolut, weil die Ent— zündung immer in den größern Bronchialvertheilungen ihren Anz fang nehmen ſoll; ſecundär nennt er ſie, wenn ſie im Verlaufe ir— gend einer andern Krankheit auftritt, welche irgend einen bemerk— baren Einfluß auf ihre Entwicklung haben kann. Die bronchitis capillaris suflocativa fann ſporadiſch und epidemiſch auftreten. Ein— fach muß man fie nennen, wenn fie ſich nur mit Krantheitsfor— men verbindet, die die nothwendige Folge der bronchitis find, z. B. gleichmäßige Bronchialerweiterung, Lungenemphyſem ꝛc., welche in der Regel ſchon nach wenigen Tagen auftreten. Com— plieirt iſt fie bisweilen mit Eiterablagerung, Lobulärpneumonie 2c. Für die Behandlung ſtellt er 3 Hauptindicationen auf: 1) Bekäm⸗ pfung der Entzündung in den Luftwegen; 2) Begünſtigung des Auswurfs der Bronchialſecretion und 3) Verminderung und Bes endigung dieſer Serretion ſelbſt. Er ſchlägt für dieſe Indicationen Blutentziehung, Brechmittel und Hautreize vor. Bei den Blut- entziehungen giebt er dem Aderlaß, wo er überhaupt anwendbar iſt, vor den Schröpfföpfen und Blutegeln den Vorzug. Gleichzei— 2 Das Pfd. Gutta percha wird mit 25 Sgr. bezahlt, ſchwerlich dürfte ſelbſt der Verband des Oberſchenkels bei einem ausgewachjenen Manne viel über zwei Pfund betragen. 196. IX. 20. 320 tig aber werden die Brechmittel in Anwendung gezogen, worauf die Ableitung durch Seufteige an den Extremitäten, durch reizende Frictionen, durch trockene Schröpfföpfe und namentlich durch Ju = nods große Saugapparate in Anwendung kommen. Zum Getränk irgend eine ſchleimige Tiſane. Geht dennoch die Krankheit in das zweite Stadium mit den Erſcheinungen der Erſchöpfung über, ſo dürfen trotz der blauen Farbe keine Blutentziehungen mehr gemacht werden. Man muß gegen die Überfüllung der Bronchen wirken, deshalb zunächſt auch die Brechmittel, jedoch jetzt ohne Brechweinſtein, nur die Ipecacuanha anwenden. Außerdem muß man durch die Lagerung, namentlich bei den Kindern, den Auswurf begünſtigen. Hr. F. empfiehlt hier die Bauchlage oder die Seitenlage, dringt aber namentlich darauf, daß junge Kinder nie allein gelaſſen wer: den, damit bei den Huſtenanfällen der Auswurf durch Veränderung der Lage befördert, durch Erregung des Brechens herausgeſchafft und dies durch Zuſammendrücken der Bauchmuskeln unterſtützt werde. Zu gleicher Zeit müſſen die Muskelkräfte durch leicht erregende Mittel unterſtützt werden, z. B. Infusum florum Arnicae oder ein Saft aus Ammoniakgummi mit etwas Kermes. In den höheren Graden des Musfeltorpors, die von Stokes empfohlenen Präpa— rate des Strychnins und der Brechnuß, namentlich Einreibungen der Tinctura alcoholica Nucis vomicae auf den thorax. Die dritte Indication tritt ein bei übermäßiger Abſonderung, wodurch fort— währender Huſten unterhalten und die Ruhe des Kranken unter— brochen wird. Iſt in dieſer Beziehung eine Terpenthinemulſion nicht ausreichend, ſo greift Hr. F. zum Copaivabalſam; doch dürf— ten dabei äußere Hautreize (jedoch keine Blafenpflaiter) nicht ver: nachläſſigt werden. (35) Schwefel- und Jodräucherungen bei Fußge⸗ ſchwüren find von Hrn. G. A. Walker in einem beſonderen Schriftchen (a treatise on the cure of Ulcers by fumigation) em: pfohlen; dadurch wird nach dem Verf. die Tendenz zu geſchwüriger Zerſtörung ſofort durch mächtige Anregung der Vitalität beſeitigt, der Schmerz fogleich gehoben und ohne Verzug plaſtiſche Erſuda— tion veranlaßt, obwohl die entzündliche Thatigkeit ſelbſt von der erſten Näucherung an gemildert und der rothe und livide Rand in eine weißliche Narbenſchicht umgewandelt wird. Callöſe Ränder eben fo wie die gelbliche Infiltration in dem umgebenden Zellge— webe verſchwinden durch die lebhafte Abſorption, welche die Räu— cherung hervorruft und eben dadurch wird die Natur in den Stand geſetzt, zu den plaſtiſchen Erſudationen und Narbenbildungen übers zugehen. Bei dieſem Verfahren ſoll namentlich das Ruhigverhal⸗ ten des Kranken, obwohl vortheilhaft, doch für die Cur nicht noth— wendig fein. Die Dämpfe des Schwefels und Jods werden in Kaſten geleitet, in deren Deckeln runde Locher ſich befinden, durch welche die kranken Beine hineingeſteckt werden. — Das neue die— ſer Cur beſteht nur in der Verbindung des Schwefels und Jods bei der Räucherung, einzeln find fie bekanntlich ſchon in Dampf— form in Gebrauch. (36) Eine Hydatidenbalggeſchwulſt in der Sub⸗ ſtanz des Herzens fand Hr. Evans bei einer 40 jährigen Weibs— perſon, welche ſeit mehreren Jahren kränklich, doch erſt Y Jahr vor dem Tode zuerſt an Engbrüſtigkeit und andern Symptomen einer Herzkrankheit gelitten hatte. — Die Spitze des Herzens fand ic) in einer anderen Verlängerung des Herzens gewiſſermaßen verſteckt, welche durch eine Höhle in der Herzwand ſelbſt gebildet und von Hydatiden angefüllt war. (Medico-chirurg. Transact. Vol. XVII.) Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Sheppard. — On trees, their uses and Biography being their substance, with additions, ot two Lectures, delivered before the Trome Institution and in Bristol. 180. (pp. 117, 12 illustrations.) London 1848. 3 sh. J. D. Dana. — A system of Mineralogy comprising the most recent disco- veries. 2d. Edit. 8°. (pp. 634, with numerous woodeuts and four copper- plates.) London 1848. 21 sh. G. E. Day. — A practical treatise on the domestic Management and most important diseases of advanced life; witb an appendix containing a series of cases of a new and successfull Mode of treating Lumbago and other forms of chronic Rheumatism etc. 8°. (pp. 372.) London 1848. 10 sh. 6 d. E. Young. — On perforating Ulcer of the stomach. 88. (pp. 16.) London 1849. 1 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 197. (Nr. 21. des IX. Bandes.) Juni 1849. Naturkunde. Durocher, über die Beziehungen zwiſchen den minergliſchen Beſtandtheilen verſchiedener Bodenarten und ihren Pflanzenerzeugniſſen, — Rozet, Beobachtungen über die Woltenbildung, in den Pyrenden angeſtellt. — Reiſet, über die Zuſammenſetzung der Milch während verſchiedener Pha⸗ fen des Melkens und über die Vortheile des unterbrochenen Melkens für die Butterbereitung. — Kollar, über Acanthochermes Quercus. — Miſcellen. Großer noch unbekannter zum Geſchlechte der Rochen gehöriger Fiſch. Ei der Cypris. — Heilkunde. Henle, Pathologie der Gicht. — Miiſcelle. Naſſe, Chinagebrauch gefährlich wegen Erzeugung tuberculöſer Schwindſucht. — Bibliographie. Naturkunde. XLV. über die Beziehungen zwiſchen den mine- raliſchen Beſtandtheilen verſchiedener Bodenarten und ihren Pflanzenerzeugniſſen. Von J. Durocher. Des Verf. mehrjährige Beobachtungen beziehen ſich auf den Weſten von Frankreich, wir entnehmen ſie der No. 20 der Comptes rendus vom 13. November 1848. In der Bretagne läßt ſich nach ihm der Untergrund, von ſeinem geologiſchen Alter abgeſehen, in 5 Claſſen thei— len: 1) in Granit und kryſtalliniſchen Schiefer (mit gra— nitiſchen Elementen); 2) in Thon und Grauwackenſchiefer; 3) in Quarzſand und quarzhaltigen Schiefer; 4) in ſandig— thonhaltige Tertiärſchichten von klümpriger Beſchaffenheit; 5) in Kalkgrund. Vom agronomiſchen Standpunkte aus kann man dagegen große Unterſchiede machen: 1) Acker—⸗ und Wieſenland; 2) Waldland; 3) Haide und Brachland. Nun zeigt ſich der Wald wie die Haide in der Bretagne und den benachbarten Gegenden meiſtens auf zwei der ge— nannten Bodenarten, auf den tertiären Thonſchichten, noch mehr aber auf dem Quarzit und dem quarzhaltigen Schie— fer. Die letztere Bodenart bildet in einigen Departements eine viel größere Fläche von Wald und Haide als alle uͤb— rigen Bodenarten zuſammengenommen. Bisweilen findet man jedoch auch auf Granit Wald und Haide, was na— mentlich in Morbihan der Fall iſt; ſeltener findet man ſie auf Thonſchiefer und Grauwacke, am ſeltenſten aber auf Kalkboden. Die Bretagne bildet ferner vier durch ihre geognoſti— ſchen und agronomiſchen Verhältniſſe charakteriſirte Zonen: eine Küſtenzone am nördlichen und ſüdlichen Geſtade, welche hauptſächlich aus Granit und kryſtalliniſchem Schiefer beſteht, eine Centralzone aus Thonſchiefer und Grauwacke, in welcher hie und da zerſtreut Tertiärniederſchläge vorkommen; die bei— No. 2177. — 1077. — 197. den anderen Zonen, welche die letztere von der nördlichen und ſüdlichen Küftenzone trennen, beſtehen aus Quarzfelſen mit Schiefer und granitiſchen Maſſen durchſetzt. Die Küſten— zone iſt die bevölkertſte, ſie liefert das meiſte Getraide, ſie iſt die fruchtbarſte und zugleich dem Handel am günſtigſten gelegene; ihr folgt die Centralzone mit einem Reichthume an Wieſenland, ſie liefert die meiſte Butter; die beiden Zwiſchenzonen endlich ſind am ſchlechteſten bevölkert und am wenigſten fruchtbar, ſie bilden die Wald- und Haideregion und ſind der Sitz der Eiſenſchmelzen. Auf den tertiären Thonſchichten der öſtlichen Bretagne findet man vorzugsweiſe Haide; im Süden der Loire kommt ſie nur auf ſolchem Boden vor, weil in dieſem Theile des Landes die Quarzfelſen aufhören; auch die meiſten Wälder der Normandie und des Mainedepartements zeigen ſich auf den Tertiärſchichten oder auf Quarzgeſteinen. Das häufige Vorkommen der Haide und Waldungen auf den Tertiär— ſchichten findet in der Regel in dem Thonreichthume dieſer Schichten ſeine Urſache, ſelbige ſind ſehr feſt und nehmen nur ſchwierig Waſſer auf; dasſelbe gilt für viele Erdarten, welche die Quarzgeſteine bedecken, auch dieſe ſind meiſtens reich an Thonerde, beſtehen jedoch bisweilen auch aus zer— fallenen Kieſelſteinen und ſind dann oft ſo mager und trocken, daß nichts auf ihnen fortkommt. Die Haide erſcheint auf den Quarzgeſteinen nur an hoch gelegenen Orten, ſie kommt dagegen auf Tertiärſchichten häufig in niedrigen Gegen— den vor. Im weſtlichen Frankreich ſind ſowohl die Cultur- als wildwachſenden Pflanzen nach der Beſchaffenheit des Bodens verſchieden; ganz beſonders zeigt ſich hier der Einfluß der Thonerde, des Sandes und der Kalkerde, fie ſei nun natür⸗ lich vorhanden oder künſtlich herbeigeſchafft, ſowie die Wir— kung der Nähe des Meeres. Auf 21 Schieferboden und 323 197 IX. 21. 324 den thonhaltigen Tertktärſchichten findet man das üppigſte Grasland, das ſich durch ſeinen feuchten Boden beſtändig im ſchönſten Grün kleidet, aber deſſen ungeachtet zur Mä— ftung des Hornviehs weniger geeignet iſt als das Grasland des thon- und kalkhaltigen Bodens, auf dem die Futter— pflanzen ungleich ſchneller von neuem erſtehen und auf dem namentlich die dieotyledoniſchen Pflanzen in ungleich größe— rer Artenzahl vertreten ſind. Der Buchweizen wird nur in Oſten Frankreichs, deſſen Boden der alten Formation angehört, nämlich aus graniti— ſchen, thonerde= und kieſelhaltigen Elementen beſteht, gebaut. In Gegenden, wo man dem Boden Kalk, ſei es als ſolchen ſelbſt oder als Marmor, muſchelhaltigen Sand u. ſ. w. zu— führen kann, baut man auch hier weniger Buchweizen und dafür Weizen und andere einen reicheren Boden verlangende Pflanzen. Kommt man aus der Bretagne in die Ebenen und Plateaus des Secundärkalks der Normandie, ſo hört auch mit einem Male der Buchweizenbau auf, das Land ge— winnt plötzlich ein ganz anderes Anſehen. Die wellenför— mige Oberfläche der Bretagne iſt in eine unendliche Menge durch Graben geſchiedener und mit lebenden Hecken umzäun— ter Theile getheilt, auch ſo mit Bäumen bepflanzt, daß ſie von fern einem ungeheuren Walde gleicht. Der Seeundär— kalk der Normandie bildet dagegen ebene Flächen, die arm an Bäumen find. Die Eiche und die Kaſtanie, die mit vielen anderen Bäumen auf den alten Formationen reichlich vorkom— men, ſind hier durch die Ulme vertreten; dasſelbe gilt für die kleinen Kalkbecken und einen Theil der Küftengegend der Bretagne. Mit der Ulme findet ſich auf dem Kalkgrunde auch der Ahorn und der Nußbaum ein, während die Eiche, Kaſtanie, die Birke und die Zitterpappel dem thon- und kieſelhaltigen Boden angehören; auch die Meeresfichte (pin maritime) iſt mit Erfolg auf dieſem Grunde gezogen wor— den, während die Buche mehr dem granitiſchen Boden an— gehört. Ulex europaeus und Sarothomus scoparius wachſen auf der alten Formation, ſowohl wild als heckenartig culti- sirt, kommen dagegen nicht auf dem Kalkboden vor. Der Rübſamen und der Tabak gedeihen nebſt der Luzerne in be— ſtimmten Küſtengegenden. Unter den wildwachſenden Pflanzen laſſen ſich nur we— nige als dem Schiefer, Sand oder Granit allein angehörig bezeichnen, obſchon viele in reichlicherer Menge auf einem dieſer Bodenarten vorkommen. Die Vegetation der thon— und kieſelhaltigen Schichten iſt demnach von der der Ur- und der Intermediärformation wenig verſchieden, um ſo grö— ßer zeigt ſich dagegen der Contraſt zwiſchen der Flora dieſer Bodenarten und der an Kalk reichen Formationen; aber auch dieſe Verſchiedenheit ſcheint allmälig durch die immer häu— figer werdende Benutzung kalkhaltigen Düngers zu ſchwinden. Beſtimmte Pflanzen erſcheinen bis jetzt nur am Meeresgeſtade und zugleich auf den kleinen Kalkſchichten der Bretagne, da— gegen ſelten oder niemals auf anderen Bodenarten. Zu dieſen Pflanzen gehört: Linum angustifolium, Silene inflata, S. gallica, S. otites, S. conica, Reseda lutea, Asperula cyn- anchica, Ononis repens, Anthyllis vulneraria, Poterium san- guisorba, Eryngium campestre, Scabiosa arvensis, Anchusa italica, Linaria minor, L. supina, Salvia verbenacea, Erige- ron acre, Thesium humifusum, Chlora perfoliata, Iris foe- tida u. ſ. w. Andere ſcheinen dagegen nicht am Meeres— ſtrande, ſondern einzig und allein auf Kalkboden vorzukom— men; dahin gehören: Orchis pyramidalis, O. hireina, Ophrys apifera, O. aranifera, Lepidium campestre, Diplotaxis mu- ralıs, Dianthus carthusianorum, Lithospermum oflieinale, He- lianthemum vulgare, Astragalus glyeyphyllos, Medicago mar- ginata, M. Gerardi, Hippocrepis comosa, Scabiosa colum- baria, Stachys germanica, S. annua, Galeopsis ladanum, Calamintha acinos, Melampyrum eristatum, Cichorium in- tybus, Centaurea scabiosa u. ſ. w. Im allgemeinen ſcheint es als wenn der Tertiär- oder Jurakalk reicher als die an— deren Kalkſchichten an Pflanzen ſei, was der Verf. durch ſeine mehr lockere Beſchaffenheit und ſeinen größeren Reich— thum an vegetabiliſcher Erde erklären zu können glaubt. Der Einfluß des Kalkbodens giebt ſich ſogar im thieri— ſchen Leben kund; er zeigt ſich z. B. in der Entwicklung der Land- und Süßwaſſerſchnecken. Eben fo enthalten die Bäche des weſtlichen an Kalkgeſteinen reichen Frankreichs viele Krebſe, während dieſe Thiere in den Flüſſen anderer Gegenden, deren Waſſer weniger Kalk enthält als zur Bil— dung ihrer Schale nöthig ſcheint, nur ſelien find oder ganz fehlen. Ahnliche Urſachen möchten vielleicht das Fehlen der Schalthiere in gewiſſen geologiſchen Schichten erklären. XLVI. Beobachtungen über Wolkenbildung, in den Pyrenäen angeſtellt. Von Capt. Rozet. Der Verf. war im Sommer 1848 im Centraltheile der Pyrenäen ſtationirt, um dort die Vermeſſungen für die Karte von Frankreich zu leiten; es fehlte ihm dabei nicht an Ge— legenheit, über die Bildung der Wolken Beobachtungen zu ſammeln, die er in No. 26 der Comptes rendus vom 26. December 1848 mittheilt. Kleine Wolken bilden ſich nach ihm gelegentlich in al— len Höhen und zu jeder Tageszeit; ſelbige ſteigen mehr oder minder hoch und werden von Luftſtrömungen nach verſchie⸗ denen Richtungen getragen. Die Entſtehung dieſer kleinen Wolken läßt ſich jedoch nur als eine zufällige betrachten, die großen Wolkenmaſſen bilden ſich in einer anderen Weiſe. Auf Höhen von 1500 bis 2000 Meter ſtationirt, befand ſich der Verf. bei ruhigem Wetter häufig innerhalb einer klaren Atmoſphäre, während ſich die am Fuße des Berges gelegene Gegend an der Nordſeite in einen gleichförmigen mehr oder minder dichten Nebel hüllte. Blieb die Luft ru⸗ hig, ſo ward dieſer Nebel (brume) einige Stunden vor Sonnenuntergang nach oben zu durch eine horizontale Ebene, die ſich am Horizonte als bläulicher Halbkreis, dem Horizont des Meeres ähnlich zeigte, begrenzt. Eine Meſſung der Entfer— nung dieſes Halbkreiſes von ſeinem Standpunkte ergab als Höhe desſelben 1330 Meter, was nach Abzug von 400 Meter für die Höhe des Bodens eine wirkliche Höhe von 930 Meter betrug. 325 Blieb die Luft ruhig, fo veränderte ſich beſagte Nebel- ſchicht während der Nacht nur wenig, nur einzelne kleine stratus erſchienen an ihrer Oberfläche, am Morgen zerſtob ſie dagegen in dem Maße als ſich die Sonne über den Horizont erhob. Wenn ſich aber nach Sonnenuntergang eine leichte Briſe erhob, ohne daß die nördliche Gegend be— wegt ward, ſo theilte ſich der obere Theil der Wolkenſchicht allmälig in stratus, die ſich ein wenig erhoben und oft bis Mitternacht eine parallele Richtung behielten, ſo daß die Wolkenbank in ihrer ganzen Ausdehnung ein geſchichtetes Anſehen erhielt und ſich die stratus ganz allmälig in cumuli umwandelten; dieſe häuften ſich über einander und bildeten fo eine wellenförmige (mammelonse) jedoch durchaus hori— zontale Oberfläche, welche die ganze Tiefe erfüllte und die Berge in einer Höhe von 1800 Meter berührte. Dieſe Cumulusſchicht drang in die Thäler, die Höhlung ihrer Erdoberfläche wandte ſich alsbald gen Himmel. Ihre Dicke nach zwei Entfernungen vom Zenith gemeſſen, betrug 490 Meter, die Höhe ihrer Unterfläche betrug demnach 1800 — 490 = 1310 Meter. Wenn kein Wind den Wolkenbau zerſtörte, erhob ſich die Schicht und erweiterte ſich unter dem Einfluſſe der Sonne, ja verſchwand bisweilen ganz aus der Atmoſphäre; bisweilen fuhr ſie jedoch fort, in der Region der höchſten Bergſpitzen, einer Höhe von 3400 Metern, Cumulusmaſſen zu bilden. Über dieſer Cumulusſchicht und gewöhnlich über den Hochſpitzen der Berge ſah der Verfaſſer noch zwei andere weniger regelmäßige Schichten und über der zweiten noch Cirrusmaſſen; die letztere Erſcheinung deutete mit Sicherheit auf ſchlimmes Wetter. Ein mehr oder minder ſtarker von Norden kommender Wind brachte die cumuli der Ebene gegen die Berge; zu gleicher Zeit ſtiegen die cumuli der höheren Regionen nach abwärts; wo ſie einander begegneten, entſtanden leuchtende Wolken (nimbus), Gewitter- und Regenwolken. Erſtere bil— deten ſich immer unterhalb der 3100 Meter hohen Spitzen, am häufigſten in einer Höhe von 1400 bis 2000 Meter, ſie bildeten häufig eine Schicht von 1000 bis 3000 Meter. Der Verf. ſah, wie ſich innerhalb dieſer Schicht die heftig— ſten Gewitter entluden, während entfernte Luftregionen ganz ruhig blieben. Es regnete auf den Bergen häufig innerhalb dieſer Nimbusſchicht, während in den nur 600 Meter tiefer gelegenen Thälern zur ſelbigen Zeit kein Regentropfen fiel. Der Verf. paſſirte zu verſchiedenen Malen dieſe Schicht, während es innerhalb derſelben regnete; er fand dabei, daß die Menge des herabfallenden Waſſers, je tiefer es in die Schicht hinabkam, um ſo größer ward. Im Monat Auguſt befand ſich der Verf. eines Abends auf dem Plateau des linken Ufers der Garonne in einer Höhe von 400 Meter mitten in einer Gewitterwolke, welche den Boden berührte und Ströme von Waſſer hinabſchickte; mehrfach erfolgten elektriſche von keinem Geräuſch (Donner) begleitete Entladungen. Die Wolke war ſo klein, daß der Verf. ſie in einer Stunde überſchritten hatte; als er über ſie hinaus war, ſah er in Weſten, woher die Wolke kam, kein Wetterleuchten mehr, während er im öſtlichen Theile 197. IX. 21. z 326 der Wolke dasselbe noch häufig beobachtete; dieſe Lufterſchei— nung ſcheint ihm demnach nur in der Nähe wahrnehmbar zu ſein. XLVII. über die Zuſammenſetzung der Milch wäh: rend verſchiedener Phaſen des Melkens und über die Vortheile des unterbrochenen Melkens für die Butterbereitung. Von Jules Reiſet. Es iſt allgemein bekannt, daß die Milch, je nachdem ſie zu Anfang oder zu Ende des Melkens gewonnen wird, in ihrer Zuſammenſetzung verſchieden iſt. Der Verf. ſuchte durch vielfache Analyſen die Urſachen dieſer Erſcheinung auf— zuklären; er experimentirte mit der Milch zweier Kühe, die während des Tages auf der Waide gingen, Nachts aber in den Stall geführt wurden, ohne dort Futter zu erhalten. Die Milch ward aus dem Euter unmittelbar in die Schale gemolfen, in welcher fie im Waſſerbade verdampft ward; es wurden etwa 20 Gramm für jeden Verſuch benutzt, der bei 1000 ausgetrocknete Rückſtand ward gewogen und das Reſultat der Verſuche in mehreren Tabellen zuſammengeſtellt; letztere ſind in No. 18 der Comptes rendus vom 30. Oct. 1848, der wir dieſen Aufſatz entnehmen, nicht mitgetheilt. Sämmtliche Verſuche beweiſen, daß die zu Ende des Melkens geſammelte Milch ungleich reicher als die zu An— fang gemolkene iſt; dieſer Unterſchied zeigt ſich jedoch nur dann, wenn die Milch mehr als 4 Stunden in dem natür— lichen Behälter (dem Euter) geblieben war. Wenn man die Kühe alle 2 Stunden oder noch häufiger malk, ſo war die Zuſammenſetzung der Milch ſowohl zu Anfang wie zu Ende des Melkens dieſelbe; eine ſo häufige Milchentziehung iſt indes durchaus unnatürlich, auch fügt ſich die Kuh derſel— ben nur mit großem Widerſtreben. Je länger die Milch in dem Euter verbleibt, um ſo mehr nimmt ſie an fetten Stof— fen zu, es ſcheint demnach als wenn die Abſcheidung dieſer nur ſehr langſam erfolgt. Die in der Mitte des Melkens gewonnene Milch ent— ſpricht ihrer Zuſammenſetzung nach mehr der zu Anfange gewonnenen. Ferner iſt die Milch derjenigen Kühe, die Tag und Nacht auf der Waide bleiben, immer bedeutend reicher als die Milch der Kühe, welche die Nacht ohne Nahrung im Stalle zubringen. Unmittelbar nach der Verdauung iſt die Milch überhaupt am reichſten, während ſie ſpäter wieder verliert. 