HUGO DE VRIES OPERA E PERIODICIS CLOLLAIA NOL D << zye ANN EB A `ï HUGO DE VRIES OPERA E PERIODICIS COLLATA VOL. I UTRECHT — A. OOSTHOEK — MCMXVII. © Boek- en Kunstdrukkerii VONK & Co. te Ze INHOUD VAN DEEL III. LANDBOUWKUNDIGE STUDIEN. Ueber Trockengewichts-Bestimmungen bei land- wirthschaftlichen Culturpflanzen. Landwirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 5, 1876, S. 757. BEITRAEGE ZUR SPECIELLEN PHYSIOLOGIE LANDWIRTHSCHAFTLICHER KULTURPFLANZEN. I. Keimungsgeschichte des rothen Klees. Land- wirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 6. 1877, S. 465. I. Wachsthumsgeschichte des rothen Klees. Land- wirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 6, 1877, S. 893. II. Keimungsgeschichte der Kartoffelsamen. Land- wirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 7, 1878, S. 19. IV. Keimungsgeschichte der Kartoffelknollen. Landwirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 7, 1878, S. 217. V. Wachsthumsgeschichte der Kartoffelpflanze. Landwirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 7, 1878, S. 591. VI. Keimungsgeschichte der Zuckerrübe. Land- wirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 8, 1879, S. 13. VII. Weachsthumsgeschichte der Zuckerrübe. Land- wirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 8, 1879, S. 417. Ueber die Aufrichtung des gelagerten Getreides. Landwirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 9, 1880, S. 473 . ANEAN POMIAN PAR ETALE IN RL ST ANAR A KAA ENEN Bldz. 31 93 176 200 247 377 409 523 u ir AN TEST. X UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. Um eine experimentelle Unterlage für die physiologische Natur- geschichte der landwirthschaftlichen Culturpflanzen zu gewinnen, ist es in erster Linie erforderlich, die wichtigste Funktion dieser Pflanzen in quantitativer Hinsicht genau kennen zu lernen. Die Bildung der Trockensubstanz ist zugleich eine Folge der am meisten charakteristischen Eigenschaft der Pflanzenwelt, der Kohlensäure- Zerlegung am Lichte, und bei den meisten landwirthschaftlichen Pflanzen der Hauptzweck ihrer Cultur. Sowohl vom rein physiologi- schen, als vom praktischen Standpunkte, darf man also die genaue Kenntnisz dieses Vorganges als die Grundlage der speziellen Natur- geschichte dieser Pflanzen ansehen. Hieraus folgt, dasz die Trockengewichts-Bestimmungen eine höchst wichtige Aufgabe dar- stellen für Diejenigen, welche sich der Pflanzenphysiologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Landwirthschaft widmen. Erst durch die Lösung dieser Aufgabe erhalten ferner die che- misch-analytischen Forschungen über die betreffenden Pflanzen ihren wahren Werth, indem sie auf eine gemeinschaftliche, und über allen Einwürfen feststehende Basis berechnet werden können. Die Aufgabe ist eine rein quantitative. Ueber die qualitativen Vorgänge bei der Produktion der Trockensubstanz in den Pflanzen sind die pflanzenphysiologischen Untersuchungen bereits zu einem gewissen Abschlusz gelangt. Wenigstens sind diejenigen Haupt- punkte, welche für die Landwirthschaft von hervorragender Wich- tigkeit sind, für den vorliegenden Zweck in vorläufig genügender Weise durchgearbeitet. Die Fragen, welche jetzt in qualitativer Hinsicht über die Natur dieser Erscheinungen für die nächsten Un- tersuchungen gestellt werden könnten, sind meist rein theoretischer Natur, und versprechen für die Landwirthschaft wenigstens augen- blicklich keine neuen Früchte. Ganz anders steht es mit der quantitativen Seite dieser For- schungen. Hier reichen die allgemeinen physiologischen Untersu- chungen nicht mehr aus, hier musz jede einzelne Culturpflanze für 1 FANNIN UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN sich zum Gegenstand eines jahrelangen ausführlichen Studiums gemacht werden. Und zwar musz die Pflanze nicht etwa im Ge- wächshaus oder im Laboratorium für die Untersuchung gezogen werden, sondern die landwirthschaftlich normalen, auf gutem oder mittelgutem Boden und unter gewöhnlichen, aber günstigen Ver- hältnissen gewachsenen Ackerpflanzen, bilden hier unbedingt den zu bearbeitenden Gegenstand. Das Resultat derartiger Studien soll eine feste Grundlage dar- stellen für alle weiteren quantitativ-physiologischen Untersu- chungen, sowie für alle wissenschaftlich-landwirthschaftlichen Berechnungen über die betreffende Pflanze. Es handelt sich hier zunächst darum, es zu ermöglichen, dasz die Zahlenwerthe in mög- lichst klarer und übersichtlicher Form mit einander verglichen wer- den. Hierzu reicht weder die einfache Angabe der empirisch ge- wonnenen Zahlen, noch die bisher übliche Umrechnung in Procente irgend einer beliebigen Grösze, wie z. B. des Frischgewichtes, aus. Im Gegentheil scheint es erwünscht, ein für allemal ein Vergleichs- objekt für jede einzelne Pflanzenart aufzustellen, welches so zu sagen als Maszstab für alle früheren und späteren Beobachtungen dienen kann. M. a. W., es empfiehlt sich alle quantitativen und ana- Iytischen Ergebnisse auf ein ein für allemal festgesetztes Normal- gewicht zurückzuführen. Sowohl bei der praktischen Beurtheilung verschiedener Culturmethoden, als in noch viel höherem Grade bei theoretischen Untersuchungen über die allgemeinsten und we- sentlichsten Bedingungen des Gedeihens einer bestimmten Pflan- zenart, scheint nur auf diesem Wege ein klares Verständnisz ohne grosze Schwierigkeit erreichbar. Nehmen wir z. B. ein normal gewachsenes, mittleres Exemplar einer beliebigen Pflanzenart als ein solches Vergleichsobjekt an, und denken wir uns, dasz es möglich wäre, von diesem Exemplar alle wichtigen Eigenschaften genau nach absoluten Zahlen zu ken- nen. Diese Zahlenwerthe hätten dann nicht eine nur zufällige, son- dern eine allgemeine Gültigkeit für die betreffende Pflanzenart. In der richtigen Form ausgedrückt, würden sie sich leicht dem Ge- dächtnisse einprägen. Auch würden alle abweichenden Fälle in sehr übersichtlicher und einfacher Weise darauf derartig bezogen werden können, dasz entweder nur Ueberschüsse oder Minusbe- träge, der Normalpflanze gegenüber, angegeben zu werden brauch- ten. Ferner würden alle künftigen Untersuchungen quantitativer Art, mögen sich dieselben auf irgend eine Funktion der Pflanze be- BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 3 ziehen, immer ihren einfachsten und natürlichsten Ausdruck in der Weise finden, dasz die gewöhnlichen prozentischen Werthe in ab- solute Zahlen umgerechnet und mit der Normalpflanze verglichen werden. Nur so wird es gelingen, sich eine klare Vorstellung von der quan- titativen Zusammensetzung der Pflanzen zu machen, und diese leicht zu behalten. Um den Nutzen einer derartigen Behandlung aller Zahlenangaben zu zeigen, braucht man nur auf den gegen- wärtigen Zustand der Literatur hinzuweisen, wo Prozente von Pro- zenten oft bis in die dritte Potenz hinein tabellarisch aufgeführt werden. Nur Wenige haben eine richtige Vorstellung davon, wie- viel Kieselsäure u. s. w. in irgend einer Culturpflanze wirklich vor- handen ist, da diese chemischen Bestandtheile in den Tabellen als Prozente der Asche, die Asche selbst aber wieder in Prozenten der Trockensubstanz aufgeführt wird. Aus dem Vorhergehenden folgt, dasz die Kenntnisz einer wirk- lichen Normalpflanze eine der wichtigsten Aufgaben der Agrikul- turchemie bildet. Da es nun selbstverständlich unmöglich ist, an einer einzigen mittleren Pflanze alle die erforderlichen Untersu- chungen. vorzunehmen, ja es sogar kaum ausführbar erscheint, alle fraglichen Eigenschaften für die Durchschnittspflanze eines be- stimmten Versuchsfeldes festzustellen, so brauchen wir für unsere Normalpflanze eine ideelle Durchschnittspflanze, deren Eigenschaf- ten aus den an verschiedenen Orten und in verschiedenen Jahren mit derselben Pfilanzenform erhaltenen Ergebnissen berechnet und zusammengestellt werden. Ein solches Verfahren hat offenbar zu- gleich den Vortheil, unserer Normalpflanze ’eine weit gröszere Brauchbarkeit und Bedeutung zu verleihen. Dem entsprechend aber empfiehlt es sich, die Zahlen für die Normalpflanze zwar in erster Linie durch direkte empirische Untersuchungen kennen zu lernen, dann aber ein für allemal konventionell festzustellen, und ihnen dabei die für den vorliegenden Zweck geeignete Form zu geben. Ein solches, zum Theil in der Natur selbst begründetes, zum Theil konventionell für immer festgestelltes Maasz, würde dann allen Berechnungen als Einheit zu Grunde zu legen sein. Ohne Zweifel würde hierdurch, wie bereits oben auseinandergesetzt wurde, die- ser ganze Theil der angewandten Pflanzenphysiologie an Klarheit und Brauchbarkeit bedeutend gewinnen. Für eine solche Durchschnittspflanze musz selbstverständlich Alles festgestellt werden, was physiologisch und zugleich land- wirthschaftlich wichtig ist. In erster Linie also das Frischgewicht 4 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN und das Trockengewicht der ganzen Pflanze in möglichst verschie- denen Entwickelungsstufen. Ebenso wichtig ist die Kenntnisz dieser beiden Werthe für die einzelnen Theile der Pflanzen; sie wären z. B. bei der Kartoffel getrennt für die Blätter, den Stengel, die Knollen u. s. w. zu bestimmen. In zweiter Linie käme der Reich- thum an näheren Bestandtheilen, sowohl an anorganischen als an organischen, soweit sie mit den jetzigen Hülfsmitteln der analyti- schen Chemie bestimmbar sind. Erst nachdem hierdurch die quanti- tative Zusammensetzung in genügender Weise festgestellt sein wird, wird es angemessen sein, auch die weiteren Eigenschaften, z. B. die Verdunstungsgrösze u. s. w. in die Untersuchung aufzunehmen. Es wurde schon hervorgehoben, dasz die gestellte Aufgabe nicht etwa allein für die fertige Pflanze zu lösen wäre, sondern dasz es durchaus erforderlich ist, die Aenderungen der erwähnten Gröszen während des ganzen Lebenscyclus der Pflanzen, also vom Anfang der Keimung bis zum Stadium der völligen Fruchtreife zu ken- nen. In kurzen, einander gleichen Perioden, z. B. von je sieben Tagen, wären während einer ganzen Vegetationsperiode Proben einzusammeln und zu trocknen, um daraus Zahlen für die Wachs- thumsgeschichte einer Durchschnittspflanze des betreffenden Ver- suchsieldes berechnen zu können. Nur dadurch kann man die Lebensgeschichte dieser Pflanzen wirklich kennen lernen, und in jedem Entwickelungsstadium eines beliebigen Exemplars der be- treffenden Art dieses mit der Normalpflanze vergleichen. Eine sol- che Vergleichung wird dann bei jeder einzelnen Cultur oder in jedem speziellen Versuch zeigen, in wie fern die vorhandene Pflanze von der angenommenen Normalpflanze abweicht, in wie fern sie hinter dieser zurücksteht, oder sie übertrifft. Und dasz die Kennt- nisz der Eigenschaften, in denen eine gegebene Pflanze von der Normalpflanze sich unterscheidet, am ehesten geeignet ist, die Ur- sachen etwaiger Fehler in der Ausbildung oder in dem Ertrage auf- finden zu lassen, leuchtet wohl ohne Weiteres ein. Was wir wünschen, ist also die wirkliche Kenntnisz einer nor- malen oder Durchschnittspflanze für jede landwirthschaftlich- wichtige Pflanzenform, auf welche sich die Ernte- und Versuchs- ergebnisse der Landwirthschaft als auf eine gemeinschaftliche Ein- heit beziehen und berechnen lassen. Selbstverständlich reicht es zur Erreichung dieser Kenntnisz nicht hin, an einem Orte und in einem Jahre die fraglichen Werthe fur ein einziges Feld zu bestimmen. Vielmehr ist in ähnlicher Weise zu ver- fahren, wie bei der Feststellung der Normaltemperatur und so vieler BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 5 anderer wichtiger Gröszen in den meteorologischen Stationen. Nur die Fortsetzung der Untersuchung nach einer bestimmten Methode durch eine Reihe von Jahren und ein einheitliches Zusammenwirken von verschiedenen Forschern an verschiedenen Orten, kann es er- möglichen, das gesteckte Ziel zu erreichen. Gelingt es aber allmä- lig, auf dem genannten Wege diesem Ziele immer näher zu kommen, so darf man die bestimmte Hoffnung hegen, dasz innerhalb einer nicht allzu. langen Reihe von Jahren eine neue und sichere Basis für die ganze Statistik des Pfilanzenbaues begründet werden wird, auf welcher es möglich sein wird, auch die Zahlenverhältnisse in diesem Theile der landwirthschaftlichen Praxis zu einem systema- tisch geordneten und klar verstandenen wissenschaftlichen Ge- bäude zusammen zu fügen. Ausbildung der Untersuchungs-Methode. Wenn man die Trocken- gewichts-Bestimmungen, welche uns die bisherige Literatur bietet, durchmustert, so macht es leicht den Eindruck, als ob diese Auf- gabe eine ebenso leichte als nebensächliche wäre. Wir haben im Vorhergehenden dargethan, dasz solche Bestimmungen, richtig ausgeführt, für die Wissenschaft, wie für die Praxis von hoher, ja prinzipieller Bedeutung sind. Jetzt wollen wir versuchen zu zeigen, dasz eine solche Arbeit, falls sie wirklich Resultate von dieser Be- deutung liefern soll, zu den schwierigsten Aufgaben gehört. Das oben bezeichnete Ziel macht es nothwendig, dasz die Trockengewichts-Bestimmungen in einer Reihe von Jahren wieder- holt und an verschiedenen Versuchsorten gleichzeitig angestellt werden. Sollen die Resultate aller dieser Einzeluntersuchungen unter sich vergleichbar sein, so ist offenbar die völlige Vergleich- barkeit der angewandten Methode eine erste Bedingung. Bekannt- lich wird zu diesem Zweck z. B. an den verschiedenen meteorolo- gischen Stationen mit möglichst gleichartigen Apparaten und nach vorher gemeinschaftlich für alle festgesetzten Methoden gearbeitet. Aus denselben Gründen musz ein solches Zusammenwirken auch für die Versuchsstationen, welche sich an den Trockengewichts- bestimmungen betheiligen, erwünscht sein, und als das in den nächsten Jahren anzustrebende Ziel hingestellt werden. Unter den verschiedenen Wegen, welche zu diesem Ziele führen könnten, würde sich vielleicht auch eine jährliche Berathung der an diesen Untersuchungen Betheiligten empfehlen. Ausser der Fest- stellung der Einzelheiten der Methode für das nächste Jahr, und der 6 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN Hervorhebung der noch zu hebenden methodologischen Schwierig- keiten würde hierdurch wohl am besten die so sehr erwünschte ge- genseitige Mittheilung und Besprechung der für die Vervollkomm- nung der Methode gemachten Erfahrungen erreicht werden. Ohne den durch die Untersuchung selbst sich ergebenden Er- fahrungen und Verbesserungen irgendwie vorgreifen zu wollen, sind wir doch schon jetzt, gestützt auf wohlbegründete Sätze der Pilanzenphysiologie, in der Lage, die Methode wenigstens in ihren Hauptzügen zu charakterisiren. Die bisher veröffentlichten Trocken- gewichts-Bestimmungen ermöglichen es ferner, in manchen Punk- ten die verschiedenen möglichen Methoden zu besprechen und kritisch mit einander zu vergleichen, sowie die Mittel aufzuführen, welche zur Entdeckung der Fehlerquellen, und zur späteren Ver- meidung der betreffenden Fehler am leichtesten führen dürften. Durch eine solche kritische Zusammenstellung der leitenden Prin- zipien mit den bisherigen methodologischen Erfahrungen beabsich- tigen wir selbstverständlich keineswegs bereits eine gemeinschaft- liche Methode vorzuschlagen, sondern nur ein gemeinsames frucht- bares Arbeiten anzubahnen. Es bleibt den empirischen Untersu- chungen anheimgestellt, durch vergleichende Prüfungen den Werth der einzelnen Verfahrungsweisen genau zu bestimmen, und so die Wahl der zweckmäszigsten Methode auf einer möglichst breiten Grundlage sicher zu stellen. Was in dieser Beziehung bis jetzt in der agrikulturchemischen Literatur vorlag, sind erst Anfänge, welche noch einer bedeutenden Erweiterung bedürfen, bevor sich darauf ein vollständiges und einwurfsfreies Programm für gemein- schaftliche Arbeiten aufbauen läszt. Allerdings lehren uns diese Anfänge bereits Manches, was für die Ausarbeitung der Methode wichtige Anhaltspunkte bietet. So- wohl in der Entnahme der wöchentlichen Proben von dem Ver- suchsfelde, in der Art und Weise der Bestimmung des Trocken- gewichtes in der eingesammelten Probe, wie endlich in der Form der Berechnung und Darstellung der erhaltenen Zahlenwerthe, wer- den jetzt von verschiedenen Forschern die verschiedensten Wege vorgeschlagen und befolgt. Alle diese Wege sind möglichst vollständig kritisch durchzuar- beiten, damit man darüber zur vollen Gewiszheit gelange, welche von ihnen in jeder einzelnen Abtheilung der ganzen Operation zu- gleich die zuverlässigsten Resultate liefern und praktisch am sichersten und raschesten ausführbar sind. Ein sehr geeignetes Mittel, um in dieser Beziehung rasch in’s Reine zu kommen, wäre BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. T es, wenn an einigen Versuchsstationen verschiedene Methoden neben einander benutzt und so direkt mit einander verglichen wür- den. Auf der anderen Seite wäre es erwünscht, dasz an denselben Versuchsstationen durch eine Reihe von Jahren diese Arbeiten fortgesetzt würden, damit die von jedem Einzelnen gesammelten Erfahrungen sofort und fortwährend zur Verbesserung der eigenen Methode dienen können. Auf solchem Wege wird es ohne Zweifel gelingen, binnen kurzer Zeit eine definitive Methode auszubilden. Die Probe-Entnahme. Der ganze Prozesz einer einzelnen Trock- engewichtsbestimmung wird zum Zwecke einer eingehenden Be- sprechung am besten in drei Abtheilungen getrennt; I) die Wahl der Probe auf dem Versuchsfeld, 2) die Bestimmung des Frischge- wichtes und des Trockengewichtes der eingesammelten Probe, 3) die Berechnung der erhaltenen Zahlenwerthe. Ich werde diese drei Abschnitte in der bezeichneten Reihenfolge jede für sich behandeln. Die in siebentägigen Perioden dem Versuchsfelde zu entnehmen- den Proben sollen unter sich vollständig vergleichbar sein; und die aus ihrer weiteren Bearbeitung gewonnenen Zahlen sollen zu einem eintheilichen Bilde zusammengestellt werden können. Dieses Bild soll uns den Entwickelungsgang der Normalerpflanze für das betreffende Versuchsfeld in dem Jahre der Untersuchung kennen lehren. Hieraus ergiebt sich zunächst, dasz die Probeentnahme in jeder Woche genau nach denselben Vorschriften stattzufinden hat. Fer- ner, dasz jede einzelne Probe dem jedesmaligen Durchschnitte der sämmtlichen Pflanzen des Versuchsfeldes möglichst genau entspre- chen musz. Statt einer solchen Durchschnittsprobe könnte man vielleicht noch in anderer Weise die Wahl der Probe treffen, wie wir unten auseinander setzen werden. Bevor wir dazu übergehen, wollen wir aber auch dem Bestande des Versuchsfeldes unsere Aufmerksamkeit schenken. Es ist Jedem bekannt, dasz die richtige Auswahl einer dem wirk- lichen Durchschnitt eines ausgedehnten Versuchsfeldes entspre- chenden Probe keinerwegs eine leichte Aufgabe ist. Namentlich gegen das Ende der Vegetation machen sich die individuellen Ver- schiedenheiten zwischen den einzelnen Pflanzen dermaszen geltend, dasz diese Auswahl ungemein erschwert wird. Ohne Zweifel ist geräde dieser Theil der Arbeit bei Weitem der Schwierigste, und demzufolge nur zu oft eine Quelle von groben Fehlern in den Re- 8 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN sultaten. Bei der Ausarbeitung der Methode ist es also die aller- wichtigste Aufgabe, die richtige Auswahl der Probe möglichst zu sichern. Die bezeichneten Schwierigkeiten werden offenbar um so geringer, je geringer die Unterschiede zwischen den einzelnen Pflanzen des Versuchsfeldes sind, je gleichmäsziger dessen Bestand ist. Es em- pfiehlt sich deshalb schon von vornherein darauf zu achten, dasz das Feld mit möglichster Sorgfalt gleichmäszig bearbeitet wird, und dasz auch das Saatgut auf das Sorgfältigste ausgewählt wird. Dasz nur Saatgut von vorzüglicher Beschaffenheit zu verwenden ist leuchtet von selbst ein. Aber auch aus diesem wäre es vielleicht vortheilhaft Körner resp. Knollen von annähernd gleicher Grösze und gleich- artigem, gesundem Aussehen auszusuchen. Sollte trotz aller Vor- sichtmaszregeln dennoch der Bestand nicht in dem Masze ein gleichmäsziger sein, dasz eine sichere Probenauswahl im Hoch- sommer sich erwarten liesze, so wären vielleicht noch weitere Vor- kehrungen zu treffen, um auch späterhin die Gleichmäszigkeit des Bestandes zu sichern. In diesen, sowie in den übrigen Beziehungen kann uns aber nur die direkte Erfahrung sichere Aufschlüsse geben. Bei der Auswahl der Probe kommt zunächst die Anzahl der in jeder Woche einzusammelnden Exemplare in Betracht. Als allge- meines Prinzip ist hierbei hervorzuheben, dasz für jede einzelne Probe dieselbe Anzahl von Exemplaren zu nehmen ist; eine Erhö- hung dieser Zahl in einzelnen Wochen würde die Arbeitsmenge nur steigern, ohne dabei die Sicherheit der Resultate zu vermehren. Eine zeitweise Verminderung würde aber die Zuverlässigkeit der Zahlen in hohem Masze beeinträchtigen, und bei der Berechnung der wöchentlichen Zunahme des Trockengewichts sich jedesmal, wie leicht ersichtlich, in doppelter Weise fühlbar machen. Denn wenn eine Zahl unsicher ist, so ist offenbar dasselbe für die Zu- nahme des Trockengewichtes in der vorangegangenen und in der nachfolgenden Woche der Fall. Nur so lange die Pflanzen noch ganz klein sind, also während der Keimungsperiode undin den ersten darauf folgenden Wochen wäre eine höhere, aber auch hier für die ganze Anfangsperiode konstante, Anzahl zulässig. Was nun die Frage anbelangt, welche Zahl von Exemplaren als zulässiges Minimum zu betrachten ist, so läszt sich dies nur durch die Erfahrung bestimmen. Bei kleineren Arten, wie z. B. beim Klee wird man wohl keine Veranlassung finden unter fünfzig Exemplare hinabzugehen. Inwiefern dies bei gröszeren Pflanzen, wie bei der \ BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 9 Kartoffel und beim Mais, ohne Schaden für die Sicherheit der Re- sultate geschehen kann, wird für jede einzelne Art durch besondere Versuche festzustellen sein. Für die Auswahl der für die Probe bestimmten Exemplare sind verschiedene Vorschriften denkbar, deren gemeinschaftlicher Zweck es ist, die in den verschiedenen Wochen zu entnehmenden Proben unter sich möglichst vergleichbar zu machen. Indem ich ihre experi- mentelle Vergleichung in Bezug auf Zuverlässigkeit und Sicherheit der sich an dieser Aufgabe betheiligenden Verfuchsstationen über- lasse, will ich hier die hauptsächlichsten Gesichtspunkte, welche dabei in Betracht kommen, kurz auseinander setzen. Die Methoden sind: 1) die Auswahl mittlerer Exemplare; 2) die Auswahl der jeweiligen kräftigsten Exemplare; 3) die Ernte sämmt- licher auf einer Ackerfläche von bestimmter Grösze wachsenden Exemplare. Die erstere Methode ist ohne Zweifel vom rein theoretischen Standpunkt die beste, dagegen möchte sie in der richtigen Aus- führung bedeutend schwieriger sein als die beiden anderen, und demzufolge leicht eine gröszere Fehlerquelle darstellen als jene. Denn dasz es auch bei der äuszersten Sorgfalt schwer hält aus dem Anblick eines ganzen Feldes sich die Eigenschaften einer idealen Durchschnittspflanze so genau klar zu machen als dies für den vor- liegenden Zweck erforderlich ist, leuchtet Jedem ein. Damit ist aber die Aufgabe noch keineswegs erledigt, sondern nun gilt es auf dem ganzen Felde z. B. fünfzig diesem idealen Durchschnitt entspre- chende Exemplare auszusuchen. In dieser Beziehung ist die zweite Methode schon bedeutend be- quemer und also auch sicherer. Denn welche Exemplare den kräf- tigsten Wuchs haben, ist verhältniszmäszig leicht zu ermitteln. Auch in einer anderen Hinsicht hat diese Vorschrift vielleicht den Vorzug vor der ersteren. Denn während bei jener durch wöchent- liche Entnahme der mittleren Exemplare die individuellen Verschie- denheiten der zurückbleibenden Pflanzen nothwendig immer grös- zer werden müssen, findet hier genau das Gegentheil statt: die zurückbleibenden entsprechen dem Durchschnitte immer mehr, je weiter in den Sommer man gelangt. Wenigstens gilt dieses für die kräftigsten der zurückbleibenden Exemplare, welche ja für die spä- teren Proben allein in Betracht kommen; die relativ stets zuneh- mende Menge schwacher Individuen schadet wenig, da sie doch nie einen Einflusz auf die Wahl der Probeexemplare ausüben können. Da nun gerade in den letzten Wochen der Vegetationszeit die 10 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN Auswahl der Probe-Exemplare den gröszten Schwierigkeiten un- terliegt, würde unsere zweite Methode zumal für diese Zeit eine bedeutend gröszere Garantie gewähren als die erste. Die empirisch zu entscheidende Frage bleibt also diese, ob die geringere Vergleich- ‚barkeit der jedesmal auf einander folgenden Proben durch die er- wähnten Vortheile überwogen wird oder nicht. Vielleicht würde es sich empfehlen, den Einflusz der Aenderungen, welche der Bestand durch die einzelnen Probeentnahmen erleidet, auf die späteren Pro- ben von vornherein auszuschlieszen. Denn abgesehen von den schon erwähnten Nachtheilen, nehmen beim Einsammeln der im ganzen Feld auszusuchenden Exemplare leicht auch andere Schaden. Dazu kommt, dasz bei dieser Art des Vorgehens Lücken in dem Bestande entstehen, welche auf einem normal bewachsenen Acker fördernd auf die Entwickelung der umstehenden Individuen einwirken, in- dem sie ihnen mehr Licht und Luft und gröszeren Raum zur Aus- dehnung verschaffen. Selbstverständlich würde dadurch die Gleich- mäszigkeit des Bestandes beeinträchtigt werden. Um nun den angedeuteten Zweck zu erreichen, könnte man das Versuchsfeld von vornherein in so viele gleiche Parzellen einthei- len, als im Sommer voraussichtlich wöchentliche Proben einzu- sammeln sind. In jeder Woche würde dann aus einer Parzelle ent- weder die erforderliche Anzahl von mittleren oder von kräftigsten Exemplaren ausgehoben werden. Die in der betreffenden Parzelle stehen bleibenden könnten dann zu anderen Zwecken benutzt werden. Es leuchtet ein, dasz nur, wenn die verschiedenen Parzellen unter sich durchaus gleichwerthig sind, diese Methode zuverläs- sige Resultate geben wird. Gleichwerthigkeit der im Voraus abge- grenzten Parzellen kann aber nur durch sehr gleichmäszigen Be- stand erreicht werden. Gehen wir nun auf dem eingeschlagenen Wege noch einen Schritt weiter, so gelangen wir zu unserer dritten Methode. In dieser sind die Parzellen so klein gewählt, dasz man jedesmal sämmtliche auf einer Parzelle wachsende Pflanzen für die betreffende Probe einsammelt. Diese Methode, welche offenbar einen höchst gleichmäszigen Bestand als erste Bedingung ihrer Zuläs- sigkeit voraussetzt, scheint gegenüber den beiden anderen nicht zu unterschätzende Vortheile zu bieten. Erstens fällt bei ihr die Auswahl der Exemplare ganz weg, und somit auch die Fehlerquel- len, welche in der Unsicherheit dieser Auswahl gelegen sind, wenn auch die Thatsache, dasz man es hier nicht mehr in der Gewalt hat, die einzelnen Proben dem idealen Durchschnitte entsprechen BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 11 zu lassen, sondern sie nehmen musz, wie das Feld sie bietet, viel- leicht ähnliche Fehlerquellen mit sich bringt. Einen ganz anderen Vortheil liefert diese Methode in der Mög- lichkeit einer doppelten Berechnung der Resultate. Denn einmal gestattet sie den Gang der Produktion von Trockensubstanz auf der Quadratfläche“Ackerlandes, z. B. auf der Hektare leicht und ohne weitere Hypothesen festzustellen; auf der anderen Seite aber die Hauptfrage nach der allmäligen Zunahme der Trockensubstanz in einer idealen Durchschnittspflanze zu berechnen. Hierfür braucht es nur der fast selbstverständlichen jedesmaligen Angabe der Zahl der auf den betreffenden Streifen geernteten Exemplare. Ohne Zweifel werden bei der endgültigen Entscheidung zwi- schen den drei vorgeschlagenen Methoden manche Punkte masz- gebend sein, welche im Vorhergehenden noch keine Berücksichti- gung fanden. Vielleicht sind sogar die Methoden selbst wesentli- cher Abänderungen fähig. In dieser Beziehung liegt für die Thätig- keit der Versuchsstationen ein weites Feld von Untersuchungen offen, auf dem reiche Erfahrungen für das zu erreichende Ziel zu erwarten sind. Ein Mittel hierzu erblicken wir unter Anderem in der genauen Beschreibung der jedesmal eingesammelten Proben. Selbstver- ständlich sind auch bei der forgfältigsten Auswahl die Exemplare einander nicht völlig gleich; sie werden immer individuelle Unter- schiede zeigen, wenn auch noch so kleine. Diese individuellen Un- terschiede, z. B. zwischen den extremen Exemplaren einer Probe liefern ein wichtiges Mittel zur Beurtheilung der Probe selbst und also der Grösze der bei der Probeentnahme möglicherweise einge- schlichenen Fehler. Bei welcher der angedeuteten Methoden werden diese Unterschiede faktisch am gröszten ausfallen, und welche relative Grösze werden sie bei jeder einzelnen erreichen? Bleibt die Grösze jener Unterschiede sich in den einzelnen Perioden einer Versuchsreihe bei jeder Methode annähernd gleich, oder nimmt sie fortwährend zu, und in welchem Maasze? Auf welche Punkte sich die bezüglichen Angaben zu beziehen hätten, werden wir unten noch zu besprechen haben. Die Bestimmung des Frischgewichtes und des Trockengewichtes der Probe. Der Uebersichtlichkeit wegen wollen wir auch hier die einzelnen Operationen, welche mit der eingesammelten Probe vor- zunehmen sind, möglichst scharf auseinander halten und getrennt besprechen. Es sind diese 12 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN 1. Die Bestimmung des Frischgewichtes der ganzen Probe, 2. die Trennung der einzelnen Organe und die Bestimmung ihres Frischgewichtes, 3. das Trocknen der in die einzelnen Organe zerlegten Proben. Die Bestimmung des Frischgewichtes der eingesammelten Probe lehrt uns ihr absolutes Gewicht, sowie nach Abzug des Trocken- gewichtes ihren Wassergehalt kennen. Während die Trockensub- stanz während der eigentlichen Vegetationsperiode fortwährend zunimmt, unterliegt der Wassergehalt und damit das absolute Ge- wicht bekanntlich bedeutenden Schwankungen, sowohl in grösze- ren als auch in kleineren Zeiträumen. Dementsprechend läszt sich das Frischgewicht nicht mit derselben Sicherheit feststellen als das Trockengewicht, woraus sich ferner ergiebt, dasz die Bestim- mung des ersteren zwar in hohem Grade wünschenswerth ist, aber doch nicht von derselben Wichtigkeit wie die des Trockenge- wichtes. Dazu kommt, dasz die jedesmal geernteten Massen sehr ansehn- liche sind, dasz sie gewöhnlich vor dem Wägen vom Versuchsfelde in das Laboratorium hinübergeschafft werden müssen und dabei nothwendig durch Verdunstung an Frischgewicht verlieren. Auch durch das Entfernen von dem an den Wurzeln hängenden Sand und Erde, sowie durch die weiteren erforderlichen Waschungen ent- stehen unvermeidliche Fehlerquellen. Man kann diese zwar zu einer unbedeutenden Grösze herabdrücken, niemals aber zum vollstän- digen Verschwinden bringen. Hierbei ist zu bemerken, dasz die Berücksichtigung der feineren Wurzelfasern, so erwünscht sie auch ist, doch bei Weitem nicht wichtig genug ist, um durch bedeutende Vermehrung der Arbeitslast die übrigen Bestimmungen stören zu dürfen. Um den Einflusz der Schwankungen des Wassergehaltes wäh- rend des Tages möglichst auszuschlieszen, empfiehlt es sich, die Proben immer zu derselben Tageszeit, und zwar am besten immer morgens früh, etwa bei Sonnenaufgang oder gleich nachher ein- zusammeln. In dieser Zeit sind bekanntlich die Pflanzen am frisch- esten, ihr Wassergehalt ist dann am gröszten. Während des Tages nimmt dieser durch die Verdunstung bedeutend und je nach den Umständen in sehr ungleicher Weise ab. Die oft vorgeschlagene Methode der Einsammlung in tarirten Glasgefäszen oder in Blechbüchsen bedarf gegenüber der ansehn- lichen Grösze der zu erntenden Proben wohl keiner eingehenden Besprechung. Dagegen würde sich vielleicht der Gebrauch groszer BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 13 Zinkkästen für den Transport der ganzen Ernte, sowie kleinerer Zinkkästen bei der Trennung der Pflanze in ihre einzelnen Organe empfehlen, um den Einflusz der Verdunstung möglichst gering zu machen. Endlich ist darauf hinzuweisen, dasz die ganze Menge der ge- ernteten Pflanzen gewogen wird, und dasz nicht etwa durch Be- stimmung des Gewichtes eines aliquoten Theils und durch Mul- tipliziren das Gewicht der ganzen Probe ermittelt wird. Können sich hierbei doch sehr beträchtliche Fehler einschleichen, welche ` um so einfluszreicher sind, je kleiner der gewogene Theil ist, und je mehr er von dem Durchschnitte der Probe abweicht. Um eine klare Einsicht in die Lebensvorgänge der Pflanzen zu bekommen, ist es durchaus erforderlich, die Gewichtszunahme nicht nur für die ganzen Pflanzen, sondern für die einzelnen Theile der- selben zu kennen. Gleich nach der Einsammlung sind also die Pflanzen zu zerlegen in ihre Blätter, Stengel und Wurzeln, Blüthen oder Blüthenstände, Früchte, Kolben u. s. w., je nach der zur An- wendung kommenden Pflanzenart. Die Trennung der Theile ist möglichst genau an ihren morphologischen Grenzen, bei allen Pro- ben einer Versuchsreihe aber genau nach der einmal gewählten Vorschrift durchzuführen. Ueber die gewählten Grenzen sind in der betreffenden Publikation ausführliche Angaben zu machen. Hervor- zuheben ist, dasz die Wurzeln immer mit einzusammeln sind, was zumal da von groszer Wichtigkeit ist, wo sie, wie z. B. beim Klee, als Behälter der Reservestoffe fungiren. Gleich nach beendigter Trennung ist von den einzelnen erhaltenen speziellen Proben das Frischgewicht zu bestimmen, wobei die oben bei der Besprechung des Frischgewichtes der Hauptprobe erwähn- ten Vorschriften wieder in Betracht kommen. “ Wir kommen jetzt dazu, das Trocknen der Proben selbst zu be- sprechen. Von den während der Keimung und im ersten Anfang der Vegetationsperiode eingesammelten Proben, werden die bei der Zerlegung in Blätter, Stengel und Wurzeln erhaltenen Spezialpro- ben ohne Zweifel am besten, nach vorhergehendem Abtrocknen an der Luft direkt und ganz zur Bestimmung der wirklichen Trocken- substanz verwendet. Hierüber besteht bei den meisten Forschern wohl keine Meinungsverschiedenheit. Anders stellt sich die Sache aber bei den späteren Proben, wo die Schwierigkeit, die bedeutende Arbeitslast zu bewältigen, zu verschiedenen, mehr oder weniger zuverlässigen Methoden geführt hat. Im Allgemeinen besteht das Verfahren dabei aus den zwei folgenden Theilen: das Lufttrocken- 14 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN machen des Materials durch Ausbreiten an der Luft oder im Trockenschrank resp. Trockenzimmer, und zweitens, das Bestim- men des Gehalts an wirklicher fester Substanz durch Trockenzim- mer, und zweitens, das Bestimmen des Gehalts an wirklicher fester Substanz durch Trocknen der so vorbereiteten Pflanzentheile bei 100° C. Die Frage ist aber die, wo und in wiefern es erlaubt ist, statt der ganzen Masse des Materials, nur einen aliquoten Theii den betreffenden Arbeiten zu unterwerfen, und daraus die gesuch- ten Zahlenwerthe zu berechnen. Die Entscheidung dieser Frage scheint mir von hervorragender Wichtigkeit, weil sich gerade an diesem Punkte der Untersuchung wichtige Fehler einschleichen können, welche die Genauigkeit des Endresultates in hohem Grade zweifelhaft zu machen ‚geeignet ‚scheinen. Um diese Entscheidung zu erlangen, ist es aber erforder- lich, die verschiedenen Methoden kritisch zu prüfen und mit ein- ander zu vergleichen. Welche Gesichtspunkte hierbei in erster Linie in Betracht kommen, möge im Folgenden hervorgehoben werden. Darüber kann wohl kein Zweifel sein, dasz das Trocknen der ganzen geernteten und in die einzelnen Theile zerlegten Massen bei Weitem die genauesten und sichersten Resultate geben würde. Denn hierbei würden die unten zu besprechenden Fehlerquellen am vollständigsten umgangen werden. Dasz aber das zu trocknende Ma- terial in diesem Falle ein sehr groszes ist, verursacht, dasz diese Methode sehr viel Arbeit macht, und dasz ferner das Trocknen bei 100° nicht in dem Masze erschöpfend ausgeführt werden kann, wie dies bei kleineren Proben der Fall ist. Dagegen ist hervorzuheben, dasz die gemachten Fehler, welche ja mit einiger Sorgfalt leicht unter 1 pCt. hinabzudrücken sind, so bleiben wie sie sind, und nicht mit groszen Zahlen multiplizirt zu werden brauchen, wobei sie offenbar mit viel gröszerem Gewicht auf die Sicherheit der end- gültigen Zahlen einwirken müssen. Die gröszte Gefahr bei der gewöhnlich befolgten Methode liegt in der Schwierigkeit das frische, oder auch das lufttrockene Material so zu zerkleinern und zu mischen, dasz eine zur Trockengewichtsbe- stimmung bei 100° entnommene kleine Probe dem wirklichen Durchschnitte der ganzen Masse entspricht, und dasz also bei der Umrechnung der bei jener kleinen Probe erhaltenen Zahlen auf die ganze Menge nicht aus einem kleinen Fehler in der Wahl dieser Probe sehr erhebliche Ungenauigkeiten in den berechneten Zahlen auftreten. Denn wenn zufällig die kleine Probe verhältniszmäszig BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 15 ‚mehr junge oder mehr saftreiche Blatttheile, oder andrerseits mehr Partien aus den halbverdürrten Blättern in sich enthält als die ganze Menge, so wird sie dennoch bei der Berechnung als dem wirklichen Durchschnitt entsprechend angesehen, und der Fehler, der für die kleine Probe vielleicht nur einige Centigramme ausma- chen würde, beträgt bei der z. B. hundertmal gröszeren ganzen Menge ebensoviele Gramme. Dasz gegenüber dieser Fehlerquelle das Abwägen der kleinen Proben auf Milligramme vollständig il- lusorisch wird, braucht kaum betont zu werden. Wie grosz nun die hier möglichen Fehlerquellen in Wirklichkeit sind, und welchen Einflusz sie auf das Endresultat nehmen, ist je nach der relativen Grösze der beiden Proben und je nach der Güte der Mischung sehr verschieden. Es wäre wünschenswerth, dasz auch hierüber direkte Untersuchungen gemacht würden, indem bei jeder Probe drei oder mehrere kleine Proben zur Trockengewichts- bestimmung bei 100° ausgehoben würden und aus jeder für sich das Gewicht der ganzen ermittelt würde. Daneben wäre der ganzen Rest des Materials zu trocknen, um so eine völlig sichere Grundlage zu gewinnen. Man würde auf diesem Wege voraussichtlich zu sehr merkwürdigen Aufschlüssen über die Zuverlässigkeit der erhaltenen Zahlen gelangen, und dadurch auch nebenbei den Vortheil er- reichen, eine illusorische Genauigkeit fortan vermeiden zu können. Wenn alle diese Fragen erledigt und alle diese Schwierigkeiten in befriedigender Weise überwunden sind, ist das Resultat die Feststel- lung der Zahlen für das Frischgewicht und das Trockengewicht der ganzen Pflanze und ihrer einzelnen Theile in den verschiedenen siebentägigen Perioden ihres ganzen Lebens. Wie nun die Zuver- lässigkeit aller dieser Zahlenreihen beurtheilt werden kann, und wie die aus ihnen sich ergebenden Resultate daraus abgeleitet werden, werden wir unten anzugeben haben. Vorher wollen wir aber noch einer Reihe von Nebenuntersuchungen erwähnen, welche für die Beurtheilung der gewonnenen Zahlen die wichtigsten An- haltspunkte zu geben im Stande sind. Nebenuntersuchungen. Der Zweck der Trockengewichtsbe- stimmung ist, wie im Anfang hervorgehoben wurde, ein Bild von dem allmäligen Gang der Trockengewichtszunahme einer mittleren, oder als normal zu betrachtenden Pflanze zu entwerfen, wie diese unter gewöhnlichen Verhältnissen und auf mittelgutem Boden in der Gegend des Versuchsanstellers sich entwickelt. Hieraus er- 16 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN giebt sich von selbst, dasz für eine richtige Beurtheilung der Resultate die Kenntnisz der äuszeren Umstände, unter denen die Pflanzen gewachsen sind, von gröszter Wichtigkeit ist. Ihren wahren Werth erreichen die bezüglichen Angaben aber erst, wenn noch zweien anderen Bedingungen genügt ist, welche so zu sagen die Vermittelung zwischen jenen äuszeren Einflüssen und die Trockengewichtszunahme der Pflanzen übernehmen. Ich meine die Kenntnisz des jeweiligen Entwickelungsstadiums der Pflanze, und der Grösze der assimilirenden Blattflächen. Die nächsten Ursachen, von denen die Aenderung des Trocken- gewichtes einer lebenden Kulturpflanze abhängt, sind die Assimila- tion von Kohlensäure zur Bildung von organischer Substanz, die Aufnahme von anorganischen Bestandtheilen aus dem Boden und die Athmung. Die beiden zuerst genannten vermehren das Trocken- gewicht, durch die Athmung verliert die Pflanze fortwährend an fester Substanz. In der Keimungsperiode überwiegt die Athmung die beiden anderen Vorgänge, das Trockengewicht der Pflanze nimmt (vom Samen aus gerechnet) dabei stetig ab. Mit dem An- fange der vegetativen Periode ändert sich dieses Verhältnisz, und bald überwiegt die assimilirende Thätigkeit dermaszen, dasz sie fast allein maszgebend zu sein scheint. Dem entsprechend ist es in erster Linie erwünscht, die Grösze der gesammten assimilirenden Flächen der Pflanzen in jeder einzel- nen Woche ihrer Vegetation genau zu kennen. Da nun die Blätter hauptsächlich die Assimilationsorgane sind, und die übrigen grü- nen Theile durch ihre Form oder ungünstige Lage an dieser Auf- gabe sich nur in untergeordneter Weise betheiligen können, so genügt es in den meisten Fällen, das Gesammtblattflächenmasz zu bestimmen. Wünschenswerth wäre es, die zu diesem Zwecke in der vorlie- genden Literatur angegebenen Methoden einer vergleichenden Prüfung zu unterwerfen. Auch lieszen sich vielleicht manche we- sentliche Verbesserungen oder Erleichterungen dabei anbringen. Bekanntlich berechnen Einige das Gesammtflächenmasz aus dem Gesammtgewicht der frischen Blätter, und dem mittleren Gewichte einiger ausgeschnittenen rechteckigen Blattstücke von bestimmter Grösze. Die Fehlerquelle liegt hier in der Schwierigkeit der Aus- wahl von wirklich dem Durchschnitte entsprechenden Stücken zur Berechnung jenes Verhältnisses zwischen Gewicht und Ober- fläche. Andere zeichnen die Umrisse der Blätter auf möglichst gleichmäsziges Papier aus, schneiden die bezeichneten Stücke aus BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 17 und wiegen diese. Aus dem bekannten mittleren Gewichte eines Quadratcentimeters des angewandten Papiers wird dann die ge- sammte Blattoberfläche bestimmt. Eine dritte, zumal bei klein- blättrigen Pflanzen, wie z. B. beim Klee sich empfehlende Methode wäre folgende. Die Blätter werden dicht neben einander auf photo- graphischem Papier ausgebreitet, mit einer Glasplatte angedrückt und einige Augenblicke dem Sonnenlichte ausgesetzt. Nachdem die .so erhaltenen Bilder in der bekannten Weise fixirt worden sind, kann man sie beliebige Zeit aufbewahren, um die Ausmessung je nach Bequemlichkeit erst später auszuführen. Diese selbst könnte entweder durch Ausschneiden der Bilder und Wägen geschehen, nach der oben erwähnten Methode, oder zweckmäsziger und be- quemer mit dem sogenannten Planimeter vorgenommen werden. Welche Methode man aber befolgt, stets bleibt die Haupt- schwierigkeit die Auswahl der auszumessenden Probe. Je kleiner diese im Verhältnisz zur ganzen geernteten Blattmasse ist, und je mehr sie von dem wirklichen Durchschnitte abweicht, um so gröszer werden die dabei sich möglicherweise einschleichenden Fehler. Nur wenn man alle Blätter der ganzen Probe nach der zu- letzt erwähnten photographischen Methode ausmessen könnte, wäre dieses vollständig zu vermeiden. Jedenfalls ist aber festzuhal- ten, dasz die Resultate um so sicherer sind, mit je mehr Blättern man arbeitet. Nur die Erfahrung kann hier entscheiden, was in allen Hinsichten am zweckmäszigsten ist. Voraussichtlich werden für so verschiedene Blattformen, wie z. B. die vom Mais und von der Kartoffel sind, verschiedene Methoden als die besten befunden werden. Auch ist zu berücksichtigen, dasz eine Genauigkeit von einigen Einheiten pro Mille in den meisten Fällen ebensowenig erreichbar als für das Endresultat von Wichtigkeit sein wird. 1) Nächst der Bestimmung des gesammten Blattflächenmaszes kämen die Angaben über das Entwickelungsstadium der Pflanzen bei jeder einzelnen Ernte in Betracht. Diese sollen nur in groszen Zügen ein Bild von den zur Probe gelangten Exemplaren entwer- fen. Sie hätten sich demgemäsz zu beziehen auf die Höhe und Dicke der Stengel, die Zahl der Blätter und Sprosse, das erste Sichtbar- werden der Inflorescenzen, den Anfang der Blüthe, die Vollblüthe 1) Sollte es nicht genügen, die Blätter der betreffenden Pflanze einer bestimmten Anzahl van Typen zu sortiren, für jeden Typus dann die Grösze exact festzustellen und die Gesammtfläche durch Multiplication der auf jeden Typus fallenden Anzahl von Blättern mit dieser Grosze zu ermitteln. A. d. R. 2 18 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN und das Stadium der Reife. Ferner in speziellen Fällen auf die Grösze und die Zahl der Knollen bei den Kartoffeln; auf die Dicke des Wurzelkörpers bei den Rüben u. s. w. Was nun die äuszeren Einflüsse anbelangt, unter denen sich die Pflanzen in der jeder Ernte vorangegangenen Woche entwickelt haben, so ist die mittlere Temperatur die am zuverlässigsten be- stimmbare Grösze. 1) Vielleicht würde es sich empfehlen, die mitt- lere Tages- und Nachttemperatur getrennt zu kennen. Ferner den Zustand des Himmels, die Regenfälle, die tägliche Dauer der Beson- nung, den Feuchtigkeitszustand des Bodens u. s. w. Ueber diese letzteren Punkte genügen Angaben in sehr allgemein gehaltenen Ausdrücken, da die genaueren meteorologischen Angaben sich für den vorliegenden Zweck doch nicht verwenden lassen. Berechnung und Beurtheilung der Resultate. Aus dem in der Einleitung ausführlich besprochenen Zweck der Trockengewichts- bestimmungen ist leicht zu entnehmen, in welcher Weise die auf empirischem Wege erhaltenen Zahlen weiter zu verarbeiten sind. Sie sollen so dargestellt werden, dasz sie uns über den Gang der Zunahme des Frischgewichtes und des Trockengewichtes einer Normalpflanze allen gewünschten Aufschlusz geben. Dem entspre- chend müssen sie nach einem für Alle gemeinschaftlichen Schema berechnet und zusammengestellt werden, um leicht und bequem unter sich verglichen werden zu können. Aus unserer Einleitung ergiebt sich weiter, dasz die in den Tabellen aufzuführenden endgültigen Zahlenwerthe nur absolute Gröszen sein dürfen, dasz prozentische Angaben für unseren Zweck keinen Werth haben. Und zwar sind die Zahlen in erster Linie Mittel- zahlen für die Durchschnittspflanze jedes einzelnen Versuchsfeldes und jedes einzelnen Jahres. So lange eine definitive Untersuchungs- methode noch nicht in allen Einzelheiten festgestellt ist, haben die betreffenden Zahlen hauptsächlich den Werth, dasz sie zur Beur- tneilung der angewandten Methode wichtige Anhaltspunkte lie- fern. Später aber sind alle von den einzelnen Forschern gelieferte Zahlen einer gemeinschaftlichen Umrechnung zu unterwerfen, durch welche sich die Zahlen für eine allgemeine Durchschnittspflanze 1) Es braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, dasz die Tempe- ratur als solche anzugeben ist, und nicht etwa in sogenannte Wärmesummen umgerechnet werden darf. Dieser Begriff entbehrt, wie bekannt, jeder wissen- schaftlichen Begründung durchaus. BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 19 ergeben müssen. Diese Durchschnittswerthe bilden dann die empi- rische Grundlage, auf der die Zahlen für die anzunehmende Nor- malpflanze, in zweckmäsziger Form berechnet und konventionell festgestellt werden können. Es würde voreilig sein, bereits jetzt die Vorschriften zu diesen Berechnungen auch nur in groszen Zügen angeben zu wollen; die- ses wird erst möglich sein, nachdem eine hinreichende Anzahl von Vorarbeiten erledigt und dadurch eine empirische Basis für die be- treffenden Berechnungen wirklich gegeben sein wird. Es dürfte jedoch geeignet sein, hier noch Einiges über die Beur- theilung der in jeder einzelnen Untersuchung erhaltenen Zahlen- werthe beizufügen. Ich meine die graphische Darstellung in Form von Kurven. Diese hat einen doppelten Zweck: erstens eine klare und rasche Uebersicht zu ermöglichen, und zweitens die Resultate besser der Kritik zu unterwerfen. Um dieses an einem Beispiele zu erläutern, wähle ich nicht die Zahlen für das Frischgewicht oder das Trockengewicht selbst, sondern die aus letzterem berechneten Zahlen für die Zunahmen des Trockengewichtes in den einzelnen siebentägigen Perioden. Aus Gründen, welche sich aus der folgenden Besprechung ergeben werden, geben diese Zahlen das bequemste Mittel zur Beurtheilung ab. Bezeichnet man die Ordinaten des Koordinaten-Papiers als die einzelnen Erntetage, so lassen sich darauf die Zahlen für die wöchentlichen Trockengewichtszunahmen eintragen. Mit der so konstruirten Kurve kann man ferner die Temperatur, die Grösze der absoluten Blattfläche, und andere wichtige Faktoren in ähn- licher Weise vergleichen, indem man die Kurven dafür auf das- selbe Papier einträgt. Es ist selbstverständlich, dasz dabei jedesmal alle für eine Woche geltenden Zahlen auf dieselbe Ordinate fallen. Nun hängt bekanntlich die Zunahme an Trockensubstanz fast vollständig von der Kohlensäure-Zerlegung im Chlorophyll ab. Die Aufnahme von Mineralstoffen ist dieser gegenüber so gering, dasz wir sie einstweilen vernachlässigen können. Einen gröszeren Ein- flusz auf den Gang der Trockengewichtszunahme nimmt der Sub- stanzverlust durch die Athmung, aber auch dieser ist gegenüber der Assimilation nur von untergeordnetem Werth. Dazu kommt, dasz beide Nebenursachen in entgegengesetztem Sinne wirken. Wo es sich nur um den Gang der Trockengewichtszunahme im Groszen und Ganzen handelt, dürfen wir die beiden genannten Ursachen einstweilen vernachlässigen, und annehmen, dasz die Trockenge- 20 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN wichtszunahme unseren Kenntnissen über die Beziehungen zwi- schen Assimilation und äuszeren Umständen entsprechen wird. Der erste Faktor des Assimilationsvorganges ist offenbar die Grösze der assimilirenden Blattfläche. Dem entsprechend musz die Kurve für die Trockengewichtszunahme in den siebentägigen Pe- rioden mit der Kurve für die absolute Grösze der Blattfläche im Groszen und Ganzen im Anfange der Vegetationsperiode erst lang- sam, dann rascher zunehmen, zur Zeit der Ausbildung und Reife der Früchte, wegen des Vertrocknens der unteren Blätter und des Mangels an Neubildung, im Allgemeinen wieder abnehmen. Wir können diese Haupteigenschaft unserer Kurve als die grosze Periode der Trockengewichtszunahme bezeichnen. Diese grosze Periode wird aber nicht nur von der Grösze der assimilirenden Flächen, sondern in gleicher Weise von zwei an- deren sehr wichtigen Faktoren des Assimilationsprozesses bedingt, der Wärme und dem Licht. Die mittlere Tagestemperatur nimmt bekanntlich, abgesehen von ihren bedeutenden Schwankungen im Groszen und Ganzen in der ersten Hälfte des Sommers zu, in der zweiten wieder ab. Dasselbe gilt von dem Sonnenlichte. Denken wir uns nun beide Gröszen, nach den meteorologischen Angaben, als Kurven über unserer Kurve für die Trockengewichtszunahme eingetragen, wobei, wie schon bemerkt, dieselben Tage auf die- selben Ordinaten entfallen. Die Höhepunkte (Maxima) der beiden neuen Kurven fallen ziemlich weit auseinander; ebenso fällt der Höhepunkt der Kurve für die Grösze der thätigen Blattfläche voraussichtlich nicht auf dieselbe Ordinate wie derjenige einer jener beiden Kurven. Die relative Lage dieser drei Maxima bedingen die Lage des Maximums der Assimilationskurve; wo dieses in Wirklichkeit liegt, das müssen uns die Untersuchungen selbst lehren. Dasz es aber gerade mit einer von jenen Dreien zusammenfallen sollte, ist offenbar nicht nothwendig. Zu den Eigenschaften der groszen Periode unserer Kurve ge- hört auch, dasz die Kurve während der Keimungsperiode negativ ist, also unterhalb der als Nulllinie gewählten Abscisse liegt. Denn während dieser Zeit findet bekanntlich eine stetige Abnahme der festen Substanz statt, welche erst nach dem Ergrünen der ersten Blätter mit dem Anfange des Assimilationsprozesses in Zunahme übergeht. Aus bekannten Sätzen der Pflanzenphysiologie darf man auf die- se grosze Periode unserer Kurve mit voller Sicherheit schlieszen. Sie BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 21 ist eine unbedingte Anforderung an die Resultate der Trockenge- wichtsbestimmungen. Jede gute Kurve für die Trockengewichts- zunahme wird sie in ihrem groszen Zuge deutlich zur Schau tra- gen. Eine Untersuchungsreihe, welche dieser nicht genügt, ist in ihren Zahlenangaben durchaus werthlos, weil nur sehr grobe und häufig wiederkehrende Beobachtungsfehler diese Kurve zu ver- decken im Stande sind. Dem ungeachtet kann sie aber doch für den jetzigen Zweck wissenschaftlichen Werth haben. Sie entlehnt diesen dann der ausführlichen Beschreibung und kritischen Behand- lung der in Anwendung gekommenen Methode, welche es ermögli- chen musz, die Ursachen der gemachten Fehler aufzufinden und dadurch diese selbst im nächsten Jahre zu vermeiden. Nur- Fehler, deren Ursachen bekannt sind, können vermieden werden, und in der Vermeidung der Fehler liegt eine der Hauptaufgaben bei der Aus- bildung der Untersuchungsmethode. Auszer der groszen Periode werden die Kurven für die Trockengewichtszunahmen gewöhnlich noch zahlreiche kleine Zackungen besitzen. Diese können entweder von Beobachtungs- fehlern herrühren, oder in wirklichen Schwankungen des Assimila- tionsprozesses ihre Ursache haben. Im letzteren Falle werden sie gewöhnlich den Zackungen der Kurven für die Temperatur, der Beleuchtung und dem Wetter entsprechen und in diesen ihre Er- klärung finden. Wo sie sich aus äuszeren Umständen nicht erklä- ren lassen, werden sie wohl meist durch Beobachtungsfehler ver- ursacht sein. Solche Kurven wären also aus denselben Gründen zu verwerfen, als diejenigen, in deren Hauptzug die grosze Periode fehlt. Wenn nun eine Kurve in beiden erwähnten Hinsichten den aus den bekannten Resultaten der Pflanzenphysiologie abgeleiteten Anfor- derungen entspricht, so weisz man, dasz sie mit den bekannten Ge- setzen nicht in Widerspruch ist, sondern sich aus diesen in ihren Haupteigenschaften erklären läszt. Wäre dieses aber das einzige erreichte Resultat, so würde dieses offenbar die enormen Anstrengungen nicht belohnen, die für die Gewinnung der betreffenden Zahlen erforderlich sind. Die Kurven sollen uns auch selbstständig belehren, uns neue Aufschlüsse über die wichtigsten Vorgänge im ganzen Pflanzenleben geben. Dazu ist eine erste Bedingung, dasz die bei den Trockengewichtsbestim- mungen zur Anwendung gekommene Methode in allen Punkten vorwurfsfrei ist, dasz also die Kurve unser volles Zutrauen schon deshalb verdient. Dann wird man aus den Beziehungen der Kurve 22 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN für die wöchentlichen Trockengewichtszunahmen zu den anderen auf dasselbe Koordinatenpapier eingetragenen Kurven Schlüsse ableiten können, welche, sofern sie sich in den Arbeiten der ver- schiedenen Forscher und in den verschiedenen Jahren gegenseitig bestätigen, als neue Errungenschaften für die Wissenschaft be- trachtet werden dürfen. Ich unterlasse es, auch die von den übrigen Kurven zu erwarten- den Eigenschaften hier zu schildern. Diejenigen für die Kurve des absoluten Trockengewichtes ergeben sich aus dem Gesagten von selbst, und auch die für die Kurven des Frischgewichtes sind aus allgemein bekannten Regeln leicht abzuleiten. Fassen wir das Ergebnisz unserer. Auseinandersetzungen kurz zusammen. Hauptzweck der Trockengewichtsbestimmungen ist die Gewinnung einer festen Grundlage für die ganze Statistik des Pflanzenbaues, einer Einheit für jede Kulturpflanze, mit der sich alle an derselben Art gewonnenen Resultate klar und bequem ver- gleichen lassen. Dafür ist augenblicklich die Ausarbeitung einer gemeinschaftlichen Methode erforderlich, nach der später sämmt- liche einschlägige Untersuchungen gemacht werden sollen. Die bis jetzt in Anwendung gekommenen oder in Vorschlag gebrachten Methoden weichen in so zahlreichen Hinsichten von einander ab und sind noch so vielen Einwürfen ausgesetzt, dasz bei der Ausarbeitung einer vollkommen zuverlässigen Methode noch gros- ze Schwierigkeiten zu überwinden sind. In der kritischen Durch- arbeitung und in dem Zusammenbringen des erforderlichen metho- dologischen Materiales erblicken wir also die Aufgabe für die nächsten Jahre. Die Lösung dieser Aufgabe wird erreicht, sobald durch Einvernehmen der verschiedenen Versuchsstationen ein ge- meinschaftliches, einwurfsfreies Programm für die weiteren Ar- beiten festgestellt werden kann. Der Vollständigkeit wegen folgen hier die beiden Programme, mit welchen die Vorstände der Versuchsstationen seiner Zeit auf- gefordert wurden, die Versuche, über welche die vorstehenden Mittheilungen handeln, einzuleiten, so weit Zeit und Mittel an den Versuchsstationen dies gestatteten. Einzelne Reihen der Resultate pro 1875 sind in den auf Veranlassung der Redaktion angefertigten, diesem Hefte beigefügten Tafeln graphisch dargestellt. D. R. d. I. BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 23 Programm über die Bestimmung der Trockengewichtszunahme bei Kulturpflanzen pro 1875. Der Zweck dieser Trockengewichtsbestimmungen ist die mög- lichst genaue Kenntnisz der Zunahme des Trockengewichts einiger Kulturpflanzen von der Keimung bis zur Fruchtreife. Sie sollen eine experimentelle Unterlage für die physiologische Naturgeschichte dieser Pflanzen bilden und zugleich sichere Anhaltspunkte liefern für weitere, zumal chemische und mikrochemische Untersuchungen. Es handelt sich also darum, ein Bild von dem allmähligen Gang der Trockengewichtszunahme einer mittleren, oder als normal zu beachtenden Pflanze zu entwerfen, wie diese unter gewöhnlichen Verhältnissen und auf mittelgutem Boden in der Gegend des Ver- suchsanstellers sich entwickelt. In Hinsicht auf diesen Zweck ist es wünschenswerth, die Bestimmungen in gleichen und möglichst kurzen Zeiträumen aufeinander folgen zu lassen; denn je zahlrei- cher sie sind, desto genauer wird man den Gang der Zunahme des Trockengewichts kennen lernen. Es wird in dieser Beziehung vor- geschlagen, die Zeiträume auf sieben Tage festzustellen. Dabei ist zu beachten, dasz die Bestimmungen des absoluten Trocken- gewichts Hauptaufgabe der Untersuchung sind, während die Kennt- nisz des Frischgewichts und des daraus zu berechnenden Wasser- gehaltes zwar in hohem Grade wünschenswerth, aber doch nicht so wichtig sind, als die Trockengewichtsbestimmungen. Die zu gewinnenden Zahlen müssen selbstverständlich Mittel- zahlen aus einer gröszeren Zahl von Individuen sein. Wie dieses durch die Zahl und Auswahl der zu benutzenden Pflanzen, oder durch die Methode der Untersuchung zu erreichen ist, bleibt der Einsicht und dem Ermessen der Herren, welche sich an dieser Untersuchung betheiligen wollen, überlassen. Eine genaue Beschreibung des jedesmaligen Entwickelungszustandes der zur Gewichtsbestimmung benutzten Exemplare ist für die Beur- theilung der gewonnenen Zahlen durchaus erforderlich. Es würde sich empfehlen, diese Beschreibung nach einem für jede, Ernte gleichen Schema zu machen, und darin z. B. auch Messungen der Blattflächen u. dgl. aufzunehmen. Die Arten, für welche einstweilen die Untersuchung erwünscht ist, sind die folgenden: 24 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN 1. Zuckerrübe, 2. Rothklee, 3. Kartoffel, 4. Mais. Für die Rübe und den Klee ist sowohl das erste, als auch das zweite Vegetationsjahr in den Bereich der Untersuchung aufzuneh- men. Wünschenswerth wäre es, die Gewichtsbestimmungen nicht nur für die ganze Pflanze, sondern, wo dies thunlich sein sollte, für die einzelnen Theile, wie Blätter, Knollen u. s. w. getrennt an- zunehmen. Indem die Einzelheiten der Versuchsanstellung den Versuchs-Dirigenten überlassen bleiben, wird noch auf folgende Punkte aufmerksam gemacht: In erster Linie wäre zu empfehlen, die Ernte immer Morgens früh vorzunehmen, wenn möglich bei Sonnenaufgang oder kurz nach- her, da zu dieser Zeit die Pflanzen am saftreichsten sind, und der Wassergehalt während des Tages bekanntlich bedeutenden Schwankungen unterliegt. Dann wären möglichst viele Detailan- gaben der ausführlichen Beschreibung der befolgten Methode bei- zugeben, da an diese sich leicht Fragen knüpfen lassen, welche die Ausgangspunkte für weitere Untersuchungen bilden können. So- weit wie dies thunlich, könnten zu diesem Zweck auch genügende Proben des zur Trockengewichtsbestimmung gedient habenden Materials aufbewahrt bleiben. Vielleicht würde es auch im Interesse sein, neben den Durchschnittspflanzen im Freien die Trockenge- wichtsbestimmungen einerseits für besonders kräftig entwickelte Pflanzen, andererseits aber für in groszen Tiöpfen mit möglichster Sorgfalt kultivirte Exemplare durchzuführen, wobei die Gewinnung exakter Zahlen über die Wurzelmasse besonders in’s Auge zu fassen ist. Obgleich ausführliche Angaben über die äuszeren Einflüsse, un- ter denen die Versuchspflanzen gewachsen sind, wie z. B. über den Feuchtigkeitszustand des Bodens, die Dauer der täglichen Besonnung, die Temperatur und etwaige Regenfälle der einzelnen Vegetationsperioden für die Erreichung des Hauptzwecks nicht nothwendig sind, so wäre es doch aus leicht ersichtlichen Gründen erwünscht, solche wo es möglich ist zu besitzen. Hierbei ist aber zu beachten, dasz solche Angaben keineswegs meteorologische Beobachtungen, sondern nur ganz allgemein gehaltene Bemer- kungen sein sollen. Es ist selbstverständlich, dasz die erhaltenen Resultate das literarische Eigenthum der Beobachter bleiben. BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 25 Programm. über die Bestimmung der Trockengewichts-Zunahme bei Kulturpflanzen. pro 1876. In den Berichten über die Arbeiten, welche auf Veranlassung der vorjährigen Programms unternommen wurden, wird von den meisten Herren betont, dasz es sehr wünschenswerth sei, die Un- tersuchungen mit Benutzung der gemachten Erfahrungen zu wie- derholen. Hervorgehoben wird dabei, dasz die Arbeiten sich im Allgemeinen auf ein viel gröszeres Material auszudehnen haben, um mehr zuverlässige Resultate zu bekommen. Hieraus folgt, dasz die zu überwältigende Arbeit in jeder einzel- nen Untersuchung eine viel gröszere werden wird, als sie in den meisten vorjährigen war. Dementsprechend wird vorgeschlagen, dasz jede Versuchsstation sich auf die Bearbeitung einer einzigen Art beschränke und in dieser alle hierfür disponible Kraft und Aufmerk- samkeit auf die Hauptaufgabe, die eigentlichen Trockengewichts- bestimmungen, richte. Um die Arbeit während der Vegetationszeit nicht unnöthiger Weise zu häufen, wären ferner alle etwaigen Neben-Untersuchungen, wie z. B. Aschenbestimmungen wegzu- lassen oder zu verschieben, und würde es sich empfehlen, die luft- trockenen Proben zum Zweck solcher Untersuchungen für später aufzubewahren. Wie bereits im vorjährigen Programm betont wurde, ist der Zweck dieser Trockengewichtsbestimmungen die möglichst genaue Kenntnisz der Zunahme des Trockengewichts einiger Kulturpflanzen vom Anfang der Keimung bis zur Frucht- reife. Sie sollen eine experimentelle Unterlage für die physiologische Naturgeschichte dieser Pflanzen bilden und zugleich sichere An- haltspunkte liefern für weitere, zumal chemische und mikrochemi- sche Untersuchungen. Es handelt sich also darum, ein Bild von dem allmähligen Gang der Trockengewichtszunahme einer mittle- ren oder als normal zu betrachtenden Pflanze zu entwerfen, wie diese unter gewöhnlichen Verhältnissen und auf mittelgutem Boden in der Gegend des Versuchsanstellers sich entwickelt. In Hinsicht auf diesen Zweck ist es wünschenswerth, die Bestimmungen in glei- chen und möglichst kurzen Zeiträumen aufeinander folgen zu las- sen; denn je zahlreicher sie sind, desto genauer wird man den Gang der Zunahme des Trockengewichts kennen lernen. Es wird in dieser Beziehung vorgeschlagen, die Zeiträume auf sieben Tage fest- zustellen. Dabei ist zu beachten, dasz die Bestimmungen des abso- luten Trockengewichts Hauptaufgabe der Untersuchung sind, wäh- 26 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN rend die Kenntnisz des Frischgewichts und die des daraus zu be- rechnenden Wassergehaltes zwar in hohem Grade wünschenswerth, aber doch nicht so wichtig sind, als die Trockengewichts-Bestim- mungen. Die Arten, für welche einstweilen die Untersuchung erwünscht ist, sind die folgenden: 1. Zuckerrübe, 2. Rothklee, 3. Kartoffel, 4. Mais. Für die Rübe und den Klee ist sowohl das erste, als auch das zweite Vegetationsjahr in den Bereich der Untersuchung aufzu- nehmen. Für Mais empfiehlt es sich, eine in der Gegend des Ver- suchsanstellers für gewöhnlich zur Fruchtreife gelangende Varie- tät zu wählen. In Bezug auf die Kartoffel ist zu bemerken, dasz die Berichte des vorigen Jahres bereits eine sehr vollständige Kennt- nisz bringen, auch der Mais wurde bereits vielfach berücksichtigt. Die Untersuchung wäre nicht nur auf die eigentliche Vegeta- tionsperiode, sondern mit gleicher Ausführlichkeit auf die Keimung und die Fruktifikation auszudehnen. Auch vor dem Aufgehen der jungen Pflänzchen ist die Aenderung des Trockengewichts sehr wichtig und würde es sich empfehlen, die erste Probe höchstens 14 Tage nach der Aussaat zu nehmen. Wünschenswerth wäre es auch, die Gewichtsbestimmungen nicht nur für die ganze Pflanze, sondern, wo dies thunlich sein sollte, für die einzelnen Theile, wie Blätter, Knollen u. s. w. getrennt vorzunehmen. In diesem Falle sind über die bei der Trennung gewählten Grenzen der Theile die nöthigen Angaben zu machen. Wo dies möglich wäre, empfiehlt es sich auch die Wurzeln mit aufzunehmen, zumal wo sie, wie beim Klee und bei der Rübe, Behälter wichtiger Reservestoffe sind. Eine genaue Beschreibung des jedesmaligen Entwickelungszu- standes der zur Gewichtsbestimmung benutzten Exemplare ist für die Beurtheilung der gewonnenen Zahlen durchaus erforderlich. Von gleicher Wichtigkeit ist es, Messungen der thätigen Blattfläche vorzunehmen. Es wird vorgeschlagen, diese Beschreibungen nach einem für jede Ernte gleichen Schema zu machen. Hierin wäre u. A. in einer Spalte über die Vegetationsperiode anzugeben: die Data des Aufgehens, des ersten Hervortretens der Blüthenknospen, An- fang und Ende der Blüthe, der Zustand der Reife u. s. w. Die zu gewinnenden Zahlen müssen selbstverständlich Mittel- zahlen aus einer gröszeren Anzahl von Individuen sein. In der Gewinnung einer guten Mittelprobe liegt die Hauptschwierigkeit BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 27 und zugleich die Hauptaufgabe der ganzen Untersuchung. Denn davon hängt die Zuverlässigkeit der erhaltenen Resultate und also ihr wissenschaftlicher Werth durchaus ab. Sie erfordert also die äuszerste Sorgfalt, denn bei schlechter Auswahl wäre alle mit sol- chem Material vorgenommene Arbeit umsonst gemacht. Zwei Punkte sind es, welche bei der Probeentnahme in erster Linie zu berücksichtigen sind: 1. die Anzahl der Exemplare für jede Probe; 2. die Auswahl dieser Exemplare. In Bezug auf die Anzahl der Exemplare ist Folgendes hervorzu- heben: In den Berichten über die vorjährigen Arbeiten sagen mehrere Herren Berichterstatter, dasz sich bei ihrer Untersuchung ergeben hat, dasz die jedesmal zur Anwendung gekommene An- zahl von Exemplaren für zuverlässige Resultate eine unzureichende war. Einer der Herren hat (für die Kartoffel) 50 als Anzahl für jede Probe gewählt und ist zu sehr gut übereinstimmenden Resul- taten gelangt. Bei sehr umsichtiger Auswahl’ auf sehr gleich- mäszig bestandenem Felde ist es vielleicht nicht durchaus erfor- derlich, diese Zahl zu nehmen, es dürfte sich aber empfehlen, in keinem Fall unter 25 herabzugehen. Selbstverständlich ist für jede einzelne Probe dieselbe Anzahl von Exemplaren zu nehmen; eine Erhöhung dieser Zahl in einzelnen Wochen steigert die Arbeitsmenge, ohne die Sicherheit der Resul- tate zu vermehren. Nur so lange die Pflanzen noch ganz klein sind, ist eine höhere, aber auch hier für die ganze Anfangsperiode kon- stante Anzahl zu empfehlen. Sollte es wegen der stark wachsenden Arbeitslast nicht möglich sein, die angefangene Arbeit mit der erforderlichen Anzahl von Exemplaren zu Ende zu führen, so scheint es besser, sich in ande- ren Hinsichten zu beschränken, als durch Verringerung der Zahl auf die Zuverlässigkeit der Proben zu verzichten. Man könnte in einem solchen Falle z. B. eine etwa vorgenommene Trennung der Theile oder die Bestimmung des Frischgewichts fallen lassen. Was nun die Auswahl der Exemplare betrifft, so ist es Jedem bekannt, dasz es, namentlich gegen das Ende der Vegetation hin, ungemein schwer hält, eine den wirklichen Durchschnitt entspre- chende Probe zu treffen. Um die hiermit verbundenen groszen Schwierigkeiten glücklich überwinden zu können, erscheint es von Wichtigkeit, von vorn herein auf möglichst gleichmäszigen Be- stand.des Versuchsfeldes hinzuarbeiten. Denn bei ungleichmäszi- gem Bestand des Feldes würde später die Wahl einer guten Mit- telprobe fast zur Unmöglichkeit werden. Es ist deshalb schon das Saatgut sorgfältig auszuwählen. Nur 28 UEBER TROCKENGEWICHTS-BESTIMMUNGEN Saatgut von vorzüglichster Beschaffenheit und nur möglichst glei- che Körner resp. Knollen sind zu benutzen. Vielleicht ist es auch möglich, von Zeit zu Zeit die zu stark abweichenden Exemplare zu entfernen, damit der Gesammteindruck des mittleren Standes nicht getrübt werde. Wenn durch solche Vorkehrungen die Wahl jeder einzelnen Probe bereits bedeutend erleichtert würde, so wäre dennoch mög- lichst grosze Sorgfalt darauf zu verwenden, dasz bei den einzelnen Ernten nur wirklich mittlere Exemplare eingesammelt werden. Zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der gewonnenen Proben em- pfiehlt es sich, über jede einzelne Probe nach dem Einsammeln kurze Notizen zu machen, welche die Grösze der unvermeidlichen Differenzen zwischen den extremen Exemplaren der Probe in Bezug auf Höhe, Zahl der Blätter u. s. w. angeben. So wären z. B. bei der Kartoffel die Grösze der gröszten und kleinsten Knollen jeder ein- zelnen Probe zu notiren. Auch Angaben über die Grösze der indivi- duellen Verschiedenheiten auf dem ganzen Felde vom Tage der Ernte wären hier von hohem Werth. | Die obigen Angaben sollen nur einige Bedingungen für die Zu- verlässigkeit der Zahlen hervorheben. Wie diese übrigens in allen Einzelheiten der Probeentnahme, sowie in der ganzen Methode der Untersuchung zu erreichen ist, bleibt der Einsicht und dem Ermes- sen der Herren, welche sich an dieser Untersuchung betheiligen wollen, überlassen. Nur wäre noch auf folgende Punkte aufmerk- sam zu machen. In erster Linie wäre zu empfehlen, die Ernte im- mer Morgens früh vorzunehmen, wenn möglich bei Sonnenaufgang oder kurz nachher, da zu dieser Zeit die Pflanzen am saftreichsten sind und der Wassergehalt während des Tages bekanntlich bedeu- tenden Schwankungen unterliegt. Auch wären möglichst viele De- tailangaben der ausführlichen Beschreibung der befolgten Methode beizugeben, da an diese sich leicht Fragen knüpfen lassen, welche die Ausgangspunkte für weitere Untersuchungen bilden können. Schlieszlich empfiehlt es sich, wie schon hervorgehoben wurde, die lufttrockenen Proben aufzubewahren. Denn wenn die wö- chentlichen Ernten mit hinreichender Genauigkeit dem jedes- maligen wirklichen Durchschnitt entsprechen, bilden diese Pro- ben ein äuszerst werthvolles Material für spätere Untersuchungen, wie z. B. für Aschenanalysen und Stickstofibestimmungen. Zu- mal ist dies der Fall, wo die einzelnen Theile getrennt in nicht zu geringen Quantitäten zur Aufbewahrung gelangt sind. Diese weitere Verwendung des trockenen Materials schon während BEI LANDWIRTHSCHAFTLICHEN CULTURPFLANZEN. 29 der Hauptuntersuchung vorzunehmen, erscheint aus mehreren Gründen als unzweckmäszig. Erstens würde dadurch die für sich bereits sehr bedeutende Arbeit während des Sommers noch gesteigert werden. Zweitens aber” wären solche Nebenuntersuchungen völlig werthlos, falls sich bei der Berechnung der für das Trockengewicht gefundenen Zahlen herausstellen sollte, dasz, trotz aller Sorgfalt, die einzel- nen Ernten nicht hinreichend dem jeweiligen Durchschnitt ent- sprächen. Um über diesen wichtigen Punkt leicht Aufschlusz zu bekom- men, empfiehlt es sich, die Methode der graphischen Darstellung zu benutzen. Man trägt auf Ordinatenpapier die für die sieben- tägigen Perioden berechneten Zunahmen des Trockengewichts als Kurve ein und verbindet hiermit Kurven für die Grösze der thätigen Blattoberfläche, für die Temperatur, sowie Angaben über den Zustand des Wetters, die Besonnung u. s. w. Ohne Schwierigkeit wird man auf einer solchen Kurventafel die Zu- verlässigkeit des benutzten Materials beurtheilen können. Jeg- liche Arbeit mit unzuverlässigem Material ist selbstverständlich zu vermeiden. Sehr wünschenswerth ist es, möglichst vollständige Angaben zu besitzen über diejenigen äuszeren Einflüsse, von denen die Bildung der Trockensubstanz zunächst abhängig ist, also in erster Linie über die in Stunden ausgedrückte Dauer der täglichen Be- sonnung der Pflanzen, über den Zustand des Himmels und die mitt- lere Temperatur während der siebentägigen Perioden. Auch Anga- ben über den Feuchtigkeitszustand des Bodens, etwaige Regenfälle u. s. w. sind, wenn auch nicht erforderlich, doch aus leicht ersichtli- chen Gründen erwünscht. Hierbei ist aber zu beachten, dasz solche Angaben keineswegs meteorologische Beobachtungen, sondern nur ganz allgemein gehaltene Bemerkungen sein sollen. Es ist selbstverständlich, dasz die erhaltenen Resultate das literarische Eigenthum der Beobachter bleiben. Die Resultate der vorjährigen Arbeiten gelangen in nächster Zeit in den „Land- wirthschaftlichen Jahrbüchern” zum Druck. Auszer den vorstehend mitgetheilten Berichten sind von den pro 1875 angestellten Versuchen noch zu erwarten die Berichte von Poppelsdorf und Ida Marienhütte. Das Programm pro 1876 ist wiederum sämmtlichen preuszischen Versuchsstationen mit- getheilt. (Landwirthschaftliche Jahrbücher, Bnd. 5, 1876, S. 757.) BEITRAEGE ZUR SPECIELLEN PHYSIOLOGIE LANDWIRTHSCHAFTLICHER KULTURPFLANZEN. (Mit Tafel I u. II.) Unter diesem gemeinschaftlichen Titel beabsichtige ich eine Reihe von monographischen Untersuchungen zu veröffentlichen, als Vorarbeiten für ausführliche ‘physiologische Monographien von landwirthschaftlichen Kulturpflanzen, deren Bearbeitung mir vom Königl. Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegen- heiten übertragen worden ist. Der Zweck dieser Arbeiten ist, im Interesse der Landwirth- schaft alles bis jetzt über die Natur der Kulturpflanzen Bekannt- gewordene zu sammlen, kritisch zu sichten und durch neue Un- tersuchungen nach dem gegenwärtigen Standpunkt der Pflanzen- physiologie zu ergänzen. Um für eine solche Behandlung eine breite und sichere Grundlage zu gewinnen, sind die Pflanzen in ‚erster Linie durch alle Lebensstadien planmäszig zu verfolgen. Sowohl die allmählige Entwickelung ihres äuszeren und inneren Baues, als auch die Aufnahme, die Wanderung und der Verbrauch der wichtigsten Nährstoffe während des ganzen Lebens sollen womöglich lückenlos dargelegt werden. So werden ausführliche Beschreibungen der Keimungs- und Wachsthumsgeschichten ein- zelner Arten entstehen. Diese müssen aber, der vorliegenden Li- teratur entsprechend, fast ganz auf neue anatomische und mikro- chemische Untersuchungen aufgebaut werden. An diese Arbeiten schlieszt sich dann die Zusammenstellung und kritische Verarbeitung der von anderen Forschern veröffent- lichten einschlägigen Spezialuntersuchungen. Zerstreute Notizen können in die obigen Keimungs- und Wachsthumsgeschichten aufgenommen werden; dagegen müssen einzelne, in der Literatur besonders reich vertretene Gegenstände einer besonderen Be- handlung unterworfen werden. Eine letzte Aufgabe endlich ist die Lösung solcher physiologi- ‚schen Fragen, deren Beantwortung für die zu behandelnden Kul- turpflanzen von ausgezeichneter Wichtigkeit, und für eine ab- schlieszende Bearbeitung der Monographien erforderlich ist. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 31 I. Keimungsgeschichte des rothen Klee’s. Hierzu Tafel I u. II. Einleitung. Mit diesem Aufsatze eröffne ich eine Reihe von Arbeiten, in denen ich meine mikroskopischen Beobachtungen über den Bau und die Entwickelung mehrerer landwirthschaftlicher Kultur- pflanzen, zusammen mit den Ergebnissen einschlägiger Untersu- chungen anderer Forscher niederzulegen beabsichtige. Ich habe für eine Reihe von Arten den Entwickelungsgang von der Keimung bis zum völligen Abschlusz des vegetativen und fructificativen Lebens für alle Organe so vollständig verfolgt, als für meinen Zweck erforderlich schien; rein morphologische Fragen, wie z. B. die Zelltheilungsfolgen in den Vegetationspunkten und deren Neubildungen wurden, als dem Zwecke nicht entsprechend, fast gar nicht berührt. Dagegen habe ich, wo dies möglich war, die- selben Vorgänge unter den verschiedensten äuszeren Umständen, zumal bei verschiedener Witterung studirt, um dadurch auch den Einflusz der wichtigsten Faktoren, welche die Lebensprozesse un- serer Pflanzen beherrschen, auch die behandelten Vorgänge ken- nen zu lernen. ‚Meine Aufgabe war bei diesen Studien eine zweifache. Erstens waren die äuszeren und inneren Gestaltungsprozesse selbst zu verfolgen. Zweitens waren die chemischen Veränderungen, welche dabei in den verschiedenen Organen und Gewebeformen statt- finden, zu berücksichtigen. Die Beziehung dieser chemischen Vor- gänge zu den Gestaltungsprozessen war so eingehend zu erfor- schen, dasz es in jedem Falle klar würde, woher die einzelnen Theile die Baustoffe für ihre Ausbildung erlangen, und in welcher Weise diese Stoffe dabei transportirt und für den Verbrauch, oder die Ablagerung in Reservestoffbehältern vorbereitet werden. Aus welchem Material werden die neuen Theile angelegt, und weiter entwickelt; woher stammt dieses? auf welchen Wegen und mit- telst welcher Metamorphosen wird es nach den Verbrauchsorten hin befördert? Um diese Fragen beantworten zu können, muszten die wichtigsten organischen Nährstoffe überall im Pflanzenkörper aufgesucht, und mittelst mikrochemischer Reaktionen nachgewie- sen werden. Sie muszten von denjenigen Organen, in denen sie aus den aufgenommenen anorganischen ‚Verbindungen gebildet 32 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. werden, durch alle Theile der Pflanze hindurch bis an diejenigen Stellen verfolgt werden, wo sie entweder direkt verbraucht, oder für späteren Verbrauch aufbewahrt werden. Ich habe diese zeit- raubenden und mühsamen Arbeiten für alle Entwickelungszustän- de meiner Pflanzen in möglichst lückenloser Reihe durchgeführt, um dadurch ein klares und möglichst vollständiges Bild dieser Vorgänge entwerfen zu können. Hierbei wurden stets erstens die Wege, welche die Stoffe bei ihrer Wanderung befolgen, und fer- ner die dabei stattfindenden Umsetzungen berücksichtigt. Selbst- verständlich musz man bei solchen Studien stets die allgemeinen Gesetze, welche diese Vorgänge beherrschen, im Auge behalten. Und unter diesen in erster Linie das wichtigste und allgemeinste Gesetz, dasz jede einzelne chemische Verbindung sich unabhän- gig von den übrigen bewegt. Die Richtung dieser Bewegung wird nur durch die Lage der Orte der Entstehung und des Verbrauchs bestimmt; welche Gewebeform dabei als Weg dient, hängt von der Natur des betreffenden Körpers ab. Die Kenntnisz dieses Hauptsatzes der Stoffwanderungslehre verdanken wir den grund- legenden Arbeiten von Sachs 1) in denen die wichtigsten Gesetze der Wanderung und der chemischen Metamorphosen der organi- schen Nährstoffe im Pflanzenkörper nach neuen Untersuchungs- methoden begründet, und mit solcher Klarheit vorgetragen werden, dasz sie seither allgemein anerkannt worden sind. Früher hatte man einen sogenannten absteigenden Bildungssaft angenommen, der alle Elemente zur Ernährung enthalten sollte, aber diese, noch in den fünfziger Jahren ganz allgemein herrschende. Lehre wurde durch die Untersuchungen von Sachs definitiv widerlegt und be- seitigt. Auf den letzteren beruht unsere ganze jetzige Einsicht in die Stoffwanderungsvorgänge 2). Die von mir ausgeführten Untersuchungen haben zum Zweck zu zeigen, mit welchen Eigenthümlichkeiten diese allgemeinen Gesetze bei den von mir studirten Pflanzen behaftet sind. Im Groszen und Ganzen liefern sie eine Bestätigung und Erweiterung 1) Diese finden sich in der Bot. Ztg. 1859, 1862, 1863, 1864, 1865, in der Flora 1862 und 1863, in den Sitzber. d. k. Wiener Akad. d. Wiss. 1859, in Pringsheim’s Jahrbüchern Bd. III beschrieben; ihre Resultate sind in Sachs’ Handbuch der Experimental-Physiologie S. 307—374 übersichtlich zusam- mengestellt. 2) Eine Zusammenstellung dieser Resultate mit den Ergebnissen der späteren Forschung auf diesem Gebiete lieferte Pfeffer in den landwirth- schaftlichen Jahrbüchern: Bd. III Heft I, und Heft 3; Bd. V Heft I. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 33 der von dem genannten Forscher aufgestellten Prinzipien, wenn ich auch in der Auffassung mancher spezieller, wenn auch nicht unwichtiger Punkte, infolge sehr ausführlicher Untersuchungen von ihm abweichen musz. Hierüber werde ich an den betreffenden Stellen das Nöthige hervorheben. Die mikrochemischen Reaktionen, welche ich zu meinen Unter- suchungen benutzt habe, waren stets in den Hauptsachen diesel- ben. Ich will deshalb, um eine häufige Wiederholung solcher An- gaben im Text vermeiden zu können, hier die wichtigsten nam- haft machen und kurz beschreiben. Eine kritische Behandlung dieser, und der sonst noch zu denselben Zwecken vorgeschlage- nen Reaktionen behalte ich mir für einen späteren ausführlichen Aufsatz vor. Einstweilen verweise ich für die detaillirte Beschrei- bung auf die unten zu citirenden Abhandlungen. 1. Cellulose ist in der Regel ohne Reaktion kenntlich, und wird in zweifelhaften Fällen bekanntlich mittelst Jodkaliumjo- diumlösung oder mittelst Jodium und Schwefelsäure nach- gewiesen. 2. Lignose oder Holzstoff, färbt sich mit einer wässrigen Lö- sung von schwefelsaurem Anilin schön gelb bis gelbbraun 1). 3. Stärke wird durch die bekannte Blaufärbung ihrer Körner mit Jodlösungen nachgewiesen. Dieser Reaktion entspre- chend habe ich in den farbigen Tafeln über die Stoffwande- rung, welche diesen Aufsätzen beigegeben werden, die An- wesenheit von Stärke durch blaue Punkte angegeben. 4. Traubenzucker. Unter diesem Namen faszt man in der Mikro- chemie einstweilen alle Substanzen zusammen, welche die Fehling’sche Kupferlösung unter bestimmten Umständen zu Kupferoxydul reduziren. Dieses Kupferoxydul tritt bei der Reaktion in den Zellen als rothbraune bis orangene Körper- chen auf, oft in solcher Menge, dasz das Gewebe dadurch für das blosze Auge eine mennigrothe Farbe annimmt. Die Metho- de des Nachweises ist folgende: Man legt nicht zu dünne Schnitte aus dem zu untersuchenden Organe in eine kon- zentrirte Lösung von Kupfervitriol; nachdem sie hierin 1—3 Minuten verweilt haben, wäscht man sie in vielem Wasser rasch ab, um die an der Oberfläche haftende Kupferlösung zu entfernen, und taucht sie dann in eine erwärmte Lösung 3) A. Burgerstein, in Sitzber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien, Juli 1874. Bd. LXX. 3 34 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. von kaustischem Kali. Ist Traubenzucker vorhanden, so tritt die Färbung meist augenblicklich ein; das Mikroskop zeigt dann die rothen Körnchen an und lehrt ihre Vertheilung im Ge- webe kennen 1) Ob in den Pflanzen nur eine, oder mehrere nahe verwandte chemische Verbindungen mit dieser redu- zirenden Eigenschaft vorkommen, läszt sich bis jetzt noch nicht allgemein angeben; jedenfalls aber ist der Trauben- zucker darunter die wichtigste und verbreitetste. Wo ich in diesen und den folgenden Aufsätzen von Traubenzucker spreche, heiszt dies also zunächst einfach, dasz ich an den betreffenden Stellen die obige Reaktion habe auftreten se- hen. Der Bequemlichkeit halber benutzte ich, wo es nicht zu Verwechslungen Anlasz geben kann, statt des Wortes Traubenzucker auch einfach Zucker. In den Figuren über die Stoffwanderung ist der Trauben- zucker, der obigen Reaktion entsprechend, durch eine roth- braune Farbe angegeben. 5. Oel kommt in Samen häufig als Reservestoff vor, und tritt bei Behandlung dünner Schnitte mit konzentrirter Schwe- felsäure, mit Alkohol, und mit einigen anderen Reagentien aus den durchschnittenen Zellen heraus, um sich auf dem Präparate und an dessen Rande zu zahlreichen kleinen Tröpfchen zu sammlen. Diese Methode des Nachweises ver- anlaszt mich, das Oel in den Figuren durch kleine Ringel- chen anzugeben. 6. Eiweisz. Eiweiszkörper nehmen, wenn man sie mit Kupfer- lösung durchtränkt und dann in kaustisches Kali bringt, schon in der Kälte eine charakteristische, schön violette Färbung an. Weicht man also Schnitte aus Pflanzentheilen während einiger Minuten in dieser Lösung ein, wäscht das oberflächlich anhängende Kupfersalz dann rasch in Wasser ab, und setzt dann einen Tropfen Kalilösung auf den Schnitt auf, so weist eine violette Färbung des Gewebes einen Ge- halt an Eiweisz an. Auch beim Eintauchen in warmes Kali beobachtet man die Reaktion, sie tritt also mit der unter 4 genannten bei derselben Operation ein. Doch empfiehlt es 1) Sachs, Ueber einige neue mikroskopisch-chemische Reaktionsmethoden, in Sitzber. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien 1859. Sachs, Mikrochemische Unter- suchungen in Flora 1862. S. 289. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 35 sich, das Eiweisz in besonderen Probeschnitten, und mit kaltem Kali nachzuweisen. 1) In meinen Stoffwanderungsfiguren deutet die violette Farbe stets Eiweisz an. Es ist durch analytisch-chemische Untersuchungen festgestellt worden, dasz in den Pflanzen verschiedene Arten von Eiweiszkörpern vorkommen, dasz z. B. das Eiweisz der ruhenden Samen im Allgemeinen nicht dieselbe Verbindung ist als das in vegetirenden Theilen vor- kommende. Solche Unterschiede können aber bis jetzt auf mikrochemischem Wege noch nicht entdeckt werden. 7. Asparagin. Eine gute mikrochemische Reaktion für diesen Körper fehlt noch. Nur wo er in groszen Mengen im Gewebe vorkommt, läszt er sich dadurch nachweisen, dasz man ihn aus den Schnitten oder den zerquetschten Pflanzentheilen heraus krystallisiren läszt. Dieses geschieht wenn man die Objekte mit absolutem Alkohol behandelt. Die dabei entste- henden Krystalle sind relativ grosz und leicht kenntlich. 2) 8. Gerbstoff. Gerbstoffhaltige Pflanzentheile nehmen bei mehr- stündiger Behandlung mit Eisenchlorid eine Färbung an. Wo ich also von „Gerbstoff” spreche, soll dies heiszen, dasz ich in den betreffenden Gewebepartien jene Schwarz- färbung mit Eisenchlorid beobachtet habe. Häufig, aber nicht immer färbt kaustisches Kali die gerbstoffhaltigen Zellen braunroth; wo ich diese charakteristische Reaktion bekommen habe, werde ich dies besonders anführen. 3) 9. Oxalsaurer Kalk ist in der Regel an der Form seiner Kry- stalle oder der Anhäufung zu krystallinischen Körnermassen leicht kenntlich. In Zweifelsfällen entscheidet seine Eigen- schaft sich nicht in Essigsäure, wohl aber in Salzsäure zu lösen. Nach diesen Bemerkungen werde ich im Texte einfach von der Anwesenheit von Eiweisz, Traubenzucker, Asparagin u. s. w. re- den, ohne jedesmal zu sagen, durch welche Reaktion ich die Stoffe aufgefunden habe. Empirisch aufgefaszt bedeuten diese Aus- 1) Sächs, A. o. a O. 2) Pfeffer, Untersuchungen über die Proteinkörner und die Bedeutung des Asparagins beim Keimen der Samen. Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. VIII S. 530. _ 3) Sachs, Ueber einige neue mikroskopisch-chemische Reaktionsmethoden in Sitzber. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien 1859. 36 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. drücke also nur, dasz ich die hier angegebenen Behandlungen angewendet habe, und dasz dabei die charakteristischen Reak- tionen eingetreten sind. § 1. Der reife Same. a) Allgemeines. Die reifen Samen des rothen Klee’s sind kleine, eiförmige, von einer harten Schale umschlossene Körperchen. Ihre Farbe ist meist bräunlich, und häufig am dickeren Ende dunkler als am dünneren. Aeuszerlich beobachtet man an ihnen-eine erhabene Leiste, welche vom dickeren Ende sich allmählich erhebend an einer Seite ent- lang etwa bis gegen die Mitte des Samens verläuft, wo sie ziem- lich plötzlich aufhört. In der kleinen Einbuchtung an ihrem Ende erkennt man den Nabel als eine scharf umschriebene, kreisrunde Grube, welche die Stelle anweist, an der in der Frucht der Same mittelst eines kleinen Stielchens befestigt war. Die erwähnte Leiste ist für die leichte Orientirung über die Lage der Keimtheile im Samen sehr wichtig, da sie das Würzelchen umschlieszt, und dessen Lage also äuszerlich erkennen läszt. Die einzelnen Kleesamen derselben Ernte sind sowohl in der Grösze, als in der Farbe sehr verschieden. Im Mittel sind sie etwa anderthalb bis zwei Millimeter grosz, doch sind gröszere und zumal kleinere nicht selten. Ihre Farbe schwankt vom dunklen Gelb, durch Braun bis in das dunkel-violette; einige sind überall gleichmäszig gefärbt, bei den meisten ist aber das schmälere Ende blasser als das dickere, Wichtiger als die Kenntnisz dieser rein äuszerlichen Merkmale ist die Betrachtung des inneren Baues. Diese lehrt uns einen sehr groszen Keim kennen, der nahezu den ganzen von der Samenschale umgebenen Raum einnimmt, und nur an einzel- nen Stellen kleine Lücken übrig läszt, welche von einem anderen Gewebe, dem Endosperm, ausgefüllt sind. An dem Keime unter- scheidet man auf den ersten Blick drei Theile: die beiden Samen- lappen und das Würzelchen. Die Samenlappen liegen mit ihrer Oberseite fest gegeneinander angedrückt, das Würzelchen ist auf die Spalte der Samenlappen zurückgelegt; wird aber von ihnen ` durch eine Einbuchtung der Samenschale getrennt. Die gegenseitige Lage der einzelnen Theile des Samens ergibt sich am klarsten aus der Betrachtung von Längs- und Querschnit- ten, wie solche auf unserer Tafel in den Figuren 1 und 2 darge- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 37 stellt sind. In diesen, wie in den übrigen Figuren, geben die Far- ben die Vertheilung der Nährstoffe in den verschiedenen Organen und Geweben an, hierauf kommen wir unten zurück; jetzt wollen wir nur die Lage der Theile in’s Auge fassen. Fig. 1 stellt einen Längsschnitt durch den trockenen Samen bei zwanzigfacher Ver- gröszerung dar; man sieht auf der rechten Seite in der oberen Hälfte die bereits erwähnte vorspringende Leiste, welche das Würzelchen (w) umfaszt. In der Einbuchtung an ihrem unteren Ende liegt der Nabel (n), in der unmittelbaren Nähe der Wurzel- spitze; der Nabel bezeichnet also am Samen ungefähr die Stelle, wo bei der Keimung das Würzelchen zuerst hervorbrechen wird. Das Würzelchen selbst besteht aus verschiedenen, im Samen kaum von einander gesonderten Theilen; seine untere Spitze wächst später zur Wurzel heran, der mittlere Theil wird zum hy- pokotylen Glied, während an dieses nach oben die beiden, jetzt noch sehr kurzen Stiele der Keimblätter (c) anschlieszen. Zwi- schen diesen beiden Stielen liegt die Plumula oder das Federchen (f), eine winzig kleine Knospe, aus der sich später der ganze Stock der Pflanze, mit seinen zahlreichen Blättern und Sprossen entwickeln wird. Die Haut des Kleesamens besteht aus zwei, in ihrem Baue und ihren Eigenschaften sehr verschiedenen Schichten. Die äuszere Samenschale ist dick und hart, an ihrer Oberfläche glatt und mehr oder weniger glänzend. Die innere Schale liegt der äuszeren überall als ein weiszes feines Häutchen dicht an. In der Nähe des Nabels liegt ein parenchymatisches Gewebe von bedeutender Dicke als letzter Rest von jenem Parenchym, das in der Samen- knospe den Kern bildete. Diese Gewebepartie erhebt sich wulst- förmig, um eine Wand zwischen den Samenlappen und den Wür- zelchen darzustellen. Man erkennt diese Wand an der genannten Stelle in der Figur 1 als ein langes schmales Dreieck, das nach oben sehr dünn ausläuft. Noch deutlicher zeigt sie sich in dem Querschnitte Fig. 2, weil dieser, in der oberen Hälfte des Samens genommen, die ganze Wand durchschneidet. Hier ist es die Leiste, welche man zwischen den Kotylen und dem Würzelchen liegen sieht. Die Fig. 2 zeigt uns zugleich die Stellen, wo das Endosperm liegt. Es sind die beiden weisz gelassenen Fleckchen seitlich vom Würzelchen, die beiden weiszen Streifen auf der Rückseite der Keimblätter und endlich ein kleines weiszes Dreieck zwischen den beiden Kotylen und der Einbuchtung der inneren Samenschale. 38 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Im trockenen Samen sind diese Stellen alle so klein, wie sie in der Figur abgebildet sind. Weicht man aber den Samen, oder auch nur den Querschnitt in Wasser auf, so saugt das Endosperm grosze Quantitäten Wasser auf und schwillt dabei mächtig an, eine Eigenschaft, auf die wir bald zurückkommen werden. Bei dieser Behandlung sieht man, dasz das Endosperm nicht nur an den genannten Stellen liegt, sondern als äuszerst feine, vorher unmerkbare Schicht, die Samenlappen und das Würzelchen von allen Seiten umgiebt. Die wichtigsten Reservestoffe, auf deren Kosten sich später die Keimpflanze entwickeln wird, sind in der Form von Eiweisz, von Stärke und von fettem Oel abgelagert. Sie finden sich in den dicken Samenlappen und im Würzelchen aufgespeichert. Die Samenschale und das Endosperm enthalten kaum nennenswerthe Mengen von ernährender Substanz. Dagegen sind die genannten Nährstoffe im parenchymatischen Gewebe der Kotylen und des Würzelchens ziemlich gleichmäszig vertheilt. Diese Organe wer- den sich in fast gleichem Maasze bei der Ernährung des Keimlings betheiligen, denn beim Klee ist das Würzelchen im Verhältnisz zu den Samenlappen viel gröszer als bei den meisten verwandten Pflanzengruppen. Man sieht dieses z. B. auch aus der Verglei- chung der Trockengewichte dieser Organe. Beim Klee enthalten die beiden Kotylen zusammen nur sechs mal soviel Trockensub- stanz als das Würzelchen, während letzteres z. B. bei Erbsen vnd Lupinen nur etwa !/s resp. '/s» des Trockengewichtes beider Samenlappen erreicht. 1) Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so besteht der Klee- same aus: 1. der äuszeren und der inneren Samenschale (Taf. I Fig. 1 und 2 as., is.), 2. dem Endosperm (Fig. 2e), 3. dem Keim, (Fig. 1 und 2) der selbst aus den beiden Ko- tylen (c), dem Würzelchen (w) und dem Federchen (f) aufgebaut ist. Von diesen Theilen ist der Keim der wichtigste, er stellt nicht nur die Anlage für das künftige Pflänzchen dar, sondern enthält auch die sämmtlichen Reservestoffe, welche für die erste Ent- wickelung der Keimpflanze erforderlich sind. Unter diesen lassen 1) Blocizewski in Landw. Jahrbücher 1876 V S. 150. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 39 sich auf mikrochemischem Wege Eiweisz, Stärke und Oel nach- weisen. Die Samenschale dient zur Umhüllung und Beschützung des Keimes; das Endosperm nimmt im Samen nur eine sehr unbedeu- tende Stelle ein, und wird erst bei der Einquellung, dem Anfang des Keimungsprozesses eine Rolle spielen. Wir wollen jetzt jeden einzelnen dieser Theile einer eingehen- den Betrachtung unterwerfen, und dabei sowohl den anatomischen Bau, als auch die im Zelleninhalte mikroskopisch nachweisbaren Stoffe in ihrem Vorkommen und Verbreitung in den verschiedenen Gewebepartien so ausführlich beschreiben, als zu einem klaren Verständnisz des ganzen Aufbaues des Samens nothwendig er- scheint. Wir fangen mit den Samenlappen an. b) Die Samenlappen. In den Samenlappen des ruhenden Keims unterscheidet man bereits deutlich die drei Gewebesysteme, aus denen auch in der fertig entwickelten Keimpflanze die Keimblätter aufgebaut sein wer- den. Doch befinden sich sowohl im parenchymatischen Grundge- webe, als in der Oberhaut und den Gefäszbündelanlagen die Zellen noch in einem sehr jugendlichen, theilungsfähigen Zustand, und manche Zelltheilung wird noch eriorderlich sein, um den völlig ausgebildeten Zustand zu erreichen. Auch fehlt in diesem Ruhe- zustande noch fast jede weitere Differenzirung. Die Oberhaut be- steht sowohl auf der flachen Oberseite als auf der gewölbten Un- terseite aus gleichförmigen Zellen, welche fast gleich hoch und breit sind und sich nur durch ihre geringere Grösze und ihre Ver- einigung zu einer kontinuirlichen Schicht von dem darunter lie- genden Grundgewebe abheben. Spaltöffnungen fehlen noch völ- lig; doch sind die zu ihrer Entstehung erforderlichen vorbereiten- den Theilungen bereits vollendet, und die Mutterzellen der späte- ren Stomazellen also überall deutlich erkennbar. Inmitten des parenchymatischen Grundgewebes liegen die Ge- fäszbündelanlagen. Sie stellen ein reich verzweigtes System von Nerven in den Keimblättern dar, deren Verzweigung man im Längsschnitte (Taf. I Fig. 1) nach gehöriger Präparation deutlich verfolgen kann. Man sieht hier, dasz von einem mittleren Hauptstamme an verschiedenen Stellen starke Seitenzweige aus- gehen, aus denen wieder kleinere Zweige entspringen. Diese Nerven werden an ihrem Ende stets dünner, und sind sowohl hierin, als in ihrem ganzen Verlaufe und der Art ihrer Verzweigung 40 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. von den Nerven der eigentlichen Laubblätter des Klee’s auffallend verschieden. Alle Nerven liegen zusammen in einer einzigen Schicht in der Mitte der Dicke des fleischigen Samenlappens, wie man am deutlichsten auf dem Querschnitte (Fig. 2 c) erkennt. Was den feineren Bau der Nerven anbelangt, so ist darüber nur zu sagen, dasz in ihnen noch jede Spur von Differenzirung fehlt, dasz zumal von Spiral- oder Ringgefäszen im reifen Samen nichts zu erkennen ist. Sie bestehen nur aus kleinen, engen, äuszerst dünn- wandigen Zellen, den Mutterzellen der später so hochdifferenzirten Zellenformen der Gefäszbündel. Als Inhalt führen diese Zellen nur Eiweisz; Stärke oder Oel können in ihnen nicht nachgewiesen werden. In letzter Linie haben wir jetzt das Grundgewebe zu betrachten, welches als Ablagerungsort des bedeutendsten Theiles der Re- servestoffe unser Interesse in hohem Grade beansprucht. Es be- steht ganz aus kleinen, sehr eng aneinanderschlieszenden und mit körnigem Inhalt dicht erfüllten Zellen. Auf feinen Querschnitten kann man eine Differenzirung in Palissaden- und Schwammge- webe bereits erkennen, wenn auch nur undeutlich. Denn man sieht bei genauerer Betrachtung, dasz die beiden Zellenschichten, wel- che unter der Oberhaut der Innenseite liegen, regelmäsziger ge- schichtet sind und aus länglicheren Zellen bestehen, als das Gewebe zwischen der Nervenschicht und der Oberhaut der Unter- seite, aus welchem später das Schwammparenchym hervorgehen wird. Die Reservestoffe sind in allen Zellen des parenchymatischen Grundgewebes in derselben Weise abgelagert. Auf sehr feinen Querschnitten durch den trockenen Samen unterscheidet man bei Untersuchung in absolutem Alkohol eine feinkörnige Grundsub- stanz, in der im Umkreise der Zelle grosze runde Körner liegen, während in der Mitte zahlreiche kleinere Körnchen den gröszten Theil des Raumes ausfüllen. Die groszen Körner in der äuszeren Schicht des Zellinhaltes sind Stärkekörner; sie lassen sich bei Behandlung mit Jodlösungen schön blau färben. Die feineren Körnchen in der Mitte sind Proteinkörner; sie bestehen, wie die Grundsubstanz aus einem innigen Gemenge von Eiweisz und fettem Oel. Das Vorkommen von reichlichen Mengen von Eiweisz und fettem Oel im Gewebe der Kotylen kann sehr leicht nachge- wiesen werden. Läszt man dünne Schnitte während 1—2 Minuten in einer gesättigten Lösung von schwefelsaurem Kupfer liegen, und bringt man diese dann, nachdem man sie oberflächlich abge- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 41 waschen hat, in konzentrirte Kalilauge, so nimmt der ganze Schnitt eine prachtvolle intensiv-violette Farbe an, welche in den Gefäszbündeln noch etwas dunkler ist, als im Parenchym und in der Epidermis. (Vergl. Fig. 1 und 2). Diese Reaktion beweist be- kanntlich die Anwesenheit von Eiweiszstoffen. Welcher Eiweisz- stoff vorliegt, darüber entscheidet die Reaktion allerdings nicht. Das fette Oel beobachtet man am bequemsten, wenn man die trockenen Schnitte mit konzentrirter Schwefelsäure behandelt. Man sieht dann überall das Oel aus dem Protoplasma heraustre- ten und sich zu zahlreichen gröszeren und kleineren Tropfen ver- einigen. Auch bei der Behandlung trockener Schnitte mit absolu- tem Alkohol scheidet sich das Oel in Tropfen aus dem Protoplas- ma aus. In gröszeren Mengen Alkohol löst sich das Oel ziemlich vollständig auf, eine Eigenschaft, welche uns ein Mittel an die Hand gibt, um die Präparate in bequemer Weise vom Oel zu be- freien und sie so für eine genauere Beobachtung besser vorzu- bereiten. Denn das Zusammenflieszen des Oeles zu Tropfen stört in der Regel die Klarheit des mikroskopischen Bildes und erschwert dadurch eine genaue ÖOrientirung über die Vertheilung der ver- schiedenen Inhaltskörper in den Zellen. Um diesen Uebelstand völ- lig zu umgehen, thut man am besten, die trockenen Schnitte sogleich in Oel, z. B. in Olivenöl zu bringen und sie hierin zu untersuchen. In solchen Präparaten werden z. B. die Stärkekörner sehr deutlich sichtbar. Sowohl die Behandlung mit Oel, als die mit absolutem Alkohol läszt deutlich die kleinen Proteinkörnchen erblicken, wel- che in der Grundsubstanz des Protoplasma überall vertheilt sind. Von den Chlorophylikörnern, welche später die wichtigsten In- haltskörper der Zellen dieses Blattparenchyms darstellen werden, ist im reifen, trockenen Samen noch gar nichts zu sehen. c) Das Würzelchen. Unter diesen Namen faszt man gewöhnlich alles zusammen, was nach der Entfernung der Kotylen vom Keime übrig bleibt; höch- stens wird auch noch die Keimknospe als Federchen oder Plumula abgetrennt. Das Würzelchen (die Radikula) umfaszt dann nicht nur die Anlage der eigentlichen Wurzel, sondern auch das ganze hypo- kotyle Glied, das später das Zwischenglied zwischen der Wurzel und dem eigentlichen Stocke darstellen wird. Die Grenze zwischen der Wurzelanlage und dem jungen hypokotylen Gliede ist im Samen nicht deutlich zu erkennen. Um so schärfer ist das Würzelchen an seinem unteren Ende begrenzt; es zeigt hier schon einen deutlichen, 42 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. von einer Wurzelhaube bedeckten Vegetationspunkt (Taf. I Fig. 1), der sich nur weiter zu entwickeln braucht, um den späteren Vegeta- tionspunkt der Hauptwurzel zu bilden. Das obere Ende der Radi- kula geht allmählig in die beiden kurzen Stiele der Samenlappen über; äuszerlich ist eine Grenze um so weniger zu erkennen, als die- se Stiele an ihrer Basis mit einander verwachsen sind. Auf dem Längsschnitt aber gibt die Lage der Plumula ein sicheres Merkmal für jene Grenze ab (Taf. I Fig. 1 f). Dieses Federchen ist die Knospe, aus der sich die ganze oberirdische Kleepflanze entwickeln wird; sie läszt jetzt auch bei starker Vergröszerung nur den Vege- tationspunkt und die Anlage der beiden ersten Blätter erkennen. Was den anatomischen Bau des Würzelchens anbelangt, so zeigt uns die Fig. 1 darin ein centrales Gefäszbündel, welches nach unten in die Wurzelspitze, nach oben in das Federchen ausläuft. Gleich unterhalb von diesem giebt es seitlich zwei Zweige ab, welche in die Stiele der Samenlappen treten. Das Gefäszbündel ist von einem parenchymatischen Grundgewebe umgeben, dessen Auszenseite eine Oberhaut bekleidet. Der feinere Bau dieser Theile ist in den Hauptsachen derselbe, den wir in den Kotylen bereits beschrieben haben; das Gefäszbündel besteht nur aus gleichartigen, dünn- wandigen Zellen; in der Oberhaut fehlen die Spaltöffnungen noch. Die Zellen des Parenchyms zeigen in ihrer Form und Anordnung sehr deutlich ihre Bestimmung, um später hauptsachlich in der Richtung der Achse auszuwachsen; sie sind im Querschnitte rund, auf dem Längsschnitte aber viereckig und fast doppelt so breit wie hoch. Sie haben also die Form von kleinen, sehr niedrigen Cylin- dern, und sind reihenweise zu gröszeren, aus je 6—12 Zellen be- stehenden cylinderförmigen Gruppen zusammengelagert. Eine genauere Betrachtung von feinen Längsschnitten läszt in dieser Lagerung eine grosze Regelmäszigkeit erblicken, welche auf die Entstehung der erwähnten cylinderförmigen Zellenkomplexe aus.je einer einzelnen Mutterzelle hindeuten. Die Umrisse dieser letzteren sind noch durch den Verlauf der luftführenden Intercellularräume ~ angedeutet. Bei der Keimung verschwindet diese Anordnung in Gruppen allmählig vollständig. Die Reservestoffe endlich können wir kurz abhandlen; sie sind dieselben und zeigen in jeder Hinsicht dieselbe Anordnung, wie in den Kotylen. Das Gefäszbündel, das Federchen und die Wurzel- spitze, auch die Oberhaut führen nur Eiweisz; dagegen enthält das Parenchym sowohl Eiweisz als auch Stärke und Oel. Das Oel ist mit der eiweiszartigen Grundsubstanz innig vermischt und kann BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 43 nur durch Reagentien sichtbar gemacht werden, die Stärke ist aber in Körnerform in den Zellen abgelagert. Erhebliche Unterschiede in der relativen Menge dieser aufgezeichneten Nährstoffe von dem in den Kotylen beobachteten Verhältnisz konnten mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden. d) Die Samenschale und das Endosperm. Die Haut des Kleesamens besteht aus einer äuszeren, harten und brüchigen, meist gefärbten Schicht, und einer dünnen Lage von zarten, weiszen Zellen, welche diese überall auf der Innenseite be- kleidet und welche sich nur in der Nähe des Nabels zu namhafter Dicke entwickelt. Innerhalb dieser doppelten Haut ist der Keim noch von einer dritten Schicht allseitig umkleidet; es ist das Endosperm, welches auf der Rückfläche der Kotylen ansehnlich ist, sonst aber nur ein äuszerst dünnes Häutchen zwischen dem Keim und der inne- ren Samenschale darstellt. Wir haben jetzt den anatomischen Bau dieser drei Schichten zu beschreiben, wie er sich auf seinen Schnit- ten unter dem Mikroskope zeigt; bemerkt sei aber, dasz die phy- sikalischen Eigenschaften dieser Schichten bei der Quellung der Samen eine wichtige Rolle spielen. Hierauf kommen wir in § 3a. zurück. Zum besseren Verständnisz schicke ich die Bemerkung voraus, dasz weder die beiden Samenschalen noch das Endosperm zur Aufspeicherung von Reservenährstoffen dienen; solche werden darin nicht angetroffen. Dieser Mangel an Inhaltsstoffen hat in den Sa- menschalen nichts besonderes; im Endosperm aber ist er auffal- lend, da dieses Gewebe sonst in Samen, wo es vorkommt, grade die wichtigste Ablagerungsstelle für die Reservestoffe darstellt. Auch ist beim Klee das Endosperm nicht absolut frei von Nährstoffen; seine äuszerste Zellenschicht ist von Eiweisz erfüllt, doch ist sie so dünn, dasz diesem Eiweisz kaum eine wichtige Rolle bei der Keimung zugeschrieben werden kann. Die äuszerste Schicht der Samenschale führt den Farbstoff des Samens und einen Gerbstoff als Inhalt, sonst sind die Zellen der genannten Hüllen im trockenen Samen leer. Wir beschreiben zuerst die äuszere Samenschale, dann die innere und dann das Endosperm. Die äuszere Samenhaut besteht aus zwei übereinander liegenden Zellenlagen, von sehr verschiedenem Bau. Die Zellen der äuszersten Lage sind cylindrisch und senkrecht auf die Auszenfläche des Sa- mens dicht nebeneinander aufgestellt. Ihre nach auszen liegenden 44 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Wände, welche den Umfang des Kleesamens bilden, sind sehr stark verdickt, die Seitenwände werden von innen nach auszen dicker, wodurch eine konische Form des übrig bleibenden Zellrau- mes bedingt wird. Die Zellwände weisen schmale cylindrische Stellen von groszer lichtbrechender Kraft auf, welche senkrecht auf die Oberfläche des Samens stehen, diese aber nicht erreichen. - Demzufolge zeigt die Oberfläche der Samenhaut, unter dem Mikros- kop betrachtet, ein fein punktirtes Aussehen. In den Zellen selbst liegt der Farbstoff, der dem Samen die Farbe giebt. Vom ganzen Samen ist nur diese äuszerste Zellenschicht gefärbt, und in dieser nur die Zelleninhalte. Wir haben im Anfange schon mitgetheilt, dasz dieser Farbstoff in verschiedenen Samen oft sehr verschieden, ja gewöhnlich sogar am dicken Ende eines Samens anders als am dünnen ist. Er wechselt im Allgemeinen zwischen gelb, braun, dunkelviolett und den zwischenliegenden Nüancirungen. Mittelst Eisenchlorid läszt sich ferner ein Gerbstoff als Theil des Inhaltes dieser Zellen nachweisen. Auch nimmt der Inhalt bei längerer Behandlung mit kaustischem Kali eine rothbraune Farbe an; eine Reaktion, welche bekanntlich gleichfalls auf einen Gehalt an Gerbstoff hindeutet. Die letztgenannte Reaktion ist zwar häufig durch den in diesen Zellen vorkommenden Farbstoff getrübt; tritt aber auch oft sehr scharf und unzweifelhaft ein. Die zweite Zellenlage der äuszeren Haut ist viel dünner als die erstere und farblos. Sie besteht aus flach tafelförmigen Zellen, wel- che nach der Isolirung aus dem Gewebe als dicke mehr oder weni- ger ovale Ringe erscheinen, da ihre Seitenwand stark verdickt ist. Sie lassen bedeutende Zwischenräume zwischen sich, welche im trockenen Samen mit Luft erfüllt sind. Eine besondere Beachtung verdient noch der Nabel (Fig. 1 n). Es ist dies eine runde Grube, welche von einer kleinen Vertiefung in der äuszeren Samenhaut gebildet wird. Die Wand dieser Grube besteht ganz aus der äuszeren Samenschale, welche an der tiefsten Stelle von einer schmalen Spalte durchbrochen ist. In der Grube war, solange der Same noch unreif war, das Stielchen befestigt, mit dem der Same der Fruchtwand anhing. Beim Trocknen des reifen Samens ist dieses Stielchen verschrumpft und später abgebrochen; kleine Ueberreste davon sind in der Form von kleinen stark lichtbre- chenden, aus säulenförmigen Zellen bestehenden Gewebepartien auf beiden Seiten des erwähnten Spaltes noch übrig geblieben. Auch vom Gefäszbündel, das aus dem Stielchen durch jene Spalte in den Samen drang, sind in dem lockeren Gewebe, das aus der Innenseite BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 45 an den Nabel grenzt, noch geringe Spuren vorhanden. Eine Rolle spielen aber alle diese Theile im reifen Samen nicht mehr; das Ganze ist nur als eine vernarbte Wunde zu betrachten. Eine Mikropyle ist im reifen Kleesamen nicht oder kaum mehr zu erkennen. Die innere Samenschale besteht aus mehreren Lagen von inhalts- armen, flach zusammengedrückten Zellen, welche in der Quer- richtung mehrere Male gröszer sind als die der äuszeren Haut. Sie bieten uns nichts, was eine ausführliche Beschreibung veranlassen könnte. Die Wand, welche die Spitze des Würzelchens von den Kotylen trennt, und welche wir als Ueberreste des Kerns der Samenknospe betrachten, besteht, wie die innere Samenschale, aus einem paren- chymatischen Gewebe von inhaltsarmen, im trockenen Samen weisz erscheinenden Zellen. | Sowohl in der inneren Samenschale, als in der Wand zwischen dem Würzelchen und den Samenlappen enthalten manche Zellen einen Gerbstoff. Ihr Inhalt färbt sich bei der Behandlung mit Eisen- chlorid schwarz. Dieselbe Reaktion haben wir oben für die stäb-. chenförmigen Zellen der äuszeren Samenschale angegeben; da- gegen scheinen das Endosperm und der Keim im ruhenden Samen keinen Gerbstoff zu enthalten. Schlieszlich haben wir noch das Endosperm zu behandeln. Die- ses umgiebt den Keim überall, aber erreicht nur an einzelnen Stel- len eine solche Dicke, das es auf dem Querschnitte des trockenen Samens sogleich erkannt werden kann. Es sind dies die in Fig. 2 weisz gelassenen Stellen zwischen dem Keim und der Samenschale. In dem Endosperm unterscheiden wir eine äuszere, oberhaut-ähn- liche Schicht von flachen, ohne Lücken aneinander schlieszenden Zellen, und ein inneres groszzelliges parenchymatisches Gewebe. Letzteres bietet mit Ausnahme von seiner später zu besprechenden ansehnlichen Quellungsfähigkeit nichts Wichtiges. Dagegen zeigt die äuszere, nur aus einer einzelligen Lage bestehenden Schicht zwei merkwürdige Eigenthümlichkeiten. Erstens sind ihre Zellen nicht leer oder inhaltsarm, wie die angrenzenden des Endosperm und der inneren Samenschale, sondern ganz mit Eiweisz gefüllt. Zweitens zeigen die seitlichen Wände dieser Zellen Einbuchtungen, welche in den inneren Zellenraum hineinragen. Dadurch liefert die- se Schicht bei der Betrachtung unter starker Vergröszerung ein sehr zierliches Bild, das um so interessanter ist, als solche nach innen vorspringende Zellhautleisten im Pflanzenreich verhältniszmäszig sehr selten vorkommen. 46 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. § 2. Die ausgebildete Keimpflanze. a) Allgemeines. Neben dem reifen, noch ruhenden Samen, verlangt auch die am Ende ihrer Entwickelung angelangte Keimpflanze eine eingehende Darstellung. Beide Beschreibungen zusammen bilden die Grundlage für die Vergleichung der verschiedenen Entwickelungszustände, durch welche hindurch der Same sich zur ausgewachsenen Keim- pflanze ausbildet. Kennt man beide Endpunkte der Reihe genau, so hat die Beschreibung des Keimungsprozesses uns zu erklären, durch welche Veränderungen die Keimpflanze aus dem Samen hervorgeht. Ich behandle also erst die fertige Keimpflanze und erst nachher die zwischenliegenden Entwickelungszustände, weil hierdurch die Be- schreibung klarer und deutlicher werden kann. Denn es ist keine leichte Aufgabe, sich eine klare Vorstellung eines Entwickelungs- ganges zu machen, wenn man nicht von vorn herein weisz, zu wel- chem Endresultate dieser führen wird. Indem wir also die Bespre- chung jener Veränderungen für den nächsten Paragraphen bestim- men, wollen wir jetzt die junge Pflanze schildern, wie sie uns am Ende der Keimung entgegentritt. Wie beim Samen sind es auch hier der anatomische Bau und die Vertheilung der Nährstoffe über die einzelnen Organe, welche unsere Aufmerksamkeit besonders in An- spruch nehmen werden. Der ausgebildete Keimling des rothen Klee’s ist ein kleines, zar- tes Pflänzchen, dessen dicke, saftige Keimblätter nur wenig über der Erdoberfläche hervorragen, während zwischen ihnen nur ein kleines Blättchen sich erhebt. Abweichend von der gewöhnlichen Gestalt der Kleeblätter, zeigt uns dieses erste Blättchen nur eine einzige Spreite am Gipfel des langen, dünnen Stieles (Fig. 10 spr). Diese Spreite hat nicht die bekannte ovale Form der späteren ge- dreiten Blätter, sondern ist mehr oder weniger kreisrund, und an der Spitze ausgebuchtet. Die beiden Keimblätter sind gestielt; die Stiele umschlieszen mit ihrem unteren, scheidenartig verwachsenen Ende die Knospe, in welcher sich bereits einige Blattanlagen von verschiedenem Alter befinden. Der Entwickelung der oberirdischen Theile entspricht die des Wurzelsystems; gräbt man die Pflanze vorsichtig aus dem Boden, so sieht man, dasz die Hauptwurzel be- reits eine bedeutende Länge erreicht, und mehrere Seitenwurzeln entwickelt hat. In seltenen Fällen findet man Keimpflänzchen mit drei Kotylen; auch Pflänzchen, an denen statt eines einzigen zwei ungedreite BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 47 Blätter sich entwickeln, begegnet man bei der Durchmusterung sehr zahlreicher Exemplare von Zeit zu Zeit. Solche Vorkommnisse kön- nen als monströse Abweichungen angesehen werden. Die Figuren 10—16 auf unserer Tafel II sollen uns den Bau und die Vertheilung der Nährstoffe in diesem Stadium veranschau- lichen. Fig. 10 stellt die oberirdischen Theile in schematischem Längsschnitt dar; das obere Blättchen (spr) ist dabei ganz in die Ebene der Figur verlegt worden, um die Uebersicht zu erleichtern. ‚ Bei der gewählten Vergröszerung konnte die ganze Wurzel nicht abgebildet werden; ich habe mich also auf die Darstellung eines mittleren Theiles (Fig. 11) und der Wurzelspitze (Fig. 12) be- schränken müssen. Die Figuren 13—16 stellen Querschnitte der Kotylen, der Kotylenstiele, des hypokotylen Gliedes und der Wur- zel dar; für die drei ersteren sind die Stellen, an denen sie der Pilanze entnommen sind, in der Hauptfigur (Fig. 10) durch die entsprechenden Zahlen angegeben. Die Lage des Wurzelquerschnit- tes Fig. 16 konnte nicht eingetragen werden, weil das betreffende Präparat in der Wurzelstrecke zwischen Fig. 11 und 12 lag. Das Charakteristische dieses Entwickelungsstadiums ist, dasz hier zum ersten Male alle Reservestofie vollständig verbraucht sind. Die Aufnahme anderer Nährstoffe und die Stärkebildung durch Zerlegung von Kohlensäure hat bereits angefangen, längst bevor alle im Samen aufgespeicherten Nährstoffe zum Aufbau der Pflanze verwendet waren. Ja, der völlige Verbrauch dieser Reservestoffe ist ohne die Mitwirkung der Kohlensäureassimilation am Lichte richt möglich. Ich werde diese wichtige Eigenthümlichkeit, durch welche die Keimpflanzen des Klee’s sich von sehr vielen anderen Keimlingen unterscheiden, später ausführlich behandeln, aber für ein klares Verständnisz schon jetzt das Folgende voraus- schicken. Bei der Beschreibung des Samens haben wir gesehen, dasz dieser sehr reich an Eiweisz ist. Dieses Eiweisz wird bei der Keimung nun zum Theil als Eiweisz nach den Verbrauchsstätten transportirt. Zu einem groszen Theile wird es in Asparagin umge- wandelt, aus welchem später und an anderen Orten wieder Eiweisz regenerirt werden kann. Dazu ist aber die Anwesenheit reichlicher Mengen von Kohlehydraten erforderlich, da aus Asparagin nur un- ter Aufnahme von stickstofffreien organischen Verbindungen Eiweisz entstehen kann. Nun werden aber die stickstofffreien organischen Verbindungen, welche im Samen als Stärke und Oel abgelagert waren, bei der Keimung bald zum Aufbau der Zellwände und zur Athmung völlig verbraucht. Die Folge davon ist, dasz das Aspara- t 48 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. gin sich in den Keimling anhäuft, ohne sich in Eiweisz zurückbil- den zu können. Dieses kann erst stattfinden, nachdem die Pflanze ihre Keimblätter am Licht entfaltet hat, und diese nun kräftig Kohlensäure assimiliren. Die aus dieser Assimilation gebildeten organischen Substanzen werden dann zu einem groszen Theil zur Eiweiszbildung aus dem Asparagin verwendet. Dieser Prozesz ist gewöhnlich nicht eher beendet, als bis die Pflanze ungefähr in das in unseren Figuren abgebildete Stadium eingetreten ist. Daher in die- sen Figuren die für das Asparagin gewählte gelbe Farbe auch nicht vorkommt. Einen schönen Beweis für die Nothwendigkeit der Mitwirkung des Lichtes bei dem Verbrauch des Asparagins liefert uns die Ver- gleichung der im Dunklen gekeimten Kleesamen. Diese hören auf zu wachsen, sobald die stickstofffreien Reservestoffe des Samens völlig verbraucht sind. Sie enthalten dann aber noch sehr ansehn- liche Mengen von Asparagin und behalten diese in ihrem Gewebe, bis sie absterben. 1) Eine Verwendung findet dieser Körper unter solchen Umständen nicht. Es ist nun wichtig, zu bemerken, dasz solche etiolirende Keimlinge nie das in Fig. 10 abgebildete Ent- wickelungsstadium erreichen können; sie hören gewöhnlich zu wachsen auf, bevor sie die Samenschale abstreifen, und nur in günstigen Fällen gelingt es ihnen, ihre Keimblätter zu entfalten. Ein Wachsthum der Knospe, des Federchens, findet im Dunklen fast gar nicht statt. Dagegen hat das hypokotyle Glied eine viel grös- zere Länge erreicht, als am Lichte. Dieses Stadium erlangen die Keimpflanzen also ausschlieszlich auf Kosten der im Samen vorhan- denen Reservestoffe; für die weitere Ausbildung ist die Mitwirkung von auszen aufgenommener Nährstoffe, speziell die Zerlegung der Kohlensäure am Lichte erforderlich. Man kann dieses auch kurz so ausdrücken, dasz man sagt: im Samen sei das Verhältnisz zwischen den einzelnen Reservestoffen ein unrichtiges; er enthält zu wenig stickstofffreie Nährstoffe im Verhältnisz zu den stickstoffhaltigen; die ersteren sind in zu geringer Menge vorhanden, um eine völlige Verwerthung der letzteren zu gestatten. Diese Eigenschaft hat zur Folge, dasz eine scharfe Grenze zwi- schen der Keimungsperiode und der vegetativen Periode beim Klee nicht besteht. Die erstere hört mit dem völligen Verbrauch der Nähr- stoffe auf, die letztere fängt mit der Verwerthung der von auszen aufgenommenen Stoffe an. Die Grenzen beider Perioden greifen 1) Vergl. Tafel I Fig. 7—9 und § 4. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 49 hier also übereinander; die Entfaltung der Kotylen und das Wachs- thum des einfachen Blättchens gehören eigentlich beiden Perioden an. Für die Beschreibung musz man also eine dieser beiden Gren- zen willkürlich wählen, und dabei empfiehlt sich ohne Zweifel die von uns gewählte Grenze als weitaus die zweckmäszigste. Für diese Wahl spricht auch der Umstand, dasz alle übrigen, im Samen vorhandenen Stoffe zur Erreichung dieses Entwickelungs- stadiums in genügender Menge da sind. Dieses lehren uns Ver- suche, in denen wir die Kleesamen in destillirtem Wasser keimen und sich weiter entwickeln lassen. Hier ist eine Aufnahme anorga- nischer Stoffe ausgeschlossen. Dennoch entwickeln die Keimlinge sich am Lichte vollständig; sie entfalten ihre Kotylen und bilden das einfache Blättchen aus. Setzt man solche Kulturen noch länger fort, so können die Pflänzchen zwar noch weitere Blätter entwick- eln, dieses aber nur auf Kosten der zuerst entfalteten Blätter, welche, indem sie absterben und vertrocknen, ihre anorganischen Bestandtheile der Pflanze wieder zur Verfügung stellen. b) Die Samenlappen. Die Keimblätter haben im ausgewachsenen Zustande noch die- selbe ovale Form, die sie im Samen hatten; sie haben aber sowohl in der Längsrichtung, wie in der Quere etwa die vierfache Grösze er- reicht. Im trockenen Samen waren sie im Mittel aus mehreren Messungen etwa 1 Mm. breit und 1.5 Mm. lang; jetzt sind sie 4 Mm. breit und 6 Mm. lang geworden. Dagegen hat ihre Dicke kaum merklich zugenommen, so dasz die Form des Querschnittes eine ganz andere geworden ist. Dies ist um so mehr der Fall, als im Samen die obere Seite flach und die hintere gewölbt ist, während nach der Entfaltung grade umgekehrt die obere Seite gewölbt und die untere flach wird. Vergl. Fig. 13 mit Fig. 2. Mit diesem Wachsthum der ganzen Organe ist ein Wachsthum und eine Vermehrung der Zellen zusammengegangen. Aber nur in der Richtung der Länge und der Breite; nicht in der der Dicke. Das fertige Keimblatt besteht noch aus derselben Anzahl von Zellen- lagen wie im Samen. Unter der Oberhaut der Oberseite findet man drei Schichten ziemlich eng aneinander schlieszender säulenförmi- ger Zellen, das Palissaden-Gewebe, und darunter vier Lagen eines lockeren, an groszen Lufträumen reichen Schwammgewebes. In jeder Schicht aber hat sich die Zellenzahl sowohl in der Längsrichtung als in der Breitenrichtung des Samenlappens un- gefähr verdoppelt, so dasz aus jeder einzelnen Zelle des ruhenden 4 50 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Samenlappens nahezu vier Zellen für das fertige Keimblatt ent- standen sind. Vergleicht man die angegebenen Zahlen, so sieht man, dasz die Zelitheilungen nicht ausreichen, um das Wachsthum des ganzen Organs zu erklären; es hat auch noch eine Vergrösze- rung der einzelnen Zellen stattgefunden; diese sind jetzt im Gan- zen und Groszen etwa doppelt so breit, wie die im Samen. Auch in der Oberhaut hat ein Wachsthum und eine Vermehrung von Zellen stattgefunden. Wichtiger ist hier aber die Ausbildung der Spaltöffnungen aus den Mutterzellen, welche wir im Samen kennen lernten. Die Stomata kommen auf der Ober- und Unterseite in fast gleicher und ziemlich groszer Anzahl vor; jedes einzelne Stoma ist nahezu kreisrund und aus zwei Zellen gebildet. Durch diese Spaltöffnungen kommuniciren die Lufiträume im Parenchym mit der Atmosphäre. Eine viel eingreifendere Veränderung haben die Nerven erlitten. Aus dem engzelligen, dünnwandigen Gewebe ohne jede Differen- zirung sind Gefäszbündel von reich gegliedertem Bau hervorge- gangen. Ein Holzkörper mit Spiral- und Ringgefäszen, ein Bast mit Bastfasern und dünnwandigen Leitzellen, beide von einem bil- dungsfähigen Kambium getrennt, sind ausgebildet worden. Auf dem Querschnitte des Kotylenstieles Fig. 14 ist diese Differenzirung in den beiden Gefäszbündeln, welche in der Mitte des Grundgewe- bes liegen, angedeutet. Im Samen führten alle Zellen der Gefäsz- bündelanlagen Eiweisz; jetzt kommt dieses nur noch in dem Weich- baste vor; die übrigen Gebilde führen meist Luft. Im Inhalte der Zellen des Grundgewebes sind aber die wichtig- sten Veränderungen eingetreten. Die Reservestofie sind aus ihnen verschwunden; das Protoplasma ist zu einem dünnen Wandbeleg. geworden, welches einen groszen, mit wässrigem Saft gefüllten Hohlraum umgiebt. In diesem Protoplasma haben sich die Chloro- - phylikörner ausgebildet, in deren Innern die Zerlegung der Kohlen- säure und die Bildung von Stärke aus dieser vor sich geht; von ihnen war im Samen noch nichts zu entdecken. Diese Stärke wird von ihrer Bildungsstätte aus fortwährend durch die Kotyledonar- stiele dem Stamme und von dort den Verbrauchsorten zugeführt. In dem parenchymatischen Gewebe jener Stiele läszt sie sich überall leicht nachweisen (vergl. Fig. 14). c) Das hypokotyle Glied und die Wurzel. Diese beiden Theile sind aus dem Würzelchen des Samens her- vorgegangen. Die scheibenförmigen, in cylindrischen Reihen ange- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 51 ordneten Zellen haben durch weitere Quertheilungen ihre Zahl nicht unbeträchtlich vermehrt, und sich dann in der Richtung der Achse auf das 5—10- oder mehrfache ihrer früheren Länge ge- streckt. Theilung und Streckung haben sowohl in dem Grundge- webe als auch in der Oberhaut stattgefunden; in letzterer haben sich auch hier und da Spaltöffnungen ausgebildet. Gegen- über diesen groszen Veränderungen in der Längsrichtung ist die Anordnung im Querschnitte auffallend wenig verändert. Die An- zahl und gegenseitige Lage der Zellen sind nahezu dieselben ge- blieben, nur ist der Zusammenhang viel lockerer geworden, da die Zellen mehr auseinander gewichen sind und die Intercellular- räume sich entsprechend vergröszert haben. Im Inhalte der Zellen sind auch hier die Reservestoffe vollstän- dig verschwunden; ein äuszerst dünner protoplasmatischer Wand- beleg umgiebt einen klaren, wässrigen Zellsaft. Im oberen Theil des hypokotylen Gliedes können sich, je nach dem Beleuchtungs- zustande Chlorophylikörner entwickeln oder auch nicht. In erste- rem Falle können diese selbst Stärke bilden, in letzterem kann hierher sich die Stärke aus den Keimblättern verbreiten; doch geht diese noch nicht sehr weit abwärts. Vergl. Fig. 10 zwischen bb, der Insertionsstelle der Kotyledonarstiele und hg. Den bedeutendsten Antheil an der Entwickelung der Wurzel hat die Neubildung und das Wachsthum der Zellen in der Wurzel- spitze genommen. Hier entstehen im Vegetationspunkt durch Thei- lung fortwährend neue Zellen, welche bald, indem sie sich strecken und in Dauergewebe übergehen, die Wurzel verlängern. Bei diesen Vorgängen werden grosze Mengen von Nährstoffen zum Aufbau der Zellen und zur Athmung verbraucht; dementsprechend strömen sowohl stickstoffhaltige als stickstofffreie organische Nährstoffe fortwährend von den oberirdischen Theilen aus nach diesen Bil- dungsstätten. Hier werden sie nicht sofort verbraucht, sondern zu- nächst, wenigstens zum Theil aufgespeichert, können also mikro- chemisch nachgewiesen werden. Gewöhnlich findet man sie in der Vertheilung, welche uns die Fig. 12 zeigt. Die ganze Wurzelspitze und eine weite Strecke des noch jungen Gefäszbündels sind mit Eiweisz dicht erfüllt; aus diesem Stoffe werden die bekanntlich stickstoffhaltigen Protoplasmakörper der neuen Zellen gebildet. Dagegen führen die in rascher Streckung begriffenen Zellen des Rindenparenchyms Stärke, welche offenbar das Material zum Wachsthum ihrer Zellhäute liefert, denn sobald die Zellen ausge- 52 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. wachsen sind, ist die Stärke aus ihnen verschwunden. Auch die Zellen der Wurzelhaube (wh), welche die zarte Wurzelspitze um- geben und beschützen, führen Stärke, welche auch hier zum Wachs- thum der Zellhäute fortwährend verbraucht wird. Dieselben Wachsthumsprozesse gehen auch in den Nebenwur- zeln vor sich (Taf. II Fig. Ilnw). Dementsprechend ist hier die Vertheilung der Nährstoffe auch dieselbe wie in der Spitze der Hauptwurzel. So lange die Nebenwurzeln nur erst als kleine, halb- kuglige Anlagen am Umfang der Gefäszbündel der Mutterachse entstehen, enthalten sie nur Eiweisz (wa); wenn sich ihre Wur- zelhaube entwickelt, wird in dieser Stärke abgelagert, und erst später, nachdem die neue Wurzel I—2 Mm. lang geworden ist, findet man auch in ihren älteren, sich bereits rasch streckenden Zellen Stärke. Diese drei Zustände sind in unserer Fig. 11 darge- stellt. Von da an bleibt die Vertheilung der Nährstoffe dieselbe. Es mag beim ersten Blick auffallend erscheinen, dasz diese Nährstoffe auf dem langen Wege, den sie zwischen dem oberen Theil des hypokotylen Gliedes und den Wurzelspitzen zu durch- laufen haben, nicht nachgewiesen werden können, wie aus unse- ren Figuren 10—12 hervorgeht. Diese Thatsache läszt sich aber in einfacher Weise durch die Annahme erklären, dasz sie hier in zu geringer Menge vorkommen, um durch mikrochemische Reaktionen entdeckt zu werden. Ich habe bis hierhin die Gefäszbündel im hypokotylen Gliede und in der Wurzel stillschweigend übergangen, um sie jetzt im Zusammenhang zu schildern. Verfolgen wir dazu ihren Verlauf von den Kotylen ausgehend durch das hypokotyle Glied bis in die Wur- zel. Wir haben bereits gesehen, dasz der Querschnitt des Kotylen- stieles uns zwei Gefäszbündel zeigt, welche dicht neben einander in der Mitte des Schnittes liegen (vergl. Fig. 14). Diese beiden Bündel vereinigen sich bei ihrem Eintritte in das Keimblatt zu dem Mittelnerven, von welchem die Seitennerven als Verzweigungen ausgehen. Nach unten aber bleiben sie getrennt. Indem sie in der Höhe von b b (Fig. 10) in das hypokotyle Glied übertreten, kom- men die beiden Paare der zwei Kotyledonarstiele zusammen und stellen sie sich in ein Kreuz, in welchem sie bald so enge aneinan- derschlieszen, dasz ihre Grenzen nicht scharf mehr zu erkennen sind. Doch erkennt man auf dem Querschnitte des hypokotylen Gliedes (Fig. 15) an der Form des Holzkörpers (Fig. 15 hlz) deutlich, dasz hier vier einzelne Stränge zu einem Kreuze ver- einigt sind. Die vier Arme dieses Kreuzes entsprechen jedoch nicht BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 53 der Mitte eines der aus den Keimblattstielen absteigenden Stränge, sondern der Grenze zweier solcher Stränge. Denn der Form ent- sprechend, welche er bereits in jenen Stielen hat, ist jeder Holz- körper auf seiner Auszenseite etwas konkav. Die Ränder der Holz- körper sind also die vorspringenden Leisten in unserer Figur. Was nun den ferneren Bau dieses Holzkörpers anbelangt, so besteht er, vom Mittelpunkt aus betrachtet, zuerst aus Ring- und Spiralge- fäszen, dann aus porösen Gefäszen, zwischen denen Holzfiasern vorkommen. An den Seiten jedes einzelnen Bündels gehen die Ring- und Spiralgefäsze ziemlich weit nach auszen vor, so dasz jene vier hervorspringenden Leisten zum groszen Theil aus ihnen gebildet sind. Den Holzkörper umgeben das Kambium und der Weichbast, beide aus eiweiszführenden, dünnwandigen Zellen bestehend, und in der erwähnten Figur also durch ihre violette Farbe leicht kennt- lich. Im äuszeren Theile des Weichbastes liegen einzelne Gruppen von dickwandigen Bastfasern (bst). Das Ganze ist von der so- genannten Stärkescheide umgeben, einer Schicht von eng anein- anderschlieszenden Zellen, welche die innerste Lage des parenchy- matischen Grundgewebes darstellen und häufig auch dann Stärke führen, wenn solche sonst im Gewebe nicht angetroffen wird. Sie ist in der Figur durch blaue Punkte angedeutet. Während die Gefäszbündel im ganzen hypokotylen Gliede in einem vierstrahligen Kreuze stehen, stehen sie in der Wurzel stets im Dreieck (vergl. Fig. 16). Hier sind es nicht mehr die aus den Kotylen absteigenden Blattspurstränge, sondern eigene, in der Wurzelspitze sich durch Spitzenwachsthum verlängernde Bündel. Auch ist ihre Entwickelungsweise eine andere und bedingt die Eigenthümlichkeiten des späteren Dickenwachsthums des Wurzel- körpers. In dem in Fig. 16 abgebildeten Stadium hat dieses Dicken- wachsthum bereits angefangen. Man sieht hier einen dreieckigen Holzkörper (hlz), der aus porösen Gefäszen und Holzfasern ge- bildet ist. Jede Ecke des Dreiecks entspricht einem Strange. Mit diesen Strängen stehen die Bastbündel: (bst) abwechselnd, was daher rührt, dasz sie ursprünglich neben dem Holzkörper, nicht auf dessen Auszenseite angelegt worden sind. Zwischen beiden Thei- len hat sich bereits aus dem dort befindlichen Kambium ein reich- lich entwickelter Weichbast ausgebildet, den ich wegen des Eiweiszgehaltes, durch den er in den jüngeren Strecken der Wur- zel sich auszeichnet, in der Figur violett angeben habe. Das ganze Gefäszbündelsystem ist von einer Zellenschicht um- geben, welche den Namen Perikambium führt, und in der die ersten 54 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Anlagen zu den Nebenwurzeln gebildet werden. Diese Nebenwur- zeln stehen beim Klee in drei Reihen, da sie nur dort entstehen, wo das Perikambium auf seiner Innenseite an das weichzellige (in der Figur violette) Gewebe grenzt, nicht aber auf der Auszenseite der drei Gruppen von Bastbündeln hervortreten können. d) Das erste Blatt und die Knospe. Im trockenen Samen bildete die Plumula oder das Federchen die Knospe, aus der sich später der ganze belaubte Stock der Klee- pflanze entwickeln sollte. Diese Knospe entfaltet schon während der Keimung eine grosze Thätigkeit; aus ihr ist das ungedreite Blatt hervorgegangen, in ihr sind die vorhandenen Anlagen für neue Blätter erheblich ausgebildet worden, und neue Blattanlagen sind aus dem Vegetationskegel, der eigentlichen Spitze des Stockes (Fig. 10), hervorgewachsen. Für diese Neubildungen war ein gros- zer Verbrauch von Assimilationsprodukten erforderlich; diese wur- den zum Theil durch die Reservestofie des Samens geliefert, muszten aber zum anderen Theil erst durch Kohlensäure-Assimilation neu dargestellt werden. Man findet diese für das Wachsthum bestimm- ten Stoffe in der Form von Eiweisz und Stärke in den jungen Or- ganen aufgespeichert; das Eiweisz, welches zur Bildung des Pro- toplasma dient, im Vegetationskegel und den allerjüngsten Neubil- dungen, in denen noch Zelltheilungen vor sich gehen, und die Protoplasmakörper noch an Zahl und Masse zunehmen. Die Stärke dagegen in denjenigen Organen, welche bereits aus dem Stadium der Zelltheilung herausgetreten sind, und wo das rasche Wachs- thum der Zellwand jetzt grosze Quantitäten von stickstofffreien organischen Nährstoffen verlangt. Eine deutlichere Uebersicht über die Verbreitung der Stärke und des Eiweiszes gibt uns unsere sche- matische Figur 10; diese lehrt zugleich, dasz andere wichtige Assi- milationsprodukte, wie Traubenzucker, Oel oder Asparagin, in die- sem Zustande nicht mehr nachgewiesen werden können. Das fertig entwickelte Blatt der Keimpflanze zeigt sowohl in seiner äuszeren Erscheinung als in seinem anatomischen Bau in mancher Hinsicht Uebereinstimmung mit den spätern Blättern der erwachsenen Kleepflanze; in manchen Punkten weicht es aber auch von diesen ab. Im Allgemeinen kann man sagen, dasz die Abwei- chungen darin bestehen, dasz das erste Blätichen einfacher und schmächtiger gebaut ist als die späteren, was wohl darin seine Ursache hat, dasz die junge Pflanze noch nicht hinreichend erstarkt ist, um bereits jetzt völlig normal ausgebildete Blätter zu ent- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 55 wickeln. Abgesehen von der Anzahl der Spreiten und der äuszerst geringen Grösze, zeigt sich dieser einfachere Bau in manchen Punkten des anatomischen Baues. So zeigt z. B. ein Querschnitt eines Blattstiels einer kräftig entwickelten Pflanze gewöhnlich 5—7 Gefäszbündel, wogegen in dem ersten Blatte der Keimpflanze nur 3 Stränge den Stiel durchziehen. Auch die Nervatur der Spreite ist eine viel einfachere, doch zeigt sie bereits das charakteristische Merkmal der Kleeblätter in den gabelförmig verzweigten Seitenner- ven, welche mit fast ungeminderter Dicke bis an den Rand des Blattes verlaufen. Da wir im nächsten Aufsatze dieser Reihe die Anatomie und Ent- wickelungsgeschichte der Kleeblätter, sowie die Vorgänge der As- similation und der Stoffwanderung darin ausführlich behandeln werden, möge hier das über das erste Blatt und die Knospe Ge- sagte genügen; eine ausführlichere Beschreibung würde nur zu Wiederholungen führen. In der fertigen Keimpflanze finden sich schon an einzelnen Stellen Ablagerungen von oxalsaurem Kalk, einem Salze, das in krystallini- scher Form in der Kleepflanze im späteren Leben in sehr groszer Menge vorkommt und an bestimmten morphologischen Orten ab- gelagert ist. Es findet sich nämlich stets in der Begleitung der Ge- fäszbündel, und zwar in der innersten, den Bastbelegen angren- zenden Schicht des parenchymatischen Grundgewebes. In der Keimpflanze kommt es an den Nerven des einfachen Blattes in ziemlich groszer Menge, in geringerer Quantität auch in den Stielen der Keimblätter vor. An beiden Stellen bekleiden die Krystall- führenden Zellen die Bastbelege als kontinuirliche, dünne Schicht. S 3. Die einzelnen Perioden der Keimung. a) Die Quellung der Samen. 1. Beschreibung des Vorganges. Wenn man lufttrockene Kleesamen in Wasser bringt, so saugen sie grosze Mengen davon ein und quellen dabei sehr erheblich auf. Dieser Vorgang fängt bei einigen Körnern schon in den ersten Stun- den der Befeuchtung an, bei andern aber erst viel später. Zunächst dringt das Wasser in die Samenhaut; diese nimmt dadurch an Volum zu, und es entstehen in ihr feine Runzeln, welche man deut- lich seien kann, wenn man die einige Stunden lang eingeweichten Samen mit einer Loupe betrachtet. Nach einigen weiteren Stunden 56 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. wird die Haut wieder glatt, da jetzt auch die inneren Theile Wasser eingesogen und sich ausgedehnt haben. Die Grösze der Samen ist dabei von 1.5—2.0 Mm. auf etwa 2.5—3.0 Mm., also sehr ansehnlich gestiegen. Ein sehr groszer Theil des aufgenommenen Wassers wird vom Endosperm festgehalten. Im trockenen Samen bildete dies eine überaus dünne, nur stellenweise eben sichtbare Schicht zwischen dem Keim und der Samenhaut; im aufgequollenen Samen ist es an manchen Stellen, zumal auf dem Rücken der beiden Keimblätter zu einer mächtigen Gewebemasse angeschwollen. Seine äuszerst groszen Zellen sind jetzt mit einem wasserklaren Saft strotzend gefüllt, während sie vorher ganz trocken und zusammengedrückt waren. Welchen Stoffen die Zellen diese merkwürdige Eigenschaft verdanken, ist bis jetzt noch nicht untersucht worden, doch ist die Thatsache hervorzuheben, dasz die Aufsaugung des Wassers und die Aufquellung ganz plötzlich vor sich gehen können. In sehr schöner Weise kann man dieses beobachten, wenn man feine Schnitte durch das Endosperm trockener Samen unter dem Mi- kroskop bringt und nun Wasser zusetzt. Die Aufnahme geschieht so plötzlich, dasz es kaum möglich ist, den Vorgang in seinen Ein- zelheiten mit dem Auge zu verfolgen. 1)Diese groszen, vom Endos- perm aufgenommenen Wasserquantitäten gestatten uns einen Ein- blick in die Rolle, welche dieses Gewebe bei der Keimung des Klee- samens zu spielen hat. Bei anderen Samen, in denen es vorkommt, führt es in der Regel Reservestoffe, und zwar gewöhnlich den wich- tigsten Theil davon. Hier ist dies nicht der Fall, denn die winzig kleine Quantität Eiweisz in seiner äuszersten Zellenschicht kommt kaum in Betracht. Seine Rolle musz also eine andere sein. Es fungirt als Wasserbehälter bei der Keimung. Hat der Same sich im feuchten Erdreich einmal mit Wasser vollgesogen, so kann die Erde um ihn herum jetzt zu einem gewissen Grade austrocknen, ohne dasz dadurch die Keimung sofort sistirt wird. Denn ein Theil der zur Streckung des Würzelchens nöthigen Wassermengen kann von dem Endosperm geliefert werden. Dadurch wird es den flach gesäten Kleesamen bequemer, nach einmaliger Befeuchtung ihre Würzelchen durch die obersten, austrocknenden Schichten in die tieferen und feuchteren zu senden und so der Gefahr des Austrock- nens, welche für so.kleine Samen verhältniszmäszig sehr grosz ist, in den normalen Fällen zu entgehen. 1) Vergl. hierüber auch Nobbe in Landw. Versuchsstat. 1872. S. 260. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 57 Dasz wirklich die vom Kleesamen bei der Quellung aufgenomme- nen Wassermengen sehr ansehnliche sind, lehren uns nicht nur die mitgetheilten Beobachtungen, sondern noch in viel höherem Grade die quantitativen Bestimmungen welche hierüber in der Literatur vorliegen. Nach den Bestimmungen von R. Hoffmann enthalten die Rothkleesamen im lufttrockenen Zustande 9.9% Wasser 1); in einer dunstgesättigten Atmosphäre nehmen sie in fünf Tagen dazu noch 6.5% auf. Dagegen saugen sie, in Wasser gelegt, mehr als ihr eigenes Gewicht und zwar 117.5% auf. Unter den zahlreichen, von Hoffmann untersuchten landwirthschaftlichen Sämereien werden sie in dieser Eigenschaft nur vom Weiszklee übertroffen. 2) Die Volum- vermehrung erreicht bei der Einquellung im Maximum 143— 150%. 3) Bei der Beschreibung des Samens haben wir gesehen, dasz der Farbstoff, welchem die Schale ihre gelbe bis braune, ja oft violette | Farbe verdankt, in dem Inhalte der stäbchenförmigen Zellen der äuszeren Samenschale liegt. Bei dem Einweichen der Samen löst sich nun dieser Farbstoff und diffundirt in das umgebende Wasser hinaus. Nach mehreren Stunden sind schon einige Samen ganz blasz geworden, nach einigen Tagen haben alle eine blaszgelbe Farbe angenommen. Dabei geben nicht nur die dunkelgefärbten, sondern auch die gelblichen Samen Farbstoff an das Wasser ab. Legt man die, während einiger Stunden eingeweichten Samen zur weiteren Aufquellung auf feuchtes Flieszpapier, so sieht man einen grünlichen bis braunen Farbstoff von jedem einzelnen Samen aus sich allmälig über das Papier verbreiten. Dasz hierbei auch an- dere, in der Samenschale enthaltene Körper aus den Zellen ausge- 1) Die Angaben verschiedener Forscher schwanken hier. So fand z. B. Siegert in den lufttrockenen Samen 17.27 pCt. Wasser, (Landw. Versuchs- stat. I. S. 261.) 2) R. Hoffmann, in Jahresber. d. agr.-chem. Untersuchungsstation in Böhmen 1864 S. 6; nach Jahresber. für Agrik.-Chemie 1864. S. 108. Weiszklee nimmt 126.6 pCt. Wasser auf; Zuckerrüben 120.5 pCt.; die Knäuel dieser Pflanze lassen sich aber wegen der anhängenden vertrockneten Kelche nicht mit den übrigen Sämereien vergleichen. Auch Haberlandt fand, dasz luft- trockene Kleesamen mehr als ihr eigenes Gewicht (bis 114.4 pCt.) an Wasser aufnehmen können. (Centralblatt für Agrik.-Chemie VI. 1875. S. 277.) Dimitrievicz bestimmte die Wasseraufnahme auf 115—120 pCt. (Haberlandt, Pflanzenbau I, 1875. S. 75.); letzterer giebt einige Zahlen an, welche zeigen, dasz die Zunahme des Volumens und des Gewichtes bei der Quellung um so rascher vor sich geht, je höher die Temperatur (zu 0° und 3.5° C.) ist. Dasselbe fand auch Haberlandt, Jahresber. für Agrik.-Chemie 1860. S. 69. 3) Dimitrievicz.l. c. 58 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. waschen werden, ist selbstverständlich, ja man darf als wahr- scheinlich annehmen, dasz die erwähnten stäbchenförmigen Zellen mit dem Farbstoffe alle ihre in Wasser löslichen und leicht diffusi- blen Inhaltskörper verlieren werden. 1) Was endlich das Verhalten des Keimes selbst bei der Quellung anbelangt, so kann man mit Sicherheit annehmen, dasz die chemi- schen Metamorphosen der Reservestoffe, welche die Keimung be- gleiten, schon bei oder kurze Zeit nach der Einquellung anfangen. Aber bevor in dem Würzelchen der Anfang der Streckung bemerk- bar ist, sind diese Veränderungen noch zu geringfügig, um auf mi- krochemischem Wege nachgewiesen werden zu können. 2. Individuelle Verschiedenheiten der Samen bei der Einquellung. Die Geschwindigkeit, mit der die Kleesamen Wasser aufnehmen, ist bei den einzelnen Körnern eine äuszerst verschiedene, und da diese Einweichung eine unerläszliche Bedingung für die Keimung ist, so lohnt es sich, diese individuellen Unterschiede hier etwas näher zu betrachten. Am einfachsten ist folgender Versuch. Man legt in eine flache Schale eine grosze Anzahl von Samen in ein wenig Wasser zum Einquellen und Keimen aus und erneuert das Wasser von Zeit zu Zeit. Jeden Tag entiernt man aus der Schale sämmtliche Samen- 1) In den wissenschaftlich-praktischen Untersuchungen auf dem Gebiete des Pflanzenbaues, herausgegeben von Fr. Haberlandt I. 1875. S. 75, sucht Dimitrievicz durch eine Tabelle zu beweisen, dasz die Gewichtsverluste der Rothkleesamen bei der Quellung um so gröszer sind, je höher die Temperatur (zwischen 0 und 35° C.) ist, und je länger der Versuch (von 6—48 Stunden) dauert. Ich gebe den Satz, als aus allgemein physiologischen Erfahrungen äuszerst wahrscheinlich, gerne zu, musz aber die Zahlen für unrichtig, und damit den Beweis für nicht geliefert‘ halten. Dimitrievicz findet bei der Einquellung in 4 Stunden bei 0°—-15° eine Trockengewichts- abnahme von 9.3—11.5 pCt., bei 35° in derselben Zeit sogar von 24 pCt. Solche enormen Gewichtsverluste in so kurzer Zeit sind höchst unwahr- scheinlich, zumal wenn man bedenkt, wie grosz dann der Gewichtsverlust in den ersten Tagen der Keimung selbst wohl sein müszte. Wie wenig Gewicht diesen Zahlen beizulegen ist, zeigen am deutlichsten die Unter- suchungen Boussingault’s (Economie rurale I, 1° Ed. p. 38—40), welcher fand, dasz der Trockengewichtsverlust der Rothkleesamen bei der Keimung, bis zu dem Zeitpunkte, wo das Würzelchen in einer Länge von 5—10 Mm. hervorgetreten ist, nur 6.8 pCt. beträgt. Es ist also die Vermuthung wohl erlaubt, dasz in dem erwähnten Versuche Dimitrievicz’s die Samen bereits gekeimt haben, worüber aber alle Angaben fehlen. In diesem Falle würden die beobachteten groszen Gewichtsverluste nicht der Diffusion, wie D. meint, sondern der Atlımung zuzuschreiben sein. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 59 körner, deren Würzelchen die Samenschale durchbrochen hat, und bemerkt sich die Anzahl der weggenommenen Körner. Nachdem dann in den ersten Tagen weitaus die gröszte Zahl der Samenkörner gekeimt hat, und die Anzahl der übrig gebliebenen merklich geringer geworden ist, kann man den Versuch noch mehrere Wochen lang fortsetzen: fast jeden Tag wird man neue Samenkörner in Keimung finden. Bei genauerer Betrachtung er- giebt sich, dasz die Körner lange Zeit ganz hart und anscheinend ohne eine Spur von Wasser aufgenommen zu haben im Wasser liegen bleiben, dasz sie aber, sobald sie einmal anfangen merklich aufzuquellen, auch innerhalb weniger Tage keimen. Dem entspre- chend findet man auch nach mehreren Wochen noch ganz trockenen Samen. Nobbe 1), der einen solchen Versuch während 262 Tagen, also über 8 Monate fortsetzte, fand nach dieser Zeit von 1000 Sa- menkörnern noch etwa ein Dutzend hart und unverändert. Diese Erfahrungen lehren, dasz die Quellungsfähigkeit bei den einzelnen Kleesamen äuszerst verschieden ist. Im Allgemeinen sah ich die gröszeren Körner rascher keimen, als die kleineren; doch gilt diese Regel nur mit vielen Ausnahmen. 2) Die Ursache dieser Verschiedenheit liegt, wie von Nobbe nach- gewiesen wurde, in dem verschiedenen Widerstand, den die äuszere Samenschale dem Eindringen des Wassers entgegenstellt 3). Wenn man Samen, welche mehrere Tage oder Wochen ohne Erfolg in Wasser lagen, nun an irgend einer Stelle vorsichtig anschneidet oder anfeilt, so dasz nur die alleräuszerste Schicht der Haut ent- fernt wird, so quellen sie nun im Wasser ausnahmslos binnen we- nigen Stunden auf, als Zeichen, dasz das einzige Hindernisz gegen die Aufquellung mit der Durchbrechung der äuszeren Haut entfernt 1) Nobbe, Landw. Versuchsstat. 1872. S. 262. 2) Zöbl publizirt in Haberlandt’s Pflanzenbau I. 1875. S. 93 einige Ver- suche über die Dauer der Keimfähigkeit des Rothklees bei der Aufbewahrung in flieszendem Wasser. Nimmt man täglich eine Probe der unter Wasser gebrachten Samenkörner, um ihre Keimkraft (prozentische Anzahl der keimfähigen Körner) zu bestimmen, so nimmt diese Keimkraft im Allge- meinen stetig ab; nach 49tägigem Aufenthalt im Wasser keimten nur noch 4 pCt. der Samen. Imwiefern dieser allmähliche Verlust der Keimfähigkeit mit dem allmählichen Aufquellen der Samen zusammenhängt, lehren die Versuche nicht. 3) Nobbe, 1. c. Hier findet man auch einige Versuche beschrieben, welche beweisen, dasz dieser Widerstand nicht etwa einem wachsartigen Ueberzug der Samenhaut zuzuschreiben ist. Mit gleichem Resultate wiederholte v. Höhnel diese Versuche (Haberlandt, Pflanzenbau. I. 1875. S. 80.) 60 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. worden ist. Ich habe diese Versuche mit demselben Erfolg wieder- » holt. In Folge dieser Undurchlässigkeit der äuszeren Haut für Wasser geht bei Keimungsversuchen nur eine ziemlich beschränkte Anzahl von Samen auf. So fand Nobbe 1) im Mittel aus sehr zahlreichen Versuchen die prozentische Anzahl der innerhalb drei Tagen nach der Befeuchtung keimenden Kleesamen nur auf 65; in sieben weite- ren Tagen keimten noch weitere 19 pCt., während nach Ablauf die- ser Frist von den übrigen 16 pCt. die Hälfte gefault und die andere Hälfte trocken und unverändert geblieben war. b) Erste Periode. Vom Anfang der Keimung bis zum Durchbrechen der Erddecke. 1. Charakteristik dieser Periode. Den wichtigsten Wendepunkt in der Keimungsgeschichte des Klees bildet der Augenblick, wo die Samenlappen die Erde durch- brechen, und sich also dem Lichte aussetzen. Es ist daher ange- messen, diesen Zeitpunkt als die Grenze von zwei Keimungsperio- den zu betrachten und diese Perioden einer getrennten Behandlung zu unterwerfen. So lange der Keimling noch von der Erde bedeckt und der Einwirkung des Lichtes entzogen ist, kann er sich nur auf Kosten der im Samen aufgespeicherten Nährstoffe entwickeln; nachdem er ans Licht getreten ist, können neue Assimilationspro- dukte durch die Kohlensäure-Zerlegung am Lichte gebildet werden. In der ersten Periode ist der ganze Keimling blasz, fast farblos; in der zweiten sind seine Keimblätter und die übrigen beleuchteten Theile grün gefärbt. Die Reservestoffe des Samens werden bei der Keimung theils direkt zum Aufbau und zum Wachsthum der Keimtheile, theils zu der bei diesen Prozessen unerläszlichen Athmung verwendet. In Folge der letzteren werden organische Bestandtheile unter Aufnahme von atmosphärischem Sauerstoff in Wasser und Kohlensäure übergeführt; das Wasser mischt sich mit dem Vegetationswasser, und die Kohlensäure entweicht. Der Gehalt an Trockensubstanz nimmt also in Folge der Athmung stetig ab. Sobald aber die Kohlensäure-Assimilation am Lichte anfängt, ist hierin eine Quelle neuer organischer Substanzen, und also eine Ursache der Zunahme 1) Landw. Versuchsstat. 1874. S. 147, wo auch wichtige Angaben über die Beziehung der Keimfähigkeit zu dem Aussehen der Saatproben zu finden sind. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 61 des Gehaltes an Trockensubstanz gegeben, und sehr bald erhält diese Vermehrung des Trockengewichtes das Uebergewicht über den Substanzverlust bei der Athmung. Als charakteristisches Merkmal der ersten Periode betrachten wir also die Entwickelung unter dem Abschlusz des Lichtes und nur auf Kosten der Reservestoffe des Samens. Dieses Merkmal fin- det seinen klarsten Ausdruck in der stetigen Abnahme des Trocken- gewichtes. Die Abnahme des Trockengewichtes beträgt nach den Untersu- chungen von Boussingault vom Anfang der Keimung bis zu dem Zeitpunkte, wo das Würzelchen in einer Länge von 0.5—1.0 Cm. aus dem Samen herausgetreten ist, 6.8 pCt.1) Beim weiteren Ver- lauf der Keimung steigt dieser Verlust noch auf 11.9 pCt. 2) Bei der Athmung wird in Folge der Oxydation organischer Stoffe zu Kohlensäure und Wasser Wärme frei. Unter gewöhnlichen Um- ständen gleicht sich die dadurch entstehende Temperaturerhöhung sehr bald mit der Umgebung aus; meszbare Differenzen entstehen nicht. Wenn man aber Samen in Haufen, und von schlechten Wär- meleitern umgeben, keimen läszt, so kann sich die Wärme in ihnen anhäufen, und zu einer beträchtlichen Erhöhung der Temperatur Veranlassung geben. Für keimende Kleesamen wurde dieser Tem- peraturüberschusz über die Umgebung bei solchen Experimenten von Göppert 3) auf 14° R. gefunden. Nachdem wir in allgemeinen Zügen die Grenze zwischen den beiden Keimungsperioden des Klees charakterisirt haben, wollen wir nicht unterlassen hervorzuheben, dasz diese Grenze keineswegs. eine sehr scharfe, oder unter allen Umständen konstante ist. Die Kohlensäure-Assimilation fängt keineswegs sogleich nach dem Durchbrechen der Erde an; erst müssen noch die Keimblätter unter dem Einflusse des Lichtes ergrünen. Und bevor sie die Samen- schale abgeworfen und sich entfaltet haben, kann die Assimilation wohl nicht so intensiv werden, dasz sie die Trockengewichtsab- nahme durch Athmung bedeutend überwiegt. Erst später kann Gies der Fall sein. Der Verlust an Trockensubstanz wird also erst nach dem Durchbrechen der Erde und nur sehr allmählich in Ge- 1) Boussingault, Economie rurale I. 1° Ed, 1843. p. 38. 2) Boussingault, Econ. rurale I. 2° Ed. 1851, nach Oudemans und Rauwen- hoff, Scheikundige verschijnselen bij de kieming. p. 41. In meiner (ersten) Auflage der Econ. rurale finde ich diese Angabe nicht. 3) Göppert, Wärmeentwicklung, Wien, 1832; citirt nach Franz: Studien. an der Kartoffelknolle. 1873. S. 32. 62 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. wichtszunahme übergehen. Aber so lange die Keimblätter noch blasz sind, ist es vollständig sicher, dasz keine Assimilation statt- gefunden hat; sobald sie ergrünt sind, läszt sich dieses äuszerlich nicht mehr beurtheilen. Will man also den allmählichen Gang der Veränderung des Trockengewichtes bei der Keimung erforschen, so wird man sein Hauptaugenmerk stets auf jene Grenze zu richten haben, wo man die sicherste Aussicht hat, den Wendepunkt der Kurve anzutreffen. Jede andere Grenzbestimmung musz, auch bei der sorgfältigsten Auswahl der Versuchsobjekte nach ihrem Ent- wickelungszustande, wegen der unvermeidlichen Ungleichheit der Exemplare, zu weniger zuverlässigen Resultaten führen. Deshalb betrachte ich die von mir gewählte Grenze als die zweckmäszigste. Die Grösze des Trockengewichtsverlustes bei dieser Grenze wird voraussichtlich je nach den äuszeren Umständen eine sehr ver- schiedene sein. Je rascher die Keimung erfolgt, und eine je geringere Decke die Samen zu durchbrechen haben, um so geringer wird die totale Menge der zur Athmung verbrauchten Substanz sein, bevor die Pflänzchen ans Licht treten. In demselben Masze aber werden die jungen Pflänzchen kräftiger sein, da sie jetzt aus der doppelten Quelle der Reservestoffe und der neuen Assimilationsprodukte schöpfen können. Dauert es dagegen lange bis die Samen den Boden durchbrechen, so verlieren sie viel Substanz, ja es ist mir vorgekommen, dasz Samen, welche eine zu trockene Bodendecke nicht zu durchdringen vermochten, sich ganz verathmeten und nach dem völligen Verbrauch ihrer stickstoffreien Reservestoffe im Boden abstarben, ohne ans Licht zu treten. Die mikrochemische Analyse solcher Keimlinge, welche in drei Wochen die Erdoberfläche noch nicht erreicht hatten, zeigte nur noch Spuren von Stärke und Zucker; das Oel war bereits völlig verschwunden. Auch Eiweisz war kaum noch nachweisbar, dagegen war das kohlenstoffarme Spaltungspro- dukt des Eiweiszes, das Asparagin, in diesen Pflänzchen ebenso stark angehäuft wie in ausgewachsenen etiolirten Keimlingen. Es was also fast das ganze Respirationsmaterial aus dem Samen ver- braucht. Der Trockengewichtsverlust dieser Exemplare musz also ein sehr ansehnlicher gewesen sein. In dem erwähnten Falle reichten unter ungünstigen Umständen die Reservestoffe des Samens nicht aus, um den Keimungsprozesz zum normalen Abschlusz zu bringen; die Keimlinge starben, bevor sie die zweite Periode erreichten. Dasz umgekehrt unter sehr gün- stigen Umständen die erste Periode mit viel geringerem Nährstoff- material durchlaufen und zum günstigen Abschlusz gebracht wer- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 63 den kann, folgt aus der Thatsache, dasz es gelingt, die Keimlinge nach der Entfernung eines Keimblattes, ja sogar, nachdem beide Samenlappen abgebrochen worden sind, noch zur normalen Ent- wickelung zu bringen. In solchen Versuchen fand Blociszewski 1), dasz von Klee-Embryonen, welche beider Kotylen beraubt waren, auf feuchtem Flieszpapier 100 pCt., in Erde in einem Topfe 90 pCt. und im Garten 71 pCt. aufgingen; doch waren die Pflänzchen so schwächlich, dasz die meisten bald starben; nur 7 der im Topfe gezogenen Exemplare entwickelten sich normal. Von den mit einem Kotyledo im Garten ausgesäten gingen 72 pCt. auf, 56 pCt. ent- wickelten sich weiter und erreichten im Laufe des Sommers eine nur etwas geringere höhe als die aus ganzen Samen gezogenen Controllpflanzen, brachten es im Mittel aber nicht zu der Hälfte des normalen Trockengewichtes. Sie blieben also den ganzen Som- mer hindurch schwächer als die normalen Exemplare. 2. Gestaltungsvorgänge. Sobald der Kleesamen reif ist, ist er keimfähig; in feuchte Erde, oder in ein wenig Wasser gebracht, quillt er in der Regel bald auf, und es bricht nach 1-3 Tagen das Würzelchen aus der Samenschale hervor. Diese frühe Keimfähigkeit der Samen kann in nassen Som- mern dadurch zu Verlusten Veranlassung geben, dasz die Samen, während sie noch in der Fruchthülle und vom Kelch umschlossen an der Pflanze sitzen, schon keimen und ihre Würzelchen zwischen den Früchten des Köpfchens hindurch treiben. In dem nassen Sommer des Jahres 1876 hatte ich mehrere Male die Gelegen- heit dieses zu beobachten. Wie lange dagegen trocken aufbewahrte Kleesamen ihre Keim- fähigkeit behalten können, ist nicht mit Genauigkeit anzugeben. Das erste äuszerlich sichtbare Zeichen der Keimung nach der Aufquellung ist das Hervortreten des Würzelchens ans Licht. Das Würzelchen durchbricht, indem es sich verlängert, die Haut an der Stelle der Mikropyle, welche im eingeweichten Samen kaum unterscheidbar ist; es entsteht hier eine unregelmäszige, rissige Oeffinung, welche sich beim späteren Dickenwachsthum des Wür- zelchens allmählich erweitert. Der Nabel bleibt dabei zwischen dem Würzelchen und den Kotylen und ist hier noch viel später, ja sogar zur Zeit des Abstreifens der Schale zu erkennen. Je nach der Lage des Samens im Boden krümmt sich nun das Würzel- 1) Blociszewski. Landwirthsch. Jahrbücher V. 1876. S. 149 ff. 64 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. chen, indem es sich streckt, in verschiedener Richtung, um so bald wie möglich eine vertikal abwärts gerichtete Lage anzunehmen. In dieser wächst es nun stets weiter, sofern es daran nicht durch äuszere Umstände gehindert wird. Unsere Figur 3 auf Tafel I stellt den Keimling in diesem Entwickelungszustand im Längs- schnitt dar. Eine Vergleichung mit dem Längsschnitt des trocke- nen Samens (Fig. 1) lehrt, dasz bis jetzt nur eine Verlängerung des Würzelchens stattgefunden hat. Auch haben sich bereits einige Wurzelhaare entwickelt und ist dadurch (bei a. a.) die Grenze zwischen dem hypokotylen Glied (hg) und der Wurzel äuszerlich kenntlich geworden. Weitere Veränderungen finden in der äuszeren Gestaltung in der ersten Periode nicht statt; nur die Länge des Würzelchens und des hypokotylen Gliedes nimmt fortwährend zu. Diese Ver- längerung beruht theils auf der Theilung, theils auf der Verlänge- rung der im Samen vorhandenen Zellen; zu einem dritten Theile aber wird sie durch Spitzenwachsthum der Wurzel vermittelt. Die Streckung der Zellen fängt an der Grenze (a. a.) zwischen der Wurzel und dem hypokotylen Glied an und schreitet von da aus nach oben und unten stetig vorwärts. In dem in Fig. 3 abgebildeten Stadium ist in dem obersten Theil des hypokotylen Gliedes noch kaum der Anfang der Streckung in den Zellen wahrnehmbar, wäh- rend die untersten Zellen bereits ausgewachsen sind. Mit diesem Längenwachsthum geht die Ausbildung des Ge- fäszbündels Hand in Hand; in der Wurzel entstehen: die ersten porösen Gefäsze, im hypokotylen Gliede die ersten Ring- und Spiralgefäsze. 3. Wanderung und Metamorphosen der einzelnen Bildungsstoffe. Wir betrachten getrennt die Wanderung der stickstofffreien Reservestoffe, und die der stickstoffhaltigen, und stellen am Schlusse einige Angaben über Nebenprodukte der Stoffwande- rung zusammen. 1) Die stickstofffreien Reservestoffe des ruhenden Samens sind das 1) Einige mikrochemische Beobachtungen über die Vertheilung des Eiweiszes, der Stärke und des Traubenzuckers (Dextrin) in verschiedenen Keimungsstadien und über ihre Wanderung und Verbrauch beim Wachsthum lieferte Hoffmann. Chem. Ackersmann. 1865. S. 153. Das mir vorliegende Referat im Jahresber. für Agrik.-Chem. 1865. S. 135 ist zu kurz, um eine Beurtheilung und Verwerthung seiner Angaben zu gestatten. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 65 Oel und die Stärke, welche im parenchymatischen Gewebe des ganzen Keims abgelagert sind. Während der Einquellung und in dem ersten Momente der Streckung des Würzelchens erleiden sie noch keine merkliche Veränderung. Sobald aber das Würzelchen eine Länge von wenigen Millimetern erreicht hat, fangen in seiner ganzen Länge die Stärke und des Oel an spärlicher zu werden, zumal aber in dem mittleren Theile. Dafür tritt in dem ganzen Parenchym des Würzelchens Traubenzucker auf, der bald überall so zunimmt, dasz das Gewebe bei der Kupfer-Kalireaktion eine intensiv orangene Färbung annimmt. Es ist deutlich, dasz dieser Zucker aus den verschwundenen, stickstofifreien Reservestoffen entstanden ist. Sowohl das Oel als die Stärke sind durch bis jetzt noch nicht aufgefundene Fermente in Zucker verwandelt und da- durch in eine lösliche Form übergeführt worden. Dieser Zucker wird zum Aufbau der Cellulosewandungen bei der Streckung ver- braucht, aber fortwährend aus der Stärke und dem Oel neu er- zeugt. Diese beiden verschwinden dadurch, noch bevor das ganze Würzelchen eine Länge von 1 Cm. erreicht hat, aus seinem mitt- leren Theile vollständig; in der Nähe der Wurzelspitze findet man noch Stärke, aber kein Oel, dagegen sind die Kotylen mit ihren Stielen und dem obersten Theile des hypokotylen Gliedes noch dicht mit Stärke und Oel erfüllt. Stärke findet man ferner in einer kontinuirlichen Schicht um das ganze centrale Gefäszbündel ab- gelagert. Diese, nur eine Zelle dicke Schicht, hat daher von ihrem Entdecker, Sachs, den Namen Stärkescheide erhalten. In diesem zweiten Stadium haben wir also auszer den Reserve- stoffen des Samens noch den Zucker, der in den Kotylen und dem obersten Theile des hypokotylen Gliedes fehlt, aber in allen sich streckenden Theilen des Würzelchens in groszer Menge vorkommt. Bei der raschen Streckung des hypocotylen Gliedes und der Wur- zel wird aber, nachdem bereits die dort abgelagerte Stärke und das Oel verschwunden sind, nun auch der Zucker bald verbraucht. Wir treten also in das dritte Stadium, in welchem der Zucker wie- der verschwindet. Die Vertheilung der Stoffe im Anfange dieses Stadiums, bei einer Keimlänge von etwa 1 Cm., ist in Fig. 3 auf Taf. I dar- gestellt worden. Bevor wir die Wanderung der Stoffe weiter ver- folgen, wollen wir diese Figur betrachten. In ihr stellen die violette und die gelbe Farbe das Eiweisz und das Asparagin vor; diese besprechen wir später. Jetzt achten wir auf das Oel und die Stärke, welche durch Ringelchen und blaue Pünktchen, und auf 5 66 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. den Zucker, der durch rothbraune Schraffirung dargestellt ist. Wir sehen, dasz die Keimblätter und ihre Stiele noch ganz voll Stärke und Oel sind, wenn auch diese Menge bereits eine geringe- re ist, als sie im ruhenden Samen war. Denn ein Theil dieser Stoffe ist bereits gelöst und den wachsenden Organen zugeführt worden. Stärke und Oel hören beide dort auf, wo der Zucker an- fängt; nur in einer schmalen Zone kommen diese drei Körper zu- sammen vor. In dieser Zone fängt die rasche Streckung der Zellen an, die höheren Zellen zeigen nur geringe Spuren von Streckung; sie sind etwa gleich hoch wie breit, während sie im ruhenden Samen etwa doppelt so breit wie hoch waren. Soweit man in der Figur den Zucker im hypokotylen Gliede abwärts verfolgen kann, soweit sind auch die Zellen noch in Streckung begriffen. In der Basis dieses Organs (oberhalb a.a.) fand ich in diesem Stadium kei- nen Zucker mehr; einige Messungen ergaben, dasz die Länge der Zellen hier bereits dieselbe war, als in der ausgewachsenen Keim- pflanze. Aller in diesen Zellen vorhandene Zucker war also bei der Streckung für die Zellhautbildung verbraucht worden. Dagegen ist die ganze Wurzel noch voll Zucker, auch in ihrem obersten, bereits ausgewachsenen Theil. Hier, wo die Streckung der Zellen keine so ansehnliche ist, bleiben noch Ueberreste an Nährstoffen, welche aber bald nach den jüngeren Theilen zuströmen werden, um dort zum Wachsthum der Zellhäute verbraucht zu werden. In diesem jüngsten Theile finden wir wieder Stärke in den Zellen; sie ist zum Theil noch ein Ueberrest der Stärke des Samens, zum Theil aber auch wohl wieder aus dem Zucker zurückgebildet, wie aus dem Verhalten in späteren Keimungsstadien hervorgehen wird. Diese Ansammlung von Stärke dient, um beim Wachsthum stets das erforderliche Material für die Cellulosebildung in unmittelba- rer Nähe vorhanden zu haben; in der That ist der Verbrauch an ' solchem Material ein so bedeutender, dasz auch hier bereits kein Zucker mehr nachgewiesen werden kann. Gegen das Ende der Streckung jeder einzelnen Zelle geht der letzte Ueberrest von Stärke in Zucker über; daher fehlt die Stärke in den Zucker-führ- enden Gewebepartien der Würzelchens in unserer Figur. Eine besondere Beachtung verdienen noch die Wurzelhaube und die Stärkescheide. Erstere führte im Samen nur Eiweisz; so- bald aber ihre Zellen anfangen sich zu strecken, lagern sie Stärke in sich ab, welche sie dann bei ihrem weiteren Wachsthum ver- brauchen. Bekanntlich werden die äuszersten Zellen der Wurzel- haube fortwährend abgestoszen; diese sind ausgewachsen und BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 67 leer. Im Innern bilden sich fortwährend neue Zellen; jede dieser lagert beim Anfang ihrer Streckung Stärke für den späteren Ver- brauch in sich ab. Diese Stärke stammt selbstverständlich zunächst aus dem Würzelchen; sie ist aber auf ihrem Wege durch das eiweiszreiche Gewebe der Wurzelspitze weder als Stärke, noch als Zucker, noch in irgend einer anderen Form nachweisbar. Wie sie in die Haube gelangt, ist unbekannt; wahrscheinlich wohl als Zucker und in einer so geringen Konzentration, dasz sie sich dem mikro- chemischen Nachweise entzieht. Von diesem Augenblicke an bis in ein sehr spätes Lebensalter wird nun die Haube stets Stärke führen, dagegen ist Zucker in ihr nie nachweisbar. Die Stärkescheide ist die innerste an das Gefäszbündel angren- zende Zellenschicht des Grundgewebes. Sie führt, nachdem das fertig gestreckte Parenchym schon alle Stärke und alles Oel ver- loren hat, noch lange Zeit Stärkekörner, und ist daher in der Figur an den beiden kontinuirlichen Reihen blauer Pünktchen kenntlich. Die Stärke wird hier offenbar, nachdem das umgebende Parenchym völlig entleert sein wird, für das Dickenwachsthum der Gefäszbün- del aufbewahrt. Das dritte Stadium, dessen Anfang wir jetzt ausführlich ge- schildert haben, dauert bis die Keimpflanzen die Erde durchbre- chen, also bis zum Ende unserer ersten Periode. In dieser Zeit ver- längert sich die Achse unserer Pflanze in den gewöhnlichen Fäl- len von etwa 1 Cm. bis auf ungefähr 4 Cm. Bei dieser bedeutenden Streckung, welche hauptsächlich in dem mittleren Theil des hy- pokotylen Gliedes und an der Spitze der Wurzel stattfindet, wird nun allmählich aller Zucker verbraucht. Von der Grenze beider Organe ausgehend, verschwindet der Zucker nach beiden Rich- tungen, am Ende der ersten Periode ist er in der Regel an keiner Stelle mehr nachzuweisen. Gleichzeitig nimmt auch die Menge des Oels und der Stärke in den Keimblättern und ihren Stielen bedeu- tend ab, da der gröszte Theil von ihnen gelöst und in die sich streckenden Theile geleitet wird, um dort für das Wachsthum der Zellhäute verwendet zu werden. Die Verbreitung der Stärke und des Oels ist aber, abgesehen von ihrer geringeren Menge, am Ende dieses Stadiums noch die- selbe wie am Anfang, wie eine Vergleichung der Fig. 3 mit den Fig. 4—6 lehren kann, welche die Vertheilung der Stoffe im An- fang der zweiten Periode darstellen. Nur eine wesentliche Ver- änderung ist eingetreten: in einem Theile der Wurzel ist allmäh- lich die Stärkescheide entleert worden, wohl indem die Stärke 68 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. theils zum Dickenwachsthum des Gefäszbündels verwendet, theils der Wurzelspitze zugeleitet wurde. In den Keimblättern und ihren Stielen konnte während der ganzen ersten Periode kein Traubenzucker nachgewiesen werden. Es musz also einstweilen unentschieden bleiben, in welcher Form die Stärke und das Oel gelöst und den wachsenden Theilen zuge- leitet werden. Damit wäre die Wanderung der stickstofffreien Stoffe abge- handelt. Wir kommen zu den stickstoffhaltigen. Diese erfüllten als Eiweisz alle Zellen des ruhenden Keimes, sowohl die Epidermis und die Anlagen der Gefäszbündel, als auch das Grundgewebe. Dieses Eiweisz ist überall mit der protoplasmatischen Grundsub- stanz der Zellen innig gemischt und dient als Material für das Wachsthum dieses Protoplasma. Es spielt somit seine Hauptrolle bei der Theilung und den allerersten Wachsthumsvorgängen der Zellen; sobald die rasche Streckung einer Zelle anfängt, enthält sie kein Eiweisz mehr; die stickstoffhaltige, aber eiweiszfreie Substanz des Protoplasma nimmt von diesem Augenblick an nicht merklich mehr an Masse zu. Das Protoplasma, welches zuerst die ganze Zelle erfüllte, bildet jetzt nur noch einen dünnen Ueberzug an der Innenseite der Zellwand. In Uebereinstimmung mit diesen Prinzipien finden wir das Eiweisz nur dort, wo noch Zelltheilungen stattfinden, entweder in den sich theilenden Zellen selbst oder in diesen und den benach- barten. Es sind also die junge Wurzelspitze und die Stengelspitze (das Federchen) sowie der Weichbast der Gefäszbündel, welche am längsten Eiweisz führen. Betrachten wir die einzelnen Stadien eingehender, so finden wir, dasz das Eiweisz aus den Zellen des hypokotylen Gliedes und der Wurzel schon sehr bald nach angefangener Keimung verschwindet; beim Anfange des dritten Stadiums findet man es im parenchymatischen Gewebe nur noch in den Kotylen, sonst nur im Gefäszbündel und den Vegetationsspitzen. Unsere Fig. 3 giebt dieses durch die Vertheilung der violetten Farbe an. All- mählich verschwindet nun auch das Eiweisz aus den Kotylen, bei einer Keimlänge von 3 Cm. traf ich noch die letzte Spur im Schwammgewebe an. Am Ende unseres dritten Stadiums ist das Eiweisz aber auf die Gefäszbündel, die Plumula und die Wurzel- spitze beschränkt. (Vgl. Fig. 4—6). Man könnte nach diesen Angaben zu der Meinung geneigt sein, dasz alles Eiweisz aus den Kotylen sich durch das Gefäszbündel BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 69 nach den Theilungsgeweben bewegt hätte und dort am Ende der ersten Periode bereits nahezu vollständig verbraucht wäre. Dem ist nun aber keineswegs so. Weitaus der gröszte Theil des Eiweiszes ist in Asparagin umgewandelt worden, und findet sich als solches noch überall im Gewebe. Wir wollen diesen Körper, den man beim Klee bis jetzt nur in der Keimungsperiode aufgefunden hat, der aber in dieser Zeit in sehr ansehnlicher Menge gebildet wird, zu- erst in seinen chemischen und physiologischen Eigenschaften ken- nen lernen, bevor wir seine Entstehung und Verbreitung bei der Keimung des Klees beschreiben. Das Asparagin ist eine in Wasser lösliche krystallinische Sub- stanz, welche an Stickstoff verhältniszmäszig reicher, an Kohlen- . stoff dagegen ärmer ist, als die Eiweiszkörper..Es ist überdies von viel einfacherer, genau gekannter Zusammensetzung. Es krystallisirt in schönen, wasserhellen, durchsichtigen Säulen des orthorhombischen Systems. Es ist in absolutem Alkohol un- löslich und krystallisirt bei der Behandlung Asparagin-haltiger Gewebetheile mit diesem Reagens in Krystallen heraus; hierauf beruht die Methode seines Nachweises. In den Pflanzen entsteht es unter Abspaltung stickstofffreier, kohlenstoffreicher Neben- produkte aus Eiweiszkörpern, und kann unter Aufnahme von stickstofffreien organischen Verbindungen wieder in Eiweisz zu- rückverwandelt werden. 1) Bei diesen Umwandlungen des Eiweiszes in Asparagin und des Asparagins in Eiweisz bleibt der absolute Stickstoffgehalt der Keimlinge stets derselbe; stickstoffhaltige organische Substanz geht nicht verloren. Diese durch Boussingault’s bekannte Ver- suche festgestellte allgemeine Regel darf man ohne Weiteres auch auf den Klee anwenden. In den etiolirten Keimpflanzen des rothen Klees wurde das Asparagin mikrochemisch von Dessaignes und Chautard nachge- wiesen 2); ich selbst sah es in sehr schönen Krystallen aus dem ausgepreszten Safte herauskrystallisiren. Untersucht man Keimlinge von Klee aus der ersten Periode mikrochemisch auf Asparagin, so findet man im Allgemeinen Folgendes. Bei der ersten Streckung des Würzelchens ist Aspara- gin noch ebensowenig nachzuweisen, als im ruhenden Samen. Sobald der Keimling aber in das in Fig. 3 abgebildete Alter tritt, 1) Vgl. hierüber Pfeffer in Pringsheims Jahrb. Bd. VIII. S. 530. 2) Vergl. A. und Th. Husemann, die Pflanzenstoffe, S. 671. 70 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. sind sowohl die Wurzel als das hypokotyle Glied in ihren älteren Theilen in allen parenchymatischen Zellen mit einer ziemlich kon- zentrirten Asparaginlösung angefüllt. Der gelbe Grundton in un- serer Figur zeigt die Verbreitung dieses Körpers. Die Kotylen ent- halten kein Asparagin. Wie die Vertheilung der Stoffe hier war, bleibt sie bis zum Ende der ersten Periode, das Asparagin nimmt in dem Masze an Menge zu, als die Achse der Pflanze sich streckt, - in demselben Masze nimmt der Gehalt an Eiweisz in den Koty- len ab. Es wird also wohl der gröszte Theil des Eiweiszes in dieser Periode in Asparagin umgesetzt und aus den Kotylen in das hy- pokotyle Glied und die Wurzel hinüber geleitet. Dagegen ist es äuszerst fraglich, ob schon in dieser Zeit eine Umwandlung von Asparagin in Eiweisz stattfindet. Sollte diese vorkommen, so ist sie jedenfalls unbedeutend. Als Nebenprodukte des Stoffwechsels bei der Keimung sind ein Gerbstoff und eine freie Säure zu betrachten. Im ruhenden Samen findet man Gerbstoff in der Samenschale, nicht aber im Keim. Aber schon beim ersten Heraustreten des Würzelchens hat sich im ganzen Parenchym der Keimblätter Gerbstoff gebildet und stark angehäuft. In Folge dieses Gerb- stoffgehaltes nimmt das Gewebe bei der Behandlung mit Kali eine rothbraune Farbe an; ein Umstand, der den Nachweis des Eiweiszes mittelst Kupferoxyd-Kali in hohem Grade erschwert. Das Würzelchen' enthält zu dieser Zeit keinen Gerbstoff. Beim weiteren Wachsthum scheint sich auch kein Gerbstoff mehr zu bilden; ob der vorhandene verloren geht, oder ob seine Lösung nur durch die Vergröszerung der Organe eine verdünntere wird, ist unbekannt, sicher ist es, dasz er in späteren Stadien sich nicht mehr nachweisen läszt. In der Samenschale bleibt er dagegen und findet sich dort noch zur Zeit, wo diese abgestreift wird. Läszt man eingeweichte Samen auf blauem Lackmuspapier kei- men, so färben sie dieses bald roth, sie scheiden also eine freie Säure aus. Welche diese Säure ist, ist unbekannt. Vogel, der sie aus den gekeimten Kleesamen extrahirte und den Saft mit Na- tronlauge titrirte, giebt an, dasz er in 100 Keimlingen soviel Säure fand als 0.35 Grm. Schwefelsäurehydrat entspricht. 1) Am Schlusse dieses Abschnittes möchte ich noch einige wich- tige, bis jetzt unentschiedene Fragen hervorheben, welche durch 1) Jahresber. d. Agrik.-Chemie. 1872. S. 79. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 71 analytisch-chemische Untersuchungen zu beantworten sind. In erster Linie sind die Fermente unbekannt, welche die Stärke und cas Oel in Traubenzucker umsetzen. Es wäre sehr wichtig, wenn man diese, z. B. vielleicht mit Glycerin, aus den Keimlingen extrahi- ren und untersuchen könnte, zumal da eine künstliche Umsetzung von fetten Oelen in Kohlehydrate dadurch vielleicht möglich werden würde. Dann ist die Natur des Eiweiszkörpers in den ruhenden Samen und in den Keimpflanzen noch zu ermitteln; wahrschein- lich ist er in den ersteren Kasein oder Legumin, in letzteren Albumin. In diesem Fall wäre seine Verwandlung bei der Keimung ein zwar schwieriger, aber sehr interessanter Gegenstand der Forschung. Aehnliche Fragen lieszen sich noch viele aufstellen. c) Zweite Periode. Entwickelung der Keimtheile unter dem Einflusz des Lichts. 