FR eh Ne AAN RT N! 6 a 110 yı \ ? \ PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND SIEBENUNDDREISSIG. _ MIT 5 TAFELN, 48 TEXTFIGUREN. BONN, 1911. VERLAG VON MARTIN HAGER. en „N Nor 2 Inhalt. Erstes, zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 12. Dezember 1910. Seite Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. Von E. Wilke und O. Meyerhof. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus der physik. Abteilung des chemischen Instituts der Universität Heidel- berg) . 3 1 Die sogenannten : Berührungsreflexe Munk’s und die reflek- torische Zehenbeugung bei Reizung der Fusssohle. Von Prof. Dr. Adolf Beck und Prof. Dr. Gustav Bikeles. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg) 34 Zu ler} Lehre Munk’s über Beginn und Reihenfolge in der Aus- breitung der Bewegungen bei Rückenmarksreflexen, wie bei Tätigkeit der sogenannten „Prinzipalzentren“. Von Prof. Dr. Adolf Beck und Prof. Dr. Gustav Bikeles. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut deräliniwereitäf Bemberey u 2.0.00 000.4 Über sekretorische Nerven der Nebennieren. Von Dr. med. M. Tscheboksaroff. (Mit 12 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität Kasan) . . 59 Radioaktivität und Fermentwirkung. Von Kornelv.Körösy, Assistent des Institutes. (Aus dem physiologischen Institut des Universitäts Budapesp)e, ana de... nalen 128 Berichtigung zu meiner Abhandlung in „Pflüger’s Archiv“ Bd. 135, S. 196. Von Privatdozent P. Lasareff. . . 144 Viertes, fünftes, sechstes und siebentes Heft. Ausgegeben am 20. Dezember 1910. Betrachtungen über die theoretischen und praktischen Be- strebungen, Instrumente zur Registrierung der im Kreis- lauf auftretenden Druckschwankungen herzustellen. Von x IV Inhalt. K. Hürthle. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau) Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elastischen Manometer. Von K. Hürthle. (Mit 2 Textfiguren und Tafel I und I.) (Aus dem Pu Institut der Universität Breslau) Die Prüfung der Manometer mit ee von be- kannter Form. Von K. Hürthle. (Mit 3 Textfiguren und Tafel III.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau) SR © Teehnische Mitteilungen. Von K. Hürthle. (Mit 2 Text- figuren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau) Kritische Randglossen zu den theoretischen Untersuchungen von OÖ. Frank über Manometer. Von Clemens Schaefer. (Mit 3 Textfiguren) N RA Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. Von Peter Junkersdorf, Assistent am physiologischen Institut in Bonn. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bonn) . BTW REN. Über physikalische und physiologische Erscheinungen der oszillierenden Ströme. Von Prof. Dr. Rumpf (Bonn) Achtes, neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 13. Januar 1911. Über Fluorescenz an den , von Insekten und Krebsen. Von C. Hess I a 2a ee RE Zur Frage der Eokstaläme Von Dr. Ernst Pfibram. (Aus dem k. k. serotherapeutischen Institut in Wien) . Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerhalb des lebenden Tieres. Von Dr. Franz Rost, Assistent. (Hierzu Tafel IV.) (Aus dem anatomischen Institut der Universität Heidelberg) Über den Einfluss von ee Ir die a Von Vietor Urbantschitsch. (Mit 2 Textfiguren) . Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. Von Dr. Ludwig Haberlandt (Berlin), gew. Assistenten am Institute. (Hierzu Tafel V.) (Aus dem De Institute der Universität Graz). Seite 225 240 250 269 329 339 435 Inhalt. Zur Verseifung des Sinigrins. Von Dr. M. Gonnermann, Rostock EN ae A Lo Über intravitale Coffeinreaktionen. Von Th. Bokorny. Beiträge zur. Kenntnis pflanzlicher Agglutininee Von Fritz Assmann. (Aus dem Institut für Pharmakologie und physiologische Chemie zu Rostock) RR Zur Frage der cerebralen Muskelatrophie. Von Dr. Fritz Heinrich Lewy, ehem. Assistent am physiologischen Institut. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau) Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 26. Januar 1911. Untersuchungen über reizlose vorübergehende Ausschaltung am Zentralnervensystem. Ill. Mitteilung. Die Extremitäten- region der Grosshirnrinde. Von Wilhelm Trendelen- burg. (Mit 14 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B). . 2 2... Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. Von O. Zoth. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institute der Universität Graz) ER SEN ER Die Ausnützung des Finalmehles. Von Prof. Dr. Oscar Hage- mann. (Aus dem Institut für Tierphysiologie der landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf) . . » 308 Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organische Ver- bindungen. Von August Pütter (Bonn) Zu meinen Versuchen über das Farbenunterscheidungsvermögen der Fische. Erwiderung an C. Hess. Von Victor Bayer. 2... . Zwischenhirn und Halssympathicus. Von W. G. Huet. . . 489 5li 515 945 971 595 622 627 Nat y er En ran. Eh FAN ER A La Nr * Fa KH wu ae. KIA A Aus der physik. Abteilung des chemischen Instituts der Universität Heidelberg.) Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. Von E. Wilke und © Meyerhof. (Mit 5 Textfiguren ) 1 Nernst stellte zuerst im Jahre 1899!) eine physikalische Theorie der elektrischen Nervenreizung auf, die auf der von ihm an ver- schiedenen Beobachtungsserien ?) gemachten Feststellung fusste, dass die Reizschwelle eines Nerven bei der Erregung durch Wechselströme durch die Beziehung Va — % gegeben ist. Hier bedeutet ; die n Stromstärke, n die Anzahl Polwechsel in der Zeiteinheit (Sekunde) ' und %k eine beliebige Konstante, die für verschiedene Versuchsserien verschieden sein kann. Nernst wies nach, dass diese Beziehung sich physikalisch deuten liesse, wenn man als Ursache der Erregung des Nerven die Erreichung eines bestimmten mittleren Konzentrationsbetrages der Elektrolyten an einer semipermeabeln Membran annähme. Denn es liess sich im Anschluss an Warburgs Untersuchungen über die Polarisation durch Wechselströme®) rechnerisch zeigen, dass die 1) Nachr. d. kgl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen, math.-physik. Klasse 1399 H. 1 S. 104. 2) v. Kries, Verhandl. d. naturf. Gesellsch. Freiburg Bd. 8 S. 170. — R. v. Zeyneck, Nachr. d. kgl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen, math.- physik. Klasse 1899 H. 1 S. 94. — Vgl. auch Nernst und Barrat, Zeitschr. £. Elektrochemie Bd. 10 S. 664. 1904. — Reiss, Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 578. 3) Verhandl. d. physik. Gesellsch. Berlin, 20. Nov. 1896. — Wiedemann’s Annalen Bd. 67 S. 493 ff. 1899. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 1 2 E. Wilke und O. Meyerhof: durch einen Wechselstrom herbeigeführte Salzanstauung (bzw. Ver- armung) an undurchlässigen Membranen immer dann im Mittel den- selben Betrag erreichen muss, wenn der Quotient aus Stromstärke und Wurzel der Wechselzahl eines sinusförmigen Stromes konstant ist. Die Theorie wurde später von Nernst unter Zugrundelegung der Nernst-Riesenfeld’schen Untersuchungen über die elektrischen Vorgänge an der Grenzfläche zweier Lösungsmittel eines Elektrolyten!) noch erweitert und auf alle Arten elektrischer Momentanreize aus- gedehnt [Schliessung und Öffnung eines konstanten Stromes, Kon- densatorentladungen *), Wechselströme und Stromstösse beliebiger Form]. ?) Die Unwirksamkeit konstanter und langsam ansteigender Ströme, die der Theorie zunächst widerspricht, wurde dabei durch die Hilfs- hypothese einer „Akkommodation des Gewebes“ an dem veränderten Salzgehalt zu erklären versucht. Obwohl die Nernst’sche Theorie einen bis dahin ungedeuteten Kreis physiologischer Erscheinungen in einfacher Weise physikalisch zu erklären erlaubt, ist sie doch — speziell bei deutschen Forschern — vielfältig auf Widerstand gestossen. Dieser hat, wie Nernst selbst schon betont hat, zum Teil seine Ursache in faktischen Missver- ständnissen *); zum Teil richten sich die Einwände nur gegen einige Folgerungen der Theorie, ohne die Grundlage zu treffen). Wenige haben rückhaltlos zugestimmt‘). Im Ausland hat die Theorie zum Teil eine weitergehende Würdigung erfahren. Auch hat man sie verschiedentlich weiter auszubauen gesucht. Lapieque, 1) Wiedemann’s Annalen (4) Bd. 8 S. 600. 1902. 2) Vgl. Eucken, Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 454. 1908. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 275. 1908, und Zeitschr. f. Elektrochemie Bd. 14 S. 545. 1908. 4) Hoorweg, Pflüger’s Arch. Bd. 119 S. 404. 1907. — Einthoven, Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 101. 1900. — Wertheim-Salomonson, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 139. 1905. 5) Zum Beispiel Hermann, Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 172, bes. S. 208 ff. 1909. Die wesentlichen Einwände Hermänn’s, betr. die „Akkommodation“, die Nichtberücksichtigung des „polaren Erregungsgesetzes“ und wohl auch die Ab- weichungen von der Theorie bei Kondensatorentladungeu werden durch die kürzlich veröffentlichte Modifikation der Formel durch Hill (Journ. of Physiol. vol. 40 p. 190. 1910) erledigt. 6) Cremer in Nagel’s Handb. Bd. 4 S. 850. — Loeb, Dynamik der Lebenserscheinungen S. 148. Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 3 der zahlreiche und sehr sorgfältige Messungen der Reizschwelle motorischer Nerven bei verschiedenen Tieren ausgeführt hat, hat sich der Theorie im wesentlichen angeschlossen, jedoch sie dahin verändert, dass nicht die Konzentration an der Membran selbst, sondern die Differenz derselben gegen die Konzentration eines sehr dieht an der Membran gelegenen Punktes als konstant gesetzt wird. Er hat später an einem hydrodynamischen Modell gezeigt, dass die Annahme mehrerer dicht gelexener Membranen, die genügend be- nachbart sind, um die Abklingung der Konzentration momentan zu beeinflussen, die Hauptabweichung der Reizversuche von der Theorie, die relative Unwirksamkeit langsamer Wechsel zu erklären geeignet ist). Allerdings hatte schon Nernst selbst auf die Herabsetzung des Reizeffekts bei sehr langsamem Stromwechsel, bzw. bei längerer Dauer eines konstanten Stroms, durch benachbarte „Parallelmem- branen* aufmerksam ) Vgl. dazu Hill, a. a. OÖ. Insbesondere Reiss, Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 578. 4) Zeyneck und Bernd, Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 20. Wechsel von 10 000 bis 1000 000 pro Sekunde. 5) Vgl. dazu Hermann, Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 172. - Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 5 lytgehalts zwei, Möglichkeiten in Betracht gezogen, einmal die Ver- änderung des Kolloidzustands der „Membran“, bzw. der protoplasma- tischen Wasserphase, auf die Höber wiederholt hingewiesen hat), zweitens die Auslösung oder Beeinflussung chemischer Prozesse an der Grenze der protoplasmatischen Schicht speziell durch Ver- änderung des H-Ionengehalts. In letzterem Fall fiele den „Mem- branen“ die Rolle einer „doppelseitigen Elektrodenfunktion“ zu?). Indes führt die Untersuchung der Elektrolytwirksamkeit schon über das Bereich der Theorie hinaus, wie Keith Lucas gegen den ent- segenstehenden Einwand Hermanns hervorhebt, der die Ausser- achtlassung der Reizfortleitung an der Nernst’schen Theorie tadelt. — Über den morphologischen Ort der Reizung sind auch im folgenden keine spezielleren Annahmen gemacht worden. Ob die Grenze zwischen Achsenzylinder und Markscheide, zwischen Fibrillen und Perifibrillärsubstanz, oder aber die Grenzflächen der feineren Protoplasmastrukturen gegen die seröse Körperflüssigkeit in Betracht kommen, bleibt daher unentschieden. Es ist nur hervorzuheben, dass ebenso wie eine Membran jedes „zweite Lösungsmittel“ und jede zweite Phase eines Lösungsmittels wirken muss, wenn diese nur einen von 1 abweichenden Teilungskoeffizienten und eine ver- ringerte Diffusionsgeschwindigkeit der Salze gegen die wässrige Lösung besitzen. Dass dieses zweite Lösungsmittel für die Salze absolut undurchlässig ist, ist nur ein Grenzfall; das Gesetz silt auch _ unabhängig davon. Indes kann hier noch die bekannte Tatsache herangezogen werden, dass Alkali- und Erdalkalisalze die intakte Plasmahaut der Zellen unter gewöhnlichen Umständen nicht zu durch- dringen vermögen. IM. Der Gang unserer eigenen Überlegungen und Experimente war der folgende: Der allgemeinste Fall des Nernst’schen Gesetzes könnte, wie 1) Vgl. Physikalische Chemie der Zelle und Gewebe S. 279. Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 508, Bd. 126 S. 331, Bd. 133 S. 254. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 173. 1910. 2) Haber und Klemensiewicz, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 57 S. 385. 1909. Die H’-Ionen könnten eventuell auch katalytisch wirken, was Tschagowetz (Pflüger’s Arch. Bd. 125 S. 401) betont. Vgl. hierzu auch „Die elektrische Reizschwelle katalytischer Pulsationen“ von G. Bredig und J.W. Kerb, Verhandl. d. naturhist. Vereins Heidelberg N. F. Bd. 10 H.1 S. 23. 6) E. Wilke und OÖ. Meyerhof: dieser selbst andeutete!), in einer Zelle mit polarisierbaren Metall- elektroden experimentell verwirklicht werden. In diesem Fall könnte man die Elektroden als das für den Elektrolyten undurchlässige „Lösungsmittel“ ansehen. Die Konzentration der Ionen erreicht an einer Elektrode, die durch einen Wechselstrom polarisiert, „gereizt“ wird, im Mittel einen bestimmten Betrag, dessen Grösse durch das Quadratwurzelgesetz gegeben wäre. Diese Ionenkonzentration an der Elektrodengrenze würde aber durch das Potential der Elektrode gemessen werden können. Bislang war eine Überlegung in diesem Sinne zur Prüfung des „Quadratwurzelgesetzes*“ noch nicht bestimmter geführt worden. Ähnlich hatte Lapieque einen Polarisationsstrom gemessen, der durch kurze konstante Ströme in einer galvanischen Kette erzeugt wurde, die ein durch zwei tierische Membranen verschlossenes mit normal CaCl, gefülltes Zwischenrohr zwischen Na-Phosphatlösung enthielt). Auch hier hatte zur Erzeugung eines Polarisationsstroms von bestimmter Stärke für den Primärstrom annähernd die Beziehung i Vt = konst. segolten, was Lapieque indes selbst nicht angibt. Die Messung des mittleren Potentials einer Elektrode unter dem Einfluss von Wechselströmen ist bisher nur in einer Arbeit von Gundry bestimmt worden ?). Er liess zwischen verschieden grossen Hg-Elektroden in mit Hg-Salz gesättigten Lösungen verschiedener Salze einen Wechselstrom hindurchgehen und hob die so entstandene Potentialdifferenz zwischen den Elektroden durch einen entgegengerichteten Gleichstrom auf. Seine Versuchsanordnung diente jedoch nicht der Prüfung des Quadratwurzelgesetzes, und ergab infolge verschiedener Komplika- tionen auch nicht die durch dieses geforderte Beziehung zwischen Wechselzahl und Stromstärke. Prinzipiell müsste die Realisierung des Quadratwurzelgesetzes auch mit umkehrbaren Elektroden gelingen, indem die Veränderung des Potentials nach der Nernst’schen Formel der galvanischen Ketten der Veränderung des log. der Ionenkonzentration proportional 1) Zeitschr. f. Elektrochemie Bd. 10 S. 668. 2) Compt. rend. de la Soc. de Biol., 6. Juli 1907. Journ. de Physiol. vol. 6 p. 620. (Juli 1907.) Fand, ? 3) Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 53 S. 177. , 1905. Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. xp ist!). Da indes diese Konzentrationsveränderung bei mittleren Kon- zentrationen sehr gering ist, so ist die sich dazu logarithmisch ver- haltende Potentialänderung unmessbar klein, während bei sehr geringen Elektrolytkonzentrationen störende Nebenwirkungen (vgl. Gundry) eintreten. Dagegen sind nichtumkehrbare Elektroden gegenüber den Konzentrationsverschiebungen der Ionen teilweise sehr empfindlich. Dies gilt insbesondere von Oxydations- und Reduktionspotentialen, die sich durch Veränderung der Konzentration der am chemischen Prozess beteiligten Bestandteile stark ändern und direkt umkehren können. Das Oxydationspotential Kaliumehromat: Chromalaun, das sich schreiben lässt: Or0£”+SH 20 ""+4H,0+3F ist von der Konzentration der H'-Ionen stark abhängig. Die Formel für dieses Potential lautet: au a 0,0002 T kCoro," (CH)? 5 u 4 3 ° On: Ei (On,0)* In der Nähe des neutralen Punktes ändert es sich steil und kann sogar in alkalischen Lösungen zu einem Reduktionspotential umschlagen, indem sich das Cr ''" zu oxydieren sucht. Indem einer bestimmten H‘-Konzentration in einer Lösung von bestimmtem Chromat- gehalt ein Potential eindeutig zugeordnet ist, ist umgekehrt das konstante Potential ein Beweis, dass die Konzentration der H'-Ionen konstant geblieben ist. Da nun das letztere nach dem Nernst- schen Quadratwurzelgesetze für die Umgebung einer durch Wechsel- strom „gereizten“, in Chromi-Chromatlösung tauchenden Elektrode der Fall sein muss, so lässt sich das Gesetz dadurch prüfen, dass man zusieht, ob zur Konstanthaltung des Potentials einer vom Wechselstrom durchflossenen Ü Vn Elektrode der Strom der Beziehung —k Genüsgse ‚leistet. Eine Reihe von Messungen mit Platinelektroden gaben keine sehr konstanten Werte, auch nicht nach Zuhilfenahme des von pP ST 5 1) Sen En & a also e—e = 7, np — In»). 2) Vgl. Förster, Elektrochemie wässriger Lösungen. Handb. d. angew. physik. Chemie Bd. 1 S. 134. Sg E. Wilke und OÖ. Meyerhof: Luther angegebenen Kunstgriffs, der Zufügung von Eisensalz !). Dagegen liess sich bei Benutzung von Goldelektroden das Gesetz sehr genau bestätigen (Messungen von 24 bis 950 Wechsel pro Sek.). Dieser Fall bietet vielleicht nicht nur theoretisches Interesse, sondern enthält zugleich eine Möglichkeit, wie die tierischen Mem- branen durch „Elektrodenfunktionen“ auf einen Wechselstrom an- sprechen könnten. Ist es doch bis jetzt noch immer unentschieden, ob die Nervenleitung nicht auf der Fortpflanzung eines chemischen Prozesses beruht. BV“ Indes lag es nahe, noch andere Stromwirkungen in Betracht zu ziehen und dabei die Elektrolytveränderungen der Beobachtung direkt zugänglich zu machen. Eiweiss wird bekanntlich wie andere Kolloide durch Elektrolyte über einer bestimmten Konzentrations- schwelle gefällt. Dies ergab eine bequeme Methode, die Konzentrations- änderung der Elektrolyte an Elektroden und Membranen genau zu bestimmen. Wir setzten zu einer klaren Eiweisslösung (Hühner- eiweiss oder Rinderserum) CuSO, unter der Fällungskonzentration und bestimmten bei willkürlich gewählter Wechselzahl die Strom- stärke, die gerade ausreichte, das Eiweiss an einer Cu-Elektrode, einem verkupferten, auf der Kante stehenden Lamettafaden, der unter dem Mikroskop beobachtet wurde, zur Ausfällung zu bringen. In derselben Lösung liess sich der Versuch dann mit veränderter Wechselzahl sofort wiederholen und so ganze Serien von Beob- achtungen gewinnen. Auf diese Weise liess sich das „Quadratwurzel- gesetz“ fast mit derselben Genauigkeit wie durch die Potential- messung bestätigen (Messungen mit zwei Maschinen zwischen 10 und 960 Wechseln pro Sek.) ?). 1) Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 36 S. 400. 2) Ehe wir diese Methode ausarbeiteten, versuchten wir andere, um die Konzentrationsveränderung an Elektroden optisch zu bestimmen. Stark übersättigte Lösungen von CuSO, wurden in Reagenzrohre gefüllt, in die zwei verkupferte Platinstifte eingeschmolzen waren, und die mit einem Ansatzrohr zum Zuschmelzen versehen waren. Die Rohre wurden dann zugeschmolzen und in einem grossen Paraffinbad von konstanter Temperatur (20° C.) gehalten. Alsdann wurden bei starker Beleuchtung die dicht einander gegenüberliegenden Elektroden mittelst einer Lupe beobachtet, und während ein Wechselstrom durch die Lösung hindurch- geschickt wurde, die Stromstärke bestimmt, die eben hinreichte, die Lösung an den Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. (0) Umgekehrt enthalten diese Versuche den Hinweis, dass für die Eiweissausfällung die Konzentration der Elektrolyte eine gewisse, nicht gar zu kleine Zeit über den Schwellwert gesteigert sein muss. Denn das Quadratwurzelgesetz gilt für die mittlere Konzentration an den Elektroden, während die maximale Konzentration, die durch einen Wellenberg der Sinusschwingung erreicht wird, einem ganz anderen Gesetze gehorchen muss. Es genügt demnach vicht, die Konzentration der Elektrolyten nur für einen ganz geringen Moment über den Grenzwert zu steigern, um eine sichtbare Ausfällung zu erhalten. Massgebend für die Fällung ist, wie leicht ersichtlich, die durch die anodische Phase bewirkte Konzentrationserhöhung der Cu-ionen durch Auflösung der Elektrode, die die Könzentrationsverminderung in der kathodischen Stromphase überwiegt. Nach den so gewonnenen Versuchsreihen suchten wir die im Organismus gegebenen oder wenigstens möglichen Bedingungen ganz zu realisieren und den eigentlichen Angelpunkt des Gesetzes, die Konzentrationserhöhung der KElektrolyte durch Wechselstrom an tierischen Membranen quantitativ zu verfolgen. Hierzu bedienten wir uns der Eigenschaft der Eiweisskörper, durch Alkali- und Erdalkali- salze über eine gewisse Konzentration dieser ausgesalzen zu werden. Dabei ist die Fällung durch Alkalisalze umkehrbar und wird nur bei grösserem Säurezusatz irreversibel!). Die Versuchsanordnung Elektroden zur Kristallisation zu bringen. Die Rohre wurden dann im Wasserbad so lange erwärmt, bis die Kristalle in Lösung gingen, alsdann abgekühlt, wieder ins Paraffın gehängt und der Versuch mit veränderter Wechselzahl wiederholt. Hier ergab sich in vielfachen Messungen ebenfalls das Resultat, dass bei höheren Wechsel- zahlen die Stromintensität zur Kristallisation grösser sein musste. Die Beziehung des Quadratwurzeigesetzes und überhaupt konstante Werte konnten wir jedoch nicht er- halten. Erstens war trotz des Paraffinbades eine lokale Temperaturerhöhung an den Elektroden nicht auszuschliessen; zweitens wurden die Lösungen durch das wiederholte Aufkochen selbst verändert; es bildete sich basisches Salz (wohl durch die Glaswand bewirkt), das nicht mehr ganz in Lösung ging. Die Fehler liessen sich vielleicht ausschliessen, wenn man die Elektroden besonders kühlte und in Quarzgefässen arbeiten würde. Da es aber schliesslich überhaupt fraglich war, ob die Metastabilität übersättigter Lösungen eine ganz scharfe Grenze hat, zudem die hier gegebenen Verhältnisse von denen des Organismus zu weit abstehen, um besonderes physiologisches Interesse zu haben, so haben wir diese Versuche nicht weiter verfolgt. Qualitatitiv haben wir die besten Resultate mit einer 65 Voigen und einer 69,3./oigen (CuSO, -5 H,O) Lösung er- zielt. Die Versuche sind im folgenden nicht weiter berührt worden. 1) Vgl. Freundlich, Kapillarchemie S. 425. 10 E. Wilke und O0. Meyerhot: bestand im Prinzip darin, dass eine tierische Membran eine mit Elektrolyten versetzte Eiweisslösung von einer einfachen Elektrolyt- lösung abschloss; durch einen Wechselstrom, der durch diese Anord- nung hindurcheing, musste an der Membran, falls dieselbe für die Elektrolyte schwer oder gar nicht durchlässig war, eine Anstauung derselben stattfinden, die unter Umständen so gross werden konnte, dass das Eiweiss dadurch zur Ausflockung gebracht wird. Wenn man nun die Bedingungen herstellt, die im Organismus vorliegen, d. h. frisches, unverändertes Serum oder Hühnereiweiss benutzt, so erweist sich sehr schnell, dass die Konzentrationen der Salze darin zu gering sind, um eine siehtbare Ausflockung durch die relativ geringe Anstauung beim Wechselstrom hervorzurufen. Dagegen lässt sich durch Steigerung der Konzentration der Salze eine Ausfällung durch Wechselstrom tatsächlich erzielen. Dieselbe gelingt indes regelmässig nur dann, wenn zu einer Lösung eines Erdalkalisalzes einige Tropfen HCl hinzugefügt werden. Zugleich wird der Widerstand in dem Stromkreis durch den Säurezusatz herab- gesetzt, und dies zeigt, dass die Salzsäure die Stromführung durch die Membran übernimmt, während das Erdalkalisalz sich an ihr an- staut. Es sind also die Bedingungen der Theorie hier genau er- füllt‘). Die besten Werte erzielten wir mit einer Mischung von !/a—1 ecm 10° MgCl, mit ebensoviel 13 °/ CaCl, und fünf bis sechs Tropfen HCl(2n) zu 3—4 cem ÖOchsenserum. Die Lösung wird dabei stark rötlich und schwach opaleszierend, aber bleibt ganz klar; trübe Lösungen oder solche, die sich während des Versuches stark trübten, wurden verworfen. Als Membranen dienten käufliche Fischblase und Goldschlägerhäutehen. Mit frischer Fischblase und Zwiebelhäutehen wurden nur einige zweifelhafte Resultate er- zielt. Eierhäutchen und Mesenterien von Tieren zerrissen zu leicht. Die Anordnung bestand darin, dass die Membran über eine durch- bohrte Glaskugel gezogen war, die sich am Ende eines Rohres befand. Das Rohr wurde mit physiolog. NaCl-Lösung unter Zusatz des Elektrolytgemisches gefüllt und das Ganze in ein Serum gehängt, das mit dem gleichen Elektrolytgemisch versetzt war. Die Strom- zuführung geschah auf der Seite des Serums durch Gelatine, die mit Ms0Cl, versetzt war, weil sonst das Fiweiss an der Elektrode ausfiel. Die Membran, die das Loch in der Glaskugel bedeckte, wurde scharf 1) Vgl. Nernst, Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 277. Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. ul beleuchtet uud die Trübung derselben beim Wechselstromdurchgang festgestellt. Nach jedem Versuch ging das Eiweiss an der Membran entweder von selbst wieder in Lösung oder wurde durch einen Pinsel entfernt. Die so gewonnenen Versuchsserien von 13 vis 940 Wechseln pro Sek. bestätigen ebenfalls das @Quadratwurzelgesetz sehr gut, wenn sie bei der Unsicherheit der Beobachtung auch erklärlicher- weise nicht so genau sind. — Sollte man die Einwirkung der Elektrolyte auf die Kolloide als das wesentliche Moment der Nerven- reizung betrachten, so würden natürlich nicht die hier dargestellten Aussalzungen in Frage kommen; doch kann man wohl annehmen, dass andere reversible Zustandsänderungen schon bei geringeren Konzentrationsverschiebungen der Elektrolyte eintreten und in ihrem Verhalten den sichtbaren Veränderungen parallel gehen. | \ Theoretische Bemerkungen. Nach Nernst!) ist die an einer Wechselstromeiektrode bzw. -Membran jeweils herrschende Konzentration t om 004” dt OR PRO EO (ch): (7) Darin ist C, die Anfangskonzentration, % die Diffusionskonstante, °C A : m — —- der Konzentrationsgradient. °% m wird erhalten, indem man die partielle Differentialgleichung om 9m N > 31 k ee. (2) unter den Grenzbedingungen für t—=0 und beliebige 2 m = 0) »„ IQ ,„ » Em —(0 av TE Bel) m 5 (eos nt +5). integriert, und zwar ist dann Mm — |. % cos (m —ıL | k 3k Mi (@ — #)2 («+ x)? ET A |: u Sa )«e. 8). 1) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 285. 1908. D iR 12 E. Wilke und O. Meyerhof: om... $ \ : 3 Wenn man nun bildet, dann liefert das zweite Glied einen Ausdruck von der Form av Ze si Frey Ne 2Rkcosa 2k15 Vart 2k [7] (e«— 8)? (@e +2)? (e A 20) )de a welcher für sehr kleine Werte von x schon bei kleinen Werten von { sehr klein wird und vernachlässigt werden kann. Je grösser & ist, desto grösser muss 2 werden, damit sich der Ausdruck der Null nähert, d. h. je grösser die Entfernung von der Elektrode oder von der Membran ist, desto länger dauert es, bis der Vorgang an diesem Punkt stationär geworden ist. Für grosse Z fällt der Ausdruck weg, und das erste Glied liefert die Lösung. Nernst hat nun, indem er & —=( setzte, das Quadratwurzel- gesetz erhalten, d. h. er verfolet den Vorgang unendlich nah an der Elektrode bzw. an der Membran. Praktisch ist es natürlich nicht: möglich, den Vorgang unendlich nah an den Elektroden messend zu verfolgen; eine gewisse Schichtdicke muss selbst bei der Messung des Potentials angenommen werden. Bei unseren Ver- suchen über die Ausfällung des Eiweisses an Cu-Elektroden und an Membranen ist die Schichtdieke schon recht erheblich, da sonst die Ausfällung nicht sichtbar wäre. Wir haben deshalb versucht, die experimentellen Ergebnisse auch mathematisch zu verifizieren, indem die Scehiehtdicken mit in Rechnung gezogen wurden. Die Reiz- schwelle würde demnach erreicht werden, wenn die mittlere Konzen- tration in dem Raum zwischen £—=(0 und x einen bestimmten Be- trag erreicht. Es gilt dann also. der Ausdruck DER \ 0=0+ | [maras. 1 a Mae Wir erhalten dann für die Reizschwelle: a ( Va— ı) n | 2 — konst. 7 2837230): Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 13 Als spezieller Fall, für &—0 ergibt sich dann das Quadrat- wurzelgesetz, und zwar erhält man es, indem man Zähler und Nenner nach & differenziert und dann £—=0 setzt. Wenn man die Schichtdicke ungefähr zu 0,0005 mm annimmt, dann lässt sich das Quadratwurzelgesetz im Bereiche zwischen 1 bis 1000 Wechseln pro Sekunde mit befriedigender Genauigkeit anwenden. Für Wechselzahlen grösser als 1000 und kleiner als 1 muss die nach demselben berechnete Konstante recht grosse Abweichungen zeigen. Geht man nun gar in das Bereich von 10 000—100000 Wechseln pro Sekunde, dann kommen so viele andere Momente in Frage, dass an eine experimentelle Prüfung der Formeln nicht gedacht werden kann. Bei den hohen Stromstärken, welche dann erforderlich sind, macht sich die Joule’sche Wärme stark bemerkbar; auch kann dann die Reaktionsgeschwindigkeit der Ionen leicht in Frage kommen. Um das Quadratwurzelgesetz und das in Formel (6) wieder- gegebene miteinander vergleichen zu können, geben wir eine fingierte Tabelle. Darin bedeutet » die Wechselzahl pro Sekunde, die Stromstärke in Ampere, = die Schichtdicke = 0,001 mm gesetzt, % 2 die Diffusionskonstante von Caleiumchlorid = 0,62: 10-6 ne | | | : | a n | i m 2 (, a — ) ı N &C De 0,009 | 0,003 0,55 49 | 0,021 0,0083 0,36 64 0,024 0,003 0,33 100 0,030 | 0,003 0,28 10 000 | 0,300 | 0,003 | 0,03 VI. Apparatur. Zur Erzeugung des Wechselstroms dienten zwei verschiedene . Maschinen. Für Wechsel von 10—70 pro Sekunde bedienten wir uns eines Wechselstromumformers von Reiniger, Geppert und Schall), für Wechsel von 30—900 pro Sekunde einer selbst- gebauten Hochfrequenzmaschine. Der Wechselstromumformer wurde mit städtischem Gleichstrom gespeist (220 Volt). Der erzeugte 1) Für Überlassung desselben sind wir der Firma Reiniger, Geppert und Schall zu grossem Dank verpflichtet. 14 E. Wilke und OÖ, Meyerhof: Wechselstrom wurde durch einen Schlittentransformator geschickt, der die Schwingungen sinusförmig gestaltete und zugleich zur Variierung der Stromstärke diente. Die maximale Spannung betrug 55 Volt. Zur Variierung der Geschwindigkeit dienten Vorschalt- widerstände. Die Hochfrequenzmaschine war folgendermassen gebaut: Auf ein Rad von 13 em Durchmesser waren 20 Klingelmagneten derartig hintereinander geschaltet, dass immer abwechselnd ein Nordpol und ein Südpol entstand, wenn der Strom hindurchgeschickt wurde. Die beiden freien Enden waren leitend mit zwei durch Harteummi isolierten Schleifringen verbunden, die an den Radspeichen befestigt waren. Dieser Anker wurde auf der Welle eines Yıo P.S.-Motors, welcher maximal 3000 Touren pro Minute machte, aufgeschraubt. Zwei Schleiffedern, die an die Ringe angeleet sind, besorgten die dauernde Erregung der 20 kleinen Magnete durch eine Batterie von 40 oder 80 Volt. Als Induktionsmagnet diente eine flache, auf einem weichen Eisenkern befestigte Spule von 5 em Durchmesser und 6 mm Bewicklungsdicke. Entsprechend der Anzahl der Magnete erhielten wir Wechsel- zahlen bis 960 pro Sekunde; die maximale Spannung betrug 47 Volt. Auch bei dieser Maschine wurden Stromstärke und Wechselzahl durch verschiebbare Widerstände reguliert. Zur Zählung der Wechselzahl wurde auf die Achse der Maschinen ein Tourenzähler aufgeschraubt, der mit einer Fünftelsekundenuhr abgelesen wurde. Die Messung der Stromstärke geschah mit einem Hitzdrahtamperemeter von Hartmann und Braun, das zwei Mess- bereiche 0,010—0,150 Ampere und von 0,10—1,5 Ampere besass. Durch Schätzung konnten Unterschiede von 0,0005 Amp. noch be- quem bestimmt werden. Bei den meisten Versuchen wurde ein Kondensator, bestehend aus 50 Staniolblättern zwischen Schreibpapier, an die Klemmen des Sekundärkreises der Maschine gelegt. Derselbe besass eine Kapazität von 40 Mikrofarad und diente dazu, bei dem Funken der Maschine unregelmässige Stromstösse aufzufangen. Bei den Potentialmessungen und Membranversuchen wurde das Amperemeter in den Stromkreis, in dem sich das Untersuchungsobjekt befand, geschaltet, in den Kuvettenversuchen lag es parallel. Diese letztere Schaltung ist später in Fig. 4 angegeben. Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 15 VI. Messung des mittleren Potentials einer Elektrode unter der Einwirkung von Wechselströmen. Die Messung des Potentials Pt | K;CrO, ‚CrK(SO,), gegen eine Normalelektrode (InKCl) geschah mittels der Kompensationsmethode auf der Brücke unter Benutzung des Kapillarelektrometers. Als Vergleich diente ein Akkumulator, der durch ein Westonelement kontrolliert wurde. Da die elektromotorische Kraft unserer Versuchs- anordnung durch die gewählten Mengenverhältnisse des Chromats und Chromalauns möglichst gering gemacht werden sollte (um in der Nähe des neu- tralen Punktes zu sein), so wurde das Westonelement stets mit in den Messkreis geschaltet. Dadurch wurden die Verschie- bungen der elektromotorischen Kraft mög- lichst auf der Mitte der Brücke gemessen und konnten nach beiden Seiten beträcht- lich weit gehen. Für die Messung des Potentials einer stromdurchflossenen Elektrode kommt es darauf an, dass der „Reizstrom“ keine Störungen im Messkreis hervorruft. Für eine Reihe von Vorversuchen diente das Gefäss Fig. 1. Die durch den Wechsel- strom zu polarisierende Pt-Elektrode war auf dem Boden angeschmolzen (a). In das gleiche Gefäss: wurde die Gegenelektrode aus Pt-Blech für den Wechselstrom gehängt. a Die Pt-Elektroden wurden vor den Versuchen Fig. 1. platiniert. Eine Kapillare, die auf der auderen Seite mit der Zwischenlösung zur Normalelektrode kommuniziert (bei 5), - wurde dicht an die zu messende Elektrode herangeführt !). Von den hier veröffentlichten Serien wurde Nr. II in diesem Gefäss aufgenommen; Nr.Iin einem ähnlichen. Es wurde zunächst auf der Brücke die elektro- motorische Kraft der Anordnung ohne Wechselstrom ermittelt; darauf ein Wechselstrom von beliebiger Wechselzahl und Stromstärke durch die Messelektrode geschickt (aber nie von solcher Stärke, dass Gas- 1) Vgl. Haber, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 32 S. 208. 1900. 16 E. Wilke und O. Meyerhof: blasen aufstiesen). Das Potential veränderte sich dadurch. Die neue Einstellung auf der Brücke wurde jetzt fixiert. Die Wechsel- zahl des Stromes wurde mit Tourenzähler und Fünftelsekundenuhr, die Stromstärke am Hitzdrahtamperemeter abgelesen und dann der Strom ausgeschaltet. Nachdem festgestellt war, dass das Potential wieder annähernd auf den Ausgangswert gefallen war, wurde mit einer veränderten Wechselzahl gereizt und dann die Stromstärke so lange variiert, bis die frühere Einstellung ganz genau wieder erreicht war. Jetzt wurde wieder Wechselzahl und Stromstärke ermittelt, wieder ausgeschaltet, u.s.f., bis längere Serien gewonnen waren. Dabei musste man sich vor dem Irrtum schützen, nicht sogleich die Einstellung durch das Kapillarelektrometer festzuhalten, weil nämlich das Potential erst allmählich seinen konstanten Wert erreicht: der stationäre Zustand erfordert ein längeres Anhalten des Wechsel- stromes bei ein und derselben Stromstärke. Ferner ist ersichtlich, dass bei sehr langsamem Wechselstrom die Trägheit des Kapillar- elektrometers nicht hinreicht, die einzelnen Schwankungen während der Sinusschwingung auszugleichen; daher gelingt hier die Ablesung des „mittleren Potentials“ nicht so genau. Endlich sehr wichtig ist es, Kaliumehromat und Chromalaun in richtigen Mengenverhältnissen zu benutzen. Da die Lösungen sich beim Stehen verändern und einen Niederschlag bilden, der vor dem Gebrauch abfiltriert wird, so lässt sich eine bestimmte zu verwendende Menge der Substanzen nicht angeben. Wenn wir zu 5 °o K;CrO, mehr als 0,25 °/ Chromalaın zu gleichen Teilen (tropfenweise, unter Umsehütteln) hinzugaben, so gab die Lösung, nachdem sie längere Zeit gestanden hatte, meist ein konstantes Potential von — 0,52 Volt. Ein solches Potential wurde durch den Wechselstrom nur sehr wenig verschoben. Dies gelingt erst, wenn man noch weniger Chrom- alaun nimmt. Die Mengen sind jeweils bei den Tabellen an- gegeben. — Nach all diesen Vorbereitungen elückte es aber doch nur selten, mit Pt-Elektroden konstante Werte zu erzielen. Daran sind offenbar die Gasbeladungen der Elektroden schuld, die schon andere Experimentatoren bei der Benutzung von Pt-Elektroden ge- stört haben. Nach sehr kurzem Gebrauch gehen die Pt-Elektroden nicht mehr auf den ursprünglichen Wert zurück, sondern die beiden Pt-Elektroden für den Wechselstrom zeigen selbst gegeneinander eine Potentialdifferenz. Die besseren, mit Pt-Elektroden aufgenommenen Serien sind folgende: Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 17 Tabelle:T. Maschine I. — Lösung: auf 500 com Wasser 20 g K;CrO, und 0,4 g Chrom- alaun. Das Westonelement gegen den Akkumulator gibt die Ablesung auf der Brücke 510 mm (der positive Pol ist mit dem Brückenanfang verbunden). Bei Einschaltung des Elements Pt | Chrom. — Normalelektrode (Normalelektrode negativer Pol) 3855 mm; mit dem Wechselstrom 470 mm. Daraus berechnet sich & ohrom — — 9033 V. ohne Wechselstrom), — — 0,203 V. mit Wechselstrom. Die Einstellung 470 mm wird festgehalten. E77 — [hy N n pro Sekunde i in Ampere k -10=3 23,8 0,015 3,07 58,9 0,023 3,00 40,0 0,019 3,01 68,0 0,025 3,01 Tabelle II. Maschine I. 5°%o KsCrO, und 0,25% Chromalaun zu gleichen Teilen. Schaltung wie bei Tabelle I. Das Westonelement allein gibt 506 mm auf der Brücke. Bei Zuschaltung des Versuchselements 446 mm. Mit dem Wechselstrom 598 mm. Daraus berechnet & 7.47 = — 0,163 V. ohne Wechselstrom, = — 0,467 V. mit Wechselstrom. Einstellung 598 mm. n pro Sekunde i in Ampere OS 185 0,099 3,99 955 0,103 3,34 318 0,070 3,93 222 0,0595 3,99 106 0,043 4,17 102 0,042 4,16 Tabelle II. Maschine II. Gefäss Fig. 2. 20 ccm '5/oiges KzCrO,, 20 cem 0,5 %/o iges CrK(SO,), 40 cem Wasser. Dazu Fe,SO,. Schaltung wie bisher. Westonelement allein 508 mm. Versuchselement zugeschaltet 515 mm. Mit Wechselstrom 615 mm. & mom — — 9297 V. ohne Wechselstrom, = — 0,497 V. mit Wechselstrom. Ein- stellung 615 mm. n pro Sekunde iin Ampere | k..107: 174 0,019 1,44 345 0,028 1,51 131 0.020 1,75 318 0.030 1,68 129 0.021 1.84 90 0,017 1.79 79,5 0,015 ca. 1,69 1) Da es auf absolute Werte nicht ankommt, ist der Einfachheit halber der Akkumulator stets gleich 2 Volt gesetzt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 2 ‚18 E. Wilke und OÖ. Meyerhof: Für die weiteren Messungen benutzten wir Goldelektroden, die in der Chromatlösung ein konstantes Potential gaben und dasselbe selbst bei längerem Stehen und wiederholter Polarisierung nur wenig veränderten. Der Grund ist vielleicht der, dass etwas Gold in Lösung geht). Doch zeigte sich hier ebenso wie später bei den Membran- versuchen, dass stets die ersten Ablesungen falsch sind. Man muss die Goldelektroden ca. 10 Minuten lang mit dem Wechselstrom polarisieren, ehe man eine Serie aufnehmen kann. — Zugleich be- dienten wir uns für die folgenden Serien eines neuen Gefässes (Fig. 2). Bei a ist ein sehr feines Platindrahtnetz quer durch ein Rohr von !/a em Durchmesser gespannt. Ein Pt-Draht verbindet das Netz mit Fig. 2. einem U-förmigen, mit Hg gefülltem Aufsatz für die doppelte Strom- zuführung. Das Rohr trägt, wie die Figur zeigt, zwei zylinderförmige Aufsätze, so dass die Lösung durch das Drahtnetz bequem durch- gespült werden konnte. Ein feines Rohr, das in den Heber zur Normalelektrode (ce) unten eingeschmolzen war, reichte unmittelbar an das Platinnetz heran. Die Gegenelektrode wird bei 5b tief in die Röhre gesenkt und war ca. 3 cm von der Versuchselektrode entfernt. Diese Anordnung verhinderte vollständig, dass Stromlinien in die Normalelektrode gelangen konnten. Vor der Vergoldung wurde Tabelle III mit diesem Gefäss aufgenommen. Die Elektrode wurde stark vergoldet. Als Gegenelektrode diente feines Goldblech. Die so aufgenommenen Serien IVY—VII sind alle mit derselben 1) Ähnliches nimmt Mazzucchelli (Chem. Zentralbl. Bd. 2 S. 294. 1905) für Zinnelektroden bei dem Potential Cr‘’ FL Uriam. Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 19 Lösung gewonnen, zu deren Herstellung ursprünglich 20 cem 0,5 Chromalaun auf etwa 100 cem 5 °/o K,CrO, verwandt waren. Die Analyse nach Beendigung der Versuche ergab einen Gehalt der Gesamtlösung von 3,88°o an Kaliumchromat. Chromalaun war analytisch nicht nachzuweisen. Alle hier abgedruckten Tabellen sind genau in der Reihenfolge sewonnen, wie sie veröffentlicht sind; auch ist kein Wert aus einer Serie fortgelassen, ausser wo gelegentlich ein sofort erkennbares Versehen bei der Ablesung stattfand. Dagegen sind meist zu Anfang einige Versuche fortgefallen, da, wie erwähnt, zunächst eine konstante Einstellung erzielt werden muss. Ebenso sind später die ersten zwei bis drei Beobachtungen fortgelassen, die immer herausfielen, und gelegentlich die letzten, die speziell bei den Versuchen mit Eivreiss keine deutlichen Resultate gaben. Tabelle IV. Lösung vgl. Text. Gleiche Anordnung wie bisher. Weston allein 508 mm; Versuchselement zugeschaltet 467 mm; mit Wechselstrom 550 mm, € Onrom — 0,201 V. ohne Wechselstrom, = — 0,367 V. mit Wechselstrom. n pro Sekunde i in Ampere 10 550 0,082 3,90 910 0,112 3,12 45,0 0,022 ca. 3,8 97,5 0,035 3,99 236 0,055 3,98 426 0,075 3,69 905 0,119 3,96 640 0,096 3,80 325 0,064 3,95 tabelle Weston allein 5038 mm; Versuchselement dazu 431 mm; mit Wechselstrom 560 mm. & 7,5m = — 9229 V. ohne Wechselstrom, = — 0,387 V. mit Wechselstrom. n.pro Sekunde N: in Ampere k-103 312 0,060 3,40 900 0,114 3,80 286 0,060 9,58 910 0,116 3,85 99 0,034 3,41 222 70,055 3,68 413 0,075 3,68 200 0,054 3,81 154 0,049 3,94 885 | 0,112 3,77 536 0,090 9,88 108 0,036 3,42 20 E. Wilke und O. Meyerhof: Tabelle VI. Weston allein 498 mm; Versuchselement dazu 4S2 mm; mit Wechselstrom 535 mm. & om = — 9201 V. ohne Wechselstrom, = — 0,357 V. mit Wechselstrom. n pro Sekunde | ö? in-Ampere | 51073 100 | 0,020 2,00 66,2 0,015 | 1,85 444 0,039 | 1,85 900 0,061 | 2,03 673 0,051 1.07 900 0,061 2,03 Tabelle VII. Weston allein 507 mm; Versuchselement dazu 507 mm; mit Wechselstrom 560 mm. & 7,57 — — 9283 V. ohne Wechselstrom, — — 0,389 V. mit Wechselstrom. n pro Sekunde | z in Ampere k .10=3 104 0,025 2,45 78 0,0205 2,32 463 0,053 2,46 59 0,0155 2,02 52 0,014 1,95 144 0,027 2,25 68,5 0,016 1,94 330 | 0,071 2,32 343 0,041 2,22 540 0,055 2,37 60 0,015 1,94 133 0,023 2,00 282 0,035 2,08 930 0,069 2,26 Eine genauere Analyse der vorstehend abgedruckten Tabellen, ebenso wie einiger nicht veröffentlichter, zeigt, dass im allgemeinen bei hohen Wechselzahlen die für die Konstanz des Potentials be- nötigte Stromstärke gegenüber den kleinen Wechselzahlen relativ zu hoch ist, d. h. dass die Konstante mit steigender Wechselzahl etwas steigt. Woher das kommt, lässt sich nicht entscheiden. Vielleicht hängt es mit der äusserst langsamen Einstellungszeit des konstanten Potentials bei langsameren Wechseln: zusammen. vm. Eiweissausfällung an Cu-Elektroden entsprechend dem Quadratwurzelgesetz. Zu diesen Versuchen wurde Hühnereiweiss oder Ochsenserum benutzt. Das Hühnereiweiss wurde geschlagen, in einem Zylinder Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 21 stehen gelassen und die sich absetzende Flüssigkeit mit Wasser ver- dünnt, so dass die Globuline ausfielen, die abfiltriert wurden. Die Versuche gelangen in allen Verdünnungen des Eiweisses, wenn das- selbe nur klar erhalten wurde. Ob das Eiweiss dialysiert wurde ‘oder nicht, machte keinen Unterschied. Bei den Eiweisslösungen wurde vor dem Versuch eine Cu-Lösung ausprobiert, die gerade noch keine Trübung hervorrief. Diese wurde der Eiweisslösung zu- gesetzt. Eine später sich einstellende Trübung wurde abfiltriert. Am brauchbarsten waren Lösungen, die sich mit CuSO, allmählich getrübt hatten und dann filtriert wurden. Diese blieben meist ganz Fig. 3. klar und liessen sich noch nach Tagen benutzen. Das Serum, das durch Zentrifugieren geschlagenen Blutes gewonnen war, ist gegen CuSO, viel empfindlicher als Hühnereiweiss, wohl weil es noch die Globuline enthält. Anfangs wurde auch durch Probieren eine ge- eignete CuSO,-Lösung hergestellt. Später verwandten wir stets zu gleichen Teilen Serum und CuSO,-Lösung (ein Mol pro 25000 ]), was sich als brauchbar erwiesen hatte. Mit CuSO, hält sich auch das Serum mehrere Tage gut, doch muss gelegentlich eine Trübung abfiltriert werden. Als Versuchsgefäss diente eine Kuvette aus Glas (Fig. 3). Die- selbe hatte etwa halbkugelförmige Gestalt, mit kreuzweis angeord- neten Röhrenfortsätzen. Zwei gegenüberliegende Röhren (aa) ragten in das Lumen hinein und besassen an ihren Enden, die etwa 2 mm 23 E. Wilke und O. Meyerhof: Abstand voneinander hatten, ganz feine Öffnungen, durch die ein Lamettafaden durchgezogen werden konnte. Bei c war ein dicker Platindraht eingeschmolzen. Die Kuvette wurde folgendermaassen benutzt. Der Pt-Draht ce wurde dick verkupfert. Fin sehr gleich- mässig verkupferter Lamettafaden wurde durch die Röhren (aa) durchgezogen, so aufgestellt, dass man von oben gerade auf seine Kante sah, und die freien Röhrenenden mit Gummischläuchen und Glasstift fest verschlossen. An die Röhren 5b wurden Gummi- schläuche gesteckt, die vorbereitete Eiweisslösung durch diese ein- gefüllt und dann die Kuvette auf dem Objekttisch eines Mikroskops festgespannt. Bei ca. fünfzigfacher Vergrösserung war jetzt das innere freie Stück des Lamettafadens in seiner ganzen Länge im Gesichtsfeld sichtbar und bildete eine schmale scharfe Linie Ein an den Pt-Draht ce angelöteter Cu-Draht und ein Ende des Lametta- fadens tauchten in Quecksilbernäpfe, durch die die Stromzuführung vermittelt wurde. Die Anordnung gestattete sowohl ein wiederholtes Durehspülen der Eiweisslösung wie ein Entfernen der ausgefallenen Niederschläge durch leiehtes Quetschen eines Gummischlauches bei 5; endlich ein Verschieben des Lamettafadens, falls sich eine Stelle als ungeeignet erwies oder durch einen festen Niederschlag verändert war. — Da die Ausfällung des Eiweisses an dem Lamettafaden schon bei äusserst schwachen Wechselströmen stattfand, so wurde das Amperemeter in einen Nebenschluss gelest. In diesem Fall ist die durch die Kuvette gehende Strommenge der im Amperemeter ab- gelesenen nur dann proportional, wenn sich der Widerstand der Kuvette nicht ändert; aus diesem Grunde wurde bei den späteren Versuchen der Widerstand der Kuvette wiederholt gemessen. Er nahm während einer längeren Versuchsserie meist nicht unbeträcht- lieh ab (von 1200 2 bis 900 2, oder von 800 2 bis 600 2). Dieser Fehler konnte nur deshalb vernachlässigt werden, weil in den Versuchen mit Ochsenserum, die auch die besten Resultate gaben, noch ein Rheostat von 9000 bis 10000 2 in den Kuvetten- kreis geschaltet wurde. Anderseits beruht die Widerstandsabnahme doch auf einer Veränderung der Lösung — wahrscheinlich der Er- wärmung infolge starker Beleuchtung — und muss so die Be- dingungen für die Gültigkeit des Gesetzes verändern. Da der Widerstand des Amperemeters 21,6 2 betrug, so war die tatsächlich durch die Kuvette sehende Stromstärke bei den Versuchen mit Hühnereiweiss etwa '/4, bei denen mit Rinderserum im allgemeinen ya I N N h 9) Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc 93 1/goo der abgelesenen. — Die 5 Schaltung bei den Versuchen mit &0 der Maschine II und mit Serum ® ist auf Fie. 4 abgebildet. Sie ist wohl von ‘selbst verständlich. E Durch eine Wippe wurde der a Wechselstrom ausgeschaltet und E die Kuvette mit einer Universal- = messbrücke nach Kohlrausch S zur Kontrolle des Widerstandes in Er: in Verbindung gesetzt. IS Die Untersuchung geschah 7 S [ derart, dass bei willkürlich ge- s = wählter Wechselzahl die Strom- Sg stärke eanz langsam (ruckweise Ss um ein Milliampere mit mehreren 2 Sekunden Zwischenpause) so lange “ KR ES gesteigert wurde, bis ein Nieder- 7 Er schlag an der Kante des Lametta- | 2. fadens sichtbar wurde. Nach = er einiger Übung gelang es, den- E selben schon im allerersten Be- nm D einn zu sehen; hält man jetzt die | | [a SE Stromstärke einige Zeit konstant, =5 so verbreitet sich ein körniger Ss Streifen sehr schnell zu beiden Dc _ 22 Seiten des Fadens. Dies wurde Er 5 jedoch nicht ganz abgewartet, ar Ei> sondern nach Ausschaltung des Si Se Stromes der Niederschlag durch = Quetschen am Gummischlauch fort- gespült und ein neuer Versuch mit veränderter Wechselzahl an- gestellte. Wird vorsichtig ver- fahren, so bleibt der Faden ganz unverändert, und auch am Schluss ist die Lösung noch klar (der Niederschlag ist ganz minimal); sonst muss die Lösung weiter 1 Regulierwiderstand. Fig. 4. 24 E. Wilke und O0. Meyerhof: durchgespült oder der Faden erneuert werden. Auch sind manche Lösungen so labil, dass sie von selbst ausfallen. In all diesen Fällen wurde eine neue Serie angefangen. Um Selbsttäuschung zu verhindern und keiner Suggestion zu unterliegen, was bei der mühsamen Beobachtung naheliegen konnte, übernahm einer von uns die mikroskopische Beobachtung und gab den Beginn des Ausfalls an, während der andere unabhängig davon Stromstärke und Wechselzahl in diesem Moment bestimmte. Auf diese Weise sind alle folgenden Serien gewonnen; auch mehrere ähnliche, die nicht veröffentlicht sind, dagegen auch einige andere, hier nicht reproduzierte, die viel schlechter stimmen. Da jedoch auch bei diesen die Konstante keinen Gang zeigt, und die überwiegende Mehrzahl der aufgenommenen Versuchsreihen den hier veröffentlichten analog ist, so glaubten wir diese vernachlässigen und auf zufällige Störungen zurückführen zu dürfen. Auch im folgenden sind meist die ersten Versuche (während denen der Widerstand schnell sank) und gelegentlich die letzten, bei denen der Faden oder die Lösung schon verdorben war, weggelassen, dagegen innerhalb der Serien alle Resultate und in der Reihenfolge der Aufnahme reproduziert. — Wie in den Tabellen ersichtlich ist, sind häufig unmittelbar nacheinander, gelegentlich auch nach längeren Zwischen- räumen, genau dieselben Geschwindigkeiten benutzt. Aus diesen Beobachtungen gewinnt man ein ungefähres Maass der Genauigkeit der Methode. Tabelle VII. Maschine I. Verdünntes Hühnereiweiss. CuSO,-Menge nicht bestimmt. i durch 40 zu dividieren. n pro Sekunde iin Ampere | k.10-? 59 0,058 0,76 59 0,058 0,76 44,5 0,040 0,60 44,5 0, ‚0405 0,61 36 0,038 0,64 36 0, ‚040 0,67 22 0,031—0,032 0,675 22 0,0335 0,72 15,2 0,023—0,029 0,73 15,2 0,027 0,69 10,8 0,026 0,79 11,3 0,027 0,80 Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. Genau wie Tabelle VII. Tabelle IX. | n pro Sekunde | i in Ampere 68,5 | 0,068 0,82 58,5 0,060 0,79 55,9 0,058 0,78 42,5 0,043 0,66 42,5 0,042 0,645 38 0,038: 0,62 38,6 0,039 0,63 39,4 0,037 0,645 25,7 0,036 0,71 25,7 0,0355 0,70 20,4 0,037 0,82 21,7 0,038 0,815 5 3 0,061 0,7 63 0,061 0,77 70 0,062 0,74 70 0,064 0,7 ra biesller Re Vgl. Tabelle VII. n pro Sekunde | iin Ampere 502 18,5 0,046 1,03 23,2 0,054 2,12 22,6 0,052 1,09 39,2 0,066 1,01 50 0,074 1,05 50 . 0,076 1,08 62,5 0,086 1,07 16,7 0,044 1,08 Tabelle XI. Vgl. Tabelle VII. n pro Sekunde i in Ampere 1072 0,031 0,023 0,024 0,029 0,031 0,033 0,049 0,051 0,047 0,047 0,045 0,043 0,043 OT = or TRIS sSeoocceecoooeeo ARARDDADn AARON SIRRRER SOHN or 25 26 E. Wilke und O. Meyerhof: n pro Sekunde | in Ampere k. 10? 39,3 0,041 0,70 32,7 0,040 0,70 27,6 0,035 0,67 26,6 0,038 0,74 23,5 0,031 0,64 20,4 0,027 0,60 18,5 0,029 0,68 15,0 0,024 0,62 71 0,0575 0,685 zul 0,058 | 0,69 Tabelle XI. Ochsenserum. Vorgeschaltet 9000 2. Die wahre Stromstärke ca. !/soo der abgelesenen. n pro Sekunde | in Ampere k. 10-2 21,5 0,046 0,99 40,0 0,059 0,93 46,0 0,067 0,99 62,3 0,080 1,00 62,3 | 0,079 0,985 71,5 | 0,083 0,975 71,5 | 0,083 0,975 14,9 0,036 0,91 2 14,9 0,036 0,91 13,8 0,034 0,215 27,7 0,051 0,97 Tabelle XII. Maschine II. Serum zu gleichen Teilen mit CuSO, ("/s50o0oo m). Vorgeschaltet 10000 2. Schaltung wie Fig. 4. Widerstand der Kuvette 550 2. n pro Sekunde | @ i in Ampere k 10-3 322 0,065 3,62 445 0,070 3,32 32 0,100 3,99 870 0,108 3,98 236 | 0,054 Syn > 159 0,047 3,63 152 | 0,045 3,69 395,9 | 0,031 4,16 645 | 0,092 3,62 835 | 0,113 3,85 827 0,117 4,07 Tabelle XIV. Wie Tabelle XIII. Widerstand der Kuvette ca. 750 2. n pro Sekunde | i in Ampere k.- 10-3 37,7 | .0,022-0,023 3,66 30,0 | 0,023 3,25 370 | 0,101 3,40 688 I 0,094 3,58 Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. . 19-3 n pro Sekunde i in Ampere k Widerstand ca. 600 2. 375 0,077 3,98 232 0,0645 3,84 227 0,058 3,85 148 0,054 4,65 105 0,039 3,80 52,5 0,036 4,96 93 0,039 3,95 360 0,079—0,080 4,20 455 0,0895 4,20 540 0,1055 4,42 895 0,128 4,28 204 0,063 4,41 Tabelle XV. Wie Tabelle XIII. Widerstand der Kuvette ca. 1500 2. n pro Sekunde 44,5 910 Wie Tabelle XII. Widerstand ca i in Ampere 0,041 0,046 0.035 -0,193 Tabelle XVI. Widerstand der Kuvette 1200 2. k 102 SIT Bo oo OHM OAIOHnO DH ADG Ss se wwcoc I D OT n pro Sekunde 235 157 i in Ampere 0,069 0,055 0,042 0.0205 0,132 0,0855 0,0715 0,061 0,036 0,122 0,058 0,051 0,097 Col 27 38 E Wilke und OÖ. Meyerhof: IX. Die Ausfällung von Eiweiss an Membranen nach dem Quadratwurzelgesetz. Die Versuche wurden in einer Anordnung, die Fig. 5 zeigt, ausgeführt. Die Glasröhre a besass am Ende eine halbkugelförmige Aufblasung, die auf der Höhe der Konvexität ein Loch von ca. 1 mm Durchmesser hatte (wir benutzten Löcher von 1 bis 2,5 mm Durch- messer). An der dieser Halbkugel gegenüberliegenden Rückwand war ebenfalls eine Halb- kugel aufgeblasen, die aber flachgedrückt war; auf diese Weise entstand (bei b) eine ringförmige Einschnürung. Die benutzte Membran, alte Fischblase oder Goldschlä- eerhäutchen, wurde über den Glaskopf gezogen, um .. den Hals (bei ce), und ausser- dem um die Rinne (hei b) fest zugebunden, oben abge- schnitten und ausserdem das die flache Seite des Kopfes bedeckende Stück mit einem Messer abge- schnitten. Auf diese Weise konnte man durch die Membran durchsehen, ohne dass die Rückwand be- schattet wurde. Diese Röhre wurde innen in einigen Versuchen mit verdünntem CaCl, gefüllt, in den späteren mit einem Elektrolytgemisch von gleicher Zu- sammensetzung, wie es im Serum benutzt wurde. Die so vor- bereitete Röhre wird in die Serumlösung gehängt, die sich in einem U-Rohr befindet. Der untere Teil des U-Rohres (d) ist mit Gelatine, der Mg-Chlorid zugesetzt ist, gefüllt. Der eine Draht taucht in eine im zweiten Schenkel auf die Gelatine geschichtete NaCl-Lösung, der andere Draht führt in die durchbohrte Glasröhre bis auf den Boden. Das U-Rohr wird in ein grosses Becherglas mit Wasser gehängt, um die Temperatur konstant zu halten, und dann Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 29 von hinten stark beleuchtet, so dass man die Membran vor der Durchbohrung hell und durchscheinend sieht. Jetzt wird ein Wechsel- strom mit wachsender Intensität durch die Anordnung geschickt bis zu dem Momente, wo die Membran trübe wird. Dann wird gezählt und die Stromstärke gemessen, das Eiweiss von der Membran ab- getupft und der Versuch wiederholt. — Über die Zusammensetzung des Elektrolytgemisches ist schon in Kapitel IV das Nötige gesagt. Die genaue Zusammensetzung, die je nach der Trübung des Serums durch Zusätze variiert wurde, ist über den Tabellen angegeben. Das Serum blieb vor dem Versuch einige Zeit stehen, um zu kontrollieren, ob es klar blieb. Dann wurde der Wechselstrom zunächst mehrmals durch die Membran geschickt, da eine genaue Einstellung erst nach mehreren Versuchen eintrat. Die ersten Versuchsreihen mussten am Schluss meist abgebrochen werden, weil die Lösung sich getrübt hatte !); später gelang es, das Serum bis zum Schluss ganz unver- ändert klar zu halten. — Zuerst geschah es wiederholt, dass die Membran sich selbst trübte (bei zu hohen Stromstärken), indem sie ins Kochen geriet und Gasblasen aufstiegen. Diese Trübung ist aber irreversibel. Bei den hier reproduzierten Serien ist die Stromstärke viel geringer; das Eiweiss sass aussen auf der Membran auf und liess sich durch einen Pinsel entfernen oder ginge von selbst nach Stromunterbrechung in Lösung. Die Stromstärke variierte, abgesehen von den eingeschalteten Widerständen, natürlich erstens mit der Länge des Gelatinerohrs, zweitens hauptsächlich mit der Grösse des Lochs in der Kugel. Die kleineren Öffnungen waren aber wegen der grösseren Stromdichte brauchbarer. Ebenso liess die Membran nach Ätherextraktion erheblich mehr Strom durch; das Quadrat- wurzelgesetz wurde dadurch nicht alteriert. Bei Benutzuug des kleineren Lochs (1 mm Durchmesser) betrug der Widerstand des ganzen Systems 300 bis 400 2. — Das Ampere- meter wurde in den Stromkreis der Beobachtungsröhre gelegt. 1) Das lag vielleicht an der Hindurchdiffusion der Innenflüssigkeit durch die Membran; deshalb wurde später innen dieselbe Elektrolytlösung wie aussen benutzt. 30 E. Wilke und O. Meyerhof: Tabelle XVIl. Maschine I. Fischblase. Kugel mit kleinem Loch. Innenfüllung CaCl],. Mischung: Serum 2 cem, MgC], (10°) 1 cem, HCl(2n) 0,5 ccm. | n pro Sekunde i in Ampere k - 10=3 64,7 0,044 | 9,47 21,6 0,025 5,38 19,8 0,0225 5,08 29,6 0,027 4,97 28,7 0,029 9,40 DB 0,033 9,13 36,3 0,031 5,13 33 0,032 5,20 = Tabelle XVII. Serum 3 cem, MgCl; 1 ccm, CaCl, (13°0) 0,5 ccm, HCl 7 Tropfen. Sonst wie Tabelle XVII. n pro Sekunde | in Ampere k. 10-3 22,2 0,024 5,10 43,5 0,031 4,70 62,5 | 0,035 4,42 62,5 | 0,0335 4,25 57,2 0,029 3,84 48,7 0,028 4,02 36,6 0,026 4,30 29,8 0,0245 4,48 26,0 0,022 4,32 20,6 0,020 4,41 16,6 0,017 4,18 13, 0,013 ca 3,6 64,5 0,032 3,99 64,5 0,032 3,99 44,1 0,025 3,18 25,0 0,021 4,20 15,8 ' -0,013—0,014 3,40 66,5 0,028 3,44 66,5 0,029 3,96 Diese Versuchsreihe ist ebenso wie die drei folgenden vollständig reproduziert, um zu zeigen, wie die Konstante meist am Anfang erst sinkt, ehe sie einen konstanten Wert annimmt, um dann öfters am Schluss wiederum zu sinken. Speziell das erste wurde sehr häufig beobachtet. Mischung 3 cem Serum, NaCl-Lösung mit prozentual den gleichen Zusätzen. Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 31 Tabelle XTRX. n pro Sekunde mit denselben Zusätzen. 1,0 MgCl;, 0,7 CaCl;, 0,3 HCl. Innen: physiol. i in Ampere k. 103 0,025 5,10 0,0305 4,42 0,032 3,98 0,023 3,68 0,012—0,013 | 331 0,0145 | 3,42 0,028 3,42 0,025 3,44 0,022 3.44 0,016 3,18 Tabelle XX. Mischung 4 ecm: Serum, 1,0 MgCl,, 0,7 CaCl;, 0,25 HCl. Innen: 0,9%0 NaCl N pro Sekunde ti in Ampere Ampere | ae k. 10-3 46,5 0,034 5,00 64,5 0,039 4,85 17,8 0.022 5,21 30,2 0,028 5,10 21,3 0,023 | 4,98 32,3 0,025 4,40 29,3 0,025 4,61 52,3 0,038 5,23 66,2 0,041 5,03 Tabelle XXI. 3,5 Serum, 1,0 MgCl,, 1,0 CaCl;, 6 Tropfen HCl; sonst wie bisher. n pro Sekunde i in Ampere k-1073 19,8 0,017 3,82 52,7 0,027 3,72 47,2 0,025 3,64 34,0 0,022 3,78 25,0 0,019 3,80 19,4. 0,016-+ 3,7 67,2 0,030 3,66 Tabelle XXI. Maschine II. Goldschlägerhaut. Kugel mit weitem Loch (ca. 1,5 mm Durch- Serum 3,5 cem, MgCi, 1,0 cem, CaCl, 0,5 ccm, HCl 5 Tropfen. m, ————zz—z— messer). n pro Sekunde 376 702 915 3 120 312 . 170 i in Ampere 0,051 0,079 0,085 0,031 0,029 0,048 0,039 k.10-8 a ann 1 a 2,63 2,98 9,81 9.67 9,64 2,72 9,99 (Wb) ID E. Wilke und OÖ. Meyerhof: Tabelle XXI. Maschine II. Fischblase mit Äther extrahiert. Kugel mit weitem Loch (1,5 mm). Serum 3,5 cem, MgCl, 0,7, CaCl; 1,0, HCl 5 Tropfen. n pro Sekunde i in Ampere KO 904 | 0,105 3,90 465 0,088 4,08 290 0,067 3,98 170 0,044 3,98 625 0,092 3,68 868 0,095 3,23 435 0,088 4,22 303 0,066 3,80 177 0,043 3,31 242 0,051 3,28 Tabelle XXIV. Maschine II. Fischblase. Kugel mit kleinem Loch. Serum 3,8 ccm, CaCl, 0,7, MgC], 1,0, HCl 3 Tropfen. on pro Sekunde i in Ampere k- 10-3 173 0,0275 2,10 145 | 0,025 2,08 132 0,0245 2,13 119 0,023 2,15 102 0,021 2,08 870 0,059 2.00 370 T 0,053 0,054 1,81 885 0,0535 1,80 605 0,042 1,71 540 | 0,039 1,68 410 0,037 1,83 378 0.0345 are 725 | 0.051 1,89 935 0,052 1,70 950 0,031 1,96 202 | 0,029 2,02 312 0,034 1,92 129 0,021 1,85 Tabelle XXV. Maschine II. Goldschlägerhaut. Kugel mit kleinem Loch. Serum 3,5 ccm Mg(l, 0,7, CaCl, 0,9, HCl 5 Tropfen. n pro Sekunde i in Ampere k- 10-3 930 | 0,055 1,50 636 0,044 1,74 340 0,031 1,68 95 0,0175 1,50 91 0,0165 1,73 168 0,024 1,85 174 0,024 1,32 182 0,021 1,56 143 0,022 1,54 216 0,029 1,78 455 0,042 1,97 915 0,054 1,78 Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie etc. 33 Wie aus den Tabellen ersichtlich ist, ist die Konstante ziemlich gut. Die Abweichungen erklären sich unschwer aus der Ungenauig- keit der Beobachtung. Auch bei dieser Untersuchung wurde so verfahren, dass einer von uns die Beobachtung der Membran über- nahm, während der andere den Strom regulierte. Zusammenfassung. In vorstehender Arbeit wird die physikalische Grundlage der Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung einer experimen- tellen Prüfung unterzosen. In einer kurzen theoretischen Frörterung wird gezeigt, dass das „Quadratwurzelgesetz“ nur für die Konzen- tration der Salzein unendlicher Nähe einer Membran oder einer Elektrode streng gültig sein kann, während unter Annahme wachsender „Schicht- dicken“ der reizerzeugenden Salzmenge die Gültigkeit bei ganz lanesamen und ganz schnellen Wechseln immer ungenauer werden muss. — Es wird dann die Theorie an der Veränderung des Oxydationspotentials von Pt- und Goldelektroden in Chromi-Chromat- lösung geprüft und gezeigt, dass zur Konstanthaltung des mittleren Potentials einer in eine solehe Lösung tauchenden, durch einen Wechselstrom polarisierten Elektrode die Stromstärke proportional der Wurzel der Wechselzahlen ansteigen muss. Damit ist der prinzipiellste Fall der Nernst’schen Theorie realisiert. — Es wird ferner durch die Ausfällung von Eiweiss an einer Cu-Elektrode nachgewiesen, dass die Konzentrationsvermehrung des Elektrolyten an umkehrbaren Elektroden (CuSO, an Cu) durch Wechselstrom in dem Bereich der geprüften Wechselzahlen (10 bis 960 pro Sek.) der Beziehung des Quadratwurzelgesetzes genügt. Schliesslich wird das gleiche durch die Ausfällung von Eiweiss an tierischen Membranen mittels im Tierkörper vorhandener Salze nachgewiesen und damit die besondere für den Organismus bedeutungsvolle Form des Ge- setzes, der Salzanstauung an mehr oder weniger impermeablen Mem- branen durch Wechselströme, experimentell verifiziert. Zugleich wird dureh die Versuche die mögliche Wirksamkeit der Elektrolyte im Tierkörper bei elektrischer Nervenreizung dargetan. co Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. * 34 Adolf Beck und Gustav Bikeles: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg.) Die sogenannten Berührungsreflexe Munk’s und die reflektorische Zehenbeugung bei Reizung der Fusssohle!). Von Prof. Dr. Adolf Beck und Prof. Dr. Gustav Bikeles. H. Munk spricht in seinen Publikationen?) über die Fühl- sphären der Hirnrinde sehr oft von einem von ihm beobachteten Berührungsreflex beim Hunde (und beim Affen). Diesen Berührungs- reflex erhält Munk, sei es beim unversehrten Tiere, sei es nach ein- seitiger Exstirpation der Fühlsphäre dann ausschliesslich auf der Seite der Exstirpation. Somit handelt es sich um eine bei Ausschaltung der ent- sprechenden Hirnrindenregion gar nicht zum Vorschein kommende, sondern bloss unter normalen Bedingungen auftretende Bewegunges- erscheinung beim Tier, bei welchem bekanntlich die Unterscheidung der reflektorischen von intendierten Bewegungen dem Beobachter srosse Schwierigkeiten darbieten kann. Dieser sog. Berührungsreflex, der nur an der den Zusammen- hang mit der korrespondierenden Fühlsphäre bewahrenden Extremität erhalten wird, ist auch bezüglich des Bewegunsseffektes der Pfote nicht so einförmig, wie es gewöhnlich Reflexbewegungen zu sein pflegen. Wir beobachteten nämlich sogar bei einem und demselben Tiere bald eine Dorsal-, bald eine Plantarflexion im Sprunggelenk. Dazu erfolgt dieser sog. Berührungsreflex nicht immer und aus- nahmslos, sondern vornehmlich bei Erteilung einer gewissen Haltung. 1) Vorgelegt der Krakauer Akademie der Wissenschaften in der Sitzung vom 10. Oktober 1910, erscheint in polnischer Sprache in den Abhandlungen der Akad. Bd. 10B. 2)H. Munk, Über die Fühlsphären der Grosshirnrinde. Sitzungsber. d. preuss. Akad. d. Wissensch. 1892 S. 679, 692. 1896 S. 1131, 1141. — H. Munk, Über die Funktionen von Hirn- und Rückenmark $.63ff. Berlin 1909. Die sog. Berührungsreflexe Munk’s und die reflekt. Zehenbeugung etc. 35 So fordert Munk, dass das Tier von einem Gehilfen mit der einen Hand unter das Kinn gestützt, mit der anderen an der Brust um- fasst, senkrecht emporgehalten werde. Entscheidend dabei ist, dass die Extremitäten ohne Unterlage frei herunterhängen; denn es ge- lingt auch leicht diese Erscheinung hervorzurufen, wenn das Tier in einer Hängematte, wie es in unseren Versuchen oft geschah, so untergebracht ist, dass die Extremitäten durch Einschnitte aus der Matte bequem nach unten herausragen. Doch sei gleich bemerkt, dass überall, wo wir in den im weiteren zu schildernden Unter- suchungen den sog. Berührungsreflex mit unserer reflektorischen Zehenbeugung vergleichen wollten, wir immer und ausnahmslos die von Munk geforderte Position strikte beibehielten und nur aus den bei dieser Haltung gewonnenen Resultaten unsere Schlüsse folgerten. Daraus, dass nach einseitiger Exstirpation der Hirnrinde der „Berührungsreflex* auf der kontralateralen Seite nicht mehr aus- lösbar ist, foleert Munk, dass der „Berührungsreflex“ ein kortikaler Reflex ist. Auf die Frage, ob dieser als kortikal angesehene „Berührungs- reflex* mit klinisch bekannten kutanen Reflexen überhaupt in Parallele gebracht werden dürfe, lässt sich Munk gar nicht ein. Der Umstand aber, dass in den bezüglichen Arbeiten Munk’s von Berührungsreflexen schlechthin gesprochen wird, verleitete manchen Autor schon von vornherein, z. B. Munch-Petersen!), zur An- nahme deren vollständigen Identität mit den geläufigen Hautreflexen beim Menschen. Auch Rothmann?) gelangt auf Grund theoretischer Über- legung zur Schlussfolgerung, dass wir „hier (in den Hautreflexen des Menschen) das völlige Analogon zu dem bei den niederen Säuge- tieren auslösbaren Berührungsreflex vor uns haben“ (S. 266). Uns aber erschien die Frage, ob der sog. Berührungsreflex mit den aus der Neurologie bekannten kutanen Reflexen zu homologisieren . sei, einer näheren Analyse zu bedürfen. Die Art und Weise der Auslösung des Munk’schen Phänomens wird von diesem Autor folgendermaassen geschildert: „Fährt man 1) Die Hautreflexe und ihre Nervenbahnen. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 22 S. 177. 2) Über die Leitungsbahnen des Berührungsreflexes unter Berücksichtigung der Hautreflexe des Menschen. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1904 S. 256. 3 En 36 Adolf Beck und Gustav Bikeles: an einem Fusse oberhalb der Nägel leicht mit dem Finger von unten nach oben über die Haare hin, so beugen sich bei leisestem Streichen ganz kurz und schwach entweder die Zehen oder auch der Fuss.“ Die reflexogene Zone für dieses Phänomen befindet sich somit vor- nehmlich an der Dorsalfläche der Pfote. Der Ausdruck nämlich „oberhalb der Nägel“ bedeutet unzweifelhaft den Fussrücken. Und ausdrücklich spricht Rothmann in seiner bei Munk ausgeführten Arbeit „von einem Hinfahren über die Haare des Fussrückens“ (l. e. S. 257). Jedenfalls aber ist in die rezeptorische Zone für den „Berührungsreflex“ die Haut an der Sohle nicht inbegriffen. Hingegen hat unsere reflektorische Zehenbeugung beim Hunde ebenso wie beim Menschen ihre reflexogene Zone, mehr oder weniger ausgebreitet, an der Fusssohle. Bei leichter Reizung (gelindem Streichen oder leichtem Stich) der Fusssohle, speziell unmittelbar hinter dden Zehen, erhält man beim Hunde entweder eine reflektorische Beugung der Zehen oder eventuell auch eine Dorsalflexion im Sprunggelenke. Es ist mithin nicht nur der Ort, von dem aus letzterer Reflex erhältlich ist, sondern auch die Form, in welcher die reflektorische Bewegung sich abspielt, vollständig analog mit dem klinisch be- kannten Plantarreflex beim Menschen. Deshalb darf man den Plantarreflex beim Menschen wohl identifizieren mit unserem Zehen- beugungsreflex, keineswegs aber mit dem sog. Berührungsreflex, und hatten wir auch in einer vorläufigen Mitteilung!) dieser unserer Anschauung bereits Ausdruck gegeben. Ist nun die reflektorische Zehenbeugung des Hundes bei Aus- lösung von der Fusssohle, nieht aber der sog. Berührungsreflex mit dem Plantarreflex beim Menschen zu identifizieren, so entfällt jed- wede auf Experimente am Tier basierte Stütze zu einer Annahme eines kortikalen Reflexbogens für die Hautreflexe beim Menschen. Denn nach Vornahme einer einseitigen Fxstirpation der Extremitäten- region der Hirmrinde?) bei zahlreichen Hunden (vgl. angeführte Mittlg.) zeigten „Berührungsreflexe“ und unsere reflektorische Zehen- beugung an der kontralateralen Extremität ein ganz verschiedenes 1) Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23 Nr. 22. 2) In allen Versuchen wurde die Exstirpation der Hirnrinde in bedeuten- der Tiefe ausgeführt, so dass die Hirnrinde in ihrer ganzen Dicke entfernt wurde. Die sog. Berührungsreflexe Munk’s und die reflekt. Zehenbeugung etc. 37 Verhalten. Das Munk’sche Phänomen fehlte ausnahmslos an den der Exstirpationsseite kontralateralen Extremitäten; die reflek- torische Zehenbeugung (auslösbar von der Sohle) — das einzig wirkliche Analogon des Plantarreflexes beim Menschen — trat meist sogar lebhafter gerade auf der kontralateralen Seite auf und ist also gewiss kein kortikaler Reflex. In der vorangegangenen vorläufigen Mitteilung, zur Zeit da wir nur über eine geringere Anzahl von Versuchstieren verfügten, drückten wir uns absichtlich vorsichtig aus, indem wir sagten, dass dieser Reflex an der kranken Extremität ebenso oder fast ebenso lebhaft wie auf der gesunden Seite sei. Tatsächlich zeigte es sich im weiteren Verlauf der Versuche (vel. die folgende Tabelle I), Tabelle I. Tage nach der Reflektorische Zehenbeusung De n Snpatıon linke Extremität | rechte Extremität rechterseits kontralateral | gleichseitig T. 19° fehlt fehlt 3 lebhaft deutlich u. 6 sehr lebhaft sehr lebhaft 8 sehr deutlich deutlich 20 sehr lebhaft schwach 1. 2 sehr deutlich sehr deutlich 3 sehr deutlich sehr deutlich 7 schwach deutlich III. 2 schwach’ fehlt 6 sehr deutlich fehlt 26 lebhaft fehlt IV. 1 unregelmässig unregelmässig VE pi sehr lebhaft deutlich 8 deutlich weniger deutlich VE B) sehr deutlich und regel- | wenig deutlich und unregel- mässig mässig 10 deutlich wenig deutlich VNM. 1 unregelmässig fehlt 2 fehlt fehlt VM. 1 sehr deutlich und regel- schwach und unregel- mässig mässig 4 deutlich lebhaft lebhaft 5 vorhanden vorhanden 6 lebhaft vorhanden 8 vorhanden, schwach regel- | vorhanden, schwach un- mässig regelmässig IX: 1 vorhanden, unregelmässig | vorhanden, unregelmässig 3 regelmässig, ziemlich leb- unregelmässig haft ; 4 vorhanden vorhanden 6 vorhanden unsicher 38 Adolf Beck und Gustav Bikeles: dass die von der Sohle zu erhaltende reflektorische Zehenbeugung auf der der Exstirpation kontralateralen Seite eher gesteigert ist. Dies steht natürlich in bestem Einklang mit der schon früher ge- machten Konstatierung von der Lebhaftigkeit dieses Reflexes auch nach Rückenmarksdurchschneidung. Ein weiterer geradezu schroffer Gegensatz zwischen dem Munk’schen Phänomen und unserem Plantarreflex zeigte sich — und dies konstant in allen diesbezüglichen Versuchen — bei An- wendung von Morphin. Nach subkutaner Einspritzung von etwa 0,02 bis 0,04 salzsauren Morphins, die wir wiederholt bei Tieren mit einseitig exstirpierter Fxtremitätenregion während der Be- obachtungszeit vorgenommen haben, zeigten sich die Hautreflexe im allgemeinen und speziell die uns interessierende durch leichte Reizung an der Sohle erhaltbare reflektorische Zehenbeugung (eventuell auch die dabei manchmal auftretende Dorsalflexion im Sprunggelenke) bedeutend gesteigert; nebenbei sei bemerkt, dass auch der Patellar- reflex lebhaft vorhanden war. Ganz anders aber verhielt sich durchgehends das Munk’sche Phänomen; dasselbe verschwindet unter der Wirkung dieser Dosis Morphin und war in der grossen Reihe unserer Versuche während der ganzen Dauer der Vergiftung nicht mehr zu erhalten (vgl. Tabelle II). Die Steigerung unserer reflektorischen Zehenbeugung unter der Einwirkung des Morphins war besonders gerade an der der Exstirpation der Extremitätregion kontralateralen (hinteren) Extremität sehr auf- fallend. Während ohne Morphinnarkose diese reflektorische Zehen- beugung auf der kontralateralen Seite nur einigermaassen lebhafter ausfiel, als auf der Operationsseite, zeigte sich der Unterschied in der Lebhaftigkeit dieses Reflexes zugunsten der kontralateralen Seite unter der Wirkung des Morphins sehr frappant (was nebenbei eben- falls deutlich gegen die Annahme eines kortikalen Ursprungs dieses Reflexes spricht). Tabelle. II. (In Morphinnarkose.) Tagenach Reflektorische Zehenbeugung Munk’sches N d. Exstir- Ah E = 2 Phänomen pation linke Extremität | rechte Extremität rechterseits rechters. kontralateral | gleichseitig gleichseitig I. 38 sehr lebhaft | sehr lebhaft anfangssehrschwach unregelmässig, nach- | her verschwunden 41 — | — fehlt Die sog. Berührungsreflexe Munk’s und die reflekt. Zehembeugung ete. 39 age nach| Reflektorische Zehenbeugung Munk’sches Nr. [4 Exstir- | N — — Phänomen ST | pation linke Extremität rechte Extremität rechterseits rechters. kontralateral gleichseitig gleichseitig 1. 7 deutlich fehlt fehlt 20 vorhanden unsicher fehlt IN. 4 sehr deutlich schwach fehlt 10 deutlicher vorhanden | vorhanden fehlt IV 3 sehr lebhaft lebhaft anfangs lebhaft, ver- schwindet schnell iv. B) deutlich fehlt fehlt 11 schwach, nach stär- | fehlt, nach stärkerer fehlt kerer Dosis sehr leb- Dosis unregelmässig | haft VI. 2 sehr lebhaft, dabei | schwach, unregel- fehlt auch Dorsalflexion mässig im Sprunggelenk sehr lebhaft vn. 4 sehr lebhaft schwach fehlt 6) sehr lebhaft fehlt fehlt VI. 1 vorhanden, dabei vorhanden fehlt auch Dorsalflexion im Sprunggeleuk 6 sehr lebhaft und vorhanden, aber fehlt deutlich, manchmal | nicht so regelmässig auch Dorsalflexion | im Sprunggelenk Fassen wir das vorher Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich: 1. Die reflexogene Zone des sog. Berührungsreflexes ist eine sanz andere als die des Plantarreflexes beim Menschen. Mit letzterem ist lediglich identisch in bezug auf reflexogene Zone wie auch Be- wegungseffekt unser Zehenbeugungsreflex. 2. Die reflektorische Zehenbeugung beim Hund, auslösbar von der Planta, ist trotz ihrer unzweifelhaften Homologie mit dem Plantarreflex des Menschen gewiss kein kortikaler Reflex!). Die 1) Bei dieser Gelegenheit können wir es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, wie manchmal in der neurologischen Literatur unerwiesene Behauptungen unter der Hand als selbstverständliche Wahrheiten hingestellt werden. In einer Arbeit von Herman Schneider aus der Klinik Jolly’s (Schneider, Über das Zehenphänomen Babinski’s. Ein Beitrag usw. Berliner klin. Wochenschr. 1901 S. 946) wird vom Plantarreflex des Menschen, der nach diesem Verfasser „ein Grosshirnreflex im Sinne Herman Munk’s ist“, noch weiter behauptet: 40 Adolf Beck und Gustav Bikeles: reflektorische Zehenbeugung beim Hunde ist sogar auf der kontra- lateralen Seite nach einseitiger Exstirpation der Extremitätenregion (im Gegensatz zum Munk’schen Phänomen) eher gesteigert. 3. Unter der Einwirkung von Morphin in mässiger Gabe wächst die Lebhaftigkeit der bei Reizung der Fusssohle erfolgenden re- flektorischen Zehenbeugung besonders auf der der Exstirpation kontralateralen Seite bedeutend an — Haut und Patelarreflexe sind überhaupt lebhaft —, einzig das Munk’sche Phänomen ver- schwindet dabei. 4. Für das Munk’sche Phänomen, welches nur an der bezüglich der Innervationsverhältnisse ganz intakten Extremität zu erhalten ist, kein Analoeon beim Menschen hat, in der Form des Reflexes im Sprunggelenk nicht eleichförmig ist, unter mässiger Morphin- wirkung — abweichend von allen anderen Hautreflexen — einzig verschwindet, ist dessen reflektorische Natur nicht genügend dargetan. Aus dem obigen ersieht man weiters, dass beim Hunde nach einseitiger Exstirpation der Extremitätenregion die Hautreflexe eine Tendenz zur Steigerung auf. der kontralateralen Seite zeigen. Beim Menschen sind es, wie bekannt, nur die Sehnenreflexe, welche bei einseitiger Läsion in der inneren Kapsel auf der kontralateralen Seite gesteigert sind, während die Haut- reflexe auf der kontralateralen Seite abgeschwächt oder auch gar nicht nachweisbar sind. Beim Hund haben wir somit trotz vollständiger Homologie der in Betracht kommenden Hautreflexe (Plantarreflex) mit denen des Menschen ein unzweifelhaft abweichendes Verhalten als beim Menschen. Der vollständige Parallelismus zwischen Haut-(Plantar-) Reflex und Sehnenreflex beim Hunde war auch in einem Versuch, in dem an Stelle von Morphin Chloroformnarkose angewendet wurde, sehr überzeugend. Es zeigte sich nämlich auf einer gewissen Höhe der Chloroformnarkose, dass nur noch der Patellarreflex links (d. i. auf der der Exstirpation kontralateralen Seite) deutlich vorhanden war und ebenso war von der Sohle nur der Zehenbeugungsreflex derselben Seite, d.i. links, noch erhältlich. „Er hat auch die Kennzeichen eines Rindenreflexes: er ist durch ganz schwache Hautreize auslösbar und beschränkt auf einen isolierten Muskel der Peripherie.“ Nun hat unser Zehenbeugungsreflex beim Hunde dieselben Charaktere und ist doch kein Hirnrindenreflex. Die sog. Berührungsreflexe Munk’s und die reflekt. Zehenbeugung etc. 41 Der Maneel dageren eines derartigen Parallelismus zwischen Sehnenreflexen einerseits und Hautreflexen anderseits bei Herden in _ einer Hirnhemisphäre beim Menschen war schon, seitdem Sehnen- wie Hautreflexe Gegenstand klinischen Studiums geworden waren, vielfach von verschiedenen Autoren konstatiert). Eine Erklärung ‘des differenten Verhaltens versuchten zuerst Jendrassik?) und auch Geigel?). Mit grosser Geschicklichkeit reiht Jendrassik alle Hirn- und Rückenmarkreflexe in drei Gruppen, für welche er eine in vielen Einzelheiten sehr triftig entworfene Charakteristik gibt. Was uns besonders hier interessiert, ist die Charakteristik Jendrassik’s für tiefe Reflexe und die für Hautreflexe. Bei den tiefen Reflexen: Auslösung von minder empfindlichen Stellen, Reflex- bewegung ohne spezifisches Gefühl im Gefolge, Auslösung durch ein- fache mechanische Reizung (Schlag), an sich selbst ebenso auslösbar wie an anderen. Für die Hautreflexe sind wiederum charakteristisch: Auslösung erfolgt von empfindsamen, besonders an Berührung nicht gewöhnten Stellen, geht mit einer gewissen Empfindung vor sich (Kitzeln, Stich); es genügt keine so kurze Einwirkung des Reizes, wie bei der vorangehenden Gruppe; an sich selbst kaum oder nur in geringem Grade auslösbar. Jendrassik folgert aus den verschiedenen Charakteren auf verschiedene Beziehungen dieser zwei Gruppen zu der Hirnrinde (beim Menschen), und in dieser Beziehung muss man seiner Schluss- folgerung absolut beistimmen. Anders aber verhält es sich mit der genauen Präzisierung dieser Abhängigkeit von der Hirnrinde. Jendrassik konstruiert einen Reflexbogen I. Ordnung durch das Rückenmark, für die Sehnenreflexe auch nach Jendrassik allein in Betracht kommend, und einen solchen II. Ordnung durch die motorische Region der Hirnrinde für das Zustandekommen der Haut- reflexe.e Man könnte aber ebensogut überall nur einen Reflexbogen durch das Rückenmark und an Stelle des supponierten Reflexbogens 1I. Ordnung bloss eine stärkere Beeinflussung, eine bedeutendere Abhängigkeit der Hautreflexe des Menschen von der Hirnrinde an- l) Jastrowitz, Rosenbach, Nothnagel, Gowers, Moeli zit. nach Jendrassik. 2) Jendrassik, Über die allgemeine Lokalisation der Reflexe. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 52 S. 569. 8) Geige!, Die klinische Prüfung der Hautreflexe. Deutsche med. Wochen- schrift 1892 Nr. 8. 42 Adolf Beck und Gustav Bikeles: nehmen. Der Umstand nämlich, dass die die Hautoberfläche treffenden Reize bedeutend leichter bewusste Empfindungen hervorrufen als solehe, welche auf tiefere Gewebe einwirken, könnte möglicherweise Ursache sein, dass irgendwelche Abschwächung der Empfindung mit Schwächung oder Schwinden des Reflexes verbunden ist, und hätten wir es mit einer Art von Bahnung zu tun?). Welche von diesen zweien Eventualitäten, d. i. ob die Annahme eines Reflexbogens II. Ordnung oder bloss eine bedeutendere Ab- hängigkeit des spinalen Reflexbogens von der Fühlsphäre der Hirn- rinde als Sitz der Empfindung die zutrefiendere sei, das lässt sich vielleicht überhaupt nicht mit Sicherheit eruieren. Hingewiesen soll nur an dieser Stelle darauf werden, dass schon Jendrassik mit seiner Annahme des Reflexbogens II. Ordnung für die Hautreflexe des Menschen auf bedeutende Schwierigkeiten stösst. Die Erklärung, warum nämlich „bei totaler motorischer Paralyse (nach Läsion in der inneren Kapsel) noch ein, wenn auch schwächerer Reflex (Hautreflex) wahrnehmbar bleibt?)“, was bei Be- schädigung der motorischen kortikospinalen Bahnen mit der Annahme eines kortikalen Reflexbogens nicht vereinbar erscheint, meint Jendrassik darin zu finden — unserer Ansicht aber nicht sehr plausibel —, dass er sagt: „der Weg ist ungangbar für willkürliche Reize, während er bei Reflexerresung noch leitet“ °). Die erwähnten Argumente Jendrassik’s für die An- nahme eines kortikalen Reflexbosens für die Hautreflexe beim 1) Auch Langendorff betrachtet es als unwahrscheinlich, „dass mit der höheren Organisation die reflektorischen Leistungen des Rückenmarks gegen- über denen des Gehirns immer mehı zurücktreten“; „höchstens — fährt Langen- dorff fort — wäre vielleicht zuzugeben, dass bei den obersten Gliedern der Tierreihe in grösserem Maasse als bei den tiefer stehenden sich zerebrale Einflüsse geltend machen könnten, die das Rückenmarksgrau auf derjenigen Stufe der Erregbarkeit erhalten, die es nötig hat, um seine eigensten zentralen Leistungen zu vollbringen“. (Nagel’s Handb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 4 Hälfte I S. 228 und 229.) 2) 1. e. 8.594. 3) Auch Munch-Petersen findet die hier gegebene Erklärung für nicht befriedigend und meint, die Paralyse (bei Erhaltensein von Hautreflexen) sei weniger bedingt durch die Unterbrechung der Pyramidenbahnen als vielmehr durch eine „Lähmung der Einwirkung des Willensimpulses auf die motorischen Zellen am Suleus Rolandi“ (l.c. S. 215.) Es ist aber schwer anzunehmen, dass diese zweite Erklärungsweise irgendwie mehr überzeugend wäre. Die sog. Berührungsreflexe Munk’s und die reflekt. Zehenbeugung ete. 43 Menschen !) wiederholte nachher im wesentlichen in etwas aus- gebreiteter Weise Munch-Petersen?). Ausserdem will Munch-Petersen noch ein neues Argument für die kortikale Natur der Hautreflexe in der Analyse alter Fälle von Hemiplegie finden. Er meint nämlich, dass in alten Fällen von halbseitiger zerebraler Lähmung bei Fehlen von Sensibilitätsstörungen ein festzustellender Parallelismus zwischen Lähmungserscheinungen und Ausfall gegebener Hautreflexe auf eine gemeinschaftliche Ursache, nämlich auf eine Läsion der kortikomuskulären Bahnen schliessen lässt. Diese Denkweise könnte auch vollständig anerkannt werden und dürfte ein strikter Nachweis, dass eine Unterbrechung einzig in den kortikomuskulären Bahnen auch den Hautreflex un- zweifelhaft aufhebt, zur Annahme eines kortikalen Reflexbogens (Reflexbogen II. Ordnung) für die Hautreflexe des Menschen führen. Leider ist aber aus der zitierten Arbeit Munch-Petersens gar nieht der Eindruck zu gewinnen, dass er die Aufgabe, die er sich stellte, gelöst habe. Dass „der Cremasterreflex (l. e. S. 213) durch Lähmung des Cremastermuskels aufgehoben“ werde, wird bei einem willkürlich gar nicht innervierbaren Muskel nicht recht glaublich er- scheinen. Die weitere Angabe Munch-Petersen’s „Lähmung der Flexion der Hüfte des Knies, der Dorsalflexion des Fusses und der Bewegungen der Zehen, bewirkte Aufhebung der entsprechenden . Bewegungen des Plantarreflexes“®); weiter „waren nur die Plantar- 1) Gegen die spinale Refiextheorie auch beim Tier beruft sich Munch- Petersen (l. c. S. 207) auf ein von Schiff bereits gebrauchtes Argument, das er ofienbar vollständig akzeptiert, dass nämlich „die Reflexe dem Pflüger’schen Gesetze gemäss, zuerst an der gereizten Stelle entstehen, obschon die sensitiven Nervenbahnen sogleich bei Eintritt ins Rückenmark nach der entgegengesetzten Seite hinüberkreuzen, was mit den motorischen nicht der Fall ist. Im Gehirn liegen die sensitiven und die motorischen Nevenbahnen dagegen an derselben Seite, und in der Corticalis finden sich ihre Endstationen sehr dicht aneinander, so dass die anatomischen Bedingungen für die Übertragung des Reflexes hier besonders gut sind“. Diese Argumentationsweise ist aber sehr befremdend. Was Schiff vor Jahrzehnten eventuell sagen durfte, hätte doch Munch-Petersen unterlassen müssen. Hat denn Munch-Petersen wirklich die sensitiveu Nervenfasern, d. i. die direkte Fortsetzung der hinteren Wurzeln, sogleich beim Eintritt ins Rückenmark nach der entgegengesetzten Seite hinüberkreuzen gesehen. A) 1@ 3) Das Identifizieren des Plantarreflexes nach Munch-Petersen auch mit Flexion des Knie- und Hüftgelenkes halten wir für ganz unberechtigt. Es handelt sich nämlich absolut nicht um einen einheitlichen reflektorischen Effekt, denn + 44 A. Beck und @. Bikeles: Die sog. Berührungsreflexe Munk’s etc. flexoren der Zehen gelähmt, so bewirkte der Mangel an Gegenzug, dass die Babinski’sche Erscheinung entstand“ ist jedenfalls — es ist hier nicht der Ort für ausführliche rein klinische Exkursionen — sehr befremdend. Hiermit verbleiben eigentlich nur die im vorigen erwähnten Argumente Jendrassik’s. die Beugung im Knie- und Hüftgelenk ist als Verkürzungsreflex anzusehen, während der eigentliche Plantarreflex die Merkmale eines ausgesprochenen Etagen- reflexes hat. (Siehe Beck und Bikeles, Physiologische Untersuchungen, be- treffend Reflexbahnen in der grauen Substanz des Rückenmarks. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 407. Reflexerscheinungen am Hintertier. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 415.) Überhaupt scheint uns der auf den ersten Anblick vielleicht etwas bestechende Versuch einer Analyse des menschlichen Ganges (Munch- Petersen, ]. c. S. 197—205) zur Erklärung des Plantarreflexes als gänzlich verfehlt. Die Genese des Plantarreflexes ist gewiss nicht erst beim Menschen zu suchen. (Aus-dem physiologischen Institut der Universität Lemberg.) Zur Lehre Munk’s über Beginn und Reihen- folge in der Ausbreitung der Bewegungen bei Rückenmarksreflexen, wie bei Tätigkeit der sogenannten „Prinzipalzentren“!!). Von Prof. Dr. Adolf Beck und Prof. Dr. Gustav Bikeles. (Mit 2 Textflguren.) Es bleibt ein ungeschmälertes Verdienst Munk’s, dass er trotz der bekannten Versuche Goltz’s, die der Grosshirnrinde jedwede Rolle für die Motilität zu benehmen schienen, die grosse Bedeutung der psychomotorischen Region (oder der von Munk so benannten Fühlsphäre) scharf betonte. In einer grossen Reihe von Arbeiten war Munk°) bestrebt — und zwar mit grossem Erfolg — darzutun, dass nach Exstirpation der Extremitätenregion der Hirnrinde beim Tier die nachher ausführbaren Bewegungen auf der kontralateralen Seite Gemeinschaftsbewegungen sind (Gehen, Laufen, beim Affen auch Klettern usw.), während feinere, vereinzelte Bewegungen dem so operierten Tiere auf dieser Seite bleibend abgehen. Munk sprach demgemäss in seinen ersten Arbeiten von (er- haltenen) Gemeinschaftsbewegungen, d. h. „Bewegungen, welche an den gegenseitigen Extremitäten zusammen in Verbindung oder in der Reihe mit Bewegungen anderer Körperteile erfolgen“, und (ver- lorengesangenen) Sonderbewegungen. In den nachfolgenden Publi- kationen ?) ersetzte Munk den Ausdruck „Gemeinschaftsbewegung“ 1) Vorgelegt der Krakauer Akademie der Wissenschaften in der Sitzung vom 10. Oktober 1910. Erscheint polnisch in den Abhandl. dieser Akad. Bd. 10 B. 2) Munk, Über die Fühlsphären der Hirnrinde. Sitzungsber. d. preuss. Akad. d. Wissensch. 1892. — Über die Funktionen von Hirn und Rückenmark. Berlin 1909. 3) Munk, Weitere Mitteilungen 1893 ff. 4b Adolf Beck und Gustav Bikeles: vielleicht überflüssigerweise durch „Prinzipalbewegung“ und spricht auch von Prinzipalzentren, „welche unterhalb der Grosshirnrinde zwischen dieser und dem Rückenmarke gelegen sind“. Von diesen supponierten Prinzipalzentren sollen nun nach Munk zu den motorischen Rückenmarkszentren der Extremitäten besondere, von den kortikospinalen Bahnen verschiedene Leitungsbahnen ziehen. Dieselben unterscheiden sich nach Munk in ihrer Verbindungsweise mit den die Bewegungen in den einzelnen Gelenken auslösenden Rückenmarkszentren wesentlich von der Verbindungsart der Leitungs- bahnen der Extremitätenregion der Hirnrinde (mit diesen Zentren). Die Leitungsbahnen der Extremitätenregion sollen wohl mit jedem einzelnen Zentrum für die Motilität je eines Gelenkes Ver- bindungen haben. Hingegen meint Munk, dass die Leitungsbahnen der Prinzipalzentren nicht auf jedes einzelne dieser Rückenmarks- zentra einwirken, sondern zunächst und unmittelbar nur auf dasjenige der obersten Gelenke, vielleicht richtiger des obersten Gelenkes !). Auf diese Weise will Munk eine ausreichende Erklärung dafür gefunden haben, dass nach der Fxstirpation der Extremitätenregion von ihm Sonderbewesungen namentlich der untersten Gelenke ver- misst wurden. Die direkte Verbindung nämlich der Prinzipalzentren durch ihre zum Rückenmark verlaufenden Leitungsbahnen aus- schliesslich mit dem Rückenmarkszentrum, welches die Motilität des obersten Gliedes vermittelt, verschuldet es, dass nunmehr nur ein typisch ablaufender Innervationsvorgang noch möglich ist, nämlich vom obersten Gliede der Extremität zum untersten fortschreitend. Ganz analog wie die Erregung der motorischen Rückenmarks- zentren von den Prinzipalzentren aus in bezug auf Angriffsort und Ausbreitungsart sich abspielt, soll auch nach Munk die im Rücken- mark bei Reizung an der Peripherie erzeugte reflektorische Erregung (Rückenmarksreflexe) sich verhalten. Das heisst auch in diesem Falle betrifft nach Munk die Erregung zunächst das Zentrum für das oberste Gelenk, und bei Steigerung der Reizung schreitet die Er- 1) So sagt Munk ausdrücklich: „Für sich allein kann bloss das oberste Glied tätig werden, jedes andere Glied ist mit seiner Tätigkeit an die Tätigkeit der dem Rumpfe näheren Glieder gebunden“; weiter unten wieder „welche durch Leitungsbahnen in derselben Reihenfolge miteinander verbunden sind, wie die Glieder sich aneinander schliessen“. (Über die Funktionen von Hirn und Rücken- mark. S. 63.) - Zur Lehre Munk’s über Beginn und Reihenfolge in der Ausbreitung etc. 47 regung in der Richtung vom Zentrum für das oberste zu dem für die untersten Gelenke fort. Behufs Erklärung des letzteren Verhaltens im Rückenmark supponiert Munk weiter ganz hypothetisch, dass die ins Rückenmark eintretenden zentripetalen (sensiblen) Nervenfasern nicht gleichmässig auf die einzelnen Rückenmarkszentra für jedes Gelenk einwirken, sondern sei es direkt, sei es indirekt durch Zellen zunächst die etwaige FErresung dem Zentrum der obersten Gelenke zuleiten, während die Zentra für die unteren Glieder ihre Erregung erst von dem Zentrum des obersten Gliedes also mittelbar und in bestimmter Ordnung — in der Reihenfolge der Gelenke — erhalten können. Angesichts der hohen Bedeutung der Untersuchungen Munk’s für die Physiologie des Zentralnervensystems wie auch in Anbetracht dessen, dass die Anschauungen dieses Forschers in der Neurologie sehr leicht Anklang finden, stellten wir uns, da uns eine derartige Auffassungsweise auf Grund anderseitiser Untersuchungen nicht plausibel erschien, die Aufgabe, die obigen Hypothesen Munk’s auf ihre Haltbarkeit zu prüfen. Wir stellten uns dabei folgende spezielle Fragen: 1. Erfolgt denn wirklich nicht nach Exstirpation der Ex- tremitätenregion der Hirnrinde, eventuell sogar nach Rückenmarks- durehschneidung eine vereinzelte Bewegung im untersten Gelenke? 2. Gibt es überhaupt, sei es nach Exstirpation der Extremitäten- region der Hirnrinde, sei es auch nach Rückenmarksdurchschneidung eine bestimmte und unabänderliche Reihenfolge in den Bewegungen der einzelnen Glieder der Extremitäten, welche auf eine Ausbreitung der Erregung in den Rückenmarkzentren im Sinne Munk’s schliessen lässt? 3. Zeigt überhaupt irgendein motorisches Rückenmarkszentrum für die Bewegung in einem Gelenke eine deutlichere Anspruchs- fähigkeit auf Erregung im Verhältnis zu den Zentren für die Be- wegung in anderen Gelenken, und wenn, was mag die Ursache eines solchen Verhaltens sein ? Zur Beantwortung dieser Fragen dienten uns Tiere (Hunde) a) nach einseitiger Exstirpation der Extremitätenreeion der Hirnrinde, b) nach Durchschneidung des Rückenmarks im Dorsalabschnitt und ce) in Narkose. Behufs Untersuchung wurden die so behandelten Tiere in eine Hängematte gebracht, aus welcher die Extremitäten durch ent- 48 Adolf Beck und Gustav Bikeles: sprechende Einschnitte bequem und frei herunterhingen. Ein Teil der Tiere wurde auch in einem zu diesem Zwecke konstruierten breiten, mit Riemen zum Aufhängen versehenen, von innen aus- gepolsterten Ledergürtel untersucht, wobei den Tieren nach Belieben eine vertikale oder eine horizontale Lage erteilt werden konnte. Die angewandten Reize waren vor allem thermische, dann elek- trische und auch mechanische. Zum Zwecke der thermischen Reizung wurden weite und ent- sprechend tiefe Glasgefässe mit Wasser von einer Temperatur von etwa 55° bis 60°C gefüllt und hierauf unter die zu untersuchende Extremität geschoben, so dass ein immer ungefähr gleicher Teil der Pfote in das Wasser eintauchte. In der Regel wurde das mit Wasser gefüllte Gefäss so lange hingehalten, bis das Tier die Ex- tremität aus dem Wasser hervorzog. Sowohl der Beginn der Reizung, wie auch der Moment des Eintretens jeder durch diesen Reiz her- vorgerufenen besonderen Bewegung der beobachteten Extremität wurde auf rotierender Trommel vermittels eines elektrischen Signals registriert. Dabei wurde auch die Art jeder einzelnen Bewegung genau beobachtet und notiert. Es zeigte sich nun, dass das Zurückziehen der Pfote aus dem heissen Wasser bei verschiedenen Tieren und sogar bei demselben Tiere nicht immer einförmig oder durch Bewegung in einem und demselben Gelenke erfolgt. Manchmal war mit der ersten nach einiger Reizdauer ausgeführten Bewegung (Beugung) die Zurück- ziehung der Extremität aus dem heissen Wasser vollbracht. Sehr häufig erfolete nach Ablauf eines kürzeren oder längeren latenten Reizstadiums eine Bewegung (Beugung) in einem Gelenke, ohne dass es zum definitiven Zurückziehen der Extremität aus dem heissen Wasser kam. Nach einem kleineren oder grösseren Intervall, welches, wie oben angegeben, auf der Trommel signalisiert wurde, sah man dann eine abermalige Bewegung oder auch mehrere durch weitere Intervalle getrennte neuerliche Bewegungen. Dieselben be- trafen sei es das schon anfangs aktiv gewesene Gelenk, sei es dieses und benachbarte Gelenke, sei es ausschliesslich ein oder mehrere benachbarte Gelenke. Auf diese Weise erhielten wir häufig eine wahre Reihen- folge von sukzessiven Innervationsvorgängenin mehreren Gelenken, was gerade für die Beantwortung der oben gestellten Fragen von Bedeutung ist. Zur Lehre Munk’s über Beginn und Reihenfolge in der Ausbreitung etc. 49 Die Ergebnisse dieser Untersuchungen veranschaulichen die bei- gefügten Tabellen I bis V. Zur Erläuterung sei angegeben, dass in allen nachfolgenden Tabellen bedeutet: Sp.— Sprungelenk, Kn.— Kniegelenk, Hf. — Hüft- gelenk, Hnd. — Handgelenk, El. — Ellbogengelenk, Sch. — Schulter- gelenk. Das Zeichen + bedeutet gleichzeitige Reaktion zweier oder auch mehrerer Gelenke; das Zeichen — das Auftreten einer aber- maligen Reaktion nach einem Intervall. So bedeutet z. B. Sp. —Kn. Dorsalflexion im Sprunggelenk und hierauf, nach einem Zeitintervall von einem Bruchteil einer Sekunde bis einigen Sekunden, Beugung im Kniegelenk. Sp. + Kn. wiederum bedeutet gleichzeitige Beugung in diesen beiden Gelenken. Tabelle. Reaktion auf Temperaturreize nach Exstirpation der Extremitätenregion rechts. Hintere Extremität. Kontraiaterale Gleichseitige Rt (linke) Extremität | (rechte) Extremität der Bewegung E Perakıns on * | Prozent a “ | Prozent 05 ou Se 21 16,40 5 20,00 | Sp. auf der kontrala- SP Kt 2... 12 9,38 1 4,00 teralen Seite, sei es Sp.>Sp.+Kn.... 24.518.470 — _- ausschliesslich, sei Sp. >Sp. + Kn. + Hf. 3 2,34 2 8,00 es als erstes allein, Sp.>Kn.+Hf.... 1 0,78 —_ _ 61 mal (46,87 %o). SPE-SKmN NL... 39 30,46 7 28,00 SPA (Km). 2. 4 3,12 — Sp. + Kn.>Kn 1 0755| — — DE ee 5 3,90 7 28,00 en. #5 2 | 800 | Kn.>Kn.+Sp.... 3 2,34 1 4,00 Kn. > Sp. +Kn. + Sp. 1 0,78 —_ — Kn.+Sp.+ Hf.... 1 0,78 — — |Hf. also als erstes Hf.>Kn. + Sp. . 2 1,56 = — überaus selten. Tabelle I. Reaktion auf Temperaturreize nach Exstirpation der Extremitätenregion rechts. Vordere Extremität. Kontralaterale Gleichseitige Art (linke) Extremität | (rechte) Extremität ö Bemerkung der Bewegung absol absol Zahl en! Zahl | Prozent Inder. 2.2.2.8: 2 3,84 = == Eind Bl... 0% 3 5,77 E — kind Ele... .=.. 28 53,54 4 50,00 BE TE 806 Nee le 11 21,15 3 37,50 Br Hnd.. 0... Ba m 11504 —_ E= EI. >EI. + Hnd.. . 20 273,84 1 12,75 Pflüger’s Archiv für Physiologie Bd. 137. 4 50 Adolf Beck und Gustav Bikeles: Tabelle II. In Morphium-(teilweise Chloralhydrat und Chloroform)narkose; Reaktion auf Temperaturreize (nach Exstirpation der Extremitätenregion rechts). Hintere Extremität. Kontralaterale Gleichseitige Art (linke) Extremität | (rechte) Extremität Benerk gerub en un absol. | absol. | Sans Zahl | Prozent Zahl Prozent DPIEN ER. | 17 14,91 10 26,31 = >Kı. . (6) 7,01 6 15,78 Sp. auf der kontralatera- Sp. > Sp. ze Ko E 17 14,91 Er ge len Seite, sei es aus- Sp rSp mem | 5 | AB el Sp.> Kn.>Sp. + Kn. 2 1,75 = — (46,4%) ; gleichs. 18mal Hi et: (42,1%0). Sp.>Kn. + H£. 4 3,90 — Sp. + Kn. 14 12,28 —_ — Kn. 15 13,16 7 18,42 Kn. + Sp. ; 18 15,79 8 21,04 Kn.>Kn. + Sp. 5 4,38 ae Kn.>Sp.>Kn.+ Sp. — _ I Kn.> Sp. eu Et. 1 0,877 _ — Kn.>Kn.+ Sp. + Hf. e — 2 5,26 (H£.?) + Kn.>+ Sp- 1 0,877 — | — (H£f.?) > Sp 2 1,75 — | Kn. + Hf. 3 2,62 Be = Hf, als erstes, sogar ZU- HL > Ku. ee | selten. Tabelle IV. In Morphium-(teilweise Chloralhydrat und Chloroform)narkose; Reaktion auf Temperaturreize (nach Exstirpation der Extremitätenregion rechts). Vordere Extremität. Kontralaterale Gleichseitige Net: (linke) Extremität |} (rechte) Extremität Bemerkung der Bewegung ae: Prozent ER an: Hnd. . . 4 6,25 = — Hnd.>El. . 7 | 10,90 3 12 Hnd.+El.?. . _ 2 3,12 _ — Hnd.> Hnd. + El. — — 2 8 End Be. vr aa 5 20 Be: DT arte 10 40 El. + Sch I _— ı— El.> Hnd 3 4,68 a: le El. + Hnd.? 1 1.56 100 - ELSE hnd. 2 3,12 a A El.+El.+Hnd. + Sch. 1 1,56 Ze Scheu 1 1,56 a El.>Sch. . — er 1 Ban Sch.?>El... 1.0] 1956 = | p Zur Lehre Munk’s über Beginn und Reihenfolge in der Ausbreitung etc. 51 Tabelle V. Reaktion auf Temperaturreize nach Rückenmarksdurchschneidung. Hintere Extremitäten. Art der Bewegung Absol. Zahl Prozent Bemerkung DO a 2 0,80 Span en u: 26 10,44 SPACHISPE -LKnN alu. .% 3 15,26 Sp. >alle Gelenke. . . . . ıl 0,40 DISK ne 21 8,43 SPEER ERnE N. 2. b) 2,00 Küne. 5 Ka, Po Se 107 42,97 in, =2 Bits, eye se 28 | 11,24 Kin. 32 KO TER) 12 4,80 IKODo Se 10 En a ee En 3 1,20 Keen N; 1 0,40 10m, 2. Sn a lu Us Be 1 0,40 Kn. > alle Gelenke 4 1,60 Diese Tabellen zeigen augenfällig, dass nicht nur nach Exstir- pation der Extremitätenreeion, sondern selbst nach Rückenmarks- durchschneidung Einzelbewegungen, beschränkt auf das unterste Ge- lenk (Sprunggelenk, ev. Handgelenk), vorkommen, sogar in einer recht beträchtlichen Prozentzahl. Weiter ist ersichtlich, dass die Reihen- folge in der Beteiligung verschiedener Gelenke derselben Extremität absolut nicht den Anforderungen Munk’s entspricht. Wir sehen nämlich häufig, dass auch in der der Verbindung mit der Extremitäten- region der Hirnrinde beraubten Extremität gar nicht selten die Be- teiligung der Gelenke eine von unten (Sprung-Handgelenk) nach oben (Knie-Ellbogengelenk) fortschreitende ist. Eine Bewegung zuerst betreffend nur das oberste Glied (Hüft-Schultergelenk) einer Extremität bei einer in Intervallen sich abspielenden Reihenfolge von Bewegungen mehrerer Glieder ist überhaupt eine grosse Selten- heit; eine Kontraktion wiederum bloss im obersten Gelenk (ohne Beteiligung der unteren Gelenke) ist überhaupt nicht beobachtet _ worden. Dies stimmt wiederum mit den zitierten Angaben Munk’s nicht überein. Was sich allerdings zeigte und auf den ersten Anblick eine zum wenigsten teilweise Bestätigung der Angaben Munk’s zu liefern scheint, ist die grosse Häufigkeit mit der die Zurückziehung im Kniegelenke resp. Ellenbogengelenke geschah, sei es ausschliesslich, sei es als Beginn von sukzessiv aufeinanderfolgenden Kontraktionen. Jedoch ist die grosse Anspruchsfähigkeit der Zentra für das Knie- resp. Ellenbogengelenk (wie wir im nachfolgenden dartun 52 Adolf Beck und Gustav Bikeles: werden) keine ausschliessliche Eigenschaft der vom zerebralen Ein- fluss ausgeschalteten Extremität und kann daher dafür die eingangs angegebene Auffassung Munk’s nicht als Erklärung dienen. Wir konstatierten nämlich, dass ein plötzlicher stärkerer Druck an den Zehen oder auch an der Pfote bei möglichster Ver- meidung eines eigentlichen taktilen Reizes sowohl an der pathologischen als auch an der intakten Extremität zunächst eineBeugung im Kniegelenke hervorruft und erst hierauf eventuell auch in den anderen Gelenken. Um mösglichst einen taktilen Reiz auszuschalten, umhüllten wir die Zehen und den unteren Abschnitt der Piote bei vollständiger Freilassung der Beweglichkeit im Sprunggelenke mit einer dieken Schicht Watte und einer Kalikotbinde und drückten hierauf plötzlich mit einiger Inten- sität die Zehen resp. den umhüllten Teil der Pfote. Der Erfolg einer derartigen mechanischen Reizung ist nun, wie bereits erwähnt, bei der weitaus überwiegenden Zahl der untersuchten Tiere ganz derselbe, ob die Extremität ihrer Verbindung mit der Extremitäten- region beraubt ist, oder nicht. Bein: Hund scheint überhaupt das Knie- resp. Ellenbogengelenk — ein bei lokomotorischen Bewegungen des Tieres augenscheinlich am meisten aktives Gelenk — beim reflektorisch hervorgerufenen Ver- kürzungsvorgang der Extremität am leichtesten beteiligt und dessen Iückenmarkszentrum reflektorisch am leichtesten beansprucht zu sein. Auch Reizung mittels faradischen Stromes durch Ein- stechen von Elektroden in die Haut der Pfote, gewöhnlich an der Dorsalseite (siehe Tabelle VI, VII, VIII), verursachte bei Anwendung von minimalen Stromstärken zunächst (I. Stadium) an den hinteren Extremitäten bei weitem überwiegend eine reflektorische Beugung im Kniegelenk, ohne wesentlichen Unterschied, ob die der Fxstirpation gleichseitige oder kontralaterale Extremität gereizt wurde. Auch an der vorderen Extremität überwiegt bei derartiger faradischer Reizung mit noch nicht intensiver Stromstärke jedenfalls eine Beugung im Ellenbogengelenk. Wurde hierauf mit stärkeren Strömen (II. Stadium) neuerdings gereizt, so erfolgte ausser einer erneuten Beugung im Knie- resp. Ellenbogengelenk noch eine solche in einem unteren eventuell in einem oberen Ge- lenk (manchmal in allen); endlich erfolgte bei sehr starken Strömen in der Regel eine vollständige Verkürzung der Extremität in allen Gelenken (III. Stadium). Zur Lehre Munk’s über Beginn und Reihenfolge in der Ausbreitung etc. 53 Tabelle. VI!). Reihenfolge der bei steigender Stromstärke beteiligten Gelenke. Exstirpation der rechten Extremitätenregion. Hintere Extremität. Kontra- : > In Narkose, Art der Bewegung laterale Ex- a beide hintere tremität ziremität Extremitäten I Kn., II Kn. + Sp., III alle Gelenke 3 1 5 I Kn., I Kn. + Sp. 1 1 7 I Kn., II Kun. + Hf, "m alle Gelenke — 2) 3 I Kn., II alle Gelenke ; 1 1 5 ISknaın.: R $ 1 — 1 IESp>ol Sp. + Kn. e 1 -- — I Sp., II Sp. + Kn., I alle Gelenke _ — 1 I Km, oo k _ 1 — I Hf., II alle Gelenke R — 1 | = Tabelle VI. Reihenfolge der bei steigender Stromstärke beteiligten Gelenke. Exstir- pation der rechten Extremitätenregion. Vordere Extremität. Kontra- | R od In Narkose laterale Gleichseitige beide vordere Ex- | _Yordere | yordere Ex- tremität Extremität | tremitäten Art der Bewegung El., II alle Gelenke. . 2 El., II El. + Hnd., III alle Gelenke 1 El., I El + Hnd. . — El., II El. + Sch., II alle Gelenke —_ El. Ar IEindewe: 5 = El. + Hnd., II alle Gelenke 1 Hnd., II Hnd I —_ I Hnd., II alle Gelenke . — I Hnd., I Hnd. + El., III alle Gelenke — I Hnd,, I Hnd. + El. BL; — I Sch., I Sch. + El., III alle Gelenke 1 I Sch., II Sch. + Hnd., III alle Gelenke 1 ESchsIIaSch. El 22 22: 1 I Sch., II alle Gelenke . 1 I Sch. RR . — “-w| |www| mr | wwomw Keller 1) Die Abkürzungen in Tabelle VI—-VIII bezeichnen dieselben Gelenke wie in den vorigen Tabellen. Ferner bedeutet I die bei relativ schwächstem Strom erhaltene Bewegung, II die bei stärkerern Strome noch ein benachbartes Gelenk (resp. noch zwei benachbarte Gelenke) betreffende Bewegung, III die bei relativ stärkstem Strom resultierte Bewegung. In manchen Fällen war der Effekt der Reizung bei maximaler Stromstärke nicht anders als im Stadium II, manchmal sogar wie im Stadium I, und dann ist in den entsprechenden Tabellen nur das Resultat von Stadien I und II eventuell auch nur von Stadium I angeführt. 54 Adolf Beck und Gustav Bikeles: Tabelle VII. Reihenfolge der bei steigender Stromstärke beteiligten Gelenke. Nach der Durchschneidung des Rückenmarkes. Art der Bewegung | I Kn., II Kn. + Sp., Il alle Gelenke . . . . 1 I Kn., II alle Gelenke . . I Kn., II Kn. + Sp. oder Kn. ar Hf., II alle Gelenke I Kn, I Kn. + Hf., II alle Gelenke 5 BHuto Beachtenswert ist nun jedenfalls, dass im I. Stadium das Weiterschreiten (von Knie- und Ellenbogengelenk) in der Beteiligung der Gelenke an der Verkürzung der Extremität eine ebenso häufige in distaler (Sprung—Hand- gelenk) wie in proximaler (Hüft—Schultergelenk) Richtung ist. Unsere Versuchsergebnisse können wir in folgenden Sätzen zu- sammenfassen: 1. Sonderbewegungen auch im untersten Gelenke der Extremi- täten als reflektorische Bewegung kommen nicht nur nach Exstir- pation der Extremitätenreeion der Hirnrinde, sondern selbst nach Rückenmarksdurchschneidung gar nicht selten vor, und zwar sowohl bei einem typischen Hautreflex (unserem Plantarreflex) wie auch bei Reflexen nach thermischer Reizung. 2. Nicht das oberste Gelenk ist es, in welchem nach Exstirpation der Extremitätenregion (oder nach Rückenmarksdurehschneidung) bei Reizung an der Pfote irgendwie häufig eine reflektorische Be- wegungsreaktion zum Vorschein kommt, sondern das Knie- resp. Ellenbogengelenk. Die mehr oder weniger grössere Anspruchsfähigkeit dieser letzeren Gelenke ist auch schon am intakten Tiere (bei faradischer Reizung, eventuell bei rapidem, starkem Druck) vor- handen. | 3. Die Reihenfolge in den reflektorisch sukzessiv zur Aktion selangenden Gelenken nach Ausschaltung der kortikalen Verbindung, selbst nach Rückenmarksdurchschneidung, entspricht meist nicht den Anforderungen Munk’s. Wir sehen nämlich bei Andauer der thermischen Reizung auf eine Dorsalflexion im Sprunggelenke sehr häufig eine Beugung im Kniegelenke folgen, also in diesen Fällen entgegen Munk ein Fortschreiten in der Beteiligung der Glieder in der Richtung von unten nach oben. Ebenfalls stimmt nicht überein Zur Lehre Munk’s über Beginn und Reihenfolge in der Ausbreitung etc. 55 mit dem Schema der Reihenfolge Munk’s der Erfolg elektrischer Reizung mit anwachsenden Strömen. 4. Die fast willkürliche Annahme Munk’s, wonach die sensiblen Nervenfasern des Rückenmarks, sei es als solche, sei es vermittels Zellen, nur mit den Rückenmarkszentren für die obersten Glieder der Ex- tremität in direkter Verbindung stehen und erst mittelbar durch diese Zentren auch die Rückenmarkszentren für die unteren Glieder in Er- regung.setzen sollten, müssen wir, wie die Ergebnisse sub 1, 2 und 3 ganz überzeugend dartun, als ganz unbegründet betrachten. Es liegt auch weder physiologisch noch anatomisch irgendein Grund vor für eine derartige Annahme einer Beschränkung der zentripetalen direkten Zuleitung der Erregung ausschliesslich an ein, ein einziges Gelenk innervierendes, Rückenmarkszentrum. Die unzweifelhaft leichtere, aber keinesfalls ausschliessliche Anspruchsfähigkeit des Zentrums für eine (reflektorische) Beugung im Knie- resp. Ellenbogengelenk ist nicht Folge etwaiger morphologischer Verhältnisse, sondern vielmehr als Ausdruck einer physiologischen funktionellen Bahnung zu be- trachten. 5. Das weitere Postulat Munk’s, dass für die sog. Prinzipal- zentra und für die Extremitätenregion der Hirnrinde gesonderte Leitungsbahnen zum Rückenmark von verschiedener Verbindungsweise mit den einzelnen motorischen Rückenmarkszentren vorhanden sein müssten, zeigt sich angesichts obiger Auseinandersetzungen als über- flüssig. Ausserdem mag auch eine und dieselbe (zerebrospinale) Leitungsbahn bei intakter Verbindung mit der Extremitätenregion vom Willen fortwährend korrigierte und siehtlich beeinflusste Be- wegungen erzeugen, während dieselben nach Ausschluss der Hirn- rinde mehr den Charakter von Reflexbewegungen erhalten. Anhang, betreffend die Haltung der Extremitäten nach einseitiger Exstirpation der Extremitätenregion und die Einwirkung des Morphins auf diese Haltung. Bei Tieren, denen die Fxtremitätenregion der Hirnrinde einseitig exstirpiert wurde, zeigt sich wie bekannt, wenn dieselben vertikal hängend gehalten werden, nicht selten eine mit Rigidität verbundene Streckung der kontralateralen Extremitäten. Dasselbe Phänomen kommt beim Hunde auch zum Vorschein, wenn das Tier horizontal in eine Hängematte, aus der die Extremitäten frei nach unten heraus- ragen, sich befindet. Die decerebrate rigidity der englischen Autoren 56 Adolf Beck und Gustav Bikeles: (Sherrington) tritt beim Hunde auch in den erwähnten Lagen nicht immer auf, ist aber jedenfalls zeitweilig sehr ausgeprägt vorhanden. Man sieht dann eventuell die hintere kontralaterale Extremität im Hüftgelenk nicht selten nach hinten 2) Comessatti, Eine einfache Methode zur Bestimmung des Adrenalins in Nebennierengewebe. Deutsche med. Wochenschr. 1909 Nr. 13 S.-576, 3) Abelous, Soulie et Toujan, Dosage colorimetrique par l’iode de V’adrenaline. Compt. rend. soec. Biol. t. 57 p. 301. 1905. : 5* 68 M. Tscheboksaroff: _ II. die Koiınplementbindungsmethode, die von Waterman!) empfohlen war; III. physiologische Methoden: a) Meltzer-Ehrmann’sche’?) Methode mit dem enukleierten Froschauge, b) die Gefässstreifen- methode, e) die Uterusmethode und endlich d) die Methode der Blut- druckbestimmung. Die kolorimetrischen Methoden beruhen auf der Eigenschaft des Adrenalins, eine Reihe von Farbenreaktionen zu geben — grüne Färbung mit Ferrum sesquichloratum (Methode von Batelli), Rosafärbung mit Sublimatlösung (Methode von Comessatti) und rote mit Jodlösung (Methode von Abelous, Souli6 et Toujan). Alle diese kolorimetrischen Methoden sind hauptsächlich, wenn nicht ausschliesslich, für die Bestimmung des Adrenalingehaltes in den Nebennierenextrakten anwendbar, zu welchem Zweck sie auch von den Autoren empfohlen wurden; für die Bestimmung des Adrenalins iti Blutserum aber können sie nicht gebraucht werden, und zwar schon deshalb, weil das Blutserum häufig leicht gelblich verfärbt erscheint, nicht selten Hämoglobin enthält, aus welchem Grunde die Beendigung der Reaktion hier im höchsten Grade schwer zu kontrollieren wäre; ich erwähne hier schon gar nicht einer ganzen Reihe anderer Mängel, z. B. dessen, dass bei dem Verfahren von Comessatti ausser dem Adrenalin auch einige andere Eiweiss- stoffe (Waterman) nach Zusatz von Sublimat Rosafärbung geben, oder dass die grüne Färbung nach FeCl,; bei der Methode von Battelli von dem Konzentrationsgrade des Eisenchlorids einerseits, andererseits aber von der Reaktion der zu untersuchenden Flüssig- keit abhängig ist [Boulud et Fayol?°®)], und dass endlich einige anderen Stoffe der aromatischen Gruppe, z. B. das Brenzkatechin, grüne Färbung nach Zusatz von FeCl, geben [|Waterman und 1) Waterman, Über den Nachweis von Nebennierenprodukten im Blut und Harn. Pflüger’s Arch £f. d. ges. Physiol. Bd. 128 S. 48. 1909. 2) Ehrmann, Über eine physiologische Wertbestimmung des Adrenalins und seinen Nachweis im Blut. Arch. f. exper. Path. und Pharm. Bd. 53 S. 97. 1905. — Ehrmänn, Zur Physiologie und experimentellen Pathologie der Adrenalinsekretion. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 55 S. 39. 1906. 3) Boulud et Fayol, Sur le dosage colorimetrique de P’adrenaline. Compt. rend. soc. Bigl. t. 55 p. 358. 1902. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 69 Boddaert!)] usw. In Anbetracht aller dieser Umstände hielt ich die kolorimetrischen Methoden bei meinen Untersuchungen, wo ich es hauptsächlich mit Blut zu tun hatte, für unanwendbar. Die Bestimmung der Menge der Nebennierenprodukte im Blut- serum mit Hilfe der Komplementbindungsmethode wird nach Water- man derart ausgeführt, dass man die Menge des Nebennierenserums bestimmt, welche eben imstande ist, mit einer bekannten Menge des zu untersuchenden Serums völlige Hemmung der Reaktion zu geben. Falls dieses Serum selbst schon Komplement band, muss man die Menge des Nebennierenserums bestimmen, welches imstande ist die Reaktion zur völligen Hämolyse umzukehren“ (S. 63); nach der Menge des verbrauchten Antinebennierenserums kann man auf die Menge der Nebennierenprodukte überhaupt und speziell des Adrenalins in den zu untersuchenden Lösungen, z. B. im Serum, im Urin, schliessen. Die Methode von Waterman ist zweifellos von grossem, sowohl praktischem als auch theoretischem Interesse, erfordert je- doch eine weitere Ausarbeitung und Kontrolle, ob sie auch tatsäch- lich nicht nur für die qualitative, sondern auch für die quantitative Bestimmung der Nebennierenprodukte im Blut zu verwerten ist: bis dahin kann sie aber in der physiologischen Praxis nicht angewandt werden, wenigstens nicht im grossen Maassstabe, wie das z. B. in meinen Versuchen erforderlich war. Ausserdem wurde diese 5 Methode von Waterman im Mai 1909 veröffentlicht, d. h. zu einer Zeit, wo die experimentelle Seite meiner Arbeit beinahe ab- geschlossen war. Somit musste ich eine der physiologischen Methoden wählen. Über das Wesen derselben werde ich hier nieht reden, da sie schon genügend bekannt sind; ich möchte nur bemerken, dass von allen diesen vier Methoden gegenwärtig zwei am meisten verbreitet sind, und zwar die älteste Methode der Bestimmung der Blutdruckhöhe und diejenige von Meltzer-Ehrmann mit dem enukleierten Froschauge; was die anderen zwei Methoden — die Gefässstreifen- methode und Uterusmethode — anbelangt, so sind sie augenschein- lich wenig verbreitet. In der Literatur wird ihrer fast gar nicht erwähnt, und ausserdem erscheint ihre Anwendung nieht rationell Waterman und Boddaert, Über den Nachweis von N ebennierenprodukten im Blut und Harn. Deutsch. med. Wochenschr. 1908 Nr. 25 S. 1102. 70 M. Tscheboksaroff: auch aus dem Grunde, weil die Frage über die Wirkung des Adrenalins auf das Muskelgewebe überhaupt noch nicht genügend aufgeklärt -ist. Die Meltzer-Ehrmann’sche Methode aber hat zweifellos eine ganze Reihe von Vorzügen und hauptsächlich die Vorzüge, erstens dass sie sehr empfindlich ist, zweitens, dass man sie zur Bestimmung des Adrenalingehaltes auch in sehr kleinen Mengen bei der zu untersuchenden Flüssigkeit anwenden kann; letzt- genannter Umstand ermöglicht, dieses Verfahren auch zu klinischen Zwecken an Menschen anzuwenden. Der Hauptmangel dieser Methode besteht jedoch in ihrer Subjektivität und in der Unmöglich- keit, die erhaltenen Resultate graphisch darzustellen. Abgesehen davon, existiert bis jetzt in der Ausführung der Reaktion noch viel Unklares und Kontroverses, was die Vorzüge derselben herabsetzt; so z. B. möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass Gomessatti in seiner neuesten Arbeit vorerst eine starke elektrische Beleuchtung des enukleierten Froschauges ausführte, während gleichzeitige Kahn sich kategorisch dahin äussert, dass man in keinem Fall das Auge beleuchten dürfe, da hierbei das Adrenalin eine zu starke Kontraktion des Sphinkters überwinden muss; Kahn weist weiter darauf hin, dass nach der Enukleation des Auges die Pupillen häufig „zu spielen beginnen“, indem sie bald breiter, bald enger werden, und deshalb empfiehlt er die Reaktion nur an solchen Augen auszuführen, deren Pupillen ihre Weite nicht mehr spontan ändern. Viele Autoren je- doch ignorieren dieses Faktum vollständig und berücksichtigen das- selbe bei ihren Untersuchungen gar nicht — ein Vorwurf, den man z. B. Waterman und Smit machen kann. Endlich weisen viele Autoren auf die Schwierigkeiten bei der Ausführung der Meltzer- Ehrmann’schen Reaktion hin, welche davon abhängig sind, dass die Pupillen eines und desselben Augenpaares nicht immer die gleiche Weite haben, dass die Pupillen verschiedener Frösche verschiedene Empfindlichkeit zum Adrenalin besitzen, usw. Man könnte ja schliess- lich einige Mängel der Methode mit in den Kauf nehmen, man könnte selbst genauere Handgriffe bei der Anwendung der Meltzer- Ehrmann’schen Reaktion ausarbeiten, jedoch alles dieses würde nicht imstande sein, den Hauptmangel der Methode zu beseitigen, auf den ich schon früher aufmerksam machte, nämlich ihre Sub- jektivität. Aus diesem Grunde hielt ich es für nötig, schliesslich auch diese Methode zu verwerfen und auf der erprobten alten Methode der Blutdruckbestimmung stehen zu bleiben, auf einem Verfahren, welches streng objektiv ist. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 71 Das Grundprinzip dieser Methode besteht, wie wir schon wissen, darin, dass man dem Tiere eine bestimmte Menge Nebennierenblutes oder Nebennierenextraktes in die Venen injiziert und darauf nach der Höhe der Blutdruckkurve und nach dem Veränderungsgrade der Herztätigkeit auf den grösseren oder geringeren Adrenalingehalt der zu- untersuchenden Flüssigkeit schliesst. Einer der wichtigsten Ein- wände gegen diese Methode ist der, welcher sich auf die von zahl- reichen Autoren vermerkte Tatsache gründet, dass bei wiederholten Injektionen der Adrenalinlösung die Tiere auf die später eingeführten Dosen schwächer reagieren, d. h. dass ein und dieselbe Adrenalin- menge bei wiederholten Injektionen infolge „des Sichgewöhnens des Tieres“ eine erheblich geringere Blutdrucksteigerung hervorrufen kann als am Anfange. Zur Widerlegung dieses Einwandes möchte ich auf die neuerdings veröffentlichte Untersuchung von Kretschmer!) hinweisen, der auf Grund seiner Versuche zu folgenden Schlüssen gekommen war: „l. Bei diskontinuierlicher intravenöser Adrenalin- zufuhr lässt sich mit einer bestimmten Adrenalinmenge stets derselbe blutdrucksteigernde Fffekt beliebig oft hintereinander erzeugen. 2. Die Blutdrucksteigerung wächst mit der injizierten Adrenalinmenge.“ (S. 428.) Ausserdem kann das „Sichgewöhnen des Tieres“ dadureh leicht beseitigt werden, dass man ein und demselben Tiere eine nicht . zu grosse Anzahl Injektionen macht; so z. B. führte ich in meinen Versuchen gewöhnlich fünf bis zehn Injektionen der untersuchten Blutportionen aus, wobei hierher auch die Injektionen von inaktiven, d. h. nicht adrenalinhaltigen Blutmengen gezählt wurden; ferner machte ich die Einspritzungen stets in bedeutenden — jedenfalls nicht weniger wie 5 Minuten dauernden — Intervallen. Auf einige andere Einwände, z. B. darauf, dass die blutdrucksteigerung bei verschiedenen Hunden bei Anwendung gleicher Adrenalinmengen verschieden sein kann; ferner, dass die Höhe und der Charakter der Kurven nicht nur vom Adrenalingehalt der zu untersuchenden Flüssiekeiten, sondern auch vom Gefässtonus und den betreffenden Zentren bei denjenigen Tieren abhängig sein können, bei welchen man die Injektionen ausführt, usw., muss ich bemerken, dass sowohl das Nebennierenblut als auch die Nebennierenextrakte, welche von 1) Kretschmer, Dauernde Blutdrucksteigerung durch Adrenalin und über den Wirkungsmechanismus des Adrenalins. Arch. f. exper. Path. und Pharm. Bd. 57 S. 423. 1907. 12 M. Tscheboksaroff: mir im ersten „Versuch der Blutsammlung“ gewonnen worden waren, ein und demselben Hunde und nicht verschiedenen Hunden injiziert wurden. Ausserdem muss man immer im Auge behalten, dass ich mich einer vergleichenden Untersuchungsmethode bediente, und dass ich bei der Wertschätzung der Resultate hauptsächlich relative und nicht absolute Grössen des Blutdrucks brauchte. Endlich sprechen sowohl die von mir erzielten Resultate als auch die Anschaulichkeit und, ich glaube, die Überzeugungskraft meiner Kurven ohne weiteres für die Zweckmässigkeit der von mir angewandten Untersuchungs- methode. Das Allgemeinschema des Versuches mit dem Blutdruck war folgendes: Beim Hunde von 5 bis 8 Kilo Gewicht wurde nach vorausgehender Injektion einer 1°/oigen Morphiumlösung die Tracheotomie ausgeführt; darauf wurde die V. jugularis ext. dex. abpräpariert und in dieselbe eine Metallkanüle von einer Spritze eingeführt; beide Nn. vago-sympathiei wurden fast immer am Halse durchschnitten. Ferner wurde nach der Curaresierung des Tieres und Einsetzung der künstlichen Atmung die Art. carotis sinistra mit einem Kimographomanometer verbunden. Die im vorausgegangenen Versuche mit der Blutsammlung gewonnenen verschiedenen Blut- portionen sowie die zu untersuchenden Nebennierenextrakte wurden nach vorausgegangener Erwärmung im Thermostat bei 37—40° C., bei Berücksichtigung aller obenerwähnten Bedingungen, dem Hunde in die V. jugularis injiziert und die Druckkurve auf dem mit Russ bedeckten Papierstreifen der Trommel registriert. Die Injektionen wurden stets mit einer Geschwindigkeit von 2 ccm in einer Sekunde ausgeführt. | Im ganzen sind von mir 46 Versuche angestellt worden. Unten sind ausführliche Protokolle nur von elf Versuchen zwecks Raum- ersparnis angeführt, wobei jedes Protokoll die Beschreibung zweier Versuche enthält: A) des Versuches mit der Sammlung des Blutes und B) des Versuches mit dem Blutdruck. ir Die Nebennieren sind, wie das jetzt mit absoluter Sicherheit festgestellt ist, Drüsen mit innerer Sekretion; das von ihnen gebildete Produkt, das Adrenalin, wird von den Drüsen unmittelbar in ihr venöses Blut sezerniert, von wo aus es über den ganzen Organismus verbreitet wird. Das venöse Blut der Nebennieren enthält somit hu Uber sekretorische Nerven der Nebennieren. 7: ec w eine gewisse Menge Adrenalin und erzeugt, ins Blut des Versuchs- tieres eingeführt, bei demselben Steigerung des Blutdruckes und bestimmte charakteristische Veränderungen der Herztätigkeit —- Ver- stärkung und Verlangsamung derselben bei intakten, und Be- sehleunigung bei durchschnittenen Nn. vagi. Was die Menge des Nebennierenblutes, welche diese Veränderungen des Druckes und des Pulses hervorrufen kann, anbelangt, so geben verschiedene Autoren darüber verschiedene Erklärungen; so berechnet z B. Cybulski die dazu nötige Menge des Nebennierenblutes für einen Hund mit 30 cem; auf dasselbe Quantum weist auch Dreyer hin; nach Biedl genügt auch die Hälfte dieser Menge; Salvioli et Pezzolini seben ebenfalls niedrigere Ziffern an, und zwar 8—10 ccm. Meinen Beobachtungen nach muss man einem Hunde von 6 bis 8 Kilo Gewicht intravenös 10 cem Nebennierenblut einführen, um bei demselben mit voller Sicherheit eine deutliche Blutdrucksteigerung hervorzurufen; geringere Blutmengen sind dazu ungenügend, da sie 'unbeständige und zweifelhafte Resultate ergeben; Injektionen von 10 eem wirken jedoch bei Hunden des angegebenen Gewichts immer, wenn nur die hemmende Wirkung der Nn. vagi auf das Herz durch die Durchschneidung derselben beseitigt wird. Aus der vorliegenden Tabelle sind die von mir in meinen Versuchen erhaltenen Ver- änderungen der Höhe des Blutdruckes und der Schnelligkeit des Pulses an Hunden nach der Injektion von 10 ccm venösen Neben- nierenblutes zu ersehen. In der ersten Rubrik sind Zahlen an geführt, welche angeben, um wieviel Millimeter Quecksilber der Blutdruck gestiegen war, in der zweiten, um wieviel Schläge sich der Puls in 10 Sek. beschleunigt hatte; in der dritten ist das Ge- wicht des Tieres angegeben, an welchem die Injektionen gemacht worden waren. Blutdruck | Puls | Gewicht Nr. 1 Von 150 bis 192, d. h. auf 42 mm Hg 2 6000 - 2 » 202 ” 226, DR) 24 De B) 6000 2 ulolen LIE 3, 2 6000 > lo 290. en 2 7500 4 elle AD ee 4 7400 eo EURE RICK De I 1 7000 5 5 ET 2 7000 6 oe BEE SE RE 4 6500 n 2 oe 193 28. 3 7000 8 eo 2 8000 9 ” 163 » 188, DE 25 ” ” 3 7600 10 6 = 9L, BO 2 6700 74 M. Tscheboksaroft: Diese Befunde berechtigen, den Schluss zu ziehen, dass die Injektion von 10 eem venösen Nebennierenblutes in die Vene bei Hunden von 6 bis 8 Kilo Gewicht, bei denen beide Nn. vagi durehschnitten sind, eine Blut- drucksteigerune um 20—42 mm Hg und eine Be- schleunigung des Pulses um 1—4 Schläge in 10 Sek. hervorruft. Ausserdem bestätigen diese Beobachtungen nochmals das be- ständige Vorhandensein von Adrenalin im Blute der Nebennierenvene, d. h. die Tatsache der ununterbrochenen Sekretion von Adrenalin, Kurve 1'). Hund, 6kg Gewicht; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 10 ccm normalen venösen Nebennierenblutes. Versuch Nr. 1. da ich in allen meinen Versuchen ohne Ausnahme bei der Injektion von normalem Nebennierenblute die charakteristischen Veränderungen des Blutdruckes und des Pulses konstatieren konnte. Die Kurven Nr. 1 und Nr. 2 illustrieren diese Veränderungen. Nachdem ich somit die Mense .des normalen Nebennierenblutes, welche imstande ist einen bestimmten physiologischen Effekt hervor- zurufen, festgestellt habe, komme ich zu den Veränderungen dieser physiologischen Eigenschaft des Nebennierenblutes unter dem Ein- fluss der Durchschneidung oder Reizung des N. splanehricus, d. h. zu dem Einfluss, welchen dieser Nerv auf die Adrenalinsekretion der 1) Alle Kurven müssen von rechts nach links gelesen werden. u ce Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 1 Nebennieren ausübt. In sämtlichen weiteren Versuchen, mit Aus- nahme einzelner Fälle, hatte ich immer bei der Feststellung des quantitativen Adrenalingehalts in den verschiedenen Portionen des Nebennierenblutes Injektionen desselben in Menge von 10 cem an- gewandt; somit diente mir die physiologische Wirkung dieser Blut- menge sozusagen als Maass, als Grundeinheit, mit welcher die Wirkung anderer Blutportionen verglichen wurde, die unter ver- schiedenen Verhältnissen gewonnen waren, und die sich durch ver- schiedene Kraftwirkung auszeichneten. Zwecks Untersuchung des Einflusses des N. splanchnieus auf die sekretorische Funktion der Nebennierendrüsen ging ich, wie Kurve 2. Gewicht des Hundes 6 kg; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 10 ccm normalen venösen Nebennierenblutes. Versuch Nr. 2. schon oben erwähnt, ebenso wie Dreyer vor: der Nerv wurde mittelst einer Ligatur an der Ausgangsstelle desselben unterhalb der Crura diaphragmatis unterbunden und sein peripheres Ende mit der versenkten Elektrode in Kontakt gebracht; darauf führte ich nach der oben beschriebenen Methode in die V. lumbalis eine Kanüle ein und sammelte das ausfliessende venöse Nebennierenblut; nach- dem eine genügende Menge desselben (15 bis 25 eem) gewonnen war, sammelte ich die zweite Biutportion, während welcher der N. splanchnieus durch den Induktionsstrom gereizt wurde: die Reizung desselben dauerte 1 Minute oder häufiger eine halbe Minute, darauf folgte ein ebenso langer Abstand und nach ihm eine erneuerte Reizung des Nerven usw.; nach einer bestimmten Anzahl von + 76 M. Tscheboksaroff: Reizungen wurden dieselben ausgesetzt, und es erfolgte wieder. die Sammlung einer neuen Blutportion schon bei ruhiggestelltem Nerven, Trat Blutgerinnung ein und erlaubte es das Allgemeinbefinden des Injektion von 10 ccm Nebennierenblutes, welches während der Reizung durch den Induktionsstrom des N. splanchnicus gewonnen worden war. Versuch Nr. 2. Kurve 3. Hund, 6 kg Gewicht; Nn. vagi durchschnitten. Versuchstieres, so gelang es, bei erneuter Reizung des Nerven eine neue, vierte Blutportion aufzufangen, wonach noch eine Blutportion ohne Reizung desselben gewonnen wurde; im Versuch Nr. 10 gelang es auf diese Weise neun Blutportionen in unterbrochener Reihen- folge zu sammeln. In vielen Versuchen (z. B. Nr. 1, 2, 4, 5) Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 77 sammelte ich die erste Blutportion bei intaktem N. splanchnicus, und erst, nachdem die nötige Menge des normalen Nebennierenblutes ge- wonnen war, unterband oder durchschnitt ich den Nerv, worauf im weiteren nach der oben geschilderten Methode verfahren wurde; in anderen Fällen wurde schon während der Sammlung der ersten Blutportion die Reizung des N. splanehnicus vorgenommen. In welcher Beziehung zum N. splanchnieus major steht nun die sekretorische Funktion der Nebennieren ? Betrachten wir vorerst, welehen Einfluss auf die Adrenalin- sekretion die Ausschaltung des N. splanchnieus mittels der Durch- schneidung oder Unterbindung mit einer Ligatur ausübt. Das erste, was bei den betreffenden Versuchen in die Augen fällt, ist die Tat- sache, dass das Nebennierenblut, welches nach der Ausschaltung des Nerven gewonnen wurde, kein einziges Mal imstande war, den ge- wöhnlichen physiologischen Effekt zu erzeugen; es trat niemals mehr eine Blutdrucksteigerung um 20-40 mm He ein, wie wir das immer bei Injektionen von 10 cem normalen venösen Neben- nierenblutes beobachtet hatten; Injektionen sogar grösserer Blut- mengen, und zwar 15—20 ccm (Versuche Nr. 5 und 6), waren nicht imstande, den Blutdruck auf die entsprechende Höhe zu bringen. Im allgemeinen können die Resultate der Versuche mit der In- ‘ jektion des Nebennierenblutes, welches nach vorausgegangener Aus- schaltung des N. splanchnieus gewonnen war, in drei Gruppen ein- geteilt werden. | Zur ersten Gruppe gehören Fälle, in welchen die Injektion von 10 cem derartigen Blutes auf den Blutdruck absolut keine Wirkung hatte; so waren z. B. im Versuch I und V die Resultate nach der Injektion des Nebennierenblutes im Sinne ihrer Wirkung auf den Blutdruck und Puls gleich Null; hierbei erwies sich das Neben- nierenblut, welches beim Umschnüren des N. splanchnieus mit einem Faden gesammelt worden war, vollkommen wirkungslos, während in denselben Versuchen 10 cem des normalen Nebennierenblutes, das von denselben Tieren gewonnen wurde, jedoch bei intakten N. splanchniei eine Blütdrucksteigerung um 35 und 42 mm Hg hervorriefen. In die zweite Gruppe sind die Fälle eingereiht, wo Injektionen von 10 cem Blutes eine geringe Blutdrucksteigerung erzeugten, je- doch stets eine viel kleinere als die Steigerung, welche durch das 718 M. Tscheboksaroff: normale Nebennierenblut hervorgerufen wird, und dabei gewöhnlich ohne entsprechende Veränderung der Herztätigkeit.e So kann man z. B. im Versuch X eine geringe Drucksteigerung von 160 bis 165, d.h. um 5 mm He konstatieren (Kurve Nr. 10), im Versuch IV: von 170 bis 179, d.h. um 9 mm He, während das normale Neben- nierenblut im selben Versuch den Druck um 34 mm Hg steigerte (von 162 bis 196); im Versuch IX stieg der Blutdruck nach der Injektion der fünften Blutportion von 167 bis 173, d.h. um 6 mm Hg. Nur recht selten erzeugte die Injektion von 10 cem Blutes, welches bei ausgeschaltetem Nerven gewonnen war, «grössere Blutdruck- steigerung; so rief z. B. im Versuch VIII die Injektion der sechsten Blutportion, welche bei durchschnittenem N. splanchnieus gesammelt worden war, eine Blutdrucksteigerung von 148 bis 164 mm Hg, d.h. um 16 mm He hervor; jedoch lag hier unter anderem der Grund vor, dass am Schluss der Sammlung der vorhergehenden Blutportion (der fünften), mit stattgehabter Reizung des Nerven, eine starke Blutgerinnung auftrat, aus welchem Grunde man. eleich am Anfang der Sammlung der entsprechenden Blutportion (der sechsten) sowohl die Kanüle als auch die V. Jumbalis von einem langen Blut- koagulum befreien musste; und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in die gesammelte Blutportion mit dem Koagulum zugleich auch eine gewisse Menge desjenigen Blutes sich beimischen konnte, welehes aus der Drüse noch während der Reizung des N. splanchnieus herausfloss und deshalb, wie wir unten sehen werden, reich an Adrenalin war. Endlich bilden die dritte Gruppe diejenigen recht häufig be- obachteten Fälle, in denen die Injektionen vom Nebennierenblute, welche bei Ausschaltung des N. splanchnieus gewonnen wurden, eine ganz deutliche, wenn auch kurzdauernde Senkung des Blutdruckes hervorriefen, wobei nach dieser Herabsetzung der Blutdruck schnell, gewöhnlich schon nach Verlauf von 1—1!/s Minuten, die ursprüng- liche Höhe vollkommen oder nicht ganz erreichte. So z.B. fiel der Druck im Versuch Nr. 2 von 200 mm nach 30 Sek. auf 174 mm Hg herab, kehrte aber nach 1 Min. 30 Sek. wieder zur ursprünglichen Höhe zurück; die Injektion von normalem Nebennierenblute erzeugte hier eine charakteristische Drucksteigerung, einmal auf 24 mm He, das andere Mal auf 33 mm Hg; im Versuch Nr. 3 fiel der Blut- druck nach Injektion der ersten Blutportion nach 1 Min. von 175 auf 145 mm Hg usw. Uber sekretorische Nerven der Nebennieren. 79 Das venöse Nebennierenblut, welches bei durchschnittenem oder umscehnürten N. splanchnicus gesammelt wurde, übte somit, meinen Beobachtungen nach, entweder gar keine Wirkung auf den Blut- druck aus, oder erzeugte nur geringe Steigerung desselben, oder endlich rief eine kurzdauernde Herabsetzung des Druckes hervor. Was nun die Wirkung dieses Blutes auf den Puls anbelangt, so blieb in den meisten Fällen die Schnelligkeit der Herztätigkeit Kurve 4. Hund, 6,2 kg Gewicht; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 5 ccm Nebennierenblutes, das während der Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktionsstrom gesammelt wurde. Versuch Nr. 3. absolut unverändert; in anderen Fällen trat geringe Beschleunigung ‚des Pulses auf — um 1 Schlag in 10 Sek. — oder aber seine Ver- langsamung in denselben Grenzen; mit einem Wort, zeigte der Puls hier diejenigen typischen Veränderungen, welche man nach der In- jektion normalen Nebennierenblutes beobachtet, nicht mehr. Alle diese Befunde geben uns volles Recht, die Vermutung aus- zusprechen, dass infolge der Ausschaltung des N. splanchnieus die Sekretion von Adrenalin durch die Nebennieren in ihr venöses Blut entweder ganz aufgehoben oder bedeutend herabgesetzt wird, aus 80 M. Tscheboksaroff: welchem Grunde die Injektion desselben nicht mehr imstande ist, beim Tiere eine Blutdrucksteigerung und Beschleunigung der Herz- aktion hervorzurufen; mit anderen Worten: die Ausschaltung des N. splanehnieus setzt die sekretorische Funktion der Nebennierendrüsen herab. Die von mir erhaltenen Resultate gestatten nun, einige Tat- sachen aus der Arbeit von Dreyer, die bis jetzt unbegreiflich waren, zu erklären: Dreyer injizierte nämlich seinen Hunden in die Venen zuweilen grosse Mengen — bis 40, 50 und sogar 65 cem — Nebennierenblutes, welches er vor der Reizung des Nerven gewonnen hatte, und trotz dieser so bedeutenden Mengen des eingeführten Blutes beobachtete er verhältnismässig nur sehr geringe Steigerungen des Blutdruckes um 4, 10, 12, 22 mm Hg. Der Autor ignoriert dieses Faktum vollständig und bezeichnet ausserdem dieses Blut als „normales“, obgleich er dasselbe auch bei dem mittels einer Ligatur unterbundenen Nerven sammelt. Jetzt wird es uns klar, dass der so geringe physiologische Effekt nach der Injektion eines so grossen Quantums Nebennierenblutes dadurch hervorgerufen wurde, dass dieses Blut vom Autor nach vorausgegangener Ausschaltung des N. splanchniecus gesammelt war, aus welchem Grunde es im Ver- gleich zur Norm viel weniger Adrenalin enthielt. Die von Dreyer vor 10 Jahren erzielten Resultate können aber gleichzeitig die Richtiskeit der von mir eegenwärtig fest- gestellten Tatsache der engen Beziehung zwischen der Sekretion von Adrenalin und dem Intaktbleiben des N. splanchnieus bestätigen und ausserdem bis zu einem gewissen Grade als Ergänzung meines Materials in der Beziehung dienen, dass die Injektionen des Neben- nierenblutes nicht nur in Mengen von 10, 15, 20 eem im physio- logischen Sinne inaktiv oder wenig wirksam sein können, sondern auch in Mengen, welche die obengenannten um vieles übertreffen, wenn nur dieses Blut aus der Drüse, deren N. splanchnieus mittels einer Ligatur unterbunden worden, gesammelt wurde. | Was nun die obenerwähnte Herabsetzung des Blutdruckes an- belangt, welche zuweilen nach der Injektion von Nebennierenblut,' das nach der Ausschaltung des N. splanchnieus gesammelt wurde, eintritt, so kann diese Druckherabsetzung nicht der Wirkung irgend- einer spezifischen Eigenschaft des Nebennierenblutes zugeschrieben werden, weil eine ganz ebensolche Herabsetzung des Blutdruckes in vielen Versuchen nach Injektionen verschiedener Mengen arteriellen Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 81 Blutes, das der Art. carot. com. entnommen worden war, hervor- gerufen wurde. Es ist jedoch gegenwärtig recht schwer, für diese Tatsache eine genügende Erklärung zu geben. Vielleicht handelt es sich hier um die Wirkung des den Blutdruck herabsetzenden Vasodilatins von Popielski!), welches, den neuesten Untersuchungen von Stud- zinski?) zufolge, aus den roten Blutkörperchen bei der Blut- defibrinierung gebildet wird oder, richtiger gesagt, aus denselben heraustritt. Der Umstand aber, dass die Blutdrucksenkung nur nach Injektionen von arteriellem Blut aus der Art. carot. com. oder vom Nebennierenblute beobachtet wurde, welches nach der Aus- schaltung des N. splanehnieus gewonnen war, und niemals nach Einspritzungen desjenigen Nebennierenblutes, welches während der Reizung dieses Nerven erhalten wurde, kann selbstverständlich da- durch erklärt werden, dass im letzteren Fall die blutdruck- herabsetzende Eigenschaft der stärkeren Wirkung des Adrenalins, an welchem, wie es sich gleich herausstellen wird, das Nebennieren- blut während der Reizung des N. splanchnieus bedeutend reicher wird, unterlag. Gehen wir jetzt zur Klarlegung des Einflusses über, welchen die Reizung des N. splanchnieus auf die sekretorische Funktion der Nebennieren ausübt. Die Beobachtungen haben gezeigt, dass, während ‘ die Ausschaltung dieses Nerven Verringerung der aktiven Substanz resp. des Adrenalins im Nebennierenblute nach sich zog, die Reizung des N. splanchnieus durch den Induktionsstrom einen ganz entgegen- gesetzten Fffekt zur Folge hatte. Betrachten wir einige besonders beweisende diesbezügliche Versuche. Versuch 1. Injektion von 10 ccm normalen Nebennierenblutes (erste Portion) erhöhte den Blutdruck von 150—192, d. h. um 42 mm Hg (Kurve Nr. 1); Injektion von 10 ccm der zweiten Blutportion, die während der Reizung des N. splanchnicus gewonnen war, hatte eine Blutdrucksteigerung um 92 mm Hg (von 155—247) und eine Pulsbeschleunigung um 8 Schläge in 10 Sek. zur Folge; Injektion von 1) Popielski, Über die physiologische Wirkung von Extrakten aus sämt- lichen Teilen des Verdauungskanales usw. Pflüger’s Arch f. d. ges. Physiol. Bd. 128 S. 191. 1909. 2) Studzinski, Über die physiologische Wirkung des Blutes und die chemischen Eigenschaften der wirksamen Körper desselben. Russ. Wratsch 1909 Nr. 41 S. 1378. (Russisch.) Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 6 9 M. Tscheboksaroftf: —. [0 .@) 10 ccm der dritten Blutportion jedoch, welche nach Beendigung der Reizung bei durchschnittenem Nerv aufgefangen war, hatte absolut keinen Effekt, weder auf den Blutdruck noch auf die Zahl der Pulsschläge. Versuch ?. Normales Nebennierenblut (erste Portion) steigerte den Blutdruck um 24 mm Hg (von 202—226) und um 33 mm Hg (von 161—194) (Kurve Nr. 2); das nach der Umschnürung des Nerven gewonnene Blut (zweite Portion), rief eine Blutdrucksenkung um 26 mm Hg (von 200 auf 174) hervor; Injektion von 10 ccm Blut (dritte Portion), welches während der Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom erhalten wurde, ergab eine Blutdrucksteigerung um 64 mm Hg von 160—224) und beschleunigte den Puls um vier Schläge in 10 Sek.; die In- jektion von 10 ccm der vierten Blutportion aber, welche im Laufe derselben Reizung des Nerven gesammelt war, steigerte einmal den Blutdruck um 124 mm Hs (von 170—294) und beschleunigte die Pulsfrequenz um sechs Schläge in 10 Sek., das andere Mal um 110 mmHg (von 166—276) und beschleunigte den Puls um drei Schläge in 10 Sek. (Kurve Nr. 3). Versuch 3. Injektion von 10 ccm der ersten Blutportion — der Nerv ligiert — rief Herabsetzung des Blutdrucks um 30 mm Hg (son 175 auf 145) hervor; Injektion der folgenden, zweiten Blutportion, die während der Reizung des N. splanchnicus gewonnen war, steigerte den Blutdruck um 102 mm Hg (von 182—284) und be- schleunigte den Puls um acht Schläge in 10 Sek.; Injektion der dritten Blut- portion, die während der fortdauernden Reizung des Nerven erhalten war, hob ebenfalls den Blutdruck von 177—251, d. h. um 74 mm Hg und beschleunigte den Puls um neun Schläge in 10 Sek. Die Injektion der vierten Blutportion aber, welche ohne Reizung des Nerven gesammelt war, zog eine geringe Steigerung nach sich, im Durchschnitt um 12 mm Hg, und endlich die Injektion von 5 ccm der fünften Portion, die während der erneuerten Reizung des N. splanchnicus gewonnen war, hatte eine starke Blutdrucksteigerung zur Folge, nämlich um 115 mm Hg (von 130—245) und beschleunigte den Puls um sechs Schläge in 10 Sek. (Kurve Nr. 4). Versuch 4. Injektion von 10 cem der dritten Portion — der Nerv wurde ligiert — rief eine nur geringe Drucksteigerung hervor, und zwar von 170-—179, d. h. um 9 mm Hg; die Injektion von 10 ccm der zweiten Portion erzeugte bei Reizung des Nerven eine Blutdrucksteigerung von 182—278, d.h. um 96 mmHg und be- schleunigte den Puls um fünf Schläge in’10 Sek.; das normale Nebennierenblut aber (erste Portion) rief in diesem Versuch eine Blutdrucksteigerung von 162 bis 196, d. h. um 34 mm Hg hervor. Versuch 5. Injektion von 10 ccm Nebennierenblutes, welche bei ligiertem Nerven ge- wonnen war, hatte absolut keine Wirkung, weder auf den Druck noch auf den Puls; Injektion von normalem Nebennierenblut hob den Druck um 35 mm Hg Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 83 (von 181—216) und beschleunigte den Puls um vier Schläge in 10 Sek.; die Injektion von Blut aber, welches während der Reizung des Nerven gesammelt war, erzeugte eine Blutdrucksteigerung von 188—250, d. h. um 62 mmHg und beschleunigte den Puls um sieben Schläge in 10 Sek. Versuch 6. Nach der Injektion von 15 ccm Blut, das bei ligiertem Nerven gesammelt war, trat nur eine kurzdauernde Steigerung der Druckkurve von 190—201, d. h. um ll mmHg (Kurve Nr. 5) auf; die Injektion der während der Reizung des N. splanchnicus gewonnenen Blutportion in Menge von 15 ccm steigerte den Blutdruck von 136—252, d. h. um 116 mm Hg, und beschleunigte den Puls um 16 Schläge in 10 Sek. (Kurve Nr. 6), während die Injektion von 15 ccm arteriellen Kontrollblutes eine sehr geringe Drucksteigerung um 5—7 mm Hg zur Folge hatte!! ‘ Kurve 5. 7,2 kg schwerer Hund. Nn. vagi durchschnitten. Injektion von lölceni Nebennierenblutes, welches bei ligiertem N. splanchnicus gewonnen war. Ver- such Nr. 6. Versuch 7. Die Injektion des Blutes wurde in diesem Versuch zuerst bei {intakten Nn. vagi ausgeführt. Iujektion von 10 ccm der ersten Blutportion, {welche während der ersten Reizung des N. splanchnicus gewonnen war, erzeugte eine Blutdrucksteigerung um 12 mmHg (von 150—162) und verlangsamte den Puls um vier Schläge in 10 Sek. nach vorausgegangener Beschleunigung desselben um zwei Schläge in 10 Sek. Injektion von 10 ccm der zweiten Blutportion, welche bei ligiertem Nerv erhalten war, rief eine geringe Blutdrucksenkung von 161 auf 148, d.h. um 13 mm Hg, und eine Pulsbeschleunigung um drei Schläge in 10 Sek. hervor; Injektion von 10 ccm der fünften Blutportion, welche während der dritten Reizung des N. splanchnicus gewonnen war, steigerte den Blutdruck von 145 bis 181, d. h. um 36 mm Hg, und verlangsamte den Puls um 1—2 Schläge in 10 Sek. Die bei demselben Hunde, jedoch nach Durchschneidung beider Nn. vagi, ausgeführte Injektion von 10 ccm der dritten Blutportion, welche während der zweiten Reizung des N. splanchnicus gesammelt war, erzeugte eine Blutdruck- 6* ‘9 ‘an yansıaA "ITEM UAUUOMIS WOASSUOHNNPU] UP Y9ınp snoruypuejds "N sap Sunziey dap puasyem sep ‘soynjquarstuusgen WO GT UOA uoryolup ‘uoyugosgormp Tea "un "pung A9lsAyos Sy Z), °9 9AIny Uber sekretorische Nerven der Nebennieren. 85 steigerung von 177—265, d. h. um 83 mm Hg und Beschleunigung des Pulses um 15 Schläge in 10 Sek.; die Injektion der weiteren vierten Blutportion aber (10 ccm), welche bei nicht gereiztem Nerv erhalten war, setzte den Blut- druck um 17 mmHg (von 182 auf 165) herab, bei Fehlen jeglicher Veränderungen von seiten des Pulses. Beim Durchsehen der Protokolle aller übrigen Versuche, die von mir angestellt wurden, konnte ich fast in jedem derselben die Wiederholung ein und derselben Erscheinung konstatieren, und zwar dass die bei den 6-8 kg schweren Hunden (mit durchschnittenen Nn. vagi) vorgenommene Injektion von 10 ccm venösen Nebennieren- blutes, welches während der Reizung des N. splanchnicus gewonnen war, gewöhnlich eine Blutdrucksteigerung um 60—80, ja sogar 100—120 mm Hg, und eine Beschleunigung der Herztätigkeit her- vorrief, welche sich sogar um 15—16 Pulsschläge in 10 Sek. be- schleunigen konnte. Die Gesamtheit aller angeführten Befunde spricht, meiner Ansicht nach, mit genügender Beweiskraft dafür, dass unter dem Einfluss der Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom die Adrenalinsekretion der Nebennieren gesteigert wird. Darin stimmen meine Unter- suchungen mit denen von Dreyer vollkommen überein. Doch nicht immer war der Effekt nach der Injektion von Blut, welches während der Reizung des N. splanchnieus gewonnen war, ein so deutlicher, wie das in den oben angeführten Auszügen aus ‘den Protokollen der Versuche zu ersehen ist; die Blutdrucksteigerung war zuweilen eine bedeutend geringere; in einem meiner Versuche z. B. stieg der Blutdruck nur um 23 mm Hg (von 132—160) und um 36 mm Hg (von 112—148). Es ist möglich, dass in diesem und ähnlichen Fällen beim Tiere im Moment der Ausführung des Versuchs eine Verringerung der chromaffinen Elemente der Neben- nieren bestand, die infolge irgendwelcher physiologischer Ansprüche des Organismus, z. B. der Verstärkung der Muskelarbeit!), oder vielleicht infolge irgendwelcher pathologischen Prozesse hervor- gerufen war. Abgesehen davon konnten die geringeren absoluten Grössen des Blutdrucks in den obenerwähnten Versuchen selbstverständlieh auch 1) Die gesteigerte Adrenalinsekretion der Nebennieren unter dem Einfluss der erhöhten Muskelarbeit ist von Schur und Wiesel (Beiträge zur Physiologie und Pathologie des chromaffinen Gewebes. Wiener klin. Wochenschr. 