1 Die Behandlung der Rückſtandes mit Ather zeigt, daß die beträchtlichen Schwankungen in der Zuſammenſetzung auf Rechnung der fetten Stoffe fallen; die in Ather unlös— lichen Theile ſind faſt immer in conſtanter Menge vorhan— den; die Menge des Stickſtoffes wie der Salze iſt der ſo verſchiedenen Quantität des Rückſtandes ungeachtet faſt im⸗ mer dieſelbe. Dieſe Beobachtung ſtimmt mit Donné's mikroſkopiſcher Unterſuchung der Milch überein: nach letzte— rem wird das ſpecifiſche Gewicht der Milch nur durch die Menge ihrer Fetttröpfchen bedingt. 21 * 327 Auch die Milch der Frauen ift in ihrer Zuſammen— ſetzung nach der Zeit, in welcher ſie geſammelt war, ob bevor oder nachdem das Kind angelegt worden, ſehr verſchieden; man bemerkt außerdem, daß die Frauenmilch, wenn ſie län— gere Zeit in den Brüſten verweilt, an Reichthum verliert; der letztere beſteht auch hier in den fetten Stoffen, der Stick— ſtoff und Salzgehalt iſt auch bei der Frauenmilch in ſeinem Verhältniß unveränderlich. Wenn man auch, bemerkt der Verf., nach der Lage des Euters der Kuh annehmen könnte, die fetten Stoffe ſammelten ſich auf der Oberfläche der Milch und würden ſomit erſt zuletzt entlaſſen, ſo iſt ſolche Annahme bei den Brüſten der Frauen doch ganz unſtatthaft; dieſe Erſcheinung bedarf ſomit einer andern phyſtologiſchen Erklärung. Der Verf. gedenkt zum Schluſſe noch des von Donne empfohlenen Lactoſkops, deſſen Anwendung mit der directen Analyſe verglichen, approrimative Reſultate gewährt und namentlich in der Zeiterſparung ſeine Vortheile findet. XLVIII. über Acanthochermes Quercus. Von Cuſtos Kollar zu Wien. Der Verf. fand in der zweiten Hälfte des Monats Mai an den Blättern der Quercus sessililora Smith im Garten zu Schönbrunn kreisrunde Erhöhungen, die an der Unterſeite des Blattes als Vertiefungen erſchienen: die runden Scheib— chen waren in ihrer Mitte mit einem grünen Deckelchen ver— ſehen, das unterm Mikroſkop mit ſternförmigen ſehr eckigen Wärzchen beſetzt war; an einem Ende desſelben wurden ein Paar Fühler und zwei deutliche Augen ſichtbar; auch zeigte der Rücken deutliche Querſtreifen, welche einen aus mehre— ren Segmenten zuſammengeſetzten Leib verkündeten. Das vermeintliche Deckelchen war demnach ein Inſect, das ſorg— fältig aus ſeiner Grube genommen, ſechs klammerartig ge— bogene Füße, mit denen ſich das Thier ſehr langſam fort— bewegte und zwiſchen dem erſten Fußpaare einen deutlichen Saugrüſſel beſaß. Der Verf. nahm eine Menge der ſo be— ſchaffenen Blätter mit nach Hauſe; ſchon 2 Tage ſpäter hatten ſich einige dieſer Thiere gehäutet und freiwillig ihr Neſt verlaſſen; die kreisrunde Form ihres Körpers war zu einer länglichen geworden, auch die ſternförmigen Wärzchen blieben mit der abgelegten Haut zurück; ftatt ihrer waren die Seitenränder des Thieres nunmehr mit einfachen weichen Spitzen beſetzt; die Fühlhörner erſchienen deutlich zweiglie⸗ derig, oder richtiger dreigliederig, da das Baſalglied noch einen weniger deutlichen Einſchnitt zeigte. Die Fuße waren länger und deutlich dreigliederig. Ohne eine weitere Ver— änderung und ohne vorhergegangene Begattung begann je— des Thier Eier zu legen und zwar in Haufen von etwa 50 Stück. Die Segmente des Hinterleibes ſchrumpften dabei mehr und mehr zuſammen, indem ſich die hinteren Segmente in die vorderen hineinſchoben; der anfänglich blaßgrune Körper färbte ſich dabei immer dunkler und ward endlich ganz 197. IX. 21. 328 ſchwarz, die ſtachelartigen Fortſätze an den Rändern trod- neten ein; das Thier fiel todt von den Blättern. Aus den blaßgrünen glänzenden Eiern kamen ſchon nach 8 Tagen Junge hervor, deren Länge ¼ Linie betrug und die bis auf den Mangel der weichen ſtachelförmigen Fortſätze an den Rändern des Körpers mit ihren Müttern an Geſtalt und Farbe ziemlich übereinſtimmten; ſie bewegten ſich lebhaft auf den friſchen Eichenblättern, ſogen aber nicht daran und gingen ſämmtlich bald zu Grunde; der Verf. konnte demnach nicht ermitteln, ob ſie vielleicht nach über— ſtandener Häutung in die kreisrunde, mit ſternförmigen Haa— ren beſetzte, zuerſt beſchriebene Form übergingen. In den erſten Tagen des Juni ging der Verf. wieder nach Schön— brunn, um dort im Freien wo möglich die zweite Genera— tion des Inſeetes zu ſtudiren; feine Bemühungen blieben indes erfolglos. Die Eichenblätter zeigten nur Spuren einer vormaligen Exiſtenz dieſer Thiere; die Stellen, wo ſie geſeſſen, waren braun geworden, die Mitte ſolcher Flecken war des Parenchyms beraubt; wo viele Paraſiten vorhan— den geweſen, ſogar das Blatt ſelbſt abgeſtorben; nirgends war ein lebendes Thier zu finden. Nach den mitgetheilten Charakteren gehört das Thier, obſchon fein vollſtandiger Entwicklungscyelus noch nicht er— mittelt iſt, zu den blätterartigen Rhynchoten und iſt mit der Gattung Chermes am nächſten verwandt; von ihm je— doch durch den Mangel der Flügel und die ſtachelförmigen Fortſätze am Rande des Körpers und endlich auch durch die Art ſeiner Einwirkung auf das Blatt weſentlich verſchieden; weshalb der Verf. das neue Inſect Acanthochermes Quer- cus benannte. (Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften, Heft III. 1848.) Miſeellen. 44. Ein großer noch unbekannter zum Geſchlechte der Rochen gehöriger Fiſch ward im Golf von Califor— nien gefangen. Nach vergeblichen Verſuchen gelang es der Mannſchaft des engliſchen Schiffes Frolie vermittelſt der Harpune, zwei dieſer Seeungeheuer zu erlegen. Der eine dieſer Fiſche war von zwei Harxpunen getroffen, er ſchoß mit furchtbarer Gewalt da— hin, die Leine der Harpune war bald zu Ende und das Boot flog mit unglaublicher Schnelligkeit ihm nach, man mußte die Stricke kappen und den Fiſch aufgeben. Capt. Hamilton ſchätzt die Breite des Fiſches quer über den Rücken auf 23 Fuß. Der kleinere Fiſch ward an Bord gebracht, fein Gewicht konnte man nicht be— ſtimmen; er war ſo ſchwer, daß 60 Mann ihn vermittelſt der Winde nicht an Bord zu bringen vermochten. Die Breite des Rückens betrug 19 Fuß, die Breite des mit zwei Reihen furchtbarer Zähne beſetzten Mundes maß 3 Fuß 5 Zoll. Die Dicke des Fleiſches be⸗ trug 3 Fuß 6 Zoll. Die Bruſtfloſſe glich einem Arme. Dieſe Fiſche bleiben meiſtens am Grunde des Meeres, nur an heiteren ſehr heißen Tagen kommen ſie gelegentlich an die Oberfläche. Edward Newman wuunſcht dieſen Fiſch nach feinem Entdecker Brachiopti- lon Hamiltoni genannt zu wiſſen. (The Zoologist, No. 74, 1849.) 45. Das Ei der Cypris entſteht nach Lereboulet im Eierſtocke des Thieres als einfacher Keimfleck; indem es den röhren— formigen Eierſtock hinabſteigt, umgiebt es ſich mit kleinen Bläs— chen, deren Zuſammenhaufung das Keimbläschen bildet, am untern Ende des Ovariums ſieht man die vollſtändig entwickelten Eier aus Dotterkügelchen, die ſich um die Keimbläschen geſammelt haben, gebildet. (L’Institut, 25. Oct. 1848.) 329 197. IX. 21. 330 Heilkunde. (XLIV.) Pathologie der Gicht. Von J. Henle. Aus dem Handbuche der rationellen Pathologie des Verf. theilen wir folgendes Capitel S. 335—344 über eine der Dyskraſien, welche durch übermäßige Erzeugung auszuſchei— dender Beſtandtheile bedingt ſind, mit, welches dem prakti— ſchen Arzte mannigfaltige Anregung zur Vergleichung und weiterer Prüfung geben wird. „Materien, welche aus den Nahrungsmitteln oder aus der ausgedienten organiſchen Subſtanz bereitet und in der Regel zur Ercretion aus dem Blute beſtimmt find, können ſich durch Fehler der Diät oder des Stoffwechſels ſo ver— mehren, daß die Abſonderungsorgane zu deren Entfernung nicht mehr zureichen. Die hieraus entſtehende Krankheit tritt mit Symptomen auf, welche denen der Retention der— ſelben Auswurfsmaterien gleichen, mit der Ausnahme, daß die Menge der letzteren in dem Seerete nicht vermindert, fondern vermehrt iſt. Wenn die Krankheit, die man unter dem Namen Polycholie beſchrieben hat, richtig beob— achtet iſt, ſo liefert ſie ein Beiſpiel dieſer Art von Dyskra— ſien. Ich habe mich darüber bereits ausgeſprochen. Die Folgen derartiger Miſchungsfehler können ſich in dem Seeretionsorgane ſelbſt entfalten, wie dies z. B. der Fall iſt, wenn durch exceſſive Harnſäurebildung Gries und Stein entſteht. Mit den rein quantitativen Verhältniſſen, wie ſie un— ſere ſchematiſche Mediein vorausſetzt, mag übrigens das We— ſen der hierher gehörigen Dyskraſien nicht immer zu erſchö— pfen ſein. Wo ſich Harnſäure im Organismus ausſcheidet, iſt nicht allein, vielleicht nicht ein Mal vorzugsweiſe das Übermaß der Erzeugung zu beſchuldigen; die Natur der Ver— bindungen, welche dieſer Stoff einzugehen Gelegenheit fin— det, ihre Löslichkeit oder Unlöslichkeit u. ſ. w. iſt ohne Zweifel von Einfluß darauf. Harnſaure Diatheſe. Gicht. — Was man ächte oder reguläre Gicht nennt, iſt ein acut verlaufender Anfall heftiger intermittirender Schmerzen in der Gegend der Ge— lenke der großen Zehe, ſeltener der Finger, zu welchen ſich bald Röthe und Geſchwulſt geſellen, eingeleitet in der Re— gel durch ein längeres oder kürzeres Vorläuferſtadium gaſtri— ſcher Beſchwerden. Die Krankheit erweiſ't ſich als eine conſtitutionelle durch den mächtigen Einfluß der Erblichkeit auf ihre Entſtehung, durch ihr Auftreten in einem beſtimmten Lebensalter, ihre Neigung, periodiſch wiederzukehren und den die Anlage zu derſelben verkündenden eigenthümlichen Habitus. Demnach liefern äußere Schädlichkeiten, Diätfehler, Erkältungen u. dgl., wenn ſie den Gichtanfall hervorrufen, nur gleichſam den letz— ten Ausſchlag, die Gelegenheitsurſache und einen weſentlichen Antheil an der Erzeugung der Gicht haben unmerklich und langſam, ſelbſt durch Generationen hindurch wirkende Einflüſſe. Die Gicht für eine primäre Blutkrankheit zu erklären, dazu berechtigen, bei dem Mangel direeter Unterſuchungen des Blutes, zunächſt die ätiologiſchen Verhältniſſe, dann die Symptome, endlich die Erfolge der Behandlung. Die Gicht iſt meiſt das Reſultat unzweckmäßiger Diät, allzunährender Koſt bei ſitzender Lebensweiſe; während der Anfälle und außer denſelben geſchehen eigenthümliche Ablagerungen aus dem Blute, auf die ich ſogleich zurückkomme; endlich wider— ſtehen die Anfälle der örtlichen Behandlung, ja ſie verbieten dieſelbe und die Anlage zu Gichtparorysmen wird getilgt durch diätetiſche Maßregeln und durch den anhaltenden Ge⸗ brauch von Medicamenten, welche in die Blutbereitung alte— rirend eingreifen. Von der Überzeugung ausgehend, daß die arthritiſche Localaffection der Ausdruck oder das Symptom einer ſpe— cifiſchen Dyskraſie ſei, hat man jene zugleich für die directe Wirkung des im Blute enthaltenen abnormen Stoffes an— geſehen. Ein ſolcher Stoff, eine gichtiſche Schärfe, ſollte erſt die gaſtriſchen (man ſagte die „allgemeinen“) Störun— gen erzeugen, dann aber vermöge einer ihm inne wohnenden Neigung ſich auf die Zehen oder Fingergelenke werfen und damit zugleich das Blut von ſeiner Gegenwart befreien, bis dann eine neue Anhäufung derſelben Materie wieder einen Anfall zu Stande bringe. Nach anderer Redeweiſe wäre es die Natur oder das Blut ſelbſt, welche den Gichtſtoff an dem bezeichneten Orte abſcheidet. In beiden Fällen wäre der Schmerz und die Geſchwulſt der großen Zehe die Re— action gegen die pathiſche Materie, der ſie zur Lagerſtätte dienen muß. Die gichtiſche Schärfe war anfangs etwas ganz hypo— thetiſches. In neuerer Zeit hat es den Anſchein genommen, als ob ſie darſtellbar und chemiſch beſtimmbar ſei. An den von der Gicht befallenen Gelenken bilden ſich nach wieder— holten Anfällen Verdickungen, die ſogenannten Gichtknoten, aus einer erdigen oder kryſtalliniſchen Subſtanz, die ſich als Harnſäure, meiſt in Verbindung mit Natron erwies *). Die— ſelbe Säure kommt als kreideartiger Niederſchlag in der Synovia, als pulverförmiger Anflug auf den Knorpelüber— zügen gichtkranker Gelenke vor. Man fand fie in dem Ges crete exulcerirter Gichtknoten, welches dadurch ein kalkwaſſer⸗ ähnliches Anſehen gewann, auf dem Boden arthritiſcher Ge⸗ ſchwüre, auf der Hautoberfläche nach Schweißen kryſtalliniſch abgelagert. Sie pflegt ſich als reichlicher Bodenſatz aus dem Harne Gichtleidender abzuſetzen, vor und nach dem Anfalle und wie die meiſten angeben, auch während desſelben, indes Graves in zwei Fällen den Harn während der ganzen „) Vogel, path. Anatomie. Bd. 1. S. 353. Ure in medigo-chirurg. transactions. Vol. XXIV. p. 30. und in Hellers Archiv. 1845. S. 118. Marchand, phyſiol. Chemie, S. 107. Lehmann in Schmidts Jahrb. Bo. XXXVIII. S. 281. Bram fon in Zeitſchr. für rat. Med. Bd. III. S. 175. Canſtatt, ſpec. Path. und Therapie. Bo. 11. ©. 1017. Fuchs, die krankhaften Veranderungen der Haut. Göttingen 1840, S. 435. e 331 197. IX. 21. 332 Dauer des Podagra klar und wäſſerig ſah ?) und Gar— rod **) vor dem Gichtanfalle und bei chroniſcher Gicht die Harnſäure im Harne vermißte oder vermindert fand und ſie dagegen aus dem Blute gewonnen haben will. Harnſäure alſo wäre es, welche, durch den übermäßigen Genuß ſtick— ſtoffreicher Subſtanzen im Übermaße erzeugt, ſo weit ſie nicht durch die Nieren entfernt werden köunte, in feindſelig rei— zender Eigenſchaft an den Gelenken haften bliebe. Um die reguläre Gicht gruppiren ſich eine Anzahl von Leiden, welche in Beziehung theils auf den Verlauf, theils auf den Sitz von ihr abweichen und doch in der gleichen dyskraſiſchen Grundlage zu wurzeln ſcheinen. Man nennt ſie anomale und zwar insbeſondere mit Berückſichtigung des Verlaufs chroniſche, mit Berückſichtigung des Sitzes, wenn innere Organe ergriffen werden, retrograde Gicht. Ohne Zweifel werden dieſe Bezeichnungen, wie die meiſten Namen allgemeiner Krankheiten, in praxi häufig mißbraucht, um für den räthſelhaften Urſprung mannigfacher Krankheits— erſcheinungen einen Schein von Grund zu finden. Der Pa— tient wenigſtens muß ſich dabei beruhigen, daß man ihm ſein Leiden für gichtiſch erklärt. Man zählt dahin verein— zelte oder mehrfache Gelenkaffectionen, beſonders wenn ſie mit Exoſtoſen in der Umgebung der Gelenke oder mit Stö— rungen des Allgemeinbefindens verbunden ſind und man be— kennt zugleich, daß die Grenze zwiſchen chroniſcher Gicht und chroniſchem Rheumatismus ſchwer abzuſtecken ſei, ja man hält von manchen Seiten beide für identiſch. Heftige Neur— algien, acut verlaufende oder chroniſche und intermittirende Schmerzen ohne nachweisbare organiſche Veranlaſſungen wer— den unter Benennungen, wie Kopfgicht, Darmgicht, zu Lo— caliſationen der arthritis geſtempelt; eben ſo die ſchmerzhaf— ten und mit Schmerzen in der Umgebung verbundenen Ent— zündungen fibröſer Gebilde, z. B. der selerotica des Auges, der dura mater, die näſſenden Hautausſchläge und Geſchwüre, deren Abſonderung erwas ätzendes oder ſcharfes hat, wenn fie an Individuen vorkommen, welchen nach Alter, Habitus und Lebensweiſe eine arthritiſche Dispoſition zugeſchrieben werden darf; endlich die Concretionen und Verknöcherungen mancher Gewebe, namentlich der Arterien, die im äußeren Anſehen den Gichteonerementen gleichen, wenn ſie auch in ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung von denſelben abweichen 68). Indeſſen bleibt es wahr, daß die arthritiſche Dyskraſie unter anderen Formen als der regulären auftreten kann, oder mit anderen Worten, daß mannigfaltige Localleiden anderer Art als Außerungen der nämlichen arthritiſchen Dys— kraſie betrachtet werden müſſen. Wir erkennen ſie 1) daran, daß ſie allmälig aus Anfällen regulärer Gicht hervorgehen, wie die chroniſchen oder torpiden Gelenkleiden, die Con— tracturen, die damit verbunden find, die Affeetionen der grö— ßeren Gelenke, auf welche ſich bei wiederholten Paroxysmen die Geſchwulſt und Schmerzhaftigkeit erſtreckt; 2) daß ſie mit regulärer Gicht alterniren oder nach Unterdrückung der— ) Canſtatts EEE 1843. Bd. IV. S. 191. *) Lancet. 1848. 26. 7) Bis jetzt iſt nur 5 en einen Falle von Bramfon bei einem Ar: thritlker Farne in den Oſſificatlonen der Arterien gefunden worden ſelben oder ſtatt derſelben ſich einftellen; 3) daß fie ſich in Körpern entwickeln, welche notoriſch die erbliche Anlage zur Gicht beſitzen; 4) daß ſie von Harnſäureausſcheidungen be— gleitet ſind. Hält man die Harnſäure im Blute und deren Ablagerung auf die Gewebe für die Urſache der gichtiſchen Localſymptome, ſo iſt ſchon das Podagra eine Art Meta— ſtaſe und die regelmäßigſte und urſprünglichſte Form der Gicht wäre die Bildung von harnſauren Niederſchlägen in den Harnwerkzeugen, in Form von Gries oder Stein. Es ſcheint mir fruchtbar, zuvörderſt die Identität von Gicht und harnſaurer Diatheſe feſtzuhalten, für die auch die Alternation der Gicht mit Steinbildung ſpricht. Die phy— ſiologiſche Erörterung hätte ſodann zuerſt die Urſachen der erceſſiven Harnſäurebildung, ſodann den inneren Zuſammen⸗ hang der letzteren mit den Symptomen der arthritis zu verfolgen. Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt an plauſiblen Hypotheſen ſchon jetzt kein Mangel und es laſſen ſich denſelben leicht noch mehrere zugeſellen. Da Harnſtoff und Harnſäure als die letzten Metamorphoſen der ſtickſtoffhaltigen und na— mentlich der eiweißartigen Beſtandtheile des Organismus anerkannt ſind, da die Quantität jener exerementiellen Stoffe mit der Aufnahme der thieriſchen Nahrungsmittel gleichen Schritt hält, ſo reicht ſchon eine üppige und einſeitig ani— maliſche Diät hin, um den abnormen Harnſäuregehalt des Blutes begreiflich zu machen ), ſei es, daß man die Harn ſäure unmittelbar aus den im Abremaß⸗ aufgenommenen ſtickſtoffhaltigen Materien oder aus den verbrauchten Par— tikeln der ſtickſtoffreichen Gewebe des Organismus herleite. Die letztere Annahme würde freilich voraus ſetzen, daß ſchon durch vermehrte Aufnahme der Erſatzmittel der Stoffwechſel der Gewebe beſchleunigt werde, daß gleichſam das neue Ele— ment das alte zu verdrängen im Stande ſei, während wir doch im Gegentheil aus manchen Gründen zu der Behaup— tung geführt werden, daß das alte Element dem neuen erſt Platz zu machen habe. Ju allgemeinen hängt die Schnel— ligkeit des Stoffwechſels nicht von der Quantität der Zu— fuhr ab, wohl aber macht der durch Thätigkeit und Reizung beförderte Stoffwechſel ſchnellere Zufuhr nöthig und reich— lichere Aufnahme möglich. Dieſen Prineipien gemäß würde auch der Exceß der Harnſäure im Blute der Gichtiſchen mit größerer Wahrſcheinlichkeit als Product einer unmittelbaren Umſetzung der Nahrungsmittel anzuſehen ſein. Es ſtimmt dies mit einer von Liebig aufgeſtellten Hypotheſe überein, wonach bei Pflanzenfreſſern der Harnſtoff des Urins aus den Geweben des Organismus, die Hippurſäure, die der Harn— jaure der Fleiſchfreſſer entſpricht, aus dem überſchüſſigen Stickſtoffe der Nahrung ſtammen würde **). Die Vermu— thung gründet ſich darauf, daß in dem Harne angeſtrengter Thiere, je mehr fie den mit der Nahrung aufgenommenen Stick— ſtoff zum Wiedererſatz abgängiger Subſtanz verwenden müſ— ſen, um fo weniger Hippurſaure gefunden wird und fie fin- det ihre Beſtätigung in dem Einfluſſe, den auch bei dem Menſchen die Ruhe auf die Entwickelung der harnſauren *) Magendie, Sr über den Harngries. A. d. F. von Melß⸗ ner. Leipzig 1850. 