1. Charakteristik dieser Periode. Das Hauptmerkmal dieser letzten Periode der Keimung ist, dasz sowohl die Gestaltungsvorgänge als der Stoffwechsel nur unter der Mitwirkung des Lichtes in normaler Weise vor sich gehen können. Das Ergrünen der Keimblätter, ihr kräftiges Wachsthum und die dadurch veranlaszte Abstreifung der Samenschale, end- lich ihre Entfaltung und die Entwickelung des ersten Blattes, mit einem Worte der ganze Gestaltungsprozesz ist vom Lichte ab- hängig. In chemischer Beziehung verursacht das Licht die Koh- lensäure-Assimilation und die Stärkebildung in den grünen Blät- tern; diese Stärke stellt weiterhin die Quelle dar, aus der durch Umsetzungen und Verbindung mit anorganischen Stoffen alle or- ganischen Körper des Pflanzenleibes entstehen werden. Zunächst aber wird die neu gebildete Stärke zu zwei wichtigen Zwecken verwendet, zu der Vergröszerung der Zellhäute beim Wachsthum und zu der Umwandlung des Asparagins in Eiweisz. Wir haben also drei wichtige Merkmale, welche diese Periode von der ersten unterscheiden. 1. Das Ergrünen und die Entfaltung der oberirdischen Theile. 2. Eine stetige Zunahme des Trocken- gewichtes in Folge überwiegender Kohlensäure-Assimilation. 3. Das allmähliche Verschwinden des Asparagins aus dem Gewebe. Diesen Bemerkungen fügen wir noch einige weitere zu. In der ersten Periode war die Pflanze noch klein, die Reservestoffe wur- den erst allmählich und nur zum Theil verbraucht. Daher, zumal im Anfang, die ganze Pflanze dicht mit Bildungsstoffen angefüllt 72 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. war. Diese sind aber allmählich verbraucht und beim Anfang der zweiten Periode, in der Regel, mit Ausnahme des Asparagins, auf einen sehr kleinen Theil reduzirt worden. Und da nun in der zwei- ten Periode das Wachsthum ziemlich rasch vor sich geht, so musz fortwährend fast alle neugebildete Stärke sogleich verbraucht werden. Nur in den grünen Theilen und deren Nähe findet man diese Stärke, weiter in das hypocotyle Glied und die Wurzel er- streckt sie sich nicht, ja sogar in dem gröszten Theile der Stärke- scheide fehlt sie. Während also in der ersten Periode die Pflanze voller Bildungsstoffe war, zeigt sie sich in der zweiten Periode ziemlich leer. Dieser Unterschied der beiden Perioden tritt mit sehr verschie- dener Schärfe hervor, je nach dem Alter, in welchem die Keimlinge die Erde durchbrechen. Je früher dies geschieht, um so gröszer ist der noch unverbrauchte Theil der Reservestoffe, um so weniger wird also die neu sich bildende Stärke in Anspruch genommen. Dauert es dagegen sehr lange, bis der Keimling ans Licht tritt, so kann er seine Nährstoffe bereits zum gröszten Theile verathmet haben. So z. B. beobachtete ich in Keimpflänzchen, welche in einem trockenen Boden drei Wochen gebraucht hatten, um die Erde zu durchbohren, und welche ich gleich nach der Entfaltung der Cotylen untersuchte, Folgendes. Das Oel und die Stärke waren in einigen Exemplaren völlig verschwunden, in anderen fand sich nur noch eine kleine Menge von Stärke in der Nähe der Knospe. In den letzteren war im hypocotylen Glied und der Wurzel hie und da noch die letzte Spur von Traubenzucker zu finden. Auch das Eiweisz war spärlich; dagegen ist das Asparagin in solchen Exemplaren in unverminderter Menge vorhanden. Dasz ich solche Exemplare auch bei der weiteren Keimung sehr leer fand, kann nicht überraschen, und man darf annehmen, dasz sich dement- sprechend aus ihnen im Allgemeinen auch nur kümmerliche Pflan- zen entwickeln werden. Dasz bei noch längerer Dauer der ersten Periode die Keimlinge sich völlig verathmen und also die zweite Periode nie erreichen können, haben wir bereits auf S. 62 mitgetheilt. 2. Gestaltungsvorgänge. Sobald die Wurzel sich durch die eigene Verlängerung und durch die Wurzelhaare in der Erde festgesetzt hat, musz natürlich die weitere Streckung des hypocotylen Gliedes dazu führen, die Co- tylen aus der Erde emporzuheben. Je nachdem diese lockerer BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 73 oder fester im Boden liegen und also einen geringeren oder grös- zeren Widerstand bieten, entstehen in dem jungen Stengel eigen- thümliche Spannungen und Krümmungen, um diesen Widerstand zu überwinden. In der Regel werden die Keimblätter dabei mit sammt der Schale ans Licht gebracht, in einzelnen Fällen kön- nen sie aus der Schale herausgezogen werden. Jetzt fängt der Ein- flusz des Lichtes an. Zunächst wirkt es auf das Längenwachsthum des hypocotylen Gliedes ein. Die Streckung dieses Organs war im Dunkeln rasch und ansehnlich, im Lichte wird sie so langsam und unbedeutend, dasz die Keimblätter nur eben aus dem Boden hervorragen. Dieses genügt aber für ihre Entfaltung und ist später für den festen Stand der kräftiger werdenden Pflanze sehr wesent- lich. Denn wenn das hypocotyle Glied weit aus der Erde hervor- ragt, so ist es bald zu schwach um die Pflanze zu tragen, und so- bald diese einige wenige Blätter entfaltet hat, fällt sie um. Dasz dem wirklich so ist, lehren Topfkulturen des Klees nur zu häufig, wenn diese an schlecht beleuchteten Stellen ausgesät worden sind. Die Keimblätter ergrünen in der Regel bereits, bevor sie die Samenschale abwerfen. (Vgl. Fig. 4). Die Ursache dieser Abstrei- fung liegt in dem nun eintretenden Wachsthum dieser Theile, welches unter Theilung und Streckung der Zellen die Keimblätter baid zu grosz für ihre Hülle macht. Diese wird also allmählich abgeschoben und fällt endlich von selbst zu Boden. Dabei weichen die Cotylen plötzlich aus einander, indem in ihren Stielen bereits vorher Spannungen aufgetreten waren, und in sehr kurzer Zeit führen die Stiele die Samenlappen jetzt in eine horizontale, flach ausgebreitete Lage, wobei sie fast auf der Erde ruhen. Hier neh- men sie eine immer dunklere grüne Farbe an, und wachsen bis sie etwa eine vierfache Grösze erreicht haben. Inzwischen ent- wickelt sich nun auch die Knospe, und das erste ungedreite Blatt tritt hervor. Während diese Veränderungen in den oberirdischen Theilen vor sich gehen, hat auch die Wurzel ihr Wachsthum fortgesetzt. Sie ist zu einer Länge von oft mehr als 10 Cm. herangewachsen und hat eine Reihe von Nebenwurzeln aus sich hervorgebracht. In derselben Zeit hat sich auch der innere Bau vollständig aus- gebildet. Es wäre aber überflüssig, auch diese Vorgänge hier zu schildern, da wir sie in unserem zweiten Paragraphen, bei der Behandlung der fertigen Keimpflanze, bereits ausführlich be- sprochen haben. 74 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. 3. Wanderung und Metamorphosen der einzelnen Bildungsstoffe. Auf unserer Tafel stellen die Figuren 4—6 die Vertheilung der Stoffe im Anfang, die Figuren 10—16 ihre Verbreitung am Ende dieser Periode dar. Ich bitte den Leser also bei der jetzt folgenden Beschreibung, diese Abbildungen, zumal aber die Hauptfiguren 4—6 und 10—12 mit einander vergleichen zu wollen. Wir betrachten zunächst die stickstofffreien Bildungsstoffe. Sie sind am Anfang unserer Periode noch als Oel und Stärke in den Cotylen vorhanden, und werden fortwährend in den grünen Thei- len als Stärke neu erzeugt. In diesen Organen werden sie zunächst und zum weitaus gröszten Theil sogleich zum eigenen Wachs- thum verbraucht; ein kleinerer Theil wandert aus ihnen in den Stamm und in die Wurzel, um hier theils zur Regeneration des Eiweiszes aus dem Asparagin, theils für das Wachsthum der Zellhäute zu dienen. In Folge dieses Verbrauches nimmt die Menge des Oels in den Cotylen stetig ab, nach ihrer Entfaltung fand ich darin nur noch geringe Spuren. Bei der Entwickelung des ungedreiten Blattes sind auch diese Spuren in vielen Exemplaren bereits verschwunden; in anderen halten sie sich als letzte Ueber- reste allerdings länger. Dagegen nimmt die Menge der Stärke so- wohl absolut, als auch im Verhältnisz zur Grösze der Organe fortwährend zu; alle oberirdischen Theile sind damit dicht erfüllt. (Fig. 10). In dem hypocotylen Glied läszt sie sich nur eine sehr kleine Strecke weit abwärts verfolgen, bald beschränkt sie sich auf die Stärkescheide des Gefäszbündels; in dieser reicht sie je nach dem Alter und den Individuen tiefer oder weniger tief herab, erreicht aber seit dem Anfange der zweiten Periode die Wurzel nicht mehr. In der Wurzel fehlt sie überall in den ausgewachsenen Theilen, nur in den sich streckenden Zellen der Wurzelspitze und in der Haube kann sie nachgewiesen werden. Hier ist sie offenbar aufgespeichert, um für das Wachsthum der Zellhäute der betref- fenden Zellen verbraucht zu werden. Jede neue, aus dem eiweisz- reichen Vegetationspunkt heraustretende Zelle lagert neue Stärke in sich ab und verwendet diese späterhin für ihre eigene Streckung. So kommt es, dasz man in jedem Alter der Keimpflanze die sich grade streckenden Zellen voll Stärke findet, während in den aus- gewachsenen keine stickstoffireien Bildungsstoffe mehr nach- weisbar sind. Woher beziehen die Zellen der Wurzelspitze ihre Stärke? Of- - fenbar aus der einzigen Quelle organischer Substanz in der Pflanze, aus den grünen, oberirdischen Theilen. Diese organische Substanz BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 75 musz also durch das hypocotyle Glied und durch die Wurzel ihnen fortdauernd zuströmen. In welcher Form geschieht dieses? Welche Verbindung ist es, die in den Blättern aus Stärke entsteht und in den Wurzelspitzen wieder in Stärke umgesetzt und als solche abgelagert wird? Auf diese Frage geben uns die Untersu- chungen für den vorliegenden Fall keine Antwort. Denn auf der ganzen bezeichneten Bahn können höchstens im Anfange dieser Periode noch Spuren von Traubenzucker nachgewiesen werden, später aber findet man dort weder Traubenzucker noch Stärke. Da nun aber in zahlreichen anderen Fällen bekanntermaszen der Zucker die Form ist, in der die stickstofffreien Stoffe in den Pilan- zen wandern, so ist die rationellste Annahme, welche uns die obige Erscheinung erklären kann, die, dasz auch hier Zucker von den Blättern zu den Wurzelspitzen wandert, und dasz wir ihn nur deshalb nicht mikrochemisch nachweisen können, weil er in zu geringer Menge, in zu verdünnter Lösung die Gewebe durchzieht. Diese Annahme hat, bei der relativen Armuth der ganzen Pflanze an Bildungsstoffen nichts Auffallendes, und kann daher einstweilen als sehr wahrscheinlich angenommen werden. Sie liesze sich viel- leicht durch eine analytisch-chemische Untersuchung des anschei- nend zuckerfreien Gewebes direkt beweisen oder widerlegen. Als stickstoffhaltige Verbindungen besitzt die Kleepflanze am Ende der ersten Keimungsperiode Eiweisz und Asparagin. Das Eiweisz findet sich erstens in der Wurzelspitze und im Vegetations- punkte des Stengels und in den jüngsten Neubildungen dieses letz- teren, dann aber auch im Weichbaste des ganzen Gefäszbündel- systems. Das Asparagin ist überall im parenchymatischen Gewebe des Stengels und der Wurzel verbreitet. Bei den Neubildungen von Zellen in der Knospe, der Wurzelspitze und beim Dickenwachs- thum des Gefäszbündels wird fortwährend Eiweisz zum Aufbau des Protoplasma der neuen Zellen verbraucht. In dem Masze als neue Zellen entstehen, würde also der Vorrath dieses Körpers abnehmen, und man müszte bald eine Armuth daran an den ge- nannten Stellen nachweisen können. Dem ist nun aber nicht so, weil fortwährend das Asparagin sich mit den neuen Assimilations- produkten verbindet und so wieder zu Eiweisz wird. Nicht die Menge des Eiweiszes, sondern die des Asparagins nimmt fort- während und stetig ab, und dieses dauert solange fort, bis am Ende der Keimung keine Spur dieser letzteren Verbindung mehr nachgewiesen werden kann. (Fig. 10—12). Nur in einzelnen Fäl- len fand ich in dem in Fig. 10—12 abgebildeten Stadium noch et- was Asparagin im Stengel und in der Wurzel; ja bei der Keimung 76 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. unter ungünstigen Beleuchtungsumständen erhielt sich dieses bis- weilen bis zur Entwickelung des ersten gedreiten Blattes, offenbar wegen Mangel an hinreichenden Assimilationsprodukten zur Um- wandlung der ganzen Menge des Asparagins in Eiweisz. Die Quantität des Eiweiszes ist dabei nur wenig verändert, seine Ver- theilung ist eine etwas.andere geworden, indem es in dem Gefäsz- bündel der älteren Theile des hypocotylen Gliedes und der Wurzel fast ganz verschwunden ist. Dagegen wird es jetzt in der Spitze einer jeden neuen Seitenwurzel in erheblicher Menge gefunden. (Fig. 11.) Als Nebenprodukt des Stoffwechsels tritt in dieser Periode oxal- saurer Kalk auf. Man findet die ersten Kryställchen oft schon vor der Entfaltung der Keimblätter in der Gefäszbündelscheide der Keimblattstiele und zwar vorzugsweise in deren unterer Hälfte. Sobald das einfache Blatt sich entwickelt, fängt auch hier die Ab- lagerung von oxalsaurem Kalk an; diese nimmt bald so sehr zu, dasz die Krystalle die scheidenartige Bekleidung der Bastbelege sowohl der Gefäszbündel im Stiele als der Nerven der Spreite in dichter Menge erfüllen. In jeder solchen Zelle der Scheide bildet sich nur ein einziger Krystall aus. Der in diesen Krystallen abge- setzte Kalk entsteht zu einem groszen Theile aus den Kalksalzen des Samens, wie daraus hervorgeht, dasz die Krystalle sich auch bei der Kultur der Keimlinge in destillirtem Wasser bilden. — Im hypocotylen Gliede und in der Wurzel ist um diese Zeit kein oxalsaurer Kalk nachweisbar. S 4. Die Keimung im Dunklen. a) Allgemeines. Um uns eine klare Vorstellung machen zu können von dem Antheile, den das Licht in der zweiten Keimungsperiode an der Ausbildung und dem Stoffwechsel der Keimpflanzen des Klees hat, wollen wir jetzt untersuchen, wie die Keimung in völliger Finster- nisz verläuft. Die erste Periode wird ohnehin im Dunklen durch- laufen, wir haben hier also nur die zweite ins Auge zu fassen. Läszt man Kleesamen in einem Topf im dunklen Schrank kei- men, so geht die Keimung anfangs normal vor sich, die Keimlinge durchbrechen nach mehreren Tagen die Erddecke und die Keim- blätter werden durch das sich streckende hypocotyle Glied em- porgehoben. Aber die Cotylen wachsen so gut wie gar nicht und streifen also nur in seltenen Fällen die Schale ab, gewöhnlich BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 77 bleiben sie ganz oder doch zum Theil darin verborgen. Im ersteren Falle weichen sie etwas aus einander, zu einer normalen Entfal- tung kommt es aber nie. Dagegen streckt sich das hypocotyle Glied zu einer ganz ansehnlichen Länge. Während die Cotylen am Lichte nur eben aus der Erde hervorragen, werden sie jetzt mehrere Centi- meter hoch emporgehoben. Dazu kommt, dasz alles blasz bleibt, die gelbe oder weisze Farbe geht nicht in die grüne über. Im Laufe von 2—3 Wochen werden alle stickstofffreien Reservestoffe des Samens theils zum Wachsthum, theils zur Athmung verbraucht, und verschwinden also aus dem Gewebe, weil neue Assimilations- produkte nicht gebildet werden. Aus demselben Grunde häuft sich auch das Asparagin fortwährend an; es kann nicht wieder in Eiweisz zurückverwandelt werden, weil dazu das erforderliche Material fehlt. Nach drei bis vier Wochen fangen die Pflänzchen an zu sterben; sie werden schlaff und fallen zusammen. Sie haben sich völlig verathmet. Nur das Asparagin, das zur Athmung nicht taugt, bleibt auch beim Tode noch in ihrem Gewebe; es ist jetzt aber völlig nutzlos. So endet das Leben der Keimpflanzen im Dunklen in Folge von Mangel an Athmungsmaterial. Die ausgewachsene etiolirte Keimpfilanze unterscheidet sich somit von der normalen 1. durch den völligen Mangel der Ausbil- dung der äuszeren Gestalt, 2. durch den vollständigen Verbrauch aller stickstofffreien Bildungsstoffe, 3. durch das Bleiben des As- ` paragins in dem Gewebe. Hieraus folgt, dasz die Neubildung von Stärke, die Regeneration von Eiweisz aus dem Asparagin und’ die normale äuszere Entwickelung in den grünen Keimpflanzen Fol- gen der Einwirkung des Lichtes sind, dasz die Mitwirkung des Lichtes dazu unerläszlich ist. Nach diesen einleitenden Bemerkungen wollen wir die etiolirte Keimpflanze in ihren einzelnen Theilen einer genaueren Betrach- tung unterwerfen, und werfen daher zuerst einen Blick auf Tafel I. Die Figuren 7—9 stellen die Vertheilung der Stoffe in der ausgewachsenen etiolirten Keimpflanze, einige Zeit vor dem: Tode, dar. Stoffe in der ausgewachsenen etiolirten Keimpflanze, einige Zeit vor dem Tode dar. Vergleicht man diese mit den Figuren 10—12, so wird man mit einem Blicke die Folgen der Lichtwirkung übersehen. Um andererseits den allmählichen Verlust der Nährstoffe beim Etiolement beurtheilen zu können, kann man die Abbildung der etiolirten Keimpflanze (Fig. 7—9) mit dem Anfange der zweiten Periode (Fig. 4—6) vergleichen. Denkt man sich aus diesen letz- teren die grüne Farbe der Cotylen weg, so stellen sie genau den 78 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Anfang der zweiten Periode bei der Keimung im Dunklen dar. Die stickstofffreien Nährstoffe, welche hier noch verzeichnet sind, ver- schwinden beim Etiolement allmählich vollständig. Die Betrach- tung der erwähnten Figuren wird uns also das Verständnisz der jetzt folgenden Beschreibung erleichtern. b) Gestaltungsvorgänge. In einer etiolirten Keimpflanze ist das hypocotyle Glied sehr stark überverlängert, es erreicht nicht selten 6 Cm. Länge und mehr, während es bei der Keimung flach gesäter Samen im Freien oft nur einige Mm. lang wird. Zu diesem ansehnlichen Wachsthum wird weitaus der gröszte Theil der Reservestoffe verbraucht. Da- durch entsteht bald ein Mangel an Nahrung, in Folge dessen die Wurzel und die Cotylen in ihrem Wachsthum gehindert werden und also klein bleiben. Erstere erreicht häufig nicht mehr als 2 Cm. Länge, während sie in ausgewachsenen, am Licht erleuchteten Exemplaren oft über 1 Decim. lang ist. Nebenwurzeln bildet die Hauptwurzel der etiolirten Exemplare nicht. Die Cotylen wachsen so wenig, dasz sie gewöhnlich die Samenschale nicht abstreifen können. Und da auch ihre Stiele, wie Fig. 7 angiebt, abwärts ge- krümmt bleiben, so bleibt die Gestalt fortwährend die eines noch jungen Keimlings. (z. B. wie in Fig. 4). Mit der inneren Differenzirung steht es nicht viel besser. Die Spaltöffnungen auf den Cotylen und dem hypocotylen Gliede bilden sich schon sehr früh, etwa in dem Stadium von Fig. 7, auch im Dunklen aus, dagegen werden in den Parenchymzellen der Keimblätter die Chlorophylikörner nicht differenzirt. Im Gefäsz- bündel entstehen die ersten Ring- und Spiralgefäsze bereits früh, aber zu einem kräftigen Dickenwachsthum der Stränge kommt es im Dunklen nicht. Also ging auch in allen diesen Punkten die Ent- wickelung nicht wesentlich weiter, als sie bereits am Ende der ersten Periode war. Wir können das Gefagte also kurz dahin zusam- menfassen, dasz die ganze Entwickelung, mit Ausnahme der ansehn- lichen Streckung des hypocotylen Gliedes, auf derjenigen Stufe stehen bleibt, auf der in normalen Fällen die Einwirkung des Lichtes anfängt. c) Vertheilung der Bildungsstoffe. Von den stickstofffreien Reservestoffen des Samens ist das Oel allmählich vollständig verbraucht worden. Auch der Trauben- zucker, der beim Anfange der Keimung aus einem Theil des Oels BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 79 und der Stärke entstanden war, ist nicht mehr nachzuweisen. Von der Stärke sind noch Spuren übrig und zwar um so geringere, je älter das untersuchte Exemplar ist. In der Wurzel verschwindet die Stärke sowohl aus der Haube als aus dem jungen Gewebe und damit hört in diesem Theil der Pflanze das Wachsthum auf. Am längsten findet man die Stärke noch in dem oberen Theil des hypocotylen Gliedes und in den Stielen der Keimblätter, zuerst noch im Parenchym, dann nur noch in der Stärkescheide, endlich gar nicht mehr. Auffallend ist es, dasz, wenn bereits fast alles Gewebe seine Stärke verloren hat, diese in den Spaltöffnungszellen der Cotylen noch zu finden ist; sie liegt hier in zahlreichen, äuszerst kleinen Körnchen, welche in jeder einzelnen Zelle in 3—5 Grup- pen vereint sind. Die Lage dieser Gruppen entspricht der Lage der Chlorophylikörner in denselben Zellen an ergrünten Exemplaren. Stickstoffhaltige Nährstoffe sind auch hier das Eiweisz und das Asparagin; ersteres in der Wurzelspitze, der Knospe und dem Gefäszbündel, letzteres im Grundgewebe. Das Eiweisz nimmt fortwährend an Menge ab, in demselben Masze nimmt das Aspa- ragin zu, weil es aus jenem entsteht. Bald führt das Gefäszbündel nur noch in der Nähe der beiden Neubildungsheerde Eiweisz. Das Asparagin findet sich sowohl in der Wurzel als im hypocotylen Gliede in groszer Menge; dagegen konnte ich es aus den Cotylen nur mit vieler Mühe und in geringer Quantität gewinnen. Der oxalsaure Kalk, der bei der Keimung am Lichte im Anfang der zweiten Periode in den Scheiden der Gefäszbündel der Coty- ledonartheile abgelagert wird, entsteht an diesen Stellen auch bei der Keimung im Dunklen. Die Krystalle sind sehr deutlich aber nicht zahlreich, und kommen nur an der genannten Stelle vor. Ihr Vorkommen beweist, dasz ihre Entstehung unabhängig ist von der Einwirkung des Lichtes, und also auch mit der Kohlen- säure-Assimilation in keinem direkten Zusammenhang steht. § 5. Einflusz äuszerer Umstände auf die Keimung. Je nachdem die äuszeren Einflüsse für die Keimung mehr oder weniger günstige sind, geht diese rascher oder langsamer vor sich. Unter diesen Einflüssen- sind in erster Linie die Temperatur, der Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffs und die Feuchtigkeit zu nennen. Die Beziehung des Lichtes zu der Keimung haben wir im vorigen Paragraphen bereits behandelt. Der aufgestellte Satz ist ein in der Pflanzenphysiologie so allge- mein gültiger, dasz er einer besonderen Beweisführung für den 80 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. rothen Klee nicht bedarf. Wohl aber ist es wichtig, die genaueren Beziehungen des Keimungsprozesses bei unserer Pflanze zu den erwähnten Agentien kennen zu lernen. Es liegen in der Literatur einige zerstreute Angaben über diese Beziehungen vor, welche zwar noch nicht erlauben, ein zusammenhängendes Bild zu ent- werfen, aber doch manche werthvolle Thatsachen enthalten. Ich will es versuchen, diese Notizen hier in möglichst übersichtlicher Form zusammenzustellen. Ueber die Widerstandsfähigkeit der ruhenden, trockenen Samen- körner gegen äuszere Einflüsse finde ich eine Angabe Just’s 1), nach welcher trockene Kleesamen in trockener Luft bei 120° C. starben, aber Temperaturen unter 120° C. ertrugen, ohne die Keimfähigkeit zu verlieren. Wenn Kleesamen einer Temperatur von 100° C. ausgesetzt waren, so keimten sie nachher noch, wenn man ihnen das entzogene Wasser vorsichtig wieder- gab, nicht aber, wenn sie schnell befeuchtet wurden. In dunstgesättigter Atmosphäre verloren die Kleesamen dagegen bei 75° C. in wenigen Stunden, bei 50° C. in 48 Stunden ihre Keimfähigkeit. Für Frostwirkungen sind die trockenen Samen selbstverständ- lich unempfindlich; die eingeweichten, ja auch solche, deren Würzelchen bereits hervorgetreten ist, nehmen aber auch bei ziem- lich tiefen Kältegraden keinen wesentlichen Schaden. Körnerproben, welche während 24 Stunden eingeweicht waren, ertrugen nach- her —10° C. und —22° C., ohne ihre Keimfähigkeit einzu- büszen. Sie behielten diese sowohl beim langsamen als auch beim raschen Aufthauen 2). Proben, welche während 48 Stunden in feuchter Erde eingequellt waren, ertrugen eine zehnstündige Einwirkung von —14° R. ohne Nachtheil: ja, sogar nach 6 Ta- gen, als die Keimung schon angefangen hatte, aber die Keimlinge cie Erde noch nicht durchbrochen hatten, ertrugen sie eine Ein- wirkung von —8.5° R. 3) Die Geschwindigkeit der Keimung hängt in erster Linie von der Temperatur ab. Die vollständigsten Angaben hierüber sind von Haberlandt gemacht worden. Er liesz Rothkleesamen in einem Eiskasten bei 0—1° C. keimen; nach 45 Tagen waren die ersten Anfänge der Keimung sichtbar, nach 4 Monaten hatten von 305 1) Bot. Zeitung. 1875. S. 52. 2) Haberlandt, im Centralblatt für Agrik.-Chemie, 1874. S. 275. 3) Haberlandt, im Jahresber. für Agrik.-Chemie. 1861. S. 150. BEITRAEGE ZUR, PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 81 Körnern 29, also etwa 10 pCt. gekeimt. Ihre Würzelchen hatten sich bis 2—6 Mm. entwickelt1). Steigt die Temperatur einige Grade über dem Gefrierpunkt, so nimmt sowohl die Geschwindig- keit der Keimung als auch die prozentische Anzahl der keimenden Samen rasch zu. So erfolgte in einigen Versuchen mit konstanter Temperatur die Keimung mit dem ersten Sichtbarwerden der Würzelchen, in Tagen nach dem Auslegen der trockenen Samen 2): bei .3:8° R ‚m 11-5, Vasen, er ATS > eR DR ETINI SS ER R Tag. Bei höheren Temperaturen erfolgte die Keimung in Stunden: 3) hei 13°..R. in 32 Std. Hi, 24 =; A a Pa 24A MAISON. 24), Bei diesem letzteren Versuche keimten stets alle ausgelegten Samen. Bei 35° und 40° R. fand keine Keimung mehr statt 4). Demnach liegen die für die Keimung günstigen Temperaturen zwischen 0° und 30—35° R., und steigt die Keimungsgeschwindig- keit mit steigender Temperatur etwa von 1—20° R. Bei welcher Temperatur die Keimung am raschesten vor sich geht, mit anderen Worten, wo das Optimum für diesen Prozesz liegt, ist bis jetzt nicht bekannt. Ueber den Einflusz der Temperatur auf die Dauer des ganzen Keimungsprozesses liegen nur wenige Angaben vor. Nach Sachs 5) wurde das Ende der Keimung bei einer Bodentemperatur von 10—13° R. binnen 8—10 Tagen erreicht; nach A. Baer 6) bei 15—20° R., in 4—7 Tagen. 1) Haberlandt, Pflanzenbau. 1875. I. S. 109. Die viel älteren Versuche von Sachs über die untere Temperaturgrenze waren nicht während so langer Zeit fortgesetzt, und fanden das Minimum also etwas höher, n. 1. bei4°R. (Chem. Ackersmann. 1859. S. 129; Jahresber. d. Agrik.-Chemie. 1859. S. 92). 2) Haberlandt, Jahresber. für Agrik.-Chemie 1860, p. 69 und Landw. Versuchsstat. 1874. S. 107. 3) Haberlandt, Landw. Versuchsstat. 1874. S. 111. 4) Just fand bereits bei 39° C. = 31° R. keine Keimung mehr. Bot. Jahres- bericht. II. S. 761. 5) Sachs, Chem. Ackersmann, 1859; Jahresber. d. Agrik.-Chem. 1859. S. 92. 6) Baer, Jahresber. d. Agrik.-Chem. 1859. S. 99. 6 82 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Dem Einilusse der Temperatur zunächst steht die Abhängigkeit der Keimung vom atmosphärischen Sauerstoff. Ohne Sauerstoff können die Samen nicht keimen, und bis zu einer gewissen Grenze wird die Geschwindigkeit der Keimung mit dem vermehrten Zu- tritt dieses Gases zunehmen. Besondere Untersuchungen über die- sen wichtigen Gegenstand sind mir nicht bekannt geworden, des- halb gebe ich hier die Beschreibung eines Demonstrationsversuches zur Veranschaulichung jener Abhängigkeit. Zahlreiche Samen werden auf einem Teller flach ausgebreitet, und während 24 Stunden in Wasser eingeweicht. Nach Ablauf dieser Frist: stellt man den Teller vorsichtig etwas schief, so dasz die Samen der einen Seite etwa 1 Cm. hoch mit Wasser bedeckt sind, die der anderen Seite aber nicht mehr bedeckt sind. Um die Aus- trocknung der letzteren zu verhindern, kann mann den Teller mit einer Glasscheibe locker bedecken. Am nächsten Tag haben fast alle auszerhalb des Wassers liegenden Samen gekeimt, im Wasser noch kein einziger. Am folgenden Tage sind jene weiter gewachsen; die welche am Rande des Wassers nur von einer dünnen Schicht bedeckt sind, fangen an ihre Würzelchen zu treiben, die tiefer be- deckten regen sich noch nicht. Erst nach etwa 8 Tagen fangen auch die letzteren an zu keimen, nachdem die zuerst gekeimten die Samenschale längst abgeworfen und theilweise die grünen Cotylen schon entfaltet haben. Auf dem geneigten Teller sieht man dann in schöner Reihenfolge alle Entwickelungsstadien von den noch ungekeimten Samen bis zu den schon ergrünten Keim- pflänzchen. Die Wirkung des Wassers kann in diesem Falle keine andere sein, als die Verzögerung des Zutrittes des atmosphärischen Sauer- stoifes, und der Versuch zeigt also, dasz die Keimung um so rascher von statten geht, je freier die Luft zu den Samen dringen kann. Wenn man täglich das Wasser erneuert, und dadurch täg- lich neuen Sauerstoff zuführt, kann man die Kleesamen ganz unter Wasser bis zur Entfaltung und Ergrünung der Cotylen sich ent- wickeln lassen. Sie brauchen dazu aber eine verhältniszmäszig äus- zerst lange Zeit, so z. B. in einem Versuche bei gewöhnlicher Zimmertemperatur unter einer 1.5 Cm. hohen Wasserschicht mehrere Wochen. p Mehr als der Einflusz der Temperatur und des Sauerstoffs ist der der Feuchtigkeit in der Praxis von Interesse, doch liegen auch hierüber keine eingehenden Untersuchungen vor. Man weisz nur im Allgemeinen, dasz die Keimung des Klees auf offenem BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 83 Acker, wegen der Austrockung der obersten Schichten der Erd- krume durch die Sonne, mit groszen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, dasz aber die Keimung sehr gut vor sich geht, wenn der Klee als Unterfrucht unter einer anderen, den Acker beschattenden und feucht haltenden Frucht gesät wird. Die praktischen Erfahrungen hierüber an dieser Stelle auseinanderzusetzen, würde uns hier zu weit führen; es wäre sehr zu wünschen, dasz die hier obwalten- den Verhältnisse zum Gegenstand besonderer Forschung gemacht würden. Ebensowenig können wir hier über die zweckmäszigste Saattiefe des Klees Angaben machen. Es soll nur bemerkt werden, dasz diese durch die beiden Faktoren Sauerstoffzutritt und Feuchtigkeit in erster Linie bestimmt wird. Eine Behandlung dieses Themas von allgemeinen Gesichtspunkten aus, ist also erst nach der Erledi- gung der angedeuteten Vorfragen möglich. $ 6. Tabellarische Uebersicht über die wichtigsten mikrochemischen Beobachtungen. Der Zweck der vorliegenden Abhandlung ist nicht nur von der Entwickelung der Keimpflanzen des Klees und von den dabei statt- findenden chemischen Prozessen ein allgemeines Bild zu entwer- ten, sondern es sollte dieses Bild soweit ausgearbeitet werden, dasz weitere Untersuchungen über spezielle Fragen sich daran leicht anknüpfen lassen. In dieser letzteren Hinsicht wird die Uebersicht wohl am besten dadurch erleichtert werden, dasz ich die Verthei- lung der wichtigsten, mikrochemisch nachweisbaren Stoffe über die verschiedenen Organe und Gewebeformen in allen Stadien des Wachsthums tabellarisch zusammenstelle. Eine solche Tabel- le findet man auf S. 86 u. 87. Sie läszt neben den speziellen Angaben, beim ersten Blick deutlich hervortreten, in welchen Pe- rioden in bestimmten Keimtheilen die Inhaltsstoffe wichtige Ver- änderungen erleiden und in welchen sie stationär sind. Ich habe in dieser Tabelle die beiden wichtigsten Endprodukte des ganzen Stoffwechsels, die Cellulose und die Grundsubstanz des Protoplasma nicht angeführt; sie werden im ganzen Laufe der Entwickelung überall gebildet; ihre Erwähnung hätte nur Zweck, wenn über ihr Auftreten quantitative Angaben gemacht werden könnten. Nun hätte vielleicht die bedeutende Ablagerung von Cellu- lose im Holzkörper und in den Bastfasern der Gefäszbündel hervor- gehoben werden sollen. 84 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Auch die Nebenprodukte des Stoffwechsels wurden nicht er- wähnt; hauptsächlich, weil ihre Bedeutung und die Art ihrer Ent- stehung noch ganz im Dunklen liegt.. Die leeren Organe sind in der Tabelle durch ein — angegeben.. § 7. Zusammenfassung. Am Schlusse dieses Aufsatzes soll es versucht werden, die wich- tigsten Ergebnisse in möglichst einfachen Zügen zu einem Ge- sammtbilde zu vereinigen. Der detaillirten Darstellung in den. vorigen Paragraphen entsprechend, behandeln wir auch hier zu- erst den ruhenden Samen und dann die Keimung selbst und theilen letztere in zwei Perioden. Als Grenze dieser beiden Abschnitte des Keimungsprozesses betrachten wir den Augenblick, in wel- chem der junge Keimling die Erddecke durchbricht; bis dahin. befand er sich im Dunklen und lebte ausschlieszlich von den im Samen aufgespeicherten mütterlichen Assimilationsprodukten; von diesem Momente ab entwickelt er sich unter dem Einflusse des Lichtes und wenigstens zum Theil auf Kosten neu assimilirter or- ganischer Substanz. Im -Samen liegt, fest von der harten Samenhaut und einem spärlich entwickelten Endosperm umschlossen, der Keim. Dieser enthält die Anlagen zu den Hauptorganen der späteren Pflanze als Würzelchen und Federchen, und daneben die beiden groszen Samenlappen. Alle Theile des Keimes sind mit Reservestoffen dicht angefüllt, sowohl mit organischen als mit unorganischen. Dage- gen finden sich weder in der Samenschale, noch in dem Endo- sperm irgendwie erhebliche Mengen von Nährstoffen, wenn diese im letzteren auch nicht vollständig fehlen. Die Haut dient nur zur Beschützung des Samens; sie ist es, welche beim Anfang der Keimung zuerst das erforderliche Wasser auisaugen musz, eine Funktion, für welche sie so wenig geeignet ist, dasz sie gerade im Gegentheil bei manchen Körnern dem Eindringen des Wassers einen fast unüberwindlichen Widerstand entgegensetzt. Das En- dosperm quillt bei der Keimung sehr stark auf und lagert dabei äuszerst grosze Quantitäten Wasser in sich ab, welche es im. Nothfalle dem sich entwickelnden Keime abtreten kann. Es fun- girt also als Wasserbehälter. Die organischen Bildungsstoffe sind in den Zellen des Keimes aufgespeichert. Sie sind theils stickstoffhaltige: Eiweisz, theils stickstofffreie: Stärke und Oel. (Vgl. Tafel I, Fig. 1 und 2). BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 85 Eiweisz findet sich ausnahmslos in allen Zellen, dagegen werden die Stärke und das Oel nur im parenchymatischen Gewebe ange- troffen; in der jungen Epidermis und den Gefäszbündelanlagen fchlen sie. Die Samenlappen und das Würzelchen sind gleich reich an diesen Reservestoffen; die äuszerste Wurzelspitze und das Fe- derchen, welche bei der Keimung als Theilungsgewebe fungiren werden, enthalten jetzt, wie später, nur Eiweisz. Bemerkt sei noch, dasz das Eiweisz für den Aufbau der protoplasmatischen Grund- substanz der Zellen, die Stärke und das Oel dagegen für das Wachsthum und die Neubildung der Zellwände sowie zur Ath- mung bestimmt sind. Die Reservestoffe sind im Kleesamen nicht in einem richtigen Verhältnisz vorhanden. Das Eiweisz und die anorganischen Ver- bindungen finden sich darin in hinreichender Menge, um die Kei- mung ohne Hülfe von neu aufgenommenen Stoffen zu Ende zu führen. Mit den stickstofffreien organischen Nährstoffen ist dies nicht der Fall; diese sind, im Verhältnisz zu den übrigen in viel zu geringer Menge da. Für die ersten Tage der Keimung genügen sie, aber schon mit dem Anfange der zweiten Periode ist eine neue Zufuhr von stickstofffreien organischen Verbindungen nothwendig. Diese entstehen nun in den Pflanzen bekanntlich nur aus der Kohlensäure-Zerlegung am Lichte, daher kann die zweite Kei- mungsperiode nur am Lichte zum Abschlusz gebracht werden. Dieses eigenthümliche Miszverhältnisz 1) ist so auffallend, dasz es sich lohnt, einen Versuch hervorzuheben, welcher geeignet ist, es in ein recht scharfes Licht zu stellen. Für diesen Versuch brin- gen wir Kleesamen auf drei verschiedene Arten zur Keimung; er- stens in normaler Weise, im Freien in feuchter Erde, zweitens in einem dunklen Kasten in feuchter Erde, und drittens im Lichte, aber ohne jeglichen anderen Zusatz, als den des erforderlichen 1) Dieses Miszverhältnisz ist wahrscheinlich als eine Anpassung an ganz bestimmte Lebensverhältnisse aufzufassen. Der grosze Reichthum an Stickstoff-Verbindungen setzt die Samen in den Stand, in einem stickstoff- armen Boden ohne Gefahr zu keimen und eine lange und reich verzweigte Wurzel darin zu entwickeln, bevor eine Aufnahme solcher Verbindungen von auszen her nothwendig wird. Dasz eine solche Anpassung für die Kleearten und ihre Verwandten von groszer Bedeutung sein musz, folgere ich aus der bekannten Thatsache, dasz gerade sie in sehr stickstoffarmen Böden üppig wachsen können, weil sie auch äuszerst geringe in.der Atmos- phäre und der Bodenluft vorkommende Mengen Ammoniak in sich anzuhäufen und zu verwerthen wissen. 86 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. b: , "| Vertheilung der wichtigsten Stoffe in den Keimlingen y PAE an UTRA a NA NEESS ANAE ae s ADENO VABE REENEN E E ATE E E N EA Erste Keimungsperiode. Im ruhenden Beim ersten Keimtheile. Samen. rlervor ern Würzelchens. I. Samenlappen. 1. Oberhaut. Eiweisz. Eiweisz. 2. Parenchym. |Eiweisz, Stärke,Oel.|Eiweisz,Stärke,Oel. 3. Nerven. Eiweisz. Eiweisz. II. Stiele d. Samen- lappen. 1. Oberhaut. Eiweisz. Eiweisz. 2. Parenchym. |Eiweisz,Stärke,Oel.|Eiweisz,Stärke,Oel. 3. Gefäszbündel. Eiweisz. Eiweisz. III. Federchen. 1. Einfaches Blatt. 2. Jüng. gedreit. Blatt. 3. Blattanlagen. 4. Stengelspitze. IV. Hypocot. Glied. 1. Oberhaut | | Eiweisz. Eiweisz. ) Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz, Stärke, Oel; Asparagin; Zuckeri im unteren 2. Parenchym. |Eiweisz,Stärke,Oel. Länge der Keimaxe Eiweisz, Stärke,Oel. Bei einer Bei einer von 1 Cm von 2—3 Cm. Eiweisz. Weniger Eiweisz. Weniger Eiweisz, Stärke und Oel. Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz, Stärke, Oel. Stärke, Oel, Asparagin. Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz. Nurim oberen Theill Kein Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz, Stärke und| Stärke und Oel im Oel nur im oberen oberen Theil; Teil; Asparagin | Asparagin überall, überall; Zucker nur | Zucker nur in der Theil. 3. Stärkescheide. ebenso. ebenso. 4. Gefäszbündel. Eiweisz. Eiweisz. V. Ausgewachsener Theil der Wurzel. 1. Parenchym. ) Í Eiweisz,Stärke,Oel; Asparagin; Zucker | | im oberen Theil. 2. Stärkescheide. N fehlt. 4 ebenso. 3. Gefäszbündel. | | Eiweisz. 4. Nebenwurzeln. ] | fehlen. VI. Wurzelspitze. 1. Streckungs- gewebe. |Eiweisz, Stärke,Oel.|Eiweisz, Stärke,Oel. 2. Theilungs- gewebe. Eiweisz. Eiweisz. 3. Wurzelhaube. Eiweisz. Eiweisz. in der Mitte. Mitte. Stärke. Stärke. Eiweisz. Eiweisz. Traubenzucker, Zucker nur im Asparagin. unteren Theil; Asparagin. Stärke. Stärke. Eiweisz. Eiweisz. fehlen. fehlen. Stärke, Asparagin. | Stärke, Asparagin. Eiweisz. Stärke. Eiweisz. Stärke. w i Länge der Keimaxe h K A Te R N i N `] i 7 Weniger Eiweisz., - Erste Keimungsp. Zweit BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. des rothen Klees in verschiedenen Alterstadien. e Keimungsperiode. Bei Durchbrechen Bei der der Erddecke Abstreifung der Länge 5—6 Cm. Samenschale. N l Wenig Eiweisz. l Kein Eiweisz, Chlo- rophy!l und Stärke i.d. Spaltöffnungen. Stärke, Oel, Chlorophyll; kein Eiweisz. Wenig Eiweisz. Weniger Eiweisz, Stärke und Oel. Weniger Eiweisz. | 7 Kein Eiweisz, Chlo- rophyli und Stärke | i.d. Spaltöffnungen. Stärke; wen. Oel.; | Stärke, Asparagin. Asparagin. Weniger Eiweisz. = Wenig Eiweisz. Weniger Eiweisz. Nach der Entfaltung Entfaltung der Samenlappen. |4es ersten Blattes. Chlorophyll und Stärke in den Spaltöffnungen. Wenig Oel; Chloro- phyli; neu assimi- lirte Stärke. Wenig Eiweisz. Chlorophyli und Stärke in den Spaltöffnungen. Chlorophyll; neue Stärke. Wenig Eiweisz. Chlorophyl! und Chlorophyll und Stärke in den Stärke in den Spaltöffnungen. Spaltöffnungen. Viel Stärke, wenig.| Viel Stärke kein Asparagin. Asparagin. Wenig Eiweisz. Wenig Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz. Stärke im oberen Theil; Asparagin überall; weniger Weniger Stärke; kein Zucker; Asparagin überall. Zucker. Stärke. Nur im oberen Theil Stärke. Eiweisz. Eiweisz. Weniger Zucker; Kein Zucker; Asparagin. Asparagin. Stärke. Stärke nur im unteren Theil. Eiweisz. Eiweisz. fehlen. fehlen. Stärke, Asparagin. | Stärke, Asparagin. Eiweisz. Stärke. Eiweisz. Stärke. Chlorophyll, neu assimil. Stärke, wenig Eiweisz in den Nerven. Eiweisz, Stärke. Eiweisz. Eiweisz, Stärke. | Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz. Eiweisz. Stärke im oberen | Stärke im oberen Theil; Theil; weniger Asparagin.; kein Asparagin. Nur im oberen Theil Stärke. Wenig Eiweisz. abwärts. Wenig Eiweisz. Weniger Asparagin.| Kein Asparagin. Keine Stärke. — Wenig Eiweisz. Erste Anlagen m. Eiweisz. Wenig Eiweisz. Eiweisz, Stärke. Stärke, Stärke. weniger Asparagin. Eiweisz. Eiweisz. Stärke. Stärke. Nach der Ende der Keimung. Stärke etwas tiefer 87 In der ausgewachsenen etiolirten Keimpflanze. Ohne Chlorophyll aber Stärke in den Stomata. Wenig Asparagin. Asparag.; Spuren von Stärke. Spuren v. Eiweisz. | unentwickelt, | nur Eiweisz. Viel Asparagin. Wenig Stärke im oberen Theil. Nur i. ober. Theil Eiweisz. Viel Asparagin. fehlen. Asparagin. Eiweisz. 88 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. destillirten Wassers. Die letzteren Pflänzchen werden sich genau so entwickeln, wie die im Freien keimenden; sie erreichen das Ende der Keimung (Stadium von Fig. 10—12, Tafel II) eben so rasch wie diese. Hieraus folgt, dasz die anorganischen Stoffe im Samen völlig ausreichen. Die im dunklen Kasten stehenden Keimlinge bringen es nicht einmal zur normalen Entfaltung ihrer Cotylen; sobald sie das Stadium von Fig. 7—9 erreicht haben, hört ihre Entwickelung auf, und nachdem sie noch einige Tage unverändert geblieben sind, sterben sie. Diese Wahrnehmung zeigt, wie nothwendig die Mitwirkung des Lichtes für die normale Ge- staltung ist ; und dasz diese Wirkung in der Zerlegung der Kohlen- säure und der Bildung neuer organischer Substanz begründet ist, kann durch eine Vergleichung des Gehalts an solchen Stoffen in den Exemplaren der drei Abtheilungen unseres Versuchs leicht bewiesen werden. (Vergl. Fig. 7—9 mit Fig. 10—12). Die erste Periode der Keimung umfaszt die Quellung der Samen, das Hervortreten und die Streckung des Würzelchens (und des hy- pocotylen Gliedes). Schon während der Quellung, mehr aber noch beim ersten Hervortreten des Würzelchens fangen die chemischen Umwandlungen der Reservestoffe an. Die Stärke und das Oel werden im hypocotylen Gliede und in der Wurzel in groszen Mengen in Traubenzucker verwandelt, der bald alle wachsenden Zellen des Parenchyms dieser Organe dicht erfüllt. (Vergl. Tafel. I, Fig. 3). Dieser Zucker wird bei der nun folgenden raschen Streckung der Zellen zum Wachsthum der Zellhäute ver- wendet; er geht, offenbar wegen seiner nahen chemischen Ver- wandtschaft mit Cellulose, sehr leicht in diese über. Daraus folgt aber andererseits, dasz der Zucker in dem Masze verschwinden wird, als die Zellen sich strecken, und dieses ist es auch genau, was man bei der Untersuchung von vollständigen Entwickelungs- reihen von Exemplaren beobachtet. An der Basis des hypocotylen Gliedes beendigen die Zellen zuerst ihre Streckung; hier ver- schwindet auch der Zucker zuerst. (Vgl. Tafel I, Fig. 3.) Von dort aus schreitet sowohl die Streckung als das Verschwinden des Zuckers in der Keimaxe nach-oben und nach abwärts stetig fort, und zu der Zeit, wo diese Axe eine Länge von etwa 5 Cm. erreicht hat, ist aller Zucker verbraucht. Damit sind aber auch überhaupt die stickstofffreien Nährstoffe aus dem mittleren Theile der Keimaxe verschwunden, denn die dort abgelagerte Stärke und das Oel waren bereits vollständig in Zucker umgesetzt. Ja es sind sogar in den Samenlappen grosze BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 89 Theile dieser Stoffe gelöst und der Axe zugeleitet und dort eben- falls nahezu vollständig verbraucht worden. Dies geht daraus hervor, dasz der Vorrath in den Samenlappen stets geringer wird, obgleich dort noch kein irgendwie erheblicher Verbrauch statt- findet. (Vgl. Tafel I, Fig. 4—6.) Das Eiweisz hat beim Anfange der Streckung in der ganzen Axe, später hauptsächlich in der Wurzelspitze, Verwendung gefun- den. Denn im Anfange fanden überall Zelltheilungen statt, welche sich nachher auf die genannte Stelle beschränkten. Bei diesem Pro- zesse wird fortwährend neues Protoplasma für die neuen Zellen ge- bildet, und dieses entsteht, da es stickstoffhaltig ist, zum wesentlich- sten Theile aus dem Eiweisz. Sobald die Theilungen in irgend einer Gewebepartie vollendet sind, und die Streckung dort angefangen hat, ist demzufolge das Eiweisz von dort verschwunden. Es fin- det sich bald nur noch in der Wurzelspitze, in der Stammknospe und im Gefäszbündel. Ein nicht unbedeutender Theil des Eiweiszes wird auch in Asparagin umgesetzt, eine leicht lösliche Verbindung, welche be- quem durch die Keimtheile hindurchströmt, und also eines rasch- eren Transportes fähig ist, als das nur zählilüssige Eiweisz- selbst. In der Nähe der Bildungsheerde neuer Zellen, wo die An- wesenheit von Eiweisz für den Aufbau neuer Protoplasmakörper nothwendig ist, verbindet dieses Asparagin sich wieder mit den stickstofffreien Bestandtheilen und wird so wieder in Eiweisz zu- rückverwandelt, wenigstens so lange die stickstofffreien Stoffe noch in der erforderlichen Menge vorhanden sind. Ueberblicken wir die chemischen Umsetzungen in der ersten Periode, so haben wir am Anfange Eiweisz, Stärke und Oel in groszen Mengen im ruhenden Samen. Das Eiweisz wird zum Theil zur Protoplasmabildung verwendet, zum Theil in Asparagin um- gesetzt. Die Stärke und das Oel dienen zur Zellhautbildung und zur Athmung; sie werden bei ihrem Verbrauch vorübergehend in Traubenzucker umgesetzt. Am Ende der ersten Periode haben also die Cellulose und das Protoplasma zugenommen, dafür aber Stärke, Oel und Eiweisz sehr erheblich abgenommen; endlich ist das aus einem Theil des letzteren entstandene Asparagin noch als “ solches und zwar in ziemlich groszer Menge im Gewebe vor- handen. In der zweiten Keimungsperiode geschehen die Gestaltungs- prozesse einerseits auf Kosten der noch übrig gebliebenen Reser- vestoffe des Samens, andererseits auf Kosten der Stärke, welche 90 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. durch Kohlensäure-Assimilation in den Chlorophylikörnern neu gebildet wird. Diese Stärke wird zum Theil zur Athmung, zum Theil zur Regeneration des Eiweiszes aus dem Asparagin verwen- det, dient aber zum weitaus gröszten Theil für das sehr kräftige Wachsthum, welches alle Theile in dieser Periode zeigen, und wodurch die anfangs sehr zarten und schwachen Keimlinge all- mählich bedeutend gestärkt werden. Zuerst fangen die Keim- blätter an zu wachsen, sie werden dadurch zu grosz für die sie umschlieszende Samenschale und streifen diese ab. Dann ent- falten sie sich und breiten sich in horizontaler Lage aus, um dem Lichte eine möglichst grosze Fläche darzubieten. Während sie ihre definitive Grösze erlangen, entwickelt sich das erste Blatt aus der Stammknospe, und- wächst die Hauptwurzel immer tiefer in die Erde hinab. Bald ist nun auch das erste Blatt fertig, und hat sich die Wurzel mit zahlreichen kleinen Nebenwurzeln im Boden befestigt. (Fig. 10—12). Bei dieser kräftigen Entwickelung ist zunächst das Oel in den Cotylen völlig verbraucht worden; dann aber ist auch das Asparagin allmählich gänzlich in Eiweisz zu- rückverwandelt, und dieses selbst schon zum gröszten Theil bei der Bildung neuer Zellen in Protoplasma umgesetzt worden. Was die letzte Reservestärke des Samens anbelangt, so ist auch wohl von dieser nichts mehr übrig, obgleich dies bei der reichlichen Neubildung von Stärke sich natürlich nicht empirisch entscheiden läszt. Am Ende der Keimung ist also vom Oel des Samens, sowie von dem Traubenzucker und dem Asparagin, welche direkt aus den Reservestoffen des Samens entstanden sind, nichts mehr übrig. Auch die Reservestärke ist wohl verschwunden, dagegen ist das Gewebe reichlich mit neu assimilirter Stärke erfüllt. Das Eiweisz des Samens ist ebenfalls verbraucht, und nur Spuren von solchem sind noch in den Stammknospen und der Wurzelspitze vorhanden; hier ist es aber mittelst neu assimilirter Stärke aus ` dem Asparagin regenerirt worden. Man kann also mit einem Wort sagen, dasz die Reservestoffe des Samens jetzt völlig verbraucht sınd, sie sind vollständig in die Bestandtheile der ausgebildeten Zellen, zumal in das Protoplasma mit seinen Theilen (z. B. den Chlorophylikörnern), und in die Zellhäute verwandelt worden. Von jetzt an müssen also alle erforderlichen Nährstoffe von auszen aufgenommen werden: die Keimung ist beendigt, und die Vegeta- tion fängt an. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 9f Erklärung der Figuren zu Tafel I. u. Il. Alle Figuren sind mit der Camera lucida aufgenommen und schematisirte Längs- und Querschnitte. Die Farben sind in ihnen nicht nach den Reaktionen des gezeichneten Präparates einge- tragen, sondern sie stellen die mittleren Resultate zahlreicherer Beobachtungen dar. In allen Figuren bedeuten: a. s. Aeuszere Samenschale. i. s. Innere Samenschale. c. Cotylen oder Samenlappen. c. st. Cotyledonarstiele. b. b. Insertionsstelle der Cotyledonarstiele. isn Federchen: Hypocotyles Glied. . Wurzelhaube. w. Wurzel. a. Natürliche Grösze des Objektes. Tafel 1. Fig. 1. Längsschnitt des trockenen Samens. 20/,. n. Nabel. Fig. 2. Querschnitt des trockenen Samens. 20/,. e. Endosperm. Fig. 3. Junge Keimpflanze noch ganz im Boden versteckt: Im Längsschnitte. ı3/,. a. a. Grenze zwischen dem hypocotylen Glied und der Wurzel. Fig. 4—6. Keimpflanze beim Abstreifen der Samenschale. Längsschnitte. ı3/,. Fig. 4. Oberer Theil. Fig. 5. Ein Theil’ der. Wurzek Fig. 6. Wurzelspitze. a. Natürliche Grösze des ganzen Keimlings. Fig. 7—9. Ausgewachsene etiolirte Keimpflanze. 13/,. 92 KEIMUNGSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. 710.17. Oberer Theil. Fig. 8. Ein Theil der Wurzel. Fig. 9. Wurzelspitze. a. Natürliche Grösze des ganzen Keimlings. Tafel II. Fig. 10—12. Fertige Keimpflanze. $/,, Fig. 10. Pie": Fig. 12. Oberirdische Theile. spr. Spreite des ersten Blattes. st. Stiel n 2 > p.\ ‚Polster. n. b. Nebenblätter. g. b. Erstes gedreites Blatt. v. p. Vegetationspunkt. 1 14 | Lage der Querschnitte für die entspre- 15. ( chenden Fig. 13, 14 u. 15. Ein Theil der Wurzel. w.a. Nebenwurzelanlage. n.w. Nebenwurzel. Wurzelspitze. Fig. 13. Querdurchschnitt eines ausgewachsenen Keimblattes. 20/,. n. Nerven. o. s. Oberseite. u. s. Unterseite. Fig. 14. Querschnitt eines ausgewachsenen Cotyledonarstieles. 43/,. Fig. 15. Querschnitt des hypocotylen Gliedes. 43.. bst. Bastfasergruppen. hlz. Holzkörper. Fig. 16. Querschnitt der Wurzel; wenig oberhalb der oberen . Grenze von Fig. 12 geschnitten. #/,. bst. Bastfasergruppen. hlz. Holzkörper. Keimungsgeschichte des rothen Klees. 0.36 LER ae FE B 9 Oel. oo000 0002 Go DE VRIES, Opera. Fa. P. W. M. TRAP impr. Keimungsgeschichte des rothen Klees. Tak IE A A Blaltgrin. Stärke, Kimeiss. luco DE Vries, Opera. Fa. P. W. M. TRAP impr. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 93 II. Wachsthumsgeschichte des rothen Klees. Mit 3 Farbendruck-Tafeln (I-HI). Für eine eingehende Kenntnisz der Lebensprocesse einer Pflanze ist es offenbar in erster Linie erforderlich, den anatomischen Bau und die Entwickelungsgeschichte ihrer einzelnen Theile we- nigstens in den Hauptzügen genau zu kennen und zu erforschen, welche Vorräthe von Bildungsmaterial darin unter verschiedenen äuszeren Umständen vorkommen. Denn dadurch wird die Leis- tungsfähigkeit ihrer Organe zu einem groszen Theile bestimmt. Ver- sucht man es nun, aus der vorliegenden Literatur diese Aufgabe für den rothen Klee oder auch für irgend eine andere zu den kleeartigen Gewächsen gehörige Pilanzeniorm zu lösen, so wird man sich leicht überzeugen, dasz es nicht nur nicht gelingt, ein annähernd. vollständiges Bild zu entwerfen, sondern dasz die einschlägigen Angaben geradezu äuszerst spärlich und für den vorliegenden Zweck nur in einzelnen Fällen brauchbar sind. Nur über einzelne Punkte, wie z. B. über die Ausdehnung des Wurzei-Systems und über die Einrichtungen der Blüthe zum Zwecke der Bestäubung durch Insekten, liegt werthvolles Material vor, in vielen anderen Hinsichten fehlt auch die geringste Angabe. Unter diesen Umständen war ich bei dem Studium der kleear- tigen Gewächse darauf angewiesen, selbst irgend eine Species einer erschöpfenden Special-Untersuchung zu unterwerfen, um dadurch Anhaltspunkte zur Beurtheilung ihrer Lebensprocesse, und zur Vergleichung anderer Arten zu erhalten. Für eine solche Bearbeitung habe ich den rothen Klee ausgewählt, der sich nicht rur als Typus der ganzen Gruppe, sondern auch in mancher ande- ren Hinsicht vor andern Arten empfahl. Während zwei Jahre habe ich den rothen Klee in seiner Entwicklung verfolgt und die Gele- genheit gehabt, die wichtigsten Abschnitte seiner Lebensgeschich- te unter den verschiedensten äuszeren Bedingungen zu studiren. Ich habe dabei mein Augenmerk hauptsächlich auf die Wanderung der organischen Bildungsstoffe gerichtet, da sich diese durch mi- krochemische Reaktionen leicht nachweisen lassen, und die klarste Einsicht in die ferneren Vorgänge bei der Entwicklung der Organe und der Ausübung der Funktionen gewähren. Doch wurden auch die übrigen Processe möglichst berücksichtigt. 94 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. In diesem Aufsatze stelle ich nun das von mir gesammelte Beobachtungsmaterial in gedrängter, aber möglichst übersichtli- cher Form zusammen. Es umfaszt zuerst das Leben der einzelnen Organe, jedes für sich betrachtet; das Blatt, der Stengel, die Wurzel, die Blüthen und die Früchte werden in den vier ersten Abschnitten unabhängig von einander nach ihrem anatomischen Bau, ihrer Entwickelungsgeschichte und der Vertheilung der Bil- dungsstoife in ihnen behandelt. In dem letzten Abschnitte stelle ich dann die wichtigsten, allgemeineren Resultate aus diesen Beschrei- bungen mit anderen Beobachtungen zusammen, welche sich je- desmal über die verschiedenen Organe der ganzen Pflanze er- strecken, um so ein Bild von dem Wachsthumsgange unserer Pflanze während der einzelnen Perioden ihres Lebens zu ent- werfen. Bei einer solchen Special-Beschreibung einer einzelnen Pflan- zenart ist es selbstverständlich unvermeidlich, dasz gelegentlich allgemein bekannte Sachen als Beobachtungsresultate mitgetheilt werden. Zumal, wo es gilt, einzelne interessante Einzelheiten eines im Ganzen einem Jeden bekannten Organes oder Vorganges zu beschreiben, läszt sich dies nicht umgehen. Ich bin aber stets be- müht gewesen, solche Mittheilungen möglichst zu beschränken und nur das zu erwähnen, was nothwendigerweise durch eigene Untersuchungen hat festgestellt werden müssen. Ebenso habe ich es fast durchweg unterlassen, Vergleiche mit anderen Arten anzu- stellen; diese Aufgabe wollte ich mir für einen späteren, auch die übrigen Kleepflanzen behandelnden Beitrag aufbewahren. Indem ich also überall bestrebt war, statt ausführlicher Aus- einandersetzungen nur eine gedrängte Uebersicht über meine eigenen Beobachtungsresultate zu geben, konnte ich doch nicht um- hin, auf einzelne Punkte näher einzugehen. Es waren dies einige Fäl- le, in denen es sich um Vorgänge handelte, welche bisher auch in der allgemeinen Physiologie keine gehörige Berücksichtigung gefunden haben, wie z. B. das Einkriechen von Pflanzen in den Boden, oder über welche die Ansichten der verschiedenen Schriftsteller so sehr ` auseinander gehen, dasz eine nähere Begründung meiner eigenen Auffassung nicht unterbleiben durfte. Solche Ausführungen schie- nen mir z. B. bei der Behandlung der Rolle der Wurzelknöllchen und der Bedeutung des oxalsauren Kalkes erforderlich zu sein. Bei der Behandlung der Stoffwanderungs-Vorgänge habe ich es zum Zwecke einer möglichst objectiven Darstellung der direc- ten Beobachtungs-Resultate für zweckmäszig gehalten, die Fol- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 95 gerungen über die Bewegung der Bildungsstofie von der Beschrei- bung der mikrochemischen Befunde möglichst abzutrennen. Die Bewegung der Bildungsstoffe wird nach den bekannten Sachs’- schen Sätzen, hauptsächlich aus der Lage der Bildungsstätte und des Ortes des Verbrauchs oder der Aufspeicherung gefolgert; bei der Besprechung der auf dem Wege zwischen diesen Orten vor- gefundenen Bildungsstoffe habe ich mich meist auf die genaue Angabe ihrer Vertheilung in den einzelnen Gewebepartien be- schränkt, ohne mich auf Hypothesen über die Art und Weise ihrer Bewegung einzulassen. Die Verwerthung aller dieser Angaben zu einem Gesammtbilde der Stoffwanderungs-Vorgänge wird eine Aufgabe meiner Monographien sein, und musz ich mir diese da- für vorbehalten. Hier kam es mir nur auf die Feststellung der Thatsachen selbst an. Endlich habe ich noch zu bemerken, dasz in Bezug auf die mikrochemische Reactionen und die Art und Weise, wie ich ihre Resulate im Texte gewöhnlich dargestellt habe, die in der Einlei- tung zu meinem ersten Beitragel) gemachten Angaben auch hier ihre volle Gültigkeit behalten. I. Der Bau und die Stofiwanderung der Blätter. 8 1. Die äuszere Gestalt der Blätter. Obgleich die Blättchen der Kleeblätter im Allgemeinen nahezu dieselbe Form besitzen und auf den ersten Blick stets leicht kennt- lich sind, sò zeigen sich doch bei einer genaueren Betrachtung von jungen und älteren Kleepflanzen nicht unerhebliche Unterschiede. Die Spreiten der allerersten Blätter der jungen Pflanze sind umge- kehrt herzförmig, die folgenden Blätter werden bald schmäler, und der Einschnitt an ihrer Spitze wird weniger tief, obgleich er meist deutlich. sichtbar bleibt. (Vgl. Taf. I Fig. 1.) In der ersten Periode der Bestockung sind die Blättchen meist rundlich, oft eiförmig, oft fast ebenso breit wie lang. An den blühenden Sprossen zeigt sich aber wieder eine neue Blattform, deren Spreiten grosz und lang und schmalelliptisch sind, ja die den Blüthenköpfchen am nächsten stehenden Blätter haben nicht selten fast linealische Spreiten. (Vgl. Taf. II Fig. 12 u. 13.) Dabei ist der Blatt- 1) Keimungsgeschichte des rothen Klees. Opera Collata III, S. 31. 96 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. rand gewöhnlich glatt und nur an den Spitzen der kräftigeren Seitennerven zuweilen etwas eingebuchtet. Wie die Form der Blättchen, so ist auch die Länge des Blatt- stieles vom Alter der Pflanze abhängig. Anfangs klein und zart, erreichen die Blattstiele zur Zeit der kräftigen Bestockung ihre gröszte Länge, um am blühenden Sprosse hinauf wieder allmählig abzunehmen. Am Fusze des Blattstieles findet man die beiden Nebenblätter, welche im ausgebreiteten Zustande eiförmig sind und in eine lange, dünne Spitze auslaufen. l Die mittlere Grösze der Spreiten der Kleeblätter ist von von Gohren bestimmt worden. 1) Da die Assimilationsthätigkeit der Blätter in erster Linie von ihrer Grösze abhängt, so ist es wichtig, die gefundenen Zahlen hier mitzutheilen. An einer mittleren, blü- henden Pflanze wurden 59 lebenskräftige Blätter gezählt, deren Gesammtoberfläche nach zwei verschiedenen Messungsniethoden auf 877.26 resp. 879.04| |Cm., im Durchschnitt also — 878.15 []Cm. gefunden wurde. Es ergiebt dies für jedes einzelne Blatt 14.88, und für jede einzelne Blattspreite 4.96[ | Cm. Die Grösze der Kleeblätter hängt übrigens in hohem Masze von den Wachsthumsbedingungen ab, unter denen sich die Blätter entwickelt haben. Je günstiger diese sind, um so kräftiger werden im Allgemeinen die Blätter. In erster Linie kommt hier der Wasser- gehalt des Bodens in Betracht. Sinkt dieser während längerer Zeit unter ein gewisses Masz herab, so bleiben die Blätter klein. In einem Versuche mit Topfpflanzen, welche bei konstantem Was- sergehalt des Bodens erzogen wurden, zeigte sich, dasz bei einem Wassergehalt des Bodens von 15 pCt.’ (des Gewichtes der Erde im Topfe) die Grösze der Blätter noch nahezu eine normale war, obgleich die Gesammtenwicklung der Pflanze, speciell die Zahl und Stärke der Sprosse und die Zahl der Blätter noch bedeutend hinter der der Pflanzen in wasserreicherem Boden zurückblieben. Die Länge der Blattstiele erreichte bei 15 pCt. Wassergehalt des Bodens nahezu 20 Cm., die Blättchen waren im Durchschnitt 30 Mm. lang und 15 Mm. breit. Bei 25 pCt. Wassergehalt des Bodens erhielt ich nahezu dieselben Zahlen. Dagegen waren die Blätter, ebenso wie die ganze Pflanze bei einem Wassergehalt von 4 pCt. nur sehr kümmerlich entwickelt. Das kräftigste Blatt der so er- zogenen Pflanzen hatte einen Blattstiel von 7 Cm. Länge; seine 1) Landw. Versuchs-Stationen IX. 1867. S. 302. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 97 Blättchen waren 17 Mm. lang und 12 Mm. breit, also nicht halb so grosz wie bei normalem Wassergehalt des Bodens. Auch wenn von den nothwendigen Nährstoffen einer fehlt oder in zu geringer Menge vorhanden ist, ebenfalls wenn die Blätter sich im Dunklen entwicklen, bleiben die Blättchen klein. Nur wird im letzten Falle der Blattstiel durch Etiolement sehr stark verlängert. Die Blättchen der Dreiblätter sind an der Spitze des Blattstieles mittelst kleiner Stielchen befestigt, welche polsterartig verdickt und eigenthümlicher Krümmungen fähig sind. Diese Krümmungen verursachen die täglichen Bewegungen der Blätter und dadurch den Unterschied ihrer Stellung am Tage und während der Nacht. Diesen Bewegungen wollen wir jetzt einige Augenblicke unsere Aufmerksamkeit widmen. Am Tage stehen die drei Spreiten eines Blattes in der Regel horizontal ausgebreitet, im starken Tageslichte oder an der Sonne senken sie sich sogar noch um wenige Grade unter dieser Ebene hinab. Abends fangen sie gleich nach Sonnen- untergang an sich zu erheben, zuerst alle drei gleichmäszig, bald aber die beiden seitlichen etwas rascher. Diese biegen sich da- durch an dem mittleren Blättchen vorbei und sind nach etwa 1—2 Stunden so weit aufwärts gerichtet, dasz sie einander mit ihrer cberen Fläche stellenweise berühren. Sie haben sich aber nicht nur aufwärts, sondern zugleich etwas seitwärts nach vorne gebogen, um dadurch dem mittleren Blättchen so weit Platz zu machen, dasz dieses sich mit seinem Mittelnerven in der Verlängerung des Blattstieles stellen kann, wobei es die ihm zugekehrten Ränder der beiden anderen Blättchen berührt. Diese ganze Schlieszungsbe- wegung vollzieht sich in etwa 1—2 Stunden; die Blättchen selbst falten sich dabei nicht. Am frühen Morgen, beim Sonnenaufgang kehren die Blättchen in die ausgebreitete Lage zurück. "Während der Nachtstellung ist die Steifheit der Polster etwas gröszer als am Tage. Man pflegt diese Steifheit durch die soge- nannte Brücke’sche Winkel-Differenz zu messen. Man erhält diese Winkeldifferenz, wenn man die Lage des Blättchens mit Bezug auf den Blattstiel in der normalen Stellung mit der in umgekehrter Stellung des ganzen Blattes vergleicht. Es leuchtet ein, dasz in der letztgenannten Stellung das Blättchen durch das eigene Gewicht um so weiter abwärts gezogen werden wird, je schlaffer das Pol- ster ist. Bei der Nachtstellung ist nun diese Winkeldifferenz beim Rothklee nur 2—3 Grad, während sie bei der Tagesstellung 10—15 Grad beträgt 1). 1) Hofmeister, die Pflanzenzelle. S. 330. 98 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Die tägliche periodische Bewegung der Kleeblätter wird häufig von spontanen Bewegungen mehr oder weniger verdeckt. Diese letzteren sind grade bei den Kleepflanzen ganz besonders stark ausgebildet. Sie verursachen in wenigen Stunden einen Hin- und Hergang von 30—90 Grad, und gehen sowohl während des Tages als während der Nacht vor sich. 1) Dem entsprechend sieht man die Blättchen des rothen Älee’s oft im hellsten Sonnenschein wie- derholt vorübergehend die aufgerichtete Stellung einnehmen 2). Sie finden ohne Veränderung der Biegungsfestigkeit der Polster statt, und unterscheiden sich schon hierdurch wesentlich von den täglichen periodischen Bewegungen 3), Sehr schön kann man diese spontanen Bewegungen beobachten, wenn man die Pflanzen wäh- rend einiger Tage bei constantem Lichte oder in constanter Fin- sternisz wachsen läszt. Die täglichen periodischen Bewegungen verschwinden dann fast völlig oder werden wenigstens von den spontanen Bewegungen zum gröszten Theil verdeckt und unkennt- lich gemacht 4). Bei lange anhaltender Finsternisz hört der bewe- gungsfähige Zustand allmählig auf, die Blätter werden starr und erlangen ihre Beweglichkeit erst zurück, wenn sie wieder von hin- reichend kräftigem Lichte beleuchtet werden. In dem starren Zu- stande sind die Blättchen weit ausgebreitet. 82. Der anatomische Bau der Spreite. Die Blätter der kleeartigen Gewächse unterscheiden sich auf den ersten Blick von fast allen anderen Blättern durch den Verlauf ihrer Nerven. Daher wollen wir die Besprechung der Nervation in den Vordergrund nserer Betrachtungen stellen. Aus dem gradli- nigen Mediannerven entspringen unter meist sehr spitzen Win- keln zahlreiche freie Secundärnerven, welche anfangs noch fast parallel mit dem Hauptnerven verlaufen, sich aber bald im Bogen gegen den Blattrand wenden. (Vgl. Taf. I, Fig. 4.) Dabei spal- ten sie sich ein oder mehrere Male gabelig. Die Gabeläste diver- giren unter spitzen Winkeln, ihre letzten Zweige laufen bis zum Rande, ohne an Stärke abzunehmen, ja nicht selten verdicken sie 1) Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. S. 869. 2) Sachs bei Hofmeister, die Pflanzenzelle. S. 333. 3) Pfeffer, die periodischen Bewegungen der Blattorgane; derselbe, Bot. Ztg. 1874, S. 218. 4) Sachs, in Flora 1863. S. 468 ff. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 99 sich gegen den Rand zu. Sie treten unter sehr stumpfem, oft fast rechtem Winkel an den Rand an, ohne, wie dies bei anderen Pflanzen der Fall zu sein pflegt, seitlich auszubiegen und sich in ‚dünnere Aeste zu verzweigen. Im Gegentheil, sie endigen am Rande selbst plötzlich, wie abgebrochen. Alle diese Nerven sind stark und dem unbewaffneten Auge leicht sichtbar, da sie auf der Un- terseite des Blattes deutlich hervorragen. Zwischen ihnen ist ein reiches Netz von tertiären Nerven ausgespannt, welche überall in einander anastomosirt und zahlreiche kleine Maschen bilden. (Taf. I Fig. 4.) Diese Nerven endigen in der Mitte der Ma- schen frei, ja oft verzweigen sie sich derart, dasz in einer Masche 4—5 freie Nervenenden liegen. Um diese feineren Nerven zu se- hen, musz man die Blätter vollständig durchscheinend machen. Hierzu werden sie erst mittelst Alkohol entfärbt, dann während , längerer Zeit in Kalilauge eingeweicht, und nachdem diese mit Wasser und Essigsäure vollständig ausgewaschen ist, in Glycerin aufbewahrt. An einem solchen Präparate kann man den Verlauf der Nerven in allen seinen Einzelheiten genau studiren. Die frei auslaufenden Nerven zeigen sich bis nahe an ihrem Ende aus we- nigstens zweierlei Bestandtheilen zusammengesetzt, nämlich aus Spiralgefäszen und aus langen, dünnwandigen Zellen. In einiger Entfernung von den freien Enden und zumal in den dickeren, ter- tiären Nerven wird der Bau schon sehr bald viel complicirter, wie wir später beschreiben werden. 1) Weniger Eigenthümlichkeiten bietet uns der Bau der Oberhaut. Sie besteht aus einer Lage von ziemlich unregelmäszigen, meist fünf- bis sechseckigen Zellen, zwischen denen die Spaltöffnungen anschei- nend ohne Ordnung zerstreut liegen. So weit die Oberhaut das Blattparenchym bedeckt, haben ihre Zellen in allen Richtungen nahezu gleiche Durchmesser; wo sie aber auf einem Nerven liegt, sind die Zellen wenigstens auf der Unterseite des Blattes, schmä- ler und in der Richtung des Nerven gestreckt. An Fetzen der Oberhaut der Blattunterseite kann man hieran den Verlauf der feineren Nerven des tertiären Netzes leicht erkennen; der Bau der Oberhaut der Oberseite wird auch durch die stärkeren Nerven kaum gestört. Die auf der Blattfläche senkrecht stehenden Wan- dungen der Oberhautzellen sind häufig nur schwach gebogen, 1) Vergl. über die Nervation der Kleeblätter auch die Beschreibung und Abbildung von Ettinghausen in dessen Anwendung des Naturselbstdruckes zur graphischen Darstellung von Pflanzen. Wien 1856, S. 33 und Tafel XIII. Fig. 7. 100 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. häufig aber auch und zumal auf der Unterseite des Blattes sehr stark gewellt, in welchem letzteren Falle die Epidermis bei star- ker Vergröszerung einen überaus zierlichen Anblick bietet. Es scheint als ob diese gröszere oder geringere Ausbildung der Ober- hautzellen von äuszeren Einflüssen bedingt wird, denn ich fand bei üppigen, in guter Garten-Erde gezogenen Exemplaren diese Zellwände sehr schön wellig gebogen, dagegen war bei auf einem mittelmäszigen Ackerland gebauten Pflanzen, ebenso bei Topf- kulturen, welche im Zimmer vor dem Fenster standen, die Ober- haut nur höchst einfach gebaut. So viel mir bekannt ist, hat bis jetzt noch Niemand auf eine solche Beziehung der Form der Oberhaut- zellen aufmerksam gemacht, oder die Erscheinung einer genauen Untersuchung unterworfen. Dennoch ist sie vielleicht sehr allge- mein verbreitet; ich beobachtete sie an verschiedenen anderen, den Kleepilanzen zum Theil sehr wenig verwandten Arten, z. B. sehr schön beim Mais. Den Bau einer Spaltöffnung zeigt uns die Figur 3 bei sp. auf Tafel I reichlicher als auf der Oberseite. Morren 1) zählte auf dem Qua- dratmillimeter auf der Oberseite 207, auf der Unterseite 335 Sto- mata. Die Anzahl der Spaltöfinungen ist aber äuszerst schwan- kend, sie sinkt z. B. auf der Unterseite häufig sogar bis auf etwa 200 herab. Auf den Nerven sind die Stomata weniger zahlreich. Den Bau einer Spaltöffnung zeigt uns die Figur sp. auf Tafel I im Querschnitt. Er bedarf keiner weiteren Erörterung. Bisweilen zeigt die Cuticula erhabene Leisten, welche den . Grenzen der Oberhautzellen entsprechen und, wo sie vorkommen, sich netzartig über die Spaltöffnungszellen verbreiten und deren Oefinung in eine drei- bis viereckige Masche einfassen. Die Oberhaut der Kleeblätter trägt zwei Formen von Haaren; lange, steife -Borstenhaare und kleine Drüsenhaare. Die ersteren bedecken die Spreiten auf beiden Seiten, die letzteren sind sehr spärlich und finden sich hauptsächlich am Blattrande. Hier trägt häufig jede kleine Einbuchtung in ihrer Mitte, genau an der Stelle, wo ein Nerv in den Blattrand endet, ein kleines Drüsenhaar. Dieses besteht aus einem vielzelligen, elliptischen Köpfchen und einem kleinen, durch 4—6 Querwände in einzelne Zellen getheilten Stiele. Die Borstenhaare sind lange cylindrische Zellen, welche nach oben in einer harten und scharfen Spitze auslaufen. Wo sie 1) Morren, Bull. Acad. Roy. de Belgique 1864, XVI, Nr. 12, citirt bei Weisz, in Pringsh. Jahrb. IV., S. 189—197. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 101 in der Oberhaut eingepflanzt sind, ist diese etwas verdickt und mehr oder weniger flachconisch erhaben und bildet so einen ziemlich starken Fusz, auf dem das Haar ruht. Von der Epider- miszelle, aus der es entstanden ist, ist es in der Regel durch eine, seltener durch zwei Querwände abgetrennt, sonst ist es einzellig. Seine Wand ist glasartig durchscheinend und fast bis zum Ver- schwinden des Lumens verdickt; die Auszenfläche ist rauh und mit kleinen Wärzchen bedeckt, wie chagrinirt. Die Unterseite des Blattes trägt etwas zahlreichere Haare als die Oberseite; ihre Zahl ist aber im ausgewachsenen Blatte beiderseits nur eine geringe. Eine wichtige Eigenschaft der Oberhaut der Kleeblätter ist ihre geringe Benetzbarkeit. Taucht man Kleeblätter in Wasser, so haftet eine silberglänzende Luftschicht sowohl an ihrer Ober- als an ihrer Unterseite; beim Herausziehen zeigt sich nur der Mittel- nerv auf der Unterseite benetzt, sonst finden sich nur stellen- weise kleine Wassertröpfchen zwischen den Haaren. Taucht man die Blätter erst in Alkohol, um alle anhängende Luft zu entiernen, und dann sogleich in Wasser, so zeigt sich natürlich kein silber- glänzender Ueberzug, und die Oberfläche wird jetzt vom Wasser benetzt. Der Blattstiel, die ‚Nebenblätter und der Stengel, mit ‘ einem Worte die übrigen Theile der Kleepflanzen zeigen beim Eintauchen in Wasser diesen Silberglanz nicht. Eine Folge der geringen Benetzbarkeit der Kleeblätter ist es, dasz sie bei Regen- wetter trocken bleiben, und dasz die Wassertropfien, welche an ihnen etwa haften geblieben sind, leicht vom Winde abgeschüt- telt werden. Den Bau des Blattparenchyms zeigt uns die Fig. 3 auf Taf. l. Unter der Epidermis der Oberseite steht eine Schicht von elliptischen, in ziemlich regelmäsziger Weise neben einander gela- gerten Zellen, das sogenannte Pallisadengewebe. Häufig ist dieses von dem darunter liegenden Schwammgewebe deutlich unterschie- den, ebenso häufig kommt es aber vor, dasz ein Unterschied zwi- schen den beiden Gewebeformen kaum zu erkennen ist. Während das Pallisadengewebe stets nur einschichtig ist, ist das Schwamm- gewebe mehrschichtig. Es besteht aus kugeligen oder unregel- mäszigen Zellen, welche reichliche Lufträume zwischen sich las- sen. In der Nähe der Spaltöffnungen sind diese intercellularen Lufträume besonders entwickelt, hier findet ein stetiger Aus- tausch der Blattluft mit der umgebenden Atmosphäre statt. Alle Zellen .des Blattgewebes enthalten Chlorophylikörner, welche je nach Umständen zahlreiche Stärkeeinschlüsse enthalten oder 102 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. stärkefrei sind. Die Chlorophylikörner bedürfen zu ihrer Entste- hung der Mitwirkung des Lichtes; in etiolirten Blättern werden sie nicht differenzirt. Kehren wir jetzt wieder zu den Nerven, mit denen wir ange- fangen haben, zurück, und betrachten wir den anatomischen Bau der in ihnen verlaufenden Gefäszbündel. In den Mittelnerven liegt in der Mitte des groszzelligen, parenchymatischen Gewebes ein einziges Gefäszbündel, das sich in die Seitennerven verzweigt; bei diesen fällt der Begriff der Nerven und des Gefäszbündels um so mehr zusammen, je weniger der Nerv auf der Blattunterseite her- vorragt, m. a. W. je schwächer er ist. Die dünnen Gefäszbündel der tertiären Nerven sind allseitig von normalem Blattparenchym umgeben, aber bereits an dem stärkeren Nerven, welcher die Mitte der Fig. 3 (Taf. I) durchzieht, ist ein Einflusz auf den Bau des umgebenden Zellengewebes kaum zu erkennen. Je dünner die Nerven sind, um so einfacher wird ihr anatomischer Bau, doch sind auch in den dünneren Aesten die wichtigsten Bestandtheile noch meist alle zu erkennen. Freilich in den dünnsten Zweigen des tertiären Netzes und vollends in den frei auslaufenden Nervenen- den ist dies nicht mehr der Fall. Das Gefäszbündel eines jeden Nerven besteht aus dem Holze und dem Weichbast; in den stärkeren Nerven sind diese nach oben und nach unten von einem Belege aus langen, starken und bieg- samen Fasern begrenzt, welche beide zusammen eine Art offener Ge- fäszbündelscheide darstellen. Von diesen beiden ist der an den Weichbast grenzende Beleg immer am kräftigsten ausgebildet; er wird in der beschreibenden Botanik gewöhnlich einfach als Bast- beleg oder wegen seiner eigenthümlichen Form im Querschnitt, häufig auch als Bastsichel bezeichnet. Diese beiden Strangschei- den sind auf ihrer freien Auszenseite von einer Schicht dünnwan- diger Zellen bedeckt, welche Krystalle von kleesaurem Kalk ent- halten (Taf. I Fig. 3. oca.) und daher den Namen der Krys- tallscheide führen mögen. Seitlich grenzt sowohl das Holz, wie auch der Weichbast direct an das grüne Parenchym des Blattes. Eine Stärkescheide, wie sie so häufig bei anderen Pflanzen vor- kommt, fehlt den Nerven der Kleeblätter durchweg. Nach diesen orientirenden Bemerkungen wenden wir uns zu der eingehenderen Beschreibung der einzelnen Theile der Nerven 1). 1) Der Bau des Gefäszbündels mit seinen Scheiden ist im Blattstiel in den Hauptsachen derselbe wie in der Spreite; ich bitte den Leser deshalb BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 103 Der Holztheil des Gefäszbündels besteht aus einem schwachen, primären und einem meist viel stärkeren, secundären Theil. Der erstere ist während des Längenwachsthums entstanden; seine Ele- mente, lange, dünne und dünnwandige Zellen, Ring- und Spiral- gefäsze, sind im Querschnitte ohne Regelmasz angeordnet. Nach unten geht dieses ungeordnete Holzgewebe .allmählig in den se- cundären Holztheil über, dessen gereihte Elemente sogleich erken- nen lassen, dasz sie der nachträglichen Thätigkeit des Kambiums ihre Entstehung verdanken. In dem Querschnitt der Mittelnerven und der stärkeren Seitennerven sieht man auf den ersten Blick die weiten, runden, porösen Gefäsze in deutlichen, radiirenden Reihen (gg in Fig. 3 auf Tafel I); zwischen ihnen sind die spindel- förmigen Holzfasern gelegen, welche hier die eigentliche Grund- lage des Gewebes bilden. Die Gefäsze zeigen auf der Grenze des primären Holzes eine netzförmigeWandsculptur, mehr nach unten sind sie getüpfelt; ihre Glieder sind etwa 0.1—0.2 Mm. lang. Der Weichbast besteht aus sehr langen, dünnen, cylindrischen, quer abgestutzten Zellen, mit zarten Wandungen, und führt in der Re- gel Eiweisz, weshalb er in unserer Figur an der violetten Farbe leicht kenntlich ist (Taf. I, Fig. 3 wb.). Der Bastbeleg besteht aus langen, scharf zugespitzten Bastia- sern. Diese sind im Querschnitte an ihrem engen Lumen deutlich zu erkennen (Fig. 3 b. f.). Um ihre Form beurtheilen zu können, musz man Längsschnitte durch Kochen mit Salpetersäure oder mit Salpetersäure und chlorsaurem Kali maceriren und einzelne Fasern daraus frei präpariren. Man erhält dann dünne und scharf zugespitzte Fasern von sehr verschiedener Länge; die meisten sind 1—2.5 Mm. lang, einzelne aber noch länger. Sie sind sehr geschmeidig und zäh, und ihre Wand zeigt spärliche, spaltförmi- ge Tüpfeln, welche stets linksläufig sind. Die Fasern der Strangscheide, welche den Holztheil des Ge- fäszbündels bekleidet, sind in jeder Hinsicht weniger ausgebildet als die des Bastbeleges. Sie sind weniger dickwandig und viel kürzer, meist zwischen 0.5 und 1 Mm. lang. Beide Theile der Strangscheide werden während des Längenwachsthums vollstän- bei der Beschreibung auch den Querschnitt des Blattstieles Fig.5 auf Taf. I vergleichen zu wollen, der eine bessere Uebersicht über die typische Form eines Gefäszbündels beim Klee giebt als die Fig. 3. Im Mittelnerven hat das Gefäszbündel genau die Form und den Bau der Gefäszbündel des Blattstieles. 104 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. dig ausgebildet, an dem nachträglichen Dickenwachsthum bethei- ligen sie sich nicht. Der Bastbeleg und die ihr gegenüberliegende Gefäszbündel- scheide tragen offenbar sehr wesentlich zur Festigkeit des Blattes bei. Nach den von Schwendener 1) geltend gemachten Prinzipien musz man die Gefäszbündel des Kleeblattes als T förmige Träger betrachten, in denen die beiden Fasernstränge die Gur- tungen darstellen, während das Holz und der Weichbast in mecha- nischer Hinsicht nur- zur festen Verbindung dieser beiden Theile, also als Füllung dienen. Zum Schlusse haben wir noch die Krystallscheide (Fig. 3 oca.) zu betrachten. Sie bildet eine einzellige Lage, welche den beiden Strangscheiden auf der Auszenseite dicht anliegt und sie vom um- gebenden, grünen Parenchym trennt. Gewöhnlich erstreckt sie sich seitwärts nicht so weit, dasz sie eine völlige Trennung zwischen den Fasern und den grünen Zellen darstellt, sondern bedeckt nur eben den Rücken des Faserstranges. Ihre Zellen sind länglich sechseckig und schlieszen ohne Intercellularräume aneinander. Sie sind farblos und dünnwandig und enthalten im ausgewachsenen Blatte je einen, meist schön ausgebildeten Krystall von oxalsau- rem Kalk. Diese Scheide überzieht die Ober- und Unterseite aller Nerven, auch der feineren anastomosirenden Verzweigungen. Die gegen den Blattrand stoszenden Endigungen der Seitennerven führen gewöhnlich am reichlichsten oxalsauren Kalk, von da aus nimmt die Menge nach dem Mittelnerven und der Basis des Blattes allmählig etwas ab; im Mittelnerven fand ich die Scheide der Oberseite voll Krystalle, dagegen war die der Unterseite nur wenig ausgebildet und enthielt nur in sehr vereinzelten Zellen oxalsau- ren Kalk. Im Parenchym des Blattes findet sich nie oxalsaurer Kalk, dieser ist in den Blättern wie in allen oberirdischen Theilen des Rothklees ausschlieszlich auf die Krystallscheide beschränkt. Die Krystalle gehören dem quadratischen Systeme an2). Ihre Formen sind äuszerst mannigfaltig; die am schönsten ausgebilde- ten Individuen sind Doppelpyramiden, deren Spitzen durch End- flächen ersetzt sind. Die Hauptachse liegt in der Regel parallel mit der Richtung des Nerven. Jeder Krystall ist von einem Häut- 1) Schwendener. Das mechanische Prinzip im anatomischen Bau der Monocotylen. Leipzig 1874. 2) Demnach enthalten sie sechs Aequivalente Krystallwasser (CaCO; + 6 aq.) Vergl. Sachs, Lehrbuch, 4. Aufl., S. 69. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 105 chen umschlossen, das aus stickstoffhaltiger Substanz besteht und nach Auflösung des Krystalles in Salzsäure, mittelst Jodlösung sıchtbar gemacht werden kann. Ueber die physiologische Bedeu- tung dieser Krystalle werden wir bei der Behandlung der Ent- wicklungsgeschichte der Blätter sprechen. S 3. Der Blattstiel, die Polster und die Nebenblätter. Der ausgewachsene Blattstiel eines Kleeblattes zeigt gewöhnlich in seiner ganzen Länge denselben Bau. Wie die Fig. 5 zeigt, hat der Querschnitt mehr oder weniger die Gestalt eines Dreiecks mit gebogenen Seiten; die Ober- oder Vorderseite ist in der Regel in der Mitte rinnenartig vertieft. Den Ecken des Dreieckes entsprechen drei starke Gefäszbündel, zwischen diesen ist der Raum an der Vor- derseite stets ohne Stränge, dagegen kommen an den beiden anderen Seiten stets kleine Stränge vor, deren Zahl aber sehr variabel ist. Gewöhnlich ist der Blattstiel im Ganzen 5—7 strängig; die Blatt- stiele der Stengelblätter sind aber häufig reicher an Gefäszbündeln, sogar 10strängige werden bisweilen beobachtet. In diesem Falle sind die secundären Stränge von sehr verschiedener Mächtigkeit. Bisweilen verschmelzen einzelne nach unten zu seitlich mit ein- ander; dann findet man ihre Zahl in der Nähe der Spitze gröszer als im unteren Theile. Gewöhnlich findet man links ebenso viele secundäre Stränge, wie rechts, doch kommen auch von dieser Regel Ausnahmen vor. Die Stränge trennen das Grundgewebe nur sehr unvollkommen in eine Rindenschicht und ein Mark, beide gehen sehr allmählig in einander über. Die äuszersten Zellen des Rindenparenchyms sind schmal und lang cylindrisch, sie führen reichlich Chlorophyll- körner. Nach innen zu werden die Zellen weiter und niedriger, auch chlorophyllärmer. In älteren Blattstielen findet man das innere Mark vertrocknet und zerrissen, oft wird dadurch der ganze Blatt- stiel hohl. Aber schon lange vorher betheiligen sich die mittleren Partien nicht mehr am Stoffwechsel, da ihre Zellen den Zellsaft verlieren und sich mit Luft füllen. Auf seiner Auszenseite ist der Blattstiel von einer Oberhaut be- deckt, welche zwischen den langgestreckten Zellen nur spärliche Spaltöffnungen besitzt. Diese correspondiren jede mit einer gros- zen Athmungshöhle im Zellgewebe und vermitteln also die Diffu- sion der Luft in sehr zweckmäsziger Weise. Ueber den Bau der Gefäszbündel ist wenig zu bemerken; dieser 106 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. stimmt in fast allen Einzelheiten mit dem Bau der kräftigeren Ner- ven der Spreite überein. Nur ist hier der Bastbeleg meist bedeu- tend viel stärker entwickelt, wie aus der Figur 5 leicht ersichtlich - ist. Wegen der halbmondförmigen Gestalt führt dieses Bastfaser- gewebe gewöhnlich den Namen einer Bastsichel; in den Blatt- stielen kräftiger Pflanzen übertrifft die Bastsichel nicht selten den ganzen übrigen Theil des Stranges an Grösze. Auf seiner Auszensei- te ist sie von einer Krystallscheide bekleidet. Dagegen ist die Strang- scheide auf der Innenseite des Gefäszbündels meist nur sehr wenig entwickelt und vom primären Holz kaum zu unterscheiden. Auch fehlt auf dieser Seite im Blattstiel die Krystallscheide durch- weg. Am oberen Ende des Blattstieles vereinigen sich alle Stränge zu einer im Querschnitt hufeisenförmigen Gruppe, welche sich bald in drei neue Stränge für die drei Polster theilt. Denn jedes Blatt- gelenk besitzt nur einen centralen Strang. (Vergl. Taf. I. Fig. 4.) Dieser zeigt im Querschnitt einen ganz eigenthümlichen Bau. Er besteht aus einem groszen, hufeisenförmigen Holzkörper, des- sen Gefäsze in Reihen stehen, welche von einem, in der Einbuch- tung des Vorderrandes gelegenen Punkte nach allen Seiten aus- strahlen. In jenem Mittelpunkte liegt eine kleine Gruppe primären Holzes mit Spiralgefäszen. Mit Ausnahme des eingebogenen Vor- derrandes ist der ganze Holzkörper von einer Schicht Weichbast, und diese wieder von einem Belege aus Bastiasern umgeben. Letz- tere sehen aber einem Collenchymgewebe weit ähnlicher als einem ächten Bastgewebe; die Zellwandungen sind bläulichhyalin, nicht hellgelb und stark lichtbrechend, wie die der Bastfasern in den Nerven des Blattes und im Blattstiel. Auch ist die Anordnung der Zellen eine mehr collenchymartige. Eine solche collenchym- ähnliche Schicht bekleidet auch die Vorderseite des Gefäszbündels. Das Parenchym, weiches diese Bastbekleidung umgiebt, besteht im Längsschnitt aus tafelförmigen Zellen mit ziemlich dicken Wandungen, zwischen denen überall deutliche Intercellularräume sichtbar sind. Der Stipulartheil des Blattstieles, dessen beide seitlichen Flü- gel gewöhnlich als Nebenblätter bezeichnet werden, ist eine flache Ausbreitung des Stieles, mittelst deren er befähigt wird, den Stengel vollständig zu umfassen. In dem Stipulartheile liegen alle Gefäszbündel in einer Ebene neben einander und bilden hier ein reiches, nach dem Muster der Blattnervation verzweigtes Netz von Strängen. Unter diesen Strängen lassen sich leicht drei Haupt- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 107 stämme unterscheiden, welche nach oben zu den drei primären Gefäszbündeln des Blattstieles werden und an der oberen Grenze des Stipulartheiles durch Verzweigung die sekundären Stränge des Blattstieles aus sich entspringen lassen. Nach unten treten diese drei Hauptstämme in den Stengel jiber. Ihre Verzweigungen bilden in den beiden Nebenblättern eine Reihe von feineren Aesten, welche sich selbst gabelig verzweigen und sich gegen den Rand des Blattes krümmen, um dort plötzlich aufzuhören. Auch in die beiden feinen Zipfel der Nebenblätter treten Nervenzweige ein. Am lebenden Blatte ist der Verlauf der Nerven in den Neben- blättern oft durch eine dunkler grüne, oft durch eine rothe Färbung schon für das unbewaffinete Auge deutlich hervorgehoben. Der anatomische Bau des Stipulartheiles zeigt wenig Bemerkens- werthes. Das Grundgewebe ist auf der Auszenseite engzellig, auf der Innenseite, dem Marke des Blattstiels entsprechend, weitzellig. Die Oberhaut besteht aus ähnlichen Zellen wie die des Blattstieles; nur am Rande der Nebenblätter werden diese Zellen äuszerst lang und schmal. Die Zipfel sind fein behaart und tragen an ihrer Spitze gewöhnlich einige auffallend lange Haare. Die Gefäszbündel sind wie die des Blattstieles und der Nerven gebaut; ihre Bastsichel in der Regel sehr kräftig entwickelt, um diesem sonst schwachen Theile des Blattes die erforderliche Festigkeit zum Tragen des ganzen Organes zu geben. S 4. Die Kohlensäurezerlegung im Blatte. Nachdem wir uns jetzt über den anatomischen Bau des Blattes in ausführlicher Weise orientirt haben, können wir zu der Bespre- chung der physiologischen Funktionen der Blätter übergehen. Und in erster Linie haben wir hier die Zerlegung der Kohlensäure unter dem Einflusse des Lichtes, und ihr nächstes Resultat, die Bildung von kleinen Stärkekörnchen in den Chlorophylikörnern der Paren- chymzellen zu betrachten. Wenn man Kleeblätter am Abend eines schönen Sommertages untersucht, so findet man sie voller Stärke. Entfärbt man die fri- schen Blätter mit Alkohol und läszt man feine Querschnitte wäh- rend 24 Stunden in Kalilauge einweichen, so kann man nach dem Auswaschen des Kali’s die Stärkekörnchen in den Chlorophylikör- rern mittelst Jodlösung sichtbar machen. Man findet sie dann in al- ien Parenchymzellen, und zwar liegt in jedem Chlorophylikorn eine Gruppe von meist 5 bis 10 sehr kleinen Stärkekörnchen. Auch in 108 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. den Spaltöffnungszellen beobachtet man diese Stärkeeinschlüsse. In unserer Figur 3 (Taf. I) konnte nur eine geringe Zahl von blauen Punkten in die grünen Körner eingetragen werden; in der Natur sind die Stärkekörnchen stets kleiner und zahlreicher. Schon während kurzer Zeit bilden die Kleeblätter auch bei schwacher Beleuchtung ansehnliche Mengen von Stärke. Ich stellte Mitte September einige Kleeblätter, welche durch einen 40stün- digen Aufenthalt im Dunklen völlig stärkefrei geworden waren, an einem Südfenster an diffuses Tageslicht. Die Sonne schien während des Versuchs nicht, dennoch war nach 21, Stunden so viel Stärke gebildet, dasz das ganze Parenchym sich nach der oben angegebe- nen Vorbereitung in Jodlösung voll feiner schwarz-blauer Körnchen zeigte. Nur einzelne Stellen des Schwammparenchyms waren noch ‘ leer, dagegen war aber auch im unteren Gewebe des Mittelnerven Stärke gebildet worden. In der heiszen Sommerzeit überfüllen sich die Kleeblätter derartig mit Stärke, dasz das Gewebe bei der Behandlung mit Jod vollstän- dig schwarz wird. Es bedarf dann meist sehr langer, anhaltender Verdunkelung, um die Blätter völlig stärkefrei zu machen. So fand ich an einem Topfexemplare, das im August sehr kräftig assimilirt hatte, nach einer 6stündigen Verdunkelung noch keine merkliche Abnahme des Stärkegehaltes; erst nach 12 Stunden war eine Verminderung deutlich sichtbar, indem einzelne Stellen stärke- arm, andere ganz stärkefrei waren. Von da an ging die Entleerung in der konstanten Finsternisz immer langsamer vor sich; nach zwei Tagen war noch ziemlich viel Stärke im Parenchym vorhanden und erst nach vier Tagen war nahezu alle Stärke verschwunden. In regnerischen Zeiten, wenn die Beleuchtung keine so günstige ist, kann sich die Stärke nicht so stark anhäufen; man findet dann nicht selten, dasz bereits eine Nacht hinreicht, um den gröszten Theil der Stärke aus dem Blatte wegzuführen. Ebenso ist auch im Spätherbst die nächtliche Entleerung eine viel vollständigere als im Hochsommer. Aus den Untersuchungen Moll’s 1) geht hervor, dasz die Blätter nur dann im Lichte Stärke bilden, wenn ihnen direkt Kohlensäure aus der umgebenden Atmosphäre zugeführt wird. Und zwar ist das Vermögen der Aufnahme von Kohlensäure örtlich sehr be- schränkt: nur derjenige Theil der Spreite bildet Stärke, deren Oberhaut direkt mit der Kohlensäure in Berührung steht. Weder 1) J. W. Moll. Ueber den Ursprung des Kohlenstoffs in den Pflanzen. Ldw. Jahrb. 1877, S. 327. ] BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 109 durch die Nerven noch durch Diffusion in den luftführenden In- tercellularrfäumen kann die Kohlensäure aus einem Theile des Blattes in einen anderen Theil in solchen Mengen geleitet werden, dasz sie für die Stärkebildung verwendet werden kann. Wird sie einem Theile künstlich in gröszerer Menge zugeführt, so entweicht die von dieser Partie aus sich im übrigen Blatte verbreitende Kohlensäure bald durch die Spaltöffnungen. Ebenso wenig kann das Blatt aus der Wurzel oder aus den übrigen Theilen der Pilan- ze Kohlensäure zur Stärkebildung aufnehmen; in jedem einzelnen Organe steht die Kohlensäure nur unter dem Einflusse der Span- nung, welche dieses Gas in den mit dem betreffenden Theil direkt in Berührung stehenden Luft besitzt. Speziell für die Kleeblätter 1) zeigte der genannte Forscher, dasz die Stärkebildung an freier Luft ebenso rasch in abgeschnittenen Blättern stattfindet als in ‚solchen, welche noch mit der Pflanze in Verbindung stehen, auch dann, wenn letztere in einer humusreichen Erde wurzelt, und man also vielleicht vermuthen würde, dasz sie mittelst der Wurzeln Kohlensäure aus dem Boden aufnimmt. Ferner, dasz wenn man der Basis eines Blättchens reichliche Mengen Kohlensäure zu- führt, indem man diesen Theil z. B. in Luft mit 5 pCt. CO, bringt, dieses auf die Stärkebildung in der oberen Hälfte des Blättchens keinen Einflusz ausübt. Befindet sich diese in kohlensäurefreier Luft, so unterbleibt in ihr die Stärkebildung. § 5. Die Wanderung der Bildungsstoffe im Blatte. In dem vorhergehenden Paragraphen haben wir gesehen, wie unter dem Einflusz der Kohlensäure und des Lichtes in den Chlo- rophylikörnern der Kleeblätter Stärke entsteht, und wie diese im Dunklen sich wieder löst, um den übrigen Theilen der Pflanze zu- geführt zu werden. Diese Lösung findet zwar auch im Lichte statt, läszt sich dann aber wegen der überwiegenden Neubildung von Stärke nicht direkt nachweisen. Wir haben jetzt diese Wanderung der Bildungsstoffe im Blatte zu verfolgen und anzugeben, inwie- fern sie sich auf ihrem Wege mikrochemisch nachweisen lassen. Ich schicke dabei die allgemeine Bemerkung voraus, dasz weitaus der gröszte Theil der im Blatte gebildeten Stärke durch den Blatt- stiel in den Stengel geführt wird um entweder den jungen, wach- senden Theilen zugeleitet oder in der Wurzel aufgespeichert zu werden. Nur ein sehr kleiner Theil betheiligt sich direkt am 1) Vergl. S. 358, 361. 110 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Stoffwechsel des Blattes; dieser Theil entzieht sich bis jetzt noch dem direkten, mikrochemischen Nachweis durchaus. Wir haben also zunächst die Leitung der Bildungsstoffe durch das Blatt bis zu ihrem Uebertritt in den Stengel zu verfolgen. Die mikrochemi- schen Befunde sind dabei nicht immer genau dieselben, sondern je nach der Jahreszeit und je nach verschiedenen Umständen ver- schieden. Im Allgemeinen kann man aber folgendes aussagen: Die Leitung der stickstofffreien Bildungsstoffe findet in dem Grundgewebe, und zwar in den Blattgelenken vorzugsweise in dessen inneren, im Blattstiel vorzugsweise in dessen äuszeren Schichten statt. Die centrale Partie des Markes betheiligt sich im ausgewachsenen Blattstiel nicht an der Leitung der Assimilations- produkte, ihre Zellen sind gewöhnlich luftführend, ja nicht selten ist dieses Gewebe zerrissen, und der Blattstiel also in der Mitte hohl. Im Stipulartheil des Blattstieles ist es der mittlere, dickere Theil, durch welchen sich der Strom der Bildungstoffe bewegt. Innerhalb der Stränge findet man zwar auch häufig stickstofffreie Bildungsstoffe, doch sind diese hier offenbar nur für. den Ver- brauch beim eigenen Dickenwachsthum und dem eigenen Stoff- wechsel anwesend; eine Bedeutung bei der Leitung kommt ihnen wohl kaum zu. In den leitenden Gewebepartien kann man im Allgemeinen so- wohl Stärke als Traubenzucker nachweisen. In den ausgewach- senen Spreiten findet man bei kräftiger Assimilation stets Stärke, dagegen gelang es mir nie, Traubenzucker in ihnen nachzuweisen. In den Gelenken, im Stiel und im Stipulartheile des Stieles findet sich im Hochsommer sowohl Stärke als Zucker (Vergl. Taf. II Fig. 12 und Taf. I Fig. 4 und 5); im Frühling und im Herbst ist die Menge beider Körper gewöhnlich viel geringer, je es kann die Stärke sogar völlig fehlen. In den jungen, zarten, noch unbe- stockten Pflanzen tritt im Frühling der umgekehrte Fall ein; hier fehlt bei schwacher Thätigkeit der Spreiten der Zucker in den Stielen, während die Stärke in gröszeren oder geringeren Mengen vorgefunden wird (Taf. I Fig. 1). Diese allgemein gefaszten Sätze habe ich aus einer groszen Reihe von mikrochemischen Analysen ausgewachsener Kleeblät- ter abgeleitet, welche ich während zwei Jahren zu den verschie- densten Jahreszeiten und unter den verschiedensten Witterungs- verhältnissen angestellt habe. Ich würde die mir gesteckten Gren- zen weit überschreiten, wollte ich die einzelnen Beobachtungen hier ausführlich mittheilen; lieber will ich es versuchen, eine BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW.. KULTURPFLANZEN. 111 Schilderung der Verbreitung von Stärke und Zucker in den einzel- nen Blatttheilen zu geben. Im Blattstiel ist die Verbreitung von Stärke und Zucker ge- wöhnlich in jeder Höhe dieselbe. Im Querschnitt ist die Verbreitung je nach Umständen sehr verschieden, läszt sich aber immer auf einige einfache Regeln zurückführen. Betrachten wir zuerst den typischen Fall, wie er in Fig. 5 auf Taf. I dargestellt ist. Er stellt die Verbreitung des Zuckers und der Stärke in einem Blatt- stiel eines kräftig entwickelten, ausgewachsenen Blattes im Hoch- sommer dar. Der Blattstiel wurde Ende Juni bei gutem Wetter abgeschnitten und sogleich untersucht. Das ganze Rindenparen- chym und der äuszere Theil des Markes sind voll Zucker; die Rin- denzellen sind am reichsten daran, nach innen zu nimmt der Zuckergehalt im Gewebe allmählich ab, bis endlich der mittlere, groszzellige Theil des Markes gar keinen Zucker enthält. Stärke findet sich nur im äuszeren Rindenparenchym und um die Gefäsz- bündel herum; hier bildet sie eine Art Stärkescheide, die sich aber vom umgebenden Gewebe nur da unterscheidet, wo dieses keine Stärke enthält. Auf der Auszenseite der Stränge flieszt die Stärkescheide so zu sagen mit dem stärkehaltigen Rindenparen- chym zusammen. Reicher an Zucker als in dem hier dargestellten Fall fand ich die Blattstiele nie, höchstens war die Reaktion in einigen Fällen etwas intensiver als in anderen, aber der mittlere Theil des Markes bleibt stets zuckerfrei, auch dann, wenn seine Zellen noch Saft enthalten. Dagegen fand ich die Blattstiele nicht selten reicher an Stärke; diese erstreckte sich dann in dem Grundgewebe zwi- schen den Gefäszbündeln, ja bisweilen auch in den äuszersten Schichten des Markes. Aber stets nimmt sie, wie der Zucker, von auszen nach innen an Menge ab. Je ärmer nun ein Blattstiel an Bildungsstoffen ist, um so mehr beschränken sich diese auf die äuszersten Schichten des Rinden- ‚parenchyms und die allernächste Umgebung der Gefäszbündel. Gewöhnlich erstreckt sich der Zucker dabei weiter als die Stärke; bisweilen beobachtet man den umgekehrten Fäll. In sehr leeren Blattstielen findet man die Stärke nicht mehr im Rindenparenchym, sondern nur in der Stärkescheide der Gefäszbündel, ja auch hier beschränkt sie sich bisweilen auf den äuszeren Theil dieser Scheide. Man erhält dann eine ähnliche Reaktion, als wie sie in dem jungen Blattstiele Taf. I Fig. 6 abgebildet ist. So fand ich es z. B. in den ausgewachsenen Blattstielen von zweijährigen 112 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Pflanzen, als diese Mitte Mai zur Untersuchung gelangten; ebenso aber auch Ende August bei kühlem Wetter. Auch im September war die Stärke in der Regel äuszerst spärlich vertreten; das Rin- denparenchym und die äuszeren Theile der Stärkescheiden der Gefäszbündel zeigten meist nur wenige zerstreute Körner, dage- gen zeigte der Zucker in allen diesen Fällen eine ähnliche Verthei- iung, wie im jungen Blattstiel Fig. 6, obgleich sie bisweilen sich auch weiter nach dem Inneren des Blattstiels zu erstreckte. Die Blattgelenke sind häufig reicher an Stärke und Zucker wie der Blattstiel; diese Stoffe dienen hier zum Theil als Athmungs- material bei den periodischen Bewegungen. Die Vertheilung ist hier um das centrale Gefäszbündel herum dieselbe als um ein ein- zelnes Gefäszbündel im Blattstiel, nur dasz hier diese Vertheilung nicht durch die eigenthümliche Lage des Gefäszbündels auf der Grenze von Rinde und Mark gestört wird, wie dies im Blattstiel der Fall ist. Deshalb sieht man hier stets deutlich (Taf. I Fig. 4) wie die Stärkescheide am reichlichsten Stärke und Zucker führt und wie von hier aus nach der Peripherie des Polsters der Gehalt der Zellen an beiden Stoffen allmählich abnimmt. Auch hier ist der Reichthum an Zucker und Stärke je nach Umständen sehr verschieden, bisweilen herrscht die Stärke, bisweilen der Zucker vor. Im Stipulartheile des Blattstieles geht der Strom der Bildungs- stoffe durch den mittleren, dickeren Theil. Hier ist in der Regel das ganze Parenchymgewebe mehr oder weniger mit Zucker ge- füllt, während die Stärkescheiden der Gefäszbündel und die be- nachbarten Parenchymschichten Stärke führen. Wir haben bis jetzt unsere Aufmerksamkeit auf das Grundge- webe gerichtet. Es erübrigt uns, auch die Vertheilung der Bil- Cungsstoife in den Fibrovasalsträngen zu erwähnen. Sie enthal- ten, auszer den beiden, auch im Grundgewebe vorkommenden Stoffen, dem Zucker und der Stärke, auch noch Eiweisz. Dieses Eiweisz, welches wahrscheinlich in den Nerven der Spreite, viel- leicht auch überall in den Gefäszbündeln entsteht, befindet sich in den dünnwandigen Zellen des Weichbastes; allen übrigen Ge- webepartieen fehlt es. Dem entsprechend ist der Weichbast in unseren Figuren violett gefärbt. Auszer Eiweisz enthält der Weichbast meist auch feine Stärkekörnchen, und nicht selten auch Zucker; diese Stoffe stellen offenbar das Bildungsmaterial für die Thätigkeit des Kambiums dar. Stärkekörnchen findet man ferner noch im Holze, zumal in den Markstrahlen. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 113 § 6. Die Stoffwanderung während der Entwickelung der Blätter. Es ist selbstverständlich, dasz für die Anlage und das Wachsthum der Blätter ansehnliche Mengen von organischen Bildungsstofien erforderlich sind, und dasz diese in letzter Linie von der Kohlen- säurezerlegenden Thätigkeit der ausgewachsenen Blätter her- rühren. Bisweilen werden sie direkt von den älteren Blättern den wachsenden Theilen zugeführt, in anderen Fällen werden sie erst als Reservestoffe in der Wurzel und den unteren Starmmtheilen abge- lagert, um erst später Verwendung zu finden. In den wachsenden Theilen findet aber nicht nur ein Verbrauch von Bildungsstoffen statt, sie speichern solche auch noch in weit gröszeren Mengen in ihrem Gewebe auf. Der Zweck dieser Auf- speicherung ist offenbar der, das Bildungsmaterial bei den Ge- staltungs- und Streckungsvorgängen in möglichster Nähe vor- räthig zu haben und dadurch so viel wie möglich der Gefahr vorzu- beugen, dasz etwa durch Mangel an Nährstofien eine Verzögerung oder sogar eine Stockung des Entwickelungsprozesses eintreten könnte. Welche Kräfte in den jugendlichen Zellen diese Aufspei- cherung bedingen, ist bis jetzt unbekannt, und dürfte auch schwer zu ermitteln sein. Einstweilen müssen wir also das Vermögen der Ablagerung von Nährstoffen als eine gegebene Eigenschaft an- nehmen, deren Folgen, soweit sie auf mikrochemischem Wege festgestellt werden können, den Gegenstand unserer Untersuchung bilden. Die organischen Bildungsstoffe, welche für das Wachsthum eines Blattes erforderlich sind, lassen sich in zwei Gruppen ein- theilen, welche sowohl in chemischer als auch in physiologischer Einsicht scharf von einander getrennt sind. Die stickstoffhaltigen, organischen Nährstoffe dienen zum Aufbau des Protoplasmalei- bes der Zellen; sie finden deshalb in den allerjüngsten Zuständen der Blätter Verwendung. Für die Neubildung und die allererste Vergröszerung der Zellen sind sie unbedingt nothwendig; vor der späteren, raschen Streckung des Gewebes ist in der Regel das Protoplasma so reichlich ausgebildet, dasz von diesem Zeitpunkte an eine Zunahme dieses wichtigsten Bestandtheiles der Zelle an Masse auf mikroskopischem Wege nicht mehr nachweisbar ist. Unter den stickstoffhaltigen Bildungsstoffen des Protoplasma spielen die eiweiszartigen Körper weitaus die wichtigste Rolle, vielleicht sogar mit Ausschlusz aller anderen chemisch-verwandten Verbindungen. Wenigstens findet man durch die Reaktion mit 8 114 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Kupferoxyd und Kali, welche bekanntlich das eiweiszhaltige Ge- webe violett färbt, überall dort Eiweisz, wo die morphologische Untersuchung eine Neubildung von Zellen nachweist. Dagegen lassen sich andere stickstofihaltige Verbindungen an solchen Stel- len bis jetzt nicht nachweisen. Die stickstofffreien, organischen Nährstoffe dienen hauptsäch- lich zum Aufbau der Zellwandungen. Bei den Zelltheilungen spie- len sie also eine sehr untergeordnete Rolle und erst bei der Streckung der Zellen nehmen sie an Wichtigkeit zu. Sobald das jugendliche Gewebe aus dem Zustande des Theilungsgewebes heraustritt, werden sie in der Form von kleinen Stärkekörnchen in den Zellen niedergeschlagen, deren Menge Anfangs rasch zu- nimmt. Bald erfüllt sich das ganze Organ dicht mit Stärke und indem es wächst, wird immer mehr Stärke zugeführt und abgela- gert. Während dieser Zeit ist das Wachsthum noch ein langsames. Sobald die Streckung anfängt rascher zu werden, nimmt der Verbrauch von Stärke zur Wandbildung derart zu, dasz der ganze, im Blatte aufgespeicherte Vorrath allmählich verbraucht wird, und dasz bald vor, bald nach beendigtem Wachsthum die sämmt- lichen Zellen leer geworden sind. Dabei wird die Stärke zu einem groszen Theile vorübergehend in Traubenzucker umgesetzt, um ın diesem Zustande aus dem Innern der Zellen den wachsenden Zellhäuten zuzuwandern. Nach diesen Auseinandersetzungen müssen wir also in der Ent- wickelungsgeschichte der Kleeblätter drei Hauptabschnitte unter- scheiden, wenn auch diese keineswegs durch scharfe Grenzen von einander getrennt sind, sondern sehr zen in einander über- gehen. 1. Die Gestaltungsperiode. Sie fängt mit dem ersten Hervor- treten des Blattes als kleiner Höcker auf dem Vegetationskegel an und schlieszt mit der vollständigen Ditferenzirung aller einzelnen Theile des jungen Blattes ab. Während dieser ganzen Periode ist alles Gewebe des Blattes von Eiweisz dicht erfüllt; weder Stärke noch Zucker lassen sich darin nachweisen. Am Ende dieses Ab- schnittes ist das Blatt noch kaum für das unbewaffnete Auge sichtbar. Vergl. diese Zustände auf Taf. Il. Fig. 8, a, b, c und c‘. 2. Die Periode des langsamen Wachsthums. Der Anfang dieser Periode kennzeichnet sich durch das erste Auftreten von Stärke im Gewebe; zuerst beobachtet man diese im Blattstiel, bald dar- auf auch in den Spreiten, erst später in den übrigen Theilen. Wo die Stärke auftritt, verschwindet das Eiweisz aus dem Gewebe; BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 115 die Zelltheilungen sind hier im Allgemeinen, wenigstens zum gröszten Theile, beendigt. Bald zieht sich das Eiweisz auf die Nerven und auf die Gefäszbündel des Stieles zurück, alles Paren- chym füllt sich dicht mit Stärke. Während dieser Periode ist das junge Blatt noch ganz von den Nebenblättern der nächst älteren Blätter umschlossen. Doch er- hält es auch durch diese hier bereits Licht genug, um vollständig zu ergrünen; eine selbstständige Kohlensäurezerlegung tritt in dieser Periode noch nicht oder höchstens in ganz unerheblichem Grade ein. Das Blatt lebt noch ausschlieszlich auf Kosten der älteren, assimilirenden Theile der Pflanze. Dessen ungeachtet sammelt es ganz ansehnliche Mengen Stärke in sich an, wie dar- aus hervorgeht, dasz sein ganzes Parenchym in allen Organen am Schlusse dieser Periode dicht mit Stärkekörnern angefüllt ist. Die Grenze dieser Periode und der nächstfolgenden läszt sich nur willkürlich bestimmen; ich: wähle als Merkmal das Hervortreten der Blattspitze zwischen den Nebenblättern der älteren Blätter. Das erste Auftreten von Zucker im Gewebe, welches den Anfang der raschen Streckung anzeigt, findet in der Regel schon etwas früher statt. Vergl. Taf. I., Fig. 8, d, €, f und die Grösze der Nebenblätter bei n b. 3. Die Periode der raschen Streckung. Rasches Wachsthum und dem entsprechend ein starker Verbrauch von Bildungsstoifen sind die Merkmale dieser Periode. Die Stärke, welche zum Zwecke der Zellhautbildung in Cellulose umgewandelt wird, geht dabei erst in Traubenzucker über; wenigstens ist dies im Stiele und in den Blattgelenken der Fall. In der Spreite konnte in keinem Alters- stadium Zucker im Parenchym nachgewiesen werden; nur in den Gefäszbündeln und in den Haaren ist Zucker vorhanden, hier aber, zum Zwecke der ansehnlichen Wandverdickungen, in sehr erheblichen Quantitäten. Je nach Umständen wird das Gewebe in Folge des raschen Wachsthums mehr oder weniger leer an Nähr- stoffen. Dieses hängt einerseits von der Temperatur und der Feuchtigkeit, welche das Wachsthum beschleunigen, anderer- seits von der Beleuchtung ab, welche die Neubildung von orga- nischen Stoffen fördert. Schon während die Blättchen noch zu- sammengefaltet und an einander angedrückt sind, fängt die Stärkebildung in ihren Zellen unter dem Einflusse des Lichtes an, aber erst nachdem sie sich vollständig ausgebreitet haben, wird diese ausgiebig. In dieser Periode stehen dem wachsenden Blatte ‚also drei Quellen organischer Nährstoffe zur Verfügung: 1. die in 116 WACHSTHIJMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. der zweiten Periode aufgespeicherte Stärke, 2. die durch die eigene Assimilation neugebildete Stärke, 3. die etwa noch aus den übrigen Theilen der Pflanze zuflieszenden, organischen Stoffe. Die erste Quelle spielt im Anfang die Hauptrolle; in dem Masze als sie versiegt steigert sich die Ausgiebigkeit der zweiten Quelle, welche wohl noch lange vor dem völligen Abschlusz des Wachs- thums das ganze Ernährungsgeschäft übernimmt. Ob die in drit- ter Linie aufgeführte Quelle wesentliches zur Ernährung des Blat- tes in dieser Periode beiträgt, ist unbekannt. Unsere dritte Periode schlieszt mit dem Erreichen des ausge- wachsenen Zustandes ab. Vergl. für diese Periode Taf. III., Fig. 12. Die Beobachtungen, aus denen sich die obige allgemeine Schil- derung ergeben hat, wurden zum gröszten Theile im Monat Sep- tember vorgenommen, weil in dieser Jahreszeit bei feuchter Wit- terung ein kräftiges Wachsthum der Kleepilanzen stattfand, ohne dasz durch eine all zu reiche Assimilationsthätigkeit der Blätter eine vollständige Ueberfüllung aller Gewebe zu befürchten war, wie solche im Hochsommer vorkommt. Eine solche Ueberfüllung der ganzen Pflanze erschwert das Studium der Stoffwanderungs- vorgänge ungemein, da die Unterschiede zwischen den verschie- denen Gewebepartien und Altersstadien leicht unkenntlich wer- den. Doch habe ich nicht versäumt, auch während der übrigen Jahreszeiten junge Blätter in den verschiedensten Entwickelungs- zuständen zu untersuchen und sie mit den im September gemach- ten, vollständigeren Beobachtungsreihen zu vergleichen. Sie be- stätigten im Allgemeinen die Resultate jener Untersuchung, und nur in der dritten Periode ergaben sich vielfache, von äuszeren Umständen abhängige Abweichungen. Es erübrigt uns jetzt noch, aus diesen Beobachtungen die für die Beurtheilung des ganzen Entwickelungsprozesses wichtigeren Einzelheiten hervorzuheben. Die erste Periode bietet wenig Wichtiges. Die ersten Anlagen der Blätter werden als einfache kleine Höcker seitlich auf der Spitze des Stengels, dem sogenannten Vegetationskegel sichtbar. Bald flachen diese sich ab, umfassen mit breiter Basis einen groszen Theil des jugendlichen Stengels und differenziren sich in drei rundliche Lappen. (Vergl. Taf. I., Fig. 2, bei k v p). Die bei- den seitlichen wachsen zu den Nebenblättern heran, der mittlere erleidet abermals eine Dreitheilung und bildet so die Anlagen zu den drei Spreiten. Diese übertreffen die Nebenblätter bald an Grösze, sondern sich immer schärfer vom Stiele und von einander ab und wachsen im zusammengefaltenen Zustand, dicht an ein- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 117 ander gedrückt, weiter (Vergl. Taf. II., Fig. 8, c c‘). Auch die Blattgelenke differenziren sich bald und sind in der jungen Blatt- anlage relativ sehr mächtig entwickelt; dagegen ist der Stiel, der später alle Theile an Länge bedeutend überragen wird, jetzt nur ` noch sehr klein, und kaum zwischen den Nebenblättern und den Polstern zu erkennen. Während aller dieser Vorgänge bleibt das Gewebe überall äuszerst kleinzellig und zartwandig, und sind die Zellen selbst mit feinkörnigem, eiweiszreichem Protoplasma dicht angefüllt. Aber kaum ist die Differenzirung der einzelnen Theile vollzogen, so fängt eine neue Thätigkeit mit der Aufspeicherung von Stärke im Gewebe an. Und damit ist die erste Periode geschlossen, und die zweite eröffnet. Die ersten Stärkekörnchen beobachtet man im Markparenchym der Blattgelenke und des Blattstieles; bald dar- . auf tritt auch in den Spreiten Stärke auf, bevor noch die Nerven sichtbar sind. Indem nun das junge Blatt allmählich an Grösze zu- nimmt, füllt sich sein Grundgewebe immer mehr mit Stärke, diese Zellen verlieren gleichzeitig ihr Eiweisz, indem dessen letzte Ueberreste zur Bildung von Protoplasma verwendet werden. Das Grundgewebe ist in diesem Entwickelungszustande reich an Pro- toplasma, aber arm an Eiweisz; bei der Behandlung mit Kupfer- vitriol und Kali nimmt es keine violette Farbe mehr an. Dagegen tritt diese in den Nerven der Spreite und in den Gefäszbündeln des Stieles noch sehr deutlich und schön auf; ihr Verlauf tritt also in solchen Präparaten sehr übersichtlich hervor. Auch in den mit Jod behandelten Präparaten dieses Alters heben sich jetzt die Nerven scharf ab, indem sie keine Stärke enthalten, während das zwischen ihnen liegende Parenchym mit Jodlösung bereits dunkel- blau wird. Nur die feineren Maschen des tertiären Nervensyste- mes lassen sich noch nicht sichtbar machen. Je gröszer nun das Blatt wird, um so deutlicher tritt der Unter- schied zwischen den Nerven und dem Grundgewebe, nicht nur in den Reaktionen, sondern auch im anatomischen Bau zu Tage. Es würde mich zu weit führen, auch diese Verhältnisse hier ausführ- lich zu schildern; ich beschränke mich auf die Bemerkung, dasz bereits kurze Zeit nach der Differenzirung der Spreiten, im Blatt- stiele die ersten Ringgefäsze zwischen den gestreckten Zellen der Stränge sichtbar werden, und dasz sich von hier aus die anato- mische Ausbildung der Stränge und Nerven nach oben allmählich verbreitet. Auch die Differenzirung des Stieles zwischen den Ne- benblättern und den Polstern wird jetzt immer deutlicher, ob- 118 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. gleich die Grenze auf Längsschitten noch lange Zeit schwer zw erkennen bleibt. Noch am Ende dieser Periode bildet der eigent- liche Stiel nur ein sehr kleines Zwischenstück zwischen den gros- zen Polstern und dem flachen Stipulartheil des Stieles. Die Neben- blätter aber entwickeln sich grade in dieser Periode am kräftigsten und schlieszen die jüngeren Blattanlagen bereits vollständig ein. Die grüne Farbe und die Chlorophylikörner werden noch vor dem Durchbrechen der einhüllenden Nebenblätter fertig ausge- bildet. Eine besondere Beachtung verdient die Entwickelung der Haare, welche hauptsächlich in diese Periode fällt. Die Drüsenhaare sind zu klein, um eingehenden mikrochemischen Untersuchungen un- terworfen werden zu können; höchstens kann man in ihrer Jugend in ihren Zellen einen Gehalt an Eiweisz nachweisen. Dagegen ist die Entwickelungsgeschichte der Borstenhaare sehr lehrreich. Die ersten Haare beobachtet man auf dem Rücken des Mittelnerven, und zwar in dessen oberen Hälfte, schon kurze Zeit nach dem Anfang der zweiten Periode, wenn die ersten Spuren von Stärke in der Spreite sichtbar werden. Sie treten hier anfangs als kleine, halbkugelige Warzen hervor, welche sich bald stark verlängern. Ihnen folgen die Haare am Blattrande, ebenfalls von oben nach unten jünger werdend. Noch später werden auch auf der Oberfläche der Spreite selbst, sowohl auf der Ober- als auf der Unterseite die Anlagen der Haare sichtbar, um so früher, je näher der betreffende Theil der Spitze des Blattes liegt. Eine sehr rasche und kräftige Ent- wickelung zeigen auch die Haare an den Spitzen der Nebenblätter, welche bereits zwei lange Bündel bilden, wenn die Haare der Spreite sich noch erst allmählig entwickeln. Wenn die Nerven sich im Gewebe der Spreite bereits deutlich abheben, zeigt auch die Spit- ze der Spreite einen Busch langer Haare, während sie sonst auf dem Blatte noch ganz unfertig sind. Am Schlusse der zweiten Periode sind die Spreiten mit einem dichten Filz langer, weiszer Haare bedeckt; hier ist das Wachsthum der Haare bereits nahezu abge- schlossen, während es auf dem Stiel noch bis in die dritte Periode hinein sich fortsetzt. Diese Art und Weise der Entwickelung der Haare macht, dasz man sehr häufig an einem Blatte alle oder doch einen bedeutenden Theil der Entwickelungsstadien der Haare gleichzeitig vorfindet. Es zeigt sich dann, dasz diese Gebilde anfangs rasch in die Länge wachsen, ohne ihre Wand merklich zu verdicken. Sie bleiben dünnwandig, aber die eigenthümliche körnige, wie chagrinirte BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 119 Oberfläche hat sich bereits vollständig entwickelt. Dann fängt das Dickenwachsthum der Wand an, welches schlieszlich fast bis zum völligen Verschwinden des Lumens führt. In den ausgewach- senen, aber noch dünnwandigen Haaren ist das Protoplasma und der Zellkern deutlich sichtbar; bei der Wandverdickung verschwin- den diese beiden Theile allmählich, und das ausgewachsene Haar führt in seiner Höhlung nur Luft. Bei dem Wachsthum und der späteren ansehnlichen Verdickung der Zellwand der Haare ist die Bildung einer relativ groszen Menge von Cellulose erforderlich, zu der das Bildungsmaterial den Haaren aus der Spreite zuge- führt wird. In den Haaren kann man es während dieses Wachs- thums stets als Traubenzucker nachweisen; von frühester Jugend an bis zur Zeit der fast vollständigen Ausbildung der Zellwand sind sie mit Traubenzucker gefüllt. Dagegen enthalten sie nie Stärke. Bei der Behandlung mit Kupfervitriol und Kali entstehen in ihnen stets schöne, orangene Körnchen von Kupferoxydul, auch dann noch, wenn das Lumen bereits so klein geworden ist, dasz die Körnchen kaum noch Platz in der Zelle finden. Die Reaktion ist um so ausgiebiger, je dünner die Wand noch ist; mit dem Ver- brauch des Zuckers zur Cellulosebildung nimmt sie allmählig ab. Die ausgebildeten Haare führen selbstverständlich keinen Zucker mehr. | Im Grundgewebe des Blattstieles wird schon lange vor dem Ende der zweiten Periode Stärke in Zucker umgesetzt; doch erst wenn das junge Blatt in Begriif steht, seine Spitze über die um- hüllenden Nebenblätter hinaus zu schieben, wird die Quantität dieses Zuckers im Marke des Blattstieles eine bedeutende. Er er- streckt sich sowohl über den eigentlichen Stiel als über deren Stipulartheil; findet sich aber vorläufig noch nicht in den Blatt- gelenken. Mit dem Auftreten des Zuckers nimmt die Beschleuni- gung der Streckung rasch zu, und wie die mikroskopische Unter- suchung der Organe lehrt, bedarf es jetzt nur noch einer ansehn- lichen, meist etwa 20 bis 30fachen Streckung der Zellen des Blattstieles, um diesem seine normale Länge zu geben. Viel ge- ringer ist das Wachsthum in dieser Periode in den übrigen Thei- len des Blattes, die Spreiten verlängern sich noch etwa um das 5—10fache. Im Anfang unserer dritten Periode, während die erste Streckung des Stieles die Blättchen über die umgebenden Nebenblätter hinaus. hebt, löst sich die Stärke im ganzen Parenchym des Stieles rasch und verwandelt sich in Zucker; nur in den Stärkescheiden 120 WACHSTHUMS GESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. der Gefäszbündel bleibt noch Stärke übrig, und bald beschränkt sie sich auch hier auf die äuszere, dem Bastbeleg angrenzende Hälfte (Vergl. Taf. I, Fig. 6). Die Stärke hat sich zunächst in Zucker verwandelt, welcher anfangs alles Parenchym des Mar- kes und der Rinde dicht erfüllt, aber, indem er zur Zellhautbildung verbraucht wird, immer spärlicher wird und bald erst aus den inneren, dann aus den äuszeren Theilen des Markes verschwindet. So geht es fort, bis das ganze Blatt eine Länge von etwa 5—8 Cm. erreicht hat und seine Blättchen entfaltet. Zu dieser Zeit ist = es gewöhnlich am leersten. Oft fehlt die Stärke ganz, sowohl im Stiele’als in den Nebenblättern, und ist sie in den Blattgelenken nur auf die Stärkescheide der Gefäszbündel beschränkt. In gün- stigeren Fällen hat sie sich noch in den äuszeren Theilen der Stärkescheiden des Stieles erhalten (Taf. I Fig. 6.) Zucker findet sich meist nur im Rindenparenchym und um die Gefäszbün- del herum, und zwar hier je nach Umständen in gröszerer oder geringerer Menge; er erstreckt sich in der Regel durch die Polster hindurch in das parenchymatische Gewebe des Mittelnerves hin- ein; im eigentlichen Blattparenchym fehlt er aber stets. Die Sprei- ten enthalten jetzt gewöhnlich nur wenig Stärke; sobald sie sich vollständig entfaltet haben, fängt die regelmäszige, tägliche Stärkebildung in den Chlorophylikörnern an so ausgiebig zu wer- den, dasz ihre Produkte auch in den Stiel abwärts geleitet wer- den und dort theils zum Wachsthum verbraucht, theils abgelagert werden. Daher füllt sich der Blattstiel allmählich wieder mit Zucker und bald auch mit Stärke, und dies geht so weiter, bis er den ausgewachsenen Zustand (Taf. I., Fig. 5.) erreicht. Ent- wickeln sich die Blätter im Dunklen, so geht dagegen die Entlee- rung der Zellen weiter, und kurze Zeit nach der Entfaltung der Blättchen geht das ganze Blatt aus Mangel an Wachsthum- und Athmungsmaterial zu Grunde. Auch in den Gefäszbündeln findet während des Wachsthums ein kräftiger Stoffwechsel statt. Sie enthalten in ihrem Weichbaste das zur Neubildung von Zellen nöthige Eiweisz und in diesem Gewebe und dem Holze kleine Stärkekörnchen. Am Interessan- testen ist aber der Stoffwechsel der Bastfasern und der faserarti- gen Zellen in der Strangscheide auf der entgegengesetzten Seite des Gefäszbündels. Alle diese Fasern sind im ausgewachsenen Zustande äuszerst dickwandig und müssen das Material zu ihrer Wandverdickung aus den umgebenden Zellen entnehmen. So lange sie noch dünnwandig sind, häufen sie dieses Material als BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 121 Traubenzucker in ihrem Innern an. Man kann diesen Zucker nach geeigneter Vorbereitung der Präparate sehr leicht mittelst Kup- fervitriol und Kalilauge nachweisen. Die Fasern zeigen sich nach dieser Behandlung stets mit einem reichlichen Niederschlag von groszen, orangenen Körnern gefüllt. Nur musz man dafür sorgen, dasz die Kupferlösung rasch in die Fasern eindringt, was nur durch Zerschneiden oder Zerquetschen dieser Gebilde erreicht werden kann. Daher ist die Reaction in dicken Querschnitten des Blattstieles, des Polsters oder der Spreite stets am schönsten; um die Körner in den einzelnen Fasern liegen zu sehen, musz man die Schnitte freilich durch leisen Druck in ihre einzelnen Theile zer- legen, was übrigens, weil sie ohnehin in Kalilauge gekocht worden sind, ohne Mühe gelingt. Um den Zucker in den Nerven der Spreite, sowohl in den dicke- ren Aesten als in den feinsten Verzweigungen, welche noch Bast- fasern führen, nachzuweisen, scheint mir folgende Art der Zer- auetschung am geeignetsten. Eine Längshälfte eines jungen, fri- schen Blattes wird vom Mittelnerv abgeschnitten und auf eine Glasplatte gelegt. Dann rollt man einen Uünnen Glasstab unter starkem Druck einige Male darüber weg und bringt die Blatt- hälfte gleich darauf in die Kupfervitriollösung. Die noch dünn- wandigen Bastfasern sind jetzt hinreichend zerquetscht, um das Salz aufzunehmen, haben aber ihre Form und Lage noch beibe- halten. Nachdem das Präparat aus der Kupferlösung herausge- nommen und in Kalilauge gekocht worden ist, wäscht man es vollständig mit Wasser und nöthigenfalls auch mit Alkohol aus, bis es gänzlich entfärbt ist. Bei der Musterung eines solchen Prä- parates unter starker Vergröszerung zeigen sich überall in den Bastfasern die rothen Kupferoxydulkörner, während solche sonst weder in den übrigen Theilen der Nerven noch auch im Paren- chym vorgefunden werden. Dasz der Gehalt an Zucker in den Bastfasern mit zunehmender Wanddicke allmählich geringer wird, und dasz die ausgewachse- nen Fasern keinen Zucker mehr nachweisen lassen, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Nur sei bemerkt, dasz Stärke sich in den Bastfasern in keinem Entwickelungsstadium nachweisen läszt. So viel über die organischen Bildungsstoffe und ihre Wande- rungen bei der Entwickelung des Blattes. Wir haben jetzt noch einige Nebenprodukte des Stoffwechsels zu betrachten und unter diesen in erster Linie den oxalsauren Kalk. 122 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Den oxalsauren Kalk fanden wir im ausgewachsenen Blatte in der Krystallscheide der Nerven und Gefäszbündel in krystallisir- tem Zustande abgelagert. Er fehlt in den allerjüngsten Blattan- lagen und nimmt mit zunehmendem Alter fortwährend an Menge zu, auch nachdem das Blatt bereits längst ausgewachsen ist. Beim Absterben des Blattes bleibt er im Gewebe, während die übrigen, in den Zellen vorhandenen Stoffe vorher in die benach- barten Theile des Stengels übergeführt werden. Einmal abgelagert, ist er also aus dem Kreislauf ausgeschieden. Ueber die Prozesse, bei denen der oxalsaure Kalk erzeugt wird, herrscht noch ein tiefes Dunkel. Gewisz ist, dasz der Saft der Kleeblätter sehr reich an Kalkverbindungen ist. 1) Dieser Saft reagirt auf Lackmuspapier deutlich sauer und enthält erhebliche Quantitäten von organischen Säuren, 2) doch ist Oxalsäure in ihm nicht nachzuweisen. Wenigstens gelang es mir nicht, sie im aus- gepreszten Saite aufzufinden. Auch kann sie wegen des Kalkge- haltes des Saftes und der äuszerst geringen Löslichkeit des oxal- sauern Kalkes schon ohnehin nicht in irgendwie erheblichen Mengen im Safte der Kleeblätter vorkommen. Diese Folgerung wird durch die Beobachtung bestätigt, dasz der geringste Zusatz von oxalsaurem Ammoniak zu dem ausgepreszten Safte der Kiee- blätter sofort einen Niederschlag von kleesaurem Kalk giebt. Auf der andern Seite beweist die Krystallisation des fraglichen Salzes in den Zellen der Krystallscheide, dasz es im Safte nicht absolut unlöslich sein kann, sonst müszte es an Ort und Stelle, wo die Oxalsäure entsteht, in amorphem Zustande niedergeschlagen wer- den. Wir folgern also, dasz die Oxalsäure, sobald sie an irgend einer Stelle entsteht, sich mit dem Kalke des Zellsaftes zu dem schwerlöslichen, oxalsauren Kalk verbindet, welcher durch Diffu- sion der Krystallscheide zuflieszt, um dort abgelagert und so den, bei den Lebensprozessen thätigen Gewebepartien entzogen zu werden. Wo und bei welchen Vorgängen die Oxalsäure entsteht, wissen wir ebenso wenig, als wir diese Frage für die übrigen Säuren des Zellsaftes beantworten können 3). Wir können nur aussagen, dasz 1) Hellriegel in Landw. Versuchsstationen IV, S. 31. 2) Ebendaselbst. 3) Holzner (Flora 1867, S. 497) nimmt an, dasz die Oxalsäure ganz oder doch zum gröszten Theil bei der Eiweiszbildung entstehe; jedoch scheint dies eine blosze Vermuthung zu sein. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 123 sie ebenso wie diese beim Stoffwechsel im Allgemeinen entsteht, und dasz ihre Bildung von der Einwirkung des Lichtes, also auch von der Kohlensäurezerlegung am Lichte unabhängig ist. Dasz sie in der Krystallscheide, in welcher wir den oxalsauren Kalk vor- finden, entstehen sollte, ist nicht sehr wahrscheinlich. Denn diese Scheide zeigt sowohl in ihrer Lage als in dem Bau ihrer Zellen, dasz sie sich nur in sehr untergeordneter Weise an dem Stoff- wechsel in der Pflanze betheiligt. Sie grenzt einerseits an die luit- führenden Fasern der Strangscheide; quer durch sie hindurch brauchen sich also wohl keine Stoffe zu bewegen. Auch enthalten ihre Zellen weder Chlorophylikörner noch Stärke, noch Zucker, noch irgend etwas, was auf ein reges Leben hinweist. Ihre Thätig- keit scheint sich überhaupt auf die Ablagerung des kleesauren Kal- kes zu beschränken. Ob die Ausscheidung der Oxalsäure aus dem Gewebe in der Form eines Kalksalzes für das Pflanzenleben nützlich oder gar nothwendig sei, darüber könnte man lange streiten. Am einfachsten kann man sie als eine nothwendige Folge der Bildung von Oxal- säure in dem ausnahmslos kalkhaltigen Zellsafte betrachten. Wenn die Oxalsäure bei gewissen, noch unbekannten Prozessen als nothwendiges Nebenprodukt entsteht und nicht sogleich, bevor sie sich anhäufen kann, weiter verwandelt, etwa zu Kohlensäure oxydirt wird, so musz sich offenbar irgendwo im Gewebe oxal- saurer Kalk im festen Zustande absetzen. Der dabei stattfindende Verlust an Kalk schadet der Pflanze nicht, da dieser im Zellsaft gewöhnlich in Ueberschusz vorräthig ist und aus dem Boden ge- wöhnlich in hinreichenden Mengen aufgenommen werden kann. Dasz die Ablagerung des Kalkes den Pflanzen vortheilhaft sein könnte, wie Holzner I) annimmt, ist bei der Nothwendigkeit dieses Körpers für das Pfilanzenwachsthum, und aus verschiedenen an- deren Gründen sehr unwahrscheinlich. Auch ist hierbei zu be- rücksichtigen, dasz nicht alle Pflanzen, wie man früher meinte, cxalsauren Kalk in ihrem Gewebe ablagern, sondern dasz viele in keinem Stadium ihres Lebens diese Verbindung, wenigstens nicht in fester Form enthalten. Dieses kann ich z. B. mit aller Sicherheit vom Mais behaupten. Ob bei solchen Pflanzen gar keine Oxal- säure entsteht oder ob die entstehende sofort weiter umgesetzt 1) Holzner, ebendaselbst. Auf eine Kritik der von diesem Forscher über die Entstehung des oxalsauren Kalkes ausgesprochenen Ansichten kan ich hier nicht eingehen, weil sie sich zu sehr auf dem Gebiete der Hypothesen bewegen. 124 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. wird, und sich deshalb nicht anhäufen kann, ist vorläufig unbe- kannt. Ueber die allmählige Anhäufung des oxalsauren Kalkes in den Blättern sind mir keine quantitativen Untersuchungen bekannt ge- worden. Die folgenden Angaben mögen darüber wenigstens eine un- gefähre Vorstellung geben. In jungen Blättern, deren Spreiten erst 8 Mm. lang und noch ganz von den Nebenblättern des nächstälteren _ Blattes umschlossen, aber bereits vollständig grün waren, konnte ich keine Spur von oxalsaurem Kalk nachweisen. Erst nachdem das Blatt aus seinen Umhüllungen hervorgewachsen und also in die dritte der oben unterschiedenen Perioden eingetreten war, fand sich oxalsaurer Kalk in seinem Gewebe, aber nur noch an den Enden der secundären Nerven, als kleine Kryställchen, welche in Grösze und Zahl gegen den mittleren Theil des Blattes hin rasch abnahmen. Von dieser Zeit an nahm sowohl die Zahl als auch die Grösze der Krystalle allmählig zu; als das Blatt sein Wachsthum eben beendet hatte, waren die Seitennerven bereits überall mit Krystallen bedeckt, doch waren in den Krystallscheiden noch sehr viele zerstreute, leere Zellen sichtbar. Auch diese füllen sich später, und während des ausgewachsenen Zustandes beruht die Zunahme des Gehaltes an oxalsaurem Kalk mehr auf dem Wachs- thum der bestehenden als auf der Bildung neuer Krystalle. Die Ablagerung des kleesauren Kalkes findet in den Kleeblät- tern je nach verschiedenen Umständen in verschiedenem Masze statt. Bisweilen sind junge Blätter bereits überfüllt, in anderen Fällen findet man in den Krystallscheiden alter, längst ausgewach- sener Blätter noch Lücken. Es wäre sehr wichtig, die Ursachen dieser Abweichungen zum Gegenstande eingehender Forschungen zu machen, da solche sowohl auf die Ursachen der Entstehung des kleesauren Kalkes als auf die Beziehung der Oxalsäure zum ganzen Lebensprozesse ein Licht zu werien geeignet scheinen. Ein Paar Angaben mögen die Wichtigkeit solcher Untersuchungen näher beleuchten. In beblätterten Sprossen, von Kleepflanzen, welche im Dunkeln getrieben hatten, und deren Blattstiele eine Länge von über 8 Cm. erreicht hatten und vollständig etiolirt wa- ren, fand ich sehr ansehnliche Mengen oxalsauren Kalkes. Es werden also die Prozesse, bei denen die Oxalsäure entsteht, durch die Finsternisz eher begünstigt als gehindert. In Wasserkul- turen in destillirtem Wasser oder in kalkireier Nährstofflösung entwickeln die aus Samen gezogenen Kleepflänzchen nur einige, winzig kleine Blättchen. Untersucht man diese Blätter auf oxal- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 125 sauren Kalk, so findet man die Krystallscheide des ersten einfa- chen Blattes stets voll Krystalle; der dazu erforderliche Kalk stammt offenbar aus den Kalksalzen des Samens. Die folgenden gedreiten Blätter besitzen aber um so geringere Mengen von Krystallen, je später sie sich ausgebildet haben; das zweite und das dritte Blatt enthalten deren noch immer einige, das vierte Blatt ist daran stets sehr arm, das fünfte Blatt fand ich in vielen Exemplaren vollständig frei von oxalsaurem Kalk. Dennoch war es vollständig ausgebildet, wenn auch seine Blättchen die Länge von 5 Mm. nicht überschritten. Ob sich dabei Oxalsäure im Zell- saft angehäuft hatte, liesz sich leider wegen der Geringfügigkeit des Materiales nicht entscheiden, doch glaube ich, dasz eine Wiederholung dieser Versuche gute Ausgangspunkte für die ex- perimentelle Fragestellung auf diesem Gebiete liefern Kann. Am Schlusse dieses Abschnittes theile ich noch einige vereinzelte Beobachtungen mit, nach denen in den jungen, noch von den Nebenblättern umschlossenen Blattanlagen sich mittelst Eisen- chlorid Gerbsäure nachweisen läszt. Mit zunehmendem Alter des Blattes nimmt die Intensität der Reaktion ab; im ausgewachsenen Blatte konnte ich keine Gerbsäure mehr auffinden. II. Der Stengel. § 7. Der anatomische Bau des Stengels. Die Sprosse der Kleepflanze entspringen in den Achseln der Wurzelblätter aus dem kurzen, senkrechten Wurzelstocke. Sie be- stehen aus Internodien, welche im ausgewachsenen Stengel unten kurz sind, nach der Mitte rasch an Länge zunehmen, um im oberen, blühenden Theile wieder allmählig kleiner zu werden. An jedem Knoten tragen sie ein Blatt, welches mit seinen Nebenblättern den unteren Theil des nächstoberen Internodiums vollständig um- faszt, wobei jedesmal ein Nebenblatt über den Rand des anderen übergreift 1). In den Achseln dieser Stengelblätter entstehen Knospen; die der unteren Blätter machen in der Regel eine längere Ruheperiode durch und entwickeln sich häufig erst, nachdem der gröszte Theil des Stengels bereits abgestorben ist; sie tragen dann zur Bestockung nicht unwesentlich bei, zumal weil häufig in einer Blattachsel sich mehr als eine Knospe befinden. Die Achsel- knospen der höheren Blätter entwickeln sich in der Regel sehr bald 1) Vergl. Hofmeister. Allgemeine Morphologie, S. 468 u. S. 538, und Schimper, Symphytum Zeiheri S. 55. 126 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. und werden zu Blüthenzweigen,, indem sie ein, selten mehrere Blüthenköpfchen tragen. Die Blattstellung des Stengels und seiner Zweige ist %, m. a. W. alle Seitenknospen liegen in derselben Ebene, abwechselnd auf der einen und der anderen Seite. Die Ver- zweigung findet also gleichfalls in derselben Weise statt. In jeder Achselknospe stehen die Blätter anfangs seitlich von der Median- ebene, also in Bezug auf das zugehörige Stengelblatt links und rechts. Die Ebene, in der sich diese Blätter entfalten, würde also senkrecht auf die Verzweigungsebene der Hauptachse stehen. Dies findet aber in der That nicht statt. Beim Anfang der Streckung des Seitensprosses erleiden dessen unterste Internodien eine Tor- sion um 90°, in Folge deren die Verzweigungsebenen des Zweiges und des Stengels wieder zusammenfallen. 1) Sowohl die Bedeu- tung als die Ursache dieser Erscheinungen sind bis jetzt noch völlig unbekannt. Der innere Bau des Stengels ist verschieden, je nachdem man ältere oder jüngere Internodien untersucht. Wir werden die beste Uebersicht erlangen, wenn wir zunächst ein Internodium mittleren Alters untersuchen, um damit nachher den Bau der jüngeren und älteren Theile zu vergleichen (Vergl. Taf. II, Fig. 8 u. 10). Der Querschnitt eines Kleestengels zeigt uns (Taf. II, Fig. 9) auf den ersten Blick einen Kreis von Gefäszbündeln, welche dicht an der Peripherie stehen und ein sehr ansehnliches Mark in ihrer Mitte frei lassen. Die Zahl dieser Fibrovasalstränge ist nicht con- stant, in unserer Figur sind deren 16 abgebildet, nicht selten fin- ‚det man einige mehr oder weniger. Die einzelnen Stränge weichen von einander in der Grösze sehr ab; gewöhnlich unterscheidet man leicht drei gröszere Bündel, welche in einem nahezu gleichseiti- gen Dreieck stehen (Fig. 9, 1, 1a, 1b), und welche, wenn der ganze Stengelquerschnitt, wie das häufig vorkommt, eine dreieckige Form hat, den Ecken des Querschnittes entsprechen. Verfolgt man diese Stränge auf successiven Querschnitten durch den Stengel aufwärts, so kann man sich leicht überzeugen, dasz diese drei Bündel (Fig. 9, 1, 1a, 1b) die Blattspuren des nächsthöheren Blat- tes sind. Denn im Knoten sieht man sie erst nach auswärts aus dem Kreise der übrigen Bündel heraus und dann in den Stipular- theil des Blattstieles übertreten. Auch auf Längsschnitten kann man dieses Uebertreten häufig 1) Vergl. hierüber auch Hofmeister, Allgemeine Morphologie der Ge- "wächse, S. 596. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 127 deutlich sehen, wie z. B. an manchen Stellen in unserer Figur 8 auf Tafel II. ; Bei der Beschreibung des Blattes haben wir bereits gesehen, dasz im Querschnitte des Blattstiels (Fig. 5 und 6) drei gröszere Bündel in einem Dreieck stehen, und dasz die kleineren Stränge im Stipulartheile aus ihnen entspringen, um sich im Gipfeltheil des Stieles wieder mit ihnen zu verbinden, bevor die drei Haupt- stränge in die Blattgelenke übertreten. Ebenso entspringen alle feinere Nerven der Nebenblätter diesen drei Hauptstämmen. Die in unserer Figur 9 mit 1, la, 1b bezeichneten Stränge sind nun ein- fach die Verlängerungen jener Hauptstränge eines Blattstieles nach unten in dem Stengel, und zwar so, dasz das mit 1 bezeichnete Bündel dem Mittelnerven des Stipulartheiles, die beiden mit la und 1b bezeichneten den Seitennerven entsprechen. Man sieht, dasz die Eigenschaft der Nebenblätter, den ganzen Stengel zu umfassen, auf den Bau der Internodien einen nicht unwichtigen Einflusz ausübt. Denn von ihr hängt zunächst die Anordnung der Gefäszbündel ab. Um nun auch den Werth der übrigen Gefäszbündel eines Sten- gelquerschnittes kennen zu lernen, musz man auch diese nach oben durch den Stengel verfolgen. Es stellt sich dann im Allgemeinen heraus, dasz je drei, ungefähr in einem gleichseitigen Dreieck liegende und nahezu gleich starke Bündel zusammen einem Blatte entspringen. Je gröszer die Bündel auf unserem Querschnitte sind, desto näher liegt das zu ihnen gehörige Blatt; die dünnsten Stränge entspringen den entierntesten Blättern. Für den in Fig. 9 abgebildeten Querschnitt habe ich diese ziemlich zeitraubende Untersuchung nur soweit fortgesetzt als erforderlich war, um die Blattspuren der zwei nächstoberen Blätter unter den Gefäszbün- deln des Querschnittes ausfindig zu machen. Die des zweiten Blat- tes habe ich mit 2, 2a und 2b angegeben, wobei 2 die mittlere, 2a und 2b die beiden seitlichen Blattspuren sind. Zu bemerken ist, dasz der 1, Blattstellung entsprechend 2 diametral gegen- über der mittleren Blattspur des nächsten unteren Blattes 1 steht. Ueber den Verlauf der Blattspurstränge im Stengel habe ich noch einige Angaben nachzutragen. Aus der Thatsache, dasz jedes Blatt drei Spurstränge in den Stengel hinabsendet, und dasz der Stengelquerschnitt in der Regel 15 bis 17 Blattspuren ent- hält, folgt ohne Weiteres, dasz jede Blattspur sich über etwa 5 bis 6 Internodien abwärts von ihrem Blatte erstreckt. Da nun die blühenden Kleesprosse mehr als 5 bis 6 Internodien besitzen, so 128 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. reichen die Spurstränge ihrer obersten Blätter nicht bis zur Basis hinab, sondern endigen an einer höher oder tiefer gelegenen Stelle des Stengels. Dabei endigen sie nicht frei im Grundgewebe eines Internodiums, sondern gewöhnlich legen sie sich in einem Knoten einem benachbarten Strange an und verschmelzen mit diesem, ein - Umstand, der bei dem Studium des Strangverlaufes auf succes- siven Querschnitten durch einen Knoten sehr berücksichtigt wer- den musz. Gewöhnlich sind aber die unteren Enden der Spur- stränge so dünn, dasz sie leicht als solche erkannt werden können. Ueberhaupt nimmt die Dicke des Gefäszbündels von oben nach unten stetig ab, wie bereits aus den verschieden groszen Quer- schnitten dieser Organe in unserer Figur 9 ersichtlich ist. Wenn die Achselknospe eines Blattes sich zu einem Seitenspros- se entwickelt, enthält ihr unteres Internodium die Blattspurstränge der nächst-oberen 4 bis 5 Blätter. Diese Stränge treten in den Knoten des Hauptstengels über, und zwar in zwei Gruppen getheilt, welche seitlich von der mittleren Blattspur. des Tragblattes liegen. Sie verschmelzen aber noch innerhalb des Knotens mit einander und mit den benachbarten Bündeln des Stengels und sind also im rächst-unteren Internodium nicht zu finden. Nur dasz unter ihrem Einflusse das sekundäre Dickenwachsthum derjenigen Stränge, mit denen sie verschmolzen sind, gefördert wird. Demzufolge er- laubt in den älteren Theilen des Stengels die Grösze der Gefäsz- bündel unterhalb kräftiger Seitenzweige keine Antwort mehr auf die Frage, welchem der nächstoberen Blätter sie als Spurstränge angehören. Der anatomische Bau der Gefäszbündel im Stengel ist in den Hauptsachen derselbe, wie wir ihn für diese Organe im Blatte be- schrieben haben. Dieses kann uns auch nicht verwundern, weil die Gefäszbündel im Stengel ja einfach die Fortsetzungen der Stränge in den Blättern sind. In unserer Fig. 9 unterscheidet man in jedem Bündel, von auszen nach innen gehend, 1. die Bastsichel (b f.) auszen aus ausgewachsenen, innen aus jungen, noch Zucker führenden Fasern bestehend, und deshalb in der inneren Hälfte rothbraun gefärbt. Darauf folgt 2. der Weichbast (w b.) der wegen des Eiweiszgehaltes seiner Zellen mit violetter Farbe an- gegeben ist. Dann 3. das Holz (hlz.), in welchem man die Ge- fäsze als kleine Kreise erblickt, und endlich die innere Strang- scheide (s), welche aus langen, dickwandigen Fasern besteht. Die Krystallscheide, welche auch hier die Auszenseite und Innen- seite des Gefäszbündels bedeckt und reichlich mit Krystallen von BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 129 oxalsaurem Kalk gefüllt ist, konnte in der Figur nicht angedeutet werden. Ebenso wenig liesz sich zwischen dem Holz und dem Weichbast das kambiale Gewebe angeben. Der feinere Bau dieser Gewebepartien ist derselbe wie im Blatte. i Auch über das Grundgewebe und die Oberhaut ist wenig zu sagen. Die Oberhaut ist kleinzellig; die Zellen sind in den Inter- nodien gestreckt, doch nur wenig länger als breit; in der Nähe der Knoten sind sie fast gleich hoch wie breit. Spaltöffnungen und Haare kommen vor, jedoch in viel geringerer Anzahl als auf den Blättern. Bisweilen ist der Inhalt einzelner Gruppen von Epider- miszellen roth gefärbt, noch häufiger aber ist ein rother Farbstoff in der äuszersten Zellschicht des Rindenparenchyms abgelagert; in beiden Fällen erscheint der Stengel röthlich gefleckt. Das Rin- denparenchym ist kleinzellig und führt Chlorophyllkörner, es geht nach innen allmählich in das groszzellige, chlorophyllfreie Mark- gewebe über. In ausgewachsenen Internodien vertrocknet das Mark, häufig zerreiszt es, und wird der ganze Stengel hohl. Kehren wir zu den Gefäszbündeln zurück, um ihr nachträgliches Dickenwachsthum und ihre Vereinigung zu einem geschlossenen Holzcylinder zu betrachten. Sobald das Längenwachsthum eines Internodiums aufgehört hat, fängt das Dickenwachsthum seiner Gefäszbündel an; es bildet sich aus ihrem Kambium einerseits Weichbast, andererseits und hauptsächlich sekundäres Holz mit zahlreichen weiten in radialen Reihen angeordneten Gefäszen. Letztere sind porös, und die Querwände ihrer Glieder zeigen eine rundliche. Perforation. Sie sind selten vollständig grade, sondern meist etwas geschlängelt, und da die Holzfasern kurz und ziem- lich stumpf endigen, bietet das Holz auf Längsschnitten einen ganz anderen Anblick als das der echten, dikotylen Holzgewächse, wenn es diesem auf Querschnitten auch sehr ähnlich sieht. In den unteren Internodien des Stengels bildet sich zwischen den Gefäsz- bündeln allmählich ein interkalares Kambium aus, welches die Parenchymstreifen durchsetzt und so die kambialen Gewebe aller Gefäszbündel zu einem geschlossenen Kreise vereinigt (Taf. H Fig. 10). Auch dieses Kambium bildet nach auszen Weichbast, nach innen Holzgewebe. Ersterer ist in der zitirten Figur violett gefärbt (w b.), letzteres ist durch Schraffirung angegeben (i h.). Dieses interkalare Holz unterscheidet sich von dem sekundären Holz der Gefäszbündel in auffallender Weise dadurch, dasz es äuszerst arm an Gefäszen ist, und fast nur aus Holzfasern und 9 130 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. wenigen Holzparenchymzellen besteht. Mit zunehmendem Alter nimmt die Dicke des Holzringes häufig nicht unbeträchtlich zu. § 8. Die Stoffwanderung im Stengel. Die organischen Bildungsstoffe, welche wir im Stengel vorfinden, werden nur zu einem sehr unbedeutenden Theile in dem grünen Rindenparenchym neugebildet; weitaus zum gröszten Theile ent- stammen sie den Blättern. Wir haben schon gesehen, dasz diese, sobald sie ausgewachsen sind, dem Stengel fortwährend Bil- dungsstoffe zusenden, und dasz man das Eiweisz im Weichbast der Gefäszbündel, den Zucker und die Stärke im parenchymati- schen Grundgewebe von der Basis der Spreiten bis in den Stengel- knoten abwärts in der Regel ununterbrochen verfolgen kann. Die Richtung, welche die Bildungsstoffe im Stengel einschlagen, ist eine zweifache. Ein Theil bewegt sich abwärts, ein anderer Theil bewegt sich aufwärts. Welche von diesen beiden Richtungen vor- herrscht, hängt lediglich von der Intensität des Verbrauches ab. Die sich aufwärts bewegenden Nährstoffe dienen zum Wachsthum der jungen Stengeltheile und Blätter, später zu der Entwickelung der Blüthen und der Früchte und zur Aufspeicherung von Reserve- stoffen in den letzteren. Der übrige Theil wird dem Wurzelstocke und der Wurzel zugeleitet, um hier abgelagert und für ein späteres Wachsthum aufbewahrt zu werden. Quantitative Untersuchungen über diese Stoffbewegungen liegen nicht vor, doch scheint es, dasz im Groszen und Ganzen weitaus der gröszte Theil der aus den Blättern in die Stengel tretenden Bildungsstoffe der Wurzel zugeführt wird. In den unteren Internodien des Stengels kann man in der Regel den Zucker und die Stärke in ununterbrochener Schicht von den Blättern bis zum Wurzelstock verfolgen. Nicht selten aber fehlt der Zucker, in anderen Fällen fehlt die Stärke; sehr selten findet man dagegen ein ausgewachsenes Internodium leer. Der Zucker liegt vorzugsweise in dem äuszeren, kleinzelligen Gewebe des Markes und erstreckt sich von der Markkrone der Gefäszbündel nach Innen zu je nach Umständen mehr oder weniger weit in das Mark hinein. Der mittlere Theil ist fast stets leer, schon deshalb, weil er gewöhnlich Luft führt. Ist viel Zucker vorhanden, so er- füllt er auch das Rindenparenchym und zeigt dann die in der Fig. 10 durch die braune Farbe angegebene Verbreitung. Dagegen bildet das Rindenparenchym den Ort der hauptsäch- lichsten Stärkeablagerung; diese ist gewöhnlich damit dicht an- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 131 gefüllt. Von hier aus erstreckt sich die Stärke mehr oder weniger weit in das Parenchymgewebe zwischen den Gefäszbündeln oder auch in die äuszeren Theile des Markes hinein. Hier bildet sie häufig Stärkescheiden um die Markkronen der einzelnen Gefäsz- bündel herum, wie z. B. in Fig. 10 auf Taf. II. Auszerdem findet sich Stärke noch häufig in dem Holzgewebe der Stränge, zumal in den jüngeren Partien und in den Markstrah- len; diese Stärke ist hier wohl für den Verbrauch beim kambialen Dickenwachsthum bestimmt. Im Weichbaste der Stränge liegt das Eiweisz und zwar im Allgemeinen in um so gröszerer Menge, je jünger der betreffende Theil des Stranges ist; in sehr alten In- ternodien ist es häufig gar nicht mehr nachzuweisen. Es macht dann den Eindruck, als ob es bei der Thätigkeit des Kambiums vollständig verbraucht wäre. So viel über die Vertheilung der Bildungsstoffe in den ausge- wachsenen Stengelinternodien. Wir haben jetzt die Wanderung und den Verbrauch von Nährstoffen in den wachsenden Stengel- spitzen und in den jungen Sprossen zu beschreiben (Vergl. hier-. bei Taf. II Fig. 8.) Die jüngste Spitze des wachsenden Stengels, der sogenannte Vegetationskegel, besteht aus kleinzelligem, meristematischem Gewebe, dessen Zellen vollständig mit eiweiszartigem Inhalt er- füllt sind. Erst sobald die reihenförmige Anordnung der jugend- lichen Zellen sich deutlich ausgeprägt hat, und die Internodien sich von den Knoten zu differenziren anfangen, verschwindet all- mählich das Eiweisz, und treten an dessen Stelle Stärkekörnchen auf. Diese häufen sich bald in den Knoten so stark an, dasz letztere auf Längsschnitten in Jodlösung. sich als breite, dunkelbraune Querstreifen von den stärkeärmeren Internodien abheben. Der Knoten pflegt schon reich an Stärke zu sein, bevor dieser Körper in dem von ihm getragenen Blatte erscheint. Bald erfüllen sich nun auch die Internodien mit Stärke, doch bleiben sie daran immer ärmer als die Knoten, wohl deshalb, weil in ihnen wegen der rasch- eren Streckung fortwährend viel gröszere Mengen von Kohle- hydraten zur Zellwandbildung verbraucht werden müssen als in den Knoten. Die Gefäszbündelanlagen führen in diesem Entwicke- lungsstadium noch keine Stärke, sondern sind mit Eiweisz dicht erfüllt. In unserer Figur 8 sind sie also als violette Linien zu er- kennen. Auch die Anlagen der Seitenknospen enthalten nur Eiweisz. Sobald ddie Internodien die Länge von etwa 1 Cm. überschreiten, und also die Geschwindigkeit ihrer Streckung ansehnlich zunimmt, 132 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. fängt die Stärke in ihrem Gewebe an allmählich zu verschwinden: sie wird in viel gröszerer Menge zur Zellhautbildung verbraucht als neue aus den entfernteren Stengeltheilen angeführt wird. Während sie vorher das ganze Grundgewebe erfüllte, verschwin-- det sie jetzt zunächst aus dem innern Mark; bald darauf be- schränkt sie sich nur auf das Rindenparenchym und die Mark- scheide der Gefäszbündel. Dieser Zustand ist in unserer Fig. 9 in einem Querschnitt eines wachsenden Internodiums abgebildet. In der schematischen Figur 8 konnte dieser anatomischen Verbrei- tung der Stärke keine Rechnung getragen werden; es sollte dort nur die Anwesenheit dieses Kohlehydrates in den betreffenden. Internodien überhaupt dargestellt werden. Bie der weiteren Streck- ung wird nun auch die übrige Stärke verbraucht, zuerst diejenige, welche im Rindenparenchym und im inneren Theil der Stärke- scheide liegt; zuletzt wird häufig auch der äuszere, die Bastsichel bekleidende Theil der Stärkescheide entleert. Solche nahezu aus- gewachsene und fast ganz oder ganz leere Internodien trifft man häufig an; noch häufiger aber reicht die Assimilationsthätigkeit der von den Internodien getragenen Blätter um diese Zeit bereits hin, um ihnen neue Bildungsstoffe zuzuführen. Sobald. das Blatt ausgewachsen ist, fängt das Internodium wieder an, sich mit Nähr- stoffen zu erfüllen, welche nun bald sowohl als Zucker wie als: Stärke im Gewebe nachgewiesen werden können (Vergl. Taf. II Fig. 12 A). Die beschriebenen Vorgänge treten in Bezug auf die Ablagerung und das Verschwinden der Stärke ziemlich konstant und nur mit geringen, quantitativen Schwankungen auf; sie bleiben dieselben, ob man die jungen Sproszanlagen beim Anfange der Bestockung oder die Gipfeltheile älterer, noch nicht ausgewachsener Stengel untersucht. Ebenso fand ich bei der Wiederholung dieser Reak- tionen an frischen Sprossen im Mai, im Hochsommer und im Sep- tember keine wesentlichen Unterschiede. Ganz anders war das Verhalten des Traubenzuckers. Dieser tritt ausnahmslos in dem Strangscheiden der Gefäszbündel auf, so: lange die Fasern noch jung und dünnwandig sind; er wird hier, ebenso wie wir dies bei der Behandlung des Blattes gesehen haben, bei der Verdickung der Wand in Cellulose umgesetzt und als solche in-der Zellhaut abgesetzt. Dagegen tritt er im Grundgewebe häu- fig auf, fehlt aber auch häufig. Bei wiederholten, genauen Unter- suchungen im Hochsommer 1875 fand ich ihn nie im Parenchym der wachsenden Internodien; erst am Ende der Streckung, als die: BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 133 Blattstiele bereits längst sich mit neuen Bildungsstoffen gefüllt hatten, trat er auch in den Stengelinternodien auf. Ich habe dieses in den Figuren 8 und 12 dargestellt. Ganz anders waren die Re- sultate, welche ich in dem regnerischen Herbst des Jahres 1876 erhielt. Damals trat der Zucker bereits in den jüngsten, noch kaum 1 Mm. langen Internodien der neu austreibenden Sprosse auf, und war auf Längsschnitten von hier aus bis zu den ausge- wachsenen Theilen überall leicht nachzuweisen. Offenbar wurde er rascher aus der im Gewebe befindlichen Stärke erzeugt als er zum Wachsthum der Zellhäute verbraucht wurde, und es finden die Resultate der im Sommer 1875 angestellten Beobachtungen vielleicht ihre einfachste Erklärung in der Annahme, dasz damals, bei sehr raschem Wachsthum, der aus der Stärke entstehende Traubenzucker sofort zur Zellhautbildung verbraucht wurde, und er also keine Zeit hatte, sich so stark anzuhäufen, dasz er durch mikrochemische Reagentien nachgewiesen werden konnte. Aber welche die Ursache dieser Abweichungen auch sein möge, jeden- falls ist es wichtig, sie im Auge zu behalten, denn sie zeigen, dasz die auf mikrochemischem Wege nachweisbaren Stoffwanderungs- vorgänge je nach äuszeren Umständen sehr verschiedene sein können. Es erübrigt uns noch, einige weitere, beim Wachsthum der Internodien entstehende chemische Verbindungen zu erwähnen. In erster Linie den oxalsauren Kalk. Genau wie in den Blättern fehlt er den ersten Entwicklungsstadien der Internodien und häuft sich sowohl während des Wachsthums als auch im ausgewach- senen Zustand allmählig an. Er ist stets auf die Krystallscheiden der Gefäszbündel beschränkt, und nimmt also sowohl im Quer- -schnitt als auch im Längsschnitt nur einen sehr untergeordneten Platz ein. Ja man kann mit voller Sicherheit aus dem mikroskopi- schen Befunde schlieszen, dasz er in den Stengeln nur einen sehr unerheblichen Antheil an der gesammten Trockensubstanz nimmt, während er in den Blättern grade sehr stark hervortritt. Gerbstoff tritt in den jungen Internodien vorübergehend auf. So lange sie noch 2 Mm. lang oder kürzer sind, färbt sich ihr Ge- webe mit Eisenchloridlösung schwarzblau; bei zunehmendem Al- ter wird die Farbe immer blasser. Die Knoten färben sich etwas dunkler als die Internodien; die Gefäszbündel scheinen dagegen keinen Gerbstoff zu enthalten. Guayactinktur läszt in jungen, der Länge nach halbirten Sprosz- gipfeln des Rothklee’s die bekannte Blaufärbung eintreten, welche 134 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. gewöhnlich als ein Beweis für die Anwesenheit von Ozon be- 'trachtet wird. Internodien von 1 Mm. Länge färben sich dabei intensiv blau, solche von 3 Mm. nur noch blasz, und wenn sie eine Länge von 1 Cm. erreicht haben, tritt die Reaktion nur noch in der Nähe der Gefäszbündel mit Sicherheit auf. Ebenso zeigen junge Blattanlagen die Blaufärbung mit Guayactinktur, auch hier ist die ` Farbe um so intensiver, je jünger das Internodium ist; bald be- schränkt sie sich auf die nächste Umgebung der Gefäszbündel, um in älteren Blättern gar nicht mehr aufzutreten. Ich theile diese Beobachtungen nur der Vollständigkeit wegen mit und um Andere auf sie aufmerksam zu machen; vorläufig wage ich es nicht, aus ihnen irgend einen Schlusz zu ziehen. II. Die Wurzel. S 9. Die Verästelung des Wurzelsystems. Die Hauptwurzel der jungen Kleepflanze wächst im Anfange bis zu bedeutender Tiefe senkrecht abwärts, ohne sich dabei erheblich zu verzweigen. Erst zur Zeit, wo die Bestockung anfängt, beginnt auch das Wachsthum und die Verzweigung im Wurzelsystem lebhafter zu werden. Die Wurzelverzweigung folgt beim Klee gewissen Regeln, welche als Folgen des anatomischen Baues der "Wurzel zu betrachten sind. An der Hauptwurzel stehen die Neben- wurzeln in drei senkrechten Reihen, welche nach drei verschie- denen Seiten gerichtet sind. Gewöhnlich verlaufen diese Reihen parallel mit der Wurzelachse, bisweilen laufen sie schwach spira- lig um diese herum. Diese drei Nebenwurzelreihen fangen an der Grenze zwischen der Wurzel und dem Wurzelstocke an; in jeder Reihe sind die Wurzeln um so älter, je höher an der Hauptwurzel sie eingepflanzt sind. Der Wurzelstock oder der Wurzelhals, d. i. derjenige Theil, der aus dem hypokotylen Gliede der Keimpflanze Gurch nachträgliches Dickenwachsthum hervorgegangen ist, be- sitzt keine Nebenwurzeln, wenigstens keine normalen, den oben gedachten Reihen angehörenden. Bisweilen hat er Adventivwur- zeln, welche dann stets viel jünger als die obersten normalen Wurzelzweige sind. Er ist also immer leicht von der echten Wur- zel zu unterscheiden. ‚Die drei Reihen der Nebenwurzeln sind in jüngeren Kleepflan- zen meist deutlich zu erkennen, und lassen sich auch an älteren leicht auffinden, wenn man die sämmtlichen, reichverzweigten Nebenwurzeln bis auf kurze Stücke abschneidet. Je älter das Exemplar ist, um so weniger schön sind die Reihen der Neben- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 135 wurzeln; im Laufe der Entwickelung werden sie durch verschie- dene Umstände undeutlicher gemacht. Unter diesen sind seit- liche Verschiebungen der Wurzelzweige durch das Dickenwachs- thum der Hauptwurzel, das Absterben oder Zurückbleiben einzelner und die starke Entwickelung anderer Zweige, endlich die Entste- hung von Adventivwurzeln zwischen den Reihen zu erwähnen. Zumal die letzte Ursache macht die Reihen oft fast ganz unkennt- lich, namentlich, wenn die Adventivwurzeln üppiger gedeihen als die andern. ` Auszer diesem, von der Hauptwurzel ausgehenden System von Wurzelzweigen bildet die Kleepflanze in der Bestockungsperiode nun noch ein ganz anderes Wurzelsystem, das zwar bisher nie gehörig von dem ersteren unterschieden wurde, aber doch sowohl seinem Ursprunge als seiner eigenthümlichen Verbreitung nach durchaus von jenem verschieden ist. Ich meine die Adventivwur- zeln der Blattachseln. Am oberen Ende des kurzen, senkrechten Wurzelstockes befindet sich die Rosette der Wurzelblätter; in den Achseln dieser Wurzelblätter entwickeln sich die Knospen, aus denen die Sprosse hervorwachsen. Die Wurzelblätter stehen anfänglich in zwei Reihen, die späteren stehen allseitig. Ebenso ihre Achselsprosse, und die neben diesen aus dem Hauptstamme ent- springenden Adventivwurzeln. Die untersten, kräftigsten und am reichsten verzweigten dehnen sich nach zwei entgegengesetzten Richtungen aus, die höheren, jüngeren, meist weniger kräftigen nach allen Seiten. Diesem Wurzelsysteme liegt es ob, sich in den obersten Schichten der Krume auszubreiten und die seitliche Aus- dehnung des Wurzelwerkes zu vermitteln. Je lockerer und je feuch- ter diese Schichten sind, um so kräftiger entwickeln sie sich. Sie sind dicht mit langen Nebenwurzeln, und diese mit zahlreichen Wurzelfädchen besetzt. Auf einem dichtbestandenen Felde findet man oft in den oberen, zolldicken Schicht des Bodens einen dich- ten Wurzelfilz, welcher aus zahllosen Wurzeln zweiter und dritter Ordnung besteht 1), und durch die aus den Blattachseln entsprin- senden Nebenwurzeln und ihren Verästelungen gebildet wird. Auf schlecht bestandenem, in seiner Oberfläche krustenartig ver- härtetem Felde entwickelt sich dieses System nur schwach oder auch gar nicht. 1) Schumacher in Monatsschrift d. landw. Prov.-Vereins für die Mark Brandenburg, 1867, S. 190; citirt in Jahresbericht der Agrikulturchemie 1867, S. 83. 136 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Da diese oberflächlichen Nebenwurzeln stets aus den Knoten des Stammes entspringen, wenn auch grade diese Knoten durch die geringe Entwicklung der Internodien nicht scharf von einander getrennt sind, können sie als Knotenwurzeln bezeichnet werden, zum Unterschiede von den echten Wurzelzweigen, welche aus der Hauptwurzel selbst entspringen. Viel reichlicher als das System dieser Knotenwurzeln sind beim rothen Klee die Verästelungen der Hauptwurzel ausgebildet. Ihre Hauptmasse ist in der oberen 20—25 Cm. tiefen Bodenschicht, der Ackerkrume enthalten. In tiefere Schichten dringt nur eine relativ geringe Anzahl von meist schwachen Wurzelzweigen ein, und auch diese nehmen mit zunehmender Tiefe an Zahl und Stärke rasch ab. Auch die Pfahlwurzel ist unterhalb der genannten Tiefe nur noch fadendünn. Die gröszte Tiefe, bis zu weicher die Fäden des Rothklee's in günstigen Fällen noch hinuntergehen, wurden in den ausführlichen Untersuchungen Thiel’s 1) auf 2 Meter, die gröszte Breite, bis zu der sie sich in der Ackerkrume erstrecken, auf 1 M. Entfernung vom Wurzelstocke gefunden. Aus den Versuchen dieses Forschers entnehme ich folgende detaillir- tere Angaben über die Verbreitung der Kleewurzeln. Die Zahl der Wurzelfibrillen nimmt von der unteren Grenze der Ackerkrume mit zunehmender Tiefe stetig ab. Es wurden von Pflanzen, welche auf dem freien Lande in hinreichend groszen Entfernungen von einander gewachsen waren, im Herbste die Wurzeln schichtweise sehr vorsichtig ausgegraben und ausge- waschen, so dasz keine Verluste zu befürchten waren. Von 10 bis 10 Cm. wurde die Zahl der Wurzelfasern bestimmt. Es wurden z. B. bei einem Exemplare gefunden: In einer Tiefe von 25 Cm. 100 Wurzelfasern. ® i BEN 3 N 2 i AA E E ti N i A PAE 4 i si payi k AD 5 x S N aa g T h BEYRR PNB i ; j RR N? f 1) H. Thiel, De radicum plantarum directione et extensione, Bonn 1865; vergl. landw. Centralblatt 1870, II S. 349; referirt im Jahresbericht der Agrikulturchemie, 1870—72, S. 68—71. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 137 Bei einem zweiten Exemplare zählte man: In einer Tiefe von 35 Cm. 116 Wurzelfasern. 5 ER 05A 25 hi 39) 2) 95 79) 4 2) Und bei einer dritten Pflanze: In einer Tiefe von 30 Cm. 55 Wurzelfasern. > “ 50 '„..43 IR $ a TORS 0027 AR 5 yi 90:7 ,, 8 5 p » MONES 6 u Die Tiefe der Ackerkrume war in diesen Versuchen 25 Cm.; die Untersuchung erstreckte sich für jede Pflanze über einen Bodenquerschnitt von 900 Qu.-Cm. Die allertiefsten Wurzelfasern sind in der Regel solche, welche durch ein Loch im Boden Gelegenheit fanden, ungestört weiter zu wachsen. Solche Löcher hinterlassen z. B. die verfaulenden Baum- wurzeln; häufig sind es auch Thiergänge. Dasz diesen schwachen, vereinzelten Fäden für das Leben der Pflanzen keine wesentliche Bedeutung zukommt, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Es geht dies übrigens aus einzelnen, a. a. O. mitgetheil- ten Gewichtsbestimmungen der Wurzeln in verschieden tiefen Erdschichten hervor 1). Bis zu welcher Tiefe die Wurzelfasern sich noch wesentlich an dem Stoffwechsel in der Pflanze betheiligen und auf das Gedei- hen der oberirdischen Theile einen fördernden Einflusz ausüben, ist eine weitere, bis jetzt meines Wissens noch nicht mit genü- gender Schärfe beantwortete Frage. Dasz die 25—30 Cm. tiefe Ackerkrume nicht hinreicht, ist aus der landwirthschaftlichen Praxis allgemein bekannt; Jedermann weisz, dasz ein üppiges Kleewachsthum im zweiten Vegetationsjahr nur dann möglich ist, wenn auch der Untergrund dem Klee zusagt. Dem entsprechend fand Henneberg 2), dasz eine Schicht normalen, mit allen Nähr- stoffen in richtiger Qualität und Quantität versehenen Bodens von nur 1 Fusz Tiefe der Kleepflanze nicht genügt; der Klee ist für seine Entwicklung auf tiefere Bodenschichten angewiesen; mit einer Düngung, die nur auf 1 Fusz Tiefe hinabgeht, lasse sich bei 1) Auch wenn die Pflanzen in in die Erde gegrabenen senkrechten Thonröhren gezogen wurden, ergab die Untersuchung dieselben Resultate, vergl. hierüber die numerischen Angaben bei Thiel, a. a. O. 2) Die landwirthschaftl. Versuchsstationen, X, 1868, S. 93. 138 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. . ihm nichts Wesentliches ausrichten. Dagegen reiche es für die Entwicklung der Kleepflanzen in dem wirthschaftlich wichtigsten, zweiten Vegetationsjahr aus, wenn sie bis zu 21, Fusz Tiefe zu- sagenden Boden findet. In dieser Tiefe ist, nach den oben ange- führten, von Thiel ermittelten Zahlen, die Anzahl der Kleewurzeln auch schon eine so geringe, dasz es nicht wundern darf, wenn die tiefer gehenden Fäden keine wesentliche Rolle spielen. Auf die Verzweigung des Wurzelsystems üben bekanntlich die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Bodens einen sehr groszen Einflusz aus. Im Allgemeinen bildet sich das Wurzel- geflecht um so üppiger aus, je lockerer und je reicher an pflanz- lichen Nährstoffen der Boden ist. Demzufolge ist die Verzweigung eines Wurzelsystems nur dann eine gleichmäszige, wenn auch der Boden gleichmäszig bearbeitet ist; sobald dieser an einzelnen Stellen oder in einzelnen Schichten reicher oder ärmer an Nähr- stoffen ist als an anderen, zeigt sich der Einflusz dieser Ungleich- mäszigkeit auch in der Entwicklung des Wurzelnetzes 1). Dasz diese Regeln auch für den Rothklee Geltung haben, und bei der Kultur in künstlich vorbereitetem, aus verschiedenen ungleichar- tigen Schichten zusammengesetztem Boden sehr schön zum Aus- druck gelangen, ist von Nobbe gezeigt worden 2). 8 10. Das Einkriechen der Kleepflanzen in den Boden. Eine bis jetzt meines Wissens noch von keinem Forscher hervorge- hobene und doch sowohl in physiologischer als in biologischer Hin- sicht sehr wichtige Erscheinung ist das allmählige Hineinkriechen der Kleepflanzen in den Boden. Die Cotylen der Keimpflanze erheben sich zwar nur wenig über dem Boden, aber doch jedenfalls so viel, dasz auch das Federchen aus der Erde hervorragt. Aus die- sem Federchen entwickelt sich allmählig der ganze Stock der Pflanze, mit seinen zahlreichen Blättern und Sprossen. Dabei fin- det ein geringes und äuszerst langsames Längenwachsthum statt, wodurch die Endknospe allmählig weiter über den Boden hinaus- gehoben werden müszte. Dazu kommt, dasz im Laufe des Frühlings und des Sommers die Ackerkrume sich setzt, wobei ihre Oberfläche nicht unerheblich tiefer zu liegen kommt. Da nun die jungen Klee- pflanzen vorzugsweise in den tieferen Schichten der Krume wur- zeln, so müszte man nach allen diesen Erwägungen erwarten, dasz 1) Vergl. v. Seilern, Die Pflanzenernährungslehre, 1865, S. 48. 2) Landw. Versuchstationen, X, 1868, S. 94. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 139 ihre Wurzelstöcke allmählig aus dem Boden herausgehoben werden und immer mehr über die Oberfläche hervorragen müszten. Aber die Beobachtung lehrt, dasz grade das Gegentheil statt- findet. Je älter eine Kleepflanze ist, um so tiefer findet man ihren Stock im Boden versteckt. Häufig sind die Nebenblätter der Wurzelblätter ganz oder doch zum groszen Theile von der Erde bedeckt. Die Pflanze ist offenbar, allen oben erwähnten entgegen- stehenden Momenten zum Trotz, selbstthätig in den Boden hin- eingekrochen. Hier findet ihr Wurzelstock mit seiner zarten End- knospe und den zahlreichen Seitenknospen gegen allerhand schädli- che Einflüsse einen Schutz, den sie ohne diese Einrichtung nicht ha- ben würde. Es würde mich zu weit führen, wenn ich mich hier über die zahlreichen Vortheile verbreiten wollte, welche diese Einrichtung bietet; ich will nur die bessere Befestigung der Pflanze im Boden und die Verringerung der Gefahr des Auswinterns her- vorheben. Dieses Hineinkriechen in.den Boden findet seine Erklärung in einer bis jetzt ebenfalls noch nicht näher beachteten Eigenschaft der Wurzeln. Diese behalten nämlich, nachdem sie ausgewachsen sind, ihre Länge nicht bei, wie man gewöhnlich anzunehmen pflegt, sondern verkürzen sich fortwährend. Und dasz diese Ver- kürzung keineswegs eine unbeträchtliche ist, davon kann man sich durch direkte Messungen leicht überzeugen. Da solche Messungen meines Wissens bis jetzt noch von keinem Forscher angestellt wor- den sind, so sei es erlaubt, hier einige diesbezügliche, von mir mit Kleepflanzen angestellte Versuche zu beschreiben. Am 28. Juni 1876 grub ich eine grosze Anzahl junger, kräftig entwickelter Kleepflanzen vorsichtig aus der Erde aus und reinigte die Wurzeln in Wasser. Darauf wurden auf die Hauptwurzel feine Quermarken mit chinesischer Tusche in Entfernungen von je 5 oder 10 Mm. aufgetragen. Nachdem die Marken hinreichend abge- trocknet waren, wurde ein Theil der Pflanzen in guter Gartenerde in Töpfe eingepflanzt, ein anderer Theil wurde als Wasserkulturen in Glascylindern in der üblichen Weise aufgestellt. So blieben die Pflanzen im Zimmer am Südfenster während ungefähr 11, Monaten ihrem Schicksal überlassen; sie wuchsen während dieser Zeit langsam weiter und bildeten ein reichliches System von neuen Wurzelzweigen. Am 10. August wurden die Pflanzen aus den Töpfen und den Glascylindern herausgenommen, und wurde die Entfernung der Marken gemessen. j 140 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Ich erhielt bei den Wasserkulturen folgende Resultate: i Entfernung der Marken & DIE HFEINETBAEHE, der Aa am Haie sine Verki 1 2 Mm. 10 Mm. 2.5. Mm. 2 E ERE 1915; 1.20% 3 2.5 „ 10Mm.zw.d.1.u.2. Marke 15 ,„ TOi PAR TS UR LSU 4 Lay 10 Mm. LODES 5 NRS 19, 1292 6 054% Dre 0.58 7 0.325 De 0:53 Man sieht also, dasz ohne Ausnahme eine meszbare Verkür- zung stattgefunden hatte. Diese war sogar verhältniszmäszig sehr ansehnlich, da sie in den meisten Fällen 10 pCt., in einem Falle sogar 25 pCt. betrug. Es scheint, als ob die Verkürzung um so ansehnlicher war, je dicker die Wurzel, d. h. also je kräftiger das ganze Exemplar war. Zu demselben Resultate führten die Messungen, welche ich an den in Töpfen gezogenen Exemplaren anstellte. Sie ergaben Fol- gendes: Dick ntfernun r Marken À BE VEruehe. der ee ir a NErEBrEEREE 1 2 Mm. 15 Mm. 2.0 Mm. 2 PAGU E LONT LOSS 3 PRANE TORPE O:SUS 4 AAN LOW 1.07% 5 05; LONS 1o 6 AO Dim SAN DIE M 0.35, SAN 0.05 8 DD, ge OR Also auch hier ausnahmslos eine Verkürzung von etwa 10 pCt. Die angeführten Versuche sollen nur das Bestehen einer merk- baren Verkürzung auszer Frage stellen; wie grosz diese Verkür- zung in einem bestimmten Zeitraume oder auch überhaupt werden kann, ist eine weitere Frage, deren Beantwortung späteren Un- tersuchungen überlassen werden musz. Ich zweifle nicht, dasz man unter günstigeren Wachsthumsbedingungen in viel kürzeren Zei- ten meszbare Verkürzungen, ja vielleicht auch nicht unerheblich gröszere Werthe als die obigen erhalten wird. Die Eigenschaft des Einkriechens in den Boden, und der dieser verursachenden Verkürzung der Wurzeln ist keineswegs auf die BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 141 Kleepflanzen beschränkt. 1) Sie wurde schon von Fittmann 2) bei mehreren Gewächsen genau beschrieben und in ihrer biologischen Bedeutung richtig aufgefast. Er beobachtete sie bei Daucus Carota, Pastinaca, Petroselinum, Beta und Cichorium. Später wur- de diese Erscheinung von Irmisch 3) erwähnt, der zumal die Ver- kürzung der Wurzeln hervorhob und auch ihre Ursache zu erfor- schen suchte. Er zeigte, dasz z. B. an älteren Wurzeln von Pinellia (einer Aroidee) und Lilium Martagon die Rindenschicht mehr oder weniger deutliche Querrunzeln zeigt. Er folgerte hieraus, dasz das Gefäszbündel sich verkürzt und dadurch die Runzelung des Rindengewebes veranlaszt haben muszte. In der That war diese Runzelung eine passive, denn sobald das Gefäszbündel querdurch- schnitten und auf einer Strecke isolirt war, liesz sich die Rinden- schicht durch einfache Dehnung beträchlich strecken, und verlor sie dabei die Runzeln. Die Verkürzung der ausgewachsenen Wurzelpartien scheint schon sehr bald nach dem Aufhören des Längenwachsthums an- zufangen, denn sie wurde von Sachs bei seinen Untersuchungen über das Wachsthum der Wurzeln bei Vicia Faba in eben ausge- wachsenen Zonen beobachtet. 4) S 11. Bau und Stoffwanderung der Wurzeln. Der Querschnitt einer jungen Hauptwurzel (Taf. I, Fig. 7) zeigt uns einen centralen Holzkörper, der von dem Baste und der Rin- denschicht umgeben ist. Letztere ist nach Auszen durch eine we- nig entwickelte Korklage geschützt; die Oberhaut so wie die primäre Rinde, welche ursprünglich die Wurzel bekleideten, sind beim Dickenwachsthum abgestoszen worden. Das Holzgewebe zeigt im Allgemeinen einen sehr lockeren Bau. Grosze und kleinere poröse Gefäsze liegen meist in radiirenden 1) Die oben beschriebenen Versuche habe ich auch noch mit anderen Pflanzen, z. B. mit Zuckerrüben angestellt, und zum Theil noch auffallendere Resultate erhalten. Es ist hier aber nicht der Ort,‘ darauf näher einzugehen. 2) Fittmann, Botanisch-karpologische Bemerkungen, Flora 1819, Bd. II, S. 651. 3) Th. Irmisch, Beiträge zur vergl. Morphologie der Pflanzen, 5 Abth. Ueber einige Aroideen, Abh. d. Naturf. Ges. in Halle XII, 2, 1874, S. 11. Hier findet man auch einige ältere Literatur über diesen Gegenstand angeführt. 4) Sachs, Arbeiten des Botanischen Instituts in Würzburg, Bd. I, S. 419. Vergl. ferner van Tieghem, Ann. d. Sc. nat. 5 Ser. VI, 1866, citirt bei Schwendener, das Mechanische Prinzip, S. 125. 