ei; a 7 ch Ah m Mu Aa PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND VIERZIG. MIT 5 TAFELN UND 985 TEXTFIGUREN. BER BONN, 1911. VERLAG VON MARTIN HAGER. Ba Inhalt. Erstes, zweites, drittes und. viertes Heft. Ausgegeben am 5. Mai 1911. Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolgende Muskel- bewegungen des Fötus. (Intrauterine Atmung.) Von Pro- fessor Dr. K. Reifferscheid, Oberarzt der Universitäts- Frauenklinik in Bonn. (Mit 5 Textfiguren und Tafel I). Über die motorischen Nerven des Herzens. Von Prof. D. Polu- mordwinow. (Mit 3 Textfiguren und Tafel II.) (Aus dem physiologischen Institut der kais. Universität Kazan) . Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark festgestellt vermittels Untersuchung der Aktionsströme. Von Prof. Dr. A. Beck und Prof. Dr. G. Bikeles. (Mit 8 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg) Periodische Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. Von Heinrich Menke (Coblenz). (Mit 1 Textfigur) Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel und die Form der Säugererythrocyten. Von Dr. med. etphil.L. Löhner, Assistenten am Institute. (Aus dem De Institute der Universität Graz) . Die Theorie des Haftdrucks (Oben V. Von J. Traube. (Aus der Technischen Hochschule zu Char- lottenburg) RE re Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. Von Viktor Weizsäcker. : (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Romauxankalk im tierischen Stoffwechsel. Von Prof. Dr. O0. Hagemann. Unter Mitwirkung von Paul Henseler. (Aus dem Institute für Tierphysiologie der landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf) Berichtigung von E. von Cyon Seite 17 24 37 92 109 IV Inhalt. Fünftes, sechstes und siebentes Heft. Ausgegeben am 24. Mai 1911. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize auf den Ablauf der Reaktionsbewegungen bei Wirbel- losen. II. Mitteilung. Versuche an Cölenteraten. Von Professor Toosaku Kinoshita. (Osaka, Japan.) Aus- geführt in der k. k. zoolog. Station zu Triest und in dem physiol. Institut der k. k. Universität zu Wien unter der Leitung von Prof. A. Kreid]) a a re Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize auf den Ablauf der Reaktionsbewegungen bei Wirbel- losen. III. Mitteilung. Von Professor Toosaku Kino- shita. (Osaka, Japan.) (Ausgeführt im physiologischen Institut der k. k. Universität in Wien unter der Leitung von Prof. A. Kreidl) AERO REIU DE N ee Zuckerstich und Nebennieren. Von Privatdozent Dr. R. H. Kahn. (Mit 24 Textfiguren und Tafel III.) (Mit Unter- stützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen- . schaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) (Aus dem physio- logischen Institute der deutschen Universität in Prag) . Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Er- nährung. Von G. Diesselhorst. (Aus dem zootechni- schen Institut der kgl. landw. Hochschule zu Berlin) Ein Versuch, amöboide Bewegung als Folgeerscheinung des wechselnden elektrischen Polarisationszustandes der Plasma- haut zu erklären. Von J.F. MeClendon. (Mit 4 Text- figuren.) (From the Histologieal Laboratory of Cornell University Medical College, New York City) . ae Zur Physiologie der Blutplättchen. Von J. Loeber, Medizinal- praktikant. (Aus der medizinischen Poliklinik in Frei- bureyi.Br.).H,.. 1.00 le: Vergleichende Untersuchungen über die Maasse und Proportional- gewichte des Vogelherzens. Von Dr. med. vet. Löer Berichtigung zur Abhandlung in Pflüger’s Archiv Bd. 139 8. 181. Von Privatdozent Dr. R. H. Kahn und Dr. E. Starken- stein eg 0 An ao Berichtigung zur Arbeit „Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln nach Untersuchungen an der Schildkröte“. Pflüger’s Archiv Bd. 139. S. 279. 1911. Von Dr. med. “R, Dittler und Dr. med. S. Oinuma . 3 Seite 167 198 209 . 256 271 325 326 Inhalt. Achtes, neuntes und zehntes Heft, Ausgegeben am 31. Mai 1911. Intravitale Oxydationshemmung in der Leber durch Narkotika. Von Prof. Dr. Georg Joannovics und Prof. Dr. Ernst P. Pick. (Aus dem Institute für allgem. und exper., Pathologie und der chem. Abteilung des staatlichen sero- therapeutischen Institutes der Universität Wien) . ‚Blutviskosität und Blutkörperchen. Von Walter Hess, Rapperswil. (Mit 3 Textfiguren) . Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta ‘in bezug auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse. Von P. Schiefferdecker 5 Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen zu diagnostischen Zwecken. Von W. Boldyreff. (Vor- getragen den 23. April 1910 in der Sitzung der Sektion für innere Krankheiten des XI. Pirogoff’schen Kon- sresses zu St. Petersburg) U RN Über die Rolle der Nervenzellen des Froschherzens. Von Prof. D. Polumordwinow. (Mit 5 Textfiguren und Tafel IV.) (Aus dem en Institut der kais. Universität Kasan) . \ Asa a a ‚Studien am Phonokardiogramme. Von Pederene DeaRaER Kahn. (Mit 4 Textfiguren und Tafel V.) (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität Prag) . Versuche über den sogenannten Metakontrast. Von Z. Baronez (Lemberg). (Mit 10 Textfiguren.) (Aus dem Me Institute der Universität Wien) ; un Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 13. Juni 1911. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel und Energieumsatz. Von Alfred Gigon. (Mit 2 Text- figuren.) (Aus der medizin. Klinik und der allgem. Poli- klinik zu Basel). Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. Von A. Eucken und K. Miura. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem physikalisch-chemischen Institut der Universität Berlin) . Seite 327 354 456 463 471 49] 509 VI Inhalt. Seite Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. I. Versuche an Fröschen und Kröten. Von Martin Gildemeister. (Mit 12 Textfiguren.) (Aus dem a. Institut der Universität Strassburg i. E) . . . ... ...609. Elektrokardiogrammstudien. Von Privatdozent Dr. R. H. Kahn. (Mit 12 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institute der deutschen UniversitäfansPBras) oT - Über intrauterine im Rhythmus der Atmung eauende Muskelbewegungen des Fötus.: A ale nle Atmung.) Von Professor Dr. K. Reifferscheid, _ Oberarzt der Universitäts-Frauenklinik in Bonn. (Mit 5 Teztfiguren und: Tafel 1.) Auf dem II. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie zu Halle 1883 berichtete Ahlfeld*) über bisher noch nicht be- schriebene intrauterine Bewegungen des Kindes. Es handelte sich um rhythmische periodenweise, in einer Minute 38—76 mal, im Mittel 61'mal, sich wiederholende, wellenförmige wiegende Bewegungen, die, vom Kinde ausgehend, besonders in der Nabelgegend der Schwangeren zu bemerken sind. In Verbindung mit Ahlfeld hat dann sein Schüler Weber?) die Untersuchungen fortgesetzt und in seiner Doktordissertation eine Anzahl Kurven publiziert, die mit Hilfe ‚des 'Kymographions aufgezeichnet waren, ‘Ahlfeld selbst berichtet zusammenfassend über seine Untersuchungen in der Fest- schrift für Ludwig?) 1890. Er sucht den Nachweis zu erbringen, dass diese Bewegungen nicht durch Atem- oder Herztätigkeit der Mutter oder durch Uteruskontraktionen hervorgerufen werden, sondern vom Kinde herrühren, dass sie aber: andererseits’ mit den bekannten Arten der fötalen Bewegungen nichts zu tun : haben. : Er. stellt schliesslich die Hypothese auf, dass es sich. um intrauferine Atem- bewegungen handeln müsse. Die Ahlfeld’sche Beobachtung und besonders: ihre Erklärung blieben nicht lange unwidersprochen. Der erste, der dngegen auf- 1) F.,Ahlfeld, Verhandl. ‘d. deutsch. Gesellsch. f. ann, 2. Versamml. Halle 1888. S. 203. 2) H. Weber, Über physiologische Atmuhrebsferungen: dei Kindes im Uterus. Inaug.-Diss. Marburg 1888. 8);F. Ahlfeld, Beiträge zur Lehre vom 'Übergange der intrauterinen Atmung zur exträuterinen. “Festschrift f. Carl Ludwig. Marburg 1890. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 1 9 K. Reifferscheid: trat, war Runge!). Er gibt zwar zu, dass Bewegungen am Leibe der Schwangeren, wie sie Ahlfeld beschrieben hat, auch in seiner Klinik mehrfach beobachtet worden seien. Er wagt sie aber nicht zu deuten, dagegen lehnt er die Ahlfeld’sche Erklärung strikte ab, weil er im Tierversuch niemals etwas von Atembewegungen des Fötus gesehen habe. Er stützt sich dabei auf mehrfache Tier- versuche, von denen er besonders einen für einwandfrei beweisend ansieht. Es wurde bei einem hochträchtigen Schaf die Bauchhöhle und der Uterus geöffnet und der in ungestörter Verbindung mit der Placenta stehende Fötus beobachtet, der während 3 Minuten keine sichtbare oder fühlbare Atmung zeigte. Erst durch Kompression der Nabelschnur ‚wurde die Atmung ausgelöst. Runge hält durch diesen Versuch den Mangel jeder Atembewegung bei dem apnoischen Fötus mit Sicherheit für festgestellt. ' Auch Olshausen?) hält durch die Arbeit Runge’s den Nachweis für erbracht, dass es eine physiologische Atmung des Fötus in. utero im Sinne Ahlfeld’s nicht gibt. Er glaubt, dass es sich bei den von. Ahlfeld beobachteten Druckschwankungen nur um die Fortpflanzung der Aortenpulsation auf die Bauchdecke handelt. Dafür spricht seiner Ansicht nach auch die Frequenz der Bewegungen von 60 im Mittel. Er hält es für möglich, dass auf der Höhe der Exspiration vielleicht jedesmal durch das Sinken des intraabdominellen Druckes eine Pulsation für das Manometer ausfiele, so dass dann die normale Pulsfrequenz gerade erreicht würde. Gegenüber den Runge’schen Experimenten wendet Ahlfield°) ein, dass in dieser Frage die Tierversuche keine überzeugende Be- weiskraft haben können. : Sieht man dabei Atembewegungen der Jungen, so ist der Einwand nicht zu widerlegen, dass es sich um einen beginnenden asphyktischen Zustand handele und infolgedessen die Atmung eingeleitet sei. Sieht man keine Bewegung, so beweist das nicht, dass der Fötus überhaupt keine Atembewegung macht; denn da es sich bei der intrauterinen Atmung nicht um eine kon- 1) M. Runge, Die Ursache der Lungenatmung des Neugeborenen. Arch. f. Gynäk. Bd. 46. 1894. 2) R. Olshausen, Über den ersten Schrei. Berliner klin. Wochenschr. 1894 Nr. 45. ’ 3). F. Ahlfeld, Kritische Besprechung -einiger neueren Arbeiten geburts- helflichen Inhalts. Zeitschr. f. Geb. u. Gynäk. Bd. 32 S. 150. 1895. Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolg. Muskelbewegunsen etc. 3 tinuierliehe, sondern um eine periodische Tätigkeit handelt, so sei der Einwand nicht von der Hand zu weisen, dass der Fötus gerade in einer Ruhepause angetroffen worden sei. Gegenüber Olshausen weist Ahlfeld auf diejenigen seiner Kurven hin, in denen Pulskurven und fötale Atmungskurven in gleichen Zeiträumen mittelst Sphygmograph und Trichterapparat auf- genommen wurden, und die beweisen, dass die beobachteten Be- wegungen nichts mit dem Aortenpuls zu tun haben. Demgegenüber bleibt Runge!) bei seiner Ansicht, dass die Ahlfeld’sche Annahme einer intrauterinen Atmung falsch sei, da weder er noch Zuntz in vielfachen Tierversuchen jemals Atem- bewegungen bei dem freigelegten Fötus gesehen haben. Auf Grund des Widerspruchs von Runge und Olshausen haben die meisten deutschen Gynäkologen sich gegenüber der Ahl- feld’schen Lehre von der intrauterinen Atmung auf einen ab- lehnenden Standpunkt gestellt und sie zumeist in ihren Lehrbüchern der Geburtshilfe nicht erwähnt. Strassmann?) schliesst sich der Annahme von Olshausen an, dass es sich um eine Verwechslung mit den durch den Uterus fortgeleiteten Wellen des Aortenpulses handelt, welche deswegen eine niedrigere Ziffer zeigen als der mütterliche Herzschlag, weil auf der Höhe des Inspiriums einige Pulsschläge fortfallen. Skutsch?) berichtet, dass er die wellenförmigen Bewegungen am Abdomen von Hoehsehwangeren gesehen habe, ihre Entstehung aber nicht erklären könne; jedenfalls aber würden sie nicht dur den Puls der Mutter her orgebracht: Na Von ausländischen Autoren haben Pestalozza®), Bar’) und Ducei die Bewegungen beobachtet, schliessen sich aber der Ahl- feld’schen Deutung nicht an; ferner konnte Ferroni°) diese 2) M. ‚Runge, Die ne nannten Hülfsursachen des ersten Atemzuges und die intrauterine Atmung nach Ahlfeld. Arch. f£. Gynäk. Bd. 50. 1896. 2) Strassmann, Das Leben vor der Geburt. Sammlung klin. Vortr. 1903 Nr. 353. 3) F. Skutsch, Die Untersuchung auf Schwangerschaft und die Diagnose derselben. v. Winckel, Handb. d. Geburtshülfe Bd. 1 2. Hälfte S. 684. 4) Pestalozza, Contributo alla grafica dei movimenti fetali. Modena 1891. 5) Bar, zit. nach Ahlfeld. 6) Ferroni, ÖOsservazioni e ricerche sui movimenti ritmici fetali intra- uterini. Annali di Ostetrieia e Ginecologia 1899. 1 * 4 K. Reifferscheid: rhythmischen Bewegungen graphisch aufzeichnen und gibt an, dass sie ihrem Sitz nach der fötalen Thoraxgegend, und zwar so- wohl seiner oberen Partie als der Zwercehfell- und unteren Rippen- partie entsprächen, und wegen‘ihrer Häufigkeit, wegen ihres Rhyth- mus und wegen ihrer Zweckmässigkeit während der Schwangerschaft sowohl als gleich nach der Geburt für physiologische ‚BOWegUngen angesehen werden müssten. Ahlfeld?!) ist dann nochmals nschean 1905 in einer Arbeit in der Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie auf diesen Gegenstand zurückgekommen und hat durch erneute Untersuchungen und ‘graphische Aufzeichnungen mit Hilfe des Kymographions (er benutzte ein Runne’sches Kymographion mit Tambour und Sehreib- feder) seine Beobachtungen erweitert, und bestätigt und eine weitere Anzahl von Kurven veröfientlicht. Er hält an seiner Deutung dieser Bewegungen als intrauteriner Atembewegungen fest. Sehr wichtig für die Begründung seiner Erklärung ist es, dass es Ahlfeld gelungen ist, Doppelkurven von der Thorax- und Bauch- gegend des Fötus gleichzeitig aufzunehmen, die zeigen , wie. korre- spondierend eine Zusammenziehung des Thorax mit einer Erhebung des Bauches beantwortet wird, und umgekehrt. Wie mir Herr Ge- heimrat Ahlfeld persönlich mitteilte, hat er diese doppelte Wellen- bewegung auch mit blossem Auge wahrnehmen und einwandfreien Beobachtern demonstrieren können. Ahlfeld stellt sich vor, dass die intrauterine Atmung nur eine oberflächliche ist, und dass dabei Fruchtwasser normalerweise nur bis zur Bifurkationsstelle der Trachea eingesogen und wieder aus- gestossen wird. Zum Beweise führt er folgende Beobachtung an: Bei einem reifen, lebend ohne jedes Zeichen der Asphyxie geborenen Kinde mit angeborener Ösophagusatresie und mit Kommunikation der Trachea mit dem Ösophagus unterhalb dieser Atresie, fanden sich im Mekonium reichlich Wollhaare, die seiner Ansicht nach nur so in den .Darm gekommen sein können, dass bei der intrauterinen Atmung der Fruchtwasserstrom durch die Trachea in den Ösophagus und so in den Darm gelangte. Er begründet seine Erklärung vom teleologischen Standpunkt aus damit, dass alle Bewegungen, bei denen eine Muskeltätigkeit in -..„DF. Ahlfeld, Die intrauterine Tätigkeit der Thorax- und Zwerchfell- muskulatur. Intrauterine Atmung. Monatsschr. f. Geb. u. Gynäk. Bd. 21. .1905. ” Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolg. Muskelbewegungen etc. 5 Frage kommt, die unmittelbar nach Austritt des Kindes in ausgiebiger Weise funktioniert, schon in utero geübt sein müssen, wenn anders es zu einer normalen Ausbildung des Muskels kommen soll. Ebenso sei, um bei der Funktion der Atmung zu bleiben, die durch Muskel- aktion hervorgebrachte Veränderung der Rippen zur Wirbelsäule notwendig, um die Gelenkflächen bilden zu helfen, die zur physio- logischen Tätigkeit der Atmung vom Augenblick des extrauterinen Lebens an vorhanden sein müssen. Auch diese Arbeit stösst von neuem auf den Widerspruch Runge’s!), der die Ahlfeld’sche Annahme unter Hinweis auf seine sehon erwähnte Entgegnung vom Jahre 1896 und auf die Zuntz’schen?) Beobachtungen im Tierexperiment ablehnt. Und so haben bis jetzt von deutscher Seite die Ahlfeld’schen Beobachtungen und seine Erklärung derselben, abgesehen von einer zustimmenden Äusserung Büttner’s®), niemals Anerkennung, ja nicht einmal eine Nachuntersuchung gefunden, so dass Fromme‘) in seiner Monographie über die Physiologie und Pathologie des Wochenbettes (1910) den Satz niederschreiben konnte: „Intrauterine Atembewegungen, wie sie Ahlfeld des öfteren glaubt nachweisen zu können, gibt es wohl während der Schwangerschaft sicher nicht (Runge). Die als solehe auf dem Leibe einiger Schwangeren ver- zeichneten rhythmischen Bewegungen sind Pulsationen der mütter- lichen Gefässe.“ In einer sich daran anschliessenden Polemik mit Ahlfeld?) seht Fromme®) dann noch weiter, indem er die Forderung auf- 1) M. Runge, Ahlfeld und seine intrauterine Atmung. Arch. f. Gynäkol. Bd. 75. 1905. 2) N. Zuntz, Über die Respiration des Säugetierfötus.. Pflüger’s Arch. Bd. 14. 1877. — J. Cohnstein und N. Zuntz, Untersuchungen über das Blut, den Kreislauf und die Atmung beim Säugetierfötus.. Pflüger’s Arch. Ba. 34. 1884. — J. Cohnstein und N. Zuntz, Weitere Untersuchungen zur Physiologie des Säugetierfötus. Pflüger’s Arch. Bd. 42. 1888. 3) 0. Büttner, Über die Beziehungen der fötalen Herztöne zum Geschlecht; nebst Bemerkungen zur intrauterinen Atmung. Zentralbl. f. Gynäk. 1907 Nr. 14. 4) F. Fromme, Die Physiologie und Pathologie des Wochenbettes. S. Karger, Berlin 1910. 5) F. Ahlfeld, Einige Bemerkungen zu Fromme: Die Physiologie und Pathologie des Wochenbettes. Zentralbl. f. Gynäk. 1910 Nr. 21. 6) F. Fromme, Einige Bemerkungen zur Lehre von der intrauterinen Atmung, zur Händedesinfektion und zur Frage der Selbstinfektion. Monatsschr. t, Geb. u. Gynäk. Bd. 32. 1910. 6 ‚K. Reifferscheid: stellt, dass die Lehre Ahlfeld’s von der intrauterinen Atmung endlich verschwinde, bis tatsächlich Material an lebenden mensch- lichen oder tierischen Föten herbeigebracht ist, das uns die bis jetzt vage Annahme dieser intrauterinen Atembewegungen ad oculos demonstriert. Er greift von neuem zur Erklärung der wellenförmigen Bewegungen auf die Annahme von Olshausen und Strassmann zurück, dass es sich um fortgeleitete Pulsationen mütterlicher Ge- fässe handelt. Ich gestehe ein, dass ich selber auch der Annahme Ahlfeld’s, dass intrauterine Atembewegungen regelmässig zu beobachten seien, mit der gleichen Skepsis gegenüber stand, die ihr allgemein in Deutschland zuteil wurde. Zu einem näheren Studium dieser inter- essanten Frage wurde ich dann aber durch einen Hinweis von Herrn Prof. Verworn ängeregt, der mir erzählte, dass er diese wellen- förmigen Bewegungen am Abdomen Hochschwangerer gelegentlich einer. Demonstration Ahlfeld’s in Marburg selber gesehen habe und als Physiologe die Möglichkeit, dass es sich hier um rhythmische intrauterine Innervationen der Atemmuskulatur handeln könne, sehr wohl zugeben müsse. Es schien also doch zum mindesten der Mühe wert, was bisher von keiner Seite in Deutschland geschehen war, die Ahlfeld’schen Untersuchungen mit dessen eigener Methode zu prüfen und nach mancher Richtung hin zu ergänzen. Ahlfeld’s Kurven hatten ja, so instruktiv sie sind, den Nachteil, dass nur ganz vereinzelt der mütterliche Puls mit aufgezeichnet, niemals aber gleichzeitig auch die mütterliche Atmung zur Darstellung gebracht worden war. Nur so ist es zu erklären, dass die Olshausen’sche Annahme, dass es sich um fortgeleitete mütterliche Pulsationen handeln könne, so schlechtweg Geltung gewinnen konnte. Hier musste sich wenigstens durch geeignete Untersuchungen nach der einen oder der anderen Richtung eine Entscheidung bringen lassen können. Bevor ich an die Aufzeichnung von Kurven ging, habe ich natür- lich mir durch Betrachtung des Abdomens Hochschwangerer von der Häufigkeit der von Ahlfeld beschriebenen wellenförmigen Be- wegungen ein Urteil zu bilden versucht. Ich muss Ahlfeld durch- aus recht geben, wenn er diese Untersuchungen im Anfange zeit- raubend und 'wmühevoll nennt. Sie erfordern zunächst recht viel Geduld. Bald aber gelang es mir häufiger, die Bewegungen zu sehen, stets in der Nähe des Nabels und stets nur dann, wenn der Über intrauterine im Rhythmus.der Atmung erfolg. Muskelbewegungen etc. 7 Rücken ‘des Kindes bzw. die seitliche Partie des kindlichen Rumpfes der Vorderwand des Uterus dicht anlag. Anfangs glaubte ich noch, es könnte sich um eine Selbstsuggestion handeln, bis ich einen Fall fand, bei dem die Bewegungen so auffallend waren, dass ich sie unsehwer den anwesenden Assistenten demonstrieren konnte. Bei der Beobachtung wählte ich dieselbe Anordnung, wie Ahlfeld sie lehrt. Die Schwangere wurde horizontal gelagert, mit den Füssen gegen die Lichtquelle hin. Das beobachtende Auge fand sich nur etwas höher als der entblösste Leib. Ich konnte mich sehr bald davon überzeugen, dass in weitaus der Mehrzahl aller Fälle, in denen die Lage des Kindes eine günstige war, nach längerer oder kürzerer Beobachtungszeit periodisch auftretende, wellenförmige, wiegende Bewegungen, der Thoraxgegend des Kindes entsprechend, zu sehen und zu fühlen waren, und ich möchte hier gleich vorweg- nehmen, dass in allen den Fällen, in denen die klinische Beobachtung die Bewegungen feststellte, das Kymographion sie auch graphisch aufzeichnete. Schon bei diesen Beobachtungen ergab ein Vergleich mit der mütterlichen Atmung und dem mütterlichen Puls, dass die Be- wegungen damit nichts zu tun hatten; den zwingenden Beweis konnten natürlich erst die graphischen Aufzeichnungen geben. Zu meinen Untersuchungen konnte ich ein ausgezeichnetes Kymographion (vono Zimmermann-Leipzig) verwenden, das in der medizinischen Klinik in Gebrauch ist, und dessen Benutzung mir _ Herr Geheimrat Schultze bereitwilligst gestattete. Bei der Auf nahme der Kurven hat mich Herr Privatdozent Dr. Stursberg in freundlichster Weise unterstützt, indem er die zeitraubenden Unter- suchungen stets mit vornahm und so erst die Aufnahme exakter Kurven ermöglichte. Die Versuchsanordnung war folgende: Es wurden Schwangere zumeist aus den letzten Wochen der Gravidität ausgesucht, bei denen ich die eigentümlichen wellenförmigen Bewegungen vorher mit dem Auge "hatte beobachten können. Stets wurde nun gleichzeitig mit Hilfe des Kymographions aufgeschrieben: | 1. die Zeit (elektrische Zeitmarkierung); 2. die Atmung der Mutter (mit Hilfe eines Brondgeest’schen Luftkissens zur Registrierung der Atmungskurven, das auf den Thorax der Mutter angelegt wurde und in Verbindung stand mit einer Marey’schen Kapsel mit Schreibfeder) ; 6) K. Reifferscheid: 3. die Pulsation der Karotis der Mutter (mit Hilfe eines Metall- . trichters für die Karotis, der in Verbindung stand mit einer Marey "schen Kapsel mit Schreibfeder); 4. die wellenförmigen Bewegungen am Leibe der Schwangeren (mit Hilfe eines Glastricehters von ca. 4 em Durchmesser, der mit einer Marey’schen Kapsel und Schreibfeder in Ver- bindung stand, und der mit der Hand auf die Stelle neben dem Nabel aufgesetzt wurde, wo die Bewegungen mit dem Auge am besten zu beobachten waren). “ EBREBENGENGEÄNERUNER pgpERDONNNÄRRNNNNNN 9 Fig. 1. 1 Zeit 4 Sek. 2 Intrauterine Atembcwegungen, Freguenz 45. 3 Karotis- puls der Mutter, Frequenz Sl. 4 Mütterliche Atmung (teilweise angehalten). Ich muss sagen, dass ich selbst überrascht war, wie exakt und un- leugbar der keiner Täuschung fähige Apparat die Kurven aufzeichnete, die zweifellos dartun, dass es sich hier um regelmässige physiologische Bewegungen handelt, die unmöglich von der Mutter ausgehen können. Die beigegebenen Kurven werden das am besten erläutern. Be- sonders schön und über lange Zeit gleichmässig zu beobachten sind die Bewegungen in Kurve I (s. Tafel I); in anderen Fällen sind die einzelnen Erhebungen weniger steil und zeigen auf der Höhe eine kurze Horizontale, ehe der Abfall erfolgt (s. Fig. 1 u. 2), ge- nau wie das auch Ahlfeld beobachten konnte. Dann wieder sind die Bewegungen weniger deutlich ausgesprochen und nur als ganz Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolg. Muskelbewegungen etc. 9 niedrige, aber deutliche Erhebungen zu erkennen (s. Fig. 3 u. 4). Betrachtet man die Kurven bei schnellem Gang der Schreibtrommel, so sieht man’ deutlich, dass der ansteigende Schenkel steiler er- scheint, . während. der. absteigende ' flachere meist noch mehrere Sehwankungen zeigt (s. Kurve II auf Tafel ]). Aus der. Betrachtung der Kurven ergibt sich ohne weiteres, dass die mütterliche Atmung nichts mit: diesen eigentümlichen Bewegungen zu tun hat. Am deutlichsten ergibt sich das aus der Kurve ua = ENTE a RN | NT NN N N N NE Fig. 2. 1 Zeit 4 Sek. 2 Mütterliche Atmung, Frequenz 18. 3 Intrauterine Atembewegungen, Frequenz 60. 4 Karotispuls: der Mutter. Frequenz 78. in Fig. 1, wo die betreffende Schwangere eine Zeitlang den Atem angehalten hat, ohne dass dadurch die geringste Änderung an der Kurve hervorgebracht wurde. Dass auch die Pulsationen der mütterlichen Gefässe nicht ursächlich beteiligt sind, ist eben- falls schon ohne weiteres aus den Kurven zu ersehen, ergibt sich aber noch deutlicher bei der Auszählung, die zu ganz verschiedenen Zahlen führt für den Puls und für die einzelnen Erhebungen der wellenförmigen Bewegungen. Es bliebe noch die Möglichkeit, dass rhythmisch erfolgende Kontraktionen- des Uterus beteiligt wären. Dagegen ist zu 10 K. Reifferscheid: sagen, dass die Zusammenziehungen der glatten Muskulatur niemals so schnell verlaufen, wie wir es besonders auch für den Uterus aus zahlreichen Untersuchungen wissen. Ferner habe ich diese Be- wegungen stets nur dann aufzeichnen können, wenn der Glastrichter dort aufgesetzt wurde, wo der Rumpf des Kindes der Uteruswand anlag. Handelte es sich um Kontraktionen des Uterus, so wäre es doch zum mindesten sehr seltsam, wenn nur derjenige Teil der Uterus- wand, der dem Rumpf des Kindes anlieet, diese Bewegungen zeigen Fig. 3. 1 Zeit 4 Sek. 2 Intrauterine Atembewegungen, Frequenz 42. 3 Karotis- puls der Mutter, Frequenz 8. 4 Atmung der Mutter, Frequenz 18. sollte. Es hätte doch wenigstens zuweilen auch an anderen Stellen des Uterus das gleiche Phänomen auftreten müssen. Das war aber niemals der Fall. Es bliebe also nur übrig, dass es sich um vom Kinde aus- gehende Bewegungen handelt. Mit den uns bekannten fötalen Bewegungen können sie nichts zu tun haben, dafür sind sie zu regel- mässig. Es zeigt die Beobachtung unzweifelhaft, dass sie nur da zu finden sind, wo der Rumpf des Kindes der vorderen Uteruswand anliegt, und zwar hier wieder am deutlichsten entsprechend den unteren Thoraxabschnitten. Sie müssen also von dieser Gegend des kindlichen Körpers ausgehen. Das war mit der grössten Genauigkeit zu beobachten; so kam es bei einer länger dauernden Beobachtung Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolg. Muskelbewegungen etc. 11 vor, dass die anfänglich regelmässig oder wenigstens in kurzen Zeit- räumen vorkommenden wellenförmigen Bewegungen plötzlich aus- blieben und nicht wieder auftraten. Die Untersuchung ergab, dass bei der Rückenlage der Schwangeren der Rücken des Kindes etwas mehr nach hinten gesunken war, so dass der Glastrichter nieht mehr ES Fig. 4. 1 Zeit 4 Sek. 2 Intrauterine Atembewegungen, Frequenz 60. 5 Karotis- puls der Mutter, Frequenz 75. 4 Mütterliche Atmung, Frequenz 18. der Thoraxgegend auflag. Kaum waren wir mit dem Trichter dem Rücken gefolgt, als auch deutlich wieder die Bewegungen erschienen. Es muss sich also um Bewegungen handeln, die vom Kinde ausgehen, und zwar von der Thoraxgegend des kindlichen Körpers. Ihre grosse Regelmässigkeit, die Häufigkeit, mit der sie sich nach- weisen lassen, spricht dafür, dass es sich um physiologische Be- wegungen handelt. Will man sich die Art dieser Bewegungen erklären, so bleibt tatsächlich nichts anderes übrig, als mit Ahlfeld dieselben als 12 Sa KR. Reifferscheid: intrauterine fötale Atembewegungen aufzufassen. Schon die ganze Form der Kurve spricht dafür, dass es sich um eine Atmungskurve handelt; dazu kommt die geradezu auffallende Ähnlichkeit mit der Atmungskurve eines neugeborenen Kindes. Ich habe in Fig. 5 die Atmungskurve eines 5 Tage alten Kindes und darüber eine Kurve der fötalen Bewegungen wiedergeben lassen. Es wird jeder zugeben müssen, dass die Ähnliehkeit eine ganz auffallende ist. (Vel. dazu auch Kurve I und III auf Tafel 1.) Corbach Intıa -ulerine fÜlmung ANA MANAMANAN/ ANA MANANWNDN find, lage alt. Atmung. Fig. 5. Ein Vergleich der Zahlen für die extrauterine Atmung des Neugeborenen und die intrauterinen Bewegungen ergibt folgendes: Bei der Aufnahme einiger Atmungskurven neugeborener Kinder fand ich für die Häufigkeit der Atmung Zahlen, die schwankten zwischen 36 und 84 Atemzügen in der Minute. In einem Falle erhielt ich bei: längerer Beobachtung der kindlichen Atmung als Durchschnitts- zahl 45 Atemzüge pro Minute. Die intrauterinen Atembeweeungen wiederholten sich in der Minute 36—70 mal, im Mittel 48,4mal in der’Minute, also Zahlen, die sehr nahe bei denen für die extra- uterine Atmung liegen. Die Durchschnittszahl von 48,4 ist zwar Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolg. Muskelbewegungen etc. 13 geringer als die Ahlfeld’s, aber die Minimal- und Maximalzahlen der Bewegungen, die bei.mir 36. und 70 betrugen, passen sehr gut zu den entsprechenden Ahlfeld’schen Zahlen von 33 und 76. Lässt sich nun die Annahme fötaler intrauteriner Nissen irgendwie wahrscheinlich machen? Bisher galt unbestritten die Sch wartz’sche Theorie, dass der Fötus sich im Zustande der Apnoe befinde. Der Fötus atmet nicht, weil für die physiologischen Bedürfnisse seiner Gewebe der utero - placentare Gaswechsel . aus- reicht. Diese Erklärung genügt aber nicht, um es als unmöglich erscheinen zu lassen, dass Atembewegungen intrauterin vorkommen. Wir wissen, dass vom siebenten Monat an der menschliche Fötus vollkommen lebensfähig ist, dass also sein Atmungsapparat zu. jener Zeit bereits vollkommen entwickelt und funktionsbereit ist. „Wir wissen ferner, dass das mütterliche Atemzentrum von einem Blute durchströmt wird, welches keinen grösseren Venositätsgrad _ besitzt wie jenes, das im Fötus zirkuliert. Wenn also dieses Blut, dessen Venositätsgrad dauernd die Bedingungen für die rhythmische Tätig- keit des mütterlichen Atemzentrums bietet, für das kindliche ‚Atem- zentrum diese Bedingungen nicht enthalten. sollte, so müsste man annehmen, dass die Erregbarkeit des kindlichen Atemzentrums. ge- ringer sei als jene des mütterlichen. Eine Annahme, für die, wir keinerlei Anhaltspunkte haben. Lassen wir diese Annahme fallen, so ist die Konsequenz, dass ebenso wie das mütterliche auch ‚das kindliche Atemzentrum durch Blut von der gleichen. Venosität in Tätigkeit erhalten werde und also auch beim Fötus Atembewegungen ausgelöst werden müssen. So würde sich, wenn wir von .der Theorie ausgehen, dass die Erregung des Atemzentrums. abhängig. ‚ist von der spezifischen Zusammensetzung des Blutes, zwanglos das Auftreten der intrauterinen Atembewegungen verstehen lassen. Dass die Atembewegungen nur periodisch ‚auftreten, Te. periodisch stärker und schwächer bemerkbar. werden, würde für diese Vorstellung kein Hindernis sein. Sieht. man. doch die perio- dische Atmung auch sonst häufig, so als Begjleiterscheinung der Lethargie der Winterschläfer manchmal des Schlafes gesunder Indi- viduen,. besonders alter Leute und kleiner Kinder (Luciani). Was ist nun der Effekt der intrauterinen Atembewegungen ? Ahlfeld nimmt an, dass ganz oberflächlich Fruchtwasser eingesaugt und ‚wieder ausgestossen. werde. Diese Möglichkeit ist gewiss an- nehmbar. Der von ihm angeführte und von mir bereits erwähnte 14 Kareifrerscheid: Fall von Oesophagus-Atresie ist meines Erachtens allerdings kein Beweis für diese Annahme. Unter den vorliegenden pathologischen Verhältnissen ist es durchaus möglich, dass bei Schluckbewegungen des Kindes das Fruchtwasser, das nicht durch den atretischen Oeso- phagus hindurch konnte, nun in die Trachea übertritt und so durch die bestehende Oesophagus-Tracheaverbindung in den Magen und Darm gelangte. Man könnte sich aber andererseits vorstellen, dass die Atembewegungen intrauterin bei geschlossener Glottis stattfinden und auf diese Weise überhaupt ein Einsaugen von Fruchtwasser nicht statthat, sondern nur eine Bewegung der Atemmuskulatur. Schliesslich muss noch das folgende Moment in Betracht gezogen werden, dass nämlich die Atembewegungen intrauterin in einem ganz anderen Medium stattfinden als im extrauterinen Leben. Die Saugkraft, die erforderlich ist, um Luft einzusaugen, ist eine weit geringere als die, die notwendig ist, um eine Flüssigkeit einzu- saugen, deren Reibungswiderstand ein weit grösserer als der der Luft ist. Der Reibungswiderstand ist aber bei dem sehr kleinen Durchmesser der engen Kanäle beim Fötus noch grösser als beim Erwachsenen. Da es sich nun intrauterin offenbar nur um schwache Atemimpulse und oberflächliche Atembewegungen handelt, so wäre es ohne weiteres schon aus diesen Gründen verständlich, dass die- selben mit ihrer verhältnismässig geringen Saugwirkung selbst bei offener Glottis nur zu einem oberflächlichen Einsaugen von Frucht- wasser vielleicht in die Nasenöffnungen führen könnten, nicht aber imstande wären, das Fruchtwasser tiefer in die Lungen hineinzu- pumpen, wie wir das erst bei den krampfhaften Atembewegungen des absterbenden Fötus eintreten sehen. Sprechen nun die Beobachtungen von Runge und Zuntz nicht gegen diese Erklärungsmöglichkeit? Die Ahlfeld’schen Einwände gegen die Beweiskraft der Tier- versuche habe ich schon erwähnt. Dazu kommt noch etwas anderes. Wenn ich den Uterus eröffne und den Fötus freilege, so sind das gewiss keine physiologischen Verhältnisse. Es bedeutet dieser Ein- griff sicherlich einen sehr erheblichen peripheren Reiz für den Fötus. Nun wissen wir, dass das Atemzentrum ausserordentlich leicht er- regbar ist; wir wissen ferner,. dass die Erregbarkeit leicht erregbarer Zentren durch einen starken Reiz stark herabgesetzt werden kann, so dass die Zentra nun erst auf sehr viel stärkere Reize wieder reagieren. Es läge also die Möglichkeit vor, dass der starke Reiz Über intrauterine im Rhythmus der Atmung erfolg. Muskelbewegungen etc. 15 der Freilesung des Fötus die Erregbarkeit des Atemzentrums so herabsetzt, dass es auf die schwachen Reize vom Blute aus nicht mehr reagiert, wohl aber wieder auf den viel stärkeren Reiz, den die Kompression der Nabelschnur verursacht. Aber auch positive experimentelle Beobachtungen beim Tier sind bereits vorhanden. Darauf hat Sellheim!) zuerst wieder auf- merksam gemacht. Sie liegen bereits über hundert Jahre zurück. Dadurch wird ihr Wert sicherlich nicht gemindert, denn wir wissen, was für gute Beobachter gerade die Alten waren. So berichtet Winslow?), dass „nach Öffnung von trächtigen lebenden Tieren, von Hunden und Katzen, deren Fetus, wenn ınan sie nach aufgeschnittenem Uterus in dessen Höhle, und bei unver- letztem Nabelstrang noch in dem Fruchtwasser in ihrer Lage beob- achtete, Fruchtwasser einzuatmen schienen. Denn man unterscheidet sanz augenscheinlich aa) eine Erweiterung und Zusammenziehung der Nasenlöcher, bb) die Bewegungen der Brust, d. i. das Aufsteigen und Niedersinken der Rippen; ce) die Bewegungen des Unterleibs, d. i. die Ausdehnung und Zusammenziehung der Bauchmuskeln. Diese angeführten Verrichtungen aa, bb, ce wechseln wie beim natürlichen Atmen miteinander ab und treffen immer zusammen, doch nicht in so gleicher und regelmässiger Ordnung wie bei dem natür- lichen Atmen geborener Tiere; nach zwei, drei oder vier Ein- und Ausatmungen des Fruchtwassers folgt gewöhnlich eine Pause im Atmen, ist diese vorhei, so fängt das Atmen wieder an.“ Ferner schreibt Be&clard°®): „Öffnet man vorsichtig die schwangere Gebärmutter eines Säugetierweibchens, so sieht man durch die Häute und das Schafwasser sehr deutlich, dass der Fötus die mechanischen Atembewegungen nur langsamer als nach der Ge- 1) Sellheim, Diskussion zu dem Vortrag von Reifferscheid über intra- uterine Atmung. Mittelrhein. Gesellsch. f. Geb. u. Gynäk. 19. Februar 1911. 2) Winslow bei D. Paul Scheel, Über Beschaffenheit und Nutzen des Fruchtwassers in der Luftröhre der menschlichen Früchte, deren Berücksichtigung in der gerichtlichen Arzneikunde und beim Scheintode neugeborener Kinder und über das Fruchtwasser überhaupt. Aus dem Lateinischen. Joh. Christ. Schubart, Erlangen 1800. 3) B&eclard, Untersuchungen, welche zu beweisen scheinen, dass der Fötus das Schafwasser atmet. A. de Bulletin de la faculte de med. de Paris 1813 no. 6—8. Referat, Deutsch. Arch. f. d. Physiol. von J. F. Meckel Bd.1H.1. Halle und Berlin 1815. 16 K. Reifferscheid: Über intrauterine im Rhythmus der Atmung ete! burt vollzieht. Jede Einatmung wird durch das’Öffnen des Mundes, die Vergrösserung der Nasenlöcher, das Heben der’ Wände der Brust- höhle bezeichnet. ‚Diese Bewegungen werden in dem Mäasse schneller und stärker, als durch die Zusammenziehung der Gebärmutter der Kreislauf zwischen Mutter und Fötus unvollkommener wird.“ Diese Beobachtungen sind ungemein wichtig. Sie beweisen, dass auch beim Tier intrauterin periodisch auftretende Atembewegungen vorkommen (Winslow), sie sind aber auch für die Frage nach der Entstehung der Bewegungen von grösster Bedeutung. Denn B&clard hebt hervor, dass bei Erschwerung des Kreislaufs durch Zusammen- ziehung der Gebärmutter die Atembewegungen häufiger und stärker werden. Das beweist die Abhäneigkeit der Bewegungen vom Atem- zentrum, das bei höherem Venositätsgrad des Blutes stärker er- regt wird. en Durch das vorliegende Beobachtungsmaterial, das ich durch meine Untersuchungen habe vermehren können, ist, glaube ich, ein- wandfrei der Beweis erbracht, dass intrauterin regelmässige physio- logische im Rhythmus der Atmung erfolgende‘ Muskelbewegungen des Fötus stattfinden. Diese Bewegungen sind als intrauterine Atembewegungen zu erklären und zu bezeichnen. Der Ausdruck „intrauterine Atmung“ ist besser zu vermeiden, da er zu Missver- ständnissen Anlass geben. kann und sicher auch öfters gegeben hat. Es handelt sieh ja nicht um eine Atmung im eigentlichen Sinne, sondern um vom Atemzentrum aus angeregte Bewegungen der Atem- muskulatur. a u Erklärung zu der Tafel. Kurve I.. Schwangere Corbach. 1 Zeit 2 Sek. 2 Mütterliche Atmung.- Fre- quenz 15—18 in der Minute. 3 Intrauterine Atembewegungen. Frequenz 42—48 in der Minute. 4 Karotispuls der Mutter. Frequenz 78 in der Minute Kurve II. Schwangere Vogels. 1 Zeit 4 Sek. 2 Mütterliche Atmung. _ Fre- quenz 18. 3 Karotispuls der Mutter. Frequenz 78. 4 Intrauterine ‚Be- wegungen. Frequenz 39. Kurve II. 1 Zeit 4 Sek. 2 Atembewegungen des Thorax bei einem 5 Tage alten Neugeborenen. | “ Pflüger's Archiv für die ges Physiologie Bd. 140 HH HH a a a a a a a nn u zu vn Sa nie See UNI NN SI en na NN en N A MM \ VOM AAN AAN INA RAUM re N ne Kurve. 1 ! 2 UNAMNWVULANV VNNVWVSAN MAN N AMMNMNMWVV ANW\ WIM N NA An en 17 (Aus dem. physiologischen Institut der kais. Universität Kazan.) Über die motorischen Nerven des Herzens. | | - Von Prof. D. Polumordwinow. (Mit 3 Textfiguren und Tafel II.) Gibt es Nerven, durch deren Reizung Herzkontraktionen, nach- dem dieselben aufgehört haben, aufs neue om werden können? Die moderne Physiologie besitzt kein genügendes Material, um eine bestimmte Antwort auf diese Frage zu geben, weder im nega- tiven, noch um so weniger im: positiven Sinne, Am meisten entwickelt und: begründet erweist sich die Ansicht, welche vom Haupte der myogenen Schule, von Gaskell, aus- gesprochen worden ist!), dass solche Nerven nicht existieren, oder zum mindesten wir kein einziges Faktum kennen, welches für ihre Existenz sprechen könnte. | : Veranlassung zum Aufwerfen der hier diskutierten Frage geben die schon wiederholt beschriebenen Beobachtungen , welche darin bestehen, dass bisweilen das im Verlaufe eines Versuches stehen- gebliebene Herz aufs neue durch die Reizung der „Akzeleratoren“ zu arbeiten anfängt, und nicht nur während der Reizung, sondern noch einige Zeit nach Beendigung derselben zu arbeiten fortfährt. Die Beobachtungen betrafen hauptsächlich die Herzventrikel von Säugetieren ?). 1) Gaskell, On the Rhythm ofthe Heart etc. Philos. Transact. vol. 173. 1883. 2) Der. zuerst von Schelske (1860) gemachte Hinweis bezog sich auf das Froschherz, Das Herz, welches durch Erhitzen zum Stillstand gebracht war, gab bei Reizung des N. vagus eine Reihe von Kontraktionen. Eckhard, Meyer, Bernstein, Rosenthal, welche den Versuch nachgeprüft hatten, überzeugten sich, dass die Herzkontraktionen durch Reizung des Nerven nur in den Fällen hervorgerufen werden konnten, wo die Stromschleifen auf die Herz- muskeln einwirkten. (Eckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Bd. 7. 1876.) Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140, 2 18 D. Polumordwinow: Gaskell, der selbst eine solche Erscheinung am Froschherzen beobachtet und beschrieben hatte, kam jedoch zu der Folgerung, dass die Wiederherstellung der Tätigkeit der Ventrikel nicht im Zusammenhang steht mit der unmittelbaren Einwirkung auf dieselben von seiten der gereizten Nerven; die Reizung der Nerven hat in diesem Falle zur Folge das Verschwinden des „Blocks“ in den Teilen, welche zur Leitung der Erregung vom venösen Sinus auf die Ventrikel dienen. Wenn die Herzvorhöfe so durchschnitten werden, dass von den- selben unbeschädigt nur ein kleiner Teil in Form eines schmalen Steges übrig bleibt — das Septum der Vorhöfe mit ihren Nerven wird hierbei durchschnitten —, so weist danach die Folgerichtigkeit und der Rhythmus der Kontraktionen der Herzteile gar keine Ver- änderungen auf; ebenso, wie früher, entspricht jeder Kontraktion des venösen Sinus eine Kontraktion des Ventrikels. In dieser Art _ dauert die Herztätigkeit die ganze Zeit über fort, solange die pbysio- logischen Eigenschaften des Verbindungssteges normal bleiben; so- bald aber diese Eigenschaften, speziell die Leitungsfähigkeit, sieh zu verändern beginnen infolge des Absterbens oder nach künstlichen Beschädigungen, so verändert sich auch zugleich das Bild der Herz- tätigkeit; jetzt wird nicht jede Erregung, welche vom venösen Sinus ausgegangen und bis zum Muskelstege gelangt ist, von diesem letzteren weitergeleitet; einige von ihnen erlöschen, und die denselben ent- sprechenden Ventrikelkontraktionen fallen aus. Nach Maassgabe der Entwicklung des Blocks kontrahiert sich der Ventrikel immer seltener und bleibt zuletzt stehen; der partielle Block ist in einen vollständigen übergegangen. Durch Reizung der motorischen Nerven kann man die normalen Eigenschaften (Leitfähigkeit) des Muskelsteges wieder herstellen (die positive dromotope Nervenwirkung nach der Terminologie der Myo- genisten); jetzt wird jede Erregung bis zu dem Ventrikel hingeleitet; der letztere erneuert seine Tätigkeit auf einige Zeit, bis wieder der Block sieh entwickelt. In den Beobachtungen, von welchen oben die Rede war, wo die stehengebliebenen Ventrikel aufs neue bei der Reizung der Akzeleratoren sich kontrahierten, liess sich nach der Meinung von Gaskell die ganze Erscheinung auf die Entwicklung des Blocks infolge von Absterben und auf das Verschwinden desselben unter der Einwirkung: der Nervenreizung zurückführen. Über die motorischen Nerven des Herzens. 19 Die Ansicht Gaskell’s gilt in der Jetztzeit als fast allgemein anerkannt unter den 'Myogenisten; sie behält ihre Bedeutung auch in bezug auf die späteren Arbeiten, wo die Untersuchung am in- takten Herzen, nicht aber an den isolierten Herzteilen ausgeführt wurde (Hering 1905). _ Als ein sehr geeignetes Objekt für die Lösung der betreffenden Frage erweist sich das Froschherz. Vermittelst Durchschneideu der Vorhofswandungen kann man die Muskelbindung des Ventrikels mit dem venösen Sinus vernichten und gleichzeitig die Nerven des Ventrikels, die im Septum der Vor- höfe verlaufen, unbeschädigt erhalten. Der Zustand eines solchen Ventrikels — ich werde ihn einen isolierten nennen — stellt zwei Perioden dar, von welchen jede ihren eigenen Wert besitzt, in Abhängiekeit davon, welch eine Art Nerven, die motorischen oder hemmenden, als Untersuchungs- objekt dient. Gleich nach dem Durehschneiden des letzten Steges der Vor- hofswandungen bleibt der Ventrikel stehen; dieser Stillstand dauert nicht selten eine Stunde und sogar mehr. Sodann erneuern sich die Kontraktionen des Ventrikels infolge der sich entwickelnden automatischen Tätigkeit desselben; diese Bewegungen sind unabhängig von den Kontraktionen der oberen Herzteile, zeigen einen anderen, verlangsamten Rhythmus und weisen gar keine Veränderungen auf, nachdem die letzte Verbindung mit dem venösen Sinus — die Nerven des Septum — durchschnitten worden ist. Die Periode der automatischen Ventrikelkontraktionen dauert verhältnismässig nicht lange, selten mehr als 2 Stunden, derselben folgt der endgültige Stillstand des Ventrikels. An einem solchen Objekte, einem isolierten Ventrikel, sind meine Untersuchungen angestellt worden; jede Veränderung im Zu- stande des Ventrikels, welche nach Reizung der Nerven folgte, muss bei den gegebenen Bedingungen ausschliesslich auf die unmittelbare Nerveneinwirkung auf den Ventrikel selbst zurückgeführt werden. Anfänglich, um die Einwirkung der hemmenden Nerven zu be- seitigen, hatte ich Atropin oder Nikotin, 0,5 °/oige Lösung in Ringer- seher Flüssigkeit, in Form von Bepinselung des Septums angewandt; später habe ich mich überzeugt, dass man die Wirkung der motorischen 2 * 30 D. Polumordwinow: Nerven auch bei Gegenwart von Hemmungsnervenfasern, die ihre Funktion beibehalten hatten, nachweisen kann; freilich kommt dieses nicht allzu häufig vor, aber dafür gewinnen die Erscheinungen, welche hierbei beobachtet wer- den, viel an ihrer De- monstrativität. ‚Alle wei- ter unten angeführten Kurven sind speziell bei diesen Bedingungen er- halten worden. Reizt man einen von den Nervi vagi in der Periode des Stillstandes, welcher nach dem Durch- schneiden der Vorhöfe entstanden ist, so konnte man sehen, dass nach Verlauf einer ziemlich bedeutenden latenten Periode, von 5—30 Sek., die Tätigkeit des Ventrikels inForm Zeitintervallen von£20 Sek. Von links nach rechts zu lesen, 100 mm R.-A. Registriert wurden die Bewegungen des venösen was sich auch auf alle nachfolgenden Kurven bezieht. [21 I von regelmässigen SE . Ks rhythmischen Kon- ei . . Me traktionen wieder- Sg . De hergestellt wird; en die letzteren dauern nach a . un a7 Beenden der Reizung rS .o. D u noch einige Zeit fort und S= R R 5 5 S8 hören später, indem sie © ER . Az allmählich seltener und 3 schwächer werden, auf; >3 eine Wiederholung der >| ö . = Reizung ergibt aufs neue dasselbe Bild. Nach Anlegen einer Vagusligatur verschwindet der Effekt; eine Übertragung der Elektroden hinter der Einschnürungsstelle gibt das frühere Bild der Wiederherstellung der Ventrikelkontraktionen. Wenn man einen von den Scheidewandnerven frei präpariert, ganz Über die motorischen Nerven des Herzens. 21 En gleich den vorderen oder hinteren, den anderen aber zusammen mit der Scheidewand durchschneidet, so kann durch Reizung des N. vagus die Ventrikeltätigkeit wiederhergestellt werden, ebenso wie bei beiden intakt gebliebenen Nerven. Nach Anlegung einer Ligatur auf das Septum en masse, einem isolierten Durchschneiden oder Zerquetschen der Septumnerven fällt der Effekt aus. Wenn ausser den Ventrikelbewegungen die Kontraktionen der Vorhöfe oder des venösen Sinus gleichzeitig registriert werden, so kann-man sehen, dass zu der Zeit, wann unter dem Einflusse der Vagus- Kurve 2. Fortsetzung der vorhergehenden. Die Reizung der Nn. vagi (100 mm R.-A.) wurde wiederholt, bevor die Ventrikelkontraktionen aufgehört hatten. reizung der Ventrikel seine Tätigkeit zu erneuern beginnt, die oberen Herzteile im Zustande des dia- stolischen Stillstandes verharren (Kurve |). Interessant ist, dass eine Reizung von derselben Stärke, wenn sie bald wiederholt wird, bevor die durch die vorausgegangenen Reizungen hervorgerufenen Ventrikelkontraktionen noch aufgehört haben, jetzt auch auf dem Ventrikel Hemmungserscheinungen erzeugt (Kurve 2). Auf diese Weise erweist sich die Behauptung, dass bei gleich- zeitiger Reizung der hemmenden und motorischen Nerven nur die hemmenden Fasern ihre Wirkung zeigen, als richtig in bezug nur auf das sich kontrahierende Herz; falls aber die Reizung beim Herz- stillstande stattfindet, so erlangen die motorischen Nerven in vielen Fällen Übergewicht. Die Periode der wiederhergestellten Kontraktionen, welche die Stillstandsperiode ablöst, dauert nicht lange; nicht selten bleibt 22 D. Polumordwinow: Kurve 3. Zwei Reizungen des N. vagus dext. bei 100 mm R.-A. in der Periode des endgültiges Stillstandes des isolierten Ventrikels. schon nach 1—1"/s Stunden der Ven- trikel wieder und endgültig stehen. Wiederholung der beschriebenen Versuche in dieser Periode wird von denselben Resultaten begleitet (Kurve 3). Es wurde von mir auch eine Serie von Versuchen an überlebenden Herzen ausgeführt. : Nach Entfernung des Gehirns und Zerstörung des Rückenmarks wurden die Frösche mit entblössten Herzen und freipräparierten Nn. vagi in Ringer’scher Lösung bei einer Tem- peratur von ungefähr 0° gehalten. Bei der Untersuchung solcher Objekte nach verschiedener Frist habe ich bemerkt, dass der Ventrikel die Fähigkeit für die automatischen Be- ' wegungen nicht früher als nach 6 Tagen verliert‘); nach dem Durch- schneiden der Vorhöfe kann der Ven- trikel stundenlang unbeweglich bleiben, während die oberen Herzteile sich mit dem gewöhnlichen Rhythmus zu kon- trahieren fortfahren. Das Gesagte be- zieht sich natürlich auf die Herzen, welche aus der erkalteten Ringer- schen Lösung herausgenommen und bei gewöhnlicher Zimmertemperatur untersucht worden sind. Durch Reizung des N. vagus kann man auch hier das beschriebene Bild' der Tätigkeitserneuerung des isolierten 1) Hierbei wurden die Fälle, in welchen schon in den ersten Tagen die Herzmuskel- starre eingetreten war, nicht in Betracht gezogen. ANUUUUUUUUUUUUUUUUULUUUUUUUUUULTUUUUULLUUUAKARSUUUAANG ONTELTOUBENNERETENEENERUERUNENDERUENENENUNUDERUNETTULUNEUNEDTENTNUENELNUFURUNEIEREEREEEEETEENTEETERGLERUGEERUENELETTETNENENDEETUUEETRTERTEENTNENTURENNERTOENTOERTOETHTTRERFERTERN ITTLEEREEEENGONDUUEUUNEETNE, { FIIR KUN ILL U a U ENG NULL UV NULL UN UL U UA AU UA UU URL UN Un \ UA UL UL UU UL Über die motorischen Nerven des Herzens. 93 Ventrikels hervorrufen (Kurven 4, 5 und 6). In dem Versuche, welchem die Kurven entnommen sind, rief anfänglich die Reizung des N. vagus einen Stillstand der oberen Herzteile hervor, gleichzeitig mit dem Auftreten der Ventrikelkontraktionen; es hatten also die Nerven- zellen, welche in den Hemmungsapparat eingeschaltet sind, ihre Funktion im Verlaufe von 6 Tagen beibehalten; aber bald hörte die Wirkung der hemmenden Nerven auf und zur Zeit der Registrierung der Herzbewegungen gab die Reizung des N. vagus nur einen motorischen Effekt auf den Ventrikel, welcher weder von einem Stillstande, noch gar von einer Verlangsamung der Kontraktionen des venösen Sinus und der Vorhöfe begleitet war. So gelang es mir noch am elften Tage durch Reizung des N. vagus, rhythmische Bewegungen des isolierten Ventrikels hervor- zurufen, welcher stundenlang vor und nach der Reizung unbeweg- lich geblieben war, wobei die Kontrolle durch Ligaturanlagen keinen Zweifel daran hinterliess, dass man es hier ausschliesslich mit dem Nerveneinflusse zu tun hatte. Die von mir beschriebenen Nerven, wie auch überhaupt alle Herznerven, welche einen motorischen Charakter besitzen, gehören dem sympathischen Nervensystem an. Da aller Grund vorhanden ist, anzunehmen, dass die sympathischen Nervenfasern nicht in Ver- bindung: mit den intrakardialen Nervenzellen treten, sondern un- mittelbar in dem Herzmuskel endigen, so können solche Nerven als die motorischen im engeren Sinne dieses Wortes betrachtet werden, als Analoga der motorischen Nerven der übrigen Muskeln; bei Reizung derselben gerät der ruhende Muskel in Tätigkeit. Tafelerklärung. Versuch am überlebenden Herzen. Siebenter Tag. Isolierter Ventrikel. Kurve 4. Reizung des N. vagus dext. bei 100 mm R.-A. Zeitintervall 10 Sek. Kurve 5. Eine Ligatur ist auf den Stamm des N. vagus dext. angelegt und die Reizung bei 110, 100, 90 und 80 mm R.-A. wiederholt. Kurve 6. Die Elektroden sind hinter die Ligatur übertragen; Reizung bei 100 mm R.-A. 34 A. Beck und G. Bikeles: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg.) Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark festgestellt vermittels Unter- suchung der Aktionsströme. Von | Prof. Dr. A. Beck und Prof. Dr. &. Bikeles. (Mit 3 Textfiguren.) In einer vorangegangenen Arbeit!) befassten wir uns mit der Frage der Reflexbahnen in der grauen Substanz des Rückenmarks. Wir studierten zu diesem Zwecke nach Ausschaltung von Rücken- markswurzeln die bei Reizung der Sohlenhaut auslösbare, sei es in Form einer Zehenbeugung, sei es als Dorsalflexion im Sprunggelenk auftretende, reflektorische Bewegung. Die Ausschaltung der Rückenmarkswurzeln wurde in der Weise vorgenommen, dass die zuleitende und ableitende Wurzel des Reflex- bogens voneinander tunlichst entfernt blieben. Da für den zu dieser Untersuchung gewählten Hautreflex auf je einer Seite die Rücken- markswurzeln VI -+ VII lumbal + I sakral, eventuell auch II sakral in Betracht kommen, so konnten ‚wir durch entsprechende Wurzel- ausschaltung leicht nachweisen, dass ein typischer Hautreflex noch zustande kommt, wenn die zentripetale Wurzel des Reflexbogens von der zentrifugalen durch ein der Rückenmarkswurzeln auf dieser Seite gänzlich beraubtes Segment getrennt ist, oder was dasselbe ist, wenn der Reflexbogen im Rückenmark vom zuleitenden zum ab- leitenden Schenkel durch drei Segmente sich hinzieht. Auf bedeutendere Schwierigkeiten stiessen wir aber, als wir die Entfernung zwischen der zentripetalen und zentrifugalen Wurzel nur noch um ein weiteres Segment zu vergrössern suchten (vgl.1. c. S. 412—413). 1) Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 407. Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark etc. 35 Angesichts dessen, dass für den in Rede stehenden Hautreflex überhaupt nur vier Rückenmarkssegmente in Betracht kommen und ‚andere typische, stabile und leicht erhaltbare Hautreflexe mit einer grösseren Anzahl von zu- und ableitenden Wurzeln nicht bekannt sind, nahmen wir uns vor, durch Beobachtung von reflektorisch erzeugten Aktionsströmen unsere Untersuchungen in dieser Richtung zu erweitern. — Wir waren nämlich bestrebt, durch Reizung einer hinteren Wurzel und Ableituug von einer vorderen Wurzel derselben Seite zu erforschen, bis zu welcher Entfernung derselben voneinander sich noch Aktionsströme nachweisen lassen. Die Versuche wurden auf folgende Weise ausgeführt: Zunächst wurde das Rückenmark im Dorsalteile quer durchschnitten. In den meisten Fällen fand die Durchschneidung des Rückenmarks unmittel- bar vor dem Versuche statt, in einer Minorität der Fälle war das Rückenmark einen oder einige Tage zuvor durchschnitten worden. Dann wurden die lumbosakralen Wurzeln blossgelest und unter die zu reizenden hinteren Wurzeln einzeln Ligaturen unterschoben, wonach sie nach Unterbindung peripherwärts durchschnitten wurden. "Unter jene vordere Wurzel, welche mit dem Galvanometer verbunden werden sollte, kamen zwei mit Ringer’scher Lösung durchtränkte Wollfäden, von denen eine möglichst peripherwärts fest zusammen- -geschnürt wurde und zur Ableitung vom Querschnitte der hart an der Ligatur durchschnittenen Wurzel diente, während die zweite als lose Schlinge proximalwärts umgelegt wurde. Diese Wollfäden wurden während der weiteren Untersuchung in den Ton der unpolarisier- baren Elektroden eingeknetet. Die von uns benutzten Elektroden sind derart eingerichtet, dass sie vermittels doppelter Trieb- und ‘Schraubvorrichtung horizontal und vertikal verschoben werden können. Die in Betracht kommenden Wurzeln und die Elektroden wurden von den umgebenden Geweben durch Kautschukmembranen aufs sorgfältigste isoliert. _ Wir bedienten uns zu diesen Untersuchungen des Hermann- Wiedemann’schen Galvanometers, dessen Empfindlichkeit ein Skalen- teil = 2X 10719 Amp. betrug. Die beobachtete Ablenkung des Galvanometerspiegels vor, während und nach jeder Reizung wurde jedesmal bei jeder Reizung notiert. Jede einzelne — in allen Versuchen ungefähr gleich lang dauernde — Reizung währte einige Sekunden. Gereizt wurde (faradisch) die entsprechende hintere Wurzel in der Regel wiederholte Male; jedoch 36 A. Beck und G. Bikeles: im ganzen hintereinander nur durch kurze, wenige Minuten betragende- Zeit. In vielen Versuchen wurde nach einer längeren Ruhepause an derselben hinteren Wurzel abermals der Erfolg der Reizung unter- sucht, und dies wiederholte sich ziemlich häufig bis dreimal, selten mehr. In den unten angeführten Tabellen wird diese Wiederholung: nach Ruhepausen in der ersten Kolumne durch den römischen Zahlen. beigefügte Buchstaben (a, b, e usw.) angedeutet. in allen Untersuchungen wurde das Tier vor Beginn des eigent- lichen Versuches curaresiert. Die Ergebnisse der Versuche im einzelnen: Serie A. Zunächst konstatierten wir in zwei Vorversuchen die Grösse der negativen Schwankung, welche bei Ableitung von einer vorderen L. II L. II Bel L.IV L.V L.V L.VI L. VI L.VI EN S.I S.I Ss.II SH S. III S.IH Fig. 1. und Reizung einer hinteren Wurzel desselben , und zwar des VII. lumbalen Segmentes, erhaltbar ist. In einem Versuche betrug die Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark etc. 97 durch die Reizung hervorgerufene Ablenkung 23—32 Skalenteile; es wurde fünfmal gereizt, jedesmal mit positivem Resultat. Im zweiten Versuche betrug die Ablenkung 7—13 Skalenteile; gereizt wurde viermal, ebenfalls jedesmal mit positivem Resultat. Hierauf wurde in einer grossen Reihe von Versuchen (14) nicht von der der gereizten hinteren korrespondierenden vorderen Wurzel, sondern von der vorderen Wurzel des nächst höheren (in acht Ver- suchen) oder des nächst unteren (in sechs Versuchen) Rückenmark- segmentes abgeleitet. Auf diese Weise war die Richtung des Reflex- bogens eine auf- resp. absteigende und im ganzen auf zwei Segmente, und zwar entweder auf das VI. + VII. Iumbale (Fig. 1 und 2) oder auf das VII. Jumbale + I. sakrale Segment sich erstreckend !). Tabelle I. Reflexbogen durch zwei Rückenmarkssegmente (VI-+ VII Lumb.). Negative , Ver- K er Gereizt | Abgeleitet | Gereizt | Schwankung er suchs- DIET se] SCHWAN- hl wurde wurde von | wurde | Vor- | Grösse in 3 2 handen Aa ee ne I. (| 14 mal | 10 mal | 10-32 | 4 mal IIa ON 2n 8—17 —_ he ILb. Zu a le | Ic VIE Imb: | VELumbyl 251, 27020570, = \ Richtung || sens. motor. des | IITa 3mal ||) Simaleın 51a Eon II b a | IlIc. |) 4.„ Sn 9—11| 1mal 5 7mal | 3mal | 5—15 |1(+3)mal II. De 4 1 mal Il a 3a. 3. 5-40| — Ib a, a ae III ce 6° ..|.2 .. 833 2mal III d 3.05 3 8—13 _ “ 1II e. a, A| ale TILf. |VI.Lumb.| VII. Lunb. An 4 „ 4-11 _ Richtung III g. sens. motor. 8% 3 2—7 — Rn, A Va 5, | small een amat IVb Bi.) Ss 4—10 — IVc Aue za 7 — Va. 2E 2mal | 7—9 — Vb. Buch Sa 2—9 — 1) Einen durch zwei Segmente sich hinziehenden Reflexbogen stellten auch Gotch und Horsley zu anderen Zwecken dar. (On the Mammalian Nervous System etc. by an Electrical Method. Proc. Royal Soc. vol. 49 p. 492 and 501. 1891. 28 A. Beck und G. Bikeles: Tabelle II. Reflexbogen durch zwei Rückenmarksegmente (VII. Lumb. + I. Sakr.). y Negative Kei - 5 eine a Gereizt Abgeleitet | Gereizt Scumankung Schwanl “ahl wurde wurde von | wurde | Yor- Grösse in] Kung handen | teilen Ia. |} 3 mal | 2 mal | 23—33| 1 mal Ö Ib. Au, 2 9—12| 2 „ 7 mn I. 3 Ds 5-7 | 1n 3 e II. , Sa a | ES 3-30| — 35 I. Sakr.: | VII. Lumb. 2 IVa. 43), 4 9—12 —_ = IV c. Bu 3, 4—7 _ SE Va. 42, Ba, 8—20| 1 mal © Vb. BR 3.» .|.15—17 — s= Ve. 45 4 „ 4—15 _ i © 04 a || mente] seen sun ls Wem 5 ku | Te. |) 8 | nehme | 4 514, | o8| — |1E3- Sowohl bei auf- wie absteigender Richtung des Reflexbogens liess sich in allen Versuchen überaus deutlich das reflektorische Auftreten von Aktionsströmen in der abgeleiteten vorderen Wurzel, wie aus den beigefügten Tabellen I und II zu ersehen ist, nachweisen. Ein negatives oder zweifelhaftes Resultat erhielten wir in beiden Versuchsreihen, sowohl in der mit aufsteigender, als auch in der mit absteigender Richtung des Reflexbogens nur in einer ganz geringen Anzahl der vorgenommenen Reizungen. Auch in der Grösse der negativen Schwankung des Ruhestromes zeigt sich kein wesentlicher, von der Richtung des Reflexbogens abhängiger Unterschied. Serie B. In einer anderen Reihe von Versuchen (sieben) wurde abgeleitet von der zweitnächst oberen resp. unteren vorderen Wurzel. Der auf diese Weise erhaltene Reflexbogen erstreckte sich somit auf drei Rückenmarksegmente. Die Herstellung eines solchen Reflex- bogens in aufsteigender Richtung begegnete keinen Schwierigkeiten. Wir konnten nämlich am besten bei Reizung der I. sakralen hinteren Wurzel von der VI. lumbalen vorderen Wurzel (Fig. 3) mit Leichtig- keit ableiten (zwei Versuche). In einigen Fällen (zwei Versuche) Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark etc. 29 gelang es auch bei Reizung der II. sakralen Wurzel und Ableitung von der VII. lumbalen vorderen Wurzel reflektorische Aktionsströme zu erhalten. In einer Anzahl anderer Versuche jedoch blieb die Reizung der II. sakralen Wurzel ohne Resultat, wahrscheinlich, weil die sehr zarte II. sakrale Wurzel leicht bei der Manipulation leidet, vielleicht auch deshalb, weil die geringe Anzahl der in derselben enthaltenen zentripetalen Fasern nicht immer zum Erzeugen von reflektorischen Aktionsströmen ausreicht. & & Du < > - ... = 1 ee en - ® Lv \ 8 ie Lv | R \ S.1 “ \ i x r \ 2 Big. 3 Fig. 4. Die Herstellung hingegen eines solchen, auf drei Segmente sich erstreckenden Reflexbogens in absteigender Richtung traf häufig auf recht bedeutende Schwierigkeiten. Wir wollten nämlich (bei eventueller Ableitung von der VII. lumbalen vorderen Wurzel) die V. lumbale hintere Wurzel nicht zur Reizung benützen, und zwar deshalb, weil letztere Wurzel über- haupt kurz ist und noch dazu der Lendenanschwellung hart anliegt und infolgedessen eine unbeabsichtigte Beschädigung des Rücken- 30 A. Beck und G. Bikeles: marks leicht statthaben könnte. Es blieb somit nur der eine Aus- weg, bei Ableitung von der I. sakralen Wurzel die VI. lumbale hintere Wurzel zu reizen. Jedoch ist auch die I. sakrale Wurzel nicht immer zur Ver- bindung mit dem Galvanometer — da sie häufig nicht dick genug ist — geeignet. In einem Falle gelang es aber auch bei Reizung der VI]. hinteren lumbalen Wurzel von der I. sakralen abzuleiten und so einen Reflex- bogen in absteigender Richtung durch drei Segmente herzustellen (Fig. 4). Tabelle Il. Reflexbogen durch drei Rückenmarksegmente. Die erhaltenen Zahlen (siehe Tabelle V Negative Kuna - in ke Gereizt Abgeleitet Gereizt| Schwankung suchs- | Grösse |Schwan- wurde wurde von wurde | Vor- in k zn handen a uns I ) | 3mal| 2mal | 6-7 | Imal b- || ||, | a > 7—14|1, or I. Sakr. sens. | VI. Lumb. motor. 2 a. 1mal| 1mal 5 E= IIb. | | 5 4 „ 8-5 |@l#mal Auf- Ilc. DE RZ es | steigende Richtung Illa. 3mal | 2 mal 11 1 mal des IIIb. ER | 10 1, Reflex- III c. II. Sakr. sens. |VII.Lumb. motor. | ® » | 3 » [10-32] — bogens IVa. Amal| Imal 3—5 | 3mal IVb. Sl, 3 DER VII. Lumb. sens. |V.-+-IV.Lumb.) © &| 11 mal | 9mal |10-14| 2 mal we VI. Lumb. sens.| IV. Lumb. J&°®| 4 „]|4 „ 7—12 —_ Vlla. 4mal| 4mal | 8—20| --— |\4Absteigende VIIb. VI. Lumb. sens. I. Sakr. Se, a ee fer enek "VI C. 6 „ Be „> 5—8 3 mal bogens II) für die bei jedes- fünf Segmente erstreckt, maliger Reizung erfolgte Ablenkung zeigen deutlich, dass auch da der reflektorisch erzeugte Aktionsstrom bei absteigender Richtung des Reflexbogens nicht dem bei aufsteigender Richtung des Reflex- bogens nachsteht. Serie C. Um auch einen Reflexbogen, der sich durch vier eventuell sogar bei dem also die zuleitende von der ab- Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark etc. 31 leitenden Wurzel durch zwei resp. drei (der Wurzeln auf dieser Seite beraubten) Segmente getrennt ist, zu erhalten, bedienten wir uns — zunächst einen Reflexbogen in aufsteigender Richtung herstellend — folgenden Verfahrens: Zur Verbindung mit dem Galvanometer kam nicht die entsprechende Wurzel als solche, da schon die V. und noch weniger die IV. Jumbale Wurzel dazu wegen ihrer Kürze gänz- lich ungeeignet ist, sondern der herauspräparierte Stamm des N. Be de em 5 L.IV L.IV ge a > LV L.V T; L.VI L.VI 2 = | 2 LyVM EZ, D L.VI < S.ı Sı N \ s.u Ss. Ss. III IN SIII eruralis, welcher nach Durchschneidung von einer Anzahl von Rücken- markswurzeln derselben Seite nur noch die Fortsetzung einer (in einem Falle zweier) erhalten gebliebenen Wurzel repräsentierte!). So wurde nach Sänzlicher Durchschneidung der V.und VI.Jumbalen Wurzel, wie der vorderen VII. Jumbalen event. auch der I. sakralen einmal die VII. lumbale hintere (Fig. 5), ein anderes Mal die I. sakrale hintere I) Bemerkt sei noch, dass die zwei Versuche der Serie B Nr. 5 und 6 ‚ebenfalls das Resultat nach Ableitung (statt von der vorderen Wurzel selbst) vom N. cruralis wiedergeben. 32 A. Beck und 6, Bikeles: . (Fig. 6) gereizt und vom N. eruralis, der nun die Fortsetzung. aus- schliesslich der IV. lumbalen Wurzel darstellte, abgeleitet mit einem, wie die Tablle IV zeigt, unzweifelhaft positiven Resultat. Tabelle IV. Reflexbogen durch vier resp. fünf Rückenmarksegmente. Ver a Negative K Arele che: Gereizt Abgeleitet Gereizt Belwaukung a zahl wurde wurde von wurde Vor- ER kung handen Skalenteilen I I. Sakr. |V.+IV.Lumb.| 14 mal 12 mal 3—10 2 mal 1 VI. Lumb.| IV. Lumb. 4 „ 3... 8—12 5 un I. Sakr. IV, s » 5 ” 3,95—5,9 1, IITe = = Ze: 6, 27 1 mal Nebstdem wurde in einem Fall nach Durchschneidung der ganzen VI. und vorderen VII. lumbalen Wurzel die peripherwärts durchschnittene I. sakrale Wurzel gereizt und vom Stamm des: N. cruralis, der die Fortsetzung der V. und IV. lumbalen Wurzeln. repräsentierte, abgeleitet (Tabelle IV). Serie D. Angesichts der bekannten Ausbreitung und Irradiation von Reflexerscheinungen musste sich uns fast selbstverständlich die Frage aufdrängen, wie es sich mit dem Auftreten von reflektorisch er- zeugten Aktionsströmen auf bedeutend grössere Distanzen verhält. Zur Beantwortung dieser Frage führten wir folgende (drei) Versuche aus: Es wurden zunächst bei ebenfalls euraresierten Hunden bei intaktem Rückenmark- und Zentralnervensystem überhaupt die pro- ximalen Abschnitte der durchschnittenen Armnerven (Medianus + Ulnaris) der einen Seite mit dem Galvanometer verbunden (vom Querschnitt und Längsoberfläche abgeleitet), und die Ablenkung bei jedesmäliger Reizung des zentripetalen Stumpfes des N. Ischiadieus- derselben Seite notiert. Das Ergebnis war nun, so lange das Rückenmark nicht durch- schnitten war, folgendes: In einem Versuche erhielten wir auf 15 mal wiederholte Reizung des N. Ischiadicus Smal eine negative Ablenkung von 5—28 Skalen- teilen, ”mal war keine Ablenkung zu beobachten. Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark etc. 33 Im I. Versuch trat auf 9malige Reizung die negative Ablenkung 6 mal auf, in der Grösse von 8—14 Skalenteilen, 3 mal blieb die Reizung ohne Erfolg. | Im III. Versuch 7malige Reizung; 6mal negative Ablenkung von 8—16 Skalenteilen. 1mal zweifelhaft. Als hierauf in jedem dieser Versuche das Rückenmark hoch oben in der Höhe des 2. Halswirbels durchtrennt wurde, konnte durch wiederholte Reizung des N. Ischiadieus irgendein reflektorischer Aktionsstrom in den ab- geleiteten Armnerven dieser Seite nieht mehr nach- gewiesen werden. — Dieses Ausbleiben der reflektorischen Aktionsströme nach erfolgter Rückenmarkdurchschneidung ist nun sicherlich nicht der Ausdruck, wie man etwa anzunehmen leicht ge- neigt wäre, eines durch die Durchschneidung selbst verursachten Shocks oder etwa einer Hemmung. Denn als wir hierauf den proximalen Abschnitt eines dieser Armnerven (Medianus oder Ul- naris) mit dem Galvanometer verbanden und den proximalen Ab- schnitt des zweiten Armnerven (Ulnaris oder Medianus) reizten, er- hielten wir ergiebige negative Schwankungen. So trat im I. Versuch auf 10 malige Reizung eine negative Schwankung Smal auf in der Grösse von 4—17 Skalenteilen; im II. Versuch Reizung 7 mal, nega- tive Schwankung 7mal von 8—30 Skalenteilen; im III. Versuch Reizung 6 mal, negative Schwankung 6mal von 10—30 Skalenteilen. Dass wir es in diesem Falle wirklich mit reflektorischen Aktions- strömen und nicht etwa mit Stromschleifen zu tun hatten, zeigte das sofortige Ausbleiben der Ablenkung bei Reizung eines dieser Nerven nach hoher Unterbindung beider Armnerven. Aus dem Gesagten folgt also, dass im durchschnittenen Rücken- mark!) das Nachweisen von reflektorisch erzeugten Aktionsströmen nur innerhalb gewisser begrenzter Distanzen möglich ist. Da die oberen lumbalen Wurzeln wegen ihrer Kürze zur Ver- wendung für derartige Versuche — wie bereits hervorgehoben — nicht geeignet sind, und da auch oberhalb des Abganges des N. eruralis andere zu derartigem Zwecke benützbare Nervenstämme fehlen, konnte von einer strikten Begrenzung der Distanz, innerhalb welcher reflektorische Aktionsströme entstehen können, nicht die 1) Über das abweichende Verhalten bei intaktem Zentralnervensystem be- halten wir uns weitere Untersuchungen vor. Pfiüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 3 34 A. Beck und G. Bikeles: Rede sein. Doch scheint es uns, besonders mit Rücksicht, dass im allgemeinen mit der Zunahme der Entfernung der zuleitenden von der abgeleiteten Rückenmarkswurzel die Aktionsströme sichtlich schwächer werden, dass die Distanz von fünf oder sechs Rücken- markssegmenten ungefähr die Grenze für das Resultieren reflekto- rischer Aktionsströme darstellt. Dies würde dann gut überein- stimmen mit der von einem von uns!) konstatierten Tatsache, dass von einer gegebenen hinteren Wurzel (kürzere) Kollateralen proximal- wärts etwa bis zur Höhe von sechs Rückenmarksegmenten abgehen. Wir verweisen zugleich auf die eingangs erwähnte Mitteilung, in der wir zur Schlussfoleerung gelangten, dass nebst den langen Hinter- stranekollateralen auch die kurzen beim Zustandekommen von seg- mentären (Etagen-) Reflexen von Wichtigkeit sind. Nachtrag zu den Versuchen der Serie C. Da wir bei den im obigen beschriebenen Versuchen der Serie C betreffend die Herstellung eines durch vier bis fünf Segmente sich erstreckenden Reflexbogens nur einen Reflexbogen in aufsteigender Richtung im Auge hatten, waren wir nachträglich bestrebt, einen ebensolchen auf fünf Segmente sich ausdehnenden Reflexbogen in absteigender Richtung zu erhalten. Dies gelang uns in folgender Weise: Es wurde auf einer Seite die V., VI. und VII. lumbale Wurzel gänzlich (m + s) durchschnitten. Hierauf wurde auf der- selben Seite der N. eruralis, der nunmehr bloss mit der IV. lumbalen Wurzel in Verbindung blieb, gereizt; während vom N. ischiadieus dieser Seite, dessen Verbindung mit dem Rückenmark nur noch die entsprechenden sakralen Wurzeln herstellen, abgeleitet wurde. Wir verfügen über fünf (durch Obduktion bestätigte) derartige Versuche (Fig. 7). Zum Vergleich wurde nach Herstellung eines Reflexbogens in absteigender Richtung in jedem Versuch die Richtung umgekehrt, d. h. es wurde der N. ischiadieus gereizt, währund vom Cruralis zu dem Galvanometer abgeleitet wurde (Fig. 8). Das Ergebnis dieser Versuche ist folgendes: Auch in absteigender Richtung lässt sich das reflektorische Auftreten von Aktionsströmen selbst bei dieser Ent- 1) Bikeles, Über die Lokalisation der zentripetalen Bahnen im Rücken- mark des Hundes usw. Anzeiger d. Akad. d. Wissensch. in Krakau. 1898. Auch Zentralblatt f. Physiol. Bd. 12. Die Ausbreitung des Reflexbogens im Rückenmark etc. 35 fernung der zuleitenden von der ableitenden Wurzel des Reflexbogens feststellen. Während aber beim Reflexbogen, der sich auf zwei resp. auch drei Rückenmarksegmente erstreckt, die reflektorischen Aktions- ströme bei einer absteigenden Richtung sich nieht wesentlich an Grösse und Häufigkeit des Auftretens von denen bei aufsteigender Richtung unterscheiden, zeigt; sich konstant bei diesen nachträglich ausgeführten Versuchen, dass bei einem Reflexbogen, der sich auf L.IH TI L.IV EIV = N L.V | 7 L.VI Boyle | >= | L. VI L.vII SL > S.I S.II S.I s.u db Fig. 8. fünf Segmente erstreckt, sich viel leichter reflektorische Aktions- ströme in aufsteigender als in absteigender Richtung erhalten lassen (vergl. hierzu Tab. V). Mit Rücksicht darauf, dass die IV. lumbale hintere Wurzel eine beträchtliche Anzahl sensibler Nervenfasern dem (bei ab- steigender Richtung des Reflexbogens gereizten) Cruralis zuführt, könnten wir nicht den erwähnten Unterschied im Erhalten reflek- torischer Aktionsströme in einer etwaigen nicht ausreichenden An- 3* 36 A. Beck und @. Bikeles: Die Ausbreitung des Reflexbogens etc. Tabelle V. Reflexbogen durch fünf Rückenmarksegmente (bei Reizung und Ableitung von Nervenstämmen. Ver. Negative 1..| Gereizt |Abgeleitet| Gereizt Schwankung Keine suchs- EB 1 wurde |wurde von| wurde | yor- | Grösse in | Schwankung zeit hand Skalen- anden| teilen IN (|13 mal | 7 mal 6 mal 6 mal I er; San “| 1 zweifelhaft || yerbaas IH (+1) 11 1 6 mal (nase | eh: kr. 2 2 4 zweifelhaft des VI 8, 5 8 mal \ 3 mal 5 Y %n 4 mal 2-6 26 { 2 zweifelhaft I 15mal |11mal | 3-10$|, mal 2 zweifelhaft 1 10: Te —9 3 mal steigende 4 ehe Ka 1 mal Bichianeil Zi Sal er n ni: I - er 1 zweifelhaft ne 5 mal en IV | in | { 5 zweifelhaft|| V 10, Se 2—10 2 mal zahl zentripetaler Nervenfasern beim Reflexbogen in absteigender Richtung begründet finden. Vielmehr sind wir geneigt anzunehmen, dass die unzweifelhaft zahlreicher in aufsteigender Richtung ab- gehenden (kurzen) Hinterstrangkollateralen, zur Reflexvermittlung in aufsteigender Richtung auf grössere Strecke geeignet sind als in. absteigender Richtung. Dafür spricht auch der Umstand, dass Goteh und Horsley (l. &. 8. 503—507) bei Reizung einer Wurzel und Ableitung vom Rückenmark selbst — bei einer Entfernung, die ganz wohl der- jenigen von unserer Serie C und Nachtrag entspricht — ebenfalls das leichtere Zustandekommen von Aktionsströmen in aufsteigender als in absteigender Richtung feststellten. 37 . Periodische Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoff- wechsel. Von Heinrich Menke (Coblenz). (Mit 1 Textfigur.) In der Botanik ist die Literatur über periodische Bewegungen zu einem beträchtlichen Umfange angeschwollen; die hier in Betracht kommenden Vorgänge sind ihrem Wesen nach ziemlich bekannt. Erst in den letzten Jahren boten die klassischen Untersuchungen Pfeffer’s!) über die Schlafbewegungen der Pflanzen einen wichtigen Beitrag zu dieser Frage. Die Periodizität ist im Tierreich ebenso verbreitet wie unter den Pflanzen. Da ist es nun eine eigenartige Erscheinung, dass über die periodischen Bewegungen im Tierreich fast nichts bekannt ist. Diese Tatsache ist nur dadurch zu ver- stehen, dass sich der Analyse tierischer Bewegungen grosse Schwierig- keiten entgegenstellen, während die pflanzlichen Rewegungen dem Versuch leicht zugänglich sind. Dann wird diese Erscheinung auch wohl durch einen psychologischen Grund bedingt. Da die Pflanzen im allgemeinen nur wenig Bewegung zeigen, so wird eine einmal entdeckte .Bewegung um so mehr die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich ziehen. Eine der auffälligsten periodischen Bewegungen ist die tägliche Vertikalwanderung planktonischer Organismen, die am Abend aus der Tiefe an die Oberfläche steigen, um mit Anbruch des Tages wieder in die Tiefe hinabzusinken. Periodizität offenbart sich auch in den erst kürzlich entdeckten Bewegungen des Tentakelkranzes 1) Pfeffer, Untersuchungen über die Entstehung der Schlafbewegungen bei Blattorganen. Abhandl. d. math.-pbys. Klasse d. königl. sächs. Gesellsch, d. Wissensch. Bd. 30. 1907. — Pfeffer, Die Entstehung der Schlafbewegungen bei Pflanzen. Biol. Zentralbl. 1908. 38 Heinrich Menke: von Aktinien, der sich mit dem Lichtwechsel periodisch öffnet und schliesst. Auch die täglichen Wanderungen vieler Raupen, die bei. Tage in ihren Nestern ruhen, um bei Nacht ihre Futterplätze auf- zusuchen, gehören hierher. Überhaupt wird das Leben der meisten Tiere, wenn nicht aller, von einer täglichen Periodizität beherrscht, indem auf eine Ruheperiode eine Periode der Bewegung folgt. Der Wechsel dieser Ruhe- und Tätigkeitsperiode fällt ziemlich genau mit dem täglichen Wechsel der Liehtbedingungen zusammen. Man könnte versucht sein, diese Erscheinung als einfache Reizwirkung auf den Lichtwechsel als Reiz zurückzuführen. Doch schon Joh. Müller!) hat erkannt, dass die Perioden des „Schlafens und Wachens“ nicht in dem Wechsel von Tag und Nacht begründet sind, sondern ihrem Wesen nach in der Natur des Tieres selbst. Aber, meint er, die Schöpfung hat diese Periodizität mit der täglichen Periodizität der Lichtbedingungen auf der Erde in Übereinstimmung gebracht durch eine prästabilierte Harmonie. Dass diese Erklärung, die durch die philosophischen Ansichten der damaligen Zeit bedingt war, nicht. hinreicht, ist wohl selbstverständlich. I. Periodische Chromatophorenbewegungen. Eine Untersuchung aller bis jetzt angeführten periodischen Be- wegungen stellen sich grosse Schwierigkeiten entgegen. Wesentlich einfacher gestaltet sich nun die Analyse der noch nicht lange be- kannten periodischen Bewegungen der Chromatophoren bei den höheren Crustaceen. Das Verdienst, zuerst auf diese Periodizität aufmerksam gemacht zu haben, gebührt den beiden englischen Forschern Keeble und Gamble?). Sie beobachteten ein tägliches Hin- und Herfluten der Pigmente in den Chromatcphoren. Sie ver- suchten auch die Ursache und den physiologischen Charakter dieser Bewegung zu ergründen, ohne indessen zu einem Ergebnis zu kommen. Die Frage nach der Art der Periodizität blieb vollständig offen. Bevor ich in eine Untersuchung der periodischen Chromato- phorenbewegung eintrete, sei es gestattet, über die Haupttatsachen aus dem Gebiete der Chromatophorenphysiologie bei den höheren 1) Johannes Müller, Lehrbuch der Physiologie. 2) Keeble und Gamble, Hippo)yte varians, a study in colour-change. The Quarterly Journal of Microscopical Science vol. 43 p. 589—69. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 39 Krebsen kurz zu referieren. Was das Studium der Chromatophoren bei den Crustaceen so anziehend gestaltet, ist die Tatsache, dass „alle Bewegungen in festen Verhältnissen zu bestimmten physika- lischen Faktoren stehen“ (van Rynberk). Es fehlt diesen Be- wegungen so ganz das Spontane, wie es dem Farbenwechsel der Cephalopoden eigen ist, der ganz den Eindruck macht, als ob er mit psychologischen Vorgängen zusammenhinge. Unsere Kenntnisse über den Farbenwechsel der Crustaceen verdanken wir den Arbeiten von Pallas, Jourdain, Pouchet!), Matzdorff?) und haupt- sächlich den umfassenden Untersuchungen von Keeble und Gamble°). Ich beziehe mich in meinen Angaben hauptsächlich auf die Arbeiten der beiden letzten Forscher. Das in den Chromatophoren der Dekapoden und Schizopoden enthaltene Pigment ist beweglich, und durch Ausbreitung resp. Zu- sammenziehung der Chromatophoren lässt sich ein Farbenwechsel hervorrufen. Die Verästelungen der Chromatophoren können mit den meisten Organen des Körpers in Verbindung treten. Die Zentren zeigen eine besondere Beziehung zu dem Nervensystem. Bei den Mysiden z. B. tritt die viszerale Gruppe der Chromatophoren in eine besonders enge Verbindung zu dem Nervensystem des Ver- dauungskanals, eine Tatsache, die für unser Thema von Wichtigkeit ist. Mit Hilfe von Goldchloridpräparaten vermochte M. Weber [1881 *)] nachzuweisen, dass die Chromatophoren bei Philoseia mit den Ausläufern peripherer Nervenzellen in Verbindung stehen. Keeble und Gamble haben hauptsächlich den Einfluss des Lichtes auf den Farbenwechsel untersucht. Sie unterscheiden vier ver- 1) Pouchet, Sur les rapides changements de coloration provoques ex- perimentellement chez les Crustacees. Journ. de l’Anat. et de la Phys. 1872. — Pouchet, Recherches anatomiques sur la coloration bleue des Crustacees. Journ. de l’Anatomie etc. annee 9. Br 2) Matzdorff, Über die Färbung von Idothea tric. Diss. Kiel 1882. 3) Gamble and Keeble, Hippolyte varians, a study of colour change. Quart. Journ. Micros. Science vol. 43. — Keeble and Gamble, The colour physiology of higher Crustacea. Philos. Transactions of the Royal Society of London vol. 196 B p. 589—698. 1904. — Keeble and Gamble, Hippolyte varians, a study in colour-change. The Quarterly Journal of Microscopical Science vol. 43 p. 589—698. ’ 4) M. Weber, Anatomisches über Trichonisciden, zugleich ein Beitrag zur Frage nach der Bedeutung der chromatischen Pigmente und verzweigten Zellen der Hautdecke. Arch. f. mikr. Anat. 1831. 40 Heinrich Menke: schiedene Stadien der Chromatophorenstellung: 1. Die Dunkelheits- phase tritt in der Nacht oder bei künstlicher Dunkelheit ein. Die Chromatophoren ziehen sich auf eine kleine Scheibe zusammen, sie erscheinen als Punkte und die Krebse werden durchsichtig. 2. Die Phase des weissen Untergrundes ergibt sich immer, wenn man die Tiere auf weissen Untergrund setzt. Die Chromatophoren kontrahieren sich wie in Phase 1 vollständig. Diese Phase unter- scheidet sich von Z dadurch, dass sie viel schneller eintritt. Während zu dem Zustandekommen von 1 manchmal eine Stunde und mehr nötig ist, kann die Phase 2 schon in weniger als 1 Minute erreicht werden. 3. Mittlere Phase zeigen meist die frisch am Tage ge- fangenen Krebse, die Chromatophoren sind mässig ausgedehnt. 4. Die Phase des dunklen Untergrundes nehmen die Chromatophoren an, wenn man die Krebse auf dunklen Untergrund setzt, die Chromato- phoren sind voll ausgedehnt. Was die Einwirkung verschiedener Lichtintensitäten anbetrifft, kommen Keeble und Gamble zu dem Ergebnis, dass bei den unter natürlichen Verhältzissen lebenden Krebsen der Einfluss der Lichtintensität vollständig verschwindet gegen die Einwirkung des Untergerundes. Auf schwarzem Untergrund erfolgt ein Expansions-, auf weissem Untergrund ein Kontraktions- stadium, die Intensität des Lichtes ist dabei gleichgültig. Der über- mächtige Einfluss des Untergrundes zeigt sich auch bei der Be- leuchtung der Tiere mit monochromatischem Licht. Man mag die Tiere mit irgendwelchem Licht beleuchten, stets ist für die Bewegung der Chromatophoren der Untergrund massgebend. Die Arbeit spricht sich nicht über die Einwirkung verschiedenfarbigen Untergrundes aus, auch hat sie die Bedeutung der Lichtintensität für den Farben- wechsel unabhängig vom Untergrund nicht erkanat.. Von Bedeutung ist. noch die Tatsache, dass die Untergrundreize vom Auge auf- genommen werden, während die Lichtintensität direkt auf die Chro- matophoren wirken kann. In ihrer Arbeit über Hippolyte varians!) beschäftigen sich Keeble und Gamble auch mit dem periodischen Farbenwechsel bei diesem Krebs. Da die Chromatophoren von Hippolyte varians gegen Än- derungen der Lichtintensität reizbar sind, so glauben die beiden Autoren das Problem «der periodischen Chromatophorenbewegungen 1) Keeble and Gambie, Hippolyte varians, a study in colour-change. The Quarterly Journal of Microscöpical Science vol. 43 p. 589—6%. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 41 durch Reizbarkeit der Tiere gegen Änderungen der Lichtintensität erklären zu können. Doch lässt der Umstand, dass nach Beseitigung der Reizursache etwa bei Tieren in konstanter Dunkelheit, die Be- wegung noch tagelang weitergeht, sie zu keinem klaren Ergebnis kommen. Hauptsächlich scheiterten die Versuche an der Empfindlich- keit des Beobachtungsmaterials. Die mit dem Herausnehmen aus .den Gefässen verbundenen Störungen führten bald zum Tode der Tiere. Als eine für derartige Beobachtungen geeignetere Form hat schon Viktor Bauer!) die Idothea trieuspidata erkannt. Das Tier ist in den europäischen Meeren recht häufig; es verträgt eine -Gefangenschaft in einigermaassen frischem Wasser monatelang. End- lich sind die Chromatophoren einfach zu übersehen; sie zeigen die periodische Bewegung besonders deutlich. Auch der im Golf von Neapel recht häufige Palaemon xiphias ist wegen der einfachen An- ordnung der Chromatophoren gut brauchbar. Doch ist er viel ‚empfindlicher wie Idothea. - Methode. Eine gut ausgebildete Methode gestattet es dem Botaniker, bei ‚seinen Untersuchungen über pflanzliche Bewegungen die Fehlerquellen auszuschalten, die mit der subjektiven Beobachtung immer verbunden sind. Leider lässt sich diese Methode bei der Feststellung der Chromatophorenbewegung nicht anwenden und die Bestimmung des Chromatophorenzustandes bleibt dem subjektiven Ermessen des Be- obachters überlassen. Für die meisten früheren Beobachter von Chromatophorenbewegungen gab es nur zwei Zustände: der eine, stark kontrahierte, ergab eine helle Farbe des Tieres; der andere, stark ausgedehnte, machte das Tier dunkel. Da es aber keinen plötzlichen Übergang von der hellen zur dunklen Form gibt, und ‚diese beiden Grenzstadien durch viele Zwischenstadien miteinander verbunden sind, so mussten vielen Forschern allefeineren Bewegungen, ‚die auf vielleicht beträchtliche Änderungen äusserer physikalischer Faktoren hin eintraten, entgehen. Zwar kann sich die Beobachtung von Chromatophorenzuständen von der subjektiven Methode nicht frei machen. Es ist aber möglich, die Fehlerquellen dadurch zu verringern, dass man die Chromatophorenstellung nicht qualitativ 1) V. Bauer, Über einen objektiven Nachweis des Simultankontrastes bei "Tieren. Zentralbl. f. Phys. Bd. 19. ‚1905. 42 Heinrich Menke: durch Helligkeitsunterschiede, sondern quantitativ durch Zahlen unter- scheidet. Nun gibt es ja unendlich viele Stellungen zwischen den. beiden Grenzwerten kontrahiert und expandiert. Es genügt aber,. wenn man einige Hauptstadien durch Zeichnung festlegt und sie etwa mit den Zahlen 1—8 bezeichnet. So habe ich das Kontraktions- stadium 1, das Expansionsstadium 8 genannt. Zwischen diesen beiden Grenzwerten liegen die Stadien 2—7. Die Zahlenreihe 1—7 gab- etwa folgende Chromatophorenstellungen wieder. Fig. 1. Im Stadium 8 greifen die Fortsätze der einzelnen Chromato- phoren ineinander, und die einzelnen Chromatophoren lassen sich nicht mehr auseinanderhalten. Für jede Beobachtung wurden die Tiere aus ihren Gefässen berausgenommen und unter ein Präparier- mikroskop gelegt. Da die Chromatophorenstellung in einem gegebenen Augenblick durchaus nicht gleichmässig auf dem ganzen Tiere ist, so: muss man einen grösseren Bezirk überschauen. Die Vergrösserung darf deshalb nicht zu stark sein. Eine Lupe mit der Vergrösserung 30—40 dürfte im allgemeinen genügen. Nur die Bewegungen der zahlreichen braunen Chromatophoren wurden beobachtet, die Be- Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 43 wegungen der schwieriger zu erkennenden weissen Chromatophoren, die nur in geringer Zahl vorhanden sind, wurden nicht berücksichtigt. Man sollte meinen, dass die mit der Lupenbetrachtung not- wendig verbundene Überführung des Krebses in andere Beleuchtungs- verhältnisse zu einer Chromatophorenbewegung führen müsste. Die Beobachtungszeit ist aber zu kurz, als dass der Lichtreiz rezepiert wird. Dann fanden die Beobachtungen an den verschiedensten Tageszeiten statt, in denen vermöge der Periodizität gegensinnige Bewegungen herrschten. Um die Störungen möglichst zu ver- meiden, die mit dem Herausnehmen aus dem Wasser verbunden sind, war Beschränkung der Beobachtung auf wenige und gut aus- gewählte Zeitpunkte geboten. Allerdings entgehen durch diese Be- schränkung der Beobachtung manche Feinheiten der Chromatophoren- bewegung. Doch ist diese Fehlerquelle für unser Thema von geringerer Bedeutung, da die meisten hier in Betracht kommenden Vorgänge langsam verlaufen und die Tendenz haben, einen einmal angenom- menen Bewegungsmodus bei Konstanz der Aussenbedingungen gleich- sinnig fortzusetzen. Periodizität der Chromatophorenbewegung bei Idothea. Schon eine einfache Beobachtung der in einem Aquarium ge- haltenen Idothea zeigt, dass die Tiere bei Tage dunkler gefärbt sind als bei Nacht. Allerdings kann man bei oberflächlicher Betrachtung diesen Unterschied zwischen der Tag- und Nachtfärbung übersehen, und zwar dann, wenn viele Tiere in einem Gefäss zusammengehalten werden. Es gibt nämlich manche Formen, besonders die dunkel gefärbten, die keine Umfärbung erkennen lassen. Erst die Lupen- betrachtung zeigt auch hier eine Veränderung mit der einbrechenden Dunkelheit. Auf grauem Sanduntergrunde dehnen sich die Chromato- phoren gegen Morgen etwa bis auf das Stadium 7—8 aus, um sich in der Nacht auf 2, 3 oder 4 zusammenzuziehen. Auf dunklem Untergrunde verschiebt sich die Periode mehr nach der Expansions- seite; sie bewegt sich zwischen 8 und 5. Auf hellem Untergrunde liegt die Periode mehr nach der Kontraktionsseite; sie pendelt etwa zwischen 6 und 3. Bei der Feststellung dieser Periodizität ist es notwendig, einige äussere Bedingungen, wie Untergrund, Temperatur und Salzgehalt des Wassers, konstant zu halten. Variabel sind nur die Lichtbedingungen, insofern, als die Tiere dem normalen täglichen Beleuchtungswechsel ausgesetzt werden. 44 Heinrich Menke: Im folgenden seien einige Perioden wiedergegeben: Idothea | Idothea | Idothea Idothea | Idothea I II 11 IV \Y 14. Januar: | 7. Januar: Q1/gh morgens . 6) Mi 8 9h morgens’. . 7 7—8 12h mittags . . 8 6—7 6 12h mittags . . + 5 5b nachmittags 5) 6 7 3b nachmittags 5 6 $h abends s b) 4 4 6h „ 5 5—6 Je EA: d 4 5—6 $h abends 6 6 10/eh „ 4 4—5 15. Januar: 2h nachts. . . 4 4 Q1/gh morgens . 0) 8 7 12h mittags . . 8 7 6 5. Januar: 5h nachmittags | 5—6 5 OT 9h morgens. . 6 7 $h abends . . 4 4 6 12h mittags . . | 6—7 7 alhas. | 94 d 5 6h nachmittags 4 5—6 8°/ah abends 4 4—5 11h abends . . | 3-4 4 10. Januar: 9h morgens. . | 7—8 1—8 | 11h mittags‘... 7627 7—8 | 5h nachmittags 3—4 | 5—6 | | Y9h abends 5) 5 | 11h re efes 4 5 | | 15 nachts 4 4 Aus diesen Tabellen ersieht man die allgemeine Gesetzmässig- keit, dass vom Morgen bis zum Abend eine allmähliche Kontraktion der Chromatophoren stattfindet. Doch erfolgt die Kontraktion durch- aus nicht regelmässig. Statt einer Zusammenziehung zeigt III von mittags 12 bis nachmittags 5 Uhr wieder eine Ausdehnung, und zwar an zwei aufeinanderfolgenden Beobachtungstagen. Dasselbe zeigen IV und V. Der Übergang der Tagesstellung der Chromato- phoren in die Nachtstellung findet: meist nachmittags gegen 5 Uhr statt, also zu einer Zeit, in der sich auch der natürliche Beleuchtungs- wechsel in den Wintermonaten vollzieht. Wollte man die Perioden als Kurven darstellen in einem Koordinatensystem, auf dessen Ab- szissenachse man die Zeit und auf dessen Ordinatenachse man die Ausdehnungswerte der Chromatophoren abträgt, so würde diese Kurve im grossen und ganzen, für die Zeit von einem Lichtwechsel zum anderen, eine gerade Linie darstellen, die allerdings entsprechend den geringen Veränderungen der Chromatophoren im Laufe eines Tages mehr oder weniger gewellt is. Zu einer bestimmten Zeit, die ungefähr mit dem Zeitpunkte des täglichen Lichtwechsels zu- sammenfällt, findet an den Nachmittagen ein starker Abfall der Kurve nach unten, am Morgen eine Hebung nach oben statt. Die kleinen Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 45 Schwankungen für die Zeit von einem Lichtwechsel zum anderen sehen nun nicht etwa Veränderungen von äusseren Faktoren, wie Licht und Temperatur, parallel, sondern sie müssen durch innere Reize hervorgerufen werden. Periodizität und Untergrundsreaktionen. Die starke Einwirkung des Untergrundes auf die Bewegung der Chromatophoren wurde schon erwähnt: Auf dem weissen Untergrund einer Porzellanschale ziehen sich die Chromatophoren bis auf Stadium 1 zusammen, auf einem schwarzen Untergrund dehnen sie sich bis auf 8 aus. Durch eine sehr hübsche Versuchsanordnung hat V. Bauer!) erkannt, dass es sich bei den Untergrundsreaktionen um Simultan- kontraste handelt. Es fragt sich nun, ob irgendwelche Beziehungen bestehen zwischen den periodischen Bewegungen der Chromatophoren und ihren Untergrundreaktionen, ob etwa die periodische Bewegung von den Bewegungstendenzen der Untergrundsreaktionen in ihrem Verlauf beeinträchtigt wird. Aus der Tatsache, dass die Untergrunds- reaktionen zu jeder Tageszeit stattfinden, dass also die Chromato- phoren auf weissem Untergrund etwa sich kontrahieren, gleichgültig ob infolge der Periodizität die Chromatophoren nach einem Kon- traktions- oder Expansionsstadium hinstreben, könnte man schliessen, dass durch den weissen Untergrund die periodische Bewegung voll- ständig ausgeschaltet wird. Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch, dass dieser Schluss nicht berechtigt ist. Es besteht nämlich ein quantitativer Unterschied zwischen der Untergrundsreaktion am Abend und am Morgen. Um Fehler infolge von Beleuchtungsunter- schieden am Abend und am Morgen und infolge von verschiedener Ausgangsstellung der Chromatophoren zu vermeiden, wird folgende Versuchsanordnung getroffen: Die Tiere werden in der Dunkel- kammer mit einer bestimmten Lichtquelle auf schwarzem Untergrund beleuchtet, und ihre Chromatophoren dadurch maximal ausgedehnt. Dieses Expansionsstadium ist dann die Ausgangsstellung für den Versuch. Dann wird der schwarze Untergrund unter unveränderten Lichtbedineungen mit einem weissen vertauscht und die Zeit ge- messen, innerhalb deren eine bestimmte Kontraktion erreicht wird. Um individuelle Reaktionsfähigkeiten auszuschliessen, werden die 1) V. Bauer, Über einen objektiven Nachweis des Simultankontrastes bei Tieren. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19. 1905. -46 Heinrich Menke: Versuche an einem bestimmten Tier vorgenommen. Temperatur- ‚schwankungen sind durch zirkulierendes Wasser vermieden. I. Um 12h 10’ mittags wird Stadium 8 auf weissen Untergrund gebracht, um 12h 35’ ist Stadium 2 erreicht. Zeitdauer dieser Kontraktion also 25 Minuten. II. Dasselbe Tier wird abends 9h 37’ mit Stadium 8 auf weissen Untergrund gesetzt. Um 95 47’ ist Stadium 2 erreicht. Zeit- dauer der Kontraktion also :10 Minuten. Um also dieselbe Bewegung am Abend und am Morgen aus- zuführen, ist am Abend eine kürzere Zeit notwendig wie am Morgen und zwar deshalb, weil die Untergrundreaktion am Abend im Sinne der periodischen Bewegung liegt, während sie am Morgen gegensinnig verläuft. In dem verschiedenen Ablauf der Unter- grundsreaktion am Abend und am Morgen dokumentiert sich die Kraft der periodischen Bewegung. Auf schwarzem Untergrund er- hielt ich ähnliche Resultate, nur dass dort die Bewegung am Abend langsamer verläuft als am Morgen. Der Einfluss der Periodizität ‚auf die Chromatophorenbewegung geht auch aus der Tatsache hervor, dass es bei Tage auf schwarzem Untergrund bei allen Tieren möglich ist, die Chromatophoren maximal auszudehnen, während es am Abend nicht immer gelingt. Das Kontraktionsbestreben infolge der Periodizität hält also bei solchen Tieren deren Expansions- bestreben auf den Untergrund hin das Gleichgewicht. Analyse der periodischen Bewegung. Wie kommt die periodische Bewegung zustande? Findet die Bewegung auf innere oder äussere Reize hin statt, oder sind an ihrem Zustandekommen sowohl innere als äussere Reize beteiligt? Eine Bewegung, die auf einen äusseren Reizanstoss, wie Licht, Temperatur, Veränderung in der Zusammensetzung des Wassers er- folgt, wollen wir der Kürze halber eine Reizbewegung nennen. Eine bei voller Konstanz der Aussenbedingungen stattfindende Bewegung, also eine Bewegung auf innere Reize hin heisse eine autonome Be- wegung. Es fragt sich also, ob in der periodischen Chromatophoren- bewegung eine Reizbewegung oder eine autonome Bewegung vor- liegt, oder ob sie endlich eine Kombination aus beiden Bewegungs- arten darstellt. Da die periodischen Bewegungen mit dem täglichen Beleuchtungs- wechsel in grossen Zügen parallel gehen, abgesehen von den kleineren Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 47 ‘Schwankungen, die durch innere Reize bedingt werden, so liegt es nahe, die periodischen Bewegungen als einfache Lichtreizbewegungen ‚aufzufassen, also als autonome Bewegungen. Wird aber die Be- wegung durch Lichtwechsel hervorgerufen, so müssen die Chromato- phoren eine Lichtreizbarkeit besitzen, die unabhängig von der Unter- grundsreizbarkeit besteht. Liegt diese Reizbarkeit den periodischen Bewegungen zugrunde, so müssen sich die Chromatophoren durch Zunahme der Lichtintensität ausdebnen, durch Abnahme aber zu- ‚sammenziehen. Meine Versuche haben nun folgendes ergeben: Es ist nicht gleichgültig, auf welchem Untergrund sich die untersuchten Tiere befinden. Auf einem von den Tieren als schwarz empfundenen Untergrund — dahin gehört auch der graue Sanduntergrund, über- haupt wohl jeder Untergrund, auf dem die Tiere sich in der Natur aufhalten — bewirkt eine Zunahme der Lichtintensität eine Aus- dehnung, eine Abnahme eine Zusammenziehung . der Chromatophoren. Das Umgekehrte beobachtete ich auf weissem Untergrund. Figen- tümlich ist, dass die Reaktionsfähigkeit gegen eine plötzliche Ab- nahme des Lichts auf 0, also gegen eine plötzliche Verdunkelung individuell verschieden ist. Viele Tiere, . zeigen. keine merkliche Kontraktion der Chromatophoren, wenn man sie plötzlich völlig verdunkelt. Vielleicht ist diese Tatsache so zu erklären, dass der Untergrund durch das Verdunkeln ausgeschaltet wird. Nun hat Fol gefunden, dass der Wechsel von Tag und Nacht im Wasser ein ganz plötzlicher ist und mit dem Augenblick eintritt, wo die Sonnenstrahlen von der Oberfläche total reflektiert werden. Ob also die durch die Abnahme der Lichtintensität am Abend be- wirkte Chromatophorenbewegung ausreicht, um die starke Zu- sammenziehung gegen Abend zu erklären, bleibt immerhin zweifel- haft. Jedenfalls aber liegt ınit der Feststellung einer Reizbarkeit der Chromatophoren gegen Änderungen der Lichtintensität die Möglichkeit vor, dass die periodische Bewegung durch den Licht- wechsel als Reizursache bewirkt wird. Um nun die Frage zu entscheiden, ob in der periodischen Be- wegung eine Reizbewegung auf eine Änderung der Lichtintensität vorliegt, ist es notwendig, die Tiere unter konstante Lichtbedingungen zu bringen, sie. entweder dauernd zu verdunkeln oder längere Zeit mit einer konstanten Lichtquelle zu beleuchten. Voraussetzung ist natür- lich, dass auch alle anderen äusseren Bedingungen, wie Zusammen- setzung des Wassers, Temperatur und Untergrund konstant sind. 48 Heinrich Menke: Im folgenden ist das Ergebnis einer solchen Dauerverdunklung wiedergegeben: Beginn der Verdunkelung 15. Dezember abends 9% mit Stadium 4. 9h ih Ih 80’ 00’ 15’ 9h 30’ 12h 00’ 9h 00’ 9h Ih 9h 00’ 00’ 30’ 10h 00' 3b 00’ Ih 00’ 9h 7h 11h: 30’ 00 00’ 30’ 00’ 00’ 9h 12h 10h 00’ 00’ 30’ 00’ 9h 12h 4h 11h 9h 1h 5h 10h 00’ 30’ 20’ 30' 5h 11h Sh 10h 45" 00' 00’ 40' 9h 20’ 1h 15’ 5h 30' 10h 20’ 28. Dezember: morgens mittags nachts 29. Dezember: morgens mittags abends 30. Dezember: morgens mittags abends ee! Ne, Nein elle iielnne) ei) ode. ide Kleiner leie eose, 0 are; el ocner.e “Mile oje, „Re\llleunleiiie, wulleigine, lies Beicilenliseine wehren ie Netial dert. ol sale heine, dien) iehäne: eine, Nee ‚sonaleile,diVe, el ıen.dier. nei Ser Lrenln eiinie 31. Dezember: morgens nachmittags . . abends 1. Januar: morgens abends abends eo] >e;nlie.i e/tlel el) eo ei e,kliei zernlei, je, eine eye, -ei Yafııyeiiiel 'orAje 2. Januar: morgens mittags abends eno/Nen oje kai umer ne ee erster elle uyefirte 3. Januar: morgens mittagsur nn an nachmittags abends 4. Januar: morgens mittags nachmittags eier „er er H6yN nis koliue e, ei Veuseejienhiejii.e, 5. Januar: MORTENS . : 22. ee vormittags abends abends el; kers,le, Ale, ei lleihee EHE BO TER N 37 6. Januar: morgens mittags nachmittags": ... 02 abendsertie el. elle ze) Wer. Ae@llıe) joe Nemo ei .auliernkeine Ih 40’ 12h 00’ 5h 50’ 10h 30’ 9h 12h 5h 11h 10' 00’ 45' 20' 7. Januar: MOTSENSKA EN se 8 Mittags Sum na 8 nachmittags. u... der abendsi „io. ne 5—6- 8. Januar: morgens’... 2 0. 8 mittags: Inland vn“ 8 nachmittags ., ....,. 7 abendsae a ar se 5—6- 9. Januar: abendst=.... man 6—7 10. Januar: morgens. a ee 8 nachmittags... 7... 8 abends;:;. sen. sera 6 a 6—7 11. Januar: MOTLGEnSIa a 8 abendser., So. nd cn. 8 BDERRL REN N OLIP ER 1—8 rss uin eher 7 12. Januar morgens... nun 8 mittags... Sa ne 8 abends. agree: 8 ARE NE 6 13. Januar: MOrGENSI. N. a le ie 7 MiLLaOS ee ) nachmittags. 2.2. 8 abends. U... Aaer 9—6: 14. Januar: MOTTEnsue hen 0 a ee 6) nachmittags . ..... 8 abends. a ee: 7—8: RE ET SEES ARS ANNE 6—7 15. Januar: MIOLGENSE IE ea ehnerze [8 : Mittags te anne eete 8 rachmittapsp. 000. 2: 8.) abends en 2.0. 7,98 Se A .: »7.57—8 Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 49 16. Januar: 8 00 rabendsr man. 8 9b 30’ morgens ... 8.21, 10:0, SOSE N). RER 12h 00’ mittags . 3 IS Jannar: 8h 00’ abends Be 9a 007 morgens... .. . 2... 7-8 Den: on Me ....8 17. Januar: Shi Tabendserng 123 a N 9200 nachmittags: . ..... ... 8 ‚Am 19. Januar ging dieses Exemplar ein. Die Bewegung hat also in der Dunkelheit 33 Tage bestanden. Vom 15. Dezember bis zum 28. Dezember blieben die Tiere völlig in der Dunkelheit. Der Versuch wurde mit drei Tieren angesetzt, bis zum 28. Dezember waren zwei eingegangen. Die Chromatophoren der übrig gebliebenen Exemplare bewegte sich anfangs zwischen den Stadien 3 und 5. Daun wird die Amplitude etwas geringer, sie reicht von 8 bis 6. Versuche mit einem ähnlichen Resultat wurden noch an anderen Tieren angestellt. Um alle Fehlerquellen zu vermeiden, die sich aus der täglichen mehrmaligen Beobachtung und damit verbundenen Überführung in das Licht ergeben könnten, werden mehrere Idothea etwa 1 Monat in absoluter Dunkelheit ge- halten, ohne jemals an das Licht gebracht zu werden. Um jede Spur von Licht auszuschliessen, wurde das Glasgefäss mit den Tieren in einen gut schliessenden Zinnkasten mit zirkulierendem Wasser gesetzt, die Zu- und Abflussröhren bestanden aus Blei. Von den sieben Tieren waren am Ende des Versuches 6 eingecangen. Überhaupt konnte ich feststellen, dass die unter konstanter Dunkelheit ge- haltenen Tiere leicht eingingen, während die im normalen täglichen Beleuchtungswechsel lebenden Formen lange lebten. Der übrig ge- bliebene Krebs zeigte die tägliche periodische Chromatophoren- bewegung, sie lag zwischen 7 und 5. Nach der Überführung in normale Beleuchtungsverhältnisse vergrösserte sich die Amplitude der Chromatophoren; sie pendelte zwischen 8 und 5. Die Tatsache, dass die Amplitude einer in Dunkelheit gehaltenen Form nach der Überführung in normale Verhältnisse sich vergrösserte, habe ich allgemein beobachten können. Allgemein berechtigen unsere Ver- suche zu folgenden Schlüssen: Da nach der Überführung in konstante Dunkelheit die periodische Bewegung weitergeht, so wird es wahr- scheinlich,, dass wir es in dieser Bewegung mit einem autonomen Vorgang zu tun haben, also mit einem Vorgang, der auch bei Konstanz aller Aussenbedingungen durch innere Reize verursacht wird. Die Verringerung der Amplitude infolge des fehlenden Be- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 4 50 Heinrich Menke: leucehtuneswechsels und ihre Vergrösserung durch die Überführung eines in der Dunkelheit gehaltenen Ktebses in normale Beleuchtung deutet darauf hin, dass auch der tägliche Beleuchtungswechsel für die periodische Chromatophorenbewegung als Reiz wirkt. Die Ver- suche mit der Dauerverdunklung machen es wahrscheinlich, dass sieh die periodische Chromatophorenbewegung aus zwei Komponenten zusammensetzt, deren eine autonom ist, deren andere eine Reiz- bewegung darstellt. Man könnte nun einwenden, bei der Chroma- tophorenbewegung in konstanter Dunkelheit handele es sich um Nachschwingungen, d. h. um Bewegungen, die nach einiger Zeit allmählich ausklingen. Solehe Nachschwingungen liegen z. B. bei den Schlafbewegungen vieler Blätter vor. Diese Schlafbewegungen sind einfache Reizbewegungen, die auch unter konstanten Lichtbe- dingungen weitergehen. Die Nachschwingungen sind dadurch aus- gezeichnet, dass ihre Amplitude sehr schnell geringer wird, um nach Verlauf von einigen Tagen im Maximum 7 den Wert O0 zu er- reichen. Nachschwingungen sind nun die in der Dunkelheit ab- laufenden Chromatophorenbewegungen deshalb nicht, weil sie sehr lange andauern. Ein Tier zeigte nach 60 tägiger Verdunklung noch dieselbe Chromatophorenbewegung, wie ich sie nach etwa 12tägiger Verdunklung feststellen konnte. In keinem Falle war es mir möglich, einen Stillstand der Bewegung zu beobachten. Während die Bewegung der Chromatophoren auf den Beleuchtungswechsel als Reiz hin nach einigen Tagen ausklingt, geht die autonome Bewegung in unveränderter Stärke weiter. Es entspräche nicht den Tatsachen, wollte man die periodische Chromatophorenbewegung als eine einfache Summation einer auto- nomen und einer Reizbewegung auffassen. Es handelt sich hier im lebenden Organismus um ein verwickeltes Resultat, also nicht um ‘eine physikalische Resultante, die durch die beteiligten isolierten Einzelreize hervorgerufen werden. Bringt man einen längere Zeit in Dunkelheit gehaltenen Krebs an das Tageslicht, so dehnen sich (die Chromatophoren so stark aus, dass das Tier dunkel erscheint wie nie sonst. Dieser Zustand bleibt oft auch des Nachts über be- stehen, und erst allmählich pendeln die Chromatophoren in ihre normale Amplitude hinein. Eine Störung der periodischen Bewegung ist auch immer mit der Überführung der Tiere in die Dunkelheit verbunden, also mit der Wegnahme der Reiz- bewegung. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht und Stoffwechsel. 51 Il Ist die Auffassung der periodischen Bewegung richtig, so muss die Bewegung auch unter konstanter Belichtung weitergehen. Im folgenden ist das Ergebnis einer Versuchsreihe angeführt: Beginn des Versuchs: 4. Jan. 10h 30’ abends mit 2 Exemplaren. 5. Januar: Srslolzmeorsens. 2 2 .... 105 30’ 5 OCT ONON OD sh 00’ Take el eniNe je 10h 35’ 6. Januar: |9n 15’ 10h 55’ 1b 20’ Th 25’ elle kerfen lei, | jeliune A 7. Januar: 9h 30’ morgens «Winel; Veill air oiinteiilie 12h 00’ mittags enllre Nilenin ei Delle nie, 2h 10’ nachmittags OO OL OO 5b 50' R 85 00' 10h 20’ 8. Januar: 310% morgens. 2... .. 11% 50’ vormittags 5h 35’ nachmittags “| rzelıle,,ie, e 8h 15’ abends “ie Neikoniiertie te, 11h 00’ abends ler eher lelileni.e 56 9h 15’ K: 56 11h 00’ es 4—5 4h 20' { 2 | . 1 2 ma 5 (45 11h 00’ 194 I 9h 00’ 4 12h 00’ 21 { 3 | 31 49V 627 In 8h 30’ en I dh 5. 9n 90° 4 I: 12h 00’ 4 5h 00’ 5 5 8n 00’ 8 5 10h 00 u a 6 11h 00' 5 20 4—5 9n 00’ Vi | 12h 00’ 7 1 5h 00’ ee | (: 8 00' | { 5 |11n 00’ 5 10. Januar: morgens... { 2 2—5 vormittags. pe © a I ; 5) nachmittags . . . . - 4 abendswen.. wa... ... 12. Januar: morgens 2... { ; INES © 0.0.0 00 Q { ; io { nachmittags a5 abends. ee { 8 2) 4d—5 71—8 Re... 0; r 13. Januar: MOrgensehns an. { i mittags a Sn rar { m, nachmittags ..... .. { | abends nn { ah { 7 3 EN OEL 4 { 6 x SR lies 5 14. Januar: morgens u... { 9 6 N ei nittagser 2. ns N 7 nachmittags . . . . . { ARE abends 2 wen... : { u (ir ll etlu.s 3 [eb D 9a 30’ 12% 00’ 5h 00’ Sn 15’ 11h 00' 9h 15’ 12h 00' 5h 00’ 85h 00' 105 00' 105 00' 12h 00’ 55h 00’ 105 30’ 95h 00' 125 00' 5h 00’ 8h 00' 2h 00 6h 30’ 11h 45’ 3h 00’ Heinrich Menke: 15. Januar: | morgens { a 2 ES z LEEDS. on ee ee { en: nachmittags .. . . .... { a abendsw. .; - mer { u 1—8 een 5 16. Januar: MOLSENS. FE: ee: : TMILEARSSH see: { a nachmittags. 3% ee abends... seen { ; { 7 rn. 23 ee 1 17. Januar: MORGENS... ee { a MItlAUSE. 0 { ar nachmittags . .. 2... { A 6 N . { abends a 18. Januar: TMOTBENS. { = MIEBABSI > oe { Si : 7 nachmittags . . . . . { g abendsen nn. u.a { : nachts 9... { A MOTGENS.R :... oo { 2 S 9 19. Januar: b | morgens. un 2 nachmitttags.......... 8 5h sh 10h sh 12h 5h $h ilh 9h 12h 5h 7h 11h gh 12h 5h 8h 10h sh: 12h: 5h En ‚10h: 307 00' 30’ 30' 00' 20’ 00’ 30' 15’ 00’ 00’ 45’ 00’ nachmittaesen. ı . { FB abends. u. vr. 20%, { 9 ö 3 7 BT ENT SER PIE 20. Januar: morgens. er { - {9} mittags { Ä nachmittags . ... . { > abends... na. { a ) Q . 9 21. Januar: 8 OFGEnst. „ea morgens { 18 mittagsn Der 6 3—4 nachmittags. 08 { et abends. me re { 5 { 7 I ee ’ 22. Januar: morgens... dee { ; mittags. anne { ; nachmittags . . .. . { en abends... Semi. { = 2 { 7 En ER re ae 08 23. Januar: MOTgENS.- en. ; mittagsa u { il {7} ß 7 nachmittags . . . . - { 5 28 abends... . See { 3 Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 53 es unar; | 5h 15’ nachmittags . .. . . { | r fo) D E00 morgens. 2. . u { en { 6 | Ak, [5 7 6) > a Al DNUEeSIRE I { 56 290 nachmittags... { ö 4 Der Versuch wurde am 25. Januar in den Morgenstunden da- dureh unterbrochen, dass durch ein Unwetter die elektrischen Leitungen zerrissen wurden. Aus der Tabelle geht hervor, dass die periodische Chromatophorenbewegung als solche weitergeht bei konstanter Belichtung. Doch unterscheidet sich diese Bewegung von der bei konstanter Dunkelheit dadurch, dass sie nicht den normalen täglichen Rhythmus einhält, sondern arhythmisch verläuft. Vielleicht ist diese Störung darauf zurückzuführen, dass die Lichtintensität der elektrischen Lampe nicht konstant gehalten werden konnte, und dass die kleinen Schwankungen der Lichtintensität hinreichen, um die Bewegung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Möglich ist es auch, dass die fortwährende Belichtung immer neue Reize auf das Tier ausübt, und dass der Lichtreiz viel stärker auf die Chromato- phoren einwirkt als der Dunkelreiz. Es ist nun eine eigenartige Tatsache, dass einerseits die Haupt- komponente der periodischen Bewegung autonomer Natur ist, und dass anderseits die Bewegung dem täglichen Beleuchtungswechsel parallel geht. Johannes Müller!) wollte die beiden Tat- sachen, die er schon in der Periodizität des Schlafens und Wachens erkannt hatte, durch eine prästabilierte Harmonie in Einklang bringen. Auf das Unbefriedigende einer solehen Erklärung wurde schon hingewiesen. Jedenfalls liegt es nahe, einen Zusammenhang zwischen dem Beleuchtungswechsel und der periodischen Bewegung zu vermuten. Dieser Zusammenhang wäre nun so denkbar, dass die autonome Bewegung ursprünglich eine Reizbewegung mit dem täglichen Beleuchtungswechsel als Reiz gewesen wäre, dass aber durch tägliche Inanspruchnahme dieses Mechanismus durch viele Generationen hindurch die Bewegung sich allmählich so fixiert habe, dass sie auch dann weitergeht, wenn der Reiz nicht einwirkt. Gegen diese Auffassung spricht schon die Feststellung, dass neben der autogenen Bewegung eine Reizbewegungskomponente in der periodischen Bewegung enthalten ist. Denn es wäre doch merk- 1) Johannes Müller, Lehrbuch der Physiologie. 54 Heinrich Menke: würdig, dass die Bewegung auf den Beleuchtungswechsel als Reiz hin sieh nur zum Teil erblich fixiert haben sollte, während eine andere Komponente der Bewegung stets durch den aktuellen Be- leuchtungswechsel erzeugt wird. Ausserdem machen es die Unter- suchungen über die Schlafbewegungen der Pflanzen unwahrscheinlich, dass die Zeit als solche eine Bewegung erblich fixieren kann. Die tägliche Ausführung einer bestimmten Bewegung bei schlaftätigen Blättern führt so wenig zu einer Fixierung, dass sie schon einige Tage nach der Überführung in die Dunkelheit mit den sogenannten Naehsehwingungen ausklingen. Nachschwingungen von derselben Dauer kommen aber auch zustande, wenn man nicht einen 12 stündi- gen, sondern etwa einen Östündigen Beleuchtungswechsel auf die Pflanzen nur wenige Tage einwirken lässt. Endlich führt auch das Verhalten der Chromatophoren auf weissem Untergrund dazu, die Auffassung der periodischen Bewegung als erblich fixierten Erfolg einer Reizbewegung abzulehnen. Die Einwirkung des weissen Untergrundes auf die Chromatophoren ist viel stärker als der Reaktionserfolg der Lichtintensität auf die Chromatophoren. Dieser ist gegen jenen verschwindend klein. Trotzdem ist der starke Reiz des weissen Untergrunds nieht imstande, die periodische Chromato- phorenbewegung festzuhalten oder sie gar umzukehren, also einen Bewegungsrhythmus zu erzeugen, der bei normalem Beleuchtungs- wechsel als Entstehungsursache der periodischen Bewegung auf weissem Untergrund bei Tage eine Kontraktion, bei Nacht eine Expansion bewirken müsste. Denn es wurde schon erwähnt, dass: eine Vergrösserung der Lichtintensität auf weissem Untergrund zu einer Zusammenziehung der Chromatophoren, eine Verringerung zu einer Ausdehnung führen muss. Nun lässt sich leicht feststellen, dass auch auf weissem Untergrund die Chromatophoren die normale periodische Bewegung zeigen. Während bei einem Versuchstier die: tägliche Bewegung auf grauem Sanduntergrund zwischen 7 und 5 pendelte, hatte sie auf weissem Untergrund ihre Tagesstellung bei’ 2—3 und ihre Nachtstellung bei 1. Die Bewegung wird nur nach der Kontraktionsseite hin verschoben, in ihrer Art aber nicht ge- ändert. Die. Abnahme der Lichtintensität am Abend müsste bei fehlender Periodizität auf weissem Untergrund zu einer Ausdehnung: der Chromatophoren führen.. Die Gewalt der Periodizität bewirkt aber das Gegenteil. Handelte es sich bei der periodischen Be- wegung um den erblich fixierten Erfolg des Beleuchtungswechsels Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 55 als Reiz, so müsste der Reiz des weissen Untergrunds imstande sein, die Wirkung eines schwachen Reizes zu beseitigen und die Bewegung umzukehren. Da das nicht der Fall ist, so sind wir be- rechtiet, die oben erwähnte Auffassung der Chromatophorenbewesung abzulehnen. Wenn auch kein kausaler Zusammenhang zwischen der perio- disehen Bewegung und dem täglichen Beleuchtungswechsel besteht, so ist es doch wahrscheinlich, dass der Beleuchtungswechsel für die Bewesung von Bedeutung ist. Um die Art dieser Beziehung zu er- kennen, liest es nahe, auf die Chromatophoren einen anderen als den normalen zwölfstündigen Lichtwechsel einwirken zu lassen. Zu- nächst habe ich nun die Lichtbedingungen von Tag und Nacht mit- einander vertauscht, indem ich bei Tage verdunkelte, bei Nacht da- gegen erleuchtete. Beginn des Versuchs 17. Januar, morgens 10 Uhr, und zwar mit Verdunklune. Drei Tiere I, I, II befinden sich in dem Versuch ; + bedeutet Erhellung, — Verdunklung. De ur Kam 17. Januar: 20. Januar: | 12h 00’ mittags. . | 7 O8 &h 00’ morgens . 4-5| 6 4 nach. | 5a an 8h 00’ abends . . | 4 3 18-4| 12h 15’ mittags. . | 4-5 | 5—6|1-2 hr: , (+)I—- | - | — 5h 30’ nachm. . . |4-5| 6 3 4632 al, 8% 00° abends Ne le 8156 Aloe az anne en | On! 18. Januar: | 1173075 eo Sh 00’ morgens 6 5—6 21. Januar: | 53h 00’ 9! | — | — 800’ morg. —) | — | — | — 12h 00’ mittags . len, 2. ee 4h 00’ nachm. . 4 5: 2-3] 1h 15’ mittags... 6.15 3 Sru0ozalends ) . 145, 6 5 | 58 002 nachma 21.63.4156 Sr (+) | — —ı— 7h 50’ abends . . 6 | 7,396 ee zes Teı5e| 81.00 Bee ee le) 6110000: Poıeı5 19. Januar: 11» 00 ” 02 p 2h 00’ nachts 7 Une 22. Januar: | | 300 6 Dal 8 00. morgen 2 0887| 5 6h 30’ morgens San Sn 00 05 0 ee 5 | 2 ee 50.00 nachma A A012 omls’ mittags. . 4 | 6|2-3| gu 00Xabends 65,8 | 5 3h 00’ nachm. . . 5 6 5 10h 00’ 2 RIES SR 156 5 ee | 8h0W0’abends... 5 |I|8 15 23. Januar: | | SM „ (HI — 1 —- | — 8h 00°’ morgens. . 16-7 7—8 5 SB Er en en ee IN 0)N. 8.|.8 |6-7| 126 00’ mittags... | 4 | 4 56 Heinrich Menke: | u u 1.000 10l 5h°00’ nachm..: | 3 |5-6 3 1. Februar: | 75 45’ abends .. 5 |7-8 5—6| 10% 45’ morgens 7 TER SG SUÜ SCH). 1h 15’ mittags . . | eingeg. 5—6 | 5—6 TOT SAye N. 7 Sen rz 8 0 nachme re 02056 £ Ihrdortabendsza | en 6 Sm an Januar. en. 1h 15’ nachts — | 8 7-6 8 00’ a | 2. Februar: 12h 45" mittags... | 5 | 6 | 5: | 10% 00° morgens . | —.| 7 56 55 30’ nachm. .. |. 4 6 ah 80° gachm. 000.053 So apene | 6 as sel no sh 00’ (a ee O0 abends 1, ne 36 1107002 ll 1b 15’ nachts .. | — oo) T S Be | | 3. Fehruar: | | a Januar: 10% 15° morgens . | — |7—8| 1% 2h 30’ nachts 6 8 16—7 Betas I ALU) 5 = ; | 2h 00’ mittags. . | 7: 6 5h 45’ morgens. . 7 SE 6 En snnehm EN TS 5 7h 45’ or © 1 ' | IS 7 ga 00’ » & | w ih 15’ nachts ts 1 12h 45’ mittaos. . 56| 6 | 3.| 4. Bebruar. | | Do nachm.. . | 5 6 |4-5| 10h 30° morgens BO el sh 00’ abends . . | 6 8.52 6: 24 307 mittags 2. 04 > sh 00’ Se = 5h 45’ nachm. . . ı — | 5); 3 On Due ARE 8 8 1 1056 30’ abends .. | — | 6 6 { Ih 20 nachts . 12. —.| 7 7 26. Januar: | | on Su u NE IS KeleE ; a ua muigen: ul © ° | 10x 15’ morgens . — |ı 6 6-7 Der rhythmische Beleuchtungswechsel | 12h 45’ mittags... — 5 7 wird hier abgebrochen und die Tiere in | 9h 20’ abends . | — /6—7| 6 konstante Dunkelheit gebracht. 11 B200Y.apendse 2. 1 000,16 14 00’ mittags . . |4-5 |5—6| 5 7. Februar: | | 5h 00’ nachm. . 3—4| 5 ,2-3| 9% 00’ morgens . .. — | 6 |6—7 104 00’ abends . 7 | 8 |6-7| 12% 00° mittags... | — 16-7 |6—7 Are $ 32h 30’ nachn. . | — Dr 27. Januar: | | Suse, Be gures 9b 45’ morgens . ı 4 |5-6| 8 9h 00’ abends . . | — | 6 |4=5 5h 15’ nachm. .. | 5 5 13—4| 114 00° „ I 8 5 39h 50’ abends . 6 8 | 7 8. Februar: | | 28. Januar: | 3200 morgens... rd 2 U I pe 3 ı1h 45’ morgens . | 6 ANA > x I Ba s 2 an {2} a e , elle Zr | Scan 10h 30 abends . 56 | 8 6 9h 30’ Abende $ | 6 3—4 29. Januar: | ih 12h 00’ nachts — [5-6| 3 12h 30’ mittags... 14-5 6 | 4 Sal N © 65 00’ nachm. .., 5 |5—6| 4 9. Februar: 105 00’ abends . . 5 17—8|15—6| 65 30’ morgens — [eingeg.| 6 30. Januar: a ee Pen } | 3h00’nachm... | — | — |) 7 9h 00’ morgens | 8—6 |4—5|6—7 1 / 7 00' abends . . | — | — |4=5 1.00” mittags... | 6 Re) N, Maanmes BR machme..n 5. [Aa : nun 7 30a... || Bee een ” nachm. . „1: — | — |6= 1lh 15’ nachts he | { 6 7 h 00' & ae |: ea 6 3l. Januar: | 10h 15’ abends . . DR Id 10h 30’ morgens . | 6 7 d 12. Februar: | 5 24 00’ mittags. . 6-7 | 6 | 4 9h 30’ morgens . — | — 1a 5h 30’ nachm. . 5-61 6.5 1h 45’ nachm. . ..ı — | —..7—8 8h 00’ abends . . 6—7| 7 | 7 | 84 30’ abends .. | — | — 167 1h 15’ nachts 7 Se ORTEN .ı — | — |56 Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 57 Es ist also möglich, die Chromatophorenbewegung in einen um- sekehrten Rhythmus bineinzuzwingen. Diese neue Bewegung ist nun nieht etwa eine einfache Reaktion auf die Veränderung von Licht- intensitäten, also eine Bewegung, die durch die neuen Lichtverhält- nisse erst geschaffen wird, indem eine schon vorhandene Bewegung ‚beseitigt wird. Während nämlich am 17. Januar die neuen Licht- verhältnisse nicht imstande sind. einen neuen Rhythmus aufzuprägen, und erst am Abend eine Ausdehnung der Chromatophoren zu be- obachten ist, bewegen sich die Chromatophoren am 18. Januar be- reits im Sinne der neuen Verhältnisse. Der neue Rhythmus hat sich schon so fixiert, dass bereits abends S Uhr vor Eintritt der Be- lichtung eine Ausdehnung der Chromatophoren eintritt. An fast allen Tagen lässt sich eine Ausdehnung noch vor Eintritt der Lichtperiode feststellen. Eine entsprechende Zusammenziehung beobachtet man morgens um 8 Uhr noch vor der Verdunklung. Nachdem der neue Liehtwechsel 9 Tage lang auf die Chromatoplıoren eingewirkt hat, kommen die Tiere in konstante Dunkelheit, um zu sehen, ob und wie lange der neue Rhythmus nachwirkt. Es zeigt sich, dass vom 26. Januar bis zum 2. Februar, etwa 5 Tage lang, der neue Rhythmus unter Konstarz der Aussenbedingungen weitergeht: Am Tage sind die Chromatophoren kontrahiert, in der Nacht ausgedehnt. Am 3. Februar klingt auch der alte Rhythmus wieder durch, insofern, als die Chromatophoren am Morgen ausgedehut sind und nachmittags gegen 6 Uhr eine Kontraktion zeigen im Sinne des normalen Rhythmus. Der neue Rythmus manifestiert sich durch die Kontraktion in den Mittagsstunden und die Expansion in der Nacht. Die Chromato- phorenbewegung bringt also jetzt beide Rhythmen zum Ausdruck. Der neue Rhythmus wird aber immer schwächer, und am 8. Februar ist er bei II vollständig verschwunden. Die Bewegung ist also wieder in den normalen Zustand hineingependelt. Der angeführte Versuch setzt das Verhältnis von Beleuchtungs- wechsel und periodischer Bewegung in das richtige Licht. Man kann - es dahin formulieren, dass der Beleuchtungswechsel auf eine schon vorhandene Bewegung regulierend einwirkt. Bei Konstanz der Aussenbedingungen bleibt die neue Bewegung nicht lange be- stehen, die Chromatophoren bewegen sich bald wieder entsprechend den normalen Lichtverhältnissen. Wirkt der Lichtwechsel als Regulator einer autonomen Be- wegung, So muss es auch möglich sein, den Chromatophoren einen 58 Heinrich Menke: anderen als den zwölfstündigen Rhythmus aufzuprägen, etwa einen sechsstündigen. Bei dem folgenden Versuch, der am 30. Januar, morgens 9 Uhr mit Erhellung begann, wurden die Lichtbedingungen alle sechs Stunden geändert. + bedeutet eine Erhellung, — eine Verdunklung. | | I II III (11 SU | | | 30. Januar: nn nn, morg. (+) oe a h 00’ mittaes. . 6-5 Br v1 5 Be Bi En b) 1 Be hachn. Ba, 4h 00’ ee a ee Sr anends ..ı 3.0 eo Nee grobe ce) | Seal ee sh 00° abends . . 6 5 6 105 00' Sa Be 6 5 800 rn A h I— 7 | 12h 00 nachts. 61 5 Ne Rehraar. 3. Janmar. 0 1m 10% nachts > 560 6 On 00 nachts . : 1526| er area 2:hE00.° ;,, —)ı-|-|- 8:00’ more. (H) | —-— | — | — 8h 00’ morg. (+) 1043025 126.96). 8 10h 00’ vorm.. . 5 6 6 | 12h 30’ mittags . . 16-7 | 6 6) 12h 15’ mittags . . 62.15 -63.2%6 2h 00’ nachm. Ne 2h 00’ nachm. | 4 b) 5 a) a De =. el ne en nie 500° , SE 8 5 5 8h 00’ abends... | 5 5 b) 8h 00’ abends . 4 4-5 5 8500”, .(#) | — 1 —i See. ee Tor Da .05.5en az ae 1. Februar: 5. Februar: 1b 30’ nachts .. |6—-7| 5 6 jh2s0% machts 2 an 22200. % ” >) [ze Ep FR -» 7 Q IT * SE mor. Ale Am 5. Februar, abends 5 Uhr, dauernd 100500 ° Sagen naenlzverdumielt: 1b 00’ mittag .. | 5 4 7 : IE, | 32h 00' en ( ) | Kress 6. Februar: 18 4h 30’ 1526.14 5 | 106 15’ morgens . b) 6 | eingeg 8h 00’ abends . 5 | 8 |5-6| 125 25° mittags . Br 3800 5h 45’ nachm. 4 4ı — 11h 15’ ee abends 2, And n| 2 | | n20020 7 Ä 5 1056| — 2. Februar: | | | | 1:5 002 nachts ...:..:|:6 | 52.178 7. Februar: | 32h 00’ ea 2 900. morgens >. 5 9.000 8h 00’ more. 21902002 mitlaası 52:0 0 12h 00’ mittags. : | 7 156 7 2h 30’ nachm. ... 5 4) — 2h 00’ nachm. .. | 5 5 | 6 | Sn 15’ 8445| — Du 00 es on Wabends Ana ee ae lee 7h 50’ abends . . 5 | 5 ..9—6 Ssn.007 2, (+) | $. Fehruar: | 102002 0... 6-71 6. | 8 1.90 00% morgens 5 616 | 2 | | 3h 00’ nachm. „.. 4-5) 3 | — 3. Februar: | I 5b 90’ RE 1n 30" nachts . . |5-6|3-4| 8 | 9% 30’ abends... | 4 5-61 — 20... oJ) |- | = ne, > Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 59 8 na La nn 9. Februar: | 26. Februar: | 3h 30’ nachts . . 3-4 |4-5| — 9h 30’ morgens . 7 |Eing.| — 65h 30’ morgens 8 _ 2h 00’ nachm. . . 5 —_— | 105 30’ vorm. .. 6 6 — | 10h 0’ abends . . 4 N 3h 00’ nachm. . 6 14-5| — | 75h 00’ abends . 