0 S. chan Ao phſtol. Chemie. S. 310. 333 Diathefe, die Bewegung auf deren Heilung ausübt. Bei Anſtrengungen nimmt die Menge des Harnſtoffs zu; ob die Harnſäure ſich vermindert, iſt nicht bekannt. Nach einer anderen Meinung iſt die Vermehrung der Harnſäure nicht in einer abſoluten Vermehrung der ſtickſtoff— haltigen Materien, ſondern in fehlerhafter Metamorphoſe der letzteren begründet. Durch orydirende Subſtanzen läßt ſich die Harnſäure in Harnſtoff, Kohlen- und Oxalſäure zerlegen; ſo bedarf es wohl auch im Inneren des Körpers eines ge— wiſſen Quantums an Sauerſtoff, um die Harnſäure theil— weiſe in Harnſtoff umzuwandeln oder um zu seranlaſſen, daß die eiweißartigen Verbindungen zum größeren Theil in Harnſtoff, zum geringeren in Harnſäure zerfallen. Was die Aufnahme des Sauerſtoffs oder die Einwirkung desſelben auf die ſtickſtoffhaltigen Materien beſchränkt, müßte demnach auf Koſten des Harnſtoffs die Quantität der Harnſäure ſtei— gern. In jener Weiſe fol Mangel an Bewegung und Ver: längerung des Schlafs ſchädlich ſein, in ſo fern dabei der Athemproceß nur träge von Statten geht; in dieſer Weiſe fol die Aufnahme und Bildung von Stoffen nachtheilig wirken, welche eine größere Verwandtſchaft zum Sauerſtoffe haben als Harnſäure und ihn der letzteren gleichſam vorweg— nehmen. Dahin gehören nach Jones ), der auf der Grund— lage von Liebigs Reſpirationslehre eine Theorie der Gicht aufbaut, insbeſondere die ſtickſtoffloſen Reſpirationsmittel, die Fette, die weingeiſtigen Getränke, die vegetabiliſchen Säu— ren. Hemmung der Hautausdünſtung ſoll zur Entwickelung der Gicht beitragen, weil die durch die Haut auszuſcheidende Milchſaͤure im Blute zurückbleibe und den Sauerſtoff an ſich reiße; Purgantien ſollen heilſam ſein, weil ſie die Gallen— beſtandtheile entfernen, auf die ſich ſonſt der Sauerſtoff ge— worfen haben würde u. ſ. f. Jones hätte für ſeine An— ſicht die Verſuche von Wilſon Philip anführen können, welche zu beweiſen dienen, daß vegetabiliſche Diät die Harn— ſäure im Urine vermehrt **); daß fie aber die harnſaure Diatheſe, namentlich Gicht und Steinbildung nicht begün— ſtigt, ſondern vielmehr als Heilmittel derſelben benutzt wer— den kann, iſt durch eine reiche ärztliche Erfahrung feſtgeſtellt. Da quantitative Beſtimmungen der Harnſäure nicht vor- liegen, ſo iſt auch noch die Annahme möglich, daß ihre Vermehrung in der Gicht nur ſcheinbar ſei. Vielleicht ver— liert ſie nur ihre Löslichkeit und ſchlägt ſich in größerer Maſſe im Urine, in den Nieren und in den Exſudaten nie— der, weil die Mittel fehlen, durch die ſie aufgelöſ't erhalten werden ſollte. Zu dieſen gehört vor allen das auflöſende Menſtruum ſelbſt, das Waſſer, und wie die Harnſäure und die harnſauren Salze ſich aus dem abgeſchiedenen Urine innerhalb und außerhalb der Blaſe zu Boden ſetzen, wenn der Waſſergehalt des Urins ſich mindert, ſo dürf— ten Niederſchläge dieſer Art in die Gewebe ſchon bei an— haltend übermäßiger Concentration des Blutwaſſers erfol— gen. In der Diät, die zu Gicht disponirt, in den gewürz— ten Speiſen und den ſtarken Getränken iſt das Waſſer ſo ede An Bun Gicht und Stein ꝛc. A. d. E. von Hoffmann. Braun⸗ ſchweis Fedde a. * O. S. 52. 197. IX. 21. 334 viel als möglich ausgeſchloſſen; die Waffereur, die gerade für die Behandlung der chroniſchen Gicht zu allgemeiner und bleibender Geltung gelangt zu ſein ſcheint, hat zunächſt den Effect, jenen Fehler wieder gut zu machen. Das Mit: tel, wodurch die Harnſäure im Urine gelöſ't erhalten wird, iſt wie Liebig *) gezeigt hat, ihre Verbindung mit Alkalien; der Mangel an Baſen, ſowie die Gegenwart ſtärkerer Säu— ren ſind daher beide geeignet, harnſaure Niederſchläge zu erzeugen. Man hat auch dieſe Thatſache zur Erklärung der harnſauren Diatheſe benutzt. Indem 1) ſtärkere Säuren in den Organismus aufgenommen oder in demſelben erzeugt würden **), oder 2) die gewöhnliche Baſis der Harnſäure, das Natron, nicht in hinreichender Menge zugeführt würde, ſollte ſich die Harnſäure auch aus dem Blute unlöslich de— poniren; man verbot in der erſteren Beziehung die ſauren Weine und empfahl in der zweiten die Alkalien als Arznei— mittel. Für die Steinbildung mag das eine oder andere dieſer Momente von Bedeutung fein; auf die Gichteonere— tionen aber können fie keinen Einfluß haben, da dieſe in der Regel nicht aus Harnſäure, ſondern aus harnſauren Salzen beſtehen. Es iſt leicht, in der bisher üblichen Weiſe die Sym— ptome der Gicht mittelſt der Ablagerung der Harnſäure zu erklären, wenn man der Harnſäure die Neigung zuſchreibt, eben die Schäden anzurichten, die man als Symptome der Gicht kennt. Aber eine eigentlich phyſiologiſche Geſchichte derſelben, die die Symptome als nothwendige Folgen der Harnſäurebildung (oder irgend einer anderen Blutverän derung) erſcheinen ließe, iſt für jetzt geradezu unmöglich. Ich mache auch keinen Verſuch dazu, ſondern will vielmehr über die Punkte, über die man noch am wenigſten zweifelhaft iſt, einige Bedenken äußern, um die Discuſſion darüber wieder zu eröffnen. Ein weſentliches Element der Gicht find die Verdauungs—⸗ beſchwerden, welche den Anfall eröffnen oder begleiten; man hat fie von jeher als Zeichen der beginnenden Blutverderb— niß, den localen, d. h. äußeren Gichtanfall als Kriſis be— trachtet. Die Symptome geſtörter Verdauung haben aber, wenn auch einen inneren, doch keineswegs einen minder lo— calen Grund als das Podagra; ihnen liegt eine perverſe Abſonderung des Magenſaftes, vielleicht auch der Galle, alſo eine Magen- oder Leberkrankheit zu Grunde, die zwar eben— falls von abnormer Beſchaffenheit des Blutes, aber auch direct von äußeren Schädlichkeiten, namentlich von Diätfeh— lern herrühren kann. Nach der gewöhnlichen Anſicht ſind die Verdauungsſtörungen die erſten Zeichen der gichtiſchen Blutmiſchung; zunächſt aber find fie Zeichen eines Magen: leidens und ob dies Leiden nicht eher Urſache als Folge der harnſauren Diatheſe oder allgemeiner geſprochen, der nach— folgenden Gichtſymptome ſei, dieſe Frage ſcheint mir wenig— ſtens der Anregung werth. Todd, der als erſten Grund der arthritis die Erzeugung von Milchſäure im Magen auf— ſtellt, beantwortet ſie affirmativ. Die Localiſationen der Gicht ſind Entzündungen, ange— regt, wie man glaubt, durch Ablagerung der gichtiſchen *) Wöhler und ses vor Bd. L. ©. 180. ) Todd, a. a. O. 335 Schärfe; es wiederholen ſich dieſer Theorie gegenüber alle die Erwägungen, die ich bei den rheumatiſchen Entzündun— gen bereits vorgebracht habe. Sie ſcheint feſter begründet bei der arthritis, weil hier der reizende Stoff greifbar an dem Orte der Entzündung gefunden wird; aber gerade die Ahnlichkeit der gichtiſchen Localſymptome mit den rheumati— ſchen, bei welchen die erkrankten Stellen nichts von einer ipeeififchen Ablagerung zeigen, ſollte uns jene Hypotheſe ver— dächtig machen. Die Rolle, welche die Gelenke in verſchie— denartigen Krankheitsproceſſen ſpielen, beweiſ't vielmehr, daß die Harnſäureablagerung etwas accidentelles iſt. Der Grund der Entzündungen iſt anderswo zu ſuchen; der Erfolg der Entzündungen iſt Erſudation und Organiſattion des plaſti— ſchen Theils des Exſudats; was das Blut an abnormen Be— ſtandtheilen enthält, findet ſich zufällig in dem Erſudate wies der: fo auch die Harnſäure, wenn das Blut aus irgend einem Anlaſſe die Neigung hat, ſie zu deponiren. Was nun die eigentliche und nächſte Urſache der Ent— zündungen betrifft, ſo haben die gichtiſchen noch entſchiede— ner als die rheumatiſchen das Anſehen, als ob der Aus— gangspunkt derſelben in einer inneren, vielleicht centralen Nervenaffection läge. Die Intermiſſionen des Schmerzes ſind reiner, die Geſchwulſt iſt unbedeutender und läßt länger auf ſich warten, der Ausgang in Eiterung iſt ſeltener. Zuwei— len folgen die Schmerzen dem Verlaufe der Nervenſtämme (Graves). Dazu kommen ſympathiſche Muskelkrämpfe in dem ergriffenen Gliede und wie ich von aufmerkſamen Kran— ken verſichern hörte, ein Gefuͤhl der Müdigkeit und Willen— loſigkeit in dem erkrankten Theile, das mehr als der Schmerz die Bewegungsfähigkeit vernichtet. Ich halte das Podagra und Chiragra für Neuralgien, zu welchen die Gefäßerweiterung mit ihren ferneren Folgen in der Art hinzutritt, wie ich es Bd. I. S. 237 erörtert habe. Ich möchte nicht beſtimmt entſcheiden, ob der organi— ſche Grund dieſer Neuralgie in den Nervenſtämmen oder in den Centralorganen liegt. Unter beiden Annahmen iſt es zwar höchſt räthſelhaft, aber nicht auffallend, daß wir den Effect einer Reizung, welche ſämmtliche Nerven einer Ertre— mität trifft, hauptſächlich oder ausſchließlich an den äußer— ſten Enden der Extremität auftreten ſehen. Ich werde in der Symptomatologie des Nervenſyſtems hierauf zurückkom— men und will vorläufig nur an das erinnern, was jeder weiß, daß nämlich die Empfindung, die einem Stoße auf den n. ulnaris folgt, faſt nur in den Fingerſpitzen, das Ameiſen— kriechen nach einem Drucke auf den n. ischiadieus faſt nur in den Zehen empfunden wird. Wenn die Neuralgie von den Centralorganen ausgeht, fo müßte ſich beim Podigra die organifche Veränderung in dem Lendentheile des Rückenmarks finden. Bizet) will in „) Ganz neue Anſichten über die Gicht. A. d. F. von Kronſer. Wien 1846. 197. IX. 21. 336 der Regel an dieſer Stelle in den Leichen Arthritiſcher Spu— ren von Entzündung gefunden und während des Lebens con— ſtant einen dumpfen Schmerz in der Lumbargegend beobachtet haben, der dem Gichtanfalle längere oder kürzere Zeit voraus— gehe. Seine Schrift trägt aber nicht den Charakter unbefangener Beobachtung an ſich, der Zutrauen zu den Reſultaten erweckt und was der Verf. im Zuſammenhange mit ſeiner Patholo— gie von dem Einfluſſe geſchlechtlicher Ausſchweifungen auf die Entwickelung der Gicht berichtet, iſt jedenfalls Übertrei— bung. Wäre die arthritiſche Neuralgie in dieſem Sinne cen— tral, jo würden wohl häufiger beide Zehen gleichzeitig affi— eirt ſein, was (nach Scudamore) nur etwa unter 20 Fäl⸗ len ein Mal ſich ereignet. Indem wir den gichtiſchen Schmerz auf eine Affection der Nervenſtämme zurückführen, bringen wir ihn zugleich in Verbindung mit einer Krankheit allgemeinerer Natur, deren Verwandtſchaft mit der Gicht faſt unbeſtritten iſt, ich meine die venöſe Abdominalplethora oder die Hämorrhoiden. Die Anfüllung und Erweiterung der Venenplerus iſt, wie ich ſchon an einer früheren Stelle gezeigt habe, eine der gewöhn— lichen Veranlaſſungen zu Compreſſion von Nervenſtämmen, die ſich in excentriſchen Schmerzen äußert. Unter den übrigen Erſcheinungen der Gicht iſt höchſtens noch der harnſaure Gries allein aus der abnormen Blut- miſchung zu erklären. Schon bei der Steinbildung kömmt außer der Ablagerung der Harnſäure noch ein weſentliches Moment in Betracht, die Erzeugung des Bindemittels. Es iſt dies, worauf ich in einem folgenden Capitel zurückkomme, ein plaſtiſches, vielleicht entzündliches Exſudat, Produet einer Localkrankheit der Nieren. Zu dieſer kann wohl die Schärfe des Urins Anlaß geben; ſie kann aber auch einen anderen Urſprung haben und die Präcipitation der Harnſäure in dem Ex⸗ ſudat kann wie bei den Gichteonerementen etwas zufälliges fein. Mifcelle 37.) Der Chinagebrauch als gefährlich wegen Erzeugung tuberculöfer Schwindſucht iſt in der Rhein. Mongtsſchrift 1848. II. Bd. 7. von Fr. Naſſe der Aufmerkſamkeit der Arzte empfohlen. Es iſt bekannt, daß China eine leichte Anlage zu Entzündung gleich ſteigert und dies durch Schmerz und Puls anzeigt. Dies zeigt ſich nun namentlich bei tuberculöſer Anlage. Wird hier⸗ bei aus irgend einem Grunde China oder Chinin gegeben, jo tre— ten ſofort die Zeichen entzündlicher Veränderungen an den Tuber⸗ kelſtellen, Zeichen von Schmelzung der Tuberkeln mit blutig eitri⸗ gem Auswurf und Fieber ein. Dies iſt namentlich an Wechſelſie⸗ berkranken beobachtet worden, bei denen bei jeder Anlage durch den Chinagebrauch ſofort Hüſteln, Engbrüſtigkeit und beſchleunigter Puls eintrat. Bei minder heftigen Wechſelfiebern wird daher von dem Verf. empfohlen, nicht gleich es zu unterdrücken und ſich auch wohl anderer Fiebermittel (Brechweinſtein, Salmiak, A. Laurocerasi, Schwefelather, der Bäder u. a.) zu bedienen, vor allem aber find dieſe zu empfehlen bei erblicher Anlage zur Tuberkelſchwindſucht. Bibliographiſche Neuigkeiten. L. Fraser, Zoologia typica, figures of Mammals and Birds. fol. London 1849. 8 L. 8 sh. Thoughts on pulmonary Consumption; with an Appendix on the Climate of Torquay by Wm. Herries Madden. Post 8e. (pp. 232.) Lond. 1849. 5 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptolrs in Weimar. | Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Prof. Dr. M. J. Schleiden zu Jena und dem K. Pr. Geh. Med. Rth. Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 198. (Nr. 22. des IX. Bandes.) Juni 1849. Naturkunde. Dejor, über die Fluth und ihr Verhältnis zu den geologiſchen Erſchelnungen. — Brinton, über die Bewegungen des Magens. — Clark, über Kellia rubra. — Miſcellen. Fruchtbarkeit des Maulthieres und Mauleſels. Williams, Structur und Verrichtung der Branchialorgane bei den Anneliden und Cruſtaceen. — Heilkunde. stachii. — Bibliographie. Stahl, über den Cretinismus. — Miſcelle. Stuhlmann, über die Injektionen in die tuba Eu- Naturkunde. XLIX. Über die Fluth und ihr Verhältniß zu den geologiſchen Erſcheinungen. Von Deſor. Die von Capt. Davis aufgeſtellte und neuerlich der Geſellſchaft americaniſcher Naturforſcher und Geologen zu Philadelphia vorgelegte Fluththeorie iſt eine der für den Geologen und Schiffer intereſſanteſten Entdeckungen der neue— ren Zeit. Der Verf. dieſes im Decemberheft der Massa- chusetts Quarterly Review von 1848 mitgetheilten Aufſatzes hatte im letzten Sommer, wo er ſich mehrere Monate am Bord des von Capt. Davis befehligten zur nordamericaniſchen Küſtenflotte gehörigen Schiffes befand, Gelegenheit, mit dem genialen Entdecker dieſer Theorie und ſeinen ausgedehnten Unterſuchungen genau bekannt zu werden. Die Oſtküſte der vereinigten Staaten wird ihrer gan— zen Ausdehnung nach durch eine Kette von Sandbänken und Inſeln, deren Geſtalt und Umriſſe zwar ſehr verſchieden, de— ren mineralogiſcher Charakter jedoch ſehr gleichförmig iſt und die größtentheils aus feinem weißen Quarze beſtehen, umgrenzt; die Küſten der ſüdlichen Staaten, der Carolinas und Virginiens, ſind von einer Kette niedriger Inſeln um— geben, die, don dem Ufer durch Lagunen getrennt, der Ge— gend einen eigenthümlichen Charakter gewähren. Weiter an der ſüdlichen Küfte Neuenglands hinauf treten dieſe Inſeln als eine vom Meere überfluthete Hügelreihe, die durch weite Canäle vom Lande getrennt iſt, auf; je weiter nach Norden, um ſo ausgedehnter werden die Ablagerungen, ſie bilden große untermeeriſche Plateaus, die St. Georges- und New⸗ foundlandsbänke. Endlich findet man noch am Grunde der Meeresbuchten ähnliche Ablagerungen; ſelbige befinden ſich in einem mehr zerworfenen Zuſtande, ſie ſind als Un— tiefen (Nats) bekannt. No. 2178. — 1078. — 198. Jahre lange Beobachtungen verſchiedener dieſer Bänke führten Capt. Davis zu dem Reſultate, daß ſowohl die Geſtalt als Ausdehnung und Vertheilung derſelben durch die Fluth beſtimmt wurde, und daß der Wind wie die Wellen bei ihrer Bildung nur eine untergeordnete Rolle ſpielten. Davis weiſ't zunächſt das Verhältniß der Stärke des Fluthſtromes zur Vertheilung der Sandbänke nach; an bei— den Ufern des atlantiſchen Meeres finden ſich, wo die Fluth— ſtröme, nachdem ſie früher bedeutend waren, ſchwach oder ganz erloſchen find, überall zahllofe Sandbänke. Nach Whewells Unterſuchungen geht die Fluthwelle, wenn ſie in den atlantiſchen Ocean eintritt, in der Geſtalt eines Bo— gens, deſſen convere Seite nach Norden gewandt iſt, weiter; auf dieſem Wege nach Norden berührt ſie die Küften zweier Continente, des Feftlandes don Africa und von America. Das Anpralleu der Fluthwelle gegen dieſe Küſten ruft die verſchiedenen Localſtrömungen, deren Richtung und Schnellig— keit von der Geſtalt des Ufers abhängt, hervor; die Schnellig— keit des Stromes richtet ſich nach der weiteren Beſchaffenheit der Canäle, welche der Strom durchläuft. Die mit großer Schnelligkeit längs der Küſte hinlaufenden Fluthſtröme neh— men bewegliche Ablagerungsmaſſen, Verwitterungs⸗ und Zer⸗ ſetzungsproducte aller Art, die ſich am Geſtade ablöſ'ten, mit ſich. Die Ströme verlieren jedoch, wenn ſich keine neuen Hinderniſſe ihm in den Weg legen, ſehr bald an Kraft, und in dem Grade, wie ſie ſchwächer werden, ſetzt ſich das dort: geſchwemmte ab. Irgend eine Unebenheit des Bodens ift unter ſolchen Verhältniſſen genügend, der Kern oder Grund einer Sandbank zu werden, deren Richtung dem Laufe des Fluthſtromes entſpricht. Auf dieſe Weiſe entſtanden die ſchmalen, die Inſel Nantucket umgebenden, als Baß Rip, Great Rip, South Shoal u. ſ. w. bekannten Bänke. 22 339 Die günſtigſten Verhältniſſe zur Bildung von Sand— bänken zeigen ſich da, wo der Fluthſtrom, nachdem er ein Vorgebirge paſſirte, in eine weite Bucht, in der er ſich aus— breiten kann, getrieben wird; hier ſetzen ſich nicht nur die ſchweren von ihm fortgetriebenen Subſtanzen, ſondern auch die leichteren und feiner zertheilten Stoffe zu Boden, es ent— ſteht durch ihren Niederſchlag nicht wie vorhin ein ſchmaler Bergrücken, ſondern eine breite ausgedehnte geſchichtete Fläche, die meiſtens aus ſeinem Sande, und wenn ſich in der Nähe ein Korallenriff befindet, auch aus kalkhaltigem Schlamme beſteht. Aus dem erwähnten Grunde findet man die größ— ten und ausgedehnteſten Ablagerungen am Grunde weiter Buchten; Cape Cod Bay an der Küſte von Maſſachuſetts wird von Davis als Beiſpiel citirt. Wenn dagegen die Bucht ſehr enge iſt, wie es zum Beiſpiel die Fiorde in Norwegen ſind, oder wenn die Strom— richtung der Richtung der Meerenge entſpricht und die Flut ungehindert durch dieſelbe hinbrauſ't und, wie es bei der Bai von Fundy der Fall iſt, eine bedeutende Höhe erreicht, ſo ſind ſowohl Ebbe als Fluth zu heftig, die Waſſerſtrö— mung iſt zu ſtark, um ein Niederſenken der im Waſſer ſus— pendirten Theilchen zu geftatten; eine ſolche Bucht hat ent— weder gar keine Sandbänke oder letztere nur in Seitenbuchten. Wenn der Fluthſtrom mit gemäßigter Schnelligkeit ſo längs einer Küſte verläuft als wolle er an der Küſte eine Sandbank bilden, fo erſtreckt ſich die Bank gewöhnlich in die See hinein; anftatt indes der Küftenrichtung zu folgen, beſchreibt ſie, durch den Druck von außen nach innen gegen die Bucht getrieben, eine Krümmung, welche dem Seemann als hook bekannt iſt. Als Beiſpiel wird der Sand-Hook in der Bucht von Newyork, der Hook des Cape Cod und der Hook von Holland genannt. Die europäiſchen Küſten liefern zahlreiche Beiſpiele ver— ſchieden geſtalteter Alluvialniederſchläge; ſchmale Züge von Sandbänken, ähnlich den Küſten von New-Jerſey und den Carolinas ſind von Elie de Beaumont für die Küſten Frankreichs, z. B. bei Dieppe und im Departement Finis— terre nachgewieſen; die Bay von Biscaya liefert dagegen ein treffliches Beiſpiel für die Niederſchläge in den Buchten. Im Nordweſten von Frankreich finden ſich nur wenige Sand— bänkez ſobald wir aber den Canal verlaſſen, finden wir ſel— bige über die Nordſee verbreitet. Holland iſt zum größten Theil aus ſolchem Alluvialſande gebildet. Die Allusdialnie— derſchläge heben ſich hier immer an ſolchen Stellen, die ihrem Niederſenken am günſtigſten waren, nämlich da gebildet, wo die Fluthſtröme, nachdem fie durch den Canal gegangen, in das weite Becken der Nordſee traten. Die Bildung der Nord— ſeebänke iſt nun aber an den Küſten von Jütland durch das Zuſammentreffen zweier Fluthen, deren eine aus dem Ca— nale kömmt und die andere um Großbritannien verläuft und die mit einander einen ſogenannten Fluthknoten (tide node) bilden, durch den in der Regel ein beſtändiger Waſſerwirbel (eddy) hervorgerufen wird, begünſtigt worden. Die Alluvialniederſchläge eines Feſtlandes ſind dem— nach im allgemeinen als Producte einer Reihe mit einander abwechſelnder Strömungen und Waſſerwirbel zu betrachten, 198. IX. 22. 