142 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Reihen geordnet, stellenweise auch ohne Ordnung zwischen ein- ander. Auf Längsschnitten zeigen sie sich aus sehr kurzen Glie- ‚dern zusammengesetzt, welche keineswegs zu graden Röhren verbunden sind, sondern ihr Verlauf ist gewöhnlich mehr oder weniger schief und gebogen. Den Raum zwischen den Gefäszen ‚erfüllen das Holzparenchym und die Holzfasern; ersteres ein dünn- wandiges, weitzelliges, in der Regel mit Stärkekörnern dicht an- gefülltes Gewebe, letztere lang, spindel- bis fadenförmig und mit fast bis zum Verschwinden des Lumens verdickter Wandung; sie verlaufen einzeln oder gruppenweise durch das Holzparenchym. Mehr noch als die reichliche Entwickelung des zartwandigen Holzparenchyms trägt die ansehnliche Ausbildung der Markstrah- len dazu bei, die Aehnlichkeit des Holzkörpers mit gewöhnlichem Holzgewebe zu einem äuszerst geringen zu machen. Den: ganzen Holzkörper durchziehen drei grosze, in unserer Figur 7 leicht kenntliche primäre Markstrahlen; sie entsprechen den drei primären Gefäszgruppen, welche vor Anfang des Dickenwachsthums auf dem Querschnitt der Wurzel sichtbar sind. (Vgl. Keimungsgeschichte des rothen Klee’s, Opera Ill, Taf. II, Fig. 16.) Mit ihnen korrespondiren ebenfalls die drei Reihen der Nebenwurzeln. Auszer den primären Markstrahlen sieht man noch zahlreiche sekundäre, welche im Laufe des Dickenwachsthums entstanden sind und also nicht vom Centrum ausgehen. Alle diese Markstrahlen sind breit, einige sogar sehr breit; nach auszen nehmen sie an Breite zu. Sie bestehen aus einem zartwandigen Parenchym, dessen Zellen nur wenig in der Richtung des Radius gestreckt sind, und sind gewöhnlich mit Stärkekörnern vollständig erfüllt. In ihren äuszersten, seitlich an cie Fasern des Holzgewebes grenzenden Zellen fand ich häufig Krystalle von oxalsaurem Kalk; meist lagen solche Krystall- führende Zellen gruppenweise zusammen. Die Krystalle haben dieselbe Form wie die im Stengel und in den Blättern; sie treten aber, so viel mir bekannt ist, nie in irgend erheblicher Menge auf. In der ganzen Wurzel fand ich sie nur in den Markstrahlen des Holzkörpers; im Baste fehlen sie. Einen sehr eigenthümlichen Bau zeigt der Bast. Er besteht aus einem zartwandigen Zellengewebe, welches von Gruppen von langen Bastfasern durchzogen wird. Indem er durch das kambiale Dickenwachsthum fortwährend in tangentialer Richtung gedehnt wird, wachsen nur seine parenchymatischen Zellen, nicht aber die einmal ausgebildeten Bastfasern nach. Auch ist das tangentiale Wachsthum des Bastparenchyms ein sehr unregelmäsziges. Die BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 143 Folge davon ist, dasz die Bastfasern stetig auseinander gezerrt werden, dabei in ihrer Mitte und an ihrem Ende nicht immer nach derselben Richtung oder mit derselben Kraft. Sie werden also mehr oder weniger gebogen, und ihre zerrissenen Gruppen zeigen auf Tangentialschnitten durch das Bastgewebe einen stark ge- schlängelten, oft netzartig anastomosirenden Verlauf. Diese un- regelmäszige Zerrung geht nicht selten soweit, dasz einzelne Bast- fasern oder Bastfasergruppen ganz oder doch zum Theil mit ihrer Längsachse in dem Querdurchschnitt der Wurzel zu liegen kom- men. Dies ist natürlich um so mehr der Fall, je entfernter vom Kambium man die Fasern untersucht, und je älter die Wurzel ist. Wenn der Wurzelhals aus der Erde hervorragt, so färbt er sich gewöhnlich unter dem Einflusse des Lichtes grün. Man findet dann das Chlorophyll hauptsächlich in den äuszersten Bastschichten, aber zum Theil auch noch in dem parenchymatischen Gewebe des Holzkörpers. Die Nebenwurzeln sind in ihrem Baue der Hauptwurzel um so ähnlicher, je kräftiger sie entwickelt sind. Die dünneren noch ver- zweigten Fäden sind zum Theil dreistrahlig wie die Mutterwurzel, zum Theil aber auch zweistrahlig, indem sie nur zwei primäre Markstrahlen und dem entsprechend nur zwei Reihen von Neben- wurzeln haben. Die feinsten Verzweigungen lassen im Querschnitt häufig keinen strahligen Bau mehr erkennen sondern ihr centraler Holzkörper besteht aus 2 bis 4 weiten Gefäszen, zwischen denen die Zwischenräume von Holzgewebe und höchstens noch einigen engen Gefäszen eingenommen ist. Die Verbreitung der organischen Bildungsstoffe im Wurzel- körper ist eine sehr übersichtliche. Man findet fast stets das Kam- bium und die jüngsten Schichten des Weichbastes mit Eiweisz, alles übrige Parenchym des Holzes und des Bastes mit Stärke dicht erfüllt. Dies zeigen sowohl die Hauptwurzel und die dickeren Wurzeläste als auch die dünneren, weiter von der Mutterachse ent- fernten Nebenwurzelzweige. Doch nimmt mit der Entfernung vom Stocke der Reichthum an Nährstoffen selbstverständlich ab, und die dünnsten Zweige werden nicht selten ganz leer gefunden. Zucker findet sich in der Wurzel stets in den jungen Bastfasern, so lange sie ihre Wandverdickung noch nicht beendigt haben; sie enthalten davon grosze Mengen, auch wenn im übrigen Gewebe gar kein Zucker nachweisbar ist. (Vergl. Taf. I. Fig. 2 b f; und Taf. II, Fig. 8 b f.) Diese Verbindung spielt hier dieselbe Rolle wie bei der Ausbildung der Bastfasern im Blatte und im 144 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Stengel, ich brauche also darauf hier nicht näher einzugehen. Auch in den jungen, noch dünnwandigen Holzfasern gelingt es nicht selten, Zucker nachzuweisen. Sonst fand ich in dem Wurzelgewebe nur im Frühling des zwei- ten Vegetationsjahres erhebliche Quantitäten von Zucker; im ganzen ersten Jahre, und im Sommer und Herbst des zweiten Le- bensjahres war entweder gar kein Zucker zu finden oder höchstens nur eine sehr geringe Menge in dem obersten Theile des Wurzel- halses, wo diese direkt als Fortsetzung des Zuckers in den Blatt- stielen und den Sprossen auftrat. Ebenso fand ich in den Neben- wurzeln keinen Zucker. Im Frühling des zweiten Vegetationsjahres dagegen, zur Zeit, wo eine rasche Bestockung und Blattbildung auf Kosten der im Wurzelkörper aufgespeicherten Nährstoffe statt- fand, war in allen parenchymatischen Gewebepartien des Wur- zelkörpers Zucker in erheblichen Quantitäten nachweisbar. Er fand sich im Rinden- und Bastparenchym, in den Markstrahlen und im Holzparenchym, mit einem Worte also in allen Stärke- führenden Zellformen. Er erstreckte sich nicht nur über den dicke- ren Theil der Hauptwurzel, sondern noch in einer Tiefe von 10 Cm.; auch in den dickeren Nebenwurzeln wurde er in allen Gewe- bepartien nachgewiesen, nahm aber mit der Entfernung vom Wur- zelhals an Menge ab. Offenbar war dieser Traubenzucker aus der Stärke entstanden, welche den Winter über im Wurzelkörper auf- bewahrt worden war, und jetzt zum Wachsthum der oberirdischen Theile verwandt werden muszte. Weil sie rasch und in ansehnli- cher Menge gelöst wurde, häufte sich der Zucker im Gewebe an, bevor er zu den wachsenden Organen geleitet werden konnte, und konnte deshalb durch die mikrochemischen Reagentien nachge- wiesen werden. Er erstreckt sich durch den Wurzelstock bis in die unteren Internodien der Sprosse hinauf. Es musz übrigens be- merkt werden, dasz nur ein verhältniszmäszig kleiner Theil der Reservestärke gelöst wurde, die gröszte Menge blieb als solche in der Wurzel zurück. Es erübrigt uns noch, die wachsenden Wurzelspitzen zu er- wähnen. In Bezug auf ihren Bau sowohl als auf die Vertheilung der in ihnen enthaltenen Reservestoffe verweise ich auf die Be- schreibung derselben Organe in der ausgewachsenen Keimpflanze (Opera III, S. 51—53) und auf die dort gegebenen Abbildun- gen. (ibid: Taf. II Fig. 11: u.r 12.) Nur ist Vzubemese ken, dasz die Wurzelspitzen der erwachsenen Pflanzen in ihrem Streckungsgewebe, also hinter der Stärkeführenden Zone nicht BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 145 selten Zucker im Parenchym nachweisen lassen. Ebenfalls fand ich in den jungen, noch wachsenden Wurzelhaaren Zucker. Auch in der Nähe von jungen Anlagen von Seitenwurzeln fand ich bis- weilen Zucker im Rindenparenchym. § 12. Die Wurzelknöllchen. Das Wurzelsystem einer kräftig entwickelten Kleepflanze be- sitzt zahllose kurze, knollenförmig verdickte Zweiglein, welche überall zerstreut sowohl auf den dickeren Stämmen als an den feinsten Fäden vorkommen. Diese Gebilde erreichen eine Länge von 1 bis 2 Mm. und sind meist cylindrisch oder eiförmig, nicht selten aber auch an ihrem freien Ende verdickt und mehr oder weni- ger handförmig getheilt. Gleich nach Beendigung der Keimungspe- riode, zur Zeit, wo sich das erste gedreite Blatt entfaltet, entstehen bereits die ersten Knöllchen; sie nehmen von diesem Augenblicke ab stets an Zahl zu und bleiben auch den Winter über in lebens- kräftigem Zustande. Von den gewöhnlichen Wurzelzweigen weichen sie durch ihr beschränktes Längenwachsthum und ihre ansehnliche Verdickung, ferner durch ihren reichen Gehalt an Bildungsstoffen ab. Sie entstehen in derselben Weise wie andere Wurzelzweige auf der Auszenseite des Fibrovasalstranges der sie tragenden Wurzel, durchbrechen aber das Rindenparenchym nicht, sondern bleiben sehr lange davon bedeckt, indem dieses wulstartig hervorwächst. Sie scheinen stets adventive Sprosse zu sein, da sie nicht in der normalen Reihenfolge der Nebenwurzeln angelegt werden. Man findet ihre ersten Anlagen an Wurzelfäden von 0.1 bis 0.2 Mm. Dicke, aber nicht selten auch an dickeren Zweigen. In ihrem Ju- gendzustande sind sie vollständig meristematisch und gänzlich mit. Eiweisz dicht angefüllt. Ihre Spitze verharrt zeitlebens in die- sem Zustande, der hintere Theil zeigt aber bald eine deutliche Differenzirung. Es trennt sich eine kleinzellige Rindenschicht von einem groszzelligen Marke, und auf der Grenze dieser beiden Ge- webepartien entstehen, im Kreise gestellt, junge Gefäszbündelan- lagen. (Vol Taf. I, Fig. 11.) Diese entspringen aus den Strängen der das Knöllchen tragenden Wurzel und verlaufen, all- mälig schwächer werdend, bis gegen die meristematische Spitze des Wurzelknöllchens. Nicht alle erstrecken sie sich gleich weit; so fand ich z. B. auf successiven Querschnitten durch ein Knöllchen anfangs 7, etwas höher 6 und in der Mitte nur noch 4 Stränge. In 10 146. WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. dieser Zeit beschränkt sich das Eiweisz auf die meristematische Spitze und die Gefäszbündel, das übrige, sich streckende Gewebe ist von Stärkekörnern anfangs dicht erfüllt. In dem Masze, wie die Stärke zum Wachsthum der Zellhäute verbraucht wird, verschwin-. det sie erst aus den hinteren, später auch aus den mittleren Theilen. In dem ausgewachsenen Zustande ist sie auf die Umgebung der Ge- fäszbündel beschränkt (Fig. 11). Dagegen füllt sich um diese Zeit das ganze Markgewebe allmählig wieder mit Eiweisz (Fig. 11). Dasz diesem Eiweisz eine ganz andere Rolle zukommt als demjenigen, welches wir in den jungen Knöllchen fanden, leuch- tet ohne Weiteres ein, wenn man bedenkt, dasz das letztgenannte zum Zweck der Protoplasmabildung beim Wachsthum der Knöll- chen verbraucht worden ist, während das ersterwähnte sich erst ansammelt, nachdem das Wachsthum bereits beendet ist. Ueber die Bedeutung dieses Eiweiszes werden wir unten noch ausführlich zu sprechen haben. Ich habe nur zu bemerken, dasz ich in allen Jahreszeiten bedeutende Quantitäten Eiweisz in den Wurzelknöll- chen fand. Während der Blüthezeit fand ich sie sehr voll; im Win- ter war das Eiweisz, obwohl überall im Gewebe vorhanden, nicht so reichlich; doch waren die untersuchten Exemplare keine sehr kräftige. Traubenzucker konnte ich in den Wurzelknöllchen nicht nachweisen, auch dann nicht, wenn er in dem das Knöllchen tra- genden Wurzelzweige reichlich vorhanden war. Ueber die biologische Bedeutung der Wurzelknöllchen herrschen die verschiedensten Ansichten. Am verbreitetsten war früher die Meinung, dasz es krankhafte Gebilde seien. Malpighi hielt sie für Gallen, wiewohl zweifelnd, da er weder Höhle noch Ei in ihnen fin- den konnte. A. P. de Candolle hielt sie für krankhafte Auswüchse, ohne eine bestimmte Ansicht über die Ursache ihrer Entstehung auszusprechen. Treviranus, 1) dem ich diese Angaben entlehne, wies diese irrigen Meinungen zurück, indem er sie für normale Or- gane erklärte. „Offenbar gehören sie zum gesunden Leben der zahlreichen Pflanzenspecies, bei denen wir sie regelmäszig finden, chne ein Merkmal darzubieten, wodurch wir berechtigt wären, jene für krank zu halten, indem sie im Verlaufe ihrer Lebensperio- de, zumal des Blühens und des Fructificirens, sich wie gesunde 1) Treviranus, Ueber die Neigung der Hülsengewächse zu unterirdischer Knollenbildung. Bot. Ztg. 1853, S. 393. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 147 verhalten.“ 1) Sie finden sich nur bei Papilionaceen, hier aber bei den meisten, wenn auch nicht bei allen Gattungen. So z. B. bei Anthyllis, Ervum, Faba, Galega, Lathyrus, Lotus, Lupinus, Medi- cago, Ononis, Ornithopus, Psoralea, Trifolium, Vicia; nicht bei Astragalus, Genista, Scorpiurus. Dieses spricht ohne Zweifel da- für, dasz sie normale Bildungen sind. So richtig diese Ansicht Treviranus’ war, so verfiel er doch andererseits selbst in einen Irrthum, als er die Wurzelknöllchen für knospenartige Gebilde hielt, ja sogar meinte, dasz einige Spezies (z. B. Ornithopus per- pusillus) sich durch sie vermehren könnten. 2) Die Unrichtigkeit dieser Meinung geht aus der anatomischen Untersuchung, zumal aus dem Befunde, dasz eine Knospenanlage den Knöllchen durch- aus abgeht, mit vollständiger Klarheit hervor. Auch ist die citirte Angabe Doody’s über die Vermehrung von Ornithopus durch Wurzelknöllchen von keinem Pflanzenphysiologen bestätigt wor- ‚den. Eine andere Ansicht, dasz die Wurzelknöllchen Lenticellen seien, wurde von Clos3) aufgestellt; der Umstand, dasz sie Ge- fäszbündel führen, läszt eine eingehende Widerlegung dieser Mei- nung als überflüssig erscheinen. Am verbreitetsten findet sich in der Literatur die Ansicht, dasz die Knöllchen Wucherungen seien, welche durch parasitische Pilze verursacht würden. So giebt Woronin 4) an, dasz er in den Wur- zelknöllchen der Lupine, in den Zellen des Markes stäbchenför- mige Organismen beobachtet hat, welche den Bacterien ähnlich ‘waren. So viel aus dem citirten Referate ersichtlich ist, betrachtet er diese Parasiten als die Ursache der Wurzelanschwellungen. Endlich führe ich noch eine erst vor wenigen Jahren erschienene ‚Abhandlung von Erikssen an 5). Dieser will in den Knöllchen bei mehreren Arten ganz konstant, äuszerst feine Pilzhyphen gefun- den haben, zumal in der meristematischen Spitze. Diese Hyphen sollen von auszen eingedrungen sein und die Entstehung der Knöllchen veranlassen. Doch scheinen sie nicht die einzige Ur- 1) Ebendaselbst, S. 395. 2) Ebendaselbst, S. 396. Als Autorität für diese Angabe wird D. Doody, nach Dillenius (Raji Syn. Ed. Ill, 326) citirt. 3) Ann. Sc. nat. 3. Serie, XIII, 18, citirt bei Treviranus ebendas., S. 395. 4) Woronin, Ueber die bei der Schnayerle und der gewöhnlichen Gar- tenlupine auftretenden Wurzelanschwellungen, 1866. Vergl. das Referat in der Bot. Ztg. 1866, S. 329. 5) Erikssen, Studier öfver Leguminosernas rotknölar 1874, referirt in Bot. Ztg. 1874. S. 381. 148 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. sache der Wucherung zu sein, denn auch er fand in den Zellen des Markes stäbchenförmige Gebilde, welche sich, nachdem sie aus den zerschnittenen Zellen befreit waren, im Wasser mit groszer Lebendigkeit bewegten. Auch beim Rothklee habe ich sowohl Bacterien-ähnliche Gebilde als auch Pilzhyphen in den Knöllchen beobachtet, ich habe mich aber nicht überzeugen können, dasz sie zu der Entstehung der Knöllchen in ursächlicher Beziehung ste- hen; ich halte sie im Gegentheil für nachträglich eingedrungen. Denn alle die bis jetzt angeführten Meinungen werden durch die anatomische Untersuchung und das Studium der Entwickelungs- geschichte, wie wir sie oben gegeben haben, sowie durch eine vorurtheilsfreie Betrachtung ihres regelmäszigen Vorkommens bei zahlreichen Arten von Papilionaceen und ihrer Anwesenheit in allen Entwickelungsstadien so vollständig widerlegt, dasz wir den Satz, dasz die Knöllchen einfach verdickte adventive Wurzel- zweige mit beschränktem Längenwachsthum sind, als vollständig gesichert betrachten dürfen. Sind nun diese Gebilde normale und nothwendige Organe un- serer Pflanzen, welche ist dann die Rolle, die sie in der Oekonomie des Pflanzenlebens zu spielen haben. Hierüber findet man in der Literatur einige gelegentliche Bemerkungen, welche die Wurzel- knöllchen in Beziehung zu der Stickstoffaufnahme durch die Wur- zeln bringen. Ueber die Art der Betheiligung an dieser Funktion gehen die Ansichten noch auseinander. Einige betrachten sie als Organe für die Aufnahme, andere als Organe für die Aufspeicherung stickstoffhaltiger Nährstoffe 1), Eine eingehende Begründung der einen oder der anderen dieser Ansichten ist mir bis jetzt nicht be- kannt geworden. Es lassen sich eine Reihe von Argumenten anführen, welche alle dafür sprechen, dasz die Wurzelknöllchen sich sowohl bei der Aufnahme anorganischer stickstoffhaltiger Nährstoffe als bei der Verarbeitung dieser zu organischen Bildungsstoffen betheiligen, wobei letztere dann zunächst in ihnen aufgespeichert werden, um später den übrigen Theilen der Pflanze zugeführt zu werden. In erster Linie ist hier der Befund unserer mikrochemischen Analysen hervorzuheben, durch welche festgestellt ist, dasz in den Wurzelknöllchen, nachdem sie das ihnen von der Mutterpflanze überlieferte Eiweisz zum Wachsthum vollständig verbraucht ħa- ben, und ihr Gewebe zum gröszten Theile leer von Eiweisz ge- 1) Vergl. Nobbe in Landw. Versuchsstat. 1868, S. 98, Note, auch Rautenberg und Kühn, ebendas., 1864, S. 359. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 149 worden ist, neues Eiweisz sich bildet und anhäuft und während des ganzen Lebens der Knöllchen in ihnen in gröszerer oder ge- ringerer Quantität nachweisbar ist. Diese Neubildung von erheb- lichen Quantitäten Eiweisz in einem ausgewachsenen Markgewebe ist eine neue und meines Wissens isolirt dastehende Erscheinung. Sonst beobachtet man das Eiweisz in den meristematischen Ge- weben und im Weichbast der Gefäszbündel; es ist ausschliesz- lich auf diese Gewebepartien beschränkt. Nur in Reservestoffbe- hältern findet es sich bisweilen auch im ausgewachsenen Grund- gewebe in gröszerer Menge. Wir dürfen hieraus schlieszen, dasz diese mikrochemisch nachgewiesene Produktion und Ablagerung von Eiweisz zu den wesentlichen Funktionen der Wurzelknöllchen gehört. Und dasz der Zweck dieser Ablagerung der Verbrauch an anderen Orten des Pflanzenkörpers sein musz, daran kann schon deshalb nicht gezweifelt werden, weil das Eiweisz in den Knöll- chen selbst keine Verwendung finden kann. Steht es nun also fest, dasz eiweiszartige Stoffe in den Wurzel- knöllchen abgelagert werden, so bedarf die Behauptung, dasz diese hier aus den direkt aus dem Boden aufgenommenen anor- ganischen Stoffen gebildet werden, noch der weiteren Begründung. Dasz eine solche Neubildung von Eiweisz in den Wurzelknöllchen möglich ist, leuchtet sofort ein, wenn man die dazu erforderlichen Bedingungen erwägt. Chemischerseits sind dies die Anwesenheit von einer organischen, stickstofffreien Verbindung, von anorgani- schen Stickstoffverbindungen und von schwefelsauren Salzen. Die erstere ist stets als Stärke in den Wurzelknöllchen vorräthig, wie die mikrochemische Untersuchung lehrte; die beiden letzteren werden fortwährend von den Wurzeln aus dem Boden aufgenom- men, und also auch, falls die Knöllchen sie selbst nicht aufnehmen sollten, ihnen doch auf kürzestem Wege zugeführt. Physiologi- scherseits sind uns die Bedingungen der Eiweiszbildung unbe- kannt, wir wissen nur, dasz sie im Dunklen vorsichgehen kann. So- weit wir die Bedingungen der Eiweiszbildung also kennen, sind sie in den Wurzelknöllchen gegeben. Die Wurzelknöllchen kommen ausschlieszlich bei Papiliona- ceen vor, also grade bei derjenigen Familie, deren kultivirte Arten alle anderen Kulturpflanzen in dem Vermögen der Stickstoffassi- milation weit überragen. Es ist bekannt, dasz alle landwirthschaft- lichen Gewächse die geringen Ammoniakmengen, welche die At- ınosphäre stets enthält und der Bodenluft und dem Boden zu- führt, mehr oder weniger aufzunehmen und zu verwerthen ver- 150 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. mögen, dasz aber nur die Kleepflanzen ihren Stickstoffbedarf voll- ständig aus dieser Quelle schöpfen können. Andere Pflanzenarten müssen zu einer normalen Entwickelung auch noch weitere Mengen verbundenen Stickstoffs im Boden vorfinden; die kleeartigen Ge- wächse brauchen dies nicht, wenn sie auch in einem stickstoff- haltigen Boden ein üppigeres Wachsthum zeigen als in stickstoff- freien Böden 1). Dieses weist bereits deutlich auf eine Beziehung der Wurzelknöllchen zur Stickstoffaufnahme hin. Wären die Knöllchen nur Aufspeicherungsorgane, so würde man erwarten müssen, dasz sie nur den perennirenden Arten zu- kommen. Dem ist aber nicht so, auch die einjährigen Gewächse, wie z. B. Lupinen, Vicia Faba, Wicken u. s. w. besitzen sie. Dazu kommt, dasz sie schon gleich nach beendigter Keimung auftreten, zu einer Zeit also, wo eine rasche Aufnahme von anorganischen Stoffen stattfinden musz, ohne dasz noch Gelegenheit für Ablage- rung von Reservenährstoffen da wäre. Zum Schlusse noch ein letztes Argument. Wäre die Aufspeiche- rung Hauptzweck der fraglichen Organe, und nicht die Neubildung von Eiweisz, so müszte man erwarten, dasz sie da, wo der Pflanze viel Stickstoffverbindungen zur Verfügung stehen, am reichlichsten entstehen würden, während ihre Bildung bei Stickstoffmangel sehr gering sein oder gar gänzlich unterbleiben müszte. Obgleich diese Frage noch nicht experimentell entschieden ist, so sprechen doch die bis jetzt bei Wasserkulturen gemachten Erfahrungen dafür, dasz das Gegentheil der Fall ist. Von mehreren Wasserkulturen des Rothklee’s, welche ich in den Sommern von 1875 und 1876 in stickstoffreichen Nährstofflösungen erzog, und von denen ein Theil es zur normalen Ausbildung von Blüthen und Samen brachte, entwickelten fünf Pflanzen gar keine, und ein Exemplar nur Spuren von Wurzelknöllchen. Dagegen machten einige in stickstoffarmer Lösung sich nur kümmerlich entwickelnde Exemplare viele Wur- zelknöllchen von normalem Aussehen. Dieselbe Erfahrung machten Rautenberg und Kühn mit Vicia Faba; auch diese Pflanze bil- dete nur in stickstofffreien, nicht aber in stickstoffhaltigen Nähr- stofflösungen Wurzelknöllchen aus 2). Bestätigt sich diese Er- fahrung auch bei Bodenkulturen und bei im Freien gewachsenen Exemplaren, so weist dies deutlich auf eine Beziehung der Wur- 1) Vergl. z. B. Heiden, Die landwirthschaftlichen Versuchsstationen,, Leipzig 1874, S. 16. 2) Rautenberg und Kühn, Landw. Versuchsstationen, VI, S. 358. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 151 zelknöllchen zur Aufnahme von äuszerst geringen Spuren von Stickstoffverbindungen hin. Nach diesen Erörterungen glaube ich die Meinung, dasz die Wurzelknöllchen sich bei der Stickstoffaufnahme zumal dadurch betheiligen, dasz sie einen Theil der aufgenommenen Stickstoff- verbindungen sofort in eiweiszartige Stoffe umsetzen und dadurch eine sehr intensive Ausnutzung der geringen Mengen von Stick- stoffverbindungen, welche die Atmosphäre dem Boden zuführt, ermöglichen, für die wahrscheinlichste Ansicht über ihre Rolle halten zu dürfen. Ich behalte mir vor, später neue experimentelle Bestätigungen für sie zu liefern. IV. Blüthen- und Samenbildung. § 13. Die blühende Blüthe. Die Blüthen sind beim Rothklee zu Köpfchen vereinigt, welche in den Blattachseln der Sprosse oder an deren Zweigen stehen. Terminale Blüthenköpfchen kommen zwar scheinbar, aber nicht in Wirklichkeit vor. Am oberen Ende des Stengels findet man in der Regel zwei, fast in gleicher Höhe eingepflanzte Stützblätter (Vergl. Taf. III, Fig. 13), welche ein oder zwei Köpfchen um- geben. Die beiden Stützblätter gehören zwei verschiedenen Kno- ten an, das sie trennende Internodium bleibt in der Regel äuszerst kurz. Die Blüthenköpfchen stehen in den Achseln dieser beiden Stützblätter; nicht selten fehlt eines; dann ist nur das Köpfchen des unteren Stützblattes ausgebildet. Gewöhnlich ist die Haupt- achse oberhalb des zweiten Stützblattes als ein kleines Köpfchen sichtbar; bisweilen wird dieser rudimentäre Theil etwas gröszer und rägt noch ein drittes, aber steriles Stützblatt. 1) In der Infloreszenz stehen die Blüthen nahezu ungestielt in den Achseln von kleinen Bracteen. Jede Blüthe ist von einem grünen, schmalglockenförmigen Kelche umgeben, der an seinem Rande fünf lange schmale, borstigbehaarte Zipfel trägt (Taf. III, Fig. 15 k). Die Blüthenkrone ist in ihrem weiteren Theile röhren- förmig; alle Theile sind mit einander verwachsen. Am vorderen Ende dieser 9 bis 10 Mm. langen gemeinsamen Röhre sondern sich nun die Fahne (f), das Schiffchen (car) und die Flügel (fl) 1) Th. Irmisch, Ueber die Anordnung der Blüthenstände bei einigen Kleearten, Bot. Ztg. 1849, S. 513, wo auch eine Uebersicht über die Abwei- chungen, welche die Anordnung der Blüthenstände zeigen kann, gegeben wird. 152 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. ab. Die beiden ersteren sind mit breiter Basis an die Röhre befes- tigt und gehen unmerklich in diese über; die beiden Flügel tren- nen sich von der Röhre mit dünnen Stielen los und besitzen an ihrem unteren Ende je eine blasige Anschwellung, mit der sie die Staubfadenröhre von oben umschlieszen. Diese letztere ist eben- falls am vorderen Ende der Kronenröhre eingepflanzt; sie be- steht aus neun Staubfäden, deren unterer Theil zu einer oben offe- nen Rinne verwachsen ist, während die oberen, etwas verdickten Enden frei sind und sich in der Blüthe mehr oder weniger aufwärts krümmen. Der zehnte Staubfaden ist im Grunde der Blüthen- röhre eingepflanzt und durchläuft diese, um sich an ihrem oberen Ende auf die Oeffnung der Rinne der übrigen Staubfäden zu legen. Die Staubbeutel sondern eiförmige Pollenkörner ab, deren äuszere Haut gekörnt ist und drei Falten und drei Poren zeigt, und welche in Wasser zu dreistreifigen, mit Warzen bedeckten Kugeln an- schwellen. 1) Der Fruchtknoten steht im Grunde der Blüthenröhre auf dem Blüthenboden eingepflanzt; er ist einfächerig und zweisamig und geht nach oben in einen langen Griffel über. Dieser ist an seinen Enden gekrümmt und so lang, dasz die knopfförmige Narbe über die Staubbeutel hinausragt. (Vergl. Fig. 15.) Die Samenleiste, welche die beiden Samenknospen trägt, liegt der Oberseite der Blüthe zugekehrt, die Samenknospen wenden ihre Mikropyle der Mün- dung des Griffelkanals in dem Fruchtknoten zu. Zu erwähnen bieibt noch, dasz die Basis der Blüthenkrone, rings um dem Frucht- knoten herum, auf ihrer Innenseite den Honig absondert, welcher bekanntlich von zahlreichen Insekten gesammelt wird. Diese kurze Beschreibung wird zur Orientirung über den Bau der Blüthe und zum Verständnisz dessen, was wir später über die Stoffwanderung in ihr mitzutheilen haben werden, genügen. Eine sehr schöne und ausführliche Beschreibung der Blüthe des Roth- klee’s mit Erläuterung der Einrichtungen, welche in ihnen die Frem- bestäubung durch Insekten sichern, gab Hermann Müller in seinem Werke Ueber die Befruchtung der Blumen durch Insekten (Leipzig 1873, S. 222). Indem ich auf diese Beschreibung für alle Einzel- heiten verweise, beschränke ich mich hier auf die Mittheilung, dasz die Bienen und Hummeln den Rüssel durch die vordere Oeffnung der Blüthe, zwischen der Spitze des Schiffchens und der Fahne in die Röhre stecken, um von da aus den Honig im Grunde der Röhre zu erreichen. Dabei berühren sie mit der Unterseite des Kopfes 1) Mohl, Ueber den Bau der Pollenkörner, Bern. 1834, S. 65. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 153 die Narbe und die Staubfäden. Der Blüthenstaub der letzteren bleibt nun zwischen den Haaren des Kopfes hängen und kann ent- weder in denselben oder in einer anderen Blüthe auf die klebrige Narbe gelangen und von dieser zurückbehalten werden. 1) Dasz dabei, weil die Bienen von der einen Blüthe zur andern fliegen, fortwährend Fremdbestäubung stattfinden wird, leuchtet ohne Wei- teres ein. Wie wichtig die Mithülfe von Insekten für die Bestäubung des Klee’s ist, lehrten die Versuche Darwin’s 2) in denen er 100 Blü- thenköpfchen mittelst eines Netzes gegen Insektenbesuch schütz- te; diese Köpfchen setzten keinen einzigen Samen an, während hundert andere Blüthenköpfchen, welche von Bienen besucht wur- den, etwa 2720 Samen gaben, welche zusammen 68 Gramm wogen. Dasselbe lehrten mich einige Versuche, welche ich im Sommer 1875 anstellte. Einige Kleepflanzen wurden im Zimmer hinter einem Südfenster gezogen; sie blühten reichlich, setzten aber gar keinen Samen an. Als eine grosze Anzahl von Köpfchen verblüht war, wurden die Pflanzen jetzt in’s Freie in einem blühenden Kleefelde gestellt. Hier konnten sie von Insekten besucht werden, während im Zimmer den Insekten der Zugang unmöglich gewesen war. Alle Köpfchen, die jetzt aufblühten, trugen reichlich Früchte. Demnach können die Blüthen entweder sich selbst nicht bestäu- ben oder es führt wenigstens die Selbstbestäubung nicht zur Be- fruchtung. Da ich in einigen Fällen, wo ich eine künstliche Be- stäubung der Blüthen mit ihrem eigenen Pollen vornahm, keine Samen erzielte, bin ich geneigt, die letztere Möglichkeit für wahr- scheinlich zu halten. § 14.. Die Stoffwanderung bei der Entwickelung der Blüthe und der Frucht. Die jungen Blüthenanlagen treten zuerst als kleine, halbkuge- lige Höcker auf der Spindel der Infloreszenz hervor. In diesem Zu- stande ist das Gewebe jener Anlage sowie der ganzen Spindel meristematisch und mit Eiweisz dicht erfüllt. Während nun beide Theile heranwachsen, fangen die Zellen der Spindel an, Stärke 1) Eine Liste der Insekten, welche die Blüthe des rothen Älee’s besuchen und bestäuben, findet man bei Müller, a. a. O., S. 223; ferner bei de Vries in Nederl. Kruidkundig Archief II, 1875, S. 69. 2) Darwin. The effects of Cross. and Selffertilisation. Lond. 1876. S. 361. Hier finden sich auch einige Angaben über den Honigraub, welchen Hummeln und Bienen durch selbstgemachte Löcher in der Blüthenkrone Zu verüben pflegen. 154 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. in sich abzulagern; bald ist das Rinden- und Markparenchym dicht voll Stärke; die Gefäszbündelanlagen und ebenso die Anlage der Blütchen führen auch jetzt nur Eiweisz. In den letztern wird keine Stärke abgesetzt, bevor die verschiedenen Organe differen- zirt sind; dann füllen sich der Kelch, die Krone, die Staubfäden und das Pistill damit. Am längsten bleiben die Samenknospen mit Eiweisz erfüllt. In jedem einzelnen Organe setzt die Stärke sich zur Zeit der raschesten Streckung in Zucker um, der dann zur Zellhautbildung verbraucht wird. Betrachten wir zunächst das in Fig. 14 auf Taf. III abge- bildete Stadium. Die Figur stellt die eine Längshälfte einer Blü- thenknospe dar, deren Krone erst vor kurzer Zeit den Kelch durch- brochen hat, aber noch zwischen den Zipieln ihres eigenen Kelches und denjenigen der benachbarten Blüthen versteckt ist. Die Krone ist in diesem Zustande noch weisz, würde aber bald roth geworden sein. Sie streckt sich zu dieser Zeit sehr rasch. Die Staubfäden und der Griffel sind noch sehr klein, ihre rasche Streckung hat noch nicht angefangen. Die Staubbeutel, die Narbe und der Fruchtkno- ten sind dagegen verhältniszmäszig sehr grosz. Die Samenknospen sind bereits nahezu vollständig entwickelt. Die mikrochemische Analyse solcher Blüthenknospen hat nun ergeben, dasz der Kelch, welcher nahezu ausgewachsen ist, weder Stärke noch Zucker in irgendwie erheblicher Menge enthält; nur an seiner Basis, wo er auf den Stärkeerfüllten Blüthenboden eingepflanzt ist, enthielt auch er Stärke. In der Krone war, mit Ausnahme des Basaltheiles, bereits alle Stärke in Traubenzucker umgesetzt; diese erfüllte alle Zellen in leicht nachweisbarer Menge. Dagegen hatte in den Ge- schlechtsorganen die Lösung der Stärke noch nicht angefangen. In den Samenknospen war im Kerne noch reichlich Eiweisz nach- weisbar. Während der nun folgenden Streckung der Krone, der Staubfäden und des Griffels nimmt die Menge des Zuckers in ersterer stetig ab; dieser Körper findet sich aber während der Blüthe, ja sogar nach dem Verblühen, wenn die Krone anfängt abzuwelken, noch über- all in geringer Menge in ihrem Gewebe. Nicht so reichlich ist er in den Geschlechtsorganen vorhanden. Hier wird er zwar aus der Stärke gebildet, verschwindet aber bis zur Vollendung des Wachs- thums vollständig (Taf. II, Fig. 15); diese Theile fand ich also während der Blüthezeit leer. Nur in der Fruchtwand und in čen Samenknospen sind jetzt die Bildungsstoffe nachzuweisen. So leer, wie der Kelch in unseren Figuren dargestellt ist, fand BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 155 ich ihn zwar meist, doch nicht ausnahmslos. Bisweilen enthielt er deutlich nachweisbare Quantitäten Zucker, ja in der Umgebung der Nerven und in den Stomazellen waren äuszerst geringe Spu- ren von Stärke noch bei gehöriger Vorbereitung der Präparate aufzufinden. Die Krystallscheiden seiner Nerven enthielten stets viel oxalsauren Kalk. Während die Blüthen diese Stadien durchlaufen, findet in der Achse der Infloreszenz eine fortwährende Bewegung von Bildungs- stoffen aus den tiefergelegenen Stengeltheilen nach den Blüthen statt. Alle Theile des Grundgewebes führen Zucker, sowohl die Rinde als das Mark, mit alleiniger Ausnahme der luftführenden Zellen des centralen Markes im unteren Theil der Spindel. Zu- mal da, wo eine Blüthe eingepflanzt ist, zeigt sich der Zucker reichlich im Rindenparenchym und erstreckt sich von hieraus durch das kurze Stielchen der Blüthe bis in den Blüthenboden hin- ein. Auch die jungen Bastfasern enthalten, wie gewöhnlich, Trau- benzucker. Dagegen ist die Stärke jetzt schon zum gröszten Theile gelöst und findet sie sich nur noch in den Stärkescheiden, rings um die Gefäszbündel herum. Im Weichbaste dieser Bündel ist das Eiweisz ziemlich deutlich nachweisbar. (Vgl. Taf. III, Fig. 13.) Nach der Befruchtung verwelkt die Corolle mit den Staubfäden und dem Griffel, und die Frucht entwickelt sich weiter. Eine von den beiden Samenknospen verkümmert in der Regel, die andere wächst zum einzigen Samen der reifen Frucht heran. Dabei verschwindet bald die Stärke aus der Fruchtwand und aus dem Fusze des Griffels, der auf der Frucht zurückbleibt und zu einer harten Spitze wird (Taf. II, Fig. 16g). Stärke findet sich nur in der Umgebung desjenigen Gefäszbündels, welches durch die Fruchtwand und den Samenstrang in den jungen Samen führt. So- bald im Samen der Keim deutlich zu erkennen ist, führt dieser Eiweisz, während das ihn umgebende Endosperm mit Stärke an- gefüllt ist. Um diese Zeit verschwindet die Stärke auch aus der Samenschale allmälig. Von jetzt an wächst hauptsächlich nur noch der Keim, der all- mählig das Endosperm bis auf einen ganz kleinen Ueberrest ver- drängt und es dabei fast vollständig aussaugt. Im Keim differen- ziren sich die Cotyledonen, die Plumula und das Würzelchen. Die Lage des Keimlings in der Blüthe ist dabei eine ganz bestimmte. (Vgl. Fig. 16, in der die Unterseite der Blüthe durch den längeren Kelchzipfel (p.) leicht kenntlich ist.) Das Würzelchen ist der Oberseite der Blüthe zugekehrt und wendet seine Spitze nach dem 156 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Blüthenboden. Die beiden Cotylen liegen also links und rechts in der Blüthe. In diesem Entwickelungszustande beobachtete ich folgende Vertheilung der organischen Nährstoffe (Vergl. Taf. III, Fig. 16). Der Stiel und die Spindel der Infloreszenz enthielten noch stets viel Zucker, etwas Stärke in der Stärkescheide der Gefäsz- bündel und Eiweisz im Weichbaste. Der Kelch war noch grün und enthielt jetzt ziemlich viel Zucker; dagegen war die Corolle völlig abgestorben. Die Fruchtwand und die Samenschale waren leer und in ihren anatomischen Eigenschaften nahezu fertig ausgebil- det, obgleich noch sehr saftig und noch nicht völlig ausgewachsen. Die äuszerste Schicht des Endosperms, welche auch im reifen Samen eiweiszhaltig ist, führte diesen Körper auch jetzt; die inne- ren Partien des Endosperms waren reich an Stärke. Der Embryo hatte sich allmählig bedeutend entwickelt. Dabei war zuerst im Parenchym der Radicula, später auch in den Cotylen Stärke neben dem Eiweisz aufgetreten. Noch später waren in den Cotylen und in der Radicula bereits geringe Mengen von Oel vorhanden. Der ganze Keim war dunkelgrün gefärbt. Zwischen dem eben beschriebenen Stadium und der völligen Reife des Samens findet nın kaum eine wesentliche Veränderung im Entwickelungsgange statt. Und da wir den reifen Samen in un- serem ersten Beitrage sehr ausführlich beschrieben haben, so kön- nen wir jetzt sehr kurz sein. Zuerst kommt die völlige Resorption des Endosperms bis auf das im Samen noch übrige dünne Häutchen, und die entsprechend vollständige Entwickelung des Keimes. Die- ser füllt sich dabei immer mehr mit Eiweisz, Stärke und Oel an, und zwar so, dasz jede Parenchymzelle “diese drei Nährstoffe führt, während die Oberhaut, die Gefäszbündel, die Plumula und die Spitze der Radicula nur Eiweisz enthalten. Dabei verliert sich allmfählig die grüne Farbe des Keims, wohl in Folge der Reife und des Undurchsichtigwerdens der Samenschale und der Fruchwand. Zu dieser Zeit verschwindet auch die letzte Stärke aus der Frucht- wand und aus dem Nabelstrange, beide Organe vertrocknen, und die Trennung des nunmehr reifen Samens von der Mutterpflanze wird vorbereitet. Der Kelch, der bis dahin noch grün und saftig und reich an Zucker war, fängt nun selbst an zu verblassen und zu vertrocknen. Inzwischen hat sich in der Fruchtwand eine quer um den Samen herumgehende Linie als Grenze des späteren Deckels differenzirt. Sobald das Ganze vertrocknet ist, kann dieser Deckel als halb- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 157 kugelige Kappe leicht durch äuszere Einflüsse abgestoszen wer- den, und der Same wird dann nicht mehr von dem zusammen- geschrumpften und vertrockneten Nabelstrang festgehalten, son- dern fällt leicht aus der Frucht heraus. Und damit ist das Leben der Blüthe zu Ende. V. Die Stoffwanderung in den einzelnen Perioden des Lebens. § 15. Die erste Erstarkung der jungen Pflanze. Am Schlusse meiner Keimungsgeschichte des rothen Klee’s habe ich eine kurze Uebersicht über die wichtigsten Stoffwanderungs- vorgänge während dieser Periode des Lebens gegeben. 1) Ich will jetzt den dort abgebrochenen Faden wieder aufnehmen und in ähnlicher Weise die Stoffwanderungsvorgänge während des gan- zen weiteren Lebens zu schildern suchen. Das Ende der Keimungsperiode betrachteten wir als erreicht, ‘ sobald das ungedreite Blatt ausgebildet war und alle Reserve- stoffe des Samens für das Wachsthum der Keimpflanze vollstän- dig verbraucht waren. Schon bevor dieses Stadium erreicht war, hatte die Kohlensäurezerlegung in den grünen Zellen und damit die Neubildung von organischer Substanz angefangen. Diese Kohlen- säurezerlegung bildet im ganzen späteren Leben die einzige Quelle der organischen Pflanzensubstanz; aus der dabei producirten Stärke entstehen alle anderen organischen Stoffe, welche in unse- rer Pflanze vorgefunden werden, theils durch einfache chemische Verwandlungen, theils durch Verbindung mit den von den Wur- zeln aufgenommenen anorganischen Nährstoffen. Wie die ganze Keimungsperiode unabhängig ist von der Auf- nahme von festen pflanzlichen Nährstoffen, so ist es auch der An- tang der Kohlensäureassimilation. Die im Samenkorn aufgespei- cherten Reservestoffe reichen für beide Prozesse völlig hin. Ohne Mithülfe von von auszen aufzunehmenden Salzen kann die ent- wickelte Keimpflanze grosze Mengen Kohlensäure zerlegen und entsprechende Quantitäten von Stärke in sich anhäufen. Aber um diese Stärke zum Wachsthum, zur Bildung neuer Organe verwen- den zu können, dazu ist die Mitwirkung von anorganischen Nähr- stoffen erforderlich, und diese müssen von den Wurzeln aufgenom- men werden. Werden sie der Pflanze vorenthalten, so häuft sich 1) Opera III, S. 84—90. 158 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. die Stärke im Gewebe immer mehr an, ist aber für das Wachsthum ohne Nutzen. Nur indem erst die Cotylen, dann das einfache Blatt absterben und die in ihrem Gewebe vorhandenen anorgani- schen Bestandtheile der Pflanze wieder zur Verfügung stellen, können sich einzelne neue Blätter entwickeln, doch nur äuszerst kümmerlich, dem Mangel an anorganischen Nährstoffen entspre- chend. Solche Blätter werden dann auch höchstens einige Milli- meter lang. Dasz eine kräftige Assimilation von Stärke ohne Aufnahme fester oder flüssiger Nährstoffe möglich ist, davon kann man sich am bequemsten überzeugen, wenn man Samen in destillirtem Wasser zur Keimung bringt. Ich weichte einige Kleesamen am 24. Juli ein und stellte am 29. Juli die am weitesten vorgeschritte- nen Exemplare in der üblichen Weise als Wasserkultur auf, gab jedoch den Pflanzen nur reines, destillirtes Wasser. Bis zum 15. August war die Keimung nicht nur abgeschlossen, sondern die Cotylen waren bereits zum Theil vertrocknet, und das erste ge- dreite Blatt hatte sich entfaltet; die Farbe war aber nur blaszgrün, aus Mangel an Eisen. Am 15. August wurden die Blätter in Spiri- tus entfärbt, dann in Kali gekocht und mit Essigsäure und Wasser ausgewachsen. Auf die so vorbereiteten und auf Objektträgern ausgebreiteten Blätter wurden einige Tropfen einer verdünnten Jodlösung aufgesetzt:, alle Parenchymgewebe der Spreite und der Stiele färbten sich tiefschwarz. Auch in einigen anderen Versuchen erhielt ich dieselben Resultate, ja es fand sich die Stärke nicht nur in den Blättern, sondern sogar im hypocotylen Glied und in der Wurzel angehäuft. Die ansehnliche Anhäufung der Stärke im Gewebe unserer Mangelpflanzen beweist, dasz sie nur unter der Mitwirkung der von den Wurzeln aufgenommenen Nährstoffe zur Bildung neuer Organe verwendet werden kann. Und somit wird der eigentliche Anfang der vegetativen Periode bei den Kleepflanzen mehr durch die Aufnahme der festen Nährstoffe als durch die Kohlensäure- assimilation bestimmt. Welche der verschiedenen nothwendigen Elemente dabei in erster Linie erforderlich sind und also den meis- ten Einflusz auf die anfängliche Entwickelung ausüben, hängt of- fenbar davon ab, welche in dem Samen in der relativ geringsten Menge vorkommen. Doch sind über diese und ähnliche Fragen bis jetzt noch keine Untersuchungen angestellt worden. Verfolgen wir jetzt die normale Entwickelung der jungen Klee- pflanze. Anfangs ist das Wachtsthum noch langsam, obgleich BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 159 reichlich anorganische Nährstoffe aus dem Boden aufgenommen werden. Es müssen am Vegetationspunkte der Achse neue Organe angelegt werden, und die angelegten durchlaufen ihre ersten Ent- wickelungsphasen; bis zur raschen Streckung des ersten gedrei- ten Blattes vergehen einige Tage, in denen äuszerlich kaum eine Regung der Pflanze merkbar ist. Dem entsprechend häufen sich jetzt die Bildungsstoffe im Gewebe an, um so mehr, je günstige- ren Assimilationsbedingungen die jungen Pflanzen ausgesetzt sind. Im Hochsommer, auf freiem Felde geht diese Anhäufung so weit, dasz man bald neben Stärke auch erhebliche Quantitäten von Traubenzucker nachweisen kann; im Frühling unter ungünstigen Bedingungen bleibt es wohl bei der Stärkeablagerung. Nehmen wir als Beispiel einige Anfang Juli ausgesäte Kleepflänzchen. In ihnen fand ich kurze Zeit vor der Entfaltung des ersten gedreiten Blattes das Parenchym der Cotylen und des einfachen Blattes voll neuassimilirter Stärke; in dem Stiele erstreckte sich die Stärke durch die Stärkescheiden bis in das hypocotyle Glied; im sonsti- gen Parenchym dieser Organe fehlt sie. Dieses Parenchym war dagegen mit Zucker gefüllt, welcher sich vom Schwammparen- chym der Cotylen bis in die Haupt- und Nebenwurzeln erstreckte. Eiweisz fand sich in den Gefäszbündeln wenig, dafür aber um so mehr im Vegetationspunkte und den jungen Blattanlagen, doch nur in den jüngsten Partien, die älteren, inneren Gewebe führten be- reits Stärke als Wachsthumsmaterial für die bevorstehende Stre- ckung der Blätter und Blattstiele. Oel und Asparagin enthielt die Pflanze nicht mehr, dagegen waren bereits ansehnliche Mengen von kleesaurem Kalk in den Krystallscheiden der Gefäszbündel der oberirdischen Theile ab- gelagert. Nachdem das erste gedreite Blatt sich entwickelt hatt, hatte der Vorrath der Bildungsstoffe nur wenig abgenommen. Stärke war noch überall nachweisbar, wo sie es vorher war; jetzt aber auch in allen Theilen des gedreiten Blattes; der Zucker hatte sich auf die nächste Umgebung des Vegetationskegels und auf die Wur- zel zurückgezogen, und war auch in letzteren nur in geringer Menge sichtbar. Dagegen war er jetzt überall in den jungen, noch dünnwandigen Bastfasern nachweisbar. Jedes neue Blatt, welches die erstarkende Pflanze entwickelt, wird gröszer als das nächstvorhergehende, indem ihm bei seiner Anlage- und Entwickelung gröszere Mengen von Bildungsstoffen zur Verfügung stehen. (Vergl. Taf. I Fig. 1.) Einmal fertig 160 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. entwickelt, braucht es der Mithülfe der anderen Blätter nicht wei- ter, sondern bildet von jetzt an selbst eine Menge von organischen Stoffen, welche sich durch den Blattstiel abwärts zu dem Vegeta- tionspunkte und der Wurzel bewegen. Auch letztere entfaltet eine stets zunehmende Thätigkeit; die Hauptwurzel schiebt sich zu groszer Tiefe hinab; die Nebenwurzeln verzweigen sich und sau- gen die erforderlichen Nährstoffe aus dem Boden auf. Auch Wur- zelknöllchen entwickeln sich bereits in groszer Anzahl. Findet diese erste Erstarkung im Frühling, im Laufe des Mai oder des Juni statt, so zeigen die Pflanzen im Allgemeinen eine Verbreitung der Nährstoffe, wie sie in den Figuren 1 und 2 auf Tafel I, abgebildet ist. Man sieht beim ersten Blick, dasz die Stärke in allen Organen vorherrscht, und dasz das Eiweisz und der Zucker nur an einzelnen ganz bestimmten Stellen vorkommen. Diese Armuth an Zucker mag wohl eine Folge des raschen Wachs- thums sein zu einer Zeit, wo die assimilirende Thätigkeit der Blät- ter noch nicht hinreichend ausgiebig geworden ist, um eine Ueber- füllung der Organe mit Kohlehydraten herbeizuführen, wie solche später im Sommer bei den Kleepflanzen Regel ist. Wo die Stärke zum Behufe der Streckung in Zucker umgesetzt wird, wird sie offen- bar sogleich verbraucht und häuft nie sich so stark an, dasz man sie aurch mikroskopische Mittel auffinden könnte. Dem entspricht der Umstand, dasz am Ende der Streckung, nicht selten alle Stärke verbraucht ist, und die Blattstiele also, wenigstens theilweise, leer gefunden werden, wie dies in unserer Figur 1 angegeben ist. Zucker fand ich in solchen Pflanzen nur in den jungen Bastfa- sern und den jungen Haaren, wo er bekanntlich stets für die Wandverdickung benutzt, und vorher im Zellsafte angehäuft wird. (Vergl. Fig. 2 bei b f.) Eiweisz ist auf den Vegetationspunkt und die Knospenanlagen, so wie auf den Weichbast der Gefäszbündel beschränkt (Fig. 2); ebenso findet es sich in der Wurzel hauptsächlich in den jüngsten noch wachsenden Spitzen und in den Wurzelknöllchen, sowie im Weichbast des dickeren Theiles der Hauptwurzel (Fig. 2. u. 7.). § 16. Die Bestockungsperiode. Die Wurzelblätter der Kleepflanze stehen anfänglich in zwei gerade einander gegenüber gestellte Zeilen, deren Medianebene senkrecht zur Mediane der Cotylen steht. Später verliert sich diese Symmetrie, die jungeren Blätter stellen sich spiralig, und die BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 161 ganze Pflanze breitet sich nach allen Seiten gleichmäszig aus. Lange bevor der bilaterale Bau verschwindet, fängt die Bestockung an, die ersten Sprossen stehen also gleichfalls nur links und rechts von der Pflanze, denn sie entwickeln sich in den Blättern der un- tersten der hinreichend kräftigen Blätter. Die 4 bis 6 allerersten Blätter bringen gewöhnlich keine Sprosse aus ihren Achseln her- vor. Die Wurzel bildet sich in dieser Periode am kräftigsten aus. Zumal ist dies der Fall, wenn die Kleepflanzen im Frühjahr auf offenem Felde und ohne Ueberfrucht ausgesät worden sind, und man durch geeignete Maszregeln ein üppiges Gedeihen gesichert hat. Dann findet die Bestockung im Laufe das Hochsommers des ersten Jahres statt, die Pflanzen wachsen so rasch hervor, dasz sie noch in demselben Jahre reichlich blühen und reife Samen tragen. Unter solchen Umständen nun entwickelt die Wurzel ihre gröszte Thätigkeit in der Bestockungsperiode und zwar in jeder Hinsicht. Die Hauptwurzel dringt tief in die Erde hinein. Zahl- reiche Nebenwurzeln mit ihren Zweigen durchwachsen die ganze Krume und schöpfen überall Nährstoffe und Wasser, wo sie diese finden. Ueberall entstehen die Wurzelknöllchen und füllen sie sich nach beendetem Wachsthum mit Eiweisz. Die ausgewachsenen Theile der Haupt- und Nebenwurzeln verkürzen sich zwar lang- sam, aber mit groszer Kraft und ziehen dadurch den Wurzelhals- und den blättertragenden Stock in die schützende Erddecke hin- unter. Mit einem Worte, alle die Funktionen, welche wir in un- serem dritten Abschnitte von den Kleewurzeln kennen lernten, fallen hauptsächlich in die Bestockungsperiode, und es würde nur zu Wiederholungen des dort Gesagten führen, wollte ich hier ausführlich auf alle diese Vorgänge eingehen. Ebenso ist über die Stoffwanderungsvorgänge in dieser Periode nur noch wenig zu sagen. Die Vertheilung der wichtigsten Nähr- stoffe habe ich in der Fig. 8 auf Taf. II dargestellt, wie sie sich als mittleres Resultat meiner einschlägigen, mikrochemischen ' Analysen ergeben hat. Das Bild bezieht sich auf eine im Früh- jahre gekeimte und rasch und kräftig herangewachsene Pflanze, welche noch im Laufe des ersten Sommers geblüht haben würde. Auch in dieser Periode herrscht, wie man sieht, die Stärke in den Geweben vor. Zucker findet sich neben Stärke in den ausge- wachsenen Blattstielen und in den untersten Internodien der älte- sten Bestockungssprosse; die jüngeren Sprosse und Internodien führen noch keinen Zucker. Im Baste des Wurzelstockes ist eben- 11 162 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. falls reichlich Zucker vorhanden; er findet sich hier in den jungen, noch dünnwandigen Bastfasern. Eiweisz findet sich jetzt schon in viel gröszerer Quantität als vor Anfang der Bestockung (Vergl. die Figuren 8 und 2 in Bezug auf die violette Farbe). Die zahlrei- chen End- und Seitenknospen der Sprosse mit ihren jungen Blatt- anlagen, ebenso die Weichbaste fast aller Gefäszbündel sind reich- lich mit Eiweisz erfüllt. Die Bewegung der Bildungsstoffe fängt jetzt in den Spreiten der entfalteten Blätter an, von da aus flieszen sie durch die Blattstiele zunächst dem Stocke zu. Hier theilt sich ihr Weg. Ein Theil geht aufwärts in die jungen, wachsenden Organe, um sie mit dem nöthi- gen Wachsthumsmaterial für Protoplasma und Zellhaut zu ver- sorgen. Ein anderer Theil geht abwärts in die Wurzel und dient zum Theil für das Wachsthum und die Verzweigung der dünnen Wurzelfäden, zum Theil für das Dickenwachsthum der Hauptwur- zel und der kräftigsten Nebenwurzeln. Die von den Blättern stammenden Bildungsstoffe werden aber nur zum kleinen Theile direckt für das Wachsthum der Organe verwendet. In weit gröszerer Menge werden sie in den Zellen auf längere oder kürzere Zeit abgelagert und können dann mikroche- misch nachgewiesen werden. Fast alle saftführenden Zellen besitzen das Vermögen der Aufspeicherung, die jüngsten noch meristema- tischen Gewebe sowie der Weichbast lagern Eiweiss in sich ab, welches in ersteren direkt, bei dem zweiten aber im Kambium zur Bildung des Protoplasma für die jungen Zellen dient. Noch bevor die Protoplasma-Bildung beendigt ist, fängt bereits die Ablagerung von Stärke in den parenchymatischen Zellen an, und diese Ablagerung scheint nahezu während der ganzen Bestockungspe- riode fortzudauern. Denn obgleich offenbar ein groszer Theil der abgelagerten Stärke zur Zellwandbildung verbraucht wird, so sind die Gewebe doch immer mit Stärkekörnern mehr oder weniger cicht erfüllt. Es ist wahrscheinlich, dasz die abgelagerte Stärke stets, bevor sie in der Zellhaut in Cellulose umgesetzt wird, erst in Traubenzucker verwandelt wird, um im gelösten Zustande durch das Protoplasma in die Zellhaut überzutreten. Doch nur dort, wo die Bildung von Zucker rascher vor sich geht als der Verbrauch, kann sie sich anhäufen und durch die Kupferoxydkali-Reaktion sichtbar gemacht werden. Nur so kann man es erklären, dasz man in den sich streckenden Internodien je nach äuszeren Umständen Zucker findet oder nicht, wie wir bereits in unserem zweiten Ab- schnitte gesehen haben. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 163 Dem Parenchym gegenüber stehen die jungen Bastfasern und Haare. Sie sammeln, wie wir schon mehrmals besprochen haben, nicht erst Stärke in sich an, um diese später in Traubenzucker umzusetzen, sondern füllen sich sogleich mit Zucker. Offenbar hängt dies mit dem Umstande zusammen, dasz in ihnen das auf- gespeicherte Kohlenhydrat nicht erst ziemlich lange Zeit aufbe- wahrt, sondern im Gegentheil sogleich zur Zellwandbildung ver- braucht werden musz. So viel über die Ablagerung von Bildungsstoffen in jugendlichen Gewebepartien, welche diese Stoffe selbst bei ihrem Wachsthum verbrauchen werden. Anders verhält sich der Wurzelkörper. Die- ser speichert die Nährstoffe gröszentheils dazu auf, um sie später, z. B. beim Erwachen der Vegetation im Frühling des nächstfolgen- den Jahres, den neuangelegten Theilen zugehen zu lassen. § 17. Die Fruktifikationsperiode. In der Periode der Blüthen- und Samenbildung tritt das Wachs- thum der vegetativen Organe immer mehr in den Hintergrund, obgleich es nie völlig aufhört. Die wichtigsten Funktionen der Pflan- ze in dieser Zeit sind einerseits die Kohlensäurezerlegung in den grünen Blättern, andererseits die Entfaltung der Blüthen und die Entwickelung der Samen, sowie die Ablagerung von Reservenähr- stoffen in letzteren und im Wurzelkörper. In diesem Abschnitte des Lebens ist die Stärkeproduktion in den Blättern in der Regel so ausgiebig, dasz nicht nur die eigentlichen Reservestoffbehälter, , sondern nahezu alle Organe der Pflanze sich mit Kohlehydraten über und über füllen. Und zwar findet man in manchen Organen nur Stärke, in anderen wieder Stärke und Traubenzucker. (Vergl. Taf. Ill, Fig. 12 und 13.) Die Richtung, welche die Bildungsstoffe bei ihrem Transporte folgen, läszt sich aus dem oben Gesagten leicht ableiten. Die Blattspreiten sind immer die Quellen, aus denen sie flieszen, in den Blattstielen bewegen sie sich also immer abwärts. Im Stengel gehen sie theilweise aufwärts zu den noch wach- senden Theilen und den Infloreszenzen, theilweise abwärts zu den jungen Blättern der Wurzelrosette und den neu ange- legten Sprossen, dann aber noch mehr, um in den Wur- zeln abgelagert zu werden. Die chemischen Verbindungen, welche in den erwähnten Organen zur Ablagerung gelangen, haben wir schon früher ausführlich besprochen und gesehen, dasz es im Sa- men Eiweisz, Stärke und Oel, in der Wurzel dagegen nur Eiweisz und Stärke sind. * 164 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Ueber die Vertheilung der Bildungsstoffe in den einzelnen Or- ganen entnehme ich meinen Notizen noch folgende speziellere An- gaben. In allen ausgewachsenen Sprossen, Seitensprossen und Blatt- stielen findet sich überall im Grundgewebe Stärke und Trauben- zucker, beide gewöhnlich in bedeutenden, aber doch nicht sehr groszen Quantitäten. Das Rindenparenchym und die äuszere Zone des Markes sind die vorzüglichsten Ablagerungsorte; in den Ge- fäszbündeln führen die jungen Bastfasern und häufig auch einzel- ne Theile des Weichbastes Zucker, der Weichbast enthält fast stets Eiweisz, und die Markstrahlen des Holzes und des Bastes. meist einige wenige Stärkekörner. Das innere Mark ist in der Regel lufthaltig oder zerrissen und betheiligt sich also nicht mehr am Stoffwechsel. In den einzelnen Internodien ist die Vertheilung der Nährstoffe in den Hauptsachen dieselbe. In den Knoten ist die Höhlung des Stengels durch eine mehr oder weniger dicke Querscheibe saftigen Markes unterbrochen; dies Gewebe ist gewöhnlich sehr reich an Stärke und enthält auch in allen Zellen ziemlich viel Zucker; das. saftige Mark des Stengels steht hier mit dem Marke des jungen Seitensprosses direkt in Verbindung. Die Wurzel zeigte um diese Zeit folgende Reaktionen. In der Nähe des Wurzelhalses waren durch den Einflusz des Lichtes die jüngste Bastschicht und das Holz blaszgrün gefärbt, nur die Mark- strahlen waren ungefärbt geblieben. Stärke fand sich in allen pa- renchymatischen Zellen in groszer Menge, dagegen war sowohl das Kambium als die jüngste Bastschicht frei von Stärke. Auf dem Querschnitt bot der Verlauf der Markstrahlen einen eigenthümlichen Anblick an. In den mit Jodlösung behandelten Präparaten sah man sie als schwarze Linien sowohl von der Holzseite als von der Bastseite aus in das sonst stärkefreie Kambiumgewebe eindringen, und nur eine äuszerst dünne Lage von allerjüngsten Zellen unter- brach scheinbar ihre Kontinuität. Auch für die Markstrahlen galt also die Regel, dasz die jüngsten Zellen nur Eiweisz führen, und dasz Stärke erst etwas später abgelagert wird; und das Auffal- lende der Erscheinung läszt sich darauf zurückführen, dasz die jungen Markstrahlenzellen viel früher zur Stärkeablagerung be- fähigt werden als die übrigen, aus dem Kambium zum Holz oder zum Bast übertretenden Zellen. In dieser Höhe war Eiweisz reichlich in dem jungen Gewebe zwi- schen Holz und älterem Bast vorhanden, während sich im Rindenpa- BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 165 renchym Zucker fand, wenn auch nur wenig. In einer dicken Neben- wurzel waren die Reaktionen dieselben, nur war der Gehalt an allen Bildungsstoffen, zumal an Stärke bereits merklich geringer. Ebenso war es in der Hauptwurzel in einer Tiefe von 30—40 Cm.; hier fand sich im Parenchym kein Zucker mehr, dieser war nur noch in den jungen Bastfasern nachzuweisen, wo er bekanntlich nie fehlt. Grosze Mengen von Stärke lagen im Rindenparenchym, das Holz und seine Markstrahlen waren aber verhältniszmäszig arm an diesem Kohlehydrate. Die allerdünnsten Wurzelfäden waren noch viel leerer, und erst in ihren wachsenden Spitzen fanden sich die Bildungsstoffe wieder in der gewohnten Weise abgelagert. Die Haube führte Stärke, der Vegetationspunkt Eiweisz, das Streckungsgewebe Traubenzucker; im letzteren fehlte die in der jüngeren Pflanze beobachtete Ablagerung von Stärke. Die angegebene Vertheilung der Bildungsstoffe in der Klee- pflanze bleibt nun während der Blüthen- und Samenbildung an- nähernd dieselbe; die wichtigsten Veränderungen gehen in den Blüthen und später in dem Samen vor sich, wie wir diese in un- serem vierten Abschnitte beschrieben haben. Sobald aber die Stoffablagerung in den Samen beendigt ist, und diese also reif geworden sind, ändern sich auch in der ganzen Pilanze die Stoff- wanderungsvorgänge, und damit hangen weitere, das ganze An- sehen der Pflanze verändernde Prozesse zusammen. Das Leben der Sprosse, mit allen ihren Zweigen und Blättern, Gauert nur so lange, als sie noch unreife Samen tragen, und diesen die Nährstoffe zuleiten müssen. Sobald diese ihre Funktion aufge- hört hat, sterben sie allmählig ab, und nur die untersten Internodien mit ihren häufig noch schlafenden Seitenknospen bleiben am Leben, um im nächsten Jahre zu der neuen Bestrockung beizutragen. Wir haben also jetzt diesem Absterben der fruchtreifen Sprosse unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Sobald der Same reif ist, ver- trocknen und sterben die Fruchtwand und der Kelch; sind alle Früchte eines Köpfchens reif, so stirbt auch die Spindel der In- floreszenz. Die beiden gedreiten Stützblätter bleiben dann häufig noch einige Tage grün, es dauert aber nicht lange, bis sie erst braunfleckig werden und dann absterben und vertrocknen. Jetzt erfährt das sie tragende Internodium das gleiche Schicksal, es stirbt und vertrocknet allmählig von oben nach unten. Ihm folgen in regelmäsziger Reihenfolge die übrigen Internodien und ihre Blätter. Oft sterben dabei die Zweige früher als der Hauptsprosz, oft hält ein lebenskräftiger Zweig das Absterben des ihn tragenden 166 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Stengelstückes einige Zeit lang auf; schlieszlich stirbt aber alles bis auf die untersten kurzen Internodien, welche schlafende oder auch bereits treibende Knospen tragen, aus denen sich das Rhizom neu bestockt. Nicht selten stirbt der Sprosz bis ganz unten und ver- anlaszt dadurch ein inwendiges Faulen und Hohlwerden des Wur- zelstockes. Aus dem Umstande, dasz die Sprosse allmählig von oben nach unten absterben, und dasz das Absterben in der fruchtreifen In- floreszenz selbst anfängt, ergiebt sich ohne Weiteres die wichtige Folgerung, dasz die im Stengel und in den Blattstielen zu dieser Zeit noch abgelagerten Bildungsstoffe dem Samen nicht zu Gute kommen können. Ebensowenig bleiben diese Stoffe beim Abster- ben in dem Gewebe unthätig liegen. Im Gegentheil, sie werden, soweit sie nicht bereits im gelösten Zustande im Zellsafte sind, vor dem Tode jedes Internodiums aufgelöst und den tiefer liegen- den Theilen zugeführt. Und indem dies in jedem Internodium, von cben nach unten der Reihe nach stattfindet, gehen sie schlieszlich alle in die Wurzel über, um dort als Reservematerial den Winter über aufbewahrt zu werden. Jeder Blattstiel und jedes Internodium wird entleert, bevor es stirbt; die verwerthbaren Assimilations- produkte gehen bei seinem Tode für die Pflanze nicht verloren. Dagegen bleiben in den absterbenden Theilen der Zellstoff mit seinen verschiedenen Modifikationen, die letzten unlöslichen Ueberreste des Protoplasma und die jetzt die Krystallscheide reich- lich erfüllenden Krystalle des oxalsauren Kalkes. Verfolgen wir die Lösung der abgelagerten Bildungsstoffe in der fruchtreifen Pflanze eingehender. Untersuchen wir zunächst einen noch völlig grünen und grün beblätterten Sprosz, dessen End- köpfchen reif und vor einigen Tagen vertrocknet ist. Das oberste Internodium ist schon fast leer; alle Stärke ist verschwunden, und Zucker ist nur noch in geringer Menge im Rindenparenchym und der äuszeren Schicht des Markes nachweisbar. In den mittleren Internodien findet man die Stärke im äuszeren Mark und in der Stärkescheide der Bastbelege; das saftige Parenchym führt hier überall Zucker. In den untersten gestreckten Internodien ist schon viel mehr Stärke vorhanden; ihre Körner erfüllen in dichter Lage alles Rindenparenchym und den saftigen Theil des Markgewebes; ebenso findet man auch in den Gefäszbündeln noch Stärke. Je tie- fere Internodien man untersucht, um so gröszer ist die Menge der Stärke; die untersten Internodien sind davon ganz voll; Querschnitte aus ihnen werden mit Jodlösung tiefschwarz. Zucker findet sich in BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 167 allen diesen Theilen des Stengels im allen saftigen Parenchym. Im allgemeinen nimmt also hier der Gehalt an Bildungsstoffen von oben nach unten deutlich zu. Vergleichen wir hiermit einen Sprosz, dessen Köpfchen und Blätter zum gröszten Theile bereits abgestorben sind, während die oberen Internodien schon gelb geworden, die mittleren und die unte- ren aber noch grün geblieben sind. In den abgestorbenen oder halb- abgestorbenen Blättern fand ich keine Stärke mehr; ebenso war der Stiel der Infloreszenz völlig leer. Im obersten, gelben Interno- dium war das Mark schon völlig vertrocknet und luftführend, nur um die Gefäszbündel herum war noch eine saftige Zellenschicht, welche etwas Zucker führte. Auch im Weichbast war noch etwas Zucker neben dem Eiweisz. Die Stärke war bereits überall gelöst und verschwunden. Ebenso verhielten sich die nächstunteren, gel- Sen und gelbgrünen Internodien. Im untersten der gestreckten In- ternodien fand sich in den Stärkescheiden der Bastbelege noch ziemlich viel ungelöste Stärke, auch im Rindenparenchym noch einzelne zerstreute Körnchen, sonst nur noch Zucker. Wir sehen also, dasz bei der Entleerung zuerst die Stärke in den Zellen ge- löst und wohl in Traubenzucker umgesetzt wird, dasz aber auch dieser nicht an Ort und Stelle bleibt, sondern abwärts geleitet wird. Denn seine Menge nimmt, statt wegen der Lösung der Stärke zu- zunehmen, fortwährend ab. Mit dem äuszerlich sichtbaren Ver- luste der grünen Farbe geht das Verschwinden der Stärke Hand in Hand; der Zucker ist in abnehmender Menge noch fast ebenso lange da, als die Zellen noch leben. Es scheint, dasz mit dem Verschwinden der letzten Spuren von Zucker aus dem Zellsaft auch das Leben der Zellen zu Ende geht. Zur weiteren Bestätigung dieser Folgerungen führe ich noch die Resultate der mikrochemischen Analyse zweier zum Theil bereits abgestorbenen Sprosse an. In einem Sprosse, dessen Gipfel und sämmtliche Aeste und Blätter schon todt waren, fand ich in kei- nem einzigen Internodium Stärke, mit Ausnahme des allerunter- sten, nur 2 Mm. langen Internodiums, wo noch in der Stärkeschei- de einzelner Gefäszbündel die letzten Spuren von Stärke nach- weisbar waren. In den höheren, noch lebenden Internodien war auch der Zucker bis auf geringe Mengen verschwunden, welche sich noch in der die Gefäszbündel zunächst ungebenden Paren- chymschicht fanden; in den tieferen Internodien fand ich mehr Zucker. In den Krystallscheiden lagen die Krystalle des oxalsau- ren Kalkes noch überall in ungeminderter Quantität. Endlich ein en. 168 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Sprosz, von dem nur noch die drei untersten Internodien lebten. Das oberste dieser lebenden Internodien, welches ziemlich lang war, enthielt keine Spur von Stärke und nur noch sehr wenig Zucker; im untersten Internodium, welches eine lebende Knospe trug, und offenbar bestimmt war, um am Leben zu bleiben, häufte sıch die Stärke an, sein Mark war ganz bis in die Mitte saftig und voll Stärkekörnern. Auch das Eiweisz verschwindet bei dem Absterben der Sprosse allmählig aus dem Weichbast der Stränge, doch liesz sich dieser Vorgang nicht genau verfolgen, weil die alten Gefäszbündel der Kleepflanze überhaupt arm an diesem Körper sind. Während nun in den absterbenden Sprossen die Bildungsstoffe gelöst und fortgeführt werden, strömen sie der Wurzel zu, und werden hier als Reservestoffe abgelagert, um während des Winters dort zu verbleiben. Dem entsprechend findet man während und nach der herbstlichen Entleerung eine Fülle von Nährstoffen in der Wur- zel, wie sie darin sonst nie vorkommt. Aber auch jetzt sind es nur Stärke und Eiweisz, welche abgelagert werden; Zucker tritt nur vorübergehend auf, wenn auch während des Vorganges der Ent- leerung in nicht unerheblicher Menge, und in weiter Verbreitung durch das ganze System der Nebenwurzeln und feineren Wurzel- verzweigungen. Er geht offenbar selbst wieder in die Stärke über. Die Stärke erfüllt alle parenchymatischen Zellen so dicht, dasz sie überall mit Jodlösung tieischwarz werden; das Eiweisz ist in reichlicher Menge in der inneren Schichte des Basts und dem Kambium aufgespeichert; diese nehmen bei der Behandlung mit Kupiervitriol und Kalilösung eine intensiv violette Farbe an. So wird alles allmählig für die Winterruhe vorbereitet. S 18. Die Periode der Winterruhe. Im winterlichen Zustande liegen die kleinen jungen Bestockungs- sprosse unserer Kleepflanze flach oder ein wenig schief aufgerich- tet auf der Erde; sie sind ziemlich breit und flach infolge der zweiseitigen Stellung der Blätter und der seitlich dicht anliegenden Nebenblätter, und sind mit einer flachen Seite der Erde in der Regel dicht angedrückt. Auch die Blätter erheben sich im Winter nicht wie im Sommer hoch auf ihren Stielen, im Gegentheil, je länger sie gestielt sind, um so deutlicher liegen sie auf der Erde gestreckt. Das Ganze macht den Eindruck, als ob es durch mög- lichst nahe Berührung mit dem Erdreich der Gefahr des Erfrierens so viel wie möglich entgehen wollte. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 169 Diese Gefahr tritt aber nur bei sehr starkem Frost und sehr plötzlichem Austhauen wirklich ein. Bei langsamem Aufthauen erfrieren die Kleeblätter nicht 1), gegen rasches Aufthauen sind sie aber sehr empfindlich. So fand Sachs, dasz gefrorene Blätter regel- mäszig erfroren, wenn man sie in eine 8—12 Grad R. warme Luft brachte oder auch wenn man sie mit den Fingern berührte. Die flache Ausbreitung der Kleeblätter im Winter vermindert auch ihre Verdunstung und damit die Gefahr, in Zeiten wo der Boden hart gefroren, aber nicht von Schnee bedeckt ist, durch Vertrocknen zu sterben. Ueber die Vertheilung der Reservenährstofie im Winter ist we- nig zu sagen. Stärke im Parenchym, und Eiweisz im Weichbast und im Kambium sind überall in groszer Menge vorhanden; dage- gen konnte ich in keinem Theile Traubenzucker nachweisen. Am reichsten sind Stärke und Eiweisz im Wurzelstock, in der Haupt- wurzel und in den dickeren Nebenwurzeln vertreten, doch auch in den feineren Wurzelfäden und den Wurzelknöllchen, in den unte- ren noch lebenden Internodien der verblühten Sprosse, in den Blättern und den neuen Sprossenanlagen finden sie sich. In den letzteren aber am wenigsten. Man darf annehmen, dasz auch im Winter, wenigstens wenn die Temperatur nicht zu tief herabgesunken ist, in den grünen Blättern noch Assimilation von Kohlensäure stattfindet; doch wird dieser Procesz kaum ausgiebig genug sein, um sich nach mikro- chemischen Methoden nachweisen zu lassen. Die Vertheilung der Reservestoffe bleibt also während des gan- ‘ zen Winters dieselbe, und erst im Frühling, wenn die Pflanzen anfangen zu treiben, treten nachweisbare Veränderungen auf. Die erste Regung des Lebens zeigt sich in mikrochemischer Hinsicht in dem Auftreten des Traubenzuckers in der Wurzel und im Wurzelstock. Offenbar entsteht er hier aus der abgelagerten Stärke, welche durch diese Lösung zum Transporte in die jungen Sprossen vorbereitet wird. Bald ist der Zucker überall in den dıckeren Wurzeln zu finden, und verbreitet er sich auch nach oben in die oberirdischen Organe hinein. Aber nur ein relativ geringer Theil der Reservestärke löst sich, weitaus der gröszte verbleibt als Körner 1) Sachs, Landwirthsch. Versuchsstat. 1860, S. 177. Haberlandt (Pflan- zenbau, I, S. 247) giebt an, dasz ‘Rothklee — 7°C. ohne Schaden überstand, aber durch eine Kälte von — 9° bis — 10.5 C. getödtet wurde. Ueber die Art des Aufthauens, welche hier hauptsächlich entscheidet, macht er keine Angaben. 170 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. in den Zellen. Die jugendliche Sprosse und ihre Blätter wachsen jetzt rasch hervor; ihre meristematischen Theile und der Weich- bast ihrer Gefäszbündel füllt sich mit Eiweisz; ihr Rinden- und Markparenchym füllt sich mit Zucker und Stärke, welche bei der Streckung für das Wachsthum der Zellhäute allmählig verbraucht werden sollen. Während nun dieses Wachsthum rasch fortschrei- tet, und die Sprosse eine Länge von 10—20 Cm. erreichen, werden fortwährend grosze Mengen von Reservestofien aus der Wurzel zugeführt und man findet also das Gewebe in allen Organen und allen Entwickelungsstadien ganz voll mit Bildungsmaterial. Da nun in derselben Zeit auch die Assimilations-Thätigkeit der Blät- ter immer ausgiebiger wird, so trägt auch diese zu dem Wachs- thum der jungen Theile wesentlich bei. Dadurch wird ferner auch eine völlige Entleerung des Wurzelsystems verhütet; hier bleiben, obgleich selbstverständlich in abnehmender Menge Stärke und Eiweisz fortdauernd nachweisbar, bis endlich die Zeit kommt, wo von den Blättern wieder neue Quantitäten der Wurzel zuströmen. je günstiger die Bedingungen für die Assimilation sind, um so weniger werden die Reservestoffe der Wurzel in Anspruch ge- nommen; im allgemeinen kann man jedoch sagen, dasz der grösz- te Theil in der Wurzel zurückbleibt, während nur ein verhältnisz- mäszig kleiner Theil für das Wachsthum verbraucht wird. Dasz auf diese letztere Regel die individuelle Entwickelung groszen Einflusz hat, ist wohl selbstverständlich. So fand ich, dasz schwache Exemplare im Allgemeinen mehr Reservestoffe für das Wachsthum abgaben, im Verhältnisz zu ihrem ganzen Vorrath, als kräftigere Pflanzen. Dieses war auch schon an der viel ansehnli- cheren Production von Zucker aus der Reservestärke in den er- steren leicht zu erkennen. Sobald die Assimilationsthätigkeit der Blätter im zweiten Jahre kräftig genug ist, um alle erforderlichen organischen Stoffe für das Wachsthum zu liefern, und die Mithülfe des Reservemateriales der Wurzel überflüssig wird, werden die Stoffwanderungsvorgänge allmählig genau dieselben, wie wir sie für das erste Jahr geschil- dert haben. Es wäre überflüssig, hierauf also nochmals eingehen zu wollen. Nur einen Punkt möchte ich noch berühren. Es ist das Aus- treiben der Kleepflanzen nach dem Mähen. Dieses findet offenbar auf Kosten des in den Wurzeln und den Stoppeln befindlichen Bildungsmateriales statt, und nur zu einem kleinen Theile können die an den Pflanzen gebliebenen Blätter dazu beitragen. Wenn nun das Austreiben der Wurzelknospen bei feuchtwarmer Witte- Pur BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 17f rung schnell stattfindet, und die Pflanzen schon kurze Zeit, nach- dem sie geschnitten wurden, wieder ein üppiges, grünes Ausse- hen zeigen, so werden dabei sehr erhebliche Mengen von Bildungs- material in Anspruch genommen, und zwar um so mehr, je rascher‘ das Wachsthum stattfindet, und je weniger die Witterung gleich- zeitig für die Kohlensäure-Zerlegung in den Blättern günstig ist.. Bei der Untersuchung solcher Pflanzen fand ich das Rhizom ziemlich leer von Stärke; im obersten Theile war zwar noch ziemlich viel in dem Rindenparenchym und den Markstrahlen des Holzes, aber lange nicht so viel als wie bei gleich alten, aber nicht ge- mähten Exemplaren zur selben Zeit. In einer Tiefe von 10 Cm. war die Wurzel der ersteren bereits fast völlig leer, ebenso war an tie- feren Stellen und in den Seitenzweigen keine Stärke nachweisbar. Auch Zucker war nur in geringen Mengen sowohl im dickeren Wurzelkörper als in den Zweigen; auch das Eiweisz im Kambium und im jungen Bast gab bei der Behandlung mit Kupfervitriol und Kali nicht wie gewöhnlich eine intensive, sondern nur eine blasz- violette Färbung. Es war also eine viel vollständigere Erschöpfung des Wurzel- systems eingetreten als bei der ersten Entwickelung im Frühling. Mr E z% zi - » 172 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. Erklärung der Figuren zu Tafel I—II. Alle Detailfiguren sind mit der Camera lucida aufgenommen oder nach mehreren solchen Aufnahmen construirt. Sie sind stets schematisirte Längs- und Querschnitte, indem die Farben nach den mittleren Ergebnissen zahlreicher Beobachtungen eingetra- gen sind. Auch die Habitusfiguren auf Taf. III sind schemati- sirt, und sollen nur eine Uebersicht über die Vertheilung der Bil- dungsstoffe in der ganzen Pflanze geben. Tafel I. Fig. 1. Vertheilung der Bildungsstoffe beim Rothklee im Anfang der vegetativen Periode, vor der Bestockung. Die Pfeile geben die Richtung der Bewegung der Bildungsstoffe an. p. Polster. n. b. Nebenblätter. v. p. Vegetationspunkt des Stockes. m. Mark. g. b. Gefäszbündel. w. k. Wurzelknöllchen. Fig. 2. Der Wurzelstock mit seiner Endknospe in demselben Entwicklungsstadium wie Fig. 1. Im Längsschnitt; ®ı. v. p. Vegetationspunkt des Wurzelstockes. kvp. Vegetationspunkte der Seitenknospen. n. b. Nebenblätter. st. Blattstiele. a—e. Entwicklungsfolge der jungen Blätter. hlz. Holzkörper des Stockes. w. b. Kambium und Weichbast. b. ft. Bastfasern. Fig. 3. Querschnitt eines Theils eines ausgewachsenen Blat- tes °°/,. In den Chlorophyllkörnern sind die Stärkeeinschlüsse durch blaue Punkte angegeben. 0. s. Oberseite des Blattes. s. Unterseite des Blattes. . Epidermis. p. Spaltöffnung. . ca. Krystalle von Kalkoxalat in der Krystallscheide. CAOS ee TH LEITERN T - Wachsthumsgeschichte des rothen Klees. sl. H T d HuGo DE VRIES, Opera. EN oo Blattgrun. 2 ô. hix. OcA. 80,2 gie Eiweiss. N ON Al oee Traubenxucker. 0.5. IT 30GA 60, /00 © R 0° wre So & @ Oe Starke. Fa. P. W. M. TRAP impr: u, > y Jachsthumsgeschichte des rothen Klees. ¢ 8. EEE u TE ZELL ZELTE LE LEER —> BI === U ———— Te Traubenzucker. Starke. rn duco pe Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trar impr. M Pe _Wachsthumsgeschichte des rothen Klees. TaK, Blattgrin Kuveiss Be Traubenzireker EEN Starke. $ Huco DE VRIES, Opera. Fa. P. W. M. 'TRAP impr. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 173: hlz. Holzkörper eines Nerven. g. Poröse Gefäsze. w.b. Weichbast. b. f. Bastfasern. | Fig. 4. Theil eines Blattes im Längsschnitt '*/ı. In den Spreiten ist die grüne Farbe und die Angabe der Stärke durch blaue Punkte weggelassen worden. p. Polster. n. Gefäszbündel des Blattstieles. m. n. Mittelnerven. s. n. Seitennerven. Fig. 5. Querschnitt eines ausgewachsenen Blattstieles; im Juni untersucht. */ı. vs. Vorderseite. hs. Hinterseite. p. h. Primäres Holz. s. h. Secundäres Holz. w. b. Weichbast. b. f. Bastfasern. Fig. 6. Querschnitt eines sich noch streckenden Blattstieles,. im August untersucht. ?%ı, Bedeutung der Buchstaben dieselbe wie in Fig. 5. Fig. 7. Querschnitt der Hauptwurzel einer jungen Pflanze. ”/ı. ms. Markstrahlen. hlz. Holz. w. b. Weichbast. Tafel II. Fig. 8. Schematische Darstellung der Vertheilung der Bil-. dungsstoffe beim Rothklee beim Anfang der Bestockung (im Hochsommer des ersten Vegetationsjahres) 8⁄4. Längsschnitt durch: den Wurzelstock, die Wurzelblätter und ihre jungen Achselsprosse. v. p. Vegetationspunkt des Wurzelstockes. svp. Vegetationspunkt eines Sprosses. st. Blattstiel. nb. Nebenblätter. a—f. Junge Blattanlagen in verschiedenen Altersstadien.. g. b. Gefäszbündel. w. b. Weichbast. bf. Bastfasern. 174 WACHSTHUMSGESCHICHTE DES ROTHEN KLEES. hlz. Holz. m. Mark. Fig. 9. Querschnitt eines noch ganz ausgewachsenen Stengel- ` internodiums "/ı. hlz. wb. bf. m. wie in den vorigen Figuren. s. Innere Strangscheide. r. Rinde. 1 Mittlere Blattspur des zweitoberen Blattes. la. 1b. Seitliche. Blattspuren des zweitoberen Blattes. 2 Mittlere Blattspur des nächstoberen Blattes. 2a, 2b. Seitliche Blattspuren des nächstoberen Blattes. Fig. 10. Querschnitt eines der unteren Internodien eines blühen- ‚den Stengels '/ı. Bedeutung der Buchstaben wie oben. i. h. Intercalares Holz. Fig. 11. Längsschnitt eines erwachsenen Wurzelknöllchens ?/,, vp. Vegetationspunkt. gb. Gefäszbündel. wf. Wurzelfaser, aus der das Knöllchen als seitlicher Zweig entspringt. Tafel III. Fig. 12. 13. Schematische Darstellung der Stoffvertheilung in ‚der blühenden Pflanze. Die Pfeile geben die Richtung der Bewe- ‚gung der Nährstoffe an. A. Ein junger, wachsender Sprosz. B. Ein blühender Sprosz. vp. Vegetationspunkt. nb. Nebenblätter. Fig. 14. Längshälfte einer Blüthenknospe. 'ı. st. Stiel. k. Kelch. kz. Kelchzipiel. f. Fahne. fl. Flügel. car. Schiffchen. na. Narbe. gr. Griffel. stf. Staubfäden. stf. Der freie Staubfaden. BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 175 f. w. Wand des Fruchtknotens. sk. Samenknospe. Fige. 15. Längshälfte einer blühenden Blüthe. *ı. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 14. c. Röhre der Blüthenkrone. Fig. 16. Längshälfte der unreifen Frucht. 6/1. st..c. k. kz.\gr.f., w., wie. oben. sh. Samenhaut. e. Endosperm. km. Keim. p. Unterer Kelchzipfel. (Landwirtschaftliche Jahrbücher 1877, Bnd. 6. S. 893.) 176 KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. II. Keimungsgeschichte der Kartoffelsamen. Hierzu Farbendruck-Tafel I. 8 1. Der reife Same. Obgleich die Keimungsgeschichte der Kartoffelsamen bis jetzt, so viel mir bekannt geworden ist, noch nie zum Gegenstand eines eingehenden physiologischen Studiums gemacht worden ist, so bietet sie doch einige wichtige Erscheinungen, welche die Unter- suchung dieser Vorgänge sehr lohnend machen. Unter diesen will ich gleich jetzt zwei Punkte hervorheben, da sie in unmittelbarer Be- ziehung zu den Eigenschaften der Samen stehen, und also bereits bei der Beschreibung dieser berücksichtigt zu werden verdienen. Der erste Punkt betrifft die organischen Reservenährstoffe der Samen. Diese zerfallen bekanntlich im Allgemeinen in stickstoff- haltige und in stickstofffreie Substanzen. Die ersteren sind in allen Samen durch Eiweisskörper, die letzteren gewöhnlich durch Stärke oder durch Stärke und Oel vertreten. Die Kartoffelsamen aber gehören zu der verhältnissmässig kleinen Reihe von Samen, in denen alle stickstofffreie Nährstoffe in der Form eines fetten Oeles abgelagert sind, und denen die Stärke somit völlig abgeht. Sıe enthalten als Reservestoffe nur Eiweiss und Oel, dafür ist aber die Menge des in ihnen abgelagerten Oeles auch eine sehr bedeu- tende. Sie beträgt, nach den Untersuchungen von Berjot 1), etwa 25 pCt. von dem Gewichte des trockenen Samens. Das ausschliess- liche Vorkommen des fetten Oels als stickstofffreier Reservestoff macht die Kartoffelsamen sehr geeignet, um die chemischen Me- tamorphosen zu studiren, welche das Oel erleidet, bevor es als Zellstoff für den Aufbau der Zellwandungen verbraucht wird. Ich werde diese Umsetzungen später ausführlich beschreiben, hebe aber hier hervor, dass das Oel während der Keimung zum Theil in Stärke, zum andern Theil in Traubenzucker verwandelt wird, und dass diese beiden Verbindungen den wachsenden Theilen zu- geleitet werden, um dort selbst wieder in Cellulose verändert zu werden. Diese interessante Erscheinung wurde bereits vor mehre- 1) Journ. de la Soc. centr. d’agric. de Belgique 1863, S. 71, citirt nach Jahresbericht der Agriculturchemie 1863. S. 49. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 177 ren Jahren von Sachs 1) bei der Keimung ölhaltiger Samen ent- deckt und durch Beispiele erläutert, ist aber für die Kartoffelsamen bis jetzt noch nicht beschrieben worden. In zweiter Linie verdient die Art und Weise, wie die Reserve- stoffe des Endosperms vom Keime aufgesogen werden, unsere Aufmerksamkeit. Denn das Oel und das Eiweiss sind nur zum Theil im Keime selbst abgelagert, zum grösseren Theil aber liegen sie in einem Zellgewebe, welches die ganze Höhlung der Samenschale ausfüllt, und den Keim allseitig umgiebt. Dieses wichtige Gewebe führt in der beschreibenden Botanik bekanntlich den Namen En- dosperm. In diesem liegt nun der Keim ganz frei, man Kann ihn aus dem geöffneten Samen leicht mit einer Nadel herausheben, wobei er sich glatt vom umgebenden Gewebe trennt. Dabei zeigt sich der Keim allseitig von einer gewöhnlichen Oberhaut umge- ben, nirgends findet man ein besonderes Organ, welches zur Auf- nahme der Nährstoffe aus dem Endosperm bestimmt wäre. Und dennoch gehen diese, während der Keimung, allmählich in die sich entwickelnden Keimtheile über. Da nun das Würzelchen bald aus der Samenschale heraustritt, so sind es die Keimblätter, welche das Endosperm entleeren müssen. Man muss also annehmen, dass diese durch ihre Oberhaut gewisse Fermente absondern, welche den Inhalt der Endospermzellen, und insbesondere das Eiweiss befähigen, sich durch die Zellhäute dieses Gewebes und endlich durch die vollständig geschlossene Oberhaut der Cotylen in diese hinein zu bewegen. Durch welche Vorgänge dies möglich gemacht wird, und welcher Art das abgesonderte Ferment ist, hat man bis jetzt noch nicht ermittelt, auch nicht bei anderen Samenarten. Nur die Anwesenheit eines Fermentes, und seine lösende Wirkung auf gewisse Stoffe konnte nachgewiesen werden 2), doch wurden die Kartoffelsamen in dieser Richtung bis jetzt noch nicht untersucht. Immerhin ist die Erscheinung selbst wichtig genug, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Auch lässt sich der Vorgang selbst mit völliger Sicherheit und Genauigkeit aus den weiter unten zu be- schreibenden mikrochemischen Untersuchungen ableiten, wenn auch die Erklärung einstweilen dahin gestellt bleiben muss. 1) Sachs, Ueber das Auftreten der Stärke bei der Keimung ölhaltiger Samen. Bot. Zeitung. 1859. S. 177. 2) Vergl. z.B. van Tieghem. Ann. d. Sc. nat. Serie V. Tom XVII S. 205; ferner Darwin Insectivorous Plants 1875 S. 362; Sachs, Lehrbuch der Botanik 4. Aufl. 12 178 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Betrachten wir jetzt den äusseren und inneren Bau der Kartof- felsamen etwas genauer. Die Figuren 1 und 2 unserer Tafel I sol- len diesen Bau erläutern, indem sie die Samen im Querschnitt und im Längsschnitt darstellen. Die violette Farbe in ihnen giebt die Verbreitung des Eiweisses an; die Ringelchen jene des Oels; auf diese beiden kommen wir später zurück, jetzt wollen wir unsere Aufmerksamkeit nur der Form und der relativen Lage der einzel- nen Theile widmen. Die Kartoffelsamen sind flach-eiförmig, am breiten Ende rund, am schmalen meist ziemlich spitz (Fig. 2). Sie sind von einer le- derartigen Schale von schmutziger, blass-bräunlicher Farbe um- geben. Am schmalen Ende bildet diese Schale eine Art Kamm (Fig. 2k), der äusserlich gesehen ganz flach und überall fast gleich dünn ist, und sich dadurch von der gewölbten Oberfläche des eigentlichen Samenkörpers deutlich abhebt. Dieser Kamm entsteht dadurch, dass die äussere Samenschale bedeutend grös- ser ist, als dem Inhalte des Samens entspricht. Es liegen daher die Schalenhälften der beiden Seiten des flachen Samens an dieser Stelle dicht gegen einander, ohne durch den Inhalt des Samens getrennt zu sein. Sie scheinen hier nur sehr unvollständig mit ein- ander verwachsen zu sein, denn beim Anfange der Keimung wei- chen sie über ihre ganze bisherige Berührungsfläche auseinander, und bilden so zwei Lippen, welche einen klaffenden Spalt begren- zen. Durch diesen Spalt tritt das Würzelchen an’s Licht. Interessant ist die Zeichnung, welche die äussere Fläche des Kammes bei stärkerer Vergrösserung zeigt, und welche von einem prachtvollen Netzwerke erhabener Leisten gebildet wird, welche die ganze Fläche überziehen, und meist sechseckige Maschen bilden. Die äussere Samenschale ist auf ihrer Innenseite überall, mit Ausnahme ihrer kammförmigen Fortsetzung von der inneren Sa- menschale (Fig. 1 und 2 i. s.) ausgekleidet. Diese ist äusserst dünn und offenbar sehr stark zusammengedrückt, unterscheidet sich jedoch leicht durch ihre weisse Farbe von der gelbbraunen äusseren Schale. Auf feinen Querschnitten des trockenen Samens lässt sie kaum eine zellige Structur erkennen, selbst nicht, wenn man die Schnitte in Oel liegend betrachtet. Lässt man den Schnitt dagegen in Kalilösung aufquellen, so beobachtet man, dass die innere Samenschale aus einer Lage von mehreren Schichten farb- loser, dünnwandiger Zellen besteht, welche im trockenen Zustande bis zum Verschwinden des Lumens zusammengedrückt waren. Die KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 179 äussere Samenschale ergiebt sich dabei als aus einer einzigen Schicht dickwandiger braungelber Zellen gebildet. Der ganze, von den beiden Samenschalen umgebene Raum wird von dem ` Endosperm eingenommen, in welchem der Keim frei, aber allseitig dicht umschlossen liegt. Die Lage und Form des Keimes erkennt man am besten auf einem Längsschnitte durch den Samen, wie ein solcher z. B. in der Fig. 2 dargestellt ist. In dieser Figur bedeuten a. s. und i. s. die äussere und innere Samenschale, k. den Kamm des Samens und e.das Endosperm. Der Embryo liegt im Samen in gebogenem Zustande; sein Würzelchen (Fig. 2 w.) befindet sich in der Nähe des Kammes, und kann hier später, wie bereits bemerkt wurde, durch einfache Streckung die beiden Blät- ter des Kammes auseinander drücken und so aus der Schale her- - vordringen. Die beiden Cotylen sind übereinander gebogen, das innere (Fig. 2 c.) ist etwas länger als das äussere (ct), und an seiner Spitze meist hakenförmig gekrümmt. Der Grössenunter- schied der Keimblätter ist kein sehr beträchtlicher, er ist aber nicht zu verkennen, da er sich bei der Keimung weiter ausbildet, und auch an den entwickelten Keimpflänzchen meist noch deut- lich zurückgefunden wird. Der Ansatzpunkt der Keimblätter an das Würzelchen liegt am breiten Ende des Samens; der Fuss jener Blätter umgiebt eine kleine Knospenanlage, das Federchen (Fig. 2 f.), welches später zu dem bestaubten Stengel der Kartoffel- pflanze heranwachsen wird. Nach dieser Beschreibung des Längsschnittes wenden wir uns zu dem Querschnitte. Es ist leicht zu ersehen, dass dieser uns sehr verschiedene Bilder darbieten wird, je nachdem er in verschiede- ner Höhe geschnitten worden ist. Man braucht sich unsere Fig. 2 nur durch eine Anzahl horizontaler Linien durchschnitten zu den- ken, um sich davon zu überzeugen. Die untersten Schnitte werden nur den Kamm, etwas höhere auch das Endosperm und die Radi- cula, aber keine Cotyledonen treffen. Führt man dagegen den Schnitt in derjenigen Höhe, welche durch die beiden Ziffern 1—1 ange- geben ist, so wird er sowohl durch die Radicula als durch die Keimblätter gehen und diese Theile nahezu senkrecht schneiden, dagegen wird vom Kamme in ihm nichts zu sehen sein. Ein sol- cher Schnitt, aus einem anderen Samen genommen, habe ich in Fig. 1 dargestellt; die Bedeutung der Buchstaben in dieser Figur ist dieselbe wie in Fig. 2. Man sieht bei w. den Querschnitt des Würzelchens, in dessen Mitte der centrale Strang deutlich zu er- kennen ist. Die beiden Keimblätter liegen bei e. und e*:, ihre ge- 180 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. geneinander gedrückten Vorderseiten sind nicht flach, sondern bei dem inneren Keimblatte etwas convex, bei dem äusseren etwas: concav gebogen. Jedes zeigt in seiner Mitte einen deutlichen Ner- ven. Die Figur bestätigt ferner unsere frühere Angabe, dass der Embryo vom Endosperm allseitig umgeben ist. Der feinere Bau des Endosperms und des Keimes ist ein sehr einfacher. Ersterer besteht aus grossen, ziemlich dickwandigen parenchymatischen Zellen, welche so dicht aneinander schliessen, dass sie keine Lufträume zwischen sich übrig lassen. Sie besitzen an verschiedenen Stellen des Samens eine etwas verschiedene: Grösse, zeigen aber sonst keine wesentlichen Unterschiede. Nur die äusseren Zellen sind meist etwas zusammengedrückt, wobei ihre Aussenwand stärker als die übrigen Wände verdickt ist. Der Inhalt der Endospermzellen besteht aus kleinen körnigen Gebilden, welche im Querschnitt in jeder Zelle in ziemlich grosser Zahl sichtbar sind. Ihre Form ist die eines Polyeders, und die einzelnen Körner schliessen so dicht aneinander, dass man bei der Betrach- tung eines trockenen, in Oel liegenden dünnen Schnittes nur eine feine weisse Trennungslinie beobachtet. Im Innern sehen die Kör- ner ziemlich homogen aus. Die chemische Untersuchung der Schnitte lehrt, dass sie aus einem innigen Gemenge von Eiweiss und Oel bestehen; ersteres wird durch die bekannte Kupferoxyd- Kali-Reaction intensiv violett gefärbt, während letzteres bei der Behandlung mit verschiedenen Reagentien, z. B. mit concentrirter Schwefelsäure in zahlreichen kleinen Tropfen aus den durchschnit- tenen Zellen hervortritt. Die Körner sind somit als Aleuron- oder Proteinkörner zu bezeichnen. Löst man durch Behandlung mit Kali und Benzol alles Oel weg, so erscheinen die Endospermzellen fast leer, und man erkennt in ihnen einen grobkörnigen protoplasmati- schen Wandbeleg. Auch im Embryo ist noch fast keine Differenzirung der später so formenreichen Gewebselemente eingetreten. Das parenchyma- tische Rindengewebe ist kleinzellig, die Zellen sind dünnwandig und mit ähnlichen Proteinkörnern gefüllt wie die Endospermzellen; von diesen unterscheiden sie sich aber, nach Entfernung des Oeles, durch einen reicheren Gehalt an körniger protoplasmatischer Sub- stanz. In den Cotylen zeigt sich bereits ein Unterschied in der An- lage zwischen dem Palissadenparenchym und dem Schwammpa-- renchym. Die Oberhaut und zumal das Stranggewebe bestehen aus kleineren zartwandigeren Zellen als das Parenchym; ihr In- KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 181 halt ist ausschliesslich Eiweiss, welches in der Form kleiner Kör- ner den Zellraum erfüllt. S 2. Gestaltungsvorgänge bei der Keimung. Die Gestaltungsvorgänge bei der Keimung der Kartoffelsamen sind äusserst einfache und brauchen nur in kurzen Zügen ange- geben zu werden. Die wichtigsten Momente werden aus der Ver- gleichung unserer Figuren 3 und 4 (Tafel I.) mit Fig. 2 leicht er- sehen werden können. Fig. 3 stellt einen Keimling, wenige Tage nach dem Hervortreten des Würzelchens dar; Fig. 3 einen solchen am Ende der Keimungsperiode. Beide Figuren sind schematisirte Längsschnitte. Werden die reifen Kartoffelsamen in einer feuchten Umgebung einer hinreichenden Wärme ausgesetzt, so fängt der Keimungspro- cess mit dem Aufquellen der Samen an. Die beiden Seiten des Samenkornes wölben sich immer stärker, und es wird bereits da- durch ein Auseinandertreten der beiden den Kamm bildenden Fort- setzungen der Schale veranlasst. Aber erst die Streckung des Würzelchens drückt die beiden Platten soweit auseinander, dass dieses hindurchdringen kann. Das Würzelchen tritt also an dem spitzen Ende des Samens aus der Schale heraus. Indem es sich immer rascher und rascher streckt, wird es bald fähig, geotropi- sche Krümmungen auszuführen, und nimmt nun, unabhängig von der Lage des Samens, eine senkrecht nach unten gehende Richtung an. Nicht selten ist dazu eine sehr scharfe Krümmung erforderlich, wie uns z. B. Fig. 3 zeigt. Sobald das Würzelchen eine Länge von etwa 3 Mm. erreicht hat, wird die Grenze zwischen seinen bei- den Theilen, dem hypocotylen Gliede und der eigentlichen Wurzel äusserlich sichtbar. Es treten hier nämlich die ersten Wurzelhaare auf. Diese sind anfangs klein, und nur auf die Grenzregion, ge- nauer auf die oberste Querscheibe der Wurzel beschränkt, bald werden sie grösser, und mit zunehmendem Wachsthum der Wurzel bedecken sich, von jener Grenze ausgehend, die älteren Wurzel- theile fortwährend mit Haaren, welche sich bis an die jüngsten Theile in der Nähe der Wurzelspitze erstrecken. Das Wachsthum der Keimblätter steht anfangs bedeutend vor dem des Würzelchens zurück. Die Folge davon ist, dass die Co- tylen lange Zeit vollständig von der Samenschale und dem En- dosperm umschlossen bleiben. Erst allmählich wachsen sie so- weit heran, dass sie das ganze hypocotyle Glied aus dem Samen herausschieben; in dem in Fig. 3 abgebildeten Stadium ist dieser 182 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Zustand noch nicht erreicht. Später treten auch ihre unteren _ Theile hervor. In dieser Zeit saugen sie die Nährstoffe aus dem Endosperm aus; sobald dieses entleert ist, kann die Samenschale abgeworfen werden, was wohl dadurch zunächst veranlasst wird, dass die Cotylen durch ihr Dickenwachsthum zu gross für die Schale werden und diese somit allmählich abstreifen. Gewöhn- lich findet dieses Abstreifen statt während das hypocotyle Glied noch gekrümmt ist, und also bevor es sich geotropisch aufrichtet; in einzelnen Fällen beobachtete ich aber auch das Gegentheil. Die Cotylen entfalten sich nun, und ergrünen am Lichte, das hypoco- tyle Glied erfährt seine letzte Streckung, und die bereits ansehnlich gewachsene Hauptwurzel treibt eine Reihe von Nebenwurzeln. Und damit ist das Ende der Keimungsperiode erreicht (Fig. 4). Auch über den anatomischen Bau des fertigen Keimlings ist nur wenig zu sagen. Die Oberhaut der Cotylen und des hypocotylen Gliedes ist mit zahlreichen Spaltöffnungen versehen; letzteres zeigt dazwischen lange abstehende Haare, welche aus einer ge- gliederten Zellreihe bestehen, und dem blossen Auge deutlich sichtbar sind. Zwischen diesen langen Haaren stehen kleinere, ebenfalls gegliederte, welche ein drüsenähnliches Köpfchen tragen. Wichtiger ist der Verlauf der Gefässbündel. Die erwachsenen Cotylen sind, wie der Querschnitt Fig. 5 bei n. n. zeigt, von meh- reren Nerven durchzogen; diese entspringen aus dem einzigen centralen Gefässbündel des kleinen Cotylenstieles. Nach unten setzen sich die beiden Bündel der beiden Cotylenstiele in das hypocotyle Glied fort, wo sie bekanntlich den Namen Blattspuren führen, und einen centralen Strang bilden. Dieser Strang ist auf dem Querschnitte des hypocotylen Gliedes, Fig. 6 deutlich zu er- kennen, da er durch die (blau punktirte) Stärkescheide umgeben ist. Innerhalb dieser sieht man eine X-förmige Figur, welche aus den keilförmigen Querschnitten der beiden Blattspuren besteht; den inneren Theil jedes Stranges bildet das Holz (hlz.), den äusseren das Bastgewebe (bst.) Die beiden weiss gelassenen Partien neben den Bündeln sind vom parenchymatischen Gewebe ausgefüllt, und müssen als primäre Markstrahlen betrachtet wer- den (Fig. 5 p. ch). Im Querschnitte der Wurzel (Fig. 7) erkennt man gleichfalls einen centralen Strang mit zweistrahligem Bau. Hier ist die An- ordnung der Gewebepartien eine etwas abweichende. Die beiden Bündel, aus denen der Holzkörper besteht (hlz.), berühren sich nicht mit der schmalen, sondern mit der breiten Seite, was eine KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 183 Folge ihrer centripetalen Entwickelung ist. Die Bastbündel (bst.) stehen nicht auf der Aussenseite des Holzkörpers, sondern im Kreuz mit diesem. Bast und Holz sind durch kleinzelliges, paren- chymatisches Gewebe von einander getrennt. Der Bau der Stränge selbst bietet Nichts, was eine eingehende Beschreibung erfordern würde. Ebenso wenig braucht hier auf die Anatomie des Rinden- gewebes eingegangen zu werden. 8 3. Uebersicht über die Stoffwanderungserscheinungen bei der Keimung. Indem ich die detaillirte Beschreibung der Vertheilung der wich- tigsten Baustoffe des Protoplasma und der Zellhaut, wie sie sich direct aus den mikrochemischen Untersuchungen ergiebt, für die nächstiolgenden Paragraphen aufbewahre, will ich es versuchen, zum besseren Verständniss jener Angaben, hier die allgemeineren und wichtigeren Erscheinungen der Stoffwanderung kurz zu schil- dern. Ich bitte den Leser bei dieser Beschreibung die Figuren un- serer Tafel I vergleichen zu wollen. In dem reifen Samen (Fig. 1 und 2) finden wir alle Zellen mit Eiweiss, oder mit Eiweiss und Oel dicht erfüllt; die Wandungen sind meist dünn, und die Menge der im Samen vorhandenen Cel- lulose ist also nur eine geringe. In der fertigen Keimpflanze (Fig. 4) finden wir dagegen ein ansehnliches Gerüste von Zellhäuten, welche zumal im Gefässbündel häufig verdickt sind. Jede Zelle enthält mit wenigen Ausnahmen einen protoplasmatischen Wand- beleg, in welchem in den Keimblättern Chlorophylikörner diffe- renzirt sind. Der Inhalt dieser Zellen ist je nach ihrem Alter und ihrer Natur verschieden; wie unsere Figur zeigt, kommen darin kauptsächlich Eiweiss, Stärke und Traubenzucker vor. Ersteres befindet sich nur in den jungen Zellen der Endknospe (b. und v. p.) und der Wurzelspitzen; die Stärke liegt in der Nähe des Ei- weisses in den jugendlichen Wurzelspitzen, sowohl im Streckungs- gewebe als in den Wurzelhauben; ferner in den Keimblättern und der Stärkescheide des hypocotylen Gliedes. Der Traubenzucker erfüllt in bedeutender Menge alles Rindenparenchym von den Stielen der Keimblätter abwärts bis an die Wurzelspitzen. Vergleichen wir nun den Anfangs- und den Endzustand des Keimungsprocesses mit einander. Alles Oel aus dem Samen ist in der Keimpflanze verschwunden; von Eiweiss sind nur noch ge- ringe Mengen übrig. Dafür sind Zellhäute und Protoplasma im Keimling in viel grösserer Menge anwesend als im Samen, sie sind 184 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. also offenbar aus jenen gebildet worden. Die chemische Zusam- mensetzung dieser Stoffe lässt keinen Zweifel darüber, dass das Eiweiss das Material für das Protoplasma, das Oel den Baustoff für die Zellhäute hergiebt. Das unverbrauchte Eiweiss finden wir als solches nach Beendigung der Keimung zurück, vom Oel ist nichts mehr vorhanden. Es ist aber nicht vollständig übergegan- gen, wie uns die Anwesenheit der Stärke und des Zuckers lehrt. Denn auch diese beiden, mit der Cellulose nahe verwandten Stoffe, müssen, wenigstens zum Theil, aus dem Oele des Samens ent- standen sein. Den Reichthum an Nährstoffen, welche das in unserer Figur dargestellte Schema uns bietet, finden wir in den ausgewachsenen Kartoffelkeimlingen nur unter besonders günstigen Umständen. Nur dann, wenn die Cotylen sich bald von der Samenschale be- freien und an’s Licht ausbreiten können, zeigen alle Theile fort- während eine solche Fülle von wichtigen Nährstoffen. Es rührt dies offenbar daher, dass noch vor dem völligen Verbrauch der Reser- vestoffe des Samens die Neubildung von Stärke durch Assimila- tion in den Blattgrünkörnern anfängt, und dass diese Stärke den wachsenden Organen zugeleitet wird, wobei sie sich zum grossen Theil in Traubenzucker verwandelt. In anderen Fällen tritt am Ende der Keimung eine mehr oder weniger leere Periode ein. Um so mehr, je ungünstiger die Umstände für die Assimilation waren. Am schlimmsten sind die Verhältnisse, wenn die Keimpflanzen sich in völliger Dunkelheit entwickeln. Eine Neubildung organischer Substanz ist dann unmöglich; nur so lange, als die Reservestoffe des Samens reichen, ist ein Wachsthum möglich. Sind diese ver- braucht, so hört die Entwickelung, und damit bald auch das Leben des Keimlings auf. Solche Dunkelpflanzen sind aber besonders geeignet, um uns zu lehren, welchen Werth die im Samen aufgespeicherten Stoffe für die Keimung haben, und wie weit die Ausbildung der Keim- theile ausschliesslich auf deren Kosten geschehen kann. Sie zei- gen, dass zur Zeit der Entfaltung der Cotylen, und bevor noch die erste Nebenwurzel erscheinen kann, die Reservestoffe schon so vollständig verbraucht sind, dass die Entwickelung aufhört. Un- tersucht man nun solche Pflänzchen, nachdem sie bereits einige Tage ausgewachsen sind, mikrochemisch, so zeigen sie sich in allen ihren Organen nahezu leer. Alles Eiweiss ist zur Bildung von Protoplasma, alles Oel theils zur Athmung, theils zum Aufbau des Zellhautgerüstes verwandt worden. Hieraus folgt ferner, dass bei KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 185 cen sich am Licht entwickelnden Keimpflanzen die Assimilation nicht nur bereits früh anfängt, sondern dass deren Producte auch schon bald einen wichtigen Antheil an dem weiteren Aufbau der Pflanze nehmen. Nicht nur die Fülle von Zucker und Stärke, wel- che Fig. 4 aufweist, auch die Ausbildung der Nebenwurzeln, und das kräftige Wachsthum der Keimblätter sind als Folge dieser Thätigkeit der grünen Zellen der Cotylen zu betrachten. Daher rührt es auch, dass sowohl die kräftige Entwickelung der jungen Pflanze, als zumal ihr Gehalt an mikroskopisch nachweisbaren Stoffen so äusserst wechselnd, und von äusseren Umständen, z. B. von der Witterung, so sehr abhängig ist. So viel über die Beziehungen der in der fertigen Keimpflanze nachweisbaren Stoffe zu den im Samen bereits vorhandenen. Wer- fen wir jetzt noch einen Blick auf die Wanderung der Stoffe während der Keimung und auf die successiven Umsetzungen, wel- che sie dabei erleiden. Während des Einquellens und der allerersten Streckung .des Würzelchens erleiden die in den Zellen des Keimes aufgespeicher- ten Stoffe noch keine sichtbare Veränderung. — Sobald aber das Würzelchen aus der Schale hervorgetreten ist, hört diese schein- bare Ruhe der Inhaltsstoffe auf: in der Mitte der Radicula, also am Grunde des ellipsoidischen Zapfens, welcher ihren unteren Theil bildet und die eigentliche Wurzelanlage darstellt, tritt in den Zellen der Rinde feinkörnige Stärke auf. Sie kann nur aus dem Oele entstehen. Allmählich nimmt die Menge der Stärke zu, dage- gen die des Oels in denselben Zellen ab, bald verbreitet sich die Stärke auch auf das hypocotyle Glied, wo sie zuerst in der Stär- kescheide auftritt. Schon vorher war sie in der Wurzelhaube er- schienen. Jetzt beobachtet man noch keinen Zucker; das Oel geht also unmittelbar in Stärke über. Erreicht das Würzelchen etwa 3 Mm. Länge, so entsteht nun auch. Traubenzucker, zunächst in dem obersten Theile der Wurzel, dann sich von da aus nach oben und nach unten allmählich verbreitend. Wo die Zellen sich rasch strecken, tritt der Zucker reichlich auf; dort verschwinden Oel und Stärke. Offenbar liefern beide das Material, aus dem der Zucker entsteht, während dieser selbst wieder bei dem Aufbau der Zell- häute in Cellulose verwandelt und als solche abgelagert wird. Von nun an ist die Vertheilung der Baustoffe im Allgemeinen folgende. Die jüngsten Zellen der Wurzelspitze enthalten Eiweiss, die etwas älteren Stärke, die sich rasch streckenden und die fertig gestreckten Zucker. Oel findet man in der Wurzel nicht mehr. Im 186 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. hypocotylen Glied beobachtet man dieselbe Reihenfolge, doch in umgekehrter Richtung. In den Cotylen und dem obersten, langsam wachsenden Theile noch Eiweiss und Oel, etwas weiter abwärts Stärke, ferner nur noch Zucker, oder höchstens auch etwas Stärke in der Stärkescheide (vergl. Fig. 3). Aus dieser Vertheilung der Stoffe geht hervor, dass die Reser- vestoffe des Samens fortwährend aus diesem in die wachsenden Organe übergeführt werden, und dass sie dabei wichtige Verän- derungen erleiden. Derjenige Theil, welcher zum Wachsthum des hypocotylen Gliedes dient, wird in geringer Entfernung vom Ab- lagerungsorte verbraucht, und scheint, theils als Eiweiss, theils als Oel, theils aber als Stärke zu wandern. Die Baustoffe für die Wurzel müssen aber durch das ganze hypocotyle Glied und die ausgewachsenen Theile der Wurzel hinunter nach der noch wach- senden Spitze geleitet werden. Dabei befolgen sie getrennte Bahnen. Das Eiweiss bewegt sich im Weichbaste des centralen Stranges; die stickstofffreien Stoffe dagegen im Rindenparen- chym. Letzteres enthält aber nur Traubenzucker; im Anfange beobachtet man in der innersten Zellenschicht, der Stärkescheide, eine continuirliche Lage von Stärke; bald ist diese unterbrochen und nur auf das hypocotyle Glied beschränkt (Fig. 3). Der Transport der stickstofffreien Stoffe nach der Wurzel findet also nur in der Form von Zucker statt, welcher durch seine Löslichkeit sich besonders zur raschen Leitung auf grössere Entfernungen eignet. In der Wurzelspitze wird dieser Zucker fortwährend zum Theil in Stärke umgesetzt, wodurch eine ansehnlichere Anhäufung von Baumaterial in den jungen Zellen ermöglicht wird. Jede Zelle verbraucht die in ihr abgelagerten Stärkekörnchen in der letzten Periode ihrer Streckung, und so kommt es, dass die ausgewachse- nen Wurzelzellen stärkefrei sind. In der beschriebenen Weise geht die Stoffwanderung nun wei- ter vor sich, bis die vollständige Verwandlung des Oels in Kohlen- hydrate, und die Ergrünung der Cotylen am Lichte und die dadurch hervorgerufene Neubildung von Stärke aus Kohlensäure und Was- ser die Pflanze in das bereits beschriebene letzte Stadium der Kei- mung überführen. Wir haben bis jetzt unsere Aufmerksamkeit ausschliesslich den- jenigen Vorgängen gewidmet, welche sich im Keime selbst ab- spielen, es erübrigt uns noch, auch die Reservestoffe des Endo- sperms einer Betrachtung zu unterziehen. In keinem Altersstadium konnte ich im Endosperm der keimen- KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 187 den Kartoffelsamen andere Baustoffe nachweisen, als darin bereits- im ruhenden Samen vorhanden waren. Stets beobachtete ich darin nur Eiweiss und Oel, nie konnte ich in ihnen Stärke oder Zucker ent- decken. Die Menge der beiden erstgenannten Verbindungen nimmt fortwährend ab, bis endlich das Gewebe nahezu vollständig ent- leert und durch das Dickenwachsthum der Cotylen zusammen- gedrückt ist. Aus dieser stetigen Abnahme, und aus dem bedeuten- den Wachsthum des Keimlings, auch in völliger Dunkelheit dürfen wir mit voller Sicherheit schliessen, dass die Inhaltsstoffe des En- dosperms in den Keim übertreten. Und da wenige Tage nach dem Anfang der Keimung die ganze Wurzel und der grösste Theil des hypocotylen Gliedes aus der Samenschale herausgetreten sind, so müssen es wohl die Keimblätter sein, welche als die Organe der Aufnahme fungiren. Da nun diese allseitig von einer Oberhaut umschlossen sind, welche aus eng aneinander schliessenden ju- gendlichen Zellen besteht, an denen keine besonderen Saugorgane nachgenommen werden können, und zwischen denen sich die Spaltöffnungen erst später entwickeln, so leuchtet ein, dass der Uebergang der Stoffe aus dem Endosperm in die Cotylen auf endosmotischem Wege durch die geschlossene Oberhaut stattfindet. Interessant ist es dabei, dass diese Oberhaut keineswegs mit dem Gewebe des Endosperms verwachsen ist; im Gegentheil, die Keimblätter liegen nicht nur völlig frei in der Höhlung des En- dosperms, sondern in Folge ihres langsamen Wachsthums schie- ben sie sich immer an der Wand dieser Höhlung vorbei; die ein- zelnen Stellen der Oberhaut kommen also nach und nach mit an- deren Stellen des Endosperms in Berührung; nur die Spitze der Keimblätter behält ihre Lage. Es wäre sehr wünschenswerth, dass die hier beschriebenen Erscheinungen in ihren ursächlichen Bezieh- ungen einem eingehenden Studium unterworfen würden. S 4. Die Wanderung der stickstoffhaltigen Stoffe bei der Keimung. In dem Maasse, wie die erste Stärke in den Rindenzellen des mittleren Theiles der Radicula auftritt, fängt das Eiweiss in diesen Zellen an spärlicher zu werden, doch zeigen, wenn das Würzel- chen bereits in einer Länge von 2 Mm. aus dem Samen hervorragt, noch alle Zellen des Keimes die Eiweissreaction. Dann verschwin- det das Eiweiss rasch in allen sich streckenden Theilen des paren- chymatischen Gewebes, und bei einer Wurzellänge von etwa 3 Mm. ist es nur noch auf die Cotylen, den oberen Theil des hypo- 1 188 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. cotylen Gliedes und die Spitze des Würzelchens beschränkt; in dem dazwischenliegenden, sich streckenden Theil erfüllt es das Stranggewebe, nicht aber das Rindenparenchym. Dieser Verthei- lungszustand bleibt nun während der weiteren Streckung zunächst unverändert, nur ist hervorzuheben, dass die eiweissfreie Strecke immer bedeutend an Grösse zunimmt, während dagegen die Menge des Eiweisses in der Wurzelspitze sich fast nicht, in den Cotylen und dem oberen Theil des hypocotylen Gliedes zunächst nur‘ wenig verringert. Ein Bild dieser Verbreitung liefert uns die Fig. 3, wo die violette Farbe das Eiweiss vorstellt. Man sieht, wie im Endosperm die Menge bereits geringer geworden ist als in den Keimblättern. Die weiteren Veränderungen beziehen sich zunächst auf das Endosperm und die Keimblätter, in denen das Eiweiss, bei fertschreitendem Wachsthum des Keimlings, immer spärlicher wird. Schliesslich findet es sich nur noch in den Nerven, um am Ende der Keimung auch aus diesen zu verschwinden. Während dieser Periode kann man es anfangs noch durch den ganzen cen- tralen Strang verfolgen und beobachten, wie es sich in der wach- senden Plumula und in den Anlagen der Nebenwurzeln anhäuft. Endlich verschwindet es auch aus den Gefässbündeln, wenigstens aus deren älteren Theilen (Fig. 4) und ist dann auf die Plumula, {v p. und b) die Spitzen der Hauptwurzel und der Nebenwurzeln (n. w.), sowie auf die jungen Wurzelanlagen (w a.) beschränkt. Von den Wurzelspitzen kann man es nicht selten noch eine kleine Strecke aufwärts im Strang verfolgen. Es scheint, dass ein kleiner Theil des Eiweisses auch in Aspa- ragin verwandelt wird, um als solches den jungen Theilen zuge- leitet und in diesen wieder daraus regenerirt zu werden. Doch waren die Reactionen, welche ich in verschiedenen Altersstadien der Keimpflanzen erhielt, nur undeutliche. In Ermangelung eines guten Reagenzes auf Asparagin, welches auch kleine Quantitäten mit Sicherheit nachzuweisen gestattet, muss diese Frage einstwei- len unentschieden bleiben. S 5. Die Wanderung der stickstofffreien Stoffe bei der Keimung. Schon bei der allerersten Streckung des Würzelchens müssen chemischen Umsetzungen in dem Kefme vorsichgehen, jedoch werden diese erst sichtbar, sobald die Spitze des Würzelchens aus der Schale heraustritt. Alsbald beobachtet man dann die erste feinkörnige Stärke in der Wurzelhaube, bald darauf auch in dem KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 189 jugendlichen Rindengewebe hinter dem Vegetationspunkt der Wurzelspitze. Indem das Würzelchen weiter wächst, tritt immer mehr Stärke auf; bei 1 mM. Länge des aus der Schale hervortreten- den Theiles der Wurzel erfüllt sich auch die Stärkescheide des hypo- cotylen Gliedes, von der Wurzel aufwärts, mit Stärke; das umgeben- de Rindenparenchym bleibt zunächst frei von Stärke. Ueberall wo: Stärke auftritt nimmt das Oel ab und verschwindet bald. Sobald 3 Mm. des Würzelchens ausserhalb der Schale sichtbar sind, tritt auch in den Cotylen und in dem Parenchym des hypocotylen Gliedes Stär- ke auf; in den Cotylen aber nur in geringer Menge. Ueberall enthält das Parenchym jetzt noch Oel, aber die Menge dieses Stoffes nimmt von den Cotylen aus nach der Wurzelspitze stetig ab. Auch verschwindet jetzt die Stärke auf der Grenze der Wurzel und des hypocotylen Gliedes, welche äusserlich bereits an den jungen Wurzelhaaren kenntlich ist. Bei der raschen Streckung dieses Theiles wird die Stärke theils in Traubenzucker umgesetzt, theils zur Zellhautbildung direct verbraucht. Dieser Zuckergehalt nimmt nun rasch zu und erstreckt sich im Rindenparenchym immer weiter nach oben und nach unten. Wo der Zucker auftritt, verschwinden die letzten Spuren der Stärke und des Oels, und indem nun auch in der Wurzelspitze das Oel verbraucht ist, ist dieser Stoff nun mehr auf das Endosperm, die Cotylen und den oberen Theil des hypocotylen Gliedes beschränkt. In letzterem erstreckt er sich ungefähr ebenso weit, wie das Eiweiss noch im Rindenparenchym beobachtet wird. In den Cotylen hat in dieser Zeit die Menge der Stärke allmählich zugenommen, wenigstens im unteren Theile; im oberen verschwindet die Stärke bereits wieder. Alle diese Ver-- änderungen führen den Keimling allmählich in den Zustand, wel-- cher in unserer Fig. 3 abgebildet ist und welcher einer Keimlänge: von ungefähr 1 Cm. entspricht. Bei der weiteren Entwickelung bleibt die Vertheilung der stick- stofffreien Nährstoffe in der Wurzel dieselbe; die Wurzelhaube, und die jüngsten aus dem meristematischen Zustande hervorge-- tretenen Rindenzellen enthalten Stärke, das ältere Wurzelparen-- chym führt Zucker. In jeder neu entstehenden Nebenwurzel wie- derholt sich dieses, wie aus unserer Figur 4 leicht ersichtlich ist. Oel wird in der Wurzel nie wieder gefunden. Wir haben also un- sere Aufmerksamkeit jetzt ausschliesslich auf die oberen Theile der Keimpflanze zu lenken. ‚ Nachdem das Endosperm entleert ist, und die Cotylen die Sa- menschale sammt den Ueberresten des Endosperms abgestreift: 190 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. haben, ergrünen die Keimblätter am Lichte. In diesem Zustande enthalten sie noch viel Oel in ihrem Gewebe, auch im jüngsten, oft noch umgebogenen Theil des hypocotylen Gliedes, wo die Zellen noch wenig gestreckt sind, ist die Menge des Oels eine an- sehnliche. Von dort aus nimmt dieses abwärts rasch ab, und fehlt in den fertig gestreckten Zellen vollständig. Die Stärke ist jetzt aus dem Parenchym der Cotylen und der Achse verschwun- den; nur in der Stärkescheide findet sie sich noch, und in dieser nun über eine kleine Strecke von der Plumula abwärts. Während nun die Cotylen sich entfalten und das hypocotyle Glied sich voll- ständig grade streckt, verschwindet fast alles Oel aus dem Gewe- be; nur in den Cotylen sind die letzten Spuren noch sichtbar, aber auch diese verschwinden nach einigen Tagen, und meist bevor in den Keimblättern ein kräftiges Wachsthum den Anfang des As- similationsprocesses dem unbewaffneten Auge anzeigt. Offenbar wird das Oel zum Theil direct zur Zellhautbildung verwandt, zum grössten Theil aber wohl in Traubenzucker umgesetzt und der Wurzel zugeführt. Während der Entfaltung der Cotylen nimmt die Menge der ‘Stärke anfangs noch etwas ab; und es finden sich nur noch Spuren in der Stärkescheide. Bald aber liefert die Assimilation neue Mengen von diesem Kohlenhydrate, und es erfüllen sich damit zunächst die Keimblätter und ihre Stiele, dann auch die ganze ‚Stärkescheide des hypocotylen Gliedes. In diesem Zustande, also nach eben angefangener Assimilation, bildet die Figur 4 auf un- serer Tafel I die junge Pflanze ab. Einer weiteren Erklärung wird diese wohl nicht bedürfen. Neben den bis jetzt besprochenen wichtigen Nährstoffen kommt im den Keimpflanzen in allen jungen Stadien noch Gerbstoff vor, welcher im Keime des Samens fehlt, und nach dem Abstreifen der Samenschale wieder verschwindet, um in den älteren Stadien nicht mehr nachweisbar zu sein. Die Cotylen und die Wurzel- spitze sind die Stellen, wo die Gerbstoffreaction vorwiegend oder "häufig ausschliesslich beobachtet wird. 86. Die Keimung im Dunklen. Die Keimung im Dunklen unterscheidet sich anfangs selbstver- ständlich gar nicht von der Keimung im Lichte. Noch in dem Sta- djum, welches in Fig. 3 abgebildet ist, und einige Zeit darüber hinaus sind sowohl die Gestaltungsvorgänge als die Stoffwande- zung in beiden Fällen dieselben. Später, zumal nach dem Abstrei- KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 191 fen der Samenschale verhalten sich die Dunkelpflanzen aber ganz anders als unter normalen Verhältnissen wachsende Keimlinge. Viele unter ihnen entfalten ihre Cotylen gar nicht, ja nicht selten unterbleibt die letzte Streckung des hypocotylen Gliedes, und stehen die nur ein wenig klaffenden Keimblätter nahezu horizontal cder schief aufwärts oder gar abwärts gerichtet. Das hypocotyle Glied wächst zu der ansehnlichen Länge von ungefähr 3 Cm. heran; die Wurzel bleibt, in Ermangelung von Nährstoffen im Wachsthum zurück und erreicht meist nur etwa 2 Cm.; auch bil- det sie keine Nebenwurzeln. Das Holz- und Bastgewebe der Stränge differenzirt sich nur wenig; wogegen sich die Oberhaut der oberirdischen Theile völlig ausbildet, und Stomata und Haare, im Verhältniss zu ihrer abnormalen Grössenentwickelung, ebenso reichlich trägt, als wenn sie am Lichte sich entwickelt hätte. Die mikrochemische Untersuchung der etiolirenden Keimpflan- zen zeigt vom Anfang der Keimung bis zum Ende eine stetige Entleerung an. Während der Abstreifung der Samenschale ist die Vertheilung der Stoffe noch ungefähr dieselbe, wie sie auf Tai. I in Fig. 3 abgebildet ist; nur ist die Menge der Stoffe überall be- reits eine geringere. So findet man in diesem Stadium das Eiweiss reichlich in der Wurzelspitze, weniger in der Plumula, und in ge- ringer Menge auch noch in den Cotylen; im Stranggewebe aber nur in der Nähe der Plumula und der Wurzelspitze; der grössere Theil des Strangs ist bereits entleert worden. Das Fett ist auf die Cotylen beschränkt, findet sich hier aber noch in beträchtli- cher Menge vor. Auch sind die Cotylen noch voll von Stärke, welche sich aus ihnen in den angrenzenden Theil der Achse er- giesst, um sich in der Stärkescheide noch etwas weiter abwärts fortzusetzen. Im unteren Theil des hypocotylen Gliedes, sowie im ausgewachsenen Theil der Wurzel fehlt sie aber. Nur an der Wur- zelspitze und in der Haube tritt sie wieder auf. Traubenzucker erfüllt die stärkefreien Theile des Rindenparenchyms sowohl in der Wurzel als im hypocotylen Gliede, doch fängt er in der mitt- leren Region bereits an spärlicher zu werden. Bei der weiteren Entwickelung verschwindet zunächst der Zucker aus den ausgewachsenen Theilen; und werden diese so- mit völlig entleert. Nur im streckenden Theil des hypocotylen Gliedes konnte ich in späteren Stadien noch Zucker nachweisen, aber mit dem Erreichen des äusgewachsenen Zustandes ver- schwand er auch hier. Nur in sehr einzelnen Exemplaren fand ich im ausgewachsenen Zustande in der Achse noch hin und wieder 192 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Spuren von Zucker. Auch das Eiweiss erfährt eine bedeutende Verringerung, es zieht sich bald auf die Plumula, die Wurzel- spitze und die wenigen Nebenwurzelanlagen, welche sich hier und da in der Wurzel zeigen, zurück. In der Wurzel verschwindet die Stärke aus den halbgestreckten Zellen; dagegen erhält sie sich noch sehr lange in der Wurzelhaube. Reichlicher ist der Gehalt an Stärke in den oberen Theilen. Die Cotylen enthalten, neben viel Fett, noch überall etwas Stärke; ihre Spaltöfinungszellen sind sogar mit Stärke dicht erfüllt. In den Stielen der Keimblätter und im oberen Theil des hypocotylen Gliedes ist viel Stärke aber kein Oel; weiter nach unten nur noch etwas Stärke in der Stärkescheide. Die untere Hälfte des hypocotylen Gliedes ist bereits gänzlich leer. So schreitet der Verbrauch der Nährstoffe und die Entleerung der verschiedenen Organe während der letzten Periode des Wachs- thums noch rasch fort. Bald aber wird ihre Menge eine so geringe, dass die Entwickelung der Keimpflanze dadurch gehemmt wird und wenigstens äusserlich ganz still steht. In diesem Zustande machen die Keimlinge den Eindruck, als ob sie ausgewachsen wären; sie verharren Tage lang, ohne eine äusserlich sichtbare Veränderung zu erleiden, bis sie endlich, oft erst nach mehr als 8 Tagen, ab- sterben. In ihrem Innern aber schreitet der Verbrauch des wenigen, noch vorhandenen Materials langsam weiter, bis endlich nahezu alle Reservestoffe des Samens verbraucht sind, und die Pflanze aus Mangel an Athmungsmaterial stirbt. Einige genauere Angaben über die Reihenfolge, in der die Stof- fe aus den einzelnen Geweben verschwinden, mögen hier noch Platz finden. Kurze Zeit nach der Entfaltung der Keimblätter fand ich in einer kleinen, obersten Strecke des hypocotylen Gliedes noch et- was Stärke, darunter etwas Zucker; die tiefer liegenden ausge- wachsenen Strecken waren bereits ganz leer. In den Keimblät- tern noch Spuren von Stärke und Oel; die Spaltöffnungszellen aber auffallender Weise ganz voll Stärke. Eiweiss in der Plumu- la und der Wurzelspitze. Nachdem das Wachsthum anscheinend bereits seit einer Woche aufgehört hatte und von den etwa 31, Wochen alten Pflänzchen derselben Cultur schon mehrere Exemplare starben, zeigten eini- ge noch frische Keimlinge mit entfalteten Keimblättern folgendes: Zucker war noch in einigen Exemplaren im oberen Theil des hy- pocotylen Gliedes in geringer Menge vorhanden, in anderen aber bereits verschwunden. Stärke in einigen Exemplaren noch im KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 193 Parenchym der Cotylen, und ziemlich viel in der Stärkescheide der Cotylen; Stomata der Keimblätter und Wurzelhaube voll Stärke; sonst keine Sfärke. In anderen Exemplaren alle Stärke bereits verschwunden mit Ausnahme der Spaltöffnungszellen der Keim- blätter, welche noch ganz voll waren und der Wurzelhaube, wel- che noch geringe Spuren enthielt. Oel in den Cotylen in wechseln- den Mengen, in einigen Exemplaren mehr, in anderen weniger. Eiweiss nur noch in der Plumula, in der Wurzelspitze und den wenig zahlreichen Nebenwurzelanlagen. 8 7. Die erste Erstarkung der Sämlinge nach Abschluss der Keimungsperiode. Die junge Kartoffelpflanze durchläuft nach der Beendigung der Keimung noch eine kürzere oder längere Periode, bis sie den Habi- tus und die äussere Form einer aus Knollen erwachsenen Kartof- felpflanze annimmt. Es dauert meist mehrere Wochen, bis der Stengel und die neu entstehenden Blätter hinreichend erstarken; auch besitzen die zuerst gebildeten Blätter eine ganz andere Form, wie die der gewöhnlichen Kartoffelblätter, und in den aufeinan- derfolgenden Blättern geht die erstere Form nur allmählich in die gewöhnliche über. Später sind die aus Samen erzogenen Pflanzen in ihren oberirdischen Theilen kaum mehr von den aus Knollen erzogenen zu unterscheiden, wenn sie auch meist merklich schwä- cher als jene bleiben. In den unterirdischen Theilen verräth stets die Anwesenheit einer Hauptwurzel die Entstehung aus einem Samen, denn die aus Knollen gezogenen Pflanzen besitzen ein solches Organ bekanntlich nie. Bei den Sämlingen aber wächst sie zu einer zwar kurzen, aber kräftigen und dicken, stark ver- holzenden Pfahlwurzel heran, welche mit ihren Verzweigungen den wichtigsten Theil des Wurzelsystems ausmacht. Ist einmal die Grösse und die Form der Blätter nahezu die der aus Knollen gewonnenen Pflanzen geworden, so werden die weite- ren Gestaltungs- und Stoffwanderungs-Vorgänge ebenfalls die- selben wie bei jenen. Ich werde diese also für beide Gruppen von Pflanzen zusammen in einem späteren Beitrag, als Wachsthums- geschichte der Kartoffelpflanze behandeln. Um nun einen vollstän- digen Anschluss der vorliegenden Keimungsgeschichte an jene Wachsthumgeschichte zu ermöglichen, möchte ich hier noch als Anhang die ersten Lebensstadien der jungen Sämlinge so weit schildern, als zu jenem Zwecke erforderlich ist. Ich werde dabei nur die äusseren Formen und die Stoffwanderungserscheinungen 13 194 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. hervorheben, dagegen alles anatomische Detail übergehen, da die- ses ohnehin in jenem späteren Aufsatz ausführlich behandelt werden soll. Wenden wir uns zunächst zu den Gestaltungsvorgängen, so haben wir in erster Linie zu bemerken, dass die Keimblätter im Anfange der vegetativen Periode als die ersten Laubblätter fun- giren. Sie wachsen zu einer bedeutenden Grösse heran und erheben sich auf relativ langen Stielen. In den Achseln dieser Stiele beob- achtet man bald deutliche Knospen, welche, falls sie rechtzeitig mit Erde überdeckt werden, sich zu den die ersten Knollen tra- genden Ausläufern der jungen Pflanze entwickeln. Während des erwähnten Wachsthums der Keimblätter streckt sich die Achse der Plumula und wird zum Stengel der Pflanze, indem sie nach und nach ihre Blätter entfaltet. Die ersten Blätter sind nur wenig grösser als die Cotylen, und haben wie diese eine einzige eiför- mige, oben zugespitzte Spreite. Die nächstiolgenden Blätter wer- den immer grösser und breiter; bald folgen solche, welche an der Basis bereits herzförmig sind, oder die Form des Endblattes eines gewöhnlichen zusammengesetzten Kartoffelblattes nachahmen. Dann treten an den Stielen höher stehender Blätter seitlich kleine blattartige Auswüchse auf; in den folgenden Blättern werden diese grösser und zahlreicher, und machen das ganze Blatt zunächst leier- förmig, und durch eine Reihe von weiteren Uebergängen wird jetzt allmählich die normale, unterbrochen gefiederte Gestalt des Kartof- felblattes erreicht. | Während dieser ersten Entwickelungsperiode ist die junge Pflanze noch äusserst zart und empfindlich, nur allmählich wächst die winzig kleine Keimpflanze zu einer mächtigen Kartoffelstaude heran. Dabei ist es von entscheidender Wichtigkeit, ob die Wachs- thumsbedingungen mehr oder weniger günstige sind. Auf freiem Felde, in guter Garten- oder Ackererde und unter der Vorausset- zung, dass Wärme, Licht und Feuchtigkeit in hinreichender Menge geboten werden, erstarkt die junge Pflanze sehr rasch; die neuen Blätter folgen rasch aufeinander, und der Formunterschied zwi- schen je zwei successiven Blättern ist ein grosser, wodurch die ganze Reihe der Formen in kurzer Zeit durchlaufen wird. Stengel und Wurzel verdicken sich; ihre Holzbündel werden gross und kräftig. Noch bevor die Blätter die gewöhnliche Form angenommen haben, entwickeln sich bereits Ausläufer, deren Spitzen zu Knollen anzuschwellen anfangen. Sind dagegen die Wachsthums-Bedingun- gen weniger günstige, so verläuft der ganze Prozess entweder ein- KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 195 fach langsamer oder nicht selten auch mehr oder weniger unregel- mässig. Am auffallendsten sieht man dieses an Exemplaren, welche bei ungenügender Beleuchtung sich entwickeln, z. B. bei Pflänz- chen, welche im Zimmer in Tööpfen gezogen werden. Ueberver- längerung und geringe Erstarkung des Stengels treten bei diesen als selbstverständliche Folgen des mangelhaften Lichtzutrittes ein. Doch auch die Blätter zeigen ein abweichendes Verhältniss. Die Zahl der Blätter mit einfacher Spreite wird eine viel grössere, auch die leierförmigen Blätter mit nur 1—3 Paar Fiederblättchen werden unverhältnissmässig zahlreich. Die Pflanze erreicht oft eine ansehnliche Höhe, bevor sie die eigentliche Form des Kartoffelblat- tes produciren kann. Nicht selten beobachtete ich sogar eine Unter- brechung in der Blattformenreihe am Stengel; es wurden oberhalb von leierförmigen Blättern wieder einfache gebildet, und es fing die Reihe also so zu sagen wieder von vorne an. Es würde mich zu weit führen, wenn ich die beobachteten Vor- kommnisse einzeln ausführlich beschreiben wollte; ich möchte nur die Erscheinung angegeben und darauf hingewiesen haben, wie ‚auch hier, wie in so vielen anderen Fällen, die Form eines Organes innerhalb des spezifisch gegebenen Formenkreises von äusseren, physikalischen Einflüssen bestimmt wird. Ebenso wie die mehr oder weniger rasche Ausbildung der äusse- ren Form von verschiedenen Einflüssen abhängig ist, zeigt sich auch der Gehalt des Gewebes an organischen Nährstoffen je nach den äusseren Umständen sehr verschieden. Die Anhäufung dieses Nährstoffs im Gewebe hängt selbstverständlich von dem Ver- hältnisse der Produktion und des Verbrauchs ab; die scheinbare Anhäufung, welche bei der mikroskopischen Untersuchung sich zu- nächst durch die Intensität der Reaktionen zu erkennen giebt, hängt dazu, wie leicht ersichtlich ist, noch von der Grösse der aufspei- chernden Gewebepartien ab. Die einzige Quelle organischer Neu- bildungen ist die Assimilation von Kohlensäure und Wasser in den grünen Zellen; die Ausgiebigkeit dieses Vorganges wird vorwie- gend von der Beleuchtung bestimmt. Verbraucht werden die Stoffe beim Wachsthum und bei der Athmung; letztere ist in den ausge- wachsenen Organen bekanntlich viel schwächer als in den noch wachsenden; wir können also ohne groben Fehler sagen, dass die Produkte der Assimilation in den jungen Kartoffelpflanzen schliess- lich beim Wachsthum verbraucht werden. Und da nun das Wachs- thum. hauptsächlich durch Wärme und Feuchtigkeit angeregt wird, 'so kommen wir zu der Folgerung, dass unsere Pflänzchen im Allge- 196 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. meinen um so reicher an organischen Nährstoffen sein werden, je intensiver die Beleuchtung ist, um so leerer aber, je grösser die - Wärme und die Feuchtigkeit sind. Unterzieht man sich der Mühe, ganze Pflänzchen in allen ihren Organen auf den Gehalt an Zucker, Stärke und Eiweiss zu prüfen, und wiederholt man diese Arbeit zu verschiedenen Zeiten, etwa bei verschiedener Witterung mit zahl- reichen Exemplaren, so wird man die oben aus allgemein aner- kannten Prinzipien abgeleiteten Sätze auf empirischem Wege be- stätigt finden. Gleichzeitig erklären sich aus jenen Principien die scheinbaren Unregelmässigkeiten, denen man bei der mikrochemi- schen Durchmusterung anscheinend äusserlich gleichstark ent- wickelter Exemplare so häufig begegnet. Die Verbreitung und Wanderung der organischen Bildungsstoffe befolgt bei den jungen Kartoffelpflanzen im Grossen und Ganzen die allgemeinen Regeln. Stärke- und Traubenzucker werden von den Blättern durch die parenchymatischen Gewebepartien allen wach- senden Theilen der Wurzeln und des Stengels, also hauptsächlich den Wurzelspitzen, der Endknospe des Stengels, und dem Cam- bium des Gefässbündelringes zugeleitet. Das Eiweiss bewegt sich in denselben Richtungen, ihm dient der Weichbast als Weg, und zwar sowohl der äussere als der innere Weichbast der Ge- fässbündel. Als Nebenprodukt des Stoffwechsels tritt, bereits am Ende der Keimungsperiode, oxalsaurer Kalk auf; er liegt im Stengel der Rinde und des Markes, in den Blättern im Parenchym der Spreite und des Stieles; überall sieht man ihn nur in einzelnen zerstreuten Zellen, welche er mit einer feinkörnigen, krystallini- schen Masse erfüllt. — Er nimmt, sowohl in den noch wachsenden als in den ausgewachsenen Organen stetig an Menge zu. Nach diesen allgemeinen Erörterungen werden die jetzt folgenden speciellen Untersuchungsresultate wohl leicht verständlich sein. Wir haben gesehen, dass nur unter günstigen Umständen die er- wachsenen Keimpflanzen eine solche Fülle von Inhaltsstoffen zei- gen, wie sie uns die Figur 4 unserer Tafel I vorführt. Tritt die Rilanze mit einem solchen Reichthum an Baumaterial in das vege- tative Leben, so bleibt sie auch noch lange Zeit so inhaltsreich, und es,geht die Entwickelung rasch von statten. Sind dagegen die Pflanzen durch die Keimung nahezu erschöpft, so dauert es lange, bis sie einige weitere Blätter gebildet haben, und sie durchlaufen erst eine Periode, in der sie vorwiegend neue Stoffe aufnehmen, ohne bedeutend zu wachsen. So fand ich bei ungünstiger Beleuchtung einige Pflänzchen, welche bereits die zwei ersten Blätter nach den KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. CALOT Cotylen entfaltet hatten, auffallend leer; andere Pflänzchen der- selben Cultur, welche acht Tage später und nach besserer Wit- terung untersucht wurden, waren in der Entwickelung nicht merk- lich weiter vorangeschritten, dagegen waren sie nun bedeutend reicher an Bildungsstoffen. Bei meist günstiger Witterung weiter cultivirt, blieben sie dann auch fortwährend inhaltsreich, und waren daher für das mikrochemische Studium sehr geeignet. Ich über- gehe- die erste leere Periode und gebe sogleich die Details der späteren stoffreicheren Stadien. Die Pflänzchen hatten also, zusammen mit den Cotylen, im ganzen je vier assimilirende Blätter. Das grüne Parenchym und die Spaltöffnungszellen dieser Blätter waren mit Stärke ziemlich dicht erfüllt; die Cotylen waren daran reicher als die Blätter; ebenso war das Pallisadenparenchym voller als das Schwamm- parenchym. Etwas reicher an Stärke als das Parenchym waren die grösseren Nerven; von diesen setzte sie sich in die Blattstiele fort, wo sie die Stärkescheiden der Gefässbündel in continuirli- chem Zuge erfüllte, um ebenso im ganzen Stengel und im hypoco- tylen Glied die Scheide zu erfüllen. In der ausgewachsenen Rinde und dem Marke fehlte sie; die jugendlichen Gewebepartien unter der Endknospe, ebenso die jungen Blattanlagen erhielten sie reichlich. Auch die Wurzel enthielt keine Stärke, mit Ausnahme der jüngsten Spitzen. Die Verbreitung des Zuckers war eine etwas andere. In den Spreiten der Blätter fehlt er; erst in den Stielen tritt er auf. Hier nimmt er von oben nach unten rasch zu, ist im Stengel um die Ansätze der Stiele herum sehr reichlich vorhanden, erfüllt den ganzen oberen Theil des Stengels, aber erstreckt sich im hypocotylen Gliede abwärts nur sehr wenig, um in dessen un- terem Theil und in der ganzen Wurzel zu fehlen. Eiweiss findet sich in allen Wurzelspitzen und Knospenanlagen, ebenso in den jüngsten Gefässbündelpartien, aber überall sehr wenig. Oxal- saurer Kalk im hypocotylen Gliede, im Stengel und in den Blatt- stielen, nicht aber in der Wurzel. Als die junge Pflanze bereits mehrere Centimeter hoch war, und über den Cotylen etwa fünf erwachsene Blätter zeigte, welche alle noch eine einfache Spreite hatten, fand ich folgende Verthei- lung der Baustoffe. Die Vertheilung der Stärke in den Blättern isi dieselbe geblieben, wie sie oben bereits angegeben wurde; der Mittelnerv und die kräftigeren Seitennerven haben eine stärke- reiche Scheide, welche sich in den Blattstiel und den Stengel fortsetzt und sich dort abwärts bis zur Wurzel, aufwärts bis in die 198 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. neu angelegten Theile erstreckt, woselbst sie die jungen, erst soeben aus dem meristematischen Zustande herausgetretenen: Ge- webe erfüllt. Ebenso häuft jede Achselknospe in ihrer Nähe im: Rinden- und Markparenchym etwas Stärke an. Die ältere Rinde enthält keine, das Mark nur in den äusseren Zonen ein wenig Stärke. Zucker findet sich bereits in der ganzen Pflanze, d. h. in den Blattstielen, dem Stengel und der ganzen Wurzel; aber nur in der Nähe der Ansatzstelle der Keimblätter ist er reichlich vor- handen. Dagegen hat das Eiweiss gegen früher erheblich zugenom-. men. Alle meristematischen Theile der Endknospe erhalten es in reichlicher Menge; ebenso die Seitenknospen und Wurzelspitzen. In den Gefässbündeln der Wurzel und des hypocotylen Gliedes sieht man im Weichbast viel Eiweiss; im Stengel ist die Eiweissreaction überall zwar deutlich, aber noch schwach. Bei der weiteren Entwickelung nimmt zunächst der Gehalt an Eiweiss in allen Theilen zu; bald ist es auch überall im Weich- baste des Stengels reichlich vorhanden. Auch die Vertheilung der Stärke und des Zuckers bleibt in der Hauptsache dieselbe; in den oberen, jüngeren Theilen meist reichlich, finden sie sich in den unteren Strecken des Stengels spärlicher. Dabei ist zu bemerken, dass bereits jetzt die Stärke in den unteren Internodien vollstän- dig zu verschwinden anfängt; während sie in den mittleren noch die Stärkescheide und das äussere Mark dicht erfüllt, finde ich in Exemplaren von 10—20 Cm. Länge in den untersten Internodien bereits nur noch sehr geringe Spuren von Stärke in der Scheide.. Der Transport der stickstofffreien Reservestoffe ist hier auf die Bewegung des Zuckers beschränkt; dafür findet man diesen im - jungen Mark und den innersten Zellenschichten der Rinde in er- heblicher Menge. Und damit ist in der Hauptsache diejenige Ver- theilung der plastischen Stoffe eingetreten, welche auch die er- wachsene Kartoffelpflanze aufweist, und welche in einem späte- ren Beitrag behandelt werden soll. Keimunesgeschichte der Kartoffelsamen. Blaltgrün. Eiweiss. Trauben- Starke. -zueker. mw. h. HUGO DE VRIES, Opera. Fa. P. W. M. TRAP impr. l 6 KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELSAMEN. 199 Erklärung der Figuren zu Tafel I. Die Figuren sind mit der Camera lucida aufgenommen und sche- ınatisirt. Die Farben stellen die mittleren Resultate zahlreicherer Beobachtungen dar. In den Figuren bedeutet: a. s. Aeussere Samenschale, i. s. Innere Samenschale, e. Endosperm, c. Cotylen oder Samenlappen, c. st. Cotyledonarstiele, f. Federchen, h. g. Hypocotyles Glied, w. Wurzel, w. h. Wurzelhaube, Fig. 1. Querschnitt des trockenen Samens ”/. c. Inneres und ct äusseres Keimblatt. Fig. 2. Längsschnitt des trockenen Samens ”/. k. Kamm. Fig. 3. Junge Keimpflanze, noch ganz im Boden versteckt. Im Längsschnitte ?/ı. Fig. 4. Ausgewachsene Keimpflanze. Im Längsschnitte 8/4. b. Anlage des ersten Blattes, v. p. Vegetationspunkt der Endknospe, n. w. Nebenwurzel, w. a. Nebenwurzelanlage, a Lage der Querschnitte für die entsprechenden 7.) ' Figuren 5, 6 und 7. Fig. 5. Querschnitt des ausgewachsenen Keimblattes */,. o. Oberhaut, n. Nerven, v. s. Vorderseite, u. S. Unterseite. Fig. 6. Querschnitt des hypocotylen Gliedes %/ı. pch. Parenchym, hlz. Holz, bst. Bast. Fig. 7. Querschnitt der Wurzel "'/,. hlz. Holz, bst. Bast. (Landwirtschaftliche Jahrbücher, Bnd. 7, 1878, S. 19.) 200 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. IV. Keimungsgeschichte der Kartoffelknollen. Hierzu Farbendruck Tafel I u. I. Einleitung. Der vorliegende Beitrag behandelt die Zusammensetzung der reifen Kartoffelknollen und die Gestaltungsprocesse und chemi- schen Veränderungen bei deren Keimung. Als Grenze der Keimungs- periode ist der Zustand gewählt, in welchem die jungen Triebe, so eben über die Erde hervorgetreten, ihre ersten Blätter entfaltet ha- ben. Diese Blätter weichen in ihrer Form noch bedeutend von den späteren unterbrochen gefiederten Blättern der erwachsenen Kartoffelstaude ab, und bilden zuerst eine kleine, dichtge- füllte Rosette, welche erst nachher durch die Streckung des Stengels aufgelöst wird. Zu dieser Zeit fängt die kräftige Neubildung organischer Substanz in den Blättern an, und die junge Pflanze, welche bis dahin nur von den Reservestoffen der Mutterknolle zehrte, hat sich jetzt eine zweite, bald viel aus- giebigere Quelle organischer Nährstoffe eröffnet. Je nach Umstän- den dauert es nun eine kürzere oder längere Zeit, bis die Mutter- knollen vollständig entleert sind; nicht selten ist diese Entleerung im Hochsommer noch nicht beendigt. Diese Thatsache, und eine Reihe anderer Wahrnehmungen über die Entleerung der Mutterknollen berechtigen zu der Ansicht, dass die letzten Stadien der Entleerung der alten Knollen unter normalen Umständen keineswegs mehr zu dem Keimungspro- cesse gerechnet werden dürfen. Die Beweise für die Richtigkeit dieser Anschauung werde ich im nächstfolgenden Beitrag bringen. Für jetzt theile ich die Ansicht nur mit, um daraus die Folgerung zu ziehen, dass für eine bequeme und übersichtliche Behandlung der Keimung eine andere Grenze dieses Processes gewählt werden muss. Ich wähle dazu, wie bereits erwähnt, den Moment, wo die Kohlensäurezerlegung in den Blättern anfängt eine ausgiebige Quelle von Nährstoffen zu bilden. Die Stoffvertheilung zu dieser Zeit ist auf Tafel II dargestellt worden. Die Keimung unter abnormalen Umständen, zumal im Dunklen bietet zu viele Beziehungen zu der vegetativen Lebensperiode, als dass es zweckmässig wäre, sie von dieser loszutrennen. Sie wird also erst im nächstfolgenden Abschnitte behandelt werden. Ebenso verschiebe ich die kritische Behandlung der vorliegen- KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 201 den Literatur auf jenen Beitrag, wel bei ihr eine Trennung der Keimungsperiode von den übrigen Lebensstadien sich gar nicht durchführen lässt. Einige Bemerkungen über die Beziehungen der physiologischen Untersuchungen zu praktischen Fragen mögen hier jedoch noch Platz finden, da man über diesen Punkt sehr häufig unklaren Vor- stellungen begegnet. Es liegen über die Keimung der Kartoffelknollen in der land- wirthschaftlichen und agriculturchemischen Literatur sehr zahl- reiche Untersuchungen vor, in der pflanzenphysiologischen nur wenige. Die hohe Wichtigkeit einer günstig verlaufenden Kei- mung für das weitere Gedeihen der Pflanze und für den Ertrag der Ernte, hat zu den ersteren Veranlassung gegeben. Man hat sich die Frage vorgelegt: In welcher Weise kann man, durch Förde- rung des Keimungsprocesses, den Ertrag der Ernte steigern. 1) Diese Frage ist vom praktischen Standpunkte aus vollkommen berechtigt. Zu ihrer Beantwortung führen zwei verschiedene We- ge. Erstens der directe, rein praktische Weg, der der Feldversu- che. Zweitens der indirecte, wissenschaftliche Weg, der des phy- siologischen Studiums aller einzelnen mitwirkenden Factoren. Der erste Weg führt meist direct zu einer bestimmten Antwort, aber die Bedeutung und die Tragweite dieser Antwort entziehen sich oft der Beurtheilung. Nicht selten beschränkt sich die Trag- weite auf die Bodensorte des Versuchsfeldes, ja häufig bleibt es fraglich, ob die Antwort in verschiedenen Jahren dieselbe sein würde. Dieses gilt um so mehr, je zarter die Natur der gestellten Frage ist. Die wichtigsten Regeln für die Aussaat der Kartoffel- knollen sind auf empirischem Wege längst festgestellt; in Bezug auf die feineren Nüancirungen und die später aufgetauchten Fra- gen herrschen in der landwirthschaftlichen und agriculturchemi- schen Literatur noch die grössten Meinungsverschiedenheiten. Ein sorgfältiges Studium dieser Literatur lässt es als fraglich erscheinen, ob diese Meinungsverschiedenheiten je auf dem Wege der einfachen Feldversuche vollständig beseitigt werden können. Der zweite Weg führt nicht direct zu einer bestimmten Ant- 1) Eine andere, ebenfalls sehr wichtige Frage, bezweckt eine Herabset- zung der Kosten des Saatgutes ohne Schaden für den Ertrag. Das Aussäen getheilter Knollen ist eine Folge dieses Bestrebens. Physiologisch betrachtet, gehört die Lösung dieser Frage zum grösseren Theil dem Studium der vegetativen Periode an. Die wissenschaftlichen Aufklärungen über sie werden also erst im folgenden Beitrag behandelt werden. 202 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. wort. Dagegen darf man von ihn mit Zuversicht erwarten, dass er am Ende den Schlüssel zu der vollständigen und befriedigenden Lösung aller einschlägigen Fragen liefern wird. Auf jedem anderen Gebiete, wo der wissenschaftliche Weg hinreichend lange betreten wurde, ist dieses Resultat, bald früher, bald später eingetreten. Die wissenschaftliche Behandlung der im Anfang gestellten Frage hat diese allererst in eine Reihe verschiedener Probleme ‘ zu zerlegen. Diese Spaltung muss soweit fortgesetzt werden, dass die einzelnen Fragen, jede für sich in klarer Form gestellt, einer klaren und befriedigenden Beantwortung fähig sind. Erst nachdem alle diese Antworten auf dem Wege der Beobachtung und des Ex- perimentes gefunden sind, kann man daran denken, sie zu einer Ant- wort auf die Hauptfrage zuverarbeiten. Von diesem Gebiete noch weit entfernt. Um den Unterschied zwischen den beiden angeregten Behand- lungsweisen von Fragen aus der Praxis noch deutlicher in die Augen fallen zu lassen, will ich etwas näher auf die wissenschaft- liche Behandlung der vorliegenden Frage eingehen. Die aus ihr resultirenden Forschungsaufgaben sind zunächst in zwei Gruppen zu sondern. Die erstere beschäftigt sich ausschliesslich mit dem Keimungsprocesse, die letztere mit dem Einflusse, welche ein mehr oder weniger günstiger Verlauf der Keimung auf das vegetative Leben und somit auf die Ernte ausübt. Bei den ersteren Aufgaben bildet die Keimung den Gegenstand der Forschung, bei den letz- teren wird das Resultat der Keimung als gegeben betrachtet, und die Abhängigkeit des späteren Lebens von dieser gegebenen Grös- se unter verschiedenen Umständen untersucht. Nur auf die erstere Gruppe von Aufgaben wollen wir jetzt näher aingehen; die zweite interessirt uns heute nur in soferne, als wir wissen müssen, dass bei der Keimung hauptsächlich zwei Resultate erzielt werden sollen, welche das spätere Leben in hervorragender Weise beein- flussen. Die jungen Stauden müssen so kräftig wie möglich und (abgesehen von der Gefahr der Nachtfröste) so früh wie möglich in das vegetative Leben eintreten, und das Geschäft der Neubil- dung organischer Substanz übernehmen. In Folge dieser Erörterungen sind die ersten zu lösenden Fragen nun diese: 1. Von welchen Ursachen hängt es ab, ob die Keimungs- periode früher oder später beendigt wird? 2. Welche Umstände bedingen die kräftige Entwickelung der jungen Pflanzen am Ende der Keimung? 3. Welche gesetzlichen Beziehungen bestehen zwischen allen jenen Ursachen und ihren Folgen? KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 203 Damit es möglich sei, wissenschaftliche Experimente zur Be- antwortung der letzten Frage anzustellen, müssen die beiden er- steren nicht einfach in empirischer, sondern in kritischer Weise beantwortet sein. Es genügt zum Beispiel nicht zu wissen, dass die Dauer der Keimungsperiode unter Anderem von der Saattiefe ab- hängt. Dieser Moment muss in seine einzelnen wissenschaftlichen Factoren zerlegt werden. Unter diesen hebe ich beispielsweise hervor den Sauerstoffbedarf, die Feuchtigkeit, die Temperatur, und die Dauer der Zeit, während welcher die Keimsprosse wach- sen und athmen mlüssen, bevor sie an’s Licht treten. Diese und ähnliche Momente müssen einzeln studirt werden, bevor an eine wissenschaftliche Beurtheilung des complicirten Factors „Saat- tiefe” gedacht werden kann. Würde man auf dem eingeschlagenen Wege in der Analyse un- serer Hauptfrage weiter gehen, so würde man bald zu der Ueber- zeugung gerathen, dass fast alle wichtigen physiologischen Fra- gen über die Keimung der Kartoffeln beantwortet.werden müssen, bevor eine vollständige Lösung des Problems möglich ist. Daher scheint es zweckmässiger, alle diese Fragen nicht in der zufälligen Reihenfolge vorzunehmen, in welcher sie bei obiger Analyse auftreten, sondern sie lieber in ihrem inneren Zusammen- hang, in ihrer gegenseitigen Beziehung zu behandlen. M. a. W.: Es scheint besser zu sein, die specielle Physiologie der Keimung, der Kartoffelknollen erst in rein wissenschaftlicher Weise in allen Richtungen und Beziehungen zu studiren, um erst später, nach- dem diese Aufgabe zu einem gewissen Abschluss gelangt sein wird, aus der physiologischen Erkenntniss Folgerungen für die Praxis abzuleiten. Bei einer kritischen Betrachtung ergiebt sich dieser augenscheinlich lange Weg dennoch als der kürzeste. Der vorliegende Aufsatz soll zeigen, wie weit wir auf diesem We- ge bis jetzt fortgeschritten sind. Er soll aus der umfangreichen Lite- ratur dasjenige zusammenstellen, was über die Keimung der Kartof- felknollen bisher mit physiologischer Sicherheit festgestellt worden ist. Nur die quantitative Seite der Fragen soll für einen späteren Bei- trag aufbewahrt werden. Um das noch äusserst lückenhafte vor- liegende Material zu einem Gesammtbilde des Keimungsproces- ses zusammenfügen zu können, war es durchaus nothwendig, die wichtigsten Vorgänge der Stoffwanderung durch eigene Untersu- chungen kennen zu lernen, denn sogar in diesem Punkte bietet die Literatur nur sehr unvollständige Aufklärungen. Auch über einige andere Punkte habe ich neue Untersuchungen 204 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. angestellt, theils zur Ausfüllung kleinerer Lücken, theils um mir cin eigenes Urtheil über die Angaben Anderer zu bilden. Ich be- absichtige damit aber keineswegs ein lückenloses Bild des Kei- mungsprocesses unserer Pflanze zu bieten; im Gegentheil, die Lücken sind zahlreiche, und es soll mich freuen, wenn sie durch meine Arbeit schärfer in die Augen treten, als dies in der sehr zersplitterten bisherigen Literatur über diesen Gegenstand der Fall ist. Ich hoffe, dass auch Andere darin eine Anregung zu einer wissenschaftlichen Bearbeitung dieses wichtigen Thema’s finden werden. In der speciellen Physiologie der landwirthschaftlichen Cultur- pflanzen besteht Mangel an solchen Arbeiten, welche eine ein- zige Frage durch zahlreiche und nach verschiedenen Methoden kritisch durchgeführte Versuche allseitig so beleuchten, dass aller Zweifel völlig verbannt wird. Eine solche Arbeit entlehnt ihren Werth theils aus der Zuverlässigkeit der Methode, theils aus der Beziehung. des behandelten Gegenstandes zur Theorie. Sie ist we- der auf praktischen Nutzen noch auf hypothetische Speculationen angewiesen, um der Anerkennung sicher zu sein. Die Thatsachen, welche sie bringt, sichern ihren Werth für alle Zeiten. Der vor- liegende Aufsatz soll Anknüpfungspunkte für solche Specialar- beiten bieten. Am Schluss dieser Einleitung habe ich noch, in Bezug auf die Methode der Untersuchung, die angewandten Reactionen und die Art und Weise der Darstellung der Resultate auf die in der Ein- leitung zu meinem ersten Beitrage 1) gemachten Angaben zu ver- weisen. . S 1. Aeusserer und innerer Bau der reifen Knolle. Bekanntlich stellen die Kartoffeln die verdickten Enden der un- terirdischen Zweige der Kartoffelpflanze dar; sie heben sich an ihrem hintern Ende scharf von dem dünneren Theile dieser Zweige und lösen sich bei der Reife meist völlig von ihrem Tragfaden los. Bisweilen erkennt man aber am Nabelende noch die Reste des abgestorbenen und vertrockneten Ausläufers. Ihre Stengelnatur geht am deutlichsten aus den Augen hervor, welche kleine Gruppen von Seitenknospen sind; jede Gruppe steht in der Achsel eines schup- penartigen, zur Zeit der Reife meist bereits längst abgeworfenen 1) Keimungsgeschichte des rothen Klee’s. Opera III, S. 31. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 205: Blattgebildes. Vom untern Ende der Knolle ausgehend findet man die Augen in einer aufsteigenden Spirale um die ganze Knolle her- umgestellt; in der unteren Hälfte und in der Mitte ziemlich weit von einander entfernt, rücken sie im oberen, sogenannten Kronen- theil, immer näher und näher zusammen. Die Mitte des Kronentheils nimmt die Endknospe ein; sie bildet das, dem Nabelende entgegen- gesetzte Ende der Längsachse der Knolle. Die Stellung der Augen an den Kartoffelknollen ist, je nach den Varietäten und Individuen, nicht unerheblichen Schwankungen un- terworfen, jedoch findet man gewöhnlich die Zahl der Längsreih- en oder Orthostichen dreizehn, die der Windungen fünf oder acht, was also die Spiralstellung —, oder „ergiebt 1). Oder anders ausgedrückt, kann die Spiralstellung stets durch —- angegeben werden, wobei aber die Richtung, je nach asian, eine rechts- oder eine linksaufsteigende ist. Beide Fälle kommen bei derselben Varietät, z. B. bei den Sechswochenkartoffeln, vor. Ebensolche Schwankungen zeigen die Knospen in den einzelnen Augen. Ge- wöhnlich verhindert zwar die geringe Zahl der Knospen die ge- naue Ermittelung der Stellungsverhältnisse, indem jedes Auge meist nur drei, in einem Dreieck stehende Knospen enthält. An grossen, wasserreichen Knollen der Sechswochenkartoffel, sowie an einigen Varietäten findet man jedoch nicht selten eine viel be- trächtlichere Anzahl; ich zählte mehrfach über 20 Knospen in einem Auge. Hier steht dann eine Knospe in der Mitte des Auges, die übrigen stehen um sie herum in einer deutlichen Spirale; ich fand letztere meist linkslaufend, und der Bezeichnung £ entspre- chend, also etwas einfacher als an der Knolle selbst; jedoch ist wegen der Schwierigkeit der Untersuchung auf die Differenz kein allzugrosses Gewicht zu legen. Die Stellung der Knospen im Auge zeigt deutlich, dass das ganze Auge als ein Seitenzweig mit un- entwickelter Achse zu betrachten ist, dass die Knolle also nicht einfach einem Sprosse, sondern einem verzweigten Sprosssysteme entspricht. Ja diese Complication ist nicht selten eine noch grös- sere. An kräftigen, knospenreichen Augen von grossen Exemplaren der Sechswochenkartoffel fand ich nämlich, um die äussersten Knospen des Auges herum, noch eine zweite Spirale von Neben- knospen. Eine jede solche Knospe sass in der Achsel eines, als feine Linie sichtbaren Blattkissens; die kleine Spirale selbst stand in der Achsel eines grösseren Blattkissens, welches die Lage der 1) Vergl. Nobbe, Landw. Versuchsstat. Bd. 4, S. 95. 206 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. ganzen Gruppe in Bezug auf die übrigen Theile desselben Auges erkennen liess. Das Auge selbst war also bereits ein verzweigter Spross, wenn auch meist ohne Ausbildung der Achsen; doch fand ich an einzelnen Exemplaren sogar eine halbkugelige Erhebung der Augen, als erste Andeutung der Entwickelung der Hauptachse. Die Kartoffelknollen sind also, in morphologischer Hinsicht, reich- verzweigte Sprosssysteme, mit wenig entwickelter Haupt- und gewöhnlich völlig unentwickelten Nebenachsen. Auf Quer- und Längsschnitten durch die Kartoffelknolle unter- scheidet man deutlich das Mark und die Rinde, beide durch eine helle Linie von einander getrennt. Diese Linie ist das Cambium, oder das Fortbildungsgewebe des Gefässbündelringes; es hat, während der Entwickelung der Knolle, nach innen Holz-, nach aussen Bastgewebe erzeugt. Diese beiden Gewebeformen weichen aber in den Kartoffeln in ihrem Bau sehr wesentlich von dem ab, was man gewöhnlich unter Holz und Bast versteht. Denn die Ver- holzung der Stränge unterbleibt fast vollständig; sie bestehen fast ganz aus grosszelligem, dünnwandigem Gewebe, welches, sowohl in seinen sonstigen Eigenschaften, als zumal durch den Gehalt an Stärke, dem Parenchym des Markes und der Rinde täuschend ähn- lich sieht. Dieses stärkereiche Zellgewebe ist im Holztheile der Gefässbündel von einzelnen dünnen Bündeln verholzter Gefässe und Holzfasern durchzogen, doch fallen diese, sowohl auf Quer- als auf Längsschnitten, nur wenig in die Augen. Für ihr Studium eignen sich die jungen Knollen weit besser als die erwachsenen. Im Basttheile findet man die wenig differenzirten Stränge von eiweissführenden Leitzellen, welche durch ihren Mangel an Stärke am leichtesten zu erkennen sind. In einzelnen Varietäten fand ich auch dickwandige, parenchymatische Zellen in diesem Gewebe, welche durch die Verdickung und die schöne Tüpfelung der Wän- de sich deutlich von den umgebenden Zellen abhoben. Sie liegen einzeln und sind nicht häufig, doch relativ gross. Sie sind als Steinzellen anzusprechen, und wurden bereits von Sorauer be- schrieben 1). So viel über den anatomischen Bau der Gefässbündel. Ueber ihren Verlauf ist noch nachzutragen, dass sie in einer breiten, mit der Schale concentrischen Zone gestellt sind, welche nur an den- jenigen Stellen, wo sich Augen befinden, unterbrochen ist, indem 1) Sorauer, Beitrage zur Keimungsgeschichte der Kartoffelknolle. Annalen der Landwirthschaft. Bd. 52. 1869. S. 156. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 207 sich die dem (vertrockneten und abgefallenen) Tragblatte und den Achselknospen zugehörenden Bündel mit den übrigen ver- einigen. Es resultirt hieraus gewöhnlich eine kegelförmige Aus- buchtung des Cambiums und des ganzen Gefässbündelringes ge- gen das Auge hin. Auf die morphologische Seite dieser Verhältnis- se einzugehen, glaube ich hier füglich unterlassen zu können, da ich darauf doch ohnehin später, bei der Behandlung der Entwicke- lungsgeschichte der Knollen, zurückkommen werde. Das Parenchym der ganzen Knolle besteht aus grossen, dünn- wandigen Zellen, mit deutlichen, luftführenden Intercellularräu- men, und mit einem vorwiegend aus Stärkekörnern bestehenden Inhalte. Von der Schale nach der Mitte zu werden die Zellen stets grösser und stärkereicher, obgleich die Mitte des Markes wieder ärmer an Stärkemehl ist als seine äusseren Theile 1). Die Stärke- körner sind meist eiförmig, mit annährend kreisrundem Querschnitt; in jeder Zelle liegen grössere und kleinere durcheinander. Die grösseren zeigen bekanntlich einen excentrischen Kern und eine deutliche Schichtung um diesen Kern herum. Die kleineren Kör- ner sind rundlich und ungeschichtet. Auch zusammengesetzte Körner kommen vor 2). In den äussersten, dicht unter der Schale gelegenen Schichten, wo die Zellen ärmer an Stärke sind, kommen dagegen andere In- haltsgebilde vor. Hier findet man die durch Cohn’s Untersuchungen allgemein bekannten Aleuronkörner oder Krystalloide 3), eigen- thümliche Gebilde, welche in ihrer äusseren Form einem Krystalle ähnlich, jedoch in ihren physikalischen Eigenschaften durchaus von diesen verschieden sind. Sie haben die Form eines Würfels; ihre Ecken und Kanten sind meist sehr schön ausgebildet. Sie sind in den Sechswochenkartoffeln meist nur wenig grösser als der Zellkern und liegen in der Mitte der Zelle in einer Protoplasma- Anhäufung, welche meist durch deutliche -Plasmastränge mit dem Wandplasma verbunden ist. Stellenweise fand ich sie so häufig, dass fast jede Zelle in dem Präparate einen Krystall enthielt; an anderen Stellen derselben Knollen suchte ich sie dagegen nicht 1) Schacht, Bericht über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten, 1854. S. 3. 2) Vergl. Nägeli. Die Stärkekörner. 1858. 3) Cohn. Ueber Proteinkrystalle in den Kartoffeln. 37. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. 1858. S. 72—82. Entdeckt wurden diese Gebilde bereits von Bailey, der sie aber für phos- phorsauren Kalk hielt. Americ. Journ. of Science and Arts. New Haven, 1845. Vol. 48, p. 17. Nach Holzner, Flora. 1864. S. 277. 208 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. selten vergeblich. In ihren meisten mikrochemischen Reactionen stimmen sie mit dem Protoplasma überein. Die äussersten Zellenschichten unter der Schale sind es auch, welche bei den meisten Varietäten die Farbe der Knollen bestim- men. Denn ihre Zellen enthalten häufig einen blauen oder rothen Farbstoff, welcher im Zellsafte gelöst ist. Je nach Umständen fin- det man die farbigen Zellen schichtweise, oder nur einzeln in dem farblosen Gewebe zerstreut. Auch die grüne Farbe, welche be- kanntlich häufig die am Lichte aufbewahrten Knollen zeigen, ge- hört zum grössten Theile dieser Schicht an; zum Theil erstreckt sie sich allerdings auch bis in das Mark, welches in ergrünten Knollen häufig blassgrün erscheint. Unter dem Einflusse des Lich- tes bildet sich Chlorophylifarbstoff, welcher das Protoplasma der verschiedenen Zellen in sehr verschiedenem Maasse färbt, indem es in einigen das ganze Plasma, in anderen nur einzelne Flocken grün erscheinen lässt, oder auch sich auf körnerartige Gebilde von bestimmten Umrissen beschränkt, ja nicht selten sich um die Stärkekörnchen herum lagert 1). Auch völlig normal gebildete Chlorophylikörner treten häufig auf, von ihnen zu jenen unvoll- ständig ausgebildeten Chlorophylikörpern giebt es in der ergrün- ten Knolle alle Uebergänge. Die Schale der Kartoffel endlich besteht aus einer Korkschicht, welche aus tafelförmigen Zellen gebildet ist, deren Zahl je nach den verschiedenen Sorten variirt, für die einzelnen Sorten aber ziemlich constant ist. Diese Korkschicht hat ein eigenes Bildungs- gewebe, ebenfalls aus tafelförmigen Zellen bestehend, welche sich durch Theilung vermehren; ihr Inhalt ist reich an eiweissarti- gen Stoffen, aber enthält ebensowenig Stärke als wie die Kork- zellen selbst. Die Korkschicht ersetzt bei den reifen Knollen die Oberhaut, welche sie in der allerersten Jugend bedeckte; sie ist sogar ein viel wirksameres Schutzmittel gegen Verdunstung als jene. Nach den Untersuchungen Nägeli’s 2) darf man annehmen, dass die Flächeneinheit der Kartoffeln etwa 40—60mal weniger verdunstet als das freie Wasser. Doch haben hierauf sowohl äus- 1) Vergl. auch Böhm, Sitzber. d. kais. Akad. a. Wiss. Wien, 1857. S. 30. und Sachs, Handbuch d. Experimentalphysologie. S. 315. 2) Nägeli. Die Verdunstung an Pflanzentheilen, Sitzber. der math.-phys. Classe. München, 9. Febr. 1861, S. 263, wo die ausführlichen Zahlenangaben nachzusehen sind. Einige Angaben über Verdunstung der Kartoffeln findet man auch bei Schleh, Verdunstung von Kartoffelknollen. Vergl. Centralblatt für Agriculturchemie VII, S. 109. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 209 sere Umstände als auch das Alter der Knollen einen bedeutenden Einfluss. Ich will hier einige Bemerkungen über die Entstehung von Wundkork an Kartoffeln einschieben, da sich später dazu kaum eine passende Gelegenheit finden wird. Es ist eine bekannte Er- scheinung, dass zerschnittene oder sonst verletzte Kartoffeln sich an den Wundflächen mit einer neuen Korkschicht überdecken. Es geschieht dieses dadurch, dass in einer der Wundfläche paralle- len, aber von der Verwundung nicht direct getroffenen, oft mehrere Zellen dicken Schicht Theilungswände in den Zellen auftreten. Diese Theilungswände verlaufen parallel mit der Wundfläche. Die so entstandenen Tochterzellen theilen sich auf’s neue; dabei füllen sie sich immer mehr mit protoplasmatischer Substanz, und es entsteht also ein Wundkork-Cambium, welches in continuirli- cher Schicht die Wunde überdeckt und sich überall am Rande an das normale Kork-Cambium anschliesst. Die äussersten, zum Theil bei der Verwundung beschädigten Zellenlagen werden jetzt ab- gestossen, da sie ausserhalb der neuen Korkschicht liegen, wel- che sich aus dem Wundkork-Cambium entwickelt. Hat die Kork- schicht eine gewisse Dicke erreicht, so hört ihr Wachsthum auf. Dieses Vermögen, nach äusseren Verletzungen das lebendig gebliebene Gewebe durch Korkbildung vor Austrocknen zu schüt- zen, besitzen die Kartoffeln nur, so lange sie noch nicht keimen. Nach der Keimung hört diese Eigenschaft nach den Untersuchungen von Berchtold 1) auf; an ihre Stelle tritt blos eine tief in das Zellen- gewebe eindringende Austrocknung der verwundeten Knolle. An Kartoffeln, welche ich, behufs neuer Versuche, bis in den Sommer hinein an trockener Luft aufbewahrt hatte, und welche dort, in be- kannter Weise, kümmerlich keimten, konnte ich ebenfalls in keiner Art die Entstehung von Wundkork veranlassen; stets trocknete die Wundfläche einfach aus, oder wenn ich sie vor Austrocknung beschützte, so bildete sie dennoch keine Korkschicht. Es kann durch Austrocknung im Sommer leicht eine scheinbare Kork- schicht entstehen, indem die äussersten Zellen zu einer trockenen, vom darunter liegenden Gewebe leicht ablösbaren Haut zusam- menschrumpfen. Doch zeigt*"die mikroskopische Untersuchung, dass keine Korktheilungswände gebildet worden sind, oder dass solche doch nur höchst vereinzelt auftreten. Dagegen gelingen die Versuche im Winter an den vorjährigen Knollen stets vorzüglich; 1) Berchtold. Die Kartoffeln. 1842. S. 43. 14 210 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. wenige Tage nach einer Verwundung weist die mikroskopische Un- tersuchung bereits die Bildung des Kork-Cambiums nach, und bald darauf wird die Korkschicht als solche auch dem unbewaff- neten Auge sichtbar. Die anatomischen Eigenschaften des Wund- korkes und seines Cambiums zeigen sich dabei als in den Haupt- sachen dieselben, wie die der entsprechenden Theile unverletzter Knollen. Ueber die äusseren Einflüsse, welche die Wundkorkbildung be- schleunigen oder verlangsamen können, habe ich einige Versuche gemacht, deren Ergebnisse ich hier mittheilen will, obgleich sie noch zu keinem völligen Abschluss gelangt sind. Doch lassen sie bereits jetzt die Folgerung zu, dass Wundkork sich an Wund- _ flächen frischer Knollen um so rascher bildet, je freier die Berüh- rung der Wundfläche mit der Luft und somit ihre Verdunstung ist. Aber auch in den ungünstigsten Fällen, wo Verdunstung und Be- rührung mit der Luft vollständig ausgeschlossen sind, entsteht Wundkork, wenn auch nur nach längerer Zeit. Meine Versuche wurden im Herbst 1876 mit Rosenkartoffeln desselben Jahres angestellt; die wichtigsten wurden zu wieder- holten Malen, und auch mit anderen Varietäten, stets aber mit demselben Erfolge wiederholt. Ich lasse hier eine kurze Beschrei- bung einiger Versuche folgen. 1. An der freien Luft, im Zimmer liegend, bildet jede Wund- fläche rasch eine starke Wundkorkschicht, welche sich schon nach mehreren Tagen in grossen Lappen abheben lässt. 2. Bedeckt man die verwundeten Knollen mit einer Glasglocke, unter der man neben ihnen eine kleine Wasserschale gestellt hat, und vermindert man also die Verdunstung an der Wundfläche, so findet nur eine langsame Bildung von Wundkork statt. 3. Durchschneidet man eine Kartoffel, und legt die eine Hälfte mit der Wundfläche auf eine Glasplatte oder einen Porzellanteller, cıe andere Hälfte daneben mit der Wundfläche an freier Luft, so geht die Korkbildung in der ersten Hälfte äusserst viel langsamer vor sich als in der zweiten. Lange nachdem schon in jener der Wundkork in Stücken abgehoben werden kann, ist in letzterer mit blossem Auge noch keine Spur von Wundkork zu erkennen. Nach einigen Wochen ist er hier aber eben so gut ausgebildet als dort. Dabei welkt die erste Hälfte nicht nur anfangs, sondern durch mehrere Wochen bedeutend stärker als die zweite; sie wird bald schlaff, während jene wochenlang turgescent bleibt. 4. An dünnen, stark welkenden Querscheiben entsteht Wund- KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 211 kork, vorausgesetzt, dass sie nicht völlig vertrocknen und so die Entstehung von Wundkork unmöglich machen. 5. Wiederholt man den unter 3 beschriebenen Versuch derart, dass man die eine Hälfte fortwährend sehr stark gegen die Unter- lage anpresst, so erhält man dennoch dasselbe Resultat. 6. Am wichtigsten scheint mir folgender Versuch: steckt man Nadeln in Kartoffeln ein, so bildet sich um diese herum eine Wund- korkschicht, wenn auch langsam. Nach einer Woche hat sich noch wenig Kork gebildet; zieht man die Nadel aber erst nach mehre- ren Wochen aus der Knolle heraus, so ist sie mit einer dicht an- liegenden Korkschicht bekleidet, welche beim Herausziehen sich von dem parenchymatischen Gewebe abgetrennt hat. Zieht man die Nadel heraus, bevor das Korkgewebe soweit vertrocknet ist, und gelingt es, sie ohne Zerreissung des Gewebes zu entfernen, so bieten jetzt mikroskopische Schnitte, welche senkrecht auf die Wunde geführt werden, ein sehr hübsches Bild. Man erkennt, um das runde Loch herum, die concentrischen Korktheilungswände, welche sowohl durch ihre geringe Dicke als durch ihre eigenthüm- liche Stellung zu den übrigen Wänden, sich sofort als neugebildet ergeben. Die das Loch zunächst umringende Zellenschicht zeigt keine Theilungen und ist abgestorben. In diesem letzteren Versuche sind offenbar die Verdunstung, und die freie Berührung mit der Luft, zumal an den am tiefsten liegenden Stellen, z. B. in der Nähe der Spitze der Nadel, so gut wie vollständig ausgeschlossen; wenigstens kann man nicht be- haupten, dass eine von beiden durch den Versuch gefördert wäre. Es geht daraus hervor, dass die Wundzelltheilungen, welche of- fenbar einer äusseren Ursache ihr Auftreten verdanken, wenigstens nicht von jenen beiden Einflüssen hervorgerufen werden. Das Absterben benachbarter Zellen ist die einzige, bis jetzt bekannte, in allen Fällen von Wundkorkbildung zutreffende Bedingung; in welcher Weise aber dieses Absterben das Auftreten von Wund- korktheilungen verursacht, muss durch nähere, eingehendere Un- tersuchungen ermittelt werden. § 2. Die Reservenährstoffe der Kartoffelknolle. Die chemische Zusammensetzung der reifen Kartoffeln ist, zu- mal in den letzten Jahrzehnten, der Gegenstand vielfacher, sowohl chemischer als mikroskopischer Untersuchungen gewesen. Diese haben im Allgemeinen ergeben, dass neben der ansehnlichen, 212 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. aber je nach der Güte der Sorten bedeutend schwankenden Menge Stärke, noch Eiweiss und Oel, wenn auch in relativ sehr geringen Quantitäten, doch als wichtige Reservestoffe auftreten. Gegen die Stärke stehen sie sehr zurück; während der Gehalt der frischen Knollen an ersterer gewöhnlich zwischen 10 und 24 pCt. schwankt, so findet man für Eiweiss einen Gehalt von etwa 1—2 pCt. 1), für Oel von meist weniger als 0,5 pCt. angegeben 2). Neben diesen Bestandtheilen ist in der Literatur noch eine ganze Reihe anderer Stoffe aufgeführt als in reifen Kartoffeln nachgewiesen, von denen einige als Reservenährstoffe betrachtet werden können, andere aber nicht. Doch herrschen über das Vorhandensein mehrerer die- ser Körper noch Zweifel, welche zum Theil in Mängeln des analy- tischen Verfahrens, hauptsächlich aber in der Wahl des unter- suchten Materials ihren Grund finden. Ersteres trifft bei einigen älteren Analysen zu; vom letzteren Fehler sind aber auch die neueren Untersuchungen nicht immer frei. Denn es ist eine bei Chemikern nicht selten vorkommende Ansicht, dass man zur Un- tersuchung von reifen Kartoffelknollen auch solche Exemplare nehmen darf, welche bereits angefangen haben zu keimen, voraus- gesetzt, dass man die Keime nur sorgfältig abbricht und von der Untersuchung ausschliesst. Diese Ansicht ist aber durchaus irrig, denn die von den Keimen beraubten Knollen mögen äusserlich ebenso aussehen, wie die ungekeimten, innerlich ist dieses, zumal in Bezug auf die Inhaltsstoffe der Zellen, keineswegs mehr der Fall. Denn sogleich beim Anfang der Keimung fangen die Reser- vestoffe an, gelöst zu werden, es treten dabei eine Reihe von Stoffen auf, welche in den ruhenden Knollen fehlen. Hat man also. bei den Analysen die gekeimten Knollen nicht vorsichtig von den noch ungekeimten getrennt und beide Partien besonders unter- sucht, -so ist es nicht möglich, mit Sicherheit zu entscheiden, ob gewisse Stoffe schon in den ruhenden Knollen vorhanden sind, oder erst während der Keimung entstehen. Aus dieser Fehlerquelle lassen sich manche Widersprüche erklären, welche die Literatur in Bezug auf die chemische Zusammensetzung der Kartoffeln bie- tet; dies ist zumal dann der Fall, wenn es sich um quantitative Angaben handelt, denn in der Regel ändern sich die Quantitäten der neu auftretenden Stoffe bei fortschreitender Keimung nicht 1) Berchtold. Die Kartoffeln. 1842. S. 72. Fittbogen und Grönland. Landw. Jahrbücher. 1876. V. S. 604. 2) von Rappard. Ann. der Landwirthschaft. Bd. 50. 1867. S. 295. Fittbogen und Grönland, Landw. Jahrb. 1876. V. S. 604. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 213 unbedeutend. Hier, wo wir nur die qualitative Seite der Frage zu berücksichtigen haben, fallen also diese Schwierigkeiten zu einem Theil hinweg, über das Vorkommen mancher Körper in den Knol- len ist es aber nicht möglich, sichere Angaben zu machen. Je nach der Glaubwürdigkeit der Angaben werde ich einige Stoffe schon hier anführen, andere aber erst bei Gelegenheit des Keimungs- prozesses besprechen. Von letzteren hebe ich hier hervor: die Diastase und das Solanin. Im Folgenden gebe ich eine gedrängte Uebersicht der wichtigsten . qualitativen Angaben über die Zusammensetzung der ruhenden Knollen; ich beschränke mich dabei auf die organischen Bestand- theile, indem ich die Behandlung der anorganischen für einen späteren Beitrag aufbewahre. Man wird in der folgenden Zusam- menstellung manche wichtige und einer physiologischen Verwer- thung fähige Angaben finden, jedoch im Grossen und Ganzen leicht sehen wie sehr eine wiederholte Untersuchung erwünscht ist, wenn es sich darum handelt, über die physiologische Bedeu- tung der einzelnen Stoffe Aufklärung zu erhalten. Ich fange mit den Kohlehydraten an. In Bezug auf die Eigenschaften der Stärke verweise ich auf die bahnbrechenden Arbeiten C. Nägeli’s 1), sowie auf die neueste chemische Untersuchung von W. Nägeli 2). Die Kartoffelstärke ist von diesen Forschern in so erschöpfender Weise behandelt, dass es überflüssig wäre, hier auf Einzelheiten einzugehen. Von den übrigen Kohlehydraten findet sich im Gewebe selbst- verständlich die Cellulose, welche aber, wegen der Dünnheit der Zellhäute, nur in sehr geringen Mengen vorkommt. Sie fungirt nicht als Reservestoff, da sie während der Keimung nicht gelöst wird, sondern in unveränderter Menge in der Mutterknolle zu- rückbleibt, während diese alle ihre Reservestoffe an die wachsen- den Keime abgiebt 3), Je zahlreicher und kleiner die Zellen bei gleicher Grösse der Knolle sind, um so grösser muss natürlich der Gehalt an Cellulose sein; mit zunehmender Anzahl der Zellen 1) C. Nägeli. Die Stärkekörner. Zürich, 1868. Ferner: Die Reaction von Jod auf Stärkekörner. Botan. Mittheilungen, Bd. I; Sitzungsber. d.k.b. Akad. d. Wiss., München, 13. Dec. 1862, 14. Febr. 1863; Chemische Zusam- mensetzung der Stärkekörner, ebendas. 13. Jan. 1863; Chemische Verschie- denheit der Stärkekörner, ebend. 14. Nov. 1863. 2) Walter Nägeli, Beitrage zur näheren Kenntniss der Stärkegruppe. Leipzig, 1874. 3) Fittbogen und Grönland, Landw. Jahrb. 1876. V. S. 604. 214 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. scheint der Gehalt an Stärke etwas abzunehmen. Diesen Differen- zen schreibt man es zu, dass die Beschaffenheit der Kartoffeln, je nach Umständen, eine mehlige oder eine seifige sein kann. Die grosszelligen, stärkereichen Knollen sollen mehr mehlig, die klein- zelligen dagegen mehr seifig sein 1), Ueber die Anwesenheit von Zucker sind die Angaben verschie- den. Der bekannte Monograph der Kartofielpflanze, Berchtold 2), giebt an, dass nur die besten Sorten im reifen Zustande Zucker enthalten, dass dieser dagegen andern Sorten gänzlich fehle, doch ist, so viel mir bekannt, diese Angabe seitdem noch nicht einge- hend und nach neueren Methoden geprüft worden. Schacht 3) fand in den jugendlichen Zellenschichten, welche die Korkbekleidung der Knollen auf der Innenseite begrenzen, neben stickstoffhaltigen Substanzen häufig auch Zucker; dagegen konnte von Rappard 4) in reifen Knollen keinen Zucker nachweisen; Busse 5) giebt Dex- trin, wenn auch nur in geringer Menge an; nach Märcker und Schulze 6) kommt dieses aber nicht vor. Mittelst der Sachs’schen Zuckerprobe konnte ich in den von mir untersuchten Sorten, zur Zeit. der völligen Reife und vor dem ersten Anfang der Keimung, keine Reduction von Kupferoxydul beobachten; zur Zeit des Nach- reifens und beim Anfang der Keimung war aber Zucker, wenn auch meist nur stellenweise, vorhanden. Inulin ist, einer älteren Angabe entgegen, nach Prantl in Kar- toffeln nicht vorhanden 7). Ferner kommen Pectinstoffe vor, wel- che vielleicht bei der Keimung eine Zersetzung unter Bildung von Zuckerarten erleiden können, über deren Natur aber noch keine genaueren Untersuchungen vorliegen. In physiologischer Bedeutung mit den Kohlehydraten nahe ver- wandt ist das fette Oel, welches sich aus den Kartoffeln nach be- stimmten Methoden durch Aether extrahiren lässt. Es findet 'sich hauptsächlich in den äussersten Schichten, dicht unter der Schale; 1) Vergl. Liebig. Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur u. s. w. I. S. 153. 2) Berchtold. Die Kartofleln. 1842. S. 74. 3) Schacht. Bericht über die Kartoffelpflanze. 1854. S. 3. 4) von Rappard. Ann. d. Landwirthschaft. 1867. Bd. 50. S. 306. 5) Busse. Chem. Centralblatt. 1867, S. 271; nach Jahresbericht für Agriculturchemie 1867, S. 74. 6) Märcker und Schulze. Journal für Landwirthschaft, nach Landw.. Jahrbüch., 1877 VI. Supplementheft, S. 274. 7) Prantl. Das Inulin. 1870. S. 46. 1 KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 215 die inneren Theile enthalten weniger Oel 1). Nach Eichhorn 2) befindet sich die Hälfte des Fettes in den Schalen und ist braun und dickflüssig, während das Fett des inneren Theils von helle- . rer Farbe und butterartig ist, und nach Heintz an festen Säuren ausser Palmitinsäure auch Myristinsäure enthält 3). Die Eiweisskörper kommen in der Kartoffel zum Theil im Safte gelöst, zum Theil als Bestandtheile des Protoplasma, und endlich als Proteinkörner vor. Letztere liegen ausschliesslich in der stär- kearmen Gewebeschicht, dicht unter der Schale; das im Proto- plasma vertheilte Eiweiss befindet sich, wie die mikroskopische Beobachtung ergiebt, vorzugsweise in der Cambiumzone des Ge- fässbündelringes, in dem Korkcambium und in dem meristemati- schen Gewebe der Augen, also ebenfalls vorwiegend in den äus- sersten Partien. Dem entsprechend fand auch Vogel 4), dass der Eiweissgehalt der Knollen von der äusseren Schale nach dem inneren Kern hin abnimmt. Es verhält sich nach ihm der Stickstoff- gehalt der mittleren Partien zu demjenigen der äusseren wie 100: 121. Auch den älteren Forschern war diese Vertheilung bekannt, wie auch die Jedem geläufige Folgerung, dass beim gewöhnli- chen Hausgebrauch der Kartoffeln ein Theil der werthvollsten Be- standtheile verloren geht5). In Bezug auf die chemischen Eigen- schaften der Proteinkörner verweise ich auf die bereits oben citirte, bahnbrechende Abhandlung Cohn’s; im Uebrigen ist über die chemische Natur der in der Kartoffel vorkommenden Eiweisskör- per wenig anderes bekannt als die alte Erfahrung, dass sich aus reinem Kartoffelmehl kein Brot backen lässt, weil ihm das Glu- ten fehlt 6). Asparagin wird von verschiedenen Verf. als in den Kartoffeln vorkommend angegeben. So z. B. von Vauquelin und anderen 1) Vogel. Wiener Landw. Zeitung, 1872, No. 2; nach Centralblatt f. Argriculturchemie, I. S. 172; einige ältere Angaben bei Berchtold, a. a. O. S. 49. 2) Eichhorn. Pogg. Ann., Bd. 87, S. 227; nach Husemann, Pflanzenstoffe, 5.1136. 3) Nach Husemann. Die Pflanzenstoffe, S. 1136. 4) Vogel. Wiener Landw. Zeitung, 1872, No. 2; aus Centralbl. f. Agri- eulturch. I. S. 172. 5) Vergl. Berchtold, a. a. O. S+ 43. 6) : Parmentier. Examen chimique des Pommes de terre. 1773. 216 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. älteren Forschern 1), später von Märcker und Schulze 2), und zu- letzt von Schluze 3), dessen Aufsatz in den Landwirthschaftlichen Jahrbüchern die ausführlichsten Angaben über den Stickstofigehalt der Kartoffelknollen enthält. Der letztgenannte Verf. fand, in Verbin- dung mit A. Urich, in 10 ccm Saft 0,03480 g. Asparagin. Seine weite- ren Untersuchungen, für deren Detail ich auf die citirte Stelle ver- weise, führen ihn zu dem Schlusse, dass vom Gesammtstickstoff einer Kartoffel nur etwa: in der Form von Eiweissstoffen vorhan- den sei, während das andere — über Asparagin und andere bis jetzt richt genauer bekannte Amide vertheilt sei. Dem Zwecke seiner Untersuchung, welche die stickstoffhaltigen Bestandtheile der ve- getabilischen Futtermittel zum Gegenstand hatte, entsprechend, macht der Verf. keine näheren Angaben über das genaue Stadium der Entwickelung der untersuchten Knollen. Ob die Knollen be- reits völlig nachgereift hatten, und noch nicht angefangen hatten zu keimen, wird nicht mitgetheilt. So werthvoll die Resultate an und für sich auch sind, so wäre es doch voreilig Schlüsse über die physiologischen Vorgänge in der Kartoffel aus ihnen ableiten zu wollen. Es sollten die obigen Angaben hier auch nur der Vollstän- digkeit wegen angeführt werden. Organische Säuren kommen im Safte der Kartoffeln in nicht uner- heblicher Menge vor, doch finde ich über die Natur der Säuren nur einige ältere Angaben, welche sehr der Bestätigung durch neue Untersuchungen bedürfen. Dass der Saft stark sauer reagirt, davon kann man sich mittelst Lackmusspapier an jeder frisch durch- schnittenen Knolle leicht überzeugen. Putsche 4) gab, nach Ein- hof’s Analyse, um 1819, Weinsäure und Phosphorsäure als freie Säuren an; Berchtold 5) zählt ferner Aepfelsäure, Citronensäure und Bernsteinsäure als in den Kartoffeln gefunden auf. Auch Oxalsäure muss im Safte gelöst vorkommen, da die Krystalle von oxalsaurem Kalk, welche während des Wachsthums der Knolle ab- gelagert werden, bei der Reife wieder verschwinden 6). Doch ist 1) Vauquelin, Journ. de Phys. 85, 113; Michaelis, Archiv für Pharmacie 13, 233; vergl. A. und Th. Husemann, die Pflanzenstoffe, S. 671; Gorup- Besanez, Organische Chemie, S. 5, 28, und Cohn, Jahresber. d. Schles. Ges. f. Vaterl. Cultur, 1858, S. 81. 2) Märcker und Schulze, Journal für Landwirthsch., 1872, S. 69; citirt nach Landw. Versuchsst., Bd. 18, S. 310. 3) E. Schulze. Landw. Jahrb., Bd. VI, 1877, S. 169. 4) Putsche und Bertuch. Monographie der Kartoffeln. 1819. S. 41. 5) Berchtold, a.a. O. S. 61. 6) Sorauer. Annalen der Landwirthschaft. Bd. 52. 1869. S. 156. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 217 dıe Mengen dieser Säure jedenfalls sehr gering, da es mir nicht gelang, sie durch Reactionen in den reifen Kartoffeln oder deren Safte nachzuweisen. ‘Ueber die Farbstoffe in den Kartoffeln haben wir oben schon ge- sprochen; sie finden sich im Zellsafte gelöst und sind in vielen Varietäten auf die äussersten Schichten unter der Korklage be- schränkt, in einigen ist auch das innere Gewebe gefärbt. Auch Gerbstoff scheint unter der Schale in geringer Menge vorzukom- men. Ueber einige chemisch wenig bekannte Inhaltsstoffe ver- gleiche man ferner die bereits häufig citirte Monographie Berch- told’s (S. 43—75), wo auch die ältere diesbezügliche Literatur zusammengestellt ist. § 3. Gestaltungs-Vorgänge bei der Keimung. Schon in der Einleitung habe ich bemerkt, dass es für eine übersichtliche Behandlung unseres Themas durchaus erforderlich ist, eine bestimmte Grenze des Keimungsprozesses festzustellen. Auf den ersten Blick bieten sich‘zwei Stadien als die geeignetsten Grenzen dar, und zwar erstens der Anfang der Kohlensäurezerle- gung in den ersten grünen Blättern, zweitens aber die völlige Ent- leerung der Mutterknolle. Denn als Keimung bezeichnet man in der Physiologie denjenigen Theil des Lebens, in welchem die her- anwachsenden Organe sich von vorher abgelagerten Reservestof- fen ernähren. Wichtigstes Merkmal des vegetativen Lebens ist bei gewöhnlichen Pflanzen die Neubildung organischer Substanz in den grünen Blättern; auf Kosten dieser Neubildung geschehen in dieser Periode das Wachsthum und die Aufspeicherung. Die Kei- mung hört also im Allgemeinen auf, wenn die Reservestofie ver- zehrt sind und die Production neuer Substanz anfängt ausgiebig zu werden. Bei vielen Gewächsen, wie z. B. beim Mais fallen diese beiden Merkmale der Zeit nach zusammen, hier kann also kein Zweifel über die zu wählende Grenze zwischen Keimung und vegetativem Leben obwalten 1). Bei anderen Arten fällt der An- fang der Kohlensäurezerlegung nicht mit der Erschöpfung der Reservestoffe zusammen, sondern sind beide durch einen kürzeren oder längeren Zeitabschnitt getrennt. Dies ist z. B. der Fall bei der 1) Vergl. hierüber Sachs. Ueber das Verhalten von Stärke, Zucker und eiweissartigen Stoffen bei der Entwickelung der Maispflanze. Annal. der preuss. Landwirthschaft. Bd. 39. 1862. S. 181. 218 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Keimung der Kleesamen 1), und begegnete uns wieder bei den Kar- toffelknollen. Es scheint mir für diese Fälle weder zweckmässig noch möglich, eine allgemeine Regel von vornherein festzustellen; besser ist es in jedem einzelnen Falle, diejenige Grenze zu wählen, bei der auch in den übrigen Lebenserscheinungen die augenfälligsten Veränderungen stattfinden. Solches ist bei den Kleepflanzen in jenem Augenblick der Fall, wo die Reservestoffe des Samens ver- braucht sind, bei der Kartoffelpflanze bedingt offenbar der An- fang der Kohlensäurezerlegung die grösste Umkehr in dem Ent- wickelungsprozesse. Ja es ist an einer im Felde wachsenden Pflanze nicht einmal möglich, den Zeitpunkt der Erschöpfung der Mutter- knolle zu bestimmen, ohne sie auszuroden und die ‚Knolle selbst zu betrachten. Schon diese Argumente mögen meine Wahl einer Grenze vor- läufig rechtfertigen; die Thatsachen und Auseinandersetzungen, welche ich im nächstfolgenden Beitrag über die Entleerung der Mutterknollen und die Beziehung dieses Vorganges zu dem Wachs- thum der einzelnen Theile der Pflanze mittheilen werde, werden die Zweckmässigkeit der gewählten Grenze hoffentlich zur Ge- nüge beweisen. Bei der Bestimmung der Grenze des Keimungsprozesses tritt aber noch eine andere Frage an uns heran, welche bereits jetzt erörtert werden muss. Die Ausläufer, deren Spitzen später zu den neuen Knollen heranwachsen werden, werden je nach den Sorten früher oder später angelegt; bei einigen Sorten findet die erste An- lage sogar statt, bevor die grünen Blätter ihr Ernährungsgeschäft antreten. So ist es z. B. bei den Sechswochen-Kartoffeln, welche ich hauptsächlich zum Gegenstand meiner Untersuchungen gemacht habe. Sollen nun diese Ausläufer als zur Keimungsperiode gehörig betrachtet werden? Offenbar ist es zweckmässiger, dies nicht zu thun, denn auch in der vegetativen Periode werden neue Stolonen gebildet, und sogar die zuerst angelegten kommen während der Keimungsperiode doch nicht oder nur sehr wenig über die ersten Stadien ihrer Entwickelung hinaus. Aus diesen Gründen verschie- be ich die Behandlung der Ausläufer und damit die der Entstehung neuer Knollen vollständig auf den nächsten Beitrag. In diesem und den nächstfolgenden Paragraphen werde ich die Keimungsgeschichte unserer Pflanze so behandeln, wie sie unter normalen Bedingungen vor sich geht. Diese sind bei den Kartoffel- 1) Opera III, S. 31. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 219 knollen enger umschrieben als bei manchen anderen Keimpflanzen, zumal in Bezug auf Licht und Finsterniss. Es ist, wie wir in einem späteren Paragraphen noch genauer ‘sehen werden, für eine nor- male Keimung durchaus nothwendig, dass die ersten Internodien der Keimsprosse sich im Dunklen ausbilden, dass aber nach nicht zu langer Zeit die Endknospe an’s Licht tritt, um dort ihre Blätter zu entfalten. Auf dem Felde und im Garten sind diese Bedingungen selbstverständlich erfüllt, aber auch in Versuchen kann man sie künstlich herstellen, auch dann, wenn es gilt, die Knollen ohne Mitwirkung von Erde oder Sand zum Keimen zu bringen. Einfa- che Verdunkelung der Knollen mittelst undurchsichtiger Recipien-- ten genügt. Unterlässt man diese, lässt man die Kartoffeln von An- fang an am Lichte keimen, so geht die Keimung nicht nur äusserst langsam vor sich, sondern die Keimsprosse nehmen auch ganz an- dere Eigenschaften an, als der normalen Entwickelung zuträglich sind. Ebenso bringen sie es in constanter Finsterniss nie zur üppi- gen Entwickelung ihrer Blätter. Beide Fälle sind also von unserer Betrachtung zunächst ausgeschlossen; die Besprechung der völlig etiolirenden Pflanzen muss ich sogar auf den nächsten Beitrag verschieben, da die abnormale Entwickelung solcher Pflanzen zu weit in das weitere Leben hinein geht, ja die Finsterkeimlinge es nicht selten zur Ausbildung von Blüthenknospen bringen können. Auch der Umstand, dass solche Finsterkeimlinge gar häufig junge Knollen bilden, zwingt mich zur Einschränkung meines Thema’s. Nachdem wir also die Grenzen unseres Gegenstandes in ge- höriger Weise festgestellt und dadurch die Gruppe der zu betrach- tenden Erscheinungen zu einem zusammenhängenden Ganzen ab- gerundet haben, können wir zu der Beschreibung der Gestaltungs- vorgänge bei der Keimung übergehen. Dabei werde ich die äusseren Gestaltänderungen und die Ent- wickelung des anatomischen Baues in seinen gröberen Zügen in den Vordergrund der Behandlung stellen. Die feinere Anatomie der Organe der erwachsenen Keimpflanze stimmt in den Hauptsa- chen mit der der im besten Alter befindlichen Staude überein, und es würde also nur zu Wiederholungen leiten, wenn ich hier darauf eingehen wollte. Zweckmässiger erscheint es, diese später im Zu- sammenhang zu behandeln. Die erste Regung des Lebens zeigt sich an der Kartoffelknolle in einer sehr langsamen Vergrösserung einzelner Augen, oder viel- mehr von einzelnen Knospen in einigen Augen. In der ruhenden Knolle besteht die Knospe aus einem flachen Vegetationspunkt, 220 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. welcher von einigen jungen Blattanlagen überdeckt ist 1); das Ganze bildet eine kleine, mehr oder weniger hervortretende warzenähn- liche Erhebung der Knollenoberfläche. Diese Erhebung vergrös- sert sich nun, und damit hat die Keimung angefangen, äusserlich sichtbar zu sein. Erst streckt sich die junge Knospe etwas, ihre Blattschuppen werden so gross, dass sie dem Auge bemerklich werden. Dann aber schwillt der untere Theil bedeutend an und bald sitzt eine mehr oder weniger cylindrische Spitze auf einer kugeligen Grund- lage. Letztere ist nur mit einem kleinen Stielchen an die Mutter- knolle verbunden, zeigt sich also von dieser als durch eine Ein- schnürung getrennt. Diese eingeschnürte Stelle bleibt auch beim späteren Wachsthum noch lange als solche vohanden; sie ist in den Figuren 1 und 2 auf Tafel I bei e deutlich zu erkennen, und auch noch in dem auf Tafel II dargestellten Stadium, ja noch viel später sichtbar. Sie ist die Ursache, weshalb die grösseren Keime so leicht von der Knolle abbrechen, denn wie leicht zu beobachten ist, fin- det das Abbrechen fast stets an dieser Stelle statt. Nachdem somit die keimende Knospe sich in einen Stengeltheil und eine Endknospe differenzirt hat, findet nun die Streckung neuer Stengeltheile in der unteren Gegend der Endknospe in bekannter Weise statt. Und indem am Vegetationspunkt immer neue Inter- nodien und neue Blattanlagen differenzirt werden, ist die Quelle für eine fortdauernde Streckung gegeben. Dabei bleiben die ersten, ältesten Internodien sehr kurz, erst nach einiger Zeit treten solche aus der Knospe hervor, welche fähig sind, sich zu grösserer Länge, (von meist I—2 cm) zu strecken. Indem die Knospe sich schon sehr früh geotropisch aufwärts gerichtet hat, wächst der ganze Spross in die Höhe. Anfänglich bleibt die Endknospe aufwärts gerichtet; nach einiger Zeit aber biegt sie sich in einem scharfen Knie abwärts, wie z. B. in unserer Fig. 1 abgebildet ist. Durch diese Lage findet sie bei der nun folgenden kräftigen Streckung des Keimsprosses und dem Durchbrechen der bedeckenden oft krustenartig erhärteten Erd- schicht eine ihrer zarten Structur angemessene Beschützung gegen die Gefahr mechanischer Beschädigungen. Die Grenzen der Internodien sind an den Keimsprossen unserer Pflanze durch kleine, schuppenähnliche Blätter kenntlich. Jeder 1) Eine schöne Zeichnung findet sich bei Schacht, Bericht über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten. Taf. Il. Fig. 8. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 221 Knoten trägt eine Blattschuppe, in deren Achsel sich einige Knos- pen und Wurzelanlagen befinden. Gewöhnlich liegt eine Knospe: über die Mitte der Blattschuppe; meist liegen seitlich von diesen noch zwei schwächere Knospen. Diese Knospen wachsen unter günstigen Umständen zu Ausläufern aus. Ueber diesen Knospen beobachtet man anfangs eine etwas erhabene, nach ihnen zu. schwach concav gebogene Linie, welche sich bald als die Stelle erweist, an der die Nebenwurzeln die Oberhaut durchbrechen werden. Die Zahl der Nebenwurzeln an jedem Knoten ist fast im- mer drei, nur selten werden 1—2, oder gar 4 zu einer Blattachsel gehörige Nebenwurzeln beobachtet. Diese Wurzeln wachsen in Erde oder in feuchter Luft sehr bald heran und erreichen schon eine bedeutende Länge, wenn die in gleicher Höhe mit ihnen ent- springenden Knospen noch kaum anfangen sich zu strecken. Sie bilden zahlreiche abstehende Zweiglein, welche gewöhnlich kurz: = bleiben und sich nicht weiter verzweigen; es erhält dadurch das Wurzelgeflecht einer keimenden Kartoffel ein sehr eigenthümli- ches, charakteristisches Aussehen. Erst später, wenn die Pflanze erstarkt ist, bildet sich ein reich verzweigtes, Wurzelsystem aus. In feuchter Luft bedecken sich die Wurzeln mit einem sehr schönen und zarten Ueberzug von Wurzelhaaren, welche, hinter der wachsenden Spitze anfangend, sich bis weit hinauf an der Wur- zel erstrecken 1). Nachdem sie ein gewisses Alter erreicht haben,, sterben sie ab, die älteren Wurzeltheile der Keimpflanze sind also nicht mehr behaart. In der Erde verwachsen die Haare mit den Bodentheilchen. Die Oberhaut der Keimsprosse ist in den unteren Internodien meist mit zahlreichen kleinen, erhabenen, warzenähnlichen Gebil- den besetzt, deren Parenchym bedeutende luft führende Intercellu- larräume enthält, und welche sich dadurch als Lenticellen zu er- kennen geben. Die unteren, in der Erde verbleibenden Internodien sind nicht behaart; diejenigen, welche über der Erde treten, tragen einzelne, selten viele zu einem dichteren Ueberzug zusammentre- tende Haare. Die Form dieser Haare ist eine zweifache. Einige sind lang, cy- lindrisch und oben allmählich zugespitzt und durch 2—4 Quer-. wände getheilt. Ihre Basalzelle ragt gewöhnlich etwas aus der ‘ übrigen Epidermis hervor. Die anderen sind Drüsenhaare; sie tra- 1) Vergl. auch von Rappard. Annalen d. Landwirthschaft. Bd. 50. 1867.. S. 298. 222 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. gen auf einem kurzen 1—2 zelligen Stiele ein meist ovales, mehr- zelliges Köpfchen, dessen einzelne Zellen in der Jugend reich an protoplasmatischem Inhalt sind. Beiderlei Formen von Haaren fin- -den sich sowohl auf dem Stengel als auf den Blättern. Kehren wir aber zu demjenigen Entwickelungsstadium zurück, in welchem wir die Keimsprosse verlassen haben. Sobald ihr Gip- tel die Erdoberfläche durchbrochen hat und an’s Licht getreten ist, fangen die äussersten Blättchen der Knospe an zu ergrünen. Bald darauf streckt sich das, bisher abwärts gebogene Köpfchen grade, und die Blättchen beginnen ein viel stärkeres Wachsthum zu zeigen als vorher. In diesem Stadium ist die Pflanze im sche- matischen Längsschnitte in unserer Fig. 2 dargestellt. Das Wachs- thum der Blätter nimmt nun rasch zu, die aus der Erde getretenen Stengelglieder bleiben dagegen zunächst noch kurz, und nach we- nigen Tagen hat sich eine Rosette von zahlreichen dichtgedräng- ten Blättern von gedrungenem Baue gebildet. Die neuen Stengelglieder zeigen im Querschnitt drei flügelartige Leisten, welche von den leistenartig verbreiteten Rändern der Blattstiele am Stengel herablaufend, dort noch eine Strecke weit verfolgt werden können. Sie führen den Namen der äusseren Blatt- spuren, und fehlen dem unterirdischen Stengeltheil, welcher stiel- rund oder abgerundet dreieckig ist, (Vergl. Fig. 5 mit Fig. 3 u. 4 auf Tafel I). Dieses ist das Stadium, in welchem der Anfang der Aufnahme von luftförmiger Nahrung fällt, und welches wir als Grenze der Keimungsperiode gewählt haben. In unserer Fig. 7 auf Tafel II ist ein schematischer Längsschnitt der Pflanze in diesem Alter abge- bildet. Bei der Betrachtung einer solchen Pflanze fällt zuerst die ‚eigenthümliche Form der Blätter auf, welche dieses Stadium so recht als die Grenze zwischen dem Keimleben und dem vegetati- ven Leben kennzeichnet. Denn auch die meisten aus Samen ent- :standenen Keimpflanzen haben an der Grenze der beiden grossen Abschnitte des Lebens anders geformte Blätter als später. Die untersten Blätter der Kartoffelpflanze sind breit-keilförmig, fast umgekehrt-herzförmig, und sehr breit gestielt; Seitenblättchen fehlen ihnen gänzlich. Von dieser Form bis zu der normalen Aus- bildung des Kartoffelblattes führen nun eine lange Reihe von Zwischenformen, von denen die einfachsten in der Blätterrosette der Keimpflanze vertreten sind, während die complicirteren, dem normalen Blatte ähnlicheren, jetzt nur erst in der Anlage (Fig. 7, b. a, und b. a’) vorhanden, sich erst später entfalten werden. Die KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 223 zuerst auftretenden Formen haben nur eine Spreite; bald folgen Blätter, welche neben dem grossen Endblättchen zwei kleine Seitenblättchen tragen. Zahl und Grösse dieser Seitenblättchen nehmen allmählich zu, bis endlich das Endblättchen die grössten Seitenblättchen nicht oder kaum mehr übertrifft. Der Stiel ist da- bei schmaler geworden; auch sind zwischen den grösseren Seiten- blättchen kleinere aufgetreten, denen das gewöhnliche Kartoffel- blatt bekanntlich den botanischen Namen eines unterbrochen ge- fiederten Blattes verdankt. So gehen die Keimblätter allmählich in die der vegetativen Periode angehörigen Blätter über. Werfen wir jetzt noch einen Blick auf den inneren Bau unserer Keimpflanzen, soweit dieses für ein richtiges Verständniss der Er- scheinungen der Stoffwanderung erforderlich ist. Der Querschnitt des Stengels zeigt einen Kreis von Gefässbündeln, welcher die Rinde von dem Marke trennt. Die Gefässbündel liegen sehr zahl- reich in dem Kreise und zwar so, dass man meist drei grössere Gruppen unterscheiden kann, zwischen denen einige zerstreute oder zu viel kleineren Gruppen vereinigte Bündel liegen (Vergl. Fig. 5 ggg). Die grösseren Gruppen entsprechen stets den leistenför- migen Vorsprüngen auf der Stengeloberfläche (Fig. 5 fff), wel- che, wie wir oben sahen, als die abwärts sich fortsetzenden Ränder der Blattstiele zu betrachten sind. Die einzelnen Gefäss- bündel nun biegen sich aus dem Stengel in den Blattstiel; in letz- terem aufwärts gehend, erstrecken sie sich im Stengel abwärts; sie leiten das Wasser aus dem Stengel in die Blätter empor und führen, sammt ihrer nächsten Umgebung, die wichtigsten Nähr- stoffe wieder aus den Blättern in den Stengel abwärts. Auf dem Querschnitt des Blattstieles (Fig. 6) sieht man diese Bündel in einem seichten Bogen neben einander verlaufend; in der Spreite biegen sie in die einzelnen Nerven und deren Verzweigungen aus. Die Gefässbündel des Kartoffelstengels besitzen einen äusseren und einen inneren Basttheil, welche beide aus parenchymatischem Gewebe mit zerstreuten Bastfasern und Siebröhrengruppen beste- hen. Ausserdem befinden sich am Umfange des Markes noch ver- einzelte Siebröhrengruppen, welche nicht zu den Gefässbündeln gehören. Die Siebröhrenbündel enthalten während der Keimungs- periode stets Eiweiss, welches also bei unserer Pflanze sich so- wohl auf der Aussenseite als auf der Innenseite des Holzringes befindet. Die einzelnen Gefässbündel sind durch ein stark entwickel- tes intercalares Cambium zu einem continuirlichen Ringe vereinigt; zur Zeit der Entfaltung der ersten Blätter sind sie nur wenig ver- 224 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. holzt, und ist vom intercalaren Cambium aus meist noch kein Holz oder Bastgewebe gebildet. Die Gefässbündel der Keimsprosse setzen sich continuirlich in diejenigen der Mutterknolle fort. Die äusseren Rindenschichten sind im unterirdischen Theile dünnwandig, im oberirdischen zu Collenchymgeweben ausgebil- det. Vereinzelte Steinzellen in der Rinde der Keimsprosse wurden von Sorauer beschrieben 1). Die innerste Schicht der Rinde fungirt als Stärkescheide, wie dies in der Fig. 4 durch die blaue Punktirung angegeben worden ist. Diese gedrängte Darstellung der wichtigsten Züge des anato- mischen Baues möge vorläufig zur Orientirung genügen; im nächsten Beitrag werde ich hierauf ohnehin bei der Beschreibung der einzelnen Organe ausführlich zurückzukommen haben. S 4. Uebersicht über die Stoffwanderungs-Erscheinungen bei der Keimung. Die Reservestoffe der Kartoffelknolle sind theils anorganische, . theils organische; die letzteren zerfallen in stickstoffhaltige und stickstofffreie. Die jungen Keimsprosse bedürfen zu ihrem Wachs- thum Nährstoffe aus jeder dieser drei Gruppen, und finden diese in völlig genügender Menge in der Knolle vor; eine Aufnahme von Aussen ist, mit Ausnahme des Wassers und des zur Athmung er- forderlichen Sauerstoffs, nicht nothwendig, und findet in der Regel auch nicht in merklicher Weise statt. Die stickstofffreien organischen Nährstoffe werden nicht nur wie die übrigen zum Wachsthum benutzt, und also in veränderter Form wieder abgelagert, sondern zum Theil auch zur Athmung verbraucht. Dadurch verliert die Knolle während der Keimung fortwährend an Trockensubstanz, während sie Kohlensäure in die umgebende Luft aushaucht. Der Gehalt an Stickstoff ändert sich aber bei der Keimung nicht . Ausgehend von diesen Prinzipien haben wir jetzt die Frage zu stellen, in welcher Weise die Reservestoffe der Knollen in die Keimsprosse übertreten und dort wieder als Bestandtheile des Zellenleibes abgelagert werden .Auf diese Frage giebt uns die mi- krochemische Analyse nur Antwort für die eiweissartigen Stoffe, 1) Sorauer. Annalen d. preuss. Landwirthschaft. Bd. 52. 1869. S. 165. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 225 die Kohlehydrate und für einige Nebenprodukte des Stoffwechsels. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wollen wir also jetzt in ge- drängter Uebersicht mittheilen, indem wir die Details für die bei- den folgenden Abschnitte bewahren. Am einfachsten verhält es sich mit dem Eiweiss. Dieses wird durch die Siebröhrenbündel des Stengels und der Wurzeln fort- während nach allen Orten geleitet, wo Neubildung von Zellen stattfindet, denn das Eiweiss bildet bekanntlich das Material, aus welchem das Protoplasma der Zellen aufgebaut wird. Dementspre- chend findet man solche Heerde der Neubildung ebenfalls immer voll Eiweiss, wie die violette Farbe in den Knospen unserer Fig. 1 z. B. zeigt. In den Basttheilen der Gefässbündel ist es auf den Querschnitten Fig. 3—6 sowie auf dem Längsschnitte bei Fig. 1—2 und 7 durch dieselbe Farbe angegeben. Wir werden später sehen, dass bei der Keimung auch andere stick- stoffhaltige Verbindungen entstehen, welche wahrscheinlich bei der Stoffwanderung eine Rolle spielen, doch ist darüber noch sehr wenig sicheres festgestellt. Es genüge also hier das Solanin als einen solchen Stoff namhaft zu machen. Die Kohlehydrate finden sich in der ruhenden Kartoffel, in den meisten Sorten, ausschliesslich in der Form von Stärke vor. Der während des Reifens und des Nachreifens vorhandene Traubenzuck- er verschwindet, und erst beim Anfang der Keimung kann man wieder Traubenzucker im Gewebe nachweisen. Zuerst tritt dieser in der Nähe der keimenden Augen in sehr geringer Menge auf, und zwar häufig schon zu einer Zeit, wo äusserlich noch kaum eine Re- gung des Lebens bemerklich ist. Die chemische Veränderung be- zeichnet den Anfang der Keimung sicherer als die äusserlichen Vorgänge, ein Umstand, der leider die Resultate vieler Forscher in dem Falle zweifelhaft zu machen geeignet ist, wenn es sich darum handelt, nach ihren Analysen zu entscheiden, ob irgend ein Stoff erst bei der Keimung entsteht oder bereits im Ruhezustand vor- handen ist. Als zuverlässiges Merkmal des Ruhezustandes würde man dabei kaum etwas anderes als das Fehlen des Traubenzuckers annehmen dürfen, und diese Angabe fehlt bei vielen Analysen, in denen nicht gerade auf diesen Umstand Acht gegeben worden ist. Das Auftreten des Traubenzuckers schreitet nun bald von der Nähe der keimenden Augen nach allen Seiten, und also auch nach dem Innern der Knolle weiter, und bereits in dem in Fig. 1 abge- bildeten Stadium ist die ganze Knolle mit Traubenzucker erfüllt. 15 226 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Dieser Zustand währt dann, bei abnehmender Menge von Stärke, ` bis nach dem Ende der Keimungsperiode fort. Stärke und Traubenzucker bewegen sich beide aus der Knolle in die Keimsprosse, der Zucker in überwiegender, die Stärke in untergeordneter Menge. Auch wird die Stärke wohl in den jungen Sprossen selbst noch in Zucker verwandelt. Jedenfalls findet man die Keimsprosse bis zur Zeit, wo die ersten Blätter ergrünen, in allen parenchymatischen Gewebstheilen stets dicht mit Zucker er- füllt, während die Stärke sich bald auf bestimmte Strecken be- schränkt (Fig. 1 und 2). Auch nach der Entfaltung der Blätter bleibt dieser Zustand in den unterirdischen Theilen obwaltend; in der Krone aber ist das Wachsthum ein so rasches, dass sehr bald fast aller Zucker und fast alle Stärke zur Bildung von Zellhäuten und zur Athmung verbraucht sind. Fast überall ist das Parenchym leer, nur die Stärkescheiden führen noch Stärke (Fig. 7). Dieses leere Stadium geht der ausgiebigen Neubildung von Stärke in den grünen Blättern voran. Der Traubenzucker, den wir durch die Reduktion des rothen Kupferoxyduls aus der alcalischen Kupferoxydlösung nachweisen, entsteht in der Kartoffel offenbar aus der vorhandenen Stärke. Ob dieser Traubenzucker ein einfaches chemisches Individuum ist, oder ob mehrere vielleicht isomere, vielleicht nahe verwandte Kohle- hydrate entstehen, ist eine Frage, welche bis jetzt noch nicht völlig entschieden ist. Da sie nur auf makrochemischem Wege beantwor- tet werden und vorläufig noch kaum Anspruch auf ein grosses physiologisches Interesse machen kann, wollen wir hier nicht näher auf sie eingehen 1). Dagegen haben wir noch einiges über das Ferment nachzutragen, welches die Stärke in den Kartoffeln in Traubenzucker umsetzt. Dieses Ferment ist jetzt allgemein unter dem Namen Diastase bekannt. Es lässt sich mit Wasser aus den keimenden Knollen herausziehen; die soweit wie nöthig gereinigte Lösung besitzt die Eigenschaft, Stärke in Traubenzucker umzusetzen. Payen und Persoz 2), welche es ausführlich untersuchten, fanden dass es den ruhenden Knollen fehlt und erst bei der Keimung sich bildet; sie 1) Eine Zusammenstellung der wichtigsten diesbezüglichen Angaben ` Anderer hierüber mit den Resultaten seiner eigenen Untersuchungen gab Märcker in den Landwirtschaftlichen Jahrbüchern Bnd. 6, 1877. S. 285 ff. 2) Payen und Persoz, Ann. d. Chim. et de Phys. I. 53. p. 73; nach Oudemans en Rauwenhoff, Scheikundige Verschijnselen by de kieming van zaden, p. 87, woselbst die ältere Literatur über Diastase nachzusehen ist. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 227 konnten es nur in den Knollen, nicht in den Keimtrieben nachwei- sen. In den Knollen entsteht es zuerst in der Nähe der keimenden ‚Augen und verbreitet sich erst allmählich nach dem Innern zu, eine Thatsache, der die auf mikrochemischem Wege nachweisbare Reihenfolge, in der der Traubenzucker in den einzelnen Partien der Kartoffel zuerst auftritt, völlig entspricht. Die Auflösung des Fettes aus der keimenden Kartoffel ist bis jetzt nur auf makrochemischem Wege studirt worden 1). 85. Die Wanderung der stickstofffreien Stoffe bei der Keimung. Noch bevor die Knospen eine deutlich wahrnehmbare Streckung ‚zeigen, findet in der Kartoffel bereits eine Bildung von Trauben- zucker aus der vorhandenen Stärke statt. Den ruhenden Knollen der meisten Sorten fehlt der Zucker; sein Auftreten beweist den ‚Anfang des Keimungsprozesses. Den ersten Zucker beobachtet man in der Nähe der Augen und zwar in dem Parenchym rings um jene Gefässbündel herum, welche sich aus dem allgemeinen Ge- fässbündelring gegen die Knospe ausbiegen. Zuerst an einzelnen Stellen und wenig, bald mehr und über eine grössere Strecke ver- breitet. So fand ich es bei Sechswochenkartoffeln, deren Augen noch kaum sichbar trieben; dieselbe Thatsache geben auch ‘Schacht 2) und von Rappard 3) für andere Sorten an. Verfolgt man das Auftreten des Zuckers in verschiedenen Stadien der Keimung auf successiven Querschnitten der Knolle, so sieht man, dass er überall zuerst in der Umgebung der Gefässbündel sich zeigt, um sich von dort aus über das übrige Gewebe zu verbreiten. Während der ersten Streckung des Keimtriebes verbreitet sich der Zucker nur langsam, und erst bei einer Keimlänge von einigen Centimetern findet man die ganze Knolle in allen parenchymati- schen Theilen mit Zucker dicht erfüllt, der bald in den centralen Theilen des Markes in überwiegender, in der Rinde in geringerer Menge vorhanden ist. Der Keim selber füllt sich in seinem paren- chymatischen Gewebe bald mit feinkörniger Stärke; bei einer Keimlänge von 8 mm fand ich nur an sehr einzelnen Stellen Trau- benzucker darin vor. Nur wenig später ist alles gestreckte oder 1) Fittbogen und Grönland, Landw. Jahrb. V. 1876. S. 597. 2) Schacht. Physiologie der Pflanzen, 1850, S. 103; citirt nach Franz, Studien an der Kartoffelknolle. S. 13. 3) von Rappard. Annalen d. preuss. Landwirthschaft. Bd. 50. 1867. S. 301. 228 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. é sich noch streckende Parenchym dicht mit Zucker erfüllt, und die- ser Zustand dauert von jetzt an, bis die Endknospe aus der Erde an’s Licht tritt. Dass dabei sowohl wegen der stetigen Vergrösse- rung der zuckerführenden Zellenzahl, als wegen des Verbrauchs: für Athmung und Zellhautbildung fortwährend ansehnliche Mengen aus der Knolle in die Keime übergeführt werden, ist selbstverständ- lich. Unsere Figur 1 auf Tafel I stellt die Vertheilung der Reservestof- fe bei einer Keimlänge von etwa 5 cm dar. Mit Ausnahme der End- und Seitenknospen, der Wurzelanlagen und des Gefässbündel- ringes weisen alle Theile einen grossen Gehalt an Zucker nach, der aus der Knolle continuirlich in den Stengel übertritt. Stärke findet sich dagegen nicht mehr überall. Sie ist auf die jüngste, noch im Längenwachsthum begriffene Strecke in der Nähe der Endknos- pe, auf die Stärkescheide und auf den untersten, der Knolle am. nächsten liegenden Theil des Stengels beschränkt. Die Stärkescheide ist anfangs noch überall mit feinen Körnchen erfüllt; bald löst sich die Stärke aus dem mittleren Theile auf und das stärkeführende Gewebe ist in zwei, durch stärkefreie Theile von einander getrennte Partien zerfallen. Im mittleren Theile be- wegt sich jetzt keine Stärke mehr, nur Zucker strömt aus’der Knolle den jüngsten Gliedern des Keimsprosses zu. Hier angelangt, wird sie zum Theil direct verbraucht, zum Theil aber erst wieder als Stärke niedergeschlagen. Dementsprechend nimmt auch der Ge- halt an Stärke hierselbst mit zunehmendem Wachsthum nicht ab, sondern zu. Auch in der Umgebung der Seitenknospen, sowie der Wurzel- anlagen wird Zucker in Stärke zurückgeführt und als solche in feinen Körnchen vorübergehend abgelagert (Fig. 1 w). Die jungen Bastfasern, welche ihre Wand noch nicht verdickt haben, führen stets sehr viel Zucker, welcher offenbar allmählich in Cellulose umgewandelt wird und so zur Verdickung der Wand beiträgt. Mit zunehmender Wanddicke nimmt der Gehalt an Zu- cker sichtlich ab, ist die Wandverdickung beendigt, so ist der Zucker aus dem Inhalte verschwunden. In dem beschriebenen Stadium sind die Wurzeln je nach den Bedingungen der Keimung nur als kleine Warzen in den Achseln der Blattschuppen sichtbar, oder bereits zu geringerer oder grös- serer Länge herangewachsen. Im ersteren Falle führen sie ge- wöhnlich nur Eiweiss; im letzteren ist das Eiweiss auf den Vege- tationspunkt und die Basttheile der Gefässbündel beschränkt.. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 229 Alles Parenchym führt reichlich Zucker bis dicht an die meriste- matische Spitze. Stärke findet man nur in einiger Entfernung von dieser Spitze in Mark und Rinde, dann noch eine Strecke weiter hinauf in der Stärkescheide; im älteren Theil dagegen nicht mehr. Auch in den Wurzelhauben und in der Nähe der eiweissreichen Nebenwurzelanlagen ist etwas Stärke abgelagert. Bis zum Durchbrechen der Erdoberfläche bleibt die Vertheilung der wichtigsten Bildungsstoffe in den Keimsprossen annähernd dieselbe, und nur der Gehalt an Stärke in den untersten Internodien nimmt gewöhnlich ab, um im Augenblicke, wo die ersten Blätt- chen eben anfangen zu ergrünen, entweder völlig verschwunden (Fig. 2) oder noch in geringer Menge vorhanden zu sein. Auch nachdem die ersten Blättchen grün geworden und schon erheblich gewachsen sind, ist in der Vertheilung der Stoffe noch keine er- hebliche Veränderung zu.beobachten (Fig. 2). In dem in Fig. 2 abgebildeten Stadium finden wir noch alles parenchymatische Gewebe der Knolle und des Sprosses voll Zucker; Stärke dagegen nur überall in der Knolle und in den jüngsten Theilen des Keimlings. Je jünger diese sind, um so reich- lichere Ablagerung von Stärke zeigen sie, vorausgesetzt, dass sie bereits aus dem Zustande des Theilungsgewebes herausgetreten sind. Dieses rührt einfach daher, weil die Stärke nur in den ganz jungen Zellen abgelagert, dann aber, wieder allmählich verbraucht wird. Die mittleren Partien des abgebildeten Sprosses führten nur noch in der Stärkescheide Stärke, aus Rinde und Mark war sie verschwunden. Die untere Hälfte war stärkefrei. Betrachten wir die einzelnen Organe unserer Pflanze in diesem Stadium etwas eingehender. Die Endknospe besteht aus der jugendlichen Spitze des Spros- ses, deren Gipfel von dem eiweissreichen Theilungsgewebe des Vegetationspunktes eingenommen wird. Die jüngsten Blattanlagen und die Seitenknospen in den Blattachseln führen gleichfalls Ei- weiss; in ihnen ist weder Stärke noch Zucker nachweisbar. Aber sehr dicht unterhalb des Vegetationspunktes treten luftführende Intercellularräume im Marke und in der Rinde auf, und hier ent- halten die Zellen etwas feinkörnige Stärke, deren Menge mit der Ent- fernung vom eiweissreichen Gewebe rasch zunimt. Der Gefässbün- delring bleibt dabei stärkefrei. An der unteren Grenze der Endknos- pe erreicht der Gehalt an Stärke seinen Höhepunkt, von dort abwärts nimmt er erst bald, dann langsam ab, und schon die untersten noch wachsenden Stengelglieder sind sehr arm an Stärke. Aus der Rinde 230 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. der stärkereichsten Zone tritt die Stärke in die Stiele der dort sit- zenden Blätter über, und ist auch in den stärkeren Rippen noch zw verfolgen. Die jüngsten stärkeführenden Zellen enthalten noch keinen Zucker, ebensowenig wie die eiweissführenden. Alle älteren pa- renchymatischen Zellen sind dicht voll Zucker, auch in den jungen, noch ‚kaum ergrünten Blattanlagen findet man Zucker. Die ältesten, jetzt etwa anderthalb Centimeter grossen Blätter der Endknospe enthalten in der Stärkescheide der Mittelnerven und des Stieles feinkörnige Stärke, dann in sämmtlichen Spalt- öffnungszellen und endlich in einzelnen Parenchymzellen sehr geringe Mengen, welche als Ueberreste des- früheren reicheren Stärkegehaltes betrachtet werden können. Eine Stärkebildung durch Kohlensäurezerlegung war also noch nicht nachweisbar. Die Stengelglieder enthalten in den Siebröhrenbündeln des Ge- fässbündelkreises, sowohl in den äusseren als in den inneren markständigen Bündeln, ebenfalls im Cambiumringe, Eiweiss; hier sind also keine Kohlehydrate nachweisbar. Nahezu alles andere Gewebe ist aber mit Zucker erfüllt. Sogar in den Gefässbündeln enthalten die safterfüllten Zellen zwischen den luftführenden Ge- fässen und Holzfasern geringe aber deutlich nachweisbare Mengen Zucker. Diejenigen Stengelglieder, welche sich eben fertig ge- streckt haben, in denen also der Verbrauch der rascheste war, sind etwas ärmer an jenem Kohlehydrate als die älteren, in denen schon eine reichlichere Zufuhr aus der Knolle den Verlust gedeckt hat. In den oberen Internodien sind die Bastiasern noch dünnwan- dig und zuckerhaltig; in den unteren sind sie bereits verdickt und leer. Stärke findet sich in den Knollen und häufig in den untersten Stengelgliedern vor, sonst nicht. Die Nebenwurzeln zeigen im Allgemeinen dieselbe Vertheilung der Bildungsstoffe, wie wir sie vorher beschrieben haben; die jüngeren, feineren sind noch reich an Zucker; die älteren, dickeren aber bereits ärmer, häufig sogar schon sehr arm an Zucker. Soviel über den in Fig. 2 abgebildeten Entwickelungszustand. . Gehen wir jetzt zu dem letzten Stadium der Keimungsperiode über (Fig. 7 Tafel II). Die Entfaltung der Blätterrosette geschieht mit einer ganz an- deren Geschwindigkeit als das bisherige, unterirdische Wachs- thum. Die nächste Folge davon ist, dass der Transport von Bil- dungsstoffen aus der Knolle nicht mehr, wie bisher, mit dem Verbrauch nahezu gleichen Schritt halten kann. In kurzer Zeit ist KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 231 das parenchymatische Gewebe des oberirdischen Theiles fast völlig an Kohlehydraten erschöpft; Zucker findet sich noch kaum irgendwo, Stärke nur in den Stärkescheiden, welche bekanntlich bei der Entleerung von Organen stets am längsten gefüllt bleiben. Erst wenn in den Chlorophylikörnern der Blätter neue Stärke aus Kohlensäure und Wasser gebildet wird, fängt allmählich eine Füllung der Organe wieder an, welche aber wegen des raschen Verbrauches doch nur sehr langsam vor sicht geht. Während dieses in den oberirdischen Partien vor sich geht, verändert sich die Vertheilung der Bildungsstoffe in den unterir- dischen Theilen nicht wesentlich, nur die Menge des vorhandenen Materiales nimmt überall allmählich ab. Nach dieser Uebersicht werden die folgenden Detailangaben leicht verständlich sein. Wir knüpfen diese an die Fig. 7 auf Tafel Il, sowie an die auf Taf. I abgebildeten Querschnitte Fig. 3—6 an. Fig. 3—5 zeigen den Bau und die Vertheilung der Bildungs- stoffe in verschiedener Höhe des Stengels; Fig. 3 im unterirdischen Theil, Fig. 4 in der Höhe der Erdoberfläche, Fig. 4 zwischen den Blättern der Krone. Die Stellen, denen diese Figuren entsprechen, sind in der Uebersichts-Figur 7 durch die Zahlen 3—5 angedeutet. Figur 6 endlich stellt einen Querschnitt eines Blattstieles dar. Eiweiss führen alle jungen Organe, deren Zellen noch nicht aus dem Zustande des Theilungsgewebes herausgetreten sind, somit die End- und Seitenknospen (Fig. 7 o p, s k), deren jüngste Blattanlagen (Fig. 7 ba und bat), und das Cambium des Gefässbün- delringes sowie’die inneren und äusseren Siebröhrenbündel (Fig. 7 g b). Meist waren nur die äusseren Basttheile reich genug an Eiweiss, um dieses auf dem Querschnitte angeben zu können (Fig. 4—6); für den unteren Theil des Stengels findet man in Fig. 3 auch Eiweiss im Cambiumring und dessen nächster Um- gebung angedeutet. Die eiweissreichen Zellen enthalten keine nachweisbaren Kohlehydrate in ihrem Inhalt. Stärke findet man im Streckungsgewebe unterhalb der End- knospe (Fig. 7) und in den Stärkescheiden der Blattrippen, der Stiele und der mittleren Partien des Stengels (Fig. 7, Fig. 4 und 6). In den tiefer gelegenen sowie den oberen Partien des Stengels ist auch die Stärkescheide leer (Fig. 7, Fig. 3 und 5). Traubenzucker füllt die Knolle und die unteren Stengelglieder und erstreckt sich in der äusseren Zone des Markes bis in der Höhe der Erdoberfläche (Fig. 4), um aber etwas höher auch hier 232 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. zu verschwinden. Die Rinde fand ich in den oberirdischen Theilen leer von Zucker. In Fig. 7 ist bei a ein Seitenzweig abgebildet, dessen Gipfel die Erde noch nicht durchbrochen hat. Die Vertheilung der Stoffe war hier nahezu dieselbe wie in dem in Fig. 1 abgebildeten Sta- dium. Nachdem wir jetzt unsere Aufmerksamkeit ausschliesslich auf die wichtigsten Bildungsstoffe gerichtet haben, erübrigt uns noch einige Stoffe zu besprechen, welche als Nebenprodukte des Stoff- wechsels auftreten. Es sind dies der Gerbstoff und der kleesaure Kalk. Gerbstoff findet sich in den Kartoffeln in geringer Menge, dicht unter der Schale; beim Keimen nimmt er in der Nähe der Augen bedeutend zu. In den Keimsprossen verschiedenen Alters kann man ihn sehr leicht nachweisen, wenn man Längsschnitte oder Längshälften während einiger Zeit in einer Auflösung von Eisen- chlorid verweilen lässt; die gerbstoffhaltigen Stellen färben sich grau bis schwarz, und sind schon dem unbewaffneten Auge leicht kenntlich. In ganz jungen Trieben von bis 2 cm Länge fand ich überall in Mark und Rinde Gerbstoff. Die Endknospe und die Wurzelanlagen färben sich tief schwarz; der jüngste, hakenförmig gebogene Theil des Stengels ebenfalls schwarz, die übrigen Stengelglieder umso blasser, je weiter sie von der Endknospe entiernt, also je älter sie waren. In älteren Trieben, welche aber die Erdoberfläche noch nicht erreicht hatten, schwärzten sich ebenfalls die Endknospe und die jüngsten Stengelglieder, stellenweise sogar in den Gefässbündeln. Auch die Blattanlagen wurden schwarz. Die folgenden Interno- dien färbten sich blasser, die ausgewachsenen färbten sich nicht; dagegen nahm das unterste Ende des Keimprosses, in der Nähe der Anheftungsstelle, eine dunkle Farbe an, zumal im Mark. Die älteren Wurzeln enthielten keinen Gerbstoff, die jüngeren wohl. Nach der Entfaltung der ersten Blätter am Tageslicht enthielten nur noch die jüngsten Theile der Endknospe in der Nähe des Ve- getationspunktes Gerbstoff; die älteren Internodien und Blätter nicht mehr. Ueber die Vertheilung des Gerbstoffes in den einzelnen Zellen der Knolle und des Keimsprosses sind die Angaben von Sorauer nachzusehen 1), ich habe leider nicht die Gelegenheit gehabt, seine 1) Sorauer. Annalen d. preuss. Landwirthschaft. Bd. 52. 1867. S. 156 ff. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 233 Beobachtungen zu wiederholen, da ich seine Arbeit erst nach Ab- schluss meiner eigenen Untersuchungen habe bekommen können. Durch den Gebrauch einer abweichenden Terminologie ist seine Be- schreibung mir ohne weitere Controle nicht recht verständlich, so dass ich auf eine ausführliche Mittheilung seiner Resultate hier ver- zichten muss. Oxalsaurer Kalk fehlt den reifen Kartoffelknollen. Während der Keimung entsteht er sowohl innerhalb der Mutterknolle als in den Keimsprossen. Er findet sich ausschliesslich im parenchymatischen Grundgewebe, scheint aber in allen Organen vorzukommen. Man beobachtet ihn in einzelnen zerstreuten Zellen, als Agglomerate kleiner krystallinischer Körnchen; diese Zellen erscheinen bei ge- ringer Vergrösserung unter dem Mikroskop bei durchfallendem Lichte als schwarze, bei auffallendem Lichte als weisse Punkte. Ihrem Aussehen nach nennt sie Sorauer grumöse Zellen 1). De Bary gab ihnen den Namen Körnerschläuche 2). Sie enthalten ne- ben den krystallinischen Körnern nur einen geringen stickstoffhal- tigen Inhalt. Ausser diesen Körneragglomeraten beobachtete So- rauer auch grössere und gut ausgebildete Krystalle von octaedri- scher Form. Mit zunehmendem Wachsthum der Keimsprosse nehmen die Körnerschläuche allmählich an Zahl und an Inhalt zu; am Ende der Keimungsperiode sind sie überall ziemlich zahlreich. Den de- taillirtten Angaben Sorauer’s und meinen eigenen Beobachtungen, welche unter einander sehr gut übereinstimmen, entnehme ich noch Folgendes. In dem in Fig. 1 dargestellten Entwickelungs- stadium ist der kleesaure Kalk bereits deutlich in Mutterknolle, Stengel und Wurzeln nachzuweisen, nur der jüngsten Stengel- spitze fehlt er. Sobald die Blätter sich zu entfalten anfangen (Sta- dium von Fig. 2), finden wir in der Rinde des oberen Internodiums unterhalb der Endknospe bereits ziemlich viele Körnerschläuche, welche dicht mit dem grumösen Inhalte erfüllt sind. Etwas tiefer sieht man diese in der Rinde und im Mark. Auch in den jungen Blättern sind sie zu erkennen, zumal in den Mittelrippen und den Stielen. Beim weiteren Wachsthum nimmt die Menge des oxal- sauren Kalkes immer zu. Endlich habe ich noch des Ozons zu erwähnen, welches von Schönbein und später von Franz 3) in den Keimen der Knollen ge- 1) Sorauer, a. a. O. 2) de Bary. Anatomie. 1877. S. 144. 3) Franz. Studien an der Kartoffelknolle. 1873. S. 32. 234 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. funden wurde. Man erkennt es an der tief-grünen Färbung, welche die Schnittflächen beim Aufgiessen einer Guayac-Lösung anneh- men. Ohne in eine Kritik der aus der Reaction gezogenen Schlüsse einzugehen, theile ich nur mit, dass ich nach eigener Beobachtung die Angabe der genannten Forscher bestätigen kann. Das Ozon findet sich in der keimenden Knolle überall, zumal im Parenchym und in der Nähe der keimenden Augen. § 6. Die Wanderung der stickstoffhaltigen Stoffe bei der Keimung. Auf mikrochemischem Wege lassen sich bis jetzt in den kei- menden Kartoffeln von den zu dieser Gruppe gehörigen Stoffen nur die Eiweisskörper nachweisen. Ihre Wanderung und Verbrei- tung ist eine höchst einfache und kann daher in wenigen Worten behandelt worden. Dies ist um so leichter möglich, als ein Blick auf die beiden Tafeln die Verbreitung des Eiweisses in ihren wich- tigsten Zügen sofort erkennen lässt, und als eine Reihe von De- tailangaben bereits im vorigen Paragraphen gemacht worden sind. Die Siebröhrenbündel, welche sich im äusseren und im inneren Basttheil der Gefässbündel, sowie im Umkreise des Markes be- finden, leiten während der ganzen Keimungsperiode eiweissartige Stoffe aus der Mutterknolle in continuirlichen Zügen den Bildungs- heerden neuer Zellen zu. Diese Bildungsheerde sind ebenfalls un- unterbrochen mit Eiweiss erfüllt, nur die jedesmal aus ihnen her- austretenden Zellen verbrauchen das Eiweiss bald zur Protoplas- mabildung, und somit kann in den erwachsenen Zellen kein Eiweiss mehr ‚nachgewiesen werden. Unter den betreffenden Bildungs- heerden sind in erster Linie die End- und Seitenknospen mit ihren jüngsten Blattanlagen zu nennen, ferner der Cambiumring des Gefässbündelkreises, endlich die Wurzelspitzen und Nebenwur- zelanlagen. Im cambialen Gewebe der jungen Stengelglieder der Endknos- pe, sowie in den jungen Drüsenhaaren fand Sorauer 1) das Eiweiss zum Theil in der Form von kubischen Krystalloiden, wie solche bereits von Cohn in der Rinde der Knolle gefunden und beschrie- ben waren. In den Drüsenhaaren enthielt oft jede Zelle einen sol- chen, scharf ausgebildeten Krystall. Sowohl auf den Blättern als auf dem Stengel wurden solche Krystalloid-führende Haare beo- bachtet. 1) Sorauer, a. a. O. S. 165—167 und Tafel I, Fig. 4. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 235: Es scheint, dass bei der Keimung ein Theil des Eiweisses in Solanin verändert wird, und dass dieses sich in zunehmender Menge in der keimenden Knolle und in den Keimsprossen verbrei- tet. Aus den zahlreichen chemischen Angaben über das Vorkom- men von Solanin in den keimenden Kartoffeln lässt sich nur wenig: mehr entnehmen. Es ist nicht unmöglich, dass das Solanin eine ähnliche Rolle spielt, wie das Asparagin bei der Keimung der kleeartigen Gewächse, und dass es also später wieder in Eiweiss umgesetzt wird 1). Jedoch spricht der Umstand, dass Solanin nur in relativ sehr geringen Quantitäten auftritt und keineswegs nach der Keimungsperiode vollständig verschwindet, wie das Aspara- gin bei jenen Pflanzen, nicht für diese Vermuthung. Es wäre sehr wünschenswerth, dass das Vorkommen des Solanins in der Kar- toffelpflanze einer eingehenden physiologischen Untersuchung un- terworfen würde. Da dieses bis jetzt nicht der Fall ist, muss ich mich darauf beschränken, die physiologisch verwerthbaren Anga- ben aus der betreffenden Literatur zusammenzustellen. Eine sehr wichtige Thatsache wurde von v. Rappard festge- stellt 2). Er zeigte, dass der Gehalt an Stickstoff sich während der Keimung nicht ändert. Ansehnliche Mengen stickstoffhaltiger Stoffe treten aus der Mutterknolle in die Keimsprosse über, der Gesammtgehalt an gebundenem Stickstoff wird dabei weder grös- ser noch geringer. Die organischen, stickstoffhaltigen Substanzen mögen chemische Umsetzungen erfahren, zerstört werden sie nicht, während an Kohlehydraten, wie bekannt und wie aus von Rappard’s Zahlen deutlich zu entnehmen ist, mit fortschreitender Entwicklung bedeutende Verluste in Folge der Athmung erlitten werden. Wenn also das Solanin aus eiweissartigen Stoffen ent- steht, so geht dabei kein gebundener Stickstoff verloren. Für die Zahlenbelege verweise ich auf das Original. Das Solanin wurde von Desfosses 1820 in den Beeren des schwarzen Nachtschattens, Solanum nigrum, entdeckt. Später fand es Baumann auch in den Kartoffeln; Baup und Wachenroden zeigten, dass es besonders reichlich in den während der Winter- und Frühlingsmonate hervorschiessenden Keimen der Kartoffeln enthalten ist. Von Heumann wurde es dann noch in den grünen Früchten, von Otto im Kraut der Kartoffeln, von anderen Forschern 1) Boussingault. Agronomie, IV. 265; Pfeffer, Pringsheim’s Jahrbücher, vi. S. 563. 2) von Rappard. Annalen d. preuss. Landwirthschaft. Bd. 50. 1867. S. 301. 236 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. in einigen verwandten Arten der Gattung Solanum nachgewie- sen 1), In einigen, vielleicht in allen Arten findet es sich als äpfel- saures Salz. Für die Darstellung des Solanins sind frische, nicht zu lang gewordene, im Finstern erwachsene Keimsprosse das geeignetste Material. Ueber diese Thatsache stimmen alle Forscher überein; sie ist in physiologischer Beziehung die wichtigste und brauch- barste. Einige weitere Angaben lasse ich jetzt folgen. Keime von 1 Zoll sind nach Berchtold 2) reich an Solanin; Keime von 4 Zoll führen es noch in merklicher Menge; ganz lange Keime enthalten kaum noch eine Spur. Berchtold 3) citirt eine Angabe von Spazier, nach der auch die noch ruhenden Knollen Solanin enthalten sollen, jedoch in gerin- gerer Menge als die keimenden. Nach Schulze4) enthält die Kar- toffel selbst kaum nachweisbar kleine Mengen, und mag das Vor- kommen darin sich vielleicht nur auf die Schale und die Region der Augen beschränken. Auch Hauf5) fand den grössten Theil des Solanins in der Schale. Baumann 6) konnte noch nicht ein Zwei- hunderttausendstel Solanin in der Kartoffel finden, während er in dem Kraut ein Fünfzehnhundertstel nachwies. Am Licht ergrünte Knollen enthalten mehr Solanin als nicht ergrünte” ). Hauf8) untersuchte im Mai und Juli Kartoffeln, welche er sorgfältig von den Keimen befreite und fand im Mai in 500 g Sub- stanz 0,16 g reines Solanin, im Juli in einer gleichen Menge Sub- stanz 0,21 g Solanin. Zu beiden Zeiten waren die Schalen reicher an Solanin als das Innere. Derselbe Forscher giebt an, dass auch die jungen Knollen Solanin enthalten und zwar während der Ent- wicklung mehr als bei der Reife. Aus diesen Angaben lässt sich mit Wahrscheinlichkeit entneh- men, dass die ruhenden Kartoffeln äusserst arm an Solanin sind; dass dieses Körper während der Keimung in den Knollen sowohl als in den Keimsprosse almählich an Menge zunimmt, um später wieder bedeutend abzunehmen, aber nie ganz im Kraute zu fehlen. Auch in 1) Diese Angaben nach Th. und A. Husemann. Die Pflanzenstoffe. S. 421. 2) Berchtold. Die Kartoffeln. S. 76. 3) Berchtold. a. a. O. S. 49. 4) Schulze. Chemie für Landwirthe. II. 2. Abth. S. 296. 5) Hauf. Büchner’s Repertorium, Bd. 13, S. 559, citirt nach Husemann a. a. O. und nach Jahresbericht für Agriculturchemie. 1865. S. 121. 6) Ebendaselbst. 7) Berchtold, a. a. O. S. 76. 85). Hauf, a. a: O. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 237 den unreifen Früchten und den jungen Knollen ist er gefunden; aus letzteren verschwindet er aber bei der Reife wieder bis auf sehr geringe Spuren. 8 7. Athmung und Transspiration der Kartoffeln. Ueber die Athmung der Kartoffeln finde ich in der Literatur tolgende Angaben: Saussure 1) fand, dass eine Kartoffelknolle in 24 Stunden 0,4 ihres Volumens an Sauerstoffgas verbrauchte; sie gab dafür nur 0,32 ihres Volumens an Kohlensäure ab; die übrigen 0,08 blieben in ihrem Gewebe absorbirt. Von Rappard 2) fand, dass eine Kartoffelknolle von 100 g vom Anfang der Keimung, bis zu einer Keimlänge von 8—10 Zoll, 4,11 g Stärke verlor. Davon fan- den sich nur 0,468 g als Stärke und Zucker in den Keimen zurück; es waren also 3,642 g zur Athmung und zur Bildung der Zellhäute verbraucht. Nobbe 3) brachte zwei Knollen in einen Aspirator, durch welchen Luft geleitet wurde. Sie verloren in 6 Monaten bei einem Anfangsgewicht von 176,694 g, 29,921 g Wasser und 8,523 g Kohlensäure. Die Kohlensäureentwicklung zeigte sich auffallender Weise während der Versuchszeit ziemlich constant, dagegen nahm die Transspiration von Wasser im März mit dem Lebhafter- werden der Keimung zu. Die aufgefangene Kohlensäuremenge entspricht etwa einem Drittel des verlorenen Stärkemehls. Die Wärme, welche von den keimenden Kartoffeln gebildet wird, wurde von Göppert beobachtet 4). Die Korkschale schützt die reifen Kartoffeln in ausgezeichneter Weise vor Verdunstung, jedoch nicht derart, dass aller Wasser- verlust in trockner Atmosphäre ausgeschhlossen wäre. Sobald die Keimung anfängt, wird die Verdunstung grösser, da die zartere Oberhaut der Keimtheile dem Entweichen des Wasserdunstes eine günstigere Gelegenheit bietet. Dabei findet eine Bewegung des Wassers innerhalb der Knolle statt, dieses strömt allmählig aus den älteren, entiernteren Theilen der Knolle den jüngeren Theilen zu, um hier in die Keimsprosse überzutreten. Man beobachtet dieses, nach Nägeli’s5) Vorgang, sehr leicht bei Knollen, welche, 1) Saussure. Recherches chimiques. p. 110. 2) von Rappard. Annalen der preuss. Landwirthschaft. Bd. 50. 1867. S. 305. 3) Nobbe. Landw. Versuchsstat, Bd. 7, citirt nach Jahresber. d. Agri- culturchemie Bd. 8. 1865. S. 177. 4) Vergl. Sachs. Handbuch d. Experimentalphysiologie. S. 300. 5) Nägeli. Botan. Mittheilungen. Sitzber. d. k. Akad. zu München. 1861. S. 250. 238 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. in der freien Luft liegend, keimen. Sie fangen von hinten an zu welken und zusammenzuschrumpfen, wenn die Knospen am vor- deren Ende treiben. Sehr geeignet für diese Beobachtungen fand ich die Sechswochenkartofieln. Der Wasserverlust der Kartoffeln während der Ruhezeit bietet uns eine sehr einfache Erklärung für die schon älteren Forschern bekannte Thatsache, dass das Gewicht keimender Kartoffelknollen, ‚auch abgesehen vom Gewichte der Keimtriebe, anfangs nicht un- bedeutend zunimmt. Für diese Thatsache brachte bereits Fech- rerl) eine Reihe von Zahlen, welche in allen untersuchten Proben eine grössere oder geringere Gewichtszunahme der Knollen er- gaben. Fechner schreibt diese Zunahme richtig der Aufnahme von Wasser aus der Erde zu, und es ist natürlich, dass Kartoffeln, wel- che beim Aufbewahren Wasser verloren haben, dieses in feuchter Erde allmählich wieder aufnehmen werden. Nobbe 2) untersuchte den Gewichtsverlust, den Kartoffeln im Winter und Frühjahr erleiden, wenn sie unter verschiedenen Be- (dingungen aufbewahrt werden. Dieser Gewichtsverlust resultirt aus dem verdunsteten Wasser und der bei der Athmung verbrauch- ten organischen Substanz. Aus den Versuchen ergab sich, dass auf den Gewichtsverlust der Kartoffeln in erster Linie die Wärme, in zweiter die Feuchtigkeit des umgebenden Raumes einwirken. Der Zutritt des Lichtes schien ohne Einfluss zu sein. Für die mit- getheilten Zahlenergebnisse, welche bei der unvollständigen Tren- mung der einzelnen Factoren mehr eine praktische als eine physio- logische Bedeutung beanspruchen, verweise ich auf die Abhand- lung selbst. § 8. Die äusseren Bedingungen einer normalen Keimung. Die reifen Knollen der Kartoffeln bedürfen im Allgemeinen einer Ruhezeit, bevor sie keimfähig sind. Die Dauer dieser Ruheperiode ist, je nach Umständen, eine verschiedene. Einige Sorten fangen bei trockener Aufbewahrung im Dunklen bereits im December an zu keimen, andere sind vor Februar in keiner Weise dazu zu bringen. Bei im Juli geernteten, reifen Knollen gelang es von Rap- pard durch frühe Saat in Töpfen schon im October die Keimung tis zur Entfaltung der ersten Blätter zu bringen 3); die Pflanzen 1) Fechner. Pflanzenanalysen. 1829. S. 112. 2) Nobbe. Landw. Versuchsst. Bd. 7, cit. n. Jahrber. f. Agriculturchem. Bad 8. 1865. S. 177. 3) von Rappard, Annalen der Landwirthschaft. Bd. 50. 1867. S. 310. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 239 gingen aber bald wegen der zu geringen Lichtintensität zu Grunde. In wiefern das bekannte Durchwachsen der reifenden Knollen in feuchten Sommern als eine vorzeitige Keimung zu betrachten ist, ist jetzt noch nicht untersucht worden. Luftzutritt, Feuchtigkeit, Wärme und Dunkelheit sind die we- sentlichsten Factoren, welche die Keimung der Kartoffelknollen beeinflussen und begünstigen. Dieser Satz, welcher sich aus der allgemeinen Physiologie mit Sicherheit auch für unsere Pflanze ergiebt, ist durch die Erfahrungen zahlreicher Beobachter in seiner allgemeinen Fassung für die Kartoffelknollen genügend bewiesen. Wie sich aber die genannten Factoren zu den einzelnen physiolo- gischen Erscheinungen verhalten, welche zusammen den Kei- mungsprozess ausmachen, lässt sich aus der vorliegenden Litera- tur nur sehr unvollständig entnehmen. Im Bezug auf die Temperatur, welche für das Keimen der Kar- toffeln erforderlich ist, finde ich eine Angabe von Sachs 1), nach der die niedrigste Keimungstemperatur bei 7—8° R., also ziem- lich hoch liegt. Dem entspricht die bekannte Erfahrung, dass Kar- toffeln, wenn sie früh gepflanzt werden, meist lange in der Erde liegen, ohne merklich zu keimen. Kartoffeln, die Anfang März gepflanzt wurden, kommen bekanntlich meist nur wenige Tage früher aus der Erde als solche, die Anfang April gesteckt wurden. Von Rappard2) hat einige Versuche hierüber angestellt, in denen die Kartoffeln theils im Februar, theils im März oder Anfang April gesteckt wurden. Alle keimten fast gleichzeitig, und zwar zwischen 18. und 23. April. Tägliche Temperaturbestimmungen ergaben im April eine mittlere Temperatur der Erde in der Nähe der Knollen von 10° C.; die Temperatur für die beiden anderen Monate ist nicht besonders angegeben, doch lag sie für März jedenfalls unter 8°, für Februar jedenfalls unter 6° C., wie aus der beigefügten Tabelle zu entnehmen ist. Die beiden letzteren Temperaturgrade liegen unter dem oben nach Sachs mitgetheilten Minimum. Um die Beschleunigung der Keimung der Kartoffeln durch eine höhere Bodentemperatur zu demonstriren, bedeckte Hanney die eine Hälfte eines mit Kartoffeln bestellten Feldes mit Russ. An son- nigen Tagen wurde die Temperatur der Erde in beiden Hälften des Feldes gemessen, und im Laufe des ganzen Sommers ein Unter- schied von im Mittel etwa 1° C. in 2 Zoll Tiefe gefunden. Tempe- 1) Annalen d. Preuss. Landwirthschaft. Bd. 50. S. 310. 2) von Rappard. Annalen d. Landwirthschaft. Bd. 50. S. 311. 240 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. raturbestimmungen für die Keimungszeit enthält das mir vorlie- gende Referat nicht. Auf dem berussten Felde gingen die Kartof- feln früher auf 1), Das Licht wirkt retardirend auf die Keimung ein, wie durch ver- gleichende Culturen von Kartoffelknollen am Licht und im Dunk- len von Schacht bewiesen wurde 2). Dieser Forscher wickelte fer- ner einige Knollen in starkes Packpapier und legte sie hinter den warmen Stubenofen, wo die Temperatur stets über 12° R. blieb; andere Knollen derselben Sorte, gleichfalls in starkes Packpapier gewickelt, wurden neben andere, welche dem Lichte ausgesetzt blieben, an’s Fenster gelegt. Die in starkes Papier gewickelten Knollen hatten nach 14 Tagen, sowohl am Fenster als hinter dem Ofen, 2—3 Zoll lange Keime getrieben, während die frei liegenden sich gar nicht verändert hatten. Die etwas grössere Wärme in der Nähe des Ofens hatte den Grad des Wachsthums der Keime nur wenig gesteigert, der Einfluss des Lichtes diesen aber bedeutend herabgesetzt. Schacht folgert hieraus, dass man das frühzeitige Austreiben der Kartoffeln durch Ausbreiten am Lichte verhindern kann. Auch von Rappard 3) fand, dass Kartoffeln, welche dem Lichte ausgesetzt sind, sehr schwer keimen, besonders dann, wenn sie in trockner Atmosphäre liegen. Seine Kartoffeln keimten, unter Glasglocken frei liegend, am Lichte kaum im Juni, im Dunklen dagegen bedeutend früher. Im Dunklen und in feuchter Luft ging die Keimung noch rascher von Statten. Das Licht beeinflusst aber nicht nur die Geschwindigkeit der Keimung, sondern auch die Ausbildung der Keimtheile ist in hohem Maasse von ihm abhängig. Es scheint für eine normale Entwick- lung der jungen Pflanzen nothwendig zu sein, dass die ersten In- ternodien der Keimsprosse sich im Dunklen entwickeln. Denn wenn die Keimung vom Anfang an im Lichte vor sich geht, so entwickeln sich die späteren Internodien nicht so, wie sie dies unter den ge- wöhnlichen Umständen zu thun pflegen. Sehr deutlich ist der Ein- fluss des Lichtes auf die Stolonen; nur diejenigen, welche sich im 1) J. B. Hanney. Chemical News. XXXIV. 1876. p. 155. Nach Jahresber. für Agriculturchemie. 18. u. 19. Jahrg. 1877. S. 349. Die Angaben über den ferneren Verlauf des Versuchs sind kaum physiologisch verwerthbar, weil die Erscheinungen zu complicirt sind. Sollte der Russ vielleicht nicht auch durch Entwicklung von Kohlensäure günstig auf die Kohlensäure- zerlegung in den Blättern gewirkt kaben ? 2) Schacht. Bericht über die Kartoffel und ihre Krankheiten. 1855. S. 4. 3) von Rappard, a. a. O. S. 308. KEIMUNGSGESCHICHTE 'DER KARTOFFELKNOLLEN. 241 Dunklen ausbilden, setzen Knollen an; die, welche im Licht ent- stehen, oder später aus der Erde an’s Licht treten, wachsen zu meist schmächtigen, beblätterten Sprossen heran. Genaue Unter- suchungen über diese sowohl in praktischer als in physiologischer Hinsicht höchst wichtige Erscheinungen liegen meines Wissens in der Literatur nicht vor. Von den Hauptsachen kann man sich leicht durch den folgenden, einfachen Versuch überzeugen 1). Man lässt Kartoffeln im Winter auf einer Unterlage von feuch- tem Sand auf flachen Tellern keimen und hält die Luft um sie he- rum durch Ueberstülpen einer Glasglocke feucht. Einige liegen am Lichte, andere sind durch Dunkelrecipienten bedeckt. Die ersteren treiben wenige kurze Keimsprosse, die letzteren machen mehrere lange und dünne Triebe. Wenn man nun etwa Anfang April die bis dahin verdunkelten Pflanzen an’s Licht bringt, so ergrünen ihre Stengel, die Endknospe fängt an, grössere Blätter zu machen, und bald wächst die Pflanze im Habitus einer gewöhnlichen Kartof- felstaude kräftig und üppig empor. Zu derselben Zeit bleiben die anderen Exemplare, welche von Anfang an im Lichte standen, kurz und gedrungen. Sie haben oft 10—20 kleine Internodien in jedem Sprosse ausgebildet, bevor eine merkbare Streckung der höheren Internodien anfängt; die Blätter jener ersten Internodien sind schuppenförmig und klein, die der jüngeren bilden eine kleine, dichtgefüllte Rosette. Die zahlreichen, kurzen Stolonen und Wur- zelfasern, welche den Knoten zwischen jenen kurzen Internodien entspringen, erhöhen das fremde Aussehen solcher Lichtkeimlinge sehr. Ich habe den Versuch bis Mitte April fortgesetzt, ohne eine erhebliche Streckung der Stengel zu erhalten. Bei solchen Versuchen beobachtet man eine ganze Reihe von nicht unwichtigen Nebensachen, unter denen das Ergrünen der Knollen und der Wurzeln die interessantesten sind. In den Knollen bildet sich der grüne Farbstoff in den äusseren Schichten, welche sich durch die geringere Grösse der Zellen und den bedeutenderen Gehalt an Protoplasma von den tieferliegenden, stärkereicheren Schichten unterscheiden. Der grüne Farbstoff zeigt sich in den meisten Zellen einfach als kleine Flocken im Protoplasma, ohne bestimmte Gestalt; bald lagern sich diese Flocken um den Zell- kern, bald um Stärkekörnchen herum. In anderen Zellen häuft sich der Farbstoff mehr an besonderen Stellen an, und nimmt mehr oder weniger die Form von normalen Chlorophylikörnern an; bisweilen 1) Vergl. Sachs, Bot. Zeitung 1863. Beilage S. 15. 242 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. entstehen solche Gebilde um Stärkekörnchen herum, welche dann den Eindruck machen können, als ob sie durch Kohlensäurezer- legung im Chlorophylikorne nachträglich entstanden wären. Ich beobachtete dieses zumal an Sechswochenkartoffeln; ausführliche Angaben über die Stärke in solchen nachträglich entstandenen Chlorophylikörnern hat, wie oben bereits erwähnt, auch Böhm gemacht 1). Das Collenchym oder Leimgewebe, welches die äussersten Rin- denschichten der oberirdischen Theile des Kartoffelstengels bildet, entsteht im Dunklen nicht oder sehr unvollständig 2). Es fehlt, dem unterirdischen Stengeltheile der normalen Pflanzen 3). Dagegen hat das Licht keinen directen Einfluss auf die Verdickung der Bast- und Holzzellen 4). Im Allgemeinen weicht der anatomische Bau der etiolirten Triebe nur in untergeordneten Punkten von den am Licht entwickelten ab; mit den in der Erde verbleibenden Theilen der in normaler Weise ge- zogenen Knollen stimmen sie, bis auf das Unterbleiben des Holz- wachsthums, fast völlig überein. Sie sind wie diese stielrund, mit sehr kleinen, schuppenartigen Blättern besetzt; Zweigknospen und Wurzelanlagen bilden sich in ihren Blattachseln in normaler Weise aus. Häufig sind die Internodien mit zahlreichen, kleinen, runden Wiärzchen bedeckt, welche als Korkwarzen, Lenticellen, zu be- trachten sind. So verhält es sich in den untersten Internodien; die höheren tragen meist keine oder doch wenig zahlreiche Lenticel- len, dafür aber zerstreute Haare von demselben Bau, wie beleuch- tete Sprosstheile 5). Die Feuchtigkeit der umgebenden Atmosphäre beschleunigt das Keimen der Kartoffeln sehr bedeutend, sowohl im Dunklen als im Licht. Insbesondere hängt die Entwickelung der Wurzeln von der Feuchtigkeit ab. Lässt man -die Knollen in trockner Luft keimen, so beobachtet man nach einiger Zeit, dass die Wurzeln wohl der Anlage nach an den Knoten vorhanden sind, aber sie können sich nicht weiter entwickeln 6), 1) Vergl. S. 208. 2) Batalin. Bull. Petersbourg, Bd. 15, p. 21; nach Jahresber. f. Agriclt- chemie. Bd. 13, 15. 1872. S. 183. 3) Sorauer. Annalen d. Landwirthschaft. Bd. 52. 1869. S. 165. 4) Balalın a. a. O. 5) Schacht. Bericht über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten. Berlin, 1855. S. 6. 6) Ibidem, S. 5. KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 243 § 9. Ueber die ungleiche Entwicklungsfähigkeit der ver- schiedenen Augen derselben Kartoffel. Es ist eine allgemein bekannte Erfahrung, dass, wenn man Kar- toffeln auspflanzt, von den vorhandenen Augen nur eine geringere ‚oder grössere Anzahl keimen, während die übrigen keine Regung des Lebens zeigen. Unter den keimenden Augen finden sich meist bedeutende Unterschiede in der Entwicklung, einige wenige Triebe überholen die übrigen meist sehr bald in erheblicher Weise. Aus dieser Wahrnehmung geht hervor, dass die Entwicklungs- fähigkeit der verschiedenen Augen eine verschiedene ist, und da kaum je zwei Augen einer Knolle sich völlig gleich stark entwickeln, so könnte man die Augen einer Knolle nach dieser Eigenschaft in einer Reihe ordnen. Es fragt sich nun, wie die Augen verschiedener Keimfähigkeit über die Kartoffel vertheilt sind. Diese Frage ist von Schacht1), und später von Franz 2) studirt worden. Schacht fand, dass im Allgemeinen die Knospen der Augen des vorderen Theils der Knollen entwicklungsfähiger zu sein scheinen, als die am hinteren Theil gelegenen Augen. Franz be- stätigt diese Regel, unterscheidet aber in der vorderen Hälfte noch verschiedene Zonen. Die Endknospe und die ihr benachtbarten Augen, welche zusammen die Krone der Kartoffel bilden, haben die kräftigsten Knospen; auf diese folgt aber eine Zone sehr schwacher Augen, welche auch dann noch schlafen bleiben, wenn die entiernteren Augen bereits treiben. Diese letzteren bilden um die Mitte der Knolle herum einen Gürtel kräftiger Augen, von denen einzelne bisweilen an Stärke der Triebe den Kronenaugen fast gleich kommen. N Unter den zahlreichen, sehr schönen Abbildungen, welche Schacht seiner Arbeit beigefügt hat, findet man leicht Bestätigun- gen dieser letzteren Angabe. Schwache Augen keimen nicht nur langsamer als kräftige, son- dern sie liefern auch weniger kräftige Keimsprosse, welche zu schmächtigen Stengeln heranwachsen. Ja der anfängliche Unter- schied wird mit der weiteren Entwicklung immer deutlicher und grösser 3). Nachdem diese Vorfrage soweit erledigt ist tritt die weitere Frage an uns heran, ob die schlafenden Augen durch Abbrechen 1) Ibidem, S. 5. 2) Franz. Studien an der Kartoffelknolle. 1873. S. 20ff. Tafel II. 3) Franz, a. a..0. 244 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. der keimenden Sprosse nachträglich zur Keimung gebracht werden können. Die allgemeine Erfahrung beantwortet diese Frage beja- hend. Genauere Untersuchungen darüber lieferte Schacht in seinem .öfter citirten Bericht. Er zeigte, dass beim Abkeimen gekeimter Knollen einige der ruhenden Augen zum Wachsthum gereizt wer- den, andere nicht. Bricht man nach einiger Zeit die ersteren wieder ab, so fangen wieder einige von den letzteren an zu treiben. Sind die Umstände sehr günstig, so kann man hiermit noch weiter ge- hen, z. B. wenn die Knollen in feuchtem Sand oder feuchter Erde liegen. Waren die Bedingungen weniger günstig, z. B. beim Liegen in feuchter Luft, so liessen sich nach dreimaligem Abkeimen die noch schlafenden Augen im Juni nicht mehr zum Treiben bringen. Jede Generation von Keimsprossen war bei diesen Versuchen aus schwächeren, aber meist zahlreicheren Trieben gebildet als die vorhergehende. Dass die Triebe jedesmal schwächer waren als die früheren, weist darauf, dass im Allgemeinen die stärkeren Knospen zuerst keimen, und die späteren in der Reihenfolge ihrer Stärke. Jedoch verliert die Folgerung durch die allmähliche Er- schöpfung der Mutterknolle an Nährstoffen an Sicherheit, denn den späteren Keimsprossen stand selbstverständlich weniger Nah- rung zu Gebote, wie den ersten. Es leuchtet ein, dass diese Er- schöpfung um so geringer sein wird, je eher man die Triebe jedes- mal abbricht, d. h. je kleiner sie dabei sind, denn um so weniger Material werden sie zum Wachsthum und zur Athmung verbraucht haben. Schacht liess seine Keime eine Länge von meist 2—3 Zoll erreichen. Bei früherem Abbrechen würde man wahrscheinlich eine grössere Reihe von Generationen erhalten, wie er; ja vielleicht würde es gelingen, auch die letzten Augen zum Keimen zu bringen. Die im logischen Gang der Untersuchung jetzt folgende Frage, durch welchen Einfluss die Keimung der kräftigeren Augen die gleichzeitige Entwicklung der anderen verhindert, ist bis jetzt noch nicht ventilirt worden. Aus den mitgetheilten Erfahrungen ergiebt sich, dass die zuerst keimenden Augen die besten sind, dass es also als eine Bedingung normaler Keimung zu betrachten ist, dass gerade diese zur vollen Entwicklung gelangen. Einer vorzeitigen Entwicklung dieser Trie- be, und somit der Gefahr des Abbrechens beim Pflanzen, kann man nach den Erörterungen des vorigen Paragraphen durch Auf- bewahren am Licht und bei nicht zu hoher Temperatur vorbeu- gen 1). 1) Vergl. hierüber Schacht, a. a. O., p. 4. und Franz, a. a. O. S. 35 ff. Keimungsgeschichte der Kartoffelknollen. Taf. T. Bias a. du u za j Bla ttgrim. Eiweiss. Traubenzucker Starke. HuGo DE VRIıEs, Opera. Fa. P.W. M. TRAP impr. Tat. IE > Blattgrun. Himeiss. Traubenzucker. Stärke. IUGO DE VRIES, Opera. Fa. P. W. M. TRAP impr. E . w his & Te Y u An Zn KEIMUNGSGESCHICHTE DER KARTOFFELKNOLLEN. 245 Erklärung der Figuren zu Tafel I und II. Die Figuren 1, 2 und 7 sind schematisirte Längsschnitte, die Figuren 3—6 sind mit der Camera lucida aufgenommen. Die Far- ben sind nach den mittleren Ergebnissen zahlreicherer Beobach- tungen eingetragen. Tafel I. Fig. 1. '/ı. Längsschnitt durch eine keimende Kartoffelknolle, vor dem Durchbrechen der Erdoberfläche. Nur ein Theil der Knolle ist gezeichnet. kn. Endknospe. b. Blattschuppen. n. Nebenwurzeln. gb. Gefässbündel. e. Anheitungspunkt des Keimsprosses an die Mutter- knolle. Fig. 2. '/ı. Längsschnitt durch eine keimende Kartofielknolle, kurze Zeit nach dem Durchbrechen der Erdoberfläche. b, gb, e, wie in Fig. 1. vp. Vegetationspunkt. ba. Blattanlage. Fig. 3. %ı. Querschnitt durch den unterirdischen Theil des Sten- gels einer ausgebildeten Keimpflanze. g. Die drei grösseren En. m. Mark. r. Rinde. bst. Basttheil der Gefässbündel. hlz. Holztheil der Gefässbündel. Fig. 4. °ı. Querschnitt durch den Stengel einer ausgebildeten Keimpflanze, in der Höhe der Erdoberfläche genommen. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 3. Fig. 5. °ı. Querschnitt durch den oberirdischen Theil des Sten- gels einer ae bideren Keimpflanze. g, g, g". Die drei grösseren Gefässbündelgruppen. f, f, f”. Die drei leistenartigen Flügel des Stengels (die äusseren Blattspuren). a. Mittlere Blattspur des nächstoberen Blattes Fig: 6. %. Querschnitt eines Blattstiels einer ausgebildeten Keimpflanze. 246 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Bi0. 7. matische stoffe am vs. Vorderseite. us. Hinterseite. f. Leistenartige Flügelfortsätze, welche in die Leisten f, f, f” des Stengels in Fig. 5 übergehen. | Tafel II. 1/1. Längsschnitt einer ausgebildeten Keimpflanze. Sche- Darstellung der Vertheilung der wichtigsten Bildungs- Ende der Keimung. vp. Vegetationspunkt der Endknospe. ba, ba’. Blattanlagen. sk. Seitenknospen. gb. Gefässbündel. o. Oberfläche der Erde. w. Nebenwurzeln. kn. Endknospe eines Seitensprosses. a. Seitenspross. | 4 p Lage der Querschnitte für die Fig. 3, 4, 5 auf Tafel I. 5) (Landwirthschaftliche Jahrbücher Bnd. 7, 1878, S. 217.) WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 247 V. Wachsthumsgeschichte der Kartoffelpflanze. Hierzu Farbendrucktafel I und II. Einleitung. Ueber wenige Culturpflanzen liegt eine so ausgedehnte Literatur vor als über die Kartoffelpflanze. Eine äusserst grosse Anzahl von grösseren und kleineren Werken und Aufsätzen wurde in diesem und im vorigen Jahrhundert über sie veröffentlicht. Im Jahre 1819 publicirten Putsche und Bertuch ihren „Versuch einer Monogra- phie der Kartoffeln”, und zählten bereits damals eine Liste von 32 Arbeiten über unsere Pflanze auf. Bekannter als jenes ist das Werk Berchtold’s: Die Kartoffeln, 1842, in welchem die „Geschich- te, Charakteristik, Nützlichkeit, Schädlichkeit, Kultur, Krankhei- ten etc.” und endlich die industrielle Anwendung ausführlich be- handelt wurden. Kurze Zeit nachher gab die Kartoffelkrankheit Veranlassung zur Entstehung einer fast unabsehbaren Literatur, und in den letzten Jahrzehnten haben sowohl die Cultur und Ver- wendung, als die Systematik der verschiedenen Sorten in zahlrei- chen Schriften eine ausführliche Behandlung erfahren, der sich dann ferner die agriculturchemischen Untersuchungen in nicht - geringerer Anzahl anschlossen. Kurz, der Umfang der Kartoffel- literatur ist ein so grosser geworden, dass es kaum möglich ist, sie in einer beschränkten Zeit vollständig zu bewältigen. Wenn ich es trotzdem gewagt habe, in diesem und den beiden vorigen Beiträgen mit neuen Untersuchungen über die Kartoffel- pflanze vor die Oeffentlichkeit zu treten, so geschieht dieses in Folge der Ueberzeugung, dass bei all’ den wichtigen Angaben, welche im Laufe der Jahre unsere Kenntniss auf diesem Gebiete bereichert haben, grade die wichtigste Seite im Leben der Kartof- felpflanze in mancher Hinsicht in auffallender Weise vernach- lässigt worden ist. Die spezielle Physiologie der Kartoffelpflanze sollte eigentlich die Grundlage für die Behandlung aller weiteren wissenschaftlichen und praktischen Fragen über sie bilden. Die Kenntniss der allgemeinen physiologischen Gesetze in ihrer spe- ziellen Anwendung auf die Kartoffelpflanze müsste den Ausgangs- punkt für alle übrigen Forschungen darstellen. Eine genaue Be- kanntschaft mit diesen Gesetzen erscheint jedem Sachverständi- gen auf den ersten Blick als die eigentliche Quelle, auf die man bei 248 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. allen einschlägigen Fragen zunächst angewiesen ist, und von der man immer eine Anweisung zur Lösung der obwaltenden Schwie- rigkeiten, häufig sogar eine bestimmte Antwort auf scharf gestellte Fragen erwarten darf. Fast jede Untersuchung könnte durch die Kenntniss dieser Verhältnisse erleichtert und abgekürzt werden, ja manche würde dadurch sogar von vornherein überflüssig ge- macht, oder doch in eine ganz andere Richtung gelenkt werden. Dem gegenüber muss es auffallen, wie wenig bis jetzt die rein physiologischen Untersuchungen über unsere Pflanze gepflegt worden sind, und wie geringfügig die meisten darauf zielenden Beiträge erscheinen, wenn man es versucht sie zu einem Gesammt- bilde zu vereinigen. Ja, ohne neue eingehende Untersuchungen ist eine solche Zusammenstellung kaum möglich. In sehr vielen Fäl- len liegt werthvolles Material vor, fast in allen fehlt das Band, welches die einzelnen Thatsachen zu einem Gebäude vereinigt. Indem ich diese Behauptung aufstelle, und darin die Veranlas- sung zu meinen eigenen Untersuchungen finde, sehe ich mich ver- pflichtet, um Missverständnissen vorzubeugen, hier einige erläu- ternde Bemerkungen einzuschalten. Meine Behauptung gilt nur der reinen speziellen Physiologie unserer Pflanze, sie soll keines- wegs auf andere, auch noch so eng verwandte Gebietsabtheil- ungen ausgedehnt werden. Vor allem aber nicht auf die Lehre von den durch Schmarotzerpilze verursachten Kartoffelkrank- heiten, welche sich in Folge der bahnbrechenden Arbeiten de Bary’s bekanntlich einer vollständig ausgebildeten und gesicher- ten wissenschaftlichen Grundlage erfreut. Möge es Anderen ge- lingen, in gleich wissenschaftlicher Weise auch die Lebenserschei- nungen der gesunden Kartoffelpflanze zu erforschen und zu be- schreiben. Der vorliegende Beitrag enthält einen Versuch die sicher gestell- ten physiologischen Erfahrungen aus der Literatur, mit den Re- sultaten neuer Beobachtungen zu einem Gesammtbilde zu vereini- gen. Es sollten nur die wichtigsten Vorgänge behandelt, und der Zusammenhang zwischen den einzelnen Erscheinungen möglichst klar dargestellt werden. Ist dies einmal gelungen, so ist es leicht neue Untersuchungen über die noch fraglichen Punkte an die vorhandenen Erfahrungen anzuknüpfen. Die Lücken in unserer Kenntniss stellen sich bei einer solchen Behandlung von selbst her- aus, und grade hierin liegt bereits ein nicht zu unterschätzender Gewinn, da sie zu neuen Forschungen anregen. Ich habe die ganze Lebensgeschichte der Kartoffelpflanze in dieser Weise behandelt; WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 249 die Keimungsgeschichte von Knollen und Samen ist bereits in Opera III erschienen. Eine weitere Beschränkung war bei dieser Behandlung unum- gänglich nothwendig. Sie bezieht sich auf die Stoffwanderungs- vorgänge, deren Behandlung den Hauptgegenstand meiner Arbeit ausmacht. In der vorliegenden Literatur sind diese theils auf mi- crochemischem theils auf macrochemischem Wege studirt worden. Die Anzahl der analytisch-chemischen Untersuchungen der Kar- toffelpflanze ist eine ziemlich grosse, fast in jeder Periode des Le- bens ist sie der chemischen Analyse unterworfen worden, und häufig sind diese Untersuchungen gleichzeitig für verschiedene Entwickelungsstadien ausgeführt, sodass sie ein vergleichbares Material von Zahlenangaben bilden. Jedoch sind auch hier noch zahlreiche Lücken fühlbar, wenn auch grade in den letzten Jahren wichtige Beiträge zu deren Ausfüllung geliefert worden sind. Aber weder diese Arbeiten, noch andererseits die microchemischen Studien sind soweit gediehen, dass ein regelmässiges und zweck- entsprechendes Zusammenwirken beider Methoden bereits er- reicht worden wäre 1). Dadurch sehe ich mich zu einer getrennten Behandlung der nach beiden Richtungen gemachten Forschungen gezwungen. Und indem ich eine Besprechung der quantitativen Untersuchungen für später aufbewahre, beschränke ich mich in diesem und dem folgenden Aufsatze auf die auf microchemischem Wege erhaltenen Errungenschaften. Was auf diesem Gebiete bisher geleistet worden ist, habe ich so vollständig wie möglich gesammelt, und der grosse Umfang der Literatur möge es entschuldigen, wenn mir dennoch einzelne Auf- sätze bisher entgangen sein sollten. Bei der Behandlung meines Thema bin ich bestrebt gewesen, die Angaben Anderer stets sorg- fältig zu berücksichtigen, und nicht nur namentlich zu erwähnen, sondern sie stets dort zu verwenden, wo sie mit den übrigen be- handelten Gegenständen in Zusammenhang stehen. Dem entspre- chend findet man die Literatur-Angaben über den ganzen Text meines Auifsatzes zerstreut. Bei einer solchen Behandlung der Lite- ratur fällt aber die Gelegenheit zu kritischen Betrachtungen allge- meiner Natur über die bisherigen Leistungen weg, und es war des- halb nothwendig, eine kurze geschichtliche Uebersicht wenigstens über die wichtigsten Punkte vorauszuschicken. Eine solche Ueber- 1) Für die weitere Begründung dieser Ansichten vergleiche man die Arbeit von Fittbogen, Groenland und Fraude in den Landw. Jahrbüchern, Bd. V, 1876, S. 596. 250 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sicht soll daher in dieser Einleitung versucht werden, und zwar ausschliesslich für die allmählige Ausbildung unserer micrechemi- schen Kenntnisse. Ich wünsche dieses wichtige Thema deshalb in der angegebenen Weise zu behandeln, weil meine eigenen Unter- suchungen sich hauptsächlich an diese Richtung anschliessen. Auch ist es grade hier am nothwendigsten, die oben aufgestellte Behauptung, dass die rein physiologischen Untersuchungen un- serer Pflanze bisher sehr stark vernachlässigt worden sind, durch eine kritische Würdigung der bisherigen Leistungen zu beweisen. In Bezug auf andere Punkte, über welche man vielleicht eine historische Auseinandersetzung erwarten würde, verweise ich auf die betreffenden Stellen im Texte dieses Beitrages. Die Grundlage für unsere ganze jetzige Einsicht in die physiolo- gischen Vorgänge bei der Stoffwanderung verdanken wir den bahnbrechenden Arbeiten von Sachs. Noch in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts fehlte eine klare Einsicht in die gegenseiti- gen Beziehungen der Inhaltsstoffe der Zellen. Von den wichtigsten unter ihnen kannte man die Art und Weise des Vorkommens in einigen hervorragenden Fällen, aber diese Kenntniss war eine so lückenhafte, dass an eine physiologische Verwerthung des vor- handenen Beobachtungsmateriales nicht zu denken war. Man wusste z. B. dass die Stärke zu den verbreitetsten Stoffen im Pflan- zenreich gehörte; man hatte sie in Knollen, Zwiebeln und Samen in grossen Mengen, ferner in den grünen Theilen, wie den Blättern und dem Stengel vorgefunden, doch hatte man über die Ursache dieser Vorkommnisse nur in wenigen Fällen eine bestimmte Vor- stellung. Damals herrschte noch die Ansicht von dem allgemeinen Nahrungssaft, der als Rohsaft im Holze emporsteigen, und als assimilirter Saft sich in der Rinde abwärts bewegen sollte. Diese Ansicht war der weiteren Ausbildung der Stoffwanderungslehre um so hinderlicher, als sie stets nur äusserst vag ausgesprochen wurde. Jede scharfe Fassung des Begriffes hätte augenblicklich die grössten Fehler an’s Licht gebracht, und gezeigt, wie völlig unberechtigt die Hypothese war. Doch unterliess man es damals, die Hypothese durch neue Untersuchungen zu prüfen, und be- gnügte sich damit, etwaige neue Beobachtungen so zu deuten, dass sie mit der erwähnten Ansicht wenigstens anscheinend harmo- nirten. Die Arbeiten von Sachs sind in einer langen Reihe von Aufsät- zen veröffentlicht worden, deren wichtigste, allgemeine Ergeb- nisse in seiner Abhandlung ‚über die Stoffe, welche das Material WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 2517 zum Wachsthum der Zellhäute liefern” in Pringsheim’s Jahrbü- chern für wissenschaftliche Botanik Bd. II. 1863, S. 183—258 zu- sammengestellt sind. Die Richtung, welche Sachs bei diesen Arbeiten einschlug, war eine dreifache. Erstens galt es diejenigen Stoffe, welche bei dem Wachsthum der Organe, also insbesondere bei dem des Proto- plasma und der Zellhaut, die Hauptrolle spielen, überall in den Geweben nachweisen zu können, um die allgemeine Gesetzmässig- keit in ihrer Verbreitung auf empirischer Grundlage festzustellen. Eine microchemische Analyse der einzelnen Gewebepartien war hierzu erforderlich, und die mikroskopisch-chemischen Reactionen bedurften noch in mancher Hinsicht der Verbesserung, ja für einige der wichtigsten Stoffe waren bis dahin noch keine Methoden des microchemischen Nachweises beschrieben worden. Zu den letz- teren gehörte, neben einigen weniger wichtigen Stoffen, der Trau- benzucker, der grade bei der Stoffwanderung der Kartoffelpflan- ze, neben der Stärke die Hauptrolle spielt. Sachs lehrte diesen, durch eine eigenthümliche Abänderung des bekannten Fehling’ schen Verfahrens, mit Leichtigkeit in Pflanzentheilen nachweisen. Auch für andere Inhaltstoffe der Zellen beschrieb er neue Metho- den, oder verbesserte die alten der Art, dass sie für seine Zwecke brauchbar würden. Mittelst dieser Reactionen durchforschte er nun eine lange Reihe von Pflanzen in den verschiedensten Stadien ihrer Entwicke- lung. Er richtete dabei hauptsächlich sein Augenmerk auf die Keimungsvorgänge, doch auch das spätere Leben wurde in den wichtigsten Punkten soweit aufgehellt, als für eine zusammen- hängende und übersichtliche Darstellung der Stoffwanderungs- vorgänge wünschenswerth war. Bei diesen Studien zeigte sich bald, dass trotz der grossen Mannigfaltigkeit in der Vertheilung und in dem zeitlichen Auftreten der Baustoffe des Zellenleibes, ja trotz der scheinbaren Gesetzlosigkeit in diesen Erscheinungen, sich doch einige allgemeine empirische Regeln aufstellen lassen, wel- che geeignet sind, den Thatsachen einen inneren Zusammenhang zu verleihen. Diese Regeln wurden von Sachs in der genannten Abhandlung auf S. 240—247 in klarer und bestimmter Weise formulirt; sie liefern uns die Mittel, um in jedem Einzelfalle mit grosser Wahrscheinlichkeit auf das Vorkommen von bestimmten Stoffen in Pflanzentheilen schon im voraus schliessen zu können. Sie sind die wichtigste Grundlage für die Beurtheilung des phy- siologischen' Wertnes von Untersuchungen über Stoffwanderung, 252 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. und sollten daher Jedem geläufig sein, der sich mit derartigen Arbeiten, nach macrochemischen oder microchemischen Metho- den beschäftigt. Die zweite Richtung der Sachs’schen Arbeiten war die experi- mentelle. Durch diese gelang es ihm, einige von den wichtigsten Anhaltspunkten zu gewinnen, welche zu der Beurtheilung und der physiologischen Verwerthung der mikroskopischen Ergebnisse nothwendig waren. Von diesen Resultaten nenne ich hier nur das allerwichtigste, die Entdeckung der Thatsache, dass die Stärke- körnchen, welche in den Chlorophylikörnern vorgefunden werden, dort als Resultat des Reductionsprocesses der Kohlensäure auf- treten. Wenn unter dem Einfluss des Lichtes die Kohlensäure von den grünen Blättern zerlegt, der Sauerstoff ausgeschieden und der Kohlenstoff mit den Elementen des Wassers verbunden wird, so wird das Resultat dieses chemischen Processes vorübergehend in dem Chlorophylikorne abgelagert; es ist die bereits von Mohl, Nägeli und Anderen daselbst nachgewiesene Stärke. Diese Stärke wird aus dem Blattgrünkorne wieder gelöst und den übrigen Or- ganen der Pflanze zugeleitet; durch ihre Metamorphosen und durch ihre Verbindungen mit anorganischen Nährstoffen entstehen die . sämmtlichen so verschiedenartigen organischen Verbindungen, welche den Pflanzenkörper zusammenstellen. Sie bildet in der grünen Pflanze den Ausgangspunkt für die ganze Reihe von Er- scheinungen,welche wir als Wanderung der organischen Bildungs- stoffe zusammenfassen. Die Entdeckung dieser Thatsache liefert also den Schlüssel zur Erklärung dieser Stoffwanderungsvor- gänge, und es ist die dritte Leistung der erwähnten Sachsschen Arbeiten, diese Erklärung für die ganze Reihe der von ihm gefun- denen microchemischen Thatsachen durchgeführt zu haben. Als wichtigstes Princip der aus diesen Thatsachen abgeleiteten Theorie betrachte ich den Satz, dass die einzelnen Stoffe von dem Orte ihrer Entstehung oder ihrer Ablagerung nach den Orten wandern, wo sie verbraucht, oder von Neuem abgelagert werden. Bei dieser Wanderung folgen die einzelnen Stoffe bestimmte We- ge; so bewegen sich z. B. die Eiweissstoffe in den Siebröhren- bündeln, die Kohlenhydrate im Parenchym des Grundgewebes. Sowohl während der Wanderung, als zumal bei der Ablagerung und der Auflösung in den Reservestoffbehältern erleiden die Stoffe häufig chemische Veränderungen, welche die Erscheinungen auf den ersten Blick sehr verwickelt zu machen scheinen, in Wirklich- keit aber die Auffassung sehr erleichtern. So wird in manchen WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 253 Pflanzen die in den Blättern erzeugte Stärke in Traubenzucker umgewandelt, und durchzieht als solcher die Blattstiele und den Stengel, um in den unterirdischen Theilen wieder in der Form eines anderen Kohlenhydrates abgelagert zu werden. Es würde mich viel zu weit führen, wollte ich die ganze Sachs’sche Theorie der’ Stoffwanderung hier auch nur in ihren wichtigsten Zügen schildern; ich kann dieses um so eher unter- lassen, als bei der Darstellung meiner eigenen Beobachtungen an der Kartoffelpflanze die Principien jedesmal von selbst besprochen werden müssen. Ich erinnere jetzt nur noch daran, dass nach der Sachs’schen Ansicht, die Eiweissstoffe als Baustoffe für das Proto- plasma, die Kohlenhydrate und Fette als das Material für den Bau der Zellhäute betrachtet werden müssen. Dementsprechend er- klärt es sich, dass beide Gruppen von Verbindungen stets in den Reservestoffbehältern vertreten sind, und dass, dem grösseren Aufwand an Baustoff für die Zellhaut entsprechend, die Kohlen- hydrate oder Fette stets quantitativ die Eiweisskörper bedeutend überwiegen. Auch die Erscheinungen in wachsenden Geweben finden jetzt ihre naturgemässe Erklärung. Solange das Protoplas- ma noch wächst, also in denjenigen jugendlichen Zellengruppen, in denen noch Theilung stattfindet, herrscht Eiweiss bis zur Aus- schliessung der Kohlenhydrate vor; sobald die Theilungen vollen- det sind, wird aber Stärke abgelagert, welche nun bei der raschen Streckung vorübergehend in Traubenzucker verwandelt wird, um als solcher der Zellhaut zuzuströmen und hier als Cellulose abge- lagert zu werden. Ist die Zelle ausgewachsen, so ist gewöhnlich alle Stärke und aller Zucker verschwunden; nur wenn eine be- deutende nachträgliche Verdickung der Zellhaut bevorsteht, bleibt die Zelle so lange reich an Zucker, als eben die Ablagerung von Cellulose in der Haut fortdauert. So waren denn im Allgemeinen die Principien entdeckt, welche die wichtigsten Stoffwanderungsvorgänge beherrschen. Die Un- tersuchungen von Sachs sind seitdem durch zahlreiche Forscher wiederholt und seine Resultate bestätigt, und in einzelnen unter- geordneten Punkten ergänzt worden. In den Hauptsachen aber stehen wir jetzt noch ganz auf dem von Sachs geschaffenen Bo- den. Auf diesem Boden bewegen sich die Untersuchungen, welche in den beiden letzten Jahrzehnten über die Stoffwanderung einzel- ner Pflanzen, zumal der Culturpflanzen gemacht worden sind. Ihre Aufgabe ist es zu zeigen, wie die allgemeinen Gesetze sich 254 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. auf die speziell studirten Arten anwenden lassen, und welche von den einzelnen bestimmten Formen, unter denen diese Erschei- nungen im Allgemeinen auftreten können, grade bei ihnen vorkom- men. Um diesen Zweck möglichst vollständig zu erreichen, müssen sie sich offenbar möglichst eng an die von Sachs aufgestellten Principien und Untersuchungsmethoden anschliessen. Wir wollen also jetzt untersuchen, in wie fern dieses für unsere Kartoffelpflan- ze bereits geschehen ist, und in wiefern also die vorliegende Lite- ratur bereits ein befriedigendes Bild von den Stoffwanderungsvor- gängen bei ihr liefert. Bei dieser kritischen Betrachtung der einschlägigen Arbeiten beschränke ich mich indessen ausschliesslich auf die nach micro- chemischer Methode ausgeführten Untersuchungen, da nur diese sich direct mit den Resultaten meiner eigenen Untersuchung ver- gleichen lassen. Auf die Resultate der quantitativen analytischen Forschungen einzugehen, würde mich jetzt zu weit von meinem eigentlichen Gegenstande entfernen; ich beabsichtige aber hierauf in einem späteren Beitrag zurückzukommen. Unter den Beiträgen, welche bis jetzt nach microchemischer Methode für die Stoffwanderungslehre der Kartofielpflanze gelie- fert wurden, sind die ältesten und wichtigsten die Angaben von Sachs, welche derselbe in seiner schon mehrfach citirten Arbeit in Pringsheim’s Jahrbüchern veröffentlicht hat. Sachs untersuchte drei Entwickelungsstadien der Kartoffel- pflanze, nämlich das Ende der Keimungsperiode, den Zustand kur- ze Zeit nach der Blüthe, und ein späteres Stadium, in welchem die unteren Blätter abgefallen und mehrere Knollen gereift waren. Er fand, dass in den Blättern sich Stärke bildet, welche anfangs in geringer Menge auftritt und rasch verbraucht wird, später aber in srösserer Menge gebildet wird und sich in continuirlichen Zügen durch die Blattstiele in den Stengel bis etwa in der Höhe der Oberfläche der Erde verfolgen lässt. Neben dieser Stärke kam im oberirdischen Theil nur in dem letzten Stadium auch Trauben- zucker vor, dann aber ziemlich reichlich. Dagegen enthielten die unterirdischen Stammtheile in keinem Stadium Stärke, nur die Stolonen und Knollen waren in dem zweiten und dritten Stadium hiermit erfüllt. In derselben Zeit enthielten alle unterirdischen Organe reichliche Mengen Traubenzucker, welcher offenbar aus der aus den Blättern zugeführten Stärke entstanden war, und in den Knollen und Stolonen wieder als Stärke abgelagert wurde. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 255 In Bezug auf die speciellere Vertheilung der genannten Stoffe verweise ich auf das Original S. 221—223. Aus diesen drei Beobachtungsreihen geht deutlich hervor, dass die in den Blättern aus Kohlensäure und Wasser gebildete Stärke durch den Stengel abwärts geleitet und in den Knollen wieder als Stärke abgelagert wird. Während des Transportes ist sie ent- weder nur als feinkörnige Stärke oder nur als Traubenzucker, oder in beiden Formen in den leitenden Geweben nachweisbar. Von welchen Umständen es abhängt, ob der eine oder der andeie dieser Fälle vorliegt, lässt sich aus diesen Wahrnehmungen nicht entnehmen; sie wurden nur zur Feststellung der allgemeinen Ge- setze, keineswegs zur Schilderung der speciellen Vorkommnisse in der Kartoffelpflanze angestellt. Wir werden bei der Beschrei- bung unserer eigenen Untersuchungen sehen, dass die verschie- denen Fälle in ihrer relativen Häufigkeit im Leben der Kartoffel- pflanze ein anderes Verhalten zeigen, dass zumal die Rolle des Traubenzuckers eine viel wichtigere ist, als man nach diesen An- gaben vielleicht erwarten würde. Dieses geht auch bereits aus einigen Angaben von von Rap- pard 1) hervor, der gelegentlich einer Untersuchung über die Kei- mung der Kartoffeln, auf welche ich später mehrfach zurückzu- kommen haben werde, auch einige microskopische Beobachtungen über die Wanderung der Reservestoffe bei der Keimung machte. Er gibt an, dass in der ruhenden Knolle die Reservestoife in be- stimmten Geweben abgelagert sind, Eiweiss finde sich im Cam- bium, Stärke in Mark- und Rindenparenchym. Die Holzzellen und luftführenden Gefässe, ebenso das Periderm, führen weder Stärke noch Eiweiss. Bei der Keimung bewegen sich die Eiweissstoffe in den Gitter- oder Leitzellen; die Stärke aber im Parenchym. Da- bei muss die Stärke zuerst in Lösung übergeführt werden, um in die neu sich entwickelnden Theile diffundiren zu können. Diese Lösung geschieht wahrscheinlich durch die Diastase, welche die Stärke in Traubenzucker umsetzt. Sowohl Diastase als Trauben- zucker lassen sich in den keimenden Knollen nachweisen, während sie den ruhenden Kartoffeln abgehen. Beide entstehen zunächst nur in der Nähe der keimenden Augen; auch die Keime selbst sind dicht mit Zucker erfüllt, welcher sich in ihrem Mark und Rinden- 1) Dr. K. von Rappard, Beitrag zu den Untersuchungen über die chemisch- physiologischen Vorgänge während der Keimung der Kartoffel, mit besonderer Berücksichtigung der Wanderung der Eiweisstoffe und der Stärke. Annalen der Landwirthschaft, Bd. 50, 1867, S. 293. 256 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. gewebe befindet. Ueberdies setzt sich in diesen Gewebepartien der Keime Stärke in erheblicher Menge in sehr feinkörniger Form ab; dagegen führten das Cambium und die Leitzellengruppen nur Eiweiss, welches sie aus den entsprechenden Elementartheilen der benachbarten Theile der Mutterknolle in continuirlichem Strome fortleiten. Die Eiweissführenden Partien fand unser Verfasser auch hier frei von Zucker, der nur im umgebenden Parenchym vorkommt, wie durch microskopische Betrachtung der zu den Reactionen be- nutzten Schnitte bewiesen wurde. Kurz zusammenfassend finden wir also hier für die von Sachs in dem oben besprochenen Aufsatze nicht untersuchte Keimungs- periode eine Reihe van Angaben, welche mit denen des genannten Forschers in der Feststellung des wichtigen Satzes übereinstim- men, dass bei der Leitung der Stärke sich ein Theil als solche, ein Theil aber als Traubenzucker durch das Gewebe bewegt. Im Uebrigen bestätigen von Rappard’s Angaben die all- gemeinen Gesetze der Stoffwanderung auch für den speciellen Fall der Keimung der Kartoffelknollen. In chronologischer Reihenfolge folgt jetzt die ausführlichste Ar- beit, welche bisher auf diesem Gebiete veröffentlicht worden ist. So- rauer 1) untersuchte die Lebensgeschichte der Kartofielpflanzen sowohl während, als nach beendigter Keimung bis zu der Zeit, wo die Blätter vertrockneten und die Knollen reif geworden waren. Da die späteren Arbeiten anderer Forscher, ebenso wie die Unter- suchung von Rappard’s nur einzelne mehr oder weniger wichtige Punkte aus dem Leben ausführlich besprechen, so werde ich diese Abhandlung hier einer eingehenden Besprechung unterwerfen müs- sen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der ausführlichen und sehr detaillirten Beschreibung der äusseren und inneren Gestaltsent- wickelung der Kartoffelpflanze.2) Dieser Beschreibung sind über- all Angaben über das Vorkommen von einzelnen Inhaltsstoffen eingereiht. Leider hat sich der Verfasser dabei nicht an die von Sachs eingeführte Forschungsrichtung angeschlossen, und da- durch grade die wichtigsten Fragen, welche die Stoffwanderung in der Kartoffelpflanze berührten, kaum berücksichtigt. Von den drei chemischen Verbindungen, welche bei dem Transporte und 1) P. Sorauer, Beiträge zur Keimungsgeschichte der Kartoffelknolle. Ann. d. Landw. Bd. LII, 1869, S. 156. 2) Auf eine kritische Betrachtung der rein anatomischen Seite des Aufsatzes, sowie der dem Aufsatze beigegebenen Tafel einzugehen, würde mich hier viel zu weit führen. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 257 der Ablagerung und Auflösung der assimilirten Baustoffe die Hauptrolle spielen, wurde nur die Stärke ziemlich regelmässig beobachtet, obgleich die angestellten’ Reactionen zu wenig zahl- reich waren und zu geringen Zusammenhang besassen, als dass sie zu einer klaren Einsicht führen könnten. Dasselbe gilt vom Ei- weiss. Der Traubenzucker, der nach den oben angeführten Unter- suchungen von Sachs und von Rappard sowohl bei der Keimung, als in dem späteren Leben eine so hervorragende Bedeutung hat, wird von Sorauer kaum namentlich erwähnt. Er gibt darüber nur an 1), dass die gelbe Färbung der Rinde der Knolle durch Kali und Ammoniak für das Vorhandensein von Traubenzucker spreche(!); dass ihn aber die Trommer’sche und Fehling’sche Zuckerprobe darüber in Zweifel liessen. Nur die Angabe von Rappard’s be- weise das Vorkommen des Traubenzuckers mit Bestimmtheit. Es ist zu bedauern, dass Sorauer gerade diese Substanz bei seiner Untersuchung vernachlässigt hat. Die bereits damals all- gemein bekannten Arbeiten von Sachs hatten doch den Nachweis geliefert, dass der Traubenzucker zu den verbreitetsten Stoffen im Pflanzenreich gehört, und dass er, wo er vorkommt, eine ganz be- stimmte und nicht zu verkennende Rolle in dem Leben der Pflan- zen spielt. Noch mehr, es war von Sachs gerade für die Kartoffel- pflanze dargethan, dass in bestimmten Theilen, z. B. in dem un- terirdischen Stengeltheile die Kohlenhydrate oft vorwiegend, oft ausschliesslich in der Form von Traubenzucker tortgeleitet wer- den, und es lag der Schluss nahe, dass fast alle Stärke, welche von den Blättern zu den Knollen geführt wird, wenigstens einmal in Traubenzucker umgesetzt, und aus dieser chemischen Form wieder in Stärke zurückverwandelt werden müsse. Es folgte dar- aus, dass ohne Berücksichtigung der Verbreitung des Traubenzuck- ers der wichtigste Vorgang im ganzen Leben der Kartoffelpflan- ze, der Transport der Kohlenhydrate aus den Blättern durch den Stengel in die Knollen, und die Ablagerung der Stärke daselbst, nicht-vollständig verstanden werden konnte. Wie zu erwarten ist, gelang es denn Sorauer auch nicht, ein klares Bild von den Stoffwanderungserscheinungen in unserer Pilanze zu entwerfen. Die zahlreichen Angaben über das Vorkom- men von feinkörniger und grobkörniger Stärke in den verschieden- sten Organen und zu den verschiedensten Zeiten ihrer Entwicke- lung machen den Eindruck einer äusserst unregelmässigen Ver- Dale. S. 177, 258 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. breitung, einer fast vollständigen Gesetzlosigkeit, welche nur in untergeordneten Fällen durch die Anwendung der von Sachs ein- geführten Begriffe des Stärkeringes und anderer, theilweise auf- gehoben wird. Und wenn der Verfasser es auch am Schlusse seiner Arbeit versucht, gewisse allgemeine Regeln über die Verbreitung der Stärke aufzustellen, 1) so giebt er dabei doch sogleich zu, dass die Ablagerung und die Vertheilung der Stärke nicht stricte seinem Schema folgen. Wie dem auch sei, die Angaben bleiben rein em- pirische, ein innerer Zusammenhang fehlt ihnen vollständig. Dieselbe Vernachlässigung der Zuckerreactionen findet man auch in den späteren Arbeiten, welche die Verbreitung der Bildungs- stoffe in der Kartoffelpflanze auf microchemischem Wege studir- ten. Auch diese haben dadurch grade über die wichtigsten Fragen zu keiner weiteren Ausbildung unserer Kenntnisse geführt. 2) Am meisten ist dieses von der unten zu besprechenden, im übrigen sehr werthvollen Arbeit von Fittbogen zu bedauern. Wer sich von der Bedeutung des Traubenzuckers im Leben der Kartoffelpflanze überzeugen will, möge zur bequemeren Uebersicht die beiden Tafeln vergleichen, welche diesen Aufsatz begleiten, so- wie die, welche meinen beiden vorigen Beiträgen beigegeben worden sind. In allen diesen ist die Verbreitung des Traubenzuck- ers durch die braunrothe Farbe angegeben. Das massenhafte Vorkommen in den wichtigsten Organen ist überall auf dem ersten Blicke ersichtlich. Wenn nun auch grade über die wichtigsten Fragen die Sorau- er’sche Arbeit kein Licht verbreitet, sondern hinter den früheren Untersuchungen wesentlich zurücksteht, so bringt sie uns doch andererseits eine Reihe nicht unwichtiger Aufschlüsse, über einige den Stoffwechsel in der Kartofielpflanze begleitende Erscheinungen. HD EC 821178; 2) Es ist mir bei dem Studium der agricultur-chemischen Literatur auch sonst häufig aufgefallen, dass bei microchemischen Angaben gerade der Traubenzucker häufig unberücksichtigt bleibt. Vielleicht rührt dieses, we- nigstens zum Theil, daher, dass die etwas umständliche Reaction, zu deren sicherer Ausführung vor Allem viel Uebung gehört, nicht hinreichend all- gemein bekannt ist. Die Beschreibung der Behandlung van microscopischen Schnitten aus Pflanzentheilen mit Kupfersulphatlösung und mit kaustischem Kali, zum Zwecke der Reduction des Kupferoxyduls durch etwa vorhandenen Traubenzucker befindet sich bei Sachs: Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wiss. 1859, und in verbesserter Form in der oben erwähnten Arbeit von Sachs in Pringsheim’s Jahrbüchern, Bd. II, S. 186. Einen kurzen Auszug gab ich in Opera III, S. 33. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 259 Unsere Kenntniss wird durch die Feststellung neuer Thatsachen bereichert, deren Zusammenhang mit dem eigentlichen Stoffwech- sel bis jetzt zwar noch nicht erkannt ist, welche aber an und für sich wichtig genug sind, um sie hier im Auszuge mitzu- theilen, da sie sehr geeignet sind zu neuen Untersuchungen anzuregen. Sie betreffen 1) das Auftreten des Gerbstoffes bei der Keimung und in den späteren Vegetationsperioden, 2) die Verbreitung der von Cohn entdeckten Eiweiss-Krystalle, 3) die Entstehung des kleesauren Kalkes und die merkwürdige Thatsache ‚seiner Auflösung in den reifenden Knollen. Gerbstoff tritt nach Sorauer’s Angaben in den Keimen der Knol- len in unmittelbarer Nähe der Augen im Rindenparenchym auf, und zwar in den Vacuolen einzelner Zellen, welche dadurch je nach der Varietät oder nach besonderen Umständen, bald braun, bald blau gefärbt werden. Eisensalze färben diese Zellen schwarz, Kali färbt sie häufig braunroth. Auch in den jugendlichen Keimen beobachtet man diese Gerbstofizellen; deren Zahl mit zunehmendem Alter zu- nimmt. Die detaillirteren Angaben über die Art und Weise des Vorkommens dieses Gerbstoffes, und über die damit zusammen- hängenden Erscheinungen sind mir leider, infolge der eigenthüm- lichen Ansichten des Verfassers über den Bau und die Entstehung der Zellen, nicht recht verständlich, und verweise. ich also den Leser für weitere Einzelheiten auf aus Original. Auch bei dem wei- teren Wachsthum wurde noch die Entstehung von Gerbstoff be- obachtet, so z. B. in den peripherischen Rindenschichten junger, kräftiger Stengel, wo er zum Theil in Form körniger Gebilde auf- tritt, dann auch in den flügelartigen Rändern des Stengels, deren Gewebe in der Jugend durch Lösungen von Eisensalzen schwarz wird. In älteren Theilen tritt der Gerbstoff weniger hervor; in den jugendlichen Stengelspitzen ist er stets am reichlichsten vorhan- den. Beides entspricht den von Sachs für die Verbreitung des Gerb- stoffes aufgestellten allgemeinen Regeln. Die würfelförmigen, aus Eiweisskörpern gebildeten Krystalloide der Kartoffel wurden bekanntlich von Cohn!) in der Schale der Knolle aufgefunden, und ausführlich studirt. Sorauer fand diese eigenthümlichen Gebilde auch in den oberirdischen Organen, und zwar einerseits in den jugendlichen Stengelspitzen, andererseits in den Drüsenhaaren. ‚In der jugendlichen, cambialen Spitze, wie in dem jugendlichen Parenchym in der Nähe der Gefässbündel 1) Cohn, Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 1858, S. 72. 260 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. treten bisweilen, in den Drüsenhaaren des jungen Triebes fast immer, Aleuronkrystalle in Gestalt der Würfel auf. Verwandte So- laneen-Arten, z. B. Lycopersicum esculentum enthalten sie eben- falls. Die reichliche Zufuhr von Licht und Luft, sowie eine gewisse Trockenheit des Bodens scheint die Bildung der Krystalle am meisten zu begünstigen. Bei den in warmen Häusern cultivirten Solaneen, die während des Sommers im Freien aufgestellt wer- den, konnten mit Ausnahme von Solanum betaceum Hort. bot. Berol. keine Aleuronkrystalle beobachtet werden. In den Drüsen- haaren der meisten Arten fanden sich im Juni Oeltropfen oder stark lıchtbrechende runde Eiweisskörper neben grüngefärbtem Plas- ma, oft auch violett gefärbten Zellsaft. Es ist jedoch wahrschein- lich, dass viele Arten bei normaler Entwickelung im Vaterlande ebensolche Krystalle zeigen dürften. Auch bei den Kartoffeln fan- den sie sich nur da häufig, wo die kräftigen Triebe kurz und ge- drungen erschienen. Bei den 4—-5 Fuss langen Trieben von Kar- toffeln, die auf feuchtem Boden wuchsen, sind sie bedeutend sparsamer vertreten” 1), Oxalsaurer Kalk findet sich in der Kartoffelpflanze bekanntlich sehr reichlich in der Form von kleinen Krystallkörnchen, welche in grosser Anzahl in einzelnen parenchymatischen Zellen angehäuft sind. Solche Zellen, deren Rolle in der Pflanze nur in der Ablagerung dieses Nebenproduktes des Stoffwechsels besteht, enthalten aus- serdem nur noch ein wenig farbloses Protoplasma. Sie werden von de Bary 2) Körnchenschläuche, von Sorauer grumöse Körper, oder Zellen mit grumösem Inhalte genannt. Sie finden sich im Rin- denparenchym sowie im Markgewebe der Stengel; in den Blättern liegen sie in den unteren schwammartigen Schichten des Paren- chyms zerstreut. Ausser diesen Krystallkörnchen fand Sorauer noch häufig grössere Krystalle, von wohl ausgebildeter oft hemie- discher Octaederform; sie kommen sowohl in den keimenden Knollen als in den Stengeln vor. Wichtiger jedoch sind die Angaben über das Auftreten des oxalsauren Kalkes in den verschiedenen Perioden des Lebens der Knollen. Während der ersten Entwickelung der jungen Knollen wird oxalsauer Kalk in dem parenchymatischen Gewebe der Knolle abgelagert, und diese Ablagerung dauert fort, bis die Knol- len vollständig ausgewachsen sind. Aber in der letzten Periode der Ausbildung der Knolle verschwinden diese Krystalle wieder 1) Sorauer, 1. c. S.. 177. 2) Anatomie der Vegetationsorgane 1877, S. 150. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 261 und in den reifen Knollen konnten sie nur selten und sehr spärlich nachgewiesen werden 1). Während der Winterruhe und beim An- fang der Keimung enthalten die Knollen also keinen oder fast kei- nen krystallinischen oxalsauren Kalk. Sobald aber die jugendli- chen Keimtriebe eine gewisse Länge erreicht haben, tritt das Kalksalz wieder in sichtbarer Form auf; die grumösen Zellen fin- den sich jetzt sowohl in den jungen Stengeltheilen als auch in der Mutterknolle. Mit zunehmendem Alter nehmen sie hier sowohl an Zahl, als auch an Inhalt zu. Das Verschwinden des krystallinischen oxalsauren Kalkes aus den Zellen der reifenden Kartoffelknolle ist eine Thatsache, welche bis jetzt in der Pflanzenphysiologie vereinzelt dasteht. Andere Fälle von Verschwinden des abgelagerten oxalsauren Kalkes sind mir nicht bekannt geworden. Welche die Bedeutung dieser merk- würdigen Thatsache ist, darüber lassen sich bis jetzt noch keine Vermuthungen aussprechen, da man nicht einmal weiss, was aus ‚dem verschwundenen Kalksalze geworden ist. Ich werde auf diese Frage im Texte dieses Aufsatzes zurückzukommen haben, und hebe jetzt nur hervor, dass ich mich wiederholentlich von der Richtigkeit der Sorauer’schen Angabe überzeugt habe). Gelegentlich einer inhaltsreichen Arbeit über die verschiedene Werthigkeit der einzelnen Augen der Kartoffelknollen und über deren ungleiche Betheiligung bei der Keimung machte Dr. Franz 3) einige Angaben über die Auflösung der Stärke in den keimenden Knollen. Er bestätigte eine ältere Angabe Schlei- den’s 4), nach der die Auflösung der Stärke in der nächsten Um- gebung der keimenden Augen anfängt, und von da aus allmählig gegen die mittleren Partien der Knolle sich verbreitet. Er weist aber darauf hin, dass die aus dem Marke den Keimtheilen zuströ- menden Stärkemengen die äusseren Partien in der Nähe des Auges durchsetzen müssen, und dass bei dieser Wanderung in den be- theiligten Geweben feinkörnige Stärke niedergeschlagen wird. Daraus erklärt sich dann die schon von Sorauer 5) beobachtete Thatsache, dass am Ende der Keimung nicht etwa zuerst die äus- seren, sondern grade umgekehrt zuerst die inneren Zellen völlig ME eiS. 179, 2) Die Angaben über das Vorkommen von Krystallen von phosphor- -saurem Kalk, 1. c. S. 176, bedürfen noch der Bestätigung. 3) Dr. H. Franz, Studien an der Kartoffelknolle, Göttingen 1873, S. 13 ff. 4) Schleiden, Physiologie d. Pflanzen 1850, S. 103. 5) Sorauer, 1 c: S. 178. 262 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. entleert werden, während ‘die den Keimsprossen benachbarten Regionen so lange Stärke führen, als überhaupt noch Stärke in der fast leeren Knolle nachweisbar ist. In jugendlichen Knollen und Keimtheilen wurde von Franz durch Anwendung von Guayactinctur ein Gehalt an Ozon nach- gewiesen. Von Canstein 1) machte bei einer Untersuchung über die Trock- engewichtszunahme der Kartoffelpflanze einige mikroskopische Beobachtungen, welche sich, wie in den vorher besprochenen Ar- beiten wieder fast ausschliesslich auf die Verbreitung der Stärke beziehen. Er fand zumal in den späteren Stadien des Lebens fast immer in den Blattstielen sehr deutlich bemerkbare Stärkemehl- körner, im Stengel und Wurzelstock schwer auffindbare sehr ge- ringe Mengen, in den Wurzelfasern niemals etwas Bemerkbares, dagegen vom Anfangspunkt der Stolonen an Ueberfluss von Stärke. Beim Absterben der Pflanzen verschwand die Stärke zu- erst in den oberen, dann in den unteren Theilen; endlich blieb sie nur in den Knollen zurück. Die naheliegende Frage, in welcher Weise die Stärke aus den Blättern durch die fast stärkefreie Stengelzone in die Knollen gelangte, wird nicht berührt. Die letzte zu erwähnende Arbeit findet sich im Jahrgange 1876 S. 597 der Landwirthschaftlichen Jahrbücher und ist von DDr. Fitt- bogen, Grönland und Fraude „über den Verbrauch und die Ablage- rung der Reservestoffe in der Kartoffelknolle” geschrieben worden. Die Abhandlung bezweckt eine Vereinigung der micro- und macro- chemischen Untersuchungsmethode, weil eine solche bis jetzt für die Kartoffelpflanze noch nicht durchgeführt sei. Dem entsprechend zerfällt die Arbeit in zwei Theile, einen analytisch-chemischen und einen mikroskopischen. Offenbar haben die Verfasser die meiste Zeit und die besten Kräfte dem analytischen Theile gewidmet; sie liefern uns hier eine Reihe höchst wichtiger quantitativer An- gaben über die allmählige Ablagerung der Reservestoffe in den wachsenden, sowie über das allmählige Verschwinden derselben Stoffe aus den keimenden Knollen. Diese Resultate werde ich später noch vielfach benutzen können, es möge also genügen, sie hier als den wichtigsten Theil der Arbeit hervorgehoben zu haben. Weniger glücklich waren die Verfasser in dem mikroskopischen Theile. Statt sich an die maassgebenden Untersuchungen von Sachs anzuschliessen, und die von ihm benutzten Methoden und Reaction- 1) Von Canstein. Landw. Jahrbücher Bd. V, 1876, S. 688. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 263 en zu benutzen, citiren sie nur die oben besprochenen Arbeiten von v. Rappard und Sorauer. Wie der letztere beachteten sie von den wichtigsten organischen Bestandtheilen fast nur die Stärke; das Eiweiss wurde nur nebenbei, der Traubenzucker garnicht be- rücksichtigt. Zur Förderung unserer Kenntnisse über die Stoff- wanderungsvorgänge trugen sie also in diesem Theile kaum in nennenswerther Weise bei; sie lieferten hauptsächlich nur Bestä- tigungen der Angaben ihrer Vorgänger. Ich habe schon bei der Besprechung von Sorauer’s Arbeit dar- auf hingewiesen, wie es für eine klare Einsicht in die Wanderungs- verhältnisse der Kohlenhydrate durchaus erforderlich ist, nicht nur die Stärke, sondern auch den Traubenzucker in seiner ganzen Verbreitung zu verfolgen. Ich gebe gerne zu, dass die Aufgabe dadurch eine viel umständlichere wird, denn bekanntlich ist die Reaction auf Stärke eine sehr bequeme, der Nachweis des Trau- benzuckers aber eine schwierigere Operation, welche nicht nur einen viel grösseren Aufwand an Zeit, sondern vor Allem auch viel Uebung verlangt. Doch es gilt hier nicht einem nebensächlichen Process, der leicht nachträglich und als Anhang zu der Haupt- sache studirt werden könnte, sondern grade der Hauptsache selbst. Weitaus die meiste Stärke, welche sich in den reifen Knollen vor- findet, ist als Traubenzucker dorthin gewandert; nur beim Anfang der Knollenbildung wandert die Stärke auch als solche dorthin, später nur oder doch fast nur als Traubenzucker. Die quantitativen Angaben von Fittbogen und Grönland be- stätigen nun meine Behauptung über die Wichtigkeit des Trauben- zuckers in so schöner Weise, wie man dieses überhaupt nur von quantitativen Untersuchungen, welche nur an einzelnen Organen angestellt sind, erwarten darf. Sie zeigen, dass bei der Keimung der Knollen der Gehalt an Traubenzucker anfänglich allmählig zunimmt, um erst später wieder abzunehmen, während der Gehalt an allen anderen Stoffen gleich vom Anfang der Keimung an ab- nimmt. Es müsste diese Thatsache, welche in der Tabelle III auf S. 605 auf den ersten Blick ersichtlich ist, doch zu der Folgerung geleitet haben, dass die Rolle des Traubenzuckers eine andere ist als die der übrigen Stoffe, und dass dementsprechend eine Berücksichtigung des Traubenzuckers auch bei der mikros- kopischen Untersuchung durchaus erforderlich war. Zumal in Ver- bindung mit den allgemeinen von Sachs aufgestellten Gesetzen, und mit dem mikroskopischen Befunde von Rappard’s über die Entstehung des Traubenzuckers bei der Keimung, lag diese Fol- 264 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. gerung sehr nahe. Die Vernachlässigung dieser Rücksicht macht den Eindruck, als ob die mikroskopische Untersuchung nur neben- bei angestellt wurde, und in diesem Falle dürfen wir auch keine so hohen Ansprüche an sie stellen, als die sind, wozu uns die in der Einleitung gemachte Angabe verleiten würde, dass eine Vereini- gung der mikro- und makrochemischen Untersuchungsmethode der Zweck der Arbeit sei. Blicken wir jetzt auf das durchwanderte Gebiet zurück, so fin- den wir eine ganze Reihe von Beiträgen, welche bei der Entwerfung eines Bildes der Keimungs- und Wachsthumsgeschichte der Kar- toffelpflanze verwendet werden können. Die älteren Angaben von Sachs und von Rappard beziehen sich auf die Hauptsachen, die späteren mehr auf Punkte von untergeordnetem Interesse. Aber ein innerer Zusammenhang fehlt allen diesen Angaben noch, nirgendwo finden wir eine consequente Durchführung bestimmter Untersu- chungsmethoden für unsere Pflanze. Weder das ganze, noch auch einzelne Abschnitte des Lebens sind in Bezug auf die Stoffwande- rung eingehend studirt worden. Ein übersichtliches Bild lässt sich also aus der vorliegenden Literatur nicht ableiten, ohne dass das ganze Leben der Kartofielpflanze in allen seinen Stadien und unter verschiedenen äusseren Umständen von Neuem durchiorscht wird. Bei einer solchen Auffassung der Aufgabe ist es unvermeidlich, dass auch die von den früheren Beobachtern gemachten Angaben wiederholt werden; andererseits ist dieses für eine gleichmässige Bearbeitung des Thema’s ebenfalls sehr wünschenswerth. Ich habe nun die Untersuchung in dem angegebenen Umfang während etwa zwei Jahren durchgeführt, und mich dabei, zur bes- seren Sicherung der Resultate, nicht auf eine einzige Varietät be- schränkt, sondern je nach Umständen auf eine grössere oder ge- ringere Anzahl Sorten ausgedehnt. Als Ausgangspunkt diente da- bei fast immer eine bestimmte Form, die nicht blühende „Sechs- wochenkartoffel”. Am Schlusse dieser Einleitung erübrigt es mir nur noch zu be- merken, dass in Bezug auf die von mir benutzten Reactionen, so- wie über einige andere Details der Behandlungsweise, das in der Einleitung zu meinen ersten Beitrage, Opera III, S. 31 ff. gesagte gilt. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 265 L Abschnitt. Der Bau und das Leben der einzelnen Organe. I. Das Blatt. § 1. Der anatomische. Bau des Blattes. Die Blätter der Kartoffelpflanze bestehen bekanntlich aus einem Blattstiele und einer grösseren oder geringeren Zahl von Spreiten, von denen eines als Endblättchen den Gipfel des Blattstieles einnimmt, während die anderen seitlich aus dem Blattstiel ent- springen. Diese Seitenblättchen sitzen auf kurzen Stielchen und siehen meist zu je zwei in gleicher Höhe des Blattstiels; die hier- durch entstehenden einzelnen Blattpaare sind von sehr ungleicher Grösse, indem meist regelmässig zwischen je zwei grösseren Blatt- paaren 1—2 kleinere befestigt sind. In der beschreibenden Bota- nik zählen die Blätter unserer Pflanze deshalb zu den unterbro- chen-gefiederten. Nebenblättchen besitzen sie nicht; dagegen ist der Blattstiel an seinen beiden Kanten, dort wo die flache Ober- seite in die stark gewölbte Unterseite übergeht, mit einem flügel- artigen Rande ausgestattet, welcher vom Blattstiel auf den Stengel übergeht, und an diesem entlang noch bis zu den nächstunteren Blättern leicht verfolgt werden kann. Der Blattstiel setzt sich sich in den Mittelnerven des Endblätt- chens fort, ebenso bilden die Mittelnerven der Seitenblättchen die Verlängerung ihrer Stielchen. Die Mittelnerven verzweigen sich in der Spreite, indem sie in verschiedenen Höhen nach links und rechts starke Seitennerven abgeben. Aus diesen entspringt endlich ein Netz von feineren Nerven, welche das ganze Blatt durchziehen. Die stärkeren Nerven treten auf der Blattunterseite sehr stark hervor, und ihr Verlauf lässt sich hier also sehr leicht beurtheilen. Will man aber auch die feinsten Verzweigungen beobachten, so ist es nothwendig, das Blatt durchsichtig zu machen. Man erreicht dieses am leichtesten, wenn man das Blatt erst mit Alcohol völlig entfärbt, dann längere Zeit in kaustischem Kali liegen lässt, endlich diese mit Wasser und verdünnter Essigsäure auswascht, und nun das Blatt in Glycerin bringt. Hierin wird es nach mehreren Stunden bis einem Tage so durchscheinend, dass man bei schwacher Ver- grösserung unter dem Mikroskop auch die feinsten Endigungen Ger Nerven deutlich sehen kann. In einem so behandelten Kartof- felblatte sieht man nun erstens, dass die grössten Verzweigungen der Seitennerven sich dicht unter dem Rande des Blattes umbiegen 266 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. und dort in einander anastomosiren, wodurch am Rande entlang ein dichtes Geflecht von stärkeren Nervenzweigen verläuft. In diesem Geflechte tritt ein Hauptzug deutlich auf, der sowohl die zahl- reichen feinen, als die spärlichen dicken Nervenzweige in sich auf- nimmt, und als Randnerv bezeichnet zu werden verdient. Unter- sucht man nun ferner irgendwo in dem Blatte eine Masche, wie sie durch die dem blossen Auge sichtbaren Nerven gebildet wird, und betrachtet man sie dazu unter dem Mikroskop bei nicht zu starker Vergrösserung, so sieht man ein sehr feines Netzwerk von zarten, geschlängelten, tertiären Nerven, welche äusserst dünn sind, und je nur aus einigen wenigen Spiralgefässen und gestreck- ten Zellen bestehen. Bei stärkerer Vergrösserung beobachtet man dann ferner zahlreiche noch feinere Zweiglein, von denen die meisten ebenfalls anastomosiren, deren dünnste aber mitten zwi- schen den Zellen des Parenchyms blind endigen. Die feinsten Zweiglein besitzen nur 1—2 Spiralgefässe; auch in den blind en- digenden Zweigen fand ich stets noch wenigstens ein Spiralgefäss neben dünnwandigen gestreckten Zellen. Es leuchtet ein, dass durch diese feine Verzweigung der Nerven alle, auch noch so kleine Theile des Blattes in directer Verbindung mit den Hauptnerven und dadurch mit dem Blattstiele stehen, eine Verbindung, welche sich einerseits auf die Bewegung des Wassers nach der Verdunstenden Fläche, andererseits auf den Transport wichtiger Baustoffe aus dem Blatte in den Stengel be- zieht. Ueber die Grösse der Kartoffelblätter lässt sich aus den von von Gohren 1) angestellten Messungen entnehmen, dass ein mitt- leres Blatt mit neun Spreiten, etwa 50qcm Fläche einnimmt, was also für die Oberfläche der Ober- und Unterseite zusammen etwa 100qcem ausmacht. Von Gohren fand die Gesammtoberfläche von 34 Blättern nach zwei Methoden zu 3453,03 qcm, was also für ein einzelnes Blatt 101,56 qcm gibt. Bei der Beschreibung des feineren anatomischen Baues werden wir die Spreiten und den Stiel gesondert betrachten, und von erste- ren zunächst die Oberhaut, dann das Parenchym und die Nerven schildern. Von der Oberhaut des Kartoffelblattes lieferte Schacht in sei- nem vortrefflichen Berichte über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten 2) schöne Abbildungen, welche sowohl die Epidermis 1) Die Landw. Versuchsstat. 1867, S. 304. 2) Tafel V. Fig. 8, 10, 11. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 267 der Oberseite als der Unterseite des Blattes von der Fläche, ge- sehen, und endlich den Querschnitt des Blattes mit der beider- - seitigen Haut darstellen. Die Figuren 10 und 11, welche die Ober- haut der beiden Seiten von der Fläche aus abbilden, zeigen auf den ersten Blick einen auffallenden Unterschied. Die Zellen der Ober- seite sind höchst einfach gebaut, ihre Wandungen nur sehr wenig gebogen; die Oberhaut der Unterseite dagegen besteht aus Zellen, deren auf die Blattfläche senkrecht stehende Wandungen einen stark geschlängelten Verlauf zeigen, wodurch die ganze Oberhaut zu einem sehr zierlichen Bilde wird. Dieser Unterschied der bei- den Oberhäute findet sich nicht immer bei den Kartoffelblättern, im Gegentheil, bisweilen ist auch die Unterseite von einfachem Bau, in anderen Fällen weisen beide Seiten den geschlängelten Verlauf der Zellwandungen auf. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass diese Unterschiede von äusseren Einflüssen bedingt sind, und dass ein fruchtbarer Boden zu der Entstehung der reicher ausge- statteten Oberhäute Veranlassung gibt, während auf einem ärme- ren nur die einfachere Entwickelung möglich ist 1). Wenigstens fand ich bei Exemplaren, welche in guter Gartenerde gezogen waren, die Oberhaut der beiden Seiten aus geschlängelten Zellen gebildet, dagegen war bei Pflanzen, welche auf einem schlechten Boden gewachsen waren, die Oberhaut der Unterseite von jenem Bau, den Schacht für die Oberseite seiner Pflanze abbildet. Ge- nauere Untersuchungen habe ich aber leider nicht anstellen kön- nen. Auf den Nerven nehmen die Oberhautzellen eine abweichende Form an, sie werden im allgemeinen um so bedeutender in die Richtung der Nerven gestreckt, je stärker der Nerv ist. Die klein- sten Nervverzweigungen üben kaum einen merklichen Einfluss auf das Wachsthum der sie bedeckenden Oberhaut aus. Die Oberhaut des Kartoffelblattes trägt auf beiden Seiten Spalt- Öffnungen, jedoch auf der Unterseite bedeutend mehr als auf der Oberseite. Die Zahl der auf einem Quadratmillimeter befindlichen Stomata wechselt je nach Umständen, zumal auf der Oberseite, welche bisweilen sogar ganz frei von Oeffnungen gefunden wurde. Auf der Oberseite fand nämlich Czech 2) keine Stomata, Morren 3) pro Quadratmillimeter 0—2, ich selbst bei einem Exemplare (aus 1) Aehnliche Beobachtungen machte ich bei Klee und anderen Pflanzen. Vergl. Opera III, S. 96. 2) Czech, Bot. Zeitung 1869, S. 842. 3) Weiss, Pringsheim’s Jahrbücher IV, S. 189—197 268 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. dem Garten) im Mittel 10, bei einer anderen im Garten aus Samen erzogenen Pflanze dagegen 20 Spaltöffnungen auf derselben Flä- che. Auf der Unterseite geben Morren und Czech übereinstimmend 263 Stomata pro qmm an; ich fand deren 230 auf einer gleich- grossen Fläche. Es wäre nicht unmöglich, dass auch auf die Zahl der Stomata äussere Umstände Einfluss haben; es spricht hierfür unter Anderen die von Czech 1) angegebene Thatsache, dass im Allgemeinen Arten, welche an feuchten Stellen wachsen, mehr Spaltöffnungen haben, als verwandte Species, welche an trocke- nen Stellen vorkommen. Die Länge einer Spaltöffnung fand ich zu 0.045 mm. Die Behaarung der Kartoffelblätter ist eine sehr spärliche. Lange, steife, grade oder wenig gebogene Haare findet man zumal auf der Unterseite, wo sie den hervorragenden Nerven aufsitzen, kleinere sogenannte Drüsenhaare kommen zumal in der Jugend des Blattes auf beiden Seiten ziemlich reichlich vor; werden aber einerseits in Folge der Streckung der Blattes scheinbar spärlicher, und sterben auch wohl allmählig ab, wodurch auch ihre absolute Anzahl abnimmt. Die langen Haare sind unverzweigt und durch Querwände in mehrere Zellen getheilt; ihre Oberfläche ist chagri- nirt. Gewöhnlich zeigt die Epidermis an den Stellen, wo sie sitzen, eine merkliche Erhebung, welche einen breiten Fuss darstellt. In den Zellen dieser Haare kann man die Strömung des Protoplasmas leicht wahrnehmen 2). Die Drüsenhaare bestehen aus einem viel- zelligen Köpfchen und einem kurzen 2—3 zelligen Stiele: die An“ ordnung der Theilungswände im Köpfchen zeigt in den einzelnen Haaren nicht unerhebliche Abweichungen. Auch die Häufigkeit der Haare wechselt je nach Umständen mehr oder weniger von dem mittleren Verhältnisse ab. Das grüne Zellengewebe, welches von der Oberhaut bedeckt ist, besteht in der oberen Schicht aus länglich-cylindrischen Zel- len, welche mit einem Ende gegen die Oberhaut stossen, und ohne bedeutende Zwischenzellenräume dicht nebeneinander liegen. Die Regelmässigkeit, mit der diese Zellen gelagert sind, hat dieser Schicht den Namen des Pallisadengewebes geben lassen; in dem Blatte der Kartoffelpflanze ist diese Regelmässigkeit übrigens bei Weitem nicht so gross, als bei manchen anderen Pflanzen. Die Intercellularräume sind, wie bemerkt, stets eng, nur dort, wo in der D Czech, lc: 2) Hofmeister, die Pflanzenzelle, S. 35. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 269 Oberhaut eine Spaltöfinung liegt, weichen die Zellen weiter aus- einander und bilden hier eine Athmungshöhle, welche mit den Lufträumen der tieferen Schichten communiecirt. Diese Schichten bestehen aus einem lockeren Gewebe von Zellen, welche grosse - Intercellularräume zwischen sich offen lassen, deren Luft durch die zahlreichen Spaltöffnungen der Oberhaut der Unterseite leicht mit der umgebenden Atmosphäre ihre Bestandtheile austauschen kann. Die Zellen dieses Schwammgewebes sind in querer Richtung eben so breit wie die des Pallisadengewebes, aber nicht länglich, sondern meist ebenso hoch wie breit. Oft sind sie kuglig, oft stossen sie mit kurzen dicken Armen aneinander, welche ihnen häufig sehr eigenthümliche, schwer zu beschreibende Formen geben. Während das Pallisadengewebe nur aus einer einzigen Zellenschicht be- steht, zählte ich im Schwammgewebe meist etwa 5—6 Schichten, doch scheint die Zahl nicht unbeträchtlichen Schwankungen zu unterliegen. Der Inhalt der Blattzellen ‘besteht aus einem wandständigen Frotoplasma, in welchem zahlreiche Blattgrünkörner eingebettet sind, und das in seinem Innern eine wässrige Flüssigkeit um- schliesst. Ueber die Blattgrünkörner werde ich im nächsten Pa- ragraphen berichten. Die Lufträume im Blatte dienen dem Austausch der Gase. Am Tage entweicht durch sie der Sauerstoff, welcher bei der Kohlen- säurezerlegung aus der als Nährstoff aufgenommenen Kohlensäu- re abgespalten wird. Andererseits dienen sie für die Athmung, bei welcher bekanntlich Sauerstoff von den Zellen absorbirt und Kohlensäure abgegeben wird. Dass auch dieser Gasaustausch ein ziemlich starker ist, geht aus einem Versuche von de Saussure 1) hervor, in welchem Blätter unserer Pflanze, im September, kurze Zeit vor der Blüthe, abgebrochen, innerhalb 24 Stunden das 2,5 fache ihres eigenen Volumens an Sauerstoff verbrauchten. Der Bau der Nerven ist sehr verschieden, jenachdem man die einen oder die andern untersucht. Im Mittelnerv verlaufen .eine Anzahl von Gefässbündeln, in den Seitennerven weniger, in den feineren Verzweigungen sieht man endlich nur ein einzelnes Gefäss- bündel, dessen Bau mit der Stärke der Nerven stetig abnimmt. Um uns die Uebersicht zu erleichtern, wollen wir also zunächst unsere Aufmerksamkeit auf den Mittelnerv lenken, um nach dessen Be- handlung die übrigen Nerven mit ihm zu vergleichen. 1) de Saussure, Recherches chimiques, p. 101. 270 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Der Mittelnerv ragt auf beiden Seiten aus der Fläche des Blattes hervor. Auf der Unterseite bildet er eine sehr starke, im Querschnitt rundliche Rippe, auf der Oberseite eine schmale und niedrige Leiste, welche erst auf dem Querschnitte des Blattes deutlich sıchtbar wird. Betrachtet man einen feinen Querschnitt des Mittel- nerven bei schwacher Vergrösserung, so fällt zunächst die Gruppe der Gefässbündel in die Augen. Die Gefässstränge bilden einen halben Kreis, dessen Oeffnung nach der Oberseite gewendet ist. Sie stehen im Kreise meist zahlreich und dicht nebeneinander, stellenweise so dicht, dass man die Grenzen der einzelnen Bündel nicht erkennen kann; an anderen Stellen ist der Kreis durch pa- renchymatisches Gewebe durchbrochen. Das Stranggewebe ist auf allen Seiten von grosszelligem Grundgewebe umgeben, wel- ches dicht unter der Oberhaut in das sogenannte Leimgewebe (Collenchym) übergeht. Betrachten wir zuerst den Bau der Gefässstränge eingehender. Jeder Strang besteht aus einem mittleren Holztheile und zwei ein- ander gegenüberliegenden Bastpartien. Die eine Bastgruppe ist dem Mittelpunkt des Gefässbündelkreises zugewendet, sie führt den Namen des inneren Bastes. Die äusseren Bastpartien aller Gefässbündel nehmen den äusseren Umfang der halbkreisförmigen Gruppe ein, und sind somit der Blattunterseite zugekehrt. Das Holz besteht in seinem inneren Theile aus Ring- und Spiralge- fässen, zwischen denen dünnwandige, gestreckte, cylindrische Holzzellen mit querabgestutzten Enden liegen. Die ersten Ring- und Spiralgefässe zeigen nur sehr entfernte Ringe, oder eine zer- rissene Spirale; in die folgenden kommen Ringe und Windungen einander immer näher, bis im äusseren Holztheil die Ring- und Spiralgefässe durch poröse Gefässe ersetzt werden. Die inneren und äusseren Bastpartien bestehen aus parenchyma- tischem Gewebe, in welchem Siebröhrenbündel verlaufen. Diese Siebröhrenbündel oder Leitzellengruppen bestehen aus langen, dünnwandigen, feinen, cylindrischen Zellen, welche an dem Ende durch querliegende Wände begrenzt sind, und eiweissartigen In- halt führen. Sie bilden im Querschnitt des Mittelnerven stets kleine, zerstreute Gruppen, welche an den zarteren Wandungen und den kleineren Zellen leicht vom umgebenden Gewebe unterschieden werden können. Das Grundgewebe bietet nichts Besonderes, es ist sehr gross- zellig und enthält zerstreute Körnchenschläuche, deren Körner aus oxalsaurem Kalk bestehen. Unter der Oberhaut geht das Grund- T a WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 271 gewebe allmählig in Collenchym über, welches unter der Oberhaut der Unterseite nur eine dünne Schicht bildet, an der Oberseite aber einen grossen Theil der hervorragenden Leiste ausfüllt. Es ist im Längsschnitt an den langen cylindrischen Zellen, im Querschnitt an den auffallend dicken Zellwandungen leicht kenntlich, und trägt nicht unbedeutend zur Festigkeit des Mittelnerven bei. Die Seitennerven sind in jeder Hinsicht einfacher gebaut als der Mittelnerv. Ihnen fehlt die auf der Oberseite hervorragende Leiste, und damit auch das in dieser befindliche Leimgewebe. Auf der Unterseite ist das Leimgewebe nur auf eine einzellige Schicht be- schränkt. In der Mitte liegt eine grössere oder kleinere Gefäss- bündelgruppe, welche um so weniger entwickelt ist, je dünner der Nerv ist. Die inneren Siebröhrenbündel werden in den kleineren Nerven erst spärlicher, in noch feineren Verzweigungen fehlen sie gänzlich. Auch das Holz und der äussere Weichbast reduciren sich allmählig bis endlich die feinsten Nervenverzweigungen nur noch aus 1—2 Spiralgefässen und einigen wenigen gestreckten dünnwandigen Zellen bestehen. Es erübrigt uns jetzt noch ‚auch den Bau des allgemeinen Blatt- stieles in kurzen Zügen zu schildern. Er weicht nur in untergeord- neten Punkten von dem eines Mittelnerven ab. Auch in ihm bilden die Gefässblündel einen nach der Oberseite offenen Halbkreis, der jedoch bedeutend weiter ist als im Mittelnerven. Diese grössere Weite macht, dass das Rindenparenchym relativ weniger, das Mark dagegen beträchtlich stärker entwickelt ist. In dem genann- ten Halbkreise nehmen die einzelnen Gefässbündel Stellungen ein, welche in verschiedenen Blattstielen, ja in den successiven Quer- schnitten eines und desselben Blattstieles bedeutende Differenzen zeigen, jedoch im Allgemeinen sich einem bestimmten Schema fügen. In der Mitte des Halbkreises, also dem Rücken des Blatt- stieles zugewendet, liegt ein einzelner, starker Strang, der Haupt- strang des Blattes, welcher den ganzen Blattstiel durchläuft, und an dessen Spitze in den Mittelnerven des Endblättchens übertritt. Links und rechts von diesem liegt eine grössere fast leere Strecke, in der nur wenige schwache Bündelchen verlaufen. Dann folgen, den beiden Seitenkanten des Stieles zugewendet zwei grosse, ein- ander gegenüberliegende Gruppen, aus zahlreichen einzelnen Strängen gebildet, welche theils völlig getrennt sind, theils mehr oder weniger mit einander verschmelzen. In diese Gruppen fügen sich die aus den Seitenblättchen absteigenden Gefässbündel ein, sie 272 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sind also im unteren Theil des Blattstieles bedeutend grösser als im oberen. Ganz isolirt von den beschriebenen Gruppen sieht man stets noch zwei kleine Stränge, welche als die äussersten Grenzen des Halbkreises auftreten. Sie liegen in den beiden Rippen, welche die schmale Oberseite des Blattstieles begrenzen, und welche schon mit blossem Auge leicht kenntlich sind. Der feinere Bau der Gefässbündel des Blattstieles ist derselbe, wie wir ihn für den Mittelnerven beschrieben haben, nur dass die Ausbildung hier in manchen Punkten eine vollständigere ist. Die einzelnen Gefässbündel sind durch einen intercalaren Ge- webestreifen zu einem continuirlichen Ganzen vereinigt, welches aus kleinzelligem Parenchym besteht und sowohl auf der Aussen- seite als auf der Innenseite von zerstreuten Siebröhrenbündeln durchlaufen wird. Ein eigentliches Cambium konnte ich in diesen Stellen in den von mir untersuchten Blättern nicht finden. Die Ge- fässbündel selbst haben ein mächtiges Holzgewebe mit zahlrei- chen, reihenweise geordneten porösen Gefässen entwickelt, in ihren Basttheilen treten neben den Siebröhrenbündeln auch Bastiasern auf, welche im axilen Baste dickwandig sind, und zu grösseren Gruppen hinter den Leitzellen zusammentreten, in den äusseren Basttheilen dagegen merklich spärlicher waren. Auf der Innen- seite der Gefässbündel zeigen sich hier auch markständige Sieb- röhrenbündel. Die Oberhaut des Blattstieles zeigte einen sehr einfachen Bau, indem die geschlängelten Zellwandungen fehlten. In der Rinne der Oberseite waren die Zellen kurz, fast ebenso breit wie lang, und ohne Spaltöffnungen; dagegen mit langen Haaren und Drüsen- haaren. Neben der Rinne und auf der Unterseite waren die Zellen in der Richtung der Achse des Stieles gestreckt, nır um die Spalt- öffnungen herum waren sie isodiametrisch. Haare waren hier sel- ten. Unter der Oberhaut fand ich auf Querschnitten stets eine dün- ne Schicht collenchymatischen Gewebes. § 2. Die Kohlensäurezerlegung in den grünen Blättern. Das Kartoffelblatt verdankt seine grüne Farbe kleinen, grünen Körnern, welche in dem farblosen Protoplasma der Zellen einge- bettet sind. In diesen Körnern geht die Zerlegung der Kohlensäure am Lichte vor sich; als sichtbares Resultat dieses Reductionspro- cesses enthalten sie nach längerer Beleuchtung kleine Stärke- körnchen. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 273 Ueber die näheren Modalitäten dieses Vorganges mögen die folgenden Wahrnehmungen einiges Licht verbreiten. Macht man von einem in Alcohol entfärbten Blatte sehr feine Querschnitte, so kann man in diesen ohne Weiteres unter dem Mikroskop die Chlorophylikörner als dichten Wandbeleg in den Pallisaden-Zellen sehen. Die Körner sind nicht gross, aber sehr zahlreich, und liegen dicht aneinander. Zusatz von Jodlösung färbt den ganzen Wandbeleg dunkel, es sind zumal die Chlorophyll- körner, welche dabei gefärbt werden, das Protoplasma bleibt re- lativ blass. Um die Stärkekörnchen zu sehen, muss man die Schnit- te mit kalter, concentrirter Kalilauge behandeln, und nachdem diese einige Zeit eingewirkt hat und darauf mit Wasser und verdünnter Essigsäure ausgewaschen worden ist, Jodlösung zusetzen. Viele Chlorophylikörner sehen dann röthlich bis blau aus, in den meisten sieht man aber kleine dunkle Körnchen in der gelbbraunen Sub- stanz eingebettet. Jene Körnchen geben sich bei hinreichender Vergrösserung durch ihre blaue Farbe als Stärke zu erkennen. Kommt es nicht darauf an, die Lage dieser Stärkekörner in den Chlorophylikörnern zu demonstriren, sondern einfach zu entschei- den, ob die Zellen Stärke enthalten oder nicht, so ist es bequemer, die Kalilauge kochend einwirken zu lassen, weil dann die Stärke aufquillt, und die blaue Farbe auf Zusatz von Jodlösung schöner hervortritt. Um zu beweisen, dass die Stärke in den Chlorophylikörnern un- ter dem Einfluss des Lichtes aus der aus der Luft aufgenommenen Nahrung, also aus Kohlensäure, entsteht, stellte ich den sogenann- ten Sachs’schen Versuch an. Ich bog im September im Garten einen Stengel einer Kartoffelstaude vorsichtig auf die Erde, und verdunkelte seinen Gipfel durch Ueberstülpung eines Blumen- topfes, dessen Loch durch einen Kork verstopft war. Nach 36 Stunden untersuchte ich die verdunkelten Blätter, und fand sie völlig Stärke leer; nur in den Spaltöffnungszellen war noch etwas feinkörnige Stärke vorhanden. Jetzt wurde ein Blatt abgeschnit- ten, und in ein Gläschen mit ein wenig Wasser vor das Südfenster gestellt, wo es von gutem diffusem Lichte in einer auf die Blatt- fläche fast verticalen Richtung getroffen wurde. Nur ein Paar Male brach die Sonne durch und beschien das Blatt während einiger Minuten. Nach 21, Stunden entnahm ich ihm einige Stückchen zur Untersuchung; die nach der oben beschriebenen Methode ausge- führte Prüfung auf Stärke zeigte alles Parenchym durch Jodlösung intensiv blau bis violett, zumal im Pallisaden-Gewebe. Also war 18 274 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. überall bereits Stärke und zwar in grosser Menge gebildet. Nach weiteren 21, Stunden wurde das ganze Blatt untersucht, es war jetzt nicht nur das Parenchym der Spreiten voller Stärke, sondern diese war auch in die Stärkescheiden der Nerven übergetreten. Es hatte also die Leitung der Stärke nach abwärts bereits ange- tangen. § 3. Die Bewegung der plastischen Stoffe im Blatt. Die in den Chlorophyllkörnern angehäufte Stärke ist bekannt- lich die Quelle des organischen Bildungsmateriales für die Pflanze, sie wird von der Ablagerungsstätte weg, und den übrigen Organen zugeführt. Diese Entleerung des grünen Blattgewebes kann man häufig schon dann beobachten, wenn man im Sommer Stücke aus demselben Blättchen Abends und am Morgen des folgenden Tages abschneidet, und auf ihren Gehalt an Stärke untersucht. Oder auch wenn man einfach Blätter, welche Abends abgeschnitten sind, vergleicht mit solchen, welche am Morgen gesammelt wur- den. So fand ich z. B. am Abend eines sonnigen Tages im August aas Blattparenchym an den meisten Stellen ganz voll Stärke, nur an einzelnen Stellen was es leer, während Blätter, welche am frühen Morgen gesammelt wurden, nur an einzelnen Stellen noch Stärke enthielten, in den grössten Strecken aber leer waren. Zu einer vollständigen Entleerung der Blättchen bedarf es aber im Sommer stets einer längeren Verdunkelung. So fand ich z. B. nach 12 stündiger Verdunkelung der ganzen Pflanze ein vorher stark besonntes Blatt noch stellenweise ganz voll Stärke, und erst nach 2 Tagen war das Parenchym an den meisten Stellen völlig entleert. Einzelne Zellen verloren aber auch bei einer weiteren zweitägigen Verdunkelung ihren Stärkegehalt nicht, ebensowenig wie ihn die Spaltöffnungszellen während dieser Zeit verloren. Werden die Pflanzen noch länger verdunkelt, so werden die Blätter gelb und sterben ab, eine Erscheinung, auf die wir im zwei- ten Abschnitte zurückzukommen haben werden. Nachdem wir den experimentellen Beweis für das Verschwinden der Stärke aus den Chlorophyllkörnern geführt haben, wollen wir jetzt auf microchemischem Wege die Bewegung der Stärke, so- wie das Auftreten ihres nächsten Umsetzungsproduktes, des Trau- benzuckers, im erwachsenen Blatte verfolgen. Zunächst ist hier die merkwürdige Thatsache zu berichten, dass wir im grünen Parenchym des Blattes keine andere Stärke als die in den Chlorophylikörnern abgelagerte, und gar keinen Trauben- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 275 zucker finden. In welcher Weise die nächsten Produkte der Kohlen- säurezerlegung in die Nerven gelangen, kann auf mikrochemischem Wege nicht zur Wahrnehmung gebracht werden. Erst in den stär- keren Seitennerven finden wir sie wieder, und zwar als Stärke in der Stärkescheide, und als Zucker im parenchymatischen Grund- gewebe. Sowohl Stärke als Zucker sind nur in geringer Menge nachweisbar, im Mittelnerven nehmen sie um ein geringes an Quantität zu, die Stärke erfüllt die ganze Stärkescheide, der Zucker findet sich zwar überall, aber doch nur wenig im Grundgewebe. In den Stielchen der Spreiten treten Zucker und Stärke bereits in etwas grösserer Menge auf. Noch mehr ist dies. der Fall im Blatt- stiele, wo Stärke und Zucker an Menge reichlich zunehmen. Er- stere bleibt dabei überall auf die Stärkescheide des Gefässbündel- ringes beschränkt, letzterer erfüllt alles parenchymatische Gewe- be in solcher Menge, dass dieses bei der Behandlung mit Kupfer- lösung und Kalilauge sich überall intensiv orange färbt. Die Stärkescheide ist eine Schicht, welche sich auf Querschnit- ten des Blattstieles nach der Behandlung mit Jodlösung sehr schön vom umgebenden Gewebe abhebt. Es ist die innerste Zellenschicht des Grundgewebes auf der Aussenseite des Gefässbündelringes, sie ist, wie immer, so auch hier nur eine Zelle dick. Sie läuft nicht um die einzelnen Gefässbündel herum, sondern umfasst den mitt- leren, isolirt stehenden Strang mit den beiden grösseren, seitlichen Gruppen, um welche letztere sie sich häufig weit nach innen zu einbiegt. Die isolirten Stränge, welche den beiden Rippen des Blattstieles entsprechen, haben ihre eigenen Stärkescheiden, wel- che sie ringsum umhüllen. In einzelnen Fällen liegen hier statt zwei, vier Gefässbündel; dann hat jeder eine besondere cylin- drisch-geschlossene Stärkescheide. In älteren Blättern fehlt nicht selten die Stärke auch in der Stärkescheide des Stieles. Der Zucker findet sich im Collenchym unter der Oberhaut, und in allem Parenchym von Rinde und Mark. Häufig ist er im äusseren Mark und in der inneren Rinde in grösserer Menge nachweisbar, und bildet dann eine Art Zuckerscheide um den Gefässbündelkreis herum. In solchen Fällen hebt sich das Collenchym wieder zucker- reicher vom äusseren Rindengewebe ab. Das zuckerführende Parenchym besitzt sowohl im Stiele als in den Nerven eine stark saure Reaction. Eiweiss findet man im Kartoffelblatt meist reichlich, und zwar überall in den Gefässbündeln des Stieles und der Nerven. Es erfüllt 276 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. die markständigen und die äusseren Siebröhrenbündel, sowie das cambiale Gewebe. Bestimmte Unterschiede im Gehalt liessen sich bis jetzt nicht nachweisen. i; Ueberblicken wir die mitgetheilten Ergebnisse unserer mikro- chemischen Analysen, so sehen wir, dass im erwachsenen Blatte die Stärke in den Chlorophyllkörnern des Blattparenchyms, und ferner in continuirlichem Zuge in den Stärkescheiden der Nerven und des Stieles beobachtet wird. Wir dürfen hieraus auf eine Lei- tung der Stärke in der Scheide schliessen. Dieser Bewegung der Stärke als solcher, können wir aber nur geringen Werth für den Transport der stickstofffreien Bildungsstoffe beimessen, erstens weil der grössere Theil dieser Stoffe offenbar als Zucker geleitet wird, und zweitens weil in älteren Blättern häufig die Stärkeschei- de, wenigstens stellenweise leer ist, und dort also an eine Bewe- gung der Stärke als solcher aus den Spreiten in den Stengel nicht gedacht werden kann. Der Traubenzucker führt stets in continuirlichem Zuge aus den Nerven durch den Blattstiel in den Stengel hinüber. Er nimmt da- bei auffallenderweise von oben nach unten stetig an Menge zu, und zwar so stark, dass dieses Verhältniss auch bei dem microchemi- schen Nachweise sofort in die Augen springt. Diese Thatsache zeigt uns, dass die Ursache der Bewegung des Zuckers nicht als eine einfache Diffusionserscheinung aufgefasst werden kann, son- dern erheblich complicirterer Natur ist. Indessen ist es hier nicht der Ort, darauf einzugehen; und behalte ich mir die Erörterung der hier einschlagenden Fragen für eine andere Gelegenheit vor. Das Eiweiss ist in continuirlichen Zügen aus den Nerven in den Stengel zu verfolgen. Die mitgetheilten Resultate sind an Blättern gewonnen, welche zur Zeit der Untersuchung unter günstigen äusseren Umständen gelebt hatten. Sind die Umstände weniger günstig, so können andere Verhältnisse eintreten, welche im Allgemeinen in einem geringeren Gehalt an Bildungsstoffen bestehen werden. So fand Sachs 1) z. B. an einem jungen Kartoffelstrauche nur wenig Amylum in den Stärkeschichten der Blattstiele, und gar keinen Traubenzucker in den Blättern; im August fand er die Stärkeschichten aller Nerven und des ganzen Blattstieles voll Stärke, welche ebenso das Meso- phyli der Blätter erfüllte, im Stiel älterer Blätter enthielt sogar das Mark im Umfang Stärke. Zucker fehlte auch diesmal völlig. Am 16. 1) Sachs, Pringsheim’s Jahrbücher II, S. 221—223. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 277 September untersuchte derselbe Forscher eine Staude, deren un- tere Blätter längst abgefallen waren; die Stärke zeigte in den Blät- tern am Gipfel der Triebe dieselbe Verbreitung wie in den im August studirten Exemplaren; diesmal enthielten die Blattstiele auch reichlich Zucker und zwar sowohl im Mark, als im Rinden- gewebe. Ich untersuchte Sprosse einer 40 cm hohen Kartoffel- staude im Juni, nachdem während drei Tage anhaltendes Regen- wetter gewesen war, und die Sonne nicht geschienen hatte. Die Blattstiele und Mittelrippen der Blättchen waren nahezu ganz leer, Zucker war gar nicht, Eiweiss nur schwer nachzuweisen, Stärke fand sich nur in der Stärkescheide der Mittelrippe und spurweise in der Stärkescheide des oberen Theils des Blattstieles; im unter- en Theile fehlte sie. Während der ungünstigen Witterung waren offenbar die Bildungsstoffe zum grössten Theil in den Stengel hin- unter geschafft, während neue nur in unbedeutender Menge gebil- det und nachgeschickt worden waren. § 4. Die Entwickelungsgeschichte der Blätter. a) Die Ausbildung der einzelnen Glieder. Untersucht man die Endknospe eines kräftig wachsenden Kar- toffeltriebes auf einem genau durch die Achse geführten Längs- schnitt, so findet man die Spitze des Stengels leicht zwischen den jüngsten Blattanlagen. Diese Spitze, der sogenannte Vegetations- kegel ist klein, fast halbkuglig und nur von wenigen jungen Blät- ` tern überdeckt. Die jüngsten Anlagen treten im Umiange des nack- ten Vegetationskegels zuerst als kleine Warzen hervor, erheben sich aber bald mehr oder weniger kegelförmig, und krümmen sich dabei etwas, wobei die Vorderseite concav wird. In dieser Richtung weiter wachsend biegen sie sich bald über die Sprossspitze hin- ‚über. Dabei ändert sich ihre Form fortwährend. Der kegelförmige Körper stülpt sich an zwei Seiten hervor, und bald unterscheidet man diese als die künftigen Blatthälften des Endblättchens, wäh- rend die Hauptmasse der Blattanlage zum Mittelnerven dieses Biättchens wird. Das Endblättchen ist somit in der ersten Anlage da, ein kurzer Stiel, eine starke Mittelrippe, und zwei nach vorne zusammengelegte Spreitenhälften sind deutlich zu erkennen. Lange Zeit bleibt nun dieses Endblättchen im Wachsthum den übrigen Gliedern weit voraus; letztere entwickeln sich nur allmählig, und zwar in dem Maasse, als der Stiel sich verlängert, und dadurch Raum für die Anlage der Seitenblättchen schafft. Der Unterschied ist ein so grosser, dass das Endblättchen bereits über einen Centi- 278 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. meter lang, und längst ergrünt ist, bevor die untersten Fiederblätt- chen angelegt werden. Die Entstehung der Fiederblättchen ge- schieht überhaupt in basipetaler Richtung, die obersten entstehen zuerst, dann die nächstfolgenden, u. s. w. Dem entsprechend sind die obersten bereits grün und gross, zur Zeit wo die untersten erst angelegt werden. Man findet also an einem Kartoffelblatte in die- sem Stadium eine ganze Entwickelungsreihe in den einzelnen Blättchen. Dieser Umstand macht es sehr schwierig, die Wachsthumsge- schichte der Kartoffelblätter in einzelne scharf getrennte Abschnit- te zu spalten. Eine solche Eintheilung ist zwar für die microche- mische Analyse nicht nothwendig, weil hier stets die einzelnen Blättchen berücksichtigt werden können. Sobald es aber darauf ankommt, macrochemische Untersuchungen in Verbindung mit microchemischen Studien zu machen, ist sie in hohem Grade er- wünscht. Denn in solchen Fällen werden sich aus der mikroskopi- schen Untersuchung bestimmte Fragen ergeben, welche durch die analytischen Forschungen zu beantworten sind, und es wird dabei bald das Bedürfniss hervortreten, zu letzteren ein Material zu be- nutzen, das sich unter dem Mikroskop als möglichst gleichwerthig herausgestellt hat. Denn wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, so wird eine Vergleichung der beiderseitigen Ergebnisse kaum möglich sein. Es dürfte sich daher in solchen Fällen empfehlen, nur die Endblättchen zur Untersuchung zu wählen, die Seiten- blättchen aber, als von zu ungleicher Entwicklung, ganz wegfallen zu lassen. Betrachten wir die Entwicklung der einzelnen Seitenblättchen genauer. Sie entstehen in ähnlicher Weise als seitliche Ausstül- pungen des Blattstiels, wie im Anfang die ganze Blattanlage am Vegetationskegel hervorgetreten ist. Sie sind erst kleinen Wärz- chen ähnlich, verlängern sich aber bald, und stehen dabei in der Richtung der beiden Spreitenhälften des Endblättchens, d. h. nach vorne zusammengelegt. Bald unterscheidet man an ihnen die starke Mittelrippe von der äusseren Spreite. Dann folgt jedes den Ent- wicklungsgang des Endblättchens, erst differenziren sich die grös- seren, dann die kleineren Seitennerven, endlich die feinsten Nerven- verzweigungen, bis alle Theile des Blattes der Form nach ausge- bildet sind. Sobald letzteres der Fall ist, fängt die eigentliche Streckungs- periode an, in welcher der Stiel und die Fiederblättchen das nach- holen, worin sie durch spätere Anlage gegenüber dem Endblätt- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 279 chen zurückstehen. Während das Endblättchen sich jetzt nur bis auf die doppelte Länge streckt, wächst der Stiel um das 6—8 fache heran,. und dehnen sich die Seitenblättchen je nach der Grösse, welche sie schon besitzen, mehr oder weniger, bis sie im ‘erwachsenen Blatte nahezu gleiche Grösse haben. Nur die kleinen Blättchen zwischen den eigentlichen Fiederblättchen bleiben dabei sehr erheblich zurück. Somit hätten wir die Entwicklungsgeschichte der Blätter in grossen Umrissen soweit angegeben, als für das Verständniss des Stoffwechsels beim Wachsthum erforderlich ist. Auf eine detail- lırtere Beschreibung der Ausbildung der einzelnen Zellen und Zel- lengruppen einzugehen, liegt nicht im Plane dieses Aufsatzes. Je- doch möchte ich noch zwei Punkte berühren, welche für die hier verfolgten Zwecke nicht unwichtig sind. Ich meine die Entwicklung der Haare, und die Entstehung der Chlorophylikörner. Die ersten Haare entstehen bereits, wenn die Anlage des jungen Blattes noch erst ganz klein aus dem Vegetationskegel heraustritt. Sobald die Anlage deutlich kegelförmig geworden ist, und sich nach innen zu krümmen anfängt, sieht man, dass die Bildung der Haare auf dem Rücken anhebt, und hier von unten nach oben fort- schreitet. Erst später bilden sich auf der Innenseite Haare, und zwar in derselben Reihenfolge. Die Haare stehen also in zwei Längsreihen; die beiden Spreitenhälften stülpen sich zwischen die- sen Reihen hervor, und bleiben selbst anfänglich ohne Haare, während auf den Rippen die Entwicklung dieser Gebilde rasch fortschreitet. Die zuerst aufhebenden warzenförmigen Ausstülpungen der Öberhaut werden zu langen steifen Haaren; Drüsenhaare erkennt man erst, wenn die Spreite des Endblättchens bereits deutlich kenntlich ist; sie entstehen dann ebenfalls zunächst unten am Rücken der Rippe, und verbreiten sich von dort aus allmählig aufwärts. Die Anlagen der Haare sind anfangs dicht mit Protoplas- ma erfüllt, in welchen bald Vacuolen entstehen, dabei strecken die Haare sich und trennen durch Querwände ihren Inhalt in einzelne Zellen. Das Wachsthum der Haare, sowohl der Drüsen tragenden als der Borstenhaare schreitet sehr rasch voran, ja diese Gebilde sind bereits längst ausgewachsen, bevor in den sie tragenden Gliedern die innere Differenzirung völlig beendet ist. Zuerst nur auf den Mittelrippen und dem Blattstiel, treten sie später auch auf den Seitennerven, und erst viel später zwischen diesen auf der Spreite 280 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. auf. Die Reihenfolge ihrer Entwicklung ist sowohl auf den End- blättchen, als auf den Seitenblättchen eine basifugale. Bei einer Länge des ganzen Blattes von etwa 1 cm ist die Be- haarung die dichteste, überall ist die Oberhaut der Rippen von einem dichten Filze langer weisser Haare überzogen. Mit der Streckung der einzelnen Glieder nimmt die Dichte des Filzes selbst- verständlich ab, da zwischen den vorhandenen Haaren sich keine neuen bilden. Im ausgewachsenen Zustande ist das Blatt nur noch mit spärlichen zerstreuten Haaren bedeckt. Ueber die Entstehung der Chlorophylikörner im Kartoffelblatte finde ich in Hofmeister’s Pflanzenzelle (S. 364) folgende Angabe 1). Im protoplasmatischen Wandbeleg der vacuolenhaltigen Zellen tritt eine relativ dicke, über den ganzen Wandbeleg verbreitete Schicht dichterer Substanz auf, welche beiderseits von einer dünnen Lage minder dichten, farblos bleibenden Protoplasmas bekleidet ist. Jene Schicht nimmt sofort nach ihrer Differenzirung grüne Farbe an, und zerklüftet sich sodann, an Masse abnehmend, in eine Anzahl klei- nerer, zunächst polygonaler, weiterhin sphaeroidal werdender Mas- sen. Das Entwicklungsstadium, in welchem diese Differenzirung der Chlorophylikörner vor sich geht, fällt ungefähr in die Zeit, wo das aus der Knospe hervorgetretene Blatt sich am oberen Rande des Endblättchens zu enfalten anfängt. Diese Differenzirung schreitet in diesem Stadium von oben nach unten fort; ich fand in einem Endblättchen von einer Länge von 12 cm, welches eben angefangen hatte sich zu entfalten, in der oberen Hälfte im Schwammparenchym die Chlorophylikörner in den meisten Zellen schon fertig, im Pallisadengewebe zwar überall den grünen Wand- beleg aber nur sehr selten schon fertige Körner. Ueberall enthiel- ten die Zellen eine grosse, nicht selten noch von Bändern farb- losen Protoplasmas durchsetzte Vacuole; überall war auch der Kern deutlich zu sehen. In der unteren Blatthälfte traf ich nur in vereinzelten Zellen differenzirte Chlorophylikörner an, in weitaus den meisten Zellen war die grüne Schicht des Wandbeleges noch nicht in einzelne Körner zerfallen. Im groszelligen Parenchym des Mittelnerves waren die Chlorophylikörner überall bereits fertig aus- gebildet, als grüne Körner im farblosen Protoplasma. Auch das Collenchym, welches noch ganz dünnwandig war, enthielt Blatt- grünkörner. 1) Vergl. Gris Ann. Sc. nat. 4 Ser. VII, p. 205. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 281 Die Differenzirung der Chlorophylikörner aus der grünen pro- toplasmatischen Schicht macht, in ihrer Vertheilung über das halb entfaltete Blatt, ganz den Eindruck, als ob sie in naher Beziehung zum Lichte stünde. Dass das Ergrünen selbst, welches jener Dif- terenzirung vorausgeht, von Lichte bedingt wird, weiss Jeder- mann aus der Vergleichung der im Dunklen erwachsenen blassen Kaıtoffeltriebe mit normal ergrünten. Nach einer Angabe Bata- lins1) ist zum Ergrünen eine ziemlich lange Einwirkung des Lichtes erforderlich; eine achtzehnstündige ununterbrochene Be- leuchtung reicht dazu in seinen Versuchen nicht hin. Ebenso wenig ergrünten Kartoffelkeimlinge, welche täglich 1—3 Stun- den dem schwachen diffusen Lichte ausgesetzt wurden. Auffal- lend war es, dass dabei die Blätter viel grösser wurden, als bei den in constanter Finsterniss gehaltenen Exemplaren, eine That- sache, welche ich nach eigenen Versuchen bestätigen kann, und durch welche eine frühere Meinung, dass das Kleinbleiben der Blätter im Dünklen eine Folge des Fehlens der Kohlensäurezerle- gung sei, beseitigt wird. Um diese veraltete Meinung noch weiter zu widerlegen, habe ich Kartoffeln in ausgewaschenem Sand in einer Atmosphäre keimen lassen, welche fortwährend frei von Kohlensäure gehalten wurde. Sie standen am diffusen Tageslichte und entfalteten ihre Blätter viel grösser als etiolirende Exemplare und eben so stark, als die Blätter von in der freien Luft wachsen- den, gleich stark beleuchteten Controlle-Pflanzen. Nach den Untersuchungen Boussingault’s darf man annehmen, dass bei den Pflanzen im Allgemeinen die Kohlensäurezerlegung bereits anfängt, wenn die grüne Farbe deutlich sichtbar geworden ist, zur Zeit also, wo die jungen Blätter noch gelblich-grün sind. Dass die Chlorophylikörner dann noch nicht differenzirt sind, hat auf das Resultat keinen Einfluss. Jedoch wird in dieser ersten Zeit die Assimilation organischer Substanz noch keine sehr ausgiebige sein. Man darf also die Zeit des Ergrünens der Blätter als einen Wendepunkt in ihrer Entwicklungsgeschichte betrachten; bis dahin wachsen sie ausschliesslich auf Kosten der ihnen aus ande- ren Blättern zugeleiteten Stoffe; jetzt aber fangen sie an auch selbst neue organische Substanz zu bilden, welche zunächst noch völlig für das eigene Wachsthum verbraucht wird, später aber auch den anderen, wachsenden Organen zu Gute kommt. Wir können jetzt dazu übergehen, die Wanderung und den 1) Batalin, Botan. Zeitung 1871, S. 675—677. 282 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Verbrauch der wichtigsten Bildungsstoffe beim Wachsthum der Blätter zu schildern. Wir behandeln dabei die beiden durch obige Grenze getrennten Perioden gesondert, und fangen mit der ersten Entwicklung der jungen Blätter am Vegetationspunkte an. Die jüngsten Anlagen der Blätter sind in allen Zellen dicht mit Eiweiss gefüllt, und noch zur Zeit, wo bereits mehrere Paare von Seitenblättchen angelegt worden sind, färben die jungen Blätter ‘sich bei der Behandlung mit Kupfervitriol und Kalilauge noch in ihrem grössten Theile intensiv violett. Aber lange bevor noch die Anlage des Endblättchens deutlich differenzirt ist, wird im unteren Theile, dort wo das jugendliche Blatt am Vegetationskegel ange- heftet ist, das Eiweiss spärlicher, es tritt Luft zwischen den Zellen auf, und gleichzeitig lagern diese kleine Stärkekörnchen in sich ab. Von hier aus verbreitet sich die Stärke rasch aufwärts; überall wo sie sich zeigt, beobachtet man auch die lufthaltigen Intercel- lularräume im Gewebe. Nach einiger Zeit tritt die Stärke auch in cie beiden Spreitenhälften über, dann entleert sich der Mittelnerv grösstentheils. Ebenso geht es in den Seitenblättchen, bei der An- lage enthalten sie nur Eiweiss, später Stärke im Mittelnerven, noch später Stärke in der Spreite. Das Parenchym des Stieles enthält zu dieser Zeit ebenfalls Stärke. Die Haare enthalten in ihrer Jugend ebenfalls Eiweiss, das sich zumal in den Köpfchen der Drüsen- haare leicht und schön nachweisen lässt. Später verschwindet das Eiweiss, offenbar wurde es zur Bildung von Protoplasma ver- braucht; Stärke fand ich in den langen Haaren nur in äusserst kleinen Körnchen, in den Drüsenhaaren nicht. Zucker fand ich in diesen und den nächstfolgenden Stadien nicht; doch möchte ich es für nicht unwahrscheinlich halten, dass es gelegentlich auch in jungen Blättern auftritt, da meine ein- schlägigen Untersuchungen im September zu einer Zeit angestellt wurden, wo die Pflanzen überhaupt nicht sehr reich an Inhalts- stoffen waren. Als das junge Blatt eine Länge von 3 mm hatte, fand ich im ganzen Parenchym des Endblattes Stärke, bald zog sich diese aber auf die Nerven und deren Verzweigungen zurück, und umgab diese allseitig. Im Stiele war das Parenchym von Rinde und Mark dicht voll Stärke, in den Seitenblättchen herrschten je nach dem Alter Eiweiss oder Stärke vor. Bei der angeführten Grösse des Blattes waren die Spaltöffnungen schon in der oberen Hälfte des Endblättchens und auf den Mittelnerven fertig ausgebildet und führten sie in ihren Zellen Stärke, in den mittleren und unteren WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 283 Partien des Endblättchens waren noch keine fertigen Stomata sichtbar. Bis zum Ergrünen der Blattspitze bleibt die angegebene Ver- theilung der Stärke in der Hauptsache dieselbe; das Eiweiss findet sich überall, nachdem das Gewebe aus dem meristematischen Zu- stand herausgetreten ist, auf die Gefässbündelzone der Nerven und des Stieles beschränkt. Gehen wir jetzt zur zweiten Periode über, in der die Blätter er- grünt sind und die Neubildung von Stärke im Blatte angefangen hat. Hier ist zunächst zu bemerken, dass der Stärkegehalt des Blattparenchyms unter dem Einflusse von Tag und Nacht steht; Mittags und Abends findet man die Zellen voller Stärke, Morgens früh sind sie viel ärmer daran, jedoch fand ich sie auch im Herbste in einer regnerischen Zeit, wo ich diesen Theil meiner Untersu- chungen machte, am frühen Morgen nie völlig leer. In den Nerven und im Stiel wird die Stärke bei der Streckung gelöst, zuerst im unteren, dann in den höheren Theilen. Dabei tritt stets Zucker auf, welche rasch an Menge zunimmt und sein Maximum in dem Augenblicke erreicht, wo die Stärke grade verschwunden ist, dann offenbar zur Streckung verbraucht wird, aber nie wieder völlig verschwindet. Dieser rasche Verbrauch der abgelagerten Stoffe findet zuerst im grosszelligen Rindengewebe der Hinterseite statt, dann in der Rinde der Vorderseite und im Mark. Dabei zieht sich die Stärke auf die Stärkescheide zurück, welche ihre Stärke nach dem Erreichen des ausgewachsenen Zustandes erhält. Auch die äussere Zone des Markes führt sehr lange Stärke, aber auf die Dauer wird sie auch hier gelöst. Die Seitenblättchen verhalten sich in Bezug auf die Wanderung der plastischen Stoffe wie das Endblättchen, nur fangen sie viel später an, und zwar um so später je tiefer sie stehen. Eiweiss findet sich während dieser Entwickelungs-Perioden in den Siebröhrenbündeln und dem Cambium der Gefässbündel. Nach dieser übersichtlichen Beschreibung werden die folgenden Detailangaben leicht verständlich sein. Blätter, deren Endblättchen 15 mm massen, während der all- gemeine Blattstiel erst 3—4 mm lang war, zeigten in allen Ner- ven und im Blattstiele die violette Eiweissreaction in den Gefäss- bündeln deutlich, und zwar in dem Stiel und den Mittelrippen in- tensiver wie in den feineren Nervenzweigen. Zucker fand sich nur wenig im Mittelnerven und im Rindenparenchym des Blattstiels. Stärke im Stiele: Das parenchymatische Grundgewebe mit Jod- 284 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. lösung schwarzblau gefärbt, das Collenchym arm an Stärke, kein Amylum in der Epidermis und den noch wenig differenzirten Ge- fässbündeln. Im Endblättchen ebenfalls Stärke im Parenchym, zu- mal im Pallisadengewebe, Oberhaut ohne Stärke, nur die Spalt- öffnungszellen voll. Nerven meist leer, im Mittelnerven die Stär- kescheide und die benachbarten Parenchymschichten Stärke füh- rend; Parenchym der Vorderseite noch ganz voll Stärke. Blätter, deren Endblättchen 20—23 mm, und deren Stiele 6—8 mm lang waren, fingen eben an, das Endblättchen in der oberen Hältte zu entfalten; die zwei obersten Paare der Fiederblättchen waren bereits deutlich entwickelt, 8—5 mm lang, von den zwei folgenden Paaren erst die jüngsten Anfänge sichtbar. Diese Blät- ter waren bereits auffallend leerer wie die vorherbeschriebenen, obgleich sie an demselben Tage untersucht, und den nämlichen Sprossen entnommen waren. Im Stiele führte die Stärkescheide Amylum, diese Gewebeschicht hob sich in der Jodlösung durch ihre schwarzblaue Farbe sehr scharf vom umgebenden Parenchym ab, welches nur noch überall kleine Stärkekörnchen als die letzten Ueberreste des früheren Reichthums enthielt. In der vorderen Hälfte waren diese Körnchen noch häufig, in der hinteren bereits spärlich. Collenchym fast überall ohne Stärke. In allem Parenchym fand sich Zucker, aber nicht sehr viel. Die rasche Streckung hatte noch nicht angefangen, da im Längsschnitt die Parenchymzellen noch tafelförmig, also breiter wie hoch, erschienen. Eiweiss fand sich reichlich in den Gefässbündeln. In den Endblättchen solcher Blätter fand ich das Parenchym und die Stomata reich an Stärke, die grösseren Nerven meist arm, und Amylum oft nur in der Stärkescheide und im äusseren Mark führend. Dagegen zeigten die Nerven, sowohl der Mittelnerv und die grössten Seitennerven, als auch viele der feineren Verzwei- gungen einen ziemlich grossen Gehalt an Traubenzucker. Auch Eiweiss war deutlich nachweisbar zumal im Mittelnerven, weni- ger in den Seitennerven, am wenigsten in den feineren Zweigen. Bei einer Länge des Endblättchens von 30—35 mm mass der Stiel 6—25 mm, je nach den Exemplaren, und waren dement- sprechend die Seitenblättchen in verschiedener Anzahl entwickelt. Betrachten wir zunächst die Vertheilung der plastischen Stoffe im Endblättchen, so bietet diese nur höchst untergeordnete Unter- schiede von dem zuletzt beschriebenen Stadium, was wohl als Folge des Ueberwiegens der Kohlensäurezerlegung über den eigenen Verbrauch für Wachsthum und Athmung betrachtet wer- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 285: den darf. Denn auch später, beim Erreichen des ausgewachsenen Zustandes bleibt die Vertheilung in der Hauptsache dieselbe, wie eine Untersuchung älterer noch nicht ganz fertiger Blätter ergab, und wie man leicht durch Vergleichung der für erwachsene Blätter gegebenen Beschreibung bestätigt finden wird. Im Stiele findet dagegen um diese Zeit bereits eine bedeutende Streckung statt. Am unteren Ende ist die Stärkescheide und die äussere Zone des. Markes mit Stärke erfüllt, in den höheren Theilen führt aber auch noch das Grundgewebe der Vorderseite, noch höher auch das der hinteren Hälfte reichlich Stärke, neben welcher bereits überall Zucker vorkommt. Je mehr sich der Stiel streckt, um so mehr verschwindet die Stärke, sie wird offenbar zur Zellhautbildung verbraucht, wobei sie wenigstens zum Theil vorübergehend in Zucker verwandelt wird. Bald findet man in den mittleren, später auch in den höheren Theilen das Parenchym frei von Stärke, wel- che sich stets auf die Scheide zurückzieht. Wo in der Oberhaut Spaltöffnungen liegen führen auch diese Amylum. In fast ausgewachsenen Blättern fand ich überall im Parenchym der Blattstiele etwas Zucker. Stärke dagegen nur noch in der Stärkescheide des Gefässbündelringes. Soviel über die Vertheilung der wichtigsten Bildungsstoffe in. den verschiedensten Stadien der Entwickelungs-Periode. Es er- übrigt uns noch einige Stoffe zu besprechen, welche als Neben-- producte des Stoffwechsels betrachtet werden. Zunächst den kleesauren Kalk. Er tritt als Anhäufung kleiner kristallinischer Körnchen in einzelnen Zellen in Rinde und Mark schon sehr früh auf, etwa zu der Zeit wo sich diese Gewebe reich- lich mit Stärke erfüllen. Von dieser Zeit an nimmt sowohl die Zahl. der Körnchenschläuche, als auch die Zahl und Grösse ihrer Körn- chen allmählig zu, auch während des ausgewachsenen Zustandes: ist eine Zunahme des Gehaltes an kleesaurem Kalk deutlich sicht- bar. Umgekehrt verhält sich der Gerbstoff; er ist am leichtesten in den jüngeren Blattanlagen nachweisbar, nimmt dann an relativer Menge fortwährend ab, ist aber auch noch in den fast ausgewach- senen Blättern, wenn auch nur in sehr geringer Menge, so doch un- zweifelhaft vorhanden. Mit Guayactinctur färbt sich der Weichbast aller wachsenden Blattstiele dunkelblau (Ozonreaction), das Mark nur blassblau. Die jüngsten Blattanlagen werden in ihrem ganzen Umfange in- tensiv blau gefärbt, von etwas älteren Exemplaren nur noch die: 286 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Spreiten. In ausgewachsenen Blättern färbte sich nur noch das Collenchym blau. II. Der Stengel. § 5. Der anatomische Bau des Stengels. Der Stengel der Kartoffelpflanze ist dreikantig; die Kanten sind ın den höheren Theilen flügelartig verlängert, wodurch schmale Leisten entstehen, welche gewöhnlich von einem Blatte bis zu einem der nächst unteren Blätter hinunter steigen. Den älteren schon blätterlosen Theilen fehlen diese Rippen gewöhnlich, in der unterirdischen Strecke sind sie nie vorhanden. Letztere unter- scheidet sich in mancher Hinsicht von den oberirdischen Partien. Sie ist stielrund, und meist verhältnissmässig dünn, ihre Farbe ist weiss, ihre Oberhaut trägt gewöhnlich weder Haare noch Spalt- öffnungen 1). Statt entwickelter Laubblätter trägt die unterirdi- sche Basis des Stammes nur kleine Blattschuppen, aus deren Achselknospen Knollentragende Ausläufer hervorwachsen, wäh- rend neben und über diesen Knospen sich die Anlagen zu neuen Seitenwurzeln finden. Die Grenze zwischen den beiden Zonen des Stengels ist keineswegs scharf bezeichnet; im Gegentheil findet man gewöhnlich etwas über der Oberfläche der Erde eine Strecke, ‚deren Achselknospen zunächst latent bleiben, um später je nach Umständen zu Stolonen oder zu grünen Sprossen oder auch gar nicht auszuwachsen 2). Die Blätter stehen am Stengel in einer Spirale, eins an jedem Knoten. Auf acht Umgängen der Spirale stehen dreizehn Blätter, das vierzehnte steht wieder genau oberhalb des ersten. Jedes Blatt umfasst mit dem breiten Fusse seines Blattstieles nahezu ein Drit- tel des Stengels, es kommen daher die beiden flügelartigen Rän- der des Blattstieles, welche sich abwärts am Stengel fortsetzen und hier die hervorragenden Leisten bilden, in der Entfernung eines Drittels des Umfanges von einander zu stehen. Dieser Um- stand bedingt die dreikantige Form des Stengels; jede von den geflügelten Kanten läuft nach oben in den Rand eines Blattstieles aus, jede flache Seite ist nach oben durch die Anheftungsstelle eines Blattes begrenzt. Auf Querschnitten durch die jüngeren Theile des Stengels sind diese Leisten sehr deutlich, wie z. B. in 1) Schacht, Bericht üb. d. Kartoffelpflanze, S. 7. 2) Nobbe, die Landw. Versuchsstat. IV, S. 95. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 287 der Fig. 5 auf Tafel I im vorigen Beitrag. An älteren Stellen sind die Leisten verloren gegangen und nur die dreiseitige Querschnittsform ist noch kenntlich, wie die Fig. 2, 3, 4 der diesem Aufsatze beigege- benen Tafel II zeigen. Man würde nun leicht zu der Folgerung gelangen, dass die Seiten und Kanten am Stengel in jeder Höhe dieselben wären, dass also die Blätter in drei verticalen Reihen am Stengel stehen müssten. Dem ist aber nicht so. Verfolgt man die Blätter am Stamme von oben nach unten, so sieht man bald, dass kein ein- ziges Blatt sich auf einer flachen Seite ansetzt, sondern dass im Gegentheil die Anheftungsstelle grade auf einer scharfen Ecke liegt. Mit anderen Worten, während unterhalb eines Blattes eine fiache Seite der Mittellinie des Blattes entspricht, entspricht dieser nach oben zu grade eine scharfe Kante. Jedes Blatt fügt also zu den oberhalb vorhandenen drei flachen Seiten eine vierte, und im Knoten ist der Stengel stets viereckig, bald deutlicher bald weniger deutlich. Aber unterhalb des Knotens wird eine von den vier Seiten ver- drängt, und nimmt der Stengel wieder die dreiseitige Querschnitts- form an. Dabei liegen selbstverständlich die drei Seiten nicht ge- nau in der Verlängerung der Seiten oberhalb des betreffenden Blattes. So wechseln am Stengel die flachen Seiten stets ihre Richtung, indem sie in jedem Knoten seitlich verschoben werden. Betrachten wir nun den Verlauf der von den Blatträndern her- ablaufenden Leisten, der sogenannten äusseren Blattspuren ge- nauer. Jedes Blatt setzt auf eine scharfe Kante an, die dort be- findliche Leiste verliert sich also. In jedem Knoten wird eine Seite verdrängt, weil eine neue hinzukommt und die Zahl dieselbe bleibt; die beiden Kanten der verdrängten Seite verschmelzen dabei? So gehen zwei der von oben herabsteigenden Leisten in jedem Knoten verloren, während zwei neue hinzukommen. Daraus folgt, dass von den zwei Blattspuren eines Blattes die eine immer nur bis zum nächst unteren Blatte verläuft, die andere nur bis zum zweitunteren. Eine grössere Länge als von einem oder von zwei Internodien können die Blattspuren also nie erlangen. Und da die Blattstellungsspirale eine linksläufige ist, so ist immer die linke Blattspur die kleinere, die rechte die grössere. Man kann sich von diesen Verhältnissen am leichtesten eine klare Vorstellung ma- chen, wenn man die gegebene Beschreibung mit einem Kartoffel- stengel vergleicht; die Kenntniss des Verlaufes der äusseren Blattspuren ist zwar an sich nicht sehr wichtig, erleichtert aber ungemein die Einsicht in den Verlauf der inneren Blattspuren, de- 288 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nen als den hauptsächlichsten Strömungsbahnen des Wassers und der wichtigen Nährstoffe eine grosse physiologische Bedeutung zukommt. | Als innere Blattspurenstränge bezeichnen wir nämlich die Ge- fässbündel des Stengels. Ein jedes Gefässbündel des Stengels durchzieht nur eine gewisse Anzahl von Internodien, keines läuft durch den ganzen Stengel hindurch. An seinem unteren Ende legt sich ein solcher Strang stets an einen andern Strang an und ver- schmilzt mit diesem; er übergiebt ihm also die in seinen Leitzellen absteigenden Bildungsstoffe. Am oberen Ende biegt sich jedes Gefässbündel aber in den Stiel eines Blattes über, oder richtiger gesagt diese Stelle ist nicht das obere Ende sondern die Mitte, die cbere Hälfte liegt aber nicht im Stengel sondern im Blatt. Ein jedes Gefässbündel verläuft also mit der oberen Hälfte in einem Blatte, mit der unteren Hälfte im Stengel. Diese wichtige anatomische Eigenschaft der Gefässbündel habe ich auch in der Tafel I in schematischer Weise angegeben; man kann das Gefässbündel jedes Blattes nach abwärts im Stengel eine Strecke weit verfolgen. In der Höhe des folgenden Blattes scheint das Gefässbündel plötz- lich aufzuhören (Fig. 1 p), dem ist aber nicht so, es biegt nur seitlich aus, verlässt aber dadurch die Ebene der Zeichnung. Im Blatte haben wir die Gefässbündel sowohl im Stiel als in den Ner- ven bereits ausführlich besprochen; soweit sie im Stengel verlau- fen werden wir sie in diesem Paragraphen beschreiben. Zunächst wollen wir aber die Beziehung der beiden Hälften noch in einigen weiteren Punkten einer genaueren Betrachtung unterwerfen. Insofern nun jedes Gefässbündel des Stengels als Forsetzung eines Stranges aus einem Blatte betrachtet werden kann, führt es den Namen eines Blattspurstranges; sämmtliche Spurstränge eines einzigen Blattes bilden zusammen eine Blattspur. Bevor wir aber die Beziehung der Spurstränge zu ihren Blättern klar verstehen können, müssen wir uns erst eine Uebersicht über die Anordnung der Gefässbündel im Stengel selbst verschaffen. Wir knüpfen diese Betrachtung an die Figur 2 unserer Tafel ll an. Alle Gefässbündel stehen im Stengel der Kartoffelpflanze in einem Kreise; ihre cambialen Zonen sind durch ein intercalares Cambium zu einem allseitig geschlossenen Cylindermantel ver- bunden. Auf jedem Querschnitt sieht man Gefässbündel sehr ver- schiedener Grösse. Gewöhnlich fallen drei Gruppen dickerer Ge- fässbündel auf; sie liegen an den Ecken der dreieckigen Quer- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 289 schnittsfigur des Stengels. In unserer Figur 2 habe ich die Ecken durch fff bezeichnet; die ihnen entsprechenden Gefässbündel- gruppen sind von sehr ungleicher Grösse; in der oberen Ecke liegt nur ein stark entwickelter Strang nebst einigen kleineren, in der linken Ecke drei grössere und mehrere kleinere, in der rechten Ecke endlich eine viel ansehnlichere Anzahl, von denen einige be- reits mit einander verschmelzen. Hätte man einen Querschnitt durch eine tiefere Strecke des Stengels gewählt, so wären zwar die drei Gruppen viel deutlicher hervorgetreten, in ihnen wären aber die einzelnen Bündel nicht oder kaum mehr zu erkennen gewesen. Diesen Zustand zeigt uns z. B. die Figur 3 derselben Tafel bei g, g und g”. Kehren wir zu der Figur 2 zurück. Zwischen den drei Stranggruppen ist der Kreis nicht ganz leer, sondern es zeigen sich überall einzelne kleinere Stränge. Unter diesen hebt sich an der unteren Seite des Dreieckes ein mittlerer Strang (Fig. 2a) deutlich von den übrigen ab; an den beiden anderen Seiten ist dieses in der vorliegenden Figur nicht der Fall. In der Figur 3 sieht man aber in der Mitte einer jeden Seite einen nach innen vorspringenden Strang (a, a’, a”). Diese letzteren Stränge sind die mittleren Spurstränge der drei nächstoberen Blätter; in der Figur 2 gehört a offenbar dem nächstoberen Blatte an, während die zwei darauf folgenden Blät- ter bereits zu weit entfernt sind, als dass ihre mittleren Spur- stränge noch deutlich von den umgebenden Gefässbündeln unter- schieden werden könnten. Alle übrigen Stränge gehören selbst- verständlich den seitlichen Spursträngen der nächstoberen Blätter an, nur muss bemerkt werden, dass auch die mittleren Spurstränge von höheren Blättern als die der nächstoberen im Querschnitte noch vorkommen können, jedoch ist es äusserst schwierig diese aufzufinden und ihre Identität mit Sicherheit nachzuweisen. Wir können sie also, der Einfachheit halber, bei unseren Betrachtungen übergehen. Um die Bedeutung jedes einzelnen Stranges eines gegebenen Querschnittes genau beurtheilen zu können, ist es nothwendig diese Stränge aufwärts bis zu derjenigen Stelle zu verfolgen, wo sie in einen Blattstiel übertreten. Um dieses zu erreichen, gibt es zwei Mittel. Entweder man macht eine Reihe successiver Quer- schnitte durch den Stengel, vom gegebenen Querschnitt allmählig so weit aufwärts gehend, bis man das Austreten des fraglichen Gefässbündels beobachtet hat. Oder man entrindet den Stengel vorsichtig, und verfolgt den Verlauf der Stränge auf der jetzt 19 290 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. blossgelegten cambialen Gewebeschichte. Beide Methoden führen selbstverständig zu denselben Resultaten; die oben gegebene Schilderung des Blattspurverlaufes, sowie die Erklärung von Fig. 2 und 3 beruhen auf Untersuchungen, welche ich nach beiden Methoden ausgeführt habe. In beiden Fällen findet man, dass in der ganzen Länge eines Internodiums die Querschnitte sich nahe- zu gleich bleiben, dass aber in den Knoten der Verlauf der Ge- fässbündel bedeutende Abweichungen erfährt. Am lehrreichsten sind unter den successiven Querschnitten die- jenigen, welche gleich unterhalb der Ansatzstelle eines Blattes genommen worden sind. Durch Vergleichung mit den höher und tiefer liegenden Querschnitten des Stengels, sowie mit dem Quer- schnitt des Blattstieles lässt sich hier leicht die Bedeutung jedes einzelnen Stranges feststellen. Erinnern wir uns der Querschnitts- form eines Blattstiels (Taf. II, Fig. 6). Die Vorderseite ist, ab- gesehen von den beiden leistenförmigen Kanten, nahezu flach, die Hinterseite dagegen sehr stark gewölbt. Die Gefässbündel bilden einen nach vorne offenen Halbkreis, in der Mitte steht der mediane Strang, seitlich liegen zwei grosse Stranggruppen, an den Enden des Halbkreises liegen noch kleine isolirte Stränge. Zwischen diesen wichtigsten Gefässbündeln liegen zahlreiche kleine zer- streut. Ein solcher Querschnitt setze sich nun an die scharfe Kante eines Stengelquerschnittes an. In welcher Weise werden die neu hinzukommenden Stränge aufgenommen werden? Successive Querschnitte lehren folgendes. Zunächst spaltet sich die vor der betreffenden Kante liegende Gefässbündelgruppe. Die Spalte er- weitert sich, bis sie breit genug ist um die gesammten Stränge des Blattes aufzunehmen. Sie dehnt sich dabei bis zu einem Drittel des Stengelumfanges aus, und die Bündel des Blattstieles behal- ten nahezu ihre ursprünglichen gegenseitigen Entfernungen. Dabei verschmelzen die beiden seitlichen Stranggruppen des Blattstieles mit den beiden auseinander gewichenen Stranggruppenhälften des Stengels; die oben erwähnten isolirten äussersten Bündelchen des Blattstielhalbkreises verlieren sich dabei selbstverständlich in je- nen neuen Gruppen. Nun hat aber der Stengelquerschnitt vier grössere Gefässbündelgruppen in seinem Innern, ebenso wie er auswendig viereckig ist. Diesem Uebelstande kann nur durch das Verschwinden einer Seite abgeholfen werden, und zwar ist es die- jenige, welche rechts an der neu aufgetretenen Seite grenzt. Bei ihrem Verschwinden treten ihre Gefässbündel immer näher zu ein- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 291 ander, bis endlich die beiden seitlich von ihr liegenden grösseren Ge- fässbündelgruppen sich vereinigen, und dabei selbstverständlich alle kleinere zwischenliegenden Stränge in sich aufnehmen. Aus dieser Darstellung geht hervor: erstens, dass die unter den Ecken des Stengels liegenden grösseren Gefässbündelgruppen Elemente von sehr verschiedener Herkunft in sich enthalten, der Hauptsache nach aber den seitlichen Stranggruppen des Blatt- stielquerschnitts entsprechen. Zweitens dass der mediane Spur- strang eines jeden Blattes durch drei Internodien abwärts ganz frei von anderen Strängen verläuft; dann aber wird die Seite, deren Mitte er einnimmt, von einem neuen Blatte verdrängt, und er verliert sich also in die Gruppe, welche jetzt durch das Zusammenfliessen aller dieser Seite angehörigen Bündel mit einigen neu zugetrete- nen Bündeln entsteht. Im Allgemeinen verändert sich also der Verlauf und die Anordnung der Gefässbündel in jedem Knoten sehr wesentlich. Bei den mitgetheilten Untersuchungen ist es nicht gleichgültig, in welcher Höhe des Stengels man das zu untersuchende Material wählt. Denn einerseits wird in den unteren Partien die Deutlich- keit durch die Verschmelzung und das nachträgliche Dicken- wachsthum, zumal aber durch die Entstehung von intercalarem Holz sehr beeinträchtigt. Wählt man dagegen die allerjüngsten Stengelglieder, so sind die Gefässstränge noch nicht hinreichend ausgebildet, um leicht kenntlich zu sein. In etwas älteren Gliedern ist die Zahl der ausgebildeten Blattspuren nur eine geringe, und nach unten zu nimmt diese allmählich zu, bis endlich in der Höhe der fertig entwickelten Blätter, wo auch der Stengel ausgewach- sen ist, die Verhältnisse am leichtesten verstanden werden kön- nen. Schreiten wir jetzt zur, Beschreibung des feineren anatomischen Baues des Stengels, und betrachten wir dabei zunächst wieder ein Internodium aus dem mittleren Theile des Stengels, wie ein sol- ches in unserer Fig. 2 auf Taf. II im Querschnitt abgebildet ist. Die Oberhaut besteht aus länglichen Zellen, welche in der Rich- tung der Stengelachse um ein geringes länger sind als in der Quer- richtung, und welche von einfach gebogenen, nicht geschlängelten Seitenwandungen begrenzt sind. Stomata sind selten, de Bary 1) gibt 4 Luftspalten auf 1 qmm an, ich selbst fand auf einer gleich- grossen Fläche deren 7. Auf der Oberhaut heben sich die Stomata 1) de Bary, Anatomie, S. 51. 292 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. besonders dadurch ab, dass sie von zahlreichen isodiametrischen Zellen umgeben sind. Solche Fleckchen sind dem Auge als kleine Pünktchen sichtbar. Auf den Leisten zeigt die Epidermis denselben Bau, und sind hier die Spaltöffnungen noch spärlicher vertreten. Am Rande der Leisten kommen Haare und Drüsenhaare vor, wel- che sonst auf dem Stengel seltener sind; ihr Bau ist derselbe, wie wir ihn für die entsprechenden Gebilde auf den Blättern beschrie- ben haben. Die äusserste Rindenschicht unterhalb der Epidermis bildet ein Collenchymgewebe, welches sich durch lang-cylindrische Zellen und stark verdickte Längswände leicht von dem eigentlichen grosszelligen und dünnwandigen Rindenparenchym unterscheidet. Sowohl das Leimgewebe als die übrige Rinde führen Blattgrün- körner. Die einzelnen Stränge des Gefässbündelkreises sind bicollate- ral, d. h. ihr Holztheil liegt in der Mitte, und ist sowohl nach aus- sen als nach innen zu von Weichbast begrenzt. Der Holztheil be- " steht ursprünglich aus Ring- und Spiralgefässen und dünnwandi- gen gestreckten Holzelementen, beim nachträglichen Dicken- wachsthum werden vom Cambium aus poröse Gefässe und dick- wandige Holzzellen gebildet. Sowohl der innere als der äussere Weichbast bestehen aus parenchymatischem Gewebe, durch welches Bündel von Siebröhren und Bastfasern hindurchziehen. Der peripherische Weichbast ist im Holze durch das Cambium getrennt, und wird von diesem aus immer vergrössert; dem axilen Bast geht ein solches Fortbildungsgewebe ab. Daher sind in meinen Figuren (Tafel II) im letzteren die einzelnen Siebröhren- bündel stets besonders als Eiweissleitende Gewebepartien ange- geben, während der äussere Bast als ein Ganzes betrachtet, und dementsprechend seiner ganzen Ausdehnung nach violett gefärbt worden ist. Die Siebröhrenbündel des axilen Theiles sind sehr schön ausgebildet und leicht kenntlich; oft hat ein ganzes Bündel im Querschnitt nur die Grösse einer einzigen der umgebenden Parenchymzellen, und machen die Bündel also auf den ersten Blick den Eindruck von Zellen, welche durch zahlreiche feine Wan- dungen in ein Netzwerk kleiner Zellen vertheilt sind. Im Längs- schnitt erkennt man jedoch diese kleinen Zellen als langgestreck- te, cylindrische, querabgestutzte Gebilde, welche als imperforirte- Gefässe zu betrachten sind, und sich durch den eiweissreichen In- halt und die dünnen Zellhäute leicht als zu den Siebröhren gehörige Formen zu erkennen geben. Auf der axilen Seite dieser Siebröhren- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 293 bündel stehen gewöhnlich Gruppen von Bastfasern, langen ge- schmeidigen, an den Enden sehr allmählig zugespitzten, dick- wandigen Zellen, sie bilden meist die innere Grenze des Gefäss- bündels. Die Siebröhrenbündel und Bastfasern des peripherischen Weichbastes zeigen in der Hauptsache dieselben Eigenschaften wie die soeben beschriebenen. Ausserhalb der Gefässbündel kommen in der äusseren Zone des Markes noch besondere Siebröhrenbündel vor, welche zwar den- selben Bau wie die anderen besitzen, jedoch allseitig vom Grund- gewebe des Markes umgeben sind. Solche markständige Bündel erkennt man zumal an Querschnitten aus jüngeren Internodien, wenn auf grösseren Strecken des Gefässbündelkreises noch keine Gefässstränge angelegt sind; es ist dann deutlich, dass die dort liegenden Siebröhren nicht zu den Gefässbündeln gehören. In dem in Fig. 2 Tafel II abgebildeten Querschnitt war dieser Beweis schon weniger leicht zu führen. Das Mark selbst besteht aus breiten, cylindrischen Zellen, wel- che im mittleren Theil oft Luft führen, oft aber auch gänzlich zer- rissen sind, wodurch das Mark hohl wird. Wenn die Internodien älter werden, entwickelt sich zwischen ` den einzelnen cambialen Zonen der Gefässbündel ein intercalares Cambium, und von diesem geschlossenen Cambiumring geht das nachträgliche Dickenwachsthum aus. Zunächst überwiegt die Thätigkeit des Cambiums in den Gefässbündeln, wie uns die Fig. 2 zeigt, wo fast jeder Strang einen secundären Holzkörper hat, während zwischen den Strängen das verbindende Gewebe sich noch im meristematischen Zustand befindet. Bald aber entsteht ein vollständiger Holz- und Bastring, und damit ist der Anfang zu einer gänzlichen Formveränderung des Stengelquerschnittes ge- macht. Die einzelnen Stränge treten stets mehr in den Hintergrund, dagegen wachsen die drei grösseren Gefässbündelgruppen (Fig. 2 fff) sehr stark heran, und bald ist fast nur noch der Unter- schied zwischen diesen und dem intercalaren Holze deutlich (Fig. 3 g, g' g"). Im letzteren verschwinden die ursprünglichen Gefäss- stränge immer mehr, und sind später gar nicht mehr zu erkennen (Fig. 4); man sieht nur noch drei dickere vor den Ecken des Stengels liegende Theile des Holzringes, und die dünneren den flachen Seiten entsprechenden Stellen. Wenn in den unteren Sten- geltheilen bei einer Dicke der Internodien von etwa 1 cm der Holzring eine Mächtigkeit von etwa 2 mm erreicht hat, so erkennt 294 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. man diese Sectoren des Holzringes auf den ersten Blick, alles an- dere tritt gegen sie zurück und nur bisweilen ist noch die Lage der medianen Blattspurstränge durch kleine Vorsprünge der Holz- körper in das Mark angedeutet. Diese sechs Sectoren des Holzringes unterscheiden sich aber nicht nur durch ihre Herkunft und ihre Mächtigkeit, sondern in noch auffallenderer Weise durch ihren anatomischen Bau. Da diese Unterschiede fast in jeder concentrischen Schicht auftreten, so ist es nothwendig etwas ausführlicher auf sie einzugehen. Ich werde dabei die in den Kanten des dreieckigen Stengelquerschnit- tes liegenden Holztheile, welche aus den zahlreichen grösseren ursprünglichen Gefässbündeln entstanden sind, das normale Holz (Fig. 3 g, g', g") alles übrige aber das intercalare Holz nennen. Ich wähle diese Bezeichnungen nur der Einfachheit halber, ohne behaupten zu wollen, dass etwa alles intercalare Holz auch wirk- lich aus intercalarem Cambium entstanden wäre. Bereits in der Markkrone fangen die Unterschiede an. Die Mark- krone ist an den Sectoren des normalen Holzes sehr stark ent- wickelt, und springt hier nach innen bedeutend vor. Dem bicolla- teralen Bau der ursprünglichen Gefässbündel entsprechend, be- steht sie aus primairem Holz und Weichbast. Die vorspringenden Markkronentheile der normalen Sectoren sind nun von einer fast ununterbrochenen Schicht von Siebröhrenbündeln umgeben, wel- che nach dem Marke zu von zahlreichen Gruppen von Bastfasern begrenzt ist. Im übrigen Umfange des Markes sind die Leitzellen- bündel sehr wenige, die Bastfasern höchst einzelne, und nur wenn etwa die Krone einer medianen Blattspur (Fig. 3 a, a’, a”) sicht- bar ist, ist diese etwas reichlicher an den beiden genannten Ge- webeelementen. Das Holz ist in den normalen Sectoren äusserst reich an porösen Gefässen, im intercalaren Theil dagegen sehr arm an Gefässen, ja stellenweise völlig gefässlos. Im übrigen ist das Holz an beiden Stellen ziemlich regelmässig aus im Querschnitt viereckigen Holz- fasern gebaut; die Markstrahlen sind im normalen Theil zahlrei- cher und breiter als im intercalaren, meist einzellig, oft bis sechs Zellen breit, und überall reichlich Stärke führend. In den porösen Gefässen des Holzes werden bisweilen Thyllen beobachtet. 1) Auch der Bau des Bastes ist verschieden; in den intercalaren 1) de Bary, Anatomie, S. 178. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 295 Zonen ist er kaum entwickelt, und führt nur zerstreute dünne Sieb- röhrenbündel und ganz einzelne Bastfasern. Im normalen Theile ist der Weichbast zu einer dicken Gewebeschicht geworden, und reich an Siebröhrenbündeln und Bastiasern. Endlich hat auch die Rinde durch das nachträgliche Dicken- wachsthum einen Einfluss erfahren, welcher sich in verschiedener Weise in den verschiedenen Sectoren des Stengels geltend macht. Vor dem gefässreichen Holze hat das Rindenparenchym, der star- ken Wölbung der Ecken des Stengels entsprechend, eine so starke tangentiale Dehnung und radiale Abplattung erfahren, dass die einzelnen Zellen kaum mehr zu erkennen sind. Vor den gefässlosen Theilen ist von einer solchen Dehnung nichts zu bemerken, die Zellen sind gross und rund, wie sie im jüngeren Zustande waren. Auf den Grenzen beider Partien sieht man alle Uebergänge, hier kann man die tangentiale Dehnung und die in Folge davon auf- tretenden radialen Theilungswände sehr schön verfolgen. § 6. Die Bewegung der plastischen Stoffe im Stengel. Die organischen Stoffe, welche in den Blättern aus unorgani- schem Material gebildet werden, werden durch die Blattstiele fortwährend dem Stengel zugeführt. Wir haben in unserem § 3 gesehen, dass es vorwiegend Eiweiss und Traubenzucker waren, welche dem Stengel zuwanderten. Das Eiweiss ist der Vertreter der stickstoffhaltigen organischen Nährstoffe, wir fanden es in den Basttheilen der Gefässbündel. Der Traubenzucker bewegte sich im parenchymatischen Grundgewebe zumal im Umkreise der Ge- fässbündel. Ausserdem führte die Stärkeschicht zu gewissen Zeiten noch Stärke, welche sich ebenfalls abwärts in den Stengel bewe- gen muss. Wir haben also in diesem Paragraphen die Frage zu beantwor- ten, in welcher Weise sich das Eiweiss, der Traubenzucker und die Stärke aus den Blättern durch den Stengel weiter bewegen. Die Antwort zerfällt in zwei Abschnitte, deren erster uns die Wanderung dieser Stoffe in ihren allgemeinsten Zügen vorführt, deren zweite aber die Vertheilung der Bildungsstoffe im Stengel nach dem microchemischen Befunde eingehend schildert. Es leuchtet ein, dass die Richtung der Bewegung vorwiegend durch die Lage der Blätter im Verhältniss zu den Orten des Ver- brauchs oder der Aufspeicherung bestimmt wird. Letztere finden wir nun einerseits in den wachsenden Gipfeln der beblätterten 296 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Triebe und in den Blüthen und unreifen Früchten, andererseits in den Knollen tragenden Ausläufern und den Wurzeln. Ferner wer- den im Cambium für das Dickenwachsthum, und endlich in allen lebenden Zellen der ganzen Pflanze für die Athmung Bildungs- stoffe verbraucht. Dass die Stoffe sich nach den erstgenannten ‚Orten aufwärts, nach den letztgenannten abwärts bewegen müs- sen, ist selbstverständlich. An dieser Bewegung betheiligen sich nun die einzelnen Gewe- bepartien des Stengels derart, dass das Eiweiss sich in den Sieb- röhrenbündeln des Markes, sowie des inneren und äusseren Bastes der Gefässstränge bewegt, während für den Zucker das Grundgewebe die Bahn bildet. Jenachdem der Zucker in grösserer oder geringerer Quantität den Stengel durchzieht, benutzt er die ganze Bahn (Fig. 4), oder nur bestimmte Theile. In dem in Fig. 2 auf Tafel II abgebildeten Fall bewegt er sich ausschlieslich in der äusseren Rinde, oft erfüllt er auch vorzugsweise die äusse- ren Markzonen oder die Zuckerscheide des Gefässbündelringes, d. h. die jenen Ring zunächst umgebende Rindenzone. Das innere Mark ist oft lufthaltig, oft völlig zerrissen, in beiden Fällen selbst- verständlich unwegsam; aber auch im saftigen Zustand dient es häufig dem Zucker nicht als Bahn (Fig. 3). Wenn Stärke in den erwachsenen Stengelgliedern vorkommt, so beschränkt sie sich gewöhnlich auf die Stärkescheide, aber bei den meisten von mir untersuchten Kartoffelstauden war der Stengel gewöhnlich völlig frei von Stärke. Die Zahl der Gewächse mit markständigen Siebröhrenbündeln ist nicht gross, und daher mögen hier einige Beobachtungen an- geführt werden, welche direct zeigen, dass sowohl die stickstoff- haltigen als die stickstofffreien Bildungsstoffe sich bei unserer Pflanze im Marke bewegen können. Der erste Versuch rührt von Knight her. Er entnahm jungen Kartoffelstauden Rindenringe, und beobachtete, dass durch diese Unterbrechung des Rindenzu- sammenhanges die Ausbildung der jungen Knollen zwar gehin- dert, aber doch nicht völlig unmöglich gemacht wurde. Han- stein 1), dem ich diese Angabe entlehne, erklärte die Beobach- tung, indem er auf die Anwesenheit der Leitzellengruppen im äusseren Marke wies. Die zweite Beobachtung wurde von Han- stein 2) gemacht; er fand, dass Stecklinge von Kartoffeln, welche 1) Knight Roy. Soc. 1806, May 15, und Hanstein, Pringsheim’s Jahrbücher Il, S. 442. 2) Hanstein, Milchsaftgefässe S. 57. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 297 geringelt waren, zwar keine Wurzeln bildeten, statt deren aus dem kurzen Ende unterhalb der Ringelung Zweige trieben, die an Masse zu bedeutend waren, als dass sie jenem kleinen Theil des Stengels allein entstammen könnten. Auch für sie müssten die plas- tischen Stoffe also durch das Mark zugeführt worden sein. Wir wollen jetzt auf die Vertheilung der plastischen Stoffe im Stengel in verschiedenen Altersstadien schildern. Schon die von Sachs 1) mitgetheilten Angaben zeigen, dass diese Vertheilung nicht immer derselben Regel folgt. Sachs fand an einer jugendlichen etwa 30 cm hohen Kartoffel- staude, welche rasch emporgewachsen war und offenbar bis da- hin hauptsächlich auf Kosten der ausgesogenen Mutterknolle sich entwickelt hatte, den Stengel in jeder Höhe äusserst arm an In- haltsstoffen. Traubenzucker war gar nicht nachzuweisen, Stärke war nur in den Stärkeschichten der jüngsten noch wachsenden Internodien abgelagert, in den fertig gestreckten Stengelgliedern enthielt sogar die Scheide kein Amylum mehr. Sachs schliesst daraus, dass die Leitung der Reservestoffe aus den Blättern noch nicht angefangen hatte. Dieser Zustand entspricht also, soweit es die oberirdischen Theile anbelangt in der Hauptsache dem Ende der Keimungsperiode, wie wir dieses auf unserer Tafel II im vierten Beitrag. (Opera III, S. 200) abgebildet haben. Mitte Juni untersuchte ich nach anhaltendem Regenwetter die Sprosse einer 40 cm hohen jugendlichen Staude der Sechswochen- kartoffel. Auch hier konnte ich weder in den Blättern, noch in den oberirdischen Stammtheilen Zucker nachweisen. Eiweiss war überall in geringer Menge in den Bastgeweben zu sehen; die Stärke fehlte, wie in dem von Sachs untersuchten Strauch in den unteren Stengelgliedern mit Ausnahme einiger wenigen Stellen in der äusseren Markzone vollends, in den noch wachsenden Glie- dern erfüllte sie nur die Stärkescheide. Mitte August fand ich die Sprosse bereits viel inhaltsreicher. Eine 60 cm hohe Staude zeigte folgende Vertheilung der plasti- schen Stoffe. Die jüngeren Theile zeigten überall den Stärkering voll Stärke, und das Bastgewebe oben mit wenig, unten mit einer zunehmenden Menge Eiweiss erfüllt. Traubenzucker oben nur sehr spärlich; in etwa 10 cm Entfernung vom Gipfel im Rindenparen- chym deutlich aber nicht viel, in 20 cm Entfernung vom Gipfel enthielt sowohl das Mark als die Rinde Zucker, aber nicht viel. 1) Sachs, Pringsheim’s Jahrbücher III, S. 221—223. 298 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Nach unten zu nahm nun, in dem völlig beblätterten Spross der Gehalt an Zucker stetig zu. In einer Höhe von 25 cm oberhalb der Erde war schon viel Zucker im Collenchym, wenig überall im Rin- denparenchym, etwas mehr in der äusseren Zone des Markes. Weni- ge Centimeter über der Erdoberfläche war die Zuckerreaction schon sehr intensiv, die ziegelrothe Farbe der Kupferoxydulkörnchen dem blossen Auge deutlich sichtbar, zumal im äusseren Marke; hier enthielt auch das innere Mark Zucker. Stärke im Stärkering, nur stellenweise, auch in den breiteren Sectoren der Markscheide in merklicher Menge. Zwischen den Stolonen nahm der Gehalt an plastischen Stoffen wieder allmählig ab. Der Zucker war nur in geringer Menge vorhanden, um so mehr, da durch das bedeuten- de Dickenwachsthum seine Bahnen relativ schmaler geworden waren. Dagegen fand ich hier sowohl im Mark der Rinde, als in den Markstrahlen des Holzes viel Amylum abgelagert, welches offen- bar für den Verbrauch beim Dickenwachsthum bestimmt war. Sachs untersuchte im August eine bereits abgeblühte Kartof- felstaude von 50 cm Höhe. Er fand in den oberirdischen Theilen keinen Zucker, sondern etwas Stärke in der Scheide und dem äusseren Marke, im unterirdischen Theil dagegen keine Stärke, sondern viel Traubenzucker. Offenbar war seine Pflanze unter weniger günstigen Umständen gewachsen als die von mir unter- suchte, da sie etwas leerer war. In der Hauptsache zeigen beide Beobachtungsreihen jedoch Uebereinstimmung, in sofern die Stärke überall in geringer Menge vorkommt, und der Gehalt an Zucker im Stamme nach unten zu stetig zunimmt. Ende August wählte ich einen 130 cm langen Stengel, der nur noch im oberen 20 cm langen Gipfeltheil beblättert war, und einige wenige beblätterte Seitensprosse in verschiedener Höhe trug. Der Stamm war unten 14 mm dick und stark verholzt. Er wurde in zehn verschiedenen Höhen auf seinen Gehalt an Inhalts- stoffen geprüft. Ich fand dabei nur in den obersten Internodien, sowie andererseits in der unterirdischen Strecke Stärke. Zucker in ziemlich gleichbleibender Menge, in jeder Höhe, ebenso überall etwas Eiweiss. Die oberste, 40 cm lange Strecke des Stengels zeigte fast überall dieselbe Vertheilung, Zucker in allem Paren- chym von Rinde und Mark in geringer Menge; ebenso im Collen- chym und in den Flügelleisten. Reich an Zucker war nur die äus- sere Markzone; auch der peripherische Weichbast führte Zucker. Die Stärkescheide führte zwar Zucker, aber nur in den jüngeren Internodien noch Stärke, hier stellenweise auch im äusseren WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 299: Mark. Eiweiss enthielten das Cambium und die Siebröhrenbündel. Der untere unbeblätterte und astlose Theil des Stengels enthielt keine Stärke, und in allem parenchymatischen Gewebe, auch im Weichbast überall geringe aber deutliche Mengen von Zucker. Ein ähnliches Stadium untersuchte Sachs Mitte September, er fand in jeder Höhe des Stengels geringe Mengen von Stärke in Mark und Rinde, und überall einen reichlichen Gehalt an Zucker, bis abwärts zu den Knollen. Seine Pflanze war offenbar viel in- haltsreicher als die von mir studirte. Für die späteren Alterssta- dien verweise ich auf den Paragraphen des letzten Abschnittes, welcher von der herbstlichen Entleerung handeln wird. S 7. Bewegung und Verbrauch der Nährstoffe beim Wachsthum des Stammes. Ueber die Stoffvertheilung und den Verbrauch der plastischen Stoffe in den noch wachsenden Stengelgliedern habe ich nur sehr wenig zu bemerken, da einige wichtige Detailangaben schon in früheren Paragraphen gemacht worden sind. Es erübrigt nur noch den allgemeinen Gang der Erscheinungen kurz zu schildern. Nur die Vegetationsspitze selbst ist gänzlich mit Eiweiss erfüllt, gleich unterhalb derselben tritt feinkörnige Stärke im Mark, und bald auch in der Rinde auf, und nur in dem meristematischen Ringe, in welchem sich die Gefässbündel differenziren werden, führen die Zellen noch Eiweiss. Sobald äusserlich eine deutliche Streckung der Internodien sichtbar ist, löst sich die Stärke, es tritt Traubenzucker in den Zellen auf, und nach kurzer Zeit verschwin- det dieser wieder, da er zum Wachsthum der Zellhaut verbraucht wird. Während der ersten Zeit des Auftretens des Zuckers ist die Stärke im Parenchym von Rinde und Mark noch in abnehmender Menge sichtbar, später zieht sie sich gänzlich auf den Stärkering zurück und bleibt hier während der weiteren Streckung in bald grösserer, bald geringerer Menge liegen. Zumal dort, wo die Spurstränge der Blätter in den Stengel übertreten, finde ich in den wachsenden Internodien Stärke in der Scheide, in einiger Entfer- nung von den Blättern meist aber keine mehr. Offenbar werden die plastischen Stoffe in dem Maasse, wie sie zugeführt werden, auch verbraucht, eine Aufspeicherung in den wachsenden Zellen findet dabei nicht statt. Es ist zu bemerken, dass diese Untersuchungen hauptsächlich in eine warme regnerische Zeit fielen, wo das Wachsthum ein sehr üppiges war, die Neubildung organischer 300 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Substanz in den Blättern aber nicht besonders ausgiebig sein konnte. Vielleicht würde man, bei einer Wiederholung dieser Beobachtungen in trockener Sommerzeit, bei kräftiger Besonnung der Pflanzen, auch die wachsenden Theile viel reicher an Bil- dungsstoffen finden, als dies bei meinen Beobachtungen der Fall war. Wie bei der Entwicklung der Blätter, so treten auch in den wachsenden Stengelgliedern einige andere Stoffe auf, welche eine kurze Berücksichtigung verdienen. Zunächst der oxalsaure Kalk, der in den zahlreichen zerstreu- ten Körnchenschläuchen der Rinde und des Markes schon in der ersten Jugend auftritt, und während des ganzen Lebens an Menge zunimmt. Dann der Gerbstoff, welcher im Parenchym, zumal im Marke der jüngsten sich streckenden Internodien deutlich nach- weisbar ist, und sich bei fortschreitender Streckung immer mehr verliert. Endlich das Ozon, welches in allen wachsenden Interno- dien den Weichbast bei Behandlung mit Guayactinctur dunkel- blau, den inneren weniger intensiv blau, und das Mark ziemlich blass färbt. In den allerjüngsten Internodien wird durch diese Reaction alles Gewebe blau, in den ausgewachsenen konnte ich die Farbe nur noch im Collenchym und in der äusseren Zone des Markes an einzelnen Stellen hervorrufen. II. Die Wurzel. § 8. Der Bau und das Leben der Wurzeln. Die aus einer Knolle erwachsene Kartoffelstaude hat selbstver- ständlich keine Hauptwurzel, sondern nur Nebenwurzeln, welche aus den Knoten der unterirdischen Sprosstheile entspringen. Wir haben in unserem vierten Beitrage beschrieben, wie die Wurzel- anlagen in einem sanften Bogen neben und über den Knospen jeder Achsel stehen; in der Keimungsperiode sind es deren meist- nur drei, später häufig fünf in einer Blattachsel. Diese Anlagen wach- sen zu langen ziemlich gleichdicken und anfangs sich nur wenig verästelnden Knotenwurzeln aus, welche um den Stamm herum ein dichtes Geflecht bilden, das aber nur wenig tief in die Erde hinunter dringt. Nach Thiell), ist die Hauptmasse der feineren, viel 1) Thiel, Landw. Centralblatt, 1870, II, S. 349, citirt nach Jahresber. für Agric.-Chemie, 1870—72, S. 78. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 301 verzweigten, jungen und für die Nährstoffaufnahme thätigen Wur- zeln, in der oberen, 20 bis 25 cm tiefen Bodenschicht enthalten. Nach Hosaeus 1) ist die Masse der Wurzeln gegenüber derjenigen der übrigen Theile bei der Kartoffelpflanze eine auffallend geringe, da die Gewichtsmenge der Wurzeln seiner (in Tiöpfen gezoge- nen) Exemplare nur den zZ Theil des Gewichts der ganzen Pflanze erreichte, während bei fast allen übrigen Gewächsen, die Wurzeln 1 wenigstens -—. des Totalgewichtes der Pflanze lieferten. Der anatomische Bau der Wurzeln ergiebt sich der Hauptsache nach aus der Betrachtung der Fig. 9 auf Tafel II. Diese Figur stellt einen Querschnitt durch eine Knotenwurzel dar. Man erkennt eine mächtig entwickelte Rinde, und einen centralen Holzkörper mit zahlreichen weiten Gefässen. Der Holzkörper zeigt einen drei- strahligen Bau, er ist ringsherum vom Cambium und vom Weich- bast umgeben, welche Theile wegen ihres Gehaltes an Eiweiss durch eine violette Farbe bezeichnet sind. Die jüngeren Wurzeln, in denen noch kein nachträgliches Dickenwachsthum stattgefun- den hat, besitzen einen dünnen centralen Strangkörper, der aus zwei oder drei Vasalgruppen, und ebensovielen damit im Kreise abwechselnden Bastgruppen besteht. Später bildet sich auf der Innenseite der letzteren und der Aussenseite der ersteren eine Cambiumschicht, welche dadurch die Form einer Ellipse oder eines Dreiecks (wie in Fig. 9) erhält. In den ersteren Fällen stehen die Nebenwurzeln einer solchen Wurzel in zwei Reihen, in den letzteren Fällen in drei Orthostichen, da die Nebenwurzelanlagen immer nur auf der Aussenseite der primairen Vasalbündel entste- hen. Die Knotenwurzeln bleiben stets dünn. Dagegen zeigt die Haupt- wurzel der aus Samen gezogenen Pflanzen meist ein sehr an- sehnliches nachträgliches Dickenwachsthum. Eine Hauptwurzel einer erwachsenen Samenpflanze besteht aus einem sehr dicken centralen Holzkörper, und einer nur dünnen Bast- und Rinden- schicht. An jüngeren Hauptwurzeln erkennt man noch die beiden primairen Vasalgruppen, später werden diese ganz unkenntlich. Das secundaire Holz ist äusserst reich an porösen Gefässen, die- meisten haben ein weites Lumen, bestehen aber nur aus sehr kur- zen Gliedern. Oft herrschen die Gefässe so sehr vor, dass zwischen ihnen kaum noch Holzzellen anzutreffen sind. Die Holzzellen sind. 1) Hosaeus, Jahresber. f. Agric.-Chemie, 1870—72, S. 64. 302 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nicht sehr dickwandig, kurz, häufig an den Enden zugespitzt, bis- weilen aber quer abgestützt. In den Gefässen beobachtete ich bis- weilen sehr schöne Thyllien, wie solche auch im Holze des Stengels vorkommen 1). Die Vertheilung der plastischen Stoffe in den Wurzeln bietet wenig Besonderes. Gewöhnlich findet man das Rindenparenchym voll Zucker, Eiweiss nur im Baste, und nirgendwo Stärke (Vergl. Fig. 9 Tafel II). Die Rinde ist meist reich an oxalsaurem Kalk, der wie im Stengel, in zerstreuten Körnchenschläuchen abgelagert ist, In anderen Fällen findet man weder Stärke noch Zucker in den ausgewachsenen Wurzeltheilen. Die Wurzelspitzen enthalten Eiweiss, die Hauben Stärke, das Streckungsgewebe häufig eben- falls Stärke. Obgleich die Wurzeln der Kartoffelpflanze im Vergleich zu de- nen anderer Gewächse nur wenig kräftig entwickelt sind, so kön- nen sie doch bei der Leitung des Wassers erhebliche Kräfte ent- wickeln. Man weiss, dass zahlreiche Pflanzen, sowohl Bäume und Sträucher als Kräuter unter Umständen aus ihren Wurzeln das Wasser mit einer gewissen Kraft in den Stamm hinaufpresssen. Die dazu erforderliche Bedingung ist, abgesehen von der Feuch- tigkeit und der Temperatur des Bodens hauptsächlich die, dass die verdunstenden Blätter das Wasser nicht mit grösserer Ge- schwindigkeit saugen als die Wurzeln es empor drücken können. Denn in diesem Falle, der allerdings der normale in der Natur ist, ist von einer Leistung des Wurzeldruckes selbstverständlich nichts zu bemerken. Sobald aber die Verdunstung gehemmt wird, tritt der Wurzeldruck in erfolgreiche Thätigkeit. Am schönsten beob- achtet man seine Wirkung, wenn man den ganzen Stengel sammt seinen Blättern abschneidet, es wird dann nach kurzer Zeit Saft aus dem Querschnitte des Stammstumpfes herausgepresst. So fand z. B. Nobbe 2) als er am 12. Juni eine grössere Zahl von Kartoffelstauden vor der Blüthe in geringer Höhe über der Erd- ‚oberfläche durchschnitt, dass die Stumpfe 8 Tage lang so mächtig bluteten, dass der Boden ringsum einen Quadratfuss weit benetzt wurde. Auch im Juli beobachtete Nobbe das Bluten, im August dagegen bluteten abgeschnittene Kartoffelstumpfe nicht 3). Setzt man dem Stumpfe eines Kartoffelstengels gleich nach dem 1) Vergl. Seite 294. 2) Nobbe. Die Landw. Versuchsstat., VI, S. 458. 3) 1. c. S. 457 und 459. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 303 Abschneiden des Krautes in geeigneter Weise ein Glasrohr auf, so tritt der Saft in dieses Rohr und sammelt sich hier. Wenn man von Zeit zu Zeit die Flüssigkeit aus der Röhre entfernt, kann man die Quantitäten Saft bestimmen, welche während einer bestimmten Zeit von einer Pflanze geliefert werden. Solche Messungen sind von Sachs ausgeführt, und von Hofmeister in seiner bahnbrechen- den Arbeit über Spannung, Ausflussmenge und Ausflussgeschwin- digkeit von Säften lebender Pflanzen 1) veröffentlicht. Die Versu- che von Sachs waren mit zwei Pflanzen angestellt, deren sämmt- liche Sprosse dicht an der Erde abgeschnitten, und deren stärk- stem Sprosse einer jeden das Rohr aufgesetzt war. Die Versuche fingen am 29. Juli an, und dauerten bis zum 4. August, während dieser Zeit wurde die Röhre der einen Pflanze viermal, die der anderen zweimal entleert. Indem ich für die mitgetheilten Zahlen auf das Original 2) verweise, theile ich hier nur mit, dass die stündlichen Ausflussmengen bei dem einen Exemplar zwischen 0,8 und 2,5 ccm, bei dem andern zwischen 0,5 und 2,8 ccm schwankten. Die Beobachtungen waren während fast unausge- setztem Regenwetter, also bei einem von Feuchtigkeit gesättigten Boden, angestellt. Eine Analyse des Blutungssaftes lieferte Ulbricht 3). Er sammelte den Saft an Stöcken, welche am 9. Juli abgeschnitten waren, und befolgte dabei die von Sachs benutzte Methode. Die meisten der 39 von ihm verwendeten Stengel bluteten während 6—7 Tage, einige sogar während 8 Tage. Der aufgefangene Saft war wasser- hell, schwach sauer und enthielt in einem Liter 1,19 bis 1,61 g Trockensubstanz, wovon 0,91 bis 1,16 g nach dem Glühen als Asche übrig blieb. Diese enthielt Kali und Kalk in relativ grosser, Natron, Talkerde, Phosphorsäure und Schwefelsäure in geringe- rer Menge; von Kieselsäure und Eisen nur Spuren. Für die Zahl- angaben über Menge und Zusammensetzung des in fünf Portionen aufgefangenen Saftes verweise ich auf das Original. Das Minimum der Bodenfeuchtigkeit, welches die Kartoffel- pflanze braucht, um nicht zu welken, liegt nach Risler 4) bei 9—10 Proc. Wassergehalt der Erde. 1) Flora 1862, S. 97. 2) Flora 1862, Beilage S. XI, Versuch 19 und 20. 3) Ulbricht, Die landw. Versuchsstat. 1864, VI, S. 469. 4) Jahresber. f. Agriculturchemie 11—12, 1868—18€9, S. 268. 304 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. IV. Blüthe und Frucht. 89. Der Bau der Blüthe und der Frucht. Die Blüthen der Kartoffelpflanzen sind zu wickelartig verzweig- ten Inflorescenzen vereinigt, welche scheinbar in den Achseln der Stengelblätter stehen. Auf den ersten Blick zeigt die Anordnung dieser Inflorescenzen nichts Auffallendes, bei genauerer Betrach- tung stellt sich aber heraus, dass ihre Beziehung zu dem sie tra- genden Sprosse eine ziemlich complicirte ist. Denn während wir scheinbar einen einfachen beblätterten Stengel, mit seitlich abgeh- enden Blüthensprossen sehen, bilden in Wirklichkeit die Inflo- rescenzen jedesmal den Gipfel des Hauptsprosses, und ist der be- blätterte Trieb neben dem Blüthensprosse nur als ein Seitenzweig zu betrachten. Dieser Zweig entwickelt sich so kräftig, dass er sich in die Verlängerung der Hauptachse stellen kann, und dabei den wirklichen Gipfel, den Blüthenspross zur Seite wirft, ein Um- stand, der selbstverständlich an seinem morphologischen Werth als Seitenspross nichts verändern kann. Bei diesen Erscheinungen treten aber noch weitere Complicationen auf, welche in der Haupt- sache in einem Hinaufwachsen des Vorblattes der Inflorescenz an seinem Achselsprosse, und in einer theilweisen Verwachsung die- ses Sprosses mit dem Stiele der Inflorescenz bestehen. Durch diese Verwachsungen kann man die eigenthümliche Stellung der Blät- ter am blühenden Kartoffelstengel vollständig erklären, jedoch ist . es nicht möglich ohne Abbildungen davon eine klare Darstellung zu geben. Und.da die Erscheinungen rein morphologischer Natur sind, und für unsere späteren Auseinandersetzungen kaum Bedeu- tung haben, so verzichte ich hier auf eine detaillirte Beschreibung. Es möge hinreichen auf die Verwachsungen hingewiesen zu haben, eine klare Einsicht gibt die Darstellung Eichler’s in dessen Blü- thendiagrammen 1), wo auch die Verhältnisse durch schematische Figuren erläutert sind. Die Blüthe der Kartoffelpflanze ist sowohl im erwachsenen als im Knospen-Zustande von Schacht in seinem Berichte über die Kartoffelpflanze in musterhafter Weise dargestellt worden. Jedem, der sich eine klare Vorstellung von dem Bau dieser Blüthe und ihren einzelnen Theilen machen will, empfehlen wir die Verglei- chung der zahlreichen dort gegebenen Detailfiguren 2). 1) Eichler, Blüthendiagramme I, 1875, S. 199—203. Hier ist auch die Literatur über die Inflorescenzen der Solaneen nachzusehen. 2) Schacht, Bericht über die Kartoffelpflanze, 1855, Tafel I, Fig. 3—17. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 305 Die Einrichtungen der Kartoffelblüthe für die Bestäubung durch Insecten sind sehr einfache 1). Zur Zeit der Reife der Geschlechts- theile öffnen sich der Kelch und die Krone, letztere breitet sich zu einem nahezu flachen Fünfecke aus. Dabei stellt sich der Blüthen- stiel wagerecht, die Krone kommt also senkrecht zu stehen. Aus der Mitte der Krone stehen fünf kegelförmig zusammenneigende Staubgefässe hervor, in deren Mitte sich der Griffel befindet, wel- cher die Staubbeutel mit dem abwärts gebogenen Narbenkopf so wenig überragt, dass er häufig ohne weiteres in Berührung mit dem Blüthenstaub kommt. Die Staubgefässe öffnen sich nämlich an ihrer Spitze mit je zwei runden Löchern, aus denen beim An- stossen der spärliche Blüthenstaub herausfällt. Die einzelnen Pollenkörner sind nach Mohl2) ellipsoidisch; im trockenen Zu- stande zeigen sie drei Längsfalten, im Wasser schwellen sie zu einem abgeplatteten Ellipsoid an, das deutliche, warzentragende Längsstreifen trägt. Die äussere Pollenhaut ist fein gekörnt und besitzt drei Poren. Müller3) fand die Dicke der Körner zu 0,013 bis 0,021 mm. Von der geringen Anzahl von Pollenkörnern findet man gewöhnlich viele, welche anscheinend taub sind; es mag dies wohl eine der Ursachen sein, weshalb so manche Kartoffelsorten zwar üppig blühen aber keine oder nur spärliche Früchte tragen. Die Blüthe sondert keinen Honig ab, obgleich die gelblich grünen Flecke an dem Grunde der Blumenkrone leicht zu der Meinung führen möchten, dass in deren Nähe Honig zu finden wäre 4). Denn solche abweichend gefärbte Stellen weisen in den meisten Blumen den Insecten den Weg zum Honig an, weshalb sie von Sprengel in sehr bezeichnender Weise Saftmal genannt worden sind. Da nun die Blüthen sehr wenig Blüthenstaub und keinen Honig absondern, so werden sie von Insekten nur sehr spärlich besucht; eine zweite Ursache ihrer häufigen Sterilität. Sprengel beobachtete in ihnen Blasenfüsse, Müller fand trotz oftmaligen Ueberwachens nur zwei gemeine Schwebfliegen, Eristalis tenax L. und Syrritta pipiens L., einige Male in ihnen, sie frassen Pollen. Im Juli 1876 beobachtete ich auf einem Kartoffelfelde bei Würzburg eine Biene, Systropha planidens Gir 4; sie besuchte verschiedene Kartoffel- 1) Vergl. die Beschreibung bei Müller, Die Befruchtung der Blumen, S. 244. 2) v. Mohl, Die Pollenkörner, S. 63. 3) Müller, 1. c. S. 274. 4) K. Sprengel, Das entdeckte Geheimniss der Natur, S. 129 und Tafel IX, Fig. 14. 20 306 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. biüthen, setzte sich auf den von Staubgefässen und Griffel gebil- -deten Kegel, tauchte mit dem Rüssel in die Röhre der Krone, also .an der Stelle, wo offenbar der Honig zu erwarten war, und machte wiederholt vergebliche Versuche solchen zu finden. Dabei konnte sie durch die verschiedenen Bewegungen ihres Körpers leicht den Blüthenstaub aus den Staubbeuteln aufnehmen und diesen auf die Narbe übertragen. Ist in einer Blüthe der Fruchtknoten nicht befruchtet worden, so fällt sie nachher ab. Die Ablösung findet an einer vorher bestimm- ten Stelle des Blüthenstieles statt, welche äusserlich durch eine geringe Verdickung kenntlich ist. Trocknet man die Stiele aus, so tritt diese Stelle als ringförmiger Wulst hervor. Das Gewebe ist hier in einer quer durch den ganzen Stiel gehenden Zone äusserst kleinzellig, und erinnert an die Theilungen, welche der Bildung einer Korkschicht vorangehen; eine wirkliche Korkbildung konnte ich jedoch nicht beobachten. In der kleinzelligen Zone bricht der Stiel quer durch, die Gefässbündel, deren Fasern durch die Tren- nungsfläche hindurchliefen, werden zerrissen. Trocknet der Stiel rach dem Abfallen der Blüthe oder der Frucht aus, so schrumpft das Mark stärker zusammen, und die Wundfläche erscheint teller- artig vertieft. Hat dagegen Befruchtung stattgefunden, so fällt die Krone mit den Staubfäden, und ebenso der Griffel mit der Narbe ab, und der Fruchtknoten schwillt zur Frucht heran. Der Kelch bleibt lange Zeit grün, endlich fängt er an seinen Rändern an zu verdürren. Die Frucht ist eine zweifächerige Beere, deren mächtig entwickelter centraler Samenträger fast den ganzen Raum der Höhlung ein- rimmt. Die Samen sind im Umfange des Samenträgers tief in des- sen Gewebe eingesenkt; ihre Zahl ist je nach den Sorten ver- schieden. Berchthold 1) zählte gegen 100 und mehr Samenkörner in einer Beere, ich fand in den Beeren der frühen blassrothen Kar- toffel über 200 Samen (im Mittel aus 13 Beeren etwa 220 Samen pro Beere). Viele Samen sind anscheinend taub. Der Geruch der reifen gelbweissen Kartoffelbeere erinnert sehr stark an den der Ananasfrucht. S 10. Stoffwanderung und Stoffverbrauch bei der Entwickelung von Blüthe und Frucht. Bei der Ausbildung der Blüthen werden nicht unerhebliche 1) Berchtold, Die Kartoffeln, S. 102. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 307 Mengen von plastischen Stoffen, theils zum Aufbau des Proto- plasma und der Zellhäute, theils zur Athmung verbraucht. Noch ansehnlichere Mengen braucht die Frucht zu ihrer Entwickelung, einestheils zu den eben genannten Zwecken, zum grösseren Theil aber zur Ablagerung in den Samen und im Fruchtfleisch. Alle diese Stoffe müssen durch den Stiel der Inflorescenz aus dem Stengel und den Blättern herbeigeführt werden, das Blattgrün des Kel- ches und der unreifen Frucht kann nur in untergeordneter Weise zur Anhäufung von Bildungsstoffen beitragen. Das Baumaterial ist wie fast immer einerseits Eiweiss, anderer- seits Traubenzucker und Stärke; die beiden letzteren ersetzen auch den bei der Respiration stattfindenden Stoffverlust. Eiweiss und Traubenzucker werden fortwährend in grosser Menge zuge- leitet, Stärke ist dagegen nur vor und während der Blüthezeit in geringen Mengen im Stiel zu finden, später gar nicht mehr. Dann ist der Traubenzucker der einzige nachweisbare stickstofffreie Bildungsstoff der angeführt wird, dafür strömt er der wachsenden Frucht auch in solcher Menge zu, dass das Gewebe bei der Kup- fervitriol-Kali-Reaction meist eine intensiv orange Farbe annimmt. In der Frucht wird der Zucker anfangs theils als solcher, theils als Stärke abgelagert, später aber, wenn die gelbe Farbe die her- annahende Reife verräth, wird wieder alle Stärke in Zucker zu- rückgeführt, die reifen Früchte sind äusserst reich an Trauben- zucker. Die Samen enthalten zur Zeit der Reife Eiweiss und Oel, keinen Zucker und keine Stärke 1). Im unreifen Zustande tritt der Zucker auch in ihnen vorübergehend auf, wird aber später in Oel umge- wandelt. Die im Fleische der Kartoffelfrucht abgelagerte Stärke ist nicht kleinkörnig, wie dies gewöhnlich an Stellen der Fall ist, wo die Stärke bald wieder verschwindet; die Körner sind gross und schön ausgebildet, mit einem excentrischen Kern und deutli- chen Schichtungen, und stehen hinter den Stärkekörnern der Krollen in keiner Hinsicht zurück. Eine Ablagerung von oxalsaurem Kalk findet auch in den Blü- then statt, zumal aber im Stiel und im Blüthenboden, und fängt hier bereits an, bevor noch die Knospe eine Länge von 1 mm erreicht hat. Bei der jetzt zu gebenden eingehenden Schilderung der Stoff- 1) Vergl. Keimungsgeschichte der Kartoffelsamen. Opera III, S. 176. 308 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. wanderungsverhältnisse werde ich erst die Periode des Knospen- zustandes und der Blüthe, und dann das Reifen der Früchte be- handeln. Ich glaube die Darstellung der ersten Periode am über- sichtlichsten zu machen, wenn ich nicht die verschiedenen Ent- wickelungszustände der ganzen Blüthe der Reihe nach vorführe, sondern jedes einzelne Organ für sich von seiner ersten Entste- hung bis zur höchsten Vollendung verfolge. Jedoch lassen sich der Kelch und die Krone dabei bequem zusammenfassen. Bei ihrem ersten Hervortreten aus dem Vegetationskegel sind cie Zellen von Kelch und Krone noch meristematisch und mit Eiweiss dicht erfüllt, welches zur Protoplasmabildung verbraucht wird und demzufolge bald erst im Kelch, dann in der Krone ver- schwindet. Bei einer Länge der Knospe von 1 mm fand ich in dem Parenchym der Krone noch die letzten Spuren des Eiweiss, später zog sich dieses auf die Gefässbündel zurück, wo es von unten nach oben stetig an Menge abnimmt. Diese eiweissführenden Stellen stehen durch die Gefässstränge des Blüthenbodens mit denen des Stieles in ununterbrochenem Zusammenhang. Bei einer Knospenlänge von 3—4 mm, wo die Corolle bereits oben geschlos- sen ist, und zwischen den Zipfeln des Kelches hervorragt, fand ich in beiden Gliederkreisen sehr wenig Stärke und noch keinen Zucker; dann nahm der Gehalt an Stärke rasch zu, und auch Zucker verbreitete sich im Gewebe, vom Blüthenboden ausgehend. Die Menge der beiden Kohlenhydrate nahm in Kelch und Krone zu bis die Knospen etwa 10—12 mm lang, und fast fertig zur Blüthe waren. Auch im Blüthenboden fand sich zu dieser Zeit etwas: Stärke, im Stiel sogar ziemlich viel Stärke, und überall Zucker. Vor und während der Entfaltung des Kelches und der Krone ver- schwand nun fast alle Stärke aus ihnen; als die Krone völlig ent- faltet war, enthielt sie nur noch an der Basis ein wenig Stärke, sonst war alles Zellengewebe mit Zucker erfüllt. Im Kelch war alle Stärke und ein grosser Theil des Zuckers verschwunden, letzteren fand ich nur noch in der Umgebung der Gefässbündel. Der Blüthenboden enthielt reichlich Zucker, der Stiel nur gerin- gere Mengen, auch war hier die Stärke bis auf die im Stärkering: abgelagerten Körner aufgelöst worden. Im allgemeinen Stiel der Inflorescenz war dagegen überall viel Zucker im Parenchym nach- weisbar; Eiweiss fand sich in den Gefässbündeln, Stärke nur im Stärkering. Ob während der Blüthe aller in der Krone vorhandene Zucker verbraucht wird, oder ob diese beim Abfallen noch Zucker enthält, gelang mir nicht zu entscheiden. Der Kelch fällt nicht ab, WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 309 und ist auch noch in seinen späteren Lebensperioden mit Zucker erfüllt. Die Staubfäden enthalten in ihrer Jugend lange Zeit Eiweiss, am längsten in den Antherenfächern, wo die Pollenkörner ausge- bildet werden, und in den Gefässsträngen des Connectivs. Bei einer Knospenlänge von 4 mm fand ich auch bereits etwas Stärke im Connectiv und in der Antherenwandung, ja im oberen Theile auch bereits etwas Zucker. Stärke und Zucker nehmen nun hier und im Filament stetig an Menge zu, während die Pollenmutter- zellen noch immer viel Eiweiss führen. Kurze Zeit vor dem Aus- blühen sind die Pollenkörner fertig ausgebildet, aus einer doppel- ten Haut und einem protoplasmatischen Inhalt bestehend, der jetzt voll feinkörniger Stärke ist, während vorher keine Stärke in den Pollenzellen nachweisbar war. In der Antherenwandung ist die Stärke verschwunden, im Connectiv und im Filament noch nicht. Alles Gewebe voll Zucker. Beim Aufblühen wird der Zucker aus der Antherenwandung und die Stärke des Connectivs völlig ver- braucht; während der Blüthe findet man nur letzteres noch zuck- erhaltig, die Wandungen der Fächer ganz leer. Die Filamente und die Basis des Connectivs enthalten noch Stärke und Zucker. In wiefern diese Inhaltsstoffe vor dem Abiallen der mit der Krone verwachsenen Staubfäden verbraucht werden, kann ich nicht an- geben. Wir haben jetzt das Pistill zu betrachten. Bei einer Knospenlänge von 1 mm ist das Pistill äusserlich bereits vollständig differenzirt, und fangen die Samenknospen an, aus dem Samenträger heraus- zuwachsen. Alles Gewebe ist noch mit Eiweiss dicht erfüllt. Die jungen Samenknospen sind kurzezeit nach ihrer Entstehung äusserst reich an Eiweiss, wenigstens nehmen sie bei der Behand- lung mit Kupfervitriol und Kalilauge eine so intensiv violette Farbe an, wie dies sonst nur selten in jungen Pflanzentheilen der Fall ist. Inzwischen verschwindet das Eiweiss. aus der Fruchtknoten- wandung, bald darauf auch aus den peripherischen Zellschichten des Griffels, später auch aus den übrigen Theilen des Griffels und der Narbe, mit Ausnahme der Gefässbündel. Im Fruchtknoten zieht es sich auf die Samenknospen und die zu diesen führenden Stränge der centralen Säule zurück. Bei einer Knospenlänge von 6—8 mm enthalten die Fruchtknotenwandung und die Narbe be- reits ziemlich viel Stärke, der Griffel hat sich jetzt ziemlich rasch gestreckt und die Narbe bis an die geschlossene Spitze der Corol- le geführt, er ist dementsprechend ziemlich leer. In den Samen- 310 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. knospen sieht man zu dieser Zeit die ersten Spuren von Stärke auftreten, und im Grunde der centralen Säule des Fruchtknotens verbreitet sich, vom Blüthenboden ausgehend, der Traubenzuck- er, der aber wenigstens zum grossen Theil dabei in Stärke umge- setzt wird. Kurze Zeit vor dem Aufblühen ist diese centrale Säule schon sehr ansehnlich gewachsen, und voll Zucker und Stärke, die Samenknospen enthalten dagegen noch vorwiegend Eiweiss. Griffel und Narbe sind gleichfalls reich an Stärke und Zucker, da- gegen ist die Wand des Fruchtknotens um diese Zeit auffallend leer. Dieser Zustand bleibt nun während der Blüthe der Hauptsache rach derselbe. Dabei werden aber dem Fruchtknoten stets mehr Nährstoffe zugeführt, während der Vorrath an Material in Griffel und Narbe allmählich verbraucht wird. In der blühenden Blüthe finden wir also: Eiweiss in allen Ge- fässbündeln und in den Samenknospen, Stärke im Grunde der Krone, in den Filamenten und der unteren Grenze des Connectivs, im Griffel und in der Narbe; an allen diesen Stellen aber in ge- ringer Menge. Wichtiger ist die Ablagerung im Stärkering des Blüthenstieles und das Blüthenbodens, sowie im ganzen Gewebe des Samenträgers. Geringe Mengen enthalten auch die Samen- knospen und gleichfalls die Pollenkörner. Traubenzucker bildet vorwiegend den Inhalt aller parenchymatischen Gewebeparthien im Stiel, Blüthenboden, Kelch, Corolle, Filament und Connectiv der Staubfäden, in Griffel und Narbe und endlich im Samenträger. Nachdem die Samenknospen befruchtet sind, und die Krone mit den Staubfäden, sowie Griffel und Narbe abgefallen sind, nimmt das Wachsthum des Fruchtknotens, der jetzt zur unreifen Frucht geworden ist, rasch zu. Und ungeachtet der Vergrösserung sämmt- licher Gewebepartien, nimmt doch der Inhalt fast aller Zellen so- wohl absolut als relativ an plastischen Stoffen zu. Fast alles Grund- gewebe der Frucht führt Stärke und Zucker, die Stränge sind reich an eiweissartigen Stoffen. Die Samenknospen werden zu Samen, indem sich der Embryo in ihnen entwickelt. Dabei wächst das Gewebe des Samenträgers um sie herum, bis endlich aller Raum in den beiden Fächern des Fruchtknotens vollständig vom Samenträger erfüllt ist, und die Samenkörner davon ringsherum eingeschlossen sind. Zu jedem Samenkorn führt ein Gefässbündel, welches sich bei der Eiweiss- reaction stets scharf durch seine violette Farbe vom umgebenden Gewebe abhebt. Alle Theile des Samens bleiben von Anfang an WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 311 bis zur Reife mit Eiweiss erfüllt, daneben treten bald im Endo- sperm Traubenzucker und Oel auf, auch in der Samenschale ist der Zucker deutlich nachweisbar, dagegen fand ich im Embryo keinen Zucker, wohl aber Oel. Als die Frucht 15 mm gross war, und also etwas mehr als die halbe normale Grösse erreicht hatte, fand ich in ihr folgende Ver- theilung des Zuckers und der Stärke. Ich schicke voraus, dass die ganze Frucht noch egal dunkelgrün war, und dass das Frucht- fleisch überall noch sehr fest war, obgleich es, zumal um die Samen herum, sehr grosszellig und saftig war. Der Kelch und der Blüthenboden enthielten wenig Stärke aber viel Zucker, ebenso war auch die Wand des Fruchtknotens sehr arm an Amylum aber reich an Zucker. Im Innern der Frucht war das kleinzellige Gewebe der centralen Säule vorwiegend mit Zucker erfüllt, es enthielt da- gegen zwar in allen Zellen Stärke, doch nicht soviel wie das grosszellige Fruchtfleisch zwischen den Samenkörnern, welches vorwiegend Stärke, dagegen wieder weniger Zucker führte. Hier sah ich den Zucker in der grössten Concentration in den Zucker- scheiden der Gefässbündel, welche zu den Samenkörnern führten. Es war jedesmal nur eine schmale parenchymatische Schicht, welche die Stränge allseitig umgab; die entfernteren Parenchym- schichten waren ärmer an Zucker. Die Stärkekörner in diesem Gewebe waren sehr gross und gehörten zu den am schönsten ausgebildeten. Die Gefässbündel selbst, sowie die Samenkörner enthielten keine Stärke. Ein ferneres Stadium untersuchte ich im September, als die Stiele noch grün und frisch waren, die Ränder, des Kelches bereits vertrockneten, und in der oberen Hälfte der Beeren die grüne Farbe schon anfing zu verblassen. Im Stiel, im Fruchtboden und im Kelch war nirgendwo Stärke, überall aber Traubenzucker im Grundgewebe nachweisbar, am wenigsten in den Kelchzipfeln. Die Fruchtschale zeigte jetzt zwei Schichten mit verschiedenem In- halt. Die innere Schicht führte überall viel grosskörnige Stärke, die äussere enthielt dagegen reichlich Zucker; beide Schichten waren nicht scharf getrennt, sondern gingen allmählig ineinander über, die stärkereiche Schicht war nirgendwo frei von Zucker, die zuckerreiche enthielt überall wenigstens etwas Amylum. Die in- neren Theile, sowie das ganze Fruchtfleisch waren dicht voll Stärke und Zucker, wie in den früheren Stadien. In dem Samen waren Eiweis und Oel in grosser Menge zu finden, im Endosperm auch noch geringe Mengen Zucker. 212 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Mit zunehmender Reife verschwindet nun in den von mir benutz- ten Varietäten der frühen Zucker- und der Siebenhäuser-Kartoffel, die Stärke vollständig aus der Frucht, in anderen Sorten scheint sie auch im reifen Zustande noch vorzukommen, wenigstens gibt Hofmeister an, dass die Früchte von Solanum tuberosum zur Keifezeit nicht selten noch unveränderte und halbzerstörte Amy- lumkörner enthalten 1). Der grösste Theil des Amylums geht aber stets in Traubenzucker über. Ich untersuchte die Beeren sowohl vor dem Abfallen, als kurze Zeit oder einige Wochen nachher, und fand ihr Gewebe stets überreich an Zucker, während Stärke und Eiweiss nicht mehr nachgewiesen werden konnten. Die Samen enthielten Eiweiss und Oel. i Die Beeren enthalten Gerbstoff, sowohl im unreifen als im reifen Zustande; dieser Gerbstoff kommt zumal in den im unreifen Zu- stande stärkereichen Geweben, und zwar zum Theil gelöst, zum Theil als feste Körper von bestimmter Form vor. In gelöstem Zu- stande hauptsächlich im Blüthenboden und in der äusseren Schicht der Fruchtschale, im festen Zustande in den inneren Partien der Schale, in der centralen Säule und im Fruchtfleisch. In letzterem sieht man in den grossen, zartwandigen Zellen des Parenchyms, neben dem Zellkern und den im unreifen Zustande häufig um diesen herumgelagerten Chlorophylikörnern, noch eigenthümli- che Inhaltsgebilde. Bald sind es Gruppen von kleinen rundlichen Körnchen, oft äusserst feinkörnig und wie trübe, oft aus deutlich unterschiedenen Körnern gebildet. In anderen Zellen liegen ein- zelne grössere Körner, welche auf den ersten Blick eine auffallende Aehnlichkeit mit Amylumkörnern zeigen. Sie sind meist sehr schön geschichtet, oft kugelrund, und dann mit einem centralen Kern, oft länglich mit excentrischem Kern. Häufig sind mehrere solcher Körperchen mit einander verwachsen, in anderen Fällen sehen sie wie zusammengesetzte Stärkekörner aus, indem um zwei bis drei Kerne die inneren Schichten getrennt herumlagern, während die äusseren alle Kerne zusammen umgeben. Dass diese Körper kein Amylum sind, geht aus ihren chemischen Eigenschaften mit Sicherheit hervor. Jodlösung färbt sie braun. Beim Kochen in Wasser oder im Zellsaft lösen sie sich rasch und vollständig, wie man beim Erwärmen des Präparates unter dem Mikroskop sieht. Starke Kalilauge löst sie ebenfalls sofort völlig auf, und färbt die Flüssigkeit dabei gelb, dagegen lösen sie sich 1) Hofmeister, Die Pflanzenzelle, S. 380. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 313 nicht in mineralischen Säuren. Doppeltchromsaures Kali endlich färbt sie braun, lässt aber die Schichtung unverändert. Eisenchlo- rid färbt sie grau. Die beiden letzteren Reactionen berechtigen zu der Ansicht, dass die fraglichen Gebilde Gerbstoff enthalten. Eine eingehendere Untersuchung dieser Körper würde ohne Zweifel zu interessanten Ergebnissen führen. V. Die Knollen. § 11. Bau und Entwickelung der Knollen. In unserem letzten Beitrage über die Keimung der Kartoffel- knollen 1) haben wir den Bau und die Reservestoffe der reifen Knollen so ausführlich beschrieben, dass wir uns jetzt sogleich der Besprechung der Entwickelungsgeschichte zuwenden können. Nur die Stolonen sind damals, der Natur des Gegenstandes ent- sprechend, nicht behandelt worden, und werden also in diesem Paragraphen eine ausführliche Berücksichtigung finden. Wir fan- gen mit einer kurzen Uebersicht über die Entwickelungsgeschichte der Kartoffeln an: Die Triebe, welche aus den Achselknospen des unterirdischen Stammtheiles hervorwachsen, werden bekanntlich zu Ausläufern, deren Spitzen zu den Knollen anschwellen. Je nach der Sorte wer- den diese Ausläufer kürzer oder länger, und liegen also die Knollen in geringerer oder grösserer Entfernung vom Stamme und von ein- ander. Häufig bleiben sie einfach, nicht selten aber verzweigen sie sich. Denn sie tragen, wie der unterirdische Theil des Stam- mes, in bestimmten Entfernungen kleine Blattschuppen, in deren Achseln sich Seitenknospen und Wurzelanlagen, wie beim Stamme entwickeln. Die Wurzelanlagen werden häufig zu Wurzeln, die Knospen bisweilen zu knollentragenden Zweigen. Auch kommt es vor, dass solche Knospen ohne weiteres in Knollen übergehen, welche dann fast ohne Stiel, und nur durch eine gelenkartige Ver- bindung seitlich am Stole befestigt sind.2) Die Spitze des Ausläufers schwillt zur Knolle an. Die erste Ver- dickung fängt in den jüngsten Gliedern unterhalb der Endknospe an, die Endknospe bleibt dabei häufig mehr oder weniger cylin- drisch, häufig geht sie allmählig in den dickeren Theil über. Im 1) Keimungsgeschichte der Kartoffelknolle. Opera III, S. 200. 2) Franz, Studien an der Kartoffelknolle, S. 15. 314 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. ersteren Fall, der bei der Sechswochenkartoffel der gewöhnliche ist, ist die Endknospe anfangs nahezu hakenförmig umgebogen, wie die Endknospe eines noch unterirdischen Keimsprosses. Spä- ter verschwindet die Krümmung allmählig, und bald verschwin- det der scharfe Unterschied zwischen Endknospe und Knollenan- lage, indem die erstere allmählig in die letztere übergeht. Während so die Knolle angelegt wird, besteht sie noch aus einer viel geringeren Anzahl von Stengelgliedern, und trägt sie noch viel weniger Augen als im reifen Zustande. Als Augen bezeichnet man bekanntlich die kleinen Gruppen von Seitenknospen, welche: in den Achseln der Blattschuppen der Knolle liegen. Diese Blatt- schuppen sind an den jugendlichen Knollenanlagen sehr deutlich entwickelt, und relativ gross; später bleiben sie im Wachsthum zurück und die reife Knolle trägt nur noch die Narbe, welche als. schwach bogenförmig gekrümmte Linie die Unterseite des Auges: begrenzt. Die Blattschuppen entstehen wie alle Blattgebilde an Stengeln nur an den Knoten, die Stücke zwischen zwei solchen Knoten heissen Stengelglieder oder Internodien. In der Knolle sind. diese Stengelglieder anfangs noch kenntlich, durch das Dicken- wachsthum werden sie immer undeutlicher, und da ein Unter- schied im Bau zwischen Knoten und Gliedern in der Knolle nicht voıhanden ist, so ist es später nicht mehr möglich die Grenzen der einzelnen Glieder aufzufinden. Dessen ungeachtet bleibt es feststehen, dass die Knolle aus ebensovielen Internodien besteht, als sie Augen trägt. Betrachten wir die Augen an einer jugendlichen nur wenige Millimeter grossen Knolle. Wir können dabei, zum leichteren Verständniss, die Figuren 7 und 8 auf Tafel II benutzen 1) Diese stellen Längsschnitte durch junge Knollen von 6 und 9 mm Länge dar. Man sieht bei k die Endknospe, welche in der Ebene- der Zeichnung mehrere kleine Schuppen und in der Mitte einen nur wenig gewölbten Vegetationspunkt zeigt 2). In der Achsel 1) Man vergleiche auch die Zeichnung von Schacht, Anatomie und Physiologie, Il. S. 22, Fig. 9. 2) Eine gute Abbildung eines Längsschnittes durch ein Kartoffelauge findet man bei Schacht, Bericht über die Kartoffelpflanze, 1855, Tafel II, Fig. 8. Die in den Annalen der Landwirthschaft, Bd. 52, 1869, Taf. I, Fig. II gegebene Abbildung ist offenbar nach einem Schnitt entworfen, der neben dem Vegetationspunkt geführt worden war. Der Zellenhügel V, der in der Figuren-Erklärung als Vegetationskegel bezeichnet wird, ist offenbar ein: junges Blatt. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 315 einer jeden Blattschuppe liegt eine kleine Knospe (sk), welche allerdings in der Zeichnung nur in den älteren, vom Vegetations- punkt entfernteren Blattachseln angegeben ist. Am Umfange der Knolle sieht man nun in bestimmten Entfernungen von der End- knospe, ebensolche Blattschuppen (tb), welche in ihrer Achsel gleichfalls Knospen (sk) tragen. Infolge des raschen Dickenwachs- thums des Knollengewebes erscheinen die Knospen in dieses ein- gesenkt, die Höhlung ist aber vom Tragblatte grösstentheils ver- deckt. Das Längenwachsthum der Knolle findet nun vorwiegend in der gleich unterhalb der Endknospe liegenden Region statt, dadurch werden die Seitenknospen, welche dort noch sehr dicht beisammen liegen, auseinandergerückt und in die Entfernungen gebracht welche sie später, abgesehen vom Dickenwachsthum, beibehalten werden. Gleichzeitig mit diesem Längenwachsthum der jüngeren Querzonen, dehnen die älteren Partien sich in die Dicke aus, wodurch bald die Grenze zwischen dem Ausläufer und der Knolle deutlich ausgeprägt wird. Je nachdem bei einer Kar- toffelsorte das Längenwachsthum oder das Dickenwachsthum der Knollen vorherrscht, bekommen diese eine längliche oder eine rundliche Form. So lange die Kartoffeln noch wachsen und Reservestoffe in sich ablagern, wird ihnen das dazu erforderliche Material durch die Ausläufer zugeführt. Sobald sie aber das Ende ihrer Entwickelung erreicht haben, hört die Bewegung der Nährstoffe in den Stolonen allmählig auf, die letzten darin vorhandenen Reste von Eiweiss, Stärke und Zucker werden in die Knolle übergeführt, und das Gewebe des Tragfadens stirbt ab und vertrocknet. Den Zustand der Reife erkennt man also am sichersten daran, dass die Aus- laufer vertrocknet sind, oder im feuchten Boden faulen, und dass die Knollen sich beim Herausnehmen des Stocks aus dem Boden und bei mässigem Schütteln von den Ausläufern lostrennen und abfallen. Die herannahende Reife verräth sich am deutlichsten in der Ausbildung der Haut, welche eine dunklere Farbe annimmt; und, während sie vorher fein, durchscheinend und brüchig war, dicker und undurchscheinender wird, und sich auch leichter von dem Fleisch in grossen zusammenhängenden Stücken trennen lässt 1), Für eine normale Ausbildung der Ausläufer und der Knollen ist es unbedingt nothwendig, dass sie sich im Dunklen, also im Boden 1) Putsche und Bertuch, Monographie der Kartoffeln, 1819, S. 38. 316 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. entwickeln. Sind die Mutterknollen zu flach gelegt, oder die Stöcke nicht hinreichend behäufelt, so bleiben die Knospen der Stamm- basis zu einem grösseren oder geringeren Theile am Lichte. Hier entwickeln sie sich entweder gar nicht, oder werden zu Blätter- tragenden Seitentrieben 1), oder endlich auch zu kümmerlichen Ausläufern mit kleinen grünen Knöllchen. Solche Knöllchen zeigen manche Eigenthümlichkeiten, welche wir in einen späteren Ab- schnitt zu besprechen haben werden; sie erreichen aber nie, auch nur annähernd die Grösse der unterirdisch angelegten Kartoffeln. Bisweilen kommt es vor, dass unterirdisch angelegte Ausläufer mit ihrer Spitze die Erdoberfläche durchbrechen und an’s Licht treten; sie wachsen dann meist zu beblätterten Sprossen heran. Zumal nach dem Abschneiden des Krautes wird dieses Heranwachsen von Stolonen häufig beobachtet. Wir wollen jetzt den anatomischen Bau der erwachsenen Sto- lonen beschreiben. Ein Querschnitt durch einen solchen Tragfaden ist auf unserer Tafel II in Fig. 5 abgebildet. Er zeigt bereits auf den ersten Blick eine grosse Aehnlichkeit mit dem Bau des unter- - irdischen Stammes, wie dieser in Fig. 4 dargestellt ist. Diese Aehn- lichkeit hat nichts Auffallendes, da man jetzt allgemein weiss, dass die Stolonen Zweige des Stammes und also Stengelgebilde und keineswegs, wie man früher meinte, Wurzeln sind. Wie im Stamm sieht man ein centrales Mark, einen Gefässbündelring und eine peripherische Rinde; letztere ist noch von der Oberhaut umgeben. Der Gefässbündelring besteht aus grösseren und kleineren Grup- pen von Strängen, und einzelnen zerstreuten Strängen dazwischen. Man erkennt meist, ebenso wie im Stengel, drei grössere Gruppen, obgleich diese nicht immer scharf begrenzt sind. Sie enthalten die seitlichen Spurstränge der Blattschuppen, die mittleren Spur- stränge liegen in der Mitte zwischen je zwei solcher Gruppen. Nach den ausführlichen Auseinandersetzungen über die Bedeu- tung und den Verlauf der Blattspurstränge im Stamme, ist es nicht nöthig hier nochmals darauf einzugehen; es möge genügen darauf hingewiesen zu haben, dass auch hier alle Gefässbündel des Sten- gelquerschnittes als Spurstränge der Blattschuppen zu betrachten sind. Auch in den feineren Details zeigt der Gefässbündelring densel- ben Bau wie im Stamm. Die einzelnen Gefässbündel besitzen, wie dort, einen peripherischen und einen axilen Basttheil, in beiden 1) Franz, Studien an der Kartoffelknolle, 1873, S. 9. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 317 kommen zahlreiche Siebröhrenbündel und Bastfasern vor. Im, Hol- ze treten erst Ring- und Spiralgefässe auf, später poröse Gefässe mit vielen Holzfasern. Die einzelnen Bündel sind durch intercala- res Cambium verbunden, welches sowohl nach aussen Bast als nach innen Holz bildet. In alten Stolonen fand ich die Holzschicht zu bedeutender Dicke herangewachsen; das Rindenparenchym war in Folge dessen in tangentialer Richtung stark gedehnt wor- den, und zeigte überall die tangentiale Streckung seiner Zellen, und die in diesen entstandenen noch dünnen, radialen Theilungs- wände. Die äusserste Schicht des Rindenparenchyms wird von einer mehrzelligen Lage collenchymatischer Zellen gebildet, welche sich einerseits durch die bedeutende Wanddicke, andererseits durch den Mangel an luftführenden Intercellularräumen vom eigentlichen Rindengewebe unterscheiden. Mit zunehmendem Alter wird aber auch letzteres Gewebe dickwandiger, ja nicht sel- ten verschwindet endlich der Unterschied in der Wanddicke in bei- den Schichten gänzlich. Jedoch scheinen in der Ausbildung des Collenchyms nicht unbedeutende individuelle Unterschiede obzu- walten. Die Oberhaut der Stolonen besteht aus länglich gestreckten Zellen, welche nur in der nächsten Umgegend der spärlichen Sto- lonen, ebenso wie am Stengel, einer rundlichen oder wenigstens isodiametrischen Form annehmen. Spaltöffnungen fand Czech sehr wenige, nur eine auf einer Fläche von mehr als 5 qmm, ich selbst fand sie sehr unregelmässig vertheilt, oft auf ziemlich langen Strecken gar nicht zu finden, oft bis 3 und mehr auf 1 qmm. In älteren Stolonen fand ich stellenweise, auf Querschnitten der Oberhaut, tangentiale Theilungen, welche offenbar die Bildung einer Korkschicht einleiteten. Zu einer wirklichen Korkbildung scheint es jedoch nicht zu kommen. In der Entwicklungsgeschichte der Kartoffelknollen verdienen zwei Punkte eine eingehendere Behandlung. Erstens die Umwand- lung der Oberhaut in eine Korkschicht; zweitens die Betheiligung des Gefässbündelringes am Dickenwachsthum. Betrachten wir zuerst die Entwickelung des Hautgewebes. Die jugendliche Knolle ist mit einer Oberhaut bedeckt, welche- sich von der der Stolonen in keinem wesentlichen Punkte unter- scheidet. Sie besitzt einzelne zerstreute Stomata, mit nahezu halb-- kreisförmigen Schliesszellen. Durch das Dickenwachsthum wer- den die Epidermiszellen in tangentialer Richtung gezerrt, und 318 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nehmen sie bald eine länglich sechseckige Form an, wobei der grösste Durchmesser quer zu der Achse der Knolle steht. Eine weitere Folge dieser Zerrung ist das Auftreten von Theilungs- wänden, welche senkrecht zur Dehnungsrichtung, und also zur Knollenachse radial stehen. Diese Erscheinungen treten schon auf, bevor die junge Knolle eine Länge von 3 mm erreicht hat. Zu die- ser Zeit fängt auch die Umwandlung der Oberhaut in eine Kork- schicht an. Die Oberhaut bildet auf der jungen Knolle eine con- tinuirliche Schicht, welche überall nur eine Zelle dick ist; den An- fang der Korkbildung erkennt man nun auf Längsschnitten durch die Knolle an dem Auftreten von tangentialen Theilungswänden in einzelnen Epidermiszellen, wodurch die Haut an solchen Stellen zunächst zweischichtig wird. Bald darauf theilen sich auch die beiden Tochterzellen durch tangentiale Wände, und die ursprüng- liche Epidermiszelle ist in vier flache, tafelförmige Zellen gespal- ten. Gewöhnlich schreiten diese Theilungen noch langsam weiter, wodurch die Haut mehrschichtig wird. Die ersten dieser Korktheilungen beobachtete ich im unteren, dem Stolo am nächsten liegenden Theil der jungen Knolle, von hier schreiten sie allmählig gegen die Mitte der Knolle und nach der Endknospe zu weiter. Demzufolge kann man auf einem Längs- schnitt in dem geeigneten Alter alle Entwickelungsstadien neben einander beobachten. An einer etwa 3 mm langen Knolle sah ich die Haut des unteren Theiles 4—6 schichtig, nach dem Stolo zu nahm die Dicke rasch ab, und im Ausläufer selbst waren keine Korktheilungen in der Epidermis sichtbar. Bis zur Mitte ändert sich die Zahl der Korkzellenschichten nicht merklich, dann nahm sie in der oberen Hälfte rasch ab; die der Endknospe benachbarten Theile waren rasch von einer einfachen Oberhaut überzogen. Wo die Theilungen in der Oberhaut am weitesten vorgeschritten sind, betheiligen sich auch die äussersten Schichten des Rindenparen- chyms daran. Indem so der grösste Theil der Oberhaut in eine Korkschicht um- gewandelt ist, und die äussersten Zellen dieser Schicht nicht nur die morphologischen, sondern auch die physiologischen Eigen- schaften des Korkes angenommen haben, ist ein deutlicher Unter- schied zwischen einer innersten und äussersten Schicht sichtbar geworden. Die inneren Zellen sind dünnwandig und reich an Pro- toplasma, sie theilen sich fortwährend, und bilden dadurch Tochter- zellen, von denen die inneren ebenfalls plasmareich und im Zu- stande des Theilungsgewebes verharren, während die äusseren WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 319 zur peripherischen Schicht übertreten. Diese kennzeichnet sich durch die verkorkten Wandungen und den Mangel an festen und flüssigen Inhaltsstoffen; ihre Zellen führen nur Luft. Diese Zellen können nicht mehr wachsen, sie werden demzufolge beim Dicken- wachsthum der Knolle fortwährend zerrissen und abgestossen. Durch das Zusammenwirken dieses Verlustes an Zellen mit der stetigen Neubildung in der inneren Schicht bleibt die Dicke der Korkschicht nahezu dieselbe. Diese Dicke beträgt in der fertigen Knolle meist etwa 10—15 Zellen, ist aber je nach den Sorten verschieden 1); auch zeigt sie an verschiedenen Stellen derselben Knolle häufig geringe Unterschiede, so ist sie z. B. häufig im älte- ren Theil etwas dicker als an der Krone. Bei der Umwandlung der Oberhaut in eine Korkschicht gehen die Spaltöffnungen verloren. Doch bleibt an den betreffenden Stel- len häufig die Communication der inneren Luft mit der Atmos- phäre bestehen, indem das Gewebe unter dem Stoma stark wuchert, und eine kleine Erhabenheit in der Korkschicht bildet, welche aus lockerem Gewebe besteht. Diese Zellwucherungen sind den Lenti- cellen in der Rinde der mehrjährigen Zweige unserer Bäume ganz analog 2). Wenn die jungen Knollen sich in feuchter Luft entwickeln, bilden sie sich am vollständigsten aus, und erscheinen dann als zahlreiche glänzendweisse Flecke, welche die Korkschicht durch- brechen. An Wasserculturen hatte ich mehrmals die Gelegenheit dieses zu beobachten. Wünscht man sich vom inneren Bau einer Kartoffel eine klare Vorstellung zu machen, so ist es unerlässlich, die Anordnung der einzelnen Gewebepartien in den allerjüngsten Entwickelungssta- dien als Ausgangspunkt zu wählen. Denn in der reifen Knolle sind die Unterschiede zwischen den einzelnen principiell verschiedenen Ciewebeformen derart verwischt, dass nur noch die Entwickelungs- geschichte ein sicheres Urtheil erlaubt. Wir betrachten also zu- nächst einen Querschnitt durch eine junge, erst 1 mm dicke Knol- lenanlage. Dieser zeigt denselben Bau wie die jugendlichen Stolonen, da ja die Knolle nichts anderes als die jugendliche Spitze eines Aus- läufers ist. Ein centrales stärkereiches Mark, ein kleinzelliger, mit protoplasmatischen Bildungsstoffen erfüllter Gefässbündelring, und eine stärkeführende Rinde sind die wesentlichsten Theile. Das kleinzellige Gewebe des Gefässbündelringes besteht im Querschnitt 1) Franz, Studien an der Kartoffelknolle, S. 10. 2) Vergl. hierüber Caspary, Bot. Zeitg. 1857, S. 116. 320 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. aus 5—6 eckigen Zellen, eine radiale Anordnung der Zellen, wie sie den späteren Cambiumring bezeichnet, ist noch nicht zu finden. Einzelne Gefässbündel sind hier und da im Ringe differenzirt, sie zeigen die beiden Basttheile und das Holz; die ersteren besitzen Siebröhrenbündel aber keine Bastfasern; das Holz besteht aus dünnwandigen parenchymatischen Zellen mit einigen zerstreuten Gruppen von Gefässen. Sowohl Ring und Spiralgefässe, als auch Netzgefässe sind bereits sichtbar; die ersteren im Längsschnitt langgliedrig und offenbar während des Längenwachsthums ange- legt; die Netzgefässe kurzgliedrig und erst nach beendigter Streckung entstanden. Schwefelsaures Anilin färbt die Wandungen der Gefässe gelb; diese sind also bereits verholzt; die übrigen Zellen des Holzes verholzen aber nicht, sondern wandeln sich im Gegentheil in Parenchym um. In diesem Stadium ist der Bau der Knolle also noch ganz über- einstimmend mit dem der Ausläufer und des stammes, und also noch leicht verständlich. Bei dem weiteren Wachsthum differen- zirt sich im Gefässbündelring nun bald eine mittlere Schicht als Cambium, auf ihrer Aussenseite liegt der peripherische Basttheil, auf ihrer Innenseite grenzt sie an den Holzcylinder. Dieser Cam- biumring vermittelt durch ihre »Zelltheilungen das Dickenwachs- thum der Knolle, sie sondert nach aussen Bast, nach innen Holz ab. Aber dieser Bast, und dieses Holz verdienen ihren Namen nur in morphologischer, keineswegs in anatomischer oder physiolo- gischer Beziehung. Im Holz entstehen keine oder fast keine Fa- sern, und nur sehr einzelne Gefässe, alle übrigen Zellen bilden sich in dünnwandiges, grosszelliges Parenchym um, das in keiner Beziehung mehr vom Marke zu unterscheiden ist, ja das ebenso wie dieses zur Ablagerung der Stärke dient. Zwischen den Zellen dieses scheinbaren Markes verlaufen Bündelchen von Gefässen und gestreckten Zellen; in jedem Bündelchen häufig nur 3—5 Gefässe, bisweilen mehr, bisweilen weniger. Sie sind den Gefäss- gruppen im Holze unserer Bäume in morphologischer Hinsicht vollständig gleichwerthig. Sie treten an Masse im stärkereichen Gewebe so sehr zurück, dass man sie auf frischen Querschnitten kaum findet. Um sie deutlich zu sehen, und ihre Beziehung zu ein- ander sowie die Richtung ihres Verlaufes studiren zu können, muss man dünne Querschnitte von jungen (z. B. 4—6 mm dicken) Knol- len mit Kalilauge so lange behandeln, bis alle Stärke völlig auf- gequollen ist. Man sieht sie dann zumeist quer durchschnitten, einzelne aber auch in schiefer Richtung verlaufend. Nach solchen WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 321 Praeparaten ist die Fig. 6 auf Taf. II entworfen. Alles paren- chymatische Gewebe, sowohl der Rinde und des Markes, wie des Gefässbündelringes, ist hier wegen seines Gehaltes an Stärke an der blauen Punktirung kenntlich. Man erkennt aber zwischen Mark und Rinde drei concentrische Schichten, deren äussere und innere aus violetten Punkten bestehen, während die mittlere durch kleine kreisförmige und elliptische Figuren angedeutet ist. Die violetten Punkte stellen die Siebröhrenbündel des äusseren (as.) und inne- ren (is.) Bastes vor; die dazwischenliegenden Ringelchen (gb.) die Gefässgruppen des Holzringes. Das Cambium, welches zwischen Holz und peripherischem Bast, auf frischen Schnitten als zarte Linie sichtbar ist, und sich durch Reichthum an Eiweiss und Mangel an Stärke vom umgebenden Gewebe abhebt, ist in der Figur nicht ge- zeichnet. In den Längsschnitten junger Knollen Fig. 7 und 8 ist der ganze Gefässbündelring einfach durch eine breite violette Linie angege- ben. Man sieht hier, wie die einzelnen Bündel sich an ihrem obe- ren Ende in die Blattschuppen ausbiegen, und also als ihre Spur- stiränge erscheinen, wie dies ja auch im Ausläufer der Fall ist. Zwischen dem in Fig. 6 abgebildeten Stadium und der reifen Knolle ist nur noch ein gradueller Unterschied, der sich auf zwei Factoren des Dickenwachsthums zurückführen lässt. Erstens auf die Thätigkeit des Cambiums; dieses sondert nach aussen nur wenig, nach innen aber viel neues Gewebe ab. Das auf der Aussen- seite gebildete verhält sich wie die schon vorhandene parenchy- matische Bastschicht; das nach innen entstehende besteht aus weit- zelligem Parenchym mit einzelnen zerstreuten Gefässgruppen. Diese Schicht ist es hauptsächlich, welche die Zunahme der Knolle in die Dicke bedingt, dementsprechend ist sie in der reifen Knolle sehr mächtig entwickelt, und übertrifft sie Mark und und Rinde bei Wei- tem, während sie in der Jugend viel weniger dick war als jene bei- den. Daher findet man in der reifen Knolle anscheinend das ganze Gewebe von Gefässgruppen durchzogen, nur ein kleines centrales Mark und eine dünne Rindenschicht sind davon frei. Weitaus der grösste Theil der reifen Kartoffel muss als ein in Parenchym umge- wandeltes Holzgewebe betrachtet werden. Ein zweiter Factor der Dickenzunahme ist die Vergrösserung aller parenchymatischen Zellen. Diese findet sowohl im Mark und Rinde, als in den parenchymatischen Zellen des Gefässbündel- ringes statt, und trägt nicht unerheblich zum Wachsthum der Knol- le bei. Die Gefässgruppen betheiligen sich daran nicht, weil ihre 21 322 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Gefässe bereits früh verholzen. Sie wirken dadurch zerrend auf das sie umgebende Gewebe ein, und die strahlige Anordnung des Parenchyms um sie herum ist eine nothwendige Folge dieser Zer- rung. Durch die Vergrösserung des Markes und des Gefässbündel- ringes wird die Rinde sehr stark gedehnt. Ihre Zellen werden also in tangentialer Richtung passiv gestreckt, und geben dieser Streckung durch entsprechendes Flächenwachsthum ihrer Zell- wandungen nach. Dabei theilen sie sich stetig durch radiale Wän- de, welche sich durch ihre geringe Dicke sehr leicht von den älteren, dickeren, tangentialen Wandungen unterscheiden las- sen 1) 2). § 12. Wanderung und Aufspeicherung der plastischen Stoffe in den wachsenden Knollen. Die organischen Stoffe, welche in den reifen Kartoffeln abgelagert sind, und das Material bilden, auf dessen Kosten das Wachsthum der Keime stattfinden wird, können daselbst nicht direct aus an- organischen Verbindungen. entstehen. Eine solche Neubildung or- ganischer Substanz findet bekanntlich nur in den grünen Pflanzen- theilen statt, und in diesen nur so lange sie vom Licht beschienen werden. Die Kartoffelknollen nun sind während ihres Wachs- thnums, wenigstens in normalen Fällen aus beiden Gründen zur Neubildung von plastischer Substanz ungeeignet; sie wachsen nicht am Lichte und enthalten auch kein Chlorophyll. Daraus folgt, dass ihre organischen Reservestoffe ihnen aus anderen Theilen der Pflanze zugeleitet werden müssen, und dass die hauptsächlichste Quelle, aus der diese Stoffe stammen werden, die grünen Blätter sind. In Bezug auf die Bahnen, in denen sich die Stoffe bewegen, können wir also weiter schliessen, dass sie im Stamme abwärts geleitet werden, und von diesem aus durch die Ausläufer den Knol- 1) Einige wichtige Angaben über die Erklärung des Baues und des Wachsthums der Kartoffelknolle, welche die oben ausgearbeiteten Principien begründen, findet man in den grundlegenden Arbeiten Nägeli’s zerstreut. So z. B. Beiträge Heft I, 1858, S. 12; Heft IV, S. 18; Nägeli und Schwen- dener, Das Mikroskop, S. 583. 2) Es möge hier eine isolirt stehende Beobachtung Erwähnung finden, nach welcher eine Kartoffel, welche durch ein Stück Flaschenhals gewachsen war und beiderseits stark angeschwollen, in der Mitte aber der Innenwand des Flaschenhalses stark angepresst war; vergl. Magnus, Bot. Zeitg. 1874, S. 363. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 323 len zuströmen. Hier werden sie theils zum Wachsthum der Knol- len, also zum Aufbau der Protoplasmakörper und der Zellhäute, theils zur Athmung, zum grossen Theil endlich zur Ablagerung als Reservestoffe benutzt. Ihrer chemischen Natur nach sind die organischen Stoffe, wel- che den jungen Knollen zugeführt werden, und sich daselbst ab- lagern, dieselben, denen wir auch im Stamm und in den Blättern begegnet sind. Es sind einerseits Eiweiss, andererseits Trauben- zucker und Stärke. Ein Blick auf die Tafel I wird die Orienti- _ rung über die Vertheilung dieser Stoffe in den unterirdische: Theilen einer Kartoffelpflanze erleichtern. Das Eiweiss bewegt sich in den Basttheilen des Gefässbündelringes des Stolo, und wird in ‚Ger jungen Knolle hauptsächlich in der Nähe der Endknospe und der Seitenknospen angetroffen; ferner in den Siebröhrenbündeln, dem Cambium und der äussersten Schicht der Rinde, wo es bei den Zelltheilungen des Korkcambiums Verwendung findet. Von sen beiden Kohlehydraten spielt der Zucker beim Transport, die Stärke bei der Ablagerung die wichtigste Rolle. Der Stengel lei- tet den Stolonen entweder vorwiegend oder ausschliesslich Zucker zu; in den Stolonen fängt aber die Umwandlung von Zucker in Stärke bereits an, und in den Knollen erreicht diese ihren Höhe- punkt. In vielen Sorten findet man alles parenchymatische Gewebe des Ausläufers und der wachsenden Knolle sowohl voll Stärke als voll Zucker, in der von mir am ausführlichsten studirten, und zu den Abbildungen auf Taf. I u. II ausschliesslich verwendeten Varietät, der Sechswochenkartoffel, fand ich zwar im Stolo fast zu jeder Zeit Zucker und Stärke, in der Knolle gewöhnlich aber nur Stärke, und nur an bestimmten, engumschriebenen Stellen zu gewissen Zeiten auch Zucker (Taf. II Fig. 8). Auch bei denjenigen Sorten, welche reich an Traubenzucker in den wachsenden Knollen sind, verschwindet dieser Zucker bei der Reife, und die ruhende Knolle enthält davon meist keine Spur mehr. Dieses Reifen findet nicht immer statt, während die Knolle noch mit der Mutterpflanze verbunden ist, sondern es kommt vor, dass die Knollen, nachdem das ganze Kraut abgestorben ist, und ‚die Tragfäden vertrocknet sind, noch Zucker enthalten und diesen ` erst nachher allmählig verlieren. Diese Erscheinung, welche als Nachreifen zu bezeichnen ist, werde ich unten für eine frühe Kar- toffelsorte eingehender beschreiben. Bei der Sechswochenkartof- fel lässt sie sich auf microchemischem Wege nicht wahrnehmen. Bevor ich zur detaillirteren Darstellung der Resultate meiner 324 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. microchemischen Untersuchungen schreite, wünsche ich hier auf die Ergebnisse einer macrochemischen Untersuchung über diesel- ben Erscheinungen hinzuweisen, welche von Fittbogen, Groen- land und Fraude in dem V. Jahrgange der Landwirthschaftlichen Jahrbücher veröffentlicht worden ist 1). Auf eine Vergleichung der von ihnen gefundenen Zahlen mit meinen eigenen Resultaten einzu- gehen, kann ich hier um so mehr unterlassen, als ich ohnehin in einem späteren Beitrag eine kritische Zusammenstellung der quan- titativen Untersuchungen über die Ernährungserscheinungen der Kartoffelpflanze zu geben beabsichtige. Die jetzt folgenden Angaben über die Stoffwanderung in jungen Knollen beziehen sich auf die Sechswochenkartofiel. Ich habe auch andere Sorten zum Vergleiche herangezogen, und bis auf die oben erwähnte Differenz im Zuckergehalte in den Hauptsachen über- einstimmende Ergebnisse erhalten. Die jugendliche Spitze eines Ausläufers verhält sich, bevor sie roch die Tendenz zur Knollenbildung zeigt, wie die Spitze eines jeden Sprosses. Der Vegetationskegel und dessen jüngste Blattanla- gen sind dicht mit eiweissartigen Stoffen angefüllt; hinter ihnen be- schränkt sich das Eiweiss auf den Gefässbündelring, und tritt im jugendlichen Streckungsgewebe feinkörnige Stärke auf; die älteren sich rascher streckenden oder bereits fertig gestreckten Partien des Ausläufers enthalten im Gefässbündel gleichfalls Eiweiss, im Paren- chym dagegen neben Stärke auch Zucker. Wenn die Spitze ihr rasches Wachsthum beendet, und sich zur jungen Knollenanlage umbildet, enthält alles Gewebe der neuen Knolle noch Eiweiss, und alles Parenchym bis in die Nähe der Endknospe daneben auch Stärke. Diesen Zustand fand ich noch bis zu einer Knollenlänge von fast 1 cm, wo also die junge Knolle dem Auge bereits sehr deut- lich als solche sichtbar ist. Eine Darstellung dieser Periode habe ich in der Fig. 7 auf Tafel II bei einer 6—7 mm langen Knolle gegeben. Alles Gewebe ist hier wegen des Eiweissgehaltes violett gefärbt; dunkler gefärbt, weil reicher an Eiweiss, sind die Ge- fässbündel und die Knospenanlagen; diese sind auch die stärke- freien Gewebepartien, alles übrige, nicht mehr meristematische- Gewebe, ist reich an Amylum und daher in der Figur blau punktirt. Traubenzucker fand ich in dieser Periode in der Knolle nicht, 1) Landw. Jahrbücher Bd. V, 1876, S. 597. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 325 wohl aber, wie bereits bemerkt, und wie auf Taf. I bei a ange- geben ist, im Tragfaden. | Wenn die Knolle die Länge von etwa 1 cm erreicht, so ändert sıch die Vertheilung der Stoffe in ihr, wie man aus einer Verglei- chung der Figuren 7 und 8 auf Tafel II leicht ersehen kann. Die wichtigste Veränderung betrifft das Eiweiss, welches allmählig aus dem Marke und den inneren Theilen der Rinde verschwindet, offenbar weil die dort abgelagerten Molecüle für das Wachsthum des Protoplasmas verbraucht oder anderen Gewebeschichten zu- geleitet wurden. In den äusseren Schichten der Rinde erhält sich das Eiweiss lange Zeit, theils weil es im Korkcambium Verwen- dung findet, theils weil es an Ort und Stelle als Reservestoff ab- gelagert wird. Ferner führen der Gefässbündelring sowie die Augen und deren nächste Umgebung Eiweiss. Die Stärke zeigt noch dieselbe Vertheilung wie vorher; in allem parenchymatischen Gewebe reichlich vorhanden, fehlt sie allen meristematischen Schichten. Um diese Zeit tritt nun auch Traubenzucker in den Knollen auf, und zwar zunächst ausschliesslich in der Umgebung der Augen, um den zu diesen führenden Gefässbündeln herum. Die orangene Farbe in unserer Figur gibt die Verbreitung des Zuckers an. Bei der weiteren Entwickelung der jungen Knolle strömen Eiweissstoffe und Kohlenhydrate ihr fortwährend in solcher Menge zu, dass trotz der raschen Vergrösserung aller Theile, die relative Menge der Inhaltsstoffe doch stets dieselbe bleibt, oder nur uner- heblich schwankt. Dass dabei der absolute Gehalt sehr stark zuneh- men muss, leuchtet ohne Weiteres ein. Im Allgemeinen wird der relative Gehalt an Eiweiss etwas geringer, an Stärke aber grösser; der Traubenzucker zeigt darin keine auffallende Regelmässigkeit. Im Tragfaden bleiben Eiweiss, Stärke und Zucker stets in grosser Menge sichtbar (Taf. II Fig. 5, und Taf. I); bisweilen er- streckt sich der Zucker von hier aus in der Zuckerscheide der Ge- fässbündel der Knolle eine kleine Strecke aufwärts. Diese Angaben sollen durch die schematische Figur auf Tafel I erläutert werden. Die drei Entwickelungsstadien der jungen Knospen, welche hier in natürlicher Grösse abgebildet sind (Fig. Í a, b, und c), stellen die wichtigsten Perioden der Stoffwanderung dar. 1 a ist der auch in Fig. 7 auf Taf. II abgebildete, und oben ausführlich besprochene Zustand. In dem Alter der Fig. 1 b ist die Knolle aber bereits doppelt so gross, wie die in Fig. 8 auf Taf. II abgebildete; Fig. 1 c stellt eine halbreife Knolle dar. 326 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Man sieht, wie der Zucker wieder verschwunden ist, wie das Ei- weiss sich allmählig auf die äusseren Schichten und auf die Nähe der Knospen zurückzieht, und wie die Stärke stets in überwiegen- der Menge alles parenchymatische Gewebe erfüllt. Im Stolo sieht man stets sowohl Stärke und Zucker, als auch Eiweiss. Für das Studium der Vorgänge beim Nachreifen der Kartoffel- knollen habe ich als Versuchsobjecte eine Anzahl von Knollen der frühen Rosa-Kartoffel gewählt, welche ich am 16. August geerntet hatte. Die Stauden waren in guter Gartenerde gewachsen, das Kraut am 16. August völlig abgestorben, (ohne irgendwie von der Krankheit gelitten zu haben); nur die unteren Theile der Stengel waren noch saftig. Beim Herausnehmen aus der Erde lösten sich die Knollen leicht vom Stengel, oft blieb dabei ein Theil des Ausläufers noch mit der Knolle in Verbindung. Die geernteten Knollen wurden in einem Zimmer zum Nachreifen aufbewahrt. Die erste zu beantwortende Frage war, ob die Bewegung der Bildungsstoffe in den Stolonen zur Zeit der Ernte bereits ihren normalen Abschluss gefunden hatte. Ich untersuchte deshalb am Tage nach der Ernte diejenigen Stolonen, welche die saftigsten zu sein schienen, fand sie aber völlig leer, und nur in der Nähe der Knollen waren noch die letzten Spuren von Stärke und Zucker zu finden. Zwischen den anscheinend völlig ausgebildeten Knollen fanden sich auch einige kleinere, nur bis 3 cm grosse, offenbar noch unreife. Ihre Stolonen waren aber auch im hintern Ende vertrock- net, enthielten dagegen in ihrem saftigen der Knolle benachbarten und bisweilen mehrere Centimeter langen Theil neben geringen Mengen von Stärke noch sehr viel Zucker. Es waren also die Stolonen an ihrer Ursprungsstelle aus dem Stamm ausnahmslos leer und zumeist bereits vertrocknet; der Transport von Nährstof- fen aus der Pflanze nach den Knollen hatte also aufgehört, nur die letzten Mengen hatten den Weg durch die Ausläufer noch nicht ganz zurückgelegt. Die lebendige Verbindung zwischen den Knol- len und der Mutterpflanze war aufgelöst; die weiteren Verände- rungen, welche noch etwa in den Knollen stattfinden würden, sind also als Nachreifen aufzufassen. Ich untersuchte jetzt am Tage nach der Ernte sowohl die an- scheinend reifen, als die unvollständig ausgebildeten Knollen. In den letzteren war alles parenchymatische Gewebe dicht voll Stär- ke und Zucker, letztere zumal in der Nähe der Gefässbündel ab- gelagert; in den anscheinend reifen Knollen war alles Parenchym ebenfalls voll Stärke; Zucker fand sich im Mark der unteren Hälfte WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 327 nur in wenigen Zellen, in der oberen Hälfte dagegen ziemlich viel in der Umgegend der Gefässbündel, zumal in der Nähe der End- knospe. Längsschnitte durch die obere Knollenhälfte zeigten sich nach der Behandlung mit Kupfervitriol und Kalilauge überall dem blossen Auge deutlich aber schwach orange, fleckenweise aber intensiver orange gefärbt. Je weiter von der Endknospe entfernt, um so geringer war der Gehalt an Traubenzucker. Um nun zu sehen, ob dieser Zuckergehalt beim Nachreifen ver- schwinden würde, untersuchte ich die Knollen nach 10 Tagen wieder. Einige Exemplare, welche anfangs untersucht waren, wa- ren dazu der Länge nach halbirt worden, es war nur die eine Hälf- te zur Untersuchung benutzt, und die andere, welche sich inzwi- schen mit einer Wandkorkschicht bekleidet hatte, konnte also jetzt verglichen werden. Der Gehalt an Stärke und Eiweiss zeigte keine merklichen Verschiedenheiten, dagegen war der Zucker nahezu verschwunden. Bei fleissigem Nachsuchen fand ich noch sehr ge- ringe Spuren in der Nähe der Endknospe, sonst war kein Zucker mehr nachweisbar. Offenbar war er in Stärke umgesetzt. Auch die kleinen Knollen waren jetzt zuckerfrei geworden. Diese Beobachtungen zeigen, dass mit der Lostrennung der Knollen von der Mutterpflanze, durch das Absterben der Stolonen die chemischen Umsetzungen in ihnen noch keineswegs beendet sind. Obgleich anscheinend reif, bedürfen sie noch einer gewissen Zeit, um in Wirklichkeit reif zu werden und in den Ruhezustand überzugehen. Als Ruhezustand bezeichnet man die Lebensperiode der Kartoffeln zwischen dem Zeitpunkt der völligen Reife und dem ersten Anfang der Keimung; in dieser Periode finden äusserlich keine Veränderungen statt. Es ist aber fast undenkbar, dass im Innern wirklich Ruhe herrschen sollte, es müssen im Gegentheil eine Reihe von langsameren chemischen Veränderungen stattfin- den, durch welche die Knolle allmählig befähigt wird, zu keimen. Sonst wäre es unerklärlich, warum eine reife Knolle nicht sofort keimfähig ist. Diese Periode der scheinbaren Ruhe ist vielleicht bei der Kartoffel dem physiologischen Studium leichter zugänglich zu machen als bei irgend einer anderen Pflanze, und ich zweifle nicht, dass eine weitere Verfolgung der Vorgänge beim Nachreifen dabei wichtige Dienste leisten kann. Der Stoffwechsel der wachsenden Kartoffelknollen zeigt eine merkwürdige Erscheinung, welche ich schon im historischen Theile hervorgehoben habe. Jedermann weiss, dass weitaus die meisten phanerogamen Gewächse in ihrem Gewebe oxalsauren Kalk in 328 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. krystallinischer Form ablagern. Diese Verbindung wird während des ganzen Lebens angehäuft und beim Tode nicht wie die plas- tischen Stoffe und die wichtigen mineralischen Bestandtheile ge- löst und in die überlebenden Organe zurückgezogen; im Gegen- theil, er wird mit der Cellulose und mit den geringen unlöslichen Resten des Protoplasma im absterbenden Theile belassen. Dem- zufolge betrachtet man ihn als einen Auswurfstoff, der für das Leben keine weitere Bedeutung hat. Einmal abgelagert, wird der oxalsaure Kalk nicht wieder auf- gelöst. Von dieser sonst allgemein geltenden Regel bildet die wachsende Kartoffelknolle, wie zuerst von Sorauer 1) gefunden wurde, eine Ausnahme. In ihr setzt sich von der frühesten Jugend an eine relativ grosse Menge von oxalsaurem Kalk ab, zur Zeit der Reife findet man aber keinen mehr. Ich habe diese Angabe von Sorauer völlig bestätigt gefunden, und kann ihr noch eine weitere Thatsache beifügen, welche mir für die Erklärung dieser Ausnahme sehr wichtig zu sein scheint. Bei den oben beschriebenen Versuchen über das Nachreifen von frühen Rosakartoffeln fand ich nämlich, dass die Knollen gleich nach der Ernte sehr reich an Körnchenschläuchen mit oxalsaurem Kalk waren; als ich aber nach iO Tagen die inzwischen nachge- reiften Knollen untersuchte, waren alle krystallinischen Ablage- rungen von oxalsaurem Kalk vollständig verschwunden. Das Salz konnte natürlich nicht in die Mutterpflanze zurückgeführt worden sein, sondern muss in der Knolle geblieben, oder zersetzt sein. Es ist möglich, dass der Kalk sich mit einer anderen Säure verbunden hat, und dass die Oxalsäure weiter oxydirt und als Kohlensäure entwichen ist; es ist aber auch nicht von vornherein unmöglich, dass die Krystalle sich einfach im Safte der Knolle gelöst haben, und dass die Verbindung als solche in der reifen Knolle noch da ist. Die stark saure Reaction des Saftes der eben gereiften Knollen trägt dazu bei, die letztere Hypothese die wahrscheinlichere zu machen. Die Frage, zu der die von mir gefundene Thatsache führt, ıst also die, ob der Saft der reifen Kartoffeln Oxalsäure, resp. oxalsaure Salze im gelösten Zustande enthält; sie lässt sich auf analytischem Wege entscheiden. Von ihrer Beantwortung, und der weiteren Verfolgung dieses Thema’s darf man wichtige Ergebnis- se für die Physiologie der Kartoffelpflanze erwarten. 1) Sorauer, Annalen der preuss. Landwirthschaft, Bd. LII, 1869, S. 156 ff. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 329 Einige Angaben über das Auftreten und die Verbreitung des oxalsauren Kalkes in den wachsenden Knollen mögen hier noch Platz finden. Bereits in der allerersten Jugend der Knolle treten die Körnchenschläuche mit ihrem krystallinischen Inhalt in Mark und Rinde auf; in Knollen von 6—7 mm Länge fand ich deren schon ziemlich viele, zumal waren in der unteren Hälfte der Knolle Mark und Rinde ganz voll von grumösen Zellen, welche durch ihren dunkel erscheinenden Inhalt sich stark vom übrigen Gewe- be abhoben; auch der Stiel war reich an ihnen. Bei einer Länge von 1 cm hatte der Gehalt meist nicht merklich zugenommen, auch später nahm er nur langsam aber stetig zu. In einer Knolle von 5—6 cm Länge fand ich in der ganzen Rinde einzelne gries- förmige Zellen zersteut; in der Nähe der Endknospe waren sie am zahlreichsten. Dabei liegen die Körnchenschläuche theils unregelmässig zerstreut in Mark und Rinde; die Zellen unter- scheiden sich nur durch ihren Inhalt, nicht durch ihre Form oder die Eigenschaften ihrer Wand vom umgebenden Parenchym. Theils liegen sie in bestimmter Gruppirung auf der Aussenseite des Ge- fässbündelringes, wo sie in continuirlichen Längsreihen auftreten, welche vom Stolo ausgehend sich im unteren Theil der Knolle _ fächerartig von einander entfernen, und häufig, auch in den halb- reifen oder nahezu reifen Knollen bis hoch hinauf verfolgt werden können. Auf Längsschnitten sieht man diese Reihen, sowohl im oberen als im unteren Theil der Knolle oft sehr schön. Schon mehrere Male haben wir in diesem und den vorigen Auf- sätzen gesehen, dass in jungen Organen während des Wachsthums Gerbstoff entsteht. Ueber die Ursache dieses Entstehens und die Bedeutung des Gerbstoffes sind in der Literatur einige Hypothe- sen verbreitet, jedoch hat noch keine einen irgendwie nennens- werthen Grad von Wahrscheinlichkeit erlangt. Ich beschränke mich also hier, wie stets, auf die einfache Mittheilung der empiri- schen Thatsachen. In jungen Kartoffelknollen lassen sich mit Eisenchlorid stets geringe Mengen Gerbstoff nachweisen; mit Ka- li wird das Gewebe nur gelb, mit doppeltchromsaurem Kali er- hielt ich keine zuverlässigen Reactionen. Knollenanlagen von 3 mm wurden mit Eisenchlorid blass-grau; in solchen von 8 mm wurde die jüngste Spitze und das Gefässbündel dunkler, das Parenchym von Mark und Rinde zumal in der unteren Hälfte nur wenig gefärbt. In Knollen von 1, 2 und 3 cm wird die jüngste Spit- ze, der Gefässbündelring und das Korkcambium mit dem angren- zenden Rindenparenchym gefärbt, das übrige Gewebe nicht. Knol- 330 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. len von 4 cm, welche am Licht seit einigen Tagen ergrünt waren, haben viel intensivere Reactionen als die normal im Dunkeln er- wachsenen. Die Ozonreaction mittelst Guayactinctur beobachtete ich an jungen Knollen zumal im äussersten Rindenparenchym, im Cam- biumring und stellenweise im Mark. MADS CAMI Das Zusammenwirken der verschiedenen Organe beim Stoffwechsel. I. Die Leistungsfähigkeit der Mutterknollen. § 13. Das Wachsthum im Dunklen Die Quellen der organischen Substanz für eine Kartoffelpflanze sind zwei: die Reservestoife, welche sie in der Mutterknolle vor- findet, und die Verbindungen, welche sie in ihren Blättern bei der Kohlensäurezerlegung am Lichte bereitet, und welche wir daselbst in unserm Paragraphen in der Form von Stärke gefunden haben. Durch chemische Umsetzung, und durch Verbindung mit anorga- nischen Stoffen liefern die Reservestoffe der Mutterknollen und die neugebildete Stärke der Blätter alles organische Material, dessen die Pflanze für ihre ganze Entwickelung bedarf. Verbraucht wird dieses Material hauptsächlich zu folgenden Zwecken. Erstens zum Aufbau aller Organe, und zwar insbesondere für die Zellhäute und Protoplasmakörper, aus denen sie bestehen. Zweitens zur Ath- mung und zu den Nebenprodukten des Stofiwechsels, welche beim Tode der Organe in diesen verbleiben. Drittens zur Aufspeiche- rung von Reservestoffen in den Früchten mit ihren Samen, sowie in den Knollen. Es ist eine Aufgabe der speciellen Physiologie der Kartoffel- pilanze, zu zeigen, welche Beziehungen zwischen dem Verbrauch einerseits, und dem vorgefundenen Vorrath und der Neubildung dieser Stoffe andererseits bestehen. Zumal ist es wichtig darzu- thun, ein wie grosser Theil des Verbrauches aus den Reservema- terial der Mutterknolle bestritten wird, und wieviel also durch die eigene Thätigkeit der Blätter neugebildet werden muss. Ich habe über diese und einige nahe verwandte Fragen eine Reihe von experimentellen und microchemischen Untersuchungen gemacht, deren Ergebnisse den Gegenstand dieses Abschnittes ausmachen werden. Es leuchtet ein, dass bei diesen Untersuchun- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 331 gen die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Mutterknollen einen hervorragenden Platz einnimmt. Es handelt sich darum, zu wis- sen, wie weit die Pflanze auf Kosten der in der Mutterknolle ent- haltenen Bildungsstoffe sich zu entwickeln vermag, wenn die Neu- bildung organischer Substanz in den Blättern ausgeschlossen ist. Um diese Frage zu beantworten, wollen wir die Kartoffeln sich in vollständiger Finsterniss soweit wie möglich entwickeln lassen. Wir setzen dabei in unseren Versuchen die Bedingung voraus, dass die Knollen hinreichende Mengen Wasser aufnehmen kön- nen, denn sobald letzteres nicht der Fall ist, treten Complicatio- nen in den Erscheinungen auf, welche wir erst im nächsten Para- graphen werden behandeln können. Bevor wir zu der Beschreibung der Versuche übergehen, wollen wir Einiges über die zu erwartenden Resultate vorausschicken. Das Reservematerial wird zur Neubildung von Organen und zur Athmung verbraucht, je nachdem das Verhältniss zwischen Wachsthum und Athmung ein verschiedenes ist, werden die Re- sultate andere sein. Findet das Wachsthum langsam statt, wäh- rend die Athmung eine kräftige ist, so wird relativ mehr Material zu letzterem verbraucht werden, es werden also kleinere Keim- pflanzen entstehen. Ist das Wachsthum relativ rasch, die Athmung aber langsam, so wird viel mehr Material für das Wachsthum zur Verfügung stehen, und man wird aus einer gleich schweren Knolle grössere Keimpflanzen erhalten. Es ist zu erwarten, obgleich hierüber noch keine nach physiologischer Methode durchgeführ- ten Untersuchungen bisher veröffentlicht worden sind, dass Ath- mung und Wachsthum von äusseren Einflüssen nach verschiede- nen Gesetzen abhängen. Unter diesen Einflüssen ist die Tempera- tur ohne Zweifel die wichtigste, und ich habe daher einige meiner Versuche im Winter, andere im Hochsommer angestellt, in der Hoffnung, dadurch verschiedene Resultate zu erreichen. Bevor ich diese Versuche mittheile, will ich hier einige Beobach- tungen von Sachs über das Wachsthum der Kartoffelpflanzen im Dunklen anführen, da sie den Unterschied zwischen den Dunkel- pflanzen und den am Licht erwachsenen recht scharf hervortreten lassen. Kartoffelknollen hatten in Sachs’ Versuchen im Finstern vom 1. März bis 23. April völlig etiolirte Sprosse mit weissen, stellenweise röthlichen Internodien und dunkelvioletten Blättchen gebildet. Die Triebe war 15—20 cm hoch, und die grössten Blätt- chen 5—6 mm lang. Am 23. April setzte Sachs die eine Pflanze an ein Südfenster. Am 13. Mai hatten sich am Gipfel der anfangs 332 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. etiolirten Triebe 5—6 grüne Blätter entfaltet; bei der im Finstern gebliebenen Pflanze dagegen waren die Sprosse zwar länger und dicker geworden als am Licht, aber die Knospe hatte noch ihre . nickende Stellung, wie es sonst nur so lange geschieht, bis die Spitze über den Boden hervorgetreten ist. Das erste mit drei Paar Seitenlappen versehene Blatt des stärksten etiolirten Sprosses hat- te 13 mm Länge, das erste homologe Laubblatt am Lichte dage- gen 61 cm. Die violetten kleinen Blättchen der etiolirten Triebe waren, obgleich 8—10 cm von der Knospe entfernt, noch in der Knospenlage zusammengefaltet, die entsprechenden grünen aus- gebreitet, ihre Fläche mindestens 20 mal so gross als bei jenem 1). Das Kleinbleiben der Blätter im Finstern erschwert eine Ver- gleichung der Dunkelpflanzen mit den normalen nicht unerheblich, da seibstverständlich um so mehr Nährstoffe zu anderen Zwecken verbraucht werden können, als deren weniger für die Blätter ver- wendet werden. Es liesse sich dieser Uebelstand durch Culturen von Kartoffelpflanzen in kohlensäurefreier Atmosphäre am Lichte vielleicht gänzlich beseitigen, solange derartige Versuche aber nicht gemacht worden sind, können uns die Beobachtungen etio- lirter Pflanzen als Anhaltspunkte dienen. Den ersten Versuch machte ich mit Sechswochenkartofieln im Winter. Vier Knollen von mittlerer Grösse wurden Mitte Februar in Töpfe ausgepflanzt; zwei Töpfe enthielten Gartenerde, die bei- den anderen Sand. Die Töpfe wurden von Zeit zu Zeit begossen, und standen im geheizten Zimmer unter Dunkelrecipienten bis zum 16. Mai, an welchem Tage ich sie zur Untersuchung nahm. Die vier Exemplare waren nahezu gleich stark entwickelt, und es wird deshalb genügen eines zu beschreiben. Es hatte zwei Stengel von 50—60 cm Länge, zwei von 30 cm, und noch 12 kleinere Sprosse; die grössten Stengel waren bis 12 mm dick, die kleineren ein wenig dünner. An Dicke standen die Sprosse also nicht hinter den am Licht entwickelten zurück, auch waren sie wie diese steif, saftig und turgescent, und zeigten deutliche Gewebespannung. Sie waren völlig weiss, ohne Spur von grüner Farbe. Ihr Holzkörper war fast gar nicht entwickelt, was sehr dazu beitrug ihnen ein krautartiges saftiges Ansehen zu verleihen, welches die Stämme einer normalen Kartoffelstaude bei gleicher Höhe, wenigstens in den unteren Theilen gar nicht mehr besitzen. Die Stengel waren fein abstehend behaart. Die Blätter waren äusserst winzig, höch- 1) Sachs, Bot. Ztg. 1863, Beilage S. 13. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 333 stens 5 mm lang, meist vertrocknet und nur an der Endknospe noch frisch. Jede Achselknospe war zu einem kurzen Zweige her- angewachsen, meist 5—6 mm, die unteren sogar 10—20 mm lang, sie zeigten den Habitus von jungen Stolonen. Ueber einer jeden solchen Seitensprosse standen im Halbkreis 3—6 Wurzelanlagen als kleine Wärzchen die Oberhaut emporhebend. Knollen trug dieses Exemplar nicht, ebensowenig zwei der an- deren; das vierte hatte aber einige wenige kleine fast kugelige Knol- lenanlagen gemacht. Dagegen hatte das beschriebene Exemplar eine kleine, noch jugendliche Inflorescenz gebildet. Diese nahm den Gipfel eines kleinen Gabelastes des längsten Sprosses ein, und bestand aus zwei Wickeln. In den Blüthenknospen waren Kelch und Krone deutlich differenzirt; die Staubfäden erschienen als kleine Anlagen um ein ziemlich grosses Pistill. Es fragte sich nur, in wieweit für die Ausbildung dieser Organe die Reservestoffe der Mutterknolle verbraucht waren. Ich prüfte daher die Knolle sowie den ganzen Stengel auf Stärke und Zucker. Die Knolle war noch ziemlich voll Stärke, und enthielt Zucker; der Stengel war überall in allem Parenchym dicht voll Zucker, enthielt aber keine Stärke. Letzteres kann nicht auffallen, da auch die Stengel der grünen Pflanzen zur Blüthezeit häufig keine Stärke führen. Wir sehen also, dass unsere Pflanzen während drei Monaten bei einer Temperatur von + 15° C. im Finstern wachsend, noch bei weitem nicht alle Reservestoffe der Mutterknolle verbraucht hatten. Die Stengel waren zu der ansehnlichen Grösse von einem halben Meter herangewachsen, Stolonen, junge Knollen, Blätter und Inflorescenzen waren der Anlage nach vorhanden; ein rei- ches Wurzelsystem war ausgebildet. Dass die Blätter sich nicht weiter entwickelten lag keineswegs im Mangel an Bildungsstofien, sondern darin, dass sie des Lichtes zu ihrer Ausbildung bedürfen. Eine weitere Entwickelung der Stolonen und Knollen würde wahr- scheinlich bei längerer Dauer des Versuchs stattgefunden haben, wenigstens lassen einige andere Beobachtungen darauf schliessen. Auch die Blüthenknospen würden sich vielleicht noch weiter ent- faltet haben. Einen zweiten Versuch stellte ich mit derselben Sorte, der Sechswochenkartoffel, im Sommer an. Ein grosser, sehr geräumi- ger Dunkelkasten war im Garten aufgestellt, die Knollen wurden darunter im freien Boden gepflanzt. Die Aussaat fand Mitte Juli 334 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. statt, während der folgenden Wochen war das Wetter kühl, und stieg die Temperatur in dem bisweilen von der Sonne bestrahlten Kasten nicht besonders hoch. Ende August wurden die Knollen zur Untersuchung ausgegraben und in’s Laboratorium gebracht. Die Stengel waren völlig weiss, dick und saftig, und zumeist von 50 bis 80 cm lang. Fast jede Mutterknolle hatte 3—5 neue Knol- len von je 2—3 cm Länge gebildet. Auch haben die meisten Exem- piare an den oberirdischen Theilen kleine, häufig gestielte, häufig ungestielte Achselknöllchen. Anlagen von Blüthenknospen fand ich nicht. Die Blätter und die Wurzeln waren ebenso entwickelt wie in den Exemplaren des vorigen Versuchs. Die meisten Exemplare waren bereits völlig gestorben, mit Aus- nahme der Knöllchen, von anderen Exemplaren waren die Stengel am oberen Ende gestorben, in der Mitte und unten noch nicht. Einzelne waren noch ganz lebendig. Die Mutterknollen waren bei allen Exemplaren völlig leer, meist war nur noch die Schale zu finden; die Reservestoffe waren also völlig verbraucht, und zwar theils zum Wachsthum von Sprossen, Wurzeln und Knollen, theils zur Ablagerung in den Knollen. Das Absterben der Stengel war offenbar die Folge des eingetretenen Mangels an Athmungsmaterial. Es war jetzt zu untersuchen, in wie fern die noch lebendigen Theile der Sprosse, und die jungen Knöllchen noch Bildungsma- terial enthielten. Die Knollen fand ich vollständig mit Stärke erfüllt, an den Augen und im Gefässbündelring eiweisshaltig. Zucker fand ich in ihnen nicht, ebensowenig Gerbstoff oder oxalsauren Kalk, es schien also, obgleich manche Knolle nur 1 cm lang war, dennoch eine Art Reife eingetreten zu sein. Hierfür spricht auch, dass manche Stolonen leer waren, weder Zucker noch Stärke enthielten, andere enthielten freilich noch ansehnliche Mengen dieser beiden Koh- lenhydrate; ihre Knollen waren also noch nicht reif. Die Stolonen waren reich an oxalsaurem Kalk. In den Stengeln war die Stärke völlig verschwunden, Zucker an manchen Stellen noch nachweisbar. Nur in einem Seitenzweige, dessen blätterbildende Endknospe noch lebendig und thätig war, fand ich in den sich streckenden Internodien in Mark und Rinde noch viel kleinkörnige Stärke, die ausgewachsenen Glieder waren auch hier leer. Andere junge beblätterte Triebe fand ich leer von Stärke und Zucker, also ihrem Tode offenbar nahe. Ich unter- suchte ferner mehrere Stengel, welche am oberen Ende, theils so- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 339 gar auch am unteren Ende bereits abgestorben waren. Sie enthiel- ten in einer gewissen Entfernung vom abgestorbenen Theil stets noch Zucker; an der Grenze des abgestorbenen Theiles war auf einer Strecke von mehreren Centimetern der Zucker bereits ver- schwunden; der oxalsaure Kalk war der einzige Inhaltsstoff der Zellen; die übrigen Zellen schienen leer und nur mit wässrigem Saft erfüllt. Diese Beobachtung darf wohl dahin gedeutet werden, dass der Zucker in.den Stengeln, in sofern er nicht nach den ge- ringen Knöllchen transportirt wird, im Stengel selbst bei der Athmung verbraucht wird. Es muss dann ein Augenblick eintreten, wo in einer bestimmten Gegend des Stengels kein Athmungsma- terial mehr anwesend ist, wo also der Stoffverlust der Zellen bei der Athmung nicht mehr ersetzt werden kann. Dieser Zustand kann natürlich nur eine beschränkte Zeit dauern, endlich ist die Substanz des Protoplasma durch die Athmung soweit zerstört, dass das Leben unmöglich wird. Daher finden wir auf der Grenze des abgestorbenen und des lebenden Theiles eines Sprosses stets eine zuckerfreie Strecke, sie befindet sich in dem angedeuteten Zustande des Verathmens und geht also allmählig zu Grunde.. jedes Stengelglied muss offenbar, bevor es durch Mangel an Nah- rung zu Grunde geht, dieses Stadium durchlaufen. Blicken wir auf die Resultate unseres zweiten Versuchs zurück, so sehen wir, dass innerhalb von etwa anderthalb Monaten die Mutterknollen völlig erschöpft waren, und dass nicht nur lange und dicke Sprosse in grosser Zahl, sondern auch einige neue Knöll- chen gebildet worden sind. Die Sprosse waren entweder bereits todt, oder doch dem Tode sehr nahe; die jungen Knollen aber dicht mit Stärke erfüllt und, ungeachtet ihrer geringen Grösse reif oder nahezu reif. Am besten könnte man ihren Zustand als den der Nothreife bezeichnen. Vergleichen wir schliesslich die beiden Versuche, so sehen wir, dass je nach der Jahreszeit oder den äusseren Umständen, das Leben der Kartoffelpflanzen auf Kosten der Reservestoffe der Mutterknolle sehr verschieden lang andauern kann. In einem Falle war es in anderhalb Monaten bereits abgeschlossen, im anderen Falle in drei Monaten noch bei weitem nicht beendigt. Zu diesem Unterschiede mag wohl am meisten beigetragen haben, dass im ersteren Fall ein grosser Theil der mütterlichen Nährstoffe in neue Knollen übergeführt und also den wachsenden Sprossen entzogen wurde, während solches im anderen Versuche nicht stattfand. Einen weiteren Versuch habe ich mit einer grösseren Anzahl von 336 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Varietäten angestellt, um zu sehen, in wiefern die Entstehung der neuen Knollen durch die Entwickelung im Dunklen verhindert oder verzögert wird. Ich zog dazu einige Exemplare jeder Sorte am Licht, und einige im Dunklen. Alle standen in demselben Beete des Gartens; die Finsterpflanzen befanden sich unter einem ge- räumigen, nahezu zwei Quadratmeter umfassenden Kasten, dessen cbere hölzerne Decke etwas gegen die Erde geneigt war, und sich an der tiefsten Stelle 20 cm, an der höchsten 50 cm über der Erd- oberfläche befand. Die Neigung war nach Süden gewendet; die Temperatur im Kasten demzufolge meist höher als die der umge- benden Luft. Es war von vornherein als möglich zu betrachten, dass verschie- dene Kartoffelsorten sich in dieser Beziehung verschieden verhal- ten würden, dass zumal zwischen den frühen und späten Sorten Unterschiede bemerkbar sein würden. Ich habe deshalb den Ver- such mit zwei frühen, zwei mittleren und zwei spätreifen Sorten angestellt. Es waren 1) die frühe Rosa- und die frühe Zucker- kartoffel, 2) die Fürstenwalder und die Siebenhäuser Kartoffeln, und 3) als spätreife Sorten Dalmahoy- und Heiligenstedter, welche letztere Varietät bekanntlich erst Ende October oder Anfang No- vember zu reifen pflegt. Es ergaben jedoch alle diese Sorten in meinem Versuch der Hauptsache nach dieselben Resultate, denn in den meisten Hinsichten waren die individuellen Verschiedenhei- ten grösser als die Unterschiede zwischen den einzelnen Varie- täten. Die Aussaat fand sowohl im Freien als im Finsterkasten am 11. Mai statt, am 27. Juni wurde der Zustand der Entwickelung zum ersten Male eingehend untersucht. Die Finsterpflanzen hatten alle zahlreiche meist 60—90 cm lange Triebe; diese trugen wie immer nur äusserst kleine Blättchen, waren weiss, saftig und dünn; einige Sprosse starben an den Enden schon ab. In den Achseln der Blättchen fanden sich bei den frühen Varietäten, (Rosa- und Zuckerkartoffel) nur Knospen, bei den Fürstenwalder, Siebenhäuser und Dalmahoy-Kartoffeln sehr kleine Stolonen und bei der spätesten Sorte, den Heiligenstedter Kartoffeln Stolonen von 1—3 cm Länge. Junge Knollen waren aus ihnen bei keiner Sorte entstanden. Ebensowenig waren an den unterirdischen Theilen Knollen an- gelegt. Die Mutterknollen waren sehr wässrig, stellenweise bereits faulend, bei den Dalmahoy-Kartoffeln bereits ganz verfault; bei WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 337 den übrigen enthielten sie noch die letzten geringen Mengen von Stärke. Während der sechswöchentlichen Cultur war also bei allen Va- rietäten fast alles Reservematerial aus den Mutterknollen ver- schwunden; es waren dafür zahlreiche und sehr lange Sprosse entstanden, aber keine Knollen. Es muss bemerkt werden, dass die Temperatur während der Versuchszeit sehr hoch war, wo- durch, wie es scheint, die Athmung im Verhältniss zum Wachs- thum auffallend beschleunigt war. Denn offenbar war ein sehr bedeutender Theil der mütterlichen Reservestoffe spurlos ver- schwunden. Vergleichen wir nun mit diesen Dunkelpflanzen die gleichzeitig im freien Felde ausgepflanzten, und seitdem am Lichte erwach- senen. Sie zeigten an demselben Tage folgendes: Die Sprosse waren meist 60 cm lang und reich beblättert; Anlagen von Blüthenknospen waren bei allen, mit Ausnahme der Heiligen- stedter Kartoffel bereits deutlich sichtbar. Alle hatten bereits am unterirdischen Stammtheile neue Knollen angelegt, meist von etwa 1 cm Grösse, bei den frühen Rosenkartoffeln einzelne sogar von 3 cm, bei der Heiligenstedter Sorte aber waren die grössten neuen Knollen nur 0,5 cm lang. Genauere Angaben kann ich hier- über nicht machen, da sie wegen der ansehnlichen individuellen Unterschiede doch keinen Werth haben würden. Die Mutterknollen waren bei allen Sorten fast leer, bei einzelnen enthalten sie noch Spuren von Stärke. Es waren also bei den normalen Pflanzen und bei den Finster- pflanzen die Mutterknollen gleich stark erschöpft, dafür waren bei ersteren reich beblätterte Sprosse und junge Knollen, bei letz- teren nur blattlose Sprosse gebildet. Der Versuch wurde nun noch bis zum 14. Juli fortgesetzt. An diesem Tage waren die Stengel der im Finstern wachsenden Exemplare an weitaus den meisten Stauden gänzlich, bei den übrigen über mehr als die Hälfte ihrer Länge abgestorben und ent- weder faulend oder zu dünnen Fäden zusammengeschrumpft. Die Mutterknollen waren fast alle spurlos verschwunden, bei mehreren fand ich noch Stücke der Schale mit Ueberbleibseln des halbflüs- sigen faulenden Inhaltes, nur drei Knollen waren noch hart und turgescent, aber auf Querschnitten ganz durchscheinend und of- fenbar leer. (Es waren eine Fürstenwalder und zwei Siebenhäuser Kartoffeln). Neue Knollen waren gar nicht gebildet, weder unter der Erde noch an den höheren Stengeltheilen. Eine Ausnahme 22 338 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. machte nur die frühe Zuckerkartoffel, welche an den oberirdischen Stengeltheilen einzelne kleine, nur bis 7 mm lange, meist ungestielte Knöllchen trug. Es war also jetzt nahezu alles Material aus den Mutterknollen vollständig verbraucht, die Sprosse gingen aus Mangel an Nahrung zu Grunde. i Fassen wir jetzt die Resultate der mitgetheilten Beobachtungen kurz zusammen. So wenig diese nur nebenbei gemachten Versuche geeignet sind, die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Mutter- knollen zur definitiven Entscheidung zu bringen, so bieten sie doch manche Anhaltspunkte, welche bei der Beantwortung dieser Frage Berücksichtigung verdienen. Erstens geht aus ihnen unwiderleglich hervor, dass die Leistungen der Mutterknolle je nach den äusseren Umständen sowohl qualitativ als quantitativ äusserst verschiedene sind. Qualitativ in sofern, als in einigen Versuchen keine, in anderen mehrere neue Knollen neben den Sprossen entstehen. Quantitativ in sofern, als die neue Knollen sehr verschiedene Zahl und Grösse erreichen können, und als bei Abwesenheit von Knollen sowohl die Ausbildung als die Lebensdauer der Sprosse eine sehr ver- schiedene sein kann. Bei späteren, genaueren Untersuchungen über die Leistungsfähigkeit der Mutterknollen wird man also den Einfluss äusserer Umstände stets in Betracht zu ziehen haben, wenn es darauf ankommt, wissenschaftlich verwerthbare Ergeb- nisse zu erzielen. Schliesslich mache ich noch auf eine Folgerung ee welche sich aus unserem dritten Versuch ergiebt, welche wir aber erst in einem folgenden Paragraphen näher besprechen werden. Bei den Finsterpflanzen sind alle Reservestoffe der Mutterknolle für die oberirdischen Sprosse verbraucht; Knollen wurden nicht angelegt. Bei den am Licht wachsenden Pflanzen konnten die grünen Blätter selbst die organischen Nährstoffe für das Wachs- thum der Sprosse herstellen; dementsprechend wurden an ihren unterirdischen Theilen schon junge Knollen angelegt, bevor die Mutterknollen entleert waren. II. Die Bedingungen der Entstehung neuer Knollen. S 14. Die Knollenbildung beim Liegen an der Luft. Die Bedingungen, von denen abhängt, ob eine Sprossanlage der Kartoffelpflanze zu einem beblätterten Triebe oder zu einer Knolle heranwachsen wird, sind bis jetzt nur sehr unvollständig bekannt, WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 339 und noch nie einer eingehenden Untersuchung unterworfen wor- den. Aus der praktischen Erfahrung kennt man manche werthvolle Thatsache, z. B. dass Dunkelheit der Knollenbildung förderlich ist, aber über diese allgemeinsten Begriffe geht unsere Kenntniss nicht hinaus. Ich werde deshalb in diesem und in den beiden folgenden Paragraphen die in der Literatur zerstreuten Angaben über die Knollenbildung unter abnormalen Umständen mit einigen eigenen Beobachtungen zusammenstellen, um am Schlusse zu prüfen, welche Sätze sich mit grösserer oder geringer Wahrscheinlich- keit aus dem vorhandenen Material bereits jetzt ableiten lassen. Eine solche Zusammenstellung möge keine direct bewiesenen Resultate bringen, sie scheint mir aber sehr nützlich, um diejenigen Punkte, von denen eine experimentelle Erforschung dieses sehr wichtigen Gebietes auszugehen hatte, möglichst klar zu stellen. In diesem Paragraphen behandle ich die Fälle, wo Kartoffel- knollen, trocken an der Luft liegend, keimen. Sie pflegen dann, je nach den Sorten, eine grössere oder geringere Anzahl von neuen Knollen zu machen. Dabei ist es von wesentlichem Einfluss, ob das Wachsthum am Licht oder im Finstern vor sich geht; im Fin- stern bilden sich die Knollen meist, abgesehen von ihrer geringen Grösse in ähnlicher Weise aus, wie die normalen Knollen im Bo- den; am Licht entstehen häufig eigenthümliche Zwischenformen zwischen Stengeln und Knollen. Wenn man Kartoffeln den Sommer über an einem dunklen trock- nen Orte aufbewahrt, so pflegen sie daselbst zu keimen und eine grössere oder kleinere Anzahl von Sprossen zu bilden. Je nach der Sorte, und je nach der Feuchtigkeit der Luft erreichen diese Sprosse eine verschiedene Länge, bei grosser Trockenheit pflegt nach einiger Zeit ihre Spitze abzusterben, sie machen dann Seiten- zweige, deren Gipfel gewöhnlich bald dasselbe Schicksal erfährt. Sie bilden keine Wurzeln; die Anlagen zu diesen sind zwar deut- lich sichtbar, aber wachsen nicht aus. Aus den Stolonen bilden sie meist neue Knollen, welche oft zahlreich, oft weniger zahlreich sind, und selbstverständlich alle zusammen nie auch nur annäh- ernd das Gewicht der Mutterknolle erreichen. Schacht bildet in seinem Berichte 1) eine solche Knolle ab, welche im im Dunklen drei grössere reich verzweigte und zahlreiche kleine Triebe und über ein Dutzend kleiner Knollen gemacht hat. An zahlreichen Sechswochenkartoffeln, welche ich im Zimmer unter einem Dun- 1) Schacht, Bericht üb. d. Kartoffelpflanze, 1855, Taf. IV, Fig. 6. 340 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. kelrecipienten bis in den Juli hinein aufbewahrt hatte, beobachtete ich diese Knollenbildung sehr deutlich. Ihre Sprosse hatten im Juli meist eine Länge von 5 cm, einzelne sogar von 12 cm erreicht; sie waren meist stark verzweigt. Sehr viele Exemplare hatten neue Knollen gebildet, und zwar meist je 3—6 Stück, welche gewöhn- lich entweder direct aus der Mutterknolle oder aus dem untersten Theile der Sprosse, oder endlich aus einander entsprangen, und fast immer kurz gestielt waren. Die grössten der neuen Knollen waren 1 cm gross. Die Mutterknollen schrumpften sehr stark zu- sammen und waren schlaff, in Folge des Wasserverlustes. Denn die Keimsprosse und die neuen Knöllchen hatten ihnen nicht nur die Nährstoffe, sondern auch das Wasser, dessen sie für ihre Ent- wickelung bedurften, entzogen. Andere Knollen der Sechswochenkartoffel habe ich den Sommer über am Licht trocken aufbewahrt. Sie bildeten wenige Sprosse, welche nicht die Form der gewöhnlichen Keimtriebe annahmen, sondern zu knollenähnlichen Gebilden heranwuchsen. Es waren Zwischenformen zwischen einem Stengel und einer Knolle. Sie hatten meist eine elliptische Form, waren dunkelgrün bis violett gefärbt, und trugen lange querverlaufende Linien als Blattkissen, auf denen man kleine, 1—2 paarig gefiederte Blättchen sah. Am Gipfel waren diese Blättchen zahlreicher und bildeten dort eine Art Krone. Oft stehen in den Achseln dieser verkümmerten Blätter junge knollenartige Gebilde, wodurch dann die Knolle verzweigt scheint; oft auch kürzere oder längere stengelartige Gebilde. Einen solchen Fall hat Schacht (1. c. Tafel IV Fig. 7) abgebildet. Häufig trug eine Mutterknolle 2—7 solche knollenförmige Stengel, welche eine Länge von bis zu 3 cm erreichten, jedoch sehr geringe Masse hatten. Am 30. September untersuchte ich eine solche Kartoffel mit 4 jungen Knollen; die beiden grössten Knöll- chen wogen zusammen 5 g, die Mutterknolle selbst noch 20 g. Dass man diese Gebilde als Zwischenformen zwischen Stamm und Knolle betrachten muss, geht am deutlichsten aus der Be- trachtung ihres anatomischen Baues hervor. Ich fand in einem solchen Triebe, der 15 mm lang und in der Mitte 5 mm dick war, die Epidermis noch ohne Spur von Korkbildung, während bei echten Knollen bei dieser Grösse die Korkbildung deutlich ange- fangen hat. Im Bast zeigte er zahlreiche Bastfasern, welche den normalen Knollen fehlen. Die Holzschicht endlich war durch nach- trägliches Wachsthum verdickt und zeigte im Querschnitt eine- reihenförmige Anordnung, was gleichfalls in- echten Knollen nicht. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 341 vorkommt. Dagegen fand ich in den grösseren Trieben das Mark relativ sehr gross und das Holz verhältnissmässig wenig ausge- bildet, wodurch sie sich, ebenso wie durch die Form von echten Stengeln unterscheiden. Diese Knollen führten reichliche Mengen Stärke. Als Anhang zu diesen Beobachtungen wünsche ich noch ein Paar andere Fälle zu besprechen, in denen die normale Ausbildung der Sprosse durch andere Ursachen als durch Wassermangel gehemmt war, in denen aber gleichfalls dadurch die Entstehung von neuen Knollen gefördert war. Schacht theilt mit, dass Knollen, welche er an feuchter Luft keimen liess, dadurch nach einiger Zeit so weit erschöpft waren, dass sie, als er nun die Keime abbrach, unter denselben Umstän- den keine weiteren Triebe bildeten. Vergrub er nun aber diese ab- gekeimten Knollen in feuchtem Sand, so bildeten sie wieder zahl- reiche Triebe, welche nicht oder kaum aus dem Boden hervor- traten, aber aus ihren Achselknospen zahlreiche junge Knöllchen entstehen liessen. Er bildet auf Tafel XIX in Figur 2 seiner oben citirten Abhandlung eine solche Knolle ab, welche am 2. Mai abge- keimt worden war, dann im dunklen Kasten keine Triebe hatte machen wollen, und endlich in feuchtem Sand vergraben wurde. Hier hatte sie bis zum September, ohne Kraut zu bilden, etwa ein Dutzend junge Knollen erzeugt. Ich habe diesen Versuch mit Sechswochenkartoffeln wiederholt, welche bis Mitte August an der Luft im Dunklen aufbewahrt worden waren, und dann, nach vorhergehender Abkeimung im Garten ausgepflanzt wurden. Nur die kräftigsten Exemplare kamen noch über der Erde; ihre Sprosse wurden aber sofort verdunkelt; die meisten Exemplare kamen gar nicht aus dem Boden hervor. An den unterirdischen Theilen der Sprosse bildeten sie je I—3 neue Knöllchen, deren einzelne bis 3 cm lang wurden; die Mutterknollen blieben dabei schlaff und tief- ` runzelig. Endlich habe ich Mitte Mai einige Sechswochenkartoffeln in Töpfe mit so bindiger Erde gepflanzt, dass diese bald zu einer harten Masse zusammen backte, welche beim Giessen kaum auf- weichte. Die Töpfe standen unter Dunkelrecipienten im Zimmer. Eine Knolle bildete zwei Sprosse, welche 8 cm lang wurden und dann aufhörten zu wachsen; an ober- und unterirdischen Seiten- zweigen erzeugten sie nun zahlreiche junge Knöllchen von bis 3 cm Länge. Eine andere Knolle bildete nur einen Spross von 2 cm; und nur vier Knollen, zwei ziemlich gross (von 2,5 und 3,5 cm) 342 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. und zwei kleinere. Die Mutterknollen waren bis Mitte Juli völlig erschöpft. In allen diesen Fällen sehen wir, dass durch äussere Umstände die Entwickelung der Sprose gehemmt oder doch bedeutend her- abgesetzt ist, und dass eine grössere oder geringere Zahl von jungen Knollen entstanden. Die mütterlichen Reservestoffe fanden bei dem Wachsthum der Sprosse nur zu einem kleinen Theile Ver- wendung, zum grössten Theil wurden sie zur Erzeugung von Knollen verbraucht und in diesen abgelagert. § 15. Die Knollenbildung an oberirdischen Stengeltheilen. Bei der normalen Entwicklung einer Kartoffielpflanze werden bekanntlich nur die Achselknospen der unteren Stengeltheile zu knollentragenden Ausläufern und zwar in. der Regel nur diejenigen Knospen, welche unterirdisch entstanden, oder durch Behäufelung später unter die Erdoberfläche gebracht sind. Die Eigenschaft der Knollenbildung aus Seitentrieben ist also für gewöhnlich auf einen bestimmten, kleinen Theil des Stengels beschränkt. Diese Regel ist aber nicht ohne Ausnahmen. Es kommen zahl- reiche Fälle vor, wo auch an höheren Theilen des Stengels Knol- len angelegt werden. Solche Knollen erreichen je nach Umständen sehr verschiedene Gestaltung und Ausbildungsgrad. Es ist klar, dass die Kenntniss dieser abnormalen Vorkommnis- se Fingerzeige bieten muss für die Erforschung der Ursachen, welche die Knollenbildung im Allgemeinen beherrschen. Ich werde deshalb hier die mir bekannt gewordenen Fälle zusammenstellen. Sie lassen sich ungezwungen in drei Gruppen anordnen. Ich behandle zuerst die Knollenbildung an höheren Stengeltheilen im Dunklen, dann die am Licht, und endlich die Erzeugung normaler Knollen aus Stecklingen. Von der Entstehung kleiner Knollen an oberirdischen Stengel- theilen im Dunklen haben wir in § 13 bereits einige Beispiele be- schrieben. Es scheint, dass die Anlegung von Knollentrieben an etiolirenden Pflanzen eine ganz gewöhnliche Erscheinung ist, und dass äussere Umstände darüber entscheiden, ob eine solche An- lage sich zur Knolle entwickeln wird oder nicht. So habe ich z. B. einen kräftigen etwa einen halben Meter langen etiolirten Trieb einer im Dunklen erwachsenen Kartoffelpflanze im Mai abgebro- chen und zwischen Löschpapier gebracht, wo er vom unteren En- de aus allmählig abstarb. Am oberen Ende bildete sich aber aus WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 343 einer Blattachsel ein hübsches neues Knöllchen, welches die noch vorhandenen Nährstoffe aus dem Stengel an sich zog und lange am Leben blieb, als der Spross bereits völlig gestorben war. Es scheint, als ob die veränderten äusseren Umstände die Entstehung dieser kleinen Knolle veranlasst hätten. Obgleich die Knollenbildung an etiolirten Sprossen ohne Zwei- fel Jedem bekannt ist, so finden sich genauere Angaben darüber in der Literatur doch nur selten. Einige wichtige Beobachtungen beschrieb Hanstein 1). Er untersuchte Kartoffelpflanzen, welche ein Jahr lang in vollkommen dunklem Raume vegetirt und dabei in den ersten Monaten in einem Glase mit Wasser gestanden, später aber kein Wasser mehr zur Verfügung gehabt hatten. Sie hatten anfangs einige Sprosse und zahlreiche Wurzeln gebildet, später starben letztere ab, die ersteren wuchsen jedoch weiter, und viele neue Knospen entwickelten sich. Dabei entstanden zahlreiche kleine Knöllchen, und zwar sowohl an den kurz gebliebenen ge- häuften Knospen, die mehrfach aus der Mutterknolle entwickelt waren, nahe an derselben, als auch überall an der langen, ge- streckten, schlaffgebliebenen, zu Laubsprossen bestimmten Trie- ben. An letzteren sassen die Knöllchen sowohl gipfel- als achsel- ständig. Da so zahlreiche Knöllchen von den Reservestoffen einer Mutterknolle zehren mussten, blieben sie selbstverständlich klein, meist nur wenige Linien gross. Bisweilen wuchsen aus ihnen wie- der neue Sprosse hervor; auch Zwischenformen zwischen Knollen- trieben und Laubsprossen wurden beobachtet. Später starben die Sprosse ab, während die Knöllchen noch lange Zeit am Leben blie- ben. Im Dunklen können also wohl alle in der Vegetations-Periode angelegten Knospen unter Umständen zu Knöllchen werden. Die Beobachtungen über die Knollenbildung am Licht beziehen sich auf die Entwickelung von grünen Knöllchen in den Achseln der Laubblätter. Diese Erscheinung tritt bisweilen im Grossen als Krankheit auf, bisweilen im Kleinen in Folge von Verletzungen. Endlich kann sie auch künstlich hervorgerufen werden. E. Meyer giebt an, dass bei Königsberg im Sommer 1838 wegen der übermässigen Feuchtigkeit in jener Gegend die sonst sehr seltene Missbildung häufiger und stärker vorkam, dass sich an den Luftstengeln der Kartoffelpflanzen ebenfalls Knollen bildeten; über ganze Felder soll sich diese Missbildung erstreckt haben, 1) Sitzungsber. d. Niederrhein. Ges. in Bonn. 13. Febr. 1871. 344 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. und einzelne Exemplare wurden bis zum Gipfel hinauf mit knol- lenartig angeschwollenen Zweigen und zum Theil mit wirklichen Knollen besetzt. 1) Von Hall2) beobachtete in einem Garten zu Groningen eine Kartoffelpflanze, welche 287 grössere und kleinere Kartoffeln über der Erde trug. Diese Kartoffeln standen in den Blattachseln, und es fanden sich an ihren Seitenflächen kleine Blättchen, selbst zusammengesetzte Blätter. Beinahe alle diese Knöllchen sassen auf Stielen, welche sich häufig in mehrere Aeste theilten, von welchen jeder an seiner Spitze eine Knolle trug. Die unterirdischen Stengeltheile trugen weniger Knollen als normale Pflanzen. Die Pflanze stand an einem dunklen, feuchten Platze. Im kalten und feuchten Sommer des Jahres 1864 wurde die Krankheit in verschiedenen Provinzen von Holland beobachtet. Eine gedrängte Uebersicht der dabei beobachteten Erscheinungen gab Suringar 3). Die Krankheit trat in Twente und in Friesland im Grossen auf, und wurde bei Leiden in einem Garten bei frühen Kartoffeln beobachtet. Es zeigte sich, dass die nächste Ursache der Erscheinung in einer mehr oder weniger vollständigen Tren- nung der oberirdischen Sprosse von den unterirdischen Theilen zu suchen war; einer Trennung, welche meist durch Fäulniss, wohl in Folge der Benutzung kranker Setzkartoffeln hervorgerufen war. Die unterirdischen Knollen waren dementsprechend entweder gar nicht oder doch in viel geringerem Maasse entwickelt als sonst. Offenbar waren die in den Blättern neugebildeten Kohlenhydrate auf ihrem Wege abwärts an den verfaulten Stellen zurückgehalten worden, und hatte ihre Anhäufung zu der Bildung monströser grüner Knöllchen Veranlassung gegeben. Auf der Altenburger Kartoffelausstellung im Jahre 1875 waren grüne oberirdische Knollen aus verschiedenen Gegenden Deutsch- lands eingesandt 4). Sie variirten von einfachen, wenig verdickten grünen Kurztrieben mit etwas unterdrückter Blattbildung bis zu völlig abgerundeten Abbildern der unterirdischen Knolle. Die Präparate entstammten kranken Pflanzen der sächsischen Zwie- belkartoffel aus 1862, 1872 erkrankten frühen Rosakartoffeln, und einigen anderen Sorten. Die oberirdisch gebildeten Knollen kön- 1) E. Meyer, Froriep’s neue Notizen Nr. 253 und 254, Nov. 1839, citirt in E. Meyer, Jahresbericht der physiologischen Botanik, 1840, S. 122. 2) Bot. Zeitg. 1843, S. 187. 3) Leydsche Courant, 28. Sept. 1864. 4) Die Kartoffel und ihre Cultur, 1876, S. 183 und Fig. 20. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 345 nen die Grösse einer Wallnuss, unter Umständen selbst eines Hühnereies erreichen, namentlich die dem Boden benachbart er- wachsenen, und sind gleich den unterirdischen Knollen, insofern sie im folgenden Jahre ausgepflanzt werden, fähig eine neue, wenn auch dürftige Pflanze zu erzeugen. Nach Putsche und Bertuch 1) kommen grüne Achselknollen bei einigen Kartoffelsorten als normale Erscheinung vor; sie erreichen zuweilen die Grösse eines Hühnereies und sind keimfähig. Gehen wir zu den Fällen über, wo die grünen Achselknollen in Folge von bestimmt nachgewiesenen Verletzungen entstehen. Sie haben, wie man sehen wird, das Gemeinsame, dass die Verbindung der oberirdischen Theile mit den unterirdischen mehr oder weni- ger vollständig aufgehoben wird, während die grünen Blätter noch namhafte Mengen neuer organischer Substanz bilden, oder wäh- rend doch im Stengel oberhalb der verwundeten Stelle noch reich- liches Bildungsmaterial vorhanden ist. Es macht stets den Ein- druck, als ob die Anhäufung organischer Nährstoffe oberhalb der Wunde die nächste Veranlassung zur abnormalen Knollenbildung an jener Stelle sei. Welcher Art aber die Beziehung zwischen die- ser Ursache und ihrem Erfolg ist, ist zunächst nicht mit Sicher- heit zu ermitteln. Die Verletzungen, in Folge deren bisher die Bildung oberirdischer Knollen beobachtet wurde, sind erstens die völlige Trennung der oberirdischen Theile von den unterirdischen, zweitens ein unvoll- ständiges Abbrechen, wobei oft nur die Gefässbündel gespart blei- ben, und drittens die künstliche Entfernung eines Rindenringes. Putsche und Bertuch 2) führen folgenden Fall an: Kartofielkraut wurde im Hochsommer abgeschnitten und auf einen Haufen ge- worfen, wo es eine Zeit lang liegen blieb und theilweise verfaulte. Als später der Haufen auseinander gebracht wurde, fand man, dass in der Mitte des Haufens an jedem Stengel Kartoffeln in der Grös- se eines Taubeneies gewachsen waren. Diese Knollen zeigten sich im folgenden Jahre völlig keimfähig. Offenbar war das Bildungs- material, dass zu ihrem Wachsthum erforderlich war, bereits beim Abschneiden im Kraute vorhanden gewesen. Im Juni 1875 schnitt ich einen kräftigen, reichbeblätterten Kar- toffelspross im Garten ab, und stellte ihn im Zimmer am Nord- fenster in ein Cylinderglas, wo die Schnittfläche in ein wenig Wasser tauchte. In den beiden unteren Blattachseln entwickelten 1) Monographie der Kartoffeln, 1839, S. 28. 21 l e S28. 346 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sich zwei kleine Knöllchen, deren grösstes 18 mm lang und 12 mm dick war, von röthlich grüner Farbe, und mit kleinen grünen fie- dertheiligen Blättchen, zumal an der Krone, bedeckt war. Auch Decandolle 1) theilt eine hierher gehörige Erfahrung mit, Schneidet man den Stengel einer Kartoffelpflanze, in der Nähe der Basis so tief an, dass der obere Theil mit dem Stocke nur durch einen schmalen Streifen Gewebes in Verbindung ist, so entstehen in den Bflattachseln des oberen Theiles grüne Knöllchen, welche nur wenig wachsen. Aehnliche Versuche waren bereits früher von Knight gemacht worden. Im Sommer 1876 verletzte ich im Garten einen kräftigen Kar- toffelspross an einer Stelle so stark, dass er hier allmählig fast ganz abstarb und bis auf das Holz verfaulte. Der Spross blieb einige Wochen hindurch frisch und grün, obgleich er zahlreiche Blätter trug und offenbar viel Wasser verdunstete. Ich schliesse daraus, dass das Holz an der verletzten Stelle noch lebenskräftig geblieben war. Erst nach längerer Zeit verwelkten und vertrockneten die Blät- ter. Oberhalb der Wunde entwickelte sich in fast jeder Blattach- sel eine grüne Knolle, welche um so kleiner war, je weiter sie von der Wunde entfernt war. Die unteren erreichten eine Grösse von über 1 cm, waren mit sehr kleinen gefiederten Blättchen besetzt und ungestielt. Die Erfolge der Ringelung an Kartoffelstauden wurden zumal von Dutrochet studirt. 2) Entnahm er kräftigen Kartoffelsprossen einen Rindenring, so fand er, dass einige Exemplare oberhalb der Wunde grüne Achselknöllchen bildeten. Diese Knöllchen waren meist nur erbsengross, bisweilen erreichten sie die Grösse einer Nuss; ihre Farbe war rosa bis violett. Sie waren kurzgestielt und trugen eine Krone von sehr kleinen grünen Blättchen. Andere ge- ıingelte Exemplare hatten aber keine oberirdischen Knollen ge- bildet; er fragte sich also, worin dieser Unterschied begründet war. Die genauere Untersuchung ergab, dass bei den erstgenann- ten Sprossen nicht nur die Rinde abgetragen war, sondern dass in Folge dessen auch die centralen Theile des Stengels abgestor- ben waren, sodass eben nur das Holz der Gefässbündel am Leben geblieben war. Bei den letztgenannten Pflanzen war das Mark, und also auch die inneren Basttheile der Gefässbündel unbeschä- digt geblieben. Es was also klar, dass nur dort, wo die Leitung der 1) Decandolle, Physiologie végétale, I 156, II 668. 2) Dutrochet, Mémoires 1837. Edit. Bruxelles p. 194. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 347 plastischen Stoffe unterbrochen war, oberhalb der Wunde neue Knöllchen angesetzt wurden, während überall, wo im äusseren Mark und im axilen Basttheil der Gefässbündel die Bewegung von Eiweiss und Zucker zu den unterirdischen Stengeln möglich ge- blieben war, eine solche abnorme Erscheinung nicht stattgefunden hatte. Je geringer diese Verbindung durch leitendes Gewebe in sei- nen Versuchen war, um so reichlicher fand die Knollenbildung an den oberirdischen Theilen statt. Als Resultat dieser Zusammenstellungen dürfen wir also als feststehend betrachten, dass in allen gut untersuchten Fällen die oberirdische Knollenbildung eine Folge der vollständigen oder theilweisen Verhinderung der Leitung der plastischen Stoffe in die unterirdischen Organe ist. Aber die Umstände waren in allen den angeführten Versuchen für eine normale Ausbildung der oberirdisch angelegten Knöllchen durchaus ungünstig. Die sie tragende Achse befand sich in den meisten Fällen, trotz der Anhäufung organischer Bildungsstoffe oberhalb der Wunde, in einem schlechten Ernährungszustande. Auch war das Licht für das weitere Wachsthum der kleinen Knol- len nachtheilig. Ich will deshalb noch ein Paar Versuche anführen, welche zeigen, dass aus den Achselknospen der oberirdischen Stengeltheile unter günstigen Umständen auch völlig normale Knollen entstehen können. Ich finde diesen Beweis in der Erfah- rung, dass aus Stecklingen knollentragende Pflanzen erzogen wer- den können. Wenn man die aufgeschossenen Stengel, ehe sie noch ihre Blüthenknospen angesetzt haben, abschneidet und in einen locke- ren Boden pflanzt, so treiben diese Stengel wieder Wurzeln, be- buschen und bestauden sich. Aus ihren jetzt von der Erde be- deckten Achselknospen treiben sie Ausläufer, deren Knollen kei- neswegs an Grösse denen nachstehen, welche von Pflanzen ge- wonnen werden, die aus ausgelegten Samenknollen gezogen worden sind. 1) Im Centralblatt für Agriculturchemie Jahrg. VI 2) wird die Ver- mehrung der Kartoffelpflanze durch Stecklinge, zumal für feine Sorten, empfohlen. Den Angaben liegen in Frankreich gemachte Erfahrungen zu Grunde, wonach die oberirdischen Seitenzweige der Kartoffelstauden, abgeschnitten und in gute Erde gepflanzt, sich bewurzelten und reichlich Knollen trugen. = 1) Putsche und Bertuch, 1. c. S. 28. 2) Centralblatt für Agr.-Chemie, VI, S. 156. 348 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. S 16. Die Entstehung von jungen Knollen innerhalb der Mutterknolle. Seitdem Knight 1) mittheilte, dass querdurchschnittene Kartof- feln auf der Innenseite ihrer Gefässbündel neue Knollen bildeten, sind in der Literatur mehrfache Angaben über junge Knollen in alten gemacht worden. Mehrere dieser Beobachtungen bestätigten die Wahrnehmung des berühmten Pflanzenphysiologen; einigen aber liegt eine Verwechselung dieser Erscheinung mit einer ande- ren, ziemlich unwichtigen, zu Grunde. Denn offenbar hat das Hin- einwachsen von knollentragenden Stolonen, welche aus normalen Augenknospen entstanden sind, in krankhaft hohl gewordene Mut- terknollen kaum Anspruch auf physiologisches Interesse. 2) S. Hibberd wiederholte die Versuche von Knight, und beobachtete mehrmals die Bildung von Knollen aus dem Centrum einer dünnen Kartoffelscheibe. Auch Masters bestätigte die Bildung von Adven- tivknollen in der Nähe des Centrums der Knolle; sie entsprangen theils direct dem Gefässbündelringe, theils waren sie mit diesem durch besondere Gefässbündeläste verbunden. 3) Knollen- und Wurzelbildung im Innern von Mutterknollen ent- steht auch bisweilen, wenn die letztere durch das Wachsthum der aus ihr entsprossenen Pflanze nicht vollständig erschöpft wurde. Grönland und Blomeyer stellten in Altenburg Spiritusexemplare zur Blüthezeit wieder ausgehobener und in den Keller zurückgebrach- ter Kartoffelknollen aus, in deren hohl gewordenem Innern sich erb- sen- bis haselnussgross hervorquellende Knollen gebildet hatten. Beim Aufschneiden dieser ältlichen Knollenexemplare wurde con- statirt, dass der Ursprung der jungen Knöllchen in dem Bildungs- gewebe der Hauptgefässbündelschicht aus Adventivknospen zu suchen ist. 4) Ebendaselbst war von Grönland eine Knolle aus- gestellt, welche aus dem ausgehöhlten Innern Wurzelfasern ge- bildet hatte. 5) 1) Knight, Philos. Transactions 1805, S. 258, citirt bei Hofmeister, All- gemeine Morphologie, S. 422. 2) Solche Angaben findet man z. B. an folgenden Stellen: K. Müller, Bot. Zeitg. 1846, S. 769. Sauer, Bot. Zeitg. 1869, S. 560. Fischer, Centralblatt für Agr.-Chemie, IV, S. 249. Dieser Autor beobachtete die Erscheinung in Böhmen, wo sie im Grossen und als Kartoffelkrankheit auftrat. 3) Botan. Jahresbericht IIl, 1875, S. 996. 4) Die Kartoffel und ihre Cultur, 1876, S. 165, Fig. 23. DOCS A160. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 349 & 17. Betrachtungen über die Bedingungen der Knollenbildung. Es giebt in der Lebensgeschichte der Kartoffelpflanze kaum eine Frage, welche so anziehend für den Physiologen ist, wie die nach den Gesetzen, welche die Erscheinung der Knollenbildung beherr- schen. Die Entscheidung dieser Frage hat sowohl ein grosses praktisches, als ein hervorragendes wissenschaftliches Interesse. Sie gehört aber zu den schwierigsten Aufgaben der exacten For- schung, und es kann also nicht befremden, dass, nachdem die für die Praxis nothwendigen Kenntnisse durch langjährige Erfahrung gesammelt waren, die Frage selbst noch nie zum Gegenstand einer ausführlichen und gründlichen Untersuchung gemacht worden ist. Eine solche Untersuchung wäre um so mehr erwünscht, als sie voraussichtlich nicht nur für die specielle Physiologie unserer Filanze, sondern auch für die allgemeine Physiologie wichtige Resultate ergeben würde. In Ermangelung einer solchen experimentellen Untersuchung sei es mir erlaubt, an die in den vorhergehenden Paragraphen mit- getheilten Erfahrungen einige Betrachtungen anzuknüpfen, um dadurch wenigstens vorläufig eine Einsicht in die wichtigsten hier obwaltenden Verhältnisse zu gewinnen. Dabei schliesse ich die biologische Seite der Frage vollständig aus. Es ist sehr wohl möglich, dass der Zweck der Knollenbildung unter abnormen Umständen häufig in dem jeder Pflanze inne woh- nenden Streben nach Erhaltung ihrer Art zu suchen sei 1); solche Betrachtungen führen aber bei dem jetzigen Stand unserer Wissen- schaft noch keineswegs zu Fragen, welche einer experimentellen Be- antwortung fähig sind, und so zur Entdeckung neuer Wahrheiten führen können. Unsere Frage ist einfach die: Von welchen Ursachen hängt es ab, ob eine Knospe bei ihrer weiteren Entwickelung zur Knolle oder zum Laubspross werden wird? Bei der Analyse dieser Frage haben wir zuerst zu untersuchen, ob es vielleicht von vornherein zweierlei Art von Knospen, Laub- sprossknospen und Knollenknospen giebt, welche bereits bei ihrer ersten Anlage so grundverschieden sind, dass die ersteren nur zu Laubsprossen, die letzteren nur zur Knollen werden können. Denn im Falle diese Frage zu bejahen wäre, würde unsere Hauptfrage of- fenbar so lauten müssen: Von welchen Umständen hängt es ab, ob in der Achsel eines Blattgebildes eine Laubsprossknospe, oder 1) Vergl. hierüber z. B. Hanstein, Sitzungsbericht d. niederrhein. Gesell- schaft in Bonn. 13. Februar 1877. 350 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. eine Knollenknospe entsteht? Und es würde dann nur die aller- erste Anlage der Knospe den Gegenstand unserer Untersuchung ausmachen. Dem ist nun aber nicht so; im Gegentheil, es scheint, dass jede Knospe einer Kartoffelpflanze die Fähigkeit hat, je nach Umstän- den entweder zu einem beblätterten Spross oder zu einer Knolle oder knollentragenden Stolone zu werden. Dieses gilt in erster Linie von den Seitenknospen der Hauptsprosse. Unter normalen Um- ständen werden die am unteren, von Erde bedeckten Stengeltheile sitzenden zu Ausläufern, die höheren, falls sie sich entwickeln, zu blättertragenden Seitenzweigen. An im Dunklen wachsenden Exemplaren werden die höheren Knospen aber entweder alle, oder doch die meisten zu Knollenanlagen, und wenn sich blattspross- ähnliche Seitenzweige entwickeln, stehen diese derart vertheilt, . dass sie unserem Satze nicht widersprechen. Die Seitenknospen der unteren Strecke können um so schwieriger zur Blattspross- bildung veranlasst werden, je tiefer sie stehen; jedoch zeigt die reichliche Verzweigung der Keimtriebe von in der Luft im Dunklen keimenden Knollen von frühen Sorten deutlich, dass auch sie zu em- porstrebenden Sprossen werden können. Auch die Erfahrungen bei der Keimung am Licht sprechen hierfür. In zweiter Linie gilt der Satz von den ruhenden Knospen der Knollen. Diese werden meist zu Hauptsprossen, bisweilen aber auch zu gestielten oder ungestielten jungen Knollen. So z. B. beim Durchwachsen, und in den Versuchen von Schacht über den Ein- fluss des Abbrechens der ersten Keimtriebe. In dritter Linie von den Endknospen wachsender Luftsprosse. Hierfür spricht die Beobachtung Hansteins von gipfelständigen Knöllchen an langen etiolirten Sprossen. Endlich von den Endknospen wachsender Stolonen, welche be- kanntlich, falls sie zufällig aus der Erde hervortreten, bevor sie angefangen haben eine Knolle zu bilden, zu beblätterten Trieben heranwachsen. Ich schliesse aus diesen Erwägungen, dass jede vegetative Knospe im Ruhezustande die Fähigkeit besitzt, je nach Umständen zu einem beblätterten Trieb oder zu einer knollentragenden Stolo- ne zu werden. Ja auch während ihrer Entwickelung kann sie ihre Natur noch umändern, falls die äusseren Einflüsse andere werden. Mit andern Worten: Es hängt für jede Knospe und für jede Ve- getationsspitze eines wachsenden Stengelorgans unserer Pflanze WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 351 von äusseren Bedingungen ab, ob sie sich sprossartig oder knol- lenartig entwickeln wird. Jedoch verhalten sich die verschiedenen Knospen einer Kartof- felpflanze in dieser Hinsicht nicht auch quantitativ gleichwerthig. jedermann weiss, dass einige Knospen leichter zu Ausläufern, andere leichter zu Blättersprossen werden. So sind die Seitenknos- pen eines Hauptsprosses um so leichter zur Knollenbildung zu bringen, je tiefer sie am Stengel liegen, und umgekehrt um so be- quemer zu blättertragenden Sprossen heranzuziehen, je näher sie der Endknospe liegen. Am schwierigsten lässt sich wohl die End- knospe der wachsenden vegetativen Triebe in eine Knolle um- wandeln. Ebenso ist die Neigung zur Knollenbildung bei verschiedenen Varietäten in sehr verschiedenem Maasse ausgebildet. Ganz be- sonders ausgeprägt ist sie z. B. bei den Sechswochenkartofieln. Unter gleichen äusseren Umständen können also die einen Knospen zu knollenartigen, die anderen zu sprossartigen Gebilden werden. Dieser Satz steht durchaus nicht mit unserem ersten Ergebnisse in Widerspruch, sondern zeigt nur, dass es für ver- schiedene Knospenindividuen eines verschieden kräftigen äusseren Anstosses bedarf, um die Entscheidung über die anzunehmende Form in dieselbe Richtung fallen zu lassen. Diese individuellen Unterschiede der verschiedenen Knospen einer Pflanze begründen eine ungleiche Werthigkeit der Knospen, welche in nahem Zusammenhang mit dem morphologischen Orte ihrer Entstehung zu stehen scheint. Sie entziehen sich vorläufig der experimentellen Untersuchung, und können also bei unseren weiteren Betrachtungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Es darf dieses um so eher geschehen, als alle bisherigen Erfah- rungen dafür sprechen, dass die Beziehung der Entwickelung der Knospen zu den sie bestimmenden Bedingungen, wenn auch nicht quantitativ, so doch qualitativ für alle dieselben sind. Mit andern Worten, dass dieselben Einflüsse alle Knospen zur Knollenbildung, oder andernfalls zur Sprossbildung veranlassen werden, nur dass die Intensität ihrer Wirkung, je nach den individuellen Eigen- schaften der Knospen eine verschiedene sein muss, um das Resul- tat vollständig zu erreichen. Bis jetzt war nur von den in den Knospen liegenden Be- dingungen ihrer weiteren Entwickelung die Rede. Wir wollen jetzt die äusseren Einflüsse in’s Auge fassen. Um uns dabei die Ueber- sicht zu erleichtern, wollen wir vorher eine Nebenfrage beant- 352 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. worten. Offenbar liegt es sehr nahe, die Erfahrungen über die erste Anlage einer jungen Knolle mit denen über die weitere Ausbildung des fertig angelegten Gebildes zu verwechseln. Und nach den obigen Erörterungen ist eine solche Verwechslung in manchen Fällen kaum zu vermeiden. Um dieses zu umgehen, und die Er- scheinungen so vollständig wie möglich in ihre einzelnen Faktoren zu zerlegen, wollen wir zunächst den einfacheren Fall untersuchen, und fragen, von welchen Umständen es abhängt, dass eine bereits sichtlich zur Knolle bestimmte Knospe sich als solche weiter aus- bilden kann. Sind wir hierüber im Reinen, so werden wir bei der weiteren Discussion unserer Hauptfrage manche verwirrenden Nebensachen von der Betrachtung ausschliessen können. Die Einflüsse, welche das Wachsthum angelegter Knollen be- günstigen, sind im Allgemeinen dieselben, welche überhaupt als günstig für das Wachsthum bekannt sind. Nach den in den vorher- gehenden Paragraphen mitgetheilten Erfahrungen wirkt die Feuch- tigkeit offenbar günstig, das Licht offenbar ungünstig auf das Knollenwachsthum, ohne dass sich die Wirkungsweise dieser Factoren genauer angeben liesse. Mehr lässt sich jenen Beobach- tungen über den Einfluss der Ernährung entnehmen. Im Allgemei- nen gilt die Regel, dass eine junge Knolle um so besser wächst, je mehr Nährstoffe ihr zur Verfügung stehen. Daraus folgt, dass, so- bald der Vorrath an Bildungsstoffen ein irgendwie beschränkter ist, alles, was das Wachsthum anderer Theile befördert, die Ent- wickelung der Knollen beeinträchtigen muss, und umgekehrt. Zumal gilt dieses von den Luftsprossen. Hieraus lassen sich viele der angeführten Erfahrungen über das Entstehen oder Ausbleiben von Knollen erklären. So lange z. B. die Luftsprosse im Dunklen üppig wachsen, wird die Knollenbildung unterbleiben. Sobald erstere aber aus irgend einer Ursache, z. B. durch Absterben der Spitzen, durch Abbrechen der stärkeren Triebe, durch Wasser- mangel oder durch ungeeigneten Boden in ihrer Entwickelung gehemmt werden, wird die Knollenbildung eine reichlichere sein. Ebenso hängt es offenbar von der Zahl der wachsenden Knollen ab, wie gross sie bei gegebenem Nährstoffvorrath werden können. Sobald wir also auch die fernere Entwickelung der einmal ange- legten Knollen mit in Betracht ziehen wollen, werden die Vor- gänge viel complicirter, indem die Correlation der einzelnen Or- gane als ein sehr wichtiger Factor in die Erscheinungen eintritt. Kehren wir aber zu unserer ersteren Aufgabe zurück, und unter- suchen wir nur, von welchen Bedingungen die Entscheidung WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 353 darüber abhängt, was aus einer Knospe werden wird, ein beblät- terter Spross oder eine Knolle. Es ist dabei einstweilen gleichgül- tig, ob der Spross im Dunklen kleinblättrig oder im Licht gross- blättrig wird, und ebenso, ob die Knolle fast ungestielt ist oder ob ein Ausläufer entsteht, der sich erst an seiner Spitze zur Knolle verdickt. Die so formulirte Frage gehört einem bis jetzt nur wenig be- arbeitetem Gebiet der Pflanzenphysiologie an. Sie stellt einen speciellen Fall einer viel umfangreicheren Aufgabe dar. Diese ist die Erforschung der Beziehungen zwischen physikalischen resp. chemischen Ursachen, und der Formgestaltung der lebenden We- sen. Denn es ist klar, dass jede Form eines ganzen Organismus sowohl, wie eines einzelnen Organes, schliesslich aus der Zusam- menwirkung der chemischen und physikalischen Eigenschaften der componirenden Theilchen unter den bei der Ausbildung ob- waltenden Verhältnissen muss erklärt werden können. Obgleich wir von einer definitiven Lösung dieser Aufgabe noch sehr weit entiernt sind, so sind doch bereits eine Reihe von Erfahrungen bekannt, welche die Berechtigung jener Aufgabe begründen, und Material zu experimentellen Untersuchungen auf diesem Gebiete liefern. Solche Erfahrungen sind nun unter Anderem auch die uns jetzt beschäftigenden, über die Beziehungen äusserer Ursachen zur Formgestaltung der sich entwickelnden Knospen der Kartoffel- pflanze. Die vorliegenden Beobachtungen scheinen mit grosser Wahr- scheinlichkeit zu der Folgerung zu führen, dass grade diejenigen Ursachen, welche hauptsächlich das spätere Wachsthum ange- legter Knollen begünstigen, auch auf die Entwickelung einer Knospe derartig einwirken, dass sie zur Bildung eines Ausläufers oder einer Knolle veranlassen. Denn die Anhäufung von Nährstof- fen in der Nähe von Knospen veranlasst diese zur Knollenbildung in den abgeschnittenen, verletzten oder geringelten Sprossen. Die Dunkelheit wirkt bei der Behäufelung und bei hohen etiolirenden Stauden in derselben Richtung, im gleichen Sinne, und auch die Feuchtigkeit spielt nach einigen Autoren bei der Bildung grüner Achselknollen eine Rolle. Jedoch soll hier nur auf diese Wahrscheinlichkeit hingewiesen werden, indem es selbstverständlich einer experimentellen Unter- suchung anheim gestellt bleibt, über die Richtigkeit der aufge- stellten Vermuthungen zu entscheiden, und überhaupt, an die Sielle von gelegentlichen Beobachtungen und theoretischen Be- trachtungen, sicher begründete Wahrheiten zu Tage zu fördern. 23 354 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. II. Die Beziehung zwischen Mutterkartoffel und den neuen Knollen. § 18. Die Entleerung der Mutterknollen. In meiner Keimungsgeschichte der Kartoffelknollen 1) habe ich als Grenze der Keimungsperiode denjenigen Zustand gewählt, in welchem der Laubspross eben seine ersten Blätter am Licht entfaltet hatte. Die Vertheilung der wichtigsten Bildungs- stoffe in diesem Alter ist auf Taf. II Fig. 7 dargestellt. Man sieht, dass die Mutterknolle noch voll Zucker, Stärke und Eiweiss ist. Diese, sowie die übrigen Reservestoffe bleiben nun bekanntlich nicht in der Mutterknolle unthätig liegen, sondern werden aus ihr theils in die Laubsprosse, theils in die neuen Knol- len geschafft. Endlich bleiben nur die Zellhäute und einige unnütze Nebenprodukte des Stoffwechsels zurück, und dann verfault die Knolle gewöhnlich im Boden. Die Vorgänge, welche in dieser Pe- riode ihres Lebens in den Mutterknollen beobachtet werden, werde ich in diesem Paragraphen zu behandeln haben. Betrachten wir zuerst die macroscopisch sichtbaren Verände- rungen in der Mutterknolle. Sie bestehen anfangs hauptsächlich in einer Veränderung des inneren Markes, welches in Folge der fort- schreitenden Auflösung von Stärke mehr saftig und durchschei- rend wird, und dabei seine weisse Farbe allmählig gegen ein mehr wässriges Ansehen vertauscht. Schneidet man eine Mutterknolle einer vor Kurzem belaubten Staude der Länge nach auf, so kann man dieses leicht beobachten; lässt man die beiden Hälften an der Luft liegen, so erhält die frische Schnittiläche durch Verdunsten rasch eine im inneren Mark verlaufende Furche, welche den Was- serreichthum deutlich anzeigt. Die Vertiefung erstreckt sich zweig- ähnlich nach den keimenden Seitenaugen. 2) Verfolgt man nun die weitere Entleerung von Mutterknollen, in- dem man von Zeit zu Zeit Quer- und Längsschnitte durch solche macht, so findet man, dass der durchscheinende Theil des Gewe- bes sich immer vergrössert, bis erst das ganze Mark, später auch der Gefässbündelkreis und die Rinde diese Eigenschaft angenom- men haben. Man kann hierdurch schon vom blossen Auge den Grad der Entleerung annähernd beurtheilen; denn im vollständig durchscheinenden Gewebe findet man mittelst Jodlösung überall nur noch Spuren von Stärke. 1) Opera Ill, S. 200. 2) Opera IlI, S. 200. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 355 Es kommt nicht selten vor, dass die Knollen bis zur vollstän- digen Entleerung durchsichtig bleiben, und dabei in allen ihrer Theilen noch völlig straff und von Saft erfüllt sind. Solche völlig leere Knollen sind äusserlich noch frisch und ganz hart. In anderen Fällen aber bekommt das Innere Risse, oder eine centrale Höhlung. Ich untersuchte im Juli Mutterknollen, welche schon durchsichtig waren und im Mark bis acht lange Risse hatten; die Risse waren durch Zusammenschrumpfen des Gewebes im Querschnitt oval bis fast kreisrund geworden; das Centrum der Markes war noch erhalten. Als ich dünne Scheiben dieser Knollen zwischen Lösch- papier trocknete, fiel das Gewebe noch stärker zusammen, die Risse traten also noch deutlicher hervor. In solchen, im Innern hohlen Knollen findet man weitaus die meisten Zellen leer von Stärke. Nur hier und da liegen noch ver- einzelte Stärkekörner. Zellen mit Traubenzucker findet man grup- penweise in der Nähe der Stränge, sie enthalten meist aber nur wenig Zucker. Eiweiss war in den Siebröhrenbündeln nicht mehr nachweisbar. Der untere Stengeltheil der aus solchen Knollen her- vorgesprossenen Triebe ist voll von Stärke und ebenfalls zucker- haltig. Das von allen Reservestoffen entleerte Gewebe der Mutter- knollen ist anfangs noch völlig lebendig, wie die. Farbe und die Straffheit zeigen. Es geht aber dem Tode entgegen. Mit diesem hört die Steifheit auf, indem der Saft aus den Zellen heraustritt. Bald stellt sich Fäulniss ein, das Gewebe wird braun und verwan- delt sich in eine flüssige Masse. Liegt die Knolle im Boden, so verschwindet diese faulende Masse gewöhnlich bald, und es blei- ben höchstens Theile von der Korkschale zurück, meist sind auch diese nicht mehr zu finden. Reiner kann man diesen Process verfolgen, wenn man die Pflanzen statt in Erde sich in Sägespänen entwickeln lässt. Ich hob einige Mutterknollen einer solchen Cultur in dem Zustande aus, wo das Innere bereits vollständig verfault, die Schale aber noch gar nicht angegriffen, ja nicht einmal sichtlich rissig war. Nur an den dünnsten Stellen waren ganz kleine Risse vorhanden. Es gelang mir solche Knollen in Wasser auszuwaschen, und den ganzen faulenden Inhalt durch die feinen Risse zu entfernen, so dass schliesslich nur noch die leere Schale, anscheinend unver- letzt, zurückblieb. Im getrockneten Zustande bilden solche leere Häute ein sehr schönes Demonstrationsobject für die vollständige Ausnutzung und Entleerung der Mutterknollen. 356 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Mit diesen dem blossen Auge sichtbaren Veränderungen ver- laufen die eigentlichen Entleerungsprocesse selbstverständlich pa- rallel. Ueberall verschwindet erst die grösste Menge der Stärke, wobei selbstverständlich Zucker gebildet wird, erst später ver- schwindet auch dieser. Meist bleiben vereinzelte Zellen dabei zurück, und bisweilen sieht man in völlig leeren Strecken noch einzelne Zellen mit Stärke oder mit Zucker, ja es kommt vor, dass solche Zellen noch anscheinend eben so voll Stärke sind, als sie in den reifen Knollen waren. Worin solche Ausnahmen begründet sind, lässt sich schwer ermitteln. Dass die mütterlichen Reservestoffe aus der Mutterknolle in den Stengel übertreten, zeigt der Gehalt der Stengelbasis an Stärke, Zucker und Eiweiss schon auf den ersten Blick an; wohin sie sich weiter bewegen, werden wir im nächsten Paragraphen sehen. Jetzt haben wir noch einige Vorgänge zu besprechen, welche in den Mutterknollen selbst stattfinden. Es ist bereits durch die Untersuchungen Sorauer’s festgestellt, dass die reifen Knollen keine Ablagerungen von oxalsaurem Kalk enthalten, dass aber dieses Salz während der Entleerung in erheb-. lichen Mengen gebildet wird, und beim Absterben der Knollen in diesen zurückbleibt. In keimenden Knollen, welche noch voller Stärke waren, fand ich stets nur wenig oxalsauren Kalk, erst mit der Auflösung der letzten grösseren Mengen Stärke fing die Ablagerung an eine reichliche zu werden. Die Ablagerung beschränkt sich dabei nicht etwa auf die Mutterknolle, sondern geht von dieser aus in continuirlichem Zuge durch die Stengelbasis in die höheren Stengeltheile über; die Stengelbasis selbst ist sehr reich an grumösen Zellen mit kleesau- rem Kalk. Die schönsten Knollen für den Nachweis des genannten Kalksalzes sind diejenigen, welche eben völlig durchsichtig ge- worden sind. Man findet hier die Körnerschläuche vorwiegend in der Umgebung der Gefässbündel, wo sie oft in langen Reihen zu verfolgen sind. Im übrigen Parenchym der Knolle findet man dann nur zerstreute Körnerschläuche. Dass das Kalksalz beim Absterben in der Knolle zurückbleibt und nicht etwa später noch aufgelöst und in den Stengel’ hin- übergeführt wird, davon überzeugte ich mich durch die mikros- kopische Untersuchung fast ganz verfaulter, weichbreiiger Knol- len. Man konnte hier im braunen Gewebe noch Spuren von Ge- fässbündeln auffinden, und diese zeigten bei geeigneter Behand- lung in ihrer Umgebung noch deutlich die zahlreichen Zellen mit WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 357 dem feinkörnigen krystallinischen Inhalt des oxalsauren Kalkes. Die sich entleerenden Mutterknollen zeigen bei der Behandlung mit Guayactinctur Ozonreaction. Anfangs ist diese auf die äussere Rindenschicht und den Gefässbündelkreis beschränkt, später färbt sich auch das Mark, jedoch blasser. Auch die hohlen, schon fast leeren Knollen zeigten mir diese Reaction. Eine Erscheinung, welche nicht selten an keimenden Knollen beobachtet wird, ist die Entstehung von Lenticellen. Diese Kork- warzen treten unter Umständen so massenhaft auf, dass sie fast überall zusammenfliessen, und also nahezu die ganze Oberfläche der Knolle bedecken. Auf diese Lenticellenbildung hat die Feuch- tigkeit einen sehr grossen Einfluss. Ich zog drei grosse glattscha- lige Knollen der Sechswochenkartoffel in Töpfen in Sand, den ich in einem der Töpfe in ziemlich trocknen, im zweiten in ziemlich feuchtem, im dritten in sehr feuchtem Zustande erhielt. Die letz- tere bedeckte sich von Mitte Februar bis Mitte Mai im Zimmer voll- ständig mit grossen Lenticellen, welche überall durch das Periderm hervorbrachen und 2—10 mm Durchmesser und darüber hatten. Im Kronentheil wurde die ganze Korkschale von den Lenticellen auf- gehoben, ja sogar stellenweise abgeworfen. Im ziemlich feuchten Sand entstanden zwar die Anlagen zu zahlreichen Lenticellen, diese bildeten sich aber nicht aus. Die dritte, ziemlich trocken cultivirte Knolle zeigte nach dreimonatlicher Cultur kaum eine Spur von Lenticellen. Sehr schön kann man diese Lenticellen beobachten, wenn man Kartoffeln auf nassem Sand unter einer Glasglocke keimen lässt. Während der Entleerung wachsen die Mutterknollen für ge- wöhnlich selbst nicht, auch nicht in die Dicke. Das Cambium ihres Gefässbündelkreises verhält sich unthätig. Unter den sehr zahl- reichen Kartoffeln, welche ich behufs meiner Untersuchungen auf- geschnitten habe, ist mir einmal eine merkwürdige Ausnahme von dieser Regel vorgekommen. Es war eine Mutterknolle, welche ganz bedeutende Holzschichten gebildet hatte. Nicht nur die Seltenheit des Falles, sondern zumal die interessanten Betrachtungen, zu denen er Veranlassung gibt, veranlassen mich ihn hier etwas näher zu beschreiben. Ich zweifle nicht, dass es möglich sein wird, später ähnliche Fälle künstlich hervorzurufen; doch habe ich leider noch keine Zeit gehabt, die Sache weiter zu verfolgen. Im October 1876 erntete ich ein Beet Heiligenstedter Kartoffeln. Die meisten Mutterknollen waren verfault. Einige aber waren, wenigstens theilweise erhalten geblieben. Ich wunderte mich dar- 358 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. über sehr, und suchte nach der Ursache. Es zeigte sich bald, dass sie aus einem oder einigen Augen Laubsprosse gebildet hatten, während aus anderen Augen Stolonen mit jungen Knollen, aber ohne zugehörige Blattsprosse, hervorgewachsen waren. Die Fol- ge davon war, dass diese jungen Knollen ihre Nährstoffe aus den beblätterten Trieben heranziehen mussten, und dass diese Nähr- stoffe dazu durch die Mutterknolle hindurchgehen mussten. Dem- entsprechend war das Gewebe der Mutterknolle zwischen den betreffenden Stellen frisch und lebendig geblieben, während die übrigen, an dieser Leitung nicht betheiligten Partien abgestorben waren. An einem Exemplar z. B. war das ganze Mark und die eine Hälfte der Knolle verschwunden, und der übrige Theil vielfach durchlöchert. Das lebendige Gewebe war einerseits durch die nor- male Korkschicht, andererseits durch eine dicke Schicht vertrock- neten Parenchyms gegen die Aussenwelt abgegrenzt. In solchen Knollen hatte sich nun zwischen den Laubsprossen und den aus anderen Augen entspringenden Knollen nicht nur das ganze Gewebe am Leben erhalten, sondern das Cambium war in eine sonst bei Kartoffeln nicht vorkommende Thätigkeit gerathen. Es war dadurch eine Schicht secundären Holzes und secundären Bastes gebildet worden. Das Holz bestand im Querschnitt aus einer Reihe keilförmiger Holzbündel, deren breites Ende an das Cambium grenzte, während die dem Mark zugekehrte Spitze der keilförmigen Figuren offenbar den ursprünglichen Gefässbündel- gruppen entsprach, welche im vorigen Jahre, vor der Keimung in der Knolle angelegt worden waren. Die Keile waren so breit, dass sie im Cambium einander meist seitlich berührten, stellenweise waren sogar zwei Dreiecke mit einander verwachsen. Das Holz bestand aus reihenförmig geordneten Holzfasern und Gefässen, welche meistens sehr deutlich netzförmige Wandsculptur zeigten. Die Gefässe lagen einzeln, selten zu kleinen Gruppen vereinigt. Bisweilen sah man deren 6 auf demselben Radius. Diese Beobachtung scheint zu beweisen, dass die Ursache, wel- che das Cambium zu der ungewohnten Thätigkeit veranlasste, in der Bewegung der Nährstoffe in den Siebröhren und dem benach- barten Parenchym zu suchen sei. Diesem Strome von Nährstoffen entnahm das Cambium das zum Wachsthum erforderliche Bil- dungsmaterial; an allen Stellen der Knolle, wo ein solcher Strom nicht stattfand, zeigte das Cambium kein Dickenwachsthum, son- dern starb es allmählig ab. Die wachsthumsfähigen Zellen des Cambiums besitzen also nicht die Kraft, die nöthigen Stoffe aus WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 359 entfernten Theilen der Pflanze selbst heranzuziehen. Wohl aber können sie, wenn zu einer jungen Knolle eine Wanderung von Eiweissstoffen’und Kohlehydraten an ihnen vorbei stattfindet, die- sen einen Theil entnehmen und für sich selbst verwenden. Eine weitere Verfolgung dieser Beobachtungen wird ohne Zweifel zu merkwürdigen Aufklärungen über die Beziehungen zwischen Wachsthum und Stoffwanderung führen. § 19. Der Transport der Reservestoffe aus den Mutterknollen in die neuen Kartoffeln. Eine der wichtigsten Fragen aus der Ernährungslehre der Kar- toffelpflanze ist ohne Zweifel die nach der Bedeutung desjenigen Theils der Reservestoffe der Mutterknolle, welcher am Ende der Keimungsperiode noch nicht verbraucht ist. Es leuchtet ein, dass die so gestellte Frage auf theoretischem Gebiet der praktischen Frage nach der zweckmässigsten Grösse des Saatguts entspricht. Die Nährstoffe, welche für die Keimung erforderlich sind, muss die Knolle unter allen Umständen in sich enthalten; sie enthält aber viel mehr als zu diesem Zwecke erforderlich ist. Die Praxis hat, durch Zerschneiden des Saatguts, diese scheinbar überflüssi- gen Nährstoffe weggenommen, in der Hoffnung dadurch an Kapi- tal zu ersparen, ohne dem Wachsthum merklichen Schaden zuzu- fügen. Die Literatur hierüber aus den letzten Jahren lässt die ein- schlägigen Fragen noch als ziemlich offene erscheinen. Wie fast überall, so ist es auch in diesem Falle die Aufgabe theoretischer Untersuchungen, eine klare und scharfe Fragestel- lung zu ermöglichen. Die meisten bisherigen praktischen Unter- suchungen über diesen Punkt haben den gemeinschaftlichen Feh- ler, dass sie grade denjenigen Factor, auf den es am meisten an- kommt, ausser Betracht lassen. Daher ihre so wenig übereinstim- menden Resultate. Sobald durch rein physiologische Untersu- chungen die mitwirkenden Factoren aufgefunden, und in ihrer Wirkungsweise erkannt sind, wird es möglich sein, auf klar gestell- te Fragen durch Versuche im Grossen zu antworten. Untersuchen wir, wie weit die Stoffwanderungslehre zu einer solchen Klärung der Begriffe beitragen kann. Ich stelle zunächst eine Reihe von Erfahrungen zusammen, welche ich an der Sechswochenkartoffel gemacht habe, und welche zum Theil bereits in dem. ersten Theile dieses Aufsatzes zu anderen Zwecken erwähnt worden sind. Die wichtigste Thatsache ist die, dass die neuen Knollen lange 360 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. vor der Entleerung der Mutterknollen angelegt werden, ja dass in der Regel die Stolonen bereits in dem Momente als kleine Zweig- lein sichtbar sind, wo die Sprosse ihre ersten Blätter rosettenartig am Lichte entwickeln. Daraus geht hervor, dass die erste Anlage der Stolonen auf Kosten der mütterlichen Reservestoffe stattfindet. Die Mutterknollen sterben von im Mai ausgepflanzten Kartof- feln meist Ende Juli oder Anfang August ab; zu dieser Zeit haben die jungen Knollen schon einen grossen Theil ihrer Entwickelung durchgemacht, und hat das Kraut nahezu die vollständige Aus- bildung erlangt. Es fragt sich, ob die seit der Keimungsperiode aus der Mutterknolle fortgeschafiten Reservestoffe zum grössten Theile dem Kraute oder den neuen Knollen zugeführt sind. Ich untersuchte Kartoffelstauden, welche unter fortwährend günstigen Witterungsverhältnissen aufgewachsen waren. Nur solche gestatten ohne Weiteres eine klare Einsicht. Eine in der letzten Hälfte des Mais gelegte Knolle hatte bis An- fang Juli eine kräftige Staude entwickelt, welche zahlreiche junge Knollen trug, deren grössten eine Länge von 2 cm erreichten. Die Mutterknolle war im Innern schon hohl, das durchscheinende Ge- webe führte nur an einigen Stellen noch Zucker und Stärke. Die Stengel enthielten aber dort, wo sie aus der Mutterknolle ent- ‘Sprangen, noch überaus grosse Mengen Stärke neben wenig “Zucker. Mit zunehmender Entfernung von der Mutterknolle nahm der Gehalt an Stärke rasch ab, noch zwischen den Stolonen führte der Stengel viel Stärke, in der Höhe der Erdoberfläche war der Stärkegehalt äusserst gering, und nur in der äusseren Markzone noch sichtbar. Zucker war im äusseren Mark überall etwas, in der Rinde wenig vorhanden. Noch höher nahm dieser geringe Gehalt noch bedeutend ab; etwa 15 cm über der Erde war im Stengel fast gar keine Stärke oder Zucker mehr nachzuweisen. Die Stolonen führten wie stets reichlich Stärke und Zucker. Die beobachtete Verbreitung der beiden genannten Kohlehy- drate lässt sich auch so beschreiben. Von der nahezu entleerten Mutterknolle bis zu den wachsenden jungen Knollen sind Stärke und Zucker in continuirlichem Zuge zu verfolgen. Oberhalb der knollentragenden Stengelbasis nehmen sie aber rasch ab, um bald nahezu gänzlich aufzuhören. Es kann nun in diesem Zustande im Allgemeinen eine dreifache Bewegung von Kohlehydraten stattfinden. 