1%07 Nr. 40 S. 1202) festgestellt worden. te16) M. Tscheboksaroff: vom stärkeren oder geringeren Tonus der Gefässe und deren Zentren bei dem Tiere, bei welchem die Injektion des Blutes vorgenommen war, abhängen. Was die verhältnismässig geringe Blutdrucksteigerung nach der Injektion von Blutportionen (erste und dritte) anbelangt, welche während der Reizung des N. splanchnieus im Versuche 7 gewonnen waren, so lieet der Grund dafür ausschliesslich in der hemmenden Wirkung der Nn. vagi, welche im Anfange dieses Versuches nicht durehschnitten wurden, auf das Herz. Jetzt muss nun die Frage gelöst werden, ob nicht die Zufuhr aktiver Nebennierensubstanz resp. von Adrenalin ins Blut vom Grade der Blutfüllung der Nebenniere, von der Schnelliekeit des Blut- stromes in derselben abhängt; man könnte ja annehmen, dass während der langsamen Durchströmung des Blutes durch die Nebenniere letzteres an Adrenalin reicher sein müsste als das schnell fliessende Blut, da ja im ersten Fall eine grössere Menge von Adrenalin aus der Drüse in einer Volumeinheit des Blutes ausgeschieden wird, weshalb auch dessen Konzentration eine stärkere sein wird. Mit solcher Voraussetzung muss man stets rechnen, da in unseren Ver- suchen die Schnelligkeit des Blutstromes in der Drüse stark variierte: in einigen Fällen floss das Blut aus der Nebenniere mit einer Ge- schwindigkeit von 200 Tropfen in einer Minute, während in den anderen die Schnelligkeit des Blutstromes weniger als 20 Tropfen in einer Minute betrug. Im allgemeinen floss das Blut in der ersten Hälfte des Versuches immer schneller als in der zweiten, was wohl mit der eintretenden Herabsetzung des Blutdrucks beim Tiere und der Herzschwäche, welche infolge von überstandener Schädigung, Blutverlust, Freilegung der Bauchhöhle, Wärmeverlust usw. hervor- gerufen wurden, in Zusammenhang gebracht werden muss; ausser- dem trat Verlangsamung des Blutstroms auch infolge der sich schliesslich einstellenden Blutgerinnung auf; endlich war die Schnellig- keit des Blutstromes auch vom Zustande des N. splanchnicus abhängig: bei der Reizung dieses Nerven wurde die Schnelligkeit des Blut- stromes infolge der allgemeinen Hebung des Blutdrucks bedeutend gesteigert; oder vielleicht infolge der lokalen Erweiterung der Neben- nierengefässe, welche unter dem Einfluss der gleichzeitigen Reizung der Vasodilatatoren hervorgerufen wird, die nach Biedl im N. splanch- nieus vorhanden sind. | Bei der Durchsicht der Protokolle kann man sich jedoch über- Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 87 zeugen, dass der Grad der physiologischen Wirkung verschiedener Blutportionen von der Schnelligkeit des Blutstromes in den Neben- nieren absolut nicht abhängie ist, sondern ausschliesslich durch. den jeweiligen Zustand des N. splanchnieus zu erklären ist. Die bei den Versuchen konstatierten Befunde zeigen, dass in vielen Fällen die- jenigen Blutportionen, welche die stärkste Steigerung des Blutdrucks im Vergleich zu den inaktiven Blutportionen hervorriefen, gerade bei schnellerem Ausströmen des Blutes gewonnen wurden; das Blut der zweiten Portion im Versuch 4 z. B., welches während der Reizung des Nerven mit einer Schnelligkeit des Stromes von 90—150 Tropfen in einer Minute gesammelt war, erzeugte einen starken vasomotorischen Effekt; das Blut der dritten Portion aber — ohne Reizung der Nerven — erwies sich fast wirkungslos, trotzdem dass die Schnellig- keit des Ausströmens aus der Drüse dreimal so gering war (35 bis 50 Tropfen in 1 Min.) Ebenso wirkungslos erwies sich auch das Blut der dritten Portion im Versuch 1 — Nerv durchschnitten —, welches bei sehr langsamem Ausströmen (20—30 Tropfen in einer Minute) gewonnen war, während das Blut der zweiten Portion, welches bei der Schnelligkeit des Blutstromes von 66—102 Tropfen in einer Minute, jedoch bei angewandter Reizung des N. splanchnicus ge- sammelt war, eine bedeutende Blutdrucksteigerung um 92 mm Hg auslöste. Das Blut der dritten Portion im Versuch 10, welches ‘ während der Reizung des N. splanchnieus bei einer Schnelligkeit von 100—136 Tropfen in einer Minute erhalten war, zog eine be- deutende Blutdrucksteigerung (Kurve Nr. 12) nach sich, während die Injektion der ersten Blutportion, die beim Aussetzen der Reizung des Nerven und .bei geringerer Schnelligkeit des Blutstromes (78 bis 82 Tropfen in einer Minute) gesammelt wurde, sich fast wirkungs- los sowohl in bezug auf die Gefässe als auch auf das Herz erwies (Kurve Nr. 10). Analoge Befunde kann man auch in den Ver- suchen 2, 3, 6 und vielen anderen finden. Aus allen diesen Befunden kann man den Schluss ziehen, dass die Verlangsamung des Blut- stromes in der Drüse, so bedeutend erstere auch sei, den Adrenalin- gehalt an und für sich nicht verändern kann. Die gesteigerte Sekretion von Adrenalin ins Blut bei Reizung des N. splanchnieus kann ebenfalls nicht als einfache Folge der verstärkten Zirkulation in der Drüse, der erhöhten Blutfüllung des Organs betrachtet werden. Derartige Voraussetzung kann auf Grund fast eines jeden meiner Versuche widerlegt werden; so z. B. im Versuch 2 hatte die In- 88 M. Tscheboksaroff: jektion der vierten Blutportion, welche bei bedeutender Verlangsamung der Stromschnelligkeit (10—28 Tropfen in einer Minute) gewonnen war, die stärkste physiologische Wirkung zur Folge, im Vergleich zu anderen Blutportionen, in welchen trotz der grösseren Schnellig- keit des Blutstromes der Adrenalingehalt des Blutes doch bedeutend geringer war. Somit geht die Adrenalinsekretion der Nebennieren ausschliess- lich unter dem Einfluss spezieller nervöser Einwirkungen vor sich, und hängt nicht mit dem jeweiligen Grade der Blutfüllung der Drüse zusammen, da wir die gesteigerte Sekretion von Adrenalin während der Reizung des N. splanehnieus sowohl bei erhöhter als auch bei verringerter und auch unveränderter Schnelligkeit des Blutabflusses aus der Nebennierenvene beobachtet hatten. Dass die grössere Blutfüllung der Nebennierendrüse in Ab- hängigkeit von der allgemeinen Steigerung des Blutdrucks nicht als Ursache der vergrösserten Zufuhr von Adrenalin ins Blut bei Reizung des N. splanchnieus angesehen werden kann, beweisen auch die Resultate der speziell zu diesem Zweck angestellten Versuche: in einigen derselben wurde nach vorausgegangenem Abpräparieren des N. ischiadieus sein zentrales Ende durch den Induktionsstrom gereizt und während der durch diese Reizung erzeugten allgemeinen Steigerung des Blutdrucks das aus der Drüse abfliessende venöse Blut gesammelt, und zwar sowohl bei intaktem als auch bei durch- schnittenem N. splanchnieus. Die Beobachtungen haben gezeigt, dass das Nebennierenblut, nach der Kraft seiner physiologischen Wirkung beurteilt, keinerlei deutliche Veränderungen im quantitativen Adrenalin- gehalt zeigt, wenn man die bei der Reizung des N. ischiadieus ein- tretende Blutdrucksteigerung in Betracht zieht. So hatte z. B. im Versuch 8 die Injektion normalen Nebennierenblutes in Menge von 10 eem eine Drucksteigerung un 33 mm Hg (von 159—197) hervorgerufen, ebenso auch steigerte das während der Reizung des N. isehiadieus gesammelte normale Nebennierenblut den Blutdruck fast bis zur gleichen Höhe — von 143 bis 184, d. h. um 41 mm Hg; ebenso zeigten auch die Blutportionen, welche bei durchschnittenem N. splanchnieus sowohl bei der Reizung des N. ischiadieus als auch ohne dieselbe gewonnen wurden, einen vollkommen gleichen Effekt, und zwar eine geringe Herabsetzung des Blutdrucks um 9 mm Hg (von 152 auf 143) und um 7 mm Hg (von 152 bis 145). Reizte man jedoch einige Male den N. splanchnieus durch den Induktions- Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 89 strom, so bereicherte sich schnell das Nebennierenblut an Adrenalin und erzeugte nach Injektion der gewöhnlichen Dosis eine Druck- steigerung von 153 bis 239, d. h. um 86 muı He. Indem ich die Resultate aller meiner Untersuchungen vergleiche, komme ich zu folgendem Schluss: Wenn die Reizung des N. splanchni- eus durch den Induktionsstrom eine Steigerung der Adrenalinsekretion nach sich zieht, die Ausschaltung dieses Nerven aber eine vollkommene Unterbrechung oder zum mindesten eine Verringerung der Adrenalin- sekretion ins Blut hervorruft, so geht daraus hervor, dass der N. splanchnieus Fasern enthält, welche die sekretorische Funktion der Nebennierendrüsen regulieren, d. h. dass der N. splanchni- cus den wahren sekretorischen Nerven der Neben- nieren darstellt. Der obenerwähnte Befund, dase die durch Reizung des N. ischiadieus hervorgerufene Blutdrucksteigerung keinen merklichen Einfluss auf die Menge des sezernierten Adrenalins ausübte, ist, unter anderem, noch von theoretischem Interesse, da er uns einen gewissen Anhaltspunkt zum Verständnis der biologischen Rolle des Adrenalins gibt: dieses Faktum beweist gewissermaassen, dass dem Adrenalin die Rolle eines Regulators des Blutdrucks im Organismus gar nicht zukommt; denn, wenn dem so wäre, so müssten die Neben- nieren auf die Blutdrucksteigerung mit einer Verringerung der Adrenalinsekretion ins Blut reagieren, was ja, wie wir oben sahen, niemals stattfindet. Deshalb stimme ich Kretsehmer’s!) Meinung vollkommen bei, die dahin ausgeht, dass die Hauptrolle des Adrena- lins in der Erhaltung des normalen Gefässtonus besteht, während die temporäre und lokale Regulierung des Blutdrucks eigentlich dem Einfluss des N. sympathieus unterworfen ist. Die Reizung des N. splanchnieus durch den Induktionsstrom hat, abgesehen von der unmittelbaren Wirkung auf den quantitativen Adrenalingehalt im Nebennierenblute, einen gewissen Einfluss auch auf die Menge des Adrenalins in den Nebennierenextrakten, wie das unsere Untersuchungen zeigten. In einigen Versuchen, in welchen die Reizung des N. splanchnicus stattfand, wurde das Tier nach Beendigung der Blutgewinnung entblutet, die Nebennieren wurden entfernt, und aus jeder einzelnen Drüse 2 °/oige Extrakte hergestellt; letztere wurden dann in gewöhnlicher Weise auf ihren Adrenalin- l) Kretschmer, |. c. an) M. Tscheboksaroff: gehalt untersucht. Somit wurden die Versuche mit den Extrakten parallel denjenigen mit der Blutuntersuchung angestellt und bildeten sozusagen eine Ergänzung der letzteren, die den Charakter der Grundversuche trugen. Die Nebennierenextrakte wurden demselben Tiere in die Vene injiziert, welchem auch die zu untersuchenden Blutportionen eingespritzt waren; die Einzeldosis der injizierten Ex- trakte betrug 1—2 ccm, selten mehr; die Injektionen wurden ge- wöhnlich in Abständen von 5 Minuten ausgeführt. Die vorliegende Tabelle zeigt die Resultate der entsprechenden Untersuchungen, wobei die ersten der hier angeführten Versuche zu den Experimenten mit Reizung des linken N. splanchnieus gehören, und aus diesem Grunde zur Demonstration der vergleichenden physiologischen Wirkung der Fxtrakte aus der linken Nebenniere, welche infolge der Reizung des N. splanchnieus in höherem Maasse funktioniert hatte, und der Ex- trakte aus der rechten normalen Nebenniere dienen. Die beiden letzten Versuche jedoch können als Kontrollversuche verwertet werden, da sie die Resultate der Injektionen von Extrakten darstellen, welche aus normalen Nebennieren hergestellt worden sind: Fxtrakte, sowohl aus der rechten als auch der linken Nebenniere, hatten in diesen beiden letzten Versuchen fast die eleiche Wirkung auf den Blutdruck ausgeübt, — eine Tatsache, die vollkommen mit den Befunden von Battelli und Ornstein!) übereinstimmt, welche konstatiert hatten, dass bei Kaninchen und Hunden in beiden Nebennierendrüsen gleiche Mengen Adrenalin enthalten sind. Die in der ersten und dritten Rubrik der Tabelle angeführten Ziffern bedeuten die Zahl der mm Hg, um die der Blutdruck nach der Injektion von Nebennierenextrakten gesteigert wurde; in der mittleren Rubrik ist die Menge der injizierten Extrakte angegeben. Injektion von Extrakten aus Menge des Injektion von Extrakten aus der linken Nebenniere. injizierten der rechten Nebenniere. Blutdrucksteigerung in Extraktes Blutdrucksteigerung in mm Hg ccm mm Hg 1E 53 20% 39 49 — 39 48 — 33 1) Battelli et Ornstein, La suppleance des capsules surrönales au point de vue de leur richesse en adrenaline. Compt. rend. soc. Biol. t. 61 p- 677. 1906. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 9] Injektion von Extrakten aus Menge des Injektion von Extrakten aus der linken Nebenniere. injizierten der rechten Nebenniere. Blutdrucksteigerung in Extraktes Blutdrucksteigerung in mm Hg ccm mm Hg II. . 42 B) 35 45 — 34 45 —_ 39 97 520) 41 II. 124 1 91 125 — anal 142 (Kurve Nr. 2), 115) 97 (Kurve Nr. 8) N Ss 2 67 s3 - 64 N 121 1,5 106 59 1 66 —_ 61 VI. 92 \ 16 99 — 54 VI. 98 1,5 65 72 1 40 — 1,5 58 VIM. 106 2,5 74 104 En er IX. 69 1 38 60 — 27 71 — 31 120 2,5 38 RE 104 2 95 ur war 89 XI. 77 1 74 Pa. | 30 al 59 2 61 Die Untersuchungen haben gezeigt, dass in denjenigen Ver- suchen (XI und XII), in welchen Reizung des N. splanchnieus sin. 9 M. Tscheboksaroff: _ nicht stattfand, die Extrakte der beiden Drüsen, dieselbe gleichstarke physiologische Wirkung hatten, während in denjenigen Versuchen, in welchen der linke N. splanchnieus durch den Induktionsstrom gereizt wurde, zwischen den Extrakten aus der rechten und linken Nebenniere ein unbestreitbarer Unterschied in der Wirkung auf den Blutdruck konstatiert werden konnte; die Extrakte aus der linken, Kurve 7. Ein 6,2 kg schwerer Hund; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 1,5 ccm 2°sigen Extraktes aus der linken Nebenniere. Versuch Nr. 3. intensiver funktionierenden Drüse erzeugten fast immer eine stärkere Blutdrucksteigerung im Vergleich zu den Extrakten aus der rechten, ruhenden Drüse. Jedoch konnte man auf Grund aprioristischer Überlegungen gerade entgegengesetzte Verhältnisse erwarten; man könnte annehmen, dass die Extrakte aus der funktionierenden Drüse eine geringere Wirkung auf den Blutdruck ausüben, d.h. einen ge- ringeren Adrenalingehalt aufweisen würden, da dieser Stoff während der Reizung des N. splanchniecus von der Nebenniere in höherem Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 93 Maasse in den Blutstrom sezerniert wurde. Der Versuch lehrt uns aber, dass die Sache sich anders verhält, und zwar, dass bei der Reizung des N. splanchnieus nicht nur erhöhte Adrenalinsekretion ins Blut stattfindet, sondern dass diese Substanz gleichzeitig auch in grösserer Menge von den Nebennieren gebildet wird und sich in deren Parenchym selbst anhäuft. Man muss auch zugeben, dass diese Befunde mit unserer Vorstellung über die Nebennieren, als Drüsen mit innerer Sekretion, vollkommen harmonieren, die un- Kurve 8. Ein 6,2 kg schwerer Hund; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 1,5 ccm 2°%/oigen Extraktes aus der rechten Nebenniere. Versuch Nr. 3. unterbrochen das Adrenalin ins Blut ausscheiden und somit imstande sind, bedeutende Adrenalinmengen zu produzieren und anzuhäufen. Noch ein Umstand ist von Interesse, dass nämlich die Extrakte aus der funktionierenden Drüse, d. h. aus der Drüse, deren N. splan- chnicus gereizt war, stets von intensiver rosabrauner Farbe waren, wodurch sie sich deutlich von den Extrakten aus der normalen Drüse, welche gewöhnlich sehr schwache bräunliche Färbung zeigen, unter- schieden. Veränderungen der Färbung der Nebennierenextrakte unter dem Einfluss der Luft und des Lichts sind schon von alten 94 M. Tscheboksaroff: Autoren verzeichnet worden [Vulpian!), Virchow’) u. a.|; hier ist von besonderem Interesse die gesteigerte Pigmentbildung in den Extrakten aus denjenigen Nebennieren, deren sekretorische Nerven durch den Induktionsstrom gereizt wurden; augenscheinlich steht diese verstärkte Pigmentierung in direktem Zusammenhange mit der gesteigerten Adrenalinanhäufung und erscheint wahrscheinlich als Resultat der Oxydation derselben. Somit ergeben sowohl die Versuche mit dem Nebennierenblute als auch diejenigen mit den Extrakten vollkommen einheitliche Resultate: zu der Schlussfolgerung, dass im Stamm des N. splan- chnieus sekretorische Fasern enthalten sind, kamen wir auf Grund der Versuche mit der Reizung und der Ausschaltung dieses Nerven. Gehen wir jetzt zu den Resultaten der Untersuchung der sekre- torischen Funktion der Nebennierendrüse über, welche wir mit Hilfe eines anderen methodologischen Verfahrens erzielt haben, und zwar mit Hilfe der Injektion einiger pbarmakologischer Mittel — des Atropins, Pilokarpins und Physostigmins, die ja, wie bekannt, eine starke Wirkung auf die sekretorische Funktion der Drüsen über- haupt ausüben. In meinen Versuchen injizierte ich Hunden Atropin in Dosen von 5, 10 und 15 mg, Pilokarpin in Dosen von 5 und 10 mg, Physostigmin aber in Menge von 5 mg. Die eingetretene Wirkung des Pilokarpins und Physostigmins auf die Drüsen konnte man bei Hunden an dem Auftreten einer starken Speickelsekretion und Ab- sonderung aus der Nase verfolgen; ausserdem wurde in einigen Versuchen dem Tiere vorerst eine Metallkanüle in den Ausführungs- sang des Pankreas eingeführt, wobei man sich hier von der ein- getretenen Wirkung des Pilokarpins durch die gesteigerte Sekretion von Pankreassaft aus der Kanüle überzeugen konnte. Wenden wir uns zunächst zur Übersicht der Wirkung des Atro- pins und Pilokarpins auf die Funktion der Nebennieren. Die Be- obachtungen haben gelehrt, dass diese beiden Alkaloide nicht imstande waren — das erste, die Adrenalinsekretion zu hemmen, das zweite, dieselbe zu steigern. In Versuch 9 z. B. hatte die Splanchnieus- 1) Vulpian, Note sur quelques reactions propres a la substance des capsules surrenales. Compt. rend. de l’Acad. des Sciences t. 43 p. 663. 1856.| 2) Virchow, Zur Chemie der Nebennieren. Virchow’s Arch. Bd. 12 Ss. 471. 1857. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 95 reizung nach der Injektion von Atropin durchaus keine geringere, wenn nicht eine grössere Adrenalinsekretion ins Nebennierenblut ausgelöst. Während das Blut, welches bei gereiztem Nerven vor der Atropininjektion erhalten war, eine Blutdrucksteigerung einmal um 49 mm Hg (von 162—211) nach sich zog, das andere Mal um 39 mm Hg (von 157—196), erzeugte die Injektion desjenigen Blutes, welches ebenfalls bei Splanchnieuserregung gewonnen war, jedoch nach der Injektion von 10 mg Atropin eine Blutdrucksteigerung um 55 mm Hg (von 160—215) und um 56 mm He (von 143—199). Was das Pilokarpin anbelangt, so vermochte es nicht, eine vermehrte Adrenalinsekretion hervorzurufen; die Portionen des Nebennieren- ‚blutes, welche nach Durchsehneidung des N. splanchnicus und In- jektion von 5 und 10 mg Pilokarpin gewonnen waren, hatten auf den Blutdruck und die Herztätigkeit dieselbe Wirkung wie diejenigen Blutmengen, welche vor der Injektion erhalten waren, oder wie die gleichen Mengen arteriellen Blutes; indessen war die sekretorische Funktion der Speicheldrüsen und des Pankreas beim Versuchstiere stark erhöht, was man aus der gesteigerten Speichelsekretion und der Absonderung des Pankreassaftes ersehen konnte. Somit traten in der Tätigkeit der Nebennieren keinerlei merkliche Veränderungen auf, weder unter dem Einfluss der Pilokarpin- noch der Atropininjektionen. Der Grund dieses Umstandes, wenigstens in Bezug auf die Wirkung “ des Atropins, liegt augenscheinlich darin, dass der N. splanchnieus den sekretorischen Nerven der Nebenniere darstellt; seinerseits gehört er zu den sympathischen Nerven; auf die Endapparate der sympathischen Nerven in den Drüsen aber vermag das Atropin in ' den von uns angewandten Dosen überhaupt keine paralysierende Wirkung auszuüben: wir wissen z. B., dass die Reizung des sym- pathischen Nerven der Submaxillaris beim Hunde eine kontinuierliche Speichelsekretion auch trotz vorausgegangener Atropinisierung aus- . löst, während die Reizung der Chorda tympani vollkommen wirkungs- los bleibt; ebenso werden auch die Endapparate des N. sympathicus im Pankreas durch das Atropin nicht paralysiert. Es besteht somit in Bezug auf das Atropin eine augenscheinliche Analogie zwischen der Submaxillaris und dem Pankreas beim Hunde einerseits und der Nebennierendrüse andererseits: die Endapparate der sekretorischen sympathischen Nerven in allen diesen Drüsen sind der paralysierenden Wirkung des Atropins nicht unterworfen. Hier stimmen meine Be- 96 M. Tscheboksaroff: fande mit den Resultaten von Biedl!) und Ehrmann’) vollkommen überein; diese Autoren konnten ebenfalls keinerlei Veränderungen in der Adrenalinsekretion der Nebennieren nach Atropin- oder Pilo- karpininjektionen konstatieren. Was die Wirkung des Physostigmins anbelangt, so erzeugten intravenöse Injektionen desselben in Dosen von 5 mg bei Tieren in der Mehrzahl der Fälle merkliche Steigerung, der Adrenalinsekretion; während die Injektionen von Nebennierenblut, welches bei durch- schnittenem N. splanehnieus gewonnen war, wie oben erwähnt, gar keine oder fast gar keine Wirkung auf den Blutdruck ausübten, hatte die Injektion von demselben Blute, welches jedoch nach vor- ausgegangener Einführung von Physostigmin gesammelt war, einen deutlichen physiologischen Effekt im Sinne der Blutdrucksteigerung zur Folge, einen Effekt, welcher demjenigen gleich war, der nach Injektionen gleicher Mengen normalen Nebennierenblutes erhalten wird oder aber denselben übertraf. So z. B. stellt Kurve Nr. 9 die Veränderung des Blutdrucks dar, welche unter dem Einfluss der Injektion von 10 cem Nebennierenblut eintrat, das bei durch- schnittenem N. splanchnieus, jedoch nach vorausgegangener Einführung von Physostigmin, gesammelt war: der Blutdruck stieg von 123 bis 174 mm Hg, d. h. um 51 mm Hg, die Herztätigkeit beschleunigte sich um vier Schläge in 10 Sek. Eine Blutdrucksteigerung um 5l mm Hg, wie der betreffende Versuch sie ergab, konnten wir niemals beobachten, nicht einmal nach Injektionen normalen Neben- nierenblutes, während hier ein derartig starker Effekt nach der Ein- führung desjenigen Blutes erzielt wurde, welches aus der Nebenniere bei durchsehnittenem N. splanchnieus floss; es ist interessant, dass _ die Injektion venösen Blutes, welches bei demselben Hunde der V. cava inf. nach Beendigung des Versuches entnommen wurde, gar keinen Einfluss, weder auf den Druck noch auf den Puls, ausübte. In einem anderen Versuch steigerte die Einspritzung vor 10 cem Blut (zweite Portion), das nach vorausgegangener Injektion von Physostigmin gewonnen war, den Blutdruck um 47 mm Hg (von 156—203) und beschleunigte den Puls um vier Schläge in 10 Sek., während die Einführung von 10 cem der ersten Blutportion, welche bei umschnürtem N. splanehnieus vor der Physostigmininjektion er- 1) 2) Ehrmann, Zur Physiologie und experimentellen Pathologie der Adrenalinsekretion. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 55. 1906. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 97 halten war, nur eine geringe Blutdrucksteigerung, um 7 mm Hg (von 155—162), ohne jegliche Veränderung von seiten des Pulses auslöste; die Reizung des N. splanchnieus in diesem Versuch hatte ebenfalls eine sehr ge- ringe Adrenalinzufuhr insvenöse Nebennieren- blut zur Folge, da die Injektion des letzteren in gewöhnlicher Dosis von 10 cem eine starke Blutdrucksteigerungum 120 mm Hg (von 145 bis265)und Beschleuni- sung der Herzaktion um 14 Schläge in 10 Sek. erneuerte. Es muss be- merkt werden, dass die gleichzeitig ausgeführ- ten Einspritzungen ar- teriellen Blutes, wel- ches beim Tiere der Art. carot. com. sowohl vor als auch nach der Physostigmineinführung lt war. Injektion von 10 ccm Nebennierenblut, welches = = = — > > 5 zuh = > a . splanchnicus sin. nach der Physostigmineinspritzung gesamme schwerer Hund; Nn. vagi durchschnitten. entnommen wurde, kei- : nerlei merkliche. Ver- 8 änderungen, weder von E seiten des Blutdrucks 23 noch der Herztätigkeit, RE auslösten. Analoge Be- =® funde konnten auch in j anderen Versuchen fest- = gestellt werden. E Somit rufen Physo- stigmininjektionen bei Tieren gesteigerte Adrenalinsekretion der Nebennieren hervor, trotz vorausgegangener Ausschaltung des N. splanchnieus; diese Tatsache berechtiet zu dem Schluss, dass im Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. [ . 98 M. Tscheboksaroff: Gegensatz zum Pilokarpin das Physostigmin die Eigenschaft besitzt, die sekretorische Funktion der Nebenniere zu steigern; der Grund dieser Steigerung liegt wahrscheinlich darin, dass das Physostigmin eine erregende Wirkung unmittelbar auf die chromaffineu Zellen der Marksubstanz ausübt. 11. Wie bekannt, erhalten die Nebennieren ihre Nerven hauptsächlich aus zwei Quellen: erstens aus dem N. splanchnieus und zweitens aus dem Ganglion coeliacum. Abgesehen davon, nehmen an der Innervation der Nebennieren auch die N. vagi Anteil, wobei letztere an dieselben sowohl unmittelbar Äste abgeben als auch sie mittelst des Ganglion eoeliacum erreichen, zu welchem die N. vagi, nach ihrem Austritt unterhalb des Diaphragmas, Zweige absenden. In Anbetracht dieser anatomischen Verhältnisse lag es nahe, eine Untersuchung anzustellen, um die Frage zu lösen, ob nicht ausser den N. splanchniei auch die N. vagi irgendeinen Einfluss auf die sekretorische Funktion der Nebennieren ausüben. Eine derartige Untersuchung auszuführen, bewog uns noch der Umstand, dass einige Drüsen, wie z. B. das Pankreas und die Speicheldrüsen, ihre sekre- torischen Nerven aus zwei Quellen erhalten, einmal aus dem sym- pathischen, das andere Mal aus dem zerebralen Nervensystem. Daraus hätte man schliessen können, dass auch der Prozess der Adrenalinsekretion der Nebennieren unter dem Einfluss einer eben- solchen doppelten Innervation stehe. Nachdem nun der eine Weg, der sympathische — N. splanehnieus —, von uns eingehend unter- sucht worden war, zogen wir in derselben Richtung den zweiten, zerebralen Weg — den N. vagus — in den Bereich unserer Unter- suchung. Das allgemeine Prinzip der Untersuchung war hier ganz dasselbe wie beim Studium der sekretorischen Fasern im N. splan- chnieus: es wurde das aus den Nebennieren fliessende venöse Blut gesammelt sowohl während der Reizung der N. vagi durch den In- duktionsstrom als auch ohne dieselbe; darauf wurden die gewonnenen Blutportionen der gewöhnlichen physiologischen Prüfung auf den quantitativen Adrenalingehalt unterzogen. Die N. vagi brachte man, wie schon oben erwähnt, in der Brusthöhle nach vorausgegangener Resektion zweier resp. dreier Rippen in Kontakt mit den Elektroden. Da das Blut stets aus der linken Nebenniere genommen wurde, So wurde auch in den meisten Fällen der linke N. vagus gereizt, und Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 99 nur in einigen Versuchen, auf Grund der in der Literatur vorhandenen Hinweise [Jacobj!)]), dass zum Ganglion coeliacum nicht selten Zweige hauptsächlich vom rechten N. vagus hinziehen, wurden beide N. vagi abpräpariert auf die versenkten Elektroden gelegt, wobei das Nebennierenblut bei abwechselnder Reizung bald des einen, bald des andern Nerven gesammelt wurde. Ferner sammelte man bei demselben Tiere zwecks Vergleichung noch Blutportionen, welche aus der Drüse während der Reizung des N. splanchnicus flossen. Alle von mir in dieser Richtung angestellten Versuche ergaben vollkommen einheitliche Resultate, und zwar: die Reizung sowohl des linken als auch des rechten N. vagus durch den Induktions- strom hatte kein einziges Mal irgendeinen merklichen Einfluss auf ANA AMANN Kurve 10. Hund, 3 kg Gewicht; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 10 ccm Nebennierenblut, welches bei ligierten N. splanchnicus gewonnen war. Ver- such Nr. 10. die Adrenalinsekretion der Nebennieren. Ich möchte hier einige entsprechenden Versuche anführen. So wurden in einem der Versuche (s. Protokoll Nr. 10) neun Blutportionen der Reihe nach gesammelt, drei Blutportionen bei Reizung des N. vagus, drei bei Reizung des N. splanchnieus und drei ohne jegliche Reizung der Nerven‘; Injektion von 10 cem der ersten Blutportion, die ohne Reizung des ‘Nerven, jedoch bei ligiertem N. splanchnieus gewonnen war, hatte fast gar keine Wirkung auf den Blutdruck gehabt (Kurve Nr. 10); ebenso wirkungslos blieb auch, sowohl auf die Gefässe als auch auf das Herz, die Injektion der zweiten Blutportion, welche während 1) Jacobj, Beiträge zur physiologischen und pharmakologischen Kenntnis der Darmbewegungen mit besonderer Berücksichtigung der Beziehung der Neben- niere zu derselben. Arch. f. exper. Path. und Pharm. Bd. 29 S. 171. 1902. 7 * 100 M. Tscheboksaroff: der Reizung des linken N. vagus durch den Induktionsstrom erhalten war (Kurve Nr. 12), während die Einspritzung von 10 eem Blut der dritten Portion, welche aus der Drüse während der Splanchnicus- erregung herausfloss, eine Blutdrucksteigerung um 63 mm Hg (von 158—221) und Beschleunigung der Herztätiskeit um 3 Schläge in 10 Sek. nach sich zog (Kurve Nr. 11). Analoge Resultate erzielte man auch bei der Prüfung der übrigen sechs Blutportionen; auch hier erwies sich das während der Reizung des N. vaeus ge- wonnene Blut ebenso wirkungslos wie das ohne Reizung des Nerven „gesammelte“. Kurve 11. 3 kg schwerer Hund; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 10 ccm Nebennierenblut, welches während der Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom gewonnen war. Versuch Nr. 10. Ebenso übte auch im anderen Versuche die Injektion von, während der Reizung des linken N. vagus erhaltenem Nebennieren- blut einen äusserst geringen Einfluss auf die Höhe des Blutdruckes aus, indem diese Wirkung sich in nichts von derjenigen unterschied, welche nach der Injektion von Blut, das ohne Reizung des Nerven gewonnen war, ausgelöst wurde. Injektion von nur 5 cem während der Reizung des N. splanchnicus erhaltener Blutmenge vermochte den Blutdruck um 84 mm Hg (von 162—246) und die Herztätigkeit um 10 Schläge in 10 Sek. zu steigern; ich muss noch erwähnen, Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 101 dass die Injektion von 10 cem normalen Nebennierenblutes in diesem Versuch eine Drucksteigerung um 23 mm Hg (von 165—193) und Pulsbeschleunigung um 3 Schläge in 10 Sek. auslöste. Im dritten Versuch endlich (s. Protokoll Nr. 11) wurde der rechte und linke N. vagus abwechselnd gereizt: Injektion von 10 cem des während der Reizung des rechten Vagus gewonnenen Blutes erzeugte hier eine geringe Blutdrucksenkung um 12 mm Hg (von 190—-178), während die Einspritzuug derjenigen Blutmenge, welche während der Reizung des linken N. vagus erhalten war, eine ebenso geringe Drucksteigerung, um 9 mm Hg (von 202—211), zur Folge hatte, analog der Wirkung gleicher Menge arteriellen Kontrollblutes; die Zahl der Pulsschläge in allen diesen Fällen blieb die gleiche. wm ANA N ALEULLSULL, en 'SEERTOTSSRRRRRELENTENENENGENN NN L, EHELLELNHEENIET Kurve 12. 8 kg schwerer Hund; Nn. vagi durchschnitten. Injektion von 10 ccm Nebennierenblut,, welches während der Reizung des N. vagus durch den In- duktionsstrom gesammelt war. Versuch Nr. 10. Injektion von 5 resp. 10 cem Blut, welches während der Splanchnicuserregung gewonnen war, hatte, wie immer, eine be- deutende Blutdrucksteigerung und Beschleunigung der Herzaktion zur Folge, d. h. eine vermehrte Adrenalinsekretion ins Blut, eine Erscheinung, welche bei der Reizung beider N. vagi nicht hervor- gerufen werden konnte. Die angeführten Befunde sprechen meiner Meinung nach mit genügender Beweiskraft dafür, dass die Reizung der N. vagi durch den Induktionsstrom nicht imstande ist, eine merkliche Wirkung auf die Adrenalinsekretion der Nebennieren auszuüben. Wir konnten auch niemals konstatieren, dass die Reizung des N. splanchnicus, welche derjenigen des N. vagus unmittelbar folgte, eine grössere Anhäufung von Adrenalin im Blut erzeugte als gewöhnlich, ein Um- stand, weleher zu der Annahme berechtigen könnte, im Stamm: des 102 M. Tscheboksaroff: N. vagus trophische Fasern (im Sinne Heidenhain’s) für die Nebennierendrüsen vorauszusetzen. Ebenso konnten wir irgend- welehe hemmende Wirkung des N. vagus auf die Adrenalinsekretion nicht beobachten. Um der letzten Frage näherzutreten, habe ich in einigen Experimenten unter anderem den Versuch gemacht, die gleichzeitige Reizung des N. vagus und splauchnieus zu erproben: beide Nerven, der eine in der Brust-, der andere in der Bauch- höhle, wurden auf versenkte Elektroden gelegt, die mit dem Du Bois Reymond’schen Schlittenapparat in Verbindung gebracht wurden, und bei einem Rollenabstand von 30 mm gereizt, während welcher die Sammlung des Blutes stattfand. Aber auch bei einer derartigen Versuchsmethode blieb die Reizung des N. vagus ohne Wirkung; so erzeugte z. B. in einem der Versuche die Injektion der Blut- portion, welche bei gleichzeitiger Reizung beider Nerven gewonnen war, eine Blutdrucksteigerung um 77 mm Hg (von 208—285); jedoch beinahe um ebensoviel, und zwar um 82 mm He (von 216—298), steigerte den Blutdruck auch die Einspritzung der gleichen Blut- menge, welche während der Reizung des N. splanchnicus allein ge- sammelt war. Da ich bei meinen sämtlichen Versuchen mit der Reizung der N. vagi vollkommen einheitliche und konstante Resultate erzielt habe, fühle ich mich zu dem Schluss berechtigt, dass diese Nerven keinen merklichen Einfluss auf die Adrenalinsekretion der Nebennieren aus- üben, d. h. dass die N. vagi keine sekretorischen Fasern für die Nebennieren in sich enthalten. Ich muss jedoch bemerken, dass ich bei der Beurteilung der sekretorischen Funktion der Nebennieren stets nur die Funktion der Adrenalinsekretion im Auge habe, wobei ich die Frage über das mögliche Vorhandensein noch einer anderen Funktion bei den Nebennieren offen lasse. Zum Schluss dieser Arbeit möchte ich mich dahin zusammen- fassend äussern, dass auf Grund meiner Untersuchungen das un- streitbare Faktum des Vorhandenseins von sekretorischen Fasern für die Nebennieren im Stamm des Nervus splanchnicus major fest- gestellt worden ist. Jedoch noch bis in die neueste Zeit wird von einigen Autoren die Unabhängigkeit der Adrenalinsekretion von nervösen Einflüssen vertreten; so z. B. äussert sich Shiota!) in 1) Shiota, Über das Schicksal und die Funktion der transplantierten Neben- niere. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 128 S. 431. 1909. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 103 seinen Schlusssätzen unter anderem folgendermaassen:: „Die Adrenalin- sekretion scheint von nervösen Einflüssen in weitem Maasse un- abhängig zu sein“ (S. 442). Jedoch muss eine derartige Anschauung als eine von Grund aus falsche angesehen werden. Und in der Tat, wie kann man von der Unabhängigkeit der Adrenalinsekretion von nervösen Einflüssen reden, wenn schon während des Versuchs die Durchschneidung des N. splanchniceus sofort zur Verminderung der sekretorischen Funktion der Nebennieren führt? Wie könnte eine derartige konstante, hauptsächlich aber eine solche gleichmässige Adrenalinabsonderung ins Blut stattfinden, wenn diese Sekretion nicht von einem besonderen nervösen Apparate reguliert würde? Wie fein die Nebennieren auf diesen Apparat reagieren, zeigen die eben an- geführten Versuche mit Ausschaltung des N. splanchnieus. Diese Ver- suche zeigen uns endlich, dass die nervösen Impulse zu den Neben- nieren durch die N. splanchniei ununterbrochen geleitet werden, ein Umstand, der seinerseits das Vorhandensein eines speziellen zentralen Apparates vermuten lässt, welcher die Adrenalinsekretion reguliert und sich stets im Zustande einer tonischen Erregung befindet. Wo dieses Zentrum liegt, und wodurch es erregt wird — auf diese Fragen kann man gegenwärtig noch keine bestimmte Antwort geben. Diese Fragen müssen meiner Meinung nach zu den wichtigsten der Nebennierenphysiologie gezählt werden. Die Schlussfolgerungen, zu denen ich auf Grund meiner Unter- suchungen gekommen bin, sind folgende: 1. Nervus splanchnicus major ist der wahre sekretorische Nerv der Nebennieren. 2. Die Reizung des N. splanchnieus durch den Induktionsstrom führt zur Steigerung der Adrenalinsekretion ins venöse Blut. 3. Durchschneidung oder Unterbindung dieses Nerven hat stets eine bedeutende Verminderung der Adrenalinsekretion der Neben- nieren zur Folge. 4. Während der Reizung des N. splanchnieus durch den Induk- tionsstrom findet nicht nur eine gesteigerte Adrenalinabsonderung ins Blut statt, sondern dieser Stoff wird auch in grösserer Menge ge- bildet und im Drüsenparenchym selbst angesammelt. 9. Der N. vagus übt gar keinen merklichen Einfluss auf die sekretorische Funktion der Nebennieren aus. 104 M. Tscheboksaroff: 6. Die Absonderung von Adrenalin ins venöse Blut durch die Nebennieren geht ununterbrochen vor sich. 7. Es sind 10 eem normalen venösen Nebennierenblutes ge- nügend, um bei intravenöser Einführung Hunden von 6—8 kg Ge- wicht mit vorausgegangener Durchschneidung der N. vagi eine Blut- drucksteigerung um 20—40 mm Hg und Pulsbeschleunigung um 1—4 Schläge in 10 Sek. hervorzurufen. 8. Die Blutdrucksteigerung, welche durch die Reizung eines sensiblen Nerven (N. ischiadiei) hervorgerufen wird, übt keinen merklichen Einfluss auf die Menge des abgesonderten Adrenalins aus. 9. Injektionen von Atropin (in Dosen von 5—15 mg) und Pilo- karpin (in Dosen von 5—10 mg) üben gar keine Wirkung auf die sekretorische Funktion der Nebennieren aus. 10. Injektionen von Physostigmin in Dosen von 5 mg können die Adrenalinsekretion der Nebennieren steigern. Zum Schluss halte ich es für meine Pflicht, meinem hoch- verehrten Lehrer Prof. N. Mislawski meinen innigsten Dank aus- zusprechen sowohl für das vorgeschlagene Thema als auch für die wertvollen Ratschläge, deren ich mich während der Ausführung der vorliegenden Arbeit bediente. IV. Protokolle der Versuche. Versuch 1. A. 10. Aprill909. Hund, 17500 gGewicht. Morphiumnarkose; Tracheotomie; Injektion von Curare, künstliche Atmung. Beide Nn. vagi am Halse durch- schnitten; Art. carotis communis mit einem @Quecksilbermanometer verbunden. Laparatomie; N splanchnicus major sin. unterhalb des Diaphragmas abpräpariert. In die V. lumbalis sin. prima eine Kanüle eingeführt. 10 Uhr 46 Min. Anfang der Sammlung der ersten Portion von Neben- nierenblut; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 60—70 Tropfen in einer Minute; Blutdruck = 144—170 mm Hg. 10 Uhr 51 Min. Beendigung der Gewinnung der ersten Blutportion; auf- gefangen 20 cem Blut. 10 Uhr 54 Min. N. splanchnicus mit einer Ligatur unterbunden, sein peripheres Ende auf die in die Bauchhöhle versenkte Elektrode gelegt. 10 Uhr 55 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom bei einem Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird im Laufe einer halben Minute gereizt; darauf folgt ein eine halbe Minute langer Intervall usw. Sammlung der zweiten Blutportion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 8&4—102 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 105 66—80 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. Blutdruck während der Splanchnicuserregung steigt von 140—170 auf 130—210 mm Hg. 11 Uhr 1 Min. Beendigung der Splanchnicusreizung; Beendigung der Sammlung der zweiten Blutportion; aufgefangen 28 ccm Blut, 11 Uhr 2 Min. N. splanchnicus sin. durchschnitten. 11 Uhr 3 Min. Anfang der Gewinnung der dritten Blutportion; Blutdruck 120—130 mm Hg; Gerinnung des Blutes in der Kanüle; Geschwindigkeit des Blutstromes = 20—30 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 15 Min. Beendigung der Gewinnung der dritten Blutportion; auf- gefangen 17 ccm. B. 11. April 1909. 6000 g schwere Hündin; Morphiumnarkose; Curare; künstliche Atmung. Beide Nn. vagi am Halse durchschnitten; Art. carotis sinistra mit dem Kymographen verbunden. Blut- Puls in Blut- Pulsin druck 10 Sek. druck 10 Sek. 11 Uhr 6 Min. 150 21 11 Uhr 25 Min. 147 22 Injektion von 1Occmder - Injektion von 10 cem der ersten Blutportion. dritten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 184 23 Nach — Min. 10 Sek. 146 22 all 21 a NE OS ir 22 De Ne —el.gr:,184 21 ae he 22 30 .e .176 21 Ele 30 rn 146 _ 11 Uhr 14 Min. 155 22 11 Uhr 30 Min. 144 22 Injektion von 10 ccm der Injektion von 10 ccm Blut zweiten Blutportion. aus.d. Art. carot. com. Nach — Min. 10 Sek. 183 30 Nach — Min. 10 Sek. 143 22 Ba or 230. 1: 247 28 a ll) 22 Bit =... ..201 25 N a ee 22 ale) 30 5.771162 23 ne a 22 Versuch 2. A. 18. Februar 1909. Hund, 18000 g Gewicht. Dieselben Vorbereitungen wie im Versuch 1, jedoch mit dem Unterschied, dass hier, zwecks Verminderung der Blutgerinnung, dem Tiere intravenös Dekokt aus Blutegelköpfen injiziert wurde, 11 Uhr 30 Min. Anfang der Gewinnung der ersten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 100 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 120—160 mm Hg. 11 Uhr 38 Min. Beendigung der Sammlung der ersten Blutportion; ge- wonnen 25 ccm Blut. ° 11 Uhr 39 Min. N. splanchnicus mittelst einer Ligatur unterbunden. 11 Uhr 40 Min. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion; das Blut strömt mit einer Geschwindigkeit von 70—80 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 100—120 mm Hg. 11 Uhr 45 Min. Beendigung der Blutgewinnung; es sind 25 ccm der zweiten Blutportion gesammelt worden. 106 M. Tscheboksaroff: 11 Uhr 47 Min. N.splanchnicus mit der in die Tiefe gesenkten Elektrode in Kontakt gebracht. 11 Uhr 49 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom ; Rollenabstand von 80 mm; der Nerv wird je eine halbe Minute gereizt, darauf folgt eine halbe Minute dauernde Pause usw. Beginn der Sammlung der dritten Blutportion; Geschwindigkeit des Blutstromes beträgt 110—120 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 8S0—100 Tropfen während der Ruhe; Blutdruck während der Reizung des N. splanchnicus steigt von 100—110 auf 130—140 mm Hg. 12 Uhr 1 Min. Beendigung der Gewinnung der dritten Blutportion; 55 cem Blut gesammelt. 12 Uhr 2 Min. Fortsetzung der Splanchnicuserregung unter denselben Ver- hältnissen. Beginn der Sammlung der vierten Blutportion; Blutgerinnung; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 18—20 Tropfen in einer Minute während der Reizung und 10—14 Tropfen im Ruhezustande. 12 Uhr 40 Min. Beendigung der Sammlung der vierten Blutportion; ge- sammelt 48 cem Blut. Exstirpation der Nebennieren; Gewicht der linken beträgt 1,13 g, das der rechten 1,17 g; aus jeder Drüse einzeln sind 2 Y/oige Extrakte hergestellt worden. B. 19. Februar 1909. 6000 g schwerer Hund; Morphiumnarkose; Üurare, künstliche Atmung. Beide Nn. vagi am Halse durchschnitten; Art. carotis com. sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Pulsin Blut- Pulsin druck 10Sek. druck 10Sek. 12 Uhr 19 Min. 202 34 Nach — Min. 40 Sek. 210 33 Injektion von 10 ccm der a ker 32 ersten Blutportion. Dr Sl 32 Nach — Min. 20 Sek. 196 36 |12 Uhr 44 Min. m 3 N Pe) N 37 \Injektion von 10 ccm der 10 1 1096 35 vierten Blutportion. ee os 94 Nach — Min. 10 Sek. 214 39 rl. zoo nr 12 Uhr 27 Min. 200 34 De Injektion von 10 cem der 4 2. 3 # ne 1 zweiten Blutportion. 2 Uhr sg Min R 161 99 Nach — Min. 20 Sek. 180 34 we a 30 174 24 Injektion von 10 ccm der 2 R £ ersten Blutportion. ee je nn z .Nach — Min. 10 Sek. 15 31 ine 80. nn a 12yUhr 37 Min. 100 > a ? = a Bd © 1166 27 Injektion von 5 ccm der a rl 160° 27 dritten Blutportion. 1 Uhr 12 Min. 166 236 Nach — Min. 20 Sek. 200 34 | Injektion von 10 ccm der een al 34 vierten Blutportion. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 107 Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10Sek. druck 10 Sek. Nach — Min. 10 Sek. 200 27 |1 Uhr 36 Min. 166 25 20. 242 28 | Injektion v. 2 ccm 2°/oigen a ee) 29 Extraktes aus der Bl .,:,1234 28 rechten Nebenniere. Bl 30, SLTZO — Nach — Min. 17 Sek. 201 28 1 Uhr 19 Min. 162 27 |1 Uhr 41 Min. 168 24 Injektion von 10 ccm arte- Injektion v. 2ccm 2%/oigen riellen Blutes aus der Fxtraktes aus der Art. carot. linken Nebenniere. Nach — Min. 10 Sek. 162 26 Nach — Min. 22 Sek. 217 26 2090, 160 26 |1 Uhr 46 Min. 167 23 30. ‚164 26 | Injektion v.2ccm 2/oigen Be. .-163 26 Extraktes aus der 1 Uhr 25 Min. 160 26 rechten Nebenniere. Injektion von 10 cem der . Nach — Min. 18 Sek. 202 26 dritten Blutportion. _ 1 Uhr 51 Min. 168 26 Nach — Min. 10 Sek. 192 30 | Injektion v. 2ccm 2/oigen mr. .800 „..284 29 FExtraktes aus der rl. 2,190 26 linken Nebenniere. le 9,80: *, 168 26 Nach — Min. 22 Sek. 216 30 1 Uhr 32 Min. 165 26 ı1 Uhe 56 Min. 170 23 Injektion v. 2 cem2°/oigen Injektion v. 2ccm 2/oigen Extraktes aus der Extraktes aus der linken Nebenniere. rechten Nebenniere. Nach — Min. 23 Sek. 218 29 Nach — Min. 17 Sek. 203 24 Versuch 3. A. 1. März 1909. Hund, 19200 g Gewicht. Morphiumnarkose; Curare; künstliche Atmung. Beide Nn. vagi am Halse durchschnitten. Art. carot. com. sin. mit einem ‚Quecksilbermanometer verbunden. Laparatomie. N. splan- chnicus major sin. abpräpariert und mittelst einer Ligatur an seiner Austrittsstelle unterhalb der Crura diaphragmatis fest unterbunden. In die V. lumbalis sin. eine Kanüle eingeführt. 1 Uhr 46 Min. Beginn der Gewinnung der ersten Blutportion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 84—104 Tropfen in einer Minute; Blut- druck 150—190 mm Hg. 1 Uhr 54 Min. Beendigung der Sammlung der ersten Blutportion; ge- sammelt 42 ccm Blut. -1 Uhr 55 Min. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktions- strom beim Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird im Laufe einer Minute gereizt; darauf folgt eine Minute langer Ruhestand usw. Beginn der Gewinnung der zweiten Blutportion; Geschwindigkeit des Blutabflusses 120 bis 136 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven, und 96—100 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. Blutdruck während der Reizung des N. splan- chnicus steigt von 150—190 auf 200—210 mm Hg. 108 M. Tscheboksaroff: 2 Uhr 2 Min. Beendigung der Sammlung der zweiten Blutportion; ge- sammelt 45 ccm Blut. 2 Uhr 3 Min. Fortsetzung der Reizung des N. splanchnicus beim Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird eine halbe Minute gereizt. Beginn der Gewinnung der dritten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 110—114 Tropfen in einer Miuute während der Reizung des Nerven und 80—100 Tropfen im Ruhezustand; Blutdruck während der Splanchnicusreizung steigt von 120—140 auf 160—170 mm Hg. 2 Uhr 8 Min. Beendigung der Sammlung der dritten Blutportion; im ganzen gewonnen 29 ccm Blut.‘ 2 Uhr 8 Min. 30 Sek. Beginn der Gewinnung der vierten Blutportion ohne jegliche Reizung des Nerven; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 62—64 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 100—150 mm Hg. 2 Uhr 14 Min. Das Blut beginnt in der Kanüle zu gerinnen; Geschwindig- keit des Blutstroms beträgt 40—46 Tropfen in einer Minute. 2 Uhr 20 Min. Beendigung der Gewinnung der vierten Blutportion; auf- gefangen 20 ccm. 2 Uhr 21 Min. Reizung des. N. splanchnicus durch den Induktionsstrom unter früheren Verhältnissen; Beginn der Gewinnung der fünften Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 80—82 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 50—54 Tropfen in einer Minute im Ruhe- zustande. Blutdruck während der Reizung steigt von 60—80 auf 100—110 mm Hg. 2 Uhr 24 Min. Fortwährende Gerinnung des Blutes in der Kanüle und V. lumbalis; das Blut fliesst nur in wenigen Tropfen in einer Minute heraus. 2 Uhr 30 Min. Beendigung der Sammlung der fünften Blutportion; im ganzen aufgefangen 16 ccm. Der Art. carotis sind 120 ccm Blut entnommen worden. Exstirpation beider Nebennieren; Gewicht der linken = 0,96 g, das der rechten — 1,10 g; aus den Nebennieren 2 °oige Extrakte hergestellt. B. 2. März 1909. 6200 g schwerer Hund; Morphiumnarkose, Curare, künstliche Atmung. Beide N. vagi am Halse durchschnitten. Art. carot. sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Pulsin Blut- Puls in druck 10 Sek. druck 10 Sek. 12 Uhr 51 Min. 175 28 Nach — Min. 30 Sek. 284 36 Injektion von 10 cem der KEIN a Sag 33 ersten Blutportion. IN ae er VER Le) 33 Nach — Min. 10 Sek. 174 23 |1.Uhr 10 Min. 177 30 all ar 29 |Injektion von 10 ccm der a WE u EIS 28 dritten Blutportion. N A a) 28 Nach — Min. 10 Sek. 196 39 1 Uhr 1 Min. 182 28 A en 58 Zl 35 Injektion von 10 ccm der 2. AD 33 zweiten Blutportion. en, el 32 Nach — Min. 10 Sek. 252 32 A ka. si! er ee ee Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 109 Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10 Sek. druck 10 Sek. 1 Uhr 21 Min. 130 32 Extraktes aus der Injektion von 5 ccm der linken Nebenniere. fünften Blutportion. Nach — Min. 34 Sek. 230 41 Nach — Min. 10 Sek. 153 38 |1 Uhr 45 Min. 121 30 50 As 35 | Injektion v.1ccm 2P/oigen a 092009 34 Extraktes aus un 25008. 2.169 3 rechten Nebenniere. 1 Uhr 26 Min. 197 2] Nach — Min. 27 Sek. 212 39 1 Uhr 50 Min. 127 3l Injektion v. 1 ccm 2/oigen Extraktes aus der linken Nebenniere. ‘ Injektion von 10 ccm der vierten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 133 31 — 20 139 32 : 2 BE, Nach — Min. 30 Sek. 252 43 le. 187 Sl R 2 Uhr 107 32 ” ” 30 ” 130 31 . . h Injektion von 1,5 ccm 1 Uhr 31 Min. 122 92 2°/oigen Extraktes Injektion von 10 ccm arte- riellen Blutes aus der aus der rechten Nebenniere. Art carot. Nach — Min. 26 Sek. 204 36 Nach — Min. 10 Sek. 125 32 |92 Uhr 5 Min. 126 30 ln 129 32 Injektion von 1,5 cem 16126 32 2%oigen Extraktes Ze lan 2302 v2 2125 y aus derlinken Neben- 1 Uhr 39 Min. 106 32 niere, - Injektion v. 1 cem 2°/oigen Nach — Min. 30 Sek. 268 40 Versuch 4. A. 19. Mai 1909. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 1. 11 Uhr 4 Min. 30 Sek. Beginn der Gewinnung des Nebennierenblutes der ersten Portion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von S4—100 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 100—190 mm Hg. 11 Uhr 7 Min. 30 Sek. Beendigung der Sammlung der ersten Blutportion (normalen); aufgefangen 20 ccm. 11 Uhr 10 Min. Ligierung des N. splanchnicus sin.; sein peripheres Ende mit der versenkten Elektrode in Kontakt gebracht. 11 Uhr 11 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom beim Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird im Laufe von einer halben Minute gereizt; darauf folgt eine halbe Minute Ruhestand usw. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindig- keit von 120—150 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 90—100 Tropfen im Ruhezustande; Blutdruck während der Sp amelunaer- erregung steigt von 150—180 auf 180 —230 mm Hg. 110 M. Tscheboksaroff: 11 Uhr 16 Min. Beendigung der Reizung des Nerven; Sammlung der zweiten Blutportion beendet; gewonnen 92 ccm. 11 Uhr 18 Min. N. splanchnicus sin. durchschnitten. 11 Uhr 19 Min. Beginn der Sammlung der dritten Blutportion ohne Reizung des Nerven; Geschwindigkeit des Blutstromes beträgt 35—50 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 120—140 mm Hg. 11 Uhr 39 Min. Beendigung der Blutsammlung; gewonnen 50 ccm der dritten Blutportion. 11 Uhr 45 Min. Der Vena cava inf. 50 cem Blut entnommen. B. 19. Mai 1909. Hund, 7500 g Gewicht. Morphiumnarkose. Curare; künstliche Atmung. Beide Nn. vagi am Halse durchschnitten; Art. carot. sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Blut in Blnt- Blutin druck 10 Sek. druck 10 Sek. 12 Uhr 26 Min. 162 32 |12 Uhr 40 Min. 184 32 Injektion von 10 ccm der Injektion von 10 ccm Blut ersten Blutportion. aus der V. cava inf. Nach — Min. 10 Sek. 172 34 | Nach — Min. 10 Sek. 193 32 a nl: 96 39 Sn (ch) 32 Sue a 280. lg 33 en AUS EALES BB) Bu A de RL MAIS 32 | a en en ld 92 12 Uhr 31 Min. 182 32 ‚12 Uhr 45 Min. 170 32 Injektion von 10 ccm der ı Injektion von 10 ccm der zweiten Blutportion. | dritten Blutportion Nach — Min. 10 Sek. 192 au Nach=ENin.@l02Sekeme178 32 Di, 0, 37 a ER EL) 32 12.148 Cr; 278 36 2 eo S sl FR ae N or 36 a) ie E79 32 ey! Blog ar Versuch 5. A. 20 Mai 1909. 12500 g schwerer Hund. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 1. 10 Uhr 48 Min. Beginn der Sammlung der ersten Nebennierenblutportion; das Blut fliesst 50—60 Tropfen in der Minute. 10 Uhr 55 Min. Beendigung der Sammlung der ersten Blutportion; ge- wonnen 25 ccm. 10 Uhr 57 Min. Ligierung des N. splanchnicus; sein peripheres Ende mit der versenkten Elektrode in Kontakt gebracht. 10 Uhr 58 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom beim Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird eine halbe Minute gereizt; darauf folgt ein eine halbe Minute langer Intervall usw. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion; das Blut fliesst 70—100 Tropfen in der Minute während der Reizung des Nerven und 50—70 Tropfen im Ruhezustande, 11 Uhr 3 Min. Beendigung der Reizung des N. splanchnicus; Beendigung der Gewinnung der zweiten Blutportion; gesammelt 30 ccm. Über sekretorische Nerven der Nebennieren., alal 11 Uhr 4 Min. Durchschneidung des N. splanchnicus an der Ausgangs- stelle unterhalb der Crura diaphragmatis. 11 Uhr 4 Min, 30 Sek, Beginn der Sammlung der dritten Blutportion ohne Reizung des Nerven; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 40—60 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 21 Min. Beendigung der Sammlung der dritten Blutportion; ge- wonnen 45 ccm. 11 Uhr 27 Min. Der Art. carotis 150 ccm Blut entnommen, B. 20. Mai 1909. Hund, 7400 Gewicht. Morphiumnarkose; Curare; künstliche Atmuug; beide Nn. vagi am Halse durchschnitten; Art carotis sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10 Sek. druck 10Sek. 12 Uhr 35 Min. 201 31 Nach — Min. 34 Sek. 250 3 Injektion von 10 cem der 4 EEE un 1282 32 dritten Blutportion. OR IL 29 Nach — Min. 10 Sek. 200 3 12 Uhr 56 Min. 167 25 0.205.202 3l |Injektion von 20 ccm der 2800. 0198 sl dritten Blutportion. Bi 60,0,40° ... 199 al Nach — Min. 10 Sek. 168 27 rl = 198 3 N 20. ol 24 12 Uhr 40 Min. 181 30 ae u 304.07 159 24 Injektion von 10 ccm der a ng 27 25 ersten Blutportion. ee Re 0 Ye) 24 Nach — Min. 10 Sek. 191 34 |1 Uhr 3 Min. 176 24 MR .«38 „216 33 | Injektion von 20 cem arte- N A) 30 riellen Bluts aus der Bl 30. „2... 196 — Art. carotis. 12 Uhr 46 Min. 183 30 Nach — Min. 10 Sek. 175 24 Injektion von 10 ccm der BE a 2008 lo 24 zweiten Blutportion. a N ai MEET RM ke} 25 Nach — Min, 10°Sek. 201 32 a Er en 4 180 24 a. .200,.,71,228 37 EL LT 24 Versuch 6. A. 21. Mai 1909. 22000 g schwere Hündin. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 3. 11 Uhr 33 Min. Beginn der Sammlung der ersten Nierenblutportion; Ge- schwindigkeit des Blutstromes 110—120 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 170—190 mm Hg. “11 Uhr 44 Min. Beendigung der Gewinnung der ersten Blutportion; ge- sammelt 70 ccm. 11 Uhr 47 Min. Das periphere Ende des N. splanchnicus mit der versenkten Elektrode in Kontakt gebracht. 11 Uhr 47 Min, 30 Sek. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktions- strom beim Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird eine halbe Minute 112 M. Tscheboksaroff: gereizt; darauf folgt ein eine halbe Minute langer Intervall, usw. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion. Das Blut fliesst 110—130 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 90—110 Tropfen im Ruhezustande; Blutdruck während der Reizung steigt von 160—180 auf 190—210 mm Hg. 11 Uhr 54 Min. Beendigung der Reizung des Nerven; Einsetzen einer starken Blutgerinnung; gesammelt 40 ccm der zweiten Blutportion. 12 Uhr. Der Art. carotis ca. 100 cem Blut entnommen. Entfernung beider Nebennieren; Gewicht der linken 1,15 g; das der rechten 1,10 g; aus jeder Drüse einzeln sind 2°/oige Extrakte hergestellt worden. B. Hund, 7200 g Gewicht. Morphiumnarkose; Curare; künstliche Atmung; beide Nn. vagi am Halse durchschnitten; Art. carotis sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10Sek. druck 10 Sek 1 Uhr 10 Min. 182 27 ı\1 Uhr 48 Min. 136 20 Injektion von 10 ccm arte- Injektion von 15 ccm der riellen Blutes. zweiten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 184 27 Nach — Min. 10 Sek. 181 Ep) —— 5120,02 27 EN oo 099 35 ee Un ee TU ee sen“ 88 D) 1 ” Fa ‘}) 181 mw e 1 et 210 30 ä Ri 15 I ; 191 26 5 9 Be Ba a 150 21 njektion von ccm er 1 Uhr 56 Min. 30 Mr ersten Blutportion. Iniekti 9 90; Nach — Min. 10 Sek. 199 26 | 9° u A Rn a oonn, 186 96 ee En aus er ne aligs 96 inken Nebenniere. Er E79 96 Nach — Min. 29 Sek. 210 e 1 Uhr 26 Min. 185 25 |2 Uhr 1 Min. 126 _ Injektion von 15 cem arte- Injektion v.2ccm 2°/oigen riellen Blutes. Extraktes aus der Nach — Min. 10 Sek. 188 25 linken Nebenniere. nn, AN el 25 Nach — Min. 27 Sek. 209 — ARE ler = = 2 Uhr 6 Min. a 2 En? Injektion v.2 ccm 2%/oigen a Da keit 25 Extraktes aus der 1 Uhr 32 Min. 190 25 rechten Nebenniere. Injektion von 15 ccm der A Nach — Min. 24 Sek. 190 == ersten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 191 25 |2 Uhr 14 Min. wa. ee a) 95 | Injektion v.2ccm 2/oigen Hau 5 SO NEE LG 95 Extraktes aus der ler 9.2195 24 rechten Nebenniere. Bern.) 20 Ar Nach — Min. 22 Sek. 6 — Uber sekretorische Nerven der Nebennieren. 113 Versuch 7. A. 16. Mai 1909. 17500 g schwere Hündin. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 3. 11 Uhr 5 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom beim Abstande der Spiralen von 80 mm; der Nerv wird eine halbe Minute lang gereizt, darauf folgt ein eine halbe Minute dauernder Intervall, usw. Beginn der Sammlung der ersten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 76—80 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 60 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. 11 Uhr 10 Min. Beendigung der Gewinnung der ersten Blutportion; ge- sammelt 23 ccm. 11 Uhr 10 Min. 30 Sek. Beginn der Gewinnung der zweiten Blutportion ohne Reizung des Nerven; das Blut fliesst 60—64 Tropfen in der Minute. 11 Uhr 15 Min. 30 Sek. Beendigung der Sammlung der zweiten Blutportion; gewonnen 17 ccm. 11 Uhr 16 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom unter früheren Bedingungen. Beginn der Gewinnung der dritten Blutportion ; Geschwindigkeit des Ausströmens beträgt 60—80 Tropfen in einer Minute bei Reizung des Nerven und 48—54 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. 11 Uhr 22 Min. Beendigung der Sammlung der dritten Blutportion; ge- wonnen 20 ccm. 11 Uhr 22 Min. 30 Sek. Beginn der Sammlung der vierten Blutportion ohne Reizung des Nerven. Das Blut fliest 30—40 Tropfen in der Minute; das Blut gerinnt in der Kanüle. 11 Uhr 31 Min. Beendigung der Gewinnung der vierten Blutportion; ge- sammelt 18 ccm. 11 Uhr 32 Min. Reizung des N. splanchnicus durch den Induktionsstrom ‘ beim Abstande der Spiralen von 70 mm; der Nerv wird eine halbe Minute gereizt; darauf folgt ein eine halbe Minute dauernder Intervall, usw. Beginn der Sammlung der fünften Blutportion; das Blut gerinnt. Geschwindigkeit des Blutabflusses 52—56 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 36—40 Tropfen in einer Minute während des Ruhezustandes. 11 Uhr 39 Min. Beendigung der fünften Blutportion; gesammelt 20 cem. B. 16. Mai 1909. Hund, 8500 g Gewicht. Morphiumnarkose; Üurare; künstliche Atmung. Nn. vagi intakt; Art. carotis sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Puls in| Blut- Puls in druck 10Sek. | druck 10 Sek. 1 Uhr 4 Min. 150 10 | Nach I! Min Sek, 16 9 Injektion von 10 ccm der | el. 9 “ ersten Blutportion. |1 Uhr 9 Min. 161 I Nach — Min. 10 Sek. 142 14 Injektion von 10 ccm der a 20 ne, AA 14: | zweiten Blutportion. Be; 80) nnd 9 | Nach — Min. 10 Sek. 154 10 Bear 02.405000 102 Se a RODER na 18 10 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 8 114 M. Tscheboksaroff: Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10 Sek. druck 10 Sek. Nach — Min. 30 Sek. 151 12 |1 Uhr 40 Min. 182 33 a 0 lan 11 | Injektion von 10 cem der ee RO 150 10 vierten Blutportion. ER E Nach — Min. 10 Sek. 170 33 1 Uhr 15 Min. 145 10 | na & 20, 165 9 Injektion von 10 cem der | N a 39 fünften Blutportion. ee N ie 39 Nach — Min. 10 Sek. 147 ze) a a. li 33 a 10% | = ee re EN en 172 12 |1 Uhr 45 Mm. Io 33 N re er 9 ‚Injektion von 10 ccm der Ve TER | 9 dritten Blutportion. ER SEE =, 10 Nach — Min. 10 Sek. 200 44 £ 2 ei, BD, al 46 1 Uhr 22 Min. | 5 N abs 48 Beide Nn. vagi durch- a 294 41 schnitten. | AND RR TO Versuch 8. A. 13. Mai 1909. 17300 g schwerer Hund. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 1; nur ist noch beim Hunde der N. ischiadieus dexter abpräpariert und ligiert worden. 11 Uhr 15 Min. 30 Sek. Beginn der Sammlung der ersten Blutportion (der normalen). Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 104—120 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 160—200 mm Hg. 11 Uhr 23 Min. 30 Sek. Beendigung der Gewinnung der ersten Blutportion; gesammelt 35 ccm. 11 Uhr 24 Min. Reizung des zentralen Endes des N. ischiadicus dexter durch den Induktionstrom beim Abstande der Spiralen von 250 mm; der Nerv wird im Laufe von einer halben Minute gereizt; darauf folgt ein ebensolanger Intervall (eine halbe Minute) usw. Beginn der Gewinnung der zweiten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 160—170 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 130—144 Tropfen in einer Minute im Ruhe- zustande; Blutdruck während der Reizung des N. ischiadicus steigt von 160—180 auf 210—220 mm Hg. 11 Uhr 28 Min. Beendigung der Reizung des Nerven; Beendigung der Gewinnung der zweiten Blutportion; gesammelt 30 ccm. 11 Uhr 29 Min. N. splanchnicus sin. durchschnitten. 11 Uhr 30 Min. Reizung des zentralen Endes des N. ischiadicus dexter durch den Induktionsstrom unter früheren Verhältnissen. Beginn der Gewinnung der dritten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 120—150 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 94—114 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. Blutdruck während der Reizung steigt von 120—140 auf 160—180 mm Hg. a IE Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 115 11 Uhr 35 Min. Beendigung der Sammlung der dritten Blutportion; Reizung des N. ischiadicus beendet; gesammelt 30 ccm Blut. 11 Uhr 35 Min. 30 Sek. Beginn der Sammlung der vierten Blutportion obne jegliche Reizung des Nerven. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 90—100 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 120—150 mm Hg. 11 Uhr 39 Min. Beendigung der Gewinnung der vierten Blutportion; ge- sammelt 20 ccm Blut. 11 Uhr 40 Min. Reizung des peripheren Endes des N. splanchnicus sin. durch den Induktionsstrom. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 120—130 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 90—100 Tropfen ip einer Minute im Ruhezustande; Blutdruck während der Reizung des Nerven steigt von 120—130 auf 150—160 mm Hg. Starke Blutgerinnung. Be- endigung der Sammlung der fünften Blutportion; gesammelt 29 ccm. 11 Uhr 46 Min. Beginn der Gewinnung der sechsten Blutportion olıne jegliche Reizung des Nerven. Blutgerinnung. Das Blut fliesst mit einer Geschwindig- keit von 18—40 Tropfen in einer Minute; Blutdruck beträgt 110—130 mm Hg. 11 Uhr 58 Min. Beendigung der Gewinnung der sechsten Blutportion; auf- . gefangen 13 ccm. 12 Uhr 5 Min. Der Art. carotis 120 cem Blut entnommen. B. 14. Mai 1909. 7000 g schwere Hündin. Morphiumnarkose; Curare künstliche Atmung. Beide N. vagi durchschnitten; Art. carotis sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Pulsin Blut- Puls in druck 10Sek. druck 10 Sek. 10 Uhr 30 Min. 158 27 Nach — Min. 30 Sek. 176 28 “ Injektion von 10 cem arte- en dar sn lot 26 riellen Blutes. le en. LO 26 Nach — Min. 10 Sek. 158 27 er a 90er 198 26 0 1587727 10, Uhr A Min. 1590 296 2 Ve 27 [Injektion von 10 ccm der le, 75007,,7162 27 dritten Blutportion. 10 Uhr 35 Min. 159 27 Nach — Min. 10 Sek. 155 26 Injektion von 10 ccm der N KL 26 ersten Blutportion. RAN, 152 26 Nach — Min. 10 Sek. 172 29 a Re = 50,185 25 |10 Uhr 52 Min. 152 25 Ay 1a 27 Injektion von 10 ccm der ml 200,23 186 27 vierten Blutportion. en Sn 1657777257 | Nach — Mins 10r8el 159 25 10 Uhr 40 Min. 143 26 ln 145 25 Injektion von 10 ccm der i 5 SO RLTAS 26 zweiten Blutportion. er) er. 25 Nach — Min. 10 Sek. 154 27 „aa nee 2155 —_ 8* 116 M. Tscheboksaroft: Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10 Sek. druck 10 Sek. 10 Uhr 55 Min. 153 26 12 Uhr26 2 Mine 148 26 Injektion von 10 ccm der Injektion von 10 ccm der fünften Blutportion. sechsten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 175 28 Nach — Min. 10 Sek. 156 26 en ale 7202 28 a VAR DR 26 Sa 2) 27 Alt 26 EN 220 26 a Eu a N ls 25 IE ER > * ELSE 26 | Versuch 9. A. 2. März 1909. Hund, 13500 & Gewicht. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 3. IO Uhr 24 Min. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktions- strom; Abstand der Spiralen S0 mm. Der Nerv wird im Laufe einer halben Minute gereizt, darauf folgt eine eine halbe Minute lange Pause, usw. Beginn der Sammlung der ersten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindig- keit von 140 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 110—114 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande; Blutdruck während der Reizung steigt von 150—160 auf 190—210 mm He. 10 Uhr 29 Min. 30 Sek. Beendigung der-Gewinnung der ersten Blutportion; gesammelt 40 ccm Blut. 10 Uhr 30 Min. Fortsetzung der Splanchnicuserregung unter früheren Ver- hältnissen. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 126—132 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 106—110 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande; der Blutdruck während der Reizung, des Nerven steigt von 130—170 auf 190 bis 220 mm Hg. 10 Uhr 34 Min. Beendigung der Gewinnung der zweiten Blutportion; Be- endigung der Reizung des N. splanchniceus; gewonnen 28 ccm Blut. 10 Uhr 34 Min. 30 Sek. Beginn der Sammlung der dritten Blutportion ohne Reizung des Nerven; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 124 bis 130 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 110—150 mm Hg. 10 Uhr 39 Min. 30 Sek. Beendigung der Gewinnung der dritten Blutportion;, gesammelt 33 ccm. | 10 Uhr 41 Min. Intravenöse Injektion von 10 mg schwefelsaurem Atropins (1 cem einer 1°/oigen Lösung von Atropinum sulfuricum). 10 Uhr 42 Min. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktions- strom; Abstand der Spiralen SO mm; der Nerv wird im Laufe einer halben Minute gereizt; darauf folgt eine eine halbe Minute dauernde Pause, usw. Beginn der Sammlung der vierten Blutportion. Geschwindigkeit des Blutabflusses beträgt 60—80 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 40—60 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande; Blutdruck während der Reizung des N. splanchnieus steigt von 70—80 auf 90—100 mm Hg. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 117 10 Uhr 54 Min. Beendigung der Sammlung der vierten Blutportion; Reizung des Nerven unterbrochen; gesammelt 40 cem Blut. 10 Uhr 54 Min. 30 Sek. Beginn der Sammlung der fünften Blutportion ohne Reizung des Nerven. Das Blut gerinnt in der Kanüle; das Blut fliesst 34—42 Tropfen in einer Minute; Blutdruck 60—70 mm He. 11 Uhr 4 Min. 30 Sek. Beendigung der Sammlung der fünften Blutportion ; gesammelt 20 ccm Blut. 11 Uhr 5 Min. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktionsstrom unter früheren Verhältnissen. Beginn der Sammlung der sechsten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 40—50 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 20—30 Tropfen in einer Minute im Ruhe- zustande. Blutdruck während der Reizung des N. splanchnicus steigt von 60—66 auf S0—90 mm He. 11 Uhr 11 Min. Fortwährende Gerinnung des Bluts in der Kanüle. Das Blut fliesst 10—20 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 18 Min. Reizung des N. splanchnicus beendet; Beendigung der Sammlung der sechsten Blutportion; gesammelt 18 ccm. 11 Uhr 24 Min. Der Art. carotis sin. 100 ccm Blut entnommen. Beide Nebennieren exstirpiert; Gewicht der linken 0,90 g; das der rechten 0,82 g; aus den Nebennieren werden 2°%/oige Extrakte hergestellt. B. 12. März 1909. Ein 6500 g schwerer Hund. Morphiumnarkose; Curare; künstliche Atmung. N. vagi am Halse durchschnitten. Art. carotis sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10Sek. druck 10 Sek. 11 Uhr 31 Min. 162 29 Nach — Min. 20 Sek. 162 29 Injektion von 10 ccm der le. 150 28 ersten Blutportion. a Dr met, RR TAT 28 Nach — Min. 10 Sek. 196 32 | a a — a A ar 34 11 Uhr 59 Min. 160 28 8 901.8 27207 32 ‚Injektion von 10 ccm der EN 2! 40188 3. vierten Blutportion. el ei to0N., 29 | Nach — Min. 19 Sek. 198 39 11 Uhr 39 Min. 157 293) Be ER21 7219 32 Injektion von 10 ccm der Zr 800 208 29 zweiten Blutportion. a ee In NEEFLSE 28 ‘ Nach — Min. 10 Sek. 180. 30 all. vn 30 140 _ ae 196 30 12 Uhr 9 Min. 167 28 — a SO 76 29 Injektion von 10 ccm der el tn 160) 28 fünften Blutportion. Bell. ,.0120. 29 8150 _ Nach — Min. 10 Sek. 168 23 11 Uhr 45 Min. 162 ‚29 Hr 20 178 28 Injektion von 10 ccm der | OO RN ELTZ, 28 dritten Blutportion. | ak Da san 5166 28 Nice im 10lsek 1660 29 | 01 2, 890,208 169:%..98 118 M. Tscheboksaroff: Blut- Puls in Blut- Puls in druck 10Sek. druck 10Sek. 12 Uhr 16 Min. 143 28 Extraktes aus der Injektion von 10 ccm der linken Nebenniere. sechsten Blutportion. Nach — Min. 26 Sek. 238 39 Nach — Min. 10 Sek. 170 31 |12 Uhr 35 Min. 147 27 2 ee 199 31 | Injektionv.1ccm 2%oigen 2 m le 195 30 Extraktes aus der a ee 159 29 rechten Nebenniere. a Be Re 2 29 Nach — Min. 21 Sek. 223 34 12 Uhr 21 Min. 144 28 |12 Uhr 40 Min. 148 28 Injektion von 10 ccm arte- Injektion v.1ccm 2%/oigen riellen Blutes. Extraktes aus der Nach — Min. 10 Sek. 152 28 rechten Nebenniere. RD. we a 28 Nach — Min. 22 Sek. 232 33 » 7,» % 148 23 |12 Uhr 46 Min. 145 29 Be a a 147 28 | Injektion v.1cem 2%/oigen ala ar A a lien 148 | Extraktes aus der 12 Uhr 30 Min. 146 28 | linken Nebenniere. Injektion v. lIccm2”/oigen Nach — Min. 21 Sek: 244 34 Versuch 10. A. 30. April 1909. Hund, 17500 g Gewicht. Dieselben Vorbereitungen und Manipulationen wie im Versuch 3. Ausserdem sind beim Hunde auf der linken Seite zwei Rippen (achte und neunte) reseziert worden und der N. vagus sin. oberhalb des Diaphragmas längs dem Ösophagus abpräpariert; Ligatur des Nerven, wobei sein peripheres Ende .mit der versenkten Elektrode in Kontakt ge- bracht wird. 11 Uhr 43 Min. 30 Sek. Beginn der Sammlung der ersten Blutportion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 78—82 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 46 Min. 30 Sek. Beendigung der Gewinnung der ersten Blutportion; gesammelt 19 ccm. 11 Uhr 47 Min. Reizung des N. vagus sin. durch den Induktionsstrom. Abstand der Spiralen 30 mm; der Nerv wird im Laufe einer halben Minute ge- reizt, darauf folgt eine eine halbe Minute dauernde Pause, usw. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion. Das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 108—114 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 52 Min. Beendigung der Vagusreizung; Beendigung der Sammlung der zweiten Blutportion; gewonnen 30 cem. il Uhr 52 Min. 30 Sek. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktionsstrom unter früheren Verhältnissen. Beginn der Gewinnung der dritten Blutportion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 120—136 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 100—110 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. 11 Uhr 56 Min. 30 Sek. Beendigung der Sammlung der dritten Blutportion; gesammelt 23 ccm. Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 119 11 Uhr 57 Min. Beginn der Gewinnung der vierten Blutportion ohne jegliche Reizung des Nerven; das Blut fliesst 70—84 Tropfen in einer Minute. 12 Uhr 1 Min. Beendigung der Sammlung der vierten Blutportion; ge- . wonnen 21 ccm. 12 Uhr 1 Min. 30 Sek. Reizung des N. vagus sin. durch den Induktions- strom unter früheren Verhältnissen. Beginn der Sammlung der fünften Blut- portion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 96—116 Tropfen in einer Minute. i 12 Uhr 6 Min. 30 Sek. Beendigung der Vagusreizung; Beendigung der Sammlung der fünften Blutportion; gewonnen 30 ccm. 12 Uhr 7 Min. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktions- strom. Abstand der Spiralen 80 mm. Beginn der Sammlung der sechsten Blut- portion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 50 Tropfen in einer Minute. Blutgerinnung; Reinigung der Kanüle. 12 Uhr 10 Min. Das Blut fliesst 130 Tropfen in einer Minute während der Reizung des N. splanchnicus und 110 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. 12 Uhr 14 Min. Beendigung der Sammlung der sechsten Blutportion; ge- wonnen 22 ccm. 12 Uhr 14 Min. 30 Sek. Beginn der Gewinnung der siebenten Blutportion ohne jegliche Reizung des Nerven; Geschwindigkeit des Blutabflusses 90—100 Tropfen in einer Minute. 12 Uhr 18 Min. Beendigung der Sammlung der siebenten Blutportion; ge- sammelt 18 ccm. 12 Uhr 19 Min. Reizung des N. vagus sin. durch den Induktionsstrom; Abstand der Spiralen beträgt 70 mm. Der Nerv wird im Laufe einer halben Minute gereizt; Beginn der Sammlung der achten Blutportion; das Blut fliesst ‚ mit einer Geschwindigkeit von 104—112 Tropfen in einer Minute. 12 Uhr 24 Min. Beendigung der Vagusreizung; Beendigung der Sammlung der achten Blutportion; gewonnen 26 cem. 12 Uhr 25 Min. Reizung des N. splanchnicus sin. durch den Induktions- strom; Abstand der Spiralen beträgt 30 mm. Beginn der Sammlung der neunten Blutportion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 130—144 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 90-100 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. 12 Uhr 29 Min. Beendigung der Gewinnung der neunten Blutportion; ge- sammelt 26 ccm Blut. Der Versuch ist beendet. Gesamtmenge des gewonnenen Nebennierenblutes: erste Portion (N. Splanchnicus ligiert) . . 19 ccm, zweite ,„. (Reizung des N. vagus)» . . 30 „ dritte »„ (Reizung des N. splanchnicus) 23 „ vierte » (ohne Reizung der Nerven). 21 „ fünfte ,„ (Reizung des N. vagus) . . 30 sechste „ (Reizung des N. splanchnicus) 22 siebente „ (ohne Reizung der Nerven) . 18 achte » (Reizung des N. vagus) . . 26 neunte „ (Reizung desN. splanchnicus) 26 120 M. Tscheboksaroft: B. 30. April 1909. Hund, 8000 g Gewicht. künstliche Atmung. Beide N. vagi am Halse durchschnitten. imit dem Kymographen verbunden. Blut- Puls in druck 10Sek. 3 Uhr 15 Min. 160 Injektion von 10 ccm der ersten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 164 I N) EDEN 65 N ee A ERS ER AS 1 N 3 Uhr 20 Min. 160 Injektion von 10 ccm der zweiten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 162 — , 20 „ 163 RE ee ED er 165 ae WR 162 3 Uhr 25 Min. 158 Injektion von 10 ccm der dritten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 168 N a 2 IE le Zu ae Be Ne 3 Uhr 38 Min. 136 Injektion von 10 ccm der vierten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 133 a er ren us ER EG pe IEH Maome kung 3 Uhr 43 Min. 139 Injektion von 10 ccm der fünften Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 142 A. 26. Oktober 1909. Eine 14000 g schwere Hündin. 28 29 29 (uU) co on co co I per 30 \ |3 Uhr 48 Min. Injektion von 10 ccm der Nach — Min. 1 1 ” ” 20 Sek. co & sechsten Blutportion. Nach — Min. e) 1 ” 3 Uhr 55 Min. 10 Sek. 20 Injektion von 10 ccm der siebenten tion. Nach — Min. ” ” Bl 4 Uhr Blutpor- 10 Sek. 20 Injektion von 10 ccm der achten Blutportion. Nach — Min. 4 Uhr 5 Min. 10 Sek. AU; Injektion von 10 ccm der neunten Blutportion. Nach — Min. Versuch 11. 10 Sek. AU 26 Morphiumnarkose; Curare; Art. carotis sin. Blut- Puls in druck 10Sek. 139 30 142 30 141 30° 140 30 137 30 145 36 170 36 179 34 158 30 141 — 138 30 137 30 135 30 139 30 137 — 136 30 136 30 136 30 38 30 136 30 136 30 148 32 164 34 172 32 154 31 142 30 Dieselben Mani- pulationen und Vorbereitungen wie in Versuch 10, mit dem Unterschiede nur, dass hier die beiden N. vagi abpräpariert und ligiert worden sind; jeder einzelne Über sekretorische Nerven der Nebennieren. 12I N. vagus ist mit der versenkten Elektrode in Kontakt gebracht; jede einzelne Elektrode mit einem entsprechenden Du Bois-Reymond’schen Schlitten- apparat verbunden. 11 Uhr 25 Min. Reizung des N. vagus dext. durch den Induktionsstrom ; Abstand der Spiralen 80 mm; der Nerv wird im Laufe einer halben Minute ge- reizt; darauf folgt eine eine halbe Minute dauernde Pause, usw. Beginn der Sammlung der ersten Nebennierenblutportion; das Blut fliesst mit einer Ge- schwindigkeit von 100—124 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 33 Min. Beendigung der Gewinnung der ersten Blutportion; auf- gefangen 28 ccm. 11 Uhr 33 Min. 30 Sek. Reizung des N. vagus sin. durch den Induktions- strom unter denselben Verhältnissen wie die des rechten N. vagus. Beginn der Sammlung der zweiten Blutportion; Geschwindigkeit des Blutabflusses beträgt 70—80 Tropfen in einer Minute. 11 Uhr 38 Min. 30 Sek. Beendigung der Gewinnung der zweiten Blut- portion; gesammelt 21 ccm. 11 Uhr 41 Min. N. splanchnicus mit der versenkten Elektrode in Kontakt gebracht. Blutgerinnung; Reinigung der Kanüle. 11 Uhr 42 Min. Reizung des linken N. splanchnicus durch den Induktions- strom unter denselben Verhältnissen wie diejenige der Nn. vagi. Beginn der Sammlung der dritten Blutportion; das Blut fliesst mit einer Geschwindigkeit von 120—130 Tropfen in einer Minute während der Reizung des Nerven und 70—90 Tropfen in einer Minute im Ruhezustande. 11 Uhr 48 Min. Beendigung der Sammlung der dritten Blutportion; auf- gefangen 33 ccm Blut. 11 Uhr 48 Min. 30 Sek. Beginn der Blutgewinnung ohne Reizung des Nerven; jedoch musste, infolge starker Gerinnung des Bluts in der Kanüle und V. lumbalis der Versuch unterbrochen werden. Der Art. carotis sin. 150 cem Blut entnommen. Gesamtmenge des gewonnenen Nebennierenblutes: erste Portion (Reizung des N. vagus dext.). . . 28 cm, zweite „ (Reizung des N. vagus sin) . . . 21 „ dritte ,„ (Reizung des N. splanchnicus sin.) . 33 „ B. 26. Oktober 1909. Hund, 7500 g Gewicht. Morphiumnarkose; Curare; künstliche Atmung. Beide Nn. vagi durchschnitten; Art. carotis sin. mit dem Kymographen verbunden. Blut- Pulsin| Blut- Puls in druck 10Sek. druck 10 Sek. 12 Uhr 56 Min. 194 29 |1 Uhr 1 Min. 190 28 Injektion von 10 ccm Injektion von 10 ccm der Blut aus der Art. | ersten Blutportion. carotis. | Nach — Min. 10 Sek. 194 28 Nach — Min. 10 Sek. 201 23 Be DA ERR AN) 23 0 ige 29 | BE RO. 118810. 28 Br 80 5190 290 lan 2 1.196 28 a yo 09er eo, 2 195... 08 122 M. Tscheboksaroff: Über sekretorische Nerven etc. Blut- Puls in Blut- Pulsin druck 10Sek. druck 10 Sek. 1 Uhr 7 Min. 202 29 Blutdrucksteigerung, Injektion von 10 ccm der dass das Quecksilber zweiten Blutportion. aus dem Manometer Nach — Min. 10 Sek. 209 29 herausfloss und die ee Ol 29 Registrierung unter- nn SO 1.203 29 brochen werden re FRE 205 30 musste. IT 0202 — |1 Uhr 22 Min. 203 29 1 Uhr 12 Min. 202 29 Injektion von 5 ccm der Injektion von 10 ccm der dritten Blutportion. dritten Blutportion. Nach — Min. 10 Sek. 217 30 Nach — Min. 10 Sek. 220 34 N NO, 2 39 ee era. = u 0 38 Eine dermassen starke O0. 20 — — a Sr (Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) Radioaktivität und Fermentwirkung. Von Kornel v. Koörösy, Assistent des Institutes. Allgemeiner Teil. Seit der Entdeckung des Radiums entwickelte sich über seine physio- logischen und therapeutischen Wirkungen eine ansehnliche Literatur. Nur ein kleiner Teil derselben bezieht sich aber auf den Zusammen- hang mit den Grundphänomenen der Physiologie, vielleicht teilweise deshalb, weil die praktisch-therapeutische Anwendung die Aufmerk- samkeit zu sehr an sich zog; ähnliches können wir ja oft in der Entwicklung der Wissenschaften beobachten. Andererseits war die Fragestellung oft so schablonenmässig, dass wir von ihrer Beantwortung kaum Aufklärung über die Grundbeziehungen erwarten können, so wenn z. B. der Einfluss des Radiums auf den N-Stoffwechsel oder den Blutdruck untersucht wurde. Ich hatte immer die Impression, dass die Fermente nicht Stoffe im gewöhnlichen Sinne des Wortes sind, das heisst, dass sie ihre spezifischen Wirkungen solchen Eigenschaften verdanken, welche in der Sprache der heutigen Atom- und Molekularchemie keinen Aus- druck finden. So halte ich es zum Beispiel für unwahrscheinlich, dass man aus der — vielleicht einmal — erforschten Strukturformel eines Fermentes auf seine fermentativen Eigenschaften schliessen könnte; einstweilen scheint aber schon ihre Reindarstellung, ge- schweige denn die Erforschung ihrer Strukturformel auf unüber- steigbare Schwierigkeiten zu stossen. Eine bestimmte Molekular- struktur im gebräuchlichen Sinne des Wortes könnte wohl mit eine Bedingung zur Entfaltung gewisser fermentativer Eigenschaften sein, aber nicht die allein genügende. Von dieser Auffassung ausgehend, hielt ich es für lohnend, zwischen Fermentwirkung und radioaktiven Erscheinungen einen etwaigen Zusammenhang zu suchen. Obgleich 124 Kornel v. Körösy: ich gleich anfangs betonen will, dass ich keine Theorie aufstellen, nur Zusammenhänge zu suchen beabsichtige, war es für mich sehr interessant zu sehen, dass Barendrecht') zur Erklärung der Enzymwirkung die Hypothese aufstellte, dass die Fermentwirkung dureh eine von dem Fermente ausgehende Strahlung verursacht wird, und Übereinstimmung fand zwischen den Konsequenzen dieser Hypothese und der experimentell festgestellten Tatsache, dass die Fermenthydrolyse von Disaechariden durch die Anwesenheit auch solcher Zuckerarten ge- hemmt wird, die bei ihrer Hydrolyse nicht gebildet werden. [Bezüglich der für die Inversionsgeschwindigkeit aufgestellten Formel s. Henri ?).] Nur auf einen Umstand möchte ich bei dieser Gelegenheit hin- weisen: es wurde in neuester Zeit öfter beobachtet, zwar auch bestritten, dass Metalloberflächen eine Art Strahlung [Moserstrahlen]°) aussenden; andererseits üben kolloidale Metalllösungen verschiedene katalytische Wirkungen aus, sie zersetzen das Wasserstoffsuperoxyd, üben aber auch andere Fermentwirkungen aus. Es wurde immer ein Zusammenhang an- genommen zwischen der grossen Oberflächenzunahme, die die Metalle im kolloidalen Zustande erfahren, und ihrer Fermentwirkung; die erwähnte Metallstrahlung muss offenbar der Oberfläche proportional sein, und so ist es naheliegend, zwischen Metallstrahlung und Fermentwirkung kolloidaler Metalllösungen einen Zusammenhang zu suchen. Es wäre dies in gewisser Beziehung ein merkwürdiger Rückgang auf die Naegeli’sche Fermenthypothese, wie denn solche Rückgänge auf aprioristisch aufgestellte Theorien nach auf Grund einer anderen Auffassung gewonnenen Versuchsresultaten sich in der Entwicklung der Wissenschaften oft wiederholten. An eine etwas ähnliche Er- klärungsweise der Wirkung kolloidaler Platinlösungen auf Wasser- stoffsuperoxyd scheint auch Bredig*) gedacht zu haben. Offenbar von der schädigenden Wirkung der Radiumstrahlen auf Bakterien ausgehend, wurde es öfter untersucht, ob diese Strahlen keine ähnliche schädigende Wirkung auf die Fermente, diese spe- zifischen Agenzien der Lebewesen, ausüben, oder ob sie umgekehrt ihre Wirkungen nicht befördern. Die diesbezüglichen Literaturangaben 1) Barendrecht, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 49 S. 456. 1904; Bd. 54 S. 367. 1906.— S. auch Oppenheimer, Die Fermente, III. Aufl., S.25. Leipzig 1910. 2) Henri, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 51 S. 220. 1905. 3) Fortschritte d. Physik Bd. 2 1905 S. 249—255.: 1906 S. 230—232; 1907 Ss. 191; 1908 S. 202—4; 1909 S. 182. 4) Bredig und Müller, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 31 S. 324. 1899. Radioaktivität und Fermentwirkung. EISqQNS + A9PO Sunsopjusund T ouldı go aayaısun (4 "SOISSUNMIIM UITOMNZ (y "C06TI "965T ‘Ad Lei y 'puat duo) ‘zsAuw(g (ZI "GFOL 'S OTGL ıqdsuay9o AA ur a9uraog ya, I pun 19479198 (IT "SOGT RUBSLUIOQ "6SL "AN 8 'PI "TaeyuoZ -WOY9OLT yoeu uosurf (OT "6061 "WFS Iz PA "ıydsSPIIZ "wog9org ‘yynwoasygo mM pın [eyguoamd9orf(G "SOGL "SSF 'SFI PA "AIISNIZ "WOTDOIT “UTOISTOPN puu [eELIU9AMD9OTT(R -906T 10% Id Fe [oA "ToısÄyd Jo "umof ‘YNI09]JıM (L "VIE 'S CO6TL IM Pan uroysungag pun jjosıog (9 “vO6L '8SP 'S 08 'PEL Po us 7 pay soypsmogq ‘1onwqpor (G "SO6T "SAT 'S 9°PA ‘F06T 'S6E'S CPI "NIE S.199STOWFOoF “uoasjforN-Iprwyag (f -FO6T 083 4 96 I "Jorq Dos "puaa ‘duo *a9kem pun tauar (€ "70, °S FOBI IyPsuamoqM ung doupıag “yynwasiyom (Z 061 "ILL 'S Z PA Fungdsiojsqdayy 7 "ayasyoz ‘SToqnoN (I ‚sops>anmy.ıIM — () ‘Pua9uuwayg = — PUmpIopg — + + („osensorin | | | OIU9AWAOT APU9AHLPÄXOQ | + (Gr ursdärs, | | | 0 („ ursowu«yg) 0 (H(oursdadg 0 (s 9seJkuny 0 (Elo(aumaoauf — („usowäyg | — (,ursdad — („ursdAaf, — („u9douisdÄus, 0 (. uUQqWOAQT, _ („usdÄ], 0 (blorusdog 0 („uısowäygg — (, ureAJg + („you 7 "IAJomVY 0 (dor ursdAus, 0 (usdiL — — (g UISINWGT = (gursdku] 0 (Hloumaaauf 0 (Hloumoauf + %(1,3uowao ] 'IAJoynYy | — („umA1oAUJ + (+ („o9sepkuy + (rursdärs, + („ursdAıL + (prursdAa, yeagsang + | ur yegsqng + | ury yerysqug + urmy Sunjyeagsag-ey uoneurum-ey zjes-ey 9Juamıa J opuoaaaısAfoapÄH 126 Kornel v. Körösy: sind oft widersprechend, durch eine entsprechende Gruppierung der- selben können wir aber doch ein übersichtliches Bild erhalten. Wir müssen hierbei auf dreierlei Umstände achten: erstens auf die ver- schiedenen Fermentarten, zweitens ob sie der direkten Einwirkung der Radiumsalze bzw. der Emanation — einem unter Strahlungs- abgabe sich weiter zersetzenden gasförmigen Umwandlungsprodukte des in dauernder Zersetzung befindlichen Radiums — oder nur den Radiumstrahlen ausgesetzt wurden, und drittens ob eine mit dem entsprechenden Substrat versetzte Fermentlösung verwendet wurde, oder eine reine Fermentlösung, und das entsprechende Substrat erst nachträglich zugesetzt. Der Einwirkung auf reine Fermentlösungen entspräche ungefähr die Lichtdestruktion der Fermente'). Der Kürze halber stelle ich die Literaturangaben in beigefüster Tabelle (S. 125) nach den erwähnten Gesichtspunkten zusammen; dabei zeigen sich auch die noch experimenteller Arbeit bedürftigen Punkte klarer. Wir sehen aus derselben, dass die Fermentwirkungen durch radio- aktive Einwirkungen im allgemeinen gefördert werden, sowohl durch Radiumsalze in Substanz bzw. Emanation als durch Radiumstrahlen. Eine Ausnahme bildet nur die Wirkung der Bestrahlung auf hydro- lysierende Fermente, insofern sie als. reine Fermentlösungen ohne Anwesenheit von Substrat verwendet wurden. Diejenigen Be- obachtungen, bei welchen weder begünstigende noch schädigende Wirkungen gefunden wurden, kommen hier selbstverständlich nicht in Betracht; für die Beobachtung von Dany sz ist nieht angegeben, ob die Wirkung von Radiumstrahlen (Emanations du Ra —= Rastrahlen ?) bei reiner Fermentlösung oder in Anwesenheit eines Substrates ge- funden wurde; sie widerspricht also der gefundenen Regel nicht. Nur die eine Beobachtung von Bergell und Braunstein?), wonach die Wirksamkeit von Trypsin in Gegenwart von Seidenpepton durch Radiumbestrahlung geschwächt wird, widerspricht ihr. Das Radium entsendet, wie bekannt, «-, $- und y-Strahlen, von welchen die «-Strahlen schon durch äusserst geringe Schichtdieken des Mediums, der Luft, ferner des das Radiumpräparat umschliessenden Glases oder Glimmers, absorbiert werden. Vielleicht ist der Unter- schied zwischen der Wirkung der Radiumstrahlen und des Radium- salzes bzw. der Emanation darin begründet, dass ersteren die 1) H. Euler, Allgem. Chem. d. Enz. S. 177. Wiesbaden 1910. 2) Bergell und Braunstein, Medizin. Klinik 1905 S. 310. Radioaktivität und Fermentwirkung. ddr a-Strahlen abgehen, während das Radium wie erwähnt alle drei, die Emanation, als solche, nur «-Strahlen aussendet. Zu ähnlichen Folgerungen kamen auch Bergell und Braunstein. Im vorhergehenden stellten wir also die Literaturangaben über die Veränderungen der Fermentwirkungen unter radioaktiven Ein- flüssen zusammen. Eine ganz andere Frage ist es nun, ob radio- aktive Vorgänge selbst fermentartig wirken können, also nicht nur als Acceleratoren der Fermente!). Das war die Frage, die mich inter- essierte. Bei Durchsicht der Literatur fand ich diese Distinktion nur bei Neuberg?) ausgesprochen, der die Frage auch experimentell zu beantworten suchte: er untersuchte, ob das Eiweiss des behufs Tötung der autolytischen Fermente gekochten Krebsgewebes durch Radiumbestrahlung hydrolysiert wird, und kam zum Ergebnis, dass dies nicht stattfindet, während die Aktivität der autolytischen Fermente, ungekochtes Krebsgewebe, dadurch erhöht wurde. Ähnlich wirkungs- losfand danachW ohlgemuth?)dieRadiumbestrahlung aufWittepepton, Asparagin, Methylelykosid, Olivenöl und Leeithin. Positive Resultate erhielt nur Fenton“) mit Wasserstoffsuperoxyd, auf dessen Arbeit wir noch zurückkommen. Für die mich interessierende Frage, ob radioaktive Vorgänge Fermentwirkungen auszuüben vermögen, finden wir zweierlei Arten von Analogien: das Radium bewirkt gewisse, den Fermentwirkungen ähnliche Vorgänge, und andere Strahlen können Fermentwirkungen ausüben. Dem ersten Falle entspricht die Beobachtung von Sala- monson und Dreyer’), dass Radiumstrahlung hämolytisch wirkt, worauf wir noch zurückkommen. Dem zweiten diejenige von Bierry und Henri‘), dass durch die Einwirkung ultravioletter Strahlen aus verschiedenen nicht reduzierenden Disaechariden und Glykosiden. reduzierende Körper, d. h. Monosaccharide, entstehen. Ferner müssen wir uns der Beobachtungen von Rosenthal’) erinnern, wonach im Magnetfelde schwankender Intensität Stärke, Eiweiss und andere Körper hydrolytische Spaltungen erfahren. Hier müssen wir aber in der Verallgemeinerung noch einen 1) Bayliss, The nature of enzyme action, S. 65. London 1908. “ 2) Neuberg, Zeitschr. f. Krebsforsch. Bd. 2 8. 171. 1904. 3) Wohlgemuth, Berliner klin. Wochenschr. 1904 S. 704. 4) Fenton, Proc. Cambridge philos. soc. vol. 12 p. 424. 1904. 5) Salamonson et Dreyer, Compt. rend. t. 144 p. 999, 1907. 6) Bierry et Henri, Compt. rend. soc. biol. t. 68 p. 821. 1910. 7) Rosenthal, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wissensch. 1908 S. 20. 128 Kornel v. Körösy: weiteren Schritt tun: wir müssen auf die Definition des Fermentes zurückgreifen. Die Fermentwirkung ist nach Ostwald’s Definition eine Art der allgemeineren katalytischen Wirkung. Unter Katalyse verstehen wir die unter gewissen Umständen stattfindende Be- schleunigung der Geschwindigkeit eines chemischen Prozesses; Ferment- wirkungen sind jene Spezialfälle der Katalyse, in welchen durch gewisse von Lebewesen produzierte Agenzien die Beschleunigung verursacht wird. So war es eigentlich ein Widerspruch gegen sich selbst, als wir oben von durch Strahlungen verursachten Fermentwirkungen sprachen: wir hätten von strahlungskatalytischer Beschleunigung solcher Prozesse sprechen sollen, die durch Fermente katalysiert zu werden pflegen. Hiermit können wir aber die oben erwähnten Vorgänge mit einer ganzen Reihe wohlbekannter photochemischer Reaktionen, obeleich zwischen Lichtstrahlen und Radiumstrahlen grosse Unterschiede be- stehen, in Analogie setzen. Die photochemischen Prozesse müssen wir nämlich — von den bei chemischen Vorgängen auftretenden Strahlungserscheinungen einstweilen abgesehen — in zwei Hauptgruppen teilen!): solche, bei welchen das Licht nur beschleunigend, katalytisch wirkt, die aber auch von selbst ablaufen, wie z. B. die Bildung von HCl aus H und Cl, und andere, bei welchen die strahlende Energie des Lichtes in Form chemischer Energie gebunden wird, wie es z. B. nach der allgemein angenommenen Auffassung bei der unter Mitwirkung des Chlorophylls stattfindenden Photosynthese der Fall ist: der Reduktion der Kohlensäure zu Zucker, oder bei der Bildung von Dianthracen aus Anthracen nach den Untersuchungen von Luther und Weigert?). Die Gleiehgewichtslage der erstgenannten Reaktionen wird durch das Licht nicht verschoben, d. h. der Vorgang hört bei denselben relativen Konzentrationen der Anfangs- und Endprodukte auf, als wenn er von selbst ohne lichtkatalytische Beschleunigung abgelaufen wäre, d. h. verläuft praktisch zu Ende; bei den Reaktionen zweiter Art wird dagegen die Gleichgewichtslage verschoben, obgleich das photochemische Gleichgewicht nach Luther in dem von ihm unter- suchten Falle dem gewöhnlichen Gleiehgewichte gegenüber wichtige Unterschiede zeigt. Dem letzteren Fall entspricht das, was Bunsen und Roscoe im dGegensatze zur gewöhnlichen Lichtabsorption 1) Ostwald, Grundriss der allgem. Chemie, IV. Aufl., 8. 587. Leipzig 1909. 2) Luther und Weigert, Zeitschr. f. physikal. Chemie Bd. 51 S. 297. 1905; Bd. 53 S. 385. 1905. r Radioaktivität und Fermentwirkune. 129 photochemische Extinktion nannten; bei der photochemischen Extinktion bird aus der versehwindenden strahlenden Energie chemische Energie, wei der Lichtabsorption Wärme. Hierbei ist aber zu bemerken, dass die Existenz der photochemischen Extinktion im Sinne von Bunsen und Roscoe nach Nernst!) unbewiesen ist. Bei Stobbe’) und Neuberg’) — bei letzterem eher acceleratorartige Wirkung des Lichtes — finden sich Beispiele, dass hydrolytische und Oxydations- prozesse, also die Hauptarten der Fermentwirkung, auch durch Licht katalytisch beeinflusst werden; letztere werden nach Pellini und Vaccari*) auch durch Radiumstrahlen beschleunigt. Bei Taylor’) finden sich Beispiele, dass photochemische Empfindlichkeit und Fermentierbarkeit bei aromatischen Körpern an ähnliche Strukturen gebunden sind. — Eine zukünftige Strahlungsphysiologie wird sich der Photochemie ähnlich, abgesehen von der Lichtproduktion durch Organismen, in die Hauptkapitel der katalytischen Wirkungen und derjenigen, die mit Bindung strahlender Energie einhergehen, ein- teilen lassen, wobei die Reizerscheinungen, wie Phototropismus und Sehen, wahrscheinlich in die erste Kategorie fallen werden, wie denn auch Czapek‘®) und Wo. Ostwald’) eine Beeinflussung oxydierender Fermente nach phototropischer Reizung beobachten konnte. Nach alledem können wir das Licht als einen sehr allgemein verbreiteten Katalysator ansehen, in dieser Beziehung der Temperatur ähnlich®). Dies war der Grund, warum ich es bisher, auch bei der Definition der Katalyse, vermied, von Katalysatoren als Stoffen zu sprechen, sondern den allgemeineren Begriff der katalytischen Wirkung vorzog und auch sonst eher von Fermentwirkungen als von Fer- menten sprach. . Nun wird es nicht mehr so befremdend sein, als es wohl auf den ersten Anblick erscheinen mag, wenn wir finden, dass den radioaktiven Erscheinungen direkte fermentartige, d.h. richtiger 1) Nernst, Theoret. Chemie, VI. Aufl., S. 767. Stuttgart 1909. 2) Stobbe, Zeitschr. f. Elektrochemie Bd. 14 S. 477—478. 1908. 3) Neuberg, Biochem. Zeitschr. Bd. 13 S. 305. 1908. 4) Pellini und Vaccari, Atti Accad. Lincei Rendiconti vol.13 2° sem. p. 269. 5) Taylor, On fermentation. Univ. of Calif. Public. Pathol. vol. 1 p. 300. 1907. " 6) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 43, S. 361 und 419. 1907; bezweifelt von Grottian, Beihefte z. bot. Zentralbl. Bd. 24 Abt. I S. 255. 1909, und Grafe und Linsbauer, Sitzungsber. Wiener Akad., math.-naturw. Klasse Bd. 117 Abt. I >907.1909. 7) Wo. Ostwald, Biochem. Zeitschr. Bd. 10 S. 1. 1908. . 8) Ostwald, Grundriss der allgem. Chemie, IV. Aufl., S. 330. Leipzig 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 9 . 130 Kornel v. Körösy: katalytische Wirkungen zukommen, abgesehen von den auf die Fermente ausgeübten fördernden oder hemmenden Wirkungen. Wir müssen sogar die Radiumstrahlen als besonders geeignet betrachten, den Zusammen- hang zwischen Katalyse und Strahlungserscheinungen zu untersuchen, da wir uns von den Radiumstrahlen eine handgreiflichere Vorstellung bilden können als von anderen Strahlen. So sagt Nernst!), dass sich die Vermutung aufdrängt, dass Ionisierungserscheinungen eine Rolle bei den photochemischen Prozessen spielen: die «-Strahlen müssen wir bekanntlich als freie Ionen auffassen, und oben kamen wir zum Ergebnis, dass bei Beeinflussung katalytischer Wirkungen durch radioaktive Einflüsse gerade den «-Strahlen eine entscheidende Bedeutung zuzukommen scheint. Ich untersuchte, ob durch Radiumbestrahlung die Inversion einer Rohrzuckerlösung herbeigeführt wird, konnte aber keine derartige Wirkung nachweisen; ein Versuch mit Radiumsalz in Substanz, den Herr I. v. Stukoväthy auf meine Veranlassung unternahm, war ebenfalls erfolglos. Bei der Zersetzung von Wasserstoffsuperoxyd er- hielt ich aber positive Resultate, auf deren Besprechung ich nun über- gehen will. Die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxydes unter radioaktiven Einflüssen. Vor allem ist hier zu bemerken, dass das Wasser bekanntlich unter dem Einfluss der Radiumstrahlung unter H-Bildung zersetzt wird, wobei nach Kernbaum?), entgegen der Angabe von Ram- say?°), ebenso wie unter dem Einflusse ultravioletter Strahlen *), Wasserstoffsuperoxyd entsteht, aber nur in Spuren. Gleich die ersten Versuche mit Wasserstoffsuperoxyd (Perhydrol Merck) zeigten mir, dass durch Bestrahlung mit einem Radium- präparate (15 mg RaBr,), für dessen freundliche Überlassung ich Herrn Prof. v. Herezel aufriehtigsten Dank schulde, seine Spaltung be- schleunigt wird. Das durch Glimmer verschlossene Präparat wurde in Versuch I bzw. II vier bzw. fünf Tage lang über einer Glasschale mit Wasserstotfsuperoxydlösung gehalten und zum Vergleich dieselbe 1) Nernst, a. a. O0. S. 776. j 2) M. Kernbaum, Le Radium t.6 p. 225 et 352. 1909. 3) Ramsay, Le Radium t.4 p. 392. 1907. 4) Lombard, Compt. rend. t. 150 p. 227. 1910. Radioaktivität und Fermentwirkung. 131 Menge derselben Lösung in einer ähnlichen Schale in einen daneben stehenden Kasten gestellt. Die relativen Konzentrationen der beiden Lösungen zu Ende des Versuches waren jodometrisch bestimmt: 2,9 und 3,5, bzw. 1,4 und 1, 7.In Versuch III wurden 25 ecm einer ea. 10% igen Lösung acht Tage lang bestrahlt, dann beide Proben auf 1500 eem verdünnt und 16 Tage später analysiert. Das Ergebnis war höchst überraschend: das Wasserstoffsuperoxyd war aus der be- strahlten Lösung bis auf unbestimmbare Spuren verschwunden, während die Kontrolllösung einen Gehalt von 0,12 °/0 aufwies. Es hatte also den Anschein, als ob sich die zersetzende Wirkung der Bestrahlung erst nachträglich zeigen würde, wogegen die Wirkung während der Bestrahlung, nach den Versuchen I und II zu urteilen, nicht sehr bedeutend war. Dazu bemerkte ich noch, dass sich die dem Präparate ausgesetzten Lösungen stark einengten, was auf eine Erwärmung durch die Bestrahlung hinwies, so dass der Unterschied in den erwähnten Versuchen I und II vielleicht durch die Tempe- raturerhöhung bedingt war. Es liess sich auch tatsächlich unter den Versuchsbedingungen eine Temperaturerhöhung ven ca. 1° C. nachweisen. Es wurde nun in den weiteren Bestrahlungsversuchen hauptsächlich dieser merkwürdigen Nachwirkung nachgegangen. Die nächsten Versuche, die wie die ersten in gewöhnlichen, nicht paraf- finierten Gläsern vorgenommen wurden, zeigten eine Ähnliche Nach- wirkung, aber in geringerem Grade; die weiteren, bei welchen paraffinierte Gefässe zur Verwendung kamen, zeigten sie trotz ver- schiedenster Modifikationen der Versuchsbedingungen nicht, bis ich endlich auf den wahrscheinlichen Grund der Erscheinung kam. Von diesen Bestrahlungsversuchen abgesehen, wurden dazwischen andere Versuche unternommen, bei welchen minimale Radiumsalz- mengen in der Wasserstoffsuperoxydlösung aufgelöst wurden, wobei sich eine sehr starke Zersetzung der Lösung nachweisen liess. Schliesslich wurde ein Versuch nıit Radiumemanation angeschlossen, mit dem Ergebnis einer ausgesprochenen Zersetzung. Die Bestimmung des Gehaltes na asserstoffsuperoxyd geschah anfanes jodometrisch, von der dritten Bestimmung bei Versuch IV angefangen mit Permanganat. Es wurden im allgemeinen Yıo n. Lösungen gebraucht, von Versuch XI ab für die kleineren Werte eine !/ıoo n. Lösung. Eine Lösung zeigte während längeren Gebrauches eine langsame Abnahme der Konzentration; die betreffenden Werte sind der 9 * 132 Kornel v. Körösy: durch Interpolation gefundenen jeweiligen Stärke der Lösung ent- sprechend korrigiert, und eine entsprechende Korrektion auch bei Benützung anderer Lösungen, wo notwendig, angebracht. Die Titer- stellung der Parmanganatlösung geschah mit Oxalsäure. Es wur- den ca. 5 /oige Wasserstoffisuperoxyd-Lösungen (ein Teil Perhydrol, fünf Teile destillertes Wasser) benützt, die Versuche im dunkeln Zimmer ausgeführt. Bei den Bestrahlungsversuchen kamen 25, nur bei Versuch VII und IX 20 eem der Lösung in einer Glasschale in einen Kasten oder Thermostaten. Nach der Bestrahlung wurde die Lösung auf 250 cem gebracht und in dunklen Glasflaschen in einem Kasten aufbewahrt. Die erste Bestimmung geschah unmittelbar nach der Bestrahlung; nur bei Versuch XXII 14!/s Stunden später. Mit den Vergleichslösungen wurde genau so vorgegangen. Von Versuch IV ab wurde die Kontrollösung, von X ab beide Schalen in besonderen Thermostaten gehalten, aber nur derjenige mit der Kontrollösung schwach erwärmt, so dass sie (vielleieht mit einziger Ausnahme von Versuch IV) jedenfalls über der Temperatur der bestrahlten Lösung gehalten war und wir so vor einer ‘Täuschung durch Temperatur- unterschied gewarnt waren; diesem Zustande ist es zuzuschreiben, dass die Anfangskonzentration der Vergleichslösung regelmässig kleiner war als der bestrahiten. Zu einer Bestimmung wurden im allgemeinen 5, wenn aber notwendig bis zu 50 ecem genommen, nur bei den ersten Versuchen 2—4 cem, und der Mittelwert zweier (zuweilen dreier) im allgemeinen gut übereinstimmender Titrierungen genommen. Von den Versuchen mit Radiumsalzen wurde bei Versuch XI das Salz in 20 cem einer ca. 5°/o igen Wasserstoffsuperoxydlösung gelöst, in braunen, paraffinierten Flaschen aufbewahrt, zu jeder Bestimmung 2 eem pipettiert, zehnfach verdünnt und hiervon 5—5 ccm genommen. Bei den Versuchen XII, XIV, XVII 1) und 2) wurde das Salz direkt in 250 ccm einer ca. 0,5 %/o igen Wasserstoffsuperoxydlösung aufgelöst. Bei dem Emanationsversuche wurden 3 cem Perhydrol mit Emanations- wasser aus dem Badeemanator der Radiogengesellschaft, welches übrigens etwas Fluoreszenz zeigte, auf 50 ccm aufgefüllt, in einer paraffinierten braunen Flasche mit Kautschukstopfen gut verschlossen im Laboratoriumraum frei stehen gelassen. Zur Bestimmung wurden 2 ecm pipettiert, auf 100 verdünnt und 15—15 cem der verdünnten Lösung genommen. Mit den Vergleichlösungen wurde auch bei den Radioaktivität und Fermentwirkung. 89 Radiumsalz- und Emanationsversuchen immer auf das genaueste ebenso vorgegangen. Für die richtige Bewertung der Versuche, die mit langen Unter- brechungen seit dem Jahre 1906 fortgeführt, aber neben ander- weitigen Versuchen nur nebensächlich betrieben wurden, muss ich betonen, dass ursprünglich nur die qualitative Feststellung einer eventuellen Wirkung geplant war, durch Vergleich mit einem unter genau gleichen Bedingungen ausgeführten Kontrollversuche. Es stellte sich aber heraus, dass eine Beantwortung der Frage nur nach einer entsprechenden Berechnung der Ergebnisse möglich war. So wurden denn die Geschwindigkeitskonstanten berechnet, und zwar, da es sich bei der Nachwirkung um Änderungen der Zersetzungs- geschwindigkeit handelte, nach der Formel !) a Lem | tn — in wobei als Zeiteinheit ein Tag genommen wurde, während c gr. H>0, in 100 ecem Lösung bedeutet. Da gewöhnliche Logarithmen benützt wurden, sind die gegebenen Werte mit 2,30 zu multi- plizieren. Die Tagesintervalle wurden zwar im alleemeinen bis auf wenige Stunden genau eingehalten, doch liegt hierin, sowie in der wechselnden Zimmertemperatur ein Grund für die hie und da sich zeigenden Unregelmässigkeiten der Werte der Geschwindig- keitskonstanten gegeben. Die grösste Sorefalt wurde aber, wie erwähnt, der vollkommen gleichmässigen Behandlung der Ver- gleichslösungen (gleiche Art von Bedeckung, von Schalen, dasselbe destillierte Wasser, Bestimmungen unmittelbar nacheinander aus- geführt usw.) gewidmet. Dadurch kann den Verhältniswerten der Kra Kara?) ; Kk : Ku Genauigkeit zugeschrieben werden. ein viel höherer Grad von Geschwindiekeitskonstanten 1) S. Ostwald-Luther, Physik.-chem. Messmethoden, IV. Aufl. S. 526. Leipzig 1910. ° 2) Kra = Geschwindiskeitskonstante der Zersetzung der mit Radium-Barium- gemisch oder Emanation versetzten, bzw. bestrahlten H, O,-Lösung, Kx = dasselbe der reinen, Kr. — dasselbe der mit Bariumsalz versetzten Lösung. b 134 Kornel v. Körösy: Versuche mit Radiumsalz. xt i 0,70% RaBa Rein Kos % H,O, 0,434 Kr. %% H50s 0,434 Kx Kr 0 = Dr Sem 3 AN . 2 0,0322 an 0,00308 10,5 55 ori 0,0192 276 0,00391 4,9 ge 0'799 0,0424 15a 0.00685 6,2 Er nee 0,0681 A 0,00540 12,6 5) Jade h OR ’ N 1 1 | 0008 IL 3,0 00085 | 188 BREITE 0,072°0 RaBa 0,0670 Ba Le 9/0 H505 0,434 Kna 0/0 H,O, | 0,434 Kr. |, Kra 0) ai pi! Az Re 2 = en 0,0297 N 0,0078 3,8 y ee 0,0818 a 0,0165 5,0 IL De 0,1025 a 0,0203 5,0 20 One 0.0876 Os 0,0183 48 Fa | ‚YVVDo N - 194 Ny= 44 | 0,0036 0,0145 | 0,0697 | u XIV. | 0,053%0 Ra-Ba 0,0540/0 Ba Re ER re % H50, | 0,434 Kna Kaa 0 Bi ab NaER a Br 3 0 0,0820 Da 0,0129 6,4 10 ak 0,0969 ae 0,0145 6,7 14 N 0,0764 EL 0,0401 1,9 21 0,013 0,0653 2 0,0397 1,6 39 0,00196 ok 0,0638 ons on 52 0,00094 rg 0,0451 Pl XVII 1a. \ 0,036°/6 Ra-Ba Rein KR %% H,0, | 0,434 Km. | % H;0, 0,434 Kx Rx 0 a Mr > 6 0,318 Re 0,430 0598 an 0,0258 ns 0,00523 4,9 26 0,0969 nn 0,338 I = radioaktivität und Fermentwirkung. 135 XVIH 1b. 0,036% Ra- Ba) 0,292 ’ Eu Kr Enno 0,434 0/0 H,O, 0,434 Kpa Ka: N) — a = ER u er aim 0,0258 |. 00229 1, 2 0.0340 0.094 15 49 0.0160 0,0374 ) | XVII 2a. n 0, 034 X Ra Rein Re Ton ER | 0,434 Kr %o Hs0; | 0,434 Kx Kk | | 0) — | Ton = Ba ee 5 0 ar 0,00488 67 6 0,071 | 0.0992 al 0.00384 102 49 0918 0.275 | XVII 2b. 0,0340 Ra>) 0,264%/0 Ba Kra 0/0 HsV; | 0,434 Ka %/o H50, 0,434 Ka. Ka re Au) 6 0,326 re 0,371 | 2 ER 26 0.0731 0 00718 | u n 49 0,00918 ‚0992 0,00748 | Wir wollen nun mit den Radiumsalzversuchen beeinnen. Ver- suche XI, XVII 1, und XVII 2, zeigen, dass durch die Anwesen- heit eines Radiumsalzes die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxydes gegenüber der spontanen einer reinen Lösuug durchschnittlich auf das Neunfache vergrössert wird. Es wurde von Armet de Lisle ein Radium-Bariumbromidgemisch bezogen, mit 0,005 %/o Radiumbromid und einer Aktivität von 100. Die in den Tabellen angezebenen Prozentwerte beziehen sich auf dieses Gemisch. Um zu sehen, wie weit diese Wirkung durch Anwesenheit des Bariumsalzes mitbedingt war, wurden in Versuch XII und XIV der Vereleichslösung ein Bariumhaloid zugesetzt, in Versuch XVII1) und XVIII2) je eine Kontrolle mit reiner Wasserstoffsuperoxydlösung und einer mit dem Bariumsalz versetzten ausgeführt. Es zeigte sich, dass in ungefähr gleichen Konzentrationen das Radium-Bariumgemisch eine ungefähr 1) Mit der Reihe XVIIl 1a (S. 134) identisch. 2) Mit der Reihe XVIII 2a identisch. Kornel v. Körösy vierfache Wirkung dem reinen Bariumsalz gegenüber ausübt, und dass es nötige war, ungefähr achtmal so viel des letzteren Salzes als des Radiumgemisches zu nehmen, um ungefähr gleiche Wirksam- keit zu erreichen. Wenn wir, der Ba-Wirkung Rechnurg tragend, dem Ra an sich nur den ®/s Teil der Wirkung zuschreiben, so ist das doch eine starke Leistung für das in Spuren anwesende Ra-Salz ; denn auf reines RaBr, berechnet, waren vorhanden: bei den Ver- suchen XI, XII, XIV, XVII]) und XVII 2) vesp.: 35, 3,6, 27, 1,5 und 1,7 x 10=° %o. Dass das reine Bariumsalz auch eine gewisse Wirkung ausübte, kann uns nicht wundernehmen, da sich das Barium auch sonst als dem Radium ähnlich zeiste, so in den Versuchen von Richet’) über Beeinflussung der Mischsäuregärune. Versueh mit Radiumemanation. XXI. = f nn — — — Emanation Emanation Des Wasser RE Re %/0Hs0, 0,434 Krıı | Y0H50; | 0,434 Kraus | /oH50, 0,434 Kr | Kr | Kr nz | sonpzas | Mal DoBzea4e Boos] Szene = an: 0,00973 x 0,00400 000 [3] 1,60 0 00136 1.60 0) 00590 1.78 72 | 1,59 nz 155 ID 1,78 ei NW 12 | 151 | 90048 | 1745 | 000700 | 777 | 0,00049 | 9,1 | 148 65 | 135 | seite | ys | 000157 | zu, | 000ıso | 08 | 12 Der Versuch mit Radiumemanation (zwei parallel durchgeführte Versuche) zeigte auch eine bedeutende Beschleunigung der Zersetzung. Es könnte vielleicht von Interesse sein, diesen Versuch mit stärkeren und ganz reinen Lösungen von Radiumemanation, welches an sich, wie erwähnt, nur «-Strahlen aussendet, zu wiederholen, wobei sich vielleicht ein Zusammenhang zwischen den einzelnen radioaktiven Um- wandlungen und den fermentähnlichen Wirkungen herausstellen würde, was in Anbetracht des oben über die «-Strahlen Gesagten wichtig wäre. Bestrahlungsversuche mit Glasgefässen. IV. 5 (4?) Tage lang bestrahlt Unbestrahlt Kr t 3 N ö ar E Y u a % H,O, | 0,434 Kr. % H,O; 0,434 Kr Kr 47 I Er D a 0,0384 0,978 0,0158 2,4 5 0,268 = 0,315 5 Q 0,0357 5 0.0355 1,0 14 0,128 = 0,151 en 0,0534 : 0,0560 1,0 39 0,0060 | 0.0265 0,0060 0.0432 0,6 57 00020, 9] ee 0,0010 , 1) Richet, Biochem. Zeitschr. Bd. 11 S. 273. 1908. Radioaktivität und Fermentwirkung. 137 v. 6 (5?) Tage lang bestrahlt Unbestrahlt a, 0% H3,0, 0,434 Kra %o H,0, | 0,434 Kx Kr l | 0 ee n 945 2aR 1 37 | 0 DC O0 | 1A 51 0.0020 0,0150 0,0010 0,0519 0,9 v1. 9 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt Kr t RN z 3 ar us EM = a Ym ER, le ae v0 H,O, | 0,434 Kr Kx I ee en 0,0163 1,7 Ir 0.0572 ee 0.0435 13 48 0.0020 se 0,0048 001 1,1 Es man 0.0285 a 0.0238 12 vo. 10 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt K t EEE ER u ER |, 0/0 H,O, 0,434 Kra 0/0 H,O, 0,434 Kr Kx 997 < x H | 00160 a 0,0091 1,8 5 Da 02 70.0568 al klooıes 1.6 56 0.0078 0,0366 0.0143 | 90402 0,9 e ’ e) & 085 0.0088 an 0.0101 0,9 IX. 14 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt 12 0/0 205 - | 024 Km fo 50, | 0,484 Kr Kx | | N De 0,0174 oe 0,0159 1,1 = ee 0 00260 a 0,0764 0.6 a ee 0,0643 ne 0,0695 0,9 DEE {9} ) 5) 46 0,0068 2212 0.0020 20891 22 Zuletzt ‚wenden wir uns jetzt den Versuchen mit Radium- bestrahlung zu. Die Ergebnisse meiner ersten orientierenden Ver- Suche sind oben mitgeteilt: es zeigte sich in Versuch I—II eine 138 Kornel v. Körösy: » ausgesprochene Wirkung, doch hatte ich den Verdacht, dass dieselbe, weniestens teilweise, durch die Erwärmung bedingt war. Dass eine direkte Beeinflussung aber tatsächlich existiert, halte ich durch die Untersuchung Fenton’s!) für bewiesen, auf die ich erst nach Be- endigung meiner Versuche (durch Neuberg’s Zitat) aufmerksam wurde. Derselbe fand die Reaktionsgeschwindigkeit der H, O,- Zer- setzung durch Radiumbestrahlung auf ungefähr das Doppelte ver- erössert, sowohl in gewöhnlichen, als in paraffinierten Gläsern. Da nach Bredig’s Untersuchungen ?) die Geschwindigkeitskonstante der H, O,-Zersetzung bei der Platinkatalyse durch eine Temperatur- steigerung von 10° C. erst auf das 1,7 fache vergrössert wird, kann Fenton’s Beobachtung wohl nicht durch die Erwärmung ver- ursacht sein; ob dabei nicht eine Emanationswirkung mit im Spiel ar, darüber später. Ich richtete meine Aufmerksamkeit hauptsäch- lich der erwähnten merkwürdigen Nachwirkung zu, die sich im er- wähnten Versuch III so gross zeigte. In meinen ersten, mit gewöhn- lichen Gläsern ausgeführten Versuchen (Versuch VIII missglückte) zeiste sich die Nachwirkung, indem die Reaktionsgeschwindigkeit dem Vergleichsversuche gegenüber anfangs auf ungefähr das Doppelte gesteigert war: im weiteren Verlaufe der Versuche verschwand aber dieses Übergewicht der bestrahlten Lösung, um manchmal dem Gegen- teile zu weichen. Ähnliches fand auch Wohlgemuth?) bei Be- strahlung autolysierenden Gewebes, sowie Loewenthal und Wohlgemuth®) in ihren Emanation-Amylaseversuchen. Bei Ver- such IX scheint die erste Periode der Beschleunigung nahezu unter- drückt, vielleicht fällt sie in das erste Intervall. Bestrahlungsversuche mit paraffinierten Gefässen. u. 15 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt Re t e 4 RE | ae 0 H,O, 0,434 Kua 0% H,O, | 0,434 Kr Kr E z TEST RE EN 0,495 | 0,00208 04 | 000955 0,8 p 0,481 0.0015 0,474 0.00159 19 3 0.469 57 0462 | 0 En u 0.00232 00 | 000245 0.9 2 BE 0,0005 1 0'360 0.00201 1.0 ” 0,00158 Jr 0,00174 0,9 210 0.214 | 019 I 1) Fenton, Proc. Cambr. philos. soc. vol. 12 p. 424. 1904. 2) Bredig und Müller, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 31 S. 320. 1899. 3) Wohlgemuth, Berliner klin. Wochenschr. 1904 S. 704. 4) Loewenthal undWohlsemuth, Biochem. Zeitschr. Bd.21 S.476. 1909. Radioaktivität und F ermentwirkung. 139 XIII. S Tage lang bestrahlt Unbestrahlt K t EN 2 BR 00. H50, 0,434 Kra 0% E50, 0,434 Kr Kr 24 0'350 0,00305 en 0,00437 0,7 51 0.069 0,00464 0,935 0,00451 1,0 N 0,00404 2 0,00336 12 199 0,0680 0,0748 XV. 5 17 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt n | Kra I |Ermmm. oaerm | wm0. | oa | = %o Hs05 - 0,484 Kra 9/9 H,O, 0,434 Kx \ 0 000882 N 0,00609 1,4 14 0209 | 9:00582 on 0,00485 Lil 30 0269 | 000376 0'248 0,00271 1,4 = 0216 | 00022 van | Omas 1,3 ' -0,00179 5 | 0,00155 1,2 179 0.135 0.139 | XV. 17 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt Ko, n Beh a iR Ara | I 0, | ven en 0,434 Kr ‘= u. Bar re n | | Ogosen | Ne 0,00765 0,8 46 0033, 900894 0168 0,00483 0,8 : 0,00307 a 0,00364 0,8 160 0,104 0,0646 XVIl. 20(?) Tage lang bestrahlt Unbestrahlt KR ä I 0/0 H50s 0,434 Ka %% H50, 0,434 Kr -& n 0,00737 0,0872 0,8 140 Kornel v. Körösy: SDR, 14 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt 1 f * | Dr : De x a %% H,O, 0,434 Ka %% H,O; 0,434 Kx Kr I 0 en 0,0185 a omas 1,7 19 07163 0,0133 0153 | 0076 log 19 ir 0,0160 0194 ' 0,0130 19 © ‚126 0,0171 ar 121001 1,3 35 0,0663 O0IAS 0,0680 ° | n'oose 076 46 0,0459 0a I) Ne XX. 20 Tage lang bestrahlt | Unbestrahlt K% t ae! BE = a 0 Hs; Os 0.434 Ka %o Hs; (0R | 0,434 ER | Kx L 0 0,0181 | EN eo 1,2 & 0,371 0,0124 0,395 | 0,0138 0,9 E 0'208 0,0136 0'259 | 0,0158 0,9 > ar 0,0150 Re 0,0189 0,8 26 0,204 0.0135 0,156 | 0.0182 07 41 0,128 0.0186 0,0833 0.0943 0/8 57 0,0646 I 0,0340 | er ’ I RUE 20 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt Yo t a 2 EURE ei Be Eh = a 0/0 H,O, 0,434 Kra 0 Hz0, | 0,434 Kx Kx \ Dose 0,0117 on 0,0116 1,0 09 0.19 0,0104 0.163 0,0122 0,9 5 ne 0,0164 De 0,0161 1,0 37 0.109 | 0,0933 XXI. i Tage lang bestrahlt Unbestrahlt Kr t Eee aa sch e BR = = & ee | neo er Kx | | * 0 025 | 00164 0,269 0,0133 12 - a am NS 0.0064 11 9 Dr 0,0110 907 0,0110 1,0 12 Vu 0,207 0.0121 31 87 0,0008 | 2 0,0258 2 2 Radioaktivität und Fermentwirkung. 141 XXI. 15 Tage lang bestrahlt Unbestrahlt | Kr BR _ 2 Ka | < r en: | 9434 Kun | 0 He0, | 0434 Kr | n | ie 3 0, a ID 0,0226 1,0 ) | >y ) 5 1} II 0.0018 unael | oo | 0,0332 0,9 Um die Zersetzung in den Kontrollösungen zu verringern. ent- schloss ich mieh dann zur Paraffinierung sowohl der Schalen, worin die Lösungen während der Zeit der Bestrahlung sich befanden, als der Aufbewahrungsflaschen. Die Geschwindiekeitkonstante der reinen unbestrahlten H,0,-Lösungen (Kr) Stieg im allgemeinen an fangs an, und ging späterhin zurück; doch finden sich a ch Versuche mit stetiger Abnahme oder stetiger Zunahme. Ähnliche un:.: gelmässige Schwankungen beobachtete auch Fenton bei seinen Versuchen in Glasgefässen. Die genannten Verhältnisse treten selbstverstä dlich bei der gewählten Berechnungsart besser hervor als nach der gewöhn- lichen Formel: lc, — lcı R- a. Als ich mit den paraffinierten Gefässen die gesuchte Nach- wirkung trotz verschiedentlicher Abänderungen von Nebenumständen nicht beobachten konnte, kehrte ich bei Versuch XIX zu denselben unparaffinierten Schalen zurück, die bei den ersten Versuchen ge- braucht waren, nahm aber zur Aufbewahrung paraffinierte Flaschen: die Nachwirkung war nachweisbar. Da kam ich auf den Gedanken, ob durch die Bestrahlung nicht die Aktivität eines aus dem Glase aufgenommenen Katalysators nachträglich verstärkt wurde. Neuer- lich wurde von Filippi!) gezeigt, dass selbst ganz indifferente Körper die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxydes beschleunigen. Deshalb versetzte ich in Versuch XXI und XXIII die Lösungen mit gleichen Mengen sehr verdünnter kolloider Platinlösung: in Ver- such XXII 23 eem ca. 5°/oiger H, O,-Lösung mit 1 ccm einer sehr verdünnten Platinlösung, in Versuch XXIII 25 eem H,O, -Lösung mit 1 cem einer etwas weniger verdünnten Platinlösung. Im ersten Fall zeigte sich nach einiger Zeit eine gut ausgesprochene Nachwirkung, Versuch XXIII musste vorzeitig abgebrochen werden. Das wäre eine 1) Filippi nach Biochem. Zentralbl. Bd. 3 Nr. 236. . 142 Kornel v. Körösy: mögliche Erklärung für das Auftreten oder Ausbleiben der Nach- wirkung. Während der Versuche bemerkte ich, dass das Radiumpräparat — welches sich in Versuch X und XIII in einem dampfgesättigten Raume befand, aber auch sonst nahe über der Flüssigkeitsoberfläche gehalten wurde — Wasser anzog. Als ich es in einem Exsikkator trocknete, folete ein Versuch — Versuch XV — mit ziemlich aus- gesprochener Nachwirkung. Hiermit stünde es im Einklang, dass ich die auffallendsten Nachwirkungen bei den ersten drei Versuchen erhielt, und die Nachwirkung in den folgenden Versuchen sukzessiv abnahm. Vielleicht erklärt sich die ganze Nachwirkung dadurch, dass aus dem durch eine Glimmerplatte verschlossenen Präparate Emanation austrat und sich in der H,0,-Lösung löste und nach- träglich ihre Wirkung ausübte. Wenn das Präparat feucht war, löste sich die Emanation im Feuchtigkeitswasser und trat nicht aus. Dies wäre die zweite mögliche Bedingung für das Zustandekommen der Nachwirkung. Eine definitive Entscheidung konnte äusseren Umständen zufolge nicht getroffen werden. Die Frage einer eventuellen Nachwirkung gewinnt dadurch an Interesse, dass sie nicht vereinzelt dasteht. Ich fand seither eine ähnliche Nachwirkung der Radiumbestrahlung bei Salamonson und Dreyer!) bezüglich der hämolytischen Wirkung angegeben. Ob hierbei, sowie auch bei dem Versuchsergebnisse von Fenton, nicht das Austreten von Emanation aus der Radiumkapsel mitspielt, bleibt dahingestellt. Die therapeutische Nachwirkung des Trinkens von radioaktivem Wasser führt Löwenthal°?) auf nachträglichen Zerfall der Emanation zurück. Sehr interessant ist aber in dieser Beziehung die Beobachtung von Kistiakowsky?), wonach die Katalyse von Wasserstoffsuperoxyd durch ein Gemisch der beiden Blutlaugensalze im Lichte einer Bogenlampe auf das Zehnfache an- steigt, was nach Bredig*) bei der Platinkatalyse, sowie auch bei den organischen Katalasen nicht der Fall ist. Diese Beschleunigung bestand dann nach Verdunkelung in unveränderter Stärke weiter. Photochemische Nachwirkungen sind ja überhaupt eine bekannte Er- scheinung. 1) Salamonson und Dreyer, Compt. rend. t. 144 p. 999. 1907. 2) Loewenthal, Berl. klin. Wochenschr. 1910 S. 287. 3) Kistiakowsky, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 35 S. 431. 1900. 4) Bredig und Müller Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 31 8. 323. 1899. ; Radioaktivität und Fermentwirkung. 143 Zusammenfassung. Im ersten Teile wurden die bisher bekannten fermentartigen, bzw. Fermente beeinflussenden Wirkungen der radioaktiven Vorgänge zusammengestellt und auf die Beziehungen dieser Beobachtungen zu den photochemischen katalytischen Wirkungen hingewiesen. Im zweiten Teile wurden Versuche über die Zersetzung von Wasserstoffsuperoxyd unter der Einwirkung radioaktiver Vorgänge mitgeteilt. Wird in einer Lösung desselben eine Spur Radiumsalzes aufgelöst, oder wird dasselbe in Fmanationswasser gelöst, so tritt eine starke Zersetzung des Wasserstoffsuperoxydes ein. Dem stellvertretenden Leiter des Institutes, Herrn Adjunkt Dr.M. Pekär, sage ich für das diesen Versuchen entgegengebrachte Interesse aufrichtigsten Dank, ebenso Herrn I. v. Szukoväthy für die mir bei denselben geleistete Hilfe. 144 P. Lasareff: Berichtigung. Berichtigung zu meiner Abhandlung in Pflüger’s Archiv Bd. 1358. 196. Von Privatdozent P. Lasareff. Statt „und sind c, und «“ bis „Hieraus folgt,“ (S. 198 Zeile 6 bis 9) muss es heissen: „... .. (8), sind c, und c, verschwindend klein und A=DB, d.h. die obere und uutere Grenze der Funktion F' fallen zusammen, so folgt hieraus... . .“ Statt „E10 .10° -_ (für NaCl)“ auf S. 201, Zeile 6 von unten, muss es heissen 2 K = 110.107 2 für Nadıl). seG 145 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Betrachtungen über die theoretischen und praktischen Bestrebungen, Instrumente zur Registrierung der im Kreislauf auftretenden Druckschwankungen herzustellen. Von K. Hürthle. Zu den folgenden Betrachtungen veranlassen mich einige Be- hauptungen, welche sich in einer Ende März erschienenen Abhandlung von OÖ. Frank!) finden. Zunächst fordert der folgende, ohne jeden Beleg vorgebrachte Satz zu einer Verfolgung der Tatsachen heraus: „Die Geschichte dieser Bestrebungen zeigt, dass ohne den Leitfaden der Theorie nur planloses Arbeiten stattfindet.“ Sucht man zunächst den Satz aus der Geschichte des Sphygmo- sraphen zu begründen, so hat Marey’°) sein erstes Instrument im “ Jahre 1860 beschrieben. Zwei Jahre später hat Mach?) gerade mit Rücksicht auf den Marey’schen Sphygmographen eine Theorie der Wellenzeichner aufgestellt, welche bis heute die Grundlage aller theoretischen Untersuchungen auf diesem Gebiete geblieben ist, und hat an der Hand derselben auch eine experimentelle Prüfung des Instrumentes vorgenommen; sein Urteil über den Marey’schen Sphygmographen lautet (S. 170): „Es herrschen demnach an dem Instrumente die Verhältnisse, welche durch die Theorie als günstige dargestellt werden.“ Schon dieses Beispiel würde genügen, um die Unrichtigkeit der Frank’schen Behauptung darzutun. Marey hat seinen Sphygmographen nach mechanisch richtigen Prinzipien konstruiert, bevor eine mathematische Theorie dieser Instrumente aufgestellt war. 1) O0. Frank, Prinzipien usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 430, 2) Marey, Journ. de la Physiol. t.3 p. 241. 8) Mach, Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 46 (2) S. 157. 1862. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 10 146 K. Hürthble: Gehen wir über zur Geschichte der elastischen Mano- meter, so verdanken wir ihre Einführung und eine fortschreitende Verbesserung derselben Ad. Fick). Er hat sein erstes Instrument, das Bourdon’sche Hohlfedermanometer, nicht auf Grund der mathematischen Theorie konstruiert, wohl aber hat er das Instrument mit den Forderungen der Theorie verglichen (S. 584): „Man wird bemerken, dass mein Instrument ungefähr den Anforderungen ent- spricht, die Mach nach seinen theoretischen Betrachtungen an einen Wellenzeichner stellt“; doch sagt er auf der vorhergehenden Seite: „Ein entscheidendes Wort kann aber lediglich eine Experimental- kritik sprechen;* eine solche wurde mit künstlichen Druck- schwankungen von bekannter Form vorgenommen. Später hat Fick die Bourdon-Röhre durch das Flachfeder- Manometer ersetzt und zur Übertragung des Druckes von der Arterie auf das Manometer an Stelle von Wasser Luft benützt. Die Verbesserung dieses Instrumentes gegenüber dem ersten bestand einerseits iu einer Erhöhung der elastischen Kraft der Feder, andrer- seits in einer Verminderung der schwingenden Massen, welche durch Luftübertragung erzielt war. Diese Verbesserung ist ohne Zweifel insofern im Einklang mit der mathematischen Theorie, als diese möglichst grosse elastische Kraft und möglichst geringe Masse verlangt, widerspricht aber der auch später noch übersehenen Voraussetzung der Theorie, dass die bewegte Masse durch einen Massenpunkt ersetzt werden kann und sich als Ganzes bewegt. Diese Voraussetzung kann, wie in der folgenden Abhandlung gezeigt wird, bei einer inkompressiblen Flüssig- keit innerhalb gewisser Grenzen als erfüllt betrachtet werden, eilt aber offenbar nicht mehr für ein System von flüssigen und gas- förmigen Substanzen. | Im Jahre 1886 habe ich selbst eine vergleichende experimentelle Prüfung der damals für physiologische Zwecke gebrauchten Druck- messer mit dem Ergebnis angestellt?), dass die verschiedenen In- strumente sich wesentlich durch die Grösse der Flüssiekeitsver- schiebung unterscheiden, welche sie zum Ausgleich einer bestimmten Druckdifferenz beanspruchen, dass die Grösse dieser Fiüssigkeits- menge ein Kriterium für ihre Leistungsfähigkeit und dasjenige Manometer das beste sei, welches zur Erzeugung eines bestimmten 1) Ad. Fick, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864 S. 582. 2, lürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 43 S. 399. Betrachtungen über die theoretischen und praktischen Bestrebungen etc. 147 hydrostatischen Druckes die kleinste Flüssigkeitsverschiebung oder den geringsten Aufwand an Arbeit erfordert. Ersetzt man daher einen Teil der inkompressiblen Flüssigkeit, welche den Druck von der Arterie auf das Manometer überträgt, dureh Luft, so wird der Vorteil, welchen die Verminderung der schwingenden Masse mit sich bringt, durch die starke Vermehrung der am Manometer zu leistenden Arbeit überwogen, welche eine Folge der Kompressibilität der Luft ist, und das Manometer wird zu träge, um raschen Druckschwankungen zu folgen. Weiterhin enthält meine Abhandlung eine Untersuchung über den Einfluss der Länge, des Querschnittes und des spezifischen Ge- wichtes der übertragenden Flüssigkeitssäule auf die Leistungen des „Gummimanometers“; aus dieser ergab sich „die praktische Regel, die Verbindungsstücke zwischen Arterie und Mano- meter nicht zu Jang und hinlänglich weit zu nehmen“ und eine Flüssigkeit von geringem spezifischen Gewicht zu wählen. Diese experimentellgewonnenenErgebnissesind nun, wie im folgenden gezeigt wird, von der Theorie vollkommen bestätigt worden, und die allgemeinen Überlegungen und syste- matischen Prüfungen, welche zu ihrer Auffindung geführt: haben, können daher doch wohl nicht als „planloses Arbeiten“ bezeichnet werden. Gehen wir nun über zu den durch theoretische Untersuchungen erzielten Fortschritten, so ist es ein unbestreitbarer Fortschritt und ein Verdienst Frank’s, die Mach’sche Theorie der Wellenzeichner auf die elastischen Manometer übertragen und damit die quanti- tative Bedeutung der einzelnen Faktoren festgestellt zu haben, welche auf die Leistungen der Manometer von Einfluss sind. Die Theorie führt aber zu dem Ergebnis, dass dies die nämlichen Faktoren sind, deren Bedeutung ich früher auf experimentellem Wege festgestellt hatte, wie die folgende Betrachtung zeigt: als Maßstab für die Güte der Instrumente dient die Dauer der Eigen- schwingung 7 oder ihr reziproker Wert, die Schwingungszahl N — 7 dieser Wert wird durch die Faktoren 1) Elastizitätskonstante des Manometers E’ und 2) Querschnitt ®, Länge Z und spezifisches Gewieht s der übertragenden Flüssigkeitssäule in der aus der Formel 1-2 2% 10 * 148 K. Hürthle: ersichtlichen Weise beeinflusst, d. h. die Schwingungszahl N oder die Güte des Instrumentes ist direkt proportional der Wurzel aus der HRlastizitätskonstanten und dem Querschnitt, umgekehrt pro- portional der Wurzel aus der Länge und dem spezifischen Gewicht der Flüssigkeitssäule.. Die „Elastizitätskonstante“ des Manometers ist aber nichts anderes als der reziproke Wert der „zur Erzeugung eines bestimmten hydrostatischen Druckes notwendigen Flüssigkeits- verschiebung“, denn sie wird definiert als der „Zuwachs des hydro- statischen Druckes, dividiert durch die ihn erzeusende Volumver- sehiebung“. Wir sehen also, dass die Forderungen der Theorie in vollem Einklang mit meinen vor ihrer Ausbildung auf experimentellem Wege aufgestellten Sätzen sind, und dass die historischen Tatsachen sowohl beim Sphygmographen wie bei den elastischen Manometern serade den umgekehrten Gang der Wissenschaft erkennen lassen, wie ihn Frank darstellt. Man kann daher fragen, ob Frank zur Aufstellung seiner Differentialgleichung gekommen wäre, wenn er nicht durch meine experimentellen Ergebnisse auf die integrierenden Faktoren hingewiesen worden wäre; denn die Frank’sche Diffe- rentialgleichung ist aus der Mach’schen durch Einführung des a x ler A) Prinzips der Volumverschiebung | 2 —= -- an Stelle von # = —— { Av A& abgeleitet und „die wichtige und äusserst merkwürdige Folgerung‘“, welehe sich aus der Frank’schen Formel T=2 x Ve ergibt, „dass dieSchwingungsdauer der Wurzel ausdem Querschnitt umgekehrt proportional ist“?°), rührt einzig und allein von der Definition des E’ her, wie die Betrachtung C1l.Schaefers?) zeigt. Der durch die Theorie erzielte Fortschritt beruht also auf der Einführung eines Prinzips in die Mach’sche Gleichung, welches zuerst experimentell als maßgebend für die Leistung der Manometer und als fruchtbar erwiesen worden war. Die vorliegende Darstellung der Bestätigung der Ergebnisse des Experiments durch die Theorie steht aber offenbar in Widerspruch mit dem absprechenden Urteil, welehes Frank an zwei Stellen Ne mA: 2) O. Frank, Kritik S. 481. 3) Cl. Schaefer, Kritische Randglossen usw. Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 250. Betrachtungen über die theoretischen und praktischen Bestrebungen etc. 149 seiner Abhandlungen über das von mir aufgestellte Kriterium für die Güte der Manometer ausgesprochen hat'): „Hier weise ich nochmals darauf hin, dass das von Hürthle aufgestellte Kriterium sich auch nach meinen jetzigen Entwicklungen als falsch erwiesen hat, wie ich schon in »der Theorie des Kolben- manometers« S. 476 vorausgesagt habe. Nach ihm soll dasjenige Manometer das beste sein, bei dem die Flüssigkeitsmenge, die das Manometer zur Ausgleichung einer bestimmten Druckdifferenz er- fordert, die geringste ist.“ Woher rührt dieser Widerspruch ? Zunächst ist klar, dass auch Frank der Meinung sein muss, die am Manometer zu leistende Arbeit müsse möglichst klein sein; denn das folgt aus der Gleichung 7T—= [ = Das UrteilFrank’s kann also nur darauf bezogen werden, dass ich bei der Anwendung des Prinzips in einem Spezialfalle einen Fehler gemacht hätte. Tat- sächlich gilt dieses Urteil dem Hebelmanometer und gründet sich darauf, dass Frank die Beziehung berechnet hat, welche zwischen dem Trägheitsmoment des Schreibhebels und der wirksamen Masse der Flüssigkeit bestehen muss, wenn das Manometer zweckmässig konstruiert sein soll. Diese Berechnung hat ergeben, dass der von mir gewählte Durchmesser der Membran von 7 mm zu klein sei. Der an die Berechnung geknüpfte Satz ?): „Hiermit haben wir ein, wie ich glaube, sehr wichtiges Faktum für die Beurteilung der Leistungen eines Hebelmanometers festgestellt“. erweckt den Eindruck, diese Beziehung sei von Frank entdeckt worden, und ich sei der Meinung gewesen, die Flüssigkeitsverschiebung im Manometer könne beliebig verkleinert werden. Das ist aber durchaus nicht der Fall, und ich werde zeigen: 1. dass der erforderliche Membranquerschnitt experi- mentell von mir festgestellt, und 2. dass die Frank’sche Kritik auch in quantitativer Hinsicht unberechtigt ist und auf einer Nicht- _ beachtung experimentell feststellbarer Tatsachen beruht. Allerdines kann der von Frank zitierte Satz missverstanden werden, aber nur deshalb, weil Frank die wesentliche Determina- 1) ©. Frank, Dynamik. Zeitschr. f. Biol. Bd. 50 S. 318, und Kolbenmano- meter. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 469. 2) OÖ. Frank, Kolbenmanometer. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 469. 150 K. Hürthle: tion weglässt, die ich ihm beigegeben habe; der vollständige Satz lautet nämlich’): „Dasjenige Manometer ist also das beste, welches zur Erzeugung eines bestimmten hydrostatischen Druckes den geringsten Aufwand von Arbeit erfordert und in seinenBewegungen durch die Schreibvorrichtung nicht gestört wird.“ Was unter dieser Störung zu verstehen ist, wird auf den vor- hergehenden Seiten (412—415) ausführlich auseinandergesetzt; ich entnehme daraus das Folgende: „Wenn man nun das Prinzip, welches sich aus den bisherigen Versuchen ergibt, nämlich die Leistungs- fähigkeit des Manometers durch Verkleinerung der Flüssigkeits- verschiebung zu erhöhen, möglichst weit durchzuführen versucht, so kommt man an eine Grenze, die nicht überschritten werden kann; diese Grenze wird gesetzt durch die Art und Weise, wie wir die Bewegungen desjenigen Teiles der manometrischen Vorrichtung, welcher sich mit dem Blutdrucke ins Gleichgewicht zu setzen hat, zur Darstellung bringen, wie wir in specie die Bewegungen der Membran des Gummimanometers oder die der Stahlfeder des Feder- manometers registrieren; wir bedienen uns hierzu einer vergrössernden Hebelvorrichtung.“ Nun wird auseinandergesetzt, dass die zur Registrierung des Hebels erforderliche Kraft und damit auch die Flüssigkeitsverschiebung im Manometer nicht unter ein bestimmtes Maß sinken darf. „Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, dass die beiden mög- lichen Wege, den Flüssiekeitswechsel zu beschränken, an eine Grenze führen, vorausgesetzt, dass man für einen Druckwert eine bestimmte Ordinatenhöhe beibehalten will.“ ... „Wollte man sich bemühen, dureh noch geringere Flüssigkeits- verschiebung etwa weitere Einzelheiten an der Form der Druckkurve zu erkennen, so könnte man dies vielleicht durch Verwendung geringerer Hebelvergrösserung mit nachfolgender optischer Ver- grösserung der gezeichneten Kurven erreichen; oder aber müsste man daran denken, die durch die Schreibevorrichtung eingeführte Störung ganz zu beseitigen, was z. B. durch Verwendung eines Licht- 1) Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 43 S. 415. Auch im Original gesperrt: gedruckt. an u A a Ze a Su re Betrachtungen über die theoretischen und praktischen Bestrebungen etc. 15] hebels möglich wäre, der durch ein an der Stahlfeder befindliches Spiegelehen aus seiner Bahn abgelenkt würde.“ Auch in späteren Abhandlungen bin ich auf die Beziehung zwischen dem Querschnitt der Manometer-Membran und der Hebel- vergrösserung zurückgekommen, ausführlich in der vierten !). Aus diesen Stellen geht in unzweifelhafter Weise hervor, dass ich niemals der Meinung war, die Flüssigkeitsverschiebung im Manometer könne beliebig verkleinert werden, dass ich viel- mehr selbst experimentell die Grenze bestimmt habe. Es kommt nun die zweite Frage, ob meine experimentelle Be- stimmung des Membran-Querschnittes mit einem Fehler behaftet ist und der theoretischen weichen muss. Die Antwort lautet: Neue, auf diesen Punkt gerichtete und in den folgenden Abhandlungen mitgeteilte Untersuchungen haben ergeben, dass der von mir experimentell fest- gestellte Membranquerschnitt sowohl nach der Schwingungsmethode a) also auf Grund der Ergebnisse der Theorie untersucht, als auch bei der Prüfung mit künstlichen Druckscehwankungen?) sich als der vorteilhafteste erweist und nur in einem in der Praxis kaum vor- kommenden Spezialfalle *) ein etwas grösserer Querschnitt vorzuziehen wäre. Ich weise daher die Frank’sche Kritik meiner Hebel- manometer als unbegründet zurück und stelle fest, dass auch in diesem Punkte die zweckmässige Konstruktion auf experimentellem Wege gefunden worden ist. Schliesslich muss bei der Vergleichung der durch Experiment und Theorie erzielten Fortschritte auf dem Gebiet der Wellenzeiebner erwähnt werden, dass die Theorie in falscher Auslegung ihres Kalkuls sich gegen eine. Massnahme ausgesprochen hat, welche das Experi- ment als vorteilhaft für den Gebrauch der Manometer erweist: ich meine die Dämpfung. Der in der folgenden Abhandlung (Abschnitt CII,3 S. 201) eingehender geschilderte Widerspruch zwischen Theorie 1) Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 47 S. 14. — In einer späteren Ab- handlung (Pflüger’s Arch. Bd. 49 S. 42) habe ich allerdings die erwähnte Determination des Satzes weggelassen; aus dem ganzen Zusammenhang geht aber hervor, dass ich sie nicht aufgegeben hatte; denn es handelte sich um die Frage, ob die durch Verwendung des Lufttransports am Manometer veranlasste Vergrösserung der Flüssigkeitsverschiebung wesentlich oder unwesentlich sei für die Leistungen des Manometers. 2) Siehe die folgende Abhandlung, Abschnitt G. 9) Siehe die übernächste Abhandlung S. 225. 4) Siehe S. 223. 152 K.Hürthle: Betrachtungen über die theoret. und prakt. Bestrebungen etc. und Experiment hat erst durch die Betrachtung Cl. Schaefe r’s}) eine befriedigende Lösung gefunden. | Das Experiment ist eben, sei es, dass es im Rahmen einer ge- gebenen Theorie sich bewegt oder auf eigenen Pfaden wandelt, die entscheidende Instanz; denn jede Theorie muss für den einzelnen Fall richtig interpretiert werden, und jede Theorie macht Fehler, weil sie sich auf vereinfachenden, mit der Wirklichkeit nicht ganz übereinstimmenden Voraussetzungen aufbaut; ihre Ergebnisse müssen daher durch das Experiment immer von neuem korrigiert und der Wirklichkeit näher gebracht werden. Auch kommen bisweilen wichtige Punkte in einer unter bestimmten Voraussetzungen richtigen mathematischen Theorie nieht zum Ausdruck. Eine Reihe von Forschern hatte sich mit der Anwendung der Mach’schen Theorie auf die Manometer beschäftigt, ohne sie dahin auszulegen, dass zur Vervollkommnung der Instrumente nicht allein die Erhöhung der elastischen Kraft und die Verkleinerung der schwingenden Masse, sondern auch die Beschränkung der am Manometer zu leistenden Arbeit erforderlich ist. - Diese Forderung ist in der Mach’schen Gleichung an und für sich nicht enthalten, kann aber, wie Frank gezeigt hat, durch eine einfache technische Umformung in sie eingeführt werden. Damit ist das von mir aufgestellte Kriterium auch theoretisch als richtig er- wiesen; doch war seine Gültigkeit von diesem Nachweis nicht ab- hängig. Im Gegensatz zu dem Eingangs erwähnten Satze Frank’s er- gibt also die historische Betrachtung sowohl für den Sphygmo- graphen wie für die elastischen Manometer, dass vor der Aufstellung einer mathematischen Theorie Instrumente konstruiert worden sind, deren Prinzipien mit der nachträglich entwickelten Theorie in Über- einstimmung sind. Nimmt man das Ergebnis der folgenden Ab- handlung hinzu, wonach die Theorie bei den für die Untersuchung des Blutdrucks am besten geeigneten Manometern versagt, so wird man auch fernerhin die Bedeutung der Theorie nicht überschätzen dürfen und dem Experiment die Entscheidung über die Güte der Manometer überlassen müssen. 1) Cl. Schaefer, Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 260 $ 3. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elastischen Manometer. Von K. Hürthle. (Mit 2 Textfiguren und Tafel I und II.) Inhaltsübersicht. Die Veranlassung zur vorliegenden Arbeit A. B: C. mich zunächst keine Veranlassung vor, Die Untersuchungsmethode N v Die Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der ae bes: und der Elastizitätskonstanten des Manometers,. Versuch I Die Dämpfung der Manometer. I. Die natürliche Dämpfung II. Die künstliche Dämpfung 1. Durch äussere Reibung . 2. Durch innere Reibung 5 3. Der Widerspruch zwischen Theorie a eier: hinsichtlich der Dämpfung Ö Schwingungsversuche am Kupillsımanenieien 6 . Schwingungsversuche am Gummimanometer mit sehr en Elastizitäts- konstanten ö ö s 2 Schwingungsversuch am U nfuhesnänomieter mit Aeiinnestöhre von 1,2 em Durchmesser 2 Schwingungsversuche am Fiehelmanometer für Be cheeibune Wie aus der vorangehenden Abhandlung hervorgeht, lag 214 215 für zur Frank’schen Theorie Stellung zu nehmen, da die Ergebnisse derselben eine Bestätigung meiner Leitsätze für die Konstruktion von Manometern brachten. Ich würde mir daher die Mühe erspart haben, die langwierigen Ver- suche, Messungen und Rechnungen der vorliegenden Abhandlung aus- zuführen, wenn nicht in den Folgerungen der Theorie des Kolben- und Federmanometers eine praktisch wichtige Differenz aufgetreten 154 K. Hürthle: wäre, welche darin besteht, dass der Querschnitt der Membran meiner Manometer nach der Frank’schen Berechnung zu klein ist. Dadurch wurde ich zur erneuten Prüfung der Instrumente nach der Frank’schen und nach meiner Methode veranlasst. Dazu kam, dass die Untersuchungen Frank’s über die Dämpfung der Manometer ein Verhältnis der natürlichen Wider- stände zur künstlichen Dämpfung ergaben, das mir neu war. Nun hat zwar Frank selbst seine Theorie durch Experimente gestützt und beide in ausreichender Übereinstimmung gefunden, aber bei dem praktisch wichtigsten Instrument, dem Hebelmano- meter für Russschreibung fehlt die Bestätigung der Theorie durch das Experiment. Zwar ist in der „Dynamik“ !) angegeben, dass zur Verifizierung der Theorie Versuche von Herrn Petter angestellt worden seien, mitgeteilt sind sie aber meines Wissens nicht. Aber auch die in der „Kritik“ ?) mitgeteilten Versuche waren für mich nicht überzeugend; vor allem vermisste ich eine aus- reichende Variierung der beteiligten Faktoren (vgl. S. 156) und einen Ausschluss von Fehlern, die nach Frank unvermeidlich, nach meiner Meinung aber leicht zu beseitigen sind (Luftblasen; vgl. S. 159): Diese Gründe veranlassten mich, die Gültigkeit der Theorie durch eigene Versuche zu prüfen. A. Die Untersuchungsmethode. Die Prüfung der Manometer wurde in doppelter Weise aus- geführt: erstens nach der Schwingungsmethode, um die quantitative Abhängigkeit der Schwingungszahl von M’ und E’ festzustellen. Ausserdem benutzte ich das schon früher von mir gebrauchte Ver- fahren der Registrierung künstlicher Druckschwankungen von be- kannter Form; denn ich habe gute Gründe?), dieses Verfahren, trotz des absprechenden Urteils von Frank, nicht fallen zu lassen. 1) Frank, Dynamik der Membranmanometer usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 50 S. 310. 1908. 2) Frank, Kritik der elastischen Manometer. Zeitschr. f. Biol. Bd. 44 S. 445. 1908. 3) Siehe die folgende Abhandung S. 225. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 155 Es empfiehlt, sich, bei der Prüfung die Manometer mit optischer Registrierung von den Hebelmanometern zum Schreiben auf berusstes Papier zu trennen. Von ersteren benutzte ich zur Prüfung ein Federmanometer, das zwar auch mit einem Hebel versehen ist, aber von einem im Verhältnis zur wirksamen Masse der Flüssigkeit sehr geringen Trägheitsmoment (s. S. 165), ferner das von Starling eingeführte Kapillarmanometer mit völlig masseloser Schreib- vorrichtung. Die Prüfung mit Hilfe der Eigenschwingungen. Die Dauer 7 der Eigenschwingungen des Manometers bzw. die : 1 Schwingungszahl N —= T wurde nach dem Frank’schen Verfahren festgestellt, indem eine Flasche mit komprimierter Luft von 20 Liter Inhalt!) plötzlich mit dem Manometer verbunden und nach Her- stellung des Gleichgewichts wieder ausgeschaltet wurde. In vielen Fällen wurden zwei gleiche Flaschen von verschiedenem Druck ab- wechselnd mit dem Manometer verbunden; der Inhalt der Flaschen wurde durch eine Fahrradpumpe auf den gewünschten Druck ge- bracht und dessen Höhe in folgender Weise gemessen: Die Flaschen waren durch einen Gummistöpsel mit zwei Bohrungen geschlossen ; durch die eine war eine kurze, rechtwinklig gebogene mit Hahn - versehene Glasröhre gesteckt, durch welche die Flasche gefüllt bzw. mit dem Manometer verbunden wurde, durch die andere eine gerade 1—2 m lange Röhre von S mm lichter Weite, die bis auf den Boden der Flasche reichte und in Abständen von 10 cm mit Marken versehen war. Der Boden der Flasche war etwa S cm hoch mit Wasser bedeckt, das beim Einpressen von Luft in der vertikalen Röhre emporstieg und die Höhe des Druckes anzeigte. Die rasche Ein- und Ausschaltung des Druckes wurde durch einen Dreiweehahn vermittelt, welcher zwischen den Flaschen und dem Manometer ein- geschaltet war. Die systematische Prüfung der einzelnen, die Sehwingungsdauer beeinflussenden Faktoren wurde an einen Instrument vorgenommen, 1) Die Druckflasche ist im Vergleich zur Frank’schen deshalb sehr viel grösser gewählt worden, weil bei der grossen Kapazität der Druck sehr häufig zum Antrieb des Manometers benutzt werden kann, ohne dass eine merkliche Drucksenkung eintritt. 156 K. Hürthle: an welchem alle Faktoren: Z, ® und E’ in bequemer und aus- reichender Weise variiert werden konnten. Länge (Z) und Quer- schnitt (©) der Zuleitungsröhren lassen sich natürlich durch Ansetzen verschiedener Röhren sehr einfach abändern. Dagegen schien mir Ä AR A s die Variation von E’ —= 7 in der von Frank vorgenommenen Weise zur Feststellung ihres Einflusses nicht ausreichend. Frank?) hat sich nämlich mit der Variation von E’ begnügst, welche am Gummimanometer mit steigendem Druck eintritt, indem der Volum- Ap u also zuwachs der Trommel mit steigendem Druck kleiner, grösser wird. In diesem Falle arbeitet man aber mit einem praktisch un- brauchbaren Instrument, da die Grösse der Ausschläge und seine Güte in verschiedenen Drucklagen verschieden sind. In dem dies- bezüglichen Versuche Frank’s hat E’ „beinahe um das Vier- fache“ seschwankt (S. 511 der Kritik). Für einwandfreie Ver- suche ist es nötig, Instrumente zu verwenden, deren E’ innerhalb der beanspruchten Druckbezirke konstant ist oder nur sehr wenig schwankt. Ferner ist man bei der von Frank benutzten Art der Variierung von E’ nicht imstande, den Einfluss der Änderung von E' festzustellen, welehe durch wechselnden Membranquerschnitt herbeigeführt wird und von grosser praktischer Bedeutung ist (s. die Versuche G, S. 215). Ich habe daher zur Prüfung der Theorie ein besonderes, im folgenden als Prüfungsmanometer bezeichnetes Instrument (s. Fig. 1, S. 157) anfertigen lassen, an welchem zur Variierung der Rlastizitäts- konstanten E’ der Durchmesser der Grundplatte P, welche den Druck der Flüssigkeit auf die Stahlfeder überträgt, von 5 bis 14,4 mm abgeändert werden kann. Zu diesem Zweck hat der Zylindermantel M des Manometers einen Durchmesser von 23 und eine lichte Weite von 15 mm. Die obere Fläche des Zylinders ist mit einer Membran aus dünnem .Condomgummi überzogen, welche in der Nut N festzebunden wird. Auf die Membran können fünf Ringe AA gelegt werden, welche sämtlich den Durchmesser des Zylinders besitzen und sich durch die 1) Elastizitätskonstante. Siehe die vorhergehende Abhandlung S. 148. 2) Frank, Kritik S. 511. Experimentalkritik der Frank’ schen Theorie der elast. Manometer. 157 Grösse der Öffnung unterscheiden. Diese beträgt bei den einzelnen Ringen 7,2, 9,0, 11,1, 13,5 und 14,6 mm. Die dazu passenden Grundplatten ? haben einen Durchmesser von 6,8, 8,6, 10,7, 12,9 und 14,2 mm, so dass zwischen dem inneren Rand der Ringe und dem äusseren der Grundplatten jeweils ein freier Raum von nur 0,2 mm verbleibt. Die Übertragung des Druckes auf die Stahlfeder ist bei allen Grundplatten dieselbe; sie ist in der technischen Abhandlung S. 244 beschrieben. Durch diese Einrichtung kann Z’ innerhalb sehr weiter Grenzen variiert werden. Beim Wechsel der Grundplatten ändert Pu, Aungs mano sıeler. Fig. 1. sich dann E’ aus doppeltem Grunde, nämlich erstens wegen der Änderung der Fläche, zweitens wegen der des Ausschlages, da die Kraft der Platte für denselben Druck mit der gedrückten Fläche und damit der Ausschlag bei Verwendung derselben Feder zunimmt. . Die Gewichte der Grundplatten betragen in der oben angegebenen Reihenfolge 0,090, 0,380, 0,518, 0,776 und 0,915 &; die kleinste Grundplatte sowie der Rahmen Ra und die Rolle Ro waren aus Maenalium gefertigt, die grösseren Grundplatten aus Messing. Der Einfluss der Masse der Grundplatte auf die Schwingungs- dauer der Stahlfeder des Manometers ist, wie durch besondere Versuche ermittelt wurde, so gering, dass die dadurch bedingten 155 K. Hürthle: Unterschiede vernachlässigt werden können. In einem Versuche betrug die Schwingungszahl der Stahlfeder mit angestecktem Stroh- hebel von 120 mm Länge und 0,06 g Gewicht 51 pro Sekunde; durch Verschraubung eines Gewichtes von 20 g mit dem Rahmen Ra (3 mm von der Achse entfernt) wurde die Zahl auf 44 herab- gesetzt. Die Grösse der Flüssiekeitsverschiebung für einen bestimmten Druckzuwachs (E’) bei Verwendung der einzelnen Grund- platten wurde in doppelter Weise ermittelt: a) durch Berechnung: die für eine bekannte Druckdifferenz auftretende Volumänderung stellt bei meinem Manometer annähernd einen Flüssigkeitszylinder dar, dessen Durchmesser der lichten Weite des Ringes A gleichgesetzt, dessen Höhe aus dem Ausschlag der Hebelspitze und der Hebelvergrösserung berechnet wurde. b) durch Eiehung mit Hilfe des S. 249 der technischen Ab- handlung beschriebenen Kapillarvolumeters. Der Vergleich zwischen den berechneten und empirisch fest- gestellten Werten ereab, dass die berechnete Volumänderung stets kleiner ausfiel als die beobachtete, wie die folgende Tabelle zeigt: Tabelle TI. Vergleich der berechneten und gemessenen Flüssigkeits-Ver- schiebung im Prüfungsmanometer mit Hebel von 12 cm Länge und 40 facher Vergrösserung. Merhran Flüssigkeitsverschiebung (cbmm) bei einer Druck- schwankung von Hebel- lurch- i Ras 10—80 mm Hg 80—150 mm Hg ausscllan bel messer be- ge- | Diffe- be- ge- Diffe- | 10—80 | 80—150 cm rechnet | messen |renz 9-b| rechnet | messen 'renz 9-b)| mm mm 0,72 30,| 58 orale 58 | Dane 090 3 1037 Kool are ee 1,11 18,8 28,0 9,2 ‚17,6 248 | 702 7,9 7,4 1,34 40,7 50,3. 2172956 37,0 48,0 | 11,0 1019) 10,8 1,48 56,3 73,07 1 20,7 55,9 70,0 14,5 13,1 12,9 | | | | | | Bei der Betrachtung der Tabelle wird auffallen, dass die Eichung richt beim Druck 0, sondern bei 10 mm Hg beginnt; dies hat seinen Grund darin, dass bei der Druckschwankung 0—10 der Volumzuwachs des Manometers relativ am grössten ist wegen der Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 159 Entfaltung der Membran. Jenseits dieser Grenze ändert sich der Volumzuwachs mit steigendem Druck nur wenige. Diese Art der Eichung rechtfertist sich auch dadurch, dass das Manometer bei den Schwingungsversuchen in der Drucklage 0—10 nicht beansprucht wurde. Wie diese Eigenschaft der Federmanometer bei ber Registrierung der intraventrikularen Druckschwankungen praktisch zu beseitigen ist, wird S. 248 der technischen Abhandlung gezeigt. Zur Variierung des Röhrenquerschnittes wurden aus einer grossen Anzahl Glasröhren, deren Durchmesser zwischen 2 und 11 mm schwankte, diejenigen ausgesucht, deren Querschnitte die kleinsten Schwankungen im Verlauf der Röhre zeigten. Die besten wurden in folgender Weise mit dem Manometer verbunden: an das untere Ende des Manometermantels M war der Messing- stutzen C durch kegelförmigen Schliff verpasst. Der Abstand der oberen Fläche des Stutzens von der Gummimembran betrug 1,5 em. Von solchen Stutzen wurde eine grössere Zahl angefertigt, mit Bohrungen, in welche die einzelnen Glasröhren @ verpasst und ein- gekittet wurden. Die Stutzen wurden mit Hilfe der Überwurf- mutter U am Zylindermantel befestigt, und diese Befestigung er- laubte einen raschen und bequemen Wechsel der Röhren. Die Röhrenlänge wurde in der Weise variiert, dass die “ ‚Schwingungsversuche zunächst bei der erössten Röhrenlänge vor- genommen, und darauf die Röhren um bestimmte Strecken gekürzt wurden. Da die Röhren sämtlich bis zu der im Manometer gelegenen Grundfläche des 'Stutzens C reichten, wurde die Länge stets von diesem Punkte ab gemessen. Der Röhrenanfang war also in allen Versuchen 1,5 em von der Membran entfernt. Bei der Füllung des Manometers und der Röhren wurde die grösste Sorgfalt auf den Ausschluss von Luftblasen ver- wendet. Die Füllung erfolgte in allen Fällen in folgender Weise: Das Manometer wird so gehalten, dass die Membran nach abwärts und. der Kegelschliff nach aufwärts gekehrt sind; nun wird der Hohl- raum durch die in der Fig. 1 im Querschnitt angedeutete, durch einen Hahn verschliessbare Füllröhre F mit destilliertem Wasser gefüllt, bis dieses eine Kuppe auf dem oberen Rande bildet. Durch diese Kuppe kann man den ganzen Zylinderinhalt übersehen und jede kleine Luftblase bemerken. Nachdem man sich von der Ab- 160 K. Hürthle: wesenheit von Luftblasen überzeust oder solche entfernt hat, wird der Stutzen C mit der Glasröhre von oben aufgesetzt, wobei sofort Flüssiekeit in die Röhre eindringt. Schliesslich wird diese durch weiteres Nachpressen von Wasser aus der Röhre F' gefüllt. In vielen Fällen habe ich noch ein anderes Mittel benutzt, um den Ausschluss von Luftblasen zu kontrollieren. — Hat man nämlich einmal die Flüssiekeitsverschiebung im Manometer für einen be- stimmten Druckzuwachs mit Hilfe des S. 249 beschriebenen Kapillar- volumeters gemessen und sich hernach durch Öffnen des Manometers unter Wasser vom Ausschluss von Luftblasen versichert, so lässt sich der gefundene Wert zur Kontrolle dafür benutzen, ob ausser der Gummimembran und Stahlfeder ein weiterer elastischer Faktor im Manometer ist oder nieht. Ist ein solcher in Form einer Luftblase vorhanden, so gibt er sich durch eine Zunahme der Volumänderung zu erkennen. Ich bestreite daher entschieden die Behauptung von Frank!'), dass es unmöglich sei, das Manometer luftfrei zu füllen; meine Versuche sind wenigstens frei von diesem Fehler. Messung des Druckes durch die Stahlfeder. In allen Versuchen wurde der Druck von der Grundplatte auf eine Stahlfeder übertragen, welche durch Torsion in Anspruch ge- nommen wird?). Der Grad der Torsion wird durch einen mit der Rolle festverbundenen Strohhebel registriert, und zwar entweder durch Russschreibung, wobei der Strohhebel eine Länge von 12 cm von der Achse der Rolle bis zur Spitze hat, oder durch Licht- schreibung, bei welcher der Strohhebel nur eine Länge von 2,7 cm und am Ende eine Verlängerung auf 3,2 em in Form eines Glas- fadens von 0,02—0,05 mm Durchmesser hat. — Das Bild dieses Fadens wird auf den registrierenden Film optisch vergrössert ent- worfen. Bei der optischen Registrierung wurden die Kurven nach dem Garten’schen Verfahren in ein Koordinatensystem eingetragen. — Die Zeitmarken wurden durch ein Pendel erzeugt, welches vor dem Vertikalspalt des Kymographiums elektromagnetisch in Schwingung erhalten wird und fünf ganze Schwingungen in der Sekunde ausführt. Die dadurch erzeugten vertikalen Linien entsprechen daher einem 1) Frank, Kritik S. 481 und 501. 2) Siehe die technische Abhandlung S. 242. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 161 Zeitabstand von !/ıo Sek. (Fig. 1—2i Taf. I). Die halben Schwingungen des Pendels sind zwar wegen des Anschlages an den Kontakt nicht genau gleich lang, wohl aber die ganzen (—!/s Sek.), wie durch eleichzeitige Registrierung der Zeitmarken eines Chronographen oft- mals festgestelit wurde. Sämtliche Kurven wurden auf einem Koordinatenmesser bei zehnfacher Vergrösserung von einem technischen, in diesen Messungen geübten Hilfsarbeiter ausgemessen und in Stiehproben von mir selbst kontrolliert. B. Die Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der wirksamen Masse und der Elastizitätskonstanten des Manometers. Versuch 1. An dem beschriebenen Instrument habe ich nun nach einzelnen Vorversuchen eine Versuchsreihe durchgeführt, in welcher der Reihe nach die drei Faktoren variiert wurden, nämlich: 1. die Rlastizitätskonstante E’ durch Benutzung der Menm- branen von 7,2, 9 und 11,1 mm Durchmesser, 2. der Querschnitt @ der Zuleitungsröhren durch Benutzung von drei Röhren von 2,38, 7,95 und 11,6 mm Durchmesser, 3. die Röhrenlänge Z durch fortschreitende Kürznng dieser ‘Röhren; die grösste Länge betrug in allen Fällen 100 em, nach Kombination dieser Länge mit den drei Membranen wurde jede Röhre um je 20 em und schliesslich von 20 auf 10 em gekürzt und nach jeder Verkürzung mit den drei Membranen kombiniert; auf diese Weise wurden 6>x<3>x<3 — 54 Schwingungsversuche angestellt. Um den Einfluss dieser Faktoren möglichst rein zu erhalten, und die Schwingungsdauer durch das Trägheitsmoment der Schreib- vorriehtung möglichst wenig zu beeinflussen, wurden die Bewegungen optisch registriert, indem die Feder des Manometers mit einem 3 cm langen Hebel von sehr geringem Trächeitsmoment (s. S. 165) ver- bunden und dessen aus einem Glasfaden bestehende Spitze optisch vergrössert abgebildet wurde. In allen diesen Versuchen wurden die Röhren vertikal auf- gestellt, um Biegungen der Flüssigkeitssäule zu vermeiden; Röhren- achse und Trommelachse des Manometers bildeten so eine gerade Linie; der Registrierhebel lag nach unten vom Manometer. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 11 . 