340 deren Endreſultat die Fortführung leichter Stoffe oder fein zertheilter Verwitterungsproducte der Küſten in der Richtung des Fluthſtroms iſt. Die Küſten der Vereinigten Staa— ten liefern hierfür den beſten Beweis: die Alluvialnieder— ſchläge bilden nämlich an der Küfte von Florida zuerſt eine ſchmale Sandbanklinie; dieſelbe gewinnt an den Küſten der Carolinas, Virginiens und New-Jerſeys allmälig an Breite, an der Küſte von Maſſachuſetts dehnt ſie ſich noch mehr aus, um zuletzt in der großen Newfoundlandbank ihr Ende zu erreichen. 1 Dieſe durch Fluthſtröme entſtandenen Bänke ſind für den Haushalt der Natur von größter Wichtigkeit, ſie ſind der Haupttummelplatz thieriſchen Lebens; auf ihnen und zwar auf den St. Georges- und Newfoundlandbänken wird eine ausgedehnte Fiſcherei betrieben, ſie wimmeln überdem von Myriaden wirbelloſer Thiere, von Würmern, Molluſken und Zoophyten, welche den Fiſchen zur Nahrung dienen, wäh— rend die Tiefen des Meeres, ſelbſt in der Nähe dieſer Bänke, von allem Leben verlaſſen ſind. Nicht minder wichtig wie für die Meeresufer wirkt auch die Fluth auf Flußniederſchläge; die Bildung der Deltas, wie wir ſelbige am Miſſiſippi, Nil und Orinoco finden, wird bisher einzig und allein den Schlammmaſſen, welche der Fluß mit ſich führt, zugeſchrieben; man hat dabei über— ſehen, daß andere Flüſſe, der Amazonenſtrom, der Rio de la Plata, der Delaware u. ſ. w. nicht weniger Schlamm füh— ren, aber deſſenungeachtet ſtatt an ihren Mündungen Deltas zu bilden, ſich in weite Meeresbuchten münden. Capt. Da- vis zeigt nun, daß die Deltas zu den Fluthſtrömungen im umgekehrten Verhältniſſe ſtehen, daß ſie nur da vorkommen, wo ſehr ſchwache oder gar keine Fluthſtröme herrſchen: als Beiſpiele können die Flüſſe der Oſtküſte der Vereinigten Staa— ten und die meiſten europäiſchen Flüſſe, die ſich ins atlan— tiſche Meer ergießen, dienen. Wenn die Fluth in einen Fluß eintritt, ſo ſteigt das Waſſer, ſo lange es fluthet, ſie hält das Waſſer des Fluſſes zurück, ſo daß, wenn die Ebbe eintritt, das jetzt dem Meere zuſtrömende Waſſer eine ſo ſtarke Strömung erhält, daß es den größten Theil der in ihm ſuspendirten Stoffe der See zuführt. Davis bemerkt, daß, wenn an den Mündungen ſolcher Flüſſe Barren vorkom— men, ſelbige in der Regel aus Seeſand, welchen die Fluth mitbrachte, keinesweges aber aus Flußniederſchlägen beſtehen. Capt. Davis und der Verf. verſuchten die Reſultate des Studiums der Alluvialniederſchläge auf die früheren geo— logiſchen Epochen anzuwenden; fie glauben auf einer geo— logiſchen Karte der Vereinigten Staaten die frühere Wirk— ſamkeit derſelben Geſetze, welche noch jetzt die Bildung der Sandbänke veranlaßt, in den Dilusialtertiär- und Kreide— epochen wiederzufinden; die Niederſchläge dieſer Perioden bil⸗ den eben ſo viele auf einander folgende mit dem Gebirgs— zuge der Alleghanies parallele Linien. Die Diluvialanhäu⸗ fungen Europas wie Americas verdienen in dieſer Beziehung beſonders berückſichtigt zu werden, die norddeutſche Ebene bildete ſicherlich mit einem großen Theile von Skandinavien, desgleichen die Küſte der Vereinigten Staaten von Florida bis Canada eine Reihe von Bänken und Untiefen, welche 341 den jetzigen Newfoundlands bänken entſprachen; während die weſtliche Ebene zwiſchen den Alleghanies und den Rocky Mountains eine weite dem Golfe von Mexico vergleichbare Bucht abgab, in welcher die See den feinen Sand und Lehm der Prairien abſetzte, wie ſich noch jetzt im Golf von Mexico der Sand und Schlamm der Küſten von Teras abſetzt. Die Reſultate obiger Unterſuchungen laſſen ſich nun— mehr folgendermaßen ſummiren: 1) Die Geſtalt und Vertheilung der Sandbänke und Alluvialbildungen iſt zum großen Theil von den Fluthſtrömen abhängig; derartige Niederſchläge finden ſich überall, wo die Fluthſtröme genugſam geſchwächt ſind, um die mit fortgeriſ— ſenen Subſtanzen abſetzen zu können, die feineren und leich— teren Stoffe ſenken ſich deshalb erſt an ruhigeren Orten; 2) die Bildung meerüberflutheter Bänke iſt zur Erhal— tung des thieriſchen Lebens der See nothwendig, dieſe Bänke wimmeln von Seethieren; 3) die Deltabildung der Flußmündungen ſteht zur Kraft des Flußſtromes im umgekehrten Verhältniß; 4) die ſedimentären Bildungen der neuſten geologiſchen Epochen entſprechen in jeder Beziehung den Alluvialnieder— ſchlägen der heutigen Zeit, wir müſſen demnach ihre Bildung denſelben Geſetzen zuſchreiben; 5) die Geſtalt und Ausdehnung des Feſtlandes iſt dem— nach, ſoweit ſelbiges aus Niederſchlägen beſteht, von aſtro— nomiſchen Geſetzen, d. h. von der Anziehung, welche der Mond und die Sonne auf den flüſſigen Theil unſeres Pla— neten ausüben und zu allen Zeiten ausgeübt haben, abhängig. L. Über die Bewegungen des Magens. Von W. Brinton. Nachdem der Verf. die Anatomie der Magenwandung kurz durchgenommen und bemerkt hat, daß die ſogenannten ſchiefen Muskelfaſern eigentlich nicht ſchief, ſondern ſich mit den geraden Faſern im rechten Winkel kreuzend, verlaufen, geht er zu den Muskelcontractionen des verdauenden Magens über. Nach Haller erfolgen die Contractionen abwechſelnd nach zwei Richtungen; die Nahrung würde dadurch beſtän— dig bald nach der einen bald nach der anderen Seite ge— trieben. ; Der Verf. ftügt feine Schlüffe auf feine eigenen Beob— achtungen, die er mit Thieren unmittelbar nach ihrem Tode anſtellte und bei denen er bald den Magen im leeren nicht verdauenden Zuſtande, bald gleich nach der Fütterung, alfo zu Anfang der Verdauung, bald zu Ende derſelben unter— ſuchte; zugleich benutzt er Owens und anderer Forſchungen von Fiſchen. Der Verf. fand, daß im leeren Magen keine Bewegung Statt fand, daß aber zu Anfang wie zu Ende der Ver— dauung dieſe Bewegung ſehr lebhaft iſt, daß ſich zu Ende der Verdauung der pylorus öffnet und vorzugsweiſe die dem letzteren angehörende Hälfte des Magens contrahirt wird; die beiden letztgenannten Bewegungen waren periſtaltiſcher Natur, d. h. ſie wirkten nur in einer Richtung; ſie ſetzten, ſo viel der Verf. wahrnehmen konnte, niemals um. 198. IX. 22. 342 Nach Beaumonts Verſuchen bewegen ſich die verdaut werdenden Nahrungsmittel nach zwei Richtungen, ſie ſtrömen vor- und rückwärts. Der Verf. war nicht im Stande dieſe Verſuche zu wiederholen; indem er dieſelben als richtig an— nimmt, weiſ't er auf die Disharmonie zwiſchen der wie es ſcheint nur einfachen Muskelbewegung und der zweifachen Be— wegungsart des Nahrungsbreies hin und verſucht dieſelbe zu erklären. Er verſucht ein Geſetz aufzufinden, nach welchem in einer geſchloſſenen mit Flüſſigkeit erfüllten Röhre, die ſich der Quere nach in einer Richtung contrahirt, zwei Ströme entſtehen, von denen der eine peripheriſch der Richtung der peripheriſchen Contraction vorwärts folgt, der andere in entgegengeſetzter Richtung durch die Achſe geht. Der An— nahme eines ſolchen Geſetzes ſteht nach Beaumonts ſorg— fältigen Unterſuchungen des menſchlichen Magens nichts ent— gegen. Die Conſiſtenz des von einigen Thieren genoſſenen Futters kann, wie der Verf. glaubt, nur einige Modificationen dieſes Geſetzes herbeiführen. Ein vom Verf. angeſtellter Verſuch ſoll beweiſen, wie im geſunden Zuſtande beim Erbrechen keine antiperiſtaltiſche oder rückwärts wirkende Contraction des Magens nöthig ſei. Nachdem der Verf. ſo das Daſein zweier Stromrich— tungen für den Magen wahrſcheinlich gemacht, wendet er ſich zum Darme und macht auf deſſen Analogie mit dem Magen aufmerkſam; dies führt ihn auf die Darmoerſtopfun— gen, deren conſtantes Symptom das Kothbrechen iſt. Der Verf. entwickelt in kurzem die Theorie der antiperistalsis, der dieſe Erſcheinung gewöhnlich zugeſchrieben wird; indem er nach der experimentellen Begründung dieſer Annahme forſcht, zeigt er, daß man bis jetzt noch nirgends im ganzen Ver— dauungscanale eine ſolche antiperiſtaltiſche Bewegung auf— gefunden hat. Er betrachtet die unregelmäßigen Contractio— nen (actions) der Gedärme eines ſo eben getödteten und ge— öffneten geſunden Thieres nicht als wirklich periſtaltiſche oder antiperiftaltifche Bewegungen, ſondern als Zuckungen (irri- tation), welche der Luftzutritt veranlaßte; auch wo der Darm unterbunden ward, nahm man keine umgekehrte Bewegung wahr; die wurmförmigen Bewegungen waren hier im all— gemeinen kräftiger und periſtaltiſcher als beim geſunden Ein— geweide. Der Verf. liefert hierauf folgende Beweiſe: 1) die antiperistalsis wird gewöhnlich einer Irritation zugeſchrieben; eine ſolche iſt jedoch faſt in jedem Leiden der Verdauungsröhre vorhanden, während ein Kothbrechen nur bei einer Verſtopfung des Darmes Statt findet; die letztere ſcheint demnach die Urſache desſelben zu ſein; 2) der bewegende Punkt der muthmaßlichen umgekehr— ten Bewegung iſt der vollſte Theil des Magens, der Ort, dem die Bewegung zugeht, der leerſte Theil desſelben. Dies Verhältniß iſt mit einer antiperistalsis unverträglich, jedoch mit einer Vorwärtsbewegung und einer Bewegung, wie ſie in einer verſtopften mit Flüſſigkeit erfüllten Röhre Statt findet, ſehr gut vereinbar; 3) die Urſache der Darmverſtopfung ift häufig Intus⸗ ſusception; nun würde, wie es der Verſuch wahrſcheinlich macht, die antiperistalsis dieſes Verhältniß auf ein Mal aufs 22 343 198. IX. 22. 344 heben, die letztere würde demnach mit der erſteren unver— träglich ſein; 4) die muthmaßliche umgekehrte Bewegung iſt fort— dauernd, während das Erbrechen nur gelegentlich Statt fin— det; eine Theorie, welche die Unabhängigkeit der Rückkehr der faeces zum Magen nachweiſ't, wird demnach die rich— tigere ſein; 5) Verſuch wie Beobachtung zeigen, daß die gewöhn— liche peristalsis unmittelbar nach der Strangulation aufhört; es iſt demnach ſchwer einzuſehen, wie und warum dieſelbe Erregung zwei ſich entgegengeſetzte Bewegungen hervorru— fen kann; 6) auch die Zeit, in welcher das Brechen beginnt und die Dauer desſelben ſind mit der antiperiſtaltiſchen Theorie kaum vereinbar. b Der Verf. ſtellte mit Thieren, denen der Darm künſt— lich durch eine Ligatur verſtopft ward, Verſuche an; nur in wenigen Fällen durchſchnitt die Ligatur den Darm und ver— eitelte dadurch den Verſuch; in allen übrigen Fällen ward die Röhre über der Strietur bedeutend ausgedehnt; unter— halb der Verbindungsſtelle war der Darm gewöhnlich auf einer Strecke von 1 bis 2 Zoll leer. Der Inhalt des Dar— mes war ſowohl der Menge als Qualität nach verſchieden, eine gleichförmige Flüſſigkeit war oft mit einer großen Menge feſten Inhalts vermengt, während eine kleinere Menge häufig bedeutendere Conſiſtenzverſchiedenheiten zeigte. Der Eintritt des Brechens war ſehr verſchieden, in einem und dem ande— ren Falle trat es gar nicht ein. Dieſe Verſchiedenheiten ſchie— nen hauptſächlich 1) von der Menge der vorhandenen Flüſ— ſigkeit und 2) von der Entfernung der Darmſtrictur vom Magen abhängig zu ſein; der Eintritt des Todes ſchien nach dem Grade der Ausdehnung zu variiren. Der Verf. gelangt ſomit zu der Theorie, daß bei einer Darmvoerſtopfung die gewöhnliche (wahrſcheinlich periſtaltiſche) Bewegung den Inhalt gegen die verſtopfte Stelle treibt, daß eine Fortdauer dieſes Vorgangs zuerſt dieſen Theil des Dar— mes und darauf die über ihm gelegenen Partien ausdehnt, daß, wenn die contenta des Darmes flüſſig find, die ge— wöhnliche peristalsis einen Achſenſtrom, zugleich aber auch einen umgekehrten Strom veranlaßt, welcher Stoffe, die ſchon einen Theil des Darmes abwärts geſtiegen waren, wieder aufwärts treibt, wo ſelbige häufig an der verſtopften Stelle wieder in den Magen gelangen und durch ein Erbrechen ausgeworfen werden. In denjenigen Fällen, wo die Darm— contenta mehr Subſtanz haben, wird auch die Wirkung eine ſchwächere ſein. Zum Schluſſe macht der Verf. noch auf den praktiſchen Nutzen ſeiner Theorie aufmerkſam. (The London etc. philosophical Magazine, No. 229, 1849.) LI. über Kellia rubra. Von William Clark. In einem Briefe des Verf. an Ed. Forbes, den wir der No. 16 der Annals and magazine of natural hi- story von 1849 entnehmen, theilt derſelbe ſeine neueren Unterſuchungen über dieſes kleine noch wenig bekannte Weich— thier mit. Der Verf. hatte dasſelbe ſchon früher zu Exmouth beobachtet; ein Freund ſandte ihm auf ſeine Bitte neuerlich eine Partie Fucus pygmaeus; zwiſchen demſelben, der in See— waſſer verſandt worden, fand er 12 lebende Individuen der Kellia rubra. Schon bei der erſten Betrachtung fand er die früher von ihm uͤberſehene ſchon von Alder angegebene untere Offnung der Röhre; die Thiere ſchoben ihren Fuß zu wie— derholten Malen in dieſen Canal und zeigten, ſich Dabei - nach der Seite bewegend, daß ſelbiger eine offene Hautfalte ſei; ſowie indes der Fuß zurückgezogen ward, trat auch das röhrenartige Anſehen wieder ein. Der genannte Canal iſt eine bloße Verlängerung des Mantels, der überhaupt längs dem halben Unterleibe offen iſt und durch deſſen Offnung Fuß und Byssus heraustreten. Alder glaubt, daß die röhrenartige Falte dem Bran— chialapparate angehöre; aber dem iſt nicht alſo. Die Falte dient allein dem Bewegungsapparate, die Bewegungen die— ſes Canales und des Fußes harmoniren mit einander: ſo— bald der Fuß ausgeſtreckt wird, um vorwärts zu ſchreiten, wird auch der Canal ausgedehnt und indem er ſich gleich— zeitig mit dem Fuße contrahirt, wird das Schalthier vorwärts geſchoben. 1 Diejenige am Hintertheile des Körpers gelegene Off— nung, welche man bisher für den After hielt, iſt nach des Verf. Beobachtungen die Kiemenöffnung, ſie bildet eine be— trächtlich große länglich eiförmige Spalte, deren Rand etwas verdickt iſt; fie wird von der rima magna des Byssus und Fußes durch eine feſte ſchmale Querwand geſchieden; der Mantel iſt von dem Ende dieſer Offnung bis zu den Höckern (umbones) geſchloſſen. Innerhalb der genannten Offnung ſah der Verf. deutlich die Spitzen der Branchien, die Off— nung ward überdies regelmäßig erweitert und verengert, um Seewaſſer aufzunehmen und wieder auszutreiben. Der After liegt ebenfalls am Hintertheile des Körpers und zwar unter- halb der Kiemenöffnung; er iſt nur klein und bildet für eine kleine Strecke eine geſpaltene hängende Röhre; ſeine Offnung iſt mehr als zehn Mal jo klein wie die Kiemenöffnung. Der Verf. beobachtete mehrfach das Hervortreten der kaeces, die als kleine gelbe oder genau cylindriſche Klümpchen aus der innern Afterröhre getrieben wurden und in die Höhlung oder den Schlitz, welchen die Kiemenöffnung mit der After— öffnung gemeinſchaftlich beſitzt, fallend, ſogleich den Körper verließen. Dieſe gemeinſame Offnung iſt ein eiförmiger Schlitz, welcher ſowohl die Branchien mit Waſſer verſorgt als den Austritt der faeces vermittelt; der Mantel beſitzt demnach nur zwei Offnungen, eine für den Fuß beſtimmte und eine andere, welche dem Kiemenapparate und dem After gemeinſchaftlich dient. Das ſeltſam geformte Thier ſteht in manchen Bezie— hungen den Bivalven nahez es beſitzt wie dieſe die Kiemen— und Afteröffnung neben einander am Hinterende des Kör— pers, am Vordertheile dagegen die röhrenförmige den Fuß bei der Bewegung unterſtutzende Offnung. Der Verf. ver— muthet, daß Kellia suborbicularis ebenfalls einen offenen 345 Canal beſitzt; wäre dies der Fall, fo würden ſich beide Ar: ten nur durch die Fortpflanzung unterſcheiden, indem die eine Art lebendige Junge gebiert, die andere Eier legt. Miſeceellenu. 46. Die Fruchtbarkeit des Maulthiers wie des Mauleſels ward lange bezweifelt; in Italien und ans dern ſüdeuropaiſchen Ländern, wo man das Pferd fo häufig mit dem Eſel kreuzt, wird die Fruchtbarkeit des Baſtards für etwas unerhörtes, für ein Wunder oder für eine böſe Vorbedeutung ge: halten. A. Wagner durchforſchte die alten Schriftſteller: Ari-⸗ ſtoteles, Herodot, Varro und andere erwähnen einiger Fälle, wo dieſer Baftard fruchtbar war. In warmen außereuropälſchen Ländern glaubte man vom Pferde und Eſel eine fruchtbare Nach⸗ kommenſchaft zu erhalten, man täuſchte ſich indes, die Baſtarde waren dort eben ſo unfruchtbar als in Europa. Nun berichteten die HHrn. Panizza und Capelli 1845 dem italieniſchen Congreſſe zu Neapel über einen unzweifelhaften Fall von Fruchtbarkeit. Im Dorfe Anzana in der Provinz Capitanata, warf ein Franceſeo Maſtrangelo gehöriger Baſtard am 15. Juli 1844 ein männliches Füllen, deſſen Geburt eine ſolche Senſation erregte, daß die Re— gierung eine gerichtliche Unterſuchung befahl. Leider war aus dem beim Congreß eingereichten Bericht nicht beſtimmt zu erſehen, ob die Mutter des Füllens ein weibliches Maulthier oder eine Maul: eſelin geweſen; beide werden in Italien Mula genannt. Das Weib— chen war von einem Hengſte beſchält worden; wie man ſah, daß es trächtig ward, hielt man die Sache für ſo unglaublich, daß der Beſitzer des Thieres wähnte, es habe die Waſſerſucht. 8 Monate nach der Geburt des Füllens, das ſehr gut gedieh, machte man einen neuen, aber erfolgloſen Verſuch, die Mula zu belegen. Dem erwähnten Berichte iſt eine Abbildung der Mutter wie des Füllens beigegeben; erſtere gleicht demnach mehr einem Pferde als einem Eſel. Wagner und de Martius unterſuchten die Geſchlechts— 198. IX. 22. 346 organe eines andern weiblichen Maulthieres (mule): ſie fanden in ihnen ſowohl das ovulum wie das Keimbläschen und das Blaſto— derm, desgleichen Eileiter und Gebärmutter, ganz wie bei der Eſelin vollkommen entwickelt; es war durchaus unmöglich, in den Geni— talien die Urſache der Unfruchtbarkeit nachzuweiſen. Dagegen ha— ben verſchiedene Phyſtiologen im Samen des männlichen Maulthie— res vollſtändig entwickelte Samenfäden vermißt; Brugnone will dagegen im Samen der Maulthiere bewegliche Faden geſehen haben. Eine Stute, die in Hannover mehrmals durch ein Maulthier be— legt ward, warf lein Füllen, der Same enthielt keine Spermato⸗ zoen; es ſcheint demnach, daß alle Falle, wo ein Baſtard des Pfer⸗ des und Eſels fruchtbar war, ſich auf ein weibliches Thier bezie— hen, daß dagegen das männliche Thier wirklich zur Befruchtung, zu welcher bewegliche Samenfäden nöthig ſind, unfähig iſt. (The Edinburgh new philosophical Journal, January to April 1849.) 