1. von der Mutterknolle zu den neuen Knollen, 2. von der Mutterknolle nach den oberir- gischen Stengeltheilen, 3. von den Blättern nach den neuen Knol- Re WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 361 len. Die zweite Bewegungsrichtung herrscht in der Keimungs- periode bis zum völligen Ausschluss der beiden anderen vor; die dritte gelangt nach abgelaufener Entleerung der Mutterknollen zur alleinigen Herrschaft. Welche von ihnen findet in der uns jetzt beschäftigenden Periode statt? Die microchemischen Befunde zeigen, dass Mutterknollen und junge Knollen durch einen continuirlichen Zug von Bildungsstof- fen verbunden sind, eine Thatsache, welche unter den obwaltenden Umständen zu dem Schlusse berechtigt, dass die Reservestoffe der Mutterknolle in die neuen Knollen übergehen. Die Blätter sind mit den unterirdischen Theilen nicht durch eine solche continuir- lich gefüllte Bahn verbunden; wir dürfen also schliessen, dass sie weder aus der Mutterknolle erhebliche Mengen zugeleitet be- kommen, noch andererseits bereits jetzt den neuen Knollen Bil- dungsmaterial zuführen. Mit andern Worten. Die oberirdischen Theile ernähren sich von den eigenen Produkten der Kohlensäurezerlegung, sie erhalten keine organischen Nährstoffe von den unterirdischen Theilen, und senden diesen auch noch keine solche zu. Die jungen Knollen er- nähren sich ausschliesslich oder doch vorwiegend aus der Mutter- knolle, und was sie an Stärke schon jetzt in sich ablagern, ist ein- fach ein Theil des in der Mutterknolle bereits vorhandenen Kapi- tals. Diesen Theil der mütterlichen Stärke finden wir also bei der Ernte in den neuen Knollen zurück. Wir folgern also, als Antwort auf die anfangs gestellte Frage, dass die Reservestoffe, welche am Schluss der Keimungsperiode noch in der Mutterknolle vorhanden sind, zum Theil zur Anlage und zum Wachsthum der neuen Knollen verwandt werden, zum Theil aber einfach in diese hinübergeleitet und von Neuem abge- lagert werden. Dieser letztere Theil der Stärke liegt also den Sommer über im Boden, ohne physiologische Verwendung zu fin- den, er wird nur aus dem absterbenden, in die neuen Behälter transportirt. Man beachte, dass dieses alles unter günstigen Wachsthums- bedingungen statt fand. Es ist nicht immer leicht, die hier beschriebene Periode richtig zu treffen. Denn bald erreicht die Kohlensäurezerlegung in den Blättern eine solche Ausgiebigkeit, dass sie weit mehr Material liefert, als zum Wachsthum des Krautes erforderlich ist, und dass also auch den jungen Knollen Nährstoffe, zunächst in der Form von Zucker, zugeführt werden können. Häufig tritt dieser Zustand 362 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. bereits vor der völligen Entleerung der Mutterknollen ein, wie dies z. B. unsere Fig. 1 auf Taf. I zeigt. Es war nun eine wichtige Aufgabe zu untersuchen, wie sich die an der Sechswochenkartoffel beobachteten Erscheinungen bei anderen Varietäten verhielten. Es lag die Vermuthung nahe, dass frühe und späte Sorten vielleicht deutliche Unterschiede zeigen würden. Zur Lösung dieser Aufgabe habe ich sechs verschiedene Kartoffel- sorten cultivirt; die Saatknollen waren von mittlerer Grösse und wurden am 11. Mai im Garten auf demselben Beete ausgepflanzt. Die benutzten Sorten waren die folgenden 1): 1. Die frühe Rosenkartoffel, deren Knollen bereits Ende Juli bis Anfang August für die Spiritusfabrikation verarbeitbar sind. 2. Die frühe Zuckerkartoffel, eine wohlschmeckende Speise- kartoffel, deren Knollen Mitte August reif sind. 3. Die Fürstenwalder Kartoffel, Mitte bis Ende September reifend, eine für die Brennerei benutzte, sehr vorzügliche Sorte. 4. Die Siebenhäuserkartoffel, um dieselbe Zeit oder etwas später reifend. 5. Die Dalmahoy-Kartoffel, deren Knollen erst Ende Septem- ber bis Anfang October reifen und für die Spiritusfabrikation ver- wandt werden. 6. Die Heiligenstedter Kartoffel, eine der spätesten bekannten Varietäten, welche selten vor Ende October reift, und welche ge- wöhnlich sehr grosse Mengen von Knollen eines geringen Stärke- gehaltes liefert. Man sieht, dass die gewählten Sorten in Bezug auf die Zeit ihrer Reife soweit wie möglich auseinandergehen. Als die Kartoffeln aufgingen, wurde an jedem Stock die Zahl der Sprosse auf drei reducirt, um möglichst vergleichbare Resul- tate zu erhalten. Die Witterungsverhältnisse waren in der ganzen Periode der ersten Entwickelung bis zum Tage der Untersuchung durchaus günstige. Von Zeit zu Zeit wurden einzelne Stöcke aus- gerodet, um mich über den Gang der Entwickelung der unterirdi- schen Theile zu unterrichten; die vorläufigen Prüfungen ergaben, in der letzten Hälfte des Juni, dass das gewünschte Stadium der Entwickelung da war. Das Kraut hatte eine Höhe von circa 60 cm 1) Ich verdanke die Saatkartoffeln zu diesem Versuche der Freundlichkeit des Hern Domainenpächters W. Rimpau in Schlanstedt bei Oschersleben, der die betreffenden Varietäten im Grossen baut. T WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 363 erreicht; die Blätter waren völlig ausgebildet. Die frühesten Va- rietäten hatten sogar schon deutlich ausgebildete, aber noch kleine Blüthenknospen. Am 24. Juni wurden nun von jeder Sorte eine grössere Zahl von Stauden vorsichtig ausgehoben und zur weiteren Untersuchung ın’s Laboratorium getragen. Die Resultate waren der Hauptsache nach folgende: 1. frühe Rosakartoifel. Die Mutterknollen enthielten nur noch wenig Stärke; jeder Stock hatte im Mittel 13 neue Knollen, von röthlicher Farbe und meist von 15—- 30 mm Länge. Die jungen Knollen und ihre Stolonen waren dicht voll Stärke. Unterhalb und zwischen den Ausläufern führte der Stengel im Rindenparenchym viel Stärke, im Mark dagegen viel Zucker. Gleich oberhalb der Stolonen hatte die Stärke bedeutend abgenommen, der Zucker war in anscheinend gleicher Menge vorhanden. Die höheren Theile des Stengels führten keine Stärke und nur wenig Zucker. Die Vertheilung der Kohlehydrate war also dieselbe wie bei den oben beschriebenen Sechswochenkartoffeln. 2. frühe Zuckerkartoffel. Einige Mutterknollen bereits ver- fault, die übrigen fast leer von Reservestoffen. Zahlreiche neue Knollen von meist 5—10 mm, einzelne sogar von 20 mm; sie wa- ren, so wie ihre Tragfäden dicht mit Stärke erfüllt. Die Stengel enthielten unterhalb der Stolonen viel Stärke in der Rinde, dem Holze und dem Marke, dagegen fast gar keinen Zucker. Gleich ober- halb der Stolonen enthielten sie viel Zucker im Mark und in der Rinde etwas Stärke, höher hinauf keine Stärke, und Zucker in stetig abnehmender Menge. i 3. Fürstenwalder Kartoffel. Die Mutterknollen waren noch nicht ganz leer, sondern enthielten stellenweise noch Stärke, so- gar im Mark; jeder Stock hatte im Mittel fünf junge Knollen von höchstens 7 mm Länge. Neue Knollen, Stolonen und unterirdischer Stengeltheil voll Stärke; gleich oberhalb der Stolonen nur wenig Stärke im Stengel und höher hinauf fast gar keine. Zucker in den unteren Theilen ziemlich viel in Mark und Rinde, über den Stolo- nen nur noch im Mark, höher hinauf ziemlich wenig. 4. Siebenhäuser Kartoffel. Mutterknollen mit wenig Stärke, fast leer, Ausläufer mit jungen Knollen zahlreich, dicht voll Stärke, Knöllchen 5—12 mm lang. Stengel zwischen den Stolonen mit vieler Stärke und wenig Zucker, gleich über den Stolonen mit viel Zucker im Mark und ziemlich viel Stärke in Rinde und Mark, höher hinauf ohne Stärke und mit ziemlich wenig Zucker. 364 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. 5. Dalmahoy-Kartoffel. Mutterknollen fast leer, mit grossen Löchern. Neue Knollen an jedem Stock etwa neun, und von 5—10 mm lang, voll Stärke. Stolonen und unterirdischer Stengeltheil ebenfalls voll Stärke, oberirdischer Stengeltheil ohne Stärke. 6. Heiligenstedter-Kartoffel. Mutterknollen leer von Stärke, aber nur wenige und höchstens bis 5 mm grosse neue Knollenan- lagen. Diese und die Stolonen voll Stärke. Der unterirdische Sten- geltheil arm an Stärke und an Zucker, der oberirdische ohne Stär- ke und mit wenig Zucker. Die Angaben über den Gehalt an Stärke und Zucker im oberirdi- schen Stengeltheil beziehen sich stets nur auf die ausgewachsenen Internodien, nicht auf den noch wachsenden Gipfel. Man sieht, dass, mit Ausnahme der Heiligenstedter Kartoffel, stets von den fast erschöpften Mutterknollen zu den neuen Knol- len die Kohlehydrate in continuirlichem Zuge zu verfolgen waren, dass aber die oberirdischen Stengeltheile sehr arm an diesen stickstofffreien Nährstoffen waren. Diese Thatsachen und der Umstand, dass die neuen Knollen bereits eine nicht unerhebliche Grösse erreichten, und dicht mit Stärke angefüllt waren, bevor die Mutterknollen völlig erschöpft waren, liefern eine völlige Bestäti- gung der für die Sechswochenkartoffel abgeleiteten Folgerungen. Jedoch sieht man, dass, während die Erschöpfung der Mutter- knollen überall nahezu gleich weit vorangeschritten war, die Grösse, und damit der absolute Stärkegehalt der jungen Knollen eine sehr verschiedene war. Und zwar waren letztere um so weni- ger ausgebildet einer je späteren Sorte sie angehörten. Diese Regel findet ihre extreme Bestätigung bei der allerspätesten Sorte, den Heiligenstedter Kartoffeln, wo die neuen Knollen zur Zeit der Er- schöpfung der Mutterknollen noch kaurn deutlich angelegt sind. Während es also als Regel gelten darf, dass bei allen Sorten unter günstigen Wachsthumsbedingungen die überschüssigen d. h. zur Keimung nicht nothwendigen Reservestoffe der Mutterknolle in die jungen Knollen überwandern, sehen wir, dass der absolute Gehalt der jungen Knollen an mütterlichen Reservestoffen um so kleiner ist, je später die Sorte ihre Knollen zu reifen pflegt. Ich habe die Untersuchung an den sechs genannten Varietäten noch in der ersten Hälfte des Juli wiederholt, zu einer Zeit wo die Entleerung der Mutterknolle in den meisten Exemplaren völlig oder doch nahezu beendigt war. Die Ergebnisse bestätigten die oben mitgetheilten Resultate. ERBEN e A p WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 365 § 20. Ueber die Bedeutung der Reservestoffe der Mutter- knollen für die neuen Knollen. Die im vorigen Paragraphen beschriebenen Erfahrungen bezieh- en sich alle auf den einen extremen Fall, dass die Witterungs- verhältnisse derart sind, dass das Laub der Kartoffelpflanze in der eigenen Kohlensäurezerlegung eine so ausgiebige Nährstoffquelle findet, dass es vom ersten Augenblicke der völligen Entfaltung an, der mütterlichen Reservestoffe gar nicht mehr bedarf. In diesem Falle gehen die überschüssigen Reservestoffe in die neuen Knollen über. Vergleichen wir hiermit das andere Extrem. Nehmen wir also an, dass die Stengel gar keine Stärke aus Kohlensäure bilden, und dass sie alles, was sie zum Wachsthum brauchen, also aus der Mutterknolle entnehmen müssen. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Triebe sich im Dunklen entwickeln, ohne an’s Licht kommen zu können. Sind dann die Temperatur, die Feuchtigkeit und die übrigen Umstände ihrem Wachsthum günstig, so wissen wir aus & 13, dass sie alle Reservestoffe der Mutterknolle an sich ziehen, und dass es in der Regel gar nicht oder doch fast gar nicht zur Entstehung von jungen Knollen kommt. Es ist erlaubt, aus diesen beiden extremen Fällen den allgemei- nen Schluss zu ziehen, dass, je weniger die Sprosse die mütter- lichen Nährstoffe an sich ziehen, desto mehr letztere in die neuen Knollen übergehen werden. Die Laubsprosse aber bedürfen der Reservestoffe um so weniger, je mehr sie selbst organisches Ma- terial bilden können, je günstiger also die Wärme, die Feuchtig- keit und hauptsächlich die Beleuchtung sind. Daraus geht hervor, dass die Mutterknollen in gewöhnlichen Fällen um so mehr vom Laube in Anspruch genommen werden, je ungünstiger das Wetter in den ersten Wochen nach dem Aufgehen der jungen Pflanzen ist. In demselben Maasse bleiben für die neuen Knollen weniger Reservestoffe übrig. Es leuchtet nun ein, dass es für ein üppiges Wachsthum der ganzen Pflanze von hervorragender Wichtigkeit ist, dass die Mut- terknollen stets so viel Nährstoffe enthalten, als die Laubsprosse brauchen. Dagegen kann der übrige Theil der Nährstoffe als we- niger werthvoll betrachtet werden, ein kleiner Theil dient zwar zur Anlage der neuen Knollen, der grösste liegt aber, ohne Ver- werthung zu finden, im Boden. Die Stärke, welche aus den Mut- terknollen in die neuen Knollen wandert, um dort wieder einfach 366 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. abgelagert zu werden ist ein Kapital, das, ohne Zinsen abzuwer- fen, den Sommer über im Boden liegt. Der in der Praxis übliche Gebrauch, nur kleine oder mittelgros- se Knollen, oder auch halbe, oder sonst zertheilte Kartoffeln zur Saat zu wählen, hat den Zweck, jenes zinsenlose Kapital so klein „ wie möglich zu machen. Die Theorie iehrt nun, dass dieses Verfahren je nach äusseren Umständen sehr verschiedenen Erfolg haben wird. Und zwar lässt sich, nach unseren obigen Auseinandersetzungen der Satz aufstel- len: Je günstiger das Wetter in den ersten Wochen nach dem Auf- gehen der Pflanzen für die Kohlensäurezerlegung in den Blättern ist, um so geringeren Schaden tragen die Pflanzen von der Be- schränkung des zu ihrer Verfügung stehenden Kapitals von Reser- vestoffen. Oder auch je schöner das Wetter gleich nach dem Auf- gehen sein wird, um so günstiger fallen die Culturen von kleinen Knollen oder Knollenstücken aus. Eine Durchmusterung der einschlägigen Literatur wird leicht die empirische Bestätigung dieser auf deductivem Wege erhaltenen - Regel liefern. Ich hebe nur hervor, dass er unter sehr günstigen Umständen gelingt, aus ausgestochenen Augen, aus abgebroche- nen Keimen oder aus Stecklingen einen leidlichen Ertrag zu er- zielen. 1) Andererseits sind die ungünstigen Erfolge mancher Feld- versuche, in denen zerschnittene Knollen als Saatgut benutzt wur- den, meist dem ungünstigen Wetter des betreffenden Frühjahres zuzuschreiben. 2) Wenn man nicht auf günstige Umstände rechnen darf, so ist es vorsichtiger, das Saatgut nicht zu klein zu wählen. Unsere Deductionen über den Einfluss der Grösse des Saatgu- tes auf die Entwickelung der Kartoffelpflanze führten uns zu der Folgerung, dass die Beleuchtungsverhältnisse, unter denen die eben aufgegangenen Pflanzen heranwachsen, das grösste Gewicht in die Schale werfen. Dieser Factor war bei allen einschlägi- gen Versuchen vernachlässigt, daher ihre oft so widerspre- chenden Resultate. Nur eine experimentelle Arbeit ist mir be- kannt geworden, welche, von aligemeinen physiologischen Prinzi- pien ausgehend, den Einfluss des genannten Factors berücksich- 1) Vergl. z. B. Putsche und Bertuch, Monographie der Kartoffeln, 1819, S. 29; S. 61 ff. 2) Vergl. z. B. über den Einfluss des Zerschneiden des Saatgutes: Franz, Studien an der Kartoffelknolle, S. 4,47 u. s. w. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 367 tigt und zum Gegenstand der Untersuchung macht. W. Rimpau kommt in einer Abhandlung über die Weise, in der die Grösse des Saatgutes das Ernteergebniss bei der Kartoffel beeinflusst, 1) zu experimentellen Ergebnissen, welche mit meinen obigen Ausein- andersetzungen völlig harmoniren. Er leitet aus seinen Versuchen den Satz ab: „dass der günstige Einfluss grossen Pflanzgutes auf die Ernte bei der Kartoffel ein um so grösserer ist, wenn die Pflan- zen in der ersten Zeit nach dem Aufgang kühles und trübes Wetter zu ertragen haben, dass man also durch Benutzung grossen Pflanz- gutes jedenfalls eine grössere Sicherheit der Ernte erzielt.” Seine Versuche, für deren wissenschaftliche Begründung und detaillirte Beschreibung ich auf das Orginal verweise, wurden nach der fol- genden Methode gemacht. Von einer Partie möglichst gleicher, ausgewählter Kartofieln wurde die eine Hälfte so halbirt, dass das Nabelende fortfiel, und dass nur der Kronentheil zum Versuch benutzt wurde. Die ganzen und halben Kartoffeln wurden alle auf einem Felde gepflanzt. Nach dem Aufgange sämmtlicher Kartoffeln wurde sodann über die Hälfte der ganzen Ackerparzelle an klaren Tagen ein Laken ge- spannt, und dieses während 6 Wochen an jedem nicht regneri- schen Tage wiederholt. Vom Laken wurde die Hälfte der aus halbirten und die Hälfte der aus ganzen Knollen hervorgegangenen Stauden bedeckt. Das Laken verdunkelte die Pflanzen so stark, dass ihre Kohlensäurezerlegende Thätigkeit bedeutend herabge- setzt werden musste, ebenso wie dieses bei trübem Wetter der Fall ist. Der Unterschied zwischen der Ernte der aus ganzen und der aus halben Knollen gezogenen Stöcken war im beschatteten Theile auffallend gross, im nicht beschatteten verhältnissmässig sehr klein. Die Rimpau’schen Versuche begründen auf experimenteller Grundlage dieselben Sätze, welche wir aus der Stoffwanderungs- Ichre abgeleitet haben. Es wird dadurch einerseits die Sicherheit meiner Folgerungen eine evidentere, anderenseits gewinnen die Er- gebnisse Rimpau’s eine theoretische Begründung, welche auch einige damals noch unerklärte Nebensachen als natürliche Folgen der physiologischen Processe erscheinen lässt 2). 1) Landw. Jahrbücher S. 103. 2) Vergl. 1. c. S. 107 mit unseren § 18 und 19. 368 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. IV. Die Aufspeicherung der Assimilationsprodukte der Blätter in den Knollen. & 21. Die Entleerung des Krautes beim Absterben. Bevor ich über die Beziehungen der Thätigkeit der Blätter zu den in den Knollen auigespeicherten Reservestoffen sprechen kann, habe ich noch einige microchemische Untersuchungen über die Entleerung des Krautes im Herbste mitzutheilen. Sie machen den Gegenstand dieses Paragraphen aus. Bei den meisten Kartofielsorten stirbt das Kraut zur Zeit der Reife der Knollen von selbst ab, nur bei den späten Varietäten, wie z. B. den Heiligenstedter Kartoffeln wird diese Erscheinung für gewöhnlich nicht beobachtet, weil sie in voller Entwickelung von den Nachtirösten überfallen und getödtet zu werden pflegen. Das Absterben ist eine physiologische Erscheinung, welche mit - auffallender Gesetzmässigkeit vor sich geht, und ein genaueres Studium in vielen Beziehungen durchaus verdient. Ich habe dar- über Ende September bei einigen Varietäten, welche ich theils aus Knollen, theils aus Samen gezogen hatte, Beobachtungen ange- stellt, welche zeigen, dass für die verschiedenen Sorten in der Hauptsache dieselben Regeln gelten. Soviel ich nach anderen ge- iegentlichen Beobachtungen urtheilen kann, gelten diese Regeln auch für früher reife Sorten. Die Entleerungsvorgänge verrathen sich schon dem blossen Auge durch das Gelbwerden der Blätter. Im Sommer werden fortwährend die untersten, ältesten Blätter gelb, bevor sie abfallen. Indem dieses Abfallen allmählig am Stengel und den Zweigen emporsteigt, werden diese in dem unteren Theile nackt. Ende September trug in den untersuchten Varietäten jeder Zweig an seinem Gipfel eine Krone von meist vier bis zehn noch grünen Blättern. Diese Blätter sind ausgewachsen, aber meist nur etwa halb so gross wie die im Hochsommer gebildeten. Auch die Endknospe hört auf zu wachsen, bald erscheinen die jungen Blätter am Gipfel wie erstarrt, wie plötzlich im Wachsthum aufgehalten; man sieht noch kleine und kleinste Blätter, das Mi- kroskop zeigt junge Blattanlagen, welche dem unbewaffneten Auge nicht mehr sichtbar sind, aber alle diese Theile haben aufge- hört zu wachsen. Das Gelbwerden fängt bereits im Frühjahre mit den untersten Blättern an, und schreitet im Sommer Schritt für Schritt hinauf. Die letzten 4—12 Blätter der Krone ergreift es aber rasch nach ein- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 369 ander, sodass die schliessliche Entleerung meist in wenigen Tagen abläuft. In jedem einzelnen Blatte vergilbt erst das Endblättchen, dann die nächsten Seitenblättchen, bis alles, auch der Stiel, völlig gelb geworden ist. Je nach Umständen fällt nur das ganze Blatt ab, vom Blattkissen glatt abbrechend, oder es fangen die vergilb- ten Partien an braun zu werden und zu sterben. In der Regel fallen gesunde Blätter ab, bevor sie sterben; sind die Blätter krank, so fängt das Sterben fleckenweise an, und greift rasch um sich. Die glattabbrechenden Blätter haben vorher an der Trennungsstelle eine dicke sogenannte Trennungsschicht aus kleinen tafelförmigen Zellen gebildet, welche, von der Achseiknospe aus anfangend, sich allmählig durch den ganzen Querschnitt erstreckt, auf der Rückenseite aber meist undeutlich bleibt. Ist die Blätterkrone völlig gelb geworden, so tritt diese Er- scheinung nun auch im Stengel auf. Solange er noch grüne Blätter _ trägt, bleibt er noch grün, wenn auch mit abnehmender Zahl der, grünen Blätter seine Farbe blasser wird. Dieses Blasserwerden sieht man schon in der ganzen Länge, bevor das obere Ende völlig gelb wird, und nun theilt sich diese Farbe bald dem ganzen mit. Trägt er irgendwo einen beblätterten Seitenzweig, so bleibt er unterhalb dieses grün, bis auch hier die Blätter vergelben. Endlich sind alle oberirdischen Theile gelb geworden, bald darauf sterben sie, ebenfalls von oben nach unten fortschreitend, völlig ab. Das Gelbwerden ist also sowohl in den Blättern als in den ein- zelnen Internodien des Stengels ein sicheres Vorzeichen des Todes, ein äusserliches Merkmal der Wegschaffung der letzten Reserve- stoffe. Solange irgend ein Organ noch regelmässig assimilirt oder leitet, vergilbt es nicht. Bevor wir diese Wegschaffung der Reservestoffe auf microche- mischem Wege verfolgen, wollen wir die Erscheinungen des Gelb- werdens selbst beschreiben, wie sie sich unter dem Mikroskope zeigt. Im gelben Blatt findet man statt der Chlorophylikörner gold- gelbe Körner, welche in den Zellen sehr unregelmässig zerstreut sind, meist gruppenweise zusammenliegend, und grosse Theile leer lassend. Sie haben eine feinkörnige Oberfläche und scheinen ganz aus kleinen Körnchen zu bestehen; sie sind nahezu ebenso gross wie normale Chlorophylikörner. Alcohol löst ihren Farbstoff rasch auf; durch Behandlung mit Jodlösung werden sie nicht ge- färbt. Man findet oft gelbe Blätter mit einzelnen noch grünen 24 370 BEITRAEGE ZUR’ PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Flecken oder Blätter deren Pallisaden-Parenchym schon ganz gelb ist, während das Schwamm-Parenchym noch grüne Farbe hat. Macht man aus solchen Stellen feine Querschnitte, so beobachtet man einzelne Zellen, in denen sowohl grüne Chlorophylikörner mit glatter Contour als auch goldgelbe Körner mit körniger Ober- fläche liegen. Häufig sieht man dabei eine ganze Reihe von Zwi- schenformen zwischen beiden Gebilden, welche deutlich zeigen, dass die gelben Körner nichts anderes sind, als veränderte Chloro- phylikörner. Die gelben Blätter zeigen sich bei der microchemischen Durch- musterung meist schon ganz leer. Stärke ist weder in ihrem Paren- chym, noch in ihren Nerven zu finden; die Kohlensäurezerlegung hat also aufgehört. Nur die Stomata führen noch, wie gewöhnlich, etwas Stärke welche bei der Athmung verbraucht wird, und vor dem Absterben völlig verschwindet. Es bleiben dabei in den Spalt- öffnungszellen Körnchen zurück, welche sich mit Jodlösung kaum schwach gelb färben. Das Protoplasma ist ebenfalls zum grössten Theil aufgelöst und weggeführt, mit Jodlösung kann man es in der Epidermis, den Haaren, den Nerven und den Zellen des Parenchyms kaum mehr nachweisen; concentrirte Schwefelsäure zeigt dünne, körnige Protoplasmaschläuche in den Zellen. Einzelne stark lichtbrechende, wie Oeltröpfchen aussehende Körpeiclen fin- det man noch in vielen Zellen. Betrachten wir jetzt die eigentlichen Entleerungsprocesse, die Wanderung der wichtigsten Nährstoffe aus den Blättern und aus dem Stengel in die unterirdischen Theile. Solange die Gipfelkrone von Blättern noch frisch und grün ist, und nur jedes älteste Blatt am Ende seines Lebens vergilbt und abfällt, ist im Stengel kaum eine Spur von Stärke nachzuweisen; in den Blattstielen ebenfalls nicht, oder höchstens in der Stärke- scheide. Die stickstofffreien Bildungsstoffe werden ausschliesslich als Zucker geleitet, und auch dieser tritt Ende September zumal bei anhaltend trübem Wetter in sehr erheblicher Menge auf. Bei der herbstlichen Entleerung der Krone aber treten im obe- ren, blättertragenden Theil des Stengels vorübergehend grosse Mengen Stärke auf. Es sind merkwürdiger Weise sehr grosse Körner, während man sonst im Stengel immer nur feinkörnige Stärke findet. Sie sehen aus wie die Stärkekörner der Knollen und der unreifen Beeren, sind meist oval, aber auch von anderer Form, und fast immer sehr schön geschichtet. Sie liegen in allen Zellen des Markes und der Stärkescheide. In Fällen, wo sie in besonderer AR ': WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE, 371 Menge auftreten, sieht man sie’auch in der Rinde, ja sogar in den lengzelligen Elementen des inneren und äusseren Phloems. Ueber- all, wo diese grosskörnige Stärke auftritt, findet man auch viel mehr Traubenzucker als sonst, und zwar in allen Gewebeschichten, so- gar im Collenchym. Diese merkwürdige Anhäufung von grosskörniger Stärke ist auf die Blattstiele und die blättertragenden Internodien der Krone be- schränkt und dauert nur wenige Tage. Sie fängt an, wenn die un- tersten Blätter der Krone gelb werden, und hört bereits auf, wenn auch die obersten Blätter ihre grüne Farbe verlieren. Dann wird alle Stärke als Zucker gelöst, und als solcher in den Stengel ab- wärts geleitet. Am schönsten sieht man daher die grosskörnige Stärke in Sten- geln, an denen die unteren Blätter der Krone bereits gelb, die oberen noch grün sind. Hier nimmt der Längsschnitt der blättertra- genden Internodien mit Jodlösung sofort eine schwarze Farbe an. Die jüngeren Blattstiele sind gleichfalls voll Stärke, die schon mit ausgebildeter Trennungsschicht versehenen alten Blattstiele aber bereits stärkeleer. Unterhalb der Krone zieht sich die Stärke bald auf die Stärkescheide und das äussere Mark zurück; wenige Interno- dien vom untersten Blatte entfernt zeigt der Stengel bereits gar keine Stärke mehr, sondern nur noch Zucker. Zumal in der Zuck- erscheide und im äusseren Mark führen die Internodien um diese Zeit viel Zucker. Sobald auch die obersten Blätter bereits einen Stich in’s Gelbe haben, zeigt der Stengel nirgendwo mehr eine Spur von Stärke, oder höchstens nur an vereinzelten Stellen; auch später fand ich keine Stärke mehr. Auch nimmt die Intensität der Zuckerreaction nun bald ab. Blicken wir nochmals auf die Vorgänge in der vergelbenden Krone zurück. Die Entleerung aller Kronenblätter findet nahezu gleichseitig ‚statt, und geht so rasch vor sich, dass die Nährstoffe nicht in gleichem Maasse in die Knollen hineingeschafft werden können, sondern zum grossen Theil im Mark des Stengels vorübergehend aufgespeichert werden, zum Theil sogar in den Blattstielen vor- übergehend Stärke bilden. In jedem Blatte schreitet die Entleerung von oben nach unten, sobald die Hauptmasse weggeschafft ist, werden nun auch die vorübergehend abgelagerten Stärkekörner gelöst und transportirt. Schliesslich wird alles aus den Blättern und dem oberen Stengeltheil in die unteren Partien hinübergeführt. 372 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Hier findet keine Ueberhäufung und keine vorübergehende Stärke- ablagerung statt, der Zucker passirt hier langsam und gleichmäs- sig. Der Entleerung der Krone folgt das Absterben auf dem Fusse. Erst sterben die unteren, dann die höheren Blätter ab; der Stengel dagegen stirbt von oben nach unten ab. Bevor irgend ein Theil abstirbt, werden die brauchbaren Stoffe in die tieferen Stengel- theile geführt; die Zellhäute und das Holz, sowie die ansehnlichen Anhäufungen oxalsauren Kalkes bleiben beim Tode zurück. Unter- sucht man Stengel, welche in ihrem oberen Theile absterben, so zeigen sie in geringer Entfernung von der Grenze des gestorbenen Theils keine Stärke und kein Eiweiss, und nur höchst geringe Spu- ren von Zucker. Der Gehalt an Zucker nimmt von hier aus nach unten immer zu, in jedem Internodium verschwindet er aber, be- vor es stirbt. Somit werden alle Nährstoffe noch in die unteren dicken Stengeltheile geschafft, endlich entleeren sich auch diese, und alles ist in die jungen Knollen übergegangen. Man sieht, dass alles darauf hinausgeht, keine brauchbaren Stoffe beim Absterben zu verlieren, sondern alles einmal gebildete Material in die Knol- len zu führen. In diesem ganzen Paragraphen habe ich die Beeren ausser Be- trachtung gelassen. Sie pflegen vor der herbstlichen Entleerung schon abgefallen, oder doch durch den Tod und das Vertrocknen ihrer Stiele vom Stoffwechsel in der übrigen Pflanze ausgeschlos- sen zu sein. § 22. Die Beziehungen zwischen der Kohlensäurezerlegung, dem Wachsthum des Krautes, und der Aufspeicherung in den Knollen. Nachdem die Mutterknollen erschöpft sind, und das Kraut hin- reichend entfaltet und erstarkt ist, um das Ernährungsgeschäft der neuen Knollen zu übernehmen, ist die einzige Quelle organischer Nährstoffe, aus der alle Theile der Pflanze schöpfen, die Zerlegung der Kohlensäure in den Blättern. Die dabei gebildeten organischen Stoffe finden einestheils zur Athmung aller Organe, anderentheils. zum Wachsthum einiger, und zur Aufspeicherung in wenigen Ver- wendung. Aufgespeichert werden sie in den Beeren und deren Samen, sowie in den Knollen. Zum Wachsthum dienen sie, ausser in diesen, hauptsächlich in dem Gipfel des Stengels und seiner Zweige, sowie in den‘ Wurzeln. Die stickstofffreien organischen Nährstoffe werden den Verbrauchsstätten von den Blättern aus, soweit die microchemischen Analysen darüber entscheiden lassen, WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 373 fast ausschliesslich in der Form Traubenzucker zugeführt, der je nach Umständen in Cellulose, in Stärke oder in andere Verbin- dungen umgesetzt wird. Die stickstoffhaltigen Nährstoffe finden sich als Eiweiss in den Siebröhrenbündeln in continuirlichen Zügen durch die ganze Pflanze hindurch. In dieser Periode beherrscht die Kohlensäurezerlegung in den Blättern nahezu das ganze Leben und die ganze Thätigkeit der Pflanze. Dieses zeigt sich sehr klar, wenn man die Blätter während einiger Zeit daran verhindert, diese Function auszuüben. In wenigen Tagen geht dann die Pflanze, mit Ausnahme der Beeren und der Knollen, völlig zu Grunde. Der folgende Versuch wird das Gesagte erläutern. Eine kräftige, reich beblätterte und verzweigte Kartoffelpflanze mit mehreren Sprossen, war im Garten in einem Topfe erwachsen. Mitte August trug sie drei Inflorescenzen mit unreifen Früchten und zwölf junge Knollen von zwischen 3 und 5 cm Grösse. Am 25 August wurde sie in diesem Zustande in’s Zimmer getragen, und nach sechs- stündiger Insolation verdunkelt. Sie blieb jetzt während acht Tage bei einer Temperatur von etwa 25° C. im Dunklen, und wurde von Zeit zu Zeit untersucht. Zuerst verschwand die Stärke aus den Chlorophylikörnern der Blätter, nach zwei Tagen wurden letztere allmählig gelb, bald darauf verschlafften und vertrockneten sie, und nach vier Tagen zeigten sich die Stengel saftlos und leer; sie enthielten keine Stärke und nur geringe Spuren von Zucker. Die Stiele der Früchte waren jetzt vertrocknet; beim leisesten Stoss zerbrachen sie und fielen die Beeren ab. Nach acht Tagen waren alle oberirdischen Theile völlig entleert und gestorben, mit Aus- nahme der Beeren. Diese waren noch ziemlich voll Stärke, Zucker und Eiweiss, aber bei Weitem nicht so voll wie gleichaltrige nor- male Beeren; offenbar waren sie auf Kosten der aufgespeicherten Nährstoffe gewachsen, und hatten diese also zum Theil verbraucht, während ihnen keine neuen zugeführt wurden. Von den unterirdi- schen Theilen waren nur die Knollen reich an Stärke, Zucker und Eiweiss; die Stengelbasis und die Stolonen enthielten nur noch Spuren von Stärke und Zucker; sie waren offenbar nahe daran, völlig entleert zu werden. Oxalsaurer Kalk fand sich überall in den todten oder absterbenden Theilen. Wir dürfen diese Ergebnisse dahin deuten, dass im Dunklen die Pflanze von den Knollen und den Beeren völlig leer gesogen wur- de; die letzten Spuren von Stärke und Zucker in den unterirdischen 374 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Theilen deuten darauf hin, dass die Knollen an diesen Vorgängen kräftigeren Antheil nahmen als die Beeren. Das Kraut wurde also offenbar passiv entleert, es bekam bald Mangel an Athmungsmaterial und musste infolge dessen sterben. Ich schliesse daraus, dass auch unter normalen Umständen die Beeren und Knollen die thätigen Ursachen der Stoffwanderung sind, nur dass hier die Kohlensäurezerlegung in den Blättern das Kraut vor völliger Erschöpfung schützt. Es leuchtet ein, dass wenn der Versuch länger fortgesetzt wäre, auch die letzten Spuren von Zucker und Stärke aus der Stengel- basis und den Stolonen in die Knollen getreten wären, und dass von diesem Augenblicke ab eine weitere Zunahme an Reserve- stoffen weder in den Beeren, noch in den Knollen möglich gewe- sen wäre. Im Gegentheil wegen ihrer fortwährenden Athmung würden sie stetig an Trockensubstanz verloren haben. Ganz in derselben Weise muss das Abschneiden der Krautes wirken. In demselben Maasse, wie die assimilirenden Blätter ab- gebrochen werden, muss die Anhäufung von Stärke in den Knollen abnehmen; beim völligen Abtragen aller oberirdischen Theile muss sie gänzlich aufhören. Je früher das Abschneiden stattfindet, um so mehr wird es den Ertrag an Knollen vermindern. Ist dage- gen das Kraut derart von der Krankheit angegriffen, dass es ohnehin keine Kohlensäure mehr zerlegen kann, so kann das Abschneiden selbstverständlich keinen Schaden mehr bringen, wenn man von den wenigen Nährstoffen, welche sich noch im Stengel abwärts bewegen, und von der Aussicht auf ein neues Austreiben aus Ach- selknospen Abstand nimmt. 1) Ausser dieser sehr einfachen und völlig verständlichen Beziehung zwischen der Thätigkeit der Blätter und der Entwickelung und Ausbildung der übrigen Organe, bestehen noch eine Reihe von weiteren Beziehungen, welche bis jetzt einem genauen Studium . noch nicht unterworfen sind. Dem Verständniss am leichtesten zugänglich sind unter ihnen die Erfahrungen über den Einfluss einer völligen oder theilweisen Entknollung, sowie über die Erfol- ge des Abbrechens der Blüthen. Ich stelle einige der wichtigsten diesbezüglichen Thatsachen hier kurz zusammen. Knight fand, dass wenn man eine Kartoffelpflanze verhindert Knollen zu tragen, sie mehr Blüthen entfaltet als sonst. 2) 1) Einige Feldversuche über diese Frage findet man u. A. bei Nobbe, Landw. Versuchsstationen, Bd. 4, S. 89 und. Bd. 6, S. 449. 2) Decandolle, Physiologie végétale II, S. 685. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER KARTOFFELPFLANZE. 375 Nach Langethal kann man die Rohankartofiel, welche gewöhn- lich nicht blüht, in sonniger Lage dazu bringen Blüthen und Samen zu tragen, wenn man die sich ansetzenden Knollen in ihrer Jugend abschneidet. 1) Nach demselben Verfasser ist das Abbrechen der Blüthen bei vielen Sorten vom besten Erfolg auf den Ertrag an Knollen. In grossen Städten werden häufig junge noch nicht ganz reife Kartoffeln zu Markt ‘gebracht, welche dadurch gewonnen werden, dass man die Erde seitlich von den Stöcken wegscharrt und dann von den blossgelegten Knollen die grössten abpflückt. Man wie- derholt diese, durch höheren Marktpreis lohnende Ernte angeblich mehrere Male, und soll auf solchem Wege schon die mehr als drei- fache normale Knollenzahl erhalten haben; 2) man erntet also nach dieser Methode eine grosse Zahl kleiner, statt einer kleinen Anzahl grosser Knollen. Merkwürdig und in physiologischer Hinsicht noch unerklärt ist die Thatsache, dass Kartoffelstauden, welche durch irgend einen Zu- fall, z. B. durch Hagel, einen grossen Theil ihres Laubes verloren ha- ben, oder von denen das Laub völlig abgeschnitten ist, aus ihren un- terirdischen Theilen neue Laubsprosse hervorschliessen lassen. Man erkennt leicht, wie eine solche Eigenschaft von grossem Nutzen für die Erhaltung der Pflanze ist. Die Erfahrung ist bereits eine alte; sie wird schon von Putsche und Bertuch in ihrer Monogra- phie der Kartoffeln (1819 S. 28.) beschrieben. Nobbe erhielt durch stetiges Abbrechen der über die Erde tretenden Laubsprosse an einem einzigen Stocke über 250 solcher Sprosse. 3) Lässt man nach frühzeitigem Abschneiden des Krautes diese neuen Sprosse ungestört, so übernehmen sie das Ernährungsgeschäft und können unter günstigen Umständen den erlittenen Schaden zum grössten Theile wieder ausgleichen. 1) Langethal, Landw. Pflanzenkunde, 1843. III, S. 113. 2) Nach Nobbe, Landw. Versuchsstationen VI, S. 464, welcher auch einige eigene Versuche hierüber mittheilt. By 1. c. S. 449, 376 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. - Erklärung der Figuren zu Tafel I und I. Die Farben sind nach den mittleren Ergebnissen zahlreicher Beobachtungen in die Figuren eingetragen. bie.’ 1, Tafel 1. 1/1. Schematischer Längsschnitt durch den unteren Theil einer Kartoffelpflanze, kurze Zeit vor der völligen Entleerung der Mutterknolle. Fig. 2. gels. Be. ‘3: m = Mark. r — Rinde. gb — Gefässbündel. ak = Achsel- knospe. p = Stelle, wo die Gefässbündel aus der ge- zeichneten Schnittebene ausbiegen. o — Oberfläche der Erde..a, bic; junge Knollen. k —= Endknospe sk = Seitenknospe. w — Wurzeln. Tafel II. 8/1. Querschnitt durch den oberirdischen Theil eines Sten- m = Mark. ms — Markständige Siebröhrenbündel. gb — Gefässbündel. c — Cambium. i r = Rinde. f f f = Die drei Gruppen von Gefässbündeln, welche den Ecken des Stengels entsprechen. hlz — Holz- körper. bst — Bast. a — Mittlerer Blattspurstrang des nächst-oberen Blattes. 8/1. Querschnitt des unteren Theiles eines Stengels. Be- deutung der Buchstaben wie in Fig. 2. Se Fig. Fig. Fig. au FIT. Fig. 8. a, a’, a" —= Die drei mittleren Blattspurstränge der drei nächstoberen Blätter. ®/ı. Querschnitt des Stengels zwischen den Stolonen. 8/1. Querschnitt eines Ausläufers. 83/1. Querschnitt einer sehr jungen Knolle. r, gb, ms — wie in Fig. 2. as — Aeussere Siebröhren- bündel. ®/ı. Längsschnitt einer sehr jungen Knolle. st — Stolo. sp = Blattspurstrang einer Blattschuppe. bs — Blattschuppe. ak — Achselknospe. gb — Gefäss- bündel. m = Mark. r —= Rinde. k —= Endknospe. 8/,. Längsschnitt einer etwas älteren Knolle. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 7. Fig. 9. */ı. Querschnitt einer Wurzel. r — Rindenparenchym. g — Gefässe. (Landwirthschaftliche Jahrbücher VII, 1878, S. 591.) e e ‚hsthumsgeschichte der Kartoffelpflanze. PART. Blati tg rûn. Eiweiss. Tranubenxueker. Stärke, HuGo DE VRIES, Opera. Fa. P. W. M. TRAP impr. BE WE A . . GA Eiweiss. Traubenzucker Starke. 3O DE VRIES, Opera Fa. P. W. M. TRAP impr. Dun. en u uva Dur es + ü 5 u R a. € -> = = Du D $ j i E i E l E = Py u KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 317. VI. Keimungsgeschichte der Zuckerrübe. Hierzu Farbendrucktafel I und ein Holzschnitt. § 1. Die Frucht und die Samen. Die Fruchtknäuel der Runkelrüben, welche im Handel den Namen der Rübensamen tragen, sind bekanntlich nicht Samen, sondern zusammengesetzte Früchte, welche meist aus zwei bis fünf Einzelfrüchten bestehen. Letztere sind völlig mit einander verwachsen und zu einem scheinbar einheitlichen Gebilde um- geformt, dessen Oberfläche von den vertrockneten Perigonzipfeln der einzelnen Blüthen, aus denen die Früchte entstanden, bedeckt ist. Eine genaue Betrachtung dieser braunen Schuppen zeigt nämlich bald eine sehr regelmässige Stellung, jeder einzelnen Blüthe entspricht ein Kreis von fünf solchen Schuppen, welche etwas gegen die Mitte des Kreises übergebogen sind. Entfernt man diese Theile, so erblickt man in ihrer Mitte noch den Rest des Griffels und der Staubgefässe der Blüthe, soweit diese noch nicht bis zur Unkenntlichkeit eingetrocknet sind. Um die Zusam- mensetzung des Knäuels aus den Einzelfrüchten bequem zu über- blicken, empfiehlt es sich, die Ueberreste des Perigons völlig zu entfernen, was zumal nach vorherigem Einweichen leicht gelingt. Es zeigt sich dann, dass die Aussenseite einer jeden Theilfrucht von einer länglich-rundlichen Platte gebildet wird, während die einzel- nen Platten durch Rinnen von einander getrennt sind. Den Gipfel des Knäuels nimmt eine grössere, zur Achse senkrecht stehende Platte ein, die übrigen, je nach der Grösse des Ganzen der Zahl nach vari- irenden Platten stehen in regelmässiger Weise um die Frucht herum. In einer Spalte an der Hinterseite findet man die Anheitungs- stelle des kurzen Stiels, mittelst dessen der Knäuel in der Achsel seines Tragblattes an der Spindel der Inflorescenz befestigt war. Bisweilen sind Stiel und Tragblatt an den getrockneten Knäueln, wie sie im Handel vorkommen, noch erhalten. Die erwähnten Platten verdienen in hohem Maasse unsere Auf- merksamkeit. Sie zeigen oberflächlich nahe an ihrem Umfange eine mit diesem parallel verlaufende Rinne. In Wirklichkeit bildet diese Rinne nur die äusserlich sichtbare Zeichnung einer voll- ständigen Trennungsschicht, durch welche der ganze mittlere Theil vom Rande abgehoben werden kann. Drückt man die Spitze 378 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. eines Messers in die Rinne, und versucht es die Platte zu heben, so sieht man sie bald wie einen Deckel abspringen, und es zeigt sich jetzt die Fruchthöhle geöffnet. Der Deckel hat eine bohnen- törmige Gestalt, aber das eine Ende ist zu einer scharfen Ecke zugespitzt, er ist aussen schwarz, auf der Innenseite von glän- zend brauner Farbe, wie die ganze Innenseite der Fruchthöhle. In der Fruchthöhle liegt, dieselbe völlig ausfüllend, ein einzelner Same. Aus so vielen Einzelfrüchten ein Knäuel besteht, so viele Samen ver- birgt er. Legt man die Knäuel in Wasser oder in feuchte Erde, so saugen sowohl die Fruchtschale als zumal die Samen dieses auf. Letztere werden dadurch zu gross für den beschränkten Raum der Fruchthöhle und sprengen demzufolge die Deckel ab, welche man an den gekeimten Knäueln meist noch zwischen den Perigon- zipfeln hängen finden kann. Dabei löst sich der Deckel zuerst an der Seite, wo die erwähnte scharfe Ecke ist, denn hier liegt das Würzelchen des Samens, welches zuerst anschwillt und bereits sich hervordrängt, bevor noch der Deckel völlig abgehoben wor- den ist. Was den feineren anatomischen Bau der Fruchtwand anbe- langt, hierüber finden wir bei Kraus einige Angaben, welche ich nur bestätigen kann. „Von Innen nach Aussen besteht das Peri- carp aus folgenden Geweben: Die Innenepidermis aus grossen, gestreckten Zellen ist zur Reifezeit verschwunden, über ihr liegt, die ganze Samenhöhle umschliessend, ein kleinzelliges Krystall- führendes Steinzellgewebe in mehreren Reihen; darauf folgt im weiteren Theil ein Parenchym, welches zum Perigon gerechnet werden kann, im oberen freien Theil ein polygonales, dünnwandi- ges, farbloses Parenchym, das zur Reifezeit ‚schrumpft.” 1) Wir können jetzt zu der Betrachtung der Samen selbst über- gehen und damit den eigentlichen Anfang unserer Keimungsge- schichte machen, denn der Knäuel ist doch nur zuerst als ein Schutzmittel der zarten Samen, während der Keimung aber als ein entschiedenes Hinderniss zu betrachten. Die Samen sind von schöner glänzend-brauner Farbe. Sie sind von rundlicher Gestalt, jedoch gegen den Deckel zu mehr oder weniger geebnet. An einer Stelle besitzen sie eine hervorragende Warze, welche stets sehr schief zu ihrem Umfange steht, und das Würzelchen des Keimlings umschliesst. Diese Warze ist je nach den Individuen deutlicher oder weniger deutlich ausgebildet, bis- 1) Kraus in Pringsheim’s Jahrbücher Bd. V, S. 100. KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 379 weilen kaum sichtbar, tritt sie in anderen Fällen so stark hervor, dass sie die ganze Form des Samens zu beherrschen scheint. So weit meine Erfahrung reicht, sind es die besten Samen, an denen die Warze am meisten in die Augen fällt. Um die Samen aus der eng umschliessenden Fruchthülle ohne Beschädigung los zu lösen, ist es das beste, die letztere durch mehrere Schnitte in einzelnen Stücken abzutragen. An den so isolirtten Samen kann man dann die weitere Untersuehung an Längs- und Querschnitten vornehmen. Solche findet man auf un- serer Tafel in den Figuren 2 und 3 dargestellt, zu denen die Samen aus den Gipfelfrüchten grösserer Knäuel verwendet worden sind. Solche Samen sind die grössten und schönsten, sie haben einen Durchmesser von etwa 3 mm bei nahezu 2 mm Dicke. Die Samen der Seitenfrüchte derselben Knäuel, sowie diejenigen aus schwä- cheren Knäueln sind weniger schön und bedeutend kleiner und unter sich sehr verschieden in der Ausbildung. Die beiden Hauptschnitte des Samens sind leicht zu treffen. Um den Samen axil zu schneiden (Fig. 2) braucht man das Messer nur in einer mit dem Deckel parallelen Ebene durch die Mitte des Samens zu führen. Der Schnitt Fig. 3 ist dagegen senkrecht auf den Deckel, und also auch senkrecht auf den in Fig. 2 abgebilde- ten Schnitt geführt. Die Betrachtung unserer beiden Figuren lehrt, dass die Samen ausser dem Keime noch ein Sameneiweiss enthalten (Fig. 2e, 3e.), welches die Mitte des Ganzen einnimmt. Der Keim ist um dieses Gewebe herumgebogen, sein Würzelchen liegt in der schon mehrfach erwähnten Warze (Fig. 2 w.), die Cotylen (Fig. 2c, c) erstrecken sich soweit, dass sie das Würzelchen fast berühren, nur die kleine Strecke des Nabels (Fig. 2n.), wo die Samenschale eine eigenthümliche Einbuchtung zeigt, trennt sie von jenem. Die Cotylen sind derart orientirt, dass ein Keimblatt auf der Aussen- seite gegen die Samenschale liegt, während das andere die Schale nur mit den Rändern berührt, und mit der einen, hinteren Fläche an das Sameneiweiss grenzt (Fig. 3c, c'). Die Plumula oder das Federchen liegt zwischen beiden Cotylen an deren Basis (Fig. Api). Die Samenschale ist eine doppelte; die äussere membranartige Schicht löst sich leicht ab, die innere dünnere Schicht heftet sich fes- ter an den Keim an. Die äussere Samenschale besteht aus zwei Schichten von polygonalen, mehr oder weniger abgeplatteten, und ohne Intercellularräume aneinander schliessenden Zellen. Die äus- 380 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sere Schicht, nur eine Zelle dick, ist dunkelbraunwandig, und auf der Aussenseite schön gezeichnet. Die innere Schicht ist blassbraun und durchsichtig, und zwei Zellen dick. Die innere Samenschale ist dünn- häutig, einschichtig und blassbraun und sehr dünn, soweit sie die Cotylen und das Eiweiss berührt. Im Umfange des Würzel- chens aber besteht sie im eingeweichten Samen aus säulenförmi- gen Zellen, deren grösste Achse senkrecht zur Oberfläche des Samens steht. Die Seitenwandungen dieser Zellen sind dünn, die Innenwand ist etwas verdickt. Vielleicht spielen diese Zellen bei der Quellung des Samens und der Abhebung des Decksels eine Rolle. Auf dem Querschnitte durch die Cotylen erblickt man bereits deutlich eine Epidermis, welche das ganze Keimblatt umgiebt, ein Pallisadengewebe und ein Schwammgewebe, alles selbstverständ- lich aus jugendlichen, und mit körnigem Inhalt reichlich gefüllten Zellen gebildet. Das Pallisadengewebe der späteren Blattoberseite ist meist zweischichtig, das Schwammgewebe drei- bis mehr- schichtig. Auf der Grenze zwischen beiden befinden sich die Nerven, von denen nur der Mittelnerv so stark entwickelt ist, dass er bereits bei schwächerer Vergrösserung auffällt (Fig. 3c. c”, während die übrigen äusserst fein und zart sind. Sie bestehen noch aus meristematischem Gewebe, aus sehr kleinen, dünnwan- digen, in der Richtung der Strang-Axe etwas gestreckten Zellen, deren Inhalt von nachweisbaren Stoffen nur Eiweiss führt. Da- gegen führt das ganze Parenchym und die Epidermis Eiweiss und Oel in innigem Gemenge. Stärke ist in den ruhenden Cotylen nicht nachzuweisen. (Vergl. Fig. 2 und 3). Das Würzelchen besteht auf dem Querschnitt in der Mitte aus dem kleinzelligen Stranggewebe, dann aus dem verhältnissmäs- sig grosszelligen, mehrschichtigen Rindenparenchym, zwischen dessen Zellen man bereits Intercellularräume erblickt, und end- lich aus der einschichtigen Oberhaut. Auf dem Längsschnitt sind die Zellen des Stranges etwas gestreckt, die des Fruchtgewebes tafelförmig. Im Inhalte der Zellen”des Stranges, sowie der Spitze des Wür- zelchens lässt sich nur Eiweiss, in der Rinde und der Oberhaut (mit Ausnahme des die jüngste Spitze bedeckenden Theiles) Eiweiss und Oel nachweisen. Die Zellen des Würzelchens wurden von Droysen gemessen. Die des Grundgewebes waren ca. 0,011 bis 0,012 mm hoch, und KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 381 ca. 0,016 bis 0,028 mm breit. Die des jugendlichen Stranges waren 0,008 bis 0,027 mm gross. 1) Das Federchen bildet einen einfachen Vegetationskegel von gewöhnlichem Bau, an welchem äusserlich noch keine Blattanlagen zu entdecken sind. Seine Zellen sind von Eiweiss dicht erfüllt. Das Sameneiweiss ist von kreideweisser Farbe und äusserst spröde. Es besteht aus sehr grossen dünnwandigen Zellen, welche im Querschnitt polygonal sind, im Längsschnitt des Samens sich aber in der Nähe des Nabels derartig gestreckt zeigen, dass sie strahlenartig gegen die Nabelhöhlung hin convergirende Reihen zu bilden scheinen. Je entfernter von hier, um so weniger sind sie gestreckt, überhaupt sind sie um so kleiner, je näher sie der Ober- fläche des Sameneiweisses liegen. Die Zellen sind mit Stärke dicht erfüllt und enthalten sonst nur äusserst wenig plasmatischen Inhalt mit meist deutlichem Zellkern. Die Stärkekörner sind von elliptischer oder runder Gesammtform und haben einen Durch- messer von 0,014 bis 0,021 mm; sie sind zusammengesetzt aus ausserordentlich zahlreichen kleinen, ebenfalls rundlichen Bruch- körnern bis 0,004 mm gross, welche auch die Zwischenräume zwischen den zusammengesetzten Körnern in den Zellen ausfül- len. 2) Fassen wir das Mitgetheilte über die Stoffvertheilung im ru- henden Samen kurz zusammen, so fanden wir im Keime Oel und Eiweiss, aber keine Stärke, im Sameneiweiss dagegen fąst aus- schliesslich Stärke (Fig. 2 und 3). Diese Vertheilung ist für die meisten Chenopodiaceen dieselbe, wie bereits von Nageli in seinem klassischen Werke: Die Stärkekörner (S. 549) angegeben worden ist. § 2. Die Keimfähigkeit der Rübensamen. Die ausführlichsten Mittheilungen über diesen Gegenstand fin- det man in einem Aufsatze von Nobbe, „Ueber die Keimkraft der käuflichen Runkelrübensamen” in den Landwirthschaftlichen Ver- suchsstationen Bd. 14, 1871, S. 389. Es mögen hier die wichtig- sten von ihm erlangten Resultate kurz aufgeführt werden. 3) Die Anzahl der in einem Rübenknäuel enthaltenen Formen ist 1) Droysen, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Zuckerrübe, Dissertation. Halle 1877. S. 9. 2) Droysen 1. c. p. 9; Nägeli, Pflanzenphysiologische Untersuchungen,, Heft .Il, p. 521 und 549; Payen, Ann. Sc. nat. 18,8, II, p. 28. 3) Vergl. auch Nobbe, Handbuch der Samenkunde. 1876, p. 527. 382 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. äusserst verschieden. Eine Bestimmung dieser Anzahl von sieben verschiedenen Sorten lieferte, als für jede Pobe 100 Knäuel benutzt wurden, im Mittel aller Bestimmungen folgendes Resultat: Von 100 Knäueln enthielten im Mittel: 1 keinen Samen, 16,0" er 396.12 Shan 99 4 4 2 05 0,14 6 Im Mittel von allen Knäueln war die Samenzahl 2,4. Diese Sa- men sind aber bei Weitem nicht alle keimfähig. Legt man die Samen unter günstigen Keimungsbedingungen, z. B. in feuchte Gartenerde bei 15° R. aus, so keimen die einzelnen Samen mit sehr verschiedener Geschwindigkeit, ja einzelne brauchen über zwei Monate, um aus der harten Fruchtschale hervorzutreten. Aber wenn man die Versuche auch noch so lange fortsetzt, so bleiben doch immer eine grössere oder geringere Anzahl regungs- los. Mehrere Proben wurden zur Keimung ausgelegt, und als diese beendet war, wurde die Zahl der gekeimten sowie die der unge- keimten Samen bestimmt. Es ergab sich daraus folgende Zusam- menstellung. Je 100 Rübenknäule enthielten: ?) Durchschnittlich, Höchstens, Mindestens. Keimfähige Samen 146 187 95 Nichtkeimfähige Samen 93,6 123 40 Samen überhaupt 239,7 260 21%) In Prozenten der Samen ausgedrückt war demnach die Keimkraft: 59,6 82,4 45,0. Nach diesen und einigen weiteren Versuchen geben die Mehrzahl der Fruchtknäuel 1—2 Keimpflanzen, im grossen Ganzen jeder Knäuel nahezu 11%, die verhältnissmässig besten Proben nicht ganz 2. Dabei geben, wie genaue Ermittelungen zeigten, die mehrsami- gen Knäuel in der Regel auch mehrere Samen, ja das Verhältniss der keimenden und nichtkeimenden Samen scheint in Proben mit wenigsamigen Knäueln dasselbe zu sein als in solchen mit viel- samigen Knäueln. Die Keimfähigkeit der reinen Samen ergab bei Ermittelungen an der Versuchs-Station Hildesheim im Jahre 1875 (bei einer Verun- KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 383 reinigung der Probe von im Mittel 1,45 für Runkelrübe und 2,07 für Zuckerrübe) auf 100 Runkelrübenknäuel im Mittel 133, auf 100 Zuckerrübenknäuel im Mittel 178 (max. 228, min. 146) keimfähige Samen. 1) Als Merkmale der Keimfähigkeit der Runkelrübensamen giebt Dimitrievicz 2) an, dass nur die Farbe des Keimes brauchbar sei. Nur die absolut lebensunfähigen Keime zeigen nach ihm eine gelbe, grünblaue, bräunliche, braune Färbung, während die keimfähigen eine bläulich weisse, helle Farbe, und eine violette Wurzelspitze besitzen. Die keimfähigen Samen behalten ihre Keimkraft unter gewöhn- lichen Umständen mehrere Jahre hindurch. Nach Langethal 4—5 Jahre. 3) Nach Wilhelm ist die Keimkraft nach 5 Jahren unter 20 Prozent herabgesunken. 4) Dagegen keimten bei der Runkel- rübe nach 12 Jahren noch 56 Prozent in den Versuchen von Di- mitrievicz. 5) Nach Letzterem keimten im Winter 1874|75 die aus verschiedenen Jahren aufbewahrten Samenproben in folgender Weise: Samen von Keimkraft Dauer der Keimung 6) in pCt. in Tagen. 1862 56 150 1863 0 — 1864 2 5 1865 88 6 1866 6 2 1867 90 4,2 1868 100 4,6 Man sieht, dass die verschiedene Güte der Ernten sehr grossen Einfluss auf die Dauer der Keimkraft hatte, denn nur sie erklärt die Unregelmässigkeiten in der angeführten Tabelle, obgleich auch die Art der Aufbewahrung einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss gehabt haben mag. Ueber die Dauer der Keimfähigkeit bei Aufbewahrung der Rüben- knäuel unter Wasser hat Zöbl Mittheilungen gemacht. 7) Die Knäuel 1) Jahresbericht für Agriculturchemie 1875—1876. S. 244. 2) Haberlandt, Pflanzenbau. II. p. 75. 3) Langethal, Landwirthschaftliche Pflanzenkunde. 5. Aufl. Bd. III. p. 69. 4) Centralblatt für Agrikulturchemie. VIII. p. 434. 5) Haberlandt, Pflanzenbau. I. p. 100. 6) Bis zu einer Wurzellänge von 2 mm. 7) Haberlandt, Pflanzenbau I p. 89. 384 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. wurden in kleine von Messinggeflecht gefertigte Kästchen gebracht, und diese in einen grossen Wasserbehälter gestellt, in welchem das’ Wasser %, Fuss hoch stand und continuirlich zu- und abfloss, um die aus dem Samen ausgelaugten Stoffe möglichst rasch und voll- ständig zu entfernen. Von anderen Samenarten, welche demselben Versuch unterworfen wurden, giebt der Verfasser an, dass ein Theil in den ersten Tagen keimte, von den Rüben finde ich hierüber nichts angegeben. Von Zeit zu Zeit wurde eine Samenprobe herausge- nommen und zwischen feuchten Flanellstückchen ausgelegt, um die Keimzeit zu erproben. Letztere wurde aus den Beobachtungen der- art berechnet, dass man die Zahl der Tage, während welcher die Samen zum Keimen ausgelegt waren, mit der Anzahl der jedesmal gekeimten Samen multiplicirte und die Summe der gewonnenen Produkte durch die Gesammtzahl der gekeimten Samen dividirte. Die Tabelle giebt also sowohl die Zahl-der gekeimten Samen, wie üblich an, als auch die mittlere Keimdauer der keimenden Samen und zwar von dem Zeitpunkte des Herausnehmens aus dem Wasser- behälter bis zum ersten Erscheinen des Würzelchens berechnet. Die erhaltenen Zahlen sind folgende: Quellzeit in pCt. gekeimte Keimzeit in Tagen. Samen. $ Tagen. 1 92 3,32 2 100 2,68 3 100 3,96 4 100 3,96 5 80 4,10 vi 88 4,36 9 92 ST 11 80 5,13 15 64 9,18 18 88 4,00 23 80 6,00 28 86 8,14 39 72 $ 5,83 49 64 5,19 59 84 4,24 69 40 6,20 Ein regelmässiges Abnehmen der Keimkraft durch lange Zeit dauerndes Einquellen, wie die meisten anderen Samenarten dieses zeigen, tritt in dieser Tabelle nicht deutlich hervor; die Zahlen KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 385 sind noch zu schwankend, um in dieser Hinsicht zuverlässige Schlüsse zu erlauben. Dagegen zeigt es sich, dass auch nach 59tägiger Einquellung Keimkraft und Keimzeit noch annähernd dieselben sind als nach etwa fünf Tagen, dass also jedenfalls der schädliche Einfluss des Einquellens, wenn vorhanden, nur ein sehr geringer sein kann. Es wäre sehr wichtig zu wissen, ob die nach der langen Einquellung der Knäuel noch keimfähige Samen während dieser Zeit selbst bedeutende Mengen Wasser aufgenom- men haben oder vielleicht trocken in ihrer Fruchthöhle liegen ge- blieben sind. Wenn dem so wäre, würde sich das eigenthümliche Verhalten der Rübensamen gegenüber den anderen Sämereien in einfacher Weise erklären. Nach Zöbl’s Angaben.büssen die meisten Samen nach etwa 40tägigem Einquellen, alle nach etwa 70tägi- gem Einquellen ihre Keimfähigkeit völlig ein. Nur die Runkel- rübe ist nach dieser Zeit noch keimfähig und zwar mit ziemlich -hoher prozentischer Keimkraft. Die Versuche Thuret’s erstrecken sich über die bedeutend längere Zeit von 13 Monaten. 1) Er brachte die Samen von Beta vulgaris in Flaschen mit Meerwasser, das während der 13 Monate etwa 4 Male erneuert wurde. Nach Schluss dieser Zeit zeigte sich die Keimfähigkeit der Rübensamen nicht in merklicher Weise geschwächt. Die Verluste an Trockensubstanz, welche die Runkelknäuel während längerer Auslaugung in Wasser erleiden, und welche hier vielleicht zu einem nicht unwesentlichen Theil von der Frucht- hülle und den Perigonzipfeln herrühren, wurden von Schlag Edler von Scharhelm und Bressler 2) bestimmt. Ihre Methode war in der Hauptsache dieselbe wie bei Zöbl. Sie fanden für die Futterrunkel: Nr: 12 Nr. 22 (Nr: 3% 0 Dauer des Einquellens in Tagen ........ 20 40 60 80 Es keimten während des Auslaugens ..... — 6pCt. 5pCt. — Verlust in pCt. der lufttrockenen Samen 6,73 9,27 10,12 13,31 Es keimten nach dem Auslaugen in pCt. 85 84 81 62 Ueberblickt man alle diese Untersuchungen über die Dauer der Keimfähigkeit der Runkelknäuel in trockenem Zustande und im Wasser, so kann es nicht geläugnet werden, dass unsere Kenntniss 1) Thuret, Expériences sur des graines de diverses espèces plongées dans leau de mer, Bibl. univ. et Revue Suisse I. XLVII Nr. 187. 15 Juillet 1873 p. 177. Nach Bot. Jahresber. 1873 p. 258. 2) Haberlandt, Pflanzenbau. II. p. 45. 25 386 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. über diesen Punkt noch eine sehr lückenhafte ist. Als wichtig ist hervorzuheben, dass in der Luft die Keimfähigkeit nach 4—5 Jahren in der Regel derart geschwächt ist, dass der Same seinen Handelswerth nahezu verloren hat, dass aber einzelne Proben un- ter günstigen Umständen auch 12 Jahren sich keimfähig zeigen. Im Wasser wird, trotz der stattfindenden Auslaugung auch in 13 Monaten die Keimkraft nicht merklich geschwächt. Ueber den Einfluss der Temperatur des Quellwassers auf die Keimfähigkeit der Runkelknäuel finden sich einige Angaben bei Haberlandt. 1) Er liess die Knäuel während 5 oder 10 Stunden ın Wasser von verschiedenen aber constanten Temperaturen ein- quellen, und bestimmte nach Ablauf dieser Zeit die Keimfähig- keit. Jede Probe bestand aus 100 Knäueln, zu jedem Versuch diente eine Probe trockener Samen, und eine Probe, welche be- reits während 24 Stunden in,Wasser von gewöhnlicher Tempe- ratur eingeweicht worden war. Die Zahlen der folgenden Tabelle zeigen eine nachtheilige Wirkung der erhöhten Temperatur an, welche um so grösser war, je höher die Temperatur und je länger ihre Einwirkung, und welche endlich auch bei den vorher einge- weichten Samen bedeutender war als bei den trocken zu den Ver- suchen verwendeten. Ohne vorhergehendes | Nach vorausgegangener Einquellen. 24 stündiger Quellung. Prozente | Mittlere | Procente | Mittlere der Keimzeit der Keimzeit gekeimten in gekeimten in Samen Tagen Samen. Tagen. Controllprobe.:%..i. 2. 76 5,53 — , — Bei 30°C. durch 10 Stunden 59 527 41 6,00 PEN A LOA OSE ANA CO, ” 38 6,0 32 | 5,22 RR LSA I NG, 5 u 31 5,64 19 7,26 AR. DA CRRBITRNEN KO M 22 7,82 18 7,0 IM SLEA LEN 5 ý 9 5,0 0 — PB a OR DRIN O N 1l 8,0 0 _ Nach R. Hoffmann 2) enthalten die lufttrockenen Samen der Zuckerrübe noch 5,390 pCt. Wasser, und nehmen sie in einer dampigesättigten Atmosphäre bei 18—21° C. an hygroskopi- schem Wasser noch 7,960 pCt. auf. In Wasser eingeweicht nehmen 1) Haberlandt, Pflanzenbau. Il. p. 54. 2) Hoffmann. Jahresbericht für Agriculturchemie 1864 p. 109. KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 387 ssie dieses zu 120,520 pCt. ihres lufttrockenen Gewichtes auf, zum grössten Theile wohl in die sehr stark aufquellenden Schuppen der vertrockneten Perigone. . Haberlandt 1) injicirte Runkelknäuel unter der Luftpumpe und fand, dass sie 71,13 pCt. Wasser aufnahmen. Von den so theil- weise luftleer gemachten Samen keimten nur 30 pCt., während von einer Controlprobe normaler Samen 90 pCt. keimten. Die Keimzeit der ersteren war 8,5 Tage, die der Controlprobe 6,13 Tage. In einem zweiten Versuche wurde die Luft unter der Luft- pumpe in den Runkelknäulen vollständig durch Wasser ersetzt, es keimten jetzt nur 8 pCt. der Samen gegen 72 pCt. der Control- probe. Die Keimzeit war jetzt 4,2 Tage gegen 3,1 der normalen Samen. In wie weit die Ursache dieser auffallend schädlichen Wirkung der Injection nur auf die Entfernung des anfänglich im Samen vorhandenen Sauerstoffes, wie Haberlandt meint, oder auch auf die bedeutende Erschwerung der Diffusion neuen Sauer- stoffes durch die Intercellularräume zu setzen ist, lässt sich nicht ohne Weiteres entscheiden. Da aber bekanntlich bereits Dutro- chet 2) nachgewiesen hat, dass auch bei erwachsenen Pflanzen- theilen eine Injection mit Wasser häufig den Tod herbeiführt, so darf jedenfalls letzteres Moment nicht unbeachtet bleiben. Ueber den Einfluss des Luftzutrittes und der Bodenbedeckung auf Quellung und Keimung liegen nur sehr vereinzelte Angaben vor, welche dazu noch häufig aus zu anderen Zwecken gemachten Versuchen abgeleitet sind. Nach Hoffmann 3) keimen Rüben bei 8 Zoll Tiefe im Boden nicht mehr, wohl aber bei 6 Zoll Tiefe oder weniger. Nach Jörgensen ist nach sechsjährigen Versuchen für den Runkelrübensamen 34—1 Zoll Tiefe am besten, aber es ist kein grosser Unterschied dabei, ob derselbe 1⁄4 oder 11⁄4 Zoll tief gebracht wird. 4) Grouven 5) fand, dass die bloss ‘I Centimeter tief gelegten Kerne der Zuckerrübe zuerst aufgingen, und dass die tiefer gelegten Samen um so später folgten, je stärker ihre Erd- ‚decke war. Die 4 cm tief gelegten bedurften beispielsweise 11, Tage, die 6 cm tiefgelegten 21, Tage, die 6 cm tiefgelegten sogar 5 Tage mehr als die 1 cm tiefgelegten Körner. In demselben Ver- hältniss nimmt die Anzahl der überhaupt aufgehenden Keim- 1) Haberlandt, Pflanzenbau. I. p. 104. 2) Dutrochet, Mémoires, Edition Bruxelles p. 211. 3) Jahresbericht für Agriculturchemie. 1864. p. 110. 4). Centralblatt für Agriculturchemie. Ill. p. 362. .5) Jahresbericht für Agriculturchemie. 1863. p. 57. 388 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. pflanzen ab. Von Proben, welche bei 1 cm Tiefe im Mittel drei Pflänzchen pro Korn gaben, erhielt man bei 5 cm bloss 2, bei 8 cm bloss eine Pflanze im Mittel. Ebenso nimmt die Stärke der Keimpflänzchen mit zunehmender Saattiefe ab. Um den Einfluss des Luftzutrittes zum keimenden Samen zu: untersuchen, wurde in einer weiteren Versuchsreihe eine Lehm- oder Thonschicht über den Boden gegossen, welche den Luftzu- tritt hemmte. Dies hatte nicht bloss ein späteres Aufgehen des; Samens zur Folge, sondern brachte auch die Nachtheile, welche als Folge der zu tiefen Pflanzung beobachtet worden waren, nämlich geringe Keimkraft und grössere Schwäche der Pflanzen. Leitete man der Erde dagegen künstlich täglich '/; Volum Sauer- stoff zu, so beobachtete man eine deutliche Beschleunigung des. Keimungsprozesses. In reinem Sauerstoff gingen die Keimpflänz- chen bald zu Grunde. Ohne Sauerstoff keimten die Samen nicht. Ein Lockern der Erdoberfläche während der Keimung war von günstigem Einflusse auf die Entwickelung der Keime, ihrer Rasch- heit, Menge und Stärke nach. Am Schlusse dieses Paragraphen habe ich noch einige Erfah- rungen mitzutheilen, welche über das Einweichen der Rüben- samen mit verschiedenen Substanzen vor der Aussaat gemacht worden sind. Nach Grouven 1) hat das Einquellen in verdünnten Lösungen in den gewöhnlichen Fällen keimen wesentlichen Ein- fluss auf den Keimungsprozess, dagegen wird die Keimung durch. das Herumwälzen der befeuchteten Samen in fein pulverisirten Düngern und Salzen in erheblicher Weise verlangsamt. Die zuerst keimenden Samen gehen nach ihm in Folge der hohen Konzen- tration der sie umgebenden Bodenlösung zu Grunde, nur denjeni- gen, welche so spät keimen, dass die Salze bereits hinreichend im: Boden vertheilt worden sind, droht keine Gefahr mehr. In einzelnen Fällen werden die Rübensamen in concentrirten Lösungen von häufig schädlichen Stoffen während kurzer Zeit eingeweicht und in diesem Zustande ausgesäet. Man beabsichtigt damit sie vor thierischen Feinden im Boden zu schützen und will günstige Resultate mit diesem Verfahren erlangt haben. 2) 8 3. Die erste Periode der Keimung. Zum Zwecke einer übersichtlichen Behandlung spalte ich den ganzen Keimungsprozess in zwei Perioden, als deren Grenze ich 1) Jahresbericht fur Agriculturchemie. 1863. p. 60. 2) Vergl. z. B. Pagnoul im Centralblatt für Agriculturchemie VI. p. 65. KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 389 ‚den Moment wähle, wo das Sameneiweiss zuerst völlig entleert ist. In der ersten Periode streckt sich zunächst das Würzelchen, ‚dann aber auch die Cotylen, und es werden hierdurch die einzel- ren Theile des jungen Keimlings der Reihe nach aus der Samen- schale, und somit aus dem Fruchtknäuel herausgeschoben (vergl. Fig. 4). Dabei ernähren sie sich theils von den in ihnen selbst aufgespeicherten Nährstoffen, theils aber von der im Sameneiweiss abgelagerten Stärke. Die Keimpflanze ist, mit Ausnahme des al- lerersten Anfanges der Keimung (vergl. Fig. 2) während dieser ganzen Zeit nur mit der hinteren Seite des inneren Keimblattes mit dem Eiweiss in Berührung. Die Stärke muss also durch die Ober- haut dieses Theiles in das Innere der jungen Pflanze übertreten, oder mit anderen Worten ist diese Oberhaut mit der Funktion des Aussaugens und der Entleerung des Sameneiweisses belastet. Es ist wichtig, dabei hervorzuheben, dass eine Verwachsung beider Theile nie stattfindet, sondern vielmehr verschiebt sich das Keim- blatt in Folge seines Wachsthums fortwährend über seine ganze Länge am Sameneiweiss entlang. Dass diese Verschiebung nicht zur in dem unteren Theile, sondern auch an der Spitze stattfindet, beweist der in Fig. 4 bei a abgebildete Umstand, dass die Spitze bereits in diesem frühen Keimungsstadium .nicht mehr die ganze Höhlung ausfüllt, sondern bereits jetzt ihre anfängliche Lage verlassen hat. Es wird dieses wohl auf Rechnung eines geringen Dickenwachsthums der Cotylen zu setzen sein. Fortwährend tritt die Stärke aus dem Sameneiweiss in das Keimblatt über, und bald wird sie hier, sowie im äusseren Keim- blatt und den benachbarten Keimtheilen auch als Stärke sichtbar. Dieses bleibt dann der Fall, bis das Sameneiweiss völlig entleert ist (Fig. 5). Sobald dieses geschehen, hört der Grund auf, weshalb die _ Spitzen der Cotylen noch vom Fruchtknäuel umschlossen bleiben sollten. Dementsprechend streben die Keimblätter jetzt darnach sich auszubreiten und werfen dadurch zunächst die Fruchtschale ab, wodurch ihre weitere Entfaltung ermöglicht wird. Jetzt breiten sie sich am Lichte aus, ergrünen, und bald darauf fangen sie eine neue Thätigkeit, die Neubildung organischer Substanz aus Kohlen- säure an. Inzwischen haben sich auch die übrigen Theile der Keim- pflanze ausgebildet (Fig. 1) und sind die Reservestoffe zu einem grossen Theile verbraucht worden. Von jetzt an lebt die Pflanze eınige Zeit fort nur von den in den Cotylen neugebildeten Stoffen, bis ihre jungen Blätter soweit herangewachsen sind, dass auch sie 390 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sich an diesem Geschäft betheiligen können. Es darf hervorgehoben werden, dass bei den Rüben die Cotylen neben den ersten Blät- tern noch lange am Leben bleiben, bedeutend zu der Ernährung der jungen Pflänzchen beitragen und dabei selbst zu ansehnlicher Grösse heranwachsen. Wir gelangen also zu folgender Charakteristik unserer beiden Perioden. In dem ersten Lebensabschnitte ernährt sich der Keim- ling von den Reservestoffen des Samens, und da diese theilweise im Sameneiweiss aufgespeichert sind, bleiben die Spitzen der Co- tylen in der Fruchthöhle, um jenes auszusaugen. Sobald dieses geschehen, ist die erste Periode beendigt. Dann wirft die Pflanze die Fruchtschale ab, entfaltet ihre Keimblätter, ergrünt und fängt an Kohlensäure zu zerlegen. Die ganze erste Periode verläuft ohne Mitwirkung des Lichtes, in der zweiten aber ist vom ersten Augen- blicke an die Mitwirkung des Lichtes erforderlich. Rübenkeimlinge, in constanter Finsterniss gezogen, pflegen die Knäuel nicht abzu- werfen, oder sollten diese etwa abfallen, so können sie dennoch ihre Cotylen nicht entfalten. Wir betrachten in diesem. Paragraphen nur die erste Periode der Keimung, und werden dabei sowohl die wichtigsten Gestal- tungsvorgänge als auch die Stoffwanderung in Betracht zu ziehen haben. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde ich auf den ana- tomischen Bau erst im nächsten Paragraphen eingehen. Die Gestaltungsvorgänge bieten in dieser Periode nicht viel Merkwürdiges. Sie bestehen hauptsächlich in einer Streckung aller Keimtheile, wodurch diese nach und nach aus dem Samen heraus- geschoben werden. Zunächst streckt sich die Radicula am rasches- ten (Fig. 4), dann ergreift auch die unteren Theile der Cotylen ein rasches Wachsthum und pflanzt sich dieses in ihnen stetig nach oben fort. In derselben Zeit entwickelt sich die Wurzel durch die Thätigkeit ihres Vegetationspunktes. Die einzelnen Gewebe- systeme differenziren sich immer mehr. Die Oberhaut bildet Spalt- öffnungen aus, die der Wurzel trägt die ersten Wurzelhaare. Im Grundgewebe werden sowohl die Zellen als die intercellularen Lufträume grösser, die Inhalte der Zellen trennen sich in wand- ständiges Plasma und Zellsaft. In den Gefässbündeln treten die Spiralgefässe und die Elemente des Holzkörpers hervor, der Bast- theil bleibt dünnwandig und reich an Eiweiss. | Die Stoffvertheilung zeigt während des Einweichens des Samens noch keine Veränderung. Bei der Streckung des Würzelchens (vergl. Fig. 4) tritt zunächst Traubenzucker in den sich vergrössernden KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 391 Zellen auf; offenbar entsteht dieser aus dem fetten Oel welches dort abgelagert war, denn dieses nimmt sichtlich an Menge ab. Die me- ristematische Wurzelspitze ist wie im Samen mit Eiweiss dicht,er- füllt, sie enthält weder Oel noch Zucker. Dagegen tritt in der Wurzelhaube Stärke auf, welche dort von jetzt an während der ganzen Keimungsperiode nachgewiesen werden kann. Ebenso tritt Stärke in der Stärkescheide des centralen Gefässbündelkörpers der sich streckenden Theile der Radicula auf. Im Uebrigen zeigt sich noch dieselbe Vertheilung der plastischen Stoffe wie im ruhenden Keim. | Bei der weiteren Streckung des Würzelchens und des hypocoty- len Gliedes nimmt nun zunächst der Traubenzucker bedeutend zu, indem sich alle sich rasch streckenden Zellen mit diesem dicht er- füllen. Die ganze Stärkescheide erfüllt sich mit Stärke. Diese findet sich ebenfalls bald in der Spitze der Wurzel oberhalb des eiweiss- führenden Vegetationspunktes ein, wo sie die Zone der noch langsam wachsenden, sich aber bereits nicht mehr theilenden Zellen bezeich- net (Fig. 6). In den aus dem Vegetationspunkt heraustretenden Zellen wird immer neue Stärke abgelagert, in den etwas älteren Zel- len wird sie wieder gelöst um bei der raschen Streckung der Zell- haut in Cellulose umgesetzt zu werden. Dass während dieser Zeit das Fett im Würzelchen und im’ unteren, sich rasch streckenden Theile des hypocotylen Gliedes völlig verschwindet, ist wohl selbst- verständlich, da es die Hauptquelle der neugebildeten Kohlenhy- drate darstellt. Aber diese entstammen auch zum Theil den Cotylen und dem Sameneiweiss. Denn hier gehen zu dieser Zeit wichtige Verände- rungen vor sich. Während im ruhenden Samen und beim Anfang cer Keimung der junge Keim frei von Stärke ist, sieht man jetzt erhebliche Mengen dieses Kohlenhydrates in allen parenchymati- schen Zellen, zunächst der Cotylen, bald auch im oberen Theil des hypocotylen Gliedes. Gewöhnlich ist dabei der innere Cotyledo bedeutend stärkereicher als der äussere; während jener in Jodlö- sung dem unbewafineten Auge fast schwarz erscheint, färbt sich der letztere nur mehr oder weniger grau. Schon dieses deutet darauf hin, dass diese Stärke aus dem Sameneiweiss herrührt und zunächst in das innere Keimblatt übertritt, um sich von hieraus auf die übri- gen Keimtheile zu verbreiten. Zur Gewissheit wird diese Folgerung durch den Umstand, dass das Sameneiweiss fortwährend ärmer an Stärke wird, während der totale Gehalt des Keimes an Nährstoffen, 392 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. trotz des intensiven Verbrauches beim Wachsthum, ganz offenbar zunimmt. Anfangs findet man in den Cotylen und dem jüngsten, obersten Theil des hypocotylen Gliedes noch die Reservestoffe des Samens, das Eiweiss und das Oel. Allmählig verschwinden diese aber. Und zwar tritt zunächst das Eiweiss, welches zur Ausbildung des Pro- toplasma verwendet wird, und zum Theil auch durch die Nerven der Cotylen und das Gefässbündel der axilen Theile zu der wach- senden Wurzelspitze hinabgeleitet wird. Man sieht das Eiweiss zunächst aus dem ganzen Parenchym des hypocotylen Gliedes, dann aus der Basis der Cotylen, später aus deren Mitte und erst sehr spät aus ihren Spitzen verschwinden (Fig. 5). Das Oel nimmt anscheinend überall nahezu gleichmässig ab. Es erstreckt sich zu dieser Zeit gewöhnlich ebenso weit wie die Stärke in das hypocotyle Glied hinab. Diese Grenze fällt (Fig. 5) meist etwas unterhalb der knieförmigen Krümmung des Stengelchens. Hier fängt der Traubenzucker an im Rindengewebe vorzuherr- schen, um sich von dort bis zu der eiweiss- und stärkeführenden Wurzelspitze fortzusetzen. Jene Grenze ist die Stelle, wo die anfangs sehr langsame Verlängerung der Zellen in eine rasche Streckung übergeht, wie ich durch Messungen der Zellen in ver- schiedenen Höhen ermittelte. Fig. 5 zeigt an dieser Grenze wohl das Aufhören des Oels und der Stärke, nicht aber das Auftreten des Traubenzuckers. Dieser verschwindet nämlich noch vor der völligen Entleerung des Sameneiweisses aus den ausgewachsenen Zellen des hypocotylen Gliedes, und während der letzten Stadien jener Entleerung auch aus den höheren Zellen dieses Gliedes, um aber später, nach dem Ergrünen der Cotylen, wieder an derselben Stelle sichtbar zu werden. Sonst ändert sich bis zum Ende unserer ersten Periode nichts Wesentliches in der Stoffvertheilung im Keime. Am Schluss der ersten Periode haben wir also folgende Stoff- Vertheilung (Fig. 5, Fig. 6): Das Sameneiweiss ist völlig erschöpft. Die Cotylen zeigen das Parenchym dicht voll Stärke und mit wenigem Fett, nur an ihrer Spitze enthalten die Parenchymzellen noch bedeutende Mengen Eiweiss. Letzteres erstreckt sich in den Epidermiszellen vedeutend weiter hinab, und erfüllt das Leitzel- lengewebe der Nerven völlig. Die Plumula hat bereits die Anlagen für die beiden ersten Blätter soweit herangebildet, dass in diesen sich neben Eiweiss KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 393 auch Stärke findet, sonst führt sie nur Eiweiss. Auch das Mark unterhalb des Vegetationspunktes führt etwas Stärke. Der obere gekrümmte Theil des hypocotylen Gliedes ist noch im Wachsthum begriffen. Er enthält viel Stärke und verhältniss- mässig wenig Oel, von beiden Körpern um so weniger, je älter die betreffenden Zellen bereits sind; in dem letzten Wachsthumssta- dium sind beide aus den Rindenzellen verschwünden. Das Gefäss- bündel enthält Eiweiss und lässt, wo das Rindengewebe stärke- ärmer wird, eine Stärkescheide deutlich erkennen. Der untere gerade Theil des hypocotylen Gliedes ist ausge- wachsen und leer von Bildungsstofien, mit Ausnahme des eiweiss- führenden Gefässbündels und der Stärkescheide. Der ausgewachsene Theil der Wurzel führt in allem Rinden- parenchym ansehnliche Mengen Traubenzucker, aber weder Stär- ke noch Oel. Auf Längsschnitten durch die Keimpflanzen sieht man, nach der Behandlung mit Kupfervitriol-Kali, dass die Grenze zwischen dem hypocotylen Gliede und der Wurzel ziemlich scharf markirt ist; ersteres ist leer, letztere dicht mit den orangenen Körnchen angefüllt. Stärke findet sich in der ganzen Stärkescheide bis zu dem noch wachsenden, stärkeführenden Theile der Wurzel- spitze, Eiweiss im Gefässbündel in continuirlichem Zuge bis in den Vegetationspunkt. Die Wurzelspitze zeigt die übliche Stoffvertheilung, welche in Fig. 6 bildlich dargestellt worden ist: Eiweiss im Vegetations- punkt, Stärke im Streckungsgewebe und in der Haube. S 4. Die zweite Periode der Keimung. Wie aus dem vorigen Paragraphen hervorgeht, haben wir jetzt cie Entwickelung des Keimlinges von dem Augenblicke an zu besprechen, wo er nach der Erschöpfung des Sameneiweisses die Fruchtschale abwirft. Unter normalen Umständen ist sowohl seine Gestaltentwickelung wie die Stoffwanderung während dieser gan- zen Zeit wesentlich vom Lichte bedingt. Wie das Ende des Kei- mungsprozesses in constanter Finsterniss verlaufen würde, werde ich in einem besonderen Paragraphen untersuchen. Jetzt setze ich die normale Mitwirkung des Lichtes voraus. Wir besprechen zuerst den anatomischen Bau der erwachsenen Keimpflanze, und dann die Stoffwanderungsvorgänge während der zweiten Keimungsperiode. Eine detaillirte Beschreibung des anatomischen Baues der fer- 394 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. tigen Keimpflanze wurde im vorigen Jahre von K. Droysen I) ge- geben. Meine diesbezüglichen Untersuchungen, welche damals schon abgeschlossen waren, bestätigen seine Angaben in den meisten und erweitern sie in einigen wichtigen Punkten. Ich werde seine Arbeit, welche auf manche Einzelheiten näher eingegangen ist als für meine Zwecke nothwendig war, im Folgenden mehrfach benutzen. Die Gestalt einer normalen Keimpflanze zeigt uns unsere Fig. 1, welche nach einem Exemplare gezeichnet ist, das einige Tage nach der Ernte auf einem Samenrübenfelde gesammelt wurde. Die Co- tylen haben eine länglichelliptische Form, und gehen nach unten, allmählig schmäler werdend, in die kurzen Stiele über, welche mit ihren Basen mit einander verwachsen sind und so die Plumula ringsherum umschliessen. In unserem Exemplare ist diese bereits so weit herangewachsen, dass sie deutlich aus der sie am Fusse umgebenden Scheide herausragt (Fig. 1b). Sie besteht aus den beiden ersten, mit den Cotylen alternirenden Laubblättern, und trägt sonst nur noch die ganz jungen Anlagen einiger wenigen spä- teren Blätter, wie der Längsschnitt (Fig. 7) zeigt. In seltenen Fällen fand ich an Stelle der beiden opponirten ersten Blätter einen drei- gliedrigen Wirtel. Die Cotylen haben einen deutlich entwickelten Hauptnerven und ein feinmaschiges Netz von Seitennerven, deren dickste Aeste in der Figur angedeutet sind. In einzelnen Keimpflänzchen be- merkte ich, dass eins der Keimblätter gedoppelt erschien, es hatte zwei Hauptnerven, welche nach der Spitze divergirten, wodurch das Blatt eine mehr oder weniger keilförmige Gestalt erhielt; das obere breite Ende war dann in der Mitte ausgebuchtet. Von dem gedoppelten Keimblatte stiegen dann zwei innere Blattspuren in das hypocotyle Glied hinab und machten dessen Bau auf Querschnit- te durch den oberen Theil ungleichseitig dreistrahlig, statt bilate- ral wie im normalen Falle. Das hypocotyle Glied erreicht eine Länge von 1,5 bis 2 cm; bei tieferer Lage des Samens im Boden oder bei ungenügender Be- leuchtung kann es aber bedeutend länger werden. Es zeigt gleich unterhalb der Ansatzstelle der Cotylen eine Einschnürung, oder vielmehr sind die Cotylenstiele an ihrer Basis etwas verdickt (Fig. 1 und 7). , 1) K. Droysen, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Zuckerrübe. Inaugural-Dissertation. Halle 1877. S. 11—17. KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. ale: 5" Die Grenze des hypocotylen Gliedes und der Wurzel ist äusser- lich leicht kenntlich (Fig. 1a), indem sich hier die Achse plötz- lich stark verjüngt. Dieser sich conisch verjüngende Theil gehört ganz der Wurzel an, wie bereits durch das Hervortreten von Ne- benwurzeln aus ihm bewiesen wird; er bildet die Basis der Haupt- wurzel. Die Hauptwurzel selbst hat zu dieser Zeit bereits eine Länge von mehreren Centimetern erreicht und trägt zahlreiche Nebenwurzeln, welche um so kleiner sind, je näher sie der Wurzel- spitze liegen. Betrachten wir jetzt den ferneren Bau der einzelnen Theile, und fangen wir mit den Cotylen an. Der Querschnitt zeigt in diesen ein mehrschichtiges kleinzelliges Parenchymgewebe, von einer gleich- falls kleinzelligen Oberhaut umschlossen. Die Epidermiszellen führen kein Chlorophyll, dagegen ist ihr Zellsaft in manchen Exemplaren roth gefärbt, was der Pflanze einen (sich auch auf das hypocotyle Glied erstreckenden) rothen Anschein giebt. Das Pallisadengewebe ist 3—5 schichtig, seine Zellen sind kurzcylin- drisch, an ihren Ecken abgerundet und lassen verhältnissmässig viele lufterfüllte Intercellularräume zwischen sich. Das Schwamm- gewebe der Unterseite besteht aus kleinen rundlichen Zellen mit wenigen aber grösseren Luftlücken. Es ist vier- bis mehrschichtig und von unregelmässigem Baue. Im Schwammparenchym befinden sich überall Idioblasten, plasma-arme, farblose Zellen, welche mit einem körnigen Inhalt dicht erfüllt sind. Die Körner sind kleine oktaödrische Kryställchen von Kalkoxalat. Diese Krystallschläuche sınd durch das ganze Blatt vertheilt, oben etwas kleiner als unten, in den Stielen etwas häufiger. Im hypocotylen Gliede sind sie noch in reichlicher Menge vorhanden, der Wurzel fehlen sie aber. Um das ganze, schön anastomosirende Netz der Seitennerven der Cotylen zu überblicken und zu untersuchen entfärbt man die Blättchen nach bekannter Methode erst mittelst Alkohol, und macht sie dann mittelst Kalilauge durchsichtlich. Es zeigt sich dann, dass im Stiele und der Blattbasis neben dem starken Haupt- nerven mehrere feine, mit ihm nahezu parallel verlaufende Nerven liegen, welche im unteren Theile des Stieles, zum Theil in unmittel- barer Nähe des Ansatzpunktes aus dem Mittelnerven entspringen. Weiter hinauf im Blatte divergiren die Seitenzweige des Mittel- nerven bedeutender von diesem und bilden ein reich verzweigtes, das ganze Blatt bis nahe am Rande durchziehendes Netz. Ueberall in den Maschen, aber auch gegen den Rand der Cotylen hin, sieht man die freien Endigungen der Nerven, mit ihren eigenthümlich 396 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. angeschwollenen spiralig-verdickten Endzellen. Im Querschnitt liegen alle diese Nerven, wie üblich, in einer Schicht auf der Gren- ze zwischen Schwamm- und Pallisadengewebe. Die Nerven zeigen auf feinen Quer- und Längsschnitten im All- gemeinen denselben Bau wie die Nerven eines typischen dicotylen Blattes. Nur in dem Cotylenstiele verbreitert sich der Mittelnerv in eigenthümlicher Weise, indem sich der Basttheil auf beiden Seiten des Holzkörpers verbreitet, und hier eine grössere Mächtigkeit gewinnt als auf der der hinteren Blattseite zugewendeten Seite des Holzes. Der ganze Strang wird hierdurch flach und breit, das Holz liegt in der Mitte sozusagen dem Basttheile eingebettet. Jedoch werden wir auf dieses Verhältniss später zurückzukommen haben, da seine Bedeutung erst klar werden wird, nachdem wir den Bau des hypocotylen Gliedes beschrieben haben werden. Die Oberhautzellen sind polygonal, die Wände sind auf der Oberseite des Blattes meist wenig gebogen oder fast grade, auf der Unterseite dagegen wellig gebogen. Die Spaltöffnungen sind klein und liegen etwas tiefer als die benachbarten Epidermiszel- len. Droysen fand deren auf der Oberseite 35—42, auf der Unter- seite 52—61 pro Quadratmillimeter. Auf dem Mittelnerv und in der ganzen Epidermis des Stieles sind die Oberhautzellen ge- streckter, ihre Wandungen weniger ausgebuchtet, die Spaltöffnun- gen seltener. Den Bau des hypocotylen Gliedes, wenigstens seines oberen Theiles zeigt uns Fig. 7 im Längsschnitt, Fig. 8 im Querschnitt. Macht man eine Reihe von successiven Querschnitten im hypoco- tylen Gliede, von der Ansatzstelle der Cotylen ausgehend nach unten zu, so erkennt man, dass zwar der algemeine Bau überall derselbe ist, dass jedoch der centrale Strang seinen Bau von oben nach unten allmählig verändert. Oben geht er in die beiden Mittel- nerven der Cotylen über, nach unten zu nimmt er immer mehr das Aussehen des Fibrovasalkörpers der Wurzel an. Schon etwa in der Mitte des hypocotylen Gliedes ist sein Bau fast völlig derselbe als der der Hauptwurzel. Wir beschreiben zuerst die Rinde und die Oberhaut, und dann den centralen Strang. Die Epidermis besteht aus langgestreckten Zellen, zwischen denen einzelne Spaltöffnungen zerstreut liegen. Das Rindengewebe besteht aus meist sieben Lagen von cylindri- schen Zellen mit grossen Intercellularräumen; ihre Wandungen sind dünn und nur dort, wo sie an die Oberhaut grenzen, mehr oder weniger verdickt. Ihre Länge betrug nach einer Messung KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 397 von Droysen in einem ausgewachsenen Keimpflänzchen 0,29, ihre: Dicke 0,067 mm. Die Länge wird offenbar in starkem Maasse von Ger Länge abhängen, welche das ganze Organ unter dem Einfluss einer grösseren oder geringeren Lichtintensität erreicht hat; sie wird voraussichtlich in derselben Weise schwanken wie die Total- länge des hypocotylen Gliedes. Betrachten wir jetzt den Bau des Fibrovasalstranges, wie er sich in dem in unserer Figur 8 abgebildeten Querschnitt zeigt. Die Anordnung der einzelnen Theile ist hier nicht ganz genau dieselbe wie wir sie in der Wurzel finden, jedoch gehört sie dem- selben Typus an, und wir legen also unserer Beschreibung die vorzügliche Untersuchung van Tieghem’s 1) über die Hauptwurzel. der Keimpflanze von Beta vulgaris zu Grunde. Der eigentliche Strangkörper ist von der Rinde durch zwei Schichten von Zellen getrennt, welche aus ziemlich grossen, ohne: Intercellularräume aneinanderschliessenden Zellen bestehen. Die- äussere Schicht ist die Strangscheide oder Stärkescheide, die inne- re das Pericambium. Erstere ist in unserer Figur durch einen Kreis. blauer Punkte, letztere durch eine dickere, ausgezogene Linie auf der Innenseite der ersteren angegeben. Auf diese beiden Schichten werden wir bei der Behandlung der Hauptwurzel näher eingehen.. Im: Strangkörper sind der Holztheil und der Basttheil nach dem für Wurzeln geltenden Typus angeordnet. In der Mitte findet sich eine Platte (Fig. 8 hlz.), welche aus Holzgefässen besteht; auf beiden Seiten liegen die Gruppen der eiweissführenden Bastzel- len, welche in unserer Figur an der violetten Farbe leicht kenntlich sind (Fig. 8 bst.). Der Raum zwischen diesen Gruppen von Bast- gefässen und der Holzplatte ist durch ein weitzelliges, intersti- tienloses, parenchymatisches Gewebe ausgefüllt, welches den Na- men von Füllgewebe führt; dieser Raum ist in unserer Figur weiss- gelassen. Es ist dieses Füllgewebe, in welchem sich die erste (in- nere) cambiale Schicht der späteren Rübe entwickeln wird. Die Holzplatte besteht in unserem Querschnitt aus zwei ge- trennten Partien. Jede Partie besteht dort, wo sie an das Pericam- bium grenzt, aus sehr engen Gefässen; diese sind die ältesten; nach dem Centrum zu werden die Gefässe jünger und weiter, und meist mehrschichtig. Die ältesten Gefässe sind Spiralgefässe; ihre 1) van Tieghem, Recherches sur la symmetrie de structure des plantes. vasculaires, Ann. Sc. nat. Botanique Ser. V, Tom. XIII, 1870,71 und Traité de Botanique par J. Sachs, traduit par van Tieghem. 1874. p. 119. 398 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Windungen sind umsoweniger auseinandergezogen, je jünger sie sind. Die jüngeren Gefässe haben netzförmige oder poröse Wand- sculptur. Auf etwas tieferen Querschnitten berühren sich die beiden Theile der Holzplatte, noch tiefer abwärts wird die ganze Platte ein- schichtig, und geht so in den für die Hauptwurzel charakteristi- schen Bau über. Man vergleiche hierbei den Querschnitt der Wur- zei. Dig: ;9. Wir haben jetzt die Frage zu beantworten, wie sich die Blatt- spurstränge der Cotylen an das Fibrovasalsystem des hypocotylen Gliedes anlegen, und wie sich in dieser Beziehung die ersten Blatt- anlagen der jungen Endknospe verhalten. Diese etwas complicirten Verhältnisse werden uns am leichtesten klar werden, wenn wir zuerst nur unsere Aufmerksamkeit auf die Anlegung der Blattspur- stränge der Cotylen an das Gefässbündelsystem des Stengelchens in’s Auge fassen. Wir machen dazu eine Reihe von successiven Querschnitten durch den oberen Theil des hypocotylen Gliedes bis in die Stiele der Keimblätter. Die Betrachtung solcher Schnitte lehrt nun folgendes. Von dem abgebildeten Querschnitt (Fig. 9) aufwärts prägen die beiden Theile der Holzplatte immer mehr ihre dreieckige Form aus. In Fig. 7 sind sie in der Nähe des Centrums nur wenig breiter als nahe am Pericambium, je höher man sie untersucht, um so breiter werden sie an ersterer Stelle, indem sich immer mehr Ge- fässe seitlich der ersteren anlegen. Bald erscheinen die beiden Gefässgruppen als nahezu gleichseitige Dreiecke, deren Basen einander zugewendet sind, ohne sich aber zu berühren. Zwischen ihnen liegt immer noch das parenchymatische Füllgewebe, das jetzt hier den morphologischen Werth eines centralen Markes be- kommt. Etwas höher hinauf geht die dreieckige Form in eine cvale über, indem sich jetzt auch an die Spitze der Dreiecke, wo immer noch die ältesten und engsten Gefässe lagen, junge weit- lumige Holzröhren anlegen. Jetzt nehmen die Gefässe auf der In- nenseite verhältnissmässig ab, auf der Aussenseite bedeutend zu, und die ältesten Gefässe erscheinen erst mehr in der Mitte, später auf der Innenseite der jüngeren. Gleichzeitig entfernen sich- die beiden Gefässgruppen immer mehr von einander, indem das Mark an Umfang zunimmt. Dieses letztere führt nun eine Spaltung der Bastgruppen mit sich. Jede Bastgruppe löst sich in ihrer Mitte, die eine Hälfte zieht zur einen Holzgefässgruppe, die andere Hälf- te zum anderen Holztheile hinüber. Jede Holzgruppe hat nur zwei KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 399 Bastkörper, aber allmählig ziehen sich diese um ihre Aussenseite herum und vereinigen sich dort. Jetzt haben die beiden Gefäss- bündel den Bau der Blattspurstränge bekommen, wie wir ihn be- reits oben für die Basis der Cotylenstiele beschrieben haben. Es braucht sich der Bast nur noch allmählig von den Seiten des Holz- körpers wegzuwenden und sich auf dessen Hinterseite anzuhäufen, damit das Gefässbündel völlig in das des Mittelnerven des Keim- blattes übergehe. In dem Füllgewebe zwischen der Holzplatte und den Bastgrup- pen bildet sich die erste Cambiumschicht, welche den centralen sternförmigen Holzkörper der späteren Rübe aus sich wird hervor- gehen lassen. An diese beiden, anfänglich getrennten Cambium- platten legen sich die Blattspurstränge des ersten Blattpaares der Endknospe an. Aus diesen Erörterungen gehen in Bezug auf die Orientirung der einzelnen Theile unserer Keimpflanze einige Sätze hervor, welche für eine bequeme Auffassung der späteren Entwickelung des Rübenkörpers von grösster Wichtigkeit sind: l. Die Median-Ebene der Cotylen fällt mit der Ebene der Holzplatte im hypocotylen Gliede zusammen. Auf einem axilen Längsschnitt durch den Rübenkopf, in dieser Ebene geführt, wird man also auch noch im spätesten Alter die Blattspurstränge der Cotylen auffinden können. 2. Die Median-Ebene des ersten Blattpaares steht zu der Ebene der erwähnten Holzplatte senkrecht. Die Blattspurstränge dieses Blattpaares verschmelzen mit dem centralen sternförmigen Holzkörper der späteren Rübe. Auf einem axilen Längsschnitt durch den Kopf einer reifen Rübe, senkrecht auf die Holzplatte geführt, erkennt man die meist mächtig entwickelten und stark verholzten Blattspurstränge dieser beiden ersten Blätter stets sehr leicht. 3. Die Nebenwurzeln stehen bekanntlich in zwei Reihen an der Rübe. Die Ebene der Holzplatte nimmt diese beiden Reihen in sich auf, wie wir bald sehen werden. Die Reihen stehen also auch in der Median-Ebene der Cotylen. Dieser Satz ermöglicht es, auch lange, nachdem die Cotylen und die ersten Blätter bereits verfault sind, ihre Median-Ebene äusserlich zu erkennen. In dem nächstfolgenden Beitrage werden wir sehen, von welcher Wichtigkeit die Kenntniss dieser Median-Ebenen und ihrer leich- ten und sicheren Erkennung für das Studium des anatomischen Baues des Rübenkopfes ist. Diese beiden Ebenen stellen die 400 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. „Hauptschnitte” des Rübenkopfes dar, von deren Betrachtung die ganze Orientirung in dem anscheinend äusserst verworrenen Ge- fässbündel-Verlaufe auszugehen hat. Es erübrigt noch, den Bau der Wurzel zu beschreiben. Ich knüpfe dabei an die bereits oben citirte vorzügliche Beschreibung van Tieghem’s an, und verweise zur leichteren Orientirung auf unsere Fig. 9 und den beigefügten Holzschnitt, welche Querschnit- te des Wurzelkörperchens darstellen. In diesen erblickt man, um- geben von dem grosszelligen Rindengewebe, einen centralen Strang. In der Mitte liegt eine Platte von porösen Holzgefässen; die äussersten sind die engsten und ältesten, nach innen zu werden sie weiter und jünger. Die Platte ist auf beiden Seiten von (in der Figur 9 weiss gelassenem) Füllgewebe (Holzschnitt: f) begrenzt, welches grosszellig und von parenchymatischem Baue, aber wie Querschnitt einer jungen Hauptwurzel von Befa vulgaris nach van Tieghem (Ann. Sc. nat. V Ser. Tom. XII, P1. III. Fig. 4). G. Gefässe; f Füllgewebe, c. Cambium, b. primäre Bast- gruppen, p. Pericambium, w. Stelle, an der die Nebenwurzeln entstehen werden, s. Strangscheide. die übrigen Theile des Stranges ohne Intercellularräume ist. Neben dem Füllgewebe liegen beiderseits die Bastgruppen (b), aus dünnwandigen, etwas gestreckten eiweissführenden Zellen beste- hend. Dieses Ganze ist von einer doppelten Schicht von Zellen umgeben; beide Schichten bestehen aus grossen, nahezu vier- KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 401 eckigen Zellen, welche lückenlos aneinander und an das Strang- gewebe schliessen. Die innere Schicht, (Holzschnitt: p) in unserer Figur 9 durch eine dunkle Linie angegeben, ist das Pericambium, die äussere ist die Strangscheide oder Stärkescheide (s), welche anfangs Stärke führt, später aber nicht mehr. Sie ist in unserer Figur 9 nicht verzeichnet, dagegen in Figur 6 im oberen Theile an den beiden Reihen blauer Punkte leicht kenntlich. Die radialen Wände der Zellen der Strangscheide sind in eigenthümlicher Weise wellig gebogen, wodurch sie im Querschnitte dunkle Flecken zeigen. Das Pericambium wird in dem späteren Leben der Rübe eine zweifache Rolle spielen. Zunächst fungirt es als „Membrane rhi- zogene”, später wird es das ganze nachträgliche Dickenwachs- thum des Rübenkörpers vermitteln. Die Nebenwurzeln entstehen, in ihrer ersten Anlage, durch Theilungen der Zellen des Pericam- biums, und zwar nur jener Zellen, welche an den beiden Enden der Holzplatte liegen (w). Dem entsprechend stehen an der Wur- zel die Nebenwurzeln stets in zwei Längsreihen, deren Ebene die Ebene der Holzplatte bezeichnet. In diesen Reihen entstehen die Wurzeln in basifugaler Weise, sie sind um so jünger, je näher sie der Wurzelspitze liegen (Fig. 1). Im späteren Leben vermittelt das Pericambium das Dicken- wachsthum der Rübe. Meinen späteren ausführlichen Darlegungen vorgreifend bemerke ich hier, dass das Pericambium durch Thei- lung seiner Zellen sich später in das secundaire Rindengewebe um? wandelt, welches sich bald so stark ausdehnt, dass die äussere primaire Rinde mit sammt der Strangscheide zersprengt und ab- geworien wird. In diesem secundairen Rindenparenchym bilden sich nach einander die concentrischen Cambiumschichten des Rü- benkörpers; die ganze Masse der Rübe, mit Ausnahme des cen- tralen Stranges, verdankt dem Pericambium ihren Ursprung. Der - centrale Strang aber nimmt die primaire Holzplatte und die pri- mairen Bastbündel in sich auf; sein Dickenwachsthum wird durch die beiden Platten cambialen Gewebes vermittelt, welche sich im Füllgewebe des jungen Wurzelquerschnittes zwischen primairem Holz und Bast ausbilden. Den beschriebenen Bau zeigt der Querschnitt der Hauptwurzel in jeder Höhe, so lange noch kein nachträgliches Dickenwachs- thum eingetreten ist. Auch die Nebenwurzeln haben denselben: Bau. In der Wurzelspitze geht die Differenzirung der einzelnen Theile 26 402 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. allmählig verloren; sie entstehen ja alle aus dem Urmeristem des Vegetationspunktes. Die einzelnen Theile treten nicht gleichzeitig aus dem Urmeristem heraus; am spätesten unter allen differenzirt sich die Holzplatte. Von dieser sieht man auf successiven Quer- schnitten von der Wurzelspitze aufwärtsgehend zunächst nur die beiden äusseren Gefässe, dann legen sich diesen, nach dem Cen- tzum zu, zwei neue an, und so weiter, bis endlich die beiden Par- tien verschmelzen. Aeusserlich sieht man die Wurzelspitze von einer ziemlich stark entwickelten Wurzelhaube bedeckt. Wo diese aufhört, entstehen die Wurzelhaare, welche nach Droysen die Wurzel bis zu einer Höhe von 1,5 bis 2 cm hinauf bedecken, und etwa 4 mm lang und 0,007 mm dick sind. Wir kommen jetzt zu der Behandlung der Stoffwanderungs- Erscheinungen in unserer zweiten Keimungsperiode. Wir knüpfen dabei an die ausführliche Darstellung der Stoffvertheilung in dem Augenblicke an, wo die Cotylen aus der Fruchtschale heraus- schlüpfen, wie wir diese im vorigen Paragraphen gegeben und in Fig. 5 und 6 bildlich dargestellt haben. Die klarste Einsicht in die weiteren Vorgänge der Stoffwande- rung geben uns Keimpflänzchen in dem Momente, wo sie eben ihre Cotylen am Lichte entfaltet haben, aber noch nicht angefangen haben konnten zu assimiliren. Ich säete im Anfang des August Zuckerrüben-Samen; sie entwickelten sich bei günstiger Tempe- ratur und feuchter Erde rasch und gingen in der Nacht vom 14. bis 15. August zu einem grossen Theile auf. Am Morgen des 15. fand ich die Cotylen ausgebreitet und ergrünt, und wählte die besten Exemplare zur mikrochemischen Analyse aus. In den Cotylen konnte nach sorgfältiger Entfärbung in Alkohol und der Vorbereitung nach bekannter Methode mit Kali, Essig- säure und Jodlösung keine Spur von Stärke nachgewiesen werden. Ebenfalls enthielten sie kein Fett mehr, und nur noch geringe Mengen Eiweiss in dem Bastgewebe der Nerven. Die Cotylenstie- le führten noch Stärke in der ganzen Stärkescheide; im Rinden- parenchym aber weder Stärke, noch Fett, noch Zucker. Das hypoco- tyle Glied zeigte sich in der oberen Hälfte die Stärkescheide noch nicht ganz entleert, jedoch waren die Körnchen klein, und in jeder Zelle nur in geringer Zahl vorhanden. Die untere Hälfte der Schei- de, und das ganze Rindenparenchym war stärkefrei, auch Fett nicht nachzuweisen. Dagegen war im hypocotylen Glied, von der Ansatzstelle der Cotylen ausgehend, noch Traubenzucker zu beob- achten, jedoch nur wenig. Dieser Zucker erfüllte aber nicht das KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 403 ganze Rindenparenchym, sondern war auf die innersten Zellen- schichten beschränkt, und erstreckte sich in diesen nur eine Strecke weit abwärts, bei weitem nicht so weit wie die Stärke in der Scheide. Eiweiss fand sich in der Plumula, und im Strange; hier aber um so weniger, je tiefer abwärts ich den Strang untersuchte. Die Wurzel war leer, die Vegetationspunkte der Haupt- und Ne- benwurzeln voll Eiweiss, die Hauben voll Stärke. Sonst etwas Eiweiss in der jüngsten Strangpartie, Oxalsaurer Kalk war bereits in grosser Menge in den Cotylen, deren Stielen und in geringerer Menge im oberen Theil des hypo- cotylen Gliedes abgelagert. Die Wurzel enthält keine Kalkoxalat- Zellen. Die Resultate unserer Reactionen überblickend, sehen wir, dass die ziemlich ansehnlichen Mengen von Reservestofien, welche die . Pflanze beim Abwerfen der Fruchthülle noch enthielt (cf. § 3 und Fig. 5. 6) jetzt zum weitaus ‘grössten Theile bereits verbraucht sind. Die Cotylen und die Wurzel sind nahezu leer, nur die jüngsten Strangtheile enthalten noch geringe Mengen von Reservestoffen. Im oberen Theil des hypocotylen Gliedes ist noch Zucker, Stärke und Eiweiss, aber alles in auffallend geringer Menge. Die ganze Pflanze ist nahezu leer. Wir haben hier also vor uns die sogenannte leere Ruheperiode am Ende der Keimung. Auf dieser folgt eine Zeit, meist einige Tage, während welcher die Pflanze äusserlich sich nur sehr we- nig verändert. Die Cotylen wachsen zwar stetig, und die Endknos- pe nimmt an Grösse zu, aber nur langsam. Die hauptsächliche Tnhätigkeit der jungen Pflanze ist während dieser Zeit auf die Neu- bildung organischer Substanz gerichtet. Diese entsteht als Stärke in den Cotylen, und wird als Zucker in die übrigen Theile abwärts geleitet, bis die ganze Pflanze, stellenweise mit dem einen, stel- lenweise mit dem anderen Kohlenhydrate dicht erfüllt ist. Wir wollen jetzt diese Thätigkeit während der Ruheperiode noch et- was näher in’s Auge fassen, und kehren dazu zu dem soeben be- schriebenen Versuche zurück. Nachdem am Morgen des 15. August eine Anzahl der in der Nacht aufgegangenen Keimpflänzchen untersucht worden war, sammelte ich am Abend desselben Tages wieder einige Exemplare von möglichst gleicher Entwickelung wie die vorher genommenen, und brachte ihre Cotylen auf Alkohol. Der Tag war warm und sonnig gewesen. Als nun die Cotylen völlig entfärbt waren, wur- den sie mit Kali behandelt und darauf mit Essigsäure und Wasser 404 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. völlig ausgewaschen. Auf Zusatz von Jodtinktur sah ich nun die Cotylen dicht voll Stärke; die dunkle Farbe war bis in die Cotylen- stiele hinab zu verfolgen. An jenem Tage hatte also die Kohlen- säurezerlegung bereits in kräftiger Weise angefangen. Etwa 8 Tage später waren die Cotylen mit ihrem Stiele 30 mm lang, 8 mm breit. Die Plumula war zwischen ihren Basen noch nicht sichtbar geworden. Die Cotylen waren noch stets voll Stär- _ ke, welche in der oberen Hälfte des hypocotylen Gliedes nun auch die Stärkescheide erfüllte. In den Cotylenstielen, in dem ganzen. hypocotylen Gliede und dem grössten Theil der Wurzel fand ich jetzt auch Zucker, aber nur auf die inneren Schichten des Rinden-- parenchyms beschränkt. Das Eiweiss hatte etwas zugenommen, zeigte aber dieselbe Verbreitung wie früher. Dass während dieser Zeit nicht nur neue Bildungsstoffe ange-- häuft werden, sondern zu einem grossen Theile auch zum Wachs- thum der Cotylen und der übrigen Organe verbraucht werden, zeigt sich deutlich in der stetigen Grössenzunahme und Erstarkung‘ der jungen Pflanze. In sehr auffallender Weise bestätigten mir dieses auch einige verkümmerte Exemplare. Sie waren mit den vorigen gleich alt, ihre hypocotylen Glieder waren aber mit dem unteren Theil im Knäuel verbleiben, dort in abnormaler Weise gekrümmt und gebogen, die Hauptwurzel war zu Grunde gegangen, und an ihrer Stelle waren je 6 bis 8 Nebenwurzeln gebildet. Die Cotylen hatten nur ein Drittel der Länge der normalen Pflanzen erreicht. ‘Solche Exemplare zeigten sich nun im hypocotylen Gliede, sowie überall in den Wurzeln ganz dicht mit Zucker erfüllt. Offenbar‘ war dieser hier so massenhaft angehäuft, weil er keine Verwen- dung beim Wachsthum hatte finden können. Unter günstigen Umständen zeigen auch die normalen Keim- pflanzen, wenn sie etwa den in Fig. 1 dargestellten Grad der Aus-- bildung erreichen, eine Ueberfüllung aller Theile mit Bildungs- stoffen, welche dann, bei der späteren raschen Entfaltung der er- sten Blätter gewöhnlich wieder verschwinden, um, in derselben Weise, nie wieder zurückzukehren. Diesem Stadium sind unsere- Figuren 7, 8 und 9 entnommen, auch die Fig. 6 zeigt dieselbe Stoffvertheilung, wie wir sie jetzt wieder in der Wurzelspitze fin- den. Die Cotylen sind jetzt noch immer dicht mit Stärke erfüllt; sie enthalten gewöhnlich keinen Zucker (Fig. 7). Dieser fängt erst- an ihrer Ansatzstelle im hypocotylen Gliede an, und erfüllt von da aus alles Rindengewebe des Stengels, der Hauptwurzel und: KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 405 der Nebenwurzeln bis an deren Vegetationspunkten. Man findet ihn daher auf allen Querschnitten in der Fig. 8 und 9 angegebenen Vertheilung. Die Stärkescheide des ganzen hypocotylen Gliedes führt Stärke (Fig. 7, 8), und zwar bis an die Wurzel; in der Wurzel fand ich die Stärkescheide leer (Fig. 9), mit Aus- nahme der jüngsten Theile. Hier enthält die Scheide über ein bis mehrere Centimeter Stärke, das Rindenparenchym aber nur dort, wo es sich noch in Streckung befindet (Fig. 6). Auch die Wurzel- hauben enthalten Stärke. Eiweiss findet sich im Gefässbündel, zu- mal in der Nähe der Plumula und den Wurzelspitzen; ferner in den Meristemen jener Theile. | § 5. Die Keimung im Dunklen. Lässt man die Samen im Dunklen keimen, so verläuft ihre zwei- te Keimungsperiode in wesentlichen Punkten anders als am Lichte. Zwar werfen die Cotylen die Fruchtschale meist ab, sie entfalten sich aber selten vollständig, sondern verharren meist in schief aufwärts gerichteter Stellung. Das hypocotyle Glied verlängert sich bedeutend, und wird meist etwa 10 cm lang. Die Cotylen bleiben aber klein und schmal, nur ihre Stiele werden lang (etwa 4—5 mm). Der Stengel und die Cotylenstiele sind ganz weiss, die Keimblätter selbst gelb. Die Wurzel bleibt kurz (etwa 5—7 cm), da das Reservematerial für das Wachsthum der oberirdischen Theile verwendet wird; sie bildet dem entsprechend auch nur wenige und sehr kleine Nebenwurzeln. In Exemplaren, welche anscheinend ausgewachsen waren, fand ich in den Cotylen noch Stärke aber kein Fett im Parenchym, in den Cotylenscheiden und dem oberen Theil des Stengels etwas Stärke, in der Stärkescheide und stellenweise im hypocotylen Gliede die letzten Spuren von Zucker. Eiweiss im oberirdischen Theil nur noch in der fast gar nicht gewachsenen Plumula. Die Wurzel fand ich ganz leer mit Ausnahme der Wurzelhauben, welche Stärke .enthielten, und die Vegetationspunkte und jüngsten Strangtheile, welche noch Eiweiss- reaktion zeigten. Später verschwinden auch diese letzten Spuren der Reservestoffe aus der Pflanze. Es kommt bisweilen vor, dass bei trockenem Wetter, und wenn die Oberfläche des Bodens harte Krusten bildet, die Rübenkeim- pflanzen gar nicht den Boden durchbrechen können, sondern un- terhalb einer Schollen ihr Leben in kümmerlicher Weise fristen, bis sie aus Mangel an den nöthigen Nährstoffen schliesslich ster- ben. Ich beobachtete dieses bei einer späten Saat im August 1876. 406 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Die hypocotylen Glieder waren nur etwa 4 cm lang, offenbar hat- ten sie sich aus Mangel an Wasser nicht weiter strecken können. Zucker und Fett waren völlig aus allen Theilen verschwunden, . Stärke fand ich noch viel in den Cotylen und in der Stärkescheide der Stiele und des oberen Theils des Stengelchens; tiefer hinab in der Scheide und im Parenchym der Stiele nur sehr wenig. Eiweiss ziemlich viel in den Gefässbündeln und in den Meriste- men. Andere, weniger weit entwickelte Exemplare zeigten sich noch ziemlich voll Traubenzucker. Konnten diese Samen damals die Oberfläche erreichen, so hätten sie noch Material genug um ihre Cotylen zu entfalten, sonst verloren sie auch die letzten Reste der Reservestoffe durch Athmung, und würden im Boden unter- gehen. Die Vergleichung dieser Exemplare mit normalen, gleich- altrigen Pflänzchen, welche ihre Cotylen entfaltet und ergrünt hatten, zeigte in deutlicher Weise, dass die Keimpflanzen um so: reicher an Reservestoffen an’s Licht treten, je früher letzteres statt- findet, dass somit der Gang der Stoffwanderung in der zweiten Periode in hohem Grade von diesem Momente abhängig ist. 86. Einfluss der Temperatur auf die Keimung. Am Schlusse dieses Beitrages habe ich noch einige Angaben aus der Literatur zusammenzustellen, welche im Obigen keinen rechten Platz fanden. Sie betreffen sämmtlich den Einfluss der Temperatur auf die Keimung. Sachs 1) fand die niedrigste Temperatur, bei der Zuckerrübensa- men noch keimen bei 7,5° R. Bei einer constanten Temperatur von 10—12° R. wurde das Ende der Keimung nach ihm erreicht in 12—14 Tagen. Nach A. Baer 2) brauchen verschiedene Sorten der , Runkelrüben bei 15—20° R. etwa 4—7 Tage zu ihrer völligen Ent- faltung. Für das erste Sichtbarwerden des Würzelchens brauchen die eingequollenen Zuckerrübensamen nach Haberlandt 3) bein! SMOTER T224 Tage, bei ..8,30%,R... 9 3 bei 1240 REIN, bein MB. IA Derselbe Forscher überliess Runkelrübensamen in einem Eis- 1) Sachs, Chem. Ackersmann. 1859. S. 129. Jahresber. für Agricultur- chemie 1859, p. 92. 2) Jahresbericht für Agriculturchemie 1859. p. 98. 3) Jahresbericht für Agriculturchemie 1860. p. 70. KEIMUNGSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 407 kasten, bei einer Temperatur von nahezu 0° C. von Mitte Novem- ter 1874 bis Mitte März 1875, sich selber unter sonst günstigen Keimungsbedingungen, ohne dass in dieser langen Zeit auch nur eine Spur von Keimung zu erkennen wäre. 1) Erklärung der Figuren zu Tafel I. Die Figuren sind mit der Camera lucida aufgenommen und schematisirt. Die Farben stellen die mittleren Resultate zahlrei- cher Beobachtungen dar. In den Figuren bedeutet: Fig. Fig. Fig. TFIID: Fig. — a. s. Aeussere Samenschale. i. s. Innere Samenschale, e. Sameneiweiss, c. Cotylen oder Samenlappen, c. st. Cotyledonarstiele, p. Federchen, h. g. hypocotyles Glied, w. Wurzel, w. h. Wurzelhaube. Eine erwachsene Keimpflanze, ein wenig vergrössert. a Grenze zwischen Stengel und Wurzel. b Die ersten Blätter der Endknospe. Längsschnitt des trockenen Samens "/ı. c Aeusseres und c’ inneres Keimblatt. n Nabel. Querschnitt des trockenen Samens 'Yı. c Aeusseres und c’ inneres Keimblatt. Junge Keimpflanze, noch ganz im Boden versteckt 'Yı, a leerer Raum, durch die Verschiebung der Coty- len bei der Streckung entstanden. Keimpflanze im Längsschnitt, nachdem sie eben die Fruchthülle abgeworfen hat "/. Wurzelspitze derselben Keimpflanze */,. Längsschnitt durch die Plumula, die Cotyledonarstiele und einen Theil des hypocotylen Gliedes einer völlig ausgewachsenen, bereits assimilirenden Keimpflan- ze eli 1) Haberlandt, Pflanzenbau. I. p. 109. 408 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. v p Vegetationspunkt der Endknospe. m Mark. Fig. 8. Querschnitt durch das hypocotyle Glied derselben Pflanze *ı. ss Stärkescheide, p Pericambium, bst Bastgruppen, hlz Holzgefässe, r Rinde. Querschnitt durch die Hauptwurzel derselben Pflan- Fig. 9. ze. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 8. (Landwirtschaftliche Jahrbücher, Bnd. 8. 1879, S. 13.) Blattgrun.Biweiss. Trauben- Stärke. Oel. e” zueker. ‘Huco pe Vries, Opera. Fa. P. W. M. TRAP impr. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 409 VII. ’ Wachsthumsgeschichte der Zuckerrübe. Mit Farbendrucktafiel II. & 1. Der anatomische Bau des Blattes. Die äussere Gestalt der Rübenblätter ist je nach verschiedenen Umständen eine mehr oder weniger verschiedene, denn erstens weicht sie bei den wichtigsten Varietäten nicht unerheblich von der gewöhnlichen Form ab, zweitens aber zeigen die Blätter der- selben Pflanze eine ganz verschiedene Gestalt, je nachdem sie in einer anderen Periode in dem Entwickelungsgange der Pflanze angelegt und ausgebildet worden sind. Die Blätter von in vollster Entwickelung stehenden schlesischen Zuckerrüben sind länglich dr ieckig, mit abgerundeter Spitze und meist mehr oder weniger herzförmig ausgebuchteter Basis, welche am oben verbreiterten Stiele meist weit herabläuft. Der Rand ist nicht eingeschnitten, aber meist wellig gebogen. Der Blattstiel ist im Querschnitt flach- dreieckig, auf der Oberseite glatt und mehr oder weniger ausge- buchtet, auf der Unterseite von zahlreichen Längsreifen bedeckt. Der Blattstiel geht ganz unmerklich in den Mittelnerven der Spreite über, welcher letztere, indem er von Zeit zu Zeit kräftige Seitennerven entsendet, sich nach der Blattspitze zu nach und nach verjüngt. Die Seitennerven biegen sich dicht unter dem Rande des Blattes in grossen Bogen um, auf denen noch kleinere Bogen ihrer Secundärnerven zu stehen pflegen. Diese wie Schlingen geformten Anastomosen treten auf der Unterseite des Blattes noch deutlich hervor. Die unteren Seitennerven entspringen unter auffallend schärferen Winkeln als die oberen. Die allerersten Blätter der jungen Rübenpflanze sind nicht nur bedeutend kleiner und schwächer wie die späteren, son- dern ihre Form ist auch noch weniger ausgeprägt. Sie werden häufig, mit dem Stiele, nur 5—10 cm lang und zeigen eine elliptische Gestalt, ganz flache Spreite und wenig ausgeprägte Nervatur. Sie sehen den herangewachsenen, jetzt schon 4—5 cm langen Cotylen sehr ähnlich. An den nächstfolgenden Blättern hebt sich die Spreite immer mehr vom Blattstiel ab, und nähert sich die Form der ersteren immer mehr der der späteren Blätter. Dabei erstarken die Blätter rasch, und der äusseren Ausbildung 410 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. geht die innere Entwickelung parallel. Die Cotylenstiele führen nur ein centrales Gefässbündel, die Stiele der beiden ersten Blät- ter haben meist 3—5 Stränge, dann nimmt die Zahl allmählich zu, bis sie in den Stielen der kräftigsten Blätter im Hochsommer 20 und mehr betragen wird. Auf diese Punkte komme ich aber noch zurück. | Gegen den Herbst ändern die Blätter wieder ihre Gestalt. In dem Maasse wie die Rübe reif wird, bildet sie kleinere und kleinere Blätter, welche meist eine deutlich ausgeprägt herzförmige Ge- stalt zeigen. Ueberwintert man in Töpfen erwachsene Rüben in einem geheizten Zimmer, so bilden sie fortwährend neue Blätter; in einigen Versuchen wurde so von Mitte November bis Mitte Januar die ganze Blattkrone erneuert, die Blätter hatten meist eine Spreitenlänge von 5 und eine Breite von 3 cm. Das Wachsthum der Krone setzte sich ununterbrochen fort; Mitte Februar waren die Blätter am kleinsten, und fing die Endknospe an zu schossen; im Mai blühten diese Exemplare. i Welche Ursache die Blätter bestimmt, gegen den Herbst und den Winter kleiner zu werden, ist bis jetzt meines Wissens noch nicht untersucht worden. Es möge daher hier eine Beobachtung eingeschaltet werden, welche vielleicht geeignet ist, einiges Licht auf diese Frage zu werfen. Stellt man nämlich im Sommer halb- wegs entwickelte Zuckerrüben in destillirtes Wasser, oder auch in gewöhnliches Brunnenwasser ohne Zusatz von Nährstoffen, so ent- wickeln sie hierin ein reichliches Netz von neuen Nebenwurzeln, aber die neuen Blätter, welche sie aus ihrem Kopfe hervortreiben, werden immer kleiner und schmächtiger, bis endlich die Krone das Ansehen der Blätterkrone einer reifen Rübe angenommen hat, chne dass jedoch die Wurzel erheblich an Dicke zugenommen wäre. Die Rüben waren, so zu sagen, nothreif geworden. Es liegt auf der Hand, anzunehmen, dass der Mangel an mineralischen Nährstoffen hier die Ursache der beobachteten Erscheinung war. Die einzelnen Individuen der Zuckerrüben zeigen, sogar auf dem- selben Felde, häufig auffallende Unterschiede in ihrem Habitus und der Gestalt ihrer Blätter. Nobbe und Siegert 1) beschreiben diese Erscheinung folgendermaassen: „Bei einzelnen Individuen streben sämmtliche Blätter der Laubkrone, selbst die äussersten, fast vertikal empor; bei anderen sind die äusseren Blätter, sammt ihren Stielen, wiewohl sie straff sind und kräftig vegetiren, fast 1) Landw. Versuchs-Stationen IV, S. 238. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 411 horizontal am Boden ausgebreitet. Diese Erscheinung ist nicht auf die Zuckerrübe beschränkt; sie zeigt sich in gleicher Weise bei den gelben und rothen Varietäten der Species Beta vulgaris L., und erinnert an ein ähnliches Verhalten der Kohl- und Lactuca-Arten. Dort wie hier sind es die erstjährigen, wesentlich nahrungberei- tenden Blattorgane zweijähriger Culturgewächse, deren Anord- nung an eine noch unentwickelte Stengelachse jene Verschieden- lieit eines offenen und geschlossenen Habitus darstellt.” — Die hochwüchsigen Pflanzen (mit aufstrebender Krone) haben in der Regel zartere Blätter, während die liegendblättrigen dunklere und kräftigere besitzen. Gehen wir jetzt auf den anatomischen Bau des Rübenblattes ein, so empfiehlt es sich, zuerst die Aprene und zweitens den Blatt- stiel gesondert zu betrachten. Die Epidermis der Spreite zeigt je nach verschiedenen äusseren Umständen ein sehr verschiedenes Bild. Ich untersuchte in erster Linie Blätter einer auf einem Zuckerrübenacker erwachsenen Pflanze. Die Oberhaut der Oberseite bestand aus sehr gleichför- migen, meist viereckigen bis länglichen, selten 5—8eckigen Zel- len, deren Grenzlinien nur sehr wenig gekrümmt, häufig fast ge- rade, und nie wellig gebogen waren. Die Spaltötfnungen waren zahlreich, gleichförmig und meist an drei oder vier Oberhautzellen grenzend. Sie liegen in derselben Ebene wie letztere, und tragen um ihre Spalte herum eine erhabene Leiste. Die Wandungen der Schliesszellen sind auffallend dick. Die Oberhaut der Unterseite zeigte genau denselben Bau. Auf den Nerven sind die Oberhaut- zellen beider Seiten in der Richtung der Nervenachse gestreckt; um so mehr, je kräftiger der Nerv ist, und je mehr man die Zellen in der Nähe seiner Mittellinie untersucht. Die Grössenverhältnisse fand ich, im Mittel aus mehreren Mes- sungen für die Oberseite: Länge 0,033 mm. Breite 0,022 ,, Auf der Unterseite war die Grösse nahezu dieselbe. Die Anzahl der Stomata pro qmm bestimmte ich für beide Seiten erstens in der Nähe der Spitze des Blattes, und zweitens auf einem der beiden Lappen der Blattbasis; ich fand pro I qmm: Oberseite Unterseite. An der Spitze 91 Stom. 144 Stom. Ar der Basis CELOSTEN 150 „ 412 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. ‚Also auf der Unterseite mehr als auf der Oberseite; aber an der Spitze nahezu gleichviel wie an der Basis. In zweiter Linie untersuchte ich Blätter von im Garten, in sehr fruchtbarer Erde gezogenen Pflanzen. Die Oberhautzellen waren hier viel zarter; ihre Grenzlinien sowohl auf der Blattoberseite als zumal auf der Blattunterseite in zierlicher Weise wellig gebogen; ihre Form dadurch eine sehr unregelmässige. Nur auf den Nerven verlor sich die wellige Krümmung der Wände, hier waren die Zellen mehr gestreckt, meist länglich viereckig. ; Die Zahl der Spaltöfinungen bestimmte ich nur für die obere Hälfte des Blattes; ich fand pro qmm: Auf der Oberseite 91 Stomata Auf der Unterseite 105 n Also auf der Öberseite ebensoviel, auf der Unterseite bedeutend weniger Spaltöffnungen als auf dem Blatte der Feldrübe. Es liegt nahe, zu vermuthen, dass der zierlichere Bau der Oberhaut im letzteren Falle, und zumal der geschlängelte Ver- lauf der Zellwände eine Folge der üppigen Ernährung war. Für diese Vermuthung scheint mir unter Anderem auch zu sprechen, dass ich denselben Unterschied auch bei anderen Pflanzen, z. B. beim Mais und beim Klee beobachtete 1). Eine weitere Bestäti- gung lieferte die folgende Wahrnehmung. Einige Wasserculturen derselben Zuckerrübenvarietät wie die im Garten gezogenen hat- ten sich im Zimmer hinter dem Fenster nur kümmerlich entwickelt. Ich untersuchte die Oberhaut ihrer Blätter an den entsprechenden Stellen wie bei den anderen Blättern und fand die Wandungen ihrer Zellen, wie nach meiner Vermuthung zu erwarten war, nicht geschlängelt, sondern fast gerade oder nur wenig gekrümmt. Es wäre von Interesse, die hier angeregte Frage einer weiteren Un- tersuchung zu unterwerfen. Droysen 2) hat Messungen der Oberhautzellen des Rübenblat- tes angestellt. Er untersuchte Blätter mit wellig gebogenen Epi- dermiszellen. Er fand auf der Blattoberseite den Durchmesser die- ser Zellen zu 0,052 bis 0,064 mm; auf der Blattunterseite im Mit- tel zu 0,06 mm. Nach der Blattspitze zu werden die Zellen der Oberseite kleiner. Die Zahlen, welche er für die Grösse der Sto- mata angiebt, stimmen fast völlig mit den oben angeführten, von 1) Opera III, S. 100. 2) Droysen, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Zuckerrübe. Halle, 1877. S. 22—23. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 413: mir an einem Blatt mit nicht geschlängelten Wänden der Epider- miszellen gefundenen, überein. Er fand im Mittel: Breite, Länge. Auf der Blattoberseite 0,023 mm 0,032 mm Auf der Blattunterseite 0,022 ,, OKarte Ueber die Zahl der Spaltöffnungen führt er folgende Tabelle an, in der die Zahlen der Spaltöffnungen verzeichnet sind, wie sie auf einer Linie gemessen wurden, die zwischen Mittelrippe und Blattrand sich in der Mitte hält, und zwar unten, mitten und oben in dieser Linie. Droysen fand auf einem qmm folgende Zahlen: Blattgrösse ; Oberseite Unterseite Blatt ea TAN 0. lang breit | oben | mitten | unten | oben | mitten | unten 1 14,6 | 11,6 | 108,65 | 120,54 | 103,56 | 193,56 | 161,12 | 166,38 2 11,7 | 12,1 | 134,12 | 112,05 | 81,94 | 159,59 | 164,68 | 135,82 3 15,3 31,2 | 149,46 | 120,54 | 96,77 | 156,19 | 162,98 | 149,40 In Mittel‘. ....1 130,76 | 117,71 | 93,90 | 169,78 | 162,92 | 150,53 Im Durchschnitt aus sämmtlichen Messungen hatte auf 1 qmm: die Oberseite 114,12 Stom. die Unterseite KALK = Morren 1) bestimmte gleichfalls die Anzahl der Spaltöffnungen des Blattes bei Beta vulgaris. Er fand pro qmm auf der Oberseite 75 Spaltöffnungen auf der Unterseite 115 y Ueberblickt man alle Zahlen, welche von Morren, Droysen und mir für die Spaltöffnungen gegeben worden sind, so zeigt sich, dass die Anzahl dieser Gebilde, je nach Umständen, bedeutenden Schwankungen unterliegt. Ebenso schwankt das Verhältniss der für beide Blattseiten oder für verschiedene Stellen derselben Seite angegebenen Zahlen, ohne dass es bis jetzt möglich wäre, eine constante Regel dafür anzugeben. Nur so viel steht fest, dass die Unterseite gewöhnlich reicher an Spaltöffnungen ist als die Ober- seite. Schliesslich sind noch die Basalzellen der abgefallenen Haare zu erwähnen. Ziemlich häufig finden sich in der Epidermis rundlich 1). Bullet. de l’acad. royale de Belgique. 1864. XVI. No. 12, citirt bei Weiss in Pringsh. Jahrbüchern IV. S. 189. -414 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. polygonale Zellen, auf welche die umgebenden Zellen radial ge- richtet sind. Diese Zellen sind es, welche in ihrer Jugend (etwa bis das junge Blatt 2,5 cm lang geworden ist) Haare trugen — Gliederhaare, welche auch den jungen Blattstiel bedecken und aus einer Reihe von mehr oder weniger tonnenförmigen Zellen (bis 22 und mehr an der Zahl) mit dicker Membran, bestanden 1), Das chlorophyliführende Blattparenchym bietet wenig merk- 'würdiges. Die Zellen der Oberseite sind meist klein und von mehr oder weniger cylindrischer Form, in welchem Falle sie ein wenig ‚ausgeprägtes Pallisadengewebe bilden. Die Zellen der Unterseite sind meist grösser und von rundlicher Form, eine deutliche Grenze zwischen beiden Schichten ist nicht zu erblicken. Das Schwamm- parenchym ist reich an intercellularen Lufträumen und führt überdies zahlreiche sogenannte Körnchenschläuche, Zellen, 'wel- che mit kleinen octaedrischen Kryställchen von kleesaurem Kalk dicht angefüllt sind. Diese Idioblasten liegen nahezu in einer der Blattfläche parallelen Ebene. Die Grösse der Pallisadenzellen ist nach Droysen' 2) 0,044 mm, ihre Breite 0,010 mm; der mittlere Durchmesser der Schwammparenchymzellen 0,031 mm. Wichtiger ist der Bau der Nerven. Unter diesen betrachten wir zuerst eingehend den Mittelnerven, um die Seitennerven nachher mit diesem vergleichen zu können. Der Mittelnerv zeigt in ver- schiedenen Höhen des Blattes nicht nur verschiedene Dicke, son- dern auch einen verschiedenen Bau. Am Grunde der Spreite geht er unmerklich in den Blattstiel über, dessen Bau er bis zu jener Stelle beibehält, wo die ersten starken Seitennerven aus ihm ent- springen. Hier vermindert sich die Zahl seiner Gefässbündel, und von da ab zeigen successive Querschnitte eine stetig geringer werdende Anzahl von Strängen, bis endlich, in der Nähe der Blatt- spitze, nur ein einziger Fibrovasalstrang übrig geblieben ist, und der Mittelnerv den Bau der Seitennerven angenommen hat. Wir wählen, als den zweckmässigsten Ausgangspunkt für unsere Dar- legungen, den anatomischen Bau, wie sie uns der Hauptnerv in der Mitte der Blattlänge auf Längs- und Querschnitten darbietet. Unsere Fig. 6 stellt einen Mittelnerven in dieser Höhe im Quer- schnitte dar. Er ist bedeutend dicker wie die beiden seitlich an- srenzenden Theile der Spreite, ragt aber nach vorne nur wenig, nach hinten um so stärker hervor. Sein Grundgewebe besteht aus 1) Droysen, a. a. O. S. 22. 2394.:0.'5/'28, WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 415 einem grosszelligen, an festen Inhaltsstoffen armen Parenchym mit zahlreichen Luftinterstitien. Eingebettet in dem Grundgewe- be liegen in einem nach vorne offenen Halbkreise die Gefässbün- del, von denen unsere Fig. fünf zeigt, ein mittleres, zwei kleinere daneben, und zwei grössere seitlichen. Die Zahl dieser Bündel ist keineswegs eine constante, sondern erstens in verschiedener Höhe desselben Blattstieles, wie wir oben mittheilten, schwankend, dann aber in derselben Höhe bei Blättern von verschiedener Stärke verschieden. Ober- und Unterseite des Nerven werden selbstver- ständlich von einer Epidermis bedeckt, diese liegt jedoch dem parenchymatischen Grundgewebe nicht unmittelbar auf, sondern ist von ihm, auf beiden Seiten des Nerven, durch eine continuir- liche Lage vom Unterhautgewebe getrennt. Letzteres ist, seinen anatomischen Characteren nach Collenchym (Fig. 6. c. c.). Es besteht aus langen, prismatischen, im Querschnitt meist vier- bis fünfeckigen Zellen, deren Wand dick und an den Ecken in auffal- lender Weise angeschwollen ist. Die Wandungen sind weich und sehr quellungsfähig, der plasmatische Inhalt ist leicht nachweisbar. Die Zellen endigen im Längsschnitt gewöhnlich mit queren, selt- ner mit schiefen Wänden und sind äusserst verschiedener Länge, meist jedoch von etwa 0,15—0,20 mm. Das Grundgewebe des Stranges ist arm an Chlorophyll, und führt, wie wir später sehen werden, meist Traubenzucker. Es ent- hält, wie das Parenchym der Spreite, zahlreiche, mit feinkörnigem, oxalsaurem Kalk gefüllte Körnchenschläuche, in sehr unregel- mässiger Weise zerstreut. Seine an die Gefässbündel angrenzende Schicht stellt eine Art Stärkescheide dar, welche jedoch in er- wachsenen Blättern meist nur wenig Stärke führt, und sich dadurch nicht besonders vom übrigen Parenchym abhebt. Gewöhnlich umfasst eine Scheide den ganzen Complex der Gefässbündel. Jedes einzelne Gefässbündel besteht auf der Innenseite aus einer kleinen Strangscheide von gestreckten dickwandigen Zellen, dann folgt das primäre Holz mit dünnwandigen Holzfasern und weiten, unregelmässig zerstreuten Spiralgefässen, und dann eine meist dicke Schicht secundären Holzes, mit sehr zahlreichen, wei- teren und engeren porösen Gefässen, zwischen denen dickwan- dige Holzfasern die Grundmasse bilden. Dann folgen Cambium und Weichbast als zarte, dünnwandige Gewebe, und endlich eine Bastsichel, aus langen Zellen, welche collenchymatisch verdickte Wandungen besitzen. Diese Bastzellen endigen schief, sind aber durch dünne Querwände häufig getheilt, die Entfernung solcher 416 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Querwände beträgt meist 0,2—0,8 mm, nicht selten aber noch mehr. Auf Längsschnitten anastomosiren die einzelnen Stränge viel- fach mit einander. Wo ein Seitennerv aus dem Hauptnerve ent- springt, verzweigt sich einer der Stränge des letzteren, und der Ast tritt in den Seitennerven über. Die Seitennerven haben alle, auch ganz unten am Fuss des Blattes nur einen einzigen centralen Gefässstrang; im übrigen zeigen sie denselben Bau wie der Mittelnerv. Ihre Collenchymschicht ist auf der Ober- und Unterseite verhältnissmässig meist etwas dicker. Nur die kleineren, nicht auf der Blattunterseite hervortretenden, besitzen kein Collenchym, ihr Gefässbündel verläuft einfach zwi- schen dem nicht veränderten Parenchym der Spreite. Der anatomische Bau des Blattstieles wird durch unsere Figu- ıen 4, 5 und 7 erläutert. Sie stellen sämmtlich Querschnitte dar und zwar Fig. 4 aus einem jungen, Fig. 5 und 7 aus erwachsenen Stielen. Der Schnitt Fig. 5 ist im unteren Theile, Fig. 7 in der Nähe der Blattspreite gewählt worden; in letzterer sieht man die bei- den seitlichen Flügel, die am Stiele herablaufenden Theile der Spreite. Die Form des Stielquerschnittes ist eine dreieckige, in den . Stielen junger Pflanzen meist nahezu gleichseitig, in den kräfti- gen Stielen stark entwickelter Pflanzen an der Basis sehr flach gedrückt. Im Grundgewebe liegen die Stränge in äusserst wech- selnder Anzahl in einem nach vorne weit geöffneten Bogen. Je älter die Pflanze, und je kräftiger der Stiel, um so grösser ist die Zahl der Gefässbündel. Die kräftigsten Stiele enthalten deren 20—30, oft aber noch mehr. Gegen die Spitze des Stieles wird diese Zahl aber stets allmählich geringer, indem die kleineren Stränge mit den grösseren verschmelzen. Untersucht man näm- lich den Verlauf der Gefässbündel auf Längsschnitten, oder in Stielen, welche man durch successive Anwendung von Alkohol, Kali und Glycerin völlig durchsichtig gemacht hat, so beobachtet man, dass die einzelnen Bündel keineswegs jedes für sich von der Basis nach der Spreite hin laufen, sondern dass sie alle zusammen ein vielfach anastomosirendes Netz bilden, dessen einzelne Aeste sich jeden Augenblick theilen und mit anderen vereinigen, sodass nur die stärksten Nerven als continuirliche Züge auftreten, alle anderen sich aber so zu sagen als seitliche Verbindungsstücke zwischen diesen verhalten. Ein solches Netzwerk sieht aus wie das Nervennetz in der Spreite, nur dass es sehr stark in die Länge WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 417 gezogen ist, dass also die Maschen alle lang und schmal, die Hauptnerven einander nahezu parallel sind. Nach oben zu werden die Verbindungsstücke seltener, daher die Zahl der Gefässbündel im Querschnitte kleiner (Fig. 7); dem entsprechend treten aber die wichtigsten Stämme schärfer hervor. Auch im Mittelnerven werden die Strangverzweigungen nach oben zu immer seltener. Unter der Epidermis liegt im Blattstiel wie im Mittelnerven, das Collenchym. Während es aber in letzterem oberseits und unterseits eine continuirliche Schicht bildet, ist dies im Stiele nicht der Fall. Eine etwas breitere Lage bildet es hier nur in der Mitte der Vorder- seite (Fig. 4 und 7 v.s. bei c ), sonst ist es auf die hervortretenden Kanten und Riefen beschränkt, welche es meist völlig ausfüllt (Fig. 4, 5 und 7 c.) Seine Ausdehnung ist je nach Umständen eine sehr verschiedene, sein Bau derselbe wie im Mittelnerven. Seine Zellen sind nach Droysen 1) im Mittel 0,029 mm breit und 0,54 mm lang. Sie endigen spitz und sind durch dünne Querwände häufig in zwei oder drei Zellen getheilt. Das Collenchym, welches keine luftführenden Intercellularräume besitzt, übt dadurch auf den Bau der Oberhaut einen wesentlichen Einfluss aus. Denn soweit diese das Collenchym bedeckt, fehlen ihr, wie zu erwarten, die Spaltöffnungen; solche kommen nur da vor, wo das parenchymatische Grundgewebe direct mit der Ober- haut in Berührung tritt. Dazu kommt, dass auf dem Collenchym die Epidermiszellen äusserst lang und gestreckt sind, mit queren Enden, während sie auf dem Parenchym nur wenig gestreckt und mehr polygonal sind. Droysen fand die auf dem Collenchym liegen- den Epidermiszellen circa 0,162 mm lang und 0,029 mm breit; die dazwischenliegenden, circa 0,095 mm lang und 0,042 mm breit. Zwischen letzteren fand er im Mittel 54,3 Spaltöffnungen pro qmm; ihre Längsrichtung war meist parallel der Stielachse, doch kamen auch andere Stellungen bis zur Querlage vor. Das parenchymatische Grundgewebe ist sehr grosszellig und arm an festen Inhaltsstoffen, nur wo es dicht an die Epidermis grenzt, führt es Chlorophylikörner, und zwar im oberen Theile des Stieles mehr wie im unteren. Ueberall zerstreut liegen die Kalkoxalat füh- renden Körnchenschläuche. Die Länge der Parenchymzellen fand Droysen zu 0,072 mm, ihre Dicke zu 0,119 mm im Mittel. Die innerste Schicht des Grundgewebes, dem Baste der Gefässbündel zunächst liegend, ist zur Stärkescheide ausgebildet, obgleich diese Diran a O, S. 19. 27 418 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nur in der Jugend in continuirlicher Lage Stärke führt (Fig. 4), später aber nur stellenweise (Figur 5, 7). Die Stärkescheide um- fasst entweder das ganze Complex der Stränge, oder sie besteht aus einzelnen Theilen, welche je eine Gruppe, oder ein einziges Bündel umgrenzen (Fig. 5). Der feinere Bau der Gefässbündel ist derselbe wie im Mittel- nerven; ich brauche hier darauf nicht weiter einzugehen. 82. Die Verdunstung in den Blättern. Haberlandt1) pflückte eine grössere Blätterzahl von gleich alten Pflanzen, von gleichem Standorte, der gleichen Blattstellung von Runkelrüben, wog sie im frischen Zustande, nachdem die Blätter in zwei Partien getheilt worden waren, genau ab, und überliess sie nun der Austrocknung, indem er die eine Hälfte auf die Unterseite, die andere auf die Oberseite legte. Nach 24 Stunden und nach 4 Tagen wurden die beiden Proben wieder gewogen und ergaben folgenden Wasserverlust in Procenten des ganzen Wasser- gehaltes: Nach 1 Tag Nach 4 Tagen Mit der Oberseite nach oben 23,676 64,612 Mit der Unterseite nach oben 26,54 70,609 Haberlandt2) folgert hieraus, dass das Austrocknen vermittelst der Unterseite rascher vor sich gehe als vermittelst der Oberseite. Dem entspricht die grössere Zahl der Spaltöffnungen auf der Unter- seite des Rübenblattes. In einem weiteren Versuch bestimmte derselbe Verf. die Grössen- abnahmen der Rübenblätter beim vollständigen Austrocknen. Er masz die Blätter im frischen und trockenen Zustand und fand: frisch trocken Abnahme in pCt. Langen. n AEA E 143 130,5 9,09 Breite a nt 111 100 9,99 Oberfläche in qcm 120,1 95,9 20,15 Es ist zu bemerken, dass diese Grössenabnahme zum Theil auf den Verlust des Turgors, zun Theil auf das spätere Collabesciren der Zellen beruht. 3) 1) Haberlandt, Pflanzenbau II. S. 134. 2) Haberlandt, Pflanzenbau II. S. 142. 3). Ursachen der Zellstreckung. Opera I, S. 375. d WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 419 Haberlandt 1) hob junge Runkelrübenpflanzen aus, setzte sie mittelst durchbohrter Korke in Cylinder, welche mit Wasser gefüllt waren und liess sie, nachdem der Korkverschluss mit flüssigem Wachs luftdicht gemacht worden war, im Freien unter einem gros- sen Schirme stehen. Siè wurden von Zeit zu Zeit gewogen, um ihre Verdunstungsgrösse zu bestimmen. Am Schlusse des Versuches wurde die verdunstende Oberfläche mittelst des Polarplanimeters gemessen und daraus die Verdunstung für 1 qdm bestimmt. Er fand: 1. Tag 2. Tag. bei Nacht. bei Tag. bei Nacht. bei Tag. Verdunstungsgrösse der Versuchs- pflanzeing. . . nen 0,0177 1,650 0,870 1,958 a ntunesprösse wolsenin eg 0,331 0,886 0,469 1,052 Temperatur des trockenen Therm. 16,4° 22,6° 11,79 22,8° 5 „ feuchten 5 15,45°%..'16,29 ISIN METS Es betrug: Die Oberfläche der Blätter der Pflanze in qdm ......... 1,861 Die Verdunstung in den beiden Tagen pro „ _......... 2,738 Iso durchschnittliche Verdunstung | pro „ ........- 1,369 bei Nacht 0,400 bei Tag . 0,969. Die Gesammtoberfläche der Blätter einer erwachsenen Pflanze betrug 51,610 qdm 2). Setzt man nun die mittlere Gesammtober- tiäche der Blätter während der ganzen Vegetationszeit gleich Y X 51,610 = 25,850, und die Vegetationszeit gleich 155 Tagen, und multiplicirt man das Product aus diesen beiden Zahlen mit der Verdunstungsgrösse, wie sie im obigen Versuche ermittelt wurde, so erhält man: 29,800 ,.x..199,.28.1,309: 0: — 5,3617. ka. Falls man berechtigt ist, die obigen Zahlen einer solchen Be- rechnung zu Grunde zu legen, verdunstet also eine mittlere Rüben- pflanze während ihrer ganzen Vegetationszeit nahezu 5,4 kg Wasser 3), = Haberlandt a. a. O. S. 152. 2) Haberlandt S. 158. 3) Eine kräftige Rübenpflanze im Topfe erwachsen, verdunstete im August, wie ich fand, während 5 Stunden an der Sonne nahezu 250 g. Nimmt man an, dass sie an einem ganzen sonnigen Tage nur das doppelte verdunstet haben würde, so würde sie bereits in elf sonnigen Tagen des August 5,5 kg verdunsten können. 420 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Es würde mich zuweit führen, wollte ich die in diesem Paragra- phen angeführten Zahlen, und die Methoden, nach der sie gewon- ren sind, einer Kritik unterziehen. Lieber gehe ich gleich zu den Versuchen eines anderen Verf. über. Von Höhnel 1) untersuchte die Abhängigkeit der Transpirations- grösse von der Entwickelungsphase des Blattes nach folgender Methode. Die aufeinanderfolgenden Blätter wurden abgeschnitten und jede mit Hülfe eines Korkes in eine mit Wasser gefüllte Eprou- vette so eingefügt, dass die Wasserfläche an der Verdunstung ge- hindert war. Die Korke wurden überdies mit geschmolzenem Wachse mit Hülfe eines Pinsels überzogen. Nach einer Stunde wur- den die Eprouvetten gewogen und dann durch 24 Stunden an einem vor direkter Besonnung geschützten Orte neben einander, also unter ganz gleichen Verhältnissen transpiriren gelassen und aus den Ge- wichtsverlusten die Transpirationsgrössen für eine Stunde und 100 qcm Oberfläche berechnet. Die Oberfläche wurde mit Hülfe des Polarplanimeters gemessen. Die erhaltenen Zahlen, sowie die Re- sultate einiger weiteren Messungen enthält umstehend folgende Tabelle. Ueber diesen Versuch bemerkt der Verf. Folgendes: Die Wassergehaltsbestimmungen wurden erst vorgenommen, nachdem alle Messungen und Zählungen gemacht worden waren, woraus sich die kleinen Unregelmässigkeiten in der von den jüng- sten bis zu den ältesten Blättern ansteigenden Reihe erklären. Die Spaltöffnungen der Blätter ILIV waren zum grösseren oder geringeren Theile noch nicht offen. So bei II nur 15—20, die dabei nur 17 u lang waren. Die Berechnung der Transpirationsgrösse auf 100 cm und pro Stunde geschah ohne Berücksichtigung der Blattstiele. Man sieht aus der Tabelle, dass: 1) die Transpirationsgrösse im jüngsten Stadium ein absolutes. Maximum repräsentirt, von da bis IV beständig ab-, von IV bis VI zunimmt, um zuletzt wieder etwas abzunehmen. Die Stadien VII, IX und X zeigen die gleiche Transpirationsstärke. 2) dass der Wassergehalt von I—X fast continuirlich zunimmt. Von I—V um 9 pCt., und von V—X um nur etwa 2 pCt. 3) die Zahl der Spaltöffnungen nimmt von 1—V beständig ab, und ist von VI—X constant. 1) F. von Höhnel: Ueber den Gang des Wassergehalts und der Transpi- ration bei der Entwickelung des Blattes, in Wollny’s Agriculturphysik I. 4. S. 17. TR rk un WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 421 4) die Grösse derselben nimmt von I bis VI rasch zu, um dann ziemlich constant zu bleiben. Nummer des Blattes vom jüngsten an I. | II. | Il. | IV. o [yi | vu. vun |] x IX. | X. Gewicht der Lamina in g Gewicht des Stieles in g Oberfläche der Lamina SE Oberfläche des Stieles Bee... Su. 5 | Blatt - Ober- ae = seite... . TRE Blatt-Unter- moa ya N © seite. . 5, S, | Blatt - Ober- v = = seite. 2 Q = | Blatt-Unter- wN E i =l :© SEITE... a.. Wassergehalt der Blätter Transpiration pro Stunde in mg Transpiration pro Stunde u. 100 qcm .. . 160— 7050—60 0,199| 0,317 0,749 0 0 0 14,4 122,4 154 0 0 0 50—60 40—50 17 u 17 4 79,4%/9 17,3 |40,4 123,6| 77,2 |74,7 1,624 3,871 4,612 6,870 10,651| 11,115 14,057 0 0,55 | 19 m207 0 7 12,1 7,7 22,6 | 14,3 24,3‘ 127,3 23,8 | 26,1 83,8 | 88,22 60,7 170,6 52,8 | 81,2 0,55 | 1,05 | 245 | 2,1 | 3,45 251 es 424 1432 [514 8.1 | 19,21 20R% Kon 1133 71.6.6 eS WZL.| 6,6 115 | 85 1.83:| 9,7189 27,6 | 31,2 33 | 33,6 | 33,6 26,4 | 29,7 | 32,4 32,4 30 87,33| 88,69| 84,59| 89,61 | 90,59 237,8 260,2 1265,6 1277,7 1329,3 94,7 | 77,0 | 62,7 | 64,2 67,0 Mit der Entwickelung der Spaltöffnungen geht aber die Entste- hung und Erweiterung der Intercellularräume, sowie das Flächen- und Dickenwachsthum des ganzen Blattes Hand in Hand. Da nun vom Blatte VI an weder die Zahl der Spaltöfinungen (für dasselbe Gesichtsield) weiter ab-, noch ihre Grösse erheblich zunimmt, wie auch der Wassergehalt ziemlich constant bleibt, so sind die Blätter vom Stadium VI an als völlig entwickelt zu betrachten. Man sieht nun, wie die Transpirationsgrösse beim ersten völlig entwickelten Stadium ihr‘ zweites Maximum erreicht, und wie, sobald wie bei VIII—X die Spaltöffnungen in Zahl und Grösse, sowie der Wassergehalt constant werden auch die Transpirations- grössen nur wenig von einander abweichen. Man sieht ferner, wie das Verhaiten der Transpiration bei I— VI weder mit dem der Spältöffnungen noch mit dem des Was- sergehalts übereinstimmt. Es muss offenbar noch ein weiterer, die Verdunstungsgrösse bestimmender Faktor hinzukommen, und dieser liegt in dem Verhalten der Cuticula. Von I—V nimmt die Cuticula rasch an Stärke zu, während die Spaltöffnungen erst bei y in Wirksamkeit treten, wo sie, wie aus den Grössenverhält- Nummer des Blattes vom jüngsten an Blattoberfläche in qcm . | 94 123 | 139 180 |262 |368 |374 |828 | 448 | 532 504 Blattgewicht in g..... 1,51] 2,2 | 2,32) 3,24| 4,8) 6,5| 6,85] 5,97, 8,85 10,91| 11,38 Transpiration pro Stunde | 82 99 1103 | 97 :|110 |188 |12,4 1210 |317 |275 |260 Zahl der | Blattoberseite 26,5 | 26,6 |22,1 1.20,7 | 16,4 | 11,9 238 | 12,17 725710 Spalt- öffnungen | Blattunterseite 29 31 30 |22,4 | 17,6| 15,6 | 17,2 | 14,6 | 12,7 | 11,7 /12,0 422 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nissen hervorgeht, in der Grösse nur wenig von den ganz ent- wickelten abweichen. Es ist daher die Transpiration von I—IV fast nur eine cuticu- lare, erst in VI geht sie vorzugsweise durch die Spaltöfinungen vor sich. In V dürften sich beide, die cuticulare und die stomatare Transpiration, die Wage halten. - Ganz dasselbe lehrte ein zweiter Versuch von Höhnel’s mit Beta vulgaris über den er folgende Tabelle mittheilt. VIII x X | XI Grösse | Blattoberseite 20,74 23,4 | 24,3 |23,4 | 26,7 | 27 1|30,0 | 30 — — der Spal t- öffnungen | Blattunterseite 21,64| 21,8 |22,8 | 22,2 | 26,4| 26,4127 |27 — | — Transpiration pro Stunde | | und 100 qem...... 87,2 | 80,5 | 74,1 | 53,8 41,9 Fasst man die Resultate obiger Versuche und Erwägungen in kurzen Sätzen zusammen, so lässt sich sagen, dass die jüngsten Blätter ein Transpirationsmaximum darbieten; dann fällt die iranspirationsgrösse pro qcm mit zunehmender Entwickelung des Blattes, bis am Schlusse der Entwickelungsperiode sich die Spaltöffnungen öffnen und nun die Transpiration wieder allmäh- lich grösser werden lassen. Das ausgewachsene Blatt zeigt dann später noch einmal ein niedriges Maximum. In den Gefässen des Blattstieles und der Nerven ist die Luft in Folge der Verdunstung stark verdünnt; schneidet man den Stiel eines transpirirenden Blattes unter Quecksilber durch, so steigt dieses durch den Ueberdruck der Atmosphäre hoch in die Gefässe hinauf 1). § 3. Die Kohlensäure-Zerlegung im Blatte. Das Parenchymgewebe der Blätter führt in seinen Zellen die Chlorophyllkörner, welche unter günstigen Umständen gewöhn- lich Stärkekörnchen einschliessen. Diese Stärke ist, wie bekannt, aus der vom Blatt am Licht zerlegten Kohlensäure gebildet, und 1) Von Höhnel: Ueber den negativen Druck der Gefässluft. 1876. S. 19. ZEIT von VII 50,2 | 63,6 | 64,0 |70,7/ 51,7 |51,6 WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 423 in den Chlorophylikörnern abgelagert, um später wieder gelöst und den übrigen Organen, zumal aber dem Wurzelkörper zuge- leitet zu werden. Die Grundsubstanz der Chlorophylikörner ist eiweisshaltiges Protoplasma. Entfärbt man dünne Schnitte des Blattes mit Alkohol, erwärmt sie in Kupfervitriollösung und bringt sie nach oberfläch- lichem Abwaschen in Kali, so ist bei guter Behandlung eine vio- lette Färbung der erwähnten Körner deutlich zu erkennen 1). Werden solche Schnitte zuerst in Salpetersäure etwas erwärmt, dann mit Wasser ausgesüsst und endlich Kalilösung zugesetzt, so sind bei nicht zu langer Einwirkung der Säure die Chlorophyll- körner noch deutlich zu erkennen und orangegelb 2). Die Zuckerrübenblätter bilden nur dann Stärke in ihren Chloro- phylikörnern, wenn ihnen die Kohlensäure direct durch die um- gebende Luft zugeführt wird. Ist diese Luft frei von jenem Gase, so bilden sie keine Stärke, auch dann nicht, wenn ihre Wurzeln sich in einer kohlensäurereichen Erde befinden. Die Pflanze leitet die Kohlensäure ebenso wenig aus dem einen Organ in das andere, als dieses alle anderen bis jetzt untersuchten Gewächse thun können. Moll s), dem wir die Kenntniss dieses wichtigen Satzes verdanken, theilt folgenden mit Zuckerrübenblättern ge- machten Versuch mit: Drei in Töpfen im Freien erwachsene Pflanzen wurden in’s Laboratorium genommen. Von jeder Pflanze wurde ein Blatt durch das mittlere Loch eines durchbohrten Tellers geführt, und in die- sem luftdicht befestigt. Auf jedem dieser drei Teller wurde eine tubulirte Glocke von 2500 cc Inhalt gestellt, und mittelst Wasser unten abgeschlossen. Das Blatt in der ersten Glocke wurde durch Ueberstülpung . eines schwarzen Recipienten verfinstert. In der anderen Glocke wurde die Luft durch Kalilauge ihrer Kohlensäure beraubt. Die dritte Pflanze stand neben den beiden ersteren als Controllepflanze, in gleicher Weise ausgestattet, jedoch mit kohlensäurehaltiger Luft in der Glocke. Im Anfang des Versuchs enthielten alle Blätter reichlich Stärke. Nach ’etwa 24 Stunden war dieses mit der Controllepflanze noch der Fall, dagegen waren sowohl das verfinsterte als das in kohlensäurefreier Luft am Licht befindliche Blatt vollkommen 1) Sachs, Flora. 1863. S. 19. 2) Sachs a. a. ©. S. 196. 3) Moll, Landw. Jahrbücher. VI. 1877. S. 354. 424 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. stärkefrei geworden. Am nächsten Tage wurde wieder untersucht, und wie zu erwarten, mit demselben Resultat. Hieraus geht hervor, dass sowohl im Dunklen als am Lichte die Stärke aus dem Blatte in die übrigen Theile fortgeschafft wird, und dass neue Stärke weder im Dunklen noch in einem kohlensäurefreien Raum am Lichte entsteht. Beachtet man fer- ner, dass die Erde in den Tiöpfen eine gute Gartenerde war, und fleissig begossen wurde, dass sie demnach mehrere pCt. Kohlen- säure in ihrer Bodenluft enthielt, so sieht man, dass die Wurzeln diese nicht aufnehmen und in merklicher Menge dem Versuchsblatte zuführen konnten. Jetzt wurde der Versuch umgekehrt. Das bis dahin beleuchtete, aber kohlensäurefrei gehaltene Blatt erhielt Kohlensäure, das in kohlensäurehaltiger Luft beleuchtete Blatt wurde in eine von Kohlensäure beraubte Atmosphäre gebracht. Das erstere füllte sich nun in 24 Stunden reichlich mit Stärke, während das zweite sich von diesem Kohlenhydrate gänzlich enileerte. Das vorher verdunkelte Blatt wurde nicht weiter untersucht. Die Versuche Godlewski’s haben gelehrt, dass innerhalb ge- wisser Grenze die Intensität der Kohlensäurezerlegung und die Ausgiebigkeit der Stärkebildung vom Kohlensäuregehalt der die Blätter umgebenden Luft abhängt. Diese Versuche beschränken sich auf kurze Zeiten, sie lassen die Frage unentschieden, ob durch Vermehrung des Kohlensäuregehaltes der Luft die Stoffbildung in der Pflanze während längerer Zeit gefördert werden kann, ob mit anderen Worten eine Pflanze in kohlensäurereicher Luft wach- send ein grösseres Trockengewicht erlangen wird, als eine in ge- wöhnlicher Luft befindliche Controllepflanze. Es durfte aber nach Godlewski’s Resultate als wahrscheinlich angesehen werden, dass eine solche Förderung der Trockengewichtszunahme wirk- lich stattfinden würde. Ausgehend von dieser Betrachtung habe ich einen Versuch mit der Rübe angestellt, der mir, trotz der sehr ungünstigen Umstän- de, dennoch eine Bestätigung der ausgesprochenen Vermuthung abzugeben scheint. Ich theile diesen Versuch hier mit, um auch Andere dazu anzuregen, derartige Versuche zu machen; die Frage hkat ja offenbar ein hohes wissenschaftliches Interesse und ihre Behandlung kann vielleicht später auch für die Praxis wichtige Resultate abwerfen. Für den Versuch zog ich in zwei Töpfen mit gleicher Mischung von grobkörnigem, gestossenem Ziegelmehl und gewaschenem WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 425 Sand (in nahezu gleichen Theilen) zwei Pflänzchen der gelben Würzburger Futterrübe. Als diese Mitte Juli 1875 je etwa vier Blätter hatten, wurde der Versuch angefangen. Es kam darauf an, beide Pflanzen unter möglichst gleichen Umständen, die eine in gewöhnlicher Luft, die andere in kohlen- säurereicher Luft weiter zu cultiviren. Es musste also der Versuch im geschlossenen Raum vorsichgehen. Ich stellte den Versuch im Kalthause an, wo die Pflanzen von oben her beleuchtet und der Sonne möglichst ausgesetzt waren. Freilich war die Temperatur in der Glocke oft eine sehr hohe, jedoch liess sich dieses nicht abändern. ‚Jeder Topf stand auf einer grossen Schale mit nassem Sand, und über ihm war eine grosse Glasglocke von 60 cm Höhe und etwa 52000 cc Inhalt gestülpt, deren Rand allseitig in den nassen Sand tauchte. Die Glocken wurden Abends 8 Uhr abge- hoben und derart neben den Töpfen aufgestellt, dass ihre Luft sich während der Nacht mit der der Atmosphäre ausgleichen konn- te, am Morgen um 8 Uhr wurden sie wieder über die Töpfe ge- stülpt. So weit war alles für beide Pflanzen während der ganzen Versuchsdauer vom 20. Juli bis zum 10. September dasselbe. Die eine Pflanze, die stärkste der beiden Exemplare, erhielt nun weiter keine Kohlensäure, als täglich in der Luft der Glocke vor- handen war. In der Glocke des schwächeren Exemplars wurde aber täglich Kohlensäure künstlich erzeugt. Und zwar soviel, dass die Luft etwa 6 pCt. dieses Gases erhielt. Ich erreichte dieses in sehr einfacher Weise, indem ich mir Stückchen Marmor abwog, von denen jedes gerade soviel Kohlensäure enthielt, als der Glocke zugesetzt werden ınusste, um ihrer Luft etwa 6 pCt. dieses Gases zu geben. An jedem Morgen wurde nun, als die Glocke überge- stülpt wurde, ein solches Stückchen Marmor in ein Cylindergläs- chen unter der Glocke gestellt, und in dieses Gläschen soviel stark verdünnte Salzsäure gegossen, dass sich der Marmor all- mählich vollständig löste. Dann wurde die Glocke über die Pflanze gebracht und der Versuch bis zum Abend sich selber über- lassen. Diese Methode ist selbstverständlich nicht genau, aber es kommt auch gar nicht darauf an, gerade 6 pCt. Kohlensäure in der Luft zu haben, es handelte sich nur darum, einige pCt. mehr zu haben als in der Luft der anderen Glocke, und dieses in der be- quemsten Weise zu erreichen. Bei späteren derartigen Versuchen nehme ich mir vor, durch die Glocken einen continuirlichen Strom von Luft eines genau bekannten Kohlensäuregehaltes zu leiten, jedoch erfordert dieses weit complicirtere Apparate und eine bes- 426 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sere Localität für den Versuch, als mir damals zu Gebote standen. Für einen Vorversuch war die Methode völlig ausrei- chend, da sie, wenn auch nicht sehr grosse, doch unzweifelhafte Unterschiede ergab. Der ganze Versuch dauerte 50 Tage, von denen an 10 die Sonne nicht, oder fast nicht schien. An diesen Tagen wurden die Glocken nicht übergestülpt, an den übrigen 40, zumeist sehr sonnigen Ta- gen, aber wohl. Der Verlauf des Versuches zeigte nun fortwährend eine kräfti- gere Entwickelung des in der kohlensäurereichen Luft assimiliren- den Exemplars. Dieses war beim Anfang des Versuches merklich schwächer als das andere, überholte dieses aber bald, und am Ende des Versuches zeigte sich folgendes Verhältniss. Nennen wir die mit Kohlensäure gefütterte Pflanze A, die andere B, so war die Anzahl der Blätter bei A 15, bei B 13; die Länge der grössten Blätter war, mit dem Stiele, bei A 18—20 cm, bei B 15—17 cm. Die Rübe von A war oben 14, von B 11 mm dick, und etwa 2 cm unterhalb der Cotylen war die Dicke bei A 13, bei B 7 mm. Die Nebenwurzeln waren bei A auffallend stärker entwickelt als bei B. Das Frischgewicht des Rübenkörpers war bei A 4,2 g, bei B 1,8 g; das Trockengewicht der ganzen Pilanze bei A 3,3 g, bei, B 1,54. Man sieht, dass die mit Kohlensäure reichlich versehene Pflanze der anderen in jeder Hinsicht deutlich überlegen war, obgleich sie anfangs schmächtiger gewesen war. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die täglich zugefügte Kohlensäure günstig auf die ganze Entwickelung, insbesondere auf die Anhäufung organischer Substanz gewirkt hat. Dass am Ende des Versuches beide Pflanzen klein waren, muss dem späten Anfange des Versuchs und den unvermeidlichen un- günstigen Versuchsbedingungen zugeschrieben werden; die Be- weiskraft des Versuches wird durch diesen Umstand aber nicht verringert. Die am Tage gebildete Stärke wird hauptsächlich während der Nacht aus dem Blatte fortgeschafft. Untersucht man im Freien wachsende Blätter am Abend eines sonnigen Tages auf ihren Stärkegehalt, so findet man sie mit feinkörniger Stärke dicht er- füllt; untersucht man sie am Morgen, so findet man häufig, zumal, wenn der vorige Tag regnerisch war, das Parenchym leer von Stärke, oder nur stellenweise Stärke führend. Im Stiele, sowie in den Spaltöfinungszellen fand ich dann noch Stärke. Es wäre von WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 427 Interesse, diese Fortleitung der Stärke während der Nacht und die Neubildung am Tage auch gewichtsanalytisch zu verfolgen, und nach einigen zu anderen Zwecken gemachten Angaben lässt sich vermuthen, dass man auch hier deutliche Resultate erhalten wür- de. So fand z. B. Müller 1) den Gehalt der Rübenblätter an organi- scher Substanz Abends nach sonnigen Tagen im Mittel zu 12,58 pCt., am Morgen nach feuchten Nächten aber nur zu 9,02 pCt. Ich führe dieses nur beispielsweise an, die erwähnten Zahlen möchte ich nicht als Belege für meine Vermuthung ansehen, dazu wären nicht procentische, sondern absolute Werthe erforderlich. 8 4. Die Wanderung der organischen Baustoffe im ausgewachsenen Blatte. Die Vertheilung der plastischen Stoffe im Blatte sowie ihre Bewegung ist eine sehr einfache. Die in den Chlorophylikörnern entstandene Stärke wird gelöst und durch die Nerven und den Stiel in den Rübenkörper geführt; auf diesem Wege kann man nun in der Stärkescheide der Gefässbündel Stärke und im umgebenden Parenchymgewebe Traubenzucker nachweisen. Beide finden sich, je nach Umständen, in sehr verschiedener Menge. Im Kopfe der Rübe lassen sich Stärke und Traubenzucker noch eine Strecke weit verfolgen, dann verschwinden sie und tritt Rohrzucker an ihre Stelle, der nun die ganze Rübe erfüllt (Tafel I, Fig. 1). In den Weichbasttheilen der Gefässbündel der Nerven, der Stiele und der Rübe befindet sich überall Eiweiss in nicht unbedeutenden Mengen. Aus diesen, seit den bahnbrechenden Untersuchungen von Sachs 2) allgemein bekannten Verhältnissen lässt sich nun folgern, dass das in den Chlorophylikörnern aus Kohlensäure und Wasser gebildete Kohlenhydrat daselbst zuerst vorübergehend (zum Theil) als Stärke abgelagert wird, dann zum kleinen Theile als sol- che, zum weitaus grösseren aber als Traubenzucker sich durch Nerv und Stiel nach der Rübe hinbewegt, um dort aus beiden Formen in Rohrzucker umgewandelt und abgelagert zu werden. Gehen wir jetzt näher auf die Einzelheiten dieser Erscheinung ein, und betrachten wir dabei gesondert die Verbreitung der Stärke, des Traubenzuckers und des Eiweisses. Die Stärke entsteht am Tage im Chlorophyll und löst sich dort 1) Landwirthsch. Versuchs-Stationen I. S. 248. - 2) Pringsheim’s Jahrbücher Ill. Vergl. S. 223—224 und Flora 1862 S. 327—328. 428 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. während der Nacht wieder. In Nerven und Blattstiel ist sie auf die Stärkescheide beschränkt. Die Stärkescheide des ausgewachsenen Blattes ist für den Mit- telnerven in Fig. 6, für den oberen Theil des Blattstieles in Fig. 7 und für den unterenTheil des Blattstieles in Fig. 5 im Querschnitt dargestellt. Sie stellt im Allgemeinen eine Linie dar, welche die Gefässbündel umläuft, und deren Basttheilen möglichst eng an- geschmiegt ist, während sie auf der Holzseite fehlt. Diese Linie kann in zweierlei Weise unterbrochen erscheinen. Erstens, wenn sie stellenweise stärkeleer ist; es ist dies aber für die Scheide nur eine scheinbare Unterbrechung. Zweitens kommt es häufig, zumal im Blattstiele vor, dass die Scheide aus einzelnen wirklich ge- trennten Stücken besteht, deren jedes dann ein grösseres oder kleineres Complex von Gefässbündeln umfasst. So z. B. in Fig. 5. Sehr häufig haben die beiderseits äussersten Stranggruppen oder Stränge ihre eigene Stärkescheide. Im Mittelnerven ist gewöhn- lich relativ viel Stärke in der Scheide, im Blattstiel nimmt sie nach unten ab, jedoch unterliegt dieses, zumal nach der Jahreszeit, wie wir bald sehen werden, bedeutenden Abweichungen. Traubenzucker konnte ich in den Chlorophyll führenden Zellen des Blattparenchyms nicht nachweisen. In dem Grundgewebe der Nerven findet man dieses Kohlenhydrat aber, obgleich in geringer Menge. Nach dem Mittelnerven, und in diesem nach unten zu, nimmt der Gehalt an Traubenzucker stetig zu. Corenwinder 1) fand nach makrochemischer Methode ebenfalls Traubenzucker in den Blattrippen, im Parenchym dagegen in sehr geringen Mengen. Droysen 2) hat in den Parenchymzellen in der Nähe der Fibrova- salstränge Traubenzucker beobachtet. In dem Mittelnerven und dem Blattstiele erfüllt der Trash zucker sehr selten das ganze Grundgewebe; gewöhnlich ist er auf die Umgebung der Gefässbündel, oder auf diese und eine Stelle hinter der Mitte der Vorderseite (Fig. 7) beschränkt. Er zeigt sich dann in unmittelbarer Nähe eines jeden Bündels am reichlichsten, und nimmt von da an, mit zunehmender Entfernung vom Gefäss- bündel, stetig ab. Ebenso nimmt er an der erwähnten Stelle an cer Vorderseite des Stieles vom Collenchym ab stetig in Menge ab. Es entstehen dadurch, nach Anwendung der Sachs’schen Trau- 1) Corenwinder, Comptes rendus Tome XXXIIl. (1876 I!) p. 1238, citirt im Jahresber. f. Agriculturchemie. 1876. S. 307. DAAN NS 129, a Bern WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 429: benzuckerreaction, auf Querschnitten Bilder, wie sie in den Fi- guren 4—7 dargestellt sind. Das Eiweiss befindet sich im Weichbast der Gefässbündel, um so mehr, je kräftiger das Bündel selbst entwickelt ist. Auf dicken Querschnitten quillt es, nach vorherigem, vorsichtigem Abtrock- nen der Schnittfläche in kleinen Tröpfchen aus den Gefässbün- deln hervor. An diesen Tröpfchen kann man leicht die alcalische Reaction des Weichbast-Saftes nachweisen, das Grundgewebe reagirt hier wie gewöhnlich sauer. Oxalsaurer Kalk befindet sich, wie bereits früher beschrieben wurde, überall im Blatte in ansehnlicher Menge. Ob im Rüben- blatte auch freie Oxalsäure, oder ein gelöstes Salz dieser Säure vorkommt, wie A. Müller in den Landwirthschaftlichen Versuchs- Stationen I S. 241 annimmt, scheint mir nach eigenen Versuchen sehr zweifelhaft. Mir gelang es nie, aus dem ausgepressten Saite oder aus dem wässerigen Auszuge der Blätter, nach Behandlung mit Kalk und Trennung des entstandenen organisch-sauren Kalk- salzes von den übrigen Bestandtheilen des Saftes, und nach dem Eindampfen der so erhaltenen Lösung Krystalle von oxalsaurem Kalk zu erhalten. Wohl aber in ziemlich erheblichen Mengen die so charakteristischen Krystallblättchen des äpfelsauren Kalkes. S5. Die Stoffvertheilung in den Blättern zu verschiedenen Zeiten der Vegetationsperiode. Um eine Uebersicht über die assimilirende Thätigkeit der Blät- ter während der ganzen Vegetationszeit zu erhalten, soweit diese durch mikrochemische Forschungen an’s Licht gebracht werden kann, habe ich die Rübe durch zwei Jahre hindurch planmässig verfolgt. Ich lasse im folgenden einen kurzen Abriss der dabei gewonnenen Ergebnisse folgen. Die kohlensäurezerlegende Thätigkeit der jungen Pilanze fängt sogleich nach der Entfaltung der Cotylen an, wie wir bereits im vorigen Beitrage beschrieben haben. Dort sahen wir, dass die Keimblätter zur Zeit, wenn sie sich zuerst entfalten, ziemlich leer sind, aber bereits nach dem ersten sonnigen Tage ihr Gewebe dicht mit Stärke erfüllt haben. Sie häufen dann, während man äusserlich kaum eine Regung an der jungen Pflanze wahrnimmt, immer grössere Mengen von Bildungsstoffen in sich und im Ge- webe des Stengels und der Wurzeln, bis die beiden letzteren voller Traubenzucker sind. - Nach der Ruheperiode folgt das Wachsthum der beiden ersten 430 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Laubblätter, welche einander opponirt sind und sich fast gleich schnell entwickeln. Ihre erste Formausbildung war in der Knospe schon lange im Gange, jedoch ohne bedeutende Vergrösserung. Jetzt folgt ziemlich plötzlich eine sehr rasche Streckung, so rasch, dass der grösste Theil der in der Pflanze abgelagerten Baustoffe dabei verbraucht wird, und dass, nach nahezu beendigter Streckung dieser Blätter, die junge Pflanze wieder fast leer ist. Während der Streckung nimmt der Traubenzucker in den Stielen der Cotylen, dem hypocotylen Gliede und der Wurzel stetig ab, bald beschränkt er sich auf die oberirdischen Theile, später auf die nächste Umgebung der Endknospe; und als die Streckung nahezu vollendet war, fand er sich nur noch in den Basaltheilen der neuge- bildeten Blattstiele, sonst nicht. Die Stärke in der Stärkescheide ` nimmt gleichzeitig in gleicher Weise ab. Bald sind nur die Schei- den der Blattstiele und des oberen Theils des hypocotylen Glie- des damit erfüllt; später nimmt die Menge an diesen Stellen sicht- lich ab. Auch in den jungen Blattanlagen ist deutlich Stärke nach- weisbar. Eiweiss findet sich zu dieser Zeit meist reichlich in allen Gefässbündeln und Meristemen. Sachs 1) untersuchte junge Pflanzen mit 5—6 Blättern, deren grösstes fertiges 12 cm lang war, deren Wurzelhals 4 mm Durch- messer hatte und fand Folgendes: Stärke fand sich in den Porenzellen und im Chlorophyll der fertigen Blätter, in den Stärkeschichten der feinsten Nerven, des Medianus und des Stiels bis hinab zum Stamm, wo sich die Stärke im Parenchym ausbreitet. und in die jungen Blätter übergeht, deren noch nicht gestreckte Zellen damit erfüllt sind. In jungen. Blättern, die sich schon gestreckt hatten, fand sich wenig Stärke im Meso- phyll, in den Porenzellen, die sich erst ausbildeten, gar keine. Traubenzucker fand sich nur in den Blattstielen der älteren Blät- ter spurweise im Parenchym, mehr an der Basis der Stiele als höher hinauf. Rohrzucker fand sich in diesem Stadium noch nicht. Also auch jetzt sind die jungen Pflanzen noch ziemlich leer, die Neubildung überwiegt den Verbrauch nicht in merklichem Grade. Aber von jetzt an füllen sich die Blätter, trotz der raschen Entfaltung neuer Blätter immer mehr mit Baustoffen. So fand ich an einer Pflanze mit sechs Blättern, deren Grösstes eine Spreite von 7 cm Länge und 4 cm Breite und einen Stiel von 10 1) Sachs in Pringsheim’s Jahrb. III. S. 223. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 431 ‚cm Länge hatte, während der Wurzelhals bereits 8 mm dick war, Folgendes: In den ausgewachsenen Blättern enthielt das grüne Parenchym Stärke, keinen Traubenzucker, die grösseren Seitennerven führten wenig Stärke in der Scheide, dagegen viel Zucker in der nächsten Umgebung der Gefässbündel. Ebenso der Mittelnerv; noch reicher an Zucker war der ganze Blattstiel, der in allem parenchymati- schen Gewebe bei der Sachs’schen Reaktion eine intensiv oran- gene Färbung annahm. Im unteren Theile war auch die Scheide reichlich mit Stärke erfüllt. | Die jungen, sich kräftig streckenden Blätter zeigten gleichfalls wenig Stärke, dagegen viel Traubenzucker in den Nerven und dem Stiele. Die ganze Umgebung des Vegetationspunktes war dicht mit Traubenzucker erfüllt, nur die ganz jungen Gewebepartien und Blattanlagen führten Stärke, die allerjüngsten Eiweiss. Das hy- pocotyle Glied und die Wurzel zeigten sich überall voll Trauben- zucker. Die Gefässbündel führten reichliche Mengen Eiweiss. In diesem Stadium traf ich zum ersten Male Rohrzucker an. Er fing in einer Entfernung von wenigen mm unterhalb des Vegeta- tionspunktes an und erstreckte sich nicht ganz bis zu der Grenze zwischen Wurzel und hypocotylem Glied, breitete sich also über eine noch sehr kleine Strecke aus. Als Reaction dient bekanntlich die Anwendung von Kupfervitriol und Kali, in derselben Weise,. wie wir sie für den Nachweis des Eiweisses benutzen 1), und zwar ohne Erwärmung. Es färbt sich dabei das rohrzuckerhaltige Ge- webe schön blau, das übrige nicht. Beim Erwärmen wird die blaue Farbe durch den Niederschlag von Kupferoxydul, der vom Traubenzucker herrührt, unkenntlich. Nun verschwindet allmählich der Traubenzucker aus dem her- anwachsenden Wurzelkörper, indem er in Rohrzucker umgesetzt wird. Stärke war ohnehin schon seit der Keimung in den ausge- wachsenen Wurzeltheilen nicht mehr vorhanden. Bald kommt die Zeit, dass nur noch Rohrzucker, dieser aber in stets zunehmender Menge im Grundgewebe des Rübenkörpers sich findet. Das Weichbastgewebe der Gefässbündel führt jetzt und zu allen spä- teren Zeiten reichliche Mengen Eiweiss. Das soeben Mitgetheilte gilt vom eigentlichen Körper der Rübe, nicht vom Kopfe. Hier, wo die Blattstiele stetig ihre Bildungs- stoffe zuerst in die Rübe ergiessen, kommen neben Rohrzucker 1) Sachs, Pringsheim’s Jahrb. III. S. 183. 432 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. noch während langer Zeit auch Traubenzucker und Stärke vor. [dem wir daher den Wurzelkörper aus unseren Beobachtungen selbstverständlich hier ausschliessen, wird es zweckmässig sein, die Vorgänge im Kopfe mit denen in den Blättern gemeinsam zu behandeln. Eine Uebersicht der Stofivertheilung im Rübenkopfe und den Basen der Blattstiele habe ich in Fig. 1 unserer Tafel gegeben. Sie eilt etwa für den halbreifen Zustand der Rübe. Man sieht im All- gemeinen, dass die Stärke in den Stärkescheiden, zumal aber in denen der äussersten Gefässbündel sich vom Blattstiel abwärts mehr oder weniger weit erstreckt. Dass ebenfalls der Trauben- zucker, wie er in den Blattstielen hauptsächlich in der Umgebung der Gefässbündel auftritt, so auch mit diesen in den Kopf eintritt. Nennt man, wie ich später noch ausführlich begründen werde, die zuckerführende Umgebung der Gefässbündel ihre Zuckerscheide, so setzt sich diese Scheide auch an den Blattspursträngen im Kopfe fort. Einige Blattspurstränge dringen bis fast in die Mitte des Kopfes vor, die meisten biegen sich im äusseren Theile um, dementsprechend enthält vorwiegend der äussere Theil des Kopfes Traubenzucker, der innere weniger. Diese Vertheilung bleibt von nun an während des grössten Theiles der Vegetationszeit mit geringen Schwankungen dieselbe. Jnd da wir im vorigen Paragraphen die Vertheilung der Bildungs- stoffe in den ausgewachsenen Blättern ausführlich beschrieben haben, so würde es nur zu Wiederholungen führen, wollten wir noch für eine Reihe späterer Stadien ausführliche Beschreibungen geben. Auch kann ich dieses um so eher unterlassen, als für zwei spätere Stadien, bei 8 und 10 cm Dicke des Wurzelkörpers, eine solche Beschreibung bereits von Sachs geliefert worden ist !). Lieber wende ich mich gleich zu dem letzten Stadium der Vege- tationsperiode der Rübe, und betrachte die Stoffwanderung in den gelbwerdenden und sich entleernden Blättern im Herbste. Untersuchen wir zuerst ein altes Blatt, noch saftig dunkelgrün, aber da es das älteste noch grüne an der Pflanze ist, im Begriff stehend, gelb zu werden. In den meisten Zellen des Pallisaden- und des Schwammparenchyms fand ich die Chiorophylikörner noch normal; in vielen anderen Zellen sind die Chlorophylikörner spitzig ausgewachsen, fast halbmondförmig und doppelt so lang wie die normalen; sie enthalten reichliche körnige Einschlüsse, welche die 1) Sachs in Pringsheim’s Jahrb. Ill. S. 224. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 433 Jodreaction nach entsprechender Vorbereitung als Stärke zu er- kennen giebt. In anderen Zellen sah ich die Chlorophylikörner verschwunden und ihr Farbstoff mehr oder weniger im Protoplas- ma vertheilt. Das ganze Blatt zeigte sich dabei voller Stärke; der Stiel führte in seiner ganzen Länge dieses Kohlenhydrat in den Strangscheiden, aber nur wenig. Mittelnerv und Stiel waren dicht voll Zucker. In einem schon gelb-grünen Blatte waren die Chlorophylikör- ner- anscheinend in kleine, gelbgrüne, unregelmässige Körnchen zerfallen, welche meist in den Zellen sehr unregelmässig zerstreut, ja nicht selten stellenweise dicht angehäuft waren. Protoplasma war nur noch mit Mühe nachweisbar. Nur höchst einzelne Paren- chymzellen und die Porenzellen enthielten noch Stärke; dagegen waren grosse, runde, ölartige Tropfen im Parenchym verbreitet. Der Stiel enthielt keine Stärke, aber viel Traubenzucker. Ein vollständig gelbgewordenes Blatt war in allem Paren- chym, in den Porenzellen und im ganzen Stiele völlig frei von Stärke. Wir sehen also aus diesen und den früheren Beobach- tungen, dass die Stärke während des Gelbwerdens vollständig und überall gelöst wird. Sie setzt sich dabei in Traubenzucker um. Denn nun war überall viel Traubenzucker, zumal in den Nerven und im ganzen Stiele zu finden; und zwar im unteren Theile des Stieles mehr als im oberen. Die gelben Körner im Parenchym hatten an Zahl und Grösse abgenommen; die Zellen sahen leer und wässrig aus, Protoplasma war nur noch durch Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure als dünne Häute nachweisbar. Zu bemerken ist, dass die zahlreichen Körnchenschläuche während des ganzen Prozesses der Entleerung der Blätter völlig unverändert bleiben, sie enthalten im sterbenden Blatte noch ebensoviel Kalkoxalat als kurze Zeit vor dem Gelbwerden. Ich untersuchte noch ein älteres gelbes Blatt und fand im oberen Theile des Stieles nur noch geringe Spuren von Zucker in der Umgebung einzelner Gefässbündel, sonst war hier alles leer; da- gegen war der untere Theil des Blattstieles noch voll Zucker. Offenbar waren es die letzten Theile des Traubenzuckers, welche hier in die Rübe wanderten. § 6. Die Stoffwanderung bei künstlicher Verdunkelung. Anfang August 1876 nahm ich aus dem Garten einige kräftig entwickelte Zuckerrübenpflanzen, welche im Freien, aber in 28 434 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Töpfen erwachsen waren, und stellte sie mit den Töpfen im Zim- mer unter Dunkelrecipienten. Die Blätter verloren der Reihe nach ihre Stärke, wurden dann gelb und vertrockneten, die Knospe trieb aber neue Blätter, welche vollständig etiolirten. Nach zehn Tagen fand ich in den Blattstielen der anfangs grünen, jetzt ver- gilbten Blätter noch die letzten Spuren von Traubenzucker in der Zuckerscheide der Stiele, aber keine Stärke. In den Blättern, wel- che zu Anfang des Versuches eben angefangen hatten zu ergrünen, und jetzt blassgrün und völlig entwickelt waren, fanden sich Spuren von Stärke in den Stärkescheiden der Gefässbündel, unten etwas mehr als oben, ferner Traubenzucker in den Zuckerscheiden - und in der Nähe des Collenchyms, nicht aber im centralen Paren- chym. In den etiolirten Blättern fand ich dieselbe Vertheilung der Stärke und des Zuckers, daneben, wie gewöhnlich, bedeutende Mengen Kalkoxalat. Es braucht wohl kaum betont zu werden, dass die etiolirenden Blätter auf Kosten des Reservematerials der Rüben wuchsen, dass ihre Stärke und Traubenzucker aus“dem Rohrzucker der Wurzel abzuleiten sind. Die etiolirenden Blätter wuchsen nun in bedeutender Zahl bis Ende des nächsten Monates hervor, sie erreichten etwa 10 cm Stiellänge und entfalteten ihre Spreiten zu 3 cm Länge und 2 cm Breite. Dann stehen sie noch fast senkrecht und bleiben einige Zeit ohne merkliche Veränderung, dann aber erschlaffen sie, sinken zusammen und verfaulen. In jenem Zustande sind sie also ausge- wachsen. Sie führen dann weder im Parenchym, noch in den Porenzellen, noch im Stiele Stärke, und scheinen an Inhaltsstoffen nur oxalsaurem Kalk in den Idioblasten zu haben. Während sie sterben, wachsen immer neue etiolirende Blätter rasch heran; es zeigt dieses, dass wohl die wachsenden, nicht aber die ausge- wachsenen Blätter aus der Rübe die zu ihrer Existenz erforderli- chen Nährstoffe an sich reissen können. Stellt man vorjährige Rüben in’s Dunkle, so treiben sie meist grössere Blätter als in obigem Versuch. Sachs1) mass an solchen Finsterpflanzen völlig gelbe Blätter, deren Lamina 11 und 12 cm lang und 4—5 cm breit war, die Seitenhälften waren nach unten eingerollt, dem Knospenzustande der grünen Blätter entsprechend. Als nun eine solche Pflanze an’s Fenster gestellt wurde, wuchsen Gie Blätter weiter, ergrünten und breiteten sich vollständig aus, 1) Sachs in Bot. Zeitg. 1863, Beilage S. 13. 'WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 435 während die entsprechenden Blätter der im Finstern gebliebenen Pflanze unterdessen eingingen, ohne sich weiter entwickelt zu haben. An solchen Dunkelblättern entwickeln sich die Spaltöff- nungen in ebenso normaler Weise als andere am Licht ergrünen- aen; bei einer Spreitenlänge von 5 cm des grünen Blattes findet man auf beiden Seiten neben fertig ausgebildeten Spaltöffnungen auch alle Entwickelungsstufen derselben; ebenso auf gleichaltri- gen, etiolirten Blättern 1). 