162 K. Hürthle: Diese Stellung der Flüssigkeitssäulen hat im Vergleich zur horizontalen Lagerung der Röhren nach der Theorie keinen Einfluss auf das Resultat, da in der Gleichung we mer no SUN, das konstante Glied P, (die Schwerkraft) keinen Einfluss auf die Schwingungsdauer ausübt‘). Um dieses Ergebnis der Theorie auch experimentell zu verifizieren, wurden an einzelnen Punkten nach der Anstellung des Versuchs mit vertikaler Röhre Anfang und Ende der Röhre rechtwinklig umgebogen und das Manometer samt der Röhre um 90° gedreht und nun bei gleicher Länge der Wassersäule der Versuch wiederholt, wobei der Überdruck in den Flaschen die Werte 100 bzw. 150 em Wasser erhielt. Um ferner trotz der sprungweisen Kürzung der vertikalen Röhren eine in allen Fällen gleiche Druckschwankung auf der Membran zu erzielen (um Z’ genau konstaut zu halten), wurde in folgender Weise verfahren: Bei den Versuchen mit 100 em Röhrenlänge wurde das obere Ende der Röhren durch den Dreiweghahn abwechselnd mit der Flasche von 50 em Wasserdruck und mit der atmosphärischen Luft verbunden. Nach der Kürzung der Röhren wurden die ab- nehmenden Höhen der Wassersäulen durch den Luftdruck einer zweiten ähnlichen Flasche kompensiert; beispielsweise wurde die Wassersäule von SO cm Höhe durch den Dreiweghahn abwechselnd mit zwei Flaschen verbunden, in welchen ein Druck von 20 und ‘0 em Wasser herrschte usw.; in allen Versuchen haben wir also Druckschwankungen von 100—150 em Wasser auf der Membran. Jeder einzelne Versuch bestand aus 6—12 Druckschwankungen, die in raschem Tempo aufeinander folgten; Fig. 1—21 Taf. I geben Beispiele von den gewonnenen Kurven. Da die Werte für Tbzw. N bei den einzelnen Druckschwankungen nur geringe Abweichungen zeigten, wurden gewöhnlich vier beliebige Beispiele zur Messung verwandt und das Mittel aus ihnen genommen. “Wie gross die Abweichungen im einzelnen Falle sind, ist aus der Spalte Maximum-Minimum der Tab. II S. 163 zu ersehen, in welcher die Schwankungen angegeben sind; die eingeklammerten Zahlen dieser Spalte bedeuten die Anzahl der Messungen. 1) Frank, Kritik S. 467. # n er ee Be RE ne u ae ' f : = Bios, 78 ‘ SET | ct == — We et year — Id ces | 765 | gg | 8 (081 oe | a Hab gel EIG | gr 3 | 22 [001 [09 =) ee | - WI ae | — | —- Io 26, |L 5 a — DE ee Ka Ir an a “ Ne = 9:58 y ‘ %a — ‘ 5 — S le De — lc) ae 118 |® I 6 u “ 2) = u 5 — =; (8) eh) 6 19 z 6,81 : es 2'8z ni Z (9) 16 z6 — sus (#) 09 r 9 001 001 5 & u a m La na a ne IE Or & > [LE rel | = gi ; neRQ (e) yz , C IS [061 5 ie Er | ges | Er | 1er (or FOOT TIE ES nl len = (ren OreL| @ eier SR ze 8998 9'88 cr8 0 a2 | 60 = 9) A8OE | grert | co KL | g°8or | ©) or ci s : S 6'SIL 3 “607 869 918 (S) Sn E19 Por OS - Ein 3 e'coL L ERSE \‘ SQ fi 2) 8: 9 5 4er 7 n: = (8) Ra LGET | W eeır 8607 | 9) a: Se on io) 1.1 gg |) al N) 001 [02 S (9 EZ0L | grogT 101 | (0) Ge | 73€ = = a 8 9081 “IC ‘ 80: | mac | v°cE | OST S ELE 0t7z (m ere | FIE LP IM guc | STE M goe ne f h 0 G ni g'zE \ A © 0) 16 | 816 EEE De ir ‘gr el or | Fr 007 | 07 5 u= “TQ il 3) 6, G S = (8) un 698 eo || 08 I are | ze |e 182 |@) S 78 1061 See, 081 | me 6YrY7 OO en 7 L Be S I|0% sl 6 er al | 9 Pu: nn ne (rt ne Ad ang | or eo, 08 [oorlo © - ‘ 08er 98 > Ir. = “ | = os 68 | c« Re COLOR | 6a | Bu Jost I 216 LI8 | 0 a are KO RG) Ve © » 69 [oor [os = en, |) Se | ER une le m 5 ne n eh D Nune vs [og reat||wm| #9 [osı es ei6g sr | © A } ä = 208 | 9%9g 008 yeoz | S 19 |001 [001 ) m i ; 6 IM oe 6 61'032 | [eb) 66 GßE (8) Sal 6 4 17 66 0 6.08 = 866 a 06 [8 k ( „4 en a re = } SUITUL “UILULZA EN Toyım | TUN Toggıpr = Be | reraun og | SEHR Tognıyg FrrraiR ange [tRtLEN Tony, are N en PEN une [PEN | nerxupg OPT Sl ns Sue = = |. 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Für jeden einzelnen Versuch ergaben sich dann zwei Punkte, welche die Schwingungszahl beim Druck 100 bzw. 150 em Wasser darstellen. Um jedoch die Übersicht durch die Zahl der eingetragenen Punkte nicht zu stören, wurden für die drei ver- schiedenen E’ (für die Membrandurchmesser 0,72, 0,9 und 1,11 em) drei Koordinatensysteme gewählt und in jedes die an den Röhren von 0,258, 0,795 und 1,16 em Durchmesser bei fortschreitender Ver- kürzung gefundenen Schwingungszahlen eingetragen (Fig. 1—3 Taf. II). Die für die einzelnen Röhren und Drucke ermittelten Punkte wurden dann durch grade Linien verbunden, und die so erhaltenen Kurven geben nun ein anschauliches Bild der Abhängigkeit der Schwinzungszahl von der Grösse der Flüssigkeitsverschiebung sowie von Länge und Durchmesser der Zuleitungsröhren des Manometers. Um ferner den Grad der Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment in gleicher Weise anschaulich zu zeigen, wurden die Schwinguneszahlen aus den gemessenen Werten der Konstanten nach der Frank’schen Formel für den Druck von 100 em Wasser berechnet und gleichfalls in die Koordinatensysteme eingetragen; zur Unterscheidung der berechneten und gefundenen Schwingungszahlen wurden die berechneten Punkte durch gestrichelte Linien verbunden, die experimentell gefundenen durch ausgezogene Linien. Die berechneten Werte sind in der Tabelle III S. 165 zusammen- gestellt. Diese enthält nicht allein die Endresultate der Rechnungen, sondern, um den Einfluss der einzelnen Faktoren zu zeigen und die Kontrolle der Angaben zu erleichtern, auch die Werte von E', M'„ (wirksame Masse der Flüssigkeit) und M’z (wirksame Masse des Hebels). Bei der Berechnung von M’; !) wurde die im Mano- meterkörper befindliche Flüssigkeit vernachlässigt; ihre wirksame Masse beträgt nur 0,8. 1) Mr — Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 165 j Tabelle II. Die berechneten Ss mnerzalter | im Versuch Nr. I. M'r Membr: an 1, llcm dl Membr an 0, 9« cm Me alba 0,72 cm d {eb} on = ee urch le old 102 2 609,>< 102 E27 010 Ben mon.) (mind M'n= 6,75 =) (cm) Röhrendurch- Röhrendurch- Röhrendurch- 2 en messer in cm messer in cm messer in cm cem| 0,238 | 0,798 | 1,16 | 0,238 | 0,798 1,16 | 0,238 | 0,798 | 1,16 [0,238 | 0,798 | 1,16 | | Schwingungszahlen 100| 2247,7 | 199,9 |94,6| 6,0 | 19,9 |28,8| 8,4 | 27,5 |: 39,7 12,5 | 41,4| 59,2 80 | 1798,2 | 160,0 75,71 6,7 22,2 |32,2| 9,2 30,7 | 44,3 14,0 46,1! 65,6 60 | 1348,7 | 120,0 | 56,8 | 7,7 | 25,6 1371| 10,7 354 | 50,9| 16,2 | 52,9| 74,7 40| 899,1) 80,0 |378| 9,4 | 31,3 45,2] 13,0 431 61,7 1982,63.9.1,.892 20] 449,5 40,0/18,9| 13,3 | 44,0 68,0] 18,4 60,1 84,6| 27,9 | 87,1| 117,5 10| 2248| 20,0) 9,5| 18,8 | 61,4 | 86,8] 26,0 | 82,6 |113,3) 39,1 | 115,2] 147,9 Auch die wirksame Masse des Hebels wurde trotz ihres geringen Wertes mit in Rechnung gezogen. Zur Berechnung von 7 wurde die Formel benutzt I 2 0, Der Berechnung von M’„ wurden die folgenden Werte zu- erunde gelegt: Banseerdes Hebels-. . .... on em Entfernung des Aneniffepunktes, von der elhertiec 0,0, Gewicht des Aluminiumstiftes (13 em) . . . ...0033 8 5 ss eSttohhebelsun..ı. urn er .0100407% 5 BER BANInEnSIae. sn. Fa 0 0A, Das Ergebnis dieses Versuches entnehmen wir am besten der graphischen Darstellung: Aus den Kurvenscharen der Figuren 1 bis 3 Taf. II lässt sich mit einem Blick erkennen, dass die Über- einstimmung zwischen den experimentell festgestellten und den aus den Konstanten berechneten Schwingungszahlen zum Teil eine sehr gute, zum Teil eine wechselnde ist: ausgezeichnet stimmen Versuch und Berechnung bei den niederen Schwingungszahlen überein, be- sonders wenn diese durch eine geringe Elastizitätskonstante mit veran- lasst sind, so bei der Membran von 11 und 9 mm (E’— 314 - 10* und 605.-10*) mit der Röhre von 0,238 em Durchmesser. Die grössten Abweichungen finden wir bei der Membran von 0,72 em Durchmesser (E' = 140 - 10°), besonders in Verbindung mit den weiteren Röhren. Mn - 7 1) Siehe Frank, Kolbenmanometer: M’ 166 K. Hürthle: Die Erhöhung der Elastizitätskonstanten scheint in erster Linie Ab- weichungen von der Theorie zu veranlassen, in zweiter die Ver- kleinerung der wirksamen Masse. Der Einfluss der Röhrenlänge ist kein gleichförmiger, sondern ein sprungweise wechselnder; dies zeigt sich in geringem Maße, aber doch schon deutlich, bei den langsameren Schwingungen der Membran von 1,1 cm (Fig. 1), am ausgesprochensten bei den raschen Schwingungen der Membran von 0,72 cm (Fie. 3). In Fig. 1 zeigt sich ein unbedeutender Sprung bei der Röhrenlänge S0 em, und zwar nur bei den beiden weiteren Röhren; in Fie. 2 bei 60 °em Röhren- länge; hier betrifft er schon alle drei Röhren, die engste allerdings nur andeutungsweise; in Fig. 3 endlich liegen mehrere sprungförmige Abweichungen: die eine (bei SO cm Röhrenlänge) ist bej der mittleren Röhre am stärksten, die andere (bei 20 em) zeigt sich wesentlich in der starken Differenz der Schwingungen in der weiten Röhre bei den Drucken von 100 und 150 cm, und endlich finden sich zwei entgegengesetzt liegende Abweichungen in den weiteren Röhren bei den Längen von 40 und 10 cm. Von diesen Abweichungen abgesehen, sind die berechneten Schwingungszahlen kleiner als die experimentell ermittelten; die grösste Differenz beträgt 60 0/0 (Membran 0,72, Röhre 0,798, Länge 80). Beim Versuch, die Abweichungen zu erklären, sind verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen bzw. auszuschliessen: 1. die Tatsache, dass bei allen Berechnungen der Einfluss der Reibung vernachlässigt worden ist. Bei Berücksichtigung der- selben würden die berechneten Schwingungszahlen etwas niedriger aus- fallen, die Differenz zwischen Theorie und Experiment also durch- sehnittlich grösser werden. Noch weniger reicht die Berücksichtigung der Reibung zur Erklärung der sprungförmigen Abweichungen aus, wie aus dem Abschnitt C (Dämpfung der Manometer) hervorgeht; 2. Auch durch Berücksichtigung der wirksamen Masse der im Manometerkörper selbst befindlichen Flüssig- keit, die einen Wert von 0,8 hat, würde die Differenz noch etwas vermehrt, insbesondere bei den kurzen Röhren; 3. Gegen eine Zurückführung der Abweichungen auf Versuchs- oder Messungsfehler sprechen die Eigentümlichkeiten, welche gerade bei den sprungförmigen Abweichungen sich zeigen, nämlich das Auftreten des Sprunges an allen drei oder wenigstens zwei Röhren bei gleicher Länge. Das deutet auf einen von der Länge Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 167 abhängigen Einfluss, der sich auch bei den Dekrementen wieder zeigt (s. S. 169 ff). Besonderes Augenmerk sei noch auf den oben erwähnten Ver- suchsfehler gerichtet, der nach Frank unvermeidlich ist: das Zu- rückbleiben von Luftblasen im Manometer!). Dass für meine Versuche diese Behauptung nicht zutrifft, glaube ich auf Grund der oben (S. 159) beschriebenen Vorsichts- und Kontrollmaßregeln an- nehmen zu dürfen. Will man aber diesen keinen Glauben schenken, so muss man wegen der Richtung der Abweichungen annehmen, dass gerade bei den grössten Sprüngen (Membran 0,72, Röhrenlänge 80, Fig. 3 Taf. II) das Manometer ganz oder relativ luftfrei gewesen sei, in den übereinstimmenden Fällen dagegen mehr oder weniger Luft- blasen enthalten habe, eine Annahme, welche weder wahrscheinlich noch für die Theorie günstig ist. Ausserdem gibt es Fälle, in welchen bei ein und derselben Röhre, also sicher unter denselben Bedingungen die Schwingungszahlen bei wechselndem Druck (100 und 150 cm) sehr viel stärker auseinandergehen, als es die Theorie zulässt: (Fig. 3 Taf. II, Röhre 0,798 em Durchmesser und 10 em Länge; Röhre 1,16 em Durchmesser und 20 em Länge). Es liegt daher kein Grund vor, die Abweichungen zwischen Theorie und Experiment auf Versuchsfehler zurückzuführen. Vergleichen wir schliesslich die am Manometer mit vertikal stehenden Röhren ermittelten Schwingungszahlen mit denjenigen, welche an denselben Röhren bei Horizontalstellung nach doppelter Biegung der Röhren (vel. S. 162) gefunden wurden und in Tabelle IIB verzeichnet sind, so ist die Übereinstimmung bei den Schwingungsver- suchen am Manometer mit den Membranen von 1,1 und 0,9 em Durch- messer eine auffallend gute; danach hat weder die Vertikalstellung noch 1) Frank meint zwar (S. 551 der Kritik), dass die in der Manometer- trommel eingeschlossenen Luftblasen in seinen Versuchen keine Fehlerquelle gebildet haben, da ihr Einfluss auf die Elastizitätskonstante durch die Eichung bestimmt worden sei. Darauf ist zu erwidern, dass es durchaus nicht erwiesen und nicht einmal wahrscheinlich ist, dass Änderung der Elastitätskonstanten durch Luitblasen den gleichen Einfluss auf die Leistungen des Manometers hat, wie die Verkleinerung der Elastizität der Gummimembran, bzw. der Stahlfeder; man kann im Gegenteil mit Sicherheit behaupten, dass das zwei in ihrer Wirkung verschiedene Änderungen sind, schon aus dem Grunde, weil die in beiden Fällen eintretende Vergrösserung der am Manometer zu leistenden Arbeit im einen Falle der Schreibvorrichtung des Manometers zu gute kommt, bei der Luftblase aber nicht. 168 K. Hürtble: die doppelte Biegung der Röhren einen Einfluss auf die Schwingungs- zahl; denn für die Annahme, dass die doppelte Biegung durch einen bei der Vertikalstellung auftretenden Einfluss kompensiert würde, liegt gar kein Grund vor. Dass die Biegung der Röhren ohne Ein- fluss auf die Schwinguneszahl ist, hat schon Frank angegeben. Dagegen bringt die Membran von 0,72 em Durchmesser auch hier ein abweichendes Ergebnis: Beim Röhrendurchmesser von 0,235 em und der Länge 100 em hat N bei der horizontalen Röhre den doppelten Wert wie bei der vertikalen; bei der Länge von 60 cm sind die beiden N wieder annähernd gleich, in der horizontalen Röhre nur wenig grösser als in der vertikalen. Auch bei der weiteren Röhre von 0.798 em Durchmesser und 100 em Länge erreicht N in der horizontalen Röhre bei beiden Druckwerten einen weit höheren, etwa den 1’/afachen Wert der vertikalen Röhre; bei 60 em Länge nähern sich die Werte wieder beim einwirkenden Druck von 100 em, während sie beim Druck von 150 em noch stark auseinandergehen. Der Vergleich der Schwingungszahlen bei vertikaler und hori- zontaler Lage der Röhren führt daher zu dem Ergebnis, dass bei den Membranen von 0,9 und 1,1cem, das ist also bei den lang- sameren Schwingungen, Theorie und Experiment wieder in guter Übereinstimmung sind, bei den rascheren Schwingungen aber sehr starke Differenzen auftreten, deren Ursache vielleicht gleicher Art ist wie die der Sprünge in den Schwingungszahlen, welche bei den vertikalen Röhren auftreten. Zusammenfassend kann man sagen, dass bei den langsameren Schwingungen des Manometers, ins- besondere wenn diese durch eine kleine Elastizitäts- konstante (grossen Membrandurehmesser) veranlasst sind, Theorie und Experiment gut übereinstimmen In diesen Fällen wird also die Voraussetzung der Theorie, dass das schwingende System mit einem Massenpunktidentifiziert werden darf, durch das Ex- periment bestätigt. Das trifft aber bei den rascheren Schwingungen nicht mehr zu, besonders dann, wenn diese durch eine hohe Elastizitätskonstante herbei- geführt sind. Der Geltungsbereich der Theorie ist also ein beschränkter: sie beginnt gerade bei der Einrichtung der Manometer zu versagen, welche bei physiologischen Versuchen gefordert wird. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 169 Fragt man, warum Frank nicht selbst die Grenze der Theorie erkannt hat, so findet man in den Tabellen S und 9, S. 510 und 513 der „Kritik“ (in den anderen ist der Wert von E’ nicht an- gegeben), dass sich E’ in den Versuchen Frank’s zwischen 1523 und 6040 Megadynen, also zwischen 152 - 10* und 604 - 10% bewegte. Das Maximum ist also derselbe Wert, welchen das Manometer mit mittlerer Elastizitätskonstante (2’ — 605 - 10*) in meinen Experimenten besitzt. — Dabei ist E’ wahrscheinlich durch Rechnung sefunden und nicht experimentell bestimmt (was nach Frank nicht sehr exakt geschehen kann); dann ist es aber nach meinen Er- fahrungen (s. A, S. 158) zu hoch. Frank scheint also seine zur Begründung der Theorie an- gestellten Versuche auf Manometer mit geringer Elastizitätskonstante beschränkt zu haben, welche zum Zweck der physiologischen Druck- messurg nicht genügen. In den späteren Abhandlungen Frank’s aber, in welchen Manometer von sehr hohem E’ zur Verwendung kommen, wird die uneingeschränkte Gültigkeit der Theorie als er- wiesen betrachtet. C. Die „Dämpfung“ der Manometer. Mit dem Ausdruck „Dämpfung der Manometer“ habe ich in einer früheren Abhandlung !) die Wirkung eines künstlichen Wider- 'standes innerhalb der Flüssigekeitssäule des Manometers bezeichnet, welche in der aperiodischen Einstellung des Manometers bei der raschen Einwirkung grosser Druckschwankungen besteht. Später hat Frank?) diesen Ausdruck für die Summe der im Manometer an und für sich vorhandenen Widerstände gebraucht, welche zum Teil in der Flüssigkeitssäule, zum Teil in der Membran und Schreib- vorrichtung liegen. Will man den Ausdruck Dämpfung auch für diese natürlichen Widerstände anwenden, so ist es zweckmässig, die natürliche von der künstlichen Dämpfung zu unterscheiden, was im folgenden geschieht. I. Die natürliche Dämpfung der Manometer. Bei den vorangehenden Berechnungen der Abhängigkeit der Schwingungsdauer bzw. Schwingungszahl von M’ und E’ (Tabelle III DK. Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 47 8.8. 2) O. Frank, Kritik S. 579. 170 K. Hürthle: S. 165) ist angenommen worden, dass die Bewegungen ohne Reibung erfolgen. Bekanntlich ist man nicht in der Lage, die Reibungskräfte theoretisch zu berechnen, sondern man ist auf eine empirische Be- stimmung derselben im einzelnen Falle angewiesen, deren Ergebnis dann zur Korrektur der als reibungslos behandelten Massenkräfte angewandt werden kann; die Bestimmung gestaltet sich in unserem Fall folgendermaßen: Als Maß der natürlichen Wider- stände des Manometers dient die Abnahme der Amplituden der Eigenschwingungen. Unter der Voraussetzung, dass die Wider- stände der Geschwindigkeit der Flüssigkeitsbewegung proportional sind, erfolgt die Abnahme gleichmässig derart, dass das Verhältnis je zweier aufeinanderfolgender Schwingungen konstant ist; den natürlichen Logarithmus dieses Verhältnisses nennt man das logarith- mische Dekrement;!) seine Untersuchung bildet daher ein Kriterium für die Richtigkeit jener Voraussetzung. | Aus dem logarithmischen Dekrement D lässt sich dann ein Au MAD) Ze zur Korrektur von 7 benutzt werden kann; diese erfolgt nach der Formel: Dämpfungsfaktor X’ — berechnen, der nun selbst wieder A een VA Map: Sind die Widerstände verschwindend klein, kann X’ im Ver- hältnis zu 4 M’ E’ praktisch = 0 gesetzt werden, so geht die ee Mit wachsenden Widerständen aber nimmt X’ und damit sein Einfluss auf 7 sehr rasch zu bis zu dem Grenzwert 4 M' E' = K'?’; in diesem Falle erfolgt die Ein- stellung des Instrumentes aperiodisch. / Formel über n T=2xr V Im folgenden soll nun untersucht werden: 1. ob das Dekrement konstant, die Voraussetzung also richtig ist, dass die Widerstände aer Geschwindigkeit der Flüssig- keitsbewegung proportional sind, und . ob sich der Einfluss der Widerstände auf die Schwingungs- dauer 7 tatsächlich in der von der Formel geforderten Weise äussert. ID 1) Helmholtz, Vorlesungen über die Dyramik diskreter Massenpunkte S. 108. Leipzig 1898. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 171 Die erste Frage hat Frank!) auf Grund von Schwingungsver- suchen am Gummimanometer mit optischer Registrierung in dem Sinne beantwortet, „dass das logarithmische Dekrement der Schwingungen auch unter den verschiedensten Reibungsverhältnissen, die hier wirksam waren, konstant bleibt, dass also die wichtigste Forderung, die sich aus unseren Entwicklungen ergeben hat, bei unseren Versuchen erfüllt ist“. Zu meinen eigenen Messungen der Amplituden verwendete ich den vorhergehenden Versuch, in welchem alle Konstanten des Mano- meters variiert waren. Die erhaltenen Werte sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt. Dieselben enthalten alle zum Verständnis notwendigen Angaben, und es ist nur zu bemerken, dass die Loga- rithmen nicht natürliche, sondern Brigg’sche Logarithmen sind (zur Umwandlung in natürliche also einer Multiplikation mit 2,3026 bedürfen), und dass die Logarithmen der Amplituden der Raum- ersparnis halber weggelassen und nur die Differenzen derselben ab- gedruckt wurden. Die zugehörigen Schwinguneszahlen findet man in der Tab. II S. 163 oder in den Kurven Fig. 1—3 Taf. I. Tabelle IV. Membrandurchmesser 1,1 cm, Röhrendurchmesser 0,238 cm. en Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge . Differenz der . | Differenz der z aaupliumden Logarithmen Zuplitngen ı Logarithmen | 0,297 | ss | 0,382 100 2310 0,249 360 | 0,289 iR | 3 0,275 I 0,301 80 105 0,246 en 0,248 | a 0,169 a 0.189 \ 2,00 ; 2,65 ) | 2 0,291 12,9 0,277 60 ' 300 0,251 > 0,232 N 1.85 0,210 210 0,190 u 0,248 I 0,270 40 4,10 DS 4,70 N 2,75 7 2,80 DS 2 1.90 | 0,168 1) Frank, Kritik 8. 583. . 172 K. Hürthle: Röhren- Druck 100 em Wasser Druck 150 cm Wasser länge Dee a Su 3 SE : Differenz der 5 Differenz der cm Amplituden | Logarithmen supi Logarithmen | | | er. Mr 0,226 ar | 0,187 2 0,216 5,20 | ? 4,80 ? 20 DYW; | 0,211 94= 0,183 U 0,099 a 0.137 2,55 DR 2,30 I 910 0.084 1.80 0,106 35 : 95 : nr 0,195 102 0,204 10 5.95 0,185 6.55 0,155 375 0,154 475 | 0,140 950 0.176 315 0.178 | | Tabelle V. Membrandurchmesser 1,1 em, Röhrendurchmesser 0,798 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge 5 : F = ES Ä = re Differenz der 5 Differenz der em nen Logarithmen Amplituden Logarithmen Me 0,107 I 0,118 9.80 0,126 9,85 0,115 Th Fr 0,140 2er 0,145 N In 0.103 > 0,128 2’95 | 0,110 ans 0,146 100 | 0,036 9'35 0,119 ( 0,131 In 0,137 | 9,15 0,116 9,50 0,110 80 70 | 0,104 810 0,069 | are | 0,163 Dar 0,102 4,95 Va aye 6,40 2 | 3,60 0,138 4.70 0,134 L = | 3.30 0.154 | ne 0,132 is 0,139 ‚6 0.098 ;eR 0,115 Er 0,090 58 0.058 60 610 0,053 635 0,039 : Der | 0,069 P 0,051 5,20 | 0.053 8,65 0,075 a an 4,15 \ 3,40 0,076 00, 01a 1080 0,141 n 740 0,144 165 0,150 5.95 0,149 6.15 0,095 Br 0,215 En 0,086 390 ) 5.05 ’ | En 215 0,085 Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 173 p Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge : BEER z ST. Differenz der 5 Differenz der En Amplituden Logarithmen Amplituden Logarithmen 15 0,112 12,80 0,074 en | 0,076 I 0,109 ins | 0,084 a: 0,115 ei MM | 0,083 > 10 0,077 2 4 3 122,9.0,046 5,40 Zn 0,044 9,20 IS: 2760 0,053 210 0,050 3,50 02 | { 12,10 0,078 N | 0,051 Io 0,093 | 0.099 Sa 0,054 Un 0.146 1,20 0.072 SUURR an 0,131 10% 3 6,10 0,073 310 ' DS 0.073 385 0,053 3740 | 0,054 | STE 0,047 | L 3,05 | Tabelle VI. Membrandurchmesser 1,10 cm, Röhrendurchmesser 1,16 cm. Röhren- ‘Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge ; 3 c Differenz der h Differenz der cm ap ardlen Logarithmen Amplituden Logarithmen | ( 13,90 13,20 N | 10,50 I 8,40 De 100} 8,10 en 6,00 | 2 j 600 0,130 170 | 0,106 > 0,106 2 0,217 4,70 2 2,09 | an 0,207 a 0,178 80 I 0,210 > | 0,183 | = 0.088 Sl open l 3,80 2 3,30 | ( 13,00 Re 12,90 3 I 0 0 a 60 I 6,00 0'187 6,50 07155 3,90 = 4,55 De: j Yin 0,102 | 3,60 ’ Ile 0,069 14,60 0,154 . 0.107 | 0,076 I 0,079 in | 0,083 40 Bas 0,036 6750 0,038 0: 0,056 0 0,073 215 0,085 135 0,102 De Q > RD 174 K. Hürthle: Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge i | Differenz der ; Differenz der ai Amplituden Logarithmen pl Logarithmen | ( 110 | on 1120 0,056 9,10 : 9,35 = | 0,139 0,082 6,60 | - 8,15 6,60 | 0.091 0,095 3,39 A 6,59 & | 0,047 5 0,118 | a0" Sun 0.018 5,05 0,070 20 4,60 0.014 4,30 : 4,45 i N’nor | 4,15 N 3.20 0,051 2,70 ld 3 0,055 Sn 0,096 RN 0.094 2 0.168 Ban 0,093 I 0,106 on 0.088 sr 0.056 10 4,1 0.094 2,5 0.026 3,30 097 2,40 3.10 EL | Bin 0,060 330 0,070 9'05 0,050 Tabelle VI. Membrandurchmesser 0,9 em, Röhrendurchmesser 0,233 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge El Be 3 : Differenz der - Differenz der cm Amplituden Logarithmen Amplituden Logarithmen D2) ) 995 de B 100 4 1,75 Ve 3,85 er ’ | Bun 0,051 : nn 0,239 a 0,261 ; So 210 0,216 2’90 0,208 5 I 2,60 0,198 9/60 0,176 | En 0,114 2 0,114 \ 2,00 2,00 1 0,250 ken 0,224 60 BIB- 0,197 un 0,199 L iD 0,159 127) 0,149 2,60 0.114 2,20 L 2,00 } | en 0,232 Dr 0,260 d 40 250 0,230 970 0,258 | 5 0,235 5: 0,246 \ 2,50 ? 2,10 Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 175 Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 em Wasser läüge Di T E Se : ifferenz der . Differenz der cm Auyallianden Logarithmen Ampullen Logarithmen Fan] | 8 om | | om 20 N 3790 0,267 375 0,222 Sl een 3m: L 1,50 0,263 215 0,242 1,00 0,231 I 0,265 7,05 : 5,90 SE 2 0,171 EVA 0,185 10 4,75 ES 3,85 SS 91= | 0,178 n 0,243 3,15 0.187 2,20 i 2,05 9 Tabelle VI. Membrandurchmesser 0,9 cm, Röhrendurchmesser 0,798 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 em Wasser länge 5 2 . Differenz der i Differenz der cm Amplituden Logarithmen zZ unplituden Logarithmen 4.00 US 4.90 R0e 3,70 Dee Sr 0,050 0 Ne DR 11 eo 0.119 dr 11,60 n 198 0.097 Sn 0156 0,058 2 0,055 Iyod 100 Ss 0.028 0,021 = SW = 0,178 0,126 0,070 0,075 0,033 <= 60 = DOOPUSNIOHm HDOVP-ÄII TUI DO UOUPODON Som or SDaoOw 0,117 0,087 0,097 0,120 0,098 0,066 0,078 = = Er — | 40 | | E | | = = et HDDyPUOH MHDWPn@ STNONOoOOor-m FrR-numür IITIOSO ISO IOosoaıuo DD DH CD AOOCO DO O00 s AXITIOSO DIS OO IT O Or OT u 0,208 I 0,153 en | 0.116 0.065 R) I 176 K. Hürthle: Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge . Differenz der 8 Differenz der cm nlnten Logarithmen Zunltuen Logarithmen | 8,80 | 2 7,10 a 5,30 0,090 3,95 0,134 9) 4,80 | er 2,90 , 2 20 Du 0) 137 (99, 0 073 3,50 0.082 23 0,110 = 0,082 10 0,103 2,40 1. 1,50 7,45 3,55 li | | a5 | 08 10 4,25 0181 0,90 0,955 2,80 eis 0,50 kan | 210 0,125 ) Tabelle IX. Membrandurchmesser 0,9 em, Röhrendurchmesser 1,16 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge ; Ban Pr re EEE : ' Differenz der : Differenz der cm Amplituden Logarithmen Amplituden Logarithmen 9,90 en 8,75 a 6.60 a 6,00 Dan 3,70 0,129 4,30 0.031 2,79 JERS 4,00 0 100 = 0,235 ; 0,022 1,60 ’ 3,80 0.01 3.65 ‚017 | 3,20 Ol | 2.70 | 0,074 8,10 ? 1,25 I a) 4,85 z 4,30 EN 80 | 0,068 E 0,043 4,15 0,027 4,35 0.096 3,90 0.041 =10 0.101 3,55 “ 325 8,00 7,05 II em na | : 5,20 2 4, Io: oe | | 2,70 ne 2,60 2,20 z ( 9,40 z 9,35 || | 7,30 an 5,45 ne 0,057 2 0,033 6,40 0.099 5,05 0.050 5,10 0,064 50 0.030 4,40 4,20 ) E 0,064 0,027 40 3,80 3,95 j) 0,055 5 0,023 3,39 5 1 0 0183 3,60 l PY 0,031 3,35 0,041 [97 05 E} 2 0,061 | 2,65 0.091 { | 2,15 | Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 177 Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge F : . Differenz der B , Differenz der cm auplnden Logarithmen Ampliiimden ı Logarithmen [ > 0,073 a 9,20 2,55 | 5% 0,179 IS | 0,176 2 0,122 ve 10185 2,00 2 0,60 „129 a 0,105 150 0,266 ) S I 10 2.80 0,115 1.10 0,073 2 0,105 , 0,087 2,20 0125 0,90 0.109 1,65 as 0,70 ; Tabelle X. Membrandurchmesser 0,7 cm, Röhrendurchmesser 0,238 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge DE: In: £ Differenz der R Differenz der cm aupliuden Logarithmen Amplituden Logarithmen 7,90 e 1,55 : m | m m 2 12 2,10 2 1,80 ’ 3 0,514 3 0,514 80 150 0,054 1750 0,054 8 ” : | 1740 0,030 1740 0,030 Si 0,208 an 0,205 60 335 0,178 3’ 0,180 See 0,136 =” 0,146 L 2,45 2,90 [ Se 0,208 a2 0,193 R en 0211 a 0.169 0,183 0,187 2,10 2,60 0'184 l 1,70 ? 1,85 0,158 8,30 0,211 De 0.134 an 0.23 20 2 =00 0111 a 0,079 3,10 0'085 2,50 2,00 0.035 2,35 Ir [ a 0,103 in 0,130 | u 0.111 6,00 0.125 N 5,50 0.108 4,50 0.109 N 0.108 a 0.067 \ 3.20 3,00 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 12 7 K. Hürthle: Tabelle XI. ___ Membrandurchmesser 0,7 cm, Röhrendurchmesser 0,798 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länse Tape: I une NE © F Differenz der : Differenz der em Amplikiden Logarithmen Spin Logarithmen u 0,080 Ds 0,191 155 0,113 > 0,152 100 Ben) 0,139 =y 930 0,157 | 180 0,106 | { 1 0,442 2 0,261 s0 195 0,079 | 175 0,058 | Eon 0,097 2 0.067 An 0,124 ar. 0,128 315 0,114 2'90 0,134 60 60 0,083 260 0,047 185 0,148 210 0,08 , 1% 055 | a 0,169 20 0,115 40 130 | 0,317 3.00 0,079 0.45 0,461 980 0,030 27 9,60 0,032 E 0,045 3 0,028 210 0,014 2°60 0,062 80 0,044 990 0,073 20 935 0,076 : 915 0,039 1.90 0,054 150 0,103 nt 0,085 2 0,026 10 910 0,084 905 0,068 1790 | 0,043 me 1.70 | 0,048 Tabelle XI. Membrandurchmesser 0,7 cm, Röhrendurchmesser 1,16 cm. Röhren- Druck 100 cm Wasser Druck 150 cm Wasser länge E 5 S Ä Differenz der ; Differenz der cm anne Logarithmen u | Logarithmen 6,70 6,30 5 0,078 2 0,109 ne 0.081 Bi 0.094 3/60 0,111 3700 0,091 100 7 0,038 % 0,134 3,50 0 071 2,39 2,80 : 60 0,032 Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 79 1% lt Röhren- Druck 100 em Wasser Druck 150 cm Wasser länge RR Differenz der Differenz der f : ifferenz der en Amplituden Logarithmen Amplituden ya alrinen 2 0,352 je 0,292 = 0,176 I 0,023 50 0,80 0.301 1,85 0.050 0,40 ) 1,65 er 1,35 ) 09) < = I aa 0,117 eo 0,088 6 2? 150 0,146 3795 0,068 | 7% 0,222 IE 0,089 L 0,90 ) 9,65 a 0,058 3 0,133 an 0.097 En 0,129 40 900 0,146 990 0,161 > 0,111 = 0,125 1,55 0'044 1,50 ) 1,40 ’ | 2,15 0,077 0,90 0,025 20 vr 0.079 nn 0.026 | 13 0,062 070 0,058 | 2 0.099 a 0,228 10 ale 0,067 MS 0,160 L 1,35 ’ | In einem kleinen Teil der 54 unter den verschiedensten Be- dingungen angestellten Schwingungsversuche sind die Dekremente (die Differenzen der Logarithmen) derart, dass die Abweichungen als Versuchs- oder Messungsfehler betrachtet werden können. In der Mehrzahl der Versuche aber liegen die Abweichungen weit ausserhalb der Fehlergrenzen. Nicht selten sind sie derart, dass es zu ihrer Feststellung gar keiner Messung bedarf, da der schwebunes- artige Verlauf der Amplituden den Wechsel des Dekrements auf den ersten Blick zeigt (s. Fig. 4, 5, 10 u.11 Taf. I). In solchen Fällen kommen Änderungen des Dekrements um das Zehnfache vor. Im allgemeinen sind die Dekremente in den Versuchen mit niederen Schwingungszahlen die regelmässigeren, doch kommen auch hier unregelmässige Dekremente vor (Tab. V; L= 60, N — 28) und andrerseits regelmässige bei hohen Schwingungszahlen (Tab. XII L = 20, N = 120—150). In der Art der Abweichung lässt sich eine Gesetzmässigkeit vorläufig nicht erkennen; in manchen Ver- suchen wird das Dekrement kleiner, in anderen grösser, in weiteren erst kleiner, dann grösser oder umgekehrt; nicht selten zeigt sich gar keine Regelmässigkeit. 12 * 180 K. Hürthle: Dieses Ergebnis steht in schroffem Widerspruch zu dem oben angeführten von Frank. Die Ursache dieser Differenz aufzuklären, bin ich aber nicht in der Lage, da Frank in der Tabelle 13 S. 582 der „Kritik“, welehe die Unabhängigkeit des logarithmischen Dekre- mentes von der Amplitude zeigt, die Konstanten des hierzu ver- wendeten Manometers und selbst die Schwingungsdauer nicht angibt. Als besonders merkwürdig ist ferner zu erwähnen, dass die Dekremente in meinen Versuchen selbst bei gleichem M’ und fast gleichem E’, nämlich beim Druck 100 und 150 em desselben Ver- suchs selten gleich sind, häufiger verschieden und zwar nach ver- schiedenen Richtungen. Vel. die Tabellen, insbesondere XI u. XI. Die Voraussetzung der Theorie, dass die Reibung pro- portional der Geschwindigkeit ist, kann also nicht bestätigt, sondern muss als unriehtig oder ungenügend bezeichnet werden. Es ist daher auch nicht gerechtfertigt, den Koeffizienten X’ zu be- rechnen, um daraus etwaige Korrekturen der nach der einfachen Formel festgestellten Schwinzungszahlen vorzunehmen, da die Dekre- mente und damit auch X’ innerhalb desselben Versuchs sehr stark wechseln. Immerhin könnte man zur Beantwortung der zweiten Frage den Versuch machen, die mittleren Werte der Dekre- mente und daraus den Widerstandsfaktor des Manometers zu be- rechnen. Dies ist in der folgenden Tabelle für den Druck von 100 em geschehen, in welcher die Logarithmen die natürlichen sind. Tabelle XII. Die mittleren logarithmischen Dekremente im Versuch Nr. 1. Membran 1,1 cm D. Membran 0,9 cm D. Membran 0,7 cm D. Röhrendurchmesser Röhrendurchmesser Röhrendurchmesser in Zentimetern in Zentimetern in Zentimetern 0,238 | 0,798 | 1,16 | 0,238 | 0,798 | 1,16 | 0,238 | 0,798 | 116 Röhren- länge o B U | | 100 | 0,6287 | 0,2696 | 0,1680 | 0,7723 | 0,3054 | 0,4557 | 0,6625 | 0,2744 | 0.1727 80 | 0,6003 0,3002 | 0,4802 | 0,5015 | 0,1445 | 0,1650 | 0,4591 ı 0,4744 | 0,6365 60 | 0,5771 | 0,1809 | 0,4013 | 0,4148 | 0,2681 | 0,2582 | 0,3915 , 0,3026 | 0,3273 40 | 0,4897 | 0,3363 0,1656 | 0,5352 | 0,2164 | 0,1474 | 0,4621 | 0,5126 | 0,2100 20 | 0,4647 | 0,1579 | 0,2035 | 0,6168 | 0,2165 | 0,2808 | 0,2412 | 0,1231 | 0,1677 10 | 0,4093 | 0,1672 | 0,1736 | 0,4418 | 0,3166 | 0,2590 | 0,2585 | 0,1502 | 0,1628 Die Werte der Tabelle lassen keine gesetzmässige Abhängiekeit von den Konstanten des Manometers erkennen. Wären die Dekre- mente ausschliesslich von der Reibung der Flüssiekeit abhängige, so EI: Di ne rn ” Echh Cook Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 181 wäre in erster Linie zu erwarten, dass sie mit der Vergrösserung des Röhrenquerschnitts cet. par. stark abnehmen, dass also je drei in einer Reihe stehende Werte bei derselben Membran fortschreitend kleiner werden; das ist aber nur ausnahmsweise der Fall, z. B. bei der Röhrenlänge 40; aber auch da nicht bei allen drei Membran- durchmessern. Ferner zeigt die Tabelle, dass auch mit fortschreitender Verkürzung der Röhren die Dekremente nicht gesetzmässig abnehmen, sondern unregelmässige Sprünge machen; nur in der Reihe der langsamsten Schwingungen (Membran i,l cm, Röhre 0,238 cm Durchmesser) nehmen die Werte mit der Verkürzung der Röhre ab. Ähnliche Beobachtungen hat schon Frank gemacht: er fand (8. 590 der „Kritik“) „eine gewisse Konstanz des logarithmischen Dekre- mentes unter den verschiedensten Versuchsbedingungen. Z. B. hatte die Länge der Flüssigkeitssäule bei einer Reihe von Versuchen keinen Einfluss auf die Grösse des Dekrements.“ Meine Untersuchungen bestätigen also die Ansicht Frank’s (S. 599 der „Kritik“), es sei unwahrscheinlich, „dass die geschilderten Tatsachen durch die Reibung der Flüssigkeit bedingt sind,“ stehen aber in Widerspruch zur Voraussetzung der Theorie, dass die Reibung proportional der Geschwindigkeit sei. Damit verliert die Bestimmung der Dekremente ihren Wert für die Berechnung der Schwingungsdauer und für die Korrektur der registrierten Kurven. II. Die künstliche Dämpfung der Manometer. Diese ist nicht allein von praktischem, sondern auch von theoretischem Interesse, weil sich bei den sehr starken hier ein- zuschaltenden Widerständen viel deutlicher als bei den natürlichen zeigen muss, ob die Reibung der Flüssigkeitssäule den Einfluss auf die Schwingungsdauer hat, welcher ihr von der Theorie zugeschrieben wird; es ist nämlich zu erwarten, dass bei der Einführung künst- licher Widerstände (wegen des im Quadrat steigenden Einflusses von ÄX'; s. die Gleichung II S. 170) die Schwingungsdauer immer rascher wächst bis zur aperiodischen Einstellung. Bei Frank finden sich über diesen Punkt folgende Angaben: Während er bei der weniger genau abstufbaren Hahndämpfung (S. 585/6 der Kritik) „eine eirsinnige Abhängigkeit der Schwingungs- dauer von dem Grad der Dämpfung überhaupt nicht beobachten konnte“, kam er bei der Anwendung seiner „Dämpfungsschraube“ 182 K. Hürthle: zu folgendem Ergebnis (S. 588): „Es zeigt sich nun bei den ge- naueren Versuchen eine eindeutige Abhängigkeit der Schwingungs- dauer von der Grösse der Dämpfung in dem Sinne wie die Formel 5’ (II S. 170) verlangt. Die Schwingungsdauer nimmt mit wachsender Dämpfung zu. Dass die Grösse der Zunahme auch quantitativ nach unserer Formel erfolgt, erscheint als ein weiterer Beweis dafür, dass die grundlegenden Annahmen, die zu der Entwicklung der Formel gedient haben, riehtig sind.“ In den folgenden Versuchen ist als künstlicher Widerstand zur Dämpfung der Manometer der S. 244 der technischen Abhandlung beschriebene Revolverhahn benutzt, welcher den früher von mir ge- brauchten, durch allmähliche Hahnverengerung herbeigeführten Dämpfungen, sowie der Frank’schen Dämpfungsschraube (s. Kritik S. 585) gegenüber die grossen Vorteile besitzt, dass er zwei un- veränderliche Dämpfungslöcher enthält, die durch einen Griff ein- und ausgeschaltet und gegen die volle Öffnung vertauscht werden können, sowie dass diese Dämpfungslöcher eine verschwindend seringe Länge haben und in der Achse der Zuleitungsröhre liegen, Mit dieser Einrichtung wurden die Versuche jeweils in der Weise angestellt, dass die Eigenschwingungen des Manometers in der früher beschriebenen Weise zunächst bei voller Öffnung des Hahns (7 mm); dann nach Einschaltung der Dämpfungslöcher von 0,6 bzw. 0,4 mm ausgeführt wurden. Im ganzen wurden vier Versuche mit folgenden Variationen angestellt: Im ersten Versuche wurde die künstliche Dämpfung abwechselnd am Anfang und Ende der Flüssigkeitssäule oder an beiden Stellen angebracht. Im zweiten wurde der Quer- schnitt, im dritten die Länge der Flüssigkeitssäule und im vierten der Membrandurchmesser (die Elastizitätskonstante) variiert. Erster Versuch. Um die Dämpfung abwechselnd am Anfang und am Ende des Systems anbringen zu können, wurden zwei gleichgearbeitete Mano- meter (für optische Registrierung mit hohem E’) und zwölffacher Hebelvergrösserung (3:36) durch eine Glasröhre von 8,02 mm Durchmesser und 160 em Länge in der Weise miteinander verbunden, wie es die unten stehende Skizze zeigt. Das eine der Manometer (Mir) war luftfrei mit Wasser gefüllt, das andere (M,) nur bis zur Höhe des Revolverhahnes; die Gummi- nıembran des letzteren war durch einen luftdicht schliessenden " a n a 6 u CHR EENFORE een Ds Ye de ee De che a ur Me ar She u Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 183 Metalldeckel D ersetzt; zwischen diesem und dem Wasserspiegel befand sich Luft, die sich in die Füllröhre F fortsetzte; letztere endlich war mit zwei Druckflaschen durch einen 7-Hahn verbunden, durch dessen rhythmische Drehungen der Wasserspiegel abwechselnd unter einen Druck von 50 und 150 em Wasser sesetzt wurde. Durch die verschiedene Stellung der Revolverhähne Ir und Hır konnte die künstliche Dämpfung am Anfang oder Ende des Systems oder an beiden Stellen angebracht werden. Fig. 5. Das Ergebnis dieses Versuchs ist in der Tab. XIV (S. 184) zusammengestellt. Die in den Spalten „Dämpfungen“ stehenden Zahlen bedeuten: 7,0 volle Öffnung (7 mm), 0,6 Dämpfungsloch 0,6 mm Durchmesser, 0,4 & 0,4 mm 5 Aus der Tabelle ist zu ersehen, dass durch die Einschaltung der Dämpfungslöcher von 0,6 mm in Mr oder Mur dieSchwingungszahl des Manometersnicht in deutlicher Weise beeinflusst wird; die sehr kleinen Unterschiede liegen innerhalb der Fehlergrenzen; es ist daher auch einleuchtend, dass es ohne Einfluss auf die Schwingungszahl ist, ob das Dämpfungsloch am Anfang oder am Ende der Flüssigkeitssäule (bei 4ı oder Hır) eingeschaltet wird. [7 G q ‘ [4 ea zu (I yo 8 |: 0800 180'0 SDamaLElN "| oe ; 30 PR A) 68‘9p "um FH "um | | | En | m EL oT u) L30'0 g'ır 897 ‘ STT N co Te 7 um eL‘9p "Um nn GET a 081 8100 9200 Es ey OL6ST°O en ESCLEO nn F al en a E610°0 OLT ı 081 a |02 0) oo 200 des 1 140 | 28,5 | 27,5 1282| 0,64 | 0,88 |0,11| 5 3 1 0315 | 770 of 40 | 20,9 | 20,8 | 21,1 | 0,57 | 0,32 |0,16| 5 3 1 ea N AD 1 920,, 02813 10.672].050 er 3 1 0.204 lıs35 ul 40 | 11,0 | 10,9| 11,0 | 0,55 | 0,51 | 0,88 | 3 3 1 m ar 140 | 11,9) 16209 170,67) V6 07 | 2 1 Tabelle XVb a DE RHES: durchmesser L a Fear, D. 0,6 D. 0,4 En () gedämpft sedämpft | 0,600 1,0 1,00 1 0,61 0 0,405 2,2 1,48 Ir 0,71 0.18 0,315 3,6 3 Tl: 0,58 0,28 0,204 8,6 1,67 1: 0,94 0,70 Die Tabelle zeigt in Übereinstimmung mit dem vorhergehenden Versuch, dass der Einfluss der Dämpfung auf die Schwingungs- zahl ein unmerklicher ist. In einzelnen Fällen zeigt die Schwingungszahl sogar eine Erhöhung, was aber wohl auf Messungs- fehler zurückzuführen ist. Diese erklären sich aus dem Umstande, dass die Schwingungszahlen bei der Dämpfung 0,4 aus einer einzigen Schwingung von minimaler Höhe berechnet sind, wobei natürlich ein kleiner Messungsfehler stark ins Gewicht fällt. ji Weiterhin zeigt die Tabelle, dass der dynamische Quelient mit fortschreitender Verkleinerung des Röhrenquerschnitts, also mit Zunahme der wirksamen Masse grösser und mit fortschreitender Dämpfung kleiner wird. Um den relativen Einfluss der beiden Faktoren zu zeigen, sind in der Talle XVb in Spalte II die wirksamen Massen auf die kleinste — ] und in Spalte III die Quotienten der ungedämpften Manometer auf den bei grösstem Röhrenquerschnitt auftretenden l bezogen, in den Spalten IV—VI die Quotienten des gedämpften Manometers beim Druck 40 em auf den des ungedämpften — 1 bezogenz Dabei zeigt sich: Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 187 1. dass am ungedämpften Manometer der dynamische Quotient mit der wirksamen Masse zunimmt im Verhältnis von 1:1,73, während die wirksame Masse im Verhältnis von 1:3,6 steigt. Bei der weiteren Zunahme der wirksamen Masse auf 8,6 durch Ver- kleinerung des Röhrenquerschnitts tritt aber keine weitere Erhöhung des Quotienten, sondern eine Abnahme ein; 2. dass die Wirkung der Dämpfung bei der weitesten Röhre am grössten ist — bei dieser allein wird der Quotient — 0, das Mano- meter aperiodisch, — und mit abnehmendem Röhrenquerschnitt ab- nimmt. Die Dämpfung wirkt also um so günstiger, je kleiner die wirksame Masse des Manometers ist. In übereinstimmender Weise zeigt sich in den drei letzten Spalten der TabelleXV a, dass die Auslöschung der Eigenschwingungen von der wirksamen Masse abhänst. Nur bei der weitesten Röhre erfolgt die Einstellung bei der Dämpfung 0,4 ohne jede Eigen- schwineung. Dieses Ergebnis veranlasst mich, auf einen Irrtum hinzuweisen, in dem ich mich bei der Einführung der künstlichen Dämpfung!) befand. Nach der Feststellung, dass die Ursache der Eigen- schwingungen der Manometer, welche bei der Einwirkung grosser Druckdifferenzen auftreten, nicht in der Schreibvorrichtung, sondern in der Trägheit der Flüssigkeitssäule des Manometers liegt, habe ich die Eigenschwingungen durch einen starken, in der Zuleitungs- röhre angebrachten Widerstand (Hahnverengerung) beseitigt. Da sich nunmehr in der Flüssiekeitssäule ein sehr grosser Widerstand befand, glaubte ich, dass der natürliche, insbesondere der durch den Querschnitt der Röhre bedingte Widerstand zu vernachlässigen sei und habe auf den grossen Querschnitt der Röhre, den ich am ungedämpften Manometer als zweckmässig er- kannt hatte?), kein besonderes Gewicht mehr gelegt. | Durch die Aufstellung des Begriffes der wirksamen Masse, sowie durch die Darleeung Frank’s®), dass die bei den Manometer- bewegungen auftretenden Widerstände wahrscheinlich anderer Art sind als die bei der Strömung von Flüssigkeiten beobachteten, wurde ich zur Wiederaufnahme des Gegenstandes veranlasst. Die vor- 1) K. Hürthle, Experimentelle Prüfung der Manometer usw. Pflüger’s Arch. Bd. 47 S. 8. 18%. 2) Vgl. S. 147 der vorhergehenden Abhandlung. 3) Frank, Kritik S. 593. SS K. Hürthle: jund liegenden Versuche zeigen nun, dass der natürliche Widerstand der Zuleitungsröhre von ganz anderer Art und Bedeutung ist als der der künstlichen Dämpfung: durch die letztere wird die Schwingungszahl im allgemeinen nicht beeinflusst, wohl aber durch den ersteren. Dritter Versuch: Einfluss der Rohrlänge a) Benutzt wurde das Prüfungsmanometer mit Revolverhahn und den Dämpfungslöchern 0,65 und 0,4 mm Durchmesser und mit drei verschiedenen Rohrlängen. Zunächst wurde eine Röhre von 0,7 em Durchmesser eingekittet und an ihr Ende ein kurzes rechtwinklig gebogenes Röhrchen von gleicher Weite durch wenig dehnbaren Gummi so angefügt, dass Glas an Glas stiess. Die Länge der Flüssiekeitssäule vom freien Spiegel bis zur Mündung in den Manometerkörper betrug 167 cm. Darauf wurde die Röhre um S7 em gekürzt, so dass nuamehr die Wassersäule eine Länge von SO em hatte. — Schliesslich wurde eine Röhre von 0,76 em Durchmesser mit umgebogenem Ende eingekittet, in welcher die Wassersäule 45 em lang war. Die einwirkenden Drucke schwankten zwischen 40 und 100 cm Wasser; der Wert für E’ betrug 140 - 10°, Tabelle XVla. ) Röhren- Bohren — == mem a : durch- 15 Druck 40 cm Wasser Druck 100 em Wasser änge I 3 en En saarr Are messer S un- = un- N cm E gedämpft D. 0,65 D.04 gedämpft D. 065 D.04 0,70 167 31,2 30,3 30,5) 32,8 32,6 32,0 0,7 so 43,0 422,9 44,3 46,9 43,3 4,5 0,76 45 63,7 52,1 53,91) 68,4 54,1 35,31) Tabelle XVIb. Dynamischer Quotient durch- R Druck 40 cm Wasser Druck 100 cm Wasser messer länge = n fm 77 a m VE a Togo era a 2 un- 55 | m 9.0655 1:08 em em gedämpft D. 0,65 D. Q,+ | gedämpft ” 2 ” v | \ 0,70 167 | 0,5 I 0B | dA 031 | 00 1! 08 0,70 Ss 0,50 0,28 0,11 0,7 7 08 | u 0,76 5 Q44 0,18 0,03 04 | 026 0,05 | 1) Aus einer Schwingung berechnet. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 189 Tabelle XVle. Die Zahlen der vorhergehenden Tabelle auf das ungedämpfte Manometer — 1 bezogen. A Röhren- Druck 40 cm Wasser Druck 100 cm Wasser urch- f ze ee un- ar F un- ae Ä 0,70 167 | 1: 0,677 | 0,385 1: | 0618 | 0,190 0,70 80 il2 0,556 | 0,222 iur 0493 | 0,145 0,76 45 1: 0,405 | 0,078 | 1= 0,540 | 0,103 | | | | Die Tabellen XVI a—c enthalten das Ergebnis der Messungen: Tabelle a enthält die Schwingungszahlen und zeigt, dass diese bei den Rohrlängen 167 und 80 cm durch die Dämpfung nicht beeinflusst werden, wohl aber bei der kurzen Röhre von 45 cm in dem Sinne, dass durch die Dämpfung eine Verminderung der Zahl um ca. 18 °/o herbeigeführt wird. Aus der Theorie lässt sich diese auf- fallende Beobachtung nicht erklären; ich komme unten (S. 192) dar- auf zurück. Als Maß der Wirkung der künstlichen Dämpfung habe ich auch in diesem Versuche den dynamischen Quotienten (s. S. 185) berechnet und in Tabelle b mitgeteilt; diese zeigt, dass der Quotient am ungedämpften Manometer mit der Röhrenlänge, d. h. also mit der Grösse der wirksamen Masse abnimmt, und zwar beim Druck 40 im Verhältniss von 1: 0,80 ::0,69, beim Druck 100 wie 1: 0,95 : 0,58. Durch die Einschaltung der Dämpfung wird der Quotient bei den verschiedenen Rohrlängen nicht in gleicher Weise beeinflusst, sondern in steigendem Maße mit abnehmenden Rohrlängen. Dies ist aus der Tabelle e zu entnehmen, in welcher der Quotient des ungedämpften Manometers — 1 gesetzt und die der gedämpften auf 1 bezogen worden sind. Die stärkste Erniedrigung des Quotienten unter dem Einfluss der künstlichen Dämpfung tritt bei der Rohr- länge von 45 cm auf. Aus diesem und dem vorhergehenden Versuche folgt also, dass die künstliche Dämpfung um so günstiger wirkt, je kleiner die wirksame Masse ist. sei es dass die Ver- kleinerung dureh Verkürzung der schwingenden Säule oder durch Vergrösserung ihres Querschnittes erzielt wird. 190 K. Hürthle: b) Auf Grund des vorhergehenden sowie des folgenden Versuches hatte ich mir zunächst die Meinung gebildet, dass sich der Einfluss der Dämpfung auf die Schwingungszahl nur in dem Falle bemerklich mache, wenn die wirksame Masse klein ist (Tabelle XVIa, Z= 45 em). Um diese Meinung zu prüfen, habe ich noch einen weiteren Versuch mit Verkleinerung der wirksamen Masse angestellt. Als Manometer diente ein Torsionsmanometer für optische Registrierung mit den Dämpfungslöchern 0,5 und 0,35 mm und einer Elastizitätskonstanten von E' = 170 :10°; die einwirkenden Drucke schwankten zwischen 50 und 100 cm Wasser; Länge und Durchmesser der Röhren sind aus der Tabelle XVId zu ersehen. Diese enthält ausser den Sehwingungszahlen noch die Dauer der Anstiegszeit, sowie die Grösse des dynamischen Quotienten. Tabelle XVlId. Einfluss der Dämpfung auf die Schwingungszahl bei wechselndem ul M=7- Röh- | Röh- Schwingungs- Dynamischer a f PR en | L Dämp- zahlen Quotient BSUSESF ern messer) länge | & | fung [pruck|Druck| Druck | Druck 150-100] 10050 cm cm 50 cm 100 em| 50 em 100 em Sek. Sek. ; ‚flvosed| 277 | 2923| 0,637 0,650 | 0,019 | 0,019 06 177. |2723!1D.0,5| 272 | 2935| 0594 | 0,651 | 0.017 | 0,018 \p.035| 292 2315| 0389 | 0408 | 0.019 , 0.081 j|ungea| 920 999| 0532 | 0363 | 0,007 | 0,008. 06 |ı2 | 4243| D.0,5| 103.0 111,8! 0121 | 0,109 | 0.008 | 0,008 ID. 0,35] 102,9 | 1138| —- a 0.018 | 0,017 ® _sflunged.| 32,5| 3248| 0,657 | 0713 | 0015 | 0,015, 0,365 | 46 a7, D.0,5| 330 3561| 0489 | 054 | 0015 | 0,015 u l4o- sflungea.| 56,0 | 61,8] 0,564 | 0,689 | 0,008 | 0,009 0,865 | 14a 137,5 D.0,5 2. 626| 0.289 | 0356 | 0,008 \ 0.009 Die Schwingungszahlen der Tabelle sind aus mindestens drei Schwingungen berechnet (bei den Dämpfungen 0,35, bei den andern aus vier Schwingungen), die Messungsfehler sind daher nicht gross. Spalte V und VI zeigen nun, dass die Schwingungszahlen unter dem Einfluss der Dämpfungen gleich bleiben oder sogar bis zu 14°/o grösser werden. Diese Zunahme ist beim kleinsten Wert der wirksamen 7; Masse (> Q falls auf Messungsfehler zurückzuführen. — 42, Spalte in) am deutlichsten und, wie gesagt, keines- Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 191 Wenn daher im vorhergehenden sowie im folgenden Versuch bei kleiner wirksamer Masse eine Verkleinerung der Schwingungs- zahl unter dem Einfluss der Dämpfung beobachtet wird, so darf dieses Ergebnis nicht verallgemeinert werden, sondern es kann der wechselnde Einfluss der Dämpfung auf die Schwingungszahl nur jenen „Sprüngen“ zugerechnet werden, welche schon im Abschnitt B am ungedämpften Manometer beobachtet wurden und nicht erklärt werden konnten. Aus den Spalten VII und VIII der Tabelle XVId geht in Über- einstimmung mit dem vorhergehenden Versuche hervor, dass der dynamische Quotient mit steigender Dämpfung abnimmt, und zwar im allgemeinen um so stärker, je geringer die wirksame Masse ist: \ L RER nur beim kleinsten = — 42 und Dämpfung 0,35 tritt vollkommen aperiodische Einstellung ein. Schliesslich zeigt sich auch die Anstiegszeit (Spalte IX und X) von der wirksamen Masse abhängig: sie wird mit der wirksamen Masse im allgemeinen kleiner. Vierter Versuch. Im letzten Versuche wurde der Einfluss der Dämpfung bei wechselndem Durchmesser der Manometermembran, also bei wechseln- dem E’, festgestellt. Dazu diente wieder das Prüfungsmanometer mit den Membranen von 0,72—0,9 und 1,11 em und mit den Dämpfungs- löchern 0,65 und 0,4 mm Durchmesser. Die angesetzte Röhre war in allen Fällen dieselbe, ihr Durchmesser betrug 0,76 em und ihre Länge von der Münduug ins Manometer bis zur Flüssiekeitsoberfläche im rechtwinklig umgebogenen Ende 46 cm. Die einwirkenden Drucke schwankten zwischen 40 und 100 cm Wasser. Die Schwingungs- zahlen dieses Versuches sind in der Tabelle XVII enthalten. Tabelle XVI. Wirkung der Dämpfung bei wechselndem E’. Membran Dr Druck E Schwingungszahlen cm em ungedämpft D. 0,65 D. 0,4 Ä 40 60,1 57,6 50,0%) u Keuzll { 100 66,8 64,5 58.03) 40 35.3 36,0 37,31) 220 SUDeıl [ 100 46,0 45,7 | aperiodisch 40 BER 44 De 2 {| 10 4 a 1) Aus einer Schwingung bestimmt. 192 K. Hürthle: Die Tabelle zeigt, dass die künstliche Dämpfung nur beim höchsten Wert von E’ einen Einfluss auf die Schwingungszahlen hat, bei einer wirksamen Masse von 101. Bei der Beurteilung der Zahlen ist allerdings zu beachten, dass die Schwingungszahlen bei der Dämpfung 0,65 aus zwei, bei der Dämpfung 0,4 aber aus einer Schwingung berechnet wurden, so dass die Messungsfehler stark ins Gewicht fallen. Auf solche ist es wohl auch zurückzuführen, dass die Schwingungszahlen bei der Membran von 0,9 und 1,1 em und einem Druck von 40 em mit fortschreitender Dämpfung etwas zunehmen. Bei der Membran von 0,72 em sind aber die Unterschiede in den Schwingungszahlen so gross, dass sie nicht auf Messungsfehlern beruhen können. Im Einklang mit dem, was oben (S. 189) gesagt ist, betrachte ich auch in diesem Falle die Herabsetzung der Schwingungszahl unter dem Einfluss der künstlichen Dämpfung als einen der nicht erklärten „Sprünge“, die bei hohen Werten von E’ besonders leicht auftreten (8.B5 8. 166). Weiterhin zeigt sich, dass, wie zu erwarten ist, die aperiodische Einstellung durch denselben Grad der künstlichen Dämpfung um so eher erreicht wird, je kleiner E’ oder je grösser die Flüssiekeits- verschiebung im Manometer ist. Das ist aber kein Vorzug für das Manometer von kleinerem E’, weil die Einstellungszeit durch die Vergrösserung der Flüssigkeitsverschiebung verlängert wird. Zusammenfassend kann man über den Einfluss der künst- lichen Dämpfung auf die Schwingungszahl und das Dekrement der Manometer folgendes sagen: 1. Ein Einfluss der künstlichen Dämpfung auf die Schwingungszahl wird nur ausnahmsweise beobachtet; er ist dann wesentlich grösser, als theoretisch auf Grund der Reibung (der Dekremente) zu erwarten ist. Dieses Ergebnis widerspricht dem oben (S. 182) angeführten von Frank, nach welchem der Einfluss der Dämpfung in allen Fällen in dem von der Theorie geforderten Grade festgestellt worden ist. Die Ursache der Differenz zwischen den Ergebnissen Frank’s und den meinigen liegt möglicherweise in der Einrichtung der von Frank benutzten Dämpfungsschraube, welche eine spaltförmige Ver- engung von einer gewissen Länge am Rande der Röhre herbeiführt, während die Dämpfungslöcher des Revolverhahnes in der Achse gelegene Widerstände von verschwindender Länge darstellen. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 193 2. Die Dekremente werden sehr stark im Sinne einer Erhöhung beeinflusst, die Eigenschwingungen des Manometers also sehr rasch vernichtet. Noch deutlicher zeigt sich die günstige Wirkung der Dämpfung im „dynamischen Quotienten* (dem Verhältnis der Drucküber- schreitung zur Druckschwankung), der wegen der Inkonstanz der Dekremente als Maß der dämpfenden Wirkung benutzt wurde; er lässt erkennen, dass die Dämpfung um so günstiger wirkt, je geringer die wirksame Masse des Manometers ist. 3. Die Einstellungszeit wird durch geringe Grade der Dämpfung, welche nicht zu aperiodischer Einstellung führen, nur wenig beeinflusst, bei den stärkeren zur vollkommen aperiodischen Einstellung nötigen Graden der Dämpfung aber bis auf den dop- pelten Wert erhöht. 2. Dämpfung der Manometer durch innere Reibung der Flüssigkeit. Bei der eigenartigen Wirkung der Manometerdämpfung, welche wir im vorhergehenden konstatiert haben, schien es mir zur Er- klärung der Natur der „Widerstände“ von Interesse, die Wirkung einer Dämpfung festzustellen, bei welcher die Widerstände nicht durch äussere Reibung, durch Verengerung des Querschnitts, sondern durch Erhöhung der inneren Reibung der ganzen Flüssigkeitssäule vermehrt werden. Beruht die natürliche Dämpfung der Manometer auf der bei der Flüssigkeitsströmung auftretenden Reibung, so wird sich eine starke Änderung der Viskosität in einer entsprechenden Beeinflussung der Schwingungsdauer des Manometers äussern. Ich habe daher in einer Reihe von Versuchen das destillierte Wasser des Manometers durch Glycerin vom spezifischen Gewicht 1,23 ersetzt. Seine Viskosität wurde mit Hilfe eines Ostwald’schen Viskosimeters gemessen und ergab bei 19° C. den 102fachen Wert des destillierten Wassers von gleicher Temperatur. Bei der Füllung der Manometer mit Glycerin ist die Entfernung der Luftblasen schwieriger als bei der Wasserfüllung, aber doch mit Sicherheit zu bewerkstelligen, wie sich durch Prüfung der Flüssigkeitsverschiebung mit Hilfe des Kapillarvolumeters feststellen lässt. Vor der Füllung muss das Manometer natürlich sorgfältig getrocknet werden. Im ganzen wurden drei Versuche angestellt, in welchen 9, E’ und Z variiert wurde. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Pd. 137. 13 194 K. Hürthle: Der erste Versuch wurde an demselben Manometer und mit denselben Röhren aus- geführt wie der zweite Versuch mit äusserer Dämpfung (S. 185). Das Manometer wurde nacheinander mit den Röhren von 0,6, 0,405, 0,315 und 0,204 em Durchmesser und je 60 em Länge verbunden. Der Druck schwankte zwischen 40 und 140 em Wasser. Das Ergebnis ist folgendes: Nur bei Verwendung der weitesten Röhre waren die Eigenschwingungen so ausgebildet, dass ihre Dauer semessen werden konnte. Die Schwingungszahlen betrugen 34 bzw. 37 pro Sekunde bei 40 bzw. 140 em Wasser. Dagegen erfolgte die Einstellung bei den drei engeren Röhren auch ohne Anwendung einer äusseren Dämpfung ganz oder fast aperiodisch. Bei der Dämpfung durch Erhöhung der inneren Reibung wirkt also die Verkleinerung des Röhrenquerschnittes ausserordentlich stark dämpfend, und man könnte daraufhin eine entsprechende Herab- setzung der Schwingungszahl durch die Glycerindämpfung erwarten. Das ist aber nicht der Fall, wie die folgende Berechnung zeigt. Bei dieser ist zu beachten, dass der Unterschied der Schwingungszahlen bei Glyeerin- und Wasserfüllung sowohl durch den Unterschied der wirksamen Masse als durch den der Viskosität bedingt ist. Erstere ist durch den Unterschied im spezifischen Gewicht veranlasst, letztere kommt in den Unterschieden der Dekremente zum Ausdruck. Tabelle XVIlla. Die beobachteten und berechneten Schwingungszahlen bei Wasser- und Glycerinfüllung. Dear I An er a ri Glycerinfüll Wasserfüllung Sn Druck be- berechnet beobachtet | berechnet | obachtet | ohne Be mit X’ | aus 11 40 37,4 | 34,6 34,0 312 27,6 | 33 1 140 A, a 36,2 Die Tabelle KVIa enthält in Spalte m und . die bei Wasser- und Glycerinfüllune beobachteten Schwingungszahlen, in Spalte III und V die unter Vernachlässigung der Dämpfung aus M’ und E’ berechneten; ferner ist in Spalte VI die Schwingungszahl mit Berücksiehtigung der Dämpfung berechnet, wobei der aus dem Dekrement berechnete Weit für X’ 47443 beträet; schliesslich ist Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 105 in Spalte VII die Schwingungszahl für Glycerinfüllung aus der für Wasserfüllung beobachteten unter ausschliesslicher Berücksichtigung der Wirkung des spezifischen Gewichts (37,4/V1,23) berechnet. Die Tabelle lehrt, dass im letztgenannten Falle die beobachtete und berechnete Schwingungszahl (Spalte IV und VII) nahezu gleich sind, d. h. also, dass sich der Unterschied der Schwingungszahlen bei Wasser- und Glycerinfüllung aus dem Unterschied der wirksamen Masse (des spezifischen Gewichts) erklärt, ein Einfluss der Vis- kosität auf die Schwingungszahl aber trotz der sehr starken Erhöhung derselben auf den 102fachen Wert sar nicht merklich ist. Dagegen zeigt sich der Einfluss der Viskosität deutlich in der Änderung der Dekremente, welche für Glyeerinfüllung im folgenden (Brigg’sche Logarithm.) angegeben sind. Tabelle XVIIIb. Die Dekremente bei Glycerinfüllung und Druck 40. Amplituden Differenz der Logarithmen an 0.63347 Die [5] ‘ ‘> 0.30103 Die Dekremente sind zwar wieder inkonstant, ich habe aber versuchsweise das erste zur Berechnung von Ä’ benützt. Der Ver- gleich der mit und ohne K’ berechneten Schwingungszahl in Spalte V und VI Tabelle XVIIla zeigt, dass unter dem Einfluss der Dämpfung eine Herabsetzung der Schwingungszahl um 3,6 nach der Theorie zu erwarten wäre. Danach müsste die Schwingungszahl bei Glycerin- füllung infolge des spezifischen Gewichts um 3 und unter dem Ein- fluss der Dämpfung um 3,6 gegenüber der Wasserfüllung abnehmen, im ganzen also von 37,4 auf rund 31. Da sie aber 34 beträgt, fehlt ein deutlicher Einfluss der Viskosität auf die Schwingungszahl. Zweiter Versuch. Zu den weiteren Versuchen diente das Prüfungsmanometer, an welchem zunächst die Dämpfung bei wechselndem E’ untersucht wurde. Die benutzten Membrandurchmesser betrugen 0,72, 0,9 und Iableiem. Das Manometer wurde mit einer horizontalen Röhre von 0,802 em Durchmesser versehen, welche am freien Ende vertikal aufwärts ze- o One 196 K. Hürthble: bogen war. Die Länge der Flüssiekeitssäule von der Mündung in die Manometertrommel bis zum freien Spiegel betrug 162 em. Die Drucke schwankten zwischen 50 und 150 em Wasser. An diesem Manometer wurden Schwingungsversuche erst bei Glycerin- und darauf mit Wasserfüllung ausgeführt. Ihr Ergebnis ist in der Tabelle XIXa zusammengestellt. Tabelle XIXa. Die Schwingungszahlen und Dekremente im Versuch 11 (Glycerindämpfung). Sc hw ingungszahlen Dekremente E Wasser- | Glycerin- _ Wasserfüllung Glycerinfüllung e füllung füllung Druck 50 en Druck 150 m Druck 50 cm | Druck 150 cm = BER ER x er Druck | Druck| Druck | Druck |mitti. Dit. mittl. Ditt. Ampli- Diff. d. |JAmpli-| Diff. d. cm | 50 em 1150 cm| 50 cm |150 cm] d. Logar. | d. Logar. [tuden | Logar. | tuden Logar. | | | 111] 15,4 | 18,9 | 12,9 | 13,2 [0,10938 0,09811| 7 110 0, 41193 | 1640 | 60906 2,75 | 91 23:85 | N’nga | | 9 40 ı 0,05912 235 0,08377 0,90 | 22,6 | 26,6 | 16,9 ' 19,4 | 0,06803 | 0,10697 | 10, 15 1,65 3.0 0,54200 2'85 0,42882 0,721 27,0 | 39,0 25,1 | 26,3 10,11854 0,2683 8,70 '0,47712 10,30 | (43306 DI ’ | | 555 0,05586 | "40 0,19957 | | 99 04481 | 9’5) | 001848 | 990 0,01981 ı I 2 Zur Erklärung der Tabelle ist zu bemerken, dass unter den Dekrementen bei Wasserfüllung nur der Mittelwert aus den Differenzen der Brigg’schen Logarithmen der Amplituden angegeben ist, und dass bei Glycerinfüllung die (Brigg’schen) Logarithmen der Amplituden weggelassen und nur ihre Differenzen verzeichnet sind. Die Tabelle zeigt, dass die Schwingungszahlen bei Glycerinfüllung im allgemeinen nicht viel kleiner sind als bei Wasserfüllung. Nur im Versuch mit der Membran von 0,72 em kommt eine Differenz von 12,7 Schwingungen vor, die aber auf einen „Sprung“ bei der Wasser- füllung zurückzuführen ist, da sie der Berechnung nach viel zu gross ist und nur beim Druck 150, nicht aber beim Druck 50 auftritt. Inwieweit die Differenz der Schwingungszahlen wieder auf das spezifische Gewicht der Flüssigkeiten zurückzuführen ist, zeigt Tabelle XIX b. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 197 Tabelle XIXb. I IL II IV Nebe: . berechnete N bei BA Membran Druck = 1 Anderung von Glycerin- Wasser- | N unter dem Ein- füllune DZ füllung | tluss des spezi- 2 em ‚fischen Gewichts | beobachtet 11 \ 50 15,4 13,9 12,9 + 1,0 R 150 18,9 17,0 13,2 + 3,8 0.90 50 22,6 20,4 | 16,9 | un A 150 26,6 23,4 19,4 | + 4,0 0.72 50 27,0 24,3 | 2a 018 ai 150 39,0 35,2 I ab 108 I Aus den für Wasserfüllung beobachteten Schwingungszahlen (Spalte I) sind die für Glycerinfüllung zu erwartenden (Spalte II) unter der Voraussetzung berechnet, dass nur das spezifische Gewicht von Einfluss auf die Änderung der Schwingungszahl ist. Der Ver- gleich mit den bei Glycerinfüllung beobachteten Schwingungszahlen (Spalte III) ergibt nun, dass die letzteren mit einer einzigen Ausnahme kleiner sind, als es dem Einfluss des spezifischen Gewichts entspricht. Die Differenz (Spalte IV) ist also dem Einfluss der Viskosität zu- ‚zuschreiben, der hier, im Gegensatz zum vorhergehenden Versuch, deutlich ist; er ist aber noch auffallend gering im Vergleich zu dem sehr grossen Einfluss der Viskosität auf die Strömung der Flüssigkeiten. Dritter Versueh. In diesem Versuch wurde der Einfluss der wirksamen Masse in der Weise geprüft, dass die Röhre des vorhergehenden Versuchs durch eine solche von 46 em Länge und 0,76 cm Durchmesser er- PR L-s setzt wurde; die wirksamen Massen (Z°) betrugen daher Q imaversuch Hs 2320.22 .22.2.22894,5,: ee Ne 194,7 Tabelle XXa. I ae mern En Sen die beobachteten ‚berechnete Mem- Schwingungszahlen Anderung von bran | Druck III—IV [N unter dem Ein-| VI—IV bei Wasser- | bei Glycerin- fluss des spezi- mm D. | füllung füllung fischen Gewichts 79 (| 40 60,1 42,8 | 17,3 54,2 11,4 i 100 66,8 50,8 16,0 60,2 9,4 2 [| 40 35,3 28.6 6,7 31,8 3,2 ; 100 46,0 | 35,6 10,4 41,5 5.9 1° K. Hürthle: (0.6) Auch hier wurden Glycerin- und Wasserfüllung verglichen; die be- obachteten Schwingungszahlen sind in SpalteIll undIV der TabelleXXa zusammengestellt; die in Spalte V stehenden Differenzen sind in diesem Falle sehr beträchtlich. Um den Anteil der wirksamen Masse an der Differenz festzustellen, sind in Spalte VI wieder die Schwingungszahlen berechnet, weiche infolge der alleinigen Änderung des spezifischen Gewichts der Flüssiekeit zu erwarten sind. Der Vergleich der Spalten IV und VI ergibt, dass die sa berechneten Sehwingungszahlen noch wesentlich grösser sind als die bei Glycerin- füllung beobachteten: Spalte VII enthält diese Differenzen, welche auf den Einfluss der Erhöhung der Viskosität zu beziehen sind. Um nun weiter zu erfahren, ob diese Differenzen einigermaßen den theoretisch zu erwartenden entsprechen, wurden noch die Schwingungs- zahlen bei Wasser- und Glycerinfüllung mit und ohne Berücksichtigung der Reibung für Druck 40 berechnet; das Ergebnis ist in Tabelle XXb zusammengestellt; die Werte für E’ findet man in Tabelle XVII {S. 191); zur Berechnung von X’ wurden die Mittelwerte aus den Dekrementen benutzt (s. Tabelle XXe). Die Berechnung ergibt nun (Tabelle XX b), dass bei der Wasserfüllung die Wirkung der natür- lichen Dämpfung auf die Schwingungszahl sehr gering ist, und dass die beobachteten und berechneten Schwingungszahlen befriedigend übereinstimmen. Bei der Glyeerinfüllung zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung bei der Membran von 0,9 em Durchmesser, da- gegen eine Abweichung bei der Membran von 0,72 em in der Art, dass die beobachtete Schwingungszahl gegen die berechnete um 7,5 zurückbleibt. | Tabelle XXb. Die mit und ohne Berücksichtigung der Reibung berechneten Schwingungszahlen für den Druck 40. Miittel- Schwingungs- Mem-| werte zahlen Diffe- beob- bran | der RK za © | achtete Dekre- ohne mit tenz 1 Werte cm | mente Reibung Reibung Wasserfüllung . . . | 0,72 | 0,6851 | 16435 | 59,1 57,7 1,4 60,1 Glycerinfüllung . . | 0,72 | 0,9774 | 26002 | 53,3 50,3 3,0 42.8 Wasserfüllung. . . | 0,90 | 0,5770 | 9104 | 38,9 332 0,7 35,3 Glycerinfüllung . . | 0,90 | 1,7850 | 31254 | 35,1 28,8 6,3 28,6 Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 199 Tabelle XXc. Dekremente Membran 7,2 mm D. | Membran 9,0 mm D. iche “ — BER Dämp-| Druck 40 cm Druck 100 cm Druck 40 cm Druck 100 cm fung |Ampli- Differenz d.|Ampli- Differenz d. Ampli- Differenz d. Ampli-|Differenz.d. tuden | Logarithm.| tuden 'Logarithm.| tuden | Logarithm.| tuden Logarithm. Glycerinfüllung BT os | 9. | ossre2 | 7, 0soser | 022 | u,1srso 0,80 0,40866 090 | 0,88930 0.20 | 974036 ix | Wasserfüllung 512 02204 | 209 | o1zegs [143 | o,ısıes [1015 | 032073 | 195 0,27226 315 | 09,20066 2/95 0,26672 130 0,60656 | ass | Te | 92919 | a5 | 046627 | 575 | 0,42597 — 3 0,30 0,36798 0,65 0,39121 0,50 0,43136 0/30 |, %17609 015 0,30103 0,95 0,2684 0145 | 0,04576 0.25 0,07918 2 0,17609 % 0,24304 ’on | 0,17609 1 0,20 ’ | in 0,54407 120 0,60206 02 0,33579 a 0,69897 DR || 0,20412 3 0,30103 In 0,77815 ? | 00 | mosesı | oo | o,eo2es | 90 | | ı I ; 0,40 c 0,3 Sg RS Ne 0,40 | 0 002 | ns 080108 | yon 039704 | — x Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass die an der Membran von 0,72 em Durchmesser beobachtete starke Herabsetzung der Schwingungs- zahl bei Glycerinfüllung im Vergleich zur Wasserfüllung auf die Wirkung der Erhöhung der inneren Reibung zurückzuführen ist; wahrscheinlicher ist, dass hier wieder einer der im Abschnitt B be- schriebenen „Sprünge“ vorliegt. Denn auch bei Wasserfüllung, im übrigen gleichen Konstanten des Manometers, wurde unter dem Ein- fluss der Dämpfung durch äussere Reibung gleichfalls eine sehr starke Abnahme der Schwingungszahl beobachtet (s. Tabelle XVII, S. 191). Schliesslich habe ich, um die Wirkung der Glycerindämpfung mit der dureh äussere Reibung erzielten Dämpfung zu vergleichen, wieder die dynamischen Quotienten in beiden Fällen be- reehnet und die Einstellungszeit gemessen; das Ergebnis ist in Tabelle XX d zusammengestellt. 200 K. Hürthle: Tabelle XXd. Dynamischer Quotient Einstellungszeit Mem- 3) n : De = Wasser- Glycerin- von Druck 40 | Druck von 100 ä = fülung | füllung auf 100 auf 40 = Druck | Druck | Druck | Druck Wasser Glycerin Wasser Glycerin cm 40 | 100 | 40 | 100 Sek. |- Sek. Sek. Sek. 0,72 | unged. | 0,59 0,73 | 0,51 | 0,55 | 0,009 | 0,010 | 0,013 | 0,014 0,72 0,65 1014 | 0166| — | — 0,013 = 0,016 | — 0,72 0,4 004 008 | — — 0,023 u 0,024 | — 0,90 | unged. | 0,61 | 0,79 | 0,38 | 0,40 | 0,013 | 0,018 | 0,022 | 0,023 090 0,65 | 0,035 | 0,03 | — _ 0,029 | 0,057 | — 0,90 0,4 0,01 ) —_ — 0,057 | — 0,069 | — Daraus geht hervor, dass der Quotient am ungedämpften Mano- meter bei Glycerinfüllung zwar durchweg kleiner ist als bei Wasser- füllung, aber doch in allen Fällen noch sehr beträchtliche Werte hat. An diesem Maßstab gemessen, ist also die dämpfende Wirkung durch Erhöhung der inneren Reibung sehr gering, wobei kaum ins Gewicht fällt, dass die wirksame Masse bei der Glycerinfüllung ein wenig grösser ist als bei Wasserfüllung, nämlich im Verhältnis von 1: V1.23. Demgegenüber ist die Dämpfung dureh äussere Reibung von sehr viel grösserer Wir- kung, auch wenn sie nicht so stark ist, dass dadurch eine aperio- dische Einstellung herbeigeführt wird. Bei dem auffallend geringen Einfluss, welchen die innere Reibung auf die Dämpfung in den vorangehenden Versuchen gezeigt hat, lag es nahe, die aus den Schwingungsversuchen ermittelte Konstante X’ mit der aus Strömungsversuchen festzustellenden zu vergleichen, wie es Frank für Wasser (S. 594 der „Kritik“) mit dem Ergebnis getan hat, „dass der durch die Ausströmungsversuche bestimmte Koeffizient X’ immer beträchtlich kleiner ist als der durch die Schwingungsversuche ermittelte“. Es wäre zu erwarten, dass die Unterschiede für Glycerin noch viel grösser ausfallen würden als für Wasser. Von einer der- artigen Untersuchung habe ich aber Abstand genommen, da die aus den Strömungsversuchen ermittelten Werte von X’ mit dem Druck und die aus Schwingungsversuchen bestimmten mit E’ wechseln. Übrigens ist aus der Angabe Frank’s nicht zu ersehen, ob die Schwingungsversuche in diesem Falle unter dem Einfluss einer elastischen Kraft oder der Schwere angestellt wurden. Experimentalkritik der Frank’schen Theor,e der elast. Manometer. 201 3. Der Widerspruch zwischen Theorie und Experiment hinsichtlich der Dämpfung. Über die Bedeutung der Dämpfung für die Figenschaften der Manometer besteht ein Widerspruch zwischen Theorie und Experiment, welcher schon zu einem Meinungsaustausch zwischen Mach und Fick Veranlassung gegeben hat: In der ersten Auflage seiner Med. Physik hat Fick bei der Besprechung des Vierordt’schen Sphygmographen die Ansicht geäussert, das Instrument müsse mit möglichst geringer Masse und mit möglichst grossen Wider- ständen konstruiert werden. Demgegenüber kam Mach!) auf Grund seiner Theorie zu dem Ergebnis, dass man den Wellen- zeichner mit möglichst grosser elastischer Kraft, aber mit mög- lichst geringem Widerstand zu konstruieren habe. Fick?) konnte sich zunächst „indessen nicht von der Anwendbarkeit der Mach’schen Formeln nach dieser Richtung überzeugen“, räumte aber später?) den Folgerungen der Theorie doch eine ge- ‚wisse Berechtigung ein: „Es ist also jedenfalls nicht vorteilhaft, be- sondere Widerstände in, einem Wellenzeichner wirken zu lassen.“ Auf dem gleichen Standpunkt hinsichtlich der Widerstände steht Frank in seiner „Kritik“. Es heisst dort (S. 571): „Die Entstellungen der registrierten Kurven sind um so grösser, je grösser die beiden Konstanten, die Massenkonstante und die Dämpfuneskonstante ist“. (S. 572) „Auch dureh Vergrösserung der Dämpfung kann man bis zu einem gewissen Grad die schädliche _ Wirkung der Masse verringern, man macht das Instrument aperiodisch durch diese Dämpfung. Dadurch wird aber eine neue Entsteliung der Kurven hervorgerufen, die sehr schnell die Entstellung durch die Masse übertreffen kann.“ Neuerdings scheint aber Frank seine Ansicht über die Wirkung der Dämpfung geändert zu haben, wenigstens steht in den „Prinzipien“ *): „Wie schon bemerkt worden ist, kann man die Dämpfung meist ohne Schwierigkeiten auf den passenden Grad bringen.“ Damit wird aber offenbar der Dämpfung eine günstige Wirkung zugeschrieben und ein Widerspruch mit der in der „Kritik“ geäusserten Ansicht hergestellt, der allerdings auch 1) Mach, Wiener Sitzungsber. 1362 (2) S. 163 u. 166. 2) Fick, Mediz. Physik, 2. Aufl., S. 131. 1866. ») Fick, Mediz, Physik, 3. Aufl., S. 149. 1855. 4) Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 453. 202 K. Hürthle: schon in dem zweiten der oben angeführten Sätze (S. 572 der Kritik) angedeutet ist. Wie nun Cl. Schaefer!) in einer folgenden Abhandlung zeigen wird, ist dieser Widerspruch durch eine unrichtige Auslegung der Mach’schen Differentialgleichung hervorgerufen. Diese ist nämlich unter der Voraussetzung aufgestellt, dass die einwirkende Kraft eine stetig periodische ist, in welchem Falle nach geeigneter Zeit jede Spur der Eigenschwingungen verschwindet. Es können nun aber die Schwankungen des Blutdruckes nicht als stetige Änderungen einer äusseren Kraft aufgefasst werden; vielmehr stellt jeder Pulsschlag einen Stoss dar, der aufs neue die störenden Eigen- schwingungen auslöst, und diese können in hinreichender Zeit nur durch passend gewählte Widerstände zum Versehwinden ge- bracht werden. Nach dieser Überlegung steht die Anwendung der künstlichen Dämpfung richt mehr im Widerspruch mit den Ergeb- nissen der Theorie. Was nun die experimentelle Untersuchung der Wirkung der Dämpfung anlangt, so bin ieh im Jahre 1890?) zu dem Ergebnis gekommen, dass man die Leistungen der Manometer wesentlich er- höhen könne, wenn man sie durch Anbringung künstlicher Wider- stände aperiodisch macht. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird in der folgenden Abhandlung (S. 234) von neuem bestätigt, und wir können uns die günstige Wirkung der künstlichen Dämpfung in folgender Weise klarmachen: Da wir keine masse- und reibungs- losen Manometer herstellen können, müssen wir die schädlichen Wirkungen der Massen tunlichst klein machen und kompensieren ; diese bestehen in der Trägheit, welche in der zeitlichen Verzögerung der mitgeteilten Bewegung und im Beharrungsvermögen zum Vor- schein kommt. Beide Störungen machen sich erst bei einem gewissen Grenzwert der Gesehwindigkeit geltend; das Beharrungsvermögen wird bei geringer Geschwindigkeit durch die natürliche Reibung kompensiert. Die trägen Massen bestehen bei dem Manometer l. aus der im Manometer und in den Röhrenverbindungen ein- geschlossenen Flüssigkeit, 1) Cl. Schaefer, Kritische Randglossen usw. S. 260. 2) Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 47 8.8. a Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 203 2, aus der elastischen Masse, welche sich mit dem Blutdruck ins Gleichgewicht zu setzen hat, 3. aus der Schreibvorrichtung. Von diesen Massen spielt die Flüssigkeit die grösste Rolle; ihre Wirkung nimmt im allgemeinen mit der Länge und dem spezifischen Gewicht der Flüssigkeitssäule zu und mit ihrem Querschnitt ab; ” ; AR 3 L-»s $ die Definition Frank’s — wirksame Masse —= -—— — ist daher sehr zweekmässig. Eine Verminderung der schädlichen Wirkung lässt sich dadurch erzielen, dass man erstens Länge und spezifisches Gewicht der Flüssigkeitssäule möglichst klein, den Querschnitt aber relativ gross wählt, und zweitens die Bewegungen der Flüssigkeitsteilchen tun- lichst klein werden lässt; dieses erreicht man durch Beschränkung der zum Ausgleich einer bestimmten Druckdifferenz erforderlichen Flüssigkeitsverschiebung. Bei beiden Maßnahmen kommt man aber an eine Grenze; bei der Verkürzung der Röhren, weil der Abstand zwischen Manometer und Arterie nicht beliebig kurz gemacht werden kann, bei der Verkleinerung der Flüssigkeitsverschiebung, weil mit derselben die zur Bewegung der Schreibvorriehtung notwendige Kraft und der erzielbare Ausschlag abnimmt. Unter diesen Umständen bleibt ein Teil der schädlichen Massen zurück, der nicht beseitigt, sondern nur kompensiert werden kann. Diese Kompensation wird durch künstliche Dämpfung erreicht, d. h. durch die Einschaltung eines besonderen Widerstandes an einer Stelle der Flüssigkeitssäule, am besten im Manometer selbst '). Der Widerstand wirkt verzögernd auf die Bewegung der Flüssigkeit und vermindert damit ihre lebendige Kraft, vermöge deren sie bei der Einwirkung einer Drucksehwankung die neue Gleichgewiehtslage überschreitet. Während so die sehädliche Wirkung der Masse, soweit sie sieh im Beharrungsvermögen äussert, durch die künstliche Dämpfung 1) Die Einführung eines besorderen Widerstandes durch Erhöhung der Viskosität der Flüssigkeit hat sich in den vorangehenden Versuchen (Abschn. C H, 2) als nicht geeignet erwiesen, da die Trägheit der Flüssigkeit, gemessen am dynamischen @Quotienten, durch die natürliche Dämpfung auch bei srosser Viskosität der Flüssigkeit nur wenig kompensiert wird, und die künstliche Dämpfung eine so starke Verlängerung der Einstellungszeit herbeiführt, dass das Instrument für physiologische Zwecke unbrauchbar wird. 204 K. Hürthle: kompensiert wird, wird sie andererseits durch Verzögerung der mit- ceteilten Bewegung erhöht. Diese Verzögerung kann zwar durch Verkleinerung der wirksamen Masse und besonders durch Verkleine- rung der am Manometer zu leistenden Arbeit (durch Erhöhung von E') sehr klein gemacht, aber nicht vollständig beseitigt werden. Es fragt sich daher, ob sie das künstlich gedämpfte Manometer für physiologische Zwecke nicht untauglich macht. Dies hängt einerseits von den an das Manometer zu stellenden Anforderungen (von der Schnelligkeit der Druckschwankungen) ab, andererseits von der Fähigkeit des gedämpften Manometers, eine bestimmte Druckdifferenz in segebener Zeit darzustellen. Diese Eigenschaft des Manometers muss gleich oder grösser sein als die an das Instrument gestellte Forderung. Als Maßstab dient die Ein- stelluneszeit, das ist die Zeit, welche das Manometer zur Darstellung einer bestimmten Druckdifferenz braucht. Diese Zeit hängt bei dem durch künstliche Dämpfung aperiodisch gemachten Manometer von zwei Faktoren ab: von der Grösse der wirksamen Masse und von der Grösse der zum Druckausgleich nötigen Flüssigkeits- verschiebung. Je kleiner die wirksame Masse, desto kleiner ist der zum aperiodischen Druckausgleich nötige Widerstand (Beispiel: Tab. XVa S. 186 und XVIb S. 185) und desto kleiner die Ein- stellungszeit; andererseits ist diese um so kürzer, je kleiner die zum Druckausgleich notwendige Flüssigkeitsverschiebung (je grösser E’) ist (Tab. XXd S. 200); oder anders ausgedrückt: je kleiner die wirksame Masse ist, desto geringere Widerstände genügen, um das Instrument aperiodisch zu machen; je grösser E'’ ist, desto grössere Widerstände können ohne Beeinträchtigung der Einstellungsfähigkeit eingeschaltet werden. Ich halte daher die Messung der Einstellunes- zeit für ein wichtiges Kriterium der Leistungen des gedämpften Manometers und kann mich der Meinung Frank’s!) nicht an- schliessen, dass die Einstellungszeit „zum mindesten seit der Aus- bildung der Theorie überflüssige geworden“ sei. Ob die künst- liche Dämpfung überflüssig, notwendig oder schädlich ist, muss im einzelnen Falle, zunächst durch Vergleich der Kurven des ge- dämpften und ungedämpften Manometers untersucht werden. Stimmen diese überein, so erscheint die Dämpfung überflüssig. Dieser Fall liegt beispielsweise vor, wenn man den Seitendruck in der 1) Frank, Prinzipien S. 452. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 205 Karotis eines Hundes durch Einlegen einer endständigen Kanüle in die Arteria thyreoidea registriert. In solehen Fällen verdient aber doch die Anwendung der künstlichen Dämpfung den Vorzug, da durch diese die dynamische Rückwirkung des Manometers auf die treibende Kraft bedeutend vermindert wird, wie aus der folgenden Abhandlung S. 234 zu ersehen ist. Bei höheren Anforderungen an das Manometer, z. B. bei der Reei- strierung des Kammerdruckes genügt der Vergleich der Kurven des gedämpften und ungedämpften Manometers aber nicht. Hier muss die Frage, ob nicht Einzelheiten des Druckverlaufes durch die künstliche Dämpfung ausgelöscht werden, durch den Vergleich der Kurven mit denen eines Instrumentes von höherer Leistungsfähigkeit entschieden werden, wie ich schon früher!) auseinandergesetzt habe. D. Schwingungsversuche am Kapillarmanometer. Das von Bayliss und Starling°) zuerst benutzte In- strument stellt nicht allein die einfachste Form dar, welehe man einem Manometer geben kann, sondern auch diejenige, welche der Theorie am strengsten genügt; denn die Schreibevorrichtung ist vollkommen masselos, ausserdem ist der elastische Faktor und die wirksame Masse bequem zu variieren. Es war daher gewiss die Erwartung berechtigt, beim Kapillarmanometer werde sich eine weitergehende Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment zeigen, als es beim Federmanometer der Fall war, und es muss auffallen, dass Frank sich zwar an verschiedenen Stellen seiner Arbeiten mit dem Instrument beschäftigt, aber keine experimentelle Prüfung damit vorgenommen hat. Das von mir benutzte Manometer bestand aus einer Röhre von gleichmässigem kreisförmigem Querschnitt, welche an einem Ende rechtwinklig umgebogen und am anderen geschlossen war (s. Fig. 3 S. 206). Unmittelbar vor dem geschlossenen Ende war die kurze Kapillare X rechtwinklig aufgesetzt; sie hatte eine Länge von etwa S mm und einen Durchmesser von 0,96 mm im Lichten, war also relativ weit; am Ende war sie geschlossen. Bleibt im oberen Teil der 1) Pflüger’s Arch. Bd. 47 S. 14 u. 15. 2) Bayliss und Starling, Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. XI. 1894. 206 K. Hürthle: Kapillare nach der Füllung der ganzen Röhre mit Wasser die Luft zurück, so stellt sie den elastischen Faktor des Manometers dar. Von solchen Manometern wurden fünf Stück angefertigt, welche sich im Durchmesser der Röhren RR unterschieden. Diese betrugen 0,982, 0,760, 0,601, 0,440 und 0,170 em. Die aufgesetzte Kapillare war in allen Fällen von gleicher Länge und gleichem Querschnitt. Die Länge der Flüssigkeitssäule betrug ferner in allen Fällen 40 cm vom Ende der Röhre bis zum Wasserspiegel ($) im umgebogenen Anfang der Röhre. Als Flüssiekeit wurde in einer ersten Versuchs- reihe Quecksilber, in einer zweiten destilliertes Wasser benutzt. In beiden Reihen musste die Füllung der Röhren in etwas verschie- dener Weise vorgenommen werden. Bei der Füllung mit Quecksilber wurde die ganze Röhre einschliesslich der Kapillare bei offener Spitze mit Quecksilber ge- Fig. 3. füllt, darauf das kapillare Ende durch Unterschieben eines Holz- keils langsam so weit gehoben, bis die in der Kapillare befindliche Luftsäule eine Länge von 6 mm hatte. In dieser Stellung wurde die Spitze mit einer Stichfllamme zugeschmolzen und schliesslich mit einer Pipette aus dem Anfang der Röhre so viel Quecksilber entfernt, dass bei horizontaler Lagerung der Röhre der Flüssigkeitsspiegel im Anfang der Röhre 1 cm höher stand als in der Kapillare. Die Wasserfüllung ist deshalb etwas schwieriger zu be- werkstelligen, weil man einerseits das Wasser in die Kapillare X bis zu einer gewissen Höhe eindringen lassen und andererseits ver- hindern muss, dass es durch Kapillarität das ganze Lumen ausfüllt. Man erreicht dies am sichersten dadurch, dass man die Kapillare vor der Füllung am oberen Ende zuschmilzt, dann das Röhrenende samt der Kapillare in ein Wasserbad von 25—40° C. taucht und nun in die Röhre RR vom offenen Ende her langsam destilliertes Wasser einfliessen lässt, während dieses Ende schräg aufwärts ge- richtet ist. Entfernt man nun nach vollendeter Füllung das ge- Be. reine ha Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 207 schlossene Ende aus dem warmen Wasser, so verkleinert sich bei der Abkühlung je nach der Temperatur, die man dem Wasserbad gegeben hatte, das in der Kapillare befindliche Luftvolum so viel, dass der Flüssigkeitsspiegel in die Kapillare bis zur gewünschten Höhe eindringt. Zunächst wurden die Versuche bei Quecksilberfüllung und nach- her bei Wasserfüllung der Röhren angestellt. Zum Zweck der Reeistrierung der Schwingungen wurden die Röhren auf der optischen Bank so befestigt, dass der in der Kapillare befind- liche Flüssigkeitsmeniskus durch einen Zeiss’schen Mikroplanar (F = 20 mm) bei 23facher Vergrösserung in der Ebene des Film abgebildet wurde. Die Eigenschwingungen der Flüssigkeitssäule wurden, wie in den vorhergehenden Versuchen, dadurch erzeugt, dass eine Druck- flasche, in welcher die Luft bis zu einem Druck von 140 em Wasser komprimiert war, mit dem .offenen Ende der Röhre RR durch einen Dreiweghahn verbunden und die Flüssigkeitssäule durch rasche Drehungen des Hahnes Druckschwankungen von 0—140 cm Wasser ausgesetzt wurde. Die bei der Ausmessung der Kurven erhaltenen Werte sind in der Tab. XXII zusammengestellt, welche ausserdem noch die be- rechneten Schwingungszahlen zum Vergleich enthält sowie die der Berechnung zugrunde gelegten Werte von M’ und E'. Tabelle XXI. Die in Versuch I am Kapillar-Manometer beobachteten und berechneten Schwingungszahlen. Hg- Füllung Wasserfüllung Röhren- - - durch- 37 N beobachtet Ei | N beobachtet messer p 33 | 3 Druck 0 Druck 140 a 85 | Druck Druck u 72 — an za oa Ze Mittel A Mike Bo gu le 1 ler uigea. 52 | 66| Ten © Ba us sl | 1086 532 1.3016 | ulm el E nes 5 2 1.801. 10%: 0200) Beben Be Be DE Bez El EEE er ee 0,601 | 1918 | 50 | 50 | 50 | 141 | 184 | 55% | 5| 5 vo aa - | 5 88 | 233 | | ee 208 K. Hürthle: Zur Berechnung von EZ’ musste das in der Kapillare X be- findliehe Luftvolum festgestellt werden. Dies geschah durch Berechnung aus der Länge und dem Durchmesser der Kapillare. Da aber das obere Ende derselben kegelförmig ausgezogen und der Inhalt dieses Teils ungenau zu bestimmen war, wurde die Berechnung noch durch die Volumänderung kontrolliert, welche die Luft bei einer Drucksteigung von bestimmtem Werte erfuhr. Die beiden berechneten Werte stimmten nahezu überein. Tabelle XXII zeit nun, dass im Falle der Quecksilberfüllung der Röhren die beobachteten Schwingungszahlen in hinreichender Übereinstimmung mit den berechneten sind, dass dagesen im Falle der Wasserfüllung die beiden Werte wenigstens bei den drei weiteren Röhren sehr stark von einander abweichen, in dem Sinne, dass die beobachteten Schwingungszahlen gegen die berechneten erheblich zurückbleiben. In diesem Falle sind auch die Abweichungen zwischen den Einzelmessungen recht erheblich; die Maxima und Minima innerhalb jedes Versuchs sind den Schwingungszahlen in Kleindruck beigefügt. Noch auffallender ist die Tatsache, dass die beim hohen Druck (140 em Wasser) registrierten Schwingungen mit einer Ausnahme langsamer sind als die beim niedern Druck (0) verzeichneten, ein Ergebnis, welches sowohl der Theorie widerspricht, als auch in den früheren Versuchen nur ganz ausnahmsweise be- obachtet wurde. Ich glaubte daher zunächst, dass hier eine Ver- wechslung der Kurven stattgefunden habe, allein eine wiederholte Untersuchung bestätigte das vorher gewonnene Ergebnis. Bei diesem Ergebnis schien es mir notwendig, noch eine weitere Modifikation der am Kapillarmanometer angestellten Versuche vor- zunehmen, bestehend in einer Versuchsreihe mit fort- schreitender Verkürzung der Röhre. Zu dieser wählte ich eine zylindrische Röhre von 8,01 mm Durchmesser und 155 em Länge; sie wurde an dem einen Ende geschlossen und unmittelbar vor demselben die Kapillare X von 1,26 mm Durchmesser und 9 mm Länge vom Glasbläser aufgesetzt und an der Spitze geschlossen. Da die Röhre RR (Fig. 3 S. 206) beim Versuch horizontal zu liegen kam, wurde das freie Ende zur Erzielung eines senkrecht zur Röhrenachse stehenden Flüssiekeitsspiegels rechtwinklig umgebogen. Um ferner bei der Kürzung der Röhre das Ende nicht jeweils von neuen biegen zu müssen, wurde das umgebogene Ende 4 cm von der Biegunesstelle entfernt abgeschnitten und die beiden Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 209 Schnittstellen durch ein kurzes Stück von wenig dehnbarem Gummi- schlauch bis zur Berührung wieder miteinander vereinigt. Die Schwingungsversuche wurden ausschliesslich mit destilliertem Wasser angestellt und die Füllung in der oben (S. 206) beschriebenen Weise vorgenommen. Die Länge der Flüssigkeitssäule vom Röhren- ende bis zum Flüssigkeitsspiegel $S im vertikalen Schenkel des ge- bogenen Rohres in den einzelnen Versuchen ist in der Tabelle XXIII verzeichnet. Bei jeder Röhrenlänge wurden drei Versuche an- gestellt, nämlich mit Druckschwankungen 1. von 0—50, 2. von 90—100 und 3. von 50—150 em Wasser. Tabelle XXI. Schwingungszahlen des Kapillar-Manometers bei fortschreitender Ver- kürzung der Röhre. Schwingungszahlen L M |; . beobachtet beim Druck berechnet für \ R Druck Ocm 50cm | 100 cm | 150 cm 50 em | | 153 304 BZE. 2.90 | He. ns 90 125 248 Ei ey 101 89 99 100 198 125 107°. 2117 90 111 75 149 171 1937104 99 128 50 99 165 130 100 102 | 157 25 50 = 131 104 105 233 12,5 25 u Te 111 115 313 E' — 96: 106. Die Schwingungen des in der Kapillare stehenden Flüssigkeits- meniskus wurden, wie im vorhergehenden Versuche, 23fach ver- grössert photographisch registriert. Die gemessenen sowie die be- rechneten Schwingungeszahlen sind in Tabelle XXIII verzeichnet und in Fig. 4 Taf. II graphisch dargestellt. In diese sind nur die Schwingungs- zahlen beim Druck 50 und 100 aufgenommen, da, wie die Tabelle zeigt, beim Druck 0 einige Messungen fehlen (die Schwingungen waren nicht scharf abgebildet) und die Schwingungszahlen beim Druck 150 von den beim Druck 100 entstandenen nicht wesentlich abweichen. Das in den Zahlen und Kurven niedergelegte Ergebnis lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Solange die Röhre eine Länge von mehr als 100 em besitzt, also bei den langsamen Schwingungen, befinden sich Experiment und Berechnung in befriedigender Uber- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 14 210 K. Hürthle: einstimmung: bei einer Röhrenlänge von 75 cm aber tritt die aut- fallende Erscheinung ein, dass die Schwingungszahl beim Druck 100 abnimmt, während sie beim Druck 50 stark in die Höhe geht, so dass also die Schwingungszahl bei der grösseren Rlastizitätskonstanten kleiner wird als bei der niederen, was der Theorie widerspricht. Endlich sehen wir, dass bei weiterer Kürzung der Röhre die Schwingungszahlen beim Druck 50 nur ganz unwesentlich grösser werden, beim Druck 100 sogar zunächst noch abnehmen, um erst bei weiterer Verkürzung nur unwesentlich in die Höhe zu gehen. Wie Tabelle und Kurven zeigen, ist die Differenz zwischen den be- rechneten und beobachteten Schwinsungeszahlen von der Röhren- länge 75 em ab eine ganz bedeutende. Die Theorie versagt also beim Kapillarmanometer von einer gewissen Grenze an vollständig, und es ist kein Zweifel, dass die Abweichungen zwischen Theorie und Experiment mit wachsendem E’ noch auffallender werden würden, d. h. wenn die Kapillare X (Fig. 3) von etwa 1 mm lichter Weite durch eine engere ersetzt würde. E. Schwingungsversuche am Gummimanometer mit sehr hoher Elastizitätskonstante. Durch das Ergebnis der am Kapillarmanometer angestellten Schwingungsversuche wird man vor die Frage gestellt, ob die be- obachtete Differenz zwischen Theorie und Experiment durch eine Eigentümlichkeit des Kapillarmanometers oder nur dadurch hervor- serufen ist, dass die Elastizitätskonstante dieses Manometers im Vergleich zu jener der früher benutzten Federmanometer eine sehr hohe ist. Auf die letztere Möglichkeit wird man durch die Tatsache hingewiesen, dass auch beim Federmanometer die beobachteten Schwingungszahlen um so mehr von den theoretisch berechneten ab- weichen, je mehr die Membran verkleinert, die Volumelastizität also erhöht wurde. Zur Entscheidung der Frage habe ich einen Versuch an einem Gummimanometer von sehr hoher Elastizitätskonstante in folgender Weise angestellt: Das Prüfungsmanometer wurde mit einer Gummimembran von 0,3 mm Dicke in stark (linear fast auf das Doppelte) gespanntem Zustand überzogen und auf die Membran eine Scheibe (A Fig. 1, S. 157) mit nur 3,4 mm Öffnung aufgeschraubt. Die Bewegungen acer Membran wurden durch einen Hebel von äusserst geringem Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 211] Trägheitsmoment (s. unten) 4,4fach vergrössert und dessen Aus- schläge wieder optisch vergrössert registriert. Der Hebel bestand aus einem Aluminiumstiftehen von 7 mm Länge, auf welches ein Stückehen Strohhalm von S mm Länge gesteckt war, dessen Spitze noch durch ein Glasfädchen um 3 mm verlängert war. Die Achse des Hebels bestand aus einem Stahldraht von 0,2 mm Dicke und 56 mm Länge, welcher auf der Spannvorrichtung des Manometers Fig. 1b (S. 241) befestist war. In seiner Mitte wurde er durch das am Ende geschlitzte Aluminiumstiftchen umfasst und bei den Bewegungen des Hebels torquiert. Dadurch wurde Schlottern und Reibung in Gelenken vermieden. Die elastische Beanspruchung des Stahldrahtes war aber sehr klein im Vergleich zu der der Gummimembran, so dass der Stahldraht im wesentlichen ais Achse diente und das Manometer als Gummimanometer betrachtet werden konnte. Die Bewegungen der Membran wurden auf den Hebel durch ein weiteres Aluminium- stiftehen übertragen, welches unten in einer Platte von 2 mm Durch- messer und oben in einem Querstiftehen endigte, gegen welches der Hebel durch ein ganz dünnes Gummireifchen angedrückt wurde. Die Hebelarme betrugen 13,2 und 3 mm, die mechanische Vergrösserung also 4,4. Die Ausschläge der Hebelspitze wurden durch das Objektiv A 68fach vergrössert registriert. — Die Gesamtvergrösserung der Be- weceung der Grundplatte war daher eine 299,2-, rund 300fache. Das Gewicht des Hebels betrug 0,0109 sg; das des Stiftes mit Grundplatte und Gummiring 0,0136 g. Daraus berechnet sich die reduzierte Masse des Hebels zu höchstens 0,06. Vor den Schwingungsversuchen wurde eine Eichung mit Hilfe des Kapillarvolumeters vorgenommen, welche für eine Druck- schwankung um 80 (von 20—100) cm Wasser eine Volumänderung von 2,13 cebmm (wesentlich mehr als die berechnete) ergab. Daraus berechnet sich E’ zu 36x<10®. Der Ausschlag der Hebelspitze (ohne optische Vergrösserung) betrug 0,15 mm für 50 em Wasser. An das Manometer war durch Vermittlung des Revolverhahns eine Röhre von 7,1 mm Durchmesser und 156 em Länge angesetzt. An das freie Ende derselben war ein kurzes, rechtwinklig umgebogenes Glasröhrchen gleicher Weite durch ein Stück starkwandigen, sehr wenig dehnbaren Kautschukschlauches (zu dem beim Kapillarmanometer S. 208—209 angegebenen Zweck) so angesetzt, dass sich die Glas- flächen unmittelbar berührten. Am senkrechten Teil des gebogenen Röhrchens war eine Marke derart angebracht, dass die Länge der 14 * 212 K. Hürthle: Flüssigkeitssäulle von der Marke bis zur Einmündung in den Manometerkörper zunächst 160 em betrug. Nach den damit an- gestellten Schwingungsversuchen wurde die gerade Röhre derart gekürzt, dass die Länge der Flüssigkeitssäule nach der jeweiligen Ansetzung des gebogenen Röhrchens 130, 100, 80, 60, 40 und 20 em betrug. Bei den einzelnen Rohrlängen wurden Schwingungsversuche am ungedämpften Manometer angestellt, in welchen der Druck zwischen 50, und 100 em Wasser schwankte. Das Ergebnis dieser Versuche zeigt die Tabelle XXIV. Tabelle XXIV. Die am Gummimanometer von hoher Elastizität beobachteten und berechneten Schwingungszahlen. ER III BIS V NIE Schwingungszahlen Röhrenlänge M' beobachtet beim Druck berechnet Ä meer für Druck cm 50 cm 100 cm | 50 cm 160 403,9 87,9 a 47,5 130 328,3 94,7 95,7 52,7 100 252,6 98,3 1025 601 s0 202,0 99,3 99,8 67,2 60 151,5 104,6 94,5 77,6 40 101,0 98,8 98,1 | 95,0 134,4 20 50,5 100,5 | 93,6 | Das Ergebnis dieses Versuchs ist noch überraschender als das entsprechende am Kapillarmanometer: die beobachteten Schwingungs- zahlen wachsen bei der Verkürzung der Röhre von 160 auf 20 em nur wenig, die grösste Differenz beträgt 17 Schwingungen, und das Maximum fällt nicht auf die kürzeste Röhre. Um das gänzliche Versagen der Theorie in diesem Falle zu zeigen, sind die theoretisch zu erwartenden Schwingungszahlen be- rechnet und in Spalte V der Tabelle XXIV verzeichnet. ‚Wegen des äusserst geringen Trägheitsmomentes des Hebels ist dessen Ein- fluss bei der Rechnung vernachlässigt, und die Zahlen sind nach der ,„1/ Me Formel 7= 2 “\/ m der Röhre die Schwingungszahlen, die am Kapillarmanometer noch befriedigend mit den berechneten übereinstimmten, im vorliegenden Falle fast den doppelten Wert der berechneten erreichen, bleiben berechnet. Während bei der grössten Länge Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 213 umgekehrt bei der geringsten Länge der Röhre die beobachteten Schwingungszahlen um 30—40 gegen die berechneten zurück. In Übereinstimmung mit den Versuchen am Kapillarmanometer zeigt sich, dass die Schwingungszahlen bei dem höheren Druck (100 em W.) bis zur Rohrlänge von 30 em grössere Werte haben als bei dem geringeren (50 em W.), dass sich aber bei der weiteren Verkürzung der Röhre das Verhältnis wieder umkehrt. Die Dekremente zeigen im allgemeinen eine Zunahme mit fortschreitender Verkürzung der Röhre (s. Tab. XXIVa; die Loga- rithmen sind wieder Brigg’sche und nur ihre Differenzen auf- genommen). Wie in früheren Versuchen sind auch hier die Dekremente nicht konstant, sondern in den meisten Fällen sehr stark wechselnd. Tabelle XXIVa. Die Dekremente. Druck 50 cm Wasser Druck 100 cm Wasser ; Differenz der 5 | Differenz der uplfuden Logarithmen Amplituden | Logarithmen [ En 0,08432 Ba | 0,19033 9750 0,04922 es 0,08355 950 0,00000 175 — 0,02556 160 ) 910 0,07572 175 0,00000 To; 0,22531 78 | 0,00000 0’60 0,31876 0’95 0,26532 0,90 0,02348 0:90 0,00000 En 0,06446 a EL 0,0030 170 0,16749 >: | 0,07918 100 155 0,04012 T 40 | —0,04922 110 0,14894 110 | 0,10474 ’ 0,04139 ’ 1,00 en 0,13966 ne | 0,18709 60 095 0,18365 as 0,15970 0,65 0,16481 0745 0,00000 „u. I | 0,45 0,15970 03; 0.10914 ( Bun 0,92185 2 | 0,10914 5 | ” 0,38021 ) | 0,24304 0 2 0,25 0.000090 0,40 | 0,25 ) | 00 0.09691 | Da die vorhergehenden Versuche übereinstimmend lehren, dass bei Manometern von hoher Schwingungszahl die Theorie nicht in 214 Kr Hürthle: Einklang mit den Tatsachen ist, so kann die theoretisch berechnete Scehwingungszahl bei solehen Instrumenten keinesfalls das Kriterium für ihre Güte bilden. Für die empirisch festgestellten Schwingungs- zahlen müsste aber erst noch der Nachweis erbracht werden, dass sie den Leistungen des Manometers als Wellenzeichner parallel gehen. Damit sind auch die Gründe hinfällig, mit welchen Frank!) die Unübertrefflichkeit seines „Spiegelmanometers höchster Güte“ erwiesen zu haben glaubt. F. Schwingungsversuch am Prüfungsmanometer mit der Membran von 7,2 mm und einer Zuleitungsröhre von 12 mm Durchmesser. In den vorhergehenden, in den Abschnitten D und E beschriebenen Versuchen, hat sieh die Theorie bei der Erhöhung der Elastizitäts- konstanten als ungültig erwiesen. Da die Wirkung dieser Konstanten in einer Zunahme der Schwingungszahlen besteht, so muss man fragen, ob die Theorie nicht auch unter anderen Einflüssen von gleicher Wirkung ihre Gültigkeit verliert. Diese anderen Einflüsse bestehen in einer Verkleinerung der wirksamen Masse, sei es durch Verkürzung der Zuleitungsröhren, sei es durch Vergrösserung ihres Querschnitts. Tatsächlich haben wir schon im ersten Versuch bei der Verkleinerung der wirksamen Masse Unregelmässigkeiten eintreten sehen (s. Fig. 3 Taf. II). Ich habe daher den Versuch am Prüfungsmanometer mit einer etwas weiteren Röhre wiederholt. Sie hatte 12 mm Durch- messer im Lichten, war aber nieht genau zylindrisch, sondern war an dem amı Manometer befindlichen Ende etwa um 0,2 mm enger und am freien Ende um ebensoviel weiter. Wie in den im Abschnitt B beschriebenen Versuchen war die Röhre so mit dem Manometer- körper verbunden, dass sie die Verlängerung desselben bildete und vertikal stand. Das freie obere Ende war mit einem durchbohrten Gummistöpsel verschlossen. Durch dessen Öffnung war eine Glas- röhre von 5 mm Durchmesser gesteckt, welche die Druckschwankungen auf den Flüssigkeitsspiegel übertrug. Die 12 mm-Röhre hatte zu- nächst eine Länge von 162 cm von der Membran des Manometers an gerechnet. Die entsprechenden Höhen der Wassersäulen sind aus der Tabelle XXV zu ersehen. Nachdem die Schwingungsversuche bei dieser Länge angestellt waren, wurde die Röhre dreimal um je 20 cm und darauf um je 10 cm bis zur Länge von 12 cm gekürzt und 1) Frank, Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 553 und 554. Experimentalkritik der Frank'schen Theorie der elast. Manometer. 215 bei jeder dieser Längen Schwingungsversuche angestellt. Die bei den einzelnen Versuchen auf die Membran einwirkenden Drucke sowie die beobachteten und berechneten Schwingungszahlen sind in der Tabelle XXV verzeichnet und in Fie. 5 Taf. II graphisch dargestellt, Tabelle XXV. Röhren- Druck Schwingungs- länge auf die Membran ae alulen zahlen em cm Wasser 2 berechnet 160 160 240 54 By) 50 140 140 220 61 33 33 120 120 200 65 66 58 100 100 200 65 69 65 90 100 200 U 1635) 67 80 100 200 sl 87 71 70 100 200 87 99 76 60 100 200 54 54 82 50 100 200 85 91 90 40 100 200 79 87 100 30 100 -200 9 94 116 20 100 200 82 gu 142 10 100 200 82 &) 200 Aus diesen Zahlen und Kurven geht hervor, dass die Ver- kleinerung der wirksamen Masse, welche durch die Verkürzung der Röhre herbeigeführt wurde, nur bis zur Länge von 120 em einen Einfluss auf die Schwingungsdauer ausübt, und dass von dieser Röhrenlänge ab durch. die Verkleinerung der wirksamen Masse nur ausnahmsweise noch eine Erhöhung der Schwingungszahl bewirkt wird, In Verbindung mit den in den Abschnitten D und E geschilderten Befunden kommen wir also zu dem Ergebnis, dass die Theorie sowohl bei der Erhöhung der Elastizitätskonstanten über einen gewissen Wert als auch bei der Verkleine- rung der wirksamen Masse unter einensolchen versast. 6. Schwingungsversuche am Hebelmanometer für Russschreibung. Die Versuche am Russhebelmanometer sind die wichtigsten, da dieses Instrument wegen der sehr viel einfacheren Handhabung gegen- über der optischen Registrierung vorwiegend gebraucht wird. Bei der experimentellen Prüfung dieser Manometer habe ich mich auf das im Jahre 1898!) von mir angegebene Modell beschränkt, bei 1) Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 566. 316 K. Hürthle: welchem die Stahlfeder auf Torsion beansprucht wird, und habe in erster Linie untersucht, ob der Vorwurf Frank’s berechtigt ist oder nicht, dass der Membranquerschnitt bei diesem Instrument un- rationell, nämlich zu klein gewählt sei, woraus Frank sonderbarer- weise den Schluss zieht, dass damit das Prinzip der kleinstmöglichen Flüssigkeitsverschiebung als falsch erwiesen sei). Zu diesem Zwecke habe ich eine Versuchsreihe am Prüfungs- manometer angestellt, in welcher die Schwinguneszahlen bei wech- selndem Membranquerschnitt festgestellt wurden. Die Durchmesser der Membranen betrugen 0,54, 0,72, 0,90 und 1,11 em; das mit den genannten Membranen ausgerüstete Manometer wird im folgenden als Man. I, II, III und IV bezeichnet. Zur Gewinnung vergleichbarer Resultate musste in diesem Falle der Hebelausschlag für einen bestimmten Druckzuwachs’) in allen Fällen gleich gehalten werden. Lässt man bei Benutzung der grösseren Membran mit der entsprechenden Grundplatte die Feder unverändert, so wird selbstverständlich mit der Zunahme der Druck- tläche die Beanspruchung der Feder stärker und der Hebelausschlag grösser. Ich habe daher für die vier Membranen vier Federn ver- schiedener Stärke eingesetzt, deren Maße in der Tabelle XXVlIa S. 217 angegeben sind. Untersucht man, welche Dimension auf die Stärke der Feder (bei Beanspruchung auf Torsion) deu grössten Einfluss hat, so zeigt sich, dass Änderungen der Länge und der Höhe der Feder einen verhältnismässig geringen Einfluss auf die Feder- kraft haben, desgleichen die Änderung der Spannung, dass dagegen die Federkraft mit der Verdickung der Feder ganz erheblich zunimmt. Man sieht aus Spalte IV der Tabelle XXVlIa, dass schon ge- ringe Änderungen der Dieke zur Kompensation der steigenden Kraft genügen; kleine Änderungen der Federkraft können dureh Änderung der Länge und der Spannung hergestellt werden. Auf diese Weise gelang es, die Ausschläge für einen bestimmten Druckzuwachs an- nähernd gleich zu machen. Spalte V der Tabelle zeigt die erhaltenen 1) Siehe die vorhergehende Abhandlung S. 149. 2) Frank hat für diese Eigenschaft des Manometers den Ausdruck Emp- findlichkeit eingeführt; da man aber darunter gewöhnlich die Fähigkeit eines Manometers versteht, minimale Kraftänderungen darzustellen, ohne Rücksicht auf die Grösse der Ordinaten, so unterscheide ich im folgenden die beiden Eigenschaften als statische und dynamische Empfindlichkeit. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 217 Werte. Bei Betrachtung dieser Zahlen ist besonders zu beachten, dass der Ausschlag bei Man. III um 0,4 mm und auch bei Man. IV merklich geringer ist als bei I und II; das Man. III wird also immerhin um 6°/o weniger beansprucht als das Man. II, ist also im Vorteil gegen das letztere. Tabelle XXVla. Das Russhebelmanometer. | „ DIE V RENT N } Für eine Druckschwankung ht Helen von 20—100 cm Wasser $ en, Mano- N | » | Volumen- platten mit meter Länge | Höhe Dicke Ausschlag uaNahe Rahmen mm mm | mm ER es um} Nam 3 12mm) jr mar | ehr cbmm g I (0,54) 52 2,06 0,10 0,66 4,5 0,2317 II (0,72) 52 SIE 0818 0,66 8,0 0,3042 III (0,90) 89,5 2,06 | 0,20 0,62 14,0 0,4870 IV (1,11) bp} 1,96 0,22 0,65 23,0 0,6676 I vIu N Be ner aa xI x Im Hebel I Hebel II N der Feder Märos mit Rahmen mit Rahmen mit Hebel, Rahmen ang und anne und Grundplatte und Grundplatte meter B — 2 MM, |. My My | a | Hebel T |; Hebel I Hebel I Hebel II I (0,54) 34,8 663 14,0 267 22 30 II (0,72) 34,8 210 14,1 85 34 44. III (0,90) 35,0 87 14,2. 3 3 53 IV AS) 39,2 38 14,4 | 15 51 57 Da der „rationelle Querschnitt“ sowohl von der wirksamen Masse der Flüssigkeit M’;, als auch von der reduzierten Masse des Hebels M, abhängt, habe ich auch diese beiden Faktoren variiert: M’z durch Röhren von verschiedenem Querschnitt, M„ durch zwei Hebel von verschiedener Masse bei gleicher Länge der Hebelarme. Röhre I hatte einen Durchmesser von 7,6, Röhre II von 8,14 mm; beide waren am Ende rechtwinklig umgebogen, und in beiden Fällen hatte die Flüssigkeitssäule eine Länge von 43 cm von der Mündung in den Manometerkörper an gerechnet bis zur freien Oberfläche; damit hatte die wirksame Masse in der weiteren Röhre einen Wert von nicht ganz 100, wie er bei den gewöhnlichen Druckmessungen in den Arterien vorkommt, die andere einen solchen ‘ DD 18 K. Hürthle: von rund 550, der etwa bei der Registrierung des Druckablaufs in den Herzhöhlen durch Vermittlung eines Katheters auftritt; zu beiden kommt noch die wirksame Masse der Flüssigkeit innerhalb des Manometerkörpers mit rund zwei. Als Hebel verwendete ich, wieimmer bei meinen Manometern, röhrenförmige Strohhebel von verschiedener Masse; Hebel I hatte eine Länge von 11,5 em und ein Gewicht von 0,0614 g; er hat die grösste Masse pro Längeneinheit, die je in meinen Versuchen zur Verwendung kam; meist wurden leichtere Hebel verwendet; beim Hebel II waren die entsprechenden Werte 10,5 em und 0,0233 & Die verschiedene Länge der beiden Hebel wurde dadurch aus- geglichen, dass der mit der Feder verbundene Stift (St Fig. 1 S. 157, von 1,3 em Länge und 0,0388 g) nahe dem Ende dünner war als an seiner Verbindung mit der Rolle, und dass der schwere Hebel 7 mm tiefer eingesteckt wurde als der leichte. So hatten beide bei der Verbindung mit dem Stift eine Länge von 12,0 cm von der Feder bis zur Spitze. Der Angriffspunkt befand sich 0,3 em von der Feder entfernt, die Hebelvergrösserung war also eine’40 fache. Der wesentlich schwächere Hebel II wurde noch besonders auf dynamische Durchbiegung in der Weise geprüft, dass der Ausschlag bei der plötzlichen Einwirkung eines Druckes von 50 cm Wasser, wie er bei den Schwingungsversuchen zur Verwendung kam, vom Manometer abwechselnd mit dem zu prüfenden Hebel und einem stärkeren von nur 6 cm Länge registriert wurde. Bei der Aus- messung der Kurven unter dem Mikroskop ergab sich keine merk- liche Durchbiegung des langen Hebels; die Ordinaten der grössten Schwingung und der neuen Gleichgewichtslage waren proportional. Die Trägheitsmomente und reduzierten Massen der beiden Hebel in Verbindung mit Rolle, Rahmen-und Grundplatte von 7 mm sind in Tabelle XXVIb zusammengestellt. Tabelle XXVIb. Hebel I Hebel II 9 DER 9 M Balle 3.7: Ken A 0,01724 | 0,20 0,017244 0,20 ST RE 5 0,021857 0,243 0,021857 | _ 0,243 Strohhebel‘ Tr .22 Vai 3,06950 34,106 1,1988 13,320 Rahmen und Grundplatte für die Membran von 7,2 mm . — 0,304 — 0,304 _ | 34,853 | — Sal40677% Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 219 Die reduzierten und die wirksamen Massen der Hebel bei Ver- wendung der übrigen Grundplatten sind in Tabelle XXVIa Spalte VIII bis XI enthalten. Zu den Schwingungsversuchen wurden die Manometer sorgfältig mit destilliertem Wasser gefüllt und die folgenden Eichungen vor- genommen: 1. des Ausschlages der Hebelspitze von 20—100 cm Wasser mit Hilfe des S. 246 der technischen Abhandlung beschriebenen Eichungsapparates; 2. die Volumeichung für denselben Druckzuwachs mit Hilfe des Kapillarvolumeters (s. S. 249). Daran schlossen sich die Schwingungsversuche. Das Manometer wurde in der früher S. 155 beschriebenen Weise mit den beiden Druckflaschen verbunden, in welchen ein Druck von 40 bezw. 90 em Wasser hergestellt war. Um den Einfluss der Reibung der Hebel- spitze am berussten Papier festzustellen, wurden die Schwingungen des Hebels zuerst durch Russschreibung registriert, wobei nur der Hebel I zur Verwendung kam. Ein Gehilfe hatte darauf zu achten, dass die Reibung der Hebelspitze am Papier auf das notwendige Minimum beschränkt blieb. Unmittelbar darauf wurde durch Licht- schreibung mit beiden Hebeln registriert. Zu diesem Zwecke wurde die Mitte des Hebels durch ein photographisches Objekt vergrössert auf das lichtempfindliehe Band des Kymographions für optische Registrierung geworfen. Nach den einzelnen Versuchen wurde die Röhre bezw. der Hebel gewechselt und auch je zwei Versuche am sedämpften Manometer angestellt. Nach Beendigung der Schwinzungs- versuche wurden die Manometer ausserdem noch mit künstlichen Druck- schwankungen geprüft, worüber in der folgenden Abhandlung berichtet wird. Schliessiich wurden die Manometer entleert und nach Entfernung der Membran die Eigenschwingungen der Feder in Ver- bindung mit Rolle, Hebel, Rahmen und Grundplatte photographisch, registriert, indem der Hebel durch ein Stäbehen aus der Gleich- gewichtslage entfernt und losgelassen wurde. Die gemessenen Schwingungszahlen finden sich in den Spalten XII und XIII der Tabelle XXVla. Die Schwingungsversuche mit den Man. I—IV wurden an vier auf einander folgenden Tagen ausgeführt. Die gewonnenen Kurven wurden unter dem Koordinatenmesser ausgemessen. Die in Spalt: 2330 K. Hürthle: II-—VII und XIIHI—XIV der Tabelle XXVIb verzeichneten Zahlen stellen das Mittel aus je vier Einzelmessungen dar; ausserdem sind die grössten und kleinsten Werte für Lichtschreibung und das un- gedämpfte Manometer in den Spalten IX— XII angegeben. Tabelle XXVle. Die am Hebelmanometer für Russschreibung beobachteten Schwingungs- zahlen. Rama RTTeN Russschreibung Lichtschreibung N fur | | Maxima u. Minima | Man. | 2 " | Hebel I | Hebel Hebel II Q Hebel I | Hebel I Hebel Ir Dämpfung I Druck 40 Druck 90] “| “| so | 40 90 40 | 9 | ao lo I (0,54) 18,82 | 19,34 | 20,60 | 22,37 | 135 | 1977 [190|106) 212 225 || 19 2217 wr|og6|arn II (0,72) ls i EQ Ef | 9 | 15,22 | 16,50 | 15,72 | 17,15 N III (0,90) | 144 158 [150 165 153 1,1 1 108 ir am | 162 | 175 12,6 |13 s. aa a 1 | a [179,9 | on © | 17,50 | 20,20 | 18,75 | 20,40 c 17,2 | 19,3 [17,2 20,0 [18,4 |20,3| 17:0 12020115: 2,0 17,1 20,5 | m © jet > or (1,11) 12,44 | 13,53 | 12,45 ie 23,2 | 24,3 |93,3 24,4 | 31,1 | 33,012 20 2 3270 | 3111 82,1 I | Bi | 305 | 31,5 [30,0 31,7 340 36,4 a sn 3400 2 |345 | 43,1 In | | 23,9 | 307 [29,4 317 25 aan _ | _ IND | 26,6 | 27,5 26,6 28,5 28,4 29,6 ae | | | Aus diesen Messungen ergibt sich: 1. Die Eigenschwingungen der vier Federn in Ver- bindung mit den beiden Hebeln und den vier verschiedenen Grund- platten (Spalte XII und XIII der Tab. XXV a) nehmen mit der Ver- stärkung der Federn erheblich zu, bei Verwendung des leichten Hebels (II) fast auf das Doppelte, bei Verwendung des schweren (I) auf mehr als das Doppelte. 2. DieSehwingungszahlen des wassergefüllten Manometers (Tab. XXVIb) lehren folgendes: a) Die Schwingungszahlen bei Russ- und Lichtschreibung sind fast genau dieselben; die vorkommenden Differenzen halten sich in den Grenzen, welche auch innerhalb desselben Versuchs auf- Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 221 treten, und liegen nicht in einer Richtung. Man darf daher sagen, dass die Russschreibung, nach der Schwingungsmethode untersucht, an und für sich die Darstellung des Druckablaufes nicht beeinträchtigt unter der Voraussetzung, dass die Reibung auf das notwendige Minimum beschränkt wird (s. oben S. 219). b) Bei der Betrachtung des Einflusses des Membranquer- schnittes auf die Schwinguneszahl müssen wir die Versuche mit grosser und kleiner wirksamer Masse der Flüssigkeit unterscheiden. Bei grosser wirksamer Masse (555) sind die Schwin- sungszahlen mit einer innerhalb der Fehlergrenzen liegenden Ausnahme bei der Membran von 5,4 mm Duchmesser am höchsten, und zwar für Hebel I und II, und werden mit der Vergrösserung des Membranquerschnittes fortschreitend kleiner. Bei der kleineren wirksamen Masse (5100) fallen V die höchsten Werte auf das Man. II; nur in einem Falle, näm- lich beim Hebel I und Druck 90 em, sind die Schwingungszahlen bei Man. II und III im Mittel gleich, aber nur bei Lichtschreibung;; dabei ist noch zu beachten, dass die statische Empfindlichkeit beim Man. III um 6°/0 geringer ist als die des Man. II, wodurch die Über- legenheit des letzteren um so mehr ins Gewicht fällt. Welches ist nun nach der Theorie der rationelle Quer- sehnitt, bei welchem die höchste Schwingungszahl bei gleicher Empfindlichkeit zu erwarten ist? Er ergibt sich, wenn wir der Einfachheit halber das ideale Kolbenmanometer zugrunde legen, aus der Formel W) = Vr ; diese MR Ju führt für die beiden Röhren und die beiden Hebel zu folgenden Werten: Nr. Röhre Hebel Q = cm (cm) 1 0,314 I Ve — 0,15851 0,45 957 > _ 0.250683 0,56 5) | DD _ (d — > — oT L -] (3%) = =] {er} 1 > So. Zr -1 Re) cu [0,6] &) OT _ -1 oO m 35 7) > N 00 4 0,76 I Y = E06 0,88 222 K. Hürthle: Berechnet man die Werte nicht nach der einfachen, sondern nach der komplizierten, von Frank für das Federmanometer auf- gestellten Formel, so werden sie auf Grund der Tabelle II S. 351 der Dynamik ein wenig kleiner, da bei meinem Manometer n (der Anteil der Gummielastizität an der Gesamtelastizität) sehr gering und d (das Verhältnis des Radius der Grundplatte zu dem der Membran) nahe — ] ist. Die Berechnung des rationellen Quer- sehnittes ergibt also: Ist die wirksame Masse der Flüssigkeit gross (500 bis 600), so muss der rationelle Querschnitt theoretisch noch unter denjenigen sinken, den ich für meine Federmanometer verwende, und dieses Ergebnis wird durch das Experiment bestätigt. Die Schwingungs- zahlen sind bei Verwendung der Röhre von 0,314 em Durchmesser 'L Q einzigen Ausnahme (Hebel I, Druck 90), in welcher aber die Differenz gegen die grössere Membran nur 0,4 Schwingungen beträgt, also innerhalb der Fehlererenzen liegt. == 557) am höchsten bei der Membran von 0,54 em mit einer Nimmt man aber eine wirksame Masse der Flüssigkeit von etwa 100, so ist der Querschnitt meiner Membranen nach der Theorie bei Verwendung des leichten Hebels gerade richtig, bei Verwendung des schweren aber zu klein (der Durchmesser etwa um 2 mm). In diesem Falle müsste daher, wenn die Theorie richtig wäre, das Man. II eine kleinere Schwingungszahl geben als das Man. III. Die Theorie wird aber in diesem Falle durch das Ex- periment nicht bestätigt; nur in einem Falle tritt der Grenzfall ein, dass die Schwingungszahlen bei Man. II u. III gleich sind (Hebel I, Druck 90)!). Da es aber selbstverständlich ist, dass man das Trägheitsmoment des Hebels, cet. par. also seine Masse, tunlichst klen macht, so ist der Membran-Querschnitt meiner Manometer, nach der von Frank als allein maß- sebend bezeichneten Methode untersucht, der günstigste, welcher verwendet werden kann. Eine weitere wichtige Untersuchung der Wahl des Querschnittes auf Grund einer anderen Methode folgt in der nächsten Abhandlung. 1) Bei der auffallenden Übereinstimmung der beiden Werte wurden die Schwingungen wiederholt gemessen und die Zahlen richtig befunden; Maxima und Minima sind übrigens nicht identisch. Experimentalkritik der Frank’schen Theorie der elast. Manometer. 293 Damit weise ich die Behauptung Frank’s, dass das von mir für die Manometer aufgestellte Kriterium sich als falsch erwiesen habe, zurück. Sie ist ohne jeden experimentellen Beleg und ohne jegliche Berechtigung aufgestellt worden. Weder habe ich die An- sicht vertreten, die Flüssigkeitsverschiebung könne beliebig ver- kleinert werden !), noch die zum Betriebe der Schreibvorrichtung notwendige Kraft ausser acht gelassen. Ein Vorwurf auf Grund der Frank ’schen Berechnungen hätte daher höchstens dahin gehen können, dass ich bei der quantitativen Bemessung jener Kraft einen Fehler gemacht hätte. Aber auch in dieser Form erweist sich die Frank’sche Behauptung als ungerechtfertigt; denn auch nach der Theorie ist der von mir gewählte Querschnitt der günstigste; nur wenn man willkürlich die wirksame Masse der Flüssigkeit auf etwa 50 herabsetzt — und nach Frank’s eigener Ansicht beträgt die wirksame Masse bei den gewöhnlichen Blutdruck- versuchen etwa 100°?) — und ein unnötig grosses Trägheitsmoment des Hebels einsetzt, übersteigt der berechnete Querschnitt denjenigen, welcher vor 20 Jahren auf experimentellem Wege von mir für eine A0fache Hebelvergrösserung als der günstigste erkannt und jetzt von neuem bestätigt worden ist. Das Schlussergebnis der vorliegenden Untersuchungen fasse ich in folgenden Sätzen zusammen: 1. Die von Mach für Pulswellenzeichner aufgestellte und von Frank auf die elastischen Manometer übertragene Theorie befindet sieh hinsichtlich der letzteren in befriedigender Übereinstimmung mit dem Experiment, solange die Zahl der Eigenschwingungen des Instrumentes einen gewissen niederen Wert hat. Das ist der Fall, wenn die Elastizitätskonstante klein und die wirksame Masse gross ist. Sobald aber die Schwineungszahl einen gewissen Wert über- schreitet, stellen sich Abweichungen zwischen Theorie und Experiment ein, bei weiterer Erhöhung der Schwingungszahl durch Erhöhung der Elastizitätskonstanten oder Verkleinerung der wirksamen Masse versagt die Theorie vollständig. Da nun die Instrumente mit niederer Schwingungszahl für die Untersuchung des Blutdruckes un- geeignet sind, so kann die Theorie auch nicht das entscheidende Wort bei der Prüfung und Konstruktion der Manometer sprechen. 1) Vergleiche die Belege in der vorhergehenden Abhandlung S. 149—151. 2) Frank, Federmanometer. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 20. 234 . K. Hürthle: Experimentalkritik der Frank’schen Theorie etc. 2. Als praktisches Ergebnis wiederhole ich die schon früher von mir aufgestellten Leitsätze für die Konstruktion der elastischen Manometer: a) die vom Blutdruck am Manometer zu leistende Arbeit muss möglichst klein sein; bei Manometern, welche keine masselose Schreib- vorrichtung besitzen, wird aber die Verkleinerung dieser Arbeit durch die zur Regierung der Schreibvorrichtung erforderliche Kraft beschränkt. b) die das Manometer mit der Arterie verbindenden Röhren müssen möglichst kurz und von hinreichendem Querschnitt sein; ec) durch künstliche Dämpfung von geeigneter Stärke wird die Leistungsfähiekeit des Manometers erhöht. Erklärung der Tafel 1. Sämtliche Kurven sind im Verhältnis von 1 auf 0,6 verkleinert wiedergegeben ; durch das zur Autotypie erforderliche Raster sind die feinsten Linien (z. B. in Fig. 6, 13, 18 bis 21) etwas unscharf geworden. — Bei den in Fig. 1—21 ab- gebildeten Schwingungen hatten der Membranquerschnitt und die Zuleitungs- röhren des Manometers die in der folgenden Tabelle angegebenen Werte: Durchmesser Zuleitungsröhre Nummer - der Figur der Membran Durchmesser | Länge cm cm | cm 1 1,1 0,2 | 100 2 11 0,22 | 10 3 Kl 0,8 | 80. 4 14 1,05 | 80 b) 11 1,05 | 60 6 11 1,05 | 10 | 7 0,9 0,2 60 8 0,9 0,2 20 ®) 0,9 0,8 50 10 0,9 0,8 60 11 0,9 1,05 100 12 0,9 1,05 30 3 0,9 1,05 10 14 0,72 0,2 10 15 0,72 0,8 s0 16 0,72 0,8 60 17 0,72 0,8 20 18 0,72 0,8 10 19 0,72 1,05 s0 20 0,72 1,05 40 21 0,72 1,05 10 Er Bd. 187. BR il irlEn 6 tlag von Martin Hager, Bonn. ‚Pflüger’s Archiv für die ges. Physiologie. 1 — [7] 20 [2 1] Rohr Längen Prüfungsmanometer Membran Ihr mm E'. 314.10* Fig 2. TE TTRE — 00 0m 2 “ © Rohr-Längen i Pröfungsmanometer Membran 9mm E'.605.10* Verlag vom Martin Hnger ‚Born , Encore « u ” Y R B e ” er EM Ve ‚Rohn-Längen K 1 10 20 [27 © Prüfungsmanomeler Membran Zemm E* 140. 105 g nee se EEE IEET;, [ Ar jre] alt] | 17] 20 [7] E72 E7 "0, =: | 120 70 F0cn 0 Rohr-Längen : Kapillar-Manometer mit fortschreitender Verkürzung der Röhre. E96. 105° Fig.5. — 0 0 2 w oo [7 00 ze 120 10 160 cm ‚Rohr-Löngen Ne: Einfluss der Röhrenlänge a. d. Schwingungszahl am Manometer mit E 29 108 Lith ‚Anst v F Wirtz Darmstadt (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. Von K. Hürthle. (Mit 3 Textfiguren und Tafel III.) Nachdem in der vorhergehenden Abhandlung nachgewiesen worden ist, dass der Gültigkeitsbereich der Mach’schen Theorie in ihrer von Frank auf die elastischen Manometer übertragenen Form ein beschränkter ist und bei den für die Untersuchung des Blut- drucks geeigneten Konstruktionen seine Grenze hat, ist auch die auf die Theorie gegründete Prüfungsmethode mit Hilfe der Eigen- schwingungen der Manometer nicht mehr von allgemeiner Bedeutung, sondern auf den Gültigkeitsbereich der Theorie beschränkt. Denn es ist nicht anzunehmen und würde erst noch eines besonderen Nachweises bedürfen, dass Schwingungszahl und Dekrement auch in den Fällen ein Maßstab für die Güte der Manometer sind, in welchen die Theorie nicht mehr anwendbar ist; so lässt sich z. B. von vornherein nicht entscheiden, ob die Leistungsfähigkeit eines Manometers durch Verkleinerung der wirksamen Masse (Verkürzung der Zuleitungsröhre) auch in dem Falle erhöht wird oder nicht, wenn diese Änderung ohne Einfluss auf die Schwingungszahl ist (Beispiele s. die Abschnitte E und F der vorhergehenden Ab- handlung). Desgleichen lässt sich über die Leistungen des Kapillar- manometers auf Grund der Theorie nichts Sicheres aussagen (s. Ab- schnitt D der vorhergehenden Abhandlung). Das Anwendungs- gebiet der Schwingungsmethode ist also ein beschränktes. Aber auch innerhalb des Bereiches der Theorie stehen der Sehwingungsmethode verschiedene Bedenken entgegen: Prinzipiell unzulässig ist die Anwendung der Grundeleichung ur re Rn = IA cos (nt + z))... zur Korrektur der Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 15 2265 - K. Hürthle: Kurven, weil das Glied 8..., welches die zu registrierende Kraft (den Blutdruck) darstellt, unter dem Einfluss der Manometer- bewegung selbst verändert wird, und die Grösse der Veränderung sich der Berechnung entzieht. Aus diesem Grunde kann die Schwankung der ursprünglichen Kraft aus der registrierten Kurve überhaupt nieht genau ermittelt werden. Eine weitere Fehlerquelle für die Korrektur der Kurven nach der Scehwingungsmethode besteht in der Inkonstanz der Elastizitätskonstanten bei wechselndem Druck, die bei manchen Instrumenten, z. B. bei dem von Frank verwandten Membranmanometer, so bedeutend ist, dass X’ fast um das Vierfache schwankt!). Diese Inkonstanz hat zur Folge, dass Schwingungszahl und Dekrement eines solchen Instrumentes bei gleichbleibender wirksamer Masse mit dem Druck wechseln. Die Korrektur auf Grund eines Schwingungsversuches eilt daher nur für einen Druck- bezirk, dessen Grenzen mit der Art des Manometers wechseln. Weiterhin hat die Anwendung der Schwingungsmethode ein konstantes Dekrement und Proportionalität zwischen Volumver- schiebung und Ördinatenhöhe zur Voraussetzung. Beide Voraus- setzungen sind aber in Wirklichkeit selten erfüllt (vel. S. 180). Zieht man schliesslich in Betracht, dass zur Korrektur der Kurven mit Hilfe der Schwingungsmethode die Berechnung des zweiten Differentialquotienten erforderlich ist, die bekanntlich be- züglich der Genauiekeit der Resultate eine sehr missliche Sache ist, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die mathematische Korrektur der Kurven nicht allein der mathematischen Genauigkeit entbehrt, sondern auch desjenigen Grades der praktischen, welche von einer Methode gefordert werden muss, die Anspruch darauf macht, den wahren Druckverlauf festzustellen. Sieht man sich nun nach geeigneteren Methoden zur Prüfung der Manometer um, so kommen in Betracht: | 1. Die Ermittelung der Einstellungszeit?) des aperiodischen Manometers; diese halte ich trotz des absprechenden Urteils von Frank?) auch heute noch für ein sehr wertvolles Kriterium der Leistungsfähigkeit der Manometer. l) Frank, Kritik S. 511. 2) Siehe die vorhergehende Abhandlung S. 204. 3) Frank, Prinzipien usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 452. Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 227 2. Die Vereleiehung der registrierten Kurven mit denjenigen eines Instrumentes von nachweisbar grösserer Leistungsfähigkeit. Diese früher von mir benutzte Methode!) hat auch Frank?) neuer- dings empfohlen. 3. Eingehender soll hier die Methode der Prüfung mit künstlichen Druckschwankungen von bekannter Form ® 5 19 cm Fig. 1. behandelt werden, welche von Fick und Mach benutzt, von Donders speziell für die Prüfung der Lufttransmissionssphygmo- graphen eingerichtet und von mir?) zum Vergleich der Manometer 1) K. Hürthie, Experimentelle Prüfung usw. Pflüger’s Arch. Bd. 47 S.14. 1890. — K. Hürthle, Vergleichende Prüfung usw. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 336. 1894. 3) Frank, Prinzipien usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 452 und 453. 3) K. Hürthle, Vergleichende Prüfung usw. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 322. 15 * 228 K. Hürthle: mit Wasser- und Lufttransport gebraucht worden ist!). Das von mir beschriebene Verfahren halte ich trotz der absprechenden Kritik Frank’s’), die keinerlei sachliche Fehler nachweist, auch heute noch für geeignet; ich habe es aber noch dahin erweitert, dass mittels desselben nieht allein die Übereinstimmung der vom Mano- meter gezeichneten Kurve mit der künstlich erzeugten Druck- schwankung, sondern auch die Rückwirkung des Manometers auf die einwirkende Kraft festgestellt werden kann. Dies ist durch folgende Einrichtung erzielt (s. Fig. 1). Durch den Exzenter FE, welcher entweder durch eine Kurbel mit der Hand oder durch einen Elektromotor mit Schnurlaufüber- traeung in Rotation versetzt werden kann, wird dem Stahlhebel FF, (Drehachse in A) eine bestimmte Bewegung aufgezwungen. Er wird gegen den Exzenter durch eine Spiralfeder angedrückt erhalten. Um die Reibung des Exzenters gegen den Hebel möslichst klein zu machen, ist an diesem, senkrecht unter der Achse des Fxzenters, eine kleine in Spitzen laufende Rolle R angebracht. Die Bewegungen des Stahlhebels werden nun einerseits durch einen in seiner Ver- längerung angebrachten Strohhebel 7, direkt registriert und anderer- seits auf die Trommel 77 übertragen. Diese hat eine lichte Weite von 25 und eine Höhe von 40 mm. An beiden Grundflächen ist sie mit stark gespannten Gummimembranen G, und G, überzogen, welche in Nuten festgebunden sind. Gegen die Membranen werden Ringe rr von verschiedenem Ausschnitt durch die Überwurf- muttern mm angedrückt, so dass kreisförmige Ausschnitte der Gummi- membranen von abstufbarer Grösse zutage treten. Zwei mit den Hähnen HA, und Hh, verschliessbare Zuleitungsröhren ermöglichen die luftfreie Füllung der Trommel. Die Bewegungen des Stahlhebels F} F, werden auf die untere Gummimembran G, in folgender Weise übertragen: Auf die Membran 1) Neuerdings wieder von Athanasiu (Methode graphique, trav. de l’assoc. de Institut Marey t. 1 p. 29. Paris 1905) zur Prüfung von Hebeln und Sphygmographen. 2) Frank, Prinzipien. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 8.480. „Auch der grösste Teil der bisher vorgeschlagenen experimentellen Prüfungsmethoden, wie die Donders’sche oder die Buisson’sche, zur Prüfung der Sphygmographen, ist entweder im Prinzip falsch oder ungenügend. Man muss genau die Konstanten der Instrumente kennen, welche für die richtige Darstellung der Bewegungen von Bedeutung sind.“ Ferner: Zeitschr. f. Biol. Bd. 32 S. 451. Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 9239 ist eine Messingplatte P aufgeklebt, aus deren Mitte sich ein stift- förmiger Fortsatz (St,) erhebt; dieser wird mit einem entsprechenden, mit dem Stahlhebel vernieteten Stift St, verschraubt, wobei der Ab- stand zwischen der Membran und dem Stahlhebel innerhalb gewisser Grenzen verändert werden kann. In allen Fällen ist die Platte P und damit auch die Membran @, zwangsläufig mit dem Stahl- hebel verbunden !). Die Einstellung der Platte P geschah jeweils derart, dass die Stifte $2!, und S%, in der Phase der grössten Entfernung des Hebel- armes 7, von der Membran G, verschraubt wurden; in dieser Lage wurde dann in der Trommel ein Überdruck von 10 cm Wasser er- zeugt; es trat daher bei keiner Stellung des Exzenters ein negativer Druck in der Trommel auf. Die der Membran G, mitgeteilten Bewegungen werden bei ge- schlossenen Hähnen ausschliesslich auf die Membran @, übertragen, deren Volumelastizität durch den verschiedenen Ausschnitt des Ringes rr sowie durch verschiedene Dicke und Spannung der Mem- bran geändert werden kann. Die Bewegungen dieser Membran können durch einen Hebel 7, von geringem Trägheitsmoment gleich- falls registriert werden. An die Trommel T7T wird nun das zu prüfende Manometer M durch undehnbare Verbindungen angeschlossen und das ganze System mit Wasser gefüllt. Bei meinen Versuchen war das Manometer in allen Fällen senkrecht über der Trommel und auf derselben Grundplatte mit dieser derart angebracht, dass die drei Hebelspitzen 7,, H, und H, eine senkrechte Linie bildeten. Dabei waren das Manometer und die Trommel 7 durch eine U-förmig gebogene Glasröhre miteinander verbunden, welche an beiden Enden in kegelförmig auslaufende Messinghülsen gekittet und durch die Überwurfmuttern U, und U, an die beiden Körper an- geschlossen war. Die Verbindungsröhre hatte bei den im folgenden 1) Diese Art der Verbindung war auch in dem früher von mir gebrauchten Prüfungsapparat (Pflüger’s Arch. Bd. 55 8. 323) vorhanden; es ist daher der Satz, welchen Frank bei der Betrachtung der Rückwirkung zwischen ver- koppelten Kräften (Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 447) ausspricht: „So hat Donders bei der Schaffung seiner Prüfungsmethode für den Sphygmographen nicht an sie gedacht, auch nicht Hürthle bei der Anwendung dieses Verfahrens“, für die von mir ausgeführten Untersuchungen jedenfalls unbegründet und für die Donders’schen sehr wahrscheinlich gleichfalls, weil auch an dessen Apparat durch geeignete, von Donders ohne Zweifel beachtete Einstellung der von Frank vermutete Fehler vermieden wird. 230 K. Hürthle: beschriebenen Versuchen eine Länge von 42 cm (vom Trommel- bis zum Manometerkörper gerechnet) und einen Durchmesser von 6,8 mm im Lichten; die wirksame Masse der Manometer war daher 115. Der Gummimembran @, kommt eine doppelte Be- deutung zu: 1. als elastischer Faktor verhindert sie, dass die Be- wegungen des Manometers zwangsläufige werden und brinet damit das Manometer unter Bedingungen, ähnlich denjenigen, wie sie im Kreislauf gegeben sind ?):; 2. dient die Membran zur Feststellung der Rück- wirkung: Während nämlich bei der Ausschaltung des Manometers die Kurven der Hebel #7, und AH, übereinstimmen, werden nach der Einschaltung des Manometers durch Öffnung des Hahnes Hh, Ab- weichungenr am Hebel #, bemerkbar, als Zeichen der Rückwirkung des Manometers auf den Trommelinhalt. Diese kommt einerseits dadurch zustande, dass die Tätigkeit des Manometers durch eine Flüssigkeitsbewegung aus der Trommel nach dem Manometer unter- halten, der in der Trommel herrschende Druck also herabgesetzt wird; die Rückwirkunge wird daher mit der am Manometer zu leistenden Arbeit wachsen. Andererseits beeinflussen aber auch die im Manometer und in der Zuleitungsröhre auftretenden Druck- schwankungen, falls sie quantitativ oder im Phasenverlauf von den ursprünglichen abweichen, den Druckverlauf in der Trommel, indem sie mit ihm interferieren; die Kurve des Hebels 2 weicht in diesem Falle von der des Hebels 1 ab; der Apparat gibt daher ein Mittel an die Hand, nicht allein die Abweichungen der vom Manometer ver- zeichneten Kurve von der primären festzustellen (durch Vergleichung der Kurven der Hebel 1 und 3), sondern auch die Rückwirkung des Manometers auf die bewegende Kraft (durch Vergleichung der Kurven 2 und ]). Die Prüfungen der Manometer verliefen in folgender Weise: Der Exzenter wurde durch einen Elektromotor in Bewegung versetzt. Durch Transmissionsscheiben von verschiedenem Durch- messer konnten sechs verschiedene Geschwindigkeiten hergestellt werden. Sie ergaben mit kleinen Abweichungen 1,3—3,3 Um- 1) Bei dem älteren in Pflüger’s Arch. Bd. 55 beschriebenen Modell war der zwischen Trommelrand und Grundplatte freibleibende rinsförmige Ausschnitt der Gummimembran der einzigw elastische Faktor. Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 231. drehungen pro Sekunde. Es konnten daher die verschiedenen Mano- meter denselben Druckschwankungen ausgesetzt und ihre Leistungen unmittelbar verglichen werden. Als darzustellende Bewegung wurde die trapezförnige Kurve des Druckablaufes in der Kammer gewählt, und zwar derart schema- tisiert, dass das systolische Plateau und die Pause als gerade Linien dargestellt und die mit den Verbindungslinien gebildeten Ecken ab- gerundet wurden (s. die Fig. a—c Taf. III). Zur Prüfung des Apparates wurden zunächst die Kurven der Hebel 1 und 2 registriert, während das Manometer durch Schluss les Hahnes H/h, ausgeschaltet war. Dabei ergab sich, dass die beiden Kurven nur bei der kleinsten Umdrehungszahl des Exzenters den reinen trapezförmigen Verlauf zeigten, bei den grösseren Geschwindig- keiten aber durch Schwankungen in den: horizontalen Teilen der Kurve, insbesondere in der Pause, entstellt wurden. Die Ent- stellungen waren gleichsinnig an den Kurven beider Hebel, nur stärker ausgeprägt an der des Hebels 2. Ihr unregelmässiger Ver- lauf macht es wahrscheinlich, dass es Erzitterungen sind, welche vom Elektromotor durch die Transmission auf den Exzenter über- tragen wurden. Sie sind aus dem Grunde störend, weil sie die Feststellung der Rückwirkung des Manometers auf die Trommel 7 erschweren. Zu ihrer Beseitigung müsste ein ruhiger Antrieb be- nutzt werden, der mir nicht zur Verfügung stand. Nunmehr wurden die vier Russhebelmanometer gleicher Empfind- lichkeit, aber von verschiedenem Membrandurchmesser an die Prüfungs- trommel angeschlossen, welche in der vorhergehenden Abhandlung (Abschnitt G, S.- 215) nach der Schwingungsmethode untersucht worden waren. Die Membrandurchmesser betrugen 0,54, 0,72, 0,9 und 1,1 cm. Ich bezeichne sie im folgenden als MI, II, III und IV, derart, dass MIV den grössten Membrandurchmesser hat. Jedes der Manometer wurde mit den sechs verfügbaren Umdrehungs- geschwindigkeiten (Pulszahlen) und zwar jeweils im ungedämpften Zustand und mit den Dämpfungen von 0,6 und 0,4 mm geprüft. Man erhielt also von jedem Instrument 18 Pulsreihen. Bei diesen Prüfungen wurden nur die Kurven der Hebel 4, und A, registriert, - die des Hebels H, weggelassen, weil die Kurven 4, und 4, nur wenig Unterschied zeigten, und die oben erwähnten Erzitterungen eine genaue Feststellung der Rückwirkung störten. _ Die bei den sechs verschiedenen Umdrehungsgeschwindigkeiten 932 K. Hürthle: erzielten Ergebnisse sind grundsätzlich bei den vier Manometern übereinstimmend und nur quantitativ verschieden. Da die Unter- schiede bei den grössten Leistungen am deutlichsten hervortreten, beschränke ich mich auf die Mitteilung der Resultate bei der grössten Umdrehungsgeschwindigkeit, welche 3,3—8,4 Pulse pro Sekunde lieferte. Taf. III enthält Proben dieser Prüfung. Die unteren, mit a, b und ce bezeichneten Kurvenreihen enthalten jeweils die Kurven des Trommelhebels 7,, die oberen, mit a,b, c, bezeichneten die gleichzeitig registrierten des Manometerhebels 7,. Die Kurven aa, sind jeweils bei ungedämpftem Manometer registriert; dd, nach Ein- schaltung der Dämpfung 0,6 mm; ec, bei Dämpfung 0,4 mm. Was zunächst die Frage betrifft, ob die vier zu vergleichenden Manometer wirklich von gleicher statischer Empfindlichkeit gewesen seien, so ergab die nach den einzelnen Versuchen vorgenommene Eichung, dass die Manometer III und IV ziemlich genau überein- stimmen, dass das Manometer II aber von höherer Empfindlichkeit, gegen die ersteren also im Nachteil war; umgekehrt war Manometer I von etwas geringerer Empfindlichkeit als die ersteren. Diese Er- scheinung kommt auch in der Höhe der Kurven deutlich zum Aus- druck, wenn man nur die Kurvenhöhen bei der Dämpfung 0,4 mm ver- gleicht. Sie betragen 7,8, 7,9, 9,0 und 6,3 mm. Die Kurvenhöhen der ungedämpften Manometer lassen sich nicht ohne weiteres vergleichen, da sie durch Eigenschwingungen mehr oder weniger entstellt sind. Was die Wiedergabe der Grundkurve anlangt, so zeigt sich bei allen Manometern die auffallende Erscheinung, dass die horizontalen Linien (Plateau und Pause) in der Weise unrichtig dargestellt werden, dass sie, von den Eigenschwingungen abgesehen, Winkel mit der Abszisse bilden. Um die Grösse dieser Abweichungen bei den einzelnen Instrumenten zu bestimmen, habe ich die Ordinaten am Anfang (h.) und Ende (h,) des Plateaus gemessen und aus beiden n gebildet, der ein Maß für die Grösse des Fehlers abgibt. Die Ordinaten sind in Spalte VI und VII der folgenden Tabelle, die Quotienten in Spalte VIII verzeichnet. Letztere zeigt nun, dass die Quotienten am ungedämpften Manometer mit dem Membrandurch- messer im allgemeinen kleiner werden, nur die grösste Membran macht eine Ausnahme. Ferner nehmen sie in allen Fällen mit der Dämpfung ab. Sie scheinen daher durch die Trägheit der Flüssigkeit veranlasst zu sein, doch ist der langsame Abfall der Linie nicht ganz klar. einen Quotienten Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 233 REN: NE ID iR Mano- a sun _ Anstiegszeit ( des null IR meter p o Sek. | Pulses Il | Pulses I Zn n. | ha Sek. Sek. | he unged. 3,4 0,0356 | 0,030 Sam 734.0 1,21 (0,54) 0,6 3,4 0,038 0,034 De) 121 0,4 3,4 0,055 | 0,041 6,8 6,7 1,02 unged. 3,4 0,037 | 0,037 de | we: 1,29 (0,72) 0,6 3,4 0,036 0,040 es 1,20 0,4 3,9 0,036 | 0,054 9,0 8,2 1,10 unged. 3,3 0,041 | 0,036 11,6 1,8 1,49 II (0, 0, J 0,6 3,9 0,045 0,050 8,9 Tor 1,16 \ 04 33 0.044 | 0,079 80 Ss | 10 unged 3,4 0,042 0,038 12,2 9,2 1,33 IV (1,11) 0,6 3,9 0,037 0,057 8,7 18) 1,10 ‚4 3,4 0,039 0,102 7,8 , kein Plateau | — Die Werte der Anstiegszeit sind in Spalte IV und V der Tabelle enthalten und zwar von den Kurven der Hebel 2 und 3. Da die Pulszahlen in allen Fällen annähernd gleich sind, ist zu er- warten, dass die Anstiegszeiten des Hebels 2 in allen Fällen gleich sind. Das ist denn auch bis auf kleine Abweichungen der Fall, die wohl als Messungsfehler oder Unregelmässigkeiten in der Rotation des Apparates aufzufassen sind. Die Anstiegszeiten der Manometerkurven sind bei ungedämpften Manometern in allen Fällen gleich, dagegen zeigen sich, wie zu er- waıten ist, nach Einschaltung der künstlichen Dämpfungen wesent- liche Unterschiede in dem Sinne, dass die Anstiegszeiten der Mano- meter um so mehr verlängert werden, je grösser die Membran- durchmesser sind. Die Manometer gleicher Empfindlichkeit stehen also, wenn man ihre Leistungsfähigkeit nach der Anstiegszeit bei gleicher Dämpfung beurteilt, in umgekehrter Reihenfolge wie die Membrandurchmesser. Was die Wiedergabe der geforderten Kurven betrifft, so genügt keines der vier Instrumente im ungedämpften Zustand zur einwand- freien Darstellung; dabei ist zu berücksichtigen, dass die Darstellung von 200 Pulsen der vorliegenden Form pro Minute auch eine An- forderung ist, wie sie kaum von einem Manometer bei physiologi- schen Versuchen verlangt werden wird. Ein Blick auf die Kurven der Taf. III zeigt aber, dass die Entstellung wiederum mit dem Membrandurchmesser zunimmt. Beim Manometer I besteht sie aus einer kleinen Schleuderung am Ende des Aufstiegs und Abstiegs 934 K. Hürthle: und im schrägen Verlauf der horizontalen Linien. Bei den andern Manometern treten immer stärker ausgeprägte Eigenschwingungen im Plateau und insbesondere in der Pause auf. Dureh Einschaltung der Dämpfung 0,6 mm werden diese FKigenschwingungen grossenteils beseitigt, und die Kurven der vier Manometer werden sich ähnlicher. Durch die Dämpfung 0,4 mm endlich werden die Kurven der Manometer I und I noch weiter verbessert, die der beiden anderen aber verschlechtert: bei der Kurve des Manometers IV verschwindet das Plateau und sie nimmt die Form einer eingipfligen Kurve mit abgerundeter Spitze an, unter beträchtlicher Verlängerung der Anstiegszeit, desgleichen verschwindet der scharfe Übergang des absteigenden Schenkels in den horizontalen. — Ähnliches, nur weniger stark aus- gebildet, bemerkt man beim Manometer III; ein Plateau ist noch vorhanden, aber etwa auf die Hälfte gekürzt. — Wesentlich besser sind die Kurven des Manometers II; doch fehlt auch hier der scharfe Übergang des aufsteigenden Schenkels in das Plateau und nament- lich der des absteigenden Schenkels in die Linie der Pause. — Die beste Darstellung gibt ohne Zweifel Manometer IV mit der kleinsten Membran. Sie kann als getreue Wiedergabe des geforderten Pulses betrachtet werden, mit Ausnahme des allmähliehen Überganges des absteigenden Schenkels in den horizontalen. Was schliesslich die Rückwirkung des Manometers auf die Trommel 77 betrifft, so ist deren quantitative Feststellung durch die obengenannten Frzitterungen etwas erschwert, doch lässt sich das Folgende aus den Kurven mit Sicherheit entnehmen: Eine Rückwirkung des Manometers auf die Trommel ist nur am ungedämpften Manometer zu erkennen, und zwar in Form von Druckschwankungen an der horizontalen Linie während der Pause ; am. cedämpften ist eine deutliche Rückwirkung nicht nachzuweisen. Von den einzelnen Manometern übt das Manometer IV entschieden die grösste Rückwirkung aus, wie von vornherein zu erwarten ist, und wie ein Blick auf die Kurven der einzelnen Manometer zeiet. Vergleicht man das vorliegende Ergebnis mit demjenigen, welches dieselben Manometer, nach der Schwingungsmethode untersucht, ge- liefert haben, so stimmen beide im allgemeinen überein, nur beim Man. I (0,54 em Membran) gehen sie auseinander: nach der Schwingungsmethode untersucht zeigt dieses nur dann die höhere. Schwingungszahl im Vergleich zu den Manometern mit grösserer — — — m Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 235 Membran, wenn die wirksame Masse relativ gross (550) ist, während bei kleiner wirksamer Masse (100) das Man. II (0,72 cm Membran) die höchste Schwinguneszahl zeigt (Tab. XXVIe S. 220 der vorher- gehenden Abhandlung). Da nun bei der Prüfung mit künstlichen Druckschwankungen die wirksame Masse 115 ist (s. S. 230), so wäre nach der Schwingungsmethode zu erwarten gewesen, dass die Leistungen des Man. II die höchsten sind. Das ist aber nicht der Fall; es wird vom Man. I entschieden übertroffen. Ich bin daher nicht überzeugt, dass die Schwinguneszahl einen in allen Fällen zuverlässigen Maßstab für die Leistungen der Manometer beim praktischen Gebrauch dar- stellt, sondern halte eine weitere vergleichende Prüfung der In- strumente nach beiden Methoden zur Entscheidung der Frage für notwendig. Jedenfalls geht aber auch aus dieser Prüfung in über- zeugender Weise hervor, wie ungerechtfertigt das Urteil Frank’s über den Membranquerschnitt meiner Hebelmanometer ist. Versuchsweise habe ich zur Prüfung der Manometer mit künst- lichen Druckschwankungen noch eine zweite Methode benutzt, welche gegenüber der eben beschriebenen gewisse Vorzüge aber auch. Nachteile hat. Sie besteht darin, dass Druckschwankungen in einer strömenden Flüssigkeit erzeust und einerseits direkt, andererseits von dem zu prüfenden Manometer registriert werden. Zur Erzeugung der Druckschwankungen benutzte ich die rhythmische Öffnung und Schliessung des Hahnes 7%, Fig. 2; er mündet in den am Boden befindlichen Tubulus einer wassergefüllten Flasche in welcher ein Druck von etwa 150 em herrscht. An den Hahn ist die Röhre R, R, von 9mm Durchmesser durch ein mehr oder weniger dehnbares Gummi- stück angeschlossen und au AR, wieder eine in der Figur nicht gezeich- DD 36 R. Hürthle: nete elastische oder starre Röhre, welche an ihrem freien Ende einen durch einen Quetschhahn regulierbaren Widerstand hat. Bei der rhyth- nischen Drehung des Hahnes ZA entsteht nun eine pulsatorische Strömung durch das Röhrensystem, deren Geschwindigkeit durch (den regulierbaren Widerstand abgeändert werden kann, und deren Nebenwellen um so rascher verlaufen, je kürzer das System und je grösser seine Elastizität ist. Sind die Röhren aus Glas oder Metall und durch kurze, wenig dehnbare Gummistücke verbunden, so erhält man rasch verlaufende Druckschwankungen mit komplizierten Neben- wellen, deren Darstellung erosse Anforderungen an ein Mano- meter stellt. Die in der Röhre R,R, auftretenden Druckschwankungen werden in folgender Weise direkt registriert: Auf die Röhre ist der kurze Zylinder € von 5 mm liehter Weite und gleicher Höhe aufgesetzt, der mit einer starken, straff gespannten Gummimembran überzogen wird. Die dieser Membran mitgeteilten Bewegungen werden durch einen Hebel H, von sehr geringem Trägheitsmoment zunächst mechanisch und dann optisch vergrössert registriert. Unterhalb des Zylinders C und senkrecht zu diesem zweigt aus der Röhre R,R, ein Fortsatz F von 7 mm Durchmesser und 3 em Länge ab, der mit der Zuleitungsröhre F, des Manometers M durch Röhren von verschiedenen Dimensionen verbunden werden kann. Nachdem das gauze System Jluftfrei mit Wasser gefüllt ist, zeichnen die beiden Hebel #4, und A, bei den Drehungen des Hahnes 7% ihre Kurven unmittelbar übereinander auf und gestatten so eine direkte Vergleichung. Bei der Diskussion dieser Methode ist zu bedenken, dass die vom Manometer darzustellenden Druckschwankungen zunächst nicht von bekannter Form sind wie bei der vorhergehenden. — Die Druck- schwankung muss vielmehr erst durch den Registrierapparat CH, dargestellt werden, und es fragt sich, ob sie durch diesen un- entstellt wiedergegeben wird. Dies kann unbedingt angenomnien werden, denn die wirksame Masse ist praktisch gleich Null (in Wirklichkeit 2,54), E’ sehr gross, schätzungsweise 100-10® Es könnte also nur die wirksame Masse des Hebels 7, störend wirken. Gibt man aber diesem ein sehr geringes Trägheitsmoment und wendet nicht mehr als sechsfache Hebelvergrösserung an, so darf man zuversichtlich erwarten, dass die von H, registrierten Bewegungen Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 237 mit den bei Ausschluss von © vorhandenen identisch sind. Wollte man die Bewegungen des Hebels 7, aber nicht optisch, sondern mechanisch registrieren, dann müsste man sieh allerdings durch be- sondere Versuche überzeugen, ob die erhaltenen Kurven den Druck- verlauf in der Röhre unentstellt wiedergeben. Man. ll a. ungedampftt. Man. IIb, Dämpfung 0,6. Man. IIc, Dämpfung 0,4. Man. Ild. Man. IV a, ungedämpft. Man. IV b, Dämpfung 0,6. Man. IV e, Dämpfung 0,4. Fig. 3. Mit dieser Methode wurde vorläufig eine vergleichende Prüfung | der oben beschriebenen Manometer II und IV!) (mit 0,72 und | 1,11 em Membrandurchmesser) im gedämpften und ungedämpften Zustand vorgenommen. Das Ergebnis ist aus den Kurven der Fig. 3 | za ersehen. Die Kurven des Hebels 1 liegen in allen Fällen unten, | die des Manometerhebels oben. Die Ausschläge des Manometcr- | hebels sind etwas grösser als die des Hebels 1. | Re N Expcerimentalkritik S. 216. 938 K. Hürthle: Im ungedämpften Zustand wiederholen beide Manometer die Kurven des Hebels 1. Allein bei der Ausschaltune der Manometer [Kurve IId]!) oder schon bei der Einschaltung der Dämpfungen zeiet sich, dass die ursprüngliche Druckschwankung durch die Rück- wirkung der Manometer entstellt wird. Diese Entstellung ist aber wesentlich grösser beim Man. IV als beim Man. II. Durch die Dämpfung 0,6 werden nun die Eigenschwingungen des Man. IV ab- geschwächt, aber nicht vollständig beseitigt, während bei der Ein- schaltung der Dämpfung 0,4 das Manometer viel zu träge wird und statt des Plateaus eine eingeipflige Kurve verzeichnet. Beim Man. II werden die viel geringeren Eigenschwineungen durch die Dämpfung 0,6 vollständig beseitigt, während durch die Dämpfung 0,4 auch dieses Manometer im Verhältnis zu den Anforderungen schon so träge gemacht wird, dass es das Plateau nicht ganz ungekürzt wiedergibt. Die Ergebnisse der beiden Methoden zur Prüfung der Mano- meter mit künstlichen Druckschwankungen stimmen also in den wesentlichen Punkten überein. Die erste, bei welcher die Druck- schwankungen in einer ruhenden Flüssiekeit mit Hilfe eines Ex-' zenters erzeugt werden, hat den Vorteil, dass die Form des Druck- verlaufs von vornherein bekannt ist und sich mit Sicherheit in gleicher Form wiederholen lässt. Bei der zweiten Methode, bei welcher die Druckschwankungen in einer strömenden Flüssigkeit er- zeugt werden, gelingt die Erzielung der Gleichförmigkeit nicht so sicher, wenigstens bei der geschilderten Handhabung des Verfahrens, und man müsste zur Erreichung grösserer Gleichartigkeit der Druck- schwankungen eleichfalls zum maschinellen Betrieb übergehen. Ausserdem hat sie den Nachteil, dass die auftretende Druck- schwankung nicht von vornherein bekannt ist, sondern durch Re- sistrierung festgestellt werden muss. Einen Vorzug der Methode sehe ich in dem Umstand, dass sie das Manometer unter Bedingungen prüft, welche den im Kreislauf vorhandenen ähnlicher sind als die der ersten Methode. Möglicherweise lassen sich die angegebenen Nachteile künftighin dadurch beseitigen, dass man beide Methoden kombiniert, d. h. Druckschwankungen in einer strömenden Flüssig- keit mit Hilfe eines Exzenters herstellt. 1) Die Kurve des Hebels 1 nach Ausschaltung des Manometers IV ist nicht wiedergegeben, da sie mit der Kurve des Hebels 1 bei Einschaltung der Dämpfung 0,4 übereinstimmt. Die Prüfung der Manometer mit Druckschwankungen von bekannter Form. 939 Zusammenfassung der Ergebnisse. Da die Korrektur der vom Manometer verzeichneten Kurven auf Grund der Theorie mit Hilfe der Zahl der Eigenschwingungen und der Dekremente die eingangs genannten Fehler hat, und da nicht erwiesen ist, dass die Schwingungszahl des Manometers auch in den Fällen ein Maßstab seiner Güte ist, in welchen die Theorie ver- sagt, ist es wichtig, ein allgemein gültiges Verfahren zur Prüfung der Leistungen der Manometer zu besitzen. Ein solches ist im Vorhergehenden in zwei Modifikationen beschrieben und hat zu folgendem Ergebnis geführt: 1. Die Leistungen der Hebelmanometer gleicher Empfindlichkeit wachsen mit abnehmendem Membranquerschnitt bis herab zu 5Y/a mm Durchmesser. 2. Durch geeignete Dämpfung wird die Leistung der Manometer erhöht. 3. Mit Hilfe der beschriebenen Methode lässt sich auch die Rückwirkung des Manometers auf die einwirkende Kraft nach- weisen. 4. Die Prüfung der Manometer mit künstlichen Druck- schwankungen von bekannter Form führt nicht durchweg zu den- selben Ergebnissen wie die Prüfung nach der Schwingungsmethode. 340 K. Hürthle: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslan.) Technische Mitteilungen. Von K. Hürthle. * (Mit 2 Textfiguren.) Inhaltsverzeichnis. 