47. Die Structur und Verrichtung der Branchial⸗ organe bei den Anneliden und Cruſtaceen. — Wil⸗ liams behauptet: 1) daß den Reſpirationsorganen der wirbelloſen Thiere nicht immer ein Flimmerepithelium zukommt; 2) daß die Epithelialzellen dieſer Organe bei den wirbelloſen Thieren abge— plattet und nicht wie bei den Wirbelthieren prismatiſch ſind; 3) daß die innere Oberfläche der Lungen der Luft einathmenden Wirbelthiere mit einer mehr oder minder dicken Schleimſchicht uͤber— zogen iſt; die Reſpiration iſt dadurch im weſentlichen von der Kiemen— reſpiration nicht verſchieden; 4) die Wimperbewegung in den Lungen der Batrachier, der Schildkröten und der Luft athmenden Saurier beweiſ't, daß ein Wimperepithelium für die Reſpirationsorgane al— ler Wirbelthiere weſentlich iſt. Das Gefäßſyſtem der Reſpirations— organe der Anneliden und Cruſtaceen zeigt drei verſchiedene Typen; die aus dem Kopfe und Leibe kommenden Gefäße verlängern ſich 1) in veräſtelte Branchialfäden; 2) in ein Syſtem paralleler mit Anſchwellun— gen verſehene Capillaren (Nereiden); das Gefäßſyſtem beſteht 3) aus Reſpirationsröhren und Säcken, in denen ſich ein netzförmiges Capillarſyſtem ausbreitet (Anneliden). Die Cruſtaceen theilt Wil— liams in zwei Gruppen, in ſolche mit inneren und ſolche mit äußeren Reſpirationsorganen. (L'Institut, No. 778, 1848.) Heilkunde. (XLV.) über den Cretinismus. Von Dr. Fr. C. Stahl. In den Acten der Acad. Leopoldina Carolina Vol. XXI 1845 ift von dem Verf. eine Abhandlung über den Idio- tismus endemicus der Bezirke Sulpheim und Gerolzhofen enthalten. 1846 machte der Verf. eine der Erforſchung derſelben Krankheit gewidmete Reiſe, deren Reſultate er in einer Schrift „Neue Beiträge zur Phyſiognomik und patho— logiſchen Anatomie der Idiotia endemica (genannt Cretinis— mus) mit 10 Stahlſtichen zum Gebrauch für kliniſche Vor— leſungen. Erlangen 1848. 40. 77 S.“ niedergelegt hat. Die Schrift hat für den Arzt in ſymptomatologiſcher Be— ziehung bedeutenden Werth und iſt namentlich für den klini— ſchen Unterricht ſehr zu empfehlen. Was die Pathologie der Krankheit betrifft, ſo liefert ſie in einigen Beobachtun— gen weſentliche Beiträge, und theilen wir hier beſonders das Reſumé über dieſen Theil der angeſtellten Beobachtungen mit (S. 68—76). „Die mitgetheilten Seetionsbefunde ergeben mannigfache pathiſche Veränderungen des Gehirns und der Kopfknochen, die ich hier überſichtlich zuſammenſtelle. Letztere find häufig verkümmert, der Diplos beraubt, bis zur Durchſichtigkeit verdünnt. Dieſe Verkümmerung be— trifft aber nicht immer den ganzen Schädel, ſondern in der Regel nur einzelne Partien desſelben, während an andern die Knochenmaſſe reichlicher aufgetragen erſcheint. Auch läßt ſich über dieſe gegenſätzlichen Verhältniſſe keine beſtimmte Norm annehmen; ſie unterliegen vielmehr den merkwürdig— ſten Modificationen und beurkunden eben im allgemeinen eine ungleichmäßige Entwickelung des ganzen Schäͤdelſkelets. So findet man dünne Stirn- und Scheitelbeine bei ſolidem Baue des Schädelgrundes, gracile Schädelwirbel bei derben Geſichtswirbeln, ſchwache Jochbeine bei übrigens maſſiven Geſichtsknochen, vollkommene Entwickelung des einen processus mastoideus bei Verkümmerung des anderen, ja ſogar eine Ungleichheit der Knochenſtärke an beiden Hemiſphären des Schädels. Nebſt der Verkümmerung und Durchſichtigkeit beobach- tete ich übrigens auch eine auffallende, über alle Theile des Schädels in verſchiedenſter Abſtufung verbreitete Energie der Knochenbildung, die ſogar zur förmlichen Hyperoſtoſe aus— artete, die normalen Contouren in wallförmige Wülſte ver— wandelte, und ſowohl den Gehirnraum als auch die Off— 347 nungen und Canäle für Nerven- und Gefäßausgänge im höchſten Grade beeinträchtigte. An dieſe Knochenwucherung, welche in der erwähnten Intenſität freilich die Minderzahl der Fälle in ſich einſchließt, reihen ſich jene Erſcheinungen an, die wir als das Product einer zu frühzeitigen oder lebhaften Oſſification erkennen (Portali), z. B. vollſtändige Verwachſung ſolcher Näthe, die bis ans Ende des Lebens vorhanden zu ſein pflegen, wie der Kranz- und Pfeilnath u. ſ. w. Es entſteht hierbei entweder eine vollſtändige Verſchmel— zung mehrerer oder zweier Knochen in eine glatte ebene Maſſe, oder es ſind ſelbſt durch die Weichtheile kantenför— mige Erhabenheiten an der Stelle der Näthe durchzufühlen. Häufiger aber finden wir Bildungshemmungen, Fötal— verhältniſſe und Inſufficienz der Schädelknochen. Letztere betrifft namentlich die Felſenbeine, welche ich zu kurz, zu ſchwach und in querer Lage beobachtete, und das Baſilarbein, deſſen Verkürzung und Aufrechtſtellung dem ganzen Kopfe eine zuſammengeſchobene Form verſchafft. Erſtere geſtatten eine größere Ausbeute, und nicht ſelten ſtößt man bei Unterſuchung eines und desſelben Schädels auf mehrere den Fötalperioden angehörige Zuſtände, die ſich ſelbſt bis ins höhere Alter unverändert erhielten. Ich erwähne hier hauptſächlich der vollkommenen Tren— nung einzelner Knochen und ihrer unzulänglichen Verbin— dung mit Hinterlaſſung fötaler Spuren. Es ſind dies zunächſt: die offengebliebene Fontanelle, wie ich ſolches bei einem fünfjährigen Mädchen und einem fünfzigjährigen Manne beſchrieb; das Daſein der Stirnnath und die nothdürftige Vereinigung der im Embryo getheilten Hinterhauptsknochen, die immer noch durch tiefe Niſchen und Rinnen, welche die Occipitalwölbung gleichſam in zwei Theile ſpalten, deutlich genug angezeigt ſind. Die Spuren frühe— rer Spaltungen ſieht man ſehr häufig auch nach vereinigter Fontanelle an den breiten, zwiſchen Scheitel und Stirnbein befindlichen Gruben. Das ſicherſte Merkmal Statt gehabter Schwierigkeit bei Vereinigung zweier Knochen aber ergeben die oft ſo reichlich eingeſchobenen Zwickelknochen, welche manch Mal den Anſchein einer doppelten Nath erzeugen. Das merkwür— digſte Beiſpiel einer derartigen Vereinigung der ossa bregmata zeigt die Abbildung zu der mit No. 1 bezeichneten Beobachtung. In hohem Maße intereſſant und das Beſtehen gehemm— ter Entwickelung augenſcheinlich beurkundend, iſt das Vor— kommen noch vorhandener Zwiſchenkieferknochen, welches ich an zwei Schädeln beobachtete. Beſonders verdient das eine dieſer Präparate, das in meiner eigenen Sammlung ſich be— findet und in einem fünfjährigen vollſtändigen Cretinen— ſkelete beſteht, die größte Aufmerkſamkeit; denn an ihm ſind gerade jene Knochen, welche der frühzeitigſten Oſſtfication unterliegen, nämlich Oberkiefer und Schlüſſelbeine, am auf— fallendſten in der Entwickelung gehemmt, und zwar erſterer durch das Fortbeſtehen der Intermaxillarknochen, die Schlüſ— ſelbeine aber durch die Bildung zweier ſymmetriſcher Gelenke in der Mitte ihrer Contiguität, Es iſt ferner bekannt, daß die meiſten Knochenfort— ſätze des Schädels nach der Geburt ſchwach ausgeprägt, ſich 198. IX. 922. 348 erſt in der Folge zur normalen Größe erheben und auch dieſe werden bei Idioten in verkümmertem Maßſtabe geſe— hen; namentlich aber die processus mastoidei, die ich faſt ganz verſtrichen fand. Die letzte endlich in die Reihe der Bildungshemmungen gehörende Erſcheinung iſt noch der Fortbeſtand einer Tren— nung des os basilare vom Keilbeine, welche freilich erſt nach Ablauf des zwanzigſten Lebensjahres zu den Abnormitäten gehört, mehrfach aber bei Blödſinnigen höheren Alters von mir beobachtet wurde. Die Geſtalt der Idiotenſchädel hat von jeher die Auf— merkſamkeit der Arzte und Naturforſcher erregt. Ich habe ihrer bereits oben erwähnt und füge hier, da die Bedeckun— gen durch Weichtheile und Haarwuchs vielfältige Täuſchun— gen veranlaſſen, ihre anatomiſche Beſchreibung bei. Vor allem verdienen die Differenzen des Schädelumfangs eine nähere Erörterung. Der kleine Schädel, wenn er mit dieſem Prädicate bezeichnet werden darf, muß entweder ab— ſolut oder im Verhältniſſe zum übrigen Baue des Skelets in allen ſeinen Dimenſionen verkümmert erſcheinen, wobei hauptſächlich das Alter des Individuums zu berückſichtigen iſt. Es giebt zwar keine beſtimmten Normen für die Schä— deldurchmeſſer nach den verſchiedenen Altersperioden des Men— ſchen, allein eine auffallende Abweichung von der natürlichen Größe ſpringt wohl beim erſten Anblicke des Skelets ſogleich in die Augen; es überraſchte mich daher nicht wenig, an dem Schädel der 46jährigen Marzberger nach manchen Rich— tungen hin Maße zu finden, welche beinahe denen eines rei— fen Fötus entſprachen und in feinen übrigen Dimenſionen faft durchgehends um einen Zoll von gleichalterigen differirten. Dieſe Art von Kleinheit wird jedoch ſeltener gefunden; bei weitem häufiger dagegen der niedrigere Schädel, welcher ſich durch ein flaches, zuſammengedrücktes eranium bei ent— weder ſehr breiter oder hoher Geſichtsbildung charakteriſirt. Die Höhe der Geſichtsknochen iſt in der Regel durch maſſige Entwickelung der Kauwerkzeuge, der Ober- und Unter- kiefer und der Jochbeine bedingt, und dieſe Schädel tragen in der That einige Ahnlichkeit mit denen der Kaffern an ſich. Die in die Quere gezogenen Geſichtsknochen aber zei— gen meiſt eine breite Naſenwurzel, breite Augenhöhlen von mehr viereckiger Form, mit Herabſenkung der unteren Platte der orbita, wodurch die Raumverhältniſſe der Highmorshöhle verengt werden. Hierbei erſcheinen die Oberkieferknochen in atrophiſchem Zuſtande und nicht ſelten ſieht man bei Be— trachtung des Schädels von vorn das foramen rotundum in der Augenhöhle liegen. Was den ſpitzen Schädel, die ſogenannte Zuckerhutform anlangt, habe ich trotz ſeiner Häufigkeit nur ein einziges Skelet zu Geſichte bekommen, öfters aber von der runden Form. Dieſe charakteriſirt ſich durch exceffive Wölbungen der Schläfenbeine und durch Verſchiebung der ſtärkſten Scheitel— wölbung nach unten und den Seiten. Die Meſſung über Stirne, Schläfe und Hinterhaupt, wobei man die erwähnten Scheitelbeinwölbungen in ungefähr 1 ½ bis 2;ölliger Ent— fernung über dem Gehörgange durchſchneidet, ergiebt hier einen bedeutenden Umfang des ganzen Schädels und dieſe 349 Formen find. es, welche man mit Recht als die großen Idio— tenköpfe bezeichnet. Ein zu kleiner Geſichtsſchädel im Vergleiche zum cra- nium beurkundet den hydrocephalus. Obwohl ich nun bei dieſen Unterſuchungen in Bezug auf Höhen-, Längen- und Breitendurchmeſſer die variabel: ſten Reſultate erhielt, ſo ſchien mir dennoch bei Zugrunde— legung des durch Medieinalrath Carus feſtgeſtellten eranio— ſkopiſchen Syſtems ein allgemeiner Charakter in den Schä— deln Blödſinniger zu liegen. Die Betrachtung der Kopfwirbel im Vergleiche zu ein— ander ergiebt faſt durchgehends eine größere Entwickelung des Mittelhauptes auf Koften des Vorder- und Hinterhaup— tes und die Augenwirbel ſind durchgehends markirter als die Ohrenwirbel. Deſſenungeachtet aber erleiden Stirn-, Scheitel- und Hinterhauptsbeine die mannigfachſten pathi— ſchen Veränderungen. Das Stirnbein findet ſich auffallend zurückgeſchoben, die tiefe Bildungsſtufe beurkundend, oder es ſteigt, der nor— malen Wölbungen entbehrend, gerade in die Höhe und dacht ſich unmittelbar über ſeinen Tuberoſitäten nach hinten ab. Letztere ſtehen ſehr häufig enge beiſammen und entſprechen in dieſer Stellung der Schmalheit der Stirne. Die Scheitelbeine verhalten ſich in fortgeſetzter Richtung von vorn nach hinten und oben und neigen ſich, ähnlich dem Stirnbeine, unmittelbar in ihren Tuberoſitäten, ſchroff nach unten gegen das Sinterhauptsbein, deſſen Wölbung hiedurch ausgeprägter erſcheint und auf dieſe Weiſe wird der allgemein bekannte eretiniſche Eindruck erzeugt. Auf ihrer Höhe breiten ſich die Scheitelbeine häufig ſehr in die Quere aus und erinnern, wie auch Carus bemerkt, an die maſſenhaftere Entwickelung des Mittelhirntheils der neuge— bornen Kinder. Ihre normalen Wölbungen ſind aber auch nicht ſelten verſchwunden oder verfchoben und wenn fie an beiden fehlen, erhält der Schädel eine mehr dreieckige Ge— ſtalt, ſowie ſich durch obere Abdachung derſelben das nie— drige cranium charakteriſirt. Das os oceipitis differirt nach meinen Erfahrungen ſelt— ner in Sinficht feiner Richtung und Stellung als feiner Wölbung. Letztere iſt entweder wie oben bemerkt, doppelt vorhanden (mit den Fötalzuſtänden correſpondirend) oder nur einſeitig; oder ſie iſt eng und capſelförmig oder mangelt vollſtändig. Die Lambdanaht iſt am häufigſten mit Zwickel— knochen ergänzt und ihr mittlerer Theil ragt nicht ſelten als ein hochwinkeliges Dreieck in die Scheitelbeine hinein. Schädelſymmetrien, jo ſehr ihr Einfluß auf intellectuelle Fähigkeiten beſtritten wird, beobachtet man in größter Fre— quenz an den Schädeln der Idioten. Sie betreffen jedoch nicht immer alle Verhältniſſe des Kopfes, ſondern beſchränken ſich hie und da auf einzelne Theile desſelben. So findet man Hervorragung einer Stirn— beinhälfte vor der andern, höhere Wölbung und größere Breite des einen Scheitelbeins mit ſchief laufender Pfeilnaht oder einſeitige Hinterhauptswölbung mit Abflachung der anderen Seite, wobei in der Regel das foramen magnum aus der Mittellinie zu treten pflegt. 198. IX. 22. 350 Bei Ungleichheit der vorderen Schädelpartien ergeben ſich ſodann Schiefſtellungen der Geſichtsknochen, ſo daß die eine Hälfte (Augenhöhlen, Jochbeine und Oberkiefer) je nach Umſtänden ſich tiefer nach unten neigt oder mehr nach hin— ten zurücktritt. Die Aſymmetrien des Schädelbaus erſtrecken ſich auch noch auf die volumina der zum Aus- und Eingange der Nerven und Gefäße beſtimmten Canäle und Offnungen. In dieſer Beziehung iſt die Vergrößerung des einen foramen jugulare und der fossa jugularis der einen Seite im Ver⸗ hältniſſe zur anderen die häufigſte. Übrigens ſah ich auch das foramen spinosum einerſeits erweitert, und das koramen condyloideum posticum auf der einen Seite vollkommen ent— wickelt, während es auf der andern fehlte. Dasſelbe bemerkte ich auch an der äußeren Offnung des Gehörganges. Mit der unregelmäßigen Bildung des ganzen Schädels ſtehen nun auch die Befunde bei innerer Betrachtung des— ſelben in einem gewiſſen Zuſammenhange. Die Knochen find ebenfalls entweder ausgezeichnet gracil oder hyperoſtotiſch oder von oben geſchildeter abwechſelnder Beſchaffenheit; auch ſah ich nicht ſelten die impressiones digita- tae und juga cerebralia auffallend markirt und die sulei vertieft. Es ergeben ſich ferner Raumverengerungen für die Ge— hirnlagen und namentlich für die vorderen Lappen durch Erhebung der knöchernen Grundlagen und ſpitzes Zuſammen— laufen der Stirnbeine (ſchmale Stirn); für die mittleren Hirntheile durch fehlerhafte Stellung der Felſenbeine und zu ſchroffes Herabfallen der Scheitelbeine und für den hinteren Gehirntheil durch Kürze und Emporrichtung des os basilare und den Mangel der Ausbuchtung des os oceipitis. Die von Hofrath Münz in Würzburg gemachte intereſſante Be— obachtung, daß die Schläfen- und Felſenbeine auffallend deprimirt ſeien, fand ich in der That bei vielen Schädeln beſtätigt und ebenfalls ein Mal den inneren Gehörgang ge— ſchloſſen. Den aſymmetriſchen Erſcheinungen der äußern Form entſpricht auch die innere Anſchauung des Schädels und da— her findet man nicht ſelten den Raum für die Gehirngruben einerſeits verengt und höher liegend, andererſeits erweitert und nach unten geſenkt. Intereſſante Vergleiche ergiebt vorzüglich die Betrachtung der lineae cruciatae mit ihren vier ſie begrenzenden Vertiefun— gen, wovon bekanntlich die beiden oberen den hinteren Lap— pen der großen Gehirnhemiſphären, die beiden unteren den Hemiſphären des kleinen Gehirns entſprechen. Man findet hiebei die oberen Niſchen oft ganz verflacht oder bloß die eine derſelben und eben ſo die unteren von ungleicher Tiefe und in ihrer Form verſchoben, ſo daß die normale Kreuzung der ſie trennenden Linien in verſchobener Richtung erſcheint. Im Gefolge der genannten Abnormitäten des Schädels ſind häufig auch Abnormitäten am übrigen Skelete vorhan— den. So ſah ich, außer den ſchon erwähnten Gelenken in der Mitte beider Schlüſſelbeine, ſämmtliche Knochen des Kör— pers zu dünn oder zu derb, die Oberertremitäten im Ver— gleiche zu den untern zu kurz oder zu lang, Verſchmelzung 351 der Rippen, Verkürzung des Schenkelhalſes, was vielleicht in einiger Beziehung zu dem eigenthümlichen Gange ſtand und bei der ſogenannten rhachitiſchen Form Verbiegungen aller Art. Die Zergliederung des Gehirns zeigt eine nicht gerin— gere Varietät abnormer Zuſtände als die Unterfuchung feiner knöchernen Umkleidung. Man findet hie und da die dura mater verdickt, mit dem Schädelgewölbe oder der arachnoidea und durch letztere mit der Hirnſubſtanz verwachſen. Was den Bau des Gehirns anbelangt, iſt nicht ſelten das ganze Organ im vollen Umfange hinter der normalen Entwickelung zurückgeblieben (Mikrocephalie), oder es haben quantitative Mißverhältniſſe zwiſchen großem und kleinem Gehirne Statt, oder es beſteht eine Ungleichheit der Hemi— ſphären und der einzelnen Theile unter ſich ſelbſt. Am häu— figſten ſind es die großen Hemiſphären, welche in ihrer Aus— bildung beeinträchtigt erſcheinen und zwar ſowohl die vor— deren als die hinteren Lappen. Dieſe fand ich ſo ſehr ver— kürzt und in aufgewulſteter fötaler Geſtalt, daß ſie (wie man ſolches bei Thieren beobachtet) das cerebellum nicht bedeck— ten. Ich habe zum Behufe verartiger Unterſuchung den Kopf der Leiche niemals in horizontaler, ſondern immer in verticaler Stellung geöffnet, weil im erſten Falle nach Hin— wegnahme der calvaria die frei gewordene Gehirnmaſſe zurück— zuſinken und ſogar ſich über den Knochenrand hinüber zu beugen pflegt, während die vorderen Partien ebenfalls aus ihrer natürlichen Lage zurückgeſchoben werden. An dieſen Verkümmerungen des Gehirns nehmen auch die Nerven, wenigſtens an ihrem Urſprunge Theil, und ich bedauere, daß ich fie bei den von mir vorgenommenen See— tionen wegen Mangel an Zeit und Gelegenheit nicht weiter verfolgen konnte. Auch das verlängerte Mark fand ich ein Mal bei Verengerung des koramen magnum in ſo atrophi— ſchem Zuſtande, daß es einem ſchwachen, leicht zerreißbaren Bande glich. Die Windungen auf der Oberfläche des Gehirns ſind entweder ſehr ſeicht oder zu tief oder einzeln für ſich abge— ſchloſſen. Die Subſtanz zeigt bei ihrer Durchſchneidung entweder zu große Weichheit oder Härte; auch erſchien mir faſt bei allen von mir angeſtellten Sectionen die Corticalſubſtanz auf Koſten der medullaren vorherrſchend. Abweichungen in der Raumbeſchaffenheit der Ventrikel gehören zu den frequenteren Erſcheinungen. So ſah ich den rechten Lateralventrikel weiter als den linken, beide außer— ordentlich erweitert, mit Verdrängung der Gehirnmaſſe ſelbſt, wobei in der Regel die thalami nervorum opticorum und corpora striata im Zuſtande der Erweichung waren, den dritten verengt (Jäger vermißte ihn in einem Falle ganz), 198. IX. 22. 