19698 19.6. | 0% Die Aufprägung eines neuen Rhythmus geht bei einem sechs- stündigen Lichtwechsel nicht so leicht vor sich, wie bei der Um- kehruug der normalen täglichen Lichtbedingungen. Während bei diesem die Bewegung im normalen Zeitinaass weitergeht, soll jene Bewegung in ein anderes Zeitmaass hineingebracht werden. Der Ablauf des zwölfstündigen Rhythmus in den Chromatophoren durch Generationen hindurch hat die Bewegung in diesem Zeitmaass fixiert, was ja aus der Tatsache hervorgeht, dass auch die umgekehrte zwölfstündige Periode bald wieder in die normale übergeht. Der sechsstündige Rhythmus tritt erst nach einigen Tagen rein hervor. Erst am 2. Februar ist die Bewegung in der neuen Periode, was man leicht an der starken Zusammenziehung mitten im Tage um 2 Uhr vor der Verdunklung erkennt. Eine entsprecherde Aus- dehnung zeigt sich abends um 71 50. Nachdem am 5. Februar die Liehtbedingungen konstant gemacht worden sind, geht die Be- wegung in der neuen sechsstündigen Periode noch 3 Tage etwa bis zum 9. Februar weiter. Allmählich pendelt sie wieder in die zwölf- stündige Periode hinein. Die Periode am 26. Februar zeigt den normalen Zustand. Wenn sieh schon der Aufprägung des sechsstündigen Rhythmus so grosse Schwierigkeiten entgegenstellen, so wird es noch schwieriger sein, einen dreistündigen Rhythmus zu erzeugen oder eine Periode in einem anderen Zeitmaass. Durch genügend langandauernde Ver- suche wird es möglich sein, noch andere Perioden zu erzeugen. Da sich der Ausführung solcher Versuche viele praktische Schwierig- keiten entgegensetzen, habe ich davon abgesehen. Die Reizursache für den Ablauf der periodischen Bewegung ist ein innerer vorläufig noch unbekannter Faktor. Der Lichtwechsel spielt für den Ablauf der Bewegung die Rolle eines Regulators. Wie hat man sich den Regulierungsmechanismus zu denken? Zu- nächst sei es gestattet, einige Analoga zu gebrauchen: Die Be- 60 Heinrich Menke: wegung lässt sich vergleichen mit der durch die Kraft einer Feder setriebenen Uhr, die durch ein Pendel gezwungen wird, in be- stimmter Weise abzulaufen. Oder man kann sie vergleichen mit der durch Federkraft in Schwingung versetzten Bewegung des Hammers eines Induktionsapparats, die durch abwechselndes Ent- stehen und Vergehen von Magnetismus in eine bestimmte Periode hineinkommt. Der innere Ablauf des Regulierungsmechanismus in dem Tier ist vielleicht folgender: Wenn die Lichtintensität sich ver- ändert, so bewegen sich infolge der Reizbarkeit der Chromatophoren für Unterschiede von Lichtintensitäten die Chromatophoren etwas, es entsteht die eine Komponente der periodischen Bewegung und zwar die Reizbewegung. Wie aber schon früher auseinandergesetzt, läuft dieser Prozess nicht für sich ab, sondern er verkettet sich mit der autonomen Beweeung in der Weise, dass eben die zwölfstündige Periode entsteht. Die Regulierung wirkt also durch die Reizbarkeit der Chromatophoren für Unterschiede von Lichtintensitäten. Zwar wird durch diese Auffassung erklärt, warum der Regu- lierungsmechanismus zu einem bestimmten Zeitpunkte angreift, es bleibt aber noch fraglich, warum die Bewegung am Morgen in einem anderen Sinne verläuft wie am Abend, warum sie das eine Mal zu einer Kontraktion, das andere Mal zu einer Expansion führt. Man könnte sagen, die infolge des Lichtwechsels eintretende Reizbewegung, die ja in dem einen Falle eine Kontraktion, im anderen Falle eine Expansion bedingt, lenke auch die autonome Bewegung am Morgen nach der Expansions-, am Abend nach der Kontraktionsseite. Eine Erklärung wäre damit allerdings nicht gegeben, man würde nicht verstehen, warum der Regulierungsmechanismus in der autonomen Bewegung einmal eine Zusammenziehung, das audere Mal eine Aus- dehnung auslöse.. Man muss nun wohl unterscheiden zwischen der Einwirkung von konstantem Licht resp. von Dunkelheit auf einen Organismus und der Finwirkung des Lichtwechsels. Die Bedeutung des letzteren Faktors für die Chromatophorenbewegung ist schon klargestellt. Was den Einfluss des Lichts resp. der Dunkelheit auf die Bewegung anbetrifft, 'so glaube ich ihn kurz so formulieren zu können: Das Licht resp. die Dunkelheit bedingen den Ablauf be- stimmter chemischer Vorgänge im Organismus. Diese Vorgänge spielen sich unter der Einwirkung des Lichtes anders ab wie unter: dem Einfluss der Dunkelheit. Die im Liehte verlaufenden. Vorgänge haben die Tendenz, die Chromatophoren auszudehnen, sie bedingen. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 61 also die Expansionsphase der autonomen Bewegung. Das Um- sekehrte ‚findet in der Dunkelheit statt. Die inneren chemischen Vorgänge im Lieht oder in der Dunkelheit müssen erst ablaufen, ehe der Regulierungsmechanismus des Lichtwechsels zu einer be- trächtlichen Chromatophorenbewegung führt. Daraus erklärt es sich, dass eine Abnahme der Lichtintensität auf 0 bei Tage meist nicht mit einer erösseren Bewegung verbundeu ist, dass bei manchen Individuen überhaupt keine Bewegung eintritt, während man mit Einbruch der Dunkelheit die Chromatophoren leicht zur Kontraktion bringen kann. Wir haben in der periodischen Chromatophoren- bewegung einen Vorgang, wo „Aussenfaktoren durch den selbst- regulatorisch erzielten Stimmungswechsel zu direktiven Zwecken nutzbar gemacht werden, und da der Stimmungswechsel sich rhyth- misch wiederholt, entstehen periodische Bewegungen“ [Pfeffer')]. Der für unsere Bewegung in Betracht kommende Aussenfaktor ist der Lichtwechsel; der Stimmungswechsel ist die unter der Ein- wirkung des Lichts resp. der Dunkelheit sich ändernde Bewegungs- tendenz der autonomen Chromatophorenbewegsung. Eine ähnlich verlanfende Bewegung liegt in dem Verhalten von Schwärmzellen von Algen gegenüber einer konstanten Lichtquelle vor. Bald be- wegen sich diese Schwärmzellen nach einer Lichtquelle, nach einer Stelle höherer Intensität hin, sie sind also positiv heliotropisch. Dort verweilen sie einige Zeit, um mit negativem Heliotropismus nach einer Stelle niedriger Intensität hinzuschwimmen. Wie Wolf- gang Ostwald?) nachgewiesen hat, laufen dem heliotropischen Stimmungswechsel Stoffwechseländerungen parallel. Durch den Auf- enthalt der Schwärmzelle im intensiven Licht gehen bestimmte Pro- zesse vor sich, die nach ihrem Ablauf eine negativ heliotropische Stimmung schaffen. Das Umgekehrte spielt sich bei einen Aufenthalt der Zelle an der weniger intensiv erleuchteten Stelle ab. Setzt man für Heliotropismus Reizbarkeit der Chromatophoren, für die negative heliotropistische Bewegung etwa Kontraktion der Chromatophoren, ‚für positive heliotropistische Bewegung Expansion, für das intensivere Licht den Lichtwechsel von Nacht und Tag, für das weniger inten- 1) Pfeffer, Pflanzenphysiologie. Leipzig 1904. 2) Wo. Ostwald, Über die Lichtempfindlichkeit tierischer Oxydasen und über die Beziehungen dieser Eigenschaft zu den Erscheinungen des tierischen Phototropismus. Biochem. Zeitschr. 1908. 62 Heinrich Menke: sive Lieht das Umgekehrte, so hätten wir damit die periodische Chromatophorenbewegung zu den heliotropistischen Bewegungen der Schwärmzellen in Parallele gebracht. Dass wir dazu berechtiet sind, diese Parallele zwischen der heliotropistischen Bewegung und der Chromatophorenbewegung zu ziehen, wird später gezeigt werden. Wie lässt sich nun mit unserer Auffassung von der Bedeutung des Lichtes als solcher für die periodische Bewegung die Tatsache vereinigen, dass die Bewegung unter konstanten Lichtverhältnissen weitergeht? Die Versuche über die Aufprägung von neuen Perioden haben schon zu der Erkenntnis geführt, dass der normalen täglichen Periode ein gewisses Beharrungsvermögen zukommt. Ebenso wie der Regulierungsmechanismus unter konstanten Lichtverhältnissen im Sinne der normalen täglichen Periode weiterarbeitet, ebenso hören auch die der autonomen Bewegung zugrunde liegenden Prozesse nicht auf, periodisch weiterzugehen bei Konstanz der Aussen- bedingungen. Zwar ist dieses Weitergehen nicht von unbeerenzter Dauer. Das Fehlen der normalen täglichen Lichtbedingungen führt zu Störungen im Organismus, und meist gehen die in konstanter Dunkelheit gehaltenen Tiere nach einiger Zeit zugrunde. Auf diese Tatsache wurde schon früher hingewiesen. Sie findet jetzt ihre Er- klärung. Dass sich die periodische Bewegung in eine andere Periode hineinzwiugen lässt, und dass sich die Chromatophoren noch vor Eintritt des Liehtwechsels sinngemäss beweren, wird erst verständ- lich, wenn man die Bedeutung des Lichts resp. der Dunkelheit auf die der Chromatophorenbewegung parallel laufende Prozesse im Organismus erkennt. Die eigenartigen Vorgänge, die sich bei der Aufprägung neuer Rhythmen abspielen, machen es sehr wahrschein- lich, dass unter dem Finfluss des Lichts spezifische Vorgänge im Organismus ablaufen, die wesentlich verschieden sind von den Prozessen, die in der Dunkelheit vor sich gehen. Um diese sehr wahrscheinliche Annahme in einen Zusammen- hang hineinzubringen zu den bis jetzt vorliegenden Erkenntnissen auf diesem Gebiete, möchte ich kurz über das bis jetzt vorliegende -Tatsachenmaterial referieren. Ich beziehe mich zum Teil auf eine Zusammenstellung von Babäk?). Der erste, der einen Einfluss des Lichtes auf den tierischen Organismus festgestellt hat, war 1) Babäk, Über das Lebensgeschehen in belichteten und verdunkelten Netzhäuten. Zeitschr. f. Psych. u. Phys. der Sinnesorgane, 1I. Abt. 1910. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 63 Molesehott!). Er fand, dass die Kohlensäureabscheidung bei bestimmten Tieren, wie Fröschen und Hunden, erhöht wurde. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte Pott°). Pflüger und v. Platen?) haben festgestellt, dass der respiratorische Quotient durch Erregung der Retina eine erhebliche Steigerung erfahren. Adueco*) hat bei hungernden Tauben im Dunkeln bedeutend langsamere Gewichts- verringerung und merklich längere Lebensdauer gefunden als im Licht. Um Fehlerquellen infolge von Muskelbewegungen auszu- schalten, haben Fubini und Benedicenti?°) Versuche an Sieben- schläfern angestellt und eine Steigerung der Koblensäureabscheidung im Licht gefunden. Während Ewald‘) keinen Unterschied des Stoffwechsels im Licht und in der Dunkelheit feststellen konnte, hat Graffenberger’) gefunden, dass das Licht auf den Stickstoff- umsatz des Kaninchens ohne wesentlichen Einfluss ist, den Kohlen- stoffumsatz aber wesentlich vergrössert. Im Gegensatz dazu steht eine Angabe von Kohan°), nach der in der Dunkelheit sich auch der Stiekstoffumsatz verringert. Babäk’°) spricht auf Grund seiner Untersuchungen an geblendeten und nicht geblendeten Ambylostoma- larvendieVermutung aus, dassdurch den Einflussder Netzhäute besonders aufdie Tonusverhältnisse und Kontraktionen der quergestreiften Muskeln der allgemeine Stoffwechsel im Licht und in der Dunkelheit verschieden- artig verändert werden könnte im Vergleich mit dem Verhalten nach 1) Moleschott, Über den Einfluss des Lichts usw. Wiener med. Wochenschr. 1855, 1858. 2) Pott, Vergleichende Untersuchungen über das Mengenverhältnis der durch Respiration und Perspiration ausgeschiedenen 00, usw. Jena 1875. 3) Pflüger und von Platen, Über den Einfluss des Auges auf den tierischen Stoffwechsel. Pflüger’s Arch. 1875. 4) Aducco, Action de la lumiere sur la durde de la vie. Arch. ital. de biol. 1889. 5) Fubini und Benedicenti, Über den Einfluss des Lichts auf den 'Chemismus der Atmung. Moleschott’s Unters. Bd. 14. 1892. 6) Ewald, Influence of light on the gase exchange in animal tissues. Journ. of physiol. 1892. 7%) Graffenberger, Versuche über die Veränderungen, welche der Ab- schluss des Lichts in der chemischen Zusammensetzung des Organismus und ‚dessen N-Umsatz hervorruft. Pflüger’s Arch. Bd. 53 S. 238. 1893. 8) Kohan, Über die Wirksamkeit des weissen Lichts usw. Diss. Peters- burg 1905. 9) Babäk, Über das Lebensgeschehen in belichteten und verdunkelten Netzhäuten. Zeitschr. f. Psych. u. Phys. der Sinnesorgane, II. Abt. 1910. H4 Heinrich Menke: Entfernung der Augen. Neuberg!) stellt fest, dass alle organischen Verbindungen bei genügender Lichtenergie photosensibel sind, d. h., dass sie im Lieht chemisch verändert werden. Er hat dies an 62 vorwiegend physiologisch wichtigen Verbindungen gezeigt. Am Schluss seiner Arbeit spricht er die Erwartung aus, dass diese schnell ver- laufenden Liehtwirkungen wohl imstande wären, ein Verständnis der beim Heliotropismus stattfindenden chemischen Vorgänge anzubahnen. Diese Erwartung wird durch eine schon zitierte Arbeit von Wolfe. Ostwald?) in gewisser Weise erfüllt. Ostwald sucht in seiner Arbeit nach photochemischen Unterlagen für die phototropischen Reaktionen der Tiere. Er kommt zu dem allgemeinen Ergebnis, dass die phototropischen Reaktionen im engen Zusammenhang mit der allgemeinen Gewebeatmung stehen. Positiv heliotropische Tiere sind sehr katalysereich und sehr peroxydasearm; bei negativ helio- tropischen Tieren ist das Gegenteil der Fall. Die positiv und negativ phototropischen Bewegungen führen zu einer Annäherung der beiden Ungleichgewichte aneinander und zur Herstellung eines physio- logischen Gleichgewichts. Die phototropischen Reaktionen sind lebens- erhaltende Vorgänge. Aus dem angeführten Tatsachenmaterial über die Einwirkung des Lichtes auf den tierischen Stoffwechsel geht wohl die Berechti- sung hervor, dem Lichte einen Einfluss auf die chemischen Prozesse im Organismus zuzuschreiben. Die aus der Analyse periodischer Chromatophorenbewegungen gewonnene Erkenntnis von der Be- deutung des Lichtes für diese Bewegung würde einen Beitrag zu dieser Frage bedeuten. Periodizität und Stoffwechsel. Der täglichen periodischen Chromatophorenbewegung liegt eine innere Reizursache zugrunde; sie wird von bestimmten im Organismus abiaufenden Vorgängen bedingt. Um in das Wesen dieser Prozesse einzudringen, fragt es sich, ob dem täglichen Hin- und Herfluten in den Chromatophoren nicht auch ein periodischer Wechsel von anderen Erscheinungen parallel geht. Da ist eine Feststellung von l) Neuberg, Chemische Umwandlung durch Strahlenarten. Biochem. Zeitschr. 1908. 2) Wo. Ostwald, Über die Lichtempfindlichkeit tierischer Oxydasen und über die Beziehungen dieser Eigenschaft zu den Erscheinungen des tierischen Phototropismus. Biochem. Zeitschr. 1908, Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 65 Keeble und Gamble!) sehr wichtig. Sie fanden einen Unter- schied in dem Verhalten der von ihnen beobachteten Krebse bei Tage und bei Nacht. Während die Tiere tagsüber ruhig in ihren Gefässen sassen, wurden sie nachts so lebhaft, dass sie öfters aus den Behältern heraussprangen. Die Zahl der Herzschläge war iu der Nacht etwa doppelt so gross wie bei Tage. Endlich zeigte die chemische Reaktion gewisser Organe bemerkenswerte Unterschiede. Die Leber und die Muskeln reagierten bei Tage meist alkalisch, während sie bei Nacht durchweg eine sauere Reaktion zeigten. Die diesen Unterschieden zugrunde liegenden chemischen Prozesse sind also bei Tage anders wie in der Nacht. Wenn wir nun „die Ge- samtheit der: chemischen Umsetzungen, die sich durch Vermittlung und im Dienste des Organismus abspielen“, als Stoffwechsel be- zeichnen, so können wir von einer Periodizität des Stoffwechsels sprechen. Das ganze Verhalten der Tiere und die Zahl ihrer Herz- schläge lässt erkennen, dass bei Tage ein Zustand. der Stoffwechsel- ruhe besteht, während die Tiere bei Nacht in einer Stoffwechsel- erresung sind. Es fragt sich, ob man eine derartige Periodizität, die Keeble und Gamble bei Maeromysis und Hippolyte varians fanden, auch bei der Idothea trieuspidata beobachten kann. Eine längere Beobachtung der Idothea bei Tage und bei Nacht lässt die Tatsache erkennen, dass sie bei Nacht lebhafter ist wie bei Tage. Vor allen Dingen zeigt sich ein Unterschied in ihrem heliotropischen Verhalten, das bei Nacht viel ausgesprochener positiv ist als bei Tage. In einem grossen Beobachtungsgefäss, das ein- seitig beleuchtet ist, schwimmen. die Tiere am Abend in grossen Kreisen umher. Sobald sie an die Stelle grösster Lichtintensität kommen, lassen sie sich fallen und liegen in grossen Haufen am Boden. Bald beginnen sie die Bewegung von neuem. Auch bei Tage liess sich ein positiver Heliotropismus beobachten. Doch be- teiligen sich weniger Tiere an der Bewegung und mit geringerer Lebhaftigkeit. Was nun die Anzahl der Herzschläge anbetrifft, so konnte ich auch bei Idothea feststellen, dass die Zahl der Schläge nachts fast doppelt so gross ist wie bei Tage. Diese Feststellung bietet insofern Schwierigkeiten, als die Kontraktionen nur bei Lupen- vergrösserung gezählt werden können. Es wird also notwendig, die | 1) Keeble and Gamble, Hippolyte varians, a study in colour-change. The Quarterly Journal of Microscopical Science vol. 43 p. 589—698. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. B) 66 Heinrich Menke: Tiere aus dem Gefäss herauszunehmen und sie unter der Lupe zu beleuchten. Da die veränderten Bedingungen den Herzschlag be- schleunieten, so habe ich die Tiere unter der Lupe erst zur Ruhe kommen lassen und in verschiedenen Minuten, die durch bestimmte Zeitintervalle voneinander getrennt waren, gezählt. Das Mittel aus diesen Feststellungen ergab die Zahl der Herzschläge zu einer be- stimmten Tageszeit. Während ich bei Tage die Zahl der Herzschläge leicht feststellen konnte, waren die Kontraktionen in der Nacht meist so zahlreich, dass ich sie nur mit grösster Anspannung zählen konnte. So hatte ein Krebs bei Tage um 2 Uhr mittags 124 Kontraktionen, abends 9 Uhr dagegen 220 in der Minute. Leichter lassen sich die Herzschläge bei der Idothea Rathkii zählen. Nachmittags 3 Uhr fand ich 62 Herzschläge, abends um 10 Uhr hatte dasselbe Individuum deren 136. Der von Keeble und Gamble beobachtete Unterschied in dem chemischen Verhalten der Leber und der Muskel liess sich bei der Idothea nicht feststellen. Nach Loeb wird eine Steigerung des Herzschlages durch stärker ablaufende chemische Vorgänge bedingt, und da wir die Gesamtheit der im Organismus sich abspielenden chemischen Prozesse als Stoffwechsel bezeichnet haben, so sind wir berechtigt, auch bei der Idothea von einer Periodizität des Stoff- wechsels zu sprechen. Dieser Stoffwechselperiodizität läuft nun die periodische Chromato- phorenbewegung parallel. Es ist nun möglich, dass 1. die Chromato- phorenbewegung und die Stoffwechselprozesse ganz unabhängig von- einander verlaufen, oder dass 2. bestimmte Bezeichnungen zwischen den beiden Vorgängen bestehen. Schon die Tatsache, dass der täglichen periodischen Chromatophorenbewegung eine innere Reiz- ursache zugrunde liest, legt den Gedanken nahe, dass ein Zusammen- hang besteht zwischen den Stoffwechselprozessen und der Bewegung der Chromatophoren, dass etwa die periodisch ablaufenden Stoff- wechselprozesse die innere Reizursache für die periodische Chromato- phorenbewegung darstellen. Wenn wirklich ein solcher Zusammen- hang besteht, so müssen irgendwelche Mittel, die den Stoffwechsel verändern, auch eine Bewegung der Chromatophoren herbeiführen. Ein Mittel, welches den Stoffwechsel beschleunigt, muss die Chromato- phoren zur Kontraktion bringen, weil der Kontraktionszustand der Chromatophoren der Stoffwechselerregung parallel geht; eine den Stoffwechsel verlangsamende Ursache muss eine Expansion herbei- führen. Wenn also zwischen den beiden Erscheinungen Beziehungen Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 67 stattfinden sollen, so müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, 1. muss überhaupt eine Bewegung der Chromatophoren durch ein stoffwechsel- veränderndes Mittel verursacht werden, und 2. muss diese nee im riehtigen Sinne erfolgen. Das einfachste Mittel, um den Stoffwechsel zu beeinflussen, ist die Temperatur. Sie kann in zweierlei Weise auf den Organismus einwirken, einmal physikalisch, dann chemisch. In physikalischer Hinsicht verändert die Temperatur den physikalischen Zustand der Zellflüssigkeit. Was die chemische Einwirkung der Temperatur an- betrifft, so beeinflusst sie die Schnelligkeit der Lebensvorgänge. Nach dem ursprünglich für anorganische Körper aufgestellten Gesetz von Arrhenius und van’t Hoff nimmt die Geschwindigkeit der im Organismus ablaufenden Prozesse um das Zwei- oder Dreifache zu, wenn die Temperatur um 10° wächst. Clausen!) hat diese Gesetzmässigkeit bei Pflanzenkeimlingen nachgewiesen, indem er bei verschiedenen Temperaturen die Menge der abgeschiedenen Kohlen- säure feststellte. Er fand, dass die Kohlensäureabscheidung mit der steigenden Temperatur nach dem van’t Hoff’schen Gesetze statt- fand bis etwa 40°. Über 40° nimmt die Kohlensäureentwicklung sehr schnell ab. Snyders (University of California, Publications Physiol. vol. 2) untersuchte die Einwirkung der Temperatur auf die Schnelligkeit des Herzschlags. Er fand die überraschende Tat- sache, dass die Zunahme des Herzschlags bei steigender Temperatur dem van’t Hoff’schen Gesetz folgt. Für die von ihm untersuchten Tiere gilt diese Gesetzmässigkeit nur bis etwa 25°. Oberhalb von 25° ist die Zahl der Herzschläge nur in den ersten Minuten gesetz- mässig, nachher werden sie unregelmässig. Da die Zunahme der Herzschläge bis 25° dem für chemische Reaktionen gültigen Gesetze gehorcht, so wird die Temperatur nur indirekt den Herzschlag durch die ihm zugrunde liegenden chemischen Reaktionen beeinflussen. O0. Hertwig (Arch. f. Mikrosk., Anatomie u. Entwicklungsgesch. 1898) hat an Froscheiern gezeigt, dass die höhere Temperatur ent- wicklungserresend wirkt. E. Cohen!) berechnet aus den Ergeb- nissen von Hertwig, dass auch hier die Zunahme der Entwick- lungsgeschwindigkeit dem angegebenen Gesetze folgt. Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass die steigende Temperatur den Ablauf chemischer Reaktion im Organismus, die wir in ihrer Ge- 1) J. Loeb, Dynamics. of Living Matter. New-York 1906. Rx 5 BS. Heinrich Menke: samtheit als Stoffwechsel bezeichnen, beschleunigt. Die Zunahme der Geschwindiekeit hat nach oben hin eine Grenze. Wird die Temperatur über diese Grenze erhöht, oder bleibt der Organismus längere Zeit in der Temperatur der Grenzzone, so verlangsamen sich die Prozesse wieder, um bei einer bestimmten Temperatur still zu stehen. Eine Abnahme der Temperatur bedingt auch eine all- mähliche Verlangsamung der Lebensprozesse, die endlich bei einer bestimmten Temperatur aufhören. Es ist charakteristisch für die Temperaturkurve, dass sie von einer mittleren Temperatur ausgehend nach oben plötzlich abfällt bis 0, während sie nach unten gleich- mässig weitergeht, um allmählich den Wert O0 zu erreichen. Einwirkung der Temperatur auf die Bewegung der Chromatophoren. Über die Einwirkung der Temperatur auf die Chromatophoren- bewegung der Crustaceen liegen bis jetzt wenig Angaben vor. Matzdorff!) kommt in seiner Arbeit über Idothea zu dem Er- gebnis, dass die Temperatur die Bewegung der Chromatophoren nicht beeinflusst. Keeble und Gamble!) finden keine einheit- lichen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Temperatureinwirkung. Meine Untersuchungen haben nun ergeben, dass die Temperatur zu einer oft recht erheblichen Veränderung des Chromatophorenzustandes führt, die durchaus gesetzmässig verläuft. Für unser Thema wich- tiger ist die Tatsache, dass eine Erhöhung der Temperatur bis zu gewissen Grenzen die Chromatophoren kontrahiert, während eine Erniedrigung das Entgegengesetzte ergab. Auf S. 69 seien einige dahingehende Versuche geschildert. Die Tabelle I zeigt zunächst eine allmähliche Kontraktion der Chromatophoren, wenn die Temperatur bis 20'/2° erhöht wird. Wenn diese Kontraktion bei längerer Einwirkung der hohen Tempera- tur in eine Expansion übergeht, so entspricht das einer Gesetz- mässigkeit, die Duculax gefunden hat, dass nämlich der Stoff- wechsel bei längerer Einwirkung einer höheren Temperatur herab- gesetzt wird. Eine Erniedrigung der Temperatur in Tabelle I er- giebt gegen die Nachtperiodizität eine starke Ausdehnung. In 1) Matzdorff, Über die Färbung von Idothea trie. Diss. Kiel 1882. 2) Keeble and Gamble, The colour physiology of higher Crustacea. Philos. Transactions of the Royal Society of London vol. 196 B. S. 589— 698. 1904. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 69 Tabelle II wurde die Wirkung einer allmählichen Temperaturver- änderung festgestellt. Bis 20° entspricht die Bewegung den ge- hesten Erwartungen. Bei 25° aber dehnen sich die Chromatophoren aus, und bei 30° endlich erreichen sie ihre Maximalausdehnung. Die Tiere selbst liegen bei dieser Temperatur betäubt am Boden des Gefässes. Tabelle. Tabelle I. | Te I II 27. Januar: 8. Februar: | 2h. 00’ nachm., T. 11/2 8 | 7 10% 15’ morgens, T. 12!/2° 8 16-7 Su en 20 55 10 Bann > | u We 35 112.000 ER Dez 4 10% 00. mar. | 5 556 Sn jeans. 198 sr Ziege | — On a Zen de ne AH Al, OO ee u a 50 1005 nachme a A on A a, A er ., ea ann, Bmw elleabends.. . 2. 3 2h 207 S ee SS mE 100 56a oe SR I zes Sn ee Ela gms sy en else 34 50' 208 Wir stellen hiermit die Tatsache fest, dass bei 25° die Chromatophorenbewegung im Sinne einer Stoffwechselverlangsamung umschlägt. Da auch bei einer Temperaturerhöhung über einen be- stimmten Punkt hinaus die Veränderung des Stoffwechsels denselben Verlauf nimmt, also verlangsamt wird, so zeigt der ganze Verlauf der Chromatophorenbewegung, dass sie von Stoffwechselprozessen bedingt wird. Bei den Versuchen der Tabelle II wurden die Temperaturen ganz allmählich ineinander übergeführt. Hätte nun die Temperatur direkt auf die Chromatophoren eingewirkt, so wäre ein „Hineinschleichen“ in den Reiz möglich. gewesen, d. h. es wäre eventuell keine Bewegung der Chromatophoren zu- stande gekommen. Da aber auch bei allmählicher Steigerung der Temperatur stets eine Bewegung stattfindet, so wird es durch diesen Versuch unwahrscheinlich, dass die Temperatur in direkter Be- ziehung zu der Chromatophorenbewegung steht. In diesen und den folgenden Versuchen möge noch erwähnt werden, dass die 79 Heinrich Menke: Tiere an Licht- und Untergrundverhältnisse adaptiert waren. Bei einer Erniedrigung der Temperatur von etwa 25° an abwärts ist entsprechend der Stoffwechselkurve eine allmähliche Ausdehnung der Chromatophoren zu erwarten. Im folsenden ist das Ergebnis eines dahingehenden Versuches mitgeteilt. il II 5. Februar: 15h 15’ nachmittags Temp. 14° b) 6 1h 15’ n . 4° | 1h 45’ EEE 7 | 8 2h 45' RE he 8 8 4h 00’ Beer 8 3 45h 00' 5 Temp. 14° 44h 20' ET 3 7 Der Verlauf dieses Versuchs entspricht also der Stoffwechsel- kurve. Wäre die Einwirkung der Wärme auf die Chromatophoren eine direkte Reizwirkung, so wäre nicht einzusehen, warum die Chromato- phorenkontraktion bei einer Erhöhung der Temperatur in eine Expansion übergeht, während bei einer Erniedrigung der Temperatur ein solcher Umschlag nicht eintritt. Der ganze Verlauf der Chromatophorenbewesung bei der Einwirkung von Wärmereizen be- rechtigt uns dazu, diese Bewegung mit zugrunde liegenden Stoff- wechselprozessen verknüpft zu sehen. ; Stoffwechsel und Säuren. Durch die Forschungen der experimentellen Zoologie der letzten Jahre sind verschiedene entwicklungserregende und entwicklungs- hemmende Mittel bekannt geworden. So fand Loeb!), dass der Zusatz einer gewissen sehr geringen Menge Salzsäure zu dem See- wasser die Entwicklungsvorgänge herabsetzt, und er kam auf Grund zahlreicher Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass Säuren die Oxydationsvorgänge im Organismus hemmen. Wie die Säure wirkt, konnte noch nicht ganz klargestellt werden. Vielleicht ist ihre Wirkung so zu denken: Von Höber?) und Friedenthal ist gezeigt worden, dass die Gewebeflüssigkeit der Tiere und Pflanzen 1) J. Loeb, Über den Einfluss von Alkalien und Säuren auf die embryonale Entwicklung und das Wachstum. Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. 7. 1898. 2) J. Loeb, Dynamics of Living Matter. New York 1906. | Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 71 so wenig alkalisch ist, dass sie praktisch als neutral gelten kann. Die im Organismus gebildete Kohlensäure und die anderen Säuren müssen neutralisiert werden, wenn der Organismus nicht durch seine eigenen Säuren zugrunde geben soll. Die Neutralisation der Säuren wird durch die Basen des Seewassers bewirkt. Werden nun diese Basen durch hinzugefügte Säuren beseitigt, so muss der Stoff- wechsel herabgesetzt werden, um die Säurebildung zu verringern. Der Zusatz einer bestimmten sehr geringen Menge Salzsäure zu dem Seewasser, in welchem sich Idothea befand, ergab nun das überraschende Ergebnis, dass die Chromatophoren sich ausdehnten, sich also im Sinne einer Verlangsamung des Stoffwechsels be- westen. Die Menge der zugesetzten Säure war sehr gering; es kamen auf 50 eem Seewasser 1 cem "/ıo-Normalsalzsäure. In den folgenden Tabellen ist das Ergebnis solcher Versuche wieder- gegeben: I 1 u 15. Januar: 10. Februar: Sen 0linachma m. 16 2h 50’ nachts in 50 cem Seewasser -+ 3 50’ ,„ in50 ccm Seewasser 1 cem Yıo HCI + 1 cem "io HCl 2. DO See 6) 4 AR EN e SU RR | 30° A EN 6 5 00 abend... .. Bl en N DR DD ee or 00° morgens. 0... 8 mi 9h 30’ „ infrischesSeewasser 108 ve DNS _ S LE ne; | 7—8 | 12% 10’ mittags in Seew.. | 8 8 en Kr 2 an | - | 15 30’ nachmittags . . 6 7 Bei der Beantwortung der Frage, wie eigentlich die Salzsäure auf die Bewegung der Chromatophoren einwirkt, muss man sich immer gegenwärtig halten, dass es wohl leicht ist, einen äusseren Faktor beliebig zu verändern und dadurch seinen Erfolg festzustellen, dass es aber sehr schwer, ja oft unmöglich ist, die inneren Vorgänge zu bestimmen. Es handelt sich hier um ein unter Umständen sehr kompliziertes inneres Geschehen, das um so schwieriger zu analy- sieren ist, als man den Angriffspunkt des Reizes auf das Tier nicht kennt. Der Reiz könnte auf drei Arten die Bewegung der Chroma- tophoren veranlassen: Er könnte zunächst die ganze Reizbarkeit des Tieres gegen Untergrund und Lichtintensität herabsetzen und so die Chromatophoren bewegen. Dann könnte die Bewegung durch f / 79 Heinrich Menke: rein nervöse Prozesse verursacht sein, wie etwa die Untergrunds- reaktion. Oder man hätte es mit einem physikalischen Vorgang zu tun, indem die Veränderung des osmotischen Drucks des Seewassers durch die hinzugefügte HCl auch zu einer osmotischen Ausgleichs- bewegung in den Zellen der Chromatophoren führe. Endlich könnte die Salzsäure eine Veränderung von Stoffwechselprozessen bedingen und durch Vermittlung dieser Vorgänge auf die Bewegung der Chromatophoren einwirken. Dass es sich nicht um die erste Art der Einwirkung handelt, erhellt aus der Beobachtung, dass auch in der HCl-Lösung sehr schnell die Reaktion auf den weissen Untergrund eintritt. Diese Reaktion auf weissen Untergrund ist ein rein nervöser Vorgang, der von Bauer als Simultankontrast erkannt wurde. Während sich die Chromatophoren auf Zufügung von HCl hin immer erst in !/„—1 Stunde merklich bewegen, findet die Kontraktion auf weissen Untergrund oft innerhalb einiger Minuten statt. Ein Vergleich der Schnelligkeit der Reaktion auf HCl mit der rein nervösen auf Untergrund macht es unwahrschein- lich, dass die Reaktion auf HC] rein nervöser Art ist. Käme die dritte Art der Einwirkung von Salzsäure in Betracht, so müsste sich auch an frisch abgeschnittenen Hautstücken eine Ausdehnung ergeben. Das ist nicht der Fall. Es bleibt also noch übrig, den Vorgang als eine Einwirkung der HCl auf die Stoffwechselprozesse aufzufassen. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass die Salz- säure die Entwieklungsvorgänge hemmt, und dass Warburg nach einer mündlichen Mitteilung die Salzsäure in bestimmter Konzen- tration als ein stoffwechselherabsetzendes Mittel erkannt hat. Dann erfolet die ganze Reaktion im Sinne einer Verlangsamung des Stoffwechsels. Wie die Salzsäure auf den Stoffwechsel wirkt, lässt sich noch nicht sagen, vielleicht in der oben geschilderten Weise. Jedenfalls ist, ganz abgesehen von dem Zusammenhange des Er- gebnisses mit dem Thema, die Wahrscheinlichkeit einer Beziehung zwischen dem Säurezusatz und Stoffwechselvorgängen interessant genug. Während bis jetzt nur eine Einwirkung der Säure auf die Entwicklung eines Organismus nachgewiesen ist, wird jetzt auch die Beeinflussung des Stoffwechsels selbst wahrscheinlich. In der Be- wegung der Chromatophoren hätte man also einen Indikator für Stoffwechselprozesse vorausgesetzt, da sich diese Änderungen unter konstanten Licht- und Untergrundbedingungen vollziehen. Aus den Versuchen der Tabelle I geht hervor, dass die Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 79 Chromatophoren sich noch weiter ausdehnen, nachdem die wirkende Ursache, die HCl-Lösung, beteiligt ist und die Krebse in frisches Seewasser zurückgebracht sind. Diese Erscheinung konnte ich oft, besonders abends beobachten. Sie bildet eine Bestätigung einer physiologischen Erkenntnis, dass „nach Induktion eines Reizzustandes die Reaktion trotz Aufhebung der Reizwirkung noch eine Zeitlang weiter fortschreitet, und zwar im allgemeinen um so länger, je schwieriger und langsamer die Reizreaktion hervorgerufen wurde“ (Pfeffer). Da gerade am Abend die Reaktion gegen die Periodizität besonders schwierig vor sich geht, so erklärt es sich, dass man ge- rade am Abend die erwähnte Erscheinung beobachten kann. Einwirkung von Äther auf die Chromatophoren. Die Narkotika, wie z. B. Äther sind Mittel, durch welche die Schnelliekeit der Lebensprozesse im Organismus verändert werden kann. Die spezifische Wirkung der Narkotika zeigt sich darin, dass sie zunächst den Organismus errest, um ihn dann in die Narkose überzuführen, also in einen Zustand, in dem die Lebensprozesse ver- langsamt sind. Dem Erwachen aus der Narkose folgt meist eine heftige Erregung. All diese Stadien lassen sich durch Einwirkung von Äther auf die Idothea in der Bewegung der Chromatophoren erkennen. Für die Versuche wurde eine Lösung hergestellt, die auf 100 eem Seewasser 2 eem Äther enthielt. Von dieser Lösung wurden zunächst 5 ccm zu 100 ccm Seewasser gesetzt. Dadurch erhielt man einen Zustand der Erregung. Durch weiteren Zusatz der Lösung fielen die Tiere in Narkose. In frisches Wasser zurückgebracht, er- wachten sie bald wieder. I | 1 3. März: 12h 45’ mittags 5 cem der Lösung zum Seewasser 18 | 8 I machmittausen ten ee a 6 | M Ih 40’ N Narkosesson.. see 6) 8 3h 00°’ n Erwachen aus der Narkose = 3h 15’ En RE ET NEE 5 8 Nieht immer konnte ich eine Ausdehnung der Chromatophoren vor dem Eintritt der Narkose erzielen. Immer aber erhielt ich die Kontraktion nach dem Erwachen aus der Narkose. Welcher Art die Einwirkung des Äthers auf die Chromatophoren ist, vermag ich 74 Heinrich Menke: nicht zu entscheiden. Es wäre möglich, dass auch der Äther er- regend resp. hemmend auf Stoffwechselvorgänge einwirkt, es ist aber auch möglich, dass die ganze Bewegung durch Veränderung der Reizbarkeit zustande kommt. Innervierung der Chromatophoren. Da die Chromatophoren durch verschiedene Reizursachen bewegt werden können, so fragt es sich, wo die Zentren für diese Be- wegungen liegen, und ob diese Zentren für alle Bewegungen die- selben sind. Es liegt nun nahe, ein Zentrum der Bewegung im Bauchmark zu sehen. Um über die Bedeutung dieses Organs für die Bewegung der Chromatophoren Klarheit zu bekommen, habe ich das Bauchmark durchschnitten. Wurde diese Operation vorsichtig vorgenommen, so dass keine tieferliegenden Organe verletzt wurden, so blieben die Tiere meist am Leben. Nur durfte der Schnitt nicht zu weit nach vorne gelest werden, weil dann die Tiere so in ihrer ganzen Lebenstätigkeit geschädigt wurden, dass sie eingingen. Die Durehtrennung des Bauchmarks lässt sich leicht daran erkennen, dass das Tier die kaudalwärts gelesenen Beine nicht mehr bewegt und den hinteren Körperteil nachschleppt. Auf weissem und schwarzem Untergrund zeigten die Tiere normale Reaktion, auch in dem hinter der Schnittstelle gelegenen Körperteil. Zwar verlaufen die Untergrundreaktionen langsamer wie sonst; das erklärt sich aber daraus, dass nach Durchschneidung eines wichtigen nervösen Zentral- organs die ganze Reizbarkeit der Tiere herabgesetzt wird. Auch in einer HCI-Lösung bewegten sich die Chromatophoren in normaler Weise. Endlich wirkte auch die Temperatur in gesetzmässiger Weise auf die Chromatophoren ein. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die zum Zustandekommen der Chromatophorenbewegungen not- wendigen nervösen Einflüsse nicht im Bauchmark ihr Zentrum haben. Die auf die Chromatophoren wirkenden Bewegungsimpulse könnten entweder aus dem Gehirn kommen, sie könnten im Zentrum des sympathischen Nervensystem ihren Sitz haben, oder die Be- wegung könnte von dem Nervenzellgewebe aus dirigiert werden, welches Nussbaum und Scheiber am Rücken vieler Crustaceen entdeckt haben. Es ist schwierig, bei der Kleinheit der in Betracht kommenden Organe durch Versuche zu einer Entscheidung zu kommen. Folgendes Experiment gab noch einigen Aufschluss: | Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 75 Durchschnitt man die Rückseite eines Segments, ohne das Rückengefäss zu verletzen, so trat nach einiger Zeit auf jedem Untergrund auch in der Dunkelheit volle Expansion der Chromatophoren ein. Diese Operation greift so tief in den Mechanismus der Chromatophoren ein, dass sie funktionslos werden. Sie bestätigt die von Keeble und Gamble vertretene Ansicht, dass die Chromatophoren in ihrer Gesamtheit ein Organ darstellen. Wenn sich nun auch über die Zentren der Chromatophoren- bewegung wenig Positives aussagen lässt, so ist doch der Zusammen- hang des Chromatophorensystems mit den Augen und seinen Nerven und damit mit dem Gehirn durch die Untergrundreaktionen sicher- gestellt. Es fragt sich, ob sich nicht durch Exstirpation der Augen ein Einblick in den Mechanismus der Chromatophorenbewegung ge- winnen lässt. Das ist in der Tat der Fall; die gewonnenen FEr- gebnisse bilden eine wichtige Bestätigung der schon aufgefundenen Tatsachen. Werden die Augen schnell und vorsichtig mit möglichst geringer Verletzung von tieferliegenden Organen entfernt, so über- stehen die Tiere die Operation sehr leicht, und sie leben weiter. Im Licht findet nun eine starke Ausdehnung der Chromatophoren statt, und durch Dunkelheit kann man eine vollständige Zusammen- ziehung erzielen. Dieses verschiedene Verhalten der geblendeten Tiere gegen Licht und Dunkelheit deutet darauf hin, dass auch nach Entfernung der spezifischen Lichtrezeptoren noch Reizbarkeit für Intensitätsunterschiede des Lichts vorhanden ist. Diese Tat- sache ist nur so zu erklären, dass eine direkte Reizbarkeit der Chromatophoren gesen Lichtinteusität besteht. Diese direkten Ein- flüsse streben im Lichte auf eine maximale Expansion, in der Dunkel- heit auf eine vollständige Kontraktion hin. Nervöse Einflüsse, die vom Auge ausgehen, beherrschen diese Tendenzen und überwiegen meist so, dass sich die Chromatophoren auf weissen Untergrund und unter voller Beleuchtung kontrahieren. Es ist interessant, dass Keeble und Gamble ähnliche Verhältnisse bei Palaemon und Maeromysis feststellten. Fs fragt sich noch, ob auch die periodische 'Chromatophorenbewegung bei den geblendeten Tieren weitergeht. Kurze Zeit nach der Enukleation gehen die Chromatophoren, auch die der in Licht gehaltenen Tiere, in ein Kontraktionsstadium über, das ganz unabhäneig von der Tageszeit ist. Nach einiger Zeit delinen sich die Chromatophoren wieder aus. Der Wechsel zwischen Ausdehnung und Zusammenziehung wiederholt sich, und es resultiert 76 Heinrich Menke: etwa 2 Tage lang eine unregelmässige Bewegung, bei der etwa bei Tage eine Zusammenziehung, bei Nacht eine Ausdehnung erfolgen kann. Man hat den Eindruck, als ob man es mit einem Bewegungs- apparat zu tun hätte, bei dem die Reguliervorrichtung ausgeschaltet sei. Und so ist es in der Tat. Wie schon eine Analyse der perio- dischen Bewegung ergab, wirken die Augen oder vielmehr deren Netzhäute regulierend. Jetzt werden manche Erscheinungen ver- ständlich; so z. B., dass die Bewegung der Chromatophoren in der Dunkelheit weitergeht. Wenn einfach das durch das Auge auf- genommene Licht für die Bewegung bestimmend wäre und nicht die Augen, auch ohne dass sie vom Licht getroffen wären, weiter- arbeiten könnten, so wäre nicht einzusehen, warum sich ein geblendetes Tier anders verhalten sollte wie ein Tier in der Dunkelheit. Während aber bei dem letzteren die Bewegung normal weitergeht, wird sie bei dem ersteren unregelmässig. Es müssen also von den Netz- häuten auch eines Tieres in der Dunkelheit Nervenerregungen aus- gehen, die zur richtigen Zeit auf die Bewegung im Sinne des täg- lichen Lichtwechsels regulierend einwirken. Eine Chromatophoren- bewegung als solche ist auch ohne Augen vorhanden, es ist aber die zunächst unregelmässige von Stoffwechselprozessen abhängige auto- nome Bewegung. Der tägliche Beleuchtungswechsel bedingt in den Netzhäuten des Auges Veränderungen, die schliesslich auch rhyth- misch ablaufen, wenn die Lichtbedingungen konstant bleiben. Er- klärt wird auch, warum eine Änderung des Beleuchtungswechsels den Rhythmus der Bewegung ändert. Nach 2 Tagen etwa der un- regelmässigen Bewegung pendelten die Chromatophoren der Tiere unter normalen Liehtbedingungen allmählich wieder in den normalen Rhythmus hinein. Bei den in der Dunkelheit gehaltenen Tieren blieb die Bewegung auch bei längerer Beobachtung arhythmisch. Es ist offenbar, dass die Chromatophorenbewegung der unter den täglichen Lichtbedingungen gehaltenen Tiere durch die Bewegungen reguliert wird, die auf die direkte Lichtreizbarkeit der Chromato- phoren hin erfolet. Im letzten Jahre hat Babäk ganz ähnliche In- nervierungsverhältnisse wie die eben geschilderten an Amblystoma- larven festgestellt: „Die Augen üben einen bedeutenden Einfluss auf den Farbenwechsel aus; die chromatische Hautfunktion der Ambly- stomalarven ist in der Norm durch die Lichtreizung der Augen regu- liert; nach der. beiderseitigen Enukleation ist sie allerdings nicht vernichtet, doch die Farbenwechselerscheinungen verlaufen dann im Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. Far Lieht und in der Dunkelheit geradezu gegensinnig, als es bei nor- malen Tieren die Regel ist. Die geblendeten Tiere werden in der Dunkelheit völlig aufgehellt, im Lichte vollständig dunkel. Die direkte und indirekte Beeinflussung des Chromatophorenapparats durch das Licht sind entgegengesetzt gerichtet. — Einerseits be- herrschen die Netzhäute der Augen die Amplitüde der Chromato- phorenbewegung, indem sie im Lichte die Strebung derselben zur ‚extremen Distension, im Dunkeln aber ebensolche zur extremen Kontraktion verhindern. Andererseits werden die Chromatophoren- bewegungen unter Herrschaft der Netzhäute schneller vollführt als bei direkter Beeinflussung der Haut durch die Beleuchtung ?). Es ist ersichtlich, dass bei den Amblystomalarven ähnliche Mechanismen der Bewegung der Chromatophoren zugrunde liegen, mit dem Unterschied allerdings, dass sich die Bewegung der Idothea durch das Hinzukommen der Periodizität kompliziert. Eine bestimmte Chromatophorenstellung ist die Resultante aus drei Bewegungsimpulsen : 1. der direkten Beeinflussung der Chromato- phoren durch das Licht; 2. einem indirekten Impuls durch die Netzhäute der Augen; er ist dem direkten entgegengesetzt; 3. einer vom Zentrum des Stoffwechsels ausgehenden Tendenz. Bedeutung der periodischen Chromatophorenbewegung. Man könnte noch fragen, welehe Bedeutung den Chromato- phorenbewegungen für das Leben der Krebse zukäme. Es ist klar, dass die rein nervöse Reaktion der Chromatophoren auf Untergrund hin eine Schutzfärbung bedingt. Sie erfolgt sehr schnell und verbiret das Tier so vollkommen, dass es schwer ist, sie auf den Tangen zu erkennen. Was die Bedeutung der periodischen Bewegung anbe- trifft, so glaube ich in ihr eine wärmeregulatorische Einrichtung zu sehen. Im allgemeinen ist ja über wärmeregulatorische Apparate bei wechselwarmen Tieren nichts bekannt, und es gilt sogar als eine Eigentümlichkeit dieser Tiere, bei jeder Temperatur innerhalb gewisser Grenzen gedeihen zu können. Nun wird aber gerade bei wechselwarmen Tieren der respiratorische Quotient durch Erhöhung der Temperatur heraufgesetzt, und es wäre doch denkbar, dass in Fällen, wo dieser Quotient zu klein ist, eine Erhöhung durch 1) Babäk, Über das Lebensgeschehen in belichteten nnd verdunkelten Netzhäuten. Zeitschr. f. Psych. u. Phys.’ der Sinnesorgane, II. Abt. 1910. 78 Heinrich Menke: Wärmespeicherung mit Hilfe von Pigmenten stattfindet. Bei Tage dehnt die Idothea die Chromatophoren aus und zieht sie bei Nacht zusammen. Parallel mit dieser Erscheinung geht bei Tage eine Herabsetzung, bei Nacht eine Erhöhung des Stoffwechsels. Der respiratorische Quotient ist also bei Tage klein, bei Nacht gross. Die bei Tage dunkle Oberfläche der Tiere absorbiert die auf sie fallenden Lichtstrahlen und wandelt sie in kalorische Energie um. Es wird so ein Wärmevorrat geschaffen, der zur Erhöhung des respiratorischen Quotienten dienen kann. Man könnte diesen Aus- führungen entgegenhalten, dass das Wasser die dunklen Wärme- strahlen sehon in dünner Schicht fast ganz absorbiere und diese Wärmestrahlen den Tieren nicht zugute kommen. Nun ist aber jeder Lichtstrahl zugleich auch Wärmestrahl. Trifft der Lichtstrahl auf einen dunklen Körper, so wird seine Energie in Wärmeenergie umgewandelt. Und da die Tiere in der Flachsee leben, die das meiste Licht bis zum Boden durchlässt, so kann an einem sonnigen Tage eine erhebliche Wärmemenge von der Oberfläche des Tiers aufgespeichert werden. Eine besonders feine Regulierungsmöglich- keit der Körperwärme glaube ich in dem gegensinnigen Wirken von Licht- und Wärmestrahlen auf die Chromatophoren zu erkennen. Erhöhung der Temperatur führt zur Kontraktion, Erhöhung der Lichtintensität zu einer Expansion der Chromatophoren. Da nun jeder Lichtstrahl zugleich Wärmestrahl ist, so entsteht eine gegen- sinnige Bewegung, die sich in ein Gleichgewicht setzt, in ein Gleiehgewicht, das für den Lebenshaushalt des Tieres ein optimales ist. Eine einseitige Reaktionsfähigkeit der Chromatophoren nur auf Lichtreize hin würde an sonnenhellen Tagen in geringen Wasser- tiefen zu einer starken Ausdehnung der Chromatophoren und damit auch zur Aufnahme einer grossen Wärmemenge führen, die unter Umständen den Lebensprozess zu einem Schaden des Tieres gerade in einer Zeit der Stoffwechselruhe beschleunigen müsste. Nun wirkt aber die Wärme erregend auf den Stoffwechsel. Die Chromatophoren kontrahieren sich, und die Lebensprozesse verlangsamen sich wieder. Die Theorie von der wärmeregulatorischen Bedeutung des Pigments. ist zuerst von Max Weber [1881]!) aufgestellt worden. 1) M. Weber, Anatomisches über Trichonisciden, zugleich ein Beitrag zur Frage nach der Bedeutung der chromatischen Pigmente und verzweigten Zellen: der Hautdecke. Arch. f. mikr. Anat. 1881. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 79 Wichtig ist auch seine Bemerkung, dass die Chromatophoren vor- nehmlich bei wechselwarmen Tieren ausgebildet sind; unter den Wirbeltieren bei den Amphibien, Reptilien und Fischen. Ein Farbenwechsel ist vor allem bei denen von ihnen bekannt, die am meisten einer schnellen Änderung der Temperatur des umgebenden Mediums ausgesetzt sind, bei den Amphibien und Reptilien. Unter den wasserbewohnenden Tieren haben die Flachseebewohner wie Idothea am meisten Temperaturschwankungen zu ertragen; ihr Farbenwechsel ist deshalb sehr auseeprägt.. II. Periodische Vertikalwanderung planktonischer Organismen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass ein Durchsuchen der ober- flächlichen Wasserschichten bei Tage meist nur eine geringe Aus- beute an planktonischen Tiere ergibt, während man an derselben Stelle am Abend Tausende von Organismen mit einem Netz- zuge fangen kann. Diese Erscheinung ist so zu erklären, dass viele planktonische Organismen tägliche, periodische Vertikal- wanderungen ausführen, dass sie mit Anbruch des Tages in die Tiefe sinken, um mit dem Schwinden des Lichts bei Sonnenunter- gang wieder nach oben zu kommen. Es fragt sich, durch welche Faktoren dieses rhythmische Wandern zustande kommt, ob wir es hier mit einer autonomen Bewegung zu tun haben, oder ob hier eine einfache Reizbewegung mit dem täglichen Lichtwechsel als Reizursache vorliegt. Da die ganze Wanderung dem Wechsel von Tag und Nacht folgt, so liegt es nahe, hier an eine Abhängigkeit der Tiere vom Licht zu denken; um so mehr, als viele planktonische Organismen phototaktisch sind. Wohl wird durch eine negativ phototaktische Reizbarkeit die Bewegungen der Tiere in die Tiefe erklärt. Wie aber kommen die negativ phototaktischen Tiere dazu, mit dem Schwinden des Lichts aus völliger Dunkelheit an die Ober- fläche, also nach Stellen höherer Intensität hinzueilen? In diesem Punkte greifen die Arbeiten von Loeb!) und Pfeffer?) ein, die zeigten, dass durch längere Lichteinwirkung negativ phototaktische Tiere positiv gemacht werden könren. Eine Umkehr der photo- taktischen Reizbarkeit lässt sich auch durch thermische Reize oder : y Groom und Loeb, Heliotropismus der Namplien von Balanus perf. Biol. Zentralbl. Bd. 10. 1890. 2) Pfeffer, Pflanzenphysiologie. Leipzig 1904. 80 ; Heinrich Menke: chemische Mittel wie Säurezusatz erzielen. Loeb!) glaubt, dass das Licht sowohl wie auch die thermischen und chemischen Reize einen Einfluss auf chemische Vorgänge im Organismus ausüben, und dass auf diese chemischen Veränderungen die Heliotropismen zu- rückzuführen sind! Eine Stütze findet diese Ansicht durch die Tatsache, dass chemischen Veränderungen im Organismus direkte Veränderungen in der Art und im Grad des Heliotropismus parallel gehen. So sind die Raupen von Porthesia chrysorrhoea nur aus- gesprochen heliotropisch, solange sie nicht gefressen haben. Nach- dem sie begonnen haben, zu fressen, nimmt ihr Heliotropismus immer mehr ab. Wie schon erwähnt, zeiste Ostwald, dass die Umkehr von Heliotropismus mit chemischen Veränderungen im Organismus verbunden ist. In weiterer Verfolgung dieses Gedanken- ganges wird man zu dem Schluss gedrängt, dass die primäre Ur- sache der Vertikalwanderung mancher planktonischer Organismen in Stoffwechseländerungen liegt, und dass erst sekundär mit diesen chemischen Prozessen ein. heliotropischer Stimmungswechsel ver- kettet ist. Damit wird man zu der Ansicht geführt, dass die perio- dischen Wanderungen mancher Organismen und die periodische Chromatophorenbewegung wesensgleiche Vorgänge sind, die von einer Periodizität des Stoffwechsels bedingt werden. Wenn aber die beiden Erscheinungen zugrunde liegenden Prozesse identisch sind, dann müssen auch bestimmte Beziehungen zwischen den helio- taktischen Bewegungen und der Bewegung der Chromatophoren be- stehen. Das ist in der Tat der Fall. Dieselben Ursachen nämlich wie Licht, Temperatur und Säuren, die auf die Chromatophoren- bewegung einen Einfluss haben, wirken auch auf den Heliotropis- mus 'verändernd ein, und zwar in entsprechender Weise. Bei Tage, also in höherer Lichtintensität, bedingt die periodische Ohromatophorenbewegung, deren Zusammenhang mit der Einwirkung des Lichts schon klargestellt wurde, eine Ausdehnung der Chromato- phoren. Der Aufenthalt von negativ heliotropischen Tieren im Licht kann den negativen Heliotropismus in positiven umwandeln. Es würde also dem positiven Heliotropismus eine Expansion der Chromatophoren entsprechen, und diesen Zuständen eine Stoff- wechselruhe zugrunde liegen. Eine Erhöhung der Temperatur macht manche Tiere negativ heliotropisch; entsprechend kontrahieren 1) J. Loeb, Dynamics of Living Matter. New-York 1906. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 8] sie die Chromatophoren. Das Umgekehrte ergibt sich bei einer Erniedrigung der Temperatur, die mit einer Ausdehnung der Chromatophoren und mit einem Umschlag nach positivem Helio- tropismus verbunden ist. Die Säuren machen viele Tiere positiv heliotropisch und veranlassen sie nach dem Lichte hinzuwandern; die Chromatophoren antworten auf Säurezusatz mit einer Aus- dehnung. Diese Beziehungen, die zwischen den heliotaktischen Be- wegungen und den Bewegungen der Chromatophoren bestehen, lassen sich nur so verstehen, dass ihnen identische Prozesse zugrunde liegen. Bei der Idothea führen diese Prozesse zu Bewegungen der Pigmente, bei heliotropischen Tieren zu Wanderungen der ganzen Tiere. Um den Nachweis zu führen, dass in den Vertikalwanderungen autonome Bewegungen vorliegen, liest es nahe, diese Wanderungen in derselben Weise zu analysieren wie die periodischen Chromato- phorenbewegungen, also dadurch, dass man die Tiere konstanten Lichtbedingungen aussetzt, oder indem man versucht, ihnen einen anderen Bewegungsrhythmus aufzuprägen. An einer Myside Hemimysis lamornae, die in den Fjorden an der schwedischen Westküste, so auch in dem Hafen der zoologischen Station Kristine- berg des Abends in ungeheueren Mengen an die Oberfläche kommt, so dass sie den Hauptteil des Planktons ausmacht, habe ich ver- sucht diese Methode anzuwenden. Die Tiere zeigen ausgesprochene Vertikalwanderung und lassen sich in gut durchlüfteten Aquarien sehr gut und lange halten. Doch führten meine Versuche zu keinem Ergebnis, weil die Bewegungsbreite in dem beschränkten Raum eines Laboratoriums zu klein ist, als dass es zu einer ausgesproche- nen periodischen Wanderung käme. Nun bietet uns aber die Natur ein dahingehendes Experiment im grossen, sie zeigt uns Vertikalwanderungen bei konstanten Lichtbedingungen. A. Walter [nach J. Walther!)] machte in der Hinlopenstrasse auf Spitzbergen die Beobachtung, dass dort eine Meeresströmung in südlicher Richtung verläuft. In diesem Strome leben viele Medusen (Codo- nium, Hippokrene, Catablema), die Walter vom frühen Morgen bis abends S Uhr nur in Tiefen von 30—80 m fing. Von abends 9 Uhr ab bis morgens 6 Uhr fand er dieselben Tiere an der Ober- fläche des Meeres schwimmend. Die Meeresströmung der Hinlopen- 1) J. Walther, Bionomie des Meeres. Jena 1893. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 6 52 Heinrich Menke: strasse ist der letzte Arm eines Golfstromastes, die Medusen kommen aus südlichen Breiten. Sie halten im arktischen Sommer mit kon- stanten Lichtbedingungen eine Bewegung bei, die dem täglichen Lichtwechsel südlieher Breiten parallel geht. Römer!) hat die Angaben von Walter dureh Beobachtungen, die er an Ctenophoren während der „Helgoland-Reise“ machte, bestätigt. Diese Tatsachen machen es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei den Vertikal- wanderungen verschiedener Medusen und Ctenophoren um autonome Bewegungen handelt, und da diese Bewegungen dem täglichen Licht- wechsel parallel gehen, so wird auch bei den Vertikalwanderungen der Lichtwechsel die Rolle eines Regulators spielen. Was aber diesen Bewegungen zugrunde liegt, ist eine vielleicht allen Tieren eigentümliche Periodizität des Stoffwechsels. Vielleicht ist der innere Mechanismus so zu denken: Die Meerestiere haben in ihren (Gieweben eine Flüssigkeit, die etwa einen osmotischen Druck von 28 Atmosphären ausübt (nach Bottazzi, Höber). Denselben osmotischen Druck hat das Meereswasser, in dem die Tiere leben. Da nun die Beschleunigung des Stoffwechsels am Abend notwendig zu einer Veränderung des osmotischen Drucks der Gewebeflüssigkeit führt, so wird der osmotische Druck der Körperflüssigkeit am Abend ein anderer sein wie am Tage. Um nun die osmotischen Drucke innen und aussen wieder in ein Gleichgewicht zu setzen, wandern die Tiere in Schichten mit einem entsprechenden osmotischen Druck hinein. Da den meisten niederen Tieren eine Regulation des sich stetig ändern- den osmotischen Drucks der Körperflüssigkeit fehlt, wie sie die höheren Tiere in der Niere besitzen [Höber?)]j, so würden die Wanderungen eine solche Regulation bedeuten. Interessant ist, dass die Protozoen des Süsswassers in der kontraktilen Vakuole einen Resulator des osmotischen Drucks besitzen. Den Meeresprotozoen fehlt dieser Apparat fast durchgehends, wahrscheinlich deshalb, weil die zu regulierenden Differenzen im osmotischen Druck des Meer- wassers für die geringe Bewerungsbreite dieser Tiere nicht gross genug Sind, um eines so komplizierten Apparates zu bedürfen. Es wäre auch wohl möglich, dass hier die Wanderungen vikariierend eintreten. Wenn auch aus dem Gesagten hervorgeht, dass bei manchen 1) Römer, Ctenophoren. Fauna arctica 1903. 2) Höber, Physikalische Chemie der Zelle. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 83 Planktonten die Vertikalwanderung eine autonome Bewegung ist, der eine Stoffwechselperiodizität zugrunde liegt, so ist damit nicht gesagt, dass diese Verhältnisse für alle planktonischen Organismen gelten. Die Bewegungen sind bei den einzelnen Tieren noch zu wenig untersucht, als dass man die gewonnenen Ergebnisse ver- allgemeinern könnte. Vertikalwanderung von Hemimysis lamornae. Oben erwähnte ich eine Mysis, die wegen ihrer Widerstands- fähigkeit für Versuche sehr geeignet ist. Zwar wollte es mir nicht gelingen, ihre Vertikalwanderung mit Hilfe der bei der Chromato- phorenbewegung gebrauchten Methode zu untersuchen. Doch habe ich auf andere Weise einen Einblick in den interessanten Be- wegungsmechanismus dieser Tiere bekommen. Die in einem hohen Beobachtungsgefäss gehaltenen Tiere halten sich bei Tage meist am Boden des Gefässes auf, vorausgesetzt, dass ihnen genügend Sauer- stoff zur Verfügung steht. Sehr häufig beobachtet man, dass sie mit dem Kopf nach unten senkrecht zu dem Boden des Gefässes stehen und dadurch die Tendenz verraten, tiefere Wasserschichten zu gewinnen. Bei Nacht verändern sie ihr Verhalten insofern, als sie auch höhere Wasserschichten aufsuchen und oft das ganze Ge- fäss erfüllen. Die „Kopfstandstellung* beobachtet man selten. Die Individuenzahl nimmt von unten nach oben ab. Der Unterschied zwischen dem Verhalten bei Tag und bei Nacht ist aber zu wenig ausgesprochen, als dass man ihn den oben erwähnten Unter- suehungen zugrunde legen könnte. Es liest nahe, diesen Unter- schied darin zu suchen, dass die Tiere bei Tage negativ heliotropisch, bei Nacht dagegen positiv sind oder keinen ausgeprägten Heliotropis- mus zeigen. Zunächst lässt sich leicht feststellen, dass die Tiere sich gegen eine Lichtquelle bei Tage und bei Nacht gleich ver- halten; lässt man vom oben Licht auf das Gefäss fallen, so eilen sie in die Tiefe. Das phototropische Verhalten der Tiere ist also bei Tage dasselbe wie bei Nacht, und es scheint so, als ob die Tiere negativ heliotaktisch wären und durch diese Reizbarkeit gezwungen ‚würden, in die Tiefe zu eilen. Ein einseitiger negativer Heliotropis- mus würde wohl die Wanderungen der Tiere bei Tagesanbruch in tiefere Wasserschichten erklären, die Uısache für die aktive Wanderung nach oben am Abend wäre noch unbekannt. Wenn die Tiere wirklich negativ heliotaktisch wären, so müsste Bb* 84 Heinrich Menke: eine Beleuchtung von unten sie veranlassen, nach oben zu eilen. Das ist nicht der Fall. Man kann leicht feststellen, dass sie bei Beleuchtung von unten und bei Verdunklung des oberen Gefässteiles- nicht nach oben gehen, sondern auch bei stärkster Beleuchtung am Boden bleiben. Wohl eilen sie für den Augenblick von dem Lichte weg auf kurze Entfernung, um aber bald wieder nach dem Boden zurückzukehren. Ich habe die Versuche in der verschiedensten Weise variiert, stets blieben die Tiere wie festgebannt an dem Boden. Aus der Tatsache, dass die Tiere bei Beleuchtung von oben von Stellen höherer nach Stellen niedriger Lichtintensität hineilen, folgt, dass sie negativ phototaktisch sein müssen. Andererseits be- sitzen die Tiere noch eine andere Reizbarkeit, die sich darin aus- drückt, dass sie sich bei Beleuchtung von unten am Boden des Ge- fässes halten. Als Reizursache für die letztere Reizbarkeit käme etwa die Schwerkraft in Betracht, die vielleicht an den statischen Organen des Schwanzfächers angreift. Dass die Tiere wirklich negativ phototaktisch sind, ergab folgen- der Versuch: Bei allen vorhergehenden Versuchen war die Anordnung so, dass die Tiere sich in einer 1,5 m langen Röhre mit einem Durehmesser von etwa 7 cm befanden. Die Röhre stand vertikal. Abgesehen von einer geringen Bewegungsmöglichkeit in horizontaler Richtung, konnten die Tiere sich nur nach oben oder unten bewegen, also immer in der Richtung der eventuell wirkenden Schwerkraft. Die Röhre wird langsam so gedreht, dass sie in die Horizontalebene kommt und so orientiert, dass ihre Längsriehtung mit der Richtung von einseitig einfallenden Lichtstrahlen zusammenfiel. Die Krebse eilten ohne Ausnahme von der Lichtquelle weg und sammelten sich an der von dem Licht abgewandten Seite der Röhre. Sie bewegten sich nur an der unteren Seite der Röhre. Sie bewegten sich nur an der unteren Seite der Röhre, und zwar in der charakteristischen ‘Kopfstandstellung. Während die Krebse im Begiff waren, von der Lichtquelle weg- zuwanderen, wurde die dem Lichte zugewandte Seite nach unten geneigt. Die Tiere setzten ihre Bewegung jetzt nach schräg oben zunächst fort, die Geschwindigkeit der Bewegung wurde immer geringer. Wie nun die Röhre fast senkrecht stand, wie ihre Winkel mit der Horizontalebene S0—85° betrug, fand plötzlich eine Um- kehr der Bewegung statt, und mit aktiven Schwimmbewegungen eilten die Tiere auf den Boden des Gefässes, auch wenn die Licht- Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 85 intensität dort grösser war als oben. Dieser Versuch ist nun so zu deuten: Die Bewegung der Mysis wird von zwei Reizwirkungen be- herrscht: von negativ phototaktischen Reizen und von Schwerkrafts- reizen. Die phototaktische Reizwirkung kann bei horizontaler Stellung der Röhre rein hervortreten, weil dann die Bewegungsmöglichkeit in der Schwerkraftsriehtung sehr gering ist. Eine Bewegungs- komponente in dieser Richtung wird also ausgeschaltet. Das Vor- handensein dieser Komponente drückt sich aber dadurch aus, dass die Tiere nur am Boden des Gefässes wandern. Wird jetzt die Röhre geneigt, so wird der Unterschied der Lichtintensitäten auf gleichen ‘Strecken immer geringer, die Bewegungen wegen der Ab- nahme der phototaktischen Reizwirkungen und wegen der Zunahme des Schwerkraftsreizes immer langsamer. Bei einer bestimmten Neigung der Röhre tritt ein Stillstand der Bewegung ein, weil jetzt die Bewegungskomponenten, die nach entgegengesetzter Richtung wirken, gleich sind und sich aufheben. Erreicht der Neigungswinkel 80—85° dann überwiegt die Bewegungskomponente des Schwer- kraftsreizes, und der Reiz löst eine positiv geotaktische Bewegung aus. Bei senkrechter Stellung der Röhre wirken die Schwerkrafts- reize stärker als die Lichtreizee.. Daher kommt es, dass auch in einer von unten beleuchteten Röhre die Tiere sich auf dem Boden sammeln. All diese Versuche wurden im Lichte vorgenommen. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass im Licht die Mysiden positiv geotaktisch und negativ heliotaktisch sind. Brinet man die senkrechte Röhre mit den Mysiden in die Dunkelheit, so findet man nach einiger Zeit die Tiere in der ganzen Röhre verteilt. Diese Erscheinung ist nicht anders zu deuten, als dass die Dunkelbeit einen geotaktischen Stimmungswechsel bedingt, die Tiere werden negativ geotaktisch, sie wandern allmählich in die Höhe und erfüllen bald das ganze Gefäss. Die Dunkelheit macht also die Tiere negativ geotaktisch, sie sind wie im Licht negativ heliotaktisch. Da in der Dunkelheit die Lichtreizbarkeit keinen Be- wegungseffekt hervorbringen kann, so wirkt nur der negative Geo- tropismus und bewegt die Tiere nach oben. Da die Schwerkraftreize wahrscheinlich durch die statischen Organe in den Schwanzfäden perzipiert werden, so muss nach Ent- fernung dieser Organe die geotropische Reizbarkeit und damit auch deren Wirkungen wegfallen. Es ist nun leicht, die inneren Schwanz-' fächer mit den Statolithen zu entfernen. Die Tiere überstehen die s6 Heinrich Menke: Operation leicht und leben noch tagelang weiter. Bei wagerechter Stellung der Röhre zeigt sieh ein ausgesprochen negativ helio- taktisches Verhalten. Die Bewegung unterscheidet sich aber da-. durch von der normaler Tiere, dass sie nicht mehr am Boden der Röhre stattfindet, sondern dass die Tiere auch an der oberen Seite wandern. Wird die Röhre allmählich geneigt, so wandern die Tiere immer noch von der Lichtquelle weg. Steht die Röhre endlich senk- recht, und ist die Lichtintensität überall gleich, dann wandern die Tiere nicht abwärts, sondern sie bewegen sich ohne eine Gesetz- mässigkeit in kleinen Kreisen. Beleuchtet man die Röhre von unten, so eilen die Krebse von der Lichtquelle weg und sammeln sich in dem oberen Teile des Glases. Während für die normalen Tiere der „Kopfstand* charakteristisch ist, bewegen sich die operierten Mysiden ohne diese Orientierung meist in kleinen Kreisen. Auch bei der Verdunklung verhalten sich die Tiere so. Hat man sie vor der Verdunklung an dem Boden der Röhre gesammelt, so findet man sie nach der Verdunklung meist an derselben Stelle. Es ist also offenbar, dass nach Wegnahme der Statolithen, die Schwer- kraftreize nicht mehr angreifen können, die Tiere zeigen rein photo- taktische Bewegungen. Der Bewegungsmechanismus der Mysis ist also folgender: Die Tiere sind negativ heliotropisch. Im Lieht tritt zu diesem negativen Heliotropismus ein positiver Geotropismus, in der Dunkelheit schlägt der positive Geotropismus in negativen um. Die tägliche periodische Vertikalwanderung spielt sich in folgender Weise ab: Das Tages- licht hält einmal infolge des positiven Geotropismus und wegen des negativen Heliotropismus die Tiere in der Tiefe. Am Abend tritt bald nach Sonnenuntergang in den tieferen Wasserschichten völlige Dunkelheit ein. Der durch die Dunkelheit hervorgerufene negative Geotropismus veranlasst die Tiere zu aktiven Wanderungen nach oben. Fine interessante Parallele zu diesem Bewegungsmechanismus bietet eine Beobachtung von Esterly!). Er fand, dass die Weib- ehen von Cyelops albidus im Licht positiv geotaktisch sind und in der Dunkelheit negativ geotaktisch werden, so dass sie zur Wasser- oberfläche emporsteigen. Mit dem eben Geschilderten ist die Beziehung bestimmter 1) Esterly, The reactions of Cyclops to light and to gravity. Americ. Journ. Phys. vol. 18. 1907. Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 87 Aussenfaktorer zu der Vertikalwanderung und die Abhängigkeit dieser Wanderung von einem bestimmten Mechanismus erkannt. Eine volle Erklärung der Wanderung ist damit noch nicht gegeben. So ist es noch unklar, weshalb die Tiere auch in sternklaren und mondhellen Nächten sich in den oberflächlichen Wasserschichten halten, in denen doch eine gewisse Lichtintensität vorhanden ist. Diese Lichtintensität wird in den Herbst- und Wintermonaten durch die Erscheinung des Meerleuchtens vergrössert, das immer an solchen Stellen besonders stark ist, an denen sich unsere Mysis in grosser Zahl findet. Wären die Tiere in ihren Bewegungen allein von dem eben geschilderten Mechanismus abhängig, so müssten sie am Abend tiefere Wasserschichten aufsuchen. Da ausserdem die Lichtintensität bei Tage nach der Tiefe zu sehr schnell abnimmt, so dass nach den Untersuchungen Regnard’s [nach Steuer!)] schon in einer Tiefe von 4'/a m sie auf !/s gesunken ist, so ist wohl anzunehmen, dass die Lichtintensität in den Tiefen, in denen die Mysis sich bei Tage aufhält, kaum grösser ist als die Lichtintensität am Abend in den oberflächlichen Schichten. In dem einen Falle erregt dieses Licht positiven Geotropismus, in dem anderen Falle nicht. Die geo- tropische Reizbarkeit ist am Tage grösser als in der Nacht. Da der Reizbarkeit chemische Vorgänge im Organismus zugrunde liegen, so sind gewisse innere Zustände des Tieres bei Tage verschieden von denen in der Nacht. Es liegt nahe, auch bei der Mysis an eine Periodizität des Stoffwechsels als an eine Grundlage der Vertikal- wanderung zu denken und den geschilderten Bewegunesmechanismus als einen Regulator dieser Bewegung aufzufassen. Eine Stütze findet diese Auffassung durch folgenden Versuch: In einem verdunkelten ıGefäss von etwa 1,50 m Länge, welches senkrecht steht, ist Myss überall verteilt. Es werden zu 100 ccm des Seewassers 2 cem 10 HCl hinzugetzt. Die Salzsäure in dieser Konzentration wirkt nach den Ergebnissen des ersten Teils der Arbeit mit aller Wahr- scheinlichkeit verlangsamend auf die Prozesse des Stoffwechsels ein. Nachdem die Tiere sieh etwa !/s Stunde in dieser Lösung befunden hatten, wurde plötzlich belichtet: Alle Krebse hielten sich in dem unteren Viertel des Glases auf; die meisten weilten in der „Kopf- standstellung* am Boden des Gefässes. Ein Kontrollversuch ohne 1) Steuer, Planktonkunde. Leipzig 1910. S8 Heinrich Menke: HCl zeiste im Augenblick der Belichtung die Tiere im ganzen Ge- fäss verteilt. Da zum Aufsteigen an die Oberfläche und zum Auf- enthalt daselbst aktive Sckwimmbewegungen notwendig sind, so wird dieser Bewegungsphase ein Zustand der Stofiwechselerregung parallel sehen. Die Mysis ist also ein Nachttier. Umgekehrt werden die Tiere bei Tage, wo sie sich in tieferen Schichten, wahrscheinlich am Boden aufhalten, ihre Stoffwechselruhe haben. Da die spezi- fische Wirkung der Salzsäure darin besteht, den Stoffwechsel herab- zusetzen, und da die Salzsäure bei der Mysis jenen Bewegungs- zustand veranlasst, der der Stoffwechselruhe entspricht, so ist es wahrscheinlich, dass die Salzsäure die Prozesse des Stoffwechsels und damit erst die Bewegung beeinflusst hat. Man könnte den Vorgang noch dahin deuten, dass HCl im Dunkeln einen geotropi- schen Stimmungswechsel veranlasse, dass also der im Dunkeln nega- tive Geotropismus in positiven umschlage. Dieser Auffassung wider- spricht aber die Tatsache, dass man bei belichteten Tieren einen geotropischen Stimmungswechsel nicht erzielen kann. Ausserdem wirkt die Salzsäure langsam auf die Bewegungsphase ein, erst in !/o Stunde lässt sich ein Erfolg beobachten. Die periodische tägliche Vertikalwanderung lässt sich in ihrer eanzen Eigenart nur so erklären, dass ihr eine Periodizität des Stoffwechsels zugrunde liest. Die heliotropische und geotropische Reizbarkeit bewirkt nur, dass diese Beweeung dem täglichen Licht- wechsel parallel geht. Eine Analyse versehiedenartiger periodischer Be- wegungen im Tierreich, von periodischen Chromato- phorenbewegungen einerseits und von Vertikalwande- rungen anderseits, führt zu dem Ergebnis, dass hier wesensgleiche Vorgänge vorliegen. Die Bewegungen sind autonomer Natur; sie laufen einer wahrschein- lich allem Lebendigen eigentümlichen Stoffwechsel- periodizität parallel und werden durch diese Stoff- wechselvorgänge bedingt. Die Tatsache, dass die Stoffwechselperiodizität dem täglichen Liehtwechsel folgt, lässt sich nur so erklären, dass unter dem Ein- fluss des Lichts resp. der Dunkelheit spezifische che- mische Vorgänge im’ Organismus ablaufen, die in ihrer Art eben die Periode einer Erregung des Stoff- wechsels resp. dessen Ruhe verursachen. Es ist damit Period. Bewegungen und ihr Zusammenhang mit Licht- und Stoffwechsel. 89 ein Einfluss der Lichtintensität auf die chemischen Prozesse im Organismus festgestell. Von der Einwirkung des Lichts oder der Dunkelheit als solcher ist wohl die Bedeutung des Lichtwechsels für die Bewesungen zu unterscheiden. Der Lichtwechsel löst als be- weeuneserregender Reiz einen bestimmten Mechanismus aus und ereift damit reeulierend in die periodische Bewegung ein. Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem preussischen Kultus- ministerium, insbesondere Herrn Geheimrat Dr, Norrenberg für die Überlassung eines Arbeitsplatzes an der Zooloeischen Station in Neapel auch an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen. Ebenso danke ich der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Stock- holm für die so freundliche Aufnahme an der Zoologischen Station Kristinebere. Herr Dr. Viktor Bauer (Neapel) gab mir die An- resung zu dieser Arbeit; für seine stets hilfsbereite Unterstützung sei ihm von Herzen gedankt. Literatur. 1) Adducco, Action de la lumiere sur la duree de la vie. Arch. ital. de biol. 1889. 2) Babäk, Über das Lebensgescheben in belichteten und verdunkelten Netz- häuten. Zeitschr. f. Psych. u. Physiol. der Sinnesorgane, II. Abt. 1910. 3) V. Bauer, Über die reflektorische Regulierung der Schwimmbewegung bei den Mysiden. Zeitschr. f. allgem. Phys. Bd. ®. 4) V. Bauer, Vertikalwanderung des Planktons und Phototaxis. Biol. Zentralbl. Bd2.29.190% 5) V. 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Besonders die Blutforschung könnte das Osmiumtetroxyd heute kaum mehr entbehren, und mit Recht zählt es sowohl in Lösung als auch in Dampfform zu den geeignetsten und meist verwendeten Blutfixationsmitteln. Die Güte eines Fixationsmittels lässt sich einerseits nach der Erhaltung des morphologischen Bildes, anderseits nach der Beeinflussung des Schneide- und Färbungsvermögens der Objekte beurteilen. In den nachfolgenden Zeilen seien nun die Eigenschaften des Osmiumtetroxydes in ersterer Beziehung erörtert, da gerade in bezug auf die Formerhaltung der roten Blutkörperchen, dieser zarten und weichen Gebilde, verschiedenartige und scheinbar schwer mit einander zu vereinende Beobachtungen vorliegen. Aus einer nach den Vorschriften Poll’s?) angefertigten 2 '/oigen Stammlösung von Osmiumtetroxyd wurden mittels Pipetten Lösungen von geringeren Prozentgehalten hergestellt. Mit diesen verschieden 1) F. E. Schulze, Über den Bau und die Entwicklung der Cordylophora lacustris. Nebst Bemerkungen über Form und Lebensweise dieses Tieres. S. 14. Engelmann, Leipzig 1871. 2) H. Poll, Osmiumtetroxyd. Ehrlich-Krause, Enzyklopädie d. mikrosk. Technik, 2. Aufl., Bd. 2 S. 330. Berlin-Wien 1910. Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 93 starken Lösungen wurden nun in manniefach abgeänderter Weise Blutfixationen vorgenommen. So wurde zu dem auf den Objekt- träger aufgetragenen Blutstropfen die Osmiumlösung zugesetzt oder nach Auflesen des Deckglases durch Drainage mit dem Blut in Be- rührung gebracht; weiters wurde die auf dem Objektträger aus- gebreitete Schichte samt diesem in die Fixationsflüssigkeit ein- getaucht oder das aus der Einstichwunde austretende Blut direkt in die Lösung einlaufen gelassen oder durch Aufbringen des Fixativs auf die Hautstelle das Eintreten des Blutes in dasselbe mit Luft- abschluss ermöglicht. Es sei nun gleich bemerkt, dass für den Erfolg in genannter Hinsicht die Konzentration der Lösungen ziemlich gleichgültig bleibt. Die erhaltenen Bilder sind nicht wesentlich verschieden, ob man nun die am meisten empfohlene 1°/o ige Lösung verwendet oder die stärkere 2 °/oige oder die nur 0,25 °/oige. - Hauptsache bleibt es pur, dass man eine frisch bereitete, noch stechend riechende Lösung zur Verfügung hat. | | EN Durehaus nicht ohne Bedeutung scheint dagegen die Art und Weise zu sein, wie das Zusammentreffen zwischen dem Fixationsmittel und den Blutkörperchen stattfindet. Re Setzt man die Osmiumsäure z. B. mit einem Glasstabe zu dem auf den Objektträger aufgetragenen Blutstropfen zu und sorgt für eine möglichst gleichmässige Vermischung, so besitzt, abgesehen von einigen wenigen verzerrten Formen, die überwiegende Masse aller roten Blutkörperchen die gleiche Gestalt wie in normalen frischen Blutpräparaten: sie sind bikonkave Scheibehen. Geht man aber so vor, dass man nach dem Einstich an die be- treffende Hautstelle noch vor dem Blutaustritt einen Tropfen Osmium- säure aufbringt oder direkt durch diesen einsticht, und untersucht man das in das Fixationsmittel übertretende, sich sofort rotbraun verfärbende zarte Blutwölkchen, so bekommt man ganz andere Bilder zu Gesicht. Die meisten Körperchen sind auch hier doppelt gedellt, aber in der Profilansicht erscheint der Randwulst häufig einseitig verdickt. Dadurch kommen Gestaltungen zustande, die ich auch unter anderen Umständen angetroffen und als „Keulenformen“ bezeichnet habe). 1) L. Löhner, Über einige neue Beobachtungen am Blute nach Einwirkung des elektrischen Entladungsschlages. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 120 S. 193: 1907. Vergl. Taf. III Fig. 12 und 13. 94 L. Löhner: Daneben trifft man recht häufig auch schöne „Glocken- oder Napf- formen“ im Sinne Weidenreich’s. Weidenreich, der die „Glocken“ bekanntlich als die Normal- form der Erythrocyten ansieht, sucht diese Erscheinungen dadurch zu erklären, dass die Osmiumsäure als ausgezeichnetes Fixations- mittel die Blutkörperchen in ihrer „jeweiligen Form“ fixiere’). Geschähe die Fixation wie im zweiten Falle unter Luftabschluss vor dem Eintritt der sekundären Gestaltsveränderung, so müsste man in derartigen Präparaten lediglich „Näpfe“ zu Gesicht bekommen. Gerade in einigen neueren Veröffentlichungen stellt nun Weiden- reich solche Behauptungen tatsächlich kurzer Hand auf: „Was nun die Wirkung der Osmiumsäurefixation angeht, so verwies ich darauf, dass die Blutkörperchen stets Napfform zeigen, wenn man das Blut direkt in eine 1 °/oige Osmiumsäurelösung eintreten.lässt.“ ?) In den früheren Mitteilungen äussert er sich in dieser. Hinsicht zurückhaltender: „...., sehr viele sind typische Glocken, ..... .*?), „die Glockenform zeigt sich aber auch stets bei den so fixierten Ob- jekten“ *), usw., und nur eine derartige Fassung entspricht, wie ich mich durch zahlreiche Versuche überzeugen konnte, der Wirklichkeit. Die Beobachtung, dass sieh in derartigen Präparaten nicht aus- schliesslich Glocken, sondern auch anders gestaltete Körperchen, ja typische Scheibehen, wie er selbst doch auch zugibt [,... bikonkave Scheiben trifft man überhaupt nieht oder nur sehr spärlich“ ?)], vor- finden, nötigt ihn, nach einer Erklärung dieses, seinen Voraussetzungen offenbar widersprechenden Befundes zu suchen. Er glaubt, alle diese Formen durch Druckwirkung(!) von glockenförmigen Körperchen ab- leiten zu können, indem er einen Vergleich mit dünnwandigen, ein- seitig eingedrückten Gummibällen anstellt, die durch äussere Stösse neue Dellen erhalten können. Diese. Vorstellung erscheint Weiden- 1) F. Weidenreich, Einige Bemerkungen zu dem Aufsatze J. Jolly’s über die Form, Struktur und Fixation der roten Blutkörperchen der Säugetiere. Folia haematolog. vol.3 p. 243. 1906:b. 2) F. Weidenreich, |. c. S. 242. 3) F.Weidenreich, Die roten Blutkörperchen. I. Merkelund Bonnet, Ergebn. d. Anat u. Entwicklungsgesch. Bd. 13 S. 13. 1904. 4) F. Weidenreich, Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. I. Form und Bau der roten Blutkörperchen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 61 S. 466. 1903. 5) F. Weidenreich, |. c. 8.13. 1904. Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 05 reich um so wahrscheinlicher, als er sich eine alte Lehre über den Bau der Erythroeyten — den eines mit einer Flüssigkeit gefüllten Bläschens — zu eigen gemacht hat, eine Auffassung, die meines Erachtens!) in dieser Form wohl nicht zu halten ist, und die man im Hinblick auf unsere Erkenntnis der Zellstrukturen gerade auch nicht als einen Fortschritt bezeichnen kann. Ohne Frage sind die Erythroeyten in hohem Grade dehnbar und biessam, und es soll nicht bezweifelt werden, dass auch verzerrte Formen fixiert werden können. Meistens dürfte es aber die einströmende Fixa- tionsflüssigkeit selbst sein, die zur Hervorbringung dieser Deformationen mehr beiträgt als der Anprall der Körperchen unter einander oder an den Wänden. Doch merkwürdig bleibt es bei der Annahme der Glocke als Ausgangsform, dass so häufig, wie bei allen „Keulenformen“, die zweite neue Delle eine gewisse Gegenstellung zur ersten einnimmt. Sofort verständlich wird aber diese Tatsache, wie ich des weiteren ausführen werde, wenn man die bixronkave Scheibe als die Normal- form der Säugererythroeyten und die Glocken als sekundär ver- änderte Gebilde auffasst. Diese Anschauung wird auch von J. Jolly?), einem Haupt- gsesner Weidenreich’s in dieser Sache, vertreten, der nur in. der Wahl seiner Beweisführung nicht ganz glücklich war. Er beobachtete sanz richtig, dass gleichzeitig mit einer Durchmesserverringerung bei diesen durch die Osmiumfixation erhaltenen Glocken (eloche, eupule) die Ränder im Vergleiche zu den Scheibehen auffallend gewulstet hervortreten, und deutet das als @Quellungswirkung [„. - . l’Epaisseur des elobules est: augmentee; ils sont gonfl&s plus ou moins“ °)]. Weidenreich benützte natürlich sofort die damit «ebotene Handhabe und erklärte zu wiederholten Malen®), eine Quellung 1) L. Löhner, Beiträge zur Frage der Erythrocytenmembran nebst ein- leitenden Bemerkungen über den Membranbegriff. Arch, f. mikrosk. Anat. Bd. 71 S. 153. 1907. 2) J. Jolly, Sur la forme des globules rouges des mammiferes. Compt. rend. Soc. de Biol. Par. t.58 p. 481. 1905. — Quelques remarques ä propros de la forme, de la strueture et de la fixation des globules rouges des mammiferes. Folia haematolog. vol. 3 p. 183. 1906a. — Sur quelques points de la morpho- logie du sang etudies par l’observation de la circulation dans V’aile de la chauve- souris. Arch. d’anatomie microscopique t. 11 p. 34. 1909, 3) J. Jolly, l. c. S. 184. 1906. 4) F. Weidenreich, Einige Bemerkungen über die roten Blutkörperchen. Anat. Anz. Bd. 27 S. 585. 1905. — Eine neue einfache Methode zur Darstellung 96 L. Löhner: durch die Osmiumsäurelösung sei ausgeschlossen; denn sonst könnte man nie Körperchen in bikonkaver Form fixiert erhalten. In diesem Punkte stimme ich mit Weidenreich überein. In einer meiner Arbeiten!) habe ich ledielich aus Gründen der Vollständigkeit davon Erwähnung getan, dass Pappenheim und Jolly gegen die Verwendung der Osmiumsäure zur Blutfixation Bedenken namhaft gemacht haben, insofern nämlich dadurch Quellungs- erscheinungen an den Blutkörperchen hervorgerufen würden. Ich bin daher sehr überrascht, dass es Weidenreich gelang, diesen Ausführungen zu entnehmen, ich begnüge mich mit dem Hinweise, „dass es sich hier um Quellung handeln könne“ ?). Die Osmiumsäure stellt nach den Untersuchungen Fischer’s ein sehr schwaches und unvollständiges Fällungsmittel dar. -Die Fixation der Objekte beruht daher jedenfalls nicht auf einer plötz- lichen Ausfällung der Eiweisskörper, zumal es nach kurzer Ein- wirkung der Osmiumtetroxydlösung noch gelinst, in den bereits fixierten Zellteilen eine Ausfällung von Eiweisskörpern durch typische Fällungsmittel hervorzurufen. Der Vorgang bei der Fixation ist nach Fischer vielmehr als „Erstickung“ zu deuten, d. h. als eine blitzartig schnelle Tötung durch Anhäufung von Oxydationsprodukten unter gleichzeitiger Formerhaltung ?). Findet die Einwirkung dieses Fixationsmittels auf ein zartes Objekt, z. B. rote Blutkörperchen, nicht vollkommen gleichmässig statt, so wird die dadurch bedingte ungleichmässige „Erstickung“ gerade so wie in einem anderen Falle eine ungleichmässige Koa- sulation nur zu leicht Gestaltveränderungen veranlassen können. Häufig gehen dabei sichtliche Zusammenziehungen, die zu Durch- ımesserverringerungen führen, Hand in Hand mit gewissen Ver- breiterungen und Blähungserscheinungen des Randwulstes in grösserer oder geringerer Ausdehnung. Diese Umstände lassen es begreiflich von Blut-Trockenpräparaten. Folia haematolog. vol. 3 p.5. 1906 a. — 1. c. p. 242. 1906 b. — Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Or- gane. IV. Weitere Mitteilungen über rote Blutkörperchen. : Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 69 S. 395 ff. 1907. 1) L. Löhner, Über die Glockenformen von Säugererythrocyten und ihre Ursachen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 131 S. 420. 1910. 2) F. Weidenreich, Über die Form der Säugererythrocyten. Eine Er- widerung an Dr. L. Löhner. Arch. f. d. ges. Physiol: B1. 132 S. 145. 1910. 3) H. Poll, 1. c. S. 340: 1910. i Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 97 erscheinen, dass die genannten Autoren eine Quellung annahmen, da die erhaltenen Bilder tatsächlich manche Ähnlichkeit mit den Anfangsstadien der „Wasserwirkung* aufweisen. Ganz ähnliche Anschauungen über das Auftreten von Gestalts- veränderungen beim Fixationsprozesse entwickelt Jordan!), nur mit dem Unterschiede, dass er von einer Koagulation spricht („... the unequal contraetion of eoagulation will produce irregular shapes including ‚eups’ and ‚saucers‘“). Es erübrigt nun noch, die merkwürdige Tatsache zu beleuchten, wieso das Ergebnis vom Standpunkt der Erhaltung des morpho- logischen Bildes auffällig verschieden ausfällt, wenn man das Blut unmittelbar in die Osmiumlösung eintreten lässt, oder wenn man die Fixation erst auf dem Objektträger vornimmt. Jordan hat die Anschauung geäussert, dass es in letzterem Falle der Geldrollenbildung zu danken ist, dass sich die Gestalt der bikonkaven Scheibchen erhält, während einzelne Körperchen infolge ungleichmässiger Zusammenziehung bei der „Koagulation* alle möglichen unregelmässigen Formen, einschliesslich der Kappen („eups and saucers“), annehmen. Gewiss mag die Anordnung zu Geldrollen für die Formerhaltung von Vorteil sein; doch wird man darin kaum die alleinige Ursache sehen dürfen, da es ja auch nach der Zerstörung der Geldrollen noch gelingt, bikonkave Scheibehen zu fixieren. Das Hauptgewicht muss vielmehr darauf gelest werden, ob die Einwirkung der Fixationsflüssigkeit auf das be- treffende Blutkörperchen von allen Seiten möglichst rasch und gleichmässig stattfindet, oder ob das nicht geschieht. Nur im ersteren Falle ist eine Fixation ohne wesent- liche Gestaltsverzerrungen möglich. Trifft die Osmiumsäurelösung aber z. B. ein Scheibchen einseitig bei Profilstellung, so wird die entsprechende Randpartie früher fixiert als das übrige, und diesem Umstande dürften die so häufig zu be- obachtenden Keulenformen ihre Entstehung verdanken. Findet die Berührung aber einseitig längs einer ganzen-Fläche statt, so kann infolge der einseitigen Zusammenziehung gar nichts anderes entstehen als ein „Napf“. Findet die Einwirkung völlig regellos statt, vielleicht 1)H. E. Jordan, The shape of the red blood corpuscles. Anat. Anz. "Bd. 34. S. 410. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 7 98 L. Löhner: noch unterstützt durch Flüssigkeitsströmungen, so werden dadurch die mannigfaltigen verzerrten Gestalten hervorgerufen werden. Setzt man zu einem bBlutstropfen auf dem Öbjektträger vor Auflegen des Deckgläschens einen Tropfen Osmiumsäure zu, so findet eine rasche und ziemlich gleichmässige Vermischung beider Flüssigkeiten statt, und das Ergebnis ist ein Präparat mit vorwiegend wohlerhaltenen scheibenförmigen Erythrocyten. Lässt man aber das aus einer kleinen Einstichöffnung langsam austretende Blut in den an der entsprechenden Stelle aufgetragenen Osmiumsäuretropfen ein- laufen, so sind jedenfalls alle Bedingungen für eine ungleichmässige Einwirkung gegeben, und tatsächlich erhält man bei diesem Vorgehen zahlreiche Keulenformen und Glocken. Ich bin nun in der Lage, zu erhärten, dass diese Ausführungen doch mehr enthalten als eine unbewiesene Hypothese. Man stelle sich ein frisches Blutpräparat in der Weise her, dass die Blutschichte noch nicht den ganzen Kapillarspalt einnimmt, sondern noch eine schmale Randzone zwischen Deckglas und Objektträger frei lässt. Setzt man nun am Rande des Deckglases einen Tropfen Osmiumsäure zu, so wird sie dank der Kapillarwirkung angesaugt und kommt mit dem Blute einseitig in Berührung. Die Vorgänge, die sich hierbei abspielen, bilden in gewisser Beziehung das Gegen- stück zu jenen beim unmittelbaren Eintritt des Blutes in den auf der Haut aufgetragenen Fixativtropfen. Tatsächlich ist das Er- gebnis auch verblüffend ähnlich; wie dort trifft man auch hier auf tadellose Glocken und Keulenformen. Die Glocken wird man hier aber beim besten Willen nicht als präexistierende Gebilde ansehen können, da ja ein Blick ins Mikroskop vor der Fixation unzweifel- haft lehrt, dass die Blutkörperchen bereits „die bikonkave Form angenommen haben“. Diese Untersuchungen ergänzen und bestätigen in schöner Weise die an anderem Orte!) aufgestellte Behauptung, dass beim Über- gange der Scheiben- in die Glockengestalt einseitig angreifende oder zumindest sich einseitig stärker äussernde Kräfte verantwortlich ge- macht werden müssen. Wie Glockenformen durch eine plötzliche einseitige Erwärmung, durch eine einseitige Ionenwirkung bei elek- trischen Entladungsschlägen oder durch ungleichmässige Diffusions- vorgänge in anisotonen Flüssigkeiten hervorgerufen werden können, 1) L. Löhner, l.c, S.421. 1910. Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 99 so wird der gleiche Erfolg auch durch die einseitige Einwirkung eines Fixationsmittels und die dadurch bedingte Zusammenziehung erzielt; eine Reihe heterogener Einflüsse, die aber das eine mit einander gemeinsam haben: das einseitige oder beiderseitig un- gleich starke Wirksamwerden. Die vorstehenden Ausführungen berechtigen zu dem Schlusse, dass das Osmiumtetroxyd als Lösung vom Gesichtspunkte der Er- haltung des formalen Bildes zweifellos als gutes Fixationsmittel be- zeichnet werden darf, da sich ja so zarte und leicht verzerrbare Gebilde, wie die Säugererythrocyten, bei entsprechender Vorsicht fast ohne Gestaltsveränderung fixieren lassen. Man wird aber bei ähnlichen zarten Objekten für eine rasche und möglichst gleichmässige Einwirkung des Fixations- mittels Sorge zu tragen haben, da sonst der ganze Erfolg in dieser Hinsicht in Frage gestellt wird. Aus diesen und ähnlichen Gründen begann man in neuerer Zeit für die Blutfixation das sogenannte „Räucherungsverfahren“ mit Osmiumtetroxyddämpfen ' vorzuziehen. Um dasselbe haben sich Malassez!), Grassi und Feletti?), Pappenheim?), Jolly‘) und Weidenreich?°) besonders verdient gemacht. Diese Methode liefert, wenn man sie z. B. nach den von Weidenreich gegebenen genauen Vorschriften handhabt, sehr gute Resultate. Die Umrisse der einzelnen Körperchen treten scharf hervor, Verzerrungen sind selten und ein Zusammensintern kommt selbst in diekeren Schichten nicht leicht vor. Die Gestalt der auf diese Weise fixierten Körperchen wird von Weidenreich auch als typische Napf- oder Glockenform be- 1) L. Malassez, Sur l’origine et la formation des globules rouges dans la moelle des os. Arch. de Physiol. norm. et pathol. t.9 p.1. 1882. 2) Grassi e Feletti, Atti Accad. Catania t.5. 1892. (Zitat: Ehrlich- Krause, Enzyklopädie der mikrosk. Technik Bd. 2 S. 332 und 343, II. Aufl. 1910.) 3) A. Pappenheim, Abstammung und Entstehung der roten Blutzellen. Arch. f. pathol. Anat. Bd. 151 S. 89. 1898. 4) J. Jolly, Sur quelques points de l’&tude des globules blancs dans la leucemie, ä propos de la fixation du sang. Arch. de med. exp. p. 73. 1902. — Histologie pathologique du sang. Cornil et Ranvier, Traite d’Histologie pathologique p. 515. Paris 1902. 5) F. Weidenreich, I. c. S.2. 1906a, und S.393. 1907. 7 * 100 L. Löhner: zeichnet. Es handelt sich allerdings meist um konvex-konkave Ge- bilde, doch sei bemerkt, wovon Weidenreich keine Erwähnung tut, dass diese Glocken einen etwas anderen Eindruck machen als. jene, die durch Osmiumsäurelösung zur Darstellung gebracht wurden. Sie erscheinen viel zarter, umgebogenen Plättchen ähnlich und be- sitzen nicht jenen mächtigen, geblähten Randwulst. In einem gleich- mässigen, dünnen Präparate zeigt die überwiegende Mehrzahl der Erythroeyten die Flächenansicht. In dieser Lage ist es an und für sich schwer zu entscheiden, ob einem Körper eine bikonkave oder eine konvex-konkave Gestalt zukommt. Doch scheint die ausser- ordentlich tiefe Delle letzterer Ansicht Recht zu geben. Der Ein- druck bleibt aber immer der, als hätte man ein eingesunkenes oder zusammengekrümmtes Scheibehen vor sich, und diese Vorstellung wird bei Körperchen in Profilstellung noch unabweislicher. Die Rückführung dieser Gestalten auf die bikonkave Normal- form ergibt sich nach den Ausführungen des vorigen Abschnittes eigentlich von selbst. Das Wirksamwerden der Dämpfe setzt deren Absorption von seiten des Blutplasmas voraus. Wenn man sich die Diffusionsvorgänge auch noch so rasch und die die Körperchen bedeckenden Flüssiekeitsschichten unendlich dünn vorstellt, so kann die Dämpfewirkung auf der abgekehrten und zugekehrten Seite der Körperchen doch nie gleichzeitig einsetzen. Dass aufsteigende Dämpfe daher als „einseitige Einwirkung“ aufgefasst werden dürfen, muss doch jedenfalls zugestanden werden, ebenso wie die Tatsache, dass sich flache Objekte bei einer plötz- lichen Fixation nur zu gern in ähnlicher Weise verkrümmen. Eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser Annahme sehe ich darin, dass, entgegen der von Weidenreich in den Vordergrund gestellten Behauptung, mit gewisser Beschränkung die Schnelligkeit der Manipulation gar keine Rolle spielt. Wir erhalten allerdings bei langsamerem Vorgehen viele nicht glockenförmig verkrümmte Scheibehen. In diesem Falle besteht aber jedenfalls Jordan’s Argument zu Recht, dass die Erhaltung der ursprünglichen Gestalt der Geldrollenbildung zu danken ist. Aus nachträglich zerfallenen Geldrollen stammen die einzelnen, unverändert konservierten Körper- chen. Ihre Fixation hatte eben noch im Geldrollenverbande statt- gefunden, der eine Gestaltsverbiegung der einzelnen Körperchen un- möglich machte. Aber selbst wenn man annimmt, dass der Zerfall einer Geldrolle bereits zu einem Zeitpunkte stattfindet, da die Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 101 Fixation der einzelnen Körperchen derselben noch nicht vollzogen war, so erlaubt die unterdes eingetretene gleichmässige Absorption der Osmiumtetroxyddämpfe im umgebenden Blutplasma. jetzt eine gleichmässige Einwirkung auf die isolierten Scheibehen; ein Anlass für Formverkrümmungen liegt daher nieht vor. Zerstört man aber die bereits gebildeten Geldrollen vor der Dampffixation, dann wird man die gleichen Glocken wie früher erhalten, selbstverständlich nur solange sich noch nicht das „Maulbeerstadium“ eingestellt hat. Die wichtige Rolle, die bei der Beurteilung der Güte der Osmiumsäurefixation die Erhaltung des formalen Bildes spielt, möge Anlass sein, hier nochmals auf die Gestaltsfrage der Säugererythro- eyten überhaupt zurückzukommen und bei dieser Gelegenheit auf _ Bemerkungen Weidenreich’s!) einzugehen, auf die zu erwidern ich sonst wohl verzichtet hätte. In meiner Arbeit „Über die Glockenformen von Säugererythro- ceyten und ihre Ursachen“ glaube ich Gründe genug dafür erbracht zu haben, dass man als die Normalform, d. h. als die unter physio- logischen Verhältnissen bei weitem vorherrschende Form der Säuger- erythrocyten nach wie vor die bikonkave Scheibe anzusehen habe. Gleichzeitig mit der Ablehnung der Weidenreich’schen Hypothese von der Glockengestalt der Blutkörperchen unternahm ich auch den Versuch, eine Erklärung seiner Befunde zu geben. Es darf dabei nicht wundernehmen, dass sich seine Behauptungen, die sich selbst auf so heterogene Methoden stützten, auch verschiedenartige Deu- tungen gefallen lassen mussten. Weidenreich wendet sich in einer sachlich recht kurz ge- haltenen Erwiderung gegen einen Teil meiner Ausführungen, über- sieht aber dabei das eine, dass die Richtigkeit meiner Deutung seiner Versuche nicht die Hauptsache in der ganzen Angelegenheit ist. (Bisher liegen übrigens zwingende Gründe, die die Richtigkeit dieser Deutungen in Frage stellen würden, auch nicht vor.) Ich konnte in meinen Untersuchungen den Nachweis erbringen, dass Blutpräparate stets und ausschliesslich nur Erythrocyten in der Gestalt von bikonkaven Scheiben enthielten, wenn die Blutentnahme, Anfertigung und Untersuchung des Präparates in einem eigens zu diesem Zwecke konstruierten Kasten geschah, der, auf Körper- 1) F. Weidenreich, l.c. 8. 143. 1910. 103 L. Löhner: temperatur gehalten, zugleich eine jede Verdunstung mög- lichst aussehliessende Feuchtigkeitssättigung besass. Weidenreich weiss darauf nur zu erwidern: „Der umständliche Apparat, den Löhner ersonnen hat, trägt nur zur Verzögerung der Beobachtung bei; denn in einem Kasten, wie Löhner ihn anwandte, lässt sich überhaupt nicht rasch genug hantieren.“ Auf diesen Einwand näher einzugehen, ist wohl kaum nötig; denn abgesehen davon, dass die Einrichtung des Kastens es jeden- falls erlaubte, ein Präparat ebense-schnell anzufertigen und zu untersuchen, als es sonst der Fall ist, bleibt ja immer noch die Frage ungelött, warum denn überhaupt unter derartigen Be- dingungen, die jede Verdunstung und Abkühlung aus- schliessen, sekundär veränderte !), kreisscheibenförmige Erythro- cyten beobachtet werden. Hier kommt man jedenfalls mit dem Schlagworte Verdunstung ?) nieht aus. Übrigens bleibt es mir nach wie. vor?) ein Rätsel, wieso die Verdunstung bei der von Weidenreich geübten und warm “empfohlenen Methode*) der Präparatanfertigung mit erwärmten 1) „Ich (1902) konnte feststellen, dass die Körperchen die ausgesprochene Tendenz haben, sich selbst überlassen, sofort zu Scheiben zu werden, ....“ F. Weidenreich, |. c. S. 17. 1904. 2) „Es hat sich durch meine Versuche ergeben, dass daran nicht der Temperaturunterschied noch der Deckglasdruck schuld ist, sondern die infolge der Verdunstung eintretende Konzentrationserhöhung des Plasmas. Denn ver- hindert man die Verdunstung, die namentlich leicht bei grossen Unterschieden in Temperatur und Feuchtigkeitsgehalt zwischen Blut und Luft eintritt, ...., so tritt keine Formveränderung ein oder erst nach sehr langer Zeit.“ F. Weiden- reich, l. c. S.17. 1904. „Operiert man nicht sehr rasch bei der Untersuchung des unverdünnten Blutes und benutzt man namentlich kältere Objektträger und Deckgläser, . so genügt die erhöhte Verdunstung der warmen Blutflüssigkeit, um eine stärkere Konzentration des Serums herbeizuführen; .... Verhindert man also die Wasserabgabe des Blutes durch Verdunstung in der oben geschilderten Weise, dann erhält man auch die richtige’ Glockenform.“ F. Weidenreich, I. c. S. 469. 1903. 3) L. Löhner, l.c. 8.414. 1910. 4) „Bringt man nun einen Tropfen Blut, den man wie gewöhnlich durch Einstich in die Fingerspitze gewinnt, so rasch wie irgend möglich durch Ab- tupfen mit dem ‘auf mittlere Körpertemperatur erwärmten Deckgläschen auf den gleichfalls 37,5° C. warmen Öbjekttisch, ....“ F. Weidenreich, ]. e. S. 464. 1903. Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 103 Deckgläsern und Objektträgern eine geringere Rolle spielen soll als bei der Verwendung nicht erwärmter Gläser. Solange aber nicht überzeugende Gründe vorgebracht werden, hänet die ganze Hypothese von der blitzartigen, sekundären Um- wandlung der Glocke in die Scheibe bei Berührung mit der Luft — in der Luft. Aber selbst wenn man bei gewöhnlichen Blutpräparaten dieses Moment als die Ursache der Verwandlung annimmt, dürfte bei dickeren Präparaten ein Fortschreiten der Veränderungen von den Rändern gegen die Mitte, von der Oberfläche gegen das Innere zu erwarten sein. Derartige Beobachtungen liegen aber nicht vor. Die Vorstellung, die Erythrocyten veränderten schon wenige Sekunden nach dem Austritte ihre Gestalt, obwohl sie sich noch in ihrem natürlichen Mittel, dem Blutplasma befinden , erscheint des- halb um so befremdender, da sie doch in dem durch den Gerinnungs- vorgang wesentlich anders beschaffenen Serum, ja selbst in art- fremdes Serum oder Lymphe!) eingebracht, ihre „ursprüngliche“ Glockengestalt „beibehalten“. Ist es da nicht näherliegend anzunehmen, dass das an Eiweiss- körpern und Salzen ärmere Serum eben keine indifferente Zusatz- flüssigkeit darstellt und erst seinerseits die Scheibehen in Glocken überführt ? Besonderen Nachdruck legst Weidenreich darauf, dass es gelingt, die Glockengestalt im strömenden Blute innerhalb des Gefäss- systemes nachzuweisen. Jordan?) hat diesbezüglich die sehr beherzigenswerte Ansicht ausgesprochen, dass unter vollkommen normalen Verhältnissen die Blutzirkulation viel zu rasch erfolgt, als dass eine genaue Beobachtung überhaupt möglich wäre. Kann diese aber stattfinden, dann haben bereits derartige Schädigungen auf das Gewebe eingewirkt, dass die Verhältnisse unmöglich mehr als normal bezeichnet werden können; denn unter diesen Umständen erhobenen Befunden komme infolge- dessen für die Entscheidung der Gestaltsfrage auch nicht mehr Be- weiskraft zu als den Ergebnissen aus anderen Untersuchungsmethoden. Bei der Beobachtung von Gefässen des Katzenmesenteriums konnte Jordan neben vollkommen verzerrten und unregelmässigen Formen ) F. Weidenreich, l.c. 8.14. 1910. 2) H. E. Jordan, ].c. S. 408. 1909. 104 L. Löhner: sowohl Scheiben als auch Glocken wahrnehmen. Er kommt zu dem _ Schlusse, dass jedenfalls die bikonkave Scheibe als die Normalform anzusehen ist. Das Auftreten der Glocken im strömenden Blute könnte aber so erklärt werden, dass ein Missverhältnis zwischen den Durchmessern der engsten Kapillaren und denen der Erythro- eyten besteht; bei der Vorwärtsbewegung dieser elastischen Gebilde wird es infolgedessen zu einem Zurückbiegen des an den Gefäss- wänden streifenden Randes kommen, während die Mitte gleichzeitig durch den Strömungsdruck nach vorne gebaucht wird. Jolly!) studierte zu dem gleichen Zwecke die Gefässe des Fleder- mausflügels, eines Objektes, das die Untersuchung wohl am ehesten unter natürlichen Bedingungen ermöglicht. Er sah aber sowohl die freien Blutkörperchen als auch diejenigen, die sich zu Geldrollen- verbänden zusammengeschlossen hatten, als bikonkave Scheibchen. Weidenreich?) erhob gegen diese Befunde den Einwand, dass die Geldrollenbildung das Zeichen einer beginnenden Stase darstelle und bestätigt in diesem Falle eigentlich nur die Ausführungen Jordan’s. Endlich habe ich?) darauf aufmerksam gemacht, dass es, ab- gesehen von den im strömenden Blute tatsächlich, aber höchst selten vorkommenden Glocken, die komplizierte, verzerrende Zylinder- linsenwirkung verschieden stark brechender umhüllender Schichten sein dürfte, die die in den Gefässen eingeschlossenen scheibenförmigen Körperchen glockenähnlich erscheinen lässt. Weidenreich glaubt darin einen auffallenden Widerspruch zu finden, dass ich sowohl von „realen“ als auch „scheinbaren“ Glocken spreche und stellt die nach den dortigen Ausführungen wohl selbst zu beantwortende, zum Teil auch beantwortete Frage, „wie man diese beiden doch ganz gleich aussehenden Elemente voneinander unterscheiden kann“ ®). Unter „realen Glocken“ verstehe ich, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, Alterations- bzw. Modifikationstypen der Erythrocyten, die diese Gestalt sowohl im zirkulierenden Blut besitzen als auch im frisch gelassenen Blute ohne Zuhilfenahme bedenklicher Hilfs- 1) J. Jolly, l. c. 8.481. 1905. — l. c. 8.183. 1906. a. — Courte reponse a la note precedente de M. Weidenreich. Fol. haematolog. vol. 3 p. 244. 1906b. — 1. c. S. 104. 1909. 2) F. Weidenreich, l.c. 8.585. 1905. 3) L. Löhner; |. c. 8.412. 1910. 4) F. Weidenreich, l.c. S. 146. 1910. Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 105 mittel beibehalten. Unter diesen Begriff fallen also nicht jene tem- porär gelockenförmigen Gebilde, die nach Jordan’s Hypothese (vergl. S. 104) in Kapillaren infolge mechanischer Ursachen zustande kommen, sofort aber wieder die bikonkave Gleichgewichtsform an- nehmen, wenn dieser äussere Druck aufhört. Dazu gehören aber auch nicht alle jene schönen Glocken, denen Weidenreich durch seine vielseitigen Methoden das Dasein gab. Reale Glocken müssen innerhalb der Gefässe auch bei Rotationen ihre Gestalt erkennen lassen, da sie bei Profilstellung nie das be- kannte hantelähnliche Bild darbieten können. Ihre Form ändert sich nach dem Austritt aus den Gefässen nieht, und gewöhnliche, ohne besondere Vorsichtsmaassregeln oder Hilfsmittel hergestellte Blutpräparate gestatten ihre Feststellung. Als „scheinbare Glocken“ lassen sich dagegen jene optischen Einstellungsbilder zweifellos bikonkaver Erythrocyten bezeichnen, die man bei bestimmter Stellung der Körperchen innerhalb gefüllter Kapillaren zu sehen bekommt. Es wurde aber bei dieser Gelegen- heit, was Weidenreich übergeht, ausdrücklich hervorgehoben, dass diese scheinbaren Glocken sofort die Scheibenform erkennen lassen, sobald sie in reiner Profilstellung zur Ansicht kommen. Es konnte ferner bei der Untersuchung frisch ausgeschnittener, flacher Muskel- stücke gezeigt werden, dass eben noch als Glocken angesprochene Blutkörperehen in dem Augenblicke des Austrittes aus der Kapillare die Scheibenform aufweisen. Die letzte Ursache des individuell sehr verschiedenen, unter normalen Verhältnissen aber immer höchst spärlichen Gehaltes des Blutes an realen Glocken muss zur Zeit. noch als völlig unauf- geklärt bezeichnet werden. Jedenfalls liegen aber dem Entstehen dieser von der bikonkaven Scheibe abweichenden und von ihr abzu- leitenden Formbildung Änderungen der Oberflächenspannung und der Gestaltselastizität zugrunde, die wieder auf einseitig angreifende oder zumindest einseitig stärker wirksam gewesene Einflüsse im Blute selbst werden zurückgeführt müssen. Nimmt man an, dass solche Veränderungen unter gewissen Ein- wirkungen im strömenden Blute auftreten, dann darf es doch nicht wundernehmen, dass wir unter ähnlichen Bedingungen auch künst- liche Glocken hervorrufen werden können. Mit bestem Willen kann ich nun in meinen Ausführungen nicht den „auftallenden inneren Widerspruch“ herausfinden, der schon von 106 L. Löhner: vornherein die Richtigkeit meiner Deutung ausschliesst. Natürlich liegt es mir ferne, eine ähnliche Behauptung über Weidenreich’s Beweisführung auszusprechen; doch bin ich nicht in der Lage, die Wahl des folgenden Beispieles ganz zu verstehen, durch das in feiner Unterscheidung gezeigt wird, dass es sich um „reale“ und nicht um „scheinbare“ oder „artefizielle“ Glocken handelt. „Schneidet man rasch ein Stück Mesenterium eines frisch getöteten Tieres aus und bringt es schnell unter das Mikroskop, so erscheinen die Erythro- eyten glockenförmig, was nach Löhner hier ja nur ‚scheinbar‘ ist; lässt man aber nun unter dem Mikroskop 1,0 °/oige Osmiumsäure- lösung zu dem Gewebsstück fliessen, so werden die Erythrocyten fixiert, und zwar in der typischen Glockenform, wie man sie auch schon vorher sah!).“ Ich für meine Person hätte aus diesem Ver- such allerdings nur den Schluss zu ziehen gewagt, dass die in den Gefässen „scheinbar“ glockenförmigen Scheibehen durch den Osmium- säurezusatz in „artefizielle“ Glocken umgewandelt wurden, da ein Ausstreifen vor der Fixation nur „reale“ bikonkave Scheibehen zu Tage fördert. Die vorstehende Osmiumsäurestudie sowie die anlässlich der Weidenreich’schen Erwiderung neuerdings vorgenommenen Blutuntersuchungen führen zu dem Ergebnis, dass ich die in der erwähnten Arbeit wiedergegebenen Ausführungen vollinhaltlich auf- recht erhalte. Nach wie vor müssen wir die bikonkave Scheibe als dieNormalform der Säuger-Erythrocyten ansehen. Für die scheibehenähnliche Normalform sprechen auch die Er- gebnisse der vergleichenden Anatomie. Überall in der ganzen Tier- welt — von den Nemertinen bis zu den Mammalien —, wo wir passiv rasch bewegte Blut- oder Hämolymphezellen antreffen, besitzen diese, sofern sie einen gewissen Konsistenzgrad nicht überschreiten, eine mehr oder minder flache, scheibehenähnliche Gestalt. Verkrümmungen zu äquatorial asymmetrischen glockenförmigen Körperchen gehören zu den Seltenheiten. Als Beispiel in letzterer Hinsicht wären die sogenannten „Ballons“ im Blute der Pantopoden ?) zu nennen, neben 1) F. Weidenreich, 1. c. 8. 145—146. 1910. 2) A. Dohrn, Die Pantopoden des Golfes von Neapel und der angrenzenden Meerabschnitte. III. Monographie in „Fauna und Flora des Golfes von Neapel“, Engelmann, Leipzig 1881, Über das Osmiumtetroxyd als Blutfixationsmittel etc. 107 denen übrigens stets auch typische „scheibenförmige Körperchen“ vorkommen. In einigen anderen Fällen steht es aber vorderhand durchaus nicht fest, ob nicht sekundäre Gestaltsveränderungen vor- liegen. So ist z. B. Dekhuyzen!) geneigt, die hämoglobinführenden Zellen eines Laniellibranchiers, Peetunculus glyeimeris, seinem „Chromo- krateren“- Typus zuzurechnen, während Griesbach?) in der be- treffenden Originalarbeit die mützenförmigen oder pilzhutähnlichen Blutzellen dieser Tierart, die er in Präparaten zu Gesicht bekam, als Artefakte deutete. Ich bin selbstverständlich weit davon entfernt, aus diesem Vor- kommen ähnlich geformter und ähnlichen Zwecken dienender Zellen bei entfernt stehenden Tiergruppen auf einen phylogenetischen Zu- sammenhang zu schliessen und die Form der Mammaliablutzellen darauf zurückzuführen oder als einen altertümlichen Charakter zu erklären. Es handelt sich vielmehr sicherlich um Konvergenz- erscheinungen, deren Ursachen hydromechanischer Natur sein dürften. Als zweiter Formtypus der Blutzellen im strömenden Blute darf die Kugelgestalt genannt werden. Kugelige „farbige Blutkörperchen“ sind verhältnismässig selten (z. B. bei einigen Mollusken), dagegen dürfen die meisten „amöboiden“ Blutzellen von Evertebraten, sowie die Leukocyten der Vertebraten hierher gerechnet werden. Da es bekannt ist, dass die Leukocyten beträchtlich zäher und derber als die Erythrocyten sind, so dürfte nebst anderen Momenten auch der Konsistenzgrad der Blutkörperchen bei der Gestaltsbeeinflussung eine Rolle spielen. Die Klarstellung dieser physikalischen Momente wäre jedenfalls eine ebenso dankenswerte Aufgabe als in grösserem Umfange be- triebene vergleichende Studien über die Hämolymphezellen der Everte- braten. Gerade die erwähnten Ausnahmen, d. h. die bei einigen Evertebraten aufgefundenen glockenähnlichen Blutzellen, verdienen, sofern sich diese Beobachtungen übrigens bestätigen sollten, Be- achtung. Ich mache mit Absicht diesen Vorbehalt, da, ganz ab- gesehen von den schon früher erwähnten Artefakten, auch die Ver- hältnisse bei Wirbellosen das Vorkommen „scheinbarer Glocken“ 1) M. C. Dekhuyzen, Becherförmige Blutkörperchen („Chromokrateren“). Anat. Anz. Bd. 15 S. 210. 1899. 2) H. Griesbach, Beiträge zur Histologie des Blutes. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 37 S. 22. 1891. 108 L. Löhner: Über das Osmiumtetroxyd als Fixationsmittel etc. nicht ausschliessen, wie ich mich gelegentlich der Lebenduntersuchung von Polychäten in Triest überzeugen konnte. Mit den vorliegenden Erörterungen betrachte ich die Kontro- verse meinerseits als endgültig erledigt. Die Entscheidung für oder gegen die Weidenreich’sche Anschauung, die ja übrigens von den meisten Fachleuten schon lange getroffen worden ist, dürfte dem unbefangenen Beurteiler nach Erwägung aller vorgebrachten Gründe und Einwände nicht schwer fallen. 109 (Aus der Technischen Hochschule zu Charlottenburg.) Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. Von | 3. Traube. 1. Allgemeine Betrachtungen. In vier vorhergehenden Mitteilungen ) habe ich darauf hin- gewiesen, dass die osmotische Theorie in der Physiologie und den verwandten Wissenschaften versagt hat, und dass nach meiner Über- zeugung in Hinsicht der osmotischen Voreänge die physiologische Forschung erst dann wieder fortschreiten kann, wenn sie sich von dem verhängnisvollen Irrtum dieser Theorie, dass für die Osmose nur ein Kapazitätsfaktor einer Energie, die Zahl der Teil- chen maassgebend sei, befreit haben wird. Es wurde von mir ge- zeit, dass auch ein Intensitätsfaktor in Betracht komme, und ich nannte diesen Intensitätsfaktor, welcher die Anziehung zwischen Lösungsmittel und Gelöstem misst, den Haftdruck (die Haft- intensität\ des Stoffes. Dieser Haftdruck ist beispielsweise für ver- schiedene Ionen sehr verschieden, aber wie die Kolloide Wasser an- zuziehen — im Wasser zu quellen — vermögen, so vermögen dieses auch die Kristalloide ?), und je grösser der Haftdruck eines Ions ist, um so grösser ist die Wasserhülle, welche dasselbe umeibt, oder auch, wenn uns diese Anschauung sympathischer ist, um so grösser 1) J. Traube, Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 541 u. 559. 1904; Bd. 123 S. 419. 1908 u. Bd. 132 S. 511. 1910. 2) Es sei in dieser Beziehung auch auf Versuche von Spring, Arch. des Seiences Phys. et Nat. p. 5. Genf 1910, hingewiesen, nach denen konzentrierte wässrige Lösungen von KNO,, KBr und KCl sich in bezug auf das Tyndall- phänomen als nicht optisch leer erwiesen, mit der Zeit aber transparenter wurden. Es ist sehr wohl möglich, dass diese Erscheinung, wie auch die neuerdings ultramikroskopisch beobachtete (indessen auch bestrittene) Wanderung der Salz- ionen im Stromkreise mit der Wasserhülle zusammenhängt. 110 J. Traube: ist die Intensität, mit welcher das umgebende Wasser festgehalten wird. Dabei kann der Übergang von gebundenem zu nicht gebundenem Wasser ein ganz allmählicher sein. Sind nun auch die Haftdrucke der Ionen als solche sehr verschieden, so sind die Haftdrucke der in obiger Weise hydratisierten Ionen!) gleich gross, und damit ist die Brücke der Haftdrucktheorie zur Theorie van’t Hoff’s geschlagen, denn es folgt aus diesen Anschauungen, dass in verdünnten Lösungen, bei allen Vorgängen, welche die Trennung des ungebundenen Wassers vom Gelösten (durch Gefrieren und Verdampfen) betreffen ?), der Intensitätsfaktor — 1 oder nahezu — 1 gesetzt werden kann und somit nur die Zahl der Teilchen zu berücksichtigen ist. Aber auch nur dann, wenn es sich um Trennung des Lösungsmittels vom Gelösten handelt. Haben wir es mit der Abtrennung des Gelösten ‚durch andere gelöste Stoffe zu tun (Löslichkeitsbeeinflussung, Löslich- keitsgesetze), oder um rein osmotische Vorgänge, so macht sich auch für verdünntere Lösungen der Intensitätsfaktor geltend. Die van’t Hoff’sche Theorie lässt hier völlig in Stich, und an die Stelle des osmotischen Drucks tritt als treibende Kraft der Osmose der Haftdruck®). Mag man auch gegen Einzelheiten meiner früheren Aus- 1) Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch die Hygroskopizität und Verwitterungsfähigkeit der Salze. Bei den Kaliumsalzen ist allenfalls das Rhodanat und weniger das Jodid hygroskopisch zu nennen; bei den Natriumsalzen ist noch das Nitrat und Bromid hygroskopisch, das Sulfat und Carbonat dagegen verwittert, beim Lithium ist auch das Chlorid hygroskopisch. Dieses ist auch der Fall beim Calcium und Magnesium im Gegensatz zum Barium, beim Zink im Gegensatz zum Cadmium, beim Aluminium, Eisen, Nickel, Kobalt, aber nicht bei Blei, Silber, Quecksilber. Für die Hygroskopie, also das Wasseranziehungsvermögen der festen Salze ist offenbar maassgebend die Differenz der Haftdrucke von Kation und Anion; je nachdem, ob diese Differenz positiv oder negativ ist, wird das Salz feucht oder verwittert; was für die festen Salze gilt, gilt im wesentlichen auch für die gelösten Salze. 2) Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 537. 1910. 3) Über meine Einwände gegen die Theorie von Arrhenius, welche mir nicht minder erheblich erscheinen als diejenigen gegen. van’t Hoff’s Theorie, vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 28. 1910. Ich möchte noch auf folgenden Einwand hinweisen. Nach Tamman (vgl. Zeitschr. f. physikal. Chemie: Bd. 10 S. 255. 1892, siehe auch Walden, Zeitschr. f. physikal. Chemie Bd. 10 S. 69. 1892 und Ruhland, Zeitschr. f. Botan. 1909 S. 748) diosmieren Chloride und Nitrate der Alkalien,. sowie Schwefelsäure durch Ferrocyankupfermembranen in Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 111 führungen Einwände erheben können, so glaube ich doch, es als einen Fortschritt ansehen zu dürfen, dass ich seit vielen Jahren mit Nach- druck auf die Unzulänglichkeit der von Wilh. Ostwald, Nernst u. a. geradezu zum Dogma erhobenen !) osmotischen und elektro- lytischen Dissoziationstheorie hingewiesen habe, und mag man auch über die Natur des Intensitätsfaktors verschiedener Meinung sein, so ist derselbe als solcher nicht wieder aus der Wissenschaft auszuschalten, so sehr es auch bedauerlich ist, dass Forscher, wie J. Loeb, Hamburger, Overton und Höber, obwohl sich durch ihre Arbeiten die Unzulänglichkeit der osmotischen Theorie wie ein roter Faden durchzieht, noch immer an dieser Theorie glauben festhalten zu müssen. Wenn beispielsweise J. Loeb°) bei seinen schönen Unter- suchungen über das Seeigelei findet, dass „isosmotische Lösungen für die Eizelle im allgemeinen nicht isotonisch“ sind, so ist dies doch nichts anderes als die Bankrotterklärung der osmotischen Theorie, wenn auch zunächst nur für die Eizelle, aber was für die Eizelle eilt, wurde auch für die verschiedensten anderen Zellen, rote Blutkörperchen, Muskeln usw. gefunden, und mit Recht sagt M. H. Fischer in seiner vortrefflichen Monographie „Das Ödem‘“ auf S. 161: „dass die meisten, wenn nicht sämtliche Zellarten den Gesetzen des osmotischen Drucks nicht folgen“, und S. 85 heisst es: „. .. doch bald zeigte sich mit fortschreitender Verbesserung der grossen Mengen, Kaliumsulfat aber nur äusserst wenig, Wäre Kaliumsulfat, in elektrostatisch geladene, aber sonst voneinander unabhängige Ionen K, und SO, dissoziiert, so wäre es ganz unverständlich, weshalb das dissoziierte Kalium- sulfat nicht die Membran passiert, denn die elektrostatische Ladung hindert ja die Ionen K und SO, nicht, in anderen Verbindungen wie KNO;, H;SO, hindurch- zugehen. Die Osmose ist also keine additive Eigenschaft. Die Haftdrucktheorie gibt eine einfache Antwort; man vergleiche die Haftdruckreihen: NO,, Cl, SO,, ferner H und K. 1) Leider erfolgte, nachdem ich diese Arbeit niedergeschrieben hatte, soeben die erschütternde Trauerkunde, dass der als Forscher wie als Mensch gleich bewundernswerte J. H. van’t Hoff der wissenschaftlichen Welt entrissen ist. Er hatte. wahrlich keine Schuld, dass der Kampf um die Lösungstheorie sich in so ungeeigneten Formen vollzog. van’t Hoff war ein viel zu objektiv denkender Forseher, als dass: er die Mängel seiner Theorie nicht selbst erkannt haben sollte und nicht da Konzessionen gemacht haben würde, wo andere am Dogma festhalten. . 2) Loeb, Biochem. Zeitschr. Bd. 11 S. 160. 1908. 112 J. Traube: Versuchsdaten, dass die van’t Hoff’schen Gesetze des osmotischen Drucks immer weniger und weniger streng sich den bei der lebenden Materie beobachteten Verhältnissen anschlossen !})“. Besonders interessant ist eine Bemerkung von Spiro?) im An- schluss an seine Untersuchungen über die die Desinfektionskraft des Phenols in verschiedenem Maasse steigernde Wirkung von Salz- zusätzen. Spiro bemerkt: „Es handelt sich bei diesen und den obigen von uns untersuchten Erscheinungen somit wohl um einen ganz eigenen Vorgang, einen Intensitätsvorgang, der mit den bei den Lösungserscheinungen sonst beobachteten Kapazitätserscheinungen nichts zu tun hat.“ Das ist sicherlich richtig, nur ist es schade, dass Spiro, offenbar in dem Glauben, dass die osmotische Theorie nicht angetastet werden dürfe, hier Halt gemacht hat?). 3, Über die elektrische Natur des Haftdrucks. In meinen bisherigen Arbeiten?) habe ich den Haftdruck nur mechanistisch gedeutet, obwohl bereits auf die innigen Beziehungen von Haftdruck und Wertiekeit sowie den Valenzsummen, also nach den neueren Auffassungen elektrischen Grössen hingewiessen ward. In der Tat ist die als Haftdruck bezeichnete Intensitäts- srösse vorwiegend oder, wie mir wahrscheinlicher ist, ausschliesslich auf elektrische Ursachen zurück- zuführen. Die Haftenergie der Ionen wächst meist mit der Valenz. Ein Blick auf die früher veröffentlichten Haft- druckreihen lehrt, dass die Haftdrucke der Anionen von 1:2:3:4- wertigen Ionen wachsen, und ebenso bei den Kationen zeigt sich vielfach eine Parallelität von Valenz und Haftdruck. Die stete Betonung von Faraday’s elektrolytischen Gesetzen hat uns indessen verführt, wenn wir an die wandernden Ionen 1) Vgl. auch S. 88 u. 172. 2) Spiro und Bruns, Arch. f.. experim. .Pathol. u. Pharmakol. Bd. 41 S. 359, siehe S. 372. 3) Hingewiesen sei auch nochmals auf die Ausführungen von Zangger über die Mängel der osmotischen Theorie; vgl. w. u. 4) Siehe auch Verhandl. d. deutsch. physikal. Gesellsch. Bd. 10 8. 880. 1908. 5) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 132 8. 513 ff. 1910. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 113 denken, die Valenz allzusehr in den Vordergrund zu stellen. Es handelt sich hier aber nicht nur um Schiffe mit gleicher oder ungleieher Ladung, sondern mehr um Schiffe, welche bei ver- schiedenen Potential mit verschiedener Geschwindigkeit die Lösung durchqueren. Das Potential der Lösung ist mehr zu be- tonen, wie auch de Heen!) mit Recht hervorgehoben hat. Unterscheidet sich ein SO,-Ion von einem Cl-Ion in erster Linie durch seine Ladung, so unterscheidet sich ein Cl-Ion von einen J-Ion oder CNS-Ion nicht weniger, insofern die Potentialdifferenz sehr verschieden ist. Diese Potentialdifferenz der Ionen gegenüber dem Wasser ist nichts anderes als die Zersetzungs- spannung, die Haftintensität Le Blanc’s, von welcher ich bereits in meiner letzten Abhandlung?) gezeigt habe, dass sie meinen Haftdruckreihen entspricht. Es ist auch physikalisch- chemisch hochbedeutsam, dass diese Reihe der Haft- intensitäten Le Blane’s sich nunmehr aus den ver- schiedensten physikalisch-chemischen und physiolo- gischen Eigenschaften und Vorgängen, insbesondere aber der Oberflächenspannung und dem Binnendruck berechnen lässt. Der Haftdruck kann somit elektro- positiv und elektronegativ sein, die Kraft, weiche ein Chlor-Ion auf das Wasser ausübt, ist eine andere wie diejenige, welche vom Kalium-Ion auf das Wasser ausgeübt wird. Dass es hierbei allerdings nötig sein wird, zwei verschiedene Elektrizitäten anzunehmen, möchte ich nieht glauben; der Antagonismus?) dürfte eher auf einem Mehr oder Weniger derselben Wasseranziehung be- ruhen. Hierdurch wird es verständlich, dass der physikalische Zustand basischer bzw. saurer Farbstofflösungen und anderer Milieus®) durch Anionen und Kationen in entgegengesetzter Weise beeinflusst wird; wirken die einen Ionen aggregierend und fällend,- so wirken die anderen Ionen desaggregierend und lösend, und die Wirkung eines Salzes auf ein kolloidales Milieu setzt sich alsdann 1) de Heen, Bull. de l’Institut de Physique de Liege, 5. Serie. 1909. 2) Traube, Pflüger’s Arch..Bd. 132 S. 515. 1910. 3) Vgl. die antagonistischen Wirkungen bei der Katalyse usw. Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 519. 1910. 4) Traube, Über die Wirkung von Giften und Arzneimitteln. Berliner klin. Wochenschr. 6. März 1911 u. Zeitschr. f. Immun., April oder Mai 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 8 114 x J. Traube: aus diesen beiden konträren Einflüssen zusammen. Nichtleiter wirken (in verdünnten Lösungen) gar nicht, weil die elektrischen - Ladungen fehlen oder sieh neutralisieren. Aber auch ein Nicht- leitermolekül hat einen Haftdruck gegenüber dem Wasser. Lässt derselbe sich auch nicht elektrisch nach Le Blanc bestimmen, so ist dieses leicht möglich mit Hilfe von Messungen der Oberflächen- spannungen. Ob wir für die Nichtleiter den Haftdruck auch elek- trisch deuten sollen oder nicht, wird für. unsere Gesamtauffassung vom Haftdruck ziemlich gleichgültig sein. Ganz besonders sei aber im Hinblick auf meine Auffassung von der Natur des Haftdrucks hingewiesen auf meine Arbeit in den Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 42 S. 1594. 1909: Über Kohäsionskräfte und elektrische Kräfte. Dort wurde gezeigt, dass eine völlige Parallelität besteht zwischen den Voltakräften der Metalle und den Oberflächenspannungen, zwischen Härte, Binnendruck und Reibungselektrizität usw. Denkt man ferner an die Erscheinungen im Lipmann'’schen Elektro- meter, ferner an die Ergebnisse meiner Haftdruckarbeiten !), wonach die meisten elektrochemischen Konstanten aus Ober- flächenspannungen abgeleitet werden können, so gelangen wir zu dem Schlusse, dass zwischen Öber- flächenkräften und elektrischen Kräften keine Wesens- verschiedenheit besteht, und dass zum mindesten die Kohäsionskräfte der Ionen ebenso auf elektrische Kräfte zurückzuführen sind, wie die Affinitätskräfte nach Davy, Berzelius, Faraday und Helmholtz. Zu der Auffassung von Bredig u. a., wonach die elektrostatischen Kräfte gelöster Ionen in Gegensatz gebracht werden zu bestimmten Ober- flächenkräften nicht elektrischer Art, kann ich mich nicht be- kennen ?). 1) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 515 u. 521. 1910. 2) Die Reihe der Haftintensitäten der Alkalisalze gegenüber dem Wasser fällt auch zusammen mit der Reihe der Binnendrucke der Salze, wie sich schon aus den Schmelz- und Siedepunkten der Salze folgern lässt. Je grösser Binnendruck und Oberflächenspannung ist, um so grösser ist auch die Zer- setzungsspannung und Haftintensität; eine Parallelität, welche die Elektrochemiker dereinst einmal mehr beachten werden als heute, wo die Elektrochemie leider noch ganz unter dem Einfiusse der osmotischen und elektrolytischen Dissoziations- theorie steht. Auch bei den Nichtleitern gehen vielfach Binnendruck und Haft- Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 115 3. Die Theorie des Haftdrucks und die Wirkung von Giften. Dieses Kapitel dürfte uns zeigen, wie gross die Überlegenheit der Theorie des Haftdrucks ist gegenüber den älteren Auffassungen der osmotischen und der elektrolytischen Dissoziationstheorie. Wir gehen aus von der Wirkung der Bakteriengifte und stützen uns dabei auf die bekannten Arbeiten von Paul und Krönig!) sowie die vorausgehenden Arbeiten von Scheuerlen?) sowie Spiro?°). Scheuerlen hat zuerst erkannt, dass ein Kochsalzzusatz die antiseptische Wirkung des Phenols verstärkt, dagegen nicht die- jenige des Brenzkatechins und Pyrogallols; dahingegen wirkt Ammo- niumsulfat auch bei Brenzkatechin verstärkend. Die von Scheuer- len gegebene Erklärung kann ich trotz der ablehnenden Kritik von Paul und Krönig*) im wesentlichen annehmen; in die Sprache der Haftdrucktheorie übersetzt, lautet dieselbe: Phenol ist ein Stoft von geringem Haftdruck; derselbe wird gelockert durch ein Salz mit grösserem Hafdineke wie Natriumchlorid, so dass nach Gibbs- Thomson'’s Prinzip das Phenol sich in grösserer Menge an der Oberfläche des Bakterienleibs ansammeln und in das Innere ein- dringen kann. Brenzkatechin hat einen grösseren Haftdruck als Phenol, hier wirkt Natriumchlorid nicht, sondern man muss, um dieselben verstärkenden Wirkungen zu erzielen wie bei Phenol, in der Haftdruckreihe der Alkalisalze aufsteigen zu einem Salz mit stärkerem Wasseranziehungsvermögen, wie etwa zum Ammonium- sulfat. : Spiro hat alsdann festgestellt, dass äquivalente Mengen ver- schiedener Natrium- und Kaliumsalze in verschiedenem Grade ver- druck parallel (Zucker, Harnstoff, Glycerin, Alkohol), wenngleich eine völlige Parallelität nur bei gleicher Löslichkeit zu erwarten wäre. Je mehr ein löslicher Stoff Wasser anzieht, um so mehr ziehen seine Moleküle im allgemeinen sich selbst an. Diese Reziprozität von Lösungsdruck und Aggregierungsvermögen (bei gleicher Löslichkeit) ist auch biologisch sehr beachtenswert. Vgl. meine Aus- fübrungen darüber Verhandl. d. deutsch. physikal. Gesellsch. Bd. 10 S. 893. 