1. Torsionsmanometer.. on. a N a LEE 240 2: TBichungssygomichtung Al... NEL IRSEATER AN SIR BTTIEEEE 246 3, Rapillaryolumetert rg sc 8 1 ee Bee ES NE EEE 249 1. Beschreibung eines Torsions-Feder-Manometers mit auswechsel- barer unveränderlicher Dämpfung für mechanische oder optische Registrierung. Das Manometer stellt eine Verbesserung eines ähnlichen Instru- mentes dar, welches in diesem Archiv Bd. 72 S. 567 beschrieben ist. Es ist auf S. 241 abgebildet, und zwar in Fig. a im Längs- schnitt und in Fig. b von oben gesehen. Fig. ce stellt den druck- resistrierenden Teil von vorn gesehen und Fig. d und e die Muffe mit Vorrichtung zum feinen Anlegen dar. Das Manometer zerfällt in zwei Teile, welche durch Schrauben Sch1 und 2 miteinander verbunden sind: a) die Vorrichtung zur Messung und Registrierung des Druckes O Fie.a, b und ec; b) die Vorrichtung zur Zuleitung des Druckes ZI MZ2 Fig. a. a) Der druckregistrierende Teil besteht aus einer Vor- riehtung zum Spannen einer dünnen Stahllamelle (Uhrfeder FF Fig. b und ce, welche durch Torsion in Anspruch genommen wird und mit dem Hebel 4 fest verbunden ist. Die Feder FF ist in den Backen BB festgeklemmt, und diese können durch Drehung des Kopfes Sch5 der Doppelspindel Sp mit Rechts- und Linksgang bis zur genügerden Spannung der Feder auseinandergetrieben werden, Technische Mitteilungen. 241 worauf die Spindel durch die Schraube Sch4 festgestellt wird. Die Backen haben ausserdem noch eine Führung in dem Stab PP Fig. e. an, le _ Q Pr S 6) = 2 \ 9 2 } H Aae A—1i kinetische Energie: A NN = ll A) die potentielle Energie: ®—=1 Ea? | wo E einen noch näher zu bestimmenden Proportionalitätsfaktor bedeutet. Nach Lagrange ist nun die Bewegungsgleichung Oo oA d oA dl-——= =) Die Ausrechnung ereibt: 2D 9A | dz d dx d’x a zu om nt: er dt Also folgt die Differentialgleichung: we ni (a) dt von der eine partikuläre Lösung ist: c — c08 VE: a h) Die Schwingungsdauer dieses Systems ist: 1-2 |/% N re RE Bis hier stimmt im wesentlichen Alles mit Frank überein. Wir gehen nun zur Untersuchung des Proportionalitätsfaktors Z über. Nach Ausweis von (3) ist der absolute Betrag von E ZI = Kraft v8 a Kraftzuwachs AK . Verschiebung ’ _ Verschiebungszuwachs Jx Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von OÖ. Frank etc. 253 Man kann nun nach Frank eine kleine Transformation aus- führen, indem man statt der Kraft X den hydrostatischen Druck p einführt; setzt ınan dementsprechend KON le ame, (0/8) ferner: RO lab) wobei V also die Volumverschiebung des Flüssigkeitsendes A aus der Ruhelage bedeutet, und endlich: I 150) so folgt durch Einsetzen in (4): IN gr u ann lZ ° () . AV Bezeichnet man nach Frank Ls 2 N 1o) — M' als wirksame Masse, (° (8a) IDEE 7 s Blachtätskonstente, \ (8b) gzyE: ST EIEISNSENID, 7 © so hat man — N x = C0S le | (9a) m. Dunn x kann daher auch als Lösung der folgenden Differentialgleichung betrachtet werden: ndaz ' M at? En E x — 0 D D D . . » (3 a) die mit der ersten natürlich identisch ist. Von Interesse ist nun Gleichung (9b), die wir in folgender Weise schreiben: —D blue Var (ld T 7C oE (9b) und zwar sieht man daraus, wie sich 7 mit den Bestimmungs- stücken Z, s, Q, E’ ändert. E' ist der Messung leicht zugänglich und seine Einführung durch Frank daher als zweckmässig zu bezeichnen. Man kann Z’ mit Rücksicht auf seine Bedeutung in (3a) als „Elastizitätskonstante“ des Manometers bezeichnen; natürlich kann man auch E selbst nach 254 Clemens Schaefer: Gleichung (3) diesen Namen beilegen. Letztere Bezeichnung ent- spricht der in der Mechanik üblichen. Ich mache darauf aus folgen- dem Grunde aufmerksam: Frank wundert sich ausserordentlich darüber!), dass in Formel 9b) YQ im Nenner steht. In der Tat, da nach Voraus- setzung das Manometer wie ein Massenpunkt sich verhalten soll, sollte man auf den ersten Blick VQ im Zähler erwarten. Eine derartige Überlegung ist offenbar der Grund von Frank ’s Erstaunen. Eine solehe Erwägung trifft jedoch nicht den Kern der Sache. Denn wenn man, was ja natürlich möglich ist, E (an Stelle von £’) in den betreffenden Formeln beibehält, so ergibt Gleichung (5) 7—2./20 ER) E also VQ im Zähler. Dass VQ im Nenner von (9b) auftritt, rührt lediglich von der Frank’schen Einführung der Grösse E’ in die Gleichungen her. Dagegen ist auch gar nichts zu erinnern; nur ist es keines- wees wunderbar (da dies Verfahren von dem in der Mechanik meist gebräuchlichen abweicht), dass die Formeln etwas anders aus- sehen, dass insbesondere hier VQ im Nenner auftritt. Nach dieser Auseinandersetzung dürfte es klar sein, dass man ebensowohl sagen kann, dass 7 proportional VQ, wie auch, dass T umgekehrt proportional VQ@ sei; man muss sich nur jedesmal klar- machen, ob unter dem Elastizitätskoeffizienten E oder E’ gemeint ist. 82. Bis hierher waren Frank’s Deduktionen, wenigstens so- weit es auf das Resultat ankommt, richtig. Da jedoch das in Fig. 1 betrachtete Manometer der Wirklichkeit insofern nicht ent- spricht, als beim Tierversuch Röhrenverbindungen von verschiedenem Querschnitt benutzt werden müssen, so sucht Frank in dem folgen- den Abschnitte?) die Theorie auf solche Manometer zu erweitern. Diese Erweiterung bildet das eigentlich Neue in der Arbeit Frank’s, denn die in $ 1 behandelten Entwicklungen sind wesentlich schon bei Frank’s Vorgängern vorhanden. 1) Frank, Kritik S. 471 und 481. 2) Kritik S. 481 ff., besonders S. 484 ff. Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von O. Frank etc. 255 Wir betrachten ein Röhrensystem von n Röhren. Länge und Querschnitt der Aten Röhre seien Z, und Q;. Die nte (letzte) Röhre ist wieder durch eine Membran verschlossen. Das ganze Röhren- system ist mit Flüssigkeit von dem spezifischen Gewicht s gefüllt und das Koordinatenkreuz wie in Fig. 1 gewählt. Frank erhält hier!), wie er sagt, durch Anwendung des d’Alembert’schen Prinzips, folgende Differentialgleichung: 2 1, ad = yı ba di? 7 Qa wo die Summe über das ganze Röhrensystem zu erstrecken ist. or dio) zz Achne Fig. 2. Ich muss aber zu meinem Bedauern gestehen, dass ich diese Anwendung des d’Alembert’schen Prinzips nicht verstanden habe. Ich werde in der Tat im folgenden zeigen, dass die obige Differentialgleichung falsch ist. Wir können, um zur Aufstellung der richtigen Differentialgleichung zu gelangen, wieder das in $ 1 eingeschlagene Verfahren anwenden. Bezeichnen wir mit x, die Verschiebung des Endes A der Flüssigkeit aus der Ruhelage, mit x, bis x, die entsprechenden Verschiebungen in den Röhren 2 bis n, so sind die Geschwindigkeiten in den ein- zelnen Röhren respektive dan das dan ae 1) Kritik S. 487, Gleichung (10); Frank schreibt diese Gleichung etwas anders, aber sie ist mit der von mir angegebenen Form identisch. 256 Clemens Schaefer: Wir erhalten so für die kinetische Energie: dx d:ts AN. Ay 4 (a) + m. (3) = 2.() h (11a) für die RE Energie: ER sl. uiid) mit M, bis M, sind die Flüssigkeitsmengen in den entsprechenden Röhren bezeichnet. Den Ausdruck für die lebendige Kraft kann man verändern, wenn man berücksichtigt, dass: M=(L-2)Q5 NM; — L, %> 5; M,;=L:Q:is A=2.3,:- » n—l) M„=(L, +20 )@a Ss. Man erhält so aus (11a): 4=4{inna (2) a: ()-: (2, 22)0, ) 1 1 1{5m0 (1) a0 (in) Nun bestehen weiter, wegen der Inkompressibilität der Flüssig- keit, die Beziehungen: oder ER Tr Q2X, Fe Qirı Immer Dan oder auch, durch Differentiation: 7 re Ge ne Daraus Fe die Relationen: Qı Dr Tı, On ds a: dx 1 ‚ da, EEE da; di = ODE rd 0, 00 Also ergibt sich endlich: 0,5 (dx ın ü Earl) Ebenso folgt für ®: | a) Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von O. Frank etc. 257 Bilden wir nun die Lagrange’sche Gleichung! Wir er- halten der Reihe nach: ERNEQ5 =. Q Ber a2 Nr 7 A AROR da I I Cy) N A SE 14 Ä = zu, 0° 5 ah I 2 [Ara Qı 4 \® et Zaun d oA a de 2 fr: L; ee (o=- =} lt a) \ dt ea 6) Im 0 © Xı Bezeiehnen wir der Kürze halber s 1 1 i 3 Qı Io — ni mit DB, so erhalten wir als endgültige Gleichung: 2 2 N 2 use 2Bn Bl) +En-0 Dies ist die unter den gemachten Voraussetzungen richtige Gleichung, die an Stelle der falschen Gleiehung von Frank zu treten hat. Man erkennt daraus folgendes: Wenn — was aber bei Blutdruckversuchen unmöglich ist, wie mir Hürthle mitgeteilt hat — 9, = ®,, d. h. Anfangs- und End- querschnitt gleich sind, dann und nur dann reduziert sich ne 13 auf die folgende: as > — m Em =, die mit der Frank’schen identisch ist. In allen anderen Fällen aber, insbesondere auch in denjenigen, auf die Frank seine Gleichung 10 angewendet bat, ist die Frank ’sche Differential- gleichung unrichtig, was infolge seines falschen Raisonnements nicht wunderbar ist. Dass Frank auf Grund seiner Überlegungen über- haupt zu einer Gleichung gekommen ist, die wenigstens in einem Spezialfalle richtig ist, beruht offenbar auf einem glücklichen Zufall. Pflüger’s Archiv für Physiologie. BA. 137. 17 358 Clemens Schaeter: Grundsätzlich fallen damit die Konsequenzen, die Frank aus seiner Gleichung für die Konstruktion von Manometern gezogen hat. Ich sage grundsätzlich deshalb, weil ich die Möglichkeit nicht leugnen will, dass annähernd die Lösung von Gleichung (13) mit derjenigen von (10) übereinstimmt. In Strenge ist dies nicht der Fall, und der Nachweis, dass annähernd seine Resultate vielleicht bestehen bleiben können, ist natürlich Sache von Frank. Ich be- gnüge mich hier mit dem Nachweise, dass die mit so grosser Zu- versichtlichkeit von Frank aufgestellten Behauptungen mit Reserve aufzunehmen sind. Die Differentialgleichung (135) hat folgende Gestalt: A Mn dx da\? me +02=2B|o ee] oder, wenn wir in Zukunft die Differentiationen durch Striche be- zeichnen: u Un ZU iii) oa dl) Diese Differentialgleichung tritt, nebenbei bemerkt, auch auf bei den Schwingungen einer Flüssigkeit in einer U-förmigen Röhre mit ungleichem Querschnitt in beiden Schenkeln !). Gleichung (13) lässt sich nicht in geschlossener Form integrieren, sondern liefert eine unendliche Reihe von trigonometrischen Funktionen. Da diese Differentialgleichung in mancher Hinsicht von Interesse ist, so deute ich im folgenden den Gane der Integration an. Bezeichnen wir die Anfangsamplitude mit c, und setzen fest, dass für 1 — 0 22 — ce unten —_ Wseinssollunserer 05) so lässt sich nach einem von Poincare&°) bewiesenen Satze & in eine Potenzreihe von c entwickeln, die für hinreichend kleine Werte von |c| konvergent ist: ee ER +: . . (16) Setzt man diese Reihe ein, so folet: Alcep”"+egp" +: + CI +@®p+::-)= 2 B{ &pıyı" + (gi + MP)+ 7 +B{ep?+2egp'p +}; 1) D. h. bei dem von Frank sogen. Gravitationsmanometer; auch hier ist die Frank’sche Differentialgleichung unrichtig —, und sein Anspruch (Theorie der Gravitationsmanometer. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 33), die Theorie auf variable Querschnitte erweitert zu haben, hinfällig. 2) Poincare, Mecanique celeste t.1 p.58. Vgl. auch Picard, Traite d’Analyse t.3 p. 157. — J. Horn, Zeitschr. f. Math. u. Physik Bd. 47 S.400ff. 1902. Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von O. Frank etc. 259 durch Gleichsetzen der Koeffizienten gleicher Potenzen von c auf beiden Seiten folgt für das System der p: Apı + Cam), Ag: + Cp=2ByyYı" + By’, nr (17) Dazu tritt infolge der Anfangsbedingungen (15): Für ti = 0: 9ı (0) rss Il, $s(0) RER P3(0) =... (0) — (j) . 91 (0) = 93 (0) = 95 (0): -—0. So ergibt sich für g:: pi —= 608 nl, wenn N, — u gesetzt wird. Daraus folgt für g, die Gleichung nach (17): eo +00 — — _._ cos? not + = No: Sin? Not, oder, unter Benutzung der bekannten a Formeln: co®&—++%c0os25 sin&—4—-1c0s28 ergibt sich endlich: B 3B 22 9) DER N pp — — NG N9- 608 2 Not 0 9 ara aayal ! als deren Lösung sich unter Berücksichtigung der Anfangswerte nach (18) ereibt: B Pa — — gay en 2n 2 und so fort. Es ergibt sich also in erster Näherung: = C. 608 Not — c? Sat eos 2m en (LO) Man erkennt also, dass neben der Grundschwingung auch noch die Oktave u. s. w. auftreten, und man sieht ohne weiteres, dass die resultierende Schwingung viel komplizierter ist, als Frank es vermutete. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ein Teil der Abweichungen von der Frank’schen Theorie, die Hürthle festgestellt hat, darauf beruht. Andererseits möchte ich aber betonen, dass sicher nicht alle Ergebnisse Hürthle’s sich durch die hier entwickelte Theorie erklären lassen. Vielmehr glaube ich, dass gerade bei grossen Eigenschwingungszahlen, d. h. dann, wenn die Manometer brauchbar sind, überhaupt die einfachen Voraussetzungen, na 260 Clemens Schaefer: dass die Flüssigkeit sich als Ganzes bewegt, und dass der Wider- stand proportional der Geschwindigkeit ist, nicht mehr stichhaltie sind. Man kann, ohne ein Prophet zu sein, voraussagen, dass bei Berücksichtigung aller dieser Umstände, die Aufstellung einer exakten Theorie mathematisch hoffnungslos ist, und ich möchte daher noch- mals mit Nachdruck betonen, dass das Experiment bei dem heutigen Stande der Dinge mir das einzige Mittel zu sein scheint, das zur Konstruktion eines brauchbaren Instrumentes führen kann. d. Ein klassisches Beispiel dafür, zu welch’ falschen Folgerungen eine unrichtig interpretierte Theorie führen kann, ist die Geschichte der Frage der Dämpfung der Manometer. Während die Praxis [Fiek!), Hürthle?)] sich dafür entschieden hat, grosse Dämpfungen am Manometer anzubringen, hat man aus der Theorie schliessen zu können geglaubt, dass die Dämpfung möglichst klein sein müsse. Und zwar stützt sich diese Meinung auf einen Satz einer Abhandlung Mach’s°): „zur Theorie der Pulswellenzeichner“ ; aus dieser Ab- handlung hat auch Frank) diese Anschauung übernommen. Der erwähnte Satz lautet folgendermaßen: „Wenn man in Erwägung zieht, dass auch der kleinste Wider- stand nach und nach jede Spur selbst eines ungünstigen Anfangs- zustandes (d. h. des Einflusses der Eigenschwingungen; Zusatz von mir) vernichten wird, so muss man sich dafür entscheiden, dass man einen Wellenzeichner ..... mit möglichst geringem Wider- stande zu konstruieren habe.“ Dieser Satz ist vollkommen riehtig, und doch ist die obenerwähnte Folgerung aus demselben falsch; denn man hat übersehen, dass Mach ihn unter der Voraussetzung ausspricht, dass die äussere Kraft eine stetige Funktion der Zeit dar- stelle. Dieser Sachverhalt geht insbesondere aus den Worten seines obigen Satzes hervor, dass „nach und nach“ der Einfluss der Eigenschwingungen erlösche. Dass in der Tat, wenn N 1) Fick, Med. Physik, 2. Aufl., S. 131. 1866. 2) Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 47 S.8. 1890. 8) Mach, Sitzungsber. d. Wiener Akademie, math.-naturw. Klasse Bd. 46 Abt. 2 S. 163. 1862. 4) Frank, Kritik S. 571. Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von O. Frank etc. 261 man als äussere Kraft eine stetige Funktion der Zeit wählt, der Mach’sche Satz richtig ist, lässt sich sehr einfach zeigen. Es sei gegeben die Differentialgleichung eines gedämpft schwingenden Massenpunktes unter der Wirkung einer stetigen Kraft 1, n > A, cos pıt z} 1, ma" +kx2 + ax— 3 Arcospit. . . . (20) dh Das allgemeine Integral dieser Gleichung (d. h. die registrierte Kurve) lautet dann: = SB cos (pt — W,) + « et (ie ö) 21 u 08 (Pit — Wi; ae cos re (21) wo « und Öd die aus dem Anfangszustand zu bestimmenden Integrations- konstanten sind; 5, und w, haben folgende Werte: 2) B; gan A: 3 “ (mi —— =) m Ve ®: — 9?) + eo is AR) 4 m? \ k 2102) tang ib; — - nn | Man erkennt, dass für = 0, wie klein es auch gewählt sei, das zweite Glied wegen des Exponentialfaktors „nach und nach“ verschwinden muss. Es verschwindet um so rascher, je grösser die Dämpfung ist. Nehmen wir nun eine hinreichend lange Zeit als verflossen an, so haben wir es nur mit dem ersten Gliede zu tun, welches die erzwungenen Schwingungen darstellt: 1, n — = Bı cos (pt). » » » . (2la) Hier setzt nun die Frage Mach’s ein: Wie gross muss % gewählt werden, damit die Form der registrierten Kurve, die durch die letzte Gleichung ausgedrückt wird, (abgesehen von etwaigen nicht störenden konstanten Faktoren) möglichst identisch wird mit der zu registrie- renden äusseren Kraft 3 A, cos pıt? Unter der stets zu machenden Voraussetzung, dass n, sehr viel grösser als alle p, ist, erkennt man, dass es hier am günstigsten sein muss, % möglichst nahe an 0 zu wählen. Denn dann ist nach der Gleichung (22): kan, — 0 deh. u, — 0; A, en m (N. —p3”) oder, da pı? gegen n,- vernachlässigt werden kann: 262 Clemens Schaefer: BE! IM. No salas \ : 1 die Faktoren 5, sind also bis auf den konstanten Faktor — —, M. NG identisch mit den A;, und die registrierte Kurve ist das verkleinerte oder vergrösserte, aber treue Abbild der zu registrierenden. Der Mach’sche Satz ist also richtig. Der Fehler der erwähnten Schlussfolgerung liegt darin, dass die Blutdruckkurven unstetige oder nahezu unstetige Funktionen der Zeit sind. Um den wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Fällen einzusehen, beachte man folgendes: Der Einfluss der Dämpfung ist von doppelter Art. Erstens vernichtet sie mit der Zeit den störenden Einfluss der Eigenschwingungen, und zwar um so schneller, je grösser sie ist. Zweitens entstellt die Dämpfung das Glied, welches die erzwungene Schwingung darstellt, und zwar um so mehr, je grösser sie ist. Im Falle einer zeitlich stetigen Kurve hat man nun immer so lange Zeit zu warten, bis die Eigenschwingungen erloschen sind. Für die Beurteilung der Wirkung der Dämpfung kommt dann nur noch das erste Glied, welches die erzwungenen Schwingungen darstellt, in Betracht. Dies ist jedoch offenbar nur ein ganz spezieller Fall. Denn wenn man nicht Zeithat, so lange zu warten, bis die Eigenschwingungen er- loschen sind, sondern wenn es gerade auf eine gute Registrierung zu Anfang ankommt, so hat man bei der Beurteilung der Dämpfungs- wirkung die beiden Effekte derselben in Rechnung zu setzen, von denen der eine (Unterdrückung der Eigenschwingungen) günstig, der andere aber (Entstellung der erzwungenen Schwingungen) ungünstig für die Treue der registrierten Kurve ist. Aus diesen gegen einander wirkenden Folgen der Dämpfung ergibt sich, dass ein gewisser Wert; derselben ein Optimum darstellt. Bei der Aufnahme von Blutdruckkurven ist man nunin der Tat nieht in der Lage, das Absterben der Eigenschwingungen abzuwarten, die vielmehr bei jedem Stosse aufs neue ein- setzen!). 1) Der Grund hierfür ist ziemlich kompliziert, und die Theorie bedürfte einer zwar durchführbaren, aber nicht ganz einfachen Erweiterung, um diese Erscheinung wiederzugeben. Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von OÖ. Frank etc. 203 In Fie. 3a ist z. B. eine schematisierte Blutdruckkurve gezeichnet, die vom Manometer registriert werden soll. Hier kommt es offen- Fig. 3. bar darauf an, die Gestalt der Kurven an den Ecken a, db, c, d genau zu kennen. An der Eeke b sowohl wie an der Ecke d ent- 264 Clemens Schaefer: stehen aber jedesmal von neuem Eigenschwingungen, die also zur Erreichung des gewünschten Zweckes sofort unterdrückt werden müssen, was eine hinreichend grosse Dämpfung erfordert. In Fig. 3b ist eine Kurve gezeichnet von einem möglichst un- sedämpften Manometer, die eigentlich mit Fig. 3a identisch sein soll. Man erkennt, wie kolossal die Entstellungen durch die Eigen- schwingungen hier sind. Würde man mit diesem Manometer un- stetige Druckschwankungen von unbekannter Form registrieren, so würde man aus der registrierten Kurve so gut wie nichts über den wahren Druckverlauf entnehmen können. Dagegen ist in Fig. 3c die von demselben Manometer registrierte Kurve aufgezeichnet, nachdem eine geeignete Dämpfung in dasselbe eingeführt worden ist. Ein Kommentar ist hier überflüssig; die drei Kurven beweisen schlagender als alle theoretischen Auseinander- setzungen, dass durch Einführung einer geeigneten Dämpfung die Leistungsfähigkeit der Manometer gesteigert wird. $4. In einer Erwiderung auf die Kritik von Nicolai und Schlick erwähnt Frank!) mehrfach eine in den Annalen der Physik von ihm veröffentlichte Abhandlung?): „Über die Analyse endlicher Dehnungen und die Elastizität des Kautschuks“, in der er gezeiet zu haben behauptet, dass unter Umständen eine Ausdehnung der Lehren der Elastizitätstheorie auf endliche Deformationen möglich sei, ein Resultat, das er erst durch „neue, verwickelte Überlegungen“ erreicht habe. Frank’s Überlegungen sind etwa folgende: Das Hooke’sche Gesetz der Elastizitätslehre spricht die Proportionalität zwischen Deformation und deformierender Kraft aus. Es handele sich z. B. um die Längsdehnung eines Stabes, dessen ursprüngliche Länge Z, dessen Querschnitt ®, und dessen Elastizitätsmodul E sei. P be- zeichne das angehängte Gewicht, A die durch dasselbe hervorgebrachte Verlängerung des Stabes. Dann wird das Hooke’sche Gesetz ge- wöhnlich so formuliert: ne 1) ©. Frank, Zeitschr. f. Biol. Bd. 50 S. 283. 1908. 2) OÖ. Frank, Ann. d. Physik Bd.4 S. 602. 1906. Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von O. Frank etc. 265 Die experimentelle Prüfung dieser Formulierung hat jedoch er- geben, dass sie nur für sehr kleine Deformationen, streng ge- nommen nur für unendlich kleine, ausreicht. Ferner ist zu beachten, dass bei der Dehnung des Stabes gleichzeitig eine Kontraktion des Querschnitts eintritt, die in der obigen Formel vernachlässigt ist. Auf experimentellem Wege hat man ge- funden, dass an Stelle der Gleichung (23) die folgende empirische zu treten hat: Aa vor Be Be eat... (24) Diese sagt aus, dass die Verlängerung rascher zunimmt wie die angehängten Gewichte. Frank hat nun den an sich ganz richtigen Gedanken gehabt, das Hooke’sche Gesetz für unendlich kleine Verlängerungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Querkontraktion anzusetzen, die erhaltene Differentialgleichung zu integrieren und so zu einer streng richtigen Beziehung für endliche Deformationen zu gelangen. Gegeben sei ein Stab von der ursprünglichen Länge x, und dem ursprünglichen Querschnitt 9 = Yo &. Dann setzt Frank richtig an: ee Diese Gleichung ist offenbar das Hooke’sche Gesetz für un- endlich kleine Deformationen. Für die Querkontraktion gilt ebenso ee (28, ar. (26) ET wo u den sogenannten Poisson’schen „Querkontraktionskoeffizienten“ bezeichnet. Die Integration der letzten Gleichung zwischen den Grenzen x, und z, y, und y, 2, und 2 ergibt: =)“ Ba on) X = (2) und durch Multiplikation derselben x 2 a=n(®) « ee. 08) Dieser Wert von q lässt sich etwas vereinfachen. Denn setzt man <= &, + A, wo A die Verlängerung ist, so kann man schreiben: 17 %% 266 Clemens Schaefer: 1—(i+2) 1204. Zu uNo9) X Io Lo und durch Einführung des Wertes von 4 in die letzte Gleichung erhält man: a=a(1+2 #—2#2); setzt man hier zur Abkürzung: 2 1 +-2u=y, 2 0 so hat man endlich: gg 00), Keen (50) Durch Einsetzen dieses Wertes von g in Gleichung (25) erhält man die gewünschte Differentialgleichung: ARM GENE 0) welche integriert liefert: (81) y log ie d(2e— 2) = (32) 12 Eg Hierfür kann man schreiben, wenn man die Verlängerung 4 einführt: /d h lo ( =) a ne = Lo "E Io oder, unter Benutzung der Reihenentwicklung für den Logarithmus: A 12 IP an el, A 2 1 2P —— — — NT — HH 0) _— ZZ — N , Eg y Ahr Hieraus ergibt sich für die Verlängerung folgendes Gesetz: oder endlich: LE LON re Y% _ pe Eu te era oder abgekürzt: A=AP+BP®ı | d. h. eine Gleichung von der experimentell gefundenen Form (24). Es sieht also so aus, als ob Frank hier eine theoretische Begründung der empirischen Gleichung (24) gegeben hätte. Dies ist indessen nicht der Fall, wie ich im folgenden auseinandersetzen werde. Nebenbei möge bemerkt werden, dass ich selbst diese auf der Hand l) Da Frank in Gleichung (28) den exakten Ausdruck beibehält, so sieht seine Schlussgleichung etwas anders aus als (32); ich habe wegen der unten ‘folgenden Anwendung diese Darstellung vorgezogen. Krit. Randglossen zu den theoret. Untersuchungen von O. Frank etc. 267 liegende Entwicklungen bereits im Jahre 1902 gemacht und 1904 in einem Vortrage vor der naturwissenschaftlichen Sektion der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur mitgeteilt habe. Ich habe denselben nicht weiter veröffentlicht, weil ich mich überzeugt habe, dass diese Formeln unbrauchbar sind. Zu demselben Resultat ist kürzlich auch F. A. Schulze!) in einer vortrefflichen Abhandlung gelangt. Man kann die von Frank erhaltene Gleichung (32), wie dies F. A. Schulze und auch ich getan haben, einer sehr genauen Prüfung unterwerfen an Hand der Versuche von J. O. Thompson’), die unter Leitung von F. Kohlrausch schon vor etwa 20 Jahren angestellt worden sind. Diese Versuche beziehen sich auf die Ver- längerung von 22 m langen Drähten und sind mit grösster Sorgfalt ausgeführt. Prüft man an dessen experimentellen Resultaten die Frank’sche Gleichung, so ergibt sich, dass die experimentell ge- fundene Abweichung vom Hooke’schen Gesetz etwa 1000 mal grösser ist als die nach der Frank’schen Gleichung berechnete.!) Diese letztere ist indem speziellen Fall von J. OÖ. Thompson’s Versuchen sogar kleiner als die Beobachtungsfehler. Damit dürfte die Unbrauchbarkeit der Frank’schen Gleichung schlagend nachgewiesen sein. Zwei Fragen bleiben noch zu erledigen: Wie kommt es zunächst, dass Frank seine Gleichung am Kautschuk experimentell bestätigt finden konnte? Da Frank keine hinreichenden Details über die An- stellung der Experimente angibt, so kann ich keine speziellen Gründe für diesen Widerspruch angeben, sondern nur einen allgemeinen. Es ist der folgende: Kautschuk ist ein Material mit so schlechten elastischen Figenschaften, dass man es zu einer exakten Prüfung der kleinen Abweichungen vom Hooke’schen Gesetz überhaupt nicht verwenden kann. Das sieht man auch aus Frank’s Angaben über den Elastizitätsmodul des Kautschuks: diese Zahlen differieren in maximo um 17°/o. Noch grössere Schwankungen, nämlich um ca. 30%, zeigen Frank’s Werte des Querkontraktionskoeffizienten. Von einer allgemeinen Bestätigung der Frank’schen Gleichung durch diese Versuche kann also nicht die Rede sein. 1) F. A. Schulze, Ann. d. Physik Bd. 31 S.1. 1910. 2) J. 0. Thompson, Wiedemann’s Ann. Bd. 44 8.555. 1891. 3) Auch die Versuche von F. A. Schulze (l. c.) führen zum nämlichen Resultate. 268 Cl. Schaefer: Krit. Rundglossen zu den theoret. Untersuchungen etc. Wichtiger und interessanter ist die zweite Frage: Die Aus- gangsgleichungen (25) und (26) sind exakt richtig, da sie ja das Hooke’sche Gesetz für unendlich kleine Deformationen darstellen. Man sollte erwarten, dass auch die integrierten Gleichungen das exakte Gesetz für endliche Dehnungen darstellen. Wie kommt es mathematisch, dass dies nicht der Fall ist? Dies scheinbare Paradoxon löst sich durch die Beachtung folgenden Umstandes: Die hier im Text wiedergegebene Integration nach Frank ist unter der (still- schweigenden) speziellen Annahme durchgeführt worden, dass E konstant sei. Richtig und allgemein wäre es ge- wesen, von vornherein E als Funktion von & zu betrachten, — und dann kommt man nichtzur Frank’sehen Gleichung. Der Anspruch von Frank, im Falle der Dehnung das exakte Gesetz für endliche Deformationen gefunden zu haben, kann ihm demnach nicht zugebilligt werden. 269 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bonn.) Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismns. Von Peter Junkersdorf, Assistent am physiologischen Institut in Bonn. Auf Grund mannigfaltiger einwandfreier Untersuchungen gilt es heute als bewiesen, dass im tierischen Organismus eine Fettbildung aus Kohlehydraten stattfindet, ob aber auch eine Bildung von Zucker oder überhaupt Kohlehydrat aus Fett möglieh ist, darüber gehen die Ansichten noch immer weit auseinander. In der Pflanzenphysiologie eibt es eine ganze Menge von Tat- sachen, die für den Übergang von Fett in Stärke, Zucker und Zellulose sprechen. Sie sind von Julius Sachs!) in seiner Arbeit „Über das Auftreten der Stärke bei der Keimung ölhaltiger Samen“ in der Botanikerzeitung vom Jahre 1859 zusammengestellt. Seine klassischen Untersuchungen, die später durch Versuche von Peters?), Boussingault?) und anderen bestätigt worden sind, werden heute allgemein anerkannt. Es sind aber auch eine Reihe von Tatsachen bekannt, welche darauf hinweisen, dass auch im tierischen Organismus eine Ver- wandlung von Fett in Kohlehydrat sich vollzieht. Ich erinnere an die Versuche Couvreur’s*), der nachgewiesen hat, dass sich in der Seidenraupe zur Zeit des Verpuppens das Glykogen auf Kosten des Fettes vermehrt, und aus neuerer Zeit an die Untersuchungen von Gräfin Dr. v. Linden?) bei überwinternden Puppen des Segel- 1) Julius Sachs, Über das Auftreten der Stärke bei der Keimung öl- haltiger Samen. Botaniker-Zeitung vom Jahre 1859. 2) Peters, Landesversuchsstation Bd. 3. 1861. 3) Boussingault, Compt. rend. t. 58. 1864. 4) Couvreur, Compt. rend. Soc. biol. t. 47. 5) Dr. v. Linden, Sitzungsber. d. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde zu Bonn vom 6. Februar 1905. 370 Peter Junkersdorf: falters. Andere Versuche, so die von Seegen!), der nach längerem Durchleiten von atmosphärischer Luft durch frischen Leberbrei mit Blut und Fett eine erhebliche Vermehrung des Zuckers erhielt, und die von J. Weiss?), der die Seegen’schen Versuche vorteilhaft modifizierte, konnten von E. Abderhalden?) und P. Rona und von B. Schöndorff (nach einer mündlicher Mitteilung aus nicht veröffentlichten Versuchen) nicht bestätigt werden. Auch v. Bunge‘) gibt in seinem Lehrbuch der Physiolog. Chemie die Möglichkeit einer Zuckerbildung aus Fett zu, indem er schreibt: „Ich habe bereits früher auf die Tatsachen hingewiesen, welche eine Umwandlung von Fett in Zucker wahrscheinlich machen, insbesondere den konstanten Zuckergehalt des Blutes bei hungernden Tieren. welche ihren Glykogenvorrat schon lange verbraucht haben und mit ihrem Eiweissvorrat sehr sparsam umgehen, während der Fettvorrat rasch verschwindet.“ v. Noorden’°) spricht sich für eine fakultative Traubenzucker- bildung aus Fett aus; er bezeichnet diesen Prozess als einen fakultativen, weil er „nur bei ungenügender Kohlehydratzufuhr voll- zogen zu werden scheint“. Hervorragenden Anteil an der Aufklärung unserer Frage haben vor allem v. Mering‘®) und Minkowski’). Auf Grund seiner Versuche kommt v. Mering zu der Ansicht, dass bei phloridzin- vergifteten Hunden der ausgeschiedene Zucker im wesentlichen nicht aus Fett, sondern aus Eiweiss entsteht. „Fettzufuhr steigert weder beim Phloridzindiabetes noch in schweren Fällen von Diabetes mellitus die Zuckerausscheidung, wohl aber hat sie vermehrte Eiweisszufuhr und vermehrte Zuckerausscheidung zur Folge. Dann ist festgestellt, dass reines Eiweiss, nicht aber Fett, bei glykogenfreien Hungertieren Anhäufung von Glykogen im Organismus bewirkt.“ Ebenso vertritt Minkowski in seiner Arbeit „Über den Diabetes mellitus nach Exstirpation des Pankreas“ den Standpunkt, 1) J. Seegen, Pflüger’s Arch. Bd. 39 S.137 u. 138. 1886. 2) J. Weiss, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 24 S. 542. 1898. 3) E. Abderhalden und P. Rona, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41 S. 303. 1904. 4) v. Bunge, Lehrb. d. physiol. Chemie. 1898. 5) v. Noorden, Die Zuckerkrankheit. 1898. 6) v. Mering, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 14 u. 16. 7) Minkowski, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 31. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 271 dass nicht das Fett, sondern eventuell vorhandenes Glykogen und sonst nur Eiweiss als Zuckerquelle aufzufassen sei. 3 N A Dextrose h \ 2 Während nach Minkowski der Stickstoff -Quotient im Mittel in einer grösseren Anzahl von Versuchen 2,8:1 beträgt, fand Halsey'!), wie er in einem Vortrag „Über Phloridzindiabetes bei Hunden“ mitteilt, dass fettreiche Hunde fast durchweg einen höheren D \ h 77 "Quotienten aufweisen als magere. Aber auch er gibt trotzdem keine Zuckerbildung aus Fett zu, sondern vertritt die Auffassuug, dass Zucker durch Fett vor der Verbrennung geschützt werde und deshalb in grösserer Menge zur Ausscheidung gelangen könne. Th. Rumpf?) kommt in einem Vortrag „Über den Eiweiss- umsatz und Zuckerausscheidung beim Diabetes mellitus zu dem Resultate, „dass bei schweren Fällen von Diabetes der aus dem Organbestande ausgeschiedene Zucker zum Teil auf die Entstehung aus Fett zurückgeführt werden kann“. Lüthje?) konnte demgegenüber bei einem schweren Falle von Diabetes keinen Anhaltspunkt für eine Zuckerbildung aus Fett finden. Auf Veranlassung von Th. Rumpf haben dann in einer grösseren Experimentalarbeit „Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett“ Dr. Hartogh und O. Schumm?) durch Versuche an Hunden, die mit Phloridzin behandelt wurden, weitere wertvolle Bei- träge zu dieser Frage gegeben. Sie erhielten für den 7 -Quotienten so hohe Werte (bis 13), dass sie die Entstehung des Zuckers durch Abspaltung aus dem Eiweiss als ausgeschlossen betrachten. Es bleibt nach ihrer Meinung nur die Möglichkeit, „dass der Zucker sich ent- weder aus Fett gebildet hat, oder dass der Kohlenstoff der Zerfall- 1) Halsey, Sonderabdruck aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften zu Marburg, Nr. 5, Mai 1899. 2) Th. Rumpf, Über Eiweissumsatz u. Zuckerausscheidung beim Diabetes mellitus. Vortrag gehalten am 27. Oktober 1898 in der Hufeland’schen Ge- sellschaft in Berlin. Berliner klin. Wochenschr. 1899 Nr. 9. 3) Lüthje, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 39 Heft 5 u. 6. 4) Dr. Hartogh u. O0. Schumm, Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. Arch. f. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 45 S. 11. 272 Peter Junkersdorf: produkte des Eiweissmoleküls für die Zuckerbildung verwandt wird“. Letzteres ist aber nach ihrer Meinung eine Hypothese, welche noch weit weniger begründet erscheint als die Annahme, dass der Zucker aus Fett entsteht. Ganz anderer Natur waren die Versuche, die E. Pflüger!) anstellte, um die alte Frage nach der Entstehung der Kohlehydrate im tierischen Organismus zu beantworten. Auf der Tatsache fussend, dass ein Hund mit fett- und kohle- hydratfreier Eiweissnahrung beliebig lange erhalten werden kann, kam Pflüger zu der Überlegung, dass Hunde, die am Sandm eyer- schen Diabetes leiden und in diesem Zustande viele Monate aus- dauern, bei ausschliesslicher Eiweisskost, wenn aller Zucker aus dem Körperfett stammte, schliesslich vollständig fettfrei werden müssten. Ginge bei ihnen die Zuckerausscheidung weiter, so wäre damit bewiesen, dass das Eiweiss die Zuckerquelle ist; hörte aber die Zuckerausscheidung bei den fettfrei gewordenen Tieren auf, um bei Fettnahrung zurückzukehren, so müsste das Fett als Mutter- substanz des Zuckers angesehen werden. Im Verlaufe dieser umfangreichen und mit grossen Schwierig- keiten verbundenen Untersuchung, in der er sich vornehmlich gegen die Arbeiten H. Lüthje’s?), Friedrich Kraus’°) und Min- kowski’s*) wendet, kommt Pflüger neben anderen Resultaten zu folgendem Ergebnis: „Im Sandmeyer’schen Pankreasdiabetes scheiden die Hunde bei ausschliesslicher monatelang fortgesetzter Eiweissnahrung so grosse Mengen (bis ca. 30 /o des Körpergewichtes) von Zucker aus, dass derselbe sicher nicht mehr aus dem Glykogen oder sonstigen Kohle- hydratvorrate des Hundes abgeleitet werden kann. Denn der aus- geschiedene Zucker wiegt mehr als alle Eiweiss- substanz des Körpers. Es muss also entweder das Fett des Organismus oder das Eiweiss desselben und des Futters die Mutter- substanz des Zuckers sein.“ und: 1) E. Pflüger, Ein Beitrag zur Frage nach dem Ursprung des im Pankreas- diabetes ausgeschiedenen Zuckers. Pflüger’s Arch. Bd. 108 S. 115. 2) H. Lüthje, Pflüger’s Arch Bd. 106 S. 160. 1904. 3) Friedrich Kraus, Berliner klin. Wochenschr. 1904 8. 8. 4) O0. Minkowski, Arch. f. experim. Pathol. und Pharmakol. Bd. 31 S.91:31892: Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 273 „Die wahrscheinlichste Erklärung der diabetischen Erkrankung seht von der Vorstellung aus, dass die Zuckerbildung eine Arbeit der Zellsubstanz der Leber ist, durch welche nicht bloss Glykogen, sondern auch Fett in Zucker umgeprägt werden kann.“ Hiernach gelangte Pflüger!) in seiner Monographie über das Glykogen zu dem Satze: „Richtig ist also eigentlich nicht die Alternative Eiweiss oder Fett, sondern ob viel- leicht sowohl das Eiweiss als das Fett Zuckerquellen sind, so dass je nach den Umständen, bald die eine, bald die andere Quelle, bald beide zugleich fliessen.“ Da eine Einigung bisher nicht erzielt war, so wurde in einer längeren Experimentalarbeit die Frage nach der Entstehung der Kohlehydrate von E. Pflüger?) und mir aufs neue in Aneriff ge- nommen. Es wurde durch diese Untersuchungen zunächst eine Methode ermittelt, welche es gestattet, einen Hund vollständig (weniger als 0,1°/o in der Leber) glykogenfrei zu machen, eine für die experi- mentelle Bearbeitung unserer Frage unerlässliche Forderung. Ich will die wichtigsten Resultate dieser Untersuchung hier in Kürze anführen, weil sie bei der in Frage stehenden Arbeit mit in Betracht gezogen werden müssen. 1. Es wurde festgestellt, dass durch Eiweisszufuhr in Form von glykogenfreiem Kabliaufleisch in der Leber eine gewaltige Neu- bildung von Glykogen stattfindet. Der Glykogengehalt der Leber steigt von im Mittel 0,56 °/o auf im Mittel 6,46 °o, in maximo 10 °o, d. h. um das 11,5—18fache; der der Muskeln auf das 4—5 fache. 2. Hunde, welche nach den Angaben von B. Sehöndorff?) auf Glykogen gemästet werden, verlieren durch reichliche Fleisch- nahrung einen beträchtlichen Teil des Glykogens. Der Glykogen- gehalt der Leber wird durch überschüssige Fiweissnahrung von 17 °'e auf 3 °/o herabgedrückt. Es gibt also Zustände der Leberzelle, in denen sie die Riweiss- zufuhr mit einem energischen Steigen des Glykogengehaltes und 1) E. Pflüger, Das Glykogen S. 321. Verlag von M,. Hager, Bonn 1905. 2) E. Pflüger und P. Junkersdorf, Über die Muttersubstanzen des Glykogenes. Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 201. 3) B. Schöndorff, Über den Maximalwert des Gesamtglykogengehaltes von Hunden. Pflüger’s Arch. Bd. 99 S. 191. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 18 274 Peter Junkersdorf: andere Zustände, in denen sie die Eiweisszufuhr mit einem starken Sinken des Glykogengehaltes beantwortet. Es bleibt also nur die Annahme übrig, da das verschwundene Glykogen nach allen anderen Erfahrungen nicht fortoxydiert sein kann, dass es in Fett verwandelt worden ist. 3. Dass die Eiweissnahrung nicht indirekt wirkt, indem sie die Muttersubstanzen des Glykogens vor dem Sauerstoffangriff schützt, _ beweisen die Versuehe mit Alkoholgabe an glykogenfreien Hunden; der Mittelwert des Glykogengehaltes der Leber stimmt genau über- ein mit dem allgemeinen Mittel für die Hungerwerte, — es tritt keine Steigerung des Glykogengehaltes der Leber auf. 4. Glykogenfreie Hunde mit grösseren Mengen Fett (Schweine- schmalz) gefüttert, weisen keine Neubildung von Glykogen auf, im Gegenteil: die Leber ist ärmer an Glykogen, als wenn gar keine Nahrung zugeführt worden wäre. Damit ist also bewiesen, dass bei reichlicher Eiweissnahrung das massenhaft neugebildete Glykogen nicht aus Fett entstanden sein kann, sondern nur aus Eiweiss hergeleitet werden darf. 5. Voraufgehende energische Fettmästung lässt eine darauf- folgende Glykogenmästung nieht zur Wirkung kommen (vgl. Ver- suchsprotokolle vom Hund 115 und 116). Aus den angeführten Resultaten ergibt sich, dass die Leberzelle in verschiedenen Zuständen vorkommt, in denen sie bei Eiweiss- zufuhr bald den Glykogengehalt steigert, bald ihn herabdrückt. Es musste deshalb wohl auch die Möglichkeit im Auge behalten werden, dass Ähnliches unter gewissen Bedingungen auch für das Fett silt. Für eine eventuelle Entstehung von Kohlehydrat aus Fett sprechen vor allem!, wie schon aus den bereits angeführten Versuchen von Dr. Hartoch und O. Schumm!) hervorgeht, die ausserordentlich hohen Werte für den Zucker-Stickstoffquotienten, die zuweilen be- obachtet werden. Da also die Möglichkeit vorlag, dass unter gewissen Bedingungen das Fett einen Beitrag zur Synthese des Zuckers, wenn auch nicht des Glykogenes, liefert, wurden Versuche in folgender Art an- gestellt: 1) Dr. Hartogh und Schumm, Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. Arch. f. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 45 S. 11. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 275 Hunde hungerten zunächst 7 Tage. Der Harn des 8., 9. und 10. Tages wurde durch Katheter entnommen und der Harnstickstoff bestimmt. In den darauffolgenden Tagen erhielten die Tiere reich- liche Mengen von Schmalz und je 1 g Phloridzin pro die. Hierbei ergab sich, dass während der Phloridzinfütterung bei Schmalznahrung bedeutend mehr Stickstoff ausgeschieden wurde als sonst, und dass dieser Mehrausscheidung von Stickstoff die Produktion einer grösseren Menge von Zucher entsprach (vgl. Versuchsprotokolle von Hund 110, 111, 112, 113. Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 278). Die Hunde schieden aus in 5 Tagen: ohne Phloridzin ohne Schmalz . . . 4824 g N mit Phloridzin mit Schmalz . . . . 55,02 & N mehr 6,78eN Es wurden also während der Phloridzingabe bei Schmalznahrung 6,78 g N mehr ausgeschieden, der eine Produktion von 133,5 g Zucker entsprechen. Demnach wäre 197; und Hund 111 und 112: in 3 Tagen mit Fett ohne Phloridzin . 13,35 & N in 3 Tagen ohne Fett mit Phloridzin . 17,647 g N in 3 Tagen mit Fett ohne Phloridzin.. 14,54 g N Im Mittel aus den Versuchen ohne Phloridzin . 14,16 g Im Mittel aus den Versuchen mit Phloridzin. . 17,65 g mehr durch Phloridzin 3,55 & Da die Hunde in den drei Phloridzintagen 51,85 g Zucker produ- zierten, so ergibt sich für ve 14,6 — ein Wert, der ebenso wie der von 19,7 nicht zu erklären ist, wenn man Eiweiss allein als Zuckerquelle annimmt. Durch eine Annäherungsrechnung ergibt sich nämlich folgendes: 100 g Eiweiss = 16g N; 1g N = 2,143 g Harnstoff; 16 g N — 100 & Eiweiss — 34,3 g Harnstoff mit 6,8 g C. Nimmt man nun an, dass aller übrige Kohlenstoff des Eiweisses 91,8 — 6,8, also 45 g zu Zucker oxydiert würde, so könnten daraus, weil 12 Kohlenstoff 30 Zucker liefern, 112 Zucker entstehen. Das würde für 7 den Wert 7, nicht aber 14,6 oder gar im ersten Falle 19,7 ergeben. 18 * 276 Peter Junkersdorf: Gegen diese Beweisführung "könnte vielleicht, wie auch in unserer Arbeit bereits angeführt wurde, aber hier nochmals wieder- holt werden soll, der Einwand erhoben werden, dass die Zucker- bildung nicht bloss auf Kosten der Eiweissmenge, welche in erösserer Menge als bisher zersetzt wird, sich vollziehe, sondern auch auf Kosten derjenigen, welche auch ohne die Phloridzinzufuhr zersetzt worden wäre. Dieser Einwand lässt sich allerdings nicht ganz streng widerlegen; es ist jedoch das Wahrscheinlichste, dass diejenigen Bedürfnisse, welebe vor der Phloridzinzufuhr durch Eiweiss befriedigt werden mussten, auch nach der Phloridzinzufuhr durch Eiweiss gedeckt werden müssen, weshalb das Plus an Eiweiss, welches nach der Phloridzinzufuhr zersetzt wird, zur Synthese des Zuckers in Betracht kommen wird. Auch die Annahme einer Zurückhaltung von Stickstoff zur Er- klärung der hohen Werte für 2 ist nicht haltbar, da sich durch Versuche von Pflüger!) keine Bestätigung dieser Voraussetzung er- geben hat. Auf Veranlassung meines inzwischen verschiedenen, hoch- verehrten Lehrers, Herrn Geheimrat Prof. Dr. E. Pflüger, habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt, die eine eingehendere Be- stätigung für die Bildung von Kohlehydrat aus Fett zum Zwecke haben. Herrn Geheimrat Pflüger möchte ich an dieser Stelle für die reiche Anreeune, die wertvollen Ratschläge und das lebhafte Interesse, das er bis noch kurz vor seinem Tode an diesen Unter- suchungen hatte, auch Öffentlich meinen Dank abstatten. In diesen Versuchen sollte sich ebenso wie in den eben er- wähnten mit E. Pflüger gemeinsam veröffentlichten der Beweis stützen, auf möglichst hohe Werte für den Zucker-Stickstoffquotienten bei phloridzindiabetischen Hunden. Die Versuchsanordnung gestaltete sich, wie aus den beigefügten ausführlichen Versuchsprotokollen zur Genüge hervorgeht, folgender- maassen: Es wurden zwei Versuchsreihen angeführt. Eine mit Hunden ohne jegliche Nahrung, die andere mit Hunden, die von einem be- stimmten Termine ab mit Fett gefüttert wurden. 1) E. Pflüger, Das Glykogen. Verlag von M. Hager, Bonn 1905. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 977 Nachdem die Tiere nach der in unserer früheren Arbeit aus- führlich begründeten Methode durch eine voraufgehende Hunger- und Phloridzinperiode glykogenfrei gemacht worden waren, wurde in zwei, meist dreitägigen Perioden abwechselnd mit und ohne Phloridzin, der Harn auf seinen Stickstoff- und Zuckergehalt hin untersucht. Das Phloridzin wurde in alkalischer Lösung subkutan nach jedes- maliger Desinfektion mit 5°%o Jodtinktur gegeben, wodurch jegliche Abzessbildung an der Einstichstelle unterblieb. Um ein Zurückhalten des Stiekstoffs möglichst zu vermeiden, erhielten die Hunde pro die Fleischextraktlösung, deren Stickstoff- gehalt bekannt war und in Abzug gebracht wurde. Der Harn wurde durch Katheter am Ende der Periode entnommen, der Zucker polari- metrisch im Polarisationsapparat von Landolt mit dreiteiligem Ge- sichtfeld, der Stiekstoff nach Kjeldahl bestimmt. Der Glykogengehalt der Leber und Muskel wurde durch Pola- risation und wenn möglich durch Titration ermittelt. Der Übersicht halber schicke ich den einzelnen Versuchen eine Tabelle voraus, in der die für unsere Aufgabe wichtigsten Daten enthalten sind. I. Versuchsreihe. Hunde ohne Nahrung. Hund I. (Tabelle I, S. 278.) Wie ersichtlich, erhielt der Hund zunächt eine Reihe von Tagen Phloridzin. Die Stickstoffausscheidung ebenso wie die Zucker- ausscheidung während der drei letzten Tage dieser Periode steigt gegen Schluss. Für die Berechnung der Quotienten = wurden, nachdem das Tier durch die mehrtägige Phloridzingabe vorher glykogenfrei ge- macht war, die Perioden I—VI in Betracht gezogen in der Weise, dass mit der zweitägigen Phloridzinperiode II, die voraufgegangene zweitägige Periode I und die darauffolgende zweitägige Periode IH ohne Phloridzin verglichen wurden. Dann wieder die zweitägige Phloridzinperiode IV mit der vorauf- gegangenen zweitägigen Periode III ohne Phloridzin; und schliess- lich die dreitägige Periode V ohne Phloridzin mit der dreitägigen Periode VI mit Phoridzin. Peter Junkersdorf 278 006 | Tenagody "@/T OTZ | "0a 7 SI RE Ts OLIL 081 1097 ea TAIA g19 ger ee9ı 08% | 028% [Ua Wu IA 0887 Sl 091 "Te/'08 = = or (, 08/168 = 7: 890 sı80 = >= G0lg 1 064 „ seele TA OA | sL80 810 G19 "Sal’Le f . 09°6 07 || ea 9901 co“ eoT 06°0T |239°T ATI LSV FLLl { FIg oT ser | OF%, “ ORICR UKERUEN < =? 1 = 0°0 06. | © carte 5 te 06% { =. = 00 | GET | 009 “ze IT 0 Ti EST | 89°T III \ gg! x 0ror | 081 aa . .'sel'ee \: osorı| &10 II a na, | wa || PA anal Die 24 a 00 089.| _ "18/08 E 077 IL% rL% { rg | Oral 1 { 019 “Gl IUd 'o 1 L11'9 087 | 848 BGE oe er SE TR = == 60’FLy E2L | g 0878 60.01 18% 080T 1 496 alla 618 86 07 085 | , LUIT|L "UA am e = = FE = = = OT 0% 086 9TaaT = = = >: ker: = == 0782 0°9 0,7 [enuef"GT/'El [PYIN 3 8 3 3 3 3 UM und 9ıpoadporaod | orp oA1dporaod uoporıod ——— N -UIZPMOIYT | -UIZpHIOgE "pP | ur -UIZPLIOIUT |. dunpioyds OT6L po Llad [77 op pusayen | "ıqeM 81918 T 19p puoayem [Bunproypssne| -sme yegoFTroyonz oduournıeg are 19p Junpraydssne | uoA Sunpragas I YOISNPUS -OIS PS -19]0NZ h dl towumy; -I9NONZ -SNBIUOMN uoAsunpıoygas| = ZT uuesz \ op [MIN | OP RIM -SNBAIgON } > -Zunayen duo °T pung IT oTlIoqgeL Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 279 Die drei letzten Rubriken dieser und auch der übrigen Tabellen enthalten das Mittel der Mehrausscheidung von Stickstoff während der Phloridzinperioden, die dadurch bedingte mittlere Zucker- ausscheidung pro die, berechnet aus allen Phloridzintagen und den hieraus beim Vergleich mit dem Mittel der Stickstoffausscheidung während der Perioden ohne Phloridzin sich ergebenden Wert für 2 Wie aus der Tabelle zunächst hervorgeht, haben wir in den Phloridzinperioden eine oft beträchtliche Ausscheidung von Stickstoff. Reehnet man den Wert für = aus den Daten in der oben an- gegebenen Weise aus, so erhält man Werte, die so beträchtlich sind (140,9, 11,23, 10,90, 7,5, im Mittel aus allen Phloridzin- und Nicht- phloridzintagen 10,66), dass man nach der Pflüger schen Annähe- runesrechnung genötigt wird, nicht das Eiweiss allein als Zucker- quelle anzunehmen, sondern, da der Hund vorher gelykogenfrei ge- macht war, auch das Fett als Zuckerbildner in Betracht zu ziehen, um überhaupt eine Erklärung für diese hohen Werte zu bekommen. Hund 2 (Tabelle I, S. 230). Dieselben Überleeungen zwingen uns bei Hund 2 zu derselben Annahme. Zu bemerken wäre hier, dass Hund 2 nach der I. Periode ohne Phloridzin, in Periode II mit Phloridzin weniger Stickstoff aus- geschieden hat. Bei Vergleich der übrigen Perioden in der durch die Tabelle gegebenen Weise erhalten wir auch hier für - Werte, die weit über dem aus der Pflüger’schen Annäherungsrechnung resultierenden „Normalwerte“ 7 liegen: 11,4, 9.48, 13,34, oder im Mittel aus allen in Betracht kommenden Tagen sogar 23,14. Hier sehen wir nach der Mitte der Versuchsreihe hin in den Phoridzinperioden Stickstoff- und Zuckerausscheidung zunehmen, um nach dem Ende hin wieder abzunehmen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Hund 9 (Tabelle III, $. 281). Auch hier haben nach einer Hunger- und Phloridzinperiode zwecks Eliminierung vorhandenen Glykogens beim Vergleich der beiden folgenden Perioden (I und II) für z den hohen Wert von 16,9. . . Peter Junkersdorf 280 Ir'83 PR ‘HqeautzpLIiojgT 9uyo T PpoLIaT op puaayem spe sne N dodruom 56'8G 3 dıp oad HOBJULZPILAOTUL op puoagem Sunpragassng -1940NZ A9p IHN 7 II Oporasdurzpnıopyg A9p Purayem poryas puny dad IT/I (I 061 61 0007 | eng UT Es | 907 AA r6rL rE19 84.68 66 | 0686 7 0507 | Wa sta Wr 'T "TUd’u "IA 96SI | STE 018 "TE/0E 0.0 o0or | . 08/68 = = 36 gg Ss 00 5 0708 006 „68/86 TUaOIA co OLTI "S6/'L6 ‘6 | gce N ein J|PLIG | Se RES aymaams vor JIsrs | see Am Sso‘oL ga'zg { Dal oogı | 026 Be \ Iq WAT == = r > — 1 00 ass "98198 \ on | 7 { &2 Bet 00 EST oıs “are [UL O"DIL FIT | 95% 1m na BR { tal A (008 Era \ pw‘ GIvH 9L'8 s0Ly 2992 | arg | OS6L N gay, “ zErTR UaSUENT a iR N — | Kur Eile \ nn { YyLcl 119 { 179 | 99 | TEN o56 “ 0Br6l IUdSOST IaTto N „* arte nm [14 . . = - — sono 66€ [ lee a ee | a 8008 | 16% 069 ı “ YT/ST | | Er er 076 ur "ST/El 0) 3 3 ni) q 4 u) dp od uopoLıod u9poLıad £ Io -UIZPLIOLUT N -UIZPLIOJU.T Sunptoyds Junpioups ae R 0I6T - ANOLERI 19P Puoıyam — [ap puoayem a -SNV 99uaul s Jap Se a -SNR het) wmye(] HOISOIS UOA YoIssyors -10]onz alle -IR]] AoummmN Junpraydssng uoA dunprogast HOIPPNS Juresor) -1INONZ -ON TOP [ONIIN -SNE.IUON '"SUnayeN PU ', puny I oIl24®L © = 86'8T | &6/T 088 Abe a ıF'S | 98°9 IIV/AI so'8l vI8e 9 |8208 | 9ea| 0285 3 018 ; se "ya w Al 0r°8 gE6L 08% Sal Ts > ‚ nn — — RE 84% F= 0°0 | 01F2 088 2 go Sta oh SC EEE 09, | 1990190 '/T 197YnA auyg (q 6er 681 026 | "10 sıa "logos ses1 | 968 VI LS FI E9'sF Lac 1906| 0898 4 028 „ oer6a| g Ua ur Il A : ü ‘ Q (3 2 , Srardı [291 08€ 1 748 2 Br e a | 27 = 1601 D dieser beträgt 18,77 für N Der Wert, der sich aus Periode VII und VIII ergibt, steiet auf 90,8; in diesen Perioden erhielt der Hund, wie gesagt, keine Nahrung. Auch stieg die Stickstoffausscheidung, die bis zu Beginn von Periode VII in den Phloridzinperioden stets gesunken war, mit Periode VII wieder beträchtlich; der Hund war beim Tode fett. Hund 6 (Tabelle VII, S. 288). Dieser Hund wurde insofern abweichend von den beiden vorher- gegangenen behandelt, als er zuerst (bei Schweineschmalzfütterung bis zum Tode) eine phloridzinlose Periode durchmachte und dann erst Phloridzin erhielt. Das Tier war also erst nach dieser Periode glykogenfrei. Hieraus erklärt sich die hohe Zuckerausscheidung während der ersten Phloridzinperiode und ebenso die niedrigen Werte für I bei Vergleich der Perioden II und I einerseits und I und III andererseits, die beide unter 7 liegen: 5,4 und 5,08. Sie werden deshalb auch für die Berechnung des Mittelwertes 2 ausser acht gelassen. Die übrigen Werte sind aus der Tabelle zu ersehen, sie liegen über 7; der Mittelwert beträgt von Periode IV ab 11,11. Stickstoff- und Zuekerausscheidung steigen nach dem Tode zu; der Hund war beim Tode mager. ismus. 287 hen Organ jerisc Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im t "IgOUL ZELWIGISIUTMTIS UTON AB ZI 'G WOA Ieyaa puny] 19 (E "9JUUON UMS UHPIOMIS 191U9SONALS IfaLu wae Sundopuzzpewugdg qadanp pung Aop [Ilem ‘usdozadurıay ur Yyoru 41T [ 9poLIıad "TA—II 9POLIIT U0A SLTOM[ONIN (2 'yeu u9SSO.1798 ayawmı zeWgaS uloy ge ZIEM '6 WOA punp Aop [Iom “TA—I Ppolıag UA 919MJONIN N | | | : = 90 096 | , 'eıral = = —— — sEPI sg a 0% 0981 0L01 | , ev "Ig°O IIIA (| c9ı oeeL | . 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Bei Hund 17 wäre noch zu bemerken, dass er nur bis Periode III Schmalz erhielt. Die beiden letzten Perioden dieses Hundes sind bereits in der ersten Hauptversuchsreihe, bei den Hunden ohne Nah- rung verwertet worden. Die Stiekstoff- und Zuckerausscheidung während der Phloridzin- perioden, die für die Berechnung von z in Betracht gezogen sind (also alle, nachdem die Tiere elykogenfrei waren), steigt nach dem Ende hin bei Hund 11 und 15 — die Hunde waren beim Tode mager —, sinkt dagegen bei Hund 14. Hund 14 war beim Tode sehr fett. Hund 14 zeigt auch den grössten Mittelwert für 2 näm- lich 33,98. Ebenso hat Hund 14 die geringste Mehrausscheidung von Stickstoff während der Phloridzintage — nämlich im Mittel 0,385 @. Wir haben also bisher feststellen können, dass sowohl bei glykogenfreien Hungerhunden wie auch bei Hunden mit Fettnahrung, die mit Phloridzin behandelt sind, gewöhnlich mit einer Zunahme der Zuckerausscheidung, besonders bei langandauernden Versuchen, eine Steigerung der Stickstoffausscheidung einhergeht, dass also zwischen beiden gewisse Beziehungen vorhanden sind. Jedoch kann der durch die Phloridzingabe bedingte Zucker nicht aus zersetztem Eiweiss allein abgeleitet werden, weil der Quotient = Werte an- nimmt, die so hoch sind, dass der Kohlenstoff des Eiweisses nicht allein ausreicht, den ausgeschiedenen Zucker zu bilden und mithin, Peter Junkersdorf: 296 Tabelle XIV. Hund 5. Nummer Harn- Zuckergehalt : Datum der 1910 menge Periode %o g cem a) Ohne Nahrung. j| 29,30. März En 2 — I m. Phl. 30.31. „ 1970 (3270 3,31 65,2 U 30. März bist. Äprit | 1300 J 3.06 39,78 f| 12 Apnil 1050 2,9 30,45 II m. Phl. DS 1450 1 3500 2,19 31,78 ho va 1000 2,46 24,6 | #5 » 1070 2,06 22,04 III m. Phl. le 1180 | 3560 2,24 26,43 Ne az 1310 | 2,3 30,13 le 1280 ) 0,19 2,4 IV o.Phl. : Sg 780 1 3450 0,0 = Use: 7 1390 0,0 a b) Nach Glykogenmästung. j| 14/15. Apnil 1020 3,8 38,76 V m. Phl. 15.116. „ 1200 3400 2,9 34,80 lo ea 1180 2,56 30,20 | ze 5 1080 3,2 34,56 VI m. Phl. 18.119. 1210 4 3550 2,1 25,41 \| 197%. 1260 2,9 36,54 | 202L , 1120 2,75 30,80 VIlEmn ph 21.1000 1240 1 3390 2,5 31,00 Um20 1030 3,1 31,93 Hund 8 Nach Glykogenmästung. 6./7. April 950 3,0 28,5 I m. Phl. ZB ce 930 1.2750 2,81 26,13 Ser. 870| 3,6 31,32 Sid. « 580 4,7 27,26 II m. Phl. 104, 1330 2766 3,09 42,64 una © 850 2,25 19,12 a 850 2,79 23,15 III m. Phl. BULL. 890 ! 2660 2,25 20,02 14:15. , 940 3,75 35,25 Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 29/ Tabelle XIV. Hund 5. Mittel Mittel Mittel der Mittel der N E t- Nie = I 7 in nn Stickstoff- der der Suckzloß ZUcBeral: zucker- Ye 5 ausscheidung| scheidung Bus: aus- Stickstofl- Zuckeraus- pro die pro die scheidung scheidung ausscheidung scheidung pro Kilo- pro Kilo- pro die pro die sramm gramm g Ss g 8 8 g a) Ohne Nahrung. 1) | 104,98 36,93 a aut _e = \ ) | 86,80 30,64 | 78,60 22,80 r 10,041 30,04 0,578 1,73 2,4 16,90 | ) b) Nach Glykogenmästung. 1] 103,76 15,96 | 96,51 20,60 N 1,652 32,66 0,441 1,882 93,73 32,31 | ) ; Hund 8. Nach Glykogenmästung. ) 1 85,5 24,80 | | | 89,02 2643 | 8768 | 28,15 0,827 . 2,655 78,42 27,64 ) 298 Peter Junkersdorf: da die Hunde glykogenfrei waren, das Fett für die Zuckerbildung mit in Betracht zu ziehen ist, um überhaupt eine Erklärung für die hohen Werte zu erhalten. Es gibt andererseits auch Fälle, wo zunächst eine beträchtliche Abnahme der Stickstoffausscheidung” während der Phloridzinperioden sich bemerkbar macht, um dann gegen Ende des Versuches hin wieder anzusteigen; dies zeigt sich besonders bei Tieren, die beim Tode noch reichliche Mengen von Fett aufweisen (Hund 4 und vor allem 14). Hier liegt also der Schluss nahe, dass bei Fiweiss- ersparnis das Fett vornehmlich an der Zuckerbildung beteiligt war. Ich möchte noch einige andere Untersuchungen mitteilen, die mit den bisher angestellten in einem gewissen Zusammenhang stehen und in anderer Weise für den Beweis einer Zuckerbildung aus Fett in Betracht kommen können. Der bereits in der ersten Versuchsreihe bei den Hunden ohne Nahrung angeführte Hund 5 wurde nach der IV. Periode nach den Angaben von B. Schöndorff auf Glykogen gemästet und erhielt dann in Periode V, VI und VII, wie vorher in Periode I, II und III, | pro die 1,5 g Phloridzin (s. Tabelle XIV, S. 296 und 297). Während nun in den Phloridzinperioden I—III nach Periode IV ohne Phloridzin zu die Stickstoff- und Zuckerausscheidung abnimmt, steigt nach der Glykogenmästung die Stickstoffabgabe, die Zucker- ausscheidung dagegen nimmt nach dem Ende zu ab. (Der Hund war zu Beginn des ganzen Versuches sehr fett — beim Tode dagegen mager). Wir fanden also in diesem Falle, wo der Hund vorher auf Glykogen gemästet war, dass der steigenden Stickstoffabgabe ein Sinken der Zuckerausscheidung entspricht. Es wird dies wohl so zu erklären sein, dass der Hund in den Hungertagen unter Ersparen des Körpereiweisses den Zucker auf Kosten des Körperfettes gebildet hat, um dann nach der Glykogenmästung den Zucker zunächst aus Glykogen und dann, weil das Körperfett verbraucht ist, erst aus Eiweiss zu bilden. Ein ‘ähnliches Resultat ergab der Versuch mit Hund 8 (Tabelle XIV, S. 296 und 297). Auch dieser Hund wurde aufGlykogen gemästet. Er erhielt dann in drei aufeinanderfolgenden Perioden Phloridzin (vel. Versuchsprotokoll). Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 299 Auch hier haben wir ein Sinken der Zuckerausscheidung und ein Steigen der Stickstoffausscheidung nach dem Ende zu. Hund 5 scheidet aus: a) ohne Nahrung in 9 Tagen: 90,37 g& N und 270,35 & Zucker; b) nach Glykogenmästung in 9 Tagen: 68,57 & N und 294 & Zucker. Das macht im Mittel pro die: a) 10,04 g N — 30,04 g Zucker, b) 7,652 8 N — 32,66 8 oder pro Kilogramm Tier D): a) 0,578 & N und 1,73 b),0,44re N ,„ 1838 Hund 3 scheidet aus: In 9 Tagen — 78,57 g N und 253,39 g Zucker; das macht im Mittel pro die: 8,763 g N und 28,15 g Zucker, oder pro Kilogramm Tier: 0,827 & N und 2,655 g Zucker. ” Zucker, 09 ” Es wurden dann noch zwei Versuche angestellt, in denen Hunde (Hund 12 und 13) längere Zeit Pferdefleisch und Reis erhielten, um bei Beginn des eigentlichen Phloridzinversuches in gutem Er- nährungszustande zu sein. Sie erhielten dann drei Tage hinter- einander Phloridzin und wurden am vierten Tage, an dem sie sieben Stunden vor dem Tode nochmals eine Dosis Phloridzin bekamen, getötet. Ausserdem aber wurden sie — was besonders hervor- zuheben ist — auch während der Phloridzintage in derselben Weise weiter ernährt wie vorher. Man vergleiche die Protokolle und die Tabelle XV (S. 300). Hund 12 schied in 3 Tagen aus: 29,09 & N und 79,383 g Zucker; oder im Mittel pro die: 9,66 & N und 26,44 g Zucker; oder pro Kilogramm Tier pro die: 1,193 & N und 3,264 g Zucker. 1) Als Körpergewicht ist das Mittel von den Gewichten vor und nach den Phloridzinperioden in Rechnung gezogen. 500 Peter Junkersdort: ade Or Phlorid- Gesamt- Harr.- N; Datum zin- hense Zuekergehält zucker- 1910 menge ” — ausscheidung g ccm 0/0 | g g Hund 12. 9./10. Sept. \ 900 2,35 21,15 10 3 930 7 2790 3,16 29,38 79,33 ne | 960 3.0 98.80 Hund 15. 13./14. Sept. 860 3,3 28,08 14.lloası 11 970 7 2960 4,52 43,72 130,62 15410 = 1130 52 58,16 Mittel Mittel Mittel der | Mittel der 4] Gesamt- der der Stickstoff- | Zucker- Phlorid-]| h 2 stickstoff- | Stickstoff- | Zucker- al aus Datum zin- . N scheidung | scheidung ( a on Auer pro die | pro die 1910 menge | scheidung scheidung scheidung pro Kilo- | pro Kilo- pro die pro die gramm gramm 8 g g g 5 g Hund 12. 9./10. Sept. y 20. 3 29,0 9,666 26,44 1,193 3,264 14.u2, ,; Hund 13. 13./14. Sept. 13:19, 11 28,45 9,483 43,54 0,998 4,402 15.16. , - Hund 12 erhielt in den 3 Tagen 3 « Phloridzin und war 7 Tage vorernährt. Hund 13 dagegen war 10 Tage vorhergefüttert, erhielt in den 3 Tagen 11 g Phloridzin und schied aus: 28,45 g N und 130,62 & Zucker; oder im Mittel pro die: 9,483 g N und 43,54 g Zucker; oder pro Kilogramm Tier pro die: 0,962 & N und 4,420 g Zucker. Es geht also aus diesen Versuchen hervor, dass bei ausgiebiger . Eiweiss-Kohlehydratnahrung (Hund 12 und 13) die Stiekstoff- und Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 301 Zuckerausscheidung nach Phloridzingabe, besonders wenn Phloridzin in grösseren Mengen gereicht und die Fütterung auch während der Phloridzintage fortgesetzt wird, am höchsten sind. Niedriser liegen die Werte bei Hund 9, der auf Glykogen ge- mästet wurde, aber während der Phloridzintage keine Nahrung erhielt. Bei Hund 5 haben wir in den Phloridzinperioden ohne Nahrung eine grössere Stickstoff-, aber kleinere Zuckerausscheidung als nach der Glykogenmästung beim Hungern, wo die Stickstoffausscheidung kleiner, die Zuckerausscheidung dagegen, wenn auch wenig grösser ist. Der Hund scheidet trotz der hohen Zuckerabeabe in Periode V infolge der Glykogenmästung weniger Stickstoff aus als in allen voraufeesangenen Perioden ohne Nahrung, sogar noch weniger als in Periode VI ohne Phloridzin und ohne Nahrung. Aueclı diese Versuche berechtigen uns also zu der Annahme, dass der tierische Organismus bei der Zuckerbildung im Phloridzindiabetes zunächst vorhandenes Kohlehvdrat angreift. Erst allmählich mit der Abnahme der Zuckerausscheidung steigt die Stickstoffausscheidung, was doch darauf schliessen lässt, dass nunmehr erst das Eiweiss und unter gewissen Bedingungen auch das Fett für die Zucker- bildung in Betracht kommen. Was den Glykogengehalt der Tiere anbetrifft, so haben sich hier die Resultate der Arbeit „Über die Muttersubstanzen des Glykogens“ vollauf bestätigt. (Tabelle XVI, S. 302.) Die Hunde, die kurz nach der letzten Phloridzingabe getötet wurden, weisen nur geringe Mengen von Glykogen auf, in dem Muskel etwas mehr wie in der Leber. Es ist gleich, ob die Tiere vorher keine Nahrung erhielten oder mit Fett gefüttert wurden. Auch die Hunde, die vorher auf Glykogen gemästet waren, dann aber längere Zeit grosse Mengen von Phloridzin erhielten, waren fast glykogenfrei (Hund 5 und 3). Andererseits weisen die Tiere, die vorher mit Pferdefleisch und Reis ernährt waren und dann Phloridzin erhielten, unter gleichzeitiger Weiterfütterung beträchtliche Mengen von Glykogen auf (Hund 12 und 13). Hund 12 erhielt weniger Phloridzin — die Leber enthält 6,8 %/o Glykogen. Hund 13 erhielt grosse Mengen Phloridzin — die Leber enthält 2,29 °/o Glykogen. ode], TolA Inu uONOLqı9 pun J1o)ny -98 so] pan yostopgop4oJg u vPpoL, umz Sıq uopanM ET pun ZI puny | | | ‚u9goN 290 Ic o1 68 ee) eco | 208% 686 eu’ Gele el -K(9 uoa uomds — wzpLoggg Surf | 8090 O9 LL 708 SR) 290 <9‘9 08°9 847 GTLE al 97% JUN9U U9JJATIO PUNF9ISBUD U950M Can 0693 282 — 8600 — 900 01% 1ER S -I9 me uopına g pun q punp oT OFSI 386 Er ERES0 ee ei‘ v4 gyrE G "DULIYBUAF LOAdpUR d9p)O DUN)SEUUISONÄL) yrur opuny "III izaAlı) £0°68 78E NE — <80'0 858 G1SE SI 2 = 90 08 #L 66% FR E00 = 00 Ir Gehs rl = ‚uosoykp) uoA uomds — | 00'I 00°°4 OFF re — 900 Ir g808 II = Pponodurzpriopqgg uarzo] op ypru -- or Er SLE ee Eee — | ER 167 0:84 01 SIDE SI TEL .O7 Le Van 99/0 Iren FLIF 2 r0L°0 =. 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Hier liegt es also sehr nahe anzunehmen, dass sich, da zuletzt kein Phloridzin, wohl aber weiter Schmalz gereicht wurde, das Fett, was bei Phloridzingabe als Zucker ausgeschieden wurde, ohne Phloridzingabe bei Kohlehydratmangel in Glykogen verwandelt. Es träte also hier das verschiedene Verhalten der Leberzelle unter verschiedenen Bedingungen deutlich zutage. Weiter geht aus der Tabelle hervor, dass die Leber bei den mit Schmalz gefütterten Tieren infolge reichlicher Fettinfiltration einen hohen Prozentsatz des Körpergewichtes ausmacht, meist schon weit über der Norm liegend, der natürlich durch den hohen Fett- sehalt bedingt ist, in einem Falle 74,5%o auf Trockensubstanz berechnet, in den übrigen Fällen dagegen ziemlich kleine Werte aufweist ?). Ferner möchte ich noch bemerken, dass bei Hunden, die hinter- einander oder auch in Perioden reichliche Mengen Phloridzin er- halten, die Nieren ausserordentlich gross sind und die Beziehung zwischen Nierengewicht und Körpergewicht den Normalwert von 0,405 bedeutend übersteigt. So erhalten wir bei Hund 5 nach neuntägiger Phloridzingabe den Wert 1,05; bei Hund 7 — 0,66 °/e; bei Hund 8 — 1,15 °/o, auch dieser Hund erhielt neun Tage hintereinander Phloridzin, bei Hund 11 — 1,00 usw., so wie die Tabelle zeigt. Zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Resultate. 1. Bei phloridzinvergifteten glykogenfreien Hunden, sowohl im Hungerzustande als auch bei Fettnahrung, sind zwischen Stickstoff- und Zuckerausscheidung insofern genetische Beziehungen vorhanden, als nach dem Tode zu Stickstoff- und Zuckerausscheidung im all- gemeinen zunehmen. 2. Trotzdem kann der im Phloridzindiabetes von elykogenfreien Hunden ausgeschiedene Zucker nicht aus dem Eiweissumsatz allein ab- 1) Ich behalte mir vor, in Kürze an der Hand grösseren Tatsachenmaterials über das Verhältnis des Trockengewichtes, des Glykogen- und Fettgehaltes der Leber unter gewissen Zuständen ausführlicher zu berichten. 304 Peter Junkersdorf: geleitet werden, vielmehr berechtigen die hohen Werte für den Zuckerstickstoffquotienten zu der Annahme, dass auch das Fett als Zuckerquelle in Betracht zu ziehen ist. 3. Hierfür sprechen auch die Beobachtungen, dass bei Hunden mit Fettfütterung, die beim Tode noch reichliche Mengen Körperfett aufweisen, die Stickstoff- und Zuckerausscheidung sinkt. 4. Auf Glykogen gemästete Hunde verhalten sich insofern anders, als bei ihnen bei längerer Phloridzingabe die Zucker- ausscheidung ab-, die Stickstoffausscheidung dagegen zunimmt. 5. Die höchste Stickstoff- und Zucekerausscheidung zeigen phloridzinvereiftete Hunde, die bis zum Tode reichlich mit Kohle- hydrat und Eiweiss ernährt werden. 6. Was den Glykogengehalt verschieden ernährter, phloridzin- vergifteter Hunde betrifft, so wurden die an anderer Stelle!) ver- öffentlicehten Resultate bestätigt. Zum Schlusse wäre noch eine Arbeit aus neuester Zeit von Felix Lommel?) zu erwähnen, die sich ebenfalls mit der Zucker- bildung aus Fett beschäftigt. Lommel’s Untersuchungen beruhen auf der Ausschaltung des Körper- oder Nahrungsfettes bei gleichem Eiweissumsatz durch den leicht oxydierbaren Alkohol. Er kommt an der Hand seiner Versuche zu dem Ergebnis, dass durch seine Fettsubstitutionsmethode ebensowenig wie durch die bisherigen Fütterungsversuche die Frage definitiv bejaht werden könne, ob im Organismus Zucker aus Fett entstehe. Er glaubt jedoch mit seinen Untersuchungen Material für spätere Aufklärungen zu bringen. Die von mir mitgeteilten Tatsachen und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen, die sich wohlbemerkt nur auf den Phloridzin- diabetes beziehen, beanspruchen keinesfalls eine endgültige Beant- wortung unserer Frage erbracht zu haben; sie bezwecken nur in mancher Beziehung zu der Lösung des so wichticen Problems bei- zutragen. l) E. Pflüger und P. Junkersdorf, Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 201. 2) Felix Lommel, Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett (im Phloridzin- diabetes). Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 63 8.1. Uber die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 305 Versuchsprotokolle. Hund 1. Ohne Futter. Anfangsgewicht am 6. Januar 1910: 8,4 ke. 6./12. Januar 1910 Hungerperiode. Gewicht am 13. Januar 1910: 7,1 kg. Periode mit Phloridzingabe vom 13./19. Januar 1910. 13./18. Januar 1910 täglich 1 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 13./15. Januar 1910: 470 eem — 5,00 %/o = 23,50 g Zucker lo 2191072207, 5,00% — 11,00 Hort 071910:7 230, 4.05.40 9,31 IE 2219107265 ,. —- 8,818000 — 10,09 Bon I0:E385 2,530 14,80, Gesamtzuckerausscheidung vom 13./19. Januar 1910: 68,7 & s lo. 19103 Stickstoffgehalt des Harnes: 16./17. Januar 1910: 3,790 & Na 5 SE 2 ISO NORTON Gesamtstickstoffausscheidung vom 16./19. Januar 1910: 14,09 g. Der Hund erhält am 19. Januar—2. Februar 1910 täglich: 600 ecem Suppe — 10 g Fleischextrakt in 2 Portionen. ” ” ” ” ” ” fe) ” I. Periode ohne Phloridzingabe vom 19.21. Januar 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 19./20. Januar 1910: 610 eem — 0,45 %/o = 2,74 g Zucker 20.212 221910276307, —0,00.%%. Gesamtzuckerausscheidung vom 19./21. Januar 1910: 2,74 g. Stickstoffgehalt des Harnes: 19./21. Januar 1910: 1240 cem — 6,0—1,6 g Extrakt-N = 44AgN. IH. Periode mit Phloridzingabe vom 21.23. Januar 1910. 21./22. Januar 1910: je 1 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 21./22. Januar 1910: 660 cem — 1,2 Yo = 7,92 g Zucker 2228 IIOERSNOZEEMT 1,3 %0 — IV AO ET, Gesamtzuckerausscheidung vom 21./23. Januar 1910 = 18,32 g. Stiekstoffgehalt vom 21./23. Januar 1910: 1460 eem Harn — 6,138—1,6 g Extrakt-N = 4,532 oa N. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 20 | | / 306 Peter Junkersdorf: III. Periode ohne Phloridzingabe vom 23./25. Januar 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 23.124. Januar 1910: 600 ecem — 0,0 Jo Zucker ID 1910: 790 cem — 0,0 %o # Stiekstoffgehalt vom 23./25. Januar 1910: 1390 cem Harn = 4,50 g — 1,6 g Extrakt-N = 2,9 gN. IV. Periode mit Phloridzingabe vom 25./27. Januar 1910. 25./26. Januar 1910 — je 1 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: | 25.126. Januar 1910: 740 eem — 1,1 °%o — 8,14 g Zucker 26127. 5 1970276020 Been, eo llon O0 Gesamtzuckerausscheidune am 25./27. Januar 1910: 1380 cem — 17,748. Stiekstoffeehalt vom 25./27. Januar 1910: 1380 ceem Harn = 0,127 g — 1,6 & Extrakt-N —= 4,527 ge. N. V. Periode ohne Phloridzingabe vom 27./30. Januar 1910. Harn: Menee und Zuckereehalt: 27./28. Januar 1910: 675 eem — 0,13 %0 — 0,878 g Zucker 28.129. „ .1910:720 „ — 0,00 %o" Zucker, 29.1302 7, 000890 Gesamtzuckerausscheidung vom 27./30. Januar 1910: 0,878 @. Stickstoffrehalt vom 27./30. Januar 1910: 2105 cem Harn = 3,03 « N — 24 g Extrakt-N = 0,63 ©. VI. Periode mit Phloridzingabe vom 30. Januar bis 2. Februar 1910. 30./31. Januar 1910 je 1 & Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 30.131. Januar 1910: 760 eem — 1,75 /o = 13,30 g Zucker 31. Januar/l. Februar 1910: 710 „ — 2,30% = 16,33 „ r 12/27 019102. 9000 1,30. Yo (Gesamtzuckerausscheidunz vom 30. Januar/2. Februar 1910 — 2370 cem — 41,33 8. Stickstoffeehalt vom 30. Januar/2. Februar 1910: 2370 cem Harn = 8,53 ge N — 2,4 oe Extrakt-N = 6,13 eN. 2. Februar 1910: Hund getötet; sehr mager. (Gewicht vor der Tötung: 4,8 ke. Gewichtt der Leber: 134,5 & — 2,8% des Körpergewichts. Glykogengehalt der Leber: Polarisation: 0,0 %o. Glykogengehalt der Muskel: Polarisation: 0,04 %o. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 307 Hund 2 ohne Futter. Anfangsgewicht am 6. Januar 1910: 14,2 ke. 6./12. Januar 1910: Hungerperiode. Gewicht am 13. Januar 1910: 12,4 ke. Periode mit Phloridzingabe vom 13.19. Januar 1910. 13./18. Januar 1910: Täglich = 1 & Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt. 13.'15. Januar 1910: 940 ecem — 4,5 Yo —= 42,3 x Zucker Eee 190 ana ht, a, oe 7. las a, ou ollık) ” Gesamtzuckeransscheidung vom 13./19. Januar 1910: 106, 37 8 Stickstoffgehalt des Harns: 16./17. Januar 1910: 8,45 &N 17.119. EEE Gesamtstickstoffausscheidung vom 16./19. Januar 1910: 16,609 & N Der Hund erhält vom 19. Januar bis 2. Februar 1910 eo täglich : S00 cem Suppe —= 10 g Fleischextrakt in 2 Portionen. I. Periode ohne Phloridzingabe vom 19.21. Januar 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 19.120. Januar 1910: 940 eem — 0,65 ''o = 6,11 g Zucker 20.21. ONE 5 NOW Zucker. Gesamtzuckerausscheidung vom 19./21. Januar 1910: 6,11 g. Stiekstoffgehalt des Harns vom 19./21. Januar 1910: 2150 cem = 13,76 & N — 1,6 g Extrakt N = 12,16 8. U. Periode mit Phloridzingabe vom 21.23. Januar 1910: 21.122. Januar 1910 je 1 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 21.122. Januar 1910: 750 eem — 3,15 ob — 26,63 g Zucker DD 190502001, 1,005 20,4, 2 Gesamtzuckerausscheidung vom 21./23. Januar 1910: 47,03 & Stiekstoffsehalt vom 21./23. Januar 1910: 1950 eem Harn — 10,36 & N — 1,68 Extrakt N = 8,76 g&N. II. Periode ohne Phloridzingabe vom 23./25. Januar 1910. Harn: Menee und Zuckergehalt: 23./24. Januar 1910:- 870 eem — 0,0 Yo Zucker 24.105, °,0251910:.985.:, 0:06 ” 20/2 308 Peter Junkersdorf: Stickstoffgehalt vom 23./25. Januar 1910: 1855 cem Harn = 6,095 g N — 1,6g Extrakt N—= 45 eN. IV. Periode mit Phloridzingabe vom 25./27. Januar 1910 25./26. Januar 1910 je 1 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 25.126. Januar 1910: 890 cem — 3,17 %/o — 28,21 g 264200. 25 NORA 295 DAR Gesamtzuckerausscheidung vom 25./27. Januar 1910: 52,95 g. Stickstoffgehalt vom 25./27 . Januar 1910: 1860 cem Harn = — 11,688 N — 1,6 g Extrakt N — 10,08 & N. V. Periode mit Phloridzingabe vom 27./30. Januar 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 27.128. Januar 1910: 1110 eem — 0,5 %/u — 5,55 g Zucker 28.129. 1910: 900 „ — 0,0% Zucker 29/80. F2, 191071000 7,7 —0:. 0 Jose Gesamtzuckerausscheidung vom 27./30. Januar 1910: 5,55 e@. Stiekstoffgehalt des Harns vom 27./30. Januar 1910: 3010 ccm Harn = 12,28 g N — 2,4 g Extrakt N— 9,88 eN. VI. Periode mit Phloridzingabe vom 30. Januar bis 2. Februar 1910. 30./31. Januar 1910 je 1 «& Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 30./31. Januar 1910: 8370 eem — 2,18 °/o — 18,96 & Zucker 31.Jen. bis 12 Behr 191027102025 2,920 —2Y58 , 1./2., Februar 1910: 10007, — 1,9% =19,0 5,5 Gesamtzuckerausscheidung vom 30. Januar bis 2. Februar 1910: 67,04 8. ” Stickstoffgehalt vom 30. Januar bis 2. Februar 1910: 2890 ecem Haru = 17,34g N — 2,4 g Extrakt N — 14,94 gN. 2. Februar 1910: Hund getötet. Gewicht vorher: 8,8 kg. Ge- wicht der Leber: 232,5 & —= 2,66 des Körpergewichts. Glykogengehalt der Leber . . Polarisation 0,0 lo. Glykogengehalt der Muskel 0,08 9/0. Trockensubstanz der Leber: 27,0 %o. Fettgehalt der Leber: 18,8 °o. E 2 ae e RAN 3 He se ce oyare Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 309 Hund 3. Mit Schmalzfütterune. Anfangsgewicht am 31. Januar 1910: 10 ke. 31 Januar bis 5. Februar 1910: täglich 500 & Pferdefleisch und 35 g Schmalz. Gewicht am 6. Februar 1910: 10,4 kg. 6./8. Februar 1910: täglich 350 & Pferdefleisch und 75 @ Schmalz. Gewicht am 9. Februar 1910: ilrucke. 9./10. Februar 1910: Hunger, ale? x 1910: täglieh Sl & Schmalz, aa a on Gewicht am 17. Februar 1910: 10,1 ke. 17. Januar bis 1. Fe- bruar 1910: täglich 600 ecem Suppe = 10 & Extrakt und 91 g Schmalz. I. Periode mit Phloridzin vom 17.20. Januar 1910. 17.119. Januar 1910: je 1 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 17.118. Februar 1910: 440 ecem — 2,580 — 13,52 8, 18./19. a 910229200 2222 — 20243, 19.120. & A192 NAD, ee ka el. 5 Gesamtzuckerausscheidung: 51,26 g. Stickstoffgehalt des Harns vom 17./20. Februar 1910: 2360 ecm — 1918 g N —- 24 © Extrakt N — 15,38 8. II. Berode ohne Phloridzingabe vom 20./23. Februar 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 20.121. Februar 1910: 560 eem — 0,0 °/o, 21.122. & 191027810 7, 20,0%, 22.123. N 1910: 872025 7 20.0%0. Stickstoffgehalt vom 20./23. Februar 1910: 2240 cem — 9,95 g 2 Are Bxtrakt N — 7,98 ©. IH. Periode mit Phloridzineabe vom 23./26. Februar 1910. 23.26. Februar 1910: je 1 g Phloridzin. Harn: Menee und Zuckergehalt: 23.24. Februar 1910: 720 eem — 1,8 °lo —= 12,96 g 24./25. 5 1910228807 „ — 28.00 — 20,24, 25./26. 5 LINOESLOLO, , © 0,940) — 2 3A Gesamtzuckerausscheidung: 42,69 e. Stiekstoffgehalt vom 23./26. Februar 1910: 2610 ceem — 12,42 & N — 24 e Extrakt N = 10,02 EN. 98 310 Peter Junkersdorf? IV. Periode ohne Phloridzingabe vom 26. Februar bis 1. März 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 26./27. Februar 1910: 580 eem — 0,0 Ve, 27.1208. 00 000 1910.860900,, 28. bis 1. März 1910: 990 cem — 0,0 %o. Stiekstoffgehalt vom 26. Februar bis 1. März 1910: 2260 cem — 7,69 N — 2,4 g Extrakt N = 5,29 gN. | V. Periode mit Phloridzingabe vom 1./2. März 1910. 1./2. März 1910: je lg Phloridzin. Harn: Menge und Zucker- gehalt: 1./2. März 1910: 640 cem — 1,5 lo —= 9,6 2. Stickstoffgehalt des Harns vom 1./2. März 1910: 640 ecem — se N — 0,8 g Extrakt N= 227 gN. 2. März 1910: 7 Stunden nach der Phloridzingabe getötet, weil krank. Hund mager. Gewicht vorher: 9,0 kg. Gewicht der Leber: 336,5 & — 3,7 °/o des Körpergewichts. Leber auffallend hell gefärbt. 3,07 Glykogengehalt der Leber: Polarisation 0,0 °Jo, > „ Muskel: R 0,173 /o, Trockensubstanz der Leber: 51,5 °o, Fettgehalt der Leber: 36,45 /o. Hund 4. Mit Scehmalzfütterung. Anfangsgewicht am 31. Januar 1910: 19,7 kg. 31. Januar bis 5. Februar 1910: täglich 1 kg Pferdefleisch und 63 g Schmalz. Gewicht am 6. Februar 1910: 20,4 ke. 6./8. Februar’ 1910: täglich 750 g Pferdefleisch und 150 g Schmalz. Gewicht am 9. Februar 1910: 21,6 kg. 9./10. Februar 1910: Hunger, are n 1910: täglich 151 & Schmalz, 13.116. x 19l0EB22 10.1012, a Gewicht am 17. Februar 1910: 20 ke. 17. Januar bis 18. Fe- bruar 1910: täglich 900 eem Suppe — 10 g Extrakt in 2 Portionen und 161 g Schmalz. I. Periode mit Phloridzingabe vom 17./20. Februar 1910. 17.119. Februar 1910: täglich 1,5 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 311 17./18. Februar 1910: 800 cem — 1,9 %o = 152 & el) eye. lenlos. eis), u ee oo 19 lo, 225 235 Gesamtzuckerausscheidung; 63,506 g. Stiekstoffausscheidung vom 17./20. Januar 1910: 2890 ccm Harn — 213 2 N —- 2,4 oe Extrakt N — 19,33 EN. II. Periode ohne Phloridzingabe vom 20.23. Februar 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 20.121. Februar 1910: 920 cem — 0,0 lo Zucker, 21.122. x ELVCON 00, 22.123. : ELLI. RN N on Stickstoffgehalt vom 20./23. Februar 1910: 3170 eem Harn = 1787 EN — 24 g Extrakt N= 1547 e N. Il. Periode mit Phloridzingabe vom 23./26. Februar 1910. 23.126. Februar 1910: täglich 1,5 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 23.124. Februar 1910: 960 cem — 1,45 %/o — 13,92 g Zucker, 24.125. 5 WM 5 al rl: 23.126. a 2020 2 2 AB 0, Gesamtzuckerausscheidung: 49,39 ©. Stickstoffgehalt vom 23.126. Februar 1910: 3150 ecm Harn — 18.96 g N — 2,4 ge Extrakt N —= 16,56 2 N. ” ” IV. Periode ohne Phloridzingabe vom 26. Februar basal-a MA Rz1910: Harn: Menge und Zuckergehalt: 26./27. Februar 1910: 950 ceem — 0,0 Yo Zucker, alas, >, 0 oo 28. Februar bis 1. März „ : 1090 „ — 0,09% Stickstoftzgehalt vom 26. Februar bis 1. März 1910: 3110 ccm Harn = 12,32 g N — 2,4 g Extrakt N = 9,92 g N. V. Periode mit Phloridzingabe vom 1.4. März 1910. 1./4. März 1910 täglich 1,5 g Phloridzin. Harn: Menge und Zuckergehalt: 1./2. März 1910: 940 cem — 13 %o = 12,22 g Zucker, Zee ui, VS er 1,25: lol ld. , sa an — 182 Gesamtzuckeraussceheidung: 38,57 ” 2” or =: 312 Peter Junkersdorf: Stickstoffgehalt vom 1./3. März 1910: 3120 eem Harn = 14,48 c N — 2,4 g Extrakt N = 12,08 g N. VI. Periode ohne Phloridzingabe vom 4.7. März 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 4.5. März 1910: 1030 eem — 0,0 °/o Zucker, Sl 710007, 2003210 R Ode le 00 y Stickstoffgehalt vom 4./7. März 1910: 3075 eem Harn = 12,942 N — 2,4 g Extrakt N = 10,54 eN. VI. Periode mit Phloridzingabe vom 7.10. März 1910. 7./10. März 1910 täglich 1,5 g Phloridzin. Bis 8. „ ausschliesslich täglich 900 eem Suppe, 10 g Extrakt und 161 g Schmalz. | Vom 9. März ab: Täglich 900 eem Suppe — kein Schmalz, weil der Hund das Schmalz nicht mehr frisst. Harn: Menge und Zuckergehalt: 7./8. März 1910: 990 eem — 1,25 %lo — 12,37 g Zucker, Sg ee 3 Sa Sun Salut a U len (Gresamtzuckerausscheidung: 52,08 8. Stiekstoffsehalt vom 7./10. März 1910: 3035 cem Harn = 17,368 N — 2,4 @ Extrakt N = 14,96 g. VIil. Periode ohne Phloridzin- und Schmalzgabe vom 10.13. März 1910. Harn: Menge und Zuckergehalt: 10./11. März 1910: 1530 eem — 0,5 % — 7,65 g Zucker, INS, „ :1070 „ — 0,0 %o Zucker, ee > 2 29H Dee 2 0,0°0/0: 9%, (resamtzuckerausscheidung: 7,65 @. Stickstoffgehalt vom 10./13. März 1910: 16,78 g N — 24gN — el N 13. März 1910: Hund getötet, fett! Gewicht vorher: 17,4 kg. Gewicht der Leber: 776 & = 4,56 °/o des Körpergewichts. _Glykogen- gehalt der Leber: Polarisation: 1,05. Glykogengehalt der Muskeln: Polarisation: 0,4 °/o. Troekensubstanz der Leber: 62,5 °/o. Fettgehalt der Leber: 68 °/c. Uber die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. Hund 5. Ohne Nahrungs. Anfanesgewicht am 26. März 1910: 21 ke. Hund sehr fett! 26./29. März 1910: Hungerperiode. Gewicht am 29. März 1910: 02] [9] fi ehe ke. 800 eem Suppe mit 10 & Extrakt. I. Periode mit Phloridzin vom 29. März bis 1. April 1910. Harn: 29./30. März 1910: Kein Harn. 30431 0% „ : 1970 cem — 3,31 %o —= 65,2 g Zucker, 31. März bis1. April „ : 1300 „ —306%=39,178, , Po 0.5920 , Ham 104,98 0 : Stickstoffgehalt: 39,12 &g — 2,4 g Extrakt N = 36.93 g oN. II. Periode mit Phloridzin vom 1.4. April 1910. Harn: 1./2. April 1910: 1050 cem — 2,9 %o —= 30,45 g ; Zucker, au 50 0 a a, a 1000 de Aa... ad, „.:3500 „ = 86,80 & Zucker. ee 0 Dee N oe N III. Periode mit Phloridzin vom 4./7. April 1910. Harn: 4./5. April 1910: 1070 eem — 2,06 %o — 22,04 & Zucker > NE, 2,249 — 20,43 8 5 Br 2191021310, 23 io =. % & IN: 35607, = 78.0070, Zucker. Stiekstoffgehalt: 25,2 &g N— 24g Extrakt N= 28 EN. a Periode ohne Phloridzin vom 7.10. April 1910: Ham: 7.8. April 1910: 1280 eem — 0,19 %o = 2,4 & Zucker 20 1000.80 - - 0,00 20 190-1590 , 0,0% Zel0> 5 19 0:23450 Stickstoffgehalt: 19,32 & — 2,4 g Extrakt N= 16,9 g N. Gewicht am 10. April 1910: 15,4 ke. 29. März bis 10. April 1910: Täelich 1,5 & Phloridzin, [9] 2} 314 Peter Junkersdorf: 10. April 1910: 100 g Reis, 400 g Ochsenfleisch u. 100 g Traubenzucker. il, „ 2010.200, Au x 150 ' 12, ,. 1910.00 Sog h - 200 > 2 13. 0.1910 150x% 400 „ . „200 „ ; Gewicht am 14. sl 1910: 17,0 ke. 14./23. April 1910: Täglich S00 eem Suppe mit 10 g Extrakt. V. Periode mit Phloridzin vom 14.17. April 1910: 14./16. April 1910 täglich 1,5 g Phloridzin. Harn: 14./15. April 1910: 1029 ecem — 3,8 °/o = 38,76 g Zucker 15.116..° 2, 2191022120029 5 Io = 34,80, 5 16.72 2 ON 20 14.117. 1910: 3400 „ = 103,762 Zucker. Stiekstoffgehalt: 18,565 g N — 248 N =15,96 eN. VI. Periode mit Phloridzin vom 17./20. April 1910. 17./19. April 1910 täglich 1,5 & Phloridzin. Harp: 17.18. April 1910: 1080 eem — 3,2 %0 —= 34,56 g Zucker 18.1987 7,739 0 27107 7 AN a 19.120. 7,11 0726 029 as 17.120. 1910: 3550 „ — %,51l g Zucker. Stiekstoffgehalt 23,0 g — 2,4 g Extrakt N = 206 gN. VII. Periode mit Phloridzin vom 20./23. April 1910. 20./22. April 1910 täglich 1,5 g Phloridzin. Harn: 20./21. April 1910: 1120 cem — 2,75 %/o = 30,80 g Zucker ABO ee 22.120,19 00 SIEE 10 a I 20.23. IE W ET ITS, Zucker Stickstoffgehalt: 37,71 ae N— 248g lan N=3231g N 22. April 1910: getötet. Hund mager. Gewicht vorher: 13,5 kg. Gewicht der Leber: 344,5 & —= 2,54 °/o Gewicht der Nieren: 140 „= 1,05% Glykogengehalt der Leber: 0,027 % Glykogengehalt der Muskel: 0,18% Glykogengehalt der Nieren: 0,0% Trockensubstanz der Leber: 28,2 °%% Fettgehalt: 18,4 Po. Uber die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 3]5 Hund 6. Collie mit Schmalzfütterung. Anfangsgewicht am 29. März 1910: 18,5 ke. 29. März bis 1. April 1910: Hungerperiode. Gewicht am 1. April 1910: 17,2 ke. 1./22. April 1910: Täglich 120 g Schmalz (7 g pro Kilogramm) S00 cem Suppe mit 10 & Extrakt. I. Periode ohne Phloridzin vom 1./4. April 1910. Harn: 1./2. April 1910: 960 cem — 0,0 %o 2 O0: 9A 20.0520 SA 1910: 10720 2 0.0,% je 902 Stickstoffgehalt: 18,65 & N — 2,4 g Extrakt N — 16.25 a. II. Periode mit Phloridzin vom 4/7. April 1910 (1,5 & pro die). Harn: 4./5. April 1910: 1260 eem — 3,16% — 39,81 & Zucker or 19T 3 AA, , On 222191021820. 2, 3.2000 490 20,0 4.7. „ 1910: 3580 „ — 116,45 & Zucker. | Stickstoffgehalt: 40,09 & N — 2,4 Extrakt N — 37,69 e N. Il. Periode ohne Phloridzin vom 7./10. April 1910. Harn: 7.18. April 1910: 990 cem — 0,25 /o — 2,44 & Zucker 8.19. 1910210207, 09,0% le 19101060 , 0,079 7:10, 2 DENT, Stickstoffgehalt: 17,192 N — 242g N —= 14,79 eN. IV. Periode mit Phloridzin vom 10.13. April 1910. 10./12. April 1910 täglich 1,5 g Phloridzin. Harn: 10./11. April 1910: 1010 cem — 2,8 lo — 28,23 g Zucker le 122 2 1910,2,94057 52 11,508, — 400 7 2} 22 ae 2 11910-210602, — 19 2 Ar, IS 3191030107 — 63,0878 Zucker Stiekstoffgehalt: 20,94 x N — 2,48 Extrakt N—= 18,54 gN. Peter Junkersdorf: o — (OR) V. Periode ohne Phloridzin vom 13./16. April 1910: Harn: 13./14. April 1910: 950 eem — 0,19 °/o — 1,8 g Zucker 14.1152, 71910: 990 790% 15.16. , 1910: 1040. , 00% 13.1020 2 21910222980 Stickstoffgehalt: 11,56 & N — 2,4 & Extrakt N—= 916 eN. VI. Periode mit Phloridzin vom 16./19. April 1910. 16./18. April 1910 täglich 1,5 & Phloridzin. Harn: 16./17. April 1910: 1070 cem — 1,85 %o — 19,8 g Zucker 17.118: 2219108 102070 — 2,7020 2A 18.19: ,...1910:3110 757 2,844 Blib2en 16./19. 1910732002772 78,80. 23A cken ” Stiekstoffgehalt: 22,655 e — 24 ce —- 20,2. N. VII. Periode ohne Phloridzin vom 19.22. April 1910. Harn: 19./20. April 1910: 1080 cem — 0,25 Yo = 2,7 g Zucker 20121... 5. 2191032990, 57 00 8 21.122. 1910: 1260 „ — 0,0 ” 19./20:° 7,1907 33300 Stickstoffgehalt: 17,58 & N — 2,4 g Extrakt N —= 15,18 gN. 22. April 1910: Hund getötet. Hund fett, Gewicht vorher: 13,0 kg. Gewicht der Leber: 430,5 g = 3,31 Gewicht der Nieren: 85,0 „ = 0,54 ho Glykogengehalt der Leber: Polarisation: 3,09 %/o s k Se Titrationeus, lan Glykogengehalt der Muskel: Polarisation 0,4 °/o Troekensubstanz der Leber: 34,2% Fetteehalt der Leber: 40,24 °/o. Hund 7. Fox mit Schmalzfütterung. Anfangsgewicht am 5. April 1910: 7,0 ke. 5./8. April 1910: Hungerperiode. 5./8. April 1910: täglich 500 eem Suppe mit 10 & Extrakt. Harn: Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 317 52162 April2191027520 ccm — 0,0%]0, Dora ro SE ODER 010 SS OLE, Stickstoffausscheidung: 8,47 g N — ae ee —=HMEN. -Gewicht am 8. April 1910: 6,4 kg. 8. April 1910—29. April 1910: täglich 45 g Schmalz und 500 ccm re mit 10 g Extrakt. I. Periode vom 8/11. April 1910 ohne Phloridzin. Harn: 8./ 9. April 1910: 340 cem — 0,0%, on, „ande Tr = Do oral 2 190227907 22 20:018]0, Sell: 191027190025 Stiekstoffgehalt: 10,86 g — 2,4 g Extrakt = 8,46 g N II. Periode. 11./14. April 1910 mit Phloridzin. Hund 11.—13. April täglich 0,75 & Phloridzin. Harn: 11./12. April 1910: 590 cem — 1,8 Ylor 110/022 22 Zucker, 12.78, , oe oe ae 1910: 7000, 5 a, . 11.14. „ 1910: 2030 „ = 41,29 g Zucker. Stickstoffgehalt: 12612 N— 24AeN = 1021 gN. IT. Periode vom 14./17. April 1910 ohne Phloridzin. Harn: 14./15. April 1910: 710 ecem — 0,09% — 0,63 g Zucker, lc 190: 20, 000, lo 1910: 60 , 00% De 1910: 2000 Stiekstoffgehalt: 9,24 & N — 2,4 g Extrakt = 6,594 ge. N. IV. Periode vom 17.20. April 1910 mit Phloridzin. 17.—19. April täglich 0,75 & Phloridzin. Harn: 17./18. April 1910: 670 eem — 1,9590 —= 13,06 g Zucker, Be 191006905 1,8590 — ano, 120,2 1910270007 1250er, 220 2221910220227 — 35,32, 8, Zucker: Stickstoff: 10,088 N — 242 N = 828 gN. 318 Peter Junkersdorf: V. Periode ohne Phloridzin vom 20.123. April 1910. Harn: 20.121. April 1910: 580 eem — 0,2% = 1,16 2 Zucker, 21.122, 75. 30108,.090 27 2 3010:010, 22.1230... 191027010222 572.0:0202 20.123. 1901980 ” Stiekstoffgehalt: 8,39 2 N — 24a N = 5,99 gN. VI. Periode mit Phloridzin vom 23./26. April 1910. 23., 24., 25. April täglich 0,75 g Phloridzin. Harn: 23.124. April-1910: 510 eem — 1,4 °/o = 7,14 g Zucker, ad. 94.95... , „1910: 7700 0, oo 95.26: 3910: ‚740. 2 0 es a 23.126. „ 1910: 2020 „ = 36,23 g Zucker. Stickstoffgehalt: 11,9 g N — 2,4 g Extrakt N = 9,55 eN. VI. Periode ohne Phloridzin vom 26./29. April 1910. Harn: 26.127. April 1910: 660 ecem — 0,15 °/o —= 0,99 & Zucker, Se N) AD ih 28.129. %,7191.0:076.10-022.220:022/0 26.1292 °.2191021990 Stickstofigehalt: 6,20 g N — 24g N = 380 EN. 29. April 1910: Hund getötet, mager! Gewicht Yorlieh: 4,7 kg. Gewicht der Leber: 117,5 & — 2,5 °/o des Körpergewichts. Gewicht der Nieren: 31,0 & = 0,66% des Körpergewichts. Glykogengehalt der Leber: Polarisation 0,066 Po, Glykogengehalt des Muskels: Polarisation 0,104 %o. Troekensubstanz der Leber: 41,14 io, Fettgehalt der Leber: 321 Djo. Hund 8. Pudel (Glykogenhund). Anfangsgewicht am 26. März 1910: 13,2 kg. 26. März bis 1. April 1910: Hungerperiode. Gewicht am 2. April 1910: 10,7 ke. 2. April 1910: 100 g Reis, 400 & Ochs, 100 g Traubenzucker, 3:0 25... LILOEO N al 5 47.7, 21910 ODE en ee 200 5 5 5. 1910:7100 5 Een 20 A Vom 6. April 1910 ab täglich 600 cem Suppe mit Extrakt und & Phloridzin. Gewicht am 6. April 1910: 12,5 ke. m Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 319 I. Periode mit Phloridzin vom 6./9. April 1910. Harn: 6./7. April 1910: 950 cem — 3,0 %o — 28,5 & Zucker, Be 1910 Sn 2,8190 26118 Sa LOS LU 219.0: 20. — 3,32, 0 Vom 6./9. April 1910: 2750 cem = 85,95 g& Zucker. Stickstoffausscheidung: DZ April LILN: LR85 5 0,8 2 — 11,05 ON, DS IL: 7704, 0,80, 00624 Su SLDE le le al Vom 6./9. April 1910: 2750 eem — 85,95 g Zucker. Stickstoff- gehalt: 24,80 & N. ” ” =) » » WzBerıode mit Phloridzin vom 9.12. April 1910. Harn: 9.110. April 1910: 580 cem — 4,7 °%/o —= 27,26 g Zucker, NONE 21910 133077, 3,039 — 4121647, 5 Bene 90: 8507, 720250 19127, Vom 9./12. April 1910: 2760 cem — 89,02 & Zucker. Stickstoffausscheidung: 0 AD L910 206.53 2 08 2 — 5ulsaeN, 19112 75. IO1NO 3 EI NS, = a 2907 2085 — 206,97 Vom 9.712. April 1910: 2760 ccm — 89,02 & Zucker und 26,43 EN. $7] IISrervorde mit Phloridzin vom 12.415. April 1910. Harn: 12./13. April 1910: 830 eem — 2,74°0 — 23,15 & Zucker, ll 19052890 7,2 — 2,25 90. — 20,02...) Elton 0 190:5940 8,0900 3525 Vom 12./15. April 1910: 2660 cem = 78,42 & Zucker. Stickstoffausscheidung: 12.113. April 1910: 9,32 & — 082g = 852 8N, IS 2 21910 74,25... — 0,8, — 045, I lo 219013, — 08, don, Vom 12./15. April 1910: 2660 ccm — 78,42 g Zucker und 27,64 g N. I2 N 320 Peter Junkersdorf: Am 15. April 1910: getötet; mässig fett. Gewicht vorher: 8,7 ke. Gewicht der Leber: 237 8 &— 2,7 Io des Körpergewichts, Glykogengehalt der Leber: 0,25 /o = 0,060’ „ . E „ Muskeln: _ Io — U NOS lo e Nieren auffallend gross: 1,15 %/o des Körpergewichts. Trockensubstanz der Leber: 28,2%, Fettgehalt e & 26,9 %o. Hund 9. Ohne Nahrung. Anfangsgewicht am 31. August 1910: 7,8 kg. 31. August bis 7. September 1910: Hungerperiode. Gewicht am 7. September 1910: 6,5 kg. Vom 7. September 1910 ab: täglich 500 cem Suppe mit 10 g Erirakt Harn vom 4./7. September 1910: 2270 ecem — [o; 15,3 & N — 7. bis 9. September 1910: täglich 1 g Phloridzin. Harn: Tl “ ee 1910: S00 eem — 2,0 %o — 16,6 g Zucker, 8./° 5 19102500 22 1079 lo — m 3: oa 9./ & . 19102 670 Er 20, De Vom 7./10. September 1910: 1970 eem — 33,30 g Zucker. Stickstoffgehalt: 17,41g N — 248g Extrakt N —= 15,1 eN. I. Periode ohne Phloridzin vom 10.13. September 1910. Harn: 10./11. September 1910: 810 eem — 0,375°/o — 3,03 g Zucker, ul a 1910: 640 „ — 0,6 °o, 12.113. £ 1910275000 00690. Vom 10./13. September 1910: 2200 eem. Stiekstoffgehalt: 1473g N — 24sN = 1233 ge N. II. Periode mit Phloridzin vom 13./16. N. 1910. Vom 13. bis 15. September 1910 täglich 1 « Phloridzin. Harn: 13./14. September 1910: 690 cem — 1,4 °/o = 9,66 g Zucker, 14./15. 5 See „. ee, 5 15.116. N MOFA 2 So SIE Vom 13./16. September 1910: 2160 eem — 40,71 g Zucker. Stickstoffgehalt: 13 g N -24Ae NZIADSEN. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 32]: II. Periode ohne Phloridzin vom 16./19. September 1910. Vom 16. und 17. September 1910: je 1 g Phloridzin. Harn: 16./17. September 1910: 690 eem — 0,31%o —= 1,13 g Zucker. Am 17. September 1910: Hund krank; scheidet aus. Am 18. September 1910: getötet. Gewicht vorher: 5,9 ke. ‚Gewicht der Leber: 126,5 g. Hund 10. Mit Schmalzfütterung. Anfangsgewicht am 2. September 1910: 8,5 kg. Vom 2./9. Sep- tember 1910: Hungerperiode. Harn vom 6./9. September 1910: 23950 cem = 9,35 g N. Gewicht am 9. September 1910:. 7,2 kg. Vom 9./21. September 1910: täglich 50 g Schweineschmalz und 500 ecem Suppe mit 10 g Extrakt. Vom 9. bis 11. September 1910: täglich 1 & Phloridzin. Harn: 9./10. September 1910: 730 eem — 1,7 °o = 12,41 g Zucker, 10.11. \ aloe en Bu 11.112. x IaNOERS207 01053 — Mba Vom 9./12. September 1910: 2240 ecem — 29,03 & Zucker. Stiekstoffgehalt: 11,49 g N — 2,4 g Extrakt-N = 9,09 EN. Gewicht am 12. September 1910: 6,35 ke. I. Periode ohne Phloridzin vom 12./15. September 1910. Harn: 12./13. September 1910: 700 cem — 0,0 °/o, ost r 1910: 670 „ — 0,0 %o, 14.115. h 1910: 680 „ — 0,0%. Vom 12./15. September 1910: 2050 eem. Stiekstoffgehalt: 674g N — 24 8 Extrakt N = 434 EN. 1. Periode mit Phloridzin 15./18. September 1910. 15., 16., 17. September 1910 je 1 g Phloridzin. Harn: 15./16. September 1910: 760 cem — 1,56 °/o = 11,85 & Zucker 16./17. 5 KON0EROSU, 6590 Ve 17./18. = KINO, 2, — 1,31 10080, 5 15./18. September 1910: 2210 eceem — 32,71 g Zucker. Stickstoffgehalt: 9,47 & N — 2,4 g Extrakt-N = 7,07 ge N. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 21 322 Peter Junkersdorf: III. Periode ohne Phloridzin 18.21. September 1910. Harn: 18./19. September 1910: 700 cem — 0,0 %/o Zucker, 19,/20. R 1910: 590 „ — 0,0 % Ä 20.121. . 1910: 790 „ — 0,0 %o s 18./21. September 1910: 2070 ccm. Stickstoffgehalt: 7,32 g N — 248g N=543.N. 21. September 1910 Hund getötet. Gewicht vorher: 6,0 kg, Gewicht der Leber: 253 g = 4,21 /o des Körpergewichts, Glykogengehalt der Leber — 0,0265 lo, Trockensubstanz der Leber 37,2 °, Fettgehalt 43,4 Jo. Hund li. Mit Schweineschmalzfütterunse. Anfangsgewicht am 2. September 1910: 6,5 kg. 2./9. September 1910: Hungerperiode. Harn: 6./9. September 1910: 2300 cem = 10,615 g N. Gewicht am 9. September 1910: 5,4 kg. 9./24. Sep- tember 1910: täglich 40 & Schweineschmalz und 400 eem Suppe mit 10 g Extrakt. 9, 10, 11. September 1910 je 1 g Phloridzin. Harn: 9./10. September 1910: 620 eem — 1,560 %o = 9,67 g Zucker, 10./11. 5 1910227600, — 1,3050 0-20 Born 14.10. 1910: 790 „ —120%=10,19, „ 9.112. x 1910: 2170 eceem = 29,71 g Zucker. Stickstoffgehalt: 13,33 g N — 2,4 ge Extrakt-N = 11,43 g N. Gewicht am 12. September 1910: 5,3 kg I. Periode ohne Phloridzin vom 12./15. September 1910. 12./13. September 1910: 750 eem — 0,0 Po, 13.11 1910: 680 „ — 0,0%, en 910-690 2 on 1910: 2120 eem. Stickstoffgehalt: 4,39 & N — 2,4 @ Extrakt-N = 4,99 g N. II. Periode mit Phloridzin vom 15./18. September 1910. 15., 16., 17. September 1910 je 1 g Phloridzin. Harn: 15./16. September 1910: 670 eceem — 1,42 Yo = 9,51 g Zucker, 16.117. ».. , 191077108, 1,9990 121630006 TS: R 1910: 760 „., — 10% — 8506, » 15./18. 1910: 2140 eem — 31,5 g Zucker. n Stickstoffgehalt: 9,59 & N — 2,4 g Extrakt-N —= 7,19 g N. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus, 323 III. Periode ohne Phloridzin 18./21. September 1910. Harn: 18./19. September 1910: S10 eem — 0,0 /o, 19:20. 0, 19102630, 700%, Oo, NONOS CD. . 0 OR, 18./21. N 1910: 2130 ccm. Stickstoffgehalt: 8,23 &g N — 2,4 g Extrakt-N = 5,83 a N. IV. Periode mit Phloridzin 21./24. September 1910. 21., 22., 23. September 1910 je 1 g Phloridzin. / Harn: 21./22. September 1910: 780 eem — 1,87 !o — 14,58 g Zucker, 22.23. x 1910: 750 „1,90% 14,25 , . 23.124. z 1910890 7, — 1,97. 96 — 17,26, \ 21.124. = 1910: 2420 eem — 46,09 g Zucker. Stickstoffgehalt: 14,15 & N — 2,4 g Extrakt-N = 11,75 gN. 24, September 1910 getötet. Hund sehr mager, zu Beginn fett. Gewicht vorher, 4,4 kg. Gewicht der Leber: 203,5 g — 4,62 Io des Körpergewichts. Gewicht der Nieren: 44 g —= 1,00 des Körper- gewichts. Glykogengehalt der Leber: Polarisation: 0,06 °/o. Glykogengehalt der Muskel: Polarisation: 0,0855 Po. Troekensubstanz der Leber: 44,0 °/o. Fettgehalt der Leber: 55,0 °/o. Hund 12. Anfangsgewicht am 3. September 1910: 7,7 kg; vom 3. Sep- tember 1910 ab täglich: 300 g Pferdefleisch und 100 g Reis. Gewicht vom 6. September 1910: 7,93 kg. Harn vom 6./9. September 1910: 2590 eem. Stickstoffgehalt: 20,683 & N. Gewicht am 9. September 1910: 8,0 ke. 9.11. September 1910 täglich 1 g Phloridzin. Harn: 9./10. September 1910: 900 eem — 2,35 !o = 21,15 & Zucker, 10./11. & 19105.9302 7°, 273.160 — 23388 % 5 RT2. 3 19107960 , —- 3,00% — 28,807, s 9./12. a 1910: 2790 eem — 79,33 g Zucker. Stiekstoffgehalt: 29,0 g. 12. September 1910: 1 g Phloridzin. 7 Stunden nachher getötet: Hund fett. Gewicht vorher: 8,2 Kg. al 324 Peter Junkersdorf: Harn vom 12. September 1910 von morgens 10 Uhr bis nachmittags 5 Uhr 560 eem — 3,75 /o = 21,0 & Zucker. Gewicht der Leber: 371,5 g = 4,53 !o des Körpergewichts. h Nieren: AQo —— 060310 Glykogengehalt der Leber: Polarisation: 6,8 °/o. » N I „ Titration: 6,65 9. Glykogengehalt der Muskeln: Polarisation: 0,625 %/o. „ „ „ Titration: 0,65 %o. Trockensubstanz der Leber: 30,4 °/o. Fettgehalt der Leber: 11,6 °/o. Hund 15. Anfangsgewicht am 3. September 1910: 9,5 ke. Vom 3. Sep- tember 1910 ab: Täglich 300 g Pferdefleisch und 100 g Reis. Ge- wicht am 13. September 1910: 9,7 ke. Am 13. September 1910: 3 & Phloridzin. Harn vom 13./14. September 1910: 860 cem — 3,3 1/o— 28,08 g Zucker. Am 14. September 1910: 4 g Phloridzin. ».». 14./15. September 1910: 970 ceem — 4,52 op —43,78 „ Am 15. September 1910: 4 g Phloridzin. » » 15.116. September 1910: 1130 cem — 5,2 %o —58,76 „ Re 9 lO: 5 „.: 2960 „ = 130,62 g Zucker. Stiekstoffgehalt: 28,45 & N. Am 16. September 1910: 5 & Phloridzin. 7 Stunden nachher getötet. Gewicht vorher 10 kg. Harn von 10 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags: 540 eem — 32,02 g Zucker. ” ” (Gewicht der Leber: 273,5 g = 2,73 °/o des Körpergewichtes. E = Nerven-sroree W670. R 3 „ Eingeweide ausser Leber: 874 g. Glykogengehalt der Leber: Polarisation: 2,29 °Jo, 2 5 nation: 2,202 %o. Trockensubstanz „ 2 0R3r0j0: Fettgehalt 2 2 a Glykogengehalt des Muskels: Polarisation: 0,53 %o, E he 5 Iitrationz2.0,5519/0: r „ Eingeweide: 0,042 °/o. Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 395 Hund 14. Mit Schmalzfütterunge. Anfangsgewicht am 3. September 1910: 8 ke. Vom 3. bis 13. September 1910: Täglich 300 g Pferdefleisch und 100 g Reis; vom 14. bis 21. September: Hungerperiode. tember: 8,5 kg, Gewicht am 18. September: 8 kg. Gewicht am 14. Sep- Vom 18. Sep- tember ab: Täglich 500 eem Suppe mit 10 g Extrakt. Harn: 18./19. September 1910: 1910: 190: 1910: 19.120. : 20.121. ; KL. 5 590 cem — 0,0 %o, een: 0,0 Oo, ” IE 0,0 %o, ” Stickstoffgehalt: 7,42 g N — 2,4 g Extrakt N = 5,02 8. Vom 21. September 1910 ab täglich ausser Suppe 60 g Schweine- schmalz. Harn: 21./22. September 1910: 22.123. a 1910: 23.124. 5 1910: 21./24. 5 1910: 23007 7, 0 5 so ” Am 21., 22. und 23. September je 1 g Phloridzin. 820 ccm — 2,43 !/o = 19,92 & Zucker, — 45 Dr —= el , — 49,06 g Zucker. Stiekstoffgehalt: 14,68 &g N— 248g N= 1228 ge N. I. Periode ohne Phloridzin vom 24.27. September 1910. Harn: 24./25. September 1910: Be 1910: 26.27. 5 LO: a > 1910 70 > 690, : 2140 110 eem — 0,35 Io = 2,6 g Zucker, Oo, 0/o, Stiekstoffgehalt: 1025 ce N — 242 N=785 eN. II. Periode mit Phloridzin vom 27.30. September 1910. Am 27./29. September 1910 täglich 1 g Phloridzin. Harn: 27.128. September 1910: 830 ceem — 1,6 °% = 13,28 g Zucker) 2200. 1910: >9130. , 1910: a, 1910: 870, 810 „ 2510 , 1,50.%)o las, a et oe — ln — 42,19 g Zucker. Stiekstoffgehalt: 11,608 N — 242 N=92 EN. 326 Peter Junkersdort: II. Periode ohne Phloridzin vom 30. September bis 3. Oktober 1910. Harn: 30. Septbr. bis 1. Oktbr. 1910: 820 eem — 0,35 P/o — 2,87 gZucker, 2, 0 81910: 772720 rn 000: Be len) BR N I, 30.87 2, his 325019102370, Stiekstoffgehalt: 932g N— 24g N=7,UeN. IV. Periode mit Phloridzin vom 23.6. Oktober 1910. 3./5. Oktober 1910 täglich 1 & Phloridzin, Harn: 3./4. Oktober 1910: S40 cem — 1,4 °%o —= 12,78 g Zucker, 4.15. 00, 719102 1700 oo 5.16.0052 191020. 8700 2 oe 3/6. „1910: 2500 „ = 36,29 & Zucker. Stiekstoffgehalt: 105 g N— 248 N=3,1 g N! Harn: 6. Oktober 1910: Von 10 Uhr vormittags bis 5 Uhr nachmittags: 280 eceem — 0,93 Jo — 2,66 g Zucker. Am 6. Oktober 1910 getötet. Hund sehr fett. Gewicht vorher: 5,9 ke. Gewicht der Leber: 242,5 g 4,11 °/o des Körpergewichtes, & Nieren: Doreen 6220/00 8 h Glykogengehalt der Leber: 0,0 °/o, 8 „ Muskeln: 0,0 °o. Trockensubstanz der Leber: 45,9 °/o. Fettgehalt A 274,800: | Hund 15. Mit Schweineschmalzfütterung. Anfangsgewicht am 15. September 1910: 15 kg, vom 15./22. Sep- tember 1910: Hungerperiode. Gewicht am 19. September 1910: 14,0 kg. Vom 19. September 1910 ab täglich 500 eem Suppe mit 10 g Extrakt. Harn: 19./20. September 1910: 680 cem — 0,0% Zucker, 20.121. B 110 700°... 00 Eee 21.122. s 190-810, 2 WO LnEN 19.22, 5 1910: 2250 „ Über die Bildung von Kohlehydraten aus Fett im tierischen Organismus. 327 Stickstoffgehalt: 16,19 g N — 24g N = 1379.gN. Vom 22. September 1910 ab, täglich ausser Suppe 100 g Schweineschmalz. 22./24. September 1910 täglich 1 g Phloridzin. 22.123. September 1910: 820 cem — 2,5 lo 23.124. 5 19020002 — 2:63:90 24.125. ö 1910: 790 „ — 23,81% 22.125. E KOIOES2SS0m 7 — 60.7046 Stiekstofigehalt: 24,27” g N — 24g N = Harn: 20,5 18,05 22,19 Zucker. 21,87 g g Zucker, | ” 22 „ I. Periode ohne Phloridzin vom 25./28. September 1910. Harn: 25./26. September 1910: 26.127. n 1910: 730 27.128. 2 1910: 750 25.128. i 1910: 2180 PETER 0,0 ”» 700 eem — 1,25% — 1,75 g Zucker, Jos — 0,0 lo, Stickstoffgehalt: 13,31 g N — 248g N = 10,91 gN. II. Periode mit Phloridzin vom 28. September bis 1. Oktober 1910. 23.130. September täglich 1 g Phloridzin. 28./29. September 1910: 29.130. 5 1910: 870 30. Sept./1. Okt. 1910: 920 28. Sept./l. Okt. 1910: 2680 Stickstoffgehalt: 17,27” g N — 890 cem — 0,96 %/o 2,61 0 1,89 48,63 8 2,49 N Harn: 8,54 22,7 17,39 Zucker. 14,87 g Zucker, ” ” N. IH. Periode ohne Phloridzin vom 1./4. Oktober 1910. Harn: 1./2. Oktober 1910: Due. R 1910: 820 AlA. a 1910: 830 1./4. 1910: 2410 ” — 760 eem — 0,34 °%o = 2,58 g Zucker, do, — 0,0 Po, Stiekstoffgehalt: 13,57” g N — 248 N = 1117 gN. IV. Periode mit Phloridzin vom 4.7. Oktober 1910. 4./7. Oktober 1910 täglich 1 g Phloridzin. 4.5. Oktober 1910: 680 cem 5.16: 5 1910323102 GET. & LILOFETSSIT , 4.7. 1910: 2370 ” ” 2,710 2,96 °/o 1,93 %% Harn: 18,43 g Zucker, 20,73 „ 18,98 „ » n 58,14 g Zucker. Stickstoffgehalt: 20,43 g N— 248g N— 1803 ge N. 328 Peter Junkersdorf: Über die Bildung von Kohlehydraten etc Harn vom 7. Oktober 1910: mittags 5 Uhr 325 cem — 3,35 %o . Oktober 1910: getötet. der ee 351,5 8 Nieren: 76,5 & von vormittags 10 Uhr bis nach- — 10,85 g Zucker. Gewicht vorher: 10,7 ke. — 3,3% des Körpergewichtes. a 0.724 °%/o des Körpergewichtes. Glykogengehalt der Leber: Polarisation 0,085 °/o, Glykogengehalt der Muskel :!Polarisation 0,34 °/ Trockensubstanz der Leber: 38,4 o, Fettgehalt der Leber: 39,03 %o. Gewicht Gewicht der 329 Über physikalische und physiologische Erscheinungen der oszillierenden Ströme. Von Prof. Dr. Rumpf (Bonn). In der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde in Bonn habe ich am 23. Juli 1906 einige Erscheinungen an einer neuen Art hochfrequenter Ströme, die ich als oszillierende be- zeichnet habe, demonstriert. Diese Ströme haben bis jetzt nur von seiten der ärztlichen Therapie Beachtung gefunden, sodass ich einige ältere und neuere Beobachtungen physikalischer und pbysio- logischer Art hier mitteilen möchte. Die von mir gewonnenen Ströme unterscheiden sich von den bekannten Teslaströmen dadurch, dass der Teslatransformator mit Leydener Flasche, Funkenstrecke, Primär- und Sekundär- spirale, welche letztere hier den Strom liefert, fehlen und die Hoch- frequenz durch Schwingungen von sehr dünnwandigem Glas hervorgerufen wird. Werden von den Polen eines kräftigen Induktors die Leitungen den verschiedenen Seiten einer dünnen Glasplatte oder einer dünnwandigen Flasche zugeleitet, von welchen eine Seite am besten mit Stanniol belest ist, so findet durch das Glas ein Ausgleich des Stromes in der Art statt, dass die durch die primäre Unterbrechung. hervorgerufenen Stromschwankungen je nach der Grösse der Kapazität des Glases oder der Flasche resp. des elektrischen Feldes eine hochgradige Steigerung der Frequenz er- fahren. Diese Entladungen scheinen zuerst von Fred Touton beobachtet und auf die Grösse der Zeitdauer berechnet zu sein und können auch nach persönlicher Mitteilung meines Bonner Kollegen Bucherer eine Million in der Sekunde und mehr erreichen. Diese hochfrequenten Ströme sind nun nicht völlig gleich- mässig, da die Induktionen der primären Stromquelle neben den sekundären Öszillationen eine teilweise Ent- ladung durch das Glas erfahren und so ein Strom entsteht, der neben den Induktionsschlägen superponierte Wechselströme bis zu einer Million und mehr in einer Sekunde enthält. Demgemäss muss auch die Energie des Stroms, welcher durch Glas ein 330 Rumpf: oszillierender wird, grossen Schwankungen unterworfen sein. An Stelle einer Glasflasche kann auch eine Glasröhre dienen, welche teilweise evakuiert ist. Bei einer längeren derartigen Röhre bedarf es nicht einmal einer metallischen Einleitung des Stroms in das Vakuum, sondern nur einer kurzen metallischen Hülse, da eine dünne Glaswand den von dem Induktor zugeleiteten Strom leicht eintreten und an der beabsichtigten Austrittsstelle ebenso leicht austreten lässt. Die partiell evakuierte Röhre strahlt dann in rötlich-violettem Licht. Das von mir zur Hervorrufung der oszillierenden Ströme seither benutzte Instrumentarium ist folgendermaassen gestaltet: a) Ein Induktor mit Platinunterbrecher, welcher mit einer Mindestspannung von 10—12 Volt bei 2 Ampere Stromverbrauch Funken von 50—80 mm eibt. Der Strom wird entweder aus der Lichtleitung oder aus Akkumulatoren entnommen. Man wird natur- gemäss auch stärkere Ströme verwenden können. b) Von dem Induktor wird der eine Pol in eine mit Leinen überzogene Fussplatte geleitet, welche bei Benutzung des Stroms an empfindlichen Menschen vereinzelt mit einem dünnen Holzbrett belegt wird. Auf diese Platte werden die Füsse gesetzt. Es genügt aber auch, den einen Pol nur zur Erde zu leiten; der Strom wird dadurch etwas schwächer. ec) Der Glasunterbrecher, bestehend in verschieden srossen Glasflaschen, deren Boden 0,25 bis 0,53 mm dick und auf der einen Seite mit Stanniol belegt oder versilbert ist. Zwischen der freien (nicht mit Stanniol belegten) Glasfläche und dem anderen Pol wird nun die Wirkung des Stroms geprüft. An Stelle der Glas- flasche wird zu manchen Versuchen eine teilweise evakuierte Glasröhre von gleicher Wandstärke ohne Staniolbelag benutzt. Physikalisches. Bei den meisten Versuchen, insbesondere solchen, bei welchen der Strom durch kleinere Funken in längere Berührung mit der Luft kommt, fällt alsbald der Geruch von Ozon dem VUntersucher auf. In Hinsicht auf diese Bildung haben ja die hochgespannten Ströme vielfach Verwendung gefunden. Dagegen erscheinen die sonstigen physikalischen Wirkungen dieser Ströme zunächst sehr gering zu sein. Durch einen grösseren Hirschmann’schen Galvanometer geleitet, rufen dieselben auch dann keine Ablenkung der Maenetnadel hervor, wenn man Über physik. und physiol. Erscheinungen der oszillierenden Ströme. 331 den Schliessungsstrom durch Vorschaltung eines Kohl’schen Wider- standsapparates ausschaltet, was vermutlich als Beweis dafür be- trachtet werden kann, dass der Öffnungsinduktionsstrom durch die Oszillationen des Glases zum Wechselstrom wird. Leitet man aber den Strom durch eine Flüssiekeitssäule, so tritt eine Er- wärmung dieser ein. Die Versuchsanordnung war folgende: Ein Becherglas mit dünnen Wänden und einem Durchmesser von 5 cm, dessen äusserer Boden mit Stanniol belegt ist, wird teilweise mit Flüssigkeit ge- füllt. Der Strom wird von dem einen Pol des Induktors durch Metall dem Stanniolbel agzugeführt, von dem anderen Pol wird ein Kupferdraht in die Flüssig- keit geführt. Als solche wird benutzt: a) NaCl-Lösung von 5,8% 140 cem; Anfangstemperatur 18,70 C. Nach zehn Minuten langem Durchgang des Stroms beträgt die Temperatur 20° ©. oder pro Minute 0,130 ©. Erwärmung. b) Destilliertes Wasser 140 cem; Anfangstemperatur 18,7° C. Nach acht Minuten langem Durchgang des Stroms zeigt das Thermometer 20° C. oder pro Minute 0,162° C. Erwärmung. ce) NaCl-Lösung von 11,6% 140 ccm; Anfangstemperatur 18,8° C. Nach vier Minuten langem Durchgehen des Stroms beträgt die Temperatur 20° C., nach zehn Minuten langem Durchgehen des Stroms beträgt die Temperatur 21,2° C. oder pro Minute 0,24° C. Erwärmung. Da die Erwärmung der Flüssigkeitssäule von Versuch zu Versuch stieg, musste an die Möglichkeit gedacht werden, dass die stärkere Erwärmung der 11,6 /oigen NaCl-Lösung nicht an dem höheren Kochsalzgehalt, sondern an der Erwärmung der Umgebung lag, welche sich dem Glas mitteilte. Es wurde des- halb bei einer weiteren Versuchsreihe das Becherglas durch einen Hartgummi- ring isoliert und in der Luft schwebend gehalten und mit Durchströmung der stärkeren NaCl-Lösung begonnen: 100 g NaCl-Lösung ven 11,6°/o mit einer Anfangstemperatur von 15,99 G, erfuhren nach zehn Minuten langem Durchströmen eine Erhöhung auf 17,6° €. oder in der Minute eine solche von 0,16° C. 100 g destilliertes Wasser mit einer Anfangstemperatur von 16° C. erfuhren in zehn Minuten langer Durchströmung eine Erwärmung auf 17,7° C. oder in der Minute eine solche vun 0,17° C. 4 Man wird nach diesem Ergebnis dem höheren Chlornatriumgehalt keine stärkere Erwärmung bei der Durchströmung zuschreiben dürfen, aber die Er- wärmung der Flüssigkeitssäule ist bei allen diesen Versuchen zweifellos. Jedenfalls findet beim Hindurchgehen oszillierender Ströme durch Flüssigkeit eine Erwärmung dieser statt. Elektrolytische Zersetzungen werden von den oszillierenden Strömen ebensowenig hervorgerufen wie von anderen Wechsel- strömen, wenn man nach Art der vorher geschilderten Versuclis- 392 Rumpf: anordnung den einen Pol durch den Stanniolbelag eines dünnwandigen Bechers, den anderen Pol direkt in die Flüssigkeit einleitet. Eine Lösung von Jodalkalien mit Stärkekleister lässt die charakteristische Jod- zersetzung eines schwachen galvanischen Stromes durchaus vermissen. Ganz anders gestaltet sich indessen das Resultat, wenn man Fliesspapier, welches mit einer Mischung von Jodalkalien und Stärke getränkt ist, auf den Boden des Gefässes lest, dessen Inhalt der Strom durch die äussere Staniolbelegung des Glases zugeführt wird, und nun von dem anderen Pol Funken auf dss Fliesspapier überspringen lässt. Das in der Luft entstehende Ozon ruft alsbald eine Zersetzung der Jodlösung und eine Färbung des Stärkepapiers hervor. Man wird also sagen können, dass die oszillierenden Ströme beim Hindurchgehen durch Sauerstoff auch chemische Umänderungenin der Um- sebuue hervorrufen. Physiologische Ergebnisse bei Tierversuchen. Der Strom, welchen man dem menschlichen Körper durch die oben beschriebene, in ihrem Innern mit Stanniol belegte oder ver- silberte grössere Flasche zuleitet, während der zweite Pol auf den Fussboden geleitet wird, ruft nur sehr geringe Erregung der Haut- nerven hervor. Anders gestaltet sich das Resultat, wohl durch den geringeren Querschnitt bedingt, wenn man mit einem naturgemäss kleineren Gefäss (einem mit Stanniol ausgelegten Reagenzglas) den Strom in das Hinterbein eines Frosches eintreten lässt. Das Zurück- ziehen des Beines zeigt eine stärkere und unangenehme Emp- findung an, die naturgemäss aufhört, sobald der Ischiadieus des gereizten Beines durchschnitten ist. Der Nervus ischiadicus selbst zeigt bei Reizung des peri- pheren Endes deutliche Zuekungen in den zugehörigen Muskeln, die wohl als regelmässige Folge der Ströme zu be- trachten sind, während nach den Untersuchungen von R. v. Zeynek und E. v. Bernd!) die bei Teslaströmen vom Nerven aus ent- stehenden Zuckungen nicht auf die hohe Frequenz, sondern auf Schwankungen in der Amplitude zurückzuführen sind. Ebenso zeigen die vom Strom getroffenen Muskeln deut- liche Zuekungen. Betrachtet man beim eurarisierten Frosch die Gefässe 1) Pflüger’s Arch. Bd. 132. Über physik. und physiol. Erscheinungen der oszillierenden Ströme. 333 der Schwimmhaut bei geringer Vergrösserung, so sieht man, wie mit dem Eintritt des Stromes in die Schwimmhaut (dureh die oben schon erwähnte Reagenzglaselektrode) die Zirkulation plötzlich eine Verlangsamung erfährt oder ganz stockt; die Kapillaren scheinen sich zu verengen, zunächst strömt das Blut nach den Venen zu, aber bei stärkerem Strom stockt die Zirkulation auch in diesen. Bei der Öffnung des Stromes stellt sich die Zirkulation meist sehr rasch wieder ein, um beim Schliessen erneut das gleiche Bild zu bieten. Es war nun zu entscheiden, ob diese Erscheinung reflek- torisch oder durch direkte Reizung der Gefässe und ihrer Nerven zustande koınmt. Zur Entscheidung wurde an dem ceurarisierten Frosch der Nervus ischiadieus durchschnitten und der Versuch wieder- holt. Das Resultat war das gleiche, wie ich es eben geschildert habe. Es ist also die dureh oszillierende Ströme bedingte Änderung der Zirkulation in der Froschschwimmhaut nicht die reflek- torische Folge sensibler Reize, sondern durch direkte Reizung der Gefässe oder Gefässnerven bedingt. Es dürfte von Interesse sein, dass die Teslaströme trotz starken Über- strömens von Funken auf die Schwimmhaut des Frosches diese Ein- wirkung auf die Zirkulation bei meiner Versuchsanordnung ver- missen liessen. Lest man das Froschherz frei und appliziert nach einiger Zeit ruhiger Beobachtung die Glaselektrode an die Spitze des Herzens oder noch besser, zur Erzielung einer ruhigen Stellung, etwas unter die untere hintere Fläche, so sieht man, wie das Herz sofort sich etwas verkleinert und dann mit einer stärkeren systolischen Verkleinerung weiterschlägt. In einzelnen Fällen gelang es auch, das schon zum Still- stand sekommene Herz dureh Applikation des Stromes wieder zu regelmässigem Schlagen zu bringen. In manchen Versuchen war die Verkleinerung des schlagenden Herzens auch deutlich, wenn der Strom nicht dem Herzen selbst, sondern der näheren oder weiteren Umgebung zugeführt wurde. Naturgemäss teilt sich der Strom auch bei diesem Versuch dem Herzen mit. Die Versuche am freigelegten Hundeherz (bei künst- licher Atmung) ergaben das gleiche Resultat. Schon beim Aut- setzen der Glaselektrode auf die Reste der Thoraxwand oder auf die lateralen Blätter des Perikards trat die Verkleinerung 334 Rumpf: des in seiner Schlagfolge nur kurz gestörten Herzens auf. Meist wurde die Zahl der Herzschläge langsamer. Bei einem Versuch (unter Mitwirkung von Kollegen Schmieden) war bei Applikation der Elektrode an die Herzspitze das Bild ein sehr auffallendes. Die Kontraktionen des Herzens erfolgten langsam und mit wesentlich grösserer Kraft, und man sah, wie die Kon- traktion in einer spiralförmig von links unten nach rechts oben verlaufenden Welle gleichsam peristaltisch ablief, deutlich gemacht durch kleine Fältchen des aufliegenden Perikards. Bei einem alten Karrenhund mit sehr grossem, schlaffem Herz (unter Mitwirkung von Herrn Dr. Capellen) waren die Er- scheinungen weniger deutlich. Aber auch hier zeigten die Ventrikel eine kräfticere Kontraktion. Wurden aber die Vorhöfe von dem Strome betroffen, so trat sofort fibrilläres Wogen ein, und die Herzkontraktionen wurden unregelmässig. Vereinzelt gelang es dann durch Perikard- oder Ventrikelreizung, die Schlag- folge unter Abnahme des fibrillären Wogens wieder regelmässig zu gestalten; nach mehrmaliger Reizung der Vorhöfe wurde aber das Wogen nicht mehr rückgängig, und unter zunehmender Un- regelmässigkeit und Ungleichmässigkeit der Herz- kontraktionen trat Stillstand des Herzens ein. Bei einem dritten Hund, der ebenfalls von Herrn Dr. Capellen operiert wurde, liess sich die Verkleinerung des Herzens und eine Verlangsamung der Schlagfolge nach Applikation des Stromes be- sonders auf die obere vordere Rippengegend rechts immer wieder hervorrufen. Auch hier konnte das durch Reizung der Vor- höfe entstandene fibrilläre Wogen teilweise zum Still- stand gebracht, teilweise durch erneute Reizung des Ventrikels oder der Umgebung vermindert werden. Ich habe beide Versuche kinematographisch aufnehmen lassen und die Bilder auf der Natur- forscherversammlung in Köln 1908 demonstriert. Man muss also ‘aus diesen Versuchen auf eine kräftige Ein- wirkung der oszillierenden Ströme auf den Herzmuskel und das Gefässsystem schliessen. Ich glaube, diese Einwirkung als eine beträchtliche Steigerung des auch in der Norm vorhandenen Tonus ansprechen zu müssen. Physiologische Erscheinungen am Menschen. Bis vor nicht langer Zeit war die Anschauung vorherrschend, dass die hochgespannten und hochfrequenten Ströme nicht in den Über physik. und physiol. Erscheinungen der oszıllierenden Ströme. 335 menschlichen Körper eintreten, sondern denselben nur umkreisen, wenn auch d’ Arsonval dieser Auffassung widersprochen hat. Jedenfalls besteht aber die Überzeugung, dass sie im Verhältnis zu ihrer Frequenz zu geringe Maximalspannung resp. Intensität besitzen, um starke Reize für die Nerven oder Muskeln zu bilden. Dass die oszillierenden Ströme unbehindert (bei dem nicht zu rechnenden Widerstande der Haut) in den Körper eindringen, lässt sich durch folgende Versuche zeigen: 1. Versuch. Ich führte eine kleine Geissler’sche Kugelröhre mit Leitungsschnur und möglichster Isolierung in meinen Mund ein, die Röhre leuchtet in geringem Grade. Leite ich nun den zweiten Pol des Induktors zu den Füssen oder durch die Glasflasche in den Körper (Hand, Nacken, Wange), so nimmt das Leuchten der Röhre deutlich zu. Weit angenehmer ist aber der 2, Versuch. Die Füsse sind mit dem einen Pol des Induktors in Kontakt. Ich führe in meine Mundhöhle ein starkes Hartgummirohr ein, welches als Isolator gegen die Lippen, Zähne und Zunge dient. Dann führe ich eine durch das Gummi isolierte Geissler’sche Röhre in meinen Mund, dessen Metallkontakt den Gaumen berührt. Ich nähere den zweiten Metallstift der Geissler’schen Röhre dem andern Pol (nicht einmal bis zur Berührung), und sie leuchtet hell auf. Diese beiden Versuche, von welchen der letzte vielfach demon- striert wurde, dürften zeigen, dass die oszillierenden Ströme in den menschlichen Körper leicht eintreten. Nach der oben geschilderten Erwärmung von Salzlösungen durch die oszillierenden Ströme wird es auch nicht zweifelhaft sein können, dass durch dieselben geringe, durch Steigerung der Energie noch wesentlich zu steisernde Wärme- mengen dem Körper zugeführt werden können. Allerdings sind die Reizungserscheinungen des Stroms nur gering. Die Reize, welche von den sensiblen Nerven der Haut dem Zentral-Nervensystem zugeleitet werden, beruhen wohl darauf, dass die oszillierenden Ströme auch Unterbrechungen von seringerer Zahl neben der Hochfrequenz aufweisen. Von einzelnen Autoren scheint beobachtet zu sein, dass unter dem Einfluss wechselnder magnetischer Felder Andeutungen von Liehterscheinung am Auge auftreten. Doch sind diese Beobachtungen nicht unbestritten 4). Ich selbst konnte bei Tagesbeleuchtung Licht- erscheinungen durch die oszillierenden Ströme nicht nachweisen. Dagegen gelang es durch eine Versuchsanordnung, welche Curie, nach Mitteilung von Kollegen Bucherer beim Radium angewandt hat. Ich selbst oder die betreffende Versuchsperson wurde in ein Dunkelzimmer gesetzt, in welchem alle Vorkehrungen so getroffen 1) Vgl. Boruttau und Mann S. 468. 336 Rumpf: waren, dass ohne Beleuchtung der oszillierende Strom ein- und aus- geschaltet werden konnte. Die Stellung der Versuchsperson wurde so gewählt, dass sie dem Funken des Unterbrechungshammers den Rücken zukehrte.. Nach Yasstündigem Aufenthalt im Dunkelraum wurde der Strom in der Art durch den Körper geieitet, dass der eine Pol mit den Füssen in Verbindung war, der andere wurde als evakuierte Röhre (durch eine längere Hartgummihülse in der Hand gehalten) oder eine anders gestaitete Vakuumelektrode auf das Auge bei geschlossenem Lid aufgesetzt. Sofort tritt das Bild einer erhellten Scheibe von grünlich-gelbem Schimmer in Erscheinung, am deutlichsten beim Aufsetzen der Elektrode etwas entfernt von dem äusseren Augenhöhlenrand mehr dem Zentrum der Cornea zu, weniger stark nahe dem inneren Augenwinkel. Die Liehterscheinunge schwand, sobald die Elektrode auf den Nasensattel zwischen beide Augen gesetzt wurde, um bei Näherung an das Auge sofort wieder aufzutreten. Ein Unterschied durch Stromwechsel liess sich nicht nachweisen. Das gleiche lässt sich nach Y/«stündigem Aufenthalt im Dunkeln auch bei hochgespannten Strömen mit Teslatransformator 'nach- weisen. Doch war die Applikation (was möglicherweise bei anderer Anordnung vermieden werden kann) weniger angenehm. Diese Versuche dürften hinreichend zeigen, dass die oszil- lierenden Ströme bei entsprechender Anordnung ständige schwache Reize auf das Sehorgan ausüben, wobei ich es einst- weilen unentschieden lassen möchte, ob durch die Reizung die Netzhaut oder der Sehnerv betroffen wird. Wie oben schon erwähnt, sind die Empfindungen der Hautnerven bei Eintritt des Stromes an der betreffenden Stelle sehr gering. Die meisten motorischen Nerven zeigen am Menschen keinen Reizungseffekt beim Aufsetzen der grossen Glaselektrode auf die sogenannten motorischen Punkte. Nur der N. accessorius zeigt bei einzelnen Menschen eine gewisse Reizempfänglichkeit, wenn die Glaselektrode über ihn geführt wird. Auf die übrigen motorischen Punkte, insbesondere den N. ulnaris, cruralis, ischiadicus an ihren Reizungsstellen, kann man die Glasplatte bei den meisten Menschen aufsetzen, ohne dass ein Effekt sich bemerkbar macht. Man könnte nun denken, dass der Strom in dieser Form über- haupt keine Reizungserscheinungen ausübt. Das ist aber keineswegs der Fall, wie der folgende, häufig wiederholte Versuch ergibt: Über physik. und physiol. Erscheinungen der oszillierenden Ströme. 337 Hält man die Beine des im Liegen zu Untersuchenden leicht in der Knie- kehle gebeugt und prüft die Patellarreflexe einmal ohne Strom und weiterhin so, dass der Strom durch die Glasflasche in der Schenkelbeuge über dem N. cruralis eingeführt, durch die Ferse derselben Seite ausgeführt wird, so tritt eine deut- liche Steigerung beider Patellarreflexe auf, die auf der gereizten Seite entschieden stärker ist. Dass auch der Patellarreflex der anderen Seite gesteigert wird, dürfte. daran liegen,‘ dass der Übergang von Strom- schleifen nicht zu vermeiden ist. Diese Steigerung der Patellarreflexe unter der Einwirkung der oszillierenden Ströme ist besonders in solchen Fällen auffallend, in welchen die Patellarsehnen- reflexe fehlen oder sehr schwach sind. Bei einem 19jährigen Mädchen, das im 11. Jahre eine schwere Kopf- verletzung erlitten katte, liessen sich bei der Untersuchung trotz aller Handgriffe keine Patellarreflexe nachweisen. Tabes oder eine tabesähnliche Er- krankung musste ausgeschlossen werden. Sobald nun der oszillierende Strom fünf Minuten in der oben geschilderten Weise eingeleitet war, zeigten sich beide Patellarreflexe deutlich und kräftig, Das gleiche gelang bei einem 32jährigen Mann, der eine Brustquetschung erlitten hatte, und bei dem es zweifelhaft war, ob das Beklopfen der Patellar- sehnen von einem Reflex oder von einer fortgeleiteten geringen Erschütterung der Quadricepsmuskulatur gefolgt war. Hier zeigten sich wenige Minuten nach der Applikation des Stromes kräftige Patellarreflexe. Versuche, bei einem Tabeskranken Patellarreflexe zu erzielen, blieben ergebnislos; auch gelang es bisher nur einmal den fehlenden Achilles- sehnenreflex in Erscheinung treten zu lassen. Die Frage, ob diese Wirkung der Ströme eine direkte oder indirekte (durch die sensiblen Erregungen hervorgerufene) ist, muss ich unentschieden lassen. Ich neige aber .der Auffassung zu, dass es sich hierbei um eine Steigerung des Tonus handelt. Auf die Erscheinungen am Zirkulationsapparat des Menschen unter der Einwirkung der oszillierenden Ströme möchte ich nur kurz eingehen. Meine erste Erfahrung bestand darin, dass in Fällen von Herzschwäche mit Vergrösserung der Herzdämpfung und des Herzschattens im Röntgenbild unter labiler lokaler Applikation sich die Herzdämpfung verkleinerte, d. h. lufthaltige Lungen wieder mehr das Herz überlagerten, während der Herzschatten im Röntgenbild zunächst keine Verände- rung, dagegen im Laufe der Zeit bei einzelnen eine Rückkehr zur normalen Grösse erfuhr. Mit diesen Erscheinungen schwanden in vielen Fällen die subjek- tiven Herzbeschwerden. Diese Erfahrungen gaben Veranlassung, mannigfache Untersuchungen über die Entstehung dieser Erscheinung zu machen. Zunächst maass ich in vielen Fällen vor und nach der Behandlung den Umfang des Brustkorbes durch die Höhe der Brustwarzen und konstatierte nach zehn Minuten dauernder labiler Be- handlung der Brust und des Rückens vereinzelt eine Zunahme des Brustumfangs um 2 cm. Ich dachte zunächst daran, dass durch Verbesserung der Atmung die Lungenränder wieder lufthaltig geworden seien; indessen nahm der Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 22 338 Rumpf: Über physik. und physiol. Erscheinungen ete. Brustumfang in einzelnen ‚Fällen sicher nicht zu, und doch trat diese Erscheinung auf, die vereinzelt nach ein bis zwei Stunden wieder dem früheren Verhalten Platz gemacht hatte. Man wird also neben der Einwirkung der Atmung: noch an andere Momente, Beeinflussung der Gefässe, der Alveolarluft usw. denken müssen. Sodann wurde das Verhalten des Blutdrucks kontrolliert. Dabei zeigte sich, dass die Einleitung der oszillierenden Ströme. in die Gegend unterhalb der linken Brustwarze innerhalb von etwa fünf Minuten von einer Erhöhung des systolischen Blutdrucks gefolgt ist. Das gleiche war der Fall, wenn der Strom in der Fossa epigastrica eintrat und statt durch die Fersen durch eine Mastdarmelektrode abgeleitet wurde, so dass mög- licherweise die Blutdruckerhöhung auf einer Verengerung der Abdo- minalgefässe beruht. Jedenfalls wirkt der Strom auf den Blutdruck ein; in manchen Fällen folgt aber der Erhöhung im Laufe der Zeit eine Senkung, be- sonders in solchen, welche zuvor eine pathologische Steigerung des Blutdrucks zeigten. Interessant dürfte auch sein, dass bei stärkerer Durchströmung der Bauchhöhle mit den oszillierenden Strömen bei nicht besonders kranken Nieren eine starke Vermehrung der Urinausscheidung auftritt. Dass auch das menschliche Herz selbst auf den Strom reagiert, liess sich an Beobachtungen des Herzschattens und der Herzbewegung auf dem Röntgenschirm zeigen. Leitet man den Strom im rechten Brustbein- Schlüsselbeinwinkel ein und an den Füssen aus, so wurde beobachtet, wie das ruhig schlagende Herz mit dem Eintreten des Stroms eine Änderung der Schlagfolge zeigte und meist nach einigen langsamen und stärkeren systolischen Zusammenziehungen in etwas verkleinertem Zustand zu schlagen fortfuhr. Die Aufgaben, welehe die Erforschung der verschiedenen Wirkungen oszillierender Ströme stellt, sind mit den vorstehenden Mitteilungen gewiss nieht erschöpft. Noch viele Untersuchungsfragen harren der Lösung, ich meine von den nächstliegenden nur die Untersuchung des Gefässsystems im Pletysmographen, weiterhin den Einfluss der Ströme auf das Verhalten der Aktionsströme des Herzens, die Frage nach der Einwirkung der Ströme auf die Zellen und etwa unter ihrem Einfluss verlaufende Stoffwechsel- vorgänge. Ich kann hinzufügen, dass in letzterer Beziehung meine seitherigen Versuche negativ waren. Das kann aber sehr wohl bei anderer Anordnung anders werden. 339 Über Fluorescenz an den Augen von Insekten und Krebsen. Lubbock!) fand vor etwa 30 Jahren, dass Ameisen und Daphnien auf ultraviolette Strahlen reagieren: in dem zur einen Hälfte mit ultraviolettreichem, zur anderen mit ultraviolettarmem Liehte von ähnlicher Farbe bestrahlten Behälter gingen die das Helle fliehenden Ameisen in letztere Hälfte. Forel?) bestätigte Lub- bock’s Befunde und zeigte, dass die Reaktion wesentlich durch Vermittelung der Augen zustande kommt: Wurden diese mit schwarzem Lack bedeckt, so flohen die Ameisen nicht mehr aus der mit ultra- violettreichem Lichte bestrahlten Behälterpartie. Ich selbst?) konnte eine Wirkung ultravioletter Strahlen auf Schlupfwespen und auf Stechmücken nachweisen und machte (an Daphnia) die ersten messenden Versuche zur Ermittelung der durch diese Strahlen hervorgerufenen Helliskeitswahrnehmung. Sie war nach meinen Be- funden bei den verschiedenen Tierarten anscheinend nicht goleich gross, aber bei allen bisher von mir untersuchten ziemlich un- bedeutend. Lubbock hatte von der Wirkung der ultravioletten Strahlen folgende Vorstellung: „Da uns jeder Strahl homogenen Lichtes, den wir überhaupt wahrnehmen können, als eine besondere Farbe er- scheint, so wird es wahrscheinlich, dass diese ultravioletten Strahlen von den Ameisen als eine bestimmte, eigene Farbe (von der wir uns keine Vorstellung machen können) gesehen werden, die von den 1) Lubbock, Ameisen, Bienen und Wespen. (Ich zitiere nach der deutschen Ausgabe. Internationale wissenschaftl. Bibliothek 1883.) 2) Forel, Das Sinnesleben der Insekten. (Ich zitiere nach der Sammlung von Aufsätzen 1910.) 3) Hess, Neue Untersuchungen über den Lichtsinn bei wirbellosen Tieren. Pflüger’s Arch. Bd. 136 S. 282. 1910. Festschrift für E. Hering. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 23 340 CaTkesis: übrigen so verschieden ist wie Rot von Gelb oder Grün von Violett. Es entsteht nun die Frage, ob weisses Licht für diese Insekten sich von unserem weissen Lichte unterscheidet, indem es noch diese Farbe enthält. Jedenfalls dürften, da nur wenige von den Farben in der Natur rein sind, sondern fast alle aus der Kombination von Strahlen verschiedener Wellenlänge hervorgehen, und da in solchen Fällen die sichtbare Resultante nicht nur aus den Strahlen zusammengesetzt sein würde, die wir sehen, sondern aus diesen und den ultravioletten, die Farben der Gegenstände und der allgemeine Anblick der Natur ihnen ein ganz anderes Aussehen darbieten als uns.“ Ich selbst wurde durch meine Untersuchungen zu einer wesent- lich anderen Auffassung geführt. Für das sichtbare Spektrum konnte ich zeigen, dass alle bisher von mir untersuchten Insekten- und Krebsarten den verschiedenen homogenen Lichtern gegenüber sich so verhalten, wie es der Fall sein muss, wenn die Helligkeitswerte der letzteren für sie ähnliche oder die gleichen sind, wie für den total farbenblinden Menschen. Das Verhalten jener Tiere gegenüber den bei meinen Versuchen be- nutzten ultravioletten Strahlen musste an die Möglichkeit denken lassen, dass die von letzteren ausgelöste Helligkeitswahrnehmung durch Fluorescenz, sei es des perzipierenden Apparates, sei es der vorgelagerten brechenden Medien bedinet werde. Zur Beantwortung der sich hieraus ergebenden Fragen stellte ich eine Reihe von Versuchen an, über die ich im Folgenden kurz berichte. Sie bestätigen die Richtigkeit der Vermutung, dass die in Rede stehende Hellickeitswahrnehmung durch Fluorescenz her- vorgerufen wird, und zeigen, dass letztere jedenfalls vorwiegend im dioptrischen Apparate des Auges zustande kommt. Die hier wesentlichen, zum Teile überraschend schönen Er- scheinungen lassen sich schon mit der folgenden einfachen Anordnung leicht zur Anschauung bringen. Das Licht einer in passendem Ge- häuse eingeschlossenen Bogenlampe (ich benütze meist die Zeiss’sche Mikroskopierlampe) wird im Dunkelzimmer mittels Quarzlinse in er- forderlicher Weise auf das zu untersuchende Auge geworfen, das man bei etwa 20—80facher Vergrösserung mit dem Mikroskop oder der Drüner-Braus’schen Binokularlupe betrachtet. Vor der Licht- quelle befindet sich eine Blauuviolglasplatte, die (neben einem kleinen Über Fluorescenz an den Augen von Insekten und Krebsen. 341 Teile der Strahlen vom langwelligen Spektrumende) vorwiegend Licht von etwa 405 bis etwa 332 wu durchlässt ). Brinst man den Kopf einer Ameise (ich untersuchte meist Formica rufa) in passender Weise in dieses Licht, so erscheinen die sonst für uns braunen Kopfteile tief dunkelrot, am Auge sieht man auf den dem Lichte zugekehrten Facetten eine entsprechende Zahl kleinster blauer Spiegelbilder der Lichtquelle, der übrige Teil des Auses erscheint in einem graugrünlichen Schimmer, der unter günstigen Umständen heller ist als das dunkle Rot der umgebenden Kopfpartien. Wird nun der grössere Teil der ultravioletten Strahlen unseres blauen Lichtes durch Vorschieben einer für sie fast undurch- lässigen, nahezu farblosen (nur schwach gelblichen) Schwerstflint- glasplatte?) ausgeschaltet, so verschwindet augenblicklich der grüne Schimmer, und die entsprechenden Teile des Auges erscheinen jetzt schwarz und viel dunkler als der rote Grund, dessen Helligkeit ebenso wie die der blauen Spiegelbildehen bei Vorschieben der Schwerstflintplatte kaum nennenswert geringer wird. Sowie man letztere wegzieht, zeigt sich wieder der graugrüne Schimmer am Auge. Die geschilderten Erscheinungen fand ich, mehr oder weniger ausgesprochen, an allen bisher von mir untersuchten Insektenaugen. Sehr schön ist die Fluorescenz an den grossen Augen verschiedener Libellen zu sehen. Ich stellte sie zunächst am uneröffneten Auge fest und halbierte dieses dann durch einen scharfen Schnitt; fielen nun ultraviolette Strahlen auf die schmale Schnittfläche des brechenden Apparates, so zeigte diese prachtvolle graugrüne Fluorescenz, die bei Ausschalten des Ultraviolett fast vollständig schwand; noch lebhafter war sie an den Schnittflächen der Augen von Dytiscus marginalis, weniger stark, wenn auch deutlich ausgesprochen, er- schien sie bei Notonecta glauca. An den tieferen Augenteilen konnte ich mit meinen Methoden keine auffällige Fluoreseenz wahrnehmen °), 1) Die genauen Durchlässigkeitsfaktoren meiner Platten habe ich in der oben erwähnten Arbeit mitgeteilt; bei den hier beschriebenen Versuchen benutzte ich in der Regel zwei oder auch drei übereinandergeleste Platten von je 3 mm Dicke. 2) Für die von mir benutzte 4 mm dicke Platte (O0 198 von Schott) habe ich die Durchiässigkeitsfaktoren in der vorher erwähnten Arbeit angegeben; für Licht von 405 uu bzw. 384 uu sind sie — 0,425 bzw. — 0,104. 3) Die verhältnismässig schwache Fluorescenz, die so viele Gebilde bei passender Versuchsanordnung im ultravioletten Lichte zeigen, habe ich, da sie für die uns beschäftigenden Fragen zunächst von geringerem Interesse war, hier noch nicht berücksichtigt. 23 * 342 C. Hess: wohl aber wieder an der verhältnismässig grossen Linse des Stirn- ocells der Libellen. Auch hier zeigte sowohl das uneröffnete Auge bei Bestrahlung von vorn als auch die halbierte Linse bei Bestrah- lung der Schnittflächen lebhaftes grünes Fluorescenzlicht. Besonders schöne Bilder boten die zahlreichen Augen der Spinnen sowie jene der Raupen, die im ultraviolettreichen Lichte als hell graugrün schimmernde Kugeln, im ultraviolettarmen als dunkle Flecke auf dem hier fast schwarzen Grunde erscheinen. (Im wesentlichen ähnliche Erscheinungen wie die zuletzt geschilderten lassen sich bei passender Versuchsanordnung an menschlichen Linsen im lebenden Auge wahr- nehmen !): Hier erscheint im ultraviolettreichen Lichte die Linse in der Pupille graugrün bis gelbgerün und deutlich heller als die Iris, im ultraviolettarmen dagegen dunkler als diese.) Auch bei Schmetterlingen, Bienen und Stubenfliegen konnte ich Fluorescenz leicht nachweisen ; bei Fliegen ist sie wieder insbesondere am durchschnittenen Ause schön zu sehen, am uneröffneten kann das rote Pigment die Beobachtung gelegentlich erschweren. Die mitgeteilten Versuche zeigen, dass bei allen von mir untersuchten Insektenarten die brechenden Medien im ultravioletten Lichte deutlich, zum Teile lebhaft fluoreseieren. Noch stärker ausgesprochen und entsprechend leichter zu sehen ist diese Fluoresceenz an Krebsaugen. Schon unser Flusskrebs (Astacus fluv.) eignet sich gut zur Beobachtung: Am uneröffneten und insbesondere am halbierten Auge auf der Schnittfläche sieht man im ultraviolettreichen Lichte einen fast leuchtend grünen Schimmer. Die Fluorescenz ist hier so lebhaft, dass man sie sogar bei sewöhnlichem Tageslichte ohne besondere Hilfsmittel und ohne farbige Gläser als zart grauen Schimmer wahrnehmen kann, der wieder bei Ausschalten der ultravioletten Strahlen durch die Schwerstflintplatte mehr oder weniger vollständig verschwindet. Bei vielen Krebsen fluoreseieren auch die übrigen Teile der Körperoberfläche verhältnismässig stark; der ganze Panzer ver- schiedener von mir untersuchter Arten zeigt im ultraviolettreichen blauen Lichte lebhaft graugrünen Schimmer, im ultraviolettarmen ist er viel dunkler, oft fast schwarz. Auch bei den kleinen Daphnien sieht 1) C. Hess, Weitere Untersuchungen über die Gelbfärbung der mensch- lichen Linse und ihren Einfluss auf das Sehen. Arch. f.-Augenheilk. Bd. 64. 1909. Über Fluorescenz an den Augen von Insekten und Krebsen. 343 man leicht die Fluorescenz der Schale und des durchsichtigen Helmes, der das Auge birgt; schon hierdurch wird die Beobachtung einer Fluorescenz an den kleinen, im Daphnienauge sichtbaren brechenden Teilen sehr erschwert; man müsste dazu diese aus dem Helm heraus- präparieren. Weitere Versuche stellte ich mit den ultravioletten Strahlen eines durch Quarzlinsen und Quarzprismen entworfenen Spektrums an. Die zu untersuchenden Augen (ich benützte hier vorwiegend jene der Libellen) wurden an der Spitze einer feinen Nadel an die mit Hilfe eines Baryumplatinzyanürschirmes als die zweckmässigste ermittelte Stelle des Ultraviolett gebracht. Bei Lupenbetrachtung konnte ich dann die Augen als mehr oder weniger helle, angenähert farblos graue Masse auf dunklem Grunde wahrnehmen, die bei Zwischenschalten der Schwerstflintplatte ganz oder nahezu unsichtbar wurde. Auch die Fluorescenz der Körperoberfläche verschiedener Krebse liess sich auf diese Weise gut sichtbar machen. Aus dem Mitgeteilten ergibt sich für das Sehen der in Rede stehenden Tiere im ultravioletten Lichte folgendes: Fällt auf ein Insekt oder einen Krebs, dessen brechende Medien die geschilderten Fluorescenzerscheinungen zeigen, von einer Seite ultraviolettarmes, von der anderen ein sonst gleiches, aber ultraviolettreicheres Licht, so muss dieses: letztere dem Tiere heller erscheinen und daher, sofern‘ es sich um eine zum Hellen gehende Art handelt und der durch die Fluorescenz bedingte Helligkeitsunterschied gross genug ist, Bewegungen nach dieser Seite auslösen, wie wir es z. B. bei Daphnien, Culieiden und Schlupfwespen leicht feststellen können !). 1) Hierbei ist noch Folgendes zu berücksichtigen: Unter den von einem leuchtenden Punkte auf ein Facettenauge treffenden Strahlen können die dem sichtbaren Spektrum angehörenden bekanstlich immer nur durch eine verhältnis- mässig kleine Zahl von Facettengliedern zum optischen Empfänger gelangen, nämlich durch jene, deren Achsen angenähert in der Richtung der einfallenden Lichtstrahlen liegen. Die ultravioletten Strahlen aber bringen auch jene Facetten zur Fluorescenz, auf die sie mehr oder minder schräg fallen, ja auch noch jene, die sie fast tangential treffen. Daher wird das durch die ultravioletten Strahlen hervorgerufene Fluorescenzlicht den optischen Empfänger im allgemeinen in be- trächtlich grösserer Ausdehnung treffen als das Licht der sichtbaren Strahlen des leuchtenden Punktes. (Auch im menschlichen Auge breitet sich das Fluorescenz- licht der Linse über die ganze Netzhaut aus, auch wenn das Licht der von dem leuchtenden Punkte ausgehenden sichtbaren Strahlen wesentlich nur einen kleinen Netzhautbezirk trifft.) 344 C. Hess: Bei Daphnien wird auch die Fluorescenz der dem Auge vor- gelagerten Helmpartien in gleichem Sinne wirken können. Ob neben der Fluorescenz der äusseren Augenteile auch noch eine solche des perzipierenden Apparates in Betracht kommt, habe ich bisher nicht untersucht; dass sie eine wesentliche Rolle spiele, ist wenig wahr- scheinlich, da aus der Fluorescenz des dioptrischen Apparates hervor- geht, dass hier schon ein mehr oder weniger grosser Teil der Fluorescenz erregenden ultravioletten Strahlen absorbiert wird. — Meine Anschauungen über den Lichtsinn bei Insekten und Krebsen erhalten durch die hier mitgeteilten Beobachtungen eine neue Stütze. Die Hypothese von Lubbock bedarf danach keiner besonderen Widerlesung mehr. Anscheinend im Hinblicke auf diese Lubbock’schen Anschauungen wurde neuerdings angegeben, es besässen, „wie wir wissen, manche Organismen eine andere Be- grenzung des auf ihre Sehorgane wirkenden Spektralbereiches“, und es liege daher „die Vermutung ausserordentlich nahe, dass für der- artige Formen in manchen Lebensbezirken, die uns völlig lichtlos scheinen, genug Licht vorhanden“ sei. Meine Untersuchungen an einer grossen Reihe von Wirbellosen haben keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Annahme ergeben. Was insbesondere die Wirkung der ultravioletten Strahlen angeht, von welchen hier die Rede ist, so braucht nach allen meinen Befunden der optische Empfangs- apparat der Insekten- und der Krebsaugen durch diese selbst ebenso wenig erregbar zu sein wie jener des menschlichen Auges. Hier wie dort werden jene kurzwelligen Strahlen im wesentlichen nicht direkt wahrgenommen, sondern erst vermittels der Fluorescenz, welche das kurzwellige in längerwelliges Licht verwandelt. Zu der Frage, ob anzunehmen sei, dass der Fluorescenz des brechenden Apparates für die Helligkeitswahrnehmung der Tiere unter ihren gewöhnlichen Lebensbedingungen wesentliche Bedeutung zukomme, mögen hier folgende Angaben genügen. Für in Luft lebende Tiere ist eine derartige Annahme wenig wahr- scheinlich, denn bei Einwirkung stärkeren gemischten Lichtes wird die wahrgenommene Helligkeit vorwiegend durch die sichtbaren Strahlen mittlerer Wellenlänge bestimmt; ist aber die Lichtstärke des gemischten Lichtes (z. B. bei fortgeschrittener Dämmerung) schon sehr gering, so wird auch sein Gehalt an ultravioletten Strahlen im allgemeinen entsprechend klein sein, so dass diese jetzt eine irgend in Betracht kommende Fluorescenz und dadurch bedingte Helligkeits- Über Fluorescenz an den Augen von Insekten und Krebsen. 345 wahrnehmung kaum werden auslösen können. Die Verhältnisse liesen bei den fraglichen, in Luft lebenden Tieren in dieser Hinsicht im wesentlichen ähnlich wie bei unserem eigenen Auge, für dessen Helligskeitswahrnehmung unter gewöhnlichen Verhältnissen die ziemlich starke Fluoreseenz der Linse im allgemeinen auch nicht von nennens- werter Bedeutung ist. Hier wie dort aber deutet die Fluorescenz der brechenden Medien auf entsprechende Absorption der in stärkerer Intensität unsere Netzhaut schädigenden ultravioletten Strahlen, und es ist nieht ausgeschlossen, dass auch bei den in Rede stehenden In- sekten und Krebsen dem diopirischen Apparate eine ähnliche Schutz- wirkung durch Zurückhalten der kurzwelligen Strahlen von den Sehzellen zukommt. Etwas anders liegen die Verhältnisse für die hier in Rede stehenden Wassertiere. Das Wasser lässt bekanntlich in diekeren Schichten von den kurzwelligen Strahlen des sichtbaren Spektrums verhältnismässig mehr durch als von den langwelligen. Über die relative Durchlässigkeit für die hier vorwiegend in Betracht kommen- den ultravioletten Strahlen von etwa 400-300 uu konnte ich bisher keine genügenden Angaben finden )). Für die hier weniger in Betracht kommenden Strahlen von 300 uu und weniger liegen Bestimmungen von Kreusler (1901) vor. Es wurden in Schicht- dicken von 16,97 mm in Jenaer Hartglas z. B. absorbiert: bei Wellenlängen von 300 uu 240 uu 200 uu: 25% 5,2% 14,2%. Hiernach ist die Angabe einer neueren Darstellung zu berichtigen, nach welcher „das ultraviolette Licht geringer Wellenlänge schon beim Durchdringen einer Schicht von wenigen Millimetern völlig absorbiert werden“ soll. Soret (1877) machte sogar die Angabe, das Meerwasser lasse (in einer Schicht von 1,15 m) „das ganze ultraviolette Spektrum* durch, was freilich auch nicht genau richtig ist (die Absorption kann insbesondere bei sehr kurzwelligen Strahlen schon durch Beimischung geringer Mengen fremder Stoffe wesentlich beeinflusst werden). Ist das Wasser für die längerwelligen, Fluorescenz erregenden ultravioletten Strahlen angenähert gleich durchlässig wie für die blauen und violetten, so wird in einer entsprechenden Tiefe das dort z. B. auf die Augen von Krebsen wirkende Strahlgemisch eine etwas grössere Helligkeitswahrnehmung auslösen, als es ohne die Fluorescenz ihrer Augen der Fall wäre. Da auch die ganze Ober- 1) Die bekannten Angaben von Forel, Fol und Sarasin, Hüfner u. A. sind für unsere Frage nicht verwertbar. 346 C. Hess: fläche der von mir untersuchten Krebse im ultraviolettreichen blauen Lichte heller erschien, als im ultraviolettarmen, so wäre nicht aus- seschlossen, dass in bestimmten Tiefen lebende Krebse die Art- senossen vermöge dieser Fluoreseenz ihrer Panzer leichter wahr- nehmen können, als sie es ohne diese vermöchten. Ob bzw. in welchem Umfange solches der Fall ist, wird sich erst angeben lassen, wenn die relative Absorption der in Frage stehenden Strahlen des sichtbaren und ultravioletten Spektrums im Süsswasser bzw. See- wasser genauer ermittelt ist. Die Untersuchung von Daphnien im sichtbaren Spektrum hatte mich zu dem Ergebnisse geführt, dass hier, entgegen den be- kannten Angaben J. Loeb’s, die gelbgrünen bis grünen Strahlen die stärkste Wirkung auf die Orientierung der Tiere zeigen. Ich knüpfte daran die Bemerkung: „Während also die herrschende Meinung eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Pflanzen und Tieren insofern annimmt, als hier wie dort für die Orientierung die kurzwelligen Strahlen allein oder doch stärker wirksam sein sollen, als die lang- welligen, fanden wir einen fundamentalen Unterschied darin, dass bei den bisher untersuchten Wirbellosen, und ähnlich auch bei Fischen, die Orientierung in durchaus anderer Weise von der Wellenlänge abhängt, als es, nach den Untersuchungen von v. Sachs, bei den Pflanzen der Fall ist.“ J. Loeb!) wiederholte kürzlich meine Spektrumversuche an Daphnien und bestätigte die von mir erhobenen Befunde. Er be- merkt dazu: „Hess schloss, dass seine Experimente der Idee von der Identität zwischen dem Heliotropismus der Pflanzen und Tiere widersprechen. Sein Schluss gründete sich auf eine irrige Annahme. Er nahm als anerkannt („granted“) an, dass die Botaniker bewiesen hätten, dass für die heliotropischen Reaktionen der Pflanzen die blauen und violetten Strahlen die wirksamsten seien.“ Das ist, wie der oben zitierte Satz meiner Arbeit zeiet, ein Irrtum von Loeb. Ich habe dort keinerlei Annahme gemacht, sondern lediglich auf die v. Sachs’schen Angaben hingewiesen, die bekanntlich Grundlage und Ausgangspunkt für Loeb’s Anschauungen bildeten. Diese An- 1) J. Loeb and S. S. Maxwell, Further proof of the identity of helio- tropism in Animals and Plants. University of California publications in Physio- logy vol. 3 no. 17 p. 195—197. 1910. Über Fluorescenz an den Augen von Insekten und Krebsen. 347 saben lässt Loeb selbst jetzt nieht mehr gelten: er bringt bewegliche Algen (hauptsächlich Chlamydomonas) in der von mir für Daphnien vorgeschlagenen Weise im Parallelwandbassin ins Spektrum und findet Ansammlung derselben im Grün. „Es ist also klar, dass, soweit unsere Versuche gehen, die heliotropischen Reaktionen schwimmender Tiere identisch sind mit jenen schwimmender Algen.“ Somit hat Loeb, dessen Anschauungen über den Heliotropismus der Tiere sich bisher ausschliesslich auf Versuche mit farbigen Gläsern cestützt hatten, nach meinen Untersuchungen die Not- wendigkeit erkannt, solche mit homogenen Liehtern vorzunehmen. Dass auch für die heliotropischen Reaktionen der Pflanzen, ins- besondere, wenn es sich um Vergleichung derselben mit jenen der Tiere handelt, wiederum nur Spektrumversuche maassgebend sein können, brauche ich nach allen meinen früheren Darlegungen nicht von Neuem zu betonen; in der Tat kommen Versuche mit farbigen Gläsern für meine Stellungnahme auch hier nicht in Betracht. Loeb irrt, wenn er meint, „die wenigen Experimente“, die bisher über Heliotropismus der Pflanzen nicht mit farbigen Gläsern, sondern mit spektralen Lichtern angestellt worden sind, hätten „ziemlich unbe- bestimmte“ (rather indefinite) Ergebnisse gehabt, und die meisten seien vor langer Zeit angestellt, als die technischen Mittel für solche noch nicht so vollkommen gewesen seien wie heute. Ich gebe daher im Folgenden einen kurzen Überblick über die bisher angestellten, wie es scheint, nicht genügend bekannten Spektrumversuche an Pflanzen: Strasburger!) hat 1875 an Schwärmsporen von Botrydium zahlreiche Versuche mit spektralen Lichtern angestellt und fand: „Die blauen, indigofarbenen und violetten Strahlen sind allein auf die phototaktischen Schwärmer von Ein- fluss und liest das Maximum der Wirkung im Indigo.“ „Wir wissen, dass Grün keinen merklich richtenden Einfluss auf die Schwärmer ausübt.“ Wiesner fand (1878) ?) bei Versuchen mit Benutzung des objektiven Sonnen- spektrums unter anderem folgendes: „Die grösste heliotropische Kraft liegt stets an der Grenze zwischen Violett und Ultraviolett. Heliotropisch stark krümmungs- fähige Organe (z. B. etiolierte Keimstengel der Saatwicke) krümmen sich am stärksten an der Grenze zwischen Ultraviolett und Violett; von hier sinkt die heliotropische Kraft der Strahlen allmählich bis Grün, im Gelb ist selbe gleich l) Strasburger, Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärm- sporen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. Bd. 12, N. F, Bd.5. 2) J. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche Wien 1878. 34 C. Hess: [0,6) Null, beginnt im Orange und steigt kontinuierlich, um im Ultrarot ein zweites (kleineres) Maximum zu erreichen. Bei heliotropisch weniger empfindlichen Pflanzenteilen verlischt die Wirksamkeit der Lichtfarben nach Maassgabe ihrer heliotropischen Kraft, so zwar, dass der Reihe nach Orange, dann Rot und Grün, sodann Ultrarot und Blaugrün usw. unwirksam werden.“ Wiesner berichtet auch über ältere Spektrumversuche von Guillemin (1858), die teils mit Quarzprismen, teils mit Flint- und Steinsalzprismen angestellt worden waren. „Berücksichtigt man, dass das Steinsalz für die dunklen Wärme- strahlen am durchlässigsten ist, der Bergkristall für die chemischen und das Flintglas für die Strahlen mittlerer Brechbarkeit, so ergibt sich aus den Unter- suchungen von Guillemin, dass ein Maximum für die Flexion der Pflanzenteile im Ultraviolett (zwischen H und ]) und ein zweites im Ultrarot und der be- nachbarten Region liest. Ersteres ist fixierter als letzteres, welches je nach dem Stande der Sonne und der Reinheit des Lichtes variiert und bis E, ja bis Eb reichen kann. Je tiefer der Stand der Sonne und je mehr die Luft durch Wasserbläschen getrübt ist, desto mehr rückt das zweite Maximum in die brech- bare Region vor.“ Weiter erwähnt Wiesner Versuche von Gardner (1844), der Rübenkeimlinge der Einwirkung von Spektralfarben des Sonnenlichtes aus- setzte und zu dem Schlusse kam: „Dass allen leuchtenden Strahlen des Lichtes die Fähigkeit zukommt, Krümmungen von Pflanzenteilen gegen das Licht hin zu bewirken, und dass diese Eigenschaft den indigofarbenen Strahlen im höchsten Grade eigen ist.“ Ebenso fand Dutrochet (1844) bei Versuchen mit objektivem Sonnenspektrum das Maximum der heliotropischen Wirkung „stets im Violett.