352 und ſogar an einem, im Beſitze des Prof. Dr. Valentin in Bern befindlichen Präparate einen überzähligen fünften Ventrikel im cerebellum. Hydropiſches Exſudat in der Schädelhöhle iſt eine faſt conſtante Zugabe aller benannten Abnormitäten, und zwar ſowohl das ganze sensorium umgebend als auch die Ven— trikel ausfüllend; und ſelbſt die plexus choroidei ſah ich mit großen und reichlichen Hydatiden beſetzt. Als Folge dieſer Waſſerergüſſe findet man nicht ſelten Erweichungen der von ihnen beruͤhrten Partien. Was die übrigen innern Organe des Körpers anbelangt, iſt mir außer dem Vorhandenſein der glandula thymus bei einem jährigen Mädchen und zweier Abnormitäten im Baue des Herzens, wovon das eine dilatirt, das andere im gan— zen Umfange zu klein war, nichts beſonders merkwürdiges vorgekommen. Miſcelle. (38) Über die Injectionen in die tuba Eustachii enthält Oppenheims Zeitſchr. Jan. 1849 einen Aufſatz von Dr. Stuhlmann, deſſen Reſultate wir hier aufnehmen: 1) Wenn ſich bei einer Injection von Luft oder Waſſer ins orificium palat. tubae das Trommelfell anſpannt, fo braucht deshalb das mittlere Ohr nicht vollkommen lufthaltig zu ſein, ſondern die Communi⸗ cation der Trommelhöhlenluft mit der des vordern Tubatheils iſt nur durch keine feſte Subſtanz aufgehoben. — 2) Hört man bei einer ſolchen Injection Schleimraſſeln, ſo iſt im vorderen Theile der tuba Schleim enthalten. — 3) Fehlt dieſes Raſſeln, fo kann trotzdem in einem hinteren Theile der tuba oder in der Trommel⸗ höhle Schleim vorhanden fein. — An k therapeutiſchen Reſul⸗ taten ergiebt ſich folgendes: 1) Ein durch einen Katheter eingelei= teter comprimirter Luftſtrom gelangt kaum weiter in die tuba als der Katheter eingebracht iſt: die Luft ſtrömt zwiſchen der Wand des Katheters und der tuba in entgegengeſetzter Richtung wieder aus. — 2) Dabei kann ſie Flüſſigkeiten und leicht bewegliche feſte kleine Körper mit fortführen und zwar um ſo mehr, je tiefer der Katheter eingebracht wurde. — 3) Dasſelbe gilt von einem einge: ſpritzten Waſſerſtrahle, der ſich aber nicht wie Luft, wenn ſie den Katheter verlaſſen, ausdehnen kann: er wird daher, wenn er keine Brechungen erleidet, um ſo weiter eindringen, je feiner er iſt und zwar leichter in eine lufthaltige als in eine mit Flüſſigkeit gefüllte tuba. — 4) Der eingeſpritzte Waſſerſtrahl kann ebenfalls leichte Körper mit fortnehmen und harten Schleim aufquellen und zur ſpätern Ausführung vorbereiten. — 5) Solche Luft- und Waſſer⸗ douchen üben auf die hintern Theile der tuba und Trommelhöhle einen Druck aus, der, wenn er ftarf genug iſt, das Trommelfell ſprengen kann. — 6) Wenig gefpannte Dämpfe miſchen ſich bei dieſem Verfahren allmälig mit der ganzen Luft des mittlern Ohres, was durch den Athemproceß (ſ. jedoch die Bemerkung des Ref.) und nach dem Diffuſionsgeſetze bewirkt und durch tieferes Einfüh— ren des Katheters beſchleunigt wird. — 7) Hygroſkopiſche Sub— ſtanzen (vertrockneter Schleim) können von den eingeleiteten Däm⸗ pfen getroffen, erweicht und verflüſſigt werden. — Demnach find dieſe Heilmethoden aus phyſicaliſchen Gründen nicht zu verwerfen und durch einfachen mechaniſchen Reiz der Rachenſchleimhaut und des orilicium tubae zu erſetzen. Bibliographiſche Neuigkeiten. W. Cockburn. 077 5 A New System of Geology, dedicated to Professor Sedqwick. os . (pp. 70.) London 1849. 3 sh. 6 d. A treatise on the Ancroid, a newly invented Nenne Barometer; with a short historical Notice of Barometers in general, their Construction and Use by Edward J. Dent. So. (pp. 34.) London 1849. 1 sh. 6 d. = Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, eee e zum neunten Bande dritter Reihe der Notizen aus dem Gebiete der Natur- A. Abbott, über den Austritt des Indus im J. 1842. 25. Aberle, Überſicht der Lebensdauer und des Geſchlechts von 180 an der Blauſucht ver- ſtorbenen. 240. Acanthochermes Quercus. 327. Aconitin, erfolgreiche Anwendung desſ. bei neuralgia facialis. 253. Aerolithen, über das Fehlen derſ., wie aller Spuren einer Einwirkung von Eis in den Schichten, die ſchon vor der letzten großen Erdumwälzung beſtanden. 36. Ather, Aldehyd und Chloroform als ſchmerz— ſtillendes Mittel während der Heilung von Wunden angewendet. 128. Atheriſation, üb. die Gefahren derſ. 119. Aldehyd, ſ. Rour. Ale und Porter, üb. die Menge der unor— ganiſchen Beſtandtheile in denſ. 38. Ammoniak, harnſaures, üb. den therapeuti⸗ ſchen Werth desſ. 32. Ampo oder Tanahampo, eßbare Erdart auf Java. 72. Anäſtheſie, künſtliche, 128. Aneurysma der Kranzarterien des Herzens. 183. Anneliden und Cruſtaceen, Structur und Verrichtung der Branchialorgane bei denſ. 346. bei den Chineſen. und Heilkunde. Aorta, Durchbohrung derſ. durch ein Knochen— ſtück. 48. Atrophie der Genitalien nach mehrmaliger ſyphilitiſcher Infection. 153. Auerochſe und deſſen Fang. 209. Augapfel, Paracenteſe desſ. 32. B. Baly, üb. die Verhütung des Scorbuts in Gefängniſſen, Armenirrenhäuſern u. ſ. w. 249. Baumgärtner, K. H., die Cholera. 25. 41. Baumgärtner, über die Wirkungen der na⸗ türlichen Electricität auf die elektro-magne— tiſchen Telegraphen. 305. Baur, üb. den therapeutiſchen Werth des harnſauren Ammoniaks. 32. Beckenverengerung, Fall derſ., in welchem die äußere Meſſung mittels des Baude— locqueſchen Cirkels, ſowie die innere mittels des Zeigefingers ſich als unrichtig ergaben, während der Vanhuevelſche Beckenmeſſer allein als genau ſich erwies. Kaiſerſchnitt; Tod; Section. 169. Bein, Fall von erfolgreich ausgeführter Am⸗ putation einer Verſchwärung desſelb. mit Krebsgeſchwür, wobei die Leiſtendrüſen be— reits angeſchwollen waren. 238. Beinbrüche, Behandlung derſ. mittels ein- facher Gutta-percha-Schienen. 313. Bemerkungen während einer botaniſchen Aus— flucht nach Schah Bilawal geſchrieben. 17. van Beneden, üb. die Organiſation und Ent⸗ wickelung der Nicothoe. 165. Bernard und Barreswil, Zuckergehalt der Leber. 120. Bewegung, über die ſcheinbare der Figuren blauer und rother gewirkter Muſter. 33. Biber, Beiträge zur Anatomie und Phyſto⸗ logie desſ. 97. Blanchard, üb. das Nervenſyſtem der mei⸗ ſten wirbelloſen Thiere. 201. Bleiglaſur der Töpfergeſchirre. 139. Blennorrhagie, Peterſilienſaft dagegen. 224. Blut, ſ. Dechamps. Blutflecken auf mehligen Subſtanzen, ver⸗ meintliche, Erklärung derſ. 143. Bodenarten, verſchiedene, üb. die Beziehun⸗ gen zwiſchen den mineralogiſchen Beſtand⸗ theilen derſ. und ihren Pflanzenerzeugniſ— ſen. 321. Bohrmuſcheln, üb. die Art des Bohrens derſ. 8. Boudin, Unterſuchungen üb. phyſiologiſche und pathologiſche Unterſchiede der Men⸗ ſchenracen. 109. Bouger, Exſtirpation eines Polypen in den Stirnhöhlen. 235. Bouiſſon, üb. die Gefahren der Atheriſation. 119. Bourgery, üb. das intermediäre Capillar⸗ ſyſtem. 65. — zweite Denkſchrift üb. das Capillargefaͤßſyſtem. 116. 354 Bowling, die Behandlung des prurigo se- nilis. 192. Braufemifchung. 208. Bretſchneider, Neuralgia hydrargyrosa s. mercurialis. 57. Brinton, üb. die Bewegungen des Magens. 341. Bromfield, Bemerkungen üb. das Wetter, die Flora u. ſ. w. der verein. Staaten, auf einer Reiſe in den Jahren 1846 und 47 geſammelt. 231. Brookes, erfolgreiche Anwendung des Aconitin bei neuralgia facialis. 253. Bruch des aufſteigenden Aſtes des Sitzbeines und des abſteigenden Aſtes des Schambei— nes durch Muskelzuſammenziehung. 112. Bruchbänder, galvaniſirte. 255. Brunner, elektriſche Lichterſcheinungen ohne Donner. 152. Burow, Behandlung der Beinbrüche mittels einfacher Gutta-percha-Schienen. 313. Butcher, Fall von Punction des Gehirnes. 236. E. Calomel, üb. die Anwendung desf. bei acı= ten Entzündungen. 192. Cantu, neue Methode, das Jod und Brom nachzuweiſen. 282. Capelletti, Bruch des aufſteigenden Aſtes des Sitzbeines und des abſteigenden Aſtes des Schambeines durch Muskelzuſammenzie— hung. 112. Capillarſyſtem, üb. das intermediäre. 65. 116. Caries, ſ. Tuſon. Carlisle, Verſtopfung des Harnleiters durch ein diverticulum. 206. 2 Caſtoreumarten, vergleichende Analyſe derſ. 102. Catarrhus suffocativus bei Kindern und Er: wachſenen. 319. Chilla, eine Salviaart in Mittelamerica. 184. China, der Gebrauch derſelben gefährlich wegen Erzeugung tuberculöſer Schwind— ſucht. 336. Chinin und Cinchonin als Fiebermittel. 89. Chloroform, ſ. Rour. — Chl. in den hoh— len Zahn gegen Zahnſchmerz. 160. Chlorops lineata, |. Inſeet. Chloroſis 71. Cholera. 25. 41. 265. — Ch. verwandt mit dem Wechſelfieber. 80. — ſ. de Smyt⸗ tere. Regiſt er. Cinchonin, ſ. Kindt. Clark, üb. Kellia rubra. 343. Cochinellezucht in Antigua. 138. Collodium bei einer Speichelfiſtel. 304. Conium maculatum, üb. die Anwendung desſ. bei ſchmerzhaften Übeln. 271. Courty, üb. den Bau und die Verrichtungen der Dotteranhängſel der vesicula umbili- calis des Huhnes. 241. 257. Cretinismus. 345. Cruſtaceen, ſ. Williams. 346. Cryptomonas curvata, üb. die Lichtſcheu derſ. 313. Cypris, Ei derſ. 328. D. Dampf bei Pferden. 272. Darmblutungen der Neugeborenen (melaena infantum). 7. Davy, Beobachtungen üb. den Tauſendfuß (Scolopendra morsitans) und die große weſtindiſche Landſchnecke (Helix oblonga). 53. Dechamps, die normale Gegenwart von Ku— pfer im menſchlichen Blute. 56. Deſor, ſchwimmende Eisberge. 104. — üb. die Fluth und ihr Verhältniß zu den geo— logiſchen Erſcheinungen. 337. Dickhäuter, Überreſte eines neuen (Elothe- rium magnum). 216. Diday, ein Verfahren zur Anlegung von Gegenöffnungen. 78. Diron, üb. die Menge der unorganiſchen Beſtandtheile im Ale und Porter. 38. Dolmatow, üb. den Auerochſen und deſſen Fang. 209. Dufour, Osmylus maculatus. 42. Dupré, Harnröhrenblutung durch Adſtrin— gentien geheilt. 76. Dureau de la Malle, üb. den Morgengeſang einiger Tagvögel. 118. Durocher, über die Beziehungen zwiſchen den mineralogiſchen Beſtandtheilen verſchiede— ner Bodenarten und ihren Pflanzenerzeug⸗ niſſen. 321. E. Eierſtock von Cypris ſcheint üb. die Entſte— hung der Eier einigen Aufſchluß zu geben. 55. — Exſtirpation zweier Geſchwülſte des Eierſtockes. 288. Eisberge, ſchwimmende. 104. Electricität, natürliche, üb. die Wirkungen derſ. auf die elektro-magnetiſchen Telegra⸗ phen. 305. Evans, Hydatidenbalggeſchwulſt in der Sub: ſtanz des Herzens. 320. Evreſt, Vergiftung eines neugeborenen Kin⸗ des durch 1½ Tropfen Laudanum. 224. F. Fauvel, üb. Catarrhus suflocativus bei Kin⸗ dern und Erwachſenen. 319. Fenzl, zwei monſtröſe Blüthen von Rosa centifolia. 56. Fibula, Fall von Reſection derſ. mit glüd- lichem Ausgange. 157. Fiſch, großer unbekannter, zum Geſchlechte der Rochen gehöriger. 328. — üb. das Licht der leuchtenden Fiſche. 169. Flourens, üb. das Nichterbrechen der Pferde. 144. Flüſſigkeiten, gefärbte, Verſuche üb. die Ab⸗ ſorption derſ. durch lebende Pflanzen. 106. Fluth, üb. dieſelbe und ihr Verhältniß zu den geologiſchen Erſcheinungen. 337. Forſter, merkw. Lufterſcheinung zu Brügge. 265. Fremy, üb. das Reifen der Früchte wie der gallertartigen Pflanzentheile. 70. Füße, eine ſchmerzhafte Krankheit derſ., ent— ſprechend der ſogenannten Akrodynie. 297. Fußgeſchwüre, ſ. Walker. G. Gagat. 129. Gegenöffnungen, ein Verfahren zur Anlegung derſ. 78. Gehirn, Fall von Punction desſ. 236. Gehirnſubſtanz, Veräſtelung der Primitiv- faſern derſ. 145. Gelenke von den Conerementen derſ., Gelenk— mäuſe, conerementa, corpora mobilia ar- ticulorum, mures in artieulis. 91. Geſchlechtsorgane der Infeeten, Wichtigkeit derſ. für die Glaffification. 138. Geſteine und Mineralien, üb. die Zerſetzung und theilweiſe Auflöſung derf. durch rei nes wie durch mit Kohlenfäure geſchwän— gertes Waſſer. 49. Geſteinmaſſen, über den innern Druck, dem fie unterworfen waren und deſſen muth—⸗ maßlichen Einfluß auf die Erzeugung der blätterigen Structur. 20. Gicht, Pathologie derſ. 329. Gold, üb. die Zuſammenſetzung des in Cali⸗ fornien gefundenen. 148. Graur, Fall von Reſection der fibula mit glücklichem Ausgange. 157. Graves, üb. den Puls bei pericarditis. 176. — üb. die Anwendung des Calomels bei acuten Entzündungen. 192. — Brauſe⸗ miſchung. 208. — Weinſteinconeremente im Darmecanale nach dem Gebrauche der flüſſigen Magneſia. 269. — eine ſchmerz⸗ hafte Krankheit der Füße, entſprechend der ſ. g. Akrodynie. 297. Günther, veränderte Methode für den hohen Steinſchnitt. 80. Guérin-⸗Meneville, die ätheriſchen Ole, zu— mal das Terpenthinöl, ein treffliches Mit— tel zur Vertilgung der Muſcardineſporen. 72. — Cochinellezucht in Antigua. 138. Gutta-percha-Schienen, ſ. Burow. H. Haarbalggeſchwülſte der orbita. Hämorrhoidalknoten, ſ. Houſton. Hamilton, einige Fälle von ſchmerzhaften Affectionen des n. trigeminus. 215. Harnleiter, Verſtopfung desſ. durch ein di- verticulum. 206. Harnröhrenblutung durch Adſtringentien ge— heilt. 76. Heidler, üb. die Cholera. 265. Heller, über den Staat Tabasco, den Staat Chiapas und Soconusco in der Republik Mexico. 288. Henle, üb. Chlorofis. 71. — der Gicht. 329. Henry, üb. die Zuſammenſetzung des in Ca— lifornien gefundenen Goldes. 148. Herz, merkwürd. Fall von angeborenem Bil: dungsfehler desſ., das aus einem Ventri— kel und einem Vorhofe beſtund. 172. — ſ. Peacock. v. Heßling, eine hiſtologiſche Neuigkeit. 1. — Veräſtelung der Primitivfaſern der Ge— hirnſubſtanz. 145. Himalayagebirge. 248. Hiſtologiſche Neuigkeit. 1. d' Hombres-Firmas, über den Nutzen eines Gartens zur Pflanzenacelimatifirung. 113. Hopkins, über den inneren Druck, dem die Geſteinmaſſen unterworfen waren und deſ— ſen muthmaßlichen Einfluß auf die Erzeu⸗ gung der blätterigen Structur. 20. Houſton, über die äußere Anwendung der Salpeterſäure bei Hämorrhoidalfnoten. 206. Huhn, über den Bau und die Verrichtungen 272. Pathologie Regiſter. der Dotteranhängſel der vesicula umbilica- lis desſ. 241. 257. Hydatiden in den Beckenknochen. 205. Hydatidenbalggeſchwulſt in der Subſtanz des Herzens. 0. Hyperaesthesia cutanea, allgemeine. 201. J. Incontinenz im Alter durch Hypertrophie der Vorſteherdrüſe bedingt. 256. Indus, Austritt desſ. im J. 1842. 25. Infuſorien, einige neue Beobachtungen üb. dieſ. 5. — üb. die Verdauungs- und Circulationsorgane derſ. 87. Inſect, dem Getraide höchſt ſchädliches (Chlo- rops lineata), Bericht der Pariſer Akade— mie üb. eine Note von Iſid. Pierre dasſ. betr. 182. Inſtinct, merkwürdiger, bei Thieren. 167. Jod und Brom nachzuweiſen, neue Methode dazu. 282. le Jolis, üb. eine neue Art des Genus Phor- mium. 85. Ivonneau, Collodium bei einer Speichel— filtel. 304. K. Kartoffelkrankheit. 120. Keller, die Strömung der Ebbe und Fluth an den Küſten eine Urſache der häufigen Schiffbrüche. 137. Kellia rubra. 343. Keyſer, Durchbohrung der aorta durch ein Knochenſtück. 48. Kindt, Chinin und Cinchonin als Fiebermit⸗ tel. 89. Kino der Tenaſſerimprovinzen. 234. Körper, Verhältniß des menſchlichen. 42. — drüſenartige K. in der Epidermis verſchie— dener Labiaten und noch einiger Pflanzen. 184. } Kollar, üb. Acanthochermes Quercus. 327. Krohn, Notiz üb. die Eierſtöcke der Pyeno— goniden. 225. Krokodil von ungeheurer Größe, Skelet eines ſolchen in Newjerſey ausgegraben. 314. Kupfer, die normale Gegenwart desſelb. im menſchlichen Blute. 56. L. Ladame, über elektriſche Lufterſcheinungen. 177. 355 Lallemand, Peterſilienſaft gegen Blennorrha⸗ gie. 224. Landſchnecke, große weſtindiſche (Helix ob- longa). 53. Leber, Zuckergehalt derſ. 120. Lehmann, vergleichende Analyſe der Caſto⸗ reumarten. 102. Lereboulet, Ei der Cypris. 328. Levinſtein, ſtethoſkopiſches Zeichen einer Ma⸗ gendarmfiſtel. 64. Liquidambarbaum der Tenaſſerimprovinzen. 214. Locke, üb. das einfache und doppelte ß Sehen der Gegenſtände mit beiden Augen und üb. optiſche Täuſchungen hinſichtlich der Entfernung der Gegenſtände. 227. Luft und Waſſer der Städte, üb. die Ber ſchaffenheit derſ. 111. Lufterſcheinungen, elektriſche. 177. — merk— würdige Lufterſcheinung zu Brügge. 265. Luftzieher als Erſatz für die Geburtszange. 141. M. Maddens, das Himalayagebirge. 248. Mäuſe, weiße. 193. Magen, üb. die Bewegungen desſ. 341. Magendarmfiſtel, ſtethoſkopiſches Zeichen der— ſelben. 64. Maisbau in Mittelamerica, über denſelben und die Benutzung feiner Erzeugniſſe, bes ſonders üb. die Bereitung der Tortilles und des Totoposte. 168. Marcet, üb. den Einfluß des Chloroforms auf Mimosa pudica. 89. Marſhall Hall, üb. die Wirkung einiger phy— caliſchen und chemiſchen Agentien auf das Nervenſyſtem. 273. Martin, üb. den Orcan, der am 14. Febr. 1849 in Bedfordſhire wüthete. 310. Matteucei, das Licht der leuchtenden Fiſche. 169. Maulthier und Mauleſel, üb. die Fruchtbar⸗ keit derſ. 345. Menſchenracen, Unterſuchungen üb. phyſiolo— giſche u. patholog. Unterſchiede derſ. 109. Mercier, Incontinenz im Alter durch Hyper⸗ trophie der Vorſteherdrüſe bedingt. 256. Milch in der Bruſt einer alten Frau. 64. — üb. die Zuſammenſetzung der M. während verſchiedener Phaſen des Melkens und üb. die Vortheile des unterbrochenen Melkens für die Butterbereitung. 326. Mohnike, Ampo oder Tanahampo, eßbare Erdart auf Java. 72. 356 Morgengeſang einiger Tagvögel. 118. v. Motſchulſky, einige Worte üb. den Tar- was, Tarwaha, Tarwahalla der Runen: fagen. 161. Muſcardineſporen, die ätheriſchen Ole, zu: mal das Terpenthinöl gewähren ein treff— liches Mittel zur Vertilgung derſ. 72. N. Nasmyth, entſchwefelte Steinkohle ritzt das Glas. 234. Naſſe, Gebrauch der China gefährlich wegen Erzeugung tubereulöſer Schwindſucht. 336. Nekrolog. 26. 160. 208. Neligan, üb. die Anwendung des Conium maculatum bei ſchmerzhaften Übeln. 271. Nervenſyſtem der meiſten wirbelloſen Thiere. 201. — üb. die Wirkung einiger phyſi⸗ caliſchen und chemiſchen Agentien auf das N. 273. Nervus trigeminus, einige Fälle von ſchmerz— haften Affectionen desſ. 215. Neucourt, Behandlung der Warzen durch Eſſigſäure. 80. Neuralgia hydrargyrosa s. mercurialis. 57. — N. facialis, ſ. Brookes. Neuralgien, Verſchiedenheit der Behandlung derf. je nach ihrem Sitze. 174. Nichterbrechen der Pferde. 144. Nicothoe, üb. die Organiſation und Ent⸗ wickelung derſ. 165. Nöggerath, üb. den Gagat. 129. Nordlicht vom 17. Nov. 1848. 23. 153. O. Orcan, der am 14. Febr. 1849 in Bedford— ſhire wüthete. 310. Ormancey, Wichtigkeit der Geſchlechtsorgane der Inſecten für ihre Claſſification. 138. Ornithorhynchus, Bemerkungen zu Jules Ver⸗ rauxs Beobachtungen üb. denſ. 81. Dfeillatorien, üb. die Art des Wachsthumes derſ. wie der verwandten Algenarten. 213. Osmylus maculatus. 42. Owen, Bemerkungen zu Jules Verrauxs Be— obachtungen üb. den Ornithorhynchus. 81. P. Palmella-Arten, Fortpflanzung derſ. 7. Paraſiten, phanerogame. 40. Parchappe, die allmälige Abnahme des Ver— Regiſter. ſtandes beim Wahnſinne ſteht mit einer allmäligen Abnahme des Gehirnes im Zu— ſammenhange. 58. Patchouly, Stammpflanze desſ. 151. Paterſon, ein fremder Körper, in der Speiſe⸗ röhre veranlaßt eine Offnung nach der trachea. 251. Peacock, Aneurysma der Kranzarterien des Herzens. 183. Pericarditis, üb. den Puls bei derſ. 176. Perioſteum, Wichtigkeit desſ. für die Heilung von Knochenverletzungen. 283. 295. Pflanzenaeclimatiſirung, üb. den Nutzen eines Gartens zu derſ. 113. Pflanzenfaſern, üb. einige weniger bekannte ausländiſche. 312. Pflanzenmonſtroſitäten. 88. Philipps, üb. die freiwillige Cohäſion der Thonerdetheilchen. 67. Phormium, üb. eine neue Art dieſes Genus. 85. Phosphoreſcenz des Agaricus olearius L., der Rhizomorpha subterranea Pers, und der abgeſtorbenen Eichenblätter. 197. Piassaba, eine Palmfaſer. 296. Pigeolet, Chloroform in den hohlen Zahn gegen Zahnſchmerz. 160. Placenta, üb. die freiwillige Austreibung und die künſtliche Ausziehung derſ. vor dem foetus in den Fällen von vorliegender placenta. 203. Pleiſchl, üb. die Bleiglaſur der Töpferge— ſchirre. 139. Pneumonie des Pferdes. 105. Polyp, Erſtirpation eines ſolchen in den Stirnhöhlen. 235. Popham, üb. die Behandlung des acuten Rheumatismus mit der Chinarinde. 207. Portlock, üb. das Fehlen der Aerolithen wie aller Spuren einer Einwirkung von Eis in den Schichten, die ſchon vor der letzten großen Erdumwälzung beſtanden. 36. Pouchet, üb. die Verdauungs- und Circu— lationsorgane der Infuſorien. 87. Proteine gegen caries. 64. Prurigo senilis, Behandlung desſ. 192. Pyenogoniden, Notiz üb. die Eierſtöcke derſ. 225. N. Racle, 201. Ralfs, üb. die Art des Wachsthums der Oſ— eillatorien wie der verwandten Algenarten. 213. allgemeine hyperaesthesia cutanea. Reali, ein volvulus durch Gaſtrotomie ge: heilt. 9. Reifen der Früchte wie der gallertartigen Pflanzentheile. 70. Reiſet, üb. die Zuſammenſetzung der Milch während verſchiedener Phaſen des Melkens und üb. die Vortheile des unterbrochenen Melkens für die Butterbereitung. 326. Renault, Verſuche üb. die raſche Mitthei— lung des Rotz- und Pockengiftes. 104. Rheumatismus, acuter, üb. die Behandlung desſ. mit der Chinarinde. 207. Rilliet, üb. die Darmblutungen der Neuge— borenen (melaena infantum). 7. Ringland, Fall von hyſteriſchem Krampfe des Zwerchfelles. 204. Rogers und Rogers, üb. die Zerſetzung und theilweiſe Auflöſung der Geſteine und Mi— neralien durch reines wie durch mit Koh: lenſäure geſchwängertes Waſſer. 