1908. 1) Paul und Krönisg, Zeitschr. f. physikal. Chemie Bd. 21 S. 414. 1896. — Paul, Birstein und Reuss, Biochem. Zeitschr. Bd. 29 S. 202. 1910. 2) Scheuerlen, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmak. Bd. 37 S. 80. 1896. 3) Spiro und Scheuerlen, Münchener mail Wochenschr. Bd. 1 8. 81, 1897. — Spiro und Bruns, |. c. 4) Vgl. 1. c., S. 446. 8 * 116 J. Traube: stärkend wirken, dass hier ein — Intensitätsvorgang!) vorliegt, dass. Harnstoff und Glycerin nur einen geringen Einfluss ausüben und Alkohol eine Verminderung der Desinfektionskraft herbeiführt. Wir erkennen hier deutlich die Haftdruckreihe der Nichtleiter?); wie Alkohol verhalten sich sicherlich auch andere Stoffe mit geringem Haftdrucke, welche in wässeriger Lösung leicht in den Bakterien- leib eindringen und vermutlich das Eindringen des Phenols ver- mindern. Paul und Krönig?) haben gleichfalls die Wirkung einer Reihe von Alkalisalzen auf die antiseptische Kraft von 4°/oigem Karbolwasser auf die Sporen von Bacillus anthraeis untersucht, und sie gelangen in bezug auf die Verstärkung der Antisepsis zw folgender Reihenfolge der Anionen: Cl >CIO,, Br>1> NO, > CH;CO,. Die Abweichungen von der Haftdruckreihe sind hier er- heblich, dahingegen ergibt sich für die Verminderung der desinfi- zierenden Kraft des Quecksilberchlorids durch Kaliumsalze die Reihenfolge Cl > Br >SCN >I>>CN, welche bis auf das Cyan. der Haftdruckreihe der Ionen entspricht. Obwohl die meisten Salze des Silbers in stark verdünnten. Lösungen fast völlig und in gleichem Grade dissoziiert sind, ist die abtödende Wirkung auf Bazillensporen doch ausserordentlich ver- schieden. . Die Abtötung erfolgte in der folgenden Reihenfolge) CIO, > NO,, C10; > CH;, COO >SO,. Das ist durchaus die Reihe der Haftdrucke, und ebenso gelangen Paul und Krönig (S. 436) bei den Kupfersalzen zu der Reihenfolge CIO, > NO,>C1>SO,. Hier erkennt man die Überlegenheit der neuen Theorie, welche den Intensi- tätsfaktor berücksichtigt, vor der Theorie von Arrhenius, welche nur auf die Zahl der Teilchen Rücksicht nimmt. Diese Überlegenheit kommt ebenso zur Geltung, wenn wir an Stelle der Silber- und Kupfersalze die Wirkung der Säuren auf Milzbrandsporen usw. in Betracht ziehen. Paul und Krönig bemerken (S. 438): „Obgleich die Mineral- 1) Siehe weiter oben. 2) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 520. .1910. 3) l. c. S. 446. 4) Paul und Krönig, 1. c. S. 431. Von den Ionen, deren Stellung in. der Haftdruckreihe noch nicht bekannt ist, wurde hier abgesehen. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. ly säuren HCl, HBr, HCI1O, HNO, ungefähr gleich stark dissoziiert sind, so ist ihre Desinfektionswirkung doch eine sehr verschiedene.“ Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten!) von 0,01 n. Lösungen der starken einbasischen Säuren gegenüber Staphylokokken bei 15° nahmen zu in der Reihenfolge: HCI < HCIO,; < HF < HBr < HNO, < HCIO, < HJ. Es ist dies im wesentlichen die Haftdruckreihe; nur die Chlor- säure und Flusssäure haben ihren Platz vertauscht, indessen gerade für das ClO,-Ion sind auch sonst mehrfache Verschiebungen be- obachtet, und in bezug auf die stark ätzende Flusssäure liest ein ‚Widerspruch zu der älteren Arbeit von Paul und Krönig?) vor, wonach diese Säure wie gleichfalls die Trichloressigsäure am heftigsten auf Bazillen einwirkte. Nach dieser Arbeit würden auf die Salzsäure in bezug auf die Desinfektionsgeschwindigkeit die mehrbasischen Säuren folgen in der Reihenfolge H,SiF, > (COOH), > H;SO, > H;PO, und alsdann folgen die Säuren der Fettreihe von H;C0O, > C,H,0;, < C,H,;0,, und die geringste desinfizierende Wirkung ent- faltet die Blausäure. Sehr bemerkenswert und für die älteren Theorien schwer er- klärlich ist die erhebliche Zunahme der Desinfektionsgeschwindigkeit von Essigsäure zu Buttersäure°). Da nach der Haftdrucktheorie *) die Buttersäure einen wesentlich geringeren Haftdruck besitzt als die Essigsäure, und daher weit ge- schwinder in den Bakterienleib eindrinst, so war dieses Versuchs- ergebnis zu erwarten. Ebenso führen die Versuche von Paul und Krönig?°) in Übereinstimmung mit der Haftdrucktheorie zu der Reihenfolge der Kationen: Li >Na>K > NH,, und von den Schwer- metallen sind besonders giftig®) Hg, Ag, Au, Cd, Pb, weit weniger giftig als Quecksilber ist Kupfer, dann folgen Zn, Cr, Co, Ni, die Kationen der alkalischen Erden und der Alkalien. Wir werden 1) Paul, Birstein und Reuss, ]. c. S. 258 ff. 2) Paul und Krönig, l.c. S.438. Übrigens ist es auch sehr. wohl mög- lich, dass in der Haftdruckreihe der Säuren die Stellung des Fl- und C1O,-Ions ‘eine andere ist wie in der Haftdruckreihe der Salze. 8) Paul, Birstein und Reuss, |. c. S. 242, 4) Siehe Brown’s Versuche. Traube, Biochem. Zeitschr. Bd. 24 8. 328. 1910. 5) 1. c., S. 440. 6) 1. c., S. 429, 435 u. 437. 118 J. Traube: weiter unten sehen, dass diese Giftreihe auch ganz den Ergebnissen der Haftdrucktheorie entspricht. Besonders bemerkenswert sind nun die Versuche von Paul und Krönig!) über die Wirkung von Alkohol und Ätherzusätzen zu HeCl, und AgNO;-Lösungen. Lösungen in absolutem Alkohol und Äther wirken nicht auf Milzbrandsporen, dahingegen wirkt ein Zusatz von 50° Alkohol zum Wasser bei der Silbernitratlösung ausserordentlich verstärkend auf die desinfizierende Kraft, dagegen bei dem Sublimat erheblich schwächend. Nach den schönen Ver- suchen von Brown?) über die Osmose durch die Gerstenhülle, die — wie mir Herr Privatdozent Sehröder aus Bonn mitteilte — von ihm voll bestätigt wurden, dringt nun absoluter Alkohol und Äther überhaupt nicht durch die Gerstenhülle; von Salzen in wässeriger Lösung dringt Quecksilberchlorid leieht ein, Silber- nitrat dagegen nicht. Setzt man aber zur Silbernitrat- lösung 50°o Alkohol, so dringt nach Schröder’s Ver- suchen (nach privater Mitteilung) auch das Silbersalzleicht in das Innere des Gerstenkorns, ein Versuch, der auch sonst in biologischer Beziehung von grosser Bedeutung ist?), denn der- selbe bestätigt die schon in meiner ersten Veröffentlichung über den Oberflächendruck *) von mir gemachte Annahme, dass die Osmose- eines Salzes durch Zusatz von Stoffen mit geringem Haftdruck sehr erleichtert werden könne. Wir sehen also, dass sich die Bazillen- hülle ganz ebenso wie die Gerstenhülle verhält, nur so wird die Übereinstimmung der Ergebnisse von Brown und Schröder einerseits und Paul und Krönig andererseits verständlich. Es wurde nun von mir in einer an anderer Stelle?) veröffent- lichten Arbeit über die Wirkung von Giften und Arzneimitteln die Wirkung der Gifte auf kolloidale Milieus, insbesondere auch die Körperflüssigkeiten untersucht. Dabei bediente ich mich der stalagmometrischen Methode zur Messung der Oberflächenspannung ID). c., 8.422, 426, u: 447. 2) I. c., siehe Schröder, Zentralbl. f. Bakter. Bd. 28 S. 492. 1910. 3) Hier wäre noch zu erwähnen, dass nach den Versuchen Schwenken- becher’s (siehe w. u.) Lithiumsalz bei Zusatz von Fetten usw. durch die Haut diosmiert. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 559. 5) Berliner klin. Wochenschr. 6. März 1911, siehe auch Theorie der Immunität, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 1911 und Kapillaranalyse. Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 44 S. 556. 1911. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 119 und der Flockungsmethode. Es ergab sich, dass, je mehr etwa ein Salz die Oberflächenspannung (den Haftdruck) beispielsweise einer Farbstofflösung erhöhte, bei um so geringerer Konzentration wirkte dasselbe auch flockend auf den Farbstoff, um so giftiger war dasselbe für die Kolloidlösung. Die Giftwirkung konnte zurück- geführt werden auf physikalische Zustandsänderungen der Kolloid- lösungen (ultramikroskopische, mikroskopische und okulare Flockungen bzw. auch Desaggregationen); je grösser diese Zustandsänderung war, um so giftiger waren im allgemeinen die Stoffe. Dabei ergab sich, dass der Giftigkeitsgrad für Blut auch fast immer zusammenfiel mit dem Giftigkeitsgrade für andere Kolloidlösungen,, wie beispielsweise von Farbstoffen, kolloidalen Metallen, Leeithin- und Seifenemulsion, Fermentlösungen usw. Die Reihenfolge der Stoffe in bezug auf die Zustandsänderung der Kolloide hängt nur sekundär von dem Kolloide selbst ab, vorausgesetzt, dass man auf dessen anionische oder kationische Natur Rücksicht nimmt. Daher sind Blutgifte auch allgemein Kolloid- gifte. Hiernach wird es auch verständlich, dass die auf diesem Wege festgestellte Kolloidgiftigkeit völlig der Bakterien- giftigkeit nach Paul und Krönig entspricht. So wurde beispielsweise wässrige Nachtblaulösung (basischer Farbstoff) durch Alkalisalze in der Reihenfolge J, CNS, C1O, > CIO,, NO; >Br>(C1>SO, — also der Haftdruckreihe — geflockt; zu derselben Reihenfolge führte auch die stalagmometrische Methode; von Schwermetallen waren, wie bei Paul und Krönig, besonders eiftig Hg, Ag, Cd, dann folgte Pb, Cu, Zn, Al, die alkalischen Erden und die Alkalien. HgCl, war weit giftiger als Hg(CN),, in Über- einstimmung mit Paul und Krönig. Die Reihenfolge der Säuren war in völliger Übereinstimmung mit der genannten Arbeit; intensiv flockend wirkte die Trichloressigsäure, für die Erhöhung der Oberflächenspannung ergab sich die Reihe J> NO, > Br >Cl > SO, > C;H,0, > C,H;0,. Es ist dies ganz die Reihenfolge der Bakteriengiftigkeiten. Die Dissoziationstheorie lässt hier im Stich, nicht aber die Haftdrucktheorie. 4. Die Verteilung und der Satz von Henry. - Das Problem der Verteilung eines gelösten Stoffes zwischen zwei Phasen ist natürlich auch in biologischer Beziehung von grösster Bedeutung. 120 J. Traube: Nach den herrschenden Anschauungen gilt für einen Stoff, welcher in den beiden einzelnen Phasen löslich ist, das Gesetz von Henry, d. h. es findet eine Verteilung statt, welche von der Konzentration unabhängig ist.!) Wird dieser Teilungskoeffizient nicht konstant ge- funden, so schliesst man auf Assoziationen oder Dissoziationen und berechnet deren Grad auf Grund des Massenwirkungsgesetzes. Indessen, so einfach diese, namentlich von Nernst ausgebildete Theorie auch erscheint, so wenig steht sie mit den Tatsachen in Einklang. Namentlich auf farbtheoretischem Gebiete ergaben sich erhebliche Widersprüche. Zahlreiche Versuche haben stattgefunden [Georgievics, Schmidt u. a.]?), um die Verteilung des Farb- stoffs zwischen Flotte und Faser auf Grund von Henry’s Satze festzustellen; dabei zeigte sich aber, dass im allgemeinen dieser Satz ungültig ist; mit zunehmender Verdünnung wurde die Verteilung auf Faser und Flotte immer grösser, und schliesslich wurde dieser Teilungskoeffizient = &, d. h. die Faser zog sämtlichen Farbstoff aus der Lösung heraus, und findet sich erst einmal der echte Farb- stoff auf der Faser, so gelingt es nicht durch Schütteln mit Wasser eine nochmalige Verteilung herbeizuführen, es sei denn, dass man dem Wasser Alkohol oder dergleichen zusetzt. Sehr interessante Untersuchungen in dieser Richtung hat nun Sisley°®) ausgeführt. Derselbe brachte dieselbe Menge Seide mit wachsenden Mengen eines Farbstoffs zusammen und beobachtete, dass bei geringem Prozentgehalte die Seide den ganzen Farbstoff auszog. Bei mehr als etwa 1 °/o verteilte sich der Farbstoff zwischen Wasser und Faser, und bei hohem Prozentgehalte zog die Faser eine in ‚ bezug auf die im Farbbade bleibende Menge sehr geringe Farbstoff- menge aus. Der Teilungskoeffizient zwischen Faser und Wasser nimmt hiernach von verdünnter zu konzentrierter Lösung ab, von a Sisley gelangte zu ganz analogen Ergebnissen für gewisse zweiphasige flüssige Systeme, beispielsweise für das System der Ver- teilung von Pikrinsäure zwischen Toluol und Wasser. Toluol löst als Einzelphase S'/gmal soviel Pikrinsäure als Wasser; ist aber die 1) Vgl. hierzu Sievert’s Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 16 S. 712. 1910. 2) Vgl. Zacharias, Die Theorie der Färbevorgänge S. 119, 124, 243 ff. Verlag f. Textilindustrie, Berlin 1908. 8) Siehe ebenda S. 232 und 233. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 12 Pikrinsäure in Wasser gelöst, so entzieht das Toluol dem Wasser um ‘so weniger Pikrinsäure, je verdünnter die Lösung ist und bei einer Verdünnung von 0,1°o wird dem Wasser überhaupt keine Pikrin- säure mehr entzogen. Ohne Kenntnis zu haben von diesen Arbeiten Sisley’s bin ich für das System der Verteilung von Alkohol, Essigsäure usw. in Benzol und Wasser zu gleichen Ergebnissen gelangt.!) Bereits aus einer 1 °/oigen wässrigen Lösung von Alkohol vermag Benzol keinen Alkohol auszuziehen, und umgekehrt kann man selbst aus einer konzentrierten Lösung von Alkohol in Benzol durch zwei- bis drei- maliges ‚Schütteln mit gleichen Wassermengen leicht allen Alkohol ‚extrahieren. Vom Standpunkte der Haftdrucktheorie aus sind diese Versuchs- ‚ergebnisse leicht verständlich. Die Verteilung hängt‘ ab von dem Verhältnisse der durch ‚Oberflächenspannungen usw. zu messenden Haftdrucke des betreffen- ‚den Stoffes in beiden Lösungsmitteln. Sind die Haftdrucke nicht allzusehr verschieden, so kann man Henry’s Gesetz als gültig annehmen. Aber ebensowenig wie der Diamant bei gewöhnlicher Temperatur irgendwelchen Dampfdruck 'hat?), oder der Cetylalkohol sich auch nur in den geringsten Spuren in Wasser löst®), findet eine Verteilung statt, wenn die Differenz der Haftdrucke des betreffenden Stoffes in den beiden Phasen einen gewissen Schwellen wert überschreitet. Lediglich weil der Haftdruck des Alkohols im Wasser wesentlich ‚grösser ist als im Benzol, ändert sich der Teilungskoeffizient mit wachsender Verdünnung zugunsten des Wassers, ohne dass die An- nahme von Dissoziationen und Assoziationen erforderlich wäre, und lediglich der grosse Haftdruck von Farbstoff zu Faser ist der ‘Grund, dass derselbe durch Wasser von den Fasern nicht entfernt ‘werden kann. Dass es sich hier nicht. etwa nur um eine kühne Hypothese handelt, folgt aus meiner Tabelle (Verhandlungen der -deutschen physikalischen Gesellschaft Bd. 10 S. 901). Daselbst wurde gezeigt, dass es, soweit eine Verteilung zwischen Benzol und Wasser in verdünnter Lösung stattfindet, nicht genügt, dass der betreffende 1) Traube, Verhandl. d. deutschen physik. Gesellsch. Bd. 10 S. 901 ff. 1908. 2) O0. Lehmann, Zeitschr. f. physik. Chemie. Bd. 71 S. 355. 1910. 3) Vgl. Motylewski, Zeitschr. f. anorg. Chemie Bd. 38 S. 416. 1904. 122 J. Traube: Stoff in den Einzelphasen Benzol und Wasser löslich ist, sondern: der mit Hilfe der Steighöhenmethode gemessene Haftdruck von Substanz zum Wasser muss erst unterhalb eines sewissen Schwellenwertes liegen, damit Benzol die Substanz aus der wässrigen Phase aufnehmen kann. Essigsäure, Chloressigsäure, Äthylalkohol, Acetaldoxim, welche für 0,25 mol. wässrige Lösungen zu kapillaren Steighöhen über 81 mm führten (für Wasser —= 91,5 mm), gingen beim Schütteln von. gleichen Mengen wässrige Lösung mit Benzol nicht in Spuren nach- weisbar ins Benzol über, während entsprechende Lösungen von. Aceton, Propionsäure, Propionitril, Methylacetat usw. mit Steighöhen. unter 81 mm sich zwischen beiden Phasen verteilten. In bestem Einklang mit meinen Ergebnissen stehen nun die: Versuche, welche Czapek!) über das Eindringen von wässrigen. Lösungen der verschiedensten Alkohole, Ketone, Äther, Ester in Pflanzenzellen ausgeführt hat. Czapek. kommt zu dem Ergebnisse,. dass die Exosmose von Zellinhaltsstoffen eben einzutreten beeinnt, sobald die OÖberflächenspannung der äusseren Lösung: unter einen Schwellenwert von 0,68 bis 0,69 der Ober- flächenspannung des Wassers erniedrigt wird. Die Versuche sind eine vortreffliche Bestätigung meiner Haftdrucktheorie. Dieselben besagen, dass die Osmose- durch die Plasmahaut eine Wirkung des Oberflächen- drucks bzw. des Haftdrucks ist. Nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ ist hierdurch meine Theorie bestätigt?). Wie bei den obigen Versuchen der Eintritt in das Benzoi nur unterhalb eines gewissen Schwellenwertes der Ober- flächenspannung der wässrigen Lösung stattfindet, so ist dies auch: bei den Versuchen Czapek’s der Fall, nur dass wir anstatt des- Benzols die Plasmahaut setzen, deren Durchbrechung die Exosmose: der Zellinhaltsstoffe zulässt. 1) Czapek, Ber. d. deutschen Botan. Gesellsch. Bd. 28 S. 480. 1910. 2) Für homologe Stoffe hatte ich allerdings bereits die quantitative Be- stätigung ervracht durch den Nachweis der Gültigkeit des Kapillargesetzes1:3:3?... für die verschiedensten osmotischen Vorgänge, vgl. meine Mitteilungen in Pflüger’s. Arch. Bd. 105, 123 u. 132. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 123. 5. Die Theorien von Overton und Hans Meyer sowie meine Haftdrucktheorie. In meinen früheren Mitteilungen in dieser Zeitschrift habe ich mich eingehend mit der osmotischen Theorie Overtons und den narkotischen Theorien desselben Autors sowie Hans Meyer’s be- schäftigt und die Gründe besprochen, welche mich veranlassten, die erstere Theorie völlig und die letztere Theorie teilweise abzulehnen. Mittlererweile hat auch M. Th. Fischer in seiner vortreff- lichen Studie über das Ödem!) die Unzulänglichkeit von Overton’s Theorie beleuchtet, und vor allem der Botaniker Ruhland?) hat in bezug auf die Beziehungen von Farbstoffosmose und Lipoidlöslichkeit eine grössere Anzahl so charakteristischer Ausnahmen festgestellt, dass es mir ganz unverständlich ist, wie Höber?°) noch in so warmen Worten für die Theorie Overton’s (vel. Zeitschrift für Elektrochemie 1911) eine Lanze brechen kann, nachdem Ruhland seine Ausführungen so treftend widerlegt hat. Da auch andere Autoren, wie Czapek (l. e.), Fühner, E. Pribram®), O0. Warburg?) u. a. noch immer für Overton’s Theorie eintreten, so möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass diese Theorie ja, ganz ab- gesehen davon, dass sie mit dem Experiment vielfach in Wider- spruch steht und die Osmose der Salze und des Zuckers in die Zellen nicht zu erklären vermag — schon deshalb entbehrt werden kann, weil meine Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks) in viel umfassenderer Weise allen Erscheinungen der Osmose gerecht wird ®). 1) Bei Steinkopf in Dresden, vgl. S. 87, 89, 91 ff. 2) Ruhland, Jahresber. f. wissensch. Botanik Bd. 46. 1908, und Biochem. Zeitschr. Bd. 22 S. 409. 1909. 3) Höber, Biochem. Zeitschr. Bd. 20 S. 56. 1909, und Zeitschr. f. Elektro- chemie Bd. 17 S. 145. 1911. 4) Pfibram, Pflüger’s Arch. Bd. 157 8. 350. 1911. 5) Warburg, Münchener med. Wochenschr. 1911 Nr. 6. 6) Auch die Versuche Schwenkenbecher’s (vgl. Koranyi, Handb. d. physik. Chemie u. Medizin Bd. 1 S. 344 und Bd. 2 S. 260) stehen zum Teil in Widerspruch mit Overton’s Theorie. Das lipoidlösliche Strychnin geht nicht durch die Haut, wohl aber ein Salz wie Jodkalium. Nicht das Verhältnis zweier Löslichkeiten kommt in Betracht, wie Overton meint, sondern das Verhältnis zweier Lösungsdrucke. — Eine Widerlegung seiner eigenen Theorie liefert OÖverton selbst in seiner neuen Arbeit (Biochem. Zeitschr. März 1911) über die Osmose des Cobragiftes. Die treffliche osmotische Fähigkeit dieses Giftes kann’ man unmöglich auf seine Lopoidlöslichkeit zurückführen. 124 J. Traube: Ausgehend von den plasmolytischen Untersuchungen Overton’s fand ich, dass je mehr ein Stoff die Oberflächenspannung des Wassers vermindert — je geringer sein Haftdruck ist, um so schneller diosmiert seine Lösung in die Pflanzenzellen. Diese Parallelität von Oberflächenspannungen und osmotischer Geschwindigkeit fand sich dann allgemein bestätigt!) bei den verschiedensten osmotischen Vorgängen, wie der Osmose in die Muskeln (Loeb), die Gersten- und Weizenhülle (Brown, Schröder), die Nerven (Grützner), die roten Blutkörperchen (Hedin, Traube), durch den Darm (Katzenellenbogen), in das Seeigelei (Loeb), in die Haut (Schwenkenbecher). Es ergab sich eine bestimmte Haftdruck- reihe für die organischen Substanzen. Je mehr ein derartiger Stoff die Oberflächenspannung vermindert, um so grösser ist seine Fähieckeit, selbst in die Zelle einzutreten sowie auch den Wasser- eintritt in die Zelle zu veranlassen, ganz gleichgültig, obder Stoff lipoidlöslich ist oder nicht, denn auch lipoidunlös- liche Stoffe, wie Zuckerarten, Harnstoff, Glycerin, Glykokoll usw. ordnen sich in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Ganz ebenso ordneten sich nun Salze, Säuren und Basen in in einer ganz bestimmten Haftdruckreihe: J, CNS; NO,, Br; Cl; SO, usw., ferner Li, Na, K usw., welche für die Osmose bei den verschiedensten Vorgängen ?) maassgebend ist, so bei der Plasmolyse (de Vries), Osmose in die Gerstenhülle (Brown), in den Muskel (Loeb), Hämolyse (Höber), durch toten Rinderdarm (Höber)?°). 1) Vgl. meine Abhandlung in Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 517 u. 520 ff. 2) Siehe 1. c. 3) Überall bei physiologischen und pathologischen Vorgängen begegnet man der Haftdruckreihe. Es seien noch die folgenden Vorgänge erwähnt: In seiner Monographie über das Ödem stellt Fischer auf S. 130 fest, dass die Kornealtrübung im Auge durch Säuren begünstigt wird in der folgenden Reihenfolge: HNO, > (C3;H,;0, > HCl > H3SO, > (,;H,0;, ferner durch Alkali- anionen in der Reihenfolge: CNS > NO, > Br > C1> SO, > (3H,0,; > 2 C;H30; (Citronensäure). Die Kationen begünstigen die Trübung in der Reihenfolge: Fe>Cu>Ca>Sr>Ba>Mg>NH,>Na>Li. Die letzten drei Ionen wirken auf die Trübung hemmend. Wir haben hier fast ganz die Reihe der Haftdrucke. Für die Säuren fand ich dieselbe Reihe in bezug auf die physikalische Zustands- änderung von Farbstofflösungen. Mit Recht bemerkt Fischer: „Die Wirkung irgendeines Salzes scheint sich aus der algebraischen Summe der es bildenden Ionen zusammenzusetzten.“ Für die Diurese ergibt sich (vgl. Sollmann nach Koranyi: Handb. d. physik. Chemie u. Medizin Bd. 2 5. 161), dass die Menge der Chloride im | | Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 125 Diese zunächst mit Hilfe der ÖOberflächenspannung bestimmten Haftdrucke der Ionen und Nichtleiter wurden nun bei der Betrachtung der verschiedensten physikalischen Eigenschaften wieder gefunden, überall ergab sich, mit meist geringen Verschiebungen, dieselbe Haftdruckreihe; der Haftdruck war die treibende Kraft der Osmose, der:.in van’t Hoff’s Theorie nicht beachtete Intensitätsfaktor der Lösungsenergie. Es gelang mir sodann bei homologen Verbindungen sogar quantitativ die Beziehung von osmotischer Geschwindigkeit und Oberflächenspannung nachzuweisen '), indem mein Kapillargesetz, wonach (in verdünnten Lösungen) die Konzentrationen (Mol- zahlen) homologer Stoffe für isokapillare Lösungen im Ver- hältnis 1:3:32:33 stehen, sich gültig erwies für die Hämolyse (Fühner und Neubauer), die Plasmolyse (van der Velde), die Narkose von Kaulquappen (OÖverton), Entwieklungshemmung von Seeigeleiern (Fühner), für tödliche Injektionsdosen an Kaninchen (nach Joffroy und Serveaux) und für den Helio- tropismus von Crustaceen (Loeb). | Ich war anfänglich der Meinung, dass, wenn meine Theorie Harn durch NO,, J, CNS-Ionen vermehrt, durch Acetat, Phosphat und Sulfat ver- mindert wird. Ludw. F. Meyer findet (Verh. deutsch. Naturf. in Salzburg 1909) in bezug auf die Körperwärme, dass NaÜl, NaBr und NaJ eine weit höhere Temperatur- steigerung hervorruft, als Natriumbicarbonat, -sulfat und -citrat (vgl. auch Schloss, Biochem. Zeitschr.) Bd. 8 S. 14. 1909. In bezug auf die Anregung der Entwicklung des Seeigeleies findet Loeb für Nichtleiter die Reihenfolge: Rohrzucker > Traubenzucker > Glycerin> Harnstoff, sowie CaCl; > MgCl;, >LiCl> NaCl>KCl. Vgl. Biochem. Zeitschr. Bü. 11 S. 160. 190%. Die Versuche Schwenkenbecher’s (l. c.) betreffend die Osmose durch die Haut von Tauben und Mäusen bilden eine glänzende Bestätigung der Haft- drucktheorie, aber keineswegs der Theorie von Overton. .K und J diosmieren, aber Li nur in Gegenwart von Lanolin usw. Auch Grützner’s Arbeiten über die Schmerzempfindung (Pflüger’s Arch. Bd. 53 S. 91. 1893, und Bd. 55 S. 78. 1894) führen in bezug auf die Geschwindigkeit der Fortpflanzung des Schmerzgefühls in den Nerven zu den Reihen: i HCl > H,S0, > H;PO,, CH,;COOH > CC1,HCOOH > CCIH;COOH, C;H50, > (4H,0%6, CHs0; > C;H,0,. Amylalkohol > Butylalkohol > Propyl- alkohol > Äthylalkohol > Glycerin. Vgl. auch Höber, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 10 S. 134. 1909. 1) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 430. 1908. Bd. 132 S. 524. 1910. 126 J. Traube: richtig war, auch ganz allgemein bei nicht homologen Stoffen iso- kapillare Lösungen auch isosmotisch sein müssten. In- dessen diese Annahme hat zur Voraussetzung, dass der Haftdruck in bezug auf die zweite Phase, welche für die Osmose in Betracht kommt, auch gleich gross ist, dass also, wenn es sich etwa um die ‘Osmose in lipoidhaltige roten Blutkörperchen handelt, isokapillare Lösungen für Wasser auch isokapillar in bezug auf die Lipoide sind. Das ist nun offenbar nicht der Fall!), und so haben meine diesbezüglichen Versuche über die Wirkung lipoidlöslicher Stoffe an roten Blutkörperchen?) auch nicht zu dem anfangs erwarteten Er- gebnisse geführt. Ist dagegen die zweite Phase wässerig oder proto- plasmatisch, wie bei den bereitserwähnten Versuchen von Czapek, so kann man erwarten, dass isokapillare Lösungen allgemein isosmotisch sind, und so be- trachte ich die Ergebnisse von Czapek’s Arbeit als eine allgemeine quantitative Bestätigung meiner Theorie. Meine Theorie umfasst die Osmose von nicht. lipoidlöslichen Salzen wie lipoidlöslicher Stoffe; sie gilt unabhängig davon, ob Li- poide vorhanden sind wie in den Muskelzellen, oder ob dieselben keinen Einfluss ausüben können wie in der Gerstenhülle?) usw. Dass bei vielen organischen Stoffen (aber keineswegs immer) Ober- flächenspannungsverminderung und Lipoidlöslichkeit parallel geht, ist theoretisch leicht verständlich und aber doch kein Grund, um eine umfassende Theorie, welche mit dem Experiment im Einklang steht, zu vertauschen mit einer Theorie, welche allenfalls nur einen Teil der Erscheinungen verständlich macht, und auch das nur, wenn man, wie Höber in bezug auf die Schwierigkeiten, welche sich für die Theorie Overton’s ergeben, ein Auge zudrückt, und im übrigen die andere Theorie mit keinem Worte erwähnt. 1) Vgl. meine Ausführungen Pflüger’s Arch. Bd. 123 S.428. 1908, 2) Traube, Biochem, Zeitschr. Bd. 10 8.375. 1908. 2) Obwohl in der Gerstenhülle Lipoide kaum bei den osmotischen Vor- gängen mitsprechen können, finden wir hier nach Brown’s und Schröder’s Versuchen (siehe meine Abhandl. Biochem. Zeitschr. Bd. 24 S. 323. 1910) in bezug auf die osmotische Geschwindigkeit dieselbe Reihenfolge der Stoffe wie für -die Muskelzelle. i Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 127 - Was nun die narkotische Theorie von Overton und Hans Meyer betrifft, so bin ich ganz mit jenen Autoren. einverstanden, -dass die Narkotika gut lipoidlösliche Stoffe sind und daher erst ihre Wirkung entfalten, nachdem sie in den Lipoiden der Ganglienzellen ‘usw. gelöst sind. Aber damit ist die Narkose noch nicht erklärt, damit ist auch nicht erklärt, woher es kommt, dass nach den Ver- ‚suchen Overton’s an Kaulquappen die Mengen (Molzahlen) homo- loger Alkohole, Ester usw., welche die vollkommene Narkose her- beiführen, im Verhältnis 1:3:3?... stehen, dass also mein Kapillargesetz gilt. Für den Teilungskoeffizienten gilt dieses -Gesetz nicht. Isokapillare Lösungen sind es, welche bei homologen Stoffen ‚die Narkose auslösen, und bei nicht homologen Stoffen geht die narkotische Wirkung, wie ich zuerst nachgewiesen habe, der Öber- -flächenspannung der wässerigen Lösung des betreffenden Narkotikums parallel !), sofern nieht besondere Giftwirkungen störend wirken. Eine vortreffliche Bestätigung der von mir gefundenen Beziehungen ‚zwischen narkotischer Wirkung und Oberflächenspannung erbrachten E. Pribram und Goldschmidt?), indem sie zeigten, dass in ‚der Gruppe Tropin, Ekgonin, Benzoylekgonin, Kokain, Enkain, Novo- kain®) beide Eigenschaften völlig parallel gehen. Nach meiner Auffassung®*) wird daher die Narkose ausgelöst durch gewisse Schwellenwerte des Druckes (OÖberflächen- spannungsdifferenzen), ebenso wie die parthenogene- 1) Vgl. die Tabelle Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 557. 2)E. Pfibram und Goldschmidt, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. "Therapie Bd. 6 S. 211. 1909. 3) Vgl. auch E, Pfibram, Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 350. 1911. Pribram stützt sich in dieser Abhandlung ganz auf Overton und Meyer und erwähnt weder mich noch meine Theorie, obwohl eigentlich die wesentlichsten Resultate, wie die Beziehung der Oberflächenspannung in der Kokainreihe zur physiologischen Wirkung und die Wirkung der Salze NaHCO, und NaCl in bezug auf die Verstärkung der physiologischen Wirkung der Kokainderivarte ‚und in bezug auf die Erniedrigung der Öberflächenspannung, sich aus meinen ‘Versuchen (vgl. w. u. die Wirkung der Salze auf die Oberflächenspannung von ‘Gallenlösungen. Berichte d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 42 S. 2187. 1909) und :meiner Theorie ergeben. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 427 u. 428, 128 J. Traube: tische Entwicklung des Eies, die Hämolyse der Blut- körperchen, die Plasmolyse, die Zerstörung der Plasmahaut: nach Czapek!). Wie Czapek’s Versuche zeigen und mein so vielfach erwiesenes Kapillargesetz, sind diese meine Annahmen nicht. so hypothetisch, dass nicht auch meine Theorie den Anspruch er- heben dürfte, neben der Theorie von Overton und Hans Meyer: nicht geflissentlich ignoriert zu werden. Die Osmose in die Membran und durch die Membran. Das Membranproblem ist von H. Zangger?) in einer so: gründlichen Weise behandelt worden, dass ich nur immer wieder‘ auf diese vortrefflichen Arbeiten verweisen kann. Zangger weist in erster Linie auf die grosse, ständige Ver- - änderlichkeit der Membranen hin; Quellungen ®) wechseln ab mit Ent- quellungen ; daneben erfolgen Strukturänderungen, Einlagerungen usw. Die Umwardlungen können reversibel oder irreversibel sein, in 1) ©. Warburg (Münchener med. Wochenschr. Nr. 6. 1911) hat durch Versuche an Vogelerythrocyten festgestellt, dass ein Zusatz der verschiedensten. lipoidlöslichen Stoffe zum Aussenmedium hemmend auf die Oxydationsvorgänge wirkt. Er findet eine völlige Parallelität der Konzentrationen, welche die gleiche hemmende Wirkung ausüben, mit denjenigen, welche nach Overton die Narkose bewirken. Diese Parallelität besteht aber offenbar in derselben Weise zu den Ober- flächenspannungen der betreffenden Lösungen; ja es gilt sogar allem Anschein nach das Kapillargesetz 1:38:82 (vgl. weiter oben). So stehen nach Warburg für die Urethanlösungen (Methyl-, Äthyl-, Propyl- und Butyluretkau) die molaren Konzentrationen im Verhältnisse 1:4, 1:2,5, 1:3, für Methyl-: Äthylalkohol ist- das Verhältnis 1:3,1, für Amyl- : Buthylalkohol 1:3,3, für Buthyl : Äthylalkobol 1:3,1><3,1, und nur der Wert für Propylalkohol fällt aus der Reihe heraus. Wie für die Narkose, die Entwicklung von Seeigeleiern usw. bei gleichen Ober- flächendrucken die gleichen Wirkungen bestehen, so zeigt sich, dass auch hier die so wichtigen Oxydationsvorgänge von der Oberflächenspannung der Grenz- fläche abhängen. Die Schwellenwerte entsprechen isokapillaren Lösungen.. Warburg’s Schlüsse zugunsten der Theorie von Overton-Meyer erscheinen mir verfehlt; die Beziehung der narkotischen Werte zu den oxydationshemmenden Werten ist eine indirekte. Ihr Brennpunkt ist die Isokapillarität. 2) Zangger, Vierteljahrzeitschr. d. naturf. Gesellsch. in Zürich Jahrg. 52 S. 500. 1907, siche auch ebenda die Immunitätsreaktionen Jahrg. 53 S. 408. 1908; ferner Zeitschr. f. Immun. Bd. 1 S. 193. 1909. 3) Siehe über den Einfluss der Quellung die sehr bemerkenswerten Mono- graphien: Das Ödem von Fischer, Steinkopf-Dresden, sowie E. Prfibram, Kolloid-chem. Beihefte. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 129 letzterem Falle haben wir es mit pathologischen Vorgängen zu tun. „Die Verhältnisse liegen, ‚wie Zangger mit Recht bemerkt, kom- plexer als die physikalischen Chemiker sich denken,“ und die osmo- tische Theorie versagt hier. Die Durchlässigkeit einer Membran für einen Stoff wird durch die Gegenwart anderer Stoffe oft sehr erheblich vermindert und der elektrochemische Gegensatz spielt eine bedeutende Rolle. So wirkt ein Membrankolloid auf ein entgegen- gesetzt geladenes Kolloid der flüssigen Phase meist namentlich innerhalb gewisser Konzentrationen adsorbierend und verfestigend, während gleichartig geladene Kolloide eher die Membran passieren können, Ey Zangger weist hin auf Gibbs Prinzip, er berücksichtigt die Wirkung der Oberflächenkräfte und macht (siehe 1. e. S. 525) auf die Bedeutung von Hofmeister’s Ionenreihe (CH;COO, SO,, Cl, Br, I, SCN) aufmerksam.. „Die Beeinflussungen der Membranen durch Elektrolyte gehen parallel den Gesetzen der Beeinflussbarkeit der Kolloide“. 1. Allen diesen Ausführungen Zangger’s, welche in ihren Einzel- heiten im Original zu lesen ich jedem empfehlen möchte, kann ich mieh nur anschliessen. Nur einen Schritt glaube ich vorwärts machen zu können. Derselbe bezieht sich auf die Erkenntnis, dass der Haftdruck, als Intensitätsfaktor der Lösungsenergie die treibende Kraft der Osmose ist. Wenn nun auch die Haftdrucke nichts an- deres sind als die auch von Zangger berücksichtigte Anziehung von Membran zur Substanz, sowie der flüssigen Phase zur Substanz, so erscheint doch durch meine Ausführungen Hofmeister’s Ionenreihe, die von mir auch auf Nichtleiter ausgedehnt wurde, in einem ganz anderen Lichte. Diese mit Hilfe von Oberflächen- spannung usw. messbare Reihe ist maassgebend für die treibenden Kräfte der Osmose, sofern man der elektrochemischen Natur des Haftdruckes Rechnung trägt. Hat man zu beiden Seiten der Membran isotonische Lösungen etwa von Kaliumnitrat und Kalium- chlorid, so ist trotz gleicher Teilchenzahl ein Gefälle vorhanden, welches das Salz mit geringem Haftdruck und eine entsprechende Wassermenge durch die Membran zu treiben sucht. Diese Potential- grösse wird um so grösser sein, je weiter die Salze in der Haft- druckreihe voneinander entfernt sind, und noch grösser, wenn etwa Lösungen von Nichtleitern von grosser Verschiedenheit des Haft- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 9 130 | J. Traube: drucks, wie etwa Rohrzucker und Alkohol, voneinander getrennt sind. Die Teilchenzahl ist hier gleichgültig, und der deus ex machina der osmotischen Theorie, die mangelnde Semipermeabilität hat meist ihren Grund nicht in der Membran, sondern im Haftdruck der diosmierenden Substanzen. Trotzdem werden keineswegs immer Stoffe um so leichter diosmieren, je geringer ihr Haftdruck ist. Amylalkohol wird weit leichter adsorbiert als Äthylalkohol, und so ist es nieht wunderbar, dass vielfach für die Osmose, Narkose usw. beim propylierten oder butyrierten Gliede ein Maximum der Wir- kung eintritt. Die Gegenwart kleinster Mengen dritter Stoffe kann die Richtung der Osmose umkehren, und die Osmose eines anderen Stoffes erheblich beeinflussen, durch Änderung des Quellungszustandes der Membran, der Aggregierung der Membransubstanzen, der Ober- flächenspannung der Lösung usw. Die Verhältnisse können über- aus mannigefaltig sein, indessen dadurch, dass man die Bedeutung der Haftdruckreihe der Ionen und Nichtleiter für die Osmose er- kannt hat, ist doch ein ordnendes Prinzip gefunden, und die Hoff- nung ist nähergerückt, dass auch dieses so wichtige Problem der Biologie allmählich gemeistert wird, wenn auch nicht in so ein- facher Weise wie die zahlreichen Anhänger der osmotischen Theorie noch immer glauben. Es wäre endlich Zeit, dass die Physiologie und Pathologie sich von dem Irrtume befreite, dass Gefrierpunkts- bestimmungen und Bestimmungen des elektrischen Leitvermögens ausreichen, um die osmotischen Vorgänge der lebenden Zelle auf- zuklären. Diese Erkenntnis wäre der Anfang zu einer neuen Ent- wicklung. !) 7. Die Verschiebungen in der Haftdruckreihe. Wenn man die aus den verschiedenen osmotischen, Fällungs- und sonstigen Vorgängen (Löslichkeitsbeeinflussung usw.) abgeleiteten 1) Es sei hier auch noch auf meine älteren Arbeiten verwiesen,. wonach das osmotische Gefälle nicht etwa nur von den Oberflächenspannungsdifferenzen der Lösungen abhängt, sondern der Aufbau der Membranen selbst wird meist für das Gefälle sorgen. Wasser zu beiden Seiten einer Membran, welche an der einen Seite lipoidreich ist, wird von der Lipoidseite an die andere Seite dios- mieren, wegen der Oberflächenspännungsdifterenzen, so beispielsweise beim Darm, der Haut usw. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 131 Haftdruckreihen der Ionen und Nichtleiter!) miteinander vergleicht, so zeigt sich, dass selbst bei verwandten Vorgängen Verschiebungen beobachtet worden sind, die kaum den Fehlern der Experimente zur Last gelegt werden können, und deren Aufklärung von Bedeutung sein würde. Ich bin auf diesen Punkt schon gelegentlich?) flüchtig ein- . gegangen, indessen der Umstand, welcher zwar nicht ausschliesslich, aber in erster Linie hier mitspricht, wurde erst erkannt, als ich mich mit den Wirkungen der Gifte auf verschiedene kolloidale Milieus (Farbstoffe, Leeithin-Seifenemulsion, kolloidale Metalle usw.) beschäftigte. Es ergab sich hierbei, dass die floekende und sonstige physikalische Wirkung der Gifte usw. im wesentlichen durch dieselbe Reihenfolge gegeben war, dass aber doch zweifellos beim Vergleich der Milieus die Reihenfolge der Stoffe gewisse Änderungen erfuhr, welche auf eine, wenn auch sekundäre Wirkung des Milieus schliessen liessen. Man kann sich daher nicht wundern, wenn etwa die Flockungsreihe der Ionen bei Eiweiss, Lecithin, Farbstoffen usw. nicht genau dieselbe ist; denn es kommen zwei Faktoren in Betracht: der flockende Stoff und das geflockte Kolloid; wenn trotzdem die Reihenfolge der flockenden Stoffe einigermaassen dieselbe ist, so folgt daraus, dass eben der eine Faktor in bezug auf die Relativität der Wirkungen die Hauptrolle spielt. Auch sei darauf hingewiesen, dass die Haftdruckreihe der Anionen anscheinend Verschiebungen erleidet, je nach den Kationen, mit welchen die Anionen verbunden sind, so beispielsweise von den Alkali- ionen zu den Ionen der alkalischen Erden, sowie auch vor allem zu den Wasserstoffionen. Das scheint auch der Fall zu sein für ver- dünnte Lösungen —, zum Teil im Widerspruch mit der Theorie von Arrhenius. 8. Muskelströme und Muskelkraft. So vielfach auch das Gebiet der Muskel- und Nervenströme seit den Taeen Galvani’s bearbeitet worden ist, so bedauerlich ist es, dass wir in bezug auf die Ursache dieser Ströme noch immer im Dunklen tappen. | 1) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 513 u. 520. 1910, 2) Siehe Il. c. 9 * 1323 J. Traube: So schreibt Hermann!): „Die Hoffnung, einen Einblick in die physikalische Natur der angeführten Potentialdifferenzen auf Grund der neueren Elektrochemie zu gewinnen, hat sich bisher nicht er- füllt;“ und Höber?) kann an der Membrantheorie nur festhalten,, wenn er „das Zustandekommen des Ruhestroms auf die bevorzugte Durchlässiekeit für noch unbekannte Kationen bezieht“. Man sieht, dass man mit der Annahme von Konzentrationsketten so gut wie nichts erreicht hat. Unter diesen Umständen ist es gewiss erlaubt, die folgende Hypothese zu erörtern: Man kann eine Volta’sche Säule aufbauen aus einem einzigen Metall®), beipielsweise Stanniol, wenn man für Oberflächenspannungs- differenzen in der Weise sorgt, dass man kleine Kegel formt und Sorge trägt, dass abwechselnd die Basis und die Spitze eines solchen Metallkegels sich berühren *). Es besteht also bei dieser einfachen Säule eine einfache, offenbar kausale Beziehung zwischen Oberflächen- spaunung und Potentialdifferenz. Ich habe nun nachgewiesen’), dass diese Beziehung ganz allgemein besteht, auch bei allen den bekannten Volta-Säulen aus zwei Metallen. Wir haben eine volle Paral- lelität zwischen den elektrischen Kontaktkräften und Kohäsionskräften (Oberflächenspannungen usw.) und sind daher berechtigt, entweder die elektrischen Kontaktkräfte auf Binnendrucks- differenzen oder, was mir wahrscheinlicher ist (vel. weiter oben), die Kohäsionskräfte (wie die Affinitätskräfte) auf elektrische Kräfte zurückzuführen. Wo eine Oberflächenspannungs- bzw. Binnen- drucksdifferenz besteht, da besteht auch eine elek- trische Potentialdifferenz. Er Hiernach werden wir aber auch überall elektrische Potential- differenzen feststellen können, wo etwas tierische oder pflanzliche Membranen usw., die nach beiden Seiten inhomogen gebaut sind, strukturell regelmässig miteinander verknüpft sind, und die Potential- 1) Vel. Hermann, Physiologie S. 167. 1905. 2) Höber, Physik. Chemie usw., Zellen und Gewebe, 2. Aufl., S. 317. 1906.. 3) Siehe Wiedemann, Handb. der Elektrizität Bd. 1 S. 242 u. 243. 189. 4) Auch eine Kombination von hartem und weichem Metall, beispielsweise Kupfer, ergibt bekanntlich eine Potentialdifferenz. 5) Traube, Kohäsionskräfte und elektrische Kräfte. Ber. d. deutschen: chem. Gesellsch. Bd. 42 S. 1594. 1909. Die Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). V. 133 ‚differenz des einseitig verletzten Froschschenkels wäre, ohne dass hier ‘ein Ionenaustausch die Hauptrolle spielt, ebenso verständlich, wie es verständlich wird, dass „die Eigenschaft, auf partielle Tötung ‚elektromotorisch zu reagieren, allen protoplasmatischen Gebilden im 'Tier- und Pflanzenreich zukommt“ ?). Diese einfache Hypothese ist ‚der experimentellen Prüfung zugänglich; leider bin ich zurzeit zu ‚sehr nach anderer Richtung beschäftigt, um an der Prüfung mich selbst zu beteiligen. Was nun die Quelle unserer Muskelkraft betrifft, so stehe ich ganz auf dem Boden der Bernstein’schen Theorie, dass nur ‚Oberflächenspannungsdifferenzen hier als Kraftquelle in Frage kommen können. Wenn beispielsweise bei der Tätigkeit des Muskels freie Milchsäure sowie sonstige Fettsäuren usw. entstehen, so sei darauf hingewiesen, wie ausserordentlich verschieden die Oberflächenspannung ‚einer derartigen Säurelösung von der ihrer Salze ist. Verdünnte Lösungen fettsaurer Salze haben fast die Oberflächenspannung des Wassers, während die geringsten Mengen der freien Säuren eine oft ‚ausserordentliche Erniedrigung der Oberflächenspannung herbeiführen. Es ist anzunehmen, dass Messungen der Oberflächenspannung von Muskelsäften von Hunden, welche im Ruhezustande und nach körper- licher Anstrengung getötet wurden, zu erheblichen Differenzen in dem Werte jener Konstante führen. Nun kann man, wie dieses beispielsweise E. Pribram?) getan hat, bei den Muskelvorgängen die Oberflächenspannungsdifferenzen beiseite lassen, und die Quellungsverschiebungen in der anisotropen und isotropen Muskelschicht als Ursache der Muskeltätiekeit in den Vordergrund stellen, indessen der Quellungsdruck geht ja nur aus ‚der Energie der Oberflächenspannungen hervor®), und ich möchte ‚auch darauf hinweisen, dass die Quellungserscheinungen zwar ein Hauptfaktor sind, welchen die chemischen Vorgänge im Muskel im Gefolge haben, aber dass doch auch nach Umwandlungen anderer Art, wie Aggregationen bzw. Desaggregationen der Muskelkolloide an den Kontraktionsvorgängen beteiligt sein dürften. Es sei dieser- 1) Siehe Hermann, 1. c. S. 167. — Vgl. auch in Koranyi, Handbuch der physik. Chemie und Medizin Bd. 1 S. 463. 1907, die Ansicht d’Arsonval’s. 2) Siehe Bedeutung der Quellung usw. Kolloid-chemische Beihefte S. 56 ff. 3) Ik. (ea Sb DIE 134 J. Traube: Die Theorie des Haftdrucks (Öberflächendrucks). V. halb auf meine Arbeit: Über die Wirkung von Giften und Arznei- mitteln in der Berliner klin. Wochenschrift 1911 vom 6. März hin- gewiesen. Derartige Änderungen der Muskelsubstanz spielen ja bei der Wirkung der Muskelgifte eine bedeutende Rolle; aber auch die Wirkung der Muskelsäuren usw. dürfte in dieser Beziehung zu reversibeln physikalischen Zustandsänderungen führen, die neben der Quellung erheblich in Betracht kommen dürften, so dass der Stand- punkt von Pribram der Erweiterung bedarf. 135 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. Von Viktor Weizsäcker. (Mit 3 Textfiguren.) E In der Beurteilung der Herzarbeit haben thermodynamische . Gesichtspunkte bisher wenig Raum gefunden. Während kalorimetrische Untersuchungen am isolierten Herzen überhaupt nicht bekannt sind, liegen Bestimmungen des Stoffwechsels zwar vor, aber nur in wenigen Fällen?) wurde die Arbeitsleistung zugleich gemessen. Es lässt sich nach den Erfahrungen am Skelettmuskel vermuten, dass zu den wichtigsten Faktoren des thermodynamischen Verhaltens die mecha- nischen Arbeitsbedingungen gehören. Barcroft und Dixon’) fanden in einem Versuch am Warmblüterherzen den Sauerstoff- verbrauch bei isometrischer und bei isotonischer Tätigkeit gleich gross. Gerne folgte ich der Aufforderung, die Herr Geheimrat Pro- fessor Dr. von Kries an mich richtete, weitere Untersuchungen in dieser Richtung in Angriff zu nehmen. Zu diesem Zweck empfahl es sich zunächst, an dem gewählten Objekt, dem Froschherzen, all- gemein orientierende Versuche über die Abhängigkeit der Arbeit von den mechanischen Bedingungen anzustellen. j Diese Abhängigkeit kann am Herzen nicht genau nach denselben Gesichtspunkten untersucht werden wie beim Skelettmuskel. Bei letzterem sind Länge und Spannung die Variabeln, welche mit einer gewissen Annäherung bestimmbar sind, und die Ergebnisse können mit einigem Recht auf die Betrachtung des Faserelementes angewandt 1) E. Rohde, Internat. Physiol. Kongr. Wien 1910; Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 68. 1910. 2) Journ. of Physiol. vol. 35 p. 182. 136 Viktor Weizsäcker: werden. Beides verbietet am Herzen die eigentümliche Anordnung der Muskelelemente. Die hier bestimmbaren Variablen sind der Druck und das Volum. Nur innerhalb eines engen Kreises selten übersehbarer Bedingungen !) lässt sieh ‘ein Schluss von dem Herz- innendruck auf die Spannung der Wandelemente ziehen. Die An- ordnung der Faserelemente zeigt überwiegend eine Annäherung an die Form von Kugelschalen. Für eine Kugel gilt, wenn S die Spannung an der Oberfläche, p den Druck, r den Kugelhalbmesser bedeutet, die Beziehung 5 Y 1573 Man sieht, dass bei gleichbleibendem Druck die Spannung propor- tional dem Radius zu- und abnimmt. Es kann ferner, z. B. wenn das Herz sich zusammenzieht, der Druck steigen, die Spannung der Fasern aber sogar abnehmen. Diese Verhältnisse sind für eine Be- trachtung der Arbeitsbedingungen von Wichtigkeit, weil man weiss, dass es für den Muskel nicht gleichgültig ist, ob er dieselbe Arbeits- grösse bei starker Spannung und geringer Verkürzung, oder um- gekehrt bei geringer Spannung und mit erheblicher Verkürzung leistet. Das Verhältnis von äusserer Arbeit und Wärmebildung ist in beiden Fällen ein verschiedenes. Der Vergleich eines normalen Herzmuskels mit einem pathologisch erweiterten lässt die Bedeutung dieses Umstandes unmittelbar erkennen. Dasselbe Volum wird bei demselben Druckablauf vom - dilatierten Herzen unter grösserer Spannung und geringerer Verkürzung der Elemente ausgeworfen als vom gesunden. Form und Flächeninhalt der Druckvolumkurve könnten in beiden Fällen dieselben bleiben, bei gleicher nutzbarer Arbeit der gesamte Enereieumsatz aber sehr verschieden sein. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich wohl, die von Fick ge- schaffenen Ausdrücke und Begriffe der isotonischen und isometrischen Kontraktion für die Betrachtung des Herzens zu ersetzen durch solche, welche die Tätigkeit bei gleichbleibendem Druck bzw. Volum ausdrücken. Als isobarische Kontraktion ist demgemäss eine solche zu bezeichnen, bei welcher der Druck im Herzinnern konstant gedacht wird, als isochorische eine solche, bei welcher das Volum des Herzens unverändert bleibt. Die unter normalen Bedingungen Se 1) Vgl. OÖ. Frank, Isometrie und Isotonie des Herzmuskels. Zeitschr. f. Biol. Bd. 41 S. 14. 1901. Über die mechanischen Bedingungen :der Herzarbeit. 137 ‚erfolgende. Kontraktion würde also in ihrem ersten Teil. (An- spannung) als isochorisch, in ihrem zweiten Teil (Austreibung) als annähernd isobarisch (auxobarisch) zu bezeichnen sein. Prä- ‚judizieren die Begriffe der Isobarie und Isotonie über Spannung und Länge der Faser auch nichts, so haben sie mit denen Fick’s doch die Absicht gemein, Grenzfälle vorzustellen, zwischen welchen alle denkbaren Beziehungen von Druck und Volum bei der Herztätigkeit eingeschlossen sind. Als Grenzfälle dürften. Isobarie and Isochorie daher vorzugsweise da gelten, wo es sich um diese Beziehungen handelt. Die äussere Arbeit dagegen und der Gesamt- ‚energieverbrauch können ebenfalls zwischen 0 und einem Maximal- wert schwanken, und diese Grenzfälle fallen mit den vorher be- trachteten nur teilweise zusammen. Vielmehr sind es besondere Fragen, wie Druck und Volum sich verhalten müssen, damit das Maximum an äusserer Arbeit erhalten oder. das Maximum an Energie umgesetzt werde, und wie das Verhältnis von Arbeit und Wärme- bildung durch die mechanischen Umstände bestimmt werde. Wenn man von der Änderung der Temperatur, von chemischen Einwirkungen und extrakardialen Nerveneinflüssen absieht, so richtet sich die Grösse der Arbeit in erster Linie nach dem Druck und nach der Frequenz. Beide Momente wurden getrennt untersucht. Das Druckoptimum. Versuchsanordnung. Die Untersuchung beschränkte sich auf den Ventrikel und wurde stets mit der an der Atrioventrikular- grenze abgebundenen Kammer des Froschherzens ausgeführt. Die durch Öffnungsinduktionsschläge applizierten Reize erfolgten in Inter- vallen, bei denen die optimale Kontraktionshöhe ungefähr erreicht wurde (alle 3—5 Sekunden). Das Herz wurde teils mit durch Ringer’sche Lösung verdünntem Hammelblut, teils mit Ringer- Lösung allein durch die vom rechten Vorhof eingeführte Perfusions- kanüle durchspült und stand ohne Vertil mit dem Ludwig’schen 'Quecksilbermanometer in Verbindung. Mit dem zuführenden Schenkel ‚der Perfusionskanüle war durch ein Seitenrohr mit Hahn eine Pravaz’sche Spritze verbunden. Es war so möglich, in der Pause zwischen zwei Kontraktionen den Hahn rasch zu öffnen, den Druck um einen beliepigen Betrag zu ändern und den Hahn wieder zu schliessen. So wurden ganz gleichmässige Kontraktionsreihen unter langsam zu- oder abnehmenden: Anfangsdruck erhalten. 138 Viktor Weizsäcker: Was die Berechnung der Arbeit anlangt, so kann die dem: Schlagvolum erteilte kinetische Energie sowie die Reibung in dem. nur kurzen Röhrensystem am Kaltblüterherz unbedenklich vernach- lässigt werden. Die Berechnung erfolgt dann aus den Aufzeichnungen. des Manometers nach der Formel he /rno:2h-dh—=(y — h)ı? no, hy wobei A, die Höhe des Meniskus während der Herzpause, h, das- selbe beim Maximum .der Systole, beide vom Meniskusstande beim: Druck = 0 ab gerechnet bedeuten. — Radius des Manometer- rohrs, o — spez. Gew. des Quecksilbers. Das Schlagvolum ist dann V=(,—h,)rn | und der Druck (H,O) p—=2ho. Unbekannt bleibt dabei, ein wie grosser Teil der so gemessenen. Arbeit chemischen Spannkräften, ein wie grosser der dem Herzen. in Ferm elastischer Spannung innewohnenden potentiellen Energie- entstammt. Resultat. bl ar HER | 10 15 20 39 40° 45 mm Hg N Big. 1. (Über die punktierten Kurven s. S. 146.) Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 139 Tabelle Ia. Versuch Nr. 52a und b. i Arbeit einer ; Arbeit einer nn Kontraktion Schlagvolum Sn Kontraktion Schlagvolum m mm a 5 g/cm cbmm 5 g/cm cbmm 4,0 s51 291 39,5 10,9 162 8,0 12,1 324 36,0 11,0 174 12,0 13,9 324 32,0 1183 191 15,0 15,2 324 28,0 11,4! 208 18,5 15,8 312 24,0 10,4 220 23,5 16,6 295 19,0 10,7 236 30,0 16,81 266 16,0 10,0 241 36,0 15,2 994 12,0 9,2 249 46,0 11,9 158 9,5 8,6 254 48,0 10,1 133 6,5 7,1 241 46,0 10,5 141 Tabelle Ib. : Zugehöriges : Zu- Wersuch male De Maximales Gehonieer Nr. Arbeit optimum Schlagvolum Deck g/cm mm Hg cbmm mm Hs. 47 a) 6,9 40 200 5 b) 6,5 | 34 133 6 49 a) I 28 234 17 b) 11 35 182 13 c) 8,6 28 191 20 d) DR 26 166 6 52 a) 16,7 30 324 12 b) 11,5 28 254 12 c) 8,0 30 216 10 d) 7,3 32 158 12 54 a) 9,4 24 233 7 56 a) 1,9 25 174 13 b) 6,3 | 24 162 15 c) 33 18 100 8 d) 3,9 16 91 10 58 a) al 3l 261 12 b) 10,8 32 241 14 c) 10,4 26 241 10 d) 9,5 32 23 8 62B. a) 33 20 133 5 b) 4,0 18 142 4 c) 4,3 21 142 2 d) 4,6 22 150 4 e) 3,8 22 133 6 f) 3,7 20 120 7 Mit zunehmendem Druck (Abszisse in Fig. 1; gemeint ist immer 21, d.h. der zu Beginn der Kontraktion vorhandene „Anfangsdruck‘) 140 . Viktor Weizsäcker: nimmt die Arbeit zuerst zu und: dann. wieder ab. Ihr Maximum liegt durchschnittlich bei einem Anfangsdruck von 30 mm Hg (je nach der Grösse des Herzens zwischen 20 und 40). Diesen Druck nenne ich Druckoptimum. Die Maxima des Schlagvolums werden ausnahmslos bei viel geringerer Druckhöhe gefunden, auf der Höhe der Druckoptima pflegt das Schlagvolum nur 3/«—?/s des maximalen Wertes zu betragen. Während bei zunehmendem Druck das Schlag- volum um !/s abnehmen konnte, konnte die Arbeit um die Hälfte ihres Betrags zunehmen. Der grösste gefundene Arbeitswert betrug 16,7 g/cm. Tabelle Ia gibt beispielsweise sämtliche in einem Versuch ge- machten Messungen wieder. Es ist dies der in Fig. 1: graphisch dargestellte Versuch. Tabelle Ib ist eine summarische Zusammen- stellung weiterer Versuchsresultate, die sämtlich nach dem Schema von Tabelle Ia gewonnen wurden. Ähnlich hohe Druckwerte, wie diese Druckoptima, hat Schulz!) in der Aorta abdominalis des Frosches gefunden. Es ist wahrschein- lich, dass durch die starke Vergrösserung des Widerstandes der Ge- fässbahn in seinen Versuchen Werte erhalten wurden, die erheblich über denjenigen liegen, die das Herz normalerweise überwindet. Um so bemerkenswerter sind die Leistungen, zu denen das Herz befähigt ist. Die Fähigkeit der Zusammenziehung hört überhaupt erst bei Belastungen auf, bei denen die Wand zerreisst, ähnlich wie beim Skelettmuskel. Da nun Dreser?) beim Überlastungsverfahren sehr leicht eine Grenze der Kontraktilität fand, die verhältnismässig niedrig war (55 mm Hg maximal), und da ich beim Belastungs- verfahren noch bei über 100 mm Hg nahe der Festigkeitsgrenze Manometerausschläge bekam, so folgt, dass das, was Dreser absolute Kraft nennt, ein Wert ist, der ganz von dem Anfangsdruck seiner Überlastungszuckung abhing und mit demselben bis zur Zerreissung zunimmt°). Auch der Skelettmuskel überwindet ja um so grössere Kräfte, je stärker er in der Ruhelage gedehnt, d. h. belastet war. Dreser war von der Idee geleitet, die Arbeitsfähigkeit des Herzens zum Maassstabe toxikologischer Wirkungen zu machen. Auch: die Bestimmungsweise des Arbeitsmaximums ruhte auf der Voraussetzung, dass diejenige Belastung des ruhenden Ventrikels, die das maximale Schlagvolum ergibt, unter allen Umständen auch die 1) Fr. N. Schulz, Pflüger’s Arch. Bd. 115. 1906. 2) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 24 8. 219. 1888. 8) Vgl. 0. Frank, Zeitschr, f. Biol. Bd. 32 S. 370. Über die mechanischen: Bedingungen der Herzarbeit. 141 grösste Arbeitsleistung involviere. Gerade dies aber wird nach dem Vorhergehenden hinfällig. So erklärt sich, dass seine Arbeitswerte durehsehnittlich viel tiefer liegen als die von mir gefundenen. Auch von den letzteren lässt sich jedoch nur behaupten, dass sie unter _ den am Hg-Manometer (dessen Durchmesser 4,6 mm betrug) ge- wählten Bedingungen die. höchst erreichbaren waren. Es ist bisher nicht bekannt, ob die Belastung oder die Überlastung, ob Isobarie, Auxobarie und welcher Grad von Auxobarie die für die Gewinnung von Arbeit günstigsten Bedingungen darstellen. Das Frequenzoptimum. Versuehsanordnung. Auch zum Vergleich der Herztätig- keit bei verschiedener Schlagfrequenz war der rhythmischen Reizung des Ventrikels der Vorzug vor der spontanen Schlagfolge zu geben. Die Anordnung war wie oben angegeben, mit dem Zusatz, dass die Reize nicht mittelst Metronom, sondern mittelst eines durch einen Elektromotor betriebenen Spülkontaktes erzeugt wurden. In die Stromzuleitung des Motors war dann ein auf die ‚geeigneten Fre- quenzen geeichter Ruhstrat’scher Widerstand eingeschaltet, so dass die Frequenz kontinuierlich variiert werden konnte, Resultat: PB, .. \ Eu A au EZ | Aa eu Krk _ Eee een 7 =) 2 jean ER a er en | | Ser a en ee Ne "reguenz > ; ; Fig. 2. Minutenarbeit (Effekt). ----- Minutenvolum. Schlagvolum. Die Ordinaten der drei Kurven sind in verschiedenem Maassstab gezeichnet. 42.07 Viktor Weizsäcker: Lässt man die Frequenz eines Herzens sehr lanesam beginnen und bis zu der höchsten erreichbaren allmählich zunehmen, wie dies in Fig. 2 und Tabelle IIa dargestellt ist, so kommen bei der ge- ‚gebenen Anordnung folgende Grössen als Abhängige von der Frequenz ‚zur Beobachtung: das Schlagvolum, die Arbeit der Einzelkontraktion, das Minutenvolum und die Arbeit pro Minute, die wir Effekt nennen. Da der Druck (mit Ausnahme der höchsten Frequenzen, siehe unten) konstant bleibt, so gehen die zwei ersten dieser Grössen einander. genau parallel. Tabelle Ila. Versuch Nr. 50. Frequenz Schlag- Arbeit Minuten- a Anfangs- pro volumen Ko ee 5 volumen De itekt) druck Minute cbmm g/cm cbmm g/cm mm Hg 7 283 10,1 1981 71 9 10 315 12,2 3150 132 ) 15 324! 12,72! 4 860 191 9 20 324 12,7 6480 254 9 25 307 11,6 7680 290 9 30 307 11,6 9 210 348 $) 36 303 11,3 10 900 407 ) 33 299 11,1 11360 422 %) 40 295 10,8 11 800 432! ) 42 282 10,1 11 850 425 ) 4 274 9,6 12 050 422 ie) 46 266 9 12 250 419 9 48 249 82 11 950 394 ®) 50 249 9 12 450 395 8 52 233 73 12 150 380 9 54 232 7,3 12 530 395 9 56 224 6,9 12 540 ! 387 1) 58 199 6,0 11540 348 10 60 As) 4,7 11460 282 9 63 166 4,6 10 240 290 10 66 141 3,6 9.430 238 10 69 124 3,0 8570 207 10 72 124 2,8 8930 202 9 76 86 1,6 6 530 122 $) 80 &6 159) 6 880 152 12 84 75 1,8 6 300 151 13 (Tabelle IIb siehe folgende Seite.) ‘Da das Herz sich bei den sehr niedrigen Frequenzen unter 'Treppenbedingungen befindet, so zeigt die Kurve des Schlagvolums und der Arbeit der Einzelkontraktion zuerst ein geringes Ansteigen bis zum „Frequenzoptimum der Kontraktilität“, welches zwischen 15 und 20 pro Minute zu liegen pflegt. Ohne dass nun Anfangs- ‚druck und diastolischer Füllungszustand sich geändert hätten, trat Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 143 Tabelle IIb. Maxi- |Maximale pe f Ver- males Arbeit | pe F 1 Bei F Maxi- Bei F suchs- | Schlag- | pro Kon- | "1 “re | males le maler en END. volumen | traktion | quenz | Minuten- | quenz Effekt quenz cbmm g/cm volum 90 324 12,5 20 6480 56 250 40 62 163 4,5 16 2608 98 12 90 63a 151 3,9 23 3473 66 78 66 63 b 158 7,7 23 3634 66 IT 98 63 C 116 Teil 3 2668 60 177 54 ‘64a 204 9,9 30 6120 98 159 64 ‘64 b 174 7,0 23 4002 50 161 66 64 c 116 3,6 23 2668 66 129 66 ‚mit steigender Frequenz eine bis Frequenz 40 sehr mässige, von hier ab ziemlich rasche Abnahme des Schlagvolums ein, die aber so ‚sehr überkompensiert war von der frequenteren Schlaefolge, dass das Minutenvolum mehr denn verdoppelt wurde, wenn die Frequenz von 20 auf 50—60 stieg (Fig. 2). Dem Minutenvolum ziemlich parallel ging die Minutenarbeit, der Effekt. Doch lagen die Maxima von Minutenvolum und Minutenarbeit nicht immer genau bei derselben Frequenzhöhe. Bald trat das eine, bald das andere früher ein, eine Erscheinung, die sogleich erklärt wird. Bei den höchsten Frequenzen nehmen Minutenvolum und -arbeit verhältnis- mässig sehr rasch ab. Dass der grössten Minutenarbeit nicht immer auch die grösste Förderung pro Minute entsprach, erklärt sich folgendermaassen. Man vergegenwärtige sich, dass bei der auxobarischen Arbeit am Hg- Manometer der Gipfelteil der Kontraktion, weil unter höherem Druck geleistet, sehr viel mehr Arbeit kostet als der Anfangsteil. Nun erfolgte die Abnahme des Schlagvolums bei steigender Frequenz zu- nächst immer auf Kosten des Gipfelteils, also durch unvollkommenere Zusammenziehung. Somit musste der mittlere Druck, unter dem (das Herz arbeitete, fallen. Bei den höheren Frequenzen aber blieb, wenn das Herz nicht ermüdet war, das Kontraktionsmaximum, also der Füllungszustand auf der Höhe der Systole, mit zunehmender Frequenz konstant, ja stieg wieder; aber die diastolische Wieder- ausdehnung wurde immer unvollkommener, die Fusspunkte der Kurven immer höher (vgl. letzter Stab der Tabelle Ila), die Ab- nahme des Schlagvolums geschah jetzt auf Kosten des Anfangsteils. 144 Viktor Weizsäcker: Jetzt musste somit der mittlere Druck wieder steigen. So konnte- es kommen, dass bei fortgesetzter Abnahme des Schlag- und Minuten- volums die Minutenarbeit hoch blieb oder noch stieg, und letztere hatte ihr Maximum natürlich bei einer höheren Frequenz als erstere (vgl. in Tabelle IIb den dritten und letzten Stab in Vers. Nr. 64a und 64b). In anderen Fällen, und besonders, wenn das Herz leicht ermüdet war, trat diese Steigerung des Mitteldrucks nieht oder nur bei den allerhöchsten Frequenzen ein, vielmehr senkte sich der Mitteldruck oder blieb gleich; alsdann lag das Maximum des Minuten- volums umgekehrt bei höherer, das Arbeitsmaximum bei niedrigerer Frequenz (Tabelle IIb Nr. 50, 62, 63b, 63c), oder sie lagen bei derselben Frequenzhöhe (Nr. 63 a, 64). Diese Verhältnisse haben ihren Grund zum Teil in den be- sonderen Versuchsbedingungen. Ihre physiologische Bedeutung liegt darin, dass das frische und das ermüdete Herz ceteris paribus eine verschiedene Mittellage einnehmen, wie man in Anlehnung an einen Ausdruck der Atmungsphysiologie sagen kann. Bei den höheren Frequenzen stellte sich das Herz bei gleichbleibendem Schlag- und Minutenvolum, aber zunehmender Ermüdung auf ein höheres Mittel seines Gesamtvolums und einen niedrigeren Mitteldruck ein. Es lag, mit anderen Worten, ein gewisser Grad von Dilatation am ermüdeten. Herzen vor, der sich mit der Erneuerung der Nährflüssigkeit sofort. rückgängig machen liess, OÖ. Frank!) hat berechnet, dass bei „reiner Erednengandorung: (Definition s. d. Abhandlung), das maximale Minutenvolum bei einer mittleren, nicht pathologisch hohen Frequenz gefördert wird. Dies Maximum liegt in meinen Versuchen im Durchschnitt bei der Fre- quenz 60. Auf keinen Fall ist dies Resultat mit der Berechnung Frank’s irgendwie vergleichbar. Wie F.B. Hofmann?) genauer beschrieben hat, ist mit jeder Frequenzsteigerung eine Abnahme der Kontraktionsdauer verbunden, soweit keine Treppenbedingungen vor- liegen. Dieser Umstand bewirkt zweierlei: erstens ermöglicht er eine raschere Wiederfüllung bis zum Einsetzen der nächsten Kon- traktion (dieser Vorgang wird in meinen Versuchen noch unterstützt dadurch, dass das in der Diastole herabsinkende Quecksilber das Blut wie bei Aorteninsuffizienz unter hohem Druck zum Herzen 1) Zeitschr. £. Biol. Bd. 41 S.1. 1901. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 84. 1901. Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 145 zurücktreibt); zweitens wird dadurch die refraktäre Phase verkürzt und eine weitere Zunahme der Frequenz ermöglicht. Daraus folgt, was der Versuch mir oftmals bestätigt hat, dass man nicht plötzlich, sondern nur durch allmähliches Einschleichen das Herz zu den höheren Frequenzen zwingen kann. Mögen diese Dinge auch beim Warmblüter etwas anders liegen (auch am höher temperierten Frosch- herz habe ich die Hofmann’sche Erscheinung bedeutend weniger ausgeprägt gefunden), eine „reine Frequenzänderung“ scheint es am Froschherzen überhaupt nicht zu geben, und sie darf auch sonst nie- mals vorausgesetzt werden, wie bis in die neuere Zeit gelegentlich geschehen ist!). Man kann nicht ohne weiteres von einer für die Gesamtförderung günstigsten Frequenz sprechen, und das Frequenzoptimum des Minuten- volums dürfte ein wenig eindeutiger, aber besonders in pathologischem Interesse der Untersuchung werter Begriff sein. Weitere Einflüsse auf Druckoptimum und Frequenzoptimum. Es war natürlich von Interesse, zu erfahren, ob die Werte des Druckoptimums und des Frequenzoptimums der mechanischen Arbeit einigermaassen konstant und charakteristisch waren, ob z. B. die Lage des Druckoptimums mit der Schlagfrequenz sich ändere, ob das Frequenzoptimum vom Druck abhängig sei. Über zwei in dieser Richtung angestellte Versuche geben die folgenden Tabellen Aufschluss. Nummer Schlagfrequenz Druckoptimum 17,75 1,00 22,00 Frequenzoptimum Nummer | Anfangsdruck der Arbeit der Arbeit pro Kontraktion | pro Minute 64a "7 20 64 64b 20 23 66 64c 28 20 66 1) Z.B. Gottlieb u. Meyer, Experimentelle Pharmakologie S. 252. 1910, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 10 146 Viktor Weizsäcker: Diese Versuche zeigen, dass weder die Höhe des für die Arbeit günstigsten Druckes von der Schlagfrequenz abhängt, noch die für die Arbeit günstigste Schlagfreguenz von der Druckhöhe beeinflusst wird, wenigstens nicht in einem Maasse, das die Fehlerquellen des Versuchs zu erkennen erlaubten. Diese Feststellung ermöglicht nun auch denjenigen Zustand des Herzens anzugeben, bei dem es das Maximum an äusserer Arbeit pro Zeiteinheit zu leisten imstande ist, nämlich bei einem Anfangsdruck von durchschnittlich 30 mm Hg und bei einer Frequenz von durchschnittlich 55 pro Minute. Jedes Herz hat seine individuellen Werte. Jede Abweichung einer dieser Grössen vom optimalen Betrag hat eine Abnahme des Effekts zur Folge. Endlich sei erwähnt, dass der Ermüdungszustand des Herzens die Lage des Druckoptimums offenbar nieht merklich beeinflusst. In Tabelle Ia bemerkt man, dass ieh die Drucke zuerst zu-, dann wieder abnehmen liess; dies wurde in einem Versuch oft mehrmals wiederholt, und man erkennt in Tabelle Ib, dass mit zunehmender Ermüdung die maximale Arbeit abnahm, die Druckoptima aber den- selben Wert behielten, mit einziger Ausnahme des Versuchs Nr. 58. Über die Gründe dieser Ausnahme vermag ich nichts auszusagen. Die punktierten Linien der Figur 1 zeigen die Verhältnisse bei der Ermüdung; sie stammen von Nr. 52b. — Über die Abhängigkeit des Frequenzoptimums von der Ermüdung vermag ich noch keine Angaben zu machen. Bei sehr hoher Schlagfrequenz erfolet der Verbrauch der Nährlösung rapide, und die Versuche sind von Er- müdungsbedingungen überhaupt schwer vollkommen rein zu halten. Der Anteil der elastischen Kräfte. Die Mitwirkung der elastischen Kräfte muss bei allen denjenigen Untersuchungen berücksichtigt werden, bei welchen auf den wirk- lichen Verbrauch chemischer Energie reflektiert wird, da ja nur ein Teil der gemessenen äusseren Arbeit aus letzterer herstammt, ein anderer Teil aber aus elastischer Spannung. Die äussere Arbeit des Ventrikels ist während der Zusammenziehung positiv, während der Ausdehnung mindestens zum Teil negativ, d. h. äussere Kräfte tragen zur Herstellung eines gewissen Dehnungszustandes bei. Wir können von der Herkunft der Energie, welche diese Dehnung, Aufspeicherung potentieller Energie, bewirkt, zunächst absehen und nur fragen, wie gross diese sei, oder noch spezieller, ein wie grosser Teil der bei Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 147 der Systole erscheinenden äusseren Arbeit durch elastische, nicht kontraktile Kräfte geleistet werde. Derselbe ist für verschiedenen Anfangsdruck verschieden gross und lässt sich auf folgende Weise bestimmen. Man ermittelt zunächst die Dehnungskurve des ruhenden Ventrikels. Derselbe wird in ein mit Flüssigkeit vollständig ge- fülltes Gefäss eingeschlossen, an welches eine feingraduierte Pipette (1—2 ebmm sollen noch ablesbar sein) angeschlossen wird. Das freie Ende der Pipette ist offen, sie liegt horizontal und in der Höhe des Ventrikels. Die Füllung dieses Volummessers wird so abgepasst, dass die Volumschwankungen des Ventrikels an den Meniskus- verschiebungen der Pipette ablesbar sind. Der auf dem Herzinnern lastende und zu jeder Volumablesung gehörende Druck wird mittelst eines Quecksilber- oder genauer mittelst Wassermanometers gemessen. In ein Koordinatensystem werden als Ordinaten die Volumina, als Abszissen die zugehörigen Drucke eingetragen; so erhält man die Dehnungskurve. Nun bestimmt man die Grösse der Herzarbeit bei einem gewissen Anfangsdruck mittelst des Hg-Manometers. Man erhält dabei folgende Werte: 9, — Anfangsdruck, p;z = maximaler Druck der Systole, ©, —v, —= Schlagvolum. Alsdann sucht man, welcher Punkt der Dehnungskurve dem Anfangsdruck p, entspricht, und erhält damit den absoluten Wert der zugehörigen Herzfüllung »,. Da man v,— v, bestimmt hat, ist es nun leicht, auch den absoluten Wert der Füllung im Maximum der Systole v; aufzusuchen; wenn das Herz sich völlig entleert hat, so ist v%; — 0. Wir bestimmen nun im Koordinatensystem die Punkte (v,9,) und (%9,), verbinden dieselben durch eine Gerade und fällen von ihnen die Lote auf die Ordinate. Der Flächeninhalt des so entstandenen Trapezes v, v5 Pı Ps ist der Herzarbeit gleich zu setzen, da diese ja A—=/pdv. Die Dehnungskurve schneidet aus dieser Fläche ein Stück heraus, dessen Flächenintegral dem Anteil der Elastizitätsarbeit an der Ge- samtarbeit gleich zu setzen ist. Von einer Abbildung der von mir gefundenen Dehnungskurven sehe ich vorläufig ab, da sie mit den von Roy!) gefundenen vollkommen übereinstimmen. Erheblichere Schwierigkeiten bietet die Bestimmung des elastischen Anteiles nur in dem Bereich der Dehnungskurve, der die Druckwerte unter ca. 2 mm Hg umfasst; denn hier ist dieser Anteil oft ausserordentlich 1) Journ. of Physiol. Bd. 1 S. 452. 1379. 102 148 Viktor Weizsäcker: klein (unter 1°/o). Man kann nun entweder so verfahren, dass man zuerst die Dehnungskurve aufnimmt, sodann das Herz aus dem Volummesser entfernt und die Arbeitswerte bei verschiedenem An- fangsdruck in der geschilderten Weise bestimmt. Oder man kann diese Arbeitswerte bestimmen, während sich das Herz im Volum- messer befindet, und die zu jedem Anfanesdruck gehörigen Volumina gleichzeitig ablesen. Das erste Verfahren hat den Vorteil, dass man das genauere Wassermanometer zur Aufnahme der Dehnuneskurve benutzen kann, den Nachteil, dass durch die Aufnahme der Dehnungs- kurve das Herz möglicherweise geschädigt, jedenfalls dilatiert wird, und die nachfolgende Bestimmung der Arbeit nieht mehr unter nor- malen Bedingungen steht. Das zweite Verfahren hat mit diesem Übelstand wegen gleichzeitiger Messung der Dehnung und der Arbeit nicht zu kämpfen, hat aber den Nachteil, dass das im Volum- messer arbeitende Herz die in der graduierten Pipette vorhandenen Kapillar- und Reibungskräfte überwinden muss, ein Teil der Arbeit also verloren geht. Trotzdem ist der letzteren Methode, wenn höhere Druckwerte in Betracht kommen, der Vorzug zu geben; denn jede stärkere Dehnung lässt eine dauernde Dilatation zurück, wobei die Arbeitsfähigkeit jedoch ziemlich intakt bleiben kann. Man kann zunächst im Zweifel sein, ob der prozentuale Anteil der elastischen Kräfte sehr erheblich schwanke. Denn mit steigendem Druck nimmt ja nicht nur die Anfangsspannung, sondern auch die Arbeit innerhalb gewisser Grenzen stark zu. Es ergab sich nun, dass in der Tat dieser Anteil zwar auch prozentualiter etwas zu- nimmt, aber doch nur sehr wenig und langsam, und dass erst bei höheren Druckwerten ein rapides Anwachsen des elastischen Anteils auftritt. Bei den Drucken, unter denen wir früher das Maximum der Arbeit fanden, betrug derselbe bereits 15—20 °/o der Gesamt- arbeit. Einige Zahlen mögen einen Überblick über diese Verhält- nisse gewähren. m - Elastische Arbeit Versuch ne Gesamıtarbeit Eee druck p Nr. Tem rozente mm Hg s/cm 5 der Gesamtarbeit 1,5 0,9 0,007 0,8 2,0 2,2 0,003 1,5 6,1 6,9 0,29 4,2 Tb 151 9,3 0,54 5,9 23,1 10,2 1,14 11,2 27,7 10,7 1,68 15,7 Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 149 Anfangs- i i Versuch din “ Gesamtarbeit et el Arbeit Nr. em Prozente mm Hg s/cm 3 der Gesamtarbeit 0,8 2,3 0,27 11,6 6,0 4,7 0,74 15,6 11,0 5,9 1,05 17,8 6 15,2 6,4 1,26 19,7 19,6 6,6 1,36 20,6 26,6 6,1 1,50 24,6 L 31,0 5,5 1,63 29,6 Der elastische Anteil in Versuch Nr. 6 ist nur scheinbar höher als in Nr. 7, weil das Herz Nr. 6 bedeutend kleiner und schwächer ist, so dass der gleiche Anfangsdruck für Nr. 6 schon eine viel stärkere Dehnung bedeutet als für Nr.: 7. Auch bei den Druckhöhen des maximalen Schlagvolums können die elastischen Kräfte schon den sehr merklichen Beitrag von 5— 15 %/o zur Gesamtarbeit liefern. Hier sei daran erinnert, dass Dreser (l. ce.) den elastischen Anteil auszuschalten gedachte durch das Überlastungsverfahren unter Anwendung eines konstanten Anfangsdruckes. Hiergegen ist einzu- wenden, dass mit jeder Änderung des Schlagvolums, auch bei gleich- bleibendem Anfangsdruck, der Anteil der elastischen Arbeit sich ändert. Ferner ergibt sich aus meinen Versuchen, dass zwar die absoluten Werte der Arbeitsmaxima bedeutende Korrekturen erfahren müssen, dass aber die Lage des Druckoptimums, wie auch aus dem _ mitgeteilten Versuch Nr. 6 hervorgeht, auch nach dieser Korrektur, wenn überhaupt, nur wenig verschoben erscheint. Der Überblick mag genügen, um zu zeigen, dass Bestimmungen der Herzarbeit, welche unter Gesichtspunkten des Energieumsatzes gemacht werden, stets korrigiert werden müssen durch Abzug der bei den jeweiligen mechanischen Bedingungen geleisteten elastischen Arbeit. II, Um den Einfluss der mechanischen Arbeitsbedingungen auf die Gesamtenergieproduktion (Arbeit + Wärme) zu studieren, liess sich neben kalorimetrischen und den Stoffwechsel messenden Methoden zunächst noch ein einfacherer Weg denken. Stellt man nämlich dem Herzen eine gewisse Menge von Durchspülungsflüssigkeit zur Ver- fügung und beobachtet, wie rasch es unter verschiedenen Bedingungen 150 Viktor Weizsäcker: mit derselben ermüdet, so kann man erwarten, dass die Ermüdungs- geschwindigkeit dem Gesamtverbrauch parallel geht. Im folgenden seien eine Anzahl derartiger Beobachtungen kurz mitgeteilt. Die Hauptfrage dabei war, ob der Herzmuskel, dessen Anpassung an die mechanischen Bedingungen im ersten Teil zahlenmässig be- schrieben wurde, auch in seinem Gesamtumsatz jene grosse Beein- flussbarkeit durch die Belastung zeigt, wie sie aus den thermo- dynamischen Untersuchungen Heidenhain’s und Fick’s für den Skelettmuskel bekannt geworden ist. Man kann leicht eine grössere Zahl von Ermüdungsreihen von einem Herzen gewinnen. Um nun zwei solcher Reihen, a und b, die unter verschiedenen mechanischen Bedingungen hergestellt sind, vergleichen zu können, ist es notwendig, alle übrigen Bedingungen so konstant wie möglich zu erhalten. Der fortschreitende Absterbe- prozess einerseits, die bei verschiedenen Tätigkeitsformen verschieden gute Ventilation des Herzinhaltes, die seine eigene Tätigkeit bewirkt, andererseits, legten der Einhaltung dieser Forderung gewisse Hinder- nisse in den Weg, wie unten beschrieben werden wird. Grundsätz- lich wurden nur Versuche berücksichtigt, die nach dem Schema aba’ angestellt waren, wo die Reihen a und «a’ nahe identisch, also mit b wenigstens qualitativ vergleichbar waren. Versuchsanordnung. Der Apparat hatte folgenden Be- dingungen zu genügen: 1. Das Herz musste abwechselnd isobarischer, auxobarischer und isochorischer Arbeit unterworfen werden können. Zu dem Zwecke war es an einer Kronecker’schen Kanüle (a) befestigt, die statt eines abführenden Rohrs deren zwei trug. Das eine (b) stand mit dem Ludwig’schen Manometer in Verbindung, in dessen Rohr ein Glashahn (c) eingeschaltet war; das andere (d) führte zu einem Zweiweghahn (e). Der eine Weg des letzteren führte zu einem Glaszylinder (f) von ca. 6 cm Durchmesser und S-cm Höhe, der seinerseits wieder mit einem Gummiballon von un- sefähr demselben Rauminhalt verbunden war. Der andere Weg führte zu einem einfachen Hg-Manometer von sehr engem Kaliber (g). Die Länge der Gummiverbindungen zwischen den einzelnen Teilen des Apparates waren auf das äusserst mögliche eingeschränkt. | - Waren die Hähne c und e gegen das Herz verschlossen, so stand es unter isochorischen Bedingungen. War c offen, so arbeitete es auxobarisch und verzeichnete gleichzeitig seine Tätigkeit am Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 151 Kymographion. War c geschlossen, aber e nach g hin offen, so arbeitete es gleichfalls auxobarisch, aber mit viel stärkerer Druck- zunahme als vorher, wegen des engen Kalibers des Manometers g. Stand es dagegen mit f in Verbindung, so war die Tätigkeit iso- barisch. Der Zylinder f nämlich enthielt nur in seinem untersten Teil die Durchspülungsflüssigkeit, im übrigen aber, ebenso wie der Gummiballon, Luft. Daher konnte das Herz sein kleines Schlag- volum leicht in den Raum / pressen, ohne dass der breite Flüssig- keitsspiegel erheblich stieg, ohne dass dadureh und durch die minimale Kompression der Luft darüber eine praktisch in Frage kommende Drucksteigerung entstand. (Es versteht sich dabei von selbst, dass die Drucke im Herzen selbst auch bei dieser Anordnung um ein Fig. 3 geringes schwanken, weshalb es sich nur um eine Annäherung an den Zustand idealer Isobarie handeln kann.) Folgende Kautelen waren ferner zu beachten. Das gesamte Röhrensystem war stets luftblasenfrei mit Ringer’scher Lösung erfüllt zu erhalten. Es musste Vorkehrung getroffen sein, die erlaubte, zwischen zwei Er- müdungsreihen die Spülflüssigkeit im ‚ganzen System völlig zu er- neuern. Es musste ein Gasaustauch zwischen Flüssigkeit und Luft im Zylinder f verhindert werden, weil er die Ermüdungsbedingungen gestört hätte. Zu diesem Zweck war über den Flüssigkeitsspiegel in f stets eine Schicht neutralen Olivenöls gebreitet. Zur Regulierung des Drucks, unter dem das Herz stand, diente teils die oben (S. 137) erwähnte Einrichtung, teils die Kompression des Gummiballons mittelst Klemmschraube, 152 Viktor Weizsäcker: Auch hier war das Herz stets an der Atrioventrikulargrenze abgebunden und mit künstlichen Reizen erregt. Dies geschah haupt- sächlich wegen der Unmöglichkeit, rein isochorische Zuckungen am Ventrikel zu erhalten, wenn die Möglichkeit des Rückströmens von Flüssigkeit in den Vorhof besteht. Ermüdung durch isobarische Arbeit bei verschiedenem Druck. Die Versuche wurden derart angestellt, dass in je eine Er- müdungsreihe, die vom möglichst völligen Erholungszustand aus- zugehen hatte, eine grössere Zahl (gewöhnlich 40 oder 50) von iso- barischen Kontraktionen eingeschaltet wurde. Auf dem Kymographion erschienen alsdann jedesmal die vier bis fünf ersten Kontraktionen der Reihe, dann folgte während der isobarischen Tätigkeit eine Lücke, auf welche dann wieder einige Kontraktionen des nunmehr ermüdeten Herzens folgten. Die isobarische Tätigkeit aber erfolgte in den auf- einanderfolgenden Ermüdungsreihen abwechselnd unter hohem und niedrigem Druck. Die Frage war: Fallen die Ermüdungsreihen rascher ab, wenn die gleiche Zahl eingeschalteter isobarischer Kon- traktionen unter höherem Druck erfolgte? Als Maass der Ermüdung dient in den folgenden Tabellen einfach der Vergleich des zweiten und dritten Stabes. Im zweiten steht die Kontraktionshöhe zu Be- ginn der Reihe, im dritten die, welche das durch 50 isobarische Kontraktionen ermüdete Herz leistet. Je niedriger die Zahlen des dritten Stabes, desto stärker die Ermüdung; die einzelnen Frmüdungsreihen tragen die fortlaufende Bezeichnung a, b, ec, d. Die Zahlen des zweiten Stabes zeigen Schwankungen, die auf rasch vorübergehende Treppenbedingungen im Beginn der Reihe zu beziehen sind. Dies beeinträchtigt daher auch die Regelmässig- keit des vierten Stabes, in welchem die Abnahme der Kontraktions- höhe steht; zur Beurteilung der Ermüdung ist daher am geeignetsten der die „Ermüdungshöhe* zeigende dritte Stab. Dies gilt auch für die folgenden Tabellen. Im fünften Stabe findet sich im Millimeter- He der Druck, unter welchem die isobarische Arbeit geleistet wurde. | Obwohl die Drucke um das Drei- und Vierfache, ja Zehn- und Mehrfache variierten, ist nun die Ermüdung fast überall nicht merklich verschieden, am wenigsten in den Versuchen 59—61, und gerade diese waren mit den besten Kautelen angestellt (Tab. I). | Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 153 Tabelle II. Anfangs- | Ermüdungs- Zahl Versuch a $ Druck der isobar. Nr. höhe höhe Abnahme Kor mm mm mm Hg traktionen 9a 12,0 6,0 6,0 6,5 50 59 b 10,0 6,0 4,0 28,9 50 Ic 8,9 6,0 2,5 6,5 50 59 d 8,5 6,5 3,0 26,9 50 39e 10,0 6,0 4,0 6,9 50 9f 9,0 6,5 2,9 23,9 50 998 10,0 9,5 4,5 1,5 50 60a 7,25 5,9 1,75 1,0 50 60 b 6,0 5,9 0,5 21,0 50 60 c 7,5 4,0 3,9 1,0 50 60d 6,0 5,0 1,0 15,0 50 60 € 6,5 5,9 1,0 1,0 50 60 f 5,0 5,0 0 21,0 50 61a 10,0 6,0 4,0 7,0 50 61b 9,0 6,5 2,5 20,0 50 6lec 9,5 6,5 3,0 7,0 50 61d 10,0 6,5 3,9 26,0 50 6le 11,0 6,5 4,5 27,0 50 61f 11,0 6,5 4,5 7,0 50 61g 10,5 7,75 2,75 27,0 50 61h 10,5 5,9 5,0 7,0 50 Dr Diese Kautelen haben vor allem in folgendem zu bestehen: Bei der Umschaltung der Verbindungen, die notwendig ist, um das Herz von der isobarischen zur auxobarischen Tätigkeit am Ludwig- schen Manometer überzuführen, muss so rasch verfahren werden, dass keine Treppenbedingungen eintreten können. Am besten ist es, die rhythmische Tätigkeit dabei gar nicht zu unterbrechen. Ferner muss Sorge getragen werden, dass der Inhalt des Herzens bei dieser Umschaltung nicht verändert wird, wenigstens nieht mit unverbrauchter Ringer-Lösung durchmischt wird. Denn die sofortige Folge wäre eine Zunahme der Kontraktionshöhe. Dieser Bedingung ist nicht vollkommen zu genügen, wenn die Isobarie bei einem anderen Druck geleistet wurde als dem am Lud- wig’schen Manometer einzuhaltenden. Denn jede Druckveränderung ist gleichbedeutend mit einer Veränderung des Volums des Herz- inhaltes. Immerhin ist die Variation des letzteren innerhalb der hier im allgemeinen benutzten und relativ hoch gelegenen Zone der Drucke nicht allzu hoch, | 154 Viktor Weizsäcker: Vergleich der Ermüdung bei isochorischer, isobarischer und auxobarischer Tätigkeit. Die Auxobarie nimmt eine Mittelstellung zwischen Isochorie und Isobarie ein. Alle Vergleichungen der isochorischen Tätigkeit mit einer der anderen leidet an dem Umstand, dass die Ventilation der atmenden Spalträume des Herzens, ebenso wie die beständige Durch- einandermischung der zwischen Herz und Hg-Manometer mit jeder Kontraktion hin und her geschobenen Nährflüssigkeitsmenge so gut wie ganz aufgehoben ist, das Herz sich also unter schlechteren Er- nährungsbedingungen befindet. Daher ergab eine Reihe von zwölf Beobachtungen, bei der streng isochorische Tätigkeit mit auxobarischer verglichen wurde, in den meisten Fällen bei der ersteren eine etwas grössere Ermüdungsgeschwindigkeit. Doch überraschte schon hier die verhältnismässige Kleinheit des Unterschiedes. Um die erwähnte Fehlerquelle auszuschliessen, wurde nun l. stets die einfache Ringer-Lösung mit ihrem verhältnis- mässig geringen O,-Gehalte benutzt. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass bei der Ernährung mit dem O,-reichen Blut die Grösse dieses Fehlers ausserordentlich zunahm ; 2. wurde statt der isochorischen Tätigkeit eine sehr stark auxo- barische (siehe obeu Apparatbeschreibung) und statt der auxobarischen die isobarische in Anwendung gebracht; 3. wurde Sorge getragen, dass die Flüssigkeitsmenge, die das Herz während einer Ermüdungsreihe zu seinem Verbrauch zur Ver- fügung hatte, unter allen Bedingungen gleich gross war. Der diastolische Druck war in allen Versuchen stets derselbe. Dieser Vergleich stark auxobarischer und isobarischer Tätigkeit ergab nun in der Tat nirgends eine stärkere Ermüdung durch die auxobarische (in Tab. IV mit J. Ch. bezeichnet, s. S. 155) Tätiekeit gegenüber der isobarischen, im Gegenteil in Versuch 66 und 67 eher eine Andeutung des umgekehrten Verhaltens. Ermüdung durch isochorische Arbeit bei verschiedenem Druck. Diese Versuche boten ein besonderes Interesse, weil sie Hoffnung gewährten auf eine Entscheidung der Frage, ob der Dehnungszustand, in dem das Herz sich in der Ruhe befindet, einen Einfluss auf die bei der Kontraktion zersetzte Substanzmenge besitze. Denn die mechanischen Bedingungen der Kontraktion sind hier stets dieselben, nämlich: die Kontraktion ist — 0, sie können also keinen Einfluss Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 155 Tabelle IV). — m Anfangs- | Ermüdungs- Form der Zahl der - Versuch ; N höhe höhe Abnahme ermüdenden Kon- Us x mm mm mm Tätigkeit traktionen 65a 14,0 9,5 4,5 J.B. 42 65 b 14,0 6,5 65) J:Ch% 42 65 c 11,5 7,0 4,5 J.B: 42 baden 11,0 7,0 4,0 J.B. 42 65 € 10,5 5,5 5,0 J.Ch. 42 658 10,5 4,5 6,0 JB: 42 658 10,0 4,5 5,5 J:Ch® 42 65h 10,0 4,5 Su Je: 42 66a 12,5 IS 5,0 JRB% 50 66 b 12,5 9,0 3,9 J.Ch. 50 66 € 13,5 8,0 5,5 J.B. 50 66d 14,0 8,9 5,9 J.Ch. 50 66 € 12,0 15 4,5 J.B. 50 66 f 12225 85 3,75 J.Ch. 50 668 12,25 7,5 4,75 J.B. 50 67a 13,0 9,0 4,0 J.B. 50 67b 11,0 1,15 3,25 JuB! 50 67c 11,5 9,0 2,5 J.Ch. 50 67d 14145 7,0 4,5 J.B. 50 67e 10,0 8,0 2,0 J.Ch: 50 Ze 10,0 8,0 2,0 J.B. 50 ausüben. ©. Frank?) hat gefunden, dass mit der Anfangsspannung die isometrischen Maxima zuerst zu- und dann wieder abnehmen, wobei jedoch die Spannungsintegrale noch zunehmen, wenn die Maxima schon im Abnehmen begriffen sind. Die Versuchsanordnung ergibt sich aus dem vorhergehenden: Ermüdungsreihen mit interkalierten isochorischen Kontraktionen unter hohem Druck wechseln ab mit solehen, vei denen die eingeschalteten isochorischen Zuckungen unter niederem Druck stattfinden. Wie in allen bisherigen Versuchen, so gelang es auch in diesen nicht, irgendeinen Einfluss der Arbeitsform auf die Er- müdungsgeschwindigkeit nachzuweisen (Tab. V, s. S. 156). Es wäre verfehlt, aus den beschriebenen drei Versuchsreihen den Schluss zu ziehen, dass ein Einfluss der Arbeitsgrösse der ein- zelnen Kontraktion oder der mechanischen Bedingungen auf die Ermüdung überhaupt nicht existiere. Die extremeren Grenzfälle der Arbeitserösse konnten aus den erörterten Gründen nicht zur Ver- 1) J.Ch. = Isochorie. J.B. = Isobarie, 2) Zeitschr. f. Biol. Bd. 32 8. 370, 156 Viktor Weizsäcker: Tabelle V. R Zahl der Versuch Anfangs- Ermüdunps; Abnahme Druck isochor. Kon- Nr. höhe höhe traktionen | 46a 12,5 11,0 1,5 4,5 25 46 b 12,0 7,0 5,0 20,5 25 46€ 12,5 7,9 5,0 4,5 25 49a 13,5 11,5 2,0 7,0 15 49 b 13,5 11,5 2,0 31,0 15 49 c 12,0 10,0 2,0 7,0 15 49d 11,25 9,75 1,5 1,0 15 49 e 10,0 8,9 1,5 25,0 15 49f 10,0 9,5 0,5 1,0 15 974 11,75 9,75 2,0 3,0 20 57b 12,5 10,5 2,0 30,0 20 TC 13,25 10,0 3,25 3,0 20 o7d 12,5 9,5 3,0 3,0 20 Te 12,25 9,5 2,75 28,5 20 Ya 13,25 9,75 3,9 3,0 20 = = gleichung gebracht werden, und es ist denkbar, dass die Unterschiede der Energieproduktion in unseren Vergleichsfällen zu gering waren. So lässt sich doch soviel mit Sicherheit behaupten, dass inner- halb der hier angegebenen Zone von Verschiedenheiten der Arbeitsleistung und mechanischen Bedingung ein merklicher Unterschied der Ermüdungsgeschwindigkeit nicht vorhanden ist. Dieses Ergebnis ist immerhin auffallend; doch ist es nicht an- gängig, aus ihm den Schluss auf eine völlige Unabhängigkeit des Energieumsatzes von den mechanischen Bedingungen zu ziehen. Feinere Beziehungen dieser Art werden sich nur durch eine direkte Bestimmung der in Betracht kommenden Faktoren aufdecken lassen). Dass die mechanischen Bedingungen stark auf den Gesamt- umsatz einzuwirken vermöchten, ist höchst unwahrscheinlich, und dieses Resultat bringt das Herz in einen Gegensatz zum Skelett- muskel, der lebhaft an die auf anderem Gebiete als Alles- oder Nichts- gesetz ‚zusammengefassten Erscheinungen erinnert. Ergebnisse. Die absolute Grösse der äusseren Herzarbeit ist in ihrer Ab- hängigkeit vom Anfangsdruck und von der Schlagfrequenz untersucht worden. 1) Korrekturzusatz: Wie in einer folgenden Mitteilung gezeigt wird, hat sich diese Vermutung bestätigt. Über die mechanischen Bedingungen der Herzarbeit. 157 Für beide Faktoren besteht ein Optimum, bei welchem die Herz- arbeit am grössten ist. Das Druckoptimum ist von der Frequenz, das Frequenzoptimum vom Druck unabhängig gefunden worden. Das Maximum des Effekts wird daher nur bei einer bestimmten Grösse beider Faktoren geleistet. Der Anteil der elastischen Kräfte an der Arbeitsleistung ist untersucht worden. Die Ermüdung des Herzens ist innerhalb weiter Grenzen als nur von der Zahl der Kontraktionen, nicht aber von den mechanischen Bedingungen abhängig gefunden worden. 158 OÖ. Hagemann: (Aus dem Institute für Tierphysiologie der landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf.) Romauxankalk im tierischen Stoffwechsel. Von Prof. Dr. ©. Hagemann. Unter Mitwirkung von Paul Henseler. Die Frage nach dem Mineralstoffwechsel, insbesondere nach dem Ansatze des Kalkes und der Phosphorsäure, hat die Physiologie schon lange beschäftigt und den Physiologen so manche schwierig zu bewältigende Arbeit gemacht; aber trotz all der vielen Arbeit, welche auf diesem Gebiete bis zum heutigen Tage geleistet worden ist, entbehrt diese Materie dennoch der völligen Klarheit. Ich selber habe, weil ich mich immer für diese Frage interessiert hatte, in meinem Institut mehrfach Untersuchungen über den Mineral- stoffwechsel anstellen lassen; ich habe mich immer auf den Gedanken versteift, dass eine vollkommene, gute, reichliche Assimi- lierung des Kalkes und der Phosphorsäure nur dann statthätte und statthaben könne, wenn Kalk und Phosphorsäure in organischer Bindung gegeben würden. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, und namentlich auch im Hinblick auf die Wichtigkeit der Lösung dieser Frage für die praktische Landwirtschaft, war es mir sehr gelegen, ein Präparat, welches von der Firma Dr. Walther Wolff & Co. in Elberfeld auf den Markt gebracht wird, in dem sich Kalk und Phosphorsäure sowie auch Eisen in organischer und, wie die Darsteller behaupten, in leicht assimilierbarer Form finden, auf seine Assimilierungsfähigkeit im Tierkörper untersuchen zu können. Dieses als Romauxankalk be- zeichnete Präparat verfütterte ich in einigen Untersuchungsperioden an einen ca. 5 Monate alten, wachsenden Hammel. .Das Tier er- hielt während der beiden Versuchsperioden ein Futter aus Heu, Zuckerschnitzeln und Erdnussinehl bestehend; als Getränk bekam es dazu destilliertes Wasser, welchem so viel Kochsalz zugesetzt war, dass das Wasser nicht giftig wirken konnte. 159 hen Stoffwechsel. ierise Romauxankalk im t = 7 = = es | 8218 = = — [PR 3ra0y 978 scLE | 6LSST | 27'863 zZ 2 em 76001 1'898 se |" "PM 0978 = S6L8gT | LITsEE | — Er78 | 98601 1898 1008 | ° ° mung ‚& u8 907 3290] "EL ul . ugp 9230] owuresod piag | O86T I Sf srissT | FIzLz <08 L880°T 388 07'685 < 038 oa || zuiest | zuıeg = <8g za <09 <8'82 et 008 Ss || vr | een || os | 919 | vo 289 °0'62 ag 009 3 || s929T | 0grae S,» 196 = — — PMW UoM 1921 — | Wr | Tu | 26 ots | zeeot L’C00I 09°08 "OO PRIN OEL SR; rıwmıa | ITILEr = 0116 | 69GE0L Aa) G6C08 " owung ‚61 u2 904 109230] ‚Sy ul : WIBF] 'I299] Yowwesad "piag 0851 0,695 sl’ FEG 0951 9980 I 9081 0808 "oz 0007 = a Ze ld = LPL = | ELEOT SLL 0808 “ 078 E | oe | Heu Ss 926 | 86801 766 0808 8 0OLI 2 || 0g'ER8- | 0g'2os gs 98 | 0807 688 0L‘08 208 0681 5.5 |, 06688 sı'eas |\ 2. 886 IFE0T L101 01'08 8 0091 a || v0r2 | ver =& 891 SIEOT 8081 0r°08 ed OSET 23 | 04268 | 17'60g z & I9IT | 89E0°T rogl 0ro8 eo : 0291 Ee || na | wer || 35 086 e1E0‘T 96 0408 = "u8499).10} SOpIad 2 a a BE = > ; : : ZAUN °ST Re ©, 6 ul Jo] D08T “c008 | E808E rL6 | 02801 OTOL wel. 2 m 193239] ‘pr ul uaep] aoyzyorg | 0081 » 09628 | SE'ggr 9 | 08801 cp) c962 ZI ‘91 u) 8 3 | 3 3 99 yuoIman) ee 3 vyo8 | uomon | eyod soyos (os’H + owyeu eu Alle YOSLıJ eu uaumjo‘ I A9ssenInds OI6E u9FUunyaaıacT ne ms Im] HASPHS = a un) ApLnaH yqaımdd mpeg” SEM ; puagarT u9}epJoy u99epuıed so ; "yjeyuexneuwoy 3 0g nzep ‘zjesydoyp 3 GT al yım saosse y\ UOJ1AL]LISOP AST Z “yawssnupay]-3 06 “[ezpuyosıoyonzZ 8 007 ‘naH 3 008 :sne puagegsoq “aogynysyausio‘ Sep Ziem '9 op Nas Nalyao AOL], Sec] (oqeL 11 Bd. 140. Pflüger’s Archiv für Physiologie. O0. Hagemann 162 | use | -[eI9uI 9191-80) est | Lee | 9089 | 9889 | TOLY 96:89 | 20'09 SL ls 0019 | ° ° ueguazong ur Inapıay BL’sssL | 08'E9T | 6026 a8'c0R | 88'S9 &6°01 1Zdfa ze Bra: peisıg | WWEID ur Injosqe InepıoA pLT6oT | 84‘'60T | 689% c0'%6 ge'eL 6 11'608 re | 9018 yLors | 304 ABuspomyu 2 Pe'gız JUL U9poLq9sadsne Uapana Sy ‚Irısye | SVELE | see‘ LE0oR | 98's8L a | Be eis | - In der ersten Mitteilung!) habe ich über Versuche an Tunicaten (Ciona intestinalis und Styela plicata) berichtet, in welchen ich zeigen konnte, dass die Stärke und Dauer der Kontraktion, die diese Tiere auf fast alle künstlichen Reize hin ausführen, im allgemeinen mit der Zahl der Reizungen abnimmt, so Zwar, dass der erste Reiz immer der wirksamste ist und alle folgenden in ihrer Wirksamkeit einbüssen. Um zu sehen, ob diese Erscheinung auch an anderen wirbellosen Tieren zu beobachten sei, habe ich die Untersuchungen auf andere Tierspezies ausgedehnt und berichte in dieser Mitteilung nun über das Ergebnis von Versuchen an Vertretern aus der Klasse der Cölenteraten. Als spezielle Versuchsobjekte dienten Adamsia rondeletii, Bunodes semmaceus, Helliactis bellis und Eudendrium. Alle diese Hohltiere gehören zu der Unterabteilung der Cnidaria (Nesseltiere) und sind durch einen sehr einfachen Körperbau charakterisiert. So zeigt hier das Nervensystem im Gegensatz zu den Tunicaten noch keine Zentralisierung. Zuerst will ich einige Bemerkungen über die Anatomie der Tier- arten, welche ich bei dieser Untersuchung verwendete, vorausschicken. e: 1) Pflüger’s Arch. Bd. 135 S.501—530. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 12 168 Toosaku Kinoshita: Die ersten drei genannten Formen gehören in die Klasse der Anthozoa (Korallenpolypen) und zur Familie der „Actinidae*. Letztere sind durch folgende Merkmale charakterisiert: Fehlen des Skelettes, weiche Körperwand, meist einzeln lebend und nicht frei schwimmend. Die Aktinien weisen einen zylindrischen Körper auf, der meist mit seiner flachen Basis auf der Unterlage aufsitzt, während das freie Ende desselben einen Kranz von Tentakeln in Kreisen um den Mund angeordnet besitzt. Letztere sind nichts anderes als schlauchförmige Ausstülpungen der Körperwand, und diese begrenzt ein einziges Hohlraumsystem. Das vierte Versuchsobjekt, Eudendrium, gehört zu den Hydrozoa, die zwar denselben Bauplan wie die Aktinien zeigen, aber in einer viel ursprünglicheren und einfacheren Form. Es stellt bäumchen- förmige festsitzende Tierkolonien dar, deren Einzelindividuen nur etwa stecknadelkopf gross sind. Vor allem zeigt in diesem Falle der Gastrovascularraum keinerlei Komplikation. Das Polypen individuum besitzt einen scharf abgesetzten, trompetenförmigen Rüssel und fadenförmige, in einem Kranze angeordnete solide Tentakel. Bemerkenswert ist ferner, dass der ganze Polypenstock, mit Ausnahme der Polypenköpfchen, von einem chitinartigen Skelett in Form einer Hülle umkleidet ist. Auf der Spitze jedes Zweiges liest der einzelne kelchförmige Polyp (Hydrant), mit 20 bis 24 in einem Kranze angeordneten Tentakeln. Bezüglich der Durchführung meiner Versuche, der verwendeten Reizqualitäten und der Art und Weise ihrer Applikation verweise ich auf meine erste Mitteilung, da ich mich im allgemeinen an die dort beschriebene Versuchstechnik hielt; einzelne geringfügige Änderungen waren durch die Eigenart des Materials gegeben. Auf eine graphische Darstellung des Effektes musste ich diesmal verzichten, weil die Versuchsobjekte so weich und gallertig sind, dass sie sich auf der Registriervorrichtung nicht befestigen und ein- haken lassen. Deshalb habe ich nur mittelst einer Stoppuhr die Zeit- dauer jeder Kontraktion gemessen. Bei sämtlichen Reizungen be- fanden sich die Tiere im Seewasseraquarium. Alle vier Tierarten reagieren auf Reize der Art, dass sie ihre Tentakeln und gleichzeitig ihren Körper plötzlich zusammenziehen. Letzteres bezieht sich besonders auf die Aktinien, indem diese den mit einem Tentakelkranz besetzten Rand ihrer breiten Mundscheibe kontrahieren und so den ganzen Tentakelapparat gegen diese ein- Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 169 stülpen. Dabei verkürzt sich ihr Körper sehr stark. Nach Ablauf der Reizwirkung kehrt das Tier allmählich zu seiner gewöhnlichen Gestalt wieder zurück. Die Reaktion gegen die verschiedenen Reize war bei den Tieren dieser Gruppe manchmal sehr geringfügig und un- deutlich, indem nur gelegentlich Bewegungen der Tentakeln oder unvollständige Kontraktionen derselben auftraten. Dadurch war es oft sehr schwer, die Dauer der Bewegungen zu messen. I. Mechanischer Reiz. Was die Empfindlichkeit gegen die Bewegung des umgebenden Seewassers anbelangt, so ist sie bei den verschiedenen Tieren ver- schieden; in der folgenden Reihe sind sie nach der Abnahme der Stärke gruppiert: I. Bunodes gemmaceus'); II. Adamsia rodeletii; III. Eudendrium ; IV. Heliactis bellis. Die gegen mechanischen Reiz empfindlichste Stelle?) an der Körperoberfläche der Aktinien liegt an der Basis bezw. im Ansatz- rand; das ist besonders dann deutlich zu sehen, wenn der Rand infolge des Anhaftens der Tiere an harten Gegenständen stark ge- spannt ist. Was die Empfindlichkeit gegen mechanische Reize an- belanet, kommen an nächster Stelle die Tentakeln und die Mund- scheibe Die Oberfläche des eigentlichen zylindrischen Körpers der sogenannten Mauerplatte besitzt eine sehr geringe Empfindlichkeit. Bezüglich Adamsia rondeletii füge ich noch hinzu, dass die Tiere in der Regel auf dem Gehäuse der Schnecke Murex aufsitzen. Letzteres ist entweder von der Schnecke noch bewohnt oder, wenn dies nicht der Fall ist, an deren Stelle von einem Einsiedlerkrebs (Paguristis maculatus). Durch die Bewegung der Murex bezw. des Einsiedler- krebses wird daher die Anemone von diesen Tieren herumgetragen und sozusagen ständig mechanischen Reizen ausgesetzt, gegen die sie sich im allgemeinen aber wenig empfindlich erweist. 1) J. Loeb, Physiologie und Pathologie der Aktinien. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 59 S. 415. — H. T. Fleure and C. L. Walton, Notes on the habits of some sea-anemones. Zoolog. Anzeiger Bd. 31 S. 213. 1907. 2) 1ER Fleure and C. L. Walton,l.c. 12 * Toosaku Kinoshita: 170 Bezüglich der künstlichen mechanischen Reizung bemerke ich, dass eine ziemlich ausgiebige Berührung sämtlicher Tentakeln not- wendig ist, damit sich das Tier und die Tentakeln vollständig zu- sammenziehen. Reizt man ein Tier mechanisch (mit einem Glasstab), so kon- trahiert sich dasselbe und verharrt eine Zeitlang in diesem Zustand, um dann wieder zur Ruhelage zurückzukehren; appliziert man in diesem Moment einen zweiten Reiz, so ist die Kontraktionsdauer kürzer. Die Resultate mehrerer suleher mechanischer Reizungen sind in der folgenden Tabelle übersichtlich zusammengestellt. Tabelle’l. Reizqualität: Mechanischer Reiz — starke Berührung mit einem dünnen Glasstab. Applikationsstelle des Reizes: Tentakelkranz. Art und Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Versuchstier: Adamsia rondeletii. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten und Sekunden Versuch Nr. Reiz Reiz | Reiz Reiz | Reiz Nr.1 Nr.2 | Nr.3 | Nr. 4 | Nr.5 I Tl 3225" 191/75," 1845" n_ II Da 9Rlann 110 12535 32 Maas III 17 Rt 32 aA Sn! 17 2 1 IV DOSE 1: BR 572/5'' 552/53" 975" V 100 10) 2 12, 10 8257 DI 548/5 "" VI DO DS Dean 1’ 291/35" 50” vi 2 0 1. 5457! I ae al ITS VIII DL 13 m Du 1 22 12 381/z 27 | jet 20.5 22 1 r 223], 22 IX 4' 2145" 3. 50%6%. DRS 2L | —_ = X U 50%5 '' 30%5'' | Jaıl 3045" ! l Ver- Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten und Sekunden uch Reiz | Reiz a an Nr. Neo Ne Nun a 29 KENEIO Na SEE 2 een a 1’ 21295” | 17 223" | 17 28”. | 1r 1er | 58" a Ba fe 2 | = gan | ER KR IV — | — 2 I A | Ze: V 4925" | a Sur ui ER | “ VI — | — | —_ — | — — VII a 5 SE 488/53 '" 46%/5'" | Fa Sm VII 1 22 | — — | _ _ Ken =- | > 2 X 35215" er | us EN | BI Kant | | Uber den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 171 uhr ı6 g IN ze Le) an) ET || Nay = SiS 1 18 Sa a mi nr 19 Sr Ru Ki u BR vn BR &i Un} —= S | a Yo) $ u #16 u 21V | ual266 ı6 | u*ls16 ı6 | u “/+81 all u :/,96 6 u i ıl vun zeay | 9 an zeug | u"h$V u 3/8468 u 2/1868 u 3/08 u 3/89 6 u “/e6P u /;08 u lelS SINE ZIIT 168 u A188 u il u 2/01 uSV u96 u “66 u S/sV ud ‚I Ko ‚OL ‚6L ‚Pl ı6 ı6 Yun zioy uapunyag pun uopmupy ur Sunztoyy doulo ol 194 UoNseuoy dap done „ag uoSıpunysjj0a dop °y 'p “Sunyımzıoy uvuodurdodsotjloA op Jurqy Wwop yaru yarojg zuonwspddeziay aop ostay pun Jay u 6 4 I u 3 35 86 ıl u®lsle ıl | ugV ı6 == > Te ugP ıl | ulsIT 1,6 ER Br BR a | uht96 ıl | L an zioy 9 IN ZIOy g IN zioy FAN zo g UN zog u /,8% 4 “TE 4 Y u 3218 68 u 3/3268 uLlS G/,CG u Alv& ıV | “u S/elV “u &/z07 m u 2/66 4 I u 2/07 4 I u “/,G9 ) 6 u S/erE u 2/49 D) I u “lg u S/3PL il u 2/g0G ‚LI ud ı$ u S/iLE uel s€& u 66 ı6 u “/18 ‚6 u S/r&l fl I 6 IN 704 u96 “sg usl 166 ualhlr ulm 12/808 16 u96 ı6 “198 ur IN zo ‚l ‚8 uspunyag pun uamumm ur Sunziay deut of 1994 uorerjuoyp op done] ‚sıoq SHOeIoH Ay uosıpurjspjoa dop "y 'p “Sunyumzioy ususdursoRtayloA dop UeIqy WOP yoeu projg :uormesipddez :1O1JSYOnSIa A X XI IITA IIA IA A AI III II aamwmu -STONS.IOA „219.193 ‘Sunuyg) dp Zun.ıaylom a7 Op say pın Yıy "ZUR. -[oreyuaL :sozroy Sop ojfp4ssuogeyuddy 'qejssepn) uouunp wours Au Sunignaog oNımys -- za aomostaeyoony :Teyıenbzuoy . I 2II94eıL 172 Toosaku Kinoshita: Tabelle IV. Reizqualität: Mechanischer Reiz — starke Berührung mit einer dünnen Metallsonde. Applikationsstelle des Reizes: Tentakelkranz. Art und Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reizwirkung, d.h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Versuchstier: Eudendrium. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten Versuchs- und Sekunden nummmer 7 = TE £ : Reiz Nr. 1 | Reiz Nr. 2 | Reiz Nr. 3 | Reiz Nr. 4 | Reiz Nr.5 Reiz Nr. 6 | | | u |2° 635” | 1’ so 12 15m) er | Aa 2 I aa 20 sau 350 59 en 11 aa, Sl 2a all or oe IV Sr | Aa az a Ne U al a wm VI 2635| 36" 19 as No vu 54375" | 31es" 27/5" | 1985” Tcusnz anal VII Dr | 20" 18. 10 en en IX 33215" | 21275” 2045” | 16%," ee x Se Se Dr TE XI 3a 2915" 2725" | 1695" ER Xu 4325" | sgls"| som | ar) = Wegen der Rleinheit dieser Tiere geschah die Beobachtung immer mit der Lupe. Aus den Versuchen in Tabelle I, I, III und IV ist deutlich er- kennbar, dass die Kontraktionsdauer im allgemeinen mit der Zahl der Reize abnimmt. Dann applizierte ich Reize, welche eine Minute lang in rascher, regelmässiger Aufeinanderfolge fortgesetzt wurden, worauf das Tier während der Reizung eine tetanusartige Kontraktion zeigte, welcher Zustand nach dem letzten Reiz anhielt. Ferner habe ich in diesem Falle die Zeitdauer, welche vom letzten Reize bis zur vollständigen Erschlaffung verstrich, gemessen. Das Resultat ist aus den folgenden Tabellen zu ersehen: Tabelle VW. Reizqualität: Mechanischer Reiz — Berühren mit einem dünnen Glasstao. Applikationsstelle des Reizes: Beim Strecken der Tentakeln an der Tentakel- spitze; beim Kontrahieren desselben an dem oberen Teil der Columunalfläche, welche sich bei Kontraktion der Tentakeln über die Mundöffnung zusammenzieht und eine neue eingestülpte Öffnung bildet. Art und Weise der Reizwirkung: Mit aufeinanderfolgenden Reizen eine Minute lang gereizt. Gleich nach dem Ab- lauf der vorhergegangenen Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Versuchstier: Adamsia rondeletii. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 173 Versuch Dauer der Kontraktion bei der Reizung in Minuten und Sekunden Nr. Reiz Nr. 1 Reiz Nr.2 | Reiz Nr.3 | Reiz Nr.4 I A Sa — — 1 5' 1045” 3' 49375" DZ | — DI 8” 1845" 5% Ds 3 27 IV alle" Dell I 20 = V 955% 2 096 97 20, — VI Sr 15# 53 122 4' 162/s [2 | 3' 18'/s [2 | ee vu 02 Sala 2 An a et —_ VI 27 Aa 321045200 0 oe — IX 7 36lor | 47.8086" 3’ 4215" = x A a I 3 Dal 2' 4815" _ | Tabelle VI. Reizqualität: Mechanischer Reiz — Berühren mit einem dünnen Glasstab. Applikationsstelle des Reizes: Beim Strecken der Tentakeln an der Tentakel- spitze; beim Kontrahieren derselben an dem oberen Teil der columunalen Fläche, welche sich bei der Kontraktion der Tentakeln über die Mundöffnung zu- sammenzieht und eine neue eingestülpte Öffnung bildet. Art und Weise der Reiz- einwirkung: Mit aufeinanderfolgenden Reizen eine Minute lang gereizt. Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reizwirkung, d.h. der vollständigen Fr- weiterung der Öffnung, gereizt. Versuchstier: Heliactis bellis. Versuch | Dauer der Kontraktion bei der Reizung in Minuten und Sekunden Nr. Reiz Nr. 1 | Bez Neo Reiz Nr. 3 I 197 ar | 10° 50407 | = II 13’ 161/75" | 8” 502/5 "° | 6’ 4345" IH 2)’ 14315" | 16’ 232), " | 127 Ss" IV 6’ 15215" | 579115" | 2’ 5445" W 7 Aust | 16’ 17375" | a VI mat Il!" | 4' Az 77 | et VII 937 735" 1a | 12' 4585" vn 13" A515" | 9" 1385" | 7' 4912" IX 8" 2745" | 5' 4315," 4' 3315" RR 10’ 4015" u an 57 9845’ Tabelle VI. Reizqualität: Mechanischer Reiz — Berührung mit einem dünnen Glasstab. Applikationsstelle des Reizes: Beim Strecken der Tentakeln an der Tentakel- spitze; bei der Kontraktion derselben an dem oberen Teil der columunalen Fläche, welche sich bei der Kontraktion der Tentakeln über die Mundöffnung zu- sammenzieht und eine neue eingestülpte Öffnung bildet. Art und Weise der Reizeinwirkung: Mit aufeinanderfolgenden Reizen 1 Minute lang gereizt. Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reizwirkung, d. h. der vollständigen Er- weiterung der Öffnung, gereizt. Versuchstier: Bunodes gemmaceus. 174& Toosaku Kinoshita: Dauer der Kontraktion bei der Reizung in Minuten und Sekunden Versuch Nr. Reiz Nr. 1 Reiz Nr.2 | Reiz Nr.3 | Reiz Nr.4 I MO SAN SE SOLASI TEN | al | ke, II 12" 165" 10° 2315" TI ASt" es II 24’ A315" IR ER 18’ 97375” | 129" Ast IV 36' 20 | 20° 97a 17 45360) u V 1418 go N VI gs’ a3" | 67 215" ar sus | Ben Vu 17. aa oT 10’ 213/5" 7’ 1695" va 10: 36375 | 762 aysn 6’ 54/5" Lı IX 7. gg | 50 164" 4’ ls" a Re A N Ir 575" ei Tabelle VII. Reizqualität: Mechanischer Reiz, kräftige Berührung mit einer dünnen Metallsonde. Applikationsstelle des Reizes: Beim Strecken der Tentakeln an der Tentakelspitze; beim Kontrahieren derselben an dem oberen Teil des Körpers. Art und Weise der Reizapplikation: Mit aufeinanderfolgenden Reizen 1 Minute lang gereizt. Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reiz- wirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Versuchstier Eudendrium. Lupenbeobachtung. Dauer der Kontraktion bei der Reizung in Minuten und Sekunden Versuch A re nt — 2 - Nr. Reiz Nt.l | Reiz Nr. 2 Reiz Nr. 3 Reiz Nr. 4 I grigg" u a II 7 3887| 5a | ar Be IH 14 26 | 100 8 10’ 2015 ? IV SE N 3' 3145 ' = V 33" 1445" 17" 243/5" 15” 30452 0. 10r arajst VI 12' 473], " 9’ Ayla!" 7’ Adels’ 5" 845"! vu Ss’ 56 ang 4' 512/5" = vIm 13’ 2145" 107.275" 3 | en IX gr OT NE RABEN 5’ 18” | = x 11 os Neo 4' 5845" — Die wirkliche Kontraktionsdauer beträgt bei jeder Reizung 1 Minute mehr. Aus den Versuchen auf den Tabellen V, VI, VII und VIII ist ebenfalls ersichtlich, dass die Kontraktionsdauer im allgemeinen mit den späteren Reizen abnimmt. ll. Elektrischer Reiz. Die elektrische Reizung geschah mittels einer dünnen Platin- elektrode, deren Spitzen ca. 2 mm voneinander entfernt waren!). 1) Siehe I. Mitteilung oder J. v. Uxküll, Leitfaden in das Studium der experimentellen Biologie der Seetiere S. 92. 1905. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 175 Als Reizstrom verwendete ich den tetanisierenden Induktionsstrom, da die Reaktion bei Einzelreizen sehr undeutlich und minimal war (siehe erste Mitteilung). Die Eiektrode wurde in den sekundären Kreis des Schlitteninduktoriums eingeschaltet und vor der Reizung am Tiere angelegt; der .Strom wurde erst mehrere Minuten später geschlossen, um jeden Einfluss einer mechanischen Reizung auszu- schalten. Den primären Strom entnahm ich einem Akkumulator von vier Volt Spannung; die Stromstärke ist in Zentimeter Rollenabstand angegeben. Die elektrischen Reizversuche habe ich nur an Adamsia ronde- letii, Heliactis bellis und Bunodes gemmaceus ausgeführt, da die Applikation des Reizes bei Eudendrium wegen der Kleinheit des Objektes unmöglich war. Bei meinen diesbezüglichen Untersuchungen wurde zuerst der Schwellenwert bestimmt, dann durch Variierung der Reizstärke die Häufigkeit der zu erzielenden Reaktionen bei wiederholten auf- einanderfolgenden Reizungen beobachtet und zuletzt, wie bei der mechanischen Reizung, der Effekt mehrerer aufeinanderfolgender Reize der gleichen Stärke geprüft. Bei Adamsia rondeletii erhielt ich bei einem Rollenabstand von 15 em eine kräftige Kontraktion; bei 35 em war eine solche nicht zu erzielen. Dabei bemerkte ich, dass man bei diesen Tierarten bei Applikation des Reizes an dem coronalen oder columunalen Teil, welcher sich ziemlich unempfindlich gegen den mechanischen Reiz erwies, relativ deutliche Resultate erzielen kann, was bezüglich anderer Körperteile nicht möglich ist, weil die starke Erregbarkeit gegen den mechanischen Reiz sich störend hinzugesellt. Bei einem Rollenabstand, der kleiner als 15 cm ist, reagiert das Tier auf den Reiz derart, dass es anfangs nur langsam seine Tentakeln herum- bewegt, als ob es etwas — z. B. die Nahrung — suchen wollte. Sodann, bei 5—8 em, beginnt es, seinen Tentakel deutlich, aber noch unvollkommen zu kontrahieren. Wenn man wiederholt reizt, so reagiert es bei 15 cm Rollenabstand nur einmal, bei 5 cm zwei- mal, bei 0 cm drei- bis fünf- oder noch mehr Male; bei den schwachen Reizen waren die Kontraktionen unvollständig, bei 0 em sehr deutlich und vollkommen. Das Resultat war bei Adamsia rondeletii das folgende: 176 Toosaku Kinoshita: Tabelle IX. Reizqualität: Elektrischer Reiz — tetanisierender Induktionsstrom. Applikations- stelle des Reizes: Körperbasis. Art und Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reizwirkung, d.h. der vollständigen Er- weiterung der Öffnung, gereizt, mit einer Platinelektrode, deren beide Pole ca.2 mm voneinander entfernt sind. Rollenabstand 2 cm. Primärer Strom 4 Volt. Versuch | Pauer der Kontraktion bei Je einer Reizung in Minuten und Sekunden Nr. | Reiz Nr. 1 | Reiz Nr. 2 Reiz Nr.3 | Reiz Nr.4 I er 0er 56*/5 '" 49" il 10925 ale Hal 423/5 '" III 1" 30%5' a | 17.0 IV 2' 1635" 1’ 3845" 353/53 "' 2625 "" V DL STE SL 1" 54tls”" AS SAH VI 17 892/15. 17 2515 u — vi Hl 44415 '' 38’ 3515" VIII a 12,997 USD DU 8 IX 1. 45/57 1 | Tee u x DEAD I 12 885 IB Versuch ı Pauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten und Sekunden Nr. Reiz Nr.5 | Reiz Nr.6 | kteiz Nr.7 | Reiz Nr.8 | Reiz Nr.9 1 38" a ey 1 47/5" 05" | 475" — — I ea Dane IV 3645" Da So 31275" 95275" v AR = en Er en vI # a5 x ze = vu 366" | B5rer en = a vn Be an 2° = IX UA 502/5 '" — —- = X 54" 54375 7 en 2 Heliactis bellis reagierte zuerst auch nur sehr gering bei 15 cm Rollenabstand bei Reizung der Basis. Bei allmählicher Verringerung des Rollenabstandes kann man jedoch eine vollkommene Kontraktion des ganzen Körpers beobachten. Der direkten Reizung am Tentakel bei 15 em Rollenabstand folgt eine geringfügige Kontraktion dieses Organes. Diese Reaktion vermehrt oder verstärkt sich durch stärkere Reizung, und zwar so, dass der gereizte Tentakel auch bei 0 cm Rollenabstand schon manchmal ziemlich deutliche Kontraktion zeigt. Bei wiederholten Reizungen reagiert das Tier ebenso wie Adamsia rondeletii, und zwar bei 15 em Rollenabstand nur einmal, bei 5 em Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 177 meistens zweimal, bei 0 em noch drei- bis fünfmal. Bei Heliactis erzielt man nicht immer vollständige Kontraktionen; manchmal er- weist sich selbst ein Strom vom 0 em-Rollenabstande als unwirksam. Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über sämtliche Versuche: Tabelle Reizqualität: Elektrischer Reiz — tetanisierender Induktionsstrom. Appli- kationsstelle des Reizes: Körperbasis. Art und Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt, mit einer Platinelektrode, deren beide Pole ca. 2 mm von- einander entfernt sind. R.-A. 2 cm. Primärer Strom 4 Volt. Versuchstier: Heliactis bellis. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten und Sekunden Versuch - | Nr Reiz Reiz Reiz Reiz | Reiz N | Nr. 2 | Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 il 3.10) 7 DIE 5% I — 1I DS 22 ae AS Das — III 1 Bl A Ne 17 195 IV 2 Sa 2 1274947 > 1220218 _ vw. || Do ee ee nennt VI 1 r 43 rm 1 r 402/35 rm 1l r 36#/3 rm | USE: 1 BC wur || a Sn Pe re = VIII 4' 202/5 m Sl | 37 Es Sl Ba IX 3’ 4025" 3 A el? 2 — X 2a 1E2543/5% Kassa — — | | | Bunodes gemmaceus reagiert besser als die vorigen zwei Tier- arten. Schon bei 30 em Rollenabstand tritt eine Kontraktion auf, die bei 25 und 20 em wesentlich stärker und intensiver ist. Bei 15 em Rollenabstand verstärkt sich die Kontraktion noch mehr, und dabei bemerkte ich, dass das Stadium des Erschlaffens nach der Kontraktion rascher eintritt als bei der mechanischen Reizung. Ich will hier bemerken, dass die Kontraktion nur beim Schliessen und Öffnen des Induktionsstromes stattfand, während bei der Durchleitung des Induktionsstromes eine solche nicht beobachtet wurde. Bei 10 em Rollenabstand kontrahierte sich das Tier schon ziemlich stark, wenn seine Basis gereizt wurde. Bei dieser Strom- _intensität konnte man durch blosses Nahebringen der Elektroden die aufsuchende Bewegung einiger Tentakeln erzielen, ohne sie direkt und mechanisch zu berühren. Bei 5 em Rollenabstand bemerkte man bei Einwirkung auf die Basis richt nur auf bipolare Reizung eine starke und vollkommene Kontraktion, sondern schon bei uni- 178 Toosaku Kinoshita: polarer Reizung. Bei tentakulärer Reizung jedoch kontrahierte sich nur der betreffende Tentakel; die auderen wurden dadurch nicht beeinflusst. Bei 0 cm Rollenabstand und bipolarer Reizung der Basis schloss sich das Tier vollkommen. Bei Reizung der Tentakel blieb die Wirkung auf diese beschränkt. Bei wiederholter Reizung bei einem Rollenabstand von 30 und 25 cm war schon der dritte Reiz erfolglos, dann bei 20, 15 und 10 cm Rollenabstand erst die vierte Reizung; bei 5 und O0 cm Rollenabstand reagierte das Tier selbst noch auf viel häufigere Reizungen. Die den einzelnen aufeinanderfolgenden Reizen ent- sprechende Kontraktionsdauer ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich: Tabelle XI. Reizqualität: Elektrischer Reiz — tetanisierender Induktionsstrom. Appli- kationsstelle des Reizes: Körperbasis. Art und Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d.h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt, mit einer Platinelektrode, deren beide Pole ca. 2 mm voneinander ent” fernt sind. R.-A.2 cm. Primärer Strom 4 Volt. Versuchstier: Bunodes gemmaceus. Ver- Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten und Sekunden Su | Reiz VRR Reiz Reiz Reiz | Reiz Nr. Nr. 1 Nr.2 | Nr.8 Nr. 4 Ne.5 | 026 | | | | I 4% Alle | 295 15 Ale aan AI II 17.2895 2, 122142762) 49275" 46*/5" 01/5" | 442/5 '' 122115 03045273. 711% 3 NN | — IV 64.392 no. lost 208 rl — V 21. 9lsun | 20, 0/5 So St al 30 1913 92/on AN 2 VI: 2" loy/s | 1 22olelssı Wi Sol/s. | a Re 1. 40%5’' vu 22 0025. 1. 092 oanlaee lu Sansa, lu 30122 Hana VII 2 9128.) 12% San SITE — IX Bu. 206, 2' A5lls”" | 2’ 1995" | 2 26218 220 Ol/sa X 34.19315%, 1,2, 971/50 720.022 5 Ya OOo Ba 2 1'744" | | | Aus den Tabellen IX, X und XI kann man ieicht ersehen, dass auch bei dieser Reizart die Kontraktionsdauer mit der Zahl der Reizungen sich verkürzt. 111. Termischer Reiz. Meine diesbezüglichen Versuche zerfallen in zwei Gruppen; in der eineu wurde das Verhalten des Tieres bei wechselnder Tempe- ratur des Mediums geprüft; in der zweiten Versuchsreihe wurde die Reaktionsdauer bei Applikation mehrerer aufeinanderfolgender ter- mischer Reize (Termosonde) gemessen. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 1170) Über termische Reizversuche an Aktinien berichten H. T. Fleure and C. L. Walton!); sie machen darauf aufmerksam, dass „Actinia and Anthea seem to enjoy a slighty raised temperature when warmed from 8° to 20° in a dish; as the temperature was raised beyond 22° C. the animals retracted“. In der ersten Versuchsreihe hatte ich zuerst zwei Exemplare von Adamsia rondeletii, ein Exemplar von Heliactis bellis und ein Exemplar von Bunodes gemmaceus in ein Bassin gebracht und das Seewasser allmählich erwärmt. Bei 12° C. fing zuerst Bunodes gemmaceus an, sich etwas auffallend zu bewegen und mit den Tentakeln herumzusuchen; bei 14°C. beide Adamsia rondeletii und zuletzt, bei 16° C., Heliactis bellis. Je höher man mit der Tempe- ratur des Wassers ging, um so deutlicher traten die Bewegungen der Tiere auf. Bei 23°C. kontrahierten sich alle Tiere fast gleichzeitig. Bei den Reizungen mit, der Thermosonde?) habe ich die drei Tierarten — mit Ausnahme von Eudendrium — geprüft. Das Resultat dieser Untersuchungen ist in der folgenden Tabelie zusammengestellt: Tabelle XII. Reizqualität: Thermischer Reiz — Berührung mit der Thermosonde. Applikationsstelle des Reizes: Tentakeln und columunaler Rand. Temperatur Versuchstier ı 5 fun 2 Sureh- Adamsia Heliactis Bunodes . 1.8 2 |schnitt- ie | i Bassin 2 lich rondeletii | bellis gemmaceus 39°C | 34°C 134,5°C Kontraktion Wie bei Adamsia | Wie bei Adamsia durch mecha- | nische Reizung 430 C | 41°C | 42°C | Alle Tentakeln | Nur der berührte Der Tentakel } kontrahieren sich | Tentakel kontra- | nähert sich zuerst gleichzeitige. | hiertsich. Rand | derThermosonde, Rand unempfind- unempfindlich | dann tritt plötz- lich | liche Kontraktion auf 78°C | 72°C Wie bei 42°C | Wie bei 42° C | 75°C | Wie bei 42°C | 1) H. T. Fleure and C. L. Walton, Notes on the habits of some sea- anemones. Zoolog. Anzeiger Bd. 31 8. 217. 1907. 2) Siehe I. Mitteilung: T. Kinoshita, Über den Einfluss mehrerer auf- einanderfolgender wirksamer Reize auf den Ablauf der Kontraktion bei Wirbel- osen. Pflüger’s Arch. £. d. ges. Physiol. Bd. 133 8. 501—530. 180 Toosaku Kinoshita: Bemerken möchte ich, dass durchaus nicht alle Tiere auf den thermischen Reiz reacieren; überdies dürfte die unterste Grenze bei einer Temperatur von 35° C. liegen. Die Versuche mit mehreren aufeinanderfolgenden Reizeu habe ich nur an Adamsia, Bunodes (bei 42 und 75° C.) und Heliactis (bei 75° C.) ausgeführt. Adamsia rondeletii beantwortete den thermischen Reiz von 42° C. zweimal, jenen von 75° C. viermal und wahrscheinlich noch öfter. Das Resultat der zeitlichen Messung ist in den Tabellen XII und XIV zusammengestellt. Tabelle XII. Reizqualität: Thermischer Reiz — Berührung mit der Thermosonde. Applikationsstelle des Reizes: Tentakeln und columunaler Rand. Art und Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Die Reizungen wurden bis zur Unempfindlichkeit des Tieres wiederholt. Versuchstier: Adamsia rondeletii und Bunodes gemmaceus. Temperatur: 42° C. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Versuchs- Versuch Minuten und Sekunden tier s Nr. 5 En = | 5 Pr z ReiızıNnrs 0 7 NReizaonn: 2 Reiz Nr. 3 ( I 3 Mer — 01 De SAD LE St III I | Se — IV 3’ 1245" oe Adamsia ) V LS re a rondeletii VI ZU SUEISG| 17,599 IE vi I Holen | 47215 '' VII ee Bat Ti IX Se | 45215." — X 12522/5884 er — 1 ADS 3 1 — I 2 1 1" 425! Ill 1 0 5635" — IV 72 213/5. Del — Bunodes V =. WR“ 1. a — gemaceus VI 11 Dt TS ENT — Vvil 62a Balls _ VIIL Ar gl" Da SE a 10X 2’ 1935" 1 or 1 L X 6’ A125" ATEM — PT albelleoxVv. Reizquaiität: Thermischer Reiz — Berührung mit der Thermosonde. Applikationsstelle des Reizes: Tentakeln und columunaler Rand. Art und Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 181 Weise der Reizapplikation: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Die Reizungen wurden bis zur Unempfindiichkeit des Tieres fortgesetzt. Versuchstier: Adamsia rondeletii, Bunodes gemmaceus und Heliactis bellis. Temperatur: 75° C. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten Versuchs- | Versuch und Sekunden ne Nr Rez Nr.1 | Reiz Nr.2 | Reiz Nr.3 | Reiz Nr. 4 ( 1 gr aa" | gras | gr ır 1' 5835" 1l 8’ 19" | Grat | Hase | gr ag u Bd | 4 ao | Br 2 a Tv on see |, or aan Te 37 46a ass ) v | 167 346" | 117 3506” | 9" 5995” = 1 vI os | 15 os ou Brose; letii vu gr | rt | Brain | 2’ Aus” VII | 107 ur | Trasse | Stage | Ar Ast" IX Se en | 0a 2" 5345" | X sn | or Te see 56215" ls ss | 110 Au es aseen 1 8” 36375" GB’ Agsjst" | Ar ag | 37 51a” In gr 432,5 "" a || a Z Pesode IV 27 a8 | Dr Set | 1r gast fg" en v Se | are | Dun | 110 Bor g a || ze ae | zen | Bor ceus vl Gt | Arge gr 45375" D vl Bass | alas, Wan 15a, IX ou asısu | 9. jan 0 joe 4985" L x | 1a sr | 101 32” gr 352/57 | 57 Age ( I Tr 2345" 5’ 6 | gras | 2’ 9926" 1 a | ae | 0 Aw |. 20 Br III | 137 584" | gr sa | 57 Ararı Zr 7 | mr nee | one | 0 oe EN Heliactis V gr 3925" 6’ 51" 37 9957 | 27 344," bellis vI Sr 4a | gr og" ar 185 | 17 0065" vi 37 9185" gr aber | Gr 323" | Dr 5945" vn 7387607 | Aromım | ar gr | rad X 17 Sig 8’ Sl | 57 SQ | gr 59" X 5’ 4706” | gr 11967 | Dr Age 5445" Auch diese Versuche lassen erkennen, dass die Kontraktions- dauer sich bei wiederholten Reizungen verkürzt. IV. Chemischer Reiz. Weiter wurden Versuche mit chemischer Reizung gemacht und als Reizmittel Kochsalzlösung in verschiedener Konzentration ver- wendet. Diese Lösung wurde in der Weise appliziert, dass ich sie ver- mittels einer mit einem Gummiballon versehenen Pipette in die Nähe der Tentakeln vorsichtig spritzte, um nach Möglichkeit eine gleich- zeitige mechanische Reizung zu vermeiden. 182 Toosaku Kinoshita: Bei einigen Versuchen liess ich Kochsalzkristalle auf die Ten- takeln fallen. Das Verhalten der Tiere gegen verschieden konzentrierte Koch- salzlösungen ist aus der folgenden Tabelle zu ersehen. Tabelle XV. Reizqualität: Chemischer Reiz — Berührung mit verschieden konzentrierten Applikationsstelle des Reizes: Tentakeln und Mundrand. Kochsalzlösungen. Konzentr. der Koch- | Adamsia rondeletüi salzlösung in Proz. 0,0 Sehr geringe Verkürzung (Süss- der Tentakeln. Das wasser) | zweite Mal unwirksam 1,0 Bewegung d. Tentakeln; der Körper kontrahiert sich etwas, öffnet sich aber bald wieder 2,0 Zusammenschliessen der Tentakeln zentralwärts 3,0 Allmähliches Zu- sammenschliessen der Tentakeln mundwärts. Das zweite Mal un- wirksam 4,0 Nur einige Tentakeln bewegen sich 6,0 Der ganze Körper ein wenig kontrahiert 8,0 Der ganze Körper kon- trahiert sich stärker als oben. Das zweite Mal weniger 10,0 Der ganze Körper kon- trahiert sich. Das zweite und dritte Mal immer weniger Kochsalz- | Nur bei Berührung der Kristalle ‘| Tentakel erfolgt Kon- traktion. Das zweite und dritte Mal erfolgt | die Eröffnung rascher Heliactis bellis Geringe Verkürzung der Tentakeln. Das zweite Mal unwirksam Bewegung d. Tentakeln der innersten Reihe, doch keine Kontraktion Die langen Tentakeln der innersten Reihe kontrahieren sich sehr gering Die innersten Tentakeln bewegen sich am besten ;: andere Tentakeln sehr wenig. Das zweite Mal unwirksam Ohne Reaktion Die längeren Tentakeln kontrahieren sich, die kürzeren schliessen sich in der Mitte der Scheibe zusammen do. Der ganze Körper kon- trahiert sich. Das zweite Mal weniger deutlich Starke Kontraktion. Das zweite Mal war die Eröffnung schneller Bunodes gemmaceus Zusammenschliessen der Tentakeln, sehr starke Suchbewegung dersel- ben. Das zweite Mal unwirksam Zusammenschliessen der Tentakeln gegen die Reizflüssigkeit, doch baldiges Erschlaffen Zusammenschliessen der Tentakeln nach dem Zentrum, doch nicht vollständig Baldiges Zusammen- schliessen d. Tentakeln, doch ohne Kontraktion des Körpers. Das zweite Mal unwirksam Zwei bis drei Tentakeln bewegen sich Geringe Bewegung der Tentakeln nach innen Sehr starke Bewegung der Tentakel, jedoch keine Kontraktion Nur die Tentakeln kon- trahieren sich. Das zweite Mal nur wenig Kontraktion des ganzen Körpers bei Anwendung der Substanz in der Um- gebung des Mundes oder an den Tentakeln. Das zweite Mal erfolgt die Eröffnung schneller Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 183 Das Verhalten gegen mehrere aufeinanderfolgende chemische Reize habe ich nur bei Anwendung von Kochsalzkristallen geprüft, weil die Tiere bei der schwachen Konzentration sehr gerinsfügige Kontraktionen zeigten, so dass eine genauere Messung nicht mög- lieh war. Ich liess die Kristalle aus einem kleinen Löffel von oben nach der Gegend der Tentakel herunterfallen. Wenn der Tentakel getroffen war, so zog sich das Tier prompt zusammen. Die Zeitdauer, welche vom Beginn der Kontraktion bis zur vollständigen Wiedereröffnung der Tentakeln verstrich, wurde gemessen. Diese Reizungen wurden bis zum Erlöschen der Reaktionsfähigkeit wiederholt. Um möglichst brauchbare Resultate zu erzielen, habe ich die Tiere unmittelbar, nachdem der Kochsalzkristall sich aufcelöst hatte, in ein anderes Bassin gebracht. Ich muss bemerken, dass der Tentakel, welcher direkt von den Kochsalzkristallen berührt wurde, allein nach dem Wiedererschlaffen der anderen noch ziemlich lang kontrahiert blieb. Bei der Messung der Kontraktionsdauer habe ich diese Tentakeln nicht berücksichtigt, sondern bloss das Erschlaffen der anderen Tentakeln als den Schluss der Reaktion betrachtet. Das Resultat dieser Versuche ist in der folgenden Tabelle (XVI) zusammengestellt. Tabelle XVl. Reizqualität: Chemischer Reiz — Berührung mit herabfallenden Kochsalz- kriställchen. Applikationsstelle des Reizes: Tentakeln. Art und Weise der Reizung: Auffallenlassen von Kochsalzkriställchen auf die Tentakeln. Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Die Reizungen wurden bis zur Unempfindlichkeit des Tieres fortgesetzt. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten Versuch Versuchstier i und Sekunden "" | Reiz Nr.1 | Reiz Nr.2 | Reiz Nr.3 | Reiz Nr. 4 I 57 31875" | A’ 56 | Atze | gr gze I Sal is. 65.1005 — — 1 6’ 0%5” 5’ 18%5" pe 31 ges!" 1' 35% 117 244/57 1’ 25/5’ Adamsia 127 467 x a 5 4' 283), " = 4' 4315" 3 Sa —_ - rondeletii 7 rear 5’ Alfom | Bit. = vi 12' 24" 8 27) 01a = N ea | — { slanisıye |, 67 Zube | Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 13 184 Toosaku Kinoshita: Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Minuten Versuchstier und Sekunden ur. Reiz Nr. 1 Reiz Nr. 2 | Reiz Nr. 3 Reiz Nr. 4 15' 35” | 197 4826" | 12° at 57" 11’ as | gr 3987," Su Da Hr 8’ 2185" 6’ Als" | Ar gast" = IN 19’ 17/5" | 14’ 242]5” au En Bunodes Isle 1 — = 13' 49V" | gr 3425" | 67 5635” as Sn Fir 37 gr | 177 aQasır | 117 91295" 33 van gr 5gr 7'175" 5’ 472/5"" >> 16' 49Us” | 11" 2445" | 9’ 4325" ar L 13’ 2945" gr 35," 6' 45215" dar 11’ 4535" | gr ass" | 67 1987 | Ar 55 18’ 11275,” | 11 49%” | 9’ 11295" se > 12° Aus" | gr 342g" we AR IV gr 58er | 6 at | A 17Ys "| = Heliactis 112192502 9' 9145" A belli gr 37a | Tr gs" | Ar art = en N 1398” | 117 les" | 8r 992j5 "7 32 vIu 120362762221, 1051275. | mn 5ejsv er 1DX 17" A5Us" | 14' SA," | 107 Also" = x 15" 37915” | 137 2146” | 10° 086” un Aus der obigen Tabelle kann man wieder ersehen, dass auch bei mehreren aufeinanderfolgenden chemischen Reizungen die Dauer der Kontraktion, die der ersten Reizung entspricht, am grössten ist und die der folgenden stetie abnimmt. V, Photischer Reiz. Ich habe bei meinen Versuchen das Tier in ein kleines Bassin gebracht, welches mit einem aussen und innen geschwärzten Holz- kasten bedeckt war und dasselbe mindestens 15 Minuten darin be- belassen. Durch Entfernung des Deckels habe ich die Tiere der Wirkung des indirekten Sonnenlichts ausgesetzt. Die Zeit, welche vom Einfall des Lichtes bis zum Wiederkehren zur normalen Lage verstrich, wurde gemessen. Diese Reizungen wurden mehrmals wiederholt. Aus meinem Versuchsprotokoll möchte ich folgendes Resultat herausgreifen. Im allgemeinen reagieren die Tiere viel schwächer und träger gegen photische Reize wie die Tunikaten. Adamsia rondeletii reagierte auf den photischen Reiz entweder sehr wenig oder gar nicht; wenn eine Reaktion zu beobachten war, so war sie erst ca. 1D—40 Sekunden nach dem Einfallen des Lichtes Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 185 an der Bewegung der Tentakeln zu erkennen; manchmal öffnete sich der Tentakelkranz und wendete sich nach der Richtung des Lichtes zu. Diese Bewegung dauerte nur 10 oder höchstens 30 Se- kunden, dann blieb das Tier wieder ruhig. Heliaetis bellis verhielt sich nach der Reizung 20—30 Sekunden lang ruhig, dann erst begann die Ausbreitung der Tentakeln, und dabei wurden einzelne Tentakeln verkürzt. Ich konnte beobachten, dass das Tier seinen Discus nach Möglichkeit dem Lichte zu- wendete. Bunodes gemmaceus öffnet auch seinen Tentakelkranz, be- sonders die an der äussersten Reihe sitzenden Tentakeln immer stärker als die anderen, und zwar nach schräg abwärts. Bei Bunodes gemmaceus fing die Reaktion auch gewöhnlich 30 Sekunden nach der Reizung an, und die innersten Tentakeln reagierten sehr wenig, so dass sie sich nur in sehr geringem Grade hin und her bewegten. Der ganze Verlauf dauerte 1!/„—2 Minuten. Eudendrium verhielt sich wie Bunodes, und zwar wurde der Tentakelkranz mehr oder minder eröffnet, doch ist diese Erscheinung sehr geringfügig. Die Dauer dieser Periode beträgt I—1!/e Mi- nute. Einzelne Exemplare aus der selben Kolonie schliessen jedoch den Kranz. Es ist sehr bemerkenswert, dass alle untersuchten Tiere bei dieser Art der Reizung nur ihren Tentakelkranz öffneten, während es bei den anderen Reizen immer zu mehr oder minder kräftigen Kontraktionen kommt; einige wenden sich dem Licht zu, zeigen also eine positive Phototaxis. Was das Resultat der wiederholten Reizung anlangt, bekommt man auch hier die gleichen Frgebnisse wie früher, d. h. bei der zweiten und dritten Reizung ist der Effekt des Reizes stets geringer, doch tritt die Reizwirkung bei dem späteren früher auf. Die Resultate sind im folgenden tabellarisch zusammengestellt: Tabelle XVII. Reizqualität: Photischer Reiz — indirektes Sonnenlicht. Applikationsstelle des Reizes: Der ganze Körper. Art und Weise der Reizapplikation: Zu- rest wurde das Tier in die Dunkelkammer über 15 Minuten gelegt, dann ans Tageslicht gebracht. Der Zeitraum, welcher zwischen je zwei Reizungen ver- strich, betrug immer 30 Minuten. 186 Toosaku Kinoshita: Ver- | Ver- | Dauer der Reaktion bei je einer Reizung in Minuten und Sekunden suchs- [suchs- der | dauer Reiz Nr. 1| Reiz Nr. 2| Reiz Nr. 3 | Reiz Nr.4 Anfang der Reaktion 40” 32" 10% 0% I? | Kontraktionsdauer SA 20’ 10” 0% Gesamtdauer 117 14h Jan 20% 0" Anfang der Reaktion 39" 28 19% 19% II? | Kontiaktionsdauer 24" 20” 10 aa Gesamtdauer Sy) As. So Do Anfang der Reaktion EI. 10 — — Ill Kontraktionsdauer 20” 12 _ — Gesamtdauer 45" De — — Anfang der Reaktion 13" 10% — — IV | Kontraktionsdauer | 1’ 28°/5 ” 58," —_ — m Gesamtdauer Er ZU EL —— — = Anfang der Reaktion 2a Zu 10. = V Kontraktionsdauer | 1’ 51/5” 5625 ’' 50% '' — S J Gesamtdauer 12 EN — Ss) AnfangderReaktion 40” 30” — = = VI? | Kontraktionsdauer | 2’ 3715" | 2’ 1615” _ = Gesamtdauer - | 3’ 1715" | 2’ 4615” — = - AnfangderReaktiin 13” Ka 9 ar vu Kontraktionsdauer | 2’ 4215" | 2’ 315” | 2’ 1” — Gesamtdauer. 2% SHUs. 21325 2 13r — Anfang der Reaktion 2715’ 20°/5 '" 13" — VIII? |] Kontraktionsdauer | 1’ 31275” | 1’ .10%5 ' 83/5 '’ — Gesamtdauer 100053875270 DIR 315 — Anfang der Reaktion| 14215" 10/5" OR, —_ IX Kontraktionsdauer | 1’ 325’ 89:15 '" | 40/5 '' — Gesamtdauer 1’ 17%5” | 1’ 4” 5045" — Anfang der Reaktion. 28?/5 20’ — _ x Kontraktionsdauer | 1’ 462/35” | 1’ 1225” = — { Gesamtdauer N 922 — — | Anfang der Reaktion 304 20" — — I Kontraktionsdauer | 2’ N 308% — — Gesamtdauer Du 0 12508 — = Anfang der Reaktion 20 | 20’ 10” — 1I Kontraktionsdauer | 1’ 30” 1,7 11077 56" — 5 Gesamtdauer AR RO ı 0% — = Anfang der Reaktion N 20’ 10" u = III Kontraktionsdauer | 1’ 0” Ho 40 MM — = (sesamtdauer 1ER22.0, 3 Al lo 50” _ | 2 Anfang der Reaktion 103, 10 — — 3 IV | Kontraktionsdauer Sur 10% = —- = Gesamtdauer AU 20 — — a Anfang der Reaktion 8 6% — — V Kontraktionsdauer | 1’ 315” | 1’ 10” — (sesamtdauer 1 Br E“ = _ Anfang der Reaktion au la... 10% — VI Kontraktionsdauer | 1’ 4235” | 1’ 1725” | 1’ 6°%5” — L Gesamtdauer OR Be — Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize ete. 187 m — Ver- | Ver- | Dauer der Reaktion bei j je einer Reizung in Minuten und Sekunden suchs- | such tier al | Reiz Ne 1| er Nr. 2 | Reiz Nr. 3 Reiz Nr.4 ( Anfang derReaktion 22” TE a VII? | Kontraktionsdauer | 1’ 53" 1.7 283 IM A254 — 2 Gesamtdauer | 2’ 15” 1223542121595. — 3 Anfang der Reaktion 14" al 9 = = VII Kontraktionsdauer | 1’ 43/5" | 1’ 213/5'" | 583/5 "' — 5 Gesamtlauer | nl re | — = Anfangder Reaktion 19 Be OD a = DR Kontraktionsdauer Ts Io 54°/5" — e Gesamtdauer 1482/54 als leo, — Aa Anfang der Reaktion 24" AU | 1a — X | Kontraktionsdauer | 1’ 531/5’’ | 1’ 3725” | 1’ 12275” — Gesamtdauer | 2’ 175’ | 1" 5725” | 1’ 2595" — Anfang der Reaktion) 30 | ar — 12 | Kontraktionsdauer | 1’ 30” 17 1022 110% —_ Gesamtdauer DREH 15268 I 2 Anfangder Reaktion ZD 20 10" — 113 | Kontraktionsdauer I RO Sal 1,150 — Gesamtdauer | 1’ 25” Kal u" | — Anfangder Reaktion 105 10,0 | = - 111% | Kontraktionsdauer | SO a _ — Gesamtdauer | A| a — — Anfang der Reaktion ae | 12/290 _ I IV | Kontraktionsdauer | 1’ 34" | 1’ 77 | _ — Gesamtdauer N eo). — — a Anfang der Reaktion 1 10” 102... — io) V2| Kontraktionsdauer | 1’ 21" 17 8" Aa u = Gesamtdauew | 2 sb, Erlen ee — > Anfang.der Reaktion) AL 16" — — = VI? | Kontraktionsdauer 1’ 42” | 1’ 17" — — 2 Gesamtdauer 2’ 3” 33 = — Anfang der Reaktion) 1 19% ON — VII? | Kontraktionsdauer 1’ 41” N 1 — Gesamtdauer | 1’59” 130 SEN — Anfang der Reaktion | 105 — 0 VIII2 | Kontraktionsdauer | 1’ 21” Ik — |. — Gesamtdauer 939 le — | — Anfang der Reaktion a] 1 0m IX 3 | Kontraktionsdauer , 1745” | 1’ 21" IE Gesamtdauer DU DR SI E= Anfang der Reaktion I 1 OD a — X2]| Kontraktionsdauer | 1’ 21” 17.4" 52" — (sesamtdauer 10 L16% 1222} — 27 Gesamtdauer 1’ 30” 100% —_ — = 3 = i | 1 r N) 72 40 22 40 72 - E-= III S | 50” 46" — _ 1) Bei diesem Tiere konnte ich nicht die Dauer von dem Momente der Applikation des Reizes bis zum Beginn der Reaktion messen. 188 | Toosaku Kinoshita: Die gesamte Dauer der Reaktion bei je einer Versuchs- Versuch Reizung in Minuten und Sekunden u Nu Reiz Nr. 1 | Reiz Nr,2 | Reiz Nr. 3 | Reiz Nr. 4 ( IV 1 ’ 927 42 | 1 r Oel, | 57 2 46 [23 | V 1! 523" | 17 a8" | 1’ 10” Bun VI NR Sa | 49 '' — Eudendrium : 1 vIl 34". A | _ | o VIII el Nu LEINEN | Sr | = | ER ERDE DC Ra a Er el 36 == L X DSL Sn _ | — Obige Resultate habe ich nur bei manchen Exemplaren er- halten; diese stimmen nicht ganz mit früheren Angabeu und Be- schreibungen überein. Gosse schreibt in seiner Arbeit), dass Phellia brodrieii durch das Einfallen des Lichtes ihre Tentakeln schliesse. Auch Nagel?) konnte gegen P. Fischer’s Angabe?) beobachten, dass Cerianthus unter der Einwirkung des Lichtes seine Tentakeln schliesse und dass dies bei Adamsia und Anthea dagegen nicht der Fall sei. H. J. Fleure und C. L. Walton*) konnten während einer Exkursion nach der Seeküste von N. Wales an einem sonnigen Tage zu gewisser Zeit keine Anemone fangen, sondern fanden nur bei Abenddämmerung viele Exemplare von Sagartia bellis, welche aus dem schlammigen Boden hervorgekrochen waren und ihre weiss und schwarz seementierten Tentakeln ausstrahlten. Sie schreiben diesbezüglich: „This sensitiveness varies from one individual to another and in the same individual according to its condition at different times, but, usw.“ Ausserdem betonten sie, dass solche Reaktionen sehr variabel sind, je nach den besonderen Umständen, obwohl die Tiere zur gleichen Gattung gehörten: „Tealia erassicornis is by far the most interesting species in this connection. It lives in the moist chinks between rocks and under boulders, well below half-tide level, so it is under water for perhaps S hours each tide or even more. The exact conditions of its life vary considerably with the spot selected and this is the case more especially with regard to the average 1) P.H. Gosse, A history of the British sea-anemons and corals p. 350. 1860. 2) W. Nagel, Der Geschmackssinn der Aktinien. Zoolog. Anzeiger Bd. 15 S. 337. 1892. 3) P. Fischer, Contribution & l’actinologie francaise. Arch. zoolog. exper. (2) t.5 p. 381—442. 4) H. J. Fleure and C. L. Walton, Notes on the habits of some sea- anemones. Zoolog. Anzeiger Bd. 31 S. 217. Über den Einfiuss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 189 illumination it receives. Many individuals of tealia will remain elosed during the day, or at any rate whilst they are exposed to fairly bright lieht, but their reactions differ according to the situa- tions in which they have lived previouslyv. Those which had lived in rather well illuminated situations, for example, showed less aversion to bricht light, and gave sometimes no regular reaction when arti- fieial light was thrown on to them in the expanded condition at nieht. Those which had lived fairly deep in the shadow usually, though not always, elosed when artificial light was thrown on the expanded tentacles at night; the reaction is slow, but elosure is nearly or quite complete after about five minute exposure.“ Ich bemerke, dass in meinen Fällen die Versuchstiere durch längere Zeit an das Aquariumleben und daher auch an geringe Be- leuchtung gewohnt waren. Man kann mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Verschiedenheit der Resultate durch die oben erwähnten Faktoren, und zwar Lichtintensität und Individualität bezw. Gewohnheit bedingt ist. Bei meinen Versuchen konnte ich mit Sicherheit konstatieren, dass wenigstens zuerst das Tier gegen den photischen Reiz mehr oder weniger irgendeine Reaktion zeigt, und dass dann diese Reak- tion bei wiederholter Reizung abnimmt. VI]. Anwendung verschiedener Gifte. Zum Schlusse prüfte ich den Einfluss verschiedener Gifte auf den Ablauf der durch die genannten Reize ausgelösten Kontraktionen. Als solche verwendete ich die folgenden Substanzen, die dem See- wasser, in welchem sich die Tiere befanden, beigefügt wurden. 1 Teil 0,5%o Kokainhydrochlorieum-Lösung und 10 Teile Seewasser. 1 Teil 0,8°o Magnesiumsulfurieum-Lösung und 10 Teile Seewasser. 2 Teile 0,5°/o Chloralhydrat und 10 Teile Seewasser. 2 Teile 0,8°o Acetochloroform-Lösung und 10 Teile Seewasser. 2 Teile von in Seewasser zesättigter Chininum sulfuricum - Lösung und 10 Teile Seewasser. Die Reizbarkeit all dieser Tiere erlosch ebenso wie die der Tunikaten sehr bald unter der Einwirkung dieser Gifte; nach wenigen Minuten waren die Tiere anästhesiert und reagierten nicht mehr auf die verschiedenen Reize. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die genannten Substanzen als Nervengifte wirken. 190 Toosaku Kinoshita: Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Resultate aus den zahlreichen Einzelbeobachtungen lassen sich folgendermaassen zusammenfassen: I. Übereinstimmend hat sich gezeigt, dass bei den Aktinien die Dauer und Stärke der Kontraktion auf Einzelreize mit der Zahl der Reizungen abnimmt, so zwar, dass jeder Reiz eine geringere Wirkung ausübt als der ihm vorangehende; der erste Reiz ist immer der wirksamste. II. Die Abnahme in der Kontraktionsdauer ist anfangs ziemlich beträchtlich, wie dies auch bei den Tunikaten beobachtet werden konnte !), jedoch nicht so deutlich wie bei jenen; bei den späteren Reizusgen ist die Verminderung weniger ausgeprägt. Die Wieder- verlängerung der Kontraktionsdauer, die nach den letzten ganz kurzdauernden Kontraktionen bei den Tunikaten gesehen wurde, trat bei Aktinien nicht auf. III. Es ist bemerkenswert, dass die Aktinien im allgemeinen auf künstliche Reize nicht so oft reagieren, wie die Tunikaten, und schon häufig der dritte oder vierte Reiz unwirksam ist. IV. Dieses Phänomen ist zwar durch fast alle künstlichen Reize hervorzurufen, ist jedoch bei mechanischer Reizung am deutlichsten. V. Gegen die verschiedenartigen Reize verhalfen sich die Tiere ganz verschieden; z. B. am wirksamsten erweisen sich die mecha- nischen und elektrischen Reize; als unwirksam erwiesen sich die Reize, die durch die Dislokation sich ergeben (Murex für Adamsia). VI. Gegen photische Reize erwiesen sich einige deutlich positiv taktisch. VII. Das Reaktionsvermögen auf künstliche Reize wird durch verschiedene Gifte vernichtet, nach Entfernung derselben jedoch wiederhergestellt. Wie aus vorstehender Zusammenfassung der Ergebnisse hervor- geht, decken sich die Befunde an den Aktinien mit jenen an den Tunikaten, über die ich in der ersten Mitteilung berichtet habe: Bei beiden Tiergruppen ergibt sich die bemerkenswerte Tatsache, dass mehrere aufeinanderfolgende wirksame Reize trotz gleich- 1) T. Kinoshita, Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirk- samer Reize auf den Ablauf der Kontraktion bei Wirbellosen. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 501. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 191 bleibender Intensität eine stets verminderte Wirksamkeit aufweisen, derart, dass von einer Reihe von Reizen der erste eine sehr leb- hafte Reaktionsbewegung des Tieres veranlasst, während der zweite schon viel geringeren Effekt hat, der sich mit Zunahme der Reize progressiv verringert. Diese Erscheinung gilt im Wesen wohl für alle künstlichen Reize in gleicher Weise, ist jedoch bei der mecha- nischen und elektrischen Reizung am deutlichsten ausgeprägt. Da diese beiden Tiergruppen nahezu dasselbe Verhalten zeigen, so dürfte es sich wahrscheinlich um denselben Vorgang bei beiden handeln, dessen Erklärung ich hiermit versuchen möchte. Fassen wir behufs Analyse dieser Eıscheinung den Vorgang noch einmal genau ins Auge. Fin Tier wird von einer Reihe von Reizen getroffen, derart, dass der neue Reiz in jenem Momente einsetzt, in welchem die Wirkung des ersten Reizes abgeklungen ist. Während der erste Reiz eine prompte und je nach seiner Qualität verschieden lang dauernde Reaktion auslöst, büssen die folgenden Reizwirkungen trotz eleichbleibender Intensität der weiteren Reize immer mehr und mehr sowohl an Dauer als auch Intensität ein. Äusserlich gleicht dieses Bild jenem Phänomen, das man in der Physiologie als Ermüdung bezeichnet. Auch bei der Ermüdung sehen wir, dass eine Reihe von an Intensität eleichbleibenden Reizen stetig abnehmende Effekte auslöst. In der Tat gleichen die Kurven (s. erste Mitteilung) den Ermüdungskurven, wie sie an glattmuskeligen Organen von vielen (s. Schultz und anderen) beobachtet wurden. Freilich sind diese Kurven an herausgeschnittenen Organen gewonnen, an denen die glatten Muskeln selbst direkt vom Reiz getroffen wurden, während es sich bei den vorliegenden Versuchen einerseits um unversehrte Tiere, anderseits um reflektorisch ausgelöste Be- wegungen handelt. Eine genaue Betrachtung dieses Phänomensan der Hand der Kurven und der zeitlichen Ausmessungen lässt jedoch mit Sicherheit erkennen, dass es sich nicht um Ermüdungserscheinungen handeln kann, wenn die Tiere die einzelnen Reize in so verschiedener Weise beantworten. Insbesondere spricht dagegen die Tatsache, dass gewöhnlich schon die zwei dem ersten folgenden Reize eine auffallend geringere Wirksamkeit besitzen. Wenn es sich um ein Ermüdungsphänomen handeln würde, müssten die einzelnen Kontraktionen allmählich an Höhe und Dauer 192 Toosaku Kinoshita: abnehmen, während in dem vorliegenden Falle eine auffallende Ab- schwächung der Reizwirkung schon bei dem zweiten und dritten Reize erfolgt, an der dureh die anderen Reize nicht viel mehr ge- ändert wird. Es handelt sich also offenbar um eine ganz andere Erscheinung, die man mit dem Namen Gewöhnung oder Anpassung an den Reiz bezeichnen kann; solche Erscheinungen sind schon mehrfach an verschiedenen Tieren und bei der Applikation verschiedener Reize beobachtet worden (s. Verworn: Allgemeine Physiologie, 5. Auf- lage, 1909. S. 421). Und wenn also Ciona oder eine Aktinie auf wiederholte Reizungen schliesslich nur mit ganz kurz dauernden und oberflächlichen Reaktionsbewegungen antwortet, so geschieht dies nicht deshalb, weil das Tier durch die Häufigkeit der Reize ermüdet ist, sondern weil es sich den verschiedenen Reizen mehr oder weniger rasch adaptieft hat. Als besonders charakteristisch für solche Anpassungsphänomen ist der Umstand, dass es für jede Reizqualität eine Art Optimum gibt, derart, dass Reize bestimmter Intensität trotz oftmaliger Wieder- holung immer wieder eine Reaktion auslösen, während einerseits schwächere, anderseits stärkere Reizintensitäten nur einige wenige Reflexbewegungen hervorrufen. Auch diese Tatsachen lassen die Annahme, dass es sich um ein Ermüdungsphänomen handelt, nicht zu; denn es ist nicht einzusehen, warum ein schwächerer Reiz das Tier rascher ermüden sollte als ein starker, wohl aber verträgt sich diese Tatsache mit der Annahme, dass es sich um ein Anpassungs- phänomen handelt, denn es ist selbstverständlich, dass sich ein Tier an schwächere Reize viel eher gewöhnt als an stärkere. Dass die sehr starken Reize rasch abklingen (das Bild ist das- selbe wie bei den schwachen Reizen), wird im ersten Moment wie ein Widerspruch erscheinen; denn man sollte glauben, dass sich ein Tier an sehr starke Reize viel weniger rasch gewöhnt. Doch bemerkt schon Verworn!), dass die Anpassungser- scheinungen bei sehr starken Reizen nicht mehr zu beobachten sind, weil sich Ermüdung und Erschöpfung einstellt. Ebenso muss man auch annehmen, dass bei den vorliegenden Versuchen durch die starken Reize Veränderungen im Organismus hervorgerufen werden, Nalarc: Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 198 welche als Veränderungen der Erregbarkeit bezw. als Ermüdung oder Erschöpfung zu deuten sind. Dafür spricht auch die Tatsache, dass bei schwachen Reizen die Dauer der ersten Kontraktion eine sehr kurze und die letzte, die nach wenigen Reizungen bereits er- reicht ist, auch nur von ganz geringfügiger Dauer ist; bei den Reiz- versuchen mit sehr starken Reizen dagegen, auf die das Tier nur ebensooft .reagiert, ist die Kontraktion auf den ersten Reiz von viel grösserer Dauer, und selbst die letzte Kontraktion übertrifft an Dauer unı Intensität die der ersten Kontraktion pei schwachen Reizen. Tabelle XVII. Mittelzahl der jedesmaligen Kontraktionsdauer für aufeinanderfolgende mechanische Reizung bei verschiedenen Tieren in Minuten und Sekunden. Tierarten ne Ciona intestinalis Styela plicata i Ik I . [3 stark schwach mit Pause 30 Sek.| ' 1 1231/50." 1 | 10" De 2 10 Yıo'' | 62/5 | 7 2hs"" 16 2 3 721/06 '' | Ola 54/5" 197 = 4 712/50’ 44/3"! 5 1 5 732/50" 5. 6 11 6 627/20!’ A | 52/a '' 9" 35 7 519/ag "" DES 44/15" '" 4], 8 6>ls " io" | A g. 4]; 9 612/ao 22 | Aut 41/a 22 ea 10 6 SuSE m RL 3m zieh 1 | = safe 8” 4a 12 I a | ee Qt 13 BL " | m | Er a 14 7.5 " 34 | ® En 15 Schjor L — — — £ Tierarten Reiz WER Tee N Nr. Adamsia Heliactis Bunodes = rondeleti | bellis gemmaceus Budendrium 1 BR el 3 2a.laon | AR Aonlson 56 6las"" 2 1’ 40 Yıo" 2 0 TAT 4512/25 '' 3 1’ 2714/a5 '" MET 5235 Ts a 41 Slas'’ 4 17 Al3jog'! 1’ 44/5 '' 5' 1834 as '' SION. 5 112 20 I en 2' 263/8 '' 9718/25." 6 16225 DZ 5 1" 47" 18/2!’ 7 1 It 2" 2085 '' Ir — 8 1’ 8 2/3; " Aisz 2’ Als! ge 9 58 at _— == -- 10 HE — — —_ 11 12 A _ —_ —_ 12 Zu — — — les — — _ — 14 — — — = 15 — — — — 194 Toosaku Kinoshita: Tabelle XIX. Mittelzahl der jedesmaligen Kontraktionsdauer für aufeinanderfolgende elektrische Reizung bei verschiedener Intensität an Ciona intestinalis in Minuten und Sekunden. Reiz Reizintensität (Rollenabstand in Zentimetern) Nr. N en 12 1 645" |. Rus 21lls "" 38/15" | 291/20” | 2518/ı5 2 B:2/5, N Tg 177/15" 1874150 22117020, 22214/15:% & zit | 6 16/5 "" 14/5 "7 16Yao 18 3ıs "” 4 6" ION 14/15’ loalıs. 1SU15 0 0 loss 5 5els'! | —_ 15®/5 " 183/10 '' 14157. | 1413/15. 6 —_ | — 9" 1231000 8 1o2/anda 12 ts 7 — | — g1/5'' 12 sr 5.142100 1, Sclsr 8 ne 93/5" | 10%ı0” | 140” 6/5" 3) — | _ Tag 10Y ron 101285 525 10 —_ | —_ SU U 2 11825 2/5" ul = | — O3 Se LS | — 12 _ | _ LE 2 _ 13 == —_ IL 95’ | 10" 14 = | — | — Gone | — —_ 15 — | — — N _ | — 16 =. | = SE = Reiz Reizintensität (Rollenabstand in Zentimetern) Nr. 10 6 4 2 | 0 nl 1615 " 10 124450. 2.17 2402/50000 el ao 2 1245" 1’ 42/5" 43%]! 31370 ’' 452/53." 3 His '’ 492/15" | a? | 260” | 23328 '' 4 78/5 '' 418/15 "' 3219/ao" | 26Ur’” | 18?3/30 ” B) 6a 3614/15" | NER | 19/10" 6 5t/15 347/10’ 2322/3' | 272/10" | 197/ıo '' 7 Bun al Da 1 als | 1245." 8 52/15 '' 1945" | 142518 | Sllsas 9 6a" 13)10.% Elsa a EERLONG | 2308 10 — | 18/5" | — a al rs 192/3 2 | rc | Berk | 16V/5 [22 12 ee 14 | Bi | 2 | DE 13 — 113/5 ” — | — — 14 —_ 18/5 — | — — 15 _ 2 se! — — — 16 —_ 12/5" —ı. — | en Tabelle XX. Mittelzahl der jedesmaligen Kontraktionsdauer für aufeinanderfolgende elektrische Reizung an Adamsia rondeletii, Heliactis bellis und Bunodes genıma- ceus in Minuten und Sekunden. Rollenabstand 2 cm. Reiz | Tierarten Nr. | Adamsia rondeletii Heliactis bellis ı Bunodes gemmaceus 1 1’ 42lt/5o'' | 2’ 423/50” | 4' 35%Ü50 2 1’ 231°/50'' | 20.204507 2. Alla 2 3 1’ 88/5” 2’ Oo” | 1’ 5421/50" 4 1022/10 1' 43°2/s5!’ | 1’ 49?Jes 5 49" 14128910, 17.4027: 6 4rlıs" — | IN S2lllenz 7 36?/5 | = | _ 8 312/35" _ — 9 25/5" | — | — te. 195 1ze e den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Re — = = uG Erz SE 7 | = 6 EZ: == | Fo ud Euer, BER va | Far 8 m Fer | ET uleh 3 ET u 8 TB Jh Se >= re u6 ==; = url ud 9 FRE = Fr u "116 ur/ı8 FR dell u %2lel uV G u 2/88 ıV u 28 4 l u 07/1 ı8 u &zL 7] BR) „0!/ele ul u 3%/pıV Y u “1389 1 L “u 28/956 4 8 u 08/838 ıV u ST/g6 u 2lel u 2/26 u = = Ber =x >= ug = = uV = Gl 5 IE = | = = 2136 uV 12/8 == ug == II 7 z= = FE == uV ulev ualev = uFıS SE OT Se er zZ TE Se u“lr& 2128 uFhS = all === 6 =% = =: 7 32 u21%6 ug 28 e> ualsE ar 8 RT = = I > u$ ug "leg Sr 128 = L a = == IE en 3 u en „09 u 2,6 7 2/46 u S/sV 9 => SE FE es 1 3 ul url Y :/;V G G use | ug | | = ct en | us le | nee ’ 32/188 ‚v unbe ıd ulsel ‚L u02lezT ‚SE u°8/2186 ‚L u %/sY „hg 0/9 u 2/29 u = b) Elektrische Reizung. Die dabei erzielten Resultate waren folgende. Auch hier geben die den einzelnen Reizungen entsprechenden Zahlen die Kontraktions- dauer in Sekunden an. Toosaku Kinoshita: 206 Versuchs- an de Reiz Reiz Reiz Reiz Reiz tier an Nr. 1 Nr. 2 Nr.3 | Nr.A4 Nr. 5 cm 17 15. 1145" 97 33/5 '' 04 A 7 3145 '' 2425 '' 24/5" 122/5 " 232/53 '' 3 365" 272/5"' 26/5" 252/5 " 293]5"" 20 61/5 '' 11% 10%/5 "' SE 0” B 10 201/5" 1a, a 84/5 '' | 68/5" 7 1225 70%5 '' 532ls !" AT" 40" 20 19 | ol u 1d2or, lose ro © 10 5 ol 45" 35" 388]5" 0 sa | Sie 297: 3095” | 8245” Rollen- | Versuchs- ss En Reiz Reiz Reiz Reiz Reiz Reiz tier Nr. 6 INT Nr. 8 Nr. 9 NErIOS ENT cm 17 =. — — - = A 7 13” 12" 0” u = > 3 | 0 zn 2 Z 20 RR AN Ba x a B 10 6 62/5" | Kal Kat Baal 7 282/5"' 28/5 '' AN la 29’ 0” 20 gestört — — —_ _ Mrs [6 10 3425 '' Da (U _ — 0 29%/5 29% gestört — — — Aus der ersteren dieser beiden Tabellen ergibt sich, dass die Reaktionslosigkeit bei Anwendung eines starken mechanischen Reizes später erfolgt als bei einem schwachen; auch ist die Dauer der ersten Kontraktion bei starkem mechanischen Reize grösser als bei einem schwachen, und auch die letzte noch eintretende Kontraktion dauert bei starker Reizung etwas länger als bei einer schwächeren. Wie aber die zweite Tabelle zeigt, ist diese Erscheinung bei Applikation elektrischer Reize nicht immer zu beobachten, indem bei Anwendung sehr starker Induktionsströme die Reaktionslosigkeit schon früher eintritt als bei schwächeren. Wahrscheinlich ist diese Tatsache durch eine infolge übermaximaler Reizintensität eingetretene Funktionsstörung des Tieres bedingt. E. Applikation einer Reihe von summierten einzeln unwirksamen Reizen. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass dem Tiere (gewöhnlich am Mundsipho) so lange unterschwellige Reize appliziert Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 207 wurden, bis als Summationswirkung eine Reaktionsbewegung auf- trat. Nach dem Erschlaffen wurde wiederum in der gleichen Weise ge- reizt. Jedesmal wurde die Anzahl der einzeln unwirksamen Reize gezählt. Bei diesem Versuche beschränkte ich mich bloss auf den me- chanischen Reiz und verwendete mit Rücksicht auf eine Dosierung des Reizes die M. v. Frey’schen Tasthaare. Dabei habe ich das Tier nieht fixiert, sondern es, im seichten Bassin frei beweglich, wiederholt auf die eben beschriebene Weise gereizt. Die genauen Resultate eines solchen Versuches sind im folgenden nach dem Versuchsprotokell wiedergegeben: Anzahl der zur Kontraktion nötigen Effekt der Be- Reizungen bis zur Versuchs- rührung mit — | 2 tier dem Tasthaare | 1: 2. ul = 6. 1. g Kontraktion I 0,05 os | ange I 0,05 iS los ur1S 6 | 1 — | — III 0,05 7 De) 10 17 — —_ IV 0,08 9) 162,26 13 20 21 22 V 0.08 Ds Be eo vI 0.08 en | | Das bemerkenswerte Resultat dieser Versuche bestand darin, dass erstens die Zahl der Reizungen, die notwendig zur Auslösung einer Reaktion sind, stets zunimmt, und zweitens dabei die Kon- traktionsgrösse sich im Verlaufe einiger Reaktionen nicht wesentlich verändert. Der Umstand, dass eine stets grössere Summe von unwirksamen einzelnen Reizen notwendig wird, das Tier zu einer Reaktion zu veranlassen, spricht wohl dafür, dass hier ein besonderer Fall eines Anpassungsphänomens vorliest. An ein Ermüdungsphänomen kann um so weniger gedacht werden, als das jeweils ausgelöste Kon- traktionsphänomen unabhängig von der Anzahl der applizierten un- wirksamen einzelnen Reize in bezug auf seine Grösse keine Unter- schiede aufweist. Zusammenfassung. Das Ergebnis der vorstehend mitgeteilten Versuche lässt sich in folgende Hauptsätze zusammenfassen: I. Wird ein Tier in dem Moment, wo es auf die wiederholte Applikation eines Reizes bestimmter Qualität nicht mehr reagiert, 208 Toosaku Kinoshita: Über den Einfluss etc. von einem Reize anderer Qualität getroffen, so beantwortet es diesen so wie das ungereizte Tier, das heisst, als ob gar keine Reizung vorangegangen wäre. II. Wird ein Tier durch eine Reihe einzeln wirksamer Reize von einer bestimmten Stelle aus so lange gereizt, bis Unwirksamkeit eintritt, so verhält sich trotzdem jede andere Stelle des Tieres gegenüber demselben Reiz oder einem solchen anderer Qualität wie die eines ungereizten Tieres. Il. Die zur Auslösung einer Reaktionsbewegung nötige Anzahl von einzeln unwirksamen Reizen ist keine Konstante; je häufiger man bei einem Tier eine Reaktion erzielen will, um so öfter müssen die einzelnen unwirksamen Reize wiederholt werden. Die zur Erzielung einer Reaktionsbewegung nötige Anzahl von unwirksamen Einzelreizen wächst im allgemeinen mit der Zahl der Reaktionen. Schlussfolgerung. Das Resultat dieser Versuche, die wesentlich zu dem Zwecke ausgeführt wurden, um die in den vorangehenden Mitteilungen | 6 7 | 8 SO) 11 m). m me Women | m) ml) m eı van v|ın v|n v | n va 1) Die Abkürzungen bedeuten: e= eng, m = mittelweit, v = Extrakt der Nebenniere vor dem Zuckerstich, n = Extrakt der Nebenniere nach dem Zucker- stiche, r = runde Pupille, w = weite ovale Pupille. /uckerstich und Nebennieren. 235 4h 15’. Alle Pup. en sind weiter geworden. Dabei sind die ungeraden 9, 11 deutlich, 3, 5, 7 bedeutend weiter als die geraden. Nur 1 ist etwas enger als 2. 5h 15’. Die Ucterschiede sind sehr deutlich, 1—2 und 11—12 sind fast gleich weit. 2. Blutdruckversuch. 30. Dezember 1910. Katze!), kuraresiert, künstliche Atmung. Injektion der 1:2 mit physiologischer NaCl-Lösung verdünnten Ex- trakte in die beiden Venae jug. extern. Fig. 10. Fig. 10 zeigt die Wirkung des Extraktes der linken Nebenniere, welclıe vor dem Zuckerstiche exstirpiert wurde. Die Blutdrucksteigerung beträgt bei Injektion von 1 ccm des Extraktes 30 mm Hg. Fig. 11. Fig. 11 zeigt die Wirkung des Extraktes der rechten Nebenniere, welche nach dem Zuckerstiche exstirpiert wurde. Die Blutdrucksteigerung beträgt bei Injektion von 1 ccm des Extraktes 16 mm Hg. 3. Das Paraganglion ist braun. 1) Ausnahmsweise wurde in diesem Versuche die Katze verwendet. 16 * 234 R. H. Kahn: IV. 3. Januar 1911. Kaninchen ?. Ham reduziert nicht. 4h 15'. Exstirpation der linken Nebenniere. Dieselbe wird mit 4 ccm physio- logischer NaCl-Lösung zerrieben und extrahirt. 4h 35'. Zuckerstich. 6h 15’. Harn reduziert +. 6h 35’. Harn reduziert ++. 6b 40’. Exstirpation der rechten Nebenniere. Diese wird ebenfalls mit 4 cm physiologischer NaCl-Lösung zerrieben und extrahiert. Das Para- ganglion wird chromiert. | n 1. Meltzer-Ehrmann’sche Reaktionen: 3. Januar 1911. 105 25’. Die Extrakte werden 1:20 mit physiologischer : NaCl-Lösung verdünnt. 1212 3|4 5 |6 78 ERIET 10 = 12 ele mım mım eje w|w w|h 30". m.| e EINE om. | sm 65h 00”. e | e e | e m || m Das Resultat ist durchaus negativ. Ebenso erfolglos blieben einige Versuche, welche darin bestanden, dass das Blut desselben Tieres vor und nach dem Zuckerstiche ent- nommen, im Blutdrucekversuche geprüft wurde. Ich kann auf Grund meiner Versuche nur aussagen, dass der Nachweis einer Adrenalin- ämie nach dem Zuckerstiche nicht zu erbringen ist. Ich komme nun nochmals auf die Versuche von Schur und Wiesel zurück. Die Annahme dieser Autoren, es beruhe die Kohlehydratmobilisierung bei Arbeitsleistung auf einer Tätigkeit des chromaffinen Gewebes, welches das Adrenalin in gesteigertem Maasse . absondere ünd dadurch die Glykogenmobilisierung veranlasse, konnte ich in früheren Versuchen nicht bestätigen. Das steht keineswegs im Widerspruch mit den hier vorgetragenen Anschauungen. Denn niemand wird, wie ja auch Bayer!) betont hat, behaupten wollen, es sei die Mobilisierung des Glykogens durch Adrenalin, das einzige Mittel, über welches der Organismus verfügt, um seinen Kohlehydrat- stoffwechsel durchzuführen. Es wird vielmehr anzunehmen sein, dass er denselben im Falle des Zuckerstiches und vielleicht auch noch in anderen ähnlichen Fällen durch die Adrenalinabsonderung nach- drücklichst in Betrieb setzt, einen Vorgang, welcher durchaus nicht unter allen Umständen stattzufinden braucht. Zum Schlusse unserer Erörterungen wäre auszuführen, was von den vorgetragenen Versuchsergebnissen vermutlich bloss für das Versuchstier gilt, und was davon verallgemeinert werden darf. Die besonderen oben angeführten Innervationsverhältnisse der Neben- nieren durch die Nervi splanchniei stellen eine vorläufig nur für das Kaninchen geltende Eigentümlichkeit dar. Sie müssten für andere Tierarten speziell untersucht werden. Dementsprechend ist auch die 1) A. a. O. S. 110 des Separatabdruckes. 2354 R.H. Kahn: Unsicherheit des Erfolges der künstlichen Splanchnieusreizung auf das Verhalten des Nebennierenmarkes eine vielleicht wenigstens zum Teile dem Kaninchen eigentümliche Erseheinung. Verallgemeinernd dürfen wir aber wohl annehmen, dass bei allen Tierarten die Zucker- stichglykosurie eine Adrenalinglykosurie ist, welche ihre Ursache in der auf dem Splanchnieuswege ausgelösten, ungemein regen sekre- torischen Tätigkeit des chromaffinen Anteiles der Nebennieren, des Markes, hat. Und damit kommen wir noch mit wenigen Worten auf die übrigen ausserhalb der Nebenniere befindlichen ,. adrenalinhaltigen, chromaffinen Organe, die Paraganglien, zu sprechen. Diese Organe unterscheiden sich vom Marke der Nebenniere nur durch ihren kompakteren Bau, durch ihre geringere Vaskularisierung. Ob die- selben an der in unseren Versuchen sichergestellten Tätigkeit nach dem Zuckerstiche teilnehmen, ist vorläufig unklar. Bei unseren Kaninchen verhielt sich das grosse Paraganglion an der Bauchaorta nach Chromierung makroskopisch ebenso wie das normaler Tiere. V. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Exstirpiert man beim Kaninchen eine Nebenniere, macht den Zuckerstich und exstirpiert einige Zeit nach dem Auftreten der Glykosurie die andere Nebenniere, so erweist sich beim Vergleiche beider das Mark des an zweiter Stelle exstirpierten Organes hoch- eradig verändert. Seine Chromierbarkeit ist zum grössten Teile gseschwunden, seine Zellen sind arm an Granulis und reich an Vakuolen, seine feineren Gefässe sind grösstenteils erweitert, und sein Adrenalingehalt hat sehr abgenommen. 2. Durchschneidung eines Splanchnieus schützt die von ihm versorgte Nebenniere vor diesen Veränderungen nach dem Zucker- stiche. 3. Künstliche rhythmische Reizung eines Splanchnieus ver- ursacht hochgradige Glykosurie, verändert aber das Nebennieren- mark nicht in bestimmtem Sinne. 4. Beim Kaninchen wird die rechte Nebenniere vom rechten und linken, die linke Nebenniere nur vom linken Splanchnieus versorgt. HPEISULTE ZU TA ISUyUpeT "uuog' togepunsepj uoA Sepzon h Be a I Fe in NENNE ER Zuckerstich und Nebennieren. 255 VI. Schlüsse aus diesen Ergebnissen. 1. Die Zuckerstichwirkung beruht auf einer durch zentralen Reiz ausgelösten, auf dem Wege des Splanchnieus vermittelten ab- normen Adrenalinsekretion aus dem chromaffinen Anteile der Neben- niere, dem Marke. 2. Die dureh Splanchnieusreizung auslösbare Glykosurie ist in demselben Sinne eine Adrenalinglykosurie. 3. Es ist zu vermuten, dass auch unter normalen Verhältnissen die Adrenalinsekretion aus dem Nebennierenmarke zum Kohlehydrat- umsatze beiträgt. Jedoch ist ein solcher Vorgang vorläufig nicht bewiesen und keinesfalls die einzige Maassnahme, deren sich der Organismus zum Zwecke der Durchführung seines Kohlehydratstoff- wechsels bedient. Tafelerklärung. Die vier Figuren der Tafel zeigen das Aussehen der Nebennieren desselben Tieres vor und nach dem Zuckerstiche bei 8- (Fig. 1 und 2) bzw. 250facher (Fig. 3 und 4) Vergrösserung. Die Figuren 1 und 3 stellen das Aussehen des Nebennierenmarkes vor dem Zuckerstiche dar, die Figuren 2 und 4 nach demselben. Bezüglich der Einzelheiten wird auf S. 235 des Textes verwiesen. 256 G. Diesselhorst: (Aus dem zootechnischen Institut der kgl. landw. Hochschule zu Berlin.) Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. Von &. Diesselhorst. Die Frage, ob und in welchem Sinne verschiedene Ernährungs- bedingungen eines Tieres eine Abänderung der chemischen Zusammen- setzung der Körpersubstanz desselben bewirken können, ist schon von mehreren Forschern experimentell geprüft und diskutiert worden. Es muss die Lösung dieses Problems auch von grosser Bedeutung für die Berechnung des Fleisch- und indirekt auch des Fettansatzes bei Fütterungsversuchen sein. Die meisten Autoren haben sich dar- auf beschränkt, die ganzen Körper von abweichend gefütterten Tieren zu zerkleinern und zu untersuchen und von den Elementarbestand- teilen nur den Stiekstoff, nicht aber Kohlen- und Wasserstoff zu be- stimmen. So kommt Steinitz!) auf Grund von Analysen, die er mit Kinderleichen von verschiedenen Ernährungszuständen anstellen konnte, zu dem Schlusse, dass es auf rein alimentärem Wege nicht möglich sei, den Körper, abgesehen von Fett, irgendeines für seine Funktion wichtigen Bestandteiles zu berauben. Vielmehr scheine es sicher zu sein, dass der Körper an seiner relativen Zusammensetzung festhält. Lafayette B. Mendel?) hat verschiedene Gruppen von weissen Mäusen mit proteinreicher, fettreicher, kohlenhydratreicher, gelatinereicher, sowie mit normaler Nahrung gefüttert und dann die ganzen Tierkörper nach der Zerkleinerung analysiert. Er bestimmte Wasser, Ätherextrakt, Asche und den Stickstofigehalt der fett- und aschefreien Trockensubstanz. Hierbei fand er mit Ausnahme von wenigen anormalen Fällen den Stickstoffprozentsatz um 16°/o herum schwankend. Darin sieht Mendel einen Beweis, dass die tierischen 1) Jahrb. f. Kinderkrankh. 1904 S. 460. 2 Biochem. Zeitschr. Bd. 11 S. 281. 1908. Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 257 Gewebe immer das Bestreben besitzen, eine konstante Zusammen- setzung ihrer Proteine aufrecht zu erhalten, trotz grosser Ver- änderungen in dem chemischen Charakter der zugeführten Stickstoff- nahrung. Da die Zahlen, welche Mendel angibt, scheinbar ganz unregelmässig schwanken, habe ich aus dem Stiekstoffgehalt der mit proteinreicher und der mit kohlenhydratreicher Nahrung gefütterten Mäuse für jede Gruppe den Durchschnitt berechnet unter Nicht berücksichtigung der als abweichend bezeichneten extremen Zahlen. Dieser beträgt für die erstere Gruppe 16,21°o, für die letztere 15,94% N. Aus diesen Daten könnte man folgern, dass eiweiss- reiches Futter doch im Durchschnitt eine kleine Erhöhung des Stick- stoffgehaltes der Körpersubstanz bewirken kann. Es ist aber zu bedenken, dass die Zahlen Mendel’s auf grosse Genauigkeit keinen Anspruch haben, weil er einerseits das Fett nur im Soxhlet- Apparat extrahiert, was bekanntlich ungenügend ist, und anderer- seits das im Tierkörper stets in wechselnder Menge vorhandene stickstofffreie Glykogen gar nicht berücksichtigt hat. Mendel er- klärt auch hieraus selbst die grösseren Abweichungen unter seinen Befunden. Als Minimum im Stiekstoffsehalt bestimmte Mendel bei einer mit fettreicher Nahrung gefütterten Maus 14,2°o N und bei einer proteinreich gefütterten 14,4% N. Das Maximum beträgt 16,5%o N bei einer proteinreich, aber auch 16,7 %/o N bei einer fett- reich ernährten Maus. Man sieht also, dass die grössten von Mendel sefundenen Differenzen durchaus beträchtliche sind. Allerdings be- ‚ziehen sie sich nicht nur auf Fleisch, sondern auf die gesamte Körper- substanz und kommen auch bei gleichartig gefütterten Tieren vor. Die Frage, wie weit auch individuelle Unterschiede im Stickstoff- gehalt der einzelnen Versuchstiere, welche mit der Art der Ernährung in gar keinem Zusammenhange stehen, die Ergebnisse von Men del’s Versuchen beeinflusst haben, kann aus denselben nicht beantwortet werden. Stockhausen!) fand bei der im hiesigen Institute aus- geführten Untersuchung der Organe zweier Gruppen von Hunden, von denen je einer wesentlich mit Reis, der entsprechende Vergleichs- hund dagegen mit Fleisch gefüttert war, wenigstens bei noch wachsen- den Tieren eine allerdings sehr geringe Änderung des Verhältnisses von N:C im wasser-, fett- und glykogenfreien Muskelfleische („Fleischrest*). Es war dieses bei der Fleischfütterung ein etwas 1) Inaug.-Dissertation. Königsberg 1909. 298.0. G. Diesselhorst: engeres als bei Reisfütterung. Diese Versuche wurden von Max Müller!) wieder aufgenommen, aber, um rein individuelle Unter- schiede in der Zusammensetzung der stickstoffhaltigen Körpersubstanz auszuschliessen, in folgender Weise abgeändert. Er fütterte den Ver- suchshund zuerst mit stickstoffarmer Nahrung (Reis und Schmalz), am- putierte sodann einen Hinterschenkel zwecks Analyse des Fleisches. Nachdem das geheilte Tier hierauf längere Zeit mit Fleisch ernährt war, wurde es getötet und der andere Hinterschenkel untersucht. Es war somit möglich, dieselben Muskelgruppen desselben Tieres bei verschiedener Ernährung zu analysieren. Müller fand, dass nach der: proteinreichen Ernährung das Verhältnis von N:C im „Fleisch- rest“ ein engeres geworden war. Er konnte dies allerdings nur an einem Hunde konstatieren, weil ihm das Kontrolltier nach der Operation gestorben war. Auf Veranlassung der Herrn Geh. Rat C. Lehmann habe ich es daher unternommen, diese Untersuchungen über etwaige An- derungen in der Elementarzusammensetzung des Fleisches fortzuführen. Versuchsplan. Der Versuchsplan war folgender. Ein Hund sollte zunächst mit einem sticekstoffarmen Futter längere Zeit gefüttert werden und zwar möglichst knapp, so dass er abmagerte. Nach der Operation sollte dann eine Mästung bei reiner Fleischkost folgen. Der zweite Hund sollte ebenfalls bei proteinarmer Nahrung abmagern und sodann mit gemischter Kost, bestehend aus Fleisch und Brot oder dergleichen, möglichst gemästet werden. Leider konnte dieser letztere Versuch nicht nach dem ursprünglichen Plane durchgeführt werden, weil das Tier während der Vorfütterung fleischfreies Futter fast gänzlich verweigerte und nur sehr geringe Mengen frass, so dass hier eigentlich nur eine Hungerperiode nicht aber eine Kohlenhydrat- und Fetternährung vorlag. Auch die spätere Mästung gelang nur schlecht, weil das Tier von der «ereichten Nahrung fast nur das Fleisch und auch dieses nur in mässiger Menge frass. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 116 S. 207. Hier gibt Müller auch eine Zu- sammenstellung von früheren Fleischanalysen mehrerer Autoren sowie eine kurze Besprechung hierhergehöriger Literatur. Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 259 Versuche. Der erste Hund, eine Art Wolfsspitz, wog beim Beginn des Versuches am 4. November 8,65 kg. Er erhielt ein tägliches Futter, bestehend aus 55 g Reis, 10 g Schmalz, 2 &g Knochen und 1,5 g Salz. Dieses gibt im ganzen 307 Kalorien oder 35,7 Kalorien pro Kilogramm Lebendgewicht. Der Hund verzehrte das Futter gern und vollständige. Wasser erhielt er, soviel er mochte. Später er- hielt er etwas mehr und fettreicheres Futter, weil er zu sehr ab- maeerte. Die Gewichtsabnahme des Tieres war eine stetige. Sein Gewicht betrug am 16. November 7,60 kg, am 3. Dezember noch 7,25 ke, am 9. Januar 6,32 ke, am 10. Januar 6,35 kg. Am 13. Januar wurde unter Anwendung von Morphium - Chloroform- narkose der linke Hinterschenkel zwecks der Analyse amputiert. Die proteinarme Ernährung und damit verbundene Abmagerung des Hundes hatte also 2 Monate und 10 Tage gedauert, wobei eine Verminderung des Lebendgewichtes um 2,3 kg oder 26,6°0 ein- getreten war. Nach seiner Heilung war der Hund sehr munter und in gutem Wohlbefinden. Er konnte sich auch auf seinen ihm ge- bliebenen drei Beinen gut bewegen, war zutraulich und spielte mit. anderen Hunden, so dass man hier normale Verhältnisse als vor- liegend ansehen kann. Das Tier frass das ihm der Abwechslung wegen im rohen, gekochten oder gebratenen Zustande vorgesetzte Pferdefleisch in reichlicher Menge, so dass es stark und regelmässig zunahm. Das Gewicht betrug am 31. Januar 6,7 kg, am 15. Februar 8,24 kg, am 1. März 9,73 ke, am 30. März 10,3 kg, am 16. April 11,0 kg und am 27. April 11,1 kg. An letzterem Tage wurde der Hund getötet, damit die Untersuchung des rechten Hinterschenkels ausgeführt werden konnte. Das Tier befand sich in einem Zustande grosser Wohlgenährtheit und hatte ein dickes Fettpolster angesetzt. Es hatte also während der reinen Fleischernährung in einer Zeit von etwa 3!/e Monaten um 4,75 kg oder 42,8°/o des Endgewichtes zugenommen. Das zweite Versuchstier, eine kräftige, gut genährte Bulldogge, wog zu Anfang des Versuches am 21. Januar 15,82 kg. Es frass, wie schon oben erwähnt ist, das ihm gereichte aus Reis und Schmalz bestehende Futter, trotzdem dieses mit Liebigs Fleischextrakt ge- würzt war, nur zum kleinsten Teile, nahm dagegen Wasser reichlich zu sich. Sein Gewicht nahm dabei beständig ab. Es betrug am 360 G. Diesselhorst: 3l. Januar 14,27 kg, am 15. Februar 13,5 kg, am 1. März 12,17 kg und am 11. März 12,25 kg. An diesem Tage wurde die Amputation des zu untersuchenden linken Hinterschenkels vorgenommen. Das Tier war trotz des Hungerns noch ziemlich kräftige. Es hatte während dieser Periode. von 1 Monat und 18 Tagen 3,57 kg oder 22,6°0o an Gewicht verloren. Nach seiner Heilung nahm der Hund, welcher nun wesentlich mit Fleisch ernährt wurde, da er Brot, Kartoffeln und dergleichen, soweit er konnte, zurückliess, wieder zu. Das Gewicht des Tieres war am 2. April 12,4 kg, am 16. April 13,7 ke, am 30. April 14,55 ke, am 11. Mai 14,54 kg und am 11. Juni 15,2 ke. Da eine weitere Gewichtszunahme des Hundes wegen seiner schlechten Fresslust nicht zu erreichen war, wurde er getötet. Er hatte während der Fleischfütterungsperiode (3 Monate) 2,95 kg oder 19,4°/o an Gewicht zugenommen, also bedeutend weniger als der erste Hund. Die Bulldogge hatte also nur, wie man sieht, un- gefähr das Anfangsgewicht wieder erreicht, ohne eigentlich gemästet zu Sein. Analysen. Die Untersuchung des von den Versuchstieren gewonnenen Fleisches geschah in folgender Weise. Sofort nach der Amputation des Schenkels resp. nach der Tötung des Tieres wurde die Haut des betreffenden Beines und das noch lebendfrische Fleisch vom Knochen losgelöst, wobei man grössere Teile Fettgewebe nach Mög- lichkeit eutferute. Mit der Fleischhackmaschine wurde sodann das Fleisch zerkleinert und («das gleichmässig gemischte Material zu den folgenden Untersuchungen benutzt. Um die zersetzende Einwirkung der im Fleisch vorhandenen Fermente zu vermeiden, musste die Glykogenbestimmung sofort vorgenommen werden. Ich führte sie nach der zuverlässigen Pflüger’schen Methode aus, und zwar auf gewichtsanalytischem Wege, nicht wie Pflüger später angibt, durch Polarisation. Die Glykogenbestimmung ist für eine genaue Unter- suchung unbedingt notwendig, weil dieser im Fleischein stark wechseln- den Mengen vorkommende und auf chemischen Wege schwer zu entfernende stickstofifreie Körper das Resultat der Elementaranalyse beeinflussen muss. Der daraus entstehende Fehler ist aber nur auf rechnerischeın Wege zu beseitigen, wenn der Glykogengehalt des Fleisches bekannt ist. Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 261 Im frischen Fleische wurde ausserdem noch der Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Der Rest des Materials wurde für die weitere Untersuchung bei 40—45° im Vakuumtrockenschranke über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Bei der Elementaranalyse von Fleisch liegt eine Hauptschwierig- keit in der vorherigen Beseitigung des Fettes, welche bekanntlich durch blosse Ätherextraktion im Soxhlet- Apparat nicht vollständig zu erreichen ist. Ich benutzte zu diesem Zwecke das Lehmann’sche Kugelmühlverfahren !), bei welchem aber das Material mit Sand und wohl auch Glas- und Porzellanteilchen vermischt wird. Um jede Verunreinigung des Fleisches mit organischeu Substanzen oder Kalk, welches bei der Verbrennung Kohlensäure zurückhalten, eventuell auch abgeben könnte, sicher zu vermeiden, wurde der benutzte Seesand vorher längere Zeit mit heisser Salzsäure behandelt, aus- gewaschen, geglüht, dann nochmals mit Salzsäure extrahiert und nach dem Auswaschen nochmals geglüht. Es musste so auch etwa organisch an Muschelschalen oder dergleichen gebundener Kalk nach dem Verbrennen der organischen Stoffe durch Salzsäure gelöst und beseitigt werden. | Die Vorbereitung des Fleisches zur Elementaranalyse geschah nun zugleich in Verbindung mit der Fettbestimmung in folgender Weise. Von dem getrockneten, grob zerkleinerten und gut ge- mischten Materiale wurden abgewogene, geeignete Mengen mit Sand und wasserfreiem Äther gemahlen und entfettet. Der Sandzusatz muss hierbei, was bei der blossen Fettbestimmung nicht nötig ist, möglichst: eingeschränkt werden, damit nicht die Elementaranalyse durch Beimengung grosser Mengen Mineralsubstanz erschwert wird. Es gelang so ein Analysenmaterial mit 40 °/o organischer Substanz zu erhalten. Ganz vermeiden lässt sich der Sand nicht, weil dann das Mahlen nur sehr schlecht vonstatten geht. Der Ätherwechsel und ebenso die nachfolgende. Extraktion im Soxhlet geschah mit der ge- hörigen Vorsicht, damit das Fleisch nicht durch Filterfasern ver- unreinigt werden konnte. FR Die Elementaranalyse wurde nach der alten erprobten und mir gewohnten Methode der Verbrennung mit Kupferoxyd und Bleiehromat (zur Zurückhaltung der geringen Menge Schwefel) aus- geführt. Die Substanz wurde des durch die Sandbeimengung ver- 1) Völtz, Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 606. 262 G. Diesselhorst: mehrten Volumens wegen in einem grossen Porzellanschiffehen im offenen Rohre zuerst im Luft- dann im Sauerstoffstrome verbrannt. Der beigemischte Sand erleichtert die vollständige Verbrennung da- durch, dass er etwa schmelzende Aschenbestandteile aufsaugt und am Einhüllen der Kohle verhindert. Das Analysenmaterial wurde bei 105° sorgfältig getrocknet und, um eine spätere Wasseranziehung zu verhindern im geschlossenen Wägerohre gewogen. Die durch Zurückwägen der Asche gefundene Gewichtsdifferenz ergab die Menge der aschenfreien Trockensubstanz. Es war noch zu beachten, dass die geringe Alkalimenge der Asche, falls sie nicht durch bei der Verbrennung entstandene Schwefel- und eventuell Phosphorsäure neutralisiert worden war, etwas Kohlensäure zurückhalten könnte. Die Asche reagierte nun zwar etwas alkalisch liess aber beim Übergiessen mit Salzsäure keine Kohlensäureentwicklung erkennen. Beim nochmaligen Verbrennen der Asche mit Kaliumbichromat konnte ich zwar noch eine Gewichts- zunahme des Kaliapparates um etwa 1 mg erhalten. Es könnte _ diese aber auch auf unvermeidlichen Analysenfehlern beruhen. Es wurde daher dieser mögliche jedenfalls aber sehr geringe Fehler vernachlässigt. Die Stickstoftbestimmung wurde mit demselben Fleischsand- gemisch vorgenommen, aber da hierbei die unverbrennliche Substanz nicht direkt gewogen werden konnte, der durchschnittliche Aschen- gehalt der Berechnung zugrunde gelegt. Der wirkliche Aschengehalt des Fleisches konnte natürlich nur in dem fetthaltigen Material be- stimmt werden. Ich hielt es für angebracht diese Methoden der Vorbereitung des Analysenmaterials und der Ausführung der Analysen hier zu besprechen, da darin ja die Zuverlässigkeit der erhaltenen Zahlen und damit auch der daraus zu ziehenden Schlüsse begründet liegt. Analysenresultate. Ich lasse nun die Resultate meiner Analysen in Tabellenform folgen. Die Zahlen sind stets das Mittel aus mehreren gut über- einstimmenden Bestimmungen. (Siehe Tabelle I auf S. 263.) Hier findet man zunächst wieder die alte Regel bestätigt, dass mit steigendem Fettgehalt der Wassergehalt des Fleisches abnimmt. Bei beiden Versuchstieren zeigt sich eine Vermehrung des Stickstoffs nach Fleischfütterung, jedoch lassen sich hieraus wegen des ver- Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 263 Tabelle I. ‚Frisches Fleisch. Hund I Hund II nach Reis- | nach’ Fleisch- nach Vor- nach fütt st fütterung abundanter ueins mare resp. Hunger |ı Ernährung 0% 0/0 %o Massen 2. ... 79,90 71,67 71,44 Tests Trockensubstanz . 24,10 28,39 28,96 27,25 Stickstol >. 2. 3,08 3,27 321 3,46 Glykogen .... 0,564 0,240 0,114 0,535 Weiten 2,18 6,89 1,67 4,84 INSCHeNE 2 | 1,09 1,09 | 0,98 1,08 schiedenen Fett- und Wassergehaltes direkt noch keine Schlüsse ziehen. Im Fettgehalt zeist das Fleisch des ersten Hundes, der sehr stark abgemagert war, nach Mästung eine beträchtliche Zunahme. Beim zweiten Hunde dagegen liegen die Verhältnisse gerade um- gekehrt. Jedoch haben diese Zahlen keine grosse Bedeutung, weil keine Garantie dafür vorhanden ist, dass das sichtbare Fettgewebe jedesmal in gleichem Maasse entfernt war. Das erste Tier hatte in der Reisperiode mehr, das zweite dagegen, weil es im wesentlichen hungerte, weniger Glykogen als nach der Fleischfütterung. Bezieht man den Wassergehalt des Fleisches, weil ja das Fett kein Wasser enthält, auf den Stickstoff, so ergibt sich das Ver- hältnis von N: Wasser bei Hund I nach Reisfütterung 1: 24,63, bei Fleischfütterung 1:20,43, bei Hund I 1:22,24 und 1: 21,02. Müller!) fand dieses Verhältnis nach Reisfütterung 1:24,1 und nach Fleischfütterung 1:22,01. Es stimmt also dieser Befund mit dem meinigen überein. Tabelle II. Trockensubstanz (fetthaltig). Hund I Hund I nach Reis- | nach Fleisch- on Vor- h N 2 3 ütterung abundanter fütterung maswıng resp. Hunger | Ernährung 0/0 0/0 0/o 0/o Fett SER RER 11,52 | 24,32 | 26,99 17,76 Stiekston . ... 12,82 11,54 11,44 12,88 een. 4,53 | 3.85 3.49 3,98 0,85 0,40 1,96 Glykogen ... . 2,34 1) Pflüger’s Arch. Bd. 116 S. 219. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140, 15 264 G. Diesselhorst: Vorhergehende Tabelle II (8. 263) gibt den Fett-, Stickstoff- und Aschengehalt der Trockensubstanz an. Es folgen nun die Resultate der Elementaranalyse des ent- fetteten Fleisches. Die mit angegebenen Glykogenzahlen sind aus denen des frischen Fleisches mit Hilfe der Stickstoffzahlen umgerechnet. Es ist dieses etwas einfacher und deshalb genauer als die Berechnung mit Benutzung der Fett-, Asche- und Trockensubstanzzahlen. Tabelle II. Aschen- und fettfreie Trockensubstanz. Hund I Hund I nach Reis- | nach Fleisch- | „nach Vor- nach san nästane fütterung abundanter 2 = resp. Hunger | Ernährung 0/0 0/0 0/0 0/0 Kohlenstoff. ... . 51,21 932,24 51,83 92,23 Wasserstoff. . . . 7,31 182 7,30 7.89 Stickstoff . . 15,51 16,01 16,18 16,06 Glykogen 2,84 1,18 0,58 2,48 Diese Zahlen lassen schon eine geringe Zunahme des Kohlen- stoffgehaltes nach Fleischfütterung erkennen und ebenso auch des Stickstoffes. Die scheinbare Abnahme des letzteren beim zweiten Hunde ist auf die bedeutend grössere Menge des stickstofffreien Glykogens zurückzuführen. Der Glykogengehalt des Fleisches lässt hier ein noch deutlicheres Bild erkennen, als aus der Tabelle I her- vorgeht. Jetzt ist nur noch der störende Einfluss des Glykogens zu beseitigen, um ganz direkt vergleichbare Zahlen über die Elementar- zusammensetzung des Fleisches zu erhalten. Führt man nun die Rechnung aus, das gefundene Glykogen von der Gesamtmenge der aschen- und fettfreien Fleischtrockensubstanz und den im Gly- kogen enthaltenen Kohlen- und Wasserstoff von den entsprechenden Zahlen des Fleisches abzuziehen, so erhält man die folgende nun- mehr endgültige Tabelle IV (S. 265). Aus diesen Zahlen kann man nun deutliche Unterschiede, die durch die verschiedene Ernährung der Versuchstiere hervorgerufen sind, beobachten. Es sind diese, wenn auch nicht sehr gross, so doch derartig, dass sie nicht gut durch Analysenfehler, zumal da es sich um Mittelzahlen handelt, verursacht sein können. Auch kann Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 265 man annehmen, dass die entsprechenden Muskeln der beiden Hinter- schenkel ein und desselben Tieres von Natur gleiche Zusammen- setzung haben müssen. Tabelle IV. Aschen-, fett- und glykogenfreie Trockensubstanz (Fleischrest). Hund I Hund 11 nach Reis- | nach Fleisch- en Vor- h a R R erung abundan an: mals resp. Hunger | Ernährung 0/0 %/o %/o %/o Kohlenstoff. ... . 51,40 52,34 91,87 92,43 Wasserstoff . . . 7,34 1183 7,30 7,42 Stickstolß, . . ... 15,96 16,20 16,28 16,46 Sauerstoff + S (aus der Differenz) . 25,30 24,11 24,55 23,69 Was zunächst den Kohlenstoff betrifft, so ist er bei Hund I nach Fleisehfütterung um 0,94°o höher als nach der mit Abmagerung verbundenen Reis-Fett-Ernährung. Die Prozentzahl des Wasserstoffs hat sich nicht verändert. Der Stickstoff dagegen hat um 0,24 °/o zu- genommen. Diese Vermehrung kann nur auf Kosten des Sauerstoffs geschehen sein. Die Verminderung desselben beträgt, wenn man vom Schwefel absieht, 1,19 %o. Bei dem zweiten Hunde finden wir Differenzen im gleichen Sinne, wenn auch in geringerem Betrage. Der Kohlenstoffgehalt hat sich um 0,56 °/o erhöht und ebenso der Stickstoff um 0,18/o. Die Wasserstoffdifferenz von 0,12°o kann noch als innerhalb der Analysenfehler liegend betrachtet werden. Die Sauerstoffverminde- rung beträgt 0,36°/o. Es stimmen also die Resultate aus beiden Versuchen überein. Dass bei dem zweiten Hunde die Unterschiede viel geringer sind als beim ersten, ist leicht erklärlich, da er, wie bereits oben erwähnt, wegen seiner geringen Fresslust ein sehr schlechtes Versuchstier war, so dass der Versuch gar nicht in der Art, wie es ursprünglich beabsichtigt war, durchgeführt werden konnte, und auch die Ab- und Zunahme des Lebendgewichtes in den beiden Perioden verhältnismässig hinter der des ersten Tieres weit zurückblieb. Der wesentliche qualitative Unterschied des zweiten Versuches vom ersten ist der, dass dabei die erste Periode anstatt einer stickstoffarmen Ernährung hauptsächlich eine Hunger- periode war. 18 * 266 | G. Diesselhorst: Fine wichtige Frage betreffs der Elementarzusammensetzung des Fleisches ist das Verhältnis von Stickstoff zu Kohlenstoff. Dieses berechnet sich bei meinen Versuchen folgendermaassen: Hund I nach Reisfütterung gleich 1 : 3,221 „..E:., Rleischfütterung \,„ 1: 3230 Hund II nach Reisfütterung resp. Hunger „ 1:3,188 „ IH ,„ Fleischfütterung le:2anle> Man sieht also, dass hier das Verhältnis N: © bei einer ge- ringen Zunahme beider Teile das gleiche geblieben ist. Der Körper scheint also bei den benutzten Versuchstieren das Bestreben zu haben, auch bei verschiedenartiger Ernährung Stickstoff und Kohlen- stoff in konstantem Mengenverhältnisse anzusetzen. Zum Vergleich gebe ich hier die von Stockhausen und Müller bei ihren Versuchen gefundenen entsprechenden Zahlen an. Stockhausen fand bei seinen Versuchstieren im „Fleischrest“ folgende Zusammensetzung: Reishund I Fleischhund I Reishund II Fleischhund II N 14,95 °/o 15,37. lo 15,11 %o 15,44 °/o C 50,46 °/o 51,25 %o 51,49 Jo 51,38 lo N 202 19218538 1: 3,36 ea 1: 3,393 Der „Fleischrest* von Müller’s Versuchshund lieferte bei der Analyse nachstehende Zahlen: Nach Reisfütterung. Nach Fleischfütterung. N 15,947 90 15,90 % C 55,74 %o 52,82 % N:C 1: 3,48 1:83,32 Meine Resultate stimmen also mit denen Stockhausen’s überein, wobei aber noch zu berücksichtigen ist, dass bei seinen Versuchen, da er nicht mit ein und demselben Tiere arbeitete, in- dividuelle Unterschiede in der Fleischzusammensetzung nicht aus- geschlossen waren. Er erhielt also nach Fleischfütterung in beiden Fällen eine Vermehrung des Stickstoffs und beim ersten eine Ver- mehrung,, beim zweiten dagegen eine geringe Verminderung um 0,18°/o des Kohlenstoffs, die aber noch innerhalb der Fehlergrenze liegen kann. Das Verhältnis von N :C ist bei dem ersten Paar von Versuchstieren das gleiche, beim zweiten aber (noch wachsende Hunde) nach Fleischfütterung ein um eine Kleinigkeit engeres. Das N :C-Verhältnis der gesamten stickstoffhaltigen Substanz der Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 967 Tiere fand Stockhausen auch konstant, nämlich gleich 1: 3,26 und 1:93,26 resp. im zweiten Falle 1:3,34 und 1: 3,320. Mit den Ergebnissen von Müller’s Versuchen stimmen die meinigen dagegen nicht überein. Er erhielt nach Fleischfütterung eine Verminderung der Kohlenstoffprozente um 2,92 bei wesentlich gleichen Stickstoffprozenten. Dadurch wurde das Verhältnis N : C ein merklich engeres. Die direkt durch die Analyse gefundenen nur gering erscheinen- den Änderungen der Zusammensetzung der gesamten Muskelmasse von abgemagerten und gemästeten Tieren werden sich nun be- deutend erhöhen, wenn man sie nur auf die während der Mast neu angesetzte Fleischsubstanz bezieht unter der Annahme, dass das be- reits vorhandene Fleisch in seiner Zusammensetzung unverändert geblieben ist. Müller benutzte für diesen Ansatz den bereits von Pflüger bei seiner Kritik von Cremer’s Mastversuchen mit Katzen angewendeten Ausdruck „Mastsubstanz“ D). Genaue Berechnungen über die elementare Zusammensetzung derselben anzustellen ist nun nieht möglich, weil eine Bestimmung des prozentischen Anteils der gesamten Muskelmasse am Lebend- gewicht beim lebenden Tiere nicht ausgeführt werden kann. Um aber wenigstens einen Anhalt zu haben, werde ich versuchen, solche Berechnungen beziehungsweise Schätzungen, wie es auch Müller tat, bei meinen Versuchen vorzunehmen auf Grund von plausibelen Annahmen. Ich will aber zunächst einmal annehmen, der Hund I hätte dasselbe Verhältnis, welches Müller durch Schlachtversuch fand, nämlich 44,8 °/o seines Gewichtes, an Muskelsubstanz besessen. Das Tier wog vor der Operation 6,35 kg, hätte also 2,84 kg Fleisch mit 19,67 °/0 „Fleischrest“, das sind 558,6 g, gehabt. Hierin sind nach der Analyse enthalten: 282.1.2.0, 41,0:.2H, SI2zN Vor der Tötung wog der Hund 11,1 kg entsprechend 4,973 kg Fleisch mit 20,11% „Fleischrest“ oder 1000 g Fleischrest. Diese Menge besteht nach der Analyse aus: 523,4 8 C, 73,3 g H, 162,0 g.N. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 77 S. 597. 2368 G. Diesselhorst: Durch Subtraktion erhält man 286,3 8 0, 828 ıH, (288.cN, welehe in 441 g „Fleischrest“ enthalten sein müssen. Das sind in Prozenten ausgedrückt: Gl. al 109359010 He 110832010 N A Re ee 6/0 OFES. nr 22080 NO, 29,24. Diese Zahlen sind aber offenbar viel zu niedrig, weil das sehr fett gemästete Tier nicht gut 44,3 °/o Fleischsubstanz gehabt haben kann. Aus Schlachtversuchen von Stockhausen berechne ich für einen fetten Hund 31 °/o des Lebendgewichtes an Muskulatur. Unter Zugrundelegung dieser Zahl ergibt sich folgende Zusammensetzung des Fleischansatzes (frei von Fett und Glykogen): Zuwachs gegen das ursprüngliche Fleisch C 53,92% +52 H 7,31% en Nee 6,6000 OS oo ee wei 3,24. Es können diese Zahlen aber auch noch bedeutend höher sein, da die angenommene Menge des Fleischansatzes noch immer eine ziemlich grosse ist. Für den Hund II, welcher nicht sehr fett gemästet war, be- rechne ich auf dieselbe Weise, unter Zugrundelegung von 44,8 lo des Lebendgewichtes an Fleisch, folgende Zusammensetzung des Fleischansatzes (frei von Fett und Glykogen): Zuwachs gegen das ursprüngliche Fleisch 6 54,06% +2,19 H 7,79 % 2 Na. oT GES. 2125% 320 wo 3,18. Es stehen also, wenn man die gemachten Voraussetzungen gelten lässt, die bei beiden Hunden berechneten Abweichungen in der Zu- Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 269 sammensetzung der durch die abundante Ernährung neu angesetzten Fleischsubstanz im Vergleich mit der des ursprünglich vorhandenen Fleisches einigermaassen im Einklang. Weiterhin können die von mir gefundenen Resultate und daran seknüpften Schlüsse zunächst nur für den vorliegenden Versuch gelten. Man kann durchaus nicht a priori behaupten, dass unter allen Ver- hältnissen bei allen Tieren, auch nicht einmal derselben Art, die durch Mästung zum Ansatz gebrachte stiekstoffhaltige Substanz von der- selben Zusammensetzung sein müsse. Ferner steht auch noch die Frage offen, ob die bei der frisch angesetzten Fleischsubstanz auf- tretenden Abweichungen der Zusammensetzung dauernd bleiben oder nicht vielmehr, wenn das Tier längere Zeit im gemästeten Zustande beharrt, wieder verschwinden. Es müsste im letzteren Falle das neugebildete Gewebe sich erst allmählich ausbauen. Man könnte vielleicht auch durch solche Betrachtungen die Erfahrungen, welche beim Schlachtvieh über die verschiedene Qualität des Fleisches nach verschiedener Aufzucht und Fütterung der Tiere gemacht wurden, zum Teil erklären. Die mögliche Änderung in dem Stickstoffgehalt des Fleisches durch Mästung ist wohl auch von Interesse bei der Deutung der Ergebnisse einer Arbeit von Kurt Friske!), welcher bei Mast- versuchen mit Hammeln einen bedeutenden Fleischansatz, aber eine krosse Differenz zwischen den Resultaten nach der Stickstoff- bilanz und dem Schlachtversuche fand. Die betreffenden Zahlen folgen hier: N, verfügbar zur Produktion Hammel von Körpersubstanz pro Tag 3 4 5 R und Stück Sa 8 8 g Nach der Stickstoffbilanz . . . .. . 3,89 3,92 317 3,19 Nach dem Schlachtversuche. . . . . 1,19 1) 1,58 1,65 Es könnten diese Differenzen, für welche der Verfasser keine Erklärung findet, zum Teil sehr wohl durch einen erhöhten Stick- stoffgehalt des bei der Mast angesetzten Fleisches erklärt werden. 1) Landwirtsch. Versuchsstationen 1909 S. 441, 270 6. Diesselhorst: Über die Zusammensetzung des Fleisches etc. Bestimmteallgemeine Gesetze für die Zusammensetzung der bei abundanter Ernährung angesetzten stickstoffhaltigen Substanz lassen sich im Hinblick auf die bisher gefundenen Differenzen bis jetzt noch nicht aufstellen. Es müsste dazu erst eine grössere Reihe von vergleichenden Versuchen mit verschiedener Mast angestellt werden. Anmerkung. Soeben kommt mir die neueste Arbeit von Pfeiffer und Friske, Landwirtschaftliche Versuchsstation 1911 S. 409, zu Händen, in der die früheren Versuche bestätigt werden, wenn auch die Differenzen geringer sind. Bemerkenswert ist, dass bei den beiden eiweissärmer gefütterten Hammeln die aus der Stick- stoffbilanz und dem Schlachtversuche berechneten Zahlen fast identisch sind. Es könnte dies als eine Bestätigung der oben zuletzt aus- gesprochenen Vermutung gedeutet werden. 971 (From the Di eineieal Laboratory of Cornell University Medical College, New York City.) Ein Versuch, amöboide Bewegung als Hole en uns des wechselnden elektrischen Polarisations- zustandes der Plasmahaut zu erklären. Von 3. FE. MeClendon. (Mit 4 Textfiguren.) Nach der Ansicht vieler Autoren werden amöboide Bewegungen durch Änderungen der Spannung der Oberfläche hervorgerufen. Dieser Spannungszustand der Oberfläche kann entweder eine echte Oberflächenspannung oder, nach Rhumbler!) zuweilen eine Spannung des Ektoplasmas als Folge von Wasserverlust („Gelatinierungsspannung oder Gelatinierungsdruck“) sein. In dieser Mitteilung soll nur von echter Oberflächenspannung die Rede sein. Lässt man Kaliumbichromat gegen einen Tropfen Quecksilber in verdünnter Salpetersäure diffundieren, dann sendet der Queck- silbertropfen von der Stelle, die zuerst mit dem K,CrO, in Be- rührung tritt, einen amöboiden Fortsatz aus. Es findet nämlich unter Verminderung der Öberflächenspannung eine Bewegung der äusseren Schichten von dem Bichromat weg und eine solche der inneren gegen das letztere zu statt. Ähnliche Strömungen wurden bei der Bewegung vieler Amöben beobachtet. Hier verursachen die Rückströmungen an der Oberfläche und die Vorwärtsströmungen im Inneren naturgemäss einen allmählichen Austausch von Ekto- und Endoplasma. Dieser Vorgang, den Rhumbler den „Ektoendoplasma- 1)L. Rhumbler, Zur Theorie der Oberflächenkräfte der Amöben. Zeitschr. f. wissensch, Zool. Bd. 83. S. 1. 1905. 18 ** 272 J. F. MeClendon: prozess nennt, ist schon vor Jahren von Wallich und Montgomery!) (1979, 1881) beobachtet worden. Nach Jennings?) findet ein derartiges Abfliessen der vor- geschobenen Oberfläche nicht bei allen Amöben statt. Doch liesse sich dessen Ausbleiben in solehen Fällen durch die Annahme einer zäheren Plasmahaut und Alveolarwandsubstanz des Protoplasmas genügend erklären. Das oberflächliche Abfliessen wäre dann teilweise auf die einzelnen Alveolen beschränkt. Rhumpbler jedoch erklärt dieses Ausbleiben der oberflächlichen Strömungen auf Grund von Berthold’s Theorie dahin, dass die Fortbewegung der Amöbe durch einseitiges Anhaften an der Unterlage hervorgerufen wird. Zweifellos hat die Plasmahaut einen Einfluss auf den Mechanis- mus der Bewegung. Nach Quineke ist dieselbe ein Fett-, nach Overton ein lipoides Häutehen, doch ist ihre wirkliche Zusammen- setzung noch nicht sichergestellt. Sie ist in Wasser unlöslich, je- doch für Wasser und andere, namentlich lipoidlösliche Substanzen durchlässig. Das Cytoplasma lebender Zellen oder Eier enthält Lipoideiweissverbindungen, die in Wasser nicht löslich sind,. sich aber bei Berührung mit Wasser unter Freiwerden von Lipoiden zu zersetzen scheinen [MeClendon?), 1910]. Nach dem Gibbs’schen Prinzip sammeln sich diese Lipoide an der Oberfläche und bilden eine Schicht, die eine weitere Zersetzung der Lipoideiweisverbindungen verhindert. Dieses lipoide Häutehen ist unter gewöhnlichen Um- ständen von ultramikroskopischer Dicke; wird hingegen dem Wasser etwas Alkohol zugefügt, so kann unter Umständen ein verhältnis- mässig dickes Häutchen auf der Oberfläche (z. B. von Hühnerei- dotter) geformt werden. Dass die Plasmahaut der Amöbe für Anionen weniger durchlässig zu sein scheint als für Kationen, ist eine Vermutung, die durch zwei Tatsachen nahegelegt wird: 1) E. Montgomery, Elementary Functions and Primitive Organization of Protoplasm. St. Thos. Hos. Repts., London 1878, n. s. IX. 1878. — Zur Lehre von der Muskelkontraktion. II. Die amöboide Bewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 25 S. 499. 2) H. S. Jennings, Contributions to the Study of the Behavior of Lower ÖOrganisms. VI. Publ. Carnegie Instit. Washington Nr. 16 p. 129. 1904. 3) J. F. McClendon, Dynamics of Cell Division. II. Americ. Journ. of Physiol. vol. 27 p. 240. 1910. ; Ein Versuch, amöboide Bewegung als Folgeerscheinung etc. 373 l. Wird durch einen Wassertropfen, in dem eine Amöbe schwebt, ein schwacher elektrischer Strom geleitet, so wandert das Tier passiv gegen die Anode. 2. Wird ein starker elektrischer Strom durch das Wasser ge- leitet, dann beginnt der Zerfall der Amöbe am anodalen Pol. Der zerstörende Einfluss eines elektrischen Stromes auf lebendes Gewebe ist vielleicht die Folge einer Anhäufung von Ionen, die in ihrer freien Bewegung durch gewisse Gewebsstrukturen behindert werden. Da nun an der Amöbe die Zerstörungserscheinungen zuerst an der Oberfläche auftreten, so dürfte die Plasmahaut für eine Be- hinderung der Ionenwanderung verantwortlich zu machen sein; die Ionen würden sich, da sie die Plasmahaut nicht leicht passieren können, hinter derselben anhäufen, und diese Anhäufung würde die sichtbaren Erscheinungen des Zerfalles hervorrufen. I 6 4 733 Fig. 1. Schematische Darstellung des Einflusses eines elektrischen Stromes auf eine Amöbe. A= Anode. K = Kathode. Der grosse Kreis stellt die Plasma- haut dar, die kleinen Kreise Ionen mit ihrer entsprechenden Ladung. Die ‚Pfeile deuten die Bewegungsrichtung der Ionen an. Der Zerfall der oberflächlichen Schichten tritt nieht an beiden Polen der Amöbe gleichzeitig auf, sondern zunächst nur an der Anode, so dass es den Anschein hat, als ob die Plasmahaut der Durehwanderung der Anionen einen grösseren Widerstand entgegen- setzt als der der Kationen. Die Fig. 1 stellt diese Annahme schematisch dar. Der grosse Kreis repräsentiert die Plasmahaut, die kleineren die Ionen, deren Ladung durch + oder — bezeichnet ist. Die Bewegungsrichtung der Ionen ist durch Pfeile angedeutet. Die positiven Ionen scheinen die Amöbe ungehindert zu passieren, während die negativen ausserhalb des Zelleibes denselben leicht umgehen können. Jene negativen Ionen jedoch, die im Protoplasma ein- gesperrt sind, scheinen die Oberhaut nicht passieren zu können, stauen sich daher hinter derselben und rufen dann die gewissen Auflösungserscheinungen hervor. 2974 J. F. MeClendon: Wird jedoch ein Strom, der zu schwach ist, um das Plasma zu zerstören, durch das Wasser geleitet, dann wandert die Amöbe passiv gegen die Anode, eine Beobachtung, die Hirschfeld’s') (1909) An- nahme einer positiven Ladung derselben nicht bestätigt. Diese passive Wanderung der Amöbe könnte in folgender Weise erklärt werden. Im Innern derselben wird ununterbrochen ein Elektrolyt erzeugt, dessen Anionen die Plasmahaut nicht passieren können. Diese geben der Amöbe eine negative Ladung, so dass das Tier, wenn ein Strom durch das Wasser geleitet wird, gegen die Anode gezogen wird. Da unter allen Elektrolyten, die unter solchen Umständen er- zeugt werden könnten, die Kohlensäure wohl der ausgiebigste ist, dürfte deren Gegenwart den oben gestellten Forderungen genügen. Fig. 2. Schematische Darstellung des elektrischen Polarisationszustandes der Amöbenoberfläche als Resultat einer relativen Undurchlässigkeit der Plasmahaut für die Anionen der Kohlensäure. Zeichen wie in Fig. 1. Es ist allerdings wahr, dass das elektrolytische Dissoziationsvermögen der Kohlensäure sehr gering ist. Dies würde dann eben eine starke Konzentration derselben nötig machen, die möglicherweise in der Zelle existiert. Wir können nun annehmen, dass die Ht-Ionen aus der Amöbe herauswandern können, während die HCO,- und CO, - Ionen innerhalb derselben zurückgehalten werden und ihr die nötige negative Ladung geben. Diese Scheidung der Ionen würde noch durch die grössere Schnelligkeit, mit der die H?-Ionen durch das Plasma wandern, gefördert. Die Anionen im Inneren und jene Kationen, die durch sie auf der Oberfläche zurückgehalten werden (Fig. 2), bewirken eine Polarisation der letzteren, ähnlich dem Lippmann- schen Phänomen im Kapillarelektrometer. Infolge dieser Polarisation muss die Oberflächenspannung eine geringe sein, wie es tatsächlich 1) L. Hirschfeld, Ein Versuch, einige Lebenserscheinungen der Amöben physikalisch-chemisch zu erklären. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 9 S. 529. 1909. Ein Versuch, amöboide Bewegung als Folgeerscheinung etc, rs die Beobachtung lehrt. Obzwar die Oberfläche einer Amöbe mög- licherweise aus Lipoiden besteht, besitzt das Tier eine viel geringere Oberflächenspannung als ein Öltropfen im Wasser. Unter solchen Umständen würden amöboide Bewegungen durch örtliche Veränderungen der Oberflächenspannung erzeugt, die ihrer- seits eine Folge der wechselnden Öberflächenpolarisation sind. Während die CO, -Ionen vielleicht nicht leicht passieren können und die Kationen unter ihrem Einflusse zum Teil zurückgehalten werden, könnten andererseits die nicht dissoziierten Moleküle als CO, auswandern, da CO, in Lipoiden löslich ist. Der Polarisations- zustand könnte dann nur so lange aufrechterhalten werden, als CO, innerhalb der Amöbe in gleichem Maasse erzeugt’ wird, als sie aus- wandert. Würde an irgendeiner Stelle die Kohlensäurebildung steigen oder fallen, dann würde die gleichzeitige Polarisations- veränderung des nächstliegenden Teiles der Oberfläche spontane Be- wegung erzeugen. Die Kohlensäurebildung wird vielleicht zeitweise durch äussere Bedingungen beeinflusst, z. B. durch Substanzen, die von anderen Organismen in das Wasser abgegeben werden. Eine Erhöhung der CO,-Bildung würde dann positiven Tropismus hervor- bringen. Andererseits würde eine Erhöhung der Durchlässigkeit der Plasmahaut eine Herabsetzung der Polarisation derselben zur Folge haben. In einer früheren Arbeit (1910) habe ich eine Reihe von Agentien aufgezählt, die die Durchlässigkeit der Plasmahaut für Anionen erhöhen. Dieselben Agentien bewirken auch in der Amöbe eine Erhöhung der Oberflächenspannung, die sich in einer grösseren Abrunduns des Körpers äussert. Wird die Amöbe nur auf einer Seite von diesen Agentien beeinflusst, dann zeigt sie negativen Tropismus. Negativer Tropismus kann dadurch erklärt werden, dass die ihn bewirkenden mechanischen, thermischen, chemischen u. dgl. Einflüsse die Plasmahaut an der der Einwirkung nächstgelegenen Stelle aufiockern; der daraus resultierende Verlust an Polarisation unter gleichzeitiger Erhöhung der Öberflächenspannung veranlasst die Amöbe, sich von dem schädlichen Einfluss zurückzuziehen. Der Teil der Oberfläche, an dem die Plasmahaut verändert ‚worden ist, bleibt aber nicht depolarisiert, da er seine frühere Un- durchlässigkeit zurückerhält, sobald sich die Amöbe dem schädigenden Einfluss entzogen hat. Die Polarisation ist nicht der einzige Faktor, der die Ober- 276 J. F. MeClendon: flächenspannung zu verändern vermag. Es ist z. B. eine bekannte Tatsache, dass Seifen die Oberflächenspannung an Lipoiden ver- mindern. Wenn nun die Plasmahaut aus Lipoiden besteht, sollte man [mit Bütschli, J. Loeb, Robertson, Michaelis u. a.] ver- muten, dass Seifen eine Herabminderung der Oberflächenspannung an der lebenden Zelle bewirken; doch habe ich das gerade Gegen- teil beobachtet. Eine Kapillarröhre wurde mit fester Seife oder Seifenlösungen von verschiedener Konzentration gefüllt und mittels der „mechanischen Hand“ [MeClendon!), 1909] so weit in Wasser eingetaucht, bis ihre feine Öffnung ganz in die Nähe einer grossen Amoeba proteus kam. Das Tier zeigte immer deutlichen nega- tiven Chemotropismus, in dem es rasch von der Seife, die aus der Kapillarröhre heraussickerte, wegwanderte. Manchmal war die Be- wegung nicht rasch genug, um das Leben des Tieres zu retten. Leider konnte der genaue Zeitpunkt, an dem die ersten Seifen- moleküle die Amöbe erreichten, nicht bestimmt werden. So liess sich daher auch nicht feststellen, ob ein kurzdauernder Vorstoss des Tieres gegen die Seifenlösung zu, wie er manchmal beobachtet wurde, als eine „Reiz-“ oder spontane Bewegung aufzufassen sei. Auf jeden Fall können wir schliessen, dass der hauptsächlichste Einfluss, den die Seife auf die Amöbe ausübt, geeignet ist, die Durchlässigkeit der Oberfläche für Anionen zu erhöhen, da das Tier negativen Tropis- mus zeigt. In einer kürzlich erschienenen interessanten Arbeit über die Rolle der verschiedenen Kolloidalzustände der Oberfläche der Amöben bei Nahrungsaufnahme kam Rhumbler?) (1910) zu dem Schlusse, dass die Annahme einer festen, elastischen und relativ dicken Öber- flächenschicht notwendig ist, um jene Form der Nahrungsaufnahme zu erklären, dass er „Cireumvallation“ nennt. Er vermutet, dass „Cireumvallation“ durch eine örtliche Auflösung der halbfesten Ober- 1) JE: McClendon, Protozoan Studies I. Reactions of Amoeba Proteus to Minutely Localized Stimuli. Journ. of exper. Zool. vol. 6 p. 265. — Autoreferat über vorstehende Abhandlung in Arch. f. Entwicklungsmechanik Bd. 37 8. 323. 1909. — The Reaction of Amoeba to Stimuli of Small Area. Americ. Journ. Physiol. vol. 21. 1908. Proc. Americ. Physiol. Soc. 1907 p. 13. 2) L’Rhumbler, Die verschiedenartigen Nahrungsaufnahmen bei Amöben als Folge verschiedener Kolloidalzustände ihrer Oberflächen. Arch, f. Entwicklungs- mechanik Bd. 30 S. 194. 1910. Ein Versuch, amboide Bewegung als Folgeerscheinung etc. DIL flächenschicht durch einen von der Beute ausgeübten „Reiz“ ein- geleitet wird‘). Es gibt jedoch eine Art der Nahrungsaufnahme, die der „Cireum- vallation“ zwar verwandt, aber in folgender Weise durch Ver- änderungen der Oberflächenspannung erklärlich ist: wenn z. B. eine 5 Fig. 3. Schematische Darstellung der Nahrungsaufnahme einer Amöbe. Die Pfeile deuten die Richtung an‘, in der eine Erhöhung der Oberflächenspannung erfolgt. Der kleine Kreis stellt eine Algenzelle dar. g—%k = Querschnitte durch den Plasmaring der Figuren e—f. Amoeba proteus sich in der Nähe einer Algenzelle befindet (Fig. 3a), dann bewirken auf Grund meiner früheren Voraussetzungen 1) Es ist zweifellos, dass eine feste Oberfläche die Nahrungsaufnahme der Amöbe nicht verhindert. Schaudinn (1899) (Generationswechsel von Tricho- sphaerium Sieboldi. Anhang d. Abhandl. Berliner Akad. d. Wissensch. 1899 S. 1) beobachtete die Aufnahme von fester Nahrung bei Trichosphaerium Sieboldi, dessen Körper von einer Gallerthülle umgeben ist, in die zahlreiche radiär gestellte Stäbchen, Mg0O,, eingebettet sind. Eine zum mindest halbstarre Oberflächenschicht ist, wie Rhumbler beweist, sogar notwendig, um die Nahrungsaufnahme durch „Invagination“ zu ermöglichen. 278 J. F. McClendon: Stoffe, die aus der Zelle ausgeschieden werden, eine Steigerung der CO,-Erzeugung im nächstliegenden Teil des Amöbenleibes; denn die Amöbe breitet sich gegen die Alge aus. Manchmal rollt sie die letztere sogar etwas vor sich her (Fig. 35). Die Berührung mit der Alge oder die stärkere Konzentration der reizenden Substanzen ver- ursacht eine lokale Erhöhung der Durchlässigkeit und der Spannung eines Teiles der Plasmahaut, welcher das Feld verminderter Spannung durchschneidet (Fig. 3c). Die seitlichen Partien schieben sich nun weiter nach vorne, bis sie die Beute ganz umgeben (Fig. 3d) und sich dann vor derselben vereinigen (Fig. 3e). Die Beute ist dann von einem Protoplasmaring eingeschlossen. Die Oberflächenspannung be- strebt nun eine Verkleinerung des letzteren. Manchmal kann der dabei von allen Seiten einwirkende Druck ein Herauspressen der Beute nach oben zur Folge haben, so dass die Nahrungsaufnahme misslingt. Unter günstigen Bedingungen hingegen schliesst sich der Ring über und unter dem Fremdkörper, wie es im Querschnitt in Fig. 39 und h dargestellt ist; gleichzeitig wird auch etwas Wasser mit der Beute eingeschlossen, und zwar dürfte, wenn die Amöbe an der Unterlage anhaftet, etwas mehr Wasser eingeschlossen werden. Diese Methode der Nahrungsaufnahme nimmt eine Zwischen- stellung zwischen Rhumbler’s Klassen „Cireumfluenz“ und „Circum- vallation“ ein, indem die Amöbe in Berührung mit der Beute kommt, zugleich aber Wasser mit der Nahrung aufnimmt. Versuche, die ich an Seeigeleiern unternommen habe, unter- stützen meine Ausführungen. Dass Eier amöboide Bewegungen aus- führen können, ist eine bekannte Tatsache. Prowazek!) (1903) beobachtete an Seeigeleiern, die in die Körperflüssigkeit einer Annelide gelegt wurden, aktive Bewegungen; ein Ei nahm eine „Eläocyte“ in sich auf. Wenn ein allmählich stärker werdender elektrischer Strom durch eine-isotonische Zuekerlösung geleitet wird, die Seeigeleier enthält, so muss man eine Erhöhung der Polarisation in dem der Anode nächstgelegenen Teile der Plasmahaut erwarten, da die Anionen, die hinter der Membran zurückgehalten werden, eine Anhäufung der Kationen an der Aussenseite hervorrufen (Fig. 4a). Die Anionen l) Prowazek, Studien zur -Biologie der Zelle. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd.i2 S. 385. 1908. Ein Versuch, amöboide Bewegung als Folgeerscheinung etc, 279 des Wassers: können das Ei umgehen, während die Kationen es durchwandern. Die Erhöhung der Polarisation muss eine Herab- setzung der Oberflächenspannung und damit eine Ausdehnung der Eioberfläche gegen die Anode zu veranlassen. Zahlreiche Beobach- tungen bestätigten diese Vermutung, indem das Ei unter den ge- stellten Bedingungen jedesmal ein oder mehrere Pseudopodien gegen die Anode ausstreckte. In einigen Fällen wurde auch ein Abfliessen der oberflächlichen Schichten bemerkt. Das beschriebene Phänomen war von sehr kurzer Dauer, da das vorgestreckte Cytoplasma bald zu desintegrieren begann und osmo- Fig. 4. Schematischer Versuch, den Tropismus der Amöbe gegen die Kathode zu erklären. Zeichen wie in Fig. 1. (In der Amöbe äussert sich Galvano- tropismus an der Kathode, Kataphorese an der Anode.) tische Erscheinungen die Bewegungen auf Grund der Spannungs- differenzen verhüllten. Der Zersetzungsprozess wurde wahrscheinlich durch die Anhäufung der Anionen eingeleitet. Während in einem schwachen Strom das Seeigelei Pseudopodien gegen die Anode ausstreckt, zeigt die Amöbe Tropismus nach der Kathode. Ein starker Strom aber verursacht in beiden Formen eine Zersetzung am anodalen Pol. Diese’ Tatsache scheint anzudeuten, dass die Verminderung der Oberflächenspannung und der Zerfall des Plasmas im Seeigelei durch ähnliche, in der Amöbe aber durch ent- gegengesetzte Faktoren hervorgerufen werden. Doch kann dieser anscheinende Widerspruch dadurch erklärt werden, dass auch in der Amöbe die Polarisation des anodalen Poles steigt; bevor jedoch ge- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 19 280 J. F. MeClendon: Ein Versuch, amöboide Bewegung etc. nügend Zeit verstreicht, um eine Bewegung auszuführen, wird die Plasmahaut zerstört, so dass der Polarisationsgrad dieser Stelle unter das Normale der übrigen Oberfläche sinkt (Fig. 45). Der Schluss- effekt des Stromes wäre somit verminderte Polarisation der anodalen Gegend, und die Amöbe wandert gegen die Kathode. Die erhöhte Durchlässigkeit eines Teiles der Plasmahaut würde die Polarisation der gesamten Oberfläche etwas herabsetzen, da die Anionen jenen weniger dichten Teil durchwandern könnten. Doch wird in der Amöbe ununterbrochen CO, erzeugt und wahrscheinlich um so energischer, je schneller sie weggeschafft wird, wie es ja bei allen Endprodukten chemischer Vorgänge der Fall ist. Aus diesem Grunde dürfte die Polarisation des nicht desintegrierenden Teiles der Oberfläche sehr wenig, wenn überhaupt, herabgesetzt werden. Der Potentialabfall zwischen den beiden Seiten jenes Teiles der Plasmahaut, der der Kathode zunächst liegt, ist entgegengesetzt dem Potentialabfall, der an jener Stelle von den Elektroden erzeugt würde (Fig. 45). Man muss daher annehmen, dass die normale Polarisation der Plasmahaut einem Potentialabfall entsprieht, der stärker ist als der des umgebenden Wassers, da sonst der erstere durch den letzteren unterdrückt würde. (Aus der medizinischen Poliklinik in Freiburg i. Br.) Zur Physiologie der Blutplättchen. Von J. Loeber, Medizinalpraktikant. Seit Entdeckung der Blutplättchen dureh Bizzozero!) und Hayem?) ist die Diskussion über Bedeutung und Herkunft dieser Gebilde nicht zur Ruhe gekommen. Zurzeit sind unsere Kenntnisse von der Funktion der Blutplättchen zwar keineswegs befriedigend; immerhin weiss man aber, dank der Arbeiten von Abderhalden und Deetjen?), Deetjen*), Bürker°’), Nolf®) und Mora- witz”), dass den Blutplättehen wahrscheinlich eine bestimmte Rolle im: Gerinnungsvorgange zufällt — sie beteiligen sich an der Bildung des Thrombins —, und dass sie gewisse peptolytische Fermente ent- halten. Viel weiter gehen dagegen die Anschauungen über die Ab- stammung der Plättchen auseinander. Auch die so wichtige Grund- frage, ob man es mit Elementen von der Dignität einer Zelle zu tun hat, wird recht verschieden beantwortet. Die meisten Autoren bestreiten den Blutplättehen den Charakter der Zelle. Einer ihrer besten Kenner, Deetjen, tritt dagegen mit Energie für die Zellnatur ein. Je nach Beantwortung dieser Kardinalfrage differieren natürlich auch die Vorstellungen über die Mutterzellen der Blutplättehen. Nebenbei möchte ich hier erwähnen, dass man die Anerkennung der Blutplättchen 1) Bizzozero, Zentralbl. f. med. Wissensch. 1882 Nr. 2. 2) Hayem, Gaz. medic. de Paris 1831. 3) Abderhalden und Deetjen, Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 53 8. 280. 4) Deetjen, Virchow’s Arch. Bd. 164 und Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 63. 1909. ’ 5) Bürker, Münch. med. Wochenschr. 1904 Nr. 27. 6) Nolf, Arch. internat. de Physiol. vol. 6 H.1. 1908. 7) Morawitz, Beiträge zur Kenntnis der Blutgerinnung. Deutsches Arch. Bd. 79. 1904. — Die Chemie der Blutgerinnung. Ergebn. d. Physiol. Bd. 4. le) 382 J. Loeber: als Zellen nicht mit Schwalbe von dem Nachweis einer mitotischen Teilung der Plättchen abhängig machen darf. Sonst müsste man auch den polymorphkernigen Leukocyten des Blutes die Zellnatur abstreiten. Damit soll allerdings keineswegs gesagt werden, dass ich die morphologischen Kriterien für die Zellnatur als durchschlagend und ganz überzeugend ansehe. Es besteht nicht die Absicht hier alle bisher über die Genese der Blutplättehen geäusserten Vorstellungen zu rekapitulieren. Ich verweise auf die umfangreiche Literaturübersicht bei Aynaud!) und Werzberg?). Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass im Laufe der letzten 30 Jahre nahezu jede Möglichkeit der Plättchen- entstehung behauptet und wieder bestritten worden ist. Man hat sie als Abkömmlinge der roten, der weissen Blutzellen, auch der Knochen- marksriesenzellen angesprochen, ja man ist sogar soweit gegangen, iu den Plättchen nur Eiweissniederschläge aus dem Blutplasma zu erblieken. Der grössten Verbreitung erfreut sich wohl heute die Lehre von der Abkunft der Blutplättehen von Erythrocyten, eine Anschauung, die in den Arbeiten von Arnold, Schwalbe und ihren Schülern, ferner Pappenheim, Maximow und Weidenreich ihre Be- gründung findet. In den Einzelheiten gehen aber auch die Ansichten der oben erwähnten Autoren ziemlich weit auseinander. Arnold hat in erster Linie die Veränderungen der Erythrocyten studiert, die sich bemerkbar machen, wenn man diese Elemente in den Maschen von Hollundermark, also ausserhalb der Gefässe, beobachtet. Er meint hierbei die Entstehung von Gebilden gesehen zu haben, die den Blutplättehen des strömenden Blutes absolut gleichen. Und zwar ist der Entstehungsmodus nicht einheitlich. Blutplättcheu können aus Eıythroeyten hervorgehen: a) durch Plasmolyse: Aus dem Protoplasma des Erythrocyten tritt gelöste Substanz aus, dieser verkleinert sich und wir«l zum „Blutkörperchenschatten“ oder er verschwindet gänzlich. b) durch Plasmorrhexis: Körnerartige Gebilde treten aus dem Erythrocyten aus oder schnüren sich von ihm ab. Produkte des ersten Vorganges sind die von H. F. Müller beschriebenen 1) Aynaud, Le globulin des Mammiferes. These Paris. 1910. 2) Werzberg, Folia haematol. Bd. 10 H.2. 1910. Zur Physiologie der Blutplättchen. 2833 Hämatokonien. Durch den zweiten entstehen Blutplättchen. Sie sind sceheibenförmig, kugelig oder verzweigt und enthalten gewöhnlich kein Hämoglobin. e) durch Plasmoschisis: Der Erythrocyt zerfällt in scheiben- artige Gebilde, die Blutplättchen. Gegen diese Versuche ist vielfach und wohl mit Recht ein- gewendet worden [vgl. Nägeli!)], es handele sich dabei um nekro- biotische Prozesse, die den Vorgängen in der Blutbahn unmöglich an die Seite gesetzt werden können Gewiss können Erythrocyten unter gewissen Bedingungen in Fragmente zerfallen, es fehlt aber der Beweis dafür, dass diese Fragmente wirklich dem entsprechen, was man sonst als Blutplättehen bezeichnet. Viel eindringlicher und überzeusender scheint ein Versuch Schwalbe’s für die Entstehung der Blutplättehen aus roten Blut- scheiben zu sprechen: Schwalbe gelang es in abgebundenen grösseren Gefässstämmen durch Anätzung der Wand typische Blutplättchenthromben zu er- zeugen, wie sie sich auch im strömenden Blute bilden. Wenn diese Beobachtung Bestätigung gefunden hätte, würde sie die Frage nach der Blutplättehengenese mit einem Schlage entscheiden; denn in einem abgebundenen Gefässe ist, wie auch Aschoff?) und Dere- wenko?°) hervorheben, Zahl und Masse der präexistierenden Blut- plättehen und Leukocyten viel zu klein, als dass sie als Quelle der Blutplättchenhaufen des Plättehenthrombus ausreichen könnten. Es bleibt dann einfach schon per exelusionem gar niehts anderes als die Ableitung der Plättehen aus Erythrocyten übrig. Indessen hält auch die Beobachtung Schwalbe’s der Prüfung nicht stand. Aschoff und Derewenko haben vergeblich versucht, unter den von Schwalbe gewählten Bedingungen die Entstehung eines Plättehenthrombus hervorzurufen. Es bildet sieh nur ein Fibrin- gerinnsel, ein roter Thrombus, wie auch sonst im stagnierenden Blute. Damit wird dem Versuche, der bisher die beste Stütze für die Entstehung der Plättehen aus Erythrocyten abgab, der Boden eutzogen. 1) Nägeli, Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. Leipzig 1908. 2) Aschoff, Mediz. Klinik. 1909, und Freiburger med. Gesellsch. 1910. Ref. Deutsche med. Wochenschr. 3) Derewenko, Ziegler’s Beitr. Bd. 48 H. 1. 284 J. Loeber: Eine Entstehung der Plättehen aus Erythrocyten des strömen- den Blutes nehmen auch Pappenheim und Maximow an, in ähnlicher Weise ferner Helber, Preisieh und Heim, Schmauch u. a. Die Theorie dieser Autoren kann unter der Bezeichnung Nukleoidtheorie zusammengefasst werden. Nicht aus beliebigen Teilen des Protoplasma der Erythrocyten, sondern aus Resten der Kernsubstanz dieser Elemente sollen die Plättehen hervorgehen. Von Loewit und Arnold sind die Nukleoide der kernlosen roten Blutscheiben zuerst beschrieben worden, kleine körnige, endoglobuläre Gebilde, die von Pappenheim für übrige gebliebene Reste des Zellkerns gehalten werden. Diese sollen unter gewissen Bedingungen als Plättchen ausgestossen werden. Pappen- heim stützt neuerdings seine Vorstellung über Blutplättchengenese besonders auch durch Beobachtungen bei Dunkelfeldbeleuchtung. Die Nukleoidtheorie hat vielfach Anerkennung gefunden. Auf wie wenig sicherem Fundamente auch sie indessen steht, geht z. B. daraus hervor, dass Weidenreich die Nukleoide überhaupt für Kunstprodukte hält und die Plättchen für abgeschnürte Oberflächen- partien der roten Blutscheiben erklärt. Auch ein so erfahrener Hämatologe wie Nägeli gibt an, sichere Nukleoide nie gesehen zu haben. Er glaubt, es handele sich bei den sogenannten Nukleoiden vielfach um Täuschungen, dadurch entstanden, dass Blutplättehen sich den Erythroeyten innig anlagern. Wie man sieht, ist also der Nachweis der Plättehengenese aus den Erythrocyten des strömenden Blutes bisher nicht einwandfrei geclückt. Nach wie vor müssen auch die Anschauungen berück- sichtigt werden, die den Entstehungsort der Blutplättchen überhaupt nieht im strömenden Blute, sondern ausserhalb desselben, etwa in den blutbildenden Organen suchen. Bis vor kurzer Zeit lag die Schwierigkeit hier hauptsächlich darin, dass es nicht gelingen wollte, in den blutbildenden Organen, z. B. im Knochenmark, Bilder zu finden, die als Entwicklungsstadien der Plättehen hätten gedeutet werden können. Nun hat aber Wright neuerdings Befunde mit- geteilt, die auf eine Bildung der Plättehen aus dem Protoplasma der Megakaryocyten oder Knochenmarksriesenzellen hindeuten. Die Plättehen sollen sich durch Abschnürung pseudopodienartiger Fort- sätze bilden. In Amerika haben die Ausführungen Wright’s viel Anklang gefunden. Speziell sucht Bunting die Entstehung der Plättchen aus den Knochenmacksriesenzellen weiterhin zu stützen Zur Physiologie der Blutplättchen. 285 und schliesst seine Ausführungen mit den Worten: „The mega- karyoeyte is the only source of the blood-platelets“. Bei diesem so wenig geklärten Stande der Frage schien es von Interesse, auch mit anderen als den meist angewandten morpho- logischen Untersuchungsmethoden an die Frage nach der Herkunft der Blutplättchen heranzutreten. Herr Professor Morawitz forderte mich auf, zu untersuchen, ob es gelingt, einen respiratori- schen Gaswechsel der Blutplättehen nachzuweisen, ob sie also einen messbaren Stoffwechsel haben. Wäre das der Fall, so wäre freilich noch nicht darüber entschieden, ob die Blutplättchen echte Zellen im Sinne Deetjens und die viel umstrittenen Innenkörper echte Kerne sind; denn auch kernlose Gebilde, z. B. junge rote Blut- scheiben, haben einen ziemlich lebhaften Gaswechsel [Morawitz!), Warburg?), Douglas°)]. Wohl aber wäre man dann in die Lage versetzt, die Anschauungen der Autoren mit Sicherheit zurück- zuweisen, die eine Entstehung der Blutplättehen aus den Erythro- eyten des strömenden Blutes lehren (Arnold, - Schwalbe, Weidenreich). Die Erythrocyten des strömenden Blutes haben nämlich bei Säugetieren unter normalen Verhältnissen keinen oder doch nur einen kaum nachweisbaren respiratorischen Stoffwechsel. Nun würde es unserer ganzen biologischen Vorstellungsweise zu- wider laufen, wenn man annehmen wollte, ein Erythrocyt habe zwar keinen Stoffwechsel, wohl aber seine Zerfallsprodukte oder Teilstücke. Lässt sich also mit Sicherheit ein durch Blutplättchen bedingter Sauerstoffverbrauch nachweisen, so fällt die Arnold-Schwalbe’sche Lehre von der Plättehengenese, die übrigens nach den Beobachtungen von Ascehoff und Derewenko auch morphologisch angreifbar erscheint. Methodisches: Die Aufgabe besteht darin, den Sauerstoffverbrauch blutplättchen- reichen- und blutplättehenfreien oder -armen Blutes zu messen. Blutplättehenfrei wird das Blut beim Defibrinieren. Die Blut- plättehen zerfallen oder werden vom Fibrinnetz eingeschlossen und mit diesem entfernt. Es wurden daher vergleichende Bestimmungen 1) Morawitz, Arch. f. experim. Path. und Pharm. Bd. 60. 1909. 2) Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 59. 1909. 3) Douglas, Journ. of Physiol. vol. 39. 1909/1910. 286 J. Loeber: der Sauerstoffzehrung in’ defibriniertem und ungeronnenem Blute ausgeführt. Das Blut wurde durch Zusatz trockenen Hirudins un- serinnbar gemacht, wobei die .Blutplättehen sehr schön erhalten bleiben. Von einer Reindarstellung der Blutplättchen habe ich ab- gesehen, da bei den zahlreichen, hierzu nötigen Manipulationen eine Schädigung dieser so ungemein labilen Gebilde möglich erschien. Ich habe mich daher eines einfacheren Weges bedient. Da die Sauerstoffzehrung im normalen Blute sehr geringfügig ist, müssen die Versuche, auch wenn man bei Körpertemperatur arbeitet, über mehrere Stunden ausgedehnt werden. Daher habe ich stets unter aseptischen Kautelen gearbeitet und mich von der Sterilität des Hirudins durch Agarausstriche und Bouillonkulturen überzeugt. Im einzelnen gestaltete sich die Versuchsanordnung folgender- massen: Aus der gestauten Armvene eines gesunden Menschen — die meisten Versuche habe ich mit meinem eigenen Blute ausgeführt — werden mit steriler Punktionsnadel zwei Blutportionen entnommen, von denen die eine in einem vorher mit trockenem Hirudin be- schiekten Erlenmeyer-Kölbehen, die andere in einem mit Glas- perlen versehenen Pulverglase aufgefangen wird. Das „Hirudinblut“ bleibt ungeronnen, während man die andere Blutportion durch Schütteln defibriniert, dann durch sterile Gaze in ein Erlenmeyer- Kölbehen filtriert. Durch 10 Minuten langes Schütteln sorgt man nunmehr für maximale O,-Sättigung beider Blutproben. Von beiden werden dann zunächst O,-Bestimmungen nach der von Haldane-Bareroft an- gegebenen Ferrieyanidmethode ausgeführt. Den Rest des Blutes verwendet man zur Bestimmung des Sauer- stoffverbrauches. Die Methodik war hier die gleiche, wie bei Morawitz und Warburg. Je zwei sterile, mit eingeschliffenem Glasstopfen und einer Glasperle versehene, ca. 3 ccm haltende Gläschen werden mit den betreffenden Blutarten gefüllt, unter sorg- fältiger Vermeidung jeden Luftzutrittes mit Hilfe von ein wenig Paraffın fest verschlossen und für eine bestimmte Zeit in den Brut- schrank gestellt. Am besten ist es, die Gläschen mit Hilfe von Korkringen in vorher angewärmtem Wasser schwimmen zu lassen. Die meisten meiner Zehrungsversuche dauerten 5 Stunden, im einzelnen muss auf die Tabelle verwiesen werden. Nach einer be- Zur Physiologie der Blutplättchen. 287 stimmten Zeit wird der Versuch durch Übertragung der Gläschen in kaltes Wasser unterbrochen, in dem die Oxydationen sofort zum Stehen kommen resp. auf minimale Werte sinken. Schon vor Ablauf der 5 Stunden kann man meist gewisse Unter- schiede zwischen dem Hirudinblut und dem defibrinierten Blute auch schon makroskopisch erkennen: Erstens tritt in dem Hirudinblut sehr schnell eine starke Sedimentierung ein, während das de- fibrinierte Blut diese Erscheinung erst nach viel längerer Zeit und in viel geringerem Grade aufweist. Die Tatsache der schnellen Sedimentierung des Hirudinblutes ist schon bekannt (vel. Aynaud). Doch glaube ich nicht, dass sie mit dem Hirudinzusatz als solchem etwas zu tun hat. Denn man sieht genau dasselbe bei Verhinderung der Gerinnung durch andere Agentien, wie Fluoride, Oxalate, Histon usw. Die Ursache der schnellen Sedimentierung ungerinnbaren Blutes müsste wohl noch genauer untersucht werden. Zweitens erscheint schon nach wenigen Stunden das Hirudinblut regelmässig deutlich dunkler als das defibrinierte Blut, eine Be- obachtung, die allein für sich, schon vor Ausführung quantitativer O,-Bestimmungen, auf einen stärkeren Sauerstoffverlust im Hirudin- blut hindeutet. Doch muss man, wie besonders Bohr!) ausführt, in der Beurteilung eines geringen Farbenunterschiedes vorsichtig sein. Solche Differenzen brauchen nicht notwendigerweise mit einem - stärkeren O,-Verlust in dem dunkler erscheinenden Blute zusammen- zuhängen, da etwas Ähnliches auch dureh Volumänderungen der roten Blutscheiben bei verschiedenem CO,-Gehalt des Blutes be- obachtet worden ist. Von einer quantitativen O,-Bestimmung darf also keinesfalls Abstand genommen werden. Nach Abbruch des Versuches werden die in den Gläschen ent- haltenen Blutproben bei geschlossenem Glasstopfen tüchtig durch- geschüttelt, um jede Sedimentierung auszuschliessen. Die Ausführung der O,-Bestimmung — es wurden stets Doppelbestimmungen aus- geführt — geschah nach den für ungesättigtes Blut geltenden Vor- schriften [vgl. Bareroft?)]. Die folgende Tabelle unterrichtet über die Resultate meiner zwölf Versuche. Das Blut stammte von zwei Versuchspersonen, daher die verschiedene Sauerstoffkapazitä. Die O;-Werte sind sämtlich auf 0° und 760 mm Druck reduziert. 1) Bohr, Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 1. 1905. 2) Barcroft, Ergebn. d. Physiol. Bd. 7. 1908. "puis 32J98998nR ayonsı9 AOpuıonepsur] Ay9S one‘ wI uayayyerdingg pun uo7KooynarT uouop “uoundiıpeyag yoanp [yoM y9Is uoaepy.19 oydnsıo A UPIIA UOIZIO] OP 9ISNLIOAYOJSIOMLS U9SULIOD Aejod old] (L 0099 0082 ‚0 87 | Sr { 2 | | u | IIX 0086 009. rd er { en at \ Sr { nt a (IX 0025 00P« 90 8 | 81 102 Da X 0004 00PE 11 0% 2.08 0 ee xl 00°9 000. mi Io { ol gg] 12 { De \ E TITA : Sunguz, ouoy Lo 61 Na { nl | a get { G IIA = Zanyuyz omox] vo I { o0: a He We \ G IA = a2 2 UN | 9 9 681 281 1 me A = 0029 0069 0 27 { Ex a1 a 1 \ G M 00H 0087 11 7 { se an \ 961 { a \ Ze im 008# 0028 0 0% { a a \ or 9°07 £ I 0067 000. 9%0 ee a le ee I er ee eg Re I 1er ee | umayod EIZEH ur a un a ar aan ur a = uapunys IN 1 ıpnan ıpuaı iqyog | upnarg IN . Igezuag Kooynarf era er leupz ® u u a nen = sn a yansıoA a S1I9qeL Zur Physiologie der Blutplättchen. 289 Ein Überblick über den vorletzten Stab der Tabelle ergiebt nıit aller Deutlichkeit das, was schon aus der makroskopischen Be- trachtung der beiden Blutproben mit einiger Wahrscheinlichkeit ge- schlossen werden konnte: Ausnahmslos ist der Sauerstoff- verlust des Hirudinblutes grösser als der des defibri- nierten Blutes. Kein einziger Versuch fällt aus der Reihe. Quantitativ schwanken allerdings die Werte ein wenig. Diese Schwankungen fallen aber gewiss zum grössten Teil den in der Methode liegenden Fehlern zur Last, deren Grenzen von Haldane und Barcroft genau festgestellt worden sind. Im Durehsehnitt ist der Sauerstoffverlust im Hirudinblut, also in der Probe, in der die Blutplättchen konserviert sind, zwei- bis dreimal so gross wie im defibrinierten. Es fragt sich aber doch, inwieweit diese Differenz auf die Atmung der Blutplättchen bezogen werden darf. Folgende andere Erklärungsmögliehkeiten kommen in Frage: 1. Beim Defibrinieren geht, wie schon lange bekannt ist, ein Teil der Leukocyten zugrunde, resp. er wird mit dem Fibrinnetz entfernt. Da nun die Leukocyten unzweifelhaft einen respiratorischen Stoffwechsel haben, wovon man sich leicht bei der Untersuchung leukämischen Blutes überzeugen kann, war die Frage zu überlegen, ob die geringeren O,-Verluste im defibrinierten Blute vielleicht ein- fach Ausdruck einer entsprechend verminderten Leukocytenzahl wären. Die in den meisten Versuchen durchgeführte Leukoeytenzählung, deren Resultate im letzten Stabe der Tabelle enthalten sind, lehren, dass die Unterschiede der Leukocytenzahl unmöglich die starken und konstanten Differenzen der O,-Verluste in beiden Blutproben erklären können. Defibriniert man das Blut dureh energisches und heftiges Schütteln mit Glasperlen, so ist der Leukoeytenverlust nur unbedeutend. Im Durchschnitt enthielt das Hirudinblut nur rund 20° mehr Leukocyten als das defibrinierte, währeud der Unter- schied in den O,-Verlusten meist 100—200 %/o betrug. Allerdings möchte ich hier nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die Resultate der Leukocytenzählung im Hirudinblut wie im defibrinierten sicher nieht so zuverlässig sind wie in einem frischen, eben hervorquellenden Blutstropfen. Ich habe mich bemüht, Fehler, die etwa in einer Agglutination der Leukocyten oder ähnlichen Dingen gelegen sein konnten, dadurch zu vermeiden, dass ich stets mehrere Pipetten füllte und eine grössere Zahl Kammern durch- 290 J. Loeber: zählte. Die Leukocytenzahlen dürfen daher als hinreichend verlässig angesehen werden. Es ergibt sich also folgendes: Eine kleine Differenz im O,-Gehalt beider Blutarten könnte wohl auf die ungleichmässige Zahl der weissen Blutzellen zurück- geführt werden. Es ist aber völlig ausgeschlossen, die enormen, in meinen Versuchen aufgetretenen Unterschiede hiermit zu erklären. 2. Könnte vielleicht der Hirudinzusatz als solcher die Blutzellen zu einer verstärkten Oxydation veranlassen? An und für sich war das schon sehr unwahrscheinlich. Ein Versuch zeigte, dass hiervon nicht die Rede sein kann. Steriles, defibriniertes Blut wird in zwei Portionen geteilt, die eine erhält einen Zusatz von Hirudin in Substanz. In der hirudin- freien Portion belief sich das maximale O,-Bindungsvermögen auf 19,4 °/o, in der hirudinhaltigen auf 18,9 °/o. Nachdem die Blutproben 18 Stunden im Brutschrank gestanden hatten, waren in der ersten Portion 15,9 resp. 16,0 °0 O,, in der zweiten 16,1 resp. 16,20 O, verblieben. Die O,-Verluste betragen also für hirudinfreies Blut 3,4°o, für hirudinhaltiges 2,8 °/o O,. Eine Verstärkung der Oxy- dationen durch Hirudinzusatz ist also nicht eingetreten, vielmehr eher das Gegenteil. Doch glaube ich, dass man diese Differenz ver- nachlässigen kann. Vermutlich beruht sie auf einem kleinen Fehler in der Bestimmung der maximalen O,-Bindungsfähigkeit. Wäre sie aber reell, was mir, wie gesagt, sehr zweifelhaft ist, so müsste man eher daraus folgern, dass Hirudinzusatz die Oxydationen ein wenig verlanesamt, sicherlich aber nicht beschleunigt. Wahr- scheinlich dürfte er aber ganz indifferent sein. 3. Wiehtiser und schwerer zu widerlegen ist folgender Einwand: Wenn auch weder die Zahl der Leukocyten noch auch der Hirudinzusatz die starke Zehrung des Hirudinblutes veranlasst, so ist es doch zunächst noch nicht absolut erforderlich, an eine Atmung der Blutplättehen zu denken; denn es wäre denkbar, dass die ver- schiedenartigen mechanischen Insulte und chemischen Veränderungen, von denen die weissen Blutzellen während des Defibrinierens getroffen werden, eine Abnahme ihrer oxydativen Energie veranlassen. Auch wäre es denkbar, dass beim Defibrinieren ein kleiner Teil der Leuko- eyten mit dem Gerinnsel entfernt wird, aber gerade der oxydativ wirksamste. Zur Physiologie der Blutplättchen. 291 _ Zur Prüfung dieses Einwandes war es erforderlich, eine Blutart zu untersuchen, bei der die Atmung zu einem so überwiegenden Teil “von den Leukoeyten abhängt, dass die Blutplättehen und ihre eventuell vorhandene Atmung quantitativ gar nicht in Betracht kommen kann. Durch das Entgegenkommen von Herrn Privatdozenten Dr. Sa- muely war es mir möglich, einen Versuch mit dem Blute eines Leukämikers auszuführen. Es handelte sich um eine myeloische Leukämie. Die Resultate waren folgende: Dauer Os-Gehalt im frisch O,-Gehalt 1 aan Blute nach der Zehrung ea Zehrung | Hirudin | Defibrin Hirudin | Defibrin Hirudin |, Defibrin Fr Nhn. %/o | % 0/0 | 00 0% | %/o 25 e u | a res 800.000... 600 000 2) | Das Verhältnis der Leukocytenzahl im Hirudinblut zu der im - defibrinierten betrug rund 4:3, die entsprechenden Sauerstoffverluste 4,85 :3,4°/o O,. Die O,-Verluste verhalten sich also den Leukoecyten- zahlen proportional. Hiermit ist also vezeiet: Erstens bewirkt das Defibrinieren keine Abnahme der oxydativen Energie der weissen Blutzellen und zweitens finden sich keine An- haltspunkte dafür, dass beim Defibrinieren gerade die am stärksten atmenden weissen Zellen entfernt werden. Nach Untersuchung und Widerlegung dieser Einwände sind die in der Tabelle niedergelegten Befunde, soweit ich sehen kann, nur noch einer einzigen Deutung zugänglich: Die Unterschiede in den O,-Verlusten im hirudini- sierten und defibrinierten Blut sind Ausdruck der Atmung der Blutplättcehen. Diese haben scheinbar einen ziemlich lebhaften respiratorischen Stoffwechsel, der — bei normaler Leukoeytenzahl — den der weissen Blutzellen übertrifft. Diese Feststellung hat eine prinzipielle Bedeutung: Nach dem, was in der Einleitung gesagt worden ist, dürfte hiermit ein sicherer Beweis gegen die Abstammung der Blutplättehen von den Erythrocyten des strömen- den Blutes geliefert sein; denn atmende Plättehen können nicht von Erythrocyten abstammen, die keinen oder doch keinen 393 J. Loeber: Zur Physiologie der Blutplättchen. sicher nachweisbaren respiratorischen Stoffwechsel haben. Will man durchaus an der Herkunft von den roten Blutzellen festhalten, so kommen als Quelle der Blutplättehen nur die Jugendformen der Erythrocyten in Frage. Aber das müsste erst sichergestellt werden. Zusammenfassung. 1. Blut, das durch Hirudinzusatz an der Gerinnung verhindert wird, zeigt regelmässig eine doppelt bis dreimal so starke Sauerstoff- zehrung als defibriniertes Blut. 2. Diese Erscheinung ist weder durch den Hirudinzusatz ver- anlasst, noch auf den Stoffwechsel der Leukoceyten zurückzuführen. Ihre Ursache ist der respiratorische Gaswechsel der Blutplättchen. 3. Mit dem Nachweis einer Atmung der Blutplättchen ist die auch jetzt noch von vielen Autoren vertretene Ansicht der Ab- stammung dieser Elemente von den Erythrocyten des strömenden Blutes unvereinbar. 4, Dagegen spricht der Gaswechsel der Plättchen nicht un- bedingt für ihre selbständige Zellennatur. Zum Schluss spreche ich Herrn Prof. Dr. Morawitz für seine Anregung und Unterstützung bei der vorliegenden Arbeit meinen aufrichtigsten Dank aus. Vergleichende Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte des Vogelherzens. Von ° Dr. med. vet. Löer. Die wesentlich verschiedene Lebensform hat beim Vogel dem Säugetier und dem Reptil gegenüber eine starke Differenzierung der anatomischen und physiologischen Verhältnisse zur Folge gehabt. Die Deutlichkeit des Unterschiedes hat bedingt, dass der biologische Zweck der Änderung bei dieser Tierklasse viel eher und leichter erkannt worden ist als bei anderen. Der Aufenthalt in der freien Atmosphäre, die Flugfähigkeit, bringen dem Vogel neben den Vor- teilen auch Nachteile im Kampfe ums Dasein, die er zu überwinden versuchen muss, und wohl auch, soweit es der einzelnen Art möglich ist, überwunden hat. Man wird so zu der Annahme geführt, dass jede der Eigenschaften, die sich in deutlicher Differenzierung von denen anderer Arten abhebt, in einer Beziehung zur Erhaltung der Art unter ihren derzeitigen Lebensbedingungen stehen muss, sei es. für die betreffende Spezies selbst, sei es für Lebewesen, mit denen sie in irgendeiner, auch einer nicht erkennbaren, Lebensgemeinschaft stehen. Zu diesen Erscheinungen zählen die Verringerung des spezi- fischen Gewichtes des Vogelkörpers im Verhältnis zu seiner Aus- dehnung, die Ausbildung der Luftsäcke, die luftführenden Knochen und insbesondere der eigenartige Bau des Schädels. Auch das Gewicht der einzelnen Organe ist bei den Fliegern unter den Vögeln im Verhältnis zum Gewicht desselben bei. den Säugetieren stark verringert. Das trifft allerdings nicht auf alle Organe des Vogel- körpers zu. Einige von ihnen sind sogar, wieder im Verhältnis zu denen der Säugetiere genommen, ganz unerwartet gross, und man hat daraus geschlossen, dass diese Organe für die Lebensbedingungen der Vögel von besonderer Wichtigkeit sein müssten. Dahin gehören die Brustmuskeln, das Auge, zum Teil das Gehirn und insbesondere das Herz. 294 Löer: In den an letzteres anknüpfenden, von mir angestellten Unter- suchungen habe ich mir die Aufgabe gestellt, die verschiedenen Maasse des Vogelherzens und das relative Herzgewicht einer Reihe von einheimischen Vögeln der mannigfaltigsten Arten festzulegen. Es wurden gemessen: 1. Der Höhendurehmesser von Suleus coronarius bis zur Apex cordis, 2. der kranio-kaudale Durchmesser der Basis cordis, 3. der Umfang der Basis cordis am Suleus coronarius, 4. die Wanddicke des Ventrieulus sinister, 5. die Wanddicke des Ventrieulus dexter, 6. die Wandstärke des Bulbus aortae. In der Literatur begegnen uns nur vereinzelte Angaben über die obigen Verhältnisse. Nur Parrot!), ein Schüler Bollinger’s?), stellte auf Veranlassung des letzteren eine grössere Untersuchungs- reihe an über die Proportinalgewichte des Vogelherzens. Da eine Anführung der Parrot’schen Zahlen zu weit führen würde, so be- schränke ich mich auf die Angabe der von Parrot aufgestellten Behauptung, dass die Proportionalwerte der Vogelherzen zwischen 7 und 25,6 liegen. Bergmann?) untersuchte Säugetiere und fand für Schwein 4,5 P (Proportionalgewicht), Reh 11,5 P, Hase 7,7 P, Mensch 5,67 P und Fledermaus 12,17 P. Külbs®) fand für Hund 0,6 P und 0,55 P. Hesse?) gibt folgende Zahlen an: Neugeborene Hühner. . . . 91P, erwachsene Henne. . . ..63P, neugeborenes Kaninchen. . . 5,8 P, erwachsenes Kaninchen . . . 2,7 P. l) Parrot, Grössenverhältnisse des Herzens bei Vögeln. Zool. Jahrb. f. Systematik S. 496. 2) Bollinger, Festschrift für Pettenkofer. München 189. — Bollinger, Idiopathologische Hypertrophie und Dilatation des Herzens. Arbeiten aus d. path. Institut zu München. 1886. 3) Bergmann, Grösse des Herzens bei Menschen und Tieren. Inaug.-Diss. München 1884. 4) Külbs, Über den Einfluss der Bewegung auf die Entwicklung innerer Organe. 8. Flugschr. d. dentschen Gesellsch. f. Züchtungskunde. Hannover 1908. 5) Hesse, Stoffwechsel und Herz. Zeitschr. f. d. naturwissenschaftl. Unterricht Bd. 5. Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgew ichte etc. 295 Während Rabe für den Hund die Zahl 2200 fand, beobachtete Collin nur 11. Zschokke!) sagt folgendes: Eintsehen 0.0.2 2.0.00 800 58220/00 normaler Hund... 2207872000 Jaedhund sr, 22.2 70, 21K01%lo08 Diese Zahlen werden von Bruns?) und Grober?°) bestätigt, welch letzterer angibt für Anas»boschas.. . . .„ 2 ..2.008.P Mergus merganser . . . . 11,02 P, Bavus canusı.... 2. .2..2 8749 Das Herzgewicht beim neugeborenen Menschen ist am schwersten, bis zum 10. Lebensjahre bleibt es noch relativ hoch, dann nimmt es bis zum 25. Jahre langsam ab, um später ein kontinuierliches oder . nach dem 50. Lebensjahre ein wechselndes Verhalten zu zeigen, be- richtet uns Külbs*®). Derselbe Autor fand bei erwachsenen Tieren das relativ grösste Herzgewicht bei Terrieren und russischen Windhunden, ein geringeres Gewicht bei Jagdhunden, die kleinsten Zahlen bei Doggen, Pintschern und Bernhardinerarten. Schieffer’s°) ausgedehnte Röntgenuntersuchungen haben be- wiesen, dass die körperlich schweren Berufe durchweg viel bessere Herzmaasse zeigten wie die leichten Berufe, und dass beim Militär- 1) Zschokke zitiert nach Kitt, Lehrb. d. pathol. Anat. d. Haustiere 3. Aufl. Stuttgart 1905. 2) Bruns, Welche Faktoren bestimmen die Herzgrösse. Münchener med. Wochenschr. 1909 Nr. 20. : 3) Grober, Über Maassverhältnisse am Vogelherzen. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. des Menschen u. d. Tiere Bd. 75 S. 507. Bonn 1903. — Grober, Atmungsreflexe der Vögel. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. des Menschen u. d. Tiere Bd. 76 S. 427. Bonn. 4) Külbs, Über den Einfluss der Bewegung auf die Entwicklung innerer Organe. 8. Flugschrift der deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde. Hannover 1908. — Külbs und Beberich, Über den Einfluss der Bewegung auf die Ent- wicklung und Zusammensetzung der inneren Organe. 13. Flugschrift der deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde. Hannover 1910. — Külbs, Experimentelles über Herzmuskel und Arbeit. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 55. 1906. 5) Schieffer, Herzvergrösserung infolge Radfahrens. Deutsches Arch. f. klin. Med. Ba. 89 S. 64. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 10. 20 296 Löer: dienst die Herzen von Leuten leichten Berufes mehr zunehmen an Grösse als diejenigen der Leute, die vorher schwer gearbeitet hatten. Külbs!), der sich mit der vorliegenden Frage in neuester Zeit beschäftigte, stellte Versuche an über die Proportionalgewichte des Herzens bei Arbeitshunden und Ruhehunden. Er fand folgendes: Organgewicht zu Körper- ÖOrgangewicht zu Körper- gewicht in °/oo | gewicht in °/oo Arbeitshund I..... 10,0 Ruhehunde 1. x. 6,0 Arbeitshund II .... 89 Ruhehund Il? 2... 58 Arbeitshund II .... 83 Ruhehund II ..... 6,0 Arbeitshund IV ..... 81 Ruhehund IV ..... 6,0 Arbeitshund V .... 6» hubehund Vi... 4,9 Arbeitsschwein I... 4,9 Ruheschwein I..... 39 Arbeitsschwein II... 393 Ruheschwein II .... 34 Arbeitsschwein III .. 4,6 Ruheschwein IIl.... 35 Bruns?) sah bei 64 gesunden Hunden das Verhältnis von Herz zu Körpergewicht schwankend zwischen 1:89 und 1:14. Grober?°) fand am Herzen des Waldhasen eine relative Hypertrophie des rechten Ventrikels, verglichen mit dem Herzen des nahe verwandten Stallkaninchens. Gadow*) behauptet, dass die rechte Vogelherzkammer drei- bis viermal dünner sei als die linke, und Gasch°) spricht von dem linken Ventrikel des Vogelherzens als einem starken, muskulösen Hohlkegel, an dem das dünnwandige rechte Ventrikel als ein An- hängsel erscheint. Messungen am Herzen scheinen in der Literatur nicht festgelegt worden zu sein. Nur Frey‘) fand folgende Mittelwerte an Pferden von durchschnittlicher Grösse: 1) Külbs, Experimentelles über Herzmuskel und Arbeit. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 55. 1906. 2) Bruns, Welche Faktoren bestimmen die Herzgrösse. Münchener med. Wochenschr. 1909 Nr. 20. 3) Grober, Herzarbeit und Herzmasse. Arch., f. exper. Path. u. Pharm. 1908. — Grober, Untersuchungen zur Arbeitshypertrophie des Herzens. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 91 8. 502. 4) Gadow, Vögel in Brown’s Klassen und Ordnungen des Tierreiches. Leipzig 1891. 5) Gasch, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Herzens der Vögel. Arch. f. Naturgesch. Bd. 54 S. 119. 6) Frey zit. nach Ellenberger und Baum, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. Berlin 1900. r Vergl.- Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 207 Höhendurchmesser von der Kranzfurche bis zur Spitze 13—20 em; kranio-kaudaler Durchmesser der Herzbasis 18—27 em; Umfang der Herzbasis an der Kranzfurche 46,5—60 em. Eigene Untersuchungen. Die zur Untersuchung gelangenden Herzen wurden nach der W. Müller’schen!) Methode von Fett gereinigt, soweit solches vor- handen war, und von Gefässen befreit, das Blut durch loses Ab- trocknen mit reinem Leinen weggenommen, die Vorhöfe' wegen ihrer Kleinheit in einem zusammen auf- und abgeschnitten, die Blut- serinnsel mit einer Pinzette entfernt. Verletzte Herzen wurden nicht verwendet. In den Kreis der nachfolgenden Untersuchungen wurden gezogen nach der Nomenklatur und Einteilung von Brehm?) und Schäff?) folgende Vögel: PaRurdinae: «) Schwarzdrossel, Turdus merula. ß) Rotkehlehen, Erithacus rubeeulus. y) Hausrotschwanz, Erithacus titys. Nezpaxıdae: | «&) Kohlmeise, Parus major. ß) Blaumeise, Parus caeruleus. y) Schwanzmeise, Aegithalus caudatus. IH. CGerthiecinae: «) Kleiner Baumläufer, Certhia familiaris. IV. Alaudidae: a) Feldlerche, Alauda arvensis. ß) Haubenlerche, Galerida cristata. V. Sylviecolidae: ce) Bachstelze, Motacilla alba. VI. Fringillidae: «) Haussperling, Passer domesticus. ß) Grünling, Chloris ch. 1) Müller, Massenverhältnisse des menschlichen Herzens. B. Voss, Hambug 1883. 2) Brehm, Tierleben, 2. Aufl. Leipzig 1882. 3) Schäff, Jagdtierkunde, Hannover, 20 * 298 vn. vl. IX. XL. XII. XIV. Löer: y) Hänfling, Acanthis cannabina. d) Zeisig, Chrysomitris spinus. &) Stieglitz, Carduelis card. &) Buchfink, Fringilla coeleps. n) Gimpel, Pyrrhula p. %) Kreuzschnabel, Loxia eurvirostra. ı) Goldammer, Emberiza eitrinella. x“) Grauammer, Emberiza calandra. Corvidae: ca) Saatkrähe, Corvus frugilegus. ß) Nebelkrähe, Corvus cornix. y) Dohle, Colaeus monedula. 6) Elster, Pieus p. e) Eichelhäher, Garrulus glandularius. Faleonidae: a) Turmfalke, Falco tinnuneulus. ß) Bussard, Buteo vulgaris. y) Sperber, Aceipiter nisus. Pieidae: «) Grünspecht, Pieus viridis. ß) Buntspecht, Dendrocopus major. y) Schwarzspecht, Dryocopos martius. Alcedinidae: a) Eisvogel, Alcedo ispida. . Strigidae: ca) Waldkauz, Syrnium aluco. P) Waldohreule, Asio otus. Psittacidae: ce) Tako, Psittacus cinereus. £) Loris, Lorrieulus galgulus. Columbidae: «) Haustaube, Columba domestiea. Gallidae: «) Haushuhn, Gallus domesticus. ß) Pfau, Pavo cristatus. y) Truthahn, Meleagris gallopovo domest. 6) Perlhuhn, Numida meleagris. Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 299 &) Birkhuhn, Tetrao tetrix. &) Haselhuhn, Tetrao bonasia. n) Sehneehuhn, Tetrao lagopus. 9) Rebhuhn, Perdix p. ı) Wachtel, Cortunix c. x“) Fasan, Phasianus colchieus. XV. Anseridae: «) Märzgans, Anas anser ferus. ß) Hausgans, Anser domesticus. XVI Anatidae: «) Hausente, Anas domestica. £) Löffelente, Anas elypeata. y) Wildente, Anas boschas. XVl. Rallidae: «) Wasserhuhn, Fulica atra. $) Teichhuhn, Gallinula chloropus. XVII. Seolopacidae: «) Waldschnepfe, Seolopax rusticola. 1 2 3 4 h) 6 I Sl 3 55 58 2 ae = . R nn (eb) - ndelsuy 235 5725|832 82 |28| 3 SS] ce Nun-| 2553| 48° 5355| 353,823 | Su = Em Badiıese or 2e|=2|55|45 = © schlecht mer |zas |äs2 323 | 38 \28|s3| 3 |°3 SUSI SsEn | 8a SH Sa Ss > = a=) S3u|YS2& ES Er lee len 2 ran |0> = > Turdus merula. mm mm mm mm mm mm g g 1 14 12 32 5 2 3a 110 2 männl 2 12 11 34 5 1!/a 3/4 96 2 R 3 16 13 3 4 1 3]a 116 3 weibl. 4 15 14 36 4a | 1 3/4 118 2 & b) 12 13 32 4lo | 1a 1/g 95 | 1 männl 6 12 12 35 4 1 1/g 108 11/4 Er 7 13 11 32 4 1 1/a 98 1 2 Erithacus rubeculus. mm mm mm mm mm | mm g mg 1 10 8 22 2 1/g 1/g 19 | 220 | männl 2 10 9 20 2 1/g 1/g 17 215 er 3 10 3 21 2 Ya Us 18 | 218 | weibl. 300 ‚Löer: 1 2 3 4 5 7 8 te) - .n nn © fo FR En 9 5 le RE En -— Lau [225 2321532 ,|85 38 Bau. 2 fendel So | See none see 08 > =8 Sduk|lzsa2 3 _5|=253 | 8323| 2 2 EN Ge- Num-| 252,885 ° 853/853 | 2272| S Bo Sao 2 on eesc u enlan = © schlecht ner |sn3 | 598 |3298 25 | 35 |=5> @ On aan 5595 2525| =: € = sale ea Erithacus titys. mm mm mm mm mm mm , g mg 1 ) 7 2] 2 1 1/4 18 285 männlich 2 9 8 20 2 1 1/4 19 284 „ 3 8 7 22 2 1 1/4 20 285 weiblich Parus major. mm mm mm mm mm mm g g 1 6 5 10 1!/e 1/g 1/g 13 1a männlich 2 7 7 14 1!/g 1/a 1/g 15 2/4 5 3 6 9 16 13/4 1/a 1/g 20 Bla 5 4 8 8 17 13/4 1/g 1/g 19 1/g weiblich 5 8 9 19 13/4 1/g 1/g 18 3/4 De Parus caeruleus. mm mm mm nm mm mm g g männlich 1 9 6 17 2 1/4 I/g 1) 1/a 5 2 8 7 15 2 1/a 1/g 17 1/a a 5) 6 5 19 1!/a 1/a ls 16 1a E 4 7 1 17 13/4 1/4 1/g 17 1/a weiblich I. 5 6 19 2 1a 1/g 15 ıe | ; 6 7 6 18 2 3/4 1/s 19 1/o 5 7 6 7 17 2 1/4 ig 18 1/g 5 8 7 6 16 2 1a 1/g 17 1/g ” ) 7 5 15 2 1/4 1/s 13 1/o 5 10 3 7 17 2 1/4 1/g 17 un > 11 9 8 19 2 1/4 I/g 16 1/a g Aegithatus caudatus. mm mm mm mm mm mm & g 1 6 4 15 1 1/4 1/s 12 1/4 weiblich 2 5 5 14 1 1/4 1/g 11 1/4 3 3 6 4 3 1 1/4 1/g 12 1/4 R 4 5 4 14 1 1/4 1/g 11 1/4 = 5 5 5 13 1 1/4 1/g 13 1/4 2 6 5 5 12 1 1/4 U/s 12 1/4 u; Certhia familiaris. mm mm mm | mm mm mm g g 1 “5 7 17 1/g 1/4 I/g 11 1/z männlich 2 6 6 16 1/g 14 1/g 10 1a 5 3 5) I 17 1/g 1/4 1/g 10 1/g n Alauda arvensis. mm mm mm mm mm. mm g mg ei | 11 10 35 | 1 3/4 1/o 42 710 männlich 2 10 10 37 1a | 3a 1/g 40 125 „ 3 | 11 or a | n “| ar | 48) 730 2 BA 10 10 3511 a en 715 ö Vergl. 