“ In jüngster Zeit (1909) hat Blaauw!) mit spektralen Lichtern Bestimmungen an Avena sativa und Phycomyces nitens vorgenommen. Es ergab sich für das absolute Empfindlichkeitsverhältnis Folgendes: „Die Empfindlichkeit von Phycomyces beträgt im Orange bei 615 uu ungefähr "is vom Maximalwert und nimmt im Orange und Gelb nur wenig zu. Sie steigt im Grün schnell und erreicht noch im Blau ihr Maximum, nach diesen (sc. vorher von ihm angeführten) Ziffern bei 495 uu, darauf nimmt die Empfindlichkeit im Violett ab.“ Aus der absoluten Kurve für Avena ergab sich, „dass die Empfindlichkeit für die schwächer brech- baren Strahlen bis ins Grün äusserst gering ist, und zwar in dem Maasse, dass dieselbe bei 534 uu 2600mal geringer ist als für die Wellenlänge, wobei die maximale Empfindlichkeit liegt; dass diese Empfindlichkeit bis ungefähr 500 uu gering bleibt, aber von 500 uu an sehr gross wird, um ihr Maximum noch im Indigo bei 465 uu zu erreichen; dass sie im Violett abnimmt, auf der Grenze des Violett und Ultraviolett bei 390 uu nur halb so gross ist als bei dem Maxi- mum, aber doch im Ultraviolett bei 365 vu noch ungefähr den vierten Teil ihres Maximalwertes beträgt.“ Somit haben sämtliche früher angestellten Spektrum ver- suche übereinstimmend ergeben, dass für die bis dahin untersuchten Pflanzen die heliotropische Wirkung im Grün gering oder überhaupt 1) A. H. Blaauw, Die Perzeption des Lichtes. Recueil des Travaux Botaniques Neerlandais t. 5 p. 209. Über Fluorescenz an den Augen von Insekten und Krebsen. 349 nicht nachweisbar ist. Nach den jüngsten Messungen (1909) ebenso wie nach den älteren, um 33, und den ältesten, um 66 Jahre zurück- liegenden, fand sich für die dort untersuchten Pflanzen, wie ich an anderer Stelle ausführte, „das Maximum der Wirkung im all- gemeinen weiter, zum Teile wesentlich weiter nach dem kurz- welligen Ende“ als das Maximum der Helligkeitswirkung für die von mir untersuchten Tiere. Alle diese bisher nicht als irrig erwiesenen Befunde wider- sprechen der neuen Fassung der Loeb’schen Hypothese von der Identität des tierischen und pflanzlichen Heliotropismus. Ernst Pribram: (eb) Or (>) (Aus dem k. k. serotherapeutischen Institut in Wien.) Zur Frage der Kokainhämolyse. Von Dr. Ernst Pribram. Wie ich in einer früheren Arbeit!) gezeigt habe, besteht ein charakteristischer Unterschied zwischen den physikalischen Eigen- schaften giftiger und ungiftiger Glieder der Alkaloidreihe. Als Prüf- steine dieser physikalischen Eigenschaften dienten: rote Blut- körperchen, kolloide Suspensionen, die komplettierende Eigenschaft frischer Blutsera und die toxische Eigenschaft von Bouillonkultur- filtraten. Endlich liess sich auf exakt physikalischem Wege mit Hilfe von Kapillaritätsbestimmungen beweisen, dass tatsächlich physikalische Differenzen diesen Unterschieden in der Wirksamkeit parallel gehen. Der Zweck jener Untersuchungen war, einerseits die physikalische Natur der erwähnten biologischen Reaktionen dar- zutun, andererseits die Beziehung zwischen pharmakodynamischen Wirkungen und physikalischen Eigenschaften festzustellen. Unter anderen Alkaloiden zog ich damals auch das Kokain in das Bereich unserer Untersuchungen, und gerade an diesem Präparate konnte ich zeigen, dass jene Alkaloide (Eukain, Kokain) die physikalisch wirksamsten waren, welche die intensivsten pharmakodynamischen (anästhesierende und toxische) Wirkungen entfalten; das schwächer wirksame Novokain erwies sich auch physikalisch schwächer wirksam, die ungiftigen Vorstufen der Kokainreihe (Tropin, Ekgonin, Benzoyl- 1) R. Goldschmidt und E.Pfibram, Studien über die hämolys. Eigen- schaften der Blutsera. I. Wirkung der Narkotika und Alkaloide auf das Komple- ment. Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therapie Bd. 6 S. 211. 1909, und E. Pfibram, Über Beziehungen zwischen chemischer Konstitution, physikalisch-chemischen Eigenschaften und pharmakodynamischen Wirkungen. Wiener klin. Wochenschr. Bd. 30. 1908. Zur Frage der Kokainhämolyse. 351 ekgonin) verhielten sich ähnlich wie isotonische Kochsalzlösungen, waren also pharmakodynamisch indifferent. Eine in Köppe’s Laboratorium [von G. Fischer')]| ver- öffentlichte Arbeit bringt nun einzelne Anhaltspunkte für die An- schauung vor, dass die bei Zusatz von Kokainlösungen zu roten Blutkörperchen beobachtete Hämolyse keine Wirkung des Alkaloids sei, vielmehr darauf beruhe, dass das salzsaure Salz in wässeriger Lösung hydrolytisch gespalten und hierbei auch das Kokainmolekül selbst angegriffen werde. Die durch Spaltung des Ekgoninssters entstehenden Alkohol- und Wasserstoffionen sollen nach Fischer’s Ansicht an der Hämolyse beteiligt sein. Diese Frage, welche zu- nächst nur die Wirkung des Kokains auf rote Blutkörperchen be- trifft, veranlasste mich zu den folgenden Untersuchungen bei ver- schiedener Reaktion, welche neben einer weitgehenden Bestätigung meiner früheren Anschauung über die Kokainhämolyse auch die Überprüfung der Resultate über den Parallelismus der pharma- kodynamischen und physikalischen Eigenschaften gestatteten. End- lich wiesen sie einen Weg zur Verstärkung der Alkaloidwirkung» den inzwischen auch ein anderer Autor [O. Gros°)] mit Erfolg be- schritten hat. Fischer’s Annahme kann von vornherein nicht unbedingt ab- gelehnt werden, obwohl er keine Angaben darüber macht, welche Mengen von Alkohol und freien Wasserstoffionen innerhalb einer Stunde in einer 10°/oigen Lösung von Cocainum muriatieum (Molekulargew. 303!) entstehen ?), und ob diese imstande sind, tat- sächlich die Hämolyse zu bewirken. Doch lässt sich die erwähnte Annahme noch leichter überprüfen, indem man statt in neutraler auch in alkalischer Lösung untersucht und sich hierbei nicht nur auf das Kokain beschränkt, das in alkalischem Medium viel schwerer löslieh ist als in saurem. 1) G. Fischer, Studien zur Hämolyse. Gibt es eine Kokainhämolyse? Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134. 1910. 2) O0. Gros, Über die Narkotika und Lokalanästhetika. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62 S. 380. 1910; Bd. 63 8. 80. 1910. 3) Ich fand nach einstündigem Erwärmen einer 10 %oigen Lösung von Cocainum muriatic. auf 40° C. Wasserbad bei Prüfung mit empfindlichem Lackmuspapier keine nachweisbare Säuremenge. Dieselbe Lösung zeigte nach 24 Stunden immer noch neutrale Reaktion. Mit 3 Jahre alten und im Lichte zersetzten Lösungen Versuche anzustellen, ist m. E. nicht statthaft und für die vorliegende Frage nicht beweisend. 392 Ernst Pfibram: Ich habe also meine Untersuchungen wieder an der ganzen Kokainreihe aufgenommen, und zwar sowohl in alkalischer als auch in neutraler Lösung, und da stellte sich nun überraschenderweise heraus, dass alle giftigen (anästhesierenden) Glieder der Kokainreihe in alkalischem Medium ausserordentlich viel intensiver auf Erythro- eyten wirken als bei neutraler Reaktion. Dies gilt beispielsweise auch für das Kokain, obwohl es (richtiger wohl: weil!) es) in al- kalischem Medium teilweise ausfällt. Dieses Versuchsergebnis bot nun eine ausserordentlich günstige Gelegenheit, meine früheren Angaben bezüelich des Parallelismus der physikalischen Eigenschaften und biologischen Wirksamkeit zu kontrollieren. Ich musste auf Grund meiner früheren Untersuchungen erwarten, dass auch die physikalische Wirksamkeit ?), geprüft an der Kapillarität der Lösungen, durch Zusatz von Alkali geändert wird. Tatsächlich ist die Oberflächenspannung der eiftigen Glieder der Kokainreihe in alkalischem Medium eine ausserordentlich viel höhere als im neutralen, wie die weiter unten angeführten Kavillaritäts- bestimmungen zeigen. Hieraus ergibt sich weiter, dass — bei den in Alkali löslichen Gliedern der Reihe — auch wahrscheinlich eine Zunahme der anästhesierenden Wirkung zu erwarten ist. Dies ist tatsächlich der Falle ©. Gros?) zeigt nämlich in einer soeben er- schienenen experimentellen Studie, dass die anästhesierende Wirkung einer Novokainbikarbonatlösung etwa fünfmal grösser ist als die einer Novokainchloridlösung. Auf die Erklärungsmöglichkeiten all dieser praktisch und theoretisch wohl gleich wichtigen Ergebnisse will ich nach Besprechung der einzelnen Versuche näher eingehen. Versuchsanordnung: Die Lösungen der Alkaloide wurden durchwegs in 0,9 °/oiger Kochsalzlösung vorgenommen und nur frisch bereitete Lösungen verwendet. Zur Prüfung in alkalischem Medium wurde je 1 ccm der Alkaloidlösung mit 1 cem einer 2°/oigen Lösung von Natr. biearbonie. in 0,9°/oiger Kochsalzlösung versetzt, so dass 1) Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um eine Änderung des Teilungs- koeffizienten Blutkorpereben. wie ich später noch ausführen werde. Wasser 2) Die Wirkung auf Lecithinsuspensionen lässt sich nur in schwach saurem Medium prüfen, weil die Suspension sonst Emulsionscharakter annimmt, nicht etwa, wie Fischer annimmt, weil man erst durch die Säure das Kokain hydro- lysieren muss. 5), 0-2G:rio,s ,.1..c; Zur Frage der Kokainhämolyse. 353 die Mischung 1° NaHCO, enthielt. Von einer 5°/oigen Auf- schwemmung von Kaninchenerythrocyten in 0,9 /oiger Kochsalzlösung wurden je 2 cem zu 2 cem der genannten Mischung zugesetzt. Als Kontrollen dienten einerseits die ebenfalls auf die Hälfte (mit Koch- salzlösung) verdünnten Ausgangslösungen der Alkaloide, andrerseits eine 1°/oige Lösung von NaHCO, in Kochsalzlösung. Alle Proben wurden stets gleichzeitig in ein auf 40° C. erwärmtes Wasserbad gebracht und 2 Stunden bei dieser Temperatur, dann weitere 16 Stunden bei Zimmertemperatur beobachtet. Die von Fischer (Köppe) vorgeschlagene Methode der „Schmelzpunktbestimmung“ (?) der roten Blutkörperchen weicht von allen bei biologischen Unter- suchungen üblichen Methoden derart ab, dass sie für den vorliegenden Zweck unstatthaft erscheint. Eine Erhitzung auf 56°, 58°, ja 65°C. (!) bringt derartige Versuchsfehler und Komplikationen mit sich (Koagulation, Veränderung des Blutfarbstoffs), dass ich die bis- her übliche „zeitraubende“ Methode vorziehe. Die beistehende Tabelle I (S. 354) zeigt die Versuchsresultate. Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind 1°/oige neutrale Kokain- lösungen nicht imstande, rote Blutkörperchen aufzulösen, wohl aber alkalische Lösungen gleicher Konzentration. 5%vige alkalische Lösungen lösen viel rascher als neutrale. Das Kokain fällt in dieser Konzentration in alkalischer Lösung bereits teilweise aus, ein Um- stand, der, wie ich später noch begründen werde, wahrscheinlich im kausalen Zusammenhange mit der intensiveren Wirkung steht: Blutkörperchen Wasser ton?)]. Dies dürfte auch bei den übrigen Alkaloiden der für die Wirksamkeit ausschlaggebende Faktor sein. Die Wirkung des Eu- kains, die in neutraler oder saurer Lösung bereits eine recht be- deutende ist, wird durch Alkalizusatz noch wesentlich verstärkt. Noch augenfälliger ist die Wirkung des alkalischen Novokainkarbonats gegenüber der des neutralen Chlorids. Die ungiftigen Glieder der Reihe: Tropin, Ekgonin, Benzoyl- eksonin, lösen zunächst (innerhalb 2 Stunden) weder in neutralem noch in alkalischem Medium. Bei länger dauernder Beobachtung Änderung des Teilungskoeffizienten [Meyer!), Over- 1) H. Meyer, Zur Theorie der Narkose. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 42 S. 109, 119; Bd. 46 S. 338. 2) E. Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901. Ernst Pribram 394 Yuunpaoa 978 OLp zue pun Org Sunsorf oY3ıyR808 dIq (2 Yyosrurms ueyoaodıosyymig UE0L AOp zyesnzZ WOp AOA Yeuoqreorqummen UA Sunsorf U9L0/,Z A9p Au PIopeyIy Sep opana Isuos !yejsug 7suos sosoIp [IHM ‘uBAOA SurNoy Soap uauol aoıy Fund Sunwummgosmeusgdasdiıoyyngg .ınz SYeuoqreorgungeN sap zyesnz ao (I 0 0 0 0 0 0 0 N "UOBOIg Yen 0 I |" ' ° ° 0 :O]joguoy 8010. = DE = = 80793 { arllor en \ 0 ) uogrearg Eye NEO] TE Te OsTRLoTneT! 380198 \ . . . . . 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Übrigens lässt sich vielleicht auch hier die oben gegebene Erklärung: Änderung des Teilunöskoeffizienten, anführen. Ob die ungiftigen Alkaloide dureh Lösung in alkalischem Medium eine, wenn auch nur schwache, pharmakodynamische Wirksamkeit erlangen, muss späteren Untersuchungen vorbehalten werden. Der Einfluss der Reaktion des Mediums auf die Oberflächen- spannung der Alkaloidlösungen wurde mit Hilfe des Jäger’schen Kapiliarimeters geprüft. (Die Beschreibung des Apparates und der Methode siehe in der zitierten Arbeit von Goldschmidt und Pribram.) Zunächst bestimmte ich die Kapillaritätskonstante einer 1°oigen Lösung von Natr. biecarbon. in 0,9°oiger Kochsalzlösung (@« = 75; also etwa derselbe Wert wie für Wasser). Nun setzte ich von einer 2°/oigen Lösung von Natr. bicarbon. je 5 ecem zu 5 cem n a schen) Mischung. Daneben wurde die auf die Hälfte mit 0,90 iger einer —-Alkaloidlösung, und bestimmte die Kapillarität dieser (alkali- Kochsalzlösung verdünnte 3 Alkaloidlösung (also bei neutraler Re- aktion) untersucht. Da das Kokain in 1°/oiger Lösung von Natr. biearbon. sofort ausfällt, wurde hier die = -Lösung das einemal mit Kochsalzlösung auf die Hälfte verdünnt, das anderemal zu 5 ccm einer !/s-Normallösung 4 cem Kochsalzlösung und 1 ceın Natr. bicarb. zugesetzt. Trotz des relativ geringen Zusatzes sank auch hier die Kapillaritätskonstante tief herab. DBeistehende Tabelle gibt die Kapillaritätskonstanten («) der neutralen und alkalischen Alkaloid- lösungen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 24 356 Ernst Pribram: Lösung (0,9 %/o ige Kochsalzlösung) enthaltend: Kapillaritäts-Konstante Alkaloid (//se Normal) Natr. bicarbon. “ 5.90. Kokamı ans: 0 67,20 HI) HK kan 0,1 °/o 54,60 ca. 2%o Eukain!). .. . | 0 65,50 ca. 2%0o Eukain!). ... 1%0 56,40 H/oENoyakaınm ass | 0 72,70 5’Yo »Novakamn... 0. % 1% 61,80 3,4%o Ekeonin . .. .. | 0 74,57 34% Ekgonin . .... | 1%o 74,57 2) 1,5 /o Benzoylekgonin!) . 0 71,84 1,5 0/o Benzoylekgonin!). 1/0 71,84 2) 0 1% 75,50 Wir haben also hier die merkwürdige und beachtenswerte Er- scheinung zu verzeichnen, dass eine Reaktionsänderung des Mediums eine auffallend intensive Änderung der Oberflächenspannung bei Gegenwart einzelner Alkaloide bedingt. Die Erscheinung selbst hängt zweifellos mit der verschiedenen Löslichkeit der in Rede stehenden Salze bei neutraler und alkalischer Reaktion zusammen. Bei letzterer ist die Lösung infolge der Schwerlöslichkeit des Alkaloids (Kokain z. B.) in der Nähe der Sättigungserenze. Für solche Lösungen sind wieder- holt Abweichungen der Kapillaritätskonstanten beobachtet worden. Doch pflest man derartigen Abweichungen in der Regel keine be- sondere Beachtung zu schenken. Hier scheinen sie uns aber doch einen wertvollen Hinweis auf Differenzen in der biologischen Wirkung zu enthalten und sollen aus diesem Grunde den Ausgangspunkt eigener Untersuchungen bilden. Ich behalte mir vor, diese Be- obachtungen zu vervollständigen im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen pharmakodynamischer Wirksamkeit und physikalischem Charakter mit Berücksiehtigung der chemischen Konstitution. Hier wollte ich nur auf den Parallelismus der Erscheinungen: Hämolyse — anästhesierende Wirkung (Gros) — Kapillarität der Lösungen, auch 1) Die gesättigte Lösung filtriert, dann entsprechend (auf die Hälfte) verdünnt. 2) Nach längerem (etwa 24 Stunden langem) Stehen in alkalischer Lösung sinken auch hier die Werte allmählich ab, jedoch nicht so tief, wie die der giftigen Alkaloide bei gleich langer Beobachtungsdauer. Alle Werte gelten für frisch bereitete Lösungen. Wegen der allmählichen Änderung der Kapillarität alkalischer Alkaloidlösungen sind also alle Werte nur approximativ und ändern sich im Laufe der Beobachtung mit der Zeit, und zwar in dem Sinne, dass die Differenzen in neutraler und alkalischer Lösung noch grösser werden. Zur Frage der Kokainhämolyse. 357 unter geänderten Versuchsbedingungen (Reaktionsänderung), hin- weisen. Aus den oben angeführten Zahlen der I. Tabelle ging hervor, dass alle giftigen, pharmakodynamisch wirksamen Alkaloide der Kokainreihe (im Gegensatz zu den ungiftigen Gliedern der Reihe) in ihrer hämolysierenden Wirkung intensiv verstärkt werden, wenn man die Untersuchungen in alkalischem Medium vornimmt. Es galt nun noch zu entscheiden, ob die oben anseführte Annahme zu Recht Blutkörperchen Wasser für diese Erscheinung ist. Zur Klärung dieser Frage schlug ich folgenden Weg ein: Es gelingt leicht, die Löslichkeit des Kokains in Wasser oder einer schwachen (1 °/oigen) Kochsalzlösung dadurch herabzusetzen, dass man den Kochsalzgehalt des Mediums steigert. Ich stellte also eine Reihe auf, in welcher die hämolysierende Wirkung einer und derselben Kokainlösung bei verschiedener Kachsalzkonzentration ge- prüft wurde: besteht, dass der Teilungskoeffizient ausschlaggebend Beobachtung 2 Stunden bei 40° C. 1 2 een Lig (Wasserbad), weitere 16 Stunden bei enthaltend Zimmertemperatur PA ENaC Min. Min. | Min. | Std. | Std. Std. Allkaloid | "0, la 10 % Kokain 0,9 N 1 cem | 0 0 | gelöst 10 % 5 BE) 0 gelöst 0% . 18 an 0 bonigers ]| gelöst Kontrolle: 0 18 ) NaCl-Lösung U 0 0 0 0 0er 0 Es zeigt sich also, dass die Kokainhämolyse auch dadurch er- höht werden kann, dass die Löslichkeit des Kokains in Wasser durch Zusatz entsprechender, an sich nicht hämolysierender Kochsalzmengen herabgedrückt wird. Dies spricht sehr für die obige Annahme, dass die Wirkung des Kokains auf rote Blutkörperchen bedingt ist durch die Aufnahmefähigkeit der letzteren für das Alkaloid. Sollte sich in weiteren Versuchen, die ich mir vorbehalte, herausstellen, dass auch die anästhesierende und toxische Komponente durch Kochsalz- zusatz zur Kokainlösung gesteigert wird, so hätten wir auch hier einen vollkommenen Parallelismus zur Wirkung der Narkotika, welche nach den Untersuchungen von Meyer und Overton bedingt ist durch ihre Lipoidlöslichkeit. 24 * 398 Ernst Pfibram: Zur Frage der Kokainhämolyse. Zusammenfassung. 1. Die Auflösung der roten Blutkörperchen dureh Kokain findet sowohl bei neutraler als auch bei alkalischer Reaktion (1° NaHCO,) statt, kann daher nicht bedingt sein durch Säurespaltung des Alkaloids (Annahme Köppe’s). 2. Die Wirkung aller giftigen Glieder der Kokainreihe auf rote Blutkörperchen wird durch alkalische Reaktion des Mediums er- heblich verstärkt. 3. Die durch Kokain, Eukain, Novokain bedingte Erhöhung der Oberflächenspannung des Lösungsmittels erfährt in alkalischem Medium eine weitere, ganz bedeutende Zunahme. Die ungiftigen Glieder der Reihe (Ekgonin usw.) zeigen zunächst keine Änderung, nach längerer Zeit ebenfalls eine Zunahme, die jedoch hinter der der giftigen Glieder der Reihe zurücksteht. 4. Durch Erhöhung der Konzentration des Mediums an Koch- salz (50, 15/0) lässt sich die Kokainhämolyse ebenfalls wesentlich beschleunigen. 5. Da das Kokain sowohl in alkalischem Medium als auch in höherprozentigen Kochsalzlösungen schwerer löslich ist, lässt sich zur Erklärung der besseren Hämolyse in diesem Medium die An- nahme heranziehen, dass eine Änderung des Teilungskoeffizienten Blutkörperchen Nasen hierfür maassgebend ist. 6. Da die physikalischen und biologischen Eigenschaften der Alkaloide mit ihren pharmakodynamischen parallel gehen und wahr- scheinlich auch in einem kausalen Zusammenhange stehen, werden die letzteren (anästhesierende und toxische Wirkung) voraussichtlich in ähnlicher Weise (Reaktionsänderung, Kochsalzkonzentration des Mediums) gesteigert werden können wie jene. Für die Reaktions- änderung hat Gros in einer kürzlich erschienenen Arbeit bereits eine Beeinflussung im Sinne einer Steigerung der anästhesierenden Wirkung im alkalischen Medium nachgewiesen. 399 (Aus dem anatomischen Institut der Universität Heidelberg.) Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerhalb des lebenden Tieres. Von Dr. Franz Rost, Assistent. (Hierzu Tafel IV.) Die vitale Färbung ist nach der wichtigen Entdeekung von Ehrlich!) über Nervenfärbung mit Methylenblau wie kaum ein anderer Teil der histologischen Technik in den letzten Jahrzehnten bearbeitet worden. Zunächst war es auch hauptsächlich die Nerven- färbung, mit der man sich beschäftigte, und schöne Resultate sind dieser Methode zu verdanken, die bald erweitert wurde durch Hinzu- ziehung anderer Farben, durch Färbung am herausgeschnittenen Objekt und sonst auf mannigfaltige Art. [Retzius?), Meyer?), Bethe), Morill’), Young‘), Arnold’), Krause und Philipp- 1) Über die Methylenblaureaktion der lebenden Nervensubstanz. Deutsche med. Wochenschr. 1886 Nr. 4. 2) Zur Kenntnis des Nervensystems der Crustaceen. Biol. Unters. N. F. Bd. 1 S. 1. 1890. Zur Kenntnis des autonomen Nervensystems der Würmer Zur Kenntnis des autonomen Nervensystems des Amphioxus. Zur Kenntnis des auto- nomen Nervensystems der Myxine. Biol. Unters. N. F. Bd. 2. 1891. 3) Die subkutane Methylenblauinjektion usw. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 46 S. 282. 189. 4) Der subepitheliale Nervenplexus der Ctenophoren. Biol. Zentralbl. Bd. 15 S. 140. 1895. 5) Methylenblue. Amer. Naturalist vol. 30. 1896. Ref. i. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 13 S. 474. 1896. 6) Journ. exper. Med. vol. 2 p. 1—2. Ref. i. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 15 S. 253. 1898. 7) Die Demonstration der Nervenendausbreitung in der Pap. fungif. der lebenden Froschzunge. Anat. Anz. Bd. 17 S. 517. 1900. 360 Franz Rost: son}), Hoimann>) Wolff), Duzatto>),-EischelD)engay)jS Die Methode würde sicher noch weitere Anwendung finden, wenn die Fixierung der Präparate nicht so unbefriedigend wäre. Gelegentlich ist die vitale Färbung auch zur Darstellung anderer Gewebsarten herangezogen worden, so von Hofmann’) für elastische Fasern. — Eine schier unübersehbare Fülle von Arbeiten hat die zweite Hauptanwendungsform der vitalen Färbung gezeitigt, die Darstellung der Granula und granulaähnlichen Gebilde, die zur feineren Struktur der Zelle in Beziehung gesetzt werden. Hierher rechne ich auch einen Teil der neueren Arbeiten über vitale Blutfärbung, soweit sie einen lediglich deskriptiven Charakter haben. Diese Anwendungs- form ist sehr in Aufnahme gekommen seit der Empfehlung des Neu- tralrot durch Ehrlich. Auch eine grosse Zahl anderer Farbstoffe ist zu dem genannten Zweck mit verschiedenem Erfolg versucht worden. So von Fischel®) etwa hundert. Die Art der Anwendung war dabei eine sehr versckiedene°), zum Teil benutzte man Ein- 1) Untersuchungen über das Zentralnervensystem des Kaninchen. Arch. t. mikr. Anat. Bd. 57 S. 488. 1901. 2) Das intrakardiale Nervensystem des Frosches. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt. 1902 S. 54—114. 3) Über die Ehrlich’sche Methylenblaufärbung usw. Arch. f. Anat. 1902 S. 155. 4) Über Ergebnisse der Nervenzellenfärbung in unfixiertem Zustande. Berl. klin. Wochenschr. Bd. 39 S. 1212. 1902. 5) Über eine vitale und spez. Nervenfärbung. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 25 S. 154. 1908. 6) Ich verweise ferner auf die Literaturangaben in Rawitz, Lehrbuch der mikroskopischen Technik 1907 S. 206, und Alfred Fischel, Vitale Färbung. Enzyklop. d. mikr. Technik, 2. Aufl., Bd. 2 S. 589. 1910. 7) Über die Färbung des elastischen Bindegewebes durch protrahierte vitale Methylenblaubehandlung. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt. 1902 S. 115. 8) Untersuchungen über vitale Färbung. Anat. Hefte 1901 Heft 52 u. 53 S. 417—530. 9) Schultze, Die vitale Methylenblaureaktion der Zellgranula. Anat. Anz. Bd. 2 S. 684. 1887. — Lavdowsky, Zur Methodik der Methylenblaufärbung und über einige neue Erscheinungen des Chemotropismus. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 12 S. 177. 1895. — Israel u. Pappenheim, Über die Ent- kernung der Säugetiererythroblasten. Virchow’s Arch. Bd. 143 S.419 ff. 1896. — Arnold, Über Granulafärbung lebender und überlebender Leukoeyten. Virchow’s Arch. Bd. 157 S. 424. 1899. — Arnold, Weitere Beobachtungen über „vitale“ Granulafärbung. Anat. Anz. Bd. 16 S. 568. 1899. — Arnold, Über vitale Uber Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 361 spritzung von Farbstofflösungen, zum Teil Farbstoff in Substanz; schliesslich brachte man auch das ganze zu untersuchende Objekt in färbende Flüssigkeit oder verstrich die Farbe dünn auf ein Deck- glas, wo man sie antrocknen liess. Entsprechend diesen verschiedenen Methoden sind auch die Autoren zu ganz verschiedenen Resultaten gekommen. Bedauerlicherweise fehlt uns eine kritische Sichtung des riesigen Materiales bisher noch vollständige, so dass es schwer ist, sich ein einigermaassen richtiges Urteil über den verschiedenen Wert alles dessen zu bilden, was unter der Bezeichnung „Granula“ in der Literatur beschrieben worden ist. Es ist uns bisher mehr multa als multum auf diesem Gebiete geboten worden. Die „Granula“ können sehr verschiedenartige Gebilde sein, und man muss zur Be- urteilung stets drei Möglichkeiten ins Auge fassen und zu entscheiden suchen: 1. Ist es ein Strukturelement der Zelle? 2. Ist es ein Stoff- wechselprodukt? 3. Ist es ein durch Schädieung der Zelle ent- Granulafärbung in den Knorpelzellen, Muskelfasern und Ganglienzellen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 55 S. 479. 1900. — Michaelis, Die vitale Färbung eine Darstellungsmethode der Zellgranula. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 55 S. 558. 1900. — Nakanissi, Über den Bau der Bakterien. Zentralbl. f. Bakt. Abt. I Bd. 30 S. 97. 1901. — Bettmann, Über Neutralrotfärbung der kernhaltigen roten Blut- körperchen. Münch. med. Wochenschr. 1901 8.957. — Ito, Zur vitalen Färbung des Blutes. Allgem. med. Zentralzeit. Nr. 101 S. 1185. 1901. — Arnold, Über Plasmasomen und Granula der Nierenepithelien. Virchow’s Arch. Bd. 169 S. 1. 1902. — Kral, Zur Differenzierung und objektiven Darstellung des Zell- inhaltes von Hefe und Spaltpilzen. Verhandl. d. Ges. deutsch. Naturf. u. Ärzte 1902, 74. Verhandl. Karlsbad, Teil II Hälfte 2 S. 621. — Ernst, Über den Bau der Bakterien. Zentralbl. f. Bakt., Abt. II, Bd. 8 S. 1. 1902. — Rosin und Bibergeil, Ergebnisse vitaler Blutfärbung. Deutsche med. Wochenschr. Bd. 28 S. 41. 1902. — Meves, Zur Struktur der roten Blutkörperchen bei Amphibien und Säugetieren. Anat Anz. Bd. 23 8. 212. 1903. — Rüzicka, Beiträge zur Kenntnis des Baues der roten Blutkörperchen. Anat. Anz. Bd. 23 S. 298. 1903. — Meves, Die Hünefeld-Hensen’schen Bilder der roten Blutkörperchen der Amphibien. Anat. Anz. Bd. 24 S. 465. 1904. — Rosin und Bibergeil, Über vitale Blutfärbung und deren Ergebnisse bei Erythrocyten und Blutplättchen. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 54 S. 197. 1904. — Rosin und Bibergeil, Das Verbalten der Leukocyten bei der vitalen Blutfärbung. Virchow’s Arch. 178 S. 478. 1904. — Rosin und Bibergeil, Über die chromophore Zone bei der vitalen Blutfärbung. Berliner klin. Wochenschr. 1904 S. 1265. — Zusammenfassend mit weiterer Literatur, Heidenhain, Plasma und Zelle S. 4384. Jena 1907. — Arnold, Plasmasomen, Granula, Mitochondrien usw. Anat. Anz. Bd. 31 S. 640. 1907. 362 Franz Rost: En standenes Kunstprodukt? Diese Fragestellung ist viel präziser und wird viel mehr Klarheit in die ganze Granulalehre bringen, als wenn man sich darauf beschränkt, zu untersuchen, ob ein solches Granulum schon in der sogenannten „lebenden“ Zelle vorhanden war oder nicht. Zur Entscheidung dieser drei Fragen bedarf es aber experimenteller Untersuchungen; die reine Morphologie versagt hier vollkommen. Der Anfang derartiger Untersuchungen ist in neuester Zeit von Plato?!) und Cesaris Demel?) mit glänzendem Erfolge gemacht worden. Die Arbeiten beschränken sich zunächst noch in der Haupt- sache auf die Granula der Leukocyten. Ich selbst will mich in dieser Arbeit nicht mit den Granula, die mir bei meinen Färbeversuchen selbstverständlich unendlich oft zu Gesicht gekommen sind, be- schäftigen, möchte aber doch auf einen Punkt hinweisen, der für die Beantwortung der Frage 3 sehr wichtig ist und eine geradezu grund- legende Bedeutung hat für die Untersuchungen in der folgenden Arbeit, das ist der Einfluss der Giftigkeit der Farbstoffe bei jeder Art der Färbung intra vitam. Teichmann’) beschreibt, dass man beim Frosch durch Einspritzung von Methylenblau allein oder mit Pilokarpin eine eigentümliche Körnelung im Protoplasma der roten Blutkörperchen beobachten kann, die er auf die Giftwirkung der Farbe zurückführt. Ich kounte derartig gefärbte Körnchen eigentlich mit allen gebräuchlichen vitalen Farbstoffen erreichen, und zwar traten dieselben spärlich auf, wenn ich nur '/s eem der 1 °/oigen Farblösung dem Frosch in den dorsalen Lymphsack spritzte. Spritzt man nun neben ! cem Farbe dem Frosch noch irgendein Blut- eift ein — Saponin, Hydroxylamin hydrochl., Toluilendiamin, Leeithin ete., auf das Nähere gehe ich später ein, — so findet man die vorher nur ganz vereinzelten intra vitam gefärbten Granula und Körnelungen geradezu massenhaft vermehrt. Eine ebensolche oder ähnliche Vermehrung findet man aber auch, wenn man au Stelle des Blutgiftes grössere Farbmengen verabreicht (2, 3, 5 eem) oder die Farbstoffeinspritzungen mehrere Tage hintereinander vornimmt. Daraus kann man mit Sicherheit den Schluss ziehen, dass ein Teil, 1) Plato, Über die „vitale“ Färbbarkeit der Phagocyten usw. Arch. £. mikr. Anat. Bd. 56 S. 468. 1905. 2) Virchow’s Archiv Bd. 195 S. 1. 1909. Hier ausführliche Literatur über die anderen meist in italienischer Sprache abgefassten Arbeiten des Autors. 3) Mikroskopische Beiträge zur Lehre von der Fettresorption. Inaug.-Diss. Breslau 1891. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 363 ja wohl alle der im Plasma der roten Blutkörperchen des Frosches beobachteten Granula eine Folge der Giftwirkung des Farbstoffes sind. Diese Granula der roten Blutkörperchen als Kunstprodukte zu bezeichnen, ist deshalb mit so grosser Sicherheit möglich, weil wir einmal wissen, dass Körnelungen als Absterbe- und Vergiftungs- erscheinungen der Erythrocyten vorkommen, und weil ferner durch die Arbeiten von Rosin und Bibergeil') bekannt ist, dass sämt- liche Farbstoffe auf rote Blutkörperchen — geradeso übrigens wie auf viele andere Zellen?) — einen deletären Einfluss ausüben. Fertist man nun von einem derartigen Blut in der gewöhnlichen Weise ein Ausstrichpräparat an und fixiert es in absolutem Alkohol, so bleiben diese Granula frei von Farbe als gewissermaassen aus- gesparte Stellen bestehen und bewirken eine höchst eigentümliche Körnelung im Giemsapräparat. Ich lege einige Abbildungen bei. Das Zustandekommen derartiger Körnelungen im Protoplasma des Froschblutes glaube ich auf folgende Weise erklären zn können: Durch die Giftwirkung von Farbe oder Farbe und anderem Gift werden die sonst fein verteilten Lipoide in Tropfenform zusammen- seballt. In ihnen löst sich der „vitale“ Farbstoff. Durch die Fixation in Alkohol wird das Lipoid + Farbstoff ausgelaugt, und es erscheint jetzt im Giemsapräparat eine kleine Luftblase. Infolgedessen sind die Körnelungen auch „senkeglänzend“ wie Luft. Ihre Grösse wechselt. Sie treten auch auf bei einem Gift, das nicht zur Gruppe der Farb- stoffe gehört, z. B. Saponin allein, und auch, wenn das Blut mit Parasiten überschwemmt ist. Auch wieder ein Beweis dafür, dass es sich um Giftwirkung handeit. Nun besagen ja gewiss diese Körnelungen, die also jedenfalls Kunstprodukte. bzw. pathologische Produkte sind, für eine grosse Reihe anderer Granula gar nichts, aber sie mahnen zur Vorsicht bei der Verwertung der Färbung intra vitam zur Darstellung derartiger Gebilde, eben wegen der Giftigkeit aller Farbstoffe. Historisch älter ist ein weiteres Gebiet der „vitalen“ Färbung, das rein physiologische Fragen behandelt und zur Aufdeckung der Verhältnisse der Nierensekretion®) und der Saftströmung in Muskel I) 1. c. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 54 S. 197. 1904. 2)v. Prowazek, Studium zur Biologie der Zellen. Biol. Zentralbl. Bd. 29 S. 291. 1909. Neutralrot tötet Pargmäcien in einer Verdünnung 1: 10000. 8) R. Heidenhain, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physio- logie der Nieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 10 S. 1. 1874. — Wittich, Bei- 364 Franz Rost: und Knochen!) geführt hat; ferner Klarheit in die Vorgänge der Gewebeatmung brachte. Letztere Arbeiten knüpfen sich wiederum vor allem an den Namen von Ehrlich?), der die Reduktion zur Leukobase besonders beim Indophenolblau, Alizarinblau und Methylen- blau verfolgte, und an die von Achard und Aynaud?). Die letzte uns am meisten interessierende Anwendungsform der Färbung intra vitam ist die zur Unterscheidung von „lebenden“ und „toten“ Zellen. Alle diese Untersucher gingen von der Vor- aussetzung aus, dass das lebende Gewebe eine andere Reaktion oder im weitesten Sinne chemische Konstitution hätte als das tote, und dass sieh diese Änderung in Farbstoffumsehlägen dokumentieren müsse. In allen Untersuchungen über „vitale“ Färbung finden wir den Gesensatz von lebendem und totem Gewehe einander gegenüber- gestellt. Die hier zuletzt anzuführenden Arbeiten machen es sich aber zu ihrer speziellen Aufgabe, die Folgen dieser anscheinend scharf voneinander getrennten Zustände zu untersuchen. Ich muss mich deshalb einen Augenblick mit den Begriffen „lebend“ ünd „tot“ beschäftigen, um richtige Voraussetzungen für meine Versuche zu gewinnen. Die strenge Scheidung und Gegenüberstellung dieser beiden Zustände, wie es meist in den Arbeiten über vitale Färbung geschieht, ist irreführend und deshalb zu vermeiden. Vom „aktiven Leben, dessen unentbehrlichster Vorgang die Dissimilation ist“, wieRubner) schreibt, gibt es über das latente Leben der Sporen bis zum völligen Tode einen fliessenden, nirgends unterbrochenen Übergang. In keinem Augenblicke können wir sagen, träge zur Physiologie der Nieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 11 3. 75. 1875. — Dreser, Histochemisches zur Nierenphysiolugie. Zeitschr. f. Biol. Bd. 21 S. 41. 1885. 1) Arnold, Über die Abscheidung des indigschwefelsauren Natrons im Muskelgewebe. Virchow’s Arch. Bd. 71 S. 1. 1877. — Arnold, Über die Abscheidung des indigschwefelsauren Natrons im Knochengewebe. Virchow’s Arch. Bd. 71 78.17.3187 2) Ehrlich, Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus. Berlin 1885. — Ehrlich, Zur biologischen Verwertung des Methylenblau. Zentralbl. f. d. med Wissensch. 1885 S. 113. 3) Achard und Aynaud, Reduction du Bleu de Methylene par les Globulines. Compt. rend. de la Soc. Biol. 1908 p. 57. — Achard und Aynaud, Coloration vitale des Globulines par le Rouge Neutre. Compt. rend. de la Soc. Biol. 1908 p. 442. 4) Rubner, Kraft und Stoff usw. 8. 35. u" rar Zn Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 365 hier hört für die Zelle das Leben auf, und hier beeinnt der Tod. Der Tod ist ein vollendeter Zustand. Ob er in einer Zelle ein- getreten ist oder nicht, dafür besitzen wir, wie Arnold!) sehr richtig sagt, kein allgemein gültiges morphologisches Kennzeichen. Das „Leben“ einer Zelle ist aber kein vollendeter Zustand, sondern nur die Äusserung einer Reihe aufeinander einwirkender Funktionen, die gebunden sind an viel kleinere Bestandteile, als es die Zelle ist. Diese Biogene?) oder Bionten?) können in ihrer Wechselwirkung natürlich eine Unmenge von Störungen erfahren, die sich rückwirkend als Schädigung der Zelle offenbaren. Nur diese Schädigung der Zelle ist unserer Untersuchung vorläufig zugänglich, nicht ihre letzte Ursache, die Störung in der Funktion der Bionten. Und zwar können es in der Regel nur morphologische Veränderungen der Zelle sein, nicht funktionelle, die uns diese Schädigung anzeigen. Denn nur einzelne dieser Bionten bewirken die Funktion der Zelle. Ist diese Funktion erhalten, so kann das demzufolge niemals ein Kriterium für uns sein, ob die Zelle in irgendeinem ihrer Teile geschädigt ist oder nicht. Das beweisen sehr deutlich die Versuche von Peter, der fand, dass kernlose, also doch sicher geschädigte Flimmerzellen ihre Funktion nach 6'/s Stunden beibehalten können). Wir können danach also, wenn wir den Zustand einer Zelle unter- suchen, nicht einfach von „lebend“ oder „tot“ sprechen, sondern müssen das „lebend“ teilen in geschädigt und ungeschädigt. Natürlich sind das nicht exklusive Gruppen, die ich da einander gegeenüberstelle. Von „lebend“ zu „tot“ ist, wie gesagt, ein fliessender Übergang, und „geschädigt“ bedeutet keinen festen Punkt auf diesem Wege. Man kann sich eine geschädigte Zelle wohl vorstellen, die in vielen ihrer Lebensäusserungen der ungeschädigten gleichkommt. Deswegen ist jede Untergruppierung in dem weiten Begriff „lebend“ - einseitig, aber sie ist trotzdem nötig, wie die Verwirrung in der Literatur über „vitale“ Färbung lehrt, und nur, wenn man sich 1) Arnold, Weitere Beobachtungen über „vitale“ Granulafärbung. . Anat. Anz. Bd. 16 S. 568. 1899. 2) Verworn, Physiologie S. 468. 1895. 3) Rubner, Kraft und Stoff S. 40. 1909. 4) Anat. Anz. Bd. 15 S. 77. 1899. Vel. ferner Verworn, Die physio- ‚logische Bedeutung des. Zellkerns. Pflüger’s Arch. Bd. 51 S. 1. 1892. — Rüziöka, Die Frage der kernlosen Organismen und die Notwendigkeit des Kernes zum Bestehen des Zellenlebens. Biol. Zentralbl. Bd. 27 S. 491. 1907. 366 Franz Rost: darüber im klaren ist, dass der Begriff „lebend“ kein eng begrenzter ist, werden die bisher recht unfruchtbaren Frörterungen, über die Möglichkeit, ein Gewebe intra vitam zu färben, etwas mehr praktischen Wert bekommen. Wie gesagt, liegen eine Reihe von Arbeiten vor, die untersuchen wollen, ob das tote Gewebe sich anders färbt als das lebende. So- weit sie das nach vorhergegangener Fixierung zu erreichen streben, (Rhumbler') interessieren sie uns hier, wo es sich um Färbung an der unfixierten Zelle handelt, nicht. Mosso?) hingegen unter- suchte an frisch dem Tierkörper entnommenen Zellen, wie sie sich Methylgrün gegenüber verhielten. Die verschiedenen Farbnuancen, die er dann bekam, sind recht interessant, soweit es sich nur um Beurteilung der Reaktion des Gewebes handelt; die Beweise für „Leben“ und „Tod“ der Zellen sind nicht immer zwingende; für Färbungsversuche innerhalb des Tierkörpers ist die Methode wegen der enormen Giftiekeit des Methylgrün unbrauchbar. Letzteren Fehler vermied Rüzicka°), der mit einem Neutralrot-Methylen- blaugemisch arbeitete. Die Beobachtungen, die er dabei machte, dass sich das Protoplasma zuerst rot, dann blau färbte, sind sehr richtig. Den Folgerungen, die er an diese Tatsache anknüpft, dass es sich zuerst um lebendes, dann um totes Protoplasma gehandelt hätte, kann ich mich auf Grund meiner Versuche nicht anschliessen. Tatsache ist, dass das Neutralrot, wie ich zeigen werde, die Zellen beträchtlich schneller zu durchdringen vermag als das Methylenblau. Worauf das zurückznführen ist, werde ich im Verlauf -der Arbeit erörtern. Mit dem Leben oder Tod der Zelle hat das gar nichts zu tun, sondern es handelt sich dabei lediglich um physikalische Vorgänge. Töte ich vor der Färbung die Zelle mit Atropin, so färbt sie sich trotzdem zuerst mit Neutralrot, erst später mit Methylenblau. Also auch die tote Zelle färbt sich mit Neutralrot. Auf der anderen Seite erscheint es mir dureh nichts bewiesen zu sein, dass ein mit 1) Rhumbler, Eine Doppelfärbung zur Unterscheidung von lebenden Sub- stanzen und von abgestorbenen usw. Zoolog. Anz. Bd. 16 S 47. 1893. 2) Mosso, Anwendung des Methylgrün zur Erkennung der chemischen Reaktion und des Todes der Zellen. Virchow’s Arch. Bd. 113 S. 397. 1888. 3) Rüfitka, Über tinktorielle Differenzen zwischen lebendem und ab- gestorbenem Protoplasma. Pflüger’s Arch. Bd. 107 S. 497. 1907. — Ruüzitcka, Zur Theorie der vitalen Färbung. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 22 S. 91. 1905. | Über Kernfärbung an unfixierten Zellen uud innerh. des lebenlen Tieres. 3657 Methylenblau gefärbtes Protoplasma unter allen Umständen abgestorben ist. Ja ich halte es mit dieser Annahme für unvereinbar, dass man, wie ich oft beobachten konnte, Protoplasmafärbung durch Methylen- blau findet, ohne gleichzeitige Kernfärbune. Ich will mit diesen Ausführungen die Brauchbarkeit der Methode Rüzıcka für gewisse zoologische Zwecke gar nicht in Abrede stellen; dazu fehlt mir die Erfahrung auf diesem Gebiete; nur die theoretischen Verall- cemeinerungen wollte ich korrigieren. Bisher ist also mit all den Methoden, bei denen versucht wurde, durch Färbung am frischen Gewebe veränderte chemische Konstitution der lebenden gegenüber der toten oder absterbenden Zelle zu finden, sehr wenig erreicht worden. Und das ist gar nicht verwunderlich. Die chemische Histoloeie hat doch wenigstens die eine Komponente, das zu färbende Objekt fixiert und relativ unveränderlich vor sich. Es kommt dabei also mehr oder weniger auf das Studium der feinen Farbenumschläge und Farbenreaktionen an. Schon das ist sehr schwierig, und wenn man ehrlich sein will, ist das Resultat dieser Bemühungen doch ein recht zeringes. Die wenigen mikrochemisch verlaufenden Färbungen sind rein empirisch gefunden worden. Von einer annehmbaren Be- sründung z. B. selbst einer soviel angewendeten Färbung wie der des Rlastin sind wir noch weit entfernt. Nun kommt bei den un- fixierten Präparaten noch die dauernde chemische Veränderung der Zelle hinzu, um die Schwierigkeiten und Unklarheiten ins Un- gemessene zu steigern. Ich versprach mir deshalb sehr wenig davon, mit solchen Re- aktionen im Tierkörper festzustellen, ob eine Zelle voll lebt oder geschädigt ist. Ein anderer Weg erschien viel aussichtsreicher. Ich ging von der allgemein als richtig anerkannten Tatsache aus, dass sich beim Wirbeltier ein Zellkern nur dann färbt, wenn die Zelle geschädigt ist, und schloss, dass, wenn ich eine Zelle schädigen würde, ich Kern- färbung innerhalb des lebenden Tieres erreichen könnte Von vornherein war ich mir klar, dass nicht jede „Schädigune“ der Zelle zu einer Kernfärbung führen würde, wenigstens richt in den hier in Betracht kommenden ersten Stadien ihrer Einwirkung. Man kann etwas schematisiert zwei Arten der Schädigung unter- scheiden, die eine Zelle treffen können !): 1) Vgl. Jacoby, Der Stoffwechsel und der Energiewechsel der Zelle und der Einzelligen. Handb. d. Biochemie von Oppenheimer Bd. 2 S. 142. 1909. 368 Franz Rost: 1. solche, die ihren Stoffwechsel in irgendwelcher Weise stört und damit gegebenenfalls zu Veränderungen der chemischen Struktur führt (z. B. Amyloid, hyaline Entartung u. a. m.); 2. solche die von vornherein die Struktur der Zelle ändern (z. B. Saponin, Hämatinbildner u. a.). Gruppe 1 kann Schädigungen hervorrufen, die nicht den so- fortigen Tod der Zelle zur Folge haben. Bei einzelnen, z. B. Kohlen- oxyd, scheint es sogar zu einer völligen restitutio ad integrum kommen zu können. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass auch in diesen Fällen nur unsere mangelhafte Methodik eine solche reparatio vortäuscht. Eine Kernfärbung war nur zu erwarten bei Schädigungen, die unter die Gruppe „zwei“ fallen; diese zerstören die Struktur der Zelle und führen stets zu ihrem Tode; ob aber im Augenblick der Kernfärbung wirklich alle Bionten getötet sind, weiss ich nicht. Deshalb spreche ich gemäss meiner Ausführungen weiter oben von geschädigter Zelle Praktisch wird es meist auf tote heraus- kommen. Da nun solche Strukturveränderungen mit unseren bisher üblichen Methoden nicht immer nachweisbar waren, so bot sich damit ein, sicher nicht universelles, aber für manche Fälle der experimentell- pathologischen Untersuchungen gewiss brauchbares Mittel dar, solche Schädigungen zu erkennen. Und noch andere Gesichtspunkte liessen diese Versuche gerecht- fertigt erscheinen: durch solche Strukturveränderung innerhalb des lebenden Tieres erreicht man im Prinzip dasselbe, wie beim ersten Akt einer Fixation am herausgenommenen Organ: Man tötet die Zelle und ermöglicht das Eindringen der Farbe!. Nun kann man beim lebenden Tiere eine ganz bestimmte Gruppe von Zellen, sagen wir einmal, alle roten Blutkörperchen, zerstören. Diese werden sich dann auch besonders und bis zu einem gewissen Grade elektiv färben. Wir haben so zum ersten Male eine spezifische Fixation im Gegensatz zu einer bisher ja häufig angewandten spezifischen Färbung. Das sind nun nicht bloss theoretische Spitzfindigkeiten; das Faeit für die Praxis habe ich durch die auf diesem Wege gut ausführbaren „physiologischen“ Injektionen bei Kaulquappen gezogen, über die ich an anderer Stelle berichten will ?). 1) Vgl. v. Tellyesniczky, „Fixation“. Enzykl. d. mikr. Technik 1910, 2. Aufl., S. 460. . 2) Erscheint im Arch. f. mikrosk. Anat. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 369 Es könnte nach den letzten Ausführungen so scheinen, als ob ich den Kern für scharf begrenzt und abgeschlossen gegen das Protoplasma halte. Das ist nicht etwa der Fall. Ich bin mir der physiologischen und morphologischen Beziehungen von Kern und Protoplasma wohl bewusst, und halte auch die Ausstrahlungen von Kernsubstanz in das Protoplasma — Chromidien, Chromidialsubstanzen, R. Hertwie!) u. a. — für gegeben. Wenn ich trotzdem die Färbung des Kernes als Kriterium für die schwere Schädigung der Zelle annehme und ihn so gewissermaassen vom Protoplasma trenne, so tue ich das nur aus praktischen Gründen. Denn bevor die Be- deutung der Kernfärbung an unfixierten Zellen nicht geklärt ist, lassen sich Untersuchungen über die biologische Bedeutung der Färbung ausgestrahlter Kernteile oder der Centrosomen mit Erfolg nicht ausführen. Um aber für die Kernfärbung innerhalb des lebenden Tieres die nötigen exakten Grundlagen zu bekommen, sind zunächst eine Reihe von Untersuchungen über Kernfärbung an unfixierten Zellen im allgemeinen nötig, auf die ich im folgenden zuerst eingehen will. Zunächst musste entschieden werden, ob es eine Kernfärbung bei lebender Zelle gibt. Und zwar müssen wir zwischen ge- schädigter und ungeschädigter Zelle unterscheiden, dann werden sieh auch die Widersprüche, die sich in der Literatur über diese Frage finden, wohl lösen. Dass bei Protozoen eine Kernfärbung vorkommt, während der Kern noch seine Funktion erfüllt, ist nach den Unter- suchungen von Przesmycki?) sichergestellt, der bei Nyctotherus cordiformis Kernteilung an gefärbten Kernen ablaufen sah. Dass diese Zellen nicht normal waren, geht daraus hervor, dass die Tiere sehr bald starben. Dass dabei weiter keine morphologischen Ab- weichungen von der Norm der Kernteilung zu beobachten sind, ist nicht verwunderlich. Unsere Mittel der Beobachtung sind vorläufig 1) R. Hertwig, Über Korrelation von Zell- und Kerngrösse usw. Biol. Zentralbl. Bd. 23 S. 49 u. 108. 1903. Zusammenfassend mit Literatur: O0. Hertwig, Allgemeine Biologie S. 257. Jena 1906. — Ruzitka, Struktur und Plasma. Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 16 S. 581. 1906. — Gegenbaur-Fürbringer, Lehrbuch der Anatomie, 8. Aufl, Bd. 1 S. 2. 1909. — Erdmann, Kern und Plasmawachstum in ihrer Beziehung zu einander, Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 18 S. 88&4. 1908 (1910). 2) Przesmycki, Über die intravitale Färbung des Kernes und des Protoplasmas. Biol. Zentralbl. 1897 S. 321 u. 352. 370 Franz Rost: noch nicht fein genug, dass wir es einer Kernteilung ansehen können, ob sie in allen Punkten normal verläuft; meist offenbart sich das erst an weiteren Teilungen, wie das auch aus verschiedenen Ver- suchen von Loeb!) über künstliche Pharthenogenese hervorgeht. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob es eine Kernfärbung gibt bei ungeschädigter Zelle Die meisten Autoren, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, glauben überhaupt nicht, dass eine Kernfärbung eintreten kann, so lange die Zelle „lebt“ ?); leider wird nirgends angegeben, ob mit dem Beeriff „lebend“ nur der Zu- stand der ungeschädigten Zelle gemeint ist oder auch der der ge- schädigten, so lange er nur noch nicht zum Tode geführt hat. Dass dies eine unriehtige Ansicht sein würde, geht aus den soeben er- wähnten Versuchen Przesmycki’s hervor. Allerdings beziehen letztere sich nur auf Protozoen und auch genannter Autor glaubt nicht, dass beim Wirbeltier eine Kernfärbung während des Lebens der Zelle vorkommt. Bei Ctenophoren erzielte durch längeres Belassen in Farblösung Bethe°) Kernfärbung des Epithels und der Muskeln der Ruder- plättehen und führt das als Beweis dafür an, dass es eine Kern- färbung während des Lebens gibt. Auch hier handelt es sich zweifel- los um geschädigte Zellen, das hat schon der lange Aufenthalt in der Farblösung bewirkt, und da die oben erwähnten Autoren ihre Angaben möglicherweise nur auf ungeschädigte Zellen bezogen wissen wollen, so würde sich damit der scheinbare Gegensatz lösen. Auch Höber*) glaubt, dass es eine Färbung von lebenden Kurven eibt, und zwar gibt er, gestützt auf Untersuchungen am Salamander- blut im hängenden Tropfen an, dass diese Färbung blass sei, im Gegensatz zu der distinkten des toten Kernes. Auch ich habe mich bei meinen Untersuchungen am Froschblut davon überzeugen können, dass diese beiden Unterschiede in der Färbung vorkommen. Die distinkte Färbung ist eine Chromatinfärbung. Da Chromatin in der 1) Loeb, Untersuchungen über künstliche Parthenogenese. Deutsche Aus- gabe, herausgeg. von E. Schwalbe. Leipzig 1906. 2) Plato, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 56 S. 868. 1900. — Fischel, Anat. Hefte, Heft 16 S. 417. 1901. — Heidenhain, Plasma und Zelle S. 129 u. 454. Jena 1907. — Cesaris Demel, Virchow’s Arch. Bd. 195 S. 1. 1909. — Fischel, Enzyklop. d. mikr. Technik Bd. 2 S. 597. 1910. 3) Biol. Zentralbl. Bd. 15 S. 140. 1895. 4) Biochem. Zeitschr. Bd. 20 S. 70. 1909. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 371 lebenden Zelle nicht enthalten ist!), so handelt es sieh dahei sicher um die Färbung eines toten Kernes. Dahei kann das Chromatin entweder in Fadenform aneeorAnet sein oder dureh Quellunz eine zwar diffuse, aber kräftige Färhung bewirken. Die blasse Färbung tritt dann ein, wenn die Zelle nieht plötzlich. sondern langsam ab- stirbt. Ich beobachtete sie auch am Blut, das 24 Stunden in mit Locke- lösung verdünntem Methylenblau gestanden hatte. Sie ist in ihrem ersten Stadium, wie ich zeigen werde, mit hypertonischer Rohr- zucekerlösune ausziehbar, also sehr unecht. Jedenfalls ist sie niehts Einheitliches; möglicherweise auch bedinet durch Lösung der Farbe im Kernsaft. Dass sie in einer geschädigten Zelle vorkommt, ist sicher. Ob sie auch in einer ungeschädieten Zelle vor- kommt, war zu untersuchen. Mit Versuchen im häneenden Tropfen war in dieser Frage gar nichts zu erreichen; dazu ist das eine viel zu eingreifende Methode für die Zelle. Nur Farbstoffeinspritzungen in das lebende Tier konnten Entscheidung bringen. Nur im Tierkörper sind die Zellen — sagen wir einmal die roten Blutkörperehen — vor Schädigungen möglichst gesichert. Einzelne geschädigte Zellen werden wir als Folge der physiologischen Abnützunge stets im PBlutstrom haben. Diese dienen uns zur Kontrolle, indem sie durch ihre Kernfä'bung anzeigen, ob genug Farbe im Blut kreist. Finden wir dann nicht bei einer grossen Reihe der doch unter eanz eleichen Bedingungen stehenden Zellen blasse Kernfärbunge, so können wir als bewiesen ansehen, dass sie nieht in den voll lebensfähigen Blutkörperchen eintritt, sondern nur eine andere Art der Kernfärbung der geschädigten Zelle ist. Durch diese Versuche bekam ich ferner einen Überblick über die Giftiekeit der Farben und ihre Beziehung zur Kernfärbung und über sonstige für meine späteren Versuche wichtige Verhältnisse bei der Färbung intra vitam. Von Farben kamen zur Anwendung: (sämtlieh in 0,6°/o NaCl gelöst) Neutralrot 1°% und eesättiet, Methylenhlau 1% und ge- sättiet, Neutralrot-Methylenblau äa 0,5, Pyronin 1%, Pyronin 1°%o- Methylenblau 0,5, Methylgrün 10, Toluidinblau 1°, Vesuvin 1°/o, Bismarekbraun 1/0, Nilblausulfat 1°/o, Eosin 1%, Fuchsin gesättigt, Orange-G. 1%, Kongorot 1°, Thionin 100, Indigkarmin 1/o; 1) Heidenhain, Plasma und Zelle S. 117. 1907. — Hertwig, All- gemeine Biologie, 3. Aufl., S. 30. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 25 372 Franz Rost: - Safranin 1°/o, Neutralrot-Vesuvin ää, Toluidinblau-Methylenblau aa, Toluidinblau - Vesuvin aa, Toluidinblau - Neutralrot äa, Vesuvin- Methylen-blau aa. Alle Farben waren von Dr. Grübler, Leipzig bezogen worden. Als Methylenblau fand meist „Anilinblau Merk“ Verwendung. sa Die Menge, die von diesen Lösungen den Fröschen in den dorsalen Lymphsack oder an anderer Stelle eingespritzt wurde, war sehr wechselnd, in den meisten Fällen '/a—1 cem, doch auch bis zum 20fachen in refract. dos. Bei den kleinen Dosen färbten sich mit Methylenblau, Methylenblau-Neutralrot, Thionin, seltener mit Toluidinblau und Indiekarmin stets einzelne Kerne der roten Blut- körperchen kräftig und distinkt. Mit sämtlichen anderen ge- brauchten Farben gelang es mir trotz sehr hoher Dosis und wieder- holtem Einspritzen niemals, Kernfärbung der roten Blutkörperchen im freien Blute zu erzielen. Von einer blassen Färbung des Kernes konnte ich bei den Farben der Gruppe 1, auch wenn ich sie in grosser Menge (5 ccm und mehr) gab, niemals etwas bemerken, geschweige denn derartiges bei einer grösseren Gruppe von Ery- throeyten sehen. Damit erscheint es mir sicher, dass auch diese blasse Kernfärbung nur eine Färbung der geschädigten Zelle ist‘). Wie gesagt, färbten sich bei dieser Versuchsanordnung einzelne Kerne der roten Blutkörperehen distinkt, als Zeichen dafür, dass es sich um schwer geschädiste oder tote Gebilde handelte, an denen auch oft morphologische Veränderungen und Protoplasmafärbung vor- handen war. Diese gefärbten roten Blutkörperchen sind nun einerseits solche, die durch die Farbe geschädigt werden und sich danach färben; das kann man daraus folgern, dass einzelne Farb- stoffe wie Thionin stets bedeutend mehr Erythrocytenkerne färben als wie Methylenblau, wobei zu beachten ist, dass durch Thionin die Frösche auch in ihrem Allgemeinbefinden beträchtlich mehr leiden und früher zugrunde gehen als durch den anderen Farbstoff. Es ist interessant, dass ein Gemisch von Neutralroth-Methylenblau aa 0,5 ebenfalls beträchtlich mehr Kerne bei gleicher Dosis färbt als Methylenblau allein. Da es sich hier um lipoidlösliche, also im weitesten Sinne narkotisch wirkende Substanzen handelt, würde man 1) Lediglich zur Entscheidung dieser Fragen wurden etwa 100 Frösche unter- sucht. Ich nahm aber auch bei nicht eigens zu diesem Zweck angestellten Ver- suchen stets die Gelegenheit wahr, die Resultate zu prüfen. r Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 373 das vielleicht in Analogie setzen können zu der in jünsgter Zeit be- schriebenen, sich unverhältnismässig gegenseitig verstärkenden Wirkung von Narkosezemischen !). Es färbten ferner grosse Farbstoffmengen stets mehr Kerne als kleine. Den Einwand, .dass es sich bei kleinen Farbstoffmengen eben um ungenügende Zufuhr gehandelt habe, kann man dadurch widerlegen, dass man durch dieselbe Farbendosis bei gleichzeitig andersartiger (später noch näher auszuführender) Schädi- gung der Blutkörperchen das 10—20fache an gefärbten Kernen er- halten kann. Zweitens kreisen aber auch im Blute des Frosches stets eine Anzahl an sich nicht vollwertiger roter Blutzellen. Deren Kerne werden dann ebenfalls durch die Farbe tingiert. Bei aus dem Winterschlaf erweckten Fröschen erhält man deshalb mehr Kerne als bei längere Zeit in der Wärme gepflegten, bei Weibchen vor der Eierablage mehr als bei Männchen. Auch in den ver- schiedenen Jahreszeiten finden wir eine verschieden grosse Zahl geschädigter Erythrocyten. Das hängt mit dem ja genau bekannten periodischen Zerfall und Erneuerung des Amphibienblutes zu- sammen?). Wenn wir uns deshalb auf dem Wege der Kernfärbung unterrichten wollen, ob ein Gift die roten ‚Blutkörperchen angreift, so müssen wir stets Kontrollversuche durch Einspritzung von Farbe ohne Gift an Fröschen anstellen, die unter gleichen bedingungen leben. Am wenigsten färben sich die an ihrer Grösse und Protoplasma- armut leicht zu erkennenden?) jungen Blutelemente, die man dureh starke Anregung der Regeneration erhält, also durch kräftigen Aderlass — am besten aus der V. magna abdominis — oder durch Zerstörung der alten Erythrocyten dureh Hydroxylamin oder ein anderes Bluteift. Z. B. Frosch den 13. Mai abends !/; cem Methylen- blau 1°/o + 0,2 Hydrox. hydrochl. 1 °%. 14. Mai früh massenhafte Kernfärbung; fast jedes zehnte rote Blutkörperchen gefärbt. Den 19. Mai nur sehr spärliche Kerne gefärbt. Bekommt !/, cem 1) Bürgi, Deutsche med. Wochenschr. 1910 S. 1. — Madelung, Arch. £. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 S. 409. 1910. 32) Neumann, Hämatologische Studien. Virchow’s Arch. Bd. 143 S. 224. 189%. 3) Knoll, Blutkörperchen bei wechselwarmen Wirbeltieren. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch., naturw. Klasse Abt. 3 Bd. 105. 1896. — Freid- sohn, Zur Morphologie des Amphibienblutes, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 75 8.436. 1910. 29° 374 Franz Rost: Methylenblau. Am 20. Mai und den folgenden Tagen: keine Ver- mehrung der Kernfärbung. Giemsapräparat: Viele Jugendformen. Man kann sich durch die Kernfärbung der roten Blutkörperchen leicht davon überzeugen, dass in der Tat längere Zeit solche ge- schädigte Elemente im Blute kreisen, da man sie noch am nächsten Tage, nachdem die Resorption der Farbe sicher vollendet ist, findet. Dass die Resorption wirklich vollendet ist und es sich nicht etwa um immer wieder neu gefärbte andere Blutkörperchen handelt, geht daraus hervor, dass zahlenmässig erhöhte Kernfärbung der Erythrocyten nicht eintritt, wenn man ein Gift ohne weiteren Farbenzusatz einspritzt (z. B. Hydroxylamin), durch das sonst bei gleichzeitiger Farbenzufuhr eine enorme Vermehrung der Kern- färbung der roten Blutkörperchen regelmässig bewirkt wird. Zur Entscheidung der Frage, ob sonst im Tierkörper eine Kern- färbung, ohne eisens zu diesem Zweeke gesetzte Schädisung zu be- obachten ist, entnahm ich den mit wechselnden Farbenmengen längere oder kürzere Zeit gespritzten Fröschen und Mäusen aus allen in Betracht kommenden Organen sofort nach dem Tode Stücke, die ich mikroskopisch in Kochsalz- oder Lockelösung untersuchte. Ferner liess ich dann die Organe längere Zeit an der Luft liegen, um Studien über postmortale Diffusion der Farben mit Kernfärbung anzustellen, und um eventuell vorhandene Leukobasen oxydieren zu lassen. Von Farben wurden dieselben wie oben untersucht: da die gleichen Tiere Verwendung fanden, war auch die Zahl der Versuche die gleiche wie oben. An der Einspritzungsstelle der Farbe — dorsaler oder Oberschenkellymphsack, auch einige Male Obersehenkelmuskulatur — waren oberflächliche Binderewebs- und Muskelkerne distinkt gefärbt. Diese Färbuns trat bei kleinen Dosen nicht regelmässig ein, ebenso fehlte sie wiederholt, wenn die Farbe in den Oberschenkellymphsack gespritzt worden war. Auch zeigten einzelne Farben, wie Neutralrot, eine ausgedehntere Kernfärbung als wie andere (Methylenblau). Da diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Farben keine grossen waren, will ich auf sie nicht näher eingehen. Sonst waren, wie oben erwähnt, einige rote Blut- körperchenkerne gefärbt, ferner in den Organen (Lunge, Leber, Niere, Milz, Gehirn, Rückenmark, Geschlechtsorganen, Knochenmark, verschiedenste Muskulatur, Herz, Magen, Darmtraktus, Fascien) ab und an ein vereinzelter Zellkern, im Mund waren gefärbte abge- stossene Epithelzellen und in der Haut oberflächliche Epithelzellen Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh, des lebenden Tieres. 375 mit Kernfärbung zu finden. Niemals zeigte sich ein ganzer Komplex von Zellen gefärbt. Die Kernfärbung an der Einspritzungsstelle der Farbe wird man wohl mit vollem Recht auf eine Schädigung dieser Gewebe durch die Farbe selbst und die mit ihr eingeführte Flüssig- keit oder Salz zurückführen !). Diese, ich möchte sagen, lokal wirkende Giftigkeit ist besonders vom Neutralrot bekannt. Dort, wo es aus irgendeinem Grunde in Substanz ausfällt, färbt es die umliegenden Kerne?). Das konnte ich häufiger in den Muskeln beobachten, besonders wenn Neutralrot in Substanz in den dorsalen Lywmphsack gebracht worden war. Die vereinzelt sonst in den Organen gefärbten Kerne gehören zu Zellen, die infolge der physiologischen Abuutzung der Gewebe zugrunde gegangen sind. Es wäre interessaut, festzustellen, ob sich im Alter in den Organen eine vermehrte Kernfärbung finden würde; doch müsste man diese Versuche besser am Warmblüter anstellen, es würde sich dann möglicherweise in mancher Richtung eine Klärung üker die Fragen des Alterstodes gewinnen lassen ?). Bei allen Versuchen, bei denen man während des Lebens des Tieres durch Kernfärbung nachweisen will, ob eine Zelle irgendwie geschädigt ist, gilt es diejenige kleinste Farbmenge abzuwägen, die eben noch imstande ist, die geschädigten Zellen zu färben, die aber noch nicht an sich toxisch auf das betreffende Gewebe einwirkt. Es gelten deshalb alle soeben angeführten Resultate nur für solche verhältnismässig kleinen Farbdosen. Werden so grosse Farbmengen eingespritzt, dass dadurch der Tod des Tieres herbeigeführt wird, wie das besonders früher zur Erzielung schöner Nervenfärbung oft geschah, so bekommt man auch Kernfärbung der Ganglienzelle, wie das beispielsweise Krause und Philippson‘) in ihrer oben zitierten Arbeit zwar nicht erwähnen, aber abbilden. Es ist in dieser Hinsicht interessant, dass bei den Versuchen der beiden Autoren die Tiere unter dem Zeichen der Alteration des Zentral- 1) Vgl. Bany, Biochemie der Zellipoide. I. Ergebn. d. Physiol. 1909 S. 496. 2) Michaelis, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 55 S. 558. 1900. — Binder, Über ein eigentümliches Resultat der vitalen Färbung mıt Neutralrot an der Zungenmuskulatur des Frosches. Zentralbl. f. allgem. Path. Bd. 20 Nr. 19. 1909. Das Leukoprodukt des Neutralrots ist schwer löslich, fällt deshalb leicht aus. 8) Vgl. dazu Rubner, Kraft und Stoff S. 156. 1909. 4) l. c. Auch Retzius, Biol. Unters. N. F.. Bd. 1 S.1. 1890, bildet Kern- färbung der Ganglienzellen ab. ; B3T0R aa! mie Franz Rost: nervensystems im weitesten Sinne des Wortes starben. Zu solcher Giftwirkung durch Farbe gehört ferner die Kernfärbung in Muskeln durch indıgschwefelsaures Natron, die Arnold!) beschreibt. Will man diese Giftwirkung vermeiden, so muss man vor allem die Farbe verdünnt — man kann dann auch grosse Gesamtmengen bekommen — dem Tiere einverleiben. Es gelang mir beispielsweise wiederholt, Fröschen fast das gesamte Blut durch 0,1—0,5 %/o—1°/oige Methylen- blaulösung zu ersetzen, indem ich, in Anlehnung an die berühmten Pflüger’schen Versuche?), die Farbe in die V. magna abdominis einlaufen liess. Die Kernfärbungsresultate waren die gleichen wie oben, auch wenn die Frösche einige Tage am Leben erhalten wurden. Was die postmortale Kernfärbung durch Diffusion anlangt, so habe ich sie nur sehr vereinzelt bei Toluidinblau, Nilblausulfat, auch Neutralrot und Methylenblau feststellen zu können. Doch empfiehlt es sich im allgemeinen, die Probeexzisionen möglichst schnell vorzunehmen’). Sauerstoff hat keinen Einfluss auf die Kern- färbung; das ergibt sich auch aus später zu erwähnenden Versuchen über Kernfärbung an roten Blutkörperchen im Wasserstofistrom und nach Sauerstoffabsorption dureh Pyrogallol. Durch diese Versuche nun ist bewiesen worden, dass beim Frosch eine Kernfärbung der ungeschädigten Zelle nicht vor- kommt, und ferner, dass die wenigen Kerne, die sich innerhalb des lebenden Tieres als eine Folge der physiologischen Abnützung oder der nie ganz zu vermeidenden Giftigkeit der Farbstoffe färben, die Brauchbarkeit der Methode, durch Färbung der Kerne künstlich geschädigte Zellen zu erkennen, nicht beeinträchtigen können. Nun ist aber bisher überhaupt noch nicht systematisch unter- sucht worden, unter welchen Bedingungen Kernfärbung an unfixierten Zellen ausserhalb des Tierkörpers eintritt, und welche Faktoren dabei in Betracht kommen. Es war deshalb meine erste Aufgabe, auf dem Wege des Experiments mir über diese Verhältnisse Klarheit zu verschaffen. 1) Virchow’s Arch. Bd. 71 S.1. 1877. 2) Cohnheim, Uber das Verhalten der fixen Bindegewebskörperchen bei der Entzündung. Virchow’s Arch. Bd. 45 8.333. 1869. — Ortmann, Über den Stoffwechsel entbluteter Frösche. Pflüger’s Arch. Bd. 15 S. 381. 1877. 3) In der Färbbarkeit der „Granula“ tritt mit dem Tode eine wesentliche Änderung ein. Vgl. Arnold, Virchow’s Arch. Bd. 157 S. 481, 1899, und Plato, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 56 S. 877. 1900 Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh, des lebenden Tieres. 377 Die Versuche wurden lediglich an roten Blutkörperchen des Frosches angestellt, da ich beabsichtigte auch die weiteren Unter- suchungen auf diese Zellart zu beschränken. Auf ein Deckgläschen wurde mit Platinöse ein Tropfen Farblösung von zunächst einmal beliebiger Konzentration — die Stammlösung war 1° — und ein Tropfen frischen Blutes direkt aus dem Tierkörper gebracht. Die Untersuchung erfolgte dann im hängenden Tropfen auf hohlem Objektträger. An Stelle der Farblösung wurde auch wiederholt ein Körnehen Farbe in Substanz zu dem Blut auf dem Deckglas hinzu- gefügt, oder es wurde die Farblösung vorher auf dem Deckglas dünn ausgestrichen und dieses mit Blut beschickt, wenn die Farbe ein- getrocknet war!). Ich kann diese beiden letzteren Methoden jedoch für unsere Zwecke nicht empfehlen, da dabei Austrocknung bezüglich Eindiekung des Blutes unvermeidlich ist und die Farbverteilung un- gleichmässig wird. Da sich Austrocknungserscheinungen bei allen diesen Versuchen im hängenden Tropfen nicht ganz vermeiden lassen, wurde zur Kontrolle stets auch zu Farbe im Schälchen — also im Überschuss — Blut hinzugefügt und nur von Zeit zu Zeit im hängenden Tropfen nachgesehen, ob Kernfärbung eingetreten sei. Da man früher besonders bei Methylenblaufärbung intra vitam an- nahm, dass es nötig sei, dem Sauerstoff reichlich Zutritt zu ge- währen — deshalb lagerte man die Zunge des Frosches vor —, überzeugte ich mich, ob Sauerstoff zur Kernfärbung am un- fixierten Präparat erforderlich sei. Dies war nicht der Fall; denn es färbten sich die Kerne genau, so gut wenn Wasserstoff durch Blut und Farblösung geleitet wurde oder dieses Gemisch in eine abgeschlossene Glocke gestellt wurde, die, wie bei Anaerobierkulturen, mit Pyrogallol und Kalilauge sauerstofffrei gemacht worden war. Auf die gleiche Weise wurde der Einfluss des Sauerstofis auf die Kernfärbung bei vergifteten Blutzellen studiert. Da sich auch dabei keine Abweichungen in den Färberesultaten gegenüber Luft bemerk- bar machten, will ich bei der Besprechung jener Experimente nicht noch einmal auf diese Versuche zurückkommen, ebenso auf eine detaillierte Beschreibung der Methode verzichten, die ja keine Schwierigkeiten bietet. Wurde also so Blut und Farbe zusammengebracht, so ergab sich nach einiger Zeit eine schwache nicht distinkte Färbung des 1) Vgl. Literaturangabe bei „Granula“. 378 Franz Rost: Kernes, die bei allen Blutkörperchen des betreffenden Präparates ziemlich gleichmässig schnell, gewissermaassen wie mit einem Schlage eintrat und sehr rasch stärker und distinkt wurde. Die einzeluen Farben drangen nun sehr ungleichmässig schnell durch das Blut- körperchen hindurch bis zum Kern vor. Am raschesten vermochte dies Neutralrot (ca. 3 Minuten), etwa ebenso schnell Toluidinblau, Nilblausulfat und Vesuvin. Bei letzterem störte und erschwerte die Eiweissfällung sehr die Untersuchung. Langsamer färbte ein saurer Farbstoff, Eosin, den Kern; es folgt Bismarckbraun, ein Farbstoff, der in der Regel mit Vesuvin und Chrysoidin vermischt in den Handel kommt, bei dem also die Reaktionen nicht eindeutig ver- laufen. Etwa genau so langsam wie Bismarckbraun dringt Methylen- blau (Anilinblau, Merk) ein — gewöhnlich ”—10 Minuten —; in gleiche Reihe ist Pyronin und Thionin zu stellen; schliesslich kommt Methylgrün, während Orange G und Fuchsin den uufixierten Kern so gut wie gar nicht färben. Besonders deutlich ist der Uuterschied in der Eindringungsgeschwindigkeit zwischen den vier ersten und den übrigen Farben; die einzeluen Farbstoffe innerhalb der beiden Gruppen miteinander verglichen, geben weniger deutliche Differenzen. Nun ist dies natürlich das Resultat einer sehr grossen Zahl von Einzelversuchen, die am Blut der verschiedensten Frösche angestellt worden sind. Es könnte also sofort der Eiuwand gemacht werden, dass die Eindringungsgeschwindigkeit nicht auf Rechnung der Farbe, sondern auf Rechuung der verschiedenen Durchlässigkeit der Blut- körperchen gesetzt werden müsste. Diesem Einwand begegnete ich dadurch, dass ich die Versuche anstatt mit der einfachen Farbe mit Farbstofigenischen austellte und zwar: Neutralrot-Methylenblau aa, Neutralrot- Methylgrün aä, Neutralrot-Vesuvin aa, Pyronin 1,0- Methyleublau 0,5, Pyrouin 1,0-Thionin 0,5, Thionin-Neutralirot aa, Vesuvin-Methylenblau aä, Toluidiublau-Vesuvin aa, Toluidinblau- Neutralrot äa, Nilblausulfat-Neutralrot aä. Es färbte sich bei Neutral- rot-Methylenblau der Kern zunächst rein rot, erst später schlug die Farbe in ein violett um, das schliesslich fast schwarz wurde. Es ist dabei zu bemerken, dass das Eindringen des Methylenblau, das sich durch das Violettwerden der Färbung anzeigte, fiüher eintrat, als wenn Methyleublau allein angewaudt worden wäre. Bei Neutral- rot-Methylgrün und Neutralrot-Thioniu färbte sich der Kern auch stets zuerst im Tone des Neutralrot, während die zweite Komponente erst viel später dazukam. Bei Neutralrot-Vesuvin war es wegen der Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 379 Ähnlichkeit der Farben nicht einwandfrei festzustellen, welche zuerst den Kern färbte. Bei Neutralrot-Toluiummbiau uud Neutralrot- Nilblausulfat war der Kern weist sofort violett gelärbt; ur selten war für kurze Zeit der rote Farbeuton alleın zu sehen. Ebeuso färbte sich bei Pyrouiu-Methyleublau und Pyronin-Thivnuin der Kern stets im Mischton violett; bei Vesuviu-Methyleublau Zuerst leicht braun; bei Toluidinblau- Vesuvin in einem schwutzigen Mischton. Die Färbungen, bei denen Vesuvin Verwendung findet, sind wegen der massenhaften Fälluugen, durch dıe Vesuvin gebunden wırd, Keine zu Sicheren Schlussen brauchvare. Aus diesen Versuchen folgt, dass wir eine Gruppe von Farben haben, die rasch durch das Struma des Blutkörpercheus vordringt; dazu gehört von den in Mischung versuchten Neutralrot, Nılblau- sulfat, Toluidinblau und Vesuvin, während audere besouders Meth)len- blau, Thionin und Pyroniu beträchtlich läuger dazu gebrauchen. Die Struktur der roten Blutkörperchen war bei diesen Versuchen mit Farbstotfgemischen sicher stets die gleiche. Es fragt sich nun, wie man sich dieses verschiedene Verhalten der Farben zu erklären hat. Das Haupthindernis für die Färbung des Kerns am uufixierten Präparat bietet der Kern selbst. Wır haben gesehen, dass, wenn seine Struktur nicht in irgendeiner Weise verändert wird, die Farbe nicht eindringen kaun, und ich habe auch schon darauf hin- gewiesen, dass, wenn der Kern so stark geschädigt ist, dass er Farbe aufzunehmen vermag, dies den uuweigerlichen Tod der Zelle be- deutet, so dass wir von einer Zelle mit gefärbtem Kern praktisch sagen können, sie sei tot, immer natürlich mit der oben angegebenen Reservatio, dass einzelne Biontengruppen beim Eintritt der Kern- färbung noch am Leben sind. Dass der Kern nun wirklich, solange er voll lebt, die Farbe an ihrem Eindringen hindert und durch seine Färbung gewissermaassen den Tod der Zelle anzeigt, dafür sollen nur noch folgende Beobachtungen angeführt werden. Bei mit Neutralrot oder Bismarckbraun gespritzten Fröschen fand ich sehr häufig an einzelnen Stellen in der Lunge massenhaft diffus rot oder braun gefärbte Erythrocyten, die aber keine Spur einer Kernfärbung zeigten. Liess ich das Präparat einige Minuten an der Luft liegen, so trat bei allen diesen Blutkörperchen plötzlich die Kernfärbung ein. Ich bemerke, dass sonst im Tierkörper keine Kernfärbung vor- handen war, so dass es sich hier nicht um den Beginn einer 380 Franz Rost: solchen handelte. Vergiftet man ferner einen: Frosch mit Hydro- xylamin — worauf ich im zweiten Teil der Arbeit noch zu sprechen komme — und spritzt ihm gleichzeitig Methylenblau ein, bekommt man stark vermehrte Kernfärbung. Bevor sich jedoch der Kern färbt, lagert sich die Farbe in Schollen um ihn herum, gewisser- maassen wartend, bis die Schädigung so weit vorgeschritten ist, dass sie auch in den Kern eindringen kann. Die Schollen sind bedingt durch Änderungen im Protoplasma im Sinne einer Methämoglobin- bzw. Hämatinbildung. Dieses eigentümliche Verhalten kann man wunderschön an der ausgespannten Schwimmhaut des Tieres be- obachten, also unter denkbar „physiologischen“ Bedingungen. Es fragt sich nun, ob der verschieden schnelle Eintritt der Kernfärbung darauf zurückzuführen ist, dass die eine Farbe den Kern mehr schädigt, die andere weniger und sich dadurch mehr oder weniger günstige Bedingungen zum Kernfärben schafit. Es würde dann das Durchdringen des Protoplasma nur eine neben- sächliche Rolle spielen, die Hauptsache wäre die durch die Farbe geschaffene Veränderung des Kernes oder umgekehrt gesagt, die Giftigkeit der Farbe, wobei ich den etwas unklaren Begriff „Gift- wirkung“ als eine mit der vollen Lebenstätigkeit unvereinbare Strukturveränderung der Zelle oder des Kernes definiere. Diese Frage kann man so entscheiden, dass man die Zelle durch irgend- ein anderes Gift schädigt und dann die Farbe einwirken lässt. Deren Giftwirkung ist dann für den zeitlichen Eintritt der Kern- färbung bedeutungslos und nur die Durchdringungsfähigkeit tritt zu Tage. Leider kommt es bei allen den Giften, die dıe Zelle schädigen, auch zu Änderungen der osmotischen Eigenschaften. Besonders gilt dies bei längerer Einwirkung einer Schädigung. Nun haben wir Ja aber bei der Kernfärbung stets absterbende Zellen vor uns, die nie- mals die osmotischen Vorgänge des Lebens unverfälscht zeigen. Es wird deshalb auch die durch ein Gift hervorgerufene Schädigung, wenn sie nur keine gröberen Strukturveränderungen bedingt, die Lösung der gestellten Frage wolıl ermöglichen. Bedingung ist mög- lichst kurzdauernde Einwirkung des Giftes, aus welchem Grunde sich tür die Versuche die Schädigung, die durch längeres Stehen des Blutes an der Luft erzeugt wird, nicht eignet, obgleich sie sehr nabeliegend wäre. Von Giften eignet sich am besten das Atropin. Formol, das für derartige Versuche an der Pflanzenzelle gut zu ge- brauchen wäre, da es diese in "/«—1°/oige Lösung tötet, ohne in Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres, 38] der ersten Zeit die osmotischen Eigenschaften zu verändern, führt in der 'Tierzelle leider zu Eiweisskoagulation !) und Hämolyse. - Auch Chinin hämolysiert nach meiner Erfahrung in einer Dosis, die nur wenig grösser ist, als die für das Blutkörperchen tödliche. Es wurde von Atropin 10 °o 1,5 eem zu 20 ccm der: Lösung Blut in 0,5 %/o Farbe + Locke’scher Lösung, hinzugefügt, oder es erfolgte der Farbenzusatz erst auf dem Deckglas; in dem Fall wurde das Blut in 20 eem Locke’scher Lösung + 1,5 cem Atropin aufgefangen. In beiden Fällen bekam ich die gleichen Resultate, Es verstrichen bis zur Kernfärbung bei Neutralroet 1—2 Min., Toluidinblau I—2 Min., Nilblausulfat 2—3 Min., Pyronin 10—12 Min., Methylenblau 7—8 Min., Neutralrot-Methylenblau aa: Nach 2 bis > Min. Eindringen des Neutralrot, nach 5 Min. in den meisten Blut- körperchen violetter Beiklang des gefärbten Kernes. Es folgt daraus, dass in der Tat noch derselbe Unterschied in der Eindringungsgeschwindigkeit der verschiedenen Farben besteht, als wie bei den nicht vergifteten Blutkörperchen. Nur ein ganz klein wenig hat sich das Verhältnis der Eindringungsgeschwindigkeit der Gruppe des Methylenblau zu der des Neutralrot zugunsten der ersteren ver- schoben, so dass doch nicht geleugnet werden kann, dass das Neu- tralrot infolge seiner gegenüber Methylenblau grösseren Gittigkeit den Kern auch wird etwas schneller färben können als letztere Farbe. Einige Daten über die Giftigkeit des Neutralrot habe ich schon weiter vorn gegeben, und zwar bezogen sıe sich auf Einzellige. Dass man nicht, was sehr naheliegend wäre, durch Einspritzen der Farbe in das Tier Daten über die Giftigkeit gewinnen kann, hat seinen Grund im Verteilungsmodus, anf den ich nachher noch zu sprechen kommen werde. Dass übrigens der Einfluss der Giftigkeit einer Farbe auf ihre Eindringungsgeschwindigkeit nieht gross ist, geht daraus hervor, dass ich durch Verwendung kouzeutrierterer Farben durchaus keine schnellere Kernfärbung erzielen konnte, wenn die Farpmenge nicht unter ein bestimmtes Minimum herabging, und aus den Versuchen über Eindringung der Farbgemische. Wir sehen also, dass die verschieden grosse Schädigung des Kernes durch die einzelnen Farben nicht der Grund für den bald langsameren, bald schnelleren Eintritt der Kerufärbung sein kaun; 1) Overton, Pflüger’s Arch. £. Physiol. Bd. 92 8. 187. 1902, — Overton Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 2 S. 825. 1907. 382 Franz Rost: der kann seinen Grund nur in der verschiedenartigen Durchdringung des Stroma haben. Darauf wies mich auch mit Sicherheit die Be- obachtuug, dass sich die Kerne der protoplasmaarmen Lymphocyten und Jugendstadien der roten und weissen Blutkörperchen bedeutend schueller tärbten als die der gewöhnlichen Erythrocyten. Das Stroma der.roten Blutkörperchen des Frosches besteht nun aus gewissen in Gerüstform angeordneten Substanzeu, in der Haupt- sache wohl Eiweiss, und mit diesen in mehr oder weniger fester Biuduug befiudlichen Lipoiden. Die Festigkeit der Binduug ist, wie aus deu Versuchen uber Kobragitthänolyse hervorgeht, nicht bei allen Blutsorteu die gleiche!), genau so wenig übrigens, wie die feıuere miorphologische Struktur, die oft bei recht nahe verwandten Tieren deutliche Diftereuzen zeigt”). Es liegt darin bis zu einem gewissen Grade die auatomische Begründung für die verschiedene zeitliche und qualitative Wırkuug von Giften auf das Blut einander nahesteheuder Tiere, wie es mir besonuers bei Arsen wasserstoft auffiel (vgl. weiter hinten und die Arbeit des Verfassers über Larveninjektion)?). Die teinere histologische Struktur der keruhaltigen roten Blut- körperchen ist iu den letzten Jabren mehrfach eingehend studiert worden, SO vun Auerbach®), Lavdowsky°), Meves°), Weiden- reich’) u.a. Völlige Einheit ist aber nicht erzielt. Noch immer ist l) Ehrlich, Beiträge zur experimentellen Pathologie und Chromotherapie S. 90. Leipzig 1909. 2) Meves, Über die Wirkung gefärbter Jodsäure auf die roten Blutkörperchen der Amnphibien. Anat. Anz. Bd. 26 S. 102. 1905. Zusammenfassend: Weiden- reich, Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 13 S. 1. 1903. 11. Bd. 14 S. 345. 1904. 3) Erscheint im Arch. f. mikrosk. Anat. 4) Auerbach, Über die Blutkörperchen der Batrachier. Anat. Anz. Bd. 5 S. 573. 1890. 5) Lavdowsky, Blut und Jodsäure und der sogen. Chemotropismus. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 10 8.4. 189. 6) Meves, Zur Struktur der roten Blutkörperchen bei Amphibien und Säuge- tieren. Anat. Anz. Bd. 23 8. 212. 1903. — Meves, Die Hünefeld-Hensen- schen Bilder der roten Blutkörperchen der Amphibien. Anat. Anz. Bd. 24 S. 465. 1904. — Meves, Über die Wirkung gefärbter Jodsäure auf die roten Blut- körperchen. Anat. Anz. Bd. 26 S. 97. 1906. 7) Weidenreich, Studien über das Blut und die blutbildenden und zerstörenden Organe. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 61 S. 459. 1903. Zusammen- fassend: Meves, Kritische Bemerkungen über den Bau der roten Blutkörperchen der Amphibien. Anat. Anz. Bd. 26 S. 529. 1905. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 383 es fraglich, ob eine histologische Membran um die gekernten Erythro- eyten verhanden ist oder nur eine Plasmahaut, wobei dann die Ober- flächenspannung durch den Randstreifen [Dehler!), Meves] be- wirkt würde. Plasmahaut und histologische Membran würden für die Aufnahme von Farben in gleichem Sinne wirksam sein. Wenn ich also im folgenden von Membran spreche, so will ich das in rein physiologischem Sinne verstanden wissen. Auch die Netzstrukturen haben eine recht verschiedene Beurteilung erfahren. Finzelne werden als präformiert angesehen, die andere für Kunstprodukte erklären. Gefunden sind diese Netze oft nur mit den für die Zelle eingreifendsten Methoden (Wasser, Tannin usw.). Man wird sich also bei ihrer Be- urteilung, mag man nun eine Netzstruktur für gereben ansehen oder nicht, immer gegenwärtig halten müssen, dass sie nur den Wert von Abklatschpräparaten haben, d. h. ein Bild von einer bestimmten Behandlung ergeben, dass man aber natürlich niemals aus derartigen Präparaten allein wird sagen können, ob und wie angeordnet Netze in der lebenden Zelle vorkommen. Die Membran der roten Blutkörperchen zeigt nun denselben Aufbau aus Eiweissstoffen und Lipoiden wie das Plasma ?). Sie ist, wie Nathansohn’) es sich eanz alleemein bei Zellen vorstellt ®), zusammengesetzt aus einem Mosaik von lipoiden und nicht lipoiden Stoffen. Diejenieen Stoffe nun, die sich in den Lipoiden lösen, sollen nach einer Theorie von Overton?°) imstande sein, „physi- 1) Dehler, Beitrag zur Kenntnis des feineren Baues der roten Blutkörperchen beim Hühnerembyro. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 46 S. 422. 1895. 2) vv. Proweczek, Das Leeithin und seine biologische Bedeutung. Biol. Zentralbl. Bd. 28 S. 382. 1908. — v. Proweczek, Studien zur Biologie der Zellen. Biol. Zentralbl. Bd. 28 S. 782. 1908. — Spiro, Physikalische Chemie der Zelle. Handb. d. Biochem. von Oppenheimer Bd. 2 S.58. 1909. 3) Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. 39 S. 607. 1904. 4) Einzelne Autoren (Dietrich, Berliner klin. Wochenschr. 1908 Nr. 31) glauben, dass überhaupt keine Hülle um die roten Blutkörperchen sei. Da in meinen Versuchen an schwer geschädigten Zellen Plasma und Membran mechanisch gleich wirken, so braucht die Ansicht Dietrich’s nicht weiter erörtert zu werden. 5) Overton, Über die osmotischen Eigenschaften der Zelle in ihrer Be- deutung für die Toxikologie und Pharmakologie. Zeitschr. f. physikal. Chemie Bd. 22 S. 189. 1897. — Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901. — Overton, Beiträge zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysiologie. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd, 92 8.115. 1902. II. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd, 92 8. 346, 384 Franz Rost: kalisch“ in die Zelle einzudringen, d. h. die Zelle vermag sie nicht an ihrem Eindringen zu hindern. Dieses erfolgt vielmehr diosmotisch. Im Gegensatz hierzu werden lipoidunlösliche Stoffe — Salze und die Hauptnährstoffe der Zelle — „physiologisch“ aufgenommen: die Zelle sucht sich aus, was sie gebraucht. Wie das geschieht, ist noch durehaus unklar. Die vitalen Farbstoffe nun sind nach der Ansicht von Overton!), Höber!) u. a. meist lipoidlöslich; sie würden also deshalb befähigt sein, leicht und schnell in das rote Blutkörperchen einzudringen. Die roten Blutkörperchen aber sind so lipoidreich sowohl in ihrem Stroma als in ihrer Membran, dass man auch die Durch- drineunge der Farbstoffe bis zum Kern durch das Protoplasma der Permeabilität einer lipoiden Membran eleichsetzen kann?). Diese Theorie, dass die physikalische Permeabilität der pflanzlichen und tierischen Membranen auf ihrer Lipoidimprägnation beruhe, ist viel- fach angegriffen worden, besonders in ihrer ersten Fassung, wo die zweifellos vorhandene Wasserdurchlässiekeit der Membran mit Quellung der Lipoide erklärt wurde. Das von Nathansohn (I. c.) eingeführte Schema, dass die Zellhaut abwechselnd aus Proteinen und Lipoid- teilchen bestände, trägt den Beobachtungen über die Permeabilität mehr Rechnung und wird deshalb auch jetzt allgemein akzeptiert. Ich kann hier nieht auf die ganze Streitfrage der Permeabilität der Plasmahaut eingehen; sie lässt sieh heutzutage leider noch nicht restlos mit physikalischen und chemischen Formeln auflösen. Zur 1902. IM. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 176. 1904. — Overton, Über den Mechanismus der Resorption und der Sekretion. Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 2 S. 744ff. 1907. — Eine zusammenfassende Arbeit über die biologische Bedeutung der Lipoide gibt Bang, Biochemie der Zellipoide. II. Ergebn. d. Physiol. VIII. Jahrg. S. 463. 1909. 1) Overton, Studien über die Aufnahme der Anilinfarben durch die lebende Zelle. Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. 34 S. 669. 1900. — Von Overton wurde die Ansicht ausgesprochen, dass alle Vitalfarben lipoidlöslich seien. Das ist nach der Arbeit von Ruhland, Zur Kenntnis der Permeabilität der Plasmahaut. Zeitschr. f. wissensch. Botanik Bd. 76 S.1. 1909, nicht der Fall, wie auch Höber, Die Durchlässigkeit der Zellen für Farbstoffe. Biochem. Zeitschr. Bd. 20 S. 56. 1909, neuerdings zugibt. 2) Vgl. Höber, Physikalische Chemie der Zelle. Kap. 6. 1906. — Kanitz, Das Protoplasma als chemisches’System. Handb. d. Biochem. von Oppenheimer Bd. 2 S. 242. 1909. — Höber, Physikal. Chemie des Blutes. Handb. d. Biochem, yon OQppenheimer Bd,2 (2) S. 31, 1909, Über Kernfürbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 385 Orientierung führe ich in der Anmerkung ausser den schon genannten einige der wichtigsten Arbeiten an). Als wichtigstes Resultat der ganzen Lipoidtheorie, in erster Linie der Arbeiten über Narkose von Overton und Meyer (l. e.), ist anzunehmen, dass den Lipoiden eine hervorragende Bedeutung für die Verteilung und Fortbewegung von Substanzen im Tierkörper zu- kommt?), die in ihnen löslich sind. Ob man sich diesen Einfluss als reine Lösung oder als Änderung der Oberflächenspannung denkt (Traube 1. c.), kommt in seinem Endeffekt genau auf das gleiche hinaus. Wenn ich nun im folgenden untersuchen will, ob die Ge- schwindigkeit des Eintritts der Kernfärbung mit der Lipoidlöslichkeit der Farben in Beziehung gebracht werden kann, so komme ich glück- lieherweise mit den soeben kurz angeführten, noch recht unvoll- ständigen Theorien nicht in Kollision. Denn alle diese Arbeiten wollen den Stoffaustausch bei der voll lebenden Zelle studieren. Dass auch hier häufie nieht Rücksicht auf die Giftiekeit der Farben senommen wird, erwähne ich nur beiläufis. Bei meiner Arbeit kam es im Geeensatz dazu ja gerade darauf an, die Zelle zu schädigen, also ihre feineren Strukturverhältnisse so zu Ändern, dass sie ge- wissermaassen nur als tote Masse anzusehen war, um dann die Ver- hältnisse des Eindringens der Farbe bis zum Kern zu studieren. Es kam also für mich darauf an, das Verhältnis der Wasserlöslichkeit der Farben zu ihrer Lipoidlöslichkeit festzustellen. Bei den Ver- suchen über Lipoidlöslichkeit macht man es jetzt meist zur Bedingung, dass ein Präparat Verwendung findet, das nicht in Wasser aufquillt, und zwar tut man das nur der Theorie zuliebe. Wenn man näm- 1) Hans Meyer, Zur Theorie der Alkoholnarkose. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 42 S. 109. 1899. — Baum, Zur Theorie der Alkoholnarkose. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 42 S. 119. 1899. — Traube, Theorie der Os- mose und Narkose. Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 541. 1904. — Traube, Der Oberflächendruck usw. Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 559, 1904. — Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe S. 159. 1906. — Traube, Über die Wirkung lipoidlöslicher Stoffe auf rote Blutkörperchen. Biochem. Zeitschr. Bd. 10 S. 371. 1908. — Asher, Untersuchungen über die physiologische Permeabilität der Zellen. Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S.1. 1908. — Traube, Über Parthenogenese. Biochem. Zeitschr. Bd. 16 S. 182. 1909. — Spiro, Physikal. Chemie der Zelle. Handb. d. Biochem. Bd. 2 8.58. 1909. — Loeb, Über physiologische Ionenwirkung. Handb. d. Biochem. Bd. 2 S. 105. 1909. 2) Höber und Kempner, Beobachtungen über Farbstoffausscheidungen durch die Nieren. Biochem. Zeitschr. Bd. 11 8, 105. 1908, | 386 Franz Rost: lieh die Zellhaut aus in Wasser quellharen Lipoiden zusammengesetzt dächte, so würde auch Wasser an den Stellen, die von solehen Leeithinen imprägniert sind, eindrineen können. und damit wäre auch anderen nicht lipoidlöslichen Stoffen die Mösrlichkeit. gerehen, „physikalisch“ die Zellenmembran zu durchdringen. Bewiesen ist es dabei keineswegs, dass die Zellhaut nur aus solehen nieht quell- baren Cholesterinen besteht. Für das Stroma der roten Plnt- körperchen kann man es wohl sogar als gesicherte Tatsache an- nehmen, dass Leeithine hei seinem Aufbau in heträchtlichem Umfanee beteiliet sind, die besonders beim Absterben der Zelle Wasser auf- nehmen werden. Ich trug deshalb den wirklichen Verhältnissen besser Rechnung, wenn ieh zur Feststellung der Lipoidlösliehkeit der Farben Leeithin benutzte, das ich nicht vorher im Vacuum trocknete, Ich stellte mir also eine 1/oice und eine Ya PJoiee Lösung von Asfa-Leeithin ?) in Xylol her. Da Xvlol dureh die gerinesten Spuren freien Wassers eetrübt wird, hot die Klarheit der Lösung eine Garantie dafür, dass kein freies Wasser vorhanden war. Von dieser Lösung wurden 5 eem über 10 eem der zu untersuchenden Farbe im Reagenz- glas eeschiehtet und geschüttelt. Die Trennung der Schichten erfolst schnell und elatt, besonders wenn man das Glas nur dr.ht, nicht sehüttelt. Die Farbe wurde in sehr wechselnder Konzentration unter- sucht. meist jedoch 0,001 % in Wasser. Gerade auf die Modifikation der Farbmenee und auf Anwendung noch stärkerer Verdünnuneen muss man Gewicht lesen, um brauchbare Vergeleiehswerte zu erhalten. Die Menge der in Lösung zecargenen Farbe beurteilt man, indem man gegen Taeeslieht dureh die Leeithinlösune hindurehschaut (nicht von oben auf dieselbe sehen), und dann das Verhältnis der noch im Wasser gelösten zu der im Leeithinxvlol gelösten schätzunesweise bestimmt. Das ganze ist also eine Methode, die auf zahlenmässice Fxaktheit keinen Anspruch erhebt; leider sind aber andere als sub- jektive Methoden für Bestimmungen üher Lipoidlöslichkeit der Farben praktisch z. Z. nieht ausführbar, auch ist bei einiger Übung das Resultat dieser Untersuehungen völlie genau cenug. Kontrollversuche wurden mit reinem Xylol in entsprechender Weise angestellt; über diese ist folgendes zu sagen: Setzt man zu 1) Über die Brauchbarkeit der einzelnen Leeithine vel. Bang, Biochemie der Zellipoide. II. Ergebn. d. Physiol. 1909 S. 471 und 491, Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 387 Xylol ein Körnchen reines Neutralrot (man kann den Versuch auch genau so gut mit wässriger Lösung der Farbe anstellen), so bleibt das Xylo! farblos oder höchstens leicht gelblich. Giesst man es ab und fügt elnen Tropfen Alkohol 95 /oig, Leeithinxylol, auch Paraffın- xylol hinzu, so tritt sofort eine schöne blasse Rotfärbung ein. Es ist also Neutralrot wohl in gewissen Mengen in Xylol gelöst, aber dabei chemisch verändert worden, sei es, dass es eine Doppel- verbindung eingegangen ist, sei es, dass es dissoziiert oder in die Leukobase verwandelt wurde. Eine Fehlerquelle entsteht bei der geringen Menge Neutralrot, die von dem Xylol aufgenommen worden ist, nieht. Auch bei Vesuvin findet eine Lösung in reinem Xylol statt, die auf Leeithinzusatz nachdunkelt; diese Menge ist schon grösser, so dass Fehler dadurch bedingt sein können. Toluidin- blau löst sich in ganz geringen Mengen mit roter Farbe im Xylol, aber nicht in Chloroform; es wurden deshalb bei dieser Farbe Kon- trollversucbe mit Lecithinchloroform angestellt, die die gleichen Re- sultate ergaben wie bei Leecithinxylol. Für Neutralrot und Vesuvin waren Chloroform und Benzol beträchtlich bessere Lösungsmittel als wie Xylol, deshalb weniger brauchbar. Die anderen untersuchten Farben lösten sich in Xylol nicht. Für Leecithinxylol ergab sich folgendes: 1. Neutralrot löst sich sehr schnell und reichlich in Leeithin, auch bei hoher Farbverdünnung (0,0001 2. Nilblausulfat desgl. 3. Toluidinblau desel. 4. Methylenblau (Ainilinblau Merk) löst sich nur bei stärkerer Konzentration etwas (0,1—0,01 °/o), dementsprechend auch gar nicht in Ya % Leeithin, sondern nur in 1°. Die Lösung tritt langsam ein. 5. Pyronin verhält sich wie 4 desgl. 6. Thionin (Anilinblau Grübler). 7. Vesuvin ebenso wie Bismarckbraun starke und rasche Leeithin- löslichkeit. Konzentriertere Farblösungen gaben bei Vesuvin leicht Niederschläge. Fehlermöglichkeit durch Xylollöslichkeit! 8. Eosin gut leeithinlöslich. 9. Sufranin mässig löslich. 10. Methylgrün nur in Spuren löslich. 11. Scharlach desel. 12. Orange G, Kongorot, Indigkarmin, Fuchsin nicht löslich. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 26 388 Franz Rost: Von den Angaben Höber’s!) in seiner letzten Arbeit weichen meine Resultate nur bezüglich Thionin etwas ab, das er als lipoid- unlöslich bezeiehnet — „Benzol-Cholesterin: sehr wenig löslich“ — und das ich als schwach lipoidlöslich fand. Die: kleine Differenz ist sicher auf das von mir gebrauchte Leeithin zurückzuführen. Schon aus diesen Versuchen war ersichtlich, dass wir eine Gruppe gut lipoidlöslicher und eine Gruppe schlecht lipoidlöslicher Farben hätten. Besonders deutlich wurden aber auch hier diese Unterschiede bei Untersuchung von Farbgemischen, die zugleich einen guten Überblick gewährten über die Schnelligkeit, mit der sich die einzelnen Farben in dem Leeithin lösten. 13. Neutralrot-Methylenblau aa (Menge 0,001 °/o). Es löst sich zunächst nur das Neutralrot. Bei dieser Farbverdünnung tritt über- haupt auch nach häufigem Schütteln keine Violettfärbung des Leeithin ein. Dazu muss man mehr Methylenblau nehmen (vgl. 4). 14. Neutralrot-Vesuvin. Bei Komponenten gelöst; Beurteilung nach Mengenverhältnissen wegen der Ähnlichkeit der Farben nicht möglich. 15. Neutralrot-Toluidinblau und SenraloNulblausutEH ergibt stets Violettfärbung des Leeithin. 16. Toluidinblau - Vesuvin und Toluidinblau - Bismarckbraun. Lösung in Mischfarbe. 17. Vesuvin-Methylenblau zunächst Lösung in Braun. er 15. Methylenblau-Pyronin aä gibt Violettfärbung der Lösung. Methylenblau 0,5 — Pyronin 1,0 gibt Violettfärbung mit stärkerem Hervortreten des Rot | 19. Pyronin-Thionin ää gibt schwache Blaufärbung.. Als Resultat der Versuche über Leeithinlöslichkeit der von mir untersuchten Farben betrachte ich folgendes: Die von mir untersuchten Farben unterscheiden sich bezüglich ihrer Lipoidlöslichkeit beträchtlich. Zu den bestlöslichen gehören Neutralrot, Toluidinblau und Nilblau- sulfat (bei Vesuvin sind die Resultate wegen Löslichkeit in Xylol nicht einwandfrei). Diese zeigen untereinander nur sehr kleine Unterschiede. Es folgt Eosin und vielleicht Safranin. Alle anderen sind beträchtlich schlechter löslich; von denen sind die wichtigsten Methylenblau und Thionin. Die Güte der Lipoidlöslichkeit bezieht sich auf Menge und Geschwindiekeit, die bei dieser Versuchsanordnung 1) Höber, Biochem. Zeitschr. Bd. 20 S. 65. 1909. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 389 proportional verlief. Daher findet man auch die deutlichen Unter- schiede bei Farbgemischen, die die Resultate so eindeutig machen. Wenn man nun diese Gruppierung der Farben mit der ver- gleicht, die ich vorhin bei der Untersuchung über die Geschwindig- keit des Eintritts der Kernfärbung beim roten Blutkörperchen des Frosches aufgestellt habe, so ist die Übereinstimmung auch gerade bezüglich der Farbgemische eklatant. Und da nun das sehr lipoid- reiche rote Blutkörperchen, wie ich oben ausgeführt habe, schwer geschädigt ist, und deshalb nur als tote Masse physikalisch-chemisch zu betrachten ist, die seine feinere Struktur verloren hat, so nehme ich an, dass diejenigen Farben, die gut lipoidlöslich sind, auch unter Benutzung dieser ihrer Eigenschaft bis zum Zellkern vordringen, und dass sich dadurch das bedeutend schnellere Färben des Kernes durch Neutralrot, Nilblausulfat, Toluidinblau gegenüber Methylenblau, Thionin usw. erklärt. Es ist also, um auf die Frage, von der wir ausgingen, zurückzukommen, die Geschwindigkeit, mit der an der unfixterten Zelle der Kern gefärbt wird, abhängig von der Fährgkeit der Farbe, das Protoplasma zu durchdringen. Ist die Farbe lipoid- löslich, so vermag sie das schnell zu tun, ist sie nicht lipoidlöslich, so wählt sie einen anderen Weg durch das Protoplasma oder färbt den Kern nur dann, wenn das Stroma völlig zerstört ist. Zum Schluss dieses Abschnittes bemerke ich noch, dass es mir zu Anfang meiner Versuche den Eindruck machte, dass die ver- schieden schnell verlaufende Kernfärbung in Beziehung stände zum Molekulargewicht der Farben. Bald fand ich jedoch, dass dabei keinerlei Proportion vorhanden war. Ich führe zum Beweis das Molekulargewicht einiger Farben an, wie ich sie aus den Formeln in Pappenheims Grundriss der Farbehemie berechnet habe: Neutralrot 287,5, Vesuvin 227, Toluidinblau 306,4, Nilblau 349,4, Methylenblau 319,5, Pyronin 302,5, Thionin 263,4, Fuchsin 337,5, Safranin 424,5, Eosin 708,2. Bisher haben wir uns nun mit dem Eindringen von Farbe in rote Blutkörperchen beschäftigt, deren natürliche Struktur möglichst erhalten war und deren Absterben durch Aufenthalt in physiologischer Kochsalz- oder Lockelösung verzögert wurde. Wichtiger für die späteren Tierversuche war es, festzustellen, wie sich ausserhalb des Körpers die Farbe Blutzellen gegenüber verhalten würde, die in der Struktur ihres Protoplasma gröbere Veränderungen erlitten hätten; es erschien ja von vornherein sehr wahrscheinlich, dass durch 29 = 390 Franz Rost: solche hochgradige Schädigung das Eindringen der Farben wesentlich beeinflusst werden würde. Zunächst setzte ich die Erythrocyten Schädigungen physikalischer Natur aus, also z. B. der Kälte, indem ich auf das mit dem hängenden Tropfen von Blut und Farbe beschiekte Deckgläschen einen Tropfen Chloräthyl brachte. Auch Hitze — durch Erwärmen des auf gleiche Weise beschickten hohlen Objektträgers — wurde versucht, ergab aber für die uns inter- essierenden Fragen keine wesentlich anderen Resultate als Kälte. Ich verzichte deshalb auf eine besondere Besprechung'!). Die Strukturveränderungen, die das Protoplasma der roten Blut- körperchen durch die Einwirkung der Kälte erlitt, waren verschieden hochgradig. Einzelne Zellen blieben in ihrer Gestalt völlig normal; bei anderen trat der Kern an den Rand des Blutkörperchens, so als ob das Protoplasma auf einmal dünnflüssig geworden wäre; dieses sandte pseudopodienähnliche Fortsätze aus, schliesslich kam es zu völliger Hämolyse, so dass der Kern nur von einem ganz hellen, blassen Ring in der Form des roten Blutkörperchen umgeben wurde. Alle diese Bilder fand man nebeneinander in demselben Präparat. Wenn nun die Schädigung, die die Zelle erfahren hatte, derartig hochgradig, wie zuletzt geschildert, war, trat die Kernfärbung eigent- lich bei allen Farben —- es wurden dieselben, die weiter oben an- geführt worden sind, untersucht — gleichmässig, wie mit einem Schlage ein. Waren die Schädigungen so leichte, dass ee Ver- änderungen gröberer Art an den Blutkörperchen nicht festzustellen waren, so konnte man auch dieselben Unterschiede in der Ge- sch winniekeit des Eintritts der Kernfärbung beobachten, die wir us ausführlich erörtert haben. Bei Schädigungen mittleren Grades verschwanden diese Unter- schiede proportional der Grösse der Strukturveränderung mehr und mehr. Ein sehr schönes Bild gab wiederum ein Gemisch von einem leicht und schwer lipoidlöslichen Farbstoff, also z. B. Neutralrot- Methylenblau. Man bekam dann im Präparat die Kerne vom hellsten Rot bis dunkelsten Schwarzviolett gefärbt, entsprechend den ver- schiedenen Graden der Schädigung. Wir haben also in dieser Färbung unfixierter Zellen einen Indikator dafür, in welchem Maasse eine Zelle 1) Vgl. Lavdowsky, Blut und Jodsäure und der sogen. Chemotropismus. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 10 S. 4. 1893. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 391 in ihrer Struktur verändert ist. Das kann natürlich in vielen Fällen wertvoll sein, wo die fixierten Präparate keine genauen Schlüsse zuliessen. Diese Befunde wurden an Blut kontrolliert, das durch chemische Manipulationen aller möglichen Art geschädigt war. In Betracht kamen von Giften in erster Linie die Hämolytika, wie Saponin und Ammoniak, ferner diejenigen Gifte, die eine Umwandlung des Oxy- hämoglobin in Methämoglobin bzw. Hämatin oder in Kohlenoxyd- hämoglobin bewirkten. Auch andere Gifte wie, organische und anorganische Säuren, Äther, Alkohol, fanden Verwendung. Ferner wurden Versuche über Hämolyse mit Wasser und Rinderblutserum, dann mit hyperisotonischen Salzlösungen angestellt, die die Unter- sehiede in der Kernfärbung, die wir von unseren fixierten Präparaten zu sehen gewohnt sind und der infolge der Quellung und ungleich- mässigen Fällung der Chromosomen diffusen Kernfärbung am unfixierten Präparat recht deutlich zeigten. Dass diese sehr blasse Färbung von einzelnen Autoren für „vital“ gehalten wird, habe ich schon oben angeführt und zurückgewiesen. Einzelne dieser Gifte werden bei den Tierversuchen im zweiten Teil der Arbeit besprochen; andere ergaben nicht so wesentliche Resultate, dass sich eine Beschreibung lohnen würde. Ich beschränke mich deshalb darauf, die Wirkung des Saponin und Ammoniak zu erörtern. Zur Verwendung kam Saponin Merk!), von dem ich mir wässrige Lösungen 0,5:10, 0,5:50, 0,5:100,0 herstellte. Setzt man von der ersten Lösung !/s cem zu 10 cem Blut in Locke’scher Lösung hinzu, so tritt schnell völlige Hämolyse ein?). Die Kerne liegen dann frei oder mit einer schattenhaften Protoplasmaschicht umgeben, die noch die normale Form der roten Blutkörperchen behalten kann. Setzt man zu diesem aufgelösten Blut einen Tropfen verdünnter Farbe, so tritt, wie mit einem Schlage, eine tief dunkle Färbung der Kerne ein. Es entspricht das völlig dem Verhalten der oben ausgeführten Kältehämolyse. 1) Honda, Untersuchungen über die Saponinsubstanz der Dioscorea Tokoro Makino. Arch. f. experim. Pathol. Bd. 51 S. 211. 1904. — Vgl. Svante Arrhe- nius, Hämolytische Versuche. Biochem. Zeitschr. Bd.11 S. 162. 1908. — Wacker, Über die Wirkung der Saponinsubstanzen. Biochem. Zeitschr. Bd. 12 S.8. 1908. 2) Zur Theorie dieses Vorganges vgl. Traube, Über die Wirkung lipoid- löslicher Stoffe usw. Biochem. Zeitschr. Bd. 16 S. 371. 1909. 3923 Franz Rost: Feinere Untersuchungen konnte ich durch Hinzufügen von Saponin im Überschuss zu Blut natürlich nieht anstellen. Ich titrierte mir deshalb die Menge Saponin aus, die zum Eintritt der Hämolyse oder besser gesagt zum Beginn der raschen Kernfärbung mit Methylenblau oder Bismarekbraun nötig ist. Neutralrot eignet sich zu diesem Versuch nicht recht, da es, wie wir oben gesehen haben, schon an sich schnell in die Zelle eindringt, und man des- halb nicht weiss, ob die Kernfärbung wirklich ein Zeichen der Schädigung der Zelle durch das Saponin ist. Bei Methylenblau ist der Befund eindeutig, da es unter gewöhnlichen Bedingungen das Stroma der Zelle ja nur sehr langsam zu durchdringen vermag. Ich fügte in einer Reihe von Schälchen zu 20 eem der Kochsalzmethylen- blaulösung absteigende Mengen 5°/oiger Saponinlösung, z. B. 0,02, 0,01, 0,005 usw. Darauf wurde ein Frosch schnell entblutet und das Blut in den einzelnen Schälchen aufgefangen. Rasches Arbeiten und Modifikation der Saponinkonzentration (0,5 °/oige Lösung) und Menge der Farbstofflösung ist Erfordernis. Man kann dann aus- gezeichnet unter dem Mikroskop den Eintritt und den Verlauf der Hämolyse verfolgen, wenn man Proben aus denjenigen Schälchen nimmt, die der Grenze der Wirksamkeit des Saponins nahe kommen. Dieser Punkt entsprach bei dem von mir gebrauchten Präparat einer Saponinverdünnung von 1:80000. Natürlich ist das kein absoluter Wert, dazu hätte ich unter anderem die Blutkörperchen waschen müssen, um die Hemmung der Hämolyse durch Serum auszuschalten '); doch war das für meine Zwecke absolut unnötig, ja sogar nicht statthaft, da ich dadurch wieder andere in ihrem Umfang nicht zu beurteilende Schädigungen der roten Blutkörperchen gesetzt hätte. Bei dieser Verdünnung des Saponin waren einige Minuten die Zellen völlig normal; dann färbte sich zunächst der Kern sehr deutlich und rasch, was er sonst bei Methylenblau nie so schnell tut. Es bilden sich im Protoplasma eigentümlich hellere, radiäre Streifen (in jeder Zelle einer) mit Richtung auf den Kern. Letzterer wird tiefdunkel, während das Protoplasma kleine, in Lage und Grösse wechselnde Tröpfehen zeigt und seinen roten Farbstoff 1) Arrhenius und Madsen, Anwendung der physik. Chemie auf das Studium der Toxine und Antitoxine. Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 44 8. 7 fr. 1903. — Arrhenius, Hämolytische Versuche. Biochem. Zeitschr. Bd. 11 S. 162. 1908. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 393 langsam verliert!). Es ist also in diesem Falle die Färbung des Kernes, was aus oben angegebenen Gründen gleichzusetzen ist dem Absterben der Zelle, das Primäre; erst später erfolgt der Austritt des roten Blutfarbstoffes, also derjenige Vorgang, den man in erster Linie im Auge hat, wenn man von Hämolyse spricht. Man kann so unter dem Mikroskop beobachten, dass es richtig ist, wie Gros?) sagt, dass sich „die Hämolyse aus mehreren Vorgängen zusammen- setzt; der erste ist das Absterben der roten Blutzellen, und darauf folgt die eigentliche Hämolyse, das Freiwerden des Hämoglobins“. Gros hat mit exakter Berechnung den Angriffspunkt der Gift- hämolyse bestimmt, da wir das Absterben der Zelle „für sich allein vermittels der bis jetzt üblichen Methoden nicht beobachten können“. Mit der Färbung kernhaltiger roter Blutkörperchen können wir nun dieses Absterben direkt beobachten, und es war mir interessant, die Befunde von Gros bei der Ammoniakhämolyse auf diese Art nach- zuprüfen. Ich stellte meine Versuche mit käuflichem Salmiakgeist an, der mit der fünffachen Menge Wasser verdünnt war, so dass sein NH, Gehalt theoretisch 2° war. Wegen der Flüchtigkeit des Ammoniaks ist es schwer, sich gleichmässige Lösungen herzustellen. Wurde diese Lösung im Überschuss zu Blut zugesetzt, so trat sofort Kernfärbung ein mit eigentümlichen Blasen und Vorstülpungen des Protoplasmas?). Um die Veränderungen der Zellen beim Eintritt der Hämolyse studieren zu können, konnte man 0,05—1 eem Salmiak- lösung zu 10 eem Farbe + Blut zusetzen. Es war also die taug- liche Giftmenge nicht so eng begrenzt, wie beim Saponin, so dass damit die Inkonstanz der Ausgangslösung an Bedeutung verlor. Es zeigten sich bei diesen Verdünnungen stets zuerst Veränderungen im Protoplasma, Streifungen und Einrisse, die zu Austritt des Hämoglobins führten. Erst danach trat intensive Kernfärbung ein, 1) Über die Wirkung von Saponin auf einzellige Organismen. Vgl. v. Proweczek, Studien zur Biologie der Zellen. Biol. Zentralbl. Bd. 28 S. 782. 1908. — v. Proweczek, Giftwirkung und Protozoenplasma. Arch. f. Protisten- kunde Bd. 18 S. 221. 1910. 2) Gros, Studien über Hämolyse. , Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 S.1. 1909. : 3) Eine genaue Beschreibung der morphologischen Veränderungen der roten Blutkörperchen unter Einwirkung von Ammoniak gibt Meves, Über die Wirkung von Ammoniakdämpfen auf die roten Blutkörperchen von Amphibien. Anat. Anz. Bd. 27 S. 177. 1905; hier Literatur. 94 Franz Rost: N] und der Kern rückte an den Rand der Zelle, wiederum wie wenn das Protoplasma dünnflüssig geworden wäre. Da das Protoplasma von vornherein diffus bis zum Kern gefärbt war, ist es auszu- schliessen, dass der Zelleib etwa durch Salmiak in dem Sinne ver- ändert würde, dass die Farbe nicht bis zum Kern vordringen könnte. Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Kern zunächst noch seine Widerstandsfähigkeit gegen die Farbe behält — also wenn man will, „lebend“ ist —.,. obgleich das Plasma schwere Veränderungen im Sinne der eingetretenen Hämolyse zeigt; erst allmählich „stirbt“ er ab. Das stimmt gut mit den Befunden von Gros, der angibt, dass durch das Ammoniak die Vorgänge beim Freiwerden des Hämoglobins stark beschleunigt werden. Für alle Versuche übrigens mit Ammoniak ist Methylenblau die geeignete Farbe. Neutralrot fällt schon im Reagenzglas nach Ammoniakzusatz in Nadeln aus. Bisher haben wir bei den Versuchen immer „genügend“ Farbe zugesetzt, ohne zu erörtern, wie viel das im einzelnen Falle war. Jetzt haben wir durch die vollständige Saponinhämolyse Bedingungen geschaffen, die allen Farben gleichmässig, unabhängig von ihrer versehiedenen Eindringungsgescehwindigkeit, den Kern zu färben ge- stattet und können so Versuche über die Konzentration der Farbe anstellen, die zur Kernfärbung nötig ist, eine Frage, die ja. naturgemäss für Färbung der Kerne im Tierkörper ihre grosse Be- deutung hat. Ich liess einen Frosch in ein Schälehen entbluten, iu dem sich 9 eem Kochsalzlösung und 1 cem der 0,5 °/oigen Saponinlösung befanden. Es trat dann Hämolyse ein, dabei war die Menge des Saponin nicht so gross, dass sie auf die folgende Färbung hätte einen Einfluss haben können. Man darf auf keinen Fall zu viel Saponinlösung hinzufügen, sonst bekommt man ganz unrichtige Resultate, da ein Teil der färbbaren Substanz aus dem Kerne ausgelaugt wird, wie ich mich überzeugen konnte. Von dieser Saponinblutlösung wurde dann 1 cem zu einer wechselnden Menge Farbe hinzugefüst und verglichen, bei welcher Verdünnung die einzelnen in ihrer Stammlösung 1°/oige Farben nach 5 Minuten die Kerne gefärbt hatten. Die Beobachtungsdauer ist selbstver- ständlich beliebig, da die „Eindringungszeit“ ja durch die Hämolyse auf 0 reduziert ist. Die Befunde wurden durch Schädigung der roten Blutkörperchen mit 1 cem Chininum muriat. 1 °/o kontrolliert. Ich gebrauchte dann an Farbe (Mittel aus mehreren Versuchen): Methylenblau 0,1, Neutralrot 0,03—0,06, Toluidinblau 0,01—0,02, Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 395 Pyronin 0,1—0,11, Thionin 0,04—0,07, Bismarckbraun 0,25--0,4, Vesuvin 0,05—0,2 (wegen Niederschlägen schwierig zu beurteilen), Nilblausulfat 0,08, Neutralrot-Methylenblau 0,05—0,05, Eosin 0,1, Methylerün 0,03. Wir sehen, dass die einzelnen Farbstoffe recht verschiedene Farbintensität bei gleicher Schädigung der Zelle haben. Einzelne Farben müssen in zehnmal so grosser Menge angewendet werden als andere; das ist natürlich für den Körper nicht gleichgültig. Wir haben bisher zwei Faktoren kennen gelernt, die für die Kernfärbung am unfixierten Präparat und damit auch im Tierkörper eine Rolle spielen, erstens die Durchdringungsfähigkeit einer Farbe durch eine Zelle und. zweitens die Färbekraft, beides Faktoren, die ganz unabhängig voneinander sind, wie man ohne weiteres durch Vergleich der letzten mit den früheren Daten ent- nimmt. Nun kommt zur Ausführung der Kernfärbung innerhalb des Tierkörpers noch ein dritter Faktor als wichtig in Betracht, das ist die verschiedene Echtheit der einzelnen Farben, die uns un- mittelbar zur Erörterung über den gegenwärtigen Stand der Theorien der vollendeten Färbung führt, die ja, wie ohne weiteres verständlich, ganz andere Ursachen haben muss wie der oben erörterte Eintritt der Färbung. Auf alle Theorien einzu- gehen, die über diesen Vorgang aufgestellt worden sind, kann allerdings keineswegs meine Aufgabe sein. Befindet sich doch kaum ein anderes Gebiet der Biochemie gegenwärtig so im Fluss wie das der vollendeten Färbung. Dass bei dieser chemische Prozesse eine grosse Rolle spielen, ist in letzter Zeit eigentlich allgemein anerkannt worden, und besonders ist es ja die Kernfärbung, bei der man annimmt, dass die Nukleinsäure, die beim Tode aus dem Nukleoproteid entsteht, nachdem es vorher in Eiweiss und Nuklein zerfallen war (Kossel und Lilienfeld), das Farbsalz spaltet und mit der Farbbase ein nukleinsaures Farbsalz bilde. Man war sich andererseits aber auch darüber klar, dass die chemischen Prozesse doch nicht nach so einfachen Verhältnissen verlaufende seien wie bei der gewöhnlichen Salzbildung. Es folgte daraus mit Notwendig- keit, dass neben den chemischen auch physikalische Vorgänge eine Rolle spielten. Verschiedenheit der Ansicht bestand nur darüber, welcher Art diese physikalischen Vorgänge seien ob Lösung oder Adsorption, und einen wie breiten Raum sie bei der vollendeten Färbung im Verhältnis zu den chemischen Prozessen einnehmen. 396 Franz Rost: Wie gesagt, ist über diesen Punkt auch heute noch keine Einigkeit erzielt. Ich verweise!) zur weiteren Orientierung auf die unten angeführten wichtigsten Arbeiten über diese Frage, besonders auf die zusammenfassende, ausgezeichnet kritische von Michaelis?) im Handbuch der Biochemie, in der er das Fazit der Theorien über die Färbungen mit folgenden Worten zieht (S. 207): „Die Fär- bungen ordnen sich im allgemeinen den Adsorptionen unter und zwar offenbar seltener den rein mechanischen als den elektrochemi- schen Adsorptionen. Es dürften also bei den meisten Färbungen chemische Prozesse die Hauptrolle spielen; nur wird ihr Gleich- gewicht nicht durch das Massenwirkungsgesetz bestimmt, sondern dureh Bedingungen elektrischer Natur.“ Für uns ist von Wichtig- keit für Kernfärbung innerhalb des Tierkörpers, dass dann, wenn . diese Färbung vollendet ist, sie eine feste Bindung darstellt, die sich physikalischen und nicht zu starken chemischen Einwirkungen gegenüber als „echt“ erweist, so dass sie auch durch die Gewebs- flüssigkeit nicht ausgewaschen wird, sondern erst mit Zerfall des Kernes verschwindet®). Nun tritt aber diese feste Bindung nicht mit einem Schlage ein, sondern es kommt zunächst zu einer lockeren Bindung, die sich für unser Auge in nichts von der festen Bindung zu unterscheiden braucht, bei der aber hauptsächlich physikalische l) Fischel, Untersuchungen über vitale Färbung. Anat. Hefte Nr. 52 u. 53 S. 417. 1901. — Michaelis, Über Fettfarbstoffe. Arch. £. pathol. Anat. Bd. 164 S. 263. 1901. — Michaelis, Zur Theorie der Fettfärbung. Deutsche mediz. Wochenschr. Bd. 27 S. 759. 1901. — Herxheimjer, Über Fettfarbstoffe. Deutsche mediz. Wochenschr. Bd. 27 S. 607. 1901. — Michaelis, Die indiffe- renten Farbstoffe als Fettfarbstoffe. Deutsche mediz. Wochenschr. Bd. 27 S. 183. 1901. — Heidenhain, Über chemische Umsetzungen zwischen Eiweisskörpern und Anilinfarben. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 90 S. 115. 1902. — Heiden- hain, Färbungen. Enzykl. d. mikrosk. Technik Bd. 1 S. 327 ff. u. 335 ff. 1905. — Heidenhain, Plasma und Zelle S. 121ff. 1907. — van t’Hoff, Über feste Lösungen und Molekulargewichtsbestimmungen an festen Körpern. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 5 S. 322. 1890. — Pappenheim, Grundriss der Farbehemie S. 286 ff. Berlin 1901. — Witt, Enzykl. d. mikrosk. Technik Bd.1 8. 309 ft. 1905, 2. Aufi., Bd. 1 S. 412. 1910. 2) Michaelis, Die Theorie des Färbeprozesses. Handb. d. Biochem. Bd. 2 S. 193. 1909. 3) Die Verhältnisse liegen beim Kern also anders als bei der Färbung auf- genommener Fremdkörper, die sich beim Verlassen der Zelle wieder mitfärben. Vgl. die sehr interessante Arbeit von Plato, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 56 S. 868. 1900. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 397 Prozesse, wie Lösung, Diffusion, Osmose und Filtration !), eine sehr erosse Rolle spielen. Es galt nun zu untersuchen, ob die Zeit, die diese loekere Bindung besteht, bei den einzelnen Farben eine verschieden lange ist. Je schneller die Färbung „echt“ wurde, um so brauchbarer war natürlich diese Farbe, weil anderenfalls immer die Möglichkeit bestand, dass bei einzelnen Zellen der Kern schon einmal gefärbt war, sich aber, bevor die Farbe fest verankert wurde, dureh physikalische Einflüsse wieder entfärbt hatte; diese Zellen würden sich dann nicht als geschädigt dokumentieren und dadurch die Methode eine ungenaue werden. Von solchen physikalischen Einflüssen, durch welche die Kerne im Tierkörper wieder hätten entfärbt werden können, kamen Osmose und Lösung, auch Änderung des Oberflächendruckes in der Hauptsache in Betracht. Experimentell liess sich die Frage so prüfen, dass man untersuchte, wie lange man bei verschiedenen Farben nach Eintritt einer Kernfärbung diese durch hyperisotonische Rohrzuckerlösung würde noch extrahieren können. Damit war ein relatives Maass für die Dauer der lockeren Bindung bei den einzelnen Farben gegeben. Um nicht missverstanden zu werden, führe ich noch folgendes an: Eine gegen hyperistoonische Lösungen „echte“ Kernfärbung kann trotzdem rein physikalisch, also etwa durch feste Lösung bedingt sein?). Es besteht also kein scharfer Unterschied zwischen rein physikalischer gleich lockerer Bindung und physikalisch -chemisch gleich fester Bindung. Was die Art der .angewendeten physikalischen Extrahentien anlangt, so ist za beachten, dass durch einzelne dieser, z. B. Wasser, auch lockere chemische Bindungen gelöst werden können. Weniger vermögen das osmotische Einwirkungen, besonders wenn sie durch Rohrzucker, nicht Salzlösung hervorgerufen werden?). Zur Kontrolle der Be- funde verwandte ich letztere aber doch häufig. Färbte ich nun z. B. den Kern eines roten Blutkörperchens, indem ich es, wie oben angegeben, in verdünnte Neutralrotlösung brachte, so konnte ich, wenn bereits deutliche Kernfärbung eingetreten war, also nach ungefähr 5 Minuten diese durch Hinzufügung von doppelthyperiso- tonischer Rohrzucker- oder Chlorkaliumlösung vollständig wieder 1) Pappenheim, Farbchemie S. 313. 1901. 2) Der für derartige osmotische Versuche auch angewendete Harnstoff (Loeb, Untersuchungen über künstliche Parthenogenese S. 160 u. 268) durch- dringt das rote Blutkörperchen und ist deshalb unbrauchbar. Vgl. Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chemie 1909 S. 726. 398 Franz Rost: ausziehen. Die Versuchsanordnung war dabei ganz die gleiche wie oben: Es wurden entweder die einzelnen Bestandteile auf dem Deckglas mit der Platinöse gemischt oder der ganze Versuch in etwas grösserem Maassstabe im Zimmermann-Schälchen angesetzt und erst dann die Beobachtung im hängenden Tropfen vorgenommen. Stets waren die Resultate die gleichen. Dieses Stadium der lockeren Bindung dauerte nun in der Tat bei .den einzelnen Farben ver- schieden lange. Bei Neutralrot kann man ruhig einige Minuten nach vollendeter Kernfärbung warten und kann dann immer noch ohne Schwierigkeit die Färbung auch durch schwächer hyperisotonische Lösungen rückgängig machen. Nehme ich an Stelle des Neutralrot Toluidinblau, so muss man uumittelbar nach eingetretener Färbung Rohrzuekerlösung zusetzen, um Entfärbung zu bekommen. Wartet man auch nur einige Minuten, so bleibt der Kern trotz des osmoti- schen Überdrucks gefärbt; allerdings blasst er ab, was besagt, dass ein Teil der Farbe in lockerer, ein Teil aber auch schon in fester Bindung mit dem Chromatin des Kernes stand. Zwischen Neutral- rot und Toluidinblau steht Nilblausulfat bezüglich der Extraktions- möglichkeit. Dabei haben wir gesehen, dass die drei Farben das Stroma des roten Blutkörperchen etwa gleich schnell zu durchdringen vermögen. Es ist also damit der sonst immerhin mögliche Einwand unwahrscheinlich, dass die Schnelligkeit, mit der die Kernfärbung „eeht“ wird, nicht von den Farben abhängig sei, sondern von Verhältnissen am Kern selbst. Man muss sich ja doch, gleiche Giftigkeit der Farben vorausgesetzt, vorstellen, dass der Kern proportional der Zeit, in der die Farbe auf die Zelle einwirkt, stärker „geschädigt“ wird, d. h. dass er mehr zur festen Bindung mit der Farbe geeignete Nukleinsäure abspaltet. Um aber ganz sicher zu gehen, schaltete ich den Faktor der verschiedenen Ein- dringungsgeschwindigkeit dadurch aus, dass ich in derselben Weise, wie oben, Schädigungen physikalischer (Kälte) und chemischer (Saponin) Natur zuerst auf die Blutkörperchen + Farhe einwirken liess. Die auf diese Weise schnell gefärbten Kerne wurden in die hyperisotonische Lösung gebracht, und es ergab sich dann, dass sich auch bei dieser Versuchsanordnung Neutralrot leicht und vollständig entfärben liess, auch noch, wenn die Färbung schon einige Minuten gedauert hatte. Bei allen anderen Farben war das nur in den ersten Minuten, bei einzelnen, wie Thionin, auch dann nicht möglich. Es wurden untersucht: Neutralrot, Toluidinblau, Nilblausulfat, Uber Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 309 Methylenblau, Vesuvin, Bismarekbraun, Eosin, Thionin, Methylerün, Pyronin und verschiedene Gemische. Im einzelnen ist anzuführen, dass Nilblausulfat auch hier be- züglich der Dauer der lockeren Bindung dem Neutralroi am nächsten kam. Bei den anderen Farben konnte man Unterschiede eigentlich nicht machen. Bismarekbraun und Vesuvin überfärben schnell den Kern, aber nur ein kleiner Teil der Farbe tritt in feste Bindung, der andere ist gut zu extrahieren. Man kann bei diesen Extrak- tionsversuchen an den Farbstoffpartikeln unter dem Mikroskop verfolgen, wie die Wirkung des osmötischen Stromes nicht sofort nach Hinzufügung der hyperisotonischen Lösung eintritt. Wenn man nämlich hyperisotonische Chlorkaliumlösung und Farbe zu roten Blutkörperchen hinzufügt, färben sich deren Kerne infolge der Gift- wirkung des Salzes sehr stark; erst allmählich setzt die Entfärbung ein, und man sieht die Farbstoffteilehen vom Kern nach der Peri- pherie zu wandern. Infolge der verschiedenen Dichtigkeit von Kern und Protoplasma erfährt diese Wanderung am Rande des Kernes eine Verzögerung und auch aus entsprechenden Gründen an der Peripherie des Blutkörperchens. Die Färbung mit Farbstoffgemischen entsprach der mit den einzelnen Komponenten. So liess sich bei Neutralrot-Methylenblau nur der rote Farbenton wieder ausziehen, und zwar nur so lange, als er allein vorhanden war. Wenn der Kern schon violett gefärbt erschien, so war auch die Färbung eine echte. Wie ist nun dieses verschiedene Verhalten, besonders bei Neutralrot zu erklären? Ich glaube nicht, dass man zurzeit eine völlig einheitliche Erklärung!) wird geben können: Einen gewissen Einfluss auf den raschen Eintritt der festen Bindung wird das Mole- kulargewicht haben; ist das Molekulargewicht grösser, so wird sieh auch die Färbung gegenüber physikalischen Extrahentien widerstands- fähiger erweisen; jedoch stehen die beiden Faktoren, Grösse des Molekulargewichts und feste Bindung, in keinem einfachen Verhältnis zueinander. Den Hauptgrund für den schnelleren oder langsameren Eintritt der festen Bindung der Farbe an das Gewebe erblicke ich in der leichteren oder schwereren Spaltbarkeit des Farbsalzes oder in der grösseren oder geringeren Neigung der Farbbase, ınit 1) Die Möglichkeit der Bildung von Leukobasen kommt nicht in Betracht, desgleichen nicht „innere Sekretion“, und wird deshalb nicht erörtert. Vgl. Heidenhain, Plasma und Zelle S. 445 u. 462, und Plato, 1. c. 400 Franz Rost: der Nukleinsäure in Bindung zu treten, also in rein chemischen Vor- cäneen. Es war mir aus äusseren Gründen leider nicht möglich, Färbeversuche mit reinen Farbbasen anzustellen, — Versuche, die für mich übrigens auch bloss einen theoretischen Wert gehabt hätten, da ich ja doch die Untersuchungen nur zur Orientierung über die Brauch- barkeit der verschiedenen Farbsalze im Tierkörper unternommen hatte. Dass in der Tat diese chemische Affinität der Farbe zum Chromatin des Kernes eine sehr erosse Bedeutung für die Echtheit der Färbung hat, wird besonders illustriert durch das Verhalten eines Gemisches von Neutralrot-Methylgrün oder Pyronin-Methylgrün?). Es färbt sich dann der Kern langsam bei derselben Versuchs- anordnung zuerst rot oder blass violett, dann stark violett, schliess- lich rein grün. Es verdrängte also das Methylgrün infolge seiner grossen spezifischen Affinität zum Chromatin die andere Farbe völlig aus ihrer Verbindung mit den Substanzen des Kernes. Noch einen möglichen Einwand musste ich bei diesen Extrak- tionsversuchen widerlegen, dass zusammen mit der Farbe auf diese Weise auch Kernsubstanz, die zur Färbung nötig war, ausgelaugt worden sei, wie das beispielsweise durch Wasser stattfindet). Nach- dem die Kerne in der hyperisotonischen Lösung farblos geworden waren, fügte ich schwach hypisotonische Farblösung hinzu; dadurch bekam ich ungefähr Isotonie im ganzen System, und die Färbung trat wieder prompt ein. Diese zweite Färbung war dann aber auch bei Neutralrot sofort „echt“ gegen Rohrzuckerlösung; auch das spricht wieder dafür, dass die jetzt in grösserer Menge frei gewordene Nukleinsäure besser als vorher befähigt war, eine feste chemische 3indung mit der Farbe einzugehen. Wie ich schon gelegentlich der Versuche mit Saponin auseinandersetzte, laugt man durch Saponin im Überschuss einen Teil der zur Bindung der Farbe nötigen Kern- substanz aus; eine nachträgliche Kernfärbung ist dann nicht mehr möglich. Die Kernfärbung, die ich beim Froschblut im Tierkörper er- reichte, war mit Rohrzuckerlösung niemals zu extrahieren, eine Tat- sache, die wiederum mit Sicherheit gegen eine Färbung des Kernes 1) Rosin und Bibergeil, 1. c. Deutsche mediz. Wochenschr. 1902 S.41 u. 63. 2) Heidenhain, Über chemische Umsetzungen etc. Pflüger’s Arch. Bd. 90 S. 115. 1902. — Heidenhain, Plasma und Zelle S. 117. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 40] der voll lebenden Zelle im Wirbeltierkörper spricht; denn die „Eehtheit“ der Färbung kann nach den vorhergehenden Versuchen nur nach Fällung des Chromatin eintreten. Letzteres aber komnıt bekanntlich nieht im „lebenden“ Kerne vor. Wir hätten also damit die verschiedenen Faktoren untersucht, die bei der Färbung des Kernes einer unfixierten Zelle in Betracht kommen, und ich glaubte, dass ich die gewonnenen Resultate würde auf die Versuche, die Kerne im lebenden Tier zu färben, anwenden können. Ich benutzte vor allem Neutralro& und Bismarckbraun, das mir die günstigsten Aussichten auf Erfolge zu bieten schien, schädigte die roten Blutköperchen auf nachher zu bespreehende Weise und — erreichte sar keine Kernfärbung. Das erschien zunächst unerklärlich. Ich hatte aber einen Faktor bei den theoretischen Betrachtungen ver- gessen, auf den ich erst durch eine grosse Zahl von Tierexperimenten hingewiesen wurde, das war der Verteilungsmodusder Farben im Tierkörper. | Ehrlich hat bei seinen Untersuchungen über Giftfestigkeit der Tryponosomen !) gefunden, dass für die Heilwirkung durch Arsen- präparate oder Fuchsin die Verteilung des Mittels zwischen Parasiten- zellen und Organismuszellen in Betracht kommt. Dieses „Differential der Aviditäten“, wie er es nennt, hat nun auch für die Kernfärbung im Organismus eine ausschlaggebende Bedeutung, ist aber natürlich nur durch das Experiment zu eruieren. Ich. fand, dass alle die- jenigen Farben, die unter den sonst dazu geeigneten Bedingungen die Kerne der roten Blutkörperchen nicht färbten, eine diffuse Durch- färbung des Organismus, der Muskeln und dergleichen bewirkten. Spritzt man einem Frosch Neutralrot in den dorsalen Lymphsack, so findet man in kurzer Zeit die Muskeln bis zum Unterschenkel, Darm- muskelu, Zentralnervensystem usw. stark rot gefärbt (makroskopisch). Hat man dasselbe mit Methylenblau versucht, so bleibt die Rücken- muskulatur stark blau gefärbt, während schon die Beine kaum etwas von Färbung zeigen, und zwar nur in ihren obersten Partien. Bei einer Mischung beider Farben bleibt der Rücken blau, die Beine werden rot, einzelne Stellen, wie das Zentralnervensystem, zeigen deutliche Violettfärbung. Auch Vesuvin und Bismarekbraun führt zu schwacher Färbung der Muskulatur bis zum Unterschenkel; besonders auffallend l) Ehrlich, Beitr. z. exper. Pathol. u. Chemotherapie S. 60, 95 u. 167 Leipzig 1909. 402 Franz Rost: ist aber bei diesen beiden Farben eine diffuse Färbung des Protoplasma der roten Blutkörperchen !) ohne Kernfärbung. Man muss also hier eine chemische Bindung der Farbe an irgendeinem Bestandteil ‘der roten Blutkörperchen annehmen, etwa wie Ehrlich?) eine Bindung des Kohlenoxyds oder der Blausäure an dem Eisenrest des Hämo- elobins annimmt. Sehr wenig Neigung zur Diffusion zeigten Thionin und Methylenblau. Man muss dieses verschiedene Verhalten sicher- lich auf die verschiedene Löslichkeit der Farben im Gewebssaft zurückführen, wobei wir vorläufig noch nicht sagen können, ‚welcher chemische Körper des Gewebssaftes der wichtigste in dieser Be- ziehung ist. Auf dieser verschiedenen Verwandtschaft der Gewebe zur Farbe beruht nun auch die verschiedene Giftigkeit derselben. Es war mir zunächst nicht recht erklärlich, warum Neutralrot vom Frosch so ausgezeichnet vertragen wurde, während es für die einzelne Zelle sowohl nach den Untersuchungen von Prowazek®) als nach meinen Befunden am roten Blutkörperchen giftig wirkte. Das erklärt sich sehr leicht aus dem Verteilungsmodus. Das Neutralrot wird im Ge- webssaft suspendiert erhalten, wo es seinen vereiftenden Einfluss auf die Zelle nicht ausüben kann. Nun hat es — besonders die Leukobase —, in grossen Mengen eingeführt, die Neigung, in Nadeln auszufallen. In der Umgebung dieser Stellen finden wir dann ganz regelmässig Kernfärbung, sei es des Muskels oder eines anderen Gewebes. Auch Bismarekbraun und Vesuvin haben diese Neigung auszufallen, doch führen sie niemals zu Kernfärbung in der Um- gebung; wie aus meinen Versuchen ausserhalb des Tierkörpers her- vorgeht, deshalb, weil sie nicht einfach auskristallisieren, sondern Eiweiss fällen und mitreissen, an das sie dann gebunden sind. Wir haben damit interessante Finzeltatsachen für das gewonnen, was man allgemein als „Giftigkeit“ eines Stoffes bezeichnet, und haben einmal wieder gesehen, dass die schönsten theoretischen Erwägungen nach Reagenzglasversuchen auf den Tierkörper übertragen, doch nur einen recht problematischen Wert haben. Nur Tierversuche selbst können da weiterhelfen; zu ihnen will ich mich deshalb jetzt wenden. 1) Vgl. Israelund Pappenheim, Über die Entkernung der Säugetiererythro- blasten. Virchow’s Arch. Bd. 143 S. 419. 1896. — Pappenheim, Grundriss der Farbchemie S. 195 u. 196. 1901. 2) Ehrlich, Beitr. z. exper. Pathol. usw. S.230. 8) Prowaczek, ]l. c. Biol. Zentralbl. Bd. 29 S. 291. 1909. >» Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 403 Nach Dittrich!) kann man die Gifte, welche die roten Blut- körperehen verändern, in zwei grosse Gruppen einteilen: 1. In solche, welche das Stroma in Lösung bringen, dazu ge- hört Toluilendiamin, Arsenwasserstoff, Phosphor, Äther u. ä., und 2. in Hämogelobingifte, nämlich die kohlenwasserstoff- und methämoglobinbildenden Stoffe. ' Zwischen beiden Gruppen gibt es Übergänge. Ich fing. mit dem Studium der zweiten Gruppe an, und zwar mit dem des Hydro- xytamin. Dieses Gift erzeugt, wie aus den Untersuchungen von Binz?) und Lewin?) hervorgeht, sehr leicht bei Fröschen Met- hämoglobin und hat zugleich eine narkotische Wirkung, die un- abhängig von der Veränderung des Blutfarbstoffes ist. Bei stärkerer Vergiftung führt es zu Hämatinbildung. Während die Methämo- globinbildung nicht gröbere morphologische Veränderungen im roten Blutkörperchen bedingt, tut dies das Hämatin. Ich überzeugte mich im Giemsa-Präparat davon, dass es zu Zusammenballung des roten Blutfarbstoffes kommt, so .dass ein derartiges Blutkörperchen deut- lich gefleckt aussieht. Die Schädigung des roten Blutkörperchens dokumentiert sich auch darin, dass es gegen die geringste Anisotonie einer Kochsalz- oder Lock e-Lösung sehr empfindlich ist und sofort. eigen- tümliche Schrumpfungserscheiuungen zeigt, während das ein gewöhn- liches, unvergiftetes Blutkörperchen nicht tut. Bei noch weitgehenderer Vereiftung mit Hydroxylamin soll es zu Hämolyse kommen, wenigstens im Reagenzglas. Ich verwandte zu meinen Versuchen Hydroxylamin. hydrochlor. (Merk), von dem ich mir eine 1°/oige wässerige Lösung herstellte, die ich mit Soda neutralisierte.. Davon spritzte ich den Fröschen Dosen von 0,1—1 cem ein = 0,001—0,01 g der reinen Droge. Es empfiehlt sich im allgemeinen, wie ich finden konnte, nicht zu grosse Dosen anzuwenden. Das Resultat wird nicht besser, und es sterben eine grosse Reihe von Fröschen sehr schnell, noch bevor es zur Methämoglobinbildung kommt, unter Krämpfen mit Reflexschrei. Die Tiere sind ungleichmässig empfindlich gegen das Gift. Ich rate, den 1) Dittrich, Über methämoglobinbildende Gifte. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 29 S. 247. 1891. l) Binz, Toxikologisches über das Hydroxylamin. Virchow’s Arch. Bd. 113 S. 1. 1888. 2) Lewin, Über Hydroxylamin. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 25 S. 306. 1888. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137, 27 404 Franz Rost: Fröschen 0,2—0,3 eem der 1°/oigen Lösung, also 0,002—0,003 & der reinen Droge, in den dorsalen Lymphsack zu spritzen und zugleich an dieselbe Stelle 0,5—1,0 cem einer 1°%oigen Farblösung, am besten Neutralrot-Methylenblau, Methylenblau oder Thionin. Nach wenigen Stunden (2—5) bekommt man dann ein geradezu überraschendes Bild im Blut, das man aus der Zehe entnimmt. Fast jedes zweite oder dritte rote Blutkörperchen zeigt einen schönen tief dunkel- blau gefärbten Kern. Das Protoplasma hat gleichfalls einen leicht bläulichen Farbenton angenommen, der alle Übergänge zeigt vom gelblichen Grünblau bis zum Marineblau. Daneben findet man in den roten Blutkörperchen auch Granula, und zwar nehmen diese mit der längeren Dauer der Vereiftung zu, so dass man nach 24 Stunden bedeutend mehr findet als nach 3—5 Stunden. Der Farbenton der Granula ist bei Farbgemischen nicht immer der gleiche; er ist wegen der Kleinheit der Gebilde oft schwer im hängenden Tropfen zu beurteilen, ist aber in einzelnen Fällen rein rot, in anderenrein blau ; dazwischen findet man mancherlei Ü bergänge. In den weissen Blutkörperchen sind, besonders nach 24 Stunden, vereinzelte Granula rot gefärbt; niemals konnte ich Kernfärbung in den Leukocyten bei dieser Vergiftung beobachten, da eben die zer- störende Einwirkung des Hydroxylamin sich nur auf die hämoglobin- haltigen roten Blutkörperchen erstreckt. Genügend Farbe hätten ja die weissen Blutkörperchen auch. Dass man spektroskopisch und physiologisch-chemisch ebenfalls schon lange festgestellt hat, dass das Hydroxylamin seinen primären Angriffspunkt an den Erythrocyten hat, ist mir eine willkommene Bestätigung meiner Befunde und ein strikter Beweis dafür, dass meine Voraussetzungen über das Ver- hältnis von Kernfärbung im lebenden Tier und Schädigung der Zelle, auf denen ja die ganze Arbeit basiert, richtige sind. Dass ich stets Kontrollversuche mit Farbstoffeinspritzung ohne Gift anstellte. ist selbstverständlich. Bei einiger Übung kann man ohne weiteres schon aus der schokoladenbraunen Verfärbung des Blutes schliessen, dass es im Sinne einer Methämoglobin- bzw. Hämatinbildung verändert ist; immerhin gehört zu exakten Untersuchungen der spektroskopische Nachweis dieser Umbildungsprodukte. Bezüglich der Technik hielt ich mich an die Angaben von Lewin!), Abderhalden?) und Brugsch 1) Lewin, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol, Bd. 25 S. 306. 1888. 2) Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chemie, 2. Aufl., S. 739—742. 1909. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 405 und Schittenhelm!), auf die ich verweise, Zunächst untersuchte ich das Blut derjenigen Tiere, bei denen deutliche Kernfärbung ein- getreten war. Dabei ist es jedoch sehr schwierig, Klarheit über den spektroskopischen Befund zu erhalten, da die im Blut kreisende Farbe die Resultate stört. Ich hatte den Eindruck, dass es sich in allen Fällen neben Methämoglobin um Hämatin handelte, konnte - aber den sicheren Nachweis nur zweimal erbringen und lege deshalb auf diese Befunde gar keinen Wert. Ich ging vielmehr so vor, dass ich in einer Reihe weiterer Versuche Frösche nur mit geringen Mengen Hydroxylamin spritzte, den Tieren wiederholt Blut aus der Zehe entuahm und im hängenden Tropfen unter Hinzufügung von etwas Farblösung, entsprechend meiner Angabe im ersten Teil der Arbeit, untersuchte, ob die Färbung schneller als in der Norm auf- trat. Es wurde dann ein Teil der Tiere sogleich entblutet und das Blut spektroskopisch untersucht. So bekam ich parallele Daten zwischen Eindringungsgeschwindigkeit der Farben und spektro- skopischem Befund ?). Theoretisch überlegt ist es ja gar nicht er- forderlich, dass mit Veränderung des spektroskopischen Blutbildes eine Änderung der Eindringungsgeschwindigkeit verbunden sein muss. Um so interessanter war es, darüber Untersuchungen anzustellen. ‘Von Farben empfiehlt sich am meisten Methylenblau, aus oben dar- gelegten Gründen. Es wurden zur Kontrolle aber auch andere wie Neutralrot, Thionin ete. gewählt. Im "Anfang der Vergiftung — 20 Minuten nach Einspritzung von 0,001—0,01 g der reinen Droge — zeigt sich keine Veränderung gegen die bei demselben Frosch vorher festgestellte Eindringungszeit der Farbe. Erst bei längerer Dauer der Vergiftung färben vereinzelte rote Blutkörperchen ihre Kerne schneller; bei einzelnen von ihnen kann man deutlich wahrnehmen, dass es sich dabei um eine ver- änderte Zelle handelt: das Protoplasma ist vakuolisiert, auch ge- schrumpft usw. Verfolgt man nun von Stunde zu Stunde die Ein- 1) Brugsch und Schittenhelm, Lehrb. klin. Untersuchungsmethoden S. 634 u. 635 (Tafel). Berlin 1908. 2) Herr Dr. Gimbel, Assistent am gerichtsärztlichen Institute hier, war so freundlich, die spektroskopischen Untersuchungen zu übernehmen und zu kontrollieren, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche, Spätere Versuche durfte ich im hiesigen pharmakologischen Institut vornehmen, wotür ich Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. Gottlieb und Herrn Dr. Rohde vielmals danke. 27 * 406 Franz Rost: dringungsgeschwindiekeit, so nimmt die Zahl der sich rascher färbenden Zellen immer mehr zu, um dann, wenn das Tier nicht zum Exitus kommt, konstant und schliesslich nach 24 Stunden weniger zu werden. Tötet man das Tier zu einer Zeit, wo sich der Ein- dringungsmodus noch nicht geändert hat, so findet man spektroskopisch Oxyhämoglobin oder Methämoeglobin; in den späteren Stadien, in denen sich also mehr oder weniger zahlreiche rote Blutkörperchen schneller gefärbt hatten, stets Hämatin neben Methämoglobin, dessen Streifen bei hohen Graden der Vergiftung nicht mehr deutlich sind. Ich will noch anführen, dass ich den Eindruck hatte, als ob, solange das Spektrum Methämoglobin aufwies, eine Verzögerung des Farbeintritts vorhanden war. Doch sind darüber meine Versuchszahlen nicht gross genug. Aus diesem Verhältnis zwischen Eindringungsgeschwindigkeit der Farbe und spektroskopischem Befund ist wohl der Schluss er- laubt, dass die Strukturveränderung der roten Blutkörperchen, die in diesem Falle die Kernfärbung zulässt, an Hämatinbildung gebunden ist. Einen möglichen und durchaus berechtigten Einwand kann ich allerdings nicht widerlegen, dass man es nämlich dem einzelnen Blutkörperchen nicht ansieht, ob es sich bei ihm um Methämoglobin oder Hämatin handelt. Immerhin stützen meine Befunde mehr die Lewin’sche!) Einteilung dieser Blutgifte in solche, die entweder nur Methämoglobin bilden, und solche, die ausserdem zu Hämatin- bildung führen, als die von anderer Seite?) gegebene, in Methämo- globinbildner mit und ohne Zerstörung der roten Blutkörperchen. Methämoglobin mit Zerstörung der roten Blutkörperchen habe ich jedenfalls nie nachweisen können. Ich will nun noch auf das Verhalten der einzelnen Farben im Tierkörper, das ich im ersten Teil der Arbeit nur gelegentlich gestreift habe, an der Hand dieser Vereiftung etwas eingehen. Die Versuche wurden angestellt mit Methylenblau, Thionin, Neutralrot, Neutralrot-Methylenblau aä, Methylgrün, Pyronin, Bismarckbraun, Vesuvin, Methylenblau 0,5 — Pyronin 1,0, Fuchsin, Indiekarmin, Safranin, Toluidinblau, Nilblausulfat, Neutralrot-Vesuvin ää, Toluidin- blau-Vesuvin aa, Toluidinblau-Neutralrot ää, Vesuvin-Methylenblau aa, Eosin (wasserlöslich). Als günstigste Giftdosis war 0,2 cem einer 1 °/oigen Hydroxyl- aminlösung festgestellt worden, und es fragte sich nur, in welchem 1) Lewin, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 25 S. 306. 1888. 2) Hayem, Compt. rend. de l’Acad. d. scienc. 1886 p. 698. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 407 Zeitpunkt der Vergiftung man am besten die Einspritzung der Farbe vornehmen würde. Ich spritzte die Farbe verschieden lange Zeit vor dem Gift, verschieden lange nach dem Gift und zusammen mit dem Gift ein und fand, dass man bei Hydroxylamin die besten Er- folge hatte, wenn man Farbe und Gift zu gleicher Zeit dem Tier einverleibte und beides an denselben Ort, z. B. den dorsalen Lymph- sack, bringt. Es würde ermüden, wenn ich ausführlich darauf ein- gehen würde, wie sich Farbe und Gift bei den in verschiedenen Zeitabständen vorgenommenen Einspritzungen verhalten. Nun färbten aber durchaus nicht alle Farben bei dieser Ver- giftung die Kerne in gleicher Weise prompt. Einzelne taten es überhaupt nicht, trotz sehr hoher Farbdosen und Modifikation der zeitlichen Folge von Gift- und Farbeinspritzung. Dazu gehörten Neutralrot, Pyronin, Methylgrün, Fuchsin, Eosin, Bismarekbraun, Nilblausulfat und Vesuvin. Bei Fuchsin und Methylgrün trat aller- dings der Exitus stets so schnell unter Krämpfen ein, dass es er- klärlich war, wenn man keine Kernfärbung erhielt. Auch bei Eosin gingen einige Frösche zugrunde; einige hielten aber die Färbung mit 0,5 cem trotz anfänglicher Krämpfe 48 Stunden lang aus und zeigten doch keine Kernfärbung der roten Blutkörperchen. Noch unerklärlicher erscheint es, dass die basischen Farben, wie Pyronin, Neutralrot. Vesuvin, Bismarekbraun, keine Kernfärbung ergaben. Von diesen Farben, mit Ausrahme des Bismarckbraun, vertrugen die Frösche ganz beträchtiiche Dosen ohne weiteres (5—9 cem). Eine Kernfärbung der Erythrocyten trat trotz Hämatinbildung nicht ein. Bei anderen Farben, wie Safranin und Indigkarmin, war sie so ge- ring, dass sie praktisch unbrauchbar ist. Bei Toluidinblau ist sie nicht stets vorharden, doch dann deutlich, wenngleich blass. Bei weitem die besten Resultate erhält man jedoch mit Methylenblau, Thionin und Neutralrot Methylenbiau aa. Besonders letzteres Farb- gemisch möchte ich empfehlen. Ohne Hydroxylamin eingespritzt, bekommt man nur sehr wenig Kerne der roten Blutkörperchen ge- färbt, bedeutend weniger als bei Thionin, was eben an sich etwas ‚giftiger wirkt. Mit Hydroxylamin eingespritzt, färbt es aber grosse Mengen roter Blutkörperchenkerne sehr kräftig violettblau. Es hat ferner den Vorteil, dass sich Neutralrot rasch im Organismus aus- breitet und Zellen, die etwa in irgendeinem Organ (beispielsweise Niere) geschädigt sind, durch Färbung der Kerne zur Anschauung bringt. Auf diese eigentümliche, sich verstärkende Wirkung der 408 Franz Rost: beiden Komponenten des Farbgemisches habe ich weiter vorn schon hingewiesen, ebenso schon angedeutet, dass sie sich gewissermaassen das Eindringen in die Zellen gegenseitig erleichtern und sich auch mitnehmen, so dass beispielsweise das Zentralnervensystem dann violett gefärbt erscheint (makroskopisch), während man sonst bei Einspritzung von Methylenblau allein keine Blaufärbung in Gehirn oder Rückenmark entdecken kann. Ich prüfte dann andere Gemische. Solche, von denen keine Komponente Neigung zur Kernfärbung der mit Hydroxylamin geschädigten roten Blutkörpercheu zeigt, färbten natürlich gemischt auch nicht. Hierher gehört Neutralrot-Vesuvin, Neutralrot-Toluidinblau, Toluidinblau-Vesuvin. Hingegen verstärkten sich in ihrer Wirkung, wenigstens wie es nach meinen bisherigen Versuchen den Anschein hat, Vesuvin-Methylenblau aa und Toluidin- blau-Thionin aä, während ich bei Toluidinblau-Methylenblau eine solche Erhöhung der Färbekraft nicht feststellen konnte. Letztere Tatsache erschüttert auch die Annahme, die ich zuerst machte, dass nämlich die Ursache für diese Verstärkung die Kombination von leicht lipoidlöslicher Farbe mit einer schlecht lipoidlöslichen sei. Es fragt sich aber nun, warum denn eine Reihe von Farben, die ausserhalb des Tierkörpers die Kerne der unfixierten Zellen ausgezeichnet färben, dies nicht auch nach Einspritzung tun? Einen Grund für dieses Verhalten sehe ich, wie ich schon am Ende des ersten Teils der Arbeit auseinandergesetzt habe, im Verteilungsmodus der einzelnen Farbstoffe im Tierkörper, mit der die „Affinität“ zu einzelnen Organen (Neutralrot zu Leber) und die Ausscheidung in gewisse Beziehung zu setzen ist. Ich habe dort auch schon aus- geführt, dass der Verteilungsmodus der Farben sicher keinen ein- heitlichen Grund hat, aber auch in Beziehung zur Löslichkeit, be- sonders Lipoidlöslichkeit !), gesetzt werden muss. Einzelheiten sind aber über diese Verhältnisse nicht bekannt, und ich verzichte deshalb darauf, unfruchtbare Theorien auszuspinnen. Nur eine ganz inter- essante Beobachtung zu diesem Kapitel möge hier Erwähnung finden. Wenn man Methylenblau einem Frosch einverleibt, so bekommt man in der Regel an bestimmten Stellen sehr schöne Nervenfärbung. Habe ich aber gleichzeitig Hydroxylamin gegeben, so bleibt sie ent- weder ganz aus oder ist in viel geringerem Grade vorhanden. Das 1) Dass Lipoidlöslichkeit sicher nicht allein für die Verteilung in Betracht kommt, geht aus dem Verhalten des Indigkarmin und Pyrorin hervor. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 409 liegt wohl daran, dass sich dann der Verteilungsmodus zugunsten der Blutkörperchenkerne verschoben hat. Es ist dann bei — natür- lich kleiner — Farbeinspritzung keine Farbe mehr für die Nerven- fasern verfügbar. Einen zweiten Grund für das Nichtfärben hierzu geeeigneter Zellen im Tierkörper erblicke ich beim Neutralrot und vielleicht auch Nilblausulfat in der langen Dauer der physikalisch unechten lockeren Bindung der Farbe, über die ich im ersten Teil gesprochen habe. Auch andere Gründe mögen noch in Betracht kommen, sind aber zurzeit noch nicht bekannt. Diese Kernfärbung, die durch gleichzeitige Zufuhr von Farbe und Hydroxylamin in den roten Blutkörperchen des Frosches erzielt werden kann, ist gut geeignet zur besseren Sichtbarmachung des Blutkreislaufs in Schwimmhaut, Mesenterium und dergleichen. Für die Praxis wichtiger ist es, dass man dieses Prinzip der elektiven Fixierung auch auf Entwicklungsstadien, z. B. Kaulquappen, über- tragen kann. Da das entwicklungsgeschichtlich nieht ohne Interesse ist, will ich diese Versuche an anderer Stelle ausführlicher darstellen. Es bleibt nun nur noch zu erörtern, welche Kerne bei Hydroxyl- aminvergiftung sonst noch neben denen der roten Blutkörperchen gefärbt sind. Von 21 genau untersuchten Tieren, bei denen ich nach Hydroxyl- amin starke Kernfärbung der roten Blutkörperchen erzielt hatte, die also mit Methylenblau, Methylenblau-Neutralrot, Thionin, Vesuvin- Methylenblau, Toluidinblau-Thionin gespritzt worden waren, bekam ich einmal Kernfärbung in den Nierenepithelien bei letzterem Farb- gemisch, häufiger natürlich, wie oben ausgeführt, an der Einspritzungs- stelle. Sonst waren in den daraufhin untersuchten Organen (Gehirn, Rückenmark, Lunge, Herz, verschiedene Muskeln, Leber, Milz, Ge- schlechtsorgane) keine Parenehymkerne gefärbt. Zu diesem Zweck sind die sich rasch im Organismus verbreitenden Farben besser ge- eignet. Darauf wies schon die Nierenfärbung bei Toluidinblau- Thionin hin. | Ich untersuchte dann dieselben Organe wie oben bei 20 Fröschen, die Bismarkbraun oder Vesuvin, Pyronin, Neutralrot, Safranin, Toluidinblau, Nilblausulfat, Eosin, Indigkarmin und die übliche Dosis Hydroxylamin bekommen hatten, und fand bei Toluidinblau zweimal Kernfärbung in der Niere (einmal negativ; Kontrolle mit Toluidinblau 410 Franz Rost: allein stets negativ); je einmal an demselben Ort Kernfärbung bei Toluidinblau-Neutralrot, Toluidinblau-Vesuvin und Neutralrot-Vesuvin. Die Vergiftung hatte in allen diesen Fällen ziemlich lange (Tage) angehalten. Die Nierenkanälchen waren in einzelnen Fällen angefüllt mit Blutzylindern, also eine Schädigung der Zellen wohl begreiflich. Über die genaue Lokalisation der Kernfärbung in den Nieren- epithelien kann ich keine Angaben machen. An den kleinen exzidierten Stücken ist man Täuschungen sehr ausgesetzt, und die Versuche, durch Schnitte mit dem Gefriermikrotom Klarheit zu ge- - winnen, führten ebenfalls zu keinem Ergebnis, da die gefärbten Kerne stark abblassen und andere schärfer hervortreten, so dass es un- möglich ist, Unterschiede zwischen primär gefärbten und ungefärbten Kernen zu machen. Ich möchte zum Schluss noch erwähnen, dass in Milz und Leber stets sehr zahlreiche gefärbte rote Blutkörperchen zu finden waren, und zwar auch ausserhalb der Blutgefässe, zum Teil phagoeytiert; das gab sehr hübsche Bilder, besonders in letzterem Organ, in dem wir bei Verwendung von Methylenblau auch nicht.so störende Farb- stoffniederschläge haben wie in der Milz. Aus den zuletzt erörterten Verhältnissen über Kernfärbung der Nierenepithelien ergibt sich, dass zum Nachweis geschädigter Zellen in den Organen eine leicht diffundierende Farbe, wie Toluidinblau, am besten geeignet ist. Diese Farbe hat auch den Vorteil, dass sie sich fixieren lässt, so dass das Anfertigen von Schnittpräparaten wohl möglich sein wird. Nach meiner an Kaulquappen gewonnenen Er- fahrung eignet sich für die Fixierung dieser gefärbten Kerne am besten das Verfahren von Bethe!) nach vorheriger Einwirkung von Pikrinsäure (konz. wäss.), 15 Minuten. Es übertrifft in seinen Re- sultaten alle „Verbesserungen“, ist aber leider unbrauchbar für Neutralrot. Ich untersuchte dann eine zweite Art der Schädigung der roten Blutkörperchen, nämlich die Kohlenoxydvergiftung. Die Frösche be- kamen unter einer Glasglocke sitzend Leuchtgas verschieden lange Zeit einzuatmen, meist, bis deutliche Zeichen von Narkose zu be- merken waren, die Bulbi hervortraten und die Tiere sich mit den 1) Bethe, Eine neue Methode der Methylenblaufixation. Anat. Anz. Bd. 12 S.438.: 1896. — Bethe, Das Molybdänverfahren usw. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 17 S. 13. 1900. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 411 Vorderpfoten über das Gesicht wischten. Es wurde ihnen dann vorher oder nachher Farbe in wechselnder Menge (Methylenblau, Thionin, Neutralrot-Methylenblau, Toluidinblau usw.) eingespritzt; dabei keinerlei vermehrte Kernfärbung beobachtet. Es wurden dann .die Vergiftungen mit Pausen von Stunden oder Tagen drei- bis sechs- mal wiederholt, um zu sehen, ob vielleicht durch chronische Ver- giftung eine stärkere Schädigung der Zelle herbeigeführt werden könnte. Auch das ergab kein positives Resultat. Es wurde schliess- lich dem mit Leuchtgas vergifteten Frosche, ohne vorherige Farbstoff- einspritzung, genau in der gleichen Weise wie bei der Hydroxylamin- vereiftung, Blut entnommen und nachgesehen, ob sich erhöhte Färb- barkeit nach Farbenzusatz im hängenden Tropfen nachweisen liess. Das war nicht der Fall, auch nicht, wenn Gas durch Blut + Farbe im Reagenzglas geleitet wurde. In den meisten Fällen war das Blut spektroskopisch untersucht worden, selbst wenn die kirschrote Verfärbung ohne weiteres die Diagnose Kohlenoxydhämoglobin gestattete. Aus den Versuchen folst, dass wir bei Kohlenoxydverseiftung keine Zerstörung der roten Blut- körperchen finden und auch keine Strukturveränderung, die eine erhöhte Durchlässigkeit für Farben bedingt. Das stimmt gut zu unseren sonstigen Erfahrungen über dieses Gift, das lediglich auf das Hämoglobin einwirkt. Und dieses ist nur eine „in der Imbi- bitionsflüssigkeit der roten Blutkörperchen aufgelöste Verbindung, ohne dass sie an dem Aufbau des organisierten Protoplasmagerüstes der Blutkörperchen beteiligt ist“ '). Zum Schluss bemerke ich, dass ich bei den gefärbten Fröschen bei chronischer Leuchtgasvergiftung sehr zahlreiche „Granula* in den roten Blutkörperchen fand und viele gefärbte rote Blutkörperchenkerne in der Milz; ferner einige Male in Giemsa-Präparat auffallend viel Jugendstadien von Ery- throcyten. Es scheint danach Kohlenoxydvergiftung auf den Blut- körperchenaufbau und -zerfall beschleunigend einzuwirken. Versuche, mit Kali chloricum beim Froseh Zerfall der Erythroeyten und Kernfärbung hervorzurufen, misslangen sämtlich. Ich spritzte den Tieren sowohl einmal eine grössere Dosis (0,5 cem einer gesättigten wässrigen Lösung) ein als auch wiederholt schwächere Lösungen (0,5—1 ceem einer 1/2 %/oigen Lösung) über mehrere Tage hin. Spektro- skopisch ergab sich stets Oxyhämoglobin. Nur einmal bekam ich 1) Overton, Studium über die Narkose S. 177. Jena 1901. 