8 7. Ueber die Ursache der Anhäufung von Bildungsstoffen in Pflanzenzellen. Bekanntlich gebührt Sachs das Verdienst, zuerst in klarer Weise dargethan zu haben, dass in den Organen und den Geweben der Pflanzen die verschiedenen Bildungsstoffe sich nicht ordnungslos mit einander mischen, und so einen allgemeinen, sogenannten Bildungssait darstellen, sondern dass sie in getrennten Geweben, in besonderen Bahnen angetroffen werden2), Die alte Lehre vom Bildungssafte wurde von ihm endgültig beseitigt, die Bahn für eine neue Auffassung, für neue Untersuchungen gebrochen. Er zeigte, ‚dass die mikrochemische Analyse für zwei wichtige Gruppen von Verbindungen die Beschränkung auf besondere Gewebeformen direct erkennen lässt: die eiweissartigen Stoffe bewegen sich im Weichbaste der Gefässbündel, die Kohlenhydrate vorwiegend im Parenchym des Grundgewebes. Sachs führte aus, dass eine gleichmässige Vertheilung eines Körpers in der Regel gar nicht stattfinde, dass man im Gegentheil verschiedene Verbindungen, vorwiegend an bestimmten Stellen nachweisen könne, woselbst sie somit angehäuft erscheinen. Er benutzte die allgemeinen Diffusionsgesetze, um diese durch Beobachtung festgestellten Thatsachen erklärlich erscheinen zu lassen, und wies darauf hin, dass nicht nur die Diifusionseigen- schaften der gelösten Stoffe, sondern in viel höherem Grade dieje- nigen der „Zellhäute”” hier maassgebend sind. Die betreffenden Eigenschaften der ‚„Zellhäute”” müssen in vielen Punkten von denen todter Membranen abweichen, ja wir dürfen es als wahrschein- lich betrachten, dass die ‚„Zellhäute” verschiedener Zellen und verschiedener Gewebecomplexe qualitativ und quantitativ mit verschiedenen Eigenschaften. ausgestattet sein werden. Je nach 1) Sachs a. a. O. S. 4. 2) Sachs: Ueber die Leitung der plastischen Stoffe durch verschiedene ‘Gewebeformen. Flora 1863. S. 33. 436 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. diesen wird also die Bewegung eines Stoffes in dem einen Ge- webe erleichtert, in dem anderen erschwert; je nach ihnen häuft sich dieser Körper in bestimmten Zellen an, während ein anderer sich gleichmässig über die ganze Umgebung verbreiten kann. Die Diffusionseigenschaften der gelösten Stoffe sowie der lebenden Zellwandungen sind also in der Pilanze das ordnende Prinzip. Und wenn wir auch jetzt, nachdem mehrfach neuere Untersu- chungen über diese Vorgänge gemacht worden sind, die eigen- thümlichen Diffusionseigenschaften nicht mehr in den Cellulose- häuten, sondern vorwiegend im Protoplasma suchen, so ändert dieses an den von Sachs entwickelten Prinzipien in der Haupt- sache nichts. Wir wissen jetzt durch directe Beobachtung, dass die Cellulosehäute lebender Zellen für alle in Wasser lösliche und bis jetzt darauf untersuchte Stoffe leicht permeabel sind, während im graden Gegensatze der protoplasmatische Wandbeleg für man- che Stoffe gar nicht, für viele andere nur in sehr beschränkter Weise durchdringbar ist. Nägeli’s bahnbrechende Arbeiten be- wiesen diese Sätze zuerst für die in Wasser gelösten Farbstoffe, sowohl für die im Zellsaft natürlich vorkommenden als für künstliche von aussen in die Zellen eindringende Lösungen 1). Ich habe später seine Untersuchungen wiederholt und gezeigt, dass für viele andere Stoffe derselbe Unterschied in den Diffusions- eigenschaften der Zellhaut und des Protoplasma besteht 2). Bei meinen Versuchen zeigte sich der Widerstand des Protoplasma gegen die Diffusion gelöster Stoffe als eine so allgemeine Eigen- schaft, dass es sehr schwer hielt, Stoffe aufzufinden, deren Durch- gang durch das lebende Protoplasma auf mikroskopischem Wege bewiesen werden konnte. Die Permeabilitätseigenschaften des lebenden Protoplasma für die verschiedenen in den Pflanzen gelöst vorkommenden Stoffe sind also, wenn wir dem Sachs’schen Satz nach unseren jetzigen Kenntnissen eine bestimmtere Fassung geben dürfen, das ordnen- de Prinzip in der Verbreitung der Stoffe im Pflanzenkörper. Sie sind es, „welche eine allgemeine Vermengung ausschliessen und jedem Stoffe seinen Ort und die Bahn seiner Bewegung in der Pflanze vorschreiben” 3). ; Wenn nun diese Ursachen es. bedingen, dass die verschiedenen 1) Nägeli, Primordialschlauch, in dessen Pflanzenphysiol. Unters. Heft I. 1855; 5.1. 2) Surla perméabilité du protoplasma des betteraves rouges, Opera I, S. 86.. 3) Sachs, a. a. ©. S. 35. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 437 Stoffe entweder ausschliesslich oder doch vorwiegend in bestimm- ten Zellen oder Zellgruppen vorkommen, sich dort anhäufen und von dort aus nicht oder wenigstens zeitweise nicht verbreiten, so verdient diese Erscheinung der Anhäufung oder Accumu- lation eine eingehendere Betrachtung. Diese Betrachtung schalten wir hier ein, weil wir ihrer im fol- genden Abschnitte, bei der Behandlung der Vertheilung des Zuckers in der Rübe bedürfen werden. Wir wollen zunächst einige auffallende Fälle von Accumulation zusammenstellen, um dem Leser die Beurtheilung der nachfolgen- den theoretischen Ausführungen zu erleichtern, und knüpfen dabei an die von Sachs gegebene Uebersicht über die Vertheilung der plastischen Stoffe in den Geweben an 1). Wir betrachten zuerst die Anhäufung in einzelnen Zellen, dann Gie in einzelnen Geweben und zuletzt die Accumulation in ganzen Organen. Eine Anhäufung von Traubenzucker findet man ganz gewöhn- lich in denjenigen jungen Zellen, welche bestimmt sind, ihre Wand stark zu verdicken. Als erstes Beispiel betrachten wir die Bast- fasern des Klee. In unserem zweiten Beitrage2) haben wir gesehen, dass sowohl diese Fasern, wie diejenigen der inneren Strangschei- de der Gefässbündel im ausgewachsenen Zustande sehr dickwan- dig sind. So lange sie aber noch dünnwandig sind, häufen sie Traubenzucker in ihrem Innern an, um diesen später zur Wand- verdickung zu benutzen. Ganz gewöhnlich findet man dann alles sie umgebende Gewebe entweder ganz leer oder doch sehr arm an Zucker. Man beobachtet dieses sowohl im Stengel als im Blatt- stiel und den Nerven der Spreite bis in deren feinsten noch Bast- fasern führenden Verzweigungen, und endlich auch in der Wur- zel 3). Dass der beobachtete Traubenzucker in die betreffenden Zellen von aussen hereingewandert sein muss, sei es in der Form von Zucker, sei es in der einer verwandten Verbindung, leuchtet ohne Weiteres ein. Auffallend ist es aber, dass er sich dabei in diesen Zellen in so viel höherer Concentration befindet als in der Umge- bung, und dass er dennoch nicht in das übrige Gewebe hinaus diffundirt, sondern im Gegentheil fortwährend aus diesem aufge- 1) Sachs in Pringsheim’s Jahrbüchern. III. S. 240, 2) Opera III, S. 120. a) 2,4. 0:8. 143. 438 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nommen und in den Bastfasern aufgespeichert wird, bis in diesem eine genügende Menge für die Bildung der ganzen dicken Wand sich befindet. Dieselben Verhältnisse beobachtete ich in den jungen Bastfasern der Kartoffelpflanze, des Mais; sie scheinen in diesen Gebilden ganz gewöhnlich vorzukommen. Einen analogen Fall bilden die dickwandigen Haare, welche ebenfalls Zucker in sich aufhäufen, um ihn später in Cellulose um- zusetzen. Beim Klee 1) sahen wir diese Haare auf'den jungen Blät- tern, die Haare waren voller Zucker, das Parenchym enthielt aber keinen Zucker in nachweisbaren Mengen. Wir dürfen annehmen, dass Spuren von Zucker im Parenchym nicht fehlten, und dass die Haare aus dieser Quelle schöpften und den Zucker in sich anhäuf- ten. In den besonderen Eigenschaften dieser Haare haben wir dann cie Ursache zu suchen, weshalb der Zucker aus ihnen nicht zurück aiffundiren konnte. Einen weiteren Fall bilden die jungen Wurzelhaare, wenn sie reich an Zucker sind, ohne dass dieser Stoff in den sie tragenden Partien der Wurzel selbst zu finden wäre, wie wir solches ebenfalls bereits früher beim Klee beschrieben haben 2). Stärke findet sich in sehr auffallender Weise in den Schliessungs- zellen der Spaltöfinungen angehäuft, auch dann, wenn das übrige Gewebe des Blattes nirgendwo Stärke führt 3). Wir haben diesen Fall schon mehrere Male beschrieben. Etiolirte Blätter führen häufig ebenfalls Stärke in den Porenzellen. Wenn man grüne Blätter durch Verdunkelung stärkefrei zu machen sucht, so sieht man alles übrige Gewebe sich rasch entleeren, nur die Porenzellen bleiben voll. So waren sie z. B. nach viertägiger Verdunkelung einer Kartoffelpflanze, als die Blätter schon gelb wurden, noch gar nicht entleert. Es scheint demnach, dass diese Zellen die Stärke mit weit grösserer Kraft in sich zurückhalten, als das benachbarte Blattparenchym. Als besondere Fälle von Anhäufung bestimmter Stoffe in einzel- nen Zellen sind endlich wohl die meisten Idioblasten zu nennen. Z. B. die Gerbstoffzellen, welche bei Phaseolus multiflorus von Sachs beschrieben wurden, die Zellen mit oxalsaurem Kalk, mit Oeltropfen, mit verschiedenen Farbstoffen u. s. w. 1). 119..4..0,5.118: Du aa. O.S. 145. 3) Sachs, Pringsheim’s Jahrb. III. S. 243. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 439 Anhäufung in bestimmten Gewebeformen beobachtet man in erster Linie in dem eiweissführenden Weichbaste und in der Stär- kescheide. Ueber letztere werden wir im nächsten Paragraphen noch zu handeln haben, übrigens sind beide Fälle so bekannt, dass sie keiner weiteren Erörterung bedürfen. Als einen weiteren Fall dieser Abtheilung kann man die Krystallscheide betrachten, wie sie z. B. bei vielen Papilionaceen‘beobachtet wird. Wir haben sie für den Klee ausführlich beschrieben 1), Beispiele von Anhäufung einzelner Verbindung in ganzen Or- ganen sind ferner so allgemein bekannt, dass wir auch diese nicht besonders hervorzuheben brauchen. Ich erinnere nur an den hohen Zuckergehalt der Früchte, sowohl im reifen als bei vielen Arten zumal im unreifen Zustand, ferner an die bekannte Saugkrait aller jungen Theile, an die Honigdrüsen, an die Reservestofibehälter u. S. W. In allen diesen und zahlreichen anderen von Sachs (a. a. O.) angeführten Fällen finden wir erhebliche Unterschiede im Gehalte - benachbarter Zellen oder Gewebepartien an bestimmten Stoffen. Dabei findet offenbar nicht, wie man vielleicht erwarten würde, eine Bewegung von den Stellen grösserer Concentration zu denen geringeren Gehaltes statt, sondern grade umgekehrt bewegen sich die Stoffe stetig den Orten der Anhäufung zu. Bevor wir weiter gehen, will ich noch auf eine Erscheinung weisen, welche ebenfalls hierher gehört, und welche, mehr als die oben angeführten Verhältnisse, bis jetzt als eine höchst auffallen- de, kaum erklärliche Thatsache betrachtet wurde. Die unverletz- ten Wurzeln geben bekanntlich an das sie umringende Wasser oder den Boden, in dem sie sich verbreiten, von den Inhaltsstoffen ihrer Zellen so gut wie gar nichts ab. Wenigstens nicht von ihren wich- ` tigen Bildungsstoffen. Zwar wurde von Sachs nachgewiesen, dass die Wurzeln geringe Mengen einer Säure an die Umgebung abge- ben können, mittelst der sie Kalksalze lösen oder Lackmuspapier röthen können. Jedoch von den meisten Stoffen geben sie nichts ab. Es beruht dieses offenbar auf demselben Vermögen, Stoffe in sich anzuhäufen und zurückzuhalten, von dem wir oben sahen, dass es eine so wichtige Rolle bei der Vertheilung der Stoffe in der Pflanze spielt. Fragen wir jetzt, woher es kommt, dass alle diese Stoffe sich in bestimmten Zellen anhäufen und sich nicht gleichmässig über 1) Opera III, S. 104 und 122 ff. 440 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. die ganzen Gewebecomplexe verbreiten. Leider ist es nur erst in sehr wenigen Fällen möglich, auf Grund direkter Untersuchungen die Antwort auf diese Frage zu geben. Diese Fälle sind die An- häufung von Farbstoffen in bestimmten Zellen, und die des Rohr- zuckers in der Rübenwurzel. In beiden Fällen ist das Protoplasma für die betreffenden Stoffe impermeabel, wie daraus hervorgeht, dass sie weder aus dem Zellsafte durch das lebende Protoplasma austreten noch auch von aussen durch dieses in den Zellsaft ein- dringen Können. Für die grosse Mehrzahl der hierher gehörigen Fälle sind directe Untersuchungen noch nicht angestellt worden. Es wäre im In- teresse eines klaren Verständnisses der sehr complicirten hier ob- waltenden Erscheinungen sehr erwünscht, dass solche Untersu- chungen auf die meisten und wichtigsten Einzelfälle ausgedehnt würden, damit wir dadurch eine sichere Grundlage bekämen, um die Stoffwanderungslehre, welche jetzt sich fast nur mit der Be- schreibung der Vorgänge und mit der Klarlegung ihrer Beziehungen zu den übrigen Lebensvorgängen der Pflanze befasst, zu einer wirklich erklärenden Wissenschaft zu erheben. Denn nur wenn die Fermeabilitätseigenschaften des Protoplasma für eine grosse An- zahl von Fällen empirisch bekannt sind, kann man daran denken, die Ursache der Verbreitung einzelner Stoffe in bestimmten Fällen - aufzufinden. l Die Wichtigkeit dieser Aufgabe möge es entschuldigen, wenn ich hier einige Gesichtspunkte zu entwickeln suche, welche nach meiner Meinung bei der experimentellen Behandlung dieses Ge- genstandes maassgebend sein können. Die Art und Weise, wie der Widerstand des lebenden Protoplas- ma gegen den Durchgang gewisser Stoffe eine Trennung und örtliche Anhäufung wichtiger Verbindungen herbeiführt, kann man sich a priori sehr verschieden denken. Unter den möglichen Fällen sind die folgenden wohl die wichtigsten, und wie es scheint, die verbreitetsten im Pflanzenreich. 1) Eine Zelle setzt in ihrem Innern einen Stoff in eine unlösliche Verbindung um. 2) Eine Zelle setzt in ihrem Innern einen Stoff in eine Verbin- dung um, für welche ihr Protoplasma impermeabel ist. 3) Ein Stoff ist im Zellsafte einer Zelle in viel höherem Grade löslich als im Saft der umgebenden Zellen. In den beiden ersten Fällen kann die betreffende Zelle das um- gebende Gewebe eventuell völlig entleeren, in dem letzteren Falle WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 441 nıcht. Hier wird ein bestimmtes Verhältniss zwischen dem Gehalt der accumulirenden Zelle und der Umgebung nicht überschritten werden können. Betrachten wir jeden dieser drei Fälle etwas eingehender. Im ‚ersten Falle entsteht zunächst die Frage, weshalb setzt die betref- fende Zelle den fraglichen Stoff in eine unlösliche Verbindung um, und weshalb thun dies die umgebenden Zellen nicht. Offenbar kann dies nur auf der Anwesenheit eines anderen Körpers in erste- rer Zelle beruhen, und auf dem Mangel dieses Körpers in den übri- gen Zellen. Welcher Natur eine solche Verbindung ist, welche einen in einer Zelle hineindiffundirenden Stoff fortwährend in eine unlösliche Verbindung umsetzt, lässt sich natürlich a priori nicht beurtheilen. Jedenfalls aber muss das Protoplasma unserer Zelle für ihn impermeabel sein. Denn sonst würde er sich in die Umge- bung verbreiten und auch ausserhalb der Zellen seine Wirkung ausüben, es würde der Niederschlag nicht mehr, wie wir annahmen, auf die Zelle selbst beschränkt bleiben. Im ersten Falle beruht also die Möglichkeit der Anhäufung auf der Anwesenheit eines Fällungsmittels und auf der Impermeabili- tät des Protoplasma für dieses Fällungsmittel. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser Fall bei vielen, Stärke anhäufenden Zellen vorkommt. Häufig sehen wir, dass Traubenzucker zu ihnen strömt, ja nicht selten lässt sich feststel- ien, dass er in sie hinein diffundirt. Wenn dann dieser Zucker in Stärke umgesetzt wird, so muss offenbar eine Ursache für diese Umwandlung da sein, und diese kann wohl nur in einer vorhan- denen chemischen Verbindung gegeben sein. Eine solche chemi- sche Verbindung hätte also die entgegengesetzte Eigenschaft der Diastase, welche die Stärke wieder in Traubenzucker zurückver- wandelt. Es ist mir wahrscheinlich, dass in allen Zellen, in denen Stärke gelöst und in Traubenzucker behufs des Verbrauches oder des Transportes umgesetzt wird, Diastase oder ein ähnliches Fer- ment auftritt, und dass auch für dieses das Protoplasma der be- treffenden Zellen impermeabel ist. Denn auch die Auflösung der Stärke ist häufig eine örtlich scharf umschriebene Erscheinung. Für den zweiten Fall gelten mutatis mutandis dieselben Be- trachtungen wie für den ersteren. Auch hier bedarf es eines Stoffes, welche die zuströmende Verbindung in die anzuhäufende umsetzt, und auch hier darf das Protoplasma für jenen Stoff nicht permeabel sein. Denn sonst würde er sich ja in die Umgebung verbreiten, und 442 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. die Umwandlung würde aufhören, auf der betreffende Zelle be- schränkt zu sein. In diesem Falle beruht also die Möglichkeit der Anhäufung auf der Undurchlässigkeit des Protoplasma für zwei Stoffe; erstens für den aufzuspeichernden Körper; zweitens aber für die als Umwandlungsmittel thätige Verbindung. Man kann das Umwand- ` Jungsmittel, dort wie hier, als ein Ferment betrachten. Zur Erläuterung dieses Falles diene die Aufspeicherung des Rohrzuckers in der Rübe sowie in anderen Pflanzen. Nehmen wir an, diejenigen Zellen, welche in der heranreifenden Rübe Rohr- zucker ablagern werden, enthalten in der noch ganz jungen Rübe ein Ferment, welches im Stande ist, Traubenzucker in Rohrzucker umzusetzen, und ihr Protoplasma sei für diesen und für das Fer- ment impermeabel. Die Blätter führen jetzt stetig Traubenzucker in die Wurzel hinab, welcher sich dort verbreitet. In den erwähn- ten Zellen angelangt wird er aber zum Theil in Rohrzucker um- gesetzt, der jetzt offenbar die Zelle nicht mehr verlassen kann; der nicht verwandelte Theil des Traubenzuckers verbreitet sich in entferntere Zellen, unterliegt hier aber demselben Prozesse, bis endlich nahezu aller Traubenzucker in Rohrzucker umgewandelt ist. Vollständig kann die Umwandlung deshalb nicht sein, weil offenbar immer noch ein Theil als Traubenzucker in den feineren Theil der Hauptwurzel und die Verästelungen dieses 'Theiles geht, um dort für das Wachsthum verbraucht zu werden. Die beiden Annahmen reichen also zur Erklärung des thatsäch- lichen Verhaltens vollkommen aus. Aber sie sind dazu auch uner- lässlich. Denn wollten wir z. B. die Annahme der Impermeabilität des Protoplasma für das Ferment fallen lassen, so wäre gar nicht einzusehen, weshalb sich das Ferment nicht über die ganze Pflanze gleichmässig verbreiten, und überall den Traubenzucker in Rohr- zucker umsetzen würde. Gleichfalls würde die Annahme einer Durchlässigkeit des Protoplasma für Rohrzucker als nothwendige Folge eine gleichmässige Vertheilung des Rohrzuckers über die ganze Pflanze zur Folge haben. Ueberdies ist aber die Impermea- bilität des Protoplasma für diese Zuckerart experimentell bewiesen. Als dritten Fall nahmen wir an, dass der anzuhäufende Stoff einfach im Zellsafte einer bestimmten Zelle in höherem Grade löslich sei als in dem Safte der umgebenden Zellen. Hier ist offen- bar eine Accumulation möglich, ohne dass das Protoplasma für den betreffenden Körper impermeabel sei, ja es muss sogar per- BR WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 443. meabel für ihn sein, damit er in die Zelle eindringe und sich an- häufen könne. Fragen wir aber, woher die verschiedene Löslichkeit jener Ver- bindung in den verschiedenen Zellen rührt, so ist die einfachste Antwort die Annahme, dass die anhäufende Zelle irgend einen Stoff enthalte, welcher die Löslichkeit ihres Zellsaftes für die auf- zuspeichernde Verbindung erhöht. Wir wollen unsere Betrach- tungen auf diese Annahme beschränken. Offenbar muss aber dieses Vehikel wieder, wie die Fermente in den beiden ersten Fällen, solcher Natur sein, dass es nicht durch das Protoplasma durchdringen kann. Denn sonst würde es sich, wie dort die Fer- mente, verbreiten, und ein Unterschied zwischen benachbarten Zellen wäre nicht mehr möglich. Also auch im dritten Falle beruht die Möglichkeit der Anhäufung auf der Undurchlässigkeit des Protoplasma, und zwar hier für das Lösungsmittel des anzuhäufenden Stoffes, d. h. für jene Verbindung, deren Anwesenheit es verursacht, dass der erstere Stoff in den be- treffenden Zellen in höherem Grade löslich ist als in anderen Zellen. Wir wollen jetzt auch diesen Fall an einem Beispiele näher ausarbeiten. Es handelt sich also um die Anhäufung derselben chemischen Verbindung, welche auch den aufspeichernden Zellen zugeleitet wird. Dieses kommt bei vielen reifenden Früchten in Bezug auf den Traubenzucker vor, wenn wir wenigstens der ge- wöhnlichen Ansicht folgen, dass der Kupferoxyd reducirende Körper in den Fruchtstielen und in dem Fruchtfleische dieselbe chemische Verbindung ist. Wir brauchen dann nur ein Lösungs- mittel für Traubenzucker in den Zellen des Fruchtileisches an- zunehmen, um es erklärlich zu finden, wie es kommt, dass in der Frucht die Concentration des Zuckers eine soviel höhere ist als ım Stiele und in den tragenden Theilen des Stengels, wie dies gewöhnlich z. B. auch bei der Kartoffelpflanze der Fall ist. Nur unter dieser Annahme erklärt es sich, weshalb der Zucker fort- während grade von den Orten, wo er spärlich ist, nach der mit Zucker bereits überladenen Frucht zuströmt. Dass dabei aber das Lösungsmittel die Frucht nicht verlassen darf, leuchtet wohl ohne weiteres ein. Es ist selbstverständlich möglich, dass die drei von mir hervor- gehobenen Fälle mit einander, oder auch mit anderen combinirt auftreten. Als wahrscheinliches Beispiel einer solchen Combina- tion möchte ich die Aufspeicherung des Inulins in den Knollen der Georgine betrachten. Inulin ist in kaltem Wasser nur spurweise lös- 444 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. lich, der Saft der Knollen enthält es aber in grosser Menge, zu nahezu 10 pCt. Daraus folgt, dass dieser Saft noch ein besonderes Lösungsmittel für Inulin enthalten muss, und dass hier also unser dritter Fall anzunehmen ist. Aber es entsteht das Inulin, soviel wir wissen, aus dem Traubenzucker, den man im Stengel beobachten kann, was zu unserem zweiten Falle führt. Es wäre möglich, wenn auch nicht grade wahrscheinlich, dass das Ferment, welches den Traubenzucker in Inulin umsetzt, zugleich als Lösungsmittel dien- te; jedenfalls muss aber das Protoplasma wenigstens für das Fer- ment und das Lösungsmittel impermeabel sein. Unsere Ausführungen leiten zu der Annahme einer Impermeabi- lität des Protoplasma für eine Reihe von Stoffen, derart, dass diese Eigenschaft auf bestimmte Zellen oder Zellengruppen von grös- serem oder geringerem Umfange beschränkt sein mag. Auch ist wahrscheinlich, dass diese Eigenschaften des Protoplasma je nach den Organen und je nach den Pflanzenarten verschiedene sein wer- den. Es wäre eine wichtige Aufgabe, diese Sätze durch geeignete Experimente zu prüfen und das zu ihrer Anwendung auf bestimmte Fälle nöthige Beobachtungsmaterial zu gewinnen. Ferner muss es eine Reihe von Fermenten und Lösungsmitteln im Pflanzenkörper geben, deren Natur uns noch gar nicht bekannt ist, welche aber dessenungeachtet eine sehr wichtige Rolle bei der Stoffwanderung spielen. Auch die Lösung dieser Aufgabe würde zu der Kenntniss interessanter Thatsachen leiten. In Abwartung solcher Untersuchungen wollen wir uns jetzt die Frage vorlegen, welche Folgerungen aus unseren Betrachtungen für die Beurtheilung der Resultate mikrochemischer Analysen abzuleiten sind. Wenn wir durch geeignete mikrochemische Reactionen uns überzeugt haben, welche in irgend einem Organ die Vertheilung der Bildungsstoffe ist, so ist nach Obigem die nächste Frage, weshalb die Vertheilung grade so ist, weshalb nicht alle nach- weisbaren Verbindungen gleichmässig über alle Zellen des Organs vertheilt sind. Nach unserer Definition kann dies nur liegen in der Accumulation der betreffenden Verbindungen in den Zellen, wo wir sie fanden; bestände eine solche Accumulation nicht, so wäre eine gleichmässige Vertheilung auf die Dauer die nothwendige Folge. Welche Ursache nun der Accumulation in jeder einzelnen Zelle zu Grunde liegt, ist ohne weitere Untersuchungen meist nıcht zu sagen. Aber es genügt zu wissen, dass wir einen Stoff des- halb in einer Zelle finden und in einer benachbarten nicht, weil in 2 = WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 445. jener eine Ursache für diese Anhäufung gegeben ist, in dieser nicht. Hieraus folgt ferner, dass, wenn nicht etwa eine ganze Pflanze gleichmässig mit einer Verbindung erfüllt ist, die Vertheilung durch die Accumulationsursachen bedingt wird. Und umgekehrt, dürfen wir aus der beobachteten Vertheilung auf die relative Fähig- keit der einzelnen Zellen und Organe zur Accumulation schliessen. Das Ausbleiben einer mikrochemischen Reaktion berechtigt nur in den seltensten Fällen zu dem Schlusse, dass der gesuchte Kör- per gar nicht vorhanden sei. Bei festen Bestandtheilen möge eine solche Folgerung noch erlaubt sein, für Lösungen ist sie es gewiss, nicht. Die Beobachtung zeigt nur, dass keine durch das Reagenz unter den obwaltenden Verhältnissen nachweisbare Mengen da sind. In geringen Mengen kann der Körper immer noch vorkom- men, darüber lehrt uns die mikrochemische Analyse nichts. Es ist nicht selten, dass die makrochemische Untersuchung Spuren auch von den leichter nachweisbaren Stoffen anzeigt, obgleich diese Spuren unter dem Mikroskope im Gewebe nicht wiedergefunden werden können. Wir haben noch andere Beweise, dass Stoffe an Stellen vorkommen müssen, wo wir sie nicht nachweisen können. Ich meine jene Fälle, wo wir aus physiologischen Gründen an- nehmen müssen, dass ein Körper ein Gewebe durchwandert, wo die mikroskopischen Reactionen ihn aber nicht nachweisen kön- nen. Ich möchte für solche Fälle den Namen der ‚„unterbrochenen Bahnen” vorschlagen, und will hier einige Beispiele zur näheren Erläuterung zusammenstellen. Zunächst jene Fälle, wo die Bahnen nur auf kürzeren Strecken unterbrochen scheinen 1), Im Meristem der Knospen sind die zur Wandbildung daselbst erforderlichen stickstofflosen Verbindungen nicht nachweisbar. Ebenso ist es im Cambium. Im Meristem der Wurzelspitze sind die zur Haube wandernden Kohlenhydrate, welche wir in der Haube stets als Stärke vorfin- den, nicht nachweisbar. In den keimenden Samen der Gramineen trennt das Epithel des Scutellums den Keim vom Endosperm. Obgleich nun nach und nach. die ganze Menge der Stärke des Endosperms durch das Epithel in das Scutellum tritt, lässt sich im Epithel selbst nie Stärke oder Traubenzucker, oder ein anderes lösliches Kohlenhydrat nach- weisen. 1) Vergl. Sachs, Pringsheim’s Jahrbücher. HI. S. 183. 446 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Im grünen Kohlensäure zerlegenden Blattparenchym finden wir in der Regel keine löslichen Kohlenhydrate, und nur dann Stärke, wenn grössere Mengen Kohlensäure assimilirt und Kohlenhydrate gebildet werden, als in gleicher Zeit in den Blattstiel hinunterge- schafft werden können. In schwachem Licht wächst manche Pflanze wohl Monate lang ohne merkliche Stärkebildung in ihren Chlo- rophylikörnern. In allen diesen Fällen können wir die wandernden Kohlenhydrate nicht nachweisen. Es kommt aber gleichfalls häufig vor, dass die Bahnen der Bil- dungsstoffe auf längeren, bisweilen auf sehr langen Strecken unter- brochen scheinen. Ganz allgemein kommt dieser Fall bei Wurzeln vor, zumal, wenn sie sehr lang sind. Sie führen dann in der wachsenden Spitze Eiweiss, Stärke und Zucker, zwischen dieser und den oberirdischen Theilen, resp. dem Wurzelstamme findet man keine Bildungsstoffe auf der Wanderung. Die schönsten Beispiele hierzu lieferten mir wiederholt die Wurzeln des Mais, andere Beispiele habe ich in diesen Beiträgen mehrfach beschrieben und abgebildet 1). Auch bei Keimpflanzen kommt es häufig vor, dass eine mittlere, scheinbar leere Region die assimilirenden Organe von den wach- senden Wurzelspitzen abtrennt, wie wir dies z. B. beim Klee ge- sehen haben 2). In der vegetativen Periode findet man nicht selten diejenigen Organe, welche offenbar mit der Leitung wichtiger Bildungsstoffe beschäftigt sind, während kräftiger Assimilation und intensiven Wachsthums, dennoch leer von nachweisbaren Inhaltsstoffen. So z. B. beim Klee 3), ferner bei der Kartoffelpilanze im Herbste, wo offenbar häufig alle assimilirten Bildungsstoffe sofort fortge- schafft und in den wachsenden Theilen verbraucht werden, so dass eine Anhäufung nirgendwo möglich ist 4) Auch die Stärkescheiden sind keineswegs immer ununterbro- chene Bahnen, im Gegentheil, es kommen auch in ihnen, sowohl in der Keimungsperiode als im späteren Leben leere Stellen vor. Letzteres findet man z. B. sehr schön in Maispflanzen mit reifen- den Früchten, wo die Stärke der Stärkescheiden sich allmählich auf die Knoten des Stengels beschränkt, um hier noch lange zu 1) Z.B. Beitrag I, Opera III, Taf. II, Fig. 10—12. 2) Z.B. Beitrag I, Opera III, Taf. I, Fig. 4—6 und S. 52. 3) Beitrag Il, Opera III, Taf. I, Fig. I. 4) Beitrag V, Opera IH. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 447 bleiben und erst sehr spät in Traubenzucker umgesetzt und weg- geführt zu werden. | ' Dass ältere Gefässbündel, zumal monocotyler Pflanzen häufig keine sichtbaren Mengen Eiweiss enthalten, ist ebenfalls eine be- kannte Thatsache, für welche die unteren Internodien erwachsener Maispflanzen den schönsten Beweis abgeben. Dennoch muss hier Eiweiss zu den Wurzeln geleitet werden. Es wäre leicht, diese Beispiele noch mit einer langen Reihe weiterer Fälle zu vermehren, jedoch mögen die mitgetheilten ge- nügen, um das häufige Vorkommen von „unterbrochenen Bahnen” zu beweisen, und darzuthun, dass häufig auch an solchen Stellen Stoffe sich bewegen, ja in nicht unbedeutenden Mengen transportirt werden, wo wir sie nicht nachweisen können. Diese Fälle bestätigen also unsere oben abgeleitete Folgerung, dass die mikrochemischen Befunde uns nicht so sehr über das ausschliessliche Vorkommen der nachgewiesenen Stoffe in be- stimmten Gewebepartien, als wohl über die Vertheilung des Ac- cumulationsvermögens für die betreffenden Stoffe über die ver- schiedenen Gewebeformen und Organe belehren. Wir werden im nächsten Paragraphen für einen bestimmten Fall sehen, dass die Anwendung der hier angedeuteten Prinzipien zu einer richtigen Beurtheilung und vollständigeren Kenntniss der Stoffwanderungsvorgänge führen kann. 88. Die Zuckerscheide. Die Kohlenhydrate bewegen sich aus den Blättern und den Re- servestofibehältern nach den Orten des Verbrauchs oder der Ab- lagerung durch parenchymatische Gewebeschichten (Sachs). Diese Regel ist aber keineswegs so zu verstehen, als ob. alles Parenchymgewebe in gleichem Maasse die Fähigkeit haben sollte, die Kohlenhydrate zu leiten. Im Gegentheil, es ist in dieser Be- ziehung überall mehr oder weniger deutlich eine Differenzirung bemerkbar. Allgemein bekannt ist dieses, durch die schönen Untersuchungen von Sachs, für die Stärke 1). Dieses Kohlenhydrat findet sich vor- wiegend in einer bestimmten Schicht des Parenchyms, der Stärke- . schicht oder Stärkescheide. Diese Schicht umgiebt die Gefäss- bündel, und zwar hat entweder jedes einzelne Bündel seine eigene Stärkescheide, wie die grösseren Bündel des Mais, oder sämmt- 1) Sachs in Pringsheim’s Jahrbüchern Ill. S. 194. 448 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. liche Stränge haben nur eine gemeinschaftliche Stärkeschicht, welche sie alle umgiebt, wie bei Phaseolus. Die Stärkeschicht ist nicht nur durch ihrem Gehalt an Stärke, sondern auch durch ihren Bau scharf charakterisirt. Sie ist immer nur aus einer einzigen Zellenlage gebildet, deren seitliche Wände auf dem Querschnitt bei jungen Organen radial gestellt sind; ihre Zellen sind kleiner als die des angrenzenden Parenchyms und schliessen an das Ge- webe des Gefässbündels ohne Intercellularräume an. Je nachdem nun ein Organ ärmer oder reicher an Stärke ist, findet sich dieses Kohlenhydrat ausschliesslich in der Scheide, oder auch in geringeren oder grösseren Theilen des übrigen Pa- renchyms. „Wenn die Zellen der Stärkeschicht in Bezug auf Stärkeführung den ersten Rang einnehmen, so gebührt den Mark- zellen, welche dem Holztheil der Gefässbündel am nächsten liegen, cer zweite, und den Rindenzellen ausserhalb des Stärkeringes der dritte Rang in dieser Hinsicht; tritt nämlich ausser dem Stärkering in fertig gestreckten Theilen noch Stärke auf, was nach der Blüthe- zeit gewöhnlich erfolgt, so erscheint sie zunächst im Umfange des Markes und dann in den inneren Rindenzellen um den Stärkering her- um” I). Die Stärkeschichten bilden, wie die Gefässbündel selbst, in der ganzen Pflanze ein zusammenhängendes System, welches. die Hauptbahnen für die Bewegung der Stärke umfasst. Wenden wir auf diese Resultate der mikrochemischen Unter- suchung die im vorigen Paragraphen entwickelten Ansichten an, so haben wir zunächst die Frage zu beantworten, weshalb die Stärke grade in der Stärkescheide vorwiegend abgelagert wird. Eine specielle Beantwortung dieser Frage ist ohne eingehendere- Untersuchungen nicht möglich, jedoch sehen wir leicht ein, dass die fragliche Ursache zu dem Complexe von Ursachen gehört, welche nach unseren obigen Erörterungen die Accumulation be- dingen. Die Zellen des Stärkeringes haben in viel höherem Grade das Vermögen der Accumulation für Stärke als alle anderen Paren- chymzellen, sie werden also bereits aus sehr verdünnten Lösungen Stärke ablagern und dagegen diese gegen lösende Kräfte mit gros- ser Energie festhalten. Deshalb füllen sie sich zuerst, und deshalb entleeren sie sich am spätesten, wie wir dies schon so häufig ge- sehen haben. In geringerem Grade haben die äusseren Markzellen, in noch geringerem die inneren Rindenzellen ein solches Accu- mulationsvermögen. Worin das Accumulationsvermögen für Stär- DI S2chs, a.a. O. 5. 196. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. ‚449 ke liegt, bleibt, wie gesagt, zu untersuchen; Hypothesen darüber kann man leicht aus den im vorigen Paragraphen dargelegten Prinzipien ableiten. Nach dieser Einleitung komme ich jetzt zu dem eigentlichen Gegenstande dieses Abschnittes, die Vertheilung des Trauben- zuckers über die verschiedenen Gewebeschichten der leitenden Organe. | jeder Leser, der die Beschreibungen der Vertheilung der plasti- schen Stoffe in den leitenden Organen der Pflanzen, wie wir sie in diesem und den vorigen Beiträgen beschrieben haben, aufmerksam gefolgt ist, wird bemerkt haben, dass der Traubenzucker keines- wegs gleichmässig über diese Organe vertheilt ist, sondern dass gewisse Schichten daran reicher sind als andere. Ein Blick auf die beigegebenen Tafeln, zumal auf die Querschnitte von Stengeln und Blattstielen wird diese Thatsache völlig klar werden lassen. Ich werde versuchen, zu zeigen, dass die Vertheilung des Trau- benzuckers eine ähnliche Regelmässigkeit erkennen lässt als die der Stärke, und dass man, ebenso wie es eine Stärkescheide giebt, auch eine „Zuckerscheide” unterscheiden muss. Ich glaube, dass durch die Einführung dieses Begriffes wenigstens die Uebersicht der Erscheinungen bedeutend erleichtert wird, und dass es mittelst dieses Begriffes gelingen wird, die scheinbar sehr zahlreichen Ab- weichungen von der Regel auf ein sehr einfaches Schema zurück- zuführen. Auch glaube ich, dass der Begriff der Zuckerscheide einiges Licht über die Verbreitung des Rohrzuckers in der Zuckerrübe werfen wird, und es ist dies eine der Ursachen, welche mich be- stimmen, die Begründung des neu aufgestellten Begriffes diesem Beitrage einzuverleiben. Bereits im § 4 habe ich das Wort Zuckerscheide einige Male benutzt, obgleich ich die ausführliche Begründung auf diese Stelle verschieben musste. Es geschah dies eben deshalb, weil die Be- nutzung dieses Wortes die Beschriebung in sehr fühlbarer Weise erleichtert. Bevor ich weitergehe will ich, um Missverständnissen vorzu- beugen, bemerken, dass die Zuckerscheide nicht etwa, wie die Stärkescheide, ein scharf umschriebenes anatomisches Gebilde ist, über deren Grenzen kein Zweifel bestehen kann, dass sie im Gegentheil zwar gegen das Gefässbündel scharf begrenzt ist, aber auf der anderen Seite sehr allmählich in das Parenchym 29 450 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. übergeht, ohne dass eine bestimmte Grenze auf anatomischem oder physiologischem Wege zu erkennen wäre. Keine Pflanze zeigt die in Frage stehenden Verhältnisse in schönerer Weise als diejenige, welche den Gegenstand dieses Beitrages bildet. Es ist daher natürlich, dass wir die Rübe auch hier in den Vordergrund unserer Betrachtungen stellen und andere Pflanzen nur insoweit beachten, als erforderlich ist, um uns ein Urtheil über die Allgemeinheit der abgeleiteten Regeln bilden zu können. Ich habe auf Taf. I in den Figuren 4—7 einige Querschnit- te durch Blattnerven und Stiele dargestellt, welche die hier zu beschreibende Vertheilung des Zuckers deutlich zeigen, und als Erläuterung der jetzt folgenden Ausführungen dienen mögen. Die Figuren stellen drei Fälle dar. Entweder ist der Zucker sleichmässig über das Parenchym vertheilt, wie in Fig. 4; dieses kommt nur in den noch wachsenden Blattstielen vor, welche aus diesem und anderen Gründen von unseren Betrachtungen auszu- schliessen sind. Oder gewisse Gewebepartien sind reicher, andere ärmer an Zucker; dieses ist in ausgewachsenen Blattstielen thätiger Blätter der normale Fall. Es kann dabei vorkommen, dass nur die Umge- bung der Gefässbündel Zucker führt, (Fig. 5. 6.), oder dass dieser auch noch im mittleren Parenchym der Vorderseite, hinter der dort befindlichen Collenchymplatte beobachtet wird. Letzterer Fall ist seltener und scheint nur dann vorzukommen, wenn sehr grosse Mengen Zucker gleichzeitig durch den Stiel hinuntergelei- tet werden. Ich nenne nun die nächste Umgebung eines Gefässbündels seine Zuckerscheide. Die innere Grenze dieser Scheide bildet die Stärke- schicht, oder, wo eine solche fehlt, die Grenze des Gefässbündels selbst. Eine äussere Grenze ist aus zwei Gründen nicht scharf an- zugeben. Erstens, weil die Zuckerscheide ganz allmählich in das zuckerarme oder zuckerlose Parenchym übergeht, zweitens aber, weil die Zuckerscheide je nach Umständen eine grössere oder ge- ringere Dicke hat. Ist der Stiel reich an Zucker, so ist die Scheide breit, wird er ärmer, so wird die Scheide immer dünner. Die Blattstiele der Rübe führen also für gewöhnlich nur in ihren Zuckerscheiden Traubenzucker, bei grösserem Reichthum aber auch im -mittleren Parenchym der Vorderseite. Die einzelnen Zuckerscheiden sind je nach ihrem Gehalt an Zucker mehr oder weniger scharf von einander getrennt. Je näher zwei Gefässbündel einander liegen, und je breiter ihre Zuckerschei- ni WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 451 den sind, um so mehr werden diese miteinander zusammenflies- sen. Daher sieht man in den Figuren 5 und 7 die kleineren seit- lichen Stränge mit getrennten, die grösseren mittleren Stränge mit zusammenhängenden Zuckerscheiden. Nach diesen Erläuterungen wird man dieselben Verhältnisse auch bei anderen Pflanzen leicht wiederfinden. Wir haben davon schon so häufig Beispiele gegeben, dass es überflüssig wäre, diese alle hier aufzuzählen. Ich verweise daher einfach auf die früheren Beiträge und die ihnen beigegebenen Tafeln, und theile hier die allgemeine Regel mit, welche mir aus allen diesen Beobachtungen hervorzu- gehen scheint. Bei geringem Zuckergehalt ist der Traubenzucker gewöhnlich auf die Zuckerscheide der Gefässbündel beschränkt, sie erstreckt sich innerhalb dieser Scheide um so weiter vom Ge- fässbündel aus, je zuckerreicher das Organ ist. Bei grösserem Zuckerreichthum führen auch andere Partien des Grundgewebes dieses Kohlenhydrat, in erster Linie das Rindengewebe. Nur bei sehr reichlicher Zufuhr enthalten alle Zellen des Parenchyms Zucker. Die Zuckerscheide weicht in ihrem anatomischen Baue, wenn auch nicht sehr auffallend, doch in einer Hinsicht ab, welche für ihre physiologische Bedeutung von Wichtigkeit zu sein scheint. Inre Zellen haben eine mehr cylindrische Gestalt als die des übrigen Parenchyms. Und zwar sind ihre Zellen um so enger und um so länger, je näher sie dem Gefässbündel liegen, dagegen nähern sie sich um so mehr der Kugelform oder der Gestalt eines regelmässigen Polyeders, je entfernter vom Strange man sie unter- sucht. Es liegt die Annahme nahe, dass die langen, inneren Zellen für die Leitung des Zuckers schon deshalb geeigneter sein werden als die übrigen, weil ihr Gewebe auf derselben Strecke die ge- ringste Zahl von Querwänden bietet. Schon aus diesem Grunde muss das Leitungsvermögen der Zuckerscheide für Zucker von innen nach aussen abnehmen. Jetzt haben wir noch die Vertheilung des Zuckers innerhalb der Zuckerscheide zu betrachten, und wollen diese zunächst auf dem Querschnitte untersuchen, um sie nachher auf Längsschnitten zu verfolgen. Auf Querschnitten ist es bei gelungenen Reactionen fast immer sehr deutlich, dass der Gehalt der einzelnen Zellen an Zucker um so grösser ist, je näher sie dem Gefässbündel liegen. Es. nimmt, soviel man nach mikrochemischen Befunden urtheilen darf, die Concentration des Zellsaftes in Bezug auf Zucker in der Scheide 452 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. von innen nach aussen stetig ab. Es gilt diese Regel sowohl für breite, zuckerreiche Scheiden, als für schmale, zuckerarme, und es scheint, dass die inneren Zellen selbst ebenfalls um so mehr Zucker führen, je reicher das Ganze, je breiter also die Scheide ist. Auch in der Richtung der Achse des Organes ist der Gehalt der Zuckerscheide keineswegs überall und stets derselbe. So viel ich jetzt urtheilen kann, nimmt wenigstens in Blättern der Zuckerge- halt in den Seitennerven, durch den Mittelnerven und den oberen Theil des Stieles nach dessen Basis hin gewöhnlich allmählich zu. Jedoch scheinen auch Fälle vorzukommen, wo der ganze Stiel: überall gleich reich an Zucker ist; oder wo der Zucker an einzelnen bestimmten Stellen (wohl aus besonderen Gründen, wie im Blatt- polster des Klee’s) in grösserer Menge abgelagert ist. Allgemein scheint aber die Regel zu sein, dass das Blattparenchym und die feinsten Nervenendigungen sehr arm an Traubenzucker sind, dass. der Mittelnerv daran reicher, der Stiel aber am reichsten ist. Für diesen, wie mir scheint, wichtigen Satz möchte ich jetzt einige Belege anführen. Sachs machte bereits darauf aufmerksam, dass man im grünen, assimilirenden Blattparenchym keinen Traubenzucker nachweisen könne, empfahl diese Thatsache aber noch genauerer Prüfung 1). Ich habe das grüne Blattparenchym erwachsener Blätter mehrfach auf Zucker untersucht, nie aber solchen in den grünen Zellen mi- krochemisch nachweisen können. Häufig ist es schwer, sich dabei vor Täuschungen zu hüten, weil meist ein Zerquetschen des frischen Gewebes vor der Reaction nothwendig ist, und nicht selten die feineren Nervenzweige Traubenzucker führen, wie wir dies beim Klee ‘(wo der Zucker in den jungen Bastfasern lag) ausführlich be- schrieben haben 2). Von dem Mangel des Zuckers in den chloro- phyliführenden Zellen der erwachsenen Blätter überzeugte ich mich beim Klee, der Kartoffel, der Rübe und dem Mais. Bei der Zucker- rübe giebt Droysen, wie wir oben gesehen haben, an, dass er Zucker im Parenchym gefunden habe, aber nur in sehr geringen Mengen. Auch ist es aus seiner Mittheilung nicht ersichtlich, in welchen Zellen der Zucker lag. Da nun das Ausbleiben einer mi- krochemischen Reaction nie über die vollständige Abwesenheit des gesuchten Körpers entscheiden kann, und pyhsiologische Gründe dafür sprechen, dass Spuren von Zucker wohl immer im grünen: 1) Pringsheim’s Jahrbücher III. S. 243. 2) Opera III, S. 121. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 453 Gewebe vorkommen mögen, so wollen wir als Resultat aller die- ser Beobachtungen den Satz hinstellen: Die chlorophyliführenden, Kohlensäure zerlegenden Zellen erwachsener Blätter führen gewöhn- lich keine mikroskopisch nachweisbaren Mengen Traubenzucker ‚oder höchstens Spuren dieser Verbindung. Ich darf nicht unterlassen, den Satz noch in einer Weise zu beschränken. Denn es ist selbstver- ständlich, dass Blätter, welche gleichzeitig als Ernährungsorgane und als Reservestoffbehälter fungiren, mitunter reich an Trauben- zucker sein mögen. So viel mir bekannt, ist dieser Fall bis jetzt noch nicht untersucht, doch dürfte er vielleicht bei den Blättern der Fettpflanzen und wintergrünen Gewächse vorkommen 1). Im Parenchym der Blattstiele tritt Traubenzucker ganz gewöhn- lich auf, wie bereits von Sachs 2) gefunden wurde und wie ich in mehreren Fällen bestätigen konnte. Im Parenchym der Nerven findet man je nach Umständen mehr oder weniger Zucker, und es lässt sich im allgemeinen aussagen, dass die Nerven daran um so ärmer sind, je dünner sie sind. In Kleeblättern kann man hier ge- wöhnlich keinen Zucker nachweisen, obgleich die Polster und der Stiel dicht mit Zucker gefüllt sind; nur im Mittelnerven war Zucker in der Regel nachweisbar 3). In den Blättern der Kartoffel- pflanze, der Zuckerrübe und des Mais fand ich in den dünneren Nerven keinen Zucker, in den dickeren aber um so mehr, je dicker der Nerv war, am meisten im unteren Theil des Mittelnerven, wo der Zuckergehalt allmählich in den des Stieles (resp. der Blatt- scheide) übergeht. Aus diesen Beobachtungen kann man wohl mit voller Gewiss- heit den Satz ableiten, dass in den Blättern der Traubenzucker keineswegs, einfachen Diffusionsgesetzen folgend, vom Orte der höchsten Concentration gegen den der geringsten Concentration strömt, sondern dass er grade im Gegentheil wegfliesst vom Blatt- parenchym, dessen Zuckergehalt nur sehr klein ist, und sich da- bei auf einer Bahn bewegt, wo die Concentration, im Ganzen und Grossen genommen, fortwährend zunimmt. Wo er sich an der Basis des Blattstieles in den Stamm ergiesst, dort ist der Gehalt seiner Lösung am grössten. Es müssen also in den Zellen der Zuckerscheide besondere Vorrichtungen sein, welche eine Bewe- 1) Vergl. auch Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4 Aufl. S. 675. und E. Mer in Bot. Jahresbericht. I. S. 313. 2) Pringsheim’s Jahrbücher II. S. 244. 3) Opera III, S. 121. 454 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. gung in der angegebenen Richtung unter diesen Umständen er- möglichen, und nach der oben vorgeschlagenen Bezeichnungs- weise dürfen wir diese Vorrichtungen darin erblicken, dass das Ac- cumulationsvermögen der Zellen der Zuckerscheide von den fein- sten Nervenendigungen aus nach der Basis des Stieles zu im Gan- zen und Grossen zunimmt. Diese stetige Zunahme scheint häufig nicht auf die Blätter be- schränkt zu sein, sondern in der ganzen Pflanze obzuwalten, so- weit man den Transport des Traubenzuckers verfolgen kann. Beim. Klee sind die ausgewachsenen Stengelinternodien gewöhnlich zuckerreicher als die Blattstiele, ebenso bei der Kartoffelpflanze, dennoch wandert in beiden der Zucker aus letzteren in die erste- ren hinein. In der Kartoffielpflanze wandert im Hochsommer fast die ganze Menge des stickstofffreien Bildungsmaterials in der Form von Traubenzucker im Stengel abwärts und tritt aus der Stengel- basis in die Stolonen hinein. Letztere sind viel reicher an diesem Kohlenhydrate als der Stengel. Beim Mais endlich ist der ganze Stamm kurze Zeit bevor der raschen Streckung äusserst dicht mit Traubenzucker angefüllt, die Blätter und sogar die zuckerreiche Blattscheide führen einen merklich geringeren Gehalt. Es liesse sich die Zahl dieser Beispiele leicht noch bedeutend vermehren. In allen diesen Fällen nimmt der Gehalt der Zellen auf der ganzen Bahn der Bewegung des Traubenzuckers in der Richtung dieser Bewegung im Grossen und Ganzen stetig zu. Es ist wahrscheinlich, dass eine solche Einrichtung die Bewe- gung des Zuckers sehr beschleunigen und die Anhäufung an den Orten des Verbrauches begünstigen kann. Es wäre aber sehr wichtig, zu wissen, welche Eigenschaften der leitenden Zellen diese eigenthümliche Art der Diffusion herbeiführen. Bis jetzt habe ich meine Erörterungen ausschliesslich auf die Resultate mikrochemischer Analysen gestützt. Mancher Leser wird vielleicht Anstoss daran nehmen, dass man mittelst dieser Metho- de Sätze über Concentrationsunterschiede aufzustellen versucht. Doch glaube ich, dass diejenigen, welche selbst diese Reactionen gemacht haben und sich ein Urtheil gebildet haben über die sehr wechselnde Intensität, mit der sie auftreten, dieser scheinbaren Schwierigkeit kein grosses Gewicht zuerkennen werden. Ich bin aber selbst der Meinung, dass es sehr erwünscht sein würde, wenn obige Resultate auch auf makrochemischem Wege geprüft wür- den, ja ich halte dafür, dass man auf diesem Wege zu einer WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 455 präciseren Fassung der Sätze und genaueren Kenntniss der Er- scheinungen gelangen könnte. Es lässt sich aber nicht läugnen, dass die makrochemische Un- tersuchung mit beträchtlich grösseren Schwierigkeiten zu kämpfen hat als die mikroskopische, und zwar aus dem Grunde, weil sie uns "immer nur Mittelzahlen für das jedesmal untersuchte Material giebt. Und grade bei der vorliegenden Aufgabe dürfte alles auf die richtige Wahl des Materials ankommen, grade hier dürfte es am schwierigsten sein, die vielen möglichen Fehlerquellen zu vermei- den. Ich will es versuchen, dieses etwas eingehender zu erläutern. Hauptaufgabe wäre die Beantwortung der Frage, wie viel Zucker das grüne Blattparenchym enthält. Um diese Frage zu be- antworten, müsste man selbstverständlich ausschliesslich völlig ausgewachsene Blätter, und von diesen nur die Spreiten der Un- tersuchung unterwerfen. Dies wäre leicht auszuführen, würde aber noch keineswegs hinreichen. Denn die Nerven, zumal die grösse- ren, enthalten Zucker. Es müssten also die dickeren Nerven so viel wie möglich vom Parenchym getrennt und dieses letztere allein der Analyse unterworfen werden. Nehmen wir an, die Trennung von Parenchym und Nerven wäre so weit durchgeführt, als nur irgend möglich ist, und die Analyse zeige im Parenchym einen Gehalt von wenigen Procenten Traubenzucker an. Ist damit die - Hauptaufgabe gelöst? Offenbar nur annähernd. Das Parenchym enthält jeden, falls nicht mehr Zucker, als die Analyse nachweist, vielleicht aber weniger vielleicht auch gar keinen, wenn nämlich in grosser Theil oder die gesammte Menge des gefundenen Zuckers in den feinen, nicht herausgeschnittenen Nervenzweigen lag. Wie nun ohne weiteres einleuchtet, würde uns die makrochemi- sche Analyse über den Zuckergehalt der chlorophyliführenden Zellen nicht sehr viel mehr lehren können, als wir durch die mi- kroskopische Forschung bereits wissen. Ihr hauptsächlichster Werth würde in der Bestätigung des bereits gefundenen Resula tes liegen. Dieselben Betrachtungen gelten nun auch von hal Nerven und den Blattstielen. Es ist offenbar unmöglich, die Zuckerscheiden zu isoliren und ihren Gehalt an Zucker ohne jede Beimischung an- deren Gewebes zu bestimmen. So lange dies aber nicht der Fall ist, giebt uns die chemische Analyse nur Zahlen, welche den mitt- leren Gehalt für alle Zellen des untersuchten Theiles angeben, und wenn wir, wie hier, wissen, dass viele Zellen gar keinen oder nur sehr wenig Zucker führen, so muss das Resultat der Analyse, wenn 456 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. wir es auf die Zuckerscheide anwenden wollen, selbstverständlich viel zu niedrig ausfallen. Nur auffallende Unterschiede für den Gehalt der Spreiten, Nerven und Stiele an Traubenzucker können uns hier also mit Gewiss- heit belehren, und ganz dasselbe gilt von den mikrochemischen Analysen. Als Beispiel führe ich hier einige Analysen von Méhay 1) an, der in den Blattstielen und den (nicht von den Rippen getrenn- ten) Blattspreiten der Zuckerrübe den Gehalt an unkrystallisir- barem Zucker bestimmte. Er fand nach drei verschiedenen Me- thoden: In den Blattstielen. In den Spreiten. I. 2.72 pCt 123 pCt II. SONNE 1,64 ,, A I. 3231 u, LADY Also stets mehr in den Stielen als in den Spreiten, was mit un- seren Resultaten in Uebereinstimmung ist. Corenwinder fand im Parenchym des Rübenblattes keinen Traubenzucker, in den Rippen 1,067 pCt. 2) Am Schlusse dieses Paragraphen möchte ich noch die Beziehung einiger, wohl allgemein bekannter Erscheinungen zu dem von uns behandelten Gegenstande hervorheben. Ich glaube, dass dadurch unsere Behauptung, dass das Accumulationsvermögen der Zellen der Zuckerscheide für Traubenzucker vom Parenchym der Spreite nach der Stielbasis hin im Ganzen und Grossen stetig zunimmt, weitere Bestätigungen finden wird. Erstens die herbstliche Entleerung. Die Wanderung der Bau- stoffe während der herbstlichen Entleerung wurde zuerst von Sachs 3) beschrieben; einige weitere Beispiele haben wir für die drei bis jetzt von uns behandelten Pflanzen, den Klee, die Kar- toffel und die Zuckerrübe behandelt. In allen diesen Fällen sehen wir in auffallender Weise dieselbe Erscheinung wiederkehren, dass die Bildungsstoffe sich rasch von dem bald völlig entleerten Blatt- parenchym, durch die immer reicheren Zonen der Nerven und des Stieles in die benachbarten, meist überfüllten Theile des Stengels bewegen. Es müssen hier also offenbar accumulirende Kräfte thätig sein, sonst würde der Strom sich gerade in umgekehrten 1) Mehay, Comptes rendus Bd. 68. S. 754, nach Jahresbericht für Agri- culturchemie Band 11—12. 1868—1869. S. 278. 2) Jahresber. f. Agriculturchemie. 1876. S. 307. 3) Sachs, Flora. 1863. S. 200. KY. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 457 Richtung bewegen oder es könnte höchstens die Entleerung eine langsame und gleichmässige, nie eine rasche sein. Lehrreicher ist die Entleerung der Blätter bei künstlicher Ver- dunkelung, wie wir sie gleichfalls für die drei genannten Pflanzen beschrieben haben. Wären in den leitenden’Gewebepartien keine accumulirenden Kräfte thätig, so müsste mit dem Aufhören der Assimilation, der Produktion neuer organischer Stoffe im Blatt- parenchym offenbar auch die Bewegung der plastischen Stoffe allmählich aufhören, es müssten sich Spreite und Blattstiel gleich- mässig mit diesen Verbindungen füllen. Das Gegentheil ist aber der Fall. Mit dem Aufhören der Assimilation hört die Bewegung kei- neswegs auf, sondern sie geht in der gewohnten Weise fort, wo- durch bald die ganze Spreite so stark erschöpft wird, dass sie nicht einmal mehr das nothwendige Athmungsmaterial zurückbehalten kann, sondern bald aus Mangel an diesem stirbt. Ihr folgt der obere und bald auch der untere Theil des Blattstieles; sie werden der Reihe nach passiv entleert, offenbar durch die accumulirende Kraft der nächst unteren Theile. So wird in wenigen Tagen das gan- ze Blatt leer gesaugt, und stirbt aus Mangel an Nahrung. Wenn die- ses nun bei künstlicher Verdunkelung stattfindet, so dürfen wir an- nehmen, dass es im Lichte genau so geschieht und dass das Blatt nur deshalb am Leben bleibt, weil es fortwährend neue Mengen von Nährstoffen in seinem Parenchym bildet. Einen dritten, gleichfalls sehr lehrreichen Fall bieten die Blät- ter, welche sich in völliger Finsterniss entwickeln. Man kann diesen Fall sehr schön an Zuckerrüben beobachten, welche man im Hoch- sommer verdunkelt. Es wachsen aus der Knospe junge Blätter heraus, sie strecken ihren Stiel bedeutend und entfalten eine meist kleine Spreite. So lange sie noch wachsen, saugen sie die erforder- lichen Nährstoffe aus der Rübenwurzel. Sie verhalten sich hierin wie alle jungen wachsenden Theile, welche, wie schon Sachs hervorgehoben hat, eine sehr grosse Saugkraft besitzen. Sobald sie aber ausgewachsen sind, hört diese Saugkraft auf, und es stellt sich in ihnen die Vertheilung des Accumulationsver- mögens ein, welche dem erwachsenen Zustand entspricht. Dem- zufolge sterben sie nun bald von der Spitze an nach unten zu all- mählich ab; die Bewegung der plastischen Stoffe ist nicht mehr aufwärts, sondern nur abwärts noch möglich, die ‚oberen Theile können sogar nicht mehr so viel Nährstoffe an sich ziehen, als zur Bestreitung der durch die Athmung erlittenen Verluste erforderlich sind. 458 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Dieses Beispiel zeigt zugleich in sehr deutlicher Weise, wie vorsichtig man bei diesen Untersuchungen sein muss, um nicht die Vorgänge in jungen Blättern mit denen der ausgewachsenen Or- gane zu verwechseln. Junge und ausgewachsene Theile verhalten sich offenbar durchaus verschieden, ja nicht selten genau entgegen- gesetzt. Das Absterben von entblätterten Baumzweigen, von verdunkel- . ten oder durch die höheren Zweige des Lichtes beraubten Aesten, ferner die Entstehung von Wülsten oberhalb von Ringwunden und die Anhäufung von Nährstoffen in diesen und eine Reihe weiterer Erscheinungen weisen darauf hin, dass auch im Stamme und seinen Aesten das Accumulationsvermögen von den Spitzen nach der Basis zunimmt, dass jeder ältere Theil im Stande ist, einen jüngeren (ausgewachsenen) auszusaugen. Experimentelle Unter- suchungen über die hier angeregten Fragen werden ohne Zweifel zu sehr wichtigen Resultaten führen können. Abtheilung I. Die Wurzel. S 9. Der anatomische Bau des Wurzelkörpers. Um eine hinreichend verständliche Beschreibung vom Baue des Rübenkörpers geben zu können, betrachte ich es als zweck- mässig, die ganze Behandlung in drei Abschnitte einzutheilen und diese so viel wie möglich unabhängig von einander vorzunehmen. Zuerst werde ich den allgemeinen Bau zu schildern haben, also die äussere Form und den Verlauf der Gefässbündelstränge im Grundgewebe; ich werde diese soviel wie möglich so darlegen, wie sie sich bei directer Untersuchung erkennen lassen. Den feineren Bau der einzelnen Gewebepartien aber bewahre ich dabei völlig für einen späteren Paragraphen auf. Ebenso die Entwickelungs- geschichte des Ganzen, und damit auch die Erklärung des Baues und die Beziehungen der einzelnen Theile zu einander. Der Rübenkörper hat je nach der Varietät eine sehr verschiedene Gestalt; die schlesische Zuckerrübe, welche wir hier, wie überall in diesem Beitrage, in den Vordergrund unserer Forschungen stel- len, pflegt länglich birnförmig zu sein. Aeusserlich unterscheidet man den Kopf, den sogenannten Hals und den eigentlichen Wur- zelkörper. Der Kopf trägt die Blätterkrone, sowie die Narben der bereits abgestorbenen Blätter. Er ist aus der Endknospe der Keim- pilanze entstanden, und seiner Entstehung sowie seinem Baue nach ein Stammgebilde. Der Hals zeigt ringsherum eine glatte, WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 459 weissliche Oberfläche, er trägt weder Blattnarben, wie der Kopf, noch Nebenwurzeln und Wurzelfasern wie die Wurzel. Er stellt das stark verdickte hypocotyle Glied der Keimpflanze dar, ist also seiner Entstehung nach ebenfalls zum Stamme zu rechnen. Sei- nem Baue nach aber zur Wurzel, höchstens mit Ausnahme der unmittelbar an den Kopf grenzenden Zone. Schon in der Keim- - pflanze zeigte er dieselbe Anordnung der Gewebe wie die Wurzel. Die Länge des Halses ist 2—4 cm oder mehr, je nachdem das hypocotyle Glied kürzer geblieben oder länger geworden war. Den Wurzelkörper endlich erkennt man an den beiden Reiher der Nebenwurzeln. Gewöhnlich ist der Wurzelkörper im Querschnitt nicht genau kreisrund, sondern an zwei Seiten etwas abgeflacht; an diesen beiden Seiten stehen dann die Nebenwurzeln. Eine gute Zuckerrübe soll bekanntlich nur kleine Wurzelfasern, keine stär- keren Nebenwurzeläste tragen. Die Fasern pflegen in kleineren ‚ oder grösseren Querreihen zu stehen, welche wieder zu kleineren oder grösseren Gruppen zusammengefügt sind, und so die ganze sogenannte Längsreihe zu einem ziemlich breiten, mit Neben- wurzeln besetzten Streifen machen. Diese Längsreihen nun laufen gewöhnlich nicht einfach parallel mit der Achse der Rübe, sondern,, zumal im unteren Theil des Schwanzes stehen sie schief und bilden häufig einen halben Spiralumgang oder mehr um die Achse herum. Im dickeren Theil der Rübe laufen sie aber annähernd parallel mit der Achse. Hier entsprechen sie, wie wir im vorigen Beitrage festgestellt haben, der Medianebene der (längst abgestossenen) Cotylen, deren Lage mittelst der Nebenwurzelreihen noch erkannt werden kann. Gehen wir jetzt zur Betrachtung des inneren Baues über, so stellen sich von selbst die Gefässbündel in den Vordergrund un- serer Betrachtung, ja sie nehmen diese nahezu vollständig für sich in Anspruch. Die Anordnung der Gefässbündel weicht bei einer auch nur oberflächlichen Betrachtung von Längs- und Querschnit- ten so erheblich von den Vorkommnissen bei anderen Pflanzen ab, dass es auf den ersten Blick nicht möglich scheint, sie auf all- gemeinere Schemata zurückzuführen. Untersuchen wir zunächst einen axilen EE wie ein solcher z. B. in unserer Fig. I auf I dargestellt worden ist. Es muss sogleich auffallen, dass der Kopf eine ganz andere An- ordnung zeigt als die übrigen Theile, dass dagegen zwischen dem Halse und der Wurzel keine wesentlichen Verschiedenheiten ob- walten. Eine Reihe von successiven Querschnitten würde diese 4600 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Folgerung sehr leicht erhärten können. Hieraus folgt, dass es zweckmässig sein wird, den Kopf vom übrigen. Theile getrennt zu betrachten. Der Bequemlichkeit halber behandeln wir ihn zuletzt und fangen mit dem Baue des Wurzelkörpers und des Halses an. Einen Querschnitt durch die Wurzel stellt unsere Fig. 3 dar. Die Gefässbündel stehen in concentrischen Kreisen, die inneren in grösseren, die äusseren in geringeren Entfernungen von einander. je weiter ein Kreis vom Centrum entfernt ist, um so zahlreicher sind seine Stränge, aber um so schwächer sind sie ausgebildet. An zwei Stellen ist die regelmässige Anordnung gestört, indem die Kreise durch radiale Bündel durchbrochen werden. (Fig. 3. W. W.) Diese sind die Bündel, welche zu den Nebenwurzeln gehen, sie entspringen keineswegs alle aus dem innersten Kreise, sondern können im Gegentheil in jedem Ringe ihren Ursprung nehmen. Der mittlere Kreis hat Anspruch auf eine genauere Betrachtung. in seiner Mitte, im Centrum des ganzen Querschnittes erblickt man eine kleine grade Linie, in der Ebene w. w. liegend. Diese Linie stellt die ursprüngliche Gefässgruppe dar, welche wir in der Wur- zel der Keimpflanze kennen lernten und welche, auch in der reifen Rübe, noch mehr oder weniger deutlich zu erkennen ist. An den beiden Enden dieser primären Gefässplatte ist der erste Kreis der Gefässbündel unterbrochen durch die beiden grossen Markstrahlen, deren bedeutende Breite zugleich die zweilappige Gestalt des ganzen centralen Gefässbündelcomplexes bedingt. Unsere Figur zeigt 6 bis 7 Gefässbündelkreise, in den ausge- wachsenen Rüben schwankt diese Zahl, je nach der Stärke der Individuen, erheblich; bisweilen steigt sie bis 10. Je höher man einen Querschnitt der Rübe entnimmt, um so zahlreicher sind die ` Kreise; nach unten zu nehmen sie allmählich ab, indem die äus- sersten der Reihe nach verschwinden. Dieses Verschwinden geht nicht in ganzem Umfange vor sich, im Gegentheil, es erstreckt sich ein Ring ganz gewöhnlich an einzelnen Stellen tiefer als an anderen, wie denn die citirte Figur auf einigen Radien nur 6, auf anderen aber 7 Kreise sehen lässt. Kehren wir jetzt zu unserem Längsschnitt Fig. 1 zurück, so se- hen wir, dass die Kreise im Allgemeinen ziemlich vollständig ge- trennt von einander verlaufen, dass aber stellenweise Verbindungen zwischen den einzelnen Kreisen vorkommen (Fig. 1. 1.) Häufig be- ruhen solche Verbindungen einfach darauf, dass sozusagen ein Ast aus einem Ringe zu dem anderen übertritt. Bisweilen aber ist die Verbindung eine innigere, es fliessen die Ringe auf grössere oder WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 461 geringere Breite (im Querschnitte) zusammen, und die Grenze zwischen den einzelnen Kreisen wird verwischt. In Fig. 1 bei l. ist ein solcher Fall dargestellt; aus den vier Kreisen oberhalb 1. sind nach unten zu, nachdem alle zueinander in Beziehung getre- ten sind, nur noch drei deutlich getrennt hervorgetreten. Für das richtige Verständniss der Bewegung und Verbreitung der organischen Bildungsstoffe, welche in der Rübe abgelagert werden, ist es von Wichtigkeit, diese Verbindungen zwischen den einzelnen Gefässbündelkreisen zu kennen. Ich hebe deshalb hier hervor, dass, obgleich auf einem und demselben Längsschnitt sol- che Verbindungen selten zu sein pflegen, man sich aber auf zahl- reichen Längsschnitten einer Rübe leicht überzeugt, dass sie im Ganzen gar nicht so selten sind, im Gegentheil, sie sind so häufig, dass man bereits deshalb mit Wahrscheinlichkeit vermuthen darf, dass ihnen bei der Bewegung der plastischen Stoffe irgend eine Rolle zukommen wird. Kommen diese Verbindungen im eigentlichen Rübenkörper doch noch verhältnissmässig selten vor, so sind sie äusserst häufig an der oberen Grenze des Halses, wo dieser in den Kopf übergeht ıFig. I h). Hier trifft fast jeder Längsschnitt solche Verbindungen in grosser Zahl, hier sind’alle Ringe derartig mit einander verfloch- ten, dass es für die von oben herabsteigenden Stränge häufig gar nicht zu entscheiden ist, welchem Ringe sie sich anlegen. Sie scheinen sich ganz gewöhnlich jeder mit zwei, bisweilen sogar jeder mit mehreren Kreisen zu vereinigen. Wir. haben es bis jetzt, der Einfachheit halber, vorkommen las- sen, als ob in jedem Kreise die einzelnen Bündel getrennt von ein- . ander verliefen. Und in der That macht die Betrachtung von Querschnitten auch diesen Eindruck. Ja, axile Längsschnitte wie die Fig. 1 können uns in dieser Meinung nur verstärken. Tangen- tialschnitte belehren uns aber eines besseren. Sie zeigen uns kei- neswegs zahlreiche parallele Linien, sondern ein weitmaschiges Netz von überall unter sich anastomosirenden Strängen. Noch schöner sieht man dieses, wenn man die Rübe derart schält, dass man im Cambiumringe eines beliebigen Gefässbündelkreises alles öussere Gewebe vom inneren abtrennt. An gelungenen Präparaten dieser Art zeigt die Aussenfläche der inneren Hälfte selbstver- ständlich den ganzen Verlauf der Stränge des betreffenden Krei- ses. Diese Erfahrung erklärt uns nun auch, weshalb in einem Ringe die Entfernungen der einzelnen Stränge so verschieden sein können. -462 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Es rührt dies, abgesehen von anderen Ursachen, offenbar auch daher, dass bisweilen zwei in der Mitte der sie trennenden Masche, also in maximaler Entfernung getroffen werden, während an an- ceren Stellen, oft dicht daneben, zwei Stränge nahe an einer Ver- bindungsstelle und somit in grösserer Nähe geschnitten werden. Dass die Verbindungsstellen selbst leicht als dickere Stämme an- gesehen werden können, leuchtet von selbst ein. Es stellt also jede Gefässbündelschicht ein gleichmässiges Netz von anastomosirenden Strängen dar, welche alle von gleicher Ordnung sind und unter denen nicht einzelne Stränge als Haupt- stämme, die anderen als deren Verzweigungen auftreten. Diese Anordnung ermöglicht eine seitliche Bewegung der von den Ge- fässbündeln geleiteten Stoffe, welche es anscheinend ermöglicht, dass Theilchen von der einen Seite der Rübe auf einer nicht allzu- langen Vertikalstrecke zur gegenüberliegenden Seite übertreten kön- nen. Inwiefern diese anatomisch gegebene Möglichkeit auch phy- siologisch verwirklicht wird, werden wir später sehen. Fassen wir das über den Bau des Wurzelkörpers Gesagte kurz zusammen. Im Grundgewebe verlaufen die Gefässbündel in sechs bis zehn Mänteln von mehr oder weniger kegelförmiger Gestalt. In jedem Mantel sind sie zu einem gleichmässigen Netze verbunden, ebenso sind die Mäntel unter sich, theils an ihrem oberen Ende, theils an über ihrem ganzen Verlaufe zerstreuten Stellen mit ein- ander durch Strangzweige verbunden. Die Mäntel enden nach unten, die äussersten zuerst, die inneren später, indem die Ma- schen ihres Netzes allmählich seltener werden und die schliesslich übrig bleibenden Stränge sich an den nächstinneren Mantel an- schliessen. Somit stehen alle Theile des ganzen complicirten Ge- fässbündelsystems mit allen anderen Theilen desselben Systems in mehr oder weniger directer Verbindung. Viel schwieriger, wenigstens auf dem ersten Blicke, erscheint der Verlauf der Gefässbündel im Kopfe der Rübe. Auf Längs- und Querschnitten findet man hier überall Stränge in allen Richtungen, oft dicht neben einander quer und der Länge nach durchschnitten. Oft stellen sich einige zu Theilen eines Kreises zusammen, oft biegen sie sich in unerklärbaren Richtungen, fliessen zusammen und verzweigen sich wieder. Allein diese scheinbare Verwirrung wird zur vollständigsten Ordnung, wenn man bei der Betrachtung von denjenigen Längsschnitten ausgeht, welche ich im vorigen Beitrage als die beiden Hauptschnitte des Rübenkopfes bezeich- net habe. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 463 Wir sahen damals, dass die Blattspuren der Cotylen sich den beiden primären Vasalgruppen anschliessen, welche oben auf eine kurze Strecke getrennt, nach unten sich bald zu der mehrfach ge- nannten centralen Gefässplatte zusammenlegen. Die Medianebene der Cotylen nimmt nun selbstverständlich alle diese Theile in sich auf, sie bildet den ersten Hauptschnitt des Rübenkopfes. Die Me- dianebene der beiden ersten Blätter steht senkrecht zu der der Cotylen, in ihr verlaufen die mittleren Blattspurstränge jener Blätter, welche sich an die beiden Hälften des (wie oben, bei Fig. 3, hervorgehoben wurde) zweilappigen ersten Gefässbündel- kreises anschliessen. Diese Ebene stellt den zweiten Hauptschnitt des Rübenkopfes dar. Der erste Hauptschnitt nimmt die beiden Rei- hen der Nebenwurzeln in sich auf, der zweite steht senkrecht auf jenen. Das Präparat, nach welchem unsere Fig. 1 gezeichnet wurde, var nach dem zweiten Hauptschnitte geschnitten. Man sieht, wie der centrale Kreis sich am oberen Ende in zwei Arme spaltet, wel- che bis zur Oberfläche des Rübenkopfes verlaufen (Fig. 1 b, b). Diese beiden Arme sind also die mittleren Blattspurstränge der beiden ersten Blätter. Suchen wir diese jetzt auf dem Querschnitt auf, so muss der betreffende Querschnitt offenbar nahe an der unteren Grenze des Rübenkopfes gewählt werden. Einen solchen Schnitt zeigt uns Fig. 2, welche zugleich als einfachstes Schema für alle Querschnit- te des ganzen Kopfes dienen kann. Die gesuchten Blattspurstränge finden wir hier bei c und d; das eine Blatt erscheint drei-, das andere viersträngig, entsprechend der Anzahl der stärkeren Gefässbündel in ihren Blattstielen. Von der Anheftungsstelle des Blattes am Umfange des Schnittes ver- folgt man die Spurstränge bis nahe gegen die Mitte; hier biegen sie sich, wie der Längsschnitt Fig. 1 zeigt, um und verlassen also un- seren Querschnitt. Auf einem etwas tieferen Querschnitte würde man also ihre Verlängerung und günstigenfalles ihre Verbindung mit dem centralen Gefässbündelkreise beobachten können. .Auf diesem Schnitte würde man dann gleichfalls die einsträngigen Blattspuren der Cotylen in ihrem Verlaufe verfolgen können. Um nun eine klare Einsicht in den Gefässbündelverlauf des Rübenkopfes zu erlangen, wollen wir etwas weiter ausholen. In jedem Blattstiele liegen, wie wir im ersteren Abschnitte sahen, eine grössere oder geringere Zahl von Gefässbündeln. Unter diesen giebt es einige stärkere, welche als Hauptstämme bezeichnet wer- den können und viele schwächere. Unter den Hauptstämmen tre- 464 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. ten meist drei schärfer hervor: erstens der mittlere Strang der gan- zen Gruppe, (Fig. 5. m), und dann die beiden seitlichen, welche, abgesehen von ganz kleinen Bündelchen, den beiden Kanten des Blattstielquerschnittes am nächsten stehen (Fig. 5, s s). Die Stränge der Blattstiele hören selbstverständlich nicht an der Ansatzstelle am Rübenkopfe auf, sondern setzen sich in diesem letzteren fort. Soweit sie im Gewebe des Kopfes verlaufen, nennt man sie die Spurstränge der betreffenden Blätter. Ausser Blatt- spursträngen enthält der Kopf keine Gefässbündel; jedes Bündel, welches wir darin beobachten, gehört also irgend einem Blatte als Spurstrang zu. Hieraus folgt, dass der Gefässbündelverlauf im Rübenkopfe erst dann vollständig erklärt sein wird, wenn es gelingt, von jedem Strange anzugeben, zu welchem Blatte (und zu welchem Bündel des betreffenden Blattstieles) er gehört, und ferner, wenn es mög- lich wird, jeden beliebigen Blattspurstrang in seinem ganzen Ver- laufe zu überblicken. Es kann nicht meine Aufgabe sein, hier eine solche Erklärung in allen ihren Einzelheiten durchzuführen. Es wird genügen, wenn ich die leitenden Prinzipien auseinandersetze und an einzelne Bei- spielen erläutere, und zugleich die Mittel zur richtigen Auffassung . der sich uns auf Längs- und Querschnitten darbietenden Bilder angebe. Für denjenigen Leser, der sich durch eigene Beobachtung eine Einsicht in diese complicirten Verhältnisse zu gewinnen wünscht, bemerke ich hier, dass der Verlauf der Blattspurstränge im Rü- benkopfe genau denselben Gesetzen folgt, wie derjenige der Blatt- spurstränge im blüthentragenden Stamme des zweiten Jahres, und dass es oft leichter ist, sich zunächst über letzteren zu orientiren, um die gewonnenen Kenntnisse später auf die Wahrnehmungen ım Rübenkopi zu übertragen. Suchen wir jetzt zunächst den Verlauf der verschiedenen Spur- stränge eines beliebigen Blattes zu ermitteln. Wir machen dazu zunächst einen Längsschnitt durch die Medianebene des betref- fenden Blattes. Diese Ebene nimmt den ganzen mittleren Strang des Blattes, sowohl im Stiele als im Rübenkopfe, in sich auf. In unserer Fig. 1 wurde das Blatt Nr. 1 in dieser Weise getroffen. Wir sehen, dass sich der mittlere Strang, der einzige, den die Figur aus diesem Blatte darstellt, an den Ansatzstellen des Bl«t!- stieles umgiebt, eine nahezu horizontale Lage annimmt und bis: fast gegen die Mitte des Kopfes in derselben Richtung fortgeht. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 465 Bevor er aber die wirkliche Mitte erreicht, biegt er sich abwärts und bald darauf auswärts um, um jetzt in schief aus- und abwärts gestellter Richtung weiter zu gehen, bis er irgendwo das Gefäss- bündelsystem des Wurzelkörpers erreicht und hier mit diesem verschmilzt. In unserer Figur muss er die Ebene des Schnittes bei d auf eine kurze Strecke verlassen, um für den (älteren) Spur- strang des Blattes C+ auszuweichen. Soviel über den mittleren Spurstrang. Jetzt wollen wir einen der seitlichen Hauptstämme auf einem ähnlichen Längsschnitt verfol- gen. Es ist dieser Fall in Fig. 1 für das Blatt Nr. 6 dargestellt wor- den. Wir sehen, dass sich im Allgemeinen das Schema des mittleren Siranges wiederholt; nur geht der Strang nicht so tief in die Mitte des Rübenkopfes hinein, sondern biegt etwa halbwegs der Mitte nach unten und aussen um, um sich an die Gefässbündel des Wur- zelkörpers anzuschmiegen. Unsere Figur zeigt, zwischen dem be- sprochenen Strang und der Mitte des Kopfes, noch ein Strang- stück, das nur auf eine kleine Strecke in der Ebene des Schnittes verläuft und offenbar einem mittleren Spurstrange eines anderen Elattes angehört. Der Verlauf der übrigen Spurstränge wird nun ohne Weiteres aus den in der Figur gegebenen Beispielen deutlich werden. Nr. 2 und Nr. 5 zeigen schwächere Stämme, sie biegen sich nicht soweit wie Nr. 1 und 6 gegen die Mitte vor. Im Allgemeinen gilt die Re- gel, dass die Spurstränge eines und desselben Blattes um so tiefer gegen das Innere der Rübe hervordringen, je stärker sie sind. Der mittlere Strang erreicht oft nahezu die Mitte, die beiden seitlichen Hauptstränge dringen nur bis ‚zur Hälfte des Strahles vor, die schwächeren noch weniger, und die allerschwächsten biegen sich gleich an der Anheftungsstelle nach aussen und unten um und legen sich dem äussersten Gefässbündelkreise an. Es folgt hieraus eine wichtige Thatsache, deren völlige Ver- werthung ich aber für einen späteren Paragraphen aufbewahren muss. Ich meine den Umstand, dass die verschieden starken Spur- stränge eines und desselben Blattes sich keineswegs alle an den- selben Gefässbündelkreis des Wurzelkörpers anzulegen brauchen, sondern dass im Gegentheil die stärkeren Stämme sich mit den inneren, die schwächeren sich mit den äusseren werden verbinden können. Es ist eine solche Vertheilung zwar keine nothwendige Folge obiger Erörterung, aber doch eine mögliche. Und sie kommt factisch bei vielen Blättern vor, zumal bei denen, welche in der ersten Zeit des raschen Dickenwachsthumes entstehen, wenn die 30 466 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Gefässbündelkreise angelegt werden. Die allerersten Blätter zeigen keine solche Vertheilung, sie haben zu wenig Blattspurstränge und entstehen zu einer Zeit, wo die Kreise noch gebildet werden müs- sen. Die Blätter, welche nach dem. Abschluss des letzten Kreises entstehen, wenden ihre Spurstränge vorwiegend, wenn auch nicht ausschliesslich, den äusseren Kreisen zu. Wir können nach unseren Besprechungen nun wenigstens das feststellen, dass bis in die Nähe der Mitte des Kopfes nur mittlere Blattspurstränge vordringen, dass bis in eine diese umgebende Zone nur die seitlichen Hauptspurstränge eintreten, während alle schwächeren Stränge sich im äusseren Umfange des Kopfes ab- wärts bewegen. Dementsprechend nimmt nun, sowohl auf Längs- als auf Querschnitten, die Zahl der Stränge von innen nach aus- sen sehr stark zu. Die Fig. 1 wird man jetzt ohne Weiteres be- greifen. In der Fig. 2 sieht man das Kreuz der Spurstränge der- -jenigen Blätter, deren Anheftungsstelle grade in der Ebene des Schnittes lag, deren Spurstränge also auf einer kürzeren oder längeren Strecke ihres horizontalen Verlaufes im Schnitte liegen. Wo sie den Schnitt verlassen, biegen sie sich nach unten. Der Umfang des Schnittes zeigt in vier nahezu concentrischen Kreisen die zahllosen schwächeren Spurstränge des reich beblätterten Kopfes; in der von diesen umgebenen Mitte liegen in grösseren oder kleineren Gruppen die mittleren und seitlichen Hauptstämme der unteren Blätter, diejenigen der jüngeren, höheren Blätter liegen in den äusseren Kreisen, mit den schwächeren Strängen vermischt. Auf beliebigen Schnitten des Rübenkopfes wird man das gege- bene Schema leicht zurückfinden und dadurch die am meisten in die Augen fallenden Punkte leicht erklären können. Jedoch ist nicht zu übersehen, dass der gedrängte Bau des Kopfes und die grosse Zahl der Gefässbündel nothwendigerweise Complicationen mit sich bringen, welche das Verständniss erschweren. Unter diesen ınuss ich hier zwei Vorkommnisse namhaft machen, erstens das Ausweichen der Stränge, wo sie einander kreuzen, zweitens die Anastomosen, welche sie an solchen Stellen häufig eingehen. Von beiden Fällen kommen Beispiele in Fig. 1 vor, beide sind da zu berücksichtigen, wo es gilt, den ganzen Verlauf eines Stranges auf Radialschnitten zu erforschen. Hauptsächlich wegen des Ausbie- gens genügt dazu meist ein einzelner Schnitt nicht, sondern bedarf es einer Reihe von successiven Radialschnitten. ‘WATHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 467 § 10. Die feinere Anatomie des Wurzelkörpers 1). Bis jetzt haben wir das Grundgewebe als ein Ganzes betrachtet, welches von den Gefässbündeln durchzogen wurde, und auch über die Zusammensetzung der letzteren aus ihren Elementartheilen haben wir nicht gesprochen. In diesem Paragraphen wollen wir somit auf den feineren Bau dieser Theile eingehen. Wir fangen mit den Gefässbündeln an. Der Grad der Verholzung der Gefässbündel ist je nach der Va- rietät äusserst verschieden. Von den wilden Rüben, in denen das Holz der verschiedenen Ringe, sowohl das Bastgewebe als zumal ‚auch das parenchymatische Grundgewebe an Masse bei Weitem überwiegt, und wo man hauptsächlich geschlossene Holzkreise zu sehen glaubt, bis zu den besten Zuckerrübensorten, in denen die letzte Spur von Verholzung nur noch mit Mühe nachgewiesen werden kann, giebt es alle Uebergänge. Im Allgemeinen kann man dabei sagen, dass die Zuckerrüben ärmer an Holz sind als die Futterrüben. An reifen schlesischen Zuckerrüben fand ich in den 2 bis 3 äussersten, gut ausgebildeten Gefässbündelkreisen keine Spur von Gefässen, im dritten bis vierten Ringe von aussen die ersten sehr vereinzelten Spuren von Gefässen. Auch die inneren Ringe hatten nur wenig Holzgefässe. Die Verholzung geht bekanntlich von den Gefässen aus, beschränkt sich in der Zuckerrübe aber häufig auf diese selbst oder ihre allernächste Umgebung. Im Allgemeinen sind in der schlesischen Zuckerrübe die Gefäss- bündel um so weniger differenzirt, einem je mehr nach aussen gele- genen Kreise sie angehören. Es wird daher zweckmässig sein, bei unserer Beschreibung die Stränge eines inneren Kreises, z. B. des zweiten, in den Vordergrund zu stellen. jedes Gefässbündel besteht aus drei Theilen: dem Cambium, welches sich beiderseits vom Bündel durch das Grundgewebe fortsetzt, dem Holztheile und dem Basttheile. Holz und Basttheil . zeigen im Querschnitt eine länglich dreieckige Gestalt; die Basen der beiden Dreiecke ruhen auf dem Cambium. Das Holz besteht aus Elementen von dreierlei Art, welche ohne Schwierigkeit als Holzgefässe, Holzfasern und Holzparenchym erkannt werden. Die Gefässe sind im Querschnitt an ihrer meist bedeutenderen Grösse und den dickeren, verholzten Wandungen zu erkennen. Sie führen Luft. Im Längsschnitt zeigt ihre Wandung poröse oder netzförmi- 1) ` Wichtige Angaben über diesen Gegenstand findet man bei Wiesner, Einleitung in die technische Mikroskopie. 1867. S. 240—252. 468 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. ge Sculptur; sie bestehen aus kurzen, wenig mit einander ver- schmolzenen Gliedern, deren Zwischenwände resorbirt sind. Die Gefässe verlaufen häufig schief im Holzgewebe; die Zwischen- wände können ebenfalls schief stehen, bisweilen stehen sie quer. Auf grösseren Schnitten zeigt sich der Verlauf der Gefässe als. schlängelnde Linien. Die Holzfasern und Holzparenchymzellen zeigen nur sehr geringe Unterschiede. Sie sind ebenso lang wie die Gliederzellen der Gefässe und im Radialschnitt von länglich recht- eckiger Form. Im Tangentialschnitt erscheinen sie mehr oder weniger zugespitzt. Im Querschnitt zeigen sie meist eine deutlich reihenförmige Anordnung. Beide führen protoplasmatischen In- halt; ihre Wandungen sind nicht verholzt, sondern mehr oder we- niger collenchymatisch verdickt. Nur selten sind einzelne Holzfa- sern in der nächsten Umgebung der Gefässe verholzt. Im Rübenkopfe und im Halse finden sich nicht selten Gruppen von Holzparenchymzellen, welche mit krystallinischen Körnchen. von oxalsaurem Kalk dicht erfüllt sind. Solche Zellen haben die- selbe Form wie die übrigen Elemente des Holzes und unterschei- den sich nur durch ihren Inhalt. Die Krystallkörner sind in ihnen, im Verhältniss zu denen der Blätter, ziemlich gross. Ich fand sie sowohl in den inneren als in den äusseren Gefässbündelkreisen. Zu bemerken ist, dass Körnchenschläuche auch im Grundgewebe in der Umgebung der Stränge an den genannten Stellen vorkommen. Dagegen fand ich in der eigentlichen Wurzel keinen oxalsauren Kalk. Das Cambium ist ein kleinzelliges Theilungsgewebe, dessen Zellen reich mit Eiweiss und protoplasmatischen Inhalt erfüllt sind und im Querschnitt eine rechteckige Form besitzen. Im Längs- schnitt haben sie dieselbe Länge, wie die aus ihnen hervorgehen- den Elemente des Holzes und des Bastes. Im Baste unterscheidet man das Parenchym und die Bastgefäs- se. Letztere bestehen aus dünnwandigen Gliederzellen, welche einen reichlichen, eiweisshaltigen Inhalt führen; ihre Zusammen- fügung und der Verlauf der ganzen Gefässe ist ebenso wenig re- gelmässig als bei den Holzgefässen. Das Parenchym ist collen- chymatisch-dickwandig; der. Inhalt der Zellen nur wenig Proto- plasma, dagegen viel Zucker. Das Grundgewebe besteht aus grossen parenchymatischen Zellen, mit stark quellungsfähigen, häufig getüpfelten oder netz- förmig gezeichneten Wandungen, wenigem Protoplasma und vielem wässrigen Inhalt, in welchem der Zucker gelöst ist. Es be- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 469 steht in der Umgebung der Gefässbündel aus kleineren, gestreck- ten Zellen; mit zunehmender Entfernung von jenen werden die Zellen grösser, und nähert sich ihre Form mehr einem regelmässi- gen Polyeder oder einer Kugel. Diejenigen Theile, welche innerhalb der einzelnen Gefässbün- delkreise liegen, und welche sozusagen die Maschen des Strang- netzes ausfüllen, kann man als Markstrahlen bezeichnen. Sie be- sitzen, wie schon erwähnt, ein Cambium, durch welches sie sich in gleichem Schritte wie die Gefässbündel vergrössern. Sie zeigen demzufolge eine mehr oder weniger deutliche radiäre Anordnung ihrer Zellen. Nach aussen ist die Rübe von einer Korkschicht aus unvoll- ständig verkorkten, abgestorbenen und» vertrockneten Zellen be- deckt. Die Zellen dieser Schicht zeigen bedeutende tangentiale Streckung und radiale Theilungswände; sie sind flachgedrückt und ihre Wandungen nur wenig verdickt. Im Kopfe ist die ganze Oberfläche von den Narben der Blattstiele oder von diesen selbst eingenommen, das Rindenparenchym ist trotz dieser Bedeckung häufig dunkelgrün. Die Korkschicht wird während des Wachs- thums von einer eigenen Phellogenschicht fortwährend erneut und wächst dadurch bei der stetigen Umfangsvergrösserung der Rübe gleichmässig mit. - Nach Wiesner!) ist die äussere Umhüllung zweierlei Art. Sie ist auf der Oberfläche der ganzen Rübe weisslich oder röthlich, dagegen am Kopfe und an Wundstellen braun. Die verkorkten Zellen messen nach ihm in der Länge 0,054 mm, in der Breite 0,039 mm und in der Dicke 0,009 mm. Ich, lasse jetzt noch einige Angaben über die Grösse der einzel- nen Elemente folgen, wie sie von Droysen bestimmt worden sind 2). In der Mitte der Parenchymzonen sind die Zellen am grössten. Ihr Durchmesser beträgt 0,028 bis 0,178 mm; im Mittel 0,06 mm. Im Kopfe sind die rundlich polygonalen Zellen des Markes 0,06 bis 0,18 mm, im Mittel 0,13 mm gross. Die Gliederzellen der Holzgefässe sind im Mittel 0,102 mm lang, bei einem Durchmes- ser von 0,014 bis 0,08 qmm, im Mittel von 0,046 mm. Die Holzfa- sern sind 0,290 mm lang, bei einem Durchmesser von 0,018 mm. Die Gliederzellen der Bastgefässe sowie die Bastparenchymzellen 1) Wiesner, Einleitung in die technische Mikroskopie. Wien 1867, vergl. auch Hammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation. 1874. S. 72. 2) Droysen, Beiträge zur Anatomie und' Entwickelungsgeschichte der Zuckerrübe. 1877. S. 30. x 470 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sind im Mittel ca. 0,097 mm lang. Das Korkgewebe, bei einer aus- gewachsenen Rübe aus 2 bis 12 Zellenschichten bestehend, hat tafelförmige, mehr oder weniger rechteckige Elemente, deren mitt- lere Länge zu 0,058 mm, deren Breite zu ca. 0,034 mm und deren Dicke zu 0,011 mm gefunden wurde, Zahlen, welche sehr gut mit den oben nach Wiesner angeführten übereinstimmen. S 11. Die Entwickelungsgeschichte des Rübenkörpers. In unserem VI. Beitrage haben wir bei der ausführlichen Beschrei-- bung des Baues und der Entwickelungsgeschichte der Keimpflan- ze der Zuckerrübe bereits mehrfach Andeutungen über das spätere Wachsthum zu machen Gelegenheit gehabt. Wir können deshalb unsere jetzige Erörterung an jene Darlegungen anschliessen, gleich- sam den dort fallen gelassenen Faden wieder aufnehmen und bis zum Ende der Vegetationsperiode verfolgen. Den Leser verweise ich dabei auf den Holzschnitt im vorigen Beitrag (Fig. 1 auf S. 400), da dieser grade den Uebergang der Keimungsperiode zu dem späteren Dickenwachsthum darstellt und geeignet ist, sowohl den Bau während der ersteren vollständig zu erläutern als auch die erforderlichen Anknüpfungspunkte für unsere weiteren Beobach- tungen abzugeben. Das Wachsthum der Rübe ist bereits mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen und die wichtigsten genetischen Beziehun- gen der einzelnen Partien sind zu vollständiger Klarkeit gebracht. Indem ich im Folgenden die Angaben verschiedener Forscher über dieses Thema mit den Resultaten meiner eigenen Untersuchungen übersichtlich zusammenzustellen versuchen werde, will ich jetzt die Quellen jener Angaben namhaft machen. Sie sind: J. Decaisne, Sur l’organisation anatomique de la racine de la betterave à sucre, Mémoire presenté à Académie des Sciences et Paris, 28. Novembre 1838. Th. van Tieghem, Recherches sur la symmetrie de structure des plantes vasculaires — Chénopodiées, Annales des Sciences naturelles, V. Série Botanique Tome XIII. 1870—71. S. 234. A. de Bary, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane der Phanerogamen und Farne. 1877. S. 616. Vereinzelte Angaben finden sich auch an anderen Stellen in der Literatur, es würde zu weit führen, diese hier alle aufzuzählen. Fassen wir zunächst die äusseren Vorgänge beim Dickenwachs- thum in die Augen. Kurze Zeit nach der Entfaltung der Cotylen waren die Nebenwurzeln aus der Hauptwurzel hervorgebrochen; sie WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 471 stehen in zwei Längsreihen, deren Verlängerung durch die Mitte der Insertionsstelle der Keimblätter geht. Die Nebenwurzeln ent- stehen im Pericambium und durchbrechen die primäre Rinde; es entstehen dadurch in dieser kleine verticale Risse, welche von der einen-Nebenwurzel sich bis zur nächsten erstrecken, wodurch man, statt zahlloser kleiner Risse, zwei grössere bekommt, welche den beiden Wurzelreihen entsprechen. Zu dieser Zeit hat auch das nachträgliche Dickenwachsthum der Rübe angefangen. Dieses findet ausschliesslich in dem Strange und der diesen umgebenden eine Zelle dicken Parenchymschicht statt, welche wir oben als Pericambium kennen lernten. Um das Pericambium herum lag eine zweite, ähnlich gebaute Schicht, aber von ganz verschiedener Funktion: die Stärkescheide; sie trennte das Pericambium von der eigentlichen Rinde. Während nun der Strang und das Pericambium ein kräftiges Wachsthum eingehen, zahlreiche neue Zellen bilden und sich bedeutend vergrössern, wächst die Stärkescheide und die Rinde nur unbedeutend mit. Sie wird von dem wachsenden centralen Gewebekörper stark ge- dehnt, ihre Zellen vergrössern sich entsprechend, theilen sich aber rur in untergeordneter Weise, und bald wird der Zusammenhang der Theile gelockert, das Ganze wird mehr passiv gezerrt, als dass es activ wüchse. Die nächste Folge dieser Zerrung ist, dass die beiden erwähnten Risse sich mehr und mehr erweitern, ja sie dehnen sich auch über den unbewurzelten Theil der Rübe, über das hypocotyle Glied aus. Zumeist sind es auch hier nur zwei Risse, nicht selten aber spalten sie sich und trennen das Rinden- gewebe in mehrere Lappen. Je kräftiger das Wachsthum der in- neren Theile wird, um so mehr wird nun diese äussere Rinde abge- löst und abgestossen. Bald, wenn die junge Pflanze etwa 8—10 3lätter trägt, sieht man die abgestorbenen und vertrockneten Streifen nur noch stellenweise auf der Oberfläche der Rübe hän- gend, später sind sie gar nicht mehr aufzufinden. Das Gewebe, welches jetzt die Oberfläche einnimmt, nennt man Gie secundäre Rinde, sie ist von einer eigenen dünnen Korkschicht bedeckt. Wir wollen jetzt die Entstehung dieser secundären Rinde etwas genauer betrachten und beschränken uns dabei zunächst, behufs leichterer gegenseitiger Verständigung, auf die Periode, welche dem ersten Auftreten des Cambiums des zweiten Gefäss- bündelkreises in dieser Rinde vorangeht. Der dem vorigen Beitrage beigegebene Holzschnitt enthält die Anlage derjenigen Theile, welche sich zu dieser Zeit an dem Dicken- 472 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. wachsthum betheiligen. Die äusserste, dort gezeichnete Zellen- schicht (s. s.) war die Stärkescheide, sie wird mitsammt der dort nicht angegebenen primären Rinde abgestossen. Unter ihr liegt das Pericambium, dessen Zellen sich ziemlich rasch durch radiale und tangentiale Wände theilen, wodurch bald statt der einfachen, grosszelligen Lage eine dickere Schicht kleinzelligen, parenchyma- tischen Gewebes entsteht. Gleichzeitig hat das Füllgewebe des Stranges eine neue Thätigkeit angefangen indem es theils in den in der Figur angegebenen Zellen eine Cambiumschicht bildete, welche mit der Abscheidung des Holzes und des Bastes des ersten Gefässbündelkreises beauftragt ist, theils im übrigen Parenchym durch allseitswendige Theilungen zur Vergrösserung der paren- chymatischen Theile Veranlassung gab. Um diesen doppelten Entwickelungsgang Schritt für Schritt zu veriolgen, giebt es zwei Methoden. Erstens kann man junge Rüb- chen verschiedenen Alters mit einander vergleichen, indem man aus ihnen Quer- und Längsschnitte jedesmal in gleicher Höhe, anfertigt und untersucht. Zweitens aber kann man successive _ Querschnitte einer und derselben jungen Rübe zu diesem Zwecke verwenden, wenn man sie nur von der jüngsten Wurzelspitze bis zum dicken Wurzelhalse hinauf durchmustert. Denn das Dicken- wachsthum fängt in der Rübe immer am oberen Ende des hypoco- tylen Gliedes an und erstreckt sich von da aus allmählich über tiefere und tiefere Zonen. Und da nun der Bau des hypocotylen Gliedes und der der Wurzel in jeder Höhe, abgesehen von der verschiedenen Entwickelungsstufe, derselbe ist, so geben succes- sive Querschnitte einer Rübe uns ein sehr gutes Bild von dem ellmählichen Gange der Ausbildung eines einzelnen Querschnittes. Auf dem in der erwähnten Figur abgebildetem Stadium folgt also eine Periode, in der sich das Pericambium und das Füllgewebe des Stranges kräftig entwickeln und zu grossen Massen meist kleinzelligen Gewebes Veranlassung geben. Die primäre Gefäss- platte bleibt dabei unverändert, die primären Bastbündel werden aber durch das bedeutende Wachsthum des Füllgewebes nach aus- sen gedrängt und daher tangential gezerrt, und dabei mehr und mehr unkenntlich. Die primäre Gefässplatte ist beiderseits von wenigem Füllgewebe umgeben, welches anfangs nur wenig wächst. Aus den beiderseits gelegenen Cambiumlagen bildet sich nun nach innen Holz, aus grossen und weiten Gefässen und parenchymati- schem Zwischengewebe bestehend; letzteres fliesst mit dem Füll- gewebe zusammen und es macht den Eindruck, als ob das secun- + WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 473 i däre Holz in unmittelbarer Berührung mit den primären Vasal- gruppen stände. Die beiden Cambiumlagen dehnen sich seitlich aus, und das aus ihnen entstehende Holz nimmt mehr und mehr die Form eines breiten Keiles an. An den scharfen Kanten der primären Gefässplatte bleibt das Gewebe rein parenchymatisch, hierdurch entstehen zwei grosse Markstrahlen, welche dem ganzen centralen Holzkörper seine eigenthümliche zweilappige Gestalt geben. Man erkennt dieses deutlich in unserer Fig. 3, in der die beiden Hälften des Holzkörpers bereits durch secundäre Mark- strahlen in mehrere .getrennte Partien gespalten worden sind. Gleichzeitig mit der Bildung des Holzes haben die Cambium- platten nach aussen Bast abgeschieden. Wie aus dem Holzschnitte auf S. 400 leicht ersichtlich ist, grenzt dieser secundäre Bast un- mittelbar an die primären Bastbündel, daher wird es bald sehr schwierig und später völlig unmöglich, beide mit Sicherheit von einander zu unterscheiden. Diese Schwierigkeit wird durch die passive Verzerrung der äusseren Basttheile noch erhöht. Die Zell- wandungen beider Theile sind zumeist collenchymatisch verdickt; die Inhalte der als Siebzellen fungirenden Elemente sind eiweiss- kaltig und nach Behandlung mit Jod leicht zu erkennen. Somit unterscheidet sich die ganze Bastgruppe leicht vom umgebenden, dünnwandigen Parenchymgewebe und von den bald in ihr selbst auftretenden secundären Markstrahlen, aber auch dieses Alles erschwert nur die Trennung des secundären und des primären Bastes. Wir wollen jetzt der Thätigkeit des Pericambiums in dieser Pe- riode etwas eingehender unsere Aufmerksamkeit widmen. Anfangs hat es im Querschnitt gleichviel Zellen wie die Stärkescheide, bald treten Theilungen ein, die Lage wird zunächst zweischichtig, und es kommen in der äussersten Schicht auf jede Zelle der Stärke- scheide etwa 4—5 Zellen. Die Theilungen schreiten rasch vor- wärts; nach aussen bleiben die Wände ziemlich regelmässig senk- recht aufeinandergestellt, tangential und radial, hier bildet sich ein Korkcambium und die Korkschicht aus ihnen. Nach innen wird Gie Form der Zellen mehr unregelmässig, eine vorherrschende Richtung der Theilungswände ist meist nicht zu erkennen. Diese rasche Zellvermehrung findet nun, wie aus dem Obigen hervor- geht, im Pericambium zu einer Zeit statt, wo derselbe Vorgang auch das Füllgewebe des Stranges zu ‚einer mächtigen Vergrösse- rung leitet. Aus beiden entsteht kleinzelliges parenchymatisches Gewebe von so völlig gleichem Ansehen, dass es bald nicht mehr 474 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. möglich wird, die Grenze zwischen beiden, nur ihrem Ursprunge nach verschiedenen Theilen mit Sicherheit anzugeben. Nur dort, wo die primären Bastbündel liegen, würde dieses wohl noch ge-- lingen, jedoch sind diese jetzt im Verhältniss der übrigen herange- wachsenen Gewebemassen so klein, dass die durch sie etwa be- stimmte Grenze seitlich gar nicht zu verfolgen wäre. Wir können. also nur aussagen, dass die äusseren Schichten der secundären Rinde aus dem Pericambium, die inneren Partien dagegen aus dem Füllgewebe des Stranges ihren Ursprung nehmen. Jetzt stehen wir an der Grenze der letzten Periode des Dicken- wachsthums, der der Entstehung der nachträglichen Gefässbün- delkreise, in welcher die Hauptmasse des späteren Rübenkörpers gebildet wird. In der secundären Rinde, welche das Complex des primären und secundären Stranggewebes allseitig umgiebt, beginnt nach einiger Zeit die Bildung einer neuen Cambiumschicht, indem eine Lage von Zellen sich durch tangentiale Theilungswände in ıegelmässiger Weise theilt und sich auch durch eiweissreicheren Inhalt vom umgebenden Gewebe abhebt. Dieser Vorgang fängt auf der Aussenseite der primären Bastbündel an 1), und breitet sich von da aus nach beiden Seiten aus, bis die beiden Halbkreise sich in jener Ebene berühren, welche durch die Nebenwurzelreihen bezeichnet ist. Auch die späteren Cambiumringe fangen an den bezeichneten Seiten des Rübenkörpers an und breiten sich allmählich gegen die Wurzelreihen aus. Es steht diese Thatsache wohl zu der mehr oder weniger abgeplatteten Form der Rübe in ursächlicher Bezie- hung. Die Cambiumkreise fangen auf dem grössten Durchmesser : an und setzen sich nach dem kleinsten fort. In dieser Cambiumzone bilden sich nun nach und nach die ein- zelnen Gefässbündelstränge aus, welche zunächst dicht neben einander liegen, später aber in Folge des Dickenwachsthums der parenchymatischen Schichten mehr und mehr auseinander ge- drängt werden. Zwischen den Gefässbündelsträngen bildet das Cambium parenchymatisches Markstrahlengewebe aus; secundäre 1) cf. van Tieghem, a. a. O. S. 236. Droysen, (Beiträge S. 27) der sonst den Darstellungen van Tieghem’s folgt, weicht in diesem Punkte von ihm ab; er sagt: „In dem breiten Ringe von parenchymatischem secundärem Phloem, zwischen Cambium und Protophloem, .... treten gruppenweise in einer tangentialen Zone Zeilen auf, die durch einen dichteren protoplas- matischen Inhalt auffalien.” Diese sollen das tertiäre Cambium sein, das somit nach ihm auf der Innenseite der primären Bastbündel entstünde. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 475: Markstrahlen entstehen später auch innerhalb der grösseren Bün- del, welche dadurch im Querschnitt gabelig erscheinen. Dieser zweiten Zuwachszone folgt später eine dritte, welche in derselben Weise wie sie an der Aussengrenze ihres Bastgewebes im secundären Rindenparenchym durch Theilungen anhebt, welche eme Schicht von parenchymatischen Zellen in Cambiumzellen um- wandeln. Dieser Vorgang hebt wieder auf dem längsten Durchmes- ser der Rübe an und verbreitet sich allmählich nach den flachen, wurzeltragenden Seiten. Das Wachsthum dieser dritten Zone geht nach demselben Modus vor sich, wie das der zweiten. In derselben Weise entstehen successiv die späteren Gefäss- bündelkreise, jedesmal auf der Aussenseite der nächstvorhergehen- den. In jedem einzelnen Kreise erlischt die zellenbildende Thätig- keit des Cambiums in der Regel nahezu gleichzeitig mit dem Auf- treten des nächstfolgenden Kreises; ein thätiges Cambium enthält also jedesmal nur der äusserste Kreis. Aber mit der Thätigkeit des Cambiums hört das Dickenwachs- thum der betreffenden Zonen keineswegs auf. Im Gegentheil, es scheint sein Maximum erst nach dieser Zeit zu erreichen. Bei Würzburger Futterrüben, einer grossen kugelförmigen Sorte, bilden sich anfangs rasch nach einander fünf Gefässbündelkreise aus, wo- bei die Rübe nur etwa 5 bis 10 mm dick wird. Später wächst die ganze Rübe zu bedeutenden Dimensionen heran, es werden aber meist nur noch ein oder zwei, oft sogar nicht ganz vollständige Gefässbündelkreise angelegt. Hier fällt also das bedeutendste Dickenwachsthum der innersten Theile in eine Zeit, wo wenigstens bereits zwei bis drei Cambiumzonen ihre Thätigkeit eingestellt ha- ben. Folgende kleine Tabelle mag das spätere Dickenwachsthum der inneren Theile noch in ein besseres Licht stellen. Ich schnitt junge Rübchen der Würzburger Futterrübe in verschiedenem Alter ein jedes in seinem dicksten Theile der Quere nach durch und fand tür den Radius des zweiten Cambiumkreises folgende Zahlen: Bei einer Dicke der Rübe von Radius des zweiten Kreises 0,4 cm 1 mm DI; 1 De se Ian SIAR Zn. P MORREN AO ETNE 11,043, TOKAR Obgleich diese Zahlen noch durch individuelle Verschiedenheiten 476 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. getrübt sind, so geben sie doch einen deutlichen Beweis für die stetige Dickenzunahme der inneren Theile. Dass alle Zonen sich an dieser nachträglichen Verdickung be- theiligen, davon überzeugt man sich am schönsten, wenn man aus emer älteren und einer jüngeren Rübe je einen Querschnitt macht, diesen halbirt und die Hälfte des grösseren Schnittes derart neben den des kleineren Schnittes legt, dass die beiden Mittelpunkte zu- sammenfallen. Bei gleicher oder doch annähernd gleicher Zahl von Ringen ist der Unterschied in der Dicke für jeden einzelnen Ring jetzt sehr leicht zu erkennen. Diese Verdickung beruht zum weitaus grössten Theile auf einer Vergrösserung der einzelnen Zellen der parenchymatischen Zonen. Dabei finden noch fortwährend Zelltheilungen statt, aber nur in sehr untergeordneter Weise, denn die Zahl der Zellen eines sol- chen Ringes, in radialer Richtung genommen, nimmt sehr langsam zu. | Eine nothwendige Folge dieser Art der Grössenzunahme ist es, dass die Gefässbündelkreise in tangentialer Richtung passiv ge- dehnt werden. Dabei werden zunächst ihre Markstrahlen vergrös- sert; ihr Parenchym wächst dabei in ähnlicher Weise wie das der Parenchymzonen. Durch die Verbreiterung der Markstrahlen werden die einzelnen Gefässbündel von einander entfernt, im Tangentialschnitt wird dadurch das Netz der Stränge, statt eng- maschig, jetzt sehr weitmaschig, die einzelnen Aeste stellen sich immer schiefer zur Richtung der Rübenachse. Mitunter treten neue Markstrahlen auf, welche meist als secundäre in ihrem Gefäss- bündel bleiben, seltner wohl auch das Bündel in zwei kleinere spalten. s Ob hierbei ein mit Zelltheilungen verbundenes Wachsthum auch der Holzstränge der Gefässbündel stattfindet, ist noch nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Zwar zeigen die inneren Ringe in der Nähe des Cambiums noch lange sehr junge Gefässe und zart- wandige Holzfasern, jedoch darf man hieraus, bei der überhaupt geringen Verholzung der Stränge wenig folgern. So viel steht fest, dass wenigstens eine intensive Neubildung von Zellen in den Ge- fässbündelringen nicht stattfindet. Es ist schwer, ohne ausführliche Abbildungen eine klare Ein- sicht in diese ziemlich complizirten Vorgänge zu geben. Ich habe daher versucht, hier das Wichtigste aus der Literatur und aus meinen eigenen Beobachtungen zusammenzustellen, glaube es aber unterlassen zu dürfen, jetzt noch auf Einzelheiten einzugehen. Wer WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 477 sich für diese interessiren sollte, findet werthvolle Angaben in den oben citirten Arbeiten von Decaisne und van Tieghem. Nur auf einen Punkt gebietet mir die vorliegende Literatur noch näher einzugehen, es möge dies im folgenden Paragraphen ge- schehen. § 12. Die Beziehung der sogenannten Blattringe zu den Gefässbündelkreisen des Wurzelkörpers. Es ist eine in der agriculturchemischen Literatur allgemein ver- breitete Ansicht, dass die Ringe der Wurzel den sogenannten Ringen der Blätterkrone entsprechen. Stammer sagt in seinem Lehrbuch der Zuckerfabrikation (1874 S. 72); „Durchschneidet man eine Rübe in horizontaler Richtung, so bemerkt man konzentrische Ringe, welche den Blattringen am Kopfe der Wurzel entsprechen, und deren Breite mit der Ent- wickelung der Blätter im Zusammenhange steht. Die ältesten Blätter entsprechen den mittelsten, die jüngsten, inneren Blätter den äusseren Ringen. Wenn-die Blätter sehr gross und kräftig sind, so sind die denselben zugehörigen Ringe im Allgemeinen ebenfalls gross und saftig, aber zuckerarm.” Während Stammer die physiologische Seite der herrschenden Meinung hervorhebt und das Dickenwachsthum jedes einzelnen Ringes auf die ihm entsprechenden Blätter zurückgeführt wissen will, finden wir bei Droysen 1) die anatomische Beziehung der Blätter zu den Gefässbündelkreisen in den Vordergrund gestellt. Er sagt: „Mit der Anlage weiterer Blätter am Vegetationskegel entstehen auch die Anlagen ihrer Spurstränge; diese, abwärts steigend, kreuzen die der Cotyledonen und der ersten beiden Blät- ter, da sie innerhalb dieser entstehend, nach 'aussen gehen. Sie bilden auf dem Rübenquerschnitt den ersten concentrischen Kreis von Prosenchymgewebe, der sich in der Rübe nach unten fort- setzt und schliesslich sich an den Centralholzcylinder anlegt. So entsteht mit jedem neuen Blattkreis im Plerom des Vegetationskegels ein neuer Kreis von Ge- fässbündeln, der sich in der früher als zweites Stadium der Rübenentwickelung beschriebenen Weise in dem mittleren und unteren Theil der Rübe weiterbildet.” So viel die einschlägige Literatur mir bekannt geworden ist, Bir. 24, 0. S. 32, :478 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. geben diese beiden Stellen die herrschende Meinung über diesen ‚Punkt in deutlicher Weise zurück. Dazu kommt, dass die Ansicht hier mit der nöthigen wissenschaftlichen Präcision und Bestimmt- heit ausgesprochen ist, um sie einer Diskussion unterwerfen zu ‚können. Zu einer solchen Diskussion sehe ich mich an dieser Stelle aus zwei Gründen gezwungen. Erstens. weil die erwähnte Ansicht von Voraussetzungen ausgeht, welche mit den Lehren der Botanik in ‚offenem Widerspruch stehen. Zweitens, weil ich glaube, durch directe Beobachtungen die Unrichtigkeit jener Meinung nachwei- sen zu können. Man spricht von den Blattringen oder Blattkreisen am Kopfe der Rübe und benutzt diese zur Vergleichung mit den Cambium- ringen im Gewebe der Wurzel. -Aber ist es denn ausgemacht, dass die Blätter in der Krone in Kreisen stehen? Es scheint, dass diese einfache Frage bis jetzt immer übersehen worden ist. Und doch wäre eine nur geringe Bekanntschaft mit den Lehren der Blatt- stellung hinreichend, um diese Voraussetzung wenigstens als sehr unwahrscheinlich erscheinen zu lassen. Denn in zahlreichen be- kannten Fällen stehen rosettenartig gruppirte Blätter nicht in Wir- 'beln oder Kreisen, sondern in einer durchgehenden Spirale geord- net. Dazu kommt, dass am blühenden Stengel der Rübe die Blät- ter nicht in Kreisen stehen, sondern an jedem Knoten nur eins, und alle zusammen in einer Spirale geordnet. Einen ferneren Beweis geben solche Rüben, deren Kopf schiesst, ohne es im ersten Jahre zur Blüthenbildung zu bringen, ich meine die Fälle, wo ein etwa 20—40 cm langer Stamm gebildet wird, der an seinem Gipfel eine dichte Blätterkrone trägt. Im gestreckten Theile dieses Stammes, der ja nur einen, in die Länge gezogenen Abschnitt des normalen Rübenkopfes darstellt, stehen die Blätter gleichfalls nicht in Krei- sen, sondern in einer einfachen Spirale. Endgültig wird die Frage aber erst durch directe Untersuchung entschieden. Hierzu schneidet man die ganze Blättermenge durch einen horizontalen Schnitt weg, den man in kurzer Entfernung oberhalb der obersten Stelle des Kopfes führt. Man sieht jetzt die Querschnitte der Blattstiele und kann ihre Anordnung leicht beur- theilen. Mit Ausnahme von den Cotylen und den beiden ersten Blättern der jungen Pflanze, welche opponirt stehen, stehen alle Blätter in einer Spirale. Nach den Regeln der Blattstellung lässt sich dabei leicht ermitteln, wie viel Blätter auf einem Spiralumgang ‚stehen. Man findet, dass man von einem beliebigen Blatte »ausge- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 479 hend fünf Spiralumgänge 1) durchlaufen muss, um zu dem näch- ‚sten, auf demselben Radius des Querschnittes befindlichen 2) zu gelangen, und dass auf diesen fünf Umgängen dreizehn Blätter liegen. Nach der üblichen Bezeichnungsweise ist die Blattstellung ‚also 5/3. Es kommen also auf jedem Spiralumgang zwei bis drei ‚Blätter. Von Kreisen ist nirgendwo eine Spur zu sehen. Und wollte man solche annehmen, so bietet unser Querschnitt dazu gar keine be- stimmten Anhaltspunkte. Will man jeden Spiralumgang als einen Kreis auffassen, so kommen auf den Kreis nur zwei bis drei Blät- ter, was nach der herrschenden Ansicht für eine grosse Rübe mit acht Gefässbündelkreisen also etwa zwanzig Blätter im ganzen jahre machen würde. Oder sollen wir fünf Umgänge für einen Kreis halten, was 13 Blätter pro Kreis giebt, eine Zahl welche für junge Rübchen mit 1—2 Gefässbündelkreisen viel zu gross ist. Man sieht, glaube ich, deutlich, dass die Kreise nicht da sind, und dass sie auch nicht zu machen sind. Damit könnte man aber den Satz, dass mit jedem neuen Blatt- kreise ein neuer Kreis von Gefässbündeln entsteht, als widerlegt betrachten. Wenigstens von der morphologischen Seite. Gehen wir aber jetzt zur physiologischen über. Es soll jeder Gefässbündelkreis durch die zugehörigen Blätter ernährt werden. Diese Ansicht beruht offenbar auf der Vorausset- zung, dass die einzelnen Gefässbündelkreise der Wurzel völlig von einander getrennt sind, und dass jeder an seinem oberen Ende nur mit einigen wenigen, ihm angeblich zugehörigen Blättern in Verbindung steht. Denn nur in diesem Falle lässt sich begreifen, weshalb die aus den Blättern herabsteigenden Bildungsstoffe, wel- che zum Theil in dem Baste, zum Theil in der Stärke- und Zucker- scheide eines jeden Strangen sich bewegen, in ihrer Verbreitung auf diese Weise beschränkt sein sollten. Diese Voraussetzungen treffen aber leider nicht zu, wie man leicht aus unserer anatomischen Be- schreibung der Rübe wird entnehmen können. Verbindungen zwi- schen den verschiedenen Kreisen finden sich, vereinzelt, überall 1) Die Richtung der Spirale fand ich bei einigen Exemplaren rechtsläufig, bei anderen linksläufig; eine solche wechselnde Richtung kommt auch bei anderen Pflanzen oft vor. Könnte diese vielleicht eine Folge der verschie- denen Orientirung der Embryonen in der Frucht sein? 2) Es ist hier selbstverständlich derjenige Blattstielquerschnitt gemeint, dessen Mittelpunkt auf demselben Radius wie der Mittelpunkt des Blatt- stieles, von dem man ausging, liegt. 480 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. im Rübenkörper zerstreut, man sieht solche in unserer Fig. 1 bei I abgebildet. Aber weit wichtiger sind die zahlreichen und ‚zum Theil sehr complicirten Strangverbindungen an der Grenze des Wurzelhalses und des Kopfes (Fig. 1 h h), welche ein so voll- ständiges anastomosirendes Netz bilden, dass der Weg wohl von jedem Blatte zu jedem Gefässbündelkreise offensteht. Wenn die- ses auch in unserer Figur nur in untergeordneter Weise sichtbar ist, so bedenke man, dass sie nur eine Radialebene durch die Rübe carstellt und dass zahllose weitere Verbindungen in den übrigen radialen Ebenen liegen. Dazu kommt, dass von jedem Blatte mehrere Spurstränge in den Kopf herabsteigen, von denen einige mehr in die Mitte eindringen, andere sich mehr in den äusseren Schichten bewegen, wodurch ebenfalls eine Vertheilung der Bil- dungsstoffe jedes einzelnen Blattes stattfinden kann. Endlich sind auch im Kopfe die Spurstränge häufig mit einander verwachsen, was wegen der zahllosen Kreuzungen, welche dort stattfinden (Vergl. Fig. 1), wohl nicht wundern kann. Kurz, die anatomische Beschaffenheit der Rübe zeigt uns gar keine ausschliessliche Beziehung bestimmter Blättergruppen zu den einzelnen Gefässbündelkreisen. Und damit wird es auch wenigstens höchst unwahrscheinlich, dass jeder Ring nur aus bestimmten lättern seine Nährstoffe und sein Reservematerial schöpfen würde. Aber alle diese Betrachtungen, obgleich sie nach meiner Mei- nung mehr als hinreichend sind, die herrschende Meinung zu wi- derlegen, treten in den Hintergrund gegenüber einer Thatsache, welche ich jetzt erörtern will. Jedermann weiss, dass höchstens die vier bis fünf inneren Ringe zu bedeutender Mächtigkeit heranwachsen, dass sie in ihren Zel- len die weitaus grösste Menge des Zuckers ablagern. Die späteren Ringe, einer bis zwei, selten mehr an der Zahl, bleiben stets schmal und entwickeln wenig Zuckergewebe. Die Gefässbündelkreise dieser Ringe sind bereits völlig ausgebildet zu einer Zeit, wo die Rübe noch dünn ist und erst wenige Blätter trägt. Zur Zeit, wo in diesen Ringen die Hauptmasse des Zuckers abgelagert wird, sind die ihnen entsprechenden Blätter längst abgestorben, es muss also nothwendigerweise das Geschäft der Ernährung der inneren Ringe durch die späteren, weit mächtigeren Blätter übernommen wor- den sein. Ich behaupte also, dass diejenigen Blätter, welche gleichzeitig mit den ersten vier bis fünf Ringen angelegt worden sind, sich an deren späteren Dickenwachsthum und an der Ablagerung der Re- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 481 servestofie gar nicht betheiligen. Sie sind zu wenig zahlreich und zu schwach, um erhebliches zu leisten, und sterben, bevor das eigentliche, rasche Dickenwachsthum anfängt. Diese Sätze habe ich aus einigen vergleichenden Messungen abgeleitet, deren Resultate ich jetzt mit der erforderlichen Aus- führlichkeit darlegen werde. Als Material benutzte ich die Würz- burger Futterrübe, welche sich wegen ihrer ansehnlichen Grösse besser zu diesen Beobachtungen eignet als die Zuckerrübe. Wäh- rend des Sommers 1875 wurden von Zeit zu Zeit junge Rüben ver- schiedenen Alters auf Spiritus gebracht, die Blätter waren mehre- re cm oberhalb des Kopfes abgeschnitten, die unteren Theile der Blattstiele also noch gelassen. Dieses Material und einige reife Rüben derselben Sorte kamen dann im Winter 1876 zur Untersu- chung. Von jedem zu untersuchenden Exemplar wurde ein Quer- schnitt nahe über dem Vegetationspunkte des Kopfes gemacht. Die Blätter wurden auf diesem Schnitte gezählt, die älteren mit dem unbewaffneten Auge, die kleineren im Centrum unter dem Mikroskop. Waren einzelne Blätter bereits abgestorben, so wurden die Narben gezählt und ihre Zahl der obigen addirt. Um die Beurtheilung der Zahlen zu erleichtern, habe ich einer- seits die Cotylen und die beiden ersten Blätter, andererseits die primären Vasalgruppen und den ersten Gefässbündelkreis stets von den Zählungen ausgeschlossen. Es geschah dieses deshalb, weil die anatomische Untersuchung gelehrt hatte, dass die Blatt- spuren der Cotylen sich den primären Vasalgruppen anlegen, während die beiden ersten Blätter (und nur diese) in Verbindung mit dem ersten Gefässbündelkreis treten. Auch ist das Parenchym in den Markstrahlen des centralen Strangkörpers zu unbedeutend, um es jetzt in Betracht zu ziehen. Wollte man dies aber dennoch thun, so würde der Augenschein schon lehren, dass es erst nach dem Absterben der Cotylen und der beiden ersten Blätter sein grösstes Dickenwachsthum zeigt, also unsere Ansicht eher stützt als dass es ihr widerspräche. Ich gebe jetzt einige Zählungen, welche an den in Spiritus auf- bewahrten Exemplaren gewonnen wurden. Die Exemplare waren kaum 1 mm bis 1 cm (Nr. 10) dick. 31 482 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Cambiumringe Zahl der Blätter Nr. des Anzahl der dicht unterhalb dicht oberhalb auf einem Exemplars. Blätter. der Cotylen derNebenwurzeln Cambiumring 1 2 0—1 0 — 2 4 1 0—1 4 3 8 2 2 4 4 9 yag: 1 +6 5 9 2 2 4—5 6 11 2 2 5—6 T 13 2—3 3 T9 8 14 3—4 3—4 a 9 15 4 3—4 4—5 10 16 3—4 3—4 5 Aus dieser Tabelle geht hervor 1) bei jungen Pflänzchen (von bis 1 cm Dicke) kommen auf jeden Cambiumring etwa 4—5 Blätter. 2) Wenn 14—16 Blätter angelegt worden sind, sind im 1 ganzen hypocotylen Gliede die 3—4 Ringe (Nr. 4—Nr. 5) angelegt, welche später fast die ganze Masse der Rübe ausmachen werden. Wenn man also der herrschenden Ansicht huldigt, so muss man nach diesen Beobachtungen annehmen, das die 14 bis 16 ersten Blätter einer Rübenpflanze nahezu das ganze Geschäft ihrer Er- nährung übernehmen, dass die späteren Blätter nur für die Aus- bildung der schmächtigen Ringe am Umfange des Rübenkörpers dienen. Diese Annahme wird nun wohl ein jeder von vornherein ver- werfen, zumal wenn man beachtet, dass die ganze Zahl von Blät- tern, welche eine Würzburger Futterrübe während ihrer Vegeta- tionszeit macht, nach einigen Zählungen jedenfalls grösser als 45—50 ist. Diese Exemplare hatten je nur sechs Cambiumzonen (mit Aus- schluss des ersten Gefässbündelkreises, wie oben erörtert), es kämen also auf die beiden letzten Zonen wenigstens 45—15—30 Blätter, also pro Ring etwa 15. Hier kommt also mehr als eine ganze Spirale von fünf Umgängen auf jedem Gefässbündelkreis, während in der jungen Pflanze, wie wir sahen, nur 4—5 Blätter gleichzeitig mit einem Gefässbündelkreise angelegt wurden. Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so sehen wir 1) die Blätter stehen nicht in Kreisen, sondern in einer ununter- brochenen Spirale. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 483 2) Jedes Blatt (mit alleiniger Ausnahme der allerersten) steht mit mehreren Gefässbündelkreisen in Verbindung. 3) Die Gefässbündelkreise stehen unter sich an zahlreichen Stellen in Verbindung. 4) Gleichzeitig mit dem zweiten bis fünften Gefässbündelring werden nur die etwa 15 ersten Blätter der Spirale angelegt, diese Blätter genügen zu dem späteren Wachsthum dieser Ringe offenbar nicht. - 5) Gleichzeitig mit den beiden letzten, stets dünn bleibenden äusseren Ringen werden etwa 30 Blätter angelegt, welche grossentheils sich im Hochsommer zu bedeutender Grösse entwickeln, sie bilden offenbar viel mehr Material, als die beiden äusseren Ringe verwerthen oder aufspeichern kön- nen. Aus allen diesen Erfahrungen geht zur Genüge hervor, dass die herrschende Meinung, welche eine bestimmte, anatomische und physiologische Beziehung zwischen den Gefässbündelkreisen der Rübe und den sogenannten Blattringen annimmt, mit den That- sachen in Widerspruch steht. Das ganze Complex der Blätter einer Rübe trägt zur Ernährung der ganzen (gleichzeitig vorhandenen) Gewebemasse der Wurzel bei; eine Arbeitstrennung nach concentrischen Zonen besteht nicht 1). § 13. Das Wurzelleben der Rüben. a) Die Verzweigung der Wurzel. Eine gut ausgebildete Rübe hat nur eine stark entwickelte Haupt- wurzel, ihre Wurzelzweige sollen alle fadendünn sein. Bekanntlich kommt es aber vor, dass eine oder mehrere Seitenwurzeln sich stärker entwickeln, häufig erscheint die Rübe gabelig, bisweilen siark verästelt. In der Regel sind aber die Nebenwurzeln dünn. Sie stehen an der Hauptwurzel in zwei Reihen, welche in Folge des Dickenwachsthums bedeutend breiter werden, indem zwischen den primären Nebenwurzeln nachträglich zahlreiche secundäre entste- hen. Die Neubildung von Wurzelfasern in den beiden Wurzelreihen scheint solange fortzudauern, als die Rübe überhaupt noch in die Dicke wächst, wenigstens, so lange sie noch neue Gefässbündel- 1) Dass den Versuchen über den Einfluss einseitigen Abblattens auf das Dickenwachsthum der Rübe eine Beweiskraft in dieser Frage nicht zukommt, bedarf wohl keiner näheren Erörterung. 484 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. ringe bildet. Man erkennt dieses z. B. an Querschnitten der reifen Rübe (z. B. Taf. I, Fig. 3), wo die Gefässstränge der Nebenwur- zel nicht alle aus dem centralen Bündel entspringen; die secun- dären entspringen, je nachdem sie später angelegt worden sind, aus einem mehr nach aussen gelegenen Gefässbündelkreise. Ueber die Entwickelung der Nebenwurzeln, welche der Haupt- wurzel in verschiedenen Höhen entspringen, finden wir in der Literatur wichtige Angaben. Schumacher I) untersuchte die Bewurzelung der Runkelrüben auf einem mittleren reichen Lehmboden bei ziemlich tiefer Boden- _ cultur. Die Pfahlwurzel drang zwar in die tieferen Schichten des Bodens hinein, allein sie besass nur an dem dicht unter dem Wurzelkörper befindlichen Theile einige reiche Nebenwurzeln, an den tieferen Theilen war sie sehr arm daran, und der tiefer als 1 Fuss in die Erde dringende Theil der Pfahlwurzel war für die Er- nährung der Pflanze kaum mehr von Bedeutung; die meisten und reichsten Wurzelfäden entwickeln sich aus dem mit der Erde in Berührung stehenden Theile des Rübenkörpers. Thiel 2) fand, dass die Hauptmasse der feinen, vielverzweigten, jüngeren und für die Nährstoffaufnahme thätigen Wurzeln in der oberen, 20 bis 25 cm tiefen Bodenschicht, der Ackerkrume enthal- ten ist. Hosaeus 3) cultivirte Rüben in cubischen Holzkästen von 1 cbm Inhalt, welche mit feiner, gesiebter Erde gefüllt waren. Als Boden- sorten wurden Quarzsand, rother Thon- Aue- und Grundschutt- boden verwendet, ohne dass in diesem Versuch ein Einfluss der Bodenart auf Wurzelverzweigung oder Ernteertrag ersichtlich wäre. Die Gestaltungsverhältnisse waren im Allgemeinen diesel- ben, wie sie oben angegeben worden sind; die vom Verf. mitge- theilten Einzelheiten mögen hier jedoch noch angeführt werden. Die Verästelungen der Pfahlwurzel finden sich regellos verbreitet, haupt- sächlich in einer Tiefe von 13 bis 16 cm. Die meisten Wurzeln aber entspringen seitlich von der Pfahlwurzel an verschiedenen Stellen des Rübenkörpers; ihre grösste Anzahl findet sich ebenfalls bis zu einer Tiefe von 16 cm. Die grösseren von ihnen, pro Rübe durchschnittlich 15 Stück, entsenden zahlreiche Verästelungen 1) Schumacher, Monatsschrift des landw. Provinzialvereins für Bran- denburg und Niederlausitz 1867. S. 190; nach Jahresbericht für Agricultur- chemie 1867. S. 83. 2) Jahresbericht 1870—72. S. 71. 3) Jahresbericht 1870—72. S. 67. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 485 zweiter und dritter Ordnung. Der kleinere Theil dieser Wurzeln verläuft in senkrechter, der grössere Theil. in horizontaler Richtung. Die letzteren gelang es, bis zu einer Länge von 63 bis 94 cm bloss- zulegen, ohne jedoch ihre letzten Verästelungen auffinden zu kön- nen. Ueber eine Bodentiefe von 21 cm hinaus werden die Verzwei- gungen seltener, es finden sich dann nur noch senkrecht in die Erde dringende fadenförmige Wurzeln von 52 bis 89 cm Länge. jede Rübe besass 6 bis 10 derartige Wurzeln. Finden Nebenwurzeln an einer Stelle im Boden besonders gün- stige Ernährungsverhältnisse, so verzweigen sie sich dort stark und wachsen in Folge der besseren Ernährung selbst bedeutend in die Dicke. Einen Beleg für diesen Satz giebt ein Experiment Corenwinders 1). Er pflanzte junge Rüben in einem Kreise von 50—60 cm Durchmesser ein und brachte in den Mittelpunkt des Kreises ein Stück Oelkuchen 2—3 cm tief in den Boden ein. Einige Monate später fand sich , dass von mehreren Rüben dicke Neben- wurzeln in horizontaler Richtung nach dem Oelkuchenstück gin- gen, welche dort ein vollständiges Geflecht von Haarwurzeln ge- bildet hatten. Eine dieser Nebenwurzeln hatte zwischen der Pflan- ze und dem Oelkuchen eine Länge von 40 cm. Violette 2) zeigte, dass die starke Verästelung der Rüben eine Folge der schlechten Bodenverhältnisse sein kann. Samen, welche 1866 von demselben Individuum gewonnen wurden, wurden theils in einen gleichmässig bearbeiteten, in guten Düngungsverhältnis- sen stehenden, theils in einen seiner Zusammensetzung nach sehr ungleichen, steinigen Boden gesät. In letzterem waren meist alle Wurzeln bei der Ernte verästelt, im ersteren normal spindelförmig. Grade die besten Culturvarietäten sind diesem Bildungsfehler am meisten unterworfen, da sie, zarter als andere Varietäten, den äusseren Einflüssen eher unterliegen. Die verästelten Rüben wa- ren nicht zuckerreicher als die normalen. Wenn man Runkelrüben in unvollständigen Lösungen der Nähr- salze zieht, so bringen die oberirdischen Theile es in der Regel nicht weiter als zur Entfaltung der beiden Cotylen und der beiden ersten Blätter, welche eine Länge von 5—20 mm erreichen können. Es scheint dabei ziemlich gleichgültig, welches der für das Leben erforderlichen Elemente fehlt. An solchen, in grösserer Zahl ange-- stellten Culturen fand ich bezüglich der Wurzelentwickelung eine 1) Comptes rendus 1868. LXVII. S. 775, nach Jahresbericht 1868, S. 243. 2) Comptes rendus 1875. I. S. 399, nach Bot. Jahresbericht III, S. 978. 486 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. merkwürdige Thatsache, welche hier mitgetheilt zu werden ver- dient. Es zeigte sich nämlich ganz constant, dass die Hauptwurzet sich zu einer bedeutenden, oft sehr ansehnlichen Länge ent- wickelte, während sie fast gar nicht in die Dicke wuchs und sich fast gar nicht verzweigte. Nebenwurzeln wurden zwar in kleinen Entfernungen angelegt, aber hörten auf zu wachsen, sobald sie einen oder einige Millimeter lang waren. Nur selten entwickelten sich einzelne längere Wurzelzweige. In destillirttem Wasser wurden am 4. Juli Culturen angestellt, am 2. September wurde die Länge der Hauptwurzel gemessen. Ich fand: Nr. des Exemplars Länge der Hauptwurzel in cm. 1 65 60 60 65 80 75 87 80 50 SO OD OB WND Nur im oberen Theil hatten sie längere Zweige von wenigen Cen- timetern, über der grössten Länge erreichten die Zweige aber nur 1—10 mm Länge. Versuche, in denen dem Wasser 2 pro mille schwefelsaures Kali, oder 2 pro mille Chlorkalium zugesetzt wurden, ergaben kürzere Hauptwurzeln. Dagegen erreichten die Wurzeln in einer Lösung von 2 pro mille Gyps vom 9. Juni bis zum 2. September über 100 cm Länge, eben- ialls in Lösungen von 2 pro mille phosphorsaurem Kalk 100—110 cm Länge. Wodurch in diesen Versuchen das Längenwachsthum der Haupt- wurzel gegenüber der Entwickelung aller anderen Theile so sehr gefördert wurde, muss einstweilen dahingestellt bleiben. Die Hauptwurzel der Rüben verkürzt sich sehr beträchtlich, und wie es scheint, während sehr langer Zeit, bis sie eine gewisse Dicke erreicht hat. Durch diese Verkürzung wird der Kopf der Rübe fortwährend in den Boden hineingezogen, was zumal dann, wenn der Boden sich stark setzt, von grosser Wichtigkeit für die normale Entwickelung der Rübe ist. Diese merkwürdige Erscheinung, welche für die Keimwurzel der WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 487 Rübe bereits 1819 von Fittmann angegeben wurde, scheint nach- her nicht wieder beachtet worden zu seinl). Ich habe im Sommer 1876 einige Messungen angestellt, welche zeigen: 1) dass die Verkürzung in 2—3 Wochen bis 10 pCt. betragen kann, 2) dass sie sowohl an ganz dünnen als an etwas dickeren, bis 8—9 mm dicken Rüben beobachtet wird, 3) dass sie sich wenigstens über einen ansehnlichen Theil der Wurzel erstreckt, dass vielleicht sogar der ganze ausge- wachsene Theil der Rübe (mit Ausnahme der obersten Zone in der Nähe des Kopfes) sich an der Verkürzung betheiligt. Meine Versuche wurden nach zwei Methoden gemacht; bei der ersteren wurden die Rüben aus dem Boden genommen, und nach- dem die Marken aufgetragen waren, wieder eingepflanzt; bei den letzteren wurden sie in Cylindergläser mit Wasser als Wassercul- turen aufgestellt. Die Marken wurden jedesmal, in Entfernungen von je 10 mm, von der Ansatzsstelle der unteren Blätter soweit abwärts aufgetragen, als es das Exemplar erlaubte. Sie befanden sich alle auf einer Seite der Wurzel zwischen den beiden Neben- wurzelreihen. Die Vorbereitung geschah am 16. August, die Mes- sung am 3. September. Ich führe zuerst zwei Versuche an, in denen die Marken sich über je 80 mm Länge erstreckten. I war in Erde gepflanzt, II war eine Wassercultur. Die Dicke der Wurzel war im oberen Theile bei I 8 mm, bei II 6 mm. Die Verkürzung betrug in den je 10 mm langen Zonen, welche von oben nach unten mit römischen Ziffern bezeichnet wurden: Nr. der Zone Länge der Zonen am Ende des Versuchs I. 1. | 10,0 mm 10,0 mm I 10:0. ;; 10,0. , IN 00% OTS IV 38:75 92m V GoT ts gA VI 98 9,3:.4% VII 82, g2 ae VIII 9S LPS ai Zusammen TOER 71.1 1) Fittmann, Flora 1819. Bd. II. S. 651. Die Verkürzung wird auch bei 488 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Die beiden folgenden Versuche wurden’ mit eingepflanzten Exem- plaren angestellt, deren Wurzelhals bei I 7, bei II 9 mm dick war. Nr. der Zone Länge der Zonen am Ende des Versuchs I. II. I 10,0 mm 10,0 mm II 10,0. 5, 10,005, I 969: 9,825 IV 10:03; 9,7705 V KOKO Da in diesem Versuche die Wachsthumsverhältnisse offenbar keine günstigen waren, führe ich nur diese beiden Reihen an; von den Wasserculturen, welche meist erheblichere Verkürzungen, bei gu- tem Wachsthum der Krone und reichlicher Ausbildung von Ne- benwurzeln zeigten, möge eine grössere Zahl mitgetheilt werden. Die Länge der anfangs 10 mm langen Zonen betrug am Ende des Versuchs Nr. des Dicke des obere Zone Exemplars Wurzelhalses 1 1. HI. IV. V. 1 5 mm 10,0 10,0 10,0 9,8 9,5 2 DER 10,0 10,0 9,4 9,5 3 DAR 10,0 9,2 9,2 4 SULS 9,7 9,8 9,7 5 DIR, 10,0 9,4 9,2 6 SLAR 10,0 9,6 9,3 7 DI 5% 9,5 9,6 9,9 8 1,9, 9,8 9,5 9,2 9 5a 9,5 9,0 10 15,35 10,0 9,3 Bis jetzt haben wir unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich der Hauptwurzel gewidmet, und deren Verästelungen nur in grossen Zügen besprochen, wir wollen nun die Nebenwurzeln einer etwas eingehenderen Betrachtung unterwerfen. Um die Nebenwurzeln in schöner und bequemer Weise beobach- ten zu können, empfiehlt es sich, junge, etwa fingerdicke Rüben aus der Erde zu nehmen, alle vorhandenen Nebenwurzeln zu ent- fernen und die Pflanzen mit der Pfahlwurzel in Brunnenwasser zu anderen Pflanzen beobachtet, worüber meine Versuche mit Rothklee in Opera III, S. 140, zu vergleichen sind. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 489 stellen. In wenigen Tagen bilden sie im Hochsommer zahlreiche neue Nebenwurzeln, welche in den beiden Reihen, zwischen den Narben der abgebrochenen unregelmässig zerstreut stehen. Man sieht dann zunächst, wie sie aus kleinen Spalten in der Rinde des Wurzelkörpers hervortreten, deren Ränder häufig zu callusähn- lichen Anschwellungen heranwachsen, ein Umstand, der zumal dort beobachtet wird, wo die Nebenwurzeln gruppenweise stehen. Diese meist querstehenden und linienförmigen, bisweilen über 1 cm langen Erhabenheiten kann man auch an älteren Rüben noch leicht zurückfinden. Die aus den Spalten heraustretenden Nebenwurzeln sind meist dünn und langzugespitzt. Ihre äusserste Spitze ist nackt und nur von der Haube bedeckt, erst in einer Entfernung von 2—4 mm treten Wurzelhaare auf, welche anfangs klein und warzenförmig sind, aber allmählich zu einer Länge von etwa 15—20 mm her- anwachsen. Sie blieben meist ziemlich lange am Leben und be- decken die grösseren Nebenwurzein daher über eine ansehnliche Strecke. Die jüngsten Spitzen der Nebenwurzel sind äusserst spröde. Versucht man es, sie in der Gegend, wo sie noch keine Wurzel- haare tragen, stark zu biegen, so brechen sie sogleich mit glatter Bruchfläche ab. Dort, wo die Wurzelhaare noch jung sind, kann man sie etwas stärker, bis zu einem scharfen Winkel, biegen, dann aber brechen sie wieder glatt ab. Aeltere Theile können noch viel stärker gebogen werden, sie brechen nicht ab, sondern knicken ein. Es nimmt also die Sprödigkeit von der Spitze aus gegen die älteren Theile stetig ab. Untersucht man Nebenwurzeln, welche sich in Erde entwickelt haben, so findet man dieselben Verhält- nisse, jedoch sind die Wurzelspitzen im Allgemeinen etwas weni- ger spröde als die der Wasserwurzeln. Die Sprödigkeit der Wurzelspitzen bedingt es, dass beim Her- ausnehmen der Rüben aus der Erde behuis des Verpflanzens, auch wenn man noch so vorsichtig verfährt, die meisten Wurzelspitzen abbrechen. Je mehr man die Wurzeln dabei von anhängender Erde befreit, um so geringer wird die Aussicht sein, dass noch einige Spitzen unverletzt bleiben. Werden die Rüben nun wieder einge- pflanzt, so ist zum zweiten Male eine Ursache des Abbrechens in der unvermeidlich rohen Behandlung gegeben. Da nun nur die _ Spitze an einer Wurzel in die Länge wächst, so wird durch das Herausnehmen oder das Verpflanzen der Rüben das Wachsthum der Wurzeln wenigstens zeitweise sistirt. Dieses wird offenbar 490 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nicht eher wieder anfangen, als bis neue Nebenwurzeln an der Pfahlwurzel oder deren stärkeren Zweigen ausgebildet worden sind. Die Haare der im Boden wachsenden Nebenwurzeln verwach- sen bekanntlich mit den Bodenpartikelchen. Mann kann diese Er- scheinung beobachten, wenn man Rüben in Töpfen zieht, nach einer oder mehreren Wochen die Erde aus dem Topf als zusammen- hängenden Ballen herausnimmt und dann die Wurzeln mittelst eines feinen Wasserstrahles vorsichtig blosslegt. Oder man gräbt die Rüben aus dem Garten mit einem grossen Erdklumpen heraus und behandelt sie in gleicher Weise. Man findet nur die äussersten, meist H—-3 mm langen Spitzen nackt, sonst sind die Nebenwurzeln überall mit einer bräunlichen oder schwarzen Hülle allseitig dicht umgeben. Schwenkt man das Wurzelsystem in Wasser tüchtig ab, so bleibt diese Hülle dennoch. Nur die ältesten Theile der Neben- wurzeln, da, wo die Wurzelhaare bereits abgestorben sind, besit- zen eine solche Hülle nicht. Untersucht man jetzt die einzelnen Wurzelhaare unter dem Mi- kroskop, so sieht man, dass die Erdpartikelchen auf ihrer ganzen Länge angeheftet sind, zum grössten Theil aber in der Nähe der Spitze liegen. Die Zellhaut des Haares ist mit den Erdtheilchen fest verwachsen, dabei ist die Spitze meist in auffallender Weise an- geschwollen und deformirt, so dass nicht selten einzelne Partikel- chen scheinbar hineingewachsen sind oder wenigstens von mehre- ren Seiten umfasst werden. Sehr geeignet zur Beobachtung der Wurzelhaare ist auch die Verwendung einer von Sachs vorgeschlagenen Methode, welche es gestattet, die Gebilde im lebenden und unverletzten Zustand zu untersuchen. Die Rüben werden dabei in einem grossen Behälter mit Erde gepflanzt, deren Wandungen alle oder zum Theil aus Glas bestehen, und nicht genau vertical, sondern in einem Winkel von etwa 10 Grad gegen die Verticale geneigt stehen. Das Gefäss ist somit oben etwas weiter als unten, die Pflanzen werden dicht an die Glaswand gepflanzt, und ein Theil ihrer Nebenwurzeln wird sich an diese anschmiegen und in ihrem ganzen Verlaufe sichtbar bleiben. Man sieht jetzt überall die Wurzelhaare; wo die Wurzel etwa durch eine grössere Luftlücke im Boden geht, stehen sie sen- krecht und frei von ihr ab, und verwachsen erst mit ihrem Ende mit dem Boden, sie sind hier also so zu sagen zwischen den Erd- theichen und der Wurzel ausgespannt. An anderen Stellen biegen sie sich zwischen den Erdklümpchen ein und verwachsen überall mit diesen. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 491 Vergleicht man nun solche völlig unverletzte Haare, welche man ‚durch geeignete Vorkehrungen leicht durch das Mikroskop unter- suchen kann, wenigstens bei den schwächeren Vergrösserungen, welche die Benutzung auffallenden Lichtes gestatten, mit denjeni- gen Haaren, welche man durch Auswaschen des Bodens für die mikroskopische Untersuchung vorbereitet hat, so überzeugt man sich leicht, dass letztere fast ausnahmslos sämmtlich mehr oder weniger verletzt sind. In der Regel reicht es hin, das Wurzelsystem aus der Erde auszugraben und auch nur vorsichtig abzuklopfen, um weitaus die meisten Wurzelhaare zu verletzen. Verletzte Wur- zelhaare pflegen nun bald abzusterben, sie schrumpfen zusammen und betheiligen sich an der Aufnahme der Nährstoffe und des Was- sers nicht mehr. Werden also Rüben aus dem Boden herausgenommen, um sie zu verpflanzen, so werden nach obiger Erörterung 1) fast alle Wurzelspitzen abgebrochen, 2) weitaus die meisten Wurzelhaare getödtet. Neue Wurzelhaare werden aber offenbar von der verpflanzten Rübe zunächst nicht gebildet werden können, weil solche nur an den jungen noch wachsenden Spitzen entstehen, und diese abge- bıochen sind. Die Pflanze wird also so lange ohne Wurzelhaare leben müssen, bis neue Wurzeln aus den älteren hervorgetreten und hinreichend lang geworden sind, um Wurzelhaare zu bilden. Dass dieses Verhälniss nachtheilig auf das Leben der verpflanzten Rüben einwirken muss, ist wohl selbstverständlich, und wir werden im nächsten Paragraphen sehen, wie sich daraus das Welken und die damit zusammenhängenden Erscheinungen an verpflanzten Rüben erklären lassen. Im Anfang dieses Paragraphen haben wir die Verzweigung des Wurzelsystems bei den fertig ausgebildeten Rüben behandelt; es erübrigt uns jetzt noch, das MET ELLE bei jungen Exemplaren zu beschreiben. Weitaus die reichste Verzweigung finden wir bei jungen Exem- plaren in der Gegend, wo der fleischig verdickte Theil der Rübe in die unverdickte Pfahlwurzel übergeht. Ueber eine Länge von mehreren Centimetern trägt die Wurzel hier zahlreiche lange Aes- te, welche selbst wiederum reich verzweigt sind, und später zu mächtigen Stämmen heranwachsen werden. Die Pfahlwurzel selbst geht noch viel tiefer in den Boden hinunter, trägt dort aber nur wenige zerstreute Zweige. Der Rübenkörper trägt in den beiden Reihen zwar zahlreiche, aber meist kurze und unverzweigte Neben- 492 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. - wurzeln. Diese Reihen fangen in einer Entfernung von meist 2—3 cm von den Cotylen an und erstrecken sich bei jungen, 1—10 mm dicken Rüben über eine Länge von 10—12 cm, wo dann der reicher verzweigte Wurzelschwanz anfängt. Je kräftiger die Exemplare sind, um so reichlicher ist die Verzweigung in dieser Gegend und um so mehr findet man auch höher hinauf einige stärkere und verzweigte Nebenwurzeln. Die Seitenzweige der Nebenwurzeln stehen gewöhnlich nicht in zwei Längsreihen, wie an der Hauptwurzel, sondern in drei Zeilen. Meist sind diese drei Reihen sehr schön ausgebildet und zumal an Wasselculturen deutlich zu beobachten. Bisweilen fehlt eine Reihe, oder sind die Winkel zwischen ihnen ungleich gross, oder scheinen sich sogar vier Reihen zu entwickeln. S 14. Das Anwurzeln der Pflanzrüben. Obgleich das Verpflanzen beim Zuckerrübenbau gar nicht mehr üblich, und beim Futterrübenbau in den meisten Gegenden nur von untergeordneter Bedeutung ist, so bietet es doch in physiologi- scher Hinsicht des Wichtigen so viel, dass es als eine lohnende Aufgabe erscheint, es hier einer auf eigene Versuche gestützten Betrachtung zu unterziehen. Vorher mögen einige der bekannteren Regeln über dieses Ver- fahren kurz zusammengestellt werden, weil sie geeignet sind, auf die Beziehung der physiologischen Seite der Erscheinung zu der Praxis einiges Licht zu werfen 1). Bei Zuckerrüben ist die Form des Wurzelkörpers bekanntlich eine sehr wichtige Eigenschaft; gabelige oder stark verzweigte Wurzeln sind für die Fabriken wenig geeignet. Da es nun aber beim Verziehen unvermeidlich ist, dass die Pfahlwurzel an irgend einer Stelle abgebrochen wird, und ihre Funktion demnach ge- wöhnlich von einer oder mehreren stärkeren Seitenwurzeln über- nommen wird, so sind verpflanzte Zuckerrüben schon aus dem Grunde für die Zuckerfabrikation ungeeignet. Dazu kommt, dass das Verpflanzen zu viel Zeit erfordert und daher unausführbar wird, wenn es im Grossen geschehen sollte. Bei Futterrüben wird das Verpflanzen in all’ jenen Fällen em- pfohlen, wo der Acker aus irgend einem Grunde nicht hinreichend früh im Jahre zugänglich ist, um die Rüben zu säen. Z. B., wenn im Frühjahr noch eine Ernte entnommen werden soll, wenn der 1) Vergl. Fühling, der praktische Rübenbauer 1877. 3. Aufl. S. 264. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 493 Boden nicht früh genug abtrocknet oder das Klima zu rauh ist, oder wenn irgend welche äusseren Verhältnisse eine frühe Bear- beitung des Bodens unmöglich machen. Man säet dann die Rüben- kerne im März oder April auf Gartenbeeten aus und verpflanzt die jungen Rübchen in der zweiten Hälfte des Mai oder der ersten Hälfte des Juni. Es ist dabei wichtig, dass die Pfahlwurzel in so grosser Länge wie möglich behalten bleibe und dass man sie ohne Verbeugung und Krümmung in das Pilanzloch bringe. In diesem Falle ent- wickelt der untere Theil die stärksten Nebenwurzeln, und ent- wickelt sich der Rübenkörper in seiner normalen Form. Men pilegt das Laub bis auf die Herzblätter abzuschneiden, weil die Erfah- rung gelehrt hat, dass die entwickelten Blätter nach dem Verziehen ‚gewöhnlich ohnehin absterben. Sehr zu empfehlen ist es, die Rüben bei feuchtem Wetter zu verpflanzen, oder, wenn dies bei trockenem Wetter geschieht, sie nachher zu begiessen. Hierdurch erholen sie sich bedeutend rascher, als wenn der Boden trocken bleibt. Der eigentliche Zweck des Verpflanzens besteht darin, die Ve- getationszeit der Rüben auch dann zu verlängern, wenn dieses auf dem Felde durch frühe Bestellung nicht geschehen kann. „Es ist unglaublich,” zagt hierüber Metzger!), „welche Vorzüge ein früheres Pflanzen gegen ein späteres hat. Der Unterschied von drei bis vier Wochen kann die Hälfte des Ertrages mehr oder weniger zur Folge haben.” Und wenn nicht durch das Verpflanzen die jun- gen Rüben in ihrer Entwickelung eine Zeitlang gehemmt würden, so würde ohne Zweifel dieses Verfahren sich einer viel weiteren Verbreitung erfreuen. Daher ist es wichtig, zu untersuchen, welche Umstände bei dem Verpflanzen diese Hemmung des Wachsthums herbeiführen. | | Ueber die Vor- und Nachtheile des Verpflanzens liegen in der agrikulturchemischen Literatur zahlreiche Berichte über Anbau- versuche vor, deren Resultate wir hier um so weniger mittheilen können, als sie gewöhnlich nur für die bei jedem Versuch grade obwaltenden Verhältnisse Geltung haben, und eine physiologische Verwerthung wohl kaum zulassen. Denn wir haben hier nur die physiologische Seite der Erscheinung in die Augen zu fassen. Wir wollen zunächst die Folgen des Verpflanzens etwas genauer beschreiben, wie sie sich zeigen, wenn man nicht nur die Blätter,. 1) Metzger, Landwirthschaftliche Pflanzenkunde I. S. 448. 494 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. sondern zumal auch die Wurzeln berücksichtigt. Ich führe dazu zwei Versuchsreihen an, die erstere wurde Mitte Juni bei trock- nem Wetter, die zweite Ende desselben Monats bei regnerischem Wetter angestellt. Im Voraus will ich aber bemerken, dass die Rübenpflanze durch Schnittflächen unter gewöhnlichen Umständen nicht Wasser ge- nug an sich saugen kann, um den Verdunstungsverlust bei kräfti- gem Sonnenschein völlig zu ersetzen. Schneidet man einzelne Blätter in der Luft ab und stellt sie sogleich in Wasser, so fangen sie an der Sonne bald an zu welken; ebenso die ganze Krone, wenn man die Rübe im Halse durchschnitten hat und nun die Wund- fläche in Wasser stellt. Zieht man eine junge, etwa fingerdicke Rübe aus, tödtet alle Nebenwurzeln und stellt sie in Wasser, so sieht man auch im Zimmer die Blätter bald welken. In allen diesen arei Versuchen erhoben sich die Blätter Nachts, bei geringer Wärme und feuchter Luft wieder, erschlafften meist aber wieder am nächsten Tage. Nur wenn die Luft fortwährend sehr feucht ist, bleiben sie frisch. Hieraus folgt, dass Rüben ohne Nebenwurzeln in trockner Luft fast unbedingt welken müssen, nur feuchte Luft kann sie dagegen schützen. An einem warmen, sonnigen Tag im Juni, als das Thermometer im Schatten 25° C. zeigte, und der Erdboden ganz trocken war, habe ich morgens früh zwischen 6 und 8 Uhr eine grössere An- zahl von halbfingerdicken Zuckerrüben aus der Erde genommen und sogleich in Reihen wieder eingepflanzt. Die Nebenwurzeln waren dabei wohl sämmtlich zerbrochen. Die Pflänzlinge wurden sofort stark begossen. Dessen ungeachtet waren bereits nach einer Stunde alle Pflanzen so stark gewelkt, dass ihre Blätter wie nasse Tücher auf der Erde ausgebreitet lagen; die Stiele waren noch nicht ganz welk, Mittags um vier Uhr waren aber auch diese völlig schlaff. Nur die allerjüngsten, wenige ‚Centimeter grossen Herzblättchen erhielten sich frisch. Nach sechs Tagen waren die verwelkten Blätter völlig vertrock- net, die jungen wuchsen frisch heran. Jetzt wurde die Erde gut angefeuchtet, um die Wurzeln ohne grössere Verluste ausheben zu können. Alle zeigten sich vom Wurzelhalse aus bis am unteren Ende, also über etwa 15—20 cm stark bewurzelt. Diejenigen, wel- che beim Anfang des Versuches einzelne stärkere, verzweigte Ne- benwurzeln hatten, haben auch aus diesen neue Verzweigungen getrieben. Die Nebenwurzeln waren im oberen Theil des Wurzel- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 495 körpers meist etwa 3—5 cm lang, die am unteren Theile meist kürzer. Dieser Versuch lehrt, dass, wenn die jungen Blätter kräftig zu wachsen anfangen, aus dem Wurzelkörper bereits zahlreiche, ziemlich lange und mit Wurzelhaaren dicht besetzte Nebenwurzeln gebildet sind. Ende Juni wurde ein zweiter Versuch bei fast fortwährend reg- nerischen Wetter im Garten angesetzt. Zahlreiche, halbfingerdicke Exemplare wurden ausgehoben, alle ihre Nebenwurzeln entfernt, und die Hauptwurzel in einer Länge von 15—20 cm abgestutzt. Sie wurden Abends im Gartenbeet gepflanzt. Am folgenden Tag waren die Blätter nur wenig welk. Am drit- ten Tag waren die Blätter wegen des fortwährenden Regens frisch; “es wurden einige Exemplare ausgehoben; die ersten Nebenwurzeln waren im oberen Theil des Wurzelkörpers eben ausgetreten, und nur bis 1,5 m lang, ohne Wurzelhaare. Am vierten Tag waren in der oberen Zone bereits zahlreiche Nebenwurzeln von 1 mm Länge, und einzelne längere vorhanden; tiefer am Wurzelkörper sah man überall zerstreut die ersten Anfänge von Nebenwurzeln. Am fünften Tage hatte der Regen aufgehört, das Wetter wurde heiter und die Pflänzlinge welkten in Folge dessen; sie hatten of- fenbar noch kein hinreichend starkes Wurzelsystem, um jetzt den Verdunstungsverlust der Blätter zu ersetzen. Ausgrabungen er- gaben, dass über eine Strecke von 6 cm, vom Wurzelhalse abwärts zahlreiche Nebenwurzeln von bis 10 mm Länge entstanden waren, aie meisten schon reich mit Wurzelhaaren besetzt. Am sechsten Tag, bei andauernd heiterem Wetter erholten sich die Pflänzlinge wieder, sie waren jetzt ziemlich frisch, und es zeigte sich, dass nun die Nebenwurzeln sehr kräftig gewachsen waren und bereits ein schönes junges Wurzelsystem bildeten. Die Nebenwurzeln der oberen Zone waren sehr zahlreich und viele bis 30 mm lang, in der unteren Zone waren ebenfalls zahlreiche, aber kleinere Würzelchen zu Tage getreten. Am siebenten Tag bei warmem Wetter (Temperatur im Schat- ten 25° C) waren die Pflanzen nun völlig frisch und hatten fast alle ihre sämmtlichen Blätter behalten. Die Nebenwurzeln waren sehr zahlreich und viele bis 3 und 4 cm lang, reichlich behaart und mit den Bodenpartikelchen verwachsen. Dieser Versuch zeigt, dass bei feuchtem Wetter nach fünf Tagen zwar zahlreiche Nebenwürzelchen hervorgebrochen waren, dass diese aber noch nicht hinreichend lang geworden, und alsó nicht 496 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. mit der erforderlichen Anzahl von Wurzelhaaren besetzt waren, um die Krone nun auch beim Sonnenschein frisch zu erhalten. Dies war erst der Fall, als zahlreiche Nebenwurzeln 3 bis 4 cm lang wa- ren. Wir dürfen hieraus folgern, dass im Allgemeinen die Pflänzlinge erst dann an der Sonne frisch werden können, wenn eine hinrei- chende Anzahl von Wurzelhaaren gebildet und mit der Erde ver- wachsen ist. Um den Zusammenhang zwischen dem Weiken und dem nach- herigen Frischwerden der Blätter einerseits und der Entwickelung von Nebenwurzeln und Wurzelhaaren andererseits noch genauer verfolgen zu können, nahm ich eine Anzahl halbiinger- dicker Rübchen aus dem Garten, reinigte die Hauptwurzeln unter Entfernung aller vorhandenen Nebenwurzeln, und stellte sie in Cylindergläsern mit Wasser als Wasserkulturen im Zimmer auf. Einige ebenso behandelte Exemplare wurden in Töpie mit guter (iartenerde eingepflanzt, und als Kontrollexemplare neben die übrigen gestellt. Alle Hauptwurzeln waren in einer Länge von 10 cm abgeschnitten. Alle Pflanzen welkten und hingen am nächsten Tage ganz schlaff. Nach zwei Tagen erschienen die ersten Neben- würzelchen in der oberen Zone des Wurzelkörpers. Am vierten Tag hatte ein Exemplar der Wasserkulturen zahlreiche Neben- wurzeln von bis 3 mm Länge, es was frisch geworden; ein anderes Exemplar hatte nur wenige, dafür aber bis 6 mm lange Nebenwur- zeln und war halbirisch geworden; die übrigen Pflanzen waren noch welk und hatten nur ganz kleine Nebenwürzelchen. Am tol- genden Tage war die Sachlage nur wenig verändert, am sechsten Tage waren aber alle Exemplare so gut wie frisch, und ihre Wur- zeln mit zahlreichen kleinen Nebenwurzeln besetzt. Die in den Töpfen stehenden Exemplare gingen in ihrer Entwickelung mit den beschriebenen parallel. Man sieht, dass, wenn die Wurzel in Wasser taucht und die die Blätter umgebende Luft nicht sehr trocken ist, sogar die jüngsten noch unbehaarten Wurzelanlagen soviel Wasser zu saugen ver- mögen, dass die Blätter wieder frisch werden. Vorausgesetzt näm- lich, dass sie in hinreichend grosser Anzahl vorhanden sind. Aber je zahlreicher und je länger, zumal je reichlicher behaart die Ne- benwurzeln sind, um so mehr ist der frische Zustand der Blätter gesichert. Wenn nun in den beiden Versuchen, bei geringem Welken der Blätter die Neubildung von Nebenwurzeln unbedingt dem Frisch- Werden der Blätter vorangehen muss, so wird dieses offenbar WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 497 um so mehr nothwendig sein, je mehr die Blätter gewelkt sind, und je wasserärmer der Boden ist. Ja in demselben Verhältnisse wird eine grössere Anzahl von Nebenwurzeln, oder eine grössere Länge ihrer behaarten Strecke erforderlich sein, um den norma- len Zustand wieder herbeizuführen. Kurz, die verpflanzten Rüben welken, weil sie keine wachsen- den Wurzelspitzen und keine lebendigen Wurzelhaare mehr haben, sie erholen sich erst dann, wenn sie diese Organe in der erforder- lichen Menge neu gebildet haben. Sind inzwischen die gewelkten Blätter alle oder zum Theil vertrocknet und gestorben, so dauert die Zeit der Erholung noch länger, indem erst wieder neue Blätter aus der Endknospe hervorgetrieben werden müssen. Hieraus ergiebt sich, dass die Rüben beim Verpflanzen um so weniger Schaden nehmen werden, je weniger ihre Blätter welken, und je rascher sie neue Nebenwurzeln und Wurzelhaare entwickeln können. Völlig unschädlich wird das Verpflanzen nur dann sein, wenn es so vorsichtig geschieht, dass die Wurzelspitzen und Wur- zelhaare so wenig verletzt werden, dass eine hinreichende Zahl am Leben bleibt, um sofort die Blätter mit Wasser versorgen zu können. Dass dieses auch an sehr trockenen, sonnigen Tagen im Hoch- sommer geschehen kann, lehrte mich folgender im Juli ausgeführ- ter Versuch (Temperatur der Luft im Schatten 25 Grad. C., die der Erde in der Sonne Mittags um 12 Uhr 27° C.). Drei kräftige, halbfingerdicke Zuckerrüben waren in einem Top- fe im Freien erwachsen, und täglich stark begossen. Sie wurden nun am Tage des Versuches um 11 Uhr mit sammt der Erde aus dem Topfe herausgenommen, und der ganze Ballen unter vielem Wasser vorsichtig zerdrückt, bis es gelang, die drei Exemplare mit möglichster Schonung der Wurzeln zu trennen. Diese wurden nun mit ausgebreiteten Wurzeln in tiefe Pflanzlöcher in ein Gartenbeet eingesetzt, die Erde angefüllt und angedrückt und sofort stark be- gossen. Trotzdem sie fortwährend von der Sonne beschienen wurden, welkten sie gar nicht. Controlle-Exemplare, gleichzeitig in der gewöhnlichen Weise verpflanzt, welkten sofort sehr stark. Wasserkulturen mit kräftigem Wurzelsystem wurden an sonni- gen Tagen aus dem Gefässe herausgenommen und vorsichtig im Garten ausgepflanzt, und gut begossen. Auch sie welkten nicht. Man sieht, dass bei hinreichender Schonung der Wurzeln die Rüben verpflanzt werden können, ohne zu welken. Verpflanzt man Rüben aber in der üblichen Weise, so kann man sie noch vor grösseren Verlusten schützen, wenn man die 32 498 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Blätter in ihrer Frische bewahrt. Man muss dazu die sie umgeben- de Luft feucht halten, was am einfachsten durch übergestülpte Glasglocken erreicht wird. Ich verpflanzte in dieser Weise Rüben an sonnigen Tagen und sah sie trotz der brennenden Sonne tur- gescent bleiben. Zu bemerken ist, dass die Blätter die Wand der Glocke nicht berühren dürfen, weil sie sonst leicht absterben. Man muss die Glocken lassen, bis die Pilänzlinge hinreichend bewur- zelt sind, hob ich nach drei Tagen die Glocken ab, so welkten die Blätter in einer halben Stunde sehr stark, wurden aber nachher in feuchter Luft wieder frisch. Eine sehr interessante Thatsache, welche man bei diesen Ver- suchen leicht beobachten kann, ist, dass die Pflänzlinge unter den Glocken sich viel rascher bewurzeln als danebenstehende, ohne Glocken, aber sonst völlig gleich behandelte Exemplare. Ob die Ursache dieser Erscheinung in dem Frischbleiben der Blätter zu suchen sei, oder vielleicht in der Erhöhung der Temperatur der Erde, welche die von der Sonne beschienenen Glocken herbeifüh- ren mussten, will ich einstweilen unentschieden lassen. Es scheint aber nach einigen weiteren Versuchen, dass die An- wesenheit und die Frische der Blätter beschleunigend auf die Wurzelbildung einwirkt. Am 7. Juli pflanzte ich einige Rüben, einige in gewöhnlicher Weise, einige ebenso, doch, nachdem sämmtliche Blätter abge- schnitten waren, und einige unter Glasglocke. Das Wetter war bis zum 10. abwechselnd regnerisch und sonnig. Am 10. Juli fingen die anfangs gewelkten Blätter der Pflanzen der ersten Reihe an, sich wieder zu erheben; die Bewurzelung war eingetreten; sie hatten wenig zahlreiche Nebenwurzeln von bis 8 mm Länge; die unter den Glocken stehenden Pflanzen waren schöner und reicher be- wurzelt, ihre Nebenwurzeln bis 15 mm lang; die entblätterten nur spärlich bewurzelt, Nebenwurzeln wenig zahlreich und höchstens 3—5 mm lang. In den folgenden Tagen wurde dieser Unterschied immer deutlicher; die der Blätter beraubten Exemplare blieben in der Bewurzelung stark zurück, während die Pflänzlinge unter den Glocken den nicht bedeckten, beblätterten Rüben erheblich vor- aneilten. Auch in anderen Versuchen zeigte sich das Abschneiden der Blätter als nachtheilig für eine rasche Bewurzelung. Von gleich alten Pflänzlingen, welche gleichzeitig an einem son- nigen Tage im Freien verpflanzt waren, zeigten sich nach etwa sechs Tagen diejenigen am stärksten bewurzelt, welche die ge- WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 499 rıngste Zahl von Blättern verloren hatten. Ein Exemplar, welches nur ein Blatt am Leben behalten hatte, trug wenig zahlreiche Ne- benwurzein von 1 oder höchstens 2 cm Länge; eine sonst gleiche Pflanze mit vier noch lebenden Blättern trug zahlreiche, meist 3—5 cm lange, einzelne 6—8 cm lange und sogar eine 10 cm lange Nebenwurzel. Die letztere Pflanze machte den Eindruck reichli- cher, die erstere bot den Anblick spärlicher Verzweigung. Die Länge des dem Pflänzlinge gelassenen Stückes der Haupt- wurzel hat, wie zu erwarten, einen bedeutenden Einfluss auf die Bewurzelung. Versuche ergaben, dass die Zahl der neu sich bil- denden Nebenwurzeln mit der Länge der Pfahlwurzel wächst, dass erstere aber sich um so weniger rasch entwickeln, je zahlreicher sie angelegt sind. Die Versuche wurden nach der Methode der Wasserkulturen ‚angestellt. In einer Reihe waren die Wurzeln sämmtlich 3 mm dick, und in einer Länge von 3 resp. 6 cm Länge abgeschnitten. Nach 4 Tagen waren im ersteren Fall 10 Nebenwurzeln von bis 30 mm Länge, im letzteren zahlreiche Wurzeln von höchstens 6 mm Länge ge- bildet; nach sechs Tagen waren im ersteren Fall 10—20 Wurzeln von bis 60 mm Länge gebildet, im letzteren hatten die zahlreichen neuen Würzelchen noch nicht eine Länge von 40 mm erreicht. In einer zweiten Reihe waren die Wurzeln 8 mm dick, und 3 resp. S cm lang; im ersten Fall entstanden in sechs Tagen wenige bis 60 mm lange, im letzteren zahlreiche kurze Nebenwurzeln (die längsten nur 30 mm lang). Durchschneidet man die Wurzel im Halse, also oberhalb der beiden Reihen von Nebenwurzeln, so entsteht in der Regel keine neue Bewurzelung. Nur wenn die Rüben ganz jung sind, bilden sie einen Callus auf der Wundfläche, aus welchem dann später Wür- zelchen hervorwachsen. Ebenso wie die Länge, hat auch die Dicke und mithin das Alter einen bedeutenden Einfluss auf die Bewurzelung. Am raschesten bewurzeln sich fingerdicke und halbfingerdicke Wurzeln, sehr dünne junge Exemplare dagegen nur sehr langsam. Aber auch viel dickere, halbreife Rüben kann man verpflanzen und unter günstigen Umständen sich rasch bewurzeln sehen. Um den Einfluss der Temperatur auf diese Erscheinung in augen- fälliger Weise zu demonstriren, empfiehlt es sich, wieder die Me- thode der Wasserkulturen zu benutzen. Ich wählte Anfang Juli eine Anzahl möglichst gleicher junger Zuckerrübenpflanzen aus, rei- 500 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. nigte die Hauptwurzeln von allen Nebenwurzeln und schnitt ihre Schwänze derart ab, dass die bleibenden Wurzeltheile in allen gleich lang waren. Einige Exemplare waren als Wasserkulturen aufgestellt, andere in Töpfe mit feuchter, guter Gartenerde ge- pflanzt. Von beiden Sorten stellte ich einige in einen Keller, wo die Luft feucht war und die Temperatur während mehrerer Tage 15— 16° C blieb; der Raum war ziemlich dunkel. Eine zweite Reihe kam in einem grossen Zimmer bei diffusem Licht und einer Tem- peratur von 21° C, die übrigen in einem kleinen Südzimmer bei 25° C zur Aufbewahrung; es wurde Sorge getragen, dass die letzteren Pflanzen nicht von den direkten Sonnenstrahlen getroffen werden konnten. Die Pflanzen im Keller welkten nicht, die in den Zimmern aber ziemlich stark. Nach zwei Tagen traten bei 25° C, nach vier Ta- gen bei 15° C die ersten Nebenwurzeln hervor. An diesem vierten Tage waren die Pflanzen im Keller trotz der noch fast mangeln- den Bewurzelung noch frisch, die in den Zimmern noch welk; bei 20° C waren jetzt zahlreiche Nebenwurzeln von bis 20 mm Länge, sowohl bei den Wasserkulturen als bei den Topfkulturen gebildet worden. Bei 25° C waren die Blätter der Wasserkulturen wieder fast ganz frisch geworden, die Nebenwurzeln waren sehr zahlreich und bis 20 mm lang, die Topfkulturen waren ebenso stark bewur- zelt aber merklich weniger frisch. Fünf Tage später waren die Pflanzen im Keller nur schwach bewurzelt, Nebenwurzeln der Wasserkulturen bis 40, der Topfkulturen bis 20 mm lang; die im Zimmer bei 20° C waren reichlich bewurzelt, während an dem bei 25° C gehaltenen Exemplare die neuen Nebenwurzeln sehr lang, und schon selbst wieder verzweigt waren. Aus all’ den mitgetheilten Versuchen wird eine wichtige That- sache deutlich, welche wir am Schlusse noch hervorheben wollen. Sowohl bei feuchter als bei trockener Luft, ja auch bei direktem Sonnenschein erholen sich die Rüben, sobald sie ein neues Wurzel system von einigem Umfang gemacht haben. Dieses neue System ist aber in jeder Hinsicht viel kleiner und schwächer als das nor- male Wurzelsystem vor dem Verpflanzen war. Daraus folgt, dass Rüben unter normalen Bedingungen weit mehr Wurzeln besitzen, als sie brauchen, um den Verdunstungsverlust ihrer Blätter unter gewöhnlichen Umständen zu decken. Zur Erhärtung dieser Schlussfolgerung habe ich noch einige Versuche angestellt. Kräftige Rüben mit je 5—8 Blättern, welche im Garten wuchsen, WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 501 mans Ar 4 t wurden mit ihrem Wurzelkörper durch vorsichtiges Abtragen der oberen Erdschichten blossgelegt, und alle Nebenwurzeln, welche sich am ganzen Körper bis auf 8 cm Tiefe fanden, vernichtet. Doch wurde Sorge getragen, die tieferen Wurzeln nicht zu beschädigen. Dann wurde die Erde wieder zugedeckt. Die Pflanzen standen an der Sonne und welkten nur sehr unbedeutend, der Boden war trocken. Neben anderen gleich kräftigen Rüben wurde ein tiefes Loch im Boden gemacht, um von dort aus durch einen horizontalen Spaten- stich die Wurzelschwänze und tiefern Nebenwurzeln abzutrennen. Es geschah dieses in einer Tiefe von 17 cm. Sowohl die jüngeren als die älteren Exemplare blieben dann die Nacht über frisch, welkten am nächsten Tag an der Sonne ein wenig, und erholten sich Abends wieder. Der Boden war auch in diesem Versuche ziemlich trocken. Wenn man dagegen neben Rüben mit dem Spaten in den Boden sticht, und durch Hin- und Herbewegen des Spatens die Erde um die Pflanzen herum ein wenig lockert, so kann es leicht geschehen, dass alle Nebenwurzeln beschädigt werden, und dass die Pflanzen an der Sonne sofort anfangen zu welken, um sich weiterhin ge- nau so wie verpflanzte Rüben zu verhalten. Es zeigt dieser Ver- such noch klarer als mancher andere, wie zart und empfindlich die Wurzeln der Rübe sind. § 15. Die Stoffwanderung in der Wurzel. Von den zahlreichen chemischen Veränderungen, welche wäh- rend der Entwickelung der Rübenwurzel und später in ihr statt- finden, lassen sich leider nur wenige und diese nur sehr unvoli- ständig auf mikrochemischem Wege verfolgen. Viele anscheinend wichtige Stoffe sind nur nach analytischen Methoden nachweis- bar, und häufig ist ihre Erforschung noch mit so grosser Schwie- rigkeit verbunden, dass man über die Feststellung ihres Vorhan- denseins nicht weit hinausgekommen ist. Nicht selten lässt sich annährend die Menge bestimmen; über die Verbreitung, die Ent- stehungsweise und andere physiologisch wichtige Verhältnisse verkehrt man noch im Dunklen. Am günstigsten steht in dieser Be- ziehung, wie zu erwarten, der Rohrzucker, theils wegen seiner praktischen Interessen, theils weil er in überwiegender Menge vor- kommt und der Forschung leichter zugänglich ist. Bei dieser Sachlage ist es eine wichtige Aufgabe, das bis jetzt veröffentlichte Beobachtungsmaterial zu sichten und zu untersu- chen, welche Thatsachen sich für die Physiologie der Zuckerrübe 502 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. verwerthen lassen. In den folgenden Paragraphen habe ich es ver- sucht, diese Aufgabe wenigstens zum Theil zu lösen, und stelle ich also die vorhandenen Angaben, welche zu den physiologischen Vorgängen in mehr oder weniger klar einleuchtender Beziehung stehen, zusammen. Der Umstand, dass ein grosser Theil der vor- liegenden Arbeiten sich mit der Vertheilung des Rohrzuckers im Rübenkörper beschäftigen, hat mich veranlasst, auch meinerseits dieser Frage die grösste Aufmerksamkeit zu widmen, und zu ver- suchen, die Beobachtungsresultate auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen. Inwiefern mir dies gelungen ist, wird die Lek- türe unseres letzten Paragraphen zeigen, ich habe hier nur noch zu bemerken, dass es beim gegenwärtigen Stand unseres Wissens für den beabsichtigten Zweck durchaus unerlässlich war, etwas weiter auszuholen, und einige Betrachtungen allgemeiner Natur über die Verbreitung der wichtigsten Bildungsstoffe in pflanzli- chen Geweben vorauszuschicken. Diese sind bereits in den beiden letzten Paragraphen (§ 7 und 8) des ersten Abschnittes mitgetheilt worden, so dass ich hier einfach auf diese Bezug nehmen kann. Zum klaren Verständniss der Einzelheiten, mit deren Erörte- rung die folgenden Paragraphen sich zu beschäftigen haben wer- den, wird es vielleicht zweckmässig sein, hier die Stoffwanderung im Rübenkörper in grossen Zügen kurz darzulegen. Dabei verweise ich für die Details der mikroskopischen Untersuchung auf die Be- schreibung meiner Beobachtungen, wie ich sie bereits in § 5 ge- geben habe, für die Thatsachen analytisch-chemischer Natur aber auf die nächstfolgenden Ausführungen. Die in der Rübe sich anhäufenden organischen Stoffe werden dort bekanntlich nicht aus anorganischem Materiale neugebildet. Diese Funktion steht den Blättern zu. Im grünen Blattparenchym wird die Kohlensäure und das Wasser zerlegt, und als nächstes sichtbares Resultat dieser Zerlegung tritt in den Chlorophylikör- nern die Stärke auf. Die Stärke löst sich, wohl zum grossen Theile Nachts als Traubenzucker auf; und dieser durchwandert die Ner- ven und den Blattstiel bis in den Kopf der Rübe hinein. Die Blatt- stiele enthalten wohl etwas Stärke in den Stärkescheiden, jedoch nur wenig, und es scheint nicht, dass dieses in fester Form abge- lagerte Kohlenhydrat sich dort bewege. Auch scheinen die Blatt- stiele nach einigen Angaben etwas Rohrzucker zu enthalten 1), ohne dass man diese Thatsache näher untersucht hätte oder ihre 1). z. B. Mehay, Jahresbericht f. Agriculturchemie. 1868. S. 278. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 503 Bedeutung kennte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass weit- aus der wichtigste Theil der Bildungsstoffe in den Nerven und im Blattstiel in der Form von Traubenzucker hinuntergeschafft wird. Dieser Traubenzucker ergiesst sich in den Kopf der Rübe, wo er in erheblicher Menge nachweisbar ist, und verbreitet sich von da aus, wie wir bald sehen werden, wohl durch den ganzen Rüben- körper, aber hier nur in sehr geringer Menge. Aus ihm entsteht der Rohrzucker, dessen. Diffusionseigenschaften eine Bewegung durch das lebende Rübengewebe, von Zelle zu Zelle gehend, so viel wir jetzt wissen, unmöglich machen. Wo Traubenzucker in Rohrzucker umgesetzt wird, muss dieser in der betreffenden Zelle liegen blei- ben, und nicht eher kann er diese verlassen, bis dass er wieder in Traubenzucker oder einen anderen diffusiblen Stoff umgesetzt wird. Den Grund dieses, für die Physiologie der Rüben, so wie für die ganze Industrie der Zuckerfabrikation so höchst wichtigen Ver- hältnisses, haben wir in den Eigenschaften des lebenden Proto- plasma zu suchen. Die zuckerführenden Zellen des Rübengewebes haben eine zarte Zellhaut, welche auf ihrer Innenseite vollständig von einer äusserst dünnen Lage Protoplasma’s ausgekleidet ist. Der übrige Inhaltsraum ist vom Zellsafte eingenommen, in welchem der Zucker gelöst ist. Die Zellhaut nun lässt, wie man leicht beobach- ten kann 1), den Zucker leicht durch sich hindurchgehen, das Pro- toplasma aber nicht; dieses ist für Rohrzuckerlösungen, soweit unsere Beobachtungsmethoden reichen, völlig impermeabel. Schnei- det man Stücke aus dem Gewebe der rothen Salatrüben, und bringt diese, nachdem man die Inhalte der durchschnittenen Zel- len sorgfältig weggewaschen hat, in frisches Wasser, so geben sie an dieses in etwa 14 Tagen weder Zucker noch auch ihren Farbstoff ab. Bringt man Schnitte in starke Zuckerlösungen, so sieht man diese unter dem Mikroskop in die Zellen eindringen und sich zwischen der Zellhaut und dem Protoplasma Raum machen; die Zellhaut lässt sie durch, das Protoplasma nicht. Diese Anga- ben mögen zur Verdeutlichung unseres Satzes hinreichen, weitere Beweise findet man in meiner citirten Arbeit. Das lebende Protoplasma der Rübenzellen ist also für Rohr- zucker impermeabel. Daher kommt es, dass sich der Rohrzucker in der Rübe nicht bewegen kann, und dass er in verschiedenen 1) ‚Sur la perméabilité du protoplasma des betteraves rouges, Opera I, S. 86. 504 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Zellschichten, wie wir bald sehen werden, in verschiedener Kon- zentration gefunden wird, ohne dass, sogar im Laufe eines ganzen Winters eine Ausgleichung der Konzentrationsunterschiede statt- finden könnte. Daher kommt es ferner, dass man beim Diffusions- verfahren die Schnitzel im ersten Diffusionscylinder auf eine Tem- peratur erwärmen muss, welche das Protoplasma der Zellen töd- tet, seinen Widerstand gegen die Bewegung des Zuckers somit aufhebt, und die Diffusion der Zuckerlösung ermöglicht, welche jetzt bekanntlich auch bei niedrigeren Temperaturen vorsichgehen kann. Daher rührt es endlich, dass erfrorene Rüben ihren Zucker- saft durch das ganze Gewebe diffundiren und der Einwirkung der Luft und der Hefen aussetzen, während lebendige Rüben ihren Zucker vor schädlichen Wirkungen zu beschützen vermögen. Wir würden über die Folgen der Undurchlässigkeit des Proto- plasma für Rohrzucker noch lange sprechen können, doch möge das Mitgetheilte genügen, um uns die Wichtigkeit dieser Eigen- schaft klar zu machen. In einem späteren Beitrag beabsichtige ich, diese Impermeabilität des Protoplasma in seinen vielfachen Be- ziehungen zu wichtigen Prozessen einer weiteren Untersuchung zu unterwerfen. Jetzt haben wir nur die Thatsache festzustellen, weil wir sie später bei der Erklärung der Konzentrationsunter- schiede in der Rübe benutzen werden. Nur einen Punkt möchte ich noch hervorheben. Auf die Un- durchlässigkeit des Protoplasma der Rübenzellen für Rohrzucker beruht überhaupt die Möglichkeit der Anhäufung des Rohrzuckers. Denn wäre das Protoplasma für Zucker eben so leicht durchgäng- lich, wie die Zellhaut, so würde der Zucker offenbar sich in den Kopf, und von dort aus in den Blattstielen und Blättern verbreiten, bis er in der ganzen Pflanze zu annähernd gleicher Konzentration gekommen wäre. Ja, er würde sich sogar dem Bodenwasser mit- theilen, zu welchem er, wenn auch vielleicht nicht durch die Kork- schale der Rübe selbst, doch durch die zahlreichen, zarthäutigen Nebenwurzeln Zugang hätte. Mit einem Wort eine Lokalisirung, eine Aufspeicherung in bestimmten Gewebepartien wäre gar nicht möglich. Wenn im Frühjahr des zweiten Vegetationsjahres die neuen Triebe und Blätter sich entwickeln, so ist es zunächst der Rohr- zucker der Rübe, welcher das Material zu ihrem Wachsthum lie- fert. Dieses Material muss also den jungen Theilen zugeführt werden. Da nun der Rohrzucker nicht von Zelle zu Zelle diffun- diren kann, so muss er in Traubenzucker umgesetzt werden, und WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 505 dass dies wirklich geschieht, lehrt uns nicht nur die direkte mi- krochemische Untersuchung, sondern auch die allbekannte That- sache, dass die Rüben im Frühjahr, sobald sie anfangen zu keimen, so stark im Rohrzuckergehalt abnehmen, dass die Verarbeitung in der Fabrik sich nicht mehr lohnt. So viel über den Zucker. Von den übrigen organischen, theils stickstoffhaltigen, theils stickstofffreien in den Rüben nachgewie- senen Bestandtheilen haben wir hier im Allgemeinen nichts zu erwähnen; manches wurde bereits in unserem § 5 mitgetheilt, das Uebrige soll in den folgenden Paragraphen seinen Platz finden. Vorher gehe aber die Behandlung der Athmung, als eines der wichtigsten Prozesse des Stoffwechsels. S 16. Die Athmung der Rüben. Es ist selbstverständlich, dass die Rüben, so lange sie normal leben, athmen, Sauerstoff absorbiren und Kohlensäure produziren. Der Sauerstoff wird von den athmenden Zellen zunächst der Luft in den intercellularen Räumen entnommen, die Kohlensäure ent- weicht zunächst in diese. Durch Diffusion mit der äusseren At- mosphäre kann die intercellulare Luft in der Regel den Verlust an Sauerstoff ersetzen, das Uebermaass der Kohlensäure entfernen. Jedoch geschieht dieses, wegen der langsamen Bewegung der Gase in den capillairen und dazu höchst unregelmässigen Luft- räumen der Rübe nur langsam, das Gleichgewicht wird nie völlig hergestellt, die Innenluft bleibt immer ärmer an Sauerstoff und rei- cher an Kohlensäure als die äussere Atmosphäre. Je intensiver, bei günstigerer Temperatur, die Athmung ist und je weniger frei die Oberfläche der Rübe mit der Atmosphäre in Berührung ist, um so grösser wird der Unterschied zwischen der Zusammensetzung der Innenluft und der Atmosphäre sein. Vorstehende Sätze lassen sich mit voller Gewissheit aus der allgemeinen Physiologie für die Rübe ableiten. Aufgabe der spe- ziellen Physiologie ist es zu erforschen, wie gross unter verschie- denen äusseren Umständen der Verbrauch an Sauerstoff und die Produktion von Kohlensäure und ferner die Abweichung der Mi- schungsverhältnisse zwischen Innenluft und Aussenluft sind. In dieser Richtung ist bisher noch sehr wenig geschehen. Bodenbender I), durch das Auftreten von Kohlensäure in dem 1) ‚Zeitschrift d. Vereins f. Rübenzuckerindustrie. Neue Folge. 10. Jahrg. 1873. S. 10 nach Centralbl. f. Agriculturchemie IV. 1873. S. 189. 506 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Stadium der Saftgewinnung in den mittelst Diffusion arbeitenden Zuckerfabriken auf das Vorkommen dieses Gases in den Rüben aufmerksam gemacht, stellte sich die Frage, ob es auch in den lebenden Rüben anzutreffen sei. Sämmtliche Proben von Schnit- zeln der Zuckerrübe, einerlei, ob diese letzteren frisch vom Felde entnommen und mit Blättern versehen, eingemiethete gut erhaltene, wie endlich stark ausgewachsene oder angefaulte waren, enthielten Kohlensäure und zwar in sehr wechselnden Mengen. A. Heintz 1) analysirte die Binnenluft reifer Rüben, indem er letztere zu Brei zerrieb und diesen sofort entweder mit Wasser’ -auskochte oder mit der Luftpumpe auspumpte. Die von ihm erhal- tenen Zahlen schwanken je nach der angewendeten Methode für Kohlensäure bedeutend, für Sauerstoff nur wenig. Beim Ausko- chen enthielt die gesammelte Luft 30—35 pCt. Kohlensäure und 0,14—0,56 pCt. Sauerstoff. Beim Auspumpen fand er für die in den ersten Stunden entweichende Luft folgende prozentische Zusam- mensetzung: i Kohlensäure 11,49 pCt. Sauerstofi IS Stickstoff 86,98 „, Derselbe Forscher2) suchte zu bestimmen, wie viel Kohlensäu- re von reifen Rüben unter normalen Umständen in bestimmter Zeit produzirt werde. Er stellte hierzu folgenden Versuch an. Eine Glas- glocke wurde im Winter mit Rüben gefüllt und durch Quecksilber abgesperrt. Durch die Glocke wurde ein Strom von getrockneter, von Kohlensäure befreiter Luft geführt; die austretende Luft liess man durch ein Chlorcaleiumrohr und durch einen Liebig’schen Kaliapparat streichen. Der Apparat stand bei einer möglichst konstanten Temperatur der äusseren Luft von 10° C. in einer dunklen Ecke; täglich wurde zehn Stunden lang ein langsamer lLuftstrom, bei welchem pro Sekunde 1 bis 2 Blasen durch den Kaliapparat gingen, hindurchgeleitet. Der Versuch dauerte vom 16. November bis zum 15. Dezember, also 30 Tage. Es wurde gefunden: 1) Zeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie des deutschen Reiches. 23. Bd. 1873. S. 196, nach Centralbl. f. Agriculturchemie IV. 1873.. S. 281. 2a ra- O. S, 284. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 507 Gewicht der Rüben nach dem Versuch ......... 4330,5 g Auseeschiedenes: Wassena.ce enaa a: 60,4 g Ausgeschiedene Kohlensäure ....................- 34,3 g Summa 4425,2 g Gewicht der Rüben vor dem Versuch ......... 4400,0 g Gewichtszunahme 25,2 g Die Gewichtszunahme kann nur durch den bei der Athmung aut- genommenen Sauerstoff verursacht sein. Eine. Berechnung zeigt, dass das Volumen dieses Sauerstoffes dem Volumen der ausgeschie- denen Kohlensäure nahezu gleich ist. Man darf annehmen, dass der Rohrzucker das Athmungsmaterial in den Rüben darstellt, und dass, wenn auch noch andere Substanzen durch die Athmung oxydirt werden sollten, dieses doch nur in unerheblicher Weise der Fall ist. Auf diese Annahme stützend, berechnet der Verf., dass unter den obwaltenden Bedingungen in einem Monat 44,4 g Zucker verathmet worden ist, was also etwa 1 pCt. von der Gesammtmasse der angewandten Rüben ausmacht. Es leuchtet nach allgemeinen. physiologischen Regeln ein, dass die Athmung um so ausgiebiger sein wird, dass also in gleichen Zeiten um so mehr Zucker verbraucht werden wird, je höher die Temperatur ist. Um also Rüben während längerer Zeit bei mög- lichst geringem Zuckerverlust aufzubewahren, muss man sie bei ungehemmtem Luftzutritt in einer möglichst niedrigen Tempera- tur erhalten (ohne sie jedoch der Gefahr des Erfrierens auszu- setzen). Bei der Athmung entsteht Wärme. In den Rübenmiethen häuft sich diese Wärme an, und beschleunigt ihrerseits den Athmungs- prozess. In Frost-Zeiten kann diese Eigenwärme dazu beitragen, die Rüben vor der Gefahr des Erfrierens zu schützen. Untersu- chungen über diese Punkte sind mir bis jetzt nicht bekannt ge- worden. 8 17. Die stickstoffhaltigen Bestandtheile der Rübe. Untersucht man Längs- und Querschnitte des Rübenkörpers mit- telst Kupfervitriol und kalter Kalilauge, so färben sich die Basttheile der Gefässbündel, sowie die jungen Zellen der Kambiumringe schön violett, ein Zeichen, dass sie Eiweiss enthalten. Auf Längs- schnitten zeigt sich die Reaktion auf die dünnwandigen Elemente 508 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. des Bastes beschränkt, welche die Siebröhren vertreten und wel- che in dem dickwandigeren, protoplasma-armen Bastparenchym in schlängelnden Reihen zu sehr unvollständig ausgebildeten Ge- fässen zusammengeordnet sind. Trocknet man dickere Querschei- ben vorsichtig oberflächlich ab, und überlässt sie jetzt in feuchter Luft während einiger Stunden sich selber, so quellen aus dem Baste erbsen- bis haselnussgrosse Tropfen heran, welche das Ei- weiss der Siebröhren enthalten, und eine deutliche alkalische Re- aktion zeigen1). Das umgebende zuckerführende Gewebe reagirt sauer. Ich beobachtete diese Reaktionen sehr schön an Pflanzen, welche seit mehreren Wochen bei Regenwetter im Freien gestan- den hatten, und daher sehr saftig waren. Offenbar erhöhte dieser grosse Saftgehalt die Spannung in den Parenchymzellen, und drückten diese daher mit grosser Kraft den alkalischen Saft aus den Siebröhren heraus. Dass dieser hierbei durch die geschlosse- nen Querwände der Siebröhrencylinder gepresst werden musste, bedarf wohl nicht der näheren Erörterung. Ausser Eiweisskörper befinden sich in der Rübe noch einige andere stickstoffhaltige Stoffe, welche, zum Theil erst in den letz- ten Jahren darin entdeckt, auf mikroskopischem Wege noch nicht nachgewiesen werden können. Diese Stoffe sind Betain, Gluta- min und Asparagin. Ferner kommen auch salpetersaure und Am- moniaksalze darin vor. Um eine Vorstellung über die relativen Mengen dieser Substan- zen zu geben, lasse ich hier zwei Tabellen von Schulze und Urich, denen wir die ausführlichsten Untersuchungen über die stickstoff- haltigen Bestandtheile der Rüben verdanken, folgen. Die Tabellen enthalten die Durchschnittszahlen, welche die ge- nannten Forscher für den Gehalt einer grossen, runden, gelben Rübenart an den einzelnen stickstoffhaltigen Bestandtheilen er- hielten. Für die Beschreibung der Versuche, aus denen die Zahlen abgeleitet sind, sowie für die Begründung der angewandten Me- thoden verweise ich auf die betreffende Arbeit2), sowie auf die früheren Versuche derselben Verfasser über dieses Thema 3), 1) Sachs, Bot. Zeitung 1862 Nr. 33, und Handbuch der Experimental- Physiologie. S. 393, 394. 