49. Rosa centifolia, zwei monſtröſe Blüthen derſ. 56. Roſſignon, üb. den Maisbau in Mittelame⸗ rica und die Benutzung ſeiner Erzeugniſſe, beſonders die Bereitung der Tortilles und des Totoposte. 168. Rotz- und Pockengift, Verſuche üb. die rar ſche Mittheilung desſ. 104. Rour, Ather, Aldehyd und Chloroform als ſchmerzſtillendes Mittel während der Hei— lung von Wunden angewendet. 128. Rozet, Beobachtungen üb. Wolkenbildung, in den Pyrenäen angeſtellt. 324. Ruhr, Behandlung derf. mit Warmwaſſer⸗ klyſtiren. 256. Ryba, Haarbalggeſchwülſte der orbita. 272. S. Salpeterſäure, üb. die äußere Anwendung derf. bei Hämorrhoidalknoten. 206. Sandras, Verſchiedenheit der Behandlung der Neuralgien je nach ihrem Sitze. 174. Sauerſtoffgas, Einathmen desf., das vorzüg⸗ lichſte Mittel bei der Cholera. 96. Schiffbrüche, die Strömung der Ebbe und Fluth an der Küſte eine Urſache derſ. 137. Schlunddivertikel. 16. Schmerzſtillendes Mittel, ſ. Roux. Schmidt, einige neue Beobachtungen üb. die Infuſorien. 5. Schwefel- und Jodräucherungen bei Fußge— ſchwüren. 320. Schwefelſäure macht Holz, Kleidungsſtücke und andere leicht feuerfangende Stoffe un— verbrennlich. 296. Scorbut, üb. die Verhütung desſ. in Ge: fängniſſen, Armenirrenhäuſern u. ſ. w. 229. Sehen, üb. das einfache und doppelte der Gegenſtände mit beiden Augen und üb. optiſche Täuſchungenl hinſichtlich der Ent— fernung der Gegenſtände. 227. Sidney, üb. phanerogame Paraſiten. 40. Simeon, üb. die Geſundheit der Tabaksarbei⸗ ter. 254. Simonart, Fall von Beckenverengerung, in welchem die äußere Meſſung mittels des Baudelocqueſchen Cirkels, ſowie die innere mittels des Zeigefingers ſich als unrichtig ergaben, während der Vanhuevelſche Bek— kenmeſſer allein als genau ſich erwies. — Kaiſerſchnitt; Tod; Section. 169. Simpſon, üb. den Luftzieher (airtractor) Erſatz für die Geburtszange. 141. — üb. die freiwillige Austreibung und künſtliche Ausziehung der placenta vor dem foetus in den Fällen von vorliegen— der placenta. 203. — Unterſuchungen, ob Luft in die Uterusvenen bei der Ent: bindung eindringen könne. 268. Smith, üb. die Beſchaffenheit der Luft und des Waſſers der Städte. 111. de Smyttere, das Einathmen von Sauer: ſtoffgas das vorzüglichſte Mittel bei der Cholera. 96. Speiſeröhre, ein fremder Körper in derſ. ver: anlaßt eine Offnung nach der trachea. 251. Spina bifida, Heilung derſ. durch die Opera⸗ tion. 159. Spirometer von Hutchinſon. 143. Stahl, üb. den Cretinismus. 345. Steifenſand, die Cholera verwandt mit dem Wechſelfieber. 80. Steinkohle, entſchwefelte, ritzt das Glas. 234. Steinſchnitt, hoher, veränderte Methode für denſ. 80. Stevens, Heilung einer spina biſida durch die Operation. 159. Stoocks, Bemerkungen während einer botani— ſchen Ausflucht nach Schah Bilawal ge— ſchrieben. 17. Strattan, galvaniſirte Bruchbänder. 255. Stromeyer, von den Conerementen der Ge— lenke, Gelenkmäuſe, concrementa, corpora mobilia articulorum, mures in articulis. 91. v. Struve, Bemerkungen üb. weiße Müufe. 193. Regiſter. Stuhlmann, üb. die Injectionen in die tuba Eustachii. 352. Südauſtralien, Ausfuhr der Blei- und Kupfer⸗ minen daſ. 266. Swoboda, etwas üb. Pneumonie des Pfer⸗ des. 105. T. Tabaksarbeiter, üb. die Geſundheit derſ. 254. Tabasco, Chiapas und Soconusco, Staaten in der Republik Merico. 288. Tarwas, Tarwaha, Tarwahalla der Runen⸗ ſagen. 161. Tauſendfuß (Scolopendra morsitans) und die große weſtindiſche Landſchnecke (Helix ob- longa), Beobachtungen üb. dieſelben. 53. Tavignot, Paracenteſe des Augapfels. 32. Taylor, üb. die ſcheinbare Bewegung der Fi: guren blauer und rother gewirkter Muſter. 33. Telegraphen, elektro-magnetiſche, ſ. Baum⸗ gärtner. Thonerdetheilchen, üb. die freiwillige Cohä- ſion derſ. 67. e e, üb. die Injectionen in dieſ. Tulasne, üb. die Phosphoreſcenz des Agari- cus olearius L., der Rhizomorpha sub- terranea Pers. und der abgeſtorbenen Ei⸗ chenblätter. 197. Tuſon, Proteine gegen caries. 64. u. Unger, Verſuche, üb. die Abſorption gefärb— ter Flüſſigkeiten durch lebende Pflanzen. 106. Ufiglio, Analyſe des Waſſers des Mittelmee— res an Frankreichs Küften. 150. Uterusvenen, Unterſuchungen, ob Luft in dief. bei der Entbindung eindringen könne. 268. V. Valette, merkwürdiger Fall von angeborenem Bildungsfehler des Herzens, das aus ei— nem Ventrikel und aus einem Vorhofe be: ſtund. 172. Vereinigte Staaten, Bemerkungen üb. das Wetter, die Flora u. ſ. w. daſ., auf einer Reiſe in den Jahren 1846 und 47 geſam⸗ melt. 231. ; 357 Vergiftung eines neugeborenen Kindes durch 1½ Tropfen Laudanum. 224. Verſtand, die allmälige Abnahme desſ. beim Wahnſinne ſteht mit einer allmäligen Ab⸗ nahme des Gehirnes im Zuſammenhange. 58. Veſey, Fall von erfolgreich ausgeführter Anı= putation einer Verſchwärung des Beines mit Krebsgeſchwür, wobei die Leiſtendrü⸗ ſen bereits angeſchwollen waren. 238. Vincent, Wichtigkeit des Perioſteums für die Heilung von Knochenverletzungen. 283. 295. Vögel, wodurch der Flug derſ. unmöglich) gemacht wird. 202. Volvulus durch Gaſtrotomie geheilt. 95. W. Waddy, Milch in der Bruſt einer alten Frau. 64. Walker, Schwefel- und Jodräucherungen bei Fußgeſchwüren. 320. Warzen, Behandlung der. durch Eſſigſäure. 80 Waſſer des Mittelmeeres an Frankreichs Kü- ſten, Analyſe desſ. 150. Weber, Beiträge zur Anatomie und Phyſio⸗ logie des Bibers. 97. Weinſteinconeremente im Darmcanale nach dem Gebrauche der flüſſigen Magneſia. 269. Weiße, üb. die Lichtſcheu der Cryptomonas curvata. 313. Weld, das Nordlicht vom 17. Nov. 1848. 153. Williams, Structur und Verrichtung der Branchialorgane bei den Anneliden und Cruſtaceen. 346. Wolkenbildung, Beobachtungen üb. dief., in den Pyrenäen angeſtellt. 324. 3. Zabucajo, neue eßbare Nuß. 168. Zahnſchmerz, ſ. Pigeolet. Zwerchfell, Fall von hyſteriſchem Krampfe desſ. 204. A. Acheta Domestica. 253. Addison, W. 304. Andral, G. 176. Bazin, M. E. 64. Bennett, J. H. 192. Boissonneau pere et fils. Bowman, J. E. 239. Bryant, E. 127. Burgess, T. H. 128. C. Cockburn, W. 351. Coles, J. 208. Coote, Holmes. 287. D. Dana, J. D. 319. Day, G. E. 320. Deakin, R. 15. Dehaut. 48. Dent, Edw. J. 352. Dodd, H. W. 160. Duncan, J. F. 272. F. Faraday, M. 127. Forbes, J. D. 143. Fraser, L. 207. 335. G Gairdner, W. I. 128. Gardner, D. P. 207. 111. Regiſter. Gay, J. 224. Gosse, P. H. 127. 207. Gras, Albin. 63. Gray, A. 208. Grindrod, R. B. 192. H. Hall, J. 31. Harleß, E. 80. Harris, C. A. 240. Hippolyte-Auguilhon. 32. Höfle, Marc-Aurel. 112. Hooker, W. J. and J. C. Lyons. I. Jackson, J. R. 128. K. Kner, Rud. 127. L. Lane, Ch. 144. Latour, M. A. 176. Lavocat, A. 175. Lectures ete. 207. Lloyd, Humphrey. 303. M. Madden, Herries. 336. Miller, J. 256. Moore, Th. 239. N. Neligan, J. M. 240. Neumann, K. G. 96. 191. Bibliographische Neuigkeiten. 0. Owen, Rich. 303. P. Parquy, Ch. 175. Patterson, R. 143. Pedroni, P. M., fils. 176. Pereira, J. 144. Portlock. 159. Prichard, J. C. 223. Pritchard, A. 159. Pym, Sir Wm., Will. Burnett and Dr. Brys- son. 256. Quekett. 271. R. Regnault, M. E. 64. Reid, J. 208. Reyband. 47. Schwaab, W. 95. Sedgwick. 351. Sheppard, J. 319. Silver, E. D. 208. Smee, Alfred. 288. 4 5 Tardieu, Ambr. 16. The letters of Rusticus etc. W. Wittſtein, G. C. 79. 1. Young, E. 320. 255. Allgemeiner literarifch - artiftifcher Monatsbericht für Deutſchland. Ne. . Januar. 1849. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als 0 Intelligenz⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 8. oder 7 A. berechnet. Erſchienene Wenigkeiten. I. Bei Flammer und Hoffmann zu Pforzheim ſind ſo eben erſchienen und in allen Buchhandlungen Deutſchlands, der Schweiz, der öſterreichiſchen Kaiſerſtaaten ze. zu haben: Populäre Zriefe an eine gebildete Dame — über die geſammten Gebiete der Naturwiſſenſchaften. Von Guſtar Ziſchof, 45 Geh. Bergrath und Profeſſor zu Bonn. Erſtes Bändchen. Mit 6 lithographirten Tafeln und 6 Holzſchnitten im Text. Octav. Velinpapier. Geheftet 2 Thlr. oder 3 fl. 12 kr. Aus dem Vorworte: „Vielleicht, daß auch in einer außerordentlich bewegten Zeit, wo in Tagen, ja in Stunden politiſche Ereigniſſe ſich ſchneller drängen, als ſonſt in Jahren, in Jahrzehenden und in noch längeren Zeitab- ſchnitten, wo ſich die aufgeregten Gemüther vergebens nach einem Ruhe⸗ punkte ſehnen; vielleicht, daß in einer ſolchen Zeit das ſtillere, ruhigere Walten in der Natur im Stande iſt, einen ſolchen Ruhepunkt zu ge⸗ währen. — — Ob es mir durch den in dieſen Blättern eingefchlage- nen Weg gelungen iſt, Empfänglichkeit für die Naturwiſſenſchaften zu erwecken, Mittel zur naturwiſſenſchaftlichen Bildung darzubieten, mit den Beziehungen, welche Naturerſcheinungen zu unſerm Leben haben, vertraut zu machen, und das Höhere, das Unvergängliche im Vergänglichen, die innige Harmonie im großen Ganzen kennen zu lernen: dies muß ich dem Urtheile ſachkundiger Richter überlaſſen. Sollte dies Urtheil nicht ungünſtig ausfallen, ſo dürften dieſe Blätter wohl geeignet ſein, auch in Schulen naturwiſſenſchaftliche Bildung zu verbreiten.“ II. In Baumgärtners Buchhandlung zu Leipzig iſt To eben erſchienen und an alle ſolide Buchhandlungen verſendet worden: Die veterinär⸗chirurgiſche Inſtrumenten- Perband- und Operationslehre. Von Dr. E. Falke, FCuſtos des Großherzogl. zootomiſchen Cabinets und Docenten der Thierheil— kunde am landwirthſchaftlichen Inſtktute zu Jena. 8. broſch. Preis 10 Ngr. Im Mai ward von demſelben Verfaſſer aus unſerm Verlage verſchickt: Lehrbuch über den Hufbeſchlag und die Hufkrankheiten. 8. broch. Preis 7½ Ngr. III. Literariſche Anzeige. Bei J. J. Taſcher in Kaiſerslautern iſt ſo eben er⸗ ſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Leitfaden zu einem bildenden Unterrichte in der Naturgeſchichte, zunächſt für Schullehr⸗ linge und Schulſeminariſten. Von Ch. Grünewald, Lehrer am k. Schullehrerſeminar zu Kaiſerslautern. 3te vermehrte und verbeſſerte Aufl. 8. (23 Bogen) 112K. - IN Anzeige. So eben iſt in unſerm Verlage die neue Auflage von Dr. H. J. Weber's anatom. Atlas erſchienen. Wir erlauben uns auf dieſes anerkannt ausgezeichnete Werk hiermit aufmerkſam zu machen. Der Ladenpreis iſt 25 AG — Düſſeldorf. Arnz & Comp. ! 3 Erſchienene Neuigkeiten. 4 V. Bei Otto Wigand in Leipzig erscheint: Eneyklopädie der x GESANMTEN MEDICHN, ım Vereine mit mehreren Ärzten herausgegeben von Dr. Carl Christian Schmidt. Schmidt’s Encyklopädie der ge- sammten Medicin besteht I) aus 6 Bänden, welche, 481 Bogen stark, 18 Thlr. kosten; 2) aus 4 Supplementbänden, welche, 400 Bo- gen stark, 19 Thlr. kosten; mithin aus 10 Bänden, welche zusammen 37 Thlr. kosten. Obschon dieser Preis in Hinsicht der Bogenzahl ein billiger ist, so dürfte er doch für Viele uner- schwinglich sein, und ich eröffne deshalb eine neue Pränumeration , welche sowohl durch Erleichterung der Termine, in welchen die 10 Bände ausgegeben werden, als auch des billigen Preises wegen den Be- weis liefert, wie gern der Verleger Zeit und Umstän- den willig entgegenkommt. — Am 1. November 1848 erscheint der I. Band, und so am ersten eines jeden Monats 1 Band in Umschlag broschirt für den Preis von 1½ Thaler. Das ganze Werk wird demnach nur 15 Thaler kosten. Erschienen ist 14. Band. VI. Bei J. F. Steinkopff in Stuttgart ist so eben er- schienen und in allen Buchhandlungen zu ‚haben: Schneider, Dr. Sig. A. J., die Kopfver- letzungen in medicinisch-gerichtlicher Hinsicht. Vom badischen Verein für Staatsarzneikunde ge- krönte Preisschrift. 8. geh. Preis 2 fl. oder 1 Thlr. 27 Sgr. Wie sehr das Buch seinen Gegenstand auf eine ausgezeich- nete, höchst praktische, klare und bündige Weise behandelt, unterstützt von einer ungemeinen Bekanntschaft mit der deut- schen und ausländischen Literatur darüber, beweist schon die Preisertheilung des badischen Vereins für Staatsarzneikunde. VII. Busch, Dr. Dietr. Wilh. Heinrich, (Königl. Preuss, Geheimer Medicinal- Rath, ord. Professor der Me- diein und Director des klinischen Instituts für Geburtshülfe an der Königl. Er. Wilh. Universität zu Berlin, Ritter etc.), Lehrbuch der Geburtskunde. Ein Leitfaden bei akad. Vorlesungen und bei den Studien des Faches. Fünfte. sehr verm. und verb. Auflage. Mit 11 Holzschnitten. Berlin 1849. gr. Lex. 8. 3 Rthlr. 15 Sgr. Bauk’fche Buchhandlung. VIII. Bei Karl Heymann in Berlin iſt erſchienen und durch alle guten Buchhandlungen zu beziehen: Der Wunderbau des Weltalls oder , Populäre Aftronomie von Dr. F. H. Mädler. Vierte, vermehrte und verbeſſerte Auflage. gr. 8. elegant broch. Das ganze Werk erſcheint vollſtändig in 7—9 Lieferungen. a 12 9%. (Ngr.) = 42 A. Rh. — 36 . C. M. Die erſte bis vierte Lieferung ſind bereits verſandt. IX. Im Verlage des Landes- Industrie - Comptoirs in Weimar ist 1848 erschienen: Nationalitätskarte von Deutschland mit historischer Erläuterung und Tabellen von H. Kiepert. Ein Blatt Karte und 1½ Bogen Erläuterung und Tabellen. Roy.-Format. 12 Sgr. In der jetzigen Zeit, die man die Zeit des Freiheitskampfes der Nationali- täten nennen kann, und in welcher das deutsche Element in Deutschland nach der zu seiner politischen Entwickelung nothwendigen Selbstständigkeit ringt, ist Jedem, der an diesem Entwickelungsprocesse im Völkerleben Antheil nimmt, eine klare und gründliche Kenntniss der Nationalitätsverhältnisse in Deutsch- land Bedürfniss und von patriotischem Interesse. Die Auseinandersetzung die- ser Verhältnisse bieten wir in der hier angekündigten sehr schön gestochenen Karte nebst den beigefügten 1½ Bogen Text, welcher in gedrängtester Form die Resultate aller Forschungen über den Ursprung und Zusammenhang der verschiedenen, auf deutschem Boden einheimisch gewordenen Nationalitäten enthält und in tabellarischer Übersicht die Zahlenverhältnisse aller ver- schiedenen Stämme vollständig darbietet. Kiepert’s Name bürgt für die Gründlichkeit und Tüchtigkeit der Arbeit. j . Darſtellung des Land- und Seekriegs, für Dilettanten bearbeitet von J. C. Mathieu. . Erſte Abtheilung: Die Organiſation der Heere, Waffenlehre, Stra: tegie und Verpflegung. r 14½ Bogen gr. 8. mit 19 Holzſchnitten, 1 Chemitypie und 2 Litho⸗ graphien. geh. 3 Kg. 5 In dem Zeitpunkte, wo in Deutſchland allgemeine Wehrpflichtig- keit eingeführt wird, muß jedem Gebildeten eine klare, kurze und durch viele einzelne Beiſpiele unterhaltende Belehrung über alle Theile der Kriegskunſt ſehr willkommen ſein. Die zweite Abtheilung mit dem Feſtungs- und Seekriege folgt bald nach. Ein zeitgemäßeres Buch als dieſes iſt kaum zu denken. g Göthe's Briefe an Frau von Stein in den Jahren von 1776 bis 1826. Zum erſtenmal herausgegeben durch A. Schöll. Erſter Band. Mit dem Bildniſſe der Frau von Stein. XXIV. und 382 Seiten 8. geh. 2 N. i Durch dieſe Briefe, welche nach den Originalen mit gewiſſenhafter Genauigkeit vollſtändig abgedruckt ſind, wird durch 50 Jahre hindurch über die innere Entwickelung unſeres großen Dichters wohl mehr Aufſchluß gewährt, als durch irgend eine der bis jetzt uns mitgetheilten biographiſchen Schilderungen oder Briefwechſel. Bewunderung und dauernder Genuß bleibt nach dem Leſen zurück. Allgemeiner literarifch - artiſtiſcher No. 2, Februar. Monatsbericht für Deutſchland. 1849. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften; Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 9. oder 7 Ax. berechnet. Erſchienene Ueuigkeiten. f 3 j Versteigerung einer medicinischen Bibliothek. Vorläufige Anzeige. Im Mai d. J. wird durch den Buchhändler E. J. Brill zu Leyden die ausgezeichnete Bibliothek des verstorbenen Professors G. Sandifort verkauft werden. Diese Bibliothek enthält, ausser den besten Ausgaben der Griechischen, Lateinischen und Arabischen Arzte, eine kostbare Sammlung der vorzüglichsten Werke über Ana- tomie und Physiologie aus früherer und späterer Zeit, nebst denen über vergleichende Anatomie; ferner eine be- deutende Anzahl der besten Werke über Pathologie und The- rapie, Pharmacologie und Pharmacie, Chirurgie und Entbindungskunst, nebst vielen Werken übergerichtliche Medicin, ferner interessante Werke über Physik und Chemie, und endlich eine auserlesene Sammlung kostbarer Werke über Naturgeschichte, Reisebeschreibungen und überdies die Abhandlungen der bedeutendsten europäischen Uni- versitäten und gelehrten Gesellschaften. Eine zweite Abtheilung des Catologus soll die Werke über andere wissenschaftliche Fächer enthalten, als Theologie, Geschichte, Philologie u. s. W. und wird besonders zu bekommen sein. £ Der Catalogus, welcher bei Zeiten und in geräumiger An- zahl versendet werden wird, wird mit möglichster Genauigkeit abgesetzt werden und die Tage nebst den Bedingungen des Ver- Kaufs enthalten. Um die zweckmässige Verbreitung des Catalogus so viel als möglich zu befördern, bittet man, sich inzwischen für den Empfang eines Exemplars an die obengenannte Buchhandlung wenden zu wollen. Leyden, 10. Januar 1849. II. Soeben iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu be: ziehen: Dr. E. Gurlt, Prof. an der k. Thierarzueiſchule in Berlin, Anatomie der Hausvögel. Mit 5 lith. Tafeln. 8. Geh. Preis 27 Sgr. Berlin, Decbr. 1848. Auguſt Hirſchwald. III. Bei G. Basse in Quedlinburg ist so eben erschienen und in allen Buchhandlungen Deutschlands und des Auslandes zu haben: | Handbuch der Geburtskunde, mit Einschluss der Krankheiten der Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und neugeborenen Kinder. In alphabetischer Ordnung. Für Studirende und angehende Geburtshelfer bearbeitet von Dr. W. H. Wittlinger, ausübendem Arzte, Wundarzte und Geburtshelfer zu Frankfurt a. M. Gr. 8. Geheftet. Preis: 2 Thlr. 15 Sgr. . Im Verlage der Decker'schen Geheimen Ober- Hofbuch- druckerei in Berlin sind erschienen und in allen Buchhandlun- gen zu haben: 0 Auswahl neuer und schön blühender Gewächse Venezuela's, beschrieben von H. Kar- sten. Mit sauber colorirten Abbildungen von C. F. Schmidt: I. u. 2. Heft. gr. 4. 1848. a 2 %. Barnes, Jam., Briefe über Gärtnerei. Aus dem Englischen. 1846. 8. geh. 22½ 9%. Guthill, Jam., die Kultur der Früh- kartoffeln im freien Lande, ohne: künstliche Wärme. Aus dem Englischen übersetzt. Mit einem Beglei- tungsworte von Dr. Klotzsch. 1848. 8. Geh. 2 %. Leszezyc- Suminski, Graf, Zur Ent- .wickelungsgeschichte der Farrnkräuter. 1848. 4 Bogen 4. mit 6 schwarzen Kupfert. Preis 1 #6 colorirt 2 Rp. 2 7 Erſchienene Neuigkeiten. 8 V. Vollständig ist jetzt bei F. A. Brockhaus in Leip- zig erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Die operative Chirurgie von 3. F. Dieffenbach. Zwei Bände. Gr. 8. 12 Thlr. (Auch in 12 Heften zu 1 Thlr. zu beziehen.) Es wird genügen, die Freunde der Wissenschaft auf die Vollendung dieses Werkes aufmerksam zu machen, um demselben. als der wichtigsten Hinterlassenschaft des berühmten Verfassers, fort- währende und erneuerte Theilnahme zu sichern. Die epidemische Cholera; ein neuer Versuch über ihre Ursache, Natur und Behand- lung, ihre Schutzmittel und die Furcht vor derselben. Von Dr. K. J. Heidler, k. k. Rath und Brunnenarzt zu Marienbad etc. Zwei Abthellungen. Gr. 8. (28 Bogen.) Geh. 2 76. = 3 f C.-M. Neu ist in diesem Versuche theils die Art der Forschung und Begründung der gewonne- nen Resultate, theils aber sind es diese selbst. VI. Bei Ed. Kummer in Leipzig iſt ſoeben erſchienen: Rabenhorſt, Dr. L., Deutſchlands Kryptogamenflora oder Handbuch zur Beſtimmung der kryptogamiſchen Ge— wächſe Deutſchlands, der Schweiz, des Lombard.-Venet. Königreichs und Iſtriens. 2. Bd. 3. Abth. Leber-, Laub⸗ mooſe und Farren. 2. und letzte Lieferung 175. 6 Ngr. Hiermit iſt dieſe Kryptogamen-Flora nun vollſtändig und koſtet 7 /. 18 Ngr. In demſelben Verlage ſind von dieſem Verfaſſer früher folgende Werke erſchienen: Flora Lusatica, oder Verzeichniß und Beſchreibung der in der Ober- und Niederlauſitz wildwachſenden und häufig cultivirten Pflanzen. 