412° Franz Rost: bei Neutralrot-Methylenblau-Färbung Kernfärbung im Nierenepithel bei einem Frosch, der 6 Tage lang täglich 1 ccm einer 0,5 Y/oigen Kalichlorieumlösung erhalten hatte. Bei weissen Mäusen (bis 2 cem in refr. dosi der gesättigten Lösung) konnte ich Kernfärbung in der Niere nicht finden; das Blut war bei diesen Tieren schokoladenbraun verfärbt, wurde aber nicht spektroskopisch untersucht. Für Methämoglobinbildung beim Frosch besser geeignet ist Pyrogallol!). Eine Kernfärbung der roten Blutkörperchen konnte ich bei Fröschen nicht erzielen. Die Dosis war !/s cem einer 1 "/oigen Lösung von Pyrogallussäure einmal oder an verschiedenen — drei — aufeinanderfolgenden Tagen. Die Tiere starben zum Teil. Eine srosse Anzahl der roten Blutkörperchen sah im hängenden Tropfen geschrumpft aus, färbte sich aber nieht schneller als gewöhnlich bei Farbenzusatz. Nur einmal erhielt ich nach 1!/2 g 1 P/oiger Pyrogallol- lösung und Farbstoffeinspritzung kurz vor dem Exitus am zweiten Tage vermehrte Kerne in Blut gefärbt, doch kann ich dabei den Anteil der Pyrogallussäure nicht sicher beurteilen ?). Weiterhin stellte ich Versuche mit Giften an, die von vornherein das Stroma der roten Blutkörperchen zerstören, also zur Gruppe 2 der oben gegebenen Einteilung gehören. Es war nach den Er- fahrungen über Kernfärbung ausserhalb des Tierkörpers sehr nahe- liegend, zunächst einmal einen Versuch mit Saponin zu machen. Die Wirkung der einzelnen Saponine ist eine recht verschiedene; ihre Giftigkeit ist nach Honda?) abhängig von ihrer „hämoglobin- lösenden Stärke“, nach Ransom*) mehr von der Lähmung der cholesterinhaltigen Nervensubstanzen. Es ist ein ausgesprochenes Protoplasmagift5), das schliesslich auch zu Veränderungen am quer- gestreiften Muskel führt. Beim Frosch kam es nach meiner Be- 1) Jüdell, Über das Verhalten der Pyrogallussäure im tierischen Organis- mus. Hoppe-Seiler’s Mediz. chem. Unters. H.3 S. 422. 1868. — Neisser, Klinisches und Experimentelles zur Wirkung der Pyrogallussäure. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 1 S. 88. 1880. 2) Silbermann, Über das Auftreten multipler intravitaler Blutgerinnung nach akuter Intoxikation der chlorsauren Salze, Arsen, Phosphor und einiger anderer Blutgifte. Virchow’s Arch. Bd. 117 S.288. 1889. — Kunkel, Handb. d. Toxikol. S. 540. — Kobert, Lehrbuch der Intoxikationen 1893. 3) Honda, Untersuchungen über die Saponinsubstanzen usw. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 51 S. 211. 1904. 4) Ransom, Deutsche mediz. Wochenschr. Bd. 27 S. 194. 1901. 5) Kobert, Lehrbuch der Intoxikationen S. 466. Stuttgart 1893. Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 413 obachtung bei Einspritzung von 0,1—1 ceem einer 5°/oigen Lösung von Saponin Merk in Wasser häufig zu Verlangsamung der Herz- tätigkeit mit diastolischem Stillstand. Auf toxikologische Einzel- heiten will ich mich jedoch nicht einlassen). Da derartige Dosen von den Tieren sehr ungleichmässig vertragen wurden, so dass bei einzelnen Fröschen der Exitus nach Giftmengen eintrat, die nur ein Zehntel von denen betrugen, die andere gut vertragen hatten, ging ich bald zu schwächerer Lösung über (0,05 °/o), von der ich 0,1 bis 0,5 eem täglich verabreichte. Der Erfolg bezüglich Zerstörung der roten Blutkörperchen und Färbung des Kernes war ein gänzlich negativer; es mochten nun grosse oder kleine Mengen eingespritzt worden sein. Bei Einverleibung des Giftes direkt ins Blut (Herz oder V. magna abd.) trat zwar Hämolyse, aber stets auch sofortiger Tod ein. Um nun noch auf dieselbe Weise wie bei den anderen Giften zu untersuchen, ob durch länger dauernde Saponinvereiftung nicht doch eine quantitativ erhöhte Zerstörung der Erythroeyten zu finden sei, wurden Frösche ohne Farbenzufuhr mit Saponin langsam über Tage hin vergiftet (Dosis jeden Tag 0,1 der 0,5 '/oigen Lösung, ein anderes Mal 1 ccm dieser Lösung, ferner eine Reihe von Fröschen 0,1—0,5 einer 0,05 /oigen Lösung über 6—12 Tage). Die Tiere wurden dann entblutet und das Blut in Methylenblau auf- gefangen, zugleich ein Giemsa-Präparat angefertigt. Ich fand dann zu meinem grossen Erstaunen, dass sich im hängenden Tropfen doch eine sehr beträchtliche Anzahl Kerne, die zu einer Zelle mit schmalem Protoplasmasaum gehörten, gefärbt hatten. Beim ersten Hinsehen glaubte ich mit Rücksicht auf die grosse Zahl der Kerne es mit . zerstörten Eırythrocyten zu tun zu haben. Doch brachte das Giemsa- Präparat bald Klarheit. Es handelte sich um Jugendformen der roten bzw. weissen Blutkörperchen, die ja einen grossen Kern und wenig Protoplasma haben ?), in den ersten Stadien auch frei von Hämoglobin sind und sich nach Freidsohn?) in nichts von der 1) Vel. Wacker, Über die Wirkung der Saponinsubstanzen. Biochem. Zeitschr. Bd. 12 S.8. 1908. — Wacker, Ergebnisse der Physiol 1909 S. 511. 2) Knoll, Über die Blutkörperchen bei wechselwarmen Wirbeltieren. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch., mathem.-naturw. Klasse Abt. 3 Bd. 105. Wien 1896. 3) Freidsohn, Zur Morphologie des Amphibienblutes. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 75 S. 436. 1910. 414 Franz Rost: Bildungszelle der Leukocyten unterscheiden !). Diese färben sich im hängenden Tropfen entsprechend ihrem sehr schmalen Protoplasma- saum beträchtlich schneller als die roten Blutkörperchen; sie sind aber auch ausserhalb des Tierkörpers mehr zu Zerfall geneigt als die erwachsenen Erythrocyten, die bekanntlich die resistentesten Zellen im Amphibienblut sind; das beschleunigt noch das Färben des Kernes. Ich erinnere daran, dass, wie wir gesehen haben, diese Jugendformen innerhalb der Blutbahn sehr widerstandsfähig gegen Färbung sind. Aus diesen Befunden folgt, dass man durch Saponin beim Frosch eine Leukocytose (Leukämie?) hervorrufen kann. In einem Referat vom Kongress für innere Medizin, Wiesbaden 1910, las ich, nachdem ich diese Befunde am Frosch erhoben hatte, dass Möckel und Frank dort über Leukämie bei Kaninchen, hervor- gerufen durch Saponin, berichtet hatten. Die ausführliche Arbeit der Autoren über dieses Thema steht zurzeit leider noch aus. Da für mich die Sache bei meiner gegenwärtigen Arbeit nur das Interesse eines Nebenbefundes hatte, verfolgte ich sie auch nicht weiter, sondern beschränkte mich darauf, nachzusehen, ob diese Leukocytose auch trotz Milzexstirpation eintrat. Das war in der Tat der Fall. Die Frösche vertrugen die Exstirpation, die unter Curare und Äther oder Äther allein ausgeführt wurde, sehr gut. Mit der Saponineinspritzung wartete ich in einem Falle 3 Tage, in zwei anderen 21 Tage. Darauf bei Frosch 1: 4 Tage lang 0,05 °/oige Saponinlösung 1 cem in den dorsalen Lymphsack. Am 8. Tage nach der Operation ge- tötet. Massenhafte Jugendstadien. Der Kontrollfrosch — nur Milz- exstirpation, zeigt sehr wenig Leukocyten, keine Jugendstadien. Die beiden anderen Frösche erhielten vom 22. bis 26. Tage — also viermal — 1 eem derselben Saponinlösung und zeigten dasselbe Blutbild wie Frosch 1. Das Blut des Kontrollfrosches war durch 1) Zur Morphologie des Froschblutes. Vgl. ferner Fuchs, Beitrag zur Kenntnis des Froschblutes und der Froschlymphe. Virchow’s Arch. Bd. 71 S. 78. 1877. — Gaule, Beobachtungen der farblosen Elemente des Froschblutes. Arch. f. Physiol. 1880 S. 375. — Neumann, Hämatologische Studier. Virchow’s Arch. f. Pathol. Bd. 143 S. 225. 1896. — Gaupp,: Anatomie des Frosches. II. S. 240. 1896. Hier weitere Literatur. — Pentimalli, Über die Zahlen- verhältnisse der weissen Blutkörperchen bei Amphibien :in verschiedenen Zu- ständen. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 26 S. 206. 1909. — Zur feineren Struktur Meves, l. «., Auerbach, l. c., :Lavdowsky, I. c., Weidenreich, |. c. . Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 415 Nemathelminten infiziert, zeigte aber trotzdem keine vermehrten Jugendformen oder Leukoeyten. Spritzt man Saponin zusammen mit Farbe in die Oberschenkel- muskulatur des Frosches, bekommt man ausgedehnte Färbung der Muskel- und Faszienkerne, viel mehr als bei Farbe allein. Das hängt damit zusammen, dass Saponin bei direkter Applikation ein starkes Protoplasmaeift ist?). Versuche, die ich mit Ammoniakeinspritzung anstellte, um Kern- färbung der roten Blutkörperchen zu erzielen, führten gleichfalls zu keinem Ergebnis. Das Gift wird von den Tieren schlecht vertragen. Auch im hängenden Tropfen zeigte sich keine erhöhte Färbbarkeit nach Farbzusatz. Da Leeithinzusatz die hämolytische Wirkung des Ammoniaks verstärkt?), wurde zugleich mit der Salmiaklösung eine Leeithinemulsion den Fröschen eingespritzt. Auch dann trat keine Zerstörung der roten Blutkörperchen im Kreislauf ein. Ich gehe deshalb auf diese Versuche nicht näher ein. Sehr viel bessere Erfolge erzielte ich mit Toluilendiamin. Dieses Gift hat ein grosses theoretisches Interesse, insofern es seinerzeit die experimentelle Grundlage für Versuche über Ikterus abgegeben hat?). Die blutlösende Eigenschaft des Toluilendiamin, über die früher die Ansichten sehr geteilt waren, ist jetzt nach den Untersuchungen von Afanassiew*) sichergestellt. Sie tritt deutlich nur bei chronischer Vergiftung oder sehr grossen Giftdosen ein und wurde deshalb wohl auch von Stadelmann bei seinen ersten Arbeiten nicht erkannt’). (l. ec.) 1) Kobert, Lehrbuch der Intoxikationen S. 466. 1893. 2) Jvar Bang, Biochemie der Zellipoide. II. Ergebn. d. Physiol. 1909 S. 486. 3) Stadelmann, Das Toluilendiamin und seine Wirkung auf den Tier- körper. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 14 S. 331 u. 422. 1881. — Stadelmann, Weitere Beiträge zur Lehre vom Ikterus. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 16 S. 118. 1883. — Stadelmann, Die chronische Vergiftung mit Toluilendiamin. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 23 S. 427. 1887. 4) Afanassiew, Über Ikterus und Hämoglobinurie, hervorgerufen durch Toluilendiamin und andere Blutkörperchen zerstörende Agentien. Zeitschr. f. klin. Medizin Bd. 6 S. 281. 1883. 5) Umberto Gablii, Über normale Hämatolyse mit besonderer Berück- sichtigung der Hämatolyse in der Milz. Ziegler’s Beitr. z. path. Anat. Bd. 14 8.351. 1893. — Kunkel, Handb. d. Toxikol. 1899 S. 618 (Literatur). 416 Franz Rost: Ich löste 1 g Toluilendiamin unter Erwärmen in 100 g Wasser und neutralisierte die Lösung mit Essigsäure. Von dieser leicht gelblichen, bald nachdunkelnden Flüssigkeit bekamen die Tiere pro dosi 1 ccm in den dorsalen Lymphsack gespritzt, was ausnahmslos gut vertragen wurde. Spritzte ich nun die Farbe (Thionin, Neutralrot- Methylenblau oder dergl.) zugleich mit dem Gift ein, bekam ich keine vermehrte Kernfärbung im Blut, nur vermehrte Granula in den Erythroeyten, ein Zeichen, dass die roten Blutkörperchen doch irgendwie geschädigt waren. Verdoppelung der Giftdosis bei gleich- zeitiger Farbzufuhr änderte an dem negativen Resultate auch nichts. Erst wenn ich 4—5 Tage lang täglich 1 cem Toluilendiamin ein- gespritzt hatte und dann am letzten Tage !/„—1 ccm Farbe, bekam ich einen vollen Erfolg. So gut wie jedes rote Blutkörperchen zeigte den Kern gefärbt; dabei traten massenhaft Granula auf, die Form der roten Blutzellen war verändert. Es muss also das Gift, bevor es zu Zerstörung der Erythrocyten kommt, eine längere Zeit gewirkt haben, muss aber dem Frosch auch in sehr grossen Mengen ein- verleibt werden. Wenigstens erhielt ich keine erhöhte Kernfärbung, wenn ich 1 cem Toluilendiamin einspritzte, danach 3 Tage wartete und dann erst Farbe gab. Es ist danach die Hämatolyse nicht allein von der Dauer der Giftwirkung abhängig, sondern auch von der Menge des eingeführten Giftes. Bei soleher chronischen Vergiftung mit Toluilendiamin zeigten sich auch stets Veränderungen in der Niere, so dass in vereinzelten gewundenen Harnkanälchen Kernfärbung des Epithels gefunden wurde. Dabei waren die Nierenkanälchen strotzend mit Blut gefüllt. In anderen Organen konnte ich eine Kernfärbung nicht nachweisen. Diese Färbung der Nierenkerne war mir ein Beweis dafür, dass die Methode der Kernfärbung innerhalb des lebenden Tieres zur Er- kennung geschädigter Zellen in Organen gleichfalls angewendet werden könnte, und dass sie nicht auf die Färbung kernhaltiger roter Blutkörperchen beschränkt sei. Damit war der Methode ein beträchtlich weiteres Feld eröffnet, Um sie aber nach dieser Richtung nutzbringend auszubauen, sind noch eine grosse Reihe von Versuchen, besonders am Warmblüter, nötig, die ich vorläufig nicht ausführen konnte, ohne das zu behandelnde Thema allzusehr auszudehnen. Die Versuche, die ich am Frosch zur Erreichung von Gewebekern- färbung anstellte, will ich hier kurz anführen, obgleich sie wenig positive Resultate ergaben. Beim Kaltblüter verlaufen eben De- Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 417 generationen der Gewebe sehr langsam, und auf diese Degeneration ist man ja hauptsächlich angewiesen. Versuche, mit Urannitrat Nephritis und damit Kernfärbung in der Niere zu erzeugen, schlugen sämtlich fehl. Die Tiere vertrugen das Gift sehr gut (bis 12 ecm in refr. dos. einer 1°/oigen Lösung), und schieden kein Eiweiss im Harn aus. Es wurden verschiedene Farben versucht (Neutralrot 10—15 cem, Bismarckbraun, Pyronin, Thionin, Neutralrot-Methylen- blau). Ich fror dann mit Chloräthyl bei Fröschen die hintere Extremität ein, und zwar tat ich das bei einzelnen nur einmal, bei anderen wiederholt. Wurde dann einige Tage (3—8) mit Farbstoff- einspritzung gewartet (Neutralrot, Toluidinblau, Nilblausulfat; andere Farben waren unbrauchbar) bekam ich Färbung von Fascie, Epithel und intermuskulären Bindegewebskernen; auch die ausgetretenen roten Blutkörperchen zeigten Kernfärbung. Ganz selten (Neutral- rot) war einmal ein Muskelkern gefärbt. Häufiger waren diese dann gefärbt, wenn durch einen Schnitt in die Muskulatur traumatische Nekrose hervorgerufen wurde). Selbstverständlich wurde die Farb- stoffeinspritzung fern vom Ort des Traumas vorgenommen. Wie schon gesagt, löst das Toluilendiamin die roten Blut- körperchen. Da die Herztätigkeit nicht nennenswert beeinflusst zu sein scheint, werden die Kapillaren embolisch verstopft. Sind nun durch Farbstoffeinspritzung die roten Blutkörperchen gefärbt worden — ausser den Kernen nimmt auch der Plasmabrei die Farbe an —, so bekommt man eine physiologische Injektion der Gefässe, wie man sie sich nieht schöner denken kann. Man sieht beispielsweise die Gefässe der Schwimmhäute angefüllt mit einer gleichmässig prächtig blau gefärbten Masse, bei der sich nur die Kerne durch etwas dunklere Tingierung abheben. Dabei brauchte man kein Gefäss zu eröffnen, keinen unnatürlichen Druck anzuwenden, und als Vehikel der Farbe diente arteignes Eiweiss. Dieser Befund brachte mich auf die Idee, das Blutgefässsystem von Kaulquappen, bei denen ja Injektionen grosse technische Schwierigkeiten machen, auf diese Art zur Dar- stellung zu bringen — wie ich schon hier bemerken möchte, mit Erfolg. 1) Uschinsky, Über die Wirkung der Kälte auf verschiedene Gewebe. Ziegler’s Beitr. z. path. Anat. Bd. 12 S. 115. 1893. 2) Pielstieker, Über traumatische Nekrose und Regeneration quer- gestreifter Muskeln beim Menschen. Virchow’s Arch. Bd. 198 S. 374, 1910. 418 Franz Rost: Bezüglich der technischen Einzelheiten verweise ich auf eine Arbeit, die an anderer Stelle erscheinen soll. !) | Ein Gift, das gleichfalls die roten ‚Blutkörperchen zu zerstören mstande ist, ist der Arsenwasserstoff. Da seine Anwendungsweise — Einverleibung durch die Luftwege — ihn ganz wesentlich. von den bisher besprochenen Giften unterscheidet, erschienen Versuche ınit ihm notwendig?). Bei der Erzeugung des Gases hielt ich mich an die Vorschriften von Stadelmann?). Ich kochte ca. 1—1!/e & arsenige Säure mit 30 cem Wasser unter Hinzufügung von etwas Kalilauge so lange, bis sich das schwer lösliche Pulver völlig gelöst hatte. Mit Hilfe von Erlenmeyer-Kölbchen hatte ich mir einen (Zink-Salzsäure) Wasserstoffentwicklungsapparat hergestellt. Ich goss auf das Zink die Lösung von arseniger Säure, fügte dann Salzsäure 10 %o hinzu und bekam so einen kräftigen Strom Arsenwasserstoff, den ich zu- nächst in einem mit gewöhnlichem Wasser gefüllten Erlenmeyer- Kolben wusch und dann in ein mit Glas möglichst abgeschlossenes Gefäss leitete, in dem sich die Frösche befanden. Ich liess die Tiere das Gas ungefähr 10 Minuten lang einatmen; doch ging ich dabei nicht schematisch vor, sondern kürzte oder verlängerte die Ein- atmungszeit je nach dem Befinden der Frösche. Die toxikologischen Erscheinungen der Arsenwasserstoffvergiftung kann ich hier nicht besprechen. Ich verweise auf die Arbeit von Stadelmann*) und führe nur als für meine Versuche wichtig an, dass es zu Auflösung der roten Blutkörperchen führt, die einige Stunden nach der Ver- giftung einsetzt und meist durch Verstopfung der Nierenkanälchen zum Exitus führt. Die Schnelligkeit, mit der die Auflösung des Blutes erfolgt, ist keineswegs bei allen Blutsorten die gleiche. Bei Kaulquappen von gewöhnlichen Kröten dauert sie beträchtlich länger und ist viel unvollkommener als bei solehen von Rana temp. Bei 1) Erscheint im Arch. f. mikrosk. Anat. 2) Unangenehme Erfahrungen am eigenen Körper lassen es mir angebracht erscheinen, zu grosser Vorsicht bei Versuchen mit Arsenwasserstoff zu mahnen. Bei fehlendem Abzug ist Arbeiten im Freien notwendig. 3) Stadelmann, Die Arsenwasserstoffvergiftung. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 16 S. 221. 1883. | 4) Stadelmann, |. « Ferner Kobert, Lehrbuch der Intoxikationen S. 471. 1893. — Kunkel, Handbuch der Toxikologie 1899 S. 252 (Literatur). — Joachim, Über Blutveränderungen bei Vergiftung mit Arsenwasserstoff. Arch. f. klin. Med. Bd. 100 S. 52. 1910. | Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 419 Menschen soll sie nach S—12 Stunden erfolgen. Bei ausgewachsenen Fröschen erfolgt die Auflösung ziemlich schnell. Die besten Resul- tate von Kernfärbung der roten Blutkörperchen erhielt ich bei meinen Versuchstieren dann, wenn ich kurz vor der Vergiftung oder noch besser /„—1 Stunde danach '/„—1 cem Neutralrot-Methylen- blau oder 0,1—0,5 Thionin in den dorsalen Lymphsack spritzte. Das Bild, das dann im hängenden Tropfen oder an der ausge- spannten Schwimmhaut zu sehen war, erinnerte sehr an das bei Toluilendiaminvergiftung. Wie bei dieser Vergiftung gelang mir die Übertragung der Resultate auf Kaulquappen ebenfalls ausgezeichnet. Zum Schluss seien noch einige Versuche mit Einspritzung von Asfa-Leeithin angeführt. Es ist bekannt, dass die Handelspräparate ‘von Leeithin hämolytisch wirken !), wenn auch wahrscheinlich diese Wirkung lediglich auf die Verunreinigungen zurückzuführen ist. Ich spritzte den Fröschen wiederholt von einer 1°/oigen wässerigen Aofa-Leeithin-Emulsion 1 ccm in den dorsalen Lymphsack zugleich mit Farbe und erhielt in der Tat nach 24 Stunden eine grössere Zahl Kerne gefärbt als in der Norm. Dabei waren stets massen- haft zum Teil sehr grosse Granula in dem Plasma der roten Blut- körperchen zu sehen, die auch im Giemsa-Präparat als ungefärbte ‚Stellen bestehen blieben. Das alles weist mit Sicherheit darauf hin, ‘dass durch diese Leeithineinspritzungen die roten Blutkörperchen in der Tat geschädigt werden: zu einer ausgesprochenen Hämolyse "kommt es jedoch nicht, und es ist vorläufig nicht mit Sicherheit zu ‚sagen, welchem Bestandteil des Handelspräparates die Schuld an der Schädigung der Erythrocyten zuzuschreiben ist. (Versuchszahl 8.) Fasse ich zum Schluss die Resultate der Arbeit zusammen, so habe ich, nach einem kurzen Überblick über die bisherigen Versuche, „lebendes“* und „totes* Gewebe durch Färbung zu unter- scheiden, erörtert, warum die Gegenüberstellung von „lebend“ und „tot“, wie sie in den Arbeiten über Färbung intra vitam üblich, “eine unrichtige ist, die besser durch die Begriffe „geschädiet“ und „ungeschädigt“ ersetzt wird. Ich habe dann ausgeführt, dass zur- zeit das sicherste Kriterium dafür, ob eine Zelle geschädist ist, die . Kernfärbung bildet, die versucht werden sollte innerhalb des lebenden Tieres zu erreichen. Vorher waren aber orientierende ' 1) Jvar. Bang, Biochemie der Zellipoide II. Ergebn. d.. Physio!. 1909 S. 481. | Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 28 420 Franz Rost: Versuche darüber nötig, ob beim Frosch eine Kernfärbung bei voll lebender Zelle vorkommt. Das konnte verneint werden. Es wurde dabei nachdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Farbstoffe bei Färbung intra vitam als Gifte wirkten, und dass sie deshalb oft eine Zelle gleichzeitig schädigen und ihren Kern färben können. Es wurden dann ausserhalb des Tierkörpers die Bedingungen geprüft, unter denen Kernfärbung an unfixierten Zellen eintritt, und gefunden, dass die einzelnen Farben den Kern verschieden schnell färbten, dass es bei allen Farben aber eleichsültig für die Kernfärbung ist, ob Sauerstoff Zutritt hat oder absorbiert wird. Die Unterschiede in der Eindringungsgeschwindigkeit zeigten besonders Farbgemische. Es wurde festgestellt, dass der Grund für die verschiedene Ein- dringungsgeschwindigkeit der Farben bis zum Kern nicht in der verschiedenen Giftigkeit der Farben, sondern in ihrer verschieden guten Lipoidlöslichkeit zu suchen sei. Wurden die Blutkörperchen durch Kälte oder chemisch durch Saponin, Ammoniak usw. ge- schädigt, so verwischten sich die Unterschiede in der Eindringungs- geschwindigkeit mit dem Grade der Schädigung. Es eignete sich die Methode zur Beobachtung über Hämolyse, und zwar über die zeitlichen Verhältnisse vom Absterben der Zelle und Austritt des Blutfarbstoffes. Es wurde ferner quantitativ bestimmt, wieviel von den einzelnen Farben zur Erreichung von Kernfärbung bei völliger Hämolyse nötig sei, und wie schnell die Farben mit der Kernsubstanz in feste Bindung treten. Bei Versuchen am Tier zeigte sich, dass die Brauchbarkeit einer Farbe wesentlich von ihrem Verteilungsmodus abhängig sei. Dieser bedingt auch die verschiedene „Giftigkeit“ einer Farbe. Bei Einspritzung von Hydroxylamin und Farbe färbten sich massenhaft Kerne der roten Blutkörperchen innerhalb des lebenden Tieres. Die Erythrocyten nahmen dabei auch ausserhalb des Tier- körpers die Farbe leichter und schneller auf, beides aber nur dann, wenn sich spektroskopisch Hämatin nachweisen liess. Die Kern- färbung trat im Tierkörper nur bei einzelnen Farben ein. Für eine Reihe von Farben war ein stichhaltiger Grund dafür, dass sie nicht färbten, nicht zu finden. Selten waren bei länger dauernder Hydroxylaminvergiftung Kerne in der Niere färbbar. Leuchtgasvergiftung führt nicht zu erhöhter Kernfärbung” der roten Blutkörperchen, aber zu starker Körnelung der Zellen; auch fanden sich auffallend viel Jugendformen von Blutzellen. Kali- Wesen gagsuym "uuog' ode ungepuoA Sekıon Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und innerh. des lebenden Tieres. 421 ehloricum und Pyrogallol bewirkten keine erhöhte Kernfärbung der roten Blutkörperchen, ebensowenig Saponin. Doch bewirkte letzteres Gift eine starke Leukoeytose — Leukämie? —, die im hängenden Tropfen Hämolyse vortäuschte. Diese Leukocytose trat auch bei Milzexstirpation und Saponinzufuhr ein. Ammoniak oder Ammoniak und Leeithin führten zu keinem Ergebnis. Hingegen konnte ich mit Toluilendiamin und Farbe eine massenhafte Kernfärbung er- reichen, wenn die Vergiftung einige Tage gedauert hatte. Dabei war auch Färbung der Parenchymkerne in der Niere vorhanden ; zugleich kam es zu Thrombose, die zu Injektionsversuchen ver- wendet wurde. Durch ein- oder mehrmaliges Einfrieren des Beines schädigt man Epithel, Faseie und Bindegewebe so, dass sie durch Farbeinspritzung an anderem Ort ihre Kerne färben lassen. Arsenwasserstoffvergiftung führte zu denselben Resultaten wie Toluylendiamin. Lecithineinspritzung bewirkt auch aber in beträchtlich geringerem Maasse Zerfall der roten Blutkörperchen, deren Kerne sich dann färbten. Erklärung der Figuren auf Tafel IV. b Beispiel der Wirkung kleiner Farbmengen (1 ccm Neutralrot-Methylenblau, 24 Stunden nach Farbeinspritzung wird das Tier getötet). ce Beispiel von Kombination von Farbe (1 cem Neutralrot-Methylenblau und Gift. (1 ccm Saponinlösung, Merk 0,05°/0; nach 24 Stundeu wird das Tier getötet). a Beispiel von grossen Farbmengen (4 ccm Neutralrot-Methylenblau) nach 24 Stunden wird das Tier getötet. im Färbung nach Giemsa. Vergr. 145%. Zeiss: Obj. Yız hom imm. Ocul. 4. Tubust. 19. Abb&’s Prisma. Die Bilder sind von Herrn Präparator A. Vierling hier in schönster Weise hergestellt worden, wofür ich ihm bestens danke. 28 * 422 Victor Urbantschitsch: Über den Einfiuss von Schallempfindungen auf die Sprache. Von Wietor Urbantschitsch. (Mit 2 Textfiguren.) Bekanntlich finden sich motorische Reflexe infolge Erregung des Hörsinns häufig vor. Der aus den Kernen austretende Hörnerv steht mit den motorischen Nerven in Verbindung, woraus sich u. a. das Zusammenfahren bei Geräuschen erklärt!). Zuweilen ist eine solche Reflexeinwirkung auf eine bestimmte Muskelgruppe beschränkt. So fand bei mir während des Anhörens eines Orchesterstückes im Augen- blicke eines starken Paukenschlages ein plötzliches Emporschnellen des rechten Armes statt, ohne dass ich sonst über die unvermutete Schalleinwirkung im geringsten erschreckt gewesen wäre. Bei schwachen akustischen Erregungen, wie beim Lauschen, erfolgen häufig unwillkürliche Bewegungen der Ohrmuschel, auf die zuerst Young?) und Burdach?) hingewiesen haben. Högyes?’) gibt an, dass das Kaninchenohr bei Geräuschen gleichmässig mit dem Rhythmus des Geräusches zucke, welche Reflexbewegung bei Zer- störung der Crura cerebelli ad pontem, dagegen nicht bei einer solchen der Hemisphäre, der grossen Ganglien, Corpora quadrigemina und selbst des grössten Teiles des Cerebellum. Sogar bei Taubheit 1) Ss. M. Benedikt, Nerven und Elektroden Bd. 2 S. 449, 450. 2) Siehe Henle’s Jahresber. 1857 S. 578; siehe ferner Wolff in Lincke’s. Öhrenheilk. Bd. 3 S. 33, und Schwartze, Ohrenheilk. S. 80. Nach Diday (Gaz. med. de Paris 1833 p. 161, siehe Zeitschr. f. d. ges. Med. Bd. 9 S. 92) und Stromeyer (zit. in Lincke’s Ohrenheilk. Bd. 3 S. 32) wird durch den Einfluss einer akustischen Erregung auf den Muskelapparat des Hörorgans eine gesteigerte Tätigkeit des Hörnerven begünstigt. 3) Ungar. Akad. d. Wissensch. 1885, ref. in den Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. 20 S. 170. Über den Einfluss von Schallempfindungen auf die Sprache. 493 finden nach Högyes noch Reflexbewegungen bei Schalleitung statt, ein Zeichen, dass die Nervenbahnen der Tonempfindung von denen der ‚akustischen Reflexe im zentralen Nervensystem gesondert und beide Funktionen voneinander unabhängig seien. CGorradi!) be- obachtete an Meerschweinchen nach Zerstörung der Schnecke an der operierten Seite eine Herabsetzung oder einen vollständigen Ausfall der ÖOhrmuschelbewegungen bei Schalleinwirkungen. Aus den ex- perimentellen Untersuchungen von Marx?) ergibt sich, dass die ÖOhrmuschelreflexe auch bei stärkerer Schädigung des schalleitenden Apparates verschwinden können und dazu keinesfalls eine Zerstörung der Schnecke nötig ist. Es zeigt sich ferner, dass der Reflex an der intakten Seite durch die Operation von der anderen Seite be- einflusst werden kann. — Wenn man eine Schallquelle allmählich dem Hörbereiche nähert, so erfolgt, wie ich?) beobachtete, häufig eine Zuckung der Ohrmuschel und des Ohreinganges in dem Augen- blicke, wo die Schallquelle an die Hörgrenze herangerückt ist. Diese Zuckung gibt sich zuweilen vor der wahrgenommenen Gehörsempfindung zu erkennen. Nach Aggaroti*) findet bei jeder Gehörperzeption eine Reflexbewegung der Ohrmuschel statt. Starke Schalleinflüsse vermögen einen Reflexkrampf des Trommelfellspanners auszulösen >). Eingehende Beobachtungen über die durch akustische Einwirkungen erresten Kontraktionen des Trommelfellspanners verdanken wir Hensen‘), Bockendahl’), Pollak°®), Köhler’) und Hammer- schlag!°), welch letzterer Autor die Bahn des Tensorreflexes be- stimmt hat. Bei unerwartetem Schallreize erfolst ein reflektorischer Lidschluss, der bei Labyrinthtaubheit und bei zentraler Acusticus- affektion fehlt !!). Bei peripherer Faeialisparalyse ist er abgeschwächt, bei zentraler dagegen erhalten !'). Nystagmusartige Augenbewegungen 1) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 32 8.1. 2) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 59 S.1. 3) Lehrb. d. Ohrenheilk. 1890 S. 420. 4) Referat in dem Intern. Zentralbl. f. Ohrenheilk. 1904 S. 258. 5) Brunner, Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. 7 S. 45. 6) Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1875 S. 312. — Hermann, Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 64 u. 65. 7) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 16 S. 253. 8) Wiener med. Jahrb. 1886. 9) Akust. Untersuchungen. Inaug.-Diss. Berlin 1909. 10) Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1898 S. 133. — Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 46 S.1, Bd. 47 S. 251. — Sitzungsber. d. k.k. Akad. d. Wissensch. Bd. 108. Wien 1899. 11) Bechterew, referiert in der Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 52 S. 367. 424 Victor Urbantschitsch: fand ich!) durch akustische Einwirkungen ausgelöst zu wiederholten Malen vor, zuweilen durch bestimmte Schalleinflüsse oder durch einen bestimmten Ton. In einem Falle Bürkner’s?) rief ein an- sestrengtes Hören Nystagmus hervor. Bäräny?°) fand in einem Falle bei leichtem Ansetzen einer tönenden Stimmgabel auf den linken Warzenfortsatz eine schwache rotatorische Augenbewegung nach rechts, bei starkem Ansatze, undulierenden Nystagmus. Gehöreindrücke vermögen ferner Störungen des Gleichgewichtes auszulösen*). Roosa und Ely*) beobachteten Fälle von Gleich- gewichtsstörungen beim Singen hoher Töne, Jacobson?) durch c*, Bechterew‘) durch Schlittengeschelle und Wagenrollen, wobei die Störung des Gleichgewichtes entgegengesetzt der Schallrichtung er- folgte. Gradenigo’) erwähnt einen Fall von heftigen Gleich- gewichtsstörungen infolge des intensiven Klanges einer Metallplatte, Siebenmann°) merkwürdigerweise beim Sprechen ins taube Ohr. Wie meine”) Untersuchungen ergaben, kann sich der Einfluss hoher und tiefer Töne auf die Störungen des Gleichgewichtes mannigfach verschieden erweisen. Einen Fall von Zuekungen des Muse. eueullaris im Augenblicke der Einwirkung eines tiefen Stimmgabeltones be- obachtete Baumgarten!®).. Liehtwitz'!) fand in einigen Fällen von Hysterie das Auftreten von Konvulsionen infolge eines starken Lärms, zuweilen bei Einwirkung eines bestimmten Tones. Högyes!?) erwähnt, dass Hystero-Epileptische durch anhaltende Töne, besonders durch höhere Töne von Reflexkrämpfen, befallen werden können; bei 1) Lehrb. d. Ohrenheilk. 1901 S. 106. 2) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 17 S. 185. 3) Österr. otolog. Gesellsch. Febr. 1908. 4) Lincke, Öhrenheilk. Bd. 1 S. 568. — Lussana, referiert in Canstatt’s Jahresber. Bd. 3 S. 28. 1859. — Schmidekam, Experim. Studien S.9. Kiel 1868. — Roosa und Ely, Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 9 S. 338. — Gelle, De l’oreille t. 2 p. 146. 1888. 5) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 21 S. 294. 6) Arch. f. Physiol. Bd. 30 8. 348. 7) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 31 S. 284. 8) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 54 8. 9. 9) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 31 S. 249. 10) Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. 25 S. 245. 11) Anaesth. hyst. 1837 p. 45, 47. 12) Ungar. Akad. d. Wissensch. 1885, referiert in der Monatsschr. f. Ohren- heilkunde Bd. 20 S. 170. Über den Einfluss von Schallempfindungen auf die Sprache. 425 rhythmischen Tönen können rhythmische Bewegungen der Extremi- täten eintreten, bei einseitiger Tonzuleitung zuweilen nur an der betreffenden Seite. Meinen!) Untersuchungen zufolge vermögen Schallempfindungen auffällige Veränderungen der Schrift hervorzu- rufen, die sich verschieden verhalten, je nachdem während des Schreibens tiefe oder hohe Töne auf das Ohr einwirken. | Ich trachtete zu erfahren, ob auch das Sprechen durch Schall- empfindungen reflektorisch beeinflusst werden könne. Betreffs einer akustischen Reflexeinwirkung auf den Atmungsapparat liegen bereits Beobachtungen vor. Wie Kussmaul?’) anführt, gelang es Danilewsky, an narkotisierten Katzen und Hunden eine Ver- langsamung der Atmung mit anfanes tiefer Inspiration hervorzurufen, wenn er die graue Substanz des suprasylvischen Gyrus (Owen) ent- sprechend der Lage des Hitzing’schen Centrum nervi facialis oder den hinteren Teil des Corpus striatum mit schwachen elektrischen Strömen reizte. Derselbe Effekt wurde durch Schreien ins Ohr hervorgerufen. Nach der Abtragung der Gehirnlappen verschwand dieser Reflex vom Hörnerven. Wie Kussmaul hervorhebt, ent- spricht dieser Atmungsmodus zugleich dem, dessen die Sprache be- darf, während die elektrische Reizung tieferer Gehirnteile die Atmung beschleunigt, was sich mit dem Sprechen nicht verträgt. Vom Hör- nerven ausgelöste Atmungskrämpfe beobachteten Erb und Stein- brügge. In dem Falle Erb’s°?) wurden durch Geräusche sowie durch Töne, durch tiefe weniger als durch hohe, heftige Respirations- krämpfe ausgelöst. Steinbrügge‘*) berichtet von einem 45 jährigen Manne, der durch einen vor 15 Jahren erlittenen Schreck bei In- strumentalmusik, z. B. infolge der Töne einer Kindertrompete, von einem Kältegefühl ergriffen wurde, das von der Kniegegend bis zum Abdomen reichte; es erfolgte hierauf tiefes Atmen, dann beschleunigte, kürzere Respiration, Apnoe, unregelmässiges Atmen, Gähnen und tiefe, mühsame Inspirationen. Nach einiger Zeit wiederholten sich derartige Anfälle in einer abgeschwächten Stärke, bis nach 5 bis 10 Minuten der Ablauf dieser Erscheinungen erfolgte. Geräusche, Knalleffekte und Strassenlärm riefen keinen Anfall hervor; Stimm- 1) Pflüger’s Arch. d. ges. Physiol. Bd. 74 S. 43. 1899. 2) Störungen der Sprache. Handb. d. Krankh. d. Nervensystems von Erb 1874 S. 56. 3) Heidelberger med. Verein. 1888. 4) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 19 S. 328. 426 Victor Urbantschitsch: gabeltöne lösten die geschilderten Anfälle aus, dagegen nicht das Schnarren eines Induktionsstromes. Bei meinen Versuchen über den Einfluss der Schallempfindungen auf das Sprechen wurden dem rechten und linken Ohr der Versuchs- person, während sie vorlas, Töne der Harmonika oder der Stimm- gabeln zugeleitet, ferner das schnarrende Geräusch des Bäräny- schen Lärmapparates, der in den Gehörgang des einen und dann wieder des anderen Öhres eingeführt war. Die Versuchsperson wurde angewiesen, die jedesmalige Schallzuleitung möglichst unbeachtet zu lassen und in immer gleicher Weise laut weiterzulesen. Zur Hintan- haltung von Suggestionseinwirkung vermied ich es, der Versuchs- person vorher mitzuteilen, um was es sich bei solchen Versuchen handle. Als ich diese an meinen Hilfsärzten vorgenommen hatte, war ich überrascht, bei zweien unter ihnen (Nr. 1, 2) eine auffällige akustische Beeinflussbarkeit der Sprache anzutreffen; aus weiteren Versuchen ersah ich, dass sich eine solche keineswegs selten vor- findet und vermochte bald unter einer Anzahl darauf geprüfter Per- sonen die nachfolgenden zehn Fälle zusammenzustellen: Von diesen war in den Fällen 1—9 niemand eine Beeinflussbarkeit des Sprechens durch Schalleindrücke vorher aufgefallen; nur Fall 10 hatte die Sprachstörung bei Einwirkung von Geräuschen spontan beobachtet und war so freundlich, mir die Beobachtung schriftlich mitzuteilen, worauf erst die nähere Untersuchung dieses Falles stattfand. 1. Dr. Fröschels. Bei Zuführung eines sehr tiefen Harmonika- oder Stimmgabeltones zum rechten oder linken Ohr entsteht ein allmählich zunehmen- des Druckgefühl in der Sternalgegend mit ansteigend erschwertem Sprechen; dabei findet ein auffällig verlangsamtes Sprechen statt. Bei länger andauerndem Versuche tritt eine bedeutende Blässe des Gesichts mit einem Schwächegefühl auf. Nach Entfall der Toneinwirkung bleibt eine Nachempfindung des Oppressions- gefühls der Brust von ungefähr einstündiger Dauer zurück. 2. Dr. Gatscher. Das Lautlesen wird durch hohe oder mittelhohe Stimm- gabeltöone weder vom rechten noch vom linken Ohr aus beeinflusst. Tiefe Stimmgabeltöne dem rechten Ohr zugeführt verhalten sich ebenfalls neutral, wo- gegen bei ihrer Einwirkung auf das linke Ohr das Gefühl einer Kompression der linken Kehlkopf- und Halsseite auftritt, und zwar in der Weise, dass im Momente, wo das linkerÖhr dem tiefen Ton ausgesetzt ist, eine plötzliche Unter- brechung im Lautlesen und die Unmöglichkeit weiter zu lesen erfolgt. 3. Fräulein Windhager. Ein sehr tiefer Stimmgabelton ruft bei seiner Einwirkung auf das guthörende rechte Ohr ein Druckgefühl an der rechten Kehl- kopfhälfte hervor, wodurch das laute Lesen gestört wird. Vom linken schwächer- hörenden Öhre aus tritt dieselbe Erscheinung an der linken Kehlkopfseite auf. Über den Einfluss von Schallempfindungen auf die Sprache. 497 Bei Zuleitung des Tones gleichzeitig zu beiden Ohren erstreckt sich das Druck- gefühl auf den ganzen Kehlkopf. Ein sehr hoher Ton bewirkt ein Gefühl von zusammenschnüren in der Gaumengegend, das auf der Seite der Einwirkung stärker bemerkbar ist als auf der anderen Seite ohne Toneinwirkung. Mit dem Kon- traktionsgefühl erfolgt ein erschwertes Atem, das ein stockendes Lautlesen bewirkt. — Ein dem rechten oder linken Ohr mittels des Lärmapparates zugeführtes starkes Geräusch erregt ein krampfhaftes Gefühl in der Sternalgegend, bei Un- möglichkeit laut zu lesen. Beim Sprechen ohne Lesen treten die genannten Er- scheinungen bei weitem schwächer auf. Eine Toneinwirkung allein, ohne Sprechen, ergibt keinerlei Sensationen. Die Versuchsperson versteht während einer Schalleinwirkung sehr schwer auch leicht verständliche Sätze und weiss sich auf das Gelesene nicht zu er- innern; sie ist ferner nicht imstande, einfache Rechnungen, wie 23>< 5 zu rechnen, obwohl sie sonst eine geübte Rechnerin ist. 4. Robert Erben, 16 Jahre alt. Bei tiefen oder hohen Tönen sowie bei Geräuscheinwirkung beginnt der Knabe beim Lautlesen zu stottern. Wie der Knabe angibt, erfolgt im Augenblick der Schalleinwirkung ein Gefühl der Schwere in der Zunge und ein erschwertes Sprechen. Die erwähnten Erscheinungen treten bei den wiederholt vorgenommenen Versuchen stets in gleicher Weise auf. 5. Adolfine Jelling, 21 Jahre alt. Das linke Ohr ist hochgradig schwerhörig. Tiefe Töne rufen weder vom rechten noch linken Ohr eine Änderung im Lautlesen hervor. Ein hoher Ton löst ein Krampfgefühl in der Brust aus, es erfolgt ein stockendes, stotterndes Lesen, von tiefem Einatmen unterbrochen. Geräusche erregen diese Erscheinung in erhöhtem Maasse. Toneinwirkung ohne Lautlesen ergibt keine Sensationen. Bei lautem Zählen ergeben sich während der Schalleinwirkung dieselben Erscheinungen wie beim Vorlesen, jedoch in bedeutend schwächerem Grade. 6. K. Fr., 44 Jahr alt; links hochgradig schwerhörig. Tiefe sowie hohe Töne verhalten sich bei ihrer Einwirkung zum linken Ohre neutral, dagegen erfolgt vom rechten Ohr aus während des Lautlesens bei tiefen und noch mehr bei hohen Tönen, wenn diese nur schwach einwirken, ein Krampfgefühl in der rechten Schulter und im Nacken, ferner das Gefühl eines Druckes oder vom Würgen an beiden seitlichen Halspartien. Dabei ist ein fortgesetztes Lautlesen nicht möglich. Bei starker Einwirkung eines tiefen oder hohen Tones tritt ein heftiges Krampfgefühl an der Schulter, am Nacken und Halse auf, das sich nach abwärts über die Brust erstreckt und zuweilen bis in den rechten Oberschenkel ausstrahlt. Dabei findet regelmässig eine plötzliche heftige Sturzbewegung nach links statt, so dass die Versuchsperson vom Fallen geschützt werden muss. Es tritt dann eine hoch- gradige Erregung und ein Schluchzen durch 8—10 Sekunden auf. Dieselben Töne lösen dagegen keinerlei Erscheinungen aus, auch nicht bei noch so kräftiger Zuleitung zum rechten Ohre, wenn die Versuchsperson nicht spricht; beim Stilllesen ergeben Schalleinwirkungen schwache Krampf- erscheinungen: Wird das linke, hochgradig schwerhörige Ohr dem Lärmapparate ausgesetzt, so erfolgt an der rechten Körperseite, wo vom rechten Ohr aus Krampf- 498 Victor Urbantschitsch: erscheinungen ausgelöst werden, die Empfindung von Frieren und Kribbeln, be- sonders an der rechten Schläfe, dem rechten Ohre und den seitlichen Halspartien. 7. Karl Komarek, 14 Jahre alt. Ein dem rechten Öhre zugeleiteter tiefer Ton bewirkt ein Druckgefühl im Sternum; die Versuchsperson hat dabei die Empfindung, als ob ein grosser Bissen in der Speiseröhre stecke. Das Lautlesen erscheint unterbrochen. Vom linken Ohre aus löst derselbe tiefe Ton ein sehr erschwe:tes Lautlesen aus, womit gleichzeitig ein Kältegefühl an der linken Hals- seite auftritt, das sick über ‘den Rücken nach abwärts erstreckt. — Ein hoher Ton erzeugt sowohl vom rechten als linken Ohre aus ein stockendes Lesen mit einem Druckgefühle im Kehlkopf. Die Versuchsperson hat dabei das Gefühl, „als ob der Atem weggenommen würde“. — Lärmeinwirkung ergibt dieselben Er- scheinungen wie die hohen Töne. Lautes Zählen erscheint bei Schalleinwirkungen bedeutend erschwert. 8. Marie Trebbin, 11 Jahr alt; links hochgradig schwerhörig. Stimm- gabeltöne werden links nicht gehört und rufen auch keine Erscheinungen hervor. Während der Einwirkung eines tiefen, mittelhohen oder hohen Stimmgabeltones machen sich keinerlei Störungen im Lautlesen bemerkbar ; dagegen erfolgen im Augenblicke des Entfalles der Toneinwirkung ein plötzliches Stocken im Lesen und eine seufzende Bewegung; nach einigen Sekunden findet wieder ein fliessen- des Lesen statt. Die Versuchsperson gibt an, dass sie gleichzeitig mit dem Ent- fall des Tones Atembeschwerden fühle, die rasch zurückgehen. Wiederholt angestellte Versuche ergeben übereinstimmende Resultate. — Bei starker Geräusch- einwirkung erfolgt auch während des Geräusches ein Unterbrechen im Lautlesen, besonders vom rechten Ohre aus, doch in schwächerem Grade auch vom linken Öhre aus. 9. Fräulein Adele Hamböck, 22 Jahre; rechts hochgradig schwerhörig, so dass stark angeschlagene Stimmgabeln, die links in unangenehmer Stärke ge- hört werden, rechts nur zu schwacher Perzeption kommen. Stimmgabeltöne, stark oder schwach, dem linken, guthörenden Ohre zu- geführt, bewirken keine Störung im Lautlesen, so auch nicht ein mit dem linken Ohre verbundener Lärmapparat. Wird dagegen das rechte Ohr tiefen oder hohen Stimmgabeltönen oder dem Geräusche des Lärmapparates ausgesetzt, so tritt am Jugulum ein Druckgefühl ein, das sich rasch nach abwärts über das Sternum verbreitet und ein sakkadiertes Lautlesen oder dessen vollständige Hemmung aus- löst. Merkwürdigerweise erfolgt die angegebene Erscheinung bei schwächerer Toneinwirkung bedeutend stärker als bei kräftigerem Tone. Es zeigt sich dies auch in der Weise, dass sich bei dem Verklingen des Stimmgabeltones eine be- trächtliche Steigerung des Druckgefühles bei dem Unvermögen, weiterzulesen, ein- stellt. Lässt man die Versuchsperson anstatt des Vorlesens eine bestimmte Silbe fortwährend aussprechen, z. B. tatata...., so zeigt sich bei der Toneinwirkung zum rechten Ohre eine bedeutende Verlangsamung im Tempo der ausgesprochenen Silben. Eine weitere eigentümliche Erscheinung besteht bei der Versuchsperson darin, dass sie während einer Schalieinwirkung zu ihrem schwerhörigen rechten Öhre, nicht aber auch bei einer solchen zum guthörenden linken, das Gelesene nicht versteht und auch nicht imstande ist, ihr sonst geläufige Rechnungen vor- zunehmen; so vermochte die Versuchspersor beispielsweise 48><5 während einer Über den Einfluss von Schallempfindungen auf die Sprache. 429 Toneinwirkung zum rechten Ohre nicht zu rechnen, während sie dies bei der Toneinwirkung zum linken Öhre oder ohne jede Toneinwirkung sehr rasch richtig rechnete. Wie die Versuchsperson ‚angibt, ist ihr seit eingetretener hochgradiger Schwerhörigkeit am rechten Ohre aufgefallen, dass ihr Auffassungsvermögen beim Lesen, Schreiben oder irgendeiner geistigen Beschäftigung durch die geringste Schalleinwirkung zum kranken rechten Ohre vollständig aufgehoben wird, so dass sie u. a. den Inhalt einfacher Sätze nicht versteht, nicht richtig schreiben oder rechnen vermag, weshalb sie die Gewohnheit angenommen hat, sich bei Schall- einwirkungen das rechte Ohr zu verschliessen, womit auch die Störung im Auf- fassungsvermögen aufgehoben erscheint. 10. Fräulein Sl., Lehrerin, 30 Jahre alt, beobachtete, dass sie während des starken Klingelns der elektrischen Schulglocke die s-Laute nicht auszusprechen vermag. Sie hat dabei das Gefühl, als ob sich die Zungenspitze gegen die vordere Zahnreihe anpresse und dadurch die Bildung des s-Lautes verhindere. Diese Erscheinung besteht gegenwärtig seit 1Y/e Jahren, seitdem an Stelle der früheren, schwach klingelnden elektrischen Schulglocke eine sehr stark klingelnde angebracht worden war. Für die anderen Buchstaben tritt dabei keine Sprach- störung auf, Versuche mit verschieden tönenden Stimmgabeln, Harmonikatönen und Geräuschen ergeben keine Sprachstörung, weder für s- noch für die anderen Laute. Das Fräulein gibt an, dass es wiederholt Versuche mit verschiedenen Tönen und Geräuschen angestellt habe, aber nur durch die äusserst gellenden und starken Töne ihrer Schulglocke von der geschilderten Sprachstörung be- fallen werde. In den mitgeteilten zehn Fällen von akustisch herbeigeführten Sprachstörungen bestanden diese teils im Auftreten von Stottern, in erschwertem, verlangsamtem oder vollständig aussetzendem Sprechen überhaupt oder, wie im Falle 10, in einem mangelhaften Aussprechen von S, und zwar war in diesem Falle der Versuchsperson, einer Lehrerin, die mangelnde Aussprache der S-Laute!) im Lärme einer stark klingelnden elektrischen Glocke spontan aufgefallen. Gewöhn- lich traten die Sprachstörungen im Verlaufe der Schalleinwirkung immer stärker hervor; im Falle 2 bestand im Moment der Schall- einwirkung das Unvermögen, weiterzulesen. Im Falle S gab sich auffälligerweise während der Zuleitung hoher oder tiefer Stimmgabel- 1) Bemerkenswerterweise betreffen auch die von mir beobachteten Sprach- störungen, die von den sensiblen Nerven des Ohres ausgelöst werden (s. Über die von den sensiblen Nerven des Kopfes ausgelösten Schrift- und Sprach- störungen. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 26 S. 199), besorders häufig die S-Laute. Es ist ferner zu erwähnen, dass eine isolierte, fehlerhafte Aussprache der S-Laute bei Personen vorkommt, die alle anderen Laute korrekt zu bilden vermögen („Sigmatismus“). Vielleicht beruht die Bildung der S-Laute auf kompli- zierten Vorgängen, weshalb sich bei ihnen eine Störung am ehesten vorfindet. 430 Victor Urbantschitsch: töne keine Sprachstörung zu erkennen, wohl aber unmittelbar nach Entfall des Tones, und zwar erfolgte dabei jedesmal eine seufzende Inspiration mit Unterbrechung im Lautlesen. Im Falle 9 wurde vom guthörenden linken Ohre aus keine Sprachstörung ausgelöst, dagegen regelmässig vom schwerhörigen rechten Ohre aus. Dabei ergab sich, dass schwächere Schalleinwirkungen eine bedeutendere Sprachstörung hervorriefen als wie stärkere Schalleinwirkungen, was sich auch beim Abklingen eines dem rechten ÖOhre zugeführten Stimmgabeltones zu erkennen gab; auch im Falle 6 traten die Reflex- erscheinungen bei schwachen Tönen intensiver hervor als bei starken. Zumeist rufen hohe sowie tiefe Töne und Geräusche in ziemlich gleicher Weise Sprachstörungen hervor; doch können sich die Sprach- störungen auf eine Einwirkung von Geräuschen oder musikalischen Tönen und unter diesen wieder auf bestimmte Töne oder Tongruppen beschränken. In den Fällen 1 und 2 erwiesen sich nur tiefe Töne als sprachstörend, im Falle 10 nur das starke Klingeln einer elek- trischen Glocke; jim Falle 5, wo sich die Sprachstörung erst nach Entfall hoher oder tiefer Stimmgabeltöne bemerkbar machte, erregten (Geräusche auch während ihrer Einwirkung Sprachstörungen. Im Falle Baumgarten’s (S. 424) waren die Zuckungen im Musculus eueullaris nur durch tiefe, nicht aber durch hohe Töne erfolgt; wie Liehtwitz (S. 424) angibt, entstehen bei Hysterischen zuweilen Konvulsionen nur bei Einwirkung eines bestimmten Tones; so erwähnt auch Högyes (S. 424), dass Hystero - Epileptische be- sonders durch hohe Töne von Reflexkrämpfen befallen werden können. In den von Erb (S. 425) und Steinbrügge (S. 425) mit- geteilten Fällen erwiesen sich im Falle Erb’s hohe Töne auf die reflektorischen Atmungsstörungen und Krampferscheinungen stärker erregend als tiefe Töne; im Falle Steinbrügge’s erfolgten die akustisch ausgelösten Reflexe nur durch musikalische Töne, nicht aber auch durch Geräusche. Als Ursache der Sprachstörungen fanden sich in der Mehrzahl der von mir beobachteten Fälle Oppressionserscheinungen der Brust vor, die ein erschwertes, verlangsamtes oder unterbrochenes Atmen herbeiführten; ausserdem bestanden in einigen Fällen ein Druck- gefühl im Kehlkopf und am Halse, in einem Falle (4) am Zungen- grunde, einmal (3) am Gaumen; im Falle 10 bestand das Gefühl des Anpressens der Zungenspitze an die Schneidezähne. In zwei Über den Einfluss von Schallempfindungen auf die Sprache. 431 Fällen (2, 6) trat das Gefühl von Zusammenschnüren an den seit- lichen Halspartien auf. Dieses Gefühl erwies sich besonders aus- geprägt im Falle 2, wo im Augenblicke der beginnenden Einwirkung eines tiefen Tones zum linken Ohre ein krampfartiger Druck in der linken Halsseite auftrat, der eine momentane Unterbrechung des Laut- lesens und die Unmöglichkeit weiterzulesen, hervorrief. Die Erscheinung, dass sich das Druckgefühl an den seitlichen Halspartien: auf die dem akustisch erregten Ohre entsprechende Seite beschränkt zeigt, fand sich auch im Falle 3 vor, wo bei einer Tonzuleitung zum rechten Ohre ein Druckgefühl nur in der rechten Kehlkopfhälfte, bei einer akustischen Erregung des linken ÖOhres allein, nur in der linken Kehlkopfhälfte erfolete und erst bei einer Tonzuleitung gleichzeitig zu beiden Ohren der ganze Kehlkopf vom Druckgefühle befallen erschien. Die Art der Reflexauslösung kann sich von der Art der Schall- einwirkung und bei musikalischen Tönen von der Höhe des zu- geleiteten Tones abhängige zeigen. Im Falle 2 bewirkte ein Geräusch keine Sprachstörung, wohl aber bemerkenswerterweise, trotz des beiderseits normalen Gehörs, nur die dem linken Ohre zugeführten tiefen Stimmgabeltöne; im Falle 3 erregte ein Geräusch ein Op- pressionsgefühl in der Sternalgegend, tiefe Töne dagegen einen Druck im Kehlkopf, während bei hohen Tönen auch ein Druckgefühl im weichen Gaumen auftrat. Im Falle 7 rief ein hoher Ton vom rechten und linken Ohre aus das Gefühl einer Kehlkopfkompression mit plötzlicher Atemhemmung hervor, ein tiefer Ton hingegen vom linken Ohre aus ein schwaches Krampfgefühl im Kehlkopf, vom rechten Ohre aus ein heftigeres Oppressionsgefühl in der Sternal- gegend, vielleicht im Ösophagus , da der betreffende Knabe dabei das Gefühl eines steckengebliebenen Bissens angab. In der Regel gehen die beschriebenen Reflexerscheinungen nach Entfall der Schalieinwirkung rasch zurück; im Falle 1 hielten da- gegen die Oppressionserscheinungen der Brust, bei länger fortgesetztem Versuche, 1 Stunde und darüber an. Als in diesem Falle bei einem der Versuche die Töne in häufiger Wiederholung eingewirkt hatten, erfoiste ein ohnmachtähnlicher Zustand mit bedeutender Blässe und starkem Ermattungsgefühl, welche Erscheinungen langsam zurüeck- sinsen. Im Falle 6 sind die nach Aussetzen der Schalleinwirkung ansteigenden Krampferscheinungen bemerkenswert, die sich, von der rechtsseitigen Gesichts- und Halshälfte ausgehend, über die Brust 432 Victor Urbantschitsch: nach abwärts entlang der seitlichen Körperpaxtien bis zum rechten Oberschenkel erstreckten und von psychischen Erregungszuständen und einer Sturzbewegung nach links begleitet waren. Die erwähnten akustischen Reflexerscheinungen traten in einzelnen Fällen nur während des Sprechens hervor und waren sonst nicht auszulösen. Am auffälligsten machte sich diese Eigentümlichkeit im Falle 6 geltend, wo die beim Lautlesen stürmisch eintretenden akustischen Reflexkrämpfe bei ruhigem Verhalten des Sprechorgans nieht erregt werden konnten. Auch im Falle 5 trat nur beim Sprechen ein Oppressionsgefühl auf der Brust und ein tiefes Ein- atmen ein, wenn eine akustische Erregung stattfand. Ausser den angegebenen Reflexerscheinungen vermögen akustische Erregungen verschiedene andere Phänomene auszulösen. Hierher ge- hört die Kälteempfindung. Im Falle 6 erregte eine Geräuscheinwirkung auf das beinahe ganz ertaubte linke Ohr eine Kälteempfindung an der entgegengesetzten rechten Gesichts-, Hals- und Körperseite; im Falle 7 erfolgte auf eine akustische Einwirkung zum hochgradig schwerhörigen linken Ohre eine Kälteempfindung an der entsprechen- den linken Halsseite. Auch im Falle Steinbrügge’s (S. 425) wurde eine akustisch ausgelöste Kälteempfindung vom Abdomen bis zur Kniegegend angegeben. Bekannt ist das bei gewissen scharfen, unangenehmen Geräuschen auftretende Kältegefühl im Körper. Bei der Versuchsperson 1 trat anlässlich akustischer Einwirkungen u. a. eine bedeutende Gesichtsblässe ein. Wie bereits Conty und Charpentier!) bemerkten, üben (Grehörerregungen einen reflektorischen Einfluss auf die Vasomotoren aus, der sich in einem bald erhöhten, bald erniedrigten Blutdrucke und in beschleunigten oder verlangsamten Herzbewegungen äussert. Musik beschleunigt nach Dogiel?) gewöhnlich den Herzschlag. Dutezynski?°) gibt an, dass sich der Herzrhythmus dem rascheren oder langsameren Takte oder rhythmischen Tonfalle bei Deklama- tionen akkommodiert. Meinen im Verein mit Herrn Dr. Kornfeld angestellten Untersuchungen zufolge bewirken Gehörerregungen und vor allem das Lauschen eine zuweilen beträchtliche Blutdruck- steigerung, die rasch abfällt. Bonnafont*) beobachtete eine In- 1) Arch. d. Physiol., refer. in Schmidt’s Jahrb. Bd. 177 S. 128. 1877. 2) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1880 S. 416. 3) Beurteilung und Begriffsbilder der Zeitintervalle. Lit. Anst. Leipzig 1894 4) Gaz. med. de Paris 1842 p. 65; Malad. de F’oreille 1873 p. 256. Über den Einfluss von Schallempfindungen auf die Sprache. 433 jektion der Hammergriffgefässe durch hohe Töne, Frank!) eine Uterusblutung durch unangenehme scharfe Töne. Als eine akustisch ausgelöste Irradiationserscheinung ist die im Falle 6 erfolgte hochgeradige psychische Aufregung nach Einwirken von Tönen und Geräuschen anzuführen. Über die durch akustische Einflüsse ausselöste Beeinflussung des Gedächtnisses und des Auffassungsvermögens in den Fällen 1 und 9 sowie über gewisse optische Erscheinungen behalte ich mir weitere Mitteilungen vor. sn Falel, Y Mi hu I) Inka Fur mim ee et Te FE ST [ | Al all ol n Fig. 2 (betrifft den Fall 3, S. 426). Im Anschlusse an das Mitgeteilte lasse ich die auf die Fälle 1 und 3 sich beziehenden Atmungs- und Sprechkurven folgen, die während und ohne Schallwirkung aufgenommen wurden. Die Auf- nahme dieser Kurven fand im Wiener physiologischen Institut des Herrn Hofrates Professor Sigmund Exner statt. Ich statte Herrn Professor S. Exner und dessen Assistenten Herrn Dr. Stigler für ihre freundliche Mithilfe bei der Kurvenaufnahme hiermit meinen verbindlichsten Dank ab. 1) Ohrenheilkunde S. 122. 434 Vietor Urbantschitsch: Über den Einfluss ete. Die Kurven beziehen sich sowohl auf die Aufnahme mit dem Pneumatokardiographen, der die Atembewegungen registriert, als auch mit dem Lippenapparat (von Rousselot), der in den Mund ein- geführt wird und die Lippenbewegungen beim Sprechen verzeichnet. In den beiden Kurventafeln sind die Kurven von rechts nach links zu lesen. Die unterhalb jeder Atmungs- oder Sprechkurve befind- liche Linie gilt als Reizmarkierung, hei dem der jedesmal erfolgende akustische Reiz einer Hebung oder Senkung der Linie entspricht. Die Kurve in Fig. 1 verzeichnet die während des gleichmässigen Aussprechens von m, m, m mit dem Stimmapparat aufgenommenen Sprechbewegungen. Wie die Tabelle I ergibt, hemmt im Falle 1 ein Geräusch in geringerem, ein tiefer Ton in besonders starkem Grade die Sprechbewegungen, während sich diese durch einen hohen Ton nicht merklich beeinflusst zeigen. Die obere Kurve in Fig. 2 zeigt die mit dem Pneumatokardio- graphen registrierten Atembewegungen. Wie ersichtlich ist, findet in diesem Falle mit dem akustischen Reize (dem eine Erhebung der reizmarkierenden Linie entspricht), eine verlangsamte, tiefe und un- regelmässige Atmung statt. Die mittleren und die unteren Kurven wurden mittels des Stimmapparates aufgenommen, während die Ver- ' suchsperson in stets gleichmässigem Rhythmus ta, ta, ta... auszu- sprechen hatte. Die Kurven lassen bei Einwirkung eines Geräusches oder eines hohen sowie tiefen Tones eine Sprechbemmung erkennen. Wie aus den Kurven ersichtlich ist, geht die Hemmung der Sprech- impulse nicht immer gleichzeitig mit Entfall der akustischen Ein- wirkung zurück, sondern erst einige Zeit später. (Aus dem physiologischen Institute der Universität Graz.) Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. Von Dr. Ludwigs Haberlandt (Berlin), gew. Assistenten am Institute. (Hierzu Tafel V.) Die Lehre von der „Unermüdbarkeit“ des Nerven, zu der besonders die Untersuchungen von Bernstein!), Wedensky?), Bowditch?), Lambert*), Brodie und Halliburton?°) u. A. geführt hatten, eine Anschauung, die geraume Zeit von den meisten Forschern anerkannt wurde, hat sich im Laufe der letzten Jahre im streneen Sinne des Wortes als nicht haltbar erwiesen. Zwar hatten sich schon in jener Zeit vereinzelte Stimmen des Zweifels erhoben, wie dies unter anderem besonders klar und entschieden in einem Ausspruche Pflüger’s‘) zum Ausdruck kommt, den er im Jahre 1891 getan hat: „Die Ansicht einiger neuerer Forscher von der Unermüdlichkeit - der Nerven, die mit allen übrigen guten Tatsachen der Physiologie im Widerspruch steht, wird schon durch die Überlegung, dass die Reizung der Nerven mit Entladung elektrischer Ströme verknüpft 1) Bernstein, Über Ermüdung und Erholung des Nerven. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 15 S. 289. 1877. 2) Wedensky, Wie rasch ermüdet der Nerv? Zentralbl. f. med. Wissensch. 1834 S. 69. 3) Bowditch, Nachweis der Unermüdbarkeit des Säugetiernerven. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1890 S. 505. 4) Lambert, De l’infatigabilitE des nerfs secretoires. Compt. rend. de la soc. de Biol. 1894 p. 511—512. 5) Brodie and Halliburton, Fatigue in non medullared nerves. Journ. of Physiol. vol. 28 p. 181—200. 6) FE. Pflüger, Einige Erklärungen, betreffend meinen Aufsatz „Die Quelle der Muskelkraft. Vorläufiger Abriss.“ Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 50 S. 337. 1891. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 29 4536 Ludwig Haberlandt: ist, widerlest. Denn jeder elektrische Strom erzeugt Wärme und bedingt einen Stoffverbrauch. Ebenso ist die tiefe Übereinstimmung, die in den elektrophysiologischen Gesetzen zwischen Muskel und Nerv besteht, ganz unvereinbar mit der Ansicht, dass in der wichtigsten Eigenschaft beide Gewebe sich so grundsätzlich unter- scheiden sollten.“ Am marklosen Nerven hat zuerst Garten!), und zwar am Nervus olfactorius des Hechtes eine Ermüdbarkeit nachgewiesen; er reizte den Nerven mit gleichgerichteten Induktionsschlägen rhyth- misch in kurzen Intervallen und fand hierbei schon nach wenigen Schwankungen eine Abnahme der Ausschläge des Kapillarelektro- meters. Später kam Burian?) in Untersuchungen am Cephalopoden- nerven zu analogen Ergebnissen. Am markhaltigen Nerven konnte als Erster Fröhlich?) ein sicheres Ermüdungssymptom aufdecken. Es gelang ihm nämlich, die sogenannte „paradoxe Modifikation der Nervenleitung“, wie sie zuerst von Wedensky*) in einem bestimmten Stadium der Narkose beobachtet worden war, auf eine statthabende Ermüdung des Nerven zurückzuführen, sowie gewisse, ebenfalls schon von Wedensky am Nerven beobachtete Hemmungserscheinungen als Ermüdungssymptome zu erklären. In jüngster Zeit hat endlich im Anschlusse an die Untersuchungen von v. Baeyer?’) und Fröhlich‘) über die Er- stickung des Nerven, die für die Frage nach seiner Ermüdbarkeit von grosser Bedeutung wurden, Thörner’) einen neuen Beweis für l) Garten, Beiträge zur Physiologie des marklosen Nerven, nach Unter- suchungen am Riechnerven des Hechtes, Fischer, Jena 1903. 2) Burian, Ermüduug und Erholung des Nerven, nach Untersuchungen am Cephalopodennerven. Arch. internat. de Physiol. Vol. 5. 1907. 3) Fr. W. Fröhlich, Ermüdung des markhaltigen Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 3 S. 468. 1904. 4) Wedensky, Die fundamentalen Eigenschaften des Nerven unter Ein- wirkung einiger Gifte. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 82 S. 134. 1900. — Execitation, inhibition et narcose. (Compt. rend. d. V. Congres international de Physiol. & Turin.) St. Petersbourg 1901. — Erregung, Hemmung und Narkose. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 100 S.1. 1903. 5) v. Baeyer, Das Sauerstoffbedürfnis des Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 3 S. 169. 1903. 6) Fr. W. Fröhlich, Das Sauerstoffbedürfnis des Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 3 S. 131. 1903. 7) W. Thörner, Die Ermüdung des markhaltigen Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 7 S. 530. 1908. — Weitere Untersuchungen über die Er- Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 437 dieselbe liefern können, indem er zeigte, dass der in Stickstoff ge- brachte Nerv bei andauernder tetanischer Reizung seine Erregbarkeit und Leitfähigkeit bedeutend früher verliert äls bei Ruhe. Auch ist es ihm gelungen, durch dauernde tetanische Reizung den Nerv auch in Luft in das Stadium der beginnenden Ermüdung zu versetzen. Im Anschlusse hieran stellte er auch Untersuchungen über die Er- holung des ermüdeten Nerven an, auf die an späterer Stelle noch Bezug genommen werden soll. Durch diese Arbeiten ist demnach der sichere Beweis erbracht worden, dass der periphere Nerv bei seiner Tätigkeit unter be- stimmten Umständen einer Ermüdung unterliegt. In der vorliegenden Abhandlung soll nun über Versuche be- treffend das Verhalten der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung bei länger andauernder Tätigkeit des Nerven berichtet werden. _ Bereits Rollett!) hatte im Jahre 1896 in der Einleitung zu der unten zitierten Arbeit den Gedanken ausgesprochen, dass bei fortgesetzter Tätigkeit des Nerven vielleicht eine Abnahme der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerresung nachzuweisen wäre, was dann wohl als ein echtes Ermüdungssymptom aufgefasst werden müsste. Auch er gehörte demnach zu jenen Forschern, die an der damals allgemein herrschenden Lehre von der Unermüdbar- keit des Nerven bereits gewisse — und wie es sich bald gezeigt hat, berechtigte Zweifel hesten. Nach den ersten darauf hinzielenden Versuchen wurde er jedoch nach anderer Richtung abgelenkt, ohne dass der angedeutete Weg später von ihm oder von anderer Seite wieder betreten worden wäre; dies ist nın von mir in der vor- liegenden Arbeit versucht worden. Ich verwendete zu meinen Versuchen das seinerzeit von Rollett benutzte Myographion, das eine von ihm angegebene Modifikation müdung des markhaltigen Nerven: Die Ermüdung in Luft und die „scheinbare Erregbarkeitssteigerung“. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 29. 1909. — Weitere Untersuchungen über die Ermüdung des markhaltigen Nerven: Die Er- müdung und die Erholung unter Ausschluss von Sauerstoff. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 351. 1910. 1) A. Rollett, Über die Veränderlichkeit des Zuckungsverlaufes quer- gestreifter Muskeln bei fortgesetzter periodischer Erregung und bei der Erholung nach derselben. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 64 S. 507. 1896. 2955 438 Ludwig Haberlandt: des Marey’schen Myographions darstellt. Der von Rollett') gegebenen Beschreibung desselben ist auch eine genaue Analyse der Schreibweise beigefürt. Das Myographion wurde während des Ver- suches mittels Uhrwerks auf einer eisernen Schienenbahn längs des Zylinders des Myographions mit langsamer Geschwindigkeit vorüber- gefahren, wodurch eine beträchtliche Anzahl von Zuekungskurven zur Anschreibung gelangen konnte. Als Stromquelle diente ein Akkumulator, der im Laufe der Versuche öfters auf seine Intaktheit geprüft und bei Bedarf gegen einen neugeladenen ausgewechselt wurde. Die Schliessung und Öffnung des primären Stromes wurde in stets genau gleichen Zeit- intervallen durch einen automatischen Quecksilberschlüssel besorgt, der durch den rotierenden Zylinder des Myographions in Tätigkeit versetzt wurde, so dass bei jeder Umdrehung der Trommel der Strom einmal geschlossen und geöffnet wurde. Die gleichmässige Rotation der Trommel wurde mit Hilfe eines Foucault’schen Regulators in befriedigender Weise erzielt, wie die mit einer König’schen Hundertschwingungs- Unterbrechungsstimmgabel aus- geführte Kontrolle ergeben hat, wovon noch des näheren bei Be- sprechung der zeitlichen Auswertung die Rede sein soll. Zwischen der sekundären Spirale des verwendeten grossen Du Bois-Rey- mond’schen Sehlitteninduktoriums und den beiden Flektrodenpaaren befand sich ein rotierender Quecksilberumschalter, der mittels Zahn- radübertragung ebenfalls durch die rotierende Trommel des Myo- graphions in Bewegung gesetzt wurde. Derselbe war derart ein- gerichtet, dass nur die Schliessungsinduktionsschläge in das Präparat gelangen konnten, so zwar, dass sie abwechselnd durch das untere und obere Elektrodenpaar dem Nerven in aufsteigender Richtung zugeführt wurden. Der Elektrodenträger bestand aus einer 7 cm langen Ebonitplatte, als Elektroden dienten 0,5 mm dicke Platin- drähte in 1 mm Entfernung, die Elektrodenzwischenstrecke betrug 47 mm; das periphere Elektrodenpaar befand sich dabei knapp an dem einen Ende des Trägers. — Der Schreibhebel des Myo- graphions, der aus einem leichten, mit einer feinen Stahlspitze ver- sehenen Strohhalm bestand, war 148 mm lang, während der Muskel und die Belastung mittels Fadens an ihm in einer Entfernung von l) A. Rollett, Beiträge zur Physiologie der Muskeln. Denkschr. d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, mathem.-naturwissensch. Klasse Bd. 53 8. 231. 1837. Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 439 22 mm von seiner Drehungsachse angriffen. Die Zuckungskurven wurden demnach in einer 6,727 maligen Vergrösserung aufgezeichnet. Vor Beeinn jedes Versuches wurde der Schreibhebel über einer unter ihm befindlichen Kreiseinteilung derart eingestellt, dass er sich in seiner Ruhelage senkrecht zur Zylinderachse befand. Als Versuchstiere dienten im Frühjahre und Sommer ein- gefangene Wasserfrösche (R. eseulenta aus Ungarn) von meist be- trächtlicher Grösse. Nach Tötung der Tiere durch Durchschneidung der Wirbelsäule oberhalb des Steissbeines und Ausbohrung von Rückenmark und Gehirn wurden zunächst in gewöhnlicher Weise Nervmuskelpräparate des M. gastrocnemius wit dem N. ischiadieus hergestellt, wobei der Nerv mit grösstmöglichster Schonung und Vorsieht bis zum durchschnittenen Plexus hinauf freipräpariert und daselbst abgetrennt wurde. War sodann das Präparat auf dem Myographion sicher fixiert und der Nerv über die Elektroden ge- brückt worden, so wurde zunächst bei fast stillstehender Trommel eine Zuckung angeschrieben, um den Moment der Reizung an jener zu bezeichnen; von dieser Marke aus wurde sodann eine Linie über die ganze Länge der Trommel hin durch Vorüberschieben des Myo- graphions gezeichnet, die als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Länge der Latenzstadien bei der Ausmessung der Kurven be- nutzt wurde. Nachdem hierauf das Myographion bei emporgestelltem Schreibhebel wieder auf seinen ursprünglichen Ausgangsort zurück- geführt worden war, konnte der eigentliche Versuch beginnen, der darin bestand, dass durch abwechslungsweise Nervenreizung von der unteren und oberen Reizstelle eine kontinuierliche längere Reihe von Myogrammpaaren zur Aufzeichnung gelangte, wie je ein solches Paar bekanntlich zuerst Helmholtz zur Bestimmung der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit im motorischen Kaltblüternerven auf- gezeichnet hatte. Entsprechend der hier benutzten Versuchsanordnung erfolgte, wie aus dem schon früher Erwähnten hervorgeht, bei jeder Trommel- umdrehung nach stets gleich grossen Zeitpausen eine Muskelzuckung, abwechselnd von der distalen und proximalen Reizstelle des Nerven ausgelöst, so dass sämtliche Zuckungskurven genau übereinander angeschrieben wurden. Die untere Reizstelle war 5—10 mm vom Muskel entfernt, die Entfernung der oberen Reizstelle vom Muskel fiel je nach der Grösse des Tieres verschieden weit aus und schwankte zwischen 52—65 mm. Betrug sie mehr als 52 bzw. 57 mm, so 440 Ludwig Haberlandt: war der Nerv zwischen den beiden Elektrodenpaaren in leichten Windungen auf dem Elektrodenträger gelagert; die Längenmessung erfolgte dann nach dem Versuche am gerade ausgestreckten Nerven. Der Abstand seiner Durchtrennungsstelle von der oberen Reizstelle betrug in den verschiedenen Versuchen je nach der Länge des Nerven 520 mm, meist 15 mm. Während der Versuche waren die Nerven durch eine deckelförmig über den Elektrodenträger ge- legte feuchte Kammer vor Vertroeknung sicher geschützt, das kleine Stück derselben ausserhalb jener nahe am Muskel wurde mit einem Wattebäuschechen leicht überdeckt, das mit physiologischer Kochsalzlösung durchtränkt war. Was die Grösse der bei diesen isotonischen Versuchen in An- wendung gebrachten Belastung betrifft, so belief sich dieselbe je nach der Grösse des Muskels auf 30—60 g, und zwar wurde bei mittelgrossen Tieren die Belastung mit 30 e, bei grossen Individuen mit 50 g und bei einigen sehr grossen Versuchstieren mit 60 & bemessen (dazu das aus Aluminiumblech verfertigte Gewichtsschälehen samt den Aufhänefäden mit ungefähr 1 g). Vor der Besprechung dieser Versuche soll zunächst das Er- gebnis der Vorversuche mitgeteilt werden, die bezüglich der Stärke der dabei in Betracht kommenden Stromschleifen aus- geführt wurden. Zu diesen Versuchen wurde der Nerv eines frisch hergestellten Präparates zunächst an einer Stelle unterbunden und. hierauf derart auf das eine der beiden Elektrodenpaare gelagert, dass die ligierte Stelle sich in einer Entfernung von 1—2 mm muskelwärts davon befand. Sodann wurde jene Reizstärke gesucht, bei welcher bei Schliessung des Primärstromes eben die erste Muskelzuckung zu beobachten war, also die Stromschleifen die Ligaturstelle übersprangen. Diese Prüfung wurde an mehreren Stellen des Nerven vorgenommen und ergab, dass bei Einwirkung der in den Hauptversuchen verwendeten Schliessungsinduktions- schläge im Durchschnitt bei einem Rollenabstand von 120 mm (ohne Eisenkern) die erste Zuckung auftrat. Bei den Hauptversuchen wurden Rollenabstände von 150—200 mm, meist von 180 mm (ebenfalls ohne Eisenkern) gewählt, so dass also bei der Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit ein nennenswerter Einfluss von Stromschleifen wohl kaum statthaben konnte. Zur Ausmessung der erhaltenen Kurven benutzte ich einen grossen Kurvenanalysator von Runne in Heidelberg, welcher Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 441 eine Messung der Kurven unter Lupenvergrösserung mittels Faden- kreuzes bis auf 0,05 mm erlaubt. Um recht feine Kurven zu gewinnen, wurde das Glanzpapier, das zum Überziehen der Trommel verwandt wurde, meist nur schwach in der Kampherflamme berusst und andererseits darauf geachtet, dass die Spitze des Schreibhebels so leicht als möglich auf der Schreib- fläche gleite; so wurden meistens Kurven gezeichnet, deren Dicke nur 0,05 mm oder auch noch weniger betrug. Eine genaue Bestimmung der Umdrehungsgeschwindig- keit der Trommel ergab eine Zeitdauer von 1,4782 Sekunden für eine Umdrehung, wobei die damit zurückgelegste Weestrecke 420,5 mm betrug. Letzterer Wert wurde bei der Messung am ab- genommenen, fixierten und trockenen Papiere erhalten. Leider liess die Konstruktion des verwendeten Apparates eine grössere Um- drehungsgeschwindigkeit nicht zu, die an und für sich wohl sehr wünschenswert gewesen wäre. Andererseits aber hätte man speziell bei diesen Versuchen die Rotationsgeschwindiekeit kaum noch nennenswert steigern dürfen, da sonst dem bereits mehr oder weniger ermüdeten Muskel nicht die nötige Zeit zu Gebote gestanden wäre, vor Beginn der nächsten Zuckung seine vollkommene Wieder- verlängerung zu erlangen. Wenn demnach die in Betracht kommen- den Differenzwerte recht gering ausfielen, so waren sie doch in deutlichem Maasse und in konstanter Weise vorhanden, wie dies unten mitgeteilt werden soll. Es ergibt sich aus den angeführten Zahlenwerten, dass in diesen Versuchen der Zeitdauer von 0,01 Sekunde auf der Schreib- fläche eine Wegstrecke von 2,84 mm entspricht, somit eine Weg- strecke von 1 mm einer Zeitdauer von 0,0035 Sekunde (3,5 0) gleich- zusetzen ist. Damit stimmt in befriedigender Weise das Ergebnis überein, zu welchem der schon früher erwähnte Kontrollversuch mit einer König’schen Hundertschwingungs-Unter- breehungsstimmgabel geführt hat. Bei demselben wurden in 100 Einzelmessungen, die in der für die Hauptversuche allein in Betracht kommenden Trommelgegend der Reizmarke vorgenommen wurden, als Entfernung zweier benach- barter Gipfelpunkte in 76 Fällen eine Distanz von 2,85 mm, in den übrigen 24 Fällen eine Distanz von 2,8 mın gefunden; daraus be- rechnet sich der arithmetische Mittelwert von 2,34, genauer von 442 Ludwig Haberlandt: 2,835 mm. Die damit gleichzeitig ausgeführte Kontrolle bezüglich der Gleichförmigkeit der Umdrehungsgeschwindigkeit liess dieselbe demnach als eine ziemlich weitgehende erscheinen. Der in dieser Hinsicht in Rechnung zu ziehende mittlere Fehler, der sich also auf die geringen Änderungen in der Umdrehungsgeschwindig- keit bezieht, beläuft sich, nach der Methode der kleinsten Quadrate berechnet, auf: u a ya - 76 + 0,042 . 24 100 Derselbe dürfte wohl den Fehlerwert nicht übersteigen, der dureh die Ausmessung gegeben erscheint. Was die Technik dieser betrifft, so wurde die Länge der Latenzstadien stets von dem dem Kurvenanstiege zugekehrten Rande jener vor dem Versuche gezogenen Linie gemessen, welche als Marke für den Reizmoment verwendet wurde. Es sei übrigens dazu bemerkt, dass es sich ja hier nicht um eine möglichst exakte Bestim- mung der absoluten Latenzzeiten handelt, sondern es für diese Unter- suchungen allein auf die Differenzen derselben ankommt. Der Be- sinn des Anstieges der Kurven von der Abezisse konnte mittels des benutzten Kurvenanalysators recht genau bestimmt werden; das schief gestellte Fadenkreuz der Lupe wurde stets auf den unteren — im umgekehrten Bilde durch die Lupe gesehen also auf den oberen — Rand der Kurve eingestellt, so dass der Moment des Anstieges derselben bei einiger Übung recht präzis zu bestimmen war. Natürlich wurden zur Ausmessung nur gut gelungene, vor allem genügend fein und gleichmässig angeschriebene Kurven ver- wertet; bei der grossen Schaar von Kurvenpaaren stand ja vom Anfang und Ende der Zuckungsreihe zur Auswahl für die Messung je eine grössere Anzahl von Kurven zur Verfügung. Unter anderem kam es gelegentlich vor, dass der sehr leichte Schreibhebel durch geringfügige Erschütterungen in kleine Schwankungen geriet, so dass er eventuell vor Beginn der Zuckung die Abszisse nicht ganz gerade anschrieb, sondern dieselbe leichte Senkungen und Erhebungen aufwies, wodurch natürlich die genaue Bestimmung des beginnenden Kurvenanstieges unmöglich gemacht wurde. Bei den hier zu besprechenden Versuchen lag nun, wie voraus- zusehen war, eine beträchtliche Schwierigkeit vor allem darin, dass die einzelnen Zuckungen, die abwechselnd von der unteren und oberen Reizstelle des Nerven ausgelöst wurden, so — 5 0,021 mm: Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 443 kongruent als nur möglich ausfallen mussten. Dies ist be- kanntlich an und für sich nicht immer ohne weiteres zu erreichen, was sich natürlich bei längeren Zuckunesreihen, um die es sich hier handelt, um so mehr bemerklich macht. War diese wichtige Bedingung für die Vergleichung der Kurven je eines Paares nicht in befriedigender Weise erfüllt, was sich oft erst im Verlaufe des Versuches an der Zuckungsreihe durch ungleiche Zuekungshöhen allmählich zeiete, so wurde der Versuch entweder abgebrochen oder später nicht zu genauen Ausmessungen verwertet. Andererseits kam es auch nicht allzu selten vor, dass gerade im Beginn des Versuches die ersten Kurvenpaare nicht ganz regelmässig ausfielen, während sich dann der weitere Verlauf des Versuches oft sehr gleichmässig gestaltete. So war dies z. B. auch bei den ersten zwei Myogrammpaaren des Versuches der Fall, von welchem die reproduzierte Kurvenreihe stammt, die an späterer Stelle ein- gehender besprochen werden soll. (S. Tafel V und S. 446). Weil solche Unregelmässigkeiten gerade an den allerersten Zuckungen öfters auftraten, wurden bei vielen meiner Versuche diese über- haupt nicht angeschrieben und bei der Zählung der Einzelkurven dann auch nicht berücksichtigt. Endlich sei noch erwähnt, dass bei der genauen Ausmessung wohl in den meisten Fällen ganz geringe, unvermeidliche Differenzen in den Zuckungshöhen an den einzelnen, - zusammengehörigen Kurvenpaaren gefunden wurden, die jedoch auf die Differenzwerte der Latenzstadien keinen merklichen Einfluss ausübten. Die zahlreichen in dieser Art ausgeführten Versuche mit längeren, kontinuierlichen Kurvenreihen von 180—320 Einzelzuckungen haben nun in den meisten Fällen ergeben, dass sich die Differenz der Latenzstadien am Ende einer solchen Zuckungs- reihe bei der Ausmessung merklich grösser erweist als zu Beginn des Versuches, was also einer Verzögerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven während eines derartigen Versuches entsprechen würde. Die Differenz der Latenzzeiten zeigte sich am Ende des Versuches meist um ein Drittel des Anfangswertes vergrössert, bisweilen auch um etwas mehr. Dass diese Verzögerung der Nervenleitung tatsächlich durch die fortgesetzt wiederholte Leitungstätickeit verursacht sein dürfte, also als ein direktes Ermüdungssymptom aufzufassen wäre, ergibt sich wohl aus dem Umstande, dass eine kurze Pause am 444 Ludwig Haberlandt: Schlusse des Versuches genügte, um jenen grösseren Differenzwert auf seinen Anfangswert zurückzu- bringen. Damit ist jedenfalls ausgeschlosseu, dass diese Zunahme, woran möglicherweise gedacht werden könnte, eine sich im Verlaufe des Versuches entwickelnde Absterbeerscheinung vorstelle, die natür- lich als solehe durch Einschaltung einer kurzen Ruhepause nicht rückeängig gemacht werden könnte. Über die Länge der zur Wiederherstellung der ursprünglichen Differenzwerte nötigen Pausen wird später noch berichtet werden. Zunächst möge hier als Beleg für das eben Mitgeteilte ein Beispiel aus den Tabellen des Versuchsprotokolles angeführt werden. Bei dem Versuche (Nr. 62 vom 11. Juli 1910) wurde ein be- sonders grosses und äusserst kräftiges, gut genährtes Tier verwendet, das erst kurze Zeit vor der Versendung eingefangen worden war. Da sich der Muskel als sehr leistungsfähig erwies — sämtliche Versuche wurden, wie bereits erwähnt, am entbluteten Muskel gewöhnlicher Nervmuskelpräparate angestellt — konnte eine verhältnismässig recht grosse Zahl von Zuckungen angeschrieben werden, ohne dass der Muskel allzusehr ermüdete. So wurden in diesem Versuche 320 Zuckungen ausgeführt, wobei stets nach je 20 angeschriebenen Zuckungskurven 40 Zuckungen bei abgehobenem Schreibhebel er- folgten; nach der 320. Zuckung wurde sodann eine Pause von einer Minute eingeschaltet, worauf noch weitere 20 Zuckungen registriert wurden. In der nachfolgenden Tabelle sind für die einzelnen Latenzstadien und ihre Differenzwerte sowohl die ausgemessenen Streckenlängen als auch die daraus berechneten Zeitgerössen ver- zeichnet. Sodann folgen die daraus sich ergebenden Werte für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, während in der letzten Kolonne als Zuckungshöhen die an den Kurven direkt gemessenen, nicht reduzierten Ordinaten der Gipfelpunkte vermerkt stehen. Versuch Nr. 62 am 11. Juli 1910. Sehr grosse Rana esculenta mit äusserst kräftiger Muskulatur. Nerv- muskelpräparat der rechten Seite. Abstand der Reizstellen vom Muskel 10 bzw. 65 mm. Durchtrennungsstelle 15 mm von der oberen Reizstelle entfernt. Be- lastung 60 g, R.-A. 180 mm. Zimmertemperatur 19° C. Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven, 445 BREIT te DO ERE HortpAan 13 ; Die Differenz- va. | Zuckungs- Zahl der Latenzstadium als werte in eeschwin: Aalen Be x 2 Er EEE Token | ZueC t redu- Eu uzen Wegstrecke Zeitdauer El, P ER Seh. ziert mm 6 m mm amd r 2,20) 2,502 °7207° 8,10 0,3 | 1,05 52,38 | 28,10 28,45 SE108 2.20 72,502 7.207 78,75 0,3 | 1,05 52,38 | 28.50 28,80 E12 12:20 .2,507 | 0,207°8,15 0,3 | 1,05 52,38 ı 28,85 29,10 13. „ 14.| 220 250 ı 7,70 8,75 0,3 ' 1,05 52,38 | 29,15 29,30 ee 1222172,19522545, 1777,92 28,57 0,3 | 1,05 52,35 | 36,05 835,90 181. „ 182.| 2,65 2,95 | 327 10,32 0,3 | 1,05 52,38 | 36,60 36,20 251. „ 252.| 3,30 9,60 11,55 12,60 0,3 | 1,05 52,35 | 30,55 80,55 307. „ 308. | 3,95 4,25 | 13,82 14,87 0,3 | 1,05 52,388 | 22,35 22,80 311. „ 812.| 3,80 420 [15,30 14,70 0,4 | 1,40 39,28 | 22,40 22,20 315. „ 816. | 3,90 4,30 |13,65 15,05 0,4 | 1,40 39,28 | 21,95 21,75 319. „ 320.1 3,80 4,20 |13,30 14,70 0,4 , 1,40 39,28 | 21,30 21,15 327. „ 328&.| 3,45 83,75 \12,07 13,12 0,3 | 1,05 52,38 | 21,60 21,55 337. „ 338.| 3,70 4,00 12,95 14,00 0,5 | 1,05 52,38 | 18,55 18,90 Wie schon aus dieser Tabelle hervorgeht, ergab sich also bei der genauen Ausmessung im Verlaufe einer derartigen längeren Zuckungsreihe eine Verlängerung der Differenz der Latenz- zeiten, die ein Drittel ihres Anfangswertes beträgt, was demnach eine entsprechende Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregsung (von rund 52 auf rund 39 m pro Sekunde) bedeuten würde. Zu ganz analogen Ergebnissen führte in gleicher Weise eine beträchtliche Anzahl anderer Versuche, wobei manchmal die Zunahme der Differenzwerte der Latenzstadien eher noch grösser gefunden wurde. Der verhältnismässig hohe Anfangswert für die Fortpflanzungs- geschwindiekeit im Nerven, wie er bei den meisten Versuchen in ziemlich konstanter Weise gefunden wurde, dürfte vielleicht, abgesehen von der höheren Temperatur, in dem Umstande seine Erklärung finden, dass bei diesen Versuchen stets übermaximale und zwar meist annähernd gleich starke Reize in Verwendung kamen. Dass aber bei Einwirkung solcher die Leitungsgeschwindigkeit eine wenn auch nicht gesetzmässige Zunahme erfährt, ist wohl zum mindesten nicht ganz ausgeschlossen, wofür u. a. besonders die Untersuchungen Durig’s!) zu sprechen scheinen, die speziell mit den früheren Beobachtungen von von Vintschgau?°) vollkommen übereinstimmen. 1) A. Durig, Wassergehalt und Organfunktion. d. ges. Physiol. Bd. 92 S. 293. 1902. 2) M.v. Vintschgau, Untersuchungen über die Frage, ob die Geschwindig- keit der Fortpflanzung der Nervenerregung von der Reizstärke abhängig ist. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 30 8.17. 1883. Ill. Mitteilung. Arch. f. 446 Ludwig Haberlandt: Dass ferner die Zunahme der Latenzdifferenzen bei dem Ver- suche, auf den sich obige Tabelle bezieht, verhältnismässig beträcht- lich später zu konstatieren war als bei den meisten früheren Ver- suchen, kann vielleicht damit zusammenhängen, dass das zu diesem Versuche benutzte Tier aus einer Sendung stammte, welche aus ganz frisch eingefangenen, äusserst gut genährten und kräftigen Tieren bestand. Die Ruhepause, nach welcher die entsprechenden Differenz- werte wieder ihren Anfangswert erreicht hatten, betrug bei dem an- geführten Versuche eine Minute. Um zu erfahren, welche Zeitdauer eben noch in dieser Beziehung genügt, wurden Versuche ausgeführt, bei denen die Erholungspause auf 30 und später auf 15 Sekunden abgekürzt wurde. Es zeigte sich hierbei, dass auch schon die kurze Zeit von 15 Sekunden ausreicht; noch kürzere Pausen kamen in den Versuchen nicht zur Anwendung. Dieser Befund wäre wohl mit der sehr interessanten Tatsache in Analogie zu setzen, die, wie bereits einleitend kurz erwähnt wurde, Thörner!) in seinen Unter- suchungen ganz anderer Art aufgefunden hat, dass nämlich sogar die anaörobe Erholung des ermüdeten Nerven bereits nach 10 Sekunden deutlich ausgeprägt ist. Eine solche kurze Pause von nur 15 Sekunden fand auch am Schlusse jenes Versuches statt, von welchem die reproduzierten Kurven erhalten worden waren (siehe Tafel V). Dabei war das Nervmuskelpräparat der linken Seite eines ebenfalls sehr grossen und kräftigen, frisch eingefangenen Tieres verwendet worden. Die untere Reizstelle war 5 mm, die obere 65 mm vom Muskel entfernt; der Abstand der Durchtrennungsstelle von der oberen Reizstelle betrug 15 mm. Der sehr grosse Muskel war mit 60 g belastet, der Rollen- abstand betrug 170 mm. Der grössere Zwischenraum im oberen Teile der Kurvenreihe entspricht 50 nicht angeschriebenen Zuekungen, während nach den nächsten 20 wieder reeistrierten Zuckungen, zwischen der 224. und 225. Zuckung, die Pause von 15 Sekunden eingeschaltet wurde, was durch die stärkere, horizontale Linie an- gezeichnet ist. 1) W. Thörner, Weitere Untersuchungen über die Ermüdung des mark- baltigen Nerven: Die Ermüdung und die Erholung unter Ausschluss von Sauer- stoff. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 351. 1910. Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 447 Die Ausmessung führte zu einem analogen Ergebnis wie bei den meisten anderen derartigen Versuchen. Die Zunahme der Diffe- renz der Latenzzeiten betrug hier ebenfalls ein Drittel des Anfangs- wertes, zeigte sich aber bereits von der 211. Zuckung an ausgebildet. Nach der Pause von 15 Sekunden war die Differenzgrösse wieder auf ihren anfänglichen Wert zurückgegangen. Es sei noch erwähnt, dass nach 100 Zuckungen die Differenz der Latenzzeiten im Ver- gleich zum Beginn des Versuchs noch nicht merklich verändert ge- funden wurde, während die Messung im Beginn der zweiten Hälfte des zweiten Hunderts bereits eine gerinsfügige Vergrösserung der Differenzen nachweisen konnte, die aber erst im dritten Hundert ein Drittel des Anfangswertes erreichte. Aus der nachstehenden Tabelle sind die angeführten Einzelheiten übersichtlich und zahlen- mässig zu entnehmen. Versuch Nr. 67 am 14. Juli 1910. Zimmertemperatur 19° C. Fortpflan- ; Die Differenz- _ | Zuckungs- Zahl der enz alumuals werte in |geschwin-| „,zöhen | diekeit | t redu- Aadarıgan Wegstrecke | Zeitdauer mellaee he ae ziert un | © m mm s.und 6. | 2,50 2,80 | 8,75 980 | 0,3 | 1,05 57,14 | 25,85 25,70 0 8.1.2,5022,802.|..8,75 9,80. | 0,3.171,05 57,14 | 26,00 25,90 99521021025072:80 | 875° 9,80 .17.0,371,05 57,14 | 26,00 26,05 KR 120 12,50°2,80. 217 8,19 9,80: |; 0,3. 11,09 57,14 | 26,55 26,30 00162 10,2.60.2,907 39,10. 10,157 | 0,357 171,05 57,14 | 26,50 26,60 1000182 1727707 3,007 9,45 10.50 | 0,3 71.05 57,14 | 26,70 26,70 997, 1007] 2,70 3.00 | 9,45. 10,50 | 0,8 | 1,05 57,14 | 32,05 32,20 De 1022172,60, 22,907 3,107 10,15 71 0,372 1.05 57,14 | 32,30 32,30 al 1522. 02,20) 2,59 | 4.40 8,92 | 0,3521,22 48,97 | 35,55 35,65 Sa 2,25 2,60 7,88 9,10] 0,35 1,22 48,97 | 35,75 35,80 Ze 2122 72:507 2,907 8,757 210,15 | 0,4 | 1,40 42,85 | 37,25 37,25 25219 2:55 2,95..1°8,922 10,32 10,4 | 1,40 42,85 | 37,30 37,30- ai aloe 2,550 2:95 | 8,927 .10,32 | .0,4 | 1,40; 42,85 1 37,35 97,30 PP 122201025557 2:95, | 3,92, 10,522) 0,47) 7,40 42,355 | 37,15 37,20 228° 12:85 3,15.1.997 11,02°| 0,3 11,05 57,14 | 37,80 37,45 2930 7.2362 1..8:05..3,35. 110,67. ° 11,72: 70,37. 1,05 57,14 | 36,70 836,60 239. , 240. | 3,00 3,30 |10,50 11,55 | 0,3 | 1,05 57,14 | 36,45 36,35 245. „ 246. | 3,20 3,50 \11,20° 1225 | 0,3 | 1,05 57,14 | 36,00 36,00 l Wie schon früher bemerkt wurde und auch aus der Tabelle ersichtlich ist, wurden auch bei diesem Versuche die ersten Kurven- paare wegen ihrer nicht genügenden Regelmässigkeit zur Ausmessung AAS Ludwig Haberlandt: nieht verwertet. Ferner lässt sich schon an der Kurventafel ohne Mühe erkennen, wie zunächst die Grösse der Latenzstadien im all- gemeinen unter geringfügigen Schwankungen allmählich etwas ab- nimmt, was meistens recht deutlich bei jenen Versuchen zum Aus- druck kam, bei denen besonders kräftige Muskeln verwendet wurden. So war diese Abnahme bei dem zuletzt besprochenen Versuche bis zur 154. Zuekung in recht ausgeprägtem Maasse nachweisbar, während nach den darauffolgenden 50 nicht angeschriebenen Zuckungen sich die Latenzstadien der von der unteren Reizstelle ausgelösten Zuckungen wieder annähernd gleich gross gestalteten wie zu Beginn des Versuches. Im weiteren Verlaufe desselben tritt schliesslich eine verhältnismässig ziemlich rasche Zunahme dieses Stadiums ent- sprechend der bereits weiter vorgeschrittenen Ermüdung des Muskels ein, welch’ letztere sich vor allem an der stets stärker werdenden Dehnung der Zuckungskurven kundgibt, wobei sie durch die kurze, eingeschaltete Ruhepause nur in geringem Grade vorübergehend ver- mindert erscheint. x Im Anschlusse an die Besprechung dieses Versuches soll hier übrigens hervorgehoben werden, dass bei zwei anderen derartigen Versuchen, die mit einem ebenfalls ganz besonders grossen und äusserst kräftig entwickelten Tiere angestellt wurden, eine auch nur geringfügige Zunahme der Differenzwerte der Latenzstadien nicht nachzuweisen war, obwohl bei beiden Versuchen über 200 Zuckungen angeschrieben worden waren. Desgleichen ist hier auch daran zu erinnern, dass bei jenem Versuche, auf den sich die zuerst mit- geteilte Tabelle bezieht, die Zunahme jener Differenzgrösse erst nach mehr als 300 Zuckungen, also bedeutend später festgestellt werden konnte. Es dürften demnach wohl auch in dieser Hinsicht nicht un- bedeutende, individuelle Verschiedenheiten bestehen. Die Tatsache, dass die bei diesen Versuchen meist gefundene Ab- nahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeitder Nerven- erregung nach einer kurzen Ruhepause wieder ver- schwindet, muss wohl, wie gesaet, zugunsten der Auffassung sprechen, dass es sich hier um ein wirkliches Ermüdungs- symptom handle Es ist ja klar, dass damit von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen erscheint, jene Abnahme als Symptom beginnenden Absterbens des Nerven zu deuten. Zur sicheren Kon- trolle wurde eine Anzahl von Versuchen auch in der Art aus- Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 449 geführt, dass nach den ersten Kurvenpaaren eine längere Pause von 9—7 Minuten eingeschaltet wurde, die zum mindesten eben so lange dauerte wie ein gewöhnlicher Versuch ohne Unterbrechung. Hierbei zeigte sich, wie ja wohl zu erwarten war, dass eine solche Zeitdauer an und für sich keinen Einfluss auf die Grösse der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit auszuüben vermag. Ferner muss bei diesen Überlegungen auch das Moment einer eventuell eintretenden lokalen Ermüdung (im Sinne Bern- steins) durch die länger andauernde, bzw. fortgesetzt sich wieder- holende Einwirkung des elektrischen Stromes an den Reizstellen selbst mit berücksichtigt werden. In der Tat hat Nicolai!) in seinen Untersuchungen am Riech- nerven des Hechtes eine „Verlängerung der Leitungszeit nach mehr- facher Reizung“ beobachtet, die „im wesentlichen“, wie er feststellen konnte, „in der Nähe der Reizsteile“ stattfindet und hier durch eine Schädigung derselben infolge des wiederholten elektrischen Reizes verursacht wird. Was aber die Verzögerung der Fortpflanzungs- geschwindigkeit auf der vom Reiz nicht geschädigten Nervenstrecke betrifft, so will Nicolai dieselbe nur zum Teil aus der gleich- zeitigen Abnahme der Aktionsströme erklärt wissen, da „kleine Aktionsströme sich wahrscheinlich etwas langsamer fortpflauzen als grosse“. Dieser Anteil der Verzögerung sei somit analog der „ge- ringen Verlangsamung bei Anwendung schwächerer Reize, die einen nicht maximalen Aktionsstrom zur Folge haben“. Weiterhin meint er aber, „dass die ja sicher vorhandene Ermüdung doch einen merk- lichen Einfluss auf die Leitungsgeschwindigkeit ausübt“, zu dessen Sicherstellung jedoch grössere Versuchsreihen nötig wären. Um nun wieder auf meine Versuche zurückzukommen, so muss dazu bemerkt werden, dass hier jenes Moment der lokalen Ermüdung bzw. Schädigung durch die Induktionsschläge an den Reizstellen selbst an und für sich als Ursache für eine Zunahme der Latenz- differenzen kaum in Betracht kommen könnte, da ja in dieser Be- ziehung an beiden Reizstellen dieselben Verhältnisse gegeben sind, die etwaigen Falles eine gleichmässige Verlängerung der Latenz- zeiten verursachen, ihre Differenzen aber nicht verändern würden. 1)G. Fr. Nicolai, Über Ungleichförmigkeiten in der Fortpflanzungs- geschwindigkeit des Nervenprinzips, nach Untersuchungen am marklosen Riech- nerven des Hechtes. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. Supplbd. S. 341. 1905. 450 Ludwig Haberlandt: Es müsste denn höchstens sein, dass vielleicht eine lokale Er- müdung und Irritation an der unteren Reizstelle infolge der sich -so oft daselbst wiederholenden elektrischen Schläge gewissermaassen ein peripheres Hindernis für die Fortleitung der an der oberen Reizstelle gesetzten Erregung abgäbe, so dass dadurch jene eine Verzögerung erfahren würde. Für diesen Fall könnte dann auch wohl die so bewirkte Verlangsamung der Leitungsgeschwindigkeit eventuell durch eine kurze Ruhepause wieder behoben werden. Um nun darüber Aufschluss zu erlangen, wurden schliesslich die Versuche noch in folgender Weise modifiziert: Zunächst wurde nach Tötung des Versuchstieres mit dem Nerv- muskelpräparat der einen Seite ein Versuch in der Weise ausgeführt, dass eine längere Zuckungsreihe angeschrieben wurde, wobei der Nerv stets nur an einer und derselben Stelle erregt wurde, die in möglichst weiter Entfernung vom Muskel gelegen war. So- dann kam mit dem jetzt erst angefertigten Nervmuskelpräparat: der anderen Seite der Parallelversuch zur Ausführung, bei dem die Nervenreizung ganz nahe am Muskel stattfand. Auch von dieser Versuchsreihe seien hier als Beispiel einige Zahlen angeführt. Zu den beiden Versuchen, auf die sie sich beziehen, wurde ein mittelgrosses Tier benützt, und zwar wurde zu- erst der Versuch mit hoher, d. h. zentraler Nervenreizung ausgeführt, wobei die Reizstelle 45 mm vom Muskel entfernt war, sodann jener mit der peripheren Reizung des Nerven nahe am Muskel in einer Entfernung von 5 mm. In beiden Versuchen war ferner der Ab- stand der Durchtrennungsstelle von der Reizstelle gleich gross ge- wählt und betrug 10 mm, so dass auch in dieser Beziehung beide Male analoge Verhältnisse gegeben waren. Dasselbe galt auch so- wohl hinsichtlich des verwendeten Rollenabstandes (130 mm) als auch der Grösse der Belastung (30 g). Dieser Doppelversuch nun ergab, wie auch die meisten anderen derartigen, in beträchtlicher Anzahl ausgeführten Versuche, dass die Latenzstadien bei zentraler Nervenreizungin stärkerem Maasse bzw. früher zunehmen als bei peripherer Lage der Reizstelle, wie dies aus der bei- gefügten Tabelle (S. 451) leicht zu ersehen ist. Es ist noch hervorzuheben, dass diese Parallelversuche stets in der oben mitgeteilten Reihenfolge ausgeführt wurden, so dass also der Versuch mit peripherer Nervenreizung an jenem Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. 451 Versuch Nr. 57 und 55 am 8. Juli 1910. Versuch Nr. 57 (zentrale Reizung) Versuch Nr. 58 (periphere Reizung) Latenz- Zuckungs- | Latenz- Zuckungs- stadium als | höhen stadium als | ‚höhen Zuckung SApaS nichtredu- Zuckung Es Re nicht redu- Wog- |Zeitdauer| ziert Weg- | Zeitdauer] ziert streckemm © mm streckemm| © mm 1. 2,45 | 8,57 14,15 Il, 2.15 || U 15,65 2. 2,590 | 8,75 14,65 2. 220 | 7,70 16,15 3. 2,45 | 8,97 15,30 3. 2,20 | 7,70 16,75 4. 2,50 | 8,75 15,70 4. 2,25 | 7,87 17,50 7% 2,80 | 8,75 16,80 % 2,20 | 7,70 13,65 8. 2,80 | 8,75 17,15 10. 2,20 | 7,70 19,40 izil, 2,95 |10,32 19,40 12. 2,60 | 9,10 19359 179. 3,05 10,67 19,20 IN 2,69 | 9,27 19,25 180. 3,10 110,85 19,20 180. 2,65 | 9,27 19,05 181. 3,05 110,67 19,10 182. 2,69 | 9,27 18,95 182. 3,05 |10,67 19,00 154. 2,659 | 9,27 18,85 Die Mittelwerte Die Mittelwerte der 1.Gruppe| 2,48 | 8,69 15,625 | der 1.Gruppe| 2,20 | 7,69 17,35 BODEN, 3,04 10,63 1918 | „2 ,„ 2,64 | 9,23 19,13 Die Grösse der Die Grösse der betreffenden 0,56 | 1,94 3,555 | betreffenden | 0,44 | 1,54 1,78 Zunahmen Zunahmen Präparate stattfand, das erst einige Zeit (ungefähr eine halbe Stunde) nach erfolgter Tötung des Tieres angefertigt worden war; und dennoch ergab sich das oben angeführte Resultat entsprechend jenen in den früheren Versuchen gewonnenen Ergebnissen. Damit dürfte aber wohl auch der Einwand als nicht begründet erscheinen, dass die aus den zuerst beschriebenen Versuchen gefolgerte Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit eventuell darauf zurückzuführen sei, dass die untere Reizstelle infolge lokaler Ermüdung durch direkte schädliche Beeinflussung von seiten des elektrischen Reizes sich all- mählich gleichsam zu einem peripheren Hindernis entwickle, das seinerseits die Leitungsgeschwindiekeit verzögern würde. Endlich sei besonders darauf hingewiesen, dass sich die Ab- nahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nerven- erregung, wie sie bei diesen Versuchen allem An- scheine nach als ein Ermüdungssymptom auftritt, bereits bei einer verhältnismässig geringfügigen Inanspruchnahme des Nerven zu entwickeln scheint: der hierbei in Betracht kommenden Nervenstrecke wurden ja keine tetanischen Dauererregungen, sondern bei den zuerst besprochenen Versuchen ungefähr nur jede dritte Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 30 452 L. Haberlandt: Versuche über die Ermüdbarkeit des markh. Nerven. Sekunde, bei der eben beschriebenen Modifikation alle anderthalb Sekunden allerdings längere Zeit hindurch Einzelerresungen zu- geführt. ° Ich babe die vorliegenden Versuchsergebnisse mitgeteilt, trotz- dem die Geschwindigkeit der benutzten Schreibfläche nicht eine so grosse war, wie sie für Bestimmungen der Leitungsgeschwindigkeit im markhaltigen Nerven wohl angezeigt erscheint. Ich bin mir auch vollkommen bewusst, dass die hier veröffentlichten Versuche aus diesem Grunde gewiss nicht jene weitgehende Genauigkeit besitzen, die für ganz sichere Schlussfolgerungen erforderlich ist. Über Versuche mit tetanischen Dauerreizungen soll im Laufe der nächsten Zeit berichtet werden. Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd. 137: Verlag v: Martin Hager,Bonn | | | \ Zur Verseifung des Sinigrins. Von Dr. WM. Gonnermann, Rostock. In diesem Archiv, Jahrgang 1906, berichtete ich über „Spaltungs- vorgänge von Leberhistozym und einiger Enzyme auf Glykoside und Alkaloide“; unter den Glykosiden befand sich auch Sinigrin, welchem nach Beobachtungen von Herrn Prof. D. Kobert in Dorpat Kaninchen unter Vergiftungserscheinungen erlagen, wenn dasselbe den Darm passierte, während bei Injektion in die Blutbahn solche letale Erscheinungen nicht eintreten. Diesen Beobachtungen trat Sjollema entgeeen, weil es ihm nicht gelang, bei innerlicher Dar- reichung Vergiftungserscheinungen konstatieren zu können. Nach den von mir angestellten Versuchen mit Bact. coli, menschlichen Fäkalien, mit Darminhalt von Kaninchen und den aus demselben isolierten Bakterien konnte ich nur feststellen, dass eine Verseifung des Sinigrins nicht zu erzielen war. Nun ist es nicht ausgeschlossen, weil ich die Versuche ohne Abschluss der Luft ausführte, dass mög- liceherweise anaerobe Bakterien des Darminhaltes spaltende Wirkung ausüben könnten; es sollten demgemäss die Versuche nochmals an- gestellt werden, und zwar mit Baet. lactitis, coli commune, Darm- bakterien und Darminhalt von Kaninchen unter absolutem Luft- abschluss; die Versuchsreagenzgläser mussten dabei frisch sterilisiert, das Luft abhaltende Paraffinöl frisch aufgekocht werden; die Ge- mische dann in dem Wasserbad von 38 °C verbleiben. Das Sinigrin versuchte ich mir selbst aus entöltem schwarzem Senfmehl her- zustellen. Indes war mir die frühere Ausbeute damals sehr gering erschienen, und dürfte der Grund dafür wohl darin liegen, dass ich übersah, dass eine wässrige Sinigrinlösung bei 110° unter Ent- wicklung von Schwefelwasserstoff zerfällt; es ist mir dies allerdings nicht aufgefallen, allein ich wollte doch das Verfahren etwas um- ändern. Zunächst suchte ich festzustellen, bei welcher Temperatur das Myrosin seine Wirkung auf Sinigrin verliert; es wurden 302 454 M. Gonnermann: Streifen von Helfenberger Senfpapier mit Temperaturbezeichnung in ein Wasserbad gehängt, zunächst eine Minute einwirken gelassen, auf den Geruch nach Allylsenföl geprüft, fünf und zehn Minuten liegen gelassen und dabei wieder auf den Geruch geprüft. Hierbei ergab sich nach Einwirkung von 1 Min. bei 60 ° C: riecht schwach, 5 Min. stärker, 10 Min. kräftig, 1 „ „65° „ riecht, schwach, 5 Min. stärker, 10 Min. kräftig, l „ „75° „ etwas schwächer, 5 Min. kleine Zunahme, 10 Min. etwas mehr, l „ „80° „ noch bemerkbar, 5 Min. keine Zunahme, 10 Min. deutlich, l „.,„.8° „ nicht bemerkbar, 5 Min. nicht bemerkbar, 10 Min. bemerkbar, 1 „ „90° „ nicht bemerkbar, 15 Min. kaum bemerkbar, 1 „ „9° „ nicht bemerkbar, 20 Min. nicht bemerkbar; auch bei einer Wirkungsdauer von zwei Minuten bei gleichen Temperaturen im Wasserbad blieb die Verseifbarkeit des Sinigrins durch Myrosin dieselbe; nur war sie bereits bei 90 ° C aufgehoben. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass das Myrosin ein äusserst widerstandsfähiges Enzym und meine Beobachtung über dasselbe in genannter Arbeit bestätigt ist; wenngleich nun Alkohol ein Mittel ist Enzyme wirkungslos zu machen, so genügt bei Myrosin selbst siedender Alkohol, also bei einer Temperatur von 75° C, nicht, um während einer halben Stunde, wie Ludwig und Lange zur Darstellung des Sinigrins angeben, die Wirkung des Myrosins auf Sinigrin aufzuheben; es bedarf hierzu einer Zeit von sechs bis acht Stunden! 1. Ich habe infolgedessen das Senfmehl zur Darstellung des Sinigrins portionsweise in siedendes Wasser eingetragen und hierbei das Auftreten von Allylsenföl wohl verhindert, aber möglicherweise auch Sinigrin zersetzen lassen, da ich ohne Thermometer arbeitete. Bei den jetzigen erneuten Versuchen für die Darstellung des Sinigrins trug ich bei stets genau eingehaltener Temperatur von 95 °C das Senfmehl — von Diederich, Helfenbere, bezogen — in das Wasser portionsweise ein und hielt dann das fertige Gemisch noch eine Stunde bei dieser Temperatur. Es war weder der Geruch nach Allylsenföl noch nach Schwefelwasserstoff bemerkbar; auch wurde übergehaltenes Bleipapier nicht gebräunt. Nach dem Erkalten Zur Verseifung des Sinigrins. 455 wurde abgepresst und das rückständige Senfmehl dreimal mit der dreifachen Menge Wasser ausgesüsst, die Flüssigkeiten klar filtriert und auf dem Wasserbad zum Sirup eingedampft. Angewandt waren 1!/s kg entöltes Senfmehl. Der Sirup wurde in einem Kolben mit aufgesetztem Kühler durch 90 %oigen Alkohol im Wasserbad zweimal einige Stunden aus- gekocht, die dunkelbraune Lösung abgegossen, der Rückstand mehr- mals mit 85 '/oigem Alkohol ausgekocht, die Lösungen kochend heiss filtriert und das Filtrat mehrere Tage beiseitegestellt.e. Die aus- geschiedene rotgelbe Substanz löste ich in Wasser, behandelte die Lösung mit Tierkohle und brachte das Filtrat auf dem Wasserbad zur Trockne, kochte den Rückstand nochmals mit Alkohol aus, löste den beim Erkalten sich ausscheidenden Teil wieder in Wasser und versuchte das Filtrat zur Kristallisation zu bringen. Die auf diese Weise erhaltene Menge Kristallisationsflüssigkeit erschien mir jedoch für die angewandte Menge Senfmehl so gering, dass mir grosse Bedenken kamen; es heisst zwar, dass Sinigrinlösung bei 110° C wohl Rhodan abspaltet, aber kein Allylsenföl, denn bei dieser Darstellungsmethode entwickelte sich kein Senföl; ich prüfte daher eine neue, klare alkoholische Lösung mit Eisenchlorid und musste zu meinem Erstaunen wahrnehmen, dass sofort die blutrote Färbung der Rhodanreaktion eintrat. Zum Überfluss gab die ver- dünnte wässrige Kristallisationsflüssigkeit diese Rhodanreaktion nicht, während der ziemlich konzentrierte wässrige Senfmehlauszug dieselbe intensiv erscheinen liess. Sollte nun bereits während des Eintragens des Senfmehles in das heisse Wasser eine Abspaltung von Rhodan eintreten? Nach dem H. W. B. d. Ch. soll sich dann aber Schwefelwasserstoff entwickeln, und dieser war in vor- liegendem Versuch nicht nachweisbar. Nehme ich nun an, dass die Rhodanreaktion mit Eisenchlorid mit Sinigrin eintritt"), aus 1) Hierzu muss ich mich als in einem grossen Irrtum befindlich bekennen, welcher sich erst viel später aufklärte, als ich erkannte, dass eben Sinigrin mit Eisenchlorid die blutrote Färbung nicht gibt. In der Literatur ist angegeben, dass sich in dem Senfsamen noch eine andere Rhodanverbindung findet, welche mit Eisenchlorid die charakteristische Rotfärbung gibt. Gelten also die nachbezeichneten „Rhodanfärbungen“ als nicht beweisend für die Gegen- wart von Sinigrin, so kann doch als sicher angenommen werden, dass sich dasselbe in den betreffenden Lösungen und Extrakten vorfindet. Die betrefienden Tier- versuche mit den einzelnen Rückständen wurden aus dem Grund zurückgestellt, um schliesslich aus den gesammelten Extrakten noch Sinigrin auszuscheiden, blieben aber unausgeführt, weil eben das reine Sinigrin Gehe dafür in Anwendung kam. 456 M. Gonnermann: welchem Grund bleibt dieselbe in der oben erhaltenen Kristalli- sationsflüssigkeit aus, welche eigentlich nur allein Sinierin enthalten sollte? Und tritt diese Reaktion mit Sinigrin nicht ein, so muss dasselbe während des Eintragens von Senfmehl in das heisse Wasser auch ohne Entwicklung von Schwefelwasserstoff zerlegt worden sein. Auch Bleilösung bewirkte einen weissen Niederschlag, desgleichen Baryumchlorid in den mit Salzsäure angesäuerten wässrigen Auszug, so dass ich eine Abspaltung von Schwefelsäure annehmen kann. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, in Ladenburg’s Werk über Sinigrin nachlesen zu können und fand, dass das verwandte Senfmehl nicht vom fetten Öl befreit werden darf, und die alko- holischen Auszüge im Vakuum verdampft werden sollen. Dieses Verfahren ist ganz verschieden von dem von Ludwig und Lange eingeschlagenen, und soll hierbei !/s %o Sinierin als Ausbeute er- halten werden: aus 1!/ kg Senfmehl also 75 g! eine Ausbeute, welche bei dem einfachen Verfahren mit dem Preis des Sinigrins: 1 g = 3,75 Mk. in keinem Verhältnis steht! Leider konnte ich in dem Fabrikslaboratorium nach dem angegebenen Verfahren nicht arbeiten. 2. Da ich nun nach der Vorschrift von Ludwig und Lange sowie nach der von mir beschriebenen Methode nicht zum erfolg- reichen Ziele gelanete, so versuchte ich eine Alkoholmethode ver- änderter Form. Bei der Darstellung des Myrosins — Ausziehen des entfetteten Senfmehles so lange mit 96 °/oigen Alkohol, bis eine ge- trocknete Probe mit Wasser verrieben kein Senföl entwickelt — wird das Sinigrin aus dem Mehl entfernt und Myrosin schliesslich mit Glycerin ausgezogen. Nun soll das Sinigrin in verdünntem Alkohol schwer, in starkem sogar nicht löslich sein — wenn diese Angaben richtig sind! Hierauf fussend, stellte ich mir ein Alkohol- semisch von 85 °o her, verrührte hiermit Senfmehl: selbst nach mehreren Stunden trat der Geruch nach Senföl nicht ein, ein Beweis, dass dieser schwache Alkohol bereits die Spaltung des Sinigrins in- hibierte, d. h. er setzte das Myrosin ausser Wirkung und löst das Sinigrin, wie ein Filtrat mit Eisenchlorid bewies. Ich kochte dem- zufolee das Senfmehl unter Benutzung eines Rückflusskühlers mit 85 oigen Alkohol bis zur Erschöpfung aus, destillierte den Alkohol aus dem Wasserbad zum grössten Teil ab, verdampfte den Rückstand zum Sirup, nahm diesen in Wasser auf, versetzte die Zur Verseifung des Sinigrins. 457 Lösung mit etwas Baryumkarbonat und verdampfte zur Trockne. Dieser Trockenrückstand wurde mehrmals mit 80 °oigem Alkohol ausgekocht und diese alkoholische Lösung in offenen flachen Schalen zum Verdunsten gebracht, bevor mit der Lösung die Eisenrhodan- reaktion ausgeführt war. In den mir zur Verfügung stehenden Hand- und Lehrbüchern ist diese Reaktion mit Sinigrin nicht an- geführt; ich nehme jedoch an, dass die Gegenwart von Rhodan- verbindungen durch die Eisenreaktion bewiesen sei!), und zog daher das entölte Senfmehl in der Wärme mit verdünntem Alkohol aus, bis diese Reaktion verschwand oder doch nur sehr schwach auftrat. Aus dem alkoholischen Sirup schieden sich beim Erkalten auf dem Objektivschieber bereits nadelförmige Kristalle aus, welche auf Sinigrin schliessen liessen, zumal eine Probe mit Wasser verdünnt auf Zusatz von Eisenchlorid tief blutrot wurde; allein der Sirup selbst war so intensiv dunkel gefärbt, dass ich denselben nochmals in Wasser löste und durch ganz frische, feinkörnige, gereinigte Knochenkohle zu entfärben suchte. Dies gelang mir selbst nach mehrtägigem Stehen nur zum Teil, wie denn auch ein klares Filtrat nicht zu erreichen war. Beim Eindampfen schied sich eine teer- artige, schmierige Masse aus, welche fest an der Wandung der Schale haftete und sich schwer in Wasser, nicht in Alkohol löste, mit Eisenchlorid aber auch keine Reaktion gab. Die schwarze Masse wurde durch Filtration durch Glaswolle beseitigt, das ganz dunkelbraungelbe Filtrat zum Sirup eingeengt, mit Gipspulver ver- mischt zur Troekne gebracht, das Pulver mit SO%/oigem Alkohol aus- gekocht, die filtrierte dunkle Lösung in offenen flachen Schalen ver- dampfen gelassen. Allein es schieden sich keine Kristalle aus, bis endlich ein ganz dunkler Sirup entstand, aus welchem sich wohl kaum noch Kristallinisches ausscheiden dürfte. Er wurde nochmals in Wasser gelöst, das klare, mit Knochenkohle behandelte Filtrat wurde eingeengt und beiseite gestellt. — 3. Ich versuchte nun ein anderes, drittes Verfahren zur Ge- winnung des Sinigrins: es wurde das entölte schwarze Senfmehl drei Stunden mit Alkohol von 90 °/o im Wasserbad von 83°C aus- gekocht und in demselben erkalten gelassen; eine Probe abgepresst und vollständig ausgetrocknet ereab mit Wasser befeuchtet, auch nach längerer Zeit, den Geruch nach Senföl nicht, so dass also an- 1) Vgl. vorhergehende Berichtigung. 458 M. Gonnermann: zunehmen war, dass das Myrosin vollständig unwirksam wurde. Den alkoholischen Auszug entfernte ich durch Auspressen; das Senfpulver zog ich nochmals. mit Alkohol aus, presste ab und trocknete voll- ständig, zog dasselbe mit Wasser aus, entfärbte die filtrierten, gemischten Auszüge mit Knochenkohle durch mehrtägiges Stehen und häufigem Umschütteln. Das erhaltene weingelbe, klare Filtrat brachte ich durch Eindämpfen zum dieken Sirup, welcher mit 90 °/oigem Alkohol ausgekocht wurde. Den heissen und erkalteten alkoholischen Filtraten wurde etwas Äther zugegeben, wobei eine starke weisse Ausscheidung eintrat, die jedoch beim Durchschütteln wieder verschwand. Die gelbrote Lösung brachte ich auf flachen Tellern zum Verdunsten; allein „ein Kristallbrei“, wie solcher von anderer Seite beschrieben wird, war absolut nicht zu erhalten: es blieb wiederum ein sirupöser Rückstand. Auf Zusatz von 90% igem Aikohol trübte sich derselbe stark, so dass ich unter Rühren soviel Alkohol zusetzte, bis eine Trübung nicht weiter eintrat. Hierbei schied sich eine harzartige Masse aus, welche sich in Wasser auf- löste, während der abgegossene Alkohol mit Eisenchlorid &ine stark blutrote Färbung gab. Zunächst verdampfte ich den Alkohol von dem Rückstand unter Rühren und löste diesen in der Kälte in Wasser; die dunkelrote alkoholische Lösung wurde gleichfalls wieder verdampft. Es waren nunmehr drei verschiedene, vorher mit Alkohol be- handelte, wässrige, dunkle Extrakte erhalten, welche durch langes Stehen im Exsikkator nur mikroskopisch spiessige Kristalle erkennen liessen. Die dunkle Färbung war jedoch nicht zu entfernen, und ebenso gelang es nicht, Sinigrin zu erhalten: jedenfalls sind noch Stoffe in den Extrakten erhalten, welche die Auskristallisierbarkeit erschweren oder gar verhindern, Stoffe, welche in Wasser und Alkohol löslich sind. Ä 4. Ich versuchte nun, das Senfmehl nach sechsstündigem Auskochen mit Alkohol mit Wasser auszuziehen und das weingelbe Filtrat direkt mit Kohle zu entfärben; nach mehrtägigem Stehen und öfterem Durchsehütteln erzielte ich ein wasserhelles Filtrat, das nach dem Ein- engen auf dem Wasserbad eine Madeirafärbung zeigte. Wie zufällig versetzte ich die Lösung mit starkem Alkohol und bekam eine: starke, weisse kristallinische Fällung; hoch erfreut, auf diese Weise das Sinigrin ziemlich rein zu erhalten, prüfte ich zunächst den überstehenden Alkohol mit Silberlösung und Eisenchlorid und Zur Verseifung des Sinigrins. 459 bekam dabei eine noch schwache Reaktion für Sinigrin — aber, als ich das Kristallmehl mit Alkohol auswusch, abfiltrierte, in Wasser löste und mit Eisenchlorid prüfte, trat keine Rhodanreaktion ein; dagegen gab — eine böse Ahnung — Baryumchlorid in der schwach salzsauren Lösung einen starken weissen Niederschlag, welcher sich nicht in Salpetersäure auflöst, somit die Gegenwart von Schwefel- säure bewies. Als nun die Probe mit Myrosin ausgeführt wurde, war auch beim Erwärmen im Wasserbad und langem Stehen der Geruch nach Allylsenföl nicht wahrzunehmen. Da nunmehr an- zunehmen war, dass das Sinigrin durch das langsame Verdampfen der Lösungen, wie ich bereits hervorhob, zum Teil sich in der Weise veränderte, dass sich zwar Rhodan abspaltet, aber nicht Allylsenföl, also wohl auch Kaliumbisulfat eibt, so fällte ich zunächst mit Alkohol dieses Salz aus, bis noch eine Trübung blieb; das Filtrat sab mit Eisenchlorid nur eine geringe Färbung, wie auch das Kaliumbisulfat eine geringe Rotfärbung mit Eisenlösung erkennen liess, so dass es beim Auskochen eines anderen Rückstandes mit Alkohol benutzt wurde. Die vom Kaliumbisulfat abfiltrierte Lösung wurde zur Trockne verdampft und der Rückstand nochmals mit 93 oigen Alkohol mehrmals ausgekocht, die alkoholische Lösung heiss filtriert; sie gab mit Eisenchlorid starke Rhodanreaktion; beim Eindampfen resultierte ein Sirup, in welchem sich nach mehreren Tagen kleine mikroskopische Kristalle ausschieden, welche mit wenig Wasser aufgenommen wurden und deren Lösung wieder in den Ezsikkator eingestellt wurde. o. Ein weiterer Versuch ging dahin, das durch Alkohol von der Wirkung des Myrosins befreite Senfmehl gut abzupressen, an der Luft zu trocknen, mit Wasser zu extrahieren und die Flüssigkeit unter Zugabe von Baryumkarbonat einzudampfen. Der trockne Rückstand wurde wieder mehrmals mit Alkohol ausgekocht und die heisse Lösung zum Abkühlen mehrere Tage auf flachen Tellern beiseitegestellt. Resultat‘: wieder ein dunkler Extrakt! 6. Da nun immer nur Extrakte, aber keine Sinigrinkristalle erhalten wurden, so schüttelte ich dieselben nacb Vorschlag des Herrn Prof. R. Kobert so oft mit Isobutylalkohol aus, bis derselbe farblos blieb, voraussetzend, dass derselbe wohl das Glykosid Sinigrin lösen würde. - Die alkoholische Lösung war dunkelrotgelb; sie wurde mit Wasser ausgeschüttelt, bis dieses nur noch schwach gelb war, die sich leicht trennenden Flüssiekeisen für sich auf dem 460 M. Gonnermann: Wasserbad bis zum Sirup eingedampft, der vom Isobutylalkohol ungelöst gebliebene Rest nochmals in Wasser gelöst, filtriert und oleichfalls die Lösung eingeengt. Es resultierten somit drei ver- schiedene Extrakte, aus denen sich jedoch, auch nach langem Stehen im Exsikkator keine Kristalle ausgeschieden hatten — eine Probe mit Myrosin ergab, dass Sinigrin überhaupt in diesen Extrakten nicht enthalten war. Auf welche Weise das Glykosid aus den ver- schiedenen Verfahren verschwand, bei welchen immer noch die Eisenrhodanreaktion bemerkbar war, ist mir unerklärlich; soviel steht aber nunmehr fest, dass alle bekanntgegebenen Vorschriften, nach denen das Sinigrin aus Alkoholauszügen nach dem Erkalten zu kristallinischer Masse erstarren soll, wenig Vertrauen verdienen. 7. Wie bereits im zweiten Versuch angegeben, wird das Myrosin durch 85 °/oigen Alkohol unwirksam und Sinigrin gelöst, es wäre daher ein dreistündiges Auskochen des Senfmehles, um Myrosin ab- zutöten, ganz überflüssig, so dass sich dabei Myrosin und Sinigrin in einem Zug darstellen liesse. Es wurde daher das Serfmehl mit der dreifachen Menge 85 °/vigen Alkoholes vermischt und unter häufigem Durehschütteln 10 Stunden digeriert, der Alkohol abgegossen und durch erneute Mengen ersetzt, bis eine abgepresste, getrocknete Probe mit Wasser angefeuchtet kein Allylsenföl entwickelte. Die alkoholischen Filtrate wurden gemischt und auf dem Wasserbad eingeenset. Das rückständige Senfmehl zog ich mit Wasser aus und fällte das Myrosin durch das mehrfache Volumen Alkohol; der Niederschlag wurde abfiltriert, mit Alkohol ausgewaschen, auf dem Wasserbad bei 50° C vollständig ausgetrocknet, mit reinem Glycerin verrieben, mehrere Stunden bei 50° C im Wasserbad digeriert, die Lösung in Alkohol filtriert, der Rückstand nochmals mit Glycerin extrahiert und der Auszug gleichfalls durch Alkohol gefällt. Die gesammelten Niederschläge kamen auf dem Filter zum Auswaschen mit Alkohol, dann mit Äther und gaben getrocknet ein hellstroh- gelbes Pulver, welches sich in Wasser vollständig zu einer opali- sierenden, schäumenden Flüssigkeit auflöste. Die alkoholischen filtrierten Auszüge dampfte ich auf dem Wasserbad bei 75° C zu einem dünnen Sirup und liess sie mehrere Tage stehen: hierbei schieden sich an den Rändern Kristallmassen aus, während der Sirup mit Kristallen durchsetzt war. Eine heraus- genommene Probe mit Alkohol ausgekocht hinterliess einen schmierigen Rückstand, während die hellgelbe Lösung beim Verdampfen Kristall- Zur Verseifung des Sinigrins. 461 drusen ausschied. Es war also anzunehmen, dass auf diese Weise sich Sinigrin erhalten liesse, zumal die Reaktion mit Eisenchlorid sanz intensiv auftrat. Der Sirup wurde nunmehr auf dem Wasser- bad zur Trockne eingedampft, der Rückstand immer mit wenig 96 °/oisem Alkohol ausgekocht, die Lösung heiss filtriert und die Filtrate beiseitegestellt. Der erhaltene Sirup enthielt viel Kristalle; ich löste denselben in Wasser, digerierte einige Tage mit gereinigter Tierkohle, dampfte das Filtrat etwas ein und liess es im Exikkator über Schwefelsäure unter Wirkung der Wasserluftpumpe stehen. Es resultierte jedoch wiederum ein dunkles Extrakt, welches, in Wasser gelöst, mit dem erhaltenen Myrosin vermischt nach einiger Zeit starken Senfölgeruch ausgab,so dass also Sinigrin in demselben gelöst sein musste. 8. Ich versuchte nunmehr auf einem ganz anderen Weg das Sinigrin zu erhalten: aus dem myronsaurem Blei. Es wurden hierzu zwei Sinigrinlösungen hergestellt: durch Aus- kochen des Senfmehls mit Alkohol und dann mit Wasser, sowie durch Eintragen des Mehls in siedendes Wasser. Beide Sinigrinlösungen wurden, ohne die langwierige Filtration auszuführen, schwach ammoniakalisch gemacht und durch Bleiacetat in geringem Überschuss gefällt. Der gelbrote Niederschlag setzte sich sehr lanesam und auch nicht vollständig ab; er wurde mit Wasser ausgesüsst, bis kein Blei mehr nachzuweisen war. Der abfiltrierte, abgepresste Niederschlag wurde mit dem mehrfachen Volumen einer Kaliumsulfatlösung in dem Wasserbad unter häufigem Umschütteln mehrere Tage digeriert. Eine Prüfung mit Eisenchlorid gab starke Rhodanreaktion — dürfte wohl auch von Essigsäure stammen! Das Filtrat dampfte ich unter Zugabe von Baryumkarbonat auf dem Wasserbad zur Trockne ein. Während des Eindampfens trübte sich allmählich die Flüssigkeit, bis sich schliesslich ein schwarzes Pulver (PbS?!) aus- schied; eine richtige Erklärung fand ich hierfür nicht, da eine Entwicklung von Schwefelwasserstoff nicht bemerkbar war, welches eine Zersetzung des Sinierins unter Bildung von Schwefel- blei anzeigen müsste. Auch eine Prüfung auf Glykose blieb negativ. Aus dem schliesslich eingeengten Filtrat resultierte wiederum ein dunkler Sirup, welcher in Wasser gelöst, mit Myrosin vermischt, die Gegenwart von Sinigrin erkennen liess. Es war mir somit nicht gelungen, nach nach allen Seiten hin an- gestellten Versuchen Sinigrin — auch aus frisch dargestelltem, nicht entöltem Senfmehl — zu erhalten, so dass die Spaltungsversuche 462 M. Gonnermann: wohl mit den erhaltenen Extrakten ausgeführt werden müssten; ob die Resultate dann einwandsfrei sein würden? Sicher war mir nur, dass die stets für Sinigrin gehaltene Eisenreaktion von anderen Rhodanverbindungen herrührte, welche sich im Senfmehl finden müssen, das Sinigrin aber immer in den Extrakten enthalten war. Um die Frage, ob das Sinigrin im Tierkörper überhaupt spalt- bar ist, entgültig zu entscheiden, da alle Versuche, dasselbe aus dem Senfmehl zu erhalten, daran scheiterten, dass nur dunkle Fxtrakte erhalten werden konnten, aus denen sich keine Kristalle, selbst nach monatelangem Stehen, ausschieden — wurde nochmals ein Versuch zur Isolierung des Sinigrins angestellt. Bei dem bereits beschriebenen Versuch Nr. 7 hatte ich die Beobachtung gemacht, dass das Myrosin durch 85 Y/oigen Alkohol un- wirksam, das Sinigrin löslich wird. Diese Eigenschaften benutzte ich nochmals, entöltes Senfmehl mehrere Tage zweimal mit 85 /o igem Alkohol bei 60° C auszuziehen, den Alkohol abzupressen, ehe die zweite Extraktion vorgenommen wurde. Die gemischten Filtrate prüfte ich unter Zugabe von steigendem Zusatz von Äther, davon ausgehend, dass Glykoside in diesem nicht löslich sind, also auch: Sinigrin mit der Zeit sich ausscheiden würde. Allein bei diesen Vorversuchen zeigte es sich, dass absolut klare Gemische entstanden und irgend eine Ausscheidung nicht eintrat — die Methode also nicht anwendbar war. Da bereits die alkoholischen Auszüge eine Bierfarbe hatten, nahm ich an, dass möglicherweise die Samenschale des schwarzen Senfes einen Farbstoff enthalten könnte, welcher durch verdünnten wie auch 93 °/oigen Alkohol in Lösung geht; wäre dies der Fall, so wäre erst der Senfsamen zunächst mit Alkohol zu extrahieren und dann erst nach dem Trocknen zu pulverisieren, usw. Allein selbst nach einer achttägigen Digestion trat nur eine ganz geringe Färbung des Alkohols ein — aber es war bereits auch Rhodan in Lösung gegangen, denn nach Zusatz von Ferrichloridlösung entstand sofort die blutrote Färbung. Es müssen also noch Stoffe in dem schwarzen Senfsamen enthalten sein, welche vielleicht (?) erst bei Gegenwart von Luftsauerstoff gefärbt werden, weil durch Tierkohle eine wesentliche Entfärbung der konzentrierteren Lösungen nicht zu erreichen ist. Habe ich bei den vorhergehenden Versuchen fast schwarze Extrakte erhalten, so war der letzterhaltene rotbraun, vielleicht, weil ich eine Änderung im Verfahren vornahm. Um den Alkohol ganz aus dem Auszug zu entfernen, zugleich Zur Verseifung des Sinigrins. 463 aber auch eine wässerige Lösung zu erzielen, versetzte ich den ersteren mit destilliertem Wasser: es entstand sofort eine weisse Trübung (Fett?), welche zunächst beim Umsehütteln wieder ver- schwand, aber bei weiterem Zusatz von Wasser sich weiter bildet, bis, nachdem so ziemlich das gleiche Volumen des alkoholischen Auszuges an Wasser zugesetzt war, sich eine schleimige Substanz ausschied, und nach einigen Tagen zu Boden gesetzt hatte. Dass diese Schleimpartieen wesentlich zu der Schwarzfärbung der früheren Extrakte beitrug, bewies die Abwesenheit schwarzer, schmieriger, ölartiger Produkte, welche sich bei den früheren Eindampfungen in grosser Menge abschieden. Die klare filtrierte Flüssigkeit wurde nun auf dem Wasserbad bei 50—55° C vorsichtig eingeengt, bis sämtlicher Alkohol ver- flüchtist war; durch Filtration wurde noch eine geringe Menge schleimiger Substanz entfernt und die nun alkoholfreie, wässerige Lösung mehrere Tage mit gereinigter Tierkohle bei 55° C digeriert — leider ohne einen bemerkenswerten Entfärbungserfole. Zur Sicherung wurden Reaktionen auf die Gegenwart von Rhodan- verbindung und Abwesenheit von Glykose und Schwefelsäure — aus Kaliumbisulfat, aus dem Zerfall des Sinigrins stammend — aus- geführt und .die zufriedenstellendsten Resultate erzielt. Die von der Tierkohle abgegossene Flüssigkeit digerierte ich noch einige Tage mit reinem Caleiumkarbonat, um jede Spur einer eventuellen sauren Reaktion zu beseitigen, und konzentrierte das Filtrat auf dem Wasserbad bei 55° C unter Rühren zu einem dickflüssigen Extrakt. Derselbe zeiste neutrale Reaktion, starke Färbung mit Ferrichlorid und war frei von Glykose. Myrosin besitzt keine diastatische Wirkung: lösliche Stärke wurde selbst nach zwei Tagen bei 45° C nicht in Dextrose übergeführt. Alle erhaltenen Extrakte blieben in Herrn Prof. Kobert’s Händen. Nunmehr kam es darauf an, nachzuweisen, ob das Sinigrin durch irgendein Enzym oder durch Bakterien oder ein noch un- bekanntes Ferment gespalten werden könnte. Herr Prof. Kobert führte solche Versuche mit verschiedenen Bakterien, deren Reinzueht aus dem pathologischen Institut entnommen war, aus, welche jedoch negativ ausfielen, somit meine Versuche be- stätigten. Versuche mit den Darmbakterien von Kaninchen sowie vom Menschen mit normaler oder durch Cholera nostras bedingter Darmentleerung, habe ich gleichfalls ohne positives Resultat aus- geführt und in diesem Archiv, wie schon erwähnt, besprochen. 464 M. Gonnermann: Davon ausgehend, dass in der Wurzel des Schöllkrautes, (Chelidonium majus. L.) ein äusserst wirksam, spaltendes Ferment enthalten ist, stellte Herr Prof. Kobert die Frage, ob viel- leicht in Pflanzensäften — aus Wurzel oder Kraut stammend — sich unbekannte Fermente finden könnten, welche auch aus Sinigrin eine Abspaltung von Rhodanäthyl bewirken, und führte ich daraufhin nach- folgende Versuche mit Angabe der erhaltenen Resultate aus. Zur Charakteristik des reinen Sinigrins, welches in prächtigen Kristallen die Firma Gehe & Co., Dresden, liefert, stellte ich folgende Versuche an: I. Löslichkeit in Wasser: leicht; Alkohol, 96°: schwer, etwas mehr in siedendem; 2 85 °/o: bei 60° C im Verhältnis 1: 130 löslich; Amylalkohol: nicht; Isobutylalkohol: nicht; Methylalkchol, nur beim Erwärmen etwas löslich; Äther: nicht; Aceton: nicht; Chloroform: nicht. II. Schmelzpunkt: feines Kristallpulver in eine Kapillare eingesaugt, diese, einseitig verschmolzen am Quecksilbergefäss des Thermo- meters befestiet und in Glycerin versenkt, Schmelzpunkt bei 130° C festgestellt; hierbei trat Bräunung der Flüssig- keit auf; Kristalle auf dem Uhrglas, auf dem Wasserbad erhitzt, schmelzen zu einer braunen, zähen Flüssigkeit. III. Reaktionen: Eisenechlorid: keine Rhodanfärbung. Bleiazetat, neutral: keine Fällung, erst auf Zusatz von einer Spur Ammoniak weiss. Bleiacetat, basisch: nach einiger Zeit schwache Trübung, auf Zusatz von Ammoniak starke, weisse Fällung. Kupfersulfatlösung wird auf Zusatz von Sinigrinlösung nicht verändert; benutzt man jedoch eine ammoniakalische Kupferlösung, so wird aus dieser durch Kochen schwarzes Schwefelkupfer ausgefällt. Zur Verseifung des Sinigrins. 465 Silberlösung, auch sehr verdünnt, wird durch Sinigrin in der Siedehitze nicht verändert; in der ammoniakalischen Silberlösung entsteht hierbei eine Ausscheidung von Schwefelsilber. Zu kochender Silberlösung einen Kristall Baryumchlorid gefügt, entsteht ein weisser Niederschlag. Kaliumjodat: unter Zusatz von Stärkelösung eine halbe Stunde im Digestionsbad bei 38° C keine Jodreaktion. Kalilauge, 330: beim Kochen gelbrote Färbung, ohne Entwicklung von Senföl. IV. Verhalten der Lösung: a) Beim Verdampfen auf dem Wasserbad, zuletzt im Exikkator: schöne, grosse, weisse rhombische Säulen; b — schwach alkalisch gemacht, 5 Tropfen einer !/ıo Normal- kalilösung zu 5 °Joiger Lösung, auf dem Wasserbad ver- dampft, zuletzt im Exikkator langsam eingetrocknet: schwach gefärbter Rückstand, zu Federfahnen gruppierte, zarte Büschel ; 2 e) schwach sauer gemacht, 5 Tropfen einer !Y/ıo Normal- schwefelsäure zu 5 /oiger Lösung, wie bei b: gleichfalls schwach gefärbt, ein Konglomerat wetzsteinförmiger Kristalle. b und e zweifellos Zersetzungsprodukte; d) mit Äther häufig und kräftig durcheeschüttelt es trat keinerlei Ausscheidung ein; e) in die Lösung Kristalle von Kochsalz in einem Gaze- beutelchen eingehängt, um eine konzentrierte Kochsalz- lösung zu erzielen: das Sinigrin wurde nicht ausgesalzen. Es wurde eine 1°oige Lösung von Sinigrin Gehe & Co. unter Zugabe einiger Tropfen Toluol hergestellt und je fünf Kubikzenti- meter dieser Lösung; 10 g mit Wasser fein zerriebenen Materials in Reagenzeläsern, nachdem dieselben 15 Stunden, ohne Geruch nach Senföl zu entwickeln, gestanden haben, zugefügt, nach gründlichem Durehsehütteln in ein Digestionsbad von 33 —40° C eingestellt. Es gelangten zur Anwendung: Galium aparine; Chelidonium majus, Kraut und Wurzel; Phaseolus vulgaris, junges Kraut, wie auch solches von Pisum 466 M. Gonnermann: sativum; Beta vulgaris, Blätter und Wurzel; Calla palustris; Allium Cepa und Schoeoprassum, Blätter; Apium graveolens und Petroselinum; Convallaria majalis; Ornithogalum luteum; Anemone nemorosa; Lamium album, blühend; Cardamine pratensis und amara; Reseda luteola; Rumex obtusifolius; Polygonum aviculare; Solanum tuberosum, Knollen — und duleamara; Anchusa tinetoria; Symphitum offieinale; Anethum graveolens; Lactuca sativa; Taraxa- cum offieinale; Cichorium Intybus; Rhaphanus speeies, Capsella Bursa pastoris; Cochlearia armoracea Blätter. Die Dauer der Einwirkung war zunächst 10 Stunden bei Zimmertemperatur; als hierbei in keinem der Versuche der Geruch nach Senföl sich bemerkbar machte, kamen die Versuchsgläser 2] Stunden in das Digestionsbad. Allein auch über diese Zeit hinaus, zwei Tage lang, war eine Spaltung des Sinigrins, mit nur wenigen besonderen Ausnahmen nicht zu erkennen, so dass also erwiesen ist, dass, wie in meinen früheren Versuchen festgestellt war, das Sinigrin ausser durch Myrosin nicht spaltbar ist. Diese Ansicht findet darin ihre Bestätigung, dass die ver- diekten Wurzeln des Radies — Rhaphanus sativus Radiola — sowie die blühenden Stengel und die Blätter des Hederich’s be- reits nach dem Stehen über Nacht aus Sinigrin kräftig Allylrhodanür entwickeln, eine Beobachtung, welche diese Pflanzen ohne Zusatz von Sinigrin nicht in Erscheinung treten lassen. i Hiernach ist wohl zweifellos erkannt, dass in dieser Gruppe sich Myrosin oder ein ähnlich wirkendes Enzym vorfindet, und zwar nicht in den reifen Samen wie im schwarzen und weissen Senf, sondern im Kraut. Ausser diesen beiden Vertretern der Kreuz- blütler entwickelten auch noch einige andere Pflanzen gleichfalls Rhodanallyl, welche am Ende der aufgezählten Reihe der Versuchs- pflanzen aufgeführt und durch stärkeren Druck gekennzeichnet sind. Die meisten Vertreter der Senferuppe enthalten in ihren Samen, besonders der weisse Senf (Sinapis alba s. Semen Erucae), die Komponenten des Knoblauchöles — Schwefelallyl — oder nur sehr wenig Rhodanallyl (0,024), während Senfkuchen noch 0,45 °/o Senföl enthalten. Da bekannt ist, dass das Mutterkorn — Secale cornu- tum, energisch aus Amygdalin Benzaldehyd abspaltet, wurde auch der Wirkungswert desselben auf Sinigrin geprüft und gefunden, dass schon viele Jahre altes Mutterkornim Digestions- Zur Verseifung des Sinigrins. 467 bad bald nach kurzer Zeit die Abspaltung von Rhodan- allyl bewirkte. Während meines Aufenthaltes in Blankenburg i. Th. hatte ich leider keine Gelegenheit, die fortgesetzten Versuche über Sinigrin- spaltungen bei Digestionswärme auszuführen; allein weil das Sini- grin durch Myrosin bereits bei gewöhnlicher Temperatur nach einiger Zeit zerlegt wird — im Senfmehl nach Befeuchten binnen kaum einer Minute —, so liess ich die Versuchsgemische mit ge- fundenen Pilzen meistens 36 Stunden bei Zimmertemperatur stehen; das Pilzfleisch wurde fein zerrieben, mit der 1/igen Sinigrin- lösung in Reagenzgläsern gemischt. Die Resultate verliefen negativ, auch wenn die Versuchsgläser, gut vor der Bestrahlung der Sonne geschützt, mit Papier umhüllt in einem Blechkasten der Sonnen- wärme ausgesetzt waren, um dadurch eine höhere Temperatur zu erzielen. War mir dies eigentlich nicht überraschend, so erstaunte ich um so mehr, als die Gemische mit frischem Mutterkorn ohne jegliches positives Resultat verliefen, d. h. es spaltet in diesem Stadium kein Rhodanallyl ab. Ich sammelte das Mutterkorn in jedem Entwicklungsstadium, d. h. die Versuche wurden mit kaum infizierten Caryopsen des Roggens. und weiter entwickelten Fruchtkörpern bis zur Reife ausgeführt — also leider ohne jegliche Abspaltung von Allylsenföl. Das gleiche negative Resultat erzielte ich mit Uredo von Weizen und Hafer sowie Ustilago Maydis. Nach diesen überraschenden Beobachtungen nalım ich nach meiner Rückkehr nach Rostock die gleichen Ver- suche sofort wieder auf und zwar bei Digestionswärme und musste leider erkennen, dass auch diesmal nach einer Einwirkung von 9 Stunden eine Abspaltung von Rhodanallyl nicht eintrat. Wenn nun die Entwicklung von Senföl bei der Einwirkung von sehr altem Mutterkorn auf Sinigrin festgestellt wurde, so wäre nur anzunehmen, dass die alte Droge ganz andere Keime, oder ein anderes Ferment beherbergte, welche in frischem Zustand derselben sich nieht finden können und eine Abspaltung von Senföl bewirkten. Nach dieser, nach einer Richtung hin interessanten Beobachtung trat ich doch noch der Einwirkung von frisch gesammeltem Mutter- korn auf Amygdalin näher und konnte dabei die oben an- geführte Tatsache bestätigen, indem bereits nach 20 Minuten Digestionsdauer der Geruch nach Benzaldehyd kräftig auftrat. — Von den Pilzen wurden zu den Versuchen benutzt: Agaricus Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 3l 468 M. Gonnermann: adiposus, campestris, caparatus, deliciosus, faseieularis, glutinosus, melleus, mutabilis, oreades, procerus, rufus; Amanita muscaria; Russula emetica, virescens; Boletus bovinus, luteus, edulis, scaber; ferner Cantharellus eiparius; Phallus impudieus; Coprinus comatus; Sparassis erispa; Lycoperdon Bovista; Clavaria flava; Peziza leporina. Auch bei der Einwirkung von frischem Kot von Ochsen bei Digestionswärme war eine Abspaltung von Rhodanallyl aus Sinigrin nicht eingetreten, so dass die Versuche nach allen Richtungen hin völlig negativ verlaufen sind. Zum Schluss teilte mir Herr Professor Kobert noch mit, dass er einem Kaninchen und einem Huhn per os je 1 g Sinigrin beigebracht hat, und dass nach Verlauf von 24 Stunden irgendwelche nachteilige Wirkung des Glykosides bei beiden Tieren nicht beobachtet werden konnte, im Gegenteil die Tiere „sich des besten Wohlseins erfreuen“. Da nun die Versuche über die Spaltungsmöglichkeit des Sini- grius nach allen Riehtungen hin irgendeinen positiven Erfolg nicht verzeichnen liessen, so spreche ich mich im völligen Einverständnis mit Herrn Professor Kobert also dahin aus, „dass aus dem Sinigrin, einem Glykosid ganz einzig dastehender Art, auf künstlichem Weg mit Ausnahme von Myrosin durch kein Spaltungsferment, mag es tierischer oder pflanzlicher Natur sein— zu denen sich jetzt noch die von mir aus unreifen und reifen Mohnkapseln isolierte Mohninvertase gesellt — sowie durch die Einwirkung von Darmbakterien Rhodanallyl nicht abgespaltet werden kann; wenngleich nun bei einigen Versuchen mit den mit dem Senf in gleiche Familie gehörigen Pflanzen: Rhaphanus, Sysim- brium, Capsella u. a. sich der Geruch nach Senföl entwickelt, so kann hier nur ein dem Myrosin ähnliches Ferment oder dieses selbst die Spaltung bewirkt haben, so dass dies nicht besonders auffällig erscheint. Die eingangs aufgeführten Versuchen mit anaeroben Bak- terien kamen nach diesen zweifellos negativen, aber richtigen Resultaten nieht zur Ausführung. Wenn nun im Tierkörper eine Spaltung des Sinigrins nicht eintritt, vorausgesetzt, dass eine totale Verbrennung sich vollzieht, die jedoch kaum insofern anzunehmen ist, als die Histozyme der Leber und Niere gleichfalls wirkungslos sind, wie ich durch meine dahin- zielenden Versuche feststellen konnte!), so müsste das Sinigrin auch 1) Pflüger’s Arch. 1906. Zur Verseifung des Sinigrins. 469 in dem Harn der damit gefütterten Tiere sich wiederfinden und aus demselben gewinnen lassen. Der Harn vom Kaninchen wurde mir übergeben mit dem Bemerken, dass derselbe, um ihn gut filtrierbar zu machen, d. h. die ausgeschiedenen Phosphate in Lösung zu bringen, mit einigen Tropfen Salzsäure versetzt sei. Diese freie Salzsäure stumpfte ich zunächst durch Natriumbikarbonat ab, davon ausgehend, dass ausserdem leicht eine Zersetzung des Glykosides zu befürchten war, die, wie ich betone, sehr leicht möglich ist, ohne dass die Ent- wicklung von Allylsenföl dabei auftritt. Beim Eindampfen auf dem Wasserbad resultierte eine braune Kristallmasse, welche auch nach einigen Tagen, im Exsikkator stehend, nicht ganz trocken wurde. Beim Auskochen mit 93/0 igem Alkohol färbte sich derselbe madeiraähnlich, trübte sich beim Er- kalten und schied farblose Kristalle aus, welche von der Mutter- lauge eingehüllt waren. Die klare alkoholische Lösung, welche natürlich auch in Alkohol lösliche Harnbestandteile enthielt, ver- dampfte ich auf dem Wasserbad zum grössten Teil und stellte dann die Schale in den Exsikkator. Die zuerst erhaltenen Kristalle unter- zog ich zunächst einer Prüfung mit ammoniakalischer Silber- und Kupferlösung: in beiden Fällen trat die Dunkelfärbung beim Fr- hitzen ein, wie sie reines Sinierin bewirkt — eine Ausscheidung von Schwefelmetall. Den alkoholischen Verdampfungsrückstand sowie die zuerst er- haltenen Kristalle schwenkte ich mehrmals mit reinem 93 /oigem Alhohol aus, um die Mutterlauge zu entfernen, saugte diese mit Filtrierpapier ab und löste die Salze in Wasser und liess erst auf dem Wasserbad, dann im Exsikkator konzentrieren. Es wurden hierbei Kristalle erhalten, die etwas gefärbt waren und mit Silber- und Kupferlösung wieder dunkle, an den Wandungen des Reagenz- elases haftende, nicht spiegelnde Ausscheidungen bewirkten. Da nun das Sinierin in Wasser sehr leicht löslich ist, demgemäss leicht in Verlust gerät, so kochte ich die geringe Menge Salz nochmals mit Alkohol aus und versuchte kierdurch eine bessere Reinigung; ich erhielt auch helle Kristalle, die jedoch auf absolute Reinheit An- spruch nicht machen konnten, durch Myrosin jedoch schnell unier Entwicklung von Rhodansenföl zerlegt wurden. 470 Th. Bokorny: Über intravitale Coffeinreaktionen. Von Th. Bokorny. Coffein ist als Reagens auf aktives Albumin von O. Loew und dem Verfasser zuerst angewandt worden. Die erste Notiz hierüber findet sich in unserer Abhandlung „Die chemische Kraftquelle im lebenden Protoplasma“, München 1882, S. 74: „0,25 /oige Lösung von freiem Coffein bewirkt die Entstehung von grossen Körnern und meist eine starke Kontraktion des Plasmaschlauches. Mit Silber- lösung reagierten nur jene in manchen (Spirogyra-)Zellen nur spär- lich auftretenden Körner.“ Dann äusserte sich Verfasser in Pringsheim’s Jahrb. d. wissensch. Bot. Bd. 19 H. 2 (1888, „Einwirkung bas. Stoffe auf das lebende Protoplasma“ S. 217) folgendermaassen: Besonders interessant ist die Einwirkung einer wässerigen Coffeinlösung auf lebende Spiro- gyrenzellen (Sp. maxima und orthospira). Wendet man konzentrierte etwa 5 ige!) Coffeinlösung an, so bilden sich im Zellsaft sogleich Hohlkugeln von beträchtlicher, aber verschiedener Grösse; sie sind vollkommen rund. Nach einiger Zeit treten im Saftraume der grösseren Kugeln kleinere Kügelchen von verschiedener Grösse auf. Durch Verdünnung der Coffeinlösung auf’s Zehnfache entstehen viel kleinere Kügelehen. Die angegebenen Konzentrationen können natür- lich nieht als absolut feststehende bezeichnet werden. Es ist ja sehr wohl möglich, dass man bei anderen Spirogyraarten andere Kon- zentrationen anwenden muss, um grosse und kleine Kugeln zu er- halten. Die Bildung grosser Kugeln ınit kleinen im Innern tritt ver- hältnismässig schwierig ein. Sind die Spirogyren in starkem Wachs- tum begriffen, so treten jene Ausscheidungen mit Coffeinlösung überhaupt nicht auf, weil der Zellsaft kein Eiweiss enthält. Im Frühjahr und Sommer wird man daher diese Reaktion oft vergebens zu bekommen suchen“. 1) Diese gibt es nur in warmem Zustande; in der Kälte löst sich höchstens 1,3% Coffein in Wasser auf. Über intravitale Coffeinreaktionen. 471 Da die 5/oige Coffeinlösung eine stark konzentrierte Lösung einer organischen Base ist und diese noch dazu warm angewendet werden muss, so dürfte ihre Wirkung kaum ganz auf die lebende Zelle zu beziehen sein, wenn auch vielleicht das im Zellsaft gelöste aktive Albumin besser zu widerstehen vermag. Weitere Mitteilungen über mikrochemische Coffeinreaktionen an lebenden Pflanzen machte Verfasser in seinem Aufsatze „Über Aggregation ')“ (Jahrb. f. wissensch. Bot. Bd. 20). Hier ist S. 443 angegeben, dass die Aggregation in Droseratentakeln und in Spiro- gyren, welche auf einer Reaktion des aktiven Albumins beruht, ausser verschiedenen anderen basischen Stoffen auch dem Coffein ihre Ent- stehung verdanken könne. „Die mit letzterem bei Spirogyra er- folgenden Ausscheidungen sind manchmal sehr mächtig und von Loew und mir früher beschrieben worden. Durch ihre oft be- deutende Grösse und die Kugelgestalt sehen sie den von Vries be- schriebenen Teilvakuoien ziemlich ähnlich und sind von Vries auch als Teilprodukte des Tonoplasten erklärt worden. Dass sie das nicht sind,. geht daraus hervor, dass man an mit Coffein behandelten und die erwähnten Ausscheidungen zeigenden Spirogyren den Tonoplasten mit Salpeterlösung noch als Ganzes zur Kontraktion bringen kann.“ „Bezüglich der Wirkung des Coffeins auf Spirogyren sei noch hervor- gehoben, dass selbst 24stündigesLiegen derselben in kalt gesättigter wässeriger Coffeinlösung die Spirogyren nicht tötet. Bei einem von mir angestellten Versuche mit Spiro- gyra maxima besass diese nachher noch starken Turgor und ergab mit 10°/oiger Salpeterlösung normale Plasmolyse. 24 Stunden in 1°/ooiger Ammoniaklösung gelegene Spirogyren derselben Art waren nach dieser Zeit abzestorben, schlaff, verfärbt, unfähig, sich wieder zu erholen.“ In den Epidermiszellen am Boden der Kanne von Nepenthes phyllamphora kann man durch 0,1 /oige Coffeinlösung eine Aus- scheidung von kleinen Kügelehen aus dem Zellsaft und dem Plasma veranlassen, welche ganz den Glanz und das Lichtbrechungsvermögen der hei Spirogyra und Drosera beobachteten besitzen und wie diese rasch zu grösseren Kugeln zusammenfliessen. rrimula sinensis ist ebenfalls ein geeignetes Objekt. In der Epidermis der ganzen Pflanze trifit man Zellen an, welche die 1) Der Ausdruck „Aggregation“ ist zuerst von Ch. Darwin gebraucht worden. Die Proteosomenbildung fällt zweifellos unter den Begriff „Aggregation“. 473 Th. Bokorny: Aggregation in schönster Weise zeigen, und zwar von zweierlei Art (wie bei Drosera): 1. Kontraktion und Teilung der Vakuolenwand; 2. Ausscheidung von Eiweisskugeln aus dem Zellsaft (die doppelte Reaktion ist besonders deutlich in den tiefgefärbten Epidermiszellen). In den rot gefärbten Epidermiszellen von Primula sinensis zeigten sich mit kalt gesättigter Coffeinlösung sehr bald grössere und kleinere Kügelehen. Mit 10 %oiger Salpeterlösung, welche nach dem Coffein einwirken gelassen wurde, erfolgte normale Plasmolyse, ein Zeichen, dass die Zellen nicht abgestorben waren. Besondere Erwähnung verdient die hier leicht zu konstatierende Tatsache, dass die Aggre- gation, insbesondere auch die Bildung von Eiweisskügelchen im Zell- saft, bei Einwirkung von 0,1°/oigem Coffein auftritt, bevor der Zellsaft durch die eindringende Base neutralisiert ist; denn intensiv rot gefärbte Zellen zeigen hier jene Eiweisskügelehen (durch Neu- tralisieren geht die Farbe in blau über). Nach Pfeffer sollen nämlich die Kügelehen erst aus dem neutralisierten und alkalisch gemachten Zellsaft ausfallen, wie gerbsaures Eiweiss aus einer sauren Lösung durch Zusatz von Alkali ausfällt. Es liegt aber hier offen- bar ein anderer Vorgang zugrunde; erst nach längerer Einwirkung der Coffeinlösung und reichlicherem Eindringen des Coffeins geht die Farbe von rot in blau über, nachdem die Aggregation längst vollendet ist. An den Narbenepidermiszellen von Crocus vernus beobachtet man unter der Einwirkung von 0,1°/oigem Coffein eine regelrechte Plasmolyse, als ob 5—10°/oige Salpeter- oder Zuckerlösung ein- gewirkt hätte. Der sich zurückziehende Plasmaschlauch bleibt lebendig und bildet eine neue Cellulosehülle um sich, welche eine beträchtliche Dieke binnen 24 Stunden erreichen kann. Es handelt sich hier offenbar um eine Reizwirkung des Coffein’s; anders ist die Kontraktion nicht zu erklären. An den rotgefärbten Fpidermiszellen der Blumenblätter von Tulipa suaveolens bewirkt 0,1 /oige Coffeinlösung binnen 4 bis 5 Stunden Anfänge zur Kontraktion und Teilung der Vakuolenwand (anormale Plasmolyse), nach zwei- bis dreitägigem Liegen der Schnitte in der Lösung aber Bildung zahlreicher kleiner Teilvakuolen in Form roter Kügelchen. Kugelige, bald zusammensehmelzende Ausscheidungen von. Zell- safteiweiss kann man mit kalt gesättigter (1,3 /oiger) Coffeinlösung an den grünen Parenchymzellen des Blattes vou Pelargonium zonale Uber intravitale Coffeinreaktionen. 473 erhalten; mit 10 °%oiger Salpeterlösung tritt an solchen schon in „Aggregation“ befindlichen Zellen noch normale Plasmolyse ein; ein Zeichen, dass sie lebendig geblieben sind. Behandelt man abgeschnittene Staubfäden von Aeacia mit 0,1 Yo iger Coffeinlösung, so zeigt sich bald in der Nähe der Schnitt- fläche Aggregation, welche teils in der Ausscheidung von Eiweiss- kugeln aus der Vakuolenflüssiekeit, teils in dem Auftreten von Körnern im Plasma sich kundeibt. An dem medianen Längsschnitt durch das obere Ende des Blütenstieles bemerkt man nach Behandlung mit wässeriger Coffein- lösung bald überall zerstreute, am Blütenboden gehäufte Zellen mit Aegregation. Auch die Oberhaut des Fruchtknotens zeigt zwischen den zahlreichen Raphidenzellen solche mit geballtem Inhalt; die Samenknospen sind von Aggregation nicht ausgenommen. Nimmt man von der Oberfläche eines etwas älteren Fruchtknotens einen Flächenschnitt und behandelt diesen mit kalt gesättigter wässeriger Coffeinlösung, so bemerkt man in den Epidermiszellen bald ver- schiedene Stufen der Aggregation; die einen zeigen nur Ausscheidung von Eiweisskügelchen aus dem Zellsaft, die anderen zugleich Kon- traktion des Tonoplasten (oder ganzen Plasmaschlauches?), wieder andere ausserdem noch Teilung des letzteren in mehrere grössere und kleinere Schläuche, die zum Teil vollständige Kugelform haben; alle zeigen sich straff gespannt und mit gerundeten Umrissen. Viel- fach kann man auch hier das allmähliche Zusammenfliessen der Eiweisskügelehen zu grösseren Kugeln beobachten. In den Staubfadenzellen von Melaleuca hypericifolia Sm. bringt 0,1 !oiges Coffein kleinere und grössere Kugeln hervor, welche all- mählich den ganzen Farbstoff der Zellen in sich aufnehmen und dann lebhaft rot gefärbt erscheinen. Ähnlich ist es bei den Staubfäden von Eugenia australis DC., nur fehlt dort der rote Farbstoff im Zellsafte. An den rotgefärbten Epidermiszellen der Blumenblätter von CGyelamen europaeum tritt mit Coffeinlösung 1:1000 sogleich Aggregation von zweierlei Art ein: Kontraktion der Vakuolenwand und Ausscheidung von Eiweisskugeln im Zellsaft. Macht man einen medianen Längsschnitt äurch die Blüte von Cotyledon eoccinea Cav. und legt denselben in wässerige Coffein- lösung, so tritt alsbald die Aggregation in vielen der nicht an- geschnittenen Zellen ein. Die Epidermis sämtlicher Blütenteile, des 474 Th. Bokorny: Blütenbodens, Perianthiums wie der Staubgefässe und Fruchtblätter, zeigt dieselbe in ausgezeichneter Weise; auch die oberflächliche Schieht der Samenknospen ist nicht davon ausgenommen. Aber auch im Innern der genannten Organe finden sich einzelne Zellen und Zellgruppen in nicht geringer Zahl, welche durch ihren geballten Inhalt schon bei schwacher Vergrösserung hervortreten. Die Haare, welche der äusseren Epidermis des Perianthiums aufsitzen und aus mehreren Zellen bestehen, lassen die Ausscheidung von Eiweisskugeln und deren nachträgliches Verschmelzen zu grösseren Kugeln in be- sonders bequemer Weise erkennen. An Querschnitten durch eines der kleineren grünen Blätter an der Infloreseenz konnte ich mit 0,1°/oiger Coffeinlösung die Aggregation ebenfalls deutlich sehen. Die Epidermiszellen mit den aufsitzenden Haaren, wie auch einzelne darunter liegende Parenchymzellen, zeigten nach kurzer Zeit Ballung des Inhaltes. Die genauere mikroskopische Untersuchung einer Zelle des Blütenpodens ergab, dass die Ausscheidungen im Plasmaschlauch liegen. Der Plasmaschlauch ist mit runden scharf abgegrenzten Aus- scheidungen angefüllt, welche Scheibengestalt haben. Wo die Ge- bilde besonders dicht stehen, drücken sie sich gegenseitig platt und nehmen einen mehr oder weniger regelmässigen fünf- bis sechseckigen Umriss an. Nach kurzer Zeit verschmelzen sie dann, so dass der Plasmaschlauch teils mit grossen Scheiben, teils mit Gebilden aller möglichen Verschmelzungsstadien angefüllt ist. Eine Kontraktion der Vakuolenwand sah ich hier nicht. Bequemer kommt man zum Ziele, wenn man statt der Blüten die dicken fleischigen Blätter nimmt, von denen man mit Leichtigkeit Flächen- und Querschnitte anfertigen kann. Am zweckmässigsten hebt man von denselben einen dünnen oberflächlichen Streifen ab, dreht denselben um, damit die zahlreichen der Epidermis aufsitzenden Haare nach unten zu liegen kommen und die Beobachtung weniger erschweren, lässt nun 0,1 °/oige Coffeinlösung einwirken und beobachtet ohne Säumen die nun auftretenden Veränderungen. Zahlreiche Zellen unmittel- bar unter der Epidermis zeigen plötzlich ein Zerfallen ihres plas- matischen Wandbelages in stärker und weniger stark lichtbrechende Partien; erstere treten bald scharf als runde Stellen hervor und stellen die erwähnten Eiweissscheibehen dar. Nach Behandlung mit 0,1°/oiger Coffeinlösung kann an den Ballung zeigenden Zellen noch Plasmolyse durch 5—10°/oige Salpeterlösung hervorgerufen werden. Über intravitale Coffeinreaktionen. 