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Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 303 ww- SONIDTPUON- MHrar DASS SI UPunmDe SIOUTPODH | 1 2 3 4 b) 6 x 6) 9 5 Er - a (cz! 5 ns a Bu: ann 8, 85 &8läe| > e er ae, seesar Ser ezleelck Se | sea ade her | ee se S ST | schlecht 2 lesen na ZINN: SETS = On Beasesısası sa Jess < & sen gan ER Felle ee = een er 5 Loxia curvirostris. mm mm mm mm mm mm ee g 3 11 24 2 1 3/4 38 1 männlich 12 11 26 2 1 3/4 40 1 5 12 9 3 2 1 Sa 41 1 = Emberiza eitrinella. mm mm mm mm mm mm g g männlich 11 7 16 2 1 1/a 27 1 en g 8 15 2 1 1/g 3l 1 ; 7 8 17 2 1 lg 30 1 n 8 7 118) 2 1 1/g 35 1 „ 11 9 20 2 1 1/a 36 1 " 9 8 19 2 1 Ua 37 1 weiblich 8 8 19 2 1 1/g 32 1 5 9 7 13 2 1 1/g 29 1 5 10 8 17 2 1 1/a 30 1 N 9 7 19 2 1 1/g Sl 1 = 8 7 16 2 1 1/g 39 1 N ) 9 13 2 1 1/a 34 1 h 9 6) 17 2 1 1/e 31 1 Y 8 9 15 2 1 1/g 28 1 „ 7 9 17 2 1 1/g 30 1 » Emberiza calandra. mm mm m mm mm mm g g männlich 14 8 30 Dl/a 11/a 3/4 65 1 en 13 9 32 2lla 1!/ı 3/4 70 1 „ 15 ) 32 alla 11/4 Bla 69 1 5 15 10 29 2lla 11/4 3/a 63. 1 5 15 10 30 alla 11a 3/4 62 1 „ 3 &) 32 2llı 11a 3/4 64 1 weiblich 14 8 3) la 1!/a 3/4 70 1 5 12 7 36 2lla | 1a ala 65 1 a 11 8 32 Alla 11/a 3/a 67 1 en 13 9 3l Alla 11/4 3/a 66 1 “ 14 9) 30 2l/ı 11/4 3/4 65 1 s 15 8 28 Dlla 1!/a 3]a 64 1 Fr Corvus frugilegus. mm mm mm mm mm mm g & männlich 23 22 36 4lg 1 1/a 340 ) = 19 19 BB) 5 1!/o 1 530 3l/e er 17 18 sl B) 2 11a 530 4 a 20 15 42 B) 1 1/e 380 3 weiblich 20 21 56 2 1 Us 5390 9 R B) 22 57 3 1 1/g 635 8) " 13 17 Sud 1!/a 1a 430 3Ua 5 304 Löer: l 2 a) 4 5 6 7 8 9 esse l58 |52 ms naE|ls,| 8 Lau- | 2581202 42.822523 © 5 fenden gr Se sis Sale v5 Bi an 328 523 S.32 3232| =42|4s n ES (Cr Num-|252828°|°55| 2825| 823|8 S ee) Sadılesalo0s SS |=5 223 = © | schlecht Nadal eeı se ı Safe S On © Sa © Seo Sa sH a3 .- oO iS | Sebln=r= Eee | Ss Sa = = car Beer mm mm | mm mm mm mm g D 8 19 18 54 5 1!/e 1/a 400 3 weiblich 9.| 22 | 19 50. aa elco 1. | 500 3 5 0 | 19 ae ia | 480 3 s 11 20 17 50 4 2 1/g 475 3 ® 2 | m is a9 ao 12 | 490 3 5 3 20 19 50 4 2 I/g 480 3 „ 14 22 19 48 4 2 1/g 495 3 N 15 20 19 50 4 2 1/g 500 3 y 16Me19.| 17 1.55 1 2 0 1, | 510 3 > 17 « 23 19 48 4 2 1/g 505 3 h Corvus cornix. mm mm mm mm mm mm g (&% 1 22 20 60 4 1!/a 1/g 650 9 männlich 2 | 19 | 20 55 er 1 | 550 8 £ 3. a1 2 ae a as E Am 2 a 59 a 1 | 585 9 x 5 2 a | We eo 8 # | a 20 56 31 1fa | 580 9 & 7 25 24 62 5) 2 3/4 5932 9 3 8 ei 25 60 6 2 3/4 650 10 „ Sa. aa | 57 Be 1, | 672 9 r 10 22 21 56 5 2 1/g 999 8 r 11 2 2 | 6 a9 612 | 10 5 12 | 20 23 59 Bee 1/2. | 600 8 £ sa oa 21 58 le. 9 5 { 14 22 21 3) 4 11/a I/e 510 9 % oe 24 23 62 4 1 1/g 622 8 weiblich el 20 | 01 ern 13 | 570 9 : a4 | 86 (nee) 7 od 1 3 ; 18 20 19 55 > 2 alla 1 550 5 5 0: 19 | 200 (msi len 450 | Alle : 2 | ı8 i9 jo 58 2.6 nen. 91 | 4 £ Colaeus monedula. mm mm mm mm mm mm g g 1 18 16 45 1U/g 1 1/4 260 4 männlich 2 19 17 48 1!/a 1 1/4 255- 4 # 3 17 16 45 1!/a 1 la 270 4 3 al 18 | 16 “co 4 | weiblich 5| 20 17 10 ee une 550 4 3 Picus p. mm mm nm mm mm mm 9 & 1 12 15 37 ‘4 1 3/4 180 Ola männlich 2 3 16 36 4 1 3/4 180 91a r Se 5 nee es. ns ©, : 4 13 17 39 4 1 3/4 192 lg he 5 | 16 18 1193 4 i |:4 1195 | 2le & Verel. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 305 I9S9UTPUDT DUtPWUDm [9 Pvm- SOSIDUTPOD A 1 2 3 4 5 6 7 8 8) 8 =ES) Eu au 5 a Seaels2sls 535 22|0|27 Sale. 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Aa 165 | Ale A 3 19 16 31 2 3/4 1/g 167 21/a 5 4 20 18 30 2 34 | ie 165 91 y b) 21 19 29 2 3/4 !/a 166 2'/a 5 6 17 15 28 2 3a 1/o 169 21/a 5 7 19 17 29 2 3la 1/a 172 2lla > \ 3 21 19 De 3]a 1/g 168 2!/g | weiblich 9 | 20 18 3 2 a4 | 1a 165 21a , 10 19 17 29 2 || ie 167 | 2a 2 Dryocopus martius. mm mm mm mm mm mm g g 1 12 9 27 1 1/g 1/4 60 1 männlich 2 13 9 28 1 1/a 1/4 62 1 „ B) 12 10 30 1 1/a 1ja 63 1 n 4 11 11 31 1 Yo | Ya 59 1 R 5 12 11 32 1 a | 14 61 1 & 6 10 10 33 1 1/o 1a 63 1 weiblich 7 11 9 31 1 1a | 1 62 1 R 8 9 11 29 1 lo | Ya 62 1 2 Alcedo ispida. mm mm mm mm mm mm g mmg 1 12 11 29 2 1!/a 1/a 42 1140 | männlich 2 al 9 28 2 lo 2 43 1150 ® 5) 9 10 30 2 1!/a 1/a 45 1160 5 4 10 11 27 Bar | 3 1100 n 5 9 11 26 a 45 1200 5 6 10 11 29 2 |1ie| 1a 44 1190 s 7 9 12 3 2 1!/e 1a 43 1120 n Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 307 al 2 3 4 5 6 Yon 8 9 & ds 2ö 2 3 TaRe n% un = ve ae fende|5°2|338 | „a2| en 2», ®& > 8 Nasa sale |s2 5: 5 22 © er E = = = E ‘2 en S S.2 E 2|8 E RE & = schlecht es Syrnium aluco. mmu mm mm mm mm mm g S 1.5 18 17 35 3 2 2/4 490 2 männlich 2 17 19 39 3 2 3/4 900 2 E 3 19 21 40 3 2 3]a 510 2 nn 4 21 21 41 3 2 3/a 510 2 5 5 20 20 39 3 2 3/4 5830 2 5 6 19 19 40 3 2 3/4 920 2 ” T. 18 19 45 & 2 3/4 530 2 weiblich 8 17 18 43 3 2 3a 590 2 R 9 16 17 3 B 2 3/4 949 2 # 10 19 21 41 3 2 3/4 539 2 h 11 22 21 42 3 2 3/4 938 2 = Asio otus. mm mm mm mm mm mm 8 g 1 25 27 33 3 2 3/4 270 & männlich 2 26 29 31 3 2 3/4 295 3 2 3 29 31 29 3 2 ala 270 3 „ 4 30 sl 42 3 2 3]a 285 3 4 5 3 32 41 3 2 3/4 293 3 5 6 34 3 42 3 2 3]a 280 3 x 7 31 31 42 3 2 3a 274 3 weiblich 8 | 9 27 41 3 2 34 | 272 3 & 3, 7 26 42 3 9.1 Bla 0203 3 » 10 27 26 42 3 2 3]a 292 3 > Psittacus cinereus. mm mm mm mm mm mm g mg 1 22 20 58 4 1"/e 1/a 300 3830 | männlich 2 21 19 56 4 11/a Ua 280 3200 5 3 25 20 60 4 1!/a 1/a 300 3300 5 4 26 22 58 4 1!/g U/g 320 3000 | weiblich Lorriculus galgulus. mm mm mm mm mm mm g .mg 1 20 16 52 31a 1 la 818 2650 | männlich 2 19 17 50 alla 1 Io | 810 2600 » 3 18 17 53 3'/a 1 Ua 377 2700 hr 4 20 19 56 31a 1 1/e 380 2750 5 b) 21 20 4 31/a 1 1a 382 2650 n 6 22 21 53 | 8lle 1 1/a 330 2600 5 7 18 19 52 3U/a 1 1/a 375 2700 & 308 Löer: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 2852153 .|22 |2=|sf|s.| % Lau- 853072 Asa Sale |>8 © B- fende ae 3232 „Rn 2 Du o8 aR 3a9|l 8A oO.olHAıa Mo re} a oa Ge- Num-]|232|=28° 5535| 85 |<822 | 3 EEE sa<« 552 lu 32|1|53 33 = 5" | schlecht mer |En= 3282225 5382| 3232| =52 = Oa NS = el sul ae = = Ss ee ea < Bean 1° = & Columba domestica. mm mm mm mm mm mm g g männlich 1 19 20 5l 6 2 1/g 365 5) 5 2 20 19 90 6 2 1/g 339 5 2 Bi} 18 19 48 hi) 2 1/g 300 5) s 4. 13 17 43 5 2 I/a 368 4 e 5) 20 18 40 Ö 2 1/a 340 3 N 6 22 20 BIN) 5) 2 1/g 350 4 R 7 20 15 44 4 2 1a 370 4 > 8 19 16 43 4 2 1/o Rich) 4 5 ) 18 16 47 4 2 1/a 400 4 5 10 20 18 50 4 2 1/g 390 4 weiblich 11 16 16 42 4 2 1/g 382 4 2 12 17 15 48 4 2 1/a 335 4 A 13 15 17 46 4 2 1/a 380 bi) h; 14 19 16 48 4 2 1/g 375 d 5, 15 16 16 49 3 2 l/g 380 4 > 16 17 15 49 4 2 1/a 390 B) n ir 16 18 48 4 2, la |: 392 4 » 18 15 17 46 4 2 I/g 390 4 " 19 17 15 45 4 2 I/g 300 d 5 20 19 19 42 4 2 la 350 hi) „ 21 17 17 43 4 2 1/a 400 4 5 22 16 17 45 4 2 1/a 420 4 x 23 18 18 46 4 2 1/g 430 5 24 19 19 41 4 2 1/a 420 5 e 25 20 19 40 4 2 1a 410 4 „ 26 19 20 45 4 2 1/a 590 4 A 27 20 19 42 4 2 1/a 580 4 E Gallus domesticus (8—16 Wochen alt). mm mm mm mm mm mm 2 mg 1 22 18 45 6 2lls I/a Ss00 3540 | männlich 2; 18 16 45 6 2 1/a 850 2320 a 3 17 15 3 5 2 1/g 920 1850 er 4 19 16 40 5l/a 2 1/g 770 2840 a 5) 18 14 45 6 2 1/a 910 27120 1; 6 16 16 42 5 2 1/a 900 2450 = 7 18 1b 50 6 2 1/a 960 3325 „ 8 16 16 45 h) 2 Ile 970 2630 5; 9 19 16 AAN (6 2 1/a 1000 2000 5 10 21 7 48 7 2 1/a 870 3500 | weiblich 11 20 16 42 6 2 la 890 3450 5 12 17 19 43 5) 2 1/g 900 2350 „ 3 19 15 3 5 2 1/a 900 3020 r 14 20 17 3 6 2 1/a 910 2320 n 15 20 15 40 6 2 1/a 920 2140 5 16 15 14 42 b) 2 1/a 910 2070 % 17 19 15 B) 5 2 1/o 1100 2440 5 Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 309 il 2 3 4 5 6 7 8 9 Due Bi 122) Mn: ars Pr = Lau |@82 1202 82,135 |8:|S2 © e fende|S 2, |358 | 22|o2 oe 203 > 3% sesljlR2e|523, Jene 2 >> Ge- Nm |852158° 58532 25 <= |5 3 e-z aan atenı Sans S 55 | schlecht nase ass: lsas es: 2E|=32 0023 | 2 © > S Seo = >= “Az m oO SER sea: |les | sa = = mm 2 mg 15 1, 40 6 2 1/a 920 3200 | weiblich 19 16 42 5 2 1/o 925 3200 = 20 16 45 6 2 1/g 930 2550 = 2: 16 45 5 2 1/a 350 1900 > 22 17 33 5 2 1/a 1100 2350 A 23 17 B 5 2 1/a 1000 2350 u; 24 17 39 5 2 1/g 950 23570 5 25 18 41 5 2 1/g 910 2500 2 26 19 42 5 3 1/g 1750 2980 „ 27 18 40 5 2, 1/a 2000 2000 R 28 Io) 28) 5 2 1/a _ — R Gallus domesticus (4—5 Monate alt). mm mm mm mm mm g & 1 24 67 6 2 1/g 2090 8 männlich 2 25 68 6 2 1/g 2020 nl n 3 22 57 4 1!/a 1/a 1660 7 5 4 3 68 4 1 1/g 2370 8 > 5 24 65 4 1 1/a 2220 9 5 6 21 60 5 2 1 2110 8 = 7 20 64 5 2 1 2180 9 5 8 25 72 8 3 1 2175 [6) n 9 23 64 7 3 1 2080 9 E 10 22 61 6 2 il 2060 8 weiblich 11 23 63 6 2 1 1730 8 s 12 27 71 8 3 1 1960 8 x 13 Dill 55 6 1l 1 2240 7 5 14 26 62 5 1!/a 1 2200 ) 5 15 27 63 6 1!/a 1 2620 9 > 16 21 59 7 1!/a 1 2360 (6) r 17 3 68 6 1!/a 1 2300 9 5 18 9 Al 61 5 2 3/4 2050 7 5 19 22 62 5 2 1l 2190 8 > 20 13 60 6 2 1 1750 7 3 21 24 60 4 2 1 2155 9 R 22 30 59 Bu 2 1 1725 8 5 Pavo cristatus. mm mm mm | mm mm g 2 1 3 72 5 | 2 | 4000 | 15 | männlich 2 31 70 Do 2 4500 16 5 Meleagris gallopavo domest. mm mm mm mm mm & g 1 35 -112 4l/a | 2lla 1 3170 3 weiblich 2 39 120 41/2 21/g 1 3050 35 ss 3 45 Ball 41a 21/g 1 3500 40 5 4 42 125 4a | la 1 3200 39 5 5 41 130 5 alla 1 3700 41 » 310 Löer: 1 2 3 | 4 5 6 7 8 9 L & Ee= u) z ee Li =) nn 53 = = © ee ee Num-|2E52148° | 955|33|825 | 5, = Eo: Sea esaenslee|ies| == S Ö schlecht mer lsen=- \ ad2| 325°5| =s2 25 | 5= rs O8 [eb = Ss=zy PS) sa S S> a san =, 2 8 22 = >| 3). > & Numida meleagris. mm mm mm mm mm mm g g 1 25 19 50 6 2 3/4 915 2 männlich 2 27 20 51 6 a 930 2 n 3 26 21 49 6 2 3/4 950 2 5 4 29 22 51 6 2 34 | 1100 2 5 5 39 19 54 6 2 3/4 960 2 a 6 33 23 52 6 2 37 950 2 : Tetrao tetrix. mm mm mm mm mm mm g g 1 30 28 72 9 4 1!/e 930 10 weiblich 2 29 29 75 9 4 1!/a 940 ) ” B} all 30 76 9 4 1!/a 950 9 5 4 30 32 72 9 4 11/a 940 10 RS Tetrao bonasia. mm mm mm mm mm mm g mmg 1 20 17 42 3 1!/a 1/5 265 2575 | männlich 2 17 15 37 3 a 315 | 1240 5 3 18 15 38 4 2 1/g 320 1270 n 4 17 15 45 4 2 1/g 359 2262 ns b) 17 16 3 4 2 1/e 320 2255 „ 6 18 16 48 4 2 1/a 430 2510 | weiblich Ü 18 16 44 3 2 1/a 315 2090 a 8 18 16 43 3 2 1/a 253 1750 5 fe) 20 16 42 4 2 1/g 245 1970 5 10 20 17 45 4 2 1/g 280 1320 5 Tetrao lagopus. mm mm mm mm mm mm g g ie l025 22 55 6 2 1/o 35 5 männlich 2 23 24 60 Bon es 480 6 F 2 22 24 63 8 Bi) 1/g 965 A 5; 4 23 21 56 5 2l/a 1a 520 6 5 5 26 3 52 8 3 1/o 540 6 s 6 20 21 68 9 3 3/4 535 5 = 7 25 20 56 8 21/a 1/e 910 7 R 8 26 21 69 a 9 1/g 570 6 £ 9 25 22 62 9 B} 3/4 920 7 „ 10 23 26 64 7 2 1/a 310 { 5 11 25 22 62 7 2 1/a 460 6 weiblich 12 26 23 67 8 2 1/a 480 b) ” Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte ete. 311 1 2 3 4 5 6 Bacscsaee 52 | zEla8 le Bi areas, 22 38|<5 fende| 5° |S8E „aS| oa 0. | 23 Nım-|222 5333|853 <= |s2 5° sa<|e52 | u2° > S2|35 83 me lins 552 8235| =8 |sE 33 en EU) sa 8 5 s3. sa |=5 [22|8|59 re 2 :|PB° = mm mm mm mm mm mm 13 25 22 62 { 3 Y/g 14 25 23 97 1 2 1/e 15 26 zii 68 7 3 1a 16 27 22 99 8 3 1a 17 24 25 66 7 3 1/a 15 25 24 62 8 2 1a 19 24 21 60 7 3 1/g 20 23 20 98 7 3 I/g 21 28 22 65 6 3 1/a 22 26 22 8 4 3 1/a 23 25 25 63 4 3 1/a 24 26 24 68 6 3 1/a Perdix p. mm mm mm mm mm mm 1 19 17 AN | 2 I/g 2 20 18 42 8 2 I/a 3 19 17 39 8 2 1/a 4 21 19 40 8 2 I/a b) 22 20 41 8 2 l/e 6 20 19 42 8 2 lg 7 21 20 41 8 2 lg Phasianus colchicus. mm mm mm mm mm mm 1 17 18 60 b) 1!/a 1 2 19 18 bp} 6 1!/e 1l 3 15 21 60 b} 1!/a 1 4 19 20 64 6 1!/a 1 5 22 21 65 7 1!/a 1 6 21 20 64 17 1!/a 1 7 22 21 70 6 1!/g 1 8 23 22 80 7 1!/e 1 9 22 21 8 7 1!/a 1 10 23 22 82 7 1!/a 1l Cortunix 6. mm mm mm mm mm mm 1 12 8 22 3/4 1/g 1/z 2 12 8 21 3/4 1/a 1/3 3 11 8 20 Bla, | 1/a | 1/g 4 10 8 20 Il | He b} 11 8 19 3/4 Ya.l 18 Be ıı 9 18. | 8a |. Wa | 1, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. -1 Gewicht des Vogels NUN HHH SPIERAOFOSCTROnR NUSOUNUMOS9hsoh 520 Gewicht des Herzens III MT IIUTO m mmg 100 Ge- schlecht männlich männlich ” weiblich weiblich „ männlich „ ” ann nn nn nn m m — — — — — — ze u u vs» | männlich ” » ”, weiblich n 312 Löer: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 5522|... |auo Be 2 1) © rg Br Fe Pe} less ke ea lee Ge- Num (es 8321-553 22 ea 05% = ES sadegsn „see een = © | schlecht mer |emelhade|ı Saoı sense ne = 5 on Seas en es 2:3 sa| 8 3 ee Anas anser ferus. mm mm mm mm mm mm g g R 1 51 42 12 12 2 1!/a 2400 3 männlich 2 2 40 115 10 2 1!/a 2350 3 ” 3 54 41 az eh 2 | 14a | 2480 31 2 4 90 40 118 12 2 1!/a 2500 3 weiblich Anser domesticus. mm mm mm mm mm mm g 5 1 37 45 112 10 8 1'/a 3700 3 weiblich 2 38 49 105 9° 3 | 1Ua | 3550 32 1 3 34 43 110 11 3 1!/a 3400 Sl h 4 46 45 114 12 4 2 3200 35 männlich 5 28 40 127 15 4 2 4450 45 weiblich 6 au 39 120 11 4 1!/a 3800 40 5 7 29 40 115 10 4 1!la 3500 38 a; 8 31 4l a I 4 | 11a | 3450 39 & 9 32 40 119 | 10 4 | 1Ye | 3500 | 40 i 10 33 40 20 | u 4 | 11 | 8600 41 e 11 34 41 115 12 4 1!/a 3700 42 hs 12 31 40 a 4 11%. 3500. 4 r Anas domestica. mm mm mm mm mm mm & & 1 28 3l 88 7 Ole 1!/a 1750 14 weiblich 2 29 32 90 12862 1 1800 15 . 3 3 32 la 1 1900 16 x 4 sl 31 923 7 3 1 1850 15 hs 5) 33 3 91 7 2 1 1900 17 ; 6 32 31 99 90 | 2 1 2000 19 a Anas clypeata. mm mm mm mm mm mm & 2 1 | 22 24 423 2 1l 1/o 270 5 männlich 2 23 25 41 2 1 1/a 290 5 weiblich Anas boschas. mm mm mm mm | mm mm 8 g 1 28 27 12 8 1!/a 1 1130 10 weiblich 2 27 29 70 aan 1100 10 x 8 28 28 12 8 1!/a 1 1100 9 5 4 29 29 11 Ess je las en 1950412 10 2 Fulica atra. 1 9 10 Gl a3 3 1 | We 77 2 | männlich 2 10 11 24 3 ode 74 2 5 Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionsgewichte etc. 313 1 2 3 4 5 6 7 8 9 = Br = 2) y n a ER Ins n x [e7] © del E Sm a a ee ea es ges kreaare Bere q Su Ge- Nuım-|=2252|283°|555 2535| 2753| 8 = 8 eZaöose nel eSı25 | .5 = ST | schlecht aezeiaadelmes 58: 5E | 82 208 o & Sg o Sa sa z .— ‚ZÖ {= N ar za Seite > («B) = Sa E 3 are ene Gallinula chloropus. mm mm mm mm mm mm g 5 1 hl 13 25 3 2 1 90 2 männlich 2 11 14 26 3 2 1 85 2 weiblich Scolopax rusticolata. mm mm mm 5 mm mm mm g mg il 25 14 38 4 2lla 1/g 310 | 2525 | männlich 2 21 13 42 olla 72 1/a 8091052549 5 3 25 15 43 ala | 2 1/g 295 2840 | weiblich 4 21 14 38 3 1 1/a 300 2812 Rn In den nun folgenden Tabellen, in denen die Maximal-, Mittel-, und Minimalwerte zum Ausdruck kommen, bedeutet: « — Höhendurehmesser vom Suleus coronarius bis zur Apex eordis. £ = Kranio-kaudaler Durchmesser der Basis cordis in Milli- metern. | y == Umfang der Basis cordis am Suleus coronarius in Milli- metern. — Wanddieke des Ventrieulus sinister in Millimetern. — Herzgewicht in pro Tausend, Maximalwert. — Mittelwert. — Minimalwert, % Y Ö & Wanddicke des Ventrieulus dexter in Millimetern. & = Wanddicke des Bulbus aortae in Millimetern. N 2 Löer 314 | onen | a0 Iso | so [eenleen \ol eo! lo la len als IE I rl 5 eh 9 oe | so | so | so co | 320 ıszol co| «o | 0 Jessie ge era er | Zeelee ce 9a goruaenı °snyepned snyeyyLsoyv 1 {| 11'S€ | so | so 180 3 Se 08 | 2a 0,5 a 9ıTı eL | < re Balee 102 | 6 | worgoa 0865 I 80 | so | 80 I 820 I sz‘o |< Kst | IST | TST ost 6 I 9 Isdal LI 8 Iez | 6 | yaruueu *SNITNIOLI KNIE {| 1G‘8E 20 10 [& N) IA IE | Se | ya 6I | S I, Bee | | 0 8 | yon a zur IF fo lirlset ser li or jeder 9 Is Io2 | 6 I 9 |eeg | 2 | yoruuem = ‘zofew snıieq {| 06'81 eo 20 je! | I | ° | 18 | Dee) | ı 0 L 3 8 | 8 yorqram & Barzgeozezkeor Tl Il ı 2 | 3 Tl ı Ic l sl 6 | 6 | 6 | yorauem _säyry SWOBUJLIY | OLLa | so | 80 [38 | co | ns m = Yu9oTyyosa -I9yun s > R k 4 + yaaLy9s9H op [ueZ 315 Vergl. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. I = = | co | co ei) | 01 SS L = | 6 yargrom yoryuueun gargrom ydıjuueun yaızqraa yaıpuuew yorqıom ydıpuueuı yaırqrom yıuueun yoıqrom yaıpuuewı ıekJteKeln) 9'8 ro To al °yd STIIOTUI # {| 06,98 | so | co co ee a a SueL| Pl | q a | 6 6 00. II 0298 Lo | so oO 0 | 0 |<20 182 Dr SCH 20zE 9 ee L 08 |6 °SnILJSIWOP A9SSeA aaa a ner 2 1.180: | EV E80 ER ol Cor oz can See] egpe e]IDeIoN 5 {| 01.9 Ile | a a a 0% el 8 De 7 Be Ei 01 | sor| II or Io leo leo lor|l or | o1loz | 0% DE ra Space 1.82 EG or | Sıppnp.ueg) suurds co| «eo 7 rc sel —_——— sın Fe) | 01 nn SLIWOSÄKLUN 9 | IT. «mM | ’BULYLUUB) SIUJUBdYy a yaryqra m ydıpuuguu ypıqtoAa yaıpuuur YOrTatosı yoraupw yartqroaı yorjuuur yoıqglom yorpuugu yaııqram yorpaugın IyoO]OSON) 317 Verel. Untersuchungen über die Maasse und Proportionalgewichte etc. 9AOLL, uoygons -Io}un yarqrom yOITuuguL waaraa yorpuugun yoızqrom yoruueur yoıqrom yoıpuugın ydrrqraa ydıyuueun yorgtoMm yaıyuugun 49OTLISOH 10 210 SL’0 0202 20.100% 0707| 9 cıe| se I 91 | 0041| sı | FI wet! 9 solo ol or | or | oT l or | 05 | or se | osel or I sı | E9rT! 21 | FL IST len °d smord Kan ja z| ur Lu Bi Te er lorr| cr | 97 | SL) 21 | 6l 10H 03 cz’o |ezo |czo | oT | or lo Il eT | ST eı Il # lo | 2 I 97 Earl LT I LT | 0'ST| 6L *eInpP9uour SN9RI0) | a O7 Y| O1 as tl or rTe| ae | 09 | 0719| 29 | 02 Ba a Be ) ap) cs | 08 ie | yoırqrom ydıpuugur °SLLID} OB.IOL re lähslelskelate scT IEL0 ISLO0 I = J L = N. TER 107940: 30. 40: 50: 60 1 80 00 100 Proymt - Schalt. Fig. 2. Auf der Abszissenachse ist der Volumgehalt an Blutkörperchen in Prozenten aufgetragen, auf der Ordinatenachse die berechnete Viskosität. Die punktierte Vertikale schneidet die Kurve an der Stelle, welche ungefähr der oberen Grenze der experimentell gewonnenen Kurve entspricht (Volumgehalt von 70/o). In Fig. 2 wollen wir diese Werte graphisch darstellen. Wir tragen sie in ein rechtwinkliges Ordinatensystem als Ordinate ein, während der zugehörige Prozentgehalt an festen Bestandteilen auf der Abszissenachse aufgetragen wird. Blutviskosität und Blutkörperchen. 361 Entsprechend dem Verlauf dieser Kurve (Ast einer Hyperbel) “ nimmt die Viskosität mit zunehmendem Gehalt an festen Bestand- teilen zu, und zwar erst langsam, dann immer rascher, bis sie schliesslich äusserst steil in die Höhe schnellt und in das Unend- liche geht bei einem Gehalt von 100°/0. Es würde dies vollständige Abwesenheit von suspendierender Flüssigkeit bedeuten, was bei der Form der Blutkörperchen praktisch nie erreichbar ist. | a / Plasma Blutkörperchen -Kurvs........... Versuch I. / 2 ; / ‘ 1 / , ‘ Plasma. Blutkörperchen -Kurve..... rn Versuch m. BER WE Fig. 3. Auf der Abszissenache ist der Gehalt an Blutkörperchen in Millionen pro Kubikmillimeter eingetragen. Auf der Ördinatenachse die beobachtete Viskosität (Reproduktion aus: Beiträge zur Lehre von der Viskosität des Blutes; Blunschy, Dissert. Zürich 1908). Zum Vergleiche gebe ich in Fig. 3 die Kurven wieder, durch welche Blunschy!) die experimentellen Resultate veranschaulicht hat. Natürlich kann der Vergleich nur ein relativer sein, weil Blunschy mit der Zahl der Blutkörperchen rechnete und uns bei seinen Zahlen das absolute Volumen unbekannt bleibt. — Dies aller- dings können wir mit Bestimmtheit sagen, dass die Kurven von Blunschy nicht über einen Volumgehalt an Blutkörperchen von 1) Inaug.-Diss. Zürich 1908. 24 * 302 Walter Hess: Blutviskosität und Blutkörperchen. 60—70°/o hinausgehen, da praktisch eine höhere Konzentration aus- geschlossen ist. Wir müssen also nur diesen Teil der theoretischen Kurve mit den experimentellen vergleichen. So gut sich nun unsere Ableitung durch die grosse Ähnlichkeit der Kurven zu bewahrheiten scheint, so muss doch hervorgehoben werden, dass eine strenge Übereinstimmung nur erwartet werden kann, wenn wir an dem Resultat unserer Berechnungen noch Kor- rekturen vornehmen. Wir liessen nämlich bis jetzt einige Faktoren unberücksichtist, z. B. haben wir nicht in Berechnung gezogen den Finfluss der Art der Oberfläche der Blutkörperchen, ihre Rotation, ihre ungleiche Verteilung im Gefässquerschnitt. Wir haben aus- schliesslich gesprochen von ihrer Eigenschaft als suspendierte feste Körperchen, den „Gleitungsraum“ einzuschränken. Es wird die Auf- gabe weiterer Arbeiten sein, diese und eventuell noch andere Faktoren ebenfalls einer Prüfung zu unterziehen!). Soviel glaube ich aber jetzt schon als Resultat meiner rechnerischen Orientierung voraus- schicken zu dürfen, dass keiner dieser Faktoren an Mächtigkeit dem bereits behandelten nahe kommt, dass sie dessen Wirkung nur modifizieren aber nicht erheblich ändern können. 1) Über den Einfluss der ungleichen Verteilung der suspendierten Körperchen im Gefässquerschnitt stellte bereits Thoma Berechnungen an; loc. cit. 363 Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta in bezug auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse. Von P, Schiefferdecker. In drei Muskelarbeiten !) habe ich bisher schon eine Anzahl von gesunden und kranken Muskeln des Menschen und eine Anzahl von gesunden Muskeln verschiedener Tiere nach einer neuen, von mir angegebenen Methode untersucht. Wegen der Resultate, welche diese Arbeiten ergeben haben, muss ich auf dieselben verweisen, ebenso wegen der Methode; eine kurze Zusammenstellung hierüber findet sich in der Einleitung zu der letzten Arbeit?.. Es kam mir bei diesen Arbeiten darauf an, zu ergründen, in welcher Weise die Funktion eines Muskels von seinem Baue abhängig ist, und zwar speziell von dem Verhalten der Kerne und der Fasern zueinander in bezug auf ihre Massen und die Verteilung dieser. Ausserdem wurde das mikroskopische Bild des ganzen Muskels und seiner ein- zelnen Teile berücksichtigt und, soweit es nötig erschien, auch die Beschaffenheit der Fibrillen. Immerhin sind diese letzteren im ganzen mehr vernachlässigt worden gegenüber den anderen Bildungen, und zwar aus dem Grunde, weil mir die Kernverhältnisse zunächst als die bei weitem wichtigeren erschienen. Die Untersuchung der menschlichen Muskeln wurde dadurch erschwert, dass es einmal 1) P. Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Professor Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 H. 1—4 S. 1—345 m. 15 Taf. 1903. — P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Ab- bildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. — P. Schieffer- decker, Untersuchung des Zwerchfelles auf seinen Bau und seine Kernverhält- nisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 337—427, 7 Textfig. u. 4 Fahnentab. 2) P. Schiefferdecker, Untersuchung des Zwerchfelles auf seinen Bau und seine Kernverhältnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 8. 337—427, 7 Textfig. u. 4 Fahnentab. 364 P. Schiefferdecker: schwierig war, das nötige Material überhaupt zu erhalten, und zweitens dadurch, dass die menschlichen Muskeln, welche man erhalten konnte, sich in sehr verschiedenen Zuständen in bezug auf die Totenstarre befanden. Die hierdurch entstandenen Fehler versuchte ich aus- zugleichen durch Benutzung der Hauck’schen Zahlen !); doch ergab es sich im Verlaufe der Untersuchung mehr und mehr, dass diese doch augenscheinlich nur ziemlich unvollkommene Korrekturen er- laubten, und dass es eigentlich nötig wäre, weitere ausgedehnte Untersuehungen über die genauen Grössen der Veränderungen aus- zuführen, welche durch die Totenstarre in den menschlichen Muskeln herbeigeführt werden. Bei den Tieren lagen die Verhältnisse ja weit günstiger. Hier konnte man die Muskeln einfach dem frisch getöteten Tiere entnehmen. Indessen auch dieses war nicht so ein- fach; denn ein Muskel, der dem frisch getöteten Tiere entnommen und in die Fixierungsflüssigkeit eingelegt wird, verändert sich natür- lich ziemlich stark und in einer gar nieht vorher zu bestimmenden Weise, da er, von seinem Ursprungs- und Endpunkte losgelöst, dem Reize und der sonstigen Einwirkung der Fixierungsflüssigkeit aus- gesetzt wird. Es wurde daher auch bei den früher untersuchten tierischen Muskeln — es sind bis jetzt untersucht worden die weissen und roten Kaninchenmuskeln und die weissen und roten Karauschen- muskeln — stets so verfahren, dass das ganze Tier, von der Haut befreit, in die Fixierungsflüssigkeit (als solehe diente stets Alkohol oder die Formollösung nach Jores) eingeleet wurde, eventuell, dass ausserdem vorher das Tier noch mit der betreffenden Härtungs- fiüssigkeit injiziert wurde. Die fixierten und gehärteten Muskeln wurden dann zur Untersuchung herauspräpariert. Nach den Unter- suchungen, die ich beim Menschen, dem Kaninchen und der Karausche sowie bei zwei Hundemuskeln ausgeführt hatte, wünschte ich nun, von einem Tiere aus einer anderen Klasse Muskeln zu untersuchen, und zwar am besten eine grössere Anzahl von solehen, um das spezifische Verhalten der einzelnen Muskeln desselben Tieres fest- stellen zu können. Da lag es nahe, den Wasserfrosch zu wählen, der ja ein so beliebtes Objekt für wissenschaftliche Untersuchungen seit langer Zeit darstellt. Der Frosch hat ausserdem den Vorteil, 1) L. Hauck, Untersuchungen zur normalen und pathologischen Histologie der quergestreiften Muskulatur. 18 Seiten. Inaug.-Diss. Leipzig 1900. Zugleich erschienen in Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 17. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 365 dass bei den bei weitem meisten Muskeln Farbenunterschiede kaum festzustellen sind, so dass die Vergleichung eine einfachere war, da nieht noch die Art der Färbung als ein komplizierendes Moment hinzutrat. Ausgesprochen rötlich und dadurch von den anderen Muskeln sich deutlich unterscheidend, fand Knoll!) (S. 684) bei Rana nur den Submaxillaris, und Lehmann?) (S. 340) gibt an, dass der Gehalt an Muskelhämoglobin beim Frosche so gering ist, dass die quantitative Bestimmung nicht scharf gelang. Das Zwerchfell von Säugern und andere sehr angestrengte Muskeln hatten dagegen sehr hohe Zahlen. Der für hiesige Verhältnisse grosse männliche Frosch wurde am 7. November getötet und in Alkohol gelest. Das Tier war in sehr gutem Ernährungszustande, die Leber gross, der Fettkörper sehr gut entwickelt, der Darm war allerdings leer, das Tier hatte also schon eine Zeitlang gehungert. Es wurde von diesem Tiere eine grössere Anzahl von Muskeln herauspräpariert und in Celloidin eingebettet. Von-diesen Muskeln kamen 16 zur Unter- suchung und sind hier ausgemessen worden. Die Zahl der Muskeln sollte eigentlich noch grösser sein, durch besondere Verhältnisse fielen aber im Laufe der Untersuchungen eine Anzahl von Muskeln aus, die nicht wieder ersetzt werden konnten, und da es zu dem genauen Vergleiche nötig war, dass alle hier untersuchten Muskeln von demselben Tiere herstammten, so waren diese Lücken nieht gut auszufüllen. Die hier untersuchten Präparate sind im wesentlichen in den Jahren 1904 und 1905 hergestellt worden. Immerhin stellen auch diese hier ausgemessenen 16 Muskeln schon ein Material dar, das hinreichend gross ist, um eine Anzahl von Schlüssen zu erlauben. Ich werde, wie ich das auch in meinen früheren Arbeiten getan habe, zuerst von jedem der untersuchten Muskeln eine Beschreibung des mikroskopischen Bildes geben und dann auf die Ergebnisse der Ausmessung der Fasern und Kerne eingehen. Die Literatur werde ich dabei an geeigneter Stelle berücksichtigen. 1) Ph. Knoll, Über protoplasmaarme und protoplasmareiche Muskulatur. Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. zu Wien, math.-naturw. Kl. Bd. 55 S. 633—700 mega 1891. 2)K. B. Lehmann, Untersuchungen über den Hämoglobingehalt der Muskeln. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 324—345. 1903. 366 P. Schiefferdecker: Beschreibung des mikroskopischen Bildes der Muskeln. Die Muskeln sind im folgenden geordnet — und diese Reihen- folge wird durch die ganze Arbeit hindurch beibehalten werden — nach der Länge der Kerne, so dass diejenigen Muskeln, die die kürzesten Kerne haben, zuerst kommen und dann die Reihe sich aufsteigend fortsetzt. Es ist diese Anordnung getroffen worden, nur um überhaupt ein Einteilungsprinzip zu haben, und weil die Kern- länge, die ich bisher schon als ein wichtiges spezifisches Maass kennen gelernt hatte, sich am einfachsten dazu darbot. A. Rectus abdominis (400 Fasern, 1184 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Der Querschnitt zeigt eine Abteilung in Bündel nur hin und wieder an- gedeutet. Die Muskelfasern sind meist gut im Querschnitte getroffen, hin und wieder auch im Schrägschnitte. Die Querschnitte der Muskelfasern sind polygonal mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken. Sie liegen dicht aneinander. Die grösseren Septa zwischen den Bündeln sind: mässig kernreich. Zwischen den Muskelfaserquerschnitten hin und wieder ein Bindegewebskern. Die Faser- querschnitte erscheinen fein punktiert. Abteilung von Fibrillenbündeln nicht sichtbar. Die fast sämtlich binnenständigen Kerne zeigen vielfach dreiseitige bis polygonale Formen mit scharfen Ecken. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 3791 qu, Max. 7050 qu, Min. 680 qu. Durchschnittliche Kernzahl 2,96, Max. 5, Min. 1. Durchschnittliche Kerngrösse 5,52 qu, Max. 15,50 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern liegen mehr oder weniger stark gewellt. Querstreifung deutlich, teilweise Ruhezustand, teilweise Kontraktion. Längsstreifung deutlich. Die lang ovalen bis stäbchenförmigen Kerne sind nicht immer ganz gerade, teilweise etwas gebogen. Kernkörperchen treten nur hin und wieder hervor, dann meist 1—2. Kernreihen nicht sichtbar. Kernlänge 20,64 u, Max. 30,00, Min. 14,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Infolge der Färbung treten die Septa hier etwas deutlicher vor als bei der Hämatoxylinfärbung, immerhin ist die Abgrenzung der Bündel nur eine un- vollkommene. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. : Nur in den dickeren Septen sind einige feine elastische Fasern sichtbar, die teils der Länge, teils der Quere nach verlaufen, und von denen einige wenige quer verlaufende Fasern in die .abtretenden Septa übergehen. Der Muskel ist also sehr arm an elastischen Fasern. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mässig viele Mastzellen, die unregelmässig verstreut liegen. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 367 B. Transversus abdominis (400 Fasern, 1091 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Es finden sich auf dem Querschnitte des Muskels nur sehr wenige richtige Faserquerschnitte, dagegen sehr viele Schrägschnitte und sogar Längsschnitte., Durch den langen schmalen Querschnitt des Muskels zieht sich ungefähr in der Mitte, etwas näher dem einen Rande, ein verhältnismässig breites Bindegewebs- septum hin, von dem nach beiden Seiten dünnere Septa abgehen und so die beiden dünnen Muskelplatten in Unterabteilungen von sehr verschiedener Grösse und Form zerlegen: die Querschnitte der Muskelbündel. Diese Septa ziehen bis zu dem Perimysium externum hin, welches den Querschnitt an beiden Seiten begrenzt und eine Bindegewebsschicht darstellt, die etwas dicker ist als das mediane Septum (je nach der Dicke dieses, die ziemlich wechselnd ist, ist das Perimysium externum vielleicht doppelt bis anderthalb mal so dick). Von den Septa, welche die Bündel begrenzen, können dann mitunter wieder dünnere Septa abtreten, welche Unterabteilungen bilden. Die einzelnen Muskelfaser- querschnitte erscheinen polygonal mit im allgemeinen mehr scharfen Ecken; sie liegen dicht aneinander. Was die nähere Beschaffenheit der Muskelfaserquer- schnitte anlangt, so erscheinen sie mehr oder weniger deutlich in polygonale Felder eingeteilt: Fibrillenbündel, die von kleinen Pünktchen erfüllt werden, den Fibrillenquerschnitten. Das mediane Septum enthält ziemlich zahlreiche Kerne, zwischen den Muskelfaserquerschnitten finden sich vereinzelte Kerne. In den Muskelfaserquerschnitten liegen die Kernquerschnitte meist binnenständig, sie sind ziemlich stark gefärbt, kreisförmig bis kurz oder lang oval oder polygonal, Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 2559 qu, Max. 5750 qu, Min. 630 qu. Durchschnittliche Kernzahl 2,73, Max. 5, Min. 1. Durchschnittliche Kerngrösse 8,81 qu, Max. 24,00 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Entsprechend dem Querschnitte liegen auf dem Längsschnitte die Fasern sehr unregelmässig. Querstreifung durchschnittlich nur schwach sichtbar, Ruhezustand, Längsstreifung ebenfalls nur schwach sichtbar. Die mässig stark gefärbten Kerne sind lang, stäbchenförmig, und zeigen meist ‚deutlich ein bis zwei Kernkörperchen. Durchschnittliche Kernlänge 21,46 u, Max. 28,00 u, Min. 14,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bild entspricht durchaus dem unter 1 und 2 beschriebenen. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Sowohl von den beiden Schichten des Perimysium externum wie von dem medialen Septum, welches auch auf dem Längsschnitte deutlich hervortritt, gehen zahlreiche, quer verlaufende elastische Fasern aus, welche die nächstgelegenen Muskelbündel umspinnen und mehr oder weniger weit durch die beiden Muskel- schichten hin zu verfolgen sind. Diese elastischen Fasern gehen aus von solchen, die in dem Septum sowohl wie in den Schichten des Perimysium zum Teile der Länge nach, zu einem, und zwar wie es scheint zum grösseren Teile, 368 P. Schiefferdecker: aber auch. der Quere nach verlaufen. Wir würden also bei diesem Muskel den seltenen Fall haben, dass die elastischen Fasern sowohl in dem Perimysium externum wie in dem Hauptseptum. hauptsächlich der Quere nach verlaufen, während sie ja sonst meist der Länge nach verliefen und nur mehr oder weniger viele schräge oder quere Äste abgaben, welche die einzelnen Muskelfasern um- spannen. Dieser Muskel erscheint in Anbetracht der Armut der Froschmuskeln an elastischen Fasern sehr reich an solchen, wenngleich er absolut genommen immer nur erst ziemlich wenige elastische Fasern enthält. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblaun. Hin und wieder einzelne Mastzellen. C. Sartorius (400 Fasern, 1238 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Schöne (Querschnitte. Die Zerteilung in Bündel wieder sehr mangelhaft, .da die Septa nur hin und wieder deutlich hervortreten. Die Muskelfaserquer- schnitte sind polygonal mit bald mehr abgerundeten, bald mehr scharfen Ecken. Sie liegen dicht aneinander, nur hin und wieder sieht man zwischen ihnen Kerne. Die zahlreichen Kernquerschnitte liegen fast alle binnenständig, sie sind kreisförmig bis kurz oval, mässig stark gefärbt. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 4368 qu, Max. 10480 qu, Min. 1005 qu. . Durchschnittliche Kernzahl 3,10, Max. 6, Min. 1. Durchschnittliche Kerngrösse 9,37 qu, Max. 22,00 qu, Min. 3,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Fasern schön gestreckt, (Querstreifung und Längsstreifung deutlich, meist Ruhezustand. Die Kerne lang oval und stäbchenförmig, mässig stark gefärbt, Kernkörperchen meist deutlich hervortretend, in verschiedener Menge, meist 1—4. Kernreihen fehlen. Durchschnittliche Kernlänge 21,56 u, Max. 28,00 «, Min. 16,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Callejabild entspricht dem unter 1 beschriebenen. Eine Fibrillen- färbung tritt nur an manchen dickeren Stellen der Septa hervor. $ 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Nur hin und wieder an den dickeren Stellen der Septa einige feine elastische Fasern. Der Muskel ist also sehr arm an elastischen Fasern. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder vereinzelte Mastzellen, die der Dünne der Septa ent- sprechend mehr oder weniger lang gestreckt erscheinen. D. Peetoralis pars epicoracoidea (400 Fasern, 1081 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Auf dem Querschnitte des Muskels erscheinen die Muskelfasern teilweise im Querschnitte, teilweise im Schrägschnitte, mitunter sogar im Längsschnitte. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta et. 369 Bündelanordnung undeutlich; so weit die Septa sichtbar sind, enthalten sie ziemlich viele Kerne. Zwischen den Muskelfaserquerschnitten, die dicht aneinander liegen, nur hin und wieder ein Bindegewebskern. Die Muskelfaserquerschnitte sind polygonal mit bald mehr scharfen, bald mehr abgerundeten: Ecken; im allgemeinen sind die Ecken schärfer als bei den meisten anderen Froschmuskeln. Kleine Faserquerschnitte, die unvermittelt zwischen den grossen liegen, treten hier nur selten hervor; dagegen findet man hin und wieder mehrere kleine ‚Querschnitte von ähnlicher Grösse eng zusammen liegend, die einen ganz anderen Eindruck machen, wie die sonst bei den anderen Muskeln beschriebenen. Die Oberfläche der Faserquerschnitte erscheint fein punktiert, hin und wieder sieht man ziemlich deutlich abgegrenzte Fibrillenbündel. Die fast sämtlich binnen- ständigen Kerne sind meist kurz oval bis unregelmässig polygonal. Durch schnittliche Grösse des Faserquerschnittes 2942 qu, Max. 8290 qu, Min. 425 qu- Durchschnittliche Kernzahl 2,70, Max. 6, Min. 1. Durehschnittliche Kerngrösse 9,61 qu, Max. 17,50 qu, Min. 2,00 qu. ‘2, Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Fasern schön gestreckt, Querstreifung deutlich, Ruhezustand, Längsstreifung ‚ebenfalls deutlich, Kerne lang oval bis stäbchenförmig, mässig stark gefärbt. Kernkörperchen mitunter deutlich, meist 1—2, mitunter fehlend. Durchschnitt- liche Kernlänge 21,60 «, Max. 28,00 u, Min. 14,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bild entspricht dem unter 1 beschriebenen. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Elastische Fasern nur in den Hauptsepten, zum Teil der Länge, zum Teil der Quere nach verlaufend, und sich von hier aus in die abtretenden Septa als (uerfasern fortsetzend. Im ganzen sehr wenig elastisches Gewebe. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mastzellen hin und wieder, im ganzen selten. E. Anconaeus caput scapulare (400 Fasern, 1273 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte . Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Zerteilung in Bündel ist sehr undeutlich, da die Septa nur hin und wieder sichtbar sind. Die Muskelfaserquerschnitte liegen dicht aneinander, hin und wieder ein Bindegewebskern zwischen ihnen. Sie sind polygonal, die Kanten mehr oder weniger abgerundet, aber im Vergleiche zu den meisten anderen Froschmuskeln doch verhältnismässig scharf. Die Oberfläche der Faser- querschnitte erscheint sehr fein punktiert. Hin und wieder sieht man zwischen den grossen Querschnitten unvermittelt kleine liegen, mit scharfen Ecken, doch sind sie im ganzen auf diesen Schnitten selten. Die Kerne liegen fast sämtlich binnenständig, sind mässig stark gefärbt, kreisförmig bis kurz oval. Durch- schnittliche Grösse des Faserquerschnittes 2910 qu, Max. 8005 qu, Min. 615 qu. Durchschnittliche Kernzahl 3,18, Max. 7, Min. 1. Durchschnittliche Kerngrösse 6,57 qu, Max. 12,50 qu, Min. 2,00 qu. 3709 P. Schiefferdecker: 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern liegen lang gestreckt, dicht aneinander und erscheinen kern- reich. Querstreifung sehr deutlich, fast überall Ruhezustand. Längsstreifung nur angedeutet. Kerne stäbchenförmig oder lang oval, mässig stark gefärbt, meist mit 1—2 Kernkörperchen versehen. Die Konturen der Kerne sind meist glatt, hin und wieder leicht geschlängelt. Kernreihen nicht sichtbar. Wo die Kerne geschlängelt verlaufen, verlaufen auch die Fibrillen etwas geschlängelt, Die Schlängelung der Kerne ist also wohl auf eine Durchbiegung im Verlaufe der Faser zurückzuführen. Durchschnittliche Kernlänge 22,44 u, Max. 30,00 u, Min. 16,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Callejabild bestätigt durchaus die unter 1 gegebene Beschreibung; trotz der Färbung treten die Septa nur hin und wieder hervor. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Die elastischen Fasern treten nicht deutlich genug durch die Färbung hervor, um eine Beschreibung geben zu können. 5. Die Färbung mit Karbol-Toluidinblau ist bei diesem Muskel ausgefallen. F. Tensor fasciae latae (400 Fasern, 1299 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich.) Eine Zerteilung in Bündel ist auch bei diesem Muskel nur unvollkommen sichtbar, eben nur an den Stellen, wo die Hauptsepta etwas dicker werden. Hier sind in dem Bindegewebe ziemlich zahlreiche Kerne vorhanden, sonst grenzen die einzelnen Muskelfaserquerschnitte dicht aneinander, nur hin und wieder sind zwischen ihnen Kerne sichtbar. Die Faserquerschnitte sind polygonal, die Ecken bald mehr stumpf, bald mehr scharf. Sie enthalten ziemlich viele Kerne, die fast alle binnenständig liegen, nur selten randständig. Eine besondere Anordnung in bezug auf die Lage jst nicht zu bemerken. Die Kernquerschnitte sind meist kreisförmig bis kurz oval, mässig dunkel gefärbt. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 3546 qu, Max. 9985 qu, Min 710 qu. Durch- schnittliche Kernzahl 3,25, Max. 6. Durchschnittliche Kerngrösse 5,75 qu, Max. 15,50 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Fasern lang gestreckt, Querstreifung mässig deutlich, ebenso Längsstreifung, meist Ruhezustand. Kerne lang gestreckt, schwach gefärbt. Kernkörperchen mehr oder weniger deutlich hervortretend, durchschnittlich 1—3. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 23,12 u, Max. 28,00 u, Min. 16,00 u. 3 Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung nach Calleja. Das Callejabild entspricht dem unter 1 beschriebenen, nur an den seltenen dicken Stellen der Septa sieht man gefärbtes Bindegewebe. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Orcein. Nur an den dickeren Stellen der Septen finden sich mehr oder weniger viele elastische Fasern. Der Muskel ist also wieder sehr arm an elastischen Fasern. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 371 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder einzelne Mastzellen, die der Dünne der Septa entsprechend vielfach stark in die Länge gezogen sind. G. Gastrocnemius. (400 Fasern, 2233 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Einteilung in Muskelbündel ist sehr undeutlich, die Muskelfasern zeigen schöne Querschnitte, nur hin und wieder auch Schrägschnitte, die Querschnitte sind polygonal mit stark abgerundeten Ecken; nur die kleinen Muskelfaser- querschnitte, die in mässiger Menge unvermittelt zwischen den grossen liegen, zeigen schärfere Ecken. Die Oberfläche der Faserquerschnitte lässt polygonale Felder mehr oder weniger deutlich erkennen und in diesen feine Pünktchen: Fibrillenbündel und Fiprillensäulchen. Die ziemlich stark gefärbten Kern- querschnitte liegen fast alle binnenständig und erscheinen kreisförmig oder kurz oval. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 4481 qu, Max. 9210 qu, Min.1010 qu. Durchschnittliche Kernzahl 5,58. Durchschnittliche Kerngrösse 4,43 2. Celloidin-Längsschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern verlaufen schön gestreckt, Querstreifung nur schwach sichtbar, Längsstreifang deutlicher. Wo die Querstreifung deutlich hervortritt, ist Ruhe- ‚zustand vorhanden, hin und wieder auch Kontraktion. Die mässig stark gefärbten Kerne sind meist lang stäbchenförmig und lassen meist 1—2 Kernkörperchen deutlich erkennen. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 23,44 u, Max. 32,00 u, Min. 18,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung nach Calleja. Zerteilung in Bündel nur undeutlich sichtbar, da die Septa nur hin und wieder deutlich hervortreten. Die Muskelfaserquerschnitte liegen dicht aneinander, von Fibrillen ist zwischen ihnen nichts zu erkennen. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Orcein. Das elastische Gewebe ist in ausserordentlich geringer Menge vorhanden. Nur an den Stellen, wo die Anschwellungen der dickeren Septa vorhanden sind, sieht man eine grössere Anzahl von feinen elastischen Fasern, die teils der Quere, teils der Länge nach verlaufen, und von denen dann auch quer verlaufende Fasern in die nächst abtretenden Septa übergehen. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Seltene Mastzellen sind hin und wieder sichtbar. H. Coraco-Radialis. (400 Fasern, 1572 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Bündel sind nur unvollkommen voneinander abgetrennt, da die Septa sehr schmal sind und teilweise so schmal werden, dass sie nicht weiter verfolgt werden können, sie enthalten mässig viele Kerne. Die Muskelfaserquerschnitte 372 P. Schiefferdecker: sind polygonal mit abgerundeten Ecken, mitunter fast kreisförmig; sie liegen im allgemeinen dicht aneinander und zeigen eine sehr feine Punktierung. Zwischen ihnen liegen mitunter Bindegewebskerne. Die mässig stark gefärbten Muskelkerne sind kreisförmig bis kurz oval und liegen fast sämtlich binnenständig. Hin und wieder sieht man zwischen den grossen Faserquerschnitten unvermittelt kleine liegen, die vielfach schärfere Kanten zeigen als die grosser, und mitunter auch in kleinen Gruppen zusammen liegen. Auch in ihnen liegen die Kerne binnen- ständig. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 5505 qu, Max. 11650 qu, Min. 1380 qu. Durchschnittliche Kernzahl 3,93, Max. 6. Durchschnittliche Kerngrösse 10,29 qu, Max. 27,00 qu., Min. 3,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern liegen lang gestreckt, dicht nebeneinander. Die Querstreifung tritt ziemlich deutlich hervor, meist Ruhezustand, Längsstreifung undeutlich. Die Kerne sind lang gestreckt, stäbchenförmig, mässig stark gefärbt. Sie zeigen deutliche Kernkörperchen, gewöhnlich 1—2. Kernreihen nicht vorhanden. Durch- schnittliche Kernlänge 24,28 u, Max. 32,00 u, Min. 20,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung nach Calleja. Das Callejabild bestätigt im allgemeinen die unter 1 gegebene Beschreibung doch treten hier infolge der Färbung die Septa deutlicher hervor, und infolge- dessen erscheinen einzelne Bündel ziemlich gut abgegrenzt. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Orcein. Die elastischen Fasern sind nicht hinreichend gut gefärbt, um eine Be- schreibung zu erlauben. 5. Die Färbung mit Karbol-Toluidinblau ist bei diesem Muskel ausgefallen. J. Flexor earpi radialis. (400 Fasern, 1501 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich.) Die Zerteilung in Bündel ist sehr unvollkommen, da die Septa nur stellen- weise hervortreten, oft aber so dünn werden, dass sie nicht zu verfolgen sind. Soweit sie sichtbar sind, enthalten sie ziemlich viel Kerne. Die Muskelfaser-. querschnitte sind polygonal mit ziemlich scharfen Ecken und liegen sehr dicht aneinander. Kleine Muskelfaserquerschnitte, die unvermittelt zwischen den grossen liegen, kommen nur hin und wieder vor. Die mässig stark gefärbten Muskelkerne liegen binnenständig. Sie erscheinen kreisförmig bis kurz oval und sind verhältnis- mässig gross. Sehr häufig sieht man in ihnen ein Kernkörperchen liegen. Die Muskelfaserquerschnitte sind fein punktiert, hin und wieder sieht man zwischen ihnen einen Bindegewebskern liegen. Durchschnittliche Grösse des Faser- querschnittes 3066 qu, Max. 8155 qu, Min. 610 qu. Durchschnittliche Kernzahl 9,75, Max. 6. Durchschnittliche Kerngrösse 8,11 qu, Max. 16,00 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Muskelfasern liegen gerade, lang gestreckt, dicht nebeneinander. Quer- streifung blass, aber deutlich, Ruhezustand. Längsstreifung sehr schwach sichtbar. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 373 Die schönen, langen, stäbchenförmigen Kerne sind schwach gefärbt und lassen häufig ein Kernkörperchen erkennen, mitunter auch 2. Kernreihen nicht vorhanden. Durchschnittliche Kernlänge 25,44 u. Max. 38,00 u, Min. 18,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung nach Calleja. Die Zerteilung in Bündel tritt hier deutlicher hervor als bei der Hämatoxylin- färbung. Die Septa werden häufig sehr schmal, sind aber infolge der Färbung zu verfolgen. Die Form der Bündel ist sehr unregelmässig und sonderbar, doch lässt sie sich infolge der undeutlichen Septa nicht genügend feststellen. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Orcein. Das Verhalten der elastischen Fasern lässt sich an den Präparaten nur unvollkommen feststellen, jedenfalls sind aber nicht viele vorhanden. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Seltene Mastzellen, die zerstreut liegen, im ganzen sehr wenige. K. Anconaeus caput mediale (400 Fasern, 1131 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Zerteilung der Bündel tritt nur wenig hervor, da die Septa sehr schmal sind. ‘Die Muskelfaserquerschnitte sind polygonal mit abgerundeten, mitunter auch mit scharfen Ecken. Die Oberfläche der Querschnitte erscheint fein punktiert, Abgrenzung von Fibrillenbündeln im allgemeinen nicht sichtbar. Die Muskelkerne sind mässig stark gefärbt, fast sämtlich binnenständig, kreisförmig bis kurz oval. Die Faserquerschnitte liegen dicht aneirander, hin und wieder sieht man zwischen -ihnen einen Bindegewebskern. Die breiteren Septa sind ziemlich kernreich. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 3569 qu, Max. 8040 qu, Min. 610 qu. Durchschnittliche Kernzahl 2,83, Max. 5. Durch- schnittliche Kerngrösse 6,71 qu, Max. 17,00 qu, Min. 3,00 qu. 2 Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). . Fasern schön gestreckt, Querstreifung deutlich, Ruhezustand. Längsstreifung mehr oder weniger deutlich. Die mässig stark gefärbten Kerne sind lang stäbchenförmig. Kernkörperchen treten nur hin und wieder hervor, dann in verschiedener Anzahl. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 25,60 u, Max. 32,00 u, Min. 18,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die Septa treten hier trotz ihrer Dünne infolge der Färbung deutlich hervor. Sie lassen sich ziemlich gut verfolgen und umgrenzen langgestreckte, im ganzen ziemlich kleine Bündel. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Die elastischen Fasern scheinen wieder in sehr geringer Menge vorhanden zu sein, sie treten aber auf dem Schnitte nicht deutlich hervor. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder seltene Mastzellen. 374 P. Schiefferdecker: L. Peetoralis pars sternalis (400 Fasern, 1616 Kerne). 1. Gelloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Zerteilung in Bündel erscheint unvollkommen, da die Septa in ihrem Verlaufe mitunter sehr dünn werden. Die Muskelfaserquerschnitte sind polygonal mit abgerundeten Ecken, sie liegen dicht aneinander, zwischen ihnen hin und wieder ein Bindegewebskern. Zwischen den grossen Faserquerschnitten liegen häufig ganz unvermittelt sehr kleine, welche dann häufig dreieckig sind mit ziemlich scharfen Ecken; doch sind auch diese kleinen Querschnitte mitunter polygonal mit abgerundeten Ecken. Die Faserquerschnitte zeigen eine Zu- sammensetzung aus Fibrillen nur undeutlich. Die stark gefärbten Kerne liegen fast sämtlich binnenständig und sind kreisförmig bis oval. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 4587 qu, Max. 8540 qu, Min. 1005 qu. Durch- schnittliche Kernzahl 4,04, Max. 7. Durchschnittliche Kerngrösse 7,29 qu, Max. 20,50 qu, Min. 1,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern verlaufen lang gestreckt, Querstreifung sehr schwach sichtbar, Ruhezustand. Längsstreifung meist deutlich. Die mässig stark gefärbten Kerne sind meist lang-stäbchenförmig. Kernkörperchen nur hin und wieder sichtbar. Kernreihen fehlen. Durchschnittliche Kernlänge 26,00 u, Max. 36,00 «, Min. - 20,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die Septa zwischen den Bündeln, welche hier deutlicher hervortreten als bei der Hämatoxylinfärbung, werden mitunter so dünn, dass sie sich nicht mehr verfolgen lassen. Auch sieht man hier, dass ihr Bindegewebe nur wenige Kerne enthält. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Die elastischen Fasern treten nur wenig hervor, so dass man etwas Sicheres nicht aussagen kann. Es scheint indessen, dass sie selten sind. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mastzellen nicht sichtbar. M. Deltoides (400 Fasern, 1172 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Einteilung in Bündel kaum erkennbar, da von den Septen nur kurze Stücke sichtbar sind. Die Muskelfaserquerschnitte liegen dicht aneinander, sind polygonal mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken und lassen einen Aufbau aus Muskel- säulchen nicht erkennen. Kleine Muskelfaserquerschnitte, die zwischen den grossen liegen, fehlen hier. Die Kerne, die stark gefärbt sind, liegen sämtlich binnenständig, und sind kreisförmig bis oval. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 3420 qu, Max. 7650 qu, Min. 860 q«w. Durchschnittliche Kernzahl 2,93, Max. 5. Durchschnittliche Kerngrösse 8,82 qu, Max. 19,00 qu, Min. 3,50 qu. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 375 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich.) Die Fasern verlaufen langgestreckt. Querstreifung deutlich, Ruhezustand. Längsstreifung mehr oder weniger deutlich. Die mässig stark gefärbten Kerne sind lang-stäbchenförmig. Kernkörperchen meist nicht erkennbar; mitunter aber auch sehr deutlich sichtbar und dann zu mehreren. Kernreihen fehlen. Durchschnittliche Kernlänge 26,12 «, Max. 38,00 u, Min. 20,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die Septa treten hier entschieden deutlicher hervor als bei den Hämatoxylin- präparaten, sind aber sehr schmal. Eine deutliche Abteilung in Bündel tritt trotzdem nicht hervor, da die Septa in unregelmässiger Weise eine ganze An- zahl von Ästen abtreten lassen, die bei der oft eintretenden Verfeinerung der Hauptsepta häufig ebenso dick wie diese erscheinen, so dass der Muskel in eine grössere Anzahl von kleinen Feldern zerlegt wird. Dadurch wird das mikro- skopische Bild ein durchaus ungewöhnliches. Im ganzen würde man aber daraus schliessen können, dass der Muskel etwas mehr Bindegewebe enthält als die übrigen Froschmuskeln, die ja sehr arm an solchem waren. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. In den Septen sind hin und wieder einige elastische Fasern sichtbar, im ganzen aber scheint die Menge des elastischen Gewebes sehr gering zu sein. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau, Mastzellen nicht sichtbar. N. Cruralis (400 Fasern, 1932 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Einteilung in Bündel ist verhältnismässig deutlich, auch Unterabteilungen können mehr oder weniger deutlich erkannt werden. Trotzdem sind die Septa im allgemeinen recht schmal. Die Muskelfaserquerschnitte erscheinen polygonal mit im allgemeinen gut abgerundeten Ecken, nur die ziemlich zahlreichen kleinen Muskelfaserquerschnitte, die zwischen den grossen eingeklemmt liegen, zeigen schärfere Ecken. Die stark gefärbten Muskelkerne liegen fast alle binnen- ‘ständig und erscheinen auf dem Querschnitte kreisförmig bis kurz oder länger oval bis unregelmässig polygonal. Die Oberfläche der Muskelfaserquerschnitte ist fein punktiert; häufig sieht man zwischen diesen dunklen Pünktchen auch zahlreiche sehr feine, helle Pünktchen. Durchschnittliche Grösse des Faser- querschnittes 2969 qu, Max. 6640 qu, Min. 230 qu. Durchschnittliche Kernzahl 4,83. Durchschnittliche Kerngrösse 7,82 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die schön gestreckten Muskelfasern zeigen eine sehr deutliche Querstreifung, Ruhezustand. Die Längsstreifung tritt mehr oder weniger deutlich hervor. Die schön ausgebildeten, mässig stark gefärbten Kerne erscheinen ganz lang oval bis lang stäbchenförmig und zeigen vielfach kein Kernkörperchen, vielfach aber auch ein bis zwei deutlich hervortretende. Durchschnittliche Kernlänge 26,32 z, Max. 36,00 «, Min. 18,00 u. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. : 25 376 P. Schiefferdecker: 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die Schnitte entsprechen durchaus den unter 1 und 2 beschriebenen. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. In den grösseren Septen ziemlich zahlreiche elastische Fasern, die der Länge nach verlaufen, und von denen Äste auch in die dünneren Septa übertreten, die dann wieder der Quere nach verlaufen. Hin und wieder auch quer verlaufende elastische Fasern. Fasern, welche die Muskelfasern quer umspinnen, fehlen ganz. Als Froschmuskel hat dieser Muskel also schon verhältnismässig viele elastische Fasern, im Vergleiche zu andern Muskeln aber doch nur sehr wenige. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder seltene Mastzellen. OÖ. Peetineus. (400 Fasern, 1202 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Einteilung in Bündel nur unvollkommen sichtbar, da die Septa sehr dünn sind und nur hin und wieder deutlich hervortreten. So weit man es erkennen kann, scheinen die Querschnitte der Bündel hier sehrsch mal und lang gestreckt zu sein. Die Muskelfaserquerschnitte liegen dicht aneinander, mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken. Die mässig zahlreichen kleinen Faserquerschnitte, welche unvermittelt zwischen den grossen liegen, zeigen im ganzen schärfere Ecken. Die Oberfläche der Muskelfaserquerschnitte erscheint fein punktiert: Fibrillenquerschnitte, nur hin und wieder auch Andeutungen von Fibrillenbündeln. Die Kernquerschnitte sind mässig stark gefärbt, liegen fast sämtlich binnenständig und sind kreisförmig bis kurz oval. Zwischen den Muskelfaserquerschnitten hin und wieder ein Bindegewebskerın. So weit die Septa sichtbar sind, sind sie mässig kernreich. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 3834 qu, Max. 9920 qu, Min. 320 qu. Durchschnittliche Kernzahl 3,00, Max. 7. Durch- schnittliche Kerngrösse 5,66 qu, Max. 12,00 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte.e. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern verlaufen schön gestreckt. Die Querstreifung tritt nur schwach hervor, im allgemeinen Ruhezustand. Die Längsstreifung noch schwächer sicht- bar. Die mässig stark gefärbten Kerne sind lang stäbchenförmig und lassen teilweise eins bis mehrere Kernkörperchen erkennen. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 26,52 u, Max. 36,00, Min. 18,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung nach Calleja. Das Bild entspricht durchaus dem unter 1 beschriebenen. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Orcein. In den breiteren Septen finden sich zahlreiche, sehr feine elastische Fasern, welche im wesentlichen der Länge nach verlaufen, aber in die von diesen Septen abgehenden schmaleren Septen übergehend hier im wesentlichen der Quere nach Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 377 verlaufend, sodass also die Muskelbündel im wesentiichen von querverlaufenden elastischen Fasern umgeben sein würden, nur an den dicksten Stellen würden die Längsfasern überwiegen. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte. Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder seltene Mastzellen. P. Graeilis. (400 Fasern, 1705 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte. Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Einteilung in grössere Bündel nur schwach sichtbar, da die Septa sehr schmal sind. Die gut getroffenen Muskelfaserquerschnitte erscheinen polygonal mit bald mehr scharfen, bald mehr abgerundeten Ecken. Zwischen den grossen Querschnitten sind oft auch kleine unregelmässig eingelagert. Die Kerne liegen alle binnenständig, nur hin und wieder liegt ein Kern dicht am Rande. Die stark gefärbten Kernquerschnitte sind bald mehr kreisförmig, bald mehr kurz oval. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 4053 qu, Max. 9975 qu, ‘Min. 625 qu. Durchschnittliche Kernzahl 4,26, Max. 7. Durchschnittliche Kern- grösse 4,77 qu, Max. 15,00 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern verlaufen ganz glatt, langgestreckt, und liegen dicht neben- einander. Querstreifung deutlich, im allgemeinen Ruhezustand. Längsstreifung hin und wieder deutlich. Die Kerne sind lang, stäbchenförmig, im ganzen schwach gefärbt. Kernkörperchen sind hin und wieder sichtbar, eins bis mehrere. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 28,68 u, Max. 38,00 u, Min. 20,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Auch auf dem Callejapräparate treten die Septa zwischen den Bündeln wegen ihrer grossen Dünne so wenig hervor, dass man sie nur hin und wieder dort, wo sie etwas dicker sind, als gefärbte Streifen hervortreten sieht; an den meisten Stellen kann man daher eine Zerlegung in Bündel überhaupt nicht wahr- nehmen. Zwischen den Muskelfaserquerschnitten ist natürlich gar nichts von ge- färbtem Bindegewebe zu erkennen. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. In den etwas breiteren Stellen in den Septen finden sich einige sehr feine elastische Fasern; sonst ist von elastischem Gewebe nichts zu sehen. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder, unregelmässig über den Schnitt verstreut, finden sich Mast- zellen, die entsprechend der Dünne der Septa vielfach langgestreckt erscheinen. Q. Tibialis anterior longus (400. Fasern, 1392 Kerne). 1. Celloidin- Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Einteilung in Bündel ist sehr undeutlich, da die Septa nur wenig hervortreten; wo sie sichtbar sind, enthalten sie ziemlich viele Kerne. Die auf 25* 78 P! Schiefferdecker: dem schönen Querschnitte gut hervortretenden Muskelfaserquerschnitte sind polygonal mit gut abgerundeten Ecken; nur die in mässiger Anzahl vorhandenen, unvermittelt zwischen die grossen eingestreuten kleinen Querschnitte zeigen schärfere Ecken. Die Muskelfaserquerschnitte liegen dicht aneinander, hin und wieder zwischen ihnen ein Kern. Ihre Oberfläche erscheint fein punktiert: Fibrillen- querschnitte, nur hin und wieder sieht man noch Andeutungen einer Einteilung in Fibrillenbündel. Die ziemlich stark gefärbten Kernquerschnitte liegen fast alle binnenständig. Sie sind meist kreisförmig bis kurz oval. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 4707 qu, Max. 8870 qu, Min. 1610 qu. Dürch- schnittliche Kernzahl 3,48, Max. 6. Durchschüittliche Keıngrösse 7,68 qu, ‘Max. 18,00 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern verlaufen schön gestreckt. Querstreifung meist deutlich, meist Ruhezustand. Längsstreifung ebenfalls. deutlich. Die im ganzen schwach ge- färbten Kerne sind lang stäbchenförmig. Kernkörperchen sind nur hin und ‘wieder sichtbar. Kernreihen fehlen. Durchschnittliche Kernlänge 30,48 u, Mıx. 46,00 u, Min. 20,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Eine Zerteilung in Bündel ist kaum sichtbar, da die Septa sehr wenig ent- wickelt sind. 4% Gelloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. Das elastische Gewebe ist in ausserordentlich geringer Menge vorhanden. Nur an den wenigen Stellen, wo die Septa etwas dicker sind, sieht man feine elastische Fasern, die zum Teil der Länge nach, zum Teil auch der Quere nach verlaufen und dann als quer verlaufende Fasern in die abtretenden Septa übergehen. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder seltene Mastzellen. Nach dieser Beschreibung des mikroskopischen Bildes will ich kurz die Ergebnisse derselben zusammenstellen und besprechen: 1. Was zunächst auffällt, ist die grosse Ähnlichkeit des mikroskopischen Bildes bei sämtlichen Muskeln. Man findet überall gut ausgebildete polygonale Muskelfaserquerschnitte, bei denen die Ecken im allgemeinen abgerundet sind, nur hin und wieder treten sie etwas schärfer hervor. Zwischen den gewöhnlichen ‚grossen Faserquerschnitten liegen in den meisten Muskeln ganz unvermittelt weit kleinere Querschnitte, die dann gewöhnlich weit schärfere Ecken zeigen als die grossen. Hin und wieder fehlen diese kleinen Querschnitte auch, so beim Deltoides, im allgemeinen kommen sie aber so häufig vor, dass sie eigentlich mit zu dem charakteristischen Bilde der Froschmuskeln, bei diesem Tiere wenigstens, zu gehören Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 379 scheinen. Knoll bildet in seiner grossen Muskelarbeit!) (Taf. VII, Fig. 20 und 21 und S. 684 ff.) ebenfalls solch kleine Fasern mit schärferen Kanten, die zwischen den grossen unvermittelt liegen, ab, und verweist dabei auf die Befunde von Grützner. (Ich verweise hier wegen der älteren Literatur auf die Arbeit von Knoll.) Diese kleinen Fasern sind nach ihm dunkler und enthalten eine Menge von Körnchen. Ich bin in meinen Muskelarbeiten auf den Unterschied zwischen den hellen und dunklen Fasern überhaupt nicht eingegangen und will das auch hier nicht tun, da ich die Muskeln nach einer ganz neuen Richtung untersuche und meine hierfür verwendeten Präparate für die Darstellung der hellen und dunklen Fasern un- brauchbar sind. Das Vorkommen von hellen und dunklen Fasern in den Muskeln ist ja, um nur einige der hauptsächlichsten Autoren anzuführen, von Grützner, Knoll und später von Schaffer so eingehend untersucht worden, dass neue Untersuchungen kaum nötig waren. Schaffer?) (S. 77 ff. und Taf. I Fig. 5 und 6) bestätigt im allgemeinen die Angaben von Knoll; ich verweise wegen des näheren auf seine Arbeit. Über die Bedeutung dieser Fasern ist schwer etwas zu sagen. Ich habe früher bei den Muskeln des Menschen solche eingestreute kleine Faserquerschnitte mit mehr scharfen Ecken eigentlich nur dann gefunden, wenn der Muskel mehr oder weniger atrophisch war. Ob man hier beim Frosche zu dieser Jahreszeit eine solche Atrophie annehmen kann, weiss ich nicht. Die schärferen Ecken der kleinen Fasern sprechen ja allerdings dafür, dass die „Protoplasmaspannung“ in ihnen nicht so gross ist wie in den sonstigen, grossen Fasern; denn trotzdem dass diese dicht aneinanderlagen, sich also wohl abplatten konnten, zeigten sie doch in bei weitem den meisten Fällen abgerundete Ecken. Diese kleinen Faserquerschnitte sind bei den Ausmessungen natürlich mit berück- sichtigt worden, da sie ja zu dem gesamten Querschnittsbilde gehören. Ähnliche kleine Fasern, die unvermittelt zwischen den grossen liegen, habe ich früher bei einem Muskel der Karausche gefunden, dem 1) Ph.-Knoll, Über protoplasmaarme und protoplasmareiche Muskulatur. Denkschr. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, math.-naturw. Klasse Bd. 58 S. 633— 700, mit 9 Tafeln. 1891. 2) J. Schaffer, Beiträge zur Histologie und Histogenese der quergestreiften Muskelfasern des Menschen und einiger Wirbeltiere. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, math.-naturwissensch. Klasse Bd. 102 Abt. 3. S. 7—148 mit 6 Tafeln. 1898. 380 P. Schiefferdecker: roten Längsmuskel der Mittellinie, doch waren die Konturen dieser Fasern rundlich !) (S. 163). Ich will auf diese kleinen Fasern hier nicht weiter eingehen. 2. Die Muskelkerne lagen bei sämtlichen Muskeln binnen- ständig, nur hin und wieder fanden sich randständige Kerne in ganz geringer Anzahl. Die Binnenständigkeit der Kerne ist also jedenfalls für den Froschmuskel charakteristisch und unterscheidet ihn wesentlich von den Muskeln derjenigen Tiere, die ich bis jetzt untersucht habe. Selbst bei der Karausche waren die Kerne bei den weissen Muskeln sowohl wie bei den roten im ganzen randständig, doch fanden sich bei beiden auch Binnenkerne. Diese waren dann bei den weissen Muskeln erheblich seltener als bei den roten. Auch bei den roten Kaninchenmuskeln waren die meisten Kerne randständig. Bei dem Flussneunauge habe ich, wie ich hier einer späteren Arbeit vorgreifend bemerken will, in den zentralen Rumpfmuskeln ebenfalls im wesentlichen binnen- ständige Kerne gefunden, während in den parietalen Rumpfmuskeln die meisten Kerne randständig waren, aber auch überall binnen- ständige vorkamen. 3. Sehr auffallend ist bei diesen Froschmuskeln die ausser- ordentlich geringe Menge des Bindegewebes, die ganz übereinstimmend bei allen hervortritt. Die erösseren Septa sind so dünn, dass eine Einteilung in Bündel auf dem Querschnitte des Muskels nur sehr unvollkommen sichtbar ist, nur in den dickeren Teilen dieser Septa tritt bei der Callejafärbung deutlich gefärbtes fibrilläres Bindegewebe, „fulkrales Bindegewebe“, wie ich es in meiner dritten Muskelarbeit genannt habe, hervor, und die Muskel- faserquerschnitte liegen übereinstimmend bei allen Muskeln dicht aneinander, nur durch ganz schmale Züge von „nutritivem Binde- gewebe“ voneinander getrennt; hin und wieder ist ein Bindegewebs- kern zwischen ihnen sichtbar. Aus dieser Übereinstimmung bei dieser Beschreibung der hier untersuchten Muskeln -— es sind bei einigen ja ganz leichte Schwankungen vorhanden — ging auch ohne weitere Messung hervor, dass die Menge des Bindegewebes im Verhältnisse zu der des Muskelgewebes bei den Froschmuskeln oder, genauer ausgedrückt, bei den Muskeln des hier untersuchten Frosches eine 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 381 ganz ausserordentlich geringe ist, weit geringer als bei den Muskeln, die ich bisher untersucht habe. Ich habe es daher auch gar nicht versucht, von den Froschmuskeln Übersichtsbilder über die Binde- sewebsverbreitung zu geben, wie ich das in meiner zweiten Muskel- arbeit getan habe. Es wäre doch vergeblich gewesen und auch kaum nötig, da eben alle hier untersuchten Muskeln in dieser Hinsicht einen fast übereinstimmenden Bau aufwiesen. Bei der Karausche, auch bei den weissen Muskeln derselben, welche weniger Bindegewebe enthielten als die roten, war doch immerhin mehr Bindegewebe vor- handen als hier; auch fanden sich grössere Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln. Im allgemeinen haben nach meinen bis- herigen Erfahrungen die weissen Muskeln weniger Bindegewebe als die roten, doch darf man hieraus natürlich einen Schluss auf die Froschmuskeln nicht machen. Auffallend ist es mir daher, dass Mayeda!) (S. 149) in seiner Arbeit bemerkt, dass in den Muskeln des Frosches das Bindegewebe eine ungleich grössere Rolle spielt als in den Muskeln der Maus. Er findet eine Übereinstimmung hiermit bei Rollett und verweist auf dessen Abbildung von einem Gastroenemius des Frosches und von einer entsprechenden eines weissen Kaninchenmuskels. Ich führe diesen Widerspruch mit meiner Beobachtung an, ohne in dieser Arbeit weiter darauf eingehen zu können. Mayeda hebt dann weiter hervor, dass die Querschnitte der Muskeln mit spärlichem Bindegewebe (bei Rollett) polygonale, dicht aneinandergedrückte Muskelfaserquerschnitte erkennen lassen, während die Muskelfasern in dem Querschnitte des Froschmuskels rundliche Felder zeigen, und betont, dass dies mit seinen Beobachtungen vollkommen übereinstimme. Hierzu möchte ich nur bemerken, dass ich schon in meiner ersten Muskelarbeit hervorgehoben habe, dass die Form der Muskelfaserquerschnitte ziemlich unabhängig zu sein scheine von der Menge des zwischen ihnen liegenden Bindegewebes, und bin damals gerade deshalb zu dem Schlusse gekommen, dass die Ursache für das mehr rundliche oder mehr eckige Aussehen der Muskelfaserquerschnitte in der Beschaffenheit der Muskelfasern selbst liegen müsse, und habe deshalb damals angenommen, dass die „Proto- plasmaspannung“ dieser in den verschiedenen Fällen verschieden gross sein müsse. Die Bilder, welche ich hier beim Frosche erhalten 1) R. Mayeda, Über die Kaliberverhältnisse der quergestreiften Muskel- faser. Zeitschr. f. Biol. Bd. 27, N. F. 1890; Bd. 9 S. 119—152, mit 2 Tafeln. 382 P. Schiefferdecker: habe, scheinen mir wiederum durehaus für diese Anschauung zu sprechen. 4. Ganz übereinstimmend ferner bei allen Muskeln ist die geringe Menge des elastischen Gewebes. Auch bei den Karausehenmuskeln war dieses in ganz geringer Menge vor- handen, und bei dem Flussneunauge fehlte es, wie ich hier vor- ereifend bemerken will, ganz. Sowohl beim Frosche wie bei der Karausche liegen die elastischen Fasern, soweit sie überhaupt vorhanden sind, in den diekeren Septen, in dem fulkralen Binde- gewebe. Auch bei den Kanincehenmuskeln war das elastische (Gewebe verhältnismässige nur in geringer Menge vorhanden, wenn auch immer noch weit stärker entwickelt als bei Karausche und Frosch, und hier waren es wieder die weissen Muskeln, die weniger elastische Fasern enthielten als die roten. Hier lagen die elastischen Fasern aber schon nicht nur in dem fulkralen Bindegewebe der breiteren Septen, sondern auch in dem nutritiven Bindegewebe zwischen den Muskelfaserquerschnitten. Bei der Karausche konnte man einen solchen Unterschied zwischen weissen und roten Muskeln nicht feststellen, wohl weil, wie ich damals schon hervorhob, die Menge des elastischen Gewebes sowohl bei den weissen wie bei den roten Muskeln eine so sehr geringe war. Ich muss es bis auf weitere Untersuchungen dahingestellt sein lassen, ob es vielleicht eine all- gemeine Eigenschaft der Muskeln von niederen Wirbeltieren ist, wenig elastisches Gewebe zu enthalten. Bei dem Flussneunauge, über das ich in einer weiteren Arbeit Näheres berichten werde, fand ich, wenigstens in den von mir untersuchten Teilen des Rumpfes, überhaupt keine elastischen Fasern. Jedenfalls ist das elastische Gewebe in den Froschmuskeln in so geringer Menge vorhanden, dass es auf die Funktion des Muskels einen Einfluss kaum aus- üben kann. "In denjenigen von mir bisher untersuchten Muskeln, welehe wenig elastisches Gewebe enthielten, trat es deutlich hervor, dass elastische Fasern hauptsächlich an solchen Stellen vorhanden waren, an denen eine grössere Menge von Bindegewebe sieh vorfand. Wo dickere Septa zwischen den Muskelbündeln vorhanden waren oder wo dünne Septa sieh verbreiterten, fand sich vielfach auch sofort elastisches Gewebe. An den Stellen, an denen Blutgefässe in den Septen liegen, pflegt die Dieke dieser zuzunehmen, und es tritt dann an diesen Stellen auch gewöhnlich deutlich. fibrilläres Bindegewebe, Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 383 fulkrales Bindegewebe, und elastisches Gewebe auf. Andererseits ergab sich aber aus den Muskeluntersuchungen auch mit Sicherheit, dass das elastische Gewebe in seinem Vorkommen im Muskel nicht abhängig ist von dem Vorhandensein des fulkralen Bindegewebes, sondern dass es gerade oft in grösserer Menge in dem „nutritiven Bindegewebe“ vorkommt, wie das die menschlichen und auch die Kaninchenmuskeln beweisen. In beiden Fällen würde es sich ja um Bindegewebe handeln, in dessen Grundsubstanz Fibrillen differenziert sind.. Bis zu einem gewissen Grade scheint also die Menge des elastischen Gewebes abzuhängen von der Menge des so differenzierten Bindegewebes Den grössten Einfluss auf die Ausbildung des elastischen Gewebes hat aber nach meinen Untersuchungen an den Muskeln zweifellos die „Spezifität des Gewebes“. Die Menge des vorhandenen elastischen Gewebes richtet sich eben ganz nach der spezifischen Beschaffenheit des Muskels, und spezifisch verschiedene Muskeln müssen natürlich auch spezifisch verschiedenes Bindegewebe enthalten. Ich habe in meinen früheren Muskelarbeiten zeigen können, so namentlich in der zweiten, dass das elastische Gewebe bei manchen Muskeln eine sehr bedeutsame Rolle spielen muss, und dies waren gerade Muskeln vom Menschen, bei denen man also gerade eine sehr hochgradige Differenzierung annehmen konnte. i 5. Wenn bei 16 Muskeln desselben Tieres, die aus den ver- schiedensten Gegenden des Körpers entnommen sind, eine solche Übereinstimmung des mikroskopischen Aufbaues besteht wie hier bei den Froschmuskeln, so sprieht das zunächst dafür, dass eine irgendwie weitergehende spezifische Differenzierung der einzelnen Muskeln nicht vorhanden ist. Dies würde dann für eine tiefe Stufe der Entwicklung bei den Froschmuskeln sprechen. Wie weit dieser Schluss berechtiet ist, wird indessen erst hervorgehen aus den Tabellen, welche die Messungsergebnisse für die einzelnen Muskeln enthalten. Ich will jetzt zu der Besprechung dieser Tabellen über- gehen, vorher aber erst noch eine übersichtliche Zusammenstellung der hier bearbeiteten Muskeln geben. Wie man aus nachstehender Tabelle ersieht, war die Anzahl der Kerne bei diesen Muskeln so gross, dass es für die Berechnung genügte, wenn von jedem Muskel 400 Fasern ausgemessen wurden. Das Material von 6400 Fasern und 22650 Kernen ist immerhin schon 384 P. Schiefferdecker: so gross, dass die Schlüsse, die man aus den Tabellen ziehen kann, als ziemlich sicher gelten können. - Zahl Zahl Slauıg (o3) \S)ole der Fasern , der Kerne Rectus abdominis... . 2... 400 1184 Transversus abdominis . . . . 400 1091 Sartorluse ee 400 1238 Pectoralis pars epicoracoidea . 400 1081 Anconaeus caput scapulare . . 400 1273 Tensor fasciae latae . ... . 400 1299 Gastrocnemiuse a u... 400 2233 Coraco-Radialisı : 2... 400 1572 Klexor earpi radialis®. 2.2... 400 1501 Anconaeus caput mediale . . . 400 1131 Pectoralis pars sternalis. . . . 400 1616 Deltoidesrn ea en re | 400 1172 Eroralise Zu ne 400 1932 Peetineust nen. en, 400 1202 Graciss 9. er 400 1703 Tibialis anterior longus. . . . 400 1392 | 6400 22650 In TabelleI und II (S. 385) sind die Zahlen für den „durch- schnittlichen Flächeninhalt eines Faserquerschnittes“ zusammengestellt sowie für das jedesmalige Maximum und Minimum. In Tabelle I sind die Muskeln dabei wieder in der bisher an- genommenen Reihenfolge, nach der Grösse der Kernlänge, geordnet, in Tabelle II dagegen sind sie angeordnet nach der Grösse ihres Faserquerschnittes. Diese letztere Tabelle ergibt also ein übersicht- liches und klares Bild über die Grössenverhältnisse der Fasern bei den einzelnen Muskeln. Aus den beiden Tabellen geht zunächst schon hervor, dass die Fasergrösse für jeden Muskel spezifisch ist, und dann, dass zwischen ihr und der Kern- länge eine Beziehung nicht vorhanden ist. Der Unter- schied zwischen der kleinsten Zahl für die Fasergrösse und der grössten ist verhältnismässig nicht besonders gross. Die Zahlen be- tragen 2559 qu (Transversus abdominis) und 5505 qu. (Coraco- Radialis), verhalten sich also etwa wie 1:2. Bei den sieben ver- schiedenen von mir in meiner zweiten Muskelarbeit untersuchten Muskeln des Kaninchens (soweit das eine Formoltier in Betracht kommt) lagen die Zahlen zwischen 367 und 1481 qu!) (S. 133, 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 385 Tabelle I. Rana esculenta. Flächeninhalt eines Faserquerschnittes im Durchschnitt, Maximum, Minimum in Quadratmikra. Grösse des Faserquerschnittes Name des Muskels Durchschnitt Maximum Minimum Beetusrablommis. ...... 27... ; 3790,68 7050 680 Transversus abdominis... . .» . 2558,61 5750 680 SARLORIUSB AB 4368,23 10480 1005 Pectoralis pars epicoracoidea . . . 2941,80 8290 425 Anconaeus caput scapulare. . . . 2910,35 8005 615 Tensor fasciae latae . ...... 3545,95 9935 710. Gast:ocnemiuse 5509,39 11650 1380 Oonatorkadhalsea ns ann. 4481,21 9210 | 1010 Rlexor carpi radialis. ..... - 3066,35 | | 610 Anconaeus caput mediale. . . . . 3968,69 | 8040 610 Pectoralis pars sternalis . . . . . 4587,20 8540 1005 Deltoidesr u a ne a, 3419,83 7650 860 ÖrRNAlISES eaeo 2968,86 6640 230 Beectinensten ee 3884,31 9920 320 Grarsiliis> wre Son ee 4053,09 9975 625 Mibralissanterior longus .... ... 4707,28 8370 1610 Tabelle II. Rana esculenta. Reihenfolge der Muskeln nach der Grösse des durch- schnittlichen Faserquerschnittes. Grösse des Faserquerschnittes Name des Muskels Durchschnitt | Maximum Minimum 1. Transversus abdominis . . . . 2558,61 5750 680 2. Anconaeus caput scapulare . . 2910,35 8055 615 3. Pectoralis pars epicoracoidea . 2941,80 SEN 425 A OLUTalNS Ce 2968,86 6640 | 230 9. Flexor carpi radialis ... . . . 3066,35 loan 610 DeDeltoides an na. 3419,83 7650 | 360 7. Tensor fasciae latae . ... . 3545,95 9985 710 8. Anconaeus caput mediale. . . 3568,65 8040 610 9. Rectus abdominis . ..... 3790,68 7050 | 680 IDpBechneus Euame. ! 3884,31 9920 | 320 ae Gracilisin en. un... 4053,09 gan \ 625 oe Sattoriusue nn heul. 368,23 10480 | 1005 om Gastrocnemius, 2. m .n. en 9210 1010 14. Pectoralis pars sternalis . - . 4587,20 8540 1005 15. Tibialis anterior longus. . . - 4707,28 8870 1610 02 &oraco-Radialisı 2 2.2.2... 5505,38 | 11650 | 1380 Tab. XX); der Unterschied war also weit grösser, etwa wie 1:4, Bei den Muskeln der Karausche!) (S. 168, Tab. XXXT) lagen die 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 38008 P. Schiefferdecker: Zahlen für die sechs Muskeln zwischen 261 und 627, Verhältnis etwa wie 1:2,4. Auch hier war der Unterschied noch etwas grösser, wenn auch bei weitem nicht so gross wie bei den Kaninchenmuskeln. Auch dieser verhältnismässig geringe Unterschied in der durehschnittlicehen Grösse der Muskelfasern zwischen den einzelnen Froschmuskeln spricht also zunächst für eine verhältnismässig geringe Diffe- renzierung. In ähnlicher Weise wie die Durchschnittszahlen ver- hielten sich bei den beiden oben angeführten Muskeln die Maximal- zahlen: 5750 qu bei dem Transversus abdominis und 11650 qu bei dem Coraco-Radialis. Auch hier ist das Verhältnis etwa wie 1:2. Es sind übrigens dieselben Muskeln wie bei den Durchschnittszahlen, die hier für das grösste Maximum in Betracht kommen. Es dürfte dies indessen mehr auf Zufall beruhen, denn wenn man bei den übrigen Muskeln die Maxima mit den Durchsehnittszahlen vergleicht, findet man kein konstantes Verhältnis. Sehr auffallend ist die sewaltige Grösse der Faserquerschnitte des Frosches im Verhältnisse zu den anderen bisher untersuchten Muskeln. Die grösste Zahl für die bisher untersuchten mensch- lichen Skelettmuskeln fand sich bei dem Deltoides des Mannes von 19 Jahren: Durchschnittszahl 1421 qu., Maximum 2625 qu!) (S. 71 Tab. XI), beim Zwerchfelle betrug die grösste Zahl bei dem Manne von 29 Jahren (Kroate) 1808 qu, Maximum 3215 qu?) (S. 373, Tab. D. Für die Kaninchenmuskeln betrug die grösste Zahl bei dem Semitendinosus des Formoltieres 1481 qu, Maximum 3410 qua!) (S. 168, Tab. XXXD. Das Alkoholkaninchen wies allerdings grössere Zahlen als das Formolkarinchen auf, doch habe ich damals schon hervorgehoben, dass die Muskeln dieses Tieres sich überhaupt abweichend verhielten. Das Flussneunauge hat, wie ieb hier einer später erscheinenden Arbeit vorgreifend erwähnen will, in den parietalen Fasern seiner Rumpfmuskulatur ebenfalls sehr grosse Fasern: Durchschnitt 1977 qu, Maximum 3460 qu, und noch weit grössere in seinen zentralen Muskeln, welch letztere sich aber überhaupt so abweichend verhalten, dass sie nur schwer mit den 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 2) P. Schiefferdecker, Untersuchung des Zwerchfelles auf seinen Bau und seine Kernverhältnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 337. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 387 Fasern der höheren Tiere verglichen werden können. Alle anderen bisher untersuchten Muskeln zeigten weit geringere Werte, so namentlich auch die der Karausche, bei welcher die dieksten Fasern nur die Zahlen 627 im Durchschnitte und 1390 qu im Maximum erreichten !) (S. 168, Tab. XXXI. Der Frosch hat also ver- hältnismässig sehr grosse Fasern. Recht interessant ist es, dass, wie mau aus Tabelle II(S. 385) leicht ersehen kann, die verschiedenen Abteilungen mancher Muskeln sich in bezug auf die Fasergrösse sehr wesent- lich unterscheiden. So haben die Fasern des Anconaeus caput scapulare eine durchschnittliche Grösse von 2910 qu, die des Anco- naeus caput mediale eine solche von 3569 qu. Die Maxima stimmen allerdings bei beiden Muskeln fast genau überein (8055 qu : 8040 qu); diese Maxima hängen aber, wie ich das schon mehrfach in meinen Arbeiten hervorgehoben habe, immer mehr oder weniger vom Zufalle ab. Ähnliches findet sich bei dem Pectoralis: hier hat die Pars epi- coracoidea Fasern von einer durchschnittlichen Grösse von 2942 qu, die Pars sternalis solche von 4587 qu, der Unterschied ist also ein sehr bedeutender. Dagegen nähern sich die Maxima einander wieder sehr (8290 qu und 8540 qu). Auch die beiden Bauchmuskeln sind sehr wesentlich voneinander verschieden: Transversus 2559 qu und Rectus 3791 qu; hier weichen auch die Maxima erheblich voneinander ab: 5750 qu: 7050 qu. Die Bedeutung dieser Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln ist ja vorläufig noch unbekannt und müsste erst durch eingehendere physiologische Untersuchungen festgestellt werden. Jedenfalls geht aus diesen Unterschieden zwischen deneinzelnen Abteilungen deroben genannten Muskeln aber hervor, dass dieselben als Muskeln von ganz ver- schiedener Bedeutung anzusehen sind, was, wie wir sehen werden, durch die weiteren Tabellen durchaus bestätigt wird. In Tabelle Illa u. b (S. 338—391) sind die Muskeln in Faser- gruppen zerlest, die ihrer Querschnittsgrösse nach, nach einer geometri- ‚schen Reihe mit dem Quotienten 1,5, in Gruppen angeordnet sind; für jede Gruppe ist dann die „Faseranzahl“ und „Faserwertigkeit“ 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. = = 081 a || m == 0° = = og 1 Eu = 0° | = Be oe ae rue rer = er = 78681 | 1S4CT—- 88801 965 oı | w "99, I s1 ol = a) = == = 070 | zo | 000602 | 9498 | 282079869 (2071) | est | son | ogfuaze | onen | caiss | vLiasde | GE | SET | T2Sııe | 0888 | 0028 | v6sgee | 1224 “69 -8I9F oh vr Frl | 681 (90°T) (FO'I) (0°) | (80T) 60er | Core | 18/6698 | 6085 | SLEe 6LLI6E | IS2E GeLs | SLöreE | CHF 3 Goer | 9rs9se | Zise LIIV-6L a { 691 a WI " (80. 7) (68.0) | 601) leo © rs | 0098 | Sarnen | 8501 | guLı | BrIdee | as | 0E8 | 08,995 | SE SLSL | 087898 | 1988 81068908 en) sg 51 | WW ge3g o (26,0) FIT) (20T) (66°0) 3 98 | ogist | sessgr | Orr | o0'Tı | ooeszı | Erigr | s2ee ee 088 | 002 | erigeze | otzı 8:08 6981 o v1 l = (Fo‘T) (0°7) = 808 | «8 | 69T | so | ST | Firzıı | oge | 186 018-181 YZ 32 32 32 (0) / 0 0 v Y 0 () lo M | 90 3Z IN %M | %3Z | jmw lo M | Yo 4Z 7 lo M | % 3Z IM om oddnın KEIN 1801 <=47 :004 = w9pro9B1091dd sıed “107994 Seal = NZ :007 =JZ SNLIOJIBS 1601 Seld: :00p- = yZ SIULWOPAB SNSIOASUBLL, 78 = 217.00, = 1Z stunwuop(e SNJ99Y, MOYSTIOMTISET pun [yezueaose I °(c'L 338 "U9JU9ZOLT UI "eıJI 911948, Ju9TJond)) AUTO AOOSLLPWOAS Ur WIISEL Op Sungorddnıg *eJuafn9s9 vuey 389 Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. | | = OST de = | = = 09T == FF oT eier 008 | OST | 0828601 — > == = © =. = — 1 — | — | peezr | 189eT—8geor ceIE | 00° | 06.8008 | 6EHL | Er’ | 00 So6HL 8 ee | oorsoes | so | «a0 | oo'coos | 998 | 2xeor-9269 681 IET sg I in) | (01T) (66.0) I6'se | szre | sung | zen | se | 089 | £ei9zıT | 087 se | Ele | er | 0007 | zstreor | ode | sag | 26er | oT 2408-6981 © srL sr oe | (T0°D) (10°D ® ri) Sul 827001 | SEO 0° ogz801 | 606 | 069 IP SHIT | 90€ | 008 96@L1T | OPII 8981-816 Rn) 110 | 0co | .00'09 = = = co | 008 | zreos | 990 | 058 | o«zıs 09, 216—809 2 mern Sa = = = == = = = = = 908 209-907 . = — = ee = == — TE = = = 888 07 —118 = = = = = = = = = = = > >= <88 0L3—-I8L yZ 2 an 5 3Z %oM | Yo JZ IN %oM | Y4IZ IN YAM | Yo IZ IN %oM | % JZ IN eneyn as LIT = NZ !00r = 37 99T — AZ !00F —JZ TEIL — NZ :00F =>3Z a ver EN SI9PIOYJO(T SI[EUAIJS sıed sma10y99 4 9eıpauı ınde) SNIBUOIUYV SITEIPEI td.ıed JOXO9L I "U9JU9ZOAT ur E = VOYSTJTIMIISET pun [yezueiose,g °(G*T Juorrond) IyULOY AOYISLIIPUO9S UT UIOSET dop sundgsrddnd, *eJuafnds9 wuery 5 'qIII sIToqeL 391 S 2 ze ze) = =. | = Ze = = en | _ gg ln 0 ln nee m U II m 2 m oem erPe eG Gem TEE Te Tremor EpeEIOR Eee Kieser SEE TI - = = = == = = = = = = = = vs6al | 18447 —- 88801 Se | age | ggsen ı 6er | 008 | sec | Or | sol | Yes) 7 = = 9E98 | LEEOI—-9869 8 S LET sel 88T ; 5 0) FED ’ (60°T) © srrsse | HH vL'189g | 80% 61'2098 00.TIeg | TLLG 669-8197 = rl sel 681 S (90.1) (66.0) u (80.1) 5 FI'C68E | S0'FE cHLlLE | See FELSLE 00.0888 | LY8E L19F 6208 S WI Es 2 0917 (ro'T) ogL (017) 5 s1'06%5 | 96el cro8ta | FIel IFFISZ 00.6185 | 19L 81088605 na rel 09T = (L6‘0) 0€1 (96:0) z 00'888T | ICE ge rL9T | 1er sl’aL91 00°98LT | OILI 808-6981 = aa SscT = > (90°T) (660) & = er ax = 9 | sed | oe | are | 002 | zrosıT | 655 | S@TT | 00g8IT | OrII Sea S ze nz 2 630 | 0 | ee | 6 | 0 | 0er I 090 | Ce | 00,684 09, 216809 = 2 Te = == = ze = 00 | «0 | ovorr | 850 | = 0°1 SIT == 0g1 1 = 0° | SET = 0° | 52 7 == SE = > E > 7 = = = v86cl 1894188801 005 | LO | 8650| SE | 006 , 81609. | 2 | a 3 | wire | 298 | co | 99989. | 9498 | 288079869 yes | 006 | sg | 6er | S | addn.ın GLIT AZ :007 37. | 919, — AZ :00u. = 32 | 1eIT = 37 :009 = 3Z | 10T = a7 :007 =3Z | BUN SOPLOIJOCT sıpeipea 1dıwd TOXOL A sıpeugs}s Saed SIWL0OA ofeıpou gundes snowuoauy “‘T yuorrond "HUTOY AOUOSLIJIWO9AS UT UIOSeT Op Sungorddndg [UEZUIOY 97NJosqY "EJuUHTnds9 vury "Q AI 911948 L 97 Q B) Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. Seh | Er üoie | ee Bee | oe en Ey = =, = TE Es Sr 22 = TE >= 78661 | 1SEST 88801 2 | Se | Egg. ste | 008 | seien: | 005 | aL | YET] — = = 9498 | 138079869 sl LET
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Um eine klare Übersicht zu ermöglichen, habe ich diese in Tabelle IVe in der Weise zusammengestellt, dass die untersuchten 16 Muskeln nach der Grösse ihrer Schlussverhältniszahlen, mit der niedrigsten beeinnend, angeordnet sind. Wie man sieht, liegen die Schluss- verhältniszahlen zwischen 1,16 und 1,36, man kann sie also leicht in drei Gruppen zerlegen: Von 1,16—1,22, von 1,23—1,29 und von 1,50—1,36. Tut man das, so findet sich, dass zu der ersten Gruppe 7 Muskeln gehören, zu der letzten 3, und dass auf die mittlere Gruppe 6 entfallen. Die Zahlen dieser letzteren 6 Muskeln liegen verhältnismässig nahe aneinander: zwischen 1,23 und 1,28. Mehrere Muskeln haben dieselben Zahlen. Die beiden Abteilungen des Peectoralis zeigen stark verschiedene Zahlen (1,18 und 1,24), die beiden Abteilungen des Aneconaeus mit 1,22 und 1,35 weichen Tabelle IVe. Absolute Kernzahl. I Gracliset. an a NT 1,16 2, N OKUrANSE Ne Ve N ee a7 3. Rectus abdeminise 0.20 a: 1,18 4. Rectoralis parsısternalist er 2a 1,18 5. Tensor-tasciae lataer nu ua ea. 1,21 6. Anconaeus caput mediale... ...... 1,22 21. Deltoides.. a ee an ei; 1,22 8. Coraco-Radialis - . .. ..- a es 1,23 9. Pectoralis pars epicoracoidea . ..».... 1,24 052 Gastrocnemiuser Wer er: 1,24 IE SSBectineuss... oe eenlaakte 1,24 VOR SArtOrIUS Hr N Be RUE 1,28 13S-lbiälis anterior longusa a 2 ou: 1,28 14 Rlexor. carpıirradialise en nee 1,93 15. Anconaeus caput scapulare . ....... 1,33 16. Transversus abdominis... . . RN 1,36 Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 399 ebenfalls sehr stark voneinander ab. Sehr niedrige Zahlen haben Graeilis, Cruralis und Rectus abdominis, sehr hohe Flexor carpi radialis, Anconaeus caput seapulare und Transversus abdominis. Die beiden Bauchmuskeln sind also mit 1,13 und 1,56 wieder sehr wesentlich voneinander verschieden. Da ich in dieser Arbeit nur die Muskeln eines einzigen Tieres untersucht habe, so konnte ich natürlich nicht feststellen, wie weit die hier gerade für die einzelnen Muskeln gefundenen Zahlen nur für dieses Tier charakteristische individuelle Abweichungen von einer Mittelzahl darstellen, welche für den Frosch an sieh charakteristisch gewesen wäre. Ich kann hier nur die für die einzelnen Muskeln gefundenen Zahlen direkt mit- einander vergleichen, und das genügt ja schliesslich auch, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, um die Verschiedenheiten der ein- zelnen Muskeln festzustellen. Wie man leicht sieht, liegen sämtliche Schlussverhältniszahlen mehr oder weniger weit unter der Mittelzahl (1,50), d. h. also: Bei allen Muskeln nimmt die Kernzahl bei steigender Fasergrösse verhältnismässig ab, in mehr oder weniger hohem Grade. Es stimmt dieser Befund durchaus: überein mit dem, den ich bei der Mehrzahl der bisher untersuchten Muskeln gemacht habe. Beim Kaninchen war es nur ein Muskel, der rote Masseter, bei dem die absolute Kernzahl stärker zunahm als das Mittel. Auch bei diesem Tiere waren die Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln recht bedeutend. Jeder Muskel ist eben spezifisch gebaut. Auch bei der Karausche überschritt nur ein Muskel, der rote Muskel der Brustflosse, die Mittelzahl um ein weniges, und auch hier waren wieder stärkere Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln vorhanden. In beiden Fällen besassen übrigens die hohen Zahlen solche Muskeln, die mehr oder weniger andauernd tätig sind. _ Man wird bei Betrachtung der Tabellen IVa und b mehr- fach feststellen können, dass die für die einzelnen Gruppen an- segebenen Zahlen für die absolute Kernzahl mehr oder weniger unregelmässig sind, insofern, als höhere und niedere Zahlen bei den aufeinander folgenden Gruppen eventuell durcheinander vorkommen. Dieselben Unregelmässigkeiten werden auch die folgenden Tabellen V und VI (S. 400—403 und 406—409) aufweisen. Der Grund für diese Unregelmässigkeiten ist natürlich der, dass die Menge der aus- gemessenen Fasern immer noch bei weitem zu klein P. Schiefferdecker 40f 20T — Den! | 20T ee RL KT 20% Are) el deln) = = = stor | == = er = tete 0L8—-181 zZ. EA Zoo EA AZ on IZ. al 32 In a2 m m z|ı 5 m | 32 m m | 32 | m an ea >= addn.ın) IS0L = AZ '007 —JZ 3831 —1Z !00P —JZ 1601 =3Z 007 =3Z2 | BIT = az 000 =ız | PN vOpIoI9B.I09Tda Ssavd ‘1094 SNIIONILS SIUTWOPIB SNSIAASULLT, sıuımopgqe SNY99Y *ISSOLZUIIN HINJOSqY : °(e‘f Ju91Jond) Ay AAYISLLIPAWOAS Ur WIOSET A9p Sundorddnıg eyuanaso wury "we A 9[l94®eL 401 Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 601 = 01 60° —. 1 Spehl 60T —E | 061 | 7 — 0° 1 | 98°IT | OCT | oc2s60L | — _ = — — = — F8681 | I8SGET - 88£01 E0IT | 00° | 068008 | Fer | us 1322 2E9 | ye 99 \c968 00° cv 00'008 | 9498 188019869 201 GET g0TI 98T g0°1 Sc (91T) (80T) (STD) (01T) (86‘0) (<6‘0) seoL | czLE | sing BET | S39E 6088 819 | «29T | 2,6088 ce) 00% 0Gzese | TITELS 6269-8197 s0‘I 9F1 L6°0 Ir 601 Ir 1 260 681 (11°1) (£0°T) (0) (90°T) (STD) (90T) (so D) (80°1) 926 | 0088 | 869865 | IE | Sure | Sons | 79% | 00f6E | one | 2E9 | osıe | eriels | 2r86 LIIV6LOE POL Gr 90.1 vol 86.0 Lv 10, I 71 (<0’D) (10T) (80T) (160) (00°7) (eo, nD) a0 D (907) gTL6 cE0L | 011298 La | are 0073 EBLE2 sr N) 898 | FICCIS “962 8L08-8208 801 66T 01 88 90T | 11 SIT rel (<0‘T) (#60) (8T‘D) (60°) | (801 (20.1) (FIT) (L6°0) 98 | 007 | 9CIS9I IE 007 Ges are | ogor | rn | ere | Guior | 2yasıı | DIL 22086981 | 060 9P°I (86‘0) (eo) 1 == == = Gr | 001 0601 I6r | us 9L’vOzL 209 036 98°6LT1 OFII SIET— E16 —E == a = —_ — Ist | 0 00° "062 09° e | 008 GIESEH 09, 316-809 — — _= = = — En — = == 90% 209-907 _ _ — = _ — — = — — _ = SEE c0F— 113 —_ _ — = —_ _ 2 = — — — — 026 01.3181 San YA zn 37 Elze 32 va, FZ nm me nn 2 = m oddn.ıg ZLIT=AZ 07 =JZ SERS — NZ "007 =JZ 6651 = 4Z :007 —3Z 121 = az 00° = JZ -PHIN SIJEIPU.I 098.10 SHIUYIUIOAFSEH Bye] 9BTJSL} AOSUQ L, 9aepnde9s anded SNIBUOYUV “(Zunzyps110J) EA 11a de], P. 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Schiefferdecker: ist, um sicher richtige, regelmässige Zahlen zu ergeben. Die Zahlen würden zweifellos weit regelmässiger geworden sein, wenn bei jedem Muskel die zehnfache Zahl der Fasern ausgemessen worden wäre oder noch mehr, aber solches gehörte zunächst in das Gebiet der frommen Wünsche, und ich hoffe und glaube, dass auch die vor- liegenden Ausmessungsresultate schon hinreichen werden, um uns wenigstens einen Einblick in die Verhältnisse dieser Muskeln tun zu lassen. Mir wäre es auch natürlich weit lieber gewesen, wenn eine weit grössere Anzahl von Fasern hätte ausgemessen werden können, aber das war unmöglich. In den Tabellen Va und b (S. 400—403) sind die Zahlen für die „Absolute Kerngrösse“ zusammengestellt, d.h. für die durch- schnittliche Querschnittsgrösse der Kerne. Hier liegen die Schluss- verhältniszahlen noch tiefer unter dem Mittel als bei der absoluten Kernzahl, d.h. also: Mit zunehmender Fasergrösse werden die Kernquerschnitte im Verhältnisse zu der Grösse des Faserquerschnittes immer kleiner. Ich habe hier wiederum zur leichteren Übersicht in Tabelle Ve (S.405) die Muskeln nach der Grösse ihrer Schlussverhältniszahlen in aufsteigender Reihe geordnet. Man erkennt leicht, dass die Zahlen hier sich nicht so stark unterscheiden wie bei derabsoluten Kernzahl, sie steigen von 1,04—1,11. Dementsprechend liegen auch durch- schnittlich die Zahlen der verschiedenen Muskeln dicht aneinander oder stimmen miteinander überein. So haben 2 Muskeln die Zahl 1,05, 5 Muskeln die Zahl 1,07, 3 Muskeln die Zahl 1,09. Vergleicht man die Tabelle Ve mit der Tabelle IVe, so erkennt man leicht, dass die Anordnung der Muskeln in den beiden Tabellen eine durchaus verschiedene ist. Die Beobachtung, dass die Kernquer- sehnitte mit zunehmender Grösse der Faserquerschnitte absolut grösser, relativ aber immer kleiner werden, und.die, dass die Unterschiede zwischen den Schluss- verhältniszahlen bei der Kerngrösse nicht so bedeutend sind wie bei der Kernzahl, habe ich bei allen bisher untersuchten Muskeln gemacht, es scheint sich hier also um allgemein gültige Gesetze zu handeln. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln waren allerdings bei den Kaninehenmuskeln und den Karauschenmuskeln etwas grösser, als sie es hier sind. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 405 Tabelle Ve. Absolute Kernmasse. le vansversusyabdominisr.. 2 a a a 1,04 2.. Anconaeus caput scapulare. ....... 1,05 Srkensorsfaseiae lataen.. „nun. a ee 1,05 Amkectussabdominisin...0 2... na 1,07 DEASALLORTUSE NAT Eee 1,07 6. Pectoralis pars epicoracoidea. ...... 1,07 Denconaeuss caput medialen = we en 1,07 OIEBECHNEUSEH sat ae en N 1,07 INROLACH IST Ren ehe Der ee 1,07 1072Mbyalistanteriorlongus. . „2... 2.5, 1,08 IKeeoraco-Radialse ats 2m 1,09 129 Gastrocnemiuse 0.0. en. a. 1,09 iSSKlexor.carperadialis. a... 2 wen 1,09 14 Bectoralis parsısternalis . . ... 0... 1,10 l9@Deltoidessrr se ur N es a Rs 1,11 16, Cruralise sat a De 1,11 Ich möchte hier gleich bemerken, dass die „Grösse des Kern- quersehnittes“ natürlich noch nicht maassgebend ist für die Grösse des ganzen Kernes, für diese ist eben auch die „Kernlänge“ von wesentlicher Bedeutung. Hierüber werden die späteren Tabellen noch Auskunft geben. Aus dem Vereleiche der Zahlen in den Tabellen IVe (S. 398) und Ve geht weiter hervor, dass die Querschnittsgrösse des Kernes mit der zunehmenden Grösse des Faserquer- sehnittes relativ weit stärkerabnimmtalsdie Kernzahl. Auch diese Beobachtung stimmt durchaus überein mit den Beobach- tungen, die ich bei den bisher untersuchten Muskeln gemacht habe. Wenn mit zunehmender Fasererösse sowohl die Kernzahl wie die Kernerösse verhältnismässig mehr und mehr abnimmt, so folet daraus, dass diegrösseren Fasern überhaupt verhältnis- mässig weniger Kernmasse besitzen als die kleineren. Diese soeben gemachte Feststellung tritt klar hervor in den Tabellen VIa und b (S. 406—409), welche die wichtigen Zahlen für die „Relative Kernmasse“ enthalten, d. h. welehe mir angeben, wie gross prozentualisch die Kernmasse in den einzelnen Fasergruppen ist, und wie sie sich bei zunehmender Fasergrösse verhält. Schon aus den absoluten Zahlen der einzelnen Gruppen geht klar hervor, dass die relative Kernmasse bei den kleineren Fasern nicht un- P. Schiefferdecker 406 80 ll ME 060 ee EH) 21.0657 | 50 — el EA — —_ = 680 ssm 7032| m horn 2 m 119m Rs BLST—= NZ :007 —JZ IHN SI[eIPeY-098109 8885 = AZ "008 =JZ SNIWIUIOASEH 661 = NZ :007 =IZ LIE] OBIISEH AOSUOAT, ELEL = NZ :007 >IZ arejndeas Jude) snaeuoauy -(SunzpsJ104) eIA 91[I9qeL > N Bd. 140. Pflüger’s Archiv für Physiologie. I8'0 EIN 350 ze os | 880 ze 060 =.1081 == =, Si en = ; RS SE ER Sr = == r86Gl H ISEEL-88E01 90 | ro eo KO | 006 | 82'609, 0 1888 |2LıH0L| 0r0 | Lo | ggigegı| 9e98 | 28801—-9869 | 0 | 006 |sgesos| GE ‘07 | TO9sec| HE | 0088 | so Tee) 080 | GeieL. sLoges| TLLE «269-8197 88°0 El E80 El 880 II 780 681 (66.0) (ETD) (06°0) ‚(60.1 (16.0) = «on (16°0) (80°D) ero | 0088 ar r6LE| 120 | 0808| 18/8068 eo | ooFe| vorossı “60 | 0068| 8y'zulg| Zr8E L197 6108 780 OFT 6L'0 IE 1 880 sel = (06.0) N) (820) „.. |(66‘0) 610 0E1 (820) (6.0) © 80 0°68 | Er FOL] 06 00°ST | &6/6648 a) “888 | vy'sste| SEI 298 | 000.83] 49°8 81068608 4 <80 LET L8‘0 rl 96.0 LET © (8:0) (960) (06‘0) «on 0 Gr (90°1) (07,1) = so | sg [ecigazı| 30T | 8 | set 9 | 000L| LET | 0 | SEIT 26SeLt| OLLL 05-6981 © 76.0 SpI 880 Sy Be ! 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Gastrocnemius . Be . Tibialis anterior longus. . Pectoralis pars sternalis 9. Sartorius INGE. SOSE 10. Anconaeus caput scapulare . 11. Coraco-Radialis . 12. Deltoides . DSL 3. Pectoralis pars epicoracoidea . 14. Transversus abdominis . 15. Flexor carpi radialis . 16. Cruralis . A DOOO AI HHEnU nor or He HOooooo2o2o290200202020020200 AISTRUWORRIUHWDOor“ Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta et. 42] weit voneinander getrennt (0,64 und 0,88), ebenso die des Anconaeus (0,53 und 0,69). Sehr weit auseinander liegen die beiden Bauch- muskeln: Recetus abdominis 0,45, Transversus abdominis 0,93. Von den menschlichen Muskeln, die ich bisher untersucht habe, hatte die höchste relative Kerumasse der Reetus oceuli superior, hier lagen die Zahlen bei den einzelnen Menschen zwischen 2,34 und 4,17 !) (S. 50, Tab. VII). Bei dem Deltoides war die relative Kernmasse bei den beiden untersuchten Männern 0,99 und 1,045. Bei dem Pectoralis des letzteren Mannes betrug sie 1,02, bei dem Biceps 1,01, bei dem Serratus anterior 1,39. Die Zahlen für die drei ersten Muskeln stimmten also genau überein, die Zahl des letzteren war höher!) (S.91, Tab.XVII). Bei dem Levator palpebrae superioris betrugen die Zahlen bei den beiden Erwachsenen 0,70 und 0,78%) (S. 214, Tab. XLIX); die Zahlen für die relative Kern- masse schwankten also bei den menschlichen Muskeln zwischen 0,70 und 4,17, also auch sehr bedeutend. Bei den weissen Kaninchenmuskeln!) (S. 150, Tab. XXV]I) lagen die Zahlen zwischen 0,78 und 0,91 (bei dem Formoltiere), bei den roten Muskeln zwischen 1,94 und 2,33 (bei dem Formoltiere). Die roten Muskeln hatten also bedeutend höhere Zahlen als die weissen, d. h. sie arbeiteten mit mehr Kernmasse. Bei den Karauschen- muskeln waren die Zahlen für die relative Kernmasse bei den weissen Muskeln 0,68 und 0,94, bei den roten Muskeln lagen sie zwischen 0,41 und 1,04. Der bei den Kaninchenmuskeln so stark hervortretende Unterschied in der Höhe der relativen Kernmasse zwischen den weissen und den roten Muskeln war hier also nicht vorhanden; dagegen traten hier grosse Verschiedenheiten zwischen je den einzelnen roten und weissen Muskeln hervor, Unterschiede, die freilich noch nicht zu deuten waren. Bei dem Sartorius des Hundes!) (S. 256, Tab. LVII) war die relative Kernmasse sehr niedrig: 0,58 für den normalen Muskel und 0,24 für den in Aktivitäts- hypeıtrophie befindlichen. Ich habe schon oben bei der Besprechung der Kernzahl hervorgehoben, dass bei dem trainierten Sartorius «die Anzahl der Kerne sich etwa auf den dritten Teil verringert hatte, während das Kernvolumen im Verhältnisse von 1:1,23 zugenommen hatte. Daher dann die niedrige Zahl für die relative Kernmasse, 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 492 P. Schiefferdecker: bei der noch in Rechnung zu ziehen ist, dass die Muskelfasern hypertrophiert waren. Beim Zwerchfelle!) (S. 390, Tab. VI) betrug die relative Kernmasse bei den meisten Erwachsenen zwischen 0,97 und 1,05, entsprach also ungefähr der der Skelettmuskeln des Menschen; nur bei den beiden kräftigen Männern stieg sie auf 1,34 und 1,29, und bei dem Hunde betrug sie 1,37. Aus den mit- geteilten Zahlen geht hervor, dass die Zahlen für die relative Kernmasse des Frosches verhältnismässig niedrig sind. Sie erinnern noch am meisten an die der Karausche. Beim Neunauge fand ich bei den beiden Faseraıten der Rumpf- muskulatur, wie ich hier, einer späteren Arbeit vorgreifend, mitteilen will, für die zentralen Muskelfasern die Zahl 1,02 und für die parietalen Muskelfasern die Zahl 1,52. Beide Zahlen erinnerten also durchaus an die der höheren Tiere und des Menschen und waren hoch im Verhältnisse zu den Zahlen des Frosches. Es geht also nicht an, zu sagen, dass niedrige Zahlen für die relative Kern- masse charakteristisch seien für niedriger stehende Tiere, sondern es sind diese Zahlen augenscheinlich ganz verschieden je nach der Art des Muskels. Mit den geringen Zahlen für die relative Kern- masse beim Frosche stimmte es ja einigermaassen überein, dass auch aus den Kernfaserzahlen hervorging, dass bei diesem Tiere die Anzahl der Kerne im Verhältnisse zur Dicke der Fasern eine verhältnis- mässig geringe war. Doch kommt ja für die relative Kernmasse ausser der Zahl der Kerne auch noch das Volumen derselben wesentlich in Betracht. In Tabelle XII (S. 423) habe ich die Zahlen für die „‚Kern- länge“ und für das „Kernvolumen“ zusammengestellt, und zwar sind in dieser Tabelle die Muskeln wieder geordnet nach der durch- schnittlichen Kernlänge. Ich habe in meinen früheren Arbeiten immer wieder hervorheben können, dass die „Kernlänge* ein sehr wichtiges . Maass darstellt, das als ganz spezifisch für die einzelnen Muskeln anzusehen ist, so spezifisch, dass es schon bei den Embryonen des vierten und fünften Monates in der späteren richtigen Grösse hervortritt, und bei den Erwachsenen nur ganz geringe individuelle Unterschiede erkennen lässt. Wie aus Tabelle XII hervorgeht, beträgt die niedrigste Zahl, bei dem Rectus abdominis, 20,64 u, die höchste Zahl, bei dem MeB: Schiefferdecker, Untersuchung des Zwerchtelles auf seinen Bau und seine Kernverhältnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 337. ; Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 423 Tabelle XI. Rana esculenta. Kernlänge, Maximum, Minimum, Kernvolumen, DK: LK, Kernlänge Kan: Name des Muskels Durch- Maxi- Mini- | volumen | DK:LK schnitt mıum mum u u u ku 1. Rectus abdominis . . 20,64 30,00 14,00 114 1: 7,8 2. Transversus abdominis 21,46 28,00 14,00 189 1:6,4 SESALLOTIUSEHH Sr. 21,56 23,00 16,00 202 1262 4. Pector. pars epicor.. . 21,60 28,00 14,00 208 1:62 5. Anconaeus caput scap. 22,44 30,00 | 16,00 143 22:9 6. Tensor fasciae latae . 23,12 28,00 | 16,00 133 1:72 7. Gastroenemius . . . . 23,44 32,00 | 18,00 104 1: 9,8 8. Coraco-Radialis . . . 24,28 32,00 20,00 250 6 9. Flexor carpi radialis . 25,44 38,00 | 18,00 206 170.93 10. Anconaeus caput med. 25,60 32,00 18,00 172 1:8,8 11. Pectoralis pars sternalis 26,00 | 36,00 20,00 190 ET PMeltoideser. .. . u. 26,12 | 38,00 20,00 230 12:07 Bsatruraliser 2.1. 20. 26,32 | 36,00 18,00 206 1:8,2 MSPectmeus 2... 2... 26,52 | 36,00 13,00 150 1:9,8 SeGraeliser ec ee; 28.68 | 3800 | 20,00 137 E65 16. Tibialis anterior longus 30,48 | 46,00 | 20,00 234 1:9,8 | Tibialis anterior longus, 30,48 «, der Unterschied beträgt also 50°%o, das ist für ein so konstantes und wichtiges Maass ein sehr bedeutender Unterschied, der auf eine starke Differenzierung der Muskeln hinweist. Vergleicht man die Reihe der Maxima, so sieht man, dass diese im allgemeinen auch eine ansteigende ist, dass aber immerhin dieses Ansteigen nicht gleichmässig vor sich geht; dasselbe gilt für die Minima. Es darf dies auch nicht wundernehmen, da sowohl die Zahlen für die Maxima wie die für die Minima doch recht zufällige sind, je nachdem man zufällig das Glück hat, bei dem Durchsehen der Präparate besonders grosse oder besonders kleine Kerne anzutreffen. Die eigentlich wichtigen Zahlen sind natürlich nur die Durchschnittszahlen. Auch aus dieser Tabelle erkennt man wieder. dass die beiden Teile des Pectoralis ganz verschiedene Muskeln sein müssen, da ihre Kernlängen deutlich voneinander verschieden sind (21,60 « und 26,00 u); dasselbe gilt für die beiden Köpfe des Anconaeus (22,44 u und 25,60 «), die beiden Bauch- muskeln liegen hier allerdings ganz dicht zusammen: 20,64 « und 21,46 u. Vergleicht man mit den Durchsehnittszahlen für die Kern- länge die Zahlen für DK:LK in der letzten Kolumne der Tabelle, so sieht man, dass die längsten Kerne im allgemeinen wohl aueh die schlanksten sind; doch findensich auch Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 28 4924 P. Schiefferdecker: Ausnahmen. Es scheint danach aber doch, dass im allgemeinen die Querschnittserösse der Kerne weniger stark verschieden ist als die Länge. Die Bedeutung der Kernlänge für die Funktion der Muskeln ist bis jetzt noch durchaus dunkel. Ich werde am Schlusse dieser Arbeit versuchen, die sämtlichen hier untersuchten Muskeln in bezug auf ihre Kern- und Faserverhältnisse zu charakterisieren. Ich hoffe, dass es dann verhältnismässig leicht sein wird, bei Unter- suchungen über das physiologische Verhalten der Muskeln Schlüsse auf die Bedeutung der hier besprochenen Kern- und Faserverhältnisse zu ziehen und so allmählich über den Aufbau der Muskeln ins Klare zu kommen. Vergleicht man die hier bei dem Frosche gefundenen Zahlen für die Kernlänge mit denen, die für die anderen bisher von mir untersuchten Muskeln gefunden worden sind, so sieht man, dass der Frosch ganz ausserordentlich lange Kerne besitzt. Die Zahlen für die menschlichen Augenmuskeln schwankten bei den Erwachsenen zwischen 10,68 und 12,30 u, die für die menschlichen Skelettmuskeln zwischen 11,90 und 15,60 u!) (S. 282 und 283, Tab. LX). Bei dem Kaninchen schwankten sie, bei den Muskeln des Formoltieres, bei den weissen zwischen 13,77 und 17,67, bei den roten zwischen 11,23 und 14,92 u!) (S. 282 und 283, Tab. LX). Die Kerne für das Zwerchfell des Menschen hatten etwa eine Länge von 13—14 u?) (S. 402, Tab. VIII) und die des Sartorius des Hundes eine solche von 11—12 u!) (S. 282 und 283, Tab. LX). Bei weitem die kürzesten Kerne besass die Karausche in den roten Muskeln, bei denen die Zahlen zwischen 8,50 und 8,25 u lagen, während die weissen Karauschenmuskeln Kerne von 12,80 und 14,10 u Länge besassen !) (S. 282 und 285, Tab. LX). Alle diese Zahlen bleiben ganz erheblich zurück hinter denen des Frosches, die ja zwischen 20 und 30 « liegen. Ähnlich lange Kerne habe ich bis jetzt nur gefunden in den zentralen Muskelfasern der Rumpfmuskulatur des Flussneunauges, bei denen die Durchschnittszahl 19,50 u betrug, das Maximum 30,00 u und das Minimum 10,00 u. Weit kürzer waren die Kerne der 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 2) P. Schiefferdecker, Untersuchung des Zwechfelles auf seinen Bau und seine Kernverhältnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 337. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta et. 495 parietalen Rumpfmuskulatur desselben Tieres mit 9,18 « im Durch- sehnitte, 14,00 « im Maximum und 6,00 « im Minimum. Auch hier war dann wieder bei den langen Kernen der Querschnitt verhältnis- mässig klein, so dass DK:LK sich verhielt wie 1:9,37, während die kurzen Kerne verhältnismässig dick waren: DK:LK wie 1:2,50. Auch bei diesen Zahlen tritt es also wieder deutlich hervor, dass die Kernmaasse augenscheinlich ganz spezifisch für den betreffenden Muskel sind und wenigstens nieht ohne weiteres von der Stellung des Tieres in der Tierreihe abhängen. Die bedeutende Kernlänge der Froschmuskeln fällt auch bei der Betrachtung des mikroskopischen Bildes sofort auf; ebenso sieht man leicht, dass diese langen Kerne, falls die Kernkörperchen überhaupt deutlich hervortreten, gewöhnlich mehrere solche enthalten. Es wird dieses wohl mit der bedeutenden Länge der Kerne zusammen- hängen. Wie aus Tabelle XII weiter hervorgeht, schwanken auch die Zahlen für das „Kernvolumen“ bei den Frosehmuskeln recht wesentlich. Ich habe, um dieses Verhalten noch deutlicher hervor- treten zu lassen, in Tabelle XIII (S. 426) die Muskeln wieder nach der Grösse ihres Kernvolumens geordnet. Während der Gastroenemius ein Kernvolumen von 104 ku besitzt, hat der Coraco-Radialis ein solches von 250 ku, also das 2'/afache des ersteren. Die beiden Bauchmuskeln, die ihrer Kernlänge nach dicht zusammen lagen, unterscheiden sich ihrem Kernvolumen nach recht bedeutend (114:189 ku), was natürlich zurückzuführen ist auf die Verschiedenheit des Kernquerschnittes bei den beiden Muskeln; betrug doch DK:LK bei dem einen 1:7,8, bei dem anderen 1:6,4. Man sieht, dieses Zahlenverhältnis prägt sich, wie es ja auch selbst- . verständlich ist, im Kernvolumen wieder deutlich aus. Auch in dieser Tabelle finden sieh wieder einige Muskeln, die in bezug auf die Grösse ikres Kernvolumens einander nahe stehen; im ganzen handelt es sich aber doch um eine allmählich aufsteigende Reihe. Ich habe in meinen früheren Muskelarbeiten zeigen können, dass das Kernvolumen bei dem Erwachsenen im ganzen auch als eine spezifische Zahl anzusehen ist. So lagen die Kernvolumina des menschlichen Reectus oeceuli superior in den vier unter- suchten Fällen etwa um 100 ku herum, bei gen beiden Deltoidei zwischen 93 und 96 ku, fast ebenso hoch bei Peetoralis major 28 * 426 P. Schiefferdecker: (93) und Biceps (97), während der Serratus mit 106 ku etwas höher stand!) (S. 282 und 283, Tab. LX). Das Kernvolumen des Levator betrug nur 54—68 ku!) (S. 282 und 283, Tab. LX). Beim Zwerchfelle lagen die Zahlen zwischen 66 und 92 ku; nur der Muskel des Kroaten stieg auf 143 ku?) (S. 402, Tab. VII). Bei den weissen Kaninchenmuskeln lagen die Zahlen zwischen 55 und 86 ku, bei den roten zwischen 88 und 129 ku. Bei den weissen Karauschenmuskeln zwischen 34 und 38 ku, bei den roten zwischen 13 und 39 ku!) (S. 282 und 283, Tab. LX). Beim Neunauge betrug, wie ich wieder vorgreifend bemerken will, das Kernvolumen der zentralen Rumpfmuskeln 66, das der parietalen 97 ku. Wir sehen also, dass das Kernvolumen bei den Froschmuskeln verhältnismässig recht hoch ist: Die niedrigsten Zahlen der Froschmuskeln entsprechen etwa den höchsten der Muskeln der von mir bisher untersuchten Wesen. Tabelle XII. Rana esculenta. Muskeln, geordnet nach der Grösse des Kernvolumens. l:4Gastrocnemiusie. are. le ar 104 ku 2a Rectussgabdominiswre en ee: 1147, Slensorstascıaerlatae ram 133 „ ANGTacHis ee ER ee are." 5. Anconaeus caput scapulare. ...... 143 „ 6.uPectineuse, Iran Bee: 150 „ 7. Anconaeus caput mediale ....... 12, 8. Transversus abdominis... » 0.2... SIE 9. Pectoralis.pars sternalis.. .. 2... 190 „ 10.2 Sarto.luse 2. N a a ER: 202, „ 11. Blexor&carpir.radialisa Paz ee en 2002, 19. 1xCruralist rn Een 206 „ 13. Pectoralis pars epicoracoidea. .... .- 208 „ I4. Deltoidesye .... 2... ng re 230 ,„ 15...Tibialiszanteriorelongusera or 2. u, 224 „ 16..GCoraco-Radıalisı es Sa. er 250 „ Wir finden also in den Frosehmuskeln verhältnis- mässig wenige und dabei grosse Kerne und eine ver- 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 2) P. Schiefferdecker, Untersuchung des Zwerchfelles auf seinen Bau und seine Kernverhältnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 337. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta et. 497 hältnismässig geringe Zahl für die relative Kern- masse: Die Froschmuskeln sind also anzusehen als verhältnismässig kernarme Muskeln, als Muskeln, die verhältnismässig wenig Kernmasse besitzen, und bei denen diese Kernmasse auf verhältnismässig grosse Kerne verteilt ist. Es spricht dies dafür, dass der Stoffwechsel in ihnen ein langsamer, ist und dass in- folgedessen wohl auch die Energie der Muskeltätig- keit eine verhältnismässig geringe ist. Das ungünstige Moment, das in der Verteilung der an sich schon geringen Kern- masse auf wenige und verhältnismässig grosse Kerne liest, wird allerdings zu einem Teile wieder semildert dadurch, dass die Kerne im Verhältnisse zu ihrer Dicke recht lang sind; denn je weiter der Kern sich von der Kugelgestalt entfernt, um so grösser wird seine Oberfläche im Verhältnisse zu seinem Inhalte. Je stärker aber dieses Verhältnis ausgeprägt ist, um so leichter wird ein chemischer Aus- tausch zwischen Kern und Faser stattfinden, um so grösser wird also der Einfluss des Kernes auf die Faser werden. Wir werden daher annehmen können, dass diejenigen Muskeln, die verhältnismässig lange und schmale Kerne besitzen, einen stärkeren inneren Stoffwechsel aufweisen werden als diejenigen, welche verhältnismässig kurze und dieke Kerne besitzen. Auch dass die langen Kerne meist mehrere Kernkörperchen besitzen, darf man hierbei nicht unberücksichtigt lassen, denn nach den zurzeit vorliegenden Unter- suchungen scheint es, dass auch die Kernkörperchen für den Stoffwechsel des Kernes und der Zelle von nicht un- wesentlicher Bedeutung sind. Daher fanden sich ja auch, wie ich das in meiner zweiten Muskelarbeit besonders hervorgehoben habe, stets Kernkörperchen in solehen Kernen, die durch ihre Lage in Kernreihen erkennen liessen, dass sie im Vermehrungsprozesse begriffen waren, oder dass sie wenigstens eben durch einen solchen entstanden waren, während in den sonstigen, mehr im ruhigen Gleich- gewichte befindlichen Kernen die Kernkörperchen vielfach fehlten, In Tabelie XIV (S. 428) sind die „modifizierten Kern- zahlen“ und die Zahlen für die „aesamtkernmasse“ zusammen- gestellt. Die Muskeln stehen wieder in der ursprünglichen Grund- anordnung. Wie man im Vergleiche mit Tabelle VII erkennt, haben sich die Kernzahlen, zum Teil wenigstens. nicht unwesentlich ge- 428 P. Schiefferdecker: ändert. Es liegt das eben daran, dass die Kerne der verschiedenen Muskeln doch recht verschieden lang waren. Infolgedessen haben diejenigen Muskeln, welche sehr lange Kerne besassen, kleinere Zahien bekommen, und umgekehrt diejenigen, welche kurze Kerne besassen, grössere; am wenigsten sind natürlich die Zahlen derjenigen Muskeln verändert worden, deren Kerne eine mittlere Länge besassen. Im ganzen sind die Zahlen für die verschiedenen Muskeln nicht sehr stark voneinander verschieden; auch bei der „absoluten Kernzahl“ in Tabelle VII war das ähnlich. Die Grösse der Faserquerschnitte schwankte ja auch nicht sehr bedeutend, im Maximum um das Doppelte. Tabelle XIV. Rana esculenta. Modifizierte Kernzahlen und Gesamtkernmasse. r f Modifizierte Gesant- Name des Muskels Kernzahlen | kernmasse 1. Rectus abdominis. 3,59 402,42 2. Transversus abdominis 3,12 589,68 32 ArtorIUsE MN ne: 3,93 713,06 4. Pectoralis parsepicoracoidea 3,07 638,56 5. Anconaeus caput scapulare. 3,90 500,50 6. Tensor fasciae latae. ... . 3,46 460,15 7. .Gastrocenemiuse nu. 5,86 609,44 8. Goraco-BRadialis..n.n. 2... BIN 992,50 9. Flexor carpi radialis .. . . 3,63 741,78 10. Anconaeus caput mediale . 2,12 461,84 . 11. Pectoralis pars sternalis . . 3,61 685,90 12.2 Deltoides.w..... 0.00 en 2,76 634,80 3. Cruralisen es SR: 4,92 931,12 1AyeBectineusernr rue 2,19 413,50 ISGracliseree ns Nee 3,65 500,05 16. Tibialis anterior longus . 2,81 657,54 Bei den Zahlen für die „aGesamtkernmasse“ ist die Grösse des Kernvolumens berücksichtigt worden. Die Zahlen sind ja da- durch erhalten, dass das Kernvolumen mit der modifizierten Kern- zahl multipliziert wurde. Diese Zahlen haben hier bei dem Ver- gleiche der verschiedenen Muskeln miteinander nur wenig Bedeutung; sie werden erst wichtig, wenn man verschiedene Exemplare desselben Muskels, die sich in verschiedenen Zuständen befinden, miteinander vergleicht. Ich habe sie hier nur der Vollständigkeit wegen auf- geführt. Die Zahlen für die „modifizierten Kernzahlen“ und für die „Gesamtkernmasse“ sind relative Zahlen und gelten nur für die gerade miteinander verglichenen Muskeln. Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. I L GL HH IT 01 Be 2) (25‘0) (8'6: 7) 0s er (68'0) (so‘T) T 9 1 T <ı (Fol) Ka) (8°6:D (£ 208: D (060) (60°D) oT H % GL I ) (308) (99°0) (39:1) (00FL:T) (06'0) (L0‘D f : gL f) L 6, (LED (080) (GEIT:D) (196: 1) (£8'0) (201) 9 Rd TI el or s (0STD) (Fr) (86:1) (6631 : 1) (68°0) (20°D & 12 Q 8 17 : (SED) (39'0) (34:1) (0601: 1) (80) (so) I gI 07 L ) 91 (90%) (227) (38:7) (TI: D) (98°0) (ED) os SI D I g v (FIl) (870) (2:1) (0831: 1) (G8‘0) (207) S HI @ G 9I I (68T) 860) (#9: 1) £6:D (660) (r0'I) 161 CI 6 & FI &L (908) (66'0) (62: (sI8:D) (06‘0) (60°7) 9L II v 9L 6 IL (0€2) (810) (19:1) (00FT :D) (68'0) (601) L q I I Sg 8 (s.D) 840) (88:1) (1981: 1) (880) (20'D q 01 Ss F I % (&FT) (69'0) (62:1) (SI6:D) (76‘0) (oT) HI «I 9 01 6 I (083) (620) a) (0LIT:D) (F8'0) (111) 6 8 II 6 G Hl (061) (790) (18:71) (0EIT: ID) (980) (01T) el el I L L ) (808) (88‘0) (39:7) (0607 : I) (880) (20°7) DR X x EXT DIA 'ZAS DA Zu8 u9wumfoA ISSBLULUIOM 1 x sa 14®Z ISSBLUUIOM 9SSOAOULOM -UI9 7 MToSsqY er z -19SPJuUAOM ER SEM "AX 91199®L (in) oe) \ “ * -8nBU0L AOLISJUB SIIEIALT, in) en, hr a TUToDONISEN) Ei ei 5 ee anens (rer) er e) \ "2° 9eye[ O8Ioser JOSUo], um (6962) j len ein) ao |p ; ; wopas snoaı on ( \ Zune - SIULWOPAL SNSIOASUELT, a) (oüne) \ 2° sıperpet dad TOXO( (ea) | SURIpE-oDun0g er (0: \ * -ojeıpour Indea snoguoauy a) (iR) \ ° oaejndeos nude) snowuoauy ee) (0.0) ji N ei on \ x 4 SITEUADYS sıed SI[EA0I99 1 un ee \ BOpLo9R.L091dd sıvd sı[e10799I DAL ZAg I jyezuy 9880.18 spoy]supf sop 9weN an: al -10SC. J 430 P. Schiefferdecker: In Tabelle XV (S. 429) habe ich dann versucht, eine Zu- sammenstellung der charakteristischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Muskeln zu geben, um eben jeden Muskel kurz und doch deutlich allen andern gegenüber zu charakterisieren. Als charakteristische Grössen sind hierzu verwendet worden: 1. die „Fasergrösse“ (Tab. ID), 2. die „Scehlussverhältniszahlen“ (Svz.) der „absoluten Kern zahl“, der „absoluten Kerngrösse“, der „relativen Kernmasse“ (in den Tab. IVe, Ve, VlIe), die „Kernfaserzahl“ (Tab. IX), das Verhält- nis DK:LK (Tab. X), die „relative Kernmasse* (Tab. XD), das „Kernvolumen“ (Tab. XI). In den einzelnen Kolumnen für diese Grössen sind dann jedesmal die Zahlen eingetragen (die fett gedruckten Zahlen der unteren Reihe), welche die Stelle angeben, die der Muskel in der betreffenden Tabelle einnimmt. Man kann aus diesen Zahlen sofort erkennen, eine wie niedrige oder wie hohe Stellung der Muskel in der betreffenden Tabelle einnimmt, und man kann so, wenn man die in der gleichen Reihe stehenden Zahlen miteinander im Geiste verbindet, sich wenigstens ein ungefähres Bild von dem gesamten Aufbaue des Muskels schnell im Kopfe entwerfen. Diese Zahlen würden nun dadurch eventuell zu einer Täuschung Veranlassung geben können, als mitunter, wie ich das bei den einzelner Tabellen oben schon hervorgehoben habe, mehrere Muskeln dieselben Zahlen aufweisen und dabei dennoch eine andere Zahl für ihre Stellung erhalten müssen. Um eine solehe Täuschung auszuschliessen,. und um eleichzeitig es dem Leser zu ermöglichen, die Grösse des Unterschiedes zwischen den einzelnen Muskeln rasch festzustellen, sind die Zahlen aus den Tabellen in Klammern über die Hauptzahlen herübergeschrieben. So ist es erreicht worden, dass diese Tabelle eine schnelle Übersicht eibt und doch gleichzeitig auch für einen genaueren Vergleich aus- reicht. Ich hoffe daher, dass diese Tabelle sich für jeden als praktisch erweisen wird, der z. B. bei physiologischer Untersuchung, sich schnell über den Charakter der einzelnen Muskeln orientieren will. Es wird nun aber auch darauf ankommen, diese hier anatomisch untersuchten Muskeln physiologisch genau zu untersuchen, um auf diese Weise die Bedeutung der hier gefundenen morphologischen Unterschiede für die Funktion des Muskeis festzustellen. Ich habe schon in meiner ersten Muskelarbeit hervorgehoben, dass man sich die Zahlen für die einzelnen für den Muskelaufbau wichtigen Grössen auch als Farben denken könnte, die man ihrer Grösse. entsprechend als Sektoren Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 431 auf einen Farbenkreisel auftragen würde; dann würde durch die Mischung dieser Farben bei der Drehung des Kreisels ein bestimmter Farbenton entstehen, der für den betreffenden Muskel charakteristisch wäre. Diese Tabelle XV stellt uns gewissermaassen einen solchen Farbenkreisel dar, dessen Sektoren, deren Grösse durch die Zahlen ausgedrückt wird, wir im Geiste zu einem Gesamtbilde vermischen können, zu einem Gesamtbilde, das eben für den betreffenden Muskel charakteristisch ist. Ich habe oben bei der Besprechung des mikroskopischen Bildes auf S. 378 ff. (ich mache auf diese Besprechung hier noch besonders aufmerksam) darauf hingewiesen, dass das mikroskopische Bild für die sämtlichen hier untersuchten Muskeln se übereinstimmend war, dass man daraus den Schluss ziehen konnte, dass eine Differenzierung dieser Froschmuskeln kaum vorhanden war. Ich machte aber damals schon darauf aufmerksam, dass man erst die Resultate der Aus- messungen abwarten müsse, um hierüber ein einigermaassen sicheres Urteil gewinnen zu können. Wie wir nun aus den bisherigen Tabellen schon ersehen haben, und wie das hier in Tabelle XV, in dieser Schlusstabelle, sehr übersichtlich hervortritt, sind die hier unter- suchten Froschmuskeln in bezug auf ihre Kern- und Faserverhältnisse sehr deutlich differenziert, wenn auch nicht so hochgradige Unter- schiede zwischen den einzelnen Muskeln bestehen, wie ich sie bei mehreren der bisher untersuchten Wesen habe nachweisen können. Im ganzen kann man die Differenzierung bei den hier untersuchten Froschmuskeln doch wohl nur als eine mässig starke bezeichnen, so viel geht aber deutlich aus den Untersuchungen hervor, dass auch beim Frosche schon jeder Muskel in bezug auf seine Kern- und Faserverhältnisse ein ganz spezifisches Verhalten zeigt. Die Erkenntnis dieser spezifischen Differenzierung war aber nur möglich mit der von mir angewandten Ausmessungsmethode. Die sonstigen histo- logischen Untersuchungsmethoden lassen uns hier völlig im Stiche. Zu diesem Resultate bin ich ja auch schon in meiner ersten Muskel- arbeit gekommen, in der ich bei den dort untersuchten erkrankten menschlichen Muskeln Unterschiede in dem feineren Aufbaue nach- weisen konnte, die durch die Erkrankungen bedingt waren, deren Nachweis mit den gewöhnlichen Untersuchungsmethoden ebenfalls völlig ausgeschlossen gewesen wäre. 432 P. Schiefferdecker: Kurze Zusammenfassung der Resultate. 1. Bei den hier untersuchten Froschmuskeln war zunächst auf- fallend die grosse Ähnlichkeit des mikroskopischen Bildes bei sämt- lichen Muskeln. 