2) E. Schulze u. A. Urich, Ueber die stickstoffhaltigen Bestandtheile der Futterrüben, Landw. Versuchs-Stat. Bd. 20 S. 193. Die Tabellen auf S. 213. 3) ib. ib., Bd. 18, S. 296. E. Schulze u. A. Urich, Notiz über das Betain, ebendas. S. 409; E. Schulze in Landw. Jahrbücher VI. 1877. u WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 50% Die frische Wurzelsubstanz (Mark und Saft) enthält: I (Rüben von 1874). Lösliche Eiweissstoffe ... 0,2306 pCt. mit 0,0369 pCt. N. Unlösliche 3 DEN Er O OVSZ E T ;; Glutamin (u. Asparagin). 0,4066 „ ,„ 0,0780 „ , nl nee III IOT 5 1, Banetersaurte a 033031 EERREOST2 5, Bnmoniak ..............:... 0,0080 22722.0.0066: t n NS Zusammen ...... 0,2400 pCt. N. II (Rüben von 1875). Lösliche Eiweissstoffe ... 0,1413 pCt. mit 0,0226 pCt. N. Unlösliche n RRO A a A EEL ON E E Glutamin (u. Asparagin). 0,4425 „- ,„ 0,0847 „ s ee en. 0:022627 1117722, 0,002 00: SR Besltieiersäure. .............-. 024837 7 5 064 re, AMONAK ................: 0085.27 2.57 OO TER Zusammen ...... 0,1979 pCt. N. Das Asparagin ist nicht besonders aufgeführt, weil es nur in höchst geringen Quantitäten angetroffen wurde. Andere, .als die angeführten stickstoffhaltigen Bestandtheile kommen nach Schulze und Urich nicht, oder doch nur in sehr minimalen Mengen in Rüben vor. Ueber die physiologische Bedeutung dieser Stoffe ist noch wenig bekannt. Es scheint jedoch, dass Glutamin, Asparagin und Betain als leicht lösliche Reservestoffe fungiren 1). Beim Austreiben der Wurzeln im Anfang des zweiten Vegetationsjahres wandern sie rasch in die Triebe und werden zur Ernährung dieser verwendet. Die Eiweissstoffe scheinen weit langsamer in die Sprosse überzuge- hen; eine erhebliche Verringerung des Eiweissgehaltes der Wur- zeln liess sich überhaupt nicht nachweisen. Auch von den Nitraten gcht nur ein geringer Theil in das Kraut über, woselbst er wohl zur Bildung organischer stickstoffhaltiger Verbindungen verwen- det wird. Im späteren Verlauf des zweiten Vegetationsjahres treten be- 1) E. Schulze u. A. Urich, Landw. Versuchs-Stat. Bd. 20, S. 236. 510 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. kanntlich auch die- Eiweisskörper aus der Rübe in die oberirdi- schen Theile über, zur Zeit der Samenreife werden die Rüben da- von völlig erschöpft. Ob das Betain als solches in den lebenden Zellen vorkommt, oder erst beim Tode aus einer anderen stickstofihaltigen Verbin- dung entsteht, scheint noch nicht völlig. sichergestellt zu sein 1). Jedenfalls scheint es sich im Safte zu ersetzten und unter Anderem auch das Trimethylamin zu bilden, welches z. B. von Hesse in diesem Safte nachgewiesen wurde. 2) Im Beginn des ersten Vege- tationsjahres enthalten die Rüben mehr Betain als später; die Menge nimmt mit der Zunahme des Zuckers ab3). Ueber den Gehalt der Rüben an Ammoniak und Salpetersäure gehen die Angaben der verschiedenen Forscher weit auseinander. ‚jedoch kann man als sicher annehmen, dass stets nur sehr geringe ‚Mengen Ammoniak, häufig aber relativ grosse Quantitäten von sal- petersauren Salzen angetroffen werden. Physiologisch wichtig ist hier der Umstand, dass der Gehalt der Rüben an salpetersauren Salzen in sehr hohem Masse vom Salpetergehalt des Bodens und von anderen äusseren Umständen abhängig ist. Schon de Candolle theilt in seiner Physiologie végétale mit, dass der Gehalt an verschiedenen Stoffen bei der Rübe von dem Zeit- punkt der Ernte abhängt. Wird sie zu spät geerntet, so giebt sie fast keinen Zucker mehr, deshalb werden die Rüben im Süden Frankreichs früher geerntet, als im Norden, weil bei zu später Ernte im Süden man kein brauchbares Produkt erhalten würde 4), sondern einen Saft, der grosse Mengen Salpeter statt Zucker ent- hält5). Nach Boussingault 6) enthielten Rüben, welche auf einem salpeterreichen Gartenboden gewachsen waren so viel Salpeter, dass es kaum möglich war, ihren Zuckergehalt zu bestimmen. Ueberhaupt gehört die Rübe zu den wenigen Pflanzen, welche ihr Gewebe je nach Umständen stark mit Salpeter überladen, und auch bei geringem Gehalt an diesem Salze kräftig fortleben kön- nen. 1) Scheibler, Jahresbericht der Agriculturchemie 1870, S. 47. 2) Hesse, ebendas. 1858, S. 77, Scheibler, ebendas. 1868, S. 205. Die ziemlich weitläufige Literatur über das Betain können wir hier nicht zu- sammenstellen. 3) Stammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation. S. 69. 4) De Candolle, Physiologie végétale 1832. I. S. 192, citirt als Autorität für die Angaben Chaptal, Chim. agr. II. S. 305. 5) De Candolle, a. a. O. I. S. 403; Chaptal a. a. O. I. S. 218. 6) Boussingault, Agronomie. I. S. 158. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 541 § 18. Die stickstofffreien Bestandtheile der Rübe. Obgleich der Rohrzucker weitaus die Hauptmasse der stick- stofffreien Bestandtheile der Rübe ausmacht, so kommen neben diesen doch noch andere derartige Stoffe vor. Meist finden sich diese in sehr geringen Quantitäten, häufig ist über ihre physiolo- gische Bedeutung nichts bekannt. Soweit sie für unsere Zwecke wichtig sind, wollen wir sie hier kurz besprechen. Traubenzucker scheint in den Rüben nie völlig zu fehlen. Wir haben oben gesehen, dass die ganz jungen Rübchen nur Trauben- zucker, keinen Rohrzucker enthalten, dass aber ersterer abnimmt, wenn letzterer auftritt. Die Menge des Traubenzuckers wird bald so gering, dass er sich auf mikrochemischem Wege nicht mehr nachweisen lässt; durch die makrochemische Analyse kann er auch noch später aufgefunden werden. G. Krause 1) fand in der normalen Rübe etwa 0,1 pCt. Trauben- zucker; bei solchen Rüben, welche den Winter über in der Erde aufbewahrt wurden, fand ich dagegen im Frühjahr einen Gehalt . von 0,3—0,4 pCt., namentlich bei ungünstiger nasser Witterung. Die Zunahme im Frühjahr ist wohl nichts anderes als die bekann- te Zunahme des Traubenzuckers beim Anfang der Keimung im zweiten Jahre. Mehay2) fand in Zuckerrüben, welche einen Gehalt an Rohr- pCt., in ihren Stielen 2,72—3,62 pCt. unkrystallisirbaren Zucker. Die Blätter enthielten gleichzeitig in ihren Spreiten 1,23—1,64 p Ct., in ihren Stielen 2,72—3,62 pCt. unkrystallisirbaren Zucker. Der betreffende Zucker wurde nicht näher untersucht, scheint je- doch aus einem Gemenge von wenigstens zwei verschiedenen Zuckerarten zu bestehen. Stammer3) giebt an, dass veränderter Zucker im Safte der Zuckerrüben zwar gewöhnlich vorkommt, jedoch nur selten in ir- gendwie erheblichen Mengen. Er findet sich in grösserer Menge, ausnahmsweise in manchen Jahrgängen, sonst aber nur in mehr oder weniger verdorbenen oder keimenden Rüben. Diese Angaben, so unvollständig sie auch sind, sind für die Physiologie der Rüben doch sehr wichtig, und es wäre in hohem 1) Schweizerische Wochenschrift f. Pharmacie. 12. Jahrg. S. 38, referirt im Centralbl. f. Agriculturchemie VII. 1875. S. 221. . 2) Comptes rendus Bd. 68. S. 754, nach Jahresbericht f. Agriculturchemie Bd. 1868. S. 278. 3) Stammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation S. 105. 512 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Grade wünschenswerth, dass sie in planmässiger Weise verfolgt würden, und dass der Traubenzuckergehalt des Rübenkörpers zu verschiedenen Jahreszeiten und unter verschiedenen Umständen genauer ermittelt würde. Darf man es als feststehend betrachten, dass der Rübenkörper zu jeder Zeit überall in seinem Gewebe Traubenzucker, wenn auch nur in sehr geringer Menge enthält, so liegt die Vermuthung nahe, dass dieser Traubenzucker als solcher aus den Blättern dorthin gelangt ist. Wir würden dann ferner schliessen dürfen, dass der Traubenzucker aus den Blättern sich in seiner ganzen Menge als solcher durch den Rübenkörper bewegt und verbreitet, und dass mit dem Umsatze eines jeden Theilchens Traubenzucker in Rohrzucker die Bewegung des betreffenden Theilchens aufhört. Es würde sich dadurch erklären, wie es kommt, dass wir überall im Rübenkörper, auch in den entfernteren Theilen des Schwanzes Rohrzucker antreffen, während doch eine Wande- rung des Rohrzuckers als solcher nicht angenommen werden kann. Denn das Protoplasma der Rübenzellen lässt diesen bekanntlich nicht durch sich hindurchgehen 1). Stärke kommt für gewöhnlich im Wurzelkörper der Zuckerrübe nicht vor. Jedoch beschreibt Schacht2) einen Fall, wo Stärke in Folge von Verwundung auftrat, und wo sie offenbar aus dem Zucker der Rübe entstanden war. Im Umkreise brauner Flecken nach äusseren Verletzungen und langsamen Vertrocknen der Ver- wundung, enthalten sämmtliche Parenchymzellen, denen normal das Stärkemehl fehlt, zahlreiche kugliche Stärkemehlkörner von ge- ringer Grösse und Verdichtung, ohne sichtbaren Kern und Schich- tung. Sie werden durch Jodlösung violett oder schön blau, und verhalten sich gegen Säuren und Alkalien ganz wie Stärkemehl. In den Rüben kommen eine Reihe gummiartiger Substanzen vor, welche nur noch ungenau bekannt sind, und wohl zum Theil in der collenchymatisch verdickten Zellwandung abgesetzt, zum Theil aber im Zellsaft gelöst sind. Ueber ihre physiologische Bedeutung lässt sich noch keine bestimmte Ansicht mit Wahrscheinlichkeit aussprechen. Nach Wiesner 3), finden sich Pektinstoffe hauptsächlich in der Intercellularsubstanz. Beim Kochen quillt letztere stark auf, und 1) Sur la perméabilité du protoplasme des betteraves rouges. Opera I, S. 86. 2) Schacht, Lehrbuch II. S. 555. 3) Sitzb. d. kk. Akad. d. Wiss. zu Wien. Bd. 50, nach Jahresbericht der Agriculturchemie 1865. S. 125. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 513 hebt sich deutlich von der Membranschicht ab, nur stellenweise löst sie sich zum Theile. Leicht löst sich die gequollene Intercellu- larsubstanz durch organische und anorganische Säuren, welche da- durch die Parenchymzellen vollständig isoliren. Wo die Intercellular- substanz im lebenden Gewebe fehlt, nimmt der Verfasser an, dass sie in Pektin- oder Metapektinsäure umgesetzt sei. Die Intercellularsub- stanz enthält häufig noch grössere oder geringere Mengen von Cellulose, und dieses deutet an, dass sie durch allmählige Desor- genisation der äusseren Membranschichten entstanden sei. Auch im Periderm, in Bast und Holz kommt nach Wiesner Pektose in der Intercellularsubstanz, wenn auch häufig nur in geringer Menge, vor. Scheibler 1) fand im Safte der Zuckerrüben Metapektinsäure, welche durch starke Säuren in eine Säure und eine Zuckerart ge- spalten werden kann. Letzterer wird von ihm Pektinzucker oder Pektinose genannt. Die Metapektinsäure ist identisch mit dem gewöhnlichen Gummi arabicum2). Stammer nennt sie Rüben- gummi 3). Derselbe Forscher4) hat in den Rüben noch eine andere, neue Gummiart aufgefunden, welche von ihm Dextran genannt wird. Es ist dies eine froschlaichartige Substanz, und mit dem bekannten Gährungsgummi identisch. Es ist das Anhydrit der Dextrose, und, wie diese, rechtsdrehend. Scheibler meint, dass es im Protoplas- ma enthalten sei, oder aus diesem entstehe. Die Rüben enthalten äusserst geringe Mengen Fett5). R. Hoff- mann fand in 100 Gewichtstheilen Trockensubstanz der Rüben, ım Mittel von mehreren Bestimmungen 0,13 Theile mit Aether ausziehbarer Stöffe 6). Der Saft des Rübenparenchyms ist, wie oben bereits angegeben wurde, deutlich sauer. Er enthält nach Wiesner an organischen Säuren Aepfelsäure und Citronensäure7). Oxalsaurer Kalk kommt, wie wir bei der anatomischen Beschreibung gesehen haben, nur im 1) Scheibler, Berichte d. deutschen chem. Gesellschaft Bd. I,S.58 u. 108, nach Jahresbericht der Agriculturchemie 1868. S. 177. 2) Scheibler, Zeitschrift d. Vereins für Rübenzuckerindustrie Bd. XXV. 1875. S. 691. 27 2.3.0.S. 69. 4) Scheibler, a. a. O. Bd. XXIV. S. 309 nach Bot. Jahresber. 11, 1874, S. 804. 5) Rochleder, Phytochemie, S. 79, und Sachs in Pringsheim’s Jahrbüchern S. 245. 6) Landw. Versuchs-Stat. Bd. IV, S. 210. 7) Nach Stammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation, S. 94. 33 514 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Kopfe der Rübe, dort aber in ziemlich bedeutender Menge vor. Schliesslich sind noch die Farbstoffe zu erwähnen, obgleich über ihre Bedeutung sogut wie gar nichts bekannt ist. Das Fleisch der Zuckerrübe ist gewöhnlich rein weiss; nicht selten zeigen sich aber in der Rinde rothe und blassrothe Flecken von verschiedener Grösse. Wo ich diese beobachtete, liess sich fast immer in der Mitte des Fleckens eine Verwundung, meist durch Anfressen von insekten oder Würmern entdecken, welche also als die Ursache der Entstehung des rothen Farbstofies betrachtet werden darf. Beim Zerreiben der Rüben entsteht, häufig schon während des Reibens, häufig aber beim nachträglichen Stehen an der Luft ein röthlicher Farbstoff, welcher später in schwarz übergeht, und beim Kochen des Breies gewöhnlich mit dem Eiweiss niedergeschla- gen wird1). Nach Sostmann 2) dürfte er Humussäure sein; Sacc 3) hält ihn für identisch mit Bixin, doch bedarf er noch der näheren Untersuchung. Die hier gegebene Uebersicht über die in Rüben bis jetzt auf- gefundenen Stoffe macht keineswegs Anspruch auf Vollständig- keit. Sie sollte nur auf diejenigen Verbindungen aufmerksam machen, welche zu der Physiologie der Rüben in irgend einer Beziehung stehen. Bei der Auswahl der Literatur habe ich mich so viel wie möglich auf die neuesten Arbeiten beschränkt, eine vollständige Zusammenstellung und kritische Behandlung beab- sichtige ich in einem späteren Beitrage zu geben. S 19. Die Vertheilung des Rohrzuckers in der Rübe. Es ist durch zahlreiche Untersuchungen, zumal in den letzten Jahrzehnten, festgestellt worden, dass der Rohrzucker in der rei- fen, einjährigen Zuckerrübe nicht etwa gleichmässig vertheilt ist, sondern dass verschiedene Theile einen verschiedenen Gehalt an diesem wichtigen Bestandtheil aufweisen. Man hat es mehrfach versucht, Regeln über diese Vertheilung aufzustellen, und den Zuckergehalt der Rüben für die inneren und äusseren Schichten, für die höheren, mittleren und oberen Theile des Rübenkörpers bestimmt. Auch auf mikroskopischem Wege hat man Differenzen im Zuckergehalt der einzelnen Gewebepartien nachgewiesen. Die sehr zerstreute Literatur über diesen Gegenstand habe ich soviel wie möglich gesammelt und die Resultate der chemischen 1) Landw. Versuchs-Stat. Bd. 18, S. 301. 2) Jahresbericht für Agriculturchemie. 1867, S. 75. 3) Centralblatt f. Agriculturchemie III. S. 161; Jahresbericht f. Agricul- turchemie 1870. S. 41. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 515 und mikroskopischen Untersuchungen mit den Prinzipien der Stoff- wanderungslehre verglichen, insbesondere die oben entwickelte Vorstellung von der Zuckerscheide auf sie anzuwenden versucht. Es scheint mir nach diesem Studium, dass, wenn man in der Rü- benwurzel die Anwesenheit von Zuckerscheiden um die einzelnen Gefässbündel herum annimmt, man dann die über die Vertheilung des Zuckers vorliegenden Untersuchungsresultate auf einen sehr einfachen Ausdruck bringen kann, der zugleich geeignet ist, die Gesetze dieser Vertheilung unserem Verständnisse erheblich nä- her zu bringen. Ja ich glaube sogar, dass man obige Vorstellung nicht einmal hypothetisch anzunehmen braucht, sondern dass man aus den vorhandenen Beobachtungen den Nachweis liefern kann, dass die Vertheilung des Zuckers den für die Zuckerscheide auf- gestellten Regeln entspricht. Vielleicht wird man mir einwerien, dass ich die Vorstellung von der Zuckerscheide in den Blattnerven und Blattstielen für die Ver- breitung des Traubenzuckers aufgestellt habe, dass die Rübe aber Rohrzucker enthält, und dass es gilt die Verbreitung dieses Kör- pers zu studiren. Man wird vielleicht betonen, dass Rohrzucker und Traubenzucker sich bezüglich ihrer Geweglichkeit, und somit ihrer Accumulation durchaus verschieden verhalten, indem der Traubenzucker leicht durch die Gewebe hindurch wandert, wäh- rend der Rohrzucker nicht im Stande ist, auch nur die Zelle in der er sich befindet, als solcher zu verlassen. Eine solche Verschieden- heit spreche nicht dafür, dass die Gesetze der Vertheilung die- selben sein können, denn offenbar sind die Ursachen der Anhäu- tung in bestimmten Schichten andere. Ich gebe dies Alles gerne zu, es kommt mir aber zunächst nur auf den empirischen Nachweis einer faktisch vorhandenen Uebereinstimmung in der Vertheilung an, ob diese Uebereinstimmung später auf ähnliche oder gar die- selben ursächlichen Verhältnisse wird zurückgeführt werden kön- nen, will ich einstweilen gänzlich dahingestellt sein "lassen. Ich halte aber die gestellte Aufgabe für wichtig genug um es zu ver- suchen, sie in befriedigender Weise zu lösen, oder wenigstens die wichtigsten Prinzipien aufzufinden, welche zu ihrer Lösung führen können, und nur als einen Versuch in dieser Richtung möchte ich die jetzt folgenden Erörterungen betrachtet wissen. Es gilt also zu untersuchen, durch welches Prinzip wird die Vertheilung des Rohrzuckers in der Zuckerrübe beherrscht. Um diese Aufgabe zu lösen, werde ich zunächst eine kurze Uebersicht über die wichtigsten bisher veröffentlichten einschlä- 516 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. gigen Beobachtungen geben, um diese erst nachher im Zusammen- hange zu betrachten, und sie für die Ermittelung jenes Prinzipes zu verwerthen. Stammer 1) untersuchte den Zuckergehalt der einzelnen konzen- trischen Schichten der Zuckerrübe. Er theilte jede Rübe in drei Thei- le, einen Kern, eine mittlere Schicht und eine Rinde, und zwar derart, dass die Rinde eine Dicke von "/s des Strahles, die mittlere Schicht eine Dicke von ?/s des Strahles hatte und der Kern den übrigen Theil bildete, der Kern also die halbe Dicke der ganzen Rübe hatte. In jedem dieser drei Theile wurde der prozentische Zuckergehalt bestimmt. In einer ausführlichen Tabelle giebt der Verfasser die von ihm gefundenen Zahlenwerthe an, wir lassen statt dieser Ta- belle nur ein Beispiel folgen. Eine Rübe von 11 Pfund enthielt: [I II. mM derRindey. a 13,0 12 in der mittleren Schicht 12,0 6,7". IKEEN RI an N 11,0 4,6 Die erstere Kolonne enthält den nach Balling’s Methode mittelst des Areometers bestimmten Gehalt des Saftes an gelösten Stoffen, wobei der Nichtzucker als Zucker berechnet ist, die zweite Kolonne enthält die durch Polarisation bestimmte Zuckermenge, Man sieht, dass die äussersten Schichten den zuckerreichsten, der Kern aber den zuckerärmsten Theil bilden. Zu demselben Resultat führten seine übrigen Versuche, nur in seltenen Fällen war ein Unterschied zwischen den verschiedenen Schichten nicht oder kaum bemerkbar. Ueber den Zuckergehalt der Rüben in verschiedener Höhe der Wurzel stellt Stammer in seinem Lehrbuch der Zuckerfabrikation die Resultate einiger Beobachtungen zusammen 2), denen ich fol- gendes entnehme. Man nimmt in der Regel an, dass der Kopf der Rübe auch nach Entfernung aller Blattansätze zuckerärmer und salzreicher ist, als der Haupttheil derselben. Diese Annahme trifft nicht allgemein zu; das Verhältniss der einzelnen Theile bezüglich des Zuckergehaltes hängt von verschiedenen Umständen ab. Erstens davon, wie gross 1) K. Stammer, Einige Beobachtungen über die Verschiedenheit des Polarisationsergebnisses je nach der Probenahme. Zeitschrift für Rüben- zuckerindustrie Bd. XXV. 1875. S. 894—899. 2) Stammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation S. 121. us; Y TS ARENAEN WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 517 der über die Erde hervorgewachsene Theil der Rübe ist, denn die- ser ist immer ärmer an Rohrzucker; dann aber von den Jahrgängen und Oertlichkeiten. Heidepriem fand, im Mittel aus je 20 Rüben- köpfen und den entsprechenden Haupttheilen, für den Zuckerge- halt des Saftes: I. II. Im Kopfe 10.27 pet 12,05 pCt. in der Rübe L30807, 14,44 „, Fälle wo der Kopf reicher an Zucker war als die Rübe kommen vor, aber selten, sie sind als Ausnahme zu betrachten. Ueber die Beschaffenheit des Saftes in den Schwänzen sind die Meinungen noch sehr getheilt. Auch hier dürften die Rüben nach Oertlichkeit und Jahrgängen sich sehr verschieden zeigen. Sebor theilte Rüben in drei Stücke und fand den Zuckergehalt des Saftes: I. II. II. im oberen Drittel 11,40 9,90 6,24 im mittleren Drittel 11,73 11,46 7,20 im unteren Drittel 9,90 10,82 6,42 Die Schwanzstücke waren also zuckerärmer als der mittlere - Theil. Der Zuckergehalt nimmt also von oben nach unten erst zu, dann wieder ab. Haberlandt2) untersuchte die Vertheilung des Zuckers in der Zuckerrübe sowohl in der Richtung der Längsachse als in der des Strahles. Er bestätigte die oben mitgetheilten Resultate und erwei- terte sie dadurch, dass er die Rüben in eine grössere Zahl von Quer- scheiben resp. konzentrischen Schichten theilte. Das Resultat seiner Untersuchungen war: -1. Die mittleren Scheiben der Rüben besitzen den grössten Zuckergehalt; nach oben sowohl als nach unten wird dieser Gehalt geringer, die Abnahme nach dem Kopie zu ist eine ra- schere als nach der Wurzelspitze hin. 2. Die Schichten im Centrum und an der äusseren Peripherie sind bedeutend zuckerärmer als in den dazwischen liegenden Gewebeschichten; die Abnahme des Zuckergehaltes nach bei- den Richtungen ist beträchtlicher, als die Abnahme, welche die horizontalen Schichten von der Mitte nach oben und unten zu zeigen. 1) Haberlandt, in Wiener landw. Zeitung, 1876. Nr. 52, nach Jahresbericht für Agriculturchemie. 1876. S. 307. 518 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Die bisher erwähnten Arbeiten waren rein chemischer Natur. Be- vor wir einige Untersuchungen besprechen, welche sich näher an die Resultate der mikroskopischen Untersuchung anschliessen, wol- len wir zunächst einiges über den verschiedenen Zuckergehalt verschiedener Rübenindividuen erwähnen. Ich führe dabei aber nur diejenigen Thatsachen an, welche zu dem hier behan- delten Gegenstande in unmittelbarer Beziehung stehen; das ganze grosse Gebiet der individuellen Verschiedenheiten der Rübe zu behandeln, würde mich viel zu weit führen. Sehr wichtig ist die allgemein bekannte Thatsache, dass kleine Rüben im Allgemeinen zuckerreicher sind, als die grösseren!). Die kleine Rübe ist aus zahlreichen, nur schmalen, concentrischen Ringen zusammengesetzt, während die viel grössere Rübe in der Regel re- lativ weniger, aber viel breitere Ringe besitzt. Grosse Rüben mit grossen, saftigen, geilgewachsenen Blättern haben ein lockeres Ge- webe, grössere Zellen, aber zuckerärmeren Saft; kleine Rüben mit derberen, mehr gedrungen gewachsenen Blättern haben festeres Ge- webe, kleinere Zellen, schwächere Ringe und zuckerreicheren Saft. Ferner ist auf die Beziehung der Breite der Ringe zu dem Zucker- gehalte zu achten. Stammer2) sagt hierüber: „Man nimmt im All- gemeinen an, dass bei einer Breite der Ringe von nicht über 6 mm, und einer Schwere der Rübe von nicht über I kg, das Fleisch dichter und zuckerhaltiger ist als bei grösseren Verhältnissen”. Mikroskopische Untersuchungen über die Vertheilung des Zuckers sind von Decaisne angestellt worden, der die Zucker- sübe in Verbindung mit Péligot in Bezug auf ihren Zuckergehalt studirte 3). Sie beziehen sich auf die Verschiedenheit des gross- zelligen Parenchym gegenüber der engzelligen Gewebe in der Nähe der porösen Gefässe. Viele Zellen der Gefässbündel haben eine cylindrische Form und führen Rohrzucker, ebenso die das Gefässbündel zunächst umgebenden Zellen des Parenchyms. Je mehr man sich vom Gefässbündel entfernt, um so grösser werden die Parenchymzellen und um so mehr nähern sie sich der Kugel- form. Um jedes Gefässbündel herum ist die Schicht von gestreck- 1) Schacht, Ann. d. Landwirthschaft 1859, Heft 71, nach Jahresbericht für Agriculturchemie 1860, S. 66. 2) Stammer, Lehrbuch, S. 72. 3) Recherches sur l’analyse et la composition chimique de la betterave a sucre par E. Peligot, et sur l’organisation anatomique de cette racine par J. Decaisne. Memoire présenté à l’Academie des Sciences à Paris, le 28. nov. 1838. Paris, 1839. WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 519 ten Zellen zu erkennen, obgleich sie in der Regel in das gestreckte Gewebe des Stranges ohne merkliche Grenze übergeht. Decaisne fand nun, dass dieses gestreckte Gewebe viel reicher an Zucker ist, als das grosszellige Parenchym, es ist sogar für den Geschmack deutlich süsser. Auch Wiesner giebt an, dass die Zellen, welche länger gestreckt sind und in der Nähe der Gefässbündel liegen, die grössten Mengen an Zucker enthielten). Droysen fand diese Angabe nicht bestätigt2); er benutzte eine von Kraus, vorgeschlagene Glycerin-Reaktion, welche aber wohl nur unzuverlässige Resultate geben kann, da man keine Sicherheit hat, ob diese grossen glänzenden Tropfen wirklich Zucker sind oder vielleicht andere Stoffe des Zellsaftes, vielleicht sogar von Protoplasma umschlossene Zellsaft-Kugeln, wie solche bekannt- lich bei der Einwirkung von Glycerin entstehen. Fassen wir nun die wichtigsten Resultate kurz zusammen, so sehen wir dass im Allgemeinen folgende Regeln gelten: 1) Der Zuckergehalt des Saftes nimmt im Querschnitt der Rübe vom Centrum nach aussen zu, um aber in der äusseren Peripherie wieder abzunehmen. 2) Der Zuckergehalt des Saites nimmt vom Kopfe gegen den Körper der Rübe rasch zu, erreichtsim dickeren Theil der Wurzel ein Maximum und nimmt dann gegen die Wurzel- spitze allmählich wieder ab. 3) Kleine Rüben mit schmalen Ringen haben einen zuckerrei- cheren Saft als grosse Rüben mit breiten Ringen. 4) Die gestreckten Zellen in der Nähe der Gefässbündel sind zuckerreicher als das entferntere grosszellige Parenchym. Den ersten Satz dürfen wir als eine Folge des vierten Satzes be- trachten. Bei der anatomischen Beschreibung der Rübenwurzel haben wir gesehen, dass die grosszelligen Parenchymzonen, wel- che die einzelnen Gefässbündelringe von einander trennen, in der Mitte der Rübe viel breiter sind, als am Umfang. Im mittleren Theile stehen die Gefässbündelringe entfernter, hier kommt also auf eine gleich grosse Masse des Rübengewebes, z. B. auf einen Kubikcentimeter weniger Gefässbündelgewebe und weniger von dem sie umgebenden langgestreckten Parenchymgewebe, als auf einen Kubikcentimeter des äusseren Theiles. Und da nun das lang- 1) Wiesner, Einleitung in die technische Mikroskopie. 1867. S. 240. 2) Droysen, Beiträge zur Anatomie der Zuckerrübe. 1877. S. 36. 520 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. gestreckte Gewebe das zuckerreiche, das grosszellige Parenchym aber das zuckerarme ist, so folgt, dass die mittleren Theile im Durchschnitt aller Zellen zuckerärmer sein werden als die äusse- ren. Die alleräussersten aber werden aus einem anderen Grunde wieder ärmer an Zucker sein, weil bei ihnen das Verhältniss der Gefässbündel selbst derart zunimmt, dass die Masse der Gefäss- bündelscheiden dadurch beeinträchtigt wird. Ein Blick auf unsere Fig. 3 auf Tafel I wird diese Verhältnisse klar in die Augen fallen lassen. Auch der dritte Satz lässt sich ohne Weiteres aus dem vierten ableiten. Denn kleine und grosse Rüben unterscheiden sich in den gewöhnlichen Fällen in Bezug auf ihren anatomischen Bau haupt- sächlich grade dadurch, dass die grosszelligen Parenchymzonen in den ersteren viel weniger entwickelt sind als in den letzteren. Zu- mal wenn in Folge grösserer Bodenfeuchtigkeit Rüben stärker heranwachsen als andere Exemplare derselben Sorte, ist diese Vergrösserung gewöhnlich der Hauptsache nach auf die Ausdeh- nung der grosszelligen Parenchymzonen zurückzuführen. Die Aus- dehnung dieser Zonen kann aber, wegen ihres geringen Zucker- gehaltes, nur schädlich auf den procentischen Gehalt des Saftes der Rübe an Zucker einwirken. Und somit erklärt es sich, weshalb kleine Rüben mit schmalen Ringen einen meist erheblich zucker- reicheren Saft führen als grosse Rüben mit breiten Ringen. Der zweite Satz ist selbstverständlich keine Folge des vierten, sondern erklärt sich einfach daraus, dass mit zunehmender Ent- fernung von den Blättern die Zufuhr des Materials natürlich ab- nimmt. Dass der Kopf ärmer an Rohrzucker ist, als die Rübe, ist eine Thatsache, welche mit den obigen Betrachtungen nicht zu- sammenhängt und also hier keiner Erklärung bedarf. Wenn nun somit die ganze Vertheilung des Zuckers in der Rübe dadurch beherrscht wird, dass das langzellige Gewebe in der Um- gebung der Gefässbündel das zuckerreiche, dass grosszellige Pa- renchym aber zuckerarm ist, so liegt hierin eine so auffallende Uebereinstimmung mit den Verhältnissen, wie wir sie für die Ver- theilung des Traubenzuckers in den Blattstielen beschrieben ha- ben, dass es wohl erlaubt ist, beiden Thatsachen einen gemein- schaftlichen Ausdruck zu geben. Deshalb glaube ich auch in der Rübenwurzel die erwähnten langzelligen Gewebepartien als die Zuckerscheiden der Gefässbündel bezeichnen zu dürfen. Ob nun die Ursache des grösseren Reichthums der Zuckerschei- den am Rohrzucker darin zu suchen ist, dass ihre Zellen ein grös- TERN EN AGT T _ Wachsthumsgeschichte der Zuckerrübe. 2 Ar, © Traubenxucker. Rohrzucker Eiweiss. Starke, HuGo DE VRIES, Opera. Fa. P. W. M. TRAR WACHSTHUMSGESCHICHTE DER ZUCKERRÜBE. 521 seres Accumulationsvermögen für diese Verbindung haben, oder eher darin, dass sie die Bahn für die Bewegung des Traubenzuckers darstellen, und also bei der Umwandlung von Traubenzucker in Rohrzucker immer am reichlichsten mit ersterem versehen werden und deshalb mehr Rohrzucker in sich ablagern können, muss einst- weilen dahingestellt bleiben. Erklärung der Figuren zu Tafel I. Die Figuren sind schematisirte Längs- und Querschnitte, in denen die Farben nach den mittleren Ergebnissen zahlreicherer Beobachtungen eingetragen sind. Fig: 1. Längsschnitt einer halbreifen Zuckerrübe. Fig. Fig. Fig. b b! Blattspuren der beiden ersten Blätter. h h Verbindungen zwischen den Gefässbündelkreisen an der oberen Grenze der Wurzel. l Verbindungen zwischen den Gefässbündelkreisen in der Wurzel. v p Vegetationspunkt. f junge Blattanlage. d Blattspurstrang des Blattes Nr. 1. 1227 3..4.,5.6:2.Blattshele; . Querschnitt durch den Kopf einer halbreifen Zuckerrübe. | : Blattspurstränge der ersten, untersten Blätter. d . Querschnitt durch. den Wurzelkörper einer halbreifen Rübe. w w Gefässbündelverzweigungen, welche zu den Neben- wurzeln gehen. . Querschnitt eines jungen Blattstiels. 10 : 1. vs Vorderseite. hs Hinterseite. c Collenchym. . Querschnitt durch die Basis eines erwachsenen Blatt- stieles. 10 : 1. vs, hs, c wie in Fig. 4. m Mittleres Gefässbündel. ss Seitliche Gefässbündel. 522 BEITRAEGE ZUR PHYSIOLOGIE LANDW. KULTURPFLANZEN. Fig. 6. Querschnitt durch den Mittelnerven eines erwachsenen Blattes. 10 71. Bedeutung der Buchstaben wie oben. Fig. 7. Querschnitt durch den oberen Theil eines ausgewachse- nen Blattstieles. 10 : 1. Bedeutung der Buchstaben wie oben. (Landwirtschaftliche Jahrbücher, Bnd. 8, 1879, S. 417.) UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 523 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Die Halme der Getreidearten zeichnen sich vor den Stengeln der meisten anderen Pflanzen dadurch aus, dass sie auch in ihren älte- ren, unteren Theilen die Fähigkeit besitzen, sich wieder aufzu- richten, wenn sie durch irgend welche äussere Ursache umgeworfen worden sind. Bei weitaus den meisten Pflanzen beschränkt sich diese Eigenschaft auf die jungen, noch wachsenden Gipfel, wie dieses z. B. bei umgefallenen Kartoffelstauden häufig beobachtet werden kann. Hier krümmt sich anfangs der ganze mehr als ein Dezimeter lange, wachsende Gipfel, und erst, wenn sich die jüng- sten Enden gerade aufwärts stellen, verlieren sie ihre Krümmung wieder, und bleibt nur ein älterer kleinerer Theil an der unteren Grenze der wachsenden Zone gekrümmt. Ganz anders beim Getreide, im Allgemeinen bei den Gräsern. Hier sind die jungen, noch wachsenden Theile des Stengels in der bereits älteren und häufig schon starr gewordenen Blattscheiden verborgen, und können sich schon deshalb nicht krümmen. Dagegen behalten einzelne Regionen von besonderer Ausbildung lange Zeit die Fähigkeit der Aufwärtskrümmung, es sind dieses die zwischen den bereits starren Internodien liegenden Basalstücke der Blatt- scheiden, die sogenannten Knoten, richtiger die Knotengelenke. Denn die eigenthümlich ausgebildeten, äusserlich durch blassere Farbe und angeschwollene Form kenntlichen Zonen sind keineswegs die Knoten selbst, im Gegentheil, sie liegen über diesen. Im Knoten ist der meist hohle Halm durch eine Scheidewand geschlossen, hier treten die sonst parallel verlaufenden Gefässbündel des Stengels mit einander in Verbindung, hier ist das Blatt dem Stengel eingefügt und findet der Uebertritt der Gefässbündel des Blattes in den Stengel statt. Oberhalb dieser Stelle liegt das polsterähnlich angeschwolle- ne Gelenk, es ist die Basis der Blattscheide, welche nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen verdickt ist, durch letzteren Umstand ist es bedingt, dass der Stengel gerade an dieser Stelle be- sonders dünn und schwach ist. Diese Knotengelenke sind es aber, welche die Aufwärtskrümmung umgefallener Halme vermitteln. Häufiger als man denkt, bedarf die Pflanze dieses Hülismittels. Untersucht man stark bestockte Pflan- zen von Roggen oder Gerste, so wird man unter den anscheinend 524 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. gerade aufstehenden Halmen fast immer welche finden, deren un- terste Internodien horizontal oder schief liegen. Dann sieht man, wie der Halm in den Knotenpolstern knieförmig gebogen ist, oft ist nur ein einziger Knoten gebogen, und machen dann die beiden begrenzenden Internodien häufig einen geraden Winkel, in anderen Fällen haben zwei bis drei Knoten sich in die Arbeit getheilt, und ist also in jedem die Krümmung eine geringere. Auf diesem Vorgange beruht die Aufrichtung des gelagerten Ge- treides, und bei dem allgemeinen Interesse, welches diese Erschei- nung beansprucht, erscheint es nicht unwichtig, die näheren Um- stände dieses Prozesses kennen zu lernen. S 1. Die Knoten der Grashalme. Seit Knight’s berühmten Versuchen weiss Jedermann, dass die äussere Kraft, welche die Aufrichtung umgelegter Pflanzentheile bedingt, die Schwerkraft ist. In welcher Weise die Schwerkraft aber die Pfilanzentheile veranlasst sich gerade in entgegengesetzter Richtung zu krümmen, als ein todter biegsamer Körper derselben Form es thun würde, darüber sind die Untersuchungen noch keines- wegs abgeschlossen. Nur Eins lässt sich darüber mit voller Sicherheit aussagen, dass nämlich die Quelle der Kraft, welche die oft langen und schweren Halme zu heben im Stande ist, selbstverständlich nicht in der Erdanziehung zu suchen ist; diese Kräfte müssen offenbar von der Pflanze selbst geliefert werden, und der Schwere bleibt offenbar keine andere Rolle, als dass sie die Kräfte gerade dann, wenn die Umstände es erfordern, in Aktion versetzt. Die Schwere wirkt also als Reiz, ähnlich wie z. B. eine schwache Berührung eine Ranke veranlasst sich um ihre Stütze zu krümmen, oder wie elektrische Reize die Muskeln ver- anlassen sich kräftig, unter Leistung bedeutender mechanischer Arbeit, zu kontrahiren. Unsere Frage spaltet sich also zunächst in drei andere. 1. Welche in den Halmknoten aufgespeicherten Kräfte werden durch die Schwere in Aktion versetzt? 2. In welcher Weise bewirken diese Kräfte die Aufwärtskrümmung? und 3. Wie wer- den jene Spannkräfte durch die Schwere ausgelöst? Für die Beantwortung der beiden ersten Fragen werde ich in diesem Aufsatze eine Reihe theils bekannter, theils neuer Versuche und Argumente mittheilen, die dritte Frage wird der experimen- tellen Forschung erst dann völlig zugänglich werden, wenn die UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 525 Antwort auf die ersteren mit hinreichender Genauigkeit gegeben worden sein wird. Bis jetzt lassen sich nur wenig brauchbare Thatsachen zu ihrer Lösung anführen. Die Fähigkeit, sich unter dem Einflusse der Schwerkraft aufwärts zu krümmen, der sogenannte Geotropismus ist nicht ausschliesslich auf die Knoten beschränkt. Auch die noch wachsenden Theile der Internodien besitzen sie. Es ist bekannt, dass die einzelnen Inter- nodien der Gräser zunächst an ihrem oberen Ende aufhören zu wachsen, dass aber der untere, von den Blattscheiden umgebene Theil dann noch lange fortfährt sich zu verlängern. Man kann sich von dieser Thatsache in verschiedener Weise überzeugen. Erstens sind die Basalstücke der oberen Internodien häufig noch sehr weich und biegsam, wenn die höheren, der Luft ausgesetzten Theile be- reits steif sind; diese Biegsamkeit ist ein Merkmal jugendlicher, wachsender Pflanzentheile. Spaltet man einen solchen Theil der Länge nach durch einen Kreuzschnitt in vier Theile, so klaffen diese auseinander, und zeigen dadurch die kräftige gegenseitige Span- nung der Gewebe an, diese hört aber bekanntlich am Ende der Streckung auf. Die so gespaltenen Theile rollen sich in Wasser häufig zu engen Spiralen auf; ihr inneres Parenchym hat also noch die Fähigkeit, sich unter Wasseraufnahme auszudehnen, jene Eigenschaft, durch welche es bekanntlich zu einem Hauptfaktor des Längenwachsthums wird. Aber es giebt auch noch einen direk- ten Beweis. Schneidet man einen jungen Halm, dessen Aehre sich eben aus den Blättern zu befreien anfängt, im oberen Theil an ge- eigneter Stelle quer durch, und überlässt man ihn in einer nicht zu rockenen Luft sich selber, so sieht man am folgenden Tag, wie die inneren Theile sich aus den äusseren hervorgeschoben haben und dementsprechend gewachsen sind. Gerade diese, noch wachsenden Theile der Internodien sind nun auch geotropisch; horizontal gelegt krümmen sie sich aufwärts, wenn auch nur schwach. Für die Aufrichtung des gelagerten Ge- treides aber ist diese Eigenschaft wohl kaum je von wirklicher Bedeutung. Die Knotenpolster sind weniger biegsam als die benachbarten Halmstücke und Blattscheiden; es ist dies wegen ihrer grösseren Dicke zu erwarten und lässt sich leicht zeigen, wenn man es ver- sucht Halme zu biegen. Nie liegt die Stelle der stärksten Biegung gerade im Polster. Aber die Steifheit der Polster beruht auf einer ganz anderen Ur- sache wie jene der Internodien und Blattscheiden. In dieser liegt 526 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. die Ursache der Steifheit in den Zellhäuten, sowohl in denen des parenchymatischen Grundgewebes, als zumal in den kräftig ent- wickelten Strängen dickwandiger Bastiasern, welche theils unter der Haut, theils in Begleitung der Gefässbündel das Gewebe in sehr grosser Zahl durchziehen. In den Gelenken aber sind die Zellhäute weich und biegsam, Bastfasern fehlen ihnen und sind nur durch das sehr dehnbare Collenchym, mit seinen scheinbar gequol- lenen wasserreichen Zellwänden vertreten. Das Zellhautgerüst al- lein würde also die Knoten nicht steif machen, ja es würde sie ganz schlaff lassen. Die Ursache der Steifheit liegt aber in der Spannung der Zelleninhalte, zumal denen des Parenchyms. In jeder Paren- chymzelle ist die Wand auf der Innenseite von der dünnen, aber lückenlosen Schicht des Protoplasma bekleidet; der innere Raum ist von einer wässerigen Flüssigkeit, dem Zellsafte ausgefüllt. In diesem Zellsaft sind Substanzen gelöst, für welche das Protoplas- ma, welches Wasser auf dem Wege der Diffusion sehr leicht durch- treten lässt, undurchgängig ist; diese Stoffe haben das Vermögen, Wasser mit bedeutender Kraft an sich zu ziehen und dadurch das Volumen der Zelle zu vergrössern. Demzufolge wird die Zellhaut ausgedehnt und gespannt, und in diesem Zustande muss die Zelle offenbar steif sein. Diese Spannung zwischen Wand und Inhalt, der sogenannte Turgor, bedingt nun die Steifheit des ganzen Gewebes der Knotengelenke der Gräser und anderer Pflanzen. Von der Richtigkeit des Mitgetheilten kann man sich durch einen sehr einfachen Versuch überzeugen. Es kommt nur darauf an, die Halme Wasser verlieren zu lassen. Beruht die Steifheit der Inter- nodien und der Blattscheiden auf die Erhärtung der Zellhäute, so wird die Starrheit durch Wasserverlust nicht merklich geringer werden können. Ist aber in den Knoten der Wassergehalt die Ur- sache der Steifheit, so wird diese selbstverständlich durch Wasser- verlust verschwinden, oder doch merklich kleiner werden. Beim Welken verlieren die Pflanzen einen Theil ihres Wassers, wir brauchen also nur die ganzen abgeschnittenen Stengel welken zu lassen, um die Frage zu entscheiden. Ich liess Halme von Rog- gen und Hafer während zwei Stunden im Zimmer liegen. Nach dieser Zeit zeigten sich die Knotenpolster völlig erschlafft. Hielt ich z. B. einen welken blühenden Roggenhalm an den unteren Theilen fest und stellte ihn horizontal, so senkte sich die Blüthenähre, und der Halm machte im jüngsten Knoten einen Winkel von etwa 30°. Es war deutlich sichtbar, dass gerade das Polster sich dabei bog. Fasst man kürzere Halmstücke mit beiden Händen und biegt sie, UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 527 . so sieht man wie im Gelenk die konvexe Seite sich verlängert und giatt wird, während die konkave sich verkürzt und Falten wirft. Genau dasselbe zeigten die Knotengelenke von anderen Pflanzen, z. B. Polygonum-Arten, Lychnis vespertina, Agrostemma Githago A. coronaria und die Polster an der Blattstielbasis von Phaseolus multiflorus. Dabei bleiben die ausgewachsenen Internodien steif, ebenso auch die Blattscheiden bei den Gräsern, die Blattstiele bei der Bohne. . Noch auffallender ist der Effekt, wenn man die Pflanzen völlig vertrocknen lässt; die ausgewachsenen Stengeltheile ändern sich nur sehr wenig, die dazwischen gelegenen Polster schrumpfen aber völlig zu einer unförmlichen Masse zusammen. Sehr schön zeigen dieses z. B. die dünneren Zweige von Galeopsis Tetrahit. Diesen Turgor, diese durch den Wassergehalt bedingte Steifheit behalten die Knoten nicht während ihres ganzen Lebens. Mit zu- nehmendem Alter nimmt der Turgor stetig ab, die Zellhäute erhär- ten und die Differenz in der Ursache der Steifheit zwischen Polster und Halm verschwindet. Man überzeugt sich hiervon, wenn man jüngere und ältere Halme derselben Pflanze welken lässt, oder wenn man an einem gewelkten Halme mittleren Alters die sämmtli- chen Knoten untersucht. Stets nimmt im gewelkten Zustande die Biegsamkeit mit zunehmendem Alter ab; die ältesten Knoten sind häufig ebenso starr wie die Internodien. Folgende Beispiele mögen dieses belegen. 1. Secale Cereale. Von drei wachsenden Stengeln wurde je der oberste Knoten welken gelassen; der jüngste Stengel stand eben im Begriff aufzublühen, der zweite hatte gerade angefangen und der äl- teste war völlig auigeblüht. Der erste Knoten bog sich bei horizon- tal gehaltenem Halm unter dem Gewicht der Aehre sehr stark, die beiden anderen kaum merklich, jedoch war in Nr. 2 die Biegsam- keit merklich grösser als in Nr. 1. An ganzen Halmen nimmt nach 2 stündigem Welken die Bieg- samkeit der Gelenke sehr rasch von oben nach unten ab, die unter- sten werden fast gar nicht biegsam. 2. Avena sativa. An jungen, noch nicht blühenden Stengeln waren nach 2 stündigem Welken die oberen Gelenke äusserst biegsam, die folgenden weniger, die untersten fast gar nicht. Die Internodien blieben beim Biegen gerade. In einem blühenden ebenso lange gewelkten Halm war die Biegsamkeit aller Knoten bereits viel geringer. 528 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 3. Polygonum orientale. Die allerjüngsten Gelenke zwischen den noch wachsenden Internodien werden beim Welken während eines Tages ebenso biegsam wie die Internodien, dann folgen aber nach unten zu ausgewachsene, nicht erschlaffende Internodien, mit ziemlich biegsamen Gelenken. 4. Die meisten Sileneen haben eine sehr starke Anschwellung an der Basis der Internodien; dieser Theil ist geotropischer Krüm- mungen fähig. Ich liess blühende Stengel von Lychnis vespertina, Cucubalus bacciferus, Agrostemma Githago und Agrostemma coro- naria während 24 Stunden welken. Die jüngsten, zwischen steifen, ausgewachsenen Internodien befindlichen Gelenke waren nachher äusserst biegsam; fast ohne Kraftanwendung liessen sie sich bis 45° und mehr seitwärts ausbiegen. Aeltere Knoten lassen sich ohne Anstrengung weniger krümmen, die ältesten fast gar nicht. Ebenso wie der Turgor, nimmt auch die Fähigkeit sich aufwärts zu krümmen mit zunehmendem Alter stetig ab. Die ältesten, unteren Knoten sind meist gar nicht mehr geotropisch. Man kann dieses an jedem Getreidefelde, ja am Grasrande eines jeden Weges sehen. Man findet häufig Halme, deren unterer Theil horizontal liegt, während die Aehre vertikal steht. Aber nur selten hat die ganze Aufrichtung nur in einem Knoten stattgefunden, gewöhnlich bethei- ligen sich daran deren zwei, nicht selten auch drei. In solchen Fällen war offenbar der unterste schon zu alt um die Krümmung allein zu vollziehen. Untersucht man nun solche Halme genauer, so findet man gewöhnlich ganz unten noch einen oder mehrere Knoten, welche trotz ihrer horizontalen Lage dennoch gerade geblieben sind. Um den Einfluss des Alters auf den Geotropismus klarer hervor- treten zu lassen, habe ich zwei Halme von gewöhnlichem Hafer, den einen noch ohne äusserlich sichtbare Rispe, den anderen etwas älter aber noch nicht blühend, derart in Stücke zerschnitten, dass in der Mitte eines jeden Stückes ein Knoten lag. In einem grossen, verschliessbaren Zinkkasten war der Boden mit nassem Sand be- deckt, dieser Sand war am Rande zu einem Walle erhöht. In diesem Wall wurden die Halmstücke nebeneinander derart horizontal gestellt, dass der untere Theil in dem nassen Sand steckte, der obere Theil aber mit dem Knoten frei in die Luft ragte. Durch Verschliessen des Kastens wurde der Raum feucht und dunkel gehalten. Am folgenden Tag hatten sich die Halmstücke, welche anfangs völlig gerade waren, geotropisch gebogen. Jetzt wurden die Winkel, um welche sich die freien Hälften erhoben hatten, UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 529 gemessen, indem die Halmstücke zuerst auf Papier nachgezeich- net wurden, worauf dann durch Auflegen eines Gradbogens die Grösse der Winkel in Graden abgelesen werden konnte. Die Winkel waren für den ersten Stengel: Grade Unterster! Knoten! ti... 0 Zweiter EL SAT GER 5 Dritter a Mao A AEAT N, 40 Vierter RER EEE? 55 Und für den zweiten Halm: Unterer Knoten’: ...u.....Janc sr. 10 AWENE SERE A FOREN 10 Dritter EOE AAA AEEA VDE PESEE BEER 35 Merry e 50 Es krümmen sich also die Knoten unter gleichen Umständen und in derselben Zeit um so kräftiger aufwärts, je jünger sie sind. Durch Eintauchen in eine starke Salzlösung wurde den Halm- stücken jetzt Wasser entzogen, dabei wurden die Gelenke in dem- selben Maasse schlaffer, als sie sich stärker geotropisch gekrümmt hatten. Das untere gerade gebliebene Gelenk von Nr. I. erschlaffte dabei nicht, seine Steifheit beruht also nicht mehr auf Turgor. Die mitgetheilten Beobachtungen weisen auf eine bestimmte Beziehung zwischen Turgor und Geotropismus, denn sie zeigen, dass der Geotropismus um so energischer sich geltend macht, je mehr die Steifheit des Knotens ausschliesslich auf Turgor beruht. Sobald die Knoten starr geworden sind, ihre Zellhäute nicht mehr vom Turgor gedehnt werden, hört auch der Geotropismus auf. Sachs, dessen bahnbrechende Arbeiten über das Wachthum und die geotropischen und anderen Krümmungen wachsender Pflanzen- theile zuerst eine klare Einsicht in die Mechanik aller hierherge- hörigen Erscheinungen brachten, hat auch die geotropischen Krümmungen der Grasknoten in dieser Richtung untersucht. Er stellte sich die Frage, in wie weit das Wachsthum bei diesen Krümmungen geändert wurde. Zu diesem Zwecke liess er Halm- stücke mit Knoten sich geotropisch krümmen, und mass die Länge des Knotens vor und nach der Aufrichtung. Er experimen- tirte mit Weizen, Mais, Andropogon niger, Glyceria spectabilis und Dactylis glomerata. Seinen Untersuchungen entnehme ich folgendes 1). 1) Sachs, Arbeiten des Bot. Instit. in Würzburg 1872, Heft Il, pag. 204. 34 530 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Vergleicht man einen gekrümmten Knoten mit einem gleich alten nicht gekrümmten, so nimmt man ohne Weiteres wahr, dass die konvexe untere Seite desselben viel stärker gewachsen, ver- längert ist, als der aufrecht gebliebene Knoten, nicht selten 3—5 mal so stark. Dass alle Seiten des Knotens im Stande sind sich gleich stark zu verlängern, bedarf kaum eines Beweises, Sachs beschreibt aber einen Versuch, der nicht nur dieses in sehr schöner Weise darthut, sondern zugleich uns lehrt, dass mit der einmaligen Krümmung die Wachsthumsfähigkeit der konvexen Seite auch gerade erschöpft ist. Er liess dazu horizontal gestellte Halmstücke so lange wachsen, bis die Aufkriümmung sich nicht weiter verstärkte, und drehte sie dann um, so dass die konkave Seite abwärts lag. Nun fing die neue Unterseite an stärker zu wachsen, sie setzte dieses aber nur so lange fort, bis sie gerade dieselbe Länge hatte, wie die vorherige Unterseite, bis also der Knoten ringsum gleich lang und das Halmstück demzufolge ge- rade war. Dann hörte die geotropische Bewegüng auf, und kein Mittel war im Stande sie wieder von Neuem anfangen zu lassen. Die Knoten sind also nur eingerichtet sich einmal in ihrem Leben aufzurichten, dieses können sie aber in jeder Lage, gleichgültig, welche Seite der Erde zugekehrt ist. Besichtigt man die Ober- und Unterseite eines stark gekrümm- ten Knotens mit blossem Auge oder mit der Lupe, so bemerkt man, dass die konvexe Seite des ringförmigen Scheidepolsters glatt glänzend, durchscheinend ist, dagegen erscheint die konkave Oberseite dunkel, opak, rauh; letzteres rührt von sehr feinen Querfalten her. Untersucht man die Natur dieser Querfalten ge- nauer, indem man feine Längsschnitte unter dem Mikroskop be- trachtet, so zeigt sich, dass sie hier deutlich und ziemlich tief in das unter der Epidermis befindliche Parenchym einschneiden. An behaarten Knotenpolstern, wie z. B. denen von Andropogon niger fand Sachs die Haare auf der konvexen Seite weit auseinander gerückt, auf der kurzen, konkaven Seite dicht zusammengedrängt. Die erwähnten Beobachtungen führen zu der Ansicht, dass die Oberseite des Knotens sich bei der geotropischen Aufwärtskrüm- mung völlig passiv verhält, und gerade in derselben Weise sich verkürzt, als wenn man das Halmstück an beiden Enden mit den Händen gefasst hätte und es gezwungen hätte sich in dem Knotenpolster zu biegen. Dieses ist zwar an frischen Knoten nicht leicht ausführbar, dagegen an gewelkten äusserst leicht. Jede me-- chanische Biegung solcher Gelenke verursacht Querfalten auf der UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 531 konkaven Seite, und das Glattwerden der konvexen Seite. Sachs, der diese Ansicht über das passive Verhalten der Oberseite auf- stellte, führte zu ihrer Stütze noch ‘die weitere Beobachtung an, nämlich dass gar häufig die Oberseite gekrümmter Grasknoten ausser der feinen Querfältelung noch eine querliegende Ein- knickung zeigt, welche bald in der Mitte, bald am Rand des Kno- tens liegt. Eine weitere Bestätigung seiner Meinung suchte der genannte Forscher dadurch zu liefern, dass er die Verkürzung der Oberseite direkt masz. Zur Messung der Knotenflächen verwen- dete er schmale Papierstreifen, an deren Rand eine Millimeter- theilung mit Bleistift angebracht war; die Knoten verschiedener Halmstücke wurden nun unmittelbar nach dem Abschneiden damit auf zwei gegenüber liegenden Seiten gemessen, indem das Papier dicht aufgelegt wurde. Dann wurde das Halmstück mit der einen gemessenen Seite horizontal nach unten, mit der andern aber nach oben gelegt. Als nach einigen Tagen die Krümmung bedeutend geworden war, wurde die Ober- und Unterseite wieder mit dem Papierstreifen gemessen und Sorge getragen, dass diese sich überall der konkaven Seite anschmiegte. Da die Grenzen des Kno- tens nicht immer scharf sind, so wurden feine Querstriche mit Tusche angebracht, zwischen denen die Messungen stattfanden; es war also sicher, dass immer genau dieselben Stücke gemessen wurden. Selbstverständlich eignen sich für solche Versuche nur die grössten Knoten oder richtiger die dicksten Halme, daher hat Sachs seine Versuche mit Mais angestellt. Er wählte den relativ dünnstengligen Cinguantino-Mais und den dicken Pferdezahn- mais und benutzte kräftige Pflanzen im ersten Anfang der männ- lichen Blüthe. Die Halmstücke mit je einem Knoten in der Mitte, wurden in der schon früher beschriebenen Weise in einem dunklen Zinkkasten horizontal in feuchten Sand gesteckt; der Versuch dauerte 6 Tage. Die von Sachs erhaltenen Resultate waren folgende: Cinquantinomais. Länge des Knotens vor nach der Krümmung No. I Oberseite 4,3 mm 2,5 mm Unterseite 4,1 ,, 90 , 532 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. No. II Oberseite 4,0 mm 3,0 mm Unterseite 5,0 ,, IIOS No. II Oberseite.’ 5,05, 4:5 34,; Unterseiten DOn m 1255n Pferdezahnmais. No. I Oberseite 3,6 mm 3,0 mm Unterseite 4,0 , 16.008 No. I Oberseite 4,0 ,, SD, Unterseite 4,0 ,, 20.8 7 No. II Oberseite 3,7 , 3:70 Unterseite 3.07, 14,0 ,, Diese Beobachtungen stellen es ausser Zweifel, dass bei der Auf- wärtskrümmung der Grasknoten die Unterseite sich ganz bedeu- tend verlängert, während die Oberseite sich dabei verkürzt. Die Verkürzung der Oberseite beruht nicht etwa auf aktiver Kontrak- tion, sondern offenbar auf einem passiven Zusammengedrücktwer- den. Dies lehren uns die Querfalten. Wir haben also die Unterseite als den aktiven Theil bei der Erscheinung zu betrachten, in ihr also den Sitz der Kraft zu suchen, welche durch die Schwere ausgelöst wird und die Krümmung verursacht. Wir haben oben gesehen, dass die Erscheinungen des Welkens. auf eine nahe Beziehung zwischen dem Turgor und dem Geotropis- mus der Stengelknoten weisen. Es war daher vor Allem wichtig zu wissen, ob die Krümmung vielleicht durch Veränderung des Tur- gors bedingt würde oder ob dabei die konkave Seite wirklich stär- ker gewachsen war, d. h. durch Einlagerung fester Substanz in seine Zellhäute sich verlängert hatte. Durch eine sehr einfache Beobachtung gab Sachs die Antwort auf diese Frage. Lässt man gekrümmte Halmstücke in absolutem Alkohol Tage lang liegen, so: verschwindet die Krümmung des Polsters und die Längendifferenz der Ober- und Unterseite nicht; zuweilen wird der Winkel, den die beiden Internodien am gekrümmten Knoten bilden, ein wenig stum- pfer, zuweilen auch nicht, es zeigt dies, dass das beträchtliche Flä- chenwachsthum der Zellwände nicht blos durch Wassereinlagerung, UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 533 sondern vorwiegend durch Einlagerung fester Substanz bewirkt wird. Durch diese Untersuchungen war also festgestellt, dass die Auf- wärtskrümmung durch Längenwachsthum der Unterseite verur- sacht wird. Wir sind dadurch der Beantwortung der Eingangs ge- stellten Fragen um einen wichtigen Schritt näher gerückt. Denn jetzt kennen wir den Weg, auf welchem wir unserm Ziele zustre- ben müssen. Jetzt eröffnen sich uns eine Reihe von Hülfsmitteln, welche uns bei weiteren Forschungen nützlich sein können. Die Beziehung der studirten Erscheinung zu anderen Wachsthums- krümmungen, ja zu den Gesetzen des Wachsthums überhaupt lässt uns hoffen, dass wir, durch Anwendung der für diese ausge- bildeten Methoden und der für sie bereits festgestellten Resultate, ohne Umwege uns unserm Ziele nähern werden. In seinem erwähnten Aufsatze hat Sachs sich auch die Frage vorgelegt, ob das gesteigerte Längenwachsthum der konkaven Seite einfach auf einer Verlängerung der bereits fertigen Zellen beruhe, oder vielleicht auch von Zelltheilungen begleitet sei. Da auch diese Frage für die Anwendung der Wachsthumstheorien auf unseren Fall von entscheidender une ist, mögen seine Versuche hier mitgetheilt werden. Wenn man Längsschnitte aus gekrümmten Grasknoten unter dem Mikroskope betrachtet, so sieht man schon ohne Messung, dass die Zellen der Unterseite sich sehr beträchtlich verlängert haben. Die Parenchymzellen der Unterseite sind gross, hyalin, reich an Zellsaft und relativ arm an Protoplasma und Körnchen; die der Oberseite sind querliegende Tafeln, deren Längsdurch- nıesser viel kürzer ist als der radiale; der enge Zellraum ist mit Protoplasma und körniger, opaker Substanz erfüllt; diese kleinen Zellen der Oberseite verhalten sich also zu der grossen der Unter- seite wie junge, nicht ausgewachsene Zellen zu alten vollkommen entwickelten. Jenen fehlt der Zellsaft, in diesen bildet er den Hauptbestandtheil der Masse der Zelle. Die von Sachs ausgeführten Messungen hatten zum Zweck das Längenverhältniss der Zellen beider Seiten mit dem Längenver- hältnis der äusserlich gemessenen Polsterseiten zu vergleichen. War dieses Verhältniss dasselbe, so war offenbar die Anzahl der Zellen auf jeder Seite die nämliche, und es hatte keine Zellthei- lung auf der Unterseite stattgefunden. Die Messungen konnten aber nicht mit den Epidermiszellen an- gestellt werden, sondern es musste der grösseren Deutlichkeit 534 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. wegen die dritte oder vierte Schicht des Parenchyms gemessen werden, deren Längendifferenz auf Ober- und Unterseite selbst- verständlich etwas kleiner ist, als die der beiden Epidermisstreifen. Sachs fand: Längenverhältniss: der Zellen der Polsterseiten Andropogon niger. 1 Cinquantinomais 1 1:33 1.25 N I Y3 1 ER ja II ish] EESO Pferdezahnmais BEZAT DIRS Unter Beachtung der obigen Auseinandersetzungen beweisen diese Zahlen, dass bei der Aufwärtskrümmung keine Zelltheilungen stattfinden; sie beruht also ausschliesslich auf Zellstreckung. Hofmeister hat bekanntlich vor langen Jahren die Ansicht aus- gesprochen, dass die geotropischen Krümmungen der Sprosse ein- fach darauf beruhen, dass die Epidermis und die Stränge, welche vom schwellenden Parenchym passiv gedehnt werden, durch den Reiz der Schwere auf der Unterseite der horizontalliegenden Pilan- zentheile dehnbarer würden. Die Pflanze würde sich dann aus dem- selben Grunde krümmen, wie wenn man die Oberhaut und die Wi- derstand leistenden Gewebe auf der einen Seite einfach abzöge. Durch die Untersuchungen von Sachs wurde diese Ansicht wider- legt, die Krümmung beruht auf Wachsthum, also auf wirklicher Verlängerung aller Theile, nicht auf einfacher Erhöhung der Dehn- barkeit einzelner Gewebeparthien. Als weiteres wenigstens sehr augenfälliges Argument gegen die Hofmeistersche Ansicht könnte man auch die enorme Kraft anführen, welche die Knoten bei ihrer Bewegung ausüben, wenn sie z. B. den ganzen langen Getreidehalm, an dessen Ende die schwere Aehre hängt, emporheben. Noch auffallender ist in dieser Beziehung die Aufrichtung umgefallener Maispflanzen. Auch in direkter Weise lässt sich zeigen, dass die Knoten beim Geotropismus eine sehr bedeutende Kraft entwickeln. Ich machte dazu folgenden Versuch. Von kräftigen noch nicht blühenden Hafer- stengeln wurden junge, aber zwischen bereits erstarrten Internodien und Blatttheilen liegende Knoten ausgesucht, und mit jederseits etwa 4 cm des Halmes abgeschnitten. Diese Stücke wurden, an beiden Enden unverrückbar befestigt, horizontal gelegt. Die Schwe- ıe wirkte also in der vortheilhaftesten Weise auf die Knoten, eine UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 535 Krümmung war aber unmöglich. Um die Knoten selbst dabei nicht zı: berühren, sondern frei in der Luft schweben zu lassen, benutzte ich folgende Einrichtung. Auf den beiden Enden einer schmalen Glasplatte (eines gewöhnlichen Objektträgers) wurden Glasleisten aufgelegt, und dann das Halmstück der Länge nach daraufgelegt, er ruhte also mit beiden Enden auf den Glasleisten, der mittlere Theil war völlig frei. Das Halmstück war so gross dass es beider- seits über die Leisten hinausragte, durch einen Faden wurden diese Enden unterhalb der Glasplatte mit einander verbunden, und so in unbeweglicher Weise befestigt. Die Glasplatten wurden auf feuch- ten Sand gelegt, und dieser über die basalen Theile der Halmstücke erhöht; die Luft wurde feucht, der Raum dunkel gehalten. Der Ver- such dauerte, bei etwa 20° C. 10 Tage. Am Ende des Versuches wurden die Objekte aus ihren Bändern befreit, die meisten machten in Folge dessen eine Krümmung, welche in einigen Knoten 20—25° erreichte. Sie zeigten dadurch eine sehr bedeutende Spannung im Knoten an. Die genaue Untersuchung der Knoten lehrte nun, dass an der Oberseite des Knotens in keinem der zehn benutzten Halmstücke irgend welche Veränderung bemerklich war. In mehreren Exempla- ren zeigte aber die Unterseite sich wulstartig angeschwollen, ge- wöhnlich an der oberen Grenze der Knoten. Die Untersuchung von Längsschnitten lehrte, dass die Ursache dieser Ausbuchtungen darin zu suchen war, dass die Unterseite, trotzdem sie an der Krüm- mung verhindert war, dennoch bedeutend gewachsen war; sie hatte sich demzufolge nach aussen gebogen, in einzelnen Fällen so stark, dass sie auf der Innenseite eine tiefe Einknickung zeigte, oder dass der ganze Querwulst der Länge nach weitklaffend gespalten war. Da die Unterseite für ihr Wachsthum sich nicht durch Krümmung des Halmes Raum verschaffen konnte, hatte sie sich gegen die Halmtheile angestemmt, und war demzufolge selber ausgebogen worden. Sowohl ihre Aussenseite als ihre Gefässbündel, ja sogar ihre Innenseite hatten sich dabei ansehnlich verlängert. Man könnte diese Erscheinung, welche mutatis mutandis auch bei wachsenden Sprossgipfeln beobachtet werden kann, mit dem Namen des potentiellen Geotropismus belegen. Ein absoluter Beweis gegen die Hofmeister’sche Theorie lässt sich allerdings durch Versuche mit Stengelknoten nicht führen; da sich aber ihre Unrichtigkeit für andere Fälle leicht mit völliger Si- cherheit darthun lässt, können wir das Mitgetheilte einstweilen als 536 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. eine hinreichende Bestätigung des allgemeinen Satzes für unseren speziellen Fall gelten lassen. Wir haben gesehen, dass der Sitz der krümmenden Kräfte in der jedesmaligen Unterseite zu suchen ist, und dass die Oberseite sich bei der Krümmung passiv verhält. Dieses ist aber nur so lange wirklich der Fall, als man die sämmtlichen Theile der Knoten in ihrer normalen Verbindung mit einander lässt. Sobald man die Knoten der Länge nach in Stücke zerschneidet, zeigt sich, dass jedes einzelne Stück, wenn es nur nicht zu klein ist, im Stande ist sich geotropisch zu krümmen. Diese wichtige Thatsache wollen wir jetzt durch die Beschreibung einiger Versuche näher beleuchten. Die Versuche wurden sämmtlich mit jungen Halmen des Hafers ausgeführt, welche in dem bereits mehrfach erwähnten Zinkkasten durch Einstecken des basalen Endes in einen Wall von nassem Sand horizontal gestellt wurden. 1. Geotropismus des zentralen Theiles. Zunächst war es wichtig zu erfahren, ob der Geotropismus ausschliesslich der polsterartig verdickten Basis der Blattscheide, oder vielleicht auch dem in der Mitte befindlichen Halme selbst, zukommt. Ich habe deshalb von mehreren Knoten die äussere Bekleidung völlig entfernt, den Halm also ringsherum von der Blattscheide isolirt. Als solche Objekte während eines bis mehrerer Tage horizontal gestanden hatten, zeigte sich der dem Gelenk zugehörige Theil des Halmes nicht oder fast nicht geotropisch gekrümmt, auch dann nicht, wenn der höher liegende Theil des betreffenden Internodiums jung war und sich geotropisch krümmte. Auch gespaltene und von der Blattscheide befreite Knoten verhielten sich so. Der zentrale Halm muss also als passiv bei den geotropischen Erscheinungen aufgefasst werden. 2. Geotropismus von Längshälften des Knotens. Halmstücke mit je einem Knoten wurden der Länge nach gespalten, und dann das obere Internodium aus der Blattscheide möglichst vollständig ent- fernt. Solche Objekte können offenbar in drei verschiedene Lagen horizontal gestellt werden, welche durch die Orientirung der Schnitt- fläche bezeichnet werden. Sie können darnach aufgeführt werden als 1) seitliche Hälfte, wenn die Schnittfläche vertikal steht, als 2) obere Hälite, wenn die Schnittfläche horizontal auf der Unterseite der Objekte liegt, und als 3) untere Hälfte, wenn die horizontale Schnittfläche die Oberseite des Objektes einnimmt. Die gewählte UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 537 Bezeichnungsweise 'ergiebt sich leicht, wenn man sich jedesmal die Hälften zu ganzen Halmstücken ergänzt denkt. Ich beobachtete nun, nachdem die Objekte 1—4 Tage horizontal gestanden hatten, folgende Erhebungen. Die zu demselben Halm- stück gehörige Hälften tragen jedesmal dieselbe Nummer. Erhebung Versuchsdauer L“Oberer Halfte : ., .....40° 1 Tag Untere Halfte i. n .22° Teny M Obere Haller... 12° BES Untere Hältte 1. 30° I RE II. Obere Hälfte .... 10° Untere Hälfte... .. 30° Ei WV Obere Halfte...» 70° 4 Tage Untere Hälite:...-. 40° Ar. V. Obere Hälfte .... 10° ANR, Untere Halfte. =- -55° A VI. Seitliche Hälfte... 50° Any Seitliche Hälfte... 500 Ann VII. Seitliche Halfte... 45° ASEA Seitliche Hälfte... 45° 4 Die Tabelle zeigt: 1) Die beiden seitlichen Hälften eines Knotens erheben sich, wie zu erwarten war, mit derselben Intensität. 2) Die obere Hälfte eines Halmstückes krümmte sich je nach Umständen stärker oder schwächer als die untere Hälfte, es hängt dies offenbar davon ab, ob bei der Spaltung die eine oder andere Hälfte etwas grösser ausgefallen ist. Nimmt man das Mittel aus den fünf Versuchen, so erhält man für die Oberseiten 28,4°, für die Unterseiten 35,4°, eine Differenz, welche offenbar von Be- obachtungsiehlern bedingt sein kann. Es scheint demnach, dass der Geotropismus der isolirten oberen und unteren Hälften annähernd gleich stark ist. Um den Einfluss der Dicke auf die geotropische Krümmung der Knotenhälfte näher kennen zu lernen, habe ich einen Versuch mit den Knoten von Coix lacryma angestellt. Die Einrichtung war ge- nau dieselbe wie in den bereits beschriebenen Versuchen. Jedes Halmstück wurde durch einen Längsschnitt in zwei ungleiche Hälften getheilt, beide wurden derart horizontal gelegt, dass die Aussen- seite unten lag, alles war also gleich, nur die Dicke war verschie- den. Nach mehreren Tagen wurden die Winkelerhebungen gemes- sen. Ich fand folgendes: A38 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Hälfte A Hälfte B I. Knoten Dicke der Polsterhälften .,.... 4,3 mm 1,5 mm Erhebüngswinkel \.....2.=... 20° 59% ll. Knoten i Dicke der Polsterhälften ...... 4,0 mm 1,5 mm Erhebungswinkel::............ 8° 40° II. Knoten Dicke der Polsterhälften ...... 4,8 mm 2,2 mm Erhebingswinkt =. 2 28. IH. 20° IV. Knoten Dicke der Polsterhäliften ...... 2,8 mm - 2,0 mm Efthebungswinke lren e 19% 40° V. Knoten Dicke der Polsterhälften ...... 3,2 mm 1,7 mm Erhebungswinkelie n 59 20° Es krümmten sich also ausnahmslos die dünnen Hälften kräftiger als die dicken, wie solches auch wohl zu erwarten war. Dasselbe Resultat fand ich wenn ich von zwei gleich dicken Hälften die eine als untere”, die andere als „seitliche” nach der obigen Bezeich- nungsweise hinlegte; die untere kümmte sich stärker als die seit- liche. 3. Rosettenartige Spaltung der Knoten. Es wurden einige Kno- ten der Länge nach durch einen Kreuzschnitt in vier möglichst gieiche Theile gespalten; im tragenden Internodium blieben die Theile verbunden; das obere Internodium wurde entfernt. Sie wur- den nun derart horizontal gestellt, dass in einem Streifen die Aus- senseite oben, in dem gegenüberliegenden unten, und in den beiden andern seitlich lag. In jedem Exemplare krümmten sich die vier Streifen innerhalb vier Tagen und zwar in annährend demselben Winkel; kleine Differenzen waren in den verschiedenen Exemplaren vorhanden, doch in verschiedener Richtung, so dass sie das Resultat nicht beeinträchtigten. Ein junger Knoten wurde durch zwei parallele Längsschnitte derart gespalten, dass eine Mittellamelle und zwei Seitentheile ent- standen. Die Theile wurden alle mit den Schnittflächen horizontal gestellt, nach 24 Stunden fand ich folgende Erhebungen Oberer Theil ...... 5° Mittellamelle ...... 20° Unterer Theil ...... 10° UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 539 Die beiden Arme der Mittellamelle hatten sich gleich stark’ er- hoben. Die mitgetheilten Versuche lehren uns, dass isolirte, nicht zu schmale, Längsstreifen der Knoten ebenso gut geotropisch sind als ganze Knoten, und dass es auf die Intensität ihrer Bewegung keinen merklichen Einfluss hat, welche Seite sie nach unten kehren. Dagegen nimmt, mit zunehmender Dicke des Theiles, die Intensität der Krümmung ab. Fraglich bleibt, welchen Einfluss die Dicke der Knotenhälfte auf die absolute Verlängerung der unteren Seite hat. Es wäre nicht un- möglich, dass die Dicke, d. h. die Zahl der horizontal übereinander liegenden Zellenschichten die Intensität des Wachsthums der un- teren Schichten bestimmt. Dafür spricht auch, dass isolirte Unter- hälften und Knoten sich bei ihrer geotropischen Aufkrümmung nie so stark verlängern, als die Unterhälften ähnlicher, aber nicht ge- spaltener Knoten. Am Schlusse dieses Paragraphen möchte ich noch hervorheben, dass, während die Knotenpolster der Gräser in der pflanzen-phy- siologischen Literatur ziemlich häufig untersucht und in ihren Eigen- schaften beschrieben worden sind, die übrigen, verwandten Gebilde fast nirgendwo Erwähnung finden. Nur die Blattpolster von Pha- seolus multiflorus und einigen wenigen anderen Pflanzen machen eine Ausnahme. Jedoch giebt es zahlreiche Gebilde, deren Bewe- gungen gleichen Anspruch auf unser Interesse haben, und deren Studium ebenso gut reiche Früchte verspricht. Ich will nur einige Fälle als Beispiele hervorheben. Schon mehrfach erwähnte ich die geotropischen Bewegungen der gelenkartigen Knotenpolster anderer Pflanzen. Der Bau dieser Polster ist äusserst verschieden. Während er bei den Gräsern vom Basaltheile der Blattscheide gebildet wird, gehört er bei den meis- ten anderen Pflanzen der Achse an. Bei den Arten von Polygonum - liegt oberhalb des Knotens eine wachsthumsfähige Zone, von der Ochrea umgeben. So z. B. bei Polygonum nodosum und orientale, bei denen man sie häufig durch den Geotropismus in nahezu senkrechten Winkeln gebogen finden kann. Dieselbe Lage nehmen die Knotengelenke von Tradescantia zebrina ein, hier sind sie von der Blattscheide umhüllt. Bei den genannten Arten sind die Polster äusserlich nicht angeschwollen, dagegen findet man bei den Sile- neen (Cucubalus, Lychnis, Agrostemma u. A.) den Fuss der Inter- nodien sehr stark und nahezu halbkugelförmig verdickt; auch diese Gelenke besitzen einen ausgeprägten Geotropismus. 540 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Einen ziemlich scharfen Gegensatz bilden die Arten von Chaero- phyllum und Galeopsis, da bei ihnen das geotropische Polster unterhalb des Knotens liegt, es ist das obere keulenförmig verdickte Ende des Internodiums. So weit meine Untersuchungen reichen, zeichnen sich alle diese gelenkartigen Gebilde dadurch vor ihrer Umgebung aus, dass ihre Steifheit, so lange sie noch geotropischer Krümmungen fähig sind, ausschliesslich oder doch vorwiegend auf Turgor beruht, dass sie also beim Welken sehr rasch erschlaffen. Eine etwas entferntere Verwandtschaft besitzen viele Gelenke, deren Bewegungen nicht von der Schwere, sondern von anderen, anscheinend inneren Ursachen ausgelöst werden. So z. B. die kleinen Gelenke an der Basis der Fruchtstiele der Alsineen, mittelst deren sie sich, nachdem sie während der Blüthe gerade aufwärts standen, nach der Blüthe in sehr scharfem Winkel der Erde zuwenden. Aehnliches findet man auch bei Erodium und vielen anderen Pflanzen. Aber den interessantesten Fall bilden die Gelenkpolster in den rispenartigen Inflorescenzen der Gräser. Kützing gab davon schon vor dreissig Jahren folgende Beschreibung, welche, wenigstens in den letzten Jahren, nicht diejenige Berücksichtigung fand, welche gie verdiente. 1) Diese Gelenkpolster sind kleine schwielige Anschwellungen an der Basis sämmtlicher Blüthenäste der Grasrispen. Sie verursachen das Auseinanderweichen dieser Aeste, die Ausbreitung der ganzen Rispe bei der Blüthe, ebenso bei zahlreichen Arten das Schliessen der verblühten Inflorescenzen. Gräser mit ährenförmigen Blüthen- ständen besitzen diese Gebilde nicht. Von den bekannteren Gras- arten sind sie bei Dactylis glomerata am grössten. Man findet das Polster am Grunde sämmtlicher Nebenähren jeder Ordnung, bei den unteren Hauptästen ist es am stärksten entwickelt. Vor seiner Entwickelung ist die Rispe stets geschlossen; indem es sich ausbildet öffnet die Rispe sich, und mit völliger Ausbildung ces Polsters ist der Winkel, welchen die Aehren mit der Hauptaxe machen, am grössten. Erschlafft oder verschwindet das Polster, so schliessen sich die Blüthenstände wieder. Das Polster liegt auf der Innenseite der Aehre, nicht etwa ringsherum, und besteht aus einem rein parenchymatischen, callus-ähnlichen aber von der Ober- haut bedeckten Gewebe; es enthält keine Gefäss- und keine Bast- 1) Kützing, Ueber das Gelenkpolster der Gräser. Bot. Ztg. 1849, pag. 625. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 541 bündel, ja diese Bündel sind sogar von der polsterartig verdickten Seite auf die gegenüberliegende mehr oder weniger herübergedrängt. Schneidet man eine Grasrispe in ihrer Blüthenzeit ab, und lässt sie an der Luft trocknen, so schwindet das Gelenkpolster zusammen, so dass man in den Fällen, wo es nur schwach entwickelt ist, es kaum mehr bemerkt. Dabei werden aber auch die Winkel der Nebenaxen wieder kleiner. Diese Beobachtung weist entschieden auf eine Betheiligung des Turgors an der beschriebenen Erschei- nung hin, ja es wäre wohl möglich, dass das ganze Oeffnen der Grasrispen nur auf Turgorerhöhung in den Polstern beruhte. 8 2. Ueber die Beziehung zwischen Turgor und Wachsthum. Es ist eine bekannte Thatsache, dass Zellen im Allgemeinen nur so lange wachsen, als ihre Zellhäute relativ dünn und allseitig völlig geschlossen sind. Jeder Mikroskopiker weiss, dass das Dicken- wachsthum der Zellhäute gewöhnlich erst dann anfängt, wenn die Grössenzunahme des Zellenraumes aufgehört hat, oder doch schon im Erlöschen begriffen ist. Zellen mit Löchern in der Haut aber werden allgemein als todte, oder doch jedenfalls als nicht mehr wachsende betrachtet. Eine allseitig geschlossene Haut ist nun selbstverständlich die allererste Bedingung für das Zustandekommen einer Spannung zwischen Inhalt und Wand. Wäre aber eine solche Haut nicht dehnbar, so würde zwar eine Spannung möglich sein, aber keine Volumenzunahme des Inhalts und keine Verlängerung der Haut, ein Einfluss des Turgors auf das Wachsthum wäre dann nicht zu erwarten. Sind diese Bedingungen erfüllt, so kann die Zelle turgesciren, sie wird dieses aber erst dann thun, wenn in ihrem Inhalte osmotisch wirksame Stoffe vorkommen, und wenn die Zelle von aussen Was- ser aufnehmen kann. Denn in diesem Falle wird eine osmotische Wechselwirkung zwischen der inneren und der äusseren Flüssigkeit stattfinden, welche nach bekannten physikalischen Gesetzen dazu führen wird, dass die Zellen mehr Wasser aufnehmen, als sie an gelöster Substanz verlieren, dass sie also an Volumen zunehmen. Aber diese rein physikalischen Wirkungen bedürfen noch einer wichtigen Modifikation, um wirklich Ausgiebiges zu leisten. Be- kanntlich hängt die Beziehung der gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung durch die Membran gehenden Stoffe in hohem Maasse von: 542 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. den Eigenschaften der Membran selbst ab; die Zellhaut ist nun, nach Allem, was wir von ihr wissen, nicht im Stande, eine bedeutende Differenz in dieser Beziehung hervorzurufen. Diese Funktion über- nimmt das Protoplasma, welches in raschwachsenden Zellen die Innenseite der Zellhaut wie eine dünne aber lückenlose Schicht be- kleidet. Es hat, so lange es lebt, die Fähigkeit gewissen Stoffen den Durchtritt völlig zu verweigern, anderen diesen Durchtritt in hohem Maasse zu erschweren. Wasser lässt es aber mit grosser Leichtigkeit durch sich hindurchgehen. Dadurch muss aber die osmotische Wirkung in den Zellen eine sehr einseitige werden, der Inhalt wird sehr leicht Wasser aufnehmen, aber, wenigstens in kurzen Zeiten, fast nichts von seinen gelösten Stoffen verlieren können. Diese osmotische Wirkung wird also eine Vermehrung des Zellinhaltes herbeiführen. Eine solche Vermehrung ist aber selbstverständlich nur durch Dehnung der Zellhaut möglich, und da diese elastisch ist, wird sie fortwährend bestrebt sein, sich wieder zusammen zu ziehen und also einen Druck auf den Inhalt ausüben. Bei jeder weiteren Auf- nahme von Wasser durch osmotische Wirkung muss dieser Druck überwunden werden, jede Volumenzunahme wird aber auch die Dehnung und damit die elastische Kraft der Haut steigern. End- lich wird eine Grenze erreicht werden, bei der der elastische Druck der Haut dem Streben des Inhaltes sich durch Wasseraufnahme zu vergrössern das Gleichgewicht hält. In diesem Zustande heisst die Zelle turgescent; die Spannung zwischen Wand und Inhalt heisst der Turgor. Jedes Wassermolekül, welches von den osmotischen Kräften hereingezogen wird, wird von dem elastischen Drucke mit derselben Kraft hinausgepresst, es bleibt also relativ in Ruhe. Vergleicht man eine Zelle im turgorlosen und im turgescenten Zustand, so ist die Grösse der Zellhäute in beiden Fällen ver- schieden. Die Differenz beider Grössen ist offenbar die Grösse der Ausdehnung, welche die Haut durch den Turgor erfahren hat, die Turgorausdehnung. Mittelst dieser Ausdehnung beeinflusst der Turgor, wie wir bald sehen werden, das Wachsthum; und wir dür- fen annehmen, dass diese Beschleunigung eine Funktion der Aus- dehnung sein wird. Dabei ist es, bei gleicher Turgorausdehnung, für die Geschwindigkeit des Wachsthums offenbar gleichgültig, ob die Ausdehnung durch eine grössere oder durch eine geringere Kraft bewirkt wird. Ersteres wird z. B. der Fall sein, wenn die Haut dick und wenig dehnbar, letzeres wenn sie dünn und sehr dehnbar ist. #4, re E ee UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 543 Bevor wir untersuchen, von welchen Ursachen die Turgoraus- dehnung abhängt, um daraus ableiten zu können, durch welche Ursachen sie in der Pflanze verändert werden kann, wollen wir zuerst den Beweis zu führen suchen, dass das Flächenwachsthum der Häute thatsächlich von ihrer Ausdehnung abhängt. Sachs, der zuerst die Ansicht aussprach, dass die Spannung zwischen Wand und Inhalt ein bedeutender Faktor des Längen- wachsthums sein möge, und der dadurch die Veranlassung zu den zahlreichen Forschungen gab, welche bald für seine Ansicht eine Reihe neuer Beweise brachten, und so einen weiteren Ausbau seiner Theorie ermöglichten, konnte damals selbst nur wenige Beobach- tungen als Belege anführen.1) Diese genügten aber damals zur Be- gründung seiner Theorie. Er wies darauf hin, dass sämmtliche le- bende Zellen solange sie wachsen, auch turgesciren, ferner, dass welkende Internodien, Blätter und Wurzeln aufhören zu wachsen, dagegen um so stärker wachsen, je lebhafter sie turgesciren. An langen Internodien und Blattstielen wachsen die Zellen der Epi- dermis und der Rinde vorwiegend in der Richtung der Längsachse, an breiten Blattflächen dagegen fast gleich stark in allen Rich- tungen der Blattebene; es rührt dieses offenbar daher, dass erstere vorwiegend in longitudinaler, letztere aber in allen Richtungen gleichmässig gedehnt werden. Auch das Wachsthum der Thyllen und des Callus führt Sachs als Stütze für seine Ansicht an. Eine sehr allgemein bekannte Thatsache bietet ferner eine wich- tige Stütze für die Sachs’sche Theorie. Jedermann weiss, dass Pflanzen um so üppiger gedeihen, je feuchter innerhalb gewisser Grenzen der Boden ist. Vergleicht man wildwachsende Pflanzen an verschiedenen Standorten, so wird man sich hiervon sehr leicht überzeugen. Dieselbe Art, welche am Rande’ eines Kanales oder eines Grabens hohe Stengel und zahlreiche oft erstaunlich grosse Blätter bildet, bleibt auf trockenem Boden verhältnissmässig klein und winzig. Lehrreich sind in dieser Beziehung auch die kleinen Exemplare von Kulturpflanzen, welche man so häufig auf Sand- boden antrifft an Stellen, wo die Samen zufällig zu Boden fielen. All- bekannt sind die wenigen Centimeter grossen blühenden und frucht- tragenden Buchweizenpflänzchen. Aehnliche krüpplige Gebilde mit Blüthen und Frucht sieht man auch häufig von Brassicaarten und Anderen. Sorauer theilte in der Botanischen Zeitung (1873 No. 10) cine Reihe von Versuchen mit, in denen er Gartenpflanzen in Töp- 1) Sachs, Lehrbuch der Botanik, 3 Aufl. 1872. 544 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. fen bei verschiedenem konstanten Wassergehalt erzog. Je hher der Wassergehalt, um so grösser wurden die Pflanzen; jedoch hatte eine Erhöhung über 60 pCt. der wasserhaltenden Kraft keinen bedeutenden Einfluss mehr. Aehnliche Versuche habe ich mit Roth- klee und anderen Gewächsen angestellt, und zwar mit demselben Resultate. Der Sorauer’sche Versuch bildet aber noch keinen direkten Be- weis für die Sachs’sche Ansicht, da er für diesen Zweck viel zu komplizirt ist. Er wurde denn auch von dem genannten Autor nicht zu diesem Zwecke angestellt, und nur erst von Sachs in dieser Rich- tung verwerthet. Die Komplikation entstand nämlich dadurch, dass der Versuch sehr lange dauerte. Nur im Anfang konnte der direkte Einfluss des Wassergehaltes rein auftreten, sobald einmal die Kohlensäurezerlegung anfing, waren die grösseren Blätter natürlich im Vortheil, die wasserreicheren Pflanzen bildeten mehr organische Substanz als die wasserärmeren, und in Folge dieses Umstandes mussten die Differenzen zwischen den einzelnen Versuchspflanzen fortwährend zunehmen. Am Ende des Versuchs war natürlich nicht mehr zu sehen, was dem direkten Einfluss des verschiedenen Was- sergehaltes, und was der indirekten Wirkung dieses Faktors zu- geschrieben werden musste. Kommt es also darauf an den Einfluss des Wasser des Bodens auf das Wachsthum in reiner Form zu demonstriren, so muss man den Versuch auf die Streckung bereits angelegter Organe be- schränken. Dazu eignen sich nun die Primordialblätter der Prunk- bohne, Phaseolus multiflorus weit besser als irgend eine andere Pflanze, sie lassen sich in ausgezeichneter Weise zu einem Vorle- sungsversuche benutzen. Man braucht nur die Samen in verschie- denen Tööpfen mit Erde auszulegen, und den Wassergehalt in jedem Topfe annähernd konstant zu halten. Sobald die Primordialblätter völlig entwickelt sind, ist der Unterschied ein sehr auffallender, die wasserreicheren Blätter sind mehr als doppelt so gross als die wasserarmen, die übrigen bilden dazwischen eine Stufenleiter von Uebergängen. Die Unterschiede sind so gross, dass es für Vorlesungsversuche gar nicht nothwendig ist, den Wassergehalt mit der Waage zu reguliren, es reicht hin, dieses durch Begiessen mit abgemessenen Quantitäten, oder auch in anderer Weise zu thun. In Bezug auf den Einfluss des Turgors auf das Wachsthum der Wurzeln bieten die Wasserkulturen reiche, für den vorliegenden Zweck verwendbare Erfahrungen. Jeder, der selbst Wasserkulturen Te darf tE UEBER DIF AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 545 anstellte, weiss, dass die Konzentration der Lösung vom höchsten Einfluss auf das Gedeihen der Pflanzen ist. Einerseits darf die Kon- zentration nicht zu niedrig sein, damit die Pflanzen von allen ihnen gebotenen Nährstoffen eine hinreichende Menge aufnehmen können. Andererseits aber ist es sehr gefährlich, die Konzentration zu hoch zu machen. Denn erfahrungsgemäss wird dadurch das Wachsthum in erheblicher Weise gestört. Speziell für die Wurzeln weiss man, Gass ihr Wachsthum um so langsamer stattfindet, je grösser die Konzentration der Lösung ist. Die in der Flüssigkeit gelösten Salze wirken offenbar dadurch hemmend auf das Wachsthum der Wurzeln, dass sie ihnen die Auf- nahme des Wassers erschweren, denn sie ziehen selbst das Wasser mit solcher Kraft an, dass sie, wenn ihre Konzentration gewisse Grenzen überschreitet, den Wurzeln selbst einen Theil des Wassers entziehen. Es leuchtet ein, dass dadurch der Turgor der Zellen ge- ringer werden wird, wie sich solches auch leicht auf experimen- tellem Wege beweisen lässt. Diese Erfahrungen und Beir hinsen bieten uns nun die Mittel, einen direkten Beweis für die Sachs’sche Theorie des Wachsthums zu liefern. Dazu ist es aber vor Allem nothwendig, die Versuchsme- thode von all’ den Komplikationen zu beireien, welche den eigent- lichen Wasserkulturen anhangen. Zunächst ist statt der Lösung des Nährstoffgemisches immer nur die Lösung eines einzigen Salzes zu nehmen, dessen Konzentration man beliebig und in genau be- kannter Weise ändern kann. Es ist nach früheren Beobachtungen bekannt, dass verschiedene Salze mit sehr verschiedener Kraft der lebenden Zelle Wasser entziehen; um die gleiche Verminderung des Turgors hervorzurufen, muss man verschiedene Salze also in sehr verschiedener Konzentration anwenden. Ferner ist es zur Ver- einfachung und zugleich zur Beschleunigung der Versuche zweck- mässig, nur rasch wachsende Hauptwurzeln von Keimpflanzen zu verwenden, z. B. von Vicia Faba oder von Mais. Solche Versuche lehrten mich nun, dass das Wachsthum um so langsamer stattfindet, je Konzentrirter die Salzlösung, je geringer also der Turgor ist 1). Als Beispiel führe ich folgende Zahlen an, welche die Verlängerung der Hauptwurzeln von jungen Keimpflan- zen des Hühnermais in Salpeterlösungen verschiedener Konzentra- tion in 24 Stunden angeben. 1) -Weiteres in meinen Untersuchungen über die mechanischen Ursachen der Zellstreckung. Opera I, S. 418 ff. 35 546 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Concentration der Lösung Zuwachs 0,5 pCt. 22,0 mm BOSS 16,51%, KENN IA Beaten 20083 KONST Oberirdische Pflanzentheile sind viel weniger zu diesen Versuchen geeignet, jedoch gelang es mir auch diese in Salzlösungen wachsen zu lassen, und den Nachweis für den ausgesprochenen Salz zu liefern. y Wird durch die Salzlösungen der Turgor völlig aufgehoben, so hört auch das Wachsthum auf, wie dies übrigens nach dem bereits mitgetheilten zu erwarten war. Ich möchte an die Mittheilung dieser Versuche noch eine Be- merkung knüpfen. Als Sachs seine Theorie aufstellte, waren nur erst wenige als Bausteine verwendbare Thatsachen bekannt, daher kam es, dass er bei der Unsicherheit mancher Beobachtungen ge- zwungen war, sich in der Auswahl auf möglichst eklatante Fälle zu beschränken. Er wurde dadurch zu der Ansicht geleitet, dass nur sehr starke Ausdehnungen der Zellhäute, obgleich sehr dehnbar, doch nicht sehr elastisch sind, so geschieht es sehr leicht, dass bei einer Dehnung die Elastizitätsgrenze überschritten wird, und Sachs neigte zu der Meinung, dass eine solche Ueberschreitung vielleicht eine Bedingung des Einflusses des Turgors auf das Wachsthum sein dürfte. Die mitgetheilten Thatsachen zeigen aber, dass seine Theorie keineswegs dieser Beschränkung bedarf, im Gegentheil, sie darf ganz allgemein so aufgefasst werden, dass jede, auch noch so ge- ringe Ausdehnung einer wachsenden Zellhaut das Wachsthum be- schleunigt. Selbstverständlich ist, wie auch die obige Zahlenreihe beweist, das Wachsthum um so geringer, je geringer der Turgor, dieses schadet aber der allgemeinen Gültigkeit des Satzes nicht. Es würde zu weit führen, hier diesen Gedankengang in allen Einzel- heiten zu entwickeln, ich will sie daher nur an einem Beispiel er- läutern. Ein Blüthenstiel von Froelichia floridana wurde in eine Salpeterlösung von 2,5 pCt. gebracht. Hier verkürzte sie sich um 5,8 mm in einer Stunde, und wuchs dann in sieben weiteren Stun- den wieder 3,8 mm. Es ist deutlich, dass während dieses Wachs- thums die Elastizitätsgrenze der Zellhaut nicht überschritten wurde, denn wenn eine Haut während einiger Zeit auf eine gewisse Länge gedehnt worden und wieder freigelassen ist, wird die Elasti- UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 547 zitätsgrenze offenbar höchstens dann erreicht werden, wenn sie die Länge, welche sie vorher bei der Dehnung hatte, wieder erreicht; jedenfalls nicht früher. Dieses war nun in unseren Versuchen nicht der Fall, der Pflanzentheil wuchs also bei geringem Turgor, aber ohne Ueberschreitung der Elastizitätsgrenze. Wir haben bis jetzt immer den Einfluss des Turgors auf das Wachsthum ganzer Organe ins Auge gefasst, und wollen nun die Beziehungen dieser beiden Grössen auch für die einzelnen Theile der Organe kennen lernen. Durch die schönen Untersuchungen von Sachs wissen wir, dass in einem wachsenden Pflanzentheil nicht alle Zellen, nicht alle Querzonen gleich stark wachsen. Im Gegen- tlıeil, von der jüngsten Spitze, in der das Wachsthum nur sehr langsam vor sich geht, nimmt die Streckung allmählig an Ge- schwindigkeit zu, um in einer Entfernung von meist nur wenigen Centimetern von der Spitze ein Maximum zu erreichen und dann allmählig langsam abzunehmen. Es handelt sich also darum, zu wissen, ob diese Veränderungen in der Wachsthumsgeschwindig- keit von der Dehnung der Zellhäute durch den Turgor abhängt. Mittelst einer Methode, welche ich unten noch ausführlich be- schreiben werde, gelang es mir wachsende Sprosse völlig turgorlos zu machen, ohne in ihrer Länge andere Aenderungen hervorzurufen als durch die Aufhebung des Turgors direkt bedingt wurden. Es galt nun, die dabei stattfindenden Verkürzungen, nicht nur in den ganzen Sprossen, sondern auch in ihren einzelnen Theilen zu mes- sen. Dazu wurden in Entfernungen von je 10 mm von einander, von der Spitze aus anfangend, feine Querstriche mit Tusche angebracht. Dann liess ich die Sprosse während einiger Stunden wachsen, und lernte so die Vertheilung des Wachsthums über die einzelnen Par- tialzonen kennen, darauf wurde der Turgor aufgehoben und die Verkürzung der Zonen gemessen 1). Es zeigte sich ganz allgemein, dass die Turgorausdehnung in jungen Sprossen von der Spitze aus erst zunimmt, dann in der Höhe des Maximums des Partialzuwachse ein Maximum erreicht, und dann wieder allmählig abnimmt, um endlich an der hinteren Grenze der wachsenden Strecke aufzuhören. Mit der Turgorausdeh- nung steigt und fällt also die Geschwindigkeit des Längenwachs- thums in den Partialzonen wachsender Organe. Es liessen sich aus der vorliegenden Literatur wohl noch eine Reihe von Beobachtungen anführen, welche mit grösserer oder ge- 1) Zellstreckung, Opera I, S. 453 ff. 548 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. ringerer Entschiedenheit als Argumente für die Sachs’sche Theorie angeführt werden könnten, da aber die mitgetheilten Beobach- tungen meiner Ansicht nach für einen vollständigen Beweis mehr als genügen, so wollen wir darauf nicht weiter eingehen. Aber einen Punkt darf ich nicht unerwähnt lassen. Wenn es richtig ist, dass der Turgor nur dadurch beschleunigend auf das Wachsthum wirkt, dass er die Zellhaut ausdehnt, so leuchtet ein dass auch jede andere Ausdehnung der Zellhäute denselben Effekt hervorbringen muss, und dass umgekehrt jeder Druck auf die Zel- len die Intensität des Wachsthums vermindern muss. Dem ist nun auch wirklich so, wie das Wachsthum des Holzes, und zumal die Bildung der Jahresringe in besonders klarer Weise zeigt. Die Rinde übt bekanntlich auf das wachsende Cambium einen bedeutenden Druck aus, man kann diesen künstlich erhöhen, wenn man die Aeste oder Zweige an den Versuchsstellen mit einer festen Ligatur um- giebt, andererseits kann man ihn aber vermindern, wenn man durch Längsschnitte die Continuität der Rinde in der Querrichtung aufhebt. Solche Operationen verändern nun das Wachsthum des Holzes in erheblicher Weise, und zwar wird es geringer, wenn der Druck grösser, ausgiebiger wenn dieser kleiner wird. Und was von der ganzen Schicht gilt, gilt auch von jeder einzelnen Zelle. Daher besteht das unter hohem Druck entstandene Holz aus engen, das unter geringerem Druck gebildete aus weiten Elementen. Der Un- terschied im Bau des Frühlingsholzes und der Herbstgrenze der Jahresringe findet dementsprechend ihre Ursache in den Schwan- kungen, denen der Rindendruck im Laufe des Jahres aus verschiede- ren Gründen unterliegt, wie sich durch Wiederholung obiger Ver- suche zu verschiedenen Jahreszeiten leicht beweisen lässt1). Bei der Frage, ob das Wachsthum durch Druck vermindert wird, ist immer im Auge zu behalten, dass solches offenbar nur dann der Fall zu sein braucht, wenn der Druck in rein mechanischer Weise auf das Wachsthum einwirkt. Denn es kommen zahlreiche Fälle vor, in denen ein äusserer, meist ziemlich geringfügiger Druck als Reiz auf wachsende Pflanzentheile wirkt, wo er also in Folge der besonderen Organisation gewisse im Gewebe aufge- speicherte Spannkräfte auslöst und dadurch zu bestimmten Vor- gängen die Veranlassung giebt. Solche Fälle könnten leicht mit den mechanischen Wirkungen des Druckes verwechselt werden; sie unterscheiden sich von diesen aber wohl immer dadurch, dass die 1) Weiteres in Archives Neerlandaises XI, 1876, p. 1. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 549 äussere Kraft nur sehr schwach ist, im Verhältniss zu der geleiste- ten Arbeit. Das schlagendste Beispiel liefern die Ranken, welche in Folge eines geringen auf die Unterseite ausgeübten Druckes, auf der Oberseite anfangen sehr rasch zu wachsen; die dadurch entste- hende Wachsthumsdifferenz verursacht bekanntlich die Krümmun- gen der Ranken um ihre Stützen. Aehnlich verhält es sich bei dem Wachsthum der Pollenschläuche im Stigma und im Stylus, und wohl auch in zahlreichen anderen Fällen. Kehren wir aber nach dieser Ausschweifung zu unserem Aus- gangspunkte zurück. Nachdem wir gesehen haben, dass die Be- schleunigung des Wachsthums durch die Turgorausdehnung in mehreren Beispielen sich direkt beweisen lässt, und dass also diese Seite der Sachs’schen Theorie auf völlig sicherer Basis ruht, haben wir nun unsere Aufmerksamkeit den Kräften zuzuwenden, durch deren Zusammenwirken die Turgorausdehnung in wachsenden Zel- len zustande kommt. Wir haben im Anfang dieses Paragraphen bereits das Wichtigste hierüber vorausgeschickt, und können jetzt die Permeabilitätseigen- schaften des Protoplasma und der Zellhaut als konstant betrachten, und unsere Aufmerksamkeit also auf die Wechselwirkung der dehnbaren und elastischen Zellhaut und des wasseranziehenden Zellinhaltes beschränken. Als einfachsten Fall stellen wir uns dabei am besten stets eine cylindrische Zelle vor. Der Zellsaft zieht das Wasser kraft der in ihm gelösten, osmotisch wirksamen Stoffe an; seine osmotische Kraft wird also um so grösser sein, je grösser sein Gehalt an diesen Stoffen, resp. je grösser die osmotische Kraft der einzelnen darin gelöst vorkommenden Kör- per. Von den verbreiteren Inhaltsstoffen haben die Farbstoffe, der Zucker und ähnliche nur eine geringe Anziehungskraft für Wasser, die Pflanzensäuren und manche organische und anorgani- sche Salze aber eine sehr bedeutende. Es kommt also hauptsächlich auf diese beiden Gruppen von Substanzen an. Die Kraft mit der diese Stoffe aus der Umgebung der lebenden Zelle Wasser an sich ziehen, wollen wir die Turgorkraft der Zelle nennen. Mit dieser Kraft hält nun offenbar die elastische Spannung der Zellhäute in einer turgescenten Zelle Gleichgewicht. Es leuchtet ein, dass die Turgorkraft nur dann wirklich die Zelle vergrössern kann, wenn in der Umgebung Wasser in solche Weise vorhanden ist, dass die Zelle es aufzunehmen vermag. Ist dieses richt der Fall, so ist die Turgorkraft offenbar wirkungslos, ist Was- ser nur in ungenügender Menge vorhanden, so leistet sie nur einen 550 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Theil der möglichen Arbeit, ist also zum Theil aktiv, zum Theil inaktiv und erst bei hinreichender Wasserzufuhr ist die ganze Tur- gorkraft aktiv. Nur der aktive Theil der Turgorkraft dehnt die Zellhaut aus, nur diesem hält die elastische Spannung das Gleichge- wicht. i Denken wir uns, dass die Menge der osmotisch wirksamen Stoffe in einer Zelle plötzlich, oder auch langsam zunimmt, während die Zelle nicht in der Lage ist, Wasser aufzunehmen. Offenbar wird die Zunahme der Turgorkraft dann keinen Einfluss auf den Turgor ausüben können. Ist eine Wasseraufnahme möglich, so wird der Steigerung der Turgorkraft um so rascher eine äusserlich sichtbare Veränderung folgen, je leichter das Wasser den Zellen zuströmen kann. Es lässt sich durch Experimente nachweisen, dass während einer raschen Zunahme der Turgorkraft die Zufuhr von Wasser nicht immer so ausgiebig ist, dass die Kraft ganz in Aktion treten kann. Fassen wir jetzt die Zellhäute ins Auge. In einer einzelnen Zelle wird selbstverständlich nur die eigene Haut vom Turgor gedehnt. In wachsenden komplizirter gebauten Pflanzentheilen, wie z. B. Sprossen verhält sich die Sache anders. Hier ist es, wie die Er- scheinungen der Gewebespannung lehren, das Parenchym, wel- ches die Turgorkraft ganz oder doch zum grössten Theil ent- wickelt; dagegen müssen von dieser Kraft nicht nur die dünnen und äusserst dehnbaren Zellhäute des Parenchyms, sondern auch die dicken und weniger dehnbaren Partien der anderen Gewebe, namentlich der Epidermis, des Collenchyms und der Gefässbün- del gedehnt werden. Was wird nun für den Turgor einer Parenchymzelle die Folge sein, wenn sie plötzlich von dem Drucke dieser elastischen Ge- webe befreit wird. Offenbar wird, ohne dass eine merkliche Vo- lumenänderung eintritt, die Spannung zwischen dem Inhalt und der Wand plötzlich kleiner werden. Denn als Spannung der Wand eilt jetzt nur noch die der eigenen Wand. Daraus geht aber her- vor, dass von der Turgorkraft, welche wir uns im Anfang als völlig aktiv zu denken hatten, jetzt ein erheblicher Theil inaktiv geworden ist. Denn die geringere Spannung hält natürlich nur einer kleinen ausdehnenden Kraft das Gleichgewicht. Bringen wir unsere Zelle also jetzt in Wasser, und machen wir also die ganze Turgorkraft unter den neuen Umständen wieder aktiv, so wird die Zelle wieder Wasser aufnehmen und sich ausdehnen, bis endlich die Spannung der Zellhaut so gross wird, dass sie allein, chne Hülfe anderer Gewebe, der ganzen Turgorkraft das Gleich- UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 551 gewicht halten kann. Die Verlängerung der Zellen kann hierbei sehr beträchtlich sein, wie wir solches an isolirten Markcylindern aus wachsenden Pflanzentheilen sehen können; sie verlängern sich in Wasser gelegt oft um mehr als 30 pCt. ihrer Länge. Die Grösse der Turgorausdehnung hängt also vorwiegend von drei Faktoren ab, 1. von der Dehnbarkeit der sämmtlichen zu deh- nenden Zellhäute, 2. von der Grösse der Turgorkraft, 3. von der Anwesenheit oder Zufuhr von Wasser. Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die Streckung irgend einer Zelle, zum Beispiel einer Parenchymzelle im Mark eines jungen Sprosses. Im Vegetationspunkt ist die Zelle noch äusserst klein, allmählig nimmt sie an Grösse zu, indem die Haut fortwährend vom Turgor gedehnt wird und demzufoige wächst. Durch welche Ursachen kann diese stetige Zunahme an Grösse bedingt werden? Offenbar nicht durch die mangelhafte Zufuhr von Wasser. Denn wenn diese die einzige Ursache wäre, so müsste bei künst- licher überflüssiger Wasserzufuhr, z. B. bei Injektion der Inter- zellularräume mit Wasser, eine plötzliche ansehnliche Verlänge- rung stattfinden, was nicht der Fall ist. Mangelhafte Wasserzu- fuhr kann also zwar das Wachsthum verzögern, bedingt aber seine Stetigkeit nicht. Ebensowenig die Dehnbarkeit der Zellhäute und der passiv gedehnten Gewebe. Denn diese nimmt im Grossen und Ganzen mit zunehmendem Alter stetig ab, während sie, um eine stetige Vergrösserung der Zellen zu verursachen offenbar umgekehrt stetig zunehmen müsste. Es bleibt also nur die Turgorkraft, d. h. der Gehalt des Zell- saftes an osmotisch wirksamen Stoffen. Wenn dieser Gehalt langsam und stetig zunimmt so wird die Zelle in demselben Maasse stets Wasser aufnehmen und sich vergrössern; durch diese Vorstellung lässt sich das Wachsthum der Zellen und Organe rach bekannten Gesetzen in sehr einfacher Weise erklären. Und aa sie die einzige Mögliche ist, so sind wir gezwungen sie bei unseren weiteren Betrachtungen anzunehmen. Um so mehr können wir dieses thun, als es auch sonst sehr unwahrscheinlich wäre, dass die Salze und Säuren, welche im Zellsaft wachsender Zellen vorkommen, dort schon gleich anfangs fertig gebildet oder von aussen aufgenommen wären. Viel natürli- cher ist die Ansicht, dass sie sich in den wachsenden Zellen lang- sam anhäufen, was offenbar theils durch Aufnahme auf dem Wege 552 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. cer Diffusion, theils durch Neubildung aus anderen Inhaltsstoffen geschehen wird. Und diese Ansicht reicht zur Erklärung des Wachsthums hin. Welche Inhaltsstoffe die Turgorkraft verursachen, kann nun für unsere Zwecke einstweilen als gleichgültig betrachtet werden. Deshalb wollen wir sie jetzt nur mit dem allgemeinen Namen der esmotisch wirksamen Stoffe bezeichnen. Denn auch abgesehen von jener Frage führen unsere Auseinandersetzungen zu der Ueberzeugung, dass die stetige Ausdehnung wachsender Zellen auf einer stetigen Zunahme der osmotisch wirksamen Stoffe im Zell- inhalt beruht. Die Anwendung dieses Satzes auf die geotropische Aufwärts- krümmung der Grasknoten können wir erst versuchen, nachdem wir die Vorirage entschieden haben werden, ob eine Zunahme des Wachsthums oder des Turgors auf der Unterseite die primäre Ursache der geotropischen Bewegungen ist. Da die beiden folgen- den Paragraphen der Beantwortung dieser Vorfirage gewidmet sind, verschieben wir die Anwendung unseres Satzes auf den letzten Abschnitt dieses Aufsatzes. Es erübrigt, die Methode zu schildern, welche wir zur Lösung je- ner Vorfrage anwenden werden. Sie beruht auf die Einwirkung star- ker Salzlösungen auf wachsende Pflanzentheile und wurde plas- molytische Methode genannt!), Wird eine turgescirende Zelle in eine Salzlösung gebracht, deren osmotische Kraft grösser ist als diejenige des Zellinhaltes, welche also das Wasser stärker anzieht als der Zellsaft, so wird die Zelle aus dieser Flüssigkeit offenbar kein Wasser aufnehmen können, sondern es wird im Gegentheil die Salzlösung im Stande sein, der Zelle Wasser zu entziehen. Dabei wird das Volumen der Zelle und des Zellsaftes kleiner werden, die Konzentration der in ihm gelösten Stoffe, und damit die Turgorkraft also zunehmen. Es wird also eine Zeit kommen, in der die Turgorkrafit gross genug sein wird, um der osmotischen Kraft der Salzlösung das Gleich- gewicht zu halten. Bis dahin aber wird die Zelle Wasser ver- lieren. Wie wird sich dabei die Zellhaut verhalten? Sie war anfangs durch den Turgor gespannt, wenn die Zelle Wasser verliert, wird sie sich zusammenziehen und verkürzen können, bis sie ihre elas- tische Spannung völlig ausgeglichen hat. In diesem Zustande ist die Zelle offenbar turgorlos, denn der Turgor ist ja nichts anderes, 1) Ursachen der Zelistreckung, Opera I, S. 398. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 553 als die Spannung zwischen Inhalt und Wand der Zelle. Wäre es also möglich, die Einwirkung der Salzlösung grade in diesem Augenblicke aufhören zu lassen, so würde man den turgorlosen Zu- stand der Zelle mit dem ursprünglichen vergleichen können. Da es nun äusserst schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich ist , die Einwirkung der Salzlösung in allen Theilen eines wach- senden Organs genau zu diesem Punkte zu führen und nicht wei- ter gehen zu lassen, so entstand die Frage, welchen Einfluss eine etwaige Ueberschreitung dieser Grenze auf das Resultat haben könnte. Wird die Zelle sich weiter verkleinern? Die Erfahrung lehrte, dass dieses nur in Bezug auf den vom Protoplasma um- schlossenen Raum der Fall ist, nicht für das Volumen der ganzen Zelle. Dabei hebt sich das Protoplasma allmählig von der Zell- wand ab, zuerst stellenweise, später allseitig, in starken Salz- lösungen liegt es später als freie Kugel mitten im Zellraum. Die Zeilhaut aber lässt die Salzlösung durch sich hindurchgehen, und den Raum zwischen ihr und dem Protoplasma ausfüllen. Es ist selbstverständlich, dass die Lösung in diesem Zwischenraum stets etwas verdünter sein wird wie die eindringende Lösung, da sie aus dem Protoplasmakörper, so lange sich dieser verkleinert, Wasser aufnimmt. Erst wenn die Kontraktion völlig aufgehört hat, kann dieser Unterschied ausgeglichen werden. Der Konzentrationsun- ‚terschied zwischen der inneren und äusseren Salzlösung muss of- fenbar zu osmotischen Wirkungen in der Zellhaut führen und es fragt sich, ob diese das Volumen der ganzen Zelle in merklicher Weise werden ändern können. Was wir von der einzelnen Zelle gesagt haben, gilt nun der Hauptsache nach auch von ganzen wachsenden Sprossen. Ich habe deshalb untersucht, ob Sprossen bei der Einwirkung starker, das Protoplasma von der Zellhaut abhebender Salzlösungen äusserlich wahrnehmbare Veränderungen erleiden, welche nicht durch die Aufhebung des Turgors bedingt sind. In meinen bereits mehrfach zitirten Untersuchungen über die mechanischen Ursachen der Zellstreckung habe ich über diese Frage eine lange Reihe von Versuchen angestellt, welche hier auch nur im Auszuge zu reproduziren, nicht möglich ist. Sie führten alle zu dem Resultat, dass alle wahrnehmbaren Veränderungen der lebenden Sprossen in starken Salzlösungen der Aufhebung des Turgors zugeschrieben werden müssen, dass von dem Augenblicke an, wo der Spross turgorlos ist, wenigstens seine Länge sich gar nicht mehr ändert. 554 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Dieses Resultat erleichtert uns nun die Vergleichung von Pflan- zentheilen im turgescenten und im turgorlosen Zustand in hohem Maasse. Wir brauchen sie ja nur, nachdem wir sie im frischen Zustand genau untersucht haben, in eine starke Salzlösung, z. B. in eine 10—20 prozentige Chlornatriumlösung zu bringen, und, nachdem sie aufgehört haben sich in dieser zu verändern, wieder zu untersuchen. Die gefundenen Differenzen sind unbedingt dem Turgor zuzuschreiben. Wir messen z. B. einen frischen Spross, und finden, dass er in der Salzlösung sich verkürzt, etwa um 10 pCt. seiner Länge. Dar- aus folgt, dass die Turgorausdehnung 10 pCt. der Länge beträgt. Ohne aber auf weitere Beispiele einzugehen, wollen wir sogleich die Anwendung unserer plasmolytischen Methode auf die geotro- rischen Krümmungen der Grasknoten besprechen. Wenn sich Grasknoten geotropisch aufwärts krümmen, so ver- längert sich dabei ihre Unterseite bedeutend und mit grosser Kraft. Von der Grösse dieser Verlängerung hängt offenbar unter sonst gleichen Umständen die Stärke der Krümmung ab. Stellen wir uns nun vor, dass diese Verlängerung zum Theil auf wirkli- chem Wachsthum, zum Theil auf einer Zunahme des Turgors beruht. In diesem Fall wird sich die konvexe Unterseite in der Salzlösung gerade um so viel verkürzen, als die Turgoraus- dehnung beträgt, und nur die durch Wachsthum erhaltene Länge wird sie beibehalten. Dem entsprechend wird aber die Krüm- mung geringer werden. Umgekehrt dürfen wir aus einer Ab- nahme der Krümmung bei der Plasmolyse schliessen, dass die Krümmung zum Theil auf Wachsthum, zum Theil auf Turgoraus- dehnung beruht. Würde der Knoten in der Lösung völlig grade, so war die Krümmung ausschliesslich durch Aenderung des Tur- gors verursacht, veränderte sie sich bei der Plasmolyse nicht, so ist sie völlig dem Wachsthum zuzuschreiben. Wie man sieht, erlaubt uns also die plasmolytische Methode in sehr einfacher Weise, den Antheil des Turgors und des Wachs- thums an einer Wachsthumskrümmung experimentell zu trennen. S 3. Ueber den Antheil von Turgor und Wachsthum an den geotropischen Bewegungen der Grasknoten. Wir wollen uns jetzt die Frage vorlegen, in welcher Weise die Schwere das Wachsthum der Unterseite horizontal gelegter Gras- UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 555 knoten beschleunigt. Beachten wir die zahlreichen Erfahrungen, welche wir im ersten Paragraphen über diese Bewegung beschrie- ben haben, und die theoretischen Auseinandersetzungen des vori- gen Paragraphen, so lässt sich unsere Frage schon ziemlich scharf zuspitzen. Wir haben gesehen, dass die Knoten nur so lange der geotropischen Krümmungen fähig sind, als sie einen gewissen Grad von Turgor besitzen; sobald ihre Zellhäute starr und nicht mehr dehnbar waren, hörte auch der Geotropismus auf. Wir haben ferner gesehen, dass die Krümmung mit einer sehr bedeutenden Kraftentwickelung verbunden ist, und dass sie nicht auf einer einfachen Zunahme der Dehnbarkeit passiv gespannter Schichten beruhen kann. Ferner sahen wir, dass, wenn horizontal liegende Knoten gewaltsam an der Aufwärtskrümmung verhindert werden, eine sehr hohe Spannung in dem Gewebe der Unterseite entsteht, welche sich theils schon während: des gebundenen Zu- standes, theils erst bei der Entfernung des Hindernisses durch Erümmungen verräth. Alle diese Erfahrungen weisen darauf hin, dass ausser dem eigentlichen Wachsthum der Zellhäute auch noch der Turgor im Spiele ist. Wir müssen also zunächst folgende Frage beantworten. Hat neben dem Wachsthum vielleicht auch der Turgor einen An- theil an den geotropischen Krümmungen? Sollte diese Frage zu bejahen sein, so wäre die Beziehung zwischen Turgor und Wachsthum, nach den vorausgeschickten theoretischen Ausein- andersetzungen ohne Weiteres klar, und es wäre möglich, die Antwort auf die beiden ersteren der Eingangs dieses Aufsatzes gestellten Fragen, schon in ziemlich befriedigender Weise zu geben. Bevor wir eine experimentelle Antwort versuchen, wollen wir aber einiges über den Bau und die Gewebespannung in den Kno- tenpolstern vorausschicken, da solches für das Verständniss des Folgenden durchaus erforderlich ist. Der anatomische Bau ist ein sehr einfacher. Der Querschnitt zeigt einen einzigen konzentrischen Kreis von grossen, zumal in der Richtung des Radius entwickelten Gefässbündeln, welche nur durch schmale Parenchymstreifen ge- trennt sind. Ausserhalb und innerhalb des Kreises liegt grosszel- liges parenchymatisches Gewebe. Vergleicht man die Gefässbün- del des Polsters mit denen des starren Theiles der Blattscheide gleich oberhalb, so sieht man, dass ihr Querschnitt bedeutend grösser ist, dass dieses jedoch völlig auf Rechnung der Scheide zu stellen ist; die Gefässbündel selbst sind im Polster kleiner und schwächer, ihr Holztheil führt nur Spiral- und Ringggefässe mit 556 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. schwachen Wandungen. Die stark entwickelte Scheide unterschei- det sich aber von den gleichnamigen Theilen in höheren Partien der Blattscheide dadurch, dass sie nicht wie dort, aus festen = dickwandigen Bastfasern, sondern aus dem weichen, wasserreichen Collenchym zusammengesetzt ist. Liegen in der Blattscheide noch etwa hypodermale Bastbündel, so sind auch diese im Polster durch Collenchym vertreten. Der Mangel an Bastfasern und dessen Vertretung durch Collen- chym bedingt die Biegsamkeit des Polstergewebes, ebenso wie auch die zartere Ausbildung der Zellwände des Parenchyms. Ohne diese Einrichtung wäre eine Aufwärtskrümmung gar nicht mög- lich. Denn Bastfasern können auch durch ansehnliche Kräfte nur um einen geringen Theil ihrer Länge ausgedehnt werden, das Collenchym ist aber äusserst dehnbar, wie z. B. schon aus seinem allgemeinen Vorkommen in rasch wachsenden Pflanzentheilen ersichtlich ist. Trennt man durch Längsschnitte feine Lamellen vom Gelenk- polster ab, so krümmen sich diese bei der Isolirung nur sehr we- rig, gleichgültig, ob man innere oder äussere Theile nimmt. Bringt man aber solche Objekte in Wasser so beobachtet man, dass das Parenchym solches mit grosser Kraft aufnimmt und sich dabei verlängert. Die übrigen Gewebe thun solches nicht, und die Folge ist, dass Streifen, welche auf der einen Seite aus Parenchym, auf der anderen aus Epidermis oder Gefässbündelgewebe bestehen, sich im Wasser sehr stark krümmen. Lamellen der Oberhaut mit etwas Rindengewebe abgetrennt, rollen sich mit der Oberhaut konkav stark ein, sowohl wenn sie die Oberhaut der Aussenseite, als die der Innenseite des Polsters enthalten. Radiale Schnitte, welche einerseits ein Gefässbündel, andererseits das benachbarte Paren- chymgewebe haben, krümmen sich gleichfalls stark ein u. s. w. Es scheint, dass auch zwischen den einzelnen Parenchymschichten Ungleichheit in dieser Beziehung besteht, jedoch krümmen sich Lamellen aus reinem Parenchym immer nur sehr schwach. - Dass diese Krümmungen einfach auf einer einseitigen Zunah- me des Turgors beruhen, kann man dadurch nachweisen, dass man die Schnitte in eine zehnprozentige Chlornatriumlösung legt. Diese hebt den Turgor auf, sofort verschwinden die Krümmungen. Das Parenchym junger Polster besitzt also die Fähigkeit Was- ser in bedeutender Menge aufzunehmen; in dem unverletzten Knoten kann es dieses nur so weit thun, als die Elasticität der passiv gedehnten Schichten seine Vergrösserung zulässt. Auf die- UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 557 ser Wasserauinahme des Parenchyms beruht aiso die Steifheit des Knotens. Dass dabei die Zellhäute wirklich vom Turgor gedehnt sind, zeigt die Verkürzung der Knoten wenn sie unverletzt in die Salz- lösung getaucht werden. Auf diese Verkürzung kann auch ohne genaue Messung aus dem Erschlaffen und der Zunahme der Dehn- barkeit geschlossen werden. Solche Versuche zeigen auch in sehr ausgeprägter Weise den Einfluss, den das Alter auf die Betheiligung des Turgors an der Steifheit ausübt. Ich habe Gelenkpolster in ver- schiedenen Altersstadien in zwanzigprozentige Kochsalzlösung gebracht, um mich von der Richtigkeit des ausgesprochenen Satzes zu überzeugen. Da die Resultate aber ganz mit den beim Welken erhalten zusammenfallen, wäre es überflüssig, meine Versuche ausführlich zu beschreiben. Sie wurden ausser mit Roggen noch mit Polygonum orientale, Cucubalus bacciferus, Agrostemma Gi- thago, Agrostemma coronaria und Lychnis vespertina angestellt. Dass die Turgorausdehnung gleichzeitig mit dem Geotropismus verschwindet, zeigt folgender Versuch. Halme von Hafer und Roggen wurden derart in Stücke geschnitten, dass jedes Stück in der Mitte einen Knoten hatte. Jetzt wurden alle in üblicher Weise in einen dunklen feuchten Raum horizontal gestellt. Nach drei Tagen waren die jüngeren gekrümmt, die älteren nicht. Jetzt wurden alle in die Salzlösung gebracht, wo die gekrümmten er- schlafften und zwar um so mehr, je stärker sie sich rascher geo- tropisch gekrümmt hatten. Polster welche gerade geblieben wa- ren, blieben in der Salzlösung starr. Ich komme jetzt zu unserer Hauptfrage: Hat neben dem Wachs- thum auch der Turgor einen Antheil an den geotropischen Bewe- gungen der Gräser? Die Antwort kann, wie aus den Auseinander- setzungen des vorigen Paragraphen hervorgeht, durch Anwendung unserer plasmolytischen Methode gegeben werden. Werden die Halmstücke, nachdem sie sich während einiger Zeit gekrümmt haben, plasmolysirt, so verlieren sie denjenigen Theil der Krüm- mung, welcher dem Turgor, und behalten denjenigen, welcher dem Wachsthum zuzuschreiben ist. Die Anordnung der Versuche war folgende. Es wurden stets junge Polster ausgesucht, weil, wie wir gesehen haben, diese sich am raschesten krümmen. Der Stengel wurde beiderseits in einer Entfernung von etwa 3—5 cm vom Knoten durchschnitten und die isolirten Stengeltheile in einem verschliessbaren Zinkkasten hori- zontal gestellt. Auf dem Boden des Kastens lag feuchter Sand, 558 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. der am Rande zu einem Walle erhöht war, in diesen Wall wurden die Unterenden der Stengelstücke gebracht, so dass die Knoten frei hervorragten. Der Kasten wurde verschlossen, um den Raum feucht und dunkel zu erhalten. Nach kürzerer oder längerer Zeit wurden die Stengelstücke herausgenommen, und ihre Krümmung auf Papier mit Bleistift genau nachgzzeichnet; darauf wurden sie in eine zwanzigprozentige Chlornatriumlösung gebracht. Nach mehrstündigem Aufenthalt in dieser Lösung wurden die Objekte vorsichtig auf Glasplatten und mit diesen auf Papier gelegt, und zwar derart, dass es möglich war sie genau auf dem Papier nach- zuzeichnen. Diese letztere Operation wurde dann nach einigen Stunden wiederholt, um zu sehen ob sich der Winkel noch ge- ändert hatte. Als der Versuch beendet war, wurden die Winkel mit einem Gradbogen gemessen, und zwar sind in den Tabellen die Supplemente der Winkel beider Internodien angegeben, also die Winkel, um welche sich das jüngere Internodium erhoben hatte. 1. Avena sativa. Dauer des Versuchs 23 Stunden. Länge der Stücke 10 cm. Dauer der Einwirkung des Salzes 20 Stunden. In der Tabelle bedeutet T den Erhebungswinkel des turgescenten Sprosses, P den Erhe- bungswinkel im plasmolytischen Zustand. No. des Halmstücks 1% | Pi Diff. RE a NE 30° 229 8° Ten: 279 %..11,,180 g0 TIER Rn a un u RR 0 1 6° 2. Lolium perenne. Länge der Stücke 10 cm. Dauer ‘der geotropischen Bewegung 23 Stunden, der Einwirkung des Salzes 20 Stunden. T und B wie in Versuch 1. No. des Halmstücks | T P. Diff. EAN E E NAE E 36° FTOR ON AE ARENE PENA E FA 40° 34° 6 TIL AIR IH NR | 30° 260 40 3. Polygonum nodosum. Länge der Stücke 6—8 cm. Dauer der geotropischen Krümmung UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 559 31, Stunde, der Einwirkung des Salzes 18 Stunden. T und P wie oben. Aus sehr zahlreichen Exemplaren wurden nur diejenigen ausgesucht, welche in der kurzen Zeit von 3/, Stunden schon eine bedeutende Krümmung gemacht hatten. No. des Exemplars. T P: | Diff. EEE ee ANa 40° 230 | 10 R S a u Ak 19° 10° a IN RM a a A e 30° 20° 10° a OSA L E 220 o0 220 4. Galeopsis Tetrahit. Länge der Stücke 6,8 cm, in der Mitte je ein keulenförmiges Polster unterhalb des Knotens. Dauer der geotropischen Bewe- gung 25 Stunden, der Einwirkung des Salzes 24 Stunden. T und P wie oben. No. des Exemplars. | E; | P: | Diff. en. le, a ne | 52 E e a Afa 34° 300 4° a A 42° ML | 59 Diese Versuche lehren, dass stets sowohl der Turgor als auch das Wachsthum sich an den geotropischen Bewegungen der Ge- lenkpolster betheiligen. Meist ist der Antheil des Turgors nur ein geringer, in den Versuchen mit Polygonum, in welchem die geo- tropische Bewegung nur 34, Stunde dauerte aber stets ein sehr bedeutender. Ja in einem Falle (No. IV) beruhte hier die Krüm- mung vollständig auf erhöhter Turgorausdehnung der konvexen Seite; Wachsthum hatte während der kurzen Versuchsdauer nicht statt gefunden. Wenn man die Versuche während längerer Zeit dauern lässt, bevor man die Sprossstücke plasmolysirt, so findet man keine Aenderung des Winkels bei der Plasmolyse, es beruht dann die ganze Krümmung auf Wachsthum. Die mitgetheilten Erfahrungen reichen hin, um auf die gestellte Frage eine Antwort zu geben. Da sie aber nur wenig zahlreich sind, und zumal da es schwierig ist die ersten Anfänge der geotro- pischen Bewegung, deren Studium ja das wichtigste ist, zu erfas- 560 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. sen, so scheint es geboten die Untersuchung auch auf andere ver- wandte Erscheinungen auszudehnen, um zu sehen, ob diese viel- leicht ein geeigneteres Material für diese Experimente geben. Auf diesem Wege dürfen wir hoffen unsere Kenntniss derart zu ver- vollständigen, dass eine viel eingehendere und genauere Antwort auf unsere Frage möglich wird. Aus diesem Grunde werde ich in dem folgenden Paragraphen eine Reihe von Experimenten mittheilen, deren Zweck es ist mit- telst der plasmolytischen Methode den Antheil des Turgors und ces Wachsthums an Wachsthumskrümmungen in möglichst vielen Fällen festzustellen. In dem letzten Paragraphen werden wir dann unsere Frage de- finitiv beantworten können. S 4. Plasmolytische Untersuchung anderer Wachsthums- krümmungen. Die mitgetheilten Versuchsresultate haben uns für die geotro- pische Krümmung der gelenkartigen Knoten zu bestimmten Vor- stellungen geführt, von denen es nicht anzunehmen ist, dass sie nur für diese Organe Gültigkeit haben sollten. Im Gegentheil, es ıst in hohem Grade wahrscheinlich, dass ihnen eine viel allge- meinere Bedeutung zukommt. Es war deshalb wichtig auch an- dere, verwandte Erscheinungen in dieser Richtung zu untersu- chen. Von einer solchen Untersuchung darf man aber auch anderer- seits Aufklärung über manchen Punkt erwarten, der bisher noch unsicher blieb, oder eine vollständigere Beweisführung für Sätze welche sich aus den mit Knoten angestellten Experimenten nicht mit völliger Sicherheit ableiten liessen. Mit einem Worte, eine möglichste Ausdehnung der mit geotropisch gekrümmten Knoten gemachten Versuche auf die Wachsthumskrüämmungen anderer Organe ist aus mehreren Gründen, auch im Interesse unseres spe- ziellen Themas erwünscht. Ich will deshalb hier einige Reihen von Versuchen mittheilen, welche ich in dieser Richtung gemacht habe. Die verschiedenen Versuchsreihen haben, wie man bald sehen wird, eine sehr un- gleiche Bearbeitung erfahren. Und zwar habe ich mir in jedem ein- zelnen Falle um so mehr Mühe gegeben, je mehr das Material meinen Anforderungen entsprach, je mehr ich also auf klare und völlig zuverlässige Resultate hoffen durfte. Ich fange mit denjeni- UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 561 gen Erscheinungen an, welche den geotropischen Krümmungen der Knoten am nächsten stehen. I. Die geotropische Aufwärtskrümmung wachsender Sprossen. Junge, aber völlig gerade Blüthenstiele, deren Knospen sich noch nicht geöffnet hatten, und junge wachsende Sprossgipfel wurden im Garten abgeschnitten, sogleich unter Wasser untergetaucht und in diesem in’s Laboratorium getragen. Hier wurden die Knospen abgeschnitten, und gleichfalls die älteren ausgewachsenen Theile, so dass Stücke von 10—20 cm Länge übrig blieben. Diese wur- den in einen Zinkkasten horizontal gestellt, indem sie mit dem unteren Ende in einen Wall von nassem Sand gestellt wurden. Die Sprosse schwebten also in horizontaler Lage in der feuchten Luft des dunklen verschlossenen Kastens. Nach einiger Zeit wurde der Kasten geöffnet und diejenigen Sprosse, welche sich am kräftig- sten gekrümmt hatten, für die Versuche herausgenommen. Die Messung der Krümmung geschah mittelst des früher von mir für ähnliche Messungen benutzten Cyclometers 1). Dieses einfache Instrument besteht aus einem Karton, auf welchem kon- zentrische Kreise mit Radien von bekannter Grösse aufgetragen sind. Die Grösse der Radien differirtt um je 1 cm, der kleinste Radius ist 1 cm, der grösste 21 cm lang. Der gekrümmte Spross wird auf diesem Papier so lange verschoben, bis seine Krümmung mit einem der Kreise zusammenfällt, man erkennt dadurch seinen Krümmungsradius. Nach der Messung wurden die Sprosse in flache Glasschälchen gebracht, in denen sich eine I—2 cm hohe Schicht einer starken Salzlösung befand. Ich benutzte für diese Versuche stets eine Chlornatriumlösung von 20 pCt. In dieser Lösung wurden die Sprosse so lange gelassen, bis sie völlig plasmolytisch geworden waren, was man daran erkannte, dass sie ihre Krümmung nicht weiter änderten. In diesem Zustand wurden sie abermals gemes- sen. Es wäre gefährlich, sie dazu aus der Lösung herauszunehmen, da sie dabei durch ihre Schlaffheit leicht ihre Krümmung ändern könnten. Deshalb stelle ich die Schale einfach auf den Cyclome- ter, die Objekte, welche ohnehin in der niedrigen Schicht nahezu horizontal am Boden liegen, wurden mit einer Pinzette sanft an den Boden gedrückt und so lange verschoben, bis ihre Krümmung 1) Ueber einige Ursachen der Richtung bilateralsymmetrischer Pflan- zentheile. Opera 1, S. 137. 36 562 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. wieder mit einem der konzentrischen Kreise zusammenfiel. Dann wurde wieder der Krümmungsradius abgelesen. Man erhält also für jeden Pflanzentheil zwei Zahlen, den Krüm- mungsradius im frischen, und den im plasmolytischen Zustand, die Differenz beider weist an, wie stark sich die Krümmung bei der Aufhebung des Turgors geänderte hat. \ Die beschriebene Methode ist eine äusserst einfache, sie zeigt sich aber als für den vorliegenden Zweck völlig hinreichend und sicher; die Resultate sind meist immer weit über allen Zweifel er- hoben. Eine genauere Methode ist also gar nicht nothwendig, und es hat den Anschein, als ob eine solche bei den häufig nicht ganz regelmässigen und kreisförmigen Krümmungen der Sprosse eine geringe Aussicht hätte mehr zu leisten, ja es ist sehr wahrschein- lich, dass störende Einflüsse, welche bei meiner Methode sich in den Resultaten nicht geltend machen können, feinere Methoden durchaus illusorisch machen würden. Von solchen störenden Ein- flüssen nenne ich nur den Umstand, dass dickere Organe, welche ihren Turgor nur langsam verlieren, oft hin und her gehende Be- wegungen machen, nun ihre Krümmung erhöhend, und dann wie- der sie vermindernd. In der jetzt folgenden Tabelle findet man die Krümmungsradien in Centimetern angegeben; je grösser der Radius um so schwächer ist natürlich die Krümmung. In dieser Tabelle fasse ich die Resultate einiger, an verschiede- nen "Tagen angestellten Versuche zusammen; eine völlige Ver- gleichbarkeit der Versuchsobjekte lag nicht in meinem Plane. Die Tabelle enthält 1. die Angabe der Zeit, während welcher die hori- zontalgestellten Sprosse der Wirkung der Schwere ausgesetzt wurden, in Stunden und Minuten, 2. die Krümmungsradien am Ende dieses Aufenthaltes und nach der Plasmolyse, d. h. nach einem Aufenthalt von 20 Stunden in der Salzlösung, 3. die Diffe- renz dieser beiden Radien. Die Temperatur betrug 21—22° C. (Tabelle s. S. 563.) Von den sieben ersten Arten benutzte ich junge Blüthenstiele, von Phaseolus multiflorus, die noch nicht windenden Sprossgipfel von Keimpflanzen. Aus dieser Tabelle geht hervor: 1. Geotropisch gekrümmte Sprosse verlieren, wenn sie wäh- rend der Bewegung plasmolysirt werden, einen Theil der Krümmung. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 563 2. Hat die geotropische Krümmung 24 Stunden gedauert, so ändert sich bei vielen Exemplaren der Krümmungsradius bei der Plasmolyse nicht mehr. Dauer Krümmungsradien im Arten GE ne plasmo- | Differenz tropischen | gescenten | lytischen Krümmung Zustand St. Min. Plantago lanceolata .. |. 1 36 10 22 12 II. 1 36 9 ' 12 3 In. 24 at 3 0 | IV. 24 3 3 0 „Papaver Roeasl) ... |. 1 36 4 7 3 ll. 1 36 au rad 8 III. 3 25 4 | 8 4 IV. STAD) 2 | 3 1 V. 24 ORE AA TY 0 VI. DALRA 1 | 1 | 0 Agrostemma Githago. . 1. 1 36 TA ER A 8 II. 1 36 9 17 8 il. 3/25 5 8 3 IV. 5 05 4 A a 1/3 V. 5 05 5 6 1 yI. 24 2 3 1 VII. 24 2 | 3 1 Knautia orientalis .. . |. 1 36 3 4 1 II. 5 05 1 11/2 1/2 II. 5 05 2 3 1 IV. 24 1 1 0 Tropaeolum majus. .. |. 1 36 6 T 1 lI. 1 36 4 5 1 HI. 5 05 2!/2 3 1/2 IV. 24 3 3 0 V. 24 2 2 0 Silaus pratensis.... L 1 36 15 20 5 Il. 2600 12 15 3 Ill. 5 05 5 9 4 IV. 5 05 6 20 14 V. 24 5 6 1 Cephalaria leucantha. . |. 5 05 5 7 2 1. 5 05 7 12 5 Phaseolus miltiflorus . |. 45 21/, 3 1/2 ll. 3 00 3!/2 4 1/2 1) Die Nutationsebene wurde horizontal gelegt; die Nutationskrüm- ‚mungen glichen sich während des Versuchs aus. 564 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Oder 3. Bei geotropischen Krümmungen nehmen anfangs sowohl die Turgorausdehnung als auch das Wachsthum an der un- teren konvexen Seite zu, später verschwindet die Differenz in der Turgorausdehnung zwischen beiden Seiten, und es wird die ganze Krümmung vom Wachsthum fixirt. Wir können aus diesen empirischen Resultaten als Hauptsatz folgendes ableiten. i| Die geotropischen Krümmungen werden durch Zunahme des l Turgors an der Unterseite verursacht; die Zunahme der Turgor- | ausdehnung aber bedingt dort ein beschleunigtes Wachsthum. | 2. Heliotropische Krümmung von Sprossen. Für diese Versuche ! wurden: gleichfalls theils Blüthenstiele, theils Keimpflanzen be- } nutzt. Sie standen in einem aus Zinkblech angefertigten Kasten, | dessen Vorderseite aus einer Glastafel gebildet war. Der Kasten | war innen schwarz angestrichen, die Glasplatte soweit mit schwar- 1 zem Papier bedeckt, dass die Pflanzentheile von oben kein Licht | erhielten. Durch Spiegelplatten wurde das Licht, theils Sonnen- strahlen, theils starkes diffuses Tageslicht horizontal oder schräg j aufwärts auf die Pflanzen geworfen. Diese standen senkrecht mit | dem unteren Ende in nassem Sand befestigt, nur die Keimpflanzen standen in Töpfen, sie wurden erst nach der heliotropischen Krümmung abgeschnitten. Die Mesung der Krümmung sowie die Plasmolyse geschah in genau derselben Weise wie für die erste Versuchsreihe angegeben wurde; die Tabelle ist genau in derselben Weise eingerichtet, wie | dort beschrieben. ý nN a ET Dauer der Krümmungsradienim | i Arten Br Kur plasmu | Differenz j tropischen |gescenten | lytischen \ Krümmung Zustand l Stunden Sanguisorba officinalis, Blüthenstiel. . . 1. 21/3 6 7 1 II. 4 5 6 1 Knautia orientalis, Blüthenstiel . . . .. - 3!/2 6 12 6 Silaus pratensis, Blüthenstiel . . . .... 4 5 8 3 Pisum sativum, halbetiolirte Keimpflanze. . 2 2 3 1 Brassica Napus, hypocotyl. Internodien v. Keimpflanz. I. 2 21/3 3 JE JI. 2 2 3 1 5 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 565 Die Tabelle lehrt uns, dass heliotropische Krümmungen, so lange sie noch nicht vollendet sind, theils auf Turgorausdehnung, theils auf Wachsthum beruhen. 3. Nutation und Schlingen. Nutirende Sprossgipfel von Schling- pflanzen, theils aus dem Garten, theils von im Zimmer stehenden Topfpflanzen, wurden plasmolysirt; sie verloren dabei einen Theil ihrer Krümmung, wie die folgende Tabelle ergiebt. Die Krümmungs- radien waren in cm bei Vor der Plasmolyse Nachher Phaseolus multiflorus . . T 2 4 i II. 2 5 II. 7 2 Bnmulus Lupulus: d ho dra: 11, 2 Schlingende Sprossgipfel wurden gleichfalls, theils ohne, theils mit ihren Stützen in die Salzlösung gebracht. Von Phaseolus multi- florus streckten dabei zwei Sprossgipfel die jüngste Windung na- hezu völlig, ältere Theile behielten die Windungen bei. Von zwei Exemplaren von Polygonum Convolvulus und einem von Humulus Lupulus streckten sich die windenden Gipfel mehr oder weniger gerade. Schlingende Sprossenden von /mpomaea purpurea und Dios- coraea Batatas verloren einen Theil ihrer Krümmung durch Plasmo- lyse. Sowohl die nutirende als auch die schlingende Bewegung beruht ziso zum Theil auf einer Aenderung des Turgors an der konvex werdenden Seite. 4. Epinastische Krümmung von Blattstielen. Blattstiele und Mit- telnerven, von der Scheibe befreit, wurden, wie in Versuch I be- schrieben ist, in einen Zinkkasten horizontal gestellt, und zwar so, dass die Medianebene horizontal lag. Sie waren anfangs grade und krümmten sich in kurzer Zeit epinastisch, ohne noch geotropische Bewegungen zu zeigen. Dann wurden sie plasmolysirt; die Mes- sungen in der oben beschriebenen Weise ausgeführt, ergaben fol- gende, in Centimeter ausgedrückte Krümmungsradien. 566 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Dauer der | Krümmungsradien im epinas- tur- plasmo- een tischen gescenten lytischen Krümmung | Zustand Std. Min. Malva sylvestris, Blattstiel . . 1. ROTS 2 o II. POSTNI 1 o0 IIL. URIN DEAS 3 œ IV. 2.210 2 o V. 20O 3 8 VI. 4.1.30. 3 o7 Cannabis sativa, Blattstiel . . .. 55 3 4 Nicotiana Tabacum, Mittelnerv 4 30 2 (e) Nicotiana rustica, 2 ACSO 6 T Helianthus tuberosus, N 2030 4 10 Xanthium echinatum, a 430 5 le) Das Zeichen œ giebt an, dass die Objekte nahezu grade ge- worden waren. Das Resultat ist also, dass die epinastischen Krümmungen, welche in der kurzen Zeit von wenigen Stunden gemacht waren, bei der Plasmolyse zum Theil oder auch völlig verloren gehen, also ganz oder zum Theil auf Turgorausdehnung beruhen. Ferner habe ich die Blattstiele von Leonurus Cardiaca unter- sucht. Die Blätter sind opponirt, und die kleinen Blattstiele behal- ten im unteren Theile, in der Nähe der Anheftung an den Stengel, lange Zeit das Vermögen sich zu krümmen, auch nachdem die Stiele selbst bereits starr geworden sind. Schneidet man nun aus einem Stengel ein Internodium mit dem oberen Knoten und seinen beiden Blattstielen heraus, entfernt man die Blattscheiben undi steckt dann das Ganze derart in den Sandwall des für den ersten Versuch benutzten Zinkkastens, dass die die beiden Stiele verbinden- de Ebene horizontal liegt, so sieht man in kurzer Zeit den Winkel, den die beiden Stiele mit einander machen, sich vergrössern. Dieses ist offenbar eine Folge davon, dass nach der Aufhebung der geo- tropischen Einwirkung der Schwere, die Oberseite anfängt sich rascher zu verlängern als die Unterseite. Die Bewegung ist aber ausschliesslich auf die Stielbasis beschränkt, der übrige Theil bleibt grade. Vier solche Objekte, welche sich in einer Stunde sehr stark epinastisch gekrümmt hatten, wurden gleich darauf plasmolysirt. Dabei wurden die Winkel der Blattstiele klein und zwar: UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 567 bei No. I. von 100° auf 70° PUNO Hat 9050 y Noa IH 2,2908 1505 NO: EV N SOSE Ein erheblicher Theil der epinastischen Krümmung beruhte also auf Turgorausdehnung. 5. Epinastische Bewegungen der Ranken von Sicyos angulatus. Unter allen Pilanzentheilen, welche Wachsthumskrümmungen »usführen können, zeichnen sich die Ranken durch die auffallende Geschwindigkeit der Bewegungen aus. Es war daher zu erwarten, dass hier eine Trennung der Turgorausdehnung vom Wachsthum viel besser gelingen würde als es in den bisherigen Versuchen der Fall war. Die Erfahrung hat diese Voraussetzung völlig bestätigt, und ich habe deshalb mit Ranken einige ziemlich ausführliche Ver- suchsreihen gemacht, deren Beschreibung jetzt folgen soll. Unter den Ranken zeichnen sich wieder die von Sicyos angulatus durch ihr relativ enorm rasches Wachsthum und ihre sehr grosse Reiz- barkeit aus. Die sehr grossen Ranken brauchen nur wenige Tage, um sich aus der spiralig eingerollten Knospenlage zu strecken, ebenfalls krümmen sie sich am Ende des Längenwachsthums, oft in einer einzigen Nacht, völlig zu engen Schraubenwindungen ein. So lange sie grade sind, sind sie reizbar, dieses dauert je nach der Temperatur 1—2 Tage. Reibt man sie in diesem Zustande einige Male vorsichtig auf der Unterseite, so krümmen sie sich in weni- gen Minuten zu meist etwa zwei Spiralwindungen, die Bewegung ist so rasch, dass man sie als solche sehen kann. Mit diesen Ranken habe ich nun eine Reihe von Versuchen angestellt, in denen die Ab- oder Zunahme der Anzahl der Win- Gungen durch die Plasmolyse bestimmt wurde. Ich beschränkte mich stets auf eine einfache Zählung, bei der es meist leicht war, Achtel eines Umganges mit grosser Sicherheit zu schätzen; eine grössere Genauigkeit war bei den meist sehr bedeutenden Diffe- renzen völlig überflüssig. Ich habe die Ranken in drei Perioden ihres Lebens untersucht, nämlich: a. Erste Periode; Streckung ß. Zweite Periode; Grade Ranken y. Dritte Periode; epinastische Aufrollung. In der ersten Periode sind die Ranken noch hyponastisch einge- rollt; die Unterseite ist die konvexe; die konkave Oberseite wächst 568 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. aber rascher als die Unterseite und vermindert dadurch allmählig die Krümmung, bis die Ranke endlich, von der Basis anfangend, grade wird. In der dritten Periode fängt die epinastische Aufrol- lung, bei der die Oberseite zur konvexen Seite wird, in der unteren Hälfte der Ranke an, diese biegt sich anfangs in weiten, aber stets enger und zahlreicher werdenden Windungen, einige Zeit bleibt der Gipfel noch grade, dann fängt auch dieser an sich zu krüm- men, bis endlich die ganze Ranke zu einer engen, meist unregel- mässigen Schraube zusammengerollt ist. a. Periode der Streckung. l. Versuch. Eine sehr junge, spiralig aufgerollte Ranke wurde am | 4. Aug. plasmolysirt, ausser dem Hauptast wurde noch ein Seiten- ast gelassen. Die Anzahl der Windungen war: Hauptranke Seitenranke NORA HN NEN 3 Nach 2 Stunden . . 314 34 Nach 20 Stunden. . 31 55 Die Zahl der Windungen nahm also durch Plasmolyse um 1, zu. ll. Versuch. Von einer etwas älteren Ranke wurden an demselben Tage der Hauptast und ein Seitenast plasmolysirt. Die Zahl der Windungen war: Hauptast Seitenast VOTE TE SE EN I 3 Nach 10 Minuten. . 3 34 Nach 40 Minuten. . 34 31, Nach 31, Stunde. . 31% 334 In beiden Fällen Zunahme um 34 Windung. HI. Versuch. Eine Ranke, deren Hauptast sich schon grossentheils entrollt hatte, wurde mit einem sehr jungen Seitenaste an demsel- ben Tage plasmolysirt. Die Anzahl der Windungen war: Hauptast Seitenast Vor der Plasmolyse . 14 31 Nach % Stunde . . 134 34 Nach 2 Stunden . . 134 33% Nach 20 Stunden. . 2 31, Also Zunahme um 34 resp. 4 Windung. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 569 Resultat. Die Zahl der Windungen junger Ranken nimmt in der Periode der epinastischen Streckung durch Plasmolyse zu. Die Turgorausdehnung ist also auf der Oberseite grösser als auf der Unterseite, die Differenz ist in jüngeren Ranken kleiner als in etwas älteren. ß- Zweite Periode, gerade Ranken. IV. Versuch. Neben einer kräftigen, reich verzweigten Pflanze von Sicyos wurde im Garten eine Schaale mit der Salzlösung ge- stellt. Eine Anzahl junger, völlig gerader Ranken wurde vorsichtig abgeschnitten und sogleich in die Lösung gebracht. Hier krümmten sich Nr. 1—4 auf der ganzen Länge mit der Oberseite konkav, Nr. 5, die etwas älter war, blieb in der unteren Hälfte gerade, die obere krümmte sich mit der Oberseite konkav, Nr. 6, noch älter, blieb nahezu ganz gerade, nur im Gipfeltheil wurde die Oberseite schwach konkav. Die Krümmungen waren sehr weite, ihre Grösse in Tneilen eines Kreises gemessen betrug nach etwa 11, Stunden: Nolsk >. 1%» W. N0442 ⁄ W. Noso 3% W. NO Ane a N RE No. 3.-1Giprel). 4.2.1753 W. No» Ber el. ne kastıgerade. V. Versuch. Zwei gerade Ranken von Topfpflanzen, welche für diesen Zweck ins Laboratorium gebracht worden waren, blieben bei der Plasmolyse in der unteren Hälfte völlig gerade, die obere Hälfte krümmte sich mit der Oberseite konkav in 1, Stunde bis 14 resp. 3% Windung. Nach 20 Stunden hatte die Krümmung sich nicht weiter geändert. VI. Versuch. Kräftige Ranken einer Gartenpflanze wurden in eine daneben stehende Schale mit Salzlösung getaucht. Sie waren alle gerade und krümmten sich in der Lösung mit der Oberseite konkav. Die Krümmung erstreckte sich vom Gipfel aus immer nur über einen Theil der Ranke. No. 1. 1, W. über die Hälfte der Ranke, No. 2: a AA a i, n No. 3. YAV ATE EIER % 4 a No. 4. /, W. über ein Drittel der Ranke. 570 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Resultat: Gerade Ranke krümmen sich bei der Plasmolyse in der jugend ganz, später nur in der apikalen Hälfte mit der Oberseite konkav. Die Turgorausdehnung ist also anfangs überall, später nur am Gipfel auf der Oberseite grösser als auf der Unterseite. y. Periode der epinastischen Einrollung. VII. Versuch. Gerade Ranken wurden aus dem Garten genom- men und jede für sich in ein kleines Cylindergläschen mit Wasser gestellt. In etwa 24 Stunden machten die Hauptäste epinastische Krümmungen; die Gipfel, in einer Länge von einigen Centimetern, blieben jedoch gerade. Dann wurden sie in die Salzlösung ge- bracht; hier nahm die Zahl der Windungen in folgender Weise ab: No. 1. No. 2. No. 3. MORRIS TUE SIE NEN AR N 21% 414 Nach 15 Minuten. . O 1⁄4 21, Nach 35 Minuten. . O 1⁄4 2 Nach 21, Stunden. . — 0 2 Die anfänglich geraden Gipfel krümmten sich mit der Oberseite in etwa 14—34 Windung konkav. Die epinastischen Windungen waren also bei Nr. 1 und 2 durch die Plasmolyse völlig verschwunden. bei Nr. 3 nur theilweise. Die in Nr. 3 übrig gebliebenen Windungen hatten selbstverständlich viel grösseren Diameter als vor Anfang des Versuchs, denn sie verbreiteten sich über denselben Theil der Ranke. VI. Versuch. Ranken, welche sich an Topfpflanzen im Zimmer . entwickelt und keine Stütze gefunden hatten, fingen endlich an sich epinastisch einzurollen. Sie wurden in verschiedenen Stadien plas- molysirt, bei Nr. 1 und 2 war der Gipfel noch gerade, bei Nr. 3 und 4 schon schwach gekrümmt. Die Zahl der Windungen war: No. 1. No. 2. No. 3. No. 4. MOL EEG BE a EN 11, 214 34 Nach 14 + Stunde‘ EN Wo 2 2 Nach 24, Stunden. . O0 34 34 1 Die Zahl der Windungen nahm also stets bedeutend ab, dabei wurden die Windungen selbst natürlich weiter. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 57I IX. Versuch. Gerade Ranken wurden kurz vor dem Anfang der epinastischen Krümmung aus dem Garten geholt und in kleine Cy- lindergläschen mit Wasser gestellt. In der warmen Zimmerluft roll- ten sie sich in 24 Stunden ziemlich stark ein. Jetzt wurden sie in die Lösung gebracht und verloren hier nur einen kleinen Theil ihrer Windungen, wie die folgende Tabelle zeigt. Vor der Plasmolyse Nachher Nor. Ki 131, 11 DE ae rn 11 Non 3n 12 8 NOMAAA Ean EA 61, X. Versuch. Am dritten September suchte ich an einigen Topf- pianzen, welche während etwa 14 Tagen im Laboratorium hinter den südlichen Fenstern gestanden hatten, die ältesten Ranken aus, von denen aus vorher angebrachten Marken ersichtlich war, dass sie sich im Zimmer aus der Knospenlage gestreckt hatten, und nie solcher Weise mit einer, Stütze in Berührung gekommen waren, dass sie sich um diese hätten krümmen können. Einige Male hatte ich solche Ranken, während der Einrollung, den Gipfel an einen Stengel oder ein Blatt andrücken sehen, aber dieses hatte keine Um- fassung dieses Gegenstandes, wohl aber eine Umkehrung in der Richtung der Windungen zufolge. Die Ranken wurden abgeschnitten, die Windungen gezählt; falls sie Wendepunkte hatten, wurde deren Lage bei der Zählung der Windungen dadurch markirt, dass die Windungen oberhalb und unterhalb jener Punkte besonders gezählt und durch das Zeichen + verbunden wurden. Vor dem Zeichen stehen die Windungen zwischen dem Wendepunkt und der Basis der Ranke. Einige un- vollständige Windungen am Gipfel von Nr. 5 wurden besonders beachtet. Bei der Plasmolyse änderte sich die Zahl der Windungen in folgender Weise: Vor Nach I Stunde Nach 5 Stunden No. 1. 4' 4'/4 4'/4 No. 2. 3'/4 3 3 No. 3. 14412, 1'4 1134 1'44 11% No. 4. . 32T 3'2 6% 3'/2 + 62 No. 5. 5+6 5+6 5+6 No. 6. 8/2 8". 8: IIND, T. 8/2 8. 8/2 572 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Die beiden ersten Ranken sind Seitenäste, daher die geringe Zahl ihrer Windungen; die drei folgenden hatten je einen Wen- depunkt. Von Nr. 5 sind die weiten Windungen am Gipfel nicht mitgerechnet, diese waren anfangs 214 und verminderten sich auf % W. | Der Versuch zeigt, dass alte Ranken bei der Plasmolyse ihre "Windungen nur wenig und dass sehr alte sie gar nicht mehr ver- lieren. Dazwischen kommen Stadien vor, in denen die Win- aungen nahe der Basis sich nicht vermindern, wohl aber die am Gipfeltheile. Resultat. 1. Während des Anfanges der epinastischen Krümmungen wird der gerade Gipfel bei der Plasmolyse mit der Oberseite kon- kav gebogen; die Turgorausdehnung ist also auch jetzt noch, wie bei geraden Ranken, auf der Oberseite grösser als auf der Unter- seite. 2. Die epinastischen Windungen verschwinden anfangs völ- lig, später zum Theil, schliesslich gar nicht mehr, wenn die Ran- ken plasmolysirt werden. Diese Krümmungen beruhen demnach anfangs völlig auf eine Zunahme der Turgorausdehnung, später gesellt sich dazu auch eine bleibende Verlängerung (Wachsthum) und endlich verschwindet die Differenz in der Turgorausdehnung zwischen beiden Seiten, es wird die ganze Krümmung durch Wachsthum fixirt. 6. Reizbewegungen der Ranken von Sicyos angulatus. Die zahlreichen, über diese Erscheinung angestellten Ver- suche, ordne ich wieder in drei Gruppen. Diese behandeln a. Die Bewegungen in Folge von Reiben, Stossen u. s. w. ß. Die Krümmungen um Stützen. y. Die rückkehrende Bewegung nach Wegnahme der Stütze. Wenn nichts weiter bemerkt ist, sind für diese Versuche stets kräftige, völlig gerade Ranken benutzt und fand die Reizung in geringer Entfernung vom Gipfel statt. a. Bewegungen in Folge von Reiben, Stossen u. s. w. I. Versuch. Gerade Ranken von Topfpflanzen wurden zehn Mal hinter einander mit einem metallenen Stabe auf der Unter- seite gerieben, der Stab wurde jedesmal in der Richtung von der Basis nach dem Gipfel bewegt. Sogleich fingen sie an, eine dem 4 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 573 Auge als solche sichtbare Bewegung zu machen; in etwas mehr als einer Minute rollten sie sich deutlich spiralig auf. Als dann fast gleich darauf die Bewegung aufhielt dem Auge sichtbar zu sein, wurden sie in die Salzlösung gebracht. Das Resultat war folgendes: No. 1. No. 2. No. 3. OLE SEA N a DA 114 1%, Nachi ‚Stunde: i 2.71.87 —l% am Nach 5 Stunden’... u 4 er Be ‘Nach 24 Stunden. . . 4 —% —) In dieser Tabelle bedeutet das Zeichen —, dass bei der Krüm- mung die Oberseite konkav war. Diese Krümmungen lagen alle im apikalen Theil der Ranke. Man sieht, dass in zwei Fällen der Reiz keine, bei der Plasmo- lyse bleibende, Aenderung verursacht hatte, denn die Ranken krümmten sich eben so stark mit der Oberseite konkav als nicht gereizte Ranken dieses zu thun pflegen (Vergl. IV, V, VI der vorigen Reihe); bei Nr. ! hatte der Reiz aber bereits eine bleibende Aende- rung verursacht. ll. Versuch. Ranken der im Laboratorium stehenden Topfpflan- zen, völlig gerade, wurden vorsichtig mit einem metallenen Stabe einige Male auf der Unterseite gestossen. Sogleich fing der Gipfel an sich einzurollen, dann wurden sie in die Salzlösung gebracht, wo die Bewegung noch einen Augenblick fortdauerte; sobald aber das Salz eindrang, kehrte sich die Bewegung um. So erreichte Nr. 1 zwei Windungen und verlor diese durch Plasmolyse wieder bis auf & W. Nr. 2 erreichte 34 Windung und verlor diese in einer lialben Stunde vollständig, dann bog sich der gerade gewordene Gipfel bei der weiteren Einwirkung der Salzlösung in etwa drei Stunden mit der Oberseite in etwa 1, Windung konkav. In dem zweiten Falle war also nach der Plasmolyse kein Einfluss des Reizes mehr bemerklich; im ersteren nur ein geringer. II. Versuch. Zwei Ranken der Zimmerpflanzen hatten sich, zufolge von zufälliger Reizung, an der Spitze zu engen Windungen eingerollt. Sie wurden plasmolysirt und verloren dabei in einigen Stunden einen Theil dieser Windungen, wie die folgenden Zahlen zeigen. No. 1. No. 2. Vor der Plasmolyse . . 4, W. 31, W. Nachher . ER at DUB: 2 2 WW 574 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. IV. Versuch. Zahlreiche Ranken hatten sich am 26. August im Garten, ohne eine Stütze gefasst zu haben, infolge zufälliger Reize, an der Spitze hakenförmig gebogen oder zu engen Windungen ein- gerollt. Sie wurden abgeschnitten und in eine neben der Pflanze gestellte Schale mit der Salzlösung getaucht. Die Anzahl der Win- dungen war: Vor der Nach Nach Nach Plasmolyse !/,Stunde 2Stunden 4 Stunden No. 1. a 0 —l —la No. 2. 1 3% lg 1% No. 3. 1 14 1⁄4 1⁄4 No. 4. 2 v2 3 2 No. 5. 2 i 1 1 No. 6. 334 1 1 v2 Bei Nr. 1 hatte die Krümmung der Spitze keine bei der Plasmo- lyse bleibende Veränderung verursacht; sie krümmte sich ebenso stark mit der Oberseite konkav als nicht gereizte Ranken. Bei den übrigen war der bei der Plamolyse bleibende Theil im Ganzen und Grossen um so grösser, je grösser die Krümmung an der Spitze vor der Operation war. V. Versuch. Am 27. August wurde eine Ranke in einer Entfer- nung von einigen Centimetern von der Spitze vorsichtig und sanft zwischen zwei Fingern gedrückt, und sogleich darauf sich selber überlassen. An der berührten Stelle krümmte sie sich in etwa einer halben Stunde bis 1% Windung ziemlich eng zusammen. Dann plasmolysirt verlor sie die Krümmung in 4 Stunden bis auf 1⁄4 Windung, und veränderte sich dann in 24 Stunden nicht weiter. Der Gipfel dieser Ranke, während der Reizung gerade, blieb vor und nach der Plasmolyse ebenfalls gerade. Resultat. Die Bewegungen, welche Ranken in Folge schwa- cher und vorübergehender Reize, wie Reiben, Stossen, Drücken u. s. w. machen, verschwinden bei der Plasmolyse, falls sie ge- ring sind, völlig; dann krümmt die Ranke sich mit der Oberseite konkav als ob sie gar nicht gereizt wäre. Ist die Bewegung an- sehnlicher, oder hat sie länger angehalten, so bleibt ein Theil der Krümmung bei der Plasmolyse zurück. Diese Bewegungen beruhen also im ersteren Falle ausschliess- lich, im zweiten zu einem guten Theile auf Turgorausdehnung. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 575 . Krümmungen um Stützen. VI. Versuch. Am vierten August hatten ein Dutzend Topf- pflanzen, welche vor einigen Tagen ins Laboratorium genommen waren, einige gerade Ranken entwickelt. Ich stellte neben einigen dieser Ranken in geringer Entfernung von der Spitze Eisendrähte von 2 mm Dicke, neben eine Ranke eine Glasröhre von 5 mm Dicke (Nr. 4), und presste diese Stützen sanft an die Unterseite der Ranken an. In sehr kurzer Zeit machten die Ranken demzu- folge eine Bewegung; sie bogen sich im scharfen Winkel, oder krümmten sich völlig um die Stütze. Nach einiger Zeit wurden sie abgeschnitten, und theils mit, theils ohne’ Stütze in die Salzlösung gebracht. Die Dauer der Berührung war bei Nr. 1 14 Stunde, bei Nr. 2—4 1, Stunde, bei Nr. 5 drei Stunden. Die Anzahl der Win- dungen war: Vor der Plasmolyse Nachher Noi A 0 NOEZ. Ya 0 NO... 34 1% No. 4 . 11% YA No. 5 21, 1 Die Gipfel der Ranken krümmten sich mit der Oberseite konkav; der so gekrümmte Theil erreichte bei No. 1 und 2 den Berührungs- punkt der Stütze, bei den übrigen nicht. Diese Krümmung betrug bei No. 1: 34 W. bei No. 2: Vy W., war also ebenso stark, wie sie in nicht gereizten Ranken zu sein pilegt. Wie man sieht, beruht bei schwacher Reizung die Krümmung ausschliesslich auf Turgorausdehnung, bei stärkerer Reizung zum Theil auch auf einer bei der Plasmolyse bleibenden Verlängerung (Wachsthum). VI. Versuch. Am 5. August wurde der vorhergehende Versuch mit zwei graden Ranken wiederholt, No. 1 wand sich in etwa 1% Stunde zu 34 Windung, No. 2 in vier Stunden zu 3 Windungen, beide um Eisendrähte von 2 mm Dicke. Das Resultat der Plasmo- lyse war folgende Verminderung der Windungen. Vor der Nach Nach Nach Plasmolyse '/, Stunde 1'/,Stunden 24Stunden No. 1. TE 1⁄4 Y% 0 No.2. 3 214 134 134 * 576 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Der Gipfel von No. 1 krümmte sich mit der Oberseite konkav bis etwa 34 Windung, aber nur auf etwa 2 cm seiner Länge. Die Windungen von No. 1 lagen anfangs dem Eisendraht so fest an, dass es nicht möglich war, sie von diesem abzuschneiden; nach einem halbstündigen Aufenthalt in der Salzlösung waren sie soweit gelockert, dass dieses sehr leicht geschehen konnte. ` Der Versuch bestätigt die aus dem vorigen abgeleitete Folgerung. VHI. Versuch. Grade Ranken von Zimmerpflanzen wurden am 26. Aug. während kurzer Zeit, zumeist nur während einiger Minuten derart mit 2 mm dicken Eisendrähten in Berührung gelassen, dass sie anfingen sich um diese zu krümmen. Dann wurden sie abge- schnitten und plasmolysirt. Die Zahl der Windungen war: Vor der Plasmolyse Nachher No. by: 2 —j Ne. 2: 7A 0 NONSE: 34 1⁄4 No. 4 . 114 VA Noson 114 3% Bei No. 1 und 2 verschwand die Krümmung völlig, No. 1 krümm- te sich in ihrem Gipfel mit der Oberseite konkav, als ob sie nicht gereizt wäre; bei No. 2 krümmte sich ein kleiner Theil an der Spitze i1 34 Windung nach oben konkav, zwischen diesem Theile und dem Berührungspunkt blieben einige Centimeter grade. Wie in den vorigen Versuchen, so zeigt sich auch hier, dass die Reizbewegung anfangs nur auf Turgorausdehnung, später auch auf Wachsthum beruht. IX. Versuch. Eine Ranke hatte im Garten drei Windungen um eine Stütze gemacht; jetzt wurde sie abgeschnitten und in die Salzlösung gebracht; hier entwand sie sich bis auf 114 Windung, . welche sie auch späterhin behielt. X. Versuch. Am 3. September wurde eine Anzahl grader Ran- ken aus dem Garten geholt, in Cylindergläschen aufgestellt, und als sie nach vier Stunden noch grade waren, in der üblichen Weise mit Eisendrähten in Berührung gebracht. Sie krümmten sich in 5—15 Minuten und wurden dann plasmolysirt. In der Salzlösung verän- derte die Zahl der Windungen sich in folgender Weise. Vor der Plasmolyse Nachher NO. IH SE EL ORTE UNI 1% y ER AR l PE Y% NONIAN h T Re Tan 1% UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 577 Der Berührungspunkt lag in einer Entfernung von 1—2 cm von Ger Spitze, diese Strecke blieb bei der Plasmolyse grade. Dagegen krümmte sich der mittlere Theil der Ranken nach oben schwach konkav. Ein völliges Verschwinden der Krümmung bei der Plasmolyse fand hier nicht statt. XI. Versuch. Für diesen Versuch wurden zwei Ranken ausge- sucht, deren Basis schon angefangen hatte sich in weiten Win- dungen epinastisch zu krümmen, deren Gipfel aber noch grade waren. Sie wurden im Garten abgeschnitten, in Cylindergläschen mit Wasser gestellt und mit Eisendrähten in der üblichen Weise in Berührung gebracht. Die Berührung dauerte für No. 1 fünf, für No. 2 fünfzehn Minuten. In der Salzlösung beobachtete ich folgende Ab- nahme der Windungen: Vor der Piasmolyse Nachher No. 1. Epinastische Krümmung 34 1, Reizkrümmung . 5% 2 No. 2. Epinastische Kaune 215 1 Rezkrümmung . . . 114 1% Die epinastische Bewegung war also zum Theil, die Reizbewe- gung bei No. 1 fast völlig, bei No. 2 zum Theil durch Plasmolyse rückgängig gemacht. XII. Versuch. Ranken sind in der unteren, basalen Hälfte wenig- er reizbar als in dem apikalen Theil; dort geschehen die Bewe- gungen langsamer. Um auch diese Bewegungen nach meiner Me- thode zu untersuchen, habe ich am 3: September zahlreiche grade Ranken aus dem Garten genommen und in Cylindergläschen mit Wasser gestellt. Sie ruhten dabei sozusagen jede auf zwei Seiten- ästen, welche sich scharf gegen den Rand des Glases stützten. Um diesen Glasrand machten sie in etwa 41, Stunden sehr schöne Krümmungen, meist in einer Entfernung von 1—2 cm von der Basis des Astes. Dann wurden sie in die Salzlösung gebracht und verloren hier einen Theil ihrer Krümmung wie aus folgenden Anga- ben ersichtlich ist. Die Anzahl der Krümmungen war: Vor der Plasmolyse Nachher No. 1 3 la No. 2 15 14 No. 3 14 1% No. 4 % 14 No. 5 2 WA 37 578 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. In allen krümmte sich die apikale Hälfte mit der Oberseite konkav. Man sieht, dass diese Krümmungen, zu deren Entstehung eine so lange Zeit erforderlich war, obgleich sie nur gering sind, doch nur zum Theil durch Plasmolyse aufgehoben wurden. XII. Bis jetzt habe ich ausschliesslich Krümmungen beschrieben, welche um die Stütze selbst gemacht waren, jetzt will ich aber auch diejenigen untersuchen, welche die Ranken, nachdem sie eine Stütze gefasst haben, zwischen dieser und ihrer Basis machen, und durch welche sie, wie bekannt, ihren Tragspross mit grosser Kraft gegen die Stütze hin ziehen können. Diese Windungen sind insoweit Fol- gen des Reizes, als sie früher und in anderer Weise auftreten, als es die epinastischen Krümmungen bei Abwesenheit eines Reizes zu thun pflegen. Zahlreiche Ranken, welche vor kürzerer oder längerer Zeit eine Stütze gefunden hatten, wurden mit dieser Stütze abgeschnitten und aus dem Garten ins Laboratorium gebracht, wo sie sogleich in die Salzlösung kamen. Hier wurden sie erst wieder nach 20 Stunden untersucht. Nur die Windungen zwischen Stütze und Basis, nicht die welche um die Stütze selbst gemacht waren, wurden gezählt, die Lage der Wendepunkte ist durch das Zeichen + angegeben; die erste Zahl bedeutet die Windungen zwischen der Basis der Ranken und dem ersten Wendepunkt u. s. w. Die Anzahl der Windungen war: Vor der Plasmolyse Nachher No. 1 2 1/2 Aue au ya Aa MENS E) TPN OREA 5+11 4 + 8'4 NNDD 10+9 7+6 0 11 +12 10'2+ 11 HSAN 62+6+2+2 6'2 +6+1'2+2 NHL =) 3+3 2'/2 + 2'/⁄2 PROP TAVA TINI E W AP | 1, + 4a RU NEN a EL REN, 6'4 N „ 1. en TE 148-8 70 I Do ED ER 14, + 17 14" + 17 BALL N HT EIER 8'/2 + 8'/⁄2 8'/2 + 8'⁄2 Nr. 1—4 waren junge, Nr. 5—9 ältere, Nr. 10—13 sehr alte Ranken. Man sieht dass in Nr. 1—4 die Zahl der Windungen durch UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 579 die Plasmolyse geringer wurde; dementsprechend waren die Win- dungen selbst weiter geworden. In den älteren Ranken Nr. 10—13 kat sich die Zahl der Windungen nicht verändert. Folgerungen. 1. Geringe Krümmungen um Stützen verschwinden bei der Plas- molyse völlig, die Ranken krümmen sich mit Oberseite konkav, ge- nau als ob sie nicht gereizt wären. Solche Krümmungen beruhen also völlig auf Turgorausdehnung. 2. Stärkere Krümmungen um die Stütze, sowie die ersten Krüm- mungen zwischen der Stütze und der Basis der Ranke verschwinden zum Theil bei der Plasmolyse; sie beruhen zum Theil auf Turgor- ausdehnung, zum Theil auf Wachsthum. 3. Aeltere Krümmungen zwischen der Stütze und der Basis bieiben bei der Plasmolyse völlig unverändert, sie sind also voll- kommen vom Wachsthum fixirt worden. y. Rückkehrende Bewegung nach Entfernung der Stütze. XIV. Versuch. Asa Gray bemerkte vor etwa zwanzig Jahren, dass die Ranken von Sicyos angulatus, wenn sie nach schwacher Rei- zung sich selber überlassen werden, sich allmählig wieder gerade strecken. Diese leicht zu wiederholende Bobachtung gab mir die Veranlassung zu untersuchen, welchen Antheil die Turgorausdeh- rung an dieser rückkehrenden Bewegung hat. Die beiden folgen- den Versuche sind der Beantwortung dieser Frage gewidmet. Erstens habe ich zwei gerade Ranken von Topfpflanzen im Zim- mer vorsichtig je zehn Mal mit einem metallenen Stabe auf der Unterseite gerieben, die Bewegung war dabei jedesmal von der 3asis nach dem Gipfel gerichtet. Sogleich fingen die Ranken an, sich zu krümmen, und erreichten in etwas mehr als einer Minute 114 resp. 7% Windung. Dann gingen sie langsam zurück, nach einer Viertelstunde hatten sie nur noch 1, resp. 3%% Windung. Darauf wurden sie in die Salzlösung gebracht, wo sie ihre Krüm- mung gar nicht veränderten, auch nicht während einer etwa .20 stündigen Versuchsdauer. Nicht gereizte Ranken desselben Alters würden sich mit der Oberseite konkav gekrümmt haben. Während der rückkehrenden Bewegung ist also die Turgor- ausdehnung auf der Oberseite ebenso gross wie auf der Unter- seite. XV. Versuch. Am 14. August brachte ich zwei gerade Ranken, 580 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. von im Zimmer stehenden Topfpflanzen auf der Unterseite mit Eisendrähten in Berührung. Nach einer Viertelstunde hatten sie 1, resp. 11⁄4 Windung gemacht; jetzt wurden die Stützen wegge- rommen. Die Nachwirkung dauerte etwa 10 Minuten, die Ranken erreichten dadurch 2 resp. 11, Windung, darauf kehrten sie zu- rück. Nach etwa 1, Stunde war nur noch 1 resp. 1⁄4 Windung übrig, jetzt wurden sie in die Salzlösung gebracht. Hier verloren sie noch einen weiteren Theil der Krümmung; nach 1, Stunde hatten beide nur noch 1% Windung, welche bei Nr. 1 bald darauf ebenfalls verschwand; die Ranke krümmte sich darauf mit der Oberseite konkav. Nr. 2 behielt die 14 len auch nach 24 Stunden bei (Oberseite konkav). In beiden Fällen war also die Tirsoratisdehnune auf der Ober- seite grösser als auf der Unterseite; bei Nr. 2 war die Differenz gering, bei Nr. 1 schon ganz bedeutend. XVI. Versuch. Am 27. August liess ich zwei gerade Ranken der Zimmerpflanzen sich um Stützen krümmen, nahm die Stützen nach kurzer Zeit weg und liess die Ranken völlig gerade werden. Sie hatten 1% resp. 1 Windung gemacht und verloren. Sobald sie ge- rade waren (nach 11, resp. 2 Stunden) wurden sie plasmolysirt; Gabei krümmten sie sich mit der Oberseite konkav in etwa 1% Windung, also ebenso stark, als wenn sie nicht gereizt gewesen wären. Folgerung. Wenn Ranken nach der Wegnahme der Stützen zurück gehen ist nach einiger Zeit die Turgorausdehnung auf beiden Seiten gleich gross. Noch bevor die Ranke gerade wird, wird sie aber auf der Oberseite grösser, und wenn sie schliesslich den ge- raden Zustand erreicht, hat sich dieselbe Differenz zwischen den beiden Seiten wieder hergestellt, welche überhaupt diesem Zu- stande entspricht. Fassen wir jetzt die Resultate der beiden, mit den Ranken von Sicyos durchgeführten Versuchsreihen in möglichst kurzen Sätzen zusammen. 1. Während des ganzen Lebens ist die Turgorausdehnung auf der Oberseite grösser als auf der Unterseite. Ausnahme von die- ser Regel machen die basalen Hälften der älteren geraden Ranken, ferner Ranken in einem gewissen Stadium der rückkehrenden Be- wegung, und endlich die ausgewachsenen, völlig aufgerollten Ranken. In diesen Fällen ist die Turgorausdehnung auf beiden UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 581 Seiten gleich gross. Die allerjüngsten Zustände habe ich nicht untersucht. 2. Sowohl die Reizbewegung, als die epinastische Aufrollung beruhen: a) Im Anfang nur auf Turgorausdehnung. b) Während des grössten Theiles der Bewegung sowohl auf Turgorausdehnung als auch auf Wachsthum. c) Im ausgewachsenen Zustand nur auf Wachsthum. Angesichts dieser Thatsachen kann es keinem Zweifel unter- worfen sein, dass die Ursache der Bewegung folgende ist: Die Bewegungen der Ranken, sowohl die epi- nastischen als auch die Reizbewegungen, werden durch Zunahme der Turgorausdehnung auf der Oberseite verursacht. Der Verlängerung durch Ezböhung des Turgors folgt erst bei der Uebers Sehreitung einer gewissen Grenze Wachsthum. Am Ende der Bewegung wird schliesslich die eanze Differenz in der Turgorausdehnung durch Wachsthum ausgeglichen. 7. Bewegungen der Ranken von Cucurbita Pepo. I. Versuch. Eine junge Hauptranke und eine Seitenranke, bei- de noch zum Theil in der Knospenlage, d. h. spiralig eingerollt mit der Oberseite konkav wurden in die Salzlösung gebracht. Die Zahl der Windungen war: No 1. No. 2. Vor der Plasmolyse. . . 14 11% Nach 1, Stunde... .. ...13 11, Nach’20 Stunden. 2 11, In beiden Fällen nahm die Zahl der Windungen in Folge der Aufhebung des Turgors zu. Die Turgorausdehnung war also auf der Oberseite grösser als auf der Unterseite. ll. Versuch. Drei aufeinander folgende Ranken eines Astes, wel- che alle anfingen, sich in den basalen Hälften epinastisch einzu- rollen, und eine gleichfalls epinastisch sich einrollende Seiten- ranke wurde in eine Salzlösung gebracht. Die Anzahl der Win- dungen war: \ 582 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. No. 1. No. 2. No. 3. No. 4. Vor der Plasmolyse . 1 31% 31, 214 Nach 40 Minuten. . 3 234 34 2 Nach 5 Stunden . . — —- 27 134 Nach 20 Stunden. . 3% 234 234 11, Totale Abnahme. . 4% 3% 34 3⁄4 In allen Exemplaren nahm also die Zahl der Windungen bei der Aufhebung des Turgors ab. Die Turgorausdehnung war also auf der Oberseite grösser als auf der Unterseite. Ill. Versuch. Drei grade Ranken von Topfpflanzen, welche am Tage vorher in das Zimmer gebracht worden waren, wurden aus- gewählt um die Krümmungen um Stützen plasmolytisch zu unter- suchen. Am 5. August um halb 10 Uhr wurde die Unterseite mit je einem 2 mm dicken Eisendraht in Berührung gebracht; kurz darauf fing die Bewegung an. Sie dauerte bei No. 1 20 Minuten, bei No. 2 70 Minuten und bei No. 3 44, Stunde. Darauf wurden die Ranken plasmolysirt. Die Zahl der Windungen war: No. 1. No. 2. No. 3. Vor der Plasmolyse . 11 3% VA Nachher NN 8 0 1, Bei No. 1 und 2, welche sich rasch bewegt hatten, wurden die Ranken bei der Aufhebung des Turgors völlig grade; bei No. 3 war die Bewegung viel langsamer, dem entsprechend war ein bedeu- tender Theil der Krümmung bereits durch Wachsthum fixirt. Die Bewegung bestand also grossentheils in einseitiger Zunahme des Turgors. Folgerung: 1. Die Turgorausdehnung ist während der epinastischen Bewe- gung auf der Oberseite grösser als auf der Unterseite der Ranken. 2. Die durch Reize ausgelöste Krümmung der Ranken beruht, wenigstens im Anfang, auf Zunahme der Turgorausdehnung der Oberseite. 8. Bewegungen der Ranken von Echinocystis lobata. Eine Ranke, welche sich in Folge unbekannter Reizung, an der Spitze zu 134 engen Windungen aufgerollt hatte, wurde in die Salzlösung gebracht und verlor dadurch in einer Stunde 114 Win- dungen. Dann veränderte sie sich nicht weiter, auch nicht in 2 Stun- UEBER DIE AUFRICHTUNG DES. GELAGERTEN GETREIDES. 583 den. Die Aufhebung des Turgors bestimmte also einen partiellen Verlust der Krümmung. Eine andere Ranke einer im Topf gezogenen Pflanze machte im Zimmer in etwa 1, Stunde um einen Eisendraht von 2 mm Dicke 1⁄4 Windung. Als sie jetzt plasmolysirt wurde, streckte sie sich in einer Stunde grade, so dass jede Spur der Krümmung am Berührungs- punkt verschwand. Später krümmte sie sich mit der Oberseite kon- kav zu etwa 1 Windung, in grossem Bogen. Der Reiz hatte also noch keine bei der Plasmolyse bleibende Aenderung verursacht. 9. Bewegungen der Ranken von Bryonia dioica. l. Versuch. Drei junge Ranken, noch mit der Oberseite konkav eingerollt, wurden plasmolysirt. Sie änderten dadurch die Zahl ihrer Windungen in folgender Weise. No. 1. No. 2. No. 3. Mor der Plasmolyse ...... 3 114 1%, Nach 235 ‚Stunden: '). N31 11, 34 Nach ‚20.'Stunden“ u an3 11% 34 In allen nahm also die Zahl ihrer Windungen in Folge der Aufhe- bung des Turgors zu; die Turgorausdehnung war also auf der ra- scher wachsenden Oberseite grösser als auf der Unterseite. ll. Versuch. Eine Ranke welche bereits 24 epinastische Win- dungen gemacht hatte, wurde plasmolysirt, nach kurzer Zeit war die Anzahl der noch übrigen Windungen 12; seitdem blieb sie un- verändert. Die epinastischen Windungen beruhen also zum Theil auf Turgorausdehnung. HI. Versuch. Eine Ranke hatte drei Windungen um eine Stütze gemacht, der Gipfel war noch nahezu grade. In der Salzlösung wur- den die Windungen allmählig weiter und weniger zahlreich; nach zwei Stunden war nur noch eine Windung übrig. Folgerung. 1. Bei den epinastischen Bewegungen ist die Turgorausdehnung der Oberseite grösser als die der Unterseite. 2. Ebenso ist es bei den Reizbewegungen. 10. Bewegungen der Ranken von Passiflora gracilis. Die Ranken, in denen die epinastische Aufrollung schon in der unteren Hälfte angefangen hatte, wurden im Garten abgeschnitten und plasmolysirt. Die Zahl der Windungen war: 584 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. No. 1. No. 2. No. 3. Vor der Plasmolyse. . 34 314 7% Nach 20 Stunden. . 4 1% 51, Obgleich in verschiedenen Stadien untersucht, beruht die epinas-- tische Bewegung doch immer zum Theil auf Turgorausdehnung, zum Theil auf Wachsthum. Ueberblicken wir jetzt sämmtliche in diesem Paragraphen mit- getheilte Versuche, so finden wir eine fast völlige Uebereinstimmung der sonst so verschiedenen Wachsthumskrümmungen in Bezug auf die Resultate der Plasmolyse. Diese Uebereinstimmung in allen un- tersuchten Fällen berechtigt uns auch für die nicht hinreichend aus- führlich studirten Fälle dieselbe Uebereinstimmung anzunehmen, und also folgenden allgemeinen Satz auszusprechen: Die Wachsthumskrümmungen mehrzelliger Organe beruhen anfangs nur auf einer gestei- gerten Turgorausdehnung der konvexwerdenden Seite; eher oder später gesellt sich dieser aber auch eine Zunahme des Wachsthums auf dieser Seite, am Schlusse der Bewegung verschwindet die Differenz in der Turgorausdehnung und endlich beruht die ganze Krümmung nur noch auf Wachsthum. Mit Rücksicht auf die in § 2 entwickelten Prinzipien folgt hieraus: Die Differenz des Wachsthums der konvexen und konkaven Seite bei Wachsthumskrümmun- sen mehrzelliger Organe ist eine Folee ser einseitigen Steigerung der Turgorausdehnung. Die äusseren oder inneren Kräfte, welche Wachsthumskrümmungen veranlassen, wirken also zunächst verändernd auf den Turgor, und erst durch diesen auf das Wachsthum ein. Mit diesen allgemeinen Sätzen sind die im vorigen Paragraphen für die Gelenkpolster der Stengelknoten der Gräser und anderen Pflanzen gewonnenen Resultate durchaus im Einklang, es leuchtet also ein, dass diese allgemeinen Regeln auch für jenen speziellen. Fall Gültigkeit haben. UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 585 8 5. Resultate. Am Aniang des ersten Paragraphen haben wir uns die drei fol- genden Fragen gestellt: 1. Welche, in den Halmknoten aufgespeicherten Kräfte werden durch die Schwere in Aktion versetzt? 2. In welcher Weise bewirken diese Kräfte die Aufwärtskrüm- mung? 3. Wie werden jene Spannkräfte durch die Schwere ausgelöst? Es soll nun, aus dem beigebrachten Beobachtungsmaterial, ver- sucht werden, in wie weit es möglich ist, auf diese Fragen eine be- friedigende Antwort zu geben. Die Kraft, welche von der Schwere ausgelöst wird, ist die Turgor- kraft. Im Zellsafte der Parenchymzellen sind verschiedene Stoffe ge- löst, einige mit geringer osmotischer Wirkung, wie der Zucker, andere mit sehr bedeutender osmotischer Kraft, wie z. B. die Säu- ren und manche Salze. Während des Wachsthums des Knotens wird der Zucker zu ver- schiedenen Zwecken verbraucht und immer von Neuem aus den be- nachbarten Geweben angeführt. Er dient theilweise zum Aufbau der Zellhäute, theils zur Regeneration der durch die Athmung im Protoplasma verbrauchten Bestandtheile, theils zur Bildung ver- schiedenartiger organischer Inhaltsstoffe, wohl auch zu der der Pflanzensäuren. Der absolute Gehalt an osmotisch wirksamen Inhaltsstoffen in den Parenchymzellen nimmt während des Wachsthums stetig zu. Denn während die ganz jugendlichen Zellen noch nicht das Ver- mögen haben, sich durch Wasseraufnahme erheblich zu vergrössern, ist dieses Vermögen, in älteren, der geotropischen Krümmung fä- higen Knoten, trotz der ansehnlichen Volumenzunahme der Zellen, ein sehr bedeutendes geworden. Man sieht dies an den kräftigen Krümmungen, welche feine Längsschnitte aus dem Polster im Was- ser machen. Der von diesen Inhaltsstoffen im Parenchym entwickelten Tur- gorkraft hält im normalen, unverletzten Knoten, die elastische Span- nung der Gefässbündel mit ihren collenchymatischen Scheiden, sowie der Oberhautgewebe das Gleichgewicht. Diese Gewebe sind vom Parenchym gedehnt, das Parenchym selbst wird von ihnen an der Verlängerung durch Wasseraufnahme gehindert. In dieser Gleichgewichtslage entsteht nun, wenn der Knoten hori- zontal gelegt wird, allmählig eine Aenderung, zumal an der Unter- 586 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. seite des Polsters, welche wir deshalb hauptsächlich in’s Auge fas- sen. Die Zunahme des Gehalts an osmotisch wirksamen Stoffen, wel- che wir oben als eine der Ursachen des Wachsthums kennen lernten, und welche in dem horizontal gelegten Polster vielleicht schon auf- gehört hat, oder doch im Aufhören begriffen ist, wird nun in den Pa- renchymzellen der Unterseite durch die Wirkung der Schwere bald zu einer ansehnlichen Höhe aufgeführt. Es entsteht hier, offenbar aus dem vorhandenen Bildungsmaterial eine neue Menge osmotisch wirksamer Stoffe. Die nächste Folge davon wird sein, dass die betreffenden Zellen kräftiger Wasser anziehen, als bis dahin, und es also den benach- barten Zellen und Geweben zu entziehen vermögen. So entsteht eine Wasserbewegung, welche schliesslich aus den entiernteren Theilen der Pflanzen und aus den Wurzeln (bei abgeschnittenen Halmen durch die Schnittfläche) einen kontinuirlichen Wasserstrom dem Knoten zuführt. Indem die Parenchymzellen der Unterseite dieses Wasser auineh- men, vergrössern sie ihr Volumen, und dehnen ihre Zellhaut, aber auch die passiv gespannten, elastischen Gewebe aus. Ihre grössere Turgorkraft ist im Stande, die entgegenstehenden Widerstände zu überwinden, und es erfolgt also eine Verlängerung der Unterseite, welche selbstverständlich eine Krümmung des Knotens herbeiführen muss. Die Parenchymzellen der Oberseite, deren Turgorkraft sich nicht, oder doch nicht erheblieh verändert hat, befinden sich jetzt gegen- über denjenigen der Unterseite im Nachtheil. Vorhin zogen beide Seiten mit gleicher Kraft Wasser an sich, jetzt überwiegt das Anzieh- ungsvermögen der Unterseite. Und da die Zufuhr von Wasser aus den entiernteren Theilen der Pflanzen nur langsam stattfindet, so leuchtet ein, dass die Unterseite einen Theil des zur Ausdehrung erforderlichen Wassers den oberseitigen Zellen entziehen wird. Diese werden dadurch kleiner und schlafier werden, ihr Turgor schwindet, und die ganze Oberseite verkürzt sich, indem die elas- tisch gespannten Gewebe sich jetzt ungehindert zusammenziehen können. Aber die erschlaffte Oberseite wird sich unter dem Druck der sich verlängernden Unterseite noch weiter verkürzen müssen, denn sie verhält sich offenbar wie die konkave Seite eines durch Welken erschlafften Knotens, den man mit den Händen biegt. Eben- so wie in diesem Falle wird auch die Oberseite bei der geotropischen Krümmung von feineren und grösseren Querfalten bedeckt werden. Die Zellhäute der Unterseite, welche durch den Turgor gedehnt UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. 587 werden, werden demzufolge in ihrem Flächenwachsthum beschleu- nigt, oder wenn sie bereits aufgehört hatten zu wachsen, so werden sie von Neuem damit anfangen. Die Zellhäute der Unterseite, welche durch den Turgor gedehnt werden, werden demzufolge in ihrem Flächenwachsthum beschleu- rigt, oder wenn sie bereits aufgehört hatten zu wachsen, so werden sie von Neuem damit anfangen. Dieses ist, wie wir im zweiten Pa- ragraphen gesehen haben, eine nothwendige Folge der erlittenen Ausdehnung. Je nach Umständen wird das Wachsthum der stets zunehmenden Ausdehnung rascher oder langsamer folgen, und wird also in einem gegebenen Augenblicke während der geotropischen Bewegung ein grösserer oder geringerer Theil der Krümmung bereits vom Wachsthum fixirt sein. Dieser Theil ist es, der bei der Plasmo- lyse der sich krümmenden Knoten zurückbleibt. Am Ende der Krüm- mung wird aber stets die ganze Ausdehnung allmählig durch Wachs- tnum fixirt werden, ebenso wie solches ja auch in den ältesten noch wachsenden Zonen von Sprossgipfein der Fall ist. Anfänglich nur durch einseitige Zunahme des Turgors verursacht, wird die Krüm- mung schliesslich vom Turgor völlig unabhängig, und eine reine Wachsthumserscheinung. Es leuchtet aus den obigen Auseinandersetzungen ein, weshalb die Krümmungsfähigkeit in den Knoten mit zunehmendem Alter ab- - nimmt, und endlich erlischt. Denn die Dehnbarkeit der Zellhäute nımmt mit deren allmähliger Verdickung und Verholzung natürlich ab, und die Turgorkrait würde also einem stets grösseren und end- lich einem unüberwindlichen Wiederstande gegenüber stehen. Da- mit hängt aber auch zusammen, dass die Verholzung in den Knoten- polstern stets viel später stattfindet als in den angrenzenden Inter- nodien, und Blattscheiden, und dass also, wenn diese bereits völlig erstarrt sind, das Polster noch weich ist, und nur durch den Tur- gor frisch und steif erhalten wird. Wir haben die beiden ersten Fragen soweit beantwortet, wie es der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse erlaubt. Es erübrigt nun noch, auf die dritte Frage einzugehen. Damit betreten wir aber ein Gebiet, welches grade im Gegensatze zu den bisher behandelten Fragen, für spekulative Betrachtungen bis jetzt noch weit geeigneter ist, als für rein experimentelle Forschung. In welcher Weise verursacht die Schwerkraft die Bildung einer beträchtlichen Menge osmotisch wirksamer Stoffe in den Paren- chymzellen des horizontal liegenden Knotenpolsters. Die im ersten Paragraphen mitgetheilten mit gespaltenen Knoten gewonnenen 588 UEBER DIE AUFRICHTUNG DES GELAGERTEN GETREIDES. Erfahrungen, erlauben uns wenigstens soviel mit grosser Wahr- scheinlichkeit zu sagen, dass die Schwere diese Wirkung nicht direkt auf jede einzelne Zelle ausübt, sondern erst mittelbar, und zwar durch Vermittelung der oberhalb der Zelle liegenden Zellen- schichten. Denn je dicker diese Zellenschicht, um so stärker wird wahrscheinlich die Turgorausdehnung und das Wachsthum ge- fördert. Vielleicht hängt hiermit die Abhängigkeit der Intensität der geotropischen Wirkung von dem Winkel, den die Achse des Knotens mit der Vertikalen macht, ursächlich zusammen. Jedoch unterlasse ich es, auf die Beleuchtung weiterer Möglichkeiten einzugehen. Als feststehend dürfen wir also betrachten, dass die Aufwärts- krümmung der Grasknoten dadurch verursacht wird, dass die Schwere die Neubildung osmotisch wirksamer Stoffe in den Paren- chymzellen der Unterseite des Polsters veranlasst, welchem Prozess unter gewöhnlichen Umständen nothwendigerweise Ausdehnung und Wachsthum dieser Polsterseite, und also Erhebung der oberen Halmtheile folgen müssen. (Landwirischaftliche Jahrbücher, Bnd. 9, 1880, S. 473.) “iann 5 00100 3522 N N NS N RN N N N N N N NN ANANN N NT N N N N N \ NÑ NY N AAAA N N N NANN ANNAN Ñ ARNAN NN N N N N N N N U \ RS N N N N \ N NS TT N N N N NN NN ST \ À ANAA NEN, NNN NY N N RN ST RUN RN NINNIN RN RN RN N RUN N N N RR N N \ RN NUN, RN N N RUN ANNANN N N N N N ur RN