475 Ganz ähnliche Beobachtungen machte Verfasser an einer mexi- kanischen Crassulacee, Echeveria gibbiflora. Hier haben die mit Coffein reagierenden Zellen dieselbe Lage und Verteilung wie bei Cotyledon coce.; ihr Zellsaft ist aber rot gefärbt. Die rote Farbe wird bei der Reaktion mit 0,1 °/oigem Coffein zunächst nicht ver- ändert. Der Zellsaft reagiert also noch sauer, während die Reaktion schon da ist. Erst viel später, wenn genügend Coffein eingedrungen ist, geht ein Übergang der Farbe von rot in blau vor sich. Die Agsregation wird offenbar schon durch Spuren von Coffein angeregt, welehe bei weitem nicht ausreichend sind, um den Zellsaft zu neu- tralisieren. | Leider konnte ich Echeveria zu meinen neuen Untersuchungen nicht bekommen. Da aber grosse Übereinstimmung mit Cotyledon sp. (?) zu bestehen scheint, nahm ich diese zur nochmaligen Prüfung mit Coffein her. Wenn man Flächensehnitte von der Oberfläche der Cotyledon sp.- Blätter in einen Tropfen 1,3 /oiger Coffeinlösung legt, zeigt sich in der Flüssigkeit um den Schnitt herum sogleich eine ziemlich dieke weisse Trübung, offenbar hervorgerufen durch das Coffein. Diese Trübung zeigt unter dem Mikroskop zahlreiche feine, zum Teil zu Haufen zusammenhängende Körnchen, welche bei Zusatz von 0,1 ?/oigem Ammoniak zum Teil gelöst werden. Der lösliche Teil ist zweifellos gerbsaures Coffein. In den subepidermalen Zellen ist Gerbstoff im Zellsafte enthalten, der aus den angeschnittenen Zellen heraus in die Umgebung der Schnitte vordringt. Auch das gelöste (flüssige) Eiweiss der Zellen wird sich teilweise hinzugesellen und mit Coffein einen Niederschlag geben, vielleicht auch mit dem Gerbstoff zu- sammen eine Ausfällung geben. Die nicht angeschnittenen Zellen zeigen in ihrem Innern eine Ausscheidung, die merkwürdig genug ist, um näher beschrieben zu werden. Am besten gelingt die direkte Beobachtung ihres Verhaltens und der allmähl’ichen Entstehung der Ausscheidungen, wenn man die Flächensehnitte mit der Schnittseite nach oben in ein Tröpfchen Wasser auf aen Objektträger legt, das Deckgläschen auflegt und nun von dem Deckglasrande her einen Tropfen gesättigter Coffeinlösung durehsaugt. Dann tritt an den noch lebenden subepidermalen Zellen Ageregation ein; an den durch Zerrung beim Schneiden oder durch Eisensalzeinwirkung (vom Messer her) getöteten Zellen nur eine mehr oder weniger starke Trübung des Zellsaftes. Die Aggregation hat 476 Th. Bokorny: hier ihren Sitz im Plasma; man bemerkt in der noch gespannten Zelle das Auftreten von kleinen glänzenden Kügelchen im wand- ständigen Protoplasma, welche in einer Riehtung fortschreitend rasch am ganzen Umfang der Zelle dicht nebeneinander auftauchen und bald durch Zusammenschmelzen grösser werden, dabei ihre glänzende Beschaffenheit beibehalten. Die Zellen gewinnen damit ein ganz eigentümliches fremdartiges Aussehen, ungefähr so, wie es in meiner Abhandlung „Über Aggregation“ (Pringsheim’s Jahrb. f. wissensch. Bot. 20 H. 1 IV, Taf. XVIII) abgebildet wurde. Keiner, der lebende Pflanzenzellen kennt, wird sich erinnern, je etwas Ähnliches gesehen zu haben. Das wandständige Plasma, das vorher kaum sichtbar war, tritt durch dieses eigentümliche, durch Proteosomenbildung entstandene Mosaik scharf hervor, die aggregierten Zellen sind nun scharf von allen anderen Zellen unterschieden. Dieselben behalten dabei lange Zeit ihre straffe Beschaffenheit, ihre Turgescenz, somit ihr Leben bei. Das Gelingen der Reaktion ist ein ganz sicheres, wenn man frische turgescente Blätter anwendet und die Schnitte rasch mit einem sut gereinigten und geschliffenen Messer ausführt, dieselben dann ebenso rasch von dem Messer entfernt und in ein auf dem Objekt- träger liegendes Tröpfehen Wasser verbringt, dann unter Deckglas allmählich einen Tropfen gesättigter Coffeinlösung mit Fliesspapier durchleitet. War das Blatt schon welk, so gelingt die Aggregation richt; sind die Zellen beim Schnitt gedrückt oder gezerrt worden, so erscheint sie ebenfalls nicht. In den durch Anschneiden getöteten und geöffneten Zellen sieht man vielfach einen Niederschlag von gerbsaurem Coffein, nämlich wenn die Lösung nicht herausgeflossen ist. In den Aeeregation zeigenden Zellen tritt aber dieser sehr feinkörnige, gleich nach dem Boden der Zelle niedersinkende Nieder- schlag nicht auf; hier nehmen offenbar die Proteosomen des Plasmas das Coffein iu Beschlag. Die Flächenschnitte (von der oberen oder unteren Blattseite) müssen so dick gemacht werden, dass noch subepidermale Zellen unverletzt bleiben. Die letzteren liegen un- mittelbar unter der Epidermis und schliessen seitwärts sowie nach dem inneren Blattgewebe nicht lückenlos aneinander, sondern lassen Luftlücken zwischen sich. Auch an dünnen Querschnitten durch das Blatt kann man unverletzte noch lebende Zellen, die Aggregation ergeben, unter der Epidermis beider Blattseiten antreffen. Es ist durchaus notwendig, dass die subepidermalen Zellen noch lebend und unverletzt seien, sonst tritt die Proteosomenbildung nicht Über intravitale Coffeinreaktionen. 477 ein. Man müht sich dann vergebens ab und bekommt immer nur Bilder mit Gerbstoffniederschlag, der die Zellen dunkel und undurch- sichtig macht und am Boden der Zellen lagert. Cotyledon ist somit ein vortreffliches Objekt, um sich den Unter- schied zwischen Proteosomenbildung und Gerbstoffniederschlag klar zu machen. Wer das studiert hat, dem wird eine Verwechslung der beiden wesentlich verschiedenen Dinge nicht unterlaufen ! OÖ. Loew und Verfasser haben infolge der neuesten Publika- tionen anderer über Coffeineinwirkung auf lebende Zellen gerade diese Reaktion von neuem in chemischer Hinsicht nachgeprüft und dabei ihre frühere Ansicht bestätigt gefunden. Folgende Versuche mögen Erwähnung finden: Spirogyren wurden vier Tage lang in gesättister Coffeinlösung absterben ge- lassen. Die anfangs entstandenen glänzenden, durchsichtigen Proteo- Somen waren nun zum grossen Teil koaguliert, damit glanzlos undurehsichtig und scheinbar körnig geworden. Eine andere Portion Spirogyren wurde 10 Minuten lang in gesättigte Coffeinlösung gebracht. Dann wurden sie in einem Glasröhrehen, das in 60° heisses Wasser eingehängt war, auf 56° erhitzt (einige Minuten). Die Proteosomen waren nun koaguliert, trüb und undurcehsichtig, glanzlos. Bei Behandlung mit absoluten Alkohol blieben die koagulierten Proteosomen in den Spirogyrazellen intakt, teilweise behielten sie die trübe körnige Beschaffenheit bei, teilweise verwandelten sie sich in Hohlkugeln mit grossem Hohl- raum und einer Wand von ungefähr 10 u Stärke; bei tiefer Ein- stellung (auf die Mitte) sahen die letzteren Proteosomen aus wie Ringe. Ferner wurde eine Portion Spirogyren "Ye Stunde lang in ge- sättigter (I—3 °/oiger) Coffeinlösung, dann in 20—30 lo igen Alkohol, dem Coffein bis zur Sättigung beigefügt war, gelegt. Die Koagula- tion trat hier sehr langsam ein, war nach 24 Stunden vollständig da. Endlich wurden lebende Spiogyren !/s Stunde lang in gesättigte Coffeinlösung und dann in eine Lösung von SP/oiger Essigsäure + 4°oiges Kochsalz + 1,3 /oiges Coffein gelegt. Letztere Lösung wirkte sehr rasch koagulierend auf die Protosomen ein; dieselben bekamen Vakuolen, wurden trüb und undurchsiechtig, verloren ihren Glanz. Die Koagulation oder Gerinnung der Proteosomen kann alse auf dreierlei Weise erreicht werden: 1. durch Erhitzen auf 60°; 478 Th. Bokorny: 2. durch 20—30°/oigen Alkohol; 3. durch S°/oige Essigsäure. Wo gibt es in der ganzen Chemie einen Stoff ausser den Eiweissstoffen, der sich so verhält? Keine andere Eiweissreaktion ist so charakteristisch als die Gerinnung. Sehr merkwürdig ist auch das Verhalten der Proteosomen gegen 0,1%oiges Ammoniak. Während sich gerbsaures Coffein darin augenblicklich auflöst, werden die ursprünglich flüssigen Proteo- somen damit fest und hart. Das ist nun allerdings keine Reaktion des gewöhnlichen (toten) Eiweisses; eine Lösung von Hühnereiweiss wird durch 0,1°oiges Ammoniak nicht gefällt. Auch Gerbsäure- lösung wird durch 0,1 °/oige Ammoniaklösung nicht gefällt, während Eiweisslösung mit Gerbsäure sofort einen dieken Niederschlag gibt, der unter dem Mikroskop zusammenhängend schleimig und dabei eranuliert erscheint (Proteosomenähnlichkeit ist durchaus nicht da). Was die Ausscheidung (die Proteosomenbildung) mit 0,1—0,01 %o in lebenden Zellen, ferner das Festwerden der Proteosomen durch anhaltende Einwirkung jener sehr verdünnten Anmımoniaklösung an- belangt, so erklärt O. Loew die Erscheinung des Hartwerdens mit Anlagerung an NH, an das aktive Albumin. Wenn man lebende Galläpfel mit dem Rasiermesser in feine Schnitte zerschneidet und diese mit Coffein behandelt, so bemerkt man im Zellsafte reichliche Proteosomenbildung;; dieselben sind sehr gerbstoff- reich und darum zu Studien nicht zu empfehlen. Dass übrigens die Proteosomenbildung durchaus nicht immer an gerbstofthaltigen Pflanzenzellen gelingt, davon überzeugte ich mich z. B. bel Kartoffelblättern, welche ziemlich reichlich Gerbstoff ent- halten; sie ergeben mit 0,1 /oigem Coffein oder 1,3 /oigem Coffein keine Proteosomen in den Zellen. Das gerbsaure Coffein, welches von Gzapek als wesent- lichster Bestandteil der Proteosomen bezeichnet wurde, kann also nicht als soleher noch weiter gelten. Denn das gerbsaure Coffein löst sich in heissem Wasser, ferner in 0,10/oigem Ammoniak, wird durch Alkohol gelöst, gibt keine Eiweissreaktionen, insbesondere nicht die Gerinnungsreaktion. Auch geben nicht alle Gerbstoff enthaltenden Zellen Proteosomen; letztere werden ferner auch an gerbstofffreien: Objekten erhalten. Da ferner gerbsaures Eiweiss als derjenige Stoff bezeichnet wurde (von Pfeffer), der die Proteosomen im wesentlichen zu- sammensetzen soll, so machte ich auch mit diesem einige Reagenz- Uber intravitale Coffeinreaktionen. 479 glasversuche. Man erhält sofort einen dieken gelblichweissen Nieder- schlag, wenn man das Weisse des Hühnereies direkt oder nach Zu- satz von Wasser mit Gerbsäurelösung versetzt. Dieser Niederschlag löst sich in 0,1°/’oigem Ammoniak sogleich auf, desgleichen in anderen freien Basen wie in verdünnter Natron- oder Kalilauge. Hingegen löst das alkalisch reagierende Dinatriumphosphat nur bei ziemlich erheblicher Konzentration, also starker Alkalizität, gerbsaures Eiweiss auf. Kohlensaures Ammoniak und kohlensaufes Natron lösen noch bei erheblicher Verdünnung sogleich und vollständig auf. Versetzt man die alkalischen Lösungen mit Säure, z. B. mit verdünnter Essig- säure, bis zur sauren Reaktion, so tritt der Niederschlag von gerb- saurem Eiweiss wieder hervor. Dieses Verhalten des gerbsauren Eiweisses hat Pfeffer ver- anlasst., die Proteosomen als aus gerbsaurem Eiweiss hauptsächlich bestehend anzusehen. Allein fürs erste wäre doch nachzuweisen ge- wesen, dass der Zellsaft der betreffenden Zellen eine erheblich saure oder alkalische Reaktion besitzt. In ersterem Falle könnte über- haupt kein gerbsaures Eiweiss im Zellsaft gelöst sein. Im zweiten wäre es gelöst, könnte aber keinesfalls durch Zusatz von Basen wie Coffein, Ammoniak, kohlensaurem Ammoniak ausgefällt werden, sondern nur durch Säuren, welche aber in Zellen niemals Proteo- somen ergeben. Ausserdein hat der Verfasser wiederholt beobachtet, dass schon längst vor Eintritt der Reaktionsveränderung (erkennbar an dem Farbenumschlag) die Proteosomenbildung in den Zellen eintritt. Überraschend war mir die Mitteilung F. Czapek’s, dass auch mit Formaldehyd Proteosomen erhalten werden können. Es heisst S. 153 der Der. d. d. C. G. 1910: „Neu ist meine Feststellung, dass der Echeveria-Gerbstoff durch Formalin in Form eines unlös- lichen Niederschlages vom Aussehen der Coffeinfällung ausgeschieden wird. Die wirklichen Konzentrationsgrenzen sind zwischen Ye4 und "/sıg des käuflichen 40 %/oigen Formalins!). Stärkere Konzentra- tionen fällen nicht, weshalb diese Erscheinung wohl bisher über- sehen worden ist. Hierbei dürfte eine Methylenverbindung des Gerbstoffs ausgeschieden werden. Dieselbe ist im Wasser völlig 1) Das macht, wenn der käufliche Formaldehyd wirklich 40 %/oig ist, zwischen 0,62 und 0,078 %/o CH30. A480 Th. Bokorny: unlösliehb im Gegensatz zu der Coffeinfällung, welehe sich binnen 12 Stunden völlig in Wasser löst.“ Einige Proben im Reagenzglas ergaben mir, dass Tannin weder im konzentrierten noch im verdünnten Zustande mit 0,5 oder 0,1 oder 10 oder 20—40 °/oiger Formaldehydlösung einen Nieder- schlag ergibt. Die mikrochemische Untersuchung gerbstoffhaltiger Zellen stimmte mit diesem Befund überein. Ich liess 0,5 °/o Formaldehyd auf Zellen von lebenden Galläpfeln (der einheimischen Eiche) einwirken und bekam keinen Niederschlag! Der Schnitt wurde so angefertiet, dass ausser den angeschnittenen Zellen auch noch unangeschnittene da waren; trotzdem zeigte sich keinerlei Niederschlag. Ich liess ferner 0,5°/o Formaldehyd auf Schnitte von Blättern der Cotyledon (species?) einwirken; sie enthält in den subepidermalen Zellen eisenbläuenden Gerbstoff. Wiederum kein Niederschlag! Endlich liess ich 0,5°/o CH>s0 12 Stunden auf Blattschnitte von Paeonia einwirken, die ebenfalls Gerbstoff enthalten. Es ergab sich auch kein Niederschlag. Mit Coffein von 1,3% erhielt ich dann noch eine schwache Aggregation in mehreren Zellen. Durch einen eigenen Versuch mit Eisenvitriol überzeugte ich mich davon, dass dieselben Zellen, welehe mit 1,3 % iger Coffeinlösung Proteosomen gaben, auch reichlich Gerbstoff (eisenbläuenden) enthielten. Leider stand mir das Versuchsobjekt Echeveria, an welchem Czapek seine Untersuchung machte und auch ich früher die Proteo- somenbildung beschrieben habe, diesmal zunächst nicht zur Verfügung. Der Misserfolg im Reasenzglas, ferner das Fehlschlagen bei drei ver- schiedenen Versuchsobjekten, wovon eines (Cotyledon) der Echeveria systematisch nahe steht, lässt aber doch den Gedanken aufkommen, dass Czapek vielleicht einer Täuschung unterlegen sei). Über Reaktionen zwischen Formaldehyd und Gerbstoffen finde ich in Beilstein’s Handbuch der organischen Chemie keine An- gaben. Lediglich hinsichtlich der einigen Gerbstoffen nahestehenden Stoffe, Phloroglucin und Resorein, ist im Ergänzungsband I S. 465 etwas angegeben: „Bei '/s Minute langem Kochen von 1 Vol. 1) Bei Abschluss dieser Arbeit erhielt ich gerade noch zur rechten Zeit Echeveria gibbiflora aus einer hiesigen Gärtnerei und konnte nun auch hier das völlige Ausbleiben der Proteosomenbildung mit 0,5% und mit 0,1°o Form- aldehyd konstatieren. Über intravitale Coffeinreaktionen. 48] Formaldehydlösung mit 1 Vol. Natronlauge, der vorher 5 °o Resorein zugesetzt wurde, erfolgt Rotfärbung (kolorimetrische Bestimmung).“ „Verdünnte Formaldehylösungen geben mit etwas Phloroglucin und Salzsäure bald weissliche Trübung, welehe sich allmählich zu hellroten dicken Flocken verdichtet.“ Beide Reak- tionen finden hier keine Anwendung. Ferner heisst es S. 466: Formaldehyd wirkt auf Substanzen (speziell der Zuckergruppe), die mehrere OH-Gruppen enthalten, im allgemeinen so ein, dass bei den Alkoholen mit einer geraden Anzahl von Hydroxylgruppen alle Hydroxylwasserstoffe durch Methylen ersetzt werden, bei einer un- geraden Anzahl von OH-Gruppen alle bis auf eine. Da die Gerb- stoffe (als Substanzen mit mehreren OH-Gruppen) nicht eigens genannt sind und von Niederschlägen keine Rede ist, da ferner ausdrücklich angegeben ist, dass Karboxyleruppen den Eintritt von Methylen zu erschweren scheinen, so kann aus dieser Notiz auch nichts über Fällung von Gerbstoff durch Formaldehyd entnommen werden. Im übrigen ist Paeonia ein gutes Objekt für Studien über Proteosomenbildung. Nimmt man Schnitte von der Blattunterseite und bringt sie in 1,3°oige Coffeinlösung, so ereibt sich bald eine Agesregation in den Epidermiszellen sowohl wie auch in den darunter liegenden Blattfleischzellen. Nach 12 Stunden sieht man diese Zellen mit (nun durch Zusammenfliessen grossgewordenen) Kugeln von starkem Glanze und weisser Farbe gefüllt. Dieselben scheinen sich aus dem Zellsafte ausgeschieden zu haben; doch kann ich das bis jetzt noch nieht bestimmt behaupten. Ein Versuch zur Plasmolyse mit 10°/oiger Salpeterlösung misslang; ich erhielt nur eine Wirkung auf die Proteosomen selbst, nämlich eine Vakuolisierung und körnige Trübung der Kugeln. Offenbar ein Wasserentziehungsphänomen durch die starke Salzlösung. Czapek bezeichnet Paeoniablüten als ein sehr hübsches Objekt für die genannten Untersuchungen. Leider standen mir die- selben zu der Zeit, als diese Notiz verfasst wurde, nicht zur Ver- fügung. Meine früheren Beobachtungen über Echeveria sind teilweise schon oben erwähnt worden. Hören wir, was neuerdings Czapek darüber sagst. „Wer die Coffeinfällung in den Echeveriablattzellen zum erstenmal sieht, wird unwillkürlich an die von fettigen Stoffen, besonders von Leeithin her bekannten Myelinformen im Wasser 482 Th. Bokorny: erinnert.“ Czapek findet aber doch schliesslich die anwesende Menge von Fett nicht gross. Nun wie ist es mit dem Eiweiss- gehalt der Proteosomen? CGzapek sagt darüber: „Ich will auf Grund meiner Erfahrungen nicht in Abrede stellen, dass ein gewisser Gehalt an Proteinstoffen immer oder in manchen Fällen vorhanden sei.“ Es ist hier nur zu bedauern, dass Czapek nicht klar unter- scheidet zwischen den Ausscheidungen im Plasma und im Zellsaft. Bezüglich der letzteren mag die von Czapek geäusserte Ansicht, dass Gerbstofffällungen die Hauptrolle bei den Ausscheidungen mit Coffein in den subepidermalen Zellen der Echeveriablätter spielen, richtig sein. Die Frage, ob die Proteosomenbildung im Cytoplasma oder im Zellsaft bei Echeveriazellen auftritt, ist durchaus nicht von geringer Bedeutung, da dieser Punkt zur Erklärung der Natur des Niederschlages herangezogen werden muss. Im Cytoplasma be- findet sich niemals Gerbstoff! Auch sei hervorgehoben, dass die Gerinnbarkeit ein viel wichtigeres Unterscheidungsmerkmal alsMillons Reaktion oder die Biuretreaktion und alle Färbungen ist, da die- selben Gruppenreagenzien sind. Übrigens erhält man auch mit diesen die gewöhnlich für Eiweiss angeführten Reaktionen an Proteosomen; nur muss die entsprechende Vorsicht walten. Millon’s Reaktion ist zu erhalten (OÖ. Loew, Chem. Energie der lebenden Zellen S. 104), wenn man die Objekte zuerst in einer mit nicht zu wenig Kaliumnitrit versetzten, ziemlich konzentrierten Lösung von Merkurinitrat liegen lässt, um dem Reagens Zeit zu geben, in die (nun koaeulierten) Kugeln einigermaassen einzudringen, und hierauf kurze Zeit zum Sieden erhitzt. Die Biuretreaktion stösst wegen der Löslichheit der Proteosomen in Ätzkali auf Schwierig- keiten. Wenn man aber die Proteosomen in 0,1 °/oigem Ammoniak zuerst fixiert hat, dann 12 Stunden in mässig konzentrierter Lösung von essigsaurem Kupfer liegen lässt, hierauf mit sehr verdünnter Kalilauge betupft, tritt die Reaktion deutlich hervor. Die Gelb- färbung mit Jod, ferner mit Salpetersäure, die Blutlaugensalzreaktion und Farbstoffspeicherung stimmen ebenfalls mit der Proteinnatur der Proteosomen überein. Czapek „gelang es nicht, durch positive Beweise den Eiweiss- gehalt der Niederschläge in Echeveriazellen festzustellen“. Die Millon’s-Probe soll nur in rötlichen oder gelblichbraunen Tönen, selbst nach der letzten von Loew (1892) stammenden Vorschrift für Uber intravitale Coffeinreaktionen. 483 er) diese Reaktion, gelingen (die letzte Vorschrift findet sich in O. Loew, Chemische Energie der lebenden Zelle 1899 S. 104). Da Czapek von „Niederschlägen“ sprieht, meint er vielleicht das gerbsaure Coffein im Zellsaft der subepidermalen Zelle von Echeveria. Bezüglich der Biuretreaktion mahnt Czapek zur Vorsicht, da die subepidermalen Zellen der Echeveriablätter mit alkalischer Kupfer- lösung, besonders bei leichtem Erwärmen, vorübergehend eine deut- liehe Violettfärbung ergeben, wobei der Farbstoff in Wolken am Sehnittrande entweicht. „Der im Niederschlag enthaltene Gerbstoff gibt mit Kufpersalzen eine Rotfärbung, bei Gegenwart von Alkali eine rotbraune Färbung.“ Anwesende Kohlehydrate färben blau; also Mischfarbe violett. So kalkuliert Czapek. Leider ist derselbe nicht darauf bedacht gewesen, die Proteosomen zuerst zu fixieren mit 0,1 °/oigen Ammoniak, wie von O. Loew ausdrücklich gefordert wurde. Da aber wieder von „Niederschlag“ die Rede ist, kann ebenfalls der im Zellsaft toter Zellen entstehende Gerbstoffniederschlag gemeint sein. Zusammenfassung. Über das Wesen der mit Coffein oft in der lebenden Zelle ein- tretenden Reaktion (Proteosomenbildung) lässt sich vor allem sagen, dass dieselbe weder eine Fällung von gerbsaurem Coffein noch eine solche von gerbsaurem Eiweiss ist. Gerbsaures Coffein verhält sich total anders; es hat insbesondere nicht die Fähigkeit der Gerinnung, ferner löst es sich durch Alkohol wie auch durch verdünntes 0,1 °oiges Ammoniak auf. Proteosomen lösen sich darin nicht auf; mit absolutem Alkohol freilich wird eine Lösung vorgetäuscht, indem der Wasserentzug so rasch vor sich geht, dass die Reste von unlöslicher Substanz nicht mehr gesehen werden. Durch gewässerten Alkohol, in welchem sich gerbsaures Coffein eben- so leicht löst, werden die Proteosomen nicht gelöst, sondern koaguliert. Man muss jedenfalls den Eiweissgehaält der Proteosomen zugeben. Wenn nun jemand sagen wollte, es sei ein Niederschlag von gerbsaurem Coffein, welchem Eiweiss beigemischt sei, so muss dagegen eingewendet werden, dass die Proteosomen oft auch im Plasma entstehen, welches ja gar keinen Gerbstoff enthält! Letzterer ist nur Bestandteil des Zellsaftes. Aber auch im Zellsaft ist die Ausfällung des gerbsauren Ooffeins nicht das Primäre und Wesentliche, da auch gerbstofffreie Zellsäfte Proteosomen ergeben. Ferner erhält man Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 32 484 Th. Bokorny: Proteosomen mit 0,1°/oigem Ammoniak, das den Gerbstoff gar nicht ausfällt. Auch ist der Niederschlag des gerbsauren Coffeins im Reagenzglas niemals von dem Aussehen der Proteosomen, sondern ein sehr feinkörniger auch bei längerem Liegen nicht zusammen- schmelzender Niederschlag, wie die mikroskopische Untersuchung ereibt. Endlich deckt sich die Coffeinreaktion durchaus nicht mit dem Gerbstoffvorkommen im Pflanzenreich; denn es gibt zahlreiche Pflanzenzellen, welche Gerbstoff enthalten und doch keine Proteo- somen mit Coffein ergeben. Es ist ein Irrtum, das Coffein hier nur als mikroskopisches Reagens auf Gerbstoff auszugeben! Gerbsaures Eiweiss sind die Ausscheidungen auch nicht. Denn fürs erste ist gar nicht einzusehen, warum dasselbe zuerst im Zell- saft gelöst sein soll, da es doch nur bei erheblicher alkalischer Reaktion der Flüssigkeit löslich ist. Auch kann die Zufuhr basischer Stoffe zum Zellsaft keinesfalls die Löslichkeit verringern, sondern eher vermehren. Im sauren Zellsafte, den Pfeffer in den die Niederschläge gebenden Zellen annimmt, kann jedenfalls gerbsaures Eiweiss nicht gelöst sein. Wie in der Schilderung der einzelnen Fälle von „Acgregation“ zu ersehen ist, kommt es oft genug vor, dass die Proteosomen im Plasma auftreten. Da im Plasma kein Gerbstoff ist, muss in diesen Fällen gerbsaures Eiweiss von vorn- herein ausgeschlossen erscheinen. Man kann ja auch nicht sagen, dass der Gerbstoff aus dem Zellsaft in das Plasma bei der Coffeinein- wirkung hinüberwandere, da die Vakuolenwand bei dieser Reaktion lebendig bleibt und nichts durchlässt. In ein eigenartiges Licht gerückt erscheint die Coffeinreaktion dann, wenn dieselbe in einer normalen oder anomalen Plasmolyse sich kund gibt. Denn durch diese Wirkung wird man auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die mit Coffein erfolgenden Aus- scheidungen vielleicht zunächst gar keine chemischen Verbindungen des Coffeins mit dem Körper im Innern der Zelle seien, dass viel- mehr diese Base nur auslösend auf eine molekulare Veränderung wirke und nur den Anstoss zu der Reaktion gebe. Niemand wird wohl glauben, dass der durch 0,1°/o Coffein sich lebend kontra- hierende Protoplast oder der als runde Blase sichtbar werdende Tonoplast eine Verbindung seiner Eiweissmoleküle mit Coffein ein- gegangen habe; eine solehe würde wohl den Tod des Organs herbei- führen. Auch der ungünstige Effekt konzentrierterer Lösungen des- Über intravitale Coffeinreaktionen. 485 selben Reagens lässt dies als unwahrscheinlich erscheinen. Wenn es sich um eine chemische Verbindung handeln würde, so müsste 1° Coffein günstiger wirken als 0,1°o. Das ist aber nicht der ‘ Fall; mit stärkeren Lösungen gelingt bei Coffein wie bei anderen Basen die „Aggregation“ schlechter als mit verdünnteren, z. B. mit 0,016 und mit 0,1% Ammoniak besser als mit 1°. Auch ist bei 0,1°/o Coffein durchaus nicht anzunehmen, dass die Base in solcher Stärke sogleich anfangs auf den Zellinhalt wirke; die Zell- haut und noch weit mehr die Hautschicht des Protoplasmas setzt dem Eindringen Widerstand entgegen, so dass wohl zunächst nur Spuren der Base eindringen. Namentlich ist dies dann der Fall, wenn die Zellen zu einem Zellkörper (wie bei Blättern) zusammen- schliessen und das Reagens von einer Zelle zur anderen vordringen muss. Sogar bei Spirogyren, die ja einfache Zellfäden darstellen, kann man manchmal beobachten, wie die Reaktion von einer Zelle des Fadens aus, wo das Eindringen zuerst stattfand, allmählich auf die benachbarten übergeht. Nehmen wir aber an, dass jede Zelle eines Spirogyrafadens direkt aufnehme, so muss in Anbetracht der fast augenblicklichen Wirkung einer 0,1/oigen Coffeinlösung doch wohl die Aggregation auf Spuren von Coffein zurückgeführt werden, welche dieselbe auslösen; später mag dann eine etwas erheblichere Coffeinmenge wirklich gebunden werden. Clemm fand, dass 0,01°/o Coffein bei Spirogyren noch starke Aggregation hervorrufe auf dem Objektträger; 0,001 °/o bewirkt auf dem Objektträger keine Aus- scheidung mehr, wohl hingegen beim Einlegen der Spirogyren in eine grössere Menge des Reagens (nach einiger Zeit). Bei Lösung von 1:500000 und 1:1000000 konnte er weder nach 2 Stunden noch nach Tagen eine Einwirkung beobachten (Flora 1892 Heft 3). Nach Dar win genügen schon 0,000 482 mg kohlensaures Ammon, um, durch eine Drüse des Droserablattes aufgesaust, in allen Zellen desselben Tentakels Zusammenballung zu verursachen. Darwin nimmt die Übermittlung einer molekularen Veränderung von der Drüse auf die Stielzellen an, wobei letztere gar nicht von dem in der Drüse aufgesaugten minimalen Reizstoffguantum (kohlensaures Ammon in Spuren usw.) betroffen werden. Hinsichtlich der Lage der Proteosomen ist, entgegen der Darstellung mancher anderer Beobachter, zu sagen, dass sich die- selben bei vielen Objekten im Plasma bilden. Da sich Czapek bei seiner jüngsten Publikation hauptsächlich 32* 486 Th. Bokorny: auf Echeveria bezieht, sei hier auf die früheren genauen Be- obachtungen des Verfassers (Ber. d. d. Bot. Ges. Bd. VII Heft 3) über diese Pflanze hingewiesen. Lässt man auf luftfrei gemachte!) Flächenschnitte von Echeveria 0,10 ige Cofteinlösung (oder auch noch stärker verdünnte, bis 0,01 %o) einwirken, so beobachtet man sehr bald an den unmittelbar unter der Epidermis gelegenen Zellen auffällige Veränderungen. Es bilden sich im Polioplasma, das an sich nur sehr spärliche kleinste Körnchen (Mikrosomen) enthält, sehr zahlreiche winzig kleine dunkle Punkte, welche unter lebhaftem Hin- und Hergeschobenwerden rasch wachsen, deutliche Umrisse erhalten und stark lichtbrechend werden; mit be- nachbarten verschmelzen sie zu grösseren. Schon wenige Augen- blicke nach Eintritt des Coffeins in die lebende Zelle ist der ganze Vorgang beendet, und nun liegen Hunderte von stark lichtbrechenden 2—10 u grossen Kügelchen in dem zwischen äusserer und innerer Haut- schicht des Plasmabelages bnfindlichen Plasma gewöhnlich dicht neben- einander, mitunter grössere Zwischenräume zwischen sich lassend. Nicht selten kontrahiert sich die Vakuolenwand infolge der Einwirkung des Coffeins erheblich, und dann gleiten jene Kügelchen in dem nun er- weiterten Raum zwischen innerer und äusserer Plasmahaut herunter, um sich aut dem Boden der Zelle anzusammeln. Bisweilen aber kontrahiert sich die äussere Hautschicht (gewöhnlich in geringerem Maasse als die innere) und nimmt die Proteosomen mit. Will man sich über die Lage der Proteosomen Sicherheit verschaffen, so braucht man nur eine 10 Yoige Salpeterlösung und 0,1 /oige Coffeinlösung zu gleichen Teilen zu mischen. Das Coffein ruft die Ballung des Polioplasmas hervor, die Salpeterlösung (nun 5 oig) bewirkt in vielen Zellen Loslösung der Vakuolenwand, welche sich zu einer ziemlich kleinen, straff gespannten Blase kontrahiert, oft auch zugleich teilt; ausser- halb derselben liegen alsdann die erwähnten Gebilde. In andern Zellen kann man den Eintritt der normalen Plasmolyse bemerken neben Ballung des Plasmaeiweisses. Es lässt sich ferner konstatieren, dass der im Zellsaft gelöste Gerbstoff nicht durch die gespannte Vakuolenwand heraustritt. Mit doppeltchromsaurem Kali von 5% bleiben die Proteosomen zunächst farblos; es färbt sich zuerst der Vakuolensaft, später von ihm aus, wenn die Vakuolenwand zusammen- 1) Durch Einlegen in ausgekochtes und bei Luftabschluss wieder gekühltes. Wasser. Über intravitale Coffeinreaktionen. 487 fällt, die Proteosomen. Der Gerbstoff hat also an der Bildung der Plasmaproteosomen keinen Anteil. In den Zellsaftproteosomen ist er enthalten. Ersetzt man die Cofteinlösung unmittelbar nach Entstehung der Proteosomen durch Wasser, so lösen sich dieselben allmählich wieder auf; sie verquellen, werden schwächer lichtbrechend und schmelzen oft zu einem Netze zusammen, dessen Maschenräume durch weitere Quellung kleiner werden, bis sie schliesslich verschwinden. Am Ende ist die völlige Homogenität des Plasmas wieder hergestellt; das Eiweiss ist in seinen ursprünglichen normalen Quellungsstand zurückgekehrt, nachdem das Coffein entfernt ist. Die durch Coffein hervorgerufene Veränderung ist reparabel. An den mit Wasser aus- gewaschenen Zellen kann dann von neuem Aggregation durch 0,1 'o ige Coffeinlösung hervorgerufen werden. Dass die Aggregation nicht eine gewöhnliche Fällung, sondern eine reparable Veränderung des Quellungszustandes im nicht organi- sierten Plasmaeiweiss ist, geht auch aus folgender Beobachtung hervor: Ein (Kapillitium bildender) Myxomycet wurde mit 0,1 /o iger Coffein- lösung behandelt. Sein Plasmodium zerfiel unter starker Proto- plasmaströmung in mehrere verschieden grosse runde Portionen, welche, wie aus der Spannung der Hautschieht und der strömenden Bewegung im Innern hervorging, noch längere Zeit fortlebten; in vielen dieser Kugeln ging allmählich eine Sonderung in stark licht- brechendes, offenbar ziemlich dichtes, zu einem schwammartigen Gerüst verbundenes Plasma und Vakuolenflüssigkeit vor sich. Durch Salpeterlösung von 10° wurden ähnliche Vorgänge angerest, schienen aber bald stille zu stehen, indem das Plasma abstarb. Liess man das Plasmodium nur kurze Zeit in 0,1°/oiger Coffein- lösung liegen, bis die Ballung eingetreten war, und brachte man es dann in Wasser zurück, so konnte man nach 24 Stunden bereits wieder Bildung langer Plasmodienstränge bemerken. Sämtliche Ver- suche wurden mit offenem Objektträger ohne Deekgläschen gemacht (natürlich unter Vermeidung des Eintrocknens). Auch Tiere zeigen manchmal ähnliche Erscheinungen !). Lässt 1) F. Winkler, dessen Arbeit „Darstellung von Granulationen in Leukocyten“ (Fol. haematologica vol. 9. 1910) mir erst nachträglich zukam, schreibt: Unter der Einwirkung einer Y/a°/oigen wässrigen Ooffeinlösungtreten in Leukocyten (von gonor- rhoischem Eiter) sehr feine Körnchen auf, welche den ganzen Plasmaleib erfüllen ; mit 0,02% Ammoncarbonat ebenfalls. Getötete Leukocyten lassen die Ausscheidungen nicht erkennen. Leider konnte ich diesen interessanten Fall noch nicht vergleichen. ASg Th. Bokorny: Über intravitale Coffeinreaktionen. man auf Amöben (,1’ige, wässrige Coffeinlösung einwirken, so zeigt sich bald eine auffallende Veränderung. Die Amöbe hebt sich scharf von dem umgebenden Wasser ab, zeigt zahlreiche grosse Vakuolen im Innern (die vorher nicht da waren); die Fortsätze werden länger und dünner, die Bewegung ist langsamer und macht den Eindruck, als ob die sich bewegende Masse nicht mehr jenen Grad von Dünnflüssigkeit hätte wie zuvor. Also auch hier eine: Wasserausscheidung des gequollenen Plasmaeiweisses und Dichtiekeits- zunahme durch Coffein! Baldiger Ersatz der Coffeinlösung durch Wasser stellt den ursprünglichen Zustand wieder her. Das Infusorium Paramaecium zeigt beim Einbringen in 0,1 Yo ige Coffeinlösung unveränderte freie Ortsbewegung und Wimperbewegung, und zwar Tagelang; die Bewegung wird nur beschleunigt. Im Innern gehen Veränderungen vor sich, indem die beiden kontraktilen Vakuolen sich vergrössern; es. findet also Wasserausscheidung aus. dem Plasma statt. Allmählich verlieren sie ihre Kontraktionsfähig- keit, das Plasma nimmt ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen an, wird diehter. Die Vakuolen sind schliesslich 2—3mal so gross wie ursprünglich; manchmal wird eine Vakuole daraus, das Infusorium rundet sich ab und erscheint als eine grosse Blase mit ziemlich dünner Hülle, ist aber dabei noch immer lebhaft beweglich. Die Coffeinwirkung auf lebende Zellen äussert sich also ver- schiedenartig;; als wesentliches Merkmal bleibt aber immer die Wasser- ausscheidung aus dem stark aufgequollenen Plasmaeiweiss bestehen. Coffeinbindung tritt erst allmählieh ein. Mit der von einigen Forschern gegebenen Frklärung der Coffein- wirkung als Gerbstoffausscheidung lässt sich sicher der Erscheinung nieht beikommen. 489 (Aus dem Institut für Pharmakologie und physiologische Uhemie zu Rostock.) Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. Von Fritz Assmann. I. Kurze Übersieht über die bisherigen das Rizin betreffenden Arbeiten. Die Tatsache, dass es pflanzliche Agelutinine gibt, ist von R. Kobert und seinem Schüler H. Stillmark 1887 gefunden worden, also zu einer Zeit, welche vor der Ära liegt, wo die Agglutination der Mikroben und die Agglutination der Blutkörperchen durch mikrobische Produkte bekannt geworden ist. Stillmarks Dissertation wurde in vermehrter und verbesserter Auflage in den von Kobert herausgegebenen Arbeiten des Pharmakologischen Institutes zu Dorpat, Bd. III S. 59, 1839 abgedruckt. Von Kobert rührt auch die Vorschrift her, nach welcher sämtliches zu wissen- schaftlichen Arbeiten bisher benutztes Handelsrizin dargestellt worden ist. Es stammt fast ausschliesslich von der Firma E. Merck in Darmstadt. Die Darstellung beruht auf der Methode des Aus- salzens und der Abtrennung eines Teiles der Salze durch Dialyse. Nach verdienstvollen Untersuchungen von M. Jacoby, auf den ich nun noch wiederholt zu sprechen kommen werde, kann man das störende Begleiteiweiss durch ein besonders präpariertes Trypsin vorher 'wegverdauen und dann durch Aussalzen mit Ammonsulfat bei 60 'oiger Sättigung das Rizin quantitativ niederschlagen. Als- dann folgt die Reinigung durch Dialyse. Diese Methode liefert ein Präparat, welches 20—30°/o Salze zu enthalten pflegt. Will man auch diese wegdialysieren, so braucht man sehr viel Zeit, und während dieser treten, falls man nicht steril arbeitet, Zersetzungen ein. Aus diesem Grunde hat Kobert neuerdings für den Handel noch eine andere Vorschrift ausgearbeitet, welche ohne Aussalzen und ohne Dialyse einen Niederschlag zu gewinnen verstattet, der 490 Fritz Assmann: neben höchstens 10% Salzen die Gesamtmenge des Rizins mit ein- schliesst. Nach dieser arbeitet z. B. die Fabrik von Th. Schuchardt in Görlitz. Da diese Vorschrift auch für alle rizinähnlichen Stoffe brauchbar ist und von mir für alle nachstehend besprochenen Stoffe ausschliesslich verwendet worden ist, so werde ich sie weiter unten ausführlich besprechen. Einige Autoren reden noch von einem Rizin Jacoby’s, welches von den Vereinigten chemischen Werken in Charlottenburg in. den Handel gebracht werde). Wie jedoch diese Firma selbst an Prof. Kobert berichtet hat, handelt es sich hier „gar nicht um ein auf chemischem Wege ab- geschiedenes Rizin“, sondern, wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, lediglich um grob zerkleinerten Rizinuspresskuchen. Dass dieser enorm wirksam ist, haben Kobert und Stillmark ja längst dargetan. Gegen die Richtigkeit der Angaben von Kobert und Stillmark betreffs der Wirkung des Rizins auf Blutkörperchen ist nun neuerdings ein sehr schwerwiegender Einwand erhoben worden, der hier eingehend besprochen werden muss. Miessner und Re wald?) behaupten nämlich, dass „Stillmark immer mit 10 l/oiger Kochsalzlösung“ statt mit physiologischer gearbeitet hat. Da nun 10 °/oige Kochsalzlösung durch ihre enorm starke Hypertonie roten Blutkörperchen sofort viel Wasser entzieht und sie wirklich oder scheinbar agglutiniert, so würde, falls diese Angabe richtig ist, alles, was Kobert und Stillmark über Agglutination von Blutkörperchen namentlich des Rindes, von der an der betreffenden Stelle die Rede ist, in nichts zusammenfallen. Auf eine Anfrage von Prof. Kobert, wo denn die Angabe stehe, dass Stillmark statt physiologischer Kochsalzlösung 10°/ige benutzt habe, antworteten die genannten Autoren am 18. August 1909 folgendes: „Uns ist tatsächlich ein Irrtum unterlaufen, denn die von uns gemeinte Stelle der Arbeit Stillmark’s handelt nicht von einer Aufschwemmung von Blut- körperchen in 10 °oiger Kochsalzlösung, sondern von einer 10 °/o igen Rinderblutserumlösung. Sachlich bleibt also die von Ihnen eruierte Tatsache der Konglutination der roten Blut- körperchen bestehen und hat von uns keine Wider- l) Miessner und Rewald, Die Konglutination der roten Blutkörperchen durch Rizinussamen. Zeitschr. f. Immunitätsforschung u. exper. Therapie Bd. 2 S. 327. 1909. 2) EICH S2328. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 491 legung, sondern Bestätigung gefunden.“ Diese Zeilen, welche bisher ungedruckt geblieben sind, scheinen mir des Bekanut- werdens dringend zu bedürfen, da sonst schwere Irrtümer hinsichtlich der Bewertung der Arbeit Stillmark’s entstehen müssten. Genauere Untersuchung des Rizins durch mehrere, unten noch zu nennende Autoren, die sich bei Jacoby!) zusammengestellt finden, haben den Beweis erbracht, dass man sich das nach Kobert dargestellte Rizin als ein Gemisch oder eine lockere Verbindung zweier Substanzen vorstellen kann, von denen die eine agglutinierend, die andere toxisch wirkt, d.h. dass man also ein Rizinagglutinin und ein Rizin- toxin der Wirkung nach unterscheiden muss. Für meine nach- stehende Arbeit ist diese Unterscheidung deshalb von besonderem Interesse, weil ich mit einer Reihe von Pflanzen gearbeitet habe, welche wohl ein dem Rizin analoges -— nur schwächeres — Agelu- tinin, aber kein Toxin oder wenigstens fast kein Toxin enthalten. In welche chemische Gruppe von Stoffen gehört nun dasRizin? Das nach Kobert und Stillmark dargestellte Rizin ist sicher eiweisshaltig.. Ob die Gesamtmenge des Eiweisses in diesem Präparat nur Verunreinigung ist, darüber entstand ein interessanter wissenschaftlicher Streit. Durch die schon gestreiften Ver- suche von Jacoby, bei denen das Eiweiss vom Rizin abverdaut wurde, schien festgelegt zu sein, dass das Rizin — und mithin auch Abrin, Crotin und Robin — keine Eiweisskörper sind. Oppen- heimer?) schrieb daher 1904: „Es ist also wieder eines der letzten Toxalbumine verschwunden, "und damit dürfte dieser Begriff wohl auch nur noch historisches Interesse haben. Er hat in der Ent- wieklung dieser Fragen seine grosse Bedeutung gehabt, besonders indem er zuerst darauf hinwies, dass diesen Giften ganz andere Eigenschaften zukommen als den kristalloiden Giften; aber nun dürfte es wohl an der Zeit sein, ihm ein ehrenvolles Begräbnis zu bereiten, da er jetzt nur noch Verwirrung stiften kann.“ Doch schon im folgenden Jahr traten wieder Verteidiger der Eiweissnatur des Rizins auf den Plan: die Amerikaner Osborne Mendel und Harris?®), die die Versuche Jacoby’s einer scharfen Kritik unter- 1) M. Jacoby, Rizin, Abrin, Robin. Handb. d. Technik u. Methodik d. Immunitätsforschung Bd. 1 S. 311. Jena 1907. 2) Die Fermente, Toxine und Antitoxine. 1904. 8) Americ. Journ. of Physiol. vol. 14 Nr. 1. 1905. 492 Fritz Assmann: zogen, besonders bezüglich der Reinheit seines Ausgangsmaterials und der negativen Eiweissreaktionen seiner reinen Rizinlösung, die nach ihrer Meinung, trotz Jacoby’s gegenteiliger Meinung, viel zu verdünnt war, um sichere Eiweissreaktionen geben zu können. Zur Reindarstellung ihres Rizins verzichteten sie auf die Verdauung und wandten nur umständliche, rein chemische Trennungssverfahren an. Als reines Rizin sprachen sie ein auf diesem Wege gewonnenes Albumin an, das, leicht löslich, überaus kräftige Gift- und Blut- wirkungen entfaltete. Daraufhin gibt Jacoby in seiner letzten Publikation zu, dass die Eiweissnatur desRizins weder be- wiesen noch widerlegt ist. Damit waren die Forscher also wieder auf dem Standpunkte von Kobert und Stillmark an- gekommen. Dieser Streit um die Eiweissnatur des Rizins schien im Jahre 1907 in überraschender Weise seine Erledigung zu finden, indem nämlich v. Liebermann!) mit der Behauptung hervortrat, dass das Rizin oder der agelutinierende Bestandteil desselben ein säureartiger Körper Sei. Seine Beweise scheinen einfach und sehr plausibel, haben aber bald Kritiker gefunden in K. Meyer?), Guyot?), v. Eisler‘), von denen letzterer unter anderem ins- besondere auf die Untersuchungen von Landsteiner und seinen Mitarbeitern hinweist; nach diesem ist die Agglutination als ein Aufeinanderwirken von amphoteren Körpern auf- zufassen, und es hat sich auch für Rizin ergeben, dass es sich im elektrischen Felde wie ein amphoterer Körper und nicht wie eine kolloidale Säure verhält. Ohne irgendwie in die Erörterungen einzugreifen, möchte ich nur darauf hinweisen, dass, wie Still- mark?) seinerzeit ausdrücklich betonte, von ihm niemals eine saure, sondern stets eine deutlich alkalisch reagierende und von Kobert immer eine neutrale Rizinlösung verwendet worden ist. Dass das käufliche Merck’sche Präparat sauer reagiert, gibt natürlich noch lange nicht die Berechtigung. dem reinen Rizin eine saure Natur zuzuschreiben. 1) Arch. f. Hygiene Bd. 62 H.4. 1907; Zentralbl. f. Bakt. Bd. 47 H.3. 2) Zentralbl. f. Bakt. Bd. 46 H.4. 1908. 3) Zentralbl. f. Bakt. Bd. 47 H. 5. 1908. 4) Zentralbl. f. Bakt. Bd. 47 H.5. 1908, und Bd. 48 H.5. 1909. D)al-ze. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 493 Jedenfalls ist es wohl erlaubt, aus all dem Gesasten den Schluss zu ziehen: Das Problem, die chemische Natur der pflanzlichen Aggslutinine völlig zu ermitteln, ist noch nicht als gelöst anzu- sehen. Vielmehr gilt auch hier, was Eisenberg!) in bezug auf die Seroagglutinine äusserte: „Wenn wir exakt sein wollen, haben wir bisher nur das Recht, nur von einer Agglutinationsfunktion zu sprechen, und wenn wir das hypothetische, materielle Substrat dieser Funktion als Aeglutinin bezeichnen, so hat das nur die Bedeutung eines Symbols, das uns logische Operationen mit diesem Begriff erleichtern soll.“ Ich will hier einschalten, dass einige die Wirkung der pflanzlichen Agglutinine glauben von der echten Aeslutination durch den Ausdruck Konglutination scheiden zu müssen. Mir scheint dies eine nieht notwendige Unterscheidung zu Sein. Dass das Rizin seiner Wirkung auf Tiere nach zu den Toxinen gehört, wurde von Ehrlich?) dadurch dargetan, dass er Tiere da- gegen aktiv immunisieren konnte. Im Sinne der Chemie ist damit ja aber gar nichts gewonnen, denn Toxine sind Substanzen von ganz unbekannter Zusammensetzung. Solange das Rizin bei der Dar- stellung immer eiweisshaltig gewonnen wird, ist die ursprüngliche Vermutung von Kobert und Stillmark, dass es ein Toxalbumin sein kann, noch nicht sicher widerlest. Dass der Eiweisskomplex nur loeker anhängt, soll damit ja nicht bestritten werden. Da wiederholt Toxine mit den Enzymen verglichen, ja für solche angesprochen sind, ist es von Interesse zu erfahren, dass schon Stillmark die Möglichkeit, dass das Rizin ein Enzym sei, offen liess. Durch Ehrlich’s Entdeckung, dass man Tiere rizinfest machen kann, war Stillmark’s Annahme von der Zugehörigkeit zu den Enzymen natürlich nieht widerlegt; denn es gibt ja auch eine Immunisierung gegen Enzyme, wie Emulsin, Pepsin, Trypsin. Liebermann?) hat dargetan, dass die agglutinierende Wirkung an sich keine Enzymwirkung ist, hat die Wirkung des Crotins, Rizins usw. auf Mileh aber nicht berücksichtigt, die in enzymatischer Koagulation besteht und der z. B. durch Papain ähnlich ist. 1) Zentralbl. f. Bakt. Bd. 41 S. 96. 1906. 2) Experimentelle Untersuchungen über Immunität. Deutsche med. Wochen- schrift 1891. 3) Deutsche med. Wochenschr. 1905 S. 1301. 494 Fritz Assmann: Cushny!) zog die Enzymnatur des Rizins ebenfalls in Zweifel; er kam zu der Ansicht, dass „das Rizinusgift sich von den Eiweissstoffen des Samens nicht trennen lässt, sondern entweder selbst ein Eiweiss- körper ist oder wenigstens mit dem Eiweiss in einer Verbindung sich befindet, aus der es durch die gewöhnlichen Methoden nicht freizumachen ist“. Er bestätigt also damit die Annahme Kobert’s, dass es sich um ein Toxalbumin handeln kann. Neu ist bei seinen Versuchen, dass er zuerst dazu kam, die Wirkung in die oben schon kurz erwähnten zwei Komponenten zu zerlegen. Er stellte nämlich auf Grund seiner Versuche mit rizinfesten Tieren zum ersten Male die Behauptung auf, dass „die Giftwirkung mit der Blutwirkung nichts zu tun hat“. In diesem Punkte schloss sich ihm Franz Müller?) an, der durch Pepsin-Salzsäure-Verdauung die agglutinierende Wirkung des Rizins verloren gehen sah, während die Giftwirkung erhalten blieb. Lau?) (unter Kobert) konnte ihm nicht bei- pflichten, fand vielmehr, dass bei seiner Versuchsanordnung sowohl Rizin wie Abrin und Robin durch mehrstündige wie mehrtägige Verdauung mittels Pepsin, Papayotin und Trypsin nicht in ihrer Blutwirkung geschwächt werden. Indes Jacoby?) bestätigte bis zu einem gewissen Grade Müller’s Befund. Zur Isolierung des Rizins glaubt Jacocy°’), wie schon oben erwähnt wurde, in der Ver- dauung mit Trypsin endlich das sichere Mittel gefunden zu haben. Pepsin und Trypsin wirken nach diesem Autor also ganz verschieden. Das nach seiner Methode gereinigte Rizin hatte seine typische Giftig- keit voll bewahrt, ebenso sein Asglutinationsvermögen für rote Blut- körperchen. Trotzdem die von Jacoby auf vorstehende Weise ge- wonnene Lösung eine hohe Giftkonzentration besitzt, gab sie keine Eiweissreaktionen; jedoch wurde andererseits merkwürdigerweise dieses gereinigte Rizin durch nachträgliches, nochmaliges Behandeln mit Trypsin schnell zerstört. Nach Oppenheimer‘) scheinen demnach die Eiweissspaltungsprodukte, welche vorher dem Rizin beigemengt waren, es vor der Zerstörung durch das Trypsin geschützt zu haben. Ganz analoger Weise wird ja auch 1) Arch. f- exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 41 H.6. 1898. 2) Arch. f. experm. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 42 S. 302. 1899. 3) Über vegatabilische Blutagglutinine. Diss. Rostock 1901. 4) Beiträge z. chem. Physiol. und Pathol. Bd. 1 S.51. 1901. 5) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 46 S. 28. 1901. 6) Fermente, Toxine und Antitoxine 1904 'S. 164. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 495 jedes beliebige Nahrungseiweiss im Reagenzglasversuch durch Trypsin und Darmsaft viel weniger tiefgreifend gespalten als im Darmkanal, wo die abgespaltenen Aminosäuren fortwährend durch Resorption entfernt werden. Die von Kobert und Stillmark aufgestellte Behauptung, dass das Rizin bei innerlicher Darreichung aus dem angeführten Grunde wesentlich weniger giftig sei als bei subkutaner, - besteht infolgedessen auch jetzt noch zu Recht. Die von den Land- wirten gemachten traurigen Erfahrungen mit durch Rizinus ver- unreinigten Futterkuchen zeigen jedoch, dass die Hauptmenge des Giftes bei unseren pflanzenfressenden Haussäugetieren bereits vor der Entgiftung durch die Enzyme des Pankreas und des Dünndarms zur Resorption und Wirkung kommt. Nicht unwichtig ist zu wissen, dass beim Aufheben des Rizins in Form eines trocknen Pulvers das Begleiteiweiss rascher unlöslich wird als das Rizin. Man darf daher daraus, dass ein selbst dar- sestelltes oder ein käufliches Präparat sich in physiologischer Koch- salzlösung nicht rückstandlos auflöst, keineswegs schliessen, es sei verdorben. Man muss sich nur die Mühe machen, den ungelösten Rückstand erst mit Alkohol, dann mit Alkoholäther zu waschen, auf dem Filter zu trocknen, zu wägen und vom abgewogenen Rizin ab- zuziehen, ehe man den Rizingehalt der Lösung berechnet. Alles im vorstehenden Gesagte ist zunı Verständnis auch der von mir selbst dargestellten Substanzen notwendig. Die Prüfung der Wirksamkeit des Rizins muss stets mittelst eines Doppelversuchs vorgenommen werden, nämlich erstens mittelst verdünnten defibrinierten Blutes bzw. gewaschener Blutkörperchen verschiedener Tierarten, und zweitens mittelst subkutaner oder intravenöser Einspritzung an lebenden Tieren. Die erste Versuchs- reihe ergibt die Stärke der Wirkung des Agelutinins; die zweite Versuchsreihe ergibt die Stärke der Wirkung des Toxins. Natürlich muss man bei beiden Versuchsreihen die kleinste noch wirksame Dose feststellen. Falls man die Dosis nieht übermässig gross ge- nommen hat, erfolgt selbst bei intravenöser Einspritzung der Tod niemals sofort. Das Tier macht vielmehr in den ersten Stunden einen durchaus normalen Eindruck. Erst nach einer Inkubationszeit, während der sich das Gift in den Zellen gewisser Organe verankert, tritt der Tod ein. Dies kann mehrere Tage dauern. Erfolgt der Tod nicht allzu schnell, so kann man starke Gewichtsabnahme und entsprechenden Stickstoffverlust feststellen. Diese Verhältnisse sind 496 Fritz Assmann: von F. Müller?!) genau untersucht worden. Müller stelite auch fest, dass dieht vor dem Tode der Blutdruck sich stark erniedriet. Die Atmung erlischt vor der Herztätigkeit. Bei grossen Dosen und geeigneten Tieren treten violente Durchfälle oft mit blutigen Bei- mischungen auf. Sehr wichtig ist der Sektionsbefund. Unter dem Peritoneum viscerale und im Netz sind bei grösseren Dosen oft Blutaustritte und seröse Durchtränkung nachweisbar. Rötung und Schwellung der Peyer’schen Plaques und Schwellung der retro- peritonealen Lymphdrüsen an der Radix Mesenterii wie bei einer Darmmykose oder septischen Infektion sind selbst, wenn gar keine Durchfälle auftreten, oft vorhanden. Bei Kühen gehören Durchfälle zu den auch schon nach minimalen Dosen auftretenden Erscheinungen. Die Ähnlichkeit der Sektions- befunde mit denen bei Vergiftung durch Toxine wird von F. Müller?) von Gonsalves Cruz°), von Jacoby und anderen betont. Im Blute sind keine Veränderungen der roten Blutkörperchen, wohl aber viele Pseudolymphoeyten wahrnehmbar. Daneben besteht auch Eosinophilie. Im Knochenmark fand Müller enormen Zerfall der Zellen; in Milz und Lymphdrüsen lassen sich Zerfalls- produkte eosinophiler und pseudoeosinophiler Zellen nachweisen. Die Leber zeigt zahlreiche nekrotische Herde, die nach Cruz. mit den von Diphtherietoxin erzeugten identisch sind. Die Epithelien der Tubuli contorti und die Glomeruluszellen der Niere sind nach Müller durch Einlagerung glasiger Massen gequollen; Professor Kobert konnte sogen. vakuoläre Degeneration nachweisen. Am Herzen fand Cruz körnig-fettige Degeneration. Die letale Dose ist sehr gering. Bei dem nach dem Dialysenverfahren von ihm selbst dar- gestellten Rizin fand Kobert noch 0,03 mg pro Kilogramm Tier letal. Osborne, Mendel und Harris*) konnten durch fraktionierte Fällung eine Albuminportion abscheiden, von der noch 0,005 mg pro Kilogramm Kaninchen toxisch wirkte. Das beste von Jacoby’) erhaltene eiweissfreie Präparat wirkte etwa ebenso stark. 1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 42 S. 302. 1899. 2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 42 S. 302. 1899; Ziegler’s Beiträge Bd. 37. 3) Des alterations histol. dans l’empoisonnement par la ricine. Arch. de med. erperim. 1899 p. 238. 4) Americ. Journ. of Physiol. 1905. 5) Hofmeister’s Beiträge Bd. 1ff. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 497 Dass das Rizin ausser auf Blutkörperchen auch auf einzelne andere isolierte Zellarten im Reagenzelas agglutinierend wirkt, hat Lau!) dargetan. Die toxische Wirkung im Körper lebender Tiere wird damit aber nicht erklärt. H. Meyer und R. Gottlieb’) rechnen das Rizin zu den Giften, welche zunächst ganz ohne Ge- webszerstörung oder Nekrose nur die Gefässe verändern, sie durcehlässiger machen und erweitern, also zu den spezi- fischen Gefässeiften. Professor Kobert kann dieser Angabe in ihrer Allgemeinheit nicht beistimmen, da der Blutdruck erst dicht vor dem Tode absinkt. Die genannten zwei Autoren sagen dann weiter, dass das Rizin für die Haut der Kaltblüter unschädlich ist, bei Warmblütern aber sehr heftig wirke. Auch dieser Angabe kann Professor Kobert, falls sie sich auf die Haut der Warm- blüter beziehen soll, nicht beistimmen. Es soll aber zugegeben werden, dass die Stelle zweideutig ist. Nach Professor Kobert ist eine lokalreizende WirknngdesRizinsnurfür Schleim- häute nachweisbar, wie z. B. für die Augenbindehaut, die Nasen- schleimhaut, die Schleimhaut des Magendarmkanales, aber nicht für die intakte äussere Haut. II. Kurze Übersicht über die sonstigen pflanzlichen giftigen Agglutinine. 1. Noch giftiger als das Rizin bei Applikation aufs Auge, aber ungiftiger bei subkutaner Einverleibung ist das Abrin der Pater- nostererbsen, d. h. der Samen von Abrus preeatorius (Papilionae.). Auch bei diesem Gifte wurde die Agglutinationswirkung von Kobert®) entdeckt und von einem seiner Schüler, H. Hellin®), dann ausführlich beschrieben. Die Namen Abrin und Rizin stammen ebenfalls von Kobert. Die Nichtidentität des Abrins und Rizins geht nicht nur aus den nicht identischen anatomischen Befunden der vergifteten Tiere hervor, sondern wurde von Ehrlich’) dadurch aufs schlagendste bewiesen, dass er rizinfeste Mäuse mit Abrin und 1) Über vegetabilische Blutagglutinine. Diss. Rostock 1901. 2) Die experim. Pharmakologie usw. S. 406. Berlin und Wien 1910. 3) Lehrbuch der Intoxikationen, I. Aufl., S. 456. 4) Der giftige Eiweisskörper Abrin und seine Wirkung auf das Blut. Diss. Dorpat 1891. 5) Experimentelle Untersuchungen über Immunität. Deutsche med. Wochen- schrift 1891 Nr. 44 S. 1218. 498 Fritz Assmann: abrinfeste mit Rizin zu vergiften vermochte. Nach Ehrlich hat ferner das Abrin eine dem Rizin nicht zukommende merkwürdige Wirkung auf die äussere Haut oder genauer auf den Haarboden, infolge dessen es zu intensiver Enthaarung kommt. Eine Lösung von Abrin bzw. ein Auszug aus Abrussamen kommt auf Römers Veranlassung als Jequiritol und das Serum gegen Abrin immuni- sierter Tiere als Jequiritolserum zu augenärztlichen Zwecken in den Handel. Man soll damit bei Trachom und bei Korneal- trübungen Nutzen schaffen können. Hausmann!) vermochte nach der beim Rizin besprochenen Methode das Abrin durch Trypsinverdauung eiweissfrei zu machen. Pepsinsalzsäure wirkte auf das Agglutinationsvermögen des Abrins nicht ein, während für das Rizin dies im Gegensatz zu Lau be- hauptet worden war. 2. Unter Crotin versteht man die giftige Substanz der Press- kuchen der Crotonsamen von Croton Tiglium )Euphorbiae.). Auch diese weder mit Abrin noch mit Riein identische Substanz wurde im Institute von Professor Kobert gefunden und benannt. Die ein- gehendsten Versuche darüber stammen von Elfstrand?). Auch diese Substanz besitzt Eigenschaften, welche dazu berechtigen, sie als Enzym aufzufassen. So wirkt sie z. B. auf Milch energisch koagu- lierend. Die Wirkung auf Blut (defibriniert, 2/oig) ist überaus be- merkenswert, in dem z. B. das des Schweines, des Hechtes und des Frosehes stark agglutiniert wird. Auf das des Rindes, Kalbes und Schafes wirkt das Crotin auch agelutinierend, aber nur schwach. Auf das des Menschen, Hundes, Meerschweinchens, der Ratte, des Huhnes, der Taube und Gans findet dagegen überhaupt keine Einwirkung statt, und das des Kaninchens sowie in geringerem Grade auch das der Katze wird hämolytisch beeinflusst, aber gar nicht acglutiniert. Nach Jacoby reagieren die einzelnen Individuen ein und derselben Spezies sehr ungleich auf Crotin, so dass stets mehrere Tiere zum Versuch herangezogen werden müssen. Bei subkutaner und intravenöser Injektion wirkt Crotin nach einer längeren Inkubationszeit für Warm- und Kaltblüter giftie, wenngleich für erstere weniger als das Rizin. Die Sektionsergebnisse erinnern an Rizin. l) Hofmeister’s Beiträge Bd. 2. 2) Uber blutkörperchenagglutinierende Eiweisse. Görbersdorfer Veröffent- lichungen, herausg. von R. Kobert Bd. 1 S.11. 1898. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 499 3. Das Robin ist der Giftstoff der Rinde der Robinia pseudo- acacia. Die agglutinierende Wirkung auch dieses Toxins wurde im Institute von Professor Kobert gefunden und durch Lau!) be- schrieben. Es gelang Ehrlich, auch gegen dieses Gift Tiere zu immunisieren. Die Handelspräparate dieser Substanz sind wenig wert. Neue Versuche darüber gedenkt Professor Kobert später anstellen zu lassen. II. Über die bisher beschriebenen relativ ungiftigen Agglutinine des Pflanzenreichs. Das Verdienst, auf relativ ungiftige vegetabilische Agglutinine hingewiesen zu haben, gebührt Landsteiner und Raubitschek’®) sowie v. Eisler und v. Portheim?°). Erstere fanden solche in Bohnen, Erbsen, Linsen und Wicken. Da jedoch die Erbsen, Linsen und Wicken schwach wirkten, so kommen praktisch von diesen zu den Hülsenfrüchten gehörigen vier Samenarten nur die Bohnen von Phaseolus vulgaris in Betracht. Die Unter- ‚suchungen von v. Eisler und v. Portheim beziehen sich auf Solanaceen, und zwar auf die Samen einiger Daturaarten. Die Entdeckung von Landsteiner und Raubitschek gab Robert Veranlassung, die Versuchsergebnisse der Genannten durch Wien- haus‘) bestätigen und erweitern zu lassen. Die Erstgenannten hatten aus den Samen von Phaseolus vulgaris, Pisum sativum, Ervum Lens und Vicia sativa das Agglutinin durch Extraktion mittelst der fünffachen Menge physiologischer Kochsalzlösung ge- wonnen. Leider lassen sich die Ergebnisse genannter Autoren nicht gut mit denen von Wienhaus und von mir vergleichen, weil bei jenen die Verdünnung angegeben wird, bei welcher noch partielle Agslutination auftrat, während Wienhaus und ich nur die Ver- dünnung angeben, bei welcher noch totale Agglutination auftrat. Was die Eigenschaften der Extrakte anlangt, so ermittelten Land- steiner und Raubitschek, dass daraus: Rare: 2) Bakt. Zentralbl. Bd. 45 H.7. 1908. 3) Zeitschr. f. Immunitätsforschung u. experim. Therapie 1908 -1. Teil 1. Abt. S. 151. 4) Biochem. Zeitschr. Bd. 18. H. 3—5. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 137. 33 500 Fritz Assmann: 1. bei schwachem Ansäuern ein Niederschlag ausfällt, der nur wenig Agglutinine enthält, während deren Hauptmenge im Filtrate sich findet: 2. dass durch Alkohol die agglutinierenden Substanzen gefällt werden und bei ihrer Neulösung keine beträchtliche Einbusse an Wirksamkeit zeigen; 3. dass die agglutinierenden Substanzen durch Ammonium- sulfat aussalzbar sind. Die Agelutinine dialysieren nur schwer, aber leichter als Rizin. Gegen Salzsäure und Soda scheinen die Stoffe ziemlich resistent zu sein; 4. das Bohnenextrakt übte eine präzipitierende Wirkung auch auf Serum z. B. von Hühner- und Pferdeblut aus, falls es mit mindestens dem gleichen Volumen der Stammlösungen versetzt wurde; 5. selbst bei peritonealer Einspritzung gelang es nicht, Meerschweinchen, Ratten oder Kaninchen zu ver- giften. Nur Mäuse starben nach der sehr beträchtlichen Menge von 2 eem in die Bauchhöhle; 6. Instillation in den Konjurktivalsack von Kaninchen hatte ear keine Wirkung. Wienhaus konnte bei Extraktion der Samen mit der fünf- fachen Gewichtsmenge physiologischer Kochsalzlösung agglutinierend wirkende Auszüge aus verschiedenen Varietäten von Phaseolus vulgaris darstellen, und zwar aus der gewöhnlichen weissen Sehminkbohne, aus der Flagelott-Wachsbohne, aus der Schlachtschwertstangenbohne, aus der Holsteinschen Perlbohne und aus der römischen Wachsbohne. Die Ver- suche wurden meist an Kaninchenblut angestellt. Von anderen Phaseolusarten fand er die Auszüge z. B. aus Phaseolus ereetus ebenfalls wirksam, aber in geringerem Grade. Von Vieia Faba wurden sieben Varietäten, nämlich die amerikanische Puffbohne, die schottische Granton- bohne, die Weserpferdebohne, die Teverollede Picardie, die Teverolle de Loraine, Kirsches Pferdebohne und die sogenannte Mondbohne, die mit der blausäurehaltigen von Phaseolus lunatus stammenden nicht verwechselt werden darf, unter- sucht und alle etwas wirksam gefunden. Das gleiche gilt von den ebenfalls zu Vicia faba gehörigen Unterarten Vicia mazaguna, unica, macrochloris, atra und eireularis. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 501 Von den Unterarten der Wicke, Vieia sativa, erwiesen sich als agglutininhaltig die gewöhnliche Futterwicke, die spanische, die dalekarlische Futterwicke, die aus Capetown und die weisssamige (leucosperma). Von anderen Vieia-Spezies wurden als etwas wirksam Vicia villosa, hybrida, narbonnensis, lutea graminea, sege- talis und pseudocracea gefunden. In der Erbse, Pisum sativum, und in der Linse, Ervum Lens, war die Menge des Agglutinins gering. Ungefähr ebenso schwach wirkte die Erderbse unserer Kolonien, Voandzeia subterranea und noch schwächer die Viena sinensis, welche in Italien als Fagiolo del Occhio kultiviert wird. In der Erdnuss, Arachis hypogaea, konnte sogar gar kein Agglutinin gefunden werden; ebensowenig gelang dies bei dem Samen von CGassia Absus, obwohl diese Pflanze mit Abrus nahe verwandt ist. In der Soja hispida dagegen wurde ein relativ stark wirkendes Agglutinin nachgewiesen. Es lag Wienhaus nun daran, über die wirksame Substanz der Auszüge aus den genannten Pflanzen sich Klarheit zu ver- schaffen. ‚Da Verdünnen der Auszüge mit destilliertem Wasser (1:2) stets eine Fällung liefert, während sowohl der Niederschlag als das Filtrat wirksam ist, dürfte sowohl ein Albumin als ein Globulin vorhanden sein, welches agglutinierend wirkt. Um diese wirksamen Substanzen in fester Form abzuscheiden, fällte Wienhaus in der unten noch zu besprechenden Weise mittelst Alkohol die Stammlösung aus, wusch den Niederschlag mit Alkohol, dann mit Äther und trocknete ihn im Vakuum. Was von diesem weissen Pulver sich in physiologischer Kochsalzlösung wieder lösen lässt, ist wirksam; was ungelöst bleibt, ist zum grössten Teil Begleiteiweiss. Wienhaus nennt die auf diese Weise aus den Bohnen von Phaseolus vulgaris gewonnene Substanz Phasin. Es empfiehlt sich, diesen Begriff dahin zu erweitern, dass alle bei Einspritzung unter die Haut relativ ungiftigen vegetabilischen Agglutinine als Phasine zusammengefasst und nur durch Zusätze zu diesen Namen genauer charakterisiert werden als Wachsbohnenphasin, Sojaphasin usw. Wienhaus hat einige solche bereits dargestellt. 39° 502 Fritz Assmann: Bei ihnen lässt sich die Stärke der Wirkung durch ein einfaches Zahlenverhältnis ausdrücken. So wirkte Wachsbohnenphasin noch bei 12000 facher Verdünnung auf 2—5 °/oiges Menschenblut total agglutinierend. Bei dieser Zahlenangabe ist nicht einmal der ungelöst gebliebene Teil abgezogen. Rechnet man diesen ungelösten Teil auch nur zu 25° des Pulvers, so enthielt die filtrierte Lösung ja wesentlich mehr, als gerechnet worden ist, und statt 1: 12000 müssen wir dann 1:16000 als Wirkungserenze ansetzen. Auf die vielen anderen interessanten Ergebnisse der Arbeit von Wienhaus kann ich hier nicht eingehen, sondern muss auf das Original verweisen. Ich habe nur angeführt, was zum Ver- ständnis meiner Versuche notwendig ist. IV. Eigene Versuche mit Rizinussamen. Um die Phasine mit Rizin besser vergleichen zu können, schien es uns notwendig, Rizinussamen nach der Phasinmethode zu ver- arbeiten. Dies geschah auf folgende Weise. Frische Rizinussamen wurden enthülst und durch Pressen entölt. Ich bemerke ausdrücklich, dass auch ohne Entölen eine Verarbei- tung möglich ist. 100 g des Presskuchens wurden unter allmäh- lichem Zusatz von physiologischer (0,9 °%oiger) Kochsalzlösung in der -Reibschale zu 500 ccm Schüttelmixtur angestossen, 5 ccm Chloroform zugesetzt und das Ganze vielmals energisch durch- geschüttelt und 24 Stunden bei 358° gehalten. Dann wurde erst durch Leinwand koliert und alsdann durch Papier filtriert. Das Filtrat wurde portionsweise mit 96°oigem Alkohol versetzt und der sich unmittelbar absetzende dicke weisse Niederschlag sofort auf Filtern gesammelt, abgesaugt und erst mit Alkohol, dann mit Ätber gewaschen und unter der Luftpumpe so lange getrocknet, bis er sich zu einem feinen Pulver zerreiben lies. Er ist dann noch keineswegs ganz wasserfrei, sondern enthält annähernd je 10% Wasser und 10° Salze. Es empfiehlt sich, weder das Waschen mit Alkohol und Äther noch das Trocknen länger, als unbedingt nötig, fortzusetzen, da sonst leicht ein Teil der wirksamen Substanz mit dem Begleiteiweiss unwirksam wird. Wie leicht einzusehen, ist dieses Rizinpräparat mit dem durch Aussalzen und Dialyse gewonnenen nicht identisch. Für mich kam es aber gerade darauf an, alle von mir zu prüfenden Samen in gleicher Weise zu verarbeiten und in gleicher Weise zu prüfen. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 503 Ich führe als Beweis der Wirksamkeit meines Rizins folgenden Ver- such an. Defibriniertes Meerscehweinchenblut 5 cem + physiol. 0,9°/oige) Kochsalzlösung 95 cem. Von diesem Gemisch wurde in 10 Reagenzgläschen je 5 eem eingefüllt und zu acht dieser Gläsehen steigende Mengen von Rizin in je 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung gelöst gesetzt, so dass in jedem Gläschen gleichviel Blut und gleichviel Kochsalzlösung war. Zwei der Gläschen blieben zur Kontrolle ohne Gift. So ergibt sich folgendes Schema: I. 5 cem 5 %Joiges Blutgemisch + 5 ccm phys. Kochsalzlösung, enth. 0 Gift go en Slloiges „ OR ae a „. 0,2 mg Rizin Il. 5 ” 50/0 iges ” +9 D) ” ” „ 0,4 ” 2) IV. 5) ” 5) %/o iges ” Ar 5) ” ” 2” » 0,6 ” ” 25 ” 5/0 iges „ aa „ 2) » » 0,8 ” ” Mess 5ljoiges 5 ER ln 5 ch VI. 5 „ 9°loiges R NE, 4 „ 2 mg Rizin vn. 52 Bones ee 4 ed ae IX. 5 „ 50/oiges ” Ar b) ” b) ” 6 ” BD) X. 8 „ 50/0 iges D) 210 » ” ” » 8 D) In Glas X war schon nach 15 Minuten totale Agglutination eingetreten, so dass durch ein Filter farblose Flüssigkeit ’ abfloss. In Glas IX, VII und VII war nach 1 Stunde die Agglutination völlig geworden und in Glas V, IV, III und II nach 6 Stunden. Danach war zu vermuten, dass die untere Grenze der Wirksamkeit noch nicht erreicht war. Ich stellte daher noch ein Glas mit 0,1 mg Rizin auf, und auch hier war nach 24 Stunden totale Agglutination zu konstatieren. Bei 0,5 mg Rizin war dagegen nur partielle Asslutination zu erzielen. Die Grenze der Wirksamkeit liegt also bei 0,1 mg: 10 cem, d. h. bei 1: 100000. Da das zur Bereitung der Giftlösung abgewogene Rizin!) sich keineswegs völlig löste, sondern nur zu 50°, so liest die Grenze der Wirksamkeit bei 1: 200000. Auch für Igelblut wurde eine starke Wirksamkeit, nämlich 1: 60000, gefunden. Für Rinderblut fand ich bei ganz analogen Versuchen als Grenze 1: 5000. Es ist längst bekannt, dass Rizin auf Rinderblut und Hammel- blut am schwächsten, auf Meerschweinchenblut aber am stärksten von allen Blutarten wirkt. So stellte z. B. Elfstrand folgende 1) Natürlich ist der Wasser- und Aschengehalt mit in Rechnung zu ziehen. 504 Fritz Assmann: Reihe auf: Hammelblut 1:4000, Hühnerblut 1: 10000, Hunde- blut 1:20000, Menschenblut 1:25000, Katzenblut 1 : 40.000, Schweineblut 1: S0000, Taubenblut 1 : 160000, Meerschweinchen- blut 1: 160000. Ein anderes nach derselben Methode von Professor Kobert dargestelltes Rizin wirkte auf einige Blutarten sogar stärker als das von Elfstrand, nämlich auf Hühnerblut noch bei 1 :30000, auf Menschenblut bei 1: 44000 und auf Katzenblut bei 1:50000. Aus meinen Versuchen geht also hervor, dass das nach der Phasinmethode dargestellte Rizin aus Rieinus communis auf Blutin typischer Weise wirkt und, falls man den ungelöst bleibenden Teil abrechnet, nicht schwächer . agglutiniert als das nach der Methode des Aussalzens und Dialysierens dargestellte. Dass auch die toxische Komponente in dem nach der Phasinmethode dargestellten Rizin enthalten ist, dafür habe ich ebenfalls den experimentellen Beweis erbracht, wie folgende Ver- suche zeigen. Ein Kaninchen von 950 g, welches das Lösliche aus 0,4 mg meines Rizins subkutan erhalten hatte, starb unter Lähmungs- erscheinungen nach 36 Stunden. Sektion. Im grossen Netz zahlreiche an den Gefässen wie Weinbeeren hängende punktförmige Blutaustritte. Die retro- peritonealen Lymphdrüsen geschwellt und gerötet. Die Peyerschen Plaques ebenfalls geschwellt, gerötet und von punktförmigen Blutaustritten durchsetzt. Im Dünndarm durchweg flüssiger, leicht rötlicher Inhalt. Im Blasenharn reichlich Eiweiss, Leukoeyten sowie gekörnte und epitheliale Zylinder. Ein kräftiger Hund von 15,4 kg erhält das Lösliche aus 2 mg meines Rizins subkutan am Rücken. In den ersten 24 Stunden ist er ganz normal. Nach 48 Stunden ist er krank, schwankt auf den Beinen und liegt meist still in der Ecke. Nahrung und Wasser nimmt er nicht mehr zu sich. Von Zeit zu Zeit hat er Anfälle von Leibschmerzen, bei denen er sich winselnd windet. Nach 60 Stunden erfolst unter allgemeiner Lähmung der Tod. Sektion. Im Magen eine ausgedehnte Flächenblutung. Das ergossene Blut haftet als teerartige Masse fest an den Wandungen. Die darunter befindliche Schleimhaut ist stark gerötet. Die Schleim- haut des oberen und mittleren Dünndarms ist stark gerötet und stellenweis ekehymosiert. Die retroperitonealen Lymph- Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 505 drüsen gerötet, mässig geschwollen. Alle anderen Organe makr o skopisch normal. Das Blut aus dem Herzen und den grossen Gefässen verhält sich gegen Rizin ganz wie normales Hundeblut eine Immunisierung ist also nicht erfolg. Im Harn der Blase Körnchenzylinder und weisse Blutkörperchen sowie viel Eiweiss. Der Hund erhielt auf gelöstes Rizin berechnet weniger als 0,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Diese zwei Versuche zeigen, dass das nach der Phasin- methode dareestellte Rizin für Kaninchen und Hunde in der typischen Weise toxisch wirkt. Das S. 490 erwähnte käufliche Rizinpräparat von Jacoby, welches nach Miessner und Rewald ebenso stark wirken soll wie das Merck’sche Rizin, wurde von mir ebenfalls geprüft, und zwar an sieben verschiedenen Blutarten. Es wirkte durchweg schwächer als das nach der Dialysenmethode und als das nach der Phasinmethode dargestellte Rizin. Da Miessner und Rewald mit Rinder- und Schafblut fast keine Agglutination durch Rizin erhalten hatten, prüfte ich daraufhin gerade das von diesen Autoren bevorzugte Jakoby’sche Präparat. Ich erhielt bei Hammelblut und bei isolierten Hammelkörperchen sowie bei Rinder- blut und bei Kalbblut bei der Konzentration 1: 1000 stets totale Aggslutination. Ich kann daher die Angabe, dass diese Blutarten durch Rizin so gut wie nicht agglutiniert werden, nicht bestätigen. Man kann sie zum Nachweis von Rizin wohl mit be- nutzen, muss die rizinhaltige Flüssigkeit aber stets in relativ reich- lichen Mengen verwenden. Igelblut wurde von meinem Rizin noch bei 1:20000 total agglutiniert. Wir werden sehen, dass diese Blutart bei allen noch zu nennenden Asglutininen viel stärkere Konzentration erfordert. Ebenso ist bei Aalblut meist eine hohe Konzentration, hier eine von 1: 1000, erforderlich. Von den Samen von Ricinus speetabilis ist behauptet worden, sie seien unwirksam. Das Original dieser Angabe ist mir unbekaunt. Ich kann daher nicht sagen, ob nur gemeint ist, dass das daraus gepresste Öl keine abführende Kraft habe, oder ob auch die Presskuchen kein Rizin enthalten sollen. Ich entschied diese Frage durch den Versuch. Ein nach der Phasinmethode aus diesen Samen sewonnenes Rizin fand ich bei zehn Blutarten, nämlich bei Blut von Mensch, Kaninchen, Katze, Hund, Kalb, Schwein, Igel, Hammel, Huhn und Taube, wirksam. Ab- 506 Fritz Assmann: gesehen vom Aal- und Igelblut, wo eine Konzentration von 1: 1000 (Aal) und 1:2000 (Igel) nötig war, trat bei 1: 10000 bis 1: 20000 stets totale Agelutination ein; auf Katzenblutkörperchen war die Wirkung sogar noch viel stärker. Ich muss daher behaupten, dass die Presskuchen aueh von Ricinus spectabilis rizinhaltig sind. Da Professor Kobert aus Deutsch - Südwestafrika frische, sehr grosse Exemplare sowohl von roten als schwarzen Rizinus- samen, also von Riecinus communis var. ruber und niger, erhalten hatte, wurden ganz kleine Mengen von Rizin aus diesen beiden Varietäten nach der Phasinmethode dargestellt und an ver- schiedenen Blutarten geprüft. Das Ergebnis war, dass das Rizin aus beiden Varietäten an Stärke der agglutinierenden Wirkung z. B. auf Schweine-, Hunde-, Kaninchen- und - Menschenblut dem Rizin aus der Stammart nicht nachsteht. Auch auf Kalbblut und Hammelblut wirkte das aus Rieinus niger prompt ein, und zwar noch bei 1: 10000. Auf isolierte Blutkörperchen der Katze wirkte es ausser- ordentlich viel stärker. Igelblut, welches, wie gesagt, schwer zu agglutinieren ist, wurde bei 1: 2000 völlig agelutiniert. Anhangsweise sei kurz erwähnt, dass Professor Kobert auch Abrin nach der Phasinmethode für mich dargestellt hat. Es wirkte bei meinen Versuchen auf Meerschweinchenblut noch bei 1: 100000 total agelutinierend, auf alle übrigen Blutarten schwächer, am schwächsten auf Kalb- und Hammelblut (1:3300); Igel- blut war hier empfindlicher. V. Einige Nachprüfungen der Angaben von Wienhaus. l. Phasin aus Phaseolus communis. Es musste von Interesse sein, ein Bohnenphasin, welehes von Wienhaus benutzt worden war, nach mehr als einjährigem Aufheben nachzuprüfen. Die von Wienhaus gefundenen Zahlen für totale Agglutination von Warm- blüterblut liegen zwischen 1:6000 (Hammel) und 1:35000 (Kaninchen); die von mir gefundenen zwischen 1:5000 und 1:40000. Das von Wienhaus nicht untersuchte Igelblut wird entsprechend dem beim Rizin Gesagten noch schwerer agglutiniert als das von Rind und Hammel, nämlich erst bei 1:1000. Auch Fisehblut bedarf grosser Phasindosen. Wienhaus fand für Karpfenblut bei 1: 600 nur partielle Agglutination; ich erhielt Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 507 bei Flussaalblut und bei Karpfenblut bei 1:1000 noch eben völlige. Alles in allem ergibt sich aus meinen Versuchen, dass Bohnenphasin auch nach mehr als einjährigem Auf- heben in Pulverform noch prompt wirkt. Von den alten Lösungen des Phasins waren im Laufe des Jahres einige verschimmelt, andere waren klargeblieben und erwiesen sich als noch prompt wirksam. 2. Phasin aus Saubohnen, von Wienhaus dargestellt, und als Lösung seitdem aufgehoben, zeigte bei mir einen Wirkungs- wert von 1:1000 bis 1: 2000 für das Blut von Katze, Hund, Pferd, Schwein, Hammel, Igel, Taube und Flussaal. Wienhaus hatte für Kaninchenblut 1: 1200 gefunden. Meine Versuche stimmen dazu und beweisen damit, dass das Präparat in Lösung haltbar ist. 3. Phasin aus Soja hispida, und zwar aus der gelblichen Stammart, hatte Wienhaus bei 1:3500 für Kaninchenblut wirksam gefunden. Ein von Professor Kobert für mich neu dar- sestelltes wirkte auf Kaninchenblut noch bei 1:5000 und auf Katzenblut sogar noch stärker, etwas schwächer dagegen auf Meerschweinchen-, Schweine- und Menschenblut sowie auch auf Kalb- und Hammelblut (im Durchschnitt 1: 1000). Die geringste Neigung, durch Sojaphasin agglutiniert zu werden, zeigte Igelblut (1: 250). VI. Über einige bisher noch nicht dargestellte Phasine. Es lag mir daran, genau nach der oben S. 502 wiedergesebenen Methode auch noch andere Phasine als Wienhaus darzustellen. 1. Aus Erbsen hatte Wienhaus nur Auszüge dargestellt, diese aber nicht weiter verarbeitet, weil die Wirkung zu gering war. Ich fand, dass sich besser als die von Wienhaus benutzten käuf- lichen Erbsenpulver frische Markerbsen für derartige Versuche eignen. Es gelang mir, daraus ein Markerbsenphasin abzu- scheiden, welches auf Meerschweinchenblut bei 1: 6000, auf menschliches Leichenblut und auf frisches Aderlass- blut bei 1:3000 bis 1:5000 total agglutinierend wirkte. Für Kaninchen- und selbst für Igelblut fand ich 1: 2000, für Schweineblut 1:1600, für Kalb- und Hammelblut 1: 1000. Von isolierten roten Blutkörperchen wurden die von der Katze und vom Hammel geprüft; erstere ergaben bei 1: 6000, letztere bei 1 : 1000 totale Agglutination. 508 Fritz Assmann: Ein in analoger Weise aus sogenannten Schalenerbsen gewonnenes Phasin wirkte auf Meerschweinchenblut noch etwas stärker, auf Menschenblut aber etwas schwächer als das Markerbsenphasin. 2. Von Platterbsen wurden drei Arten zur Herstellung eines Phasins benutzt, nämlich Lathyrus odorus, Lathyrus vernus und Lathyrus tingitanus. Die drei Phasine wirkten bei 1: 1000 auf Blut von menschlichen Leichen, auf Katzen-, Pferde-, Hammel- und Aalblut total agelutinierend, auf isolierte Pferdekörpercehen sogar noch bei stärkerer Ver- dünnung. 3. Ob die für Samen der Papilionaceen ausgearbeitete Vor- schrift der Phasingewinnung auch für Solanaceen brauchbar sein werde, konnte man nicbt wissen. Ich prüfte die Wirksamkeit eines von Professor Kobert dargestellten Phasins aus Datura Stramo- nium. Es wirkte am stärksten auf isolierte Blutkörperchen vom Kaninchen und vom Meerschweinchen (1:20000), auf das serumhaltige Blut dieser Tiere aber nur halb so stark. Auch auf das Blut von Hund, Kalb, Pferd (1:4000), Igel und Hammel (1:2000) war eine typische Wirkung nachweisbar. Merkwürdigerweise ergaben Versuche mit Bilsenkraut- samen kein Ergebnis. Das Daturaphasia findet sich eben nur bei Daturaarten, was auch in Wien festgestellt worden ist. Alle im vorstehenden erwähnten von mir und von Wienhaus dargestellten Phasine erwiesen sich bei subkutaner Einspritzung mässiger Mengen an Kanin- chen als ungiftig. VII. Über Canavalia ensiformis. In der Abteilung der Phaseoleae gehört ausser Phaseolus und Soja auch die Gattung Canavalia. Sie ist bei uns in Europa unbekannt, weil sie nur in heissen Kliamaten gedeiht. Für unsere Kolonien und namentlich für Deutsch- Ostafrika hat sie eine grosse Bedeutung, da die Art Canavalia ensiformis D.C. dort sehr gut fortkommt und reichen Ertrag liefert. Professor Kobert hat sie aus dieser Kolonie (aus Amani) ganz frisch erhalten. Nach Dragendorff!) kommt sie auch in Südasien, Westindien und 1) Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten 8.333. Stuttgart 189. Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. 509 ‘ Venezuela vor. Der genannte Autor berichtet weiter, dass Hülsen und Samen als Gemüse, letztere aber auch arzneilich bei Frauen- krankheiten benutzt werden. Ferner könne aus den Samen auch Amylum dargestellt werden. Die Blätter dienten als Antarthritieum. Die nahe verwandte Canavalia virosa W. et Arn. sive Dolichos virosa Roxb., welche in Ostindien einheimisch ist, soll giftig sein. Professor Kobert erhielt die Canavalia ensiformis mit der Auf- forderung, sich über ihre Bestandteile und ihre Verwendung als Nahrungsmittel für Menschen und Tiere zu äussern. Eine von M. Reich in unserem Institute ausgeführte Analyse ergab in den Samen 34°o Eiweiss, 3,80 Fett und 16° Stärke. Das mikro- skopische Bild der Stärke erinnert an das der Bohnenstärke. Im Ätherauszug des im Soxhlet’schen Apparate ausgekochten Samenpulvers lässt sich ausser Fett auch Phytosterin sowie eine Base nachweisen, die sich durch salzsäurehaltiges Wasser dem Ätherauszug entziehen lässt. Sie eibt in salzsaurer wässriger Lösung Niederschläge mit Phosphorwolframsäure, Phosphormolybdänsäure, Jodjodkalium, Kaliumquecksilberjodid und Kaliumwismutjodid und charakterisiert sich dadurch als Alkaloid. Am reichlichsten ist der Niederschlag mit Phosphorwolframsäure. Über die Reindarstellung der Base kann ich, da das Material knapp ist, zurzeit noch nichts aussagen. Auf ihre Wirkung will ich, nachdem ich das Canavalia- phasin besprochen haben werde, kurz eingehen. Die Darstellung eines Phasins aus den geschälten Samen gelang ohne grössere Schwierigkeit. Wie bei allen amylumreichen Samen stört freilich das gequollene Amylum die Filtration des Auszuges erheblich und macht quantitatives Arbeiten unmöglich. Das Er- sebnis der Prüfung dieses Phasins an Blut war folgendes. Isolierte, gut gewaschene Blutkörperchen von Katze und Pferd waren ausser- ordentlich empfindlich dagegen; sie wurden noch bei 1: 100 000 total agglutiniert. Die Reihenfolge der Blutarten, nach der Em- pfindliehkeit geordnet, ist eine etwas auffallende: Katze, Pferd, Meerschweinchen (1:30000), Hund, Rind (1:20000), Hahn (1:11000), normaler Mensch (1:5000), Kohlenoxydblut von menschlicher Leiche (1:2000), Karpfen 1:800. Wenn bei viel- facher Wiederholung dieser Versuche sich auch noch einiges in diesen Zahlen ändern wird, so ist doch schon jetzt bewiesen, dass die Canavaliasamen ein agglutinierendes Phasin ent- halten. 510 Fritz Assmann: Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Asglutinine. Bei subkutaner Einspritzung wirkte dieses Phasin an Fröschen (Temporarien und Eseulenten), Kröten (Bufo cinereus), Meerschweinchen und Kaninchen bei Anwendung grosser Dosen siftig. Die Erscheinungen bestanden in kurz vorübergehender pikrotoxinartiger zentraler Erregung mit nach- folgender Lähmung des Nervensystems. Ich will jedoch auf die Einzelheiten hier nicht eingehen, da die Frage, ob hier etwa die basische Substanz der Samen mit dem Phasin niedergerissen war, nicht mit Sicherheit verneint werden kann. Für alle übrigen in vorstehender Arbeit beschriebenen Phasine gilt jedoch ausnahmslos der Satz, dass sie zwar ein der agglutinierenden Komponente des Rizins ähn- liches, dureh Eiweissfällung darstellbares wirksames Agens vorstellen, dass sie jedoch innerlich und sogar subkutan wirkungslos sind, also der Toxinkomponente des Rizins entbehren. Bis jetzt sind alle diese Phasine nur eiweisshaltig darstellbar. Wie weit sich dies Eiweiss wird ab- verdauen lassen, soll demnächst festgestellt werden. Auch andere naheliegende Fragen sollen noch Erledigung finden, namentlich die, ob sich die Canavaliasamen auf bequeme Weise entgiften und für Ernährungszwecke verwenden lassen. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Zur Frage der cerebralen Muskelatrophie. Von Dr. Fritz Heinrich Lewy, ehem. Assistent am physiologischen Institut. Anlässlich einer Demonstration von Muskelpräparaten mit ver- lorener Querstreifung wurde Herr Prof. Hürthle von Herrn Ewald- Strassburg darauf aufmerksam gemacht, dass von Goltz Verlust der Querstreifung an Skelettmuskeln nach Entfernung der motorischen Zone des Grosshirns beschrieben worden sei. Auf Veranlassung meines derzeitigen Chefs habe ich die Angabe von Goltz!) nach- geprüft. Die betreffende Stelle lautet: „Aber auch das letzte Werkzeug selbst, der Muskel, wird, nach- dem die Verstümmelung des Grosshirns lange bestanden hat, in seiner Ernährung und Zusammensetzung dauernd geschädigt. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Muskeln des verstorbenen Affen wurde die Beobachtung gemacht, dass die Fasern der Muskeln des abgemagerten rechten Armes die Querstreifung eingebüsst hatten. Der Bau des linken Muskels zeigte normale Querstreifung. Dieser Fund hat kürzlich eine sehr willkommene Ergänzung erfahren. Vor einigen Monaten starb in meiner Anstalt ein Hund, dem ich im Jahre 1891 auf beiden Seiten in zwei Eingriffen den ganzen Stirn- lappen und den ganzen Scheitellappen herausgeschnitten hatte. Das Tier verhielt sich genau so wie ein Hund, der gar kein Grosshirn besitzt. Der Grund davon ist offenbar der, dass Schläfenlappen und Hinterhauptslappen, die ich nicht herausgeschnitten hatte, nach der Fortnahme der vorderen Abschnitte des Grosshirns keinen genügen- den Zusammenhang mehr mit dem Kopfmark haben, um irgend- welche Tätigkeit äussern zu können. Bei diesem Hunde nun, der .1) Goltz, Beobachtungen an einem Affen mit verstümmeltem Grosshirn. Pflüger’s Arch. Bd. 76 S. 421. 1899. 912 Fritz Heinrich Lewy: gehen, bellen, beissen konnte wie ein Tier ohne Grosshirn, waren die Muskeln sämtlicher Gliedmaassen in der angegebenen Weise ent- artet, dass die Querstreifung verloren gegangen war. Diese Er- nährungsstörung der Muskeln hat höchst wahrscheinlich bei all den Hunden bestanden, die ich nach ausgedehnter und tiefer Verstümme- lung des Grosshirns jahrelang am Leben zu erhalten vermochte.“ Auch Munk!) hat ähnliche Beobachtungen gemacht, und die Erscheinung als durch Inaktivität hervorgerufen betrachtet. „Hatten die Kontrakturen mehrere Monate bestanden, so sind die kontrakturierten Muskeln gelblich und viel dünner als die ent- sprechenden Muskeln der linken Extremitäten; die Muskelfasern sind verschmälert, ihr Gehalt an Kernen erscheint vergrössert, die kon- traktile Substanz zeigt nur zum Teil noch Querstreifen, zum Teil in Querreihen angeordnete Körnchen, und das Bindegewebe zwischen den Muskelfasern ist vermehrt. Darüber hinaus geht aber noch die Atrophie bei den Antagonisten der kontrakturierten Muskeln: sie scheinen bei der ersten Betrachtung fast nur noch aus Bindegewebe und Sehnenstreifen zu bestehen, und man sieht bei der genaueren Untersuchung nur sehr dünne Muskelfasern mit unregelmässigem körnigen Inhalte. Wo die Kontrakturen weniger lange bestanden, ist auch die Atrophie geringer. Hatten die Kontrakturen jüngst begonnen, so sind, auch wenn erst etwa ein Monat seit der Verstümmelung verfloss, die Antagonisten der kon- trakturierten Muskeln schon wesentlich mehr atrophisch, als man es je bei den erstbetrachteten Affen sieht; an diesen Antagonisten findet man regelmässig den Durchmesser der Fasern verkleinert und oft den Inhalt derselben körnige, während die Fasern der kontrakturierten Muskeln noch alle schön die Querstreifung zeigen und einen durch- sehnittlich geringeren Durchmesser nicht erkennen lassen. ! Die Atrophie, welche uns hier entgegentritt, ist im allgemeinen durch den Schaden verständlich, welchen überall und unter allen Umständen die Muskeln infolge mangelnder oder seltener Inanspruch- nahme erfahren.“ Meine eignen Versuche verliefen folgendermaassen: Zwei erwachsenen Makaken wurde die linke Zentralwindung in grossem Umfange ausgeschnitten, worauf eine vollständige rechts- 1) Munk, Über die Fühlsphären der Grosshirnrinde. Sitzungsber. d. kgl. preuss. Akad. 1894 S. 830. Zur Frage der cerebralen Muskelatrophie. 513 seitise Lähmung eintrat. Um der Wiederaufnahme des Gebrauchs der Extremitäten tunlichst entgegenzuwirken, wurden die Tiere zu- nächst in engen Käfigen gehalten. Darauf entwickelte sich, etwa 8 Wochen nach der Operation, eine spastische Lähmung in Beuge- stellung am Arm, während das Bein nach kurzer Zeit schon kaum noch Lähmungserscheinungen aufwies. Am Arm trat eine relative Abmagerung ein, insofern der gesunde Arm an Umfang zunahm. Nach einem halben Jahr wurde eines der Tiere in ein grosses Affen- haus gebracht, wo sich auch die Armlähmung bis auf geringe Ataxie verlor. Zwei, drei, sechs und zwölf Monate nach der Operation wurden Muskelstückehen aus verschiedenen Stellen des Armes entnommen und teils frisch unter dem Polarisationsmikroskop, teils nach ver- schiedener Fixierung untersucht. In allen Fällen war die Querstreifung unversehrt erhalten, die Muskeln frei von Zeichen einer degenerativen Veränderung. Die Ursache des Widerspruches zwischen den Befunden von Goltz und Munk und den meinigen vermag ich nicht zu erklären und kann nur vermuten, dass das Verschwinden der Querstreifung auf eine nicht sachgemässe Behandlung der ausgeschnittenen Muskel- stücke zurückzuführen ist. Beide Arbeiten enthalten keine Angaben über die Art, wie die Muskeln untersucht wurden. Übrigens hätte man sich eine Nachprüfung ersparen können, wären nicht Forscher von Ruf wie Goltz und Munk die Urheber der in Frage Stehenden Angabe gewesen. Es existieren nämlich mehrere sorgfältige Arbeiten aus der Strümpell’schen Schule!) in denen auf Grund umfangreicher pathologisch - anatomischer und experimenteller Untersuchungen der Nachweis erbracht wird, dass die übliche Unterscheidung in einfache und degenerative Muskel- lähmung je nach Schädigung des ersten oder zweiten motorischen 1) Jamin, Experimentelle Untersuchungen zur Lehre von der Atrophie gelähmter Muskeln. Jena 1904. — Steiner, Muskelatrophie bei cerebraler Hemiplegie. Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 3 S. 280. 1893. — Stier, Experi- mentelle Untersuchungen über das Verhalten der quergestreiften Muskeln nach Läsion des Nervensystems. Arch. f. Psych. Bd. 29 S. 249. 1897. — Strümpell, Zur Lehre von der progressiven Muskeiatrophie. Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 3 Ss. 471. 1893. —' Löwenthal, Untersuchungen über das Verhalten der quer- gestreiften Muskulatur bei atrophiertem Zustand. Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 13 S. 106. 1898. 514 Fritz Heinrich Lewy: Zur Frage der cerebralen Muskelatrophie. Neurons einer jener Irrtümer ist, die sich gelegentlich in der Wissen- schaft festsetzen. Nach Löwenthal kommt echte wachsartige Degeneration der Muskeln mit Verlust der Querstreifung und Vakuolenbildung überhaupt nicht infolge Entfernung des ersten oder zweiten Neurons, sondern nur als eine von der Innervation unabhängige Folge schwerer kachektischer Zustände wie Tuberkulose, bösartiger Tumoren und allerhand anderer erschöpfender chronischer Krankheiten vor. Die nach Gehirn- und Pyramidenbahnschädigung eintretende Atrophie ist stets eine einfache, nur auf Verschmälerung der Fasern und Zu- nahme des Bindegewebes beruhende. Mit diesen Angaben sind meine eigenen Befunde in Übereinstimmung. OT je OT (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Untersuchungen über reizlose vorübergehende Ausschaltung am Zentralnervensystem. III. Mitteilung. Die Extremitätenregion der Grosshirnrinde. Von Wilhelm Trendelenburg. (Mit 14 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. SH I. Einleitung. Wert der Methode für die Grosshirnphysiologie. . . . 515 INS DienMethoderimseinzelnene nur ee: 519 IN SerSehnissexder=Rindenkühlung u... nenn. 526 Ira Versucheram; Hund.und an der. Katze. 2. ze. . 826 ZsaVfersuicheyam (Atteni.= ....0. 1%. Bea see ee N ...89 3. 'Thermoelektrische 'Temperaturmessung am Gehirn bei Rinden- Kung N RR N A Re een AR 371 VER Nlgemeine, Kolverungen ma. u. a ee ee 543 VErZusammenfassung. 1.124. m a ee ee eat eye 544 I. Einleitung. Wert der Methode für die 6rosshirnphysiologie. Von einer Ausschaltungsmethode, mit welcher es gelingt, die bei den üblichen Zerstörungsmethoden möglichen Nebenwirkungen zu vermeiden, sind nicht in letzter Linie für die Kenntnis der Funktionen der Grosshirnrinde Aufschlüsse zu erwarten. Vor allem ist es die grosse Flüchtiekeit vieler an die Verletzungen sich an- schliessender Störungen, welche die Deutung oft recht unsicher bleiben lässt, und welche in der Tat auch zu verschiedenen Deutungen geführt hat. Wenn wir sehen, dass selbst bei chirurgischen Rinden- exzisionen am Menschen die anfänglichen Lähmungen einer Besserung fähig sind, dass beim Affen mit der Zeit eine recht weitgehende Pflüger's Archiv für Physiologie. Bd. 137. 34 516 Wilhelm Trendelenburg: Gebrauchsfähigkeit des Armes zurückgewonnen werden kann, wenn die Armregion durch Schnitt entfernt wurde, so erhebt sich die Frage, wie weit etwa die ungewollten und bei den bisher geübten Ausschaltunesmethoden unvermeidlichen Nebenwirkungen der Zer- störung, welche in verschiedener Weise gedeutet und bezeichnet wurden, an dem Zurückgehen der anfangs stärkeren Störungen be- teiligt sind. Von der Beantwortung dieser Frage, die meines Er- achtens nur durch das Tierexperiment befriedigend gegeben werden kann, hängt es ab, welchen Wert wir den gefundenen Störungen für die Erkenntnis der Funktionen der normalen Hirnrinde zu- sprechen wollen. Freilich können wir durch das Tierexperiment direkte Aufschlüsse für die Hirnpathologie und Hirnphysiologie des Menschen nur in den Leistungen erhalten, welche die höchststehenden Tiere in gleicher oder wenigstens sehr ähnlicher Weise vollbringen wie der Mensch. In mancher Beziehung wird die Sorefalt und Ausdauer des Ex- perimentators auch bei den höchsten Tieren noch vieles auf dem Wese der neuerdings wiederbelebten Dressurmethoden erreichen. In einem besonderen Gebiet der Hirnphysiologie des Menschen, in dem heutzutage die Schwierigkeiten wieder ganz bedeutende geworden zu sein scheinen, im Gebiet der Sprachinnervation, können wir hin- gegen aus dem Tierexperiment keine direkte Belehrung schöpfen. Und doch darf man sich auch für dieses Gebiet manche Anregung von einer Methode versprechen, durch die es gelingen würde, Funktionen von Rindenstellen ohne Nebenwirkungen aufzuheben, wenn man für andere verwickelte Leistungen der Rinde („Hand- lungen“) den Vergleich zwischen Affen und Mensch durchgeführt hat. Sollte es sich nachweisen lassen, dass die Befürchtungen von maassgebenden Nebenwirkungen der üblichen Zerstörungsmethoden nicht berechtigt sind, so ist ein solcher Schluss auch bei den Läsionen erlaubt, durch welche die nur dem Menschen eigentümlichen höchsten Leistungen des Gehirns aufgehoben werden. Naturgemäss darf dabei nie ausser acht gelassen werden, und das muss hier besonders be- tont werden, dass die in der Hirnpathologie beobachteten Zer- störungen durchaus nicht ohne weiteres mit den Zerstörungen des Tierexperimentes gleichgesetzt werden dürfen. Es wird einen grossen Unterschied ausmachen, ob man bei einem kräftigen und nicht gerade alten Affen ein Stück der Hirnrinde derart unterschneidet oder auch herausschneidet, dass das Tier schon nach dem schnell erfolgenden Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 517 Erwachen aus der Narkose nur örtliche Störungen zeigt, und dass auch bei der späteren Sektion eine vollständig nach Wunsch be- erenzte Läsion gefunden wird, oder ob bei einem älteren Menschen, dessen Gehirn schon Alterszeichen aufweist, eine Blutung auftritt, die zu Verlust des Bewusstseins und anderen allgemeinen Störungen führt, die man sicher nicht auf eine unkomplizierte Ausschaltung der direkt betroffenen Teile beziehen darf. Es ist daher für die Funktionsvergleichung von grösster Wichtigkeit, dass in neuerer Zeit auch am Menschen Fälle beobachtet werden können, welche in jeder Weise auf gleicher Stufe mit den Läsionen des Tierversuches stehen, nämlich die zu Heilzwecken ausgeführten Exstirpationen der einzelnen Rindenabschnitte. Wenn z. B. in einem Falle von Horsley!) einem l4jährigen Knaben die ganze Armregion der einen Hirnseite entfernt wird und man annehmen darf, dass eine ungewollte Mit- verletzung benachbarter oder in der Tiefe liegender Teile nicht stattgefunden hat, so ist in diesem und anderen ähnlichen Fällen ein ausserordentlich wertvolles Vergleichsmaterial mit den Ergebnissen der am Tier ausführbaren Gehirnoperationen gegeben. Besondere Untersuchungen werden sich beim Tier sowohl wie auch beim Menschen mit den Unterschieden zu befassen haben, welche auf- treten, wenn solche Verletzungen das ganz jugendliche oder das auf der vollen Höhe der Leistung stehende, aber noch nicht gealterte Gehirn betreffen. Hiermit dürfte zunächst zur Genüge ausgeführt sein, von welchem Standpunkt in den hier vorgelesten Untersuchungen das Problem der reizlosen Ausschaltung am Gehirn angegriffen wurde. Es soll hier weiterhin in erster Linie über Versuche berichtet werden, die an derjenigen Gegend der Grosshirnrinde ausgeführt wurden,::von deren Ausschaltung man zunächst die greifbarsten und übersicht- lichsten Ergebnisse erwarten durfte, nämlich der Region der Ex- tremitäten, insbesondere des Armes. Die Wahl der besonderen Methode braucht hier nicht nochmals eingehend begründet zu werden?). Wenn man bedenkt, dass die 1) V. Horsley, The function of the so-called motor area of the brain. British medic. journ. July 1909 (Linacre lecture). 2) W. Trendelenburg, Untersuchungen über reizlose vorübergehende Ausschaltung am Zentralnervensystem. I. Mitteilung (vorläuf. Bericht). Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 305—312. 1910. II. Mitteilung. Zur Lehre von den bulbären und spinalen Atmungs- und Gefässzentren. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 469—505. 1910. 34 * 518 Wilhelm Trendelenburg: plötzliche, ohne Druckänderungen vorgenommene Abkühlung auf einen lebhaften von der Narkose völlig erwachten Affen nicht den geringsten Eindruck macht, so dass man die Abkühlung an nichts anderem erkennen kann wie an den lokalen Ausfallerscheinungen, denen auch nie irgendwelche lokale Reizerscheinungen (Zuckungen) vorausgehen, so wird man sich der Ansicht nicht verschliessen können, dass diese Ausschaltungsmethode wesentliche Vorteile bietet und im strengen Sinne als reizlos bezeichnet werden darf. Weiter darf auch für die Untersuchung der Rindenfunktionen ein Vorzug der Methode darin gesehen werden, dass die Ausschaltung zu jeder beliebigen Zeit unterbrochen werden kann; sie hört mit Aufhören der Kältewirkung ebenfalls auf. In dieser Hinsicht fanden sich sogar bei dem vorwiegend interessierenden Versuchstier, dem Affen, noch günstigere Verhältnisse, als sie früher für den Hund angegeben werden konnten. Irgendwelche Verzögerungen im Wieder- auftreten der normalen Leistungen nach der Wiedererwärmung traten nach sorgfältigen Abkühlungen nicht auf. Nur wenn einfach die Kühlung abgestellt, das Gehirn aber sich selbst zur Wiedererwärmung überlassen war, konnte die Störung entsprechend der langsameren Erwärmung ein wenig länger anhalten. Zur Veranschaulichung des schnellen Vorübergehens der Wirkung bei der gewöhnlich an- gewendeten direkten künstlichen Wiedererwärmung der Hirnrinde sei noch folgender Versuch angeführt. Am Affen wird die Arm- region gekühlt, worauf nach 1 Minute die typischen Ausfall- erscheinungen der Armlähmung auftreten; nun wird auf Erwärmung umgestellt, und 1 Minute später ist jede Spur der Funktionsstörung schon wieder verschwunden). Dabei wird die eigentlich in Betracht kommende Zeit eher etwas kürzer sein, da immer etwas Zeit ver- seht, bis nach Umstellen der Quetschhähne an den Zuleitungs- schläuchen die Flüssigkeit von der gewünschten Temperatur bis zur Hirnrinde gelangt ist. Diese Möglichkeit, ganz kurzdauernde und, wie wir sehen werden, trotzdem vollständige Ausschaltungen herstellen zu können, wird wiederum von grossem Wert für die Deutung sein. Sind die mit den bisher angewandten Methoden erzielten Ausschaltungen dauernd, oder halten sie viele Tage lang an, so können sich in dieser Zeit 1) Ähnliche Angaben für den Hund sind in dem vorläufigen Bericht ent- halten. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 305—312. 1910. Darin S. 308. teizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 519 an den tieferen Teilen, welehe mit den direkt angegriffenen in funktionellen Wechselbeziehungen stehen, Veränderungen abspielen, die verhindern, dass nach dem Abklingen der etwa vorhandenen Shockwirkungen oder stärkeren Schädigungen des Allgemeinbefindens das Bild des Funktionsausfalls rein zutage tritt. Es bliebe dann noch die schon in dem vorläufigen Bericht be- rührte Frage nach der Vollständiekeit der durch Abkühlung er- zielten Ausschaltung und nach den Grenzen des Ausschaltungs- bereiches. Auf Grund der weiteren Darstellung wird kein Zweifel sein, dass es gelingt, mit genügender Abkühlung ebenso vollständige Ausschaltungen zu erzielen wie mit der Unterschneidung der Rinde; und auch der Tiefenbereich der Abkühlung liess sich durch thermo- elektrische Messungen näher feststellen. II. Die Methode im einzelnen. Um einen begrenzten Bereich der Rindenoberfläche des Gross- hirns der Kühlung aussetzen zu können, wurde folgende Methode angewandt. Eine aus Hartgummi gedrehte Kapsel a (Fig. 1) ist mit feinem Gummi überspannt und wird in ein Trepanloch passender Grösse so befestigt, dass die Gummimembran der unverletzten Dura (db) oder nach Entfernung derselben unmittelbar der Hirn- oberfläche (c) anliegt. Die Kapsel trägt an ihrer Decke zwei kurze eingeschraubte Rohre (d), an welche zur Zuleitung und Ableitung der temperierenden Flüssigkeiten Gummischläuche (e) angebunden werden. Zur Befestigung der Kapsel ist an der Seite derselben ein Rand angedreht, welcher dem Knochen (f) am Rande des Trepan- loches aufliest, und welcher in der Abbildung im Querschnitt als Vorsprung zu sehen ist. Von oben wird über die Kapsel ein etwas breiterer Ring (9) geschoben, der auf dem erwähnten Rande der Kapsel auflieet und durch Schrauben ()) am Knochen befestigt wird !). Die dazu nötigen Löcher werden in den Knochen mit einem kleinen Hand-Drillbohrer gebohrt; wird hierauf mit einem Gewinde- bohrer etwas nachgedreht, so fassen die Schrauben ausgezeichnet 1) Je nach der Dicke des Knochens kann unter dem Kapselrand noch ein schmaler Ring unterlegt werden, damit die Gummimembran der Dura nur eben aufliegt. Auch ist es zweckmässig, die Schrauben durch kleine Ringe zu führen, welche zwischen Ring @ und Knochen liegen. Sie wurden in der Zeichnung der Deutlichkeit wegen weggelassen. 520 Wilhelm Trendelenburg: und halten besonders im Knochen des Affenschädels ausserordentlich fest. Auch wenn aus irgendwelchem Grunde die Kapsel vorüber- sehend abgeschraubt werden muss, fassen die Schrauben in den gleichen Löchern wieder sehr gut, so dass es meist nicht nötig ist, eine Verengerung des Loches durch Einlegen einiger Wattefasern vorzunehmen. Zur Ergänzung der schematischen Fig. 1 sind einige Teile in Fig. 2 in natürlicher Grösse nach Photographie wieder- gegeben. Die Grösse der Kapsel richtet sich nach dem besonderen Zweck; für die Extremitätenregion des Hundes und die Armregion des Affen (mittelgrosse Tiere) ist eine Kapsel von einem inneren Durchmesser von 2,0 em geeignet. A kun] Ä a N) N 7IETTTZEN TE Fig. 1. Schematische Darstellung der in die Schädellücke geschraubten Kühl- kapsel. a Kapsel, db Dura, ce Gehirn, d Ansatzrohre, e Ansatzschläuche, f Knochen, g Ring, h Schrauben. Die Gummimembran ist nicht allzu dünn zu wählen. So- genannten Condomgummi fand ich (trotz seiner Vorzüge für eine gute Kältewirkung) wegen der leichten Zerreisslichkeit weniger ge- eienet und zog schliesslich stets Gummi von der Dieke des zum Bespannen von Marey’schen Kapseln üblichen vor. Für das Stehenlassen oder Entfernen der Dura sind folgende Gesichtspunkte maassgebend. Es kommt alles darauf an, dass nicht schon durch das Anbringen der Kapsel an sich eine Funktionsstörung in der unterliegenden Rinde besonders etwa infolge Prolabierens der Hirn- oberfläche verursacht wird. Bei Hunden und Katzen war es aus diesem Grunde vorteilhaft, die Dura intakt stehen zu lassen und dabei in Kauf zu nehmen, dass sich zwischen Gummimembran und Rindenoberfläche eine wenn auch dünne „Isolierschicht“ befindet; ja, Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 521 bei Katzen war auch in diesem Falle eine gewisse Schädigung der Rinde daran nachweisbar, dass der Pfotenberührungsreflex auf der Gegenseite eine Abschwächung erkennen liess. Es sind aus diesem Grunde die Versuche an diesem Tier im ganzen weniger geeignet. Am Hunde waren derartige Störungen nie vorhanden, doch wurde auch hier die verhältnismässig dünne Dura zur Vorsicht stehen ge- lassen. Die günstigsten Verhältnisse liegen auch in diesem Punkte wieder am Affen vor; auch an den verwendeten jungen Exemplaren von Macacus rhesus konnte die beim Affen verhältnismässig kräftige Fig. 2. Kühlkapsel und Ringe zum Festschrauben, die letzteren links für den Hund, rechts unten für den Affen. Dura entfernt werden, ohne dass sich eine Schädigung der Rinde einstellte.e Bleibt die Dura erhalten, so ist man vor den an sich geringen, aber für die Kühlung störenden Blutaustritten aus den Duralgefässen sicher und hat noch einen in folgendem Umstand be- sründeten Vorteil. Selbst bei aseptischem Verfahren lässt sich nieht vermeiden, dass sich auf der Dura unter der Gummimembran schon nach etwa einem halben Tag ein Belag gebildet hat, welcher wiederum eine Isolierschicht darstellt und den Erfolg der Kühlung sehr wesent- lich herabsetzen kann. Es ist dann zweckmässig, den Affen einer kurzdauernden leichten Äthernarkose zu unterwerfen, die Kapsel ab- zuschrauben und den Belag mit Watte abzuwischen. Dabei ist 922 Wilhelm Trendelenburg: natürlich der Schutz der Rinde dureh die intakte Dura sehr vorteil- haft; man kann die Säuberung vornehmen, ohne das Entstehen einer Verletzung befürchten zu müssen. Die Exsudatbildung und die sich später anschliessende dicke Narbe sind übrigens auch der Grund dafür, dass sich die Beobachtungen immer nur auf eine verhältnis- mässig kurze Zeit (etwa bis zu 2 Tagen) nach Anbringung der Kühl- vorrichtung erstrecken können. Der eine der Ansatzschläuche wird mit einem T-Stück verbunden !), das weiter zu zwei Tubusflaschen führt, die mit körperwarmem Wasser und mit Eiswasser oder einer Kältemischung gefüllt sind. Sie werden etwa Y/g—?/ı m über Schädelhöhe auf- gestellt; mit Hilfe von Quetschhähnen kann nach Belieben bald eine Ab- kühlung, bald eine Wiedererwärmung der Hirnrinde vorgenommen werden. Der Abflussschlauch wurde in den früheren Versuchen kurz genommen und mit einer Glasspitze versehen, durch die das unter einigem Druck stehende Wasser im Strahl zur Seite spritzte, wobei das Tier allerdings gelegentlich etwas nass wurde. Besonders bei Affen erwies sich dies Verfahren aber als unzweckmässig, weil die Tiere sich durch Nässe sehr belästigt fühlen. Es wurde deshalb auch am Abflussrohr der Kapsel ein längerer Schlauch angebracht. und dieser nach oben aus dem Drahtkäfig herausgeleitet, in dem die Affen vorwiegend untersucht wurden. Dass die Membran der Kapsel gut der Dura oder der Gehirnfläche selbst anlag, konnte mit Sicherheit daran erkannt werden, dass am ausfliessenden Wasser ein Puls siehtbar war. Sollte, besonders am Hunde, der normale un- behinderte Gang beobachtet werden, so führte der Wärter das Tier an der Leine und trug die beiden Vorratsflaschen der Temperier- flüssiekeiten in einem Gestell auf dem Rücken. Auch der Gang des Hundes über die Lattenbrücke und dergleichen konnte in dieser Weise gut untersucht werden. Um besonders an dem nachgeiebigeren Gehirn von Hund und Katze Erscheinungen plötzlicher Drucksteigerungen zu ver- meiden, empfiehlt es sich, den Zuflussschlauch bei Öffnen des Quetsch- hahnes nur ganz allmählich zu öffnen, damit sich die Kapsel nicht plötzlich füllt. Soll abgekühlt werden, so ist der Zufluss der Kühl- 1) Zweckmässig werden an die Kapsel nur zwei kurze Gummistücke fest angebunden; mit diesen werden die zu den Flaschen führenden Schläuche durch kurze Glasstücke verbunden. Man kann dann an dieser Stelle die Verbindung während der Versuchspausen unterbrechen und nachher leicht wiederherstellen. veizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 523 flüssigkeit schon zu Öffnen, ehe der des warmen Wassers geschlossen ist; wenn beide Vorratsflaschen auf gleicher Druckhöhe stehen, werden hierdurch Druckänderungen im Moment der Umstellung der Temperatur vollständig vermieden. Beim Affen wurden aber niemals Folgen von Druckschwankungen beobachtet; beim Hunde und der Katze bestanden sie vorwiegend in krampfhaftem Wegwenden des Kopfes zur Gegenseite. Zur wirksamen Kühlung genügte meist einfaches Eiswasser nicht. Es wurden deshalb Eis-Kochsalzmiscehungen verwendet, und die Temperatur so eingestellt, dass die Kühlflüssigkeit mit etwa — 93 bis —5° C. den Abflussschlauch verliess, an dessen Ende die Temperatur leicht festgestellt werden konnte. Es könnte bedenklich erscheinen, dass solche tiefen Temperaturen angewendet wurden. Wenn aber nicht schon aus dem schnellen Vorübergehen der Kühl- wirkungen ihre Unschädlichkeit genügend hervorgeht, so kann noch auf die Ergebnisse der thermoelektrischen Temperaturmessung hin- gewiesen werden, die weiter unten ausführlich mitgeteilt werden. Folgende Feststellungen können aber schon hier hervorgehoben werden. Wurde durch eine Thermonadel die Temperatur zwischen Kapselmembran und Dura gemessen, so fand sich am Hunde bei einer Ausflusstemperatur der Salzlösung von — 3,5° C. als tiefster Wert der Duratemperatur +12,5° C., und dieser Wert liegt zweifellos noch etwas niedriger als der für die Hirnoberfläche selbst gültige. Am Affen wurde bei entsprechender Anordnung mit einer Kühl- flüssigkeit von sogar — 7° C. eine Temperatur zwischen Kapsel- membran und Dura von im Minimum +11,5° C. gefunden, meist aber nur eine Temperaturerniedrigung bloss bis auf + 13° C. und höher erhalten. Dabei war am Affen noch die der Kühlseite entsprechende Karotis unterbunden worden, was auch bei den Kühlversuchen ohne thermoelektrische Messungen zum Teil geschehen war, um grössere Temperaturherabsetzungen zu erzielen. Notwendig ist diese Unter- bindung übrigens nicht. Man sieht also, wie weit man infolge der reichlichen Blutversorgung des Gehirns davon entfernt ist, sogar mit beträchtlich gekühlten Lösungen selbst die oberflächlichst gelegenen Rindenstrukturen irgendwelcher Gefahr des Gefrierens auszusetzen. Man kann vielmehr sagen, dass ein besonders glücklicher Umstand darin gelegen ist, dass trotz der reichlichen Blutversorgung der Hirnrinde Abkühlungen erzielt werden können, welche zur voll- ständigen Rindenausschaltung genügen. 524 Wilhelm Trendelenburg: An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch sonst die Kühlungen keine sichtbare Veränderung an der Hirnrinde hervorrief, die etwa in einer Gefässverengerung hätte bestehen können. Beim narkotisierten Affen wurde die kalt-durchströmte Kapsel nach Ent- fernung der Dura direkt der Hirnfläche längere Zeit aufgehalten; unmittelbar rach Abheben der Kapsel war die Injektion der Gefässe die eleiche wie vor der Kühlung. Es kann also auch an der Kühl- wirkung nicht etwa, wie man vermuten könnte, eine durch starke Gefässverengerung hervorgerufene Anämie beteiligt sein. Eine ge- wisse Verminderung der Durchblutung würde übrigens schon deshalb belanglos sein, weil ja auch das Sauerstoffbedürfnis der abgekühlten Rinde vermindert wird. Eine schädliche Nachwirkung der Kühlung, oder wohl nur der mit ihr verbundenen besonderen Nebenumstände, habe ich nur ein einziges Mal am Hunde beobachtet. Das Tier wurde längere Zeit im Freien bei hoher Sommertemperatur in der Sonne zum Zweck photographischer Aufnahmen untersucht und wurde dabei er- hitzt und ermüdet. Als die Versuche darauf im Zimmer fortgesetzt wurden, trat plötzlich ein epileptischer Anfall ein, der aber ohne Schaden überwunden wurde. Wie weit daran ausser den erwähnten Umständen vielleicht noch andere beteiligt waren, vermag ich nicht zu sagen. In den anderen Fällen und besonders auch bei den Affen sind auch die längsten Kühlungen ohne Spur solcher Nachwirkungen geblieben, so dass in dem einen üblen Zufall eben nur ein Zufall zu sehen ist, den ich aber nicht unerwähnt lassen wollte. Es erübrigt noch, einiges über die Herstellung und Lage der Trepanöffnung und über den Wundverschluss anzugeben. Über die Trepanationsstelle geben die an anderem Ort!) gebrachten Beschreibungen und Figuren Auskunft. Beim Hunde und bei der Katze eröffnet man die Stirnhöhle in ganzer Breite und trepaniert an der dem Gyrus sigmoideus entsprechenden Stelle. Beim Trepanieren, für welches ein Handinstrument genügt, ist sehr auf Unverletztbleiben der Dura zu achten; am besten wird nur bis zur Diplo& trepaniert und darauf mit Knochenzangen weiter vorgegangen. Die Knochen- ränder werden im Bereich der Trepanationslücke mit Wachs zu- 1) W. Trendelenburg, Das zentrale Nervensystem der warmblütigen Tiere (Methodik). Handb. d. physiol. Method. von Tigerstedt Bd.3 H. 4 S.1—150. 1910. Darin die Abbildungen S. 96, 97, 127, 128, 130. Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 525 gestrichen, um Ansammlung von Blut unter der Kapselmembran zu vermeiden. Beim Affen orientiert man sich an der wohl immer leicht siehtbaren Coronalnaht zwischen Stirn- und Scheitelbein und lest das Loch so an, dass es bei kleinen Affen (jungen Macacen) etwa 0,5 cm von der Mittellinie entfernt bleibt und etwa zu ein Drittel seines Durchmessers vor der genannten Naht liest. Schon durch die Dura hindurch kann man sieh über die richtige Lage der Lücke an den Furchen zurechtfinden. Völlige Sicherheit verschafft man sich dann bei Abschluss des Versuches durch elektrische Reizung Fig. 3. Trepanations- und Kühlungsstelle der Hirnrinde (links) von Affe 1. Natürliche Grösse. (Der perspektivischen Verkürzung wegen musste die Zeichnung der Kühlfläche etwas von der Kreisform abweichen.) 7 Handgelenkstreckung, 2 Ellenbogenstreckung und Schulterbewegung, 3 Pronation des Vorderarmes, 4 Handschluss, 5 Fingerbewegung, 6 Daumenadduktion und Zeigefingerstreckung, 7 Daumenadduktion, $ Hinterbein, 9 Facialis. der freigelesten Hirnoberfläche in Äthernarkose des Tieres. Fig. 3 gibt das Ergebnis für einen Affen wieder. Man sieht, dass das ganze Gebiet, dessen Reizung Bewegungen an der oberen Extremität ergab, von der Kühlkapsel bedeckt war. Die gezeichnete Grenzlinie ent- spricht den Aussenmaassen der Kapsel, so dass das Gebiet des Beins und des Faecialis nicht mehr ganz von der Kühlfläche erreicht waren. In den anderen Fällen waren die Ergebnisse ganz entsprechend, so dass ein Beispiel genügt. Der Verschluss der Hautöffnung, die etwas seitlich von der Mittellinie parallel zur Sagittalnaht angelegt wird, geschieht so, dass die Hautränder auf der Schädeldecke fest um die Basis der Kapsel zusammengezogen werden. In den meisten Ver- suchen wurde darauf der Kopf noch mit einem Stärkeverband ver- sehen; später aber erschien es genügend und einfacher, einige Heft- T 526 Wilhelm Trendelenburg: pflasterstreifen anzulegen, um so mehr, als es doch nicht gelang, die Wunde für längere Zeit aseptisch zu halten, weil an den heraus- rasenden Schläuchen zu leicht einmal etwas Wasser entlang fliesst. Wird unter aseptischen Kautelen operiert, und die Kapsel in Sublimat- lösung, die wieder gründlich auszuspülen ist, desinfiziert, so kommt es während der begrenzten Beobachtungszeit, über die oben schon Angaben gemacht wurden, zu keinen Störungen im Wohlbefinden der Tiere. Ill. Ergebnisse der Rindenkühlung. l. Versuche am Hund und an der Katze. Nachdem sich in Vorversuchen am Kaninchen die Durchführ- barkeit der Methode im Prinzip ergeben hatte, wurde der Hauptwert auf Versuche an höheren Säugetieren gelegt. Es seien zunächst die Verhältnisse am Hunde und einige die Katze betreffende Ergänzungen besprochen !). Wird an dem aus der Äthernarkose völlig erwachten Hunde die Rindenkühlung vorgenommen, so ist im Stehen keine Störung zu beobachten. Auch bei dem gewöhnlichen Gehen des Tieres sind die Abweichungen vom normalen Verhalten nur gering; sie be- stehen darin, dass das Vorderbein der Gegenseite bei der Vorbewegung oft mit den Zehen am Boden streift, so dass man ein kratzendes Geräusch hört. Die Füsse werden aber stets in richtiger Haltung aufgesetzt. Dreht sich das Tier, um den gleichen Weg wieder zurück- zugehen, scharf um, so ist gelegentlich eine Ungeschicklichkeit des Vorderbeins zu bemerken, welches auf dem Boden ausrutscht. Einer der Hunde wurde vor der Operation daran gewöhnt, über eine Lattenbrücke zu gehen, einem leiterartigen horizontal gelesten Ge- stell mit 23 cm Sprossenabstand. Diese Versuche konnten hernach bei Rindenkühlung, die hier stets nur einseitig ausgeführt wurde, wiederholt werden, und ergaben auch jetzt ein im ganzen recht sicheres Verhalten des Tieres. Oft jedoch wurde mit dem Vorderbein oder auch dem Hinterbein der entsprechenden Seite zu kurz getreten, das Bein trat durch die Sprossen, und das Tier hatte grosse Mühe, 1) Es kann hier und im folgenden keine streng systematische Funktionsprüfung erwartet werden. Die mannigfachen Schwierigkeiten, die mit der Anwendung der neuen Methode zunächst verbunden sind, bringen es mit sich, dass die Unter- suchungen sich an die greifbarsten Störungen halten, deren Feststellung aber für unseren Zusammenhang ein ausreichendes Gesamtbild gibt. Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 5927 bis der Fuss wieder seine Unterlage gefunden hatte. Wird dem Tiere absichtlich das Vorderbein, dessen entsprechende Rinde gekühlt ist, zwischen zwei Sprossen heruntergezogen, so werden ebenfalls erst einige vergebliche tastende Bewegungen ausgeführt, ehe der Fuss wieder richtig aufgesetzt werden kann. Beim Gehen auf der Brücke kommt es auch vor, dass der schon richtig aufgesetzte Fuss wieder abrutscht und nun wieder die zuerst vergeblichen Bemühungen eintreten. Dass hierbei die Rindenkühlung sehr wirksam war und zu noch bestimmteren Ausfallerscheinungen führte, geht aus folgenden Be- obachtungen hervor, die in allen Fällen gemacht werden konnten. Wenn man einem normalen Hund im Stehen den Fuss so aufzusetzen versucht, dass er mit dem Zehendorsum am Boden aufruht, so tritt sofort eine korrigierende Gegenbewegung ein; es ist ganz unmöglich, den Fuss so in diese Lage zu bringen, dass er etwa nach Loslassen der Hand darin photographiert werden könnte. Wird nun aber die Extremitätenreeion der einen Hirnseite gekühlt, so gelingt dies sehr gut. Bei ausreichender Kühlwirkung, die schon nach einer halben Minute erreicht werden kann), bleibt die Gegenbewegung des Tieres gegen die passive Umdrehung der Pfote aus, die Pfote kann in die Dorsalstellung gebracht werden, und diese bleibt auch dann bestehen, wenn das Tier sein Körpergewicht mit durch die abnorm gestellte Pfote stützt. Fig. 4 gibt eine photographische Aufnahme von einem solchen Versuch wieder. Besonders bei häufiger Wiederholung dieses Umdrehungsversuches findet man, dass der Hund sich im Stehen oder Sitzen nicht mehr recht auf das Bein stützt, an welchem die Versuche ausgeführt werden; es ist dann zweckmässig, die anderseitige, sich normal verhaltende Pfote auf- zuheben, um das Tier derart zu zwingen, sich auf die der gekühlten Rinde entsprechende Extremität zu stützen; auch dabei tritt meist keine oder nur eine sehr verspätete Korrektion der abnormen Stellung ein, letzteres erst dann, wenn das Bein stark eingeknickt ist, und dadurch offenbar starke Reize auftreten, welche die Korrektions- bewegung auslösen. Die gleichen Versuche führen am Hinterbein zu gleichem Ergebnis. Auch kann am Vorder- und Hinterbein der entsprechenden Seite gleichzeitig die abnorme Stellung hergestellt 1) Vgl. den vorläufigen Bericht. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 305—312. 1910. Darin S. 308. 528 Wilhelm Trendelenburg: werden; jedoch tritt meist nach einiger Zeit eine Korrektion ein, für die wohl die nun stärkere Belastung der dorsal gestellten Pfoten verantwortlich zu machen ist. Wird bei allen diesen Versuchen noch während der bestehenden abnormen Fussstellung wieder erwärmt, so tritt sehr prompt die Stellungsänderung ein. Von Interesse ist auch noch folgender Versuch. Bei einem in gewöhnlicher Weise mit gestreckten Vorderbeinen sitzenden Hund wird die Extremitätenregion der einen Seite gekühlt. Bald kniekt das Vorderbein der Gegenseite langsam ein, und das Profil des Schulterblatts tritt nach oben deutlich hervor, ein Zeichen, dass die tonische Spannung der Muskulatur nachlässt. Fig. 4 Hund 3. 20. Mai 1910. Rindenkühlung links. Fehlende Korrektion einer abnormen Stellung der rechten Vorderpfote. Es wurde nun auch versucht, über die Abhängigkeit kompli- zierterer Bewegungen von der Hirnrinde am Hunde Aufschluss zu erhalten. Dem eleichen sehr gelehrigen Tiere, welches auch zu den Versuchen an der Lattenbrücke diente, wurde beigebracht, dem Wärter auf blosses Geheiss, also ohne jede Berührung des Tieres, die Pfote zu geben. Nach wenigen Tagen war das Tier so weit, auf Verlangen diesen Befehl in steter Wiederholung bald rechts, bald links auszuführen. Leider war aber nach der in Narkose erfolgten Operation das Tier etwas misstrauisch und unlustig, so dass der Dressurerfolg stark beeinträchtigt war und auch in der kurzen den Versuchen nach dem Aufschrauben der Kapsel zur Verfügung stehen- den Zeit nicht verbessert werden konnte. Ganz sichere Aufschlüsse Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 5929 konnten deshalb nicht darüber erzielt werden, ob die der gekühlten Hirnregion entsprechende Pfote auch während der Kühlung noch auf Geheiss gereicht wurde. Jedoch wurde einmal ein Ansatz zu dieser Bewegung gemacht, zu einer Zeit, zu welcher an der gleichen Pfote die Korrektion abnormer Stellungen nicht mehr auftrat. Da der Affe so leicht zu feineren Bewegungen der Arme zu veranlassen ist, liegen bei ihm für derartige Beobachtungen, wie wir sehen werden, viel günstigere Verhältnisse vor. Beim Hunde sind auch die viel stärkeren Allgemeinwirkungen der Narkose hinderlich, da man, wie schon oben erwähnt, immer an die Zeit bald nach dem operativen Eingriff gebunden ist, an die Zeit, in welcher die Hunde unter anderem nur sehr ungern Nahrung zu sich nehmen, worin sich die Affen ganz anders verhalten. Es war weiter noch erwünscht, die Berührungsreflexe der Pfoten während der Hirnkühlung zu untersuchen. Diese Reflexe, welche in dem Auftreten einer leichten Beugung bestehen, wenn man die Pfotenkrallen oder die Haare des Fussdorsum gegen den Strich berührt, waren jedoch bei den untersuchten Hunden nicht kräftig genug, um nach der Operation zu sicheren Ergebnissen zu führen. Es wurden deshalb einige Katzen untersucht, an welchen die Reflexe zum Teil sehr lebhaft waren. Hier zeigte sich aber der grosse Übel- stand, dass bei der Katze schon durch die Eröffnung des Schädels trotz erhaltener Dura der Reflex an der dieser Hirnstelle entsprechen- den Pfote wohl infolge leichten Prolapses so stark abgeschwächt war, dass wiederum die Änderung bei der Abkühlung nicht mit ge- nügender Sicherheit zu untersuchen war. Auch der Versuch, die Kühlung durch den dünn geschabten Knochen hindurch auszuführen, brachte kein befriedigendes Ergebnis. Im übrigen konnten bei der Katze ganz entsprechende Befunde erhoben werden wie beim Hunde. Auch bei der Katze wurde die normale Korrektion von Dorsalstellungen durch die Kühlung auf- gehoben, und auch noch andere Korrektionsbewegungen blieben aus. Wenn man eine Katze an den Tischrand setzt und ihr das Bein’ über die Tischkante nach abwärts zieht, so wird es sofort wieder in die gewöhnliche Lage zurückgebracht, so vorsichtig man die passive Bewegung auch ausführt. Anders an derjenigen Pfote, welche der gekühlten Extremitätenregion entspricht. Es gelingt hier, das Bein so herabzuziehen, dass es in der neuen Stellung beharrt. (Fig. 5.) Der gleiche Versuch lässt sich auch am Hinterbein ausführen. 530 Wilhelm Trendelenburg: An den Patellarreflexen war keine Veränderung nach- weisbar. Ähnliche Beobachtungen wie am Hunde auf der Lattenbrücke lassen sich an der Katze anstellen, wenn man sie auf den Draht- maschen eines Käfigs laufen lässt. Die der gekühlten Extremitäten- region entsprechenden Pfoten treten dabei häufig durch die Maschen, und es bestehen ähnliche Schwierigkeiten, sie wieder herauszubringen, wie sie für den Hund beschrieben wurden. Fig. 5. Katze 3. 16. Juni 1910. Rindenkühlung links. Fehlende Korrektion einer abnormen Lagerung des rechten Vorderbeines. Dass alle diese Funktionsstörungen stets nur die der gekühlten Rinde gekreuzte Seite betreffen, sei hier noch allgemein bemerkt; nie wird durch die Abkühlung auf der gleichen Seite irgendeine Funktionsänderung erzielt. 2. Versuche am Affen. Mit besonderen Erwartungen durfte man an die Untersuchungen am Affen herangehen. Sind doch nur bei diesem so fein abgestufte und dem jeweiligen Zweck angepasste Bewegungen des Armes und der Finger, die Greifbeweeungen, schon unter den gewöhnlichen Lebensbedingungen des Tieres zu erhalten, wie sie sonst nur noch der Mensch auszuführen vermag, und müssen wir doch annehmen, Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 531 dass diese Bewegungen in weitem Maasse von der Grosshirnrinde aus beherrscht werden. Wir beobachten den aus der Äthernarkose völlig erwachten munteren Affen in einem genügend geräumigen Käfig sitzend; die auf die Armregion der einen Seite geschraubte Kapsel ist schon mit Zu- und Abflussschlauch versehen und hinter dem Käfig mit den Vorratsflaschen verbunden; der Affe kann sich ganz frei bewegen, da die Schläuche lang genug sind; er ist mit Halsband und Kettchen versehen, damit man ihn erreichen kann, wenn etwas in Unordnung geraten sein sollte. Durch die Kapsel strömt zunächst noch keine Flüssigkeit, so dass beide Rindenseiten vom Blutweg aus normal erwärmt sind. Reichen wir dem Tier, das vorher etwas an Menschen gewöhnt wurde, eine Frucht oder eine Semmel, so greift es mit beiden Händen, oder ebensogut mit der rechten als wie der linken, und benützt zum Fressen der nicht zu kleinen ihm gereichten Stücke stets beide Hände in der bekannten geschickten Weise. Wir nehmen ihm das Futter wieder fort und suchen es durch Ziehen an der Kette etwas zu necken. Der Affe greift mit beiden Händen zu, führt die Kette zu den Zähnen und versucht sie zu zernagen. Wenn wir uns mit einem Stöckchen oder dem Finger dem Tier nähern, so schlägt es mit der Hand danach und benutzt dazu zwar nur eine Hand, aber ebenso oft und gut die linke wie die rechte; die Wahl hängt hauptsächlich davon ab, von welcher Seite wir uns annähern. Nun lassen wir, ohne dass der Affe es sieht, den Quetschhahn des körperwarmen Wassers öffnen und dieses vorsichtig in die Kapsel einströmen; das Tier reagiert darauf in keiner Weise und führt alle die beschriebenen Bewegungen ganz unverändert aus. Jetzt wird der Schlauch der einige Grade unter Null temperierten Salzlösung geöffnet und der andere Schlauch zugeklemmt. Auch jetzt tritt nicht das mindeste Anzeichen ein, das andeutete, dass der Affe die Temperaturänderung an der Hirnrinde bemerkt oder gar durch sie belästigt würde. Wir wollen zunächst annehmen, dass die Armregion der linken Hirnseite gekühlt wird. Ist die Kühlung in der vorhin beschriebenen Weise richtig vorgenommen, so können wir aber sehr bald ganz bestimmte und regelmässig eintretende Veränderungen im Gebrauch des rechten Armes sehen, die den Funktionsausfall der linken Armreeion der Rinde erkennen lassen. Reichen wir dem Tier auf der Höhe der Kühlwirkung, die, wie erwähnt, nach sehr kurzer Zeit vorhanden sein kann, eine Birne oder Rübe, so greift es Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 35 532 Wilhelm Trendelenburg: nur mit der einen Hand nach ihr, und zwar ausnahmslos mit der linken, führt sie zum Munde und benutzt auch bei grossen Stücken, die man zweckmässig wählt, um ihm das Fressen möglichst un- bequem zu machen, nur die linke Hand. Gelegentlich wird zwar auch versucht, den rechten Arm zu Hilfe zu nehmen, wenn das Stück mit einer Hand schlecht gehalten werden kann; es kommt dabei aber nur zu einer Hebung des Armes und höchstens einer kraftlosen schwachen Bewegung der Hand, nicht zu der zum Ziele führenden Zugreifbewegung der Finger. Von diesen gelegentlichen schwachen Bewegungsversuchen abgesehen wird der rechte Arm in ganz charakte- Fig. 6. Affe 1. (21. Juli 1910.) Rinden- Fig.7. Affel. (22. Juli 1910.) Rinden- kühlung links. Rechter Arm beim kühlung rechts. Linker Arm beim Fressen unbenutzt. Zerren an der Kette unbenutzt. ristischer Stellung gehalten, die sehr an die Monoplegie-Stellung des menschlichen Armes erinnert. Der Ellenbogen ist etwas gebeugt und ebenso wie das Schultergelenk etwas steif gehalten, die Hand hängt hingegen ziemlich schlaff herunter. Greifen wir die Hand an, so tritt nicht die energische Schliessbewegung der normalen Hand ein, sondern sie bleibt vollständig unbewegt, und höchstens wird in den proximalen Gelenken eine verstärkte Beugung als Abwehrbewegung ausgeführt. Zur Veranschaulichung des Gesagten sind in den beistehenden Ab- bildungen einige Photographien wiedergegeben, zunächst solche, die von dem zuerst verwendeten Affen stammen, dessen Gebirn in Fig. 3 Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde, 533 gezeigt worden ist. Die Kapsel war zunächst auf der linken Hirn- seite genau über der Armregion (vgl. Fig. 3) aufgeschraubt. Fig. 6 zeigt das Tier, wie es nur mit der linken Hand eine grosse Birne frisst, die es kaum umfassen kann !. Am Tage nachher wurde die Kapsel auf die rechte Rindenseite, und zwar wiederum auf die Arm- reeion aufgeschraubt und nun die gleichen Störungen am linken Arm erhalten, wofür die Fig. 7 ein Beispiel wiedergibt; nach Ziehen an der Kette greift nur der rechte Arm zu, während vor der Kühlung stets beide benutzt wurden, der linke hängt nun untätig zur Seite Fig. 8. Affe 2. (1. August 1910.) Rindenkühlung links. Rechter Arm beim Halten eines Brötchens unbenutzt. herab. Von einem zweiten Affen, wiederum bei Kühlung der linken Armregion, gibt Fig. 8 ein Bild; das Tier frisst nur unter Benutzung der linken Hand ein grosses Brötchen, der rechte Arm ist hier gestreckt und am Boden passiv aufgestützt, wobei die Hand in Dorsalstellung steht, was unter normalen Verhältnissen nie vorkommt; dieses Tier hatte verhältnismässig sehr lange und deshalb auch schwere Arme, was für die gestreckte Haltung hauptsächlich in Betracht kommt. 1) Da die Lichtverhältnisse zur Zeit der Beobachtungen häufig zu wünschen übrig liessen, musste ich mich zum Teil mit unterbelichteten Platten begnügen, um so mehr, da die Aufnahmen aus äusseren Gründen meist im Zimmer gemacht werden mussten. co oT 534 Wilhelm Trendelenburg: Weiter seien die Geh- und Kletterbewegungen des Affen bei einseitiger Kühlung betrachtet. Diese Bewegungen wurden wiederum besonders bei dem ersten Affen untersucht. Das Tier, das sich etwas an die mit ihm vorgenommenen Manipulationen gewöhnt hatte, ging im normalen Zustand so, dass alle vier Extremitäten in Sohlenstellung "aufgesetzt wurden; das Gewicht des Körpers schien gleichmässig auf die vier Extremitäten verteilt zu sein. Wurde nun die rechte Armregion gekühlt, so war der linke Arm von der Be- nutzung bei der Gehbewegung einfach ausgeschlossen, er wurde un- Fig. 9. Affe 1. (22. Juli 1910.) Rindenkühlung rechts. Linker Arm beim Gehen (Sohlengang) nicht benutzt. „Hemiplegiestellung“. verändert in der beschriebenen Hemiplesiestellung «gehalten, wie Fig. 9 zeigt. Es handelt sich hier nicht etwa darum, dass der Arm nur vorübergehend etwa bei dem Vorsetzen diese Haltung einnahm, sondern sie blieb dauernd bestehen, und auch hier kümmerte sich der Affe nicht in der gerinesten Weise um das gleichsam aus dem Bewusstsein ausgeschaltete Glied. Die Untersuchung der Kletterbewegung war mit etwas grösseren Schwierigkeiten verbunden, da die Tiere dabei allzu leb- haft wurden, und es trotz Festhaltens an der Kette nicht immer ınöglich war, sie noch mit den Schläuchen in Verbindung zu lassen. Jedoch konnte man sich in der Weise helfen, dass man die Schläuche Reizlose Ausschaltung an der Grosshirprinde. 535 nach einer gut wirksamen Kühlung schnell abnahm und nun das Tier in den wenigen Augenblicken, die bis zur Wiederherstellung der Funktionen zur Verfügune standen, auf dem Drahtkäfig klettern liess. So konnte festgestellt werden, dass wenigstens bei nicht allzu grosser Aufregung des Tieres die der gekühlten Armregion ent- sprechende Hand beim Klettern nieht mitbenützt wurde. Nur bei starker Aufregung des Tieres wird gelegentlich mal ein Zugreifen auch mit diesem Arm beobachtet, wobei aber offen bleibt, ob hieran vielleicht eine nicht mehr ganz vollständige Ausschaltung beteiligt Fig. 10. Affe 1. (22. Juli 1910.) Rindenkühlung rechts. Linker Arm wird beim Festhalten an der Käfigtür nicht mitbenutzt. ist. Fig. 10 gibt einen Moment wieder, in welchem sich der Affe an der Tür seines Käfigs festhält und dabei den durch Rinden- kühlung ausgeschalteten herabhängenden linken Arm nicht mitbenutzt. Bei einem Tier wurde nun auch die gleichzeitige Kühlung beider Armregionen ausgeführt, um zu untersuchen, ob dabei einfach beide Arme in gleicher Weise von der Benutzung so gut wie vollständig ausgeschlossen waren, oder ob das Fehlen einer noch benutzbaren Hand das Tier gewissermaassen zwang, alle doch noch vorhandenen Möglichkeiten voll auszunützen. Da diese Feststellung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit unserer Hauptfrage steht, genügt es, anzugeben, dass es gelegentlich so schien, als ob die zweit- 596 Wilhelm Trendelenburg: erwähnte Möglichkeit zutraf, indem die Hände nun etwas mehr be- tätiet wurden wie bei einseitiger Kühlung, aber immer noch mit sehr ungeschickten und schwachen Bewegungen; andererseits kam es aber doch so weit, dass der Affe eine vor ihn gelegte Frucht gar nicht mehr mit den Händen, sondern direkt mit den Zähnen auf- zunehmen versuchte. Von grösserer Wichtigkeit ist in unserem Zusammenhang hin- gegen die Frage, ob sich irgendein Unterschied in der Benutzung beider Arme und Hände erkennen lässt, wenn die Armregion der einen Seite in der üblichen Weise dureh Rindenunterschneidung, die der anderen Seite hingegen mit der Abkühlungsmethode Fig. 11. Affe 2. Unterschneidung der linken Armregion (3. August 1910.) (Querschnitt durch das nach Kaiserling behandelte Gehirn. Sektion 6!/a Stunden nach der Operation. Natürl. Grösse. ausgeschaltet wurde. Dieser Versuch wurde am zweiten Affen vor- genommen, welcher vorher auch zu den doppelseitigen Kühlungen gedient hatte. Die linke Kapsel wurde herausgeschraubt, die Trepan- öffnung etwas erweitert, die Dura nach unten herausgeklappt und nun die ganze Gegend unterschnitten, von welcher aus durch elek- trische Reizung Bewegungseffekte an Arm und Hand der Gegenseite zu erhalten waren. Die Unterschneidung betraf, wie die spätere Sektion zeigt, gerade die ganze Rindendieke an der Oberfläche und liess nur eine Tiefenwindung stehen, was aber für den beabsichtigten Vergleieh nicht ungünstig ist, da auch die Kühlwirkung in die Tiefe abnimmt. Tiefenläsionen fehlen, wie aus Fig. 11 hervorgeht, die den Querschnitt des Gehirns dureh die Mitte des Unterschneidungs- bereiches nach Härtung (Kaiserling) zeigt. Da die Unterschneidung Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 537 unter Schonung der grossen Venen ausgeführt wurde, trat keine Blutung ein; die Dura wurde wieder über die nient prolabierende Hirnoberfläche vernäht. Zwei Stunden nach beendeter Operation, also zu einer Zeit, zu welcher die Narkose vollständig vorüber ge- sangen war, aber die möglichen Shockwirkungen der Zerstörung noch nicht verschwunden sein konnten, wurde der Vergleich mit der Kühlung der anderseitigen rechten Armregion ausgeführt. Das Ergebnis kann kurz dahin angegeben werden, dass sich nun während der Kühl- wirkung nicht der geringste Unterschied in der Benutzung beider Arme und Hände erkennen liess. Der Affe griff überhaupt nicht mehr mit den Händen nach der vorgehaltenen Frucht, sondern ver- suchte sie wiederum nur mit den Zähnen zu fassen. Figentümlich verlief der Versuch, wenn man das Tier erst bei warmer Rinde fressen liess, wobei die eine nun intakte Hand benutzt wurde, und zwar die linke. Wurde nun die rechte Armreeion durch Kühlung ausgeschaltet, so entfiel dem Affen die Frucht aus der linken, nun nicht mehr funktionsfähigen Hand, und es wurde ein Versuch ge- macht, den rechten Arm, der also der unterschnittenen Armregion entsprach, zu benutzen; doch traten dabei keine Hand- und Finger- beweeungen ein. Der Affe versuchte dann wieder, die Frucht direkt mit den Zähnen zu nehmen. Zum Schluss des Berichtes über die bei Rindenkühlung ge- fundenen Funktionsstörungen sei allgemein nochmals hervorgehoben, wie ausserordentlich schnell alle diese Störungen vorübergehen, wenn nach mehr oder weniger lange fortgesetzter Kühlung eine Wieder- erwärmung der Rinde vorgenommen wird, wofür in der hier vor- liegenden sowie in der ersten Mitteilung schon verschiedene Zahlen- beispiele gegeben wurden. Es ist in der Tat erstaunlich zu sehen, wie ein eben noch völlig „gelähmter“ Arm und Hand in der nächsten Minute wieder so gut benutzt wird, dass schlechterdings kein Unter- schied gegen den dauernd normalen Arm zu finden ist. 3. Thermoelektrische Temperaturmessungen am Gehirn bei Rindenkühlung. Schon bei Besprechung der Methode wurde auf eine wesentliche Voraussetzung aller weiteren Schlüsse hingewiesen, die nämlich, dass die Abkühlung nicht so weit in die Tiefe reicht, dass wichtige sub- kortikale Strukturen mit ausgeschaltet werden. Denn gerade an diesen subkortikalen Teilen könnten sich bei der gewöhnlichen Aus- 538 Wilhelm Trendelenburg: schaltung durch Schnitte die störenden Nebenwirkungen abspielen, die bei unserer Methode vermieden werden sollen. Von vornherein war allerdings wenig wahrscheinlich, dass die Abkühlung sich noch an den Stammganglien bemerkbar macht, da diese von anderen Ge- fässen aus durchblutet werden, wie die Hirnrinde, derart, dass zum Beispiel bei völliger Unterbrechung der Rindengefässe durch totale Rindenexstirpation die Ernährung der Stammganglien nicht not- wendig leidet. Immerhin war aber eine direkte Untersuchung dieser Verhältnisse erwünscht, und diese wurde mit der thermoelektrischen Methode vorgenommen. Als Thermonadel dienten feine Drähte aus Kupfer und Konstantan, die durch ganz dünne, oben zusammengekittete Glaskapillaren gezogen und an der Spitze sehr fein verlötet waren. Fig. 12 zeigt eine solche in der Folge als „Tiefen- nadel“ bezeichnete Einrichtung in Originalgrösse. Der Konstantandraht war in üblicher Weise an einen Kupferdraht verlötet, und diese Lötstelle wurde in einem Brei aus zerkleinertem Eis auf konstanter Temperatur des Nullpunktes gehalten. Während diese „Tiefennadel“ zur Temperatur- messung in der Tiefe des Gehirns diente, wurde eine andere, als „Oberflächennadel“* bezeichnet, zur Messung der Temperatur unter der Kapsel- membran verwendet. Sie bestand ebenfalls aus Fig. ER ee einer feinen Verlötung eines Konstantan- und eines Tiefenbereichs der Kupferdrahtes, jedoch war die Glasumhüllung weg- Abkühlung. ; . - Natürl. Grösse. gelassen und an ihrer Stelle eine Isolierung aus Umspinnung und einer dünnen Paraffinschicht angewandt, damit sich die Nadel ohne weiteres der Hirnober- fläche unter der Kapsel biegsam anpassen konnte; auch hier war wieder die zweite Lötstelle in Eis gehalten. Beide Nadeln waren durch eine Wippe mit einem Wiedemann’schen Galvanometer verbunden, so dass also schnell hintereinander entweder die eine oder die andere Nadel zur Messung benutzt werden konnte. Die Bussole war so eingestellt, dass ein Skalenausschlag von 1 cm, der mit Fernrohr abgelesen wurde, für die Oberflächennadel ziem- lich genau 1° C. entsprach, während bei der Tiefennadel wegen des zufällig anderen Widerstandes der Drähte die Empfindlichkeit Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 539 sogar noch etwas grösser war (1 em = 0,3°). Es konnten also die Temperaturen bequem bis auf 0,1° Genauigkeit ermittelt werden. Die Versuche wurden an einem Hunde und einem Affen ausgeführt. Die Gehirne entsprachen in ihrer Grösse genau demjenigen der bei den Hauptversuchen verwendeten Tiere, beim Affen war der Längen- unterschied des Gehirns z. B. nur Il mm. Es müssen also auch betreffs der Tiefenwirkung der Kühlung ganz entsprechende Ver- hältnisse vorliegen. Die Tiere befanden sich bei den Messungen in Äthernarkose, die nach Möglichkeit in gleichmässiger und nicht zu grosser Tiefe gehalten wurde. Mit dem immerhin etwas wechselnden Grade der Narkose war die kleine Unannehmlichkeit verbunden, dass die Tem- peratur einer Stelle etwas wechselte, was wohl mit einer Veränderung der Hirndurehblutung und den damit veränderten Beziehungen zwischen Wärmezufuhr und Wärmeverlust zusammenhing. Doch sind diese Schwankungen so gering, dass durch sie das Hauptergebnis nicht verdeckt wird. Bei dem Einstechen der Tiefennadel wurde so vor- gegangen, dass zunächst an einem gehärteten Gehirn gleicher Art und Grösse auf einem Querschnitt der Ort und die Tiefe des Ein- stiches, bei dem die Nadelspitze an eine vorausbestimmte Stelle gelangen sollte, festgestellt wurde; als Einstichriehtung wurde die Senkrechte zur Hirnoberfläche gewählt. Dann wurde zunächst mit einer gewöhnlichen Stopfnadel von geeigneter Dicke ein Stich in das lebende Gehirn gemacht, und nun die Thermonadel eingeführt ; die Einstichtiefe wurde nach dem über die Hirnoberfläche noch herausragenden Stück in einfacher Weise bemessen. So verfahrend, erhielt man einen sehr feinen Stichkanal, an dessen Ende die Löt- stelle der Thermonadel direkt der Hirnsubstanz ohne zwischen- gelagertes Blutkoagulum anlag.. Um nach Beendigung des Ver- suches die Lage der Nadelspitze einwandfrei festzustellen, wurde in den Stichkanal nach den Messungen eine gewöhnliche Stecknadel eingeführt und im Gehirn bis nach der Härtung belassen; nach dieser konnte mit dem Rasiermesser der Nadel entlang ein Quer- schnitt ausgeführt und auf diesem der Stichkanal und die Lage der Spitze der Thermonadel bestimmt werden. Zur Übersicht der am Hunde (Hund 6) ausgeführten Messungen diene die folgende Tabelle, welche die wichtigsten Daten des Ver- suches wiedergibt. In der ersten Spalte finden sich die Versuchs- zeiten, bei denen sich die Kühlungen und Wiedererwärmungen der 540 Wilhelm Trendelenburg: Extremitätenregion einander folgen, in der zweiten Spalte stehen die Temperaturen, welche die Oberflächennadel auf der Dura angibt, in der dritten die der in das Gehirn nacheinander an verschiedenen Stellen versenkten Tiefennadel. In der vierten Spalte ist angegeben, ob durch die Kapsel Wasser von Körpertemperatur oder Salzlösung von annähernd — 3,5 °C. floss, und wie lange vor der Messung die Kühlung bestand. A. Die Spitze der Tiefennadel befindet sich inmitten des Thalamus opticus. Temperatur der Zeit Dpenflichen: ein Flüssigkeit in der temperatur temperatur Kapsel 10h 15’ 35,40 C, 39,49 C. warm 10h 397 13,.0°°C. 39,4° C. seit 14 Minuten kalt B. Nadelspitze 3 mm von der Mittellinie entfernt im Seitenventrikel; Entfernung von der Mitte der Kühlfläche 1,9 cm; dicht über den vordeısten Partieen des Thalamus opticus. Temperatur der Zeit Oberflächen- | Tieten- Flüssigkeit in der temperatur | temperatur Kapsel 197167 36,20 C. 35,9% C warm 11h 25’ 19,5° C. 86,80 C seit 7 Min. kalt C. Nadelspitze genau unter der Mitte der Kühlfläche, 3 mm von ihr in senkrechter Richtung entfernt (d. h. gerade an der Rindengrenze). Temperatur der er | Oberflächen- Tiefen- B Flüssigkeit in der | temperatur temperatur Kapsel 11h 30’ | 19,827 @. 24 JOERG: seit 12 Min. kalt 11h 38’ 352° C. 34,1°C. seit 8 Min. warm Diese Zusammenstellung ergibt also, dass die Kühlwirkung schon an der Grenze der grauen Substanz wesentlich vermindert ist und nicht so weit in die Tiefe reicht, dass man nicht mit Sicherheit von einer Ausschaltung nur der Rinde sprechen könnte. Im Thalamus optieus, der Unterbrechungsstelle der sensiblen Leitung, ist sicher keine Wirkung der Abkühlung mehr vorhanden. Dann kann hier nochmals darauf aufmerksam gemacht werden, dass trotz Anwendung einer zur Funktionsausschaltung völlig ausreichenden Kühltemperatur von — 3,5° C. schon auf der Oberfläche der Dura die Temperatur Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 541 während des ganzen Versuches (der hier nur teilweise wiedergegeben ist) nieht unter + 12,5° C. ging, so dass auch hiernach irgendeine Sehädigung der Rinde ausgeschlossen erscheint. Es folgen weiter einige Messungen am Gehirn des Affen (Affe 3). Bei diesem Tier wurde die Karotis der Kühlseite im Ver- laufe des Versuches unterbunden, weil dies wenigstens bei einem der Kühlversuche auch geschehen war, obwohl sich auch ohne dies vollständige Funktionsausschaltungen erzielen liessen. Die Anordnung der Tabelle ist die gleiche wie im vorigen Falle. Die Temperatur der Kühlflüssigkeit betrug — 7°C. bis — 3°C. Auch hier werden nur die Hauptdaten des Versuches wiedergegeben. Fig. 13. Affe 3. (17. August 1910.) Messungsstelle A (vgl. Tabelle). An Stelle der Spitze der herausgenommenen Thermonadel, deren Stichkanal sichtbar ist, wurde eine schwarze Stecknadel in das Gehirn gestochen. Querschnitt des nach Kaiserling gehärteten Gehirns; da die kaudale Schnittfläche dargestellt ist, erscheint die linke Hirnseite im Bilde rechts. — Natürl. Grösse. A. Nadelspitze im Thalamus, an seiner lateralen Grenze; Tiefenabstand von der Mitte der Kühlfläche 2 cm. (Siehe Fig. 13). Temperatur der Zeit Veninanar- INaten- Flüssigkeit in der temperatur temperatur Kapsel 9h 47’ SALE: BINLAE: seit genügender Zeit warm 10h 10’ 14,5° C. 38,30 C. seit 6 Min. kalt (— 7° C.) 10h 14’ 37,09 C. 386° C. seit 4 Min. warm 10h 23’ hl (er 38,1° C. seit 8 Min. kalt 10h 35’ Sala 38,40 °C. seit 3 Min. warm 10h 45’ 14,6° C. SU INC: seit 10 Min. kalt (— 6° C.) 10h 55’ Sunllond: 38,30 C. seit 38 Min. warm Anmerkung. Die linke Karotis (Seite der Kühlung) wurde um 10 Uhr 42 Min. zugebunden. 942 Wilhelm Trendelenburg: [4 B. Nadelspitze im Markweiss, an der oberen äusseren Ecke des Nucleus lentiformis; 1,2 cm von der Mitte der Kühlfläche entfernt. (Siehe Fig. 14). Temperatur der Zeit Oberflächen- Neien- Flüssigkeit in der temperatur temperatur Kapsel 3 11h 26’ 37,60 C. 31,82 €. seit längerem warm 11h 31’ 16,00 C. 35,90 C. seit 5 Min. kalt (— 5°C.) 0202 seit 5 Min. warm 11h 56’ | 37,20 C. 37,6 Fig. 14. Affe 3. (17. August 1910.) Messungsstelle B (vgl. Tabelle). Markierung der Messstelle wie in Fig. 13 mit Stecknadelkopf. Frontale Schnittfläche des Gehirns, dessen linke Seite also im Bilde ebenfalls links erscheint. Natürl. Grösse. C. Nadelspitze unter der Mitte der Kühlfläche, 3 mm von ihr entfernt, an der Innengrenze der grauen Substanz gelegen. n : Temperatur der Zeit Oberflächen. Tiefen; Flüssigkeit in der temperatur temperatur Kapsel 11h 40’ 37,99 C. | SD (0% seit 10 Min. warm 11h 52’ 13,30 C. Zul (&: seit 10 Min. kalt — 3°C.) 11h 58’ 86,702.0: 31,20 C. seit 5 Min. warm Auch diese Versuchsreihe ergibt eine für unsere Frage sehr günstige Abgrenzung der Kühlwirkung nach der Tiefe hiv. Schon an der Grenze der Rinde ist die erreichte Minimaltemperatur fast 10 Grad höher als auf der Oberfläche der Dura, auf der die Temperatur bei Ver- wendung von Kältemischungen, die zur funktionellen Ausschaltung ge- eignet waren, nicht tiefer wie + 11,5 °C. herunterging. Schon dort, wo sich die Markfasern zur inneren Kapsel zusammenschliessen, ist eine Tem- peraturänderung von nur 2°C. gefunden worden (B in der Tabelle), die natürlich für eine Funktionsaufhebung gar nicht in Betracht Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. 543 kommen kann und zudem nur Strukturen betrifft, die schon in- direkt von der Oberfläche her ausser Funktion gesetzt sind. Im Thalamus optieus ist überhaupt keine Temperaturänderung mehr nachweisbar. IV. Allgemeine Folgerungen. Wenn ich nochmals auf die in der Einleitung berührten Frage- stellungen allgemeiner Natur zurückgreife, so ist an dieser Stelle eine nähere Darstellung der älteren und neueren Ansichten über die Natur der nach Rindenverletzungen auftretenden Störungen und die Ursachen der allmählich sich anschliessenden Veränderung der- selben nicht beabsichtigt. Als allgemeines Ergebnis der reizlosen Ausschaltung der Extremitätenregion und besonders der Armregion der Grosshirnrinde muss aber folgendes festgehalten werden. Wie besonders der Vergleich der einseitigen Rindenkühlung mit der anderseitigen Rindenunterschneidung ergibt und wie auch aus der ganzen Darstellung hervorgeht, unterscheiden sich die Symptome der reizlosen Ausschaltung durch Kühlung in keiner erkennbaren Weise von denen der gewöhnlichen Ausschaltung durch Zerstörung, wenn diese in sachgemässer Weise ohne Nebenverletzung vorgenommen wird. Hieraus ist zunächst zu folgern, dass auch durch die Kühlung in der hier angewendeten Weise wirklich vollständige Ausschaltungen der Rindenfunktionen erhalten werden können, welche wie nochmals hervorgehoben sei, lediglich an die Zeit der Abkühlung gebunden sind. Weiter aber ist der nicht minder wichtige Schluss zu ziehen, dass an den Folgen einer sachgemässen Rindenunterschneidung, und zwar auch schon an den sogenannten Frühsymptomen, irgendwelche ungewollten aber unvermeidlichen Nebenumstände des operativen Eingriffs nicht beteiligt zu sein brauchen. Damit wird man geneigt sein, das Vorübergehen oder die Besserung derjenigen Störungen, die sich nach Rindenentfernungen besonders am Affen, als Frühsymptome äussern, nicht als Vorüber- sehen solcher Nebenwirkungen, sondern als einen funktionellen Aus- gleich anzusehen, und die nächste sich anschliessende und schon mehrfach in Angriff genommene Fragestellung würde sich auf die Örtlichkeit beziehen, an welcher, und die Art und Weise, in welcher sich dieser Ausgleich abspielt. Für diese Untersuchungen sind durch die neue Methode vielleicht weitere Möglichkeiten gewonnen worden. 544 W. Trendelenburg: Reizlose Ausschaltung an der Grosshirnrinde. V. Zusammenfassung. Die Methode der reizlosen vorübergehenden Ausschaltung durch Abkühlung ist in den dieser Mitteilung zugrunde liegenden Versuchen auf die Grosshirnrinde angewendet worden. Auch hier sollte eine Entscheidung über die Frage ermöglicht werden, inwieweit an den Folgeerscheinungen der gewöhnlichen Ausschaltung durch Zerstörung unvermeidliche Nebenwirkungen des Eingriffs beteiligt sind, welche zu weit grösseren Funktionsstörungen führen, als es bei einer reinen Ausschaltung der Fall sein würde. Die Untersuchung erstreckt sich auf die Extremitätenresion des Hundes und der Katze und die Armregsion des Affen. An den erstgenannten Tieren konnte haupt- sächlich die Aufhebung der Korrektion abnormer Gliedstellungen festgestellt werden, die z. B. dazu führt, dass der Fuss, künstlich mit dem Dorsum aufgesetzt, so stehen bleibt, oder dass das über den Tisch gezogene Bein nicht zurückgezogen wird. Auch beim Gehen unter erschwerten Umständen sind deutliche Störungen er- kennbar. Beim Affen ist während einer Rindenkühlung der Arm und die Hand der Gegenseite von der Benutzung so gut wie ganz ausgeschlossen; Früchte werden nur mit der anderen Hand genommen und beim Fressen festgehalten; ebenso bleibt die der Kühlung ent- sprechende Hand bei Abwehrreaktionen sowie beim Gehen und Klettern unbenutzt. Alle diese Wirkungen gehen bei Wieder- erwärmung schnell zurück und lassen sich durch Abkühlung ebenso schnell wieder hervorrufen, ohne dass irgendwelche Anzeichen von Schädigung der Rinde auftreten. Durch thermoelektrische Messungen wird nachgewiesen, dass bei diesen Versuchen nur die Kühlung der Rinde selbst in Betracht kommt, da die subkortikalen Ganglien keine Temperaturänderung erfahren. Bei sachgemässer Unterschneidung der Armregion der einen Seite und zwei Stunden später erfolgender Abkühlung der gleichen Rindenstelle der anderen Seite ist kein Unterschied in der Funktionsstörung beider Arme und Hände zu bemerken. Danach kann auch die Ausschaltung durch Abkühlung als eine vollständige angesehen werden. Für die Ausschaltung durch Schnitt geht aus diesem Vergleich aber hervor, dass bei ihr un- vermeidliche Nebenwirkungen doch nicht so im Vordergrund stehen können, wie es vielfach angenommen wurde, sondern dass sich diese sogar bei richtigem Verfahren ganz vermeiden lassen. OR „> OT (Aus dem physiologischen Institute der Universität Graz.) Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. Von ®O. Zoth. (Mit 3 Textfiguren.) Am Schlusse meiner ersten Mitteilung über die Bestimmung der Hörschärfe mit dem Fallphonometer !) habe ich auf verschiedene mögliche Anwendungen dieses Apparates, im besonderen auch zur Eichung des Schallwertäquivalentes von Taschenuhren hingewiesen und die Ausführung solcher weiterer Untersuchungen in Aussicht gestellt. Diese haben nun, wie ich schon einleitend hervorheben möchte, gerade in der letztgenannten Richtung, die, wie voraus- zusehen gewesen, von ohrenärztlicher Seite wohlwollend begrüsst worden war?), zu keinen sehr befriedigenden Ergebnissen geführt. Wohl war eine beiläufige Bestimmung des Schallwertäquivalentes von Taschenuhren vermittels des Fallphonometers leicht durchzuführen: allein die vergleichende Prüfung verschiedener Uhren und im be- sonderen die Prüfung der Hörschärfe mit der Uhr in verschiedenen Abänderungen des Verfahrens haben mich in die Reihe der Gegner dieser alten, bequemen Prüfungsmethode gedrängt. Ich halte es für dringend ratsam, diesen unzureichenden Notbehelf endlich aufzugeben. Es ist gewiss zum mindesten vollständig überflüssig, die Unzuverlässig- keit der Hörprüfungen, die in den Eigentümlichkeiten dieses Sinnes- apparates begründet ist?), durch die Unzuverlässiekeit der Prüfungs- methode noch ins ungemessene zu erhöhen. 1) ©. Zoth, Über ein einfaches Fallphonometer und die Bestimmung der Hörschärfe mit demselben. Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 157. 1908. 2) K. Laker, Zur Frage der Hörprüfung. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 58 S. 147. 1909. 3) Vel. l.c. S. 185 ff. und diese Mitteilung S. 556 ft. 546 O. Zoth: l. Hören in verschiedenen Richtungen. Meine fallphonometrisehen Untersuchungen waren ursprünglich durch den Gedanken veranlasst worden, die ein- und beidohrige Hörschärfe in den verschiedenen Richtungen des Raumes festzustellen und daraus die Form einer Höroberfläche als Inbegriff der Punkte gleich stark perzipierter Schallstärken und einen Hörraum als davon eingeschlossene Raumform abzuleiten. Die Schwierigkeiten, dieses Ziel zu erreichen, erwiesen sich aber schliesslich für mich unüber- windlich: in erster Linie wegen der schon in meiner ersten Mit- teilung besprochenen unregelmässigen Schwankungen der Hörschärfe, auf welche schon oben rückverwiesen worden ist. Diese Schwankungen machen schon vergleichende Bestimmungen in ganz wenigen Raum- richtungen oder überhaupt in nur wenigen aufeinanderfolgenden Versuchen zu den stärksten Geduldproben: für den gedachten Zweck wären aber mindestens über hundert oder, wenn man sich mit einer nur ganz beiläufigen Bestimmung in schon um 45° verschiedenen Richtungen begnüste, doch noch gegen dreissig Richtungen einzeln zur Prüfung heranzuziehen gewesen. Weitere Schwierigkeiten, die aber doch in verschiedener Weise zu überwinden gewesen wären, lagen in der Wahl einer für die Anwendung in den verschiedenen Schallrichtungen geeigneten Versuchsanordnung: mein Fallphonometer konnte zunächst nur für horizontale Hörrichtungen in Anwendung gezogen werden; andere Schallquellen, wie die Taschenuhr, Stimm- gabeln und Pfeifchen, erwiesen sich als wenig brauchbar. Um das Fallphonometer doch für andere als die horizontale Hörrichtung an- wenden zu können — ohne neue mühevolle Bestimmungen der Schall- ausbreitung in anderen Raumesrichtungen vornehmen zu brauchen, konnte die Körperlage der Versuchsperson verändert werden, was freilich wiederum die Feststellung des etwaigen Finflusses dieser Lageveränderung auf die Hörschärfe erforderte. Auch waren ferner für diese Untersuchungen Messungen über die Herabsetzung der Hörschärfe durch Verstopfen der Ohren erforderlich; auch über solche Versuche soll im nachstehenden kurz berichtet werden. Was die Bestimmung der Hörschärfe in verschiedenen Richtungen des Raumes betrifft, so beschränkte ich mich wegen der angedeuteten Schwierigkeiten auf die Verwendung meines Fallphonometers und vorzugsweise die horizontalen Hörrichtungen. Die Versuche wurden im allgemeinen unter Einhaltung der für die Prüfung der Hörschärfe Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 547 überhaupt erforderlichen Anordnungen und Maassregeln ausgeführt }), so im besonderen nachts und in einem möglichst nachhallfreien Raume, demselben grossen Zimmer, in welehem die meisten meiner früheren Hörprüfungen angestellt worden waren. Es wurde dabei die neue Vorsichtsmaassregel getroffen, Versuchsperson und Apparat in einer Diagonale des Zimmers anzuordnen, um allfällige Schall- reflexe von beiden Ohren des Geprüften möglichst abzuleiten. Der Apparat wurde mit der Klotzoberfläche in der Höhe des äusseren Gehörganges eingestellt, die Entfernung der Auffallstelle der Kugel von der Schläfe der Versuchsperson wurde mit Hilfe einer Latte immer auf 1 m eingestellt. Bei der Prüfung in verschiedenen Richtungen blieb der Apparat unverrückt stehen, während der Sessel der Versuchsperson ?) in je um 45 ° von einander verschiedene Stel- lungen gebracht wurde. Das nicht untersuchte Ohr wurde mit vaselinierter Watte, die sich als ein ausgezeichnetes Verschlussmittel bewährt hat?), dicht verschlossen. Jeder einzelne Versuch wurde genau wie bei der Prüfung der Hörschärfe im allgemeinen angestellt*); als zweckmässig stellte es sich im Laufe dieser Versuche heraus, das leise gesprochene Vorsignal „Achtung“ wie „achtum“ auszusprechen, um das schwer zu vermeidende und zu Verwechslungen mit schon schwachen Fallgeräuschen Anlass «ebende Schnalzgeräusch beim Lösen des g-Verschlusses zwischen Zunge und Gaumen zu vermeiden. Die Versuche wurden an vier geübten Personen oft wiederholt aus- geführt, um den Einfluss der Adaptation auszuschliessen, in ver- schiedenen Reihenfolgen der Hörrichtungen. Aus demselben Grunde wurden meist am Ende der Prüfung in den acht horizontalen Richtungen die zuerst geprüften beiden Richtungen nochmals unter- sucht, wobei sich in der Tat oft wieder höhere Werte der Hörschärfe ergaben. Ermüdungserscheinungen machten sich bei diesen Ver- suchen, wegen der notwendigerweise wiederholt eingeschalteten längeren Pausen, nicht störend bemerkbar. Das Unangenehmste waren, wie immer, die Schwankungen der Hörschärfe, die manchmal sehr störend, andere Male — auch bei denselben Versuchspersonen — wieder nur wenig hervortraten. DVel.1. D)aVelalaceS: 3) Vgl. 8.554. A) 1. c. 8. 182 #. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Pd. 137. 36 548 0. Zoth: Im nachstehenden seien einige solche, möglichst ungestört ver- laufene, Versuche angeführt. Die Hörschärfe für die angenommenen acht, um je 45° verschiedenen Richtungen der Horizontalebene wurde aus deu direkt bestimmten Fallhöhen der '/s”-Kugel nach der l. e.!) abgeleiteten Formel A —= 0,8: gerechnet und auf zwei Dezimalen abgerundet. Versuch I. H. S., 23 Jahre, rechts, Ohrmuschel ziemlich flach und anliegend. Richtungen: ee lv I Ih h rh Fallhöhen, mm: 08 08 25 1 10 9 9,9 6,5 Entsprechende Hörschärfe: 1 1 032 007 0,08 0,09 0,15 0,12 Versuch I. E. G., 24'/a Jahre, rechts, Ohrmuschel stark gewölbt und abstehend. Richtungen: r nv v Iv I Ih h rh Fallhöhen, mm: 1 0,6 1 11 20 19 9 11 Hörschärfe: 0,8 1,38 208 0,07 0,04 0,04 0,09 0,07 Anmerkung: Die Hörschärfe gegen die seinerzeit (vor 1—2 Jahren) be- stimmte aussergewöhnliche „beste“ (absolute) sehr stark herabgesetzt [von A = 50!?) auf A— 0,8 also auf weniger als "so der damaligen]. Versuch II. E. G. (derselbe), ®/ı Jahr später, rechts. Richtungen: r a) ® iv I Ih h rh Fallhöhen, mm: 4,5 2,5 2 13 17 16 7 12 Hörschärfe: 0,18 0,32 0,4 0,06 0,05 0,05 0,11 0,07 Anmerkung: Nasen- und Rachenkatarrh, schwierige Bestimmung wegen starker Schwankungen. Hörschärfe weiter stark herabgesetzt. (4 Monate später, im Juni desselben Jahres, konnte die Hörschärfe jedoch wieder bis zu A=3 angestiegen bestimmt werden.) Versuch IY. L. L., 25 Jahre, rechts, Ohrmuschel sehr flach und anliegend, oben zurückgebogen. Richtungen: [5 ) ® lv U Ih h rh Fallhöhen, mm: 0,6 0,4 0,8 2 2 3 1,5 1 Hörschärfe: 1,3 2 1 0,4 0,4 0,27 0,53 0,8 1) S. 189 ff. 2) Velo]. ec. S. 196: Weitere Versuche mit dem lallphonometer. 549 Versuch V. L. L. (derselbe), 3 Monate später, rechts. Richtungen; r a) v lv I Ih h rh Fallhöhen, mm: 0Std 1,5 3 2 2 Dun 1 Hörschärfe: 1 1,6 0,53 0,27 0,4 0,4 0,32 0,8 Anmerkung: Leichter Schnupfen. Versuch VI. - L. H., 25 Jahre, rechts, Ohrmuschel mittel gewölbt und abstehend. Richtungen: Mi 7) V iv I Ih h rh Fallhöhen, mm: 0,7 0,7 1 1,5 [2 39 635) 2 Hörschärfe: ll 1z1l 0,8 0,53 0,11 0,25 0,23 0,4 Alle solehen Versuche ergeben, untereinander und mit der alten Erfahrung gut übereinstimmend, die beste Hörschärfe nach der be- treffenden Seite und vorne (r, rv und v), jedoch nach vorne schon deutlich abnehmend. Bei zweien der vier Versuchspersonen war zwischen rein seitlicher und seitlich vorderer Hörrichtung kein deut- licher Unterschied festzustellen, während bei den beiden anderen die Richtung seitlich vorne (ro) deutlich bevorzugt erschien. In den anderen Hörrichtungen, nach der entgegengesetzten Seite (lv, 1, Ih) und nach hinten (Ah, rk) ergab sich stets sehr geringe Hörschärfe (bis zu !/so und weniger der besten, rv), und zwar mit einigen be- merkenswerten individuellen Verschiedenheiten, auf die noch kurz zurückgekommen werden soll. Die Einschränkung der Hörschärfe in den Versuchen III und V machte sich naturgemäss hauptsächlich in den drei Richtungen ihrer grössten Werte (r, rv und v) geltend, während die Unterschiede in den Richtungen geringer Hörschärfe wohl schon ins Fehlerbereich der Methode fallen. Dieses Fehler- bereich darf überhaupt nie ausser acht gelassen werden: die immer wieder zu erwähnenden Schwankungen der Hörschärfe bedingen es, dass auch in möglichst einwandfreien Parallelversuchen oft nicht genau gleiche Zahlen erhalten werden. Ich möchte daher auch aus Differenzen der Fallhöhen von 1 mm oder darunter bzw. Unter- schieden der Hörschärfe in der zweiten Dezimale keine weitergehenden Schlüsse ziehen. Besser als durch die angeführten Zahlenwerte lässt sieh die Hörschärfe der untersuchten vier Personen in den acht Haupt- richtungen der Horizontalebene durch ein Diagramm zur Darstellung bringen, in welehem die Grössen der Hörschärfe als Radien in einem 36 * 550 O0. Zoth: beliebigen Maasstabe von einem Mittelpunkte aus in den acht Richtungen eingetragen sind. In der nachstehenden Fig. 1 ist dies im Maassstabe A = 1 v 25 mm durchgeführt. Die Endpunkte der je acht Radien sind der Übersichtlichkeit halber durch Kurven ver- bunden worden, die natürlich nicht auch genau die Hörschärfe in allen anderen zwischenliegenden Richtungen der Fbene angeben; dazu wären viel mehr Bestimmungen in verschiedenen Radien er- forderlich gewesen, von welchen aber wegen der wiederholt erwähnten Sehwierigkeiten abgesehen werden musste. Die genauen Kurven würden namentlich dort, wo sie weiter vom Mittelpunkte abstehen, möglicherweise an einzelnen Stellen anderen Verlauf, vielleicht stellen- weise scharfe Knickungen oder dergleichen aufweisen. können !), ihre allgemeine Verlaufsriehtung in bezug auf die acht bestimmten Radien bliebe aber davon un- berührt. Sehr deutlich kommen in der vorstehenden Figur gewisse indi- viduelle Verschiedenheiten der vier Versuchspersonen zum Ausdrucke. Abgesehen von den Verschieden- heiten der Hörschärfe an sich, die bei I (H. S.) zur Zeit des Versuches am kleinsten, bei V (L. L.) am grössten war, und der schon oben erwähnten Bevorzugung der Richtung rv bei II und V gegenüber der rein seitlichen Hörrichtung zeigen sich in den anderen Richtungen namentlich noch folgende stärker hervortretende Verschiedenheiten: Bei L. L. ist die Hör- schärfe in den Richtungen nach ! und h, besonders aber nach rh auffallend grösser als bei den drei anderen Personen. Das Minimum liegt nicht, wie bei diesen, /, sondern !v und h, während ? und Ih grössere Hörschärfe besteht. Bei H.S. und E. G. ist die Hörschärfe in den Richtungen nach ! und h sehr klein, nach rh kleiner als nach A, bei L. H. ist sie nach /v noch einigermaassen gross, viel Fig. 1. 1) Auf solche würden die Erfabrungen von Kessel beim Vorüberbewegen von Schallquellen vor dem Ohre hinweisen. Vgl. J. Kessel, Über die Funktion der Ohrmuschel bei den Raumwahrnehmungen. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 18 S. 120. 1882. Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 551 grösser als bei den anderen drei Versuchspersonen. Eine Beein- flussung dieser Versuchsergebnisse durch etwaiges Mithören von seiten des mit vaselinierter Watte verstopften anderen Ohres ist nach den Ergebnissen der hierüber besonders angestellten Versuche !) ausgeschlossen: die Herabsetzung der Hörschärfe durch diesen Ver- schluss geht weit unter die hier bestimmten Werte herab. Es liegt nicht so fern, die besprochenen individuellen Ver- schiedenheiten zunächst auf Abweichungen im Baue der Ohrmuscheln bei den untersuchten Personen zurückzuführen. So würde die flache und zurückgebogene Muschel bei L. L. die grössere Hörschärfe in den Richtungen ! und % verständlich erscheinen lassen; ebenso die gewölbte und abstehende Muschel bei E. G. die Bevorzugung der Richtung rv und die starke Beeinträchtigung der Hörschärfe 7 und A. Die Richtung r% fällt bei L. L. schon ins Bereich der Vorderfläche der Ohrmuschel, daher die grössere Hörschärfe, bei E. G. und H.S. ungefähr in die Ebene der Muschel, daher die kleine Hörschärfe, während bei diesen beiden von % die Hinterfläche der Ohrmuschel getroffen wird, was die hier wieder etwas grössere Hörschärfe er- klären könnte. Doch spielen gewiss auch andere Verhältnisse mit, 2. B. wohl auch Richtung und Form des Gehörganges: die Bevor- zugung der Hörrichtung rv bei L. L. lässt sich aas der allgemeinen Form seiner flachen und anliegenden Ohrmuschel nicht leicht erklären. Im allgemeinen erhellt aus dem Diagramm deutlich die Ver- schiedenheit der Hörschärfe in verschiedenen Richtungen der Hori- zontalebene, die in Zusammenhang mit entsprechenden Kopfbewegungen für die Schallrichtungsbestimmung beim ein- und beidohrigen Hören, wie dies Kessel zuert klar auseinandergesetzt hat !), von der grössten Bedeutung ist. Es ist darnach wohl auch zu vermuten, dass Per- sonen mit starker Bevorzugung einer Hörrichtung (seitlich vorne, wie L. L. oder E. G.) in der genauen Schallrichtungsbestimmung anderen überlegen sein werden. In anderen Richtungen des Raumes als in der Horizontalebene wurden, wie schon eingangs erwähnt, nur wenige Versuche angestellt. Da das Fallphonometer nur für horizontale Hörrichtungen geaicht und verwendbar ist, musste dazu die Körperlage der Versuchspersonen verändert werden. So kann die Prüfung in einer durch die Gehör- 1) Vgl. Abschnitt II S. 553 ff. 2) 1. c. S. 124. 5352 0. Zoth: gangsmündungen gelesten Frontalebene bei horizontaler Rückenlage, in der Sagittalebene bei horizontaler Seitenlage der Versuchspersonen ausgeführt werden. Die Ergebnisse solcher bei verschiedenen Körper- lagen vorgenommenen Prüfungen sind natürlich nur dann mit ein- ander vergleichbar, wenn vorerst der Einfluss der Körperlage auf die Hörschärfe festgestellt worden ist. Dies kann geschehen, indem man eine und dieselbe in zwei Körperlagen herstellbare Hörrichtung, z. B. rein seitlich oder vorne, in beiden Lagen prüft. Solche Ver- suche ergeben, wenn man von allen Störungen und Unregelmässig- keiten absieht, die auch hier wieder unvermeidlich sind, keinen merklichen Einfluss der Körperlage auf die Hörschärfe. Verglichen wurden aufrechter Sitz und horizontale Rückenlage (auf Tisch mit S cm hohem Kopfpolster) bei rein seitlicher Hörrichtung, aufrechter Sitz und horizontale Seitenlage (mit schulterhohem Kopfpolster) bei der Hörrichtung 827190702 192 Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 555 5) es bis jetzt besitzt. Nur darf man sich, wenn man zum ersten Male die so beträchtlich erscheinende Herabsetzung der Hörschärfe durch dieses Mittel zahlenmässig ausgedrückt vor sich sieht, nicht der Täuschung hingeben, als ob dadurch schon ein praktisch vollkommener Abschluss des Gehörorganes von der Aussenwelt erzielt werden könnte. Die meisten Geräusche unserer Umgebung sind im Vergleiche zu unseren Schwellenwerten so laut, dass sie trotz des Verschlusses — zwar stark abgeschwächt — aber immer noch gehört werden. So hörten die Versuchspersonen alle das — freilich laut gesprochene — Vorsignal „Achtung“ ganz deutlich, und es war laute Unterhaltung mit ihnen möglich. Kontinuierliche Geräusche scheinen, wenn einmal die Aufmerksamkeit erweckt wurde, noch leichter gehört zu werden: E. G. (Versuch X) hörte bei einer mit dem Phonometer festgestellten Herabsetzung seiner Hörschärfe auf !/zooo (= "/s50o der „normalen“) noch ganz leise das Summen einer grossen Fliege in einer Ent- fernung von 2—3 m. Einzelne Personen empfinden bei Verwendung etwäs festerer Wattepfropfen ähnlich störende Geräusche im Ohre wie bei Benutzung fester Verschlussmittel alle; doch lernen sie rasch davon abstrahieren, so dass sie zu Versuchen verwendbar bleiben. Lose, ja selbst etwas fester in den Gehörgang gebrachte trockene Watte setzt die Hörschärfe eigentlich überraschend wenig, praktisch gewiss oft kaum in Betracht kommend, herab. Il. Ein- und beidohrige Hörschärfe. Eine Anzahl von Versuchen über die Hörschärfe bei ein- und beidohrigem Hören wurde in der Weise ausgeführt, dass das Phoro- meter in einer Entfernung von 2 m in der Medianebene gerade vor der Versuchsperson in Gehörgangshöhe aufgestellt und die Prüfung beidohrig und mit abwechselndem Verschluss des rechten und des linken Ohres (mit vaselinierter Watte) vorgenommen wurde. Die Reihenfolge der drei Prüfungen wurde bei verschiedenen Ver- suchen wiederholt gewechselt, um den Einfluss der Adaptation aus- zuschliessen. Solche Versuche ergeben übereinstimmend, dass die beidohrige Hörschärfe bei gleicher Hörschärfe beider Ohren dieser, in der gleichen Richtung vorne median, gleich, bei ungleicher Hörschärfe beider Ohren der grösseren Hörschärfe (in derselben Richtung) gleich ist. Es findet also durch das beidohrige Hören, wie wohl vorauszusetzen war, keine Verbesserung der Hörschärfe statt. 556 Ö. Zoth: IV. Schwankungen der Hörschärfe. Schon in der ersten Mitteilung über die Bestimmung der Hör- schärfe mit dem Fallphonometer wurde auf die Erscheinungen der Adaptation und die Schwankungen der Hörschärfe etwas näher ein- gsesangen!). Die zahlreichen neuen Versuche, über deren Ergebnis in der vorliegenden Mitteilung berichtet wird, bestätigen, ergänzen und erweitern das dort Vorgebrachte. Es muss mit Bedauern fest- gestellt werden, dass die Hörschärfe wohl zu den am schwierigsten und am wenigsten sicher festzustellenden Funktionsgrössen aller Sinnesgebiete, die sogenannten „niederen“ mit inbegriffen, gerechnet werden muss. Ich möchte gleich hier vorweenehmen, dass diesem Satze vermutlich ganz allgemeine, nieht auf Bestimmungen mit dem Phonometer beschränkte Gültigkeit zukommt: nach meinen Er- fahrungen mit kontinuierlich wirkenden Schallquellen ?) ist bei solchen die Schwierigkeit und Unsicherheit noch grösser als bei Verwendung des Fallphonometers: unter anderem wirken hier Anstrengung, Er- müdung und unvermeidliche Nebengeräusche (Atmung) bei nicht ganz kurz dauernden Versuchen ungemein störend ein. Neue Erfahrungen liegen zahlreich über die Beeinflussung der Hörschärfe durch vorausgegangene Körperbewegung, psychische Er- regungen, Aufenthalt in der Kälte, leise anhaltende Nebengeräusche und andere Ablenkungen der Aufmerksamkeit, Ermüdung, besonders durch anhaltende Geräusche (Versuche mit der Uhr) vor. Unter OÖhrenärzten und zum Teile wohl auch unter Laien bekannt ist die Herabsetzung der Hörschärfe schon bei ganz leichten Katarrhen der oberen Atmungswege; dass sich diese Herabsetzung, obwohl praktisch in der Regel wenig in Betracht kommend, in Zahlen ausgedrückt oft recht beträchtlich herausstellt, konnten erst messende Versuche ergeben. Die Schwankungen der Hörschärfe können ihrer Erscheinung und ihren Ursachen nach sehr verschiedener Art sein. Es lassen sich vorerst zum mindesten folgende Arten unterscheiden: 1. Adaptation: Anstieg der Hörschärfe während wiederholter Versuche mit demselben Geräusch. Meist am Beginne einer Ver- suchsreihe, aber auch später bei Unterbrechungen, bei Übergang zu anderen Schallquellen fast immer zu beobachten. Wie schon seiner- 1) 1. e. S. 185ff. und 194. 2) Vgl. auch Abschnitt V und VI. ... Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 55 zeit erwähnt!), kann der Anfangswert der zur Wahrnehmung er- forderlichen Schallstärke zehn- bis zwanziefach und höher über der schliesslich zu bestimmenden Schwelle liegen. Bei länger fortgesetzten Versuchen, wie sie zum Beispiele im ersten Abschnitte dieser Mit- teilung: beschrieben worden sind, Kann man nicht selten eine langsam (in 15—20 Minuten) verlaufende weitere Adaptation neben der rasch verlaufenden (1—3 Minuten) des Einzelversuches feststellen, wenn, wie sich dies bei Benutzung des Fallphonometers von selbst ergibt, durch oft wiederholte Pausen die Ermüdung ausgeschlossen wird. Ich reihe die Adaptation jetzt unter die „Schwankungen“ der Hör- schärfe ein, während ich sie in der ersten Mitteilung neben den Schwankungen im engeren Sinne (siehe unten; 2 und 3) besonders behandelt habe. 2. Schwankungen ersten Grades. So mögen die von Urbantschitsch bei Anwendung anhaltender Schallquellen beob- achteten und beschriebenen Schwankungen der Schallempfindung bezeichnet werden, die sich in ganz kurzen Perioden |,„einigen Sekunden“ ?)] wiederholen. 9. Schwankungen zweiten Grades. Die von mir bei Anwendung des Fallphonometers. immer wieder festgestellten Schwankungen, die in sehr unregelmässigen, aber grösseren Zwischen- räumen, von mehreren Minuten aufwärts, auftreten und von längerer Dauer (1—2 bis 5 Minuten) sein können. Sie fehlen manchmal; bei leichten Katarrhen der Atmungswege sind sie besonders häufig und störend. In meiner ersten Mitteilung sind sie genauer beschrieben worden °). 4. Schwankungen in grösseren Perioden ohne nach- weisbare besondere Ursachen. Solche konnten oft festgestellt werden. Sie bedingen es, dass die Hörschärfe, zu verschiedenen Zeiten unter möglichst gleichen Umständen geprüft, doch gelegentlich merklich verschiedene Werte ergeben kann — nicht muss. Bei manchen Personen treten sie fast gar nicht, bei anderen wieder stärker hervor. Sehr bedeutend sind diese Schwankungen in der D1.c. 8.185. 2) Vgl. 1. c. S. 187 und V. Urbantschitsch, Über eine Eigentümlichkeit der Schallempfindungen geringster Intensität. Zentralbl. f. d. med. Wissensch. Jahrg. 1875 Nr. 37. 8) S. 186—187. 558 O0. Zoth: Regel nicht. Sie scheinen durch verschiedene, derzeit nicht fest- zustellende Ursachen bedingt zu sein. Tages- und Jahreszeit, sowie die Nahrungsaufnahmen dürften dabei kaum wesentlich beteilist sein. 5. Schwankungen durch nachweisbare physiologische Einflüsse. Hierzu gehört eine Reihe der oben angeführten, durch- wegs negativen Schwankungen: durch Ermüdung (meist rasch vorüber- sehend), durch vorausgegangene Körperbewegung, vorausgegangenen Aufenthalt in der Rälte, psychische Erreeungen, anhaltende, wenn auch leise Nebengeräusche, Ablenkungen der Aufmerksamkeit ver- schiedener Art u. del. Alle diese Ursachen bewirken verschieden starke Herabsetzung der Hörschärfe; nach Wegfallen der Ursachen stellt sich bald wieder Anstieg bis zur Zeit erreichbarer Höhe ein: nach Körperbewegungen (Spaziergang, Stiegensteigen, in 5 bis 15 Minuten, in derselben Zeit ungefähr nach Aufenthalt in der Winterkälte. Hauptsächlich aus diesen Gründen sollen Hörschärfe- prüfungen nicht alsbald nach Eintreffen der Versuchsperson im Prüfungsraume — besonders im Winter —, sondern erst nach einer Ruhepause von 10—15 Minuten begonnen. werden. Nach stärkerer, jedoch anscheinend rasch vorübergegangener psychischer Erregung konnte ich einmal bei einer Versuchsperson auch in einer halben Stunde keine Restitution zu dem sonst immer sehr gleichmässigen Normale erhalten, auch waren die Schwankungen zweiten Grades sehr stark, so dass die Versuche an diesem Abende einfach ab- cebrochen werden mussten. 6. Pathologische Schwankungen. Hierher wären als Störungen leichtesten Grades zunächst jene Fälle von Herabsetzung der Hörschärfe zu rechnen, die, wie oben erwähnt, schon hei ganz leichten (akuten und chronischen) Katarrhen der oberen Luftwege so häufig zu beobachten und, zahlenmässig ausgedrückt, gar nicht so geringgradig sind, wie man nach den beim gewöhnlichen Hören wenig bemerkbaren Störungen vermuten könnte. Vielleicht spielen dabei leichte hyperämische oder katarrhalische Mitaffektionen der Tuben- und Paukenhöhlenschleimhaut mit. Weiter gehört hierher die ganze grosse Zahl schwererer Störungen, welche Folgen des Unwegsamwerdens oder von Erkrankungen des schalleitenden und schallperzipierenden Apparates sind. Als „Schwankungen“ mögen allgemein auch diese bezeichnet werden, insoferne bei Besserung der Zustände das Wiederansteigen der Hörschärfe mit dem Fallphonometer recht gut und deutlich verfolgt werden kann. Die dabei zu beob- Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 559 achtenden Veränderungen und Stufen der Hörschärfe liegen meist weit über den früher beschriebenen physiologischen Schwankungen. Es ist nach allem Vorgebrachten klar, dass man eigentlich von einer „Hörschärfe“ eines Ohres schlechtweg nicht gut sprechen kann. Ich habe die ohne weitere Umstände — jedoch natürlich unter Ein- haltung aller für die Erzielung des augenblicklichen Optimums er- forderlichen Vorsichtsmaassregeln und unter Berücksichtigung nament- lieh der Schwankungen zweiten Grades — zu irgendeiner Zeit an einem Ohre bestimmte Hörschärfe schon in meiner ersten Mitteilung !) als „augenbliekliche Hörschärfe“ von dem überhaupt bei derselben Person erreichbaren Optimum, der „absoluten Hörschärfe“, unter- schieden. Zur Feststellung dieser letzteren müssen viele Prüfungen zu verschiedenen Zeiten vorgenommen werden. Ich möchte beispiels- weise erwähnen, dass bei meinem Assistenten E. G. die augenblick- liche Hörschärfe durch Monate weit unter der absoluten liegend sefunden wurde, erst allmählich wieder fast bis zur normalen Höhe anstieg; die Ursache war wohl ein ganz leichter, sonst kaum störender Nasen- und Rachenkatarrh. Schliesslich kann neben der augenblick- lichen und der absoluten noch eine „mittlere Hörschärfe“ unter- schieden werden, wenn man aus in bestimmten regelmässigen oder auch unrerelmässigen Zeiträumen wiederholten Prüfungen den Mittel- wert zieht. Mit diesen drei Grössen dürfte wohl für alle Fälle das Auslangen gefunden werden; der Praktiker wird sich fast ausnahms- los mit der ersten, am raschesten und leichtesten feststellbaren, begnügen müssen. Der Einfluss der Übung scheint auch nach meinen neuen Ver- suchen im Vergleiche zu allen genannten Finflüssen sehr gering zu sein, so gering, dass ich ihn, wenn ich dabei — wohl mit Recht — von der Adaptation absehe, eigentlich nirgends mit Sicherheit fest- zustellen vermochte. V. Eichung von Taschenuhren. Die Feststellung des Schallwertäquivalentes von Taschenuhren vermittels des Fallphonometers hat, wie ich schon einleitend®) hervor- gehoben habe, in bezug auf das Hauptziel zu keinen sehr befriedigenden Ergebnissen geführt. Doch haben diese Prüfungen auf der anderen 1) 8. 19. 2) S. 545. 360 O0. Zoth: Seite die absolute Unzulänglichkeit der hergebrachten . Prüfungs- methode mit der Uhr so unzweideutig ergeben, dass die getane Arbeit d6ch wohl nicht als verloren anzusehen sein dürfte. Geprüft wurden drei Zylinder-, vier Ankeruhren und ein Chrono- meter, verschiedener Herkunft und Güte, sowie verschiedenen Alters, wie sie uns gerade zur Verfügung standen. Dazu kamen später zu besonderen Versuchen noch zwei neue Omega-Ankeruhren mit un- mittelbar aufeinanderfolgenden Fabrikationsnummern. Es ist wohl bekannt, dass die drei genannten Hemmungen im allgemeinen ver- schieden lauten Schlag geben und gewöhnlich der (!/s Sek.-) Schlag der Zylinderhemmung sehwächer als der der Ankerhemmung, dieser wieder schwächer als der der (!/2 Sek.-) Chronometerhemmung ist. Doch fand ich unter den paar geprüften Uhren schon Ausnahmen hiervon. — Die Prüfungen wurden so vorgenommen, dass in zweck- mässiger Weise — Näheres hierüber weiter unten — zunächst die Entfernung festgestellt wurde, in der die betreffende Uhr eben noch sehört wurde. Es wurde dabei immer die Hörrichtung rein seitlich gewählt, das abgewendete Ohr war mit vaselinierter Watte ver- schlossen. Die ganz aufgezogene Uhr wurde seitlich am Knopfe, das Zifferblatt der Versuchsperson zugewendet, in Ohrhöhe gehalten und nun in verschiedene Entfernungen vom untersuchten Ohre gebracht. Dabei ergeben sich sehr grosse Schwieriekeiten, wenn man das Ge- räuseh kontinuierlich auf das Ohr einwirken lässt. Nähert man die Uhr, wie dies in der Praxis oft gemacht wird, von grösseren Ent- fernungen an, bis sie eben zehört wird, so kommt man nicht nur meist zu weit überschwelligen, sondern auch jedesmal zu anderen Werten der Entfernung. Grössere Abstände und etwas kleinere Schwankungen erhält man, wenn man, von ganz deutlich hörbarem Schlag ausgehend, die Uhr allmählich vom Ohre entfernt. Aber immerhin sind auch hierbei die Schwankungen der Entfernungs- werte noch recht beträchtlich. Dabei spielen offenbar auch die „Schwankungen ersten Grades“ besonders mit. Nachdem ich auf diese zwei Arten zu gar keinen brauchbaren Ergebnissen gelanet war, versuchte ich auch die Prüfung mit der Taschenuhr nach Art der Phonometerprüfung einzurichten; der Schall wurde erst auf ein gesprochenes Vorsignal (Achtung!) freigegeben und sogleich (nach einer Sekunde) wieder abgedeckt. Dies wurde in einfacher Weise vermittels einer schalldämpfenden Blende bewerkstelligt, welche aus einem auf beiden Seiten mit Tuch überspannten quadratischen Holz- Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 561 rahmen von 350 em Seite und 1 em Dicke bestand. Die Uhr wurde mit der rechten, die Blende etwa 15 em davor mit der linken Hand gehalten; auf das Vorsignal wurde die Blende einfach gesenkt, gleich darauf wieder gehoben. So wurden in wiederholten Versuchen endlich ziemlich übereinstimmende Werte erhalten. Es genügte nicht etwa, die Uhr auf das Vorsienal einfach abzudecken und nun nicht wieder zu verdecken, denn nach 5—10 Sekunden langem Horchen wird das gleiche Geräusch wieder auf deutlich grössere Entfernungen gehört als bei kurzem Abdecken. Als Beispiele soleher vergleichender Ver- suche über verschiedenartige Anwendungesweise der Taschenuhr seien folgende zwei angeführt: Versuch XIII. L. H., rechts. Zylinderuhr II. Bei Annäherung gehört auf 8 m; 5,5 m; 4,5 m. „ Entfernung gehört auf 4,9 m; 5,3 bis 5,4 m. 5 „ mit Abdecken und Horchen (5—10 Sek.) gehört auf 1,9 bis 2 m mit kurzem (1 Sek.) Abdecken gehört auf 1,2 m. ” ” Versuch XIY. L. L., rechts (Schnupfen, Schwankungen!). Zylinderuhr 1. Bei Annäherung gehört auf 2,1 m; 3,1 m; 3,9 m. „ Eutfernung gehört auf 2 m; 2,3 m. mit Abdecken und Horchen gehört auf 3,1 m. mit kurzem Abdecken gehört auf 1,4 bis 1,5 m. » » 5 » Die besprochenen Erfahrungen mit dem kontinuierlich wirkenden Schall des Taschenuhrschlages scheinen mir, nebenbei bemerkt, auf alle Hörschärfeprüfungen mit kontinuierlichen Schallquellen, die meisten Stimmgabelversuche mit inbegriffen, wie sie bisher aus- geführt worden sind, ein bedenkliches Licht zu werfen und zu Nach- prüfungen aufzufordern; möglich, dass es sich in dieser Beziehung bei Tönen anders verhält als bei Geräuschen. Mit der angegebenen Methode konnte die Entfernung, in welcher der Schlag einer Taschenuhr eben gehört wurde, meist auf etwa 10—15 em genau festeestellt werden. Da mein Versuchsraum nur Entfernungen bis höchstens S—9 m zuliess, das Manipulieren in grösseren Entfernungen von der Versuchsperson auch unpraktisch ist, wurde bei lauter schlagenden Uhren öfter der Kunstgriff ver- wendet, das hörende Ohr mit trockener Watte loser oder fester zu verstopfen. Dieser Verschluss blieb dann natürlich auch für die nachfolgende Phonometerbestimmung unverändert. Bei dieser wurde 962 O. Zoth: das Phonometer, in der gewöhnlichen Weise aufgestellt, an die Stelle der Uhr gebracht und nun für diese Entfernung der Schwellenwert ermittelt. Als Beispiel eines solehen Versuches sei der folgende angeführt: Versuch XV. L. L., rechts. a) Ankeruhr I gehört auf 1,9 m. Phonometer in 1,9 m Entfernung gehört bei 0,3 mm Fallhöhe der Us "- Kugel. b) Ankeruhr III gehört auf 3,2 m (mit Watte im Ohre). Phonometer in 3,2 m Entfernung gehört bei 20 mm Fallhöhe der !/s "- Kugel. c) Chronometer gehört auf 4,5 m (mit Watte im Ohre). Phonometer in 4,5 m Entfernung gehört bei 3 mm Fallhöhe der */ıs "- Kusel. Der bei der Vergleichung so erhaltene Schallwert des Phono- ımeters soll nun als „phonometrisches Äquivalent“ des zur Zeit be- stehenden Schlagwertes der geprüften Taschenuhr bezeichnet werden. Setzt man die Schallstärke, welche der phonometrisch bestimmten Hörschärfe 1 entspricht [Ys "-Kugel 0,5 ınm hoch, Fallenergie — 10 Erg!)] =1, so ergibt sich aus der verwendeten Kugel und deren Fallhöhe jedesmal die Schallstärke des Phonoineters, welche dem Schallwerte der betreffenden Uhr „äquivalent“ ist?). Ich weiss, dass eine solche Vergleichung zweier gewiss verschiedenartiger Ge- räusche nicht einwandfrei ist, allein in Ermanglung jeder anderen Methode und unter Berücksichtigung der gegebenen Definition des phono- metrischen Äquivalentes als „derjenigen Schallstärke des Phonometers, welche auf dieselbe Entfernung gehört wird, wie die untersuchte Uhr“, wird man sich einstweilen mit ihr begnügen dürfen. In der nachstehenden Tabelle sind die Ergebnisse einer grösseren Zahl solcher Prüfungen der erwähnten sieben Uhren mit verschiedenen Versuchspersonen abgerundet und in Mittelwerten wiedergegeben. Es braucht wohl nicht wieder erwähnt zu werden, dass auch bei diesen Versuchen alle die Störungen vorkamen und berücksichtigt werden mussten, von denen im vorigen Abschnitte die Rede war. 1) Vgl. 1. c. S. 189—191. 2) 1. c. Tabelle IX, S. 191. Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 563 Oh Kugel | Fallhöhe Schallstärke % mm Zyimderuhr I... 2. 0.200. 1/g 0,5 | 0,66 Ankerunmal ir... 0% 1/g 0,8 1 Ayimderuhr IT... .......,.:. 1/g 3,5 4,4 Zwhinderuhin Il. .......0. 3/16 0,5 10°) Akte JE an or 1/g 8 10 Ankeruhraille 00a. 1/g 20 95 @hronometer..... .1..., 0 „9. 3/16 3 60! Aus dem letzten Stabe der vorstehenden Tabelle ist ohne weiteres ersichtlich, dass schon unter ein paar zufällig hergenommenen ver- schiedenen Taschenuhren Unterschiede der Schallstärke im Ver- hältnisse von 1:90, und auch wenn das besonders laut schlagende Chronometer ausgeschlossen wird, noch im Verhältnisse von 1:20 —40 vorkommen. Eine unmittelbare Vergleichung der Ergebnisse von Hörprüfungen mit verschiedenen Uhren ist daher natürlich voll- kommen ausgeschlossen; erst nach Feststellung des Schlaewert- . verhältnisses der beiden Uhren kann daran gedacht werden. Ein- fache Angaben über die Hörschärfe nach einer Prüfung „mit der Taschenuhr“ sind ziemlich niehtssagend. Selbst Uhren derselben Art, Zylinderuhren unter einander oder Ankeruhren unter einander, können, wie sich ergibt, durchaus nieht als gleichwertiz im Schlage angesehen werden. Um zu erfahren, wie es sich etwa mit Uhren desselben Fabrikates verhält, wurden zwei neue Omegauhren mit den Fabrikationsnummern 50 394 und 50396 mit einander verglichen: Versuch XVI. L. L., rechts, mit Watte im Ohre. Nr. 50394 gehört auf 2,25 m sogleich (2,5 m mit Horchen) ; Nr. 50396 gehört auf 3,55 m sogleich (4,25 m mit Horchen). In gewöhnlicher Weise, durch abwechselndes Vorhalten der beiden Uhren vor das Ohr, verglichen, war der Unterschied in dem — übrigens recht lauten Schlage (Nr. 50396 wurde bei freiem Ohre auf 6—7 m Entfernung zehört) kaum wahrnehmbar. Selbst Uhren desselben Fabrikates und ganz nahe benachbarter Fabrikations- nummern bieten also keine Gewähr für gleich lauten Schlag. Es bleibt also für den Vergleich verschiedener Hörprüfungen unter- einander nur mehr eine und dieselbe Uhr übrig. In der Tat ist ja 1) Zweifelhaft, da nach der alten Methode ohne Abdecken bestimmt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 37 964 OÖ. Zoth: das die gewöhnliche Verwendung der Uhr von seiten der meisten Praktiker: die Angaben haben aber nur für den Besitzer der Uhr einen gewissen Wert. Übrigens sind auch sie keineswegs ganz ein- wandfrei: auch der Schlag derselben Uhr verändert sich mit der Zeit und wird allmählich schwächer. Nach dem Auseinandernehmen und Ausputzen des Werkes wird er wieder deutlich lauter; eine Spur frisches Öl in das länger nicht geputzte Werk gebracht kann den Schlag merklich lauter machen. Es bedarf nach allem in diesem Abschnitte Vorgebrachten wohl keiner besonderen Zusammenfassung mehr, um zu dem Schlusse zu gelangen: Die Prüfung der Hörschärfe mit der Uhr, selbst wenn sie in der anscheinend zweckmässigsten Form (mit Abdecken, sieh oben) ausgeführt wird, soll jedenfalls, und zwar je eher desto besser, auf- gegeben werden. — VI. Schallausbreitung der Taschenuhr. Einige beiläufige Versuche über die Schallausbreitung der Taschen- uhr wurden in der Weise ausgeführt, dass das phonometrische Äqui- valent derselben Uhr iu zwei verschiedenen Entfernungen, bei einmal offenem, das andere Mal lose mit Watte verschlossenem Ohre be- stimmt wurde. Breitet sich der Schall der Uhr ungefähr nach dem- selben Gesetze aus wie der Phonometerschall (in der Horizontalen'), so musste bei verschieden starkem Verstopfen des Ohres und dem- nach verschiedenen Entfernungen von Uhr und Phonometer vom Ohre immer ungefähr das gleiche phonometrische Äquivalent gefunden werden. Dies scheint aus den wenigen vorliegenden Versuchen für Entfernungen bis zu 2 m in der Tat hervorzugehen. Darnach würde also der Schall der Taschenuhr (wieder seitlich am Knopfe gehalten, das Zifferblatt dem Ohre zugewendet, senkrecht zur Hörrichtung) in dem bezeichneten Bereiche im umgekehrten Verhältnisse mit dem Kubus der Entfernung zu- und abnehmen. — Nach dem Schlusse des vorigen Abschnittes haben weitere und, wenn möglich, genauere Versuche über die Schallausbreitung der Taschenuhr wenig Interesse. Vll. Vergleichung von Fallphonometern und Klotzmaterialien. Obwohl ich in meiner ersten Mitteilung schon eingangs zu dem Schlusse gekommen war, „dass für Neukonstruktionen nach dem Ve es Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 565 Prinzipe der Fallphonometer — — die Gesetze der Abhängigkeit der Schallstärke von Fallhöhe und Gewicht und der Ausbreitung des Schalles für die gewählte Anordnung noch besonders festgestellt werden müssen“ !), habe ich diese Feststellung damals doch für mein kleines Modell II?) unterlassen, weil ich es in allen wesentlichen Be- standteilen für dem Modelle I gleichartig gehalten habe. Eine jetzt durchgeführte Vergleichung der Schallstärke beider Modelle ergab nun doch eine kleine, aber immerhin in Betracht zu ziehende Ver- schiedenheit ibrer Schallwirkung. Zum Vergleiche wurden beide Apparate auf die Fallhöhe von 4 mm (die normale des kleinen Modelles II) eingestellt und nun unter Anwendung der !/s "-Kugel die Entfernung aufgesucht, in welcher der Schall des einen und des anderen eben noch gehört wurde. Dabei ergab sich immer, dass der Schall des kleinen Modelles auf etwas grössere Entfernung gehört wurde als der des grossen, zum Beispiele: Versuch XVII. L. L., rechts. Modell I: 5m. Modell II: 6 m. Versuch XVII. L. H., rechts. Modell I: 4,3 m. Modell II: 4,3 m. Ich dachte zuerst an die naheliegende Erklärung dieses Ergeb- nisses, dass bei Modell II der kleinere (Gewicht 13,6 g) Stahlklotz, ‘der nach meinen alten Versuchen bei der Schallerzeugung wesentlich beteiligt ist®), in stärkere oder weniger rasch gedämpfte Schwingungen gerate als der grosse (Gewicht ca. 38 g) des Modelles I; allein es müssen andere Umstände dabei beteiligt sein, denn derselbe kleine Stahlklotz, statt des grossen auf Modell I aufgelegt, erforderte wieder eine etwas grössere Fallhöhe der Kugel, um auf gleiche Entfernung hörbare Fallgeräusche zu geben, wie der grosse Klotz. Diese Er- fahrungen haben meinen oben angeführten Ausspruch nur bestätigt, dass jede Form eines Fallphonometers einer besonderen neuen Prüfung unterworfen werden muss. Für die ohnehin rohen Bestimmungen mit dem Modell II kam der nun gefundene Fehler wohl nieht sehr stark in Betracht. Ich habe jetzt an Stelle dieses Modelles ein noch handlicheres, einfaches Taschenphonometer für beiläufige Be- Date S159: 2) IE 6 1 3) Vgl. 1. c. S. 170. co =] 566 O. Zoth: stimmungen der Hörschärfe konstruiert, welches im letzten Abschnitte dieser Mitteilung kurz beschrieben werden soll!). — In meiner ersten Mitteilung habe ich auch verschiedene Klotz- materialien in bezug auf das beim Falle der Stahlkugel entstehende Fallgeräusch qualitativ verglichen ?).. Eine neue quantitative Ver- gleichung mit dem Fallphonometer ergab, dass der Fall der Stahl- kugel von !/s” auf gleich grosse Klötze von Glas, Berekrystall, Elfenbein und auch Hartgummi mehr als fünfmal so laute Geräusche hervorbringt als auf Stahl. Man könnte an die Beigabe eines Eifen- bein- oder Hartgummiklotzes zum Phonometer denken, der die Prüfung auch stärker herabgesetzter Hörschärfen noch mit einer und derselben Kugelgrösse zuliesse. V1ll. Neue Ausführungsform des Fallphonometers. Ich habe jetzt dem Modell I des Fallphonometers eine ver- einfachte und verbesserte Ausführungsform gegeben, die dessen Hand- ° habung und damit seine Einführung in die Praxis erleichtern soll. Das neue Modell III, welches in Fig. 2 in ?/s der natürlichen Grösse dargestellt ist, zeigt gegenüber dem Modell I, welchem es sonst in allen wesentlichen Teilen gleicht, folgende Veränderungen: 1. Einfache pneumatische, anstatt der elektomagnetischen, Aus- lösung der Kugeln (ähnlich wie beim alten Modell II). Hierdurch wird die Einrichtung wesentlich einfacher und billiger. An die Stelle des Elektromagnetes tritt ein einfaches Winkelröhrehen, das zur Aufnahme der Kugeln am unteren Ende passend ausgeschliffen ist. Oben wird ein Gummisehlauch mit Ball angesteckt, wie sie für photographische Momentverschlüsse in Gebrauch sind. Dafür fallen Element, Leitungsschnüre und Kontaktringe weg; Wartung und Transportfähigkeit des Apparates sind bedeutend erleichtert. Das Ansetzen der Kugeln, namentlich der grösseren, an das Kugelhaltrohr durch Ansaugen mittelst des Balles erfordert allerdings ein klein wenig mehr Geschicklichkeit als das Anlegen an den Elektro- magneten von Modell I; dafür fällt aber das dort oft erforderliche Einstellen des Widerstandes für verschiedene Kugelgrössen fort. 2. Wegfall des Nonius und direkte Ablesung von halben Milli- metern. Da die Versuche ergeben haben, dass eine grössere Ge- 1) S. 569. Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 567 nauigkeit in der Fallhöhenbestimmung als etwa "s mm kaum zu erzielen ist, wurde der 0,l-mm-Nonius weggelassen, und es können nun halbe Millimeter an der Teilung unmittelbar abgelesen, Viertel- millimeter leicht geschätzt werden. 3. Fallhöheneinstellung mit Zahntrieb. Ein wesentlicher Vor- teil gegenüber der alten Verschiebung des Halters ander Teilung Fig. 2. mit freier Hand. Die Zahnung des Triebes ist schräg geschnitten, wodurch der tote Gang auf ein Mindestmaass eingeschränkt ist. 4. Bequeme Nulleinstellung der Skala für jede Kugelgrösse, so dass die Fallhöhen immer direkt abgelesen werden können. Dieser Vorteil ist dadurch erreicht worden, dass das Kugelhaltrohr in seinem Träger in der Höhe verschiebbar und festzuklemmen ist. Die Nulleinstellung für eine beliebige Kugel erfolgt durch folgende vier Handgeriffe: Herabdrehen des Kugelträgers auf den Nullpunkt der Millimeterteilung (Anschlag), Lüften dar Rohrklemme, Unter- 368 0. Zoth: setzen der Kugel, die uun zwischen Rohr und Klotz leicht geklemmt wird, Anziehen der Rohrklemme. 5. Unmittelbare Anwendbarkeit aller Kugelgrössen von ?/is bis 6/16 engl. Zoll, durch die eigentümliche Form des Schliffes am Kugel- haltrohre ermöglicht. Wie oben erwähnt, erfordert das Ansetzen der grösseren Kugeln einige Übung. Man saugt am besten stark an, während man (mit dem beigegebenen Kugellöffelehen) die Kugel möglichst zentral leicht an die Mündung des Rohres andrückt. 6. Reinigung der Klotzoberfläche mittels Abblasens (wie beim alten Modell II). Zur öfter erforderlichen Entfernung des Staubes von der Klotzoberfläche sehr bequem und wirksam. Nur bei grösseren Fallhöhen muss der Pinsel verwendet werden. Das Messbereich des neuen Modelles erstreckt sich unter Bei- behaltung der Entfernung von 1 m für die vier Kugelerössen von 2/6 bis ?/ıs ” von der Hörschärfe A—=3 bis A—= 0,0001, mit Verkürzung der Entfernung auf '"s und ! m bis zu etwa A = 1.Milliontel. Für allfällige — übrigens seltene und für den Praktiker bedeutungslose — grössere Hörschärfen ls A =3 muss, wenn die Entfernung von 1 m beibehalten werden soll, die Y/ıs "-Kugel (mit einem engeren Kugelhaltrohr) verwendet werden. Die Berechnung der Hörschärfe aus der Fallhöhe erfolgt wie bei Modell I nach den Formeln (für die Distanz von i m): Kugelgrössen : Hörschärfe: 1 1 Lg „ —— 2/ u h A = (= — tr x : 2 7: 1,25 h li 1 6” ' A=e0b = { N 20h I il Fallhöhen in Millimetern a = na = 0,0125 7 Zen z A 1 1 r)) lie” A = 0,0053 — — — 16 ),003 5 300% Modell III eignet sich wie Modell I besonders als stabiler Laboratoriumsapparat, ist jedoch bei seinen kleinen Dimensionen (7xX7><11 em) auch sehr leicht transportabel. Für möglichst hori- zontale Einstellung der Klotzoberfläche ist immer Sorge zu tragen. Im übrigen sind alle in der ersten und in dieser Mitteilung für die Handhabung des Fallphonometers gegebenen Vorschriften zu beachten. 1) Vgl. 1. c. 8. 190. Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. 569 Die Auslösung des Kugelfalles erfolgt wie beim alten Modell II zu der gewünschten Zeit durch leises Zusammendrücken des Gummi- balles!). IX. Taschenphonometer. An Stelle des früheren Modelles II habe ich neuerlich ebenfalls ein viel handlicheres, kleineres, in einem Etui von 10xX2%xX2 cm unterzubringendes Phonometer konstruiert, welches in Fig. 3 in natürlicher Grösse dargestellt ist?). Mit demselben können freilich, da dabei wieder nur die Entfernung zu verändern ist, nur beiläufige Prüfungen vorgenommen werden. Das Fallgeräusch wird zwischen erzeugt, von denen die eine an dem Ende r zwei Kugeln von !/s ' eines leichten zweiarmigen Hebelchens befestigt ist. Die Fallhöhe dieser Kugel wird vermittels einer Justierschraube nach Versleichung mit einem für die Hörschärfe A —=1 eingestellten stabilen Fall- phonometer (!/s "-Kugel 0,8 mm Failhöhe) fix eingestellt. Die entsprechende Fallhöhe des Taschenphonometers beträgt nach einer Reihe vorgenommener Vergleiche 1 mm. Mit einer beigegebenen Lehre kann der Kugelabstand jederzeit kontrolliert, durch die Justier- schraube der Apparat gelegentlich mit Zuhilfenahme eines stabilen Fallphonometers nachjustiert werden. Die Schallausbreitung des Taschenphonometers erfolgt nach einer Anzahl darauf gerichteter Ver- suche, die in ähnlicher Weise, wie die in Abschnitt VI beschriebenen, 1) Das neue Modell wird vom Mechaniker des hiesigen Institutes, Herrn K. Roczek, zum Preise von 40 Kronen (34 Mark) geliefert. 2) Das einfache Apparatchen liefert ebenfalls der oben Genannte zum Preise von 10 Kronen (8 Mark) sammt Etui. 570 O0. Zoth: Weitere Versuche mit dem Fallphonometer. unter Vergleichung mit dem Fallphonometer vorgenommen wurden, anscheinend nach demselben Gesetze, wie bei diesem. Ist d die Entfernung des Phonometers vom Ohre in Metern, > die Schall- intensität und A die Hörschärfe, wobei die Schallintensität am Ohre für die Hörschärfe 1 bei 1 m Entfernung der Schallquelle = 1 ge- setzt wird, so ergibt sich nach d nz Seh == VA 5) die nachstehende Aichungstabelle (zugleich Messungsbereich) für das Instrumentcehen: Taschenphonometer Taschenphonometer gehört bei gehört bei d rund A= d rund A— 2,00 m 8 89 cm 0,7 1,827, 6 84 „ 0,6 171%; 5 Zoe 0,5 1990: 4 63 „ 0.25 1,44 3 46 -)) 0,1 1,26 2 a; 0,05 1,00 1 DR 0,025 97 cm 0,9 DORmE 0,01 93.4, 0,8 ITase, 0,005 91 0,75 1055 0,001 Er Der Gebrauch des Taschenphonometers erfolgt analog dem des Fallphonometers?). Man hält das Instrument am Griffe zwischen Daumen, Mittel- und Ringfinger horizontal, mit seiner Längsachse senkrecht zur Hörrichtung; der Zeigefinger besorgt das Heben und die Auslösung des Fallhebels (durch Abziehen griffwärts, nicht Abheben!). Die Entfernung vom ÖOhre wird am einfachsten mit einem Taschenmeterstab abgenommen. 1) .Vel. 1502 S.1777und0192. 2) Vgl. 1. c. S. 182ff. und diese Mitteilung S. 547. (Aus dem Institut für Tierphysiologie der landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf. Die Ausnützung des Finalmehles. Von Prof. Dr. Osear Hagemann. Der Verdaulichkeitsgrad der verschiedenen Kleien ist von der Feinheit der Vermahlung und von dem Grade der Ausmahlung der- selben in hohem Grade abhängig; auf jeden Fall aber ist die Ver- daulichkeit resp. die Ausnützung im Tierkörper mit Bezug auf den hohen Nährstoffeehalt der Kleien eine unerwartet schlechte. Geheimrat Finkler hier in Bonn hat nun ein Verfahren aus- gearbeitet, nach welchem die mit kalkhaltigem Wasser nassgemachte, unter Zusatz von 1—3°/o Kochsalz nass vermahlene Kleie so fein zertrümmert wird, dass die Zellinhalte aus den Cellulosehülsen der Kleiebestandteile sämtlich herausgebracht werden, wodurch dann das erhaltene Produkt in weit höherem Grade den Verdauungssäften zu- gänglich wird und weit besser verdaut werden kann, wie Finkler durch Versuche mit Menschen!) nachgewiesen hat, als gewöhn- liche Kleie. Das nass erhaltene vollkommen zertrümmerte Mahlgut wird ge- trocknet, wodurch mässig feste, flockige Massen entstehen, und diese können wieder in gewöhnlicher Weise, auf Excelsiormühlen z. B., trocken zu einem feinen Mehl vermahlen werden. Finkler be- nannte dieses Kleienmehl „Finalmehl‘“. Wenn nun das aus Weizenkleie hergestellte Finalmehl in erster Linie wohl dazu berufen ist, zur menschlichen Nahrung (Kommiss- brot, Schwarzbrot) zu dienen, so kommt es doch auch bei der Fütterung unserer Haustiere in Betracht; ferner lässt sich nach dieser Methode noch gar manches natürliche oder technische Abfall- 1) Prof. Dr. Finkler, Die Verwertung des ganzen Korns zur Ernährung. Verlag von Martin Hager, Bonn 1910. 572 Oscar Hagemann: produkt, welches heute nur minderwertig ist, in ein wertvolleres oder wertvolles Futtermittel verwandeln. Diese Erwägungen veranlassten mich, die Schicksale des Final- mehles im Tierkörper zu studieren, und zwar möglichst eingehend und umfassend, indem ich die vollständige Stoffwechselbilanz bei einem Pferde im Respirationskalorimeter anstellte. | Diese Versuchsanstellung bedingte es, dass das Finalmehl nicht in Pulverform gegehen werden konnte, sondern es musste mit Wasser vermischt zu kleinen Kuchen geformt werden, welche dann gebacken wurden. Zur Kontrolle wurde ein weiterer Versuch angestellt, in welchem ebenso gebackene, aber aus gewöhnlicher fein gemahlener Kleie bestehende Kuchen verfüttert wurden. Als Beifutter wurde in beiden Versuchen gutes Wiesenheu, dessen Verdauungsquotienten vorher in einem besonderen Versuche ermittelt worden waren, gegeben. Nach Angabe des Direktors der Rheinmühlenwerke zu Mannheim, Herrn Bruss, sowie des Obermüllers Herrn Forth und des Bäckers Kiesel!) war die Kleie, welche in den Finalmehlkuchen und in den Kleiekuchen verbacken gewesen war, von derselben Herkunft, dieselbe Sorte Mahlgut und in gleicher Weise vorher gemischt so- wohl wie auch ausgemahlen. Die vorliegenden Versuche sollen wiederholt werden; um aber die Identität des Mahleutes für die Kontrollversuche über allen Zweifel sicherzustellen, habe ich selber persönlich in Mannheim die in meiner Gegenwart dem Mahlgange entnommene und in Säcken aufgefangene Kleie mit meiner Institutszange durch Bleiplomben ver- schlossen. 1) Bestätigung. Die Unterzeichneter bestätigen, dass für die Herstellung der im Monat Juni a. c. an das Tierphysiologische Institut in Bonn-Poppelsdorf gesandten Kuchen erstens unvermahlene und zweitens vermahlene Kleie verwandt wurde, welche in der Qualität und im Nährwert gleich waren, und dass gleichzeitig mit den zur Vermahlung bestimmten Mengen auch die Kleie, welche unvermahlen verwendet werden sollte, der Mühle entnommen worden ist. Mannheim, den 10. Dezember 1910. Rudolf Forth, Obermüller. ©. Kiesel, Bäcker. Angestellte der Rheinmühlenwerke in Mannheim. Die Ausnützung des Finalmehles. 573 Ein Vorversuch stellte den Verdaulichkeitsgrad 1. des Final- mehles, 2. der aus Finalmehl und 3. der aus der fein gemahlenen Kleie gebackenen Kuchen bei künstlicher Verdauung nach Stutzer und G. Kühn!) mittelst Pepsin (reinstes von Dr. Grübler) und Salzsäure unter äusserlich den ganz gleichen Verhältnissen fest. Es wurden genau je 2 g des Finalmehles und der feinst pulveri- sierten beiden Kuchenarten mit je 400 eem Pepsinsalzsäurelösung 48 Stunden digeriert, filtriert und mit Spülwasser auf 500 cem auf- gefüllt. In den 400 eem Pepsinlösung war 0,06. 053 g Stickstoff; die 2 g Finalmehl enthielten 0,06355 g, die 2 g Finalmehlkuchen 0,05 957 g und die 2 © Kleiekuchen 0,05 697 g Stickstoff; in den drei Filtraten fanden sich bzw. 0,12103, 0,11292 und 0,11179 g Stickstoff; der Stickstoff sollte auch in den Rückständen bestimmt werden; er betrug beim Finalmehlkuchen 0,00731 g; bei den Rückständen des Final- mehles und bei denen des Kleiekuchens missglückten die Bestimmungen und konnten aus mehreren Gründen nicht wiederholt werden; da auch alle drei Proben ganz gleichmässig von demselben Chemiker ver- arbeitet worden sind, so genügt auch die eine Bestimmung, welche eine sehr gute Übereinstimmung zwischen dem theoretisch geforderten und dem gefundenen Werte zeist. Es wurde bei dem Finalmehl statt der geforderten 0,05 957 g Stickstoff 0,11 292— 0,06 033 (Pepsin) + 0,00731 (Rückstand) — 0,05 990 g, also 0,00 033 g = 0,55 '/o des geforderten Wertes zu viel Stickstoff gefunden. Die Ergebnisse der künstlichen Verdauung sind in der folgenden Tabelle I zusammengefasst. Tabelle Il. Ergebnisse der künstlichen Verdauung. Kuchen aus Binal2 | umee ERENEEN, mehl Final- Kleie- mehl | mehl Das Filtrat enthielt Stickstoff in Gramm. . . . | 0,12103 | 0,11292 | 0,11179 Die Pepsinlösung enthielt Stickstoff in Gramm . | 0,06033 | 0,06033 | 0,06033 Aus der Verdauungsprobe waren in Lösung ge- ; gangen Gramm Stickstoff. . » » » 2... 0,06070 | 0,05259 | 0,05146 Die Verdauungsprobe enthielt Stickstoff in Gramm | 0,06355 | 0,05957 | 0,05697 Der Stickstoff war verdaut in Prozenten . . . . | 95,52 88,23 90,33 1) J. König, Die Untersuchung landwirtschaftlich und gewerblich wichtiger Stoffe S. 204. Paul Parey, 1898. 574 Oscar Hagemann: Diese Zahlen beweisen für das Finalmehl eine Verdaulichkeit des Stickstoffes, wie sie noch bei keiner Kleie erreicht worden ist; weiter aber sind sie enorm wichtig für die weitere Beurteilung der später mitgeteilten Versuchsergebnisse. Wir sehen hier eine schlechtere Verdauung des Stickstoffes im Finalmehlkuchen wie im Kleiekuchen (das ist übereinstimmend in mehreren früheren Verdauungsversuchen vefunden worden), und endlich sehen wir den Stickstoff des Kleie- kuchens sehr hoch verdaulich, das ist ein Beweis dafür, dass die Kleie sehr fein gemahlen gewesen war. Das paradoxe Ergebnis der um über 7°/o geringeren Verdaulichkeit des Stickstoffes in den ge- backenen Finalmehlkuchen gegenüber dem Finalmehle ist darauf zu beziehen, dass diese Kuchen sehr scharf gebacken waren, so dass sie hier mit einem Ölkuchenbrecher vor der Verfütterung zer- brochen resp. auf der Schrotmühle gemahlen werden mussten, ehe sie dem Pferde resp. dem Hammel gegeben werden konnten. Die Kleiekuchen waren dagegen nur ganz leicht gebacken und liessen sich zwischen den Fingern zerdrücken; die starke und lange Er- hitzung bei dem scharfen Backen hat offenbar eine gewisse Menge der Proteinkörper schwer löslich resp. unpeptonisierbar gemacht. Die Verdaulichkeit der Finalmehlkuchen wurde in Verbindung mit gutem Wiesenheu gegenüber der Verdaulichkeit der Kuchen aus gewöhnlicher Kleie in denselben Mengenverhältnissen nicht nur bei einem Pferde, sondern auch bei einem Hammel festgestellt. Zu diesem Zwecke musste auch die Verdaulichkeit des Heues selber durch einen besonderen Versuch mit den beiden Tieren fest- gestellt werden. Mit dem Pferde wurden, wie schon erwähnt, gleichzeitig Ver- suche im Respirationskalorimeter angestellt; über diese kann ich aber vorläufig noch nicht berichten. Der erste Versuch wurde mit dem Pferde „Barnabas II“, einem preussischen Pferde, ca. 7 Jahre alt, mit gutem Gebiss und guter Fresslust sowie guter Verdauung angestellt. Das Pferd war etwas im Nährzustande heruntergekommen, denn es war in einer vorher- gehenden Versuchsreihe mit einer unzureichenden Menge schlechten Heues gefüttert worden; es war also sehr gut vorbereitet, die Aus- nützungs- und Ansatzdaten namentlich für das Eiweiss zu ergeben. Ne) | | | = 06889 | Ber | FIYES | 6P66IT | H0TOL — 1scor | GB8s | 04807 |" Toni "Sr1oN = = Ge0E Fr | EI8'8T = E9POT 99707 17607 9668 99E01 | ° ° ° * TMIMN 3 001 | | "e> "men qnegg OISALIONNT == SsIH'ee | OSFOET Zu YL1'39 | 96T | 99 | Et | 96189 | ° ° " ewung | | 1618 | 0LFol | fon | 80T | om Eat |. 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Juni nachmittags 3b 15’ oder, wie im Protokolle steht, um 15h 15’ statt; dieser Harn war hier in die Streu entleert worden; am Schlusse des Versuches, am 14. Juni abends, als das Pferd aus dem Kalorimeter herausgetan worden war, wurde die erste stattfindende Harnentleerung abgewartet und der be- treffende Harn dem übrigen am Tage (d. h. von früh 74 an) gesammelten Harn hinzugefügt; diese Harnentleerung fand also abends 8h 20’ oder, wie in Tabelle II steht, um 20h 20' statt. Es ist also der Harn von 6mal 24 + (20h 20’ bis 15h 15’ =) 51h 05’ —= 149!/ıs Stunden gesammelt worden; um den durchschnittlichen Tagesharn hieraus zu finden, ist der Durch- schnitt um etwa !/so zu kürzen. Analog so ist auch die Kotmenge berechnet. Der Stickstoff ist jeden Tag immer sofort im Harn und im frischen Kote nach Kjeldahl bestimmt worden; leider erwiesen sich später bei der Zusammenstellung der ganzen analytischen Er- gebnisse die gefundenen Zahlen als unmöglich, und zwar nicht nur bei diesen hier veröffentlichten Versuchen sondern überhaupt bei allen Versuchsreihen, welche in der Zeit vom Februar bis zum Juli 1910 angestellt worden sind; die nähere Untersuchung ergab dann einen prinzipiellen Fehler: es war mit einer neuen Apparatur gearbeitet und nicht lange genug destilliert worden }). Die Stickstoffbestimmungen mussten darum sämtlich in kon- servierten Materialien wiederholt werden. Der Harn war erstens mit Fluornatrium (ca. 0,4 g NaF auf 1) Es war gar nicht so einfach, von Hause aus sofort den Fehler zu finden. Der die Stickstoffarbeiten leitende Assistent lieferte seine Daten ab, und es wurde natürlich sofort bei jeder Versuchsperiode eine annähernd genaue Stickstoffbilanz aufgestellt. Diese ergab aber keine Unmöglichkeit, weil ja die Futtermittel und der Kot in ähnlicher Weise falsch waren, d. h. zu niedrige Werte für den Stick- stoff hatten. Erst die Aufstellung der Kohlenstoffbilanz, viel später, nach Abschluss der Versuche, führte zu der Erkenntnis, dass die Stickstoffbilanz falsch sein müsse. Zwischendurch: ausgeführte Asparagin-Stickstoffbestimmungen ergaben nach Aus- sage des leitenden Assistenten scheinbar richtige Werte, weil derselbe den Wasser- gehalt des teilweise verwitterten Asparagins nicht berücksichtigt hatte. Die Ausnützung des Finalmehles. 577 100 & Harn) versetzt und zweitens durch Siedehitze in dicht ver- schlossenen Flaschen sterilisiert worden. Der Kot war im Vakuum bei ea. S0O° C. getrocknet, und der abgegebene Stickstoff war hier und da in, in die Saugleitung eingeschalteter, Schwefelsäure bestimmt worden. Die auf diese Weise aus dem Kote bei der Trocknung fort- gegangenen Stickstoffmengen betrugen (als NH, durch Abdestillation und Titration bestimmt) im Durchschnitte der angestellten Be- stimmungen auf 1 kg Kottrockensubstanz 0,532 g Stickstoff; mit diesem Werte sind die erhaltenen Stickstoffzahlen der Kottrocken- substanz korrigiert worden. Im übrigen sind alle analytischen Bestimmungen mindestens dreifach nach den besten bekannten Methoden ausgeführt worden, um einwandfreie, mit den Einzelanalysen übereinstimmende Mittel- werte zu liefern. Die Rohfaserbestimmungen sind durch Kochen mit Glyzerinschwefelsäure !), die Fettbestimmungen durch Ätherextraktion der vorher entwässerten Substanzen, die Aschenbestimmungen durch Veraschung im Muffelofen bei niedrigster Temperatur, die Kohlen- stoffbestimmungen durch Verbrennung nach Dennstädt und die Ennergiebestimmungen durch Verbrennung in der Bombe bei 30 Atm. Anfangsdruck des Sauerstoffes gemacht worden. Ein sehr gutes Kriterium, wie im ganzen sowohl bezüglich der ganzen Versuchsdurchführung (Genauigkeit der Wägungen von Futter und Kot, richtige Aufnahme des Futters seitens des Tieres und richtige Sammlung des Kotes) als auch in bezug auf die Genauig- keit der Analysen verfahren worden ist, liefert, worauf ich schon früher ?2) aufmerksam gemacht habe, die Nebeneinanderstellung der ver- dauten CO, freien Mineralsubstanz im ganzen und der verdauten Reinasche; theoretisch müssten diese Zahlen identisch sein, denn der Tierkörper verdaut weder noch produziert er Sand. Im vorliegenden Ausnützungsversuche vom 9. bis 14. Juni ergaben sich (vgl. Tabelle III) 452,48 g totaler Mineralsubstanz verdaut gegenüber 440,05 g Rein- asche; die Differenz von 12,43 g = 2,8°o des kleineren Wertes ist in Anbetracht der vielen Fehler, deren Summe hierin zum Aus- drucke kommt, durchaus zulässig und spricht für genügend sorg- fältige Arbeit. 1) Nach J. König, Zeitschr. f. Untersuchungen der Nahrungs- und Genuss- mittel Bd. 1 S.3ff. 1898. 2) 0. Hagemann, Beiträge zur rationellen Ernährung der Kühe. Landw. Jahrb. Bd. 24 8.298. 189. : 63.88 GrG 98°69 | 6109 76.97 eb 68 01'LE Kae 808 ı9'98 “ * U9U9ZOAT U MEPAIOA 2910208 | LErsIe | EFT | 2eiolsa | Sort | E18 su’ sıgF co0FF sprach 077208 | wWeiIg ur Jnjosge ynepıoA Ss'FrIST | 20'881 6829 | 780991 | 02’T6@1 sg'Lal 9E'6IFE 76798 FeLer 069068 | 3017 Jau9PoAYM] 3 612 sy UOPOTgISIISHNE uopına SAY } Horse | perLıor | 29'202 | core | zeere | ısorz | 838808 | 66708 | 28'688 | 018268 | nouuosoım som Sy 0GE'OL = = Yu UOWWOUISNR wWEAIK Ur OS[e uopımMa Sy =) [eb] nr |ereor | zocı |carer |asoee | ssae | sosss | res | Forte | vers | ° © © 30y aoumonmyurg m Be | 89 |esriar (rIıiıa she'z 680'06 968 1166 «rL'98 “09 noquosor SOnH = | o 5 oyase ho Be 1098 yoJs eHoR aosep | gyegxo | "RTS | -umy I zwejsqns yequ |; ; -AMEIX| - _ R ayasu € katliicı ER Ze 9raay-N | 1! ey Bars) zuysqns ER -[RIOTI 1917-509 "UIZUBISANS AASOIP IELUIOIBAOUL] 9IMos 07] pun Ang U0A ZUBIsqnsuoy901]L dep SunzyasuswwmesnZz AUDSIU9ZorT Osstugas.dssdunzynusuy II SEgewieg JIur OEL Tunf FI— "6 WOA OT AN YONSAHATOJOWLIOTEY, "MI S1194% L 878 Die Ausnützung des Finalmehles. 579 Die Verdauungsquotienten sind in diesem Versuche durchaus normale gewesen, die für Rohfaser und Stiekstoff sind sogar etwas hoch. Das Tier setzte bei dieser Fütterung Fleisch und Fett an; die Stiekstoffmenge des Harnes mit 119,95 g eibt, von der verdauten Stickstoffmenge von 141,23 g abgezogen, einen Ansatz von 21,28 g Stickstoff entsprechend 133,0 & Eiweissansatz; über den Kohlenstoff- resp. Fettansatz werde ich am anderen Orte bei der Publikation der Kalorimeterversuche berichten. Die Erklärung für den Gewichts- verlust des Tieres um ca. S ke von 401,2 kz am 8. Juni und 895,2 kg am 15. Juni ist durch den stattzehabten Wasserverlust vom Körper gegeben, welcher durch die Kalorimeterversuche er- wiesen worden ist. Die folgenden Tabellen IV (S. 580) und V (S. 581) geben die Daten über den Ausnützungsversuch des Finalmehlkuchens mit dem Pferde „Barnabas II“. In dieser Periode fand der sehr bedeutende Stickstoffansatz von 172,65 — 123,66 — 48,99 g entsprechend 306,2 g Eiweiss statt; der Kalorimeterversuch ergab auch einen bedeutenden Fettansatz. Es könnte auffallen, dass das Lebendgewicht des Tieres hier mit rund 403 k& vor und nach dem Versuche etwa dasselbe wie das einen Monat früher bei der Heufütterung gewesene ist; das ist aber nur scheinbar, denn bei der ausschliesslichen Heufütterung hatte das Tier einen sogenannten Heubauch und einen stark mit Heuresten an- gefüllten Darmkanal, dessen damaliges Übergewicht hier durch den Ansatz von wertvollem Körpermaterial kompensiert ist. = Die folgenden Tabellen VI (8. 582) und VII (S. 583) geben die Daten über den Ausnützungsversuch des Kleiekuchens mit dem Pferde „Barnabas II“. | In dieser Periode sind täglich 163,66—147,84 — 15,82 g ent- sprechend 98,9 g Eiweiss angesetzt worden, also nur !/s von. der- jenigen Menge, welche in der Finalmehlperiode angesetzt worden ist. -Naturgemäss wird bei einem ausgewachsenen Tiere, wenn es eine Zeitlang, wie der „Barnabas II“ hier, in partieller Inanition gewesen ist, zuerst sehr viel und dann immer weniger Eiweiss angesetzt, bis das Stiekstoffgleichgewieht erreicht ist; darauf allein aber möchte ich diesen starken Rückgang im Eiweissansatz nicht zurückführen, namentlich auch deshalb nicht, weil in dieser Periode alle Ver- dauungsquotienten niedriger sind und Kohlenstoff sowie Energie des Futters zu rund 31/20 bzw. in absoluter Zahl zu 168,9 & resp. [9,0] Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 3 car Hagemann: Os il | ! r 0L8'99 | Erle | EGLIT |SI9EST | SL6TT | — | S8Eel | 2798 — |. PN Roy — 0648 ee | = | TErer | sreoT | 198aL | 9928 ra ..°° "IPA ı on1z8 | 082101 ı sIgrL | «8089 | T6T’LL | 86'C9L 078 ug |: wwung ‚v6 u6 3047 a0920] og ull | 5 Done = : 2 up] 489230] Yfowmesod sopeg| IS Ir 096 In Z=| YS6IT CHEUTL | Y6ECl | ©6586 br | W8 Tl 85 || Iecs | ovogı | SS] SITier | 82e0'T | 8gG’eT | 1198 0F ak sel ss) s0r | om | 3 2) 9e6oT | 89807 Esrer | 9108 07 | 9 all uB93}10} sopıaq 28 || 9088 | 02291 | 202 ]| TE&pT | SIEOT | 082 FL | 767% ra) SEM ‘OI6E me Ss we 08 ul S5 || 7998 | 0elıı |e= 81 21901 | 2980°T | 080/81 | L6iee dir 1 0 ol yoy aagzyop ug weg az] | ES o,Te | or | El 2096 | areo‘T | 7966 | 248 Zu it) np °6 ' | ' | 0) a1 31 ae Sy OB | 1 | Sy Ne: | 94901 aayne uoum y9IM en | u9990N | _ = | sa yat a | ra u9SunyuaLıdg | mm] a -OA -izeds | -29) tr SE Be OST SE 7905 1005 | -J0® [eur | umyeql = = -I95Seg M | = uoyepIoM uoyepuae]] SWRBUMPAONNA ee “ oFor 06 ° < ae 0) 20) Co a Ze] “ go0r 06T " 8 3 Eon nf 'eımyamı F828'» Die Ausnützung des Finalmehles | TE => 08821 gr | == = 808g [EHI Sruoy | 0981 688‘ 162386 | SEI | 0881 | 99PT 02301 FOSL Tr SE “ ° ° [ONIN ! | jepgenayj | 0 ae], od sorgung | OssTı | SITar | 22‘8958 | So'Tıar | 28986 ESLIT | 2918'8 | G8081 gg | rwung ‚SP UL 073210] ‘87 ul UTeH | | | | aayzap. “greumesa# sapreqg | 028T unge | 76995 | Sc’aLr | SIHTL 806 | 021807 986 BL'8E er 0z8I | 169 | esse | 9e'esr | eaoııı | GI | 2iaoT | TI dee 8 OFLT geb | Else | scieag | SBEial SL | Sc |ı 821 1888 Le 0008 Erle | 80Tes | OT9gr | 16881 LSOT 09801 IST 088€ EZ 0681 | serLs | 010g | SIe'aı ISPTI | gEs0T SSFT 63.88 eg 0003 | 21808 | 08609 | [ess‘zı 0881 LE30°T 6851 guRE ST a pn \ a8og | erors | |1erer ST | 0200 2 ‘ge N SnSnYy GT We ‚CE, 304 u22 1.6 5 Et rel! | r&sl GO 8 675€ A 17270] °F] us uaep do929oT | 0061 ı IE'T08 | 829g | [68T'el SIET | 84501 rag] ge'gg | Isnany'g] LLAR) 3 | D. 5 a ep) Do8L | N) op] ES U9901J UENEh | ae Be ee 9uyeu 4098 in YOSLAF -9038 uaumjoA |, SOyOSsT | -nd g 'pyuı) x OI6L Bd -Jum HS PS ı ızads yqgpıman | YıNas weg] -TOSSE wlan ln au — puogaaT uayepJoy] uoyepure]] 'sOnaquasaL My UMS uauspLugasoR [OsyoeH] nz 8 006 Isqau uaprq -98 [yowpeurg Sne uogory} WouSJ0AqDs0F 3 008 su® Puogaysaq “ayuysgonsion SEP OIGT Jsnsny '07 WOP yJIOS oiqaa AoL], seq IA S112q4eL rL19 Isa9 | #969 3819 9e'6r 0898 6789 LO/ER6L | Er'S6l 18'71 Fo'6rs | $T0L r1'6 L6‘80F SSI6IT | 20'6IL | 79% 680 | SET2 61 18'783 sswre | rule | pl | 89'698 | IE TPI | ser | sı'eH9 | eg | gg'er LL’9E 21‘19 “ ° uojugzoig Ur nepaoı 16'°8 Fr'eZ 1H'zEr wweıH UT INTOSIE nvpao A oe rer al’cız | 301 Buaponym 3 16'387 put uopaLy9sossng uUpInM SH 9189 | ET’LoL | uns uf = 180881 | v4'zal 1g'8 08L9T | 198 07 681% sco8 | 8EoR L6T2g | ° uoyamypyowpeung 9 00% = sc'pgst | 06761 886 Es | OLSIL rat) 68'368 068 LT'EH gecgp | ° moquasor Soma 5 or {4} = :JI UOWLWOUISNE WEIL UT OS[E UOPANAM SH e an og’ | 19BEr 0:08 | 08867 | 97657 091% sr8') | & sy’aer | IrLrr 895. | eer'9r | FIT SHE 680.06 9968 1166 86628 0 noquasora Som) [e9-34 9yIs% | oO : 4038 498 SH OSB} INRAIXO SE -uoy | \ zuejsqns ypeyut dr * -ANEAIXTT 2 BE: aydstu nn UK een u9]yo‘] 1918 RS yoy Jay) V 30 zuegsuns U9NIOLT, -[EI9UL N LO1-°09 -U9ZURISINS AOSOHIP JILqUTIIS.IHUrT 9IMOS Y0oy pun aan] U0A ZUunjsunsusy9oAL] Aop Funzrosuswwesnz Iy9stJudzorT *„XUM“ [Ouweg ur O6 Isnsuy ga '9] WOA S "IN YOnsIoAsSunzynusmy Ne) (0.0) m "xI oII9qUL Die Ausnützung des Finalmehles. 587 Periode, dann finden wir 12,715 g Stickstoff im Harne, welchem 12,56 g verdauten Stiekstoffes gegenüberstehen; dann haben wir ein Stickstoffdefizit von 0,16 g. In der folgenden Periode 9 erhielt das Tier täglich 1000 & des- selben Heues wie in allen diesen Perioden. Das Nähere zeigen die Tabellen X (S. 588) und XI (S. 589). Hier finden wir 12,33 g Stickstoff verdaut und 12,10 g im Harne; es sind also 0,23 g Stickstoff angesetzt worden. In der letzten Periode 10 bekam der Hammel neben demselben Heu die Kleiekuchen. Das Nähere zeigen die Tabellen XII (S. 590) und XIII (S. 591). Der Harn enthielt am 16. September eine auffallend hohe Stieck- stoffimenge, welche man am besten wohl ausser Betracht lässt; die mittlere tägliche Harnstiekstoffausscheidung ist dann aus den Werten des 17. bis 23. September ermittelt: 13,30 8; da nun täglich 12,04 g Stickstoff verdaut waren, so gab das Tier in dieser Periode 1,26 & Stickstoff vom Leibe her. Wir finden also hier auch das ganz ent- sprechende Verhalten des Tierkörpers dem Finalmehle und der Kleie gegenüber wie bei dem Pferde (s. S. 584). Diese Erscheinung soll durch weitere Versuche aufgeklärt resp. verifiziert werden. Berechnen wir nun aus den beiden Finalmehlperioden mit Pferd und Hammel sowie aus den beiden Kleiekuchenperioden mit diesen Tieren die Verdaulichkeit dieser Präparate, indem wir die experi- mentell in der Heuperiode ermittelte Verdaulichkeit des Heues für die in den fraglichen beiden Perioden verfütterten 6200 g Heu zu- erunde legen, dann kominen wir zu den in Tabelle XIV (S. 592 und 593) aufgeführten Daten. Man sieht zunächst, dass die Finalmehlkuchen beim Schaf etwas besser ausgenützt worden sind, was die organische Substanz, den Kohlenstoff und die Energie anbelanet; der Ätherextrakt ist bei dem Schafe erheblich besser ausgenützt, das spielt aber in Anbetracht des absolut so geringen Gehaltes des Finalmehles an Ätherextrakt keine Rolle; die Rohfaser nützt der Hammel doppelt so gut, und das Pferd nützt dafür die stickstofffreien Nährstoffe (die Kohle- hydrate) etwas besser aus; der Stickstoff wird von beiden Tieren annähernd gleich gut ausgenützt. Ähnliche Unterschiede zeigen sich zwischen Pferd und Hammel "bezüelich der Ausnützung der Kleie- kuchen. Oscar Hagemann [0,0) j0,0) ie) E set’, = — Ra >= u 7 6L’ZE |IERINSLAOY Sı6l IL FFIR | F8i6h 2901 rl FETT ‘o7s9ımof 3 WI 9 yaııaeL | OOEST | SZoLE | KTCIEE | Er/SITa | seg‘96 9816 gC73'8 786001 0g'c8z | ° omung E29 (nee | Teen Sg ul | | | 304 209290] *,0G u), WC | | | | 092707 "foimursos soproq | 0008 sı69 | SE | Fr | Tod 32 TOSI vona > 7227 zerlaljo 11,».2/0 bei dem Kohlenstoff ein Plus vn . . . 10,2% 10,9 °/o bei dem Stickstoff ein Plus von . . . . 29% 2,4 lo bei der organischen Substanz ein Plus von 12,3 °/o 10,0 %o bei der Rohfaser ein Plus von . . ... 23,7% 54,1 %/o Vergleichen wir die organische Substanz der Finalmehlkuchen und der Kuchen aus gewöhnlicher feiner Kleie, dann finden wir niehts in der chemischen Zusaınmensetzung, was diese erheblichen Verdauungsunterschiede irgendwie rechtfertisen könnte; denn die organischen Substanzen der beiden Kuchen stellen sich, auf asche- freie organische Substanz bezogen, wie folet: Äther- | Su | N-freier | A .| Kohlen- | Energie- extrakt Neeiese Extrakt | Syasun! stoff inhalt Finalmehlkuchen 2,841 9,312 | 66,547 | 3,408 48,747 489,41 Kleiekuchen . 4,111 11,030 | 64,910 | 3,192 49,035 493,90 Es ist infolgedessen der mechanische Aufschluss der Kleie bei der Herstellung des Finalmehles als das für die erhöhte Ausnützung wirksame Moment anzusprechen, welehes durch die geringe Kochsalzbeigabe vielleicht noch etwas gesteigert wird. Zu berücksichtigen ist schliesslich noch, dass aller Wahrschein- liehkeit nach die Ausnützunge des Finalmehles eine noch bessere sein wird als die der Kuchen gegenüber der Kleie, weil diese Kuchen sehr scharf (steinhart) gebacken waren. Darüber werden die nächsten jetzt anzustellenden Versuche Aus- kunft geben. S Ne) DT Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organische Verbindungen. Von August Pütter (Bonn). Im Laufe der letzten Jahre habe ich einige Untersuchungen über den Stoffwechsel und die Ernährung der Wassertiere ver- öffentlicht, in denen der Nachweis versucht wurde, dass unsere grob anthropomorphe Auffassung, nach welcher die Tiere sich dadurch ernähren, dass sie andere Tiere und schliesslich Pflanzen fressen, für sehr viele Organismen des Meeres und der Binnengewässer nicht das Richtige trifft, dass vielmehr grosse Gruppen von Organismen aus allen Stämmen des Tierreichs das Meer und die Binnen- gewässer als eine Nährlösung benutzen, aus deren gewaltigen Reservoiren sie — ohne vorherige Verdauung — die zum Leben notwendigen Stoffe ziehen, genau so, wie die höheren Pflanzen ihre anorganischen Nährstoffe aus den Lösungen des Bodens oder. der Gewässer, wie Pilze, Hefen und Bakterien, viele Algen und eine Menge Parasiten ihre organische Nahrung aus entsprechenden Nähr- lösungen, in denen sie leben). Da ich nun seit meiner letzten Publikation wieder einiges Material zur weiteren Klärung der Fragen gewonnen habe, möchte ich in diesem Archiv, in dem Henze?) seinerzeit seine Einwände gegen meine Anschauungen erhoben hat, “ Frage nochmals zur Diskussion stellen. Es ist dabei nicht beabsichtigt, auf alle Punkte der Beweis- führung einzugehen, ich habe vielmehr nur einige besonders wichtige herausgegriffen, und vor allem diejenigen ausführlich behandelt, für 1) Zeitschr. f. allgem.. Physiol. Bd. 7. 1907. — Denkschriften der kgl. Gesell- schaft der Wissenschaften zu Göttingen 1907. — Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 9. 1909. — Die Ernährung der Waässertiere und der Stoffhaushalt der Gewässer. &. Fischer, Jena 1909. RG ..2) Pflüger’s Arch. Bd. 123. 1908. gt : ; F Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 39 596 August Pütter: die ich neues Beobachtungsmaterial ins Feld führen kann, das ich im Frühjahr 1910 in der zoologischen Station zu Rovigno (Istrien) gesammelt habe. l. Die Herkunft der gelösten organischen Verbindungen. Wenn die gelösten organischen Verbindungen, die im Meere und den Binnengewässern vorkommen, einen erheblichen Anteil an der Ernährung der Wassertiere nehmen sollen, so müssen sie im Verhältnis zum Stoffbestand der Tiere in erheblicher Menge vor- handen sein, und müssen — im Meere wenigstens — aus dem Pflanzen- stoffwechsel stammen; denn die zerfallenden und aufgelösten Leiber der Organismen und ihre Ausscheidungsprodukte können immer nur einen geringen Teil des gesamten Stoffbedarfs decken, und wenn man die Gesamtbilanz ins Auge fasst, können nur Organismen, die photosynthetisch organische Verbindungen herstellen, zur Verbesserung der Bilanz beitragen. Es ist also ein Postulat meiner Anschauungen, dass die Algen gelöste Assimilate an das Medium abgeben. Schon an anderem Orte habe ich den Nachweis versucht, dass eine derartige Abgabe von Assimilaten wirklich vorkommt; denn ich konnte in Seewasser, das im Lichte aufbewahrt war, eine Zunahme des Sauerstoffgehaltes feststellen, aus der sich eine tägliche Zucker- produktion errechnen liess, die die Menge der organischen Trocken- substanz der Algen um mehr als das Zehnfache übertraf, also keines- falls in ihren Leibern gespeichert sein Konnte. Diese Methode der Bestimmung der Sauerstoffproduktion ist, eigentlich schon hinreichend, um die Bildung der Assimilate dar- zutun; aber handgreiflicher würde der direkte Nachweis einer Zu- nahme der gelösten organischen Verbindungen im Seewasser unter der Wirkung der Planktonalgen sein. Zur Bestimmung der Gesamtmenge der gelösten organischen Verbindungen im Wasser benutzen wir die Methode der Entfärbung einer Permanganatlösung. Im Seewasser werden derartige Be- stimmungen bei alkalischer Reaktion (nach Natterer) vorgenommen. Die gelösten organischen Verbindungen sind ihrer Art und Her- kunft nach offenbar recht verschieden. Es kann sich teils um un- vollständige Oxydationsprodukte, die aus dem heterotrophen Stoff- wechsel stammen, teils um gelöste Assimilate der Algen handeln. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 597 Wenn wir z. B. in den Aquarien der Station Rovigno in schwach besetzten Bassins pro Liter 1,58, 2,17, 2,20 mg Sauerstoffverbrauch aus Permanganatlösung finden, bei stark besetzten dagegen 3,18 oder 3,65 mg, so werden wir die Zunahme auf die Ausscheidungen der Tiere schieben. Im Meere dagegen werden wir an Zerfalls- oder Ausscheidungs- produkte nur unter bestimmten Bedingungen denken. Wenn man z. B. 200 m vor der Station (an der Boje) im Val di Bora pro Liter 1,92 mg Permanganatsauerstoff findet, in einer Entfernung von ca. 1 km oder etwas weniger bei S. Giovanni in Pelago 1,25, bei Bagniola 1,11 und beim Leuchtfeuer von Marmi vor Orsera 1,06 me, $o wird man für den höheren Wert am Lande, im Hafen, die Einflüsse der Küste verantwortlich machen. Erhält man dagegen weiter vom Lande entfernt in ca. 6—7 km Küstenentfernung am Nachmittag sonniger Tage Werte von 2,07 oder 2,42 mg, oder — wie ich es in der Bucht von Medulino, an der Südspitze Istriens, beobachten konnte — 2,50 mg pro Liter, während gleichzeitig der Sauerstoffgehalt 10,20 mg (bei 11°C.) pro Liter beträgt, so liegt die Vermutung nahe, dass diese Zunahme gegenüber den Positionen auf der Schaar durch eine vermehrte Tätigkeit der planktonischen Algen zustande kommt. Um diese Bildung gelöster organischer Verbindungen durch die Algen direkt beobachten zu können, wurde folgendermassen verfahren: ein grosses Glasgefäss von ca. 10 Litern wurde ganz mit Seewasser gefüllt und demselben die Planktonmenge zugesetzt, die durch 5 Min. Fang mit dem kleinen Netz gewonnen war. Die Ver- suche fanden zur Zeit des Frühjahrsmaximums der Diatomeen statt, und die qualitative Untersuchung ergab fast nur Algen in grosser Menge, daneben ganz vereinzelte Nauplien und Copepoden. Das Gefäss wurde mit eingeschliffenem Deckel geschlossen und so aufgestellt, dass es möglichst viel Licht bekam. Nach einer ge- wissen Zeit wurde eine Probe entnommen und auf den Gehalt an Sauerstoff und Permanganat entfärbenden Substanzen untersucht. Das Volumen der Flasche wurde mit Wasser von der Entnahme- stelle nachgefüllt. Die Versuche haben nur den Zweck einer Orientierung über die qualitativen Verhältnisse. Die relativ grossen Planktonmengen schaffen sicher abnorme Bedingungen, die ‘Sauer- stoffproduktion ist nur unvollkommen nachzuweisen, da es mitunter zur Bildung von Gasblasen kommt, die Temperatur ist in den Ver- 39 * 598 August Pütter; suchen nicht konstant, sondern steigt während der Belichtungs- dauer an. : | Das alles ist für die Entscheidung der qualitativen Frage, ob gelöste Assimilate abgegeben werden, gleichgültig. Wichtig dagegen ist folgendes: die Planktonmenge war nie so gross, dass bei der Bestimmung der Permanganat entfärbenden Substanzen in un- filtriertem und filtriertem Wasser ein deutlicher Unterschied zu erkennen war. Eine merkliche Zunahme der gelösten Stoffe (im filtrierten Wasser) kann also nieht darauf geschoben werden, dass die Planktonten abgestorben und gelöst worden wären, was übrigens auch dadurch ausgeschlossen werden konnte, dass nach voran- gegangener Steigerung des Gehaltes an Permanganatsauerstoff im Licht im Dunkeln wiederum eine Abnahme erfolgte. (In den folgenden Versuchen nicht besonders mitgeteilt.) Die folgenden Versuche geben ein Bild davon, wie deutlich sich die Veränderung im Bestande der organischen Stoffe zu er- kennen gibt. 1. Wasser vor Bagniola entnommen. 26. März 1910. Tempe- ratur des Meeres 11,0° C. : Permanganat- Stunde Beueretof sauerstoff © mg 0 7,92 1ER } : Nachmittag 6 7,42 0,86 Nacht r ae Bo ur Tag und Nacht 45,0 .1,69 1,63 = In diesem Versuch ist folgendes zu ersehen: in den ersten sechs Stunden nach dem Fang findet keine überwiegende Assimilation der Algen statt, was mit Schädigungen durch den Fang zusammenhänst, wie wir sie ja in der Plasmaballung der Algen kennen. Dann folst die Nacht, die eine weitere erhebliche Abnahme an Sauerstoff und gelösten organischen Stoffen gibt. Am zweiten Tage aber überwiegt bei Wechsel von Tag und Nacht die Assimilation, und es werden pro Liter 1,15 mg organischer Substanz abgegeben, während auch der Sauerstoffgehalt zunimmt. 2. In ganz demselben Sinne spricht ein reiten Versuch, wobei das Wasser vor dem Leuchtfeuer von Marmi (bei Orsera) ent- nommen wurde, am 4. April 1910; Temperatur 12,5° C. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ, Verbindungen. 599 ae R Permanganat- Stunde BauSInoS sauerstoff o mg 0 7,80 1,06 . } > trüber Nachmittag Regen 2 7,70 0,865 Nacht 18 1,69 0,578 n Tao 22 1,13 1,01 n ® ist b E ‚Oo ) Q [0% 97 8,52 1.30 ag meist sonnig Auch hier ist die Abnahme infolge der Schädigung durch den Fang, die Abnahme während der Nacht und die Zunahme im Tage an den gelösten organischen Verbindungen deutlich genug zu er- kennen. Im Laufe des Tages beträgt die Zunahme pro Liter in 9 Stunden 0,72 mg, und zwar in den ersten 4 Stunden 0,108 mg pro Stunde, in den folgenden 5 Stunden 0,06 mg, d. h. also: Ab- nahme der Assimilationsintensität mit Anhäufung der Assimilate, eine in der Pflanzenphysiologie allgemein bekannte Erscheinung. 3. Bei Versuch 3 ist die anfängliche Schädigung nicht nach- weisbar, sondern in dem sehr hellen Licht der Mittagsstunden dieses Tages beginnt die Assimilation sofort in merkbarer Stärke. Das Wasser war zwischen S. Giovanni in Pelago und Bagniola entnommen. 29, März 1910; Temperatur 11,5° C. a Sauerstoff en \ 2 mg \ De 1 heller sonniger 3,45 7,70 1,78 Tag 7 6,00 9,20%) 1,88 Die Zunahme beträgt hier in 6 Stunden pro Liter 0,63 mg, also 0,105 mg pro Stunde, fast genau so viel, wie in Versuch 2 in den ersten 4 Stunden des Tages. Auch hier ist die Abnahme mit steigender Anhäufung der Assimilate deutlich; denn in den ersten 3,4 Stunden beträgt die stündliche Zunahme 0,156 mg, in den folgenden 2,6 Stunden nur 0,039 me. 4. Als letzten. Versuch teile ich endlich noch einen mit, bei dem das Wasser 6—7 km westlich der Küste über 30—34 m Tiefe entnommen wurde. 16. April 1910; Temperatur 11,3° C. 1) Diese Sauerstoffmenge ist zu gering; es hatten sich Gasblasen aus- geschieden. 600 August Pütter: = Permanganat- Stunde Sauerstoff oft 0 10,05 2,42 2 ht 125 2 12 Mat mit wechselnder Be Tem 10,05 !) 2,16 ER ; wölkung Die Zunahme an gelösten organischen Substanzen im Tag, nach der nächtlichen Abnahme ist deutlich, sie beträgt in 5,2 Stunden 0,44 mg pro Liter, d. h. pro Stunde 0,885 mg. Dieser relativ ge- ringe Wert ist wieder bemerkenswert, weil er bestätigt, was wir schon oben sahen: je grösser die Menge der Assimilate, die schon vorhanden sind, desto geringer die Zunahme. Trotz günstiger äusserer Bedingungen der Assimilation war sie in diesem Versuch, in dem die Menge der Assimilate zu Anfang schon besonders hoch war, nur mässig. Es wäre hiernach zu erwarten, dass sich die Menge der Assimilate im Seewasser einem Grenzwert nähern würde, gerade so wie in einem isolierten Blatt; in dem die Assimilate nicht mehr forttransportiert werden, die Konzentration der Assimilate einen Grenzwert erreicht. Jedenfalls ist durch diese Versuche nachgewiesen, dass die Planktonalgen gelöste organische Substanzen, die sie im Assimilationsprozess bilden, an das Seewasser abgeben, dass wir also in den Algen Produzenten gelöster Nährstoffe zu sehen haben, und dass die Produktion ceteris paribus um so lebhafter ist, je geringer die vorhandene Menge der Assimilate, d.h. je rascher der Verbrauch dieser Stoffe durch heterotrophe Orga- nismen ist. 2. Die Menge der gelösten organischen Substanzen im Meere. In meinen ersten Arbeiten über die Ernährung der Wassertiere und den Stoffhaushalt des Meeres hatte ich versucht, durch Ver- brennung der organischen Substanzen, die das Meerwasser enthält, auf nassem Wege nach Messinger, ihre Menge zu bestimmen. Diese Methode ist hierzu ungeeignet; denn die Mengen des Örganischen betragen nur 10—15 mg im Liter, so dass, wenn man 100 eem verarbeitet, nur auf 1—1,5 mg Organisches mit etwa 0,5—0,75 mg C zu rechnen ist, eine Menge, ‘die hart an der Grenze der Beobachtungsfehler liegt. 1) Wert zu gering, da Gasblasen ausgeschieden wurden. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 601 Dass meine damalige Methodik unzureichend war und mir viel zu hohe Werte vortäuschte, hat Henze!) in einer Publikation in dieser Zeitschrift nachgewiesen, und die Richtigkeit dieses Nach- weises habe ich bereits a. a. O. anerkannt. Damit hat sich aber in der Beurteilung des Problems der Ernährung der Wassertiere durch gelöste organische Substanzen nicht das geringste geändert. Welche Substanzmengen erfordert denn meine Anschauung ? Sobald nachgewiesen ist, dass die Menge der gelösten organischen Stoffe jene der Organismenleiber nennenswert übertrifft, sagen wir einmal nur um das Zehnfache, so muss die Frage der physiologischen Verwertbarkeit dieser Stoffe schon diskutiert werden. Es könnte nun nach Henze’s Arbeit scheinen, und ist von Seiten, die die Leistungsgrenzen quantitativer Methoden nicht abzuschätzen verstehen, auch so aufgefasst worden, als stellte Henze überhaupt die Gegenwart gelöster organischer Verbindungen in Abrede, während doch seine Untersuchung nur erweist, dass die Methode der Ver- brennung nach Messinger nicht auf die geringen vorhandenen Mengen anwendbar ist. Dass gelöste organische Verbindungen im Meere vorhanden sind, zeigt rein chemisch der Permanganatverbrauch, den wir schon besprachen, zeigt biologisch die Existenz reichlicher Mengen von Bakterien im Meere; es kann sich also bei der Frage nach den gelösten organischen Substanzen im Meere nur um eine quantitative Frage handeln, um die Frage: wie gross ist die Menge gelöster Kohlenstoffverbindungen im Meerwasser im Ver- gleich zu der Menge der Organismen. Diese Frage hat Henze überhaupt nicht berührt, obgleich in Natterer’s Zahlen über die Permanganatentfärbung genügendes Material vorlag, das Minimalwerte für den Bestand an organischen Stoffen gegeben hätte. Noch befremdlieher aber erscheint die Vermeidung eines solchen Vergleiches zwischen der Menge der Organismen und der Menge eelöster Stoffe in einer anderen Arbeit, der ich hier einige Worte widmen muss. In den „Wissenschaftlichen Meeresuntersuchungen“ ?) hat Raben eine Arbeit veröffentlicht, die den Titel führt: „Ist organisch gebundener Kohlenstoff in nennenswerter Menge im Meer- wasser gelöst vorhanden?‘ Raben hat bei einer Nachprüfung meiner Angaben über die CO,, die man bei nasser Verbrennung 1) Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 487—490. 1908. 2) Kiel 1909 S. 111—-117. 602 - August Pütter: nach Messinger erhält, mit verbesserter Methodik, ebenso wie Henze, meine hohen Werte nicht bestätigt; aber im Wasser der Ostsee, das wohl reicher an gelösten Stoffen. ist als das Mittel- meer, hat er Mengen von 3,0—13,9 mg Kohlenstoff pro Liter in Form gelöster Verbindungen tatsächlich auch mit dieser Methode nachweisen können. Es wirft ein eigentümliches Licht auf die Arbeitsweise der Sektion Kiel der Internationalen Meeresforschung, dass Raben diesen Wert nicht mit den Mengen der Planktontiere zu vergleichen für nötig fand, obgleich die grossen Untersuchungen Lohmann’s über das Plankton bei Labo@ hierzu doch wohl selbst dann auf- gefordert hätten, wenn nicht beide Arbeiten aus derselben „Meeres- forschung“ hervorgegangen wären. Raben entnahm sein Wasser vor Bülk, also etwas weiter ins freie Wasser hinaus, als Lohmann das Plankton, so dass — falls überhaupt typische Unterschiede beider Stellen bestanden — höchstens bei Labo& noch mehr gelöste Stoffe vorhanden sein müssten als vor Bülk. Dieser Vergleich hätte allerdings das unangenehme Resultat er- geben, dass die Menge gelöster organischer Verbin- dungen, dieRaben nachgewiesen hat, den Stoffbestand der Planktonorganismen, die gleichzeitig bei Labo&ö vorhanden sind, um das I84fache übertrifft?) Hätte Raben diesen unbedingt erforderlichen Vereleich angestellt, so dürfte er kaum den erstaunlichen Schluss gezogen haben, dass die nachgewiesenen Kohlenstoffmengen nicht „nennens- wert“ seien, und hätte sich nicht dem Ausspruch Henze’s an- schliessen können, wonach meine Anschauungen, soweit sie auf der Annahme gelöster organischer Stoffe im Meerwasser beruhen, „eines tatsächlichen experimentellen Beweises“ entbehren, den Raben viel- mehr, soweit dies noch nötig war, selber erbracht hat. 3. Die physiologische Verwertbarkeit hochverdünnter organischer Nährlösungen für Wassertiere. Die zahlreichen Daten, welche über den Gehalt der Binnen- gewässer an gelösten organischen Stoffen vorliegen, sowie die An- gaben von Natterer für das Mittelmeer, von Raben für die Ost- see, zeigen, dass die Mengen dieser Stoffe der Grössenordnung nach 1) Siehe Pütter, Ernährung der Wassertiere S. 106. Jena 1909. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 603 10—30 mg pro Liter betragen, d.h. dass sie in einer Verdünnung von 1: 100000 bis 1:33000 in den natürlichen Wässern vorhanden sind. Wenn nun auch gezeigt werden konnte, dass die Menge der gelösten Stoffe jene der Organismenleiber um das Mehrhundertfache übertrifft, so bleibt zunächst gegen eine Beurteilung des Wertes beider Komponenten des Stoffbestandes nach ihrer Menge der Ein- wand möglich, dass Tiere derart verdünnte Lösungen von Stoffen nicht auszunutzen vermöchten, und daher, obeleich gelöste Nährstoffe in grosser Menge vorhanden wären, doch auf die Organismenleiber angewiesen wären, in denen die Nährstoffe in einer Verdünnung von 1:10 oder 1:5 bis höchstens 1:400 vorhanden wären, also in viel höherer Konzentration. In bezug auf die Fähigkeit, Nährlösungen von verschiedener Konzentration auszunutzen, treffen wir ja unter den Organismen alle möglichen Abstufungen, die zu einer Unterscheidung in polysaprobe, mesosaprobe und oligosaprobe geführt haben, eine Unterscheidung, von der die Biologie der Ab- wässer ausgedehnten Gebrauch macht Ok | Für einzelne Stoffe ist es besonders auffällig, wie das Optimum ihrer Ausnutzung bei ausserordentlich niedrigen Konzentrationen liegt, so dass Beijerink eine Gruppe „oligonitrophiler“ Bakterien unterscheiden konnte, die nur aus stark verdünnten Lösungen Stick- stoff entnehmen können. Wir müssen für die Wassertiere, die nach unserer Ansicht von gelösten organischen Substanzen zu leben vermögen, den Nachweis erbringen, dass sie ihre Nahrung nur äusserst verdünnten Lösungen entnehmen können, dass sie „oligotrophophil“ sind. Die einzige Methode, welche uns zurzeit für derartige Ver- suche zur Verfügung steht, ist die der Bestimmung der gelösten organischen Verbindungen mittels der Permanganatentfärbung, die wir auch oben bereits zum Nachweis der Abgabe gelöster Assimilate durch die Algen mit Erfolg benutzt haben. Der Nachweis, dass derartige zelöste Stoffe von Wassertieren resorbiert werden, würde in der Weise zu erbringen sein, dass man 1) Vgl. Kolkwitz und Marsson, Ökologie der tierischen Saprobien. Internat. Revue d. ges. Hydrobiol. und Hydrograph. Bd. 2 S. 126—152. 1909. 604 August Pütter: während des Aufenthaltes eines Tieres in einem gegebenen Wasser- volumen die Abnahme der Permanganatentfärbung im Wasser be- obachtet. Würde das Versuchstier keinerlei oxydierbare Substanz aus- scheiden, d. h. also in keiner Form unvollständige Oxydations- produkte liefern, so wäre die Abnahme direkt ein Maass für die Menge der resorbierten Stoffe; scheidet das Tier dagegen gleich- zeitig Permanganat entfärbende Substanzen aus, so zeigt die unmittel- bar sichtbare Abnahme der oxydierbaren Substanzen im Wasser nur die algebraische Summe der beiden Prozesse: <—y, wenn wir x die Menge der produzierten Permanganat entfärbenden Substanzen, y die Menge der resorbierten nennen. Würde die Permanganatmethode eine vollständige Ver- brennung darstellen, bei der aller Sauerstoff dem Permanganat ent- nommen würde, so würde der Verbrauch an Permanganatlösung uns unmittelbar die Sauerstoffkapazität der umgesetzten Stoffe angeben, ein Wert, der für das Verständnis des Stoffwechsels höchst wichtig wäre. Tatsächlich aber oxydiert die Permanganatlösung die organischen Substanzen unvollständig. Auch dies würde nur die Einführung eines einfachen Multi- plikationsfaktors erfordern, wenn bei allen Verbindungen der gleiche prozentische Anteil des Sauerstoffs verbraucht würde, der zur voll- ständigen Oxydation nötig wäre; aber auch das trifft nicht zu, viel- mehr werden einzelne Verbindungen sehr vollständig — z. B. Oxal- säure quantitativ —, andere sehr unvollständig — z. B. Benzoesäure nur zu 3,74°/o — oxydiert. Nachdem wir den Nachweis erbracht haben, dass die gelösten organischen Verbindungen im Meere im wesentlichen Assimilate von Algen sind, dürfen wir sie schematisch als Zucker betrachten. Die Zucker werden durch Permanganat recht unvollständig oxydiert; es verbraucht Glukoses 22 27722,61:023%10 Rohrzucker 2 2225541220 der theoretisch zur vollständigen Oxydation nötigen Menge. Wenn also nachgewiesen wird, dass die Menge der Permanganat entfärbenden Substanzen pro Liter um 0,55—0,6 mg abgenommen hat, so würde das bedeuten, dass 1 mg Zucker resorbiert worden sei. Auch über die Natur der unvollständigen Aufbauprodukte, welche die Tiere ausscheiden, können wir einiges sagen. Sobald Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 605 für ein Tier nachgewiesen ist, dass es den Stickstoff nur als NH, ausscheidet, ist für gleichzeitig auftretende Permanganat entfärbende Substanzen klar, dass sie stickstofffrei sein müssen. Nach unseren allgemeinen Kenntnissen über den Stoffwechsel kommen bei weitem in erster Linie als unvollständige Abbauprodukte organische Säuren in Betracht, z. B. Milchsäure, Buttersäure, .Essig- säure usw. Diese Säuren nun werden von der Permanganatlösung ganz ausserordentlich vollständig oxydiert. Als Beispiele seien er- wähnt: Veinsaurer nn. 2000,22.955812/0 Bhenol 22 20 2020225075.5022/0 Wenn also die Ausscheidung solcher Stoffe durch eine Zunahme der Permanganat entfärbenden Substanzen von 0,9 mg pro Liter ge- messen ist, so beträst die wirklich ausgeschiedene Menge der Stoffe nicht sehr viel mehr und würde auf 1 mg anzugeben sein. Berechnen wir die Menge der Substanzen, die aus dem See- wasser aufgenommen worden sind, nur nach der direkt bestimmten Abnahme der Permanganatentfärbung, so bekommen wir im all- gemeinen einen viel zu kleinen Wert, da wir die Ausscheidung unvollständiger Abbauprodukte vernachlässigen. Gelingt es die Grösse beider Prozesse zu ermitteln, beide ausgedrückt in der Sauerstoff- menge aus Permanganat, die für die ausgeschiedenen bzw. auf- genommenen Stoffe verbraucht wird, so haben wir damit noch keinen getreuen Vergleich; denn es ist zu rechnen, dass die Menge der aufgenommenen Stoffe etwa doppelt so gross ist, als die Sauerstoffzahl angibt, die Menge der Endprodukte aber nur etwa 1,1 mal so gross. Nehmen wir einen schematischen Fall: ein Tier soll ganz von gelösten organischen Stoffen leben und pro Stunde aus 1 Liter See- wasser 1 mg Zucker entnehmen, den es zur Hälfte in einer Butter- säuregärung umsetzt, zur Hälfte vollständig oxydiert. Dann würden wir folgendes beobachten: Der Sauerstoffverbrauch würde 0,5-1,12 — 0,56 mg betragen. Ausgeschieden würden 0,245 mg Buttersäure, die etwa 0,23 mg Permanganatsauerstoff verbrauchen würden. Das 1 mg Zucker hätte 0,56 mg Permanganatsauerstoffverbrauch, so dass die direkt be- obachtete Abnahme an Permanganatsauerstoff nur 0,56—0,23 = 0,33 mg betragen hätte. Würden wir diese Menge mit dem verbrauchten Sauerstoff vergleichen, so kämen wir zu dem Schluss, dass nur 59 %/o des Stoffbedarfs durch Resorption gelöster organischer Verbindungen 606 August Pütter: gedeckt worden wären, während tatsächlich der ganze Bedarf auf diesem Wege gedeckt wurde. Das Beispiel darf nicht als ein extremes angesehen werden, sondern nähert sich sicher weit verbreiteten typischen Fällen. Versuche an Ascidia mamillata. Es wurden bisher an zwei Tieren die Verhältnisse der Perman- ganat entfärbenden Substanzen näher untersucht. Über die Untersuchung an Aetinia equina habe ich a. a. O.!) berichtet, wo der Stoffwechsel der Aktinien im allgemeinen näher untersucht wurde, und werde daher hier nur die Resultate geben (s. u.). Als weiteres Objekt verwendete ich Aseidia (Phallusia) mamillata, an der diese Verhältnisse hier erläutert werden sollen. Es kam zunächst darauf an, zu erfahren, ob überhaupt eine Abnahme der Permanganat entfärbenden Substanzen während eines Stoffwechselversuches bei Ascidia nachweisbar sei. Um dies zu be- legen, mögen die beiden folgenden Versuche dienen. ; Gewicht Sauer- Permanganat-Sauerstoff = Zahl il ? stoff- 5 BR 4 = E Fr Nr. | Temp. | der Ti Dauer [verbrauch zu zu I& 1 Tiere ne pro Liter | Anfang EindeWal sus nun NE g Std. mg mes em sagen, | | 1 10,9 2 64 232 1,50 1,00 | Re len 2 10,9 1 22 3,0 1,24 FU 063 — 0,32 Es ist hieraus zunächst zu ersehen, dass oxydierbare Sub- stanzen während des Versuches aus dem Wasser ver- schwunden sind. Die Versuche sind so geleitet, dass nur die Tiermenge variiert, und dass zu erwarten ist, dass während des Versuches, der einen ganzen Tag dauert, die geringen absoluten Mengen gelöster organischer Stoffe, die das Seewasser enthält, schon von der kleinsten verwendeten Tiermenge (22 g) so vollständig aus- genutzt wurde, wie es überhaupt physiologisch möglich ist. Dadurch wird die Menge der aufgenommenen Stoffe unabhängig von der ver- wendeten Tiermenge; denn mehr, als alles, was verfügbar ist, können auch die vielen Tiere nicht resorbieren. 1) Stoffwechsel der Aktinien. Erscheint in Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 12. 1911. ke Bra 5 a an tl un a m a EL Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen, 607 Mit der Tiermenge variiert natürlich die Menge der Ausscheidung unvollständiger Oxydationsprodukte, und sie wird, je grösser die Tier- menge ist, um so mehr die nicht steigende Menge der resorbierten Stoffeübertreffen. Um ein Maass für die relative Menge dieser Produkte zu bekommen, kann man annehmen, dass auf einen Teil verbrauchten Sauerstoff stets ein bestimmter Anteil Sauerstoff für unvollständige Abbauprodukte verbraucht wird, d. h. dass die Per- manganatausscheidung proportional dem Gesamtumsatz, gemessen am Sauerstoffverbrauch, sei. Wir hatten durch die Art der Anordnung des Versuches die Menge des Resorbierten, die wir y nennen wollen, konstant gemacht (bei Konstanz aller übrigen Bedingungen); die Ausscheidungsmenge © dagegen variiert als Funktion des bekannten Sauerstoffverbrauches, sie verhält sich also in den beiden Versuchen 1 und 2 wie 1,50 zu 1,24, und zur Berechnung der beiden Unbekannten haben wir daher die Gleichungen: es, Yu — 0,2% 1,24 # — y = — 0,32 el Yy— 0,61 Sonach betrug die Ausscheidung im Versuch 1 0,345 mg, | ä u 2 0,285 mg. die Resorption in beiden Fällen 0,61 mg, d. h. 61°o der ganzen, zu Anfang des Versuches vorhandenen Menge oxydierbarer Substanz. Es ist anzunehmen, dass der Rest an oxydierbarer Substanz, den wir noch am Ende des Versuches fanden und der 0,39 mg beträgt, überhaupt nicht resorbiert werden würde, wie lange auch der Ver- such dauerte, dass er also aus Substanzen besteht, die für Aseidia unausnutzbar sind. Gerade im Wasser, das an der Küste entnommen ist, werden ja neben den Algen-Assimilaten stets Zerfallsprodukte verschiedener Art im Meere enthalten sein, die nicht — oder doch nur für be- stimmte Tiere — als Nährstoffe in Betracht kommen. An den beiden ersten Versuchen sollte das Prinzip klargelest werden, nach dem es möglich ist, Resorption und Ausscheidung von- einander zu trennen. Sie waren besonders einleuchtend, weil in ihnen wirklich eine sichtbare Abnahme der organischen Substanzen erfolgte. In den folgenden drei Versuchspaaren sind nur zwei Ver- 608 August Pütter: suche, in denen eine Abnahme zu beobachten ist; aber nach dem eben entwickelten Prinzip können wir auch aus ihnen die Grösse der Resorption berechnen. Es sind immer nur die einzelnen Paare untereinander ver- gleichbar, weil nur so die Bedingung erfüllt ist, dass die Tiermenge die einzelne Variable darstellt. Konstant erhalten werden müssen: 1. Die Anfangskonzentration der organischen Stoffe, die da- dureh gewährleistet ist, dass die Versuche eleichzeitig mit Wasser aus demselben Gefäss beschickt wurden. 2. Temperatur und Dauer. Das letzere ist wichtig, da Versuche verschiedener Dauer nicht unmittelbar vergleichbar sind. Die drei Versuchspaare der folgenden Tabelle geben drei Gleichungen, durch die wir für jeden erfahren, wie gross Ausscheidung und Aufnahme waren. Umsatz der Permanganat entfärbenden Substanzen durch Ascidia mamillata. f Ge- Sauer- Permanganat- Tempe-| Zahl | wicht | Dauer | stoff- sauerstoff Kal Nr.| ratur | der | der in [verbrauch im Liter ande Tiere | Tiere | Stunden] pro Liter | Anfang | Ende uns Yeh g mg mg mg rl 3 10,6 4 233 | .21,8 5,15 1,22 2,12 + 0,90 4 | 10,6 3 134 | 22,0 3,37 1,22 1,53 +0,31 sl? 11,1 4 233 19,0 7,60 0,96 1,39 + 0,43 6 11,1 3 134 | 19,3 3,16 0,96 0,50 | —0,16 7 10,9 3 224 |: 283,7 6,28 0,96 117 |. +0,21 Is] s 9 150 24,0 | 2,80 0,96 0,80 — 0,16 I. 5,15 & — y = 0,90 1,7 — 0,8 — 0,9 3,372 —y= 0,31 1,1 — 0,8 = 0,3 © — 0,328 u 0495 Es betragen also: Aufnahme Abgabe in Versuch 3 0,8 km 4 4 0,8 Il Die Resorption beträgt 66 °o des Bestandes. II. 7,60 2 — y = 0,43 1,14 — 0,72 — 0,43 3,762 — y—=—0,16 0,57 — 0,72 — — 0,16 en: y— 0,12 . u a a DE BZ Zn A ne Zn m en m ar nn Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 609 Es betrugen also: Aufnahme Abeabe in Versuch 5 0,72 1,2: E e 6 0,72 0,57 Die Resorption betrug 75 °o des anfänglichen Bestandes. II. 6,282 — y = 0,21 0,64 — 0,46 = 0,21 2,802 — y—=—016 0,83 — 0,46 = — 0,16 z—= 0,108 y == 0,46 Es betrug also: Aufnahme Abgabe in Versuch 7 0,46 0,64 5 5 6) 0,46 0,30 Die Resorption betrug 48°/o des anfänglichen Bestandes. Wir haben jetzt alle Daten beisammen, die es gestatten, ein Bild des Umsatzes der Aseidien und der Beteiligung der gelösten Nährstoffe an demselben zu entwerfen. Die folgende Tabelle enthält alle notwendigen Zahlen. Anteil der gelösten organischen Verbindungen am Stoffwechsel der Ascidia mamillata. Sauer- |Ausscheidung| Resorption | Bestand an Re- |[Proz.d.Sauer- stoff- |permanganat-| gelöster | Ppermanganat- | sorption | stoffbedarfs, Nr. |verbrauch| entfärbender [organischer] ettfärb. Stoffen | jn Proz. | die durch pro Liter Stoffe Stoffe | Anfang | Ende des Resorption mg Img Sauerstoft|mgSauerst.| mg mg |Bestandes| gedeckt sind 1! 1,50 0,345 0,61 1,00 | 0,39 61 41,5 2 1,24 0,285 0,61 1,00 | 0,39 61 49,5 3 5,15 1,70 0,80 122 | 0,42 66 15,3 4 3,91 1,10 0,80 1,22 | 0,42 66 23,9 d- 7,60 0,14 0,72 0,96 | 0,24 75 9,5 6 3,16 0,57 0,72 0,96 | 0,24 75 19,0 7 6,28 0,64 0,46 0,96 | 0,50 46 1,2 8 2,80 0,30 0,46 0,96. | 0,50 46 16,2 Der erste und für uns wiechtieste Punkt ist die Ausnutz- barkeit hochverdünnter Nährlösungen. Von den Per- manganat entfärbenden Substanzen, deren Menge pro Liter nur 0,96 bis 1,22 mg Sauerstoffverbrauch entsprach, sind in zwei Fällen 46°/o, in den übrigen Fällen 61—75°/o ausgenutzt worden. Die Mengen, welche am Schluss der Versuche vorhanden waren, entsprachen pro Liter nur 0,24—0,50 mg Sauerstoffverbrauch. Das ist ein direkter 610 August Pütter: experimenteller Beweis für die physiologische Verwertung dieser äusserst verdünnten Lösungen, wie er bündiger kaum erbracht werden kann. Wir haben es bei Ascidia mit einem oligotropho- philen Organismus zu tun. Um das Bild plastischer zu gestalten, wollen wir Knachmen: es handele sich in den aufgenommenen Stoffen um Zucker, eine An- nahme, deren Begründung schon gegeben wurde, und können dann die vorhandenen und aufgenommenen Zuckermengen direkt angeben. Das Wasser enthielt 1,4—1,3 mg Zucker im Liter, d. h. es bestand eine Verdünnung von etwa 1:600000, und es wurde resorbiert, bis die zurückbleibenden Mengen nur 0,73—0,35 mg pro Liter betrugen, d. h. bis eine Verdünnung von etwa 1:2000000 bestand, und wir konstatieren: Aseidia mamillata ist imstande, Zucker bei Ver- dünnung von 1:0, bis 1:2 Millionen zu resorbieren. Welche physiologische Bedeutung diese Resorption hat, kann man näherungsweise aus dem letzten Stabe der Tabelle ersehen. Es kommen, sobald wir die wirkliche Bedeutung der Resorption ab- schätzen wollen, natürlich nur die Versuche mit möglichst geringen Tiermengen in Betracht, da in den übrigen Versuchen systematisch Bedingungen geschaffen wurden, welche die Ausscheidung gross im Verhältnis zur Aufnahme machen mussten. In den Versuchen 1 und 2 hätten 41,5—49,5 °/o des ganzen Sauerstoffverbrauches erst hingereicht, um die aufgenommenen organi- schen Stoffe soweit zu oxydieren, wie es mit der Permanganatlösung geschieht. Diese Zahlen können angesehen werden, als unterhalb der unteren Grenze liegend, wenn man die Bedeutung der Nährstoffe abschätzen will; denn die Resorptionsbedingungen haben sich während des Versuchs dauernd verschlechtert. Die Konzentration der ge- lösten Stoffe hat sich ja von 1,00 auf 0,39 vermindert, und wenn wir mit Arrhenius ansetzen, dass die Resorptionsgeschwindigkeit proportional der Wurzel aus der Konzentration ist, so würden sich ihre Geschwindigkeit zu Anfang und zu Ende wie 1: 0,625 verhalten, d. h. die Anfangsgeschwindigkeit würde die mittlere Geschwindig- 2 | der ganzen Versuchsdauer mit gleicher Geschwindigkeit wie zu Anfaug resorbiert worden, so. würden statt 0,61 mg' 0,76 mg. auf- 2 » keit (5) und das 1,24fache übertreffen. Wäre also während Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 611 genommen worden sein, d. h. es wären 61°/o der verbrauchten Sauerstoffe zur Oxydation der aufgenommenen Stoffe verwendet worden. Tatsächlich liegen die Dinge übrigens noch günstiger für die Ernährung durch gelöste Stoffe. Es wurde oben schon betont, dass die Tiermengen immer so gross waren, dass sie in einem Versuch alles resorbierten, was an — für diese Spezies — resorbierbaren Stoffen vorhanden war. In Versuch 1 und 2 betrug diese Menge 0,61 mg zu Anfang und zum Schluss Null. Unter dieser Annahme wäre dann die anfängliche Resorptionsgeschwindigkeit gleich der doppelten mittleren Geschwindigkeit und es wären nicht 61 °/o sondern 96 %/o des gesamten Sauerstoffverbrauchs erforderlich, um diese Nähr- stoffmenge, die bei der Anfangsgeschwindiekeit aufgenommen wurde, zu oxydieren, d. h. es würde dann praktisch der ganze Bedarf an Nährstoffen bereits aus der Lösung gedeckt. Es liessen sich diese Erörterungen noch etwas weiter führen und unter der Annahme, dass die resorbierte Substanz Zucker ge- wesen sei, der Anteil am Gesamtumsatz berechnen, doch würde eine solche Rechnung das gewonnene Resultat nicht erweitern, das in der Erkenntnis besteht, dass unter den uneünstigen Versuchs- bedingungen schon mindestens 49°%0 des Bedarfs durch resorbierte Stoffe gedeckt wurde, und dass in dem benutzten Seewasser, wenn die Anfangskonzentration erhalten geblieben wäre, der Anteil der gelösten Stoffe 61—96 °/o betragen haben würde. Diese Erfahrungen über die Resorption gelöster organischer Verbindungen geben einige Fingerzeige, wie weitere Versuche zu gestalten sein würden. Es ist in erster Linie darauf zu achten, dass der Sauerstoffverbrauch nur gering ist, d. h. die Versuche sind möglichst abzukürzen. Es ist weiter darauf zu achten, dass die Ausscheidung gelöster organischer Verbindungen möglichst gering ist. Das kann einerseits durch Auswahl geeigneter Objekte erreicht werden, die eine möglichst vollständige Oxydation ihrer Nährstoffe vornehmen, z. B. Fische; andererseits aber kann man bei einem Objekt, das bei niederer Temperatur unvollständige Oxydations- produkte ausscheidet, erwarten, dass diese bei höherer Temperatur zurücktreten, wie es z. B. Brunow!) unter meiner Leitung für den Flusskrebs nachgewiesen hat, bei dem nur unterhalb 14° C. 1) Die Arbeit erscheint demnächst in der Zeitschr. f. allgem. Physiol. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. 40 Slam August Pütter: solehe Permanganat entfärbenden Stoffe in den Ausscheidungen ge- troffen werden. Die Sommermonate wären also — besonders am Mittelmeer — zu solehen Versuchen dem kühlen Frühjahr vor- zuziehen. Besonders wird auch darauf zu achten sein, dass die vorhandenen Permanganat entfärbenden Substanzen wirklich Assimilate der Algen und nicht Zerfallsprodukte dunkler Herkurft sind. Es ist also am besten, stets frisches Wasser von landfernen Positionen zu holen und eventuell der Gehalt an Assimilaten künstlich zu steigern, in dem es einige Zeit, mit Algen versetzt, im Licht gehalten und dann nach Filtration zum Versuch benutzt wird. Versuche an Actinia equina. Bei Ascidia hatten wir in den Versuchen konstant erhalten: Wassermenge, Dauer, Temperatur und Anfangsmenge der gelösten organischen Verbindungen, und hatten nur die Tiermenge variiert. Bei Actinia habe ich eine andere Anordnung getroffen. Es wurde konstant gehalten: Wassermenge, Dauer, Temperatur und Tiermenge, dagegen variierte in den Versuchen die Anfangskonzentration der gelösten organischen Verbindungen. Wie aus der Aufzählung der variablen Faktoren hervorgeht, sind noch drei weitere Versuchs- anordnungen möglich, die ich bisher noch nicht angewandt habe, und bei denen immer nur ein Faktor variiert, die anderen konstant gehalten werden. Da über die Versuche an Actinia in anderem Zusammenhange ausführlich berichtet worden ist, sollen hier nur die Ergebnisse folgen. Umsatz der Permanganat entfärbenden Substanzen durch Actinia equina. Permanganat entfärbende Stoffe im Liter Änd Anderung nderun ö zu Anfang ne 5 in Prozenten des mg mg mg Anfangsbestandes 1,31 2,97 + 1,66 + 12,6 1,87 2,74 + 0,87 + 46,5 2,02 2,93 + 0,91 + 45,5 2,25 2,43 + 0,23 + 10,2 2,60 2,03 — 0,57 — 21,8 2,65 2,03 — 0.65 — 24,2 2,75 2,35 —.0,37 135 2,82 2,19 — 0,66 — IN) 3,28 2,25 — 1,10 — 31,0 Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen, 613 Die beistehende Tabelle eipt die Anfangs- und Endmengen an Permanganat entfärbenden Substanzen, und daraus berechnet die absolute und prozentuale Änderung des Bestandes. Es ist ohne weiteres klar, dass die Änderung der Konzentration eine Funktion der anfänglichen Menge ist; denn bei geringen Anfangsmengen bekommen wir überwiegende Ausscheidung, bei steigenden Anfangsmengen tritt die Ausscheidung mehr und mehr in den Hintergrund. Unter der Annahme, dass bei der geringsten verwendeten Anfangsmenge von 1,31 mg pro Liter überhaupt keine Resorption stattfand — die Stoffe waren wohl Zerfallsprodukte anderer Tiere, denn das Wasser wurde aus den Aquarien der Station entnommen —, lässt sich für die übrigen Versuche die Grösse der Aufnahme gelöster Stoffe berechnen. Ich gebe einige Daten aus meiner oben zitierten Arbeit. Resorption Permanganat entfärbender Substanzen durch Actinia equina. Konzentration Abnahme zu Anfang zu Ende %/o 1,31 1,31 0 1,87 1,08 43,0 2,82 1,27 38,9 2,25 0,81 64,0 2,60 0,37 86,0 2768 0,37 86,3 2,12 0,69 175,7 ’85 0,53 81,4 i 3,25 0,59 32,0 Daraus ist also deutlich zu ersehen, dass auch Actinia equina aus der hochverdünnten Nährlösung des Seewassers sehr bedeutende Mengen von Nährstoffen resorbiert. Wie ich a. a. O. gezeigt habe, deekt sie unter den ungünstigen Bedingungen des Versuches in 2,5 Litern (Dauer 1 Tag) mindestens 30 bis 40°/o ihres Gesamt- bedarfs und würde, wenn die Anfangskonzentration erhalten bliebe, mindestenst 42 bis 56 °/o des Bedarfs decken. 4. Die Bedeutung von „Därmen“ und „Fangapparaten‘“. Es ist ein weitverbreiteter Fehlschluss, dass die Existenz eines Mechanismus, der geeignet ist, bestimmte Leistungen zu voll- bringen, schon bewiese, dass diese Funktion ausgeübt wird, oder dass sie gar notwendig sei. 40 * 614 August Pütter: Von diesem — etwas kindlichen — theoretischen Standpunkte aus bin ich öfters dem Einwand begegnet, es spräche gegen meine Theorie der Ernährung durch gelöste Nährstoffe, dass viele Tiere höchst entwickelte Apparate besitzen, deren Bedeutung „offenbar“ „nur“ darin liegen könne, dass sie dem Erwerb geformter Nahrung dienen. Die Argumentation mit „offenbar“ oder „bekanntlich“ sollte stets ein Misstrauen erwecken; denn „offenbar“ sind uns die Leistungen keines Mechanismus an Organismen, wir können ihren Sinn erst durch gründliehes Studium erkennen, bzw. das, was „offenbar“ ist, trifft in den seltensten Fällen den tieferen Sinn einer Sache. Die Behauptung, dass eine Einrichtung „nur“ dieser oder jener Funktion diene, zeigt ganz allgemein, dass der, der sie aufstellt, eine höchst primitive Vorstellung von den Verwicklungen des Ge- schehens im lebenden Organismen hat. Da aber derart naive Anschauungen sich noch weiter Ver- breitung in naturwissenschaftlichen Kreisen erfreuen, muss ich an dieser Stelle, auf experimentelles Material gestützt, etwas näher auf sie eingehen. Wenn wir die „Mundöffnung“ der Aktinien von einem Kranz von Tentakeln umgeben finden und beobachten, wie sie ihn zuweilen zum Beutefang benutzen, so ist damit erwiesen, dass diese Tentakeln als Fangorgane dienen können; sobald man aber diese Erfahrung in der Art verallgemeinert, dass man jeden derartigen Tentakelkranz, wie er sich z. B. bei den Oktokorallen findet, als Organ des Beute- fanges hinstellt, begeht man schon einen Fehlschluss. Gerade hier bei den Oktokorallen sind die Dinge etwas näher untersucht und haben zu dem Resultat geführt, dass diese Tentakel keine Fangorgane sind; denn was an kleinen Tieren oder Fleisch- stückehen ihre Oberfläche berührt, wird nicht ergriffen und in den Schlund gesteckt, sondern der Tentakelkranz schliesst sich über der „Mundöffnung“ und schützt diese vor dem Eindringen von „Nahrungsbroecken“. E. Pratt hat dies Verhalten beobachtet; und Kückenthal kam zu ganz gleichen Resultaten. Er betont mehrfach, dass er niemals feste Nahrung im Innern der Polypen beobachtet habe, und über die Bedeutung der Tentakel sast er (l. ce. S. 325): „Auf- nahme von festen Nahrungsstoffen auf seiten der Polypen konnte ich Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindnngen. 615 nieht bemerken. Auch fein zerriebenes Fischfleisch, welches ich dem Wasser zufüste, wurde nicht aufgenommen, vielmehr trat aus den Polypen ein schleimiges Sekret heraus, welches die Körnchen um- spann und auf der Oberfläche der Kolonie festheftete.“ Wie nahe liest es, von den Tentakelkränzen zu erklären, sie „müssten“ doch „offenbar“ der Nahrungsaufnahme dienen, und trotz- dem besteht ihre Funktion gerade im Gegenteil im Schutz vor ge- formten Partikeln. Für die Gehäuse der Appendikularien habe ich a. a. O. eben- falls die Gründe beleuchtet, die diese Apparate als Schutzeinrich- tungen gegen geformte Bestandteile des Meeres erscheinen lassen, mögen es organische oder anorganische Partikel sein. Wenn aber die Nahrung in gelöster Form resorbiert wird, wo- zu haben denn die Tiere überhaupt „Därme“? Diese Fraze ist mir oft entgegengehalten worden. Anstatt durch eine Erörterung der mannigfaltigen Funktionen, die den Organen obliegen kann, die der Morphologe kurz und schlicht als „Därme“ bezeichnet, will ich durch ein wirklich untersuchtes Beispiel antworten. Die Korallen gehören zu den Organismen, für die ich so weit sehen möchte, die völlige Entbehrlichkeit geformter Nahrung zu behaupten, was ich durchaus nicht für alle Tiere zu tun geneigt bin, bei denen die Ausnutzung gelöster Nährstoffe nachgewiesen ist. "Wozu dient nun den Korallen ihr Gastrovaskularsystem ? Eine Untersuchung der Stoffe, die die Flüssigkeit des Gastro- vaskularsystems enthält, gibt eine klare ‘Antwort hierauf. Wasser aus dem Gastrovaskularsystem verschiedener Cölenteraten. Alle Werte für 100 ccm. Stickstoff Albuminoid- Permanganat- als Ammoniak stickstoff sauerstoft 1 I Nr. | Innen- |Aussen-| Innen- | Aussen | Innen- | Aussen- 1 wasser | wasser | wasser | wasser | wasser | wasser mg mg mg | mg mg mg | | Alcyonium { j 0,14 0,005 | 0,050 | 0,005 = _ palmatum 2 0,20 0,010 | 0,100 | 0,005 3,43 0,20 1 0,12 0,010 | 0,025 | 0,005 — — - 2 0,09 | 0,000 | 0,010 | 0,005 310 | 0,3 Pennatula ptercides B\ 0.08 | 0.005 en 1330016 ıı 4 0,24 | 0,000 En 2,70 | 0,10 1 0,08 | 0,000 | 0,040 | 0,005 — Anemonia vulcata 2 0,03 | 0,005 | 0,060 | 0,005 1,08 | 0,20 3 0,14 0,060 = — 1,32 | 0,2 616 August Pütter: Es wurde der Gehalt an Ammoniak, an „Albuminoid*-Stick- stoff und an Permanganat entfärbenden Stoffen untersucht; die Ergebnisse enthält die vorhergehende Tabelle (S. 615). Zu übersichtlichen Mittelwerten zusammengefasst, lehren die folgenden Daten, dass alle drei Gruppen von Stoffen im Wasser des Gastralraumes stets in viel höherer Konzentration vorhanden sind als im umgebenden Seewasser. 1. Ammoniak: aA Aleyonium22.77017 220005213: Pennatula . . 0,133 20,002 — 33,071, Anemonlar ... 720,08070023 78, Hr 2. Albuminoidstickstoff: T:DA! Aleyonium222..20:0752.0,005 1532 21% Bennafnlar =. 20:018.:20.005 —28:0315 Anemonlar 7..2...:.0:05020.005 102 221% 3. Permanganatsauerstoff: JEAN Alevoniume 20 28,482 02 ll 2: Bennatular. 222. 270254072082 ale AREIOWaL 22 Zr ee Das Wasser des Gastrovaskularsystems der Oktokorallen und Aktinien erscheint derart angereichert mit den Stoffwechselendprodukten dieser Tiere, dass man es fast als ihren Harn bezeichnen könnte, was allerdings falsche oder doch unerwiesene Vorstellungen über die Provenienz des Wassers im Gastralraum erwecken könnte. Das Gastrovaskularsystem der Oktokorallen und Aktinien dient also der Ausscheidung von Stoffwechselendprodukten ; aber ich möchte weder behaupten, dass es nur der Ausscheidung dient, noch dass die Ausscheidung nur durch das Epithel des Gastrovaskularsystems erfolgt. Für die letztere Annahme könnte man die biologische Beob- achtung ins Feld führen, dass die Zoochlorellen, die die End- produkte des Stoffwechsels der Aktinien verarbeiten, wie ich a. a. O. gezeigt habe, gerade in den Zellen des Entoderms leben, was jeden- falls dafür sprechen dürfte, dass die Endprodukte hier in höherer Konzentration vorhanden sind als im Ektoderm. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 617 Dass aber das Ektoderm noch andere Funktionen als die Ex- kretion hat, darüber haben wir gleichfalls Kenntnisse. Die Gastral- filamente können ein Sekret absondern, das — wenigstens bei den Aktinien — Verdauungsfermente enthält. Dieser Teil sezerniert also. Dafür, dass aber auch eine Resorption stattfinden kann, sprechen einige Versuche, in denen der Sauerstoffgehalt von Wasser aus den Stämmen von Pennatula und Aleyonium untersucht wurde. Auf 1 Liter umgerechnet wurden folgende Sauerstoffmengen gefunden: Aussenwasser Innenwasser Aleyonium . . 7,68 4,05 Pennatulla . . 5,90 2,95 7,68 5,03 8,41 3,97. Das Innenwasser ist also — bei stark angeschwollenen Stöcken — immer viel ärmer an Sauerstoff als das Aussenwasser, was zwar kein bündiger Beweis einer Resorption ist, aber doch die Annahme einer solchen sehr nahe legt. In diesem Zusammenhange sind die Beobachtungen über das periodische An- und Abschwellen der Aleyoniden und Pennatuliden bemerkenswert, das noch kürzlich Kükenthal genauer beschrieben hat"). Es wäre daran zu denken, dass die Wasseraufnahme der Ausspülung von Exkreten dient, und die Beobachtung, dass in sauerstoffarmem Wasser (ausgekocht) die Wasseraufnahme ganz enorme Grade erreicht, legt den Gedanken nahe, dass die Entstehung un- vollständiger Abhauprodukte, wie wir sie bei verminderter Sauerstoff- zufuhr so vielfach beobachten können, hier den Reiz für eine abnorm vermehrte Wasseraufnahme abgibt. 5. Die Beweiskraft der Wolff’schen Versuche über die Ernährung von Simocephalas. In einer wertvollen experimentellen Studie ist Max Wolff?) der Frage nähergetreten, ob Entomostraken ohne geformte Nahrung leben und wachsen können, und es ist ihm gelungen, an Simoce- phalus folgende Punkte zu beweisen: 1) W. Kükenthal, Beobachtungen an einigen Korallentieren des Adriatischen Meeres. „Aus der Natur“ Jahrg. 5 S. 321—328. 1909. 2) Internat. Revue f. d. ges. Hydrobiologie u. Hydrographie Bd. 2. 1909, 618 August Pütter: 1. Weibchen von Simocephalus können in Aquariumwasser, das durch bakteriendichte Filter filtriert ist, länger als 21 Tage leben, während sie in ebenso behandeltem Leitungswasser in 10 Tagen absterben. 2. Die Häutungen gehen im Aquariumwasser bei den erwachsenen Tieren etwa alle 5 Tage in normaler Weise vor sieh; die Kontroll- tiere im Leitungswasser warfen in 10 Tagen nur je eine Haut ab und starben dann. 3. Aus Eiern, welche im filtrierten Aquariumwasser abgelest werden, entwickeln sich Junge, die etwa alle 3 Tage eine Häutung vollziehen und länger als 21 Tage unter diesen Bedingunsen zu leben vermögen, während die Jungen, welche in Leitungswasser ge- bracht wurden, nach höchstens 12 Tagen tot waren, wobei nur eine Haut abgeworfen wurde. 4. Dass nicht eine schädigende Beschaffenheit des Leitungs- wassers, sondern nur seine Armut an Nährstoffen die Tiere zum Absterben brachte, bewiesen Kontrollen, in denen zum Leitungs- wasser Zweige von Elodea zugesetzt wurden, wie sie im Aquarium ent- halten waren. In diesen Kontrollen entwickelten sich die Tiere gut. Gegen die Technik der Fernhaltung geformter Nahrung werden sich Einwendungen nicht erheben lassen, und aus dem Vereleich zwischen der Lebensdauer von Tieren jn Leitungswasser (nährstoff- arm) urd Aquariumwasser (nährstoffreich) geht ja schon zur Evidenz hervor, was die Tiere etwa mit Hilfe der Stoffe ihres Körpers im Hungerstoffwechsel zu leisten vermögen. Trotzdem lehnt Bieder- mann auch diese Versuche ab mit dem Bemerken, es könnten die Tiere doch wohl auf Kosten der Depots von Stoffen, die sie in ihrem Körper enthalten, die Jungen produzieren und diese ohne Stoffauf- nahme heranwachsen. Ich habe es mit Rücksicht auf die von mir mitgeteilten Unter- suchungen über die Intensität des Stoffumsatzes bei niederen Krebsen in der zusammenfassenden Darstellung über die Ernährung der Krebse nicht für nötig gehalten, diese Annahme im einzelnen zu widerlegen, da ich das von der Urteilsfähigkeit der Leser selbst er- wartete; wenn aber jetzt ein derartiger Einwand doch auftritt, muss ich etwas näher auf die Sache eingehen. Um den Umsatz von Simocephalus abzuschätzen, kann man die Werte des Sauerstoffverbrauchs verwenden, die ich für Calanus und Cyelocypris gewonnen habe. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 619 Der Sauerstoffverbrauch pro kg Lebendgewicht und Tag be- trägt bei m =) Galanusaa Cyeloeypris . . 18,5°:86 RR Da Wolff’s Versuche bei etwa 15° angestellt sein dürften, so wollen wir nur 50 g pro kg/Tag rechnen. Ein kg Lebendgewicht von Simocephalus würde bei 15%o Trockensubstanz und einem Fettgehalt von 10°o in der Trocken- substanz etwa 215 mg Sauerstoff zur Oxydation verbrauchen, d. h. der Umsatz würde pro Tag 23,3 °/o des Bestandes betragen. Die Halbwertzeit würde danach 2,6—2,7 Tage betragen, d.h. nach 3 Tagen hätte die Anfangsmenge auf !/s abgenommen, und beim Tod der Hungertiere in Leitungswasser, der nach 10 Tagen eintrat, wären weniger als 10°o der Anfangsmenge vorhanden gewesen. Die Kontrolltiere aber haben nach 21 Tagen noch alle gelebt, hätten sie gehungert, so wäre ihr Stoffbestand nur !/25s der Anfangs- menge gewesen. - Eine solche Annahme ist unmöglich. Ist schon ein Ver- brauch von ca. 90°%o des Anfangsbestandes bis zum Hungertod, wie wir ihn für die Kontrolltiere unter der Voraussetzung ansetzen, dass sie wirklich nichts aus dem Wasser aufgenommen hätten, sehr hoch, so liest eine Abnahme auf 0,39°%o des Anfangsbestandes eänzlich ausserhalb des Bereiches der physiologischen Möglichkeit. Dazu kemmt noch, dass die Hungertiere nur je eine Häutung durch- machten, während die Tiere in Aquariumwasser in derselben Zeit 5 Häute, also jedes 2—3, lieferten. Endlich die Juneen: Auch hier sind die Kontrolltiere in Leitungswasser nach läng- stens 12 Tagen alle abgestorben, nachdem eine Haut abzeworfen wurde; die Tiere im Aquariumwasser leben alle, und haben im ganzen etwa 35 Häute geliefert. Besonders bemerkenswert ist der Vergleich der Häutungszeiten der Tiere im Aquariumwasser mit Tieren unter normalen Bedingungen in der Natur. Cunnington gibt 4—5 Tage für eine Häutung der erwachsenen 'Tiere an, und Wolff fand in seinen Versuchen 5 Tage. Für junge Tiere vermutet Cunnington eine raschere Folge der Häutungen, und Wolff findet etwa 3 Tage. Alle diese Daten stehen also in vollster Übereinstimmung mit dem bündigen Schluss, dass 620 August Pütter: eine völlig normale Ernährung durch die gelösten Stoffe stattgefunden hat. Die erwachsenen Weibchen müssen im Versuch 210,233 mal, d. h. 4,9 mal die Menge ihrer eigenen Trockensubstanz umgesetzt haben, auch wenn man die Produktion der neuen Häute und den Stoffverlust durch Abwerfen der alten gar nicht in Rechnung bringt. Ich muss also gegenüber der Bemerkung Biedermann’s, die geeignet ist bei dem, der die Originalversuche nicht kennt, ihre Beweiskraft herabzusetzen, auf das schärfste betonen, dass der Ein- wand, den Biedermann ohne nähere Erörterung hinwirft, jeder sachlichen Begründung völlig entbehrt. Schluss. Ich möchte in Form einiger Thesen die wichtigsten Resultate zusammenstellen, die die Untersuchungen über die Ernährung der Wassertiere ergeben haben. Es ist sicher erwiesen, l. dass die Menge gelöster organischer Verbindungen im Meere die Menge der Organismenleiber um das Mehrhundertfache übertrifft (Daten von Natterer, Raben, Lohmann); i 2. dass Algen gelöste Assimilate ausscheiden, und zwar a) an die Gewebe der Aktinien (an Aiptaria festgestellt), b) an das See- wasser (S. 0.); 3. dass Tiere gelöste organische Stoffe aufnehmen können, auch wenn deren Konzentration nur 1:280000 bis 1:2000000 beträgt (Aetinia und Asecidia); 4. dass Tiere leben können, welehe höchstens !/ıooo ihres Stoff- bedarfes durch Verdauung geformter Nahrung decken können (Sube- rites, Oktokorallen, Rhizostomeen); 9. dass Tiere ganz ohne geformte Nahrung leben und Eier ablegen können, dass ohne geformte Nahrung aus dieser Kiern Junge er- wachsen, die sich häuten und in derselben Geschwindigkeit sich ent- wickeln wie Tiere unter den normalen Bedingungen der freien Natur (Max Wolff für Simocephalus): 6. dass die Gesamtmenge der Pflanzen im Plankton nicht hin- reicht, um den Nahrungsbedarf der herotrophen Planktonten zu decken (von mir erwiesen, von Lohmann zugegeben). Sollte es mir gelungen sein durch die Beweisführung, die ir den vorliegenden Blättern für die Richtigkeit meiner Anschauungen. Die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organ. Verbindungen. 62] über die Ernährung der Wassertiere durch gelöste organische Ver- bindungen gegeben ist, die Gegner dieser Lehre zu überzeugen ? Es wäre unberechtigter Optimismus, dies zu hoffen; denn bei mehr als eirem Forscher fand ich als Hauptargument gegen meine Lehre den Einwand: Ich glaube nicht daran. Gegen den Glauben durch sachliche Gründe anzukämpfen, ist törichtes Beginnen. Der Glaube versetzt ja Berge, warum sollte er nicht auch die Menge seformter Nahrung in die natürlichen Wässer versetzen können, die zu einer Ernährung der Wassertiere nötig wäre. Für alle diejenigen aber, die der Frage sine ira et studio näher- treten, glaube ich genügende Argumente gebracht zu haben, um gegen eine Ablehnung des Kernpunktes dieser Anschauungen sicher zu sein, mag die Beurteilung der quantitativen Bedeutung geformter Nahrungsstoffe für die einzelne Spezies oder die einzelne Familie bei verschiedenen Forschern etwas verschieden ausfallen. Die Tat- sache, dass die gelösten organischen Verbindungen, die in Verdünnungen von 1:30000 bis 1:100000 oder mehr in den natürlichen Wässern vorkommen, eine dominierende Rolle bei der Ernährung der Wasser- tiere spielen, wird mit sachlichen Gründen kaum mehr bestritten werden können. 522 Victor Bauer: Zu meinen Versuchen über das Farben- unterscheidungsvermögen der Fische!). ErwiderungancC. Hess. Von Vietor Bauer. Um diese Erwiderung nicht übermässig lang zu gestalten, über- sehe ich den ersten Teil der Hess’schen Polemik), der sich gegen die von mir herangezogene Literatur wendet, und beschränke mich auf die Abwehr der wichtigsten sachlichen Einwände gegen meine Versuche. Zu dem ersten, welchen Hess zitiert, äussert er, ich hätte darin bis ins Einzelne lediglich einen von ihm selbst angegebenen und an der Neapler Station oft vorgeführten Versuch wiedergegeben. Ich bemerke dazu, dass ich weder in seiner Publikation ?) die Mit- teilung eines mit dem meinen identischen Versuchs finden kann, noch mich erinnere, denselben in Neapel gesehen zu haben. Ich hoffe, dies wird aus folgender Gegenüberstellung ersichtlich werden: Hess teilt mit (S. 6 ff. seiner Arbeit), dass er die von ihm untersuchten Fische, nachdem sie sich in dem von einem mässig starken Spektrum bestrahlten Bassin vorwiegend im Gelbgrün bis Grün zusammengedrängt hatten, durch allmähliches Vorschieben eines breiten schwarzen Kartons vom violetten Ende her nach dem Rot drängen konnte (S. 7). Des weiteren wird dieser Versuch dahin präzisiert, dass die Tiere sich beim Vorschieben des Kartons vom brechbaren Ende her bis zum Gelbrot zusammendrängen lassen. Schiebt man jedoch „den Karton noch ein wenig weiter gegen das 1) V. Bauer, Über das Farbenunterscheidungsvermögen der Fische. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 133 S. 7—26. 2) C. Hess, Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 1—14. 3) C. Hess, Untersuchungen über den Lichtsinn bei Fischen. Arch. f£. Augenheilk. Bd. 64 Ergänzungsheft S. 1—38. Zu meinen Versuchen über das Farbenunterscheidungsvermögen etc. 623 langwellige Ende vor, so dass vom Spektrum für den durch das Bassin blickenden normalen Beobachter ein immerhin noch ziemlich helles Rot sichtbar ist, so fangen jetzt die Fische an, nach beiden Seiten, einerseits nach dem Ultrarot, andererseits in den Schatten des Kartons ins Dunkle zu schwimmen. Dieses für uns noch ziemlich helle Rot lockt also unsere Fische nieht mehr an, es wirkt auf sie nicht wesentlich anders als das Dunkel!) hinter dem Karton und im Ultrarot“ (S. 11). Vorbemerkend erwähnt Hess, „dass die Tiere zu diesen Versuchen dunkeladaptiert sein müssen“. Für helladaptierte Tiere, d. h. solche, die ihm an hellen Tagen frisch vom Meere gebracht wurden, macht er nur die Angabe, dass sie in einem lichtstarken Spektrum rasch dem Gelbgrün bis Grün zuschwammen (S. 6). Dass er die eben zitierten Beschattungsversuche auch an helladaptierten Tieren angestellt habe, geht aus seiner Publikation nicht hervor. Vielmehr findet sich wiederholt die Angabe, dass Dunkeladaptation bei seinen Versuchen die Regel war. Nachträglich teilt jetzt Hess in seiner Polemik mit, sämtliche Spektrumversuche an Atherina seien von ihm „bei den verschiedensten Adaptationszuständen angestellt“ (S. 9); aus seiner ersten Publikation geht jedoch dieser Umstand, wie noch einmal ausdrücklich betont sei, nicht hervor. Im Gegensatz hierzu habe ich folgenden Versuch mitgeteilt: „Führt man die Küvette mit den helladaptierten Tieren in einem etwa 1 m langen Spektrum langsam vom violetten gegen das rote Ende zu, so zeigen sie bis zum Gelb keinerlei Aufregung, sondern schwimmen ruhig hin und her und lassen sich durch teil- weise Verdunkelung des Gefässes jederzeit in dem hellerleuchteten Teile sammeln. In dem Moment jedoch, wo die roten Strahlen von der einen Seite her mit in das Gefäss fallen, kehren sich die Tiere von dieser Seite ab und lassen das rotbestrahlte Gebiet frei. Auch dureh Verdunkelung des übrigen Gefässteiles lassen sie sieh nieht ins Rot treiben.“ Sie vermeiden vielmehr, in den rot bestrahlten Teil des Gefässes zu schwimmen und halten sich ausschliesslich im verdunkelten Teil auf. Sie verhalten sich also durchaus nicht so, als ob Rot nicht wesentlich anders als Dunkel auf sie wirke. Das Rot hat vielmehr für sie einen spezifischen Reizwert, der sie das rotbestrahlte Gebiet meiden lässt. Diese Scheu 1) Von mir gesperrt. 624 Victor Bauer: vor dem roten Licht habe ich als „Rotscheu“ bezeichnet. Dass der Ausdruck. „sie lassen sich nieht ins Rot treiben“, in diesem Sinne gemeint war, konnte meiner Ansicht nach nicht missverstanden werden, da ich in dem kurz vorher mitgeteilten Versuch Gewicht darauf gelegt habe, dass die Fische immer die rote Hälfte des Gefässes mieden, auch wenn die andere vollkommen verdunkelt war. Diesen Versuch zitiert Hess in seiner Polemik unvollkommen, indem er gerade den für meine Beweisführung wichtigsten Teil fort- lässt; dieser Teil schliesst sich unmittelbar an das von Hess zitierte Stück an. Da ich diesen Versuch für besonders instruktiv halte, sei hier noch einmal auf ihn verwiesen (S. 23 meiner Arbeit). Im Anschluss daran macht mir Hess den Vorwurf, dass ich zur Prüfung des Purkinje’schen Phänomens Grün und Blau ver- wendet habe, während mar „bekanntlich zur Untersuchung dieses Phänomens rote und blaue möglichst gesättigte Lichter wählt“ (Hess, S. 10 seiner Polemik). Ich habe nun ausdrücklich erwähnt, dass das Rot für die hier in Rede stehende Art einen spezifischen Reiz- wert besitzt, der den anderen Farben nicht zuzukommen scheint: „Das Rot ist die einzige Farbe, welche diese auffällige Reizwirkung ausübt; zwischen allen anderen Farben lässt sich auch bei hell- adaptierten Tieren eine Gleichung bilden.“ Unter diesen Umständen, wie Hess will, das Rot zum Purkinje’schen Versuch zu benutzen, wäre wohl keine sehr glückliche Versuchsanordnung. Eine einfache Übertragung der für das menschliche Auge ausgearbeiteten Versuchs- technik auf das Tier ist eben nicht in allen Fällen angezeigt. In- sofern ist es natürlich auch ganz unwichtig für die Beurteilung des Tierversuchs, ob unter den Bedingungen, welche eine Umkehr der relativen Helliekeiten des hier verwendeten Blau und Grün durch Hell- und Dunkeladaptation für eine Fischart hervorrufen, dasselbe für das menschliche Auge gilt oder nicht. Die Berechnung, welche ich in einer Anmerkung angestellt habe, sollte nur zeigen, dass auch beim Menschen das Purkinje’sche Phänomen unter An- wendung von Grün und Blau, statt wie üblich von Biau und Rot, unter der Voraussetzung eines genügend feinen Unterscheidungs- vermögens für Helligkeitsunterschiede theoretisch sehr wohl bemerk- bar werden kann. Auf einen wichtigen Unterschied zwischen dem menschlichen Auge und dem der von mir untersuchten Fische, ge- rade mit Rücksicht auf das Zustandekommen des Purkinje’schen Phänomens, habe ich übrigens am Schlusse meiner Arbeit hingewiesen. Zu meinen Versuchen über das Farbenunterscheidungsvermögen etc. 695 In einem weiteren Versuch, den Hess zitiert, habe ich gezeigt, dass eine andere Fischart auf rotes Licht, und zwar nur bei Hell- adaptation, ebenfalls qualitativ anders reagiert, wie auf alle anderen Lichter, nämlich durch eine Fluchtbewegung, welche die Tiere beim Erscheinen des Rot die entfernteste Ecke des Gefässes aufsuchen lässt, während sie beim Auftauchen anderer Lichter auf diese zuschwimmen. Auch diesen Versuch glaubt Hess in seinem Sinne auffassen zu können, indem er die durch nichts gerechtfertigte Annahme macht, das dem Reizlicht abgewandte Ende .meines Ver- suchsgefässes sei am hellsten von diffusem Licht beleuchtet gewesen, so dass dieses die Tiere angezogen hätte, wenn das Rot mit seinem geringen Helligkeitswert aufgetaucht sei. Dann hätten natürlich die Tiere auf Vorschalten eines schwarzen Kartonblatts statt der roten Scheibe in derselben Weise reagieren müssen, da Rot ja nach der Hess’schen Auffassung wie Verdunkelung gewirkt hätte. Von einem solchen Verhalten habe ich jedoch nichts gesehen und auch keine entsprechende Angabe gemacht, vielmehr ausdrücklich hervorgehobei, dass zwischen je zwei farbigen Gläsern ein schwarzes Kartonblatt eingeschoben wurde, „um die Tiere wieder zur Ruhe kommen zu lassen“ (S. 13 meiner Arbeit). Hess zitiert diese Angabe nieht, schreibt dagegen, die Angaben über meine Versuchsanordnung genügten nicht, um im einzelnen durchzuführen, dass ich den von ihm mir vindizierten groben Versuchsfehler begangen hätte (S. 12 seiner Polemik). Ich bedaure, dass Hess sich meine Versuche in Neapel nicht hat zeigen lassen, wozu ich ihm durch mündliche Mit- teilung meiner Resultate vor deren Publikation Gelegenheit gegeben habe. Es hätte sich dann vielleicht diese Polemik, mit welcher den Lesern dieses Archivs unmöglich gedient sein kann, vermeiden lassen. Ähnliches gilt für die Hess’sche Kritik meiner entsprechenden Spektrumversuche, in welchen ich statt der Glaslichter homogenes Licht zur Bestrahlung meines Troges benutzte. Hess schreibt: „Nach meinen Befunden war zu erwarten, dass die Fische bei Bestrahlung mit Blau, Grün und Gelb auf die Lichtquelle zuschwimmen würden, dagegen bei Bestrahlung mit Rotgelb und Rot weniger oder gar nicht, je nachdem Bauer seinen Trog von oben her grösseren oder - geringeren Mengen diffusen Lichtes aussetzte“ (S. 12 seiner Polemik). Ich habe jedoch nichts davon geschrieben, dass die Tiere „weniger oder gar nicht“ auf das Rot zuschwammen, sondern dass „die Fische sich am dunklen Ende des Troges sammelten und unter zappelnden 626 Victor Bauer: Zu meinen Versuchen etc. Bewegungen dem unangenehmen roten Lichte zu entrinnen suchten“ (S. 20 meiner Arbeit). Diese Fluchtbewegungen, die sich als solche deutlich charakterisieren und von den Schwimmbewegungen bei An- näherung an anders gefärbte oder gemischte Lichter deutlich ver- schieden sind, habe ich für das Zeichen einer spezifischen Reiz- wirkung des Rot gehalten. Auch bei dem weiterhin von Hess zitierten Wahlversuch habe ich gerade auf das charakteristische Verhalten der Tiere im Rot besonders hingewiesen: „Die in der blauen Hälfte wenden sofort den Kopf der Lichtquelle zu und steigen mit zappelnden Bewegungen an der vorderen Glaswand in die Höhe; die auf der roten Seite dagegen kehren den Kopf vom Lichte ab und suchen mit hin- und herhuschenden Bewegungen vorwiegend an der unteren Kante der Hinterwand zu entrinuen“ (S. 20 meiner Arbeit). Und gerade diese Sätze lässt Hess in seinem Zitat aus. Hess wirft mir im Anfang seiner Polemik „fehlerhafte Bericht- erstattung“ vor. Ich muss es dem Leser überlassen, nach dem Mit- geteilten die von ihm selbst gewählte Art der Berichterstattung zu kritisieren. Bis auf weiteres wird mir also Hess gestatten müssen, seiner Ansicht, ich hätte „in allen Punkten die gleichen Ergebnisse erhalten“ wie er, nicht zuzustimmen und bei der von mir vertretenen An- schauung zu bleiben, dass die mitgeteilten Tatsachen für ein Farben- unterscheidungsvermögen der untersuchten Fischarten sprechen, zu- mal sich diese Anschauung nicht nur auf die von Hess kritisierten, sondern auf die Gesamtheit meiner in gleichem Sinne sprechenden Versuchsergebnisse gründet. 627 Zwischenhirn und Halssympathicus. Von wW. ©. Huet. Karplus und Kreidl!) versuchten durch elektrische Reizung einer Stelle am Zwischenhirn die Existenz eines sympathischen Zen- trums, wenigstens eines reizbaren Teils der sympathischen Bahnen, welche ihren Weg an der Gehirnbasis finden, anzuzeigen. Sie schnitten einen viereckigen Lappen aus der Schädelseitenwand (bei Katzen); vordere Grenze die Coronalnaht, mittlere die Sagittalnaht, der hintere Schnitt wurde an das hintere Hemisphärenende geführt, die untere Grenze fiel gerade über das Jochbein. Nachdem das Tier auf den Rücken gelegt und die Dura gespalten war, wurde die Hemisphäre so weit luxiert, bis das Chiasma, ein Teil des Tract. optie. und des N. oculomotorius sichtbar wurde. Zwischen Nr. II und Nr. III liest dann die Seitenwand des Infundibulums, und etwas dahinter wird das Crus cerebri sichtbar. Als Reizstelle wählten sie die Seitenwand des Infundibulums. Gereizt wurde mit Doppelelektrode, deren Platinspitzen 2 mm aus- einanderliegen; meistens wurden schwache Ströme angewandt. Effekt der Reizung war doppelseitige maximale Pupillenerweiterung, Erweiterung der Augenspalte und Zurückziehung der Membrana nietitans (speziell während der Narkose rein zu konstatieren). Bei der schwächsten Stromstärke, die noch Effekt zeigte, trat die Wirkung am kontralateralen Auge am stärksten auf. Kokai- nisierung und Ätzung der bestimmten Stelle hebt die Wirkung des elek- trischen Stromes auf; nachher blieb die kontralaterale Pupille verengt. Zum Beweise, dass die angewandten Reize dem Halssympathieus ‘entlang das Auge erreichen, durchschnitten sie den kontralateralen Halsstrang, womit der Effekt der Reizung an dieser Seite ausblieb, jedoch am gleichseitigen Auge sich noch äussert, um bei Durehschneidung des gleichseitigen Stranges ebenfalls zu verschwinden. 1) Gehirn und Sympathieus. 1. Mitt. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 129. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 137. : 41 628 W. G. Huet: Reizung der in der Nähe gelegenen Stellen am Zwischenhirn, des N. optieus, des N. oeulomotorius, verursachte keine oder andere Symptome; eine Trigeminusreizung ergab ebenfalls, aber nur geringe Pupillenerweiterung. Durchtrennung des Gehirns frontal, spinal, dorsal der Reizungsstelle hob die Wirkung nicht auf, wohl jedoch die Durchschneidung des gleichseitigen Crus cerebri. Karplus und Kreidl zogen aus ihren Versuchen folgende Schlüsse: Die Experimente zeigen, dass „bei elektrischer Reizung der angegebenen Stelle an der Zwischenhirnbasis der Reiz durch das gleichseitige Crus cerebri geleitet wird und weiter spinalwärts, teilweise gekreuzt durch beide Halsstränge des N. sympathieus, das Auge erreicht und dort eine derartige Wirkung hervorruft wie periphere Sympathieusreizung“. Ob man von einem Zentrum reden darf, oder nur dureh- ziehende Bahnen gereizt worden sind, das wagen sie nicht zu entscheiden; sind aber geneigt, dies anzunehmen, und denken dabei an das Corpus subthalamieum. Obwohl sie sich nicht weiter darüber verbreiten, erwähnen sie noch andere Fffekte der Reizung dieser Stelle, nämlich Tränen-, Speichel-, Schweisssekretion und kon- tinuierliche Blasenkontraktion. Die Autoren betonen, dass ausser dem Experiment auch genaue anatomische Untersuchung zur Lösung des Problems nach dem Ur- sprung der sympathischen Bahnen, welche die Pupillenerweiterung beherrschen, unumgänglich sei. Da es Karplus und Kreidl nicht bekannt zu sein scheint, dass schon anatomische Untersuchungen nach dieser Richtung hin stattgefunden haben, so möchte ich hier einiges darüber mitteilen. Um so mehr soll dies geschehen, weil diese Reizstelle, von beiden Schrift- stellern angegeben, in der Nähe einer Zellengruppe am Boden des 3. Ventrikels liegt, welche Gruppe infolge der Exstirpation des Ganglion cervicale supremum n. sympathiei eine deutliche Abweichung zeigt. Prof. C. Winkler (Amsterdam) und einige seiner Schüler!) haben eine Reihe anatomischer Untersuchungen angestellt bei Tieren, bei welehen entweder ein Auge enukleiert worden oder der Hals- strang des N. sympathieus durchtrennt oder das Ganglion cervicale 1) Het Ganglion supremum colli nervi sympathici. Dissertatie. Dr. M.H. Roe- broeck, Utrecht 1896. — Over een centrum oculospinale. Dissertatie. Dr. G. W. Hoeben. Utrecht 189. Zwischenhirn und Halssympathicus. 629 supremum fortgenommen war. Es wurde das von Budge und vielen anderen Experimentatoren vermutete Centrum oeulospinale im Rückenmark, zwischen der 5. und 6. Cerviealwurzel, histologisch bestätigt. Die Exstirpation des Gangl. cerv. suprem. bringt aber noch andere Atrophien im zentralen Nervensystem zuwege; es gehen sympathische Fasern zugrunde, welche im engen Zusammenhang mit dem dorsalen Vaguskern stehen; aber noch weiter aufwärts kann man die Folgen der Fxtirpation finden, nämlich am Boden des 3. Ventrikels und im zentralen Höhlengrau rund um dem Aquae- duetus Sylvii. In Verbindung mit dem referierten Experiment von Karplus und Kreidl interessiert hier nur der zuletzt genannte Befund, und muss ich die anatomischen und experimentellen Untersuchungen über den Bau des Gangl. cerv. suprem. und über das Zentrum im Rückenmark unerwähnt lassen. Bei neugeborenen Kaninchen wurde das Ganglion cerv. supr. der einen Seite fortgenommen. Rückenmark und Gehirn wurden unter- sucht, als das Tier vollwüchsig war!). Es ging aus diesen Unter- suchungen hervor, dass an der Seitenwand des 3. Ventrikels und des Aquaed. Sylvii die normalen Verhältnisse sich geändert hatten, nämlich die Wand an der operierten Seite. In Schnitten von nor- malen Tieren zeigt der Durchschnitt von Ventrikel und Aquaeduet eine annähernde symmetrische Form, abgesehen von kleinen Diffe- renzen, abhängig davon, dass die Schnitte nicht absolut senkrecht zur Vertikalachse geführt sind. Beim operierten Tiere zeigt die Seitenwand an der Seite, wo das Gangl. cerv. suprem. exstirpiert worden ist, eine Ausbuchtung, und man bekommt den Eindruck, dass ein Verlust an Gewebe stattgefunden habe. Genaue Betrachtung und Zählung der Elemente gibt als Resultat einen diffusen Zellen- schwund im zentralen Höhlengrau. Unter dem Boden des 3. Ventrikels liegt eine sichelförmige Zellengruppe, welche in Schnitten normaler Tiere eine symmetrische Form hat. Beim operierten Tiere zeigte die Gruppe einen Unter- schied in der Höhe, bis zu welcher die Arme der Sichel hinaufreichen; sie bleibt an der operierten Seite zurück. 1) De gevolgen der exstirpatie van het ganglion supremum colli nervi sympathiei voor het centrale zenuwstelsel. Dissertatie. Dr. W. G. Huet, Amster- dam 1898. Ale Kell NE & jalileirs Da, wo die Schnitte das Ganglion habenulae treffen, sieht man an der operierten Seite das Ganglion niedriger stehen als an der anderen Seite; diese Senkung wird verursacht durch den Verlust an Elementen. welehe auch die Ausbuchtung der Ventrikelwand bewirkt hat. Das Ganglion habenulae dieser Seite hat im lateralen Teil geringeren Umfang, als das gegenüber gelegene. Diese Befunde sind an vertikalen Serien, nach Niss] gefärbt, gefunden. Horizontale Serien, nach Pal bearbeitet, zeigen, dass die _ Zahl feiner Fasern, welche im zentralen Höhlengrau unter dem Ganglion habenulae in longitudionaler Richtung ihren Weg finden, an der operierten Seite geringer ist. Mir scheint, dass diese Befunde eine anatomische Basis für das Experiment von Karplus und Kreidl darstellen; die Stelle, wo sie ihre Elektroden angebracht haben, liegt gerade da, wo die durch den Ganglion habenulae geführten Schnitte einen Zell- und Faser- verlust mit Deformation der Seitenwand zeigen. Man darf also erwarten, dass die angewandten Reize — Strom- schleifen — denjenigen Teil des Zwischenhirns reizen, an dem sich nach der Exstirpation das Verschwinden von Elementen deutlich zeigt. (Es wird sich lohnen, die Experimente von Karplus und Kreidl zu wiederholen bei Kaninchen, deren Gang]. cerv. suprem. an einer Seite exstirpiert worden ist.) Aus dem Mitgeteilten geht hervor, dass die Exstirpation des Gangl. cerv. suprem. immer gleichseitige Atrophie erzeugt man fragt sich aber, warum das Experiment von Karplus und Kreidl doppelseitige Pupillenerweiterung, sogar mit Bevorzugung des kontralateralen Auges, zeigt. Was das Doppelseitige betrifft, kann man zweierlei voraus- setzen. Man darf sicher annehmen, dass Stromschleifen, welehe von der Reizstelle aus ziemlich weit in das naheliegende Gewebe durch- dringen, auch die Zellen und Bahnen der kontraläteralen Seite er- reichen, dass also beide Zentren (wenn man dieses Wort will) ge- troffen werden. Weiter lässt sich die Doppelseitigkeit erklären aus der An- nahme, dass vom Zentrum gekreuzte und ungekreuzte Bahnen zum Auge gehen. Die Bevorzugung des kontralateralen Auges bei Reizung mit schwachem Strome lässt sich nicht erklären durch diese Voraus- setzungen, sondern findet sich, meiner Meinung nach, vielleicht in den Bedingungen des Experiments. Zwischenhirn und Halssympathicus. 631 Damit die Reizstelle deutlich siehtbar vorliegt, wird eine Hemisphäre luxiert; gegen das Bluten wird mittels Tamponage ein- geschritten; die eingepressten Wattebäuschehen helfen mit die Hemi- sphären nach aussen und unten zu halten. Es ist klar, dass dieses Zerren und Drücken Einfluss auf das Gewebe ausübt, dass dieser mechanische Reiz an sich die Reizbarkeit ermüdet. Reizung des gleichseitigen N. III ist vielleicht auch wirksam gewesen als sym- pathischer Pupillenerweiterung entgegenarbeitend. Es heisst auch in der Mitteilung (S. 141): „Vor der Reizung waren beide Pupillen öfters ungleich weit; wir nahmen an, dass durch unsere Manipulationen an der Hirnbasis die Innervation der gleichseitigen Pupille gestört wurde, sie erschien bald weiter, bald enger.“ Es sind dies alles nur Vermutungen — als Faktum bleibt der Gegensatz, dass beim Degenerationsexperiment gleichseitiger Zell- und Faserverlust ge- funden wird, dass Reizexperimente doppelseitig, aber kontralateral hervorragend, Effekt zeigen. In dieser Hinsicht muss ich noch an ein Experiment von v. Beehterew!) erinnern, welcher fand, dass eine Verwundung am kaudalen Teil der Wand des 3. Ventrikels (etwas nach vorn und seitwärts von den Corpora quadrigemina) verursacht: konjugierte Deviation des Auges, Nystagmus und Erweiterung der gleich- seitigen Pupille. Die von v. Bechterew angegebene Stelle korrespondiert mit der atrophischen Stelle nach Exstirpation des Gangl. cerv. supr. v. Gudden?) trug eines der Corpora quadrigemina ab; das Tier zeigte kontralaterale Blindheit; nahm er nun ein gerade vor dieses Corpus quadrigeminum gelegenen Höckerchen fort, so trat starke und bleibende Pupillenerweiterung am gleichseitigen Auge ohne Lichtreaktion auf. Knoll?) reizte die corpora quadrigemina anteriora und sah doppelseitige Pupillenerweiterung, durchschnitt er einen Halsstrang der Sympathicus, dann war an dieser Seite die Fr- weiterung aufgehoben. Diese Experimente bringen ein Argument für den Satz, dass die von Karplus und Kreidl gefundene Reizstelle unmöglich 1) Pflüger’s Arch. Bd. 31 8.7. 2) von Gudden, Gesammelte Werke S. 189. 3) Knoll, Beiträge zur Physiologie der Vierhügel. — Eckhard’s Bei- träge zur Anatomie und Physiologie Bd. 15 S. 11. 1869. 632 W. G. Huet: Zwischenhirn und Halssympathicus. das Zentrum der Pupillenerweiterung sein kann. Höchstwahr- scheinlich gibt es kein Zentrum. — Von verschiedenen Stellen am Gehirnstamm und Hemisphäre aus kann man Pupillendilatation hervorrufen. Reizungen, ausgeübt am Cerebrum und an einem Teil der Medulla, treffen fast immer, wenigstens öfters, sympathische Bahnen, die, nicht von einem Zentrum herstammend, aber von allen Seiten konvergierend, von höher sowie. von niedriger gelegenen Zellengruppen Verstärkung bekommend, den zahlreichen Verbindungen des Halssympathieus mit dem zentralen Nervensystem entlang, in diesem Strang und seinen Ganglien zusammenfliessen. Untersuchungen, auf dieselbe Weise angestellt, haben verschiedene Resultate gegeben. Die Sache ist zu kompliziert, als dass man von einem Zentrum reden könnte. Haben vielleicht Karplus und Kreidl ausser den Pupillendilatatoren auch daneben gelegene in- hibierende Fasern des gleichseitigen Auges gereizt? Pierer’sche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. >» -& [ AN 1352 5 WHSE 07990 Ba u