2. Es fanden sich überall gut ausgebildete polygonale Muskel- faserquerschnitte mit im allgemeinen abgerundeten Ecken, die nur hin und wieder schärfer hervortraten. Zwischen diesen lagen in den meisten Muskeln, ganz unvermittelt, weit kleinere Querschnitte, die meist weit schärfere Ecken zeigten als die grossen. Die Bedeutung dieser Erscheinung ist unbekannt. Nach der Form zu schliessen, scheinen diese kleinen Querschnitte zu Muskelfasern zu gehören, die eine geringere „Protoplasmaspannung“ besitzen als die, zu denen die grossen gehören. Die Spannung dieser muss im allgemeinen ziemlich gross sein, da sie meist ziemlich gut abgerundete Ecken zeigten, ob- gleich sie dicht aneinander lagen. 3. Die Muskelkerne lagen bei allen Muskeln binnenständig, nur hin und wieder fanden sich randständige Kerne in ganz geringer Auzahl. Die Binnenständigkeit der Kerne ist also jedenfalls für den Froschmuskel charakteristisch. 4, Die Menge des Bindegewebes war bei den hier untersuchten Froschmuskeln eine ganz ausserordentlich geringe, weit geringer, als bei den sonst bisher von mir untersuchten Muskeln. 5. Auch das elastische Gewebe war nur in ganz geringer Menge vorhanden. 6. Es scheint, dass der Grad der Ausbildung des elastischen Ge- webes im Muskel bis zu einem gewissen Maasse abhängig ist von der Menge des vorhandenen Bindegewebes, sei es nun fulkrales oder nutritives. Hauptsächlich ist derselbe aber augeuscheinlich abhängig von der „Spezifität des Bindegewebes“, und diese hängt beim Muskel wieder ab von der „Spezifität des Muskels“. 7. Die Querschnittsgrösse der Muskelfasern bei den hier unter- suchten Muskeln war sehr bedeutend, bedeutender als bei all den bisher von mir untersuchten Muskeln. Der Unterschied in der Grösse der Fasern der hier untersuchten Muskeln war verhältnismässig gering und betrug höchstens das Doppelte. 8. Die Querschnittsgrösse der Muskelfasern ist für jeden Muskel spezifisch, und es ist keine Beziehung vorhanden zwischen ihr und der Kernlänge. | Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta etc. 433 9. Bei allen hier untersuchten Muskeln nahmen sowohl die „Kernzahlen* wie die „Querschnittserösse des Kernes“ in den ein- zelnen Muskeln wit der Zunahme der Fasergrösse in mehr oder weniger hohem Grade relativ ab. Die Querschnittsgrösse nahm dabei in höherem Grade ab als die Keruzahl. Diese Beobachtungen habe ich bei allen bisher untersuchten Muskeln mit wenigen Aus- nahmen gemacht. 10. Infolge dieses Verhaltens der Kerne nimmt auch die Ge- samtmasse der Kerne, in Prozenten der Fasermasse ausgedrückt, die „relative Kernmasse“, bei zunehmender Fasergrösse ab. Die Grösse dieser Abnahme ist bei den einzelnen Muskeln verschieden. 11. Aus meiner Zwerchfellarbeit konnte ich den Schluss ziehen, dass die Schlussverhältuiszahlen für die „absolute Kernzahl“, für die „absolute Kerngrösse“ und für die „relative Kernmasse“ gerade für die „Qualität“ der Tätigkeit eines Muskels von wesentlicher Bedeutung sind. Man würde demgemäss durch die Zusammenstellung dieser Zahlen für einen jeden Muskel eine Art von Formel für die qualitative Beschaffenheit dieses Muskels aufstellen können, wie ich das auf Seite 411 und 412 versucht habe. 12. Die Muskeln waren verhältnismässig arm an Kernen, doch schwankte die Menge dieser bei den einzelnen Muskeln nicht un- wesentlich, so dass das Fasergebiet, welches der Kern in den ein- zelnen Muskeln zu beherrschen hat, verschieden gross war. 13. Die Kerne waren dabei im Verhältnisse zu denen bei den bisher von mir untersuchten Muskeln sehr laug. Die Kernlänge zeigte bei den einzeinen Muskeln ziemlich bedeutende Verschieden- heiten, und ebenso war auch das Verhältnis der Dicke zu der Länge bei den Kernen der einzelnen Muskeln nieht unwesentlich verschieden. Je länger und schlanker ein Kern ist, um so mehr entfernt er sich von der Form der Kugel, welche im Verhältnisse zu ihrem Inhalte die kleinste Oberfläche besitzt, um so grösser wird also seine ÖObertläche im Verhältnisse zu seinem Inhalte, was für den chemischen Stoffumsatz zwischen Kern und Zelle von Bedeutung sein muss. 14. Das „Volumen“ der Froschkerne war sehr gross. Die „relative Kernmasse* war bei den einzelnen Muskeln recht ver- schieden gross, aber im ganzen verhältnismässig klein. Die hier untersuchten Froschmuskeln enthielten also im Verhältnisse zu den bisher von mir untersuchten Muskeln wenig Kernmasse. Da diese 454 P. Schiefferdecker: geringe Kernmasse auf verhältnismässig sehr grosse Kerne verteilt war, so war die Anzahl der Kerne eben im ganzen gering. Dieses alles war ungünstig für den inneren Stoffwechsel der Fasern, den Austausch zwischen Kern und Zelle. Günstig für den Stoffwechsel musste dabei die grosse Länge der Kerne wirken, wie das oben schon hervorgehoben wurde. Im allgemeinen waren die längsten Kerne auch die schlanksten. 15. Die Grösse der „relativen Kernmasse“, d. h. der in Pro- zenten der Fasermasse ausgedrückten Kernmasse eines Muskels, hängt nach meinen bisherigen Beobachtungen augenscheinlich nur oder doch im wesentlichen von der spezifischen Beschaffenheit des betreffenden Muskels ab, nicht von der Stellung des Tieres in der Tierreihe. 16. Die „Kernkörperehen“ waren nicht immer sichtbar, waren aber, wo sie hervortraten, häufig in der Mehrzahl vorhanden, was woh! mit der Länge der Kerne zusammenhängt. 17. Die „Kernverhältnisse* der Froschmuskeln sprechen dafür, dass der Stoffwechsel in diesen ein langsamer ist, und dass infolge- dessen wohl auch die Energie der Muskeltätigkeit eine verhältnis- mässig geringe ist. Man wird annehmen können, dass diejenigen Muskeln, die verhältnismässig lange und schlanke Kerne besitzen, einen stärkeren inneren Stoffwechsel aufweisen als diejenigen, welche verhältnismässig kurze und dieke Kerne besitzen. Da nach unsern jetzigen Kenntnissen auch die „Kernkörperchen“ an dem Stoffwechsel des Kernes und der Zelle nicht unwesentlich beteiligt sind, so wird der Umstand, dass in den langen Kernen auch mehrere Kern- körperehen vorkommen können, hierbei auch berücksichtigt werden müssen. 18. Während der histologische Aufbau bei den hier untersuchten Muskeln kaum annehmen liess, dass eine deutliche Differenzierung der einzelnen Muskeln vorhanden sei, ergab die Ausmessung, dass dieses doch durchaus der Fall war. Ein jeder Muskel zeigte sich völlig spezifisch differenziert. Die Zahlen für die einzelnen für den Muskelaufbau charakteristischen Grössen zeigten bei den hier unter- suchten Muskeln allerdings nicht so grosse Unterschiede, wie ich sie bei manchen von den bisher untersuchten Wesen hatte feststellen können, so dass man den Grad der Differenzierung wohl als „mässig hoch“ bezeichnen konnte. In einer Schlusstabelle (Tabelle XV) Untersuchung einer Anzahi von Muskeln von Rana esculenta etc. 435 habe ich versucht, durch eine kurze Zusammenstellung der für den Aufbau der Muskeln wichtigen Zahlen ein Übersichtsbild über die Differenzierung zu geben. Ich hoffe, dass diese Zusammenstellung wie überhaupt die in dieser Arbeit mitgeteilten Untersuchungen von Nutzen sein werden für eine genaue physiologische Untersuchung der Froschmuskeln und auch vielleicht zu einer solehen anregen werden. Die durch eine solehe Untersuchung gewonnenen physio- logischen Ergebnisse würden dann hoffentlich erlauben, den Wert der hier für die einzelnen Muskeln gefundenen Zahlen für die Funktion derselben festzustellen. Literatur. 1) P. Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 H. 1—4 S. 1—345 m. 15 Taf. 1903. 2) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Ab- bildungen im Text. Joh. Amb. Barth, Leipzig 1909. 3) P. Schiefferdecker, Untersuchung des Zwerchfelles auf seinen Bau und seine Kernverhältnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 337—427, mit 7 Text- figuren u. 4 Fahnentabellen. 4) L. Hauck, Untersuchungen zur normalen und pathologischen Histologie der quergestreiften Muskulatur. Inaug.-Diss., 13 Seiten. Leipzig 1900. Zugleich erschienen in: Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 17. 5) Ph. Knoll, Über protoplasmaarme und protoplasmareiche Muskulatur. Denkschr. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, math.-naturwissensch. Kl. Bd. 55 S. 633— 700 m. 9 Taf. 1891. 6) J. Schafter, Beiträge zur Histologie und Histogenese der quergestreiften Muskelfasern des Menschen und einiger Wirbeltiere. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, math.-naturwissensch. Kl. Bd. 102 Abt. 3 S. 7—-148 m. 6 Taf. 1893. 7) R. Mayeda, Über die Kaliberverhältnisse der quergestreiften Muskelfaser. Zeitschr. f. Biol. Bd. 27 N. F. 1890; Bd. 9 S. 119—152 m. 2 Taf. 8) K. B. Lehmann, Untersuchungen über den Hämoglobingehalt der Muskeln. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 324—345. 1903. 4536 W. Boldyreff: Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen zu diagnostischen Zwecken. Von W. Boldyreff. (Vorgetragen den 23. April 1910 in der Sitzung der Sektion für innere Krankheiten des XI. Pirogoff’schen Kongresses zu St. Petersburg.) 1. Literarischer Hinweis. Auf dem IX. Pirogoff’schen Kongress in der physiologischen Sitzung vom 10. Januar 1904 hatte ich die Ehre, zum ersten Male die Aufmerksamkeit der Ärzte (meiner Kollegen) auf eine sowohl für die theoretische als auch für die praktische Medizin hoch- wiehtige physiologische Erscheinung zu lenken, die bis dahin jedoch noch keiner Untersuchung unterzogen worden war, das heisst auf das Zurückfliessen unter gewissen Bedingungen des Pankreassaftes in Begleitung der Galle und des Darmsaftes in den Magen!). Damals habe ich auch von dem von Erfolg gekrönten Versuch, Pankreassaft aus dem Magen des Menschen zu gewinnen, mitgeteilt und vorgeschlagen, diese Erscheinung zu diagnostischen Zwecken aus- 1) W. Boldyreff, Über den Übertritt des natürlichen Gemisches von Pankreas- und Darmsaft mit Galle in den Magen. Die Bedingungen und die wahrscheinliche Bedeutung dieser Erscheinung. Vorgetragen in der Sitzung der physiol. Sektion des IX. Pirogoff’schen Kongresses am 10. Jan. 1904. Gedruckt in Form eines Referats in den Verhandlungen des Kongresses. — W. Boldyreff, Über den Übergang in den Magen des natürlichen Gemisches von Pankreas- und Darmsaft mit Galle. Verhandl. d. VI. internat. Kongr. der Physiol. zu Brüssel. 1904. — W. Boldyreff, Über den Übergang in den Magen des natürlichen Gemisches von Pankreas- und Darmsaft mit Galle. Russischer Arzt Nr. 39. 1904. Dasselbe mit Ergänz. in Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 13. 1907. — W. B oldyreff, Über selbständigen und künstlich hervorgerufenen Übergang von Pankreassaft in den Magen und über die Bedeutung dieser Erscheinung für die praktische Medizin. Noorden’s Zentralbl. Nr. 6. 1908. Über .die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 437 zunutzen, als Methode, um die Arbeitsfähigkeit und folglich auch Lebensfähigkeit des Pankreas (auf Grund der Untersuchung der Eigenschaften des auf diese Weise erhaltenen Pankreassaftes) zu bestimmen. Trotz der kurzen seitdem verflossenen Zeit sind noch einige neue Methoden publiziert, die die Basis einer neuen (nämlich funk- tionellen) Diagnostik der Pankreaserkrankungen bilden sollen, dieses so wichtigen, wenn auch so kleinen Organs unseres Körpers. Es sind die Methoden von Cammidge!), Wohlgemuth?), Müller®)-Schlecht?*) und noch einige andere erschienen. Es wurden alte, fast schon verworfene Methoden, die das Ziel hatten, den Zustand des Pankreas, wenn auch nur indirekt und auf Um- wegen zu bestimmen, wieder geprüft [Brugsch°), Willanen®)]. Soviel ich als Nichtpraktiker urteilen kann, ist die Aufmerk- samkeit der Kliniker, besonders der deutschen, ernstlich auf diesen Gegenstand gelenkt. Ohne der anderen oben angeführten Methoden, die eine spezielle Literatur hervorgerufen haben, zu erwähnen, so ist schon über die von mir vorgeschlagene Methode eine grosse Anzahl von Arbeiten erschienen, in welchen viele Fälle von erfolgreicher Anwendung dieser Methode beschrieben sind (erstere sind zu Zehnern, letztere zu Hunderten zu rechnen). Hierher gehören: die Arbeiten von 1) Cammidge, Chemistry of urine in diseases of Pancreas. The Lancet. 1904. March. 2) Wohlgemuth, Beitrag zur funktionellen Diagnostik des Pankreas. Berliner klin. Wochenschr. 1910 Nr. 3. 3) Müller, Über das Verhalten des proteolytischen Leukocytenfermentes und seines Antifermentes in den normalen und krankhaften Ausscheidungen des menschlichen Körpers. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 92, S. 199. 1908. 4) Schlecht, Über eine einfache Methode zur Prüfung der Pankreas- funktion beim gesunden und kranken Menschen. Münchener med. Wochenschr. 1908 Nr. 14. — Schlecht, Zur Methodik der Pankreasfunktionsprüfung. Zentralbl. f. inn. Med. 1909 Nr. 6. 5) Brugsch, Experimentelle Beiträge zur funktionellen Darmdiagnostik. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd. 6, H. 2, S. 324. 1909. 6) K. Z. Willanen, Die jetzige Lage der Frage über Symptomatologie der Pankreaserkrankungen. Vortrag, geh. in d. Sektion f. inn. Krankheiten d. XI. Pirogoff’schen Kongr. zu St. Petersburg am 23. April 1910. 438 W. Boldyreff: Volhard!), Faubel?), Belä Molnär°), Lewinski®), Ehr- mann und Lederer°’), Koziezkowsky®), Brugsch‘,), Orloffsky°), Müller°), Oskar Gross?°), Clifford B. Farr!!), Schittenhelm!?), Mahlenbrey!?), Korezynski'*), Finkel- stein), Michailoff!‘), einige meiner Artikel und anderer !?). Noch mehr, diese Methode war sogar in die Leitfaden der Diagnostik aufgenommen, genau beschrieben und für den Gebrauch 1) Volhard, Über die Untersuchung des Pankreassaftes beim Menschen und eine Methode der quantitativen Trypsinbestimmung. Münchener med. Wochenschr. 1907, Nr. 9, S. 403. 2) Faubel, Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel und das Fermentgesetz des Trypsins.. Hofmeister’s Beiträge, Bd. 10, S. 35. 1907. 3) Belä Molnär, Über die Frage des Übertrittes von Pankreassaft in den Magen. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 67, H.1. 1909. 4) Lewinski, Die Gewinnung des Pankreassekretes aus dem Magen und ihre diagnostische Verwertbarkeit. Deutsche med. Wochenschr. 1908, Nr. 37. 5) Ehrmann und Lederer, Über die Wirkung der Salzsäure auf die Fermentsekretion des Magens und der Bauchspeicheldrüse. Berliner klin. Wochen- schrift 1908, Nr. 31, S. 1450. 6) Koziczkowsky, Zur Prüfung der Pankreassekretion und deren Be- deutung für die Diagnostik. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 68, S. 261. 1909. 7) Brugsch,l. c. 8) W. F. Orloffsky, Zur klinischen Prüfung der trypsinausscheidenden Funktion des Pankreas. Russischer Arzt 1910, Nr. 8 u. 9. 9) Müller, |. c. 10) Oskar Gross, Zur Funktionsprüfung des Pankreas. Deutsche med. Wochenschr. 1909, Nr. 16, S. 706. 11) Clifford B. Farr, The determination of trypsin in the stomach contents after oil test meals. Journ. of the Americ. Med. Associat. vol. 53, no. 24, p. 1964. 1909. 12) Sehittenhelm, Über Fälle von Rückfluss des Pankreassaftes in den Magen. Münchener med. Wochenschr. Bd. 55, S. 1459. 1908. 13) Mahlenbrey,. Über den Nachweis tryptischer Fermente im Magen- inhalt. -Noorden’s Zentralbl. 1909, Nr. 17 u. 18, S. 643 u. 689. 14) Korczynski, Über die wichtigsten neuen Untersuchungsmethoden zur Prüfung der Pankreasfunktion. Wiener klin. Wochenschr. 1910, Nr. 32, S. 1171. 15) C. A. Finkelstein, Zur Frage über den Rückfluss des Pankreassaftes in den Magen bei fetter Speise bei gesunden und kranken Menschen. Ärztliche Zeitung, 1910, Nr. 30 u. 31. 16) W. N. Michailoff, Zur Frage der klinischen Diagnostik des Pankreas bei verschiedenen Lebererkrankungen. Vortrag in der Sitzung des zweiten therapeutischen Kongresses zu St. Petersburg am 21. Dezember 1910. N 17) Einige meiner Kollegen haben mir noch mündlich über die vollständige Anwendbarkeit der von mir empfohlenen Methode Mitteilungen gemacht. Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 439 in der Klinik empfohlen [Carnot!), Brugsceh und Schitten- helm?), Sahli®) neue Auflage]. In der hier folgenden Tabelle ist das durch die Anwendung meiner Methode erzielte Resultat zur grösseren Anschaulichkeit in Zahlen dargestellt. Tabelle Il. Die in der Klinik durch die Olprobe erzielten Resultate. Familienname i er Das Prozent der erfolg- des Forschers De zen ger Dale reichen Anwendung Kolnard.. ....... 22 86 Baublele.r... „2: 34 71 Bela, Molnar..... ... 50 96 Mewinski.......:..&- 27 100 Ehrmann und Lederer einige Fälle erfolgreich Koriezkowsky.... so 90 Euueisichit. en... s viele Fälle sehr erfolgreich OnROEISkyN. ..2... 2. 84 sl Merle 00 .::. 42... einige Fälle erfolgreich Oskar Gross... .... N RN 5 thordeB. Farr...... mehr als 10 Fälle 50 Mahlenbrey . ..... 41 92 iimkelstein.. ....::. 47 so Nirechailott......;. - einige Fälle sehr erfolgreich Solch ein grosser Prozentsatz positiver Resultate ist dadurch zu erklären, dass die Ölprobe fürs erste nicht so viel zur Diagnostik bei Erkrankungen des Pankreas, als zur Bestimmung ihrer Anwend- barkeit in der Klinik gebraucht wurde. Es ist selbstverständlich, dass jede Probe zu allererst dieses Stadium der klinischen Prüfung durehmachen muss. Doch hat sie in der Hand einiger Autoren (Volhard, Gross) schon mehrere Male zur riehtigen Diagnostik der Pankreas- und der Magenkrankheiten beigetragen. Der an mich ergangenen liebenswürdigen Aufforderung von seiten der hochgeschätzten Herren Präsidenten dieser Sektion der Professoren M. M. Wolkoff und A. P. Fawitzki folgend, habe ich in diesem Vortrag der hochgeehrten Versammlung meiner Kollegen über das hierherbezügliche physiologische Material berichtet. Ich halte es für nötig, dev Gerechtigkeit halber, hier zu er- wähnen, dass der erste Versuch, Pankreassaft zu diagnostischen 1) Carnot, Maladies des glandes salivaires et du pancreas. Paris 1908. 2) Brugsch und Schittenhelm, Lehrbuch klinischer Untersuchungs- methoden S. 326—327, 347, 353—354, 412. Berlin 1908. 3) Sahli, Lehrbuch klinischer Untersuchungsmethoden S. 597. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 2 (Io) 440 W. Boldyreff: Zwecken von Menschen zu gewinnen, vor mehr als zwanzig Jahren von Boas!) gemacht worden ist; doch lag ihm ein vollständig an- deres Prinzip zugrunde, und er wurde, ohne sich in den Kliniken einzubürgern, verworfen und schliesslich vergessen. Der Übertritt der Darmsäfte in den Magen bei fetten Speisen ist von Beaumont?), der auch die erste rationelle Grundlage für die Physiologie der Verdauung gelegt hat, entdeckt. Seinen Fuss- tapfen folgt bis jetzt unsere Wissenschaft. Doch war damals der Pankreassaft — der Hauptfaktor bei der Fettverdauung — noch nicht untersucht und die Entdeckung Beaumont’s konnte nicht genügend gewürdigt werden und wurde infolgedessen vergessen. 2. Die physiologischen Grundlagen der Methode und ihr Wesen. Der physiologische Mechanismus der von mir beschriebenen Methode, die mit dem Übertritt der Pankreasfermente in den Magen verbunden ist und von Volhard und anderen deutschen Autoren Ölfrühstück genannt wird, besteht in folgendem. Bei der Einführung reinen Fettes oder gemischter fetter Speise in den Magen fliesst in denselben nach einiger Zeit immer eine reichliche Menge Pankreassaft mit einem bedeutenden Zusatz von Galle und Darmsaft zurück. Solch eine Bewegung der Darmflüssigkeit nicht abwärts, sondern aufwärts in den Magen, sozusagen in umgekehrter Richtung, ist hierauf während mehrerer Stunden zu beobachten, und im Magen ist in solehem Falle das typische Bild der Darmverdauung entfaltet. Selbst die Reaktion des Mageninhalts ist hierbei nicht selten zeit- weise eine alkalische. Die soeben beschriebene Erscheinung kann zum Gewinnen von Pankreassaft zu diagnostischen Zwecken verwandt werden; denn nach den Eigenschaften dieses Saftes kann man über die Arbeit und folglich auch über den Zustand des Pankreas urteilen. 1) Boas, Über Darmsaftgewinnung beim Menschen. Zentralbl. f. klin. Med. Bd. 10, Nr. 6, S. 97. 1889. — Boas, Über Dünndarmverdauung beim Menschen und deren Beziehungen zur Magenverdauung. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 17, S. 155. 1890. 2) Beaumont, Experiments and observations on the gastric juice and the physiologie of digestion. 1833. Deutsche Übers. von B. Luden. Leipzig, 1834. 441 Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. ‚peuontodo1d Jıyayastun 9Huawyuaug 7 nz 451 9qjasaıp pun ‘u9ss9wos DunngpasauLigıy ap done] ALP PAIM S9 uuap !uopıom Jpuemodur ALISSSBEIN AOA9pur u ssnur (yurquy 'A) JOqe aaıp] °0Y0JS uauayfedssd Juaundg wep uUoA A9p ABU ALP une yoIs uoyaIzoqg 9Is uuop ‘jeuorıodord 9pe.1a3 uaJgeZ A9p 9SS019 Anz U9FUAWNUIWL.IAA SIP Purs “KuLıqı7) usyrun) op A9ssne “uoyrıqny uojfe up "Sunyowuy [er} au ae uneaq Er 0'8 0'88 di 0% 08 0 8 | (7 T a au « opsıeye | 0% 0°%8 2 0% SH 0 72 | afunsen aejy ‘aneıq | uneagjoyunp ofeagnau ce 0'EE 9 77 ZT 0 I wma]yos -ULIE(] WU9IZI9SIHIE uapog ue uw yoIaı ıqos ‘oqnıy *unasj[oy qastoy A9NBSs 03 09 001 0 0 ro puny 1oyuvay uon1og uolyyeay uor}10oT uagasıpenfe aayoı u9J1oNngsaduR Jauta uf -ınyeu Tg Jaulo uf sıTeyuf EN 9poyy ES UHAUAUUOMAZ UrIqLA alas n n 5% IN -qy woıyı yoeu uoßeN yuauLıoF Ten 998,370 W Op WEN NONSISSULT Op BELENBSLISS weop sne s9p zu OT SUnIopurd9aA 9lq eyaıınyeu) uoryyeay JUOULIO,T SOUOSTJAL09901A -u9puny uapuns93 uoA pum (sOyFeS Ssosaıp Hua HSULI9d HU ANU Fuer) uOUTaN UP yo.mp Y1ay y9opof waeqg u9p ur ‘uossne yoeu soduedseaTyueT U9SC0Ad SOp [OISIT AOp Se ISsorgk SOypes -SeoINu@g Sp [IA] 9485018 ı9p) Epunmy UHYUE.IYN WOUTO UOA SOfeyuruasen sap 9goA1do A9p STONyTULIVA Sunynıg 19p oyeyınsoy "I 211948 L 449 W. Boldyreff: In den Fällen, wenn das Pankreas gut arbeitet, können wir den Schluss ziehen, dass die Drüse vollständig gesund ist; im ent- gegengesetzten Falle kommen wir zu dem Schlusse, dass das Pan- kreas nicht genügend arbeitet und folglich nicht vollständig gesund ist, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir mit der Zeit, wenn genügendes klinisches Material vorliegen wird, mit voller Be- gründung auch über den Grad der Erkrankung urteilen können. (Siehe Tabelle II auf S. 441.) Diese Tabelle zeigt erstens, dass die Resultate der Untersuchung auf Fer- mente bei gesunden Hunden sehr ähnlich sind, und zweitens, dass sie sich scharf von den beim Hunde mit einer sozusagen kranken Drüse erhaltenen Resultaten unterscheiden. Bei den gesunden Hunden äussert das Eiweissferment (nach Mett) seine Wirkung am besten in einer alkalisierten Probe, recht gut in einer natür- lichen (ihre Reaktion ist eine neutrale oder alkalische) und zeigt keine Eiweiss- verdauung in einer angesäuerten Probe (deutliche Zeichen der Trypsinverdauung). Beim kranken Hunde dagegen löst sich das Eiweiss (nach Mett) nur bei saurer Reaktion (Pepsinverdauung). In der alkalisierten Probe wird nur das Fibrin und auch dieses nur äusserst langsam verdaut (nach Verlauf von 100 Min., statt 4—6—12 Min., wie das bei normalen Hunden beobachtet wird); folglich, wenn überhaupt Trypsinmenge im Magen eines kranken Hundes vorhanden ist, so doch eine äusserst geringe. Die Untersuchung des Fettfermentes zeigt, dass dasselbe im Überfluss bei den gesunden Hunden und in geringer Quantität beim kranken Hunde vor- handen ist. Die Bestimmung der Wirkung des diastatischen Fermentes weist keinen so grossen Unterschied auf, was auch begreiflich ist, da hier, ausser dem Pankreas- ferment, noch die Speichel- und Darmfermente wirken können. Ferner ist bei den gesunden Hunden die Reaktion des Mageninhalts eine neutrale oder eine alkalische (reine Darmsäfte ohne Zusatz des Magensaftes), und seine Farbe ist dunkel; beim kranken Hunde ist die Reaktion eine saure und die Farbe hell (durch den Zusatz des Magensaftes). Die von den gesunden Hunden erhaltene Flüssigkeit wird mit der Zeit durchsichtig und behält lange ihre Farbe bei; beim kranken Hunde bleibt sie trübe -(durch die unter dem Einfluss der HC] des Magensaftes ausgefallene Gallen- säure und des reichlich vorhandenen Darmschleimes) und nimmt rasch eine grünliche Färbung an (Bildung des Biliverdins aus Bilirubin von Anwesenheit von HC]). Für den Erfolge der Anwendung meiner Methode ist es unbedingt notwendig, dass die Verbindung des Magens mit dem Darmkanal (und umgekehrt) vollständig frei sei; im entgegengesetzten Falle würde das mechanische Hindernis, das auf dem Wege des Übertritts des Pankreassaftes in den Magen und des Fettes aus dem Magen in Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 443 den Darm steht, dem Pankreassafte nicht gestatten, sich in genügender Menge im Magen anzusammeln, und wir würden irrtümlich aus der Abwesenheit des Pankreassaftes im Magen eine Erkrankung des Pankreas voraussetzen; denn das Fett übt seine Wirkung auf das Pankreas nur vom Darm aus und kann daher, wenn es nur im Magen ist, sogar im Verlaufe mehrerer Stunden, keine Absonderung des Pankreassaftes und folglich nicht sein Eindringen in den Magen hervorrufen. Beim gesunden Pankreas und bei freier Verbindung von Magen und Darm ist der durch Fett hervorgerufene Übertritt der Darm- säfte in den Magen so konstant und stereotyp, dass einige Autoren (Oskar Gross) vorgeschlagen haben, diese Erscheinung als Sym- ptom für die Freiheit der Passage des Pylorus anzusehen. Das Wesentliche der Methode besteht, mit wenigen Worten dar- gelegt, in folgendem !): dem Kranken wird in den leeren Magen bei alkalischer Reaktion in demselben [beim Vorhandensein grosser Menge von Säure ist es geraten, sie vordem durch Spülung des Magens mit Soda (Boas) oder durch Einführung von gebrannter Maenesia (Lewinski) zu neutralisieren] ungefähr 100?) eem Olivenöl oder, was 1) Da die Ölprobe in der Hand vieler Kliniker grossen Erfolg in dem Sinne hatte, dass sie einen grossen Prozentsatz positiver Resultate lieferte (siehe Tab. ]), so könnte man, der Vervollkommnung dieser Probe halber, getrost die Quantität des unbedingt sauren Fettes, das in den Magen des Kranken, um Pankreassaft zu erhalten, eingeführt wird, verringern. Statt 100 ecm wäre es geraten, 50 ccm zu versuchen. Bei Hunden habe ich immer und in kurzer Zeit Pankreassaft bei solcher Fettmenge erhalten können, ja, es war fast kein Unterschied wahrzunehmen bei Einführung von 100 cem oder 50 ccm 2 %oiger Lösung von Acid. oleinicum im Olivenöl. Die Zeit der Erscheinung sowohl als auch die Quantität der Pankreasfermente im Mageninhalt waren ungefähr dieselben. Nur die Quantität des in den Magen gedrungenen Saftes war im zweiten Falle geringer sowie auch die Dauer des Über- tritts der Darmsäfte in den Magen bedeutend kürzer. Selbst bei Einführung von 25 ccm sauren Fettes in den Magen ist es mir immer gelungen, bei Hunden Pankreassaft aus dem Magen zu erhalten. Es ist aber schon deshalb wünschenswert, die Fettmenge bei der Ölprobe zu verringern, weil das Fett, als schwer verdaulich, dem Pankreas keine leichte Aufgabe stellt; dieser Drüse muss keine zu schwere Arbeit aufgebürdet werden, besonders in den Fällen, wenn eine Erkrankung dieses Organs vermutet wird, und gerade in diesen Fällen ist aber die Ölprobe notwendig. ° 2) Der zu untersuchende Kranke muss tags vorher nichts geniessen, was eine stärkere Absonderung des Magen- und Pankreassaftes und der Galle (fette, 444 W. Boldyreff: noch weit vorteilhafter ist, dieselbe Quantität von 2 /oiger Lösung von Acid. oleinicum in Olivenöl eingeführt. [Ich empfehle ausschliess- lich letztere Flüssigkeit; doch fast alle Autoren!) haben die erstere, einige auch Sahne (Koziezkowsky) angewandt.| Auf Grund meiner hundertfachen Beobachtungen an Hunden behaupte ich, dass bei Einführung des sauren Öles das Resultat viel rascher und immer erzielt wird, selbst bei künstlich herbeigeführter Erkrankung des Pankreas und dabei bei doppelt und dreifach geringerer Fettmenge. Nach Verlauf von zirka zwei Stunden seit der Einführung des Öls wird der Inhalt des Magens ausgehebert und in einen Standzylinder gegossen. Bald teilt sich die Flüssigkeit in zwei scharf gesonderte Schichten, die obere ölige und die untere wässerige. In dieser letzteren sind die Fermente des Pankreas (Eiweiss-, Fettferment und Diastase) vorhanden. Am leichtesten ist die Prüfung des Eiweiss- fermentes. Zu diesem Zweck nimmt man mit der Pipette von der unteren Schicht ungefähr 2 cem Flüssigkeit und wirft in dieselbe ein kleines Stück Fibrin (man kann dasselbe vom Schlachthof beziehen und muss es, nach gründlicher Reinigung von Blut und möglicher Ent- fernung des Wassers durch Ausdrücken, in Glycerin aufbewahren; auf diese Weise kann das Fibrin jahrelang aufbewahrt werden; vor dem Gebrauch muss es im Verlaufe von 1—2 Stunden durch stark- fliessendes Wasser abgespült werden). Wenn die ausgeheberte Flüssigkeit eine alkalische oder neutrale Re- aktion hat, so kann man die Probe ohne weiteres in den Thermostaten (bei 38° C) stellen; es ist geraten, zu derselben ein Stückchen Thymol, ein Körnehen Kalomel oder sonstige antiseptische Mittel zuzufügen. Bei saurer Reaktion muss man sie in eine alkalische verwandeln, indem man beim Umrühren vorsichtig irgendein Alkali zugiesst (zur Vereinfachung kann man das im Handel vorkommende Ammoniak anwenden — gewöhnlich genügen ein bis zwei Tropfen), um eine schwache alkalische Reaktion zu erhalten, und auf keinen Fall mehr als 0,5 %/o gerechnet auf Na,;CO, (das ist ungefähr der Alkalinitäts- grad des Pankreassaftes). Wenn die Reaktion der ausgeheberten lie! alkalisch ist saure und überhaupt schwerverdauliche Speisen) hervorrufen kann. Während der Untersuchung muss der Kranke ruhig liegen oder sitzen. l) Nur Mahlenbrey hat saures Olivenöl ergauaan) und gute Resultate erhalten. Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 445 und die Flüssigkeit genügende Mengen des Eiweissfermentes des Pankreassaftes enthält, so wird das Fibrin in einigen Minuten ver- daut (zerfällt in kleine Stücke und löst sich auf). War aber die Reaktion sauer und das Ferment infolgedessen etwas geschwächt, so weist das Verdauen des Fibrins im Verlaufe von Ya—1 Stunde wieder auf eine bedeutende Menge des Fermentes und den normalen Zustand des Pankreas hin. Wenn aber die Ver- dauung bedeutend länger, 5—10—15 Stunden, dauert, so zeigt es, dass wenig Ferment vorhanden und die Arbeit des Pankreas schwach ist; wenn aber die Verdauung noch länger dauert, oder das Fibrin in 24 Stunden und darüber gar nicht verdaut wird, so zeigt es eine absolute Abwesenheit des Fermentes und lässt folglich eine schwere Erkrankung des Pankreas vermuten. Selbstverständlich ist diese Berechnung nur als Beispiel angeführt und soll durchaus nicht für unbedingt genau gehalten werden). Die angeführte Methode kann in drei wichtige, sie bildende Momente geteilt werden, von denen jedes in gleichem Maasse die Richtigkeit des endgültigen Schlusses bedingt. I. Zu allererst muss man verstehen, den Pankreassaft und dazu in genügender Menge in den Magen zu lenken (erstes Moment), was bisweilen recht schwierig ist. Wir werden weiter sehen, dass man bisweilen dabei auf bedeutende Hindernisse stösst. Am leichtesten ist das zu erreichen, wenn man, wie schon oben erwähnt, eine 2°/oige Lösung von Acid. oleinicum in Olivenöl an- wendet [in einer Menge von 100 cem?)]. 1) In wohleingerichteten Kliniken sollte man sich nicht nur mit der Trypsin- probe begnügen, sondern es ist sehr geraten, den erhaltenen Mageninhalt auch auf das Fettferment und die Diastase zu untersuchen. Auch kann man das Trypsin nach Mett und Gross bestimmen. Nur muss man die Eiweissröhrchen für diese Probe (nach Mett) nicht aus Eieiweiss, sondern aus Blutserum bereiten, da letzteres leicbier verdaut wird, was die Probe empfindlicher macht. Die Methode von Gross ist äussert einfach und bequem. Das Nähere über die Methoden der Fermentbestimmung ist in meinen früheren Arbeiten zu finden. — W. Boldyreft, Über den Übergang in den Magen des natürlichen Gemisches von Pankreas- und Darmsaft mit Galle. Russischer Arzt, Nr. 39. Dasselbe mit Ergänzungen in Pilüger2s Arch. Bd. 12178. 13. 1907. 2) Die Lösung ist äusserst einfach zu verfertigen: Man füst der Quantität entsprechend 2°/o der erwähnten Säure (sie ist flüssig bei Zimmertemperatur) zum Öl und schüttelt sie durch; die Flüssigkeit kann lange, ohne zu verderben, aufbewahrt werden. 446 W. Boldyreff: Diese Flüssigkeit ist für den Geschmack nicht widerlich, und ihr schwacher Geruch, der etwas an ranzige Butter erinnert, kann, wenn ınan es wünscht, leicht maskiert werden (z. B. durch Pfeffer- minzetropfen). Ich habe sie vielfach an mir selbst erprobt und mich überzeugt, dass sie keine unangenehmen Nebenerscheinungen hervor- ruft (Vomieren, Durchfall, irgendwelche Schmerzen u. dergl. mehr). Il. Ferner muss man verstehen, den Pankreassaft aus dem Magen auszuhebern (zweites Moment). Theoretisch scheint es sehr leicht, praktisch ist es jedoch nicht immer so einfach. Wäre der Inhalt des Magens gleichartig oder unbeweglich (wie es bei der ge- wöhnliehen Ausheberung des Mageninhalts der Fall ist), so würde seine (Gewinnung ohne jegliche Schwierigkeit vor sich gehen; in unserem Falle aber ist in dem Magen ein Gemisch von Öl mit einer wässerigen Flüssigkeit, von der bisweilen sehr wenig vorhanden ist, da nach Einführung des Öls in den Magen in letzterem folgende Prozesse vor sich gehen: ein Teil des Öls dringt aus dem Magen in den Darm und bedingt durch den ausgeübten Reiz die Aus- scheidung des Pankreassaftes, der sich in den Darm ergiesst und hierauf auch in den Magen zurückfliesst, wobei er auch einen Teil des in den Darm gedrungenen Öls wieder in den Magen zurück- führt. Es ist anzunehmen, dass letzteres am häufigsten und deutlichsten in den Fällen vorkommt, wenu aus dem Magen so viel Öl in den Darm gelangt, dass es im Darm selbst nieht verdaut werden kann ?); dann wird ein Teil derselben in den Magen zurückgeworfen, und mit ihm zusammen gelangen in denselben auch die Darmsäfte. Ausserdem kommt es vor, dass das Gemisch der Darmsäfte un- unterbrochen und reichlich in den Magen übertritt. Doch wie kann dieser Augenblick erkannt und erfasst werden’? Nach einer kurzen Weile fliesst wieder aus dem Magen in den Darm ein Teil des Öls und führt den wässerigen Pankreassaft mit sich ab, der infolge seiner grösseren Schwere sich näher zum Aus- gang des Magens lagert. 1) Das neutrale Fett reizt den Darm fast gar richt, wirkt auf ihn sehr schwach; diese Fähigkeit besitzen jedoch die Produkte seiner Spaltung — fette Säuren und ihre Salze; daher ist es auch besser, sich solch eines Fettes zu be- dienen, das die erwähnten Stoffe schon in fertigem Zustande enthält, d. h. zum Beispiel eine 2%oige Lösung des Acid. oleinicum. Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen ete. A447 Solch eine Wechselbewegung beider Flüssigkeiten, bald aus dem Magen in den Darm, bald umgekehrt, ist im Verlaufe von mehreren Stunden zu beobachten, und es gibt Augenblicke, während welcher im Magen keine Spur von Öl vorhanden ist. Das ist nicht selten bald nach Einführung des Öls zu beobachten; doch nach einiger Zeit kommt das Fett wieder in den Magen zurück, und sogar in grösserer Quantität, wenn für die Probe eine genücende Menge genommen war. Wenn jedoch (bei der Pylorusstenose und vielleicht noch in anderen Fällen) das Fett so langsam in den Darm übertritt und in so geringer Menge, dass es leicht und rasch im Darm selbst verdaut wird, ohne dass die Hülfe des Magens nötig ist, so wird der Übertritt des Pankreassaftes in den Magen gar nicht stattfinden. Folglich muss die Ölprobe mehrmals wiederholt werden, wenn beim ersten Aushebern des Mageninhalts kein Pankreassaft er- halten wurde. III. Schliesslich — der dritte, letzte und leichteste Moment des Verfahrens!) — müssen die Fermente des Pankreassaftes in der er- haltenen Flüssiekeit nachgewiesen und ihre Menge genau nach be- stimmten Methoden gemessen werden. Doch auch dieses ist bisweilen nicht so ganz leicht. Es gehört dazu eine gewisse Übung, die übrigens leicht angeeignet werden kann. Weuigstens haben einige Autoren oftenherzie bekannt, dass der geringe Prozentsatz der erfolgreichen Proben zum grossen Teil die Folge ihrer mangelhaften Übung in der Fermentbestimmung war (Faubel, nach Volhard; Clifford B. Farr). Ich bin überzeugt, dass auch bei anderen Forschern, die keine positiven Resultate in den Fällen, wo es dem Wesen der Sache nach zu erwarten war, erhalten haben, die Ursache in der mangelhaften Arbeit gerade in diesem Momente oder, was weniger wahrscheinlich, in dem ihm vorhergehenden Momente der Untersuchung lag ?). 1) Übrigens haben einige Autoren gerade in diesem Punkte der Untersuchung Fehler gemacht. 2) Die Kennzeichen, die auf den Reichtum des Mageninhalts an Pankreas- fermenten hinweisen, sind: dunkelbraune Farbe, alkalische Reaktion: beim Stehen wird die Flüssigkeit ganz durchsichtig, die braune Farbe geht lange nicht in die grünliche über. Die Flüssigkeit jedoch, welche arm an Pankreasfermenten ist, hat eine saure Reaktion, ist heil gefärbt (weisslich, gelblich oder grünlich), meistens undurchsichtig (wenn ihr Galle beigemengt ist, so wird sie bald grün- W. Boldyreff 448 "U9U9S NZ (UOSSNKB NOBU [EJSL,] HUuTd yaanp 48891 SOJyesswoAun] SOp [LOL 9988048 Adop) epunpg uoyueay unog pun uopuns9d wog 9YUOULIOT a9p Sunyansasyun) A9p uoYeI[nsoy] uHp uoyasIMz Poıyosaaguf) dop yaıpmap “IT SfpquL Op ur yone om “aoıı IST WoIssolfydg uuvs] uLos ISq[OSep AONEpIoMIo9A YaUT SSOAD IM pun uosen wı (eg 09 08 + OH WO H0I = SOYWSIWIN SEP WI (ST) Ayeswaeıg A9p Ua 9ıp UHJLOMSIG SS0AS OIM “OTfoguI, Ip I819z aouda] "ISSOLyNENAıNZ AOPoIM A9qB MEAoıy *ISSELIOA ZUWd UOJIONSsIq uode up JO Yıynzyodurm sep ssep ‘u99SI9 NZ IST HEIKE, 0SoLp sny oyye uHpurls98 °) „gg 19 Yesowaam], wı opungS T Jequrussen dop wopyoeu “opaınm Jyowwas Sumyansasyuf] VIP yDopaf II aJfpqu,f, 1Dp ur opanı Jyonsıoyun Sundagaysny A9UTS LOBU 710708 9JU9ULI9 T HUTIS ng Jeyurusdem dop AoIy ep “UOTP]SA9A NZ TI OffpqeL, A9p uopuoy9oadsyua u9p Jıw Yyaru puıs offoqe] Aasoıp oYu9WAaJa A] AP uojqeZ Ol oY]ysJ Use wı Jeyuf J9p 1OPO Juaund [ Ppuagpoadsyus sep Ssep “WMEPag Q "IST UHPAOM JuHeuds Sunyansaojuf) Puls Ssep “omapadg — UEY9WZ Se A * oL oL Rz SL 6 Stu9M ud = cz g = gı ve y Fo 076 T9 u 66 I 0 = = e S DANES UNI CZ Jyesuodep uyoT Oo 099 10-9968 = zZ || no uno 28 0 0 SONIILSTAWOI FoTu Z 5 a8 || 9anyg u19 06 ge 1335) U IQ waagy 0 = — 3/1 wrm[yog und g Aicks 9aneS umdG]] US WO) GI 0 0 pun [0 wo 08 | 89 32] no woacy 0L pun[Q-uooLcH an — I ; x 35 [|saneS und 081 9yFesune(] 19g9sıdAy c'oL e ( uro woaog G] WO] N [JO 9 GI —_ — JB uoynu UI („peaS| oyuau LUMEN soJJeS 9p-InM JUOUTAOJ : Q yequr 3 -Sr vyur an | Mel GEL yequt MRS | -101 # sn Be IR T ypequruose ss aa8d N R. i Hoqayad ULIOFSSIOMIH -UOBUN < 3 ud EN JUYULIOF syp -uUg9 EM -Ssne yjequt - : ums | YUIos -SSIOMIH ONU9ULIO HM -uOBeNT op sypeyquruosen'p wao] u u u u ee - nn en so sop . 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Das erstemal (Experiment B) trat das Öl bald in den Darm über, und im Magen konnte (schon nach sg Stunde) eine grosse Menge von Eiweissfermenten des Pankreassaftes nachgewiesen werden. Das zweitemal (Experiment C) floss das Öl aus dem Magen fast gar nicht ab, solange er nicht von der sauren Wasserlösung befreit war, und im Magen konnte die Anwesenheit der Pankreasfermente nicht nachgewiesen werden, ob- gleich Pankreassaft (mit einem geringen Zusatz von Galle und Darmsaft) in ihn übergetreten war. Das letzte Experiment am Hunde, der einem Leberkranken entspricht, zeigt, dass auch bei Abwesenheit von Galle im Darm die Ölprobe fast negative Resul- tate gibt, nach der geringen Menge der Eiweiss- und Fettfermente zu urteilen. Einige Autoren haben in ihren Arbeiten auch solche Fälle er- wähnt. Worin eigentlich der Mechanismus der Hemmung der ge- wöhnlichen Reaktion auf Fett des Verdauungsapparates besteht, ist fürs erste noch unbekannt. Gegen die Ölprobe ist eine Einwendung [Müller!)] gemacht worden, die darauf basiert, dass im Mageninhalt ausser dem Pankreasferment noch ein anderes angetroffen werden kann, das mit dem Speichel aus dem Munde in den Magen gelangt, und dass das Eiweiss bei alkalischer Reaktion auflösen kann. Diese Einwendung ist aber die Folge eines Missverständnisses. Selbstverständlich. kommen Fälle vor, in welchen Fibrin in einer alkalischen Flüssigkeit auch ohne Hilfe des Eiweissfermentes des Pankreassaftes aufgelöst wird. Doch geht diese Lösung so langsam (24 Stunden und darüber) vor sich, dass man sie auf keine Weise mit der Wirkung des Trypsins (einige Minuten, höchstens 3—5 Stunden, und auf keinen Fall mehr denn 15 Stunden) verwechseln kann. Soleh eine fibrinlösende Wirkung wird z. B. einigen Bakterien zugeschrieben; doch kann Fibrin auch bei Anwesenheit antiseptischer Mittel, die ja nach der Änsicht einiger Autoren die Wirkung der Bakterien ausschliessen, gelöst werden durch die Wirkung des an 1) E. Müller, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 92, S 214—215. 1908. Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 453 ihm haftenden und von ihm nicht abgespülten Fermentes (die Fer- mente des Blutes, aus welchem das Fibrin gewonnen ist). Ferner ist bekannt, dass im Darmsaft und in der Galle Fermente vorhanden sind, die gleich langsam (in einigen Stunden), wie die oben erwähnten, das Fibrin auflösen können. Schliesslich sind auch im Eiter eiweisslösende Fermente ent- halten, die energisch das Eiweiss bei alkalischer Reaktion verdauen können. Das Eiweissferment des reinen Eiters nähert sich in der Stärke seiner Wirkung dem gleichen Fermente des Pankreassaftes, und das wäre der einzige Fall, in welchem man dem Pankreas- ferment die Wirkung eines anderen zuschreiben könnte. Die übrigen Eiweissfermente unterscheiden sich in der Stärke ihrer Wirkung so scharf voneinander, dass sie nur schwer, ja fast unmöglich zu ver- wechseln sind. Sie alle lösen Fibrin im Minimum in 15—20 Stunden, d. h. in soleh einer Zeit, bei welcher ich die Trypsinprobe als negativ ansehe. Statt dieser willkürlichen Voraussetzungen (die Verdauung mittels des mit dem Speichel in den Magen gelangten Fermentes), ist es einfacher, die langsame Verdauung des Fibrins durch die An- wesenheit des Erepsins zu erklären, welcher auch das Fibrin lösen kann, wenn auch nur höchst langsam, ungefähr in derselben Zeit. Die schwache Wirkung des Erepsins und aller obenerwähnten Fermente ist leicht von der starken Wirkung des Trypsins zu unter- scheiden, wenn man den Mageninhalt nach der Ölprobe untersucht. Bei der Kotprobe von Müller und Schlecht jedoch, wenn Trypsin nur in einer ganz geringen Menge vorhanden ist, verschwindet fast der Unterschied zwischen seiner Wirkung und derjenigen der anderen Fermente, und dann kann leicht der Fehler gemacht werden, welchen Müller ganz irrtümlich der Ölprobe zuschreibt. Niemand, der mit reinen Verdauungssäften gearbeitet hat und die Eigenschaften der Fermente gut kennt, wird an die Mösglich- keit eines solchen Fehlers glauben. Hier sind Zahlenangaben zu einigen von meinen Versuchen mit Speichel einerseitens und mit Speichel, Pankreas-, Darmsaft-Gallegemisch anderseitens (Tab. V, s. S. 454). Es unterliegt keinem Zweifel, dass in der Frage, welche Probe für die Klinik die passendste ist, der Ölprobe allein und keiner anderen das Recht der Entscheidung zukommt; doch was die Eigen- schaften und Wirkungen der Fermente betrifft, so müssen die Kliniker die Resultate der physiologischen Untersuchungen in Betracht ziehen, sonst können sie grobe Fehler begehen. 454 Speichel| Dauer in Stunden Nr. W. Boldyreff: Tabelle Vv. Vermischter Speichel, einzeln genommen von drei Personen, Nr.1, 2, 3. Fibrinprobe ohne | mit Zusatz | mit Zusatz Antiseptica | von Antisept. | von Antisept. 2,0 com Speichel | id. id. id. ic. Mit Thymol: | Mit Thymol: nicht verdaut | nicht verdaut | nicht verdaut verdaut!) id. id. id. id. ıNB. verdaut) id. NB.verdaut?) Mit Kalomel: | Mit Kalomel: nicht verdaut nicht verdaut nicht verdaut id. | id. id. id. NB.verdaut?) id. id. NB.verdaut?) verdaut!) Mit Kalomel: | Mit Kalomel: | Mit Kalomel:| Mit Kalomel: nicht verdaut| nicht verdaut nicht verdaut| NB. verdaut?) nicht verdaut id. id. id. id. id. id. id. id. id. id. nicht verdaut | nicht verdaut nicht verdaut nicht verdaut id. id. id. id. id. id. id. id. nicht verdaut | nicht verdaut | nicht verdaut NB. verdaut?: | id. id. id. id. id. id. id. id. nicht verdaut "nicht verdaut nicht verdaut id. id. id. id. id. id. nicht verdaut NB.verdaut2)| nicht verdaut; Anmerkung: Diese Ta- id. id.2) Ti belle zeigt, dass der Speichel id. id.2) id. allein Fibrin nur äusserst | N „langsam (30—60—72St.)und. nicht verdaut NB. verdaut?) bei starkem Fäulnisgeruch id. nicht verdaut | verdaute, d. h. mit Hilfe id. id. der Bakterien. Der Zusatz nicht verdaut! von nur 20°0 schwachem Sl | NB. verdaut?)) Pankreassaft(s. S. 15) führte id. | id.2) | dagegen zur schnellen Ver- 2 | dauung des Fibrins (1—2— nicht verdaut 5 St.). In hier nicht ange- id. | führten Versuchen verdaute id. der Speichel mit Zusatz von verdaut !) Antiseptica das Fibrin in ide) m 120 und mehr Stunden gar ') id.!) | nicht. | 1 2 1 3 1 2 24 3 1 2 25 ’3 a 2) 48 3 il 92 49 3 1 \ 9 50 3 1 e 9 |} 92 vB 1 2 64 3 1 2 72 5} 1) Starker Fäulnisgeruch. 2) Nur nach Zusatz von 0,5 ccm natürlichem Pankreas -und Darmsaftgemisch mit Galle. von 0,5 %/o HCl zu bekommen.) (Das natürliche Gemisch ist aus dem Magen des Hundes mit Hilfe Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 455 4. Vorzüge und Nachteile der Ölprobe im Vergleich mit anderen Methoden vom physiologischen Standpunkte. Von der gar nicht gebräuchlichen Methode von Boas ab- gesehen, hat es bis jetzt keine Methode gegeben, mit der man un- mittelbar die Arbeitsfähigkeit und folglich den Gesundheitsgrad des Pankreas bestimmen konnte. Alle in so grosser Anzahl in den letzten 5 Jahren empfohlenen Methoden der Bestimmung der Arbeitsfähigkeit des Pankreas beruhen auf der Untersuchung von Erscheinungen, die nur in ferner Be- ziehung zu der Tätigkeit oder dem Zustande der uns interessierenden Drüse stehen. Wir wollen jetzt vom physiologischen Standpunkte aus die besten diagnostischen Methoden näher betrachten, und zwar die neuen Methoden von Cammidge, J. Wohlgemuth, Müller-Schlecht und von den alten diejenigen, die auf der Feststellung der Fett- zersetzung im Darme beruhen oder auf deren Resorptionsfähigkeit begründet sind !). Die Methode von Cammidge, die eine umfangreiche Literatur hervorgerufen hat, besteht in der Konstatierung einiger, wahrschein- lich zuckerähnlicher Stoffe im Harn, die das Produkt des Zerfalles der kranken Drüse sein sollen (nach Cammidge: des Glycerins). Das positive Resultat beweist, dass die Drüse krank ist, das negative, dass dieselbe gesund ist. Selbst wenn man zugibt, dass diese Methode genügend den Zu- stand des Pankreas widerspiegelt, so ist doch andererseits klar, dass die erhaltenen Resultate von so vielen Nebenursachen abhängen, dass unwillkürlich Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Genauigkeit auftauchen. Es wirken dabei z. B. auch die Nieren mit, deren Zustand auf das endgültige Resultat einen grossen Einfluss haben kann. Die Methode von Wohlgemuth besteht in der Feststellung des Diastasefermentes im Urin, in welchen Ferment auf dem Blut- wege aus dem Darm übergeht. 1) Es gibt auch noch einige andere Methoden, die sich das Erkennen der Pankreaskrankheiten zur Aufgabe gestellt haben, z. B. die Glutoidprobe von Sahli, die Kernprobe von Schmidt und einige andere, auf deren nähere Be- trachtung ich nicht für nötig halte hier einzugehen, da sie von vielen vollständig verworfen sind. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 30 456 W. Boldyreff: Wie man sieht, ist auch hier der Weg keineswegs ein gerader, und daher ist das Resultat der Untersuchung wenig überzeugend. Es hängt auch in diesem Falle von vielen Nebenursachen ab (die Resorption aus dem Darm, das Vorhandensein anderer Diastase- fermente im Darm, z. B. der Amylase des Speichels und des Darm- saftes). Die Methode von Müller-Schlecht, die auf der Bestimmung der Trypsinmenge im Kot (mit Hilfe der Auflösung der Gelatine) beruht, scheint mir auch zu fernliegend zu sein, obgleich sie näher zur Funktion des Pankreas steht und, wie Korcezinski findet, die logische Ereänzung der von mir empfohlenen Methode (der unmittel- baren Beobachtung der aus dem Magen gewonnenen Pankreas- fermente) ist. Doch auch hier ist eine zu grosse Abhängigkeit von vielen und mächtigen Nebeneinflüssen vorhanden: z. B. verschieden rasche Resorption im Darm, verschieden rasche Peristaltik, die Anwesenheit des Erepsins im Kot, welches auch fähig ist, Gelatine zu lösen, das Vorhandensein von gelatineauflösenden Bakterien und noch mehrere andere verwickelnde Bedingungen. Bildlich ausgedrückt, kann man die Methode der Bestimmung der aus dem Magen gewonnenen Pankreasfermente bei der Ölprobe und der aus dem Anus gewonnenen bei der Kotprobe mit der Sach- lage vergleichen, wenn man in der Absicht, die Bestandteile des Trinkwassers kennen zu lernen, ihre Analyse einerseits an einer aus der Wasserleitung genommenen Portion und andererseits an einer aus den Abflussröhren genommenen und von Abfällen verunreinigten Wasserprobe vornimmt. Freilich, wenn aus irgendwelchen Gründen die erste Methode nicht anzuwenden ist, so ist auch die letzte empfehlenswert, doch wie weit weicht sie von dem Ideal bezüglich der Reinlichkeit des untersuchten Materials und der Zuverlässigkeit der erhaltenen Re- sultate ab. Welch eine Menge von Nebeneinflüssen, die die Unter- suchung schwächen, verdunkeln und komplizieren. : Denn wie z. B. kann die Verdauung der Gelatine dureh Erepsin von der ähnlichen Wirkung des Trypsins unterschieden werden ? Ausserdem haben ja auch die endlos langen und traurigen Resultate der Untersuchungen der Physiologie der Verdauung schon längst bewiesen, dass bei der Prüfung der Fermenteigenschaften der Verdauungsflüssigkeiten in den Proben, die auch Speise enthalten, Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 457 es bis jetzt nicht gelungen ist, irgendein bestimmtes und zuverlässiges Resultat zu erhalten !). Ungefähr dasselbe kann man auch von den Methoden sagen, die auf der fettspaltenden Funktion (ausserdem hängt hier vieles von Spaltung des Fettes durch den Darmsaft ab) und auch auf der allgemeinen Resorptionsfähigkeit der Speisen beruhen. Ein zu krummer Weg, zu viele Nebenwirkungen, welche das Endresultat zu stark beeinflussen! Die Ölprobe dagegen ist sozusagen der gerade Weg zur Be- stimmung des wirklichen Zustandes des Pankreas. Bei ihrer An- wendung wirken keine anderen Organe mit, und sie muss in dieser Beziehung ohne Zweifel als tadellos anerkannt werden. Sie kann jedoch nicht immer angewandt werden; z. B. an- haltendes Vomieren, einige Magenkrankheiten und Leberleiden schliessen sie aus. Schliesslich kann sie nicht angewandt werden, wenn keine Sonde eingeführt werden kann’). Am besten wäre es, wie man es a priori annehmen kann, und wie es einige Autoren empfehlen, die Ölprobe im Verein mit den anderen anzuwenden. Ausserdem empfiehlt Brugsch als eine nicht ganz nutzlose Zugabe zu der Ölprobe die Bestimmung nicht nur des Trypsins, sondern auch des Erepsins (des Fermentes des Darmsaftes). Freilich ist letzteres recht mühevoll (es kann nur in einer Klinik vollzogen werden), aber dafür kann bei Abwesenheit des Trypsins und An- 1) Die Physiologie der Magendrüsen und des Pankreas hat einige Fort- schritte gemacht, erst nachdem man gelernt hat, ihre Säfte rein zu gewinnen, und angefangen hat, dieselben in ihrem reinen Zustande zu untersuchen. Es ist anzunehmen, dass die Pathologie und die Diagnostik gewissermassen denselben Weg einschlagen werden. 2) Wie ich bereits in meinen früheren Arbeiten geschrieben habe, muss man, wenn die Sonde nicht eingeführt werden kann und erbrochene Massen vor- handen sind, letztere bei Erkrankungen der Verdauungsapparate nicht nur auf Magenfermente, sondern auch auf Pankreasfermente untersuchen. Zu diesem Zweck ist es am einfachsten, je ein Stück Fibrin in drei Portionen des Er- brochenen: erstens in eine ratürliche, zweitens in eine bis zu saurer Reaktion angesäuerte und drittens in eine bis zu alkalischer Reaktion alkalisierte Probe, zu werfen. Das raschere Verdauen des Fibrins in der zweiten oder dritten Portion wird deutlich auf die Anwesenheit von Pepsin oder Trypsin in den erbrochenen Massen hinweisen. Müller und Schlecht empfehlen auch, die Kotmassen in dieser Beziehung zu untersuchen. oON* 30 458 W. Boldyreff: wesenheit des Erepsins oder, was einfacher ist, des Invertius (und folglich auch des Darminhalts) im Magen auch kein Zweifel gerade über die ungenügende Pankreasfunktion vorliegen. 5. Einige Worte über die experimentelle Erkrankung des Pankreas. Ich halte es für nötig, folgendes über die Erkrankung des Pankreas bei Hunden hier anzuführen. Ich denke, dass bei Er- krankungen des Pankreas bei Menschen etwas Ähnliches beobachtet werden kann, und da die Pathologie des Pankreas noch gar nicht klar ist, so dürften wohl die von mir hier dargelesten Tatsachen von einiger Bedeutung sein. Es erweist sich, dass man bei Erkrankungen des Pankreas nicht nur eine Hypersekretion des Saftes mit einem sehr geringen Gehalte an Fermenten, was schon längst bekannt ist, sondern auch eine Hyposekretion, gleich anderen Drüsen, und zwar den Speichel-!) und Magendrüsen, beobachten kann. Einem jungen Hunde (Gewicht 1 Pud) war am 2. Oktober von mir eine Pankreasfistel angelegt. Prima intentio. Am 14. Oktober, nach Genuss von 200 g Weissbrot, wurden 40,6 cem Pankreassaft ausgeschieden. Darauf wurde die Menge des sich ausscheidenden Saftes rasch geringer, und zu gleicher Zeit wurden Kennzeichen der Verdauungsstörungen wahrgenommen: schlechterer Appetit, übler Geruch aus dem Maul, Aufstossen übelriechender Gase, Durchfall und Gewichtsverlust. Am 16. Oktober, nach Genuss von 600 g Milch, wurden nur 15 eem Saft gewonnen; am 20. Oktober, nach Genuss von 200 g Weissbrot, ganz wenig, 5,3 eem; desgleichen am 21. Oktober, nach Genuss von 100 g Fleisch, unter 5,0 eceem; am 22. Oktober, auf 600 g Mileh, kaum 2,0 ecem, usw., im Verlaufe von 1V» Wochen. Der Gedanke an ein mechanisches Hindernis für den Ausfluss des Pankreassaftes musste verworfen werden, da der (hohle) Katheter, mit Hilfe dessen wir gewöhnlich den Pankreassaft direkt aus dem 1) Unsere zahlreichen experimentellen Beobachtungen an Hunden mit Fisteln der Ohrspeicheldrüse haben gezeigt, dass bei jüngst operierten Tieren sich nicht selten die Hyposekretion des Speichels entwickelt, die in einer Be- ziebung zu der Erkrankung der Drüse steht und gewöhnlich spurlos nach 2—3 Wochen verschwindet. Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 459 Pankreas erhalten, ganz leicht und tief in den Gang der Drüse ein- geführt werden konnte, und wenn derselbe dort geraume Zeit (!/s Stunde) gelassen war, so konnten dennoch nur einige Tropfen Saft erhalten werden. Schliesslich verging die Hyposekretion all- mählich von selbst. Dieser Fall beweist, dass ein durch die Pankreaserkrankung bedingtes Verschwinden des Pankreassaftes geheilt werden kann, dass bei negativen Resultaten wiederholte Untersuchungen erforder- lich sind, und dass ohne genügende Gründe eine Atrophie der Drüse nicht vorausgesetzt werden soll. Ich denke, dass die von mir be- obachtete Erkrankung des Pankreas analogisch der gleichen Er- krankung der Öhrspeicheldrüsen war und hervorgerufen worden ist durch eine nach der Operation von aussen eingedrungene Infektion. Mit der Zeit hoffe ich diese Beobachtungen noch durch mikro- skopische Untersuchungen zu ergänzen und sie auf eine festere Basis zu stellen. 6. Das Übertreten des Pankreassaftes in den Magen bei grosser Menge starker Säuren in demselben. Es gibt noch einen Fall, in dem der Pankreassaft in grosser Menge in den Magen dringt. Das geschieht, wenn in dem Magen starke Säuren vorhanden sind. So z. B. führt eine starke Ausscheidung des Magensaftes bei leerem Magen zur Ansammlung von saurer Flüssigkeit, die ungefähr 0,5°/0 HCI enthält; bei allmählichem Übergang in den Darm ruft sie die Ausscheidung des Pankreassaftes und bei genügender Quantität derselben im Magen auch den Zufluss des alkalischen Pankreassaftes in den Magen selbst hervor. Ich habe früher schon eingehender über diese Erscheinung ge- schrieben und hatte ausserdem die Ehre, in einer Sitzung dieser Sektion eine spezielle Mitteilung darüber zu machen !). Es ınuss noch erwähnt werden, dass der Pankreassaft in diesem Falle äusserst wenig Fermente enthält und ausserdem sich ihm sehr wenig Galle beimengt, so dass der Mageninhalt gewöhnlich hellgelb oder zitronengelb ist. 1) W. Boldyreff, Die Selbstregulierung des Säuregrades des Magen- inhaltes. Mitgeteilt in der Sektion für innere Krankheiten des XI. Pirogoff- schen Kongresses am 23. April 1910 zu St. Petersburg. 460 W. Boldyreff: In diesem Falle verfolgt der Organismus andere Zwecke, und zwar die partielle Neutralisierung der Säure des Mageninhalts im Magen, indem er den Säuregrad bis 0,15—0,20°/o HCl herabsetzt, was für den Magen am günstigsten für die Verdauung des Eiweisses durch Pepsin und für den Darm die Maximalerenze des Säure- grades, welchen er leicht und ohne schlimme Folgen ertragen kann, ist. Doch ist es äusserst schwierig und mühevoll, die Pankreas- fermente in dieser Flüssigkeit nachzuweisen, und wenn das Fett zusammen mit der wässerigen Lösung der Säure in den Magen tritt oder in ihn während der Sekretion des Magensaftes eingeführt wird, so gibt die Ölprobe trotzdem, dass hierbei der Pankreassaft unauf- haltsam in den Magen fliesst, keine bestimmten positiven Resultate; denn 1. fliesst in den Magen auf die Säure ein an Fermenten sehr armer Pankreassaft, der dazu noch durch die im Magen enthaltene saure Flüssigkeit verdünnt wird; 2. schwächt letztere so bedeutend die Fermente des Pankreassaftes, dass der Nachweis des Trypsins in demselben äusserst schwierig ist. Wenn aber die ganze Säure aus dem Magen entfernt ist und die Wirkung des Öls beeinnen kann, so ist das durch die schon geleistete Arbeit ermüdete Pankreas nicht mehr imstande, auf das Öl die gewöhnliche Fermentmenge auszuscheiden, und die Ölprobe gibt kein ganz klares Resultat. Aus dem Gesagten wird es klar, dass ich die Anwesenheit von Säure im Magen durchaus nicht für günstig für die Ölprobe halte, wie es aber einige deutsche und russische Autoren angenommen haben. Doch bestehe ich auch jetzt noch darauf, dass die Wirkung des stark sauren Öles (2/oige Lösung von Acid. oleinicum in demselben) besser, ja unendlich viel besser ist als die des im Handel vor- kommenden neutralen oder kaum sauren Öles. Der Umstand, dass ich die Wirkung des Öles mit der Wirkung der Säure (doch nicht im Wasser, sondern im Öl gelösten, worauf nieht genügend geachtet worden ist) zu kombinieren empfehle, hat die Missverständnisse hervorgerufen. | Ich halte es für nötig, hierbei zu erwähnen, dass mit meinen immer, d. h. in 100°eo, an Hunden mit gesundem Pankreas er- haltenen Resultaten in vollem Einklange die Resultate von Mahlen- brey — des einzigen Autors, der genau meinen Anweisungen ge- folgt ist — stehen (bei 41 Untersuchungen an Menschen erhielt er in 38 Fällen, d. h. in 92°/o, positive Resultate). Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen etc. 461 Alle übrigen Autoren sind jedoch von dem von mir empfohlenen Wege abgewichen und haben ausschliesslich reines Öl, aber nicht eine Öllösung von Acid. oleiniecum angewandt und infolgedessen schlechtere Resultate erhalten. Doch ist es auch einigen von diesen Autoren gelungen, mit Erfolg diese Aufgabe zu lösen (Lewinski hatte positiven Erfolg in 100%). | Da hier der Säuregrad des Magen- und Darminhaltes erwähnt worden ist, so kaun ich nicht umhin, auf den bemerkenswerten, so- zusagen dreifachen Einklang des Säuregrades des Magen- und Darm- inhalts hinzuweisen, was auf einen ganz auffallenden Einklang der Bedingungen der Arbeit der verschiedenen Verdauungsorgane hin- weist: 1. der beste Säuregrad für die Verdauung des Eiweisses durch Pepsin, 0,15—0,18 %o HCl (Konowaloff‘), Tiehomiroff?); 2. der höchste Säuregrad, der leicht vom Darm ertragen wird, ist wiederum 0,15—0,20 °/o HCl, und 3. eine stark saure Flüssigkeit ver- liertt im Magen ihre Säurestärke, welche bis zu demselben Grade 0,15—0,20 %/o HC], fällt. Ich will hier noch hinzufügen, dass diesem selben Säuregrad auch der Säuregrad des sogenannten Magensaftes entspricht ?), d. h. 1) P. N. Konowaloff, Das im Handel gebräuchliche Pepsin im Vergleich zum normalen Magensaft. Inaug.-Diss. St. Petersburg. 1893. 2) N. P. Tichomiroff, Über den Einfluss der Salzsäure auf das Pepsin des Magensaftes. Arbeiten der russ. Ärzte zu St. Petersburg. 1904—1905. 3) In Anbetracht dessen, dass im Magen oft ihm fremde Darmsäfte vor- handen sind, ferner in Anbetracht dessen, dass jetzt gute Methoden zum Aushebern des echten, von Nebenzusätzenganz freien Magensaftes (die Methode von Bulawinzeff, die Methode von Gurewitsch) existieren, ist es durchaus nötig, die frühere Art, die aus dem Magen unter irgendwelchen Bedingungen gewonnene Flüssigkeit „Magensaft“ zu nennen, zu verwerfen. Man muss dieselbe „Mageninhalt“ nennen. „Magensaft“ und „Mageninhalt“ ist ja durchaus nicht ein und dasselbe. „Magensaft“ muss nur der absolut reine und echte Magensaft genannt werden, d. h. die saure aus den Magendrüsen aus- geschiedene Flüssigkeit, die keinen Zusatz der Darmflüssigkeit enthält und nicht zu sehr durch Nebenstoffe verdünnt oder verunreinigt ist. Nur wenn diese unumgängliche und einfache Regel beobachtet wird, er- halten wir die Möglichkeit, die wahren Eigenschaften des menschlichen Magen- saftes kennen zu lernen. Nur dann werden endlich die auch jetzt noch herrschende Mannipfaltigkeit und die Widersprüche in den Ansichten über die verschiedenen Bestandteile des Magensaftes beim Menschen und über ihre Veränderungen im normalen und kranken Zustande verschwinden. 463 W. Boldyreff: Über die Gewinnung des Pankreassaftes etc. des Mageninhaltes, der bei Menschen nach dem Probefrühstück aus- gehebert wird, was nach dem Obengesagten selbstverständlich ist. Wenn man die obenerwähnte unvermeidliche partielle Neutralisierung des sauren Mageninhalts im Magen selbst in Betracht zieht, so wird es nicht schwer fallen, die scharfe Meinungsverschiedenheit, welche zwischen den Physiologen, die behaupten, dass der Säuregrad des Magensaftes beim Menschen ca. 0,5°/o HCl gleich ist, und den Klinikern, die durch zahllose und genaue Untersuchungen an vielen Tausenden von Menschen bewiesen haben, dass er gewöhnlich nicht höher ist als der eben angeführte, d. h. 0,15 °/o HC1!), herrscht, auszugleichen. 1) Das Nähere hierüber ist in der bereits oben erwähnten Mitteilung (siehe Anm. 1 auf S. 458) auseinandergesetzt. 463 (Aus dem physiologischen Institut der kais. Universität Kasan.) Über die Rolle der Nervenzellen des Froschherzens. Von Prof. D. Polumordwinow. (Mit 5 Textfiguren und Tafel IV.) Bei dem gegenwärtigen Stande der Anschauungen über den Ursprung der automatischen Tätigkeit des Herzens tritt das Be- dürfnis nach Aufklärung der Rolle der Nervenzellen, welche in dem Herzen eingelagert sind, mit besonderer Schärfe hervor. Unterdessen haben die Versuche mit dem Durchschneiden des Herzens und dem Anlegen von Ligaturen aufgehört, ihrer Bestimmung Genüge zu leisten, weil ihre Resultate eleich leicht wie in der neurogenen so auch in der myogenen Theorie der Herzautomatie ihre Erklärung finden; wenn ihnen eine grosse Rolle bei der Aus- arbeitung der neurogenen Theorie zu spielen bestimmt war, so haben sie andererseits einen nicht geringen Dienst auch der myogenen Theorie erwiesen, indem sie ihr eine Vollendung und eine detaillierte Ausarbeitung verliehen haben, welche dieser Lehre auch ihre Gegner nicht absprechen können. Die Lösung der Frage muss von anderen Untersuchungsmethoden erwartet werden; von solchen erscheinen am wichtigsten die Ver- suche am Herzen mit degenerierten Nerven, in welchen nur die Nerveufasern, die aus den Nervenzellen des Herzens ent- springen, unverändert geblieben sind. Die Histologie und Physiologie des Herzens verfügt gegenwärtig über ein Material von genügender Vollständigkeit und Überzeugungs- kraft, um folgende allgemeine Thesen über das Schema der Herz- isnervation aufstellen zu können. Die motorischen Nerven nelımen ihren Anfang in den Knoten des sympathischen Grenzstranges und verlaufen ohne Unterbrechung direkt zu den Muskeln. 464 D. Polumordwinow: Für das Nichtunterbrochensein ihres Verlaufes spricht zualler- erst die von Langley!) festgestellte Tatsache, dass alle autonomen Nerven auf ihrem Wege vom zentralen Nervensystem bis zu den Endapparaten durch. Nervenzellen unterbrochen werden, und dass solch eine Unterbrechung eine einmalige ist; infolgedessen besteht jeder autonome Nerv aus zwei Teilen: aus einer präganglionären und einer postganglionären Faser. Für die motorischen Herznerven ist festgestellt worden, dass auf ihrem Wege zwischen dem Rückenmarke und dem Herzen die Unterbrechungsstelle in dem Ganglion stellatum sich befindet; folg- lich verlaufen die hier entspringenden Nerven, welche also post- ganglionäre Fasern darstellen, direkt zum Herzmuskel. Damit wird auch die Tatsache erklärt, dass nach Einführen in das Blut von Nikotin, welches auf die in den Bahnen der autonomen Nerven eingeschalteten Nervenzellen wirkt, die Reizung der hem- menden Fasern sieh wirkungslos erweist, während die Reizung der motorischen Fasern, deren Unterbrechungsstelle höher über der: üb- lichen Reizungsstelle liegt, ihre frühere Wirkung ungeschwächt bei- behält. Wie bekannt, war selbst das Faktum der Existenz von motorischen Herznerven beim Frosche namentlich auf solehem Wege festgestellt worden. Für eine direkte Verbindung der motorischen Nerven mit dem Herzmuskel sprechen auch die von Hering angestellten Versuche ?). Bei Reizung der Nerven des Herzens, dessen Tätigkeit in gewissen Zeiträumen durch Hilfe von künstlicher Blutzirkulation wieder- hergestellt und unterhalten wurde, bemerkte Hering, dass, während die Wirksamkeit des Vagus schon nach 6 Stunden verschwand, die Wirksamkeit der motorischen, speziell der beschleunigenden Fasern nach Verlauf von mehr als zweimal 24 Stunden nachgewiesen werden konnte (nach 53 Stunden 44 Minuten bei Affen). Solch ein grosser Unterschied in der Dauer des Überlebens des hemmenden und des motorischen nervösen Apparates sprieht am meisten dafür, dass die motorischen Nerven auf ihrem Wege im Innern des Herzens nieht in Verbindung mit Nervenzellen treten. 1) Langley, Das sympathische und verwandte nervöse System der Wirbel- tiere. Ergebn. d. Physiol. (v. Asher und Spiro) Jahrg. 2 Nr. 2. 1903. 2) Hering, Über die Wirksamkeit der. Nerven usw. Pflüger’s Arch. Bd. 99. 1903. --- Hering, Sind zwischen dem extrakardialen Teil der zentri- fugalen Herznerven usw.? Pflüger’s Arch. Bd. 99. 1903. Über die Rolle der Nervenzellen des Froschherzens. 465 Was die hemmenden Nerven anbelangt, so ist die Tatsache ihrer Unterbrechung durch die im Herzen selbst eingeschlossenen Zellen erwiesen (Bidder, Nikolaew). Bei Untersuchung des Froschherzens mit durchschnittenen Nn. vagi hatte Nikolaew!), welcher mit der vitalen Methylenblau- färbungsmethode arbeitete, gefunden, dass nach ungefähr 10 Tagen nach dem Durchschneiden der spirale Fortsatz und das sogenannte perizelluläre (Arnold’sche) Netz schon Erscheinungen des Zerfalles zu zeigen begannen; nach 40 Tagen blieben vom genannten Fort- satze und vom perizellulären Nervennetz keine Spuren miehr nach. Ein und dasselbe Bild gaben alle Nervenzellen, ganz unabhängig davon, ob sie aus dem Remak’scher, Ludwig’schen oder Bidder’schen Knoten genommen wurden. Die Gleichartigkeit des Baues der Nervenzellen des Frosch- herzens und ihr gleichartiges Verhalten zu den Fasern der Nn. vagi geben das Recht, anzunehmen, dass die verschiedenen Anhäufungen derselben, welche als Remak’sche, Ludwig’sche und Bidder- sche Knoten benannt werden, gar nichts anderes darstellen als die einzelnen Teile eines einzigen Zellapparates, welches sich auf eine bedeutende Strecke ausgebreitet hat, angefangen schon von den Stämmen der Nn. vagi und endigend mit dem Ventrikel. Die neurogene Theorie, welche sich aus der ursprünglich von Stannius ausgesprochenen Ansicht über die Existenz im Herzen zweier Gruppen von Nervenzellen, der hemmenden und der motori- schen, entwickelt hat, erkennt in der Letztzeit eine funktionelle Gleichartigkeit aller Nervenzellen des Herzens an, indem sie die- selben als motorische annimmt; auf Unterdrückung ihrer Tätigkeit wird die Verlangsamung und der Stillstand der Herzkontraktionen, die bei Reizung der Nn. vagi beobachtet werden, zurückgeführt. Nach dem Durchschneiden der Nn. vagi beim Frosch degenerieren die motorischen Fasern und die präganglionären Fasern der Hem- mungsnerven; auf diese Weise verbleiben im Herzen nur die Nerven- fäden, welche die Nervenzellen mit den Muskeln verbinden, un- versehrt. 1) Nikolaew, Zur Frage über die Innervation des Froschherzens. Newrol. Westnik. 1894. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1893. 466 D. Polumordwinow: Die Zugänglichkeit ‘derselben für die unmittelbare Reizung bietet die Möglichkeit, mit voller Klarheit die Rolle der intrakardialen Nervenzellen zu bestimmen. Nur sehr wenige Frösche bleiben nach einem beiderseitigen Durchschneiden der Nn. vagi längere Zeit am Leben; die grösste Mehrzahl von ihnen geht im Verlauf der ersten 3 Wochen zugrunde; eine dreiwöchige Frist kann aber wohl kaum als eine genügende angesehen werden, zumal wenn man berücksichtigt, dass der De- _ generationsprozess bei ihnen sehr langsam verläuft; besonders ist dies der Fall bei den überwinternden Fröschen. Infolge dessen sind die Versuche an Herzen mit degenerierten Nerven mit sehr erheblichen Schwierigkeiten verknüpft. Mir war es gelungen, zwei operierte Frösche am Leben zu er- halten, von denen einer bis zum Versuche 35 Tage, der andere 41 Tage lang lebten. An diesen Fröschen sind meine Versuche angestellt worden. Die Untersuchung der peripherischen Enden der durchschnittenen Nerven sowie die Untersuchung der Scheidewandnerven erwies in beiden Fällen Waller’sche Degeneration aller markhaltigen Nerven. Bei dem zweiten Frosche, ungeachtet des Unterschiedes von nur 6 Tagen, hatte der Degenerationsprozess bedeutend höhere Grade erreicht; ich erkläre das damit, dass die Operation an einem frischen, gerade eben eingefangenen Frosche vollführt wurde (Anfang September 1909), während im ersten Falle ein überwinternder Frosch (Anfang des Frühjahres 1909) operiert war. Bei den degenerierten Nerven wurde ein vollständiges Ver- schwinden der Erreebarkeit konstatiert. Was die Bedingungen der Aufbewahrung der operierten Frösche anbetriftt, so lebte der erste, der 35tägige Frosch, 3 Wochen bei Zimmertemperatur (17”—1S° C.) und wurde nachher in ein Ranarium übergeführt bei einer mittleren Temperatur von ungefähr 10° C.; der zweite lebte die ganze Zeit nach der Operation in einem geräumigen Ranarium bei einer Temperatur im Mittel nicht niedriger als IDG: Über die Rolle der Nervenzellen des Froschherzens. 467 Versuch I. Nach Ablauf von 35 Tagen nach beiderseitigem Durchschneiden der Nn. vagi. Ich werde gesondert erörtern, was am intakten Herzen und was am isolierten Ventrikel von mir gefunden wurde. Registriert ' wurden die Ventrikelkontraktionen. l. Wenn die Elektroden von oben zwischen die oberen Hohl- venen eingeführt und derartig fixiert werden, dass sie den der Pulmonalvenenmündung anliegenden Teil berühren und mithin an die Stelle zu stehen kommen, woselbst der Remak’sche Knoten sich befindet, so tritt bei Reizung in dem venösen Sinus, in den Vorhöfen und im Ventrikel Stillstand ein (Kurve 1). ATTL TUI ULLLE Kurve 1. 120 mm R.-A. Schlittenapparat. Die Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Beim Verstellen der Elektroden verminderte sich der Effekt scharf, was dafür spricht, dass der Stillstand des Herzens mit der Reizung speziell des Remak’schen Knotens, dessen Nervenzellen und der hier beginnenden Nervenfasern verknüpft war. 2. Nach diesem Versuche wurden die Vorhöfe durchschnitten;; der Ventrikel verblieb im Zusammenhang mit den oberen Herzteilen nur vermittelst der Nerven des Septums. Als nach längerem Still- stande (55 Min.) sich automatische Bewegungen entwickelten, wurde die Reizung des Remak’schen Knotens wiederholt. In dem venösen Sinus und in dem mit demselben in Verbindung verbliebenen Teile der Vorhöfe trat wie früher Stillstand ein; der Ventrikel, welcher vorher bei unversehrter muskulöser Verbindung mit dem Sinus venosus alle Bewegungen desselben wiederholte und jedesmal stehen blieb, wenn der Stillstand des venösen Sinus sich entwickelte, reagierte jetzt durch eine gewisse Verlangsamung, hauptsächlich aber durch Abschwächung seiner Kontraktionen (Kurve 2). 468 D. Polumordwinow: Es muss bemerkt werden, dass dieses Resultat nicht diejenige Beständigkeit besass, durch welche sich der Effekt der Reizung des Remak’schen Knotens im ersten. Falle, d. h. am intakten Herzen, auszeichnete; nicht selten, ungeachtet der Reizung, bei dauerndem Stillstande des venösen Sinus und der Vorhöfe, fuhr der Ventrikel fort, sich mit der früheren Stärke und Frequenz zu kontrahieren; wenn aber der Effekt sich zeigte, so hatte er immer ein und den- selben Charakter: die Tätigkeit des Ventrikels wies Zeichen von Depression auf. Das Faktum der Unbeständigkeit und der schwachen Ausgeprägt- heit der Resultate gibt das Recht anzunehmen, dass die Zahl der NN uam Kurve 2. 100 mm R.-A. Nervenfasern, welche von den Zellen des Remak’schen und den oberen Teilen der Ludwig’schen Knoten ihren Anfang nehmen und bis zum Ventrikel verlaufen, gering ist. Aber sobald die Elektroden an die Nerven des Septums in ihrem unteren Teile hinübergetragen wurden (das Septum war dabei in seinem obersten Teile durch ‘eine Ligatur abgeschnürt), gewann die Reaktion des iso- lierten Ventrikels eine bedeutend grössere Prägnanz und Beständigkeit, wobei sie denselben Sinn bewahrte: seine Kontraktionen erlitten eine scharfe Abschwächung (Kurve 5). Ein vollständig klares Bild konnte man selbst bei Reizung eines einzelnen Nerven der Scheidewand erhalten. Nach Zerquetschen der Nerven oberhalb der Bidder’schen Knoten fiel der Effekt aus. Versuch 2. Binnen 41 Tagen nach beiderseitigem Durchschneiden der Nn. vagi. Registriert wurden ebenso die Bewegungen des Ventrikels. Über die Rolle der Nervenzellen des Froschherzens. 469 Bei Fixierung der Elektroden im Lagerungsgebiete des Remak- schen Knotens rief die Reizung beim intakten Herzen einen Still- stand aller seiner Teile hervor (Kurve 4). ————— ————————————— Kurve 3. 110 mm R.-A. Kurve 4 125 mm R.-A. sUUatadldden Kurve 5. 105 mm R.-A. Zeitintervall von 10 Sek. Der isolierte Ventrikel antwortete auf eine Reizung der Scheide- wandnerven (etwas unterhalb ihrer Mitte) mit einer klaren Ab- schwächung der Kontraktionen (Kurve 5). 470 D. Polumordwinow: Über die Rolle der Nervenzellen etc. Der Effekt verschwand, nachdem die Leitungsfähiskeit der Nerven durch deren Zerquetschen gleich oberhalb der Bidder’schen Knoten vernichtet worden war. Weder bei Reizung des Remak’schen Knotens noch auch bei Reizung der Scheidewandnerven vermochte ich jemals das geringste Zeichen eines motorischen Effektes wahrzunehmen. Der im Herzen mit degenerierten Nerven unversehrt gebliebene Nervenapparat reagiert auf Reizungen ausschliess- lieh dureh Entwicklung von hemmenden Einflüssen. Auf die hier angeführten Versuche gestützt, komme ich zu dem Schlusse, dass die Nervenzellen, welche im Froschherzen eingelagert sind, einen hemmenden Apparat vorstellen. Alle Arten von De- pression der Herzmuskeltätigkeit, welche auf Verlangsamung des Rhythmus und auf Herabsetzung der Stärke der Herzkontraktionen sich zurückführen lassen, sind als Resultat eines Erregungs- zustandes des intrakardialen Nervenzellenapparates anzusehen. Die Impulse, welche denselben in Tätigkeit setzen, erreichen ihn mit Hilfe der präganglionären Fasern, die in den Stämmen der Nn. vagi verlaufen und ihrer Funktion nach motorische Nerven cerebraler Herkunft vorstellen. Indem ich nun diesen Standpunkt einnehme, bin ich auch ge- zwungen eine andere These anzuerkennen, die aus dem eben Ge- sagten folgert: Die Entwicklung der hemmenden Einflüsse ist ver- bunden mit der Tätigkeit derjenigen Nervenendapparate, welche dem .. letzten Neuron angehören. Tafelerklärung. Kurve 6. Degenerationsprozess in den peripherischen Vagusenden. a) am 56. Tage, b) am 42. Tage nach der Durchschneidung. Kurve 7. Schema des Verhältnisses der hemmenden und der motorischen Nerven zum Herzmuskel. In blauer Farbe sind die Elemente mit hemmender Funktion, in roter Farbe die motorischen Elemente dargestellt. Taf.W. Lith.Anst v.F Wirtz Darmstadt. Gang. Symp. = 5 D . Se EI N S “ CaERt an > er S \ ir \ | | 2 \ Ser Ber 3 oe Med. oblong. o = ie) A ® A jo») a 5 Ei u ® [op) ® Be] ge) = He) > : „a u: i p) =) E 0 = © a a ek N NER (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität Prag.) Studien am Phonokardiogramme. Von Privatdozent Dr. ®. H. Kahn. (Mit 4 Textfiguren und Tafel V.) Meine!) Versuche der Registrierung menschlicher Herztöne nach Einthoven’s Methode führten insofern zu befriedigenden Er- gebnissen, als es gelang, die zeitlichen Verhältnisse der Herztöne und des Elektrokardiogrammes aufzuklären. Die Resultate dieser Versuche sind von Gerhartz?) sowie von Weiss und Joachim?), welche mit anderen Registriermethoden arbeiteten, bestätigt worden. Auch die in meinen Versuchen festgestellten sonstigen zeitlichen Verhältnisse, so die Dauer der beiden Töne, die Zeit zwischen erstem Herzton und Karotispuls stimmten mit den Angaben früherer Autoren in befriedigender Weise überein. Um weitere Aufschlüsse über solche Erscheinungen zu erhalten, schien es erwünseht, mit den Versuchen zum Tierexperimente über- zugehen, zumal nach den beiden bezüglichen Arbeiten von Hürthle‘*) und Einthoven und Geluk?’) noch manche Fragen der Be- antwortung harrten. Es wurden also zunächst Experimente an Hunden angestellt, welehe darin bestanden, dass unter verschiedenen Bedingungen die 1) R. H. Kahn, Weitere Beiträge zur Kenntnis des Elektrokardiogrammes. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 291. 1909. — Die Lage der Herztöne im Elektro- kardiogramme. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 597. 1910. 2) H.Gerhartz, Herzschallstudien. Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 509. 1910. 3) O0. Weiss und G. Joachim, Die Beziehungen der Herztöne usw. zum Elektrokardiogramm. Deutsche med. Wochenschr. 1910 S. 2187. 4) K. Hürthle, Beiträge zur Hämodynamik. Pflüger’s Arch. Bd. 60 S. 263. 1895. 5) W. Einthoven und M. A. J. Geluk, Die Registrierung der Herztöne. Pflüger’s Arch. Bd. 57 S. 617. 1894. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. al 473 R. H. Kahn: Spitzentöne der Tiere registriert wurden. Die Registrierung erfolste mit Mikrophon und Saitengalvanometer nach der Methode von Ein- thoven!). Die spezielle Versuchsanordnung, welche es auch ge- stattet, Herztöne und Elektrokardiogramm gleichzeitig mit derselben Saite aufzunehmen, ist in meinen oben zitierten Abhandlungen aus- führliceh beschrieben. Es erübrigt nur, jene besonderen Maassnahmen zu besprechen, welche mit dem Tierexperimente verbunden waren. Die Reeistrierung der Herztöne verlangt die Abwesenheit von Atmungsgeräuschen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die Tiere zu euraresieren. Gelegentlich einer jeden Registrierung wurde mit der künstlichen Atmung ausgesetzt. Die Tiere lagen am Rücken, die linke Brustwand wurde sorg- fältig rasiert. Die Abnahme der Herztöne erfolgte mit Glastrichtern von 2—5 em Durchmesser, welche in ein entsprechend aufgestelltes Stativ gefasst und auf die Brustwand aufgedrückt wurden. Die Triehter waren durch eine kurze, an mehreren Stellen weitgeöffnete Schlauchleitung mit dem Mikrophone verbunden. Um die zeitlichen Verhältnisse der Herztöne mit der Blut- bewegung einigermaassen vergleichen zu können, wurden neben den Bewegungen der Galvanometersaite auf der lichtempfindlichen Fläche auch die Ausschläge eines Gad’schen Blutwellenschreibers ver- zeichnet, welcher durch kurze Röhren mit der Karotis des Versuchs- tieres in Verbindung stand. Die Resultate der Registrierung waren recht befriedigend. Von den zahlreichen Aufnahmen ergab eine recht grosse Anzahl brauchbare Negative. Manche aber wurden durch kontinuierliche Zitterbewegungen der Saite unverwendbar. Solche Störungen ergeben sich leicht aus einer nicht genügend erschütterungsfreien Aufhängung des Mikrophons oder aus dem Vorhandensein von Geräuschen im Versuchsraume. Nieht selten aber macht sich ein im Versuchstiere liegender Um- stand unliebsam bemerkbar. Es ist dies ein kontinuierliches, ge- legentlich sehr lautes, öfters leises Sausen, welches auch bei auf- merksamer Auskultation am euraresierten Hunde zu hören ist und offenbar mit der Blutströmung zusammenhängt. Welches die Ur- sachen dafür sind, dass diese Erscheinung meistens fehlt, öfters aber zu hören und zu registrieren ist, weiss ich nieht anzugeben. 1) W. Einthoven, Die Registrierung der menschlichen Herztöne mittels des Saitengalvanometers. Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 461. 1907. Studien am Phonokardiogramme. 473 Ich gebe im folgenden eine Übersicht über die Resultate jener Versuche, welche zu Messungen gut verwendbare Negative geliefert haben. Es sind dies Versuche an sieben Tieren mit zusammen 20 verschiedenen Einzelversuchen. I. Normaler Ablauf der Herzschläge. pro Minute in Hundertsteln einer Sekunde 120 9,6 3 19,2 6,2 170 7,8 32 14,9 7,7 210 8,8 2,9 13,0 5,9 (4,5 + 4,3) 220 6,8 2,5 12,5 6,2 (3,4 + 3,4) 230 12 1,9 14,0 i 7,4 In die Tabelle über fünf Serien normaler Herztöne, welche von fünf verschiedenen Tieren gewonnen wurden, sind mittlere Werte aus jeder Serie eingesetzt. Man erkennt zunächst aus der ersten Reihe, dass es sich bei den Versuchstieren um verschiedene Puls- frequenzen gehandelt hat. Die Tiere sind mit zunehmender Puls- frequenz in die Reihe eingetragen. Die Dauer der ersten Herztöne unserer Versuche schwankt zwischen 6,8 und 9,6 Hundertsteln einer Sekunde, beträgt also im Mittel 0,0805 Sekunden. Das ist ein Wert, welcher mit den bisher angegebenen Werten ganz gut übereinstimmt. In der von Ein- thoven und Geluk!) mit dem Kapillarelektrometer registrierten Kurve vom Hunde lässt sich die Dauer des ersten Tones mit 0,7 bis 0,08 Sek. ausmessen, in der Kurve von Frank?) (Fig. 39) mit 0,072 (nach Gerhartz), bei Gerhartz?) findet sieh der Wert von 0,076 Sek. verzeichnet. Eine bestimmte Beziehung der Gesamtdauer des I. Herztones zur Frequenz des Herzschlages ergibt sich aus unserer Tabelle nicht. Dagegen ist auf einen anderen bemerkenswerten Umstand hinzuweisen. Bei höheren Pulsfrequenzen besteht die Gruppe der Saitenschwingungen, welche dem I. Tone entspricht, sehr deutlich aus zwei voneinander leicht unterscheidbaren Teilen. Die beiden Abschnitte unterscheiden 1) A. a. ©. S. 633. 2) O. Frank, Der Puls in den Arterien. Zeitschr. f. Biol. Bd. 46 S. 441. 1905. a) Ar a2 02.849597. sl* 474 R. H. Kahn: sich voneinander durch die Höhe der Saitenausschläge, indem der erste aus höheren, der zweite aus niedrigeren Zacken besteht. Diese beiden Teile des I. Herztones machen je etwa die Hälfte der Ge- samtdauer desselben aus, wobei der erste etwas länger zu dauern pflegt als der zweite. Da es sehr wahrscheinlich ist, dass der I. Herzton sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt (Muskel- geräusch, Klappenschwingungen usw.), so scheint es nicht unmöglich, anzunehmen, dass hier aus Gründen, welche mit der höheren Herz- schlagfrequenz zusammenhängen, solehe Komponenten bei der Regi- strierung gesondert erscheinen. Die Dauer der II. Herztöne in unserer Tabelle (zweite Reihe) schwankt zwischen 1,5 und 5,2 Hundertsteln einer Sekunde. (Ein- thoven und Geluk ca. 0,04 Sek., Frank 0,044 Sek., Gerhartz 0,045 Sek.) Man sieht, dass die Dauer des II. Tones mit der Zu- nahme der Schlagfrequenz des Herzens abnimmt. Da der II. Herzton vermutlich ein reiner Klappenton ist, so müssen bei grösserer Schlag- frequenz die Bedingungen für sein Bestehen ungünstigere sein. Das könnte darin liegen, dass infolge des geringeren Schlag- volumens die Semilunarklappen nach dem Schlusse weniger intensiv in Schwingungen versetzt werden, oder dass infolge des höheren Aortendruckes die Klappenschwingungen rascher gedämpft werden. Zwischen solchen Möglichkeiten zu entscheiden, ist wohl sehr schwer. Vor allem müsste in solchen Versuchen die absolute Höhe des Aortendruckes registriert werden, was in unseren Versuchen, um sie nicht allzusehr zu komplizieren, nicht geschehen ist. Was nun die zeitliche Distanz des Beginnes der beiden Herz- töne anlangt, also die Dauer der Kammersystole, so zeigt dieselbe ebenfalls ganz charakteristische Beziehungen zur Herzschlagfrequenz. Sie wird mit zunehmender Schlagzahl des Herzens immer kürzer. Indessen zeigt der letzte Fall in unserer Tabelle ein anderes Ver- _ halten.. Denn trotz hoher Pulszahl ist hier die Dauer der Systole verhältnismässig gross. Endlich orientieren uns die in der Tabelle in der letzten Reihe angeführten Zahlen über die Zeiten, welche in den verschiedenen Versuchen vom Beginne des I. Herztones bis zum Beginne des Druekanstieges in der Karotis!) vergangen sind. Sie schwanken 1) In den angeführten Messungsergebnissen ist der Umstand berücksichtigt, dass der den Karotisdruck registrierende Hebel gegen die Saite des Galvanometers mit einer Verspätung von 0,01 Sek. arbeitete. Studien am Phonokardiogramme. Ann zwischen 5,9 und 7,7 Hundersteln einer Sekunde, betragen also im Mittel 0,067 Sek. (Frank 0,059 Sek., Aorta). Gesetzmässige Be- ziehungen zur Herzschlagfrequenz sind nieht zu erkennen. Vergleichen wir die hier am Hunde gewonnenen Ergebnisse mit den bisher am Menschen festgestellten, so ergibt sich ferner die Tatsache, dass alle hier festgestellten Zeiten hier erheblich kleiner sind als dort. Fassen wir also die Ergebnisse der Herztonregistrierung beim Hunde zusammen, so zeigt sich folgendes: 1. Die Dauer des I. Herztones beträgt im Mittel 0,08 Sek. Sie steht in keiner gesetzmässigen Be- ziehung zur Herzschlagfrequenz. Der I. Herzton be- steht jedoch bei höheren Frequenzen aus zwei deut- lich voneinander zu trennenden Abschnitten. 2. Die Dauer des II. Herztones schwanktinner- halb weiter Grenzen (0,015—0,05 Sek.) mit der Herz- schlagfrequenz. Je grösser die letztere, um so kürzer dauert der I. Ton. & Die Distanz des Beginnes der beiden Herztöne nimmt im allgemeinen mit zunehmender Schlas- frequenz des Herzens ab. Indessen kommen Aus- nahmen von dieser Regel vor. 4. Der Beeinn des I. Herztones fällt im Mittel 0,067 Sek. vor den Druckanstieg in der Karotis. Die Grösse dieser Zeitdifferenz steht in keiner gesetz- mässigen Beziehung zur Pulsfrequenz. II. Herzalternans. An Tieren, deren Herz unter abnormen Bedingungen schlug, wurden ebenfalis Herztonregistrierung vorgenommen, von denen hier vorläufig jene geschildert werden sollen, welche beim künstlich er- zeusten Herzalternans gewonnen wurden. (Bei der Anstellung dieser Versuche wurde ich von Dr. E. Starkenstein unterstützt.) Die künstliche Erzeugung des Herzalternans erfolgte durch intravenöse Injektion von Glyoxy!säure!). Vor der Injektion und 1) 0. Adler, Wirkung der Glyoxylsäure auf den Tierkörper. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 56 8. 207. 1907. — E. Starkenstein, Über experimentell erzeugten Pulsus alternans. Zeitschr. f. experim. Path. u. Therapie. 476 R. H. Kahn: auf der Höhe des durch dieselbe erzeugten Alternans wurden die Herztöne und zugleich der Karotisdruck registriert. Einige Tabellen mögen von den hierbei erreichten Resultaten unterrichten. Tabelle A. ae | nk 1. II. 2] DR 146 pro Minute in Hundertsteln einer Sekunde normal 120 | oe Ne ne oe N 82 ol a. In Tabelle A sind die Messunssresultate eines Versuches dar- gestellt, bei welchem wiederum die Dauer des I. Herztones (I.), des II. Herztones (II.), die Distanz des Beginnes der beiden Töne (I.—II.) und die Zeit zwischen dem Beginne des I. Tones und dem Anstiege des Karotisdruckes (L.—K.) festgestellt wurde. Ausserdem wurde auch die Herzschlagfrequenz ausgezählt. In der ersten Horizontal- reihe der Tabelle sind die Grössen vor der Injektion eingetragen, in der zweiten und dritten dieselben während des ausgesprochenen Herzalternans verzeichnet. Dabei bedeutet P jene Herzschläge, welche den grossen, p jene, welche den kleinen Puls erzeugten. Man ersieht aus der Tabelle zunächst, dass die Zahl der Herz- schläge in der Minute zur Zeit des Alternans etwas geringer war als vor der Injektion. Was den I. Herzton anlanet, so ist seine Dauer zur Zeit des Alternans geringer als vor demselben, und zwar dauern die I. Töne bei beiden Arten der Herzschläge (P, p) gleich lange Zeit. Bezüglich des II. Herztones ist hervorzuheben, dass er zur Zeit des Alternans sowohl beim grossen als auch beim kleinen Herz- schlage!) bedeutend kürzere Zeit andauert als vor der Injektion. Bd. 4. 1907. — H. E. Hering, Das Wesen des Herzalternans. Münchener med. Wochenschr. 1908. Nr. 27. — H. E. Hering, Experimentelle Studien über das Elektrokardiogramm. Zeitschr. f. experim. Path. u. Therapie Bd. 7 S. 363. 1909. — R. H. Kahn und E. Starkenstein, Die Störungen der Herztätig- keit durch Glyoxylsäure im Blektrokardiogramme. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 579. 1910. 1) Wir bezeichnen im folgenden jenen Herzschlag, welcher den grossen Puls im Alternans erzengte, als den grossen Herzschlag und umgekehrt, lediglich der sprachlichen Einfachheit halber, und ohne damit eine „Gleichsinnigkeit in der Grösse“ bei Herzschlag und Puls ausdrücken zu wollen. Studien am Phonokardiogramme. 47T Dabei sind die Zeiten der II. Töne der kleinen Herzschläge noch kürzer als die der grossen. Die Feststellung der Distanz zwischen dem Beginne der beiden Herztöne ergibt ein interessantes Resultat. Diese Zeit ist wohl während des Alternans etwas grösser als vor demselben, aber sie ist zur Zeit der grossen Herzschläge eine andere als zur Zeit der kleinen. In letzterem Falle ist sie erheblich kürzer. Das heisst, beim kleinen Herzschlage des Alternans ist der Il. Herzton ver- früht. Es dauert also die Systole der Kammer beim grossen Herz- schlage länger als beim kleinen. Was nun die Zeit zwischen dem BegTıne des I. Tones und dem Druckanstiege in der Karotis anlangt, so erscheint bemerkens- wert, dass der letztere beim kleinen Herzschlage bedeutend später gegenüber dem Beginne des I. Tones erfolgt als beim grossen. Diese Erscheinungen sind in allen Aufnahmen dieses Versuches zu kon- statieren. Tabelle B. Ne Pulsahl 1. II. ne Re 157 pro Minute in Hundertsteln einer Sekunde normal | 170 | 1,8 | 32 14,9 7,1 bare Die Zahl der Herzschläge in der Minute ist zur Zeit des Alter- nans etwas geringer als vorher. Wiederum ist die Dauer der I. Herz- töne während der Störung des Herzschlages viel geringer als zur normalen Zeit, während sich die I. Herztöne beim grossen und kleinen Herzschlage in der Dauer kaum voneinander unterscheiden. Die II. Herztöne zeigen nieht ganz dieselbe Erscheinung, wie wir sie im vorigen Falle gesehen haben. Ihre Dauer beim Alternans ist wenig kleiner als vor demselben, sie ist ausserdem beim grossen und kleinen Herzschlage dieselbe. Dagesen sind die besonderen Verhältnisse in der Distanz des Beginnes der beiden Herztöne, welche wir oben hervorgehoben haben, auch hier ausgesprochen. Während des Alternans ist dieselbe grösser als vor demselben und der zweite Herzton beim kleinen Herzschlage ist bedeutend verfrüht. Bezüglich des zeitlichen Verhaltens des Beginnes des Druck- anstieges in der Karotis zum Beginne des I. Herztones lässt sich 478 R. H. Kahn: hier keine zuverlässige Angabe machen, da der erstere in dem Negative nicht mit genügender Genauigkeit festgestellt werden kann. Tabelle C. Nr.159, | Pulszahl | 1. I. LU. L—K. 161 pro Minute in Hundertsteln einer Sekunde normal 210 8,8 29 13,0 9,9 (4,5 + 4,8) P 135 { 5,8 a de 6,0 p 6,6 Das 9,5 Aus den in Tabelle C eingetragenen Messungsresultaten eines weiteren Versuches ersieht man ganz dieselben Verhältnisse, wie sie die früheren Versuche aufweisen. Also wiederum die Abnahme der Herzschlagzahl im Alternans, die Abnahme der Dauer des I. Tones und die geringe Änderung der Dauer des II. Tones, diesmal im ent- segengesetzten Sinne wie früher. Ferner die Zunahme der Distanz des Beginnes der beiden Töne im Alternans bei relativer Kürze derselben beim kleinen Herzschlage. Endlich findet man in der letzten Reihe der Tabelle wiederum die Erscheinung verzeichnet, dass der Beginn des Karotispulses gegen den Beginn des I. Herz- tones beim kleinen Herzschlage erheblich verspätet ist. Tabelle D. Nr. 159, Pulszahl l. u. IL—I. | L—K. 160 pro Minute in Hundertsteln einer Sekunde normal 210 8,8 2,5 13,0 | 59 (4,5 + 4,3) P \ 940 { 7,8 oT als 5,8 p 7,8 2,7 16,3 | 7,7 Tabelle D entstammt einem zweiten Versuche an demselben Versuchstiere, von welchem die in Tabelle C vorgeführten Werte gewonnen wurden. Hier war die Pulsfrequenz während des Alter- nans ausnahmsweise etwas höher als vorher. Sonst zeigen sich alle schon beschriebenen Erscheinungen im wesentlichen wieder. Die Verfrühung des II. Tones im Alternans beim kleinen Herzschlage ist sehr deutlich, ebenso die Verspätung des Druckanstieges in der Karotis gegenüber dem Beginne des I. Herztones. Studien am Phonokardiogramme. 479 Zum Zwecke einer weiteren Besprechung der bisher vorgeführten Messungsergebnisse ist es zweckmässig, diese in eine gemeinsame übersichtliche Tabelle einzusetzen. Tabelle E. Nr | 160 146 154 161 157 Pulszahl pro Minute 240 110 150 195 150 1. { E 71,8 8,8 5,3 5,8 4,5 p 7,8 8 34 6,6 4,9 I. { iR ZU 3,9 31 al 3,1 p 2,7 229 3,8 2,7 3, Im I B 171 21,7 16,0 Ira, ul, Na p 16,3 20,6 14,4 148 ı 1233 Em { P 5,8 | 4,3 5000 > D 7,7 a 6,6 9,5 ? Verspätung des | Bulsest.. ‚=... . 1,9 2 2,3 3,9 ? Verfrühung des | | | Mkones.. .. 0,8 Le 1,6 24 | 2,9 In dieser Tabelle sind die Messungsergebnisse der vorgeführten und eines weiteren Falles von künstlich erzeustem Herzalternans derart eingetragen, dass die einzelnen Fälle mit zunehmender Ver- frühung des II. Herztones beim kleinen Herzschlage aneinander- gereiht sind (unterste Reihe). Dabei ersieht man sofort aus der vorletzten Querreihe, dass die Verspätung des Druckanstieges in der Karotis im allgemeinen mit zunehmender Verfrühung des II. Herz- tones zunimmt. Und beurteilt man die Hochgradigkeit der Herz- störung nach der Differenz in dem Druckwerte des grossen und kleinen Pulses, so erkennt man wiederum, dass diese mit dem An- wachsen beider genannten Erscheinungen wächst. Daraus ergibt sich für unsere Versuche der Satz: Je hoch- gradiger die dem Alternans zugrundeliegende Störung, desto früher erfolgt beim kleinen Herzschlage derll.Ton, und desto später steigt der Druck in der Karotis an. Um ein Beispiel für das Aussehen unserer Kurven zu geben, reproduziere ich einen Ausschnitt aus der im ersten Falle (Nr. 160) gewonnenen Kurve in Fig. 1 der Taf. V!). Man sieht hier vier Kurvenlinien. Die oberste stammt von einer Stimmgabel, welche 1) Originalabzüge von den Negativen stehen jedem, der solche zu erhalten wünscht, zur Verfügung. 480 R. H. Kahn: in der Sekunde 100 Schwingungen macht. Die zweite zeigt die Herztonregistrierung, die dritte die Druckverhältnisse in der Karotis, während die vierte von einem Jaquet’schen Chronometer, welches Fünftelsekunden markiert, herrührt. Man sieht in der Blutdruckkurve den Alternans sehr gut aus- geprägt. Der kleine Pulsschlag zeigt sehr schön die Extrapuls- verspätung!). Der Druckwert des kleinen Pulsschlages ist um vieles geringer als der des grossen. Trotzdem läuft die Kurve der Herz- töne, wie man in der zweiten Kurve sieht, ganz regelmässig ab. Bei genauerem Zusehen findet man, dass der zum kleinen Pulse ge- hörige II. Herzton verfrüht ist, und dass die Ausschläge, welche den I. Ton des grossen Herzschlages bilden, etwas höher, diejenigen, welche den I. Ton desselben bilden, etwas niedriger sind als beim kleinen Herzschlage. Es sind also trotz der doch sicher sehr erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Herzschlägen des Alternans in der Kurve der Herztonregistrierung, abgesehen von den erwähnten Erscheinungen, keine besonderen Unterschiede zu bemerken. Dasselbe silt im all- gemeinen auch bezüglich der Resultate der anderen hier nicht reproduzierten Versuche. Indessen kommt es auch vor, dass sieh die Herztöne des grossen und kleinen Herzschlages, namentlich was die Höhe der Saitenausschläge anlangt, voneinander sehr deutlich unterscheiden. In zeitlicher Beziehung aber finden sich in unseren Kurven, wie auch aus der Tabelle E hervorgeht, bezüglich der Dauer der Herztöne keine regelmässigen Unterschiede. Nun ist weiter einer besonderen und einigermaassen charakte- ristischen Erscheinung zu gedenken, welche sich auf das Verhalten des I. Herztones vor dem Alternans und während desselben bezieht. Tabelle E. Dauer des I. Herztones. 159 2 160 Ma 161 157 normalem. 8,8 9,6 | 6,8 88 7,8 hen | ae | it, | Do a 1) H. E. Hering, Die Unregelmässigkeiten des Herzens. Verhandl. d. XXIII. Kongr. f. innere Medizin. Wiesbaden 1906. Studien am Phonokardiogramme. 48l In der vorstehenden Tabelle F ist die zeitliche Dauer der I. Herztöne in unseren Versuchen vor und während des Alternans eingesetzt. Dabei sind die Fälle mit wachsender Verfrühung des II. Tones, also auch (Tabelle E) mit wachsender Verspätung des Druckanstieges in der Karotis, also im allgemeinen mit zunehmender Hochgradigkeit der Herzstörung aneinandergereiht. Man erkennt sofort, dass der I. Herzton sowohl des grossen als auch des kleinen Herzschlages bedeutend kürzere Zeit dauert als im gleichen Versuche vor der Erzeugung des Alternans. Auch hier sieht man weiter (letzte Querreihe), dass diese Verkürzung des I. Herztones beim Alternans mit der Verfrühung des II. Tones und der Verspätung des Karotispulses im allgemeinen wächst. Dabei zeigen aber, wie schon oben erwähnt, die I. Töne des grossen und des kleinen Pulses im Alternans keine regelmässigen Unterschiede. Wir gelangen nun zur Besprechung der Distanz des Beginnes der beiden Herztöne, also der Systolendauer vor und während des Alternans. Tabelle ©. Distanz zwischen dem Beginne der beiden Herztöne. N 0, 10, 152 ss 10 | 16 | 154 a enmale. 130 | 1020) En | N | 2 m: \ : ne | 200 en | n 198 a Man ersieht aus der Tabelle G, dass die Distanz des Beginnes der beiden Herztöne während des Alternans grösser ist, als unter normalen Verhältnissen. Und zwar betrifft dies in besonders aus- gesprochener Weise den grossen Herzschlag. Beim kleinen tritt diese Erscheinung mehr zurück, ja, es kann sogar bei höherem Grade der Störung zu einer kleineren Distanz des Beginnes der beiden Töne kommen als vorher. Das liegt an der oben erörterten be- deutenden Verfrühung des II. Tones beim kleinen Herzschlage. Was nun endlich die Zeit betrifft, welche zwischen dem Beginne des I. Herztones und dem Anstiege des Karotisdruckes verfliesst, so zeigt sich vor und während des Alternans folgendes Verhalten. 482 R. H. Kahn: Tabellerk. Distanz zwischen dem Beginne des I. Tones und dem Karotisdruckanstiege. Nr 159 145 152 159 156 i 160 | 146 154 161 157 normal. Fa 5,9 6,2 ee 2) 7,7 - GB 5,3 5,4 4,3 6,0 5,9 a 7,7 7,8 a ? BB, ar 0,1 0,8 19 —0,1 2,4 os — |, DA —, ? Der Druckanstieg in der Karotis erfolgt im allgemeinen während des Alternans nach dem grossen Herzschlage etwas früher als vor der Herzstörung. Die Verfrühung ist nicht sehr bedeutend, erreicht aber doch über zwei Hundertstel einer Sekunde. Der Druckanstieg nach dem kleinen Herzschlage erfolgt regelmässig viel später als vor der Herzstörung; denn er erscheint überhaupt bedeutend verspätet. Bekanntlich kann der Herzalternans so hochgradig werden, dass der kleine Herzschlag nicht mehr genügenden intraventrikulären Druck zu erzeugen imstande ist, um die Semilunarklappen zu öffnen. Dann erzeugt er auch keinen Druckanstieg in der Aorta und keinen Arterienpuls. Diese Erscheinung kommt in der Kurve der Herzton- registrierung in sehr charakteristischer Weise zum Ausdruck. Fig. 2 auf Tafel V (Nr. 151) zeigt die Herztonreeistrierung in einem solchen Falle. Die Blutdruckkurve zeigt nur die von den grossen Herzschlägen verursachten Druckpulse und zwischen diesen lange Pausen, in denen der Blutdruck stark absinkt. Die Kurve der Herztöne lässt erkennen, dass doppelt soviel Herzschläge als Pulse vorhanden sind. Denn in jeder Pause ist ein erster Herzton zu sehen. Daraus ergibt sich also ein Kurvenbild, in welchem regel- mässig je drei Zackengruppen beieinander stehen, welche von einer Pause getrennt sind. Die Gruppen bestehen aus zwei ersten Herz- tönen, welche einen zweiten Ton einschliessen. Dieser Dreischiag ist natürlich auch zu hören, und der Umstand, dass das Phänomen durch Injektion einer entsprechenden Dosis von Glyoxylsäure mit Leichtigkeit hervorgerufen werden kann, macht den Versuch zu einer sehr lehrreichen Demonstration über die Genese des zweiten Herztones. Was nun die Resultate betrifft, welche sich bei der Ausmessung soleher Kurven ergeben, so seien dieselben wieder in Tabellenform vorgeführt. Studien am Phonokardiogramme. 483 Tabelle J. Nr. 152, Pulszahl | I. I. L—H. 1.—K. 153 pro Minute | in Hundertsteln einer Sekunde 12,5 62 15,5 4,5 Man erkennt hier im wesentlichen dieselben Erscheinungen wie in den oben angeführten Fällen von Alternans. Der I. Ton des srossen sowie des kleinen Herzschlages dauert kürzer als vor der Herzstörung. Die Distanz des Beginnes der beiden Töne ist während des Alternans viel grösser. Der Druckanstieg in der Karotis erfolgt erheblich früher als vorher. Dabei ist die Pulszahl viel kleiner als die Hälfte der normalen Pulszahl, das heisst die Schlagfrequenz des Herzens ist bedeutend verlangsamt. Eine Besonderheit liegt in der langen Dauer des II. Herztones nach dem grossen Herzschlage, eine Erscheinung, welche in den oben erörterten Fällen von Alternans nieht zu beobachten war. Dieser Umstand ist regelmässig bei hochgradigem Alternans zu be- obachten, wie auch aus einem zweiten gleich mitzuteilenden Versuche hervorgeht. Tabelle K. Nr. 148, | Pulszahl | I. | I L—K. 151 | pro Minute | in Hundertsteln einer Sekunde normal 230 2 1,5 | 14,0 7,4 (4,2 + 3,0) P 100 8,4 4,2 | 18,5 6,6 In diesem Versuche ergaben sich wesentlich dieselben Er- scheinungen wie im vorigen. Wiederum ist als auffallendste Be- sonderheit zu konstatieren, dass der II. Herzton beim grossen Herz- schlage des Alternans sehr verlängert ist. Übrigens ist hier insofern eine Ausnahme zu verzeichnen, als der I. Ton des grossen Schlages nieht wie in allen übrigen Fällen zur Zeit der Herzstörung kürzer, sondern länger dauert als vorher. Der des kleinen Schlages ist viel kürzer. ASA R. H. Kahn: Die Erscheinung, dass in diesen hochgradigen Fällen der Herz- störung der II. Herzton besonders lange andauert, ist wohl mit den eingangs erwähnten Beobachtungen in Parallele zu setzen. Denn auch da haben wir festgestellt, dass die Dauer des II. Tones mit sinkender Pulsfrequenz zunimmt. In allen Fällen und auch in so hocheradigem Alternans lässt sich (Hering, Kahn und Starkenstein!) zeigen, dass sämt- liche Herzschläge den Charakter des normalen Ablaufes an sich tragen, wie sehr sie sich auch bezüglich ihrer Wirkung voneinander unterscheiden mögen. Das geht aus dem Elektrokardiogramme her- vor. Denn die Elektrogramme des grossen bzw. kleinen Herzschlages unterscheiden sich voneinander und von den bei normaler Schlagfolge des Herzens zu gewinnenden gar nicht bezüglich der typischen Form. Soweit wir nach unseren heutigen Kenntnissen vom Rlektrokardio- sramme urteilen können, bewegt sich das Geschehen in beiden Fällen ganz eleich. Freilich muss man sich vor Augen halten, dass man gar nicht sicher weiss, wieviel von den gesamten Vorgängen beim Herzschlage überhaupt seinen elektrischen Ausdruck als Elektro- kardiogramm findet. Aber das, was als solcher erscheint, ist in beiden Fällen gleich. Wir können wohl mit Sicherheit aussagen, dass sich die Er- resung im Herzen bei normalem Ablaufe ebenso wie im Alternans auf denselben gebahnten Wegen ausbreitet, sind aber über die sicher herrschenden Unterschiede bei der Tätigkeit der austreibenden Muskulatur durch das Elektrogramm offenbar gar nicht unterrichtet. Und in sehr lehrreicher Weise kommen diese Verhältnisse gleich- zeitig zum Ausdruck, wenn man zur Zeit eines hochgradigen Alter- nans nach der von mir angegebenen Methode Elektrokardiogramme und Herztöne gleichzeitig registriert. Figur 3 auf Tafel V (Nr. 163) zeigt das Resultat eines solchen Versuches. Man sieht in der Blutdruckkurve den regelmässigen langsamen Ablauf von Druckpulsen der Karotis. Diese Erscheinung birgt einen hochgradigen Alternans in sich. Denn zur Zeit der Pause zwischen zwei Druckpulsen erkennt man in der Seitenkurve die Be- gleiterscheinungen eines kleinen Herzschlages, welcher nicht genügende Kraft aufbrachte, um die Semilunarklappen zu öffnen. Trotzdem hat er ein ganz normal aussehendes Elektrokardioeramm mit den I)A.20. Studien am Phonokardiogramme. 485 drei Zacken P, R und 7 und unterscheidet sich diesbezüglich von dem erossen Herzschlage nur durch die etwas andere Form und Höhe der T-Zacke. Gleichzeitig machen sich in der Saitenkurve die oben erörterten Unterschiede bei der Herztonregistrierung geltend. Nach der R- Zacke des pulserzeugenden grossen Herzschlages erfolgt der I. Herzton desselben, während sein II. Ton am Ende der Nachsehwankung sitzt. Ebenso sieht man den I. Herzton des kleinen Herzschlages der R- Zacke desselben folgen, während ein II. Ton fehlt. Diese Fr- scheinungen folgen einander in regelmässigem Wechsel, wobei beim kleinen Schlage das Fehlen des Pulses und II. Herztones mit dem Vorhandensein eines ganz typischen Elektrokardiogrammes in selt- samem Kontraste steht. Hiermit hätten wir die Aufzählung der mit unseren Methoden zu erhebenden Tatsachen beim experimentell erzeugten Alternans erschöpft. Es erübrigt nun, dieselben zu überblicken. Wir finder beim Vergleiche des grossen Herzschlages beim Alter- nans mit dem Herzschlage vor dieser Störung bezüglich der Herztöne folgendes: 1. Der I. Herzton dauert kürzere Zeitan. 2. Der I. Herzton zeigt keinen regelmässigen Unterschied. Nur bei hochgradiger Störung dauert er sehr lange. 3. Die Zeit zwischen dem Beginne derbeiden Herz- töne ist verlängert. 4, Die Zeit zwischen dem Beginne des Il Herztones und dem Beginne des Druckanstieges in der Karotis ist meistens deutlich verkürzt. Beim Vergleiche zwischen den entsprechenden Verhältnissen des grossen und kleinen Herzschlages des Alternans er- gibt sich: l. Der I. Herzton dauert in beiden Fällen gleich lange, oder zeigt keinen regelmässigen Unterschied. 2. Der II. Herzton verhält sieh ebenso. [2] 8 Die Zeit zwischen dem Beginne des I. und des I. Tones ist beim kleinen Herzschlage regelmässig kleiner als beim grossen. Der Il. Ton ist verfrüht. 486 R. H. Kahn: 4. Die Zeit zwischen dem Beginne desIl. Tones und dem Beginne des Druekanstieges in der Karotis ist beim kleinen Herzschlage regelmässig grösser als beim grossen. Aus diesen Feststellungen bezüglich der Herztöne lässt sich ein Schluss auf das Verhalten des intraventrikulären Druckes ziehen, also ein Aufschluss über die zeitliche Verteilung der blutbewegenden Tätigkeit der Herzkammern beim Alternans im Verhältnis zur nor- malen Schlagfolge erhalten. Der intraventrikuläre Druck aber ist jene Erscheinung, in deren Verhalten die blutbewegende Tätigkeit der ganzen Herzkammer, was das mechanische Verhalten betrifft, am -reinsten zum Ausdruck kommt. Nun sind diese letzteren Verhältnisse dem Experimente auch direkt zugänglich, und wir betrachten also die Ergebnisse solcher Versuche. Zu diesem Zwecke wird das Versuchstier (Hund) zuerst defibriniert, sodann curaresiert und künstlich geatmet. Nun wird der intraventrikuläre Druck registriert, indem vom Halse her ein langer Katheter durch die Vena jugularis oder die Karotis in die Herzkammern geschoben und das freie Ende desselben mit einem Blutwellenschreiber verbunden wird. Gleichzeitig erfolgt die Registrierung des Karotisdruckes mit einem zweiten Blutwellen- schreiber. Fisur 1 zeigt das Resultat eines solchen Versuches. Man sieht in der obersten Kurvenlinie das Verhalten des Druckes in der linken Kammer. Vorhofsanteil, Plateau usw. sind gut zu erkennen. Die Kammersystole ($) dauert vom Fusspunkte des aufsteigenden Schenkels der Druckkurve bis zum Beginne des absteigenden Schenkels derselben. In der unteren Kurvenlinie sieht man die Druckpulse in der Karotis. Berücksichtigt man die in der Figur verzeichnete Differenz in der Stellung der beiden Schreibhebelspitzen, so erkennt man in der Kammerdruckkurve die Anspannungszeit. Nun lässt sich durch intravenöse Injektion von Glyoxylsäure der Herzalternans erzeugen. Figur 2 zeigt die entsprechenden Ver- hältnisse während desselben. Man erkennt zunächst ohne weiteres, dass die Dauer der Systole der Kammer bei allen Herzschlägen des Alternans weit grösser ist als vor demselben. Das stimmt mit den oben mitgeteilten Befunden bezüglich der Distanz des Beginnes der Studien am Phonokardiogramme. 487 beiden Herztöne überein. Denn diese ist während des Alternans grösser als vorher. Man sieht weiter sogleich die Verlängerung der Anspannungs- zeit beim kleinen Herzschlage, welche wesentlich die Ursache dafür abgibt, dass der dazuzehörige Druckpuls verspätet erscheint. Die Ursache für die Verlänserunr der Anspannungszeit liegt wiederum darin, dass der Druckanstieg in der Kammer etwas langsamer erfolgt, was in der Kurve ebenfalls zu sehen ist. Weiter ist sehr deutlich zu erkennen, dass die Dauer der Systole beim kleinen Herzschlage viel geringer ist als beim grossen. Das Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 32 488 R. H. Kahn: stimmt mit dem oben mitgeteilten Befunde überein, dass der kleine Herzschlag sieh durch eine erhebliche Verfrühung seines II. Tones auszeichnet. Endlich scheint der in solchen Versuchen, wenn der Alternans nicht sehr hochgradig ist, fast regelmässige überaus geringe Unter- schied in den Druckwerten beim grossen bzw. kleinen Herzschlage in unseren Kurven sehr überraschend. Denn ein Alternieren bezüg- Fig. 4. lich .der jedesmal erreichten Druckhöhe ist aus denselben kaum zu ersehen. Man kann auf Grund derselben gar nicht von einem grösseren und kleineren Herzschlage sprechen, sondern nur von einem längeren und kürzeren. Und da man sieht, dass im letzteren Falle die An- spannungszeit eine längere ist, so folgt daraus, dass sich die beiden Arten der Herzschläge vor allem durch die Länge der Austreibungs- zeit unterscheiden. Diese dauert bei jenem Herzschlage, welcher den grösseren Puls erzeugt, bei weitem länger. Noch auf einen weiteren Umstand. ist aufmerksam zu machen. Nach der Erschlaffung des Herzmuskels sinkt der Druck in der Studien am Phonokardiogramme. 489 Kammer meistens überhaupt nicht mehr auf den Nullwert, und zwar bleibt ein bei den verschiedenen Herzschlägen nieht gleicher Rest- druck übrig. Es sieht so aus, als würde der Kammermuskel nach jedem Herzschlage nicht mehr ebenso stark erschlaffen wie zu nor- malen Zeiten. Um diese Erscheinung besser zu sehen, ist es zweck- mässie, Kurven von höheren Graden des Alternans zu betrachten. Fig. 3 stammt von einem anderen Versuchstiere und zeigt wesentlich dieselben Verhältnisse wie Fig. 1. (Die Hebelspitzen standen genau übereinander.) Den Verlauf eines hochgradigen Herz- alternans bei diesem Tiere zeigt Fig. 4. Hier sieht man ohne weiteres alle jene Frscheinungen, welche, wie wir beim vorigen Versuche zeisten, mit den Ergebnissen unserer Herztonregistrierungen über- einstimmen. Die Verlängerung der Systolendauer überhaupt, die Verkürzung der Anspannungszeit beim grossen, das langsamere An- steigen des Kammerdruckes beim kleinen Herzschlage, die Ver- kürzung seiner Austreibungszeit ist senr deutlich. Aber hier ist auch der'beim kleinen Herzschlage erreichte Druck- wert viel geringer. Wir haben wirklich einen grossen und einen kleinen Schlag. Bei beiden sinkt der Kammerdruck nach der Er- schlaffung nicht mehr auf Null, aber nach dem kleinen Schlage ist der Restdruck sehr deutlich grösser als nach dem grossen. Diese Erscheinung ist in allen unseren Kurven mehr oder weniger gut zu sehen. Es ist indessen nicht unsere Absicht, hier auf diese Details näher einzugehen, sondern es genügt, nochmals darauf hinzuweisen, dass die direkte Registrierung der Druckverhältnisse in der Kammer zu Resultaten führt, welche mit den bei Registrierung der Herztöne gewonnenen völlig übereinstimmen. Das Studium der durch Herztonregistrierung gewonnenen Kurven führt, wie man aus den vorstehenden Erörterungen sieht, zu sehr gesetzmässigen Resultaten. Es wird sich empfehlen, auch bei einer Reihe anderer experimenteller Eingriffe derartige systematische Untersuchungen anzustellen, zumal über gewisse Fragen, z. B. über die Genese des I. Herztones selbst, noch mancherlei Aufklärungen nötig sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind auf Seite 485 zu- sammengefasst. 32 * 490 R. H. Kahn: Studien am Phonokardiogramme. Tafelerklärung. Die drei Figuren der Tafel V sind insofern unter gleichen Verhältnissen gewonnen, als die ganze Versuchsanordnung in allen Fällen die gleiche war. Indessen sind die drei Figuren bezüglich der Höhe der Saitenausschläge in den Herztonkurven deshalb nicht direkt miteinander vergleichbar, weil durch Änderung des Spulenabstandes des Transformators in jedem einzelnen Versuche eine zweck- mässige Reduktion der sonst viel zu hohen Ausschläge herbeigeführt wurde. Dabei war der Spulenabstand nicht in allen Versuchen ganz derselbe. Die Spannung (der Saite war in allen Versuchen die gleiche. Ein durch den Saiten- stromkreis :geschickter Strom von 1 Millivolt erzeugte einen Ausschlag von 5 mm bei sehr kurzer Einstellungsgeschwindigkeit der Saite. Bezüglich der einzelnen Details wird auf den Text verwiesen. BR os SEAN "uuog "tosepf urtemw UOA SRLıoA PR e i + Ko HSFERERIESTFRRR HR Tal 194 1 } a ie il | } | I { j Yes N | let il ı N: in | in =. ’ N ' r | Ei | | | | | 1] i l ı Tas} 172 079 Kai | RE $ ? i Y PEERTT TETERET IRSETE Dep “ } { | | | | | { \ i i i n F 4 1 dl 1 Lt a | { het ee fe ion) MUNTWR PRRTE I a Si > ' a en (FEA ıarBun a | N | Sem Fell cHTerziet || EB 32: H ! It | } t | BESSERE IREBRER N ! N v4 ) ER: ET 11 N |: N 1 11 1. ) | I SR N | Sk { N | i | 1 CE): INpı Door | | Kan PR 1593 SR 1 bad takt Turtach ı l I 1 3 TETTTELTERLETPEEFELERE RT REEBEE Orr pa 'elSojossAyg Se3 eIp any Alysıy SLeanyd en? ih Eau EM | 491 (Aus dem physiologischen Institute der Universität Wien.) Versuche über den sogenannten Metakontrast. Von Z. Baroncz (Lemberg). (Mit 10 Textfiguren.) Im Wiener physiologischen Institute wurde vor kurzem die Be- obachtung gemacht, dass simultaner Helligkeitskontrast auch dann auftreten kann, wenn das kontrastleidende Feld nicht gleichzeitig mit dem kontrasterregenden, sondern erst nach dem. Verschwinden des letzteren exponiert wird, dass es also einen „Simultan- kontrast“ bei Ungleichzeitigkeit der beiden befeiligten Lichtreize gibt. Diese Art des Umgebungskontrastes bezeichnete R. Stigler!) als Metakontrast. Herr Hofrat S. Exner stellte mir die Aufgabe, zu untersuchen, ob die bekannte Kontrasterseheinung der farbigen Schatten und der grauen Felder auf farbigem &runde im Florversuche ebenfalls zu beobachten wären, wenn die beiden an jedem dieser Versuche beteiligten Reizfaktoren, statt gleiehzeitig, nacheinander erscheinen, und wie sie sich eventuell verhalten würden, wenn ihr Auftreten durch eine variable zeitliche Pause getrennt wäre. I. Untersuchung der „farbigen Schatten‘. l. Versuchsanordnung. Bekanntlich werden von einem Stabe, der gleichzeitig von zwei Lichtquellen, deren eine weisses, deren andere rotes Licht entsendet, beleuchtet ist, auf einem weissen Schirm zwei Schatten entworfen, von denen der eine rot, der andere grün erscheint. Die gestellte Frage lautet: Erscheint die Kontrastfarbe des Schattens auch dann, I) R. Stigler, Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 365. 1910. 492 Z. Baroncaz: wenn, statt gleichzeitig, nacheinander das weisse und das rote Lieht zur Beleuchtung des Grundes und zur Schattenerzeugung verwendet wird? Selbstverständlich mussten alle Bedingungen für „sukzessiven Kontrast“ ausgeschlossen werden. Meine Versuchsanordnung ist die folgende: Das Licht einer Bogenlampe wird durch zwei parallele Spalten des Tubusdeckels der Lampe auf einen weissen Schirm geworfen. Die Höhe jeder Spalte beträgt 10 mm, die Breite 2,5 mm, die Entfernung der beiden Spalten voneinander 5 mm. Wenn sich zwischen dem Schirme und diesen als Lichtquellen dienenden Spalten zwei Stäbe (in unserem Falle zwei Strieknadeln) befinden, dann entstehen — falls die Ent- fernung der Stäbe voneinander einerseits und dem Schirme ander- Fig. 1. Grundriss der Versuchsanordnung von oben gesehen; der Pfeil bedeutet die Richtung, in welcher sich das Auge des Beobachters befindet (etwa "2 m vom Schirm entfernt); R = rotes Licht, W = weisses Licht, 99 = Stellen der grünen Schatten. seits richtig getroffen worden ist — auf dem Schirme vier Schatten. Indem wir aber eine Spalte durch ein rotes Glas bedecken, tritt die Erscheinung der farbigen Schatten auf rötlichem Grunde deutlich hervor; jeder Stab entwirft jetzt zwei farbige Schatten, und zwar einen rot und einen grün erscheinenden. In den folgenden Ver- suchen beträgt der Durchmesser jedes drehrunden Stabes näherungs- weise 0,2 cm, die Entfernung der Stäbe voneinander . . . . ..0,9 em, h n k „ von den lichtausstrahlenden Spalten en. 1.2... 2 ne 8 von demSchirme ..: 2.158025 Dass zwei Stäbe verwendet wurden, bezweckte, die Kontrasterscheinung intensiver zu machen. Es entstanden so vier in gleichen Abständen befindliche und abwechselnd grün und rot erscheinende Schatten (Fig. 1). Versuche über den sogenannten Metakontrast. 493 Zunächst überzeugte ich mich davon, dass der simultane Kon- trast auch dann auftritt, wenn die Zeit der Lichteinwirkung eine sehr kurze ist. Es handelt sich nun um die Frage, ob der Kontrast auch zu sehen ist, wenn die beiden Lichter (das rote und weisse) nicht gleichzeitig, sondern unmittelbar oder mittelbar nacheinander den Grund beleuchten. Um der letzten Bedingung genug zu tun, be- diente ich mich einer bereits andernorts beschriebenen !) Scheiben- kombination, welche aus einem vorderen, der Bogenlampe zugekehrten Scheibensystem und einer hinteren Scheibe besteht. Das vordere Scheibensystem rotiert möglichst nahe am Spaltdeckel der Bogen- lampe; es besteht aus drei Scheiben, deren vorderste mit einem Winkelmaassstabe versehen und am Rande auf nachstehende Weise ausgeschnitten ist (Fig. 2). Die drei Scheiben sind um eine gemeinsame Achse drehbar, so dass man sie gegeneinander um beliebige Winkelmaasse verschieben kann; dadurch kann man sich zwei beliebig grosse und in ihrer Stellung voneinander unabhängige Ausschnitte zweier benachbarter konzentrischer Kreisringe der ganzen Scheibenkombination herstellen. Diese drei Scheiben kann man mittelst einer Schraube so fest an- einanderdrücken, dass sie sick während der Rotation nicht ver- schieben. Eine Umdrehung des Scheibensystems dauerte bei meinen DET _ 0094 Sek Bei so schneller Rotation dieses Systems würden die einzelnen Lichterscheinungen zu rasch nacheinander auftreten. Um dem ab- zuhelfen, ist in einer kleinen Entfernung (ungefähr 6 mm) hinter dem vorderen Scheibensystem noch eine Scheibe angesetzt (Fig. 3). Sie dreht sich an einer anderen Achse (die als hohler Zylinder die erste Achse umgibt) 25 mal langsamer als das vordere System, mit dem sie durch Zahnradübersetzung (1:25) verbunden ist. Diese letzterwähnte hintere Scheibe trägt am Rande fünf gleich breite und gleichweit voneinander entfernte Ausschnitte. Bei gleichzeitiger Rotierung des vorderen Systems und der hinteren Scheibe kann das Licht der Bogenlampe nur dann austreten, wenn sich die Lücken Versuchen 0,37 Sek., demnach entsprach 1° 1) R. Stigler, Über die Unterschiedsschwelle im aufsteigenden Teile einer Lichtempfinäung. Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 196. 1908. 494 Z. Baroncz: des vorderen Systems mit den Ausschnitten der hinteren Scheibe decken, was also alle 5 X 0,87 = 4,35 Sek. der Fall ist. Der Scheibenapparat wird mit Hilfe geeigneter Vorgelege von einem Wechselstrommotor mit sehr grosser Umdrehungszahl be- trieben; die Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe ist dadurch näherungsweise konstant. Fig. 2. Die Scheibenvorrichtung von der Seite der Bogenlampe. ns ns Fig. 3. Die Scheibenvorrichtung von der entgegengesetzten Seite. IN I Als Fixationspunkt dient ein Loch in der liehtdichten Umhüllung eines elektrischen Lämpehens, das an dem oberen Rande des Pro- jektionsschirmes, aber noch im Bereiche der farbigen Schatten, be- festigt ist. Diesen Punkt fixiert man mit beiden Augen, und gleich- zeitig beobachtet man im indirekten Sehen das. Erscheinen der farbigen Schatten. Versuche über den sogenannten Metakontrast. 495 2. Beschreibung der Versuche. Davon, dass der farbige Simultankontrast auch dann entsteht, wenn seine beiden Faktoren nicht gleich- zeitig, sondern nacheinander aufs Auge wirken, kann man sich leicht durch folgenden Versuch überzeugen. Es wird mittelst der geschilderten Vorrichtung z. B. zuerst weisses Licht durch 0,024 Sek., später rotes Licht ebenso lange ‚auf Stäbe und Schirm geworfen, und dazwischen wird eine Pause von 0,03 Sek. eingeschaltet. Unter diesen Umständen sieht man sehr deutlich zwei rote und zwei grüne Schatten auf rosarotem Grunde, und es ist un- möglich zu beurteilen, ob die roten oder die grünen Schatten früher erscheinen. - Es gelingen auch andere ähnliche Versuche, in denen die Grösse der Pause variiert, die Beleuchtungsdauer aber dieselbe bleibt. Der zweite Teil der Aufgabe besteht darin, die Grösse der Dunkelpause (zwischen dem Verschwinden des einen und dem Aufleuchten des anderen Lichtes), bei welcher der Simultan- kontrast eben noch nicht gänzlich verschwindet, mög- lichst genau festzustellen (Grenzpause). Zu diesem Zwecke wird die Pause allmählich grösser gemacht, während die beiden Expositionen dieselbe Dauer behalten. Folgendes Beispiel erläutert den Versuch am besten: eine jede Exposition dauert 0,0072 Sek., die Dauer der Pause variiert in den Grenzen von 0,024—0,12 Sek. Nimmt die Pause folgende Grössen an: 0,024, 0,048, 0,072, 0,096 Sek., dann erscheint der Kontrast noch immer, aber zunehmend schwächer und undeutlicher. Wird die Pause grösser als 0,084 Sek., dann erkennt man die farbige Kontrasterscheinung nur mehr unsicher und sieht endlich nur schwarze Schatten auf röt- lichem Grunde. Es sind bei diesen Versuchen zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder wird ‚zuerst weisses und dann rotes oder umgekehrt zu- erst rotes und nach der Dunkelpause weisses Licht exponiert. Daher haben wir immer mit zwei Gruppen von korrespondierenden Ver- suchen zu tun, die sich nur durch den letzterwähnten Umstand unterscheiden. Ein genauerer Einblick in die einzelnen Beobachtungen bei der oben beschriebenen Reihe von Versuchen lässt sich aus folgenden zwei Tabellen gewinnen, in welchen die beiden letzt- erwähnten Gruppen berücksichtigt sind. (Vgl. schematische Zeich- 496 Z. Baroncz: nungen 4 und 5; Fig. 4 bezieht sich auf die erste, Fig. 5 auf die zweite Gruppe von Versuchen; a und a’ bedeuten erste Beleuchtung [— Exposition], 5b und 5’ Dunkelpause, ce und ce’ zweite Beleuchtung, d und d’ Kontrasterscheinung; die schraffierten Teile entsprechen der roten, die punktierten der grünen Farbe.) Fig. 4. Tabelle Il. I. Ex- position weisses Licht Sek. 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 Pause Sek. 0,024 0,048 0,072 0,084 0,096 0,12 Il. Ex- position rotes Licht Sek. 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 Resultat: Beobachtungen Kontrast deutlich, der rote Schatten viel heller als der grüne. (Vgl. Fig. 4d.) Dasselbe. (Vgl. Fig. 4d.) Kontrast schr schwach; der rote Schatten sehr hell, der grüne sehr dunkel. Kontrast äusserst schwach; der rote Schatten von der rosaroten Umgebung kaum zu unterscheiden, der grüne fast schwarz. Schwärzliche Schatten auf rötlichem Grunde. Dasselbe. Grenzpause — 0,084 Sek. I. Ex- position rotes Licht Sek. 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 0,0072 | Versuche über den sogenannten Metakontrast. 497 Fig. 5. Tabelle I. II. Ex- position weisses Beobachtungen Licht Sek. 0,0072 | Kontrast deutlich, der rote Schatten viel dunkler als der grüne. (Vergl. 5d'.\ 0,0072 | Dasselbe. (Vgl. Fig. 5d') 0.0072 | Kontrast sehr schwach; der rote Schatten sehr dunkel, der grüne sehr hell. 0,0072 | Kontrast äusserst schwach; der rote Schatten fast schwarz, der grüne äusserst hell. 0.0072 | Schwärzliche Schatten auf rötlichem Grunde. 0,0072 | Dasselbe. Resultat: Grenzpause —= (0,084 Sek. Ob man zuerst weisses oder rotes Licht auftreten lässt, hat an- scheinend auf das Endresultat des Versuches, d. h. auf die Dauer der zulässigen Pause, keinen merklichen Einfluss, wohl aber auf die verschiedenartige Sättigung und den Ton der Farben. Je grösser die. Pause, desto blasser ist die rote und desto schwärzlicher die grüne Farbe bei der ersten Gruppe von Versuchen. 498 Z. Baroncz: Bei der zweiten Gruppe verhalten sich die Farben analog, in- dem, je grösser die Pause, desto schwärzlicher die roten, desto blasser die grünen Schatten erscheinen. In den oben geschilderten Versuchen blieb die Beleuchtungs- dauer (d. h. die Expositionszeit) immer dieselbe. Auf ganz ähnliche Weise habe ich die grössten zulässigen Pausen (d. h. Grenzpausen) für andere Expositionszeiten bestimmt. Es scheint mir überflüssig, alle hierzugehörigen Einzelbeobachtungen tabellarisch zusammen- zustellen; darum beschränke ich mich auf die Angabe der für die verschiedenen Beleuchtungszeiten gefundenen Grenzpausen. Alle diesem Teile der Arbeit zugrunde liegenden Versuche wurden vier- mal wiederholt. Die für dieselben Beleuchtungszeiten gefundenen Werte stimmen ziemlich gut überein; doch betrachte ich die bei der letzten, d. h. vierten Versuchsreihe gewonnenen Werte als die besten, und darum habe ich auf den Figuren 6 und 7 nur die letzterwähnten Resultate zusammengestellt. In denselben bedeutet die Gesamtlänge eines jeden Streifens die Dauer je eines, auf die Grenzpause sich be- ziehenden Versuches, wobei die Länge eines jeden Millimeters einem Bogengrad der rotierenden Scheibe, also 0,0024 Sek., entspricht. Die weissen und schraffierten Teile bedeuten die Dauer der Weiss- und Rotbeleuchtung, die schwarzen Zwischenstücke entsprechen der Dauer der Dunkelpause. Die Zahlen links von den Streifen bedeuten die Beleuchtungsdauer (gleiche für beide Lichter), die Zahlen ober- halb des Streifens bedeuten die Dauer der Grenzpause, in Sekunden ausgedrückt. Dass die Lichtstärke einen Einfluss auf das Ergebnis der Ver- suche ausübt, ist zweifellos. In dieser Beziehung aber habe ich keine speziellen Versuche gemacht, und ich kann darüber nichts Genaueres angeben. Endlich wurden, um den gegenseitigen Einfluss der Dauer der ersten und der zweiten Beleuchtung auf den Verlauf der Kontrasterscheinung festzustellen, auch solehe Versuche gemacht, bei denen die Expositionszeiten beider Lichter (weiss und rot) un- gleich gross waren. Jedoch sind in dieser Hinsicht meine Versuche zu wenig zahlreich, als dass ich daraus bestimmte Schlüsse ziehen könnte. 3. Schlussbemerkungen. Es ergibt sich aus den obigen Versuchen, dass, je grösser die Beleuchtungsdauer ist, um so kürzer die Pause Versuche über den sogenannten Metakontrast. 499 sein muss, damit die Kontrasterscheinung noch zu- stande kommen könne (Fig. 6 und 7). Bevor ich zu der Er- klärung dieser Beobachtung übergehe, will ich die oben beschriebenen Versuche eingehender analysieren. Ich werde mich in dieser Hin- oO so =S = — = S > S 5 oH > >E SI Ss Sr Ba = ER SD Im — = = > >) = S?2 o o SS 35 a a3 Sr =3 S ES 6) S & 3 A 0084 | en 0:034 un) 00168 mm Fig. 6. Dauer der Weissbeleuchtung: So S | = Se) OS 0'0024 00048 0'0072 sicht auf die theoretischen Erwägungen von R. Stigler!) stützen. Dieser nennt jenen Teil der Primärempfindung, der gleichzeitig mit dem objektiven Reize besteht, homophotisches Bild, denjenigen l) R. Stigler, Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 365. 1910. 500 Z. Baroncz: Teil desselben, welcher den objektiven Reiz überdauert, meta- photisches Bild. Dementsprechend unterscheidet er homo- photischen und metaphotischen Kontrast. „Unter homophotischem Kontrast oder Simultankontrast im engeren Sinne verstehe ich die gegensätzliche Beeinflussung durch gleichzeitige optische Reize er- zeugter Gesichtsempfindungen, unter metaphotischem Kontrast oder Metakontrast die gegensätzliche Beeinflussung eines metaphotischen Bildes durch einen die Nachbarschaft treffenden optischen Reiz !).“ Nehmen wir den Fall an, dass zuerst weisses, später rotes Licht erscheint! Die Kontrasterscheinung ist bedingt durch die Beleuchtung I (= erste Exposition), die Dunkelpause und die Beleuchtung II (— zweite Exposition) (vgl. Fig. 4, a, b, c). Während der ersten Beleuchtung ist der Grund, somit auch die Stelle des Sehattens II, homophotisch weiss, die Stelle des Schattens I schwarz. Während der Pause besteht das metaphotische Bild des weissen Hintergrundes; die Stelle des Schattens I bleibt schwarz, die des Schattens II bleibt metaphotisch weiss. Während der zweiten Beleuchtung ist der Grund immer noch metaphotisch weiss und gleichzeitig homophotisch rot, es resultiert aus dieser Mischung die rötliche Farbe; die Stelle des Sehattens I ist jetzt homophotisch rot, die Stelle des Schattens II metaphotisch weiss. Die Kontrasterscheinung in diesem Falle ist wesentlich von dem weissen metaphotischen Bilde, das an der Stelle des Schattens I auftritt, abhängig. Bei dieser Reihenfolge der Beleuchtungen er- scheint der grüne Schatten um so dunkler, je grösser die Dunkelpause ist; denn je grösser die Pause, um so dunkler das metaphotische Weiss, welches durch Kontrast den grünen Schatten (Stelle ID) liefert. Die zweite Art des Versuches besteht darin, dass zuerst rotes, später weisses Licht den Grund beleuchtet (Fig. 5, «@', b', ce’). Während der ersten Beleuchtung ist der Grund rot, die Stelle des Schattens I schwarz, die des Schattens II homophotisch rot. Während der Pause entwickelt sich das metaphotische Bild des roten Hintergrundes; die Stelle des Schattens I bleibt schwarz, die Stelle des Schattens II ist metaphotisch rot. Während der zweiten Beleuchtung ist der Grund immer noch metaphotisch rot und gleichzeitig homophotisch weiss; daraus resultiert, so wie früher, eine rötliche Farbe. Die 1) R. Stigler, Chromophotische Studien über den Umgebungskontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 386. 1910. Versuche über den sogenannten Metakontrast. 501 Stelle des Schattens I ist jetzt homophotisch weiss, die Stelle des Schattens II metaphotisch rot. Die folgende Tabelle dient zur besseren Orientierung über diese Verhältnisse: Fall I: zuerst erscheint weisses Licht (vgl. Fig. 4, a, b, c) | Stelle Stelle der" Grund des Schattens I des Schattens II Beleuchtung I . . |homophotisch weiss schwarz homophotisch weiss Bauseng a metaphotisch weiss schwarz metaphotisch weiss Beleuchtung I . . | homophotisch rot | homophotisch rot | metaphotisch weiss metaphotisch weiss Fall II: zuerst erscheint rotes Licht (vgl. Fig. 5, a’, b’, c‘) Stelle Stelle der Grund des Schattens I des Schattens II Beleuchtung I . . | homophotisch rot schwarz homophotisch rot Bauseg.r 9.2... metaphotisch rot schwarz metaphotisch rot Beleuchtung Il. . |homophotisch weiss homophotisch weiss) metaphotisch rot + metaphotisch rot Die Kontrasterscheinung im zweiten Falle unterscheidet sich von derjenigen des ersten Falles hauptsächlich dadurch, dass der rote Schatten dunkler, der grüne aber viel heller ist (Fig. 5d’). Das rührt daher, dass das metaphotische Rot, welches den Schatten II liefert, um so dunkler ist, je länger die Pause dauert. In beiden Fällen handelt es sich um das Überdauern der meta- photischen Bilder bis zum Auftreten der homophotischen Bilder der zweiten Beleuchtung. Wenn die Pause eine gewisse Grenze über- schreitet (Grenzpause), dann ist das metaphotische Bild der ersten Beleuchtung schon so weit abgeklungen, dass es mit dem homo- photischen Bilde der zweiten Beleuchtung keinen Kontrast mehr hervorzurufen imstande ist. Jetzt kommen wir auf die erste Frage zurück: warum die Grenzpause um so kleiner wird, je grösser die Be- leuchtungsdauer gewählt ist? Es erklärt sich dieses aus der von S. Exner!) für hinlänglich kurzwährende Lichtreize be- 1) S. Exner, Üter die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. Wiener Sitzungsber. Abt. 2 Bd. 58 S. 601. 1868. 902 Z. Baroncez: tonten Tatsache, dass bei länger dauerndem Lichtreiz das metaphotische Bild rascher abklingt als bei kurz- dauerndem. Wenn also die erste Beleuchtung sehr kurz ist, dann kann man eine grosse Dunkelpause zwischen den beiden Expositionen einschalten, ohne dadurch den Kontrast zu vernichten. Je länger die erste Beleuchtung dauert, desto kürzer muss die Pause ausfallen, damit die Kontrasterscheinung noch zustande kommt. II. Untersuchung des Helligkeitskontrastes. l. Versuchsanordnung. Wenn man zwei gleich helle und gleich grosse Papierschnitzel, das eine auf weissem, das andere auf schwarzem Hintergrunde in entsprechender Weise beobachtet, dann erscheint das auf dem weissen Grunde liegende Papierschnitzel infolge des Simultankontrastes dunkler als das andere. Man kann diesen Versuch in der Weise modifizieren, dass man die „Kontrast erregenden,“ d. h. um- schliessenden Felder einerseits, die „Kontrast leidenden,“ d. h. um- schlossenen, anderseits, in zeitlicher Folge erscheinen lässt, so dass z. B. zuerst die beiden umschliessenden und nach einem Bruchteil einer Sekunde die beiden umschlossenen Felder aus der Dunkelheit auftauchen. Zwischen die beiden Expositionen kann auch eine Dunkelpause eingeschoben werden. Dieses zu erreichen diente mir folgende Versuchsanordnung (Fig. 8): Der Deckel des Tubus der Bogenlampe ist von zwei horizontalen, nebeneinander liegenden Spalten durchbrochen. Die aus denselben dringenden Strahlenbündel sind durch eine vertikale Scheidewand (Fig. 8, W) voneinander getrennt. Das linksseitige beleuchtet die schräg gestellte graue Pappendeckelscheibe 5, das rechtsseitige den dazu parallel stehenden Karton A, dessen linke Hälfte schwarz und dessen rechte Hälfte weiss ist. Die linke schwarze Hälfte ist überdies durch einen kleinen Schirm ($) be- schattet. Der Karton A ist im schwarzen und im weissen Felde durch je eine quadratische Öffnung durchbrochen, durch welche das Auge des Beobachters zwei quadratische Anteile des grauen Kartons B sieht, deren linker in schwarzem, deren rechter in weissem Felde liest. Auf dem Karton A beträgt der Flächeninhalt eines jeden umschlossenen Feldes (— quadratische Öffnung) ca. 1 qem?, eines jeden umschliessenden Feldes ca. 23 qem?. Zwischen der Scheide- Versuche über den sogenannten Metakontrast. 503 wand (W) und der Bogenlampe befindet sich die rotierende Seheibenvorrichtung, welche schon früher beschrieben wurde. Als Fixationsmarke dient ein kleines Glühlämpchen, das an dem Karton A und zwar an der Grenze zwischen der weissen und der schwarzen Hälfte befestigt ist. Es wird binokular und im indirekten Sehen aus einer Entfernung von ca. 1,4 m beobachtet. Fig. 8. Grundriss der Versuchsanordnung von oben gesehen; die Pfeile be- deuten den Gang der Lichtstrahlen und auch die Richtung, in welcher sich das Auge des Beobachters befindet (etwa 1,4 m vom Karton A entfernt). 2. Beschreibung der Versuche. Meine Kontrastversuche sind objektiv aus drei Gliedern zu- sammengesetzt: aus der ersten Beleuchtung, aus der Dunkelpause und aus der zweiten Beleuchtung. Es können entweder das rechte umschliessende oder die beiden umschlossenen Felder zuerst be- leuchtet werden; das linke umschliessende Feld bleibt immer dunkel. Es sind also zwei Gruppen von Versuchen zu unterscheiden: 1. das umschliessende rechte Feld wird zuerst beleuchtet, nach dessen Verschwinden folgen nach einer variablen Dunkelpause die umschlossenen Felder; 2. umgekehrt: zuerst werden die umschlossenen Felder und nach deren Verschwinden das rechte umschliessende Feld beleuchtet. Auf den Figuren 9 und 10 sind die objektiven Kom- ponenten und die aus ihnen resultierenden Kontrasterscheinungen dargestellt; Fig. 9 bezieht sich auf die erste, Fig. 10 auf die zweite Gruppe von Versuchen; die objektiven Komponenten sind im zwei- mal verkleinerten Maassstabe, die Kontrasterscheinungen in °/s der natürlichen Grösse dargestellt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 33 504 2. Baroncz: I. Exp. Pause II. Exp. Fig. 9. (Der schwarze Fleck im Zentrum des rechtsseitigen umschlossenen Feldes entspricht nur einer bestimmten momentanen Phase des Kontrastbildes.) I. Exp. ) Pause II. Exp. Fig. 10. Versuche über den sogenannten Metakontrast. 505 Bei den Versuchen der ersten Gruppe ist die Kon- trasterscheinung viel schwächer als bei jenen der zweiten Gruppe. Das rechte, vorher vom hellen Grunde um- schlossene Feld erscheint ziemlich hell (zuweilen fast so hell wie das linke), aber nicht homogen, sondern es scheint, als ob blitzartig dunkle Wellen über das ganze Feld abliefen. Die folgende Tabelle eibt eine Übersicht über die Zeitverhältnisse bei dieser Gruppe meiner Versuche, wobei die Zeit in Sekunden ausgedrückt ist. a) Expositionen gleich gross b) Expositionen ungleich gross | Mlummer | 1. Mx- | Dunkel- | I1.Ex- |yummer 75x | Dunkel- | IL.Ex- suches | Position | pause | position | suches | Position | pause | position ‚24 | 0,0072 xvı 0012 | 0,09 0,072 17200072 0 II | 00072 | 0.096 | 0,0072 xVI| 0012 | 0,120 | 0,07 IT | 00072 | 0,192 | 00072 | xvI| 00% | 0024 | 0,048 IV 0094 | 0094 | 0094 | xvIm| 00% | 0,072 | 0,048 v 002 0,048 | 0,024 XIX | 0024 | 004 | 0,072 VI | 004 | 002 | 002% xX| 0024 | 0048 | 0,07 va | 004 | 0096 | 0,094 XxXI| 0024 | 0,022 | 002 VII | 0,094 0,156 | 0,024 xxII| 0048 |. 0,024 | 0,094 Ix | 0088 | 00% | 0048 | XXI! 0048 | 002 | 004 Res 70048 1 0.048 | XXIV | 0,022. | 70022 0.088 xI | 0048 | 0,072 | 0,048 xxV| 002 | 0190 | 008 xIT | 0,0% 0,024 | 0,072 | XXVI| 0072 | 0024 | 0,024 xIT | 0,02 0,096 | 0,072 | xXVII| 0072 | 0048 | 0,0 XIV | 0,02 0,192 | 0,072 [xxvIm| 002 | 002 | 0,024 XXIX | 0,072 | 0,096 | 0,024 In jedem dieser Versuche trat die Kontrasterscheinung zutage. Ich habe die Expositionszeit sowohl des rechten umschliessenden, wie auch die der umschlossenen Felder zwischen 0,0072 und 0,072 Sek., die Pausen der Beleuchtung beider Feldarten zwischen 0,024 und 0,192 Sek. abgestuft, die beiden Feldarten bald gleich, bald ver- schieden lange Zeit beleuchtet: immer trat die Kontrasterscheinung zutage. Hätte ich die Dunkelpause noch bedeutend länger gewählt (es war dies bei der geschilderten Versuchsanordnung nieht möglich), so wäre natürlich die Kontrasterscheinung weggefallen. Diejenige Dauer der Pause, bei der die Kontrasterscheinung eben nieht mehr auftritt, lässt sich genau nicht bestimmen, da der Übergang ein all- mählicher ist. Kehre ich die Reihenfolge der Expositionen um und beleuchte zuerst die umschlossenen, dann das umschliessende Feld, so tritt die Kontrasterscheinung viel deutlicher auf (Fig. 10). Das rechte umschlossene Feld erscheint jetzt dunkler als früher und 33 * 906 Z. Baronez: homogen, ohne jede Spur von der Erscheinung des Wogens. Je länger innerhalb gewisser Grenzen die Beleuchtung der um- scehliessenden Felder und je länger bis zu einem gewissen Grade die Pause dauert, desto deutlicher ist die Kontrasterscheinung. Eine Grenzpause lässt sich hier auch nieht mit Genauigkeit bestimmen. Sie ist, wie mir scheint, in der ersten Gruppe kürzer als in der zweiten. Die beiden Gruppen von Versuchen wurden mehrmals mit demselben Resultate wiederholt. Ich möchte noch erwähnen, dass auch folgender Versuch ge- macht wurde. Anstatt. des Kartons A (Fig. 8) wird ein anderer ganz weisser Karton © mit nur einer quadratischen Öffnung in der Mitte eingesetzt. Bei gleichzeitiger Beleuchtung der beiden Kartons (B und ©) kann man die von Karton 5 reflektierte Lichtmenge durch Neigung jenes so modifizieren, dass B und C, gleichzeitig gesehen, gleich hell erscheinen. Wenn jetzt die Scheibenvorrichtung in dem Sinne in Rotation versetzt wird, dass zuerst das umschliessende und erst nach der Pause das umschlossene Feld beleuchtet wird, dann erscheint das umschlossene Feld viel heller als das um- schliessende. Die Versuche in umgekehrter Reihenfolge (zuerst um- schlossenes, dann umschliessendes Feld) führen zu entgegengesetzten Resultaten, insofern jetzt das umschlossene Feld viel dunkler als der Hintergrund erscheint. 3. Sehlussbemerkungen. Es bleibt noch die Frage zu beantworten, auf welche Weise sind die oben beschriebenen Beobachtungen zu erklären? Dass wir es hier mit positiven Nachbildern (nach S. Exner) einerseits und den Erscheinungen des Helligkeitsumgebungskontrastes andererseits zu tun haben, unterliegt keinem Zweifel. .Fassen wir zuerst die erste Gruppe der zweiten Versuchsreihe ins Auge, z. B. Nr. IV. In diesem Versuche erscheint zuerst das rechte umschliessende Feld während 0,024 Sek., dann folgt eine ebenso grosse Dunkelpause und endlich eine ebenso lange Beleuchtung der umschlossenen Felder (Fig. 9). Das rechte umschlossene Feld erscheint aber dunkler als das linke. Als Ursache davon müssen wir die Herabsetzung der Erregbarkeit der von dem Bilde des rechten umschlossenen Feldes getroffenen Netzhautstelle betrachten. Letztere ist wiederum bedingt durch die vorhergehende Beleuchtung der be- nachbarten Netzhaut, auf welche das Bild des umschliessenden Feldes Versuche über den sogenannten Metakontrast. 507 ‘gefallen war. Eine solche, den objektiven Reiz überdauernde Herab- setzung der Erregbarkeit der Nachbarschaft einer vorher belichteten Netzhautstelle hat auch R. Stigler beobachtet. Das metaphotische Bild wirkt also hemmend auf die Umgebung. „Die von einer er- reeten Netzhautstelle ausgehende Hemmung äussert sich dadurch, dass ein Lichtreiz, welcher die Nachbarschaft einer durch vorher- gehende Belichtung erregten Netzhautstelle trifft, eine Empfindung von geringerer Intensität auslöst, als wenn er für sich allein auf die gleiche Stelle während einer gleichen Zeit einwirkt !).“ Warum bei den Versuchen der zweiten Gruppe die Kontrast- erscheinungen um so vieles deutlicher sind, das erklärt sich folgender- maassen. Nehmen wir als Beispiel wiederum Nr. IV (aber in um- gekehrter Reihenfolge der Expositionen) an (Fig. 10). Zuerst er- scheinen die beiden umschlossenen Felder während 0,024 Sek. Sie hinterlassen zwei vollständig gleiche metaphotische Bilder. Bald nach dem Verschwinden der umschlossenen Felder wird das rechts- seitige umschliessende Feld beleuchtet und dadurch das metaphotische Bild des rechten umschlossenen Feldes von einem hellen Grunde umgeben, während das der linken Seite auf dunklem Grunde ver- bleibt. Durch das Aufleuchten des reehten umschliessenden Feldes wird das metaphotische Bild des rechten umschlossenen Feldes ge- schwächt, während jenes des linken ungehindert fortbesteht. Indem aber, wie S. Exner?) ermittelt hat, die Wahrnehmung unter den obwaltenden Umständen hauptsächlich durch das positive Nachbild (— metaphotisches Bild) zustande kommt, erscheint das rechte um- schlossene Feld, dessen metaphotisches Bild durch Kontrast gehemmt wurde, dunkler als das linke, dessen metaphotisches Bild ungestört seinen Ablauf nehmen konnte. Mit der oben beschriebenen einfachen Versuchsanordnung ist es also leicht, die Existenz eines Metakontrastes, d. h. Simultankontrastes, bei ungleichzeitiger Erscheinung des kontrastleidenden und kontrast- erregenden Feldes sowohl für farblose, als auch für farbige Licht- reize darzutun. 1) R. Stigler, Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 337. 1910. 2) S. Exner, Über die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. Wiener Sitzungsber. Abt. 2 Bd. 58 S. 601. 1868. 508 Z. Baroncz: Versuche über den sogenannten Metakontrast. Herrn Hofrat Professor S. Exner danke ich ergebenst für die Anregung und Anleitung zu obigen Untersuchungen. Ebenso fühle ich mich verpflichtet, dem Herrn Assistenten Dr. R. Stigler für die vielfache praktische Unterstützung, sowie auch für die mir im Verlaufe der Arbeit zuteil gewordenen Belehrungen meinen besten Dank auszusprechen. 809 (Aus der medizin. Klinik und der allgem. Poliklinik zu Basel.) Über den Einfiuss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel und Energieumsatz. Von Alfred Gigon!). (Mit 2 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Seite Tine a an Ro La 509 Ayeckadersvorliegenden. Arbeit... .iacauen. . tee 514 Methodikssund. Versuchsanordnung. .ı.. 2... creme nn 515 Zur Berechnung des Stoffwechsels und Energieumsätzes . . ». . 2.2... 518 Stoffwechsel im nüchternen Zustande — Grundumsätz. . ». 2». 22... 526 Stoffwechsel bei Zufuhr von Eiweiss ... . 22.2.2... a N Ze 530 besprechungyderüweissversuche . .:. . 2. 0a. 0 se 540 Stomechselöber Zufuhr von: Dextrose.. .... . ni... 0 damen, 548 BrotiwechselVbeirZutuhrvon Bett... .... Sun sn. nn ee est. 594 Stoffwechsel bei kombinierter Zufuhr von Zucker und Eiweiss. ..... 999 Kenteraltabellen mp an a ee 564 Vergleichende und kritische Besprechung der Ergebnisse . ....... 566 DeriGrundumsatzu ra ne le ee En RR SA EN 567 Deutung der Veränderungen des Gaswechsels und des Energieumsatzes nach@Nahrungsaufnahme: 4... - lan even an es. 569 IDiesspezitisch-gynamische Wirkung > 2.2 ss 585 Diewisodynamien a en el ea tee a Re. 586 Schlussbetrachtungen. . . . . . ERDE BEER ANEN IR Bu N EUR ne . 988 Schlusssätze.... ... ..\:, RE US Seas bon, SaReae Sal PR Sn. 0 ai. 591 Einleitung. Die zahlreichen Untersuchungen Rubner’s?), Atwater’s?) und seiner Mitarbeiter Benedict, Rosa, Smith u. a. haben 1) Als Habilitationsschrift der medizin. Fakultät zu Basel vorgelegt. 2) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 3) Atwater, Neue Versuche über Stoff- und Kraftwechsel im menschlichen Körper. Ergebn. d. Physiol. Abt. 1 S. 497. 1904. Daselbst Angaben der Öriginalarbeiten. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 34 510 Alfred Gigon: bewiesen, dass die organischen Nahrungsstoffe, unter Berücksichtigung der Abfallsprodukte des Eiweisses, im Körper verbrannt, die gleiche Kalorienproduktion entwickeln, als wenn die Verbrennung ausserhalb des Körpers stattfindet: das Gesetz der Erhaltung der Kraft ist für die belebte Welt eültig. Handelt es sieh aber darum die Rolle jedes einzelnen organischen Nahrungsstoffes zu präzisieren, so weichen die Meinungen auseinander. Gegenwärtig stehen sich gegenüber vorwiegend zwei Hypothesen: diejenige der Isodynamie und diejenige der Isoglykosie. Nach dem Prinzip der Isoglykosie kann der Organismus zur Entfaltung seiner physiologischen Tätigkeiten nur die Glykose gebrauchen. Der Nährwert einer Nahrung entspricht einer be- stimmten Menge Glykose. Für den Organismus gleichwertige Mahl- zeiten sind diejenigen, welche die gleiche Menge Glykose liefern können. Die Wärmebildung, welehe bei der Entstehung von Zucker aus den Eiweisskörpern bzw. Fetten stattfindet, ist für die phy- siologischen Funktionen des Körpers unbrauchbar. Diese Hypothese, von Seegen!) zuerst aufgestellt, von Chauveau?) weiter aus- gebaut, zählt nur wenige Anhänger, Contejean?’), Kaufmann‘), Weiss?) u. a. Nach dem Prinzip der „isodynamischen Wirkung“, entspricht der Nährwert eines Stoffes der Zahl Calorien, welche die Ver- brennung desselben im Organismus entwickelt. Abgesehen von dem zur Erhaltung des Lebens absolut notwendigen Eiweissminimum, kann man nach dieser Hypothese, das Nahrungsbedürfnis des Organis- ınus in Kalorien bestimmen, ohne irgendwie die Zusammensetzung der Nahrung berücksichtigen zu müssen. Dies führt zu der Annahme, dass die Summe der physiologischen Prozesse im Organismus von 1) Seegen, Die Zuckerbildung im Tierkörper. 1890. — Seegen, Ge- sammelte Abhandlung über die Zuckerbildung in der Leber. Berlin 1904. 2) Chauveau, La vie et l’energie chez l’animal. Paris 1892. — Chauveau, Verschiedene Publikationen in Compt. rend. Acad. Scienc. t. 121 et 122. 1396. 8) Contejean, Documents pour l’etude de la valeur des divers ordres de substances alimentaires etc. Arch. de Physiol., serie V, t.S p. 803. 1896. 4) Kaufmann, Methode pour sernir & l’etude des transformations chimi- ques intra-organiques etc. Arch. de Physiol., serie V, t.S p. 329. 1896. 5) Weiss, La production de la chaleur .animale et les substitutions alimen- taires d’apres les travaux de Rubner. Revue generale des Sciences pures et appliques t.21 p. 19. 1910. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel et. 511 der zum Lebensunterhalt notwendigen Wärmeproduktion abhängig ist. Das Bedürfnis an Calorien würde die Grösse der Verbrennungen im Organismus bestimmen. Das Prinzip der Isodynamie ist von den meisten Autoren angenommen; es findet die ausgedehnteste An- wendung in den neuen Arbeiten über die Ernährung und den Meta- bolismus bei gesunden und kranken Menschen !!). Rubner gilt in der Regel als der Begründer und der Haupt- vertreter der Isodynamie (siehe zusammenfassende Darstellung seiner Arbeiten in: Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902). Nun stellt aber Rubner eine weitere Theorie auf, die- jenige der „spezifisch- dynamischen Wirkung“ der Nahrungsstoffe, welehe dem Prinzip der Isodynamie widerspricht. Folgen wir dem Gedankengange Rubner’s?). Beim Hunde beobachtet man, ceteris paribus, ein Minimum der Wärmeproduktion bei einer Aussentemperatur von ca. 30°C. Sinkt die Temperatur, so tritt Steigerung der Wärmeproduktion ein. Diese Steiserung, dank welcher sich der Hund den thermometrischen Verhältnissen der Atmosphäre anpasst, bezeichnet Rubner als Aus- druck der „chemischen Wärmereeulation“. Diese Regulation wird durch die Zelltätigkeit entfaltet. Steigt die Temperatur der Luft höher als 30° C., so hört die chemische Wärmeregulation auf; der Hund hält seine Körpertemperatur nur noch durch die sogenannte „physikalische Wärmeregulation“ (Schweissbildung usw.) konstant. Um die chemische Wärmeregulation auszuschalten, hat nun 1) Während in Deutschland allgemein der calorische Wert der Nahrung zur Bestimmung der Kost bei der künstlichen Säuglingsernährung zugrunde ge- legt wird (Heubner, Die Energiebilanz des Säuglings. Berliner klin. Wochen- schrift 1901 Nr. 17), wenden die amerikanischen Ärzte fast ausnahmlos das „Prozentsystem“ an. Lackner (Heubner’s system of infant feeding expressed in calories and energy units. Journ. Americ. Med. assoc. vol. 53 p. 1267. 1909. Zit. nach Biochem. Zentralbl. Bd. 9 S. 623) kritisiert die calorische Methode sehr abfällig; nach ihm ist es falsch, dass Fett und Kohlehydrate einander nach dem Kalorienwert völlig vertreten können; für den Säugling ist es keineswegs das gleiche. Neulich hat Bowditch (A convenient method for determining caloric. values of formulas based on persentage feeding of infants. Journ. Americ. Med. Assoc. vol. 53 p. 1265. 1909. Zit. nach Biochem. Zentralbl. Bd. 9 S. 623) eine Kombination der calorischen Methode mit dem Prozentsystem vorgeschlagen. Dieselbe hat bis jetzt wenig Eingang gefunden. 2) Siehe vorwiegend die Kapitel XVII—XIX in: Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. Z4= ol2 Alfred Gigon: Rubner seine Versuchstiere bei einer Temperatur von ea. 30° C. untersucht. Unter diesen Bedingungen wirken aber Eiweiss, Fett und Kohlehydrate der Nahrung sehr verschieden auf den Energie- umsatz. Nehmen wir z. B. an, das Tier brauche im Hungerzustande und bei + 30° C. 100 Cal.; dieselben werden ausschliesslich für physiologische Funktionen gebraucht. Werden nun 100 Cal. als Nahrungseiweiss gefüttert, so treten dieselben nicht ohne weiteres an der Stelle der im Hungerzustande verbrauchten Energiemenge. Um verwertet werden zu können, muss nämlich der Nahrungsstoff zuerst verarbeitet werden; diese Umwandlung geht mit Wärme- abgabe einher. Die frei gewordenen Calorien sind aber physiologisch unbrauchbar. Bei der Verarbeitung von Nahrungseiweiss sind 51 o der Energiezufuhr physiologisch unbrauchbar. In unserem Beispiel könnten also nur 69 Cal. des Hungerumsatzes durch das Nahrunes- eiweiss bestritten werden; der Rest der nötigen Energie würde der Körpermasse entnommen sein. Die Gesamtwärmeabgabe muss dann nicht 100, sondern 131 Cal. betragen. Diese Steigerung ‘der Wärmeerzeueung ist der Ausdruck der „spezifisch-dynamischen Wirkung“. Sehr stark für das Nahrungseiweiss (31 %o), beträgt sie für die Kohlehydrate 6°o, für die Fette 130!) (8. 334). Nach Rubner besteht die hier in Betracht kommende Um- wandlung des Nahrungseiweisses in einer Glykosebildung oder, vorsichtiger ausgedrückt?), in der Spaltung des Eiweisses iu einen N-haltigen und N-freien Rest. Diese Spaltung und die partielle Verbrennung des N-haltigen Restes sind die Ursache der „spezifisch- dynamischen Wirkung“. Welche Prozesse die Steigerung der Wärme- bildung nach Kohlehydrat resp. Fettnahrung verursachen, weiss Rubner nicht sicher anzuzeben. | Nun tritt allerdings diese Wirkung auf die Wärmeproduktion auch nach Eiweisszufuhr nicht immer auf. Nehmen wir an, ein Versuchstier brauche 100 Cal. im Hungerzustande und bei 0° G., also in der Zone der ehemisehen Wärmeregulation. Ein Teil dieser 100 Cal. dient zur chemischen Wärmeregulation; er wird für streng physiologische Funktionen nieht gebraucht, er ist regulierbar. Füttern wir nun 100 Cal. als Eiweiss; davon 1) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 2) Rubner, Das Problem der Lebensdauer und seine Beziehungen zu Wachstum und Ernährung. 1908, und Arch. f. Hygiene Bd. 66 S.1. 1908. Uber den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 513 sind nur 69 physiologisch brauchbar. Braucht aber die chemische Wärmeregulation 31 Cal., so werden sie dann vom Nahrungseiweiss bestritten; die gesamte Wärmeproduktion bleibt unverändert. Sind weniger als 31 Cal. zur Wärmeregulation nötige, so steigt die totale Calorienbildune an. Es ist klar, dass die im ersten Falle beobachtete Iso.ynamie eine nur scheinbare ist. Wären statt Eiweiss Kohle- hydrate gefüttert worden, so wären 94 Cal. physiologisch brauchbar gewesen, bei Fettzufuhr wären es 37 Cal. gewesen. Die Hypothese Rubner’s für das Eiweiss entspricht dem Prinzip der Isoglykosie. Es sei aber ausdrücklich betont, dass Rubner für seine auscedehnten Betrachtungen nur die Veränderungen im Kraftumsatz berücksichtigt und, dass er der Erklärung der spezifisch-dyzamischen Wirkung „tür die Bedeutung der letzteren als Grundlage für die Umsetzungen im tierischen Organismus keine weitere Bedeutung“ zuspricht'!) (S. 398). Der Stoffwechsel ist demnach nur eine geringfügige Be- sleiterscheinung des Kraftwechsels. Die Rubner’schen Anschauungen sind, obgleich sie experimentell ausschliesslich auf Tierversuchen beruhen, auf den Menschen über- tragen worden. Versuche am Menschen sind fast nur zur Unter- suchung der chemischen Wärmeregulation ausgeführt worden. In einer Reihe sehr mühsamer Selbstversuche kam Johansson?) zu dem Ergebnis, dass eine chemische Wärmeregulation ohne Muskelbeweeungen nicht existiert?). Eine exakte Prüfung der übrigen Hypothesen und Resultate Rubner’s am Menschen steht noch aus. Ich habe daher vorgezogen, die von den Rubner’schen Theorien etwas abweichenden Anschauungen (z. B. Hypothese der „Verdauungsarbeit“) erst nach Mitteilung meiner Resultate zusammen- fassend zu besprechen. Die meisten Forscher haben sich begnügt, die absoluten Zu- 1) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 2) Johansson, Über den Einfluss der Temperatur in der Umgebung auf die CO,-Abgabe des menschlichen Körpers. Skandin. Arch. Bd. 7 S. 123. 1896. — Johansson, Die chemische Wärmeregulation beim Menschen. Skandin. Arch. Bd. 16 S. 88. 1904. 3) Wichtiger und richtiger dürfte, wie Camerer (Das Energiegesetz in der menschlichen Physiologie. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 66 S. 129. 1907) bemerkt, der Umstand sein, dass „der Wärmeregulation sowohl Einrichtungen ana- tomischer, also recht stabiler Art zu Gebote stehen (Behaarung, Unterhaut- fettpolster) als auch solche funktioneller (physiologischer) leicht beweglicher Art“. 8.135. Alle Einrichtungen spielen aber stets zusammen. 514 Alfred Gigon: nahmen des Gaswechsels nach verschiedener Nahrungszufuhr zu konstatieren. Dabei weichen die Ergebnisse nicht unwesentlich aus- einander. Während z. B Magnus-Levy!) keine oder eine nur minimale Steigerung des Gaswechsels nach Fettzufuhr beobachtete, erhielt Staehelin?) eine ebenso starke Steigerung nach Fett- wie nach Kohlehydratzufuhr. Die abweichenden Ergebnisse vieler Gas- resp. Kraftwechsel- versuche dürften zuweilen darauf beruhen, dass die Fragestellung zu wenig präzisiert wird. Der Zustand der Muskeltätigkeit. (ver- schiedene Grade von Ruhe), der Ernährung (Hunger, Glykogen- reichtum) der Versuchsperson ist manchmal zu wenig berücksichtigt worden. Es kommt noch hinzu, dass die Nahrung in sehr kompli- zierter Form dargereicht wurde, z. B. bei Eiweissversuchen als Braten, bei Kohlehydratversuchen als Brot, Reis usw. Meine Versuche beziehen sich speziell auf jene Veränderungen des Gaswechsels resp. des Energieumsatzes, welche mit der ersten Bearbeitung der zugeführten Stoffe in Zusammenhang stehen. Sie bezwecken die Untersuchung der verschiedenen Variabeln, welche die Steigerung des Gaswechsels nach Nahrungszufuhr be- einflussen, z. B. Einfluss der Dose, Art der Mahlzeiten, kombinierte Zufuhr. Dass die Resultate zur Prüfune der Rubner’schen Theorien beim Menschen beitragen können, liest auf der Hand. Die vorliegenden Versuche sind die ersten, meines Wissens, welche am Menschen zu diesem Zwecke mit reinen Eiweisskörpern und Fetten ausgeführt wurden. Ein Vergleich dieser Versuche mit denjenigen der anderen Autoren schien mir von Interesse; man sollte dabei einigermaassen Aufschluss bekommen, ob nach den bisher ausgeführten Versuchen mit komplizierten Speisen wie Braten, Speck, Rahm usw. die Gas- resp. Kraftwechselveränderungen auf die Eiweisskörper bzw. Fette allein zurückzuführen sind (siehe die zu- sammenfassenden Arbeiten von Jaquet?), Magnus-Levy*) sowie Magnus-Levy!), Staehelin?). 1) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S.1. 1894. 2) Staehelin, Versuche über Gaswechsel und Energieverbrauch nach Nahrungsaufnahme. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 66. 1909. 3) Jaquet, Der respiratorische Gaswechsel.e Ergebn. d. Physiol. 1903 I. Abt. S. 457. 5 4) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 515 Methodik und Versuchsanordnung. Sämtliche Untersuchungen wurden an der gleichen Versuchs- person, mir selbst, ausgeführt; es war der sicherste Wege, um die Versuche bei „vorsätzlicher Muskelruhe“ auszuführen. Bekanntlich können unkontrollierbare. Muskelbewegungen beträchtliche Schwan- kungen des Gaswechsels verursachen [Johansson!)]. Bei den Nüchternversuchen ist die Versuchsperson im nüchternen, wohl be- merkt nicht im hungernden Zustande; es besteht gewöhnlicher Nahrungszustand, normaler Glykogenvorrat. Die Versuche mit Nahrungszufuhr wurden 9—12 Stunden nach der letzten Mahlzeit begonnen, d, h. zu einer Zeit, wo der nüchterne Zustand wieder erreicht war |[Magnus-Levy?°) S. 222]. Die vor den einzelnen Versuchen zuletzt eingenommene Mahlzeit wurde jedesmal quantitativ etwas eingeschränkt. Das Körpergewicht der Versuchsperson wurde sehr oft kon- trolliert; es schwankte während der letzten vier Jahre zwischen 74,2 kg und 75,6 kg, was auf einen konstanten Nahrungszustand hindeutet. Die Körperlänge beträgt 181 cm, das Alter zur Zeit der letzten Versuche 27 Jahre. Die Untersuchungen wurden nach einer doppelten Versuchs- anordnung durchgeführt. Die in Stockholm mit dem von Sonden und Tigerstedt konstruierten Apparat?) ausgeführten Versuche bezweckten die Hypothese der isodynamen Vertretung der untersuchten Nährstoffe für die Zeit unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme zu prüfen. Der Fragestellung entsprechend, wurden die Versuche so angeordnet, dass der Körper mehrere Stunden hindurch unter dem Einfluss einer bestimmten konstanten Nahrungszufuhr gehalten wird. Die Versuche fingen morgens früh um 6 Uhr an und dauerten 10 Stunden; während dieser Zeit wurde jede Viertelstunde eine bestimmte gleich grosse Dose von Kasein (Brückner & Lampe, Berlin), resp. Dextrose (Merck), resp. Kasein + Dextrose eingenommen. Es wurde die 1) Johansson, Über die Tagesschwankungen des Stoffwechsels und der Körpertemperatur im nüchternen Zustande und vollständiger Muskelruhe. Skandin. Arch. Bd. 8 S. 85 und 108. 189. 2) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels in vv. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 3) Sonden und Tigerstedt, Untersuchungen über die Respiration und den Gesamtstoffwechsel des Menschen. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 6 S.1. 1895. 516 Alfred Gigon: grösste Zufuhr gewählt, welche von dem Versuchsindividuum ohne Beschwerden vertragen werden konnte. Der Harn wurde zwei- stündlich aufgefangen. Die Kohlensäureabgabe wurde in Perioden von je einer Stunde bestimmt. Die stündigen Beobachtungsperioden wurden durch gleichmässige Intervalle getrennt, da eine länger dauernde Muskelruhe undurchführbar ist. Sämtliche nach dieser Versuchsanordnung gemachten Versuche sind miteinander vollkommen vergleichbar !). Die mit dem Jaquet’schen Respirationsapparat?) der medi- zinischen Klinik zu Basel ausgeführten Untersuchungen sollten Auf- klärung geben über den Einfluss, welche die Zufuhr der verschiedenen Nahrungsstoffe auf den Gaswechsel, Energieumsatz und vielleicht auch auf den intermediären Stoffwechsel ausübt. Hier wurde eine bestimmte Nahrungssubstanz [Kasein, Dextrose, Olivenöl, Kasein + Dextrose®)] in einer einmaligen Dosis dargereicht. Die Dosen variierten in den einzelnen Versuchen im Verhältnis wie 1:2:3:4. Um fortlaufende Untersuchungsreihen bei Bewahrung der vorsätz- lichen Muskelruhe zu erhalten, wurden die Versuche um 8 Uhr abends begonnen und bis morgens 6—7 Uhr durchgeführt. Der grösste Teil der Versuchszeit wurde schlafend zugebracht. Im wachen Zustande wurde die vorsätzliche Muskelruhe möglichst streng innegehalten. Der Gaswechsel im Schlafe entspricht vollkommen demjenigen bei vorsätzlicher Muskelruhe®) (S. 115). An dem Tage, an welchem der Versuch begann, wurde die letzte Mahlzeit um 12 Uhr genommen. Diese Maassregeln genügen, wie meine Versuche ergeben, um beim Versuchsbeeinn den Nüchternzustand zu erhalten. Um 8 Uhr trat ich in den Kasten ein. Die Ventilation wurde sofort in Gang gesetzt. °/a Stunden oder 1 Stunde später wurde die bereits gewogene Nahrungsmenge genossen, was nur wenige Minuten 1) Gigon, Über den Einfluss von Eiweiss- nnd Kohlehydratzufuhr auf den Stoffwechsel. Skandin. Arch. Bd. 21 S. 351. 1909. 2) Jaquet, Ein neuer Apparat zur Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels des Menschen. Verhandl. d. naturforsch. Gesellsch. in Basel Bd. 15 S. 252. 1903. 3) Die gleichen Präparate wie in den Stockholmer Versuchen. Das Olivenöl war das reinste Olivenöl des Handels. 4) Johansson, Über die Tagesschwankungen des Stoffwechsels und der Körpertemperatur im nüchternen Zustande und vollständiger Muskelruhe. Skandin. Arch. Bd. 8 S. 85 und 108. 18%. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 517 beanspruchte; dann legte ich mich bequem im Kasten nieder. Sobald ich in Ruhe war, 2—3 Minuten nach Schluss des Essens, wurde mit ‘den Ablesungen angefangen. Dieselben wurden halbstündlich vor- genommen und die Luftproben ein- bzw. zweistündig abgenommen. Die Luftanalysen geschahen mit dem Apparat von Petersson- Sonden (Stockholm), resp. mit demjenigen nach Petersson- Högland (Basel). Jede Bestimmung ist das Resultat gut über- einstimmender Doppelanalysen. Die Kontrollversuche sowohl am Tigerstedt’schen wie am Jaquet’schen Apparate ergaben mir ebenso befriedigende Resultate wie früheren Autoren |[Jaquet'), Staehelin?),, Rosenberg?°)]. Die freie Lage des Stockholmer Institutes am Meeresufer macht Bestimmungen der Zusammensetzung der atmosphärischen Luft völlig überflüssig. In Basel hingegen liegt das Laboratorium im Stadt- zentrum in der Nähe erosser Fabriken; die Variationen in der Zu- sammensetzung der Aussenluft nötigten zur Analyse derselben am Anfang und Ende jedes Versuches; diese Werte wurden für die Be- rechnung in Betracht gezogen. Der CO,-Gehalt der Atmosphäre schwankte zwischen 0,030 %/o und 0,048, der O,-Gehalt zwischen 20,87 /o und 21,2%. | | Die Stickstoffbestimmungen erfolgten nach Kjehldahl. Eine Analyse des Kotes auf Stickstoff ergab ausgezeichnete Resorption des Kasein-N. In den Fäces erschien niemals Dextrose oder un- resorbiertes Öl. In allen Zuckerversuchen wurde der Harn auf Zucker geprüft, doch stets mit negativem Resultat. Subjektive Be- schwerden, Magendarnistörungen traten nie auf. Die Temperatur des Respirationszimmers schwankte in den ver- schiedenen Versuchen zwischen 17° und 25,1° C. Diese Schwan- 1) Jaquet, Ein neuer Apparat zur Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels des Menschen. Verhandl. der naturforsch. Gesellsch. in Basel Ba. 15 S. 252. 1903. 2) Staehelin, Versuche über Gaswechsel und Energieverbrauch nach Nahrungsaufnahme. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 66. 1909. — Staehelin, Die Bestimmung der Wasserdampfausscheidung in Verbindung mit dem Jaquet- schen _Respirationsapparat. Verhandl. d. naturforsch. Gesellsch. in Basel Bd. 19 S. 100. 3) Rosenberg, Prüfung des Sonden-Tigerstedt’schen Respirations- apparates. Skandin. Arch. Bd. 16 S. 79. 1904. _ 513 Alfred Gigon: kungen können den Gaswechsel nicht beeinflusst haben [Johans- son), Loewy°), Magnus-Levy°) S. 265 ff., Ignatius, Lund und Wärri®)]. Das Volumen der durch das Respirationszimmer in die Gasuhr durchgehenden Luft schwankte in den einzelnen Versuchen, im Tigerstedt’schen Apparat zwischen 15,7 und 18,4 cbm pro Stunde, im Jaquet’schen Apparat zwischen 1850 und 2480 Liter. Hier wurde die Ventilation so reguliert, dass schätzungsweise die CO;- Ausscheidung am Analysenapparat abgelesen (also ohne Korrektur) 0,50 bis 0,80°/o (Maximum) betrug. Die Analysenfehler werden dadurch etwas geringer). Um die Korrektur, welche die Wasserdampfabgabe erfordert, auszurechnen, habe ich im Jaquet’schen Respirationskasten einen Psychrometer eingerichtet; die Ablesungen konnten ausserhalb des Kastens vorgenommen werden. Der Wasserdampfgehalt der Kasten- luft wurde mittels der Psychrometertafel Jelineck’s bestimmt. Der Dunstdruck schwankte zwischen 8,6 und 20,3 mm Quecksilber. In seltenen Fällen war die Luft zeitweise mit Wasserdampf gesättigt, so dass an den Wänden des Kastens sich ein Teil des Wassers kondensierte. Der Wasserdampfgehalt der Luft hängt selbstverständ- lich nicht nur von der Wasserabzabe der Versuchsperson, sondern wesentlich auch von den Schwankungen in der Atmosphäre ab. Zur Berechnung des Stoffwechsels und des Energieumsatzes. Abgesehen von den Resultaten, welche aus dem direkten Ver- gleiche der Gaswechselwerte in den verschiedenen Untersuchungen hervorgehen, kann man die vorliegenden Respirationsversuche nach einem zweifachen Gesichtspunkte hin berechnen. Wir können, zu- 1) Johansson, Über den Einfluss der Temperatur in der Umgebung auf die CO,-Abgabe des menschlichen Körpers. Skandin. Arch. Bd. 7 8.123. 1896. 2) Loewy, Über den Einfluss der Abkühlung auf den Gaswechsel des Menschen. Pflüger’s Arch. Bd. 46 S. 189. 1889. 3) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels in v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 4) Ignatius, Lund und Wärri, Über den Einfluss der Aussentemperatur auf die CO,-Abgabe beim ruhenden nüchternen Menschen. Skandin. Arch. Bd. 20 Ss. 226. 1908. 5) Staehelin, Versuche über Gaswechsel und Energieverbrauch nach Nahrungsaufnahme. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 66. 1909. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel ete. 519 mal bei den Versuchen mit Bestimmung des Sauerstoffverbrauchs ausfindig machen, in welehen Mengen die einzelnen Nahrunsesstoffe am Stoffwechsel teilnehmen. Andererseits kann der Gesamtenergie- umsatz berechnet werden. Die beiden von mir angewandten Methoden gestatten eine in- direkte Bestimmung der Verbrennungen im Körper, und zwar aus den Endprodukten des Stoffwechsels resp. den Verbrennungsprodukten. In den Basler Versuchen kommt noch der Sauerstoffverbrauch in Betracht. Gegenüber der direkten kalorimetrischen Methode haben die indirekten Methoden den Vorteil, dass der Umsatz hier auf die verschiedenen Substanzgruppen Eiweiss, Fett und Kohlehydrate verteilt werden kann. Allerdinzs zehen die indirekten Methoden von gewissen Voraussetzungen aus, und die Berechnung fusst auf der Genauigkeit, mit welcher gewisse Koeffizienten bestimmt werden. Die Verbrennungen im Tierkörper finden ihren genauesten Aus- druck in dem respiratorischen Stoffwechsel. Fette und Kohlehydrate werden unter Sauerstofiverbrauch zu Kohlensäure und Wasser ver- brannt; bei der Eiweissverbrennung kommt dazu die Stickstoff- ausscheidune im Harne in Betracht. Es lassen sich nun für die einzelnen organischen Stoffe Durchschnittswerte der CO,-Abgabe und des Sauerstoffverbrauchs berechnen. Für die Fette und die Kohle- hydrate lassen sich diese Werte unmittelbar aus der chemischen Zu- sammensetzung dieser Substanzen ableiten. Für die Eiweisszersetzung wird angenommen, das sämtliche N-haltigen Endprodukte in den Harn übergehen. Der Kotstiekstof ist, wie Tigerstedt!) (S. 349) es auseinandersetzt, wesentlich als ein vom Körper selbst stammendes Exkretionsprodukt aufzufassen; er wird mit den Verdauungssäften abgesondert; dieselben sind aber nicht als Endprodukte des Stofi- wechsels anzusehen. Zur Berechnung des Eiweissverbrauchs, wird ausserdem angenommen, dass sämtliche organische Bestandteile des Harnes ausschliesslich dem verbrannten Eiweiss entstammen. Kennt man die Zusammensetzung des zerfallenden Eiweisses und der organischen Bestandteile des entsprechenden Harnes, so ergeben sich ohne weiteres die Mengen €, H und 0, welche für den Gaswechsel übriebleiben. Der Sauerstoffverbrauch, die CO,- und H,O-Abgaben, welehe dureh die Eiweissverbrennung verursacht werden, lassen sich daraus berechnen. 1) Tigerstedt, Physiologie des Stoffwechsels. Nagel’s Handb. Ba. 1 2 Hälfte I. Teil. 1906. 520 Alfred Gigon: Die Grundlage dieser Berechnungen bildeten bis jetzt die Unter- suchungen Rubner’s!); auf denselben beruhen die von Zuntz?), oder von Pflüger®) erhaltenen Zahlen. Den Rubner’schen Fr- gebnissen haftet aber der grosse Übelstand an, dass sie in Hunde- versuchen gewonnen wurder. Diese Werte sind also nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar. Staehelin*) erhielt in einem Selbstversuch etwas abweichende Werte. Eine Prüfung seiner Standartwerte in den Versuchen von Benediet und Milner’?) ergaben befriedigende Resultate. Für meine Untersuchungen er- schien es mir aber doch zuverlässiger, als Grundlage die zahlreichen und so exakt durchgeführten Versuche Atwater’s und Benediet’s®) am Menschen bei gemischter Kost vorzuziehen. Die Berechnungen der Standartzahlen auf Grund dieser Versuche hat neulich Johansson’) auszeführt. Tabelle 1. 1 (3 “ Kö 2 7 vtes Ei- a . 0 ee l 1 g N. im Harne entspricht 00,-Abgabe |% Verbrauch Resp. Autor C0,-Abgabe|O,-Verbrauch Calo- ei |] ı jew ee 1,53 | 0,78 | 1,37 | 0,96 | 0,81 |Zuntz°) 9,45 |4,81 | 8,67 | 6,06 127,1 1,52 | 0,77 | 1,35 | 0,95 | 0,82 | Johansson?) 9,51°)| 4,84 3.46 | 9,91: | 27,25 Zee) — || a) — 125 1) Rubner, Kalorimetrische Untersuchungen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 21 S. 250 und 337. 1885. 2) Zuntz, Über den Stoffverbrauch des Hundes bei une Pflüger’s Arch. Bd. 63 S. 191. 1897. 3) Pflüger, Unsere Kenntnisse über den Kraftwert des Fleisches und der Eiweissstoffe. Pflüger’s Arch. Bd. 79 S. 570. 1900. 4) Staehelin, Versuche über Gaswechsel und Energieverbrauch nach Nahrungsaufnahme. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 66. 1909. 5) Benedict und Milner, Bulletin Nr. 175. Zit. nach Staehelin, Ver- suche über den Gaswechsel und Energieverbrauch nach Nahrungsaufnahme. Zeitschr. f. klin. Medizin Bd. 66. 1909. 6) Atwater und Benedict, Bulletin Nr. 136. 1896. Zit.nach Atwater, Neue Versuche über Stoff- und Kraftwechsel im menschlichen Körper. Ergebn. d. Physiol., I. Abt., S. 497. 1904. 7) Johansson, Methodik des Energiestofiwechsels. Abderhalden’s Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden Bd. 3 2. Hälfte 5. 1126. 1910. 8) Nach Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels in v. Noorden’s Handb. Bd. 1 S. 205. 1906. Der Kotstickstoff ist in der Berechnung einbezogen worden. 9) 1 g 00, entsprechen 0,105 g Harn-N. Über den Einfluss der N ahrungsaufnahme auf den Gaswechsel ete. 521 Tabelle 1 stellt die Standartzahlen einiger Autoren zusammen. Für meine Berechnungen habe ich die von Johansson erhaltenen Zahlen angenommen. Für Fett, Stärke und Glykose habe ich die in Tabelle 2 mit- geteilten Zahlen vorgezogen. Tabelle 2: Für 1 g im Körper verbrannte Substanz Substanz CO,-Abgabe | O,-Verbrauch| N Kvarner Autor!) en | | Ben. 2,81 | 143 | 2,89 | 2,02 | 0,707) 946 { un Stärke,Glykogen | 1,63 | 085 1185| 0,88 | 10 | 418 J|Stolmann und a 1a 0285| 1087| 078 10.1 8,20 A| enmann ne Zur Berechnung des Energieumsatzes kommen nun folgende Grössen in Betracht. Die physiologischen Verbrennungs- werte geben die Wärmeentwicklung, welche die organischen Stoffe bei ihrer Verbrennung im Körper entfalten. Es werden die von Rubner?’) (8. 374ff.) ermittelten Durchsehnittszahlen benutzt. Eiweiss 4,1 Cal., Fett 9,5 Cal., Kohlehydrate 4,1 Cal. Die Richtiekeit dieser Zahlen wurde von Tigerstedt®) durch Berechnung des umfangreichen Materials Atwater’s und Bene- diet’s geprüft und bestätigt. Wenn man die physiologischen Verbrennungswerte auf die pro Gramm Substanz berechnete CO,-Abgabe resp. O,-Verbrauch bezieht, so erhält man die kalorischen Koeffizienten. 1) Nach Johansson, Methodik des Energiestoffwechsels. Abder- halden’s Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden Bd. 3 2. Hälfte S. 1126. 1910. 2) Rubner, Kalorimetrische Untersuchungen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 21 S. 250 und 337. 1885. 3) Tigerstedt, Physiologie des Stoffwechsel. Nagel’s Handb. Bd. 1 2. Hälfte I. Teil. 1906. 922 Alfred Gigon: Kalorische Koeffizienten!) Cal. Cal. Cal. | Cal. g 00, £ 0, 1 CO, | l O3 Eiweiss (Zuntz). . . 2,37 313 5,64 4,47 Eiweiss (Johansson) 2,87 322 5,65 4,61 Mett a aNoN ene Son 3,28 6,63 4,69 Glykogenu 0 2 2,97 3,94 5,06 5,06 Stärken re 2,97 3,53 5,05 5,05 Glykose teen ern. 2,55 3,51 5,02 5,02 Um annähernd urteilen zu können, welche Prozesse die Stei- gerung der CO,-Abgabe bei den Versuchen am Tigerstedt’schen Apparat bedingt haben, habe ich die hier angegebenen Koeffizienten in Verhältnis gebracht mit der CO,-Menge unter Berücksichtigung der N-Ausscheidung und des Grundumsatzes. Die Verbrennung der einzelnen Stoffe und der Energieumsatz lassen sich in den Versuchen am Jaquet’schen Apparat genau bestimmen. Die Versuchsdaten wurden folgendermassen pro Stunde berechnet [nach Johansson?)]: Sauerstoffverbrauch — O0, Liter. Kohlensäureabgabe — CO, Liter. Harnstickstoff = N Gramm. Bei Verbrennung von Fiweiss Fett Kohlehydrat Calorische Koeffizienten des O, a b C Respiratorische Quotienten 9 7B 1 O,-Verbrauch pro Gramm N k Es ergeben sich folgende Gleichungen: O0, aus 0, aus Ö, aus Eiweiss Fett Kohlehydr. Tl. 05 2 — an ns er 1.0600, — a 0 +0 Energieumsatz — aa + bis + _(C&2. 1) Nach Johansson, Methodik des Energiestoffwechsels. Abder- halden’s Handb. der biochem. Arbeitsmethoden Bd. 3 2. Hälfte S. 1130 u. 1131. 1910. 2) Johansson (Methodik des Energiestofiwechsels.. Abderhalden’s Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden Bd. 3 2. Hälfte S. 1126. 1910) hat seine Berechnung auf die Minute gemacht und mit einigen anderen Koeffizienten als ich. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 5923 Die Grössen &,, Xs, X, lassen sich leicht in den Versuchsdaten ausdrücken '). Zur Berechnung der Gleichungen habe ich folgende Konstanten angenommen. x Sl Ola) da = 4,61 g1 —— 0,82 b — 4,69 000 ee 29:00: Die Werte &, und x, werden dann in Beziehung gebracht mit den Zahlen der Tabelle 2 (Liter O,-Verbrauch). Wir erhalten als Schlussgleichungen: Eiweissverbrennung — 6,25 N?). Fettverbrennung 1,69 (O0, — CO,) — 1,80 N. Kohlehydratverbrennung = 4,12 CO, — 2,91 0, — 2,75N. Energieumsatz — 3,821 0, + 1,263 CO, — 1,31N. Bei dieser Berechnungsweise wird allerdings angenommen, dass die Verteilung der Verbrennung auf Eiweiss, Fette, Kohlehydrate aus dem Verhalten des respiratorischen Quotienten (R. Q.) annähernd hervorgeht. Dieser darf aber nicht die Grenzen 0,7—1,0 über- schreiten, was nicht in allen Perioden zutrifft. Ein niedrigerer Wert als 0,7 deutet vielleicht auf Glykogenbildung aus Eiweiss (nach einigen Autoren ebenfalls aus Fett?), ein höherer als 1,0 auf Fett- bildung aus Kohlehydraten hin. Eine Kontrolle, ob intermediäre Umsetzungen des Körpermaterials, oder der zugeführten Nahrung stattgefunden haben, können wir vielleicht in den Differenzen finden, welche die verschiedenen Be- rechnungen des Energieumsatzes untereinander aufweisen. Abgesehen von der oben angegebenen Formel, können wir den Energieumsatz noch durch die Addition der den Stoffverbrennungen entsprechenden Calorien berechnen. Eine weitere Kontrolle ergibt der Sauerstoff- verbrauch. | 1) Als Beispiel sei die Berechnung von &, und der Fettverbrennung hier kurz auseinandergesetzt. Aus I folgt I = 0: — U—%z. Aus II folgt I — (0: — 91% —Iola- S : N 1+ Wir erhalten also 2% = nr (0,—00;) — ers Die &, — Harn-N 8,46 (Tab. 1). Fettverbrennung = an - 2) Atwater nimmt als Durchschnittswert für das Eiweiss 16% N an. I4 Alfred Gigon: OL Die Schwankungen der O,-Aufnahme bei der Verbrennung der einzelnen Stoffe sind viel geringer als diejenigen der CO;-Abgabe. Wird die ÖO,-Aufnahme resp. CO,-Abgabe bei Fettverbrennung gleich 100 gesetzt. so erhalten wir: | CO,-Abgabe O,-Aufnahme bei Eiweissverbrennung . ...... 117 101 bei Fettverbrennung . .-...... 100 100 bei Kohlehydratverbrennung.. .. . - : 132 33 Aus Untersuchungen von Laulani&!) geht ebenfalls deutlich hervor, dass der Sauerstoffverbrauch und die Intensität der Thermo- genese parallel verlaufen, während erhebliche Abweichungen sich finden zwischen der letzteren und der CO,-Ausscheidung. Wir können also, wenn nur totale Verbrennungen im Körper stattfinden, für den Cal. Gramm 0, von rund 3,3 (siehe S. 522 Tabelle) annehmen. Diese Zahl ist nicht mehr so genau, wenn intermediäre Umwandlungen stattfinden. Im Falle einer Fettbildung aus Zucker bleibt der O,-Verbrauch unver- ändert; bei der Bildung von 37 g Fett aus 100 g Dextrose werden ca. 160 Cal. frei; findet aber Zuckerbildung aus Eiweiss statt, so wird Sauerstoff gebraucht bei ganz minimaler Wärmeentwicklung (1 gN = 27 Cal. dürfte ca. 6,3 z Dextrose — rund 24 Cal. entsprechen) [Gigon?)]. Zur Berechnung der Veränderungen des Gaswechsels in den Versuchen mit Nahrungszufuhr haben mir die Werte des Grund- umsatzes als Norm gedient. In gewissen Perioden einzelner Ver- suche gehen die CO,- resp. O,-Werte etwas tiefer; dieselben habe ich als Nüchternwerte angesehen und nicht in der Addition zur Be- rechnung der absoluten Zunahme des Gaswechsels berücksichtigt. Solehe Werte sind nicht selten von anderen Autoren [Johansson?), Gesamtsauerstoff einen mittleren kalorisehen Koeffizienten 1) Laulanie, Nouvelles recherches sur les variations corr@latines de Vintensite de la thermogenese et des Echanges respiratoires. Compt. rend. Acad. scienc. t. 120 p. 455. 1896. 2) Gigon, Die Menge des aus Eiweiss entstehenden Zuckers beim Diabetes. Deutsch. Arch. f. klin. Medizin Bd. 97 S. 376. 1909. 3) Johansson, Untersuchungen über den Kohlehydratstoffwechsel. Skandin. Arch. Bd. 21 S.1. 1908. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 525 Magnus-Levy!)] beobachtet worden. Eine Erklärung für die erste Versuchsstunde lässt sich wohl darin finden, dass zuweilen die Ventilation des Kastens etwas mangelhaft wird, so dass die Atmungs- gase nicht voll zur Geltung kommen [Grafe?)]l. Die Verhältnisse in der Atmosphäre spielen hier meines Erachtens entschieden eine Rolle. Meine Berechnungen sind für relativ kurze Perioden ausgeführt worden, 3!/„—9 Stunden, obgleich die Versuche selbst stets länger andauerten. Man könnte nun einwenden, dass nur 24stündige Ver- suche exakte Werte für die Verbrennung der einzelnen Stoffe und den Energieumsatz ergeben. Dieser Einwand beruht vorwiegend auf der Divergenz zwischen CO,-Abgabe und O,-Verbrauch einerseits und der N-Ausscheidung andererseits [Falta, Grote und Staehe- lin®)]. Eine Verlangsamung in der Ausscheidung des dem ver- brannten Eiweiss entsprechenden Stickstoffs besteht sicher. Diese Verspätung der N-Ausscheidung scheint allerdings nach neueren Versuchen von Chauveau und Contejean*) beim gesunden Organismus nicht sehr bedeutend zu sein; diese Autoren fanden beim Hunde, dass die N-Ausscheidung im Harne sehr rasch einer Eiweiss- zersetzung (kalte Dusche) nachfolgt. Gewisse Prozesse wie Harn- stoffbildung, Nierensekretion und andere können hier jedoch eine verzögernde Wirkung ausüben. Diesen Übelstand habe ich aber durch folgende Berechnungsweise zu kompensieren versucht. In den Versuchen mit Nahrungszufuhr habe ich für die Berechnungen nur die Periode mit Steigerung des Gaswechsels in Betracht gezogen; der Gaswechsel erreicht vor Ende des Versuches den Nüchternwert. 1) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd.55 S.1. 1894. 2) Grafe, Ein Respirationsapparat. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 65 Ss. 14. 1910. 3) Falta, Grote und Staehelin, Versuche über den Kraft- und Stoff- wechsel und den zeitlichen Ablauf der Zersetzungen unter dem Einfluss ver- schiedener Ernährung beim Hund. Hofmeister’s Beiträge Bd. 9 S. 333. 1907. 4) Chauveau et Contejean, Contemporaneite de la formation et de l’elimination des dechets azotes chez les sujets en etat de jeune. Compt. rend. de l’Acad. d. sciences. t. 150 p. 1478. 1910. — Chauveau et Contejean, Eli- mination des dechets azotes dans l’acte de la secretion renale, chez le sujet en &tat d’inanition. Rapport de cette Elimination avec celle de l’eau, vehicule des excreta urinaires. Independance r&ciproque des deux phenomenes. Compt. rend. de l’Acad. d. Scienc. t. 150 p. 1647. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. B) je] 526 Alfred Gigon: Die Eiweissverbrennung wurde so berechnet, dass ich zum Nüchtern- wert während der Periode der Gaswechselsteiserung die Gesamt- zunahme des N der ganzen Versuchszeit hinzuaddierte!). Die nach den oben angegebenen Formeln berechneten Werte entsprechen dann den allgemein anerkannten theoretischen Betrachtungen. Damit ist aber nicht gesagt, dass die erhaltenen Zahlen auch den Tatsachen in meinen Versuchen vollkommen entsprechen (s. S. 583). Der Stoffwechsel im nüchternen Zustande. — Der 6Grundumsatz. Zur Bestimmug des Gaswechsels der Versuchsperson im nüchternen Zustande, d.h. bei gewöhnlichem Glykogenvorrat und vorsätzlicher Muskelruhe, wurden folgende Untersuchungen ausgeführt. In Stockholm wurden drei Versuchsreihen (1907) gemacht mit neun Bestimmungen der stündlichen CO,-Ausscheidung; dieselben ergaben eine mittlere stündliche Kohlensäureabgabe von 23,8 g; die mittlere Abweichung beträgt + 1,01 g, der mittlere Fehler des arithmetischen Mittels + 0,35 g. Die mittlere Stickstoffausscheidung pro Stunde beträgt 0,59 g, die mittlere P,O,-Ausscheidung 0,084 g?). In Basel wurden die in Tab. 3 enthaltenen Versuche ausgeführt. Die beiden Versuchsreihen mit den zwei verschiedenen Apparaten stimmen sehr gut miteinander überein; ein indirekter Beweis, dass beide Apparate sehr zuverlässig sind. Die hier erhaltenen Werte stimmen sehr gut überein mit den von anderen Autoren angegebenen Zahlen. Der Grundumsatz be- trägt bei Männern von 60—70 kg Gewicht nach Magnus-Levy°) (S. 222) ungefähr 20—24 g CO, und 18,5— 21,5 g O, pro Stunde. Wie die Versuche zeigen, hat sich der Grundumsatz während der letzten drei Jahre gar nicht verändert. Johansson*), Magnus- 1) Z. B. Die Dauer der Gaswechselsteigerung in den Versuchen mit 100 g Kasein beträgt 5°/s Stunden; dieser Zeit würde eine N-Ausscheidung im Nüchtern- zustande von 3,38 g entsprechen. Das Mittel der Gesamtzunahme für die beiden Versuche (10 resp. 11 Stunden) beträgt 3,82 g. Die Eiweissverbrennung ent- spricht also hier einer N-Abgabe von 7,2 g. _ 2) Gigon, Über den Einfluss von Eiweiss- und Kohlehydratzufuhr auf den Stoffwechsel. Skandin. Arch. Bd. 21 S. 351. 1909. 3) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels in v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 4) Johansson, Über die Tagesschwankungen des Stoffwechsels und der Körpertemperatur im nüchternen Zustande und vollständiger Muskelruhe. Skandin. Arch. Bd. 8 S.85 und 108. 1898. trank Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 527 Levy), Tigerstedt?) fanden ebenfalls innerhalb zweier Jahre nur minimale Schwankungen der CO,-Abgabe resp. des O,-Verbrauchs. Tabelle 3. Gaswechsel in nüchternem Zustande. Nummer und 0O,-Aus- O,-Ver- Respirato- Datum Zeit?) scheidung brauch rischer des Versuches Gramm pro Stunde | Gramm pro Stunde | Quotient 8h 30’ bis 9h 28’ 22,91 20,18 0,826 Nr. 17 nn a s aan = a 29,52 0762 %.-—21. Nov. 5 e 4, 22,02 0,813 in 55% 2 108 5or || 2308 21.99 0,792 10545 022.032 23,53 21,35 0,801 Mittel | 2386 | 21,61 | 0,799 Nr. 18 8h 45’ bis 10h 35’ 21,51 19,17 0,816 23 2104 252 5 Tain Agı 22,56 19,60 0,837 28.—29. April 3 | 11h 57’ „ 12h 53° 23,02 21,12 0,790 1910 22060 120% 23,80 21,54 0,803 Mittel | 22,70 | 20,36 | 0,811 Arithmetisches Mittel 23,356 21,05 0,805 beider Versuche (11,88 Liter) | (14,72 Liter) Mittlerer Fehler. . . + 0,96 21,16 — Die Tageszeit übt auch keinen merklichen Einfluss auf den Gaswechsel aus. Die erste Serie von Versuchen wurde am Tage ausgeführt, die zweite Serie erfolgte in der Nachtzeit. Der Schlaf entspricht dem Zustande „vorsätzlicher Muskelruhe“ [Johansson®) (S. 85), Loewy°), Rubner®), Tigerstedt?)]. 1) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels in v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 2) Sonden und Tigerstedt, Untersuchungen über die Respiration und den Gesamtstoffwechsel des Menschen. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd.6 S.1. 1895. 3) Die Füllung des Sammelgefässes beanspruchte meistens etwas weniger als 1 Stunde. Die Berechnungen sind aber alle auf 1 Stunde gemacht. 4) Johansson, Über die Tagesschwankungen des Stoffwechsels und der Körpertemperatur im nüchternen Zustande und vollständiger Muskelruhe. Skandin. Bd.8 S. 85 und 108. 1898. 5) Loewy, Über den Einfluss einiger Schlafmittel auf die Erregbarkeit des Atemzentrums. Berliner klin. Wochenschr. 1891 Nr. 18. 6) Rubner, Über die tägliche Variation der Kohlensäureausscheidung. Festschr. f. Ludwig 1887 8. 259. 7) Tigerstedt, Das Minimum des Stoffwechsels beim Menschen. Nordisk. Med. arck. 1897. Zit. nach Jaquet, Der respiratorische Gaswechsel. Ergebn. d. Physiol. I. Abt. S. 486. 1903. 35 * Alfred Gigon: Or N [0 6) Der Umsatz verteilt sich nach meinen Untersuchungen folgender- maassen auf die einzelnen Stoffe: Eiweissverbrennung — 6,25 - 0,59 — 3,69 g pro Stunde’ oder 83,6 g pro Tag. Fettverbrennung — 1,69.(14,72—11,88)— 1,8 -0,599= 3,74 g pro Stunde oder 89,8 g pro Tag. Kohlehydratverbrennung = 4,12: 11,88—2,91 : 14,72—2,75 - 0,59 = 4,48 g pro Stunde oder 107,5 g pro Tag. Energieumsatz — 3,821 - 14,72 + 1,263 - 11,88 — 1,31-0,59—170,16Cal. pro Stunde oder 1684 Cal. pro Tag. Auf Eiweiss kommen . . . 151 Cal. = 22% AufsBett kommen) 2 0. ...22.34.820al. 251.90 Auf Kohlehydrate kommen . 18,4 Cal. = 27° 68,3 Cal. — 100%. Die beiden Berechnungsarten des Energieumsatzes stimmen hier gut überein. Die Differenz von ca. 2 Cal. pro Stunde ist innerhalb der Versuchsfehler. Pro Kilo Gewicht beträgt der Energieumsatz rund 22,5 Cal. pro 24 Stunden. Als kalorische Koeffizienten be- Cal. kommt man in diesen Nüchternversuchen — 2,99, Gramin 00, Cal. EN Ä | Gramm O0: 38,32. Magnus-Levy!)(S.27) erhielt 3,10 resp. 3,26. Folgende Tabelle 4 (S. 529) ergibt die Berechnung des Umsatzes in einigen Versuchen für 1 Stunde. Der Energieumsatz im nüchternen Zustande wird stets zum grössten Teil durch Fettverbrennung bestritten. Noch zu wenig be- achtet wird aber die Tatsache, dass auch im Nüchternzustande eine beträchtliche Menge Kohlehydrate am Umsatze teilnehmen. Neulich konnte Grafe?) über Versuche berichten, in welchen er sogar am siebenten Hungertage aus dem Verhalten des Gaswechsels auf eine 1) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 1. 1894. 2) Grafe, Beiträge zur Kenntnis des Stoffwechsels im protrahierten Hunger- zustande, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 65 8. 21. 1910. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gäswechsel ete. 529 Tabelle 4. Grundumsatz !) pro Stunde. Verbraucht Der Umsatz besteht aus | Calorien er a ___|proKilo- utor = ah Kohle- |... __: Kohle- | gramm Eiweiss Fett hydrat Eiweiss| Fett hydrat in @ © @ 0) 0 0), 24 Std. Magnus-Levy°’) | 2,25 4,6 2,2 15,0 70,0 15,0 26,6 Staehelin°®). .| 23,81 2,71 4,86 20,3 44,5 35,2 20,0 Nomen. 3,69 3,71 4,46 22,0 51,0 27,0 22,9 Kohlehydratverbrennung glaubt schliessen zu können. Pflüger‘) hat am Hunde den Beweis erbracht, dass der Körper niemals gly- kogenfrei ist, und zwar auch dann nicht, wenn die Nahrungs- 'entziehung bis zum Tode dauerte. Bekanntlich wird aber doch immer noch in den ersten Tagen des Hungerstoffwechsels an- genommen, dass der aus N-freien Stoffen stammende Kohlenstoff aus Fett allein herrührt. Dies ist eine irriee Annahme, und der so be- rechnete Kraftwechsel wird stets zu hoch bemessen |[z. B. von Noorden?) (S. 481), Camerer®) (S. 138), Heilner”), Rub- ner°)]; letzterer ist voraussichtlich im Nüchternzustande nicht grösser als nach protrahiertem Hunger. Der Grundumsatz stellt einen der konstantesten Werte im Ge- samtstoffwechsel dar. Für das einzelne erwachsene Individuum bleibt er Jahre hindurch unverändert; er ist unabhängig von der Tageszeit 1) Nach der oben angegebenen Berechnungsweise. 2) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter ‚dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 1. 1894. 3) Staehelin, Versuche über Gaswechsel und Energieverbrauch nach Nahrungsaufnahme. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 66. 1909. 4) Pflüger, Über den Einfluss einseitiger Ernährung oder Nahrungsmangel auf den Glykogengehalt des tierischen Körpers. Pflüger’s Arch. Bd. 119 Belle 1907. 5) vv Noorden, Der Hunger und die chronische Unterernährung. v. Noorden’s Handb. d. Pathol. d. Stofiwechsels Bd. 1 S. 480. 1906. 6) Camerer, Das Energiegesetz in der menschlichen Physiologie. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 66 S. 129. 1907. 7) Heilner, Die Wirkung des dem Tierkörper per os und subkutan zu- geführten Traubenzuckers. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage von der Verdauungsarbeit. Zeitschr. f. Biol. Bd. 48 S. 144. 1906. 8) Rubner, Bestimmung isodynamer Mengen von Eiweiss und Fett. Zeitschr. f. Biol. Bd. 22 S. 40. 1886. 530 ie “ Alfred Gigon: und von der Temperatur der Aussenluft. Es lässt sich daraus schliessen, dass die einzelnen Stoffe ebenfalls in sehr kon- stanten Proportionen an dem Verbrennungsprozess teilnehmen. Da der Nüchternwert die Grundlage für die folgenden Unter- suchungen abeibt, so bedingt seine Konstanz für das gleiche Indi- viduum eine grössere Zuverlässigkeit der weiteren Berechnungen. Der Stoffwechsel bei Zufuhr von Eiweiss. Das Eiweiss nimmt in der Ernährung sowie in seiner Wirkung auf den Gesamtstoffwechsel eine Ausnahmestelle ein. Gaswechsel- versuche am Menschen nach Zufuhr reiner Eiweisskörper sind mir in der Literatur nicht bekannt, und die zahlreichen Versuche am Menschen und Tiere haben hier nur wenig Sicheres beigetragen. Meine Untersuchungen bezwecken vorwiegend, über die verschiedenen Variabeln, welche die Steigerung des Gaswechsels nach Eiweiss- zufuhr beeinflussen, Kenntnis zu gewinnen. In den Versuchen mit dem Tigerstedt’schen Appparat wurden in der oben angegebenen Weise stündlich 15,56 g Kasein!) = 2 g Stiekstoff eingenommen. Folgende Tabelle ergibt das Resultat der Untersuchungen; letzteres stellt das Mittel dar von vier miteinander gut übereinstimmenden Versuchsreihen (Versuche Nr. 9—12). Tabelle 5. Stündliche Ausscheidungen bei konstanter Kaseinzufuhr. CO;-Ausscheidung Im Harne : (010) : N P,0 72 t 2 295 ei R Zeit & 6 8—9h 28,5 10—6h (nüchtern) 0,69 "0,116 10—11h 28,8 6—8h 0,91 0,079 12—1h 28,4 8—10h 1,03 0,128 3—4h 27,0 10-12h 1,00 0,108 TEEN RETTEN RR ron 12—2h 1,31 0,145 Mittel aus 13 Be- 92_4h 1,36 0,183 stimmungen ... . 28,0 Mittlerer Fehler . + 0,40 Die CO,-Ausscheidung: hat in der dritten Stunde nach der Ein- nahme der ersten Dose ihr Maximum erreicht. Die Kaseinzufuhr hat die Kohlensäureabgabe von 23,8 (Stockholmer Nüchternwert) auf 28,0 g, d. h. um 4,2 g pro Stunde gesteigert. l) Das verwendete Kaseinpräparat enthielt 12,85% Stickstoff (eigene Analysen). Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 531 Während N- und CO;-Ausscheidung nicht parallel gehen, ver- laufen die N- und P,0,-Kurven völlig gleich. Beide steigen lang- sam an, und in der achten bis zehnten Stunde ist das Maximum noch nicht erreicht. Dieses abweichende Verhalten zwischen dem zeitlichen Verlauf der CO,-Ausscheidung und demjenigen des Harn- stickstoffs ist schon Frank und Tromsdorff!) aufgefallen. Bei Zufuhr von Eiweiss stellen die Veränderungen im Gaswechsel die ersten Zeichen einer Verarbeitung der aufgenommenen Nahrung dar. Die Eiweisszufuhr deckt nicht den calorischen Bedarf des Nüchternzustandes. Berechnet man die Wärmeabgabe mittels des calorischen Koeffizienten der Kohlensäure in den Nüchternversuchen, so beträgt sie ca. 83 Cal. pro Stunde; dies würde doch eine Zu- nahme von 13 Cal. über den Wert im Nüchternzustande bedeuten. Ob die Wärmeabgabe in diesen Kaseinversuchen tatsächlich gestiegen ist, lässt sich bei dieser Versuchsanordnung nicht entscheiden. Mög- licherweiser ist hier die Steigerung der CO,-Abgabe der Ausdruck Tabelle 6. Gaswechsel pro Stunde nach Zufuhr von 50 g Kasein., ns und ne CO,-Aus- O,-Ver- a: atum ei 2 rıscher des Versuches scheidung brauch Quotient 8h 40’ bis 9h 40’ 24,59 22,43 0,797 Nr. 19 95 50’ „ 105 507 26,77 23,11 0,807 4.-5. Dezemb. || 114 20’ „ 11h 57’ 23,80 23,36 0,741 1908 far7054 20 1n03% 24,16 21,74 0,808 EN Iran 2 on 120 22,13 18,65 0,891 — 6,75 g ang 53H og" 22,28 18,17 0,836 (in 10 Std.) 8hA0L „ Au 39! 20,48 17,41 0,855 An Sal, 22,41 18,52 0,879 Nr. 20 11.—12. Au- 8h 50’ bis Ih 45’ 22,83 21,08 0,788 gust 1909 9h 55’ „ 10h 49’ 25,09 20,94 0,871 Harn-N 000% 19.0700: 24,33 25,12 0,704 — 3,90 g Tot 10,2 5 10 107 21,20 18,49 0,834 (in 5 Std) aan || 38 007 Dis 108 00” | ° 22365 22,26 0,740 | 100072, 118 07: 24,10 21,77 0,805 Harn-N ss, 110015! 24,88 22,32 0,810 oe dom 2a, 1853) 25,45 23,67 0,781 (in 5 Std) 122502, 2230 22,29 — — 1) Frank und Tromsdorff, Der Ablauf der Eiweisszersetzung nach Fütterung mit abundanten Eiweissmengen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 43 S. 258. 1902. 992 Alfred Gigon: eines intermediären Prozesses, z. B. einer Glykogenbildung aus Eiweiss (siehe später); in diesem Falle wäre die berechnete Energie- ausgabe viel zu hoch ausgefallen. Die Versuche mit einmaligen Dosen von. Kasein wurden in Basel ausgeführt. Tabelle 7. Steigerung des Gaswechsels nach Zufuhr von 50 g Kasein. Nummer 3 CO,- Aus- Zeit 2 O,-V h des Versuches = a ee a | 8h 40’ Dis 9 40’ 24,59 22,43 39h 40” „. 9550" 4,28 3,19 Nr. 19 37507 107504 26,77 23,2 10 50° „ 11h 00’ 4,21 3,87 11500: „ 125.00! 23,80 23,36 12.220052 52.19:0210% 3,99 3,19 oral. 3V/a Stunden 87,64 80,31 Nüchternwert 81,75 73,69 Zunahme | +5,89 | + 6,62 (| 9% 55’ bis 10% 55° 25,09 | = Nr. 20 101557, 11.8 00% 2,06 1,92 Y 112 002. „125007 24,33 25,12 (| 122 00° „ 122 05’ 1,89 1,81 Total: . 2 Std. 10 Min. 99,97 28,89 Nüchternwert 48,66 24,54 Zunahme | ra | +431 105 07’ bis 11h 07’ 24.10 AlacT 108 07% , ins! 3,20 2,94 Nr. 21 11h 15° „ 12% 15’ 24,88 22,32 ; 12115277.2121725 3,21 3,06 12n 93° , In9yr 25,45 23,67 15.931 1 3% 5,40 5,36 Total.» 3'/a Stunden 86,24 79,12 ; Nüchternwert 81,75 13,69 Zunahme | +4,49 |. +54 Mittel der 3 Versuche | + 5,08 | 4545 Nach Zufuhr von 50 g Kasein tritt die Steigerung des Gas- wechsels erst in der zweiten Stunde deutlich auf und überdauert in keinem Versuche die vierte Stunde. Im grossen ganzen verlaufen die CO,-Abgabe und der O,-Verbrauch. ziemlich parallel; nur im Versuch Nr. 20 treten eigenartige Schwankungen auf, zu welchen ich eine befriedigende Erklärung nicht finden kann. Die absolute Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel ete. 533 Zunahme des Gaswechsels schwankt in den einzelnen Versuchen wenig. In den beiden am besten gelungenen Untersuchungen Nr. 19 und 21 ist die Zunahme des Sauerstoffverbrauchs bedeutend mehr gestiegen als diejenige der Kohlensäureabgabe. Dasselbe kommt ‚auch deutlich in dem Mittelwert zur Geltung. "Berechnet man den mittleren R. Q. für die ganze Versuchszeit, so erhält man einen auf- fallend niedrigen Wert — 0,671. Dies dürfte auf eine Zuckerbildung ‚aus Eiweiss hindeuten. Zur Berechnung des Anteils der einzelnen Stoffe an dem Stoff- wechsel habe ich nur die zwei am besten gelungenen Versuche ge- nommen (Nr. 19 u. 21) und den Stoffwechsel auf 31/s Stunden be- rechnet. Als Mittelwert für diese beiden Versuche erhalten wir: Versuchsdauer !): 31/a Stunden. N-Ausscheidung = 328°), CO,-Ausscheidung — 86,94 & —= 44,21 Liter, O,- Verbrauch — N 9 HorlAniiiter: 12020795: Eiweissverbrennung —=20,0 8; Nüchternwert = 12,9 g, also + 7,1. Fettverbrennung = 12,78; Nüchternwert —= 13,0 g, also — 0,3 8. Kohlehydratverbrennung = 11,1; Nüchternwert — 15,7 g, also — 4,6 @. Energieumsatz — 265 Cal.; Nüchternwert — 246 Cal., also + 19 Cal. Die Eiweissverbrennung ist aufihr Maximum berechnet (s. S. 528) ; quantitativ würde sie ungefähr der Hälfte der Kaseinzufuhr ent- sprechen. Zur richtigen Beurteilung der übrigen Werte muss be- - tont werden, dass die intermediären Prozesse in der Berechnung nicht berücksichtigt werden können; derartige Prozesse scheinen aber tatsächlich hier stattgefunden zu haben. Die starke Zunahme des 'O,-Verbrauchs, ohne die entsprechende Steigerung der CO,-Abgabe (der R.Q. sinkt merklich), deutet darauf hin, dass ein O,-reicher Körper aufgespeichert wird. Dies würde sich am besten durch die 1) Der Kürze halber nenne ich hier „Versuchsdauer“ die Dauer der Perioden, für welche die Berechnungen ausgeführt worden sind. 2) Die Berechnung geschah wie 8. 525 und 526 angegeben. 534 Alfred Gigon:; Annahme einer Kohlehydratbildung aus Eiweiss erklären lassen. Ist diese Annahme richtig, so muss der Wert der Kohlehydratverbrennung zu niedrig ausfallen !). Wie die Fettverbrennung ist dann wohl auch die Kohlehydratverbrennung unverändert auf ihrem Nüchternwert geblieben. Zugunsten dieser Korrektur der oben berechneten Zahlen könnte man noch anführen, dass der nach der Gleichung erhaltene Wert des Energieumsatzes grösser ausfällt, als wenn derselbe auf Grund der einzelnen Verbrennungen berechnet wird. Eiweiss-Cal. — 82 + Fett-Cal. 118 + KH.-Cal. 46 — 246 Cal. Die erste Berechnungs- art ist die zuverlässigere; nach derselben erhalten wir eine Steigerung von 7,7°/o. Weitere Gründe, welche zu der Annahme von inter- mediären Prozessen zwingen, werden später erörtert. Der Einfluss einer Zufuhr von 100 g Kasein geht aus den. Tabellen 8 und 9 (8. 535) deutlich hervor. Die Steigerung des Gas- wechsels ist während der ersten Stunde schon bedeutend und dauert: bis zu der fünften Stunde an. Das Maximum ist in der zweiten resp.. dritten Stunde nach der Einnahme erreicht. Später sinkt der Gas- wechsel ziemlich rasch bis unterhalb der Nüchternwerte herunter.. Auch hier gehen Kohlensäure und Sauerstoff ziemlich parallel mit- einander. Während im Versuch Nr. 22 die absolute Zunahme: der CO,-Ausscheidung diejenige des O,-Verbrauchs bedeutend über- ragt, sind die beiden entsprechenden Werte im Versuche Nr. 23. einander gleich. Die Mittelwerde sind folgende: Versuchsdauer: 5?3/« Stunden. N-Ausscheidung = 7,28, CO,-Ausscheidung = 155,1 g —= 78,91 Liter, O,-Verbrauch — 137,8 g — 96,59 Liter. R. Q. = 0,819. Eiweissverbrennung = 45,08; Nüchternwert — 21,2 g, also + 23,8 g. Fettverbrennung =17,1s; Nüchternwert = 21,5 g, also — 4,4 @. Kohlehydratverbrennung = 2458; “ Nüchternwert = 25,6 g, also — 1,18. Energieumsatz — 458 Cal. Nüchternwert — 405 Cal., also + 55 Cal. 1) Die Betrachtung der Formel zur Berechnung des Kohlehydratverbrauchs. ergibt ohne weiteres, dass eine starke Zunahme des Sauerstoffkonsums (wie es hier der Fall ist) die zu erhaltende Zahl erniedrigt. 99 Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc, ONIOMOLIBUNZ Aoprag TOT] 229. + | Es0u+ | owgeunz 19 FI + SIEscHt, Ba rest + ougeunz 90°TZL 0sFEL | MOaurgganN 90°TEI 08.78 | MOmmIHpnN 66°651 78'361 wopumg 7/.G ea 29er er'Lcı uapung 7/6 190L 97 60°8 gu2 , ‚lu |) 8LT 00.3 ‚08 u8 , 148 u 6880 90.55 ‚raus , ılaul 89°TE YL78 Sau , ul SR g0.8 anal , 0m se PnsIa A SOp 20 -sny-°09 2 JOUIUmN 20: -sny-°09 “a JauunN *UIdseYy 3 00T U0A Aynynz ydeu SPESyY99MSEH Sp SUundasIgls SET, erso | Yes | 9985 | .6H a2 , 88 u9 |) = / z 8880 | EHE | Eu |,IraS „ rar ||. eLL0 | 808 | 99IE |.2C 19 . .00uS |\. 9060 | zoist | ers |.9eur . ‚orug ||, TEN 0880 | FEsL | 6ETs |,oaur , ‚scas ||. OL 620 | STIs | EL8G |.08uE „ ‚W602 6 N 6.10 | 6888 | 90% |.LvuG , lau HOT N| 2080 | 8918 | 7278 |.88 10 , Saul |. 806LTaquez 0180 | 1878 | 86'958 | or ur ‚or war |eosrroqmea) or | Ess | ErLs |, syansı9 A SOp 80 -SNY-°09 97 A9ULUMNT 76) -SnY-?09 97 JOUIUINNT "UIOSEYy 3 06] UOA AUNnZ yaeu STOSYI9ASEH SOp Sundasıtnıg "IT SIIO9A®L 0880 | 9808 88 | .oH u ‚09 u8 8080 | 6208 VGiacı isgeup see |: Ir so | TETS 085 |,sEu8 , ‚WW ur "PS IT ur 6910 | “68 11'83 ‚00 IL SıQ ‚00 wol 6110 068 11'83 ‚TO alt sıq yoneaqdo‘A | Sunpıayos yuaond) yameaqaay | Sunprayas . T d SLI g -30 -SNnY-209 119Z er 09 -SnY-709 . Z ‚07 u& 08 16 ‚66 ul ‚ST usl ‚80 wll ‚10 wol (uapunyg 9) N OI6L BIN 06—6L 65 IN SyOnSA9 A SOp umyeq pun J9uwm\ 78 IN Qansa9y WI S[OSTIOMSEH SOP FUnIos19Ig urosey] 3 06 + 9S01x9q 3.09 UA aynmmz aodıpewurs yaeu opunyg oad [osypamsen ‘Ts 1194®eL °uIasey 3 0% + 9850.X9A 3 08 UOA AunnZ 9).TDTUTqwoy . . Alfred Gigon 962 j0s+ | 30a+ | Puwarsq seat sIz + | uyeunz get Fat 9WTLUNZ A9P JIOMJON IN | : ers + 0'Ia+ ougeunz ZEIT e'zE JI9MUIOFUINN A | ar | Pe | co'zrl | LIST um 07 DIS 5 == e/0M 5 6) z ‘ ce! ; LIT = . .. 8210 rar) 080 ıLE 46 ‚88 16 Berl el IN & PIS @ TPI90L Oz EZ Ge ne : 62 uZ 0er v7 U URS 7, ‚08 u$ g783 LL'SG ‚66 16 „ «66 vl 17.08 75,58 DEU ‚08 ul SEE r18 ‚66 ul : ‚Ice ul 988 98 ‚08 ul co] 93.18 72.08 lol 2 216 vol 06,76 89% ‚ss ul _ 166 uol sl E we ‚le uel _ ‚Pl cl 58 07 © 99,8 80 UCl _ ‚vl uel 129 c198 1686 ‚Luaecl , ıWl vll c096 36 36 ıTL ucl . ‚FL ull 168 188 ‚Fl ull ‚LO wll 108 068 al ‚LO ull 9178 9195 07 le 12070] 68 86 | 86 95 ‚LO ull ‚LO uOlL 907 957 20.707 © 149.06 08% | 00°8 ‚29 woOL SIAQ ‚00 uOL 7683 70'%3 ‚Lg u6 SI ,2G u8 ) yonerqdo‘A | Junpray9s e sayonsaoA Sop J yaneaqıoy | Sunproyds = soyansIo‘ SOp 309 -SNY-°09 92 J9WUMN 30 -SUY-°09 92 a9mwnN eg pun gg UOTONSTOA UP UL STOSW9MSEHN SOp FUm.A9ST9}S "95 9II9A®L LELO 8361 086, | ‚63 u9 °. ‚Sur = 86.0 | Ho | sEies |.,Irur „ ‚Iyus a eIlo | aeg | elee | ou: wu... sero | ones | 2985 | .seus , eu Ta N aLL0 05° De ee - A! 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Der R.Q. ist nach kombinierter Zufuhr von Kasein und Dextrose stets niedriger als in den Nüchternversuchen. 4. Die Stiekstoffausscheidung ist durch die gleichzeitige Zufuhr- von Dextrose nicht vermindert worden. Vergleichende und kritische Besprechungen der Ergebnisse. In den vorhergehenden Kapiteln habe ich nur diejenigen Resul- tate zusammengestellt, welche unmittelbar aus dem feststehenden Tatsachenmaterial meiner Versuche mit Sicherheit hervorgehen; solches Material bilden z. B. die absoluten Zahlen des Gaswechsels. In diesem letzten Kapitel möchte ich einige mehr theoretische Betrachtungen über die Deutung der Veränderungen des Gaswechsels- nach Nahrungsaufnahme mitteilen. Dazu werde ich das übrige Zahlenmaterial, so die Verbrennung der einzelnen Stoffe und den Energieumsatz, mehr in die Besprechung hereinziehen. Diese Werte: müssen als gute Annäherungszahlen angesehen werden und verdienen. infolgedessen Beachtung: Einen Einwand gegen die Berechnung der Stoffverbrennungen. und des Energieumsatzes bei relativ kurzen Perioden habe ich S. 527 bereits widerlest. Die Eiweissverbrennung ist auf ihr Maximum eingeschätzt worden. Allerdings kann das Eiweiss an intermediären: Prozessen (z. B. Fettbildung) mitbeteiligt sein, ohne dass dessen Stickstoff so rasch in den Harn übergeht wie bei der Totalverbrennung. Die Untersuchungen von Chauveau und Contejean!) beweisen das schnelle Auftreten der N-Ausscheidung im Harne eigentlich nur nach einer totalen Eiweisszersetzung (S. 528). — Dass die Beteiligung grosser Mengen von Kohlehydraten am Stoffwechsel die Berechnung unsicher machen [Falta, Grote und Staehelin?)], geht aus meinen Versuchen nicht hervor. Durch die Kohlehydratzufuhr be- 1) Chauveau et Contejean, Contemporaneite de la formation et de: V’elimination des dechets azotes chez les sujets en Etat de jeüne. Compt. rend. de l’Acad. d. science. t. 150 p. 1478. 1910. — Chauveau et Contejean, Elimi- nation des dechets azotes dans l’acte de la secretion renale, chez le sujet en etat d’inanition. Rapport de cette &limination avec celle de l’eau, vehicule des excreta urinaires. Independance r&eciproque des deux phenomenes. Compt. rend. de l’Acad. d. scienec. t. 150 p. 1647. 1910. 2) Falta, Grote und Staehelin, Versuche über den Kraft- und Stoff-- wechsel und den zeitlichen Ablauf der Zersetzungen unter dem Einfluss ver- schiedener Ernährung beim Hund. Hofmeister’s Beiträge Bd. 9 S. 333. 1907. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 567 steht bei der gewählten Versuchsanordnung keine Veränderung in der Stickstoffausscheidung. Ausserdem erreicht der Gaswechsel so- gar nach der grössten Menge geniessbaren Zuckers bereits nach: 6 Stunden den Nüchternwert. Der Grundumsatz. Ich habe bereits dargelegt, dass der Gaswechsel im nüchternen Zustande bei vorsätzlicher Muskelruhe oder Schlaf für dasselbe Indi- viduum immer denselben Wert beibehält; er ist unabhängig von der Tageszeit und von der Temperatur der Aussenluft. Es hat sich weiter ergeben, dass bei einer bestimmten Muskeltätigkeit die ent- sprechende Kohlensäureabgabe sich der CO,- Ausscheidung des Grundumsatzes einfach addiert [Johansson!), Johansson und Koraen°)]. Der Sauerstoffverbrauch folgt dem gleichen Gesetze |Chauveau?), Magnus-Levy*) S. 234]. Findet mit einer be- stimmten Muskelarbeit gleichzeitig Zufuhr aus dem Darme statt, so addieren sich die beiden entsprechenden Kohlensäuremengen unabhängig voneinander, zu der CO,-Abgabe des Grundumsatzes [Johansson und Koraen°)]l. Die Untersuchungen von Johansson‘) nach Zuckerzufuhr, meine eigenen Versuche nach Eiweiss- resp. Dextrose- zufuhr beweisen, dass die durch Nahrungszufuhr bewirkte Steigerung des Gaswechsels sich in ganzer Grösse zu dem Grundumsatze addiert. Der Beweis dafür liegt darin, dass bei. stufenweiser Steigerung der 1) Johansson, Untersuchungen über die Kohlensäureabgabe bei Muskel- tätigkeit. Skandin. Arch. Bd. 11 S. 305. 1901. 2) Johansson und Koraen, Untersuchungen über die CO,-Abgabe bei statischer und negativer Muskeltätigkeit. Skandin. Arch. Bd. 13 8. 229. 1902. 3) Chauveau, Determinisme de la superiorite de la depense Energetique attachee a l’assimilation des aliments albuminoides. Compt. rend. Acad. des science. t. 144 S. 237. 1907. — Chauveau, La superiorite de la depense Energetique:- inherente & l’alimentation carnee, par rapport de la depense qu’entrainent les regimes oü predominent les aliments & composition ternaire. Üonsequences au point de vue de la theorie generale de l’alimentation. Compt. rend. Acad. d. science. t. 144 p. 173. 1907. 4) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 5) Johansson und Koraen, Wie wird die CO,-Abgabe bei der Muskel- arbeit von der Nahrungsaufnahme beeinflusst. Skandin. Arch. Bd. 13 S. 251. 1902. 6) Johansson, Untersuchungen über den Kohlehydratstofiwechsel. Skandin.. Arch. Bd. 21 S. 1908. 568 Alfred Gigon: Nahrungszufuhr die Zunahmewerte für den Gaswechsel sich ent- sprechend einer arithmetischen Progression verhalten. Das könnte nicht der Fall sein, wenn durch die Nahrung eine Ersparnis im Ruheumsatze irgendwo stattgefunden hätte. Diese Schlussfolgerung ist sicher; sie braucht nicht durch die Berechnung der Verbrennungen der einzelnen Stoffe gestützt zu werden; sie stellt vielmehr eine Kontrolle dar für die Richtigkeit der berechneten Zahlen, welche den Anteil der einzelnen Stoffe an der Verbrennung angeben sollen (Generaltabelle II). In der Tat stimmen die erhaltenen Werte ziem- lich gut mit dem erwähnten Ergebnis überein. Die Zunahme des Energieumsatzes wird in den Eiweissversuchen ausschliesslich durch eine Mehrverbrennung von Eiweiss bestritten. Fett- und Kohlehydrat- verbrennung bleiben auf dem Nüchternwert; die in den Berechnungen erhaltenen Differenzen sind alle negativ und deuten darauf hin, dass intermediäre Prozesse mit im Spiele sind (siehe später). In den Dextroseversuchen bleiben Eiweiss- und Fettverbrennung auf dem Nüchternwert. Diese Unveränderlichkeit des Grundumsatzes, was die Beteiligung der einzelnen Stoffe am Stoffwechsel anbetrifft, ist zum ersten Male durch die vorliegenden Untersuchungen erwiesen. Die Ölversuche scheinen eine Ausnahme zu machen; die Herab- setzung des Gaswechsels, der Eiweiss- und Kohlehydratverbrennung ist hier ausserhalb der Versuchsfehler. Sollte das Fett eine Sonder- stellung einnehmen ? Es ist. vielleicht doch möglich, diese Ersparnis zu erklären, wie später auseinandergesetzt wird, ohne das Prinzip der Unveränderlichkeit des Grundumsatzes opfern zu müssen. Das- selbe wird von so vielen anderen Tatsachen gestützt, dass ich es doch als richtig ansehen möchte. Der Organismus bestreitet seinen Grundumsatz, unabhängig von der momentanen Nahrungsaufnahme. A priori ist diese Annahme bereits von vornherein sehr plausibel. Die elementaren Prozesse im Körper verlaufen unter kon- stanten Verhältnissen. v. Hoesslin') hatte diese Hypothese, haupt- sächlich auf theoretische Überlegungen gestützt, schon angenommen. Der Bedarf der Zellen bestimmt das Maass der Verbrennungen der einzelnen Stoffe. 1) v. Hoesslin, Über den Einfluss der Nahrungszufuhr auf Stoff- und Kraftwechsel. Virchow’s Arch. Bd. 89 S. 333. 1882. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel ete. 569 1 Deutung der Veränderungen des Gaswechsels und des Energieumsatzes nach Nahrungsaufnahme. Trotz der zahlreichen Untersuchungen, welche zur Lösung dieser Frage beitragen sollten, gehen hier die Ansichten immer noch aus- einander. Die Steigerung des Umsatzes nach Eiweiss-, Kohlehydrat- und reichlicher Fettzufuhr ist eine bekannte Tatsache. Zuntz und Mering!), Speck?) u. a. führen dieselbe auf die „Verdauungs- arbeit“ zurück. Den erheblichen Einfluss, welchen diese „Darm- drüsenarbeit“ [Magnus-Levy°)] auf die Grösse des Stoffwechsels haben muss, lassen die Anhänger dieser Hypothese daraus hervor- gehen, dass man durch unverbrennliche, die Darmtätigkeit anregende Substanzen bedeutende Erhöhungen des Stoffwechsels bewirken kann [Zuntz-Mering'!), Loewy*), Zuntz und Hagemann?)]. Dieser Annahme steht die Auffassung Rubner.s‘) gegenüber; nach derselben spielt die Darmdrüsenarbeit eine nur unbedeutende Rolle: die Steigerung des Umsatzes würde sich im wesentlichen auf Vorgänge beziehen, welche sich bei und zur Verarbeitung der zu- seführten Nahrung abspielen. Die Anschauung Rubner’s wird unter anderen von Koraen’), Jaquet und Svenson°), Lusk°), 1) Zuntz und Mering, Inwiefern beeinflusst Nahrungszufuhr die tierischen Oxydationsprozesse. ° Pflüger’s Arch. Bd. 32 S. 173. 1883. 2) Speck, Physiologie des menschlichen Atmens nach eigenen Unter- suchungen Kap. IV. 1892. 3) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 4) OÖ. Loewy, Über den Einfluss der salinischen Abführmittel auf den Gas- wechsel des Menschen. Pflüger’s Arch. Bd. 43 8. 515. 1888. 5) Zuntz und Hagemann, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes bei Ruhe und Arbeit. Kap. Ve S. 271. Berlin 1898. 6) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. — Rubner, Das Problem der Lebensdauer und seine Beziehungen zu Wachstum und Ernährung. 1908, und Arch. f. Hygiene Bd. 66 S. 1. 1908. 7) Koraen, Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Stoffwechsel. Skandin. Arch. Bd. 11 S. 176. 1901. 8) Jaquet und Svenson, Zur Kenntnis des Stoffwechsels fettsüchtiger Individuen. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 41 S. 375. 1900. 9) Lusk, Ernährung und Stoffwechsel, 2. Aufl. 1910. 570 Alfred Gigon: Staehelin!) und Heilner?) vertreten. Magnus-Levy, der durch seine Versuche mit Knochenfütterung am Hunde zur Annahme der Zuntz-Mering’schen Theorie beigetragen hat, nimmt letztere an, mit dem Zusatze aber, dass bei Zufuhr von Eiweiss noch andere Prozesse mit im Spiele sein müssen®). Eine der Rubner’schen Auffassung ähnliche Theorie ist diejenige von Chauveau®), Kauf- mann?) u. a. Nach letzterer Anschauung werden Eiweiss, Fett und Kohlehydrate der Nahrung in Körperfett umgewandelt; zu seiner Verwertung wird das Fett wieder zu Glykose oxydiert. Fr. v. Müller‘) neigt zu der Annahme, „dass reichliche oder überschüssige Nahrung und besonders Eiweisszufuhr einen gewissen Reiz auf die lebenden Zellen ausübt, die Oxydationsprozesse steigert und zu einer überflüssigen Erwärmung des Körpers und zu einer Erregung des Herzens, der Atmungsorgane, des Nervensystems führt“. Müller nimmt eine gewisse Luxuskonsumption’) an. Seine An- schauung ist derjenigen Rubner’s sehr ähnlich ®). 1) Falta, Grote und Staehelin, Versuche über den Kraft- und Stofi- wechsel und den zeitlichen Ablauf der Zersetzungen unter dem Einfluss ver- schiedener Ernährung beim Hund. Hofmeister’s Beiträge Bd.9 S. 333. 1907. — Staehelin, Untersuchungen über vegetarische Diät mit besonderer Berück- sichtigung des Nervensystems, der Blutzirkulation und der Diurese. Zeitschr. f. Biol. Bd. 49 S. 199. 1907. 2) Heilner, Zur Frage der Verdauungsarbeit. Zeitschr. f. Biol. Bd. 50 S. 488. 1908. — Siehe in Zuntz (Die Bedeutung der Verdauungsarbeit im Ge- samtstoffwechsel der Menschen und der Tiere. Naturw. Rundschau Bd. 21 Nr. 38. 1906) eine Kritik der Arbeiten Heilner’s (Die Wirkung des dem Tierkörper per os und subkutan zugeführten Traubenzuckers. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage von der Verdauungsarbeit. Zeitschr. f. Biol. Bd. 48 S. 144. 1906. 3) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 4) Chauveau, Determinisme de la superiorite de la depense energetique attach6ee & l’assimilation des aliments albuminoides. Compt. rend. Acad. des sciences t. 144 p. 237. 1907. 5) Kaufmann, Methode pour servir & l’etude des transformations chimi- ques intra-organiques etc. Arch. de Physiol. serie V t. 28 p. 329. 1896. — Kaufmann, Notions preliminaires sur l’etude des transformations chimiques intra-organiques. Compt. rend. Soc. biol. t. 48 p. 381. 1896. 6) Fr. v. Müller, Einige Fragen des Stoffiwechsels und der Ernährung. Volkmann’s Samml. klin. Vorträge Nr. 272. 1900. 7) Über die Frage der Luxuskonsumption siehe die kritische Zusammen- fassung Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels $. 297. 8) Die anderen Theorien besitzen fast nur noch geschichtliches Interesse (Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels etc.). Über den Finfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 571 Die Rubner’sche Theorie sowie die Müller’sche Vorstellung fussen vorwiegend darauf, dass die verschiedenen Nahrungsstoffe eine verschiedene Steigerung des Umsatzes verursachen. Diese Steigerung ist weitaus am höchsten für die Eiweissstoffe. Diese Tatsache wird zur Widerlegung der Hypothese der Darmdrüsenarbeit angeführt. In der Tat wird von samtlichen Autoren gefunden, dass die Steigerung des Gaswechsels weitaus am höchsten nach Zufuhr von Eiweiss it. Zuntz selbst!) rechnet, dass die Steigerung des Umsatzes, welche er auf die Verdauungsarbeit zurückführt, beträgt: Für IgN — 4,65) @al. = 1 osRett 0,24 Cal. „20, Stärke — 041. Cal Dass die Verdauungsarbeit (Absonderung der Verdauungssäfte, Peristaltik usw.) eine bestimmte, sichere Grösse darstellt, scheint mir ohne weiteres klar; diese Grösse kann aber nicht der totalen Steigerung des Umsatzes nach Nahrungszufuhr entsprechen. „Fick?) berechnet, dass die Sekretion von 5 kg Verdauungssäften eine Mehr- ausgabe von 4,5 Liter CO, oder 20 Cal. erfordert.* Magnus- Levy?) (8. 228) rechnet für eine gemischte Kost von ca. 2500 Cal. einen Energieaufwand von rund 200 Cal. Cohnheim*) hat auf eine geistreiche Art versucht, den Energieaufwand bei der Ver- dauungsarbeit zu bestimmen. Zwischen wirklicher Fütterung und Scheinfütterung besteht nach ihm kein Unterschied. Nun liegt die Energieproduktion bei der Scheinfütterung um 3,3 Cal. — 0,98 g CO, — 0,35 g Fett höher als bei Hunger. Diese Differenz ist durch die Arbeit der Verdauungsorgane zu erklären. Tigerstedt?) rechnet nach den Messungen Claude Bernard’s, dassim Nüchtern- 1) Zuntz, Über die Bedeutung der verschiedenen Nährstoffe als Erzeuger der Muskelkraft. Pflüger’s Arch. Bd. 83 8. 568. 1901. 2) Fick, Die Zersetzungen des Nahrungseiweisses im Tierkörper. Sitzungs- bericht d. physikal.-mediz. Gesellsch. zu Würzburg 1890 S. 1. Zit. nach Müller, Finige Fragen des Stoffwechsels und der Ernährung. Volkmann’s Samnl. klin. Vorträge Nr. 272. 1900. 3) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 4) Cohnheim, Der Energieaufwand bei der Verdauungsarbeit. Arch. f. Hygiene Bd. 57 S. 401. 1906. 5) Tigerstedt, Die Wärmeökonomie des Körpers. Nagel’s Handb. 2. Hälfte I. Teil S. 578. 1906. 572 Alfred Gigon: zustande die Lebertätigkeit ca. 370 Cal. pro die beansprucht. Aller- dings darf die Bedeutung aller dieser cealorischen Zahlen nicht zu hoch angeschlagen werden; die Grundlage, auf welcher sie beruhen, ist sehr unsicher. Ob die Verdauungsarbeit mit Eiweisszersetzung einhergeht, lässt sich aus der Literatur nicht mit Sicherheit schliessen. Die Versuche Cohnheim’s!) geben uns darüber nichts Positives ?). Allerdings kommt Roehl?) auf Grund von Selbstversuchen mit möglichst N-freier Nahrung, in welchen der Harnstickstoff stündlich bestimmt wurde, zu dem Ergebnis, dass eine Steigerung der N-Aus- scheidung durch die Nahrungsaufnahme nicht eintritt. Andererseits glauben London und Polowzowa*) aus Versuchen an Fistel- hunden schliessen zu dürfen, dass sich bei Kohlehydratverdauung ein „Verdauungsstickstoffwechsel“ nachweisen lasse, der in einer Aus- scheidung von N-haltigen Substanzen ins Darmlumen mit nachfolgender teilweiser Aufsaugung derselben sich äussert. Dass die Verdauungs- arbeit auch auf Kosten von Eiweiss einhergeht, wird von Zuntz?) ausdrücklich betont. Die von Arrhenius‘) ausgeführten Berech- nungen der zahlreichen Versuche, die in dem Petersburger Institut für experimentelle Medizin angestellt worden sind, ergeben unter anderem, dass die Gesamtmenge der abgesonderten Verdauungs- säfte, mit Ausnahme der Gliadinversuche, der Menge der Nahrungs- mittel proportional ist. Dies dürfte vielleicht dafür sprechen, dass die Verdauungsarbeit für die verschiedenen Nahrungsstoffe gleich ist. Wenn wir uns schliesslich überlegen, aus welchen Komponenten der Grundumsatz besteht, so müssen wir unbedingt einen wenn auch geringen Bruchteil desselben der Darmdrüsenarbeit zusprechen. Die Abdominaloreane sind im Nüchternzustande nicht in Ruhe; die 1) Cohnheim, Der Energieaufwand bei der Verdauungsarbeit. Arch. f£. Hygiene Bd. 57 8. 401. 1906. 2) Die Versuchsreihen sind dazu etwas ungünstig ausgefallen, indem die Schwankungen in der Hunger- resp. Scheinfütterungsserie zu gross sind. Cohn- heim behauptet, dass die N-Ausscheidung nicht vermehrt sei. 3) Roehl, Über den Eiweissumsatz bei der Verdauungsarbeit. Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 547. 1907. 4) London und Polowzowa, Zum Chemismus der Verdauung im tierischen Körper. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 56 8. 512. 5) Zuntz, Über die Bedeutung der verschiedenen Nährstoffe als Erzeuger der Muskelkraft. Pflüger’s Arch. Bd. 83 S. 568. 1901. 6) Arrhenius, Die Gesetze der Verdauung und Resorption. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 63 8. 323. 1909. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 573 Sekretion der grossen Drüsen geht aber sicher mit einem Energie- aufwand einher. Auch nach protrahiertem Hunger kann diese Darm- drüsenarbeit nicht auf Null herabgedrückt werden!). Doch gehört die ganze Verdauungsarbeit im Nüchternzustande nicht zu den Prozessen, welche man sich unter dem Ausdruck Grundumsatz vorstellt. Ölzufuhr. Betrachten wir nun die Vorgänge nach Ölzufuhr. Die Fette bedingen scheinbar die einfachsten Resorptionsverhältnisse. Wir wissen bestimmt, dass überschüssiges Fett ziemlich vollständig und, ohne wesentliche Veränderungen zu erfahren, in den Fettdepots des Körpers niedergelegt wird?) [Rosenfeld°)]. Bei der Fettresorption finden ausserdem intermediäre Prozesse, welche den Gaswechsel merklich beeinflussen, wahrscheinlich nicht statt. Die strittige Frage der Zuckerbildung aus Fett kann hier nicht ausführlich erörtert werden. Ich beschränke mich, nur anzugeben, dass auch diejenigen Forscher, welche eine Zuckerbildung aus Fett für möglich, sogar wahrscheinlich halten, derselben nur uuter besonderen Ernährungs- verhältnissen, z. B. beim schweren Diabetes, eine Rolle anerkennen, z. B. Magnus-Levy*), Pflüger’). v. Noorden®) scheint neuerdings die Zuckerbildung aus Fett als „einen ganz gewöhnlichen, auch dem gesunden Organismus eignen Vorgang“ zu betrachten; er selbst gibt aber zu, dass bis jetzt noch keine Beweise dafür vor- 1) Das ist vielleicht die Ursache der Unterschiede im Energieumsatz zwischen dem Nüchtern- und dem Hungerzustande. 2) Rosenfeld hat (nach Lebedeff und Munk) bewiesen, dass die Be- schaffenheit des angelagerten Feites, je nach der Art des verfütterten Fettes, wechselt. Dies ist nach den neueren Versuchen von Abderhalden und Brahm (Ist das am Aufbau der Körperzelle beteiligte Fett in seiner Zusammensetzung von der Art; des aufgenommenen Nahrungsfettes abhängig. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 65 S. 330. 1910.) nur in beschränktem Maasse richtig. Nach letzteren Autoren ist das Zellfett in seiner Zusammensetzung von der Art des Nahrungs- fettes unabhängig. 3) Rosenfeld, Die Fettleber beim Phloridzindiabetes. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 28 Heft 5—6. 1895. — Die Fettleber beim Phloridzindiabetes. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 36 Heft 3—4. 1898. — Fettbildung. Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 u. 2, I. Abt., 1902 u. 1903. 4) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906. 5) Pflüger, Das Glykogen. Pflüger’s Arch. Bd. 96 S. 288. 1903. 6) v. Noorden, Diabetes mellitus. v. Noorden’s Handb. d. Pathol. d. Stoffwechsels Bd. 2 S. 37. 1907. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 38 574 Alfred Gigon: liegen. Die Versuche von Chauveau, Tissot und de Varigeny!), welche diesen Beweis darbringen wollen, können unmöglich als ein- wandfrei gelten; siehe hierüber die Kritik von Zuntz?). Aus den neuen Untersuchungen von Maignon?) scheint hervorzugehen, dass das verfütterte Fett weder beim Gesunden noch beim Diabetiker in Kohlehydrate umgewandelt wird. Diese Zuckerbildung aus Fett kann in meinen Versuchen nicht in Betracht kommen. Über den inter- mediären Stoffwechsel der Fette sei noch erwähnt, dass nach den Versuchen Mansfeld’s*) das resorbierte Fett im Blute zum Teil irgendeine Art von Bindung mit Eiweiss eingehen muss; in dieser Form geht es nicht in Äther über; im Blutserum des normalen Hundes soll ungefähr die Hälfte des Fettes gebunden sein. Im Blute findet danach keine Lipolyse statt, sondern eine Bindung von Fett an Eiweiss. Eine ähnliche Annahme hatte bereits Miescher°) aufgestellt. Andererseits läge nach Rosenfeld°®) die Annahme einer Paarung zwischen Fetten und Hexosen sehr nahe. Von diesen Ergebnissen ausgehend, versuchen wir nun die Stoff- wechselveränderungen nach Fettzufuhr zu erklären. Ich habe bereits erwähnt, dass unter anderen Koraen’s Versuche eine geringe Herabsetzung der CO,-Ausscheidung nach Ölzufuhr aufweisen. Magnus-Levy’) fand keine Wirkung der Fette auf den Gas- wechsel. Rubner?°) (S. 51) hingegen beobachtete nach mässig 1) Chauveau, Tissot, de Varigny, La destination immediate des aliments gras, d’apres la determination par les changes respiratoires etc. Compt. rend. de l’Acad. des scienc. t. 122 p. 1169. 1896. 2) Zuntz, Über Prüfung des Gesetzes von der Schaltung der Energie im Tierkörper. du Bois-Reymond’s Arch., physiol. Abt. 1896 S. 358. — Über die Rolle des Zuckers im tierischen Stoffwechsel. du Bois-Reymond’s Arch., physiol. Abt. 1896 S. 538. 3) Maignon, Du röle des graisses dans la production du glycogene. Compt. rend. soc. biol. t. 64 p. 671. 1908. 4) Mansfeld, Untersuchungen über die Fettwanderung. Magyar Orvosi Arch. 9. Zit. Maly’s Jahresber. 1908 S. 84. — Mansfeld (gemeinsam mit Hamburger und Verjär), Studien über Physiologie und Pathologie der Fett- wanderung. Pflüger’s Arch. Bd. 129. 1909. 5) Miescher, Histochemische und physiologische Arbeiten. Leipzig 1897. 6) Rosenfeld, Verfettungsfragen. Verhandl. d. Kongr. f. innere Mediz. Bd. 24 S. 279. 1907. 7) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd. 55 8.1. 1894. 8) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 575 grossen Dosen in 24stündigen Versuchen eine Steigerung des Um- satzes. Heilner!) konnte bei hungernden Tieren nach Ölzufuhr per 0S keine eiweisssparende Wirkung beobachten?). Nach meinen eigenen Versuchen kommt dem Olivenöl ein ausgesprochener herab- setzender Einfluss sowohl auf die Eiweiss- wie auf die Kohlehydrat- verbrennung zu. Nach geringer Zufuhr von Öl wird auch der Energieumsatz sicher herabgesetzt (zwei sehr gut miteinander über- einstimmende Versuche Nr. 29 und 30); es findet also nicht einfach Eiweiss- resp. Kohlehydratsparung und kompensatorische vermehrte Fettverbrennung statt. Diese Wirkung des eingeführten Öles tritt gleich nach Verabfolgung desselben ein. Diese Herabsetzung der Kohlehydrat- und Eiweissverbrennung kann meines Erachtens nur an demjenigen Bruchteil des Grundumsatzes stattfinden, welcher von dem Magendarmtraktus und dessen abhängigen Drüsen erzeugt wird (s. 8. 572—573). Wir wissen bereits, dass das Öl eine Abnahme der freien Salzsäure und Gesamtazidität sicher verursacht. Es übt ausserdem auf die motorische Funktion eine Verlangsamung aus [|Walko?°), Rütimeyer®)]. Hierin unterscheidet sich das Öl sowohl von den Kohlehydraten [London und Polowzowa°)] wie von den Eiweiss- körpern. Im gleichen Sinne wären die Beobachtungen von Bier- nacki‘) zu verwerten; derselbe fand, dass nach überreicher Fett- nahrung unzweifelhaft eine Schwächung der Eiweissoxydation statt- 1) Heilner, Über den Einfluss der subkutanen Fettzufuhr auf den Eiweiss- stoffwechsel. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 54. 1910. 2) Subkutane Fettzufuhr, welche v. Leube (Handbuch der Ernährung und Diätetik. Leyden-Klemperer, 2. Aufl., Bd. 1 S. 395. 1905.) therapeutisch zu verwenden versuchte, steigert sogar deutlich die Eiweisszersetzung. — Koll, Die subkutane Fetternährung vom physiologischen Standpunkt. Habilitationsschrift. Würzburg 1897. — Heilner, Über den Einfluss der subkutanen Fettzufuhr auf den Eiweissstoffwechsel. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 54. 1910. 3) Walko, Über den Einfluss der Fette auf die Magenverdauung und über die Behandlung der Hyperazidität. Zeitschr. f. Heilk. Abt. f. innere Mediz. Bd. 24 8. 142. 1903. 4) Rütimeyer, Über die therapeutischen Erfolge der Öltherapie bei Magen- krankheiten. Korrespondenzbl. f. Schweizer Ärzte Bd. 28 S. 649 u. 690. 1908. 5) London und Polowzowa, Zum Chemismus der Verdauung im tierischen Körper. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 56 S. 512. 6) Biernacki, Untersuchungen über den Einfluss der überfetteten Nahrung auf den Magendarmkanal und den Stoffwechsel. Polnisches Arch, f. biol. u. mediz. Wissensch. Bd. 3 S. 272. 1907. Zit. nach Maly’s Jahresber. d. Tierchemie Bd. 37 S. 433. 38 * 576 Alfred Gigon: findet: dieselbe gibt sich kund durch Zunahme von sogenanntem Aminostickstoff im Harne. Überfettete Nahrung hatte schliesslich regelmässig Stuhlverstopfung herbeigeführt. Aus dieser Deutung der Versuchsresultate nach Zufuhr von 50 & Öl geht natürlich nicht hervor, dass eine solche Nahrung ohne Verdauungsarbeit vom Körper assimiliert wird. Eine Verdauungs- arbeit findet sicher noch statt, nur ist sie geringer als die Gesamt- darmdrüsenarbeit, welche in meinen Nüchternversuchen noch zur: Geltung kommt. Vergrössern wir die Ölzufuhr, so muss die Ver- dauungsarbeit zunehmen. In der Tat bekommen wir nach Zufuhr von 150 g Öl eine Steigerung des Energieumsatzes von rund 50 Cal.. gegenüber dem Enereieverbrauch nach 50 g Öl. Hat sich die oben angegebene spezifische, herabsetzende Wirkung des Öles in ihrer Grösse nicht verändert, so sind diese 50 Cal. der Ausdruck der Verdauungsarbeit für 100 g Öl. Ist meine Annahme richtig, so besteht die Unveränderlichkeit: des Grundumsatzes doch zu Recht. Derselbe wird in der Norm: durch den Gaswechsel im nüchternen Zustande und bei vollständiger Muskelruhe ausgedrückt. Die Verdauungsarbeit (siehe oben), welche: mit einbezogen wird, verursacht aber einen Fehler, den man nicht zu gering schätzen darf. Aus meinen Ölversuchen berechnet, möchte ich den Anteil der Verdauungsarbeit an dem Grundumsatz für einen. Totalenergieverbrauch von rund 500 Cal. auf ca. 60 Cal. in Minimum schätzen }). Kohlehydratzufuhr. Schon etwas komplizierter liegen die Verhältnisse bei den Kohlehydraten. Fast sämtliche Autoren fanden, dass Kohlehydrate eine erheblichere Zunahme des Stoffwechsels be- wirken als die Fette. Der respiratorische Quotient steigt bei Zufuhr von Kohlehydraten binnen kurzem merklich an. Daraus wurde ge- schlossen, dass die Kohlehydrate sogleich nach ihrer Resorption vom Körper angegriffen werden. Die genossenen Kohlehydrate sollten vor dem Körperfett resp. Nahrungsfett zerfallen. Meine Versuche ergeben, dass es bei der von mir gewählten Versuchsanordnung sicher nicht der Fall ist. Dextrosezufuhr setzt die Fett- resp. Eiweiss- verbrennung nicht herab. Es wird auch nicht die total zugeführte Dextrosemenge verbrannt. Ein Teil derselben wird jedenfalls als I) Herabsetzende Wirkung von 50 g Öl —= 30 Cal. + Verdauungsarbeit für- 50 g Öl = in Minimum 25 Cal. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 577 Glykogen abgelagert; dies geht aus zahlreichen Untersuchungen der verschiedensten Autoren hervor [Pflüger!), Grube?)]. Die Steigerung des Gaswechsels dürfte aber eine andere Ursache haben als eine Mehrverbrennung an Zucker; dieselbe in der Darm- drüsenarbeit zu suchen, scheint mir nicht richtig. Dextrosezufuhr im Hungerzustande, wobei nur Glykogenbildung stattfindet, ver- ursacht keine Steigerung des Gaswechsels, obgleich die Arbeit, welche hier vom Verdauungsapparat geleistet wird, wohl die gleiche ist wie im Nüchternzustande [Johansson?°)]. Die im Nüchternwert (Grund- umsatz) ausgedrückte Grösse der Verdauungsarbeit reicht zur Ab- sorption der Dextrose sicher aus. Eine andere Annahme gewinnt aber in der letzten Zeit immer mehr Anhänger: das ist die Fett- bildung aus Zucker. Dieser Übergang von Zucker in Fett ist bei überschüssiger Kohlehydratnahrung bereits sichergestellt [Meissl%), Rubner°)]. Nun haben Hanriot und Richet‘) behauptet, dass auch bei nieht überschüssiger Kost jederzeit ein Teil der Kohle- hydrate in Fett umgewandelt werde. Nach Hanriot’) wird die Dextrose sogar quantitativ in Fett verwandelt. Allerdings hat Magnus-Levy°) die Richtigkeit der Untersuchungen Hanriot’s bezweifelt. Doch haben noch andere Autoren, namentlich französische Forscher, nach Zuckerfütterung Werte für den respiratorischen Quo- tienten erhalten, welche die Einheit überstiegen [Kaufmann?), 1) Pflüger, Das Glykogen. Pflüger’s Arch. Bd. 96 S. 283. 1903. 2) Grube, Weitere Untersuchungen über Glykogenbildung in der über- lebenden, künstlich durchströmten Leber. Pflüger’s Arch. Bd. 107 5.490. 1905. 3) Johansson, Untersuchungen über den Kohlehydratstoffwechsel. Skandin. Arch. Bd. 21 S.1. 1908. 4) Meissl, Über den Stoffwechsel des Schweines. Zeitschr. f. Biol. Bd. 22 S. 162. 1886. 5) Rubner, Über die Fettbildung aus Kohlehydraten im Körper des Fleisch- fressers. Zeitschr. f. Biol. Bd. 22 S. 272. 1886, 6) Hanriot et Richet, Influence des differentes alimentations sur les ‚changes gazeux respiratoires. Compt. rend. Acad. des scienc. t. 106 p. 496. 1883. 7) Hanriot, Sur l’assimilation des hydrates de carbone. Compt. rend. Acad. des scienc. t. 114 p. 371. 1892. 8) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter ‚dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd.55 S.1. 1994. 9) Kaufmann, Etudes sur les transformations chimiques intra-organiques .chez l’animal considere & l’&tatnormal. Arch. de physiol. t.28 p. 341. 1896. 578 Alfred Gigon: Laulani&!)]. Diese Fettbildung sollte unter den gewöhnlichen Nahrungsbedingungen stattfinden. Obgleich Einwände gegen die angewandte Technik berechtigt sein dürften, so beanspruchen doch diese von verschiedenen Autoren erhaltenen Ergebnisse eine gewisse Beachtung?). Pembrey°) hat bei Murmeltieren und bei Ratten ebenfalls sehr hohe respiratorische Quotienten beobachtet (z. B. 1,21). Klinischerseits wird die Fettbildung aus Zucker unter gewöhnlichen Nahrungsverhältnissen unter anderen von v. Noorden*) (S. 26), Krehl’?), Naunyn‘) angenommen. Gewisse Autoren haben be- reits versucht, den Ort einer Fettbildung aus Kohlehydraten zu finden. Pavy’) glaubte dieselbe in den Darmepithelien lokalisieren zu können; seine Schlussfolgerungen wurden aber von v. Berg- mann und Reicher‘) widerlett. De Filippi°?) konnte zeigen, dass Tiere mit Eck’scher Fistel noch fähig sind, unbegrenzte 1) Laulanie, Des renseignements fournis par les Echanges respiratoires. sur la destination immediate des hydrates de carbone. Arch. de physiol t. 28 p. 791. 1896. — De la marche du quotient respiratoire en fonction du travail musculaire et du repas consecutif. Arch. de physiol. t. 28 p. 572. 1896. 2) Eine schärfere Kritik verdient aber die weitere Hypothese von Laulanie. Dieser nimmt mit Chauveau (Determinisme de la sup£riorite de la depense energetique attachee A l’assimilation des aliments albuminoides. Compt. rend. Acad. des scienc. t. 144 p. 237. 1907) an, dass der Nahrungszucker zunächst in Fett übergeht und dieses wieder in Zucker zurückgewandelt wird. Letztere Hypothese beruht auf keiner einzigen einwandfreien Tatsache, ist auch theoretisch höchst unwahrscheinlich. 3) Pembrey, Der respiratorische Gaswechsel während der Ablagerung von Fett. Journ. of Physiol. vol. 27 p. 407. 1903. Zit. nach Maly’s Jahresber. d. Tierchemie Bd. 33 S. 768. — Pembrey and Spriggs, The influence of fasting and feeding upon the respiratory and nitrogenous exchange. Journ. of Physiol. vol. 31 p. 320. 1904. Zit. nach Zentralbl. f. Physiol. Bd. 18 S. 753. 4) v. Noorden, Diabetes mellitus. v. Noorden’s Handb. d. Pathol. d. Stoffwechseis Bd. 2 S. 37. 1907. 5) Krehl, Pathologische Physiologie, III. Aufl., S. 424. 1904. 6) Naunyn, Der Diabetes mellitus, II. Aufl., S. 469. 1906. 7) Pavy, Die Physiologie der Kohlehydrate.e Wien 1895. Zit. nach v. Bergmann und Reicher, Zur Pavy’schen Hypothese der Fettbildung in der Darmwand. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. Bd.5 S. 760. 1908. 8) v. Bergmann und Reicher, Zur Pavy ’schen Hypothese der Fett- bildung in der Darmwand. Zeitschr. f. experim.-Pathol. u. Ther. Bd. 5 S. 760. 1908. 9) de Filippi, Der Kohlebydratstoffwechsel bei Hunden, die mit Eck’scher Fistel nach der Pawlow’schen Methode operiert wurden. Zeitschr. f. Biol. Bd. 49 S. 511. 1907. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 579 Mengen von Stärke zu verarbeiten und zurückzubehalten; die operierten Tiere weisen jedoch eine herabgesetzte Toleranz für die reinen eingeführten, in Wasser aufgelösten Zuckerarten auf. Seaffidi!) beobachtete, dass Vögel, denen die Leber ausgeschaltet war, einen hohen R.Q.?) nach Stärkezufuhr aufweisen, und schliesst vielleicht mit Recht auf eine Fettbildung hin; letztere würde im Unterhaut- zellgewebe stattfinden; diese Annahme rührt von Rosenfeld?) her. Dieser gegenüber steht die Angabe von Liebig*), nach welcher diese Fettbildung in der Leber stattfinden soll. Bei dieser Umwandlung der Kohlehydrate in Fett müssen selbst- verständlich Reduktionsprozesse entstehen’). Bleibtreu‘) hat be- kanntlich den Vorgang in folgender Gleichung ausgedrückt: 270,06 g Traubenzucker — 100 g Fett +54,61 g Wasser+115,45 & CO.. Ohne entsprechende Sauerstoffaufnahme findet also Abgabe von CO, („atypische“ CO,-Abgabe von Bleibtreu) statt. Der Vorgang verläuft mit leicht positiver Wärmetonung: bei der Bildung von 100 g Fett werden 60,7 Cal. frei. Bei der Betrachtung meiner Versuche mit Dextrosezufuhr können allerdings nur wenige Anhaltspunkte gewonnen werden, welche für die Fettbildung aus Zucker sprechen. Der respiratorische Quotient steigt nur wenig an. In den Stockholmer Versuchen geschah diese Fettbildung anscheinend in grösserem Umfange als in den Basler Versuchen. Nun ist die Dextrose eine Substanz, welche als solche in den physiologischen Fiüssigkeiten Aufnahme findet; es ist mög- lich, dass dieselbe vom Organismus in grösserer Menge aufgespeichert werden kann ohne vorherige Umwandlung. Dafür spricht die Tat- sache, dass andere Zuckerarten, z. B. die Lävulose, eine bedeutend stärkere CO,-Ausscheidung verursachen. Nach Johansson’) ist 1) Seaffidi, Über die Veränderungen des Gasstoffwechsels nach Aus- schaltung des Leberkreislaufs. Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S. 156. 1908. Liter CO, Liter Os CO,-Ausscheidung ohne entsprechende Zunahme des O,-Verbrauchs. 3) Rosenfeld, Fettbildung. Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 u. 2, 1. Abt., 1902 u. 1908. 4) Liebig, Chemische Briefe. 1859. Bd. II, S. 83. 5) Der überschüssige Sauerstoff der Kohlenhydrate wird zu H,O und CO,. 6) Bleibtreu, Fettmast und respiratorischer Quotient. Pflüger’s Arch. Bd. 85 S. 345. 1901. 7) Jobansson, Untersuchungen über den Kohlehydratstofiwechsel. Skandin. Arch. Bd. 21 S.1. 1908. 2) Die Steigerung des R.Q. ist hier bedingt durch Steigerung der 580 Alfred Gigon: hier die CO,-Abgabe doppelt so gross wie nach Dextrosezufuhr; hier erscheint die Hypothese der Fettbildung unter einem viel günstigeren Licht. Eiweisszufuhr. Es sind vorwiegend die nach Eiweissnahrung auftretenden Veränderungen des Gaswechsels, welche eine verschieden- artige Deutung erfahren haben (siehe oben). Nun wissen wir, dass das Eiweiss im Magendarmtraktus ziemlich tief abgebaut wird. Im Darmkanal werden Alanin, Tyrosin, Leuein, Asparaginsäure, Lysin usw. nachgewiesen [Abderhalden!)]. Diese Aminosäuren befinden sich dort entweder frei oder zu Polypeptiden verkettet. Andererseits bleibt die Zusammensetzung der Bluteiweisskörper von der Art des zugeführten Eiweisses ganz unberührt. Aus den Spaltprodukten findet also wenigstens zum Teil ein Aufbau zu Körpereiweiss statt ?). Die Eiweissspaltung im Darmkanal geht aber ohne wesentliche Wärmeentwicklung vor sich. Bei der vorkommenden Synthese zu Serumeiweiss wird ebenfalls keine Veränderung im Umsatze wahr- genommen werden können. Es ist auch nur ein minimaler Teil des Nahrungseiweisses, der zu Körpereiweiss verwertet wird. Der grössere Rest wird desamidiert. Alle diese Prozesse können aber nicht merk- lich den Gaswechsel beeinflussen. Erst die Bearbeitung des N-freien Teiles des Eiweisses kann die bedeutende Steigerung des Energie- umsatzes und des Gaswechsels nach Eiweisszufuhr erklären. Aller- dings sucht Lusk°) in dem Desamidierungsvorgang die Ursache der gesteigerten Wärmeproduktion; er rechnet, dass z. B. 1 g Alanin 1) Abderhalden, Lehrbuch der physiologischen Chemie S. 228. 1906. 2) Es würde zu weit führen, die neue diesbezügliche Literatur hier zu er- wähnen. Die Arbeiten in dieser Richtung haben sich in den letzten Jahren in übermässig grosser Zahl vermehrt. Den grössten Anteil an denselben haben Loewy (Über Eiweisssynthese im Tierkörper. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmak. Bd. 48 S. 393. 1902) (der erste Fütterungsversuch mit tief abgebautem Eiweiss), Abderhalden und seine Mitarbeiter, London (Petersburg) und Mitarbeiter, Cohnheim, Edgar Zuntz geliefert. Siehe die letzten Bände der Zeitschrift für physiol. Chemie. Es erscheint beinahe kein neues Heft ohne Arbeiten über den Eiweissstoffwechsel. Zusammenfassungen dieser Arbeiten sind in Rona (Referate in der medizinischen Klinik von 1908 an). Dass immerhin noch lange nicht Klarheit verschafft worden ist, gibt ein Führer in diesem Gebiete selbst zu, Hofmeister (Einiges über die Bedeutung und den Abbau der Eiweisskörper. Schmiedeberg-Festschr., Arch. f. experim. Pathol. u. Ther. 1908 S. 273). 3) Lusk, Eine Erklärung der „spezifisch-dynamischen Wirkung“ der Eiweiss- stoffe. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 21 S. 861. 1908. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 581 (4372 Cal.) in 1 g Milchsäure (3661 Cal.) verwandelt wird. Die dabei auftretende Wärmeentwicklung wäre nach ihm ohne Bedeutung für die allgemeinen Lebensprozesse (spezifisch-dynamische Wirkung). Dieser Erklärungsversuch wird aber von Zuntz!) als unhaltbar erwiesen; Lusk vergisst, dass bei der Desamidierung nicht elemen- tarer Stickstoff und Wasser entstehen. Nach Rubner?) wird das Eiweiss in einem N-haltigen und N-freien Teil gespalten; bei dieser ‘Spaltung und der gleich darauffolgenden Zersetzung des N-haltigen Restes wird ein Teil der potentiellen Energie sofort als Wärme frei; -erhebliche Wärmemengen sollen entstehen bei der Abspaltung von Ammoniakgruppen aus den Aminosäuren. Auch hier könnte man -einwenden, dass nur ein minimaler Teil des Ammoniaks als solches ‚ausgeschieden wird; das übrige ist als Harnstoff usw. in den Exkreten vorhanden. Die Verbrennung des N-haltigen Teils dürfte nur wenig ‚den Gaswechsel beeinflussen. Dafür bürgt schon die Formel des Harnstoffs. Es bleibt also nur noch zur Erklärung die weitere Um- wandlung des N-freien Anteils des Eiweisses übrig. Rubner?°) neist zu der Annahme, dass derselbe in Zucker umgewandelt wird. Die Kohlehydratbildung aus Eiweiss dürfte wohl jetzt als eine sicherstehende Tatsache betrachtet werden [siehe hierüber Langstein*)]. Dass aus Eiweiss Fett gebildet werden kann, ist seit den Versuchen Gruber’s?) u. a. nicht mehr zu be- ‚zweifeln. Der über diese Frage mit Heftigkeit geführte Streit zwischen Pflüger‘) und der v. Voit’schen Schule [E. Voit”)] hat sich zu- 1) Zuntz, Zur Erklärung der „spezifiisch-dynamischen Wirkung“ der Ei- -weissstoffe. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 22 S. 61. 1908. 32) Rubner, Das Problem der Lebensdauer und seine Beziehungen zu ‘Wachstum und Ernährung. 1908, und Arch. f. Hygiene Bd. 66 S. 1. 1908. 3) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 4) Langstein, Die Kohlehydratbildung aus Eiweiss. Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 H.1S.63. 1902 u. Bd.2 H.I 8.453. 1904. — Die Einwände Pflüger’s ‘(Das Glykogen. Pflüger’s Arch. Bd. 96 8. 288. 1903) dürfen wohl als wider- lest angesehen werden. Lüthje, Zur Frage der Zuckerbildung aus Eiweiss. Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 160. 1904. 5) Gruber, Einige Bemerkungen über den Eiweissstoffwechsel. Zeitschr. £. Biol. Bd. 42 S. 407. 1901. 6) Pflüger, Über einige Gesetze des Eiweissstoffwechsels. Pflüger’s ‚Arch. Bd. 54 S. 333. 1893. 7) E. Voit, Über Fettbildung aus Eiweiss. Münchener mediz. Wochenschr. 1892 8. 460. 5893 \ Alfred Gigon: sunsten der letzteren entschieden. Völlig unbestimmt ist aber, in welchem Umfange die für gewisse Ernährungsweisen sicher erwiesene Bildung von Kohlehydrat resp. Fett aus Eiweiss unter gewöhnlichen Ernährungsverhältnissen sich vollzieht. Tigerstedt!) (S. 508) neigt zu der Annahme, dass nur bei eintretendem Glykogenmangel eine Kohlehydratbildung aus Eiweiss stattfindet, um den absoluten Bedarf des Körpers an Kohlehydraten zu decken; diese Anschauung stützt sich auf die Untersuchungen Landergren’s?). Die Fett- bildung aus Eiweiss ist nach Tigerstedt (l. e. S. 512) unter ge- wöhnlichen Nahrungsverhältnissen ohne nennenswerte Bedeutung; sie erreicht nur bei überreichlicher Eiweisszufuhr grösseren Umfang. Die verschiedenen Arten von Zersetzungen des Eiweisses im Organismus können in Respirationsversuchen nicht so leicht erkannt. werden, wie z. B. die Fettbildung aus Kohlehydraten. Es werden nämlich durch die Bearbeitung resp. Verbrennung des Eiweisses. keine so „atypischen“ Veränderungen des Gaswechsels herbeigeführt wie in jenem Falle. Die Unsicherheit ist schon daraus ersichtlich, dass die chemischen Gleichungen, welche dem Zersetzungsmodus des Eiweisses entsprechen sollen, ganz verschiedene hypothetische Re- aktionen ausdrücken. Gautier?) gibt z. B. folgende Gleichung an: C;5H;15N180555 + 14H50 — ICON;H, + Cz;H950; + C;H,O; ie = SITE . N Tripalmitin Milchsäure oder Kohlehydrat +9C0,;,+S (Reduktion). Chauveau?) schlägt einen Oxydationsprozess vor: 4 (G75H, 15N180355) + 1390, — 2(0;7H11006)+86CON:H,+13800;,+ + 42H,0 + 5°). & 1) Tigerstedt, Physiologie des Stoffwechsel. Nagel’s Handb. Bd. 1, 2. Hälfte, I. Teil. 1906. 2) Landergren, Untersuchungen über den Eiweissumsatz des Menschen. Skandin. Arch. Bd. 14 S. 112. 1903. 3) Gautier, Cours de chimie t.3 p. 751. 1892, Zit. nach Kaufmann, Nouvelles recherches sur la transformation des albuminoides en graisse. Arch. de physiol. t. 28 p. 767. 1896. 4) Chauveau, La vie et l’energie chez l’animal. Paris 1892. 5) Man vergleiche damit folgende Gleichung einer Fettbildung aus Zucker: 13 (CH120.) = C55H10405 + 23 CO, + 24 H,0. Hanriot, Sur l’assimilation Oleostearo-palmitin du glucose etc. Arch. de physiol. t. 25 p. 248. 1894. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 583 Eine der gebräuchlichsten Formeln für Eiweiss ist die von Lieberkühn [Hammarsten!)] angegebene: C7>5H}15N180558. Die Kohlehydratbildung (C,H,,0;)x geht wahrscheinlich nach der theo- retisch maximalen Menge einher [Gigon?)]. Die einfache Ver- sleichung dieser beiden Formeln ergibt uns, dass bei der Kohle- hydratbildung aus Eiweiss „atypischer“ O, aufgenommen werden muss; der R. Q. kann dabei etwas sinken. Wird Fett (Stearin — C;-H;100%)' aus Eiweiss gebildet, so brauchte der R.Q. überhaupt nicht beein- flusst zu werden. Für die Harnstoffbildung fehlt der Wasserstoff (aus Wasser) und der C würde sich mit dem Luftsauerstoff zu CO, verbinden. Nach der Chauveau’schen Gleichung würde der R.Q. auf 0,72 heruntergedrückt. Der R.Q. bei direkter totaler Eiweiss- verbrennung beträgt 0,82. Wir besitzen also hier im R.Q. keinen Maassstab für die Qualität und Grösse von intermediären Prozessen. Wie sind nun die Ergebnisse meiner Kaseinversuche zu deuten ? Eine Menge von 50 g Kasein entspricht eher einer geringeren Eiweisszufuhr, während 200 g Kasein eine überreichliche Quantität darstellt. Wir müssen hier von der wichtigen Tatsache ausgehen, dass bei Darreichung von Dosen im Verhältnis wie 1:2:3:4 die Gaswechselsteigerungen sich wie 1:3:6:9 resp. 1:4:8:12 ver- halten. Daraus können wir bereits mit Sicherheit schliessen, dass die Eiweisszufuhr wenigstens zwei Prozesse im Organismus auslöst. Der eine der ausgelösten Vorgänge übt auf den Gaswechsel eine erössere Wirkung als der andere aus; es ist derjenige, welcher mit Zunahme der Dose rascher zunimmt. Es können hier drei Prozesse in Betracht kommen: 1. Die totale direkte Eiweissverbrennung: sie würde am stärksten den Gaswechsel beeinflussen. In meinen Berechnungen habe ich immer bis jetzt, entsprechend der allgemeinen Annahme, den Total-Harn-N als Norm für die Eiweisszersetzung angesehen und dabei in den Eiweissversuchen starke Steigerungen derselben erhalten). Es lässt sich aber verschiedenes dagegen einwenden. Es ist zuerst a priori nicht wahrscheinlich, dass das Nahrungseiweiss 1) Hammarsten, Lehrbuch der physiologischen Chemie. 2) Gigon, Die Menge des aus Eiweiss entstehenden Zuckers beim Diabetes. Deutsch. Arch. f. klin. Mediz. Bd. 97 S. 376. 1909. 3) Ich habe diese übliche Berechnungsweise doch anwenden müssen, weil wir bis jetzt noch gar keine Anhaltspunkte hatten zur Berechnung von inter- mediären Prozessen. 84 Alfred Gigon:. sogleich im Körper verbrannt wird; dasselbe muss vorher assimiliert werden. Nach Kohlehydrat- oder Fettnahrung bekommt man nie eine Steigerung der: Kohlehydrat- resp. Fettzersetzung, welche mit der berechneten Steigerung des Fiweissumsatzes nach Eiweisszufuhr nur annähernd vergleichbar ist. Die in meinen Versuchen berechnete Steigerung des Gaswechsels entspricht der ganzen Zufuhr, während -der ausgeschiedene N nur einen Bruchteil darstellt; darin dürfte ein weiterer Fehler liegen. Die Gesamtsteigerung des Gaswechsels sollte mit dem Gesamtnahrungseiweiss in Beziehung gebracht werden. Die Gaswechselzunahme ist aber viel zu klein, um einer Total- verbrennung der ganzen Zufuhr zu entsprechen. Wenn man es auch nieht sicher beweisen kann, so möchte ich doch auf Grund dieser Überlegungen die Vermutung aussprechen, dass in den Eiweiss- versuchen die totale Eiweisszersetzung den Nüchternwert nicht über- schritten hat. Die in den früheren Kapiteln berechneten Zahlen bedürfen dann einer entsprechenden Korrektur. Wie schon gesagt, habe ich dieselben doch angeführt, weil ihnen die allgemein an- ‚erkannten Anschauungen zugrunde liegen. 2. Die Kohlehydratbildung: dieselbe setzt den R.Q. etwas herunter. Sie dürfte meines Erachtens demjenigen Vorgange entsprechen, welcher den geringeren Einfluss auf den Gaswechsel ausübt. In stärkerem Maasse findet sie in meinen Versuchen nicht statt; dafür bürgen die Resultate der Versuche mit kombinierter ‚Zufuhr. Trotz Dextrosedarreichung ist der Einfluss des Kaseins auf den Gaswechsel völlig erhalten geblieben. Es ist aber nach unseren jetzigen Kenntnissen nicht wahrscheinlich, dass bei der Anwesen- heit von Dextrose das Eiweiss vorwiegend zum Glykogenansatz ge- 'braucht wird. Viele Tatsachen sprechen auch dafür (siehe oben), dass unter gewöhnlichen Nahrungsverhältnissen die Kohlehydrate selbst zum grössten Teil als Fett abgelagert werden. Das Ver- mögen, Kohlehydrate aufzuspeichern, ist im Organismus ziemlich ‘beschränkt. | 3. Die Fettbildung: dieselbe kann den Gaswechsel be- deutend beeinflussen; es kann dabei recht viel Kohlenstoff zu CO, verbrannt werden; nach der Chauveau’schen Gleichung würde auch H,O durch Verbrennung von Wasserstoff reichlich entstehen. Damit könnte die klinische Erfahrung übereinstimmen, dass eine 'eiweissreiche Kost weniger leicht Fettansatz bewirkt als eine Kohle- hvdrat- oder Fettnahrung; bei diesen letzteren Nahrungsweisen wird Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 585 eben unverhältnismässig viel mehr C und H zur Fettbildung ver- wertet. Andererseits besteht hier keine praktische Grenze zum Fett- ansatz. Meines Erachtens lässt sich mein Befund am besten dadurch erklären, dass bei der Eiweisszufuhr sowohl Kohlehydrat- wie Fett- bildung zugleich stattfinden. Steigt das Eiweiss der Kost, so nimmt die Fettbildung entsprechend mehr zu; die Kohlehydratbildung steigt in geringerem Grade. Es ist selbsiverständlich, dass zu diesen beiden Prozessen noch ein dritter hinzukommt: das ist die Verarbeitung des Nahrungs- eiweisses zu Körpereiweiss. Dieser Vorgang kommt aber im Gas- wechsel nicht zum Ausdruck. Dass er mit der Grösse der Eiweiss- zufuhr zunimmt, geht aus den zahlreichen Untersuchungen über den Harn-N eindeutig hervor [Magnus-Levy‘)]. Die Bildung von intermediären Stoffwechselprodukten durch „Ineinandergreifen des Eiweiss- und Kohlehydratabbaues“ [Spiro2)] kann auch in den Versuchen mit kombinierter Zufuhr nieht oder nicht merklich auf den Gaswechsel eingewirkt haben. Die spezifisch-dynamische Wirkung. Die von Rubner’°) ersonnene „spezifisch-dynamische Wirkung“ ist ein etwas unbestimmtes Konzept, das bis jetzt nicht viel zu einer Erklärung der verschiedenen Prozesse bei der Nahrungsaufnahme beigetragen hat. Die Rubner’sche Theorie ist in der Einleitung kurz skizziert. Wie zu ersehen ist, sollte die spezifisch-dynamische Wirkung vorwiegend für das Eiweiss nachweisbar sein, während für Kohlehydrate und Fette die Wirkung nur minimal ist. Nach Rubner ist sie auch stets von einer Zunahme des Energieumsatzes begleitet. Von einer spezifischen Wirkung der einzelnen Nahrungs- stoffe kann man nach meinen Untersuchungen mit vollem ‚Recht sprechen. Diese Wirkung ist für jeden Nahrungsstoff gleich deutlich ausgeprägt, für die Kohlehydrate ebenso wie für die Eiweissstoffe. Ein. Vergleich der Zusammenfassungen der einzelnen Abschnitte (Stoffwechsel bei Zufuhr von Eiweiss S. 547, bei Zufuhr von Dextrose S. 553, bei Anfuhr von Fett S. 555) genügt, um sich davon zu über- l) Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. v. Noorden’s Handb. Bd. 1. 1906, 2) Spiro, Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel, Hofmeister’s Beitr. Bd. 10 S. 277. .1907. 3) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 586 Alfred Gigon: zeugen. Nach Fiweisszufuhr bekommt man mit steigenden Dosen Steigerungen des Gaswechsels, die ein Verhältnis wie 1:3:6:9 resp. 1:4:8:12 darstellen. Der Gaswechsel steigt hier andauernd bis zu der subjektiv maximalen Zufuhr. Ein total anderes Bild bieten die Dextroseversuche dar; hier steigt der Gaswechsel pro- portional mit der Dose, aber nur bis zu einer gewissen Grenze: eine grössere Zufuhr als ca. 150 g Dextrose gibt nicht mehr CO, ab als diese Dose selbst. Ölzufuhr verursacht eine sichere Herab- ‚setzung des Nüchternwertes im Gaswechsel, Energieumsatz, Kohle- hydrat- und Eiweissverbrauch. Eine ausgeprägtere und ungleich- artigere Wirkung der einzelnen Nahrungsstoffe lässt sich wohl kaum denken. Darin liest auch ihre wirkliche spezifische Wirkung. Die „dynamischen“ Veränderungen, in welchen Rubner die spezifische Wirkung ausgedrückt hat, sind Nebenerscheinungen von viel wich- tigeren Prozessen. Der Energieumsatz kann nach einer Nahrungs- aufnahme höher oder tiefer (Ölversuche) stehen als im Nüchtern- ‚zustande. Erst die genaue Untersuchung des Gaswechsels und der Verbrennungen der einzelnen Stoffe führt zu der richtigen Ursache. Es gibt keine spezifisch-dynamische Wirkung der Nahrungs- stoffe, sondern zwischen Nahrungsstoff und Organismus bestehen für ‚jeden einzelnen Stoff ganz spezifische Relationen. Der Ausdruck Rubner’s scheint mir nicht sehr zweckmässig, weil er zu irrtüm- lichen Vorstellungen führen könnte. Die Versuche mit kombinierter Zufuhr geben, wenigstens die in Stockholm ausgeführten, einen weiteren sehr deutlichen Beweis, wie ausgesprochen spezifisch die Wirkung sich darstellt; diese spezi- fische Wirkung bleibt völlig erhalten, gleichgültig, ob der betreffende Nahrungsstoff allein oder zusammen mit anderen zugeführt wird. Die Isodynamie. Das Prinzip der Isodynamie wird fast ausschliesslich von Chau- veau!) (und andere zahlreiche Publikationen) und seinen Schülern 1) Chauveau, Determinisme de la superiorite de la depense Energetique attachee a l’assimilation des aliments albuminoides. Compt. rend. Acad. des scienc. -t. 144 p. 237. 1907. —. La superiorite de la depense @nergetique inherante & l’alimentation carnee, par rapport de la depense qu’entrainent les regimes oü predominent les aliments & composition ternaire. Consdquences au point de vue de la theorie generale de l’alimentation. Compt. rend. Acad. d. scienc. t. 144 p. 173.- 1907. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc, 587 [z. B. Contejean!)] bestritten. In der Tat sind es doch eine Menge Tatsachen, welche dafür sprechen, dass dieser Theorie ein Kern Wahrheit wenigstens anzuerkennen ist. Zur Erläuterung meiner eigenen Versuche seien kurz folgende theoretische Betrach- tungen angeführt. Um die Rolle der Nahrung im Organismus klarzustellen , muss man eine immediate, direkte und provisorische Aufgabe der Nahrungsstoffe von einer mediaten, indirekten und de- finitiven Aufgabe scheiden |Chauveau?), Johansson und Hellgren°)]. Die erste Aufgabe besteht in der Bildung und Auf- speicherung von Reservestoffen in besonderen Depots. Die zweite Aufgabe führt zu den Verbrennungsprozessen, welehe zugunsten der physiologischen Tätigkeit den Energievorrat der Nahrungsstoffe ent- wickeln. Man hat bis jetzt nur diese letzte Bestimmung der Nahrungs- substanzen vom energetischen Standpunkte aus berücksichtigt. Hier dürfte das Prinzip der Isodynamie gültige sein. Die Bildung und Aufspeicherung von Vorratsstoffen beeinflusst aber die Energetik des Organismus in einer ganz anderen Weise, Die immediate, provisorische Aufgabe der Nahrungsstoffe kommt in meinen Versuchen klar zum Ausdruck. Der Verlauf der Stick- stoff- resp. Phosphorsäureausscheidung im Harne wird durch die gleichmässige Zufuhr von Zucker nicht beeinflusst. Das Eiweiss wird durch den zugeführten Zucker aus dem Umsatze nicht ver- drängt. Die Gaswechselverhältnisse bei gleichzeitiger Zufuhr von Eiweiss und Zucker ergeben ebenfalls keine Zeichen der unmittel- baren Verdrängung eines Nahrungsstoffes durch den anderen. Aus meinen Beobachtungen müssen wir schliessen, dass das Prinzip der isodynamen Vertretung der verschiedenen Nahrungsstoffe für die- jenigen Prozesse, welche durch die Nahrungszufuhr unmittelbar aus- gelöst werden, nicht anwendbar ist. 1) Contejean, Documents pour l’etude de la valeur des divers ordres de ‚substances alimentaires etc. Arch. de physiol. serie V t.8 p. 803. 1896. 2) Chauveau, Determinisme de la superiorite de la depense Energetique :attachee A l’assimilation des aliments albuminoides. Compt. rend. Acad. des scienc. t. 144 p. 237. 1907. 3) Johansson und Hellgren, Eiweissumsatz bei Zufuhr von Kohle- ‚hydraten. Festschrift für Hammarsten 1906 Nr. VII. 588 Alfred Gigon: Schlussbetrachtungen. Man muss also unterscheiden zwischen der provisorischen und der definitiven Aufgabe der Nahrungsstoffe. Die Änderungen des Gaswechsels stehen mit den direkten Umwandlungen der Nahrung in Zusammenhang. Provisorisch bezweckt die Nahrung den Ersatz des verbrauchten Körpermaterials und die Aufspeicherung der Depots von Vorratsstoffen. Die Zelle nimmt dann für die physiologischen Funktionen das Material aus den körpereigenen Stoffen (Körper- eiweiss, abgelagerte Stoffe): hier liegt die entferntere, definitive Auf- gabe der Nahrung. Die beiden dieser doppelten Aufgabe entsprechen- den Vorgänge sind in weitem Maasse voneinander unabhängig und gehorchen verschiedenen Gesetzen. Der Grundumsatz sowie die einzelnen Prozesse, welche mit der physiologischen Tätigkeit (z. B. Muskelarbeit) in Zusammenhang stehen, verlaufen unabhängig von der zufälligen Nahrungszufuhr. Diese Prozesse gehorchen wahr- scheinlich dem Prinzip der Isodynamie. Meine Untersuchungen befassen sich vorwiegend mit der direkten oder immediaten Umwandlung der Nahrungsstoffe. Welche Prozesse dabei entstehen, konnte ich aus meinen Versuchen zum Teil mit Sieherheit bestimmen. Es bestehen nämlich ganz spezifische Rela- tionen der verschiedenen Arten von Nahrungsstoffen zum Organismus. Das Nahrungseiweiss soll das zersetzte Körpereiweiss ersetzen; diese- (Quote des Nahrungseiweisses ist meistens nur ein geringer Bruchteil desselben. Der Rest wird zum Teil als Glvkogen, zum grösseren Teil als Fett aufgespeichert. Die Annahme, dass Kohlehydrat- und Fettbildung aus Eiweiss unter gewöhnlichen Nahrungsverhältnissen nicht stattfinden, erweist sich als irrtümlich. Die Kohlehydrate der Kost werden zu Glykogen und Fett; bei gewöhnlichem Ernährungs- zustand findet vorwiegend Fettbildung statt. Die Fette gelangen in die Fettdepots. Findet die Nahrungszufuhr unter anderen Nahrungsverhältnissen, 2. B. bei herabgesetztem Glykogenvorrat, d. h. im Hungerzustande statt, so bestehen diese Relationen doch noch zu Recht. Nur wird z. B. von den Kohlehydraten der Zufuhr eine grössere Menge als- Glykogen aufgespeichert, eine geringere Quote als Fett [Johansson]. 1) Johansson, Untersuchungen über den Kohlehydratstoffwechsel. Skandin.. Arch. Bd. 21 S. 1. 1908. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 589 Ist der Glykogenvorrat herabgesetzt, so wird die Steigerung der CO,-Ausscheidung niedriger; sie kann sogar ganz ausbleiben !) (S. 34). Die bei dieser Umwandlung der Nahrung auftretenden Ver- änderungen des Energieumsatzes haben hingegen nichts Spezifisches. Die Verdauungsarbeit muss bei der provisorischen Aufgabe der Nahrungsstoffe auch in Betracht gezogen werden. Sie spielt nicht nur eine theoretische Rolle, wie es Rubner mehr oder weniger ansdrückt. Dieselbe besteht meines Erachtens ebenfalls im Nüchtern- zustande weiter. Die herabsetzende Wirkung einer geringen Öl- zufuhr auf den Nüchternwert liesse sich durch ihren Einfluss auf die Verdauungsarbeit erklären. Wie aus meinen Auseinandersetzungen hervorgeht, lässt sich eine ausgedehnte Fettbildung vermuten. Andererseits müssen wir annehmen, dass auch bei der reichlichsten fettfreien Nahrung stets noch eine ansehnliche Menge Fett verbrannt wird; dies lässt auf einen regeren Fettstoffwechsel schliessen, als man es bis jetzt an- nimmt. Die Fettdepots sind nicht für den Körper überflüssiger Ballast, der nur im Hungerzustande der Zelle zu Hilfe kommen muss. Vielmehr wird aus den Ablagerungsstätten täglich Körperfett vom Organismus verbrannt, und täglich werden die entleerten Depot- bezirke auf Kosten der verschiedenen organischen Nahrungsstoffe wieder gefüllt. Das Fett nimmt dem Eiweiss und den Kohlehydraten gegenüber hier eine Sonderstellung ein; es ist die einzige Substanz, deren Ansatz in crossem Umfange auch bei normalen Individuen möglich ist. Noch folgendes sei erwähnt. Nach Landergren’s?) Untersuchungen sind für das Leben sowohl Eiweiss wie auch Kohle- hydrate unbedingt erforderlich. Zu dem gleichen Resultat kommt auf einem anderen Wege auch Cathcart?°). Es ist nun bemerkens- wert, dass gerade diese beiden Stoffe sich dadurch auszeichnen, dass das Aufspeicherungsvermögen des Körpers für dieselben stark ein- geschränkt ist®). 1) Johansson, Untersuchungen über den Kohlehydratstoffwechsel. Skandin. Arch. Bd. 21 S.1. 1908. 2) Landergren, Untersuchungen über den Eiweissumsatz des Menschen. Skandin. Arch. Bd. 14 S. 112. 1903. 3) Cathcart, The influence of carbohydrates and fats on protein metabolism. Journ. of Physiol. vol. 39 p. 311. 1909. Zit. nach Biochem. Zentralbl. Bd. 9 S. 561. 4) Man könnte vielleicht folgende Beobachtung erwähnen zugunsten der Zweckmässigkeit des Nahrungstriebes: in den Haushaltungsbudgets, in welchen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 39 590 Alfred Gigon: Wie bereits erwähnt, ergeben meine Gaswechselversuche dureh- weg niedrigere Zahlen als diejenigen anderer Autoren. In der Ein- leitung und S. 546 habe ich bereits hervorgehoben, dass die Nahrungs- stoffe in den Untersuchungen anderer Autoren fast stets in komplizierter Form gegeben wurden. Ein Kohlehydratversuch wird z. B. mit einer Reisspeise ausgeführt; zu einem Fettversuch gibt man Brot mit reich- lich Butter usw. Aus meinen Untersuchungen mit kombinierter Zufuhr geht ohne weiteres hervor, dass die Resultate nicht auf die Kohlehydrate resp. Fette resp. Eiweiss allein bezogen werden dürfen. Solehe Sehlussfolgerungen könnten leicht zu falschen Vorstellungen führen. Über den Einfluss von Gewürzen auf den Gaswechsel hat man z. B. noch keine Erfahrung. Rubner!) hat die Frage, ob die Extraktivstoffe des Fleisches den Gaswechsel beeinflussen, im nega- tiven Sinne entschieden. Doch deuten gewisse Versuche |z. B. Potthast?)] darauf hin, dass Verunreinigungen eine bedeutende Rolle unter Umständen spielen können. Trotz der sehr zahlreichen Versuche über den Gaswechsel in pathologischen Zuständen, welche man hauptsächlich den letzten 20 Jahren zu verdanken hat, dürften die Betrachtungen über die Aufgabe von Respirationsversuchen, welche Magnus-Levy°) im Jahre 1897 bereits publizierte, heute noch vollkommen gültig bleiben. Die physiologischen Grundlagen zur Weiterforschung der patho- logischen Erscheinungen waren zu mangelhaft. Darin liest wohl die Ursache, warum solehe an sich’ so viel versprechende Versuche bis jetzt nur mit wenig wichtigen neuen Tatsachen unsere. Kenntnisse bereichert haben. Die Respirationsversuche gehören doch zu einer unserer besten Methoden für die Erforschung des Stoffwechsels in physiologischen und pathologischen Zuständen. Die zahlreichen nur spärliche Mittel für animalische Nahrung zur Verfügung stehen, wird zunächst an Fleisch gespart, an einer gewissen Fettmenge dagegen mit grosser Zähigkeit festgehalten (Grotjahn, zit. nach Kifskalt, Untersuchungen über das Mittag- essen in verschiedenen Wirtschaften Berlins. Arch. f. Hygiene Bd. 66 S. 262. 1908. 1)-Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 2) Potthast, Beiträge zur Untersuchung des Einflusses N-haltiger Nahrung auf den tierischen Stoffwechsel. Pflüger’s Arch. Bd. 32 S. 250. 1883. 3) Magnus-Levy, Über Aufgaben und Bedeutung von Respirations- versuchen für die Pathologie des Stoffwechsels. ° Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 33 S. 258. 1897. Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel etc. 591 Untersuchungen Magnus-Levy’s!) genügen allein, um es zu be- weisen. Die in der letzten Zeit von den Kliniken zahlreich auf- gebauten neuen Respirationsapparate [Schlossmann?), Grafe?), Staehelin®) u. a.] zeigen ebenfalls, dass diese Methode immer mehr gewürdigt wird. Ein Nachteil der modernen Forschung zur Kenntnis des Stoff- wechsels besteht vielleicht darin, dass man zu viel Wert auf die energetischen Verhältnisse legt. Die bewundernswerten Darstellungen Rubner’s?) zeigen allerdings, dass man ‚mit der Energetik von einem Gesichtspunkte aus sämtliche Erscheinungen des Lebens, Wachstum, Ernährung, Lebensdauer betrachten kann. Für die Lösung gewisser Fragen des Stoffwechsels müssen aber die rein stofflichen Verhältnisse ebenfalls berücksichtigt werden. Schlusssätze. Hier seien kurz resumiert diejenigen Hauptergebnisse, welche aus meinen Versuchen mit Berücksichtigung der Literatur hervor- zugehen scheinen. Die direkten Versuchsresultate sind am Schlusse der entsprechenden Abschnitte jedesmal zusammengefasst. 1. Der Organismus bestreitet seinen Grundumsatz unabhängig von der momentanen Nahrungszufuhr. 2. Die Verdauungsarbeit stellt eine bestimmte sichere Grösse dar; auch im Nüchternzustande kommt sie als geringer Bruchteil in Betracht. 3. Im gewöhnlichen Ernährungszustande, also bei Glykogen- vorrat, finden stets nach Zufuhr von Kohlehydraten oder Eiweiss 1) Magnus-Levy, Untersuchungen zur Schilddrüsenfrage. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 33 S. 269. 1897. — Magnus-Levy, Der Einfluss von Krankheiten auf den Energiehaushalt im Ruhezustand. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 60 S. 177. 1906. Daselbst Literaturangaben. 2) Schlossmann und Murschhauser, Über Eichung und Prüfung des von Zuntz und Oppenheimer modifizierten Respirationsapparates nach dem Prinzip von Regnault und Reiset. Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S. 369. 1908. 3) Grafe, Ein Respirationsapparat. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 65 S. 14. 1910. 4) Staehelin und Kessner, Der neue Respirationsapparat der ersten medizinischen Klinik. Charite-Annalen Jahrg. 33. 5) Rubner, Das Problem der Lebensdauer und seine Beziehungen zu Wachstum und Ernährung 1908 und Arch. f. Hygiene Bd. 66 S. 1. 1908. 39 593 Alfred Gigon: Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme etc. intermediäre Umwandlungen statt. , Der Zucker wird zum Teil in Fett umgewandelt. Bei .Eiweisszufuhr findet sowohl Kohlehydrat- wie Fettbildung zugleich statt. Das Fett wird abgelagert. 4. Jeder Nahrungsstoff hat eine ausgesprochene spezifische Wirkung, welche sich aber weniger durch energetische als viel- mehr dureh stoffliche Vorgänge kund macht. Diese spezifische Wirkung bleibt erhalten, gleichgültig ob der betreffende Nahrungs- stoff allein oder zusammen mit anderen zugeführt wird. 5. Das Gesetz der Isodynamie ist für die provisorische imme- diate Aufgabe der Nahrung, welche in der Bildung und Aufspeicherung von Reservestoffen besteht, nicht anwendbar. (Aus dem physikalisch-chemischen Institut der Universität Berlin.) Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen 5 Nervenreizung. Von A. Eucken und K. Miura. (Mit 2 Textfiguren.) Nach Nernst!) bewirkt ein elektrischer Strom bei seinem Durchgange durch das organisierte Gewebe Ionenverschiebungen, wobei die die Zellen begrenzenden halbdurchlässigsen Membranen sich wie reversible Elektroden verhalten; den durch jene Ionen- verschiebungen bedingteu Konzentrationsänderungen gelösterSalze— inunmittelbarer Nähe derMembran — ist die Auslösung des elektrischen Reizes zuzu- schreiben). Die mathematisch-physikalische Durchführung dieser Hypothese führte zu dem Resultat, dass beiunveränderter Gestalt, aber variabler Dauer usw. eines Stromstosses zur Erzeugung einer bestimmten Konzentrationsänderung, die einer 1) Nernst, Zur Theorie des elektrischen Reizes. Pflüger’s Arch. f. ges. Physiol. Bd. 122 S. 288. 1908. 2) Diese Theorie ist seither von verschiedenen Seiten behandelt, geprüft und zum Teil modifiziert worden. Ihre Grundannahme scheint nunmehr eine grössere Anzahl von Forschern für sich gewonnen zu haben. Im letzten Jahre sind die Arbeiten von A. V. Hill (A new math. treatement of changes of ionic concentration in muscle and nerve etc. Journ. of physiol. vol. 40, Nr. 3 p. 190. May 11. 1910.), Keith Lucas (An analysis of changes and differences in the excitatory process of nerves and muscles based on the physical theory of exci- tation. do.), Lasareff, (Pflüger’s Arch., Bd. 135 S. 196. 1910), Lapique und P&tetin (nouvelles recherches sur un modele de la polarisation en vue de la theorie physique de l’excitation. Journ. de Physiol. t. 12 Nr. 5. Sept..1910), Wilke und Meyerhof (Experimentelle Untersuchungen zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. Pflüger’s Arch. Bd. 137. 12. Dez. 1910) erschienen. 594 A. Eucken und K. Miura: bestimmten Reizintensität (z. B. dem Schwellenreiz) entspricht, eine bestimmte elektrische Energie erforderlich ist. Mit dem Befund der Experimente steht dieses theoretische Ergebnis so- wohl bei langen als auch bei sehr kurzen Stromstössen nicht im Einklang. In einem mittleren, häufig allerdings ziemlich ausgedehnten Gebiet hat man indessen die Energie des Stromstosses für den Schwellenreiz in der Tat mit hinreichender Annäherung konstant gefunden. Es liegt nahe, anzunehmen, dass hier alle Voraussetzungen der Nernst’schen Theorie exakt erfüllt sind, während sich bei zu langsamen und zu kurzen Stromstössen ‘irgendwelche Sekundär- phänomene überlagern. Andererseits liesse sich die Ansicht ver- treten, jene Konstanz der Enereie in einem mittleren Gebiet sei mehr zufälliger Art, sie sei etwa durch Superposition zweier ver- schiedener, einander entgegenwirkender Ursachen bedingt und könne daher nicht als hinreichende Bestätigung der Nernst’schen Annahme aufgefasst: werden. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Auffas- sungen könnte nun am einfachsten ein quantitativer Vergleich der theo- retisch berechenbaren Wirkungen zweier verschiedener Stromstösse in dem Gebiete angenäherter Konstanz der Energiewerte erbringen. Experimentell besonders geeignet zum Vergleich ihrer physio- logischen Wirkungen sind Gleichstrom und Kondensatorentladung. Theoretisch hatte sich ergeben !), dass es, um eine bestimmte Konzentrationsänderung in unmittelbarer Nähe der Elektroden durch eine Kondensatorentladung hervor- zurufen, eines 1,7lmal grösseren Energieaufwandes bedarf, als dureh einen konstanten Strom. Somit würde die Bestätigung dieser Zahl, die bisher noch ausstand ?), eine beweis- 1) Eucken, Berl. Ber. Bd. 26 S. 524. 1908. In der Formel (10) fehlt durch ein Versehen der Rechnung rechts der Faktor 2. Da die Formel (18) in der Arbeit von Nernst (l. c.) mit dem gleichen Fehler behaftet war, bleibt die Zahl 1,71 richtig. Beide für die bisherigen Anwendungen durchaus belang- losen Irrtümer waren nicht eher bemerkt worden, da durch eine verhältnismässig einfache Überlegung die ungefähre Richtigkeit der Verhältniszahl 1,71 ge- währleistet war. 2) Die Versuche von Hermann und Adam (Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 172. 1909) mit abgebrochenen Kondensatorentladungen sind in diesem Sinne nicht verwertbar, insbesondere da die gewonnenen.Zahlen nicht ganz sicher zu sein scheinen. Aus einer Anzahl von Tabellen geht z. B. hervor, dass während der Versuche zum Teil erhebliche Änderungen der Empfindlichkeit und des Widerstandes des Präparates stattgefunden haben. Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. 595 kräftige Stütze der Nernst’schen Theorie bedeuten; eine grössere Abweichung würde darauf hinweisen, dass auch in dem Gebiete der ancenäherten Energiekonstanz nicht alle Voraussetzungen der Nernst’schen Theorie exakt erfüllt sind. Versuchsanordnung. Zunächst stellten wir an den Fingern vom Menschen mit Kon- densatorentladungen Reizversuche an. Zwei nebeneinander stehende Glasgefässe von gleicher Form und Grösse wurden in Paraffın ein- gebettet und mit Platin- oder Zinkelektroden versehen, die weiter mit den zugehörigen Drähten in Verbindung standen. Dabei hatten wir zwei Arten von Glasgefässen konstruieren lassen, die sich hauptsächlich in der Grösse ihres Inhaltes unterschieden. Der Querschnitt der einen Art war so gross, dass die Versuchsperson ihre Zeige- und Rinefinger in das Gefäss tauchen konnte; auf dem Boden war eine siebförmig durchlöcherte Porzellanplatte angebracht, auf der die Fingerspitzen ruhten. Die zweite Art des Gefässes war so konstruiert, wie es Reiss!) seinerzeit zu seinen Ver- suchen benutzte. In diesem Fall war die obere Öffnung des Gefässes so eng, dass nur die Fingerkuppen darauf ruhten und von der Koch- salzlösung benetzt wurden, während bei Anwendung grösserer Ge- fässe fast die Hälfte des Endgliedes der Finger von der Flüssigkeit umspült wurde. Die beiden Gefässe erwiesen sich zu den Versuchen als ziemlich gleich geeignet, die zuerst beschriebenen wurden schliess- lich vorgezogen, da die Versuchsperson hier die Differenzen der Reizschwelle feiner unterscheiden konnte. Zur Erzeugung eines konstanten Stromstosses benutzten wir einen grösseren Kondensator (1,1 M.-F.), dessen Entladung mit einem Helmholtz’schen Pendelunterbrecher?) so rasch ab- gebrochen wurde, dass man die Stromstärke praktisch als kon- stant ansehen konnte. Die Schaltung war die übliche®). Der Pendelunterbrecher wurde genau geeicht; eine ganze Umdrehung der Schraubentrommel entsprach 167 - 1077 Sekunden, somit ein Teil- 1) Reiss, Die elektrische Reizung mit Wechselströmen. Pflüger’s Arch. Bd. 117. 1907. 2) Näheres über diesen Apparat vgl. insbesondere Edelmann, Annalen d. Physik. 4. Folge, Bd. 3 S. 274. 1900. 9) Vgl. z. B. Hermann, |. c. 596 A. Eucken und K. Miura: strich der (100 teiligen) Trommel dem hundertsten Teil dieser Zeit. Die Zeiten, die wir zu benutzen genötigt waren, waren so kurz, dass wir nahe an die Grenze der Leistungsfähiskeit des Pendelunter- brechers gelangten und bereits einige Unregelmässigkeiten stören(! hervortraten. Z. B. machte sich der sogenannte tote Gang der Schraube bei der Kleinkeit der Umdrehungen bemerkbar. Die Ein- stellung der Trommel erfolgte daher immer von einer Seite aus. Da der Nullpunkt des Unterbrechers von den Schwankungen der Zimmertemperatur beeinflusst wurde, musste er vor und nach jedem Versuch neu bestimmt werden; ausserdem bemühten wir uns, auf möglichste Konstanz der Zimmertemperatur hinzuwirken. Da die Energie eines konstanten Stromstosses durch den Aus- druck JE, — - der Spannung (V) und der Zeitdauer (2) der Bestimmung des Wider- standes (W) des Stromkreises. Seine Grösse konnte bequem nach zwei Methoden festgestellt werden: erstens durch Messung der Elek- trizitätsmenge e (Ausschlag eines D’Arsonval- Spiegelgalvanometers mit ballistischer Belastung), den ein durch den Stromkreis geleiteter Stromstoss von bekannter Spannung und Zeitdauer hervorrief dargestellt wird, bedurfte es ausser der Kenntnis (#= =) Die zweite Methode beruhte auf einer doppelten Messung der Reizschwelle durch einen kurzen Gleichstromstoss von bestimmter Dauer einmal mit, das andere Mal ohne Vorschaltung eines Rheostaten von geeigneter Grösse. Bedeutet V, die erforder- liche Spannung mit, V, die ohne den Vorschaltwiderstand W, so gilt Y, _ü (W+W) = : . Da i, und °, nach dem Verhalten des Nerven 1: [23 W,; (Reizschwelle) als gleich anzusehen sind, kann man W,, den Wider- stand des Nerven, mühelos berechnen. In der Regel stimmten die nach beiden Methoden ermittelten Werte des Nervenwiderstandes sehr befriedigend untereinander überein. Versuche am Menschen (Fingerspitzen). Als Elektroden kamen die oben beschriebenen Näpfehen mit physiologischer Kochsalzlösung in Anwendung. Es wurde möglichst genau darauf geachtet, dass gleichgrosse Teile des Fingers mit der Flüssigkeit in Berührung blieben, und dass die Aufmerksamkeit der Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. 597 Versuchsperson nicht ermüdete. Die Finger durften dabei nicht zu lange in der Flüssigkeit liegen bleiben, und der Arm musste eine be- queme Lage haben, wenn die Reizschwelle nicht geändert werden sollte. Die einzelnen Einstellungen waren häufig verschieden, je nachdem die Reizschwelle mit allmählich steigenden oder fallenden Stromintensitäten aufgesucht wurde. In derartieen Fällen wurde das arithmetische Mittel beider Beobachtungen als richtig angesehen. Die Versuche wurden begonnen mit Kondensatorentladungen. Es ergab sich wiederum das bisher fast regelmässig gefundene : { 10 € Resultat, dass die Energie E,— —- ein flaches Minimum durch- läuft (Tab. D). Tabelle 1. Kondensatorversuch, den 24. November. Versuchsperson J. v>0 6) V120 > (Mikrofarad) (Volt) (relativ) 0,04 1,0 200 0,01 1,7 144 0,004 3,0 150 In gleicher Weise wurden Versuche mit Gleichstrom angestellt, die ebenfalls ein flaches Energieminimum zeigen. Tabelle 1. Gleichstromversuch, den 20. Dezember. Versuchsperson E. 4. 107 v120 V*t (Sek.) (Volt) (relativ) 132 1,20 190 101 1,33 179 67 1,65 182 50 2,02 204 34 2,45 204 Die Zeiten, innerhalb deren die Theorie sich als gültig erwies, lagen also zwischen ca. 0,00002 und 0,0002 Sek. Die eigentlichen Versuche wurden in der Weise angestellt, dass wir zuerst mit Kondensatorversuchen dasjenige Gebiet aufsuchten, wo das Minimum lag, und wo a priori eine Übereinstimmung der 59 - A. Eucken und K. Miura: an Versuche mit der Theorie vorausgesetzt werden konnte, und dann erst in diesem Gebiet (mit ähnlichen oder gleichen Werten der Spannung) Gleichstromversuche vornahmen; zum Schluss wurden zur Kontrolle wieder einige Kondensatorversuche gemacht. Bei den ersten Versuchsreihen war ein Galvanometer in den Stromkreis eingeschaltet. Man konnte in diesem Falle die bei jedem Stromstoss verbrauchte Energie aus dem Galvanometerausschlag (Elektrizitätsmenge) und der Spannung ermitteln, und es bedurfte keiner besonderen Be- rechnung des Widerstandes, von dessen Veränderlichkeit man daher relativ unabhängig war. Die auf diesem Wege erzielten Resultate waren indessen schwankend; insbesondere ist die für die einzelne Versuchsreihe erforderliche Konstanz von E, nicht ausreichend. Der Fehler konnte in der Ungenauigkeit der Galvanometerablesung liegen oder durch einen (bei wechselndem Widerstand ebenfalls wechselnden) Einfluss der Selbstinduktion des Galvanometers bedingt sein. Um hiervon unabhängig zu sein, zogen wir es in der Folgezeit vor, auf die Galvanometerablesung zu verzichten. Statt dessen wurde der Widerstand (vgl. S. 596) der Versuchsperson vor und nach jedem Ver- such nach einer der oben beschriebenen Methoden gemessen. Wir geben die Resultate der beiden Versuchsreihen in Tabelle III und IV wieder. Tabelle II. Kondensator-Gleichstromversuch mit eingeschaltetem ballistischen Galvanometer. Datum und Kondensator Gleichstron E Versuchs- 17 c 12-10 7 |t-10 |z,-10° E, person (Volt) | (M.-F.)| (Watt) | (Volt) | (Sek.) | (Watt) | | 9,40 | 0,01 | 422 | 7,68 | 1,84 | 269 | 1,20 14. Dez. M. 7,04 | 0,015 | 372 | 620 | 218 | 197 | 1,88% 1,38 4,00 | 0.08 | 345 | 4.00 | 6,01 | 325 | 1,06 e 5,76 | 0,02 | 332 | 316 | 938 | 219 | 1,51 I el { 6.00 | 002 | 860.1 Are | 688 | 343 1051 1,28 192,2 4pR 10,55 ' 0,085 | 184 | 7,850 | 688 | 79 | 1,69 1,69 (| 920 0,08 | 169 | 7,00 | 7,70 | 180 | 1,30) 19 a J| 848 | 005 | 179 | 6,60 | 9,38 | 128 | 1401,97 = 2 2 211 78,007 1 0,0B:4)= 1922212 6.16, 11,00% 1287| 1,50 | ’ 1] 11,75 | 0,035 | 240 | 9,50 |- 6,88 | 184 | 1,30 Mittel: 1,43 Der empirisch gefundene Mittelwert für das Verhältnis EB: ist 2 in der Tabelle III zu klein; bei Tabelle IV stimmt er ziemlich befriedigend mit dem theoretischen Wert überein, doch schwanken Zur Nerust’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. 599 Tabelle IV. Kondensator-Gleichstromversuch ohne Galvanometer. Datum und Kondensator Gleichstrom E Versus we |m.0| v 4:10 ]2,:10| .=, person (Volt) (M.-F.)| (Watt) | (Volt) | (Sek.) | (Watt) E | 96 | 0,04 | 1 | 70 84 | 108 I 131, ,,' a Dezziit { 30 | 006 | 192 | 676 100 | 120 1760 4 1,66 88 | 0,024] 930 | 8,00 | 25,1 | 501 | 1,86 un { 104 | 0,018 | 975 | 632 | 416 | 503 186} 186 B: i 62 1.0.02 2292 | 3187 |, a 07 sen Zu M 724 0018 | AA! 780 | 251 | 4a 158} 138 3440.04. 153 | ran so 22. „ E { 9,56. | 0,03 | 186 | 940. 385 | 75° | 1,80 \ Z Mittel: 1,66 die Einzelversuche, stärker, als man nach der Genauigkeit der Methode erwarten sollte; denn die Reizschwelle war bei einzelnen Versuchen recht genau (auf wenige Prozente der Spannung) festzustellen. Die Widerstands- und Zeitmessung dürfte äusserstenfalls ca. 10 °/o Fehler besitzen. Die Hauptschwierigkeit der Versuche beim Menschen besteht nun darin, dass subjektive Momente in Form von Variabilität der Aufmerksamkeit, Ermüdung, willkürlicher Schätzung der Schwelle und dergleichen einwirken. Zwar wurde die Gleichförmiekeit der Resultate dadurch zu erzielen gesucht, dass wir bei jedem Versuch die Er- - müdung zu vermeiden trachteten, und dass die Versuchsperson ihre Aufmerksamkeit möglichst konzentrierte, um die genaue Reizschwelle zu finden. Um aber subjektiven Fehlern nach Möglichkeit vollständig aus dem Weee zu gehen, wurden Versuche an Froschnerven aus- geführt (Rana esculenta). Versuche an Froschnerven (N. ischiadieus). Die Tiere wurden dureh Anschlagen auf den Konf getötet, zwischen Hirn und Rückenmark durchschnitten und diese beiden Teile durch eine Präpariernadel zerstört. Darauf wurde der N. ischiadieus des einen Beines blossgelest und eine Platinelektrode herumgelest. Diese bestand aus zwei Platindrähten, die am Ende hakenförmig ge- krümmt und von einer isolierenden Schutzdecke zugedeckt waren, so dass das Metall nur den Nerven berührte. Die Erregbarkeit des so präparierten Nerven nimmt in der ersten Zeit zu, bleibt dann 600 . A. Eucken und K. Miura: mehrere Stunden lang konstant, bis sie später wieder abzunehmen beeinnt. Der eigentliche Versuch wurde während dieser Konstanz vorgenommen. Durch verschiedene Maassregeln gelang es, Unregel- mässigkeiten, starke Veränderlichkeit des Widerstandes usw., hintan- zuhalten.. Wir konnten schliesslich die einzelnen Versuche selbst nach 1—2 Stunden sehr genau reproduzieren. Bei kleinen Änderungen der Reizschwelle wurde mit den Mittelwerten des ersten und letzten Versuchs gerechnet. Tabelle V. Kondensator Gleichstrom R Wider- Datum - Be stand 14 C |E.:10°| V |:-10°\ 3,-10| 7, (Volt) | (M-F.) | (Watt) |(Vold | (Sek.)| (Wat) | (Ohm) Sr | 1,08 | 006. 331 | 064 | sıs| 186 | 1, ID. Jan. { 125 | 0,04 | 813 | 075 | 2342| 195 | 161 \ {00 h 129 | .0038 | 246 | 1,00 | 56,9 | 16,7. | 1,48 De on 125 008 | 2835 | 140 | 259 | 149 | 1,58 |f Vorschalt 2835 | 0015| 330 | 100 | 8355| 245 } 2 1,76 | 0,02 | 31,0 | 125 | 580 | 26,0 |, »,5| 1500-2000 E | 1,45». 0,08. | 306 | .1,50| 420 | 2720 I Vorschalt 130 | 004 | 323 | 080 | 1238| 3,5 (| 1225| 003 | 236 | 0,85 11230 | 254 |) | 15 | 1,52 | 0,02 | 231 | 0,94 11000 | 23,4 |\,g6f1 130042000 zen. ze 0,015 | 23,8 | 1,06 | 335 | 24,6 If “ Vorschalt ıF 242° | 001 | 247 [125 | 670 | 246 |) Die Ergebnisse der Froscehversuche (Tabelle V) sprechen noch weniger eindeutig für die Theorie, nach der T — 1,71 sein sollte, 9 als die Versuche am Menschen. Einzelne Zahlen stimmen mit dem theoretischen Wert befriedigend überein; andere unter gleichen Be- dingungen ausgeführte Versuche weichen zum Teil sehr erheblich ab. Es bestand nun noch die Möglichkeit, dass die Abweichungen und Unregelmässigkeiten vielleicht infolge einer übersehenen grösseren Fehlerquelle bei der Eichung des Unterbrechers und Bestimmung des Widerstandes bedingt waren. Um uns hiervon freizumachen, schlugen wir folgenden Weg ein. Nach der Nernst’schen Theorie beträgt die Zeit zur Erreichung maximaler Konzentrationsänderung, d.h. diejenige Zeit, die bei der Kondensatorentladung für den Reiz wirksam sein sollte, !=0,855 W< C''). Stellt man nun bei einem Versuche diese wirksame Zeit experimentell fest und schliesst hieran einen Gleichstromversuch von 1) Eucken |. c. Zur N ernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. 601 gleicher Zeitdauer an, so kann man mitHilfe derobenstehenden Gleichung VO _ 1 FR 2 w ? und eliminieren; gleilchzeitic fällt C heraus, und man erhält für diesen Spezialfall V. = 1,71 V,, indem der Index c sich auf den Kondensator, 9 auf den Gleichstrom bezieht. Die Ausführung dieser Versuche erfolete derart, dass wir zu- nächst für die unabgebrochene Kondensatorentladung die Reizschwelle aufsuchten, darauf den Pendelunterbrecher in Tätigkeit setzten und bei gleicher Kapazität die Zeit so lange verkürzten, bis die Reiz- wirkung des Stromes verschwand. Wir fanden, dass die so ermittelte wirksame Zeit verhältnismässig schlecht reproduzierbar war. Die Ursache hierzu war in Folgendem zu suchen: Erhöhte man die Spannung nur sehr wenig, etwa um 1°/o oder weniger, über den Schwellenwert, so änderte sich die wirksame Zeit nicht gleichfalls um wenige Prozente, sondern nahm bedeutend stärker ab. Die Er- klärung dieses Verhaltens geht ohne weiteres aus dem folgenden Abschnitt (S. 604) hervor. Nachdem es schliesslich unter Aufwendung möglichster Sorg- falt gelang, die wirksame Zeit bei der Kondensatorentladung hinreichend genau zu ermitteln, wurde bei unveränderter : Zeit- dauer ein Gleichstromversuch eingeschaltet. Tabelle VI, Versuch 2—4 zeigt, dass die von der Theorie geforderte Beziehung V.— 1,71 V, nur an einzelnen Punkten, nicht aber allgemein erfüllt ist. Die Abweichungen laren daher keinesfalls allen an einem Fehler des Pendelunterbrechers oder der Widerstandsbestimmung. Die Hauptursache, warum die Beziehung V. — 1,71 V, nicht erfüllt war, lag offenbar an dem Nichterfülltsein der vorausgesetzten Gleichung ?—=0,855 WC. Bei variabler Kapazität sollte die wirksame Zeit für die maximale Konzentrationsänderung dieser proportional sein. Ein Blick auf die Tabelle VI (5. und 6. Reihe) zeigt indessen, dass dieses nicht zutrifft. Die wirksame Zeit ändert sich nieht proportional Ü, sondern angenähert proportional VO (5. und 7. Reihe). Bei langsamen Ent- ladungen ist die tatsächlich wirksame Zeit kürzer, als die Theorie es ver- lanst; hier könute man die Abweichung durch die zuerst von Nernst vorgeschlagene Annahme einer Art Akkommodation erklären. Schwie- riger ist es, die Abweichung bei kurzen Zeiten zu erklären; denn hier wirkt der Stromstoss länger, als der Theorie entspricht. Zunächst gilt es nun, zu entscheiden, ob die Erscheinung durch aus der für den Schwellenreiz gültigen Beziehung "1EqUOT9]BAHA ILLIISTINSIOA AOSOLP ua]yEZ U9dOpuR uap Aw JydıN (I | yeıpsıon ss = or IIT 089 7 Fall 200°0 16% Sunuuedg aooy 1oq 00001 + © 00% sel 101 68 86 | 291 100 081 YONSIHAWOSIOTN Ä #1 | 060 nos 0 ans GsI 200 9E*L -10ysuopuoy] "urfgT S GEL (10LE‘0 OF 82 2 2209] 019 900°0 (108FI YINSIHAWOISUITIN. = © 097, 108 HN 081 ce | OLL cs 10°0 0831 -107BSU9PUON = 088 8380 vo |; slaı | 8 058 300 8660 denurf ‘LT = (1 19 &0 Col Gy all sıG 200 0910 = | En = 0TG 00°6L 8.06 118 80% 0:70 YPRSIVAWOASUITOTN: 3 © 0088 09L v0 ker ar FL LEL 90.0 “cr 0 -10}USu9pUOY a — = Su ge syl 819 700 el) aenurf '9] > 06 er‘ Col Gr v'EI 16€ 20'0 -0LL'0 (>) & en 00° cr 00% E21 20002 9.) en En nation 6 82 ur pl 100 | 82T | wonsaaogesuspuoy 3 sop area 21019) woy | 06,6 06.6 06,6 gel v0,0 . £80 | Sell e ee 00° c6r EL 871 c0°0 97T — en — I em) | G10A) De led los) mem) (IN) GT0A) 01% n = IM: 6C80 01:2 01:7 : 7 uoduuy.towagg PURISIopIM = z | z a Sr or N IE = { u i E 2 = & 2 pın woAJSTIIO]ı) J0YESU9pUoy nIeT> © "TA SLI294EL : : Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. 603 eine physikalische Ursache, etwa durch eine Deformation der Strom- kurve, bedingt ist oder eine physiologische Ursache hat. Die Unter- suchung der Gestalt der Stromkurve konnte mit Hilfe der vorhandenen Versuchsanordnunge, Pendelunterbrecher mit ballistischem Galvano- meter, leicht vorgenommen werden; sie schien zunächst in der Tat auf das Vorhandensein einer wenn auch geringfügigen Deformation hinzuweisen, die auf die Anwesenheit einer Kapazität im Stromkreis schliessen liess. Als solche Kapazität konnte nur die Polarisations- kapazität der Elektroden resp. des Gewebes in Frage kommen. Der Fehler musste daher zu verkleinern sein, indem man die Versuche ‚so einrichtete, dass man eine verhältnismässig hohe Spannung be- nutzen konnte. Der Nerv wurde zu diesem Zweck, indem wir ihn mit einer die Mehrzahl der Stromlinien aufnehmenden Lösung um- gaben, unempfindlich gemacht; ausserdem wurde ein selbstinduktions- freier Vorschaltwiderstand von 10000 Ohm benutzt. Die Unter- suchung der Stromspannungskurve ergab bei dieser Anordnung einen regelmässigen innerhalb der Versuchsfehler logarithmischen Verlauf. Trotzdem ist das Ergebnis das gleiche geblieben wie bei den übrigen Versuchen (Tabelle VI, letzter Versuch). Es ist daher anzunehmen, dass auch in den Fällen, wo mit relativ, niedriger Spannung ge- arbeitet wurde, die Abweichung von der Theorie der Hauptsache nach nicht durch eine Deformation der Stromkurve bedingt war. So gewinnt es nach dem Vorhergehenden den Anschein, als ob die Nernst’sche Theorie in ihrer ursprünglichen Form — wenigstens bei den von uns. untersuchten Präparaten — in keinem Gebiet völlig exakt gelte. Zwar entsteht hierdurch noch keineswegs die Notwendig- keit, den Grundgedanken der Theorie — die Reizauslösung sei durch eine Konzentrationsänderung im Gewebe bedingt — zu bezweifeln, viel- mehr wird man zunächst eine oder vielleieht mehrere der zur Durch- führung der Theorie nötigen Hilfshypothesen zu ändern haben. Doch ist es vielleicht trotzdem von Interesse, zu untersuchen, ob man nicht unter möglichstem Verzicht auf jene Hilfshypothesen für die Richtiekeit der Gruudhypothese Beweise, wenn auch nur qualitativer Art, gewinnen kann. In der Tat bereitet es keine besondere Schwierigkeit zu zeigen, dass bei einer abgebrochenen Kondensator- 'entladung die Abhängigkeit des Schwellenreizes von der Zeit der theoretischen zeitlichen Veränderlichkeit der Konzentration einer stromdurchflossenen Zelle nahe parallel läuft. Vergleicht man die End- formeln der ursprünglichen Nernst’schen Theorie mit der modifizierten 504 A. Eucken und K. Miura: Theorie Hill’s, so zeigt sich, dass beide Theorien eine strenge Proportionalität zwischen Spannung und Konzentrationsänderung ver- langen, möge es sich um eine Konzentrationsänderung in un- mittelbarer Nähe der Membran oder: in einiger Entfernung davon handeln‘). Die Abhäneiekeit der Konzentratioasänderung von Ka- pazität, Zeitdauer und Widerstand (hierzu kommen noch einige Konstanten) ist in beiden Theorien verschieden. Es sei nun weiter nichts vorausgesetzt, als dass erstens die Reizintensität durch eine Konzentrationsänderung bedingt sei, zweitens dass die Beziehung, diese Konzentrationsänderung sei der Spannung proportional, all- gemein richtig sei. Da man durch den Schwellenreiz stets nur eine bestimmte Konzentrationsänderung feststellen kann, lässt sich letztere Beziehung nicht experimentell prüfen. Durch den Versuch kann man durch Aufsuchen der Reizschwelle die Abhängigkeit von Spannung und Zeitdauer bei konstanter Kapazität und daher: wegen der Proportionalität zwischen Spannung und Konzentrationsänderung die Abhängigkeit der Konzentrationsänderung von der Zeit, d.h. den zeitlichen Verlauf der wirksamen Konzentrationsänderung ermitteln. Dieser zeitliche Verlauf ist für eine Konzentration in unmittelbarer Nähe der Elektrode berechnet worden?). Da es nun sehr wahr- scheinlich ist, dass in nicht allzu grosser Entfernung von der Mem- bran und für nieht allzu kurze Zeiten diese Funktion (die Kon- zentrationswelle) der in unmittelbarer Nähe der Membran sehr ähnlich ist, kann man umgekehrt in einer etwa beobachteten Ähnlichkeit jener Funktion mit der theoretischen eine Bestätigung der zugrunde liegenden Voraussetzungen erblicken. Der Anschaulichkeit wegen ist jene Funktion (zeitliche Abhängig- keit der Konzentrationsänderung durch eine Kondensatorentladung) bei variabler Spannung in Fig. 1 wiedergegeben. Die einzelnen Kurven unterscheiden sich voneinander nur durch die Höhe der Ördinaten; die Gerade AA sei die wirksame Konzentrationsänderung, die den ersten Reiz auslöst; die Punkte des Schwellenreizes sind dann die durch die Kreuze bezeichneten. 1) Hier tritt hauptsächlich die von Keith Lucas und Hill eingeführte Modifikation der Theorie hervor, nach der eine Konzentrationsänderung nicht in unmittelbarer Nähe der Membran, sondern irgendwo im Innern der Zelle für die Reizauslösung maassgebend ist. 2) Vgl. H. H. Bunzel, Ann. d. Phys. Bd. 27 S. 445. 1908. Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen N ervenreizung, 605 Durch das Experiment findet man umgekehrt diese Punkte; infolge der vorausgesetzten Proportionalität zwischen Spannung und Fig. 1. V- 0,90 V- 0,80 V-o,11 V-o,15Volt. Fig. 2. Konzentrationsänderung kann man nun die Ördinaten der ver- schiedenen Kurven auf eine Kurve umrechnen. Dieses ist in Fig. 2 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 40 606 A. Eucken und K. Miura: durchgeführt; die ihr zugrunde liegenden Zahlen sind nebst einer zweiten Versuchsreihe in Tab. VII angegeben. Die gestrichelte Kurve stellt den theoretischen Verlauf der Kurve (in unmittelbarer Nähe der Membran) dar. Die qualitative Übereinstimmung beider Kurven, namentlich die Ähnlichkeit des stark abgeflachten Maximums, ist so gut, als man erwarten kann. Tabelle VII. Abgebrochene Kondensatorentladung. (© konstant, V und t variiert. 16. Januar. t-10° Sec. | O (M.-F.) V (Volt) t- 105 Sec. | C (M.-F.) V (Volt) 11,10 0,02 0,75 2,67 0,04 0,55 7,70 0,02 0,77 9,00 0,04 0,565 9,95 0,02 0,80 7,35 0,04 0,585 4,01 0,02 0,85 5,50 0,04 0,620 310 0,08% 0,90 4,01 0,04 0,650 11.100200 0,75 5,35 0,04 0,620 6,87 0,04 0,585 9,39 0,04 0,565 2,67 0,04 0,550 Schlussfolgerungen. Überblickt man die Ergebnisse der vorliegenden Versuche, die aus äusseren Gründen leider nur zu einem vorläufigen Abschluss geführt werden konnten, so ereibt sich folgendes: Die Beobachtungen am Menschen bestätigen im allgemeinen die Nernst’sche Theorie, doch sind die Abweichungen einzelner Ver- suche auffallend gross, so dass sie schwerlich allein durch Versuchs- fehler erklärt werden können. Die Ergebnisse an den Froschversuchen lassen sich indessen nieht mit der Nernst’schen Theorie in ihrer ursprünglichen Form in Einklang bringen. Zwar bedarf die Grundlage der Theorie — der elektrische Reiz sei durch eine Konzentrationsänderung in der Zelle bedingt — keiner Änderung; einige Versuche, die wir mit abgebrochenen Kondensatorentladungen anstellten, weisen deutlich auf einen Parallelismus zwischen Reiz und theoretischer Konzentrationsänderung hin. Doch scheinen an einer der weiteren Voraussetzungen der Nernst’schen Theorie irgendwelche Änderungen erforderlich. Es dürfte einige Schwierigkeiten be- reiten, zu finden, an welcher Stelle diese Änderungen anzubringen Zur Nernst’schen Theorie der elektrischen Nervenreizung. 607 sind, da es infolge der zunehmenden Kompliziertheit der Formeln immer mühsamer wird, die Versuchsresultate eindeutig zu beurteilen. Man wird nun annehmen dürfen — auch in dem Falle, dass die ursprüngliche Nernst’sche Theorie in keinem Gebiete völlig exakt gilt —, dass die Abweichungen von ihr bei kurzen und bei langen Stromstössen durch qualitativ verschiedene Ursachen bedingt sei, Was zunächst die kurzen Stromstösse anlangt, so erscheint es denkbar, dass die der Theorie zugrunde liegende Differentialgleichung: d d? = = /T — nicht mehr exakt erfüllt ist. Auch hier besteht wiederum die Möglichkeit verschiedener Annahmen. An dieser Stelle sei nur auf ein Beispiel hingewiesen: Für eine Zelle Hg | H,SO,(e,) + H,SO,(e,) | Hg (Kapillarelektrometer) lautet jene Differentialgleichung in ihrer allgemeinen Form !): de, d?c, a nk dx’ indem 2 die Stromdichte, A eine Funktion der Wanderungsgeschwindig- keiten, der Konzentrationen und der Konzentrationsgefälle der Ionen bedeutet. Wie ersichtlich, würde in diesem Falle für kurze Strom- stösse (hohe Stromdichte) das erste Glied der ersten Seite mehr ins Gewicht fallen als für längere Stromstösse (geringe Stromdichte). Eine weitere Möglichkeit, die Abweichungen bei kurzen Strom- stössen zu erklären, besteht in der von Lapique und Keith Lucas (vgl. auch insbesondere Hill [l. e]) eingeführten Hypothese, die Stelle an der der Reiz ausgelöst wird, läge nicht in unmittel- barer Nähe, sondern in einiger Entfernung von der Membran. Diese Anschauung bietet in der Tat mancherlei Vorteile; sie liesse sich z. B. gut mit unserer Beobachtung in Einklang bringen, dass der Stromstoss bei der Kondensatorentladung länger wirksam ist, als es zur Erzeugung der maximalen Konzentrationsänderung an der Mem- bran nötig ist; die längere Wirksamkeit würde dadurch zu erklären sein, dass die Welle der maximalen Konzentrationsänderung im Innern der Zelle später auftritt als in unmittelbarer Nähe der Membran. Um die Abweichungen von der Nernst’schen Theorie bei langen Stromstössen zu erklären, ergänzen Keith Lucas und Hill dieselbe, indem sie die Zellwände nicht wie Nernst praktisch un- 1. E. Neumann, Wied. Ann. Bd. 67 S. 500. 1899. 608 A. Eucken und K. Miura: Zur Nernst’schen Theorie etc. endlich weit voneinander entfernt ansehen, sondern mit einer end- lichen Distanz rechnen. Sie erreichen hierdurch, dass ein hinreichend schwacher Strom die Zelle stationär durchfliessen kann, ohne über eine gewisse Grenze hinaus die Konzentrationen zu ändern (es handelt sich hier um die in der Elektrochemie als Reststrom be- kannte Erscheinung), so dass daher von derartigen Strömen unter Umständen kein. Reiz mehr ausgelöst wird. So einleuchtend und be- friedigend diese rein elektrochemische Deutung des sog. „Einschleichens in Kette“ ist — auch die quantitative Wiedergabe einer Anzahl von Versuchsresultaten ist befriedigend —, so scheint die Auffassung doch nicht sämtlichen Tatsachen zerecht zu werden, denn sie ist nicht imstande — wenigstens nieht ohne weitere Zusatzhypothesen —, die sog. Öffnungserregung zu erklären. Gerade hierdurch sah sich Nernst zur Annahme des Einflusses einer Art Akkomodation des Nerven veranlasst. Übrigens ist es wenig überraschend, dass die bei zahlreichen biologischen Prozessen zu beobachtenden Anpassungs- erscheinungen auch bei der Reizung der Zelle eine Rolle spielen. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E.) Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. IL, Versuche an Fröschen und Kröten. Von Martin Gildemeister. (Mit 12 Textfiguren.) Ausgangspunkt der Untersuchung. Versuche von Fick und von Schott. Seit beinahe 70 Jahren ist eine unübersehbare Fülle von Arbeiten der Frage ‚gewidmet, durch welche Gesetze die Reaktion tierischer irritabler Substanzen mit dem elektrischen Reiz verknüpft sei. Ehe man hierauf zu antworten versucht, kann man eine wichtige Vorfrage aufwerfen: Ist es nach den Tatsachen, die schon bekannt sind, nicht von vornherein aussichtslos, nach allgemeinen Gesetzen zu suchen? Besteht einige Wahrscheinlichkeit dafür, dass es Gesetze gibt, die für alle (oder wenigstens sehr viele) irritable Substanzen gültig sind, oder muss man z. B. bei den rasch reagierenden prin- zipiell andere Eigenschaften vermuten als bei den langsamen ? Bekanntlich stehen viele Autoren auf dem zweiten Standpunkte. Und in der Tat scheint es sich um prinzipielle Unterschiede zu handeln, wenn A. Fick!) angibt, „dass in demselben Stromkreise, der die sekundäre Spirale eines gewöhnlichen (Schlitten-) Induktions- apparates schliesst, ein Froschmuskel in heftigem Tetanus begriffen ist, während der Muschelmuskel keine Spur von Erregung zeigt. Umgekehrt“ (d. h. bei Reizung mit konstantem Strom) „haben wir früher gesehen, dass man im selben Stromkreise einen Muschel- muskel zur enereischsten Zusammenziehung bringen kann, während 1) A. Fick, Beiträge zur vergleichenden Physiologie der irritablen Sub- stanzen. Ges. Schriften Bd. 3 S. 51. Braunschweig. 1863. 610 Martin Gildemeister: ein darin aufsenommener Froschmuskel sich nieht regt.“ Ähnlich scheint es mit den von Schott!) erhobenen Befunden zu stehen, dass sich nämlich die flinken Frosehmuskeln (bei mittleren Reiz- stärken) stärker auf einen Momentanreiz als auf einen Zeitreiz zu- sammenziehen, während die trägen Krötenmuskeln sich umgekehrt verhalten. Ob ein Reiz wirksamer ist, als ein anderer, scheint also nicht allein von diesem selbst, sondern auch vom gereizten Objekt abzuhängen. Wenn das wirklich so ist, so stehen der Entdeekuns allgemeiner Reizgesetze sehr grosse Schwierigkeiten im Wese. Die Frage scheint mir von grosser theoretischer Wichtigkeit zu sein. Deshalb habe ich zunächst, da Kröten leicht zu beschaffen sind, die von Schott gefundenen Tatsachen nachgeprüft. Über Versuche, welche die Fieck’sche Beobachtung betreffen, hoffe ich demnächst berichten zu können. Wie ich gleich hier sagen will, kann ich das rein Tatsächliche der Schott’schen Angaben bestätigen. Die genauere Analyse zeigte aber, dass sich Unterschiede zwischen Frosch und Kröte nur unter bestimmten Bedingungen zeigen, und dass sie nur quantitativer, nieht qualitativer Natur sind, so dass das Bestehen allgemeiner Reiz- gesetze dadurch nicht in Frage gestellt wird. Hier will ich meine Untersuchungen nur so weit referieren, wie zur Aufklärung der fraglichen Punkte nötig ist; die genauere Be- sprechung der Eigenschaften, die den Frosch- und Krötenmuskeln (und noch anderen irritablen Organen verschiedener Tiere) gemein- sam sind, behalte ich mir für die Begründung einiger von mir früher ?) ausgesprochener allgemeiner Reizgesetze vor. Vereinfachung der Fragestellung. Beide Autoren, Fick und Schott, untersuchen in derselben Versuchsreihe zwei verschiedene Objekte — der eine die Muschel und den Frosch, der andere den Frosch und die Kröte — mit zwei verschiedenen Reizarten. Da- durch wird die Fragestellung recht kompliziert; es empfiehlt sich daher, jedesmal nur ein einziges Objekt ins Auge zu fassen und an diesem die Wirksamkeit verschiedener Reize miteinander zu 1) Schott, Pflüger’s Arch. Bd. 48 S. 354. 2) M. Gildemeister, Das allgemeine Gesetz des elektrischen Reizes. Dieses Arch. Bd. 131 S. 199. Ferner: Vortrag auf dem internat. Physiologen- kongress Wien 1910, referiert Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 S. 793. Siche auch Münchener med. Wochenschr. Nr. 21, 23. Mai 1911. Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. I. 611 vergleichen. Man erhält dann interessante Resultate, die über die aufgeworfene Frage hinreichend Licht verbreiten. Je nach der Methode, die man bei der Untersuchung befolgt, scheint bald der eine, bald der andere Reiz der wirksamere zu sein. Die Methode der Schwellenreize.. Der Einfachheit wegen werde ein bestimmtes Beispiel gewählt, etwa ein Nervmuskel- präparat der Kröte, das durch Öffnungs- und Schlies- sungsinduktionsströme gereizt wird!). Sucht man hier nach den üblichen Methoden die Schwellenreize auf, so ergibt sich, wie bei allen Objekten, die bis jetzt untersucht worden sind, für den Öffnungsschlag ein grösserer Rollenabstand, also eine kleinere Elektrizitätsmenge, als für den Schliessungsschlag.. Nach dieser Methode geprüft ist also beim indirekt gereizten Krötenmuskel der Öffnungsschlag der wirksamere Reiz. Die Methode der gleichen Zuckungen; sie ergibt keine ein- deutigen Resultate. Anstatt die Reizschwellen zu ermitteln, könnte man sich die Aufgabe stellen, diejenigen Reize aufzusuchen, welehe gleichhohe, aber überminimale Zuekungen hervorrufen. Man wird dann denjenigen Reiz für den wirksameren erklären müssen, der ceteris paribus dazu den grösseren Rollenabstand be- nötigt. Diese Methode führt zu merkwürdigen Konsequenzen. Je nach der Grösse der verlangten Zuckungen erweist sich nämlich bald der Öffnungs-, bald der Schliessungsschlag als der wirksamere. Be- sonders gut sieht man diese Erscheinungen, wenn der Verlauf des. Schliessungssehlages durch besondere Maassnahmen noch verlangsamt wird. Die schematische Figur 1 wird diese Verhältnisse erläutern. Ein Ischiadieus-Gastroenemius-Präparat ist bei verschiedenen Rollen- abständen (das sind die Abszissen der Figur) mit Öffnungs- und Schliessungsschlägen gereizt, und die Zuckungshöhen sind als Ordi- naten aufgetragen. Die Figur zeigt der Übersichtlichkeit wegen nicht die einzelnen Zuekungsstriche, sondern nur die Verbindungs- linien ihrer Gipfel, dünn — Scehliessung, dick — Öffnung. Die Rollenabstände nehmen nach rechts hin zu. 1) Bei allen Versuchen dieser Arbeit wurden absteigende Reizströme be- nutzt. Die Technik war die übliche (unpolarisierbare Elektroden, feuchte Kammer). Temperatur 9—14° C., Belastung durch lange Feder von 40-70 g Spannung, so dass die Zuckungen annähernd isotonisch waren. 612 Martin Gildemeister: Der linke Teil der Figur zeigt, dass die grössten Zuckungen des (verlangsamten) Schliessungsschlages diejenigen des Öffnungsreizes an Höhe übertreffen. Gleich hier will ich bemerken, dass dieser Grössenunterschied der grössten Zuckungen anscheinend sehr vom Zustande des Präparats abhängt; er ist wenig oder gar nicht aus- geprägt, wenn das Präparat zu einem sehr lange dauernden Versuch benutzt ist, oder wenn es vor dem Versuche längere Zeit in Locke- scher Lösung aufbewahrt ist. Ebenso ist es, wenn das Versuchstier sich in schlechteın Zustande befindet. _Schl. öffn. Rollen -Abstände Fig. 1. Schematische Darstellung der Zuckungshöhen (Ordinaten) eines indirekt gereizten Krötenmuskels auf Öffnungs- und Schliessungsinduktionsschläge. Die Abszissen sind Rollenabstände, von links nach rechts zunehmend. Rollenabstand bei Offnungszuckung von der Grösse a grösser als bei Schliessungs- zuckung a; aber bei Schliessungszuckung c grösser als bei Offnungs- zuckung c, deshalb im ersten Falle Öffnung anscheinend wirksamer als Schliessung, im zweiten umgekehrt. Der rechte Teil der Figur zeigt, dass, wie schon erwähnt, auch bei der Kröte die Öffnung als Schwellenreiz schon bei ‚grösserem Rollenabstande wirkt als die Schliessung. Der Unterschied zwischen beiden Reizen, gemessen in Rollenabständen, ist nicht ganz so gross wie unter gleichen Umständen beim Frosch; auch Schott hat diese Tatsache beobachtet und drückt das so aus: Der Öffnungsstrom ist bei der Kröte relativ weniger wirksam als der Schliessungsstrom. Diese Formulierung hat zu Missverständnissen Anlass gegeben; in manchen Hand- und Lehrbüchern ist die Schott’sche Angabe ohne das Wort „relativ“ zitiert, wodurch offenbar ein ganz anderer, den Tatsachen nicht entsprechender Sinn entsteht. Der mittlere Teil der Figur weist eine Kreuzung der Öffnungs- und Schliessungsgipfellinien auf. Daraus ergibt sich folgendes: Den Zuckungen von sehr geringer Höhe, z. B. gleich a, entspricht der erössere Rollenabstand beim Öffnungsreiz; bei Zuckungen von be- trächtlicher Höhe, z. B. gleich c, ist es umgekehrt; und bei einer Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. 1. 613 ganz bestimmten Zuckungshöhe 5 sind die Rollenabstände gleich. Schott hat seine Untersuchung anscheinend auf die grossen Zuckungen in der Nähe von c beschränkt; da- durch erklärt sich seine oben (8. 610) erwähnte Angabe. Aus diesen Betrachtungen folgt, dass die Zuckungshöhe allein sich nicht dazu eignet, die Wirksamkeit mehrerer Reize zu charak- terisieren. Versuche über Momentan- und Zeitreize an Krötengastro- enemien. A. Induktionsströme. Ich habe schon erwähnt, dass man die geschilderten Erscheinungen am besten sieht, wenn man sehr lanesam verlaufende Schliessungsströme benutzt. Das erzielt man anı einfachsten, wenn man ein Induktorium aus zwei sekundären windungsreichen Rollen und eiuem Eisenkern (ich benutzte einen solchen aus Blumendraht, von 750 @ Gewicht) zusammenstellt. Die eine derselben dient als primäre Spirale. Die Rollen können dann natürlich nicht übereinander geschoben werden; Rollenabstand Null bedeutet vielmehr in den folgenden Versuchen Berührung der Spiralen. Aus theoretischen Gründen wurde der Kern bei der Ver- schiebung, entgecen der üblichen Reizmethodik, mit der sekundären Spirale mitbewegt. (Dadurch behält die letztere immer denselben Selbstinduktionskoeffizienten). Geschlossen und geöffnet wurde der Strom durch einen Platinschlüssel. Wenn man an einem solehen das eine Kontaktstück auf unvollkommen elastischem Material (Kork, Leder) anbringt und die Schliessung nur mässig schnell, aber mit einer gewissen Kraftanwendung vornimmt, so ist sie viel zuverlässiger als mit einem Quecksilberschüssel. (Selbst ein ausgeglühter Platin- draht in reines Quecksilber einzetaucht, gibt bei hoher Spannung, besonders wenn eine grössere Selbstinduktion im Kreise ist, manch- mal Schliessungsfunken, ein Zeichen dafür, dass der Strom bald nach dem Eintauchen noch einmal geöffnet wird. Solche Störungen ver- raten sich auch durch abnorm hohe Zuckungen; bei dem benutzten Schlüssel waren sie ausgeschlossen.) Fig. 2 zeigt einen solchen Versuch mit dem oben be- schriebenen Induktorium. Die Zahlen bedeuten Rollenabstände in Zentimetern; die dünnen Striche sind Schliessungszuckungen, während die dieken den Öffnungsreizen entsprechen. Ich gebe hier nicht die Originalkurven, sondern in den Grössenverhältnissen treue Kopien, weil die beiden Zuckungsgruppen ohne eine solche Hervorhebung 614 Martin Gildemeister: durch verschieden dicke Striche kein übersiehtliches Bild dar- bieten würden. Auch wenn man ein gewöhnliches Schlitteninduktorium mit Eisen- kern anwendet, dessen Schliessungsschläge nur mässig schnell ver- laufen, sieht man bei guten Präparaten dieselben Erscheinungen. Fig. 3 zeigt einen solchen Versuch, der dem in Fig. 2 abgebildeten sehr ähnlich verläuft. Beide Versuche bedürfen wohl keines Kommen- tars, da sie durch die schematische Fig. 1 hinreichend erläutert sind. Fig. 2. : Zuckungen eines Krötenmuskels. Indirekte Reizung durch Offnungs- (dick) und Schliessungs- (dünn)Induktionsschläge. Induktorium aus zwei Spiralen von je 0,5 Henry und 100 Ohm (abgerundet) zusammengestellt. Eisenkern von 750 g Gewicht. Die Zahlen sind Abstände der Spiralen in Zentimetern. Im primären Kreise 2 Volt. Es ergeben bei kleinem Rollenabstande die langsamen, bei grossem die schnellen Reize die höhere Zuckung. Ströme immer absteigend. naez vg A mo Ssrosrserssrzaäaälnigee Fig. 3. Versuch wie Fig. 2, aber gewöhnliches Induktorinm mit Eisenkern. Er- klärung siehe Fig. 1 und 2. B. Kondensatorentladungen. Bekanntlich ist der Verlauf von Kondensatorentladuneen leicht aus den physikalischen Konstanten des Entladungskreises zu berechnen, während die Form der In- duktionsströme (wenigstens derjenigen, die durch Schliessung ent- stehen) viel schwerer zu übersehen ist. Deshalb benutzte ich im weiteren Verlauf der Untersuehung mehrfach die besagte Reizart. Rasch verlaufende Entladungen, die physiologisch ebenso wie Öffnungsinduktionsströme wirken, erhält man dadurch, dass man einen vorher mit einer gewissen Ladung versehenen Kondensator sich durch einen induktionsfreien Widerstand entladen lässt. Die Methode ist schon so oft angewendet worden, dass sie als bekannt vorausgesetzt werden kann. Ich möchte nur bemerken, dass ich die Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. I. 615 Entladung, wie es im Hermann’schen Laboratorium üblich ist, immer ohne Wippe, durch Öffnung!) (nicht Schliessung) eines Sehlüssels vornahm (s. weiter unten), und dass ich parallel zum gereizten Objekt immer eine Nebenschliessung von relativ kleinem Betrage legte. Dadurch wird der Entladungswiderstand, der die Stromform beeinflusst, unabhängige vom Widerstande des Objektes. Durch einen von Lapieque?) angegebenen Kunstgriff kann man auch Stromformen erhalten, die den Induktionsschliessungs- schlägen ähnlich sind. Man hat dann noch einen zweiten Konden- sator einzuschalten, der die von dem ersten abströmende Elektrizität vorübergehend aufnimmt und dadurch den Stromanstiez im Prä- paratenkreise verzögert. Das Nähere ist aus dem Schaltungsschema (Fig. 4) ersichtlich. Schaltet mau aber den Kondensator X, durch Lösung der Verbindungen nach den Enden von W, aus, so erhält man eine gewöhnliche, steil beginnende Entladung. Wenn weiter nichts an der Schaltung geändert wird, weder die Anzahl der Elemente noch die Widerstände, so bleibt die Elektrizitätsmenge, die durch das Präparat fliesst, in beiden Fällen die gleiche; ‚die beiden Stromstösse unterscheiden sich, wie Öffnungs- und Schliessungs- schlag eines Induktoriums bei demselben Rollenabstande, nur durch die Form. Die Konstanten waren bei der Lapıeque’schen Methode so gewählt (X, und X, je 2 Mikrofarad, W, und W, je 10000 Ohm), dass der Strom in 0,017 Sekunden sein Maximum erreichte. Näheres ist aus der Anmerkung?) zu ersehen. 1) Das ist offenbar vorteilhaft. Denn eine Stromöffnung kann ohne jede Schwierigkeit in einwandfreier Weise vorgenommen werden; dagegen bedarf es ganz besonderer Hilfsmittel, um einen Strom ohne Klirren zu schliessen. Ferner entsteht bei der obigen Methode kein Elektrizitätsverlust, falls etwa der Kon- densator nicht vollständig isolieren sollte. 2) L. Lapieque, Compt. rend. de la soc. biol. t. 64 p. 336. 3) Der Verlauf einer Kondensatorentladung bei der Lapicque’schen Schaltung ist aus den.Kirchhoff’schen Sätzen leicht zu berechnen. Hier interessieren nur die Resultate. Besonders einfach ist es, wenn, wie im vor- liegenden Fall, die Widerstände W, und W, und ebenso die Kondensatoren X, und X, gleiche Grösse haben, und wenn ausserdem der Widerstand des Neben- kreises durch N, also des Nerven, beträchtlich die anderen Widerstände über- wiegt. Im letzteren Falle steht nämlich der Reizstrom durch N zu demjenigen, der durch den Widerstand W, fliesst, in dem Verhältnis w/N, wobei w den Wider- stand zwischen den beiden Punkten bedeutet, von denen zum Nerven abgezweigt 616 Martin Gildemeister: Die Versuche verliefen in folgender Weise: Die Kapazität der Kondensatoren X, und X, blieb während der ganzen Versuchsreihe konstant, ebenso der Betrag der Widerstände W, und W,. Die Intensität der Reize wurde allein durch die Verschiebung des Gleit- kontaktes bei @ variiert. a) Rasche Entladung. Der Kon- Fig. 4 Vorrichtung, um das tierische Präparat mit Kondensatorentladungen verschiedenen Verlaufs zu reizen. F# Elemente, S Platinschlüssel, W, und W; Widerstände (gewöhnlich je 10000 Ohm), X, und X, Kondensatoren (je 2 Mikro- farad), @ Gleitkontakt auf dem Widerstand Ws, N Nerv. — Wenn jetzt $ ge- öffnet wird, entladet sich der Kondensator A, durch W, hindurch relativ langsam ; ist vorher ÄK, entfernt worden, so erfolgt dieselbe Entladung rasch. densator X, wird nicht eingeschaltet. Durch Schliessung von $ lädt sich X, (auf dem Wege über W’,) auf die zwischen den Enden von ist. Es wird dann durch Verschiebung des Gleitdrahtes @ nur die Strom- intensität geändert, während die Stromform dieselbe bleibt. — Der Strom, welcher durch den Widerstand W; fliesst, verläuft nach der Formel i— 0,447 07 (- —e ): worin i die Stromstärke in Ampere, P, die Anfangsspannung des Konden- sators Ä,) in Volt, C die Kapazität von A, und A, in Farad, W den Widerstand von W, und W,; in Ohm, t die Zeit in Sekunden und e die Basis der natürlichen Logarithmen bedeute. Der Strom beginnt mit Null, er- reicht sein Maximum in der Zeit $% = 0,86 WC und fällt dann relativ lang- sam ab. Setzt man in die letzte Gleichung die Werte W — 10000 Ohm, — 2/1000000 Farad, so erhält man für % den im Text angegebenen Wert. — Wird jetzt der Kondensator Ä, ausgeschaltet, so verläuft die Entladung nach der - P, oW Gleichung ? — 0,5 w‘ Der Strom steigt jetzt in unmessbar kurzer Zeit auf sein Maximum, um dann allmählich abzufallen. Die Elektrizitätsmenge, welche durch W; fliesst, ist in beiden Fällen gleich P,C. Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. ]. 617 W, bestehende Spannungsdifferenz. Dieser Ladungsstrom wird dureh einen auf dem Schema nicht gezeichneten Schlüssel vom Präparat abgeblendet. Nachdem X, seine volle Ladung erhalten hat, d. h. nach sehr kurzer Zeit, ist dieser Weg wieder stromlos. Wird jetzt S geöffnet, so entladet sich X,, da jetzt keine Spannungsdifferenz ‚zwischen den Enden von W, mehr besteht, und sendet einen Strom- zweig durch N, der eine Zuckung hervorruft. b) Langsame Ent- ladung. Nun wird der Versuch wiederholt, nachdem die Ver- bindungen zu beiden Belegen von K, hergestellt sind; die Ent- ladung ist jetzt verzögert (es entsteht ein Zeitreiz, während die erste Entladung ein Momentanreiz war), und in der Reaktion des Muskels tritt im allgemeinen eine Änderung ein. Nun wird der Fig. 5. Zuckungen eines indirekt gereizten Krötenmuskels. Die Reizströme (Y) sind rasche (dick) und langsame (dünn) Kondensatorentladungen. Die Zahlen sind den jedesmal in Bewegung gesetzten Elektrizitätsmengen proportional. Links dünn höher als dick, rechts umgekehrt. Gleitkontakt @ verschoben, wodurch sich der Stromanteil ändert, der durch das Präparat fliesst; es folgen wieder ein Momentan- und ein Zeitreiz, usw. Entsprechend der gleichen Quantität wirken die beiden Reize auf ein Galvanometer selbstverständlich vollständig gleichartig. Die physiologische Wirkung ist aber verschieden; sie entspricht genau derjenigen der Induktionsströme, von der im vorigen Abschnitt die Rede gewesen ist. Zur Veranschaulichung kann Fig. 5 dienen. Auch hier sind die „Zeitzuckungen“ bei starken Reizen grösser, bei schwachen kleiner als die „Momentanzuckungen‘“. C. Zeit- und Momentanschliessungen. Bei den vorigen Ver- suchen handelte es sich um flüchtige elektrische Reize. Ich habe weiter die Wirkung länger dauernder konstanter Ströme, die ihre definitive Höhe teils plötzlich, teils allmählich erreichen, unter- sucht. Auch hier zeigten sich die gleichen Erscheinungen, wie sie in den vorigen Abschnitten beschrieben sind. 618 Martin Gildemeister: Um die Stromentwicklung zu verzögern, benutzte ich, wie schon in einer früheren Arbeit!), eine Spirale, deren Selbstinduktion durch Eisenkerne verschiedener Grösse verändert werden konnte. Die Schaltung ist aus Fig. 6 zu ersehen. E ist die Stromquelle, Sp die Spirale (die sekundäre eines gewöhnlichen Schlitteninduktoriums, Widerstand 93 Ohm, Selbstpotential ohne Eisenkern 0,5 Henry), W induktionsfreier Widerstand von 93 Ohm, der durch die Wippe ohne Kreuz K an Stelle von Sp in den Stromverlauf eingeschaltet werden konnte. Rh Rheostat, G Draht von 50 Ohm Widerstand mit Gleitkontakt, N Präparat. Nach den Induktionsgesetzen steigt der Strom im Hauptkreise und auch in der Abzweigung durch N Fig. 6. Schaltung, um Zeitschliessungen hervorzubringen. E Elemente, 5 Platin- schlüssel, Rh Rheostat, @ Widerstandsdraht von 50 Ohm mit Gleitkontakt, N Nerv, Sp Spirale (93 Ohm, 0,5—2,5 Henry), w Widerstand von 93 Ohm, K Umschalter. momentan an, wenn keine Selbstinduktion im Kreise ist. Dieser Bedingung geschieht hinreichend Genüge, wenn die Wippe nach links liegt, so dass w anstatt von Sp im Kreise ist. Liegt X dagezen nach rechts, so verzögert die Selbstinduktion der Spirale den Anstieg des Stromes; letzterer steigt derartig an, dass er die Hälfte seiner Endintensität in der Zeit 9—0,69:L/w erreicht, wo ZL das Selbst- potential und w der Gesamtwiderstand (also Spirale+ Rheostat-+ Gleit- draht) des Kreises ist. In meinen Versuchen war dieser Wider- stand meistens 143 Ohm (d. h. der Rheostat war auf Null gestöpselt); die Spirale hatte ohne Kern 0,5 Henry, mit Drahtkern von 250 g 1) M. Gildemeister, dieses Arch. Bd. 101 3. 203. Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. I, 619 Gewicht 1,7 Henry, mit Drahtkern von 750 & 5,5 Henry Selbst- potential. Die halbe Intensität wurde also in 0,0024, 0,0082 oder 0,0265 Sekunden erreicht. Fig. 7 zeigt einen solchen Versuch mit grösstem Eisenkern, bei dem die Intensität allmählich gesteißert wurde. Die Reizintensität ist durch die jedesmal im stationären Zustand an den Elektroden herrschende Spannungsdifferenz (in willkürlichen Einheiten) charak- terisiert. Die dieken Striche bedeuten wieder Zeit-, die dünnen- Momentanreize. Auch hier sind letztere bei grossen Intensitäten den ersteren überlegen. Ich möchte ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die Schwelle wieder hier bei der Kröte, wie bei allen Fig. 7. Zuckungen eines Krötenmuskels, der durch Zeit- und Momentanreize indirekt gereizt ist. Zeitreiz: Schliessung eines logarithmisch ansteigenden Stromes (dünne Striche); Momentanreiz: plötzliche Stromschliessung (dicke Striche). Die Zahlen sind den im stationären Zustand an den Elektroden herrschenden Spannungen proportional. Auch hier überwiegen bei sehr starkem Reiz die Zeitzuckungen. Absteigender Strom. anderen Tieren, für den Momentanreiz viel niedriger liegt. Der v. Kries’sche Reizungsdivisor (Verhältnis der Schwellenreiz- stärken) beträgt hier, wie man sieht, ®’/ıio — 3,5. Versuche mit Induktionsströmen, Kondensatorentladungen und Dauerschliessungen am Frosche. Die bis hierher beschriebenen Versuche beziehen sich- alle auf den Krötenmuskel. Um festzustellen, worin der scheinbare Unterschied begründet liegt, habe ich dieselben Methoden auf den Froschmuskel (Gastroenemius) angewandt. Die Figuren S—11 veranschaulichen die Ergebnisse. Man sieht, dass keine prinzipiellen Unterschiede im Ver- gleich zum Krötennuskel vorhanden sind. Auch hier veranlassen starke Zeitreize höhere Zuckungen als Momentanreize. Eine kleine Differenz, die in den Figuren naturgemäss nicht zum Ausdruck kommt, ist. doch vorhanden: Soll ein Froschmuskel sich auf einen Zeitreiz stärker verkürzen als auf den zugehörigen Momentanreiz, so muss jener ganz besonders. verlangsamt sein. Mit einem gewöhnlichen 620 Martin Gildemeister: Induktorium ist die Erscheinung nur in Ausnahmefällen und auch da nur ganz vorübergehend hervorzurufen, so dass es nicht ver- x N 20 D SELECT . { sie olels ao slslals Fig. 8. . Versuch am Froschmuskel. Methodik zsieise es Ss 233 wie Fig. 2 (Öffnungs- und sehr verlangsamter zsanssharne Schliessungsschlag). Bei >< Eisenkern ent- fernt, so dass der Schliessungsschlag nur mässig Fig. 9. Zuckungen eines Frosch- langsam verläuft. Die Zahlen bedeuten Rollen- muskels. Methodik wie Fig. 5 abstände in Zentimetern (s. Fig. 2). (Kondensatorentladungen). Fig. 10. Froschmuskel. Methodik wie Fig. 9 und 5 (Kondensatorentladungen). Fig. 11. Froschmuskel, indirekt gereizt durch plötzliche (dick) und allmähliche (dünn) Stromschliessungen. Methodik wie Fig. 7. Jeder Versuch einmal wieder- holt. Bei 100 Vermehrung der Stromsteilheit durch Einschaltung eines Wider- AR: standes von 100 Ohm in den Hauptkreis. wunderlich ist, wenn Schott davon nichts bemerkte und einen prinzipiellen Unterschied zwischen Frosch und Kröte feststellen zu können glaubte. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich hierher gehörige Beobachtungen schon früher beschrieben habe. In der Zusammen- fassung meiner Arbeit: „Untersuchungen über indirekte Muskel- Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. 1. 621 erregung und Bemerkungen zur Theorie derselben“ (Pflüger’s Archiv Bd. 101 S. 216) heisst es: Bei grossen Stromstärken wirken logarithmisch ansteigende Ströme (bei Fröschen) stärker als Momentan- sehliessungen gleicher Intensität. Nach den hier mitgeteilten Er- fahrungen ist es nicht nötig, diese Aussage auf eine bestimmte Strom- form und auf den Frosch zu beschränken. Frequente Reize verschiedener Form. Darüber habe ich keine Versuche angestellt, weil der Tetanus selbst unter einfachsten Versuchsbedingungen dem Verständnis Schwierigkeiten darbietet. Deshalb habe ich kein Urteil darüber, ob nicht vielleicht auf diesem Gebiete tiefgreifende Unterschiede zwischen meinen beiden Versuchs- tieren bestehen. Nach meiner Meinung lässt man so komplizierte Versuchsbedingungen bei der Aufstellung allgemeiner Reizgesetze vorläufig besser ausser Betrachtung. Eine abweichende Beobachtung. Unter den vielen Versuchen, die im Verlaufe dieser Arbeit angestellt wurden, bin ich öfters auf Präparate gestossen, die keinerlei Unterschied zwischen Zeit- und Momentanzuckungen auf starken Reiz zeigten. Wie ich schon ge- sagt habe, scheint mir das ein Zeichen von Schädigung zu sein; denn es handelte sich dann um biasse, schlecht genährte Tiere oder um Objekte, die schon zu längeren Versuchen gedient hatten. Nur ein einziges Mal habe ich bei einer Kröte die Umkehrung des normalen Verhaltens gesehen: auf sehr starke Öffnungsschläge AI RE amyn FRE WWIFN ooOoo9o9>09009 vr Fig. 12.. Zuckungen eines indirekt gereizten Krötenmuskels. Methodik wie Fig. 2 (Offnungs- und sehr verlangsamter Schliessungsschlag). Die Zahlen be- deuten Rollenabstände in Zentimetern. 2: usw. bedeutet Verstärkung des primären Stromes auf das Doppelte usw. Ausnahmsweise keine Erhöhung der Zeitzuckungen durch Verstärkung des Reizes. Bei sehr starken Reizen werden die Momentanzuckungen wieder kleiner (vgl. #i und 50). Absteigender Strom. hin stieg die Zuckungshöhe weiter, während sie für Sehliessungs- schläge auf dem bisherigen, schon bei mittelstarken Reizen erreichten Niveau blieb. Bei noch weitergehender Verstärkung der Offnungs- reize trat dann, aber nur für diese Reizart, eine Depression ein. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 41 622 Martin Gildemeister: [7 Es macht den Eindruck, als ob hier eine Lücke existierte, obgleich die Öffnungsströme (ebenso wie alle anderen Reize) immer absteigend waren. Der Versuch ist in Fig. 12 abgebildet. Ich kann keine Erklärung dafür geben. Bei den Vorversuchen war das Verhalten eine kurze Zeit lang das normale gewesen. Das Wesen der gesteigerten Zuckungshöhe auf starke Zeit- reize. Versucht man die geschilderten Erscheinungen zu deuten, so erhebt sich zuerst die Frage, weshalb je nach der Intensität bald die eine, bald die andere Reizart eine stärkere Reaktion zur Folge hat. Dass schwache elektrische Reize desto wirksamer sind, je steiler sie ansteigen, ist eine oft bestätigte Erfahrung. Diese er- klären zu wollen, hiesse die Grundprinzipien der Reizphysiologie zur Sprache bringen. Dazu ist hier nicht der Ort; ich verweise deshalb auf meine bisherigen Mitteilungen über die allgemeinen Ge- setze des elektrischen Reizes!) und auf die demnächst in diesem Archiv erscheinende ausführliche Abhandlung über dasselbe Thema. Hier ist nur zu erörtern, weshalb starke Reize sich umgekehrt verhalten. Bei den abnorm gesteigerten Zuckungshöhen auf starke Zeitreize wird man zuerst an Versuchsfehler, wie etwa unsichern Schluss der Kontakte und dadurch verursachte mehrfache Reizung, denken müssen. Dieser Verdacht ist durchaus von der Hand zu weisen. Denn abgesehen davon, dass frühere Versuche, bej denen ein nach den feinsten physikalischen Methoden geprüfter und als zuverlässig befundener Schliesskontakt ?) benutzt wurde, genau die- selben Resultate geliefert hatten, handelt es sich bei einem grossen Teil der Versuche um Öffnungen von sehr schwachen Strömen, wo von störender Funkenbildung u. dergl. keine Rede sein kann. So befanden sich im Kreise des Öffnungskontaktes bei den Versuchen nach Lapieque’scher Methode höchstens 6 Volt bei 10000 Ohm Widerstand! Schliesslich ist nicht einzusehen, weshalb bei Zeitreizen mehr Störungen eintreten sollten als bei Momentanreizen. Wenn man die Fig. 2, 7, 9, 11 betrachtet, so bemerkt man, dass die Momentanzuckungen (dick gezeichnet) nicht kontinuierlich grösser werden, sondern bei mittelstarken Reizen zuerst auf einer gewissen Höhe verharren, um dann erst bei weiterer Verstärkung 1) S. 610 Anm. Siehe besonders die dort zuletzt zitierte Arbeit Münchener med. Wochenschr. Nr. 21, 23. Mai 1911. 2) M. Gildemeister und ©. Weiss, Über einen zuverlässigen Platin- schliesskontakt. Ann. d. Physik (4) Bd. 17 S. 174. 1905. Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. 1. 623 sprungweise wieder zu wachsen. Auch die Fig. 5 zeigt Andeutungen davon. Ich glaube, dass es sich hier um die Fick’schen „über- maximalen Zuckungen“ handelt!). Bei den Zeitzuckungen (dünn gezeichnet) ist ein solches stufenweises Ansteigen nur an- deutungsweise (Fig. 2, 3, 8, 10) oder gar nicht (Fig. 5, 7, 9, 11) zu sehen, so dass hier der Name „übermaximale Zuckungen“ eigent- lich nicht zutrifft, da ja hier die Stufe, deren Höhe als Maass der „maximalen Zuckung“ dienen könnte, nicht vorhanden ist. Indessen wird man ihn doch anwenden können, wenn eben die Momentan- zuckungen der ersten Stufe als Normalmaass und alle grösseren als „übermaximal“ bezeichnet werden. Wenn man die Sache von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, so lautet die Frage, weshalb sich Zeitreize besser zur Hervorbringung von übermaximalen Zuckungen eignen. Nach Abschluss der hier mitgeteilten Untersuchungen ?) ist eine Arbeit von P».Hoffmann?) erschienen, welche diese Frage beantworte. Hoffmann hat ge- funden, dass Zeitreize von einer gewissen Intensität an zu mehr- fachen Aktionsströmen Anlass geben. Er erwähnt, dass die resultierenden Zucekungen infolge von Superposition dann abnorm hoch werden. Es handelt sich offenbar um dieselbe Erscheinung, die in dieser Arbeit behandelt worden ist. Man könnte allenfalls den Einwand erheben — mir liegt es fern, dies zu tun, aber ich halte es doch für nützlich, dass alle Möglichkeiten erwogen werden —, dass die Zeitreize dieses Autors (hergestellt durch rasche Veränderung eines Flüssigkeitswiderstandes) infolge von kleinen Flüssigkeitswellen vielleicht nieht ganz kontinuierlich gewesen seien. Bis jetzt verfüge ich noch nicht über das nötige Instrumentarium, um die Aktions- ströme, welche von den oben beschriebenen, ganz einwandfreien Zeitreizen hervorgebracht werden, zu registrieren. Noch eine zweite Deutung der abnorm hohen Zeitzuckungen ist möglich. Es könnte die Zuckung jedes einzelnen Muskelquer- schnittes eine zeitlicheDehnung erfahren, so dass die Gesamt- zuckung, die aus den nacheinanderfolgenden Kontraktionen der ein- zelnen Querschnitte resultiert, eine grössere Höhe erreicht, in ähnlicher 1) Man vergleiche Fig. 7 dieser Arbeit mit der Fig. 10 auf S. 139 des 3. Bandes der Fick’schen Gesammelten Schriften. 2) Beendigt im April 1910. 3) P. Hoffmann, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1910 S. 247. 41 * 624 Martin Gildemeister: Weise, wie es F. W. Fröhlich!) für die scheinbare Funktions- steigerung bei beginnender Ermüdung annimmt. Freilich ist es nieht recht einzusehen, wie bei indirekter Muskelreizung eine solehe Dehnung zustande kommen soll; man müsste schon annehmen, dass der Erregungsprozess im Nerven selbst eine Dehnung erfährt, und das ist (siehe die zitierte Arbeit von P. Hoffmann) höchst unwahr- scheinlich. Mit der Frage, die den Ausgangspunkt dieser Untersuchungen bildet, haben diese Erörterungen nichts zu tun. Es kam darauf an, zu untersuchen, ob Frosch und Kröte prinzipielle Unterschiede auf- weisen, und diese Frage muss verneint werden. Vorschlag einer neuen Nomenklatur. Wenn man die Er- scheinungen, die das Thema dieser Abhandlung bilden, kurz be- schreiben will, so vermisst man die zutreffenden termini technici. Bei den vielf®h verschlungenen Beziehungen zwischen Objekt und Reiz hat man sich bis jetzt vorzugsweise das erstere als veränder- lich, den letzteren als konstant gedacht, und von diesem Gesichts- punkt aus die Erscheinungen beschrieben. So beziehen sich die Be- griffe „Anspruchsfähigkeit“, „Erregbarkeit“, „Reizbarkeit“, „Leistungs- fähigkeit“ alle auf Eigenschaften des Objektes, sei es, dass man die Veränderungen dieser Eigenschaften bei demselben Objekt, sei es, dass man ihre Grösse bei verschiedenen Objekten ins Auge fasst. Der Reiz, durch den diese Qualitäten ermittelt werden, gilt als unveränderlich, als blosser Prüfstein ?). Bei Untersuchungen wie den vorliegenden handelt es sich aber um ein unverändertes Objekt, auf welches verschiedene Reize wirken. Es würde dem feststehenden Sinne der Ausdrücke Reizbarkeit usw. widersprechen, wenn man sie in solchen Fällen anwenden wollte, wenn man also sagte: die Reizbarkeit (Schwellenerregbarkeit) eines Muskels sei grösser für Momentan- als für Zeitreize; die Leistungs- fähigkeit (gemessen durch die maximale Funktion) verhalte sich aber umgekehrt. Diese Eigenschaften sind, solange der Muskel sich nieht verändert, auch als unveränderlich anzusehen. So viel, um zu zeigen, dass hier wirklich die passenden Be- 1) F.W. Fröhlich, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 9 S.1. 2) Man vergleiche A. Fick, Gesammelte Schriften Bd. 3 S. 146—148 (De- finition von „Anspruchsfähigkeit“ und „Erregbarkeit“), — W. Th. Engelmann, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1900 S. 321 („Reizbarkeit“ und „Leistungsfähigkeit“). Die Einheitlichkeit der elektrischen Reizgesetze. 1. 625 zeichnungen fehlen. Es handelt sich darum, die Eigenschaften der Reize zu charakterisieren. Ich möchte vorschlagen, solche Reize, welche die gleiche Reaktion veranlassen (sei es nun Muskelzuckung, oder Elektrizitäts- oder Wärmeproduktion, oder sonst ein Zeichen der Tätigkeit) isodynamisch (dövauıs — Wirkung) zu nennen. Ungleich wirksame Reize sind heterodynamisch, der wirksamere ist pleiodynamisch. Vergleicht man nun Zeit- und Momentanreize gleicher Elektri- zitätsmenge (oder bei Dauerschliessungen: gleicher Endintensität) bei indirekter Anwendung miteinander und wählt als Reagens die Höhe der Muskelzuckung, so hat man zu sagen: Sie sind im all- gemeinen, mit Ausnahme einer gewissen mittleren Reizstärke, hetero- dynamisch, und zwar ist bei schwachen Reizen der Momentanreiz, bei starken der Zeitreiz pleiodynamisch. Das gilt für den Frosch ebenso wie für die Kröte; derjenige Teil der Aussage, welcher sich auf schwache Reize bezieht, scheint sogar für alle irritablen Sub- stanzen aller Tiere Gültigkeit zu haben. Diese Ausdrucksweise erklärt nichts, sie dient nur der sprach- lichen Bequemlichkeit. Das scheint mir immerhin ein Gewinn zu sein. Zusammenfassung. In der Literatur findet sich mehrfach (Fick, Schott) die Angabe, dass schnelle Muskeln besser durch schnelle, langsame durch langsame Reize zu reizen sind. Da durch diese Tatsache die Existenz allgemeiner Reizgesetze in Frage gestellt wäre, wurden Frosch- und Krötenmuskeln nach dieser Richtung hin genauer untersucht. Es wurden nur Einzelreize angewendet. Als Momentanreize dienten Öffnungsinduktionsströome, gewöhnliche Kondensator- entladungen und konstante Ströme mit plötzlichem Anstieg; als Zeitreize Schliessungsschläge, verzögerte Kondensatorentladungen und konstante Ströme mit allmählichem Anstieg. Die Objekte waren Gastroenemien, die vom Nerven aus gereizt wurden. Es zeigte sich, dass zwischen Frosch und Kröteiin dieser Hinsicht keine prinzipiellen Unterschiede be- stehen. Beı geringerReizstärke sind die durchMomen- tanreize hervorgerufenen Zuekungendie höheren, bei grosser Reizstärke ist es umgekehrt. Beim Frosch zeigen sich aber diese Erscheinungen nur, wenn die Zeitreize ganz besonders verzögert sind; gewöhnliche Induktionsströme verlaufen dazu nicht 626 M. Gildemeister: Die Einheitlichkeit der elektr. Reizgesetze. I. langsam genug. Dadurch finden die abweichenden Angaben von Schott ihre Erklärung. Die hohen Zuekungen auf starke Zeitreize sind wahrscheinlich als Fick’sche „übermaximale Zuckungen“ anzusehen. Aus diesen Ergebnissen folgt, dass die Methode, die Wirksamkeit von Reizen durch die Höhe der Zuckung zu charakterisieren, nicht eindeutig ist. Dagegen ist die Methode der Schwellenreize ein- wandfrei. AlsSchwellenreiz ist beider Kröte, ebenso wie bei allen bisher untersuchten reizbaren Objekten, der Momentanreiz der wirksamere. Es werden neue termini techniei vorgeschlagen, um die ge- schilderten Erscheinungen kurz beschreiben zu können. 627 (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Elektrokardiogrammstudien. Von Privatdozent Dr. R. H. Kahn. (Mit 12 Textfiguren.) Im folgenden sollen aus meiner Sammlung elektrokardio- graphischer Aufnahmen eine Anzahl von Kurven mitgeteilt werden, welche allgemeines Interesse beanspruchen und sich auf einige wichtigere Punkte der Lehre vom Elektrokardiogramme beziehen. I. Durchschneidung des Atrio-Ventrikularbündels. Die völlige Durehschneidung des Atrio-Ventrikularbündels des Herzens führt zu völliger Dissoziation zwischen Vorhöfen und Kammern !). Elektrographische Kurven hierüber sind mir nicht bekannt. Nur bei Eppinger und Rothberger’) findet sich ein Elektrokardiogramm eines Hundes mitgeteilt, an welchem hinter- einander die Durehschneidung der beiden Tawaraschenkel im Kammerseptum durchgeführt wurde (Fig. Se). Es war vollkommene Dissoziation eingetreten, welche das Tier mehr als '/s Stunde über- lebte. Die Vorhöfe schlugen 150 mal, die Kammern 45 mal in der Minute. Die Form der Elektrogramme der automatischen Kammer- schläge ist eine ganz typische. Sie unterscheidet sich von dem Elektrogramme . das vor den Operationen gewonnen wurde, in der Höhe und auch in der Form der Ausschläge. Die Höhe derselben ist jetzt grösser, namentlich die Nachschwankung ist recht gross. Die Form der Zacken entspricht ganz gut den bei Hunden unter normalen Umständen häufig anzutreffenden Verhältnissen. Die S-Zacke ist ausgesprochen. 1) Die Literatur hierüber ist bei A. E. Cohn und W. Trendelenburg, Untersuchungen zur Physiologie des Übergangsbündels usw. (Pflüger’s Arch. Bd. 131. S. 1. 1910), zusammengestellt. 2)H. Eppinger und J. Rothberger, Über die Folgen der Durch- schneidung der Tawara’schen Schenkel des Reizleitungssystems. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 70 S. 15 d. Sep.-Abdr. 1910. 628 R. H. Kahn: Zum Zwecke elektrokardiographischer Aufnahmen durchschneidet man das Bündel beim Hunde ohne besondere Schwierigkeit folgender- maassen: Das Tier wird eurarisiert, der Thorax wird eröffnet. Nun sticht man ein langes und sehr schmales spitziges Messerchen in den rechten Ventrikel ein. Dabei setzt man die Spitze des Messers an die Wand der rechten Kammer etwas unterhalb des Ansatzpunktes der ventralen Kante des rechten Herzohres. Daselbst findet sich stets einiges Fett, welches von hinten her die Atrioventrikulargrenze des Herzens umgreift, und einige gut sichtbare Blutgefässe, welche von der Atrioventrikulargrenze in die Wand der rechten Kammer ausstrahlen. Indem man diese Gefässe sorgfältig vermeidet, stösst man das Messer rasch durch die Kammerwand und richtet nun seine Spitze gegen das Kammerseptum, indem man sie zugleich ein wenig gegen die Kammerbasis dirigiert. Man stieht in das Septum ein und führt nun einen oder mehrere Schnitte, indem man darauf achtet, dass das Messer wie ein zweiarmiger Hebel bewegt wird, dessen Drehungspunkt in der durchstochenen Kammerwand liegt. Mit einiger Übung ist man imstande, das Kammerseptum knapp unterhalb der Ansatzlinie des medialen Zipfels der rechten Atrio- ventrikularklappe und parallel zu derselben in der Ausdehnung von 10 bis 15 mm zu durchschneiden. In der linken Kammer liegt dann der Schnitt unterhalb der Ansatzlinie der Semilunarklappen. Nach dem Herausziehen des Messers aus der Kammerwand blutet die kleine Wunde gar nicht. Sollte es doch zu einer geringen Blutung kommen, so genügt ein kleiner Wattatupfer, kurze Zeit aufgedrückt, um sie zu stillen. Sofort nach dem Schnitte ist die Dissoziation da. Die Vorhöfe schlagen etwa in dem früheren Tempo weiter, die Kammern, welche sich in der Diastole mächtig mit Blut füllen, schlagen in viel geringerer Frequenz als vorher. Nun wird die Thoraxöffnung mit grossen, in warmer physiologischer Kochsalzlösung getränkten Wattebäuschen geschlossen und die Extremitäten des Tieres mit den Elektroden verbunden. Es lässt sich übrigens die Operation auch derart ausführen, dass man durch temporäre Resektion einiger Rippen an der rechten Brustseite und Eröffnung des Herzbeutels die rechte Kammerwand freilegt und mit dem Messer einsticht. Dazu muss das Tier gut narkotisiert sein, und es muss während der Zeit der Operation durch ein tief in die Trachea vom Maule her eingeführtes Rohr künstliche Elektrokardiogrammstudien. 629 Atmung unterhalten werden. Schliesslich kann man die Thorax- wunde wieder schliessen. Auf diese Weise konnte ich Tiere bis zu 4 Stunden im Käfig am Leben erhalten. Sie gingen dann zugrunde, vermutlich an der überaus ungünstigen Kombination von Narkose, Pneumothorax und Kreislauf- schädigung. Ich zweifie aber nicht daran, dass bei entsprechender Verbesserung der technischen Maassnahmen ein längeres Über- leben der Tiere zu erzielen wäre. Das Resultat einer elektro- graphischen Aufnahme zeigt Fig. 1. Man sieht einen Ausschnitt aus einer längeren Reihe von Elektro- kardiogrammen und erkennt sofort die völlige Dissoziation zwischen Vorhöfen undKammernandemVer- halten der Vorhof- und Kammer- zacken. Die Zahl der Vorhof- zacken P ist viel grösser als die (der Kammerzacken RT. Während die Vorhöfe 174 Schläge in der Minute ausführen, erfolgt die Kammersystole nur 60 mal in der gleichen Zeit (160:55 bei Ep- pinger und Rothberger). Es besteht also ein annäherndes Ver- hältnis von 3:1, jedoch ist die Vorhofschlagzahl kein ganzes Viel- faches der Kammerschlagzahl. Daraus ergibt sich die auch aus menschlichen Elektrogrammen be- kannte Erscheinung, dass die Vor- kammerzacken mit den Ventrikelzacken mannigfach interferieren, wie dies auch in unserer Figur mehrfach zu sehen ist. Die Aufnahme des Elektrokardiogrammes erfolgte bei Ableitung vom rechten Vorderbein und dem linken Hinterbein (Ableitung II). Über die Form der einzelnen Zacken ist Folgendes zu sagen. Die Fig. 1. 630 R. H. Kahn: Vorhofzacken P sind diphasisch. Davon war in diesem Falle sowie: auch sonst im Elektrokardiogramme normaler Hunde und Menschen nichts zu sehen. Denn in allen diesen Fällen verläuft die P-Zacke in der Kurve monophasisch. Diphasische Vorhofzacken sind oft beobachtet worden und zwar vor allem bei den durch starke künstliche Vagusreizung auftretenden Überleitungsstörungen. Sie sind schon in den seinerzeit von Eint- hoven!) veröffentlichten Kurven vom Hunde zu sehen (Fig. 33, 34, 1. auf Taf. 3). Seitdem sind sie in den Kurven verschiedener: Autoren in solchen Versuchen vorhanden. Auch in anderen Fällen. von Isolierung der Vorhofzacken durch Überleitungsstörung lässt sich diese Erscheinung erkennen. So kann man sie in meinen?) Kurven vom Hunde nach starken Adrenalingaben erkennen (am besten in Fig. 20 auf Taf. IX., auch in den anderen), nach welchen ebenfalls solche Störungen auftraten. Kaum angedeutet, aber dock vorhanden, ist diese Erscheinung nach Muskarinvereiftung in den Kurven von Rothberger und Winterberg?) (Fig. 1a auf Taf. VI). Indessen muss hervorgehoben werden, dass in den bereits in grösserer Zahl von verschiedenen Seiten vorgeführten Elektro- kardiogrammen von Isolierung der Vorhofzacken beim Menschen ein solcher Befund meines Wissens nie erhoben wurde. Daraus geht hervor, dass die Ursache für diese Erscheinung nicht, wie Nieolai*} meint, hauptsächlich in dem Umstande zu suchen ist, dass durch die Ableitung von der Körperoberfläche der zweite Teil der diphasischen Vorhofsehwankung verloren geht, sondern dass dieselbe hier auch in einer Änderung des Erregungsablaufes in den Vorkammern gelegen sein muss. Denn am normalen Hunde ist ebenso wie beim Menschen in der Regel bei Ableitung vom Körper nichts von dieser Er- scheinung zu sehen, während dieselbe bei Überleitungsstörungen beim Hunde meistens sofort vorhanden ist. Und während eine solche Änderung des Erregungsablaufes bei Vagusreizung oder Vergiftungen immerhin erklärlich erscheint, ist dies für den Fall der Bündel- durchsehneidung nicht der Fall. Als ebenso auffallend muss die 1) W. Einthoven, Le telecardiogramme. Arch. intern. de Physiol. t. 4 p. 132. 1905. 2)R. H. Kahn, Die Störungen der Herztätigkeit durch Adrenalin im Elektrokardiogramme. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S: 379. 1909. 3) C. J. Rothberger und H. Winterberg, Über scheinbare Vagus- lähmung. Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 233. 1910 4) F. Kraus und G. Nicolai, Das Elektrokardiogramm S. 44. Leipzig. 1910. Elektrokardiogrammstudien. 631 Tatsache bezeichnet werden, dass wohl beim Hunde, auch bei Ab- leitung vom Körper, im Falle der Dissoziation die Vorhofschwankung diphasisch wird, nicht aber beim Menschen. Die Ursachen für die in Rede stehende Erscheinung sind unklar, Auch die Frage, ob etwa für den zweiten nach unten gerichteten. („negativen“) Teil solcher Vorhofzacken ein Anteil des linken Vor- hofes besonders in Betracht komme, ist in Anbetracht der sehr spärlichen und unsicheren hierher gehörigen Befunde aus der Literatur vorläufig gar nicht diskutierbar. Die Kammerzacken in unserem Elektrokardiogramme (Fig. 1); weisen im allgemeinen typische Form auf. Sie bestehen aus einer R-Zacke, einer tiefen S-Zacke und einer hohen Nachsehwankung. Unsere sowie die oben erwähnte Kurve von Rothberger und Winterberg am Hunde sowie alle mir bekannten Dissoziations- kurven vom Menschen !) stimmen in diesem Punkte überein. Die Kammerelektrogramme sind in allen diesen Fällen von ganz typischem Aussehen. Dieser Umstand lässt scheinbar vermuten, dass die Er- regung für die Kammermuskulatur in diesen Fällen von einem Punkte ausgeht, welcher auf dem gewöhnlichen Wese liest, den sonst die Erregung auf dem Wege von den Vorkammern zu den Kammern nimmt, das heisst von einem Punkte des Bündelsystemes. Indessen. stossen solche scheinbar sehr einfache Annahmen bei der Verarbeitung der in den verschiedenen hierher gehörigen Untersuchungen fest- gestellten Tatsachen auf eine Reihe von Schwierigkeiten, von denen eine an dieser Stelle auseinandergesetzt werden möge. Eine ganze Reihe von Untersuchungen scheint dafür zu sprechen, dass in allen Fällen, in welchen der Ursprungsort des Reizes für einen Kammerschlag in der einen oder der anderen Kammer selbst liest, und auch dann, wenn der auf normalen Bahnen (Bündelsystem) kommende Reiz eine der beiden Kammern allein oder zuerst erreicht, anomale Kammerelektrogramme, grosse, diphasische, „atypische“ (Einthoven) Stromesschwankungen auftreten. Dies tritt nämlich sowohl bei künstlich oder natürlich ausgelösten Extrasystolen ebenso ein wie nach Durchschneidung eines Tawara’schen Schenkels. Nun sehen wir aber in dem Falle von Eppinger und Rothberger 1) Einige solche Kurven finden sich in den bei A. Pfibram und R. H. Kahn, Beitrag zur Kenntnis des Adams-Stokes’schen Syndroms. Prager med. Wochenschr. 1910. Nr. 19, zitierten Arbeiten. 6323 R. H. Kahn: je nach Durchsehneidung beider Schenkel und auch in unserem (Fig. 1) nach Durchschneidung des Bündels kurz vor der Teilung desselben ein ganz typisches Kammerelektrogramm, welches also im Sinne der eben erwähnten Untersuchungen anzuzeigen scheint, dass hier der Ursprungsort des Reizes für die automatischen Kammerschläge nicht in irgendeinem bestimmten Punkte einer der beiden Kammern ge- sucht werden kann. Denn dann müsste das Elektrogramm anomal sein. Vielmehr kann man sich hier nur durch die weitere Annahme retten, dass die Erregung an mehreren Punkten beider Kammern in jenen zeitlichen Verhältnissen automatisch begonnen hat, wie sie dem normalen Geschehen entsprechen. Und daraus würde weiter folgen, dass automatische Kammerschläge mit typischem Elektro- gramme auch einen anderen Ursprungsort haben können als das Bündelsystem. Ich führe diesen Gedankengang, welchen ich gar nicht für zwingend halte, wesentlich nur zu dem Zwecke vor, weil er mit einer Reihe von anderen, welche man ebenfalls anstellen könnte, zeigt, dass es eigentlich nicht zweckmässig erscheint, aus besonderen Erscheinungen im Elektrokardiogramme gleich gewichtige Schlüsse zu ziehen. Es dürfte zweckmässiger sein, die Erscheinungen zunächst sorgfältig vorzuführen und zu beschreiben, zumal ihre Mannigfaltigkeit überaus gross zu sein scheint. Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zu unserer Fie. 1 zurück. Das Kammerelektrogramm ist hier ein ganz typisches, ebenso wie in der Kurve von Rothberger und Winterberg, und ebenso verhalten sich, wie erwähnt, alle bei völliger Dissoziation vom Menschen gewonnenen Elektrokardiogramme. Hier ist nun hervorzuheben, dass sich das beim Hunde während der durch künstliche Vagusreizung zu erzielenden Überleitungsstörungen bestimmt anders verhält. Schon in der oben zitierten ersten Untersuchung Einthoven’s sieht man derartige Elektrokardiogramme, bei denen der Kammerteil ein anomales Elektrogramm darstellt. Die beiden Elektrogramme auto- matischer Kammerschläge in Hering’s!) Fig. 5 dürften ebenfalls anomale sein. In meinen zahlreichen Versuchen habe ich es nie anders gesehen, und aus den bei Kraus und Nicolai”) mitgeteilten 1)H. E. Hering, Experimentelle Untersuchungen an Säugetieren über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 155. 1909. 2) A. 2.0. Elektrokardiogrammstudien. 633 geht es ebenfalls hervor. Allerdings im letzteren Falle nur aus den Kurven, denn im Texte finden sich einander widersprechende Angaben. So sieht man in Fig. 55 (S. 202) einen automatischen Kammer- schlag mit anomalem Elektrogramm, ebenso in Fig. 45 (S. 147). Im Texte (S. 243) heisst es aber, dass sich in Fig. 55 der abnorme Ventrikelschlag ausnahmsweise vorfindet. „Die Regel ist nämlich, dass bei (experimentell hervorgerufenen und klinisch zu beobachtenden) Überleitungsstörungen zwischen Atrien und Kammern im EFlektro- kardiogramm ein (offenbar vom Atrioventrikularsystem ausgehender) typischer Ventrikelsehlag mit Initial- und Finalschwankung sich findet.“ Dagegen heisst es auf S. 155: „Jedenfalls haben wir in fast allen Fällen, in denen während der Vaeusreizung Ventrikel und Atrium unabhängig voneinander schlugen, anomale Elektrokardio- sramme gesehen.“ In der ganzen Abhandlung habe ich aber keinen einzigen automatischen Kammerschlag während künstlicher Vagus- reizung mit typischem Elektrogramme gefunden. Wir stellen also nochmals die bemerkenswerte Tatsache fest, dass die durch künstliche Vagusreizung beim Hunde hervorgerufenen automatischen Kammerschläge von anomalen Elektrogrammen be- eleitet sind. Dagegen findet man in jenen Fällen, in denen beim Hunde eine Dissoziation durch Vergiftungen hervorgerufen wurde, typische Kammerelektrogramme. Diese Erscheinung ist in meinen oben zitierten Untersuchungen nach Adrenalinvergiftung und auch bei Rothberger und Winterberg!) in einem Teile ihrer Kurven zu sehen. In einem anderen aber (z. B. Fig. #) sieht man auch hier anomale Elektrogramme. Überblieken wir also die vorstehenden Frörterungen, so ergibt sich aus ihnen, dass bei Dissoziation zwischen Kammern und Vor- höfen beim Menschen sowie nach Bündel- oder Zweischenkeldurch- schneidung beim Hunde die bisher vorliegenden Untersuchungen als elektrischen Ausdruck der automatischen Kammerschläge typische Elektrogramme ergeben haben. Dagegen finden sich beim Hunde während der durch künstliche Vagusreizung erzeugten Dissoziation anomale Elektrogramme als Begleiterscheinung der automatischen Kammerschläge, während nach Vergiftungen am Hunde beide Er- scheinungen zu beobachten sind. Die grosse Bequemlichkeit, mit welcher man durch das Elektro- DATA O0: 634 R. H. Kahn: kardiogramm die zeitlichen Verhältnisse der Vorhof- und Kammer- schläge feststellen kann, legt es nahe, im Falle der Dissoziation nach Bündeldurchschneidung während der Vagusreizung darauf zu achten, in welchem Umfange sich die Wirkung derselben auf die automatisch schlagenden Kammern erstreckt. Über die Beantwortung dieser Frage herrschen verschiedene Ansichten. Die diesbezügliche Literatur ist bei Erlanger!) zusammengestellt. Aus den hier vorliegenden Untersuchungen kann man entnehmen, dass die Wirkung der Vagus- reizung auf die automatisch schlagenden Kammern sehr inkonstant und geringfügig ist. In den Versuchen von Rothberger und Winterberg’), bei denen ebenfalls Elektrokardiogramme aufgenommen wurden, zeigte sich während der Dissoziation nach Vergiftungen keine chrono- trope Wirkung der Reizung des Vagus auf die automatisch schlagenden Kammern, während die Wirkung auf die Vorhöfe erhalten war. Derartige Versuche nach Bündeldurehschneidung ergeben das gleiche Resultat. Die Figuren 2 und 3 zeigen den Anfang und das Ende einer starken Reizung des rechten Vagus im Elektrokardiogramme nach Bündeldurchschneidung. Der Beeinn der Vagusreizung ist in Fig. 2 an der obersten Linie zu ersehen. Sie stammt von dem Hebel eines elektromagnetischen Signales, weleher synchron mit dem Hammer des zur Reizung verwendeten Induktoriums arbeitete. Sehr rasch nach Beginn der Reizung blieben die bis dahin regelmässig arbeitenden Vorhöfe stehen. Die Kammern schlugen weiter. Die Zeiten zwischen den einzelnen automatischen Kammer- schlägen betrugen auf dem betreffenden Negative vor und während der Vagusreizung ca. 0,93 einer Sekunde. Nach dem Aussetzen der Reizung (Fig. 3) schlugen die Vorhöfe wieder, aber zunächst in verlangsamtem Tempo. Es zeigte sich also hier keine chronotrope Vaguswirkung auf die automatisch schlagenden Kammern. Ob etwa eine stärkeändernde Wirkung stattgefunden habe, lässt sich aus dem Elektrokardiogramme nieht sicher ersehen, jedoch ist zu bemerken, dass das Aussehen der Kammerelektrogramme vor und während der Reizung keinen An- haltspunkt für eine solehe Annahme bietet. 1) J. Erlanger, Über den Grad der Vaguswirkung auf die Kammern des Hundeherzens. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 77. 1909. 2) Aa. 0: Elektrokardiogrammstudien. 635 Indem wir nun den hier besprochenen Gegenstand verlassen, weisen wir noch darauf hin, wie ungemein bequem und durch- sichtig das Elektrokardiogramm es gestattet, derartige Störungen der Herztätigkeit zu studieren. EET ERBE BI a KEIRABHNEREIERFIFE BRBEAEN j ; BUSEIRADEIESF In: HEBEN 1 BEREEN a II. Anämisierung des Kammerseptums. Untersuchungen über das Verhalten des Elektrokardiogrammes nach Unterbindung einzelner Koronararterien scheitern an dem seit langem bekannten Umstande, dass der Verschluss eines Koronar- gefässes oder auch nur eines grösseren Astes eines solchen binnen Fig. 3. 636 R. H. Kahn: kürzester Zeit zu tödlichem Herzflimmern führt ). Die hierbei zu be- obachtenden Erscheinungen im Elektrokardiogramme sind ganz regel- los. Grosse, diphasische Ausschläge nach verschiedenen Richtungen er- scheinen einzeln oder in unregelmässigen Serien, das Elektrokardio- sramm wird ganz abnorm, und nach kurzer Zeit erscheinen die sehr charakteristischen Zeichen des Herzflimmerns in der Saitenkurve. Diese Zeichen bestehen, wie ich?) zuerst gefunden habe, in hohen Saitenausschlägen, welehe im allgemeinen ziemlich regellos. vor sich gehen und zu den sehr geringen Bewegungen, welche am Herzen zu sehen sind, in seltsamem Kontraste stehen. Wie Nicolai wohl ganz richtig vermutet, hat diese Erscheinung ihre Ursache darin, dass sich die zur Zeit des Herzflimmerns geltend machenden, nach den verschiedensten Richtungen verteilten Potentialdifferenzen, welche auf die inkoordinierte Tätigkeit der einzelnen Elemente des Herzmuskels zurückzuführen sind, zu gewissen Zeiten summieren, zu anderen subtrahieren. Auf diese Weise kommt dann eine Kurve zustande, welche nichts anderes anzeigen kann, als die zu den je- weiligen Zeiten an den Ableitungsstellen aus den eben erwähnten Gründen resultierenden Potentialdifferenzen. Da meine eigenen seinerzeit veröffentlichten Kurven viel an Deutlichkeit zu wünschen übrig lassen, und die von Nicolai?) ver- öffentlichte Kurve aus dem Endstadium des Flimmerns stammt, setze ich hier nochmals ein Elektrokardiogramm bei Herzflimmern ein (Fig. 4). Bemerkenswert erscheint mir hier der an anderen der- artigen Kurven auch noch deutlicher erscheinende Umstand, dass die Saitenausschläge gelegentlich sehr regelmässig in Erscheinung treten. Auch kommen Stellen in solchen Kurven vor, welche keinerlei Änderungen der Potentialdifferenzen anzeigen, an denen vielmehr die Saite in Ruhe verharrt. Alle diese Erscheinungen sind wohl auf die oben erwähnten Ursachen zurückzuführen, und die eben hervorgehobenen Erscheinungen erklären sich eben aus der unend- lichen Mannigfaitigkeit der einzelnen Kombinationen. 1) Die Literatur über diesen Gegenstand findet sich bei OÖ. Langendorft, Herzmuskel und intrakardiale Innervation. Ergebn. d. Physiol. Bd. 1, Abt. 2. 1902. Man vergleiche ferner: Th. Lewis, The experimental production of paroxysmal tachycardia. Heart vol. 1. p. 98. 1909. 2) R.H. Kahn, Beiträge zur Kenntnis des Elektrokardiogrammes. Pflüger’s Arch,Bd. 112673. 197..190%: 3) A. a. O. mit Kraus, S. 144. Elektrokardiogrammstudien. 637 Nun lässt sich aber beim Hunde ein starker Ast einer Koronar- arterie verschliessen, ohne dass dieser Eingriff die gleichen eben be- schriebenen stürmischen Erscheinungen zur Folge hätte. Bei diesem Tiere wird nämlich das Kammerseptum hauptsächlich von einem bestimmten, starken Aste der linken Koronararterie mit Blut versorgt. Dieses Umstandes, welchen ich durch Zufall selbst entdeckt habe, wird meines Wissens in der Literatur nirgends Erwähnung getan. In der Anatomie des Hundes von Ellenberger und Baum (1891) ist von der Blut- versorgung des Septums überhaupt nicht die Rede (S. 366). Auch in der in jüngster Zeit erschienenen anatomischen Untersuchung von Schubert!) ist dieses besonderen Umstandes beim Hunde nicht gedacht. Es handelt sich hier um ein am toten Herzen leicht präparierbares Blut- gefäss. Die linke Koronararterie teilt sich bekanntlich sehr bald nach ihrem Austritt aus der Aorta in einen Ramus eircumflexus und einen Ramus descen- dens. Häufig schon an dieser Teilungs- stelle, öfters auch etwas unterhalb der- selben von dem zweitgenannten Aste entspringt nun beim Hunde ein starkes Gefäss, welches sich sogleich in das Innere des Herzens begibt und zunächst in einem gegen die Herzspitze konvexen Bogen unter dem Endokard der rechten Fläche des Kammerseptums verläuft. An manchen Herzen liegt das Gefäss hier so oberflächlich, dass man es nach Eröffnung der rechten Kammer ohne weiteres unter dem Endokard des Septums wenigstens in einem Teile seines Verlaufes sieht. 1) F. Schubert, Beiträge zur Anatomie des Herzens der Haussäugetiere. Inaug.-Diss. Dresden 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 140. 42 Fig. 4. 538 R. H. Kahn: Von dem Hauptstamme dieses Gefässes nun zweigen sich, wie man an Injektionspräparaten leicht erkennt, reichliche kleinere Äste ab, welche sieh in der Scheidewand verteilen. Und zwar breiten sich dieselben flächenhaft nach oben in die Gegend des Überganes- bündels, nach unten gegen die Papillarmuskelansätze aus, während noch andere die Scheidewand durchsetzen, um unter dem Endokard der linken Scheidewandfläche zu verschwinden. Diese Verhältnisse, welche an Injektionspräparaten schön zu sehen sind, auf deren bild- liche Wiedergabe ich hier aus Sparsamkeitsgründen verzichten muss, zeigen, dass das Kammerseptum beim Hunde der Hauptsache nach von diesem Koronaraste, welchen ich im folgenden als Ramus septi bezeichnen will, mit Blut versorgt wird. Die Abklemmung des Ramus septi nun verursacht eine hoch- gradige, aber vermutlich nicht vollkommene Anämie des Kammer- septums. Eine nichtvollkommene, denn erstens ist es ja bekanntlich strittig, ob die Koronargefässe und ihre Äste als Endarterien aufzu- fassen sind, und in welchem Ausmaasse sich nach Verschluss derselben ein kollateraler Kreislauf ausbilden kann, und zweitens lassen sich anatomisch auch andere kleine Ästehen der Rami descendentes beider Koronararterien präparieren, welche auch zur Vaskularisierung des Septums zweifellos beitragen. Aber es ist doch in Anbetracht der Mächtiekeit des Ramus septi eine hochgradige Anämie des Septums nach seiner Abklemmung zu erwarten. Diese Abklemmung wird in folgender Weise vor- genommen. Das Tier wird eurarisiert, der Thorax geöffnet und der eröffnete Herzbeutel an die Wundränder der Thoraxwunde angenäht. Nun drängt ein Assistent das schlagende Herz mit kochsalzfeuchten Wattetupfern nach rechts und rollt es zugleich derart um seine Längsachse, dass das linke Herzrohr völlig erscheint. Nun ist es Aufeabe des Operierenden, das innere Blatt des Perikardes zwischen dem am weitesten links gelegenen Punkte der Basis der Art. Pul- monalis und dem Ansatze der vorderen Kante des linken Ohres unter sorgfältiger Schonung der grossen venösen Gefässe in einer der Herzachse parallelen Linie und im Ausmaasse von 10—15 mm mit der Schere zu spalten. Die Ränder der Perikardwunde werden mit breiten Klemmpinzetten gefasst, mit denen nun der Assistent das Operationsfeld weiter zugänglich hält, da das Perikard sehr fest ist und, ohne zu zerreissen, starke Zerrung verträgt. Hier ist aber Elektrokardiogrammstudien. 039 sehr darauf zu achten, dass nicht durch die rechts liegende Pinzette die Art. Pulmonalis zugedrückt wird. Nun präpariert man stumpf die linke Koronararterie an der Teilungsstelle in ihre beiden grossen Äste, und sucht die Teilungs- stelle selbst sowie den obersten Abschnitt des Ramus descendens ab (schwierig). An der dem Beschauer abgewendeten Seite des Gefässes findet man den Ramus septi, legt vorsichtig mit geeigneter Unter- bindungsnadel einen Faden mit langen Enden um denselben, löst die Klemmpinzetten und lässt das Herz in seine normale Lage zurück- gleiten. Üble Zufälle, weiche sich dem Ungeübten im Anfange leicht ereignen, sind Verletzung des Bulbus der Art. Pulmonalis mit unstillbarer Blutung, und Flimmern des Herzens infolge zu starken Druckes bei Freihaltung des Operationsfeldes, oder infolge temporärer Abklemmung eines der grossen Äste der Koronararterie bei der Prä- paration. Nach einiger Übung und bei guter Assistenz lässt sich die Operation ziemlich rasch ausführen. Zu beliebiger Zeit kann man nun, indem man die Fadenenden zuschnürt, oder indem man ein Ligaturstäbchen benützt, den Ramus septi dauernd oder zeitweilig verschliessen. Der dauernde Verschluss des Gefässes zieht nun bei Betrachtung des Herzens meistens keine sichtbaren Folgen nach sich. Das Herz schlägt lange Zeit, unter Umständen mehrere Stunden weiter, ohne ins Flimmern zu geraten, ein Umstand, der deshalb besonders hervorgehoben werden muss, weil die Abklemmung eines anderen Koronarastes dieses Kalibers in der kürzesten Zeit und mit der grössten Sicherheit zum Flimmern führt. Indessen kommt auch in unseren Versuchen Herzflimmern vor, aber relativ selten, und ich konnte nach genügender Übung in der Operationstechnik sechs Versuche an verschiedenen Tieren stundenlang durchführen. Welches das regelmässige Ende solcher Versuche ist, kann ich deshalb nicht angeben, weil ja auch ohne einen solchen Eingriff das freigelegte Herz allmählich durch Ab- kühlung usw. nach längerer Zeit zugrunde geht. Manchmal bleibt das Herz einige Zeit nach der Abklemmung plötzlich stehen, gelegent- lich kommt es auch nach längerer Zeit zum Flimmern. Während man also, wie schon erwähnt, bei Betrachtung des schlagenden Herzens keine besonderen Erscheinungen nach Ab- klemmung des Ramus septi wahrnimmt, sind die Veränderungen des Elektrokardiogrammes ungemein charakteristisch. Die ersten Ver- änderungen beziehen sich regelmässig auf jenen Teil des Kammer- 42 * 640 R. H. Kahn: elektrogramms, welcher der R-Zacke folgt. Einige Beispiele sollen dies erläutern. Fig. 5 zeigt das Elektrokardiogramm eines auf die beschriebene Weise vorbereiteten Hundes. Um den Ramus septi ist ein Faden Fig. 6. geschlungen, welcher eine lockere Schleife bilde. Man sieht die Zacken P, R, S und T7, das Elektrogramm ist ein ganz typisches. Nun wird die Schleife fest zugezogen, so dass der Ramus septi un- wegsam wird. Ftwa 5 Minuten nachher wurde wiederum ein Elektrogramm aufgenommen, von welchem ein Ausschnitt in Fig. 6 zu sehen ist. Elektrokardiogrammstudien. 641 Die Änderung im Elektrogramme bezieht sich im wesentlichen auf jenen Teil, welcher der R-Zacke folet. Die Zacke S ist viel kleiner geworden, indem sich der ganze der R-Zacke folgende Kurventeil nach unten gesenkt hat. Dabei ist die Nachschwankung noch gut erhalten. In den folgenden 30 Minuten bildete sich diese Erscheinung noch weiter aus, während zu gleicher Zeit die Frequenz der Herzschläge abnahm. Zu einer weiteren Änderung des Elektro- kardiogrammes kam es deshalb nicht, weil das Herz plötzlich zu shlagen aufhörte. Diese anfänglichen Erscheinungen, welche also darin bestehen, dass sich der mittlere Teil des Kammerelektrogrammes ändert, werden bei längerer Versuchsdauer umfangreicher, indem sie sich ganz typisch auf die Nachschwankung erstrecken. Fig. 7 zeigt wiederum das Elektrokardiogramm eines Hundes vor dem Versuche mit normalen Verhältnissen. Kurze Zeit nach Abklemmung des Ramus septi zeigt das Rlektrogramm Veränderungen, welche sich auch auf die Nachschwankung beziehen. Fig. S zeigt einen Ausschnitt aus demselben. Man sieht hier ebenso wie in dem früheren Falle, dass sich die Saitenkurve tiefer unten an dem absteigenden Schenkel der R-Zacke ansetzt. Es ist aber auch die früher positive Nachschwankung ausgesprochen negativ geworden. Diese Erscheinung ist für die Anfangsstadien der Ver- änderungen nach der Abklemmung des Ramus septi sehr charakte- ristisch, indem sie die regelmässige erste Folge des Eingriffes dar- stell. Und sie erscheint um so typischer, als es leicht gelingt, durch Aufhebung der Abklemmung den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen und durch neuerlichen Verschluss des Gefässes die Erscheinung wieder hervorzurufen. Diese Veränderung der Nachschwankung verdient deshalb be- sonders hervorgehoben zu werden, weil es sich um einen ein be- stimmtes Territorium im Herzen treffenden Eingriff handelt. Denn in unseren Versuchen wird bloss das Kammerseptum, also im Inneren des Herzens liegende Muskulatur anämisiert. Indessen wäre es un- richtig, aus solchen Versuchen bestimmte Schlüsse auf die Genese der Nachschwankung ziehen zu wollen, in dem Sinne, dass ihre Entstehung direkt an das geschädigte Territorium geknüpft sei. Hier ist vor allem zu erwähnen, dass bei bestimmten direkten Eingriffen anderer Art ebenfalls bestimmte Veränderungen der Nach- schwankung festgestellt worden sind. Es haben nämlich Eppinger 642 R. H. Kahn: und Rothberger!) bei Abkühlung bestimmter Partien der Ober- fläche der Herzkammer auf Veränderungen der Nachschwankung aufmerksam gemacht. Die Abkühlung erfolgte durch Chloräthylspray,. welcher es gestattete, isolierte Partien der Kammerwand gefrieren. || Bas. "el Fig. 8, Fig. 7. zu lassen, ohne dass die gefrorene Schicht eine grössere Tiefe als. l mm gehabt hätte. Es ergab sich bei diesen Versuchen, dass die 1) H. Eppinger und J. Rothberger, Zur Analyse des Elektrokardio- grammes. Wien. klin. Wochenschr. 1909 Nr. 21. Elektrokardiogrammstudien. 643 hier erzielten typischen Wirkungen nur die Nachschwankung betrafen, und zwar in der Weise, dass Kälteeinwirkung am linken Ventrikel 7 negativ machte, gleichgültig, ob Basis oder Spitze behandelt wurde. Dagegen bedingte Abkühlung der Basis des rechten Ventrikels ein Wachsen der Nachschwankung, während Abkühlung seiner Spitze den umgekehrten Effekt, wenn auch in geringerem Grade, zur Folge hatte. Nach Aufhören der Abkühlung trat auch hier vollständige Restitution ein. Betrachtet man die Resultate dieser sowie unserer oben ge- schilderten Versuche, so muss man sagen, dass es den Anschein hat, dass die Nachschwankung eine Erscheinung ist, welche durch direkte Eingriffe an verschiedenen Stellen des Herzens sehr leicht wesentlich verändert werden kann. Und zwar scheint die Annahme gerecht- fertiet, dass wir auch in der Nachschwankung eine Resultierende aus einer grösseren Anzahl von Komponenten zu erblicken haben, welche ihrerseits an sehr verschiedene Örtlichkeiten des Herzmuskels geknüpft sind. Die geringste Änderung der Bedingungen für das Entstehen auch nur einer dieser Komponenten kann eine völlige Veränderung der Nachschwankung zur Folge haben. Daher sieht man Veränderungen derselben im Experimente nach den ver- schiedensten gar nicht genauer in ihrer Wirkung zu definierenden Eingriffen). Auch die Untersuchungen von Henle?) und Straub?) am Frosehherzen weisen auf eine derartige Genese der 7-Zacke hin. Auch die grosse Labilität der Erscheinungsweise der Nach- schwankung im Experimente weist auf eine derartige Genese hin. Denn die kleinste irgendwo gesetzte Läsion ist imstande, das Aus- sehen der Nachschwankung zu verändern. Desgleichen ist damit auch der in vielen Untersuchungen immer wieder hervorgehobene Umstand zu erklären, dass die Nachschwankung ganz unabhängig von dem sonstigen Verhalten des Elektrokardiogrammes sehr wech- selnde Formen aufweisen kann. Von grossem Interesse sind unstreitig jene Erscheinungen im Elektrokardiogramme, welche als regelmässige Folge eines längere 1) Die Literatur kierüber ist bei Kraus und Nicolai a. a. O. S. 281 zu finden. 2) K. Henle, Über die Beeinflussung des Elektrokardiogramms durch die polare Wirkung des konstanten Stromes. Zeitschr. f. Biol. Bd. 55 S. 295. 1910. 3) H. Straub, Zur Analyse des Elektrokardiogramms. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 8.499. 1910. 644 R. H. Kahn: Zeit andauernden Verschlusses des Ramus septi der linken Koronar- arterie eintreten. Nachdem infolge der Abklemmung das Elektro- kardiogramm einige Zeit mit: negativer Nachschwankung abgelaufen ist, bildet sich nach längerer Zeit ein Zustand aus, bei welchem das regelmässig schlagende Herz ein Elektrogramm liefert, welches sich vom normalen Typus ganz wesentlich unterscheidet !). Fig. 9 zeigt einen Ausschnitt aus einer solchen Kurve. Man sieht hier rhythmisch ablaufende, stets von einer Vorhofzacke P ein- geleitete Elektrogramme, deren Kammeranteil ein atypisches Verhalten aufweist. Er besteht aus einer hohen, steilen, nach aufwärts ge- richteten Zacke mit unmittelbar folgender breiter und tief nach abwärts gerichteter zweiten Zacke, also aus einer starken diphasischen Stromesschwankung. Die Form derselben erinnert durchaus an die Form jener anomalen Kammerelektrogramme, welche jene Herz- kammerschläge begleiten, die künstlicher oder natürlicher Reizung der rechten Herzkammer ihre Entstehung verdanken ?). Indessen geht hier jedem solehen anomalen Kammerelektro- sramme eine Vorhofzacke voraus, welche beweist, dass es sich nicht etwa um blosse Kammerschläge handelt, sondern dass man es hier mit vollständigen, vom normalen Orte ausgelösten und anfänglich normal ablaufenden Herzschlägen mit atypischem Kammerteile zu tun hat. Nachdem diese Erscheinung längere oder kürzere Zeit gedauert hat, schlägt sie, wie ich öfters beobachtet habe, plötzlich in ihr Gegenteil um. Auch hier sehen wir (Fig. 10) prinzipiell dieselbe Erscheinung wie vorher. Rhythmisch ablaufende vollständige Elektrokardiogramme mit anomalem Kammerteile. Aber diesmal zeigt der letztere gerade das umgekehrte Verhalten. An eine steile und hohe nach unten gerichtete Zacke schliesst sich eine zweite breitere nach oben ge- richtete an. Hier sehen die Kammerelektrogramme aus wie jene 1) Leider ist es mir nie gelungen, den ganzen Verlauf der Erscheinungen verfolgen zu können, da mir für jede elektrographische Aufnahme nur etwa 13 Sekunden zur Verfügung stehen. Hier müsste man einen Registrierapparat mit fortlaufender Schreibfläche benützen. 2) Die Literatur hierüber findet sich zusammengestellt bei R. H. Kahn, Über das Elektrokardiogramm künstlich ausgelöster Herzkammerschläge. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23 Nr. 14. 1909, und: Über anomale Herzkammerelektrogramme. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 Nr. 16. 1910. Elektrokardiogrammstudien. 645 künstlich ausgelösten Kammerschläge, welche durch Reizung der linken Kammer erhalten werden können. Beide eben beschriebenen Erscheinungsformen wechseln mit-