1. Bd. Phaneroga— men. 1839. 2 Thlr. 5 Ngr. 2. Bd. Kryptogamen. 1840. 2 Thlr. 22 ½ Nor. Populär⸗practiſche Botanik. 1843. 1 Thlr. 27½ Nr. Botaniſches Centralblatt, heransgeg: von Dr. L. Raben- horſt. Jahrg. 1846. 2 Thlr. 20 Nor. VII. Bei Jul. Bädeker in Elberfeld und Iſerlohn erſchien ſoeben und iſt in allen Buchhandlungen zu haben: Charakteriſtik der Vögel. Einleitung in die Naturgeſchichte * Thierclaſſe. Dr. C. Fuhlrott, Oberlehrer an der Realſchule in Elberfeld. gr. 8. mit Tafeln cart. 12 Sgr. VIII. Im Verlage des Landes-In duſtrie— Comptolrs in Wei⸗ mar iſt erſchienen: Bemerkungen und Vorſchläge zur Nevifion der Steuergeſetze im Großherzogthume Sachſen⸗ Weimar⸗Eiſenach, von einem Fachkundigen. Im Februar 1849. Preis geheftet 6 Sgr. Die Steuerfrage, ſo weit ſie der Titel beſagt, wird durch vor⸗ liegende Schrift ſo ausführlich und deutlich beantwortet, daß ſie allen Staatsbürgern vollkommen genügend erſcheinen dürfte, welche, von der Nothwendigkeit einer Beſteuerung im Staate überhaupt überzeugt, nun auch über die Art der Steuervertheilung, einen der wich⸗ tigſten Gegenſtände, die im nächſten Landtage zur Erledigung kommen müſſen, ein ſicheres und ſelbſtändiges Urtheil ſich zu bilden ſtreben. Phyſikaliſcher Erdglobus, von 12 TEN hauen” gezeichnet von C. J. Weiland und H. Kiepert, (auf elegantem Geſtell mit meſſingenem Meridian, Stundenzeiger, Compaß und Quadranten.) N Preis 20 g. Emballage 1½ Ng. baar. — — Derſelbe, Schulausgabe, die bloße Kugel zum Auf⸗ hängen, mit der Erläuterung, 8 . baar. — Emballage 3 . 7 — — Die Segmente beſonders, colorirt, mit der Erläuterung, 2 Rp. baar. Unſer Geographiſches Inſtitut bietet in dem phyſikaliſchen Erd⸗ globus ein bis dahin noch nicht vorhandenes ausgezeichnetes Hülfs— mittel für richtige Auffaſſung der wichtigſten Punkte der phyfi- kaliſchen Erdbeſchreibung. Auf einem durch Schönheit des Stichs und Aceurateſſe der Ausführung gleicherweiſe ausgezeichneten Weoglubue ſind in ebenſo klarer als geſchmackvoller Weiſe alle die Terrain⸗ Verhältniſſe anſchaulich gemacht, welche die klimatiſchen und Vege⸗ tations⸗Zuſtände unferer Erde bedingen; die ganze Bulkanographie erſcheint in überſichtlicher Weiſe, wie ſonſt bei keiner Art der Dar⸗ ſtellung. Das rückſichtlich der Begetations-Verhältniſſe aus der Confusion des Bodens zu Erklärende wird durch Bezeichnung der Wärmevertheilung ergänzt, welche vermittelſt der Iſothermal—⸗ Linien, ſo weit als directe Beobachtung dazu berechtigt, bezeichnet iſt. Dasſelbe gilt von den Meeres- und Windſtrömungen, welche durch Farbe und Schrift ausgedrückt ſind, ohne daß dadurch der Deutlichkeit des Globus Eintrag gethan wäre. Die Brauchbarkeit desſelben, ſowie das Julereſfe für phyſika⸗ liſche Geographie überhaupt wird durch eine coneis abgefaßte und klare Erläuterung zum Verſtändniß dieſes Erdglobus von Dr. H. Kie⸗ pert nicht wenig erhöht. Wir dürfen den neuen Globus zu eigner Befriedigung als ein ſchönes Speeimen der vorzüglichen Leiſtungen unſerer Globusfabrik anführen. | Allgemeiner literariſch - artiflifcher Monatsbericht für Deutſchland. PT | 1849. ! Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes Induſtrie⸗Comptoit zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als TIntelligenz⸗Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. dr 14 7 Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 95. oder 7 A. berechnet. k 1 > Erſchienene Neuigkeiten. | I 0 % | Verhandlungen aller thierärztlichen Vereine zur Kennt- d SR: $ und dem viel beſchäftigten Praktiker, fo, wie den weniger Bemittelten Bei herannahender Frühlingszeit, welche ſich zu in den Stand ſetzen, mit der Zeit fortzuſchreiten, und ſich auf dem eee Wale Bu ien u a Niveau der Wiſſenſchaft zu erhalten. ſowohl die Herren Arzte als Patienten auf die Wich⸗ — 2 e ligkeit der Kiſſinger Mineralwaſſer, beſonders des i Verlagsbuchhandlung von C. A. Fahrmbacher weltberühmten Rakoezy, als naturgemäßes Heilmittel - in Augsburg. 1 Kiffen ger Mineralwaſſer Füllung 1849. niß bringen, viele werthvolle Originalaufſätze enthalten, aufmerkſam zu machen. „ 7 4 | - Se Wunderkräſte des Rakoczy gegen eine Menge . von Krankheiten ſind bekannt, und es iſ durch die Er⸗ Im Verlage des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs in Wei⸗ fahrungen der berühmteſten Arzte dargethan, daß durch ö MR ‘ den Gebrauch des Rakoczy bisher nicht ſelten die * an . . . a hartnäckigſten Leiden mit glänzende Beine a dann P Ar macopoea universalis. - j noch gehoben worden, wo bei denſelben Patienten n vrce 7 häufig vorher andere Heilmittel vergeblich verfucht worden waren. Eine überſichtliche Zuſammenſtellung Die friſchen diesjährigen Füllungen des Rakoczy und der übrigen en - der IR 1 Kiſſinger Mineralwaſſer haben ihren Anfang genommen und können Pharmacopöen des Ye und Auslandes; wichtiger Dis⸗ daher alle Aufträge an die nächſigelegenen Mineralwaſſer⸗Handlungen penſatorien, Militär- und Armen⸗ Pharmacopden gemacht oder direct ausgeführt werden. s N j r und N 15 i Bad Kiſſingen, 20. Februar 1849. 2 \ 1 * Mit ein dm Anhange, Gebrüder Bolzano. eine Pharmacopbe der hombopathiſchen Lehre enthaltend. * H. - 0 75 Vierte neu bearbeitete und vermehrte Ausgabe. 9 1 8 . 2 Bände in 123½ Bogen gr. Ler. 8. 1845 und 1846. In unterzeichnetem Verlage erſcheint und iſt durch alle Buch⸗ . 10 26. = 15 £ Conv. = 18 2 Rh. handlungen zu beziehen: Die medicinifche Literatur umfaßt alle Länder, es iſt daher für Central ⸗Archiv an 2 ER jeden Arzt, der mit der Entwickelung der Wiſſenſchaft fortſchreitet, 2 7 ‘ 5 Ace Bedürfniß, bei ſeiner Lecture ein Werk zur Hand zu haben, welches für die geſammte Y eterinar- Medi; in, ihm über die Bedeutung, den inneren Gehalt und Werth pharmaceu- n 9992 5215 un. RE. EN tiſcher Präparate und aller in Gebrauch gekommenen Heilmittel in N und Aa den verſchiedenen Ländern ohne Zeitverluft und ohne Mühe ſicheren FFF CVVVCVVVVCCVCCCCCCC Pianthrähpatune Diayen: Standes⸗ und Vereins⸗Angelegenheiten. ſatorien enthalten ſind. Die Zweckmäßigkeit der alphabetiſchen Anord- * Herausgegeben von nung nach den Materien wird durch ein vollſtändiges Synonymen— Dr. Joh. M. Kreutzer, . Regifter noch weſentlich erhöht und iſt durch die raſche Aufeinanderfolge i K. 2 oa in München. A Auflagen als von dem ärztlichen Publicum vollſtändig anerkannt IV. Jahrgan in 4 Quartalheften. 8. broſchi zu betrachten. Das Werk läßt in Rückſicht auf Reichhaltigkeit, Be— Jah 9 Preis 4 fl Be en 5 B:, broſchitt. quemlichkeit und Zuverläſſigkeit wohl kaum etwas zu wünſchen übrig. 3 3 5 k ugs. ru Eine Vergleichung mit der vorhergehenden Auflage wird auch zeigen, Das ganze Gebiet der veterinär⸗mediziniſchen Wiſ⸗ daß nicht nur die Anzahl der aufgenommenen Pharmacopben wieder ſenſchaft, und Unterrichts⸗ und Standes⸗Verhältniſſe um ſechs vermehrt iſt, ſondern daß auch überhaupt alle bis auf das umfaſſend, iſt das „Central⸗ Archiv“ auch in feinem | Jahr 1844 publicirten Pharmacopzen darin ihre Aufnahme gefun- I, Jahrgange ein getreuer Spiegel der Fortſchritte in den haben. Die Redaction hat die einzelnen Artikel noch überſichtlicher Wiſſenſchaft, Kunſt, Unterricht und äußeren Ver⸗ zu machen ſich beſtrebt und auf bequeme Einrichtung des Druckes hältniſſen veterinär⸗mediziniſchen Betreffes, wird alle alle Sorgfalt verwendet. f . N 3 11 Erſchienene Neuigkeiten. 12 In demselben Verlage ist ferner erschienen: Allgemeiner Handatlas der ganzen Erde und des Himmels; bestehend aus 72 Karten in Imperial - Format. Entworfen und gezeichnet von C. F. Weiland ud H. Kiepert. Preis: 23 &. = 41% f Rh. = 34½ f Conv. In schönem, dauerhaftem Einbande 24 g. = 43½ Rh. — 36 . Conv. Far Preis einer einzelnen Karte (mit Ausnahme einiger): ½ Rp. = 36 X Rh. = 30 K Conv: ir Inhalt: Planiglob der Erde, östl. und westl, — Planiglob der Erde, nördl. u. südl. — Die Erde, in Merkator’s Projection. — Europa, oro-hydrographische Karte. ½ Rthlr. — Europa, Generälkarte. — Deutschland. — Österreichischer Kaiserstaat. — Erzherzogthum Osterreich. — Böhmen — hi ren und Osterreichisch- Schlesien. — Illyrien und Steyermark. — Tyrol. — Galizien. — Ungarische Länder. — Preussischer Staat. — Provinz Branden- burg. — Provinz Pommern. — Provinz Schlesien. — Provinz Sachsen und Anhalt. — Provinz Rheinland u. Westphalen; mit Hessen, Nassau, Waldeck und Frankfurt. — Provinz Preussen und Posen; mit dem Königreich Polen. — Bayern. ½ Rthlr. — Württemberg und Baden. — Königreich Sachsen. ½ Rthir. — Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Lippe, Bremen, Hamburg, Lübeck. — Mecklenburg. — Sachsen: Grossherzogthum und Herzogthümer, mit den Fürstenthümern Schwarzburg und Reuss. ½ Rthlr. — Schweiz. — Italien, Generalkarte. — Nördliches Italien. — Südliches ‚Italien, — Frankreich. — Spanien und Porlugal. — Grossbritannien und Ireland, Generalkarte. — England. — Scotland. — Ireland. — Niederlande und Belgien. — Dänemark. — Schleswig, Holstein und Lauenburg. — Schweden und Norwegen. — Russisches Reich. — Europäisches Russland. — Europäische Türkei und Griechenland. — Griechenland. ½ Rthlr. — Asien, Generalkarte. — Asiatische Türkei. — Arabien, mit einem Beikärtchen vom Peträischen Arabien. — Iran, Afghanistan und Beludschistan. — Indusländer nebst Afghanistan und Südturkistan, — Vorder- indien. — Hinter-Indien nebst Inseln. — China und Japan. — Afrika, Generalkarte. — Nordöstliches Afrika. — Nordwestliches Afrika. — Westliches Mittel- Afrika. — Westliches Hoch-Afrika. — Östliches Hoch-Afrika. — Südspitze von Afrika mit einem Beikärtchen der Halbinsel des Vorgebirges der guten Hoffnung. — Amerika, General- karte. — Nordamerika. — Vereinigte Staaten. — Östlicher Theil der Vereinigten Staaten. — Mexico, Texas, Californien, Centralamerika. ½ Rthin — Westindien. — Südamerika. — Australien, Generalkarte. — Austral- Continent, oder Neu-Holland. — Der gestirnte Himmel: 1. Nördliche Halbkugel. — 2. Südliche Halbkugel. — Planetensystem der Sonne. g 5 Dieser Atlas wird fortwährend durch Eintragung jeder neuen Bereicherung der Geographie (seit 1845 durch Dr. H. Kiepert) dem neuesten Stande der Wissenschaft entsprechend erhalten. \ * Allgemeiner Handatlas der ganzen Erde. Von 5 g 3 C. F. Weiland und H. Kiepert. 36 Blätter in Imperial- Format, gebunden 12 . = 21%, Rh. = 18 £ Conv. 0 In sechs Ausgaben: f Mit Berücksichtigung der den Käufern in den verschiedenen Ländern nöthigen Specialkarten. 1) Für Baden, Bayern, Sächsische, Reussische, Schwarzburgische Länder und Württemberg. 2) Für Braunschweig, Freie Städte, Hannover, beide Hessen, Mecklenburg, Nassau und Oldenburg. . 3) Für Danemark, Norwegen und Schweden. N 4) Für die Osterreichischen Staaten. 5) Für die Preussischen Staaten und enclavirte Länder. 6) Für das Russische Reich. (Auszug aus dem Handatlas in 72 Karten.) Als nützlicher Begleiter zu dem allgemeinen Handatlas und als ein zum Verſtändniß auch der neueſten Zelt⸗ ereigniffe durch feine hiſtoriſchen und ſtatiſtiſchen Überſichten beſonders geeignetes Werk kann empfohlen werden: Gencalogiſch- bitorifch -Hatiftifdher Almanach. 25ſter, oder der neuen Folge Iter Jahrgang für das Jahr 1848. n X. und 845 Seiten 80. 3 9. — 5% Y Rh. = 4½ Jg Com. Inhalt: I. Die Großmächte von Europa und die ſouveränen Staaten. I. überblick der Geſchichte jedes Staats. — II. Genealogie der Regenten in tabellariſcher Form. — III. Das regierende Haus. — IV. Statiſtiſche Überſicht der Bevölkerung und der Fläche, mit den Verhältniſſen der Bevölkerung in Bezug auf Geſchlecht und Beſchäftigung, Religion, Univerſitäten, Finanzen, Land⸗ und See⸗ macht. — V. Staatsverfaſſung. — VI. Der Hof. — VII. Titel der Regenten oder der vollziehenden Gewalt. — VIII. Wappen. — IX. Ritterorden. — X. Staatsverwaltung. — XI. Diplomatiſches Corps. — II. Vormals Reichsunmittelbare Fürſtliche und Gräfliche Häuſer oder jetzt Standesherrliche Familien. III. Die Außereuropäifchen Staaten. IV. Negifter, Allgemeiner literarifd) - artiſtiſcher | Monatsbericht für Deutſchland. No. 4. April. 1849. Diefer Monatsbericht wird den beim Landes - Induftrie- Somptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge⸗ biete der Natur⸗ und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz ⸗ Blatt e beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. E Be. f Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird 2 973. oder 7 A. berechnet. Erſchienene Ueuigkeiten. 2 2 Kiepert, H., Karte von Africa, 1 Blatt Imper.-Format. Auch Neuigk eiten zum grossen Handatlas in 72 Karten gehörig, ½ RG. des Kiepert, H., Karte von Australien. 1 Blatt Imper.- Format. Auch zum grossen Handatlas in 72 Karten gehörig. ½ R& Kiepert, H., Karte von Frankreich. 1 Blatt Royal 4. Auch zum comp. Atlas in 34 Blättern gehörig. Yıs. g. Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs und des Kiepert, H., Karte vom Konigreich Hannover, Braun- . aus: schweig, Oldenburg und den Hansestädten. 1 Blatt Geographiſchen Inſtituts Imper.-Format. Auch zum grossen Handatlas in 72 Karten P 2 gehörig. ½ . 5 in Wei mar e H., Karte des Fürstenthums Moldau. 1 Blatt Folio. 1 _ 8 . 2 i % 5 } 5 Ng. aut Leipziger Jubilate-Meſſe 1849. Kiepert, H., Karte des Fürstenthums Serbien. 1 Blatt Folio. 28418 % K. 2 Biepen; 995 Karte des Fürstenthums Walachei. 1 Blatt gr. A. Bü e r: ol. 8 83. f 58 ch Kiepert, H., Karte von Polen, Westrussland bis zum Dniepr, Bemerkungen und Vorſchläge zur Reviſion der Steuergeſetze im Groß— die Ostseeprovinzen und die Nieder-Donauländer, nebst einer herzogthume Sachſen⸗-Weimar⸗Eiſenach. Von einem Sachkundigen. Übersicht der Theilungen von Polen. 2 Blätter grösstes Imp. Im Februar 1849. 2½ Bogen gr. 8. geh. / RB. Format. 20 Ya. a g Denkſchriften der ruſſiſchen geographiſchen Geſellſchaft zu St. Peters- | Kiepert, H., Karte von Spanien und Portügal. 1 Blatt burg. Erſter Band. (Den erſten und zweiten Band der ruſſiſchen Roy. 4. Auch zum comp. Atlas in 34 Bl. geh. Yı, Gg. " Ausgabe derſelben enthaltend.) Mit vier Karten, 41 Bogen gr. | Kiepert, II., Karte des östlichen und westlichen, südlichen und 8. geh. 3 Ng. nördlichen Planiglobs. 1 Blatt Royal 4. Auch zum comp. Atlas : 2 . Froriep. R., Atlas anatomicus partium corporis humani per x 34 Blättern" gehörig. 1 hs . strata dispositarum imagines continens. Tabularum XXX in fasc. Kiepert, H., Karte von 5 1 Blatt Imper. Format. quinque distributarum Fasc. I., partes capilis et colli exhibens Auch zum grossen Handatlas in 72 Blättern geh. / #6. 4. imper. 1½ R%. Kiepert, H., Karte der Europäischen Türkei und von Gemeindeblatt und Volksorgan für das Großherzogthum Sachfen- 34 e Blatt Roy. 4. Auch zum comp. Atlas in Weimar⸗Eiſenach, herausgegeben von R. Froriep. Erſtes Vier⸗ 8 BT ee 99. SR x teljahr in 13 Nummern gr. 4. Y RG. Mit Zeitbildern / RG. Kiepert, H., Karte der Vereinigten Staaten von Nord- a 122 ke Ef N america, nebst Canada und Mexico. 1 Blatt Roy. 4. Göthe's Briefe an Frau von Stein in den Jahren 1776 bis 1826. Auch zum comp. Atlas in 34 Blatt geh. ½ Ab. N 6 durch A. Schöll, 2. Band, 366 Weiland, C. F., Karte von Böhmen, berichtigt von H. Kie- pert. 1 Blatt Imper.-Format. Auch zum gr. Handatlas in Mathieu, Se C., Darſtellung des Sand» und Seekriegs, für 72 Karten geh. ½ Re. N a? Dilettanten bearbeitet. 2. Abtheilung: die Befeſtigungskunſt und Weiland, C. F., Karte vom Russischen Reiche, berichtigt der Seekrieg. Mit vielen Abbildungen. gr. 8. von H. Kiepert. 1 Blatt Imper.-Format. Auch zum grossen Notizen aus dem Gebiete der Natur⸗ und Heilkunde, dritte Reihe, von Handatlas in 72 Karten geh. % Re. Dr. M. J. Schleiden und Dr. R. Froriep, IX. und X. Bd.] Weiland, C. F., Karte der Ungarischen Erbstaaten, be- gr. 4. Jeder Band n. 2 . richtigt von H. Kiepert. Ein Blatt Imper.-Format. ½ Ng. 4 15 II. Stuttgart. Im Verlag von Ebner & Seubert ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: CIHRURGISCH- ANATOMISCHES VAD E ME C U M FÜR STUDIRENDE UND ÄRZTE VOR * Dr. W. ROSER. Mit vielen in den Text eingedruckten Holzschnitten. 8. engl. cart. Preis fl. 2. 48 kr. oder Thlr. 1. 22 Sgr. Seitdem es sich gezeigt hat, dass sich der Holzschnitt mit grossem Vortheil dazu gebrauchen lässt, auch anatomische Ge- genstände zu versinnlichen, war es der Wunsch des Verfassers, eine chirurgische Anatomie mit Holzschnitten publi- eiren zu können. ‘Dieser Plan konnte, nach Beseitigung mancher technischen Schwierigkeiten endlich zur Ausführung gebracht werden und es wird hier den Freunden der chirurgischen Ana- tomie ein solches Werk geboten. HANDBUCH PATHOLOGIE uno THERAPIE IN DREI BÄNDEN 5 VON Dr. C. A. WUNDERLICH, PROFESSOR etc, Zu TÜBINGEN. gr. 8. 1 7te Lieferung. Preis pro Lieferung fl. 1. 48 kr. oder g Thlr. 1. 3 Sgr. Dieses Werk giebt eine umfassende Darstellung der gesamm- ten (allgemeinen und speciellen) Pathologie und Therapie nach dem gegenwärtigen Standpunkte der deutschen wissenschaftlichen Medicin, d. h. nach den Grundsätzen der rationellen, sogenannten physiologischen Richtung. Durch Anwendung einer von festen Prineipien geleiteten Methode bei Behandlung des unermesslichen empirischen Materials, durch ausgedehnte und gewissenhafte Be- nützung der so einflussreichen Entdeckungen in pathologischer Anatomie und Experimentalphysiologie konnte das Verständniss des innern Zusammenhangs der Erscheinungen gefordert und konnten sicherere Regeln für die Diagnose und rationellere An- haltspunkte für die Therapie gewonnen werden. Über die Stellung und den näheren Plan des Werkes müssen wir auf das der ersten Lieferung beigegebene Vorwort verweisen. — Das ganze Werk wird circa 12 Lieferungen umfassen. III. Bei Löning & Comp. in Bremen iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Authentiſche Nachrichten über Californien und deſſen Goldreichthum, zugleich ein Rathgeber für Auswanderer, nebſt einer Karte des Golddiſtriets. Preis ½% H. Erſchienene Neuigkeiten. 16 IV. Durch alle Buchhandlungen iſt zu beziehen: Betſchler, Dr. J. (Medicinalrath und Regiments⸗ Arzt), über den Bericht der vom Kriegsminiſterium am 16. Auguſt 1848 zur Einleitung einer Reform des Militär⸗Medieinalweſens niedergeſetzten Commiſſion. Nebſt eigenen Vorſchlägen. Geh. 8 Sgr. Wollenhaupt, Dr. R. (Bataillons -Arzt), Ideen zur Reform des Militär-Medieinalweſens Preu— Bens in Verbindung gebracht mit dem vom Kriegs- miniſterium am 16. Auguſt 1848 darüber erlaſſenen Be⸗ richt. Geh. 7½ Sgr. Neumann, Dr. H., Gedanken über die Zukunft der ſchleſiſchen Irrenanſtalten. Geh. 4 Sgr. — „ der Arzt und die Blödſinnigkeitserklärung. Geh. 12 Sgr. — „ die analytiſche Mediein. Geh. 10 Sgr. A. Goſohorſky's Buchhandlung (L. F. Maske) in Breslau. . Bei A. Förstner in Berlin ist soeben erschienen: Das Wesen der Entzündung vom theo- relischen und practischen Standpunkt insbesondere in Rücksicht auf die Henle'sche Entzündungslehre untersucht von Dr. Joseph Neisser. Berlin 1849. gr. 8. br. 4 ½ Thlr. Von den Krankheiten u. Verletzungen der Blutgefässe. Von Edwards Crisp. Eine gekrönte Preisschrift. Aus dem Engl. gr. 8. br. ä 1% Thlr. WI. Im Verlag des Geographischen Instituts in Weimar ist in neuer Auflage erschienen: Post- und Eisenbahnkarte von Deutschland und den benachbarten Ländern bis Carlserona, London, Venedig, Warschau u. s. w. Mit Bezeichnung der Schnell- und Wasserposten, der regel- mässigen See- und Fluss- Dampfschifffahrten und des Preus- sischen Zollverbandes. Ein Blatt Colombier - Format. 1849. % NM. = 1 fg. 21 %% Rh. = 1 ½0 . Conv. Auf Leinwand: 1½ NN. 2½ r Rh. = 2½0 , Conv. n. — Dieselbe: Ein Blatt Imperial- Format. 1849. ½ Kg. = 54 X* Rh. = 45 2% Conv. Auf Leinwand: 1 . = 1½ fg. Rh. = 1% & i, 1 7 1 — Conv. n. INN IN 100125512 U U a EI eee TB DD Da a Se Sata die Sn 3